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Full text of "Realencyklopädie für protestantische theologie und kirche"

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^eakncyflopäbic 

für  proteftcmtifcfye 

Ökologie  unb  Ktrcfye 

Begrüntet  form  X  X  *%>tx\vs. 

3n  dritter  üerbefferter  unfc  permefyrter  Auflage 
unter  Xnitunrfung 

tuefer  Cfyeologen  un&  cmöerer  (Seienden 

herausgegeben 

DOTt 

D.  %lbttt  lau* 

Ptofeffor  in  Seipaig 

^wan^Ut  Scmb 


3-  C  Jjtnrtdjs'fcfye  Bucfyfyanöluna. 

$08 


2JIfe  Hedjtc,  tnsbefcmbere  bas  ber  Überfetjung  für  jeben 
ein3elnen  2trtifcl  rorbetjalten. 


S?.  33.  ®o.f=  unb  Untüerfttät§sS8ucPrucIerei  bon  Sunge  &  Softtt  in  Erlangen. 


Dortport 


S3ei  33eenbigung  beg  20.  33anbeg  ber  brüten  Stuftage  ber  proteftantifd^en 
SReatencrjflocä'bie  glauben  mir  ben  Stbnet)mern  beg  SSerfeg  Stugfunft  über  bk  ©rünbe 
beg,  bem  urfprünglict)en  ^Stane  gegenüber,   erweiterten  UmfangS  erteilen  gu  foUen. 

3n  ber  23orrebe  §um  erften  23anbe  ift  bie  Hoffnung  ausgebrochen,  bafj  e§ 
gelingen  »erbe,  bie  garjt  öon  18  83änben,  b.  i.  ben  Umfang  ber  Reiten  Stuftage, 
nid)t  §u  überfcrjreiten.  ©ctjon  bamalg  aber  mürbe  tjerüorgefjoben,  bafe  eine  nidjt 
unbeträcf)tttct)e  Srmeiterung  beg  SBerfeS  noimenbig  fei,  ba  e§  fidfj  in  mancher  ^unficfit 
atg  lüctenfjaft  ertoiefen  fyabt.  ®en  nötigen  9\aum  hofften  mir  burdj  engeren  SDrucf 
unb  burctj  SSerlürjung  einzelner  Strittet  ju  gemmnen.  SeibeS  tuurbe^  burctjgefütjrt. 
Um  nur  eineg  ju  ermähnen,  fo  ftnb  bie  biograpt)ifcb,ett  StrtiM  über  Geologen  beg 
19.  3tot)rr)unbert§  faft  augnatjmgtog  bebeutenb  fnatober  getjatten  als  in  ber  jmeiten 
Stuftage.  Stber  e§  ermieg  fict)  fetjr  batb,  bafj  bie  unumgängliche  Gsrgänjung  einen 
größeren  Umfang  ermatten  mufjte,  atg  anfängttct)  an^unetjmen  mar.  S)ie  ©rünbe 
tagen  fomotjt  in  ber  ©ntmicfetung  ber  ttjeotogtfcfjen  SSiffenfdjaft  mie  im  ©ang  beg 
!irdgtid§en  Sebeng.  Stuf  bem  miffenfclmftlicrjen  ©ebiete  traten  neue  Sßrobteme  in 
ben  SSorbergrunb;  mir  mußten  bem  9?ecfjnung  tragen,  inbem  mir  neue  Strtitet  — 
§.  95.  über  bie  urfürüngtictje  S3erfaffung  ber  djriftttdtjen  Stircfje,  über  ben  beutfctjen 
SbeatigmuS,  über  bie  engtifcßen  Sftoratiften  u.  a.  —  einfcboben  unb  inbem  mir 
anberen  —  §.  23.  über  bie  Pfarreien  —  metjr  9faum  gemätjrten  atg  frütjer.  2Bag 
baS  fircfylictje  Seben  anlangt,  fo  forberte  befonberg  bie  ununterbrochen  macrjfenbe 
Strbeit  ber  inneren  unb  Stufjeren  ÜDttffion  eine  biet  roeitergetjenbe  93erüc£ftct)ttgung 
atg  in  ber  gtoeiten  Stuftage,  ©agu  fam,  bafj  im  Saufe  ber  testen  3at)räerjnte  bag 
Sntereffe  für  bie  fircrjticrjett  23ert)ättmffe  aufjerljatb  ©eutfcbtanbg  immer  reger  ge= 
morben  ift.  @g  erfdfcjien  bem  gegenüber  un§utäfftg,  bie  ©efctjidjte  ber  eüangetifcr)en 
^:irct)e  in  ben  bereinigten  Staaten  §u  ignorieren,  ©benfo  mujjte  bie  reiche  nieber» 
tänbifcbe  Xtjeotogie,  bie  eigenartige  ©ntmictetung  ber  fdjroebtfcfjen  Stirere  u.  a.  beffer 
berüctficl)tigt  raerben. 


2)a§  ftrtb  bie  SSertjdttntffe,  bie  ba%  2Inf<^roeEert  be§  UmfangS  Ü6er  ba§  im 
öarjre  1896  in§  $luge  gefaxte  äftajj  l)inau§  notroenbig  matten.  2öir  glaubten 
irrten  Stecljnung  tragen  gu  muffen.  £>enn  bte  Ablefjnung  biefer  Srgänjungen  mürbe 
eine  ©cljäbtgung  be§  2öerfe§  herbeigeführt  fjaben.  £)ie  (Sintjaltung  ber  aud)  bon 
«nS  gemünfcljten  ©renje  märe  nur  burcr)  eine  Beeinträchtigung  be§  28erte§  <$u  er= 
laufen  gemefen.  £>a§  SBerf  mürbe  baZ  ntct)t  metjr  geleiftet  tjaben,  ma§  e§  leiften 
mitt  unb  foH:  treue,  miffenfcijaftlicf)  jutierläffige  2lu3lunft  über  baZ  Seben  ber  ^ird^e 
in  Bergangenljeit  unb  ©egenmart  §u  gemätiren  unb  in  bie  fragen  einzuführen, 
bie  Sttjeologic  unb  ®irclje  bemegen. 

®afe  baZ  2Ser!  mit  bem  21.  Banbe  gum  Slbfcljlufj  fommt,  fönnen  mir  mit 
aller  «Sicfjerljeit  auSfprectjen.    £>a§  Sftanuflript  liegt  gum  großen  Xeile  fctjon  tmr. 

®a§  ©efamtregifter  ift  nicfjt  nur  im  Sftanuffribt  bötlig  auf  bem  Saufenben, 
fonbern  eZ  finb  aucf)  bie  ©rucfproben  bereits  erlebigt.  ©ie  geben  bie  ©emifjtjeit, 
baf}  auch,  biefer  £eil  tro£  fparfamfter  (Einrichtung  errjeblict)  ü6erftc^tlic£>er  unb  6raucfj* 
barer  ausfallen  mirb,  al§  baZ  SRegifter  ber  ^metten  Auflage.  StrtcE)  glauben  mir,  ba% 
ben  Ferren  Abonnenten,  trenn  audE)  eine  Bereinigung  be§  9ffegifter§  mit  bem 
21.  Banbe  an  fiel)  möglief)  gemefen  märe,  bod)  bie  Trennung  in  §mei  felbftänbige 
Heinere  SSänbe  ermünfdjter  fein  mirb. 

Seidig,  im  Sanuar  1908. 

©er  §erau§geber  £)te  95udjl)anb(ung 


Soorettenbcrgett,  So^an  ^uftu§  ban,  geft.  1903.  —  £.  93.  93affmijen  »an  ben 
33vtnf,  Levensbericht  van  Johan  Justus  van  Toorenenbergen  (in  ben  Levensberichten  der 
afgestorvene  medeleden  van  de  Maatschappij  der  Nederl.  Letterkunde  te  Leiden,  Seiben 
1906  blz.  133—159. 

33on  bier  trübem  ban  toorenenbergen,   bie  äße   in  @I)ren   ber  Rieberlänbifd)en  5 
Reformierten  Äird)e  al§  ^rebiger  gebient  |>aben,   ift  $ob,an  ^uftuö  ber  beitemtefte,  nid)t 
allein,  Weil  er  feine  brei  23rüber  lang  überlebt  l)at,   fonbern   in   erfter  Sinie  burd)  feine 
Wiffenfd)aftlid)en  23erbienfte,  befonber<B  auf  bem  ©ebiet  ber  Rieberlänbifcfjen  ®ird)engefdjid}te. 
Gr  Würbe  ben  12.  gebruar  1822  ju  Utrecht  geboren,   Wo  fein  3Sater  3>uftuS  b.  %.  ^ßro= 
furator  am  ©erid)t  War.    Racljbem  er  ben  Unterricht  an  ber  33oIfSfd)ule  unb  ber  £atein=  io 
fctjule  feiner  SSaterftabt  befucbt  I)atte,   Würbe   er  1839   an  ber  Utrecf)ter  Umberfität  aU 
©tubent  ber  Geologie  eingefcf/rieben.    @r  bollenbete  bort   unter  ben  Sßrofefforen  §.  3. 
Robaarbg,  §.  @.  3Sinle   unb  §.  Souman  feine  ©tubien  unb  würbe  1844  jum  geiftlid)en 
2Imte  in  ber  Rieberlänbifd)en  Ref.  $ird)e   jugelaffen  unb   nod)   in  bemfelben  $al)re  al3 
^ßrebiger  nad)  @l£beet  berufen   unb   am  17.  Robember  bort  orbiniert.    $m  Riat  1848  15 
ftebelte  er  nad)  auffingen  über,  Wo  er  fed)get)n  Qab^re  tl)ätig  blieb  unb  feine  §irtenarbeit 
burd)  feine  ©emeinbe  b,od)gefd)ä^t  rourbe.    Qm  %afyxe  1855  I)atte  er  eine  Berufung  gum 
^ßrofeffor  an  bie  %f)eologifd)e  ©d)ule  ju  ©tellenbofd)  abgelehnt,  bte  bamal§  grabe  für  bie 
Rieberbeutfd)e  Reformierte  Strebe  in  ©übafrifa  errietet  Worben  war.    3Son  1864—1869 
War  er  ©ireftor  ber  Utred)tfd)en  Riiffton§gefellfd)aft  unb  gab  al§  fo!d)er  ben  fünftigen  20 
RZifftonaren  biefer  ©efeßfd)aft  aucb,  Unterricht,  u.  a.  in  ber  ^Dogmatil    ®en  10.  Januar 
1869  würbe  er  Wieber  ^rebiger  an  ber  Rieberb.  Ref.  ©emeinbe  ju  Rotterbam,  unb  blieb 
bier,  bi§  er  am  26.  Januar  1880  bie  ^rofeffur  in  ^tr^engefcfytcljte   alö  Rad)folger  bon 
20.  3RolI  an  ber  ©emeinbeuniberfität  gu  2lmfterbam  mit  einer  Slntrittöborlefung  über  „Het 
wetenschappelijk  karakter  der  geschiedenis  van  het  Christendom"  (Slmfterb.  1880)  25 
antrat.    ^njWifcfyen  War  er  Wegen  feiner  Wiffenfd)aftlid)en  3Serbienfte  bon  bem  ©enat  ber 
Reid)<ouniberfität  ju  Utred)t   am  7.  gebruar  1878   §um   Doctor  Theol.  honoris  causa 
bromobiert  toorben.    gm   S^^re  1892  mufjie  er  nad)  bem   in  ben  Rieberlanben  giltigen 
©efets   Wegen   jurücfgelegter   70jäl)riger  Sebjeit  fein  2lmt  als  ^3rofeffor  nieberlegen.    @r 
ful)r  jebod)  fort  feine  RuB,egeit  bem  ©tubium  ju  Wibmen,  bi§  er  am  12.  ©egember  1903  30 
aU  beinahe  82jäf)riger  SJcann  berfcbieb,   big  ^ule|t  für  bie  Süiffenfcljaft,  bie  er  liebte, 
Wirffam. 

2Sa§  feinen  tf)eologifd)en  ©tanbbunlt  angebt,  fo  d)ara!terifierte  er  ib,n  felbft  a\§ 
@bangelifd)=^onfeffioneU  (ftefye  feine  33rofd)üre:  Waartoe  Evangelisch-Confessioneel? 
Utrecht  1864).  3lm  ®ogma  Wollte  er  bor  allem  bie  fittlid)e  ©eite  betont  Wiffen.  Racb,  35 
biefer  £jinftd)t  War  er  bem  bon  tl)m  bod)gefd)äi$ten  SBinet  geifteSberWanbt.  ©ie  Se= 
fenntnilfccjriften  b,ielt  er  al§  biftorifd^e  ©ebenfgeidtjen  Wert,  aber  er  £)ielt  fid;  nur  foWeit 
für  an  fie  gebunben,  al§  fie  mit  bem  ©bangelium  übereinftimmten.  £a§  2Befen  aber 
unb  bie  $aubtfacr/e  beg  ©bangeliumg  fieb,t  er  „in  ber  £eb,re  bon  bem,  totö  unmittelbar 
mit  unferer  ©rrettung  in  SSerbinbung  fteb,t ;  bie  ©rlenntniö  beä  Ramend  be§  33aterg,  40 
beö  ©of)neä  unb  be§  %  ©eifteS,  auf  ben  Wir  getauft  finb,  unb  beö  SBege§  unferer  ©r= 
rettung  burd)  baö  Dbfer  bon  6I)rifti  Seib  unb  bie  SBefbrengung  mit  feinem  Slut  burd} 
feinen  Sob  unb  fein  2luferftel)en,  bie  Wir  beim  Slbenbmabl  berlünbigen."  ©ein  "3er= 
t)ättnt§  gu  ben  33efenntni§fcb,riften  fe^te  er  beutlid)  in  ber  (Einleitung  feiner  belangreichen 
©djrift  au^einanber  „Eene  bladzijde  uit  de  geschiedenis  der  Nederlandsche  45 
Geloofsbelijdenis"  (§aag  1862),  in  Welcher  er  bie  urfbrünglict/e  3lu§gabe  biefe^  93c= 
fenntniffeä  beröffentlid)te.  %n  315erbinbung  bamit  ftel)t  feine  Slu^gabe  bon  „De  sym- 
bolische Schriften  der  Nederlandsche  Hervomde  Kerk  in  zuiveren  kritisch 
bewerkten  tekst  haar  aangeboden  tot  wettig  gebruik"  (Utred)t  1869,  2.  äluflage 
1895).    ©urd;  baö  belannte  SBerl  beg  2cibenfd)en  ^rof.  3.  £.  ©polten  (f.  b.  vJl.)  über  so 

«Rra(>(SncU(Iot)äbic  für  Xbeoloflic  unb  ßtr*f.     3.  91.  XX.  [ 


2  £oorettenbergcn 

bie  £el)re  ber  TOcberl.  $Ref.  ®ird)e  beranlaf$t,  gab  b.  Soorenenbergen  fein  1852  begonnene 
unb  im  ^al^re  1865  bollenbete  ©cb,rift  „Bijdragen  tot  de  verklaring,  toetsing  en  ont- 
wikkeling  van  de  Leer  der  Hervormde  Kerk.  Theologische  Stellingen  met 
toelichtingen,  naar  aanleiding  van  de  Nederlandsche  Geloofsbelijdenis"  b/er= 
5  auS,  ein  fßerf,  baS  einen  ©cf>a$  bon  bogmatifdjien  unb  luftorifcfyen  üenntniffen  in  ftd) 
birgt.  2lm  boüftänbigfien  lernt  man  feinen  bogmatifcfyen  ©tanbbunft  !ennen  auS  einer 
©djrift,  bie  als  $rud)t  feines  bogmatifdjen  Unterrichts  an  bte  Zöglinge  ber  Utrecfyter 
9ftiffionSgefelIfcr)aft  entftanb  unb  ben  Sttel  trägt  „De  Christelijke  Geloofsleer,  hand- 
boek  voor  Middelbaar  Onderwijs  en  eigen  onderzoek"  (Culemborg  1876,  2.  ber= 

10  mehrte  2luflage  1893).  Unter  ben  beutfd)en  Geologen  füllte  ban  Soorenenbergen  ftdj 
befonberS  angezogen  bon  6.  $.  9ft|fcf>  unb  bem  Tübinger  Vrof.  3-  £•  Vect.  2lu§  bzZ 
[enteren  „Sbjiftücfye  Sieben"  überfe^te  er  mehrere  ins  ^oHänbifdje,  bie  bann  in  jtoei 
Sänbdjen  unter  bem  Sitel  „Wekstemmen"  (2Imfterbam  1880,  1884)  erfdnenen.  SöaS 
er  bon  Setf'S  „Sieben"  fagt,  bajs  fie  „eine  reine  SBibellebre  unb  eine  fräftige  ©eelenfbeife" 

15  barböten,  unb  fidj  bureb,  „Siefe  unb  SHarl>ett,  3Bab,rf»eit  unb  @rnft,  Urfbrünglicfyfett  otjne 
föünftelei"  fennjeidmeten,  baS  gilt  aud)  bon  bau  SoorenenbergenS  eigenen  $rebigten. 
$Der  @rnfi  unb  baS  kernige  feiner  Vrebigten  tritt  u.  a.  in  ein  Vaar  Sänbcfyen  2ebr= 
reben,  bie  er  beröff  entließt  bat,  gu  Sage  (Twaalftal  Kerkredenen,  Slotterbam  1881; 
Laatste  Kerkredenen,  auffingen  1902).  —  (Gegenüber  ber  ^ritif  am  2flten  unb  sJceuen 

20  Seftament  nafjm  er  einen  mdjx  fonferbatiben  ©tanbbunft  ein,  unb  füllte  er  fid)  befonberS 
bon  $ranj  &eli£fd)  angezogen.  ©djriften  bon  biefem  unb  bon  $ameS  Stobertfon  würben 
unter  feiner  3tuffia)t  ins  §oUänbifd)e  übertragen  unb  mit  einer  Vorrebe  bon  feiner  §anb 
b/erauSgegeben.  @r  felbft  fetmeb  eine  2lbf)anblung  über  „Het  oorspronkelijk  Mozaische 
in  'den  Pentateuch"  (Theol.  Studien  1882). 

25  Sie  größten  Verbienfte  jebod)  bon  ban  Soorenenbergen  liegen  auf  bem  ©ebiet  ber 
l)iftorifdjien  gorfdwng.  3m  %ai)rt  1870  mürbe  bureb,  @.  ©roen  ban  Vrinfterer  (f.  b.  21. 
VII,  174)  als  ©fyrenborfüjenben,  20.  ©.  Vrill,  Vernarb  ter  £aar,  beibe  Vrofefforen  ju  Utrecht, 
31.  itur/ber,  £>•  3-  ban  Soorenenbergen  unb  21.  -SS.  ban  Veecf  ßaltoen,  ben  legten  als 
©efretär,  bie  Marnix-Vereeniging  aufgerichtet,  bie  bon  1870—1885  eine  Stetb/e  belang= 

30  reifer  SBerle  beröffentlid)te  (Utrecht,  Serie  I  dl.  1—4;  Serie  II  dl.  1  en  2;  Serie  III 
dl.  1—6),  bie  bebeutfame  Urtunben  aus  ber  ©efcf/icfyte  ber  9cieb.  3ief.  Äircfje  enthalten. 
2ln  biefen  Veröffentlichungen  b,at  ban  Soorenenbergen  einen  gewichtigen,  gemifj  ben  bebeut= 
famften  2lnteil  genommen,  lyn  ber  1.  ©erie  gab  er  als  2.  Seil  „Stukken  betreffende 
de  Diaconie  der  vreemdelingen   te  Emden"  (1876)  fyerauS.     SDtefer   Seil   enthält 

35  1.  baS  Vrototoll  ber  „Diaconie  der  Vreemdelingen",  bie  (Einleitung,  Worin  bie  2Cnf= 
rict>tung  unb  baS  urfbrünglidje  giel  biefer  (Einrichtung  ergä^It  Wirb,  unb  bie  gifte  ber 
®ia!onen  bis  jum  Qafyre  1626;  2.  bie  2luSgaben  über  bie@inlünfte  ber  ®ia!onie  Wäfyrenb 
ber  ^ab/re  1560—1572;  3.  bie  giften  ber  Unterfaßten  bon  1569—1576;  4.  einige  Vei= 
lagen  aus  ben  2lften  ber  9tef.  ©emeinbe  über   bie  SDiafonie  unb   bie  Söatergeujen  unb 

40  aus  ber  @nglifd)en  Hircfyenorbnung.  —  S)er  3.  Seil  ber  1.  ©erie  Iburbe  (1881)  burd) 
i&n  unb  §.  Q.  ^anffen,  ber  Wäfjrenb  ber  Vorbereitung  ftarb,  bem  aber  ban  Soorenen= 
bergen  bie*  @t)re  suiuteS,  „ber  ^aubtbearbeiter  biefeS  SanbeS  ju  fein",  beforgt.  @S  ent= 
bielt  bie  „Handelingen  van  den  kerkeraad  der  Nederlandsche  Gemeente  te 
Keulen  1571—1591."  —  Von  ber  2.  ©erie  gab  ban  Soorenenbergen  ben  1.  Seil  (1872) 

45  f)erauS  „Acten  van  colloquia  der  Nederlandsche  gemeenten  in  Engeland  1575 — 1609. 
2de  stuk  1612—1624",  mit  einem  2tnb,ang,  ber  einen  2luSjug  auS  ben  Sitten  bis  1706 
enthielt.  2lud)  ber  2.  Seil  ber  2.  ©erie  tnurbe  (1882)  bureb,  ifm,  aber  unter  ber  3Jtittoirfung 
bon  §.  D.  Qanffen  herausgegeben :  „Acten  van  Classicale  en  Synodale  Vergaderingen 
der  verstrooide  gemeenten  in  het  land  van  Cleef,  Sticht  van  Keulen  en  Aken, 

so  1571—1589"  —  23on  ber  3.  ©erie  gab  er  ben  1.  Seil  b/erauS  (1873):  „Gheschiede- 
nissen  ende  handelingen  die  voornemelick  aengaen  de  nederduytsche  natie 
ende  gemeynten,  woonende  in  Engelant  ende  int  bysonder  tot  Londen,  ver- 
gadert  door  Symeon  Ruytinck,  Caesar  Calandrinus  ende  Aemilius  van  Culem- 
borgh,    Dienaren    des    Godlicken  Woords"      Süefer   Seil    enthält    toicb,tige    9JJit= 

55  teilungen  betreffenb  bie  ^rrlefjren,  beren  ber  bekannte  6orn.  2lbr.  ban  §aemftebe  befcf) ulbigt 
mürbe.  $n  biefer  3.  ©erie  ersten  ferner  ber  2.  unb  4.  Seil  burd)  if)n  unb  §.  Q. 
^anffen,  unb  ber  5.  unb  6.  Seil  burdj  ib,n  allein  beforgt:  „Brieven  uit  onderscheidene 
kerkelijke  Archieven",  entfialtenb  Vriefe  auS  bem  2lrd)ib  beS  ^ircb,enratS  ju  ©mben, 
fomeit  biefelben  ntebt  in  @b.  3JceinerS'  „Oostvrieschlandts  Kerkelyke  Geschiedenisse" 

6Q  mitgeteilt  maren,  unb  aus  ben  lircfyenarctnben  bon  ®elft  unb  ®öln.  —  Sei  (Gelegenheit 


Soorcimtbergcu  £oaffnht  3 

beg  :)f.)Ojäf)rtgen  ©ebcnftagcg  ber  (Smtbener  ©tmobc  f)tclt  ban  Xoorenenbergen  am  4.  Df= 
tober  1871  in  einer  SDanffeier  gu  ©rnben  eine  Siebe,  bie  in  feinen  „Vaderlandsche 
Herinneringen  1566—1572  (Sfotterbam  1872)  abgebrudt  i(t. 

23efonberg  alg  auggejeiefmeter  Kenner  ber  ^erfon  unb  ber  Söerle  bon  $fy.  Dan  SÖJamir. 
bat  ban  Xoorenenbergen  fid)  einen  tarnen  ertoorben.  Qm  %afyxe  1871  begann  er  r, 
mit  ber  Stuggabe  f  eineg  großen  2öer!eg  „Philips  van  Marnix  Godsdienstige  en 
Kerkelijke  Geschritten,  voor  het  eerst  in  herdruk  uitgegeven  met  historische 
inleiding  en  taalkundige  opheldering"  ('sGravenhage  1871).  ©er  2.  Xit  erfebjen 
1873,  ber  3.  1878,  toäb/renb  1891  noeb,  eine  bebeutfame  ©ammlung  bon  „Varia"  unb 
enblid)  in  feinem  Xobegjafyr  nod)  eine  9iad)lefe  „Marnixiana  Anonyma,  nieuwe  ver-  10 
scheidenheden  uit  en  over  zijne  nalatenschap"  ('sGravenhage  1903)  erfd)ien. 
®iefe  Stuggabe  bon  DJiarnir/  ©Triften,  bie  Dan  Xoorenenbergen  befd)eiben  einen  üfteubrud 
nannte,  mar  bod)  mefyr  als  bag,  ba  barin  berfd)iebene  big  bal)in  nod)  nicfyt  gebrückte 
Briefe  unb  Fragmente  aufgenommen  finb.  ©ein  flarer  Serftanb  unb  ©d)arffinn,  bie 
ftd)  in  allem,  mag  er  auf  f)iftorifd)em  ©ebiet  fd)rieb,  geigt,  lommt  aud)  beutlitt)  in  ber  15 
SSeife  ju  Xage,  auf  roeld)e  er  in  feiner  Einleitung  bie  fritifd)en  fragen  befbrtdjt,  bie 
fyinficfytlid)  einiger  ©dnüften  bon  SKarnir.  burd)  5)3rof.  91  $ruin  aufgeworfen  tuorben  roaren. 
©ein  ^ntereffe  an  allem,  mag  SJkrnir.  betraf,  geigte  er  aud)  burd)  feinen  Slrtifel  in  ben 
Theol.  Studien  (1884)  über  „De  Psalmberijming  van  Philips  van  Marnix 
enz."  5n  feinen  oben  genannten  Marnixiana  Anonyma  nab,m  er  aud)  Partei  20 
für  SRarnir.  als  ben  £>id)ter  bon  „2öul)elmug  ban  SJaffauen",  mäl)renb  er  in  ben  Theol. 
Studien  (1896)  eine  fdjarfe  Äritil  gegen  ©.  Xjalma  beröffentlid)te,  ber  in  feiner  X4ffer= 
tation  „^t/ilibg  »an  -JJiarmr."  biefem  ben  33ormurf  mad)te,  I)ie  unb  ba  bon  ber  33ab,n 
beg  ©laubeng  gemid)en  gu  fein. 

Über  bie  t)öd)ft  belangreiche  Stuggabe,  bie  biefer  feine  33üd)erfenner  im  ^afyxe  1882  25 
beranftaltete,  unter  bem  Xitel:  „Het  oudste  Nederlandsche  verboden  boek  1523. 
Oeconomica  Christiana.  Summa  der  Godliker  Schrifturen"  (Seiben  1882),  brauche 
id)  nad)  meinem  SlrtiW  über  bie  Summa  in  biefer  ^Si1®3  (33b  XIX  ©.  162,  8)  I)ier  nid)t 
näl)er  gu  fbred)en.  —  2lud)  auf  bem  ©ebiet  ber  3Jtiffion  I)at  er  u.  a.  in  ber  Neder- 
landsch  Zendingstijdschrift  unb  in  DeGids  berfd)tebene  intereffante  Strtifel  berbffentlid)t.  30 
Über  bag,  roag  er  fonft  nod)  gefd)rieben  I)at,  lann  man  ben  obenermäljmten  Sebengberict/t 
bon  SBaftmigen  ban  ben  83rin!  einfeuert,  ^d)  enbige  l)ier  mit  ben  ©djlufjtoorten  beg= 
felben,  bie  ung  bie  $erfbnlid)feit  bon  ban  Xorenenbergen  geiefmen:  „©ein  ©ebäd)tnig 
bleibt  in  Efyren  unter  allen,  bie  ib,n  gefannt  unb  fein  2ßer!  gefeiert  I)aben,  alg  bag 
eineg  (Sbjiften,  auf  ben  fein  eigeneg  Söort  über  g-  X  S3ecf  bafst :  „(Sr  roar  ^ieffimift,  aber  35 
nid)t  im  ©inne  ber  mobernen  ^^ilofobbte :  er  füllte  unb  ernannte  flar,  roie  grof?  bie 
©ünbe  unb  bag  baraug  entfbringenbe  @lenb  ber  9Jienfd)I)eit  ift;  er  War  Dbtimift,  meil 
er  bie  ®laubengb,offnung  nid)t  finfen  liefe,  bie  ilm  aufmärtg  flauen  liefe" ;  alg  bag  eineg 
©elefyrten,  ber  jebe  Aufgabe,  gu  ber  er  fid)  berufen  füllte,  mit  großer  ©enauigfeit,  an= 
bauernbem  glei§  unb  ftrengem  ©eixnffengernft  löfte."  ©.  2)  \>an  SSeen.     40 

2;orgauer  Slrtifci  f.  b.  31.  Sluggb.  Selenntnig  Sb  II  ©.243, 12. 

Sorgauer  S5u^  f.  b.  2t.  ßonforbienformel  Sb  X  ©.  741,  *>. 

Souffotn  (^offanug),  Daniel  b.^.,  geft.  1602,  reform.  Geologe.    —    Quellen: 
9t.  SRüffer,  3)anteIXof|anu§,  Seben  unb  SKirfett,  Flensburg  1884,  4°;    ßuno,  San.  ^offauu§, 
Slmfterbam  1898,    2  SSbe ;     ^otm  Stenot,    Histoire  de  k  Eeformo  u  Montbeliard,   'DJumtb.  ^ 
1900;     Bulletin  de  la  Soc.  d'hist.  du  Prot,  francais,  passim. 

©aniel  X,  ©obn  ^3eter  Xouffaing,  mürbe  gu  SJiontbeliarb  am  15.  ^uli  1541  ge= 
boren,  ©r  begann  feine  ©tubien  in  feiner  33aterftabt,  fe|te  fie  feit  1555  in  Safel  fort, 
mo  er  gmei  ^atire  blieb,  unb  boHenbete  fie  in  Xübingen.  S'Jad^bem  er  b,ier  ben  9)tagifter= 
grab  erroorben  blatte,  lehrte  er  gu  feinem  33ater  nad;  SJlontbeliarb  gurüd"  unb  übte  fid)  so 
liier  fed)g  9JJonate  lang  in  franjöfifcb^cr  unb  beutftt)cr  ^ßrebigt.  ©a  er  bag  grangöfifcb.e 
nid)t  bbßig  bef>errfd)te,  begab  er  fid)  im  ^uni  1^59  auf  Steifen,  um  fid)  in  granfreid) 
in  aßen  feinen  ©tubien  nod)  gu  berbollfommnen.  5JJad)  einem  2lufentl)alt  bon  einigen 
Monaten  in  ^arig  ging  er  im  5Rai  15(ii)  nad)  Qrlcang,  mo  er  einige  3eit  lang  alg 
Seiner  beg  .(oebräifcb/en  tfyätig  mar.  ^ier  mürbe  er  orbiniert  unb  fogleid  alg  'iprebiger  55 
ber  reformierten  $ird;e  biefer  bamalg  bollrcid)cn  unb  blül;enbcn  ©tabt  angefteUt  (1561). 

3lm  19.  "3Jtär^  1565  bcrb,eiratcte  er  fid;  mitplane  Gouet,  ber  Xod)ter  eineg  ^sarla= 

1* 


4  Souffatn 

mentgabbofaten  in  Varig.  Von  ben  Unruhen  unb  Verfolgungen,  bie  bamalg  granfreicb, 
erregten,  fyatte  er  Diel  ju  leiben,  ^n  jener  $eit  nafym  er  aueb,  jur  Vorfielt  bag  Vfeubontym 
5UJ.  be  Veaumont  an. 

9lm  15.  ©ebtember  1568  jtnang  ein  heftiger  2tufrur)r  ifyn  unb  bie  anberen  ^3re= 
5  biger  Don  Orleans  fiel)  ju  Verbergen.  916er  am  26.  begf.  2Jtonatg  mürbe  er  mit  9Jiatr/ieu 
Veroalbe  entbetft  unb  big  gum  15.  Dftober  gefangen  gehalten.  Run  flob,  er  mit  feiner 
grau  unb  feinen  Äinbern  nacb,  9Jcontargig,  mo  er  einige  $eit  unter  bem  ©dm|e  ber£er= 
jogin  bon  gerrara,  einer  Stod^ter  Submigg  XII.,  berroeilte.  llg  aber  ber  franjofifc^e  $önig 
feiner  £ante  befahl,  alle  Hugenotten,  bie  fid)  nacb,  9Jcontargig  geflutet  Ratten,   ju  ber= 

10  treiben,  flob,  %.  weiter  nad?  ©ancerre ;  E>ter  blieb  er  ein  %afyv.  ®ann  roanbte  er 
fia)  mieber  nacb,  SRontbeliarb,  mo  er  aueb,  mit  grau  unb  üinbern  mieber  jufammentraf. 
@in  %af)t  lang  erlaubten  ü;m  bie  fran^öftfef/en  SBirren  nicfyr,  nacb,  granlreid)  ^uvM^ 
feb,ren;  biefe  geit  benutzte  er,  um  feinem  alten  Vater  in  feinem  2lmte  §u  Reifen. 

Seiber  belam  er  balb  ©treit  mit  einigen  Vrebigern,  bie  il)m  bag  ^rebigen  unter  ber 

15  Slnfdmlbigung  unterfagen  rooßten,  er  entmeifye  bie  äircf)e  bon  9JcontbeIiarb  burd)  falbim= 
fiifcfye  unb  gminglianiftifdjie  ^rrleb^ren,  bie  er  t>on  granlreicb,  mitgebracht  fyätte.  6r  recb> 
fertigte  fieb,  in  einer  ©d)rtft,  in  ber  fieb,  alg  treuen  Slnt/änger  ber  Stuggburgifcfyen  $on= 
feffion  be!annte. 

Ract/bem  bie  Rufye  in  granfreieb,  mieber  I)ergeftellt  mar,  rief  bie  ©emeinbe  bon  Dr= 

20  leang  %.  gurüd,  ber  9Jcontbeliarb  am  17.  ©ebtember  1571  berliefs.  £>ie  2lu3übung  beg 
Vrebigtamteg  mürbe  in  Drleang  felbft  nid)t  mel)r  geftattet,  fonbern  ber  ©ortegbienft  mufjte 
in  bem  jtoet  ©tunben  bon  ber  ©tabt  entfernten  ©d)(offe  ^gle  abgehalten  merben,  bag 
bem  Vaißi  bon  Drleang,  Qeröme  ©roglot,  gehörte.  SDortlnn  gingen  bie  Reformierten  alle 
©onntage,  um  ifyren  ©ottegbienft  ju  feiern. 

25  2lber  biefe  $eit  oer  9xul)e  mährte  nur  einige  SRonate,  unb  aueb,  %.  felbft  fat)  fid) 
jur  gett  ber  Vartfmlomäugnacfyt  (1572)  nod)  größeren  ©efafyren  auggefetjt,  alg  er  fd)on 
beftanben  b,atte.  ®ie  $unbe  bon  ben  ©reigniffen  in  Varig  unb  bon  ber  ©rmorbung  ©rog= 
lotg,  ber  fieb,  gerabc  bort  befanb,  traf  %.  im  ©d)Ioffe  Qgte.  ©ogleicb,  entfcfylofj  fid)  ein 
fatr/olifcfyer  (Sbelmann,  bie  Jöitme  ©roglotg  unb  %.  mit  feinen  lünbern   in  ein  ir)m  ge= 

30  fyb'renbeg  §aug  bei  3Jfontargig  in  ©idjerb/eit  ju  bringen.    @g  mar  aueb,   b^o^e  B^1»  ^enn 

f<f)on  am   folgenben  SEage  griffen   bie  ^atfyolifen  Drleang'    bag  ©djlo^  an,   töteten  bie 

gurüd'gebliebene  ®ienerfd)aft  unb  raubten  alleg  big  auf  ben  ^augrat  unb  bie  Sibliot^e!  %.§. 

tiefer  b,ielt  feinen  erften  guflucfytgort  ^x  jU  menig  fidler  unb  flob,  bon  neuem  nacb, 

SUontargig  ju  ber  „guten  §erjogin",  bie  ifm   in   einen  Slurm  ifyreg  ©d}Ioffeg  aufnahm 

35  unb  mit  Sebengmitteln  fjeimlid)  berforgen  liej?.  £>ier  mürbe  am  27.  ©ebtember  1572  ^Saul 
%.  geboren,  ber  fbäter  bie  Siogra^ie  feineg  9]ater  fet/reiben  follte. 

2{lg  fid)  bie  sDJorbtout  in  granlreicb,  gelegt  blatte,  !ef>rte  %.  ju  feinem  3Sater  nacb, 
SJiontbeliarb  jurüc!  (3.  9Zob.  1572).  2lber  bureb,  bie  ^ntoleranj  ber  lutr/erifcfyen  %i)(0- 
logen  tourbe  er  fcfyon  nao)  einigen  S!öocb,en  roieber  bertrieben.    @r  folgte  nun  einem  Rufe 

40  ber  franjöftfcfjen  Flüchtlinge  nacb,  S3afcl. 

%i).  be  93e§e  bemirfte  balb  feine  ^Berufung  nad;  §eibelberg  an  ben  §of  beg  ^ßfalg= 
grafen  grtebrieb,  III.,  ber  ifm  ju  feinem  §ofbrebiger  ernannte  (3Jcärj  1573).  2)amit 
maren  enblicb,  rubtge  Xage  für  ben  geboten  ^rebiger  gekommen,  ber  §kt  eine  feb,r  be= 
träcb,tlicb,e  ^ätigleit  entfaltete.     3Sier  %at)tz  nacb,  feiner  2lnfunft,  am  26.  Dftober  1576, 

45  miberful;r  if)m  aber  ber  ©cfymerj,  ben  gürften  ju  berlieren,  ber  ib)m  b,ob,e  2lcb,tung  gesollt 
unb  grofteg  Vertrauen  gefcb,enft  b,atte.  griebrieb,  III.  mar  (Salbinift  gemefert,  fein  ©ofm 
unb  9to(|folger,  Submig  IV.,  mar  Sutberaner.  @r  lie^  fieb,  berleiten,  bie  ^5rebiger  unb 
Vrofefforen,  bie  fieb,  feinem  ©lauben  nid)t  anfcb,Ioffen,  aug  §eibelberg  ju  bertreiben.  %. 
mar  einer  bon  biefen,  ib,m  mürbe  bag  $rebigen  unterfagt.    2lber  ber  33ruber  beg  neuen 

50  Vfaljgrafen,  ^ob,ann  £afimir,  ber  ben  calbtmftifdjen  2lnfcb,auungen  feineg  SSaterg  treu 
geblieben  mar,  30g  bie  bon  §eibelberg  bertriebenen  Vrofefforen  unb  ^ßrebiger  nacb,  9Jeu= 
ftabt.  %.  mürbe  b,ier  mit  ber  ^nfbeltion  ber  ^ircb,en  beauftragt  unb  arbeitete  an  ber 
©rünbung  ber  bortigen  2Ilabemie,  an  ber  er  aud)  felbft  Ieb,rte.  Racb,  bem  £obe  bon 
3-  Urfinug  (6.  SJiärj  1583)   berfab,    er  bag  Slmt  eineg  ^rebigerg   in   ber   bon   fremben 

55  Flüchtlingen  gebilbeten  ©t.  Sambertigemeinbe,  beteiligte  fieb  rntt  3ancbiug  unb  Urfinug 
an  ber  §erauggabe  berfeb^iebener  2Ber!e  unb  führte  ben  Vorfiij  in  mehreren  ©^noben. 

Vfal^graf  Submig  IV-  ftarb  1583.  ©ein  33ruber  ^ob,ann  ^afimir  mürbe  ^um  Vor= 
munbe  feineg  b,intcrlaffenen  Neffen  griebrid;  IV  befteUt.  ©eine  erfte  ©orge  mar,  %.  in 
feinen  Rat  ju  berufen.  3ufammen  befebjoffen  fie,  bie  lutb,  erifd) en  Vrofefforen  unb  ^rebiger 

so  ^u  entfernen  unb  mieber  burc^t  calbiniftifcb,e  ^u  erfe^en.    ®a  ^alob  ©rtjnäug,  Vrofeffor 


Souffnin  5 

ber  Geologie  in  £eibclbcrg,  nad)  SBafel  Berufen  mürbe,  ituirbe  %.  gu  feinem  v)iad;foIgcr 
getoäfylt.    Sm  ©ejember  1586  ertoarb  er  ben  tljeologifcfyen  ©oftorgrab. 

2lm  28.  9Jläti  1587  berlor  %.  feine  grau  naefe,  22jäfyriger  @f)e.  18  Monate  barauf, 
am  7.  Robember  1588,  berfyeiratete  er  fid;  ^um  jmeitenmal.  1592  ftarb  ^ofjann  &afimir, 
aber  ba  er  feinen  Neffen  in  calbiniftifdjen  ©runbfätjen  I)atte  ergießen  laffen,  änberte  fein  6 
Xob  nichts  an  ben  religiöfen  SJerbältniffen  ber  $fal§graffd)aft.  1594  mürbe  X  9ie!tor 
ber  Uniberfität  unb  geigte  fid)  ben  2lnforberungen  biefeS  ^ßoftenS  boß  geit>ad)fen.  1596 
bertrieb  bie  $eft  bie  meiften  ^rofefforen  unb  ©tubenten,  bie  fid;  aufjerfyalb  £>eibe!bergS 
in  ©idjerbeit  §u  bringen  fugten,  %.  blieb  auf  feinem  Soften  unb  liefe  nidjt  ab  p  brebigen 
unb  jur  Sufje  ju  ermahnen,  infolge  feinet  2lIterS  münfcfyte  %.  1601  bon  feiner  2ebr=  in 
tf>ätigfeit  entbunben  %u  werben.  Wlan  tonnte  fid;  aber  nid)t  entfcfjltefjen,  ib,m  biefen 
SBunfd)  %u  erfüßen,  geftattete  u)m  jebod)  aße  Sequemlid)feiten,  beren  er  bebürfe.  %.  ftarb 
am  10.  Januar  1602,  61  Qafyre  alt,  unb  mürbe  in  ber  UniberfitätSfabeße  beigefe|t. 

X  i)at  biet  gefcfyrieben.  Riceron  (Memoires)  jäfylt  33  Söerfe  auf.  @r  ftanb  in 
SBerbinbung  mit  aßen  großen  Männern  ber  franjöfifcben  Deformation,  befonberS  mit  Xb.  15 
be  33eje,  grangoiS  £>otmann  u.  a.  ßuno  l^at  il)m  eine  bortreffltcbe  9ftonograbI)ie  gemibmet 
(f.  oben  ©.  3,4t),  in  ber  man  aße  nötigen  bibliograbr)ifd)en  |>inmeife  finbet.  3mme^= 
bin  finb  einige  Briefe  bon  %.  (teils  in  $ariS  teils  in  83efangon  befinbltd;)  nodj  nid)t 
herausgegeben.  34«  Sßienot. 

£ouffailt  (XoffanuS),  ^eter,  geft.  1573.    —     3of)ii  SStenot,  Histoire  de  kEeforme20 
dans  le  pays  de  Montbeliard,  WontbeX  1900,  2  33be. 

$eter  %.,  ber  Reformator  ber  ©raffd)aft  SRömbelgart,  mar  einer  ber  bebeutenbften 
SRänner  auS  bem  erften  geitraum  ber  ReformatiortSgefd;td;te  in  granlreid).  ©eboren 
mürbe  er  im  ^ßfyre  1519  ju  ©t.  Saurent  bei  SRarbiße.  @r  ftubierte  in  5fte£,  23afel, 
$öln,  ^ßariS  unb  Dom.  3m  Sa^re  1515  erhielt  er  ein  Manonilat  in  9JJe£.  £ier  b,örte  25 
%.  gum  erften  "¥lak  bon  ben  Sebren  SutI)erS.  @r  geriet  in  23erbad;t,  ifynert  anhängen, 
unb  flüchtete  be^alb  mit  einigen  greunben  nad;  Safel,  mo  er  mit  garel,  Dfolambab  unb 
(SraSmuS  jufammentraf.  ©er  leitete  embfafyl  iEjrt,  als  er  ben  @ntfd;IuJ3  fafjte,  fid}  nad; 
$ariS  ju  begeben,  an  ©.  33ube(1525).  SSorfyer  batie  %.  meiere 3Me  berfud)t,  nad;9J?e£ 
jurüdjufefyren,  um  bort  bie  neue  Sef)re  ju  brebigen.  %la<i)  fur^em  2lufentba(t  in  $aris  30 
machte  er  einen  neuen  23erfud);  aber  bon  ben  ©tiftSberm  ausgeliefert,  mürbe  er  %u  $ont 
äSRouffon  in  §aft  genommen  (1526).  2lm  11.  SJfärj  1526  mürbe  er,  feiner  ^ßfrünben 
entfe^t,  auSgemiefen ;  feine  93üct)er  b,atte  man  berbrannt.  @r  ging  nun  bon  neuem  nad; 
^3ariS;  SJJargaretba  bon  Dabarra,  ber  il)n  feine  Safeler  greunbe  embfob.Ien  f/atten,  nabm 
fid)  feiner  an  unb  gemährte  ibm  eine  ©teßung  unter  if;ren  ällmofenierS.  2lber  1531 35 
mufjte  er  mieber  aus  granfreid)  metd)en ;  nun  fu3;te  er  in  ßimd;  ^wingli,  in  ©ranbfon 
garel,  in  SSafel  ©uljer  auf.  2)ann  begab  er  fieb,,  um  bie  beutfd)en  Reformatoren  lennen 
ju  lernen,  nad)  SBittenberg.  2luf  bem  Rüdmege  burd)  baS  3Bürttembergifd}e  mirb  er  bon 
feinen  greunben  Slaurer  unb  ©ri^näuS  gurüdg ehalten,  bie  ifym  eine  ©teßung  als  Seftor 
ober  ^3rofeffor  in  ben  Softem  ©t.  ©eorg,  SllbirSbad;  unb  Slaubeuren  gemährten.  @r  40 
befanb  fid;  in  Tübingen,  als  tE>n  §erjog  Ulrid)  gur  Arbeit  in  9JibmbeIgart  berief, 
um  bort  baS  bon  ©at)Iing  unb  garel  begonnene  ReformationSmer!  mieber  aufju= 
nehmen  (1535).  3SJIU  bem  größten  ©ifer  mibmete  er  fid)  biefem  Söerle  unb  eS  gelang 
if)tn  aud;,  ben  anfangs  gurüdfyaltenben  ©rafen  ©eorg,  ÜIrid;S  33ruber,  ber  (Statthalter 
bon  StRömbelgqrt  mar,  mit  fieb,  fortjureifeen.  gaft  4  $ab,re  Ian0  arbeitete  er,  um  bie  45 
ebangelifd)en  Überzeugungen  ben  ©emütern  ein^ubflanjen.  ®er  ^iberfbrud)  beS  Iatbo= 
Iifd)en  Klerus,  bie  SBefdjmerben  ber  Stltgläubigen,  bie  Sefeb.le  unb  ©rolwngen  beS  @r5= 
bifd)ofS  bonSefangon  blieben  of)ne  ©rfolg:  am  5.  SRärj  1539  mürbe  bie  9JJeffe  enbgiltig 
abgefdiafft.  3ur  ©emaltanmenbung  gegen  ^erfonen  fam  eS  nirgenbS;  ben  Äanonifern 
bon  SRömbelgart  mürben  Dubegelber  gemäbjt  unb  bie  meiften  bon  ibnen  jogen  fieb  barauf  bo 
nad)  SBefangon  gurüd.  ^eterX.  trat  an  bie©bi|e  beS  neuen  Hird;enmefenS.  ©eine§aubt= 
forge  mibmete  er  ber  (Erneuerung  beS  ^ßfarrftanbeS,  ber  ©rünbung  unb  Unterbaltung  bon 
©cbulen.  Sabei  fanben  er  unb  feine  3Ritarbeiter  anfangs  mannigfadien  Süiberfbrud;,  ben 
fic  aber  burd;  ©ebulb  unb  burd)  über^eugenbeS  3u«kn  ju  überminben  mußten.  3tß= 
gemaeb  fielen  bie  S3emobner  ber  ©raffebaft  ber  neuen  Seb,re  ju ;  bie  ©emeinben  gaben  55 
fid)  eine  Drganifation  nad)  bem  $öorbi!b  ber  febmei^er  unb  ber  franjbfifcben  ^ird)en.  ®ie 
©raffdjaft  ^Jömbelgart  ftanb  unter  mürttembergifd>er  §ob,cit,  aber  lag  im  franjöfifcben 
©braebgebiet.  ®ie  borten  berufenen  „^räbifanten"  maren  bemgemäfe  fämtlid;  bon  fran= 
jöfifeber  ober  fd)meijerifd)er  älbfunft.  S)ic  meiften  bon  ib,nen  berftanben  nid)t  beutfef).  Xa 


6  Jouffaht 

fie  fieb,  in  £dp  unb  ©otie3bienftform  fireng  an  ba<§  Sorbilb  tE>rcr  beimifd;en  $ird)en 
gelten  unb  bie  bort  üblidjen  ©inricfytungen,  bie  fieb,  bon  ben  beutfdjen  bielfad)  unter= 
fdneben,  in  9JZbmbelgart  tjerrfdjenb  machten,  fo  fam  e§  jWifdjen  iljmen  unb  ben  beutfd)cn 
Fabianen  be3  ©rafen  gfyriftobf)  bon  SBürttemberg,  al§  biefer  im  ^afyre  1542  feinen  ©v§ 
5  in  -JRompelgart  naljm,  gu  langen  unb  ernften  Streitigkeiten. 

%.,  ber  bie  ©emeinben  unter  bem  §erjoge  Ulrich  unb  bem  ©rafen  ©eorg  mit  faft 
bbKiger  greifet  organifiert  unb  ben  fird)ltd)en  ©ebeten  eine  ©eftalt  gegeben  fyatte,  bie 
cbangelifa)  War,  aber  Weber  eine  ftoegififd)  luifjerifebe  noeb,  calbinifcfye  gärbung  trug,  fab, 
fieb,  einem   ifyeologifdjen  gürften,   bem  ©rafen  ßfyriftobb,   unb   feinem  §ofbrebiger  3tnge= 

10  lanber  (©ngelmann)  gegenüber,  bie  e§  unternahmen,  in  5ftömbelgart  ©ebräud)c  Wieber 
einzuführen,  Welche  er  als»  fcfyriftWibrig  betrachtete,  lym  Unmut  barüber  jog  er  ficf>  nacb, 
Bafel  jurücf  (1545)  unb  bat  um  feine  (Sntlaffung.  (Sijiriftobb,  genehmigte  fie  nidjt.  9Jacf) 
unb  nacb,  beruhigten  fieb,  bie  ©egenfäije  unb  %.  natmi  am  1.  Januar  1546  fein  Slmt  in 
9Jiömbelgart  Wieber  auf. 

15  ®ie  (Einführung  bes>  Interim*?  unter  §erjog  Ulricb,  (1548)  führte  baju,  bafs  an= 
gcficb,t§  ber  gemeinfamen  ©efal)r  bie  getrennten  ©emüter  fieb,  einanber  näherten.  SRan 
mufjte  fieb,  in  bie  Umftänbe  fügen  unb  ben  ©türm  über  ftcb,  ergeben  laffen.  %.  blieb  in 
feiner  (Stellung,  ebenfo  ber  ©eiftticfye  bon  23Iamont.  2U(e  übrigen  ©eiftlid^en  aber  würben 
entlaffen,  boeb,  balb  unter  bem  tarnen  „$atecr/eten"  Wieber  eingefe|t.  ®a§  Rebeneinanber 

20  beö  ©ottegbienfteS  bauerte  big  jum  30.  ^uni  1552 ;  bamate  erfdnen  ein  GMafs  bes  §er= 
jogg  lllricf),  betreffenb  2lbfd)affung  ber  SJJeffe  unb  2öiebereinfübjung  ber  ebangelifcfyen 
Religion  in  5RömbeIgart.  9hm  trat  X  Wieber  an  bie  ©bt|e  ber  ©etftlicfycn  mit  bem 
SEttel  ©uberintenbent.  2U§  ßbjiftobb,  feinem  33ater,  bem  ^erjoge  Ulrid),  in  ber  Regierung 
2Bürttemberg§  nachfolgte,  überliefe  er  9J}bmbeIgart  bon  neuem  feinem  DI)eim,  bem  ©rafen 

25  ©eorg  (1553).  ©iefer,  ein  fyumaner  unb  befonnener  3)tann,  Blatte  ba§  größte  Vertrauen 
ju  %.,  beffen  (Sifer  unb  ßfyarafter  überbieg  ba§  gänje  Sanb  zu  Würbigen  mufete.  ®ic 
SinWofmer  Don  SJcömbelgart  gaben  ib,m  einen  23eWei3  t&rer  2Id)tung,  inbem  fie  ifrnt  am 
21.  $uni  1551)  abgabenfrei  baS  Bürgerrecht  berlieb/en. 

%.  fyatte  fieb,  20  Igafyre  borfyer  mit  ^o^anna  üErmquatte,  ber  SEocbter  eines  2öunb= 

30  arjteg,  Verheiratet.  2lu€  ber  ©b,e  entftammten  fünf  üinber,  u.a.:  ©aniel  (f.  b.  borfyergefyenben 
Strtüel);  ©amuel,  ber  ©eiftlicb^er  in  53anboncourt  Würbe;  ^eter,  ber  1567  ©teuerem» 
neinner  bon  Selcfyamr/  Würbe,  unb  1573  ermorbet  Worben  ift. 

©raf  ©eorg  ftarb  1558.  ®ie  fürftlicb.en  ^ormünber  feine§  jungen  ©ob.nes  griebrid) 
(ßf)rifto^b,  bon  Württemberg,  Sßolfgang  bon  ,3toeibrüc!en,  ^ßb,ili^  bon  §anau)  befd;Ioffen, 

35  bie  lutfyerifcfye  Seb.re  in  3JJömbcIgart  ein^ufübren.  ^eologifd^e  ^ommiffare,  ®o!tor 
CS".  S3ibenbad)  unb  ber  ©eiftlid)c  ^onrab  g-Iingbad;,  Würben  ju  biefem  ^Wecfe  nad;  9Jiöm»el= 
gart  gefd)id't.  (Sine  ib,rer  SSJJafercgeln  War  bie  (Sinfüb,rung  ber  württembergifdj>en  ^ird;en= 
orbnung  bom  Qabrc  155!);  fie  Würbe  1560  in3  granjöfifc^e  überfe|t.  ®er  SSiberftanb 
%.$  unb  ber  ©eiftlid)!eit  nötigte  bie  fürftlidjcn  Sormünber,  ^ngeftänbniffe  gu  mad)en,  be= 

40  fonbcr§  ben  ©ebraud)  ber  X.fcfycn  Liturgie  borläuftg  ^u  geftatten.  2lber  biefe  SeWiüigungen 
Waren  eben  nur  borläuftge.  ©d;on  1568  Würbe  bereite  bie  ing  granjöfifd;e  überfetjte 
2Bürttembcrg.  Äircfjenorbnung  gebrudt,  aEe  ^rebiger  erbieltcn  ben  33efeb,I,  i^re  33orfd;riftcn 
ebenfo  binfidjtlicl;  ber  £ef)re  Wie  ber  !ird;licl)en  .Staublungen  ju  befolgen.  ®ie  ^rebiger, 
bie  fidj)  Weigerten,  fid;  ber  Kird)cnorbnung  ju  unterwerfen,  Würben  abgefegt.    3m  5a^rc 

45  1571  lam  $.  Slnbreae  im  Stuftrag  ber  Württcmbergifcben  Regierung  nad)  9)lömbelgart. 
$Die  ©etftltdien  Würben  geprüft ;  ®aniel^.,  ber©obn  beg  Reformators,  Würbe  be<§£anbes> 
berWiefcn,  fein  3>ater  Würbe  penfioniert  unb  burd}  ben  £utf)eraner  §einrid;  (Sfferb^en  erfe^t. 
®er  ^ambf  bauerte  in  biefer  2Ikife  mehrere  ^aljre.  Sitte  ©eifilicbjen,  Weld;e  bie  calbini= 
ftifd^e  ober  bie  jWinglianifcbe  Sefyre  teilten,  Würben  nad;  unb  nadb,  au^geWtefen.  ®ie  rein 

50  biblifcfye  unb  cbangeüfcfje  Slnfcb.auung,  bie  %.  in  sDiömpeIgart  bertrat,  Würbe  bon  bem 
®ogma  ber  Tübinger  Geologen  befiegt.  ®em  alten  ©uberintenbenten  blieb  nur  ber^ob. 
(Sr  ftarb  am  5.  Dftober  1573  im  Sllter  bon  faft  75  Qabjen. 

%.  War  in  9JtömbeIgart  bag  SlJcufter  eine§  ^ßaftorg  unb  ein  berborragenber  Organi= 
fator.    geft  unb  beftänbig,   ju   ftolg,   fid}  bureb,  unrechte  9lad;giebtg!eit  bie  ©unft  feinet 

55  dürften  ju  erlaufen,  oljme  Stnftofe  ju  fud;en,  feftgegrünbet  in  feinen  Überzeugungen,  gereift 
burd)  bie  ©rfabrung  be§  Sebeng,  flug  in  bem,  "ma$  er  unternahm,  im  ©treite  gemäßigt 
unb  ftreng  in  ben  ©itten  —  fo  War  ber  3Jcann,  beffen  Rufym  bie  Reformation  ber  iürcfye 
in  ber  ©raffdjaft  3KömbeIgart  ift.  @r  fdiieb  fid;  bon  garet  Wegen  ber  ©djärfe  feiner 
©brad)e  unb  bon  Salbin,  feinem  greunbe,  in  ber  ©aef/e  ©erbetg,  fein  Sßunbcv,  bafe  fein 

60  ^ob  allgemeinem  Bebauern  f)erborrief. 


Sonffaht  SradjuntttS  7 

33on  XS  L  ordre  qu'on  tient  en  l'eglise  de  Montbeliard  en  instruisant  les 
enfans,  et  administrant  les  saints  sacremens  avec  la  forme  du  mariage  et 
des  prieres,   fd)eint  fid)  nur  ein  eingigeg  @j;emtotor  erhalten  ju  fyaben. 

Soljn  Stönot. 

£rad)otutt8.  —  ßitteratur:  3-  ©•  Sßejjftein,  fReifeberidjt  über  $aurcm  unb  bie  £ra=  5 
djouen  1860;  Le  Bas  et  Waddington,  Inscriptions  grecqncs  et  latines  III,  1870,  n.  2524; 
<3.  «cemll,  East  of  the  Jordan  (1881),  ©.  10 ff.;  Dr.  31.  <3tü6el§  Seife  ncuf,  ber  Diret  et- 
Tulrd  und  Haurän  1882,  t)erau§geg.  Hon  §•  ®utf)e  in  3b$S3  XII  (1889),  ©.  225—302; 
,v>.  §übesfjeimer,  Seiträge  jur  ©eograpfiie  $aläfttna§  (1886),  @.  55—57;  9)1.  üon  Oppen= 
lieim,  SSom  Sltttelmeer  jum  perfifdjen  ©olf  I  (1889),  @.  87  ff.;  ©.  3?mbfletfd),  ®te  ßanbfdjaft  i0 
Haurän  in  römifdjer  geit  it.  in  b.  ©egenimrt  in  3b$S3  XXI  (1898),  @.  1—46;  IS.  Sdjürer, 
©efrfjidtfe  beS  jübifdjen  SSoII§  im  Zeitalter  ^efu  Gfjrifti  3I,  <B.  425  ff. 

2rad)omtiS  Wirb  Sc  3,  1  neben  ^turäa  (f.  b.  2lrt.  33b  IX  ©.  543  f.)  als  ©ebict 
beS  „33ierfürften"  $I)ilibbuS,  eines  ©obneS  aerobes'  beS  ©r.,  begeic^net  für  baS  15.  $ar/r 
beS  KaiferS  SliberiuS,  b.  i.  28/29  nad)  Gl)r.  2Bir  finben  teils  btefen  tarnen  ber  2anb=  15 
fd)aft,  teils  bie  fürjere  %oxm  6  Tgdxcov  tmufig  in  ben  ©d)riften  beS  $ofebtmS.  ©iefe 
Wirb  aud)  beitreten  burd)  baS  n.-dto  ober  -p^ü  ber  ^argume  unb  anberer  jübifd)er 
©d)riften  ber  fbäteren  ßeit,  bie  bamit  3.  %.  baS  bibltfd)e  älrgob  ®t  3,  4.  13 f.;  1  % 
4,  13  Wiebergeben  (bgl.  jebod)  33b  II  ©.  425, 35—41).  ©er  Same  ift  gried)ifct)  unb  be= 
beutet  (bgl.  rgaxvg)  „raur/e,  felfige  ©egenb"  ©er  ©eograbb,  ©irabo  erWäfmt  II,  2  20 
(©.  755,'56)  jWei  ©rbebungen  jenfettS  bon  ©amaStuS,  bie  tQax&veg  genannt  Würben. 
©enauereS  über  bie  Sage  erfahren  Wir  teils  burd)  3DWug/  burd)  ^rrfc^rtftert  unb  burd) 
(SufebiuS,  teils  burd)  bie  neueren  $orfd)ungen  in  jener  ©egenb.  JyofeblmS  nennt  Wieber= 
fyolt  bie  %.  neben  äluranitiS  (=  haurän)  unb  Satanea  (=  33afan  33b  II  ©.422  ff.). 
@r  befd)reibt  fie  Antiq.  XV,  10,  1  §  346 f.  als  eine  bon  Räubern  beWobnte  £anbfd)aft  25 
oI)ne  ©täbte  unb  Slcfer,  reid)  an  unterirbifd)en  ©d)lubfwinfeln  unb  §öl)Ien,  in  benen  fid) 
9Senfd)en  unb  SSieb,  jugleid)  aufhielten.  ©ie  Zugänge  3U  ^nen  haaren  fel)r  eng,  ber 
Saum  in  ib,nen  grofc  unb  ausgebest,  mit  ftinftlidjen  Söafferbeden  unb  Vorräten  gut 
berfef>en.  ©ie  ganje  Umgebung  beftanb  aus  hartem  Reifen  unb  mar  otme  einen  güfjrer 
nid)t  ju  betreten,  ba  bie  $fabe  in  unjäb,Iigen  Krümmungen  Verliefen.  $Da  ^ofebljuS  30 
a.  a.  D.  10,  3  §  360  bie  ©egenb  jmifd)en  ber  %.  unb  ©aiiläa  als  ba§  (Bebtet  beS 
^enoboruS  (f.  unten)  bejeicfynet  unb  Satanea  fomie  3luranitiS  bon  ber  %.  unterfd)eibet, 
fo  fie^t  man  fid;  in  baS  an  Safan  öftlid;  unb  nörböftlid)  angren^enbe  ©ebiet  öermiefen. 
©aju  toajjt  bortxefflid),  baf^  au\  einer  in  el-mismije,  40—45  km  fübüd)  iton  DamaSfuS, 
gefunbenen  Qnfd)rift  biefer  Ort,  baS  alte  ^ßfyaena,  als  jurjrQoxcojuia  tov  Tgaicbvog  ge=  35 
nannt  wirb ;  er  liegt  an  bem  nbrblidjen  Sfanbe  ber  ledschäh  (f.  u.),  bie  33b  II  ©.  423  als 
Dftgren^e  93afanS  unb  ber  heutigen  nukra  angegeben  würbe.  (SufebiuS  fagt  im  Ono- 
masticon  ed.  be  Sagarbe  298  (155),  bafj  bie  %.  jenfeitS  bon  33oftra  in  ber  Söüfte  füb- 
tüärts  bon  ©amaSfuS  liege;  är)nltc6  268  (135)  unb  269  (109).  poIemäuS  V,  15  fefct 
bie  Araber  ber  %.  ebenfalls  in  ben  Dften  bon  93atanäa.  40 

5Rad)bem  ©ee^en  (1805)  unb  S3urdb,arbt  (1810)  biefe  ©egenb  flüchtig  berührt  bitten, 
ermarb  fid)  3.  ©.  SBejjftem,  bamalS  breuf3ifd)er  ÄonfuI  in  S)amaSf"uS,  baS  33erbienft,  auf 
einer  Seife  im  $rübjal)r  1858  bie  beiben  %rad)one  genauer  ju  erforfd)en.  £>er  eine  liegt 
etma  40  km  füböftlid)  Don  SDamaSluS;  er  jerfäßt  in  mehrere  SEeile,  bon  benen  ber  be= 
!anntefte  es-safäh  genannt  wirb.  £)od)  ^at  biefer  öftltdje  %xafyon  mit  ber  biblifd)en  45 
©efd)id)te  nichts  ju  tf>un.  @S  lommt  für  fie  nur  ber  fübUd)  bon  ©amaSluS  unb  Weftlid) 
bon  bem  erfteren  gelegene  in  33etrad)t.  @r  bat  beute  ben  Samen  el-ledschah,  b.  t). 
3uf(ud)tSort.  3118  folget  ift  er  befannt  geworben  in  ben  Kämbfen  ^brabtm  $afd)aS 
gegen  bie  SLürlei,  ber  1838  bei  bem  33erfud)e,  bieS  bon  6000  ©rufen  berteibigte  ©ebiet 
ju  erobern,  nid>t  nur  20000  9Jtann  berlor,  fonbern  aud)  feine  2lbfid)t  enbgiltig  aufgeben  50 
mufete,  ebenfo  Wie  fbäter  1850  ber  tür!ifd)e  ©eneral  -Su^ameb  MibriSlv  ^5afd)a.  ®aS 
ledschäh  ift  ein  gewaltiges  Sabablateau,  baS  fid)  im  ©üboften  an  baS  ^aurangebirgc 
anlehnt  unb  fid)  bon  ba  norbWeftlid)  über  eine  gläd)e  bon  45:32  km  auSbeb,nt.  ®ie 
Sabamaffen  finb  nad)  ben  Beobachtungen  Dr.  ©tübelS  b,aubtfäd)Ud)  aus  bem  SSuIfan 
gharärat  el-kibllje,  Wob,I  aud)  auS  bem  Krater  beS  teil  schlhän  gefloffen.  ©aneben  65 
faben  innerhalb  beS  ledschäh  felbft  ©rubtionen  ftattgefunben.  2)ie  Dberfläd)e,  beren 
äußerer,  ftarf  geglieberter  Sanb  (arab.  lohf)  fid)  burd)fd)nittlid)  um  10  m  über  bie  Um= 
gebung  ergebt,  ift  eine  ftarf  gewellte  ßbenc,  einem  aufgeregten  unb  blbijlid)  erftaaten 
Ülecre  bergleidjbar,  beren  93oben  aus  bultanifd)em  ©eftein  befteb,t  unb  mit  Raufen  bon 
33afaltblöden  bebedt  ift.    ®ie  jaefige  Sababecfe  ift  burd)  jablreid)e  @inbrud)SfeffeI  (arab.  so 


8  $rud)i>Htti§  Srabittou 

käc)  gerrtffen,  bie  fid^>  nur  mit  großer  3Ri%  burcfyfdtreiten  laffen.  SDer  fruchtbare  $umug 
btefer  ©teilen  fyat  menfcbjicfye  ÜJlieberlaffungen  unb  ben  Slnbau  ermöglicht,  ©inige  ©treden 
eignen  ftd^>  jur  SOBetbe.  ©ie  tointerltdjen  9tegentoaffer  toerben  in  unterirbijcfyen  33eden,  bie 
leicht  unftdjtbar  gemacht  merben  fonnen,  gefammelt.  9Zadj  Sage  unb  33efd;affenr;eit  ent= 
5  fbridjt  biefeg  ©ebiet  ber  ©dnlberung,  bie  Qofebljug  fon  bem  SEradjon  a.  a.  D.  gegeben 
fyal  2Bafyrfcr)einIicf;  ift  au<fy  ber  grtedjifcfye  Slugbrud  tq<xx(dv  nichts  anbereg  alg  2Bieber= 
gäbe  bei  arabifd)en  Söorteg  wacr,  bas  eine  fteinige,  fdjtoer  zugängliche  ©egenb  be^eicr/net 
unb  fomofyl  für  bag  safäh  im  Dften  alg  auef)  für  bag  ledschäh  im  SSeften  gebraucht  toirb. 
genoborug  Ijatte  nad?  bem  Sobe  beg  Äönigg  Stifantag  bon  %tuxäa  36  b.  @t;r.  (bgl. 

io  33b  IX  ©.  543  f.)  fübltcfye  Seile  feinet  ©ebietg  bon  ber  Cleopatra  gebaef/iet  unb  mar 
nacb,  ifyrem  SEobe  30  b.  Gb/r.  toa^rfct)einIicr)  tributpflichtiger  §errfd)er  barüber  geblieben. 
©ie  lagen  nacb;  JJofebfyug  Antiq.  XV,  10,3  §  360  zmifcfyen  ber  %.  unb  ©aliläa  unb 
umfaßten  Matfya  (f.  93b  XIV  ©.  574,  e)  fomie  ^aniag  (f.  33b  VI  ©.  381,28)  unb 
beren  Umgebung.  Um  feine  ©infünfte  $u  bermefyren,  lief?  er  burd)  bie  33emolmer  ber  %. 

15  Raubzüge  befonberg  gegen  bie  SDamagcener  unternehmen,  morüber  fief)  bie  betroffenen 
bei  bem  (Statthalter  93arro  unb  bei  2luguftug  befdjtoerten.  ®te  Slnttoort  beg  letzteren  mar 
ber  93efel)l,  ben  Räubereien  ein  @nbe  ju  machen  unb  bag  Sanb  ju  bem  gmed  £erobeg 
bem  ©rofjen  ju  Überreifen,  b.  t).  bie  %.,  bie  heutige  ledschäh,  mit  ifyrem  offenen  93or= 
lanb  im  2Beften,  33atanea,  unb  ber  füblid)  angrenjenben  Sturanitig,  bem  hügeligen  93or= 

20  lanbe  bei  £aurangebtrgeg  (23  b.  GI)r.).  211g  genoborug  ftar&/  fd>enfte  2luguftug  20  b.  6b,r. 
aufy  beffen  ©ebiet  bem  £erobeg  föofebb/ug  Antiq.  XV,  10,  3,  §  360).  ©eine  33e= 
mülmngen,  bie  93emoI)tter  jum  fefjfyaften  Seben  unb  jum  2lderbau  ju  bringen,  fanben  bei 
ben  bigfyerigen  JJomaben  begreiflidjermeife  mefjr  2Biberftanb  alg  23eifaE;  beSBalb  fiebelte 
er  10/9  b.  6f>r.  3000  3>buwäer  bort  an,  bie  toie  eine  33efat5ung   bie  33emoIjmer  in  Drb= 

25  nung  galten  füllten  (Antiq.  XVI,  9,  2  f.  §  285.  292).  SDemfelben  gmede  biente  bie  einige 
Safyre  fbäter  erfolgenbe  2tnftebelung  bon  600  ^uben  aug  33abr/Ionien  unter  ber  güfyrung 
beg  gamarig,  leiten  §erobeg  bie  geftung  33artb/ fyra  (93atl)r/ra ;  bleute  bieHeidjt  bet  eri  im 
®fd;ölän,  f.  33b  VI  ©.  382, 19)  erbauen  liefe  Antiq.  XVII,  2,  1  ff.  §  23.  25  f.  Wad) 
bem  SEobe  beg  $erobeg  4  b.  Gfyr.  beftimmte  2luguftug,  baf$  fein  ©ofyn  ^fiilibbug  (f.  93b  XV 

30  ©.  337)  93atanea  mit  ber  %.  unb  Sluranitil  fomie  einen  Seil  ber  £errfd)aft  be<§  3eno= 
boru§  erhalten  füllte  Antiq.  XVII,  11,  4  §  319;  Bell.  jud.  II,  6,  3  §  95.  ©afür 
fagt  ^ofelp^uS  Antiq.  XVIII,  5,  4  §  137  lürjer  „SEetrard)  über  2.";  ä^nlid;  nennt 
Stgribba  bei  Sß^ilo,  Legat,  ad.  Cajum  §  41  baö  (Sebiet  ^P^ilibbö  lur^meg  bie  fog.  %., 
unb  Sc  3,  1  ermähnt  nur  ^turäa  neben  ber  X    9?arf)   bem  Sobe  ^3f)ilibb§  34  n.  ßfyr. 

35  fiel  fein  ©ebiet  an  bie  ^robinj  ©r/rien,  mürbe  aber  bon  bem  ^aifer  Galigula  37  n.  6bjr. 
bem  „$ömg"  Slgribba,  einem  @n!el  be§  §erobe§  (f.  33b  I  ©.  255)  übermiefen,  ber  el 
big  ju  feinem  Sobe  44  n.  Gljr.  beb,errfc|te  (Sofebb.ug  Bell.  jud.  II,  11,  5  §  215). 
®ann  lam  eg  unter  bie  93ermaltung  römifc^er  ^roluratoren,  bil  ber  ®aifer  ßlaubiul 
53  n.  6b,r.  e§  bem  ©oljne  bei  genannten  2lgribba,  bem  „Könige"  Stgribba  II.  (f.  33b  I 

40  ©.  256),  fcfyenJte,  ber  e3  mafyrfcfyeinlicr/  big  gu  feinem  Sobe  100  n.  ßfjr.  behielt.  ®ie 
%.  fotoie  bie  angrenjenben  Sanbfcf)aften  gelangten  unter  ber  §errfd;aft  ber  Körner  ju 
großer  33Iüte,  bie  bermutlicb,  burd)  bie  graufamen  ^üge  ber  fkrfer  um  615  bernidjtet 
tburbe.  ©ut^e. 

Statins,  ©rmeiterung  bei  ©rabuale,   f.  b.  21.  33b  VII  ©.  57,   buref)   eine  Sln^I 

45  ©cb,rift=,  jumeift  ^falmenberfe,  üblicr)  bon  ©ebtuagefimä   big  Dftern   in   ben  ©onntagg= 

unb  geftmeffen,  bon  aifdjermittmocr)  an  aud;  in  ben  SReffen  am  Montag,  9)Iittmod;  unb 

greitag,  aufeerbem  in  ben  ©eelenmeffen.    (Bafye  unb  9Jame  ift  ma^rfdjeinlid;  altf ireb, lieb, ; 

bie  frühmittelalterlichen  SEb;eoIogen  fyatten  beibeg  nur  gu  erklären.  Sag  gefcfüefyt  3.  93.  bon 

$feubo=2Ucuin  de  div.  offic.  9  MSL101,  ©.1186:  Necnon  —  bene  congruit  diei 

50  Septuagesimae  —  tractus:    De  profundis.   Nam  in  istis  diebus  propter  humi- 

litatem  non  cantamus  hymnum  angelicum,    sc.  Gloria  in  excelsis  Deo,  neque 

Alleluia,  quod  est  canticum  laetitiae  et  exsultationis;  sed  pro  Alleluia  cantamus 

humilem  cantum,  sc.  tractum  qui  a  trahendo  dicitur  eo  quod  tractim  cantetur 

et  significat  gemitum  s.  matris  ecclesiae.     ©ie  Stbleitung  ber  93egeicf)nung  bon  ber 

55  Strt  beg  33ortragg  ift   bermutlid)   richtig.    ©cb,on    in   ber   flaffifcb^en  Satinität   bezeichnet 

tractus  orationis  ben  gehaltenen,  gehobenen  ©til.  ^autf. 

2;rabttiom    —    Sitteratur:  38.  9Rünfdjer,  ^anbBiic^  ber  cfiriftlictjen  ®ogmengefcf)icf|te 
I.  m  (3.  2t.)  1817,  ©.  328 ff.;    berf.,    Se^rb.  ber  diriftl.  Sogmengefd).  (3.  S(.)  II,  1  (1834),' 


£rabittou  9 

3.  98 ff. ;  ©acf,  ÜücFe  unb  IS.  3.  Wifcfd),  lieber  bn§  9tnfet)cn  ber  t)f.  ©djrift  unb  ifjr  Sxr= 
tjöttnid  sur  ©laubenSreget,  Sonn  1827;  g.  S.  ^acobi,  SDie  firdjl.  ßetjre  0.  b.  Srabitiott  unb 
1)1.  @d)rift  in  iljrer  (£iitnnctetuug  bargefteHt,  1.  216t.,  33ertin  1847;  §oljjmann,  Kanon  unb 
Srabition,  SubiotqSburg  1859;*  ©dnuarä,  Seffing  a(3  Geologe  1854,  ©".  161  ff. ;  (£.  £afe, 
^ofcmif,  3.  9t.  (1871),  '©.  64—94;  $.  9«|5fd),  ©runbrijj  ber  cbriftl.  $ogmengefd)td)te,  I.  teil,  5 
1S70,  ©.  243—268;  £t)omafiu§,  ®ogmengefd)td)te,  I.  33anb  (1874),  ©.  29—43  u.2.  9luft.; 
9t.  «ectnber,  (Sbriftl.  2)ogmengefd|id)te,  tjerauägeg.  ü.  g.  £.  Sacobi,  2  Seite,  1857  (I,  @.75ff., 
@.  286—293,  II,  ®.  69,  196  ff.  u.  a.  ©t.);  ^ermann  Deuter,  ©efdjidite  ber  religiösen  9(uf= 
ftärung  im  Mittelalter  I  (1875),  II  (1877);  ^agenbaci),  Setjr&.  ber  ®ugmengefd)id)te  (5.  91.) 
1867;  Uflmcmtt,  Reformatoren  Bor  ber  Reformation  II,  @.  430 ff.;  Dealer,  Setjrbud)  ber  10 
©ljmbotif,  1S76;  $aul  STfdiadert,  ßuangelifdie  ^ßolemif  gegen  bie  römifdje  ,ftird)e  (1885) 
©.  91  ff.;  9lb.  £>arnacf,  Set)rbud)  ber  $ogmengefd)id)te,  3  3333.  1886—90,  3.  9(.,  1894—97- 
9t.  ©eeberg,  ßetjrb.  b.  ®ogmengefd).,  2  3333.  1895.  1898;  ft.  Soofg,  Seitfaben  3.  ©tubium  ber 
Sogmenfctj.,  4.  Stuft.  £atie  1906  (eigentlich  ein  Setirbud)  ber  S@.,  1002  ©.  ftarf);  3.  Äro= 
Batfcbed,  ®a§  ©djrtftprinjip  ber  lutt).  fiirdje  I,  Seidig  1904.  15 

$on  römifdi=fat£)olifd)er  ©eite  ift  ju  »gl.:  ©peil,  ®ie  Setiren  ber  fatrjot.  f  irdie  gegenüber 
ber  prot.  Sßoteinif,  1865;  3.  33.  §etnridj  ($rof.  am  bifdjöflidjen  ©eminar  ju  SKainj)',  3)og= 
matifdje  Geologie  II  (1876)  (burd)  biefeS  unb  filjnlicrje  t^eologifctie  ©rjfieme,  bie  auf  beut 
SBaticanum  ruben,  ift  9ttot)Ier3  ©fimboüf,  6.  Stuft-,  1843,  antiquiert);  SJenjinger,  Enchiridion 
symbolorum,  6.  9t.  u.  ö. ;  3Sincentiu§  SerinenftS,  Commomtorium  ed.  9(ug§burg  (1843)  1867  20 
(uon  einem  SHerifer  ber  SBürjburger  SJiöjefe,  ©cbmibfcbe  33ud)l)anbt.),  beutfct)  Bon  ttlridj  111}  f, 
Kempten  (33ibl.  b.  ßtrcrjenüäter)  1870 ;  S.  Ban  (£&,  Gbjnfoftomuä  ober  ©timmen  ber  Sird)en= 
üäter  über  ba§  nüjjlidje  unb  erbaulidje  33ibe(Iefen,  1824.  ^a^u  bie  fatt).  $)ogmengefdnd}ten 
B.  .£>.  Sfee  (Sefjrb.,  2  3333.  1837—38) ;  &  ©ditoane  (2)ogmengefd).,  4  3333.,  1862—90)  unb 
3.  33ad)  (®ogmengefct).  beS  9Jc91.,  2  3333.  1873—75).  26 

2Benn  Wir  Vroteftanten  bleute  bon  SErabition  fbrecfyen,  fo  berftefyen  Wir  barunter  ge= 
Wöfynlicr;  bie  münblicfye  Überlieferung  im  Unterfd)iebe  bort  ber  fettigen  ©djrtft.  3lCCetn 
biefe  Vefttmmung  ift  feineSWegg  bie  urfbrünglid)e.  Unter  Überlieferung  berftanb  man  ur= 
fbrünglid)  bie  gan§e  aboftolifcfye  £interlaffenfcf/aft,  bie  aboftolifctje  Verlünbigung  in  ihrem 
toeitefien  Umfange,  bie  ^rebigt  unb  bie  ©cbriften  ber  2tbofieI.  ^nfyalt  ber  Überlieferung  30 
aber  mar  ber  bon  ben  St^ofteln  berfünbigte  ©laube,  toelc^en  bie  Urlird^e  toon  il)nen  über= 
lommen  ^atte  unb  ben  fie  in  ber  öffentlichen  SSerfünbtgung  rote  im  ^atecb.umenenunter: 
richte  bon  ©eneratton  gu  ©eneration  $u  immer  neuer  Aneignung  weitergab,  fo  baf$  gegen 
@nbe  be§  2.  2>ar;rlmnbert§  ^renäu§  fc^reiben  fonnte  „hac  ordinatione  et  successione 
quae  est  ab  apostolis  in  ecclesia  veritatis  traditio  pervenit  usque  ad  nos"  35 
(adv  haer.  III,  3)  unb  „biete  33ölfer  au$  ben  Sarbaren,  bie  an  St/riftum  gläubig  ge= 
roorben  finb,  tragen  o^ne  ^abter  unb  Xinte  bie  tyeüfame  £ebreburc|)  ben  ^eiligen  ©eift 
in  i^rem  §erjen  gefcb,rieben  unb  fyaben  nur  bie  alte  münblic^e  Überlieferung,  bie  fie  treu 
bemar/ren"  2ln  biefe  Überlieferung  müfjte  man  fid)  galten,  menn  bie  2lboftel  nid&tS  ©cb,rift= 
Iicf)e§  ^interlaffen  Ratten  (Adv.  haer.  III,  4,  1.  2;  %r/omafiu§,  ©ogmengefcb,.  1,37  ff.).  40 
©rroägen  mir,  bafs  nad)  bem  SEobe  ber  2lboftel  if)te  ©Triften  bod)  nid)t  mit  einem 
©d)Iage  in  ber  ^irclje  berbreitet  werben  tonnten,  fo  Werben  Wir  e§  burcfiaug  begreiflid) 
finben,  ba^  man  in  ben  ©emeinben  ben  £aubtinr/alt  il;rer  münblid)en  33erfünbigung  ficfi, 
fo  gut  e§  eben  ging,  gegenwärtig  b,ielt  unb  münblicfe,  fortbftan^te;  nur  mag  man  fiel) 
biefe  gortbflanjung  nxäft  at§  med)anifd)e§  Sßeitergeben,  fonbern  all  freiere  3tebrobu!tion  45 
borfteßen. 

Um  ben  3>nr/att  berfelben  nä^er  ju  bestimmen,  laffen  fieb,  jWar  nur  Vermutungen 
aufftellen,  aber  bod)  jiemlict)  War/rfcfyeinlidite:  e§  Wirb  bie  Summe  ber  fyeilägefcfyicfytiicfyen 
©runbtl)atfad)en  unb  ©runbWa^r^eiten  geWefen  fein,  Weld)e  in  ber  SEaufformel,  im  ^auf= 
betenntniö  (Symbolum  apostolicum)  unb  in  ben  ©Triften  ber  fog.  aboftolifcfyen  Väter  so 
al<§  aboftolifdjei  Vermächtnis  feftgebalten  Würben,  furj  unb  bünbig  ,v  V.  bei  Ignatius 
ad  Philadelphenos  c.  8.  ^Irjoovg  Xgioxbg  .  .  6  otavgdg  avxov  xal  6  d'dvarog 
xal  i]  ävdoxaatg  avzov  xal  r]  nioxtg  f\  dt  avxov'  (;Eb/omafiu3  a.  a.  0.  38).  Qin 
^ntereffe  be§  fircf)Iict;en  Unterrichte  (Wie  Wir  auf  folgen  3.  V.  aug  ^uftinö  Slbol.  I,  c.  (il 
über  bie  2aufe  unb  c.  66  über  ba§  2lbenbmab,l  fd£)Iiefeen  bürfen,  ^omafiu§  a.  a.  0.  40)  55 
Wirb  biefe  münblid)e  Überlieferung  fd;on  frü^eitig  eine  geWiffe  fefte  gorm  empfangen 
t;aben.  ®ie§  Würbe  bringenb  nötig,  als  fiel)  bie  ©noftiler  auf  aboftolifdje  ©ef)eimtrabi= 
tionen  beriefen  (Tertull.  de  praescr.  haer,  c.  17).  £$f)nen  gegenüber  madite  ^Ier= 
tullian  geltenb,  bafe  ber  ^n^alt  ber  eckten  apofto!ifct;en  Slrabition  boeb,  nur  in  ben  bon 
ben  2lbofteIn  felbft  geftifteten  ©emeinben  (ecclesiae  matrices)  erfabren  Werben  fönne;  eo 
\va*  man  bort  lebte,  fei  eebte  aboftolifcbe  |)interlaffenfd;aft.  ®af3  er  fieb,  bierbei  niebt 
geirrt,  jeigt  bie  incriwürbige  fadt>Iic^e  Übereinftimmung  ber  Xrabition,   Wie   fie   un^3   faft 


10  Srabttton 

glcicbjeitig  bei  ^renäuS,  bei  Sertullian  unb  bei  DrigeneS  begegnet,  ^u  ifyrer  3eit„  3a£) 
eS  alfo  in  ganj  berfefnebenen  (Mieten  ber  $irc£;e  eine  fadjlicb,  etnb,  eitlid^e  münblicfie  Ubcr= 
lieferung,  bie  ©laubenSregel  (bgl.  b.  2lrt.  V,  182),  Welche  als  „furjer  fummarifcfyer  S"= 
begriff  beS  fircljlicfyen  ©emeinglaubens"  gu  bejetc^nen  ift  C£f)omafiuS  a.  a.  D.  I,  38).  2)a 
5  QrenäuS  im  legten  Viertel  beS  2.  ^afyrljmnbertS  biefe  Überlieferung  als  eine  in  ber 
ganzen  Äirctje  borfwnbene  unb  allgemein  anerfannte  anfielt  (adv.  haer.  I,  10,  2;  III, 
3,  1 :  traditio  apostolorum  in  toto  mundo  manifestata  in  omni  ecclesia  est 
(jidgeoTi)  respicere  omnibus  qui  velint  videre):  fo  fann  fie  auf  feinen  %aü  erft  im 
©egenfa|  jum  ©noftictSmuS  entftanben  fein,   fonbern  fie  mufs  ibren  $ern  ba  fyaben,  Wo 

10  ib,n  ^renäuS  mit  Stecht  fud^t,  im  apofiolifct>en  Zeitalter.  2>n  Übereinftimmung  mit  9Jct 
28,  18  ift  ib,r  $ern  baS  33efenntniS  ju  33ater,  ©olm  unb  ©eift,  baS  SEaufbefenniniS,  in 
welchem  bie  gange  ct;riftlict;e  £>etlSbfonomte  befcljloffen  liegt;  baS  fog.  „Symbolum 
apostolieum"  in  feiner  einfachen  ©eftalt  Wirb  ber  bon  ben  SC^Dfielrt  £>er  überlieferte 
SSJcittelbunft  ber  firctjltcijen  irabition  getoefen  fein.    ÜIBirflicb,   ift  aud)   ein   foIcfyeS  ^auf* 

15  befenntniS,  meines»  bie  Täuflinge  bor  ©mbfang  ber  ^aufe  ablegten  unb  baS  noeb, 
gu  §ieronr;muS  ^ett  münblicl)  überliefert  Würbe  („symbolum  fidei  non  scribitur 
in  charta  et  atramento,  sed  in  tabulis  cordis")  fcfyon  bor  bem  ©noftictSmuS 
in  ber  alten  $ird)e  nachweisbar;  benn  bie  alte  $orm,  in  welcher  eS  in  ber  romi= 
fcfyen  Slirclje  gebraust  mürbe,   enthält  übertäubt  noeb,   feine  Sejugnal>me   auf  ^ärefien. 

20  @S  lautete:  Credo  in  Deum  omnipotentem.  Et  in  Christum  Jesum  unicum 
Filium  ejus,  Dominum  nostrum,  qui  natus  est  de  Spiritu  saneto  ex  Maria 
virgine,  crueifixus  sub  Pontio  Pilato  et  sepultus,  tertia  die  resurrexit  a  mor- 
tuis,  ascendit  in  coelos,  sedet  ad  dexteram  patris :  inde  venturus  est  judicare 
vivos  et  mortuos.     Et  in  spiritum  sanetum,   sanetam   ecclesiam,  remissionem 

25  peccatorum,  carnis  resurrectionem"  (abgebrueft  bei  §alm,  SMbliotfyef  ber  ©laubenS= 
fr/mbole,  2.21.,  1877,  ©.  12  f.).  £)a  fiel;  im  %l%  noeb,  leine  ©bur  eineS  fo  auSgeftalteten 
SefenntniffeS  finbet,  fo  liegt  feine  Slbfaffung  jWifctjen  ber  ber  neuteftamentlidjen  ©driften 
unb  bem  Sluftreten  beS  ©nofticiSmuS.  ©o  mögen  im  2.  cfyriftlicfyen  igabjfmnbert  %au^ 
befenntniS  (Symbolum  apostolieum)  unb  ©laubenSregel  (Regula  fidei)  nebeneinanber 

30  befannt  unb  gelehrt  Worben  fein,  jenes  bie  ©ubftanj  bon  biefer,  biefe  bie  (Erweiterung 
bon  jenem,  beibe  aber  ber  §auptmf)alt  ber  um  baS  %afyx  200  noeb,  lebenbig  fliefeenben 
münblidjien  Überlieferung.  2lucf)  jwifeljen  münblidjer  unb  fcf;riftlicf)er  Überlieferung  gab 
es  im  3.  $at;rfmnbert  noef)  feinen  fad^Iid^en  Untcrfdf^ieb.  ®ie  1)1.  ©cfyrift  ift  (nad;  Stybrian 
ep.  74)  „traditionis  caput  et  origo";  bie  naqddoaig  aygacpog   Wirb  nicfyt  aufgefaßt 

es  als  eine  neben  ber  fct;rifilict)en  Überlieferung  borfyanbene  ©rbfje,  fonbern  „als  33eglaubi= 
gung  beffen,  Was  man  im  S&%  unb  in  ben  Wal)rl)aft  apoftolifcfjen  «Schriften  fanb"  (SoofS, 
SD©  4.  21.  1906,  §  19,  2). 

Slber  felbft  $trcf)enbäter,  meiere  gcrabe  für  bie  "irabition  eingetreten  Waren,  erhoben 
if)re  ©timmen   gegen  bie  Überfettung  berfelben.     „Dominus    noster    veritatem   se, 

40  non  consuetudinem  cognominavit",  fdjrieb  ^ertuHian  (de  virg.  vel.  c.  1);  unb 
in  feinem  ©eifte  ßbbrian  (ep.  71):  „baS  §erfommen  ol;ne  bie  2I*af)rbeit  ift  nur  baS 
2lltertum  beS  3j*rtum3"  (Consuetudo  sine  veritate  vetustas  erroris  est).  2lnberer= 
feitS  erfennen  töircfyenbäter,  toelclte  fiel;  im  ganjen  gern  bon  ber  Xrabition  leiten  laffen, 
bie  3ulänglict;feit   ber   ^eiligen  ©cb,rift  an;    fo   2ltl)anafiuS   (Orat.  adv.  gentes  T.  I, 

45  part.  I)  „bie  b,eiligen  unb  moirierten  ©Triften  finb  l;inreicl)enb,  um  bie  2öaf)rb,eit  ju 
berfünbigen"  (avräQxeig  juev  doiv  al  ayiai  xal  r&s6jivsvorai  ygacpal  tiqoq  ttjv  zfjg 
älrj&eiag  änayyeXiav).  ©benfo  2luguftinuS  (de  doctr.  ehr.  II,  9):  „in  iis,  quae 
aperte  in  Scriptura  posita  sunt,  inveniuntur  illa  omnia,  quae  continent  fidem 
moresque  vivendi,  spem  scilicet  et  charitatem" 

50  3nbeS  mar  eS  berfelbe  2luguftinuS,  ber  ben  ©a£  Oracl;:  „Ego  vero  evangelio 
non  crederem,  nisi  ecclesiae  catholicae  me  ammoveret  auetoritas"  (Contra 
Epistolam  Manichaei  cap.  5).  £>ie  fatb,olifcb,e  Äird^e  l;at  bie  t;eUigen  ©cljriften  beS 
9?^S  beglaubigt,  meinte  er  (SoofS  a.  a.  D.  §  49,  1).  2öie  fam  er  ju  biefer  2krl)äItmS= 
beftimmung?    sJJact;  ber  Xrabition  blatte  man  ben5?anon  beS  %l%$  beftimmt;  ba  bie  %xa- 

55  bition,  jumal  in  ilirer  3ufamm«nfaffung  als  ©laubenSregel,  für  apoftolifcfe  galt,  fo  toar 
fie  baS  9ticl;tmafe  für  bie  2tyofioItcität  unb  babureb,  auet)  für  bie  5?anonicität  ber  neu= 
teftamentlicb,en  ©cb,riften  geworben;  biefer  Umftanb  führte  gu  einer  Überfcliä^ung  beS 
3BerteS  ber  Xrabition.  ©ie  Würbe  nämlicf),  im  ©egenfa^  gegen  bie  erften  beiben  Qab,r= 
l)unberte,  als  (SrfenntniSquelle  ber  dt)rtftltc^ett  2öat)rt)ett   neben   ber  1)1.  ©cfi,rift  angefe^en. 

60  2luS  ber  Xrabition  bewies  man  ©ä|e,  Welche  man  in  ber  Sibel  entWeber  gar  nic^t  ober 


Srnbitio«  11 

nur  unbeutlid;  borgetragen  fanb.  (Sb,rbfoftomug  cm^fic^It  für  glaubWürbig  ju  galten,  Wag 
bie  2lboftcI  „aygdqaK  naQaöldooav" ,  neben  ifyrcn  Briefen  (In  ep.  II  ad  Thessal. 
Hom.  IV,  Opp.  t.  XII,  p.  385  bei  3Rünfd&er,  £anbbuc&,  III,  137).  £at  ein  £f)co= 
löge  bon  anerkannter  ©eifiegfreibeit  fo  urteilen  tonnen,  bann  Wirb  man  fid)  nid;t  Wun= 
bem,  bajj  bor  ifym  ber  ortboboje  (Sbibfjaniug  augbrüdlid;  ein  ^rabitiongbrinjib  neben  5 
bcni  eebriftbringib  lel)rt :  dsT  xal  TtagaöSoei  xexQrjoßai,  ov  ydg  ndvxa  ano  xfjg  flelag 
yQa<pi]s  dvraxai  Xajußdvso'&ai '  öiö  xd  juev  iv  yQacpalg,  xd  de  iv  nagadooeaiv 
jiagedwxav  oi  äyioi  djioaxoXoi,  &g  cpi]aiv  6  äyiog  dnöoxoXog  „cog  JiaQsöaoxa 
u/uTv"  xal  äXXoxe  „ovrcog  Siddaxat,  xal  ovxiog  Jiagsdayxa  iv  xolg  ixxXfjoiaig" 
(haer.  61,  6).  35ag  ift  £eb,rc  ber  griednfcfyen  <^ircr/e  geworben,  Wie  3o§anne€  ®ama<8=  10 
cenug  geigt  (De  fide  orthod.  IV,  e.  12:  äyqaqjog  de  ioxiv  fj  nagddooig  avxrj  xcöv 
äxooxöXcov  JioXXd  ydg  dygäcpcog  f]fxiv  TiaQEÖooav;  cf.  c.  16  unb  III,  c.  11.  33gl. 
£oofg  a.  a.  0.  §  44).  gür  biefelbe  Slnficfyt  ift  in  ber  abenblänbifdjen  ®ird;e  Sluguftin 
(f.  oben)  ber  bollgiltige  3euge.  ®D$  toar  ^  gerabe  ein  bogmatifdjer  ©egner  bon  ilmi, 
Wcldjer,  um  bie  auguftinifd)e  $räbeftinaitongIebrc  al§  Neuerung  ablehnen  ju  fönnen,  15 
ben  Segriff  ber  faifyoltfdj=fircr)Iicr;ett  Ambition  feierte,  23incentiug  bon  Serinum.  $War 
ift  bon  feiner  um  bag  %af)v  434  (bgl.  c.  42)  berfafjten  ©ct/rift  „Commonitorium"  nur 
ber  erfte  leil  borbanben;  aber  fcfyon  aug  biefem  läfjt  ftcb,  feb, liefen,  baf?  ib,r  23erfaffer  fie 
gegen  SluguftiwB  $räbeftinationgIeb,re  gerietet  b^at.  (@r  berWirft  bort  in  c.  37  alg  b,äre= 
tifcb,  bie  Sefyre,  bafs  eg  „eine  fbejielle  unb  gang  berfbnlidje  ©nabe  ©otteg  gäbe  in  ber  20 
2lrt,  baf?  alle  jene,  Weldje  gu  il)rer  [b.  i.  biefer  §äretiter]  Qaty  gehören,  ob,ne  irgenb  eine 
Slnftrengung,        .  ob,ne  irgenb  eine  ©elbfttbätigfeit,  boeb,  fo  bon  ©Ott  [mit  ©nabcj 

berfeben  Werben,  baf?  fie  niemals  jum  33bfen  berfüfyrt  Werben  tonnen").    Obgleicb, 

nacb,  ber  Stnficbt  beg  33incentiug  ber  ©dmftranon  „boßlommen  (perfectus)  ift  unb  für 
fid)  altein  gu  allem  genug  unb   übergenug   Ijrinreicr/t  („ad  omnia  sufficiat")  (c.  2),  fo  25 
braucht  man  bod)  gegenüber  ber   fe|erifd)en  33erbrefmng   beg  ©d;riftfinne§   bie  ftrd)licr;e 
Xrabition   al§  3Jia|ftab   für   bie   richtige  Stu^Iegung  ber  23ibel   („necesse  est,  ut 

propheticae  et  apostolicae  interpretationis  linea  seeundum  ecclesiastici  et  ca- 
tholici  sensus  normam  dirigatur"  c.  2).  Qu  biefem  ßtoede  befiniert  er  al$  3>nfyalt 
ber  lird)Iid}en  Irabition  (c.  3)  „quod  ubique,  quod  semper,  quod  ab  omnibus  30 
creditum  est,  hoc  est  .  vere  proprieque  catholicum"  ®ie  !ircb,Iid}C  Xrabition 
t>at  banadE)  brei  5)lerfmale:  bie  SIEgemeintjeit  (universitas),  ha§  Altertum  (antiquitas), 
bie  Übereinftimmung  (consensio  omnium  vel  certe  paene  omnium  sacerdotum 
pariter  et  magistrorum,  c.  3)  ober,  menn  eine  Sebre  für  fatb,olifd)=fird)Ud)  gehalten 
werben  foll,  fo  mufe  nacfjgennefen  werben,  bafe  fie  in  ber  gefamten  £ircb,e  befannt  wirb,  35 
baf?  bereite  bie  35orfab,ren  unb  Später  ib,r  b, ulbigten  unb  baf$  fie  bei  ib,nen  allen  anerfannt 
War.  ®er  3n^a^  ber  fird)Iid)en  £eb,re  roar  alfo  im  2lnfang  ber  ^ird)e  fertig  nieber= 
gelegt,  ©iebt  e^  auf  biefem  ©tanbbuntte  übertäubt  nod)  einen  gortfcfyritt  (profectus) 
beö  d;riftlid;en  ©eifteä  in  ber  Sftrdje?  @r  antwortet  (im  32.$ab.):  „bie  Iird;e,  bie  2öäcb= 
terin  ber  bei  ib,r  niebergelegten  ©lauben§lel)ren,  änbert  an  biefen  niemals  etwa§,  tbut  40 
ntcbtö  ^inWeg,  fügt  nid}t§  |inju  .,  fonbern  ift  mit  allem  gleite  auf  bieg  ©ine  bebaut, 
ba^  fie  ba§  3llte  .  .  genauer  beftimme  unb  feiner  unterfd)eibe ;  \va$  fcfyon  gehörig 
auigebrüdt  unb  entWidelt  ift,  ficb,cre  unb  Iräftige;  totö  fdwn  befeftigt  unb  feftgefteltt 
ift,    beWabre    (ut    vetera  oecuret    et    poliat;    si   qua   jam   expressa   et 

enucleata,  consolidet,  firmet;  si  qua  jam  confirmata  et  definita  custodiat").  10 
Slu^gefc^Ioffen  ift  bamit  jebe  SSeränberung"  (permutatio)  ber  ©lauben^Ie^ren,  Wie  er 
felbft  fagt  (c.  32);  au<?gefcb>ffen  ift  bamit  aber  au<^  jebe  tritifcb,e  9tebifion  berfelbcn, 
fügen  Wir  bingu.  —  ©urd)  ba§  ganje  Mittelalter  gab  man  fiel)  bann  mit  böltig  un- 
gefdnd)tlid)em  ©inne  b,armIo§  ber  Meinung  bjn,  ba^  33ibel  unb  2rabition  bie  betben 
©tröme  feien,  in  Welchen  fieb,  bie  göttliche  Offenbarung  ergiefse ;  nur  fab,en  fid;  in  ber  so 
lateinifdjen  5?ircbe  bie  ©cfyolaftifer  beranlafet,  ben  Umfang  ber  Offenbarung  im  SScrbältniS 
jur  rein  rationalen  @r!enntni§  näb,er  gu  beftimmen.  211^  nämlicb,  unter  bem  iSinflujj 
beg  bon  ben  muf^ammebanifdien  ©eleb,rten  überlommenen  2lriftotele§  bie  ßuberfidit  jur 
iird)Iid>en  ©lauben^leb,rc  bei  btelen  ©entern  in<§  Tanten  geriet,  lehrte  Xb, omaä  bon  2lquino, 
bafe  in  ber  fat^olifdjen  ©laubenöteb,re  allerbingg  ein  3etl  burdb,  bie  natürlidie  Vernunft  55 
felbft  erreid)t  Werben  fonnc,  g.  33.  bie  ©rjftenj  unb  bie  (Sinbcit  ©otteö  (baö  lag  man  ja 
aueb  aug  bem  d)riftlid)  tnterbretierten  2lrtftotcleg  b,eraus),  baf;  hingegen  anbere  93eftanb= 
teile  ber  ©laubemilefyre  alle  menfd)lid)e  Vernunft  überfebjetten,  g.  33.  bie  ©vctfaltigfett 
©otteg  foejiftent  mit  feiner  (iinb,cit.  Sic  Offenbarung  ift  alfo  eine  übernatürlich  (Sr= 
gänjung    ber   rationalen  ©ottegerfenntnig.     (Est    in   his  quae   de  deo  cont'itemur,  tu 


12  £rrtbttion 

duplex  veritatis  modus.  Quaedam  namque  vera  sunt  de  deo,  quae  omnem 
facultatem  humanae  rationis  excedunt,  ut  deum  esse  trinum  et  unum.  Quae- 
dam vero  sunt,  ad  quae  etiam  ratio  naturalis  pertingere  potest,  sicut  est 
deum  esse,  deum  esse  unum,  et  alia  hujusmodi,  quae  etiam  philosophi  de- 
6  monstrative  de  deo  probaverunt,  ducti  naturalis  lumine  rationis"  Thomas 
Aqu.  Summa  catholica  fidei  contra  .gentiles.  Opp.  Antverp.  T.  IX.  f.  L.  I.  c.  3. 
Münfdjer,  Sefyrb.  II,  1,  ©.  100).  $n  ber  griednfcfyen  Sürdje  trat  ba£  Übergewicht  ber 
münblid)en  SErabition  über  baS  %l%  fett  ^ollwnneS  ®ama§cenu§  immer  entfdnebener 
fjeröor  ("AyQcupog    de  eoxlv  f\  Tzagddooig  avrrj  tcöv  ajioaxöXwv    [e£    I)anbelt   ficb,  um 

10  ia§  TiQooxvvEiv  Xqiotov]  TiolXä  ydq  äygdcpcog  fjfxiv  Jiagedooav  (de  fide  orthod. 
IV,  42)  unb  ou  öe  xal  tiIeXoto.  ol  anooxoXoi  aygdcptag  TiagaÖEdwxaoi,  ygd<psi 
IlavXog  (nacb,  2  ST^  2,  15;  1  Äo  11,  2,  a.  a.  D.  c.  16).  Über  ba§  «Behältnis  ber  %xa= 
bition  $ur  1)1.  ©cfyrift  i)at  alfo  bie  ganje  ^irdiie  be§  Mittelalters  leine  neue  ©rfenntniS 
probugiert.  üftur  in  einzelnen,  Dom  offijieüen  ^ircfyentum  abWeicfyenben  ©eiftern  regt  ftdt) 

15  fner  unb  ba,  allerbingS  aus  gan-$  berfcfyiebenen  SeWeggrünben,  ein  ©egenfa|  gegen  bie 
33orf)errfd)aft  ber  Irabition.  2tbälarb  fd^eut  ftcb,  nicfyt,  in  feinem  berühmten  23ud)e  „Sic 
et  Non"  Qa  unb  Dein)  in  157  Dubrifen  2luSfbrüd>e  ber  ^ircfyenbäter  gufammen^ufteden, 
um  ju  beWetfen,  bajj  fie  fiel)  in  mannen  fünften  Wiberfbrocfyen  I)aben  (@b.  §enfe  unb 
£inbenfob,l,  1851).    @r  fudjte  alfo  bie  $ßufion  einer  einheitlichen  tatfyolifcfyen  £el)rtrabi= 

20  tion  ju  jerfiören ;  aber  eS  traf  U)n  bie  Sßerbammung.  Docfy  fcfylimmer  erging  eS  ben 
Söalbenfern,  als  fie  baS  Sefen  ber  33tbel  in  ber  SSolfSfbracfye  beförberten  unb  fidj  ba= 
bureb,  mittelbar  bon  ber  ^rabition  befreiten.  SDie  Sibelberbote,  toeldje  bon  ben  ^on^ilien 
ju  Souloufe  1229  unb  bon  larracon  1234  ausgebrochen  Würben,  bilbeten  jugleicb, 
ein  ftarfeS  23oßWerf  tu  ©unfien  ber  'ürabüion.    C£erte  bei  Münfdjer,    Sefyrbucb,  II,  1, 

25  ©.  109).  @rft  in  ben  Greifen  ber  fog.  SSorreformatoren  taucht  baS  ©cfyriftbringib  auf,  bureb, 
Welches  bie  arabition  il)r  2lnfef>en  als  jWeite  ©rfenntmsquelle  ber  d)riftltcf)en  2öab,rb,eit 
einbüßen  mufjte.  Söenn  eS  fyunbert  ^Bäbfte  gäbe,  fd)reibi  SBtcItf,  unb  ade  Möncfye  in  $ar= 
binäle  berWanbelt  Werben  fotlten,  fo  bürfte  man  if>rer  Meinung  in  ©laubenSfacfyen  ntrf>t 
anberS  einen  28ert  beilegen,  als  fofern  fie  auf  bie  ©cfyrift  gegrünbet  ift  (Trial.  IV,  c.  7, 

30  p.  199;  SoofS  §  72,5).  2lber  erft  in  ber  Sieformation  ift  mit  ber  2lnWenbung  beS 
©cfyriftbrin^ibS  burcfygängig  ©rnft  gemacht  Werben. 

©ie  Deformation  ift  allerbingS  nid)t  mit  einem  tfyeoretifcfyen  ©cb,riftbrinjib  in  bie 
©efcfyictrte  eingetreten;  burd)  bag  Stec^tfertigunggbrinjib  mürbe  bielmeb,r  bie  ebangelifcf): 
broteftantifcfie  ©eifteSbemegung  eingeleitet;  aber  je  mef)r  fid)  Sut^er  bie  Sragtoeite  feine§ 

35  StedjtfertigunggerlebniffeS  Har  machte,  befto  mefyr  fab,  er  fieb,  beranla^t,  über  alle  firc^Iic^e 
^rabition  l)inlt)eg  lebiglid)  auf  bag  getriebene  Söort  ©otte§  fid;  ^u  besiegen.  Stuf  bem 
Steicb/ötage  ju  3BormS  1521,  al§  er  ertlärte,  ba^  fein  ©ehnffen  in  ©otteö  Söort  gefangen 
fei,  fyatte  er  ben  33rucb,  mit  ber  bäbftlid)en  £ebrtrabition  fo  ficfyer  bolljogen,  mie  im  ®e= 
^ember  1520  ben  33rud}  mit  bem  bäbftlidien  3ied)te,    als   er  eS  bor  bem  (Slftert^ore   ju 

40  Sßittenberg  berbrannte.  ©id;ereä  3eu9n^  oer  •'oeilöoffenbarung  befi^en  mir  nur  in  ber 
b, eiligen  ©cfyrift;  bag  wirb  ©runblebre  ber  Deformation;  obglcicf)  bie  lutfyerifcfyen  Se= 
!enntni§fd)riften  eigentliche  2trti!el  „de  scriptura  sacra"  ntcf>t  enthalten,  fo  liegt  biefe 
£eb,re  boefy  allen  Slrtifeln  ju  ©runbe.  (Sgl.  ©timb.  93üd;er  ber  lutb,.  Äircfye  bon  3-  2^- 
gjcüßer  74,  9;  303,  13—15;  517,  1;  568,  1;  569  ff.  unb  ^omafiuS,  ©ogmengefd?.  II, 

45 197.)  ©a  aber  ber  ürcbjidje  ^roteftanti^muS  bie  ©tetigleit  ber  SBirifamieit  beö  ^eiligen 
©eifteS  in  ber  Äircb,e  glaubt,  fo  bermirft  er  nid)t  ofjne  weiteres  jebe  Sefyrtrabition  ber 
borreformatorifcb.en  ^irdje;  fonbern  maS  immer  an  ber  borreformatorifdjen  ^ireb, entehre 
aus  ber  b,l.  ©d)rift  folgerecht  abgeleitet  ift,  baS  nehmen  mir  an  unb  freuen  uns  banfbar 
ber  früheren  Sfrbeit  beS  fird)licb,en  ©eifteS.    ©o  galten  mir  ben  Se^räufammen^ang  mit 

so  ber  alten  $ird;e  aufrecht,  inbem  mir  ib,re  brei  ©laubensbelenntniffe  annehmen,  um 
„ntd£)t  neue  unb  gottlofe  £cf)rfä|e  in  unfere  Kirchen  einreiben  ju  laffen"  (Conf.  Aug. 
1.  3;  Apol.  1.  3;  ©d)malf.  2Irt.  SCetI  I;  Form.  Conc.  Einleitung,  bgl.  ©t;mb.  Sucher 
bon  3-  X  Müller  517,  3  unb  569,  4.  —  ferner  Confessio  Gallicana  5  bei  9?ie= 
mefyer,  Collectio  Conf.  p.  330,  2tbbrobation  ber  brei  altfircb,licb,en  ©tmibole,  quod  sint 

55  verbo  Dei  scripto  consentanea  etc.,  bgl.  $.  Stfdjadert,  ^olemil,  1885,  ©.  3  unb  96). 
SJJilber  urteilte  bie  lutfyerifcfye  Deformation  über  bie  HuItuStrabitionen :  ma§  auf  bem 
Weiten  ©ebiete  tircfyüdjer  ©itte  ber  ^eiligen  ©cfyrift  ntd)t  toiberfbrid;t,  Würbe  beibehalten 
(Conf.  Aug.  15;  Apol.  bei  ^.  X.  Müller  ©.  208.  209.  214).  Söir  lönnen  b,eut,  natt> 
bem  bie  Deformation  ^abrb^unberte  lang  geWirlt  b,at,  fogar  noeb,  Weiter  ^in^ufügen :  aueb, 

eo  innerhalb  beS  firc^Iic^en  $5roteftanttSmuS  giebt  eS  eine  eigentümliche  Xrabition;  fie  bejiefü 


£rai>tttott  Staunte  bei  ben  £ebtäetn  13 

ftcb,  auf  bie  2Crt  bie  33ibcl  aufgufaffen  unb  anguroenben;  ba§  burcb,  ba§  9ted)tfertigung§= 
erlcbniö  gewonnene  ©efamtberftänbnig  bei  6$riftentum§  ift  unfere  Ambition;  allein 
biefe  t^ut  lein  3Bort  gur  33ibel  bingu,  fonbem  füfyrt  nur  in  tfyr  ÜBerftänbniS  ein 
0ß.  Sfd&acfert,  Sßolemtf  [1885]  6.  97  ff.).  —  £>te  römifcfye  ®trcf;e  bat  bagegen  gu  Orient 
in  ber  feierten  ©iijung  belretiert,  baft  bie  göttliche  Söabrbeit  au3  gmei  Quellen  belogen  5 
werben  muffe,  au3  ber  1)1.  ©d)rift,  unb  au<§  ber  SErabition,  unb  groar  füllte  bie  leitete 
mit  berfelben  33erel)rung  beb)anbelt  Serben  tüte  bte  bl.  ©d)rtft  (pari  pietatis  affectu  ac 
reverentia,  Conc.  Trid.  Sess.  4).  3lus>  SRüdEfid^t  auf  ben  5{koteftanü§mu3  f)at  man 
bie  SErabition  an  gtuetter  ©teile  aufgeführt;  tbatfäcpd)  ift  fie  bie  erfte  Duelle;  benn  nad) 
ibj  mufj  bie  S3ibel  erllärt  toerben  (Ib.  „ut  nemo  contra  eum  sensum,  quem  tenuit  10 
et  tenet  sancta  mater    ecclesia  aut    etiam    contra    unanimem    consensum 

patrum  ipsam  scripturam  sacram  interpretari  audeat")  (£oof3  §  74,  2).  SDer 
©runb  biefer  römtfd)en  Sebre  ift  leidet  gu  erraten:  eine  Steige  bon  römifd)en  Dogmen 
unb  Einrichtungen  ift  burcfy  lein  33ibelroort  gu  beweisen;  ba  mufj  bie  aufeerbiblifcfye  Xra= 
bition  bie  33eroeife  liefern.  $ür  ba3  SJkfjobfer  unb  feine  Eeremonien  (Conc.  Trid.  Sess.  15 
22,  doctrina  de  sacrif.  missae  c.  2.  9),  für  bie  $ßriefterroeiI)e  (Sess.  23,  doctr.  c.  1. 
3)  unb  bie  ^rieftertonfur  (Conc.  Trid.  bei  £)ang  p.  166.  167),  baS  Efyefalrament 
(Sang  179),  bie  leiste  Ölung  (Sessio  14,  doctr.  de  sacr.  extr.  unct.  cap.  1)  unb 
für  ba§  Fegefeuer  (Sang  p.  209)  roufjten  bie  SErienter  nur  SErabitionäberoeife  beigubringen. 
gür  bie  beiben  neueften  römtfd)en  ^Dogmen  aber,  für  ba3  bon  bem  fünblofen  Eintritt  20 
tiftariag  in  bie  9Kenfd)f)eit  unb  ba£  bon  bem  Uniberfalebiflobat  be3  SßajpfteS,  ift  bollenbg 
auf  eine  gefd)id)tlid)e  SErabition  übertäubt  nicbt  gu  berioeifen.  ®ie  Einführung  biefer 
beiben  ^Dogmen  geigt,  baf$  bie  römifd)e  3Infct)auung  bon  ber  SErabitiou  ben  ©tanbbunlt 
bcö  33incentiu3  2erinenfi§  berlaffen  bat.  ®a  man  nacb.  beffen  SErabttiongferingib  (quod 
ubique  et  semper  et  ab  omnibus  creditum  est  .  catholicum  est)  bie  Unfer/l=  25 
barfeit  be§  5ßabfte3  nie  l)ätte  als  fattjolifcr/es*  ®ogma  brollamieren  lonnen,  fo  erfanb  bie 
iefuttifd)e  SEfyeoIogte  bie  neue  ^Definition:  ^rabition  ift,  toag  in  ber  römifd)en  Strebe  al<§ 
2:rabition  gelehrt  wirb.  Söer  ift  aber  römtfcfye  Strebe  V  ©er  $abft,  Vüelcber  bie  Ambition 
im  ©d)reine  feiner  33ruft  (in  scrinio  pectoris  sui)  beft|t.  „La  tradizion  son  io" 
bat  ^ßiuö  IX.  gefbrocfyen ;  „bie  SErabition  bin  icb/'  ©djon  bie  blofje  "Jfyatfacfye  ber  Se=  30 
finition  eine§  SDogma§  buret)  ben  ^ßabft  ift  ber  burcb,  fid)  felbft  binretebenbe,  gang  ftebexe 
unb  allen  ©laubigen  genügenbe  33erüeis>,  bafj  e§  in  ©djmft  unb  ^rabition  begrünbet 
ift,  fdjrieb  puS  IX.  1870  am  28.  DI  tober  an  ben  Ergbifcfyof  bon  Mn  (SEe^t  bei 
$.  STfcbadert,  ^olemil,  1885,  ©.  407,  3lnm.  16).  „E3  genügt  alfo  eine  bäbftlidje 
$atl)ebralentfd)eibung  gum  büßen  33eroeife  ber  Iau)oIifd)en  SErabition"  ®amit  ift  23incen=  35 
tiuö  bon  Serinum  abgetan.  ®ie  ErlenntniSquellen  ber  religiöfen  unb  ftttlict/en  2Bab)r= 
beit  finb  nunmehr  in  ber  römifcfyen  £ird;e  bie  33ibel  unb  ber  $abft  ober,  ba  biefer  bie 
Sluölegung  be§  göttlichen  äkcfyeS  in  ber  §anb  b,at,  ber  $abft  unb  bie  33ibel;  in  ben 
ebangeüfcfyen  ^iregen  bagegen  lennt  man  nur  eine  religiöfe  Erlenntni^quelle,  bie  Sibel. 

$.  Sfrfjntfert.      40 

Traditores  f.  b.  31.  Sabfi  33b  XI  ©.  285,48. 

$rabuciam§muS  f.  b.  3131.  2:ertullian  33b  XIX  ©.  549, 11;    ©ünbe  33b  XIX 
S.  139,4;  «ßelagiu§  33b  XV  ©.  751,45. 

Stimme  Bei  ben  Hebräern.  —  Sttterotur:  $t)ilo  fd)rteb  eine  ©cfjrtft  jtsqI  tov 
deo^i^inrov-;  sivcu  rovg  övsipovg  in  5  SSucfjertt,  üon  benen  nur  ba%  2.  unb  3.  erhalten  finb;  45 
fie  Befpredien  mit  weitläufigen  Slbfdjmeifungen  bte  5Eräume  So^bS  unb  Sofepp  Opp.  ed. 
Mangey  I,  620sqq.  SSgt.  fonft  Sno6el,  <ßro^ett§mu§  ber  §e6räer  I  (.1837),  (5.174 ff.;  %m\s 
S)eli|fd),  @t)ftem  ber  biblifcfjen  ^fl)d)otogie  1855,  ©.233 ff.;  ®.  gr.  De£)(er,  Ideologie  bee 
9l£§,  3.auft.  1891,  ©.224.  763;  §erm.  ©diutfc,  9tltteftamentltd)e  ^öeologte,  5.  9Utfl.  l«Ki, 
£.  177.  193;  g.  S.  Sonig,  3)er  Offenbarungäbegrtff  be§  SlIS  (1882),  II,  9 ff.  63 ff.;  ».  Oiclfi,  50 
Xte  altteft.  SBet§fagnng  üon  ber  SSoüenbüng  beS  ©otte§retd)§  (1882),  ©.  17 f.;  33.  (Stabe, 
SBtbt.  Stjeol.  be§  9(2:ä  1905,  ©.101.  130.  ferner  bte  Slrtitet  Jraum  ober  Sväume  in  3Smer§ 
3tealroi3rter6-,  ©djenfelS  33t6eIIejtton  (uon  .s)ul^mann),  9tie^m§  Jpanbtoörterb.  (öon  S?leinert) 
unb  in  9(uf(.  1  ber  3}ea(enc.  (oon  tieftet). 

SEräumc  afö  5Rittel  ber  Offenbarung  finben  fid)  überall  in  ben  Religionen  beg  3llter=  55 
tum§.  SDie  bem  ^Jtenfcben  berrounberlid^en,  oft  frembartigen,  aber  babei  nicbt  feiten  über= 
au§  lebhaften  i^orftellungen,  meld)e  ba^  Traumleben   in   einer  bom  Riffen  unb  Genien 
fd>einbar  gang  unabhängigen  23erlnüpfung  ber  ©eele  borfüt/rt,   tourben  aU  ein  33orfbicl 


14  träume  bei  ben  ^etiräcrn 

lünftigen  ©eftf>eE>eng  aufgefaßt,  toelcfjeS  eine  ©ottfyeit  bem  ©djläfer  offenbare,  9Jcan 
richtete  mancherorts  fogar  eigentliche  ^Eraumoratel  ein,  legte  fieb,  an  bebeutfamen  (Stätten 
febjafen  ober  nafym  tranmerjeugenbe  Mittel  ein,  um  ju  brobfyetifclien  träumen  §u  gelangen. 
Söir  finben,  abgefeljen  bon  ben  Mturlofen  SSöHern,  in  beren  ©emütfleben  unb  Religion 
6  ber  %xaum  fcfyon  eine  grofte  3toHe  fbielt,  brobfyetifcfye  SSertung  be§  Traumes  bei  ben 
alten  tgitotem  (@ber§,  %  unb  bie  SS.  9Jcofe<3,  I,  321  f.),  Sabtylontern  unb  äfforern 
(Senormant,  9Jcagie  ber  6b,albäer  ©.  492 ff.;  Dretlt,  2lllgem.  9Migion3gef$.  1899,©.  203), 
Werfern  (£erob.  7,  15.  18 ;  bgl.  über  JfröfuS  ebenba  1,  34),  6£>tnefen  (b.  Strauß  ©cb> 
®ing  ©.  11),    ©rieben  (§omer  ^1.  1,  63 ;    2,  22.  56  u.  ö.),   Römern  (bgl.  bef.  ßteero, 

10  De  divin.  1,  29;  9Jtafrob.,  Somn.  Scip.  1,  3),  ©ermanen  unb  bielen  anberen  Söllern. 
©a  bie  Sraumbilber  oft  unburc^fi^tig  toaren,  beburfte  e§  in  folgen  gälten  befonberer 
Deutung,  über  beren  Serfabjen  fieb,  mancherorts  eine  förmliche  ^ed^ntl  auSbilbete.  greilieb, 
fam  fdjon  ben  Sllten  baS  SLrüglidje  biefer  Dffenbarunggquelle  bielfacb,  gum  Setoufjtfein, 
tote  benn  £>omer  bie  STräume  in  folcfye  einteilt,  bie  au§  bem  elfenbeinernen  Sfyore  fommen 

15  unb  ben  SJienfcfjen  nur  tauften  (bisweilen  auf  göttliche  Seranlaffung  Inn)  unb  folcfye, 
bie  au§  bem  hörnernen  Sfyore  Verborgenen  unb  guüerläffig  finb  (Dbt>ff.  19,  560  ff.).  3)en= 
noeb,  bebaubtete  ftdb,  ber  an  bie  träume  ftcb,  fyängenbe  Aberglaube  aueb,  in  ber  griecbjfd) 
gebilbeten  Söelt  mit  einer  erftaunlic^en  gälngfeit.  3Irtemiboro§  au§  ©bfyefuS  (2.  Qafyrb,. 
n.  Qijx.)  b,at  bie  gemalten  Erfahrungen   gefammelt  unb  ju  einer  Slraumfunbe  (Dneiro= 

20  frttifa)  berarbeitet,  toorin  er  anleitet,  bie  bon  ben  ©öitem  gefanbten  unb  bie  bureb,  Ieib= 
lielje  ober  feelifdje  guftänbe  erzeugten  träume  ju  unterfcfyeiben. 

Stuc^i  bie  Sibel  toeifj  bon  träumen,  bureb,  toelc^e  ©ott  gu  ben  SKenfcEjen  fbrtcfyt,  fie 
bor  ©efatyr  toarnt,  tb,r  ©etoiffen  toeeft,  ilmen  3tat  erteilt,  ilmen  künftiges  anbeutet  ober 
berlünbet.     Sgl.  ©en  20,  3  ff.;   28,  12  ff.;   31,  11  ff.  24;  37,  5  ff.;   40,  8  ff.;  41,  15  ff.; 

25  9iul2,  6;  9K7,  13f.;  1  ©a  28,  6;  1  üg  3,  5;  §i  33,  15;  35a  2,1  ff.;  4,1  ff.;  3Ht 
1,  20;  2, 12.  13.  19.  22;  27, 19.  ©olcfje  bäbagogifcfye  ober  brobibentielle  träume  b,at 
e§  ju  allen  Reiten  gegeben,  tote  e§  fie  fyeute  noeb,  giebt  Sfßarum  feilte  ©ott,  bem 
mancherlei  2öege  jjum  3Jienf^enb,erjen  jur  Serfügung  fielen,  nicfyt  aueb,  biefen  toäfylen, 
toenn  e<§  ber  ?toecfbienlicb,fte,  bieÜeicf/t  ber  einige  ift,  um  in  ba§£eben  ber©eele  toirffam 

so  einzugreifen?  ^m  £raum  toirb  ba3  ©emütSleben  oft  toeit  ftärfer  bureb,  ba§  fubje!tib 
Erlebte  affigiert,  aU  eS  bureb,  blojje  lebhafte  3)arfteflung  gefeiten  fönnte.  3)a3  ©e= 
toiffen  toirb  leichter  toadj,  too  ber  BJtenfcb,  nicfyt  bom  berftanbe§mäf$igen  ©enfen  beb,errfcb,t 
toirb,  toelcb,e§  Ieid)t  ^u  feiner  Slbftumbfung  mif$brauc£)t  toerben  !ann.  3)a§  Slljnung^: 
bermögen  enblicb,  lann  ftcb,  in  jenem  ©cb,Iafjuftanb,   too  bie  Slcflejton  jurücftritt,  ungeftörtcr 

35  entfalten.  3)er  Serbacfyt  aber  ber  ^äufc^ung  bureb,  blofeen  3ufflö  toar  in  biefen  biblijcfyen 
gäÜen  au§gefcb,loffen  nia)t  blo^  ettoa  bureb,  bie  (»eilige  ©tätte,  too  ber  Xraum  begegnete, 
bie  freilief)  in  gäHen  toie  1  %  3,  5  bon  ©influj?  toar,  fonbern  bor  allem  buret;  bie 
au^erorbentlicf;e,  göttliche  StRacb^t  ber  ©inbrüde  unb  ti>rc  Setoäfyrung  am  ©etoiffen.  3)a= 
gegen  ber  £raum  an  fieb,  toirb  oft  al§  ettoaö  9Jicb,tigeS,  sBcf cnlofeö  genannt  (^f  73,  20 ; 

40  öi  20,  8;  ^ef  29,  7  f.),  toorauf  man  ja  nicb,t  bauen  foll,  toenn  ettoa  bie  ©itelfeit  unb 
©elbftliebe  baju  berfucf;en  fönnten,  ©i  31,  1  ff.  (bejto.  34,  1  ff.)-  Sl&er  aueb,  bebeutfame 
fi;mboIifcf)e  träume  lennt  bie  Stbel,  toie  benn  foldje  bem  bcfd;aulicb,en,  an  ©innbilber 
getoöt;nten  SDtorgenlänber  nal)e  lagen.  3U  ^rer  2lu§legung  ift  aber  feine  Äunft  ber 
Söelttoeifen  tauglid),  fonbern  fie  ift  eine  ®abc  beSfelben  ©otteS,  ber  bie  Iräume  gefanbt 

45  unb  geftaltet  fyat.  3)tefe  (S>abc  befafe  ein  ^ofebl),  ein  3)aniel.  3)ie  erftc  ©etoäb;r,  ba^  fie 
ben  richtigen  ©cf)lüffel  ju  ben  üraumbilbern  befafeen,  lag  in  ber  einleud;tenben  ©bibenj 
if)rer  3)eutungen,  bie  fc|lie^licb,e  freilieb,  in  bem  Eintreffen  ber  bon  il)nen  gegebenen  Ent= 
jifferung.    Sgl.  aueb,  ba§  Serfab,ren  beg  Königs  3)a  2,  6. 

2lllein   fo   offenfunbig   be§  toab,ren  ©otteö  (Eingreifen  bureb,  träume  aus  mannen 

so  Seifbielen  ift,  unb  fo  getoife  nur  bei  ib,m  unb  ben  bon  il)m  befonberS  begabten  bie  2tuS= 
legung  fteb,t  (©en  40,  8;  3)a  2,  28),  fo  ergiebt  fieb,  gerabe  fct)on  auf  ben  obigen  Sei* 
fbielen,  bafj  für  bie  ©emeinbe  ©otte§  unb  bie  SJJänner  ©otte§  ber  Iraum  nicb,t  bie 
Öaubtquelle,  aueb,  ntcb,t  einmal  eine  §aubtqueEe  göttlicher  Offenbarung  getoefen  ift.  @f 
fällt  bon  bornfyerem  auf,  toie'  biele  biefer  iräume  folgen   ju  teil  tourben,  bie  nicb,t  ju 

55  ©otteä  Sunbeöbolf  gehörten,  ©er  Sraum  ift  eine  SSBeife,  toie  ©ott  auefy  ben  ib,m  ferne 
©teb,enben  beilommt.  2lu|erbem  b,at  er  namentlich  in  ben  batriard;alifcb,en  Anfängen 
ber  ©efdjidjte  feine  ©teile,  jtoar  nicb,t  bei  2lbrab,am  (benn  aueb,  ©en  15  ift  lein  blofjer 
^raum),  aber  bei  bem  mit  ©ott  toeniger  bertrauten  ^afob.  3)agegen  ift  ba§  eigentliche 
SunbeSbolI  an   b,öb,ere  Mittel  ber  ©elbftmitteilung  ©otte§  getoiefen,  bor  allem  an  baf 

60  2Bort  ber  Srobb,eten,  unb  biefe  berufen  fieb,  nirgenb§  auf  blofce  träume  als  Quelle  ib,rcr 


Srftumc  bei  öen  Hebräern  £rajan,  .Tinifer  15 

Offenbarungen;  oiclmefyr  empfangen  fie  biefe  in  Wacfyem,  »oll  ttnb  Hat  beWufjtem  $iu 
ftanbe.  @ine  3lrt  ^Jiittelftufe  nehmen  bie  ^raumgeficfyte  ein,  bon  Welchen  bie  Sßeifen  im 
Sßud)  vuob  üu  ergäben  Wiffen  (4,13—21;  33,  15  f.).  2tuc^  1  %  3,  5  ff.  ben  Xraum 
be3  jungen  ©alomo,  ber  fid)  übrigeng  mit  bem  3>afob§  ju  Setzei  »ergleid;t,  tonnte  man 
bafnn  rennen.  ©anielg  9lad;tgeft<|t  7,  1  f>eif?t  ebenfalls  'jEraum;  allein  berfelbe  nimmt  -, 
überhaupt  unter  ben  ^ropfyeten  in  Sejug  auf  bie  Söeife  feiner  Qnfpiration  unb  ben  %n-- 
fyalt  feiner  ©efiebte  eine  befonbere  ©teltung  ein.  dagegen  bie  eigentlichen  $robl)eten 
reben  nie  bon  „träumen",  bie  fie  empfangen  Ratten,  unb  felbft  bie  Straber  unterfefmben 
fefyr  beftimmt  jWifcfyen  propl)etifcf)em  ©eficfyt  unb  bem  toiel  tiefer  ftel)enben,  finnlidien 
bräunt.  Sgl.  gleifd)er§  33emerlungen  bei  SDeli^fd),  33ibltfd;e  ^ßffydwlogie  ©.  282.  ©a=  10 
diarjaS  -ftacfytgeftcbie  1,  8  ff.  finb  leine  träume,  fonbern  in  magern  guftanbe  geflaut. 
Baa)  4,  1  wirb  gerabe  ber  (Eintritt  be3  probljettfcfyen  ©d;auen<§  als  eine  3lrt  (SrWacfyen 
befdjrteben,  ba  bas>  2BaIj)rnef)mung§t>ermögen  im  SSergletcfy  %um  gewöhnlichen  guftanbe 
babei  eine  (Steigerung  erfährt.  S)ie  einige,  in  ifyrer  Deutung  obenbrein  ftreitige  ©teile 
3er  31,  26  lann  nicfyt  alz  ©tü£e  ber  23el)auptung  bienen,  bie  ^robfjeten  Ratten  ibre  15 
©eftcfyte  in  ber  Siegel  im  leiblichen  «Schlafe  gefd)aut.  ©erabe  Qeremia  t>erWaI)rt  fieb, 
23,  25  ff.  auSbrüdlicb,  bagegen,  bafj  blofje  träume  alö  göttlicb,  eingegebene  2Sei3fagungen 
untergefcfyoben  werben,  Welcher  SRiPraucb,  ju  feiner  geit  allerbing§  bei  ber  $ropI)eten= 
fcfyaft  im  ©cfyWange  getoefen  fein  muf$.  3iia)t  alz  ob  er  bie  SJcöglidjfeit  beftritte,  bafj 
aueb,  Xräume  unter  Umftänben  göttliche  Offenbarungen  enthalten  tonnen,  wie  benn  20 
btefeS  SJcittel  göttlicher  2Beifung  an  ©emeinbeglieber  unb  ^ropb,  eten  in  9?u  12,  6 ;  2)t 
13,  2 ff.;  1  ©a  28,  6.  15;  $oel  3,  1  alz  ein  ©ott  ju  ©ebote  ftef>enbe3  borau3gefe|t  ift. 
2lber  3eremifl  rc^  beibes>,  9Bei3fagung  unb  ^raurn  fäuberlid)  auSeinanber  gehalten 
Wiffen  (»gl.  23,  28),  ba  blofee  träume  feinerlei  ©eWäfyr  für  bie  guoerläfftgfeit  ifyreS 
3nf?alt<§  bieten  unb  tfyatfäcfylicr;  oft  bem  §erjen  baZ  borftoiegeln,  \vaZ  eZ  Wünfcfyt.  3er  25 
27,9;  29,8,  unb  ®önig,  DffenbarungSbegr.  II,  10  ff.  £)a<§  ®euteronomium  Ijatte 
13,  2  ff.  aueb,  für  bie  ^Beurteilung  propfyetifcfyer  träume  ein  inneres*  Kriterium  angegeben. 
Söie  bei  ben  toon  ©otte§  ©eift  erfüllten  ^ropljeten  erfolgt  aueb,  bei  3«f"  «nb  ben  Sfyofieln 
bie  Offenbarung  nirgenbs  auf  bem  Söege  be<§  XraumeS.  ®ie  fpäteren  ^n^w  merften 
fonft  jiemltcf;  forgfältig  auf  ifjre  träume.  ©iefye  IgofepI)u§  Antt.  17,  6,  4;  Bell.  Jud.  30 
2,  7,  4 ;  3,  8,  3.  SJiit  SEraumbeuten  fcfyeinen  fid)  befonberS  bie  ©ffäer  abgegeben  ju  I)aben 
3ofepf)u§  Antt.  17,  13,  3.  ».  öreöi. 

Trojan,  ^aifer  98—117  —  £>.  granefe,  $ur  ©efdjkfjte  £rajan§  u.  feiner  geitgenoffen, 
Seidig  1840  (in^altretd)) ;  3o^.  ©ierauer,  SSeitrfige  ju  einer  fritifdjeu  ©efcl)tcl)te  SrojanS 
(Unterfuc^ungen  jur  röni.  ^atfergefdjict)te,  ^ergg.  Hon  Sübinger  I,  Setpätg  1868);  §.  ©djitter,  35 
©ejcf)icf)te  ber  röm.  Satfersett  I,  2  ©ot{)a  1883 ;  21.  §au§ratf),  «Reuteft.  ßeitgefd).  2.  2t.  III, 
^eibelberg  1875 ;  g\  Düerbecf,  (Stubten  jur  ©efebiebte  ber  alten  Strdje  I,  ©d)Iof;  ß^emnif 
1875 ;  S^eobov  f  eim,  3?om  unb  ba§  E^riftentum,  SSerltn  1881 ;  %.  21rnoIb,  ©tubien  jur  ®e= 
fdjidjte  ber  $Hniantfd)en  ßtjrtftennerfolgung,  König§6erg  1887;  S.  3.  Weltmann,  ®er  rl3mtfd)e 
Staat  unb  bie  attgememe  Sirdie  bi§  auf  ®iofIettcm  I,  Setpstg  1890;  ß.  ».  SRaanen,  De  brief-  40 
wisseling  van  Plinius  en  Trajan  1899  (mir  unbetannt) ;  -Öl.  dt.  9tamfal),  The  church  in  the 
Roman  empire  before  170,  Sonbon  1893;  ©.  ©.  §arbti,  Christianity  and  the  Roman  go- 
vornement,  Sonbon  1894. 

5R.  ÜlpiuS  ^ErajanuS,  geb.  53  in  ^talica  in  ber,,  fpanifc^cn  ^robinj  Sätica  alz  ber 
©ob^n  eine§  bureb;  militärtfcb^e  Slücbttgfeit  ju  Ijoben  Ämtern  aufgeftiegenen  ^ßrobingtalen  45 
lateinifcf)er  .vScrfunft,  ging  anfangt  bie  militärifdt)e  Saufbaljn  feine§  95ater§  unb  gehörte 
längere  $eit  an  »erfcl)tebenen  Orten  im  Orient  unb  im  Slbenblanbe  ber  2trmee  an.  3m 
Safere  91  erlangte  er  ba§  ^onfulat.  %n  bie  öffentliche  33eacb,tung  trat  er  erft,  aU  ib^n 
ber  Äaifer  5Jceroa  97  mit  bem  befonbere  oerantroortunggbollen  Äommanbo  in  Ober= 
germanien  betraute  unb  noef)  in  bemfelben  $af)re  unter  bem  ®rude  fd)it>ieriger  innerer  bo 
unb  äußerer  3Serf)äItniffe  aboptierte.  sJJad)  bem  lurj  barauf  erfolgten  ^obe  5cerba^ 
nabm  er  am  27.  Januar  98  alz  ber  erftc  ^ßrobinjiale  unangefochten  ben  ßaifertfyron  ein. 
Solbat  bureb,  unb  burd),  ertoieS  er  fid?  ben  friegerifdjen  3SertoideIungen  unb  ©efaf)rcn 
getoacbjen  unb  rtd)tete  feine  ganje  Umfielt  unb  ©nergie  barauf,  ba§  Steicr)  mit  fixerem 
militärifcb^en  ©cb,u^e  ju  umjieb,en.  9iücb,terneö  Urteil  unb  tootjlertoogeneg  §anbeln  55 
jetct;neten  ib^n  au§.  @r  nab,m  bie  3Dcerxfct;en  unb  bie  ®inge,  roie  fie  waren,  ofme  ^ttufion. 
S3al  ftarfe  Setoujjtfetn  ber  faiferlidjen  ©ouberänität  öerftanb  er  mit  bem  ©cfyeine  ber 
grcifyeit  p  toerbüllcn.  ®ic  fefte  @ntfd>Ioffcnbett  feinet  2Billenö  liefe  Staum  genug  für 
perfönlid)e  Seutfeligfeit  unb  bie  prattifd>e  33etbätigung  ber  jeitgenöffifd;en  Humanität; 
biefe   le^tere    tritt  befonberö   in  ber  bon   ib,m   in  weitem  Umfange  burdjgefüfrtcn  ftaat=  eo 


16  Trojan,  ®atfer 

liefen  gürforge  für  berWaifte  £inber  fyerbor  (Ublfyorn,  ©efcbjcbte  ber  cfyriftl.  Siebe3tf>ätig= 
fett  I,  ©.  16  ff.),  ©eine  Vilbung  fyatte  baS  ©urcfyfdmittSmafc,  bod)  legte  er  2Bert  auf 
SSerle^r  mit  ©intern  unb  ©elefyrten  unb  War  ein  eifriger  Vaufyerr.  ©te  2öof)Ifafyrt  bei 
9teid)e<S  in  ©eredjrtigfeit  unb  Drbnung  War  baS  felbftlofe  3tel  feiner  flauen  ^oltttl.  8" 
5  biefer  großen  Aufgabe  traten  bie  fittltdjen  SRangel  feiner  5ßerfon  —  ©itelfett  unb  ©inn= 
li^lett  —  jurücf.  £um  legten  2RaIe  erfdjetnt  unter  ü)m  bei  grtecbjfd;=römtfcb^  SBeltreid; 
in  ber  ganzen  güHe  feiner  ftaatlicfyen  ©röfje. 

®ie  religiöfen  Slnfcfyauungen  ^rajanS   fielen  in  boßem  ©inilang  mit  ber  bolf3tüm= 
lidjen  grömmigfeit.    ©od;  b,ielt  fid;   bei   if)tn  aud)  bie  3Migiofität  in  ber  Vefd)ränfung, 

10  in  Welcher  fiel;  bie  Verfönlidjfeit  bei  $aifer§  übertäubt  fafete,  unb  nicfyt  in  ifyr,  fonbern 
in  ftaatSredjtlidjer  ©rwägung  Wurzelte  bie  ©ntfcfyeibung,  meiere  ben  tarnen  SrajanS 
unmittelbar  mit  ber  ©efcbjcfyte  ber  djriftlidjen  $ird;e  berfnübft. 

Trojan  fyatte  bie  bis  bafyin  fenatorifdje,   burefy  SJttfsnrirtfdjaft  beruntergebradjte  unb 
burd;  Varteiwefen  ^mittete  Vrobinj  S3tt^nia=$ontu§  in  unmittelbare  faiferlicbe  Verwaltung 

15  genommen  unb  ben  il)m  bureb,  betounbernbe  Ergebenheit  unb  greunbfdjaft  berbunbenen 
jüngeren  ^SlintuS  als  Segaten  mit  bem  befttmmten  auftrage  borten  entfanbt,  in  bie 
Verfahrenen  Verb,äTtniffe  Drbnung  ju  bringen.  6.  $ItniuS  ßäciliuS  ©ecunbuS,  Sitterat, 
©djöngeift  unb  Staatsmann  in  einer  Verfon,  bod)  in  feinem  grofj,  aber  §ut*erläffig  unb 
gutmütig,  berührt  Wie  fein  faiferlidjer  §err  bon  ben  Rumänen  $been  ber  gett,  jebod)  in 

20  weit  fyb'fjerem  ©rabe  Don  ©itelfeit  beb,errfd)t  (SB.  S£euffel,  ©efdjidjte  b.  rbm.  Sitteratur, 
5.  3lufl.,  Seidig  1890,  §  340;  ba^u  bie  6£;arafteriftif  bei  £auSratb,  ©.  381  ff.),  begann 
balb  nad)  feiner  Stnfunft  im  ©ebtember  111  bie  Vrobtnj  in  ber  Sftid^turtg  bon  Söeften 
nad;  Dften  ju  burcfyreifen  unb  fd;rieb  im  Verlauf  biefer  Steife  bis  jum  Veginne  bei 
3af)reS  113  an  S£rajan  60  Briefe,   in  benen   er  feine  ^Beobachtungen  mitteilt  unb  über 

55  äße  möglichen  tfym  entgegentretenden  fragen,  oft  Meinlicbjten  ^nfyalteS,  fid;  3nftru^on 
erbittet.  ©iefe  Vrtefe  liegen  jufammen  mit  ben  antworten  ^rajanS  cfyronologifcb,  ge= 
orbnet  uns  bor  (befte  2luSgabe  mit  Erläuterungen  bon  §arbfy,  Sonbon  1889). 

©ie  5ßrobinj  fyatte  fd;on  bon  rebublifanifd)er  geit  |er  eine   ftarfe  jübifdEje  Vebölfe* 
rung  (Gicero,  Pro  Flacco,  28 ;   @.  ©cfmrer,  ©efd)id;te  b.  jübifdjen  Volles  III3,  Seidig 

30  1898,  ©.  17).  ©er  Slboftel  VauIuS  beabficfyttgte  bort  ju  miffionieren,  bod;  ber  ©eift 
Web,rte  ib,m  (21©  16,7 f.);  aber  unter  ben  Stbreffaten  bei  erften  ^ßetruSbriefeS  befinben  fid; 
aud;  ßfmfien  in  VontuS  unb  Vitftynia  (1,  1).  ^n  ben  erften  Qa^ren  ber  £orrefbonbenj 
be3  Segaten  mit  bem  ^aifer  ift  bom  Efyriftentum  nid)t  bie  Siebe.  (Srft  in  ben  öftlid)en 
©iftriften,  bieHeidjt  in  3lmifu§,   trat  ilmi  bie  6b,riftenfrage  entgegen   unb  jboar  gleid;   in 

35  ganger  2öud;t  unb  forberte  feine  @ntfd;eibung.  ©iefe  ©ituation  fdiilbert  ber  berühmte 
96.  SSrtef  (bei  §arbi?  ©.  210ff.  mit  trefflichem  Kommentar).  Seinen  bebeutfamen  ^nb,alt 
im  einzelnen  ioieberjugeben,  ift  tjter  nid;t  ber  Drt;  in  biefem  3ufammen^attÖe  fommt  & 
lebiglid;  auf  ba§  ftaat§red;tlid;e,  reIigion§boIitifd;e  SRoment  an.  3Sorauägefd;tdt  fei,  bafj 
Trajan  bie  burd;  Julius  ßäfar  eingeleitete  Übertüad;ung  be§  Sßerein3ft>efen§  in   fdjärffter 

40  gorm  aufnahm  unb  befonberä  in  unruhigen  unb  bolitifd)  berbäd)tigen  ©ebteten  auf 
ftrengfte  ©urcfyfülirung  beS  Verbot?  ber  CoEegia  ^ielt.  ^n  biefem  ©inne  erging  aueb, 
an  ben  Segaten  ein  ftrifter  33efeb,l  f)infid)tnd;  ber  ib,m  anbertrauten  ^robin^  (Ep.  96,  7 ; 
jum  ©anjen  31s.  Siebenam,  gm  ©efd)id;te  u.  Drganifatiort  be§  rb'mifd)en  SßereinStoejeng, 
Seidig  1890). 

45  $liniu§  fieb,t  fidi  bor  bie  beunrufyigenbe  SE^atjac^e  einer  iüeiten  Verbreitung  be§ 
ß^riftentumg  in  ©tabt  unb  Sanb  geftellt.  S3eibe  ©efcb,led)ter,  jebe§  Sllter  unb  alle  ©tänbe 
finb  baran  beteiligt,  infolge  babon  ift  ber  ©btterfultu§  beröbet  ober  berfümmert.  ©er 
Segat,  ber  ficE>  mit  Siecht  aucl;  für  bie  2lufred}terb,altung  ber  ©taatöreligion  berantmortlicb, 
füblt,  greift  fraft  feinet  2lmte§   ein.     2lllerbing§  b,at  er  bis  bab^in  ©briftenbro^effen  nie 

so  beigewohnt,  ift  fieb,  aber  über  ba§  in  folgen  gälten  anjuioenbenbe  3Serfabren  burd;au§ 
flar:  bie  fcfyärffte  ©träfe,  bie  'SobeSftrafe  Wirb  auf  ba§  ©eftänbni§  lj>in  fofort  an  ben 
jum  Sßerfybr  gebrauten  unb  fc^ulbig  befunbenen  ^erfonen  bolljogen;  nur  bie  römifd;en 
Bürger  Werben  jum  ^ranäbort  nad;  ber  §aubtftabt  notiert.  ^nbe§  im  Verlaufe  bei 
Verfahrens  berWirrt  fid;  bie  Sage  im  Urteile  bei  ©tattfyalterS,   Weil  fieb,    einzelne  gälle 

55  bifferenjieren,  ©enungianten  fid;  einbrängen  unb  in  feinem  ©mbfinben  bag  ^Ritleib  er= 
Wad;t.  @S  ergeben  fieb,  in  ib^m  ^^eifel  an  ber  9ted}tmä^igfeit  ober  ©erecfjtigfeit  ber 
Stebreffionen :  entleibet  bie  3ugeb,örigfeit  ^um  Sfyrtfientum  als  fold;e  über  bie  ©djulb= 
frage  ober  finb  für  bie  Segrünbung  berfelben  nod;  beftimmte,  bamit  in  3ufantmenf)ang 
fte^enbe    ftrafred;tlid»e   Vergeben    erforberlid;    (an  nomen    ipsum,     si    flagitiis 

60  careat,  an  flagitia  cohaerentia  nomini  puniantur)?     ©eine  9lad;forfd}ungen,    inS= 


%va\axi,  ^oifcr  17 

befonbere  ein  bctnlicbeS  3>ert)ör  jroeier  SDtaloniffen,  baben  nur  baS  33orI)anbenfein  einer 
superstitio  prava,  immodica  feftftellen  lönnen.  2Ingeftcbt3  biefer  ©djroiertgleiten,  au<§ 
benen  fyrauZ  pintuS  ben  2Beg  nicfyt  finbet,  wirb  bie  latferlicfje  ©ntfebeibung  angerufen. 

©a)on  biefer  33rief  läfct  feinen  groeifel  barüber,  bafj  bie  ©enoffenfdjaft  ber  6fyriftu3= 
gläubigen  für  Piniu3  nicfyt  aU  collegium  in  33etracbt  tarn,  ©tnem  folgen  gegenüber  6 
beftanb  für  il)n  eine  Kare,  bureb.  bie  $raj;i§  bereite  erprobte  Slicbtfcbnur  feines  irjanbelnS, 
bie  ü)n  einer  anfrage  an  ben  ^aifer  überbob.  ^n  biefem  galle  Ratten  aua)  bie  formen 
be§  ^rojeffeS  innegehalten  »erben  muffen,  toag  bier  nw&t  gefcbefyen  tft,  bielmel)r  erfolgt 
bie  Verurteilung  fofort  auf  ba3  33elenntnis>  beS  nomen  christianum.  9iur  bie  näcb> 
lieben  23erfammlungen  erinnern  il)n  an  bie  unter  Verbot  gefteßten  §etärien,  im  übrigen  10 
bleibt  biefer  ©efid)tSbunlt  ganj  aufjer  $rage.  9itcbt  minber  in  ber  Stntroort  beSÄaiferS. 
3tucfy  blatte  biefer  ftdjerlicb.  nicfyt  bie  gleich  ju  erroäbnenben  9Mberungen  in  bem  33er= 
fahren  auSgefbrocfyen,  wenn  er  bie  ßfmftengemeinbe  als  eines  ber  bon  tl)m  mit  rücfftcl)tS= 
lofer  ©cbärfe  verfolgten  ©ollegta  aufgefaßt  bätte. 

©ie  laiferlicfje   Stnttoort  (Ep.  97)   erlennt  ba§   bon   ^Sltrttug    befolgte  33erfal)ren  15 
grunbfäpcfy  als  richtig  an,   mit   anbern  SSorten,   baS  cfjriftltcbe  33elenntntS   tft   an   fiel) 
aueb.  für  Trajan  ein  tobeSroürbigeS  93erbrecben  (actum,  quem  debuisti,  mi  Secunde, 
in  excutiendis  causis  eorum,    qui  Christiani  ad  te  delati  fuerant,  secutus  es). 
£>ie  Verfügung    beftimmter   formen   für   bie  33el)anblung   ber   einzelnen  @rfcf/einungS= 
formen  roirb  abgelehnt  mit  ber  93egrünbung  auS  ber  Unmöglicfyleit  fyerauS  (neque  enim  20 
in  Universum  aliquid,    quod  quasi  certam    formam    habeat,    constitui    potest). 
SJur  bie  planmäßige  Sluffbürung  (conquirendi  non  sunt)  unb  bie  Slnfybrung  anonymer 
Denunziationen  (sine   auetore   vero    propositi   libelli   in    nullo    crimine   locum 
habere  debent)  muffen  auSgefcbloffen  bleiben,   letztere,    weit  fie   ein   fcblecbteS  23eifbiel 
giebt  unb  bem  ©eifte  ber  geit  roiberftreitet  (nam    et   pessimi    exempli   nee   nostri  25 
saeculi  est),    ©rtblicb,  biejenigen,  roeldje  bureb  baS  ©ötterobfer  ifyre  $ugel)örtgfeit  jum 
gfyrtftentume  roiberlegt  fyaben,   mögen  frei  ausgeben.    2Bo   aber  biefe  gugefyörigleit  feft= 
geftellt  ift,  tritt  bie  Äabitalftrafe  unnacfyftajtig   ein  (si  deferantur   et  arguantur,    pu- 
niendi  sunt). 

©in  SDopbelteS  ift  an  biefem  3tefiript  c^arattertfttfcb :  bie  bon  bornfyerein  als  felbft*  :;u 
berftänblicf/  genommene  ©trafroürbiglett  beS  nomen  Christianum  unb  bie  baneben 
laufenben  5Rilberungen.  ©ort  lommt  ber  gufammenbang  mit  einem  in  langer  Übung 
bereits  feftgerourjelten  Verfahren  in  Sßerbinbung  mit  bem  ftarfen  ©efübl  bolitifcfyer  23er= 
antroortlicfyleit  jum  3tuSbrucl,  bier  berfdEjafft  ftcf;  baS  bumane  ©mbfmben  beS  MfcrS©eI= 
tung.  $n  feiner  Söeife  fyat  XertuKian  (Apol.  c.  2)  biefen  tfyatfäcblicfy  borfyanbenen  35 
inneren  Söiberfbrucb,  leibenfcbaftlia),  aber  nicfyt  ganj  unriefetig  fo  beurteilt:  0  sententiam 
necessitate  confusam !  Negat  inquirendos  ut  innocentes  et  mandat  puniendos 
ut  nocentes  Si   damnas,    cur    non   et  inquiris?  Si  non  inquiris,    cur 

non  et  absolvis? 

Über  ©tnn  unb  Xragroeite  biefeS  SfaflribteS  gingen  bie  Meinungen  lange  ^eit  auS=  40 
einanber.     Sbeobor  ''JftommfenS   grunblegenbe  Unterfucbung :   „®er  SeligionSfrebel  nad^i 
römtfeben  SRed^t"  (§3  1890)  bat   nunmehr  ben  Soben  bereitet,   auf  roelcf/em  allein  bie 
ri^tige  Beurteilung  ju  gewinnen  ift,  unb  20.  9i.  S^amfat)  (a.  a.  D.)  fyat  bon  bier  au€  bie 
beiben  ©cbriftftücfe  bortrefflict)  ju  bollern  äkrftänbniS  gebracht.    Um   eg  !urj   ju  fagen, 
baö  ganje  SSerfabren   beruht   auf  ber  fog.  coercitio,    ber   an   leine  beftimmten  ^ßroje|=  45 
formen  gebunbenen  magiftratlictjen  ^Rebreffion,  welche  bie  33ermaltung€be^örbe  naa)  freiem 
©rmeffen  jur  S)urcbfüb,rung   ber  öffentlichen  Drbnung   berfügte  (f.  b.  3t.   GI)riftenberfoI= 
gungen  35b  III  ©.  824 ff.).    Qb,re  ftänbige  3fticf;tung  na^m   biefe  9tebreffton  u.  a.  gegen 
bie  Räuber,  aber  frübjeitig  au$  fcb,on  gegen  bie  ßljriften.   ^n  ber  neronifcfyen  Verfolgung 
Wirb  bie§  juerft  beutlicb  (§arb^),  Christianity  and  the  Roman  governement  ©.  38  ff.).  50 
SDie  grage   ber   ©ebtbeit  be<3  ^liniuöbriefeg  bebarf  leiner   ©rörterung;   bie  SBeftreitung 
berfelben  gebort  ju  ben  ellatanteften  Seifpielen  ungefcbicb,tlicb!er  ^ritil. 

Die  3iegierung^eit  ^Erajang  jäblt  al§  be*borragenbe  SRärtbrer  ben  SBtfd^of  ^gnatiuS 
bon  2lntiod)ien  (über  bie  6bronb^gte  31-  §arnacf,  ®te  ©Pönologie  ber  altcf)rift= 
liefen  2itteratur  big  (gufebiuS  I,  ©.  381  ff.)  unb  ben  Sßifcfyof  ©imeon  bon  ^erufalem.  55 
gablreicfye  weitere  -Kamen  ^at  bie  Segenbe  angefcbloffen.  ^m  allgemeinen  mar  bie 
Sage  für  bie  (Sbriften  eine  günftige.  Dbmo^l  bie  Unterftellung  unter  bie  Soercitio, 
roelcb,e  Xertullian  richtig  mit  ben  2isorten  non  licet  esse  vos  umfcb,reibt,  einen  3U- 
ftanb  bölliger  9tea)tlofigleit  fcb,uf  unb  auc£>  an  anberen  Drten  ^ebreffionen  ftattgefunöen 
f)aben,   rote   febon    aUein   au3   bem  ©cbu^ebilt  §abrianö  (f.  b.  21.  33b  VII  ©.  3 16  ff.)  ut  eo 

SReot=erct)f(Dpäble  für  S^eoloflie  unb  Sl'lrcfte.    3.  Sil.  XX.  2 


18  £rajatt,  Staifer  SraitartantStnuä 

entnehmen  ift,  fo  barf  man  bod)  rttd^t  Don  einer  gbriftentoerfolgung  unter  %tqcm 
reben,  roie  ältere  ÄirdjenfcbriftfteÜ'er  (u.  a.  @ufebiu<§,  ^ieronr/tnug,  DrofiuS)  tbun.  9Rur 
baS  ift  zugeben,  bafe  biefe  ^nftmltion,  bie  burd)  bie  $eröffentlid)ung  ber  Äorrefponbenj 
notorifd)  rourbe,  »ießcicbt  aud)  nad)  anberen  Drten  fyin  ergangen  ift,  bte  Soercttto  in  ibrer 
5  2tnroenbung  auf  bte  Stiften  feierüd)  unb  autorttätSboH  betätigte,  atlerbingS  mit  ifyren 
geroidjtigen  SRilberungen. 

Qn  einen  blutigen  üonflift  geriet  Srajan  mit  ben  ^uben,  bie  115  in  2lgr#ten  unb 
Jvtyrene  in  einem  toilben  21ufrubr  ftcr)  erhoben,  ber  balb  aud)  nad)  Gtypern  übergriff, 
roäbrenb  ^aläftina  toer&ältmSmäfetg   rufyig   blieb.    ®er  ßatfer,   gerabe  in  9Jtefopotamien 

10  burcb,  friegerifdje  Unternehmungen  feftgebalten,  cermocbte  erft  nad)  hartem  fingen,  bei 
bem  Ungegarte  ba§  Seben  cerloren,  burcb,  feinen  gelbberrn  5ftarcu§  %uxbo  ber  Situation 
£>err  gu  werben  (117).  ®ie  2lu<3läufer  ber  furchtbaren  kämpfe  reichen  nod)  in  bie 
Sftegierung^ett  £abrian<§  hinein  (@.  ©c&ürer  a.  a.  D.  I3,  ©.  661  ff. ;  ©rä£,  ©efd)icbte  ber 
^uben  IV,  Seidig  1866,  ©.  123  ff.).  —  Srajan  ftarb  auf  bem  3tü<fjuge  aus  bem  partb> 

15  fdjen  gelbjuge  im  2tuguft.  117  SJictor  ©i^uUje. 

£raftartant§mu§.  —  Sitteratur:  ?Ibbet)  unb  Oüerton,  The  English  Church  in  the 
Eighteenth  Cent,  Sonbon  1878;  3.  .&.  Döerton,  The  Church  in  England,  Sonb.  1906  93b  II 
©,  315 ff.;  berf.,  The  Engl.  Church  in  the  Nineteenth  Cent.  (1800  —  1833),  Sonb.  1894; 
©.  ©.  $errl),    A  Hist,  of   the  Engl.  Church,    Sonb.  1861    (unb    ttiefe  Stuft.);    9Kc  Gartfffl, 

20  A  Hist.  of  our  Own  Times,  Sonb.  1879 ;  SEuttod),  Movements  of  Religious  Thought  in 
Britain,  Sonb.  1869;  berf.,  Edinb.  Review  1870,  Ott.  —  3.  Stuart  5DM,  Discussions  &  Disser- 
tations,  vol.  I  ©.  430 ff.;  8f.  SKojtel),  Reminisc,  chiefly  of  Oriel  Coli.  &  the  Oxford  Move- 
ment, Sonb.  1882,  2  23be;  ©.  23.  Goj,  Reminisc.  of  Oxford;  31.23.  Gfjurd),  The  Oxf.  Move- 
ment, Sonb.  1891;  23afff),  The  Secret  Hist.  of  the  Oxf.  Mov.,  Sonb.  1899  (5.  Stuft.);  3.  §. 

25  Duerton,  The  Anglican  Revival,  Sonb.  1897;  2Süfeman,  Hist.  of  the  Engl.  Church,  Sonb. 
1897;  9h)e,  Story  of  the  Oxf.  Mov.,  Sonb.  1899;  Utjben,  ®ie  Buftänbe  in  ber  angltfan. 
Stirtfje,  Seipj.  1843;  $fteiberer,  Gnttttidelung  ber  proteft.  SC^eoI.  in  ®eutftf)Ianb  unb  ©rofs= 
23rit,  greibuvg  1891,  @.  386  ff.  Contemporary  Review  1883,  May  (The  Oxf.  Mov.  »ort 
28.  Saliner) ;    Quarterly  Rev.  1906,  July  (Origin'&  Hist.  Basis  of  the  Oxf.  Mov.) ;  New  Quart. 

30  Magaz.  1879,  July,  ©.  186 ff.  — &  1.  Gotertbge,  A  Memoir  of  J.  Keble,  Sonb.  1868;  SB.  Sod, 
J.  Keble,  Sonb.  1893;  ©.  ^ßreuoft,  Autobiography  of  J.  Williams ;  "iß.Sibbon,  Life  of  Pusey, 
Sonb.  1893,  4  23be;  23.  SSarb,  W  G.  Ward  &  the  Oxf.  Mov.,  Sonb.  1860;  3.  £.  Hemmern, 
Apologia  pro  vita  sua,  being  a  Hist.  of  his  Rel.  Opinions,  Sonb.  1864  (»orfid]tig  ju  he- 
rtu&eri);   Edinb.  Rev.  1S38,  July  (eine  SBürbigung  9Jeroman§);    3t.  23ubbenfieg,  3-  ©•  9Jew= 

36  man  (in  9(ug§6.  9lttg.  3tg.  1880  Seit.  260—262);  berf.,  3.  Sp.  9?eioman  unb  fein  Slnteil 
an  ber  Drjovber  23eiuequug  (in  3®®  V,);  ineitere  Sitteratur  über  9tel»man  f.  oor  bem  9tv= 
titei  9?.  von  Sattcnbufcf,  93b  XIV,  1.  —  Tracts  for  the  Times,  Sonb.  1838—42,  6  23be; 
3t.  £>.  3-roube,  Remains  (fjerauäg.  t».  3ame^  sJRojlet))  1838;  British  Critic  uom  3-  1838  an; 
23.  ^Saliner,    Narrati ve    of  Events  connected  with  the  Publication    of    the  Tracts    for    the 

40  Times,  Sonb.  1843;  9?eubruci  1883;  91.  iß.  <ßerce»at,  Collection  of  Papers  relat.  to  the  Theo!. 
Movern.  of  1833;  ftr.  Cafetet),  Hist.  Notes  on  the  Tract.  Movem.,  Sonb.  1865;  SKtpon 
(23ifd)of  Hon),  Thouirhts  on  Christian  Reunion ;  23.  ©.  SBarb,  Ideal  of  a  Christian  Church, 
Drj.  1844;  3.  ft.  Wewman,  Essays  Hist.  &  Crit.  1S71,  2  S3be;  berf.,  Prophet.  Office  of 
the  Church,  Sonb.  1837;  berf.,  Anglican  Difficulties  1850;  berf.,  Grammar  of  Assent  (ugl. 

45  Edinburgh  Rev.  1870,  Od.);  Good  Words  1880,  Jan.  (Reminisc.  of  the  High  Church  Revi- 
val uon  3-  9l.g-voube);  The  Catechism  of  Theology,  Sonb.  1873;  9Jfabge,  Lectures  on  Cert. 
High-Church  Priuciplcs,  Sonb.  1873;  9titct)ie,  Rel.  Life  of  London,  Sonb.  1874;  3t.23ubben= 
fieg,  The  Church  Urisis  from  a  German  Point  of  View  (in  Brit.  &  Foreign  Evang.  Rev. 
1880,  Oct.).  —  Contemp.  Rev.  1874,  Oct.  (Ritual  &  Ritualism);  ^.  9Jiartin,  Anglican  Ritual, 

50  Sonb.  1881;  Ritualism  as  it  is  in  Month  1898  @.  321;  «ß.  ©attolimi),  Twelve  Lectures  on 
Ritualism,  Sonb.  1879  (röm.=fat(|.) ;  «ßreuB-  Sa^rb.  1883,  9foo.  (Srattar.,  $ufel)i§m.  unb 
SRittial.  »on  3v.  «ubbenfieg) ;  Edinb.  Rev.  1872,  April.;  9lßg.  g».  Sutt).  $3  1883  ■£.  769 ff. 
794  ff.  (bie  röin.  Sircije  in  Sngtanb  »on  3J.  23ubbenfieg);  9(.  Sapecelatro,  Newman  e  la 
Religione  Catholica  in  Inghilterra,  1859,  23b  I ;  Abbe  de  Madaune,  Histoire  de  la  Renais- 

55  sance  du  Cathol.  en  Angleterre,  *ßari§  1896. 

ißtan  be§  9(itffa|eö:  etjaratteviftit  beS  SraftarianiSmug  @.  19.  ®ie  gefcbicfrtl.  Sage 
©.19.  1.  ®ie  engt,  ßiretje  im  18.  Safjrl).,  2.  28e§lel)  unb  bte  Goanget.,  3.  ®ie  beutfdje  *ßf;iio= 
foptjie,  4.  ®ie  fränj.  3te»ot.,  5.  3)ie  engt.  Ütomanttf:  28orb§mort6,  Scott,  Gotevibge,  6.  S)er 
pot.    unb    tirdjt.    Siberali§mu§ ;  a)  %bee,    b)  5ßrarj§.      I.  ®er  SLraftariant§ntu§    @.  22. 

60  1.  Oriel  College,  groube,  Siebte  unb  fein  Christian  Year,  2.  S)te  §abteigfj=lionferenj  ©.  24, 
Sie  greunbe  ber  itixdqt  unb  trjre  Strbeit,  3.  Sie  SEraftate  ©.  25,  a)  9?einman,  b)  S)ie  Via 
media,  c)  S)er  ^ampbenftrett,  d)  5ßufet)§  Gintritt,  e)  Sr.  90,  f)  ©eine  folgen,  g)  9tb(et)nung 
beS  „TOittetroegg"  II.  SDer  5ßufel)iSmu§  @.  31.  1.  ®er  1.  Gi'obuS,  2.  S)er  Äampf  um 
bie  Sefjre,   a)  §ampben,  b)  ©ortjnm,    3.  ®er  2.  Gj-obuS,   4.  ®ie  englifdj-römifctje  .^ierar^ie, 


£rafrarinm§nm§  19 

5.  Der  Denifonftreit.     III.  Dev  9Jituofi§  mu§  <&.  34.     1.  Der  Satupf  um  bie  Sultfurmen, 

a)  SibbeH,  b)  SBrljon  Sing,  c)  (Sburd)  Union  unb  =9lffociatton,  d)  TOacfonodjie,  e)  Sßurcrjas, 
f)  Düle,  g)  (Snragfjt  unb'  ©reen,  2.  Die  SBenbungS.  38,  a)  Dci§  bei  feite  ftetjenbe  Äircfjentum, 

b)  Ecclesiastical  Court  Regulation  Bill,  c)  Lincoln  and  Lambeth  Judgment,  d)  Report  of  the 
Royal  Commission  1906.    IV    Die  fivdjlidje  Arbeit  be§  Sfitualtä mu§  <3.  41.     1.  Die    5 
praftifdie  Df)eologie,  a)  ©eelfurge,  b)  äkreinäbilbungen,  2.  Die  tüiffenfdjaftltdje  Geologie  2.42, 

3.  Die  tvaftar.  i*et)re  S.  43,  aj  Siel,  (Srfenntmäfmnjip,  b)  Die  ftird)e,  c)  Sie  apoftol.  @uc= 
ceffion,  d)  Der  ^riefierbegriff,  e)  Die  ©nframente,  a)  Saufe,  ß)  9(benbma£)I,  y)  S3eid)te, 
f)  5dih:f3iu1eif.  V  Die  3-rüd)te  ber  33emegung  ©.51,  1.  SSertiefung  be§  Itrdjl.  ©eifte§, 
2.  Die  foäiafe  Arbeit,  3.  Die  f ultuSveform,    4.  Sie  ftrcrjt.  Sauf  un  fr,    5.  Die  firdjl.  Malerei,  io 

6.  Die  fird)l.  «ölufif.    Da§  t£nberge6ni§  6.  53. 

2Rit  Straf  tarianiämuS  wirb  gemeinhin  bie  im  %  1833  bon  Drjorb  auSgefyenbe,  in 
^5ra£tg  unb  2eb,re  ber  englifd)en  9?ationalfird)e  tief  eingreifenbe  firct;Iicf)=tbeologifd)e  33e= 
toegung  bejetcfyitet,  bie  ben  um  bie  2Benbe  beS  18.  ^afyrfyunbertg  eingetretenen  Dttebergang 
ber  ftaat§fird)Iid)en  grömmigfeit  burd)  gurüdgeben,  nid)t  auf  auS  ben  liefen  gefd)öbfte§  15 
Sigengut,  fonbern  auf  ältere  fird)Iicr)e  ©ebanfen:  Ümfetjung  beS  befenntnismäfjigcn 
©laubemS  in  anbetenbe  9Jtr/fttf  unb  innere  2lnnät)erung  an  fatboIifd)e  ©ätje  ju  über= 
rainben  gcfud)t  bat. 

$n  ben  brei  gönnen  be<§  Str.,  ^ufer)iSmu§  unb  9tituali§mu§  »erlauf enb,  richtete  ftdj 
bie  neue  Seroegung  auf  ben  Sinien  ber  altang(i!anifd)en  Geologie  gegen  bie  bon  bem  20 
SiberaliSmus  ber  .ßeit  unternommene  Entleerung  unb  33erflud)tigung  meriboller  religiöfer 
©üter  unb  gegen  bie  Eingriffe  be3  ©taat§  in  ba3  fird)lid)e  9ted)t.  Sluf  tbeoIogifd)em 
unb  braftifd)em  ©ebtete.  ©er  tbeologifd)e  SluSgangSbunft  mar  ber  Skrfud)  einer  2lnt= 
toort  auf  bie  grofje  ©runbfrage  nad)  ber  2>bee  ber  ^ird)e:  mag  ift  fie?  eine  Siealität 
ober  eine  Sfabeform?  morauf  beruht  iljre  §8etf)ätigung,  unb  weld)e3  finb  bie  -JJierftnale  25 
ibrer  irbifd)enErfd)etnung?  ©er  braftifd)e  mar  ba§93emüf)en  um  mürbige  2luSgeftaltung  be3 
d)riftlid)en  SebemS  unb  um  Erhebung  be§  ©otte§bienfte§  in  bie  ©tobäre  ber  Anbetung.  — 
©in  Serfud)  alfo,  bie  Äircfye  ben  berflad)enben  Einflüffen  ber  3eitlage  3U  entstehen  unb 
bem  fo  ftoljen  h)ie  roanfenben  ©erüfte  ber  religiöfen  Kultur  in  Englanb  ©eele  unb 
iJiüdgrat  ju  geben.  30 

©ie  gefd)id)t  liebe  Sage,    gmei  Strömungen   bes>  religiöfen  £ebens>  münben  in 
bie  Djforber  Semegung  ein,  eine  atlgemeinfird)lid)e  unb  eine  boütifcbe. 

©ie  grofje  Söenbung   im  16.  Jgabrrmnbert  unter  ,§einrid)  VIII.  b\§  Elifabetf)  mar 
feine  religiöfe,  fonbern  eine  barIamentarifcb=bolitifd)e  %fyat:  fie  befeitigte  9Jtif$bräud)e,  fd)uf 
eine  neue  3Serfaffung  in  roefentlid)  alten  b,ierard)ifd)en  formen  unb  öffnete  bie Sabnen  für  bie  35 
§erau§arbeitung  be§  ^ird)enbegriff§  burd)  bie  großen  2lngli!aner  ber  jtoei  folgenben  ^abr= 
b,unberte.    ©ie  ging  t>om  ^l)ron  au§,    nab,m   alfo  nicb,t  toie  bei  uns  ibje  9iid)tung  Don 
unten  nad)   oben,    fonbern   umgelegt,    leine  religiöfe  ©emiffenStbat,  fonbern  ein  barla= 
mentarifche<§  ©efd)äft.    ©iefen  Qua,  bat  fie  jinei  ^a^rbunberte  lang  betoabrt.    !Jbre  ®e' 
fd)id)te  ift  bie  ©efd)id)te  be§  ^ird)entumg,  nid)t  ber  $ircbe,  nid)t  Vertieften  3""^»-  *® 
lebend, fonbern  liturgifcb/er,  bogmatifd)er  unb  organifatorifcb,er fragen.  @rft  ba§  18.^ab,rb,unbert 
fd)uf  eine  innerreligiöfe  Erneuerung,    ©er  9Jtetl)obigmug  b,interlie^    il)r   jmar    ba§  Erbe 
einer  berfönlicr/en,  fittlid)  formierten  grömmigleit,  unb  bie  ©rünbungen  ber  religiöfen  ©e= 
fellfcfmften  (Society  for  Promoting  Christian  Knowledge  unb  for  the  Propagation 
of  the  Gospel   in  foreign  Parts),    ber   2lrmenfcbulen,    ber    Straftat;,    ber  ilircblicfyen  a:, 
3Uiffionö=   unb   ber  Sritifc|en   unb   2luglänbifd)en  Sibelgefellfd)aft  nahmen    ben   ^am»f 
gegen  ben  Sann  ber  fird}lid;en   Formel    fräftig   auf,    aber  ityre  Gräfte  toirften  al§  ein 
©auerteig  nur  in  fleine  Greife,  ©ie  Äird;e  felbft  mürbe  eine  bolitifebe  3Jlafd)ine,  ein  geiftlid)c3 
33erforgbauS  für  bie  ©öbne  bornebmer  gamilien.   ©ie  Pflege  ber  tbeologifeben  Söiffenfcbaft 
mid;,  bis  auf  iuenige  2lu§nabmen,   aug  ben  ^Pfarrbäufern,   unb  bie  ©timme  ber  Äirdie  50 
liefe  fid)  in  ben  großen  fragen   be§  £eben§  nid)t  mef;r  bernebmen.    2ßeber  ©elebrfam= 
feit  nod)  grömmigfeit,  fagte  ber  geiftbolle  Dr.  Qobnfon,  bringen  beute  tt;rert  sDtann  auf 
bie  Sifd^ofsbanf ;   bie   einzige  2luäfid)t   auf   geiftlid;e§   Sßormärt^fommen   bietet   bie  33cr= 
binbung  mit  irgenb  einer  barlamentarifd)en  ©röfee.  —  ©er  religiöfe  ©ebanfe  ift  im 
■ftiebergang.   SSor  bem  überreud)ernben  §ierard)iämug  ift  ber  ©eift  einfältiger  grömmig=  55 
feit  genügen.    Äirdjlid)  unb  religiös  gebrochen,   fied)t  ber  ©ciSmuS  an  feiner  ©ebunben= 
beit  unter  bie  gormel,    an   feiner   rationaliftifd)en  ©lauben§=  unb  Xbatenlofigfeit   babin. 
©ie  berüchtigten  ^3rebigten  Slairö,  bie    ba§   le^te  ©tabium  beS  religiöfen  JBerfallS  bar= 
[teilen  (SeSlie  ©te^benS,  Hist.  of  Engl.  Thought  II,  346),  finb  ba<§  religiöfe  §auSbud;, 
in  £  ber=  unb  SJlittelftanb   burd)  baS  ganjc  £anb   berbreitet ;    IjauSbad'ene    unb    troefene  60 
^foralfäfec  ftatt  ber  biblifdjen  Hraftfüdc   ber  alten  biberben  ^arfonS,   f)of;le§  s^atboS  für 


20  $raftartant§nm8 

bie  bolfötümlidie  griffe,  „für  ©albung,  2Bortmact)erei  —  ba3  ift  t£>r  3nf>alt,  be  respec- 
table  ifyrer  2Bei§l)eit  lefcter  ©cfylufe" 

©iefem  breiten  2lnftrom  religiöfer  ©rnücr/terung,  bte  bert  ©ott  ber  Vibel  unb 
feine  Offenbarung  beiftifcb,  ber  ÜberWeltltcr;feit  gutotei,  ben  ftarfen  «ßulgfd^lag  tieferen 
s  ©mbfinbeng  nidjt  bernafym  ober  al§  mr/ftifd)e  ©djWärmerei  berfyöfynte,  toa§  gefunbe 
$römmigfeit  War,  festen  ftd)  in  jener  3eit  SSe^ler;  unb  bie  @bangeltfct)en  entgegen. 
2öeller,s  £et)re  unb  £eben  Waren  ber  laute  Vroteft  gegen  ben  rationaliftifcb/en  3eitirrtum. 
Von  ber  lirc^e  au§geb,enb  unb  bon  tyr  unter  bem  §olme  ber  ©atten  auSgefct/ieben, 
unterliefe  er  einem  £eile  ifyrer  ©lieber  bal  @rbe  bertiefter  berfönlidjer  $römmigfeit  unb 

10  ebangelifcfyen  2eben§;  fein  2Iu§fc6etbert  bebeutete  bie  Verurteilung  ber  „IUrd)e  ber  llfteicfyen, 
totgeborenen  unb  Serberbten"  ^nbem  er  ba§  religiöfe  ©eWiffen  gegen  bal  bon  ben  biblifdjien 
Qbealen  Io§gelöfte  high  and  dry  &ird)entum,  ba§  mit  feinem  berftanbesmäfeigen  $or= 
maligmuS  bem  Vebürfnig  be§  ©emüt§  in  ben  Volf3fd)icr;ten  aHe<§  fdmlbig  blieb,  gront 
machen  liefe  unb  tym  burd)  bie  9ccubelebung  be3  ©ünben=  unb  ©nabenbeWufetfeing  Ve= 

15  friebigung  berfdmffte,  fanb  er  um  bie  3sal)rl)unbertwenbe  in  feinem  Kampfe  gegen  gormel  unb 
Unglauben  innerhalb  ber  ^ircfye  einen  ftarfen  Reifer  in  ber  Don  il)m  angeregten  @ban= 
gelifdjen  VeWegung.  %n  $x  lxat  kie  Kraft  berfönücfyer  grömmigfeit  bem  ©og= 
mati§mu§,  ber  in  ber  Siebe  ib,ätige  ©laube  einer  tfyatenlofen  Drtfyoborje  gegenüber. 
SUber  \i)x  9)tangel  mar,    bafe  bie   innere  ©rWedung  unb  bie  Äraft  ifjrer  2öerfe  bie  Ver= 

20  binbungSfäben  jum  benfenben  VeWufetfein  ber  geit  unb  ^ur  gelehrten  $orfd)ung  löfte 
unb  in  ifyrer  @infeitig!eit  unb  @ngb,er;$igfeit  ob;ne  bie  erhoffte  (SinWirfung  auf  bie  Itrcb= 
ItdEje  Geologie  blieb  (bgl.  Gfmrd)  13;  Oberton,  Angl.  Revival  12 ff.).  @3  beburfte 
Weiter=  unb  tiefergreifenber  Gräfte,  um  bie  ^errfcb.aft  ber  gormel  ju  brechen  unb  ben 
UmfdjWung  be<§  firct)Itd)en  ©enfen§  unb  £eben3  in  bie  SBege  ju  leiten.  — 

25  ©ie  Unterftrömung  in  bem  nun  einfe^enben  2öanbel  ber  $been  ging  in  6ng= 
lanb  Wie  in  ©eutfdjlanb  bon  bem  bfülofobb,  ifd;  =  etl)ifcr)  en  ^be ali^muS  $ant<§, 
gicfyteS,  6oIeribge§  unb  ßarlbjeä  unb  in  grantreidj  bon  ber  Stebolution  aus. 
$m  18.  ^jafyrfyunbert  fyatte  für  bie  füfirenben  Nationen  ber  eurobäifcfyen  Völferfamilie 
ein  Umbilbunggbroäefe  be3  geiftigen  ©afeing  eingefefct,  auS  bem  aEe§,  \va§  man  moberne§ 

30  ©eifteSteben,  bie  Freiheiten  be£  ©eWiffenS,  ber  SBiffenfdjaft,  ber  3BeItanfd)auung  unb  be§ 
Qcb/iS  nannte,  emborftieg.  ©dmnbar  eine  Vernietung  ber  alten  ftrd;Iidjen  Unfreiheit,  ber 
lutberifd^ert  unb  fatfyolifdjen  Formel,  unb  in  weiterer  Folge  burcb,  ba£  al§  moberne  9cot= 
Wenbigfeit  auftretende  Verlangen  nad)  Trennung  bon  Itircfye  unb  ©taat  eine  Vebrolmng 
beg   beftefyenben   fircbjicfyen  ©tanbe§  übertäubt,  traten  über  biefe  Vf)afe  hinaus,   eben  in 

35  ben  füfjrenben  Greifen  bieefeit§  mie  jenfeitä  i>e§  Äanafö,  auf  bem  Voben  ber  Stomantif 
@rfd}einungen  ju  2age,  bie  fid;  fyelfenb  ben  bebrob,ten  Äirdiien  jur  ©eite  ftellten.  ©urd) 
ganj  ©uroba  I;in  mieberb,o!te  fid;  immer  unb  immer  Wieber  berfelbe  Vorgang:  ber  junger 
nad)  greib.eit,  bie  ben  ©injelnen  ganj  auf  fid)  felbft  ju  ftellen  berfbrad),  fcb,lug  um  in 
Zweifel,  Verjagen  unb  SBeltfcb/merä  unb  auö  biefem  b,erau§  „bei  bieten  jur  Vergung  ber 

40  eignen  Verfönlicfyfeit  in  bem  ftär!ft=gebunbenen  ©eiftesleben,  ba§  nocb,  eriftierte:  in  ber 
fatb,oIifd)en  Iird)e"  ©er  junger  nad)  greib,eit  Würbe  Autorität.  Unb  als  %xu<fyt  biefer 
brängenben  SebeneWir!Iid)feiten  erftob  fid),  am  früt)cften  bieüeid)t  in  granfreid),  banad; 
unter  ber  9iot  ber  greit)eit§friege  in  ©eutfd)Ianb,  jule|t  in  ©nglanb  bie  neue  fircbiict/e 
Frömmigkeit  ber  ©ebilbeten.    äßäfyrenb  Stouffeauö  Üambfruf:    ßurüd   jur  9?atur  unb 

45  jum  natürlid;en  ©mbftnben  bon  ben  beutfd)en  ©türmern  unb  ©rängern,  beren  ^erolbe 
^tobftod,  Berber,  ©oetb^e  Würben,  über  ben  toten  9Jied)am3mu3  ber  äufeeren  "5Ratur 
fnnweg  ben  2Seg  in  bie  gottafynenben  Riefen  ber  füb,lenben  ©eele  fanb,  füllten  biefe 
^fabfinbcr  „in  it)rem  unbeWufeten  2lb,nen  bas  gegenwärtige  Söirtm  ber  ©ottb,eit" 
unb  ber  3JJenfd}en  gottberWanbte  %latux.    ©a§  tieffinnige  ?iaturgefüb,l  Söorb^ Wortt)§ 

50  Wanbelte  ficb,  in  fromme  §ingabc  an  ©Ott,  unb  ©fyetleb,  flaute  im  SSalten 
ber  9Jatur  nid;t  meb,r  nad)  ber  ^erbrochenen  fenfualiftifcb,en  ©cb,ab[one  „bie  ent= 
götterte  ^afc^ine,  fonbern  ber  ©ottfyeit  Iebenbige§  üleib".  —  Unb  alz  ber  blutige 
Taumel  beä  judjtlofen  ^nbibibualigmu§,  ber  in  granlreid;  ben  Vau  ber  alten  ©efell= 
fd)aftöorbnung   gebrochen,    auf    ben  5RaboIeonifd)en  ©d)lad)tfelbem    berraufd;t   War    unb 

55  ber  erWadjenbe  nationale  ©eift  bie  Völler  jur  ©elbftbefinnung,  auf  Volfgart,  Volförecfyt 
unb  Volfejiele  jurüdrief,  rife  SB  alter  ©cott  ben  ©cfyleier  bon  ben  3e'te".  bie  ber  ber= 
ftänbni^lofe  5Rationaliämu§  al§  ginfterni§  unb  Varbarei  gefcb,mäf)t  ^atte,  führte  in  ber 
Verllärung  ber  ©icb,tung  fein  Volf  in  bie  frommen  unb  ftarfen  Reiten  feines  jugenblicb,en 
Söerbenl   jurüd    unb   getchnete    auf   bem   bunflen  ©runbe  ber   nüchternen,   gottfremben 

60  ©egenWart  bie  ^beale  ber  mittelalterlichen  §elbenjeit,  tt)re  Iinblicb,e  9?aibetät,  ifyren  2;b,aten= 


JraftoriautSmuS  21 

brang,  if)rc  grömmigfeit  unb  il)ren  fircbjicfjen  ©ntfyuftasmus  in  fyerjerquicf'enben  Silbern, 
"ficben  it)m<B.  $.  Soleribge,  ber,  nacb,  fcfjWeren  Sebenserfafyrungen  an  beuifdjem  Denfen 
unb  Sßefen  Wiebererftarft,  mefyr  Sinter  als  ftrenger  Denier,  auf  bfytlofobfyifcfyem  2ßege  bie 
ÜBerfbfmung  mit  bem  fircfylicfyen  ©tauben  jWar  Wiebergefunben,  aber  anberfehs  t£>n 
nicf/t  als  Sßirfung  göttlicher  Slutorität,  fonbem  als  Sollenbung  menfd)Iid)en  Denfens  5 
ju  begreifen  unb  nacb^uWeifen  berfucfyte.  3n  '$m>  ^m  S^omantiler  mit  bem  bobbelten 
©eftcbt,  33erteibtger  emerfeits  bes  Äircfyenglaubens  gegen  feine  rattonaliftifdje  Entleerung, 
anberfeits  Bortambfer  für  bie  freiere  Begrünbung  ber  überlieferten  Xbeologie,  vub,en  nocb, 
geeint  bie  beiben  Siicfytungen  bes  ftrdE)Itd£)ert  Denfens,  bie  im  erften  Drittel  bes  19.  ^ab,r= 
bunberts  bie  englifcfye  X^eologie  bebenden.  Vertreten  bon  2BI)atelfy=2lmolb  einer=,  bon  10 
3.  ,s>.  DleWman^eble  anberfeits,  I)aben  biefe  ©ebanfengänge  eine  Steige  tüchtiger  Sftänner, 
bie  bom  neuen  ©eifte  berührt  Waren,  an  bem  Ojforber  Umbilbung^rojefe  beteiligt,  aber 
bie  in  bem  gleiten  Uniberfitr/=6olIege  burcb,  f^reurtbfd^aft  Berbunbenen  im  Verlauf 
bes  Äambfes  einanber  entfrembet  unb  in  entgegengefe^te  Sager  geführt. 

Diefe  Strömungen  unb  Söanblungen  bes  englifdjien  SoWsgeiftes  führten  naturgemäß  15 
ju  einer  9?euWertung  bes  in  ©laube  unb  ©Ute  ber  33äter  Überlieferten.  Sie  @ban= 
gelifcben,  in  ßambribge  gefammelt  unb  infolge  jafylreidjier  Stnfyängerfcfjaft  im  Satentume 
im  Segriff,  bie  fyerrfcfyenbe  Partei  ju  werben,  gießen  unter  bem  panier  bes  in  ber  Siebe 
tätigen  ©laubens  alle  Wißfommen,  benen  es  um  biefen  ©lauben  ernft  mar.  Die 
©cfyranfen  jWtfcr/en  ©taatsftrct/e  unb  Diffent  loderten  fiel),  Bekenntnis*  unb  $erfaffungs=  20 
fragen  traten  ^urücf  hinter  bem  berfönlicfyen  ©lauben,  unb  bie  ^ßrebigt  fam  auf  Soften 
bes  ©aframents  §u  altem  Stnfefyen  unb  ©egen.  2Bar  aber  bie  im  Befenntnis  feftgelegte 
Sef>re  etwas  UnWefentlicfyes,  bie  Berfaffung  ein  2lbiabf)oron,  fo  mußte  bie  grage  auf= 
geworfen  Werben,  ob  bie  S&rrfje  biefer  Sel)re  unb  Serfaffung  übertäubt  nod)  ein  ÜRecfjt 
auf  Eigenart,  auf  Stbfonberung  bon  anbern  ^ircfyengememfcfyaften,  auf  ©rjftenj  I)abe.        25 

9Jlit  bem  Beginn  bes  3.  ^afyrjer/ntes  Wulfen  biefe  Befürchtungen  um  fo  mebj, 
al§  im  ©efolge  ber  franjöfifcfyen  Steboluttonsibeen,  bie  mit  ifyrem  felbftifcfjen  3>nbibibualis= 
mus  in  ©taat,  ©efeflfcf/aft  unb  ^irdje  biele  alte  Binbungen  löften,  in  ©nglanb  bie  (Sbodje 
ber  Reform  einfette  unb  ber  fircb,ltcr;  =  boIitifcf;e  Siberalismus  bie  $orberungen 
ber  greifyeit  unb  ©leicfyf/eU  buref^ufeijen  begann.  Borfämbfer  ber  gegen  bie  gefcbJcfytlicfSen  30 
Sterte  ber  ©taats!ird)e  gerichteten  barlamentarifcb,en  9Kaßna!)men  War  bas  9J?imfterium 
So_b,n  gtuffefl,  bas  mit  ber  Sluffyebung  ber  ^eftalte  (1828)  ben  ©runbfa|  ber  @eWiffens= 
freifyeit  bertrat.  Denn  biefe  ^SreiSgabe  bebeutete  nicf)t  nur  ben  Eintritt  ber  ftaatsfircf/= 
liefen  ©egner,  ber  Sfonconformtften,  tnä  Parlament,  fonbern  auefe,  beren  2lnteilnab,me  an 
firdjlicfyen  5)teßnab,men  unb  Reformen.  Damit  r/örte  bie  nationale  Eirene  auf,  ©taat§=  35 
firtt)e  ju  fein. 

^m  folgenben  ^ab,re  braute  ©ir  Robert  ^ßeel,  um  ba§  reboltierenbe  ^tfanb  Su 
beruhigen,  bie  fatb,olifc|e  9teliefbitl  gegen  ben  SBiberfbrud)  ber  §oc§fircb,licb,en  ein.  2Baren 
bie  bon  ber  SLeftafte  befeitigten  Seftimmungen  feit  langer  3^t  lebiglic^  toter  Suc^ftabe 
geWefen,  fo  embfanb  nun  bie  ®ircf)e  bie  ©ct;ärfe  be§  Singriffs,  aus  bem  ber  neue  ©etft  ber  40 
3eit  fie  anwehte,  als  eine  fdjWere  ®rob,ung.  ®ie  3age  bes  ©ftabltf£>ment,  fo  trium= 
beerten  i§re  geinbe,  Waren  gejault;  bie  SlußenWerle  Waren  genommen,  unb  bie  ßitabefle 
b,atte  ben  Singriff  ju  gewärtigen.  3eoermann  erwartete,  baß  ber  Reform  bes  ©taats 
als  natürliche  golge  bie  Reform  ber  ßircfye  b.  %  ib,re  Sefeitigung  als  ©taats!ird;e  jur 
©eite  treten  Werbe.  —  Sie  Sage  berfcr/Iimmerte  fidj,  als  infolge  ber  franjöfifcl)en  ^uli=  45 
rebolution  bie  ffib^igs  bie  Regierung  übernahmen,  bie  bon  ber  Nation  ftürmifrf;  geforbertc 
^Parlamentsreform  gegen  bie  Sorbs  unb  Sifcfjöfe  bes  Oberlaufes  burebfe^ten  unb  in 
Weiterer  $olge  auf  Sorb  Srougb^ams  Eintrag  bie  Berufungen  in  geiftlicf/en  Slngelegcnb, eiten, 
bie  bis  bafiin  einem  bom  Könige  ernannten  ©eift!icf)en=2)elegatenb,of  überWiefen  Waren,  einem 
Stusfdmß  bes  ©ef)eimen  9lates  übertrugen,  bei  bem  bie  ©ntfcfjeibungen  in  ben  ^»änben  so 
bon  Saien,  ber  Dberricf/ter  ber  Weltlichen  ©ericfyte,  rut)ten.  Damit  War  bie  ©timme  ber 
Sifd^öfe,  feit  meb^r  als  100  ^ab,ren  (feit  1714)  in  ber  nicb,t  mebr  berufenen  ^onbofation 
jum  ©Zweigen  gebracht,  aueb,  im  Parlament  unb  in  ber  Dberinftanj  bes  ©eb,eimen  5{ats 
felbft  in  grunbfä|licb,en  ^ircj)enfragen  befeitigt. 

Der  9Ieformgebanfe,  in  ber  ^oliti!  ju  glän^enber  9Bir!ung  gelangt,  griff  auf  55 
bas  fird^)Ud)e  ©ebiet  über.  Der  Premier,  @arl  ©re^,  burc^  feine  bolitifdjcn  Erfolge 
trunfen  gemacht,  fagte  ben  Prälaten  bes  Oberlaufes  ins  ©eficf)t,  es  fei  für  fie 
#ett,  il)r  §aus  ju  beftellen  (Oberton  308),  unb  %  |jume  freute  fic|  nicb,t,  im  llnter= 
baufc  ju  er!lären,  bas  ganje  Sanb  berbamme  bie  ©taatsürc^e  als  eine  $örber= 
fd)aft,  beren  9tect;te  eben  im  Segriff  Wären,  bon  ber  Slutorität,  bie  fie  berlieb/en,  befeitigt  60 


22  SraftortauiSmuS 

ju  werben,  aU  einen  bcrflucfyten  Sau,  ber  in  ber  Meinung  beg  Sanbe*  nicfyt  nur  tooflig 
nu£lo<§,  fonbern  abfolut  fd;äblid>  fei.  ©ie  SKaffe  aber,  burdj  ben  jä^en  äBiberftanb,  ben 
2lbel  unb  Sifcböfe  auc^  ben  berechtigten  geitforberungen  entgegenfe^ten,  erbittert,  rottete 
fid),  wenn  ein  Sifdjof  auf  ber  ©träfe  erfc|ien,  jufammen,  bebrot/te  ben  $rima£  in  feiner 
5  Jtatfyebrale  mit  rof>er  ©emalttf>at,  rifj  ben  Sifd)of  bon  Sicfyfielb  nacb,  einer  ^3rebigt  in 
Sonbon  au§  feinem  Söagen,  berbrannte  anbere  Prälaten  in  effigie,  unb  in  Srtftol 
jerftörten  tobenbe  SoIfSmaffen  ben  ^Jalaft  be3  SifcH<§  bi§  auf  ben  ©runb. 

®ie  IbWenbung  bon  ber  Hircfye  ging  burd)  ba<§  ganje  Sanb.  ©ie  9ieformbiII 
fyaite  bie  ©eWalt  in  bie  §anb  gerabe  berjenigen   gelegt,   bie   ifyr   am   feinblicbjten,    bem 

10  ©iffent  am  günftigften  gefinnt  waren.  Söar  e£  ju  berWunbern,  baf?  überaß,  bei  ben 
greunben  nid)t  Weniger  als  bei  ben  geinben  ber  $irct>e  ba§  ©efüt>l  Pa$  griff,  baf$  ber 
Soben  unter  tfyrengüfjen  manle?  ©ie  ^irct)e  bon  ©nglanb  legte  ifyre  ©emänber  an,  in 
Söürbe  mi  fterben  (3JcoäIeb,  Rem.  I,  273).  StlS  boürnbä  ba§  Parlament  bon  1833  bie 
Qrifcfye  «ird;engutSa!te,  bie  bie  §älfte  (10)  ber  irifd>en  Si<§tümer  gegen  ben  üerüalen  @in= 

15  fbruct;  aufhob,  „al<§  einen  2llt  ber  ©ered;tigleit  gegen  ba3  irifdje  Soll"  annahm,  fc^ien 
ben  greunben  ber  $trd)e  ba<§  StRajs  boll  unb  bie  geit  gelommen,  toas  an  geiftlicfyer 
Äraft  nodj  borr)anben  War,  um  bie  Rrcljlidjen  ÜRedjte  unb  @f>ren  gu  fammeln  unb  bem 
liberalen  Serberben  einen  ©amm  entgegengehen. 

I.  ©er  £raftanani§mu3.     ©iefe   ©egenbeWegung   ging    bon  9JfttgIiebern    ber 

20  Uniberfität  Drjorb  au§.  §ter  regten  fid),  im  ©egenfais  &x  Gambribge,  ber  bamaligen 
§od)burg  ber  (Sbangelifcfjen,  nod;  b^cr;fird)Iicr)e  Überlieferungen,  ©ie  Erinnerungen  an 
Saub  unb  feine  ©d;ule,  bie  l)ier  geblüht,  Waren  nod)  toacb,,  unb  bie  ürcfylicfyen  Serbtenfte 
ber  großen  Slnglüaner  (©anberfon,  Sarroh),  Sancroft,  $en,  Qer.  SEablor,  §oofer,  SBilfon, 
Surnet,  ©trr/be,   Sutler,  SoWit)  unb  £>or§Iet))  ftanben  in  ®|ren.    £$et$t  mar  bie  ©tunbe 

25  ba,  bie  Gräfte  ber  Vergangenheit  gegen  bie  SerWüftungen  ber  ftrcr/enfeinblicfyen  ©egen= 
Wart  in§  gelb  ju  führen. 

©er  Stuf  jur  ©ammlung  !am  aus>  bem  Oriel  College.  $n  biefem  fjatte  in  ben 
groanjiger  ^ab^ren  eine  freiere  tfyeologtfdje  9Ud)tung,  unter  ber  güfyrung  bon  Süd).  Sßfyatelb, 
fbäterem  ©rjbifcfjof  bon  ©ublin,  eine  3Irt§aJ)I  fyerborragenber  junger  Scanner  (SEf).  3lrnoIb, 

30  ©•  §ambben,  $.  §.  9Jetoman,  9t.  §.  groube,  g.  Äeble  unb  @.  S.  5]3ufeb)  angezogen 
unb  bie  Oriel  Noetics  ju  einer  2trt  geiftiger  güfyrer  an  ber  2l!abemie  gemacht,  infolge 
ber  Angriffe,  bie  2öb,atelt)  auf  bie  fircfylicfye  ©rtoä^Iung^  unb  StecfytfertigungSlefyre,  auf 
^nfbtration  unb  ©onntaggfeier  geriet» tet,  fetjte  inbe§  ein  ^erbröd'elunggbrojefe  ein;  unb  al§ 
ber  geiftbolle  %i).  2lrnoIb   in    feiner  £b,efe   bon    ber   nationalen  Äircb,e  al§  ber  ©efamt= 

35  b,eit  be<B  englifdjen  SSolI§ ,  ^trct)e  unb  ©iffent ,  in  ber  ber  tinterfdneb  ^wifer/en 
kkxu§  unb  Saien  aufgehoben  fei,  jugleicf)  ©ogma,  MttuS  unb  3Scrfaffung  al§  ^eben^ 
fachen  bezeichnete  (in  feiner  Church  Reform  1831),  trat  boltenbS  bie  ©baltung  ein; 
eine  redete  ©rubbe  (Siebte,  groube,  9^emman  unb  ^>ufei;)  fdtfofj  fid)  jur  Verteibigung, 
b.  b,.  ju   einer  hinter  bag  16.  ^abjfyunbert   äurüdgetjenben   Reform   ber  ^irdje  unb  jur 

40  Rettung  ber  bon  SIrnoIb  breügegebenen  ©üter  jufammen.  — 

Um  biefe  ^eit  lam  ^ob,n  §enrt»  Dlemman  (bgt.  Sb.  XIV,  3  ff.)  bon  einer  sJteife, 
bie  er  mit  feinem  greunbe  Slic^arb  §urrell  groube  (geft.  1836),  bem  Sruber  beg 
berannten  §iftori!erg,  nad)  bem  2RitteIIänbifd)en  3JJeer,  9tom  unb  ^Sarig  unternommen 
b,atte,   bon   entfdjeibenben  ©inbrüden  boß,  nacb,  Djforb  jurüd.    (Sin  anbrer,  afö  er  ge= 

45  gangen.  _  @g  gärte  in  i^m.  sJlad;bem  er  mit  SBfjatelb,  gebrochen  unb  and)  bon  bem 
locfyürcfylid;  gerichteten  Dr.  §amling,  bem  er  bie  £eb,re  bon  ber  SEauftoiebergeburt  unb  ber 
aboftolifcfyen  ©ucceffion  berbanfte,  fid)  loägefagt,  trat  er  al€  ein  neuer  9Jknn  in  ben  nun 
fongenialeren  Sfreig  beg  Oriel  College  Mirüd.  ^n  june^menber  Erbitterung  gegen  feine 
alten  greunbe  tjatte  er  ein  Sanb  nacb,  bem  anbern,  ba3  if>n  an  bie  @bangelifd)en,  feine 

so  erfte  Siebe,  banb,   burcfyfdmitten  unb  mar  jum  erftenmal  J^onbertit  gemorben. 

Seburfte  e§  baju  nod;  eineg  au^er  i^m  felbft  liegenben  @influffe§,  fo  mar  e3  bie  bertraute 
greunbfcb,aft,  bie  dm  (feit  1826)  an  groube,  ben  fanatifdien  Sor!ämbfer  ber  neuen  ^0$= 
Iird;Ud)en  ©ebanfen,  banb.  ©iefer  mar  ber  begabtefte  be§  Djforber  Greifes  (Apol.  84 
unb  85);    ein  leibenfcfyaftlicfyer  ßtjaralter,  boll  glüb,enben  Verlangend  nacb,  2Bab^rf)eit  unb 

55  bon  a3fetifd)er  ©ittenreinb,eit;  „oft  einfeitig  in  ber  Äonfequen^  feiner  ©ebanten,  bi3  pim 
ganatilmug  leicht  erregbar  unb,  ben  ^-efyler  reid;  begabter  Naturen  teilenb,  megmerfenb 
unb  ungerecht  im  Urteil  über  2lnber§ben!enbe" :  ein  ©igenmenfa)  bon  innerem  2Bud)3, 
ber  gegen  ben  weitläufigen  ^3rei§  ber  mobernen  ^bzm  milb  lo^bracb,,  bem  $ambf  Suft 
unb  Seben  unb  ber  ©a|:  Siegen  ober  Srecb,en  SebemSregel  mar.    ©eine   erften   Iibcrali= 

60  fierenben  Anfänge  bauerten  nia)t.    ©ein  fc^arffinniger  Jlobf  ^atte  früb,  ba§  Unbermögen 


£raftarinm3mu8  213 

ber  menfcfylicfyen  Vernunft,  bie  2Bal)rf)eit  felbftftänbig  ju  finben,  ernannt,  ©o  Würbe  er 
an  bie  Kircfye  gewiefen  als  an  bie  Vefttjerin  unb  §üterin  ber  2Saf)rb,eit;  bie  Weitere 
grage:  Welche  ®ird)e?  Wie3  iljm  an  bie  fyeimatlicfye.  Dacfy  beren  ©runblagen  fudjenb, 
liefe  er  bie  getäufd)te  Hoffnung  au3  ber  ©egenWart  in  bie  Vergangenheit  fliegen,  Wo  er  bie 
©loriole  reiner  Sefyre  unb  frommer  Anbetung  um  ba§  £>aubt  ber  Vraut  G>l)rifti  gewoben  5 
fanb.  Von  ber  Deformation  beö  16.  ^afyrf)unbert§  wegen  be<§  ©ubjeftibiSmuS  if>rer  Vor= 
fämbfcr  abgeftofeen,  würbe  er  ju  beren  fanaiifcfyem  geinbe  unb  liefe  fid)  ju  ben 
mafelofeften  2lu3fäflen  gegen  bie  „©otte^männer"  fjnnreifeen;  cor  allem  in  feinen 
Remains  (gebr.  1838),  bie  naef)  feinem  frühen  SEobe  für  bie  Drjorber  Bewegung  be= 
beutfam  geworben  finb,  entjünbete  er  bie  ©luien  feiner  fiebernben  £eibenfd)aft  am  io 
Deformatorenbaffe.  SDie  Deformation  ift  ifym  ein  fcb,Ied)t  eingerichteter  Veinbrud;;  ba3 
Sein  mufe  Wieber  gebrochen  Werben,  bamit  man  e3  beffer  einrichte.  ©0  lam  er  ju  Saub, 
bon  bem  er  fid)  inbe§  nad)  einetn  fur^em  Daufd;e  ber  VeWunberung  ernüchtert  abWanbte, 
um  bie  VerWirfliclmng  feiner  fircfylicfyen  $beale  nunmehr  in  ber  mittelalterlichen  Vabft= 
lird)e  ?u  finben:  in  ibjer  bollfommnen  £eb,reinb,eit  fei  fie  DJafeftab  unb  Vorbilb  jeber  15 
anbern  Äirdje ;  in  tfyr  fei  ba§  Quod  semper,  ubique  et  ab  omnibus  bargeftellt.  9JUt 
biefen  50cafeen  gemeffen  berfanf  bor  il>m  bie  t)eimatlid)e  Kird;e,  in  ber  er  „ein  Übermafe  bon 
Subjeftibität",  „gutoiel  Söilliur  in  ber  3tnberung  ber  alten  2et)re  unb  firdjlicfyen  ©e= 
bräuebe"  fanb.  ©0  Würbe  er  „täglicb,  ein  Weniger  treuer  ©oljm  ber  Deformation",  unb 
feine  Vetounberung  ber  Kircfye  bon  Dom  Wud)§.  $n  ©nglanb  fei  eine  fatfwlifcfye  Deftau=  211 
ration  nötig,  mit  ben  formen  ber  mittelalterlichen  grömmigleit,  haften,  Sßerfbienft, 
3BeItfIucf)t,  Göltbat,  9Dartenanbetung  u.  ä.  $Die  Deformationöfircfye  muffe  „entbroteftanti= 
fiert"  Werben,  unb  im  ßufammenfyang  mit  biefen  ©ebanfen  forberte  er  bie  Trennung  ber 
ßirdje  bom  ©taate.  — 

Docb,  ju  Anfang  ber  breifeiger  ^afyre  ^e^  er  batum  eine  Vereinigung  mit  25 
Dom  für  möglid)  unb  erftreben3Wert ;  aber  abo  er  fie  auf  feiner  Deife  bureb,  Italien 
in  ibjer  wirflidjen  ©rfcfyeinung  lennen  gelernt  fyatte,  Wieg  feine  Ernüchterung  ba§ 
$l)antom  ab,  unb  nun  gefyen  feine  giele  einen  anbern  2öeg:  auä)  bie  Vabftfircfye, 
Wie  fie  beftefyt,  ift  abgewichen  unb  mufe  in  ba§  Urbilb  ber  Stirere  jurüdgeformt 
Werben.  —  30 

©eWife,  ein  Wann,  ber,  Wie  anbere  leibenfcfyaftlicfye  Daturen,  Ijeute  bie  ©ötter 
berbrennt,  bie  er  geftern  angebetet,  ber,  Wie  er  felbft  jagte,  ben  VroteftantiSmuS  f)afete 
unb  Dom  befämbfte,  ein  Katbolil  oljme  Vabft  unb  ein  englifdjer  Kircfyenmann  ofyne 
$rotefianti3mu3  War  (Edinb.'  Rev  1838,  Jan.  19  unb  July  530);  aber  baä  ift  ber 
brobfyetifdje  $ug  in  iljm,  bafe  in  feinem  ©eifte  ba§  ganje  ©Aftern  be3  SEraftariani<Smu§  35 
borgebilbet  ift  unb  bafe  fid)  bei  tl)m  bie  Slnfätje  ju  aH  bem  finben,  toa§  bie  VeWegung 
nacb^er  ©djlimmeS  unb  ©ute§  braute  (bgl.  über  ifm  SBb  XIV,  4).  —  2ftit  ber  glüb,en= 
ben  ©brache  ber  Vegeifterung  unb  bem  unentrinnbaren  gfrmnge  ^mx  ©iaieftif  berftanb 
eg  biefer  geuerbranb  ber  Partei  Wie  lein  anbrer,  bie  ib,m  Dafyefte^enben  Wie  bureb,  3a"ber= 
geWalt  unter  ben  Sann  feiner  Qbeen  ju  bringen.  Dur  bie§  eine  mifelang  if)m,  bie  greunbe  4u 
ju  Teilnehmern  feinet  2tntireformati§mu^  ju  machen;  um  fo  leidjter  jWang  er  ib,nen 
fein  Iatbolifierenbe§  ü'irdjenbrinjib  auf,  ba§,  Wie  er  unb  fie  glaubten,  allein  bie  Iibera= 
liftifdjen  ©efab^ren  unb  Döte  ber  gett  ju  überWinben  bermöge.  — 

Vom  ©üben  ^urüdgefefyrt,  fanben  groube  unb  DeWman  bie  afebemifc^en  Greife  bon 
Dsforb  in  tieffter  VeWegung.  S°^n  ^eble,  bamate  Witglieb  be§  Oriel  College,  ein  45 
ÜJcann  o^ne  gefd)id)tlid>e  unb  bb,tIofobl)ifcl)e  ©d;ulung,  aber  eine  tief  innerliche  Datur, 
bon  Warmherziger  J3erfönlid;er  grömmigfeit  unb  aHen  raupen  £eben§formen  ab^olb,  b,atte 
Wiber  feinen  ©tuen  unb  ber  Tragweite  feinet  £fyun3  unbeWufet  bie  üugel  in<§  Dollen 
gebraut  (14.  ^uli  33).  DeWman  felbft  nennt  ifm  ben  eigentlichen  Anfänger  ber  Ve= 
Wegung  (the  true  and  primary  author,  Apol.  75).  3m  3-  l827  ^attc  er  u-  ^-  ~  60 
The  Christian  Year  eine  ©ammlung  geiftlidjer  Sieber  beröffentlid^t,  bie  au§  ber  !ircf)= 
lidjen  geftjeit,  ber  Datur,  bem  2öed)'fel  ber  £age3=  unb  3ab,regjeiten  3Biber!länge  ber 
anbäd)tigen  ©eele  bernel)men,  Steber  ber  Xiefe  unb  ©tiße,  bon  melobtfdjer  gülle  unb 
^raft,  nicb,t  ein  SBerf,  ba§  (SwigfeitöWert  b,at,  ob,ne  bie  3J{ad;t  ber  Seibenfcf)aft,  bie  bie 
§erjen  lobernb  entflammt  unb  in  mächtigen  3llforben  au^Ilingt,  aber  Klänge  auS  bem  55 
©runbe  be§  2Renfc£)enl)crjeng,  bie  ^eitinftinJt  berraten,  unb  Weil  fie  bon  Sebenbtgem  unb 
^enfeitigem  Kunbe  gaben,  bem  Verlangen  Weiter  Greife  entfbrac£)en.  ©0  Würben  fie  un= 
gewollt  £crolbrufe  jur  Eingabe  an  bie  in  bie  gerne  gerüdten  firc^lidjen  ^Dtak  ber  $t\t. 
3luf  DeWman  bor  allem  Wirften  fie  bebeutfam  infoWeit,  ab?  er  fieb,  um  biefe  ^dt  bon 
bem  freifinnigen  2Bb,atelty  cnbgiltig  fd;ieb.  eo 


24  £r<i!tariant£mu§ 

2tm  ©onntag,  nacfybem  9ieWman  jurütfgeleEjrt  War,  brebtgte  ßeble  bor  ber  1M= 
berfttät  ben  fog.  Assize  Sermon,  ben  er  nacbjer  unter  bem  Stiel  „Über  ben  nationalen 
2tbfaH"  brucfen  liefe,  ©iefe  Brebigt  Würbe  ber  2llarmruf  jur  ©ammlung  ber  ©enoffen, 
ber  ©otteSbienft  bie  ©eburtftunbe  ber  Drjorber  Bewegung  (Apol.  100).  Dirne 
6  bie  Straft  flammenber  2Borte,  in  ruhiger,  alle  «Seiten  ber  Sage  abwägenber  ©bracfye,  burcb, 
bie  freiließ  je  unb  bann  ein  Unterton  bitterer  Mage  unb  Unruhe  gittert,  Wirb  ber  9Rad)= 
Weis  üerfu^t,  bafe  bie  neuen  Senfer  beS  SanbeS  unter  bem  Beifall  ber  9Jcaffen  bie 
9ted§te  ber  lUrctje  anzugreifen,  Berfaffung  unb  Verbriefte  SDohtmente  ju  brechen  ftdj  be= 
mü£)en.   %üx  berartige  Übergriffe  in  bie  geiftlicfye  ©eWalt  fei  Ibfall  lein  gu  ftarieS  äBort. 

10  28enige  Sage  fbäter  lub,  Wie  eS  fcfyeint,  aus  eignem  Slntrieb,  ber  Pfarrer  Don  §ab= 
leigb,  (©uffolt),  §ugt;  QameS  3tofe,  brei  feiner  $reunbe,  SßiEiam  Balmer,  21.  ^3.  ^ßerce= 
bal  unb  9t.  §.  groube,  ju  einer  ^onferenj  in  feiner  Pfarre  (25. — 29.  $uli),  um  fieb, 
mit  ilmen  über  bie  notwenbigen  „SRafenafymen  gegen  bie  brofyenbe  Siberalifierung  ber 
^irrige"  gu  beraten,    föeble  unb   -fteWman,    gleichfalls   gelaben,    Waren    nid^t    antoefenb, 

15  blieben  aber  mit  ben  greunben  buret)  tägliche  ©riefe  in  engfter  gül)lung.  —  ^almer  ent= 
Warf  im  auftrage  ber  „Bereinigung  ber  ^irdgenfreunbe"  (Association  of  the  Friends 
of  the  Church),  bie  baS  Ergebnis  ber  ^onferenj  War,  ein  fur^eS  Programm,  mit  bem 
bie  2IItion  eingeleitet  werben  foöte:  1.  jeber  Neuerung,  bie  bie  Berleugmmg  ober  Unter* 
brüdung   ber  Sefyre,    beS  JMtuS  unb  ber  SDiS^iblin   bebeutet,   jeber  nachweisbaren  2tb= 

20  Weicljung  bon  ber  urtümlichen  BrarjS  SBiberftanb  %u  leiften  unb  2.  ein  gemeinfct/aftlicfyeS 
Borgern  beS  Klerus  auf  biefer  Sinie  in  bie  Söege  ju  leiten  (bgl.  BalmerS  Suggestion 
for  the  Formation  of  an  Assoc.  of  the  Friends  of  the  Church,  Contemp.  Rev.  1883, 
650—51,  BalmerS  Bertdjt).  2Iber  gegen  bieg  ^almerfcfye  Programm,  baS  im  toefentltdjen  bie 
Bilbung  fircfyücfyer  Vereine  anftrebte,  erhoben  9?eWman  unb  groube  ©infbrud;.  SebenSfräftige 

25  Bewegungen,  fd)rieb  31.  an  Balmer  (bgl.  ben  33rtef  in  BalinerS  Collection,  aud)  Apol.  110), 
geb,en  niö^t  auS  bon  SluSfct/üffen,  unb  grofee  ©ebanfen  fommen  nicfyt  burd)  bie  Boft  unb 
baS  feeujbanb.  Sutl;er  War  ein  ^nbtütbuum.  ©rabe  bie  sIftängel  beS  ^nbibibuumS  er= 
regen  bie  Stufmerlfamleit:  ber  3ERann  berltert,  aber  bie  ©act)e  gewinnt.  2öir  f orbern  bie 
SSBa^r^ett  burcb,  berfönlicfye  Dbfer. 

30  9?unmeb,r  Würbe  ber  ^ableigfyfcfyc  Aufruf  ju  Bereinigungen  fallen  gelaffen,  Balmer 
aber  beauftragt,  $Wei  2lbreffen  an  ben  BrimaS  ber  $ircr;e,  Dr.  §oWlet),  gu  entwerfen 
(überreicht  gebr.  1834),  bon  benen  bie  eine  in  Wenigen  SBocfjen  bon  7000  ©eiftliö^en  (meljir 
al§  ber  §älfte  beS  SanbeS),  bie  anbere  (bon^oflma  SBatfon  entworfen)  bon  230000  §auS= 
borftänben  unterzeichnet  Würbe.    2lucb,   ber   f^ottifcb.e  unb  amerifanifdje  ©biffobat  fanbte 

35  feine  guftmimung;  ber  erfte  forberte  fogar  bon  §oWleb,  bie  er^bifc^öflic^e  ©anltion,  tnbeS 
o§ne  (Srfolg.  ©o  Ratten  bie  ^ircb.enfreunbe  anftatt  ber  fünftlic^en  eine  natürliche  3lffogiation. 
2Ba§  fie  ntdti  ju  hoffen  gewagt,  bie  geforberte  $Rücfleb,r  jum  Sllten  fam,  Wie  bie  Unter= 
fünften  beWiefen,  einem  breiten  nationaMirdHicfyen  Bebürfniffe  entgegen  unb  bertrat  fefyr 
Wefentlic^e  SBaljr^eitgmomente.    ®ie  Äird£>e  War  blb^Itcf)  erWacf)t  unb  fanb,  Wie  ju  if)rem 

40  eignen  ©taunen,  bafe  fie  bei  bielen  ber  ©egenftanb  Warmer  Siebe  unb  Berefyrung  War 
(Narrat.  49  u.  51).  —  5Rur  über  einen  Bunft  Waren  bie  greunbe  niöpt  jur  (ginigung 
gefommen:  über  bie  Srennung  ber  ^ird£)e  bom  ©taate.  $eble  unb  ^oube  berlangten 
fie  berembtorifet),  3ReWman  fcb.Wanfte:  fo  liefe  man  um  be§  griebenS  Willen  biefen  Bunlt 
bei  feite. 

45  $eble  entwarf  nunmehr  anfangs  ©ebtember  eine  Siei^e  bon  ©ätjen,  bie  baS  Bro= 
gramm  ber  neuen  Bewegung  barftedten.  @S  finb  biefe:  1.  ber  einige  SBeg  ju  unferer 
©eligleit  ift  ber  ©enufe  beS  SeibeS  unb  BluteS  ßfyrifti;  2.  baS  berorbnete  Mittel  ift  bie 
fyl.  @ucb,ariftie;  3.  bie  ©eWäb,r  für  bie  rechte  BerWaltung  beS  ©aframentS  ift  ber  ben 
Bifc^öfen  unb  Brieftern  erteilte  atooftolifcfye  Sluftrag;    4.  um   bem   ber  JUrcfye  brob,enben 

50  3lbfaU  bor^ubeugen,  berbfticb.ten  fiel)  ib,re  greunbe,  alles  j"  tb, un ,  um  baS  unfehlbare 
Borred^t  ber  ©emeinfe^aft  mit  bem  §errn  bura)  bie  9iac|foIger  ber  Slboftel  einjufd^ärfen 
unb  eS  mit  allen  Mitteln  ben  ^adtfornmen  ju  erhalten,  täglichen  ©otteSbienft  unb 
SlbenbmafylSfeier  in  ben  ©emeinben  anjuftreben,  enblicb,  jebe  ätnberung  ber  Siturgie  beS 
C.Pr.B.  gu  befämbfen.  —  ©leicb^eitig  erfcb,ien,  bon  bem  fonferbatiben  glügel  ber  Bartei  bureb^ 

55  Bercebal,  iRofe  unb  Bafmer  bertreten,  fbäter  aueb,  bon  groube  gebilligt  (ßlmrct)  125)  eine 
3lrt  JftrcfyenfatecfyiSmuS  (unter  bem  Stiel  The  Churchman's  Manual),  ben  fein  Urheber 
Bercebal  als  baS  BelenntniS  ber  Djforber  ber  Äirc^e  unb  ib,ren  ©ienern  aufjubrängen 
berfucb.te:  nüchtern  unb  ob,ne  ©lanj  ber  ©brache,  WaS  freilief)  in  ber  ^catur  ber  ©aelje 
lag,  legte  ber  ©ntWurf  bie  tfjeologifd^en  ©runblinien  ber  grofeen  Slnglilaner  unb  baS  Ber= 

eo  IjältniS  ber  ©taatSürdE)e,  in  ber  alle  ton^eic^en  ber  Wahren  ^ircf)e  gefunben  Werben,  jur 


£ranartam8mn§  25 

römifdjen  unb  jum  ©iffent  bar.  Sine  2Inja!^I  fyerborragenber  ©eiftlicfyer  unb  Säten 
(Dr.  2ßorb3tt>ortb,  Dr.  SRouty,  Qubge  21.  «pari,  3.  2Batfon,  ©ife3=©uilSborougb,  unb 
ßfmrton=Grabie),  aud)  fcfyottifcfye  unb  amertfanifcfje  SBtfdjöfe  Billigten  baS  SBucf);  fo  mürbe 
eS  bem  $rima3  borgelegt  (jur  ßorreftur,  Unterbrücfung  ober  ^Billigung).  ®ie  2(ntmort 
lautete,  mie  ju  ermarten  mar:  ©inmenbungen  feien  nicfyt  gu  ergeben,  aber  bie  amtliche  b 
(Genehmigung  mürbe  abgelehnt,  ^ercebal,  ber  an  feinem  &inbe  ein  eigenwilliges  ©efaHen 
fanb  unb  e§  mit  unmillfommenen  Slccenten  in  bie  Öffentlichkeit  marf,  fudjte  nochmals  bem 
Sucfje  eine  Sebeutung  ju  geben,  bie  e£  ntcfyt  l)atte  unb  nic^t  fjaben  tonnte,  unb  bean= 
fbrucfyte  für  fid)  bie  llr^eberfc^aft  ber  balb  barauf  folgenben  SLraftferie,  —  eine  ©clbft= 
täufctmng,  an  ber  feine  eigene  ©djroädje  fdjmlb  mar.  10 

9JUt  ben  nunmebr  bon  9Zemman  unternommenen  Traftaten  tritt  bie  33emegung 
in  eine  neue  $b,afe.  ©ie  fübren  über  beren  taftenbe  SInfänge  b,inau§  auf  ben  bielberufenen 
9Beg  ber  „©ntmicfelungen"  unb  fyaben  ifyren  tarnen  gegeben.  —  ^n  ben  Traftaten 
finben  ©runbgebanfen  unb  3^e  ^er  djforber  Iräftigen,  menn  aucb,  je  unb  bann  nocb, 
unficfyern  2luSbrucf.  $Da§  Skrbienft,  fie  geblant  unb  burcfygefe^t  ju  fjaben,  gebührt  3.  §.  15 
giemman  (f.  b.  21. 33b  XIV,  1  ff.).  SBon  Vereinen  unb  2lu3fcf;üffett  erwartete  er  nichts.  2öar 
ein  9Jlittelbunft  ber  2lrbeit  notmenbig,  Sonbon  burfte  eS  nic^t  fein,  $n  unferm  Sanbe, 
fagte  er,  finb  bie  Uniberfitäten  bie  Sentren  ber  Söiffenfcfyaft  unb  ber  Religion.  2?on  Drjorb 
alfo  mußten  bie  neuen  ©ebanfen  im§  Sanb  gelten.  @3  fonnten  nur  glugfcfyriften  fein. 
$n  ©nglanb  maren  bon  jefyer  Traftate  bie  mirffamfte  gorm  ber  religiöfen  ^ßrobaganba  20 
gemefen;  bort  Ratten  Taufenbe  bon  5Rännern  unb  grauen  e<§  je  unb  bann  aU  ib,re  2luf= 
gäbe  angefefyen,  bie  SBirfung  neuer  ©ebanlen  burcb,  berfönlid?en  2lnteil  an  ib,rer  3Ser= 
breitung  burcb,  Srief,  ^reujbanb  unb  ©trafjenberteilung  ju  erl)bt)en.  ®ie  einige  ©d)mterig= 
feit  mar  bie  um  ben  Sftann,  ber  fid)  am  beften  auf  baS  2tbfaffen  ber  furzen  tb,eo= 
bgifd)en  2luffä|e  berftanb.  2ßie  bie  golgeaett  lehrte,  mar  ber  einige,  ber  baS  25 
fonnte,  bielleicfyt  toeil  er  ber  genialfte  Traftatfd) reiber  mar,  üetotnon  felbft. 
©0  trat  ber  hochbegabte  SRann,  feit  jefm  ^al)ren  mit  ben  Drielmännern  in  faft  täg= 
lieber  3Serbinbung  unb  mit  tfyren  fielen  mot;I  bertraut,  hinter  $eble  unb  9tofe  jmar 
nocb,  jurücfftefyenb,  aber  bon  bem  glüfyenben  Verlangen  erfüllt,  ba§  Heiligtum  ber 
$ird)e  aus  ber  unl)eiligen  Umarmung  beS  SiberalismuS  ju  befreien,  in  bie  gront.  30 
SBä^renb  bie  anbern  im  Oriel  College  über  baS  35orgeb,en  in  Sonbon,  ©obentrb  unb 
Sßincfjefter  nod)  berljanbelten,  braefj  er  au§  ben  ditifym  feiner  greunbe  au§  unb  bruc!te 
auf  eigne  £>anb  Straft  I,  bem  in  ben  nädjften  ^at)ren  89  meitere  folgten,  unter  bem 
Jitel:  Tracts  put  forth  to  meet  the  exigencies  of  the  Times.  „@in  ^riefter  au§ 
euren  9talj>en,  mufe  id)  ju  eud)  reben;  benn  bie  Reiten  finb  übel.  Unb  feiner  rebet.  35 
Sffiir  fefyen  einer  auf  ben  anbern,  aber  niemanb  greift  bie  ©ad)e  an.  £>ie  R\xd)t  fteb,t  in 
©efal;ren,  unb  jeber  fi^t  ftiH  in  feiner  ©tubierftube.  gort  mit  unfrer  faulen  33el)aglicf)= 
feit !  Safjt  ung  ©egenmart  unb  ^ufunft  unferer  ^eiligen  3Jiutter  braftifd)  betrauten,  aber 
unfere  3«t  nid)t  fd;lec£;t  nennen,  ofjne  einen  ginger  ju  rühren,  fie  ^u  beffern."  ©0  Reifet 
e§  im  ©ingang  be§  1.  SEraftatg.  2öie  biefer  erörtern  bie  näd)ftfo!genben  —  faft  aÖe  40 
nur  8—10  ©eiten  umfaffenb  —  im  mefentlid)en  ©ä^e  au§  bem  ©ebiete  ber  3Serfaffung, 
ber  ©i^iblin  unb  be§  Hultu§;  ferner  bie  Sefyre  bom  SBefen  ber  ®irdje,  ib,rem  aSerb,ältni§ 
%üx  )3rimitiben,  bon  it)rer  2lutorität  unb  Serfaffung,  bie  gefdjtdjtlidjm  ©inmänbe  gegen  bie 
^ribilegien,  bie  Dogmen  unb  ben.^ultuö  ber  englifcfyen,  bie  2lrt  ber  ©ebete,  ben  33e= 
gräbniSbienft,  bie  borgefd^lagenen  Inberungen  ber  Siturgie,  bie  laje  Mrdjcngudjt,  enblid)  45 
bie  -JJiängel  ber  einzelnen  d)riftlid;en  ^irdjen;  bie  rbmifcfye  grage  tritt  nod?  nicfyt  auf. 

Sm  §erbft  unb  Sßinter  1833/34  famen  bie  %xai täte  in  rafcfyer  golge  ^erau«.  güb,rer 
unb  §aubtarbeiter  blieb  bon  2lnfang  big  @nbe  DZemman  (%x.  1,  2,  6—8,  10,  11,  19—21, 
34,  38,  41,  45,  47,  71,  73,  75,  82,  83,  85,  88,  90);  neben  tym  finb  Äeble,  bann  $ufeb. 
(1r.  18  über  ba<B  gaften;  40  urtb  67—69  bon  ber  Saufe)  al§  3Serfaffer  ju  nennen ;  bie  anbern  50 
treten  jurücf,  aud;  groube,  ber  nur  einen  (63.)  beitrug  (erft  nad)  feinem  SEobe  gebrueft). 
2lm  9.  ©ebtember  1833  erfd)ien  ber  1.  (jugleicf;  mit  bem  2.,  unb  3.),  big  @nbe  Dftober  1835 
maren  eg  bereits  70,  bie  in  2  S3änbe  gebunben  in  bie  Öffentlic^feit  gingen;  bie  fämt= 
liefen  90,  bon  1833—1841  gefdjrieben,  liegen  in  6  Sänben  gebrueft  bor.  — 

^bn«n  jur  ©eite  trat  (feit  1833)  unter  bem  Titel  Records  of  the  Church  eine  bon  55 
ben  übrigen  greunben  bearbeitete  Sleifye  bon  2lu§jügen  au£  ben  Äircbenbätern  QgnatiuS, 
^uftin,  ^renaeuS  u.  a.,  unb  bon  1838  (ber  umfangreiche  brogrammatifcb,e  ^profbeft  murbc 
fdjon  1836  auggefdueft)  an,  nad;bem  ^3ufefc?  fiel)  1834  angefcbloffen,  bie  bon  biefem  in 
Serbinbung  mit  Äeble,  ^emman  unb  gfyarl.  Marriott  beranftaltete  Überfe^ung  ber  fämt= 
lieben  ^trct)enbäter,  bie  als  Library  of  the    Fathers  of  the  Holy  Catholic  Church  60 


26  $raftartant§mu§ 

anterior  to  the  Division  of  the  East  and  West  bom  ^afyre  1846—1885  in  48  Sänbcn 
gebrudt  mürbe.  2tße  bret  traten  als  Äambffdmften  gebaut.  $ftx  2Ibjeb,en  ging  nun 
über  bte  ©ebanten  Don  föeble  unb  9Jofe  fytnauS;  fie  forberten  nicr/t  nur  religiöfe,  fonbern 
neben  btefer  ftrcbjidje  unb  Iird^eTti>oItti[d^e  Reform,  bie  9?üdbübung  ber  ©egenmartilf'ircr/e 
5  in  bie  primitive  ber  erften  3  Qar/rtwnberte,  bie  an  ben  römifctjen  SSerberbungen,  2ln= 
rufung  ber  Silber,  @ngel  unb  ^eiligen,  gegefeuer,  SEranSfubftantiation,  ^riefterfelcb,, 
Dbjenbeicfyte,  %bla%  Unfebjbarfeit  be§  $abfte§  unb  feinem  Slnfbrucb,  auf  23orb,errfd)aft,  nod) 
nidit  teil  J^atte.  3n  ben  "Eraftaten,  ber  programmatifdjien  ©runbfc^rift  ber  jungen  gartet 
(the  watch  word  &   the    symbol,    gfyurcb,  109),    ber   fie    ben    tarnen    (Tractites, 

10  Tractists,  gule^t  Tractarians)  berbanfen,  toerben  bie  Folgerungen  au3  ben  Stufen  bon 
^ableigb,  gebogen  unb  begrünbet.  Qn  b,aarfcf/arfer  ©ebanfenfüfyrung  geb/t  Scetrmtan  bem  £ibe= 
raliSmuS,  worunter  er  nid)t  lebiglicb,  bie  politifctje  2lusbrägung  beS  ?ßrinji^§,  fonbern  bie 
allgemeine  ©eifteSridjtung  ber  geit,  2tntibogmati3mu§  unb  2tufflärung,  ÜJiebolution  unb 
(Smanstyaiion  berftanb,  fe|i  iljmi  fein  bogmatifdieS  ^trd^enprtngi^  entgegen,  in  bem  er  ben 

15  ©ct/utj  be§  33eftef)enben  in  ßirdje  unb  ©efeßfdjaft  ju  finben  meinte.  @§  ift  bie  £el)re  bon  ber 
fühlbaren  Slird)e  ab3  ber  Quelle  aller  geiftlicfyen  ©aben  unb  bem  ®anal  aller  ©nabe, 
toie  fie  in  £eb,rfa|  unb  SBraucb,  ber  alianglitanifcf/en  ^irdje  ftcb,  barfteHe.  — 

2lu§  btefem  nationalen  $uge  feinet  £jbealbilbe<§  erllärt  e§  ficb,,  bajj  bie  ^raltate  ficb, 
anfangs  bon  ben  fird)lid)en  ©eitert  beg   roärmften  33etfaH§   erfreuten.     ®ie   erften    ent= 

20  breiten  nict;ts>,  ba§  gegen  bie  fircfylidjie  Drbnung  in  ber  Siturgie,  ben  ^atedjnSmuS  unb  bie 
SJubrifen  ober  gegen  bie  39  2trtifel  berfiiefj.  ®ie3  junge  Drjorb  bot  ben  Sßifdjöfen,  bie 
ifyren  ©tut)!  burcb,  bie  9ieformftürtne  unb  bie  feinbfelige  Gattung  ber  33oIf3maffen  bebrob/t 
fallen,  in  ber  ftarf  betonten  Sebre  »on  ber  aboftolifcfyen  ©ucceffion,  bie  ifyr  2tmi  auf  ben 
$?l§  göttlichen  ditd)t§  fiellte,    eine  2Bef>r  gegen  ba3  fircfyenfeinblicr/e  Parlament  unb  ben 

25  ^n>d^Iirc^Iic^en  eine  SBaffe  gegen  bie  @bartgelifct)ert  unb  £)iffenter<8 ,  benen  beiben  fie  mit 
bem  gleiten  §affe  gegenüberftanben  unb  gegen  bie  nun  aud)  bie  Jambflufitge  $b/alanr. 
ber  Djforber  als  brittes  ©lieb  mobil  mact/te.  SBäfyrenb  nun  bie  erften  SEraftate  ben 
gtnger  auf  ba£  bon  ben  großen  2lnglifanern  be<§  16.  unb  17  Q  ab,  rfyunb  er  t£  bertretene 
©r/ftem  legten  unb  beffen  2Steberb/erfteiO(ung  forberten,   ging  ber  Singriff  balb  über  biefcn 

30  gefcfytcr/tltcfycn  SfJafymen  fyinauä  unb  näherte  ficb,  mit  feiner  rabuliftifdjen  SegriffSfbteleret 
unb  feinen  berbecften  Untergebanfen  in  fyöcbjt  bebenf(id)er  SBeife  ben  römifc^en  Sinien. 
2Hs  bie  ^raftate  ex  professo  um  bie  ©etoalt  ber  ©cbjüffel  nad)  rein  römifcfyem  33er= 
ftänbniS  §u  fämbfen  ftd)  anfdndten ;  als  fie  bie  Sel)aubtung  auffteßten,  baf$  „bte  Saien  nicfyt 
felbftftänbig  benfen  unb  urteilen,  fonbern  ba§  Sßort  be£  s$riefter§  ah  aufgemachte  SBa^r: 

35  b,eit  ^inne^men  unb  im  SIEgemeinen  ©ebetbudje  nic^t  eine  9JJenfcf)en=,  fonbern  ©otte3= 
ftimme  bernef)men  foßen" ;  al§  bie  ©ä^e  ($ercebal§)  al§  ©runblagen  ber  erftrebten  !ircb,= 
liefen  Neuerung  formuliert  mürben,  „be§  Triften  $eil  beruhe  auf  ber  objeüiben  Iraft 
ber  ©aframente,  biefe  auf  ber  ©benbung  burd)  ^riefter,  beren  SSottmact/t  auf  bie  abo= 
ftolifcfye  ©ucceffion  gurücfgcfüEjrt  tcurbe ;'  ben  33ifd;öfen  lomme,  in  Üraft  ber  apofto!ifd)en 

40  9Rad)foIge,  a(§  ben  Grben  ber  ®abt  beg  t)I.  ©eifteö  bie  t)öd)fte,  auet)  bom  ©taat  unab= 
gängige  Autorität  in  ©aef/en  be§  ©laubenS  unb  be<8  2ebeng  gu;  al§  enbltct)  $ufeb.  (On 
Baptism  1835),  unter  Slbleb^nung  ber  ebangelifcb.en  2cb,re  bon  ber  Sßtebergeburt  bura) 
ben  ©tauben,  mit  ber  objeftiben  3SotIjieb,ung  beg  ^aufaftö  bem  römifcb.en  opus  ope- 
ratum  bag  T:f;or  öffnete,   bie  ©atiSfactio   für  bie  nad;  ber  ^aufe   begangenen   ©ünben 

45  al§  in  ber  33uf$e  (mit  agfetifdien  Sufjübungen)  geleiftet  unb  bie  fird;Iid}e  ©ifS-ublin  al§  ba§ 
Heilmittel  gegen  bte  ©ünbe  forberte;  als  er  in  ber  @ud)artftte  Seib  unb  SlutSbrifti  jmarob,ne 
SBanblung,  aber  realiter  in  mt>fttfct;er  Söeife  gegenwärtig  lehrte  unb  fie  als  sacrifieium, 
nicb,t  blof]  al§  sacramentum  bezeichnete,  roobei  „6b,riftuS  unb  bie  &ird)e  gugleidE)  <Bub- 
je!t  unb  Dbjeft  be§  DbfernS"  feien :  —  nat;m  ba§  Organ  ber  @bangelifcf)en  (Christian 

60  Observer)  in  flarer  ©rtenntniS  ber  ©abläge  ben  Üambf  auf,  ber  in  bem  ungeahnten 
Umfange  unb  ber  ©d)ärfe,  bie  er  annahm,  berriet,  baf$  t)ier  tiefgeb^enbe  firc^Iidte  ©runb^ 
fäi^e  um  bie  Dberb,anb  ftritten.  ®er  march  of  mind  ber  Dr/forber  geriet  auf  gefäb^r= 
Iid}e  Sahnen,  ^n  ber  eigentümlichen  50(ifdmng  römifcfyer  Steigungen  unb  älbneigungen 
übertoog  ba§  Siebäugeln  mit  bem  alten  gehtbe  in  9tom,  unb  burd;  ben  berechtigten  ^ambf 

55  gegen  bie  matte  unb  blatte  lageöreligion  ber  SJcaffen  ging  ein  böfer  Unterton :  biefe 
^raftate  mit  if)rer  ^erfferrtidiung  ber  altangUtanifcr/en  unb  Sribentiner  Geologie  (in 
einem  Siralt  mar  gejagt  roorben,  ba§  Stribentinum  fei  nidit  babtftifcb,er  aU  bie  SEraftate) 
füb,ren  unmerlüdj  hinüber  nad?  SfJom.  2)er  alte  SoItSruf  be§  18.  SctfyrfyunbertS:  No 
Popery  rourbe  in  ber  treffe  unb  auf  ber  ©traf$e  mieber  laut,    ©ie  Djforber,  feb^rieb  bie 

60  Edinb  Rev    1841,  Apr.  273,  bertreten  ©ä|e,   bie  ben  Slrtifeln   ber   englifdjen  ^ircb,e, 


£raftariani£mng  >7 

bcrcn  Wiener  fic  finb,  Wibcrfbrecfjen,  mögen  ifyre  2lnficb,ten  rtet/tig  fein  unb  mit  ber  ge= 
offenbarten  Religion  übereinftimmen,  jebenfaߧ  finb  e£  nicfyt  bie  fielen  ber  nationalen 
Hircfye.  So  barmlo§  el)rlict>  bie  Orjorber  ©eftänbniffe  ber  ^ßabifterei  borgetragen  werben, 
bie  greunbe  ber  Äirdje  muffen  fie  tief  beitagen. 

©egen  btefe    Slnttagen   trat   ReWman,    fett  1834  ber  unbeftrittene  $übjer  ber  Dp  6 
forber,  im  38.  unb  41.  Sraftat  in  bie  ©cfyranten  mit  ber  nunmehr  in  ben  SSorbergrunb 
gerücften  !ybee  ber  Via  media.     (*<§  ift  ber  Rul)m  ber  engltfcfyen  ^irdje,  fagt   er,   baf? 
fie  ben  -Mittelweg  ^toifcfycn  ben  fog.  Reformatoren  unb  Rom  gefyt.     33on  bem  ©lauben 
beä  16.  3a^"ttbert<S,  öon  ben  Rubrifen  be§  2t.  ©.  33.,  bie  man  fyeute  freilief)  babiftifcb, 
nennt,  finb  ntdjt  Wir,  fonbern  bie  gegenwärtige  $ircb,e  abgetütet) en ;   fie  beraef/tet  bie  gor=  w 
mularien  unb  SlnWeifungen  be3  ^raberboolö,  t>ernact)Iäffigt  bie  ©atramente  unb  giebt  bie 
Äirtt^enjuctjt  breiö.    ©laubenSreget  finb  nicfyt  bie  39  2Irt.,  fonbern  bie  bon  ben  Slbofteln 
unb  ber  alten  ^ircfye  berfünbigte  Sefyre.    ^ene  finb   nur   ber  eine  ber  geiftlidjien  ©cf)äi$c 
bcvÄircfye;  nietjt  ein  corpus  divinitatis,  fonbern  tebiglict)  ^Srotefte  gegen  bie  in  ben  3^= 
fmnberten  eingefct;tict;enen  groben  Irrtümer ;  bie  £eb,re  ber  2fyoftel  in  il)rer  Integrität  ift  in  15 
ber  Siturgic  niebergelegt.   3)arum  ift  eine  neue  Reformation  nötig ;  benn  wie  ber  römifef/e, 
fo  ift  ber  ©enfer  £ef;rir/bu3   frembtänbtfct)e§  ©eWädjg  (foreign  interference).    £>at  bie 
erfte  bie  altfirdjlicfyen  ©ätje  feftgefyalten   unb   nur  bie  ungefunben  Sicherungen  unb  216= 
lagerungen   befeitigt,    fo   Wirb    bie  neue   an   bie  ©laubcn§fä£e  ber  erften  ebenfo  Wenig 
rühren;  aber  fie  Wirb  ftet)  mit  „(Ergänzungen",  „gufätjen",  ,,©cf)lüffen"  gegen  bie  boben=  20 
ftänbig  geworbenen  Errungen  ber  ßeittfyeologie   toenben,    bie  39  2lrt.  alfo  nidjt  änbern, 
aber  interpretieren  unb  ^ßroteft  ergeben  gegen  bie  Serquictung  ber  ^ircfye  mit  bem  ©taat 
unb  gegen  ben  £atttubinari3mu<§  be§  5Tage<§ ;  bofitib  aber  ba§  übertommene  Sefyrgut  „ergänzen" 
burdj  bie  SBiebererWecfung,  Reubelebung  unb  „SöeitercntWictelung"  ber  ©runbgebanfen  bes 
21.  ©.  33.  ®iefer  SRittelWeg  jWifcfyen  ben  fog.  Reformatoren  unb  bem  römifcfyen  (Ebriftentum  25 
War  nichts  anbere§  al3  bie  alte  Römerftrafje.    3#m  Wiberfbradjen  zubem  bie  ifyatfactjen 
ber  Vergangenheit  unb  ©egenwart;  unb  ReWman,  ber  feine  SRöglicfyleit  (in  ber  3.  Stuft. 
be§  Proph.  Office,    XXIII)    für    bie  ©egenWart    meinte   beWiefen   z"   fyaben,   mufjte 
enttäufct)t  anerfennen,   bafj  felbfi  bie  alte  Sürcfye  tt)rt  nur  in  ben  4>riftoIogifct;en  ^ärefien 
aufWeife   (bgl.  Twelfth  Lecture  on  Angl.  Difficulties  unb  Fortnightly  Rev.  1879,  30 
July  13)    unb    ber   2tnglitani§mu§   in    unerWünfc^te  parallele  mit  bem  3RonobI)r;fiti§= 
mu§  gerate  (Söafeman  473). 

SDie  ©runbgebanten  unb   bie  ätusläufer  biefer  Via  media  ernüchterten  benn  nicfjt 
nur  bie  guWartenben,  fonbern  auet)  bie  anfangs»  begeifterten  greunbe.    ©ie  Wiberfbracben 
bem  religiöfen  (Embfinben   ber  Ration,    unb   ber  erft  fctjücbterne  Söiberfbruct;  machte  ftc£>  35 
bon  ba  laut  bemebmbar. 

Rocf>  in  bemfelben  2>af>« (@nbe  1834)  führte  Dr.  §ambben  ben  erften  ©cfylag.  ^n 
feinen  Observations  on  Religious  Dissent  with  reference  to  the  Use  of  Religious 
Tests  in  the  University  berlangte  er  bie  33efeitigung  ber  Unterfdmft  unter  bie  39  2trt. 
für  bie  Sftitglieber  ber  Uniberfität  mit  ber  33egrünbung,  bafj  bie  tirct/licfyen  33efenntniffe  40 
Meinungen  barfteftten,  für  bie  anbere  rttct)t  berantWortltd)  gemacht  Werben  fönnten.  ReW= 
man,  ben  Weniger  bie  gorberung  al<§  tbre  RJotibierung  in  heftige  (Erregung  brachte, 
erfyob  fict),  übrigeng  bon  ben  ^ocbjftrdjlidjen  ber  alten  ©dmte  unb  ben  @bangelifc|en  unter= 
ftüttf,  gegen  ben  Stngriff  auf  feine  innerften  Überzeugungen,  unb  ^ambben  Würbe  mit 
feinem  Stntrag  bon  ber  Uniberfität  abgeWiefen.  2tte  er  tro^bem  groei  %ai)xz  fbäter  bom  45 
$rime=?[Rinifter  Sorb  Melbourne  jum  RegiuS  ^rofeffor  ber  SLfeeotogte  ernannt  Würbe, 
brachen  bie  ^raftarianer  abermals  gegen  il)n  (o§,  übergaben  ber  Uniberfität  eine  @rtlärung, 
§ambben  bertrete  freibenterifd)e  ©runbfä^e,  unb  berlangten,  bafe  ben  tf>eoIogifcr)en  ©tubenten 
bon  ben  S3tfcf)öfen  ber  33efud)  ber  ^.fc^cn  33orlefungen  berboten  Werbe.  Unter  großer 
(Erregung  Würbe  bie  ©acfye  an  ber  Uniberfität  berf;anbelt;  bon  ben  ^ollegienborftänben  bo 
Würbe  §ambten  ein  3Jlifetrauenöbotum  erteilt,  aber  bie  beiben  ^ßroturatoren  ber  Uniberfität 
annullierten  bie  93efd)lüffe  öer  §eabg,  unb  ber  trattarianifcb,e  SSorftof?,  ber  feine  Gräfte 
überfebä^t  b,atte,  blieb  Wirfung^log. 

©Ietcf)zettig  fcotte  Dr.  2trnolb,  ber  güfyrer  ber  freieren  Geologie  in  Drforb,  jum 
©cgenftofe  au3  unb  braute  bie  93ebrol>ung  ber  ©eWiffen§freib,eit  buret)  bie  STrattariancr  bor  55 
bie  £  ff  entlicfyfeit.  %n  einem  fambfluftigen  2tuffa|  ber  ©binburgb,  Reb.  (The  Oxford 
Malignants  and  Dr.  Hampden,  2tbr.  1836)  ftetlte  er  fieb,  an  bie  ©eite  feineö  greunbeö 
unb  ©efinnungggenoffen  unb  beleuchtete  mit  grellen  ©cblaglic^tern  bie  legten,  noeb  im 
Verborgenen  gehaltenen  3'clc  bcx  Reuerer,  mit  benen  er  fict;  fur^  borber  (in  f.  Prin- 
ciples   of   Church    Reform)    grunbfä^ltd)   au^einanbergefetst   i)atk.     ä«ar   bter   feine  60 


28  £raftariani§mu3 

gorberung  auf  eine  Öffnung  ber  ftaatsfircbjicfyen  %hoxe  für  bie  ©eften  unb  auf  Beteiligung 
aller  betoufet  cfmftlicrjen  (Elemente  am  fircf)Iid>en  Seben  gegangen,  fo  erb,ob  ber  neue  2luf= 
fafc  bie  Slnflage  auf  bie  nicfyt  immer  getoal>rte  bona  fides  ber  Malignants  (tote  unter 
bem  ßommontoealtb,  bie  fyocfyfircfylicbe  robaliftifcf/e  Partei  fbotttoeife  genannt  tourbe)  unb 
5  Oxford  Conspirators.  ^|r  Borgern,  Reifet  eS,  fei  nicfyt  in  ^rrtum,  fonbern  in  fitt= 
lieber  äkrtoorfenfyeit  begrünbet  (not  of  error,  but  of  raoral  wickedness,  ©.  238). 
älrnolb  hatte  eS  bamit  jutoege  gebraut,  bie  öffentliche,  nicfytflerifale  2lufmerffam= 
feit,  gunäcfyft  ber  ©ebübeten,  auf  bie  Drjorber  Vorgänge  ju  sieben,  ^n  Flugblättern  unb 
Leitungen  fam  eS  ju  erregten  2tuSeinanberfe|ungen ,  bie  bie  teuerer  gum  StageSgefbräcb, 

10  machten. 

2Baren  fie  eben  im  §ambbenftreit  unterlegen,  fo  erhoben  fie  ftdj  nun  ^u  neuen 
Vorftöfeen  um  fo  fraftboller,  als  eben  Dr.  ^ßufer;  (f.  b.  31.  Sb  XVI,  349),  einer  ber  an= 
gefebenfien  ^rofefforen  ber  Slfabemie,  enbgiltig  (@nbe  1834)  ftcb,  if)nen  anjdjlofj.  %üx  bie 
Partei,  bie  faft  nur  aus  jungen  Männern  beftanb,    bie  ftatt  tarnen  unb  Vergangenheit 

15  nur  bie  Hoffnungen  ber  3"^""^  in  bie  SSagfcfyale  ber  Partei  gu  toerfen  Ratten,  be= 
beutete  bamals  fein  Seitritt  eine  ungeheure,  faum  abfcfyätjbare  ©tärfung,  ein  Ereignis, 
baS  nochmals  bon  großem  unb  cntfcfyeibenbem  ßinflujj  auf  ben  6b,arafter  unb  bie  ©efdncfe 
ber  Setoegung  tourbe  (Gfyurcf;  132).  Dr.  ^ßufer/,  ftfyrieb  9Jetoman,  gab  uns  fofort  eine 
(Stellung   unb   einen  tarnen.    6r   toar  Ganon  bon  Gfyrift  ©fmrer),    lam   alfo    aus   ber 

20  geiftigen  ätriftofraiie  ju  uns  herüber,  berfügte  als  SlegiuS  Vrofeffor  an  ber  Untoerfität 
unb  als  namhafter  ©elebrter  über  toeitretcfyenben  afabemtfdjien  (Sinfluft  unb  als  2lbfömm= 
ling  eine§  abeligen  §aufeS  über  grofee  gamilienberbinbungen;  ein  Sftann,  ber  nad)  @igen= 
art,  ÜBerbienften  unb  ©teüung  §um  Parteiführer  berufen  toar  unb  ber  ber  Vetoegung  bor 
ber  2Mt  eine  2lngriffSfront  bot  (bgl.  oben  Sb  XVI,  349  ff.),    ^ubem  toarf  bie  toiffen= 

25  fcfyaftlicfye  ©loriole,  bie  ben  berborragenben  §orfcf)er  umgab,  einen  SRebenglan^  auf  bie 
„bebeutungSlofen"  5SJcänner,  gu  benen  er  fyinübertrat,  unb  fetjte  beren  £>afein  unb  Slbftct/t 
in  ein  getoiffeS  ?Red)t.  2luS  bem  3Jiob  machte  er  eine  georbnete  Körberfdjaft  (toie  9?eto= 
man  eingeftefyt)  unb  als  @rfa|  für  ben  toettabtoofmenben  Keble  baS  Unternehmen  ju 
einer  im  toef entließen  Djf orber  Setoegung,  beren  Slnfyänger  bon  ba  ab  als  Vufer/iten  be= 

so  getc^net  ju  toerben  begannen. 

©ein  ©influfj  trat  fofort  ju  Sage.  Von  ben  ©ebanlen  ber  beutfd)en  Geologie 
tief  berührt,  ber  greunb  unb  Korreftoonbent  bon  ©cfyleiermacfyer,  Sfjolucf,  ©toalb  unb 
©aef,  berlangte  er  für  bie  toiffenfcfjafilicfje  £>arftettung  an  ©teile  ber  in  ben  erften  %xat= 
taten   &u  Sage  getretenen  Übertreibungen    unb   Verfct)toommenI)citen   gehaltenen   (Srnft, 

35  2öürbe  unb  Jcucbternljeit.  llnb  er  geigte  felbft,  toie  er  baS  meinte.  (Snbe  1835  gab  er 
„an  ©teile  ber  bisherigen  unboHftänbigen  2luffä|e"  Sraft  67,  68  unb  69,  bie  brei  Seile 
einer  Unterfucfmng  „über  bie  Saufe"  fyerauS,  ein  Sud?  bon  mefyr  als  300  ©eiten  (2. 2tufl. 
über  400),  baS  noeb,  fyeute  als  eine  ber  berborragenbftcn  9Dionogratob,ien  über  ben  ©egen= 
ftanb  gilt.     @S  folgten  in  Sr.  71,  76,  78,  81  bie  Catenae  Patrum,    bie  für  bie  neuen 

40  ©ä|e  bie  gefd)id)tiicf;e  Kontinuität  unb  altlird^liclje  Stutorität  na^utoeifen  berfud;en 
(aboftoIifcl)e  ©ucceffion,  Xauftoiebergeburt,  fat^olifdieS  Kird)enbrinji^)  unb  ©uefjariftie) ; 
im  $.  1836  ber  ^rofbelt  unb  bon  1838  an  bie  Verausgabe  ber  Oxford  Library  of 
the  Fathers  (bgl.  oben  ©.  25,  57).  ©eine  2lbfi<|t  ging  auf  ben  bobbelten  ^Rac^toeiS, 
einerfeitS,    bajj   bie  römifcb.e  Strebe  jtoar  in  ib,rem  ^ierarcfjifcben  ^errfc^aftSgelüfte,    ibrer 

45  33eräuf$erlicr)ung,  tbrer  iserläfterung  beS  ©bangeliumS  ßfjrifti,  baS  fie  in  ein  ©efe£  ber 
Kirche,  ob,ne  befreienbe  unb  lebenbig  macb,enbe  ©eifteSmac^t,  berfteinert  fyahe,  abjule^nen  fei, 
ntebt  aber  bie  fatbolifcfye  Kirdje  als  foldje,  toeil  if)re  Sebre  fd(iriftgemäfe  fei  unb  ben  39  SlrtiMn 
nict/t  toiberfbred)e.  SlnberfeitS  auf  3lner!ennung  unb  Sefeftigung  beS  angli!anifcl)en  2et)x-  unb 
ÄultuSfr/fiemS  auS  bem  16.  unb  17.  ^afyrfmnbert,   mit  bem  ^acfytoeiS,   ba^  eS   fieb,  jefet 

50  ntebt  um  StomaniSmuS,  aueb,  ntebt  um  ^euformulierungen,  fonbern  lebiglicb,  um  baS  fRcd^t 
beS  SlnglilaniSmuS,  beS  bobenftänbigen  9^ationalglaubenS,  in  feiner  urfbrünglid)en  9tein= 
l)eit  l>anble. 

3n  berfelben  Stiftung  tiatten  injtoifc^en  bie  Sraltate  it)ren  Fortgang  genommen. 
§atte  $ufer/  in  ber  Oxford  Library  (SSorrebe)  „baS  Sllte  unb  %l%  als  bie  Queue  ber 

55  £et)re,  bie  fatfyoliftfjen  3Säter  aber  als  ben  Kanal,  bureb,  toelcb,en  jene  ju  uns  berabflie^t", 
bejeid)nct,  fo  liefe  ber  1838  in  ben  Kambf  ber  Meinungen  getoorfene  SRacbla^  groubeS 
feinen  3^eifel  an  ber  reformationSfemblicfyen  ©runbricljtung  ber  Partei.  @in  boEblütiger 
Raffer  ber  toeltbefreienben  %hat  beS  16.  ^ab, rbunberts  toieS  groube  barin  bieDjforber  als 
Katf)olifen  ob,ne  ^abfttum  unb  als  Slnglifaner  ol^ne  ^roteftantiSmuS  naef)  unb  fiel  mit  robufter 

60  ©robfyeit  über  £utb er  unb  feine  greunbe  ber  (bgl.  oben  ©.  23,  e),   in  ber   23efct;önigung 


SruftariamSimiS  29 

bon  Sburcb,  (262),  ein  Warm,  ber  mit  garten   SB  orten  ber  SSelt  ben  bollen  Umfang  unb 
bie  lefete  liefe  ber  Überzeugungen  offenbarte,  bie  ben  Slnlafj  zur  Bewegung  boten.  — 

Sie  gata  9ftorgana  beS  bon  ReWman  als  gangbar  gepriefenen  Mittelwegs  serftofs 
bamit  tote  ein  ©cremen;  unb  bie  bon  ba  an  erfcfyeinenben  SLraftate  Wiefen  mit  junebmen= 
ber  ©cfyärfe  bie  Ricbtung,  in  ber  ber  march  of  mind  fid)  bewegte.  %n  feinem  Xauf= 
traftat  hatte  $ufeto,  unter  Stblefymmg  ber  SBiebergeburt  aus  bem  ©tauben,  gelehrt,  baf?  5 
bie  ©rneuerung  beS  ©inneS  burd)  ben  STaufaft  allein  geWäfyrleiftet  werbe,  unb  fid)  bamit 
jum  römifcfyen  opus  operatum  begannt;  ber  75.  embfafyl  baS  römifcfye  SBreöter  als  @r= 
bauungSbud);  ber  bon  Qfaaf  SSilliamS  berfafjte  80.  (fortgefetjt  im  87.)  „Über  bie  3urüd= 
Haltung  (reserve)  bei  Mitteilung  religiöfer  SBafyrbeiten"  berfucfite  ntd)tS  anbereS,  als  bie 
©efyeimbiSziblin  ber  alten  Äircfye  rDiebert)erguftelTen.  23olt  Warmherziger  grömmigteit  unb  10 
tiefer  ©inblide  in  baS  berborgene  Seben  ber  ©eele  mit  ©Ott,  auö)  burd;  ©cfybnfyett  ber 
©prad)e  ausgezeichnet,  Wirfie  ber  Sluffaij  Wie  eine  ejblobierenbe  SRine  unb  legte  bie  legten 
Stele  ber  Partei  bor  aller  SBelt  blofe  (British  Critic  1839,  ältoril).  Über  bie  {»ettigften 
Singe  bor  jebermann  unb  ju  jeber  $eit  z"  reben,  War  gefagt,  fei  rob,  unb  uneb, rerbietig ; 
ßbriftuS  unb  bie  Stboftel  fyätten  biefe  Referbe  Beobachtet ;  bie  rüdfyaltlofe  preisgäbe  aller 15 
©laubenSWabjfyeiten  bor  ©letcfygütigen  unb  Ungläubigen,  baS  ungebührliche  betonen  ber 
Rechtfertigung  unb  im  Sufatnmenlwng  bamit  baS  unbefonnene  SSerteilen  bon  33ibeln  unb 
Iraftaten  fei  berWerfltcb,  unb  Wiberfbredjie  ber  ct)rifttict)en  ©foterü.  Rur  bem  ©cfyorfam 
beS  ©laubenS,  ber  anbetenben  Frömmigkeit  erfcfyliefse  fieb,  bie  religiöfe  SBaljrfyeit,  nicfyt  ber 
fbefulatiben  gorfcfmng;  burd)  firdjlicfye  $uä)t,  ntct)t  bureb,  ^rebigt,  ©tubium  unb20 
frommes  Seben  Werbe  ber  religiöfe  ßtjaratter  gebilbet.  Sllfo  unebangeltfdje  ©Reibung 
Ztoifcben  @fo=  unb  ©joterü,  gurüdftcllung  ber  Rechtfertigung  hinter  bie  ©ebetmlefyre,  bie 
fird)licf)e  Qutyt  als  5ßrtn§t^>  ber  Heiligung:  alles  ©ä|e,  bie  jum  minbeften  ben  beftefyen= 
ben  römifdjen  S3erbad;t  ins  Redjt  festen  (ßfyurcb,  265).  o. 

21IS  nun  $eble  im  89.  %x.  (Über  bie  mfyftifcfye  ©rllärungSWeife  ber  ^irebenbäter) "° 
für  bie  Wunberlidjften  (StnfäUe  ber  batrifiifcfyen  Sltlegoril  biefetbe  Qnfbiration  rote  für  bie 
^ßrobfyeten  unb  Slpoftel  in  Stnfbrudb,  nabm  (they  proeeeded  in  interpreting  Scripture 
on  the  surest  ground:  the  Warrant  of  Scripture  in  analogous  cases  [Wozu 
bgl.  Gbinb.  Reb.  1844,  Dct.  343])  unb  ifyre  offenbaren  Irrtümer  nid)t  nur  berteibigte, 
fonbern  lobenb  befürwortete,  War  bie  t)oct)grabige  ©bannung  auf  beiben  ©eiten  einer 
weiteren  Steigerung  nict>t  fällig.  Riemanb,  fagten  bie  einen,  ber  ©lieb  ber  nationalen 
®ird)e  unb  bureb,  Unterfcbjift  an  bie  39  2lrt.  gebunben  ift,  fann  berartige  2lnfidt)tert  ber= 
treten;  unb  bie  bon  leiner  Rüdfid)t  mefyr  ©ebunbenen  warfen  bie  bei  folcfyer  Sage  ber 
Singe  natürliche  $rage  auf:  Warum  ntdbj  bie  le^te  „©ntWidelung"  boEjieb^en?  ReWman 
felbft  zwar,  immer  noeb,  in  ber  ©elbfttäufcbung  befangen,  baft  fein  in  ber  Via  media 
bertretener  2Inglofatr)oIiciSmuS  bem  lirdjlicfyen  SefenntniS  nichts  bergebe,  baf$  bielmefyr 
gegen  bie  ^rctümer  ber  geit  nur  3ufät$e  nötig  feien  (bgl.  oben  ©.  27, 23),  fudjte  noct)  ben 
RomaniSmuS  als  folgen  gu  leugnen,  aber  bie  gleidjerWeife  bon  Rom  Wie  bon  ©enf  erfolgten 
Ginflüffe  in  baS  anglüanifd) e  Seb^rgut  Wies  er  ab ;  bie  9lational!ircf)e  muffe  U)rem  eignen 
©eniuS  folgen. 

SaS  §inbernis  für  bie  33erWirllicb,ung  biefer  2lbjtd)t  Waren  bie  ju  Red;t  befteb,en= 
ben  39  2lrti!el.  Um  beren  Sefeitigung  bemüht  fiel)  nun  ber  bielberufene  9  0.%xai-- 
tat,  ber  (am  25.  Januar  1841)  unter  bem  %\td  Remarks  on  certain  passages  in 
the  39  Articles  erfd;ien,  juerft  anonbm,  aber  auf  erfolgten  (Sinfbrud;  bon  9i.  fofort  45 
anerlannt.  Surd)  unb  burd;  juriftifdb,  gebaut  (construed  as  by  a  purely  legal 
court  [ßb,urd;  286])  berfud)en  fie  bureb,  je  unb  bann  Wtllfürlicbe,  juni  ^eil  fo^tfttfd;e 
Auslegung,  mit  ber  b^aarfbaltcnben,  auf  gallftride  fid;  berfteb,enben,  auS  ber  mittelalterlichen 
2d)oIafti!  berübergefjolten  ©bi^finbigfeit  eines  Slbbofaten,  ber  auS  einem  Ricb,tS  ein  @tWaS 
ju  madlien  berftef)t,  ben  RadjWeiS,  ba§  römifdje  Überzeugungen  unb  bie  Unterschrift  unter  50 
bie  3lrtt!el  fieb,  nid)t  auSfd)lte^en,  befeitigen  alfo  baS  Unterfcb,eibenbe  beS  anglilanifd)en  93e= 
fenntniffeS  gegen  Rom.  Siegrage  ift  nid)t,  WaS  bie  Slrtüel  tfyatfädjlid;  lebren,  fonbern 
rvaä  fie  nict)t  berWerfen,  unb  Wie  fie  fidt)  breb,en  unb  breffen  laffen  im  „anglo= 
fat^olifcfeen"  ©inne.  SieS  ift  bem  2lnglifaner  freigelaffen.  2BaS  bie  SSerfaffer  ber  = 
fönlicf)  im  ©inne  gehabt  b,aben,  ift  gleid;giltig;  an  unb  für  fiel;  finb  fiesö 
leine  21  utorität.  Sie  Slrtüel  werben  alfo  nicfyt  wiberlegt  unb  niefet  be!ämbft,  audb. 
Wirb  if)re  3Serbinblicb,lcit  niefet  geleugnet,  aber  it)r  SeiWerl  Wirb  fubtil  umgebeutet,  unb 
auS  bem,  WaS  fie  nid)t  fagen,  Werben  fie  ergänzt,  unb  bureb,  bie  3ufcv£e/  bie  fieb,  be= 
müb,en,  fie  als  lebiglicb,  gegen  bie  Sefyrfaff ung ,  ixtest  gegen  baS  eigentliche  2eb,rgut  ge= 
richtet  nacb^uweifen,  roirb  in  ^raft  biefer  Seutungen  bie  Unterfertig  freigegeben.  eo 


30  $raftart(int§tmt§ 

aiuf  einige  ber  „Q3emerfungen"  meife  id>,  um  ber  2Sid>tigfeit  ber  ©ad)e  geregt  ju 
merben,  furg  fyin.  SIrtifel  6  ber  Conf.  Anglic.  benimmt  bie  f>I.  ©djrift  in  ©lauben«= 
fachen  al«  regula  fidei,  al«  alleinige  ©Iauben«norm.  R.  bemerlt  baju:  „311«  Siegel 
be«  ©lauben«  fefyen  mir  bie  ©djrtft  nur  fomeit  an,  al«  mir  anbere  ^nftan^en  (Slboftoltfum, 
5  Siturgie,  Srabition  unb  batrifttfd;e«  Schrifttum)  gleichfalls  annehmen,  in  bem  ©inne,  bafj  e« 
triebt  fieser  ift,  ofme  Rüdfid)tnafyme  auf  biefe  nacb,  ber  ©eftrift  allem  ju  urteilen.  „3n 
bem  je|t  gemöfynlicb.  berftanbenen  ©inne  ift  bie  ©cfyrift  nacb,  anglifanifd)en  ©runb  = 
fäfcen  niebj  alleinige  ®Iauben«regeI"  —  SIrtifel  11  ber  Conf.  behauptet  ba« 
sola  fide.    9flit  ©lauben,  fagt  SR.,  ift  nur  ba«  einige  innere  2öer!§eug  gemeint,   nicfyt 

10  jebe«  Söerf^eug  übertäubt;  neben  inneren  giebt  e«  äußere  (j.  93.  bie  Saufe  al«  Mittel 
ber  Rechtfertigung);  ba  aber  ein  innere«  2öerf§eug  nicfyt  mit  einem  äußeren  ftreitet,  fo 
f d^I ie ist  bie  Sebre  bon  ber  inftrumentalen  traft  be«  ©lauben«  feine«roeg« 
bie  Söerfe,  bie  aud)  ein  üJtittel  finb,  au«;  nur  toenn  gejagt  märe,  bie  Söerfe 
rechtfertigen  in  bemfelben  ©inne  mie  ber  ©laube,   fo   märe  ba«  ein  2Biberftorucr)  in  ben 

15  3lu«brüden.  „®er  ©laube  rechtfertigt  bielmefyr  in  bem  einen  ©inne,  bie 
Söerfe  in  einem  anbern,  unb  ba«  ift  alle«,  ma«  fyier  behauptet  wirb".  — 
SIrtifel  22  bermirft,  wirb  gefagt,  nicfyt  ba«  gegefeuer  al«  folct/e«,  fonbern  nur,  ba|  e« 
93erbammte  feiig  madje;  nid)t  ben  Slblafs  an  fief),  fonbern  nur  bie  Qbee  einer  bätoftlict)en 
©ünbenbergebung  für  ©elb,  mcr)t  33ilber  unb  Reliquien  an  ftet),  fonbern  nur  tfyre  göt$en= 

20  bienerifcfye  Anbetung  u.  f.  m.  —  Strtifel  25  Iet)nt  bie  Siebenmal)!  ber  ©aframente  ab ;  man 
muf$,  fagt  R.  bagegen,  zmifcfyen  ©aframent  im  engeren  unb  weiteren  ©inne  unterfdjeiben.  — 
atrttfel  28  leugne,  b,ei|t  e§  meiter,  nicf>t  jebe  SSanblung  beim  319R,  fonbern  nur  bie 
Sßanblung  in  ben  irbifdjen,  natürlichen  Seib  Gbrifii.  —  SIrtifel  31  beraubte  nur  bie  33er= 
fd;iebenf)eit  be«  9Ref$obfer«  bon  ßbrifti  $reuje«obfer ;  al«  (SrinnerungSotofer  an  SLote  unb 

25  Sebenbige  fei  e«  berechtigt.  —  Rur  ein  Strtifel  (38)  bon  ber  33erroerfung  ber  bäbftlicfyen 
Dbergeroalt  mirb  bebingung«Io«  zugegeben.  —  SDann  Reifet  e«  am  ©d)luffe:  SDiefe  ©rllärung 
ber  Strtifel  ift  feine  antibroteftantifcfye ;  benn  ,,e«  ift  unfere  ^flicb, t,  bie  reformierten  Strtifel 
in  möglicbjt  fatfyolifdjiem  ©inne  ju  faffen.  ©egen  ib,re  93erfaffer  b,aben  mir  feine  93er= 
binblidjfeiten.     ®ie  SIrtifel  finb  im    bud>ftäblid;en   unb  grammatifd;en  ©inne, 

3onicb,t  nacb,  Meinung  unb  Slbfid)t  t^r er  23erfaffer,  fonbern  im  ©inne  ber 
fatfyolifdjen  Äirctje  au«julegen"  (bgl  9c.«  93riefe  an  Dr.  $elf  unb  3^r-  33omben 
bom  15.  SRärj  1841:  I  have  asserted  a  great  principle,  that  the  Articles  are 
to  be  interpreted  not  aecording  to  the  meaning  of  the  writers,  but  aecording 
to  the  sense  of  the  Catholic  Church). 

35  Die«  alfo  fear  für  iljm  bie  33ebeutung  bon  Ix.  90:  ber  innere  23rud)  mit  feiner 
alten  &\x<fye.  ©eine  roeitere  ©ntmtdclung  ift  feine  freie  mehr;  in  Rr.  90  fyat  fie  ifyre 
feft  borgejet/riebenen  33ab,nen  gemonnen.  (§«  maren  ©ä^e,  bie  mit  bem  nationalen  ^irdjen= 
turne  nichts  meb,r  gemein  Ratten.  ®er  fie  au«fbracfj,  |atte  betou^t  bie  trennenbe  Sinie 
überfefiritten.     ^m    grüb,jat)r  1839   mar  meine  ©tetfung    in    ber   englifcfyen  ^irefce  auf 

40  it)rer  §öfye,  fc^rieb  er  fbäter  (Apol.  180),  unb  in  feinem  SIrtifel  Über  ben  ©tanb  ber  reli= 
giöfen  ^arteien  (Brit.  Critic  1839,  Slbril)  „b,atte  er  feine  legten  2Borte  al«  Slnglifaner 
^u  Slnglifanern  gefbrocfyen.  @«  mar  ber  3lbfcl;ieb«gru|  an  meine  greunbe"  ®ie  inner= 
lictie  2o«Iöfung  blatte  fief;  fdmn  bamat«  bolljogen,  aber  er  „mu^te  e«  noeb,  niebt;  alle« 
ging  mie  im  SRebel  feinen  2öeg"  (bgl.  oben  33b  XIV,  6—7).    ©bjlicfyermeife  fann  id;,  fcf)rieb 

45  er  an  9Jianmng  (25.  Di  tober  1843),  feit  biefem  ©ommer  bor  4  Salden  ber  englifdjen 
®ircf;e  mc6t  mef)r  angehören.  ®arau«  erhellt,  bafe  er  1841  toujjte,  ma«  er  tb,at:  ber 
^raft  ift  au«  bemufjt  römifd;en  Überzeugungen  b, erau«  gejcb,rieben.  — 

©anj  Dgforb,  bie  greunbe  unb  geinbe  ber  23emegung,   gerieten  in  33emegung ;    bie 
einen  in  ber  S3efrtebigung  barüber,  bafe  man  aud;  mit  römifdjen  Stnfid;ten  in  ber  ©taat«= 

öofirdje  bleiben  fönne;  bie  anbern  bor  dntrüftung,  ba§  bie  39  SIrtifel,  ba«  §aubtboßtoerf 
be«  engltfdjen  $roteftanti«mu«  gegen  ben  römifcf;en  ^rrtum,  jerbroc^en  maren.  93on 
ber  Uniberfität  ging  „ber  bleiche  ©djreden"  (bgl.  SOlojle^«  93rief  bom  13.  SJcärj  1841) 
mie  ein  ©turmminb  in  ba«  Sanb  hinein.  3UDe^e  ^ag  iun9«  D^forb  über  bie  aufgetb^ane 
Pforte  unb  bulbeten  bie  Sauen  anfang«  noeb,  bie  rabuliftifcb,en  ©biegelfeditereien,  fo  er= 

55  b,oben  bie  ©egner  mit  unangejmeif eitern  9ted)te  bie  alte  Slnflage  Dr.  SIrnoIb«  gegen  bie 
Oxford  Malignants  (bgl.  oben  ©.  28,  6),  bie  Singriffe  beruften  nietjt  auf  Qrrtum,  fonbern 
auf  fittlidier  93ermorfenb,eit.  Remman«  „©ntmidelungen",  ba«  mürbe  je^t  mit  einem  ©cbjage 
flar,  lagen  betou^te  unb  beftimmte  Sibfiditen  ju  ©runbe,  unb  „bie  fo  au«fid)t«lofen  Sln= 
fange    unb    fo   zufälligen    ©ebanfenreit)en"    maren   im   33erlauf    ber   ftext    beabficfytigte 

60  unb   gemoltte   gemorben,   bi«   fie    mit    Ration  unb    tirdje  in  bem   3Jca^e   in  J^onflift 


£raftartam£tnuS  31 

gerieten,    bafj    biefc    ib/m   unb   feinem  ©tiftem   Don    ba    ab    ben  VIa£   an   ber  Sonne 
Weigerten. 

Von  allen  ©eiten  Würbe  auf  ©ntfet/eibung  gebrängt.  9ieWman§  Vifdwf  unb  bie 
Unibcrfität§bef)örben  liefen  SBocben  in  ratlofem  ©cbWeigen  »ergeben,  ©nbltcf/  erfolgte 
(iliitte  SRärj)  feiten*  ber  UniberfitätiSbertretung  (Sßigefangler,  ^ollegienborftänbe  unb  5 
^5roftoren)  ber  (Sinfbrucb,:  bie  Xraitate  feien  ju  mißbilligen,  bie  Stillegung  bes>  90.  Hr. 
Weiche  bem  ©inne  ber  39  Slrt.  eb/er  au§,  al§  fie  ibn  erftäre.  2tuct;  Dr.  Vagoi,  Vifdwf 
bon  Drjorb,  big  bar/in  ben  Hraftarianern  Wob/lgeneigt,  febrieb  an  SR.,  nadjbem  biefer  bie 
alleinige  VerantWortlicbJeit  für  5Rr.  90  übernommen,  ber  Hraftat  fei  anftöftig  unb  gefäl)rbe 
ben  ^rieben  ber  $ircf)e;  bie  Hraftate  feien  bes>f)alb  nicfyt  fortjufeijen.  10 

SDiefer  Verurteilung,  ber  Dberbofjeit  be£  33ifcb,of§,  mcr)t  ber  Uniberfttätsbertretung 
unterwarf  fiel;  9L  @§  War  für  ifyn  ber  Slnfang  t>om  @nbe.  $m  ©ommer  tunbigte  er 
bem  British  Critic  feine  Mitarbeit,  unb  bie  Hraitate  Würben  nief/t  Weiter  gebrückt.  SDie 
meiften  Vifcfyöfe  unb  fet/r  bielc  ©einliefe  Verurteilten  Ix.  90 ;  ba§  War  eine  jineite  2lb= 
[ebnung.  „Unfere  2lrbeit  ift  borüber ;  ber  ©runb,  auf  bem  mir  fteb/en,  ift  unter  un§  15 
weggenommen."  ®ie  $übjer  füllten,  ba<§  öffentliche  Vertrauen  War  bafnn,  ifjre  Stellung 
unhaltbar.  sJJun  blieb  ifmen  nichts  mefyr  übrig,  als  tb/re  ©cfyule  ju  fd)lief$en  unb  aufs  Sanb 
ju  get/en,  e<§  fei,  baf$  fie  aufhörten  %u  fein,  toaä  fie  Waren,  ober  —  Wie  9leWman  be= 
jeidmcnb  ^insufügt  (bgl.  Apol.  172—173  u.  Angl.  Diffic.  I,  134),  ba|  fie  nacb, 2öaf>r= 
hext  unb  grieben  Wo  anberg  fugten.  9Jtit  nücbternem  Vlicfe  ernannte  er  bieSage.  20 
iMe  ©cbjaef/t  War  gefcfylagen,  für  feine  giele  berloren.  Qui  trop  embrasse,  mal  etreint. 
£)ie  ^arteiberbältniffe  Härten  fid).  S)ie  (Einheit  ber  Drjorber  ©cf/ule  ^erbracr;  an  ben 
garten  Äonfequenjen  bon  9ir.  90,  unb  ber  immer  fo  bittere  Vrotefi  beS  ju  fbät  gekommenen 
SegreifenS  berfjallte  mirfungSloS.  SfeWman  febieb  (©ommer  1841)  au<?,  gog  fieb,  naef) 
Sittlemore  jurücf  unb  Wartete  feinem  Verhängnis  entgegen,  £)ie  ^erufalemer  ViStumSfacbe  25 
brachte  bem  Kampfe  in  ifym  baS  @nbe.  ©eit  @nbe  1841  War  er  als  Slnglüaner  „auf 
bem  Totenbette"  @S  War  inbeS  ein  langfameS  ©terben ;  erft  bier  ^afyre  fbäter,  am 
8.  Dftober  1845,  nacljbcm  biele  feiner  greunbe  unb  SRittämbfer  in  9tom  ^rieben  gefucf)t, 
ging  aueb,  er  hinüber  unb  embfing  aus  ber  §anb  beS  VafftoniftenbaterS  ©ominif  bie 
@ua)ariftie  unter  einer  ©eftalt.  30 

©amit  fbradj  er  felbft  feiner  2lrbeit  im  ©taatSfircfyentum  baS  Urteil.  £>ie  Via 
media  War  eine  ©elbfitäufcfmng,  ein  §infen  auf  beiben  ©eiten  geWefen.  %m  Kampfe  ber 
©eifter,  jumal  um  religiöfe  ©üter,  entfebeiben  tlare,  an$  Äobf  unb  ©eWiffen  geWacbfene 
©runbfä|e,  nieb^t  bie  Vermittelungen.  2)ie  Ie|ten  Söfungen  lagen  Ijter  in  bem  römifeb^en 
©ebanlengut.  ®aä  War  ber  fatb^olifcb.en  §ierard)ie  früher  alg  ben  Djforber  SCfabemifem  35 
!lar  geworben.  Dr.  Söifeman  (nacb,mal§  @rjbifc§of  bon  Söeftminfter)  t>atte  ba§  Unb^alt= 
bare  ber  traftarianifcl)en  ^beengänge  erlannt  unb  in  feiner  ©cf/rift  On  Anglican  Claims 
nadjgeWiefen ;  Wäb^renb  er  noc|  juWartenb  bei  feite  ftanb,  foll  ©regor  XVI.  bon  ben 
Sraftarianern  gejagt  b/aben :  Sono  papisti  senza  papa,  catholici  senza  unita, 
protestanti  senza  liberta.   —  40 

II.  ©er  $ufet)i§mu§.  1.  ©ct;on  1840  Waren  einzelne  übergetreten;  ber  eigent= 
Itd^e  @£obu§  begann  inbe^  erft  1842,  unb  9bm  machte  ben  redituris  feine  Vforten  Weit 
auf.  2)ie  ©emä^igteren  jogen  fiel)  jurüc!,  anbere  mobifi^ierten  it)re  2lnfcf)auungen  buref) 
Slbftimmung  be§  römifetten  2on^  ober  2lu3fcf)eibung  ber  romanifierenben  ^been,  bie  britten 
fugten  im  gerub,famen  Seben  einer  börflicfyen  Pfarrei  ben  ^rieben  bureb  bie  2trbeit  an  45 
ben  ©emeinben.  2lucf)  innerhalb  ber  Parteiführung  lam  eg  gu  einer  Klärung.  Ttacbbem 
^JeWman  au^gefct;ieben,  trat  SBarb,  „ber  ganatifer  be§  Vribaturteife",  ber  (in  feinem 
Ideal  of  a  Christian  Chureh  100 ;  595)  bie  39  Slrtifel  „nieb^t  im  näc£)ftliegenben  ©inne 
ober  im  ©inne  ber  Verfaffer,  fonbern  in  bem  ©inne,  ber  bem  Unterzeichner  am 
baffenbften  erfeb/eine",  ertlärt  Wiffen  Wollte,  ja  unter  Slblefmung  be§  natürlichen  ben  50 
non-natural  sense  berteibigte,  alg  güf)rer  an  bie  äufjerfte  l3iiä)k,  b\§  er  für  feine  l?er= 
augforbernbe  2lbotf;eofe  ber  §eucr)elet  bon  ber  Uniberfität  abgefegt  Würbe  unb  naef;  9lom 
übertrat  (1815),  Wäfyrenb  lieble  unb  2Billiamä  ba3  rechte  (Zentrum  (mit  ftarfrömifcb;en 
Neigungen)  bilbeten  unb  ^ßercebal  nact)  linf<3  f;irt  bie  Verbinbung  mit  ber  ^ationalfircb/c 
aufregt  ju  erhalten  fud)te.  —  55 

®ie  §üb,rerfcl)aft  ber  ©efamtbartei  aber  fiel  bon  1841  an,  %um  %dl  infolge  ber 
9JotWenbigfeit,  bie  au^  bem  Verluft  ber  @inf>eit  fiel)  ergebenbe  ©d)Wäcf>c  burrf)  Wiffen= 
fcr>aftltd>eö  herausarbeiten  unb  gcfd)icbtlicf)e  Segrünbung  ber  Dj;forber  ^been  aul^ugleidien, 
Wie  eine  Sclbftberftänblict;leit  bem  gelehrten  @.  Souberie  ^ufe^)  (bgl.  oben  33b  XVI  349) 
Sit;   bamit  fctjlie^t  bie  cigentlid)  trattarianifd>e  f^tft  ber  Bewegung.  co 


32  £rattnriamSmu§ 

2.  ®ie  nunmehr  einfe^enbe  jtoette  Wirb  bemgemäß  in  ben  Setben  erften  ^a^e^nten  (big 
etwa  1860)  bon  ber  Wiffenfcfyaftlicfyen  Segrünbung  be§  ©r/ftemS  (befonberS  burrf)  '-ßufeb^ 
arbeiten),  im  brüten  bon  bem  Sambfe  um  ba3  Necfyt  ber  anglofatfyolifcben  Sefyren  unb 
Suitformen  im  ©taatälircfyentum  in  2lnfbrucb  genommen.  Unter  ber  £>anb  beä  bor= 
5  listigeren  unb  bomefymeren  Vufet),  ber  ü)r  fcfyon  mit  feinem  (Eintritt  einen  afabemifdjen 
Nimbus  berliefjen  unb  nun  ben  tarnen  gab,  nafym  bie  Bewegung  gemäßigtere  formen 
an,  bie,  allmcu;lic&,  ba§  bogmatifcfye  ©ebiet  berlaffenb,  ftct;  mit  ©ifer  auf  bie  2lu£torägung 
älterer,  ben  römtfdjen  nab,  berWanbter  Ritualien  Warf  unb  bamit  Probleme  aufnahm,  Die 
mit  Geologie  nur  wenig  gemein  Ratten  (3fütuali§mu3),  unb  in  benen  biele,  mit  ßarltyle 

io  etWa§  übertreibenb,  „ba§  ©fymbtom  balbiger  Stuflöfung  ber  angeworbenen  ©taatsftrcbe" 
erblickten. 

®ie  Verurteilung  be3  2öarbfd)en  ©runbfa£e£  bon  ber  nicfc>natürlicr;ett  ^nter= 
bretation  fetteng  ber  Uniberfität  bebeutete  eine  entfcfyeibenbe  Nieberlage  ber  ^raftartaner 
unb  blatte    eine  ©Reibung   ber   ©etfter  jur  golge;    biele  greunbe    gogen    fiep    jurüc!, 

15  anbere  traten  gu  ben  früheren  ©egnern  über  unb  bargen  fieb,  unter  ben  gittigen 
oeS  bobenftänbigen  §ocbJ;ircfyentum§.  Um  fo  energifcfyer  behauten  bie  furc^tlofen 
engeren  Greife  auf  ber  eingefdjlagenen  Vafyn.  Nad)  SSarb  unb  NeWman  traten  bon 
1845—1846  etwa  150  ©eiftlict/e  unb  angefel)ene  Saien  ber  Partei  über;  unter  iljmen 
greb.  Daließ  fgl.  Fabian  in  2BI)itef)aII  unb  Pfarrer  an  2111  ©aini'3,  9)krgaretftr.,  Sonbon; 

20  ferner  (Sollr/nS,  ^auptbaftor  an  ©t.  SRarto,  Sftagbaleu  Djforb,  %.  2B.  $aber,  Neftor  bon 
(Elton,  ©bencer  Nortfycote,  $.  33.  9florri3,  ^ufe^  ©elnlfe  bei  ber  Library,  SDubleb, 
Silber  (mit  $rau,  ©cfyWefter  unb  fünf  Sinbern),  6.  SDatgairng,  @.  §.  ^omfon  unb 
$.  ©orbon,  jmei  Sonboner  Pfarrer  u.  a. 

21I§  ju  biefer  bebenllicfyen  äöenbung  energifcfye  Verfudje  traten,   aueb,   im  Nitual  bie 

25  rbmifcfyen  Äonfeqenjen  ju  gießen,  ben  fyöljewen  Stbenbmafybotifcf)  buref;  einen  fteinernen  gu 
erfe^en,  Srujifije,  2lltarlicr)ter,  bie  piscina  u.  a.  gegen  ben  ©etft,  Wenn  audj  nicfyt  ben 
23uc|ftaben  be§  2l.©.33.  einzuführen,  unb  biefe  Neuerungen  bon  ben  oberen  gefmtaufenb 
oftentatib  begünftigt  würben,  auef)  bon  ben  anglolatfyolifcben  gür/rem  nid)t§  gefd^ab,,  um  bie 
bebrob, ten  dauern  ber  Strcfje  gu  f$ü|en,  ba  erb,  ob  fiefi.  Wie  einft  ju  Königin  Slnnas*  Reiten 

30  ber  Voller uf:  NoPopery  bon  neuem.  Stuf  feiten  ber  englifcb^römifcfyen  §ierarcbje  lauter 
Beifall  unb  freubige  (Erwartung,  auf  broteftantifcfyer  neben  groHenbem  Unmut  bie  bangften 
Befürchtungen.  Befragten  auef;  biele  ber  in  ber  $ird)e  berbliebenen  ^raftarianer  ben  ber= 
fyängnisbollen  ©cfyritt  ifyrer  greunbe,  tbo  War  bie  ©ernähr,  baß  im  Saufe  ber  @niWicfe= 
lungen  rttd^t  aud)  fie  au§  bem  berWirrenben  Sambfe  ber  Parteien  ifyre  3uflucr;t  „brüben" 

35  fucfyen  Würben?  — 

2SäI)renb  nun  bie  Sage  ber  SDinge  auf  broteftantifdjer  ©eite  bie  ebangelifcb,  ©efinnten 
ju  engerem  3"f«wmenf(f)luß  trieb,  in  (Snglanb  bie  Bewegung,  nun  rtic^t  mef)r  an  bie 
Uniberfität  gebunben,  in  bie  entlegenften  ©emeinben  h\$  naä)  Sßale^  unb  3)orlfb,ire  über= 
fbrang  unb  in  ©cb^ottlanb  bie  an  bie  StuSfct/reitungen  be§  ^atronatgtoab^lrec^teS  fiefy  an= 

40  fcb^Iießenben  Sämbfe  ben  Seftanb  auc^  ber  nörblicb^en  Sircfye  in  grage  ftedten  (1843—45), 
getoann  e§  ben  2lnfcb,ein,  al^  ob  bie  gerfe|enben  Gräfte  ber  Drjorber  aueb,  in  ber  dt\6)- 
tung  einer  ßerbröcfelung  oeg  ©taatSlircb^entumg  erfolgreich,  arbeiteten.  ®ie  ^ßufe^iten 
Verräter  (rascals  and  traitors)  ber  1)1.  Sirene  ^u  freiten,  §eucf)ler,  bie  im  §erjen 
römifcb,  feien,  aber  baö  33rot  ber  Sirene  äßen,  fyalf  über  bie  ©cf)toierigfeiten  nieb^t  I)intbeg. 

45©iegrage,  bie  jur  Söfung  brängte,  lag  tiefer:  m§  ift  bie  Sirene,  bie  ijl  latfyolif^e  Sirene  'i 
meiere  Sejieb^ungen  b^at  fie  jum  ©taat'C  ift  im  Credo  unb  &atect)i<§mu§  bie  fiebere  bon  ber 
Sircf/e  in  einer  ben  Vebürfniffen  ber  ^eit  entfbreeb^enben  2Beife  feftgelegt? 

3Me  Seb^rlämbfe,  bie  mit  bem  3<#e  1847  einfe^en,  finb  bie  Slntmort  auf  biefe 
fragen,    bie,   ir>ie  im  rbmifcr;en  ©Aftern,  ben  ^ßufer/iten  bon  centraler  Sebeutung  waren; 

so  au§  biefem  ©runbe  gefye  icl)  fur^  auf  fie  ein.  — 

Sm  SDejember  1847  berief  ber  ^rime=SCRinifter,  Sorb  ^n  Buffett  ben  oben 
(©.27,37)  ertoäf)nten  $rof.  Dr.  §ambben  jum  Sifcb^of  bon  ^ereforb.  ©agegen  erhoben 
beffen  alte  ©egner  ßinfbruet;  an  ben  3Jtinifter  Wegen  ungefunber  £ef)re;  ba§  gleite 
traten  13  Sifcfyöfe;   ber  3)ean  unb  Äanon  be§  ©omfabitelö  ftimmten  gegen  §ambben, 

55  unb  bereint  brachten  fie  bie  ©acfye  bor  ba§  fgl.  Dberbofgericb^t  (Court  of  Queen's 
Bench);  aber  b^ier  unterlagen  fie. 

3lod)  Wäb;renb  biefe  ©acb^e  fcfjtoebte,  feilte  ber  Wichtigere,  an  ©orljamg  Namen 
ftd?  Inübfenbe  Saufftreit  ein.  Neb.  ©.  S.  ©orb^am,  fc^on  36  Sab^re  jubor  bei  feiner 
Drbination    Wegen   feiner  2lnfict)ten   bon   ber  ^aufwiebergeburt   bom  33ifcb.of  bon  ©Ib. 

60  angefochten,  Würbe  1847  in  baä  Sronbatronat  33ramforb=©befe  berufen,   bon   bem  tral= 


£raltariitm8mu3  33 

tartanifcb,  gefinrttcrt  23ifd;of  Dr.  ^bjlbottg  inbe§  abgelehnt.  @r  Imtte,  im  S©iber= 
fbrueb,  ju  ben  39  2trttiel  geleugnet,  bafs  bie  getftlidje  SBiebergeburt  bureb,  bie  £aufe 
gewirkt  ober  mitgeteilt  Werbe;  bog  erjbifd)öflic|Se  ©erid;t  (Court  of  Arches)  billigte 
bie  bifcfybflicfye  @ntf Reibung,  aber  bom  Court  of  Appeal,  einem  Unter=2lugfcr;uf$  beg 
$gl.  ©ei)eimen  3tateg,  alfo  ber  fyöd;ften  Weltlichen  SerufungSinftanj  in  firct)lid)en  5 
Sachen,  an  bie  ©orljam  Berufung  eingelegt,  Würbe  bag  Urteil  ^bjlbottg  aufgehoben 
unb  ©orfwm  in  fein  2lmt  eingefe^t.  Sie  $rage  nadj  ben  Sebengbebingungen  ber 
Kirche  war  bamit  aufgerollt ;  aber  ber  (Streit  ging  biel  Weniger  alg  um  bie  infriminierte 
Sebjfragc  um  ba§  ^rinjib :  bei  Welcher  ^nftans  wfy  bk  lefcte  @ntfcf)eibung  in  fircr)Iid;en 
fragen,  beim  ©efyeimen  9kt  beg^önigg  ober  beim  (grjbifdjof,  b.  f>.  bei©taat  ober  Äir^e'^  10 
Stile  ÜBemüfyungen  ^fnlbottg,  ber  nunmehr  bei  jmei  Untergericfyten  (Queen's  Bench  u.  Court 
of  Common  Pleas)  bie  guftänbiglfett  bei  ©eljeimen  Siateg  für  ben  borliegenbengall  beftritt, 
beg  33ifcr/of§  Slomfielb  Don  Sonbon,  enbltcfy  einer  traftarianifcfyen  9]erfammlung  bon  über 
1500  angefefyenen  ©eiftlicfyen  unb  Saien,  blieben  otme  Erfolg,  ©orfyam  gelangte  nacb, 
einigen  formalen  Söiberfiänben  tijatfäcbjicb,  in  fein  2lmt.  Sem  Privy=Council  mar  bag  15 
entfdjeibenbe  2Bort  berblieben,  b.'fy.  ber  nationalen  $irdje  mar  —  gegen  SBIomfielbg  mafe= 
bellen  S3ermitteIunggborfd)Iag  —  bag  "3tzd)t  abgesprochen  Würben,  §err  im  eignen  £aufe 
ju  fein  unb  felbft  ju  entfcfyeiben,  mag  in  il)r  an  Sefyrgut  redjtteng  fei. 

tiefer  ©tanb  ber  Segiglatibe  braute  bie  ©eifter  um  fo  meb,r  in  ©türm,  alg  jener 
ÜJlugfcfyuf?,  bag  Judicial  Committee,  ein  Saiengeridjt  mar,  bem  in  gciftltdjen  Singen  bie  $om=  20 
betenj  fehlte  unb  bag  für  feine  ©ntfcfyeibungen  nicfyt  einmal  bag  gef d)id) titele  Stecht  fjatte.  Ser 
Srucb,  mit  ^om  im  ^ab,re  1534  blatte  ftatt  beg  'jßabfteg  ben  dortig  jur  legten  Serufungginftanj 
gemalt,  ber  feine  iJtecfyte  bureb.  einen  Court  of  Delegates  (i.  b.  $.  bon  geiftlicfyen  SDtttgliebern) 
beitreten  liefj.  Surd)  ^arlamentgafte  Waren  1832  ob,ne  3u[timmung  ber  $onbofation,  bie 
bamalg  rufyte,    bie  Äombetenjen  ber  Selegateg  bem  ©efyeimen  SRat    beg  Hönigg  (Privy  25 
Council),    im  folgenben  Qa^re  toie  bureb,    einen  gufaß  0>ßl-  3-  2B.  30l?ce/   Tne  Civil 
Power  in  relation  to  the   Church,    16)  einem  Unteraugfcfyujj   beg  ©eb,eimen  Siatg, 
bem  Judicial  Committee  übertragen  werben,  einem  rein  Weltlichen  ©crtd)tgf)ofe,  beffen 
3Jlitglieber  nict)t  nottoenbig  geiftlicfyen  ©tanbeg  fein  mußten  (Dberton,  355).    ©0  mürbe 
ber  2tugtrag  beg  ©orfyamftreitg  für  bieOrjorber  gu  einem  nafyeju  berntdjtenben  ©cbjage.    Ser  so 
fyödjfte  englifcfye  ©erict)tgf)of  fyatte  fie  ing  Unrecht  gefegt,  blatte,  bag  Sefenntnig  alg  9iorm 
ber  ^ecfytgläubigfett  ableb,nenb   mit   feiner  ©ntfe^eibung   einer  ©laubensfrage  bie   inner= 
fircbjidjen  Qntereffen  unb  Steckte  berieft,  unb  an  biefer  ®ntfd)eibung,  gegen  bie  eine  33e= 
rufung  nic^t  angängig  toar,  Waren  (im  Judicial  Committee)  £aien  beteiligt,  bon  benen 
einige  nief) t  einmal  ber  ^ationalfircfye  angehörten,  ^ßufet),  buret)  biefe  Vorgänge  tief  erregt,  35 
trat  nunmehr  auf  ben  ^lan;    er   brol)te  mit  ber  Trennung   ber  ^tre^e  bom  ©taatc, 
unb  gleichzeitig  gaben  feine  ©efolggleute  bureb,  bie  geräufd)bolle  ©intoeib.ung  einer  ^ircfye 
(©t.  Sarnabag'),   namentlich  burd)  Entfaltung  eineg  burc^aug  römifc^en  ©ebrängeg,   an 
bem  bie  SBifcfjöfe  bon  Drjorb,  Sonbon  unb  ©aligbur^),   Dr.  ^ßufer/,  SRanning  unb  keble 
fieb,  beteiligten,    ibjem  geregten  Untoißen  über  bie  3SerIe^ung   ber   einfac^ften  ürc^licb.en  10 
©runbfät$e  bemonftratiben  Slugbrud'. 

3)urc^  bag  gan§e  2anb  b^in  bilbeten  fieb,  Vereine  jum  ©cb,u|e  ber  Äirdje,  bie  nun  aufy 
aug  gut  firctjlicfyen,  abfeitgbon  ben  Di'forbern  fteb,enben  «reifen  lebhafte  Unterftü|ung  fanben. 
©g  folgte  eine  zweite  giutWelle  nad)  ^iom ;  3Kanning,  5R.  %.  SBilberforce,  Dr.  älllieg, 
§.  ©obtoortb,,  ^3ufet)g  Reifer,  3JcagleH  unb  60  ©emeinbeglieber  einer  Sonboner  ftircfye  traten  45 
über.  3Son  1833—1876  Ratten  385  ©eiftlicljc  (nacb,  ^e  143!)  fonbertiert,  ber  fanatifd;e 
3Barb  [teilte  in  ber  Church  Union  ben  Slntrag  auf  Slnerlennung  ber  Slutorität  9fom§, 
unb  metjr  alg  600  ^5ufet)iten  aug  jum  ^eil  feb,r  angefeb,enen  gamilien  manberten  @nbe 
Sluguft  nacb  Sfteufeelanb  aug,  um  bort  in  bem  Canterbury  Settlement,  alg  Wady- 
folge  ber  ^ßilgerbäter  beg  17.  ^abjfmnbertg,  ib,reg  ©laubeng  ju  leben  unb  ifyr  ^irdjenibeal  50 
ju  berwirflicfyen. 

Xag  ©taatg!irct;entum  fcb,ien  ing  2öan!en  ju  fommen,  unb  melier  ©eite  ber 
Söroenanteil  ber  Dsforber  Seute  zufallen  Werbe,  bag  jeigten  unmtfsberftänblicb,  bie 
Scbaren  ber  Überläufer,  ©ine  tiefe  Bewegung  ergriff  bie  ©eele  beg  33olfg,  bange 
2lbnungen  ein«^  f'ommenben  3?er^ängniffeg,  einer  Umgeftaltung  beg  religiöfen  unb  fitt=  55 
liefen  £ebeng[tanbeg,  jitternb  in  gurd)t  unb  Hoffnung  in  ben  §erjen  ber  Serü^rten.  Sa 
fam  9JJitte  DItober  1850,  bon  niemanb  geabnt  ober  erwartet,  bie  yiadjxxfyt  ing  Sanb, 
$iug  IX.  i)ah(  in  einem  geheimen  ^onfiftorium  ben  aboftolifcb.en  &ifar  Dr.  SBifeman 
Sum  ^arbinal  unb  jugletdb,  jum  @r^bifd)of  bon  3Beftminfter  ernannt  unb,  ben  sJcötcn  beg 
für  9tom   reifen  Sanbeg    cntfbred)enb,   ©nglanb   mit  einer  römifd^en  $icrard)ie  '»> 

S«ea[=®nc^tIot)äbie  für  X^eotoflie  unb  Uixä)t.    3.  a.  xx.  -i 


34  £raft<mant§mu§ 

(12  Mi}.  ©brcngeln)  bcfd)enft.  ©eit  ben  Sagen  ber  Deformation  fyatte  ber  Sßabft  leinen 
äfynlidjen  ba§  ^roteftantifd^e  ©eroiffen  auf^ettfc^enben  ©cbiag  gemagt,  bem  übrigen^  aucb, 
baä  ©lorbionengift  nidjt  fehlte,  weil  SBeftminfter,  bon  bem  ber  neue  ^rirnaS  feinen  Sitel 
nalmt,  burcb,  2lltcr  unb  ©efd)id)te  geheiligt,  ba§  £er§  (Snglanb3,  ber  ©i£  be§  $önig§  unb 
6  be§  Parlament!  War.  ®a3  £anb  tönte  Wieber  bon  aufreijenben  ^rebigten,  bon  $roteft= 
berfammlungen  unb  Sobalitätgabreffen,  bie  einmütig  baä  ©infcbjeiten  ber  Regierung  ber= 
langten,  in  bem  SCftafje,  bajj  nicfyt  nur  bie  Sraftarianer  öffentlich  ftd)  gegen  bie  römifd;e 
•gierardjie  erllären  mußten,  fonbem  aucb,  £orb  Düffel!,  ber  je£t  bie  äöieberfyerfteltung  ber 
römifcb/en  §ierarcbje  al§   eine  tonfequenj  feiner  jWfyolitenemanzibation   anfeilen  mufjte, 

io  ben  babalen  2lnmafsungen  im  gebruar  1851  mit  ber  Ecclesiastical  Title  Bill  entgegen 
trat,  bie,  al3  eine  ©onquijoterie  gegen  leere  Stiel,  freiließ  Weber  ba3  ©efd;el)ne  Wte= 
ber  gut  machen,  nod)  gufünftigeS  abWenben  tonnte.  3n  *>er  golge  Wiefen  eine  Steige 
bufetoittfdjier  23ifd>öfe  bie  römifdje  2Inmaf$ung  in  fdjarfer  SSBeife  jurüd,  unb  ^ßufeto.  felbft 
lenfte  ein,  inbem   er  ftd)  in  einer  ©djrift  in  unmtf$berftänblicr/er  SBeife  für  ba<§  Dber= 

15  aufftdjtgredrt  ber  Regierung  au§fbrad),  ba§  DeWman  unb  bie  tl)m  nafye  ©tefyenben  bon  Anfang 
ber  Bewegung  an  grunbfäpd;  abgelehnt  Ratten,  ©ein  Verlangen  nad;  2ßteberfyerftellung 
ber  SÜonbofation  berfagte  fidj  zwar  bie  Regierung.  Slber  im  gebruar  1852,  al3  ber 
©türm  fid}  in  etWa§  gelegt  unb  darl  SDerbb  ba§  2Slj>igminifterium  geftürjt  t/atte,  ging 
ber  im  33orjaI)re  abgelehnte  Slntrag  gegen  ben  SBiberfbrucb,  ber  ©bangeltfdjSen  im  $arla= 

20  ment  unb  3Kinifterium  infotoeit  burd;,  al§  ber  alten  tonbofatton  toenigftens»  bie  Beratung 
einer  Slbreffe  geftattet  unb  bamit  ber  erfte  ©cfyritt  zur  Sßieberbelebung  ber  ©tmobe  getfyan 
mürbe :  nach,  ferneren  Dieberlagen  ein  erfter  ©ieg  ber  Djforber,  ber  nact/mals»  infolge  ber 
reinlichen  ©Reibung  ber  beiben  ©emalten  bon  fegenSreidjen  folgen  ebenfofe^r  für  ben 
©taat  Wie  bie  $ird;e  fid)  erWtefen  b,at.  — 

25  %m  ©enifonfd^en  2tbenbmafylftrette  fiel  ib,nen,  Wenigften3  formell,  ein 
weiterer  ©rfolg  ju.  £)er  2lrd;beacon  ©enifon  in  Saunton,  bon  bem  ©orfyamftreit  fjer 
afö  entfdriebener  Drjorber  belannt,  r/atte  (1851)  in  einer  33rofdj>üre  über  bie  ©alramente 
2lnfid}ten  über  ba§  2lbenbma^l  bertreten,  bie  bon  ber  $trd;enlel)re  abmieten.  SSon  feinem 
Dacb^argetftlicfyen  SDitcfyer  angegriffen,  bafs  er  eine  burd)  bie  Äonfelration  zuwege  gebrachte 

30  ©egenWart  be3  £etbe3  unb  23lute<S  ßl)rifti  Ieb,re,  lehnte  er  bie  gurüdnafjme  biefer  ©ä|e 
ah  unb  mürbe  1851  bei  feinem  33ifd)ofe  (Dr.  Sagot)  berllagt;  aU  biefer,  naef)  bergeo= 
liefen  S3emül)ungen,  bie  ©acfye  beizulegen,  balb  ftarb  unb  fein  9iad)folger  Sorb  Slullanb 
mit  bem  untoillfommnen  amtlidien  (Srbe  ficr)  nid^t  befaffen  mollte,  brachte  £>itd)er  ben 
©treit  bor  ben  ©rjbifcfyof  ©umner,  ber  bie  bon  SDitdjer  berlangte  ^ommiffion  jbar  einfette, 

35  aber  jebe§  roeitere  Sorgeb^en  ablehnte.  Dun  ging  ®itd;er  an  bie  Queen's  Bench  (Steril 
1856),  bie  ben  ©rjbifcfyof  ^ur  2öieberaufna£>me  ber  <&ad)?  jroang.  ©in  bon  biefem  berufener 
3lu§fcb,ufj  entfdjieb  gegen  SDenifon ;  ba  er  nid; t  wiberruf en  rooHte,  mürbe  er  abgefegt,  aber 
ba§  Judieial  Committee  ftiefj  bieg  (geiftlid;e)  Urteil  megen  eines>  gormfeb,Ier§  um.  — 
©o  blieb  SDenifon  ©ieger  na<|  einem  Mampfe,  ber  toter  Qafyre  gebauert  unb  ungeheure 

40  ©ummen  berfd^Iungen  I)atte  —  nid)t  au§  bem  Decfyt  feiner  <Sa<fyz,  ein  gormfefjler  rettete 
i^n.  gür  bie  ftreitenben  Parteien  ftellte  ba§  Urteil  jener  erjbifd)öflid}en  Kommiffion  ba§ 
eigentlidie  ©rträgniö  be£  3Serfab,renö  bar:  ©enifons  Sefjre  roibcrfbrecfye  bem  Selenntnte; 
bei  Se^rftreitigleiten  iomme  entfd^eibenb  beffen  2öortIaut,  nid;t  aber  bie  ©djrift  ober  bie 
altanglifanifcfye   Auslegung   in  Setrad;t.     2öar   im  ©orfwmftreite   ein   möglid)ft   toeiter 

45  ©bielraum  für  bie  Slu^legung  ber  3lrtit'el  bem  33eflagten  ^gebilligt  roorben,  b,ier  tourben 
bie  Sraltarianer  an  ben  SBortlaut  gebunben,  ba§  Decb,t,  ^mifdien  ben  feilen  ju  lefen  unb 
auf  bie  23äter  ber  cnglifcfyen  Mircb,e  fid;  ju  berufen,  berroeigert  unb  bamit  ib,re  §aubtabfid)t, 
bie  brimitibe  £eb,re  in  bie  39  2lrti!el  hineinzutragen,  gerietet  (bgl.  ©cf)öll  ^5D@2,  754).  ^u= 
bem  mar  im  Sßerlaufe  be€  3Serfab,ren§  bie  traitar.  gorberung,  bie  Mird;e  entfd;eibet  suo 

so  iure,  toa§  red)tenö  in  ib,r  ift,  zweimal  bureb,  enbgiltige^  ©ingreifen  beg  weltlichen  ©erid}t§ 
(Queen's  Bench  unb  Privy  Council)  abgelehnt  toorben.  2llfo  eine  Dieberlage  ber  Srafta= 
rianer  gerabe  an  ber  ©teile,  bie  ib,nen  al§  ^erjbunlt  unb  Mrone  be3  ©#em§,  alg  ^eiliges 
©rbe  ber  SSäter  galt;  unb  bogmatifd)  ein  Dadenfcbjag,  bon  bem  fie,  trotj  aller  ©rfolge 
auf  lultifdtem  ©ebiete  in  ber  golgejeit,  fieb,  ntd)t  erfjolt  l^aben.   — 

55  III.  £)er  Dituali§mu§.  S)ie  93erfucb,e  alfo,  bie  Djforber  Sb,eologie  gegen  bie 
ürdjlid;e  burd)jufe^en,  toaren  feb,Igefd}Iagen.  ^m  Sauf=  unb  im  3lbenbmab,I§ftreit  Ratten  bie 
Sraftarianer  ib,re  traft,  bie  fpefulaiibe  unb  roiffenfcb,aftlid}e,  erfcfi,öbft.  35om  ^ab^re  1860 
an  roerben  bon  ib,nen  bie  tonfequenjen  ib^rer  fyocltfircfylidjen  2lnfd}auungen  für  Kultus  unb 
d)riftlid)e§  Seben  gebogen  unb   in   einem   langen  Mleinlambfe  bon   „gälten",  ber  alle 

60  Seibenfdiaft  an  ein  grofce3  $\d  fe|te  unb  fid>  bon  9Jcenfd)lid)em,  2lll5umenfd)Iid)em  nid;t 


SrnftnriamgmitS  35 

frei  fytelt,  bor  ben  3ttcf)ter  gefcfylebbt.  2lu§  bcm  $ufer/i<omu§  btlbet  ftd),  bie  bt^t>ertgert 
$arteinamen  aHmäfylicb,  berbrängenb,  ber  9tituali§mu§  f>erauS.  Söarert  im  ®ort)am= 
fcfyen  unb  ©emfonfcben  £anbel  bie  ÜBerfucfye,  bte  traftarianifcr/e  2eb,re  in  ba§  Sefenntniö 
hineinzutragen,  abgelehnt  unb  ber  gefcb^tlicr^grammatifcf/e  $nf?alt  ber  SlrtiW,  alfo  bte 
@innir>erte  nacb,  ber  ätbficfyt  ber  SSerfafjer,  ab§  fortan  majjgebenb  in  ber  nationalen  $ircb,e  5 
feftgefteHt  roorben,  fo  manbten  nun  bie  Unterlegenen,  o|ne  Serlangen  nacb,  bogmatifcfyen 
kränzen,  ben  neuen  ©runbfa£  auf  bie  Nubrifen  ber  2l.©Jß.  an  unb  festen  bie  berbliebenc 
Äraft  in  bie  2lu§beutung  bon  beren  Sßortlaut,  be3  33ud)ftaben3,  ber  ifynen  al§  unmtll= 
{ommener  ©tege3brei£  in  ben  ©cfyoj?  gefallen  war.  ©ie  fyaben,  tote  ber  Erfolg  bemeift, 
ben  Üftijjerfolg  au§genu|t  unb  e3  meifterfyaft  berftanben,  il)n  in  fein  ©egenteil  um=  10 
jufe^en. 

Um  bie  Sttttte  ber  50er  %afyxe  fa)on  r)atte  bie  ©d;toenlung  begonnen,  ^n  ©t.  23ar= 
nabai',  pmltco,  einer  S£od)terrircr;e  ber  fel>r  forigefcr)rittenen  ritualiftifcf/en  ©t.  ^aulSftrcfye, 
ßnigljtSbribge,  blatte  ber  Pfarrer  Sibbell  ba§  Slltarfrujifo  3lltarleud)ter  unb  älltarbecfe 
eingeführt ;  jur  Verantwortung  gebogen,  legte  er  bom  erzbtfcfyöflicfyen  Court  of  Arches,  15 
ber  bie  Entfernung  be§  ftrittigen  ©djmucfö  berlangt  r)atte,  an  ben  SluSfcfyufe  be§  Privy 
Council  Berufung  ein,  ber  ber  Vorinftanz  beipflichtete,  jebocf)  ba§  ßreuz  (nicfyt  ba£ 
^rujifiö  unb  ba3  Weijjletnene  (nicfyt  geftic!te)  2JCltattucr)  al§  Drnament  zuliefe  (bgl.  Verrr/, 
Stud.  Engl.  Church  Hist.  III,  31—721);  aud)  bte  Verfuge,  bte  Dfyrenbeicf,te,  bie 
in  traftarianifdjen  Mofterfdjulen  (§urftbierboint,  ©tore^am)  in  Übung  war,  in  bie  $ira)  en  20 
einzuführen,  fcbjugen  nocb,  fefyl. 

$u  Würbelofen  ©Janbalfcenen   aber,  bie  bie  öffentliche  Meinung   in  Wilbe   2öut 
gegen  bie 9tömlinge  I)et$ten,  führte  ba3  Vorgehen  be<§  ritualiftifct)en 3teb.  33rr/an  $ing,ber 
feit  1858  in  ber^irc^e  St.  George's-in-the  East  ba§  anftöfeige  9UtuaI  eingeführt  fyatte. 
®te©emeinbe,  bamit  nicf)t  etnberftanben,  Wählte  nun  gegen  Um  ben  nieb,  tritualiftifa)en  ©.  Stilen  25 
jum  §ilf<§brebtger,  beffen  ©otte3btenfte,  ba  $ing  fie  nicfyt  berfnnbem  fonnte,  in  ber  em= 
börenbften  Söeife   bureb,   bie  Parteigänger  be§  Vfarrerg  geftört  Würben.    SUlfonntäglicf) 
Zogen  au3  aßen  Steilen  2onbon§  ©cfyaren  bon  ©tanbalmacfyern   unb  Neugierigen   in  bie 
lirdje,  ©trafjenjungen,  Männer   unb  grauen  au§  ber  §efe  be§  Solfö  brängten  mit 
$obJen  unb  pfeifen  in  bie  ©itje,  intonierten   fcr)mu£ige  ©affenfyauer  unb   warfen  mit  30 
Kniefcfyemeln  unb  übelriecb,enben  ©ubftangen  nacb)  bem  anftöfeigen  Slltarfcfymucf  unb  bem 
^ßrebtger  auf  ber  Äanjel.    ®ie  Ätrdje  War  gule|t  immer  in  ber  ©eWalt  beä  9flob§.  ©er 
Unfug  lam  bi§  in<§  Unterb,au§,   unb  Sorb  Sroug^am  erlangte  bon  biefem  100  ^olijiften 
jur  §erfteßung  ber  Drbnung.     ©ennoeb^    erneute   fid)    ber   Unfug   unb   erreichte   am 
26.  gebruar  1860  feine §öb,e.  S)a§  gange  ftrtt^Iicb,  geftnnte Sonbon  toar  in  2lufrub,r,  bon  ben  35 
fortgefcfyrittenften  Netten  big  tief  in  bie  9ieü)en  ber  liberalen.    ®ean  Stanley  bon  9Beft= 
minfter  (bgl.  Sb  XVIII,  762—3)  bermittelte  nunmehr  unb  betoog,  im  @inberftänbni§  mit 
bem  @räbifcb,of  Haxt  unb  %fy.  §ugl;e§,  feinen  greunben,  ben  Pfarrer  ^ing,  auf  ein  %afyx 
Urlaub  ju  nehmen  unb  ju  tuenden.    (Sr  ging:  ein  SRärtbrer  feiner  Überzeugungen  gegen 
bie  tobenbe,  zudjtlofe  ©eltialt,  aber  unter  bem  laftenben  S)rucfe  einer  ©ü)ulb,  bafj  er  buref)  40 
fein  Serb,  alten  feinen  ©egnern  junt  ©iege  ber^olfen. 

©eine  greunbe  inbe§  festen  aUei  baran,  nun  erft  recfyt  in  bem  Kampfe  um? 
Ritual  burc^su^alten.  Nod)  in  bemfelben  Qab,re  tourbe  bon  20  ,,2lnglilanern"  jur  „5Ber= 
teibigung  unb  Slufredjterljaltung  ber  Set)re,  ©i^iblin,  Sefenntniffe  unb  ©alramente  ber 
fatb,olifd)en  ^ireb^e  bon  dnglaub  gegen  ©raftianismuä,  t^eologtfcb.en  greiftnn  unb  ^uri=  45 
tanertum"  ein  herein,  The  English  Church  Union  (juerft  The  Church  of  England 
Protection  Society  genannt)  gegrünbet,  mit  berSlufgabe,  ben  $ambf  gegen  ba3  offizielle 
Äircb,entum  unb  bie  Regierung  aufzunehmen,  bie  rein  !ircb,licb,e  ©erid)töbar!eit,  Reform 
ber  ©^nobe,  2lufb,ebung  be£  ^ßfrünbenberfauf§  berembtorifcb,  Z"  forbern,  Stbweicfmngen  bon 
ben  $raberboo!=9^ubri!en,  bte  fultifd) e  greigebung  be§  2ltbanafianum§,  3Bteberberl;eiratung  w 
©efc^iebener  u.  ä.  z"  belämbfen  unb  für  alle  roegen  ber  2eb,re  unb  be§  9tttualg  bon  ben 
©ersten  Verfolgten  (mit  perfönlic^en  Dbfem)  einzutreten.  Sie  Stntwort  auf  btefen 
3Sorftofi  mar  bie  ©rünbung  ber  Church  Association  (1865  bon  Dr.  Slacfener/,  JReftor 
bon  ßlaugbton  in§  2zUn  gerufen),  mit  bem  Programm,  „bei  Stufrecb.ter^altung  ber  Sclpn 
unb  Drbnungen  ber  bereinigten  Slircfjen  bon  ©nglanb  unb  ^rlanb,  allen  gegenmärtigen  55 
3?erfucb,en,  bie  2eb,re  in  tt)efentlicf)en  ©tüc!en  be3  ©laubenS  zu  beriefen  unb  bie  ©otte3= 
bienfte  zu  romanifieren,  entgegen^  unb  für  bie  gorberung  einer  geiftlicfjen  Religion  ein= 
Zutreten"  ©iefe  beiben  Programme  finb  in  ber  Folgezeit  bag  ©cfjibbolctf)  geloorben, 
unter  bem  bie  greunbe  ber  Slffociation  alö  Slngreifer,  bie  Unioniftett  aU  Serteibigcr  ben 
Äambf  um  ba§  Ritual  geführt  f>abcn.  w 


36  $rnft<mant§mu§ 

©anj  ätocifellog  gab  bie  (SntWicfelung  ber  SMtformen,   bie  in  ben  näcfyften  %at)wn 

in  bieten  Äircfyen  eingeführt  Würben,  ber  2lnnaf>me  Maum,  bie  9iitualiften  brängten,  tro§ 

aller  anglifanifcr;en  Verwahrungen,   nad)  9fom   ober   juxten   bocf;    eine  toeitgefyenbe  2ln= 

gleicfjung  an  bag  rönufd^e  Ritual,    ©a^u  beftärtte   bie  Stebuliftif  ber  2luglegungen,   bie 

5  bon  ben  Sftttualiften  angeWanbt  Würbe,  ben  gtoeifel  an  beren  bona  fides. 

3Xuf  bie  ©injelfmten  biefer  burcfy  30  ^a^re  fic^>  frinjiefyenben,  immer  mit  l;etfjer 
Seibenfi^aft  geführten  kämpfe  einjugeljen,  ift  fner  nicfyt  ber  Ort.  6l?araftertftifcf)  für 
bie  ©runbfä|e  unb  bie  2Irt,  Wie  biefe  plle  auggefodjten  würben,  finb  bie  burcfy  bie 
tarnen  SDfocfonodjie,  *ßurct)ag,   ©ale  unb  ©nragfyt  bezeichneten;   ify  beute  fie  be§t>aI6 

10  furj  an. 

©er  ©treit  ging  —  in  ben  60er  unb  70er  ^jafyren  —  um  bag  $reuj,  genauer 
bag  ÄlrugiftE,  ben  Slltar,  bie  farbige  unb  gefttcfte  2tltarbefteibung  unb  bie  Sinter.  9Jctt 
größter  gätngfeit,  Vorgetragenem  ^ailjiog  unb  einem  2tufwanb  bialeftifcfyer  Hunft  unb 
!>aarftoaltenben  ©cfyarffinng,  bie  einer  beffern  ©actje  Würbig  geWefen  wären,  felbft  um  ben 

15  5ßreig  bon  SSertounbungen  unb  $ird)enfcr;änbungen,  würben  biefe  ©inge  berteibigt,  immer 
unter  Berufung  auf  bie  9lubrifen  beg  ^ßrafyer  23oofg,  aug  benen  nac|  bem  Sorbilb  beg 
90.  5£raftatg,  Wag  nict)t  auäbrücflitf)  berboten  War  ober  Wag  aug  arglofen  SBenbungen  fid? 
fyeraugflauben  liefj,  in  ben  $irct>enbienft  fyerübergenommen  Würbe,  to  exalt  the  service 
by  its  gorgeousness,  Wie  bamalg  bag  ©cfylagWort  lautete.  2t.  §.  9Jlacfonoc£)ie  unb  €1).  %. 

20  SoWber  gelten  bon  1865  ab  ganj  Sonbon,  foWeit  eg  fircfyliclj)  intereffiert  War,  in  2ltem. 
SBeibe  Waren  33rr/an  $ingg  £ilfgbrebtger  im  Dftenb  unb  bort  in  felbftlofer  Eingabe  um  bie 
leibliche  unb  geiftlicfye  Pflege  ber  Slrmen  unb  Verlornen  bemüht  geWefen.  2llg  fie,  SoWber 
an  ©t.  ^eter'g,  Sonbon  ©ocfg,  unb  9JJac!ono^ie  an  ©t.  2Uban'g,  §oIbom,  berfe|t  Waren, 
nahmen  fie  bag  extreme  Ritual  bon  ©t.  ©eorge'g  mit  borten  unb  gerieten   in  §änbel. 

25  SRacf onocfyie,  ein  3Jcann  bon  glänjenber  Serebfamleit,  berteibigte bie  bon  ifym  eingeführten 
römifdjen  5DtefegeWänber  unb  2lltarlicbler.  3Sor  bie  (Beriete  gebogen,  Würbe  er  berurteilt, 
bieSicfyter  §u  befeitigen.  2tm  folgenben  ©onntag  — id)  ioar  fetbft  3euÖ^  ber  Vorgänge— 
erfüllte  eine  atemlog  laufcfyenbe  3Jienge  bie  $ircl>e  big  in  bie  f ernften  SBinf el ;  auf  bem  2lltar, 
feiner  auf  ben  aEer  2lugen  gingen,  ftanben  bie  Sinter  —  auf  einem  bünnen  Unterfa^.  $n 

so  ^rebigt  über  21©  5,  39  erklärte  SJcacfonocfHe :  ©o  ftefyen  fie  nicfyt  auf  bem  2Utar.  2lber 
biefe  ©ob^iftil  fanb  bor  bem  ©erid)t  feine  ©nabe.  Qx  Würbe  fufbenbiert.  2lm  näcfyften 
©onntag  biefelbe  ©cene;  SEaufenbe  bön  erregten  9Jtenfct)en  in  ben  ^irct)ftübten,  ©ängen 
unb  Tiebenräumen,  unb  bie  Sinter,  Wie  Wir  eg  fallen,  auf  bem  2tltare,  biegmal  bon  in 
bie  Wintere  2IItarWanb  eingelaffenen  ^ramben  fnabp  über  ber  oberen  2lltarfläd)e  gebalten. 

35  ©iefe  unb  ä^nltcbe  $abuliftereien  traben  bamalg  ben  -Kitualiften  bei  allen  efyrlict) 
©enfenben  gefcfmbet,  audf)  Wenn  SRadronoc^ie  für  feine  SBerb,  öf)nung  be§  ©efe|e§  fiel)  barauf  be= 
rief,  ba^  er  ba3  Urteil  einer  Weltlicfien  Sefybrbe  (beg  Privy  Council)  in  geiftlid^en  ©ac^en 
nid)t  anerlenne.  33ü  jum  ^al)re  1882  (alfo  faft  17  %ab,ve)  beliarrte  er,  immer  Wieber  ber= 
Ilagt  unb  bor  ber  legten  Qnftanj  meift  unterliegenb  (bgl.  Dberton  II,  374),  im  Sßiberftanb, 

40  big  ber  friebfertige  ©rjbifcfyof  ^ait  auf  feinem  Totenbette  il;n  bat,  um  beg  griebeng 
Willen  bie  ©inge  rubren  gu  laffen  unb  fein  Stmt  freiwillig  nieberjulegen.  @r  Willfahrte, 
unb  fo  fam  ber  berüchtigte  ^rojefe  9)krtin  v.  SJJacf'onocble,  ber  bie  ©emüter  in  ber= 
bitterter  ©rregung  gehalten  unb  bie  ©eWiffen  berWirrt  blatte,  ju  @nbe. 

®ie  ©ac^e  lag  nun   in  ber  breiteften  Dffentlicbleit  unb  forberte,  awfy  über  bie  be= 

45  teiligten  Ureife  b^inaug,  eine  ©ntfcfyeibung  für  ober  Wiber.  Unb  ber  ritualiftifdje  2ln^ang 
Wuc|)g  nicfyt  aEein  mit  bem  ^ntereffe  an  feinem  öffentlichen  ©eba^ren;  bie  2luggeftaltung 
feiner  ©ottegbienfte,  ^rojeffion,  gaf)ne,  golbftro§enbe  ©eWänber,  2öeif)raucl),  bie  braufenbe 
Drgel  übten  auf  bie  oberen  S£aufenb,  befonberg  bie  bornefymen  ©amen,  eine  fageinierenbe 
©eWalt,  Wäf)renb  in  ben  unterften  ©ebbten,  Wo  bie  5titualiften  bie  ©eelforge  in  energifc^e 

50  §änbe  nahmen  unb  fie  jum  Sleil  in  gang  neue  Sahnen  lenlten,  iljmen  biele  greunbe 
gewonnen  Würben. 

^njWifdjen  blatte  ber  %aü  ^urc^ag  ben  umftrittenen  fragen  eine  in  etWag  ber= 
änberte  SRiditung  gegeben,  ©egenftanb  ber  Ulage  (erft  bor  bem  Arches  Court,  in  33e= 
rufungginftanj  bor  bem  2lugfcVufe   beg  Privy  Council)  Waren   bie  alten  SDfe^geWänber, 

55  bie  öftlicfye  ©tetlung  beg  ©eiftlidjen  bei  ber  Slonfefration  unb  bie  §oftie,  beren  SerWen= 
bung  bie  Dberinftanj  alg  ungefe^Itcb  berbot,  Weil  „bie  3tubrifen  im  Prayer  Book  biefe 
©inge  nieb^t  auöbrüdlicb  erwähnten",  Wäb^renb  bie  9tituliften  umgelelirt  alleg  nidE)t 
Wörtlich  Verbotene  alg  erlaubt  angefef)en  Wiffen  Wollten,  ©ag  Urteil,  bon  ib^nen  mit 
berbiffenen  ^ngrimm   Eingenommen,   fcf)ürte   bie  (Srregung   um   fo  mef)r,    al§   bie   bro= 

60  jeffualen  Unterfuc^iungen  unb  (Sntf Reibungen  im  ©runbe  berfagt  blatten,    ©o  entfc^Io^ 


SraftnviamSntuS  37 

fid),  auf  eine  Anregung  beS  VifcfyofS  Söilberforce  bon  2ßinct)efter  (Vrief  an  ben  VrimaS 
bom  9.  50Järj  1871),  Satt  jur  (Sinbrmgung  einer  33iII,  bie  u.  b.  %.  Public  Worship 
Regulation  Act  (2Iuguft  1874)  Dom  DberfyauS  angenommen  Würbe,  ©ie  fyatte  bie  2tuf= 
gäbe,  baS  gerichtliche  Vorgehen  gegen  ungefepdjeS  Ritual  ju  erleichtern,  unb  War  bon 
ben  betben  ©rjbifcfyöfen  unb  bon  betben  Käufern  ber  Konbofation  befürwortet  unb  Dom  ö 
DberfyauS  angenommen  Worben.  (Strittige  fragen,  bon  WenigftenS  brei  ©emeinbegliebem 
,^ur  Enftage  gebraut,  füllten  Dom  Vifcfyof  abgeurteilt  Werben,  bie  Berufung  aber  an  ben 
(Sr^bifc^of  erfolgen,  ber  bie©ad)e  gegebenenfalls  bem  ©efyeimen State  ju  übergeben  blatte. 
2(ber  bieS  Verfahren,  baS  bie  ©ntfcfyeibungen  Wefentlid;  in  bie  geiftlicfye  §anb  legte,  beWirfte 
baS  ©egenteil  bon  feinen  2lbftd;ten  unb  braute  bie  SDinge  in  IwffnungSlofe  Verwirrung.  10 
£ie  Vifdjöfe,  bie  bie  klagen  gütlich  ausgleichen  fottten,  famen  in  bie  beinlicbjte  Sage: 
bie  unterliegenben  Parteien  nahmen  il)ren  ©prud)  unwillig  auf,  unb  unter  bem  ir>in=  unb 
.nerabbellieren  trieben  fie  ifyren  Unfug  ibeiter  —  fo  2!Jiadonod)=£onbon  unb  $ibsbale= 
g-olfeftone,  bie  trotj  it/rer  Verurteilung  weiter  amtierten.  Offene  Verfyöfynung  beS  ©efe^eS  unb 
^erauSforberung  ber  fircb.Iio^en  unb  ftaatlid)en  ©eWalten.  SDie  ©taatSfirdje  gltd)  einem  15 
ßriegSlager:  fjoc^mütige  StRifeacfytung  ber  SegiSlatibe  unb  beharrlicher  Söiberftanb  auf  ber 
einen,  2Inflagen  um  $leinIict;eS,  Verurteilungen  unb  Berufungen  bis  an  bie  legten  $n= 
ftan^en  auf  ber  anbern  ©eite;  bie  unteren  Volff  dndjten  in  ©rregung  gehalten  burdj 
SWaffenmeetmgS  unb  auf  bie  Volffeele  berechnete  ©cfylagWorte,  burd)  2lbreffen  an  ben 
$rimaS  unb  bie  Vifcfyöfe,  an  baS  Parlament  unb  bie  Konbofation,  an  9Jctnifier  unb  20 
Königin  unb  nicf)t  ju  minbeften  burd)  matitjersige  .galtung  ber  angerufenen  Qnftanjen, 
benen  bie  feft  jugreifenbe  §anb  fehlte :  fo  ober  fo  mußten  bie  Verurteilten  —  burd)  Ur= 
laub,  Verjirf;tleiftung,  Verfettung,  in  ben  feltenften  fällen  burd)  2lbfe^ung  —  bem 
2lrm beS ©efe|eS fieb,  ju  entjieb,en.  SDie  ftaatUdK^ombetenj  in  fird)Iid;en  fragen 
ift  in  ben  Ieibenfd)aftlid)en  Kämpfen  biefer  $al)re  immer  ber  auSfdjlaggebenbe  ©efid)tS=  25 
bunlt:  bem  ©taate  fielen  in  ber  Kircfye  leine  Sftedjte  $u.  2)a  Weber  SLraltarianer  nod) 
$ufet)iten  nod)  Stitualiften  ein  eigene?  VefenntniS  befafjen,  fo  War  fein  Vifd)of  im 
ftanbe,  fie  als  folcfye  Wegen  2efyrabweid)ungen  in  2lnfbrucb,  ju  nehmen;  Wie  an  anberen 
©teilen  übernahm  für  inbibibueKe  Slufjerungen  bie  Partei  leine  VerantWortltcr/feit.  ©cb.ulb 
unb  ©träfe  fiel  auf  ben  einzelnen  SRann ;  faum  Warnte  fie,  unb  niemal?  fyinberte  fie  bie  30 
2IuSfdjreitungen  ber  Treiber.  Unb  in  faft  feinem  galle  finb  biefe  ^omanifierungSberfudje 
bon  ben  güfyrem  beSabouiert  Worben;  man  gab  t)öd)ftenS  ^u  (tbie  Sibbon  in  feinem 
©treite  gegen  SJtonfignore  ßabel),  baf?  man  fie  atlerbingS  „nidjt  berteibigen  fönne" 

©0  belaßte  aueb,  ber  %ux  3)cäftgung  mafynenbe  SRuf  beö  eb/rWürbigen  Vufefy  an 
ben  jungen  9?adj)Wud>S,  bie  Stitualfrage  auf  Soften  ber  ©eelforge  unb  ber  roiffenfcb,aft=  35 
liefen  2lrbeit  nicfyt  ungebührlich  in  ben  Vorbergrunb  ^u  brängen,  faft  ungel)ört.  ®enn 
in  bem  rein  firdjlictjen  $rinji!p  rur/te  bie  Äraft  ber  Partei,  Weil  ber  ©atj:  bie  ^ird^e 
fann  nkfyt  bom  Parlament  regiert  Werben,  fie  rietet  fieb,  felbft,  ib/r  Stecht  War,  freilieb, 
nur  burcbjufetjen  bureb,  eine  Verfaffung^änberung,  in  beren  §intergrunbe  eben  ba?  ©efbenft 
be3  ©i§eftablifl)ment  lauerte.  3lu§  biefem  ©efidjtSbunfte  in  erfter  Sinie  muffen  bie  leiben=  40 
fcb,aftlicljen  ^ämbfe  biefer  ^afyre  betrachtet  Werben.  — 

®er  gall^Dale  bietet  in  biefer  Vejiel^ung  bie  tb,bifcl;en  3üge.  Von  ©emeinbe= 
gliebern  Wegen  einiger  Neuerungen  in  ber  Sonboner  ©t.  Vebaft=Äirc£)e  (grübjabj  1880) 
angeflagt,  Würbe  SD.  bom  orbnung§mäf$igen  ©ericb,t  feine§  2lmte§  enthoben  unb  ^Reb.  3(c= 
lanb  bom  Vifcliof  bon  Sonbon  als  fein  Vertreter  Berufen.  2113  biefer  am  21.  SJJärj  mit  45 
bem  bifct/bflicfyen  ©efretär  in  ber  überfüllten  Äircfye  erfc^ien,  trat  ®ale  ifym  entgegen  unb 
erflärte,  bafe  er  fiel)  Weber  ber  ©u^benfion  fügen,  nod;  ben  bom  Vifc^of  berufenen  ©tell= 
bertreter  klaffen  Werbe,  Worauf  lelanb  bie  J^irctje  berliefe  unb  ber  retf;t3fraftig  entfette 
2)ale  feine?  3lmteS  mit  allem  ritualiftifeljen  ©ebränge  Waltete.  QmDftober  afjnbete  £orb 
s$enjance,  ber  fieb,  jahrelang  bem  Dbium  biefer  Sßrojeffe  unterzog,  ©ale§  „Veradjtung  beS  50 
©ericb^tS^ofS"  im  erjbifcb,öflicb,en  Court  of  Arches  mit  beffen  Verurteilung  31t  ©efäng= 
ni§f)aft,  unb  jWei^age  fbäter  Würbe  ber  Verurteilte,  ofme  ba^  jemanb  an  bie  9Köglict)feit 
ber  Vollftrectung  beS  Haftbefehls  glaubte,  ins  §olloWa^=©efängniS  abgeführt. 

ßinige  2Bod)en  barauf  gefeEte  Ven^ance  bie  unbeugfamen  9tebb.  ©nragb,  t=Vor= 
beSlet)  unb  ©reen=9)cileS  ^latting  gleichfalls  Wegen  ©eb^orfamSberWeigerung  bem  greifen  55 
£ale  als  ©enoffen  ju.  3tun  blatte  bie  1)1.  5?irc|e  ifyre  SRärt^rer.  Gine  ungebänbigte 
Gntrüftung  über  bie  Vergewaltigung  flog  burd)  bie  ritualiftifdje  ©efolgfd;aft  unb  banb 
fie  mit  eiferner  Klammer  jum  ©ur<|l)alten  in  ber  9lot  äufammen.  ©ir  (SfyarleS  ^oob, 
ber  langjährige  Seiter  ber  Church  Union,  auS  bem  -Korben  fofort  nad)  Sonbon  geeilt, 
Welt  in  ©t.  ^ameS'S  £>all  tägliche  (SntrüftungSberfammlungen  ah,   in  benen  er  riet,   ben  60 


38  JJraftanuittSmuä 

gom  ber  ©ericbte  burct)  Beibehaltung  ber  berbotenen  ©eWänber  fyerauSsuforbem,  unb 
jum  offenen  SBiberftanb  gegen  bie  Staatsgewalt  aufregte,  ©etbft  ber  greife  Bufet)  geriet 
in  SBaßung;  mit  ber  2lbfi<|t,  eine  neue  Unterfu^ung  berSalefcfyen  ©ad?e  ju  ergingen, 
richtete  er  an  bie  £imeS  einen  Brief,  in  bem  er  ben  Ungefyorfam  gegen  baS  ©efe| 
s  gerabeju  empfahl.  ®ie  SRttualiften  Warfen  aße  Gräfte  in  bie  Sinie,  organifierten  im 
Dftenb,  Wo  fie  mit  breitem  guße  ftanben,  bie  ju  Unfug  unb  ©eWatttfyat  immer  bereiten 
Waffen  unb  brauten  eS  bafyin,  baß  ber  Bifa>f  bon  ^ocb^efter  für  ein  paar  toarnenbe 
2öorte  gegen  rttualiftifcfye  Beßeitäten  beim  Bertaffen  ber  Jftrcfje  ber  ©eWalt  beS  Bor= 
ftabtmobs  berfiel.     ^njmifa^en  Ratten  ®ateS  greunbe  bie  ©acfye  bon  ©erid)t  ju  ©erid)t 

10  big  jum  Sorb  Oberster  gefd)Ie$)t  unb  auf  ©runb  eines  gefältigen  gormfef)lerS  erreicht, 
baß  SDate  unb  ©nragfyt  (15.  Qan.  1881)  in  greifet  gefegt  mürben;  in  ber  ©acfye,  2tb= 
tefynung  ber  ftaatltd;en  ^ompetens  in  3titualfragen,  waren  fie  inbeS  unterlegen. 

2lber  bie  9fteberlage  bebeutete  ben  Stnfang  berSöenbung.  2öä^renb  bie  @ban= 
getifd;en  baran  erinnerten,  baß  bie  bifc^öfli^e  &irdb,e  eine  ©taatSfircfye  fei,  beren  Settung 

15  unb  $ult  burd;  BarlamentSafte  reguliert  Werbe,  unb  baß  bem,  ber  bon  ©eWtffenSWegen 
ntd^t  gefyord;en  fönne,  ber  2luStritt  aus  if)r  freiftetje,  liefen  bie  gemäßigten  £iberaten 
(Broad  Church)  burd;  ßanon  garrar  gegen  bie  ^ompetenj  ber  ©ericfyte  in  fird;lid;ett 
©ad;en  ©infprud;  ergeben ;  bie  3ftituatiften  aber  riefen  an  iljrem  %6k  „bie  ©eWalttfyaten 
eine§  SlaipIjmS,  £amtaS  unb  6t)riß  unb   bie  flammen  ber  ^ttfluifition  unb  eines  eng= 

20  brüftigen  (SalbiniSmuS  ins  fcfyaubernbe  ©ebäcfytniS  gurüct"  unb  bornierten  auf  ben  bieten 
^an^eln,  über  bie  fie  nun  berfügten,  gegen  bie  cäfareo^apifiifcfyen  (Snttoei^ungen  ber 
b,  I.  $ird)e ;  unter  ben  fnttföpfigen  Treibern  Würben  fogar  ©timmen  taut,  bie  bie  Bilbung 
einer  gteittrcfye  forberten.  — 

©er  ©etotnn  aber  aus  ben  gefcfyilberten  Borgängen  War  bie   auf   aßen  ©eiten  ge= 

25  Wonnene  Überzeugung,  baß  ber  ©ang  ju  ben  ©ericr/ten  ein  fiumpfeS  ©cfyWert  fei,  baS 
ben  knoten  ni^t  töfte,  fonbern  baS  ©egenteil,  StectjtSunficfyerfycit  unb  Berbitterung  fdjmf. 
2luf  aßen  ©eiten  nahmen  füljrenbe  Männer  baS  Söort  unb  forberten  SDutbung.  Biete 
bem  SfttualiSmuS  abfyotbe  Prälaten  traten  für  bie  Reform  ber  ©erid)tSb,öfe  ein,  mit  bem 
unWißigen  £>mWeiS  barauf,  baß,  Wie  bie  SDinge  tagen,  $uben,  $att)olifen  unb  Streiften 

30  bie  ©ntfdjeibung  über  bie  Angelegenheiten  ber  $ird)e  Ratten. 

(Snblid;  trat  aud;  @rjbifd}of  S£ait  aus  feiner  jutoartenben  ©teßung  fyerauS  unb  bezeichnete 
als  bie  erfte  Slufgabe  ber  bemnädjft  einjuberufenben  ^onbolation  eine  grünbtid)e  llnterfucfyung 
ber  ritualiftifcfyen  ©treitfrage.  ©einer  Stufforberung,  baß  bie  Söünfctje  bon  ben  Beteiligten 
fetbft   formuliert    Würben,    entfyradjen    gWei    gegnertfcfye  Stbreffen,   an  benen    fid)   feb,r 

35  jat)treid)e  firdjlid;  gerichtete  Saien  beteiligten :  bie  9tiiuatiften  forberten  föerfteßung  ber 
alten,  bejto.  Reform  ber  beftefyenben  ©erict^fybfe  unb  ©utbung  itjrer  ^rartifen,  Wäfyrenb 
bie  Stffociation,  bie  als  bie  Bertreterin  eines  aufregten,  raffigen  5ßroteftantiSmuS  baS 
ßifen  bis  jule^t  im  geuer  gehalten  b,atte,  in  ber  anbern  für  5SRaßnab,men  gegen  bie 
ritualiftifcfye  Berromung  ber  ^ircb,e  eintrat,    ©ie  mußte  fid)  freitid)  belehren  laffen,   baß 

40  fie  bie  3^d)«n  btv  ^\t  nid}t  mel>r  berftanb,  unb  fab,  ib,re  Hoffnungen  ber  3"^^  an 
ber  müben  ©egenWart  jerbrec^en :  Wäb,renb  SDean  S^urcb,  bem  BrimaS  bie  Unterfcb,riften 
bon  über  3000  ©eiftlid)_en  borlegen  fonnte,  Wies  bie  antiritualiftifdje  B/tition  nur  900 
geiftlictje  tarnen  auf,  ein  Beweis,  baß  bie  Suft  am  ©treit  unb  baS  Bertrauen  auf  bie 
ftaattio^e  ^ubtfatur  bab,in  War.  — 

45  SBaS  an  ftanl  in  ben  folgenben  ^afyren  noc^  ausgetragen  Würbe,  War  im  Wefent= 
ticken  nur  ©eplän!et  um  bie  ®edung  ber  SlußenWerfe.  ^Racfybem  fie  burd)  lange  ^ab,re 
am  Boben  gelegen,  traten  bie  teuerer,  bom  Kampfe  aufatmenb  unb  nocb,  erregt,  ^ur 
©eite  unb  Witten  ficb,  ben  ©cb,Weiß  bon  ber  ©tirn;  aud)  ib,re  ©egner  fanben,  baß 
am  (Erreichbaren  fid;  genügen   ju   laffen  befferer  ©eWinn  fei  als  ber  in  ber  £>i|e  beS 

so  ©treitS  aus  tobenben  SRaffenberfammlungen  b,erauSgepeitfcb,te  2tugenblidSerfoIg.  —  SSJtan 
foß  aud;  nid)t  meinen,  baß  biefe  §änbet  um  ben  „ge£en  Xufy"  baS  ganje  ilird;en= 
bot!  bewegen.  Bis  in  bie  90er  %ai)n  Waren  eS  im  Wefenttid;en  ^arteifämpfe,  an  benen 
fid;  Weber  bie  gemäßigten  §od)!ird)lid;en,  noc|  bie  freier  gerichteten  Broad  Churchmen 
beteiligten.     @S  muß  bei  ber  Betrachtung  biefer©inge  immer  im  2tuge  behalten  Werben, 

55  baß  bie  auf  ib,re  Sßeitb^erjigJeit  (comprehensiveness)  ftotje  ©taatSürd;e  biete  3!Jlit= 
gtieber  jäb,tt,  bie  in  ber  £et)re  bom  §eit  auf  cjtrem  met^obiftifc^en,  in  ber  2tbenbmat)lS= 
lettre  auf  ejtrem  calbiniftifct>em  ©tanbpunft  fteb,en;  aßeS  Seute,  bie  am  fdjnßernben  ©e= 
Wanbe  ber  üird;enmeinungen  il^re  greube  b^aben.  Qn  ben  70er  %at)tm  t)aht  id;  feb^r  oft 
ben  großen  fird)Iict)en  Berfammtungen,  bie  im  sIRai  in  Sonbon  abgehalten  Werben,   bei» 

60  geWotmt,  ob^ne  bon  irgenb  einer  eingef>enben  Bejugnattme  auf  bie  rituatiftifd)e  grage  etWaS 


SmftnrinmSutnö  !}!) 

ju  bcrncf;mcn.  Tdd)t  nur  ber  weitaus  größte  X'ctl  beS  ftaat^Itrd;ttd;cn  Klerus  fyält  fid;  fern,  — 
nad;  bem  Tourist's  Guide  mürben  1901  bon  14242  ®ird;en  in  ©nglanb  unb SßaleS  nur 
in  10°/0  (1526)  brteftcrlidjic  ©eroänber,  in  393  2BeiI;raucf;  gebraust,  unb  ber  „Report 
of  the  Royal  Commission"  bon  1906  [teilt  äufammenfaffnb  feft,  bajj  „in  ber  großen 
llicfyrjaf;!  ber  ^garod^ten  bie  fird;Iid;c  Arbeit  bon  Sftännern  ausgerichtet  Wirb,  bie  boflftänbig  auf  5 
ben  ©runbfätjen  ber  Deformation,  rote  fie  im  2l.©.B.  borlicgen,  ftefyen"  2tudt)  ber  gefamte 
energifd;=broteftantifcf;e©iffent  ftefjt  abfeits  unb  fiefyt  lädjelnb  bem  rttualiftifd;en  §umbug  ober 
mit  juroartenben  Hoffnungen  bem  fdt;Ictd)enben  ©elbfiauflöfungSbrojefs  ber  ©raatsfird;c  ju.  — 

Sie    groeifel,   ob  biefe   ritualen    fragen    bor    bem   weltlichen  Dieter    ju    einem 
gefunben  2luStrag  gebracht  Werben  fönnten,   ja,   ob  fie  übertäubt  bor  baS  ÄönigSgeridjt  10 
gehörten,  fjatten  nie  aufgehört;    je^t   macfiten   fie  fid)  in  ben   befonnenen  Greifen   mit 
3iacf)brud  geltenb.  ^m  2lnfang  ber  1880er  Qafjre  roanbte  fid)  eine  Deil)e  angefer/ener  unb 
toeitblicfenber  3Jtänner  an  bie  Öffentlichkeit  mit  ^roteften  gegen  bie  biSb,  erige  buref;  SRifjerfofge 
gerichtete,  rigorofe  ^ßrarjs  in  ber  Bef;anblung  ber  ^ultfragen.    Parlament  unb  ©ertcf;ts= 
f;of  Ratten  berfagt.     ^^r  I)abt,   r)atte  (5.  2£.  ©fabftone  ben  Äirdjenleuten   zugerufen,  ju  15 
toäblen  jrotfdjen  bem  Smfengericfyt  ber  ©taatSgelber  unb  bem  ©rftgeburtSrecfjt  ber  Braut 
(5r/rifti,   unb   aus  ben    bon   ber  SKffoctatton    rege    gehaltenen  rbmifcfyen  Befürchtungen 
rang  fid;  jeitf  bomefmiltd;  bie  §rage  f;erauS,   reo   ein   rein  barlamentarifd;er  ©erid;tSI;of 
wie  baS  Privy  Council  baS  Ded;t  I)erl;abe,  in  ©acfyen  beS  ©laubenS  unb  beS  ^ultuf  bie 
©croiffen  ju  binben.    $ünf  ©eiftlidje  Waren   ins  ©efängnis  gefetst  roorben  Wegen  Über=  20 
tretung   beS  ©efe^cö  unb  Illoyalität  (adding  lawlessness   to    disloyalty):   War   ber 
llngef/orfam  gegen  eine  nid;t  berfaffungsmäfjige  ©ntfdjeibung  Übertretung?  War  biefe  $1= 
lor/alität?  roar  bie  frmftttuttonetfe  $retl)eit  ber  $ircf;e  eine  minber  b,  eilige  ©acfye  alä  bie 
fonftitutioneHe  greifet  beS  Staatsbürgers?    2öte  barf  ber  ©taat  ©eiftltcfje  feftfe^en  ba= 
für,  baf?  fie  feiner  ^ßrarjS,  in  ©laubenSfacfyen  unfircf/lidje  Dornten  aufzwingen,  bie  2ln=  25 
erlennung  Weigern?    ©0  fingen  bie  Bifdjöfe  jeijt   einer  nad;   bem    anbern,  unter   bem 
Setfall  ber  öffentlichen  Meinung,  an,  ben  ©ang  jum  ©erid;t  ab^ulefynen.  2>m  Februar  l88* 
legte  ber  ^prtmaS  bie  Streitfrage  (ber  ftaatlicb,en  ^ombetenj)  ber  ^onbofation  bon  Ganterburb, 
in  Dber=  unb  Unterhaus  bor,  unb  nad;  cingefyenben  Beratungen  beantragten  betbe  §äufcr 
bei  bem  ^rtmaS,    bafs   er  bie  Regierung  um  bie  Bilbung  eines  SluSfdmffeS  erfudje,  ber  30 
„(Einrichtungen  unb  £ombetenjen  ber  ftaatlid;en  ©erid;tSf;öfe   einer  Ünterfucr)ung  unter= 
jier/en  unb  gegebenenfalls   eine  Deform   r/erbetfüf;ren"   folle,   Worauf  im  2Iuguft   ßarl 
Beaudjamb   in  ber  Ecclesiastical  Court  Regulation  Bill   biefe  Söünfcfje   ber  $onbo= 
!ation  bor  baS  Parlament  brachte  mit  bem  Slntrag,  baf$  eine  Igl.  ^ommiffion  eingefe^t 
unb  jeber  roegen  3Serad;tung   ber  ©erief/te  berurteilte  ©eiftlid;e  nid;t  länger  als   fed)S  35 
9Jfonate  in  §aft  gehalten  roerbe.    SllS  inbeS  ein  Slmenbement  ftatt  biefer   milberen  Be= 
ftimmung  für   mieberl;olte  Sßerad;tung    beS   ©efe^eS   2lmtSentfetang    forberte,    fiel   bei 
ber  ©cfylufsabftimmung  bie  Bill;   nur  ber  3luSfd;u|  rourbe   auS  bem  Untergang  gerettet, 
mit  bem  Auftrag,  bie  Deform  in  bie  Söege  ju  leiten,  roäb,renb  ben  Bifdjöfen  baS  bislang 
je  unb  bann  in  Slntoenbung  gebraute  Beto  gegen  bie  ^rojeffuale  Verfolgung  ber  geiftlid;en  io 
Selifte  nunmehr  enbgiltig  eingeräumt  rourbe. 

©0  roar  bie  barlamentarifd;e  Slltion  bod;  in  baS  l;od;?trd;lid;e  ©elcife  ber  Dsforbcr 
eingemünbet:  alle  breiähtträge  lagen  auf  ber  Sinie  ib^rer  gorberungen,  unb  bie  $olgc^eit 
lehrte,  ba^  3Bunfd;  unb  Söifle  fie  immer  roieber  über  tfyr  SlugenblidS^iel  hinaustrugen. 
3)ie  §aubtfd;lad;t  mar  gefd;lagen.  ®er  ^rojefe  beS  Bifd>ofS  Äingbonfiincoln,  in  15 
bem  ber  $rimaS  Benfon  (21.  Dob.  1890),  baS  Privy  Council  (1892)  ben  gcmifd;tcn 
Md),  bie  Slbfohttion,  bie  öftlid;e  Stellung  beS  ßelebranten,  baS  Agnus  Dei  am 
<3d)luf5  unb  ben  ©ebraud;  brennenber  Steter  als  in  ber  englifd;en  J?ird;e  erlaubt,  ba= 
gegen  baS  Bredien  beS  Brots  angefid;ts  ber  ©emetnbe  rote  baS  Hreujfd;lagen  bei  2lbfo= 
lution  unb  ©egen  als  unftattl;a'ft  aburteilte,  bebeutetc  int  roefentlid;en  Ded;tfertigung  50 
alten  ritualiftifd;en  ©treitgutS,  bie  burd;  baS  Lambeth  Judgment  Quli  1899  bis 
9Jcat  1900),  in  Berbinbung  mit  ber  @ntf Reibung  beS  Privy  Council  freilief)  in  einigen 
nidit  roefentlid;en  fünften,  ju  ungunften  ber  Ditualiften  mobifijicrt  roorben  ift.  — 

©eitbem  finb  ^5rojeffe  um  bie  JMtfrage  nid;t  mcf;r  geführt  roorben.  Rufest  f)at 
bie  fcfjarfe  5)Memif  beS  @r^bifd;ofS  ^emble  (^an.  1899)  gegen  bie  bon  ben  Ditualiftett  55 
bertretene  rpferibee  biefen  bon  neuem  ben  5Rut  geftärft  unb  fie  -m  biclbeflagten  Düdftd;tS= 
lofigfeiten  beranlafst:  in  ber  ^arroocfje  1899  überboten  fie  fid;  förmltd;  in  ber  .\>erübp 
naf;me  unberfälfcf)ter  römifd;er  formen  (5Re^feier,  Df;rcnbeid;tc,  ^projeffion  unb  s.li>etb= 
raud).  3lber  if»r  §af?  gegen  ben  ^ßabft  (Primat,  Unfef)lbarfctt),  ber,  nacf;bem  i'eo  XIII. 
am  13.  ©ebtember  1896  auf  ©runb  feiner  leb,ramtlid)cn  Unfel;Ibarfcit  bie  angltfanifd;en  w 


40  £ra!taiiaui§niuö 

2Betfyen  als  tnfyaltlofe,  nichtige  2lfte  befiniert  unb  bamit  ben  £ocb,ftrcf)Iicf;en  an  bte  ©eele 
gegriffen  blatte,  auS  ben  enttäufdjiten  Hoffnungen  fräftiger  als  je  aufgeftiegen  ift  unb  in 
ohnmächtigen  ©djmtäljmngen  über  dtom  ficb,  ergießt,  fyat  weitere  torobaganbiftifcfye  @r= 
folge  beS  UltramontaniSmuS  fo  gut  mie  bernicf)tet.  Samit  aber  ift  bie  ©efafyr  befeitigt, 
5  bie  bor  50  ^afyren  baS  broteftantifdje  §erj  ©nglanbS  fyeifser  fcf) lagen  liefe  unb  bie  Sßrücfen 
aller  fircfrticb,  en  Stiftungen,  ber  b,  ocf)=,  breii=  unb  nieberfirdjlicfyen  ju  ben  Drjorbem  abbract). 
^e^t  b,aben  bie  ©öfute  bie  fircf;Iicf>e  güfnamg,  bie  bie  SSäter  beS  High  Church  Revival 
für  fiel;  in  2lnfbrud?  nahmen,  auS  ber  §anb  geben  muffen,  unb  infofern  finb  fie  gegen 
bie  23ifcf)öfe  im  ßambf  um  £raft.  90   unb   gegen   ben  SßrimaS  (%axt)  im  2lbenbmab,I= 

10  ftreit  unterlegen.  21IS  gefcf)  loffene  ©  emetnfcfyaft  erjftteren  fie  ntdjt  meb,r;  feit  1900 
finb  fie  im  luef entließen  in  ber  §  od) fircl) lieben  Partei  aufgegangen;  unb 
aueb,  bie  Church  Union,  in  ber  fie  früher  ifyre  organifierte  $raft  fammelten,  ift  toie  ib)re 
©egnerin,  bie  Church  Association  im  TOebergang.  3el^  toäfyrenb  ber  SCngletctjungSbrojefe 
noef  im  ©ange  ift,  Rängen  ©icf)er£)eit  unb  triebe  bon  bem  9Jlafee  beS  33emüb,enS  um 

15  gegenteiliges  SSerftänbniS  ab   bei  Scannern,  bie  fid)  50  ^ab^re  lang  mifeberftanben  fjaben. 

®en  neueften,  jugleicf;  bebeutfamften  33erfucr),  btefe  Ungleichung  ^u  raege  ju  bringen, 

bejeicb.net  ber  Skript,  ben  bie  ebengenannte  %I.  ^ommiffion  unter  93orfit$  beS  Sorb  2Ilbtor/n 

(Report  of  the  Royal  Commission  on  Ecclesiastical  Discipline,  1906)  erftattet  fyat, 

mit  bem  2fbfeljm,  einerfeitS  eine  Klärung  ber  Meinungen  über  baS  lircfylicl)  ©rlaubte  an= 

20  jubafmen,  anberfeitS  einen  gangbaren  2Beg  $u  gemeinfamer  lircf)Iicf;er  Slrbeit  gu  roeifen. 
In  praxi,  mirb  gefagt,  ift  ber  Vorwurf  römifcfyen  IgmbortS  für  eine  grofee  Strtjar)!  firct)= 
lieber  ©ebräua;e  nieb,  t  aufregt  $u  erhalten ;  bieleS,  maS  bor  50  Sauren  als  römifcf;e  2Seife 
berbammt  mürbe,  ift  ot)ne  ungünftige  folgen  §u  allgemeiner  Slnna^me  gelangt,  unb  eS 
befielt  bie  §offnung,  bafe  bieleS,  toaS  jur  $eit  nod)  unter  bem  ©tigma  ftel)t,  in  einigen 

25  Qa^ren  ob,ne  2lnftofe  in  ber  $irct/e  geübt  wirb.  SDer  gegenwärtige  ©tanb  ber  ®iref;e 
Weift  jtoar  eine  SCnja^I  fultifcfier  formen  auf,  bie  über  bie  ©renjlinie  IjnnauS  auf  ber 
römifdjen  ©eite  liegen;  bod)  fyerrfdjen  fie  im  ftrengen  ©inne  beS  SSortS  nicf)t  cor  (not 
accurately  to  be  described  as  prevalent),  anbere  in  größerer  Qaty  (more  widely 
prevalent)  fcfyliefeen  implicite  römifcfje  fiebere  mit   ein,   Wäfyrenb  anbere,   infolge  »on 

30  Unterlaffung  unb  Untergattung,  einen  bon  bem  2L©.$8.  abWeict)enben  %t)buS  ber  grömmig= 
feit  barftellen:  ein  beflagenSWerter  guftanb,  rueil  er  ben  Mangel  fircf;Iicf;er  ©infyeit  offen= 
bart,  aber  ein  3uftanb,  ber  ju  VeforgniS  unb  überfyafteten  9Jiaferegeln  leinen  2Mafe 
giebt.  —  Sßor  bem  ©efe|  unb  ben  ©erict/ten  ift  ber  9lituaIiSmuS  unterlegen ;  beibe  finb 
gegen  ifm.    $ut  Überminbung  ber  ©cb.mierigleiten  finb  jtoei  2öege  möglief):  Sefeitigung 

35  beS  9fttuaIiSmuS  burcl;  baS  ©efe^  ober  SRobifilation  beS  ©efe|eS  bureb,  ben  3f{itualiS= 
muS.  @mbfof)Ien  mirb  ber  jroeite  3Beg,  alfobieJlorreltur  beS  ©efetjeS  an  ben  Überjeugungen 
ober  bem  ©tarrfinn  einer  unterlegenen  Minorität,  maS  in  ber  ©aette  ben  Teufel  buref; 
Seeljebub  austreiben  b,ei^t:  victrix  causa  deis  placuit,  sed  victä  Catoni.  3?or= 
gefcbjEagen   mirb   bie  2lufnal;me   einer  neuen  9iubri!  ober  ein  neuer  geiftlict)er  ©ericb,ts= 

40  |of  unter  @r^bifcf)of  unb  beiben  Käufern  ber  ®onbofation,  mit  ber  ^ombetenj  „in  allen 
fragen  ber  Sefjre  unb  ^rarjs  ber  k'ixfyc  bon  ©nglanb"  ®er  triebe  ift  nur  möglief) 
buref)  bie  ©elbftüberminbung  ber  beiben  Parteien:  in  feinem  ^ntereffe  „l)aben  beibe 
ib^re  Vorurteile  unb  SieblingSibeen  aufzugeben"  —  ^n  biefer  SRafmung,  in  bie  ber 
Sericf)t  auSflingt,  liegt   feine  Sebeutung  unb  fein  ©egenmartSrcert.    3Son  9tom  b,at  bie 

45  Äircfte  bon  ©nglanb  nichts  ju  fürchten ;   aber  in  ber  ÜBerfcfmrfung   ber  ©egenfä^e  liegt 

bie  @efaf)r    eines  fommenben  SrucljS,    ber  @ntftaatlicf;ung    ber  ^ircb,e,   an  beren  3Ser= 

i»irflicf;ung  in  ben  au|erfircf/licf)en  Greifen  (®iffent)  nicf;t  beräcf)tlicb,e  3CRäd)te  arbeiten.  — 

3)er  ftarfe,  gefcf)Ioffene  ©influ^,  ber  ib,nen  im   lauten  Hambfe  ber  5Dceinungen   eine 

Seit  lang  ^gefallen  mar,  ift  ben  §änben  ber  3titualiften  entglitten,  ©o  tiefe  SSirfungen 

50  fie  auf  bie$ircf,e  ausgeübt  b^aben(bgl.  ©.  41  f.  u.  51  f.),  \i)x%üq  ift,  feitbem  fie  bureb,  if;re 
§inmenbung  jum  §ocf)fircf;entum  itjrer  früheren  (Einheit  unb  ^raft  berluftig  gegangen 
finb,  bafyin.  ©rabe  ber  ©tanb  ber  ©inge,  toie  er  fiel)  auS  ben  @rb,ebungen  ber  Royal 
Commission  ergiebt,  §mingt  ilmen  bie  (Srmägung  auf,  ba^,  toenn  Autorität  unb  %üfy 
rung  einmal  berloren  finb,  eS  ber  jelbftberleugnenben  ©ebulb,  ber  2öeite  beS  SlicfS,  gülle 

55  beS  Innenlebens,  bfyct/ologifcfy  fcb,öbferifcl)er  ©eftaltungSfraft  unb  ber  ®unft  beS  2fbmartenS 
bebarf,  um  roieber  in  bie  erfte  Steige  ju  fommen.  —  2öaS  bie  ^ufunft  aber  an  ©cf;mierig= 
feiten  unb  tämbfen  noef;  bringen  mag,  baS  eine  fjaben  bie  D^forber  erreicht,  bafe  fie  ah 
gefeb^en  bona  fircf;licf;=braftifcr;en  auf  bogmatijcf;em  ©ebiet  ben  Seb,ren  ber  Siealbräfenj  unb 
beS  ©ucfwriftieobferS  einen  legitimen  ^la|   in  ben  Geologie,  ber  grömmigfeit  unb  bem 

eo  JMtuS  ber  $ircf;e  bon  ©nglanb  erfämbft  b,aben.   — 


SraftartnmStnng  41 

IV  $ic  fircttlicfyc  21  rbctt  ber  Drjorber.  ©o  lange  bic  Dri/orbcr  ben  ©runb= 
fa|,  ber  i^nen  9iecf;t  unb  Äraft  gegeben,  bie  Vefämbfung  be<§  Siberati3mu3 ,  ber 
mit  unb/eiliger  £anb  in  ba3  Stecht  ber  $trcr)e,  iE>re  Angelegenheiten  felbft  ,^u 
orbnen,  eingriff,  in  feiner  urfbrünglidjen  sJ?einfyeit  bertraten,  Waren  fie  im  Saufe 
ber  $eit  eine  iSlafyt  in  ber  5RationaI!ird;e  geworben,  gn  ben  1830er  $ar)ren  fodjt  5 
ber  firepef/e  ©eift  einen  gefunben  $ambf  au3  unb  feierte  feine  fcfjönften  Siege, 
©ann  Würbe  bte  fbujfinbige  SMaleftif  9ieWman3  für  gefunbe  2SeitereniWicfelung  jum  SSer= 
fyängni3;  bie  Vufetnten,  bie  ^War  ber  römifcfyenSochmg  Wiberftanben,  ftegien  ftcb,  ju  Xobe 
im  ohnmächtigen  Kampfe  gegen  eine  Staatsgewalt,  auf  beren  SJlitarbeit  unb  llnterftütjung 
fie  eine  300jäf)rige  glorreiche  ©efctncfyte  Wieg,  bte  Stitualiften  enblid)  berfcl)Wenbeten  if)re  w 
Mraft  an  ben  bunten  glitter.  ©o  tief  bte  Bewegung  bte  englifdje  $ircb,e  erregt  r)at,  bte 
tfyeologifcfye  J^ffenfcfyaft  berbanft  i£>r  fo  gut  Wie  nicfyt»;  in  tfyren  gefd^idjtltdEjert,  bog= 
matifdjien  unb  ejegetifc^en  ^tggi^Imen  ift  fie  peinlich  unfruchtbar  geblieben.  ^fyrer  bib; 
lifcfjen  Geologie  febjt  Siefe  unb  $reil)eit  ber  ©ebanfen,  ber  ©jegefe  Vertrautheit  mit 
ben  tritifdjen  unb  jetrgefcr/icfytlicfyen  Problemen;  ber  grofee  5Retoman  b/at  j$um  tieferen  35 er  =  15 
ftänbnte  ber  1)1.  ©cfyrift  in  feinen  37  Vänben  laum  einen  Beitrag  geliefert;  ben  batri= 
ftifcfyen  ©tubien  aber  I)at  fie,  noeb,  ofyne  Vertrautheit  mit  ber  neu  auflommenben  gefc^)tc^tg= 
toiffenfcfyaftlictjen  ^ed^nil,  bie  Söege  geebnet;  bte  SInfätje  baju  ftnb  Vufetyg  Library  of 
the  Fathers  unb  bie  etWa§  fbätere  Library  of  Angloeatholik  Theology,  bie  bie 
Schriften  bon  56  großen  Slnglüanern  (ber  Saubfcfyen)  ©cEmle  enthält;  aber  al3  Wiffen=  20 
idjaftlict/e  Seiftungen  fönnen  beibe  nicfyt  angefefyen  werben,  weil  fie  SEenbenäfdmften  ftnb. 

Unanfechtbare  ©rfolge  aber  fielen  bem  3IngloIatlboIicigmu§  auf  bem  ©ebiete  ber 
brafttfcfyen  SLI)eoIogie  jur  ©eite.  9Sas>  100  Qaljire  bor  ifjmt  bie  erfte  Djforber  Ve= 
toegung  unter  2öe§Ieb.  unb  Söfyitefielb  in  bie  §anb  nafym,  bie  erftarrte  $irc|e  ju  einer 
£eben3mad)t  ber  Nation  ju  machen,  ift  ber  ^Weiten  im  Wefentlicfyen  gelungen.  S)en  25 
9JJetfyobt3mu§  fttefj  bie  ^trcfye  au§,  bie  2lnglilaner  l)at  fie  nicfyt  Io§  Werben  lönnen.  ®af$ 
im  ©ftablif^ment  eine  tiefe  Siebe  jur  fatfwlifcb/en  ^ircfye  ber  Väter  erwacht  ift,  eine  Siebe, 
bie  reid)  an  9Ber!en  ber  Siebe  ift,  ber  Jynnern  unb  2tuf$ern  9ftiffton,  auf  fokalem  unb 
Jircfylicf/em  ©ebiet,  in  ber  §eimat  rote  in  ber  grembe,  fyat  fie  jum  großen  Steile  ben  £)xy 
forbern  ju  banlen.  30 

$n  erfter  Sinte  ift  bie  SBiebererWecfung  be§  fircfylicfyen  ©etfteg  im  ©ftablifb/ment 
ifyr  Verbtenfiunb  9?ul)m.  ©ie  baben  burefy  eine  50jäl^rtge  Slrbeit  bor  allem  in  ber  ©  e  e  I  f  0  r  g  e 
eine  neue  (Sbocfye  uraufgeführt,  ©erabe  unter  ben  ber  Ätrcfye  entfrembeten  f)öf>eren 
©tänben  ift  tlt)re  Arbeit  am  Wirffamften  geworben;  in  biefen  Greifen  fjaben  fie  bie  meiften 
unb  begeiftertften  2Xnl)änger,  unb  ber  nidjt  immer  gefunbe  ^ult,  ben  bte  ©amen  ber  35 
englifdt)en  2trifto!ratie  mit  ben  ritualen  SSetc^tüätem  unb  ^irc^en  treiben,  ift  nicb.t  lebiglicb, 
al§  5CRobefac^e  anjufe^en.  Söeil  jene  ©rnft  matten  mit  ber  ©leidjberecfytigung  bon  ,§ocb] 
unb  fiebrig  unb  ber  Slrmen,  23erlaffenen  unb  Uranien  in  felbftlofen  Siebe^roerlen  fief» 
annahmen,  l>aben  aueb,  bie  toon  ber  ^trcfye  ftief mütterlich  beb, anbelten  unteren  9Mf; 
fdtjtd^ten  bie  Butter  toieber  lieben  gelernt,  ©ie  r)aben  l^ran!en=,  2öaifen=,  3fJiiffiong=  unb  40 
ßrjiefmngsbäufer  im  großen  ©tile  gebaut;  bureb,  bie  Slufroenbungen  ber  Stircl)engemeinben 
finb  neun  neue  23i<otümer  (^JJancb, efter,  Süüon,  ^erocaftle,  Siberbool,  ©out^roeü,  ©t.  3llban§, 
2ruro,  9Ba!efieIb  unb  33riftol)  gegrünbet  unb  au§geftattet  werben;  bie  galjl  ber  au§= 
bärtigen  Si^tümer  unter  bem  Primat  bon  ßanterburt),  im  3-  1877  im  ganzen  23,  ift 
(—1900)  auf  170  geftiegen.  ^n  25  %cd)xva  errichteten  fie  in  einem  ber  öerroorfenften  Viertel  45 
be§  Dfteng  (St.  George's  in  the  East)  eine  neue  ^ircb,e,  SEage§=  unb  ©onntagfcb^ulen, 
Sibliotfjelen,  ©bar=  unb  Vorfcb.u^faffen  unb  ftellten  ©ilben=  unb  ©d^Wefterbereine  an  bie 
Arbeit,  !urj  aHe§,  toa$  jur  ©efunbung  unb  @rl)oIung  nacb,  menfc£)li4em  (Srmeffen  getb^an 
werben  lonnte.  2In  ^{aefonoc^teg  Itircb^e  ©t.  ^Otargaret'g  glieberten  ftc§  in  jebn  §af)ren 
eine  Steige  Wol)lt^ätiger  Sßerfe,  baju  Vruber=  unb  ©c^Wefterfcb,aften ,  unb  überall  im  50 
Sanbe,  aueb,  über  bie  eigene  Varodne  f)inau§,  Waren  fie  an  ber  ©rünbung  bon  iKnftalten 
für  ÜBaifen,  ©enefenbe,  ©efallene,  §albftnnige  u.  ä.  tl;ätig.  ©ie  fbtelcn  eine  ftt)led;tc 
9tolle,  biefe  Mtualiften,  Wenn  man  fie  bor  ©ericfyt  um  6afula  unb  Sßkifyraucfyfafs,  33eicf)t= 
ftuf)l  unb  Ärujifij  ftreiten  fief)t;  aber  man  feb^e  fie  in  ibjer  ©emetnbe,  unb  ba3  Urteil 
Wirb  ein  anbere§.  65 

3lllc  biefe  lebenfdjaffenben  inneren  unb  äußeren  3Ber!e  fiitb  ba§  (Ergebnis  einer 
Crganifation,  bie,  berjenigen  ber  rbmifet/en  ^trdt)e  in  Verfeinerung  nacfygebilbet,  felbft 
in  bem  bon  braftifeb/en  ©efic^töbunlten  bef>errfcf;ten  ©emeinfcfiaftsleben  (Snglanbö  faum 
tf>re§gleid)en  fjat. 

Sie  (SentralgeWalt  biefer  ©rofebritannien  unb  bic  Kolonien  umfaffenben  Drganifation  60 


42  £raltartani§mu8 

ruf)t  bei  bcr  nur  au§  ^ricftern  gcbtlbeien  Society  of  the  Holy  Cross,  beven  @rjftenj 
(feit  1853),  bis  babln  öor  ber  Öffentlichkeit  geheim  gehalten,  1873  bttrcfy  eine  9cotij  im 
Eock  begannt  tourbe.  ©ie  fyat  in  ifyrer  §anb  bie  Oberleitung  ber  mannigfaltigen  arbeiten 
ber  inneren  unb  tufjeren  9Jliffton,  ber  IMtfragen,  £raftat=  unb  ^nbact;t€büd)erberteilung, 
5  bes"  2kicf;ttoefem§,  ber  öffentlichen  Serfammlungen,  enblid)  ber  ©üben  unb  Vereine,  ©tferer 
toie  3flac!onocr;ie,  ßarter,  9ftb3bale,  STooü)  unb  Sotober  fyaben  ir/r  offenftbe  Senben^en  ju 
geben  berfucfyt;  inbe§  toirb  bie  StrBett  im  geheimen  gehalten  unb  ift,  toeil  fie  bcn  S£ag 
fcr)eut,  bielen  (römifcfyen)  Sßerbäcfyiigungen  au3gefe$t  getoefen;  bie  Cowley  35äter,  (Soc. 
of  St.  John  the  Evangelist  in  Cowley),    in  beren  §änben  bie  nad)  römifcfyem  33or= 

10  bilb  arbeitenben  SRiffionen  unter  ben  ©efäfyrbeten  unb  ben  „^ßroteftanten"  finb,  fdjeinen 
jener  angegliebert  ju  fein ;  fie  binbet  ü)re  9Jiitglieber  burd;  bie  brei  9J?öncr;3geIübbe,  gu  benen 
bie  gorberung  ber  (tägticfjen?)  D^renbeict)te  tritt. —  @inen  toeiteren  S?rei§—  in  ben  1890er 
Jabjen  über  12000  nad?  Sifcfyöfen,  ^riejtern,  33ruber=  unb  ©cf/toeftergilben  unb  $om= 
munilanten   georbnete  9JtttgIiebcr   bon  ©eiftlid)en  unb  Saien  jäl)lenb  —  bilbet  bie  1862 

15  gegrünbete  Confraternity  of  the  Blessed  Sacrament,  mit  gegen  250  $toeigen  in  ben 
Kolonien,  bie  für  bie  rituale  2Iu3fd)müd:ung  ber  ©otteSbienfte  unb  Strien,  für  ba§ 
haften,  ©ebete  für  bie  SLoten,  bie  (Erhebung  ber  ©ucfyariftie  $um  §öb^e^un!t  ber  freier, 
enblict;  für  bie  tägliche  Seilte  unb  SJJeffe  im  Morning  Prayer  eintritt,  gerner  bie 
Association   for  Promoting   the   Unity  of   Christendom,    beren   3Ritgliebewamen 

20  nid)t  beröff entließt  werben;  fie  betreibt  bie  Bereinigung  ber  anglitanifdjen,  romifc^en  unb 
griednfd)en  $ird;e;  bie  ©efyeimgefeUfcfyaft  bes>  Order  of  Corporate  Reunion,  bie  ftaat§= 
fircf/licfye  ßlerifer  neu  orbiniert  unb  ben  römifcfyen  5ßabft  als  ben  erften  93ifd)of  ber 
&ircb>  unb  beren  ftcr)t&are§  §aubt  anerfennt  (fo  in  ber  geitung  be§  DrbenS,  bem 
Reunion  Magazine  vol.  I,  242) ;  enblid;  bie  Guild  of  All  Souls,  ber  Alcuin  Club, 

25  qua)  bie  Church  Extension  Association  gehören  fyierfyer.  —  Sie  Slftion  in  ber 
Dffentlicbleit  tyat  bie  oben  (©.  35, 52)  genannte,  1859  gegrünbete  English  Church  Union, 
bie  1884  aß  gJlitglieber  2675  ©eiftli^e  (barunter  50  SBtfdjöfe,  b.  fy.  45°/0  ber  ©efamt^I) 
unb  18600  tommumranten  (SRänner  unb  grauen)  in  200  3toeig=  unb  50  S)iftrift§= 
bereinen  §är)len  foH;  bie  il)r  angeglieberten  bejto.  unterftü^ten  Rettungen  Church  Union 

30  Gazette,  Church  Times  unb  Church  Review  baben  jur  Slufgabe  bie  öffentliche  3Ser= 
teibigung  ber  gartet  unb  ben  fird)lid;en  2Iu3bau  be3  ©tyftemg,  ba§  fie  mit  Straft  unb 
rücfficfytSlofem  greimut  Vertreten. 

2)te  Kleinarbeit  aber  toirb  bon   ben  gafylreicfyen   ©üben,    Drben,  ©cfttoefier= 
unb  23ruberfd)aften    getfwn,  bie  tote    ein  SRefc   engerer  unb   toeiterer  Serbinbungen 

35  bie  ganje  ©taatöl trcr)e ,  aud)  in  ben  Kolonien  übergießen.  Sefonber§  berbient  um  fie  ift 
ber  in  ben  1870er  Qabjen  bielgenannte  gaiber  $gnatiu§,  ber  in  SBaleS  ein  9JJännerflofter 
mit  ftrenger  Siegel  (braune  lutte  mit  Seibfirid,  ©anbalen  u.  f.  to.)  jur  StuSbilbung  bon 
ajfiffionäbrebigern  gegrünbet  blatte,  gerner  gehört  E>terlt)er  The  English  Order  of 
St.  Augustin,  ber  feine  für  bie  Drbination  fid)  borbereitenben  geiftlidjen  33rüber  gleid)= 

40  faE§  in  ftrenger  Slbgefcfyloffenfyeit  unb  Siegel  r/ält.  £)ie  ©ditoefterfcfyaften,  bie  im  eng= 
lifef/en  SSoIMeben  breiten  SRaum  einnehmen  unb  bem  grofjftäbtifcfyen  ©trafjenbilbe  einen 
marfanten  ßug  geben,  —  bie  erfte  tourbe  bon  ^3ufet>  unter  SJiij?  ©eüon§  Seitung  in§ 
Seben  gerufen  —  toibmen  fiel;  ber  ^ranfenpflege  unb  ßaben  fyeute  faft  aUe  großen 
§öf^)itäler  £onbon§  in  ißrer  Dbf>ut ;  ju  ißnen  fielen  in  Koferer  Serbinbung  Xaufenbe  bon 

45  ©amen  ber  borneßmen  unb  mittleren  ©tänbe,  bie  burd)  ©elb  ober  freiere  perfönlidje  93e= 
teiligung  ba§  2tnftaltgtoer!  unterftü^en  unb  fio)  berf)flicb;ten,  tägliche  gürbitte  für  ba§ 
9Jiuttert)au§  unb  feine  Pfleglinge  gu  tßun.  Unb  äße  bieje  Drganifationen,  bon  benen 
baS  gro^e  §ilfgtoerf  getragen  toirb,  galten  fteß,  toie  bie  öffentliche  £iebe§arbeit  ber  ©eift= 
Iid;en,  im  toefentlidien  in  parod^ialen  gormen.  Qmmer  fteb,t  am  anfange  ein  tßatenfroßer 

50  ©eiftlidjer,  ber  bem  §elfergeban!en  in  feiner  ©emeinbe  jur  Bertoirllidjung  fnlft,  grauen, 
Jungfrauen  unb  junge  Männer  an  bie  2trbeit  ftellt  unb  biefe,  toenn  fie  Ieben§fräftig  ge= 
toorben,  in  bie  toeiteren  bertoanbten  Greife  füßrt. 

©0   bebeutfam    alfo   bie   @intoirfungen  ber  Djforber  auf  ha§  Itrdjlidje  unb  fojiale 
Seben  ber  ©emeinben  finb,  auf  bem  ©ebiete  bertt>eoIogifd>en23iffenfcf/aft  ßaben  fie, 

55  toie  id)  oben  furj  anbeutete,  toenig  ober  nid)t§  geleiftet.  Jfjre  ©ogmatif  ift  ber  Sierjtd^t 
auf  ptnlofopr/ifcfye  ©Refutation  unb  frommet  ^ad)benfen  unb  toenig  anbereS  als  bie  begriff 
ließe  Bertoertung  beä  in  einer  jabjfyunbertelangen  (Snttoidelung  getoonnenen  %oIogifd)en 
©ute§,  Erneuerung  bergangener  SSerte:  ber  2lngIitani<8mu<S  be§  16.  Jaßrttunbertg  in 
mobernem  2lufRu^.  JbreSefyre  ift  ©efc&icßte.   Jn  ben  tßeologifcßen  (Srörterungen  ber 

60  1860er,  70er  unb  80er  Jafyre  gefyt  ber  ©treit  toeber  um  neue  ©cbanfen,  nod)  neue  %l)aU 


SraftartamSmuS  43 

fachen,  nocb,  neue  ©efetje;  in  tcd)mfd)em  ©inne  fyat  in  aßen  „gällcn"  bie  äkrgangenbcit, 
bie  ©efdjidjte  ba3  Ic£te  unb  entfdjetbenbe  2Bort  behalten.  $)er  %x.  fyat  ben  bogmatifdjen 
fiefyrfomblei;  be§  16.  unb  17  3>afyrr)unbert3  in  fräftiger  3ftetembft)cf)ofe  ju  neuem  £ebcn 
ertoedt  unb  in  ben  5Rtng  ber  Djforber  ©ebanfenreifyen  eingefcfyaltet. 

©eine  SBerfenfung  in  ba$  ftrd^Iid^e  3lltertum  tourbe  gtüeifelloö  einerfeitg  burd)  ba€  5 
Srtoacfyen  be§  b,tftorifd)en  ©eifte§  in  ©nglanb  bebingt,  ba§  jeitlicb.  mit  ber  traftariamfd;= 
ritualiftifcfyen  SBetoegung  jufammenfäittt.  SDem  2luffommen  ber  gefcbidit3totffenfcr;aft(icr)en  @r= 
fenntniStfyeorte  unb  ber  @rl>ebung  ber  englifd)en  §iftoriI  gur  3öiffenfd)aft  (burd)  greeman, 
©tubbä,  groube,  ©reen)  berbanlt  fie  einen  toefentltdjiett  %til  ifyrer  Uraft,  i|re  gefdnd;tltd;e 
©elbftbefmnung  unb  ibje  Erfolge  beim  Semüfyen  um  bie  SBieberertoedung  »ergangener  10 
ftrcpcfyer  SBerte. 

Slnberfeit»  weift  feine  Sßieberbelebung  be§  lircfyltdjen  SlltertumS  ben  römantifd)en 
$ug  auf  (bgl.  oben  ©.  20),  ben  Söalter  (Scott,  Sennfyfon  u.  a.  bem  litterarifcfyen  @m= 
bftnben  Gsnglanbg  aufprägten,  ©eine  gorberung  Vertiefter  2lnbad)t,  mtyfttfdjer  (Erhebung 
ber  ©eele,  ber  9feali<amu3  feiner  ©aframeniglebje  unb  fein  Verlangen  nad;  bem  inneren  15 
ßrlebnB  lag  auf  ber  romantiferjen  £ime.  —  (Inblicr;  forberte  aucr)  bie  bon  ib,m  in  ben 
$orbergrunb  gefteüte  £efyre  bon  ber  aboftolifdjen  ©ucceffion  bie  3Serfenlung  in  ba§  Itrcr/= 
lid)e  Altertum,  in  bem  er  bie  Söaffen  für  feinen  $ambf  fud)te  unb  fanb. 

Sie   ®arfteüung    feiner   £er)re  unterliegt    infofern   ©cfytoierigfeiten,    al<3   er   ein 
anerfannteg  33e!enntni§  ober  £efyrfd)riften,  bie  feine  ©igenart  jum  2Iu3brud  brächten,  nidjt  20 
aufeutoeifen  Ijat.  ©ein  ßrebo  ift  ba§jenige  ber  ©taatSfircfye,  bie  39  2trtifel  unb  ba§  allgemeine 
©ebetbud).  ©0  ift  feine  70jäb,rigeSlrbeit  niemals»  auf  bie  S3efeittgung  ober  2tbänberung  einer 
bem  ftaatSfircfylidjen  ^ßroteftantiSmuä  eigentümlichen  £eb,rmeinung  gegangen,   fonbern,  toie 
oben  nacb^utoeifen  berfucfyt  toorben  ift,  um  ba3  Stecht  fird?Iicr)er  ©elbftbeftimmung  unb  um 
getoiffe   auf  ben  ©redimiert  Itegenbe  Mtifcfye  Seftimmungen ,  bie   mit   ber  bogmatifcfyen  25 
©runbftimmung  iriel,  mit  ber  ©injellefyre  fo  gut  toie  nid;t§  ju  tfmn  b,aben.  —  2Bir  fyaben 
bafyer  bie  bribate  traftarianifdje  Sitteratur,  bie  toie  bie  bietiftifd)e  bortotegenb  ber  2t§fetif  fieb. 
jugetoanbt  b,at  —  id)  nenne  Dr.  £ee§  Directorium  Anglicanum,  ßarterS  Treasury  of 
Devotion,    ©re§Ier/§  Ordinance  of   Confession,    £ittlebales>  The  People's  Hymnal 
unb  eine   ftattlidje  9teib,e   bon  Breviaries,   Manuals,    Ordinances  —  in  SBetradjt  ju  30 
gießen,  bie  freilief)  nur  mit  Sßorfitfyt  toegen  ir)rer  fubjeltiben,  imbulfiben  unb  bielfad)  un= 
gefunben  ©ebanfenfüfyrung  gebraust  toerben  barf.  Um  ben  9tttuali§mu3  gu  begreifen  unb 
richtig  einjufd;ä|en,  barf  man  ifyn  nict)t  aU  ein  tf)eologifcr)e§  ©Aftern  f äff en ;    er  ift,  toa3 
©.  Sre^ta9  öom  $iett3mu§  fagt,    eine  borübergef>enbe  Silbung ;   bie  ©intoirfungen  aber, 
bie  er  auf  Religion,  Kultur  unb  ©itte  ausgeübt  l^at,  finb  nod;  fyeute  erlennbar.  ©injelneg  35 
babon  ift  (Srtoerb  ber  Nation  getoorben. 

2ln  biefer  ©teße  alfo  toirb  e<§  geboten  fein,  in  bem  Silbe  ber  traftartanifcfyen  ^unb= 
gebungen biejenigen  ©runbjüge  feftjufteHen,  bie  einerfeit?  bon  ber  in  ben  392lrti!eln  bertretenen 
ilnfd^auung  abtoeidjen,  anoerfeit§  ben  ltonfen§  ber  Drj orber  ©cb,ule  barfteßen:   bie  ©ätje 
bon  ben  reltgiöfen  ©rfenntnigquelten,  ben  ©nabenmitteln,  ber  ^ircb,e,  ber  aboftolijct/en  ©uc=  40 
ceffion,  ber  Siealbräfenj  unb  bie  au^  biefen  Zentren  abgeleiteten  Se^rmeinungen. 

gür  fein  religiöfeg  @r!enntni§brinjib  ge^t  ber  2;raftarianigmu§  bon  bem  ©a£e 
aug,  bie  abfolutc  SSafyrfyeit  ift  objeftib  gegeben,  9{ed)t  unb  Aufgabe  beö  ben!enben  ©eifte§ 
ift  nidjt,  fie  auf  t^re  fbelulatibe  ©rfaffung  unb  aßertoir!lid}ung  ju  unterfud^en,  fonbern 
bie  gegebene  bem  ©eifte  gu  bermitteln.  Credo  ut  intelligam.  ©egeben  ift  fie  nad;  15 
gorm  unb  ^n^alt  im  Sefyrtombler.  ber  brimitiben  Hird;e;  biefer  ift  %nf)aU  bei  ©Iauben§; 
al§  allgemeine  £eb,re  ber  Siird;e  ertoiefen,  bebarf  er  toeber  gelehrter  Unterfud;ung,  nod) 
ber  Prüfung  an  ber  b,I.  ©d;rift;  bie  2lu§fagen  ber  SSäter  fteb,en,  toenn  mct)t  über  ber 
©djrift,  fo  ib,r  bod;  gleid}  unb  toerben  aU  fo!d;e  berebjt  unb  al§  inbi^Iutabel  ^»in= 
genommen.  50 

$)ie  b,I.  ©d;rift  lann  ©lauben^regel  nid)t  fein.  5Radjbem  groube  in  bem  ©a^c: 
quod  semper,  ubique  et  ab  omnibus  bie  fatfyolifcfye  ^Rorm  für  Iird)lid)e  £el)re  unb 
$rajiä  gefunben,  b,aben  ©bä'tere  eine  ©rgänjung  ber  ©d)rift  burd)  „baö  3eu9n^  ^er  a^= 
gemeinen  (unter  ^intoeis  auf  1  %x  3,15)  ^irefee",  toie  e§  in  ben  ©Triften  ber  isätcr,  ber 
fatI}olifcb,en  83ifcb,öfe  unb  ber  ö!umenijd}en  Üonjilien  niebergelegt  ift,  geforbert.  2öirb  bie  55 
©d)rift  aU  regula  fidei  im  allgemeinen  anerlannt,  fo  bebarf  fie  bod)  toegen  ber  3Siel= 
beutigfeit  ib,rer  2lullegung,  toegen  ibjer  UnboEftänbigleit  ber  ©rgänjung.  gür  bie  vi3e= 
ftimmung  ber  rechten  Sebre  ift  fie  toertboll;  inbe3  über  bie  !ird;licb,e  ©iö^iblin,  $rar.i<§ 
(Geremonien)  unb  Regiment  bietet  fie  „faft  nid)tä"  ®ic  ©d)rift  ift  bemgemäji  ju  er= 
flären  nacb,  ber  Tvabition;  benn  biefe  toar  bor  ber  ©d)rift  unb  b,at  ben  Jknon  gemacht;  60 


44  SraftartamSutuS 

Wenn  aud?  nid)t  nad)  ber  Autorität  irgenb  eines  einzelnen  SatcrS,  ber  befonbere  An= 
fcfyauungen  Vertreten  mag,  fo  bod)  „nad)  ber  übereinftimmenben,  einbeitlidien  £el)re  ber 
faif>oIifd)en  Sifcfjöfe  unb  Säter"  ©Eem^Iiftgiert  Wirb  babei  auf  baS  ^äm^e  Äonjtl, 
baS  bie  Irimtät  als  ©djriftlefyre  für  bie  $ird)e  enbgiltig  fefigeftellt  f>at,  Weil  fie  im 
5  3?icänum  „baS  geugniS  ber  ganzen  S!ird)e  bat,  baf$  eS  fo  ift",  mag  man  bte  ©ä£e  »er= 
fielen  ober  md)t.  ©ementfpred)enb  b,at  ^ufer)  ben  ©runbfa|  formuliert  in  ber  £f>efe: 
„2)aS  21  unb  baS  31%  finb  bie  Quelle  ber  £ebre,  bie  latfyolifdjen  Säter  ber  $anal,  burd) 
ben  biefe  ju  uns  herabfliegt"  (»gl.  SorWort  gum  1.  Sbe  ber  Libr.  of  the  Fathers). 
©er   ©d)Iuf3fa|   alfo    lautet:   bie   fyl.  ©d)rift   ift  ©laubenSregel  nid)t  an  fid),  fon= 

10  bern  nad)  Sftafjgabe' ber  ^atrtfttfcr)ert  SLrabitton,  ober:  bie  ^irdie  als  bie  alleinige,  »on 
©Ott  eingefettfe  Autorität  ift  AuSlegerin  ber  ©d)rift,  Wobei  ju  beachten  ift,  bafj  in  biefer 
Ieb,ramtlid;en  ©igenfdjaft  ber  Segriff  ber  $ird)e  in  alle  2üege  nic^t  erfd)ö:pft  ift;  bie 
anbere,  ungleid)  i)öl>ere  SBürbe  beanft>rud)t  fie,  Wie  oben  angebeutet,  als  Sermittlerin  ber 
©alramentSgnabe.     ©ie   ift   nid)t   foWofjl    £eb,r=  als   ©alramentSanftalt.     AIS  Wor)l= 

15  geglieberter  Organismus  lommt  fie  jur  @rfd)einung  nad)  brei  ©eiten:  als  AuSlegerin  ber 
©dmft,  in  ber  Vermittlung  beS  ©alramentS  unb  in  ber  Totalität  ifyrer  inftitutionetlen 
Ausprägungen,  b.  b,.  fie  ift  nicf/t  nur  Quelle  unb  9corm  ber  Iird)lid)en  £eb)re, 
fonbern  aud)  beS  Iird)Iid)en|janbeInS,  in  föultuS,  Serfaffung,  3)iSjiJ)lin,  unb  bie 
SDarfteßung  ifyrer  3;bee  nad}  biefen  ©eiten  ift  wie  ©otteS  Söort  unb  ©airament  ©egen= 

20  ftanb  ^eiliger  ©d)eu;  benn  biefeS  frübefte  ©ebilb  beS  dmfilicfyen  ©eifteS  fteHt  äugleid) 
baS  Urbilb  unb  SSorbtlb,  ein  IjwfyereS  ätrd)entum  als  alle  fpäteren  Ausprägungen  bar, 
bie  Äircfye  als  baS  abfolute  ^unbament  aller  9Baf)rb,eit,  aud)  in  bem  ©efyetmniSüollen 
unb  9Rid}tberftanbenen  (ber  ArlanbiSjipIin)  ber  StRtyftil  unb  bem  ©r/tnboIiSmuS  ber  AuS= 
legung  u.  ä.,  bie  beibe  bte  gurüdljaltung  in  ber  5RittetIung  geWiffer  ©tüde  beS  ©laubenS 

25  bebingen  unb  in  Weiterer  golge  (menigfienS  nad)  ber  Meinung  ber  gortgefd)rittenen) 
$Wifd)en  efo=  unb  e£oterifd)er  2öar)rl)eit  fdjeiben. 

%la<fy  ©lauben  unb  ^ßrarjS  alfo  ift  bie  $ird)e  in  tferer  jeitlict/en  @rfd)einung  an 
bie  apoftoIifd)e  als  baS  Urbilb  unb  QuetltiauS  ber  in  ©lauben  unb  üffianbel  fid)  bar= 
ftellenben  religiöfen  £ebenSmäd)te  geWiefen.    AuS  it)r   fliegt  ber  ©trom  ber  ©nabe  auf 

30  aUe  gehen.  Vermittelt  Wirb  bie  ©nabe  b.  |.  baS  §eil  allein  burd)  bie  objeltibe 
Äraft  ber  ©aframente.  „£>er  einzige  2Seg  gur  ©eligleit",  fo  Wirb  biefer  1.  grunb= 
legenbe  ©a|  formuliert,  „ift  ber©enufs  beSSeibeS  unb  SluteS  beS  geopferten 
(SrlöferS  im  b,I.  ©airament  ber  @ud)ariftie."  ®ie  Söirfung  aber  beS 
©alramentS,  fo  lautet  ber  2.  gunbamentalfatj,  beruht  auf  ber©penbung  burd) 

35  ben  ^rtefter  in  A'raft  feiner  apoftolifd)en  95ollmad)t;  „bie  ©ernähr  für  gort= 
beftanb  unb  redjte  Austeilung  beS  ©alramentS  ift  ber  apofto!ifd)e  Auftrag  ber  Sifd)5fe 
unb,  burd)  biefe,  ber  fpenbenben  ^riefter".  Df)ne  eine  fo!d)e  25oUmad)t  aufjumeifen,  mirb 
gefagt,  „lönnen  mir  nid)t  fid)er  fein,  baf?  mir  baS  ©airament  mirllid)  austeilen,  ©te 
^ird)c  ©nglanbs  Ijat  bermittelft  ber  apoftolifd)en  ©ucceffion  biefe  3Sollmad)t  über= 

40  lommen  unb  ift  bie  einige  in  biejem  sJteid)e,  bie  bie  ©emif5b,eit  £)at,  beS  §errn  £eib 
feinem  ÜMIe  ^u  geben",  b.  f).  fie  ift  bie  einzig  berechtigte  ©penberin  beS  bie  ©eliglett 
»ermittelnben  ©alramentS,  Weil  fie  »ermöge  ber  ©ucceffion  Qnfyaberin  unb  ^eugin  ber 
Söafyrfyeit  ift. 

©iefe  Sefjre   fte^t   breit  unb  rid)tunggebenb   an   ber  ©d)WeIIe  ber  Bewegung;   fie 

45  burd)jufe|en  finb  bie  2;raltate  ins  Seben  gerufen  Worben.  9?eWman  nimmt  fie  gleid)  im 
1.  auf  (Thoughts  on  the  Ministerial  Commission)  unb  $.  üeble  begrünbet  fie  im  4. 
(Adherence  to  the  Apostolical  Succession  the  safest  course);  beibe  glügel  ber 
Partei,  ber  Ionfer»ati»e  mit  5Rofe,  ^almer  unb  $erce»al  unb  ber  fortfd)rittlid)e  unter 
$roube  unb  5Rei»man  finb  eins  in  bem  ©a|e  unb  »ertreten  tyn  mit  9iad)brud  als  ben 

50  ©runbpfeiler  beS  priefterlid)en  Amts.  9Benn,  fo  Wirb  er  begrünbet,  Wie  eS  ben  Anfd)ein 
b,at,  ber  ©taat  bie  J?ird)e  ju  befeitigen  Wünfdjt,  Worauf  b,at  ber  ^riefter  feinen  Anfprud) 
auf  Autorität  unb  Ad)tung  in  ber  ©emeinbe  ju  grünben?  ®ie  priefterlid)e  Magna 
Charta  ift  ber  Auftrag  <5|rifti.  @r  „gab  ben  Jüngern  feinen  ©eift,  biefe  legten  bie 
§anb  auf  t£>re  9fJad)folger,  biefe  auf  Weitere,  unb  fo  ift  bie  b,eilige  (Babt  auf  bie  Sifd)öfe 

55  ber  ©egenwart  gelommen,  bie  uns  §u  ib,ren  ©eb,ilfen  unb  geWiffermafjen  ©telloertretern 
befteat  l^aben"  (%x.  1).  @s  ift  ein  altanglilanifd)er  ©a|,  ber  im  DrbinationSformular  bem 
©inne  nad)  auSgefprod)en  ift;  je|t  Würbe  er  unter  bem  Semüben  um  eine  unangreifbare 
SafiS  gegen  bie  ftaatltdjen  Übergriffe  »on  ben  Sraltarianern  in  ben  Sorbergrunb  gerüdt. 
,,©te  (Bahz  beruht  auf  ber  §anbauflegung,    nid)t  auf  irgenb  einer  gormel,   bie  ben  Alt 

eo  begleitet";   fie   ift   nid)t   notbenbig  mit   bem  ©pislopat  als  bem  Amt  ber  Auffeljer  »er= 


£r(iftartam§jmt§  45 

bunbcn;  bic  Aboftel  fyabcn  fie  aud)  TOcf/tbifcfyöfen,  ^jßrieftem  imb  SDiafonen  erteilt.  £a 
ittbeS  in  Konfequeng  biefeS  ©a$e§  aud)  mc^t=btfd^ofUc^e  Hirnen  fie  befitjen  fönnen,  toirb 
bie  gefährliche  Honftruftion  ber  2^atfadje  berfucfyt,  baft  bon  bcr  Apoftel  ßeiten  bis 
auf  bte  Deformation  unb  bann  in  alten  rcafyren  Hirnen  bie  Drbination  burcb,  bte 
33ifd)öfe  erteilt  roorben  fei.  ©ie  ift  nacb,  Heble  (Primitive  Tradition)  ntdjt  blof?  bic  5 
9iad)foIge  im  Dienft  am  Söort,  in  ber  Serroaltung  ber  ©aframente  unb  ber  ©d)lüffel= 
getoalt,  fonbern  bor  allem  eine  beilige  ($abe;  biefe  aber  ift  in  bcr  geit  einzig  burd) 
bie  aboftolifcfje  ©ucceffion  erhalten  Sorben  (groube,  Remains  II)  unb  beren  roefentlicfjer 
3nf)alt.  ©ie  befähigt  jur  regten  Amtsführung,  bcfonberS  jur  ©aframentSfbenbung  unb 
„jum  mr/fteribfen  tüacljen  beS  Setbeö  unb  33IuteS  (E^rifti"  2öer  rtid^t  ein  ©lieb  an  10 
biefer  aboftolifd)en  Hette  ift,  l)at  fein  9ted)t  jum  Amt  unb  jur  ©aframentSauSteilung. 

©a    weiter   ber    Auftrag   ßbjifti   allein    eS    ift,    ber    ^ßrebigt    unb    ©aframent 
toirffam  macfyt  §ur  ©eltgleit  (%x.  35),   fo  toäd)ft  aus  ber  aboftoltfdjen  ©ucceffion  (gegen 
baS  1  $t  2,  9  gelehrte  allgemeine  9ßrieftertum   ber  ©laubigen)   bie  römifdje  Öer)re  bon 
bem  einzigen  unb  nottoenbigen  SKittleramte  beS  ^ßriefierS   §iütfct)en   ©t)rtftuö   unb  ir, 
bem  ©laubigen  unb  ber  ©Reibung  ber  ©eiftlicfjen  unb  Saien.  — 

Qm  §inblicf  auf  bte  SBebeutung  ber  ©ad)e  ift  bon  bcn  Djforbern  aucb,  bie  fytftorifcfye 
Segrünbung  öerfud^t  Worben,  baft  bie  Hette  ber  ftaatSfirdjlicfyen  ©ucceffion  Wirflieb,  bis 
ju  ben  Abofieln  reiche,  ©er  ^KadEjlceiä  im  einzelnen  gatle  Wirb  freilict)  als  unmöglidj 
preisgegeben,  aber  fyiftorifd)  erfeijt  burct;  ben  ,,2Bal)rfd)einlicr/feitSbeWeiS,  bie  ©eWipeit  bcr  20 
ununterbrochenen  ©ucceffion  fei  wie  8000 :1"(!),  unb  bogmattftifcfy  burcf)  bie  (fbäter  bon 
■fteWman  in  feinem  Grammar  of  Assent  aufgehellte)  religiöfe  ©rfenntniStljcorie,  bafe 
„religiöfe  Überzeugung  ntd^t  auf  intelleftuetten  ©rünben  beruhe,  fonbern  auf  emotionellen  (!), 
inbem  bie  tfyeoretifcb,  nic^t  jureicfyenbe  Sßafyrfcfyemlict/feit  burd)  bie  bertrauenSbolle  An= 
nafyme  jur  ©etoifsfyeit  würbe"  ©iefer  an  fid)  richtige  ©aij,  bem  in  feiner  Überfbannung  25 
ftt}on  bon  $.  Suttod)  (Mov.  103)  entgegengehalten  Werben  ift,  bajj  ein  ©eWifsb/eitSbrinjib,  baS 
toeber  in  ber  Vernunft,  nod)  in  tr/atfäcfylicfyen  SBeWeifen  ber  ©efd)icr)te  unb  (Erfahrung  begrünbet 
ift,  fonbern  blojj  in  ber  Hraft  beS2BillenS,  ettoaS  für  Waf)r  ju  galten,  feinen  2öert  f>at,  Weil  auf 
bem  ©runbe  einer  berartigen  2öillenS=  ober  ©efüjjrtSerjeugung  ebenfogut  ber  Aberglaube  Wie 
ber  ©laube  rut/en  fann,  macfyt  in  reltgiöfen  Singen,  Wie  9teWman  §ugiebt,  guletjt  „baS  30 
Argument  bon  ber  2öat;rjcf)einlicf)feit  ju  einem  Argument  bon  ber  5ßerfönlid;feit,  b.  f).  ju 
einer  $orm  beS  Arguments  bon  ber  Autorität"  (bgl.  baju  ^Pfleiberer  449) ;  fie  bebarf, 
ba  fie  auf  fidt)  felbft  nidEjt  berufen  fann,  ju  tibrer  ©icfyerfyeit  ber  Anlehnung  an  anbere, 
b.  fy.  eben  ber  Autorität,  bie  Jcetoman  auS  bem  jioieits  (1  Ho  11,  24/25)  heraus  ju  fon= 
ftruteren  berfucfyt,  mit  bem  ©t)rtftu§  ben  Jüngern  als  ^ßrieftern  eine  Äonfefration^gabe  35 
berleibe;  unb  au§  ber  Sefteßung  be§  2Ütug  unb  2;imot^eu§  ju  33tfcb,öfen  toie  au§  bem 
©biffobat  ber  Urfirc^e  ibirb  bon  Stetoman  bie  abfolute  Dotmenbigfeit  ber  bifcfjöflicfyen 
Konfefration  abgeleitet,  b.  i).  auf  bie  Autorität  ber  ^ircfje  zurückgegangen,  Jbo  bie  ©cfjrift 
nicf;t  angreift.  — 

®er  Ar.  toeift  alfo  nact)  bem  Vorgang  ber  SfteformationSfirdjen  auf  bem  kontinent  40 
jtoei  gunbamentalfä|e  auf,  einen  materialen  bon  ber  burct;  bie  ©aframente 
bebingten  §eil§bermittlung  unb  einen  formalen  bon  ber  alleinigen 
Autorität  ber  Hirdje.  @r  erfe^t  ba<3  gläubige  ©ubjeft,  baä  bie  ©nabe  empfängt, 
burcr)  bie  Hircf;e  al§  objefttbe  ^nftanj,  bie  nad;  beiben  ©eiten,  al§  ©benberin  be§  ©afra= 
ment§  unb  al§  autoritattbe  ^nfyaberin  ber  3öaJ>r^ext,  baö  §eil  bermittelt.  ©a  aber  bic  40 
©aframente  ber  fonftitutibe  gaftor  ber  ©nabe,  ba§  eigentliche  §eil§gut  finb  unb  bie 
Äirdje  nur  jur  bekräftigen  ©benbung  unb  SBirfung  bereift,  fo  ift  erftc^tlicf),  ba%  ia§ 
Saframent§brinzi^  bem  f ircf;licf;en  übergeorbnet  ift;  biefeä  ift  baS  blo^e 
Korrelat  be<3  erfteren,  b.  f).  3JtitteIbunft  be§  ©bftemg:  gunbamentalfa^  ift  bie 
alletnfeligmacfjenbe  Hraft  ber  ©aframente.  Sßon  biefem  ©a£e  ift  bie  Setoegung  50 
ausgegangen.  ©d)on  in  ber  33orrebe  jum  1.  S3be  ber  SEraftate  tbirb  gefagt,  bie  ©afra= 
mente,  nicf;t  SBort  unb  SSerfyeifsung  ©otteS  (^ßrebigt)  finb  bie  Duellen  ber  göttlichen 
©nabe,  unb  91  Söilberforce  nennt  ba§  SRittleramt  S^rtfti  bie  ©runbt^atfac^e  beS  gött= 
liefen  §eit§blan§,  bie  ©aframente  aber  bie  StRittel,  ibelcf;e  baö  §eil  aneignen,  ©ic  finb 
baS  erfte.    ®er  %x.  ift  bie  Hircfye  be§  ©aframente.  —  bö 

SDie  Hircf)e  nun  als  bie  Übermittlerin  beS  ©cf)a^eS,  ben  jene  bergen,  an  bic 
übeiftert  ift  bie  bon  Gf)riftu3  unb  ben  Abofteln  gegrünbetc  unb  btircb  bie  aboftoüfcfye 
©ucceffion  in  9leinb,eit  erhaltene  §eil§anftalt ,  alleinige  ©benberin  ber  ©nabenmittcl, 
alleinige  3eugm  ber  2Bab,rb,eit  unb  le^tc  Autorität  in  fragen  beS  ©laubenS,  ber  2cb,re 
unb  Se6en§.    3)iefc  begriffliche  Raffung  ber  ^bec  wirb  bon  ben  ^raftarianern  auf  Höften  bcr  eo 


46  £ralt(mam§ttm§ 

in  ben  39  Slrtileln  (3trt.  19,  20,  34)  Vertretenen  Sluffaffung  ber  „tircfye  als  ber  ©emein= 
fcfyaft  ber  ©laubigen,  in  ber  bag  reine  Sßort  ©otteg  gebrebtgt  unb  bie  ©alramente  in 
allen  wefentlid)en  ©tüäen  rite  verwaltet  Werben",  alg  bag  ©Aftern  bef)errfcr)enb  vorangefteHt. 
©egen  bie  reformatorifcfye  gaffung  beg  SBegrip,  nad)  ber  fie  bie  ©emeinfd)aft  ber  ju  allen 
5  Reiten  unb  unter  aßen  Söllern  Wirlfam  berufenen  ift,  bag  geiftlicfye  Sinti  inbeg  nur  bie 
33ebeutung  einer  ber  Drbnung  bienenben  ©inricfytung  r/ai,  nic^t  aber  de  iure  divino 
ift,  fefcen  bie  Sraltarianer  bie  anbere  Don  ber  $ira)e  alg  ber  Von  6f>rifto  gegrünbeten  realen  unb 
fict)tbaren  §eüganftalt.  SBte  ßfyriftug  burc^>  fein  ©rlöfunggtoerl  ber  2JcittIer  gtoifc^en  ©ott 
unb  SJcenfcfen  geworben,  fo  ift  ber  23ifd?of  (unb  Vriefter)  Mittler  jtoifc^en  (Sr)rtftu§  unb 

io  ber  ©emeinbe  unb  Ijiöcfyfte  Stutorität  für  bie  Saien.  —  £)ie  unficfytbare  Sürcfye  Wirb  ge= 
bilbet  lebiglid)  au§  ben  lebenbigen  ©liebern  ber  fühlbaren,  an  bie  burcfy  ben  33efv|  beg 
allein  fyeilglräfttgen  ©alramentg  ba§  £eil  gebunben  ift.  ©ie  ©d)rift,  b,ei|t  eg  im 
11.  Sraltai,  macfyt  bie  fidjtbare  Utrc^e  gur  Vebingung  ber  unfic^tbaren.  @g  giebt  eine 
göttlicb,  eingefe^te  ftcfytbare  $irct)e,  unb  biefe  ift  eine  unb  biefelbe  geWefen  burdp  bie  fuc= 

15  ceffibe  (Singlieberung  iljirer  3RitgIteber.  Slllein  bie  fic^tbare  geWär/rleiftet  bie 
Sftitgliebfdjiaft  ber  unf icfytbaren,  b.  i).  ofme  bie  ficfytbare  Ätrcfye  nulla  salus. — 
©ag  ^ennjcicfyen  aber  ber  Wahren  $ird)e  ift  abermals  bie  aboftolifd)e  ©ucceffion  ber 
23ifcf)öfe,  in  ber  bie  anberen  affectiones,  Stvoftolicität,  ^atfyolicität  unb  Stutonomie 
befcbjoffen  finb.    Qene  ift  ba§  ^ennj  eichen,  bag  Signum  signans  ber  Wahren  &trd)e, 

20  bie  bifcfyöflid)=anglilamfct)e  bemgemöfs  Von  aUen  anbern  (aucb,  ben  bifdjöflicfyen)  auf  ©rben 
bie  VoMommenfte;  bie  übrigen  eViflobal  Verfaßten  (infonberljieit  bie  römifcfye)  finb  „un= 
gefunbe",  „erirantte",  bie  nid^tbifcfwflicfyen  (bie  ©iffenter=  unb  Vroteftantifcfyen  kontinental* 
Itrd)en)  „abgefdjnittene  gWetge"  ber  einen  allgemeinen:  ©elten,  in  benen  eg  §eilgmittel 
nid)t  giebt,  eben  Weil  ifmen  bie  apoftolifcfye  ©ucceffion  fefylt;  mögen  fie  in  ber  avoftolifcfyen 

25  Seb,re  geblieben  fein  ober  ntct)t,  fie  l)aben  lein  apoftoltfdjeg  Stmt.  ©ie  römifdjte  $ird)e  ift 
leine  ©elte,  —  alg  foldje  begeicf)nen  fie  nur  einzelne  2xaltartaner  —  fie  ift  in  ber 
Sttooftelgemeinfcf/aft,  aber  (mit  iljren  ©ä|en  bon  ber  VaVftgeWalt  unb  Unfebjbarlett)  nicfyt 
in  ber  aVoftolifc£;en  Sefyre  geblieben;  bie  ©rtecfyifc^e  t)at  ©emeinfd^aft  unb  £er)re  reiner 
bewahrt,  unb  bie  übrigen  (bifcfyöflicfyen)  ^ird^en,  bie  fcfyottifcfye,  amerilanifcfje,  bänifcr)e  unb 

30  fcf)webifct)e  finb  gefunbe  3^^9^/  hnetoor)!  über  bie  ©d^eit  ber  beiben  legten  nicfyt  alle 
gWeifel  behoben  finb.  Slllein  bie  Ätrcfye  bon  ©nglanb,  bie  Oft  unb  SSeft 
bereinigt  unb  tfyre  ,3roet9e  nac§  ^en  bier  @nben  ber  2BeIt  ausbreitet,  ift  eine  Slrt 
S£r/Vug  ber  einen  latb,oItfd)en  $irct)e"  (Vufefy). 

©ie    ©alram  entall  efyre   beg  Ix.,    anlnü^fenb    an    bie    in    ber    Conl  Angl. 

35  niebergelegte  gaffung,  berfucfjt  eine  2öeiterbilbung  unb  Vertiefung  beS  SöefenS  unb  ber 
Söirlung  auf  römifd^=latf)oIifd)en  Sinien  burd)  ftarle  Betonung  beS  Segrip  SBiebergeburt. 
5fiadj  Conf.  Angl.  (Slrt.  XXV)  unb  bem  üatecb,igmu§  finb  bie  ©alramente  „geroiffe 
^eugniffe  unb  tüirlfame  3eid)en  ber  ©nabe©otte§;  fie  finb  bonß^rifto  eingefe^t,  nic|t  bajj 
fie  begafft  unb  herumgetragen,    fonbern  bafe  fie  gebraust  werben.    ®em,  ber  fie  murbig 

40  (im  ©lauben)  empfängt,  Vermitteln  fie  eine  §eil§mirlung,  bem  Unroürbigen  ba§  ©ericfyt" 
©ie  finb  baö  äu^erlid)  ficfytbare  gtxfym  einer  geiftlid^en  ©nabe,  ein  Unterpfanb,  ben 
©laubigen  ber  ©nabe  gu  bergetoiffern  (Church  Catechism).  SDiefer  calbinifc^en  ©efi= 
nition  mirb  ber  ©a£  entgegengefe|t:  ®ie  ©alramente  finb  bie  Kanäle,  bie  bie  göttliche 
©nabe   in  bie  ©eele    leiten;   ber  Unglaube   toerfcb, lie^t ,  ber  ©laube  öffnet  fie.    23eibe 

45  ©alramente  finb  mej entließ  ein<§;  burd^  bie  SEaufe  mirb  ber  natürliche  SJienfd)  mieber= 
geboren,  unb  bieg  neue  £eben^-rin^  roirb  burd)  ba§  %.  3Ji.  entmidelt  (®enifon,  Real 
Presence  29),  unb  ^ufe^  (On  Baptism)  jiefyt  bie  ^onfequenj :  ©ie  finb  bie  einzigen 
rec^tfertigenben  Sitten  ober  Mittel,  um  bie  SSerfö^nung  mitzuteilen"; 
ebenfo  3Remman  im  90.  Sraftat.    ^^ren  ©egnern,  bie  bag  neue  geiftlicr)e  Seben   nid)t 

50  ber  (3aW  ©otte§  im  ©alrament,  fonbern  ber  ©laubenSt^at  auftreiben,  galten  fie  bie 
objeltitoe  Realität  ber  ©nabe  im  ©alrament,  bie  ber  gläubige  (Empfänger  (reeeptib)  er= 
langt,  entgegen.  —  2lber  an  biefem  ^unlte,  über  bag  5ßerb,ältni§  bon  £>eifögabe,  ©laube 
unb  ©alramentggenufe  ift  bie  ©pracfye  fcf)toebenb,  unb  bie  eigentliche  Meinung  fommt 
(aug  ben  Vorbehalten)  nidjt  llar  b,  eräug,  ©ie  2Biebergeburt,  mirb  gefagt,  ift  an  ben  objel= 

55  ttoen  ©enufe  ber  ©alramente  gebunben,  bie  jene  Vermitteln,  olme  Butb^un  beg  gläubigen 
©mbfängerg,  b.  b, .  fie  toirlen  ex  opere  operato ;  auc§  ber  reumütige,  liebenbe  unb  ernfte 
©laube,  ber  rechtfertigt,  ift  eine  ©ottegwirlung  im  ©ubjelt,  bag  ob,ne  bie  gubor* 
lommenbe  unb  mittoirlenbe  ©nabe  ©otteg  Iraftlog  ift.  —  SBerben  bemnaa)  bie  ©alra= 
mente   alg  „bie  einigen   rec^tfertigenben  9titen"   beraubtet,    fo   ift  bag  broteftantifcb,e 

so  sola  fide  befeitigt.    „©er  ©laube",  fagt  Vufety,  „rechtfertigt  nic§t  an  unb  für  fid),  fon= 


£raftartaniSnm§  47 

bem  bringt  un3  ju  ©ott,  bcr  uns  au£  Siebe  rechtfertigt",  b.  I).  bie  ©ercdjtigfeit  nirfjt 
nur  „imputiert,  fonbern  aud;  imbartiert"  SBir  roerben  gerechtfertigt  bor  ben  Söerfen, 
aber  potentiell  ift  ber  fünftige  neue  ©efyorfam  burd;  ©otte§  ©nabe  in  bem  rechtfertigen^ 
ben©lauben  enthalten.  —  ^n  biefer  gefdjloffenen  Sßerbinbung  nun  mit  bem  red)tfertigenben 
©tauben  Werben  bie  SBerfe  Don  entfcfyeibenber  Vebeuiung  für  bie  ©eligfeit.  ©ott  giebt  5 
jebem  ba§  ewige  Seben  nad?  feinen  SBerfen,  nid)t  alg  freie  ®abt  nad)  feinem  3öo^I= 
gefallen,  fonbern  benen,  bie  in  guten  SBerfen  nacb,  bem  ewigen  Seben  trachten.  Sic 
SBerfe  fteben  in  einer  geWiffen  Vejiefyung  ju  bem  ©nabenlofyn.  $m  Wefent= 
liefen  nur  barin,  baß  bie  Sraftartaner  bie  2öerfe  als  äußere  berbienftlofe  SeWäfyrung  beö 
inneren  ©laubeng  anfefyen,  meinen  fie  bon  ber  römtfcfyen  Seigre  ab.  ©er  ©laube  bleibt  10 
au§  bem  ^eüsplan  au3gefc£)teben;  an  feine  ©teile  Wirb  bie  reale  9KbJttf  ber  faframentalen 
Äraft  gefe|t. 

®en  Segriff  ber  Saufe  beftimmt  bie  Conf.  Angl.  (XXVII)  bab,in,  baß  fie 
nid)t  nur  ein  3eid)en  be§  33cfenntniffe3  (Unterfd)eibung  ber  Stiften  bon  ^idjtdjriften), 
fonbern  aueb,  ein  gelegen  *>er  Söiebergeburt  (sign  of  Regeneration  or  New  Birth)  15 
fei,  whereby,  as  by  an  instrument,  they  that  reeeive  Baptism  rightly,  are 
grafted  into  theChuroh;  genauer  begeic^net  ber  Äatec^iämu^  bie  innere  geiftlicfye  ©nabe 
ber  Saufe  al§  a  death  unto  sin  and  a  new  birth  unto  righteousness  whereby  the 
children  of  sin  are  made  children  of  grace,  unb  ba§  Saufformular  nennt  in  allen  ben 
2lft  begleitenben  ©ebeten  al§  ®abi.  ber  Saufe  bie  SBiebergeburt.  ®ie  ftaat§fircl)licr;c  20 
Rheologie  l)at  inbe§  an  biefer  Raffung  nid^t  f  eftger)alten ;  bureb,  bie  üffieftminfter  ßonfeffion, 
bie  bie  objeftibe  SBirfung  ber  ©aframentgfyanblung  ablehnt  (grace  and  salvation  are 
not  so  inseparably  annexed  into  this  ordinance  as  that  no  person  can  be 
regenerated  without  it,  or  that  all  that  are  baptized  are  undoubtedly  regene- 
rated,  unter  Berufung  auf  21©  8,  13  unb  23;  3tö  4,  11;  21©  10,  2,  4,  22,  47;  25 
togl.  Confession  of  Faith  Chap.  XXVIII,  I  unb  V),  beeinflußt,  Kraben  fyerborragenbe 
ftaat§fird)licr;e  Sfyeologen  bie  geiftlicfye  Saufgabe  befcfyräntt  auf  bie  ©rWäfylten,  benen  bie 
neue  ©eburt  ntd)t  in  ßraft  be<§  faframentalen  2lft§,  fonbern  be§  decretum  absolutum 
mitgeteilt  tüirb,  Wäfyrenb  bie  9cid)terWär/lten  lebiglid)  bie  Vefbrengung  mit  SBaffer  em= 
^fangen.  2tn  biefer  ©ntleerung  be3  33egrip,  bie  2öaffer=  unb  ©eifteätaufe  au3einanber=  30 
reißt  unb  an  bie  ©teile  be£  bie  ©nabe  objeftib  bermittelnben  ©aframentS  ben  §eil3= 
ratfcbjuß  ©ottei,  bie  unmittelbare,  an  bie  Saufe  rttct)t  gebunbene  Söirfung  beä  fy.  ©eifteö 
fejjt,  l)atte  fia)  f.  $.  ber  ©orfyamftrett  (bgl.  oben  ©.  33, 1)  entjünbet.  5Da§  Judicial  Com- 
mittee  be<§  ©efyeimen  9kte§  batte  biefe  Verflüchtigung  ber  fiebere  für  ^uläffig  erflärt  gegen 
ben  ©infbrueb,  ber  Sraftarianer.  sßufer;,  an  beffen  Söorten  in  biefem  ©tuet e  ba3  ©d)WergeWtcf)t  35 
ber  bgtriftifd)en  2lutorität  unb  ber  fircr/ltdjen  SSefenntniffe  Inng,  trat  inbeg  in  feinem  Sraf= 
täte  „Über  bie  Sauf  e"  ber  9Zeufaffung  entgegen,  biegmal  mit  bem  ©cbjifibeWeiS  als  entfeb,  eibenber 
SQBaffe.  ^n  ber  1)1.  ©d)rift,  beißt  e<§  bei  if>m,  ift  bie  Söiebergeburt  mit  ber  Saufe  berfnübft, 
nirgenbg  bon  ir)r  getrennt;  berSSJtenfcb,  Wirb  (nacb,  So  3,5 ;  Sit 3, 5)  au§  Sffiaffer  unb  ©eift,  (nacb, 
1  3o  3,  9)  au$  ©ott,  (nacb,  1  p  1,  23)  au§  unbergänglicf)em  ©amen  burd)  ba§  @ban=  40 
gelium  tbiebergeboren,  nid)t  burd)  ©laube,  Siebe,  ©ebet,  23uße,  9teue,  ©inneMnberung, 
tote  bie  @bangelifcf)e  gartet  in  Unterfctjä^ung  ber  eigentlichen  SBiebergeburtginomente 
lehrte.  @ö  miberfbrieb^t,  fagt  er,  ber  ©ct)rift,  ben  2lnfang  be§  neuen  SebenS  nad)  bcr 
2:aufe,  übertäubt  in  irgenb  einen  anberen  9Jcoment  als  ben  Saufaft  ju  fe^en,  fo  wenig 
al§  ba§  leibliche  Seben  erft  nacb,  unfrer  ©eburt  anfängt.  SDie  Sauftbiebergeburt  ift  45 
©otteä  2öerf,  ba§  nur  infotoeit  bebingt  ift,  alö  ber  3Jienfdj>  bureb,  Unglauben  unb  ©ünbe 
ib,m  Söiberftanb  entgegenfe^en  fann.  ®urd)  bie  Saufe  Werben  wir  tr/atfäcbjicb,  feiig  ge= 
macb,t,  eben  im  Saufafte,  unb  finb  bon  ba  ab  im  status  salvationis,  e<§  fei  benn,  baß 
toir  au§  ber  ©nabe  fallen. 

Olme  grage  betoegt  fieb,  ber  Sr.,  ber  für  feine  Seb)re  auf  bie  älteren  b,ocb,fircb,=  so 
liefen  Slieologen  Wie  §oofer,  33ancroft  u.  a.  fid)  berufen  fonnte,  mit  biefer  Raffung  auf 
ben  Sinien  be§  fircf)Iicb,en  ßrebo€,  beffen  Verflüchtigung  jur  jtoinglifdien  ®oftrin  er 
gegen  bie  @bangelifcb,en  bertrat,  freiließ  nicb,t,  ob^ne  baß  in  ben  b,od)gefbannten  @rörte= 
rungen  um  ba§  9lecb,t  tbrer  ©ad)e  einige  @ntfd)iebene  (u.  a.  -Ketoman,  Söarb  unb  harter) 
fieb,  in  2lnfcb,auungen  berloren,  bie  bon  ben  rbmifcfjen  fid^  faum  noch,  unterfcf>eiben  laffen,  55 
inbem  fie  jWar  bie  ^mbutation  beg  ©rlöfung^merfö  bureb,  bie  Saufe  gelten  laffen,  aber 
ba3  §aubtgewicb,t  auf  bie  ^nfufion  ber  Äraft  be§  b,I.  ©eifte§  legen.  — 

^n  ber  £er/re  bom  2lbcnbmab,I  beftimmt  bie  Conf.  Angl.  (2lrt.  XXVIII),  unter 
Slbleb^nung  ber  römifcb,en  Söanblung  unb  in  2lnnäfyerung  an  bie  lutb,erifcb,e  Raffung  bon 
ber  auf  1  Äo  10,  16  gegrünbeten  ©emeinfcb,aft  bon  33rot  unb  SKein  mit  bem  Setbc  unb  go 


48  Sraftartamämuö 

Slute  G&rifrt,  ba£  beg  §errn  Waty  nid&t  nur  ein  Seidjen  ber  Siebe  ber  Gfmften 
untereinanber,  fonbern  ein  ©aframent  unferer  SSerfölmung  mit  ©ott  burcr;  ßfmfti  SLob 
fei;  ber  Seib  beg  §errn  Wirb  im  2tbenbmal>l  in  einer  lummlif  d;en  unb  geiftlicfyen  äßeife 
(heavenly  and  spiritual  manner)  mitgeteilt  unb  burd)  ben  ©lauben  genoffen; 
5  2trt.  XXIX,  ber  im  Prayer  Book  ©buarbg  VI.  unb  in  ber  lateinifcr)en  9tebaftton  ber 
Slrtifel  bon  1563  fefylt  unb  bielleidjt  erft  1571  für  bie  Conf.  Angl.  formuliert  Worben  ift, 
fügt  fnn^u,  bafj  „bie  Ungläubigen  .  in  leiner  SSeife  teil  fyaben  an  (Sfyriftug,  fonbern 
bag  geidjen  ober  ©aframent  ju  tfyrer  33erbammm§  effen  unb  trinfen".  ®ie  2lrti!el  ftellen 
alfo  nur  bieg  feft,  bafs  burd;  bag  ÜSJtebium  beg  ©laubeng  Seib  unb  Slut  ßfyriftt  in  einer 

10  „bjmmlifcr/en  unb  geiftlid;en  SBeife"  empfangen  werben;  ber ®ated)igmug  bagegen  fc|eibet 
3Wifd)en  bem  Signum,  SBrot  unb  Söein,  unb  ber  res  signata,  Seib  unb  33lut  6r/rtfti, 
which  are  verily  and  indeed  taken  and  received  by  the  faithful  in  the  Lord  s 
Supper,  jene  alfo  ber  2Iuffaffung  ßalbing,  biefer  Sutfyer  ficb,  näfyemb.  SSeibe  3lnfd)au= 
ungen,  bie  eine  ben  objeftib=realen,  bie  anbere  ben  fubieftib=fr/mbolifd;en  ©aframentgbegriff 

15  bertretenb,  finb  immer  in  ber  englifdjen  ^irdje  nebeneinanber  feftgeb/alten  Worben ;  bie 
äWinglifdje,  bie  bag  2lbcnbmar/I  Wefentlid;  alg  berbflicr)tenbeg  @rinnerunggmar;l  fafjt,  ju= 
le^t  am  entfcfyiebenften  bon  ben  ©bangelifdjen  (bgl.  ©cfyötf  767). 

®iefen  2lnfd)auungen  gegenüber  fud>en  bie  iraftarianer  bem  ©aframent  einen  reicheren 
^nfyalt  ju  geben,  inbem  fte  ben  gebenben  Gb/arafter  ber  ©ucfyariftie  ftarf  betonen.  Über  bie 

20  calbinifdje  Raffung  ber  ©lemente  alg  ^Pfanbeg  unb  ©iegelg  fyinauggebenb,  grünben  fie  (tb,re 
§au^tbertreter  finb,  neben  JReble,  ^ktfet),  9ieWman,  bor  aßen  £>enif on,  9t.  SBilberforce,  Senett, 
%.  Garter)  il)re  euct/ariftifdjen  2tnfd)auungen  auf  bie  batriftif  d>en  unb  älteren  anglif  anifdjen  £eb,r= 
bilbungen.  SSon  2tnbreWg  unb  33ramf)ail,  fagte  ^ßufer;,  i)ahe  id>  gelernt,  bie  2Sorte  xovxo  iaxiv 
im  budjftäbltcfyen  ©inne  ju  f äffen,   ©emgemäfs  lehren  bie  ^raftarianer :  in  ber  Gudjariftie  finb 

25  bie  f  onfefrierten  Glemente  Wafyrfyaftig,  aber  in  mbjtifd) er  3ßetfe  Seib  unb 
33  tut  Gfyrifti  getoorben  ;  ber  realiter  gegenwärtige  Gbrifiug  teilt  fid;  ben  ©laubigen  \vx 
©eügieit,  ben  Ungläubigen  §um  ©ertd)t  mit.  —  ©teg  ift  bie  in  ber  engltfdjen  Geologie 
btel  erörterte  Sebre  bon  ber  Wirfltdjen  ©egenWart  Gfyrifti  im  2tbenbmabl  (Real  Presence), 
bie  als  ba§  2Bef entließe  beg  ©aframentg  bejetdmet  Wirb,  ©ie  ift  traftariamfcfyeg  ©emeingut; 

30  aug  bem  SBiberfbiel  ber  Meinungen  über  bag  2öie  unb  Söoburd;  fbringt  inbeg  Weber 
Klarheit  nod)  Übereinftimmung  berbor.  ©a§  §alfd;e  in  ber  Sefyre  9tomg,  fagt  ^ercebal, 
ift  nicfyt  bie  i)lealbräfenj,  fonbern  bag  Semüben,  bie  2trt  ber  ©egenWart  §u  erklären. 
2ötr  nehmen  bie  Stealbräfenj  alg  eine  faframentale,  getftlicbe  unb  mk)ftifcr)e,  3tom  al3 
fubftantielle,  !örberlid;e,  Wunberbare.  ®urd;  bie  Sßorte  ber  ^onfefeation,  fteCCt  ber  Clerical 

35  Protest  (unter  Berufung  auf  ben  2lnglilaner  ßofin)  feft,  finb  Seib  unb  23lut  real  unb 
fubftantieß  gegenwärtig  unb  Werben  allen  ©mbfängern  nid;t  in  einer  bbr/fifd;en  unb  finn= 
liefen,  fonbern  fnmmlifdjen  unb  unbegreiflidien  ffljeife  gegeben.  9iob!  Söilberforce  aber 
bringt  ba§  ©ef)eimnis  mit  ber  Intonation  6b,rifti  in  3Serbinbung:  bie  ©ud^ariftie  ift  bie 
3?oEenbung  be§  in  ber  9Jknfd)Werbung  ß^rifti  begonnenen  §eilf§werlö;   Wie  biefe   ift  bie 

40  ©udjariftie  eine  objeftibe  2;l)atfad)e,  bon  unferer  Sflitwirtung  ober  ^uftimmung  in  alle 
Sffiege  unabhängig,  ^n  ben  (£infe|ung§Worten  bejeid;net  (ba§  ©a|fubjeft)  xovzo  ba3 
Signum,  owjua  unb  aljua  (ba<g  ^räbilat)  ben  Wab,rb,aft  gegenwärtigen  ©ottmenfdjen 
(bie  res  signata) ;  ioxlv  (bie  5lof)ula)  bringt  bie  faframentale  ^bentität  gum  SluSbrud. 
^Wingli  Wirö  borgeWorfen,   er   berflüd;tige  bie  res  sacramenti,    inbem   er   bie  ©egen= 

45  Wart  nur  f^mbolifd;  beraubte;  ßalbin,  er  trenne  bie  res  sacramenti  (©b,rifti  Seib)  bom 
sacramentum  unb  mad)e  bieg  nur  ju  einem  äu^erlicben  ©iegel,  Woburdj  ©ott  ben 
^ro^ef?  bezeuge,  ber  in  ber  ©eele  be<§  ©mbfängerg  ficb,  bollgiefye;  enblid;  Sutf)er,  er  be= 
l^au^te  ^War  bie  Wirflidie  ©egenWart,  leugne  aber  ifyre  SBirlung,  Weil  er  bie  Rechtfertigung 
nidit  burd)  bag  objeltibe  ©alrament,  fonbern  burd)  ben  ©lauben  beg  ©ubjeltg  bermtttelt  faffen. 

so  —  2luf  Weitere  3^gen  unb  lugbeutungen  mu^  id?  an  biefer  ©teile  beg  9taumeg  Wegen  ber= 
gtd)ten.  Siele  traltarianifdie  ^lieologen  f)aben  in  ben  erften  20  $af)ren  um  bie  begriffliche 
gaffung  fid;  bemüht,  ol)ne  bem  2lnfbrud;  geWadjfen  gu  fein;  cum  res  ad  triarios 
venit,  trat  ^ufety  bor  bie  ©lieber  unb  Warf  bag  ©eWicfyt  feineg  9cameng  in  bie  2öag= 
fdjale;    id;   berWeife  barum  aße,  bie  ber  &a$i  nad^juge^en  Wünfdjen,  auf  feine  Unter* 

55  fuermngen  in  The  Doctrine  of  the  Real  Presence,  as  contained  in  the  Fathers 
(1855),  ferner  auf  feinen  2luffa|  The  Real  Presence  —  the  Doctrine  of  the  English 
Church,  (1857),  enblict;  auf  feinen  3luffa£  On  the  Presence  of  Christ  in  the  Holy 
Eucharist,  (1853).  @r  felbft  fafjt  feine  Meinung  in  ben  furjen  <5a%  gufammen :  ®ie!onfelrierten 
(Elemente  Werben  fraft  ber  fonfelrierenben  Sßorte  ßljrifü  (ntd)t  beg  ^riefterg)  Wab,rb^aftig 

60  unb  Wirllid),   jebod;   in   einer   geiftlitt)en    unb    unaugff)red)Iid;en  SOBeife  ©ein    Seib    unb 


£rnftariant8mu8  49 

Slut,  fyält  aber  über  bag  GkfyeimniS  be£  2öte  feine  eignen  ©ebanfen  jurücf,  tüte  er 
benn  aucf;  für  feine  3Jteinung  bie  allgemeine  guftimmung  feiner  greunbc  nict)t  buxä)= 
gefegt  fyat. 

^nbeS  erfüllt  aus  feiner  Styefe  bie  alle  anberen  Momente  überragenbe  Sebeutung 
ber  ^onfelration.  ©ie  ift  ben  bon  6b>iftu3  auSbrüdlicr;  baju  bebollmäct/tigten  r, 
^erfonen  anbertraut  buref;  bie  aboftolifcb/e  ^ommiffion  ber  Sifcfjöfe  unb  unter  ifynen 
ber  ^ßriefter.  Erfolgt  fie  nicfyt  buret)  bie  £>anb  eine§  regten  ^riefterS,  fo  ifi  fie  leine 
lonfefration.  ®ie  Sutb/eraner  unb  Reformierten  fyaben  lein  ©aframent.  %m  Slnfdjlufj 
an  groubeä  ©a$:  „®aS  Sttacfjen  be3  £etbe§  unb  SIute<§  Efyrifti  ift  ben  Nachfolgern  ber 
2lbofteI  anbertraut",  fagt  SDenifon :  „®er  2lft  ber  Honfefration  macfyt  bie  reale  @egen=  10 
Wart  Er/rifti",  unb  5t  Söilberforce :  „®ie  Eonfefration  ift  ba§  £aubtftücf  in  ber 
Eu<i)ariftie  unb  fann  nur  gefd)el)en  buref)  bie  auSbrücflicl;  baju  SeboUmäcf)tigten"  ES 
ift  ber  fatr/olifdjie  Segriff  unb  ba§  ©aframent  ein  opus  operatum.  —  Über  bie 
iKeife  biefe§  9J?acf;en<5  unb  Söerbemg  be<§  Seibei  ßfyrifti  fyerrfctjt  feine  Übereinftimmung ; 
bie  meiften  fbrect/en  unter  2lblelmung  ber  römifcfyen  Söanblung  bon  einer  „Äserbinbung  15 
ber  (Elemente  mit  EI)rifti  Seib  unb  Slut  buret)  bie  Äonfefration"  (coniunetio  sacramen- 
talis),  fo  ba|  „beibe  ©ubftanjen  in  eine  einige  jufammenge^en",  alfo  bon  einer  $onfub= 
ftantiation,  nicfyt  Wie  bie  Sutb/eraner  (auf  ©runb  ber  mit  ben  Söittenbergern  1536  ber= 
einbarten  unb  in  bie  §omi!ien  aufgenommenen  „^re^efm  Slrtifel  )  bon  einer  buret)  ben 
©enufj  bebingten  coniunetio  realis,  fonbern  bon  einer  objeftiben,  burd)  Eyrifti  SBort  20 
bebingten  ^onfubftantiation.  Unb  ba  al§  ein  §aubtartifel  bes>  ©laubenä  übereinftimmenb  bie 
res  sacramenti,  bie  reale  (Gegenwart  be<§  Seibeg  unb  Sluteä  Eijirifti  in  ben  fonfefrierten 
Elementen  feftgeb/alten  Wirb,  fo  fann  jene  folgerichtig  nur  al§  5Eran§fubftantiation  (Wie 
■fteWman  miß),  „Wenn  auef;  in  feinerer,  geiftiger  Söeife"  gefafjt  Werben  (bgl.  ©.  48 
^ufetyg  3^cfc).  25 

Stuct;  an  biefem  fünfte  fbringt  bie  au§  innerer  NotWenbigfeit  Wacfyfenbe  gortent= 
WicMung  ber  traftarianifct;en  gu  römifcfycn  ©ä|en  in  bie  2lugen.  Sie  §rage  *>er 
3Banblung  ift  $af)re  lang  ber  ©egenftanb  ber  Erörterung  geWefen.  ®en  £>öfyebunft 
erreichte  fie  in  bem  bielberufenen  ©treite,  in  ben  fiel)  ßanon  Sibbon,  bamalg  ber  glän= 
jenbfte  ^anjelrebner  Sonbong,  mit  bem  weniger  berebten,  aber  gelehrteren  9Tionfignore  Gabel  30 
einliefe  (SDej.  1874).  ®ie  ^ramgfubftanttation  leugnen,  Wie  Sibbon  e3  im  ^ntereffe 
feiner  greunbe  tfyar,  ger)t  nicf)t  an,  erWiberte  ifmi  Eabel;  bie  gan§e  ritualiftifd)e  Sitteratur 
bezeugt  fie.  ©0  mufete  ber  Eanon  bor  ber  überibältigenben,  au§  Breviaries  unb  Manuals 
gegolten  Sejeugung  ber  ©acf;e  bie  ©egel  ftreidjen  unb  feinem  ©egner  (12.  SRärj  1875, 
Srief  a.  b.  STimeS)  zugeben,  bafe  „manche  SDinge  träten,  bie  fieb^  nur  auf  bem  ©tanb=  35 
bunfte  Storni!  berteibigen  liefen" ;  eine  fernere  SBunbe,  bie  Sibbon  berfönlic^)  unb  feine  ©acf)e 
traf,  ob^ne  bafs  er  fie  berbient.  @r  berbanfte  fie  ben  unbefonnenen  prangern  unb  i§ren 
römifcl;en  Übergebanfen.  Sei  ben  SSorten:  ®ie§  ift  mein  Seib,  Reifet  e§  im  Little 
Prayerbook,  müfet  xi)x  glauben,  bafe  Srot  unb  SBein  roirflicb^  Seib  unb  Slut 
6f>rifti  to erben.  Seugt  eure  §erjen  unb^niee  in  tieffter  Anbetung,  roenn  ber ^ßriefter  40 
biefe  fcfjauerboHen  9Borte  fbricf;t;  benn  mirflicl;  unb  ma^rb^aftig  ift  euer^eilanb  auf  bem 
Slltare  gegenwärtig.  Unb:  2öir  muffen  glauben,  bafj  ber  Seib  6f)rifti,  ber  geboren  ift 
unb  am  Ureuje  litt,  mirfliel),  toal)rb;  aftig,  fubftantiell  unb  ortlicf)  (really, 
truly,  substantially  and  locally  present)  in  ben  Elementen  gegenwärtig 
ift;  wenn  hinzugefügt  Wirb:  „ofyne  bafe  bie  Elemente  berWanbelt  finb",  fo  ift  ba^  na=  4,3 
iürliclj,  fo  lange  3Borte  ©inn  b/aben,  eben  nur  ein  ©biel  mit  entleerten  SBorten.  Seim 
2tbenbmal>l  Würbe  unb  Wirb  in  ben  Sftrcfyen  ber  entfcl)iebenen  Tonart  gefungen:  ,,^n  fein 
gleifcf)  ift  Srot  berWanbelt,  Qn  fein  foftbar  Slut  ber  2öein";  unb  im  Riss  of  Peace 
Wirb  aller  Serfcl)leierung  ein  Enbe  gemacht  mit  bem  ©a£e,  bafe  ber  1)1.  ©eift  bureb^  bie 
Äonfefration  be§  ^ßriefterö  eine  SSerWanblung  ber  ©ubftanj  (conversion  of  the  whole  50 
substance)  be§  Sroteö  in  bie  ©ubftanj  be^  Seibe§  Sl)rifti  beWirle.  S"oc§  mufe  S^^S1 
Werben,  bafe  ba3  Überfcf)Wenglicf)!eiten  einzelner  finb,  bie  bie  güfyrer  nicl}t  billigen. 

©ine  Weitere  römifcfye  Senbenj  f>aftet  ber  mafegebenben  ©teHung,  bie  ber  Stcalbräfenj 
im  2tbenbmar/I  jugeWiefen  Wirb,  infofern  an,  al<§  biefe  in  ber  @ud)ariftie  jum  Dbfcr  = 
begriff  weitergeführt  b^at.  ©cfyon  groube  unb  ?ßercebal  Ratten  bas>  xovxo  noieixs  (1  Äo  65 
11,23—26)  gegen  ben  ©bracfjgebraucf)  al<S  sacrificite  gebeutet;  NeWman  (unb  mit  if)tn 
biele  anbere)  faffen  bie  Eucf/ariftie  „alg  fommemoratibeö  Dbfer  für  bie  Sebenben  unb 
3;oten  p:  Vergebung  ber  ©ünben";  „al§  ba<§  clEjriftltc^e  Dbfer  ift  fie  bie  Ärone  bes 
©otte§bienfteö,  ber  befonbere  2l!t,  in  Slraft  beffen  bie  Wirffame  Jvürfbracb,e  be6  §aubtca 
ber  Slirdje  im  §immel  f)inabreicb^t  in  bie  untere  ©bb/äre  unfere^  ©otteSbienftefg"     3lller-  uo 

8leaI=(SncetIo|)äbie  für  Xfceologle  unb  Sit^c.    3.  SH.  XX.  4 


50  SraltartamSmuS 

bingS  feine  Sßieberfyolung  be§  Dbfer3  am  5treuj,  benn  @r)rtftu3  ift  nur  einmal  für  alle 
Reiten  geopfert,  aber  bie  Vergebung  ber  ©ünbe,  bie  Rechtfertigung  unb  2tnnat;me  be3 
©ünberS  bei  ©Ott,  burcr)  ba3  Dbfer  am  Sfreug  jutoege  gebracht,  Wirb  burct)  ba<§  Dbfer 
am  Slltar  abb^iert.  Sie  £f>efe  ^^  begrünbet  bur<$  ben  §tntoetS  barauf,  baf$  gunäd^ft 
5  zwar  nur  @f)rtftus>  al<§  res  sacramenti  geopfert  werbe,  bie  Äirdje  aber  als  ber  mtjfttfc^ie 
Seib  ßbjifti  mitbeteiligt  fei.  ©o  Wirb  bie  @ud£)ariftte  jutn  Dbfer  ber  fotleftiben  ^irdje, 
aber  aud;  jum  Dbfer  ßbrifti,  ber  obfembe  Sr/rtftuS  unb  zugleich  fein  mtojttfd&er  Seib 
bie  Äirctje. 

©nblid;  ift  au§  bem  begriff  ber  Realbräfenj   einerfeitä  auf   bie    objeftib    reale 

io2öirfung  beS  ©aframentg  gefolgert  Worben.  Radjbem  im  Anfang  ber  ©ntwicfelung 
bie  reformierte  fiebere  (2lrt.  XXIX)  accebtiert  War,  aud>  bon  $ufer/,  r/ercfdjt  jefct  im 
Wefenilid;en  Übereinftimmung,  bafj  Sßürbige  unb  llnWürbige  im  Stbenbmat/I  ba3  ©leidje 
empfangen,  mcr)t  nur  ba§  (Element,  fonbern  aucf;  ben  gegenwärtigen  ß^rtftuö,  biefe  jum 
©ericfyt,  jene  jum  ©egen.  —  2lnbererfeii§  tyat  bie  9teal^täfen§,  in  ber  ^rarjg  WenigfteniS, 

15  jur  Slnbetung  ber  Elemente  geführt,  toenngleid)  bie  Stfyeorie  nur  bie  Slnbetung  be§  im 
2lbenbmar)I  gegenwärtigen  Sr/riftuS  forbert.  SBenn  gefaßt  toirb:  Anbetung  gebührt  bem 
Seib  unb  33Iut  6£>rifti,  bie  Wirflid;  unb  Wal)rl)afiig  in  ber  ©eftalt  bon  Sßrot  unb  2Sein 
gegentoärtig  finb,  bie  (Elemente  aber,  burd)  bie  Seib  unb  33Iut  empfangen  Werben,  bürfen 
nid)t  angebetet  Werben  ($Denifon),  ober:   ber  gegenwärtige  (El)riftu§,  nidjt  ba§  ©aframent 

20  ift  anzubeten  ($ufer/),  fo  ift  bag  ein  für  bie  $rarj3  Wertlofer  £)oftrinari<omus>,  ber  in  ber 
firdjlicben  Übung,  fo  lange  SRenfdjen  bie  2tnbetenben  finb,  an  fid)  bebeutunglloS  ift, 
Wofyl  aber  bie  ©efalir  be<§  ©ö|enbienfte§  in  greifbare  3^ä^e  rücft. 

®te  Seicfjte   ftetlt  bie  englifdje  $ird)e  im  Unterfcfyieb  bon  ber  römifcf;en  in  bie 
greit)ett  be§  (Einzelnen  unb  fyält  bamit  bie  tfyatfädjlidje  23erflüd)tigung  ber  Übung  unb  bie 

25  Abirrung  ins  gormentum  fern.  —  Jgnbeg,  Wenn  bie  ^raltarianer  Setzte  unb  Slbfolution  jum 
Rang  eine§  ©aframentS  ergeben,  inbem  fie  betben  bie  SBieberr/erfteffung  ber  burd)  bie  ©ünbe 
berluftig  gegangenen  Staufwiebergeburt  unb  bie  33oßenbung  be<§  geiftlicf/en  SebenS  ju= 
fdjretben,  fo  machen  fie  für  ben  im  ©lauben  ftefjenben  ©giften  beibe  jur  notWenbigen 
unb  unentbehrlichen  §eil§f)ilfe.    ©o  tritt  in  biefem  Sefyrftüd"  bor  anbern  baS  ©Aftern  ber 

30  briefterlidjen  2lIIgeWalt  gu  %age;  bie  Ritualiften  f äffen  bie  2lbfolution  nicfyt  als  beflara= 
torifdjen,  fonbern  als  jubijieHen  2lft,  als  Urteil,  nicfyt  als  ©acfye  ©otteS,  fonbern  beS 
^ßriefterS.  „®er  einige  2ßeg  gur  Vergebung  ber  nacf;  ber  ^aufe  begangenen  ©ünben 
—  icb;  toieberf)o!e  e§,  e<§  giebt  feinen  anbern  —  ift  faframentale  Seichte,  bie  33eicf)te  bor 
bem  ^riefter"  (Piain  Words  on  Confession,    6),  unb  ber  erfte  Traet  for  the  Days 

35  berfteigt  fid)  ju  bem  ungeheuerlichen  ©a^e :  ber  3JIann,  ber  ©ott  beiztet,  may  be  for- 
given,  ber  einem  ^ßriefter  beichtet,  must  be  forgiven.  §ier  fommt  ber  forcierte  s$riefter= 
begriff  ju  feinem  brägnanteften  2lu§brucf,  Wenn  bie  Sorficfytigen  berartige  Übergebanfen 
auc^  abjubämbfen  berfucfyten.  S3ebarf  nun  ber  ^riefter,  bamit  er  lo3fbred)e,  über  ba§33e= 
fenntnis  ber  allgemeinen  ©ünbb^aftig!eit  b^inauö  ba<§  33e!enntni§  ber   einzelnen  ©ünben, 

40  fo  ift  bie  Dbjenbeicr/te  gcforbert,  bie,  bon  ber  offiziellen  Uircfye  nid^t  angeorbnet,  bon  ben 
9?itualiften  in  praxi  eifrig  gebflegt  Wirb  unb  eine  reiche  a§!etifcl)e  Sitteratur  gur  golge 
gehabt  f)at  (bgl.  u.  a.  harter,  The  Doctrine  of  Confession,  1869  unb  The  Free- 
dom  of  Confession,  1877 ;  ©regier;,  Ordinance  of  Confession,  unb  ba§  berüchtigte, 
hinter  ben  fcblimmften  Seiftungen  ber  römifd)en  Sujjbi^iblin  ntc^t  jurücfbleibenbe  §anb= 

45  bud)  The  Priest  in  Absolution,  beffen  erfter  %i\l  1866  anonym  erfaßten,  toä|renb 
II   nur  afö  2Begtoeifer    für   ben  S^Ieruö    1886   gebrucft  tourbe).  — 

2lu§  biefem  auf  bie  toefentlict/en  ©runb^üge  befcfjränften  Sefyrumrtfj  treten  al§  ah 
fd)lie^enbeg  (Ergebnis  biefe  jtoei  ©ä^e  f)erau§:  gef  djiicr; ttidt)  betrachtet  bebeutet  ber  ^r. 
ben  $roteft  gegen   ben  ^roteftanuSmuS  beä  16.  %ab,xb,§.  5Kacbbem  in  ber  ßircfye  @Iifabetl)g 

so  bas  ©ebetbucl)  ©buarbg  VI.  gegen  ben  fontmentalen  ^mbort  fiel)  fiegreid?  berteibigt,  blatte 
mit^oofer,  Sancr oft  unb  ben  Canons  bon  1604  ber  ©egenftofs  eingefe^t,  beffen  SBirfungen 
burd;  bie  „großen  2lnglifaner"  2lnbretoe§,  Herbert,  ®onne,  Saub,  ^er.  %av)lox,  ©bleiben, 
6ofin,  aBilfon,  Sancroft  unb  Rm  bertieft  Würben ;  aber  fie  ganj  burd^ufe^en,  in  Seb;re,  ^ult 
unb  23erfaffung3fragen  (aSert) ältniä  %um  ©taate)  War  feinem  gelungen.    SDie  ^raftarianer 

55  festen  ein,  Wo  ^en  unb  Sancroft  aufgehört,  unb  gaben  ber  anglifanifcf;en  ^bee  jWar 
nid;t  ii)t  enbgiltigeS  unb  le|te§  ©ebräge,  immerhin  aber  führten  fie  ^u  einer  ÜberWinbung 
ber  fircfjlicfien  3Röte,  unter  benen  nacb^  tt)rer  3Jieinung  bie  englifcf;e  Kirche  burcl;  bie  SSer= 
getoaltigungen  ber  Deformation  gelitten.  Ql>re  Slufgabe  War  bie  Sefeitigung  be3  afatb;o= 
Iifd;en  ^rembgute§,  baS  im  16.  ^afyrfyunbert  bie   freie  gafyrt   ber  englifc^en  Deformation 

so  ju  befd)Weren  unb  il>re  Richtlinien  umzubiegen  berfud;t  ^atte,  b.  i).  bie  2öieberl>erftellung 


£raftariani8mu§  51 

ber  9?ationallircbe  auf  ben  Sintert  Ebuarbg  VI.  ®te  Bewegung  ftrebt  bie  (Säuberung  ber 
Kircfye  EnglanbS  bon  ben  religibfen  Säuberungen,  bte  fie  in  ben  fielen  unb  ©bftemen 
3winglt§,  SutberS  unb  Ealbin3  fanb,  an  unb  ergebt  ben  Slnfbrucb  auf  Infiorifdje,  bog= 
matifcfye  unb  organifatorifcbe  Kontinuität  mit  ber  brimittben  Kircbe,  auf  ben  tarnen  einer 
reformierten  Kirche  jWar,  Weil  fie  mittelalterliche  Sftißbräucbe  befeitigt,  bte  SBibel  bem  5 
Volte  Wiebergegeben  unb  bie  ©eWalt  beS  ^3a^fte§  jerbroc^en  fyat,  gugleic^  aber  „in  ber 
gütte  ifyre§  gefdjicbtlidjen  Stetig  unb  ber  WiebergeWonnenen  freien  $rar,t<§  auf  ben  Tanten 
einer  fatfyolifdben  Kirche"  (Söaleman,  493). 

©ogmatifct)  angefer)en  bebeutet  er  anberfeitö  bie  Umwertung  ber  ibealen  gebend 
guter  be£  gläubigen  ©ubjeftS  in  objeftifcfafjbare  l^atfacfyen.     SDa3  innere  Erlebnis  ber=  10 
objeftibiert  fid; .,  i&m  in  äußere  SDarftelJung   be§   religibfen   EmbfinbenS,  ber  ©taube  in 
ba3  Söerf,  bie  Übung.    ©0  wirb   ifim,   Wäfyrenb  al§  feine  ©runbierung  bie  ftarfe  9lad)- 
brüdlicibfeit  erfcfyeint,  bie  er  auf  bie  Erhebung  be3  VrtefterS  ju  einer  2lrt Übermenfdjentum 
legt,  eine  Kird)e  ber  äöir!lid)letten  jum  3*el.  ©er  %x.,  aud)  in  ber  gorm  beS  SJütualtSmug 
bungert  nad)  Realitäten.    t)a§  ergiebt  ficb  au§  feinem  Segriff  ber  Kirche  als  einer  ficb>  15 
baren,  realen,   in  ber  äße  2öab,r|ett  objeftib  gegeben   ift,  ber  Rechtfertigung  als  realer, 
burd)  bie  ©aJramentSgabe  bermittelten  SebenSmitteilung,   ber  burcb,  bte  aboftoltfcfye  ©uc= 
ceffion  realiter   mitgeteilten  SlmtSgabe  unb   au$  ber  realen  ©egenWart  Ebjtfti   in   ber 
Eucbariftie,  in  abgeleiteter  SOikife  aus  feiner  Stellung   jum  KuttuS,    beffen  gönnen   bie 
faßbare  2tuSbrägung  religiöfer  SöirflicfyfeitSWerte  finb.    £)ie  gorm   ift  il)m  fein  2lbia=  20 
pfyoron,  fie   mu|  bem  $nl)alt,  ber  ^bee  entfbrecben;    baf)er  feine  Vorliebe  für  bte  reiche 
2luSgeftaItung  unb  Vracfyt  (gorgeousness)  ber  ©otteSbienfte,  bie  er  auS  formlofer  3lüd)- 
ternt)eit  in  bte  ©bfyäre  ber  Anbetung  (more  worship)  erhoben  b,at.    Enblicb,   bat  er  e£ 
unternommen,   biefen  Söirfticbjeit^ug   bem  djriftlicfyen  Seben  ju  geben.    ®ie  Kircbe,   als 
Seib  61)rifti  ein  Organismus  in  feftgefügter  ©efcbjoffenb, eit  fircfylicljer  ©runbfä^e  unb  Vor=  25 
fdr)riften,  fott  burcb,  baS  gan^e  Reicr;  bin  baS  Seben  regeln  in  §auS,   Kirche,  ©cbule,   in 
ben  rx>trtfdr)aftltdr)en  unb  toolittfcben  Betätigungen,  2jb,re  Wabten  ©lieber  werben  bieg  nicf)t 
burd)  bie  innere  Erfahrung  ber  ©nabe  (Belehrung),   fonbern   burd)   baS  ©aframent  ber 
Xaufe,  bebürfen  aber  jur  Ert/altung  beS  ©nabenftanbeS  beS  VriefterS  als  geiftlidjen  Be= 
raterS;  unb  biefer  brtefterlicfyen  3l!tton  foß  eine  reiche  aSfetifdje  Sitteratur  jur  SluSWirfung  30 
in  ber  ©eftaltung  ber  geiftigcn  Kultur  berbelfen.  — 

V.  j)ie  SBirfungen  ber  Bewegung.  SBtr  fefyen  eS,  auf  fel)r  bielen  ©ebieten, 
unb  ntcbt  nur  beS  fircbjicben  SebenS,  fyat  ber  Xx.  tiefgebenbe  SBanbtungen  jur  golge  ge= 
b^abt.  ©ein  unbeftreitbareg 33erbienft  ift  in  erfter  Sinie  bie  Erneuerung  unb  Vertiefung 
bes  lird)ttcben  ©eifte3.  @r  i)at  bie  nationale  $irct)e  au§  ober  Xt)atenIofig!eit,  geift=  35 
lofer  %lad)i]i\t,  fjinträumenbem  Sebagen  am  2eben§genuf$,  bon  ber  unfreien  Erfüllung 
formaler  $flict)ten  unb  bem33anne  ber  ^ßf/rafe  unb  formet,  mit  bem  ber  Kern  be3£eben§ 
bittet  umbängt  mar,  befreit,  fie  erfüllt  mit  briefterlicfjem  ©eifte  unb  angefbornt  ju  ben 
grofjen,  befreienben  ^Tbaten,  bie  ber  Stftenfcbfy eit  au§  ber  SLiefe  be3  ©emüt§  geboren  roerben 
unb  fie  auf  bie  §öb,en  führen,  wo  ©Wigfeitgluft  Wel)t.  ^n  mannen  Begebungen  fd)o^  40 
er  überg  $id  f)inau§,  in  anbern  tabbtc  er  blinb  auf  ben  $rrWeg.  ©oWeit  el  ficb,  um  feine 
legten  3iele  b^anbelte,  ift  er  in  -JJlifserfoIge  geraten;  er  bergafe,  baf?  „§immel  unb  SBelt 
fic|  nur  berühren  unb  unboMommen  finb,  Weil  fie  e§  mit  3)?enfcben  ju  t^un"  f>aben. 
Stber  er  ift  aufgeftiegen  au<3  eblen  unb  fruchtbaren  3JJotiben.  ®ie  äöal>rl)eit  unb  baS  ©ute, 
bag  er  gewollt  unb  mit  bem  er  begann,  liat  jule^t  al§  fruebtbringenber  ©ame  in  ber  45 
ganjen  Kirche  nacfygeWirft,  alö  Bobenfa|  finb  nur  bie  ejtremen  romanifierenben  Elemente 
gurücfgeblieben,  unb  biefe  finb  im  Saufe  ber  Entwicklungen  nicfjt  meb,r  bie  Berfübrer 
geblieben,  al§  bie  fie  anfangs  ba<§  odium  be§  ganzen  KircfyenboUs»  ju  tragen  Ratten, 
^n  feiner  gemäßigten  gorm  ^at  er  alfo  ber  b^eimifd;en  Kirche  fef)r  mefentlicfye  ©ienfte 
geleiftet.  w 

Unbeftreitbare  unb  unbeftrittene  Erfolge  Weift  er  auf  bem  ©ebiete  ber  fo  = 
gialen  2lrbeit  auf.  SDer  ©eelforge  b/at  er  ganj  neue  2öege  geWiefen.  ©eine  ©eift= 
lieben  berjef)ren  in  ber  Strbeit  an  ben  Waffen  i|re  Kraft  bi§  jur  Erfcfybbfung,  foWeit  ba§ 
Kuratentum  in  grage  lommt,  bei  meift  unau§fömmlicl)em  ©efyalt.  SnDeni  er  m^  ^er 
©leid)berecbtigung  bon  Slrm  unb  sJteicb,  in  ber  Ktrcbe  Ernft  machte,  l;at  er  bie  iu'tfun!enen  55 
unb  Verirrten  auf  ben  rechten  2ßeg  gebracht  unb  ben  Elenben  burd)  ein9ie£  großartiger 
Siebe§Wer!e  ju  einem  Anteil  an  ftitlem  SebenSglüd  berb^olfen. 

©eine  SBürbigung  ber  Kunft  fyat  eine  ftrd;lid)e  2lftb,etil  gefdjaffen,  in  fraft 
berer  er  biele  au§  ben  ber  Kird^c  entfrembeten  oberen  ©efcllfcb,aftfd)id)tcn  biefer  Wiebcr 
gewonnen    fyat.    ®urd;  ^erübernabme  ber  Vrojeffion,  l^ircbenfabnc,   3Bcif)raucb,  ©breng=  co 

■1* 


52  SraftemantSmuS 

roaffer,  Slltarfreuj  unb  4ia)t,  ^Dcefjgeroanb  unb  ölumenf^mud  (namentlich  im  Söinter) 
unb  anbete  auf  ba3  ©efüfyl  roirfenbe  ©inge  £)at  er  fidj  namentlich  unter  ber  grauen= 
toelt  eine  begeisterte  unb  opferwillige  ©efolgfcfyaft  gefcfyaffen.  ©eit  ben  70er  lyabjen  l>at 
biefer  üuItuS  be3  Schönen  bie  $ir$gemeinben  roeit  über  bie  ©renje  be§  in  ber  „re= 
5  formierten"  ftircfye  ©nglanbä  Statthaften  in  Slnfbrudi)  genommen.  Sie  frühere  @tnfacfy= 
l)eit  unb  fyerbe  ßraft  ber  ©otteSbtenfte  fyat  ber  %x.  berlaffen  unb  einer  §r/bertrotofyie 
be£  fulttfd&en  Sluäbrucfig  bie  2öege  gebahnt,  bie  einen  3ug  narfotifcfyer  ©innlicr/feit  trägt, 
©in  fcb>üler,  meiner  Son,  ber  in  33erbinbung  mit  bem  burcr;  farbige  genfter  ge= 
fct/affenen  §alblicb,te   bie   mbjiifcfyen  Gräfte  ber  ©eele  auSlöft  unb  ber  auf   bie  bon  ifym 

10  gefugte  ©rregung  unb  Vertiefung  ber  2tnbacf)t  betäubenb  Wirft,  ift  bie  ©ignatur  ber 
©otieäbienfte  (befonberS  in  ben  ©täbten).  Söenn  au§  ben  in  ben  SBöIbungen  ber= 
bämmernben  klängen  be§  geiftlicfyen  SSoIIöltebeä  —  einen  Choral  b)at  bie  englifcfye  $irct)e  nicfyt 
—  loeic^e  2lnbad^>t  in  bie  jitternbe  ©eele  fiel)  taftet,  Wenn  in  ber  ©ucfjariftie  bei  benSöorten: 
Take  and  eat  this  body  bie  ^jol^^one  ©eroalt  be§  bollen  Sßerfg  majeftättfcf;   einher: 

15  brauft  ober  beim  ßrebo  ein  SDteer  bon  SLönen  auf  raufcfyenben  gütigen  burct;  bie  fallen 
flutet,  roäljmt  ber  £>örer  ficf)  in  einen  fatl)olifcf;en  ©om  berfeijt.  —  2lber  bie  ©efafr  ber 
40er  unb  50er  3>a|re,  ba$  ber  %t.  auct;  burcfy  biefe  3)inge  jum  33afynbrecr;er  für  9iom 
werbe,  befter/t  rticr)t  mefyr.  SDie  Übertritte  fyaben  aufgehört,  unb  ba§  $irct)enbolf  fier)t  in= 
tereffiert,  aber  ungeängftet  auf  ben  girlefan^  ber  ©etoänber;    eine   mefyr   als   50jäfyrige 

20  (Erfahrung  I)at  gelehrt,  bafj  er  ben  nacb  mfyftifcfyer  (Erregung  berlangenben  ©emütern 
bielfacb,  gerabe  ba^jenige  bietet,  roa§  fie  ofyne  if>n  in  bie  römifcfyen  2frme  treiben  Würbe, 
^nfotoeit  f/at  er  ben  (Erfolgen  ber  $robaganba  Stoma  fogar  2Ibbrud)  getfyan.  §at  ber 
%x.  in  ben  ßeiten  r)ocf)grabiger  ©toannung  biele  ©eiftlid)e  unb  Saien  fyinübergetrieben, 
ber  9fttuali§mu§,   aus  ©cr)Vt>ä^e  unb  Unterbrücfung  r)erau<SgeWad)fen  unb  auf  allen  ©e= 

25  bieten  be§  fircbjicfjen  £eben§  gu  (Einflujj  gelangt,  b,at  mit  feiner  früheren  @mE>eitItd^= 
Jett  unb  ©efcf)loffenl)eit  bie  ettoa  ©ct)Wanfenben  in  fefter  Ülaminer  gehalten;  aucb,  feine 
33erbinbung  mit  bem  §ocf)fircr)entum,  an  ba§  er  feit  ber  $ar)rIJMnbertWenbe  feine  Gräfte 
abzugeben  begonnen  r)at,  f>at  ifyn  meb,r  unb  meb^r  bor  ben  alten  Irrwegen  beroafjrt,  unb 
in  ben  formen  be§  Kultus  unb  ber  ©eelforge,  bie  jenes  bon  il)m  al<§  (Erbe  überfommen 

30  b,at,  ftefyt  er  mit  breitem  $ufje  im  firtf)Iic£)en  Seben;  bon  ben  runb  1000  Sonboner 
©taatgftrdjen  füllen  ttWa  bie  §älfte  meb^r  ober  toeniger  bie  ritual^ocpiräplicfje  Söeife 
Pflegen. 

©ein  au§  ber  Siebe  ju  ber  lat^olifc^en  SSorgeit  geborene^  Äunftintereffe  t)at  itid^t 
minber  auf  bie  ftrcfylicfye  33  au  fünft ,  2trd)iteftur,  Malerei  unb  Tlu\\i  geibirft.  3lu3  ber  toürbe= 

35  lofen  33ernad)Iäffigung,  unter  ber  bie  unbergleid^Iid^  fcfybnen  englifd^en  ®ome,  faft  alle 
©enlmale  au§  ber  Slütejeit  ber  mittelalterlichen  ^unft,  im  17.  unb  18.  Qa^unbert 
litten,  al§  bie  lircb.lid^e  2lrcb,iteltur  eine  bergeffene  Hunft  geworben  roar,  finb  fie  ^ur 
alten  ©infacfyfyeü  unb  ©c^önb,eit  roieber  emborgeftiegen,  biele  neue  ^irc^en  finb  nacfy  ben 
beften  alten  duftem  gebaut,  unb  bie  befteb,enben  bon  gefcfmiadlofen  ©inbauten  unb  fonftigen 

40  aßerfc^Iimmbefferungen  befreit  toorben.  ^b,re  Qnnentoirfung  ift  burcfy  Farbenreichtum  an 
©äule  unb  genfter  bertieft,  bem  ©anjen  eine  eble  Skifye  gegeben  unb  burcb,  ftilboße 
Silbtoerle  an  Mangel,  Saufftein,  Settner  unb  SSänben  bie  in  ber  „©bocb.e  ber  iünd^e" 
untergegangenen  intimen  3Jeije  ju  neuer  ^aäenber  2öirllid;feit  getoeört  toorben.  3)ie  9fr 
tualiften  nehmen  biefen  2luffcf)roung  ber  ftrcbiicfyen  ^unft  für  fi^  gern  in  Slnftoruct),  ntd^t 

45  ganj  mit  Stecht,  ©en  ©ebanlen  einer  äftfyetifcljen  Sieform  b,at  bor  ifynen  bie  Church 
Building  Society  bertreten,  bie  fcfyon  in  ben^afjren  1818—33  burcb,  2tuftoenbung  bon 
6  Millionen  ^fb.  ©t.  für  Neubau  unb  28ieberf)erftellung  bon  ^ircf)en  jenen  ein  nadj>= 
ab,menötoerte§  Vorbilb  gegeben.  —  2tucf>  bie  lirc§licb,e  Äleinlunft  (an  £reuj,  ^ru^ifij, 
£eucb,ter,  ^ßatene  unb  Mfy)  berbanlt  iljnen  biel  Anregungen,  unb  felbft  auf  bie  ©egen= 

so  feite,  too  ib,re  Reformen  anfangt  ben  2lrgtool)n  toecften,  b,at  ib^re  üunftübung,  nicb^t  nur 
auf  bem  rein  !ultifc§en  ©ebiete,  bielfacfy  borbilblicb,  getoirh.  — 

.  Slucfy  auf  bem  ©ebiet  ber  religiöfen  SKalerei  finb  fie  baf>nbrecb,enb  getoorben. 
®§  ift  !ein  bloßer  ßufall,  ba|  bie  ^räraffaeliten  (@bto.  Surne&SoneS,  WliüaiZ,  2B.  §. 
§unt,  Dbfetti  unb  SEß.  Sranc)  t^r  !ünftIertfcf;eS  Qbeal  in  ber  ßeit   be§   bom  %x.  beein= 

55  flufjtm  Itrc^Iic^en  2luffcb,toungg  gegen  ftarfe  Sßiberftänbe  bura;fe|ten.  Seibe  trieb  ber 
gleiche  ©eift,  3Sergangen^eit§mäcb,te.  ©ie  machten  §alt  bor  ber  mobern=!laffifcb^en  ^unft 
be§  (Cinquecento,  bie  bie  2öal)r^eit  unb  (Einfalt  ber  mittelalterlichen  Malerei  berlaffen 
b,atte,  unb  fanben  i£>r  Qbeal  jurücfgeroenbet  ju  ben  Reiten,  in  benen  alles  Äußere  6b^riftum 
befannte  unb  bie  ®unft,  eine  3Dtagb  ber  $ircf)e,   guerft  bie  2öat;rr)eit,  banact)  bie  ©cbbn= 

60  f>eit  fucftfe. 


£raftariatttS!iiu§  XroftatgefcUfctjaften  53 

(rnbticb,  tiaben  bic  Xraltarianer  and)  bic  ÜRuf  tl  in  ben  £>ienft  berSlircfye  geftettt  unb 
burcb,  9tücfgang  auf  bie  alte  klafft!  (16.  unb  17  Safyrfyunbert)  unb  burcb,  Sluöbilbung 
guter  $ircr)encr)öre  bein  ßlenb  beä  in  ©ngtanb  ftcfy  wie  nirgenbS  breitmadjenben  ^Dilettanten^ 
tumS  bietfact;  ein  @nbe  bereitet.  Man  fann  in  ben  Sonboner  Äircfyen  im  Söinter  bie 
Vaffioncn  $.  ©.  %$ad)%  unb  bie  Steffen  ValeftrinaS  in  botlenbeten,  oft  Wieberf>otten  2luf=  5 
füfyrungen  unentgeltlich)  geniefsen.  Unb  aud)  t)ier  finb  ir)re  borbtIblicr)en  iiRücftoirfungen 
auf  bie  ifmen  nicr)t  ungehörigen  ürcr;Iid)en  Greife  unberfemtbar.  — 

©nbergebnis.    Stact)  aKebem  ift  ber  %t.r  Wie  ©d)ötl  treffenb  gefagt  fyat,  ein  ger= 
ment  geworben,    ba3  in   bag  faulenbe  §oct)fircr/etttum   neue§  £eben  brachte;    aber   fein 
letjteS  3tel,  bie  englifcfye  ©taat§fircr)e  in  bte  brimitibe  jurücfjubilben,  felbft  auf  bem  Üm=  io 
Wege  über  Stoin,  b/at  er  rttd^t  erreicht.    Stuf  allen  fünften,  Wo  er  ba3  brimitibe  Softem 
grunbfä|licf)  burcb^ufeljen  berfucfyte,  ift  er  auf  gefetjlicfje  §inberniffe  unb  auf  ben  28iber= 
]pxud)  au£  ber  eignen  Mitte  (au§  bem  ©orefet/en  Greife)  geflogen  unb  an  bem  broteftan= 
tifcfyen  ©inne  be§  englifdjen  VolfeS  gefcfjeitert.    Stur  bieg  bat  er  bermocr)t:    er  ^at  biete 
Söege   ju  ber  ©eete   be£  3Sol!§  gurücfgefunben  unb  bie  treibenben  $eime,   bie   aus»   bem  15 
firef/licr;  gefinnten  Mittelalter  Wie  bie  Stfmungen  eines  triebfräftigen  9?euen,  ÜberWinbung 
ber  ©egenWarrSnöte  unb  Vertiefung  be§  ftrc|ticr/en  ©mbfinbenS,  in  jitternbem  §offen  in 
ben  engtifeb/en  bergen  Wirkten,   ju   kräftigem  Stntrteb   gebraut.    ©aS  2öar)re   unb  ©ute, 
mit  bem  er  begann,   fyat   er  naefy  heftigem,  oft  leibenfcfyaftltcljem  ©ireite  jum  Seben  gc= 
bracht.  Slber  fein  Mangel  an  Vefonnenb/ett  unb  fbelulatiber  Straft  unb  feine  Uebertreibungen  20 
Waren  fein  Unrecht  unb  feine  ©cf)Wäcr)e.  'JJubolf  Subbenfteg. 

£raftatgefeUfd)aftett.  —   Sitteratur:  gliegenbe  Vlätter  au§  bem  «Raulen  £aufe  uoit 
1844  an;    28id)ern,  Sie  gmtere  SJiiffion  ber  beutfcfyen  euang.  Sirene.  35enffd^rift  1849,  £am= 
bürg  3.  Stuft.   1889,    @.  62 ff.;     ßotoe,  ®rittfcbe  SJJufferung  ber  Sraftate  beutfd>ebangeliftf)ev 
©efetlfctjaften,    Hamburg  1852;    ©cbaubad),    gur  ßfjarafteriftif   ber   heutigen  SSotfSliteratur,  25 
Hamburg  1863;    Vobemann,  Sie  Verbreitung   diriftltcber  ©Triften,  ©ott)a  1868;     ©täbeltn, 
Sa§  £raftattoefen,    2.  Stuft.  Vafet  1873;    Döpfner,   Vrattifdjer  SBegroeifer    buret)   bie  diriftl. 
VoIBlitteratur,  Sonn  1873;    öobeef,   Sie  Sorge  für  ba§  Vot£§fd)riftemriefen,    Setpjig  1877; 
Sdjäfer,  ÜKonat§fcf)rift  f.  3nn.  SCftiffiort,  Hamburg  1878/79  (©erlacb,);  berf.,  $3t(S\  Vb  XV: 
Srattatgefellfcbaften;    (Schneit,   Sie  50  erften  ^aljxe  be8  Vereins  jur  Verbreitung   c^riftlidjer  30 
©djrtften,  S3afet  1884;  ^al}fer,  Sie  SSerforgung  ber  ©emeinbe  mit  ben  ©rjeugniffen  ber  d)rtftt. 
treffe  (26.  Songrefe  f.  Snn.  SKiffion  Nürnberg  1890);    ©cfjöner,    Sie   cb,rifti.  8Sotf§literatur 
unb  tljre  Verbreitung,    ©ot£)a  1891;    Füller,    Sie  9Jotmenbtgfeit  ber  Verbreitung  djriftltdjer 
58o(t§fcf)riften,    Verlin  1891;    berf.,   Sie  Pflichten   ber  3nn.  ÜRiffion  gegenüber   bem   üolf§= 
»erberblicben  ©ebrifteumefen,  Verttn  1891 ;  @d)äfer,  SRonatSfctirtft  f.  3nn.  5Kif fton,  ©ütergtob^  35 
1893  (Srome);   berf.,  ebb.  1893  (SReicbe)  (Vranbenburg.  $robtnäiatou§fct)u6) ;  gentrat=?lu§frf)ufe 
f.  3nn.  IRiffion,   ©tattftif,  SSertin  1899,  ©.  305—352 ;  ©d)fifer,  SKonatSfcbrift  f.  ^nn.  «lifion 
1900  (3Hau);   berf.,  guanget.  VoItSlej;ifon,  Vietefetb  1900.    Vreffe,  cbriftfidje  unb  uttdtjrtftltctje 
(dütte);    berf.,    ebb.:  (Srjriftlictje  VoIt§fd]rtftfteaer  (Vadimann);    berf.,  ebb.:  ®rbauung§bücf)er 
ößetran);  eentrat=9tu§fd)uf3  f.  3nn.  «Kiffion,  SabjeSbericrjte,  bef.  1901  ff.    Sie  Sa^reäbertd^te  io 
ber  bauptfädilicbften  beutfd)en  eoangel.  Xra!tatgefeltfcb,aften  (f.  Sejt). 

©er  ÜReformation  entflammt  ba§  Seftreben,  neben  ber  3lu§breitung  be§  2Sorte§ 
©otteg  felbft  (f.  b.  31.  SBibetgefellfcr/aften  33b  II  ©.691  ff.)  bie  Serfünbigung  be§  ®tiam 
geliumä  in  feiner  2lnmenbung  auf  befonbere  ^eitfragen  unb  £eben§Iagen  burc^  gemein= 
berftänblicb,e  anregenbe  ©Triften  bon  geringem  Umfange  (SLraltate)  in  weitere  Greife  ju  45 
tragen,  als  bie  burdj  bie  ^ßrebigt  erreicht  toerben,  unb  bamit  ber  2lu3breitung  glaubeni= 
armer  ober  glauben<§feinblicr/er  2tnfcb,auungen  unb  ©runbfä^e  im  SBoIMeben  toirlfam  ent= 
gegen  px  treten.  SutfyerS  95^ejen  bom^at)re  1517,  tn3  SDeutfct/e  übertragen  unb  mie  buref; 
ber  ßnget  Sotenbienft  in  fur^er  3eit  faft  bie  gange  (Sb,riftenb,ett  burcb,Iaufenb,  matten 
ben  3lnfang.  3ab,lreicf)e  glugfc^riften  liefe  ber  Reformator  felbft  nachfolgen,  bon  beneit  50 
er  fagte :  „2öiemor/l  id;  ib^rer  biete  roeife  unb  täglict)  b^öre,  bie  meine  Strmut  gering  achten 
unb  fbrecb,en,  idt)  machte  nur  Heine  ©esternlein  unb  beutfet/e  ^jBrebigten  für  bie  ungelernten 
Saien,  lafe  \d)  mieb,  nicr)t  beilegen;  wollte  ©ott,  icb,  Ijätte  einem  Saien  mein  Seben  lang 
mit  attem  meinem  Vermögen  ju  ber  Vefferung  gebienet!"  (3B2B  621  XX,  194)  (bgt. 
baS  cf>ronoIog.  aSer§etct>niS  feiner  ©Triften  in  ^öftlinS  Sutb,erII,  72;)ff.).  ©eine  beutfct)ert  55 
Mitarbeiter  foWie  if)m  nacb,  ebangelifierenbe  ©c^roeijer  unb  granjofen  (Verquin  V-^'@ 
III.  3lufl.  33b  II  ©.  643  ff.  unb  garet,  V3t@  III.  Stuft.  Sb  V  ©.  762  ff.)  fcbloffen 
fieb,  eifrig  an,  beSgteicfien  ber  unbelannte  Verfaffer  be§  italienifcb,en  £rattat§  „Von  ber 
9Bof)Itbat  Gbrifti" 

©bäter  nahmen  befonberS  in  tt)rer  Söeife  englifebe  Puritaner  (Vagter,  33unban)  unb  60 
Metbobiften  (Üßeöleb  geft.  1791,  über  Xrunffudjt,  ©rjief^ung  u.  f.  \v.  unb  §letd;er)  unb 


54  £raftatgcfellfrf)aften 

beutfd&e  qßtetiften  (31.  £.  grande)  biefe  Slrbett  auf  ($randc:  SPfennißarttfel.  Äurjer  Unter= 
ric§t,  tote  man  bie  fyl  ©djrift  lefen  foH),  befonber§  auf  ^erfönlid;e  Vefefyrung  unb  §ei= 
ligung  bringenb.  Sie  Vrübergemeinbe  fufyr  bartn  treulich  fort. 

$u  neuem  2luffd;touttg  führte  bie  tfyatfräftige  Anregung  be§  Sluglburger  ©eniorS 
6  Dr.  %ofy.  Urteberger  unb  ber  englifcfyen  ©d)riftftellerin  §anna  3Jlore  gegen  Snbe  be§ 
18.  ^afyrfyunbertö.  ©rfterer  begrünbete  1782  bie  „©eutft|e  Sfjriftcntum'Sgefeü'fdiaft"  in 
Vafel  (f.  33b  III  ©.821  ff.),  bie  gegenüber  ber  rationaliftifcb,en  Verbbung  ber  ebangelifdjen 
$ircb,en  ©eutfcfylanbS  unb  ber  ©ctjWeiä  bie  bibelgläubigen  ©lieber  ju  lebenbigem  $u= 
fammenWirfen    %u   berbmben   unternahm   burcb,  „«Sammlungen   für  Sieb^aber   d>rifilic|er 

10  2öaE>r^ett  unb  ©ottfeligfeit"  unb  ber  3Rutterfd)of$  jafylreidjer  Slnftalten  unb  Vereine  ber 
inneren  unb  äußeren  SJiiffton  Würbe.  3#r  ©elretär  ©teinfobf  bilbete  nad;  feiner  Ve= 
rufung  an  bie  beutfd)e  fötrdje  in  Sonbon  bag  berfönlicfye  Vinbeglieb  ^Wifdjen  ber  beutfd)en 
unb  ber  englifdjen  9fliffion§arbeit,  bon  letzterer  ber  erfteren  neuen  Slnfborn  jufüfyrenb. — 
§anna  2Rore  (t^r  Sebenibilb  nad)  9tobert§  unb  £|>ombfon   herausgegeben  in  Stuttgart 

15 1 847)  befämbfte  bie  bon  granfretd)  beretnbrecfyenbe  greigeifterei  juerft  allein  unb  bann 
bon  greunben  unterftü|t  burd)  eigene  fyerborragenb  Wirtfame,  in  2  SRtHionen  @r.emblaren 
berbreitete  STraltate  unb  fanb  für  it»r  Vorgehen  eifrige  Nachfolge  burd)  bie  1796  begrün= 
bete  „(Sbinburgfyer  S£raltatgefeÜfd}aft"  unb  burd;  bie  1799  auf  bem  Voben  ber  Sonboner 
5Dtiffion§gefettfd;aft  entftanbene  „Religious  Tract  Society",  beren  borbilblid;  geworbene 

20  ©runbfätje  lauten:  „'Jraltate  muffen  bie  reine  2Bar/rI)ett  enthalten,  Weldje  ©ott  in  ber 
b,l.  ©cfyrtft  niebergelegt  fyat  unb  Welche  alte  lebenbigen  ©lieber  ber  Äircfyen  ber  9tefor= 
mation  bon  ^erjen  annehmen;  it)re  ©brache  mufj  Ilar  fein,  bamit  aud;  £eute,  bie  nid)t 
an  Nadjbenfen  geWöfmt  finb,  fie  berftefyen.  $eber  ^tattat  mufe,  toa%  aud)  immer  ber 
©egenftanb  ift,  ben  er  befyanbelt,  bem  ©ünber  bie  Söafyrfyeit  borfyalten,    bafj    er   nur 

25  burd)  ben  ©lauben  an  ^efum  Sfmftum  geredet  Werben  lann  unb  bafj  er  burd;  ben 
^eiligen  ©eift  bon  neuem  geboren  Werben  muf$.  SEraliate  füllen  bem  S^etd^e  ©otteg  unb 
nid)t  einer  einzelnen  beftimmten  $trd)e  bienen;  frei  bon  allem,  toa§  an  bas>  ©dnbboletb, 
einer  ©elte  erinnert,  follen  fie  nur  bie  großen  SSafyrfyeiten  berlünben,  Welche  ju  allen 
$eiten  mächtig  geWefen  finb  bor  ©ott,  ©eelen  ju  erweden,  ju  belehren,  ju  (»eiligen  unb 

30  ju  tröften,  unb  Weide  einen  Sftenfcfyen  befähigen,   bem  §errn   $u  leben  unb  ju  fterben." 

5Rad>  bem  SRufter  unb  ^um  Xeil  aud)  mit  ber  Veiljiilfe  ber  Rel.  Tract.  Soc.  bil= 

beten  ftdE>  balb  fyin  unb  ber  Vereine,   Welche  bie  §erftetlung  unb  Verbreitung  bon  %xcä= 

taten  tetl§  auSfdjltefelid;  teils  jufammen  mit  berWanbten  Veftrebungen  ber  inneren  5Riffion 

fid)  jur  Slufgabe  machten.  $n  SBedfetoirlung  mit  ber  ©rWedungsgeit  in  ber  erften  §älfte 

35  be3  19.  ^ai)rb,unbertS  lam  ?§  auf  biefem  ©ebtete  ju  immer  reicherer  Entfaltung,  beren 
fegen§reid)e  33ebeutung  %.  §.  2öid}ern  in  feiner  ®en!fd)rift  1849  über  „bie  innere  Sfliffion 
ber  beutfden  ebangelifden  ütrd^e"  Warm  unb  anfeuernb  befugte  (3.  2lufl.  Hamburg 
1889,  ©.  62  ff.),  inbem  er  jugleid;  malmte,  ben  ©cliriften  ein  meb;r  beutfcb.^ebangelifd^eS 
©ebräge  ju  geben  unb  bie  tüdjtigften  gebern  Wahrer   ürdilidier  33oI!^männer   bafür  in 

40  ^Bewegung  §u  fe|en,  um  „biejenigen  Waffen  innerhalb  ber  Slird}«,  bie  ib,r  fern  getreten 
finb  unb  in  ©efabr  fteb,n,  bon  ib,r  ganj  gefd;ieben  311  Werben,  für  33uf?e  unb  ©lauben 
Wieber  jugänglid)  ju  mad)en  unb  für  ben  §errn  aufe  neue  ju  gewinnen". 

©ie  nam^afteften  XraftatgefeKfd^aften   auf  beutfd^em  Soben   finb:    ©er   „d)riftlid>e 
Verein  im  nörblicb,en  ©eutfd>Ianb",  erleben  1811.  ©ie  „2ßubbertb,aler  2:ra!tatgefellfd;aft/;, 

45  gegrünbet  1814  auf  Anregung  bon  Dr.  Vinüerton  aug  Sonbon.  ©er  „^aubtberetn  für 
d)riftlid;e  ©rbauungöfdiriften  in  ben  toreuf$ifd)en  ©taaten",  Berlin  1814.  ©ie  „9tieber= 
fäd?fifd)e  ©efellfdiaft  jur  Verbreitung  c^riftlic^er  @rbauung§fd)riften",  Hamburg  1820. 
©ie  „@bangelifd)e  ©efeüfc^aft"  in  ©tuttgart  1832.  ©ie  „©bangelifdie  Vüdierftiftung 
in  ©tuttgart"   h^W.  ber  „Saltoer  Verlag^berein"  1833.    ©ie  „Sbangelifcfye  ©efettfd&aft 

50  in  ©trafeburg",  1834.  ©er  „Verein  jur  Verbreitung  driftlid)er  ©Triften",  Vafel  1834. 
©ie  „Slgentur  beö  3f{aub,en  feaufä",  Hamburg  1842.  ©er  „Sbangelifd}e  Vüdierberein" 
in  Verlin  1845.  ®te  „Sbangelifde  ©efeUfdjaft  für  ©eutfdlanb",  SIberfelb  1848.  ©er 
„Sbangelifdie  Verein  für  bie  broteftantifdie  üpfalj",  1848.  ©er  „Nürnberger  ebang.  Verein 
für  innere  SWiffton",  1850.    ©ie  ,,©d)riftenabtetlung  ber  ©efeUfdiaft  für  innere  3Jiijfwn 

55  im  ©inne  ber  lut^ertfc^en  tird^e",  1850.  ©er  „Sfmftlidie  Holbortageberein  in  Vaben", 
1867.  ©er  „Naffauifdte  tolbortageberein",  §erborn  1873.  ©ic  „©eutfd)e  ebangelifd)e 
2:raltatgefeafd;aft",  Verlin  1879.  ©er  „Sfcipcr/e  3eitfd}riftenberein",  Verlin  1880. 
VerWanbt  ift  bie  Verbrettung  bon  Vfenntgbrebigten,  bon  ber  Verliner  ©tabtmiffion  1881 
angefangen,  ber  „Verein  für  djrtftlidje  Volföbilbung  für  Sib^etnlanb  unb  Söeftfalen",  ^oln 
60  1882,  bie3)ienge  ber  d)riftlid)en  ©onntag^blätter,  gamilten=3ettfd)riften  unb  Volfgfalenber, 


SraftatgcfcUfdjnftcu  £ian§fnt>ftanttation  55 

bie  bon  Vereinen  für  innere  9Jciffion  gepflegte  Sejirlgfolbortage  unb  bon  ben  jüngften 
Unternehmungen  in  Weiterem  Storni en:  bie  äkrforgung  ber  SEagegbreffe  burd)  Slrtdel  unb 
ßorrefbonbenjen  fetteng  beg  3entralaugfcb,uffeg  fur  D*e  innere  STuffion  ber  beutfcfyen  eban= 
gclifdjcn  $ird>e  unb  berbunbener  ^Sre^toeretne  feit  1892,  bie  „SDeutfdje  .ßentralftette  jur 
gorberung  ber  3SoIfö=  unb  ^ugenbleftüre",  Hamburg  1905.  £>ie  bolfgtümlicb,=Wiffenfd)aft=  5 
liefen  21bbanblungen  „Sefyr  unb  2öeb,r  fürg  beutfc|e  Soll",  Hamburg,  Sftaufycg  %au$ 
feit  1904. 

SBeld^e  fegengreicfye  Skbeutung  im  ©eifte  beg  ©bangeliumg  Wirtenbe  ^ra!tatgefett= 
fdjaften  bei  jWedmäfjiger  SlrbeitgWeife  I)aben,  bebarf  um  fo  weniger  eineg  9tod)Weifeg,  je 
Ijanbgreiflicr)er  in  unferer  geit  bag  fwdjgefteigerte  Sefebebürfnig  bureb.  ©Triften  in  blan=  io 
mäßigem,  jebeg  9Jcittel  ber  Kultur  benutjenbem  Sertriebe  befriebigt  Wirb,  Welche  ©lauben, 
Ireue,  gamilienfinn,  ^ßtetät,  djiriftlictje  ©Ute  unb  ©itilicPeit  im  SSolfe  untergraben  unb 
oielfacb,  burd)  toiffenfcf;afilid)=i'ünftlerifcr;en  girnifj  blenben  ober  fogar  mit  fbannenb  ge= 
jeid^neten  elenben  gerrbilbem  beg  Sebeng  (MoIboriage=©cr;auerromane)  felbft  in  moralifdjer 
$ofe  ben  nieberften  trieben  augfül)rlicr)en  Stnfdjauunggunterridjt  in  Saftern  unb  3Ser=  15 
brechen  erteilen,  dagegen  fönnen  Heine  d;rtftlid)e  33olfgfd)riften  allgemein  erWedlicf/en  ober 
fbe^iett  belefyrenben  ober  erjäb,tenben  S'i'Mtg  treffliche  ©ienfte  t|un,  unb  aueb,  bofitib 
lebenjeugenb  roirlen,  Wenn  fie  ecfyteg  biblifd)eg  (Mb  in  ©cb,eibemünje  für  ben  2IHtagg= 
gebraueb,  umfeijen,  Weber  langweilig  nod)  gefcfyraubt  tenbenjiög,  fonbern  burd}  2ßab,rb/aftig= 
feit  unb  3SoIfötümltct)fett  feffelnb  gefcfyrieben  finb  (Wie  ©cb/aitbergerg  „©enbfcfyreiben",  20 
%  SBagtetg  „Von  ber  ÜRufye  ber  ^eiligen"  aug  älterer  $eit,  lettfereg  befonberg  frucb> 
bringenb  beWäfyrt  in  ber  33efel)rung  eineg  SBilberforce,  beg  ©llaben=  unb  eineg  ßfyalmerg, 
beä  großen  Strmenfreunbeg ;  ober  aug  neuerer  ^,dt  eine  Slnjal)!  „©dnfttnggbüdjer"  beg 
Staunen  §aufeg  bon  $.  §.  Söicfyern,  %.  DIbenberg  u.  a.,  «JUndg  „@in  bekannter  2öofyI= 
tfwter",  Sö^eö  „Von  bem  göttlichen  Söort  alg  bem  Sieb,!,  Weldjeg  jum  ^rieben  füfyrt",  20 
manche  9Jcäf5igfeitg=  unb  ©ittlicbjeitgfcfyriften,  manche  Heinere  ©r^äbiungen  bon  grieg, 
Ü\  grommel,  £>.  gunde  u.  a.,  gietfyeg  „^alm^Weige",  ©Triften  beg  Staunen  §aufeg 
„$ür  gefte  unb  ^reunbe  ber  inneren  9Jciffion",  „®ird)enlteberbtcl)ter"  u.  bgl.)  —  wie  SoWe 
(ßrittfcfye  Sftufterung  ber  'Jraftate)  fagt:  „2)er  Xraftat  foH  ein  Vfeil  fein,  rafd)  beflügelt, 
fd;arf  jugefbi^t,  bie  ©buje  bon  gebiegenem,  reinem  3JcetaUy/  30 

Hauptaufgaben  für  bie  ©egenWart  finb  einerfeit§  bie  gemeinberftänblid;e  Scjeugung 
ber  ©runbgebanfen  beg  ©bangeliumg  für  ba§  fittlid;=wirtfd)aftlid)e  unb  gefellfd;aftlid;e 
Seben  gegenüber  bem  bie  Waffen  berüdenben  falfcb,en  ?ßrob^etentum  ber  ©ojialbemofratie 
(Worin  labffg  „®e§  2lrbeiter§  Söürbe  unb  Sürbe",  Stuttgart  1874,  Xl;ombfong  „©er 
Arbeiter  unb  feine  greunbe",  Berlin  1881,  ©räbenteicr;3  „@b.  2lrbeiterfate(f)igmug",  2R.=  35 
©labbad)  1898  bemerlenäWerte  Vorgänge  bilben,  unb  bie  fokale  „®enffd;rift  be§  3entraI= 
2lu§fcr,uffe3  für  innere  9Jliffion",  Berlin  1884  mit  9?ad)Wort  1889,  «Prof.  Dr.  bon  Wa* 
tbufiu§  „Sie  Mitarbeit  ber  ^irdje  an  ber  Söfung  ber  foj.  %xaa,e",  Seibjig  1897,  $aft. 
em.  Äöb,  ler  „©o^ialiftifd^e  ^rrle^ren",  Seibjig  1899  u.  a.  alg  Wiffenfdjaftlicfye  9iüftlammern 
%u  berWerten  finb)  —  unb  anbererfeit§  bie  gemeinberftänblicfje  Sejeugung  ber  biblifd)en  40 
SBafjr^eit  unb  cfyrifilicb,  en  Söeltanfdiauung  gegenüber  alter  unb  neuer  rationaliftifcfyer  Slritif 
unb  ebolutioniftifd)=moniftifd)er  ^^bot^efe  (Wofür  3Jlem^of§  ,,©dm^  unb  'Jru^büdjlein", 
Seibjig  1903  al§ dufter  bienen  mag,  unb  reiches  Material  aug  Sutfjarbtg  „Slbologetifcb.en 
Vorträgen",  Seibjig  4  S3be  bon  1864  big  1883,  unb  u.  a.  au§  Sö^mer^robatjdjedg 
„33iblifd}en  3eit=  unb  Streitfragen",  ©r.=£id)terfelbe  1905  ff.  %u  fcfybbfen  ift)  —  beiberfeitg  45 
aber  Weniger  jufammenfaffenb  al§  einzeln  beleudjtenb,  Weniger  leb,r^aft  alg  bra!tifd)  um= 
faffenb  ju  be^anbeln. 

®ie  Verbreitung  ber  2!ra!tate  gefd}ieb,t  meift   mittelft  gWeignieberlage  unb  Jlolbor= 
tage,  am  beften  ni<f>t   burd)   blanlofeg  3tu3ftreuen,  fonbern   bon  ^erfon   ju  $erfon   auf 
©runb  gegebener  58elanntfd)aft  unb  unter  forgfältiger  SlugWab,!  beg  im  befonberen  galle  50 
©eeigneten.  #•  aio^tenbetf. 

Jranfo^jfcr  f.  b.  21.  Dbferlultug  S3b  XIV  ©.  390, eo. 

SranSfubftantttttton.  —  Die  Sitteratur  ift  mefentlict)  btejenige,  bie  bei  ben  "'Irtifelu 
„5l6enbmaf)i.  II.  Strct)ettle{)re",  93b  I  <5.  38,  8—29  unb  „lUeffe,  bogmengefd)icf|tttct)",  93b  X 
S.  6(35,14—57  uerjetdinet  ift.  3)a§  SBerf  üon  3.  93ad),  S)te  Dogmengefcl).  be§  Wtttelnlterc-  55 
Dom  diriftolog.  Stanbpunfte,  2  93be  1873  unb  75  (nid)t  fertig  geworben),  bietet  niancfje*  gute 
Material  für'  bie  (Sntroicfehmg  nun  ^afctjafiuä  biö  gegen  bie  geit  t)in,  roo  ber  Sluäbruä  trans- 
substantiatio  fixiert  mürbe  (für  ben  ^Inäbrucl  felbft  bietet  eä  uid)tö).    3)ev  „Seitfaben  jum  iStubium 


56  SraitgfubftaHttatton 

ber  ®ogmengefd)id)te"  öon  SoofS  ift  jefct  in  inerter,  üöKig  umgearbeiteter  Auflage  erfdjienen 
(1907)  unb  aud)  für  bie  ©peäialgefdjicfjte  ber  Sran§fubftantiation§ibee  von  err)öt)ter  28id)tigfett 
geworben.  ^nftruftiü  ift  bie  Erörterung  öon  9t.  ©eeberg,  Sie  Geologie  beä  S>un§  ©cotu§, 
1900  (©tubien  j.  ®efd).  b.  Sfjeol.  k.,  öon  S3onWetfd)  unb  ©eeberg,  5.  33b),  @.  378 ff.  ©ieb,e 
5  ferner  5ß.  SSatiffoI,  Etudes  d'histoire  et  de  theologie  positive,  2^™«  S(srie :  L'eucharistie,  la 
pre"sence  reelle  et  la  transsubstantiation,  3&me  &jit.  1906;  Jp.  ®eniffe  0.  P.,  Sutljet  unb 
Sutfjertum  in  ber  erften  ©ntwicMung,  zweite,  burcbgearbettete  Stuft.,  1.  S3b  ©djtufsabteilung, 
^erau§gegeben  öon  91.  90t.  SBeift  O.  P.,  1906,  ©.  612 ff.:  „Stwmaä  öon  Slqutno  nact)  Suttjer 
auct)  Gsrfmber  be§  2Borte§  unb  83egriffe§  Transsubstantiatio"     —    gür    bie    gried)ifd)e  Strdje 

10  ogl.  föegiell  ®ie§ling,  Historia  concertationis  Graecorum  Latinorumque  de  transsubstantia- 
tione  in  sacrae  eucharistiae  sacramento,  1754;  ©.  ©.©teil},  3Me  2Ibenbmarjl§Ieljre  ber  gried). 
Strebe  in  ü)rer  gefd)id)t(.  (Sntwtcfehmg,  ©djhtfe,  §  47-57,  3bSt)  XIII,  1868,  ©.  649—700; 
90t.  3ugie,  Le  mot  transsubstantiation  chez  les  Grecs  (1.  9lrtiM):  avant  1629,  (2.  2trtifel): 
apres  1629,  Echos  d;Orient,  X,  1907,  @.  5  ff.  unb  65  ff.  —    %m  »eiteren  ift  berjenige  Seit 

15  beS  öon  ©teits  für  bie  erfte  Sluftage  öerfafsten,  öon  £>aud  für  bie  jwette  überarbeiteten  SlrttfetS 
im  wefentlidjen  erhalten  geblieben,  ber  ber  eigenttid)  fdjolafiifdjen  Setjre  galt.  S)enn  ©tetg  b,at 
ba  fo  öiel  gntereffe  unb  fongenialeS  SSerftänbniS  für  ben  ©d)arffinn  ber  mittetaltertidien 
Sljeologen  bewährt,  bajj  mir  feine  Strbeit  ber  (Srfjattung  wert  fdjten,  jumal  id)  feine  gleid)= 
eingetjenbe  unb  itmftdjtige  2)arfteflung  biefer  ÜJtaterie  ju  nennen  wüftte.    Sie  elegante  ©d)rift 

20  öon  SBatiffot  bricht  ba  ab,  reo  bie  „iybee",  ber  ber  Sluebruc!  transsubstantiatio  entföredjen 
foH,  reif  geworben,  of)ne  auf  bie  fd)olaftifd)en  SSegrtpflttterungen  überljauüt  nod)  einjugetjen. 
2flte§,  wag  ber  $eit  öor  bem  25erengarfd)en  ©treite  in  ©teitj'  9trtilet  gegolten  tjat,  ift  öon 
mir  geftridjen,  mand)e§  anbere  burd)  neue  Sarfiellung  erfegt  worben.  (£§  erfebten  al§  über= 
ftüffig,  bie  Sarftettung  ber  (Entwicfelung  ber   „realiftifd)en"  ^bie   über   bie  (Sudjariftte  in  ber 

25  älteren  $eit  nodjmalS,  etwa  mit  Dteüifion  im  einzelnen,  abjubruefen,  ba  ber  Slrtifel  „2lbenb= 
maf)t  II"  öon  Soof§  öottfommen  au§reid)enb  barüber  inftruiert.  Saf;  id)  jum  Seil  mit  £oof§ 
nid)t  ganj  übereinftimme,  tjabe  id)  fdion  gelegentlid)  (im  2trt.  „SJteffe",  aud)  „©aframent") 
bemerlt;  e§  tft  ja  felbfiöerftänbiid),  bafj  fid)  bie  Sontroöerfen  über  bie  SSorftellungen  ber  alt= 
Iird)üdien  Geologen  fortfeisen  werben.    2iIfo  Seil  I,  fßejieH  ber  Slbfdjnttt  1  unb  ber  Eingang 

30  öon  Wbfdjnttt  2,  bann  Wteber  Seit  IV,  ift  öoHftiinbig  öon  mir,  ba§  anbere  ift  in  ber  ^auütfadje 
noeb  öon  ©tei|.  «Senn  id)  im  2lrt.  „90teffe"  (SSb  X  ©.  679,  44)  einmal  auf  ben  Strt-  „SranS= 
fubftantiation"  üerwiefen  Ijabe,  wie  roenn  ba  über  ben  „©tymbofemuS  ober  DteatiämuS"  be= 
ftintmter  Sb,eologen  ber  alten  ^irdje  nätjer  berichtet  raerbeu  werbe,  fo  Ijatte  id)  ben  2trt.  öon 
©teife  öor  Slugen  unb  war  felbft  nod)  gar  nid)t  öor  bie  grage  gefteüt,  ob  id)  tiefen  9lrt-  neu 

35  bearbeiten  wolle.  £5$  b"6e  mir  erft  jeljt  flar  gemadjt,  bafj  e§  bodi  nid)t  wirfltd)  @ad)e  biefeS 
2lrtifel§  fein  tonne,  auf  fotdje  3-ragen  jurüiiäugreifen.  —  3ur  Etgänjung  ogl.  aud)  2trt. 
„Ubiquität" 

I.  'sDaS  2luffommen  b  e§  @eban!en§  ber  'Jrartgfubftanttation.    @§  ^at 
faft  400  ^afyre  gebauert,   e^e  ber  ^Sroje^,   in  toelcfiem   biefer  ©ebanfe  fid)  f)erauöbilbete, 

40  jum  2l6fd)(uffe  tarn.  @r  ift  rtid)t  in  jeber  Segief)urtg  böllig  aufjuflären.  1.  'sDogma= 
tifd;e  gijierung  unb  ältefte  nad)tt)ei§Iid;e  Vertreter  ber  Sefyre.  Segriff  unb 
Slu^brud  ber  transsubstantiatio,  in  Slntoenbung  auf  bie  Umfetjung  be§  SSroteö  unb 
2Beine§  ber  @ud)ariftie  in  ben  toir!lid)en,  efyebem  ^iftorifd)en,  je^t  ^immlifd)en  Seib  (unb 
SSIut)  Sf)rifti,   ift  in  ber  römifeben  ^ird)e   bogmatifiert  toorben   burd)   ba<§   unter  ^nno= 

45  cen^  III.  abgehaltene  bierte  Sateranlonäil,  1215  (11.— 30.  ÜRotoember),  unb  jtear  in  bem 
©laubengbefenntniö,  tüeld)e<§  biefe§  ^tonjil  erliefe.  —  ©a§  Sefenntnig  (eine  Überarbeitung 
beg  SfyoftolifumsO  bilbet  bag  cap.  1  ber  decreta,  bie  ba§  Äonjil  gegen  alle  §äretiler  ber 
^eit  richtete ;  e§  b,  at  jum  2eil  ben  ^itel  be§  „quartum  symbolum"  (bgl.  31.  „(Symbole, 
©Emboli!",  33b  XIX  ©.  200, 22—31)    erhalten  unb  gehört  jebenfallg  bogmatifd)  ^u  ben 

60  £el)rquellen  erften  9tange§  be§  Äatl)Dlici§muö ;  bgl.  Enchiridion  symbolorum  etc.  ed. 
§.  ©en^tnger,  9.  Slufl.  bon  %  ©tal>I,  1900,  §  357  (aud)  Stirbt,  Queüen  jur  ©efd).  b. 
$abfttum§  je.,  2.  2lufl.  1901,  3lx.  221).  §ier  Reifet  e§:  una  vero  est  fidelium  uni- 
versalis ecclesia,  extra  quam  nullus  omnino  salvatur,  in  qua  idem  ipse 
sacerdos  est  sacrificium  Jesus  Christus,    cujus    corpus  et    sanguis    in    sacra- 

55  mento  altaris  sub  speciebus  panis  et  vini  veraciter  continentur,  transsub- 
stantiatis  pane  in  corpus,  et  vino  in  sanguinem  potestate  divina:  ut  ad 
perficiendum  mysterium  unitatis  aeeipiamus  ipsi  de  suo,  quod  aeeepit  ipse  de 
nostro  .  ©er  SluSbrucf  roar  fd)on  längere  3«ü  bei  ben  Geologen  im  33raud)  ge= 
toefen,  ber  Segriff  ber  ©ad)e  nad)  fieser  nod)   erb^eblicb,    länger.    £ut|er   ^at   alfo   ebne 

60  ^toeifel  geirrt,  toenn  er  meinte,  ben  2lu§brucf  unb  nid)t  nur  ib,n,  fonbern  au<^  ben  ©e= 
banlen,  für  tr;omiftifd)  galten  ju  follen.  SDenifle  b,at  bem  Reformator  feine  „^gnoran^' 
mit  ber  Urbanität  feiner  ©d)reibroeife  aufgerücft  (f.  oben  3.  6—9;  ©.  620  giebt  er  eine 
©rllärung,  toie  Sutb,er  ju  feinem  Qrrtum  ge!ommen  fein  möge;  er  roirb  ba  tsob,!  richtig 
fombinieren:  „mögen  bie  broteftantifd)en  Geologen  iljren  Sut^er  retten",  fd)Iiefet  er  —  id) 


£ran§fubft(inttatton  57 

meine,  bafs  es  beffen  unter  uns  nid)t  bebarf,  SutfyerS  ©elefyrfamfcit  fönnen  Wir  rul)ig  prctg= 
geben,  b;aben  aud;  längft  geWufjt,  bafs  2utf)er  f^egieß  Iner  fet>r  irrte).  l-enifle  felbft  begebt 
übrigen^  in  biefem  gufammenfyang  felE>f±  einen  Qrrtum,  inbem  er  (©.  614)  bemerft,  baf? 
bas  2Bort  transsubstantiatio  fcfyon  „mefjr  als  ein  ^abrlmnbert  bor  bem  feierten  2ateran= 
lonjil  nachweisbar  fei"  3)enn  tt>enn  er  Ejier  §Ubebert  bon  Sabarbin  (=  bon  SJcans  ober  5 
bon  aours,  geb.  1059,  al3  ©d;riftftelfer  alfo  bielleicfyt  fcfyon  um  1100  tfyättg  —  er  ftarb 
am  18.  ®e^ember  1133,  nicfyt  1134,  Wie  3)entfle  meint:  f.  ben  21.  bon  §.  23bfymer  in 
33b  VIII  ©.  67)  nennt,  fo  gilt  §ilbebert  ja  fdjon  lange  als  berjenige,  ber  ben  2Iusbrud 
juerft  geige  unb  toot)!  in  biefem  gufammenfyang  auefy  gebrägt  I)abe  (fo  aud)  bei  ©tei|,  aud; 
nod)  Wieber  bei  SBattffoI,  ©.  372),  aber  mit  Unrecht,  ©eit  |)aureauS  gorfdmng  über  bie  10 
bem  ^ilbebert  jugefcfyriebenen  ©ermone  bürfte  feftftefyen  (id)  felbft  fann  nur  referieren), 
baf}  bie  SRebrjal;!  unecht  ift,  f.  bie  £ifte  mit  ber  Verteilung  auf  anbere  2Iutoren  bei 
JUifymer  ©.  69, 45— ro.  ©tei|  berief  ftet)  feiner  3eti  (1862)  für  ben  2lusbrucf  bei  §ilbe= 
bert  auf  „serm.  VI";  bas  ift  nad)  älterer  Sejeicb.nung  ber  gleite,  Wie  ber,  auf  ben 
fid;  ©enifle  (aud)  211.  ©cbmtb  in  bem  2trt.  bes  RR22  XI,  1987),  als  auf  „serm.  93"  15 
bejielit  (MSL  CLXXI,  776).  tiefer  ©ermon  gehört  nad;  £>aureau  jebod)  bem  Petrus 
ßomeftor  ößrofeffor  in  $ßari<§,  geft.  1179,  „nad;  anberen"  1198",  RR22  IX,  1903) 
(23öfmier  ©.  69, 58  notiert  ausbrücflid;  ben  üblichen  Irrtum  in  £nnfid;t  bes  öilbebert, 
rebet  aber  bon  bem  „belannten  sermo  73,  in  bem  ber  Sterminus»  transsubstantiatio 
toorfommt"  unb  ben  £aureau  gang  fbejieß  unb  umftänbltcbft  beleuchtet,  bttfv.  bem  6ome=  20 
ftor  binbi^tert  fyabz:  id;  Will  Ejter  nur  feftlegen,  baf$  Sommer  einen  3)rudfebler  I)at 
paffieren  laffen,  es  fyanbelt  fid;  in  2Birflid;feit  um  serm.  93,  MSL  a.  a.  D.  776  A ;  fo 
genau  unb  richtig  bei  2oof§,  35ogmengefd;id;te4,  ©.  504,  2lnm.  7;  serm.  73  gebort 
übrigens  aud)  bem  ßomeftor). 

3ft  £ilbebert  nicr)t   mefyr  als  ber  erfte  3eu9e  für   ben  2tu§brud  ju   benennen,   fo  25 
fönnte  junädjft  in  $rage  fommen,  ob  ntebt  fcfyon  ^etrus  3)amtam  (geft.  1072)  il)n  biete. 
Schabe,  bafj  3)enifle  ba§  nid)t  bemerlt  bat!    @r  mürbe  ber  ©bur  getoifs  nachgegangen 
fein.    6b,.  ©ore,  The  body  of  Christ,  An  enquiry  into  the   institution  and  doc- 
trine  of  holy  communion,  1901,   ©.  116  Slnm.  2  fyat   auf  ©amiani   als   ben   ber= 
toiefen,  ber  „appears  to  have  been  the  first  to  use  the  term";  er  berief  fid;    auf  30 
beffen  Expositio  cänonis  missae,   MSL  CXLV,    883   (f.  fner    D,  §  7:    „Hoc  est 
corpus  meum"    Quäeritur  quid  demonstret  sacerdos  per  hoc  pronomen  „hoc" 
Si  panem,    pani   nunquam  congruit   esse  corpus  Christi,    sed    demonstrat 
corpus  Christi;  sed  quando  prof er tur  ipsum  pronomen,  nondum  est  trans- 
substantiatio .     .).    Seiber  tft   btefe  Expositio  feineSWegs  berbürgt  als  ein  Söerf  35 
3)amianis  (f.  ben  21.  bon  Sffttrbt,  23b  IV  ©.  438, 50—52  unb  bie  bort  angebogene  ©d)rift 
bon  %  ©ebrtt^er.    2(ber  bon  wem  mag  fie  fein?).  3Sorerft  Werben  Wir  Wol>I  nod;  ftet)en 
bleiben  muffen   bei  ©tebban   bon  2lutun,  bon  bem  35enifle   ben   traetat.  de   sacram. 
altaris,  c.  13  (f.  MSLCLXXII,  1291 C,  bagu  aud)  c.  14,  p.  1293  C)  citiert  (bas  ©tat 
toenigftens  bon  c.  13,  and)  fd)on  bei  ©il)r,  SDie  bl.  ©aframente  b.  fatlfc).  Äircbe2,  1897, 1,  40 
2.  439,  21.  2);   al§  Verfaffer  be§   genannten  Sra!tat§   gilt  feit  3JJabißon  ber  erfte  ber 
Stoei  Sifd^öfe  bon  2lutun,  bie  im  12.  $abrf).  ben  tarnen  Sßetrus1  tragen,  alfo  ber,  Welker 
1139  ober  40   geftorben   ift;   f.  M2-  XI,  766).    ®eg  Weiteren   begeidmet  ©enifle   ate 
l:b,eologen,  bie  ben  2lu§brucf  fd;on  im  Saufe  be<S  12.  ^ab.rb.unbertS  gebrauten,  ben  $eter 
bon  ^oitierg  (geft.  1205;  £>emfle  citiert  au§  bem  2öerle  Sententiarum  libri  V  mehrere  45 
©teCen,  f.  aus  bem  5.  §8ud>e  cap.  5,  11  u.  12,  MSL  CCXI,  1232  B,  1243  A,  1247  B 
-  bas  2öerl  ift  nad)  bem  21.  bon  ©eutfeb  23b  XV   ©.  227,29,   „fbäteftens  1175  boH= 
enbet  Worben"),  ferner  ben  föarbinal  ^3eter  bon  ^5abia  („bor  bem  legten  3at)rjef»nt"  be§ 
12.  3ab,rfyunbert<§;    35.  citiert  Epist.  3;    f.  MSL  CXCIX,  1122  A),    5ßeter  bon  (Seile 
(um  115D  2lbt  bon  2a  Seile,  fbäter  bon  (^artre§,  geft.  1183  [1187?]  ARS3  IX,  1897;  so 
3).  citiert  serm.  8,    de  coena  Domini,    MSL  CCII,  770  D;    %  ©d)mib   in  f.  2lrt. 
über  ben  5Rann  23b  XV  ©.  221  notiert  abs  bie  ©teile,  Wo  er  „bas"  getowrt  transsub- 
stantiare  braudjt",  ben  serm.  41 :  bas  ift  nur  bie  neuere  gcifylimS/  bie  man  bei  3)cigne 
trifft),  ^Seter  bon  23Iois  (geb.  um  1130,  geft.  „ntdbt  bor  1204",   f.  ben  21.  bon  3)eutfd; 
Sb  XV,    ©.  218.    3).  unb   borfyer  aud)  ©il)r  citieren    Epist.   140,     f.  MSL    CCVII,  55 
420  D),    2llanus  bon  Sitle  (ab  Insulis;    geft.  1203;  3).  citiert   Contra   haeret.  c.  57 
=  Summa  quadripartita    adv.  hujus    temporis   haereticos  [bap  3)eutfd),  23b  I, 
©.284,41—285,9]   I,   c.  57;     f.  MSL   CCX,    359  A;     bas  2Berf   Reifst   fyier   einfad; 
de    fide    catholica),    aud)    ben   ^räbofitinus  (^reboftin,   5Rad)folger   bes  ^etrus    bon 
^oitiers   als  Ranker   bon  ^saris;    3).  citiert   au3   beffen   ungebrudter  Summa,    be^u.  60 


58  SranSfubftanttation 

aug  ber  barin  fid)  finbenben  Disputatio  corporis  et  sanguinis  Christi,  eine  ©teile 
naty  einer  £anbfd)rift  in  $ari§  unb  im  33atifan:  er  gebrauche  „forttoäfyrenb"  bie  2lu<3= 
brüde  transsubstantiatio  unb  transsubstantiare,  „e§  Wäre  ermübenb  au3  feiner 
Summ«  33elege  bafür  ju  bringen").  „®en  SluSbrucf  lannte  man  in  ber  ^Weiten 
6  #älfte  be§  12.  ^abrfyunbertS  aud)  in  ben  Softem"  (25.  eitiert:  „Exordium  magnum 
Cisterc,  dist.  2,  c.  6,  MSL  CLXXXV,  419,  f.  ibid.  aueb,  785"  :  e3  fyanbelt  fid)  um 
eine  ©rjäfylung  im  Lib.  VII  ber  fog.  ,,vita  prima  S.  Bernhardi",  bie  ein  @r.certot 
au§  bem  genannten  Exordium  ift,  f.  bier  cap.  6:  nad)  bem  21.  bon  §crolb  33b  II 
©.  624,  8  ift  e3  faum  glücflid),  bafs  35.  fid)  auf  ben  bort  berichteten  Vorgang  beruft ;  ber 

10  33erWet3  auf  „©.  785"  wirb  ein  25rudfebler  fein,  benn  ma§  man  bei  SRigne  I)ier  finbet, 
I)at  mit  ber  ©acf)e  nicbtS  §u  ibun);  „felbft  bie  1)1.  £ilbegarb  Wenbet  il)n  an"  (Ep.  47 
ad  prael.  Mogunt,  MSL  CXCVIL  224  C;  £ilbegarb  ftarb  1178;  ber  citierte  33rief 
foü  nad;  ben  AS  1.  c.  63  D,  9Rr.  163  au§  ber  aEerle|ten  geit  ber  §.  ftammen.  Sie 
©teile,  bie  ©enifle  nid)t  jum  Stbbrucfe  bringt,  lautet :  oblatio  panis  cum  vino  et  aqua 

15  in  carnem  et   sanguinem   salvatoris  transsubstantialiter    „quemad- 

modum  lignum  in  ardentem  carbonem  per  ardorem  ignis  mutatur":  ber 
Sergleid;  geigt,  bafj  §ilbegarb  ben  eigentlichen  33egriff€toert  be§  transsubstantialiter 
nicfyt  begriffen  I)at;  um  fo  tpaferfc^etnlidper,  baf$  fie  einen  2Iu3bru<f  aufgreift,  ber  fd)on 
umlief). 

20  @§  ift  nad;  2)emfle3  9^act)it>ei§  flar,  bafj  ber  2lu<§brucf  ein  gang  geläufiger  mar,  al§ 
baS^ongil  bon  1215  ilm,  man  mufc  boeb  Wob,I  fagen:  abftcbtlicfy  fanftionierte ;  benn  Wenn 
aud)  mit  feinem  SBorte  angebeutet  wirb,  bafj  ein  anberer  terminus  technicus  für 
bie  „Söanbelung"  gemieben  Werben  foHe,  fo  ift  e3  boeb,  nacb,  ber  SSorgefcfyicbte  geWifc  niebt 
gufäßig  unb  obne  fpegteUe  (Erwägung  gefcbel)en,  bafj  ber  Sluöbrucf  transsubstantiare  oI)ne 

25  Slnbeutung  bon  ©tmonr/men  gewählt  Worben  ift.  Qnnoceng  I)at  il)n  felbft  in  feinem  2Berfe 
de  sacramenti  altaris  mysterio  11.  VI  Wieberfyolt  gebraust  (freiltd)  oI)ne  il)n  fbegiell 
ober  antitl)etifd)  ju  urgieren,  bielmel)r  ibn  Wie  einen  gegebenen  braud)enb,  lib.  IV,  c.  17  ff., 
MSLCOXVII,  868  ss.).  2tucr/  berTractatus  contra  Amaurianos  („@in  Straftat  gegen 
bie  Slmatricianer"  b,erau3geg.  bon  Gl.  33äumfer,  1893,  ©.  63)  bietet  ben  SluSbrucf  (35enifle 

30  eitiert  biefen  ^raftat ;  bie  decreta  be§  $ongü3  gelten  aud}  ben  SImalricianem ;  bie  oben 
berührte  ©teile  au§  2llanu§  bon  Sitte  geigt  nod?  befonberS,  bafj  ber  2lu3brucf  im  ©treite 
mit  ben  $atl)arern  ober  SUbigenfern,  benen  fbegiett  ba§  cap.  1  ber  decreta  ent= 
gegengefetjt  ift,  eine  Stoße  gezielt  Bat.  Stlanu^  febreibt :  Dicunt  etiam  praefati  haere- 
tici  panem  non  transsubstantiari  in  corpus  Christi  per  sacra  verba).  ^n 

35  ber  $eit  nad)  1215  fann  man  aud?,  Wie  mir  febetnt,  fofort  bemerfen,  bafs  ber  2lu§brucf 
„offiziell"  ift  unb  anfängt,  bie  Geologen  fbegiftfd)  gu  befebäfttgen.  ®enifle  notiert©.  614 
2lnm.  1,  bafj  253ilbelm  bon  2lurme  (^rofeffor  in  $ari3,  geft.  um  1230),  in  feiner 
Summa,  fbegiett  in  bem  tr.  de  eucharistia  qu.  2  (f.  gu  bem  Scanne  unb  bemSöerfe 
meine  9cotig  in  bem  2Irt.  „©afrainent"  33b  XVII  ©.363,45—49)  eigene  titelmäfjig  ,,de 

40  transsubstantiatione"  I)anbele.  2)a^  bann  3)tänner  Wie  2Bi(b,eIm  bon  Sßarig  (ober 
Oon  äluoergne,  geft.  1249;  HS2,  XII,  1586),  Slleranber  toon  §aleg,  Sllbertug  3R.  ben 
£erminu§  berWerten  unb  jum  'XetI  Weitläufig  erörtern  (Wie  SDenifle  b.erbortjebt,  um  Sutb, er 
in  aller  Sßeife  al§  Ignoranten  barjutl)un),  ift  faft  felbftberftänblid). ' 

2.  ®ie    tb^eologif^c    93orbereitung    feit    ^afdj>afiu§   labbert.    @ö  ift 

45  immerhin  intereffant,  ba^  ber  Sombarbe  in  feinem  bogmatifd)en  ©ammeiwerfe,  Wo  er 
facbjicf;  feine  anbere  3tnfid)t  bon  ber  ©u^ariftie  bertritt  atö  bie  fdjlecb.  tbtn  realiftifd)e,  bod; 
ben  33egriff  ber  transsubstantiatio  md>t  barbietet.  ©a§  fein^  feiner  ßitate  if?n  enthält, 
ift  nad;  Sage  ber  „batriftifdjen"  Seb^re  felbftberftänblid;,  aber  er  felbft  tonnte  ib,n  fd^on 
bieten.    Stucb,  Stolanb  bietet  ben  £erminu§  nidjt  (2)ie  ©entenjen  Stolanbg,  nacb,  mal§  ^abft 

so  Sllejanber  III.,  b^erauggeg.  bon  ©ietl,  1891,  ©.  223 ff.).  Db  Weitere  ©bitionen  ber 
£efyrbüdf>er,  ju  benen  ate  Haffe  bie  ©entenjen  beS  Sombarben  gehören  (f.  barüber 
1.  „©aframent"  33b  XVII  ©.  359, 35— ;,■>),  if)n  fjerbortreten  laffen  Werben,  mufj  fic^  geigen ; 
(bte  ©teilen,  bie  ©ietl  ©.  223  2Inm.  auS  Dmnebene  u.  a.  mitgeteilt,  enthalten  ben  2tu§= 
bruef  nicb,t).  ©o  Weit  Wir  bie  Sitteratur  überfein,  ift  ber  StuSbrucf  bielleicb,t  unbermerft 

55  in  33raud)  gefommen.  @r  mag  fdjon  bor  bem  12.  ^ab^r^unbert,  Wo  Wir  ifyn  biöb^er  erft= 
malg  fonftatieren,  mel)r  ober  Weniger  berbreitet  getoefen  fein,  ©enn  Wir  treffen  fogar 
fdwn  bei  §aimo  bon  £>alberftabt  (geft.  853,  falls  er  J)ier  in  33etrad;t  fommt  unb  nicht 
bteüeidit,  Wie  §aucf  fonjigiert  b,at  [unb  toa$  mir  gar  nid£)t  übel  erfc^eint],  §aimo  bon 
£trfd)au  [Slbt  bafelbft  fett  1091];   f.  ben  St.  bon  ©eutfd),  33b  VII   ©.  348),    an   einer 

eo  ©teile,  bie  SDenifle  ©.615  (er  bod>  nicht  juerft;    f.  33acb,  ©ogmengefeb.  beö  Mittelalters 


£rnn3ful>ft<inttatiim  59 

I,  lSo  3Inm.  1  —  »Denn  Ü3cid)  bie  ©teile  ein  „(Sjjerpt"  aus  ,§aimoS  .ttommentar  jum 
1.  ftorintfyerbrtef  nennt,  fo  irrt  er  übrigeng)  notiert,  Söenbungen,  bie  eS  geigen,  bafj  ber 
2luSbrud:,  Wie  man  Wopl  ju  jagt  pflegt,  „in  ber  £uft  gelegen"  i)at,  efye  er  bielletct)t  f)aI6 
jufäHig  fcf;liepct)  Wirllict)  geprägt  Würbe.  §aimo  fcfyreibt  (in  bem  Sßrucfjftücf  eines  %xah 
tatS  de  corp.  et  sang,  domini,  ben  b'Slcfyerto,  U)m  btnbigierte;  f.  MSL  CXVIII,  815  5 
bis  816):  Credimus  itaque..  quod  substantia  illa,  panis  scilicet  et  vini  ., 
idest  natura  panis  et  vini,  substantialiter  convertantur  in  aliam 
substantiam,  idest  in  carnem  et  sanguinem;  eS  I)anbele  fieb,  in  bem  ©afra= 
mente  um  ein  ,,mutare   naturas"  Commutat  invisibilis    saeerdos 

suas  visibiles  creaturas  in  substantiam  suae  carnis  et  sanguinis  etc.  w 
@ine  ernftlid)e  Überlegung,  ob,  betfv.  eine  Rechtfertigung,  baft  ber  S£erminuS  transsub- 
stantiatio  für  bie  ©acfje  am  $pia§  fei,  finbet  fid)  an  ben  oben  citierten  ©teilen  auS 
Tutoren  beS  12.  5;af>rfmnberiS  auc|,  fotoeit  icr;  gefe&en  l)abe,  nur  bei  ^ßeter  bon  ?ßoitterS 
(f.  o,©.  57,44 -48),  cap.  12.  $eter  fcpefjt  fieb,  jum  %t\l  fefyreng  an  ben  Sombarben  an 
urtb  eS  ift  nicfyt  ofme  Wiffenfdjaftlicfyen  2Bert  ju  feiert,  tüte  er  bie  Sefyre  bon  ber  @uct;a= 15 
riftie  auf  biefem  fünfte  geftaltet.  2öie  beim  £ombarben  fiefyt  bei  ifym  ber  ^ro^efs,  ber 
fi<f>  bura)  bie  $onfefratton  boEjtef)t,  unter  bem  allgemeinen  %\Ul  ber  „conversio".  ®er 
Sombarbe  fyanbelt  de  modis  conversionis  beS  SroteS  unb  SöeineS  im  4.  93ucbe  in 
Dict.  XI.  (Sr  fragt  junäcbjt,  qualis  sit  illa  conversio,  an  formalis,  an  sub- 
stantialis,  vel  alterius  generis.  ©anj  bergrage  geWacfyfen  ju  fein,  leugnet  er  bon  20 
fiel).  gWar  ^e  erf*e  2lrt  beftreitet  er  auSbrücHtcf;,  „quia  species  rerum  quae  ante 
fuerant  remanent  et  sapor  et  pondus"  316er  für  bie  conversio  substantialis, 
toeld)e  beWir!e,  ,,ut  haec  essentialiter  fiat  illa",  macfyt  er  bann  nur  geltenb,  bafj  bie 
Dörfer  genannten  „Autoritäten"  U)r  jujuftimmen  „fcfyienen".  @r  berührt  bann  (Sinroänbe 
gegen  biefe  SBorftellung,  bie  „ab  aliis"  gemacht  feien,  dx  glaubt  biefe  Wiberlegen  ju  25 
fbnnen.  ©0  nimmt  er  auefy  leinen  Stnfiof}  baran,  bafj  man  fage,  sacerdotes  „con- 
ficere"  corpus  Christi  et  sanguinem,  bejro.  bafj  bureb,  beren  ministerium  bie  „sub- 
stantia" beS  33robeS  „fit  caro"  etc.  Slber  rote  baS  pofttib  §ugebe,  rennet  er  gu  ben 
fragen,  bon  benen  gelte :  mysterium  credi  salubriter  potest,  investigari  salubriter 
non  potest.  @r  berührt  aber  immerhin  noeb,  berfcfytebene  ©ebanfen,  bie  über  baS  5RbJie=  30 
rium  emittierten,  fo  gunäd^ft  a)  ben,  bafj  eS  bodj  eben  ntcfyt  bie  „substantia"  panis  fei, 
bie  jur  caro  Christi  Werbe:  eS  gebe  Seute,  bie  anerlennten,  eS  „entftefye"  in  bem  ©a= 
Iramente  „caro"  Christi  auS  bem  23rote,  aber  nur  Wie  panis  auS  farina,  ober  Söein 
auS  2Baffer:  man  !önne  ba  fagen:  farina  „facta  est"  panis,  aber  nid)t  „est"  panis. 
2lnbere  b)  legten  ©eWtcfyt  barauf  gu  fagen,  quod  „erat"  panis  vel  vinum,  baS  „fei"  35 
Ijernacb,  corpus  etc.,  unb  jWar  fo,  bafj  baS  33rot  nun  nicfyt  mef>r  substantia  unb  alfo 
aua)  nid)t  meb,r  „Srot"  fei.  ©ine  britteHIaffe  fage  c)  bie  conversio  fei  als  SeWirfung 
bafrin  ju  berftefyen,  ut  „sub  illis  aeeidentibus",  sub  quibus  erat  prius  substantia 
panis  et  vini,  post  consecrationem  „sit"  substantia  corporis  et  sanguinis. 
ßnblicf)  gebe  eS  eine  bterte  Steige  bon  Seuten,  bie  meinten,  d)  substantiam  panis  et  40 
vini  „remanere",  aber  „ibidem"  fei  nad)  ber  ^onfelration  corpus  et  sanguis  Christi; 
man  muffe  fagen :  „ubi"  est  haec  substantia,  „et"  est  illa.  ®er  ^ombarbe  entfa^etbet 
fieb,  für  feine  biefer  bier  S^eorien.  @§  ift  Har,  bafe  bie  lefcte  biejentge  ift,  bie  fc^Iiefeltcr) 
Sutfter  aeeeptierte,  nämlic^  bie  £eb,re  bon  ber  „ ^ on f üb ft an tiation"  ®ie  erfte  ift 
eine  in  ber  griecb,ijcb,en  Kirche  feb^r  geläufig  geworbene,  bie  bort,  als  ber  „Realismus"  45 
fiegreieb,  rourbe,  roie  nunmehr  eigentlicl)  bie  felbftberftänblic^e  galt;  fte  repräfentiert  bie 
fog.  Transformation  Sieb,  re.  S)te  jtoeite,  bie  laum  gu  berfelbftftänbtgen  ift  gegen  bie 
brüte,  ftellt  in Äiombinatton  mit  btefer  lederen  (ber  fog.  Sinnt t)tIatio nStfyeorte),  unber= 
lennbar  in  ber  ^-acb^e  bie  fieb,  eben  je|t  bureftfetjenbe  SEranSfubftantiattonSlef)re  bar. 
Ob^ne  ^tabel  bleibt  beim  Sombarben  nur  bie  §weite  %fywxkf  bie  alfo  roefentücb,  baS  auS=  00 
brücfen  roirb,  roaS  er  „salubriter"  jroar  nid^t  eigentlicl;  „behaupten",  aber  hoä)  aner= 
lennen  ju  bürfen  meint.  (£s  ift  nicfyt  ju  erfennen,  ob  ber  Sombarbe  etroa  roegen  feiner 
2d)eu  baS  2Rpfterium  allju  genau  ju  iHuftrieren,  ben  2luSbrud  transsubstantiatio  metbet, 
ober  ob  letzterer  it)m  noef)  nict)t  in  folgern  gufammenb^ang  begegnet  war,  bafj  er  ib,n  in 
ber  Äürje  f)ätte  in  Srauct)  nehmen  mögen,  um  bie  relatib  bon  ib,m  gebilligte  „Tbeorie"  55 
ju  bejeid)nen.  ^seter  bon  ^ottierS  bezeugt  auSbrücflicb,  bie  3 roedmäfeigfeit  beS  2luS= 
brucfS  für  ben  Vorgang  im©alrament.  (Ir  unterfd;ctbet  a.  a.  D.  ©.  1246  im  allgemeinen 
tria  genera  conversionis  ober  mutationis,  eines,  roelcf)cS  Wir  als  „©ntmidelung" 
bejeieb^nen  mürben  (er  braucht  baS  Seifpiel  bom  @i,  welches  „potestate  animal"  fei, 
quia  inde   fit  operatio    naturae),    eines,    roeldjcS    eine    „transformatio"    begrünbet  m 


60  SrattöfubftaHtiattott 

(biefen  tedjmifcfyen  2!usbrucf  bringt  er  nodj>  rttd^t  bei  ber  ©cfyilberung,  aber  fyvcnadj),  unb 
fcbjiepd)  bal,  „quod  hie  (b.  b.  im  ©aframent)  tantum  invenitur",  nämlicb,  bal, 
Wobei  eine  ©ubftan^  „transit",  in  eine  anbere,  „manentibus  tarnen  omnibus  pro- 
prietatibus" :  er  fann  biefeS  genus  mutationis  nur  an  ber  (Suc^ariftie  ittuftrieren,  e§ 
5  fommt  fonft  mcfyt  bor.  gür  ben  ©ebanfen  fe£t  er  ben  2Iu3brucf  transsubstan- 
tiatio  ein,  „quia  nulluni  verbum  adeo  proprie  hie  ponitur".  „Cum  vero  dici- 
tur:  panis  transformabitur  in  corpus  Christi,  non  est  satis  expressum  (my- 
sterium),  quia  non  transit  forma  in  formam" 

®afe  biejenige  tfyeologifdje  SeftrentWicfelung,  bie  mit  ber  ©ogmatifierung  ber  trans- 

10  substantiatio  $ur  fircb^icfj=erHufiben  2frterferamng  gelangte,  b.  fc.  jur  „orifyoborm"  ge= 
ftembelt  Würbe,  im  9.  ^afyrfyunbert  begonnen  fyat,  brauet  nidjt  erft  genauer  ausgeführt 
ju  Werben,  ^ßafc&aftug  labbert  (f.  ben  21.  bon  ©tei£=£aucf  23b  XVI  ©.  394)  gilt  mit 
gutem  Iföecfyt  al§  ebocfyebegrünbenb  in  ber  2Ibenbmab/b3let)re.  $War  er  felbft  Batte  fein  23eWufjt= 
fein  barum,  bafj  er  eine  neue  Sefyre  über  ba§  2lbenbmaf)l  biete,  unb  er  t)at  aud)  fyöcbjieng 

15  im  relatiben  ©inne  ettt>a3  anbereS  gelehrt,  al3  fcr>on  früher  borgefommen.  @r  I)at  nur 
ernftli<f>er  unb  abficr)tIidE)er  bie  ^bentität  be§  gefct)td^tli<f)ert  £eibe§  ßtyrifti  unb  bes>  2tbenb= 
mar/ISletbeg  beraubtet,  al§  biejenigen  älteren  SLbeologen,  bie  man  al§  feine  SSorgänger 
bejeiebnen  mufe  (befonber§  „2lmbroftu3"  de  sacramentis) ;  Wenn  er  felbft  überäeugt  ge= 
Wefen  ift,  fbejieK  mit  Stuguftin  in  Übereinftimmung  ju   fein,  fo   mar   ba3   ein  Irrtum 

20  (WteWofyl  man  über  ba§  9Jcaf$  biefe§  Irrtums*  ftreiten  fann).  @s>  ift  ntdjrt  eigentlich  ein 
„©treit"  über  ba3  2lbenbmabJ,  ben  er  beraufbefebtooren  (bgl.  aueb,  ben  21.  „5Ratramnu§" 
bon  ©teit$=§aucf,  33b  XVI  ©.  463),  aber  er  b/at  bureb,  fein  Sßerf  de  corpore  et  san- 
guine  domini  (MSL  CXXI,  125  ss.)  ben  2Inftof5  geboten  ^ur  eigentlich  tr)eologtfct)ert 
Ünfaffung  be€  2lbenbmab,  bSbroblemg.  ©ein  2Berf  ift  im  2lbenblanbe  bie  erfte  „miffenfc^aft= 

25  lieby  9Jconogratobie  über  bie  ©uebartftie  geWefen.  (2oof<34  ©.  472,  21.  7  ftettt  baneben 
al§  erfte  9JionograbI)ie  be§  3JJorgenIanb§  bie  bes>  „(Mogiol"  [SDrucffefyler,  I.  ©utt;ct)tog ; 
fo  rieb, tig  2oof3  felbft  in  bem  21. 23b  I  ©.  56]  Don  Üonftantinobel  [2.  £>älfte  be§  6.  ^ab,r= 
f)unberts>],  bie  de  paschate  et  eucharistia  betitelt  unb  bon  ©teitj  juerft  eingeb^enb  ge= 
Würbigt  ift.    Qm  SIbenblanb  bat  e3  aueb,  bor  s^afcb,afiu§  gelegentlich  einmal  eine  tb,ema= 

30  iifcb,  abftdjtlicf)  barauf  gerichtete  „^rebigt",  jebDcb  feine  eigentliche  gelehrte  2lrbeit  über 
bie  ©ucfyariftie  gegeben :  *f.  bie  u.  a.  [unb  biefleicfyt  mit  Stecht]  bem  $auftu§  bon  SReji  ju= 
gefettriebene  §omilie  de  corpore  et  sanguine  Christi  [MSL  XXX.  271  ss.;  fyier  ab3 
Epist.  XXXVIII  unter  ben  SSerfen  be<S  ^ieronbmug] ;  baju  §arnacf  III3,  ©.  288  A, 
Gagbari,  23riefe,   2tbfy anbiungen  x.  1890,   ©.  41 8  ff.    „§aimo"  benutzt  anfcfyeinenb  bie 

35  §omilie !)  @§  ift  im  ©runbe  ba3  d?riftoIogifd;=ft>terioIogifcr/e  Problem,  bas>  fieb,  l&ter  fort= 
fettf  be§tt>.  in  eine  ber  anberS  (nicf)t  etma  größer)  geworbenen  Qdt  mel)r  angemeffenen 
gorm  umfe^t.  ©a§  giebt  ber  nun  anfe|enben  bogmengefcfjicbtlic^en  93eroegung  ein  f^mbto= 
matifcl)e§  ^ntereffe  über  ba§  ber  bloßen  23egriff^au§flügelung  I)inau<§  (§arnacf  bat 
SDogmengefd).  III3,   ©.  284  ff.  biefen  ©ebanfen   geroürbigt.     ^n  intereffanter  Sföeife  ^at 

40  ifyn  ©eeberg  in  bem  oben  ©.  56,3  genannten  23uct)e  ©.  375  bei  £)un<§  ©cotuö  fonfta= 
tiert :  icb,  glaube,  ba^  er  übertäubt  biel  mirffamer  ift,  al§  bt^ber  berauSgeftetlt  morben,  boeb 
fann  ba3  natütlicb  rtiebt  f)ier  weiter  berfolgt  werben). 

©er   erfte  roirfliebe  „2lbcnbmafyb§ftreit"   (meift  aEerbingS,  unter  Überfcb,ä|ung   ber 
^ontroberfe  be§   9.  ^afyrr/unbertä,   ber   „groette  2lbenbmab/Ii§ftreit"   genannt)   im  2lbenb= 

45  lanbe  ift  berjenige  geloefen,  ben  23erengar  bon  %our§  b,eraufbefc§mor  (bgl.  ben  21.  bon 
3afobi=§aucf  23b  II  ©.  607,  ba^u  bie  über  bie  anbern  in  23etracb,t  fommenben  %i)to= 
logen).  @r  mu^  t)ier  genauer  jur  ©brache  fommen,  nämlicb,  nicfjt  in  ^tnfidjt  beffen, 
roaö  23erengar  bertrat,  fonbern  wa<S  feine  ©egner,  bie  Männer,  bie  facb^Iicb,  bie  Segrünber 
ber  2:ran§fubftantiation§teb,re  getoefen  finb,  ftrieber  ib,n  auffteßten. 

50  ©egen  23erengar  finb  toä|renb  feinet  SebenS  bier  litterarifcfye  23eftreiter  aufgetreten: 
§ugo,  23ifdjof  bon  SangreS  (Tractatus  de  corp.  et  sang.  Chr.,  etwa  1048;  MSL 
CXLII,  1325ss.,  f.  21.  „23erengar"  ©.  608,  27-31),  ©uranbu§,  2lbt  bon  ^roarn  (Liber 
de  corp.  et  sang.  Chr.,  „wafyrfcfjeinlia)  1058",  MSL  CXLIX,  1375 ss.,  f.  21.  bon 
§aucf  23b  V   ©.  104),    Sanfranc  (De  corp.  et  sang,  domini,  1069  ober  1070,  f.  21. 

55  bon  _23ör/mer  23b  XI  ©.  254,  eo— 255, 12,  MSL  CL,  407  ss.)  unb  ©uitmunb,  fbäter 
@rjbifa)of  bon  2tberfa  (Libri  III  de  corporis  et  sanguinis  domini  veritate  in 
eucharistia,  MSL  CXLIX,  1427  ss.,  „grotfeben  1073  unb  1078",  f.  21.  bon  23ötmier, 
23b  VII  ©.  234,47—235,41).  Über  bie  ntebt  aCju  Wichtigen  ©djriften  beg  §ugo  unb 
©uranbu§  brauet  niebt  berichtet  ^u  werben.    Sanfranc  tyat,  Wa§  aüerbingg  jur  Realität 

eo  ber  boltsogenen  23rotberWanbIung  Wefentlid)  gehört,   jum   erften  ^ale  ben  (Smbfang  be§ 


SranSfufcftottttatton  61 

SeibeS  ßljirifti  aud?  burd)  bie  Untoürbigen  au3gefbrod;en  (c.  20).  @r  i(t  ba  bod;  nod; 
jtemlid;  unfid;er:  im  ©aframente,  fagt  er,  werbe  ia§  gleifd;  @b,rifti  täglid)  geopfert,  geteilt, 
gegeben,  unb  fein  33Iut  bon  ben  ©laubigen  mittelfi  be<§  9Jcunbe<§  getrunfen,  obgleich  man 
nad;  einer  anberen  Siebetoeife  aud;  fage  unb  glaube,  ber  gange  (EfjriftuS  werbe  gegeben 
(manducari),  nämlid;  roenn  er  als  ba3  eroige  Seben  mit  geiftltcfjem  Verlangen  begehrt  5 
toerbe.  23eibe  2lrten  ber  Kommunion,  bie  münblicfye  ober  leibliche  unb  bie  geiftlid;e, 
feien  gum  £eile  nottoenbig,  bie  letztere  lönne  nid}t  ofyne  bie  erftere  fein  (c.  15,  bgl.  c.  17). 

2lm  toicfytigften  ift  bie  ©cfyrtft  be<§  ©uitmunb  bon  2lberfa.  2öa§  barin  au3gefül)rt 
ift,  tourbe  bon2tnfelm  bon  Ganterburt;  (geft.  1109)  burd)  eine  wichtige  Folgerung  ergänzt, 
bon  Stlger  bon  Süttid)  (geft.  1132)  in  feinen  libri  III  de  sacramentis  corp.  et  sang.  10 
dominici  gufammengefafjt  unb  weiter  fortgebilbet  (MSL  CLXXX,  7-13 ss.;  teer  b,ier 
p.  760  ben  ©a|  lieft:  in  sacramento,  mutata  substantia,  non  forma,  panis 
et  vinum  non  fit  nova  caro  et  novus  sanguis,  sed  existens  substantia  et 
panis  et  sanguinis  mutatur  in  coexistentem  substanti am  corporis  Christi, 
fielet,  bajj  e§  roobd  ^ufall  ift,  bafj  ber  2tu3brud  transsubstantiatio  fid;  bei  Sllger  nod)  15 
nic|t  finbet ;  toenn  man  bon  ©uitmunb  berfommt,  f)at  man  ben  ©inbrud,  bafj  Sllger  eine 
fcfyärfere  Terminologie  füljire).  §ugo  bon  ©t.  SSiftor  (geft.  1141),  Robert  ^ullefyn 
(geft.  c.  1150)  unb  ^ßeter  ber  Sombarbe  (geft.  1064?  1060?)  fyaben  ©uitmunbS  ©e= 
banfen  bann  borläufig  fbjtematifiert. 

©uitmunb  fteHt  ben  ©a£  auf:    Ita  tota  hostia  est  corpus  Christi,  ut  nihilo- 20 
minus  unaquaeque  particula    separata    sit   totum    corpus  Christi  (a.  a.  C 
1434  B,  es>  I)anbelt  fid;  um  bie  bret  ^ßartifeln,  in  roefd)e  in  ber  2Jceffe  bie§ofiie  gebrochen 
toirb).  Sn  ^iefer  cmSfübrlid)   begrünbeten  Seftimmung,   mit  ber  ©uitmunb  bie  Sel)re  fo= 
toofyl  be§  $afd)afiu3  ab§   aud;  nod;  Sanfrancg  bereicherte,  finb  bier  ©ä^e  enthalten,   bie 
bon  ben  fbäteren  Geologen  aiä  2Irjome  feftgel)alten  tourben:   1.  nicbt  ein  „%til"   be§  2.0 
„SeibeS  ßfyrifii"  (etroa  blofs  ba§  „gleifd;"),  fonbern  ber  „gange  Seib",  ber  gange  ßbriftu3 
ift  in  $raft  ber  SSerroanblung  im  2lbenbmable    gegenroärtig ;   2.  ber  gange  Seife,    ber 
gange  6b,riftu€   ift  aud)   nid)t   blojs   in   ber  „ganzen  §ofiie",    fonbern  ntc§t   minber  in 
„jebem  ^etle"  ber  gebrochenen  „gang"  enthalten  (totus  in  toto  unb  totus  in  qualibet 
parte) ;  3.  ebenfo  ift  er,  toenn  taufenb  Neffen  gugletd)  an  berfcfnebenen  Drten  gefeiert  Werben,  so 
in  jeber  einzelnen  unb  gang  in  allen  gegenroärtig ;  4.  burd;  ba§  öredjen  ber  §oftie  unb  ba<S 
3ermalmen  berfelben  mit  ben  gähnen  roirb  ber  in  fid;  einige  unb  folglid;  unteilbare  Seib 
Gfyrifti  nid;t  geteilt. 

9Jcan  barf  nur  bie  (Erörterungen  be<o  §ugo  bon  ©t.  SSiftor  (de  sacr.  christ.  fidei 
[berfafet  um  1140]  lib.  II,  p.  VIII,  cap.  9—12,  MSL  CLXXVI,  468 ss.)  nad)Iefen,  um  35 
\xi)  gu  überzeugen,  toie  bböig  bie  neue  S^eorie  in  bie  SEl)eologie  überging.  ©0  roie  ©uit= 
munb  fie  formulierte,  beburfte  fie  immerbin  nod;  einer  (Ergänzung.  !yft  nämlid;  ber  gange 
@l)riftu3  in  ber  §oftie  gegenroärtig,  fo  toirb  er  e§  nidjt  blofs  feinem  Seibe,  fonbern  aud) 
feiner  ©eele,  nid;t  blofj  feiner  aftenfd^eit,  fonbern  aud)  feiner  ©ott^eit  nad;  fein,  benn  baö 
atte§  gehört  toefentlid;  ju  feiner  ^ßerfon.  ^ft  ferner  in  aHen  getrennten  $arti!eln  ber  einen  40 
§oftie  ber  eine  ßbriftu§  ganj  unb  ungeteilt  gegenroärtig,  fo  mufj  er  aud;  folgerichtig  unter 
jeber  ©besieg,  unter  bem  Srote  unb  unter  bem  Sßeine  fein ;  obgleid;  biefe  nid;t  gtoei, 
fonbern  nur  ein  ©aürament  bilben,  roirb  bod;  unter  jeber  ber  gange  SbjiftuS  empfangen. 
3um  erften  9)cale  giebt  biefe  Folgerung  ^nfelm  bon  Ganterburb,  (in  bem  2luffa|e  de 
corp.  et  sang.  Domini,  Epist.  lib.  IV,  Nr.  107,  MSL  CLIX,  255).  @r  Ieb,nt  bie  2ln=  45 
nab,me  ah,  bafe  mir  in  bem  ©mbfange  be^  Sluteg  nur  bie  ©eele,  nicb,t  aud;  ben  Seib, 
ober  in  bem  ©mbfange  be§  Seibeg  nur  ben  Seib,  nid)t  aud)  bie  ©eele  in  un3  aufnähmen, 
unb  beraubtet,  in  bem  @mbfange  be§  23lute§  embfangen  toir  ben  gangen  ßfyriftuS,  ©ott 
unb  5Jlenfd;en,  unb  im  ©mbfange  be§  Seibe^  ntdjt  minber  ben  gangen,  unb  obgleid;  toir 
für  ftd;  (separatim)  ben  Seib  unb  für  fid;  ba§  S3Iut  embfangen,  embfangen  mir  bod;  50 
niöjit  groeimal,  fonbern  nur  einmal  ben  unsterblichen  unb  leiben^lofen  6I;riftu§,  a^er  iene 
Sitte,  jebcä  für  fid;  gu  embfangen,  flammt  in  ber  üircfye  bab,er,  bafe  €fyrtftu§  im  2lbenb= 
malile  feinen  Jüngern  jebe  ©begieß  eingeln  (separatim)  gab,  bamit  fie  erlennen  möchten, 
bafj  fie  fid)  an  ©eele  unb  Seib  il)m  lonformieren  füllten.  SSon  je|t  an  blieb  e§  fteb,enbe 
Formel:  quod  totus  Christus  sub  utraque  specie  sit  et  sumatur,  unb  obgleid;  55 
bie  ©bätcren  bie  (Sucbartftte  au§fd)liefelicl)  alö  ©eelenfbeife  auffaßten  unb  if)re  SBirfung 
auf  ben  Seib  .nur  al§  eine  mittelbare  anfal;en  (bgl.  %f)oma$,  Summ.  Theol.  III,  q.  79, 
art.  1,  ad.  3  m),  rourbe  bod;  nod)  immer  ba<3  alte  Slrgument  be§  Stnfelm  roieberb,olt 
(ibid.  qu.  74,  art.  1). 

2lucf)  eine   fcb.ärfere  Seftimmung   be§  „^ßorgangg",   ber  baS  ©alrament   lonftituicrt,  60 


62  SrattSfubftanttatton 

fyat  ©uttmunb  bargeboten.  @r  brälubiert  ben  Ausführungen,  bie  wir  bei  bem  Som= 
barben  uttb  Veter  bon  VoitierS  getroffen  fyaben,  inbem  er  ben  Vro^efs  im  Abenb= 
mat>Ie  unter  ben  ©attungSbegrtff  ber  „mutatio"  ftellt.  2ln  biefer  unterfcf)etbet  er  toter 
Arten  (Lib.  I,  I.e.  1443  Css.):  1.  Übergang  bon  bem  9iicf/t§  jum  ©ein  (Schöpfung), 
5  2.  Übergang  Don  bem  ©ein  jum  9cid)tS  (Vernichtung,  Annihilation),  3.  Übergang  einer 
bereit»  feienben  ©ubftanj  in  eine  noef;  ntc|t  borfyanbene  auf  bem  2Bege  beS  üftaturbro^effeS 
(Wenn  ber  Kern  jum  Saum,  ©beife  unb  Srani  gu  $leifd?  unb  Vlut  Wirb)  ober  burd) 
ein  2öunber  (wenn  ein  ©tab  in  eine  ©dränge  berWanbelt  Wirb);  bie  4.  gehört  auS= 
fcfyliefjlid)  bem  ©aframente  an  unb  befielt  barin,   bafc  baS,    WaS  ift,  ju  einem  Anberen 

10  Wirb,  WaS  aud)  fdjon  ift,  Wie  baS  AbenbmafylSbrot  gu  bem  fdjion  im  §immel  erjftierenben 
Serbe  ßbjifti.  —  Sie  näcf/fte  $rage,  bie  fid;  baran  anfcfylofc,  bar:  Wie  Wirb  ber  im 
§immel  erjftterenbe  Seib  im  Abenbmaf)le  gegenwärtig?  Alger  bon  Sütttd;,  ber  fie  erft= 
malS  auftoirft,  fyat  ben  ©ebanfen  abgeWiefen,  bafj  bieg  mittelft  einer  loralen  VeWegung 
bom  |jimmel  burd)  ben  Söeltraum  nad;  ber  @rbe  gefcfyefye;  bielmefyr  mufj  bie  menfd>lid)e 

15  sJcatur  Iraft  ber  fdjranfenlofen  Allmacht,  bie  ib/r  burd)  bie  @rb,öb,ung  über  alle  Kreatur 
gegeben  ift,  bie  gäfngfett  l>aben,  ganj,  ungeteilt  unb  fubftantiell,  ba,  Wo  fie  ift,  bleiben 
unb  bennoer;  an  jebem  anberen  Drte,  Wo  fie  miß,  erjftieren  ju  fonnen  (de  sacr.  lib. 
I,  c.  14,  1.  c.  780  ss.).    liefen  ©a|  fyat  bie  ©dwlaftil;  bollftänbig  abobtiert. 

(SS  ift  ferner  beachtenswert,  bafs  ©uitmunb  aud;  bereits  bie  Iogifd)en  Kategorien  bon 

20  ©ubftanä  unb  AccibenS  auf  baS  AbenbmablSbogma  anWanbte,  fofern  er  bie  jurüdbleibenben 
finnlidjen  Qualitäten  (qualitates  sensuales)  ber  berWanbelten  ©ubftanj  als  Acctbenticn 
bejeicb.net  (lib.  II,  1430).  Alger  fbridjt  barum  ben  als  unbermeiblicfye  Konfequenj  fid; 
ergebenben  ©ebanien  aus,  ©Ott  mad)e,  bafj  bie  accibentiellen  Qualitäten  (accidentales 
qualitates),  WaS  fonft  fd)Iecb;tl)in  unmöglich  fei,  in  feinem  ©aframente  für  fid)  (per  se) 

25  allein  (alfo  olme  ©ubjert)  fortbeftünben  (de  sacr.,  lib.  II,  c.  1). 

©uitmunb  (lib.  II,  1445 — 1453)  unb  Alger  (lib.  II,  c.  1)  benien  bie  Verbinbung,  in 
bie  ber  Seib  Sl)rifti  gu  ben  Accibentien  beS  VroteS  tritt,  in  ber  Art  WirfungSboß,  ba|  fie 
beraubten,  Wenn  baS  AbenbmafylSbrot  berfdnmmele,  bon  SRäufen  benagt  mürbe  u.  bgl., 
fo  bleibe  nic&t  nur  ber  Seib  6I)rifti  unberührt,  fonbern  aud;  an  ben  Accibentien  gefd)el)e 

30  baS  alles  nur  jum  ©d)ein,  ba  baS  fubftantiette  Sßefen  beS  VroteS  ja  nict/t  mel)r  bor= 
fwnben  fei.  Atiein  biefe  Vorftellung  fonnte  bod)  ntd)t  befriebigen,  Weil  eS  (bgl.  §ugo 
bon  ©t.  Victor,  Summ.  Sentent!  Tract.  VI,  c.  8,  MSL  CLXXVI,  144;  Robert 
Vuttel?n,  Sent.  lib.  VIII,  c.  5,  MSL  CLXXXVI,  965;  3#oma8,  Summ.  Theol. 
P.  III,  qu.  77,    art.  7  Resp.)   ber  2öab^rb,aftigfeit   beS  ©alramentS    ju   toiberfbred)en 

35  festen,  Vorgänge,  meiere  bie  ©inne  an  ben  3lccibentien  unleugbar  mab.rnef)men,  für  eine 
©inneStäufcfwng  ju  erllären.  3öian  naf)m  bafyer  an,  mie  man  es  bereits  rücffidjtltd)  beS 
VredjenS  unb  Teilens  ber  §oftie  getb;an  blatte,  baft  an  ben  2tccibentien  manches  gefd)el)e, 
maS  ben  in  ib^nen  enthaltenen  Seib  ßb^rifti  nicl)t  berühre;  er  Werbe,  Wie  Slnfelm  fagt, 
nidjt  Wie  bie  ©bejieS  räumlict)  umfcb^Ioffen,  bon  ben  SJcäufen  jernagt,  in  ben  Saud)  auf= 

40  genommen  (a.  a.  D.).  2luf  gleite  SBeife  erllärten  fieb;  §ugo  (a.  a.  D.  unb  de  sacram. 
lib.  II,  p.  VIII,  c.  12)  unb  Robert  Vuttei^n  (a.  a.  D.).  greiltd;  Waren  bamit  bie  3lcci= 
bentien  beSSroteSunb  ber  SeibGfyrifti  in  eine  burd;auS  lofe  Vejicfjung  jueinanber  gefegt; 
er  ift  unter  ifmen  jwar  enthalten,  unb  bod)  liegen  beibe  böllig  auSeinanber,  —  aber  eben 
bamit  mar  nur  gum  erften  9Jcale   ein  ©ebanre  auSgefbrocf)en,   ber  fortan  integrierenbeS 

4.-j  3)ioment  beS  römifdten  ©ogma  blieb. 

©d;on  Vafd;afiuS  labbert  blatte  baS  Vrot  unb  ben  Söein  Silber  beS  SeibeS  unb 
SluteS  6f)rifti  genannt,  in  Welche  fie  „berWanbelt"  Werben,  aber  ben  Seib  Sb^rifti  bod) 
nur  als  ©egenftanb  eines  geifilicb/en  ©enuffeS  bejeidinet,  an  Welchem  ber  ünwürbige  unb 
Ungläubige  leinen  Anteil  nimmt.  SDarin  lag  ein  Söiberfbrucb; :  bie  Realität  ber  VerWanb= 

50  lung  f)at  ju  if)rer  Äonfequens,  ba^  aUe  Hommunilanten,  ganj  abgefeiert  bon  if)rer  reli= 
giöfen  ober  fittlicb;en  Qualität,  ben  Seib  Gr/rifti  als  realen  ^nb/alt  beS  ©alramenteS 
empfangen ;  bafc  aber  bie  UnWürbigen  bon  bem  ©egen  auSgefcfyloffen  bleiben,  ©iefer  ©e= 
banle,  ben  fd)on  Sanfranc  (c.  20)  ausgebrochen,  forberte  eine  erweiterte  2lnfcb,auung  bon 
bem  Verb,  ältniffe  ^Wifcljen  Vilb  unb  <Ba<S)i.  ©uttmunb  fyat  aua)  bartn  eine  neue  Valm  ge= 

55  brodjen;  ber  im  2tbenbmaf)le  gegenwärtige  Seib  g^rifti  ift  il)m  felbft  Wieber  ein  Vilb,  ein 
geilen,  ba§  bie  ©laubigen  auS  bem  ©c^ofee  ber  jungfräulichen  SRutter,  ber  Kirche,  Wieber= 
geboren  Werben,  ein  ßeidjen  alfo  ber  Kircf)e  felbft,  ber  ©emeinfdjaft  beS  £aubteS  unb  ber 
©lieber,  beS  mbftifd;en  SeibeS,  unb  burd;  ben  eudjarifttfcfyen  ©enu^  bezeugen  bie  ©lieber 
fid;  als  geiftlirf;  ©eborene,  als  foId)e,  bie  mit  (Eb^rtftuS  geftorben,  begraben  unb  auferftanben 

eofinb  (lib.  II,  pag.  1457—1460).     2luf   biefer  ©runblage   War   ber  ©a§   beS  Sanfranc 


JratiöfBbftonttotton  63 

erft  Wirflieb,  burcb^ufüfyren.  Sine  ©ubftruftion  War  um  fo  notmenbiger,  als  ber  neue  ©e= 
banfe  felbft  ben  grcunben  ber  2öanblung<8lel)re  nocb,  bielfacb,  Wibcrftrebte.  ©uitmunb  macfyt 
geltenb,  bajj  atlerbingi  bie  UnWürbigen  nur  leiblich,  nicfyt  geiftlidb,  genießen  unb  barum 
ben  fbeaififcben  ^nfyalt  ber  geiftlicfyen  SRiefcung,  baS  Bleiben  in  6f)rifto  unb  ba3  Bleiben 
ßljrtftt  in  ifynen,  nict)t  empfangen,  aber  nid)t3beftoWeniger  baSfelbe  gleifcb,  unb  baSfelbe  5 
SBlut  (grifft'  wie  bie  SBürbigen  genießen  (lib.  III,  1491—1493).  .gier  greift  §ugo  bon 
©t.  Bieter  ein.  @r  fbricbj  feinen  Wefentlicfy  neuen  ©ebanfen  au<§,  aber  er  fafjt  fämtlicbe 
©ebanfen  ©uitmunb§  feft  jufammen  unb  giebt  itmen  bie  gefcbjoffene  gorm,  in  ber  fie 
fortan  in  ber  ©cfyolafiif  unb  in  ber  ^ircfyenlebje  fortleben,  ^fym  finb  1.  bie  ©befiel 
blofjeS  Bilb,  nicfyt  ©acfye  (sacraraentum  tantum,  non  res),  ein  blofjeä  BUb  be§  md)a- 10 
riftifcfyen  Seibe3;  2.  ber  eutfwriftifcfye  Seib  ift  Bilb  unb  ©acfye  gugleirf)  (sacramentum 
et  res),  nämlicf)  bie  burcf;  bie  ©bewies  bilblid)  bargeftellte  ©act)e,  iljr  bilbltcb,  fignifi^ierter 
Snfyalt,  unb  bocf;  augleid)  felbft  Wieber  SBtlb  eines  ©ritten ;  3.  biefeS  ©ritte,  Weites1  nur 
©acfye  unb  nicfjt  Wteber  Bilb  ift  (res  tantum  et  non  sacramentum)  unb  fomit  ben 
legten  $Wecf  beö  eucfyariftifcfmt  ©enuffeS  augmacfyt,  ift  ber  ©egen  be<§  ©aframenteS,  baS  15 
geiftltd^e  $letf$  Gbjifti  im  ©inne  be3  £iieronr;mus>  (ipsa  efficientia  sacramenti,  quae  spiri- 
tualis  caro  Christi  äppellatur),  ber  mbjiifcfye  Seib,  bie  (Sinfyeit  be3  §aubte3  unb  ber 
©lieber,  roeld^e  altein  burcf)  ben  ©lauben  an  ben  Seib  unb  ba<§  Blut  be§  §erm  be*= 
mittelt  wirb  (quam  efficit  fides  corporis  et  sanguinis  Domini)  unb  barum  fbejifi= 
fdjer  ©egen  unb  ^ntmlt  ber  geiftlicfyen  Sfttefjung  bleibt  (Summ.  Sent.  Tract.  VI,  c.  3).  20 
dagegen  werben  nidEjt  bloft  bie  ©bejteg,  fonbern  aud)  ber  bon  ber  Jungfrau  geborene 
Seib,  Welker  ba£  Bilb  jener  mbjtifcfyen  ©inbeit  ift,  bon  Söürbigen  unb  UnWürbigen 
gleicjmiäjjig  empfangen,  aber  bon  biefen  nur  quantum  ad  essentiam,  sed  non  idem 
quantum  ad  efficientiam  (Summ.  Sent.  I,  1.  c.  cap.  7;  de  Sacram.  lib.  II, 
p.  VIII,  c.  5).  25 

^n  ber  $eit  2llger3  unb  be3  großen  BiftorinerS  (ja  felbft  borfyer)  mag  ber  Stu^brud' 
transsubstantiatio  fd;on  bon  anbern  gebraust  Werben  fein ;  aföbalb  nad)Ij)er  fönnen  Wir 
ifm  jebenfattö  fonftatieren.  2lfö  er  erft  bogmatifiert  Worben,  begann  er  bon  fidt)  au$  ber 
Seftre  „Probleme"  ju  ftellen.  %\t  er  offenbar  aufgefommen,  Weil  er  in  ber  $ürje  ber 
treffenbfte  festen  für  bie  fad)Iid)  gewonnene  unb  gefiebert  erfcfjemenbe  31nfcb,auung  bom  30 
Satrament  (f.  oben  bei  ^eter  bon  ^oitierS,  ©.  59, 55),  fo  berfelbftftänbigt  er  fiel;  auf 
©runb  ber  „©elretierung"  burdb,  ba3  kontfl  bon  1215,  Will  nun  feinerfeit»  „burcfygebacfjt" 
toerben  unb  fdjafft  baburef)  Weitere  fragen  für  bie  StI)eoIogie. 

II.  ®ie  fd^olaftifc^e  2lu§fü^rung  ber  ^ranlfubftantiationSlefyre.  Sie 
©djolafti!  fyat  burcf;  tljre  Beftimmungen  ber  Seb,re  bie  Slbrunbung  gegeben,  in  ber  fie  ber  35 
römifdje  $atecfn3mu<§  (II,  c.4)  unbBetlarmin  (Disp.  t.III,  de  euch.  1. III) barbieten.  3)ie 
„ÜÜJiatert"   bei  ©aframente§,  an  ber  bie  33erWanb(ung  botljogen  Wirb,   ift   ungefäuertel 
Söeijenbrot  unb  2Bein,  bem  etwas  SBaffer  beigemifd;t  Wirb.    3)ie  $orm  bei  ©alramentel, 
tnobureb,  bie  SBerWanblung  ju  ftanbe  fommt,  finb  bie  SBorte:  Hoc  est  corpus  meum,  hie 
est  sanguis  meus  (bie  borb/ergel) enben  SBorte  edite  u.  f.  W.  gehören  nid)t  jur  gorm).  ©ureb,  40 
fie  Wirb  im  ariftote!ifcb,en  ©inne  bie  3Jtaterte  ba§  ^eue,   Woju  fie  bie  9)töglid)feit  in  firf; 
trägt.    ®ie  gorm  Wirft  in  göttlicher  Äraft,  allein  Wie  über  bie  SBirffamfeit  ber  ©afra= 
mente  felbft  bie  ©c^olaftif   nacb,    gWei  ©eiten   auleinanber  geb,t,  infofem  bie  ßtnen   bie 
toirfenbe  ^raft  ben  ©aframenten  immanent,  bie  Slnberen  nur  f onfomitierenb  backten  (f.  21. 
„©aframent"  33b  XVII   ©.  362, 30— 363,  ie),  fo  jeigt  fiel)  biefelbe  ^erfcl)iebenf>ett  Wieber  45 
in  ber  Beurteilung  ber  eudjariftifcr/en  gorm.     Stlbert   ber  ©rojse  (in  libr.  4,   dist.  10, 
art.  7)  unb  %f)oma$  behaupten  eine  in  ben  ^onfefration^Worten  liegenbe  gefcfyaffene  Slraft, 
burclj  Welche  fie  bie  ÜBeränberung  berSJtaterte  b,erborbringen  (P  III,  qu.  78,  art.  4.  Resp., 
bgl.  Sllejanber  bon  §ale§  S.  th.  IV,  qu.  34,  1,  1),  bagegen  führen  anbere,  Wie  33ona= 
öentura  (in  Sent.  libr.  IV,    dist.  10,    pars  II,  art.  1,    qu.  3  concl.)   unb  ©abriet  50 
Siel   (expos.  can.  miss.  lect.  47  T.  unb   in  libr.  IV,    dist.  10,  qu.  unica  Lit.  O. 
in  fine)  biefe  33eränberung   auf   eine  ben  J^onfefrationlWorten   bermöge  ber  ©infe^ung 
gefiederte  blofje  Slffiftenj  ber  göttlichen  3lllmacb,t  jurücf. 

®ie  2lnwenbung  ber  gorm  an  ber  Materie  gefcf)ier/t  bureb,  bie  briefterlicb,e  i^onfefra- 
tion  unb  it)r  unmittelbarer  ©ffeft  ift  bie  ^rangfubftantiation.    @§  ift  flar,  ba^  ba§  2I^ort  55 
transsubstantiatio   mit   feinem   plnlofobfyifcfyen  ©runbgetoräge   in   geWtffer  Söetfe  allen 
i^eologen   unmittelbar  ba§   gleiche    fagte;     immerhin   blieb   in   beftimmten  Begebungen 
mancher  ©djmlftreit  möglid). 

1.  2llger  bon  Sütticb,  (de  sacr.  lib.  I,  cap.  7)  bertritt  bie  3lnfcbauung,  bafe  bie  ©ub= 
ftanj  be3  BroteS  infolge  ber  SSertoanblung   ju   fein    aufhöre.     @i  b,attc  bie  B11^1"^  fur  m 


64  SranSfttbftanttation 

ftct),  aber  nidjt  feine  geitgenoffen.  9cad)  irrten  J)ört  tue  ©ubftang  be3  93rote§  unb  9öeine§ 
burd;  bie  Äonfetration  nur  auf,  ba§  ju  fein,  toaS  fie  bi§t)er  getoefen,  unb  toirb  ettoag, 
toaS  fie  bi§I)er  nid)t  getoefen  toar.  2lu3  biefem  ©runbe  erflärt  fid)  fd)on  £ugo  Don  ©t. 
SStftor  (de  sacr.  II,  p.  VIII,  cap.  9)  gegen  ben  ©ebanfen,  bafc  bie  früheren  ©ub= 
5  ftangen  bermcfytet  toürben.  ©benfo  Robert  $uller/n  (Sent.  lib.  VIII,  c.  5)  unb  ber  Som= 
barbe(IV,  dist.  XI  D,  f.  bagu  o.  ©.  59,  48— 51).  ÜJiocfc,  %f)oma§  erflärt  fid;  äufjerft  fd;toan= 
fenb  unb  unbeftimmt  über  bie  Statut  ber  Sertoanbtung,  fcfyeint  fid)  aber  bocb,  bereits  auf 
bie  anbere  ©cite  ju  neigen  (1.  c.  qu.  75).  ^larf)eit  bringt  erft  ®un3  ©cotuS  in  ben 
Segriff.    %xo%  mancher  Sebenfen  geftattet  er  bennocf),  bie  £ran§fubftanttation  unter  ben 

10  ©attungSbegriff  ber  Mutation  ju  ftellen;  nad)  2triftotele3  nimmt  er  brei  Mutationen  an, 
toäfyrenb  bie  eine  Übergang  bon  einem  negativen  (a  non  subjecto)  gu  einem  bofttiben 
Termin,  gu  einer  ©ubftanj  (©cf)öbfung),  bie  anbere  bon  einem  bofttiben  gu  einem  nega= 
üben  Termin  ift  (Slnnifytlation),  forbert  bie  SEranSfubftantiation  bie  bofitibe  9latur  beiber 
Termini,  fotoot)l  bei  a  quo  al§  be§  ad  quem :   fie   ift   im   atigemeinen  Übergang  bon 

15  ©ubjelt  gu  ©ubjeft,  bon  ©ubftang  ju  ©ubftanj  (in  lib.  IV,  dist.  XI,  qu.  1.  in  fine). 
®iefer  Übergang  läftt  fid;  auf  gtoiefacfye  2öeife  benf en,  einmal  fo,  bafj  bie  ©ubftang,  toeld;e 
ben  terminus  ad  quem  bilbet,  baburd)  erft  gu  fein  anfängt;  bann  aber  aud;  fo,  bafj 
fie  nur  Bier,  alfo  an  einem  neuen  Drte,  ju  fein  anfängt,  jene  Sertoanbtung  nennt  er 
productiva  sui  termini  ad  quem,  biefe  adductiva;  jene  i)at  bie  ©ntität  if)re§  %zx- 

20  minuS,  biefe  feine  Sräfentialität  an  irgenb  einem  Drte  (praesentialitas  eius  alicubi) 
gum  giele.  $n  ber  eud;ariftifd;en  £ran§fubftantiation,  toelcfje  ber  gtoeiten  2lrt  entfbridjt, 
fuccebiert  bemnacr)  ber  Seib  ßfyrifti  nid)t  nad)  bem  einfachen  ©ein,  fonbern  nur  nad;  bem 
$ierfein  bem  bräerjftierenben  Srote,  folglid;  toirb  ba§  Srot  in  ben  Seib  SI)rifti  bertoan= 
belt  nur   nad;   bem  esse   hie   praesens  pani  praeexistenti  (ib.  qu.  3).     63  ift  ber 

25  grofße  gortfdmtt  biefer  Darlegung,  bafj  fd;on  in  bem  Segriffe  ber  eudjariftifcfyen  %xan& 
fubftantiation  ba§  Moment  mit  Sefttmmtfyeit  nad;getoiefen  toirb,  auf  toeld;e§  ber  gange 
SiIbung3brogef$  be§  ®ogma  bon  Anfang  an  mit  unberfennbarer  2lbftd;t  angelegt  ift, 
nämüd)  bie  Sräfeng  bes>  bräerjftierenben  Seibe3  6B,rifti  im  2lbenbmat;l,  bie  man  nur  burd; 
bie  ^ranSfubftantiation  für  ben  ©lauben  boßftänbig  getoal)rt  glaubte,  unb  bafj  ba§  2öefen 

30  be§  ganzen  Vorganges  näb,  er  unter  ben  Segriff  ber  ©ucceffion  ber  beiben  SEermine  geftellt 
toirb.  ®un§  ©cotuS  geigt  bann  toeiter:  ba  ber  Seib  Sfyrifti  bie  neue  ©egentoart  (ba§ 
neue  lofale  ©ein)  of)ne  Serluft  ber  alten  empfange,  fo  fei  bie  mutatio,  bie  er  babei  er= 
fafyre,  eine  acquifitibe  otme  eine  beberbitibe,  toätjrenb  umgefebjt  ba§  Srot  nur  bie  be= 
berbitibe  ofme  bie   acquifitibe  Mutation   erleibe;   e<§  fyanble  fid;  bemnacb,    junäd^ft   nur 

35  um  eine  tranolatibe  Konberfion,  um  ein  §ierfein  unb  um  ein  TOd)t=§ierfein;  ba  nun 
barau§  folge,  bafe  ba§  Srot  burd)  bie  Sertoanbtung  nicb,t  fein  fubfiantießeS  (fonbern  nur 
fein  IoIa(e§)  ©ein  berliere,  fo  muffe  man  fd)Iiefjen,  baf?  ei  burd)  biefelbe  aud)  nid;t  an= 
nit)iliert  ober  bielmeb,r  beftruiert  toerbe;  toenn  aber  boeb,  ba^Srot  in  feinem  fubftantießen 
©ein  nid)t  berbleibe  unb  bennod),   toie  gefagt,   burd)   biefe  Sertoanbtung  nicfyt  beftruiert 

40  toerbe,  fo  muffe  ei  auf  eine  anbere  2ßeife  (alia  desitione)  ju  fein  aufhören;  biefe  anbere 
SSeife  fei  nun  ber  Übergang  bom  einfad)en  ©ein  jum  ^id^tfein,  fotglid)  fei  biefe  'sDefition, 
für  fid)  betrachtet,  aüerbingg  3lnnit)iIation,  aber  nid)t  bürfe  man  biefe  2lu§fage  auf  bie 
gange  (beibe  Termini  umfaffenbe)  Sertoanbtung  aus>beb,rten  (fonbern  eben  nur  auf  bas>, 
toai  an  bem  terminus  a  quo,  bem  Srote  borgest,   ibid.  qu.  4  in  fine).    Man  barf 

45  nur  bie  Erörterungen  bon  Dccam  (in  Sent.  lib.  IV,  qu.  6.  C),  unb  bon  ©abriet  Siel 
(in  lib.  IV,  dist.  11,  qu.  1)  über  biefen  ©egenftanb  lefen,  um  fia)  ju  überzeugen,  toie 
il>re  SegriffSbeftimmungen  lebiglid}  auf  ®un§  ©cotug  gurüd'getjen.  3)ie  burd)  bie  9tomi= 
naliften  fortgebilbete  2lnfid;t  be§  ©un§  ©cotuS  bon  bem  Söefen  ber  2;ran§fubftantiation  ift 
bom  römifdien  Äated;i§mui  angebeutet  (qu.  25,  al.  22)  in  ben  2öorten,  bafi  panis  et  vini 

50  substantia  in  ipsum  Domini  corpus  ita  mutantur,  ut  panis  et  vini  substan- 
tia  omnino  esse  desinat;  SeHarmin  l^at  fie  (1.  c,  de  euch.  lib.  III,  c.  18)  afö  bie 
sententia  ecclesiae  nia)t  nur  boUftänbig  abobtiert,  fonbern  aueb,  felbft  fcr)ärfer  ^rägifiert. 
^acb,  if) m  b,at  ber  Segriff  ber  toab,ren  Sertoanbtung  bier  SorauSfe|ungen :  a)  ba^  @ttoa§ 
ju  fein  aufhöre  (desitio),  b)  baf$  ©ttoag  an  bie  ©teile  bei  2lufb,örenben  trete  (successio), 

55  c)  baf?  bie  ©efition  unb  ©ucceffion  untereinanber  in  einem  teleologifcfy en  ^aufalnepS 
ftef)en,  b.  b,.  ftet)  fo  aufeinanber  begießen,  baf3  ba§  ©ine  aufhöre,  bamit  bag  2tnbere  feine 
©teile  einnehme  unb  bureb,  bie  ©efition  bie  ©ucceffion  eintrete,  d)  bafj  fotoo^I  ber  ter- 
minus a  quo  als  ber  terminus  ad  quem  bofitiber  9catur  feien.  ®iefe  toa^r^afte  Ser= 
toanblung  ift  toeber  productiva  nod;  conservativa,  ber  Seib  6b,rifti  toirb  burd;  fie 
60  toeber  t)erborgebrad;t  nod)  erhalten,  fonbern  adductiva,  er  erhält  neben  feiner  ©egentoart 


SrattSfitüfianttatioit  65 

im  Aimmel  nod)  eine  neue  ^ßväfcn§  im  ©aframent,  unb  erletbet  fomit  eine  neue  Seränbe= 
rung,  bie  tEjrer  Statur  nad)  nid)t  deperditiva,  fonbern  nur  acquisitiva  ift.  Srotjbem 
rul)t  bie  iianSfubftantiation  ntd^t  auf  einer  zweifachen,  fonbern  nur  auf  einer  einigen 
göttlichen  2lftion,  auf  bemfelben  einen  göttlichen  SSiUenSaft  (volitio),  fraft  beffen  er  baS 
Srot  nid)t  fonferbteren,  fonbern  aufhören  laffen  Will,  bamit  ber  Seib  ßfyriftt  feine  ©teile  5 
unter  ben  Slccibentien  einnehme. 

2.  ©er  eine  (Sffeft  ber  ll'onfefration  ift,  tüte  Wir  fallen,  baf$  Seib  unb  Slut  ßfyriftt 
„in"  ben  ©aframenten  gu  fein  anfangen,  mittun  if?re  reale  ©egenWart  unter  ben  2lcct= 
bentien  beS  SroteS  unb  beS  SSeineS  (bgl.  ©abriet  Siel  in  üb.  IV,  dist.  XI,  qu.  1, 
Lit.  H.).  %fyoma$  begnügt  ftcb,  mit  bem  ©a£e,  bafs  ber  Wal)re  Seib  unb  baS  Wafyre  10 
Slut  be§  §errn  im  ©aframente  fei  —  eine  S£f)atfacf/e,  bie  Weber  mit  ben  ©innen  noch, 
mit  ber  Sermmft,  fonbern  nur  mit  bem  auf  bie  göttliche  Autorität  geftütjten  ©lauben 
erfaßt  werben  fönne  (qu.  75  art.  1),  bod)  bleibt  er  fid)  infofern  ntd)t  ganj  gleid),   als 

er  öfter  ben  Seib  ßfmfti,  Wie  er  im  §immel  erjftiert,  im  Ünterf dnebe  bon  feiner  fafra= 
mentlidjen  ©rjftenj  in  ber  £>oftie  ben  „Wab/ren"  Seib  nennt  (^.  S.  qu.  76,  art.  3,  ad  2m),  15 
ein  SeWetS,  wie  bie  angeftrebte  ^bentität  beiber  unWillfürlict)  unb  unbewußt  Wieber  auS= 
cinanber  bricht,    dagegen  Ijebt  Siel  nad)  DccamS  Vorgang  Wieber  ungleich   fd)ärfer  bie 
abfolute  $bentität  beS  SeibeS  (grifft  im  §immel  unb  im  2lbenbmaI)Ie  fyerbor,  bie  ^ßafd)a= 
fiuS  unb  bie  ältere  ©d)ule  fo  nact/brüdlid)  behauptet  Ratten  (Expos,  can.  miss.  lect.  39, 
Lit.  C).    2luS   ibr  folgt  unabweisbar,    bafj   ber  Seib  61)rifii  fo   im  3lbenbmaf)le  gegen=  20 
Wärtig  ift,  Wie  er  jur  9ted)ten  beS  SaterS  thront,  b.  I).  als  ein  lebenbiger,  mit  ber  ©ott= 
b,eit  berbunbener,  unfterblicfyer,  berflärter  (gloriosum)  Seib   mit  allen   ü)m   im  §immel 
inb.ärierenben  Qualitäten  unb  2lccibentien  (Siel  in  libr.  IV,  dist.  XI,  qu.  1,  Lit.  D) 
©enn  bie  ©d)olaftif  legt  bem  »erklärten  Seibe  6b,rifti  im  ganzen   biefelbe  natürliche  Se= 
feb,  affenb,  eit  bei,  bie  er  im  irbifcb,  en  Seben  I) atte ;  baS  ©innige,  WaS  er  burd)  bie  Serflärung  2.-. 
borauS  trnt,   ift  bie  SeibenSlofigfeit  unb  Unfterblidjfeit.    ©arauS  ergiebt  ftd)  eine  Steige 
un§  bereits  feit  2lnfelm  (f.  0.©.  61, 44—54)  befannter  Weiterer  Seftimmungen,  Weld)e  SEfyomaS 
burd)  bie  Sefyre  bon  ber  „realen  ^onlomitanj"  ju  begrünben  berfucfyt  fyat.  $raft  ber  fafra= 
mentalen  SerWanblung  (ex  vi  sacramenti)  nämlid)  ift  in  bem  Stbenbmafyle  ttidjt  blofj 
bie  ©runbfubftang  beS  SeibeS  6f)rifti,  fein  gleifcfy,  fonbern  fein  ganzer  Seib.  ©a  aber  ber  30 
Seib  Gfyrifti  im  £>tmmel  als  ein  lebenbiger,  nur  ein  befeelter  fein  fann  unb  überbieS  mit 
ber©ottl)eit  unzertrennlich  berbunben  ift,  fo  mufc  er  aueb,  gleidjerart  in  bem  ©aframente 
fein,  aber  beibe,  ©eele  unb  ©ottfyeit  (Sfyrifti,  finb  nief/t  !raft  ber  faframentaten  SerWanblung 
(vi  sacramenti),  fonbern  nur  traft  ber   natürlichen  ^onlomitanj   in  bem  ©aframente. 
©a  ferner  ber  lebenbige  Seib  nid)t  otme   baS  Slut,  baS  Slut  nid)t  ofyne  ben  Seib   fein  35 
fann,  fo  I)at  bie  reale  ^onfomitanj   $u  ibrer  Weiteren  ^onfequenj,  bafe    baS  Slut  aueb 
unter  ber  §oftie  unb  ber  Seib  auet;  unter  ber  ©bejieS  beS  SBeineS,  ba|  fomit  ber  ganje 
Sb,riftuS  unter  jeber  ber  beiben  ©eftalten  ift  (qu.  76,  art.  1  unb  2 ;  bgl.  Catech.  Rom. 
qu.  34,  al.  28).    ®ie  fbätere  ©d;olaftif  Bat  biefe  Xb^eorie  feftgeb,alten  unb  Siel  b,at  fie, 
im  2lnfct)luffe  an  %xan%  3)fat)ron  (granj  be  9Jtar;roniS,   ber  Magister  abstraetionum,  40 
War    einer   ber    b,erborragenbften    ©ctmler  beS  ®unS   in  ^ßariS,   geft.  1327;   f.  MS2, 
Sb  VIII  ©.  1117)  mit  nod)  größerer  ^3rä§ifion  gegliebert  (lect.  42). 

3.  ©amit  ber  Seib  ßb,riftt  unter  ber  ©be§ieS  ber  §oftie  bräfent  Werben  lönne,  mup 
bie  ©ubftanj  beS  SroteS  aufhören  unter  ib,r  ju  fein;  nur  bie  Slccibentien  beS  SroteS 
bleiben  jurüc!.  @S  ift  bieS  bie  anbere  ©eite  an  ber SBirlung  ber  ^onfefration.  ®ie  ©cb^o=  45 
laftif  tonnte  bab;er  bie  grage  nicb,t  umgeben,  ob  biefe  2lccibentien  für  fiel)  allein  ofme  ib,r 
©ubjeft  foribeftefyen  fönnen.  ^omaS  bejahte  biefelbe  unbebenflieb,  mit  Serufung  auf  bie 
göttliche  3lllmacl)t,  bie  als  causa  prima  ben  ©ffelt  ber  causa  seeunda  aueb,  nacb,  beren 
3lufb,ebung  erhalten  lönne  (qu.  77,  art.  1);  er  Wufjte  aber  aueb,  für  baS  fef)lenbe  ©ub= 
fe!t  ein  ©urrogat  auS^umitteln,  er  nab,m  an,  bafj  bie  Slccibentien  beS  SroteS  nad)  bem  50 
2luff)ören  ber  Srotfubftan^  in  ber  noeb,  borb^anbenen  bimenfiben  Quantität  beS  SroteS 
sicut  in  subjeeto  jurüdblieben ;  bafc  biefe  fomit  geWifferma^en  baS  ©ubjeft  fei,  Welches 
ben  übrigen  Slccibentien  bie  9Jcöglid)feit  beS  felbftftänbigen  SefteI)enS  aud)  ob^ne  eigene 
©ubftanj  fixere  (qu.  77,  art.  2).  ©emgemäfj  b^aben  bie  faframentalen  ©i)ejieS,  obgleid) 
fubftanjloS,  unberänbert  i§r  felbftftänbigeS  ©ein,  fie  fönnen  Wie  borf)er  bie  leiblichen  55 
©inge  au^er  fid)  affigieren  unb  an  ib^nen  Seränberungen  (»erborrufen,  benn  bie  bimenfibe 
Quantität  beS  SroteS,  Welche  an  ifynen  bie  ©teile  ber  9Jlaterie  bertritt,  leiftet  alles,  waS 
ber  SJcaterie  als  folcfjer  gufommt,  fie  ift,  wie  biefe  primum  subjeetum  subsequentium 
formarum  (art.  5  resp.  in  fine).  ©d)on  ©unS  ©cotuS  erflärte  fid)  gegen  biefe  „rea= 
liftifd)e"  2luffaffung  ber  Quantität  als  beS  QuafifubjeftcS  ber  jurüdbleibenben  wefenlofen  G0 

SReol=®nc9Hopäble  für  St^eologte  unb  SEtrd&e.    3.  2t.  xx.  5 


66  SranSfubfiannattott 

Slccibentien.  Dfocb  mebj  mußten  e§  bie  91ominaliften  Dccam  unb  Siel  nad)  ber  $on= 
fequenj  tf>re<§  ©tanbbunfteg  tlmn,  ber  feinen  realen  Unterfcfyieb  gVotfc^en  Quantität  unb 
bem  Quantum  felbft  (ber  res  quanta,  b.  f).  ber  ©ubftanj  ober  ber  Qualität)  juliefj. 
@ben  barum  aber  tonnte  e§  aucf)  für  fie  md)t  biefelbe  ©cfywierigfeit  baben,  anjune^men, 
5  bafs  bie  Slccibentien  be§  SroteS,  bie  ja  nur  Qualitäten  finb,  fortbefteben,  ofjne  einer  ©ub= 
ftanj  ober  einem  ©ubjett  ju  infyärieren ;  gegen  %i)oma§  machen  fie  geltenb,  bafs  bie  bimen= 
fibe  Quantität,  in  Welker  fie  nad)  ber  SerWanblung  befielen,  nidjt  bie  ber  früheren 
Srotfubftanj,  fonbern  ifyre,  ber  Slccibentten,  eigene  Quantität  fei  (bgl.  Siel,  dist.  12, 
qu.  1,  Lit.  A). 

io  yiafy  gefd)efyener  Äonfefration  toirb  ber  Seib  ßbrtftt  in  biefen  fubftanjlofen  3lcciben= 
tien  bräfent;  ba  biefe  aber  aud)  für  fid)  allein  oljme  ©ubjelt  felbftftänbig  beftefyen  fbmten, 
fo  ift  tfyre  Serbinbung  mit  bem  unter  iljmen  enthaltenen  Serbe  bod^  eine  ungemein  lofe; 
e§  ift  eigentlich  nur  bie  Äoerjftenj  jtoeier  einanber  innerlich  frember  SDmge  in  bemfelben 
Staunte,    ©ie  Slccibentten  be3  SroteS  inb^ärieren  barum  bem  Seibe  ßfyrifti  nid)t,  fie  affi= 

15  gieren  tfyn  nid)t,  fie  informieren  ilm  nicf)t;  e3  fönnen  fid)  aud)  an  ilmen  Vorgänge  bol!= 
gießen,  meldte  ben  Seib  Gfyrifti  nid)i  berühren.  ®ie§  tritt  jeBr  ficfytlid)  in  bem  %aüe  berbor, 
bafe  bie  §oftie  gebrochen  wirb,  benn  bie  gange  ©cfyolaftil  blieb  einftimmig  bei  ber  @r= 
flärung  ©uitmunbS  ftefjen,  ba£  ber  Srud)  nur  ba£  ßeicfyen,  n^x  ben  Seib  ßfyrifti  treffe, 
Weil  biefer  nict)t  blofj  totum  in  toto,  fonbern  gugleid)  totum  in  qualibet  parte  fort= 

20  ejiftiere  (Thom.  qu.  77,  art.  7;  Siel,  dist.  12,  qu.  1.  J). 

4.  Son  großer  SßicijitigJett  mar  bie  §rage:  tote  lange  6I)rifti  Seib  unter  ber  §oftie 
gegenwärtig  bleibe.  Sie  ältere  ©cfmlafitf  fyaite  e§  nicfyt  getoagt,  barauf  eine  abfd)Iiefenbe 
Slntroort  gu  geben.  ®em  §ugo  bon  ©t.  SStctor  liegt  nur  baran,  bie  ©egenwart  Sfyrifti 
im  ©aframent  für  ben  DJcoment  be3@enuffeS  fieser  ju  fteHen  (de  Sacr.lib.  IL  P.  VIII, 

25  cap.  13).  Dbjenioer  Würbe  bie  grage  bon  ber  fbäteren  ©cb^olafti!  befyanbelt.  9kd)  %$oma§ 
bleibt  ber  Seib  6£>rifti  fo  lange  unter  ben  ©besieg  gegenwärtig,  al§  biefe  nicr)t  eine  folcfye 
Seränberung  erfahren,  buref)  meiere  bie  ©ubftanj  beö  SroteS  unb  2Beine§,  Wenn  biefelbe 
nod)  »orb^anben  märe,  alteriert  mürbe.  ©ine  fo!d)e  Seränberung  erfolgt  entWeber  bureb, 
mecfyanifcfye  gerftörung   (j.  S.  ^ßulberifierung)    ber  §oftie  ober   burd)  bie  UmWanblung 

30  aller  Qualitäten,  b.  I).  burd)  cfyemifcben  ^roje|,  mie  bie  Serfcfyimmelung  ober  Serbauung. 
9Jtit  bem  ©tntritt  einer  berartigen  ^orrubtion  r)ört  in  beiben  gäHen  ber  Seib  unb  baS 
S3Iut  ßfyrtfti  auf,  in  bem  ©aframente  ju  fein  (qu.  77,  art.  4).  ©abriel  Siel  mieberb^olt 
biefe  (Sntfcfjeibung  unb  ergänzt  fie  burc§  bie  neue  Seftimmung  DccamS,  ba^  toenn  ber 
Seib  6I)rifti  unter  ber  §oftie  aufbore,  eine  anbere  ©ubftanj  an  feine  ©teile  trete,  fei  eö, 

35  bafj  bie  alte  Srotfubftanj  mieberfebre,  ober  bafe  eine  gang  neue  ©ubftanj  barin  gegen= 
märtig  toerbe  (Dist.  XI,  qu.  1  G.  H.).  SDarauf  blatte  bereits  Cccam  bai  ^arabojon 
gegrünbet:  quod  ex  non  substantiis  (nämlicb,  ben  fubftanjlofen  Slccibentien)  potest 
fieri  substantia  (1.  c.  concl.  39).  Somit  mar  nun  auf  fixerer  Safig  bie  alte^ragc: 
ob  bie  Slccibentten  $raft  bätten,  ju  ernähren,  leicht  ju  entfebetbetf:   ba  nämlic^  ber  3Ser= 

40  bauunggproje|  bie  ©ubftan^  be§  SroteS  alteriert,  fo  bort  mit  feinem  beginn  bie  ©egen= 
toart  be§  SeibeS  ßl>rifti  unter  ben  Slccibentten  auf,  unb  folglich.  Wirb  ü)m  bureb!  einen 
abfoluten  Slft  @otte§  unter  benfelben  eine  anbere  ©ubftanj  furrogiert,  Welche  bie  $raft 
b^at,  ju  ernäbren,  bie  ben  Slccibentten  al§  folgen  abgebt.  ®amit  War  bie  ©iS!uffion  be§ 
„ftercoraniftifeb^en"  ©treiteS  für  immer  abgetan. 

45  5.  @§  fragt  fid)  nod},  Wie  bie  formalen  Sßorte:  hoc  est  corpus  meum,  er.egetifd) 
gefaxt  Würben,  ©abriel  Siel  bat  biefer  grage  in  feiner  ©rllärung  bef  9Jlefefanon  einen 
eigenen  Slbfcfmitt  gemibmet  unb  ib^re  »erfebiebenen  Beantwortungen  im  SRittelalter  barin 
(lect.  48)  jufammengeftellt.  ®ie  Serengarianer  erllärten  Wie  gwingli  etnfad) :  ba§, 
nämlicb  ba§  Srot,  ift,  b.  b.  bebeutet  meinen  Seib.    ®ie  Stnfyänger  ber  SLranäfubftantia= 

50  ttongbr;^otbefe  lonnten  fiel»  babei  natürlich  ntebt  beruhigen,  ba  biefe  SSorte,  beftimmt  bie 
Serwanblung  ^erborjubringen,  fie  auef)  auSffcrecfyen  mußten,  ^icb^arb  bon  ©t.  93ictor  fyält 
ba§  ^räfenj  für  irrelebant  unb  fubftituiert  ib;m  ba§  futurum:  bieg  —  nämltd).  ba§Srot 
—  Wirb  mein  Seib  fein.  ^b,m  fommt  am  näd)ften  Sonabentura,  ber  hoc  gleichfalls  auf 
bie  unter  ber  ©bewies  entbaltene  Srotfubftanj  begießt,  bagegen  bureb!  bie  Sobula  est  ntdjt 

55  ben  Segriff  beS  ibentifeb^en  ©eini,  fonbern  ben  ber  Ummanblung  auSgebrüdt  glaubt;  er 
umfcbjeibt :  bieg,  b.  b, .  bie  Srotfubfianj,  Welcbe  unter  biefen  ©besieg  je^t  noeb!  gegenwärtig 
ift,  Wirb  in  meinen  Seib  tranSfubftantiiert.  ©inen  neuen  äöeg  fdjlägt  Slleranber  bon  §ale§ 
ein;  er  nimmt  bie  2öorte  fignifilatib  unb  oberatib  jugleid);  hoc  aber  bertritt  ifym  ntebt 
ben  Segriff  beS  3e^en^r  fonbern  beS  Sejeic^neten  (signatum),  gebt   alfo  bem  ©inne 

60  nacb  auf  ben  Seib  (5b]rifti  felbft,  er  umf^retbt:  ba§,  m§  bura;  ba§  ^eieb^en  begetebnet  ift, 


SrattSfubftanttatton  67 

tft  mein  Seib.  ^bomaS  bat  im  ©runbe  nur  btefe  2Inftd;t  bollenbet;  hoc  bertritt  il)m 
ganj  allgemein  ben  Segriff  ber  qualitativ  unbeftimmt  gelaffenen  ©ubftang,  meiere  unter 
ben  2lcctbentien  bräfent  gebaut  unb  burd)  bas>  ^Sräbifat  bann  näber  al§  ber  Seib  (5f)rifti 
beftimmt  mirb.  $)er  ©inn  ber  SSorte  tft  bemnad;:  ba3  unter  ben  ©begieß  @ntl)altene  tft 
mein  Seib  (qu.  75,  art.  8  Resp.  in  fine,  unb  befonber§  qu.  78,  art.  5  Resp.).  tiefer  5 
©rflitrung  fcbjiefjen  fid;  im  mefentltcben  aud)  SSiel  (lect.  41  H.)  unb  SeEarmtn  (III, 
c.  19)  an.  ®en  ^Beweis  bafür,  bafj  e§  fid)  mtrflid;  um  £ran3fubftanttation  banbele, 
entnimmt  Stomas  au§  bem  „hoc":  bliebe  bie  ©ubftanj  be§  S3rote§,  fo  I)ätte  St)riftu§ 
jagen  muffen:    „hie"  (panis)  est  corpus  meum  (qu.  75,  art.  2,  Resp.  in  fine). 

6.  ®ie  tntereffantefte  bejm.  fcfjmierigfte  grage,   meld)e  bie  ©dmlaftif  unter  bem  ©e=  10 
fid)r»bunft,  mie  ber  Seib  6f)rifit  Vermöge  ber  5£ran§fubftantiation  im  2Ibenbmal)le  gegen= 
märtig   fei,  berl)anbelte,   betraf  bie  Quantität   be§  eud)ariftifd)en  SetbeS  unb  fein  räum= 
li(f>cö  &erf;ältnt3  ju  ber  £>oftie,  unter  melier  er  enthalten  tft. 

©er  ^bentität  beä  eud>ariftifd)en  SeibeS  mit  bem  Seibe  6I)rifti  im  £>immel,  welche 
burd;  bie  Xran§fubftantiation3lei)re  ermiefen  merben  foEte,  mufjte  ein  ftarle§  Sebenfen  15 
in  ber  finnlid)en  2öal)rnel;mung  entgegentreten.  ®er  Seib  ß^rifti  im  §tmmel  mürbe 
nämlid;,  abgeben  bon  ben  $räbifaten  ber  $mtoafft6tlität  unb  Unfterblid;feit,  bie  man 
il)m  beilegte,  in  berfelben  2öeife  erjftierenb  gebaut,  mie  er  einft  auf  (Srben  getoanbelt 
war;  er  mu|  nacb  biefer  Sluffaffung  alfo  aud)  fitjenb  jur  5Red)ten  ©otteä  in  quantt= 
tatiber  üffieife  epftieren,  mithin  einen  beftimmten,  feiner  2lu§bel)nung  entfbred)enben  9faum  20 
erfüEen,  fo  bafj  ba§  ©anje  be§  Seibe3  biefen  ganzen  sJtaum  unb  jeber  einzelne  %nl  be3 
Seibeä  mieber  feinen  befonberen,  mit  feinem  anberen  geteilten  %eil  biefes  9taume§  ein= 
nimmt.  $Dtefe  2Irt  be§  quantitatiben  ©ein3  nannte  man  esse  dimensive  ober  circum- 
scriptive  (bgl.  Sonabentura  1.  IV,  dist.  10.  P.  1,  qu.  4).  ©0  fann  er  aber  augem 
fdjeinlid)  nidjt  unter  ber  £oftie  enthalten  fein,  ©iefem  @tnmurfe  tonnte  man  nur  mit  25 
bem  ©a^e  begegnen,  bafj  ber  Seib  im  ©aframente,  obgleid;  ein  unb  berfelbe  mit  bem  im 
§immel,  bodb,  im  ©alramente  eine  anbere  ©jtftenjmeife  l)abe,  al§  im  §immel,  er  erjftiere 
im  ©alramente  in  quantität^Iofer  2Beife,  fo  bafj  ber  Seib  6l)rifti  ganj  in  ber  ganjen 
§oftie  unb  mieberum  ganj  in  feiern  %e\k  berfelben  fei  (bgl.  Sonabentura  a.  a.  D.  qu.  5 
Concl.).  ®er  leitete  ©a£  erhielt  burd;  bie  ©d)olaftif  eine  centrale  ©teEung  in  ber  30 
2lbenbmaI)I<§lel)re;  er  beantwortete  bie  §rage  nad)  ber  eigentümlichen  2trt,  mie  ber  Seib 
ßl)rifti  im  2lbenbmal)le  gegenroärtig  fei.  ®ie  faframentale  ©ein§meife  be§  SeibeS  erhielt 
im  Unterfd)iebe  bon  bem  esse  circumscriptive  feit  Dccam  (Quodlib.  I,  qu.  4)  ben  tarnen 
esse  diffinitive  ober  definitive.  5Die  mefentlid;e  grage,  auf  bie  b,ier  aEe§  anlam  unb 
um  bie  fid;  ber  ©egenfatj  ber  ©fyfteme  in  biefem  fünfte  betoegte,  mar  nun  bie,  ob  ber  35 
Seib  @I)rifti,  bem  atte  bie  gleite  ©Eiften^toeife  im  2lbenbmal)le  beilegten,  mie  fte  burdj 
ba§  totum  in  toto  et  totum  in  qualibet  parte  beftimmt  mar,  im  ©aframente  auf= 
bore,  an  fid)  ein  quantum  ober  extensum  ju  fein,  ober  ob  er  an  fid)  ein  foldjeS  aEer= 
bing§  aud;  im  ©aframent  fei,  aber  tro^bem  in  bemfelben  nur  in  quantitätlofer  Söeife, 
alfo  olme  modus  quantitativus,  in  ber  §oftte  e^ifttere  ?  40 

a)  ©ie  ältere  realiftifd;e  ©d)olaftif  legte  befanntlid)  ber  Quantität,  mie  ben 
übrigen  abfoluten  Slccibentien,  eine  felbftftänbige,  bon  ber  ©ubftanj  mie  bon  ben  Quali= 
täten  unterfd;iebene  reale  (Sjiftenj  bei,  fte  betrachtete  fie  als  ein  in  ber  BJeitte  ;$mifd)en 
ber  an  fid;  unquantitatiben  ©ubftang  unb  ben  an  fid;  ntebt  quantitatiben  Qualitäten 
fteftenbeä  reale§  Sing,  burd;  beffen  3Serbinbung  mit  ber  ©ubftanj  ober  einer  Qualität  45 
biefe  erft  ju  res  quantae  mürben,  erft  eine  2tu§bel)nung  erhielten,  erft  einen  beftimmten 
Raum  einnähmen  (bgl.  Siete  Äritif  bei  realiftifd;en  Quantität§begriffe§,  Expos,  can. 
miss.  lect.  43.  Lit.  E.).  ®a  ber  ^eali^mug  fomit  bie  Quantität  md)t  al§  eine  ben 
materieEen  SDtngen  an  fid;  gufommenbe  unberäufjerlidje  S3eftimmtb,eit ,  fonbern  al§  eine 
frembe,  ifmen  nur  bon  aufeen  erft  gleid)fam  jugefommene  33eftimmung  al§  ein  Super-  50 
additum  anfab,  fo  tonnte  er  einräumen,  baf?  biefelbe  aud;  bon  ifynen  abgelöft  merben 
fönne,  ob,ne  ba^  fte  baburd)  in  i^rem  mefentlid;en  ©ein  irgenbwie  alteriert  mürben.  Tcm= 
nad;  mu|te  eö  bem  9?ealiömu§  am  näd)ften  liegen,  anjunel)men,  ba^  ber  Seib  6f;rifti 
niefet  al§  quantum  unb  folglid)  aud;  ob,ne  modus  quantitativus  in  ber  £>oftie  gegen= 
bärtig  unb  bod;  berfelbe  toie  im  §immel  fei.  ^n  ber  £f)at  bat  eö  niebt  an  foleben  55 
gefehlt,  meld;e,  biefer  luffaffung  folgenb,  be^aubteten,  ba^  ba§  3lcciben§  ber  Quantität 
nur  bem  Seibe  Gbrifti  im  §immel  jufomme,  aber  nid)t  bem  Seibe  ßb.rifti  im  ©aframent, 
bter  t)ahc  er  feine  mirfltcbe  „2lulbeb,nung".  gragt  man,  mie  ba§  ju  benfen  fei,  fo  ant= 
toorteten  fie:  ©ott  fann  einen  ^eil  beg  Seibe§  in  ben  anberen,  unb  in  biefen  mieber 
einen  anberen  gleid)fam  fjineintreten  laffen  (subintrare),  fo  ba^  jule|t   fein  Xeit   mebr  so 


68  Sranäfubftimtiatiim 

unter  unb  neben  bem  anbeten,  fonbern  jeber  nur  in  bem  anbeten  erjfticrt  unb  bag  ©ange 
bie  benlbar  lleinfte  natürliche  Quantität  l>at.  ©afj  bamit  aucb,  bie  ©eftalt  (figura)  beg 
Seibeg  aufgehoben  fei,  beirrt  btefe  Slnfcfyauung  nicfyt;  ifyr  genügt  eg,  bafj  nur  bie  Realität 
ber  Materie  unb  gorm,  bie  Realität  bet  ©ubftang  alg  folget,  geWabrt  bleibe.  38er  bie 
5  aSettteter  biefer  ,,©ubintrationgit)eorie"  Waren,  toiffen  Wir  nicf>t,  wir  lernen  nur 
ben  %ni)aü  berfelben  burcb,  bag  b^ftorifcr,e  Referat  Silberig  beg  ©rofeen  (IV  dist.  13, 
art.  10),  beg  ©ung  ©cotug  (IV  dist.  10,  qu.  1)  unb  ©abriet  Siel  (1.  c.  Lit.  F.) 
fennen.  ©er  2lnftof$,  ben  man  an  t^r  nal)m,  beruhte  rttd^t  barin,  bafj  fie  bie  Quantität 
al§  etwas  bon  ber  ©ubftang  2lblögbareg  betrachtete,  —  bieg  giebt  im  (Gegenteile  33ona= 

io  bentura  auSbrücflicb,  gu  (1.  c.  qu.  2)  — ,  fonbern  bafe  ber  Setb  Sbrifti,  Wenn  er  alg  non 
quäntum  im  2lbenbmaf/le  gegenwärtig  märe,  aucb,  weber  ein  lebenbiger,  nocb,  ein  orga= 
nifc^er  unb  folglich  nic^t  mit  bem  tnmmlifdjen  ein  unb  berfelbe  fein  lönne  (Sonabentura 
1.  c),  ober,  mag  befonberg  Sllbert  ber  ©rojje  (dist.  13,  art.  10)  unb  ©ung  ©cotug 
(dist.  10,  qu.  1)   gu   bebenden  geben,  bafs   unter  biefer  23oraugfe|ung  ber  eucfyariftifcfye 

15  Seib  nicfyt  einen  Steil  neben  bem  anberen,  folglich  leine  „©eftalt"  (figura)  fyaben  unb  bem= 
gemäfj  aucb,  lein  befeelter  Seib  fein  fonne. 

©o  fab,  man  ficb,  genötigt,  bie  Söfung  beg  ^3robIemg  auf  anberem  Söege  gu  ber= 
fucfyen ;  eg  galt  nichts  geringereg,  alg  ben  Satiptoeig  gu  liefern,  baf$  Quantität  borb, anben 
fein  lönne,  obne  im  „Saume"  alg  folc^e  gur  ©rjcbeinung  gu  lommen,  ober  bajj  ber  begriff 

20  eineg  2tuSgebeI)nten  oI)ne  räumliche  2lugbel)nung  leinen  SSiberfbrucb,  in  fiel;  fcbjiefje.   ©o 

formuliert  ^Bonaventura  ber  ©cf)oIafttl  tfyre  2lufgabe  in  ben  2Borten  (1.  c.  qu.  4 

Conclus.):   Corpus  Christi  vere  existens  in  hostia  consecrata,  licet  habeat  ibi 

propriam  dimensionem,  non  tarnen  est  ibi  dimensive  [sive  circumscriptive]. 

b)  ©er  erfte,  ber  btefe  S£fyefe  bialeltifcb,  burcfjgufüfyren  toerfuebte,  ift  %fyoma§  bon 

25  2lquino.  @r  legte  feiner  Söfung  bie  Segriffe  ber  SBerWanblung  unb  ber  ^onlomitang 
gu  ©runbe.  ©ie  SSerWanblung  fyat  gu  ifyren  Terminen  niebt  bie  ©imenfionen,  fonbern  bie 
©ubftangen;  ba  nämlicb,  bie  ©imenfionen  beg  Sroteg  Wie  bie  übrigen  3lccibentien  aucb, 
nact;  ber  Itonfelration  bleiben,  fo  Werben  fie  niebt  in  bie  ©imenfionen  beS  erbeten  Seibeg 
6l)rifti,  fonbern  nut  bie  ©ubftang   beg  Sroteg  Wirb  in  bie  ©ubftang  biefeg  Seibeg  ber= 

30  Wanbelt  (qu.  76,  art.  1  ad  3  m).  ^raft  ber  SerWanblung  (ex  vi  huius  sacramenti) 
ift  bafyer  aucb,  nur  bie  ©ubftang  bes  Seibeg  Sfyrifti  auf  bem  Slltare;  ba  aber  ber  Seib 
Sfyriftt  in  bem  ©alramente  fo  gegenwärtig  ift,  Wie  er  in  bem  §immel  erjftiert,  fo  barf 
aucb,  feine  bimenfibe  Quantität  niebt  fehlen;  ba  biefe  aber  nur  concomitanter  unb  ge= 
Wiffermafjen   per   aeeidens   im   ©alramente   ift  (ärt.  4  ad  Im),    fo  ift  fie  battn  aucb, 

35  nic^t  auf  ibre  eigene  SSetfe  (seeundum  proprium  modum),  fonbern  nur  nacb,  ber 
SBeife  ber  ©ubftang  (per  modum  substantiae,  art.  4  Resp.);  näfyer:  ber  Seib  ßfyriftt 
ift  im  ©alramente  nicfyt  fo  gegenwärtig,  Wie  feine  bimenfibe  Quantität  unter  ber  bimen= 
ftben  Quantität  beg  Saumeg,  fonbern  Wie  feine  ©ubftang  unter  ifyren  eigenen  ®imen= 
fionen  befielt  (art.  3).    @g  ift  alfo  ein  gWeifadjer  modus  gu  unterfdjeiben,  ber  modus 

40  quantitatis  ober  dimensionum  unb  ber  modus  substantiae.  ©iefer  ift  bag  $räge= 
beng,  jener  bag  ^onfequeng.  ©ie  ©tgentümlicbjeit  beg  erfteren  befielt  barin,  bafj  nacb, 
ib,m  ber  gange  Höt^er  ben  gangen  9laum  unb  jeber  einzelne  ieil  beg  ^örberg  barin 
feinen  befonberen  9teumteil  einnimmt  (totum  in  toto  unb  pars  in  parte);  bie  beg 
anberen  ftoricfyt  fieb,  umgelegt  barin  aug,   baf$  bie  5Ratur  ber  ©ubftanj   (natura  sub- 

45  stantiae)  gang  im  gangen  Staum  unb  gang  in  jebem  Steile  beffen  enthalten  ift  (tota  in 
toto  et  tota  in  qualibet  parte),  Wie  man  bieg  an  ber  Suft  unb  bem  Srote  fiel?:,  beren 
Statur  niebt  blofs  in  bem  ©angen,  fonbern  auc^  in  jebem  Seile  nacb,  ibrer  Totalität  ent= 
galten  Ift.  ©benfo  ift  bet  gange  ©briftug  in  jebem  SEeile  ber  £ofüe,  rtiebt  blofe  bet_ge= 
btocfjenen,   fonbern    aucb,    ber  ungebrochenen   botb, anben   (art.  3  unb  4).     9Jacb,   biefer 

50  Soraugfe^ung  lann  eg  SEb,omag  nur  berneinen,  bafj  ber  Seib  ßb^rifti  im  ©alramente 
räumlicb,  (sicut  in  loco)  fei;  auf  ben  Einwurf,  ba§  boeb,  ber  diaum  ber  ©begieg  nicb,t 
leer  gebaut  Werben  lönne  (benn  nacb,  2lriftoteIeS  giebt  eg  leinen  leeren  Saum),  antwortet 
er,  biefer  Saum  fei  allerbingg  erfüllt,  aber  niebt  bon  ber  unräumlicb,  barin  erjftierenben 
©ubftang  beg  Seibeg,  fonbern  nur  bon  ben  ©begieg  beg  Sroteg,   bie  nacb,  ber  SerWanb= 

55  lung  ibrer  früheren  ©ubftang  noeb,  immer  ibre  alten  ©imenfionen  beibehalten  (art.  5 
Resp.  unb  ad  2  m).  ©er  betmittelnbe  ©ebanle  biefer  SEbeorie  liegt  bemnaa)  barin,  bafj 
bag,  Wag  Iraft  ber  SerWanblung  im  ©alramente  ift,  alfo  ber  birelte  Sterminigmug  ber= 
felben,  aucb,  mit  SotWenbigleit  ba  ift,  Wag  bagegen  feine  ©egenWart  blofc  ber  Äonlomi= 
tang   berbanlt,    batin   aua;   nur   eine   gufällige  ©rjfteng   b,aben  lann  unb  mithin  jenem, 

eo  wenn  eg  bie  Satur  beg  ©alramenteg  forbert,    feine  ©igentümlicbleit   obfern   mu|.    ^n 


SrauSfubftanttatton  69 

btcfem  Sßer^ältntffe  nun  ftefycn  gueinanber  bie  ©ubftanj  beS  SeibeS  Gfmftt  unb  [eine 
bimenftbe  Quantität;  bie  ledere  fyat  barum  als  baS  rein  2lccibentteße  ifyren  eigentüm= 
liefen  modus  essendi  bem  ÜDcobuS  ber  ©ubftanj  unter^uorbnen ;  fie  ift  nur  naify  bent 
lederen  im  ©aframente  gegenwärtig,  ©afj  SbomaS  fein  angeftrebteS  gtel,  ben  9Zad)= 
weis,  bafj  ber  gange  Seib  (grifft  in  jebem  Seile  ber  ^oftie  enthalten  fei,  nidjt  erreicht,  5 
leuchtet  ein.  S)er  bialeftifdjie  gefyler  liegt  barin,  bafj  er  ber  Statur  ber  ©ubftanj  (b.  fy. 
ber  qualitativen  Sefd)affenfyett  berfelben)  im  Fortgänge  ber  SeWeiSfüfyrung  bie  ©ubftanj 
felbft  fubftituiert,  ofyne  gu  bebenden,  bafj  beibeS  bodj  gWet  nidjit  gu  berWecfyfelnbe  Segriffe 
finb.  2Sie  fotlen  Wir  unS  ferner  bie  Sefcb,affenl)eit  beS  eud)arifttfd;en  SetbeS  nacb,  ben 
näheren  Sefttmmungen  benfen,  unter  Welche  er  ib,n  ftettt,  b.  b,.  als  quantum  obne  im  10 
9kum  erfcfyetnenbe  Quantität?  @r  fagt  auSbrüdlid;  (art.  3  ad  2  m):  bie  ©iftang  ber 
Teile,  Welche  ber  organifcfye  Körper  geige  unb  Welcb,  e  bem  wahren  (sie !)  Seibe,  bem  Seibe 
im  §immel,  eigne,  fei  nicfyt  in  bem  ©aframente,  Woraus  ftd)  bann  als  unabweisbare 
lonfequenj  Weiter  ergiebt,  bafj  im  ©aframente  ber  Setb  6b,rifti  Weber  eine  ©eftalt  b,at, 
noa)  —  WaS  ^Bonaventura  mit  5Red^)t  forbert  —  ein  organifdjer,  ein  Wahrer  Seib  ift,  15 
unb  bafj  fomit  aueb,  ber  eudjarifiifdje  Selb  mit  bem  bjmmlifcfyen  nidjt  ein  unb  berfelbe 
fein  lann.  Übertäubt  ift,  Was  ben  9kum,  in  Welchem  eS  gegenwärtig  ift,  nid;t  erfüllt 
—  wie  bieS  SI)omaS  Vom  eucb,ariftifcb,en  Seibe  annimmt  —  fein  Selb,  benn  eS  fehlen  bie 
brei  ©imenfionen ,  fonbern  nur  ein  matfyematifcfyer  ^jßunft.  ©0  fommt  SfyomaS  ber 
©adj e  naa)  im  Wefentlidjen  auf  bie  ©ubintrattonStfyeorie  gurüd :  er  gerftört  Wie  biefe  mit  20 
ber  Quantität  beS  SeibeS,  bie  er  ju  retten  meint,  aueb,  feine  Seiblidjfeit.  Sroij  biefer  in 
bie  lugen  fbringenben  Mängel  ift  bie  Sfyomifttfd;e  Sfyeorte,  beren  Sonfequenj  felbft 
Seilarmin  nidjt  boltftänbig  erfannt  b,at  (er  meint,  SfyomaS  fyabt  bem  eucfyariftifcfyen 
Seibe  ©eftalt  beigelegt,  1.  c.  eap.  5),  in  ben  römifcfyett  $ated;iSmuS  übergegangen 
(qu.  43,  al.  36).  25 

@S  trifft  bemnad)  bie  Setjre  beS  SljiomaS  berfelbe  ©inWanb,  ben  ©cotuS  mit  2llbert 
bem  ©rofjen  gegen  bie  ©ubintrationStfyeorie  erI)ob,  nämlicb,  bafj  fie  mit  ber  distantia 
partium  aueb,  bie  ©Iteberung  unb  bie  figura  beS  SeibeS  aufgebe,  ©egen  Sl)omaS  macfyt 
©cotuS  nod?  bie  weitere  3>nftani5  geltenb,  WaS  in  bem  ©aframente  gegenwärtig  fei,  möge 
eS  als  erfter  ober  ^Weiter  SermmuS,  möge  eS  fraft  ber  SerWanblung  btreft  ober  tnbireft  30 
gegenwärtig  fein,  baS  muffe,  fo  geWifj  eS  übertäubt  ©egenWart  Ijiabe,  aud)  eben  fo  geWifj 
alle  bie  @igentümltd)feiten,  bie  ifym  feinem  Segriffe  nac|  notWenbig  jufämen,  in  feinem 
faframentlid)en  ©egenWärtigfein  bewahren.  @§  fam  nun  barauf  an,  biefe  ©runbfä^e  in 
einer  neuen  SDoftrin  burd^jufü^ren  unb  bamit  bie  ungenügenbe  tfyomtftifcfye  ju  über= 
toinben. 

c)  SDun§  ©cotu§  unterfcfyeibet  in  bem  quantitattoen  ©ein  eine§  ®inge§  jWei  ^3ofi= 35 
tionen :  bie  erfte  brücft  ben  Segriff  ber  Quantität  an  fiefy,  bie  jWeite  ba3  Serb,  ältni§  be§ 
Quantums  jum  3taume  au§.    $DaS  2öefen  ber  erften  ^ofition   be^eicb,net  er  al§  diffe- 
rentia  quantitatis,  beren  ^rtbalt  er  näb,er  al§  ordo  partium  ad  totum  angiebt,  b.  ^. 
aU  SerbältniS  ber  SLeile  jum  ©anjen ;  Vermöge  ber  differentia  quantitatis  bifferenjieren  i0 
fidj  bie  einzelnen  Seile  be§  HörberS,  fie  treten  au^einanber,  fo  ba^  pars  extra  partem,  pars 
juxta  partem  §u  liegen  fommt,  unb  fc^Iielen  ftcb,  wieber  jum  ©anjen  jufammen.   2lber 
biefer  ordo  partium  ad  totum  ift  eine  rein  innerliche  ^ofttion  (positio  intrinseca), 
er  fommt  bem  Quantum  ju,  fofern  e§  in  feinem  Serb,alten  ju  fi<^>  felbft,  abfolut  gefaxt 
Wirb,    obne   alle  Sejieijmng   ju   einem   anberen   aufjer   il>m  unb  neben  i§m  erjftferenben  45 
Quantum  (sine  respectu  extrinsecus  adveniente).    @ine  folc^e  Sejieb^ung  nad;  aufeen 
embfängt  bag  Quantum  erft  baburef;,  bafe  eg  in  ben  9iaum  eintritt  unb  ju  if>m  ein  Ser= 
bältnig  gewinnt.    ®ie§  ift   bie  äußere  ^Sofition   (positio   extrinseca);    biefe   fvejifijiert 
fieb,  wieber  in  gWei  ^ßofitionen,  bie  erfte  l)at  ib,re  nähere  Sefttmmung  in  bem  ordo  locati 
ad  loeum,   fraft  beffen  ba§  Quantum  al§  ©anjeS  im  3f{aumc  überb,autot  ftefyenb  gebaut  50 
Wirb;    bie  jWeite  in  bem  ordo  commensurativus    partis  locati  ad  certam  partem 
loci,   fraft  beffen   jeber  einzelne  Seil  be3  Quantums  ju  einem  einzelnen  \i)m  aßein  ju= 
fommenben  Seile  beS  Raumes  in  eine  beftimmte  fommenfuratibe  Sejiel>ung  tritt.    3}er 
ordo  locati  ad  locum  beftimmt  fieb,  näl^er  als  ^oejiftenj  jWeier  Quanta,  abgefeiert  bon 
ber  HoeEtenftort  ifyrer  Seile    (coexistentia    quanti   ad   aliud    quantum    sine   tarnen  55 
coextensione  partium);  ber  ordo  partis  ad  partem,  ben  ©cotuS  aud;  positio  situs 
nennt,   fügt   ju   ber  föoerjftenft   ber  Quanta   aud)   bie  Sloer.tenfion  ber  Seile  binj«-     &$ 
liegt  am  Sage,  ba^  biefe  Unterf Cetebe  rein  Iogifcb,er  3Ratur  finb;  ©cotuS  aber  giebt  ibnen 
ob,ne  Weiteres  eine  metabltofifcb, e  Sebeutung ;    Weil   Von  biefen   brei  ^5oftttonen  bie   erfte 
fid)  obne  bie  betben  le^tcren  unb  bie  beibett  erften  Wieberum  ofme  bie  le|te  benfen  taffen,  eo 


70  SranSfubftanttattou 

fo  I önnen  fie  aucb,  fo  befielen :  ©otte?  2lßmad;t  lann  ein  ®ing  aufeertjatb  be?  3[taume? 
fteflen  unb  bann  fyctt  nur  ber  ordo  partium  ad  totum,  bie  rein  innere  ^ofition  für 
fieb,  altein  2Sirtlid)teit,  er  lann  e?  aber  aucb,  ebenfo  gut  in  bem  Flaume  fo  belaffen,  bafe 
e?  jWar  al?  Quantum  mit  bem  5taum  al?  einem  anberen  Quantum  loerjftiert,  aber  otme 

5  bie  britte  Sßofition,  b.  t;.  oijme  bajj  feine  Seile  ^u  ben  Seilen  be?  Raumes  in  ba?  fommen= 
furatibc  Serfyältni?  ber  Hoejtenfion  treten,  olme  baf?  ba?  ©anje  ben  ganzen  3kum,  ben 
e?  einnimmt,  unb  jeber  feiner  Seile  ben  ifym  allein  jutommenben  9taumteil  au?füllt. 
©iefe  Äoerjftenj  ofyne  ^oejtenfion  nun  lommt  burcb,  einen  abfoluten  9BitIen?a!t  ©otte?, 
burcb,  ein  SBunber,   in  ber  2lrt  unb  2öeife  jur  SerWirtlidmng ,   Wie   ber  £eib  ß^rifti  in 

10  bem  2lbenbmat;Ie,  obgletdb,  felbft  al?  Quantum  unter  ber  ©bejie?  ejiftierenb,  bennocb, 
ofyne  esse  circumscriptive,  otme  modus  quantitativus,  in  bem  9iaume  ber  ©bejie? 
gegenwärtig  ift:  ba  nämlid)  feine  Seile  fieb,  nid)t  lommenfuratib  ju  ben  einzelnen  Seilen 
ber  £>oftie  behalten,  unter  ber  er  bocb,  enthalten  ift,  fo  lann  er  totum  in  toto  unb 
totum   in   qualibet   parte   hostiae   gegenwärtig   fein    (in  lib.  IV    Sent,  dist.  10, 

15  qu.  1 ;  bgl.  Siel,  Expos,  can.  miss.  lect.  43.  Lit.  G).  2Ba?  biefe  Sfyeorie  bor  ber 
tfyomiftifdjen  borau?  l)at,  ift,  Wie  aucb,  Siel  anerlennt  (Lit.  H),  bafs  in  ifyr  ber  Quanti= 
tät?begriff  nid)t  Verflüchtigt,  fonbern  in  bem  ordo  partium  ad  totum  Wirllicb,  feft= 
gehalten  wirb  unb  baJ3  in  ber  positio  intrinseca  al?  positio  partis  extra  partem 
aucb,  bie  Wtrllictje  ©eftalt  be?  £eibe?  Sfyrifti  in  ber  £>oftie  gewahrt  bleibt;  ber  bialeltifdje 

20  gefyter  beg  ©cotu?  aber  tritt  nicfyt  minber  llar  $u  Sage;  er  liegt  in  ber  reatiftifcfjen 
Sluffaffung  be?  Sfaume?  al?  eine?  Quantums? ;  benn  Wenn  ber  Segriff  be§  9taume?  un? 
boct)  erft  baran  jum  SeWufjtfein  lommt,  bafj  ein  £>ing  neben  unb  aufjer  bem  anberen 
erjftiert,  fo  bafj  bon  bem  einen  jum  anberen  eine  SeWegung  möglieb,  ift,  fo  ift  aucb,  mit 
ber  differentia  quantitatis,  mit  bem  habere  partem  extra  partem,  bereite  ber  Se= 

25  griff  be?  9taume?  unb  folglich  bie  Sejietmng  be?  Quantums  jum  9kume  mit  allem, 
toa?  fie  in  ftd^  fdjlieftt,  aucb,  mit  ber  coextensio  commensurativa  partium  locati  ad 
partes  loci  gefegt,  unb  feinet  biefer  begrifflichen  Momente  läfet  fid^  in  ber  2öirtlid)tett 
bon  bem  anberen  trennen.  Ungeachtet  biefe?  ebibenten  SRangel?  fyat  Setiarmin,  ber  fieb, 
in  biefem  fünfte  bon  Stomas  nicfyt  befriebigt  füllte,   bie  fiebere  be?  ©cotu?  nacb,  ifyrer 

30  totcfytigften  Seftimmung  aufgenommen.  (Sr  be^eidmet  (c.  5)  al?  erfte?  SRerlmat  ber 
©röfje  ober  Quantität  ba?  extensum  esse  et  partem  habere  extra  partem  ac 
proinde  situm  quendam  intrinsecum  et  ordinem  ac  dispositionem  partium ; 
bermöge  biefe?  ©ffentiale,  fagt  er,  laffe  fieb,  lein  Äörber  otme  bie  bret  SDimenfionen  benfen. 
©abon  ju  unterfcfyeiben  fei  al?  jWeiteS  SRoment  ba?  coextendi  loco  seu  commensurari 

35  loco  et  habere  situm  extrinsecum  in  ordine  ad  locum,  unb  flueb,  al?  britte?  ba? 
extrudere  aliud  corpus  ex  loco  seu  non  pati  secum  aliam  magnitudinem  in 
loco  sibi  adaequato.  ©a  aber  jebe?  biefer  beiben  legten  SRerlmate  (Iogifc|)  erft  au?  bem 
bort)ergeb,enben  folge  unb  lein  borf>erget)enbe?  bureb,  ba?  nacb^folgenbe  bebingt  fei,  fo  lönne 
©otte?  SlUmacfyt  ba?  jWeite  unb   britte   bon    bem   erften   trennen  unb  biefem  abfolute 

40  2Birllicb,leit  geben.  Sie  gemeinfame  2lnficl)t  ber  Rafy olilen  fei  bafyer ,  ba|  bie  gange 
©röfje  be?  Seibe?  ßlmfti  in  bem  31benbmab^le  gegenwärtig  fei,  aber  nur  mit  bem  erften 
il^r  Wefentlicb,  julommenben  3)ZerlmaIe,  nict)t  mit  ben  beiben  anberen,  Welche  auf  ber  Se= 
jie^ung  ber  Quantität  jum  9{aume  berufen. 

d)  ^n  eine  neue  $I)afe  ifyrer  (SntWidelung  trat  biefe  £eb,re  mit  bem  5Rominali?= 

45  mu?.  Dccam?  JMtil  rietet  fieb,  junäd)ft  gegen  bie  realtftifcfye  Sluffaffung  be?  Quanti= 
tät?begriffe?.  @r  beftreitet,  ba^  ber  ordo  partium  in  toto  otme  ordo  partium  in 
loco  fein  tonne;  Wo  ein  ordo  inter  partes  distantes  bortjanben  fei,  ba  fei  eine  tolate 
SeWegung  bon  einem  jum  anberen  Seite  möglief),  ba  fei  mithin  ber  Segriff  be?  ÜRaume? 
bereit?  gefegt,  ba  muffe  auefy  jeber  Seit  be?  Äör^er?  einem  befonberen  Seile  be?  9faume? 

50  lorrefbonbieren  (in  Sent.  lib.  IV,  qu.  4  Lit.  E).  ©o  gerftört  er  unerbittlid)  bie  fco= 
tiftifdje  giltion  einer  ^oerjftenj  jWeier  Quanta  ob^ne  räumlicfje  £oej;tenfion.  Nun  aber 
lam  e?  barauf  an,  ben  überWunbenen  realiftifcf)en  Quantität?begriff  buref;  einen  neuen 
ju  erfe|en.  Dccam  Wiberfbrid;t  ber  bi?  bab,m  gang  unb  gäbe  geWefenen  2tnnab,me,  ba^ 
bie  Quantität  ober  ©jtenfion  ein  jWif_cf;en  ©ubftanj  unb  Qualität  in  ber  Sftitie  fteb,enbe? 

55  unb  bon  beiben  berfdnebene?  reale?  ®ing  für  fieb,  fei;  fie  ift  it;m  bielmeb,r  mit  ber  ©ub= 

ftanj  unb  mit  ber  Qualität,   an   ber   fie   fiel;  at?  Stcciben?  finbet,  realiter  ein  unb  ba?= 

felbe,  fie  be^eiefmet  ba?  Sing  felbft,   infofern  e?  ein  Quantum  ift,    infofern    e?  partem 

•extra  partem,  partem  distantem  situ  ab  alia  b,at  unb  muf?  bab,er  aud;  im  9taume 

jur  ©rfdjeinung  lommen;  fie  ift  res  circumscriptive  existens  in  loco,  ba?  im  Sfaume 

60  jirlumflribtib  ejiftierenbe  SDing  felbft,  mag  e?  näb,er  ©ubftan^  ober  Qualität  fein  (Tract. 


SranSfitliftanttation  71 

de  sacr.  altar.,  (Einleitung,  23og.  D).  ©iefe  ^Definition  brüöft  fo  I)aarfcf;arf  bal  SKkfcn 
unb  ben  Umfang  bei  Quantitätlbegriffel  aul,  bafj  fie  ftd)  auef;  umbiegen  läfjt.  (Sr  fagt 
bafyer:  Wenn  eine  ©ubftanj  ober  Dualität  fo  mit  bem  9taume  foerjftiert,  bafj  bal  ©anje 
bem  ©anjen  unb  jeber  SEeil  einem  befonberen  SEeile  foerjfient  ift,  bann  Reifet  biefe  ©ub= 
ftanj  ober  Qualität  Quantität.  SDaraul  ergiebt  ficr)  fofort  bie  Folgerung:  äiknn  fie  aber  5 
fo  mit  bem  Siaume  foerjftiert,  bal  bal  ©anje  bem  ©anjen  unb  bal  ©anje  jebem  ein= 
jelnen  üeile  foerjftiert,  bann  Reifst  fie  nidjit  Quantität  ober  res  quanta,  bann  erleibet 
bor  ÜRame  unb  ber  »on  ben  quantis  abftratnerte  an  fid?  Wefenlofe  ^Begriff  ber  Quantität 
auf  fie  feine  2lntoenbung,  er  fann  niebj  »on  ib>  toräbijiert  werben,  fie  ift  ein  non  quan- 
tum,  ein  non  extensum  (in  libr.  IV,  qu.  4  Lit.  G).  Qene  ©Eiften^Weife  nennt  er,  Wie  10 
btlber,  esse  circumscriptive,  biefe  bagegen  be§etct)net  er  im  2Biberfbrucf;e  mit  ber  bil= 
ber  üblichen  23ebeutung  bei  Söortel  all  esse  diffinitive.  (&$  Würbe  baraul  junäcF/ft 
folgen,  bafe,  Wie  bal  esse  circumscriptive  ben  materiellen  unb  mithin  teilbaren  ©ingen 
jufommt,  Welche  Quanta  finb,  fo  auet;  bal  esse  diffinitive  nur  ben  immateriellen,  förber= 
lofen  unb  mithin  unteilbaren  ^Dingen  jugefef/rieben  Werben  fann,  bie  all  res  non  quan- 15 
tae,  non  extensae  angefefyen  Werben  muffen.  Slber  Dccam  behauptet  fofort,  bafj  el 
feinen  2Biberfprud)  in  fid)  fd^Iie^e,  Wenn  aufy  für  teilbare  SDinge  biefelbe  SRöglicfyfeit  in 
SCnf^rud;  genommen  Werbe;  ja  in  Sejiefyung  auf  ben  Seib  Sb^rifti  im  ©aframente  muffe 
biel  unbebingt  all  2Birflicfjfeit  behauptet  Werben,  er  fyabe  barin  esse  diffinitive,  er 
erjftiere  barin  nic^t  blof?,  Wie  bie  grüneren  behauptet  Ijiaben,  in  quantitätlofer  Söeife,  20 
fonbern  an  fid)  all  non  quantum,  all  non  extensum.  3Jian  Wirb  fragen,  Wie  er 
fid)  biel  gebaut  I)abe?  @r  »erWetft  auf  ben  9?aturbrogeJ5  ber  33erbict/tung,  Welcher  gur 
golge  fjat,  bajj  eine  ©ubftanj,  bie  früher  eine  größere  Slulbelmung  l^atte,  nun  ju  einer 
geringeren  äufammenfcfjrumbft ;  fcbjiefjt  biel  feinen  SBiberfbruct)  in  fid),  fo  ift  auef)  nicfyt 
toiberftorecfyenb,  bafj  biefelbe  ©ubftanj  fo  fonbenfiert  Wirb ,  bafj  fie  otme  Stulbeljmung  25 
ejiftiert;  benn  bal  jWeite  ift  ber  göttlichen  aiKmact)t  ebenfofeb^r  möglich,  all  bal  erfte;  fo 
nun  behält  el  fieb,  mit  bem  Seibe  ßfyrifti,  wie  er  un  ©aframente  ift,  in  ber  %h,at  (Lit.  H, 
»gl.  ©abriel  $8iel,  Expos,  lect.  43,  Lit.  O).  Sßal  alfo  bie  ©ubmtrationltfyeorie  buref; 
bal  ©ubintrieren  einel  SEeilel  bei  Setbel  in  ben  anberen  erflärt,  »ermittelt  Dccam  bura) 
bie  ;££)eorie  ber  „^onbenf  ation";  bal  9?efultat  ift  balfelbe,  ber  Seib  ßtjrifii  ift  otme  30 
alle  ©rjenfton  im  ©aframente;  er  erjftiert  barin  nur  all  unteilbarer  matfyematifdjer 
$unft,  all  2ltom  of)ne  ©imenfionen,  Wobei  freilief;  ber  ^cacfyWetl  febjt,  mit  Welkem 
9ied)t  einem  SDing,  bal  feine  SDimenfton  I)at,  noct)  bal  ^ßräbifat  bei  ^örtoerl  unb  bei 
Seibel  beigelegt  Werben  fann.  2ll!  foldjiel  fann  er  benn  aueb  begretflicfjerWeife  feine  ©e= 
ftalt  Ijaben,  er  ift  überfyaubt  im  ©aframente  ntct)t  all  organifdjier  Seib,  biel  Wirb  Wieber  35 
auf  ©ottel  fc^ranfenlofe  2IHmacf;t  gurücf geführt,  ber  nicf;tl  unmöglief;  ift.  ©0  enbet  bie 
nommaliftifcfye  ©ctjolaftif  mit  bemfelben  Stefultat,  mit  Welchem  bie  realiftifc^e  begonnen 
blatte:  mit  ber  33et;au^tung,  ba^  ber  Seib  ßfyrifti  all  non  quantum  unb  mithin  geftalt= 
lol  im  2lbenbmal;le  gegenwärtig  fei.  ©ie  Ijat  einen  Kreislauf  burc^laufen ,  um  auf  'ii)x 
urfbrünglicfjel  ©rgebnil  Wieber  jurücfjufommen ;  nur  ®unl  ©cotul  fyat  einen  obgletcf)  40 
Vergeblichen,  bod)  immerhin  fc^arffmnigen  33erfucfj  gemalt,  ber  »on  33ona»entura  auf= 
geftellten  %t)t\z  wirflicf;  geredet  gu  Werben,  unb  Wir  begreifen  barum,  Warum  ber  fein= 
blicfenbe  Sellarmin  biefen  fct)Wacf;en  Stettunglanfer  für  bal  fatf;oIifcf;e  ®ogma  ergriffen 
f)at:  el  War  ein  Slft  ber  33er-;Weiflung. 

7  3lucfj  in  ber  SBIütejeit  ber  „fircfjlic^en"  ©cf;oIaftif  erhielt  fiel;  ein  ftillel  Faunen,  45 
bafe  el  mit  bem  9iecb>  ber  ^ranlfubftantiationllef;re  feine  »bllig  jWeifellofe  SeWanbnil 
fyabe.  ©ie  ©ogmatifierung  fonnte  immerhin  all  nid^t  »öEig  fcerfefte  erfd;einen;  toa§  ba§ 
Defret  »on  1215  feftftellte,  War  tl>etifcf;  beutlid;  bem  Xerminul  nadj,  bot  aber  feine 
„2lntit£)efen".  ©0  famen  biefenigen  älteren  Leonen,  bie  bie  „Realität"  ber  ©egenWart 
§f)rifti  im  ©aframent  fo  feft  behaupteten,  all  bie  £ranlfubftantiation!ler/re,  neben  biefer  w 
nid)t  ganj  um  i^ren  guten  -Jcamen. 

@l  ift  nidjit  flar,  toelct/e  SEf;eorien  ein  ©uitmunb  unb  fbäter  2llger  unter  bem  2itel 
ber  „impanatio"  befämbfen.  Sei  2llger  mag  man  an  Rupert  »on  ®eu|  (geft.  1135, 
f.  über  feine  Slbenbmabjltfyeorie  ben  3lrt.  »on  gtoc^oH,  93b  XVII,  fbe^iea  ©.  239,  st  ff.) 
ju  benfen  ijabm,  unb  biefer  f et) eint  bie  „Jlonfubftantiationlle^re"  gehegt  ju  fjaben.  66 

Slul  ber  3«ü  ber  fanftionierten  'Xranlfubftantiationllefjre  barf  el  genügen,  bie  »on 
©tei^  berührten  J^ritifer  namhaft  ju  machen  unb  aud)  feine  ©arftctlung  feftgul^alten. 

@r  erwähnt  juerft  ben  ^o^""  »on  ^aril;  »gl.  beffen  SOBerf  Determinatio  de 
modo  existendi  corpus  Christi  in  sacramento  altaris  alio  quam  sit  ille  quem 
tenet  ecclesia   (Sonbon  1G8G  —  §arnacf   Wibmct   i^m  III,  517    eine    beacf)ten!Werte  60 


TZ  £ransfut>ftnutiatio« 

Slnmerfung).  2Bie  ©teifc  eS  ausführt,  lehrte  biefer  $)ominifaner  („um  1309"),  baß  bie 
©ubftanz  beS  SroteS  nacf;  ber  $onfefration  unter  it;ren  2kcibentien  foribeftefye,  aber  nicfyt 
in  if;rem  eigenen  ©ubtoofitum  (©ubjeft),  toeil  in  biefem  %aüz  leine  Communicatio 
idiomatum    gtutfc^en  bem  Seib  ßb/rifti  unb  bem  Skote   ftattfinbe   unb   folglich  6^rtftu§ 

5  nicfyt  gefagt  t;aben  fönne :  mein  $Ieifd;  ift  eine  toa^re  ©peife,  fonbern  bie  ©ubftanz  bes" 
33roteS  mürbe  %u  bem  ©ein  unb  bem  ©ubtoofitum  ßt;rifti  hinübergezogen,  fo  baß  eS  ein 
©ubtoofitum  in  zwei  Naturen  fei.  (©enaueres  in  bem  Slrt.  „^mbanation"  bei  $$S2  VI, 
621—622). 

^Beachtenswert  aber  ift  bie  ©tellung,    Welche  bie  ftoätere  ©djolaftif  zu  ber  £ranS= 

io  fubftantiation  einnimmt.  9?od;  ®unS  ©cotuS  f)at  bie  ^ranSfubftantiattonSl)r;botI;efe  acceb= 
tiert;  er  fiet;t  in  if;r  bie  t>on  bem  ©tauben  geforberte  reale  ©egenWart  ßljriftt  im 
©a!ramente  oollftänbig  geroät)rIeiftet.  £)oct;  tritt  fd)on  bei  ib,m  eine  merflicf;e  Söenbung 
ein,  ja  man  fann  it;n  ben  Vorläufer  aller  berer  nennen,  bie  bie  Hirdjenletwe  nur  nocf; 
au§  äußerlichen  ©rünben   unb   mit   einer    geWtffen   ©Ieicf;giltigfeit  feftfytelten.    @r  fagt 

15  nämlicf;  (IV,  dist.  11,  qu.  2),  ©Ott  r)abe  beftrirfen  „lönnen",  baß  in  bem  ©afra= 
mente  ber  Seib  ßtmfii  gugletct)  mit  bem  33rote  gegenwärtig  bleibe,  unb  Wenn  er  bieg 
getfyan  „Ijäite",  mürbe  baS  sJRt)fterium  leichter  ju  faffen  geWefen  fein;  eS  beftefye  feine  fo 
auSbrücflicfye  ©cfyriftftelle,  baß  aus  it)r  bie  'granSfubftantiation  ofme  bie  ^Defloration  ber 
^irdje  mit  jtoingenber  üftottoenbigfeit  abgeleitet  toerben  tonne;  ba  jebocb,  auf  bem  bierten 

20  Sateranfonjil  bie  fatt;oIifc{)e  ^ircfye  bie  ©cftrift  in  biefem  ©inne  erflärt  habi,  fo  toerbe 
burd)  bie  fo  erflärte  ©cfyrift  bie  ^ranSfubftantiation  allerbingS  betoiefen,  benn  eS  fei  ber= 
felbe  fyeüige  ©eift,  ber  bie  ©d)rift  ben  Sfyofteln  unb  ^ro^eten  biftiert  unb  fie  auf  jenem 
Äonjile  buref;  bie  £ird;e  erflärt  fyahe,  barum  tonne  ber  ©inn,  in  welchem  baS  Sediere 
gefct;el;en  fei,  nur   ber  ursprüngliche  ©c^riftfinn  unb   mithin  ber  fd;lecf;tt;in  toat;re  fein 

25  (f.  bagu  SBeÜarmin  de  euch.  III,  cap.  23). 

®er  Vorgang  bei  ©cotuS  blieb  maßgebenb  für  bie  folgenben  ©djiolaftifer.  Dccam 
nimmt  r>erfcr)iebene  Strien  an,  Wie  ber  Vorgang  in  ber  @uct;ariftie  an  fiel;  gebaut  merben 
Iönne.  SDie  erfte  fei  bie  einfache  ®oerjftenz  beS  SetbeS  ßfyrifti  unb  ber  unberänberten 
Srotfubftanz,  in  ber  er  feine  ©ctjmierigf eit  finbet,  Weil  eS  fein  ÜÜBiberfbrucf)  fei  anzunehmen, 

30  baß  eine  ©ubftanz  einer  anberen  in  bemfelben  Flaume  foerjftiere.  ©in  mefentUctjer  33or= 
jug  biefer  2lnfict;t  fei,  baß  fie  bie  Umgebung  ber  grage  ermögliche,  ob  ein  2IcctbenS  olme 
©ubjeft  für  fiel;  befielen  fönne.  9cur  barüber  fönne  man  zweifelhaft  fein,  ob  biefe  &o= 
erjftenz  buref;  Bereinigung,  bejm.  burcb,  Slffumtion  Vermittelt  unb  fomit  bie  eine  ÜJcatur 
al§  baS  bie  anbere  tragenbe  ©ubbofitum  ober  ©ubjeft  »orgeftetlt  Werben  fönne,  bod;  t)ält 

35  er  aud;  bieS  für  möglict;  (in  lib.  IV,  qu.  6,  Lit.  D).  $n  ber  ©cfmft  fei  nur  auSbrücf= 
lief;  überliefert,  baß  ber  Seib  Sbjifti  unter  ber  ©bezieS  beS  S3rotel  ben  ©laubigen  ge= 
reicht  toerbe,  aber  baß  bie  ©ubftanj  be§  Sroteö  in  bie  ©ubftanz  bei  2eibe§  umgetoanbelt 
merbe,  fei  nict)t  in  ber  ©djrift  augbrücflicf;  gelehrt,  fonbern  man  glaube,  baß  bieg  ben 
^eiligen  Tätern  bon  ©Ott  offenbart  morben  fei  ober  ben  firc£)Iicl;en  Slutoritäten  nao;  ge= 

40  miffenf)after  ©rforfctmng  ber  ©ebrift  fief;  emtofof;Ien  f;abe  (de  sacr.  altar.  c.  3).  ©ennoeb, 
l;at  bie  ^rangfubftantiation  für'ib^n  eine  größere  „^robabilität",  toeil  bie  2lEmacf;t  ©otte§ 
in  tE>r  fcl;ranfenIofer  erfeljeine,  al§  in  ber  2lnnal;me  ber  bloßen  üonfubftantiation.  2lucl; 
©abriel  Siel  finbet  bie  SBafyrbeit  ber  formalen  SBorte:  hoc  est  corpus  meum  buref;  bie 
leitete  2lnnal;me  ebenfo  gefiebert,   als  buref;  bie  ^ranSfubftantiation ;   für   biefe  fbridjt 

45  it)m  nur  bie  Determination  ber  Hircf;e  unb  ber  2lutorität  ber  SSäter ;  benn  in  bem  unter 
^nnocenz  III.  Don  bem  bierten  Sateranfonzile  erlaffenen  ©fymbolum  fei  bie  2öal;rl;eit 
einiger  ©laubenSartifel  toeit  genauer  enttoicfelt,  all  in  bem  nicänifcf;en  unb  att;anafianifcr;en 
©^mbolum;  toaS  bal;er  bort  als  ©laubenSobjeft  befiniert  fei,  muffe  als  zur  ©ubftanz 
bes  ©laubeng  gehörig  um   fo   mel;r  nact;  jener  feierlichen  Decifion   feftgebalten  Werben, 

so  ba  in  U)r  berfelbe  ©eift  fiel;  ausgebrochen  l;abe,  ber  in  ber  ©cl;rift  rebe  (Expos,  can. 
miss.  lect.  41  J.). 

3Son  befonberer  2Bicb,tigfeit  muß  un§  ber  larbinal  oon  Sambrai,  ^Seter  b'Slitti, 
fem,  toeil  2utl>er  felbft  in  bem  Südjlein  über  bie  babblonifcfye  ©efangenfeb^aft  befennt,  baß 
btefer  ibn  guerft  auf  ben  ©ebanfen  gebraut  l;abe,  bie  üonfubftantiation  l;abe  eine  größere 

55  2Bal)rfct)einlicf;feit  für  fief;  als  bie  SranSfubftantiation,  unb  toeil  9JMancl>tt;on  berficf;ert, 
baß  £utl;er  feine  2lusf:prücf>e  au§  bem  ©ebäct;tniffe  rezitieren  fonnte.  $eter  b'2liai  ftel;t 
auf  bem  Soben  DccamS,  er  meint  (Quaest.  sup.  libr.  sentent.  lib.  IV,  qu.  6,  E.),  bie 
2lnnaf)me,  baß  bie  ©ubftanz  oe^  SroteS  nacl;  ber  tonfefration  bleibe  unb  nur  in  bem  ©inne 
in  bie  ©ubftanz  btä  SeibeS  6f)rifti  übergebe,  baß  too  jene  fei,  aueb,  biefe  gugletrfj  zu  fein 

so  anfange,  fei  buref/aus  möglieb,,   toeil  bie  Jberjftenz  ztoeier  ©ubftan§en  ebenfo  benfbar  fei 


SranSfubfianttatioit  73 

als  bte  ^ocjriftcnj  jtocicr  Qualitäten;  aud;  fei  eS  nid;t  fd;toicriger  anjunef)inen,  bafe  jtcei 
förderliche  ©ubftan^en  in  bemfelben  dlaum  foeriftierten,  als  bie  2tnnal)me  einer  folgen 
Äoerjftenj  bon  einer  ©ubftanjj  unb  einer  Quantität  (Qualität?),  ©elbft  ber  Btoeifel, 
bafj  ber  Seib  ßfmfti  ber  Skotfubftanj  burd)  Union  foeriftiere,  fei  nicf;t  unlösbar,  benn 
toenn,  tote  manche  behaupteten,  eine  Kreatur  bon  einer  anberen  fuftentiert  toerben  fönne,  5 
wogegen  ftdj'm  ber  %fyat  fein  ebibenter  ©runb  anführen  laffe,  fo  fei  eS  aud;  möglief;, 
baf?  ber  Seib  ßfyrifti  bie  ©ubftanj  beS  SroteS  per  unionem  affumiere.  ©omit  ftreite 
biefe  Sfuffaffung  toeber  mit  ber  Vernunft  nod;  mit  ber  ©cfjrift;  fie  fei  im  ©egenteil  ber= 
ftänblicf/er  unb  Vernünftiger,  als  jebe  anbere,  toeil  fie  nict)t  bie  2lccibentien  oI)ne  ©ubjeft 
fetje,  fonbern  umgefefyrt  fei$e,  bafj  bie  ©ubftanj  beS  33roteS  unb  nicfyt  bie  ©ubftanj  beS  10 
SeibeS  bie  fid;tbaren  2tcctbentien  trage  (deferat).  @S  läge  barum  feine  ^nfonbenienj 
in  il)r,  toenn  fie  nur  mit  ber  Determination  ber  $ird;e  fidf)  bereinigen  liefje.  ©er  toefent= 
lidie  gortfcfjritt  beS  5ßeter  Don  2lilli  überDccam  befielt  nid)t  blofj  in  ber  größeren  ®lar= 
beit  feiner  dnttoidelung,  fonbern  namentlich  aud)  barin,  baft  ir)m  baS  entfdjeibenbe  2fterf= 
mal  für  bie  2SaI)rI)eit  ber  ©acf;e  nief/t  meljr  ibje  SBunberbarfeit,  toir  möchten  fagen  if)re  15 
2lbfurbttät,  fonbern  tl)re  3Sernünftigfeit  unb  t^re  fdjriftmäfjige  Segrünbung  ift.  2öie 
bünn  toar  bod;  ber  gaben  getoorben,  toelcfyer  ber  ^ranSfubftantiationSlefyre  nod)  tt)ren 
§alt  in  bem  Setoufjtfein  ber  geit  gab :  fie  toirb  als  bie  abfurbere  unb  burd;  bie  ©d;rift 
in  feiner  Sßeife  begünftigtere  Söfung  beS  Problems  betrachtet.  9cur  bie  2Iutorität  ber 
$ircf;e  fonnte  fie  gegen  bie  ber  SBiffenfdjaft  nod)  fd)ü|en.  Unb  biefe  I)at  fie  freilief;  ge=  20 
fctmijt.  ©aS  SEribentinum  (sess.  XIII,  cap.  4;  f.  ©enjinger,  Enchiridion 3,  3Rr.  758) 
ftetlt  feft,  baf$  bie  $ird)e  ben  Vorgang  im  ©aframent  „convenienter  et  proprie"  als 
transsubstantiatio  be^eicf;net.  ©.  aud}  ^ßiuS'  VI.  Äonftitution  „Auctorem  fidei", 
1794,  -Jk  29  (©enjinger,  9<Jr.  1392).  kein  römifcfjer  Geolog  toirb  eS  toagen,  fie 
ferner  ju  frittfieren.  25 

III.  ©ie  feraftifd)en  Äonfequenjen  ber  ©ogmattfterung.  1.  ^Rac^bem 
ber  ©ebanfe  ber  Söanbelung  in  ber  ftoejififcf;  tounberbaren  gorm,  bie  baS  ©ogma  bon 
1215  fixiert  I)at,  einmal  begonnen  blatte,  baS33o!f  unb  bie  Geologen  gleid)  fel)r  geiftig  ju 
beschäftigen,  fcfyien  eS  immer  flarer  ju  toerben,  baf$  bie  @ud)ariftie  ein  ©aframent  fei,  baS 
bod)  eine  ganj  anbere  2trt  f)abe,  als  jebeS  fonft.  ©alten  alle  übrigen  nur  in  tl)rer  30 
„2IuSfbenbung",  fo  fein;  bafj  in  toacr)fenber  23eftimmtt)eit  (f.  b.  2t.  „©aframent"  33b  XVII 
S.  368,  4—47,  baju  bie  21.  über  bie  einzelnen  ©aframente)  il)re  „gorm"  in  nichts  an= 
beren  als  ben  SBorten  il)rer  2lbblifatton  burd)  ben  $riefter  (nur  baS  ©aframent  ber  @t;e 
batte  I)ier  aud;  eine  33efonberb,eit)  ftatuiert  tourbe,  fo  berl)ält  eS  fief;  mit  ber  (Sudjariftie 
umgefel)rt.  §ier  tritt  fcf;on  bei  ber  „^onfefration"  bie  faframentlid;e  |>anblung  ein,  ja  bie  35 
lonfefration  als  fold)e  ift  biefe  §anblung;  if;r  toefentlid;er  3^ed  ift  nicf;t  ber  ©enufj, 
ber  ettoaS  rein  2lccibentielleS  bleibt,  fonbern  bie  SlranSfubftantiation  beS  ©toffeS,  bie 
§ercorbringung  ber  ©egentoart  6l;rifti  unb  feines  SeibeS.  Stomas  jprtct)t  bieS  ganj  un= 
umtounben  auS  in  ben  SBorten:  Sacramentum  eucharistiae  perficitur  in  ipsa  con- 
secratione  materiae,  alia  vero  sacramenta  perficiuntur  in  applicatione  materiae  40 
ad  hominem  sanetificandum  (qu.  73,  art.  1,  ad  3  m.).  @r  fagt  fogar:  usus  materiae 
consecratae  non  est  de  necessitate  hujus  sacramenti,  —  tarnen  ad  quandam 
perfectionem  sacramenti  pertinet  (qu.  88,  ärt.  1,  ad  2  m.).  9?ur  in  Sejiefyung 
auf  biefe  quaedam  perfectio  ijaht  Sl;riftuS  bie  Söorte:  effet!  trinfet!  gebraucht.  %xv%- 
bem  toirb  als  ber  Qtotä  beS  ©aframenteS  bie  geiftlicfje  ©rnäfjrung  (spirituale  alimen-  45 
tum)  Begetcfcnet,  toelcf;e  bod;  of;ne  ben  usus  nicr)t  benfbar  ift  (qu.  73,  art.  1,  Resp.). 
(i'S  ift  nur  eine  ^onfequenj  biefer  2luffaffung,  toenn  baS  'Iribentinum  bie  proteftanttfebe 
2lnfcf;auung,  bafe  6f)riftu§  im  ©aframente  nur  in  usu  fidelium  gegenwärtig  fei,,  mit  bem 
2lnatf>ema  belegt  bat. 

Segt  aber  bie  römifd;e  Äir<J;e  ben  toefentlid;en  3SolIjug  ber  faframentlidjen  §anb=  so 
lung  fd;on  in  bte  J^onfefration,  fo  ift  e§  flar,  ba|  ber  eigentliche  3toed  berfelben  in 
ettoaS  grünerem  gefud;t  toerben  ttiuf!,  als  in  bem  eucBartfttfcfeert  ©enu^;  biefeS  ift  baS 
Opfer,  baS  ^un  beS  ^riefterS,  niefet  ber  ©emeinbe,  toeld;eS  man  in  ben  äöorten:  bieS 
tfmt  p  meinem  ©ebäd)tniS!  geboten  glaubte.  Seijtere  golge  trat  ja  nid)t  fofort  f;erbor. 
©ie  ;£ranSfubftantiationSlet;re  toar  anfangs,  toie  man  bieS  Don  $afd)afiuS  labbert  bis  55 
auf  .vjmgo  bon  ©t.  3Sictor  unb  Stöbert  ^Julletm  berfolgen  fann,  barauf  angelegt,  bie 
©laubigen  ber  realen  ©egentoart  beS  SeibeS  @l;rifti  im  ©aframent  für  ben  eud)arifttfd)en 
©enufj  ^u  berfidevn;  allein  inbem  man  bie  ^erfeftion  beS  ©aframenteS  in  bie  S\on= 
fefration  legte,  fafy  man  fiel;  ^u  einem  anberen  ©ebanfen  unaufbaltfam  fortgebrängt: 
man  tourbe    unbermetblid;   baf;ingctricben,    aus   ber  Realität   biefer  ©egentoart   auf   bie  &> 


74  SranSfutiftoniiation 

reale  ^bcntität  be3  SDZefeo^ferg  mit  bem  üreu^obfer  ju  fdjliefeen.  9iocf;  ©uitmunb  ift 
babon  Weit  entfernt.  23erengar§  ©inWurf,  bafj  ber  bilblicf;e  6t;arafter  roefentltd^  jum 
©aframente  gebore  unb  bafj  bie  Realität  ber  SSerWanbfung  btefen  jerftöre,  bereitet  ifym 
ficf;tlid;  Verlegenheit;  er  Weift  ba^er  bem  ©aframente  bie  Realität  unb  bem  Dtofer  bie 
6  ©^mbolif  ju  unb  fagt :  bie  geier  ift  nicf;t  bie  ^ßaffion  be§  §errn  felbft,  fonbern  bie  figm= 
ftfattbe  Verfünbigung  feiner  beibrachten  ^ßaffton  (Dominicae  passionis  jam  peractae 
significativa  commemoratio).  ©ie  ift,  Wie  äluguftin  fagt,  ein  Vilb  (figura),  ba§  un§ 
gebietet  an  feiner  $affion  (in  ©ebanfen)  teil  ju  nehmen  unb  un§  b,eilfam  ju  erinnern, 
bajj  fein  gleifct)  für  un<§   gefreu^igt   unb   berWunbet   ift  (lib.  II,    1455—1458).    SDiefe 

10  SÜufcerungen  r)aben  nur  bann  einen  ©inn,  Wenn  bie  Sluffaffung  be<§  Dbfer3  ju  feiner 
3eit  übertäubt  nocb,  eine  bilblidje  War.  ©elbft  £t;oma3  ftetit  ba3  Verhältnis  be§  3JJefs= 
obfer<8  jum  ^reu^obfer  unter  ben  ©eficf;t§bunft  bon  Vilb  unb  ©acf;e;  aber  er  nimmt 
bereits  eine  entfdinebene  Söenbung  nacb,  ber  anberen  ©eite,  benn  nicfyt  blofj  legt  er  ber 
bilblicfyen  9kcf;feier  bie  realen  Söirfungen  ber  urfbrünglidjen  Verfö^nungSt^at  bei,  fonbern 

15  er  beantwortet  aucb,  bie  grage,  Warum  in  ber  @ucb,ariftie  ber  Wal)re  Seib  ßfyrifii  fei,  bor 
alten  anberen  ©rünben  mit  bem,  bamit  ba§  bon  ßfyrifto  geftiftete  Dbfer  bes  neuen  ©e= 
fe£e§  etWag  bor  ben  frauenhaften  Dbfern  be3  alten  borau§  fye&z,  bamit  e3  Sfyriftum, 
ber  für  un§  gelitten  b]at,  nicfyt  blofs  ber  Vebeutung  unb  bem  Silbe  nacf/,  fonbern  auef; 
in  realer  3öirflicf;tot  (in  rei  veritate)   enthalte,   unb   weil  biefe§  ©aframent  realiter 

20  6f;riftum  enthält,  barum  liegt  in  if>m  bie  Vollenbung  (perfectivum  est)  aller  anberen 
©alramente,  in  benen  nur  bie  föraft  6f)rifti  mitgeteilt  Wirb  (qu.  75,  art.  1,  Resp.).  ©o 
mufete  benn  notWenbig  bie  @ucf;ariftie  jur  realen  2Bieberf)oIung  bes>  Dbfer§  (5f;rifti  Werben 
(bgl.  b.  31.  „3Mfe"  »b  XII  ©.  688  ff.). 

2.  $ft  @r/riftu3  bereits  ante  usum  im  ©aframente  gegenwärtig,  Weil  ba§  ©afra= 

25  ment  fcf;on  ante  usum  burcf;  bie  Äonfelration  in  ber  2ran§fubftantiation  feine  33otf= 
enbung  f;at,  ift  er  barm  fraft  ber  ^onlomitanj  nidjt  blofe  nacb,  feinem  Selbe,  fonbern 
auef;  nacf;  feiner  ©eele,  nicfyt  b!of3  nacf)  feiner  ganzen  SDtenfct)^ eit,  fonbern  auef;  nacf;  feiner 
mit  ber  3JZertfc6&ett  unauflöslich  berbunbenen  ©ottfyeit  gegenwärtig,  fo  gebührt  if;m  auef;, 
Wie  er  in  ber  §oftie  ift,  Anbetung;    ja,  %b,oma§  f>ebt  ausftrücfücf;  fyerbor,   baf3  fctjon 

30  aus>  bem  ©runbe  bie  ©ubftanj  be§  23rote3  nict)t  in  bem  ©alramente  bleiben  bürfe,  ba= 
mit  nichts  ©efcr)affene§  nacf;  ber  Äonfefration  mefjr  ba  fei,  tva§  bie  Anbetung  f;inbere 
(qu.  75,  art.  2). 

©ie   Slboration   bat  ju  tbrer   23orau3fet$ung   bie  9teferbation   ber  £)oftie.    3Jcan 
bat  biel  barüber  geftritten,  ob  biefe  ba3  3eugni3  be§  Jircbltcben  Altertum^  für  fief)  f;abe. 

35  ©eWifj  ift  e£,  ba|  in  ber  alten  ilirct/e  rttcbt  blofe  ben  $ranfen  bie  geweiften  Elemente 
burd)  bie  ®ia!onen  in  baö  §au§  gebracht  Würben,  fonbern  aucl;  ba|  manage  fiel;  bon 
bem  lonfelrterten  Srote  etWag  mitnahmen,  um  entWeber  für  fiel)  bamit  ju  lommuni^ieren 
ober  auä)  es>  ju  abergläubifcfjen  ßtoeefen  ju  berWenben  (bgl.  iertullian,  de  orat.  14;  ad 
ux.  II,  5 ;  Slugufiin,  Opus  imperf.  III,  §  164).  ©o  bürfen  Wir  un§  benn  aueb,  nia)t 

40  Wunbern,  baf^  6^)brian  bereit?  ein  93e6ältniö  —  er  nennt  e£  arca  —  erwähnt,  Worin 
eine  grau  ba3  Heiligtum  be§  §errn  aufbewahrt  batte  (de  lapsis  cap.  26).  @§  ift  ferner 
belannt,  ba^  man  ben  ^önitenten,  Wenn  fie  bon  blö^licljer  £obe3gefabr  überrafd;t  Würben, 
baö  geweifte  33rot  als  viaticum  reichte,  unb  für  folebe  gälte  muffte  man  Wob,l  immer 
eine  Quantität  be^felben  in  ben  ^iro)en  bereit  galten  unb  folglidj   aueb,  Woft,l  einen  Drt 

45  b,aben,  Wo  e§  ficfyer  bewahrt  Werben  fonnte.  ®enn  bie  alte  Strebe  betrachtete  folcfje 
$ribat!ommunionen  lebiglia)  all  einen  bureb,  Drt  unb  $eit  bon  ber  ©emeinbefornmunion 
nur  sufällig  abgelöften,  ber  %bw  nacf;  aber  it;r  integrierenben  2lft.  ®arum  Würbe  benn 
auef;  bie  Honfefration  triebt  in  ben  Käufern  bofl^ogen,  fonbern  nur  bal  in  ber  ^irebe 
fonfefrierte  Vrot  jur  §au§fommunion  gebraucht.    Qin  6.  ^abjfmrtbert  bezeichnete  man  biefe 

so  §oftiengefäf$e  mit  bem  tarnen  turris  (©regor  bon  ^ourl,  de  glor.  mart.  1,  86).  ®§ 
ift  baf)er  auef;  gang  unberfänglicf;,  Wenn  fief;  bei  bem  SBormfer  Surcfjarb  bie  SSerorbnung 
finbet,  jeber  Vre§bt;ter  folle  eine  SBücbfe  ober  ein  ©efäf?  fief;  galten,  um  bie  in  ba<§  Vlut 
6b,rifti  getauchte  unb  für  bie  Hommunion  ber  ©terbenben  beftimmte  Dbfation,  bor 
Käufen  unb  febteebten  50cenfcf;en  gefebü^t,  in  berftänbiger  Steife  aufjubeWafiren  (magnum 

55  decretorum  volumen  1.  V,  cap.  9),  benn  biefe  Aufbewahrung  gefebab  nur  jum  ^Wecfe 
beg  ©enuffeg  bon  feiten  ber  Ibmmumfanten.  Slber  infolge  ber  Sranäfubfiantiation^ 
leb,re  entftanb  bie  $rarj§,  bie  fonfelrierten  §oftien  ju  einem  ganj  anberen  ^Wecf  ju 
referbieren,  nämlicb,  um  fie  ber  ©emeinbe  jur  2lboration  augjufteKen,  unb  baju  Würbe 
nun  ein   eigene^  ©efäfe   auSgefonnen,   nämlicf;   bie  SRonftrans  (bgl.  b.  21.  „gjtonftranj" 

eo  35b  XIII  ©.  414).  £>a§  rbmifcf)e  Rituale  fe^t  feft,  bafc  ftetl  einige  fonfefrierte  Vartifeln 


SrattSfubftonttatiojt  75 

juni  93e^uf  ber  Äran!en=  unb  ber  toon  bem  9Jiefeobfer  abgelöften  Kommunion  anberer 
©laubiger  in  einer  gut  berfcfyloffenen  Sücfyfe  in  bem  Sabernafulum  entWeber  auf  bem 
^odjaltar  ober  auf  einem  anberen  2lltar  aufbewahrt  »erben  fotlen,  Welcher  für  bie  Ser= 
efyrung  unb  ben  itult  eines  fo  b,oI)ert  ©aframente§  geeignet  unb  Würbig  Wäre. 

Tie  Slboration  Würbe  guerft  bon  bem  toäbftlicfyen  Segaten  Harbinal  ©utbo  ju  $öln  b 
1203  bei  ber  ©lebation  ber  §oftie  in  ber  2Jleffe,  bie  baburd)  eine  beränberte  Sebeutung 
erhielt,  unb  für  ben  galt,  bafe  bie  £oftie  über  bie  ©trafee  ut  ben  ®ranfen  getragen  wirb, 
angeorbnet;    1217   mürbe  bie  ©lebation  ber  3Konftranj   tirctjengefellict).    Salb   naef^er 
cntftanb  in  ber  $ircfye  ba3,  üoIIenb§  feit  bem  ftribentium  befonberS  fyodjgefmltene,  glanj= 
boHe  geft  jur  Serefyrung   ber  £>oftie   unb   ^ur  Serf;errlicfwng   bes  £rangfubftantiation3=  10 
tounberä,    ba§    „gronleicf) namifeft"  (f.  b.  31.   Sb  VI   ©.298).     Sie  ©cfiolaftifer 
fyaben  ben  Segriff  ber  adoratio  näl)er  beftimmt.    @r  ^erfaßt  in  bie  species  ber  Sulia, 
.wberbulia  unb  Satria.     Sie  Satria   gebührt  ©ott  allein  unb  6I)riftu§,  fofern   er  ©ott 
unb  iUenfi)  ift;  bie  §ijberbulia  ber  SRaria,  bie  Sulta  nid)t  blofe  ben  ©ngeln,  ben  §ei= 
(igen,  beren  Silbern  unb  Reliquien,  fonbern  in  einem  anberen  ©inne  auef;  ben  ^ßäbften  15 
unb  Königen.    3^ac^  ©abriet  Siel  fyat  im  engeren  ©inn  allerbingS  nur  bie  ©oitI)eit  be3 
SoIjmeS,  im  Weiteren  auef?  bie  mit  ber  ©ottfyeit  geeinigte  SJlenfcfyfyeit  ßtjriftt  Slnfbruct;  auf 
i'atria,  alfo  auf  Anbetung;   ba  er   bie  faframentaten  Slccibentien,  unter  benen  6l)riftuS 
im  ©aframente  gegenwärtig  ift,  unter  benfelben  ©efid)t3bunft,  Wie  bie  ÜJJenfcb.^eit  Sfyriftt 
ftetlt,  fo  Wirb  er  biefelben  babon  nt<f>t  auggefcfyloffen  gebaut  fyaben;  fein  9tefuttat  fbricf)t  20 
er  au§  in  ben  Sßorten:  Debet  igitur  in  sacramento  totus  Christus  adorari  latria 
proprie   dieta  (Expos,    can.    miss.   lect.  50.  Lit.  L.    bgl.  G  u.  H).     Sie  Satria, 
loeI(|e  ßfyrifto  im  ©aframente  jufommt,   beftimmt   er  näl)er  al<§   eine  innere  (magna 
mentis  devotio,  quietum  cor  etc.)  unb  al§  äußere  ((Sntblöfeung  be§  £>aubte§,   $nie= 
beugung,  ^änbefaltung,    ©plagen  ber  Sruft,    tiefer  ©rnft  ber  SRienen  Lit.  L  u.  M).  25 
Sa»  £ribentinum  War  Weniger  ffrubulös>,  ab§  Siel;  es>  fteHt  e§  al§  jWeifello^  t)in,  bafe 
alle  ©laubige  berbflictitet  feien,  narf)  bem  in  ber  ^ircfye  ftetS  übliefj  geWefenen  ©ebraucfye 
biefem  b,eiligften  ©aframente  ben  $ult  ber  Satrie,   Welker  bem  Wahren  ©otte  gebühre, 
§u  erWeifen  (latriae  eultum,  qui  vero  Deo  debetur,  huic  sanetissimo  sacramento 
in  veneratione  exhibeant),  unbefcfyabet  beffen,   bafe  es1  ßt)riftu§  jum  ©enuffe  (ut  su-  30 
matur)  eingefetjt  I)abe  (Sess.  XIII,  de  eucharistiä  c.  5). 

3.  ©ine  Weitere  ^onfequeng  be§  Xran^fubftantiation§bogma§  ift  bie  Steigerung  ber 
Sfrubulofität,  Womit  bie  Überrefte  ber  Kommunion  befyanbelt  Werben.  Sie  Stngftli<|feit 
in  biefer  Segiefmng  reicht  freilieb,  bi§  in  eine  frül)e  ßeit  hinauf,  ©cfjon  SEertuttian 
bezeugt,  bafe  bie  (Stiften  beintid)  barauf  arteten,  bafe  nichts  bon  bem  fonfefrierten  Srote  35 
jur  @rbe  falle  (de  cor.  milit.  c.  3) ;  ba§  blatte  geWife  nid)t  blofe  in  liturgifcb^em  2tn= 
ftanb§gefüf)l  feinen  ©runb.  Slllerbingg  fnelt  man  e§  ortlid;  berfcf)ieben.  3n  Ä'onftan= 
tinopel  überliefe  man  ben  fTeinen  ©c^ullnaben  bie  unbenu^ten  ^ßartüeln  be§  geweiften 
Sroteö  jum  ©ffen  (Evagr.  Hist.  eccl.  1.  IV,  c.  35),  toa%  noeb,  gu  TOce^^oruS  6aUiftu§ 
(Hist.  1.  XVII,  c.  25)  3«*  üblich  War ;  ein  äl)nlicf)er  ©ebraueb.  Wirb  für  ©atlien  bur^  40 
bie  ©imobe  bon  SD^äcon  im  ^al)re  585  (can.  6)  bezeugt,  erhielt  aber  t)ier  bie  gorm  einer 
ßinberfommunion.  3Son  anberen  Drten  Wirb  bagegen  bie  ©itte  bezeugt,  toa§  bon  bem 
lonfelrierten  Srote  rtict)t  toerWenbet  Werben  War,  ju  Verbrennen,  Weil  man  ba§  geuer  für 
ein  reinem  ©lement  b^ielt.  Sa§  rbmifetje  5Riffale  giebt  in  bem  Kapitel  de  defectibus  in 
celebratione  missarum  oecurrentibus  3Rr.  10  eine  9tetl)e  bon  3Sorfct)rtften  für  ben  45 
gall,  bafe  ein  "^robfen  au§  bem  lonfelrierten  ^eld)e  falle;  fällt  berfelbe  auf  §olj  ober 
Stein,  fo  foll  ib^n  ber  ^riefter  auflegen  unb  bie  bene^te  ©teile  rabiert  ober  abgeWafcfyen 
toerben;  fällt  er  auf  bie  Slltarbecfe  ober  ba§  SlJefegeWanb,  fo  ftnb  btefe  forgfältig  au§ju= 
iuafdjen.  Sie  augrabierten  ©blitter  follen,  Wie  ba§  Söaffer,  Womit  man  bie  bene|te 
Stelle  Wufcfy,  im  ©afrarium  aufgehoben  Werben,  big  fie  auf  natürlichem  Söege  »er=  so 
berben.  Ser  galt  ift  and)  oorgefetfen  unb  beftimmt  geregelt,  bafj  ber  ^3riefter  „evomat 
eucharistiam",  (©tei^  nennt  bie  SBorfct)riften  hierüber  bie  „Wibrigften",  iä)  meine,  mit 
Unrecbt). 

Safe  ba§  ©aframent  be§  Slltare  nur  bon  bem  Sßriefter  berWaltet  Werben  fönne,  ift 
eine  alte  'DJJarime,  bie  feit  Gfybrian  unerfd;ütterlic&  feftgeb^alten  Würbe.  2luct)  ba§  Wütd--  bb 
alter  ift  über  biefe  au§fcbjiefelicf)e  Sered)tigung  be£  ^5riefterg  einberftanben.  3^m  fommt 
barum  bie  i^onfetration  allein  ju.  ©dion  bie  alte  ^ird;e  b^at  bafür  ben  2lu§brucf  corpus 
Domini  conficere  gebraucht,  ber  mit  consecrare  ibentifcf)  ift  unb  fetbft  bon  ©tombo= 
Ufern  unberfänglid)  in  bem  ©inne  gebraucht  Werben  fonnte,  bafe  bie  (Elemente  bureb  bie 
2öet^e  eine  Sebeutung   unb   eine  Signität   für   ben  ©lauben  embfangen,   bie  fie  borf;er  &> 


76  SranSfuBflotitiotion 

nicfyt  Ratten.  %?fy  erhielt  bie  gormel  einen  ganj  anberen  3nfyfllt;  f*e  i>^ät  bie  ganj 
fbeztfifcfie  23eränberung  aus,  Welche  nadji  ber  %ranSfubftantiatton3let)re  ber  $riefter 
mit  bem  fonfefrierenben  9Jtad)tWorte  unb  beffen  göttlicher  Äraft  an  ber  ^ßerfon  (Efyrifti 
boUjie^t:  er  trangfufeftangüert  ba§  Srot  in  ben  Seib  (Efyrifti,  er  macfyt  im  eigentlichen 
5  ©inne  ben  Seib  be§  §errn,  er  iauftert  bie  ©egenWart,  in  welcher  ber  ©ottmenfd)  im 
SJtyfterium  feiner  ©emeinbe  gegenwärtig  ift,  fid)  täglich  für  fie  opfert,  bon  il>r  angebetet 
Wirb  unb  iljren  ©ebeten  auf  bem  ©runbe  feinet  DbferS  bie  SSofylgefätligMt  unb  (Er= 
Körung  fiebert,  unb  bon  ben  ©laubigen  leiblich  mit  bem  SDtunbe  empfangen  Wirb,  bamit 
aud)  ifyre  ©eelen  mit  feiner  unfidjtbaren  ©nabe,  ber  (Einheit  be§  .gaubteS  unb  ber  ©lieber, 

10  gereift  unb  genährt  werben.  SDtefe  $raft,  ba3  Srot  in  ben  Seib  (Efyrifti  ju  bertoanbeln, 
berbunben  mit  ber  anberen,  bie  ©ünbe  ju  bergeben  unb  ju  behalten,  bilbet  barum  ben 
fubftantieEen  gnfjalt  be3  ©ebanfen§  beS  ©acerbotiumS  unb  wirb  in  ber  bifcfybflicfyen 
Drbination  bem  Drbinanben  feierlich  übertragen,  ja  al§  ein  feiner  Werfen  unau3löfd)Iid) 
anb^aftenber  (EIwrafter  eingebrägt.    ©o   mufjte  baS  SlranSfubftaniiationSbogma  Wefentlic| 

15  baju  beitragen,  ben  Unterfcbleb  zWifcfyen  ^rtefter  unb  Saien  ju  fcfyärfen  unb  ben  ^riefter 
tro£  aller  il)m  anflebenben  menfcblidjien  ©cfyWäctje  unb  aller  gugeftanbenen  UnbolIIommen= 
fyett  als  ein  SRittelWefen  gWifcfyen  ©ott  unb  ben  SRenfdjen  emborjufyeben  unb  mit  einem 
©lanje  p  umgeben,  bor  Welchem  ber  Saie  geblenbet  fein  Sluge  nieberfdjilägt. 

4.  5Zad»  ber  Sel)re  bon  ber  realen  Äonlomitanj   ift  im  Slbenbmafyle  ber  Seib   ntd^t 

20  oljme  baS  SBIut  unb  baS  33lut  nicfyt  olme  ben  Seib,  benn  beibe  finb  im  2lbenbmaI)Ie  fo, 
Wie  fie  im  §immel  finb,  mcf)t  getrennt,  fonbern  ju  organifd;em  Seben  berbunben.  ©iefe 
Seigre  b^at  geholfen,  bie  ©itte  ju  rechtfertigen,  ba|  bie  Saien  fid)  bon  bem  $eld)e  bielfaa) 
auSfd^Ioffen.  Über  bie  (Entwicklung  biefer  ©itte,  bie  ja  fcbliefjltcfy  ju  einer  fird)en= 
rechtlichen  SSerfagung  beS  5?eld^e§  für  bie  Saien  geführt  I?at,  f.  b.  31.  „SEReffe,  liturgifefy" 

25  9?r.  VI  (33b  XII  ©.  721—722,  bon  SDretoS).  ®ie  $ur$t,  etwas  bon  bem  ^ntyalte  beS 
McfyeS  ju  berfd)ütten,  I)at  fdjon  früfye  manche  ^ommunifanten  beranlafjt,  ftd)  beSfelben 
ganj  ju  enthalten.  9Rtc^ t blofc  Mrdjienleljrer,  fonbern  auefy  römifdje  Sifcfyöfe,  Wie©elafiu3I. 
(Gratiani  Decr.,  de  consecr.  dist.  II,  c.  12,  auefy  MSL  LIX,  141  0),  eiferten  gegen 
biefe  (Enthaltung.    Man  fucfyte  bafier  auf  anberem  Söege,   Wie  burd;  ben  ©ebraua)  ber 

30  fistula  eucharistica  ber  gefürdjteten  ©efafyr  borgubeugen.  ©eitbem  eS  aber  Slnfelm 
bon  (Eanterburb.  juerft  auSgefbrocfyen,  bafj  ber  eudmriftifcfye  Seib  nicfyt  olme  ba§  SBIut  fei, 
blatte  bie  früher  berbotene  ©itte  eine  neue  bogmatifc^e  ©runblage  erhalten.  ©d)on 
Söilb^elm  bon  Sb^ambeauj,  ein  jüngerer  ,3eÜ0mDffe  Slnfelmö,  erllärt  bie  33el)aubtung, 
bafe  bie  Kommunion  unter  beiben  ©eftalten  notWenbig  fei,  für  §ärefie.    2>er  gleichzeitige 

35  Slbt  $RuboIf  bon  ©t.  SLronb  im  Sütticfyfcfyen  embfieb^lt  bie  (Entziehung  be§  Saienfelrf)^  afe 
geeignete  33or!ef>rung  in  folgen  gälten,  Wo  entWeber  bie  ©efabj  beö  SSerfd^üttertS  nab^e 
liege  ober  ju  beforgen  fei,  bafe  ber  (Einfältige  bie  ©egenWart  (Eb^rifti  unter  beiben  ©e= 
ftalten  bezweifle.  Robert  ^5ullet)n  Will  bie  (Entfct)eibung,  ob  in  bem  einzelnen  gaße  ben 
Saien  ber  $eld)  entzogen  Werben  foHe,  bem  freien  Urteile  ber  $irct)e  anb^eimgefteüt  Wiffen, 

40  bie  berechtigt  fei,  bei  großem  ©ebränge  unb  bei  ben  Äranfen!ommunionen  ben  eudjarifti= 
fernen  ©enufe  auf  eine  ©eftalt  ju  befc^ränfen  (Sent.  lib.  VIII,  c.  3).  SEro^bem  reben 
nod)  im  12.  ^ab^rb^unbert  faft  fämtltdje  Äircl)enleb,rer,  Wie  SBernb^arb,  £)ugo,  ^3eter  ber 
Sombarbe,  ^eter  bon  33Ioi3,  bon  bem  ©enuffe  unter  beiben  ©eftalten,  al§  ber  eigentlich 
ju  „$Recb^t"  befteb^enben  gorm.     ^Daneben   berlangt  Stlejanber  bon  §ale§,  bafj   e§  bem 

45  Saien  frei  ftel)e,  nur  ba§  fonfefoierte  23rot  %u  nehmen,  „sicut  fere  ubique  fit  a  laicis 
in  ecclesia",  Summ.  Th.  p.  IV.  qu.  53.  membr.  1.  3)ie  ©tmobert  bon  SDurb^am 
(1229)  unb  (Erder  (1287)  fe|en  in  if>ren  23efct)lüffen  ben  Saien!elc|  noeb^  borauä.  ©a= 
gegen  befeb^ränft  ba§  ©eneral!abitel  ber  (Eiftercienfer  1261  ben  Äelcb^  auf  bie  $riefter= 
lommunion  unb  ba<§  ^ongil  ju  Sambetb;  1281   orbnet  bereits  für  bie  Saienlommunion 

so  ben  ©büüeld)  an.  greilict)  mufjte  barau§  ber  Geologie  eine  ©djwierigteit  erWad)fen ; 
benn  Wenn  mit  bem  Seibe  (Efyrifü  ba§  SSIut  bereite  genoffen  Wirb,  Woju  blatte  bann  Sb^riftug 
ben  ^eld)  eingefe|t?  ©ottte  biefer  etwas  rein  SururierenbeS  fein?  dagegen  mufete  boeb^ 
ba§  fromme  SeWu^tfein  fid)  fträuben.  ällejanber  bon  §ale§  legte  ber  Kommunion  unter 
beiben  ©eftalten  eine  größere  33oEIommenb^eit  unb  Söirlfamleit  bei,   al§  ber  unter  einer 

55  ©eftalt  (1.  c).  Sllbert  ber  ©rofee  erllärte  gleichfalls  bie  le|tere  in  9iücffid;t  auf  bie  geier 
unb  Straft  für  unbolllommen,  Weil  ba§  93Iut  in  bem  Seibe  rtic&t  Iraft  be§  ©alramenteS, 
fonbern  nur  Iraft  ber  natürlichen  Bereinigung  fei  (ex  unione  naturali;  bgl.  de  corp. 
Christi  et  sacram.  altaris).  ^omaS,  ber  bie  3SorfteHung  be§  Sllbert  bon  ber  unio 
naturalis  jur  Seb^re  bon  ber  ^onlomitanj  ausbilbet,  b^ält  jWar  ben  ^eld)  im  Slbenbmafyle 

60  nic^t  für  Überfluß,  Weil  baburef)  in  bebeutungöboller  ©bmbolif   ba§   in  ber  Bergiefeung 


SranSfitliftanttatton  77 

bes  33lute<§  befteb)enbe  Seiben  Csfyrifti,  ba§  SBebürfniö  be<§  geiftlidjen  ^ranfeei  neben  bem 
ber  geiftlid;en  ©peife  unb  enblid;  bic  erlöfenbe  $raft  be§  SluteS  ßb/riftt  für  bie  ©eele 
neben  ber  be§  £eibe§  6b,rt(tt  für  ben  menfcfyltcfyen  Setb  angebeutet  Werbe  (qu.  76,  art. 2, 
ad  2  m) ;  aber  er  erachtet  bod;  nur  für  ben  ^riefter  ben  ©enuft  be<§  Äeld)e§  für  abfolut 
notWenbig,  bie  @ntgiel;ung  beS  Satenfetct)e§  aber  au§  3*üe^rnäfei9SeitäQritnbert  für  ftatt=  5 
fiaft;  ben  (Einwurf  ber  ^m^erfeltion  einer  folgen  Kommunion  leimt  er  mit  ber  Steplif 
ab,  bafj  bie  $erfeftion  biefe3  ©aframente§  eben  nict/t  in  bem  ©enuffe  ber  ©laubigen, 
fonbern  lebigltd;  in  ber  priefterlicfyen  ^onfefration  befiele  (qu.  80,  art.  12  Resp.  u. 
ad  2  m).  3n  äfmlid;er  Söeife  entfcfyeibei  fid;  ^Bonaventura  (in  Sent.  lib.  IV,  dist.  11, 
P.  2,  Art.  1,  qu.  2)  bafür,  bafj  bie  communio  sub  una  ü)rer  Sßirffamfeit  nad;  ber  in 
sub  utraque  ooHfornmen  gleid;  fei  unb  nur  an  23oIlftänbigfeit  ber  ©r/mbolif  fcinter  t^r 
jurüdftebe;  biefer  SRangel  Werbe  burd;  bie  Äommunion  be3  $riefter§,  ber  bie  Slirdje 
repräfentiere,  tootlftänbig  gebedt.  ©ett  biefer  geit  erklärten  fid)  Domtnifaner  unb  grangi§= 
faner  für  ba§  ßeffteren  be§  Saienfeld;e<ö.  Da3  Äongil  gu  $onftang  beftätigte  bie  ©nrgielmng 
am  15.  ^uni  1415.  Die  ^ribentiner  ©rmobe  billigte  gleichfalls  (Sess.  XXI.  Decret.  15 
de  commun.  sub  utraque  specie  c.  2  u.  3)  biefen  5Befd)Iuf$  auf  ©runb  ber  ber  ®ird;e 
juftebenben  ©eWalt  bie  gur  ©aframent3bi<§penfation  notWenbigen  SRafjregeln  gu  beftimmen, 
unb  Weil  burd;  bie  communio  sub  una,  in  ber  ber  gange  6b,riftu<o  gegenwärtig  fei, 
ber  Saie  feiner  Wefentlicfyen  ©naben=  unb  §eil§mirfung  beraubt  »erbe.  SBenn  bie  3Ser= 
fammlung  babei  einräumt,  bafe  im  Anfang  ber  ©enujj  beiber  ©pegie<§  „nicfyt  ungewöf;n=  20 
lid)"  (non  infrequens)  geWefen  fei,  fo  geigt  biefe  Slugfage  beutlid),  bafs  man  bod)  ein 
Sßetoufjtfem  b/atte,  einen  Srud;  mit  bem  fird)Iid)en  Stltertum  gu  legalifieren.  3SgI. 
übrigen^  bie  9Ronogra£f)ie  toon  $ul.  ©menb,  $elct;r>erfagung  unb  Md)ft>enbung  im  2lbenb= 
lanbe,  1898. 

IV.  Sie  ^ranSfubftantiationgle^re  bei  ben  ©rieben.  Der  griect)tfct)e  25 
2lu§brud,  ber  bem  lateinifd)en  transsubstantiatio  enifpricfyt,  ift  genau  jusrovolcooig. 
6r  gilt  ben  heutigen  ©rieben  ebenfo  fid;er  als  ber  forrefte  für  ba§  „ortf;obor,e"  33er= 
ftänbniS  ber  ©ucbariftie,  Wie  ben  Sateinern  ber  irrige.  Die  älteren  2lu§brüde  bei  ben 
©rieben  Waren  /ueraßoArj,  [lEranoirjoig,  gu  Weilen  aud)  jueraQv§juiaig.  Dajj  biefe 
(lat.  transformatio,  mutatio,  conversio,  transfiguratio)  eine  anbere  ^bee  int>ol=  30 
öieren,  ift  längft  erfannt.  Der  Übergang  ber  Geologen  t>on  einer  br/ttamiftifd;en  gur 
cigentlid;  realiftifcfyen  Deutung  ber  burd)  bie  $onfefration  begrünbeten  93e§iebung  gWifcfyen 
ben  trbtfcBert  (Elementen  unb  6E;rtftu<§  ober  t>ielmer/r  feinem  erf)öt)ten  Serbe  üoßgog  fid; 
mit  §ilfe  be3  Segrip  ber  jueiaßolri,  fpegieH  feit  ©regor  t>on  9tyffa  an  ber  natürlichen 
SSertoanblung  be£  S3rote§  in  „gletfd;"  (burd)  bie  3Serbauung)  einen  23ergleid;  (fo  SoofS  35 
33b  I  ©.  54)  ober  (rt>a§  mir  immer  nod;  mit  ©teu)  ma^rfdjeinlid)  ift)  eine  9teal^aratlele 
bafür  aufgewiefen  ^atte,  roie  ber  2ogo<§  ficb,  gerabe  be§  Srote§  gu  bebienen  toiffe.  ®a§ 
jebenfaHä  QofyanneS  t»on  5Dama§fug  eine  eigentliche  9tealt>erh)anblung  beö  Srote§  unb 
3Beineg  angenommen  Ijat  unb  ba^  burd;  biefen  „^ormalbogmatifer"  biefe  3SorfteCung 
©emeingut  ber  gried}ifd)en  ^irdje  getoorben,  fteb,t  für  alle  ©ogmenbifiorifer  feft.  3lber  40 
bie  2eb;re  ber  ©rieben  ber  älteren  ^eit  fe^t  borau§,  bafj  bie  „©ubfianj"  beö  SBrotel 
bleibt  unb  „nur"  ib,re  „^orm"  fiel;  änbert  (toiemofyl  ib,r  „2tuöfel)en"  fid;  erhält). 
Sn  ber  Stran§fubftantiatiDn§lef)re  b/anbelt  eg  fiel;  barum,  bafe  ba§  93rot  burd;  ben 
Setb  Gf;rtftt  „erfe^t"  toirb.  Qn  fteigenbem  5Ra|e  würbe  e§  ben  Sateinern  feit  Serengar 
flar,  ba^  ber  begriff  bloß  ber  mutatio,  conversio,  transitio  etc.  irgenbmo  ber=  45 
fage  für  bie  2lnfd;auung,  bie  man  auobrüden  Wüßte,  könnte  man  geigen,  bafc  bie 
Seflejion  auf  ba$  „D^fer"  in  bem  ©treite  mit  Serengar  ben  j)raftifd;en  2lccent  im 
Unterfcbiebe  bon  berjenigen  auf  bie  „l;I.  ©^eife"  trage,  fo  Würbe  man  e§  leichter  ber= 
fteben,  ba^  ber  Slerminug  transsubstantiatio  fd)Iiefelid;  Wie  ber  „eigentlid;"  forrefte, 
getoiffermafjen  ber  eingig  „rettenbe"  erfd;ien.  Umgelegt  ift  beutlid;,  bafe  ber  Sluobrud  60 
Hezovaiü)oig  bei  ben  ©rieben  nie  fo  febarf  al§  „Problem"  empfunben  Werben  ift,  Weil 
bei  if;nen  bie  ^ommunionibee  bod;  bie  prattifd;  oberfte  bei  ber  $8egel)ung  ber  „Siturgie" 
geblieben  ift.  @r  ift  bei  ben  ©riechen  nie  gum  eigentlichen  Differenggebanfen  Wiber  ben 
ber  fieiaßokij  geworben.  Süarum  ben  ©egnern  be<§  Serengar  ber  ©ebanfe  ber  ,,^on  = 
iubftantiation"  (meift)  unerträglich  febien,  mufe  nod)  einmal  genauer  unterfucb,t  Werben,  -.5 
alö  bisher  gefebeben  ift.  Den  ©rieben  ift  biefer  ©ebanfe  überhaupt  nie  al§  ernftttebe 
ibeorie  nä^er  getreten.  ^b,nen  lag  baran,  ba^  mit  bem  Srote  etWaö  borgeb,e,  Woburd; 
e§  b,eil§fräftig  Werbe;  ba|  an  bem  Srote  felbft,  feiner  vlrj,  feiner  ovoia  etWaö  »ergebe, 
toar  tbrert  „9tealiften"  ber  nädjfte  unb  mel)r  ober  Weniger  felbftr>erftänblid;e  ©ebanfe ;  ob 
aber  bie  2öanblung  ficb,  aU  fxexaßoh)  ober  juerovalcoais  t>ollgief)e,   fonnte  il;ncn  relatib  60 


78  SranSfubftantiatüm 

gleicfcgiltig  erfreuten,  ©cbjen  legerer  begriff  nocb.  mebr  ©arantie  ju  enthalten,  als 
erfterer,  fo  formten  fte  ibn  immerhin  öorgte^en.  SBebeutfame  Vertreter  aucb  nocf)  beg 
fbäteren  ©riect)entum§  tyaben  fic^>  it)n  m<$t  angeeignet,  »eil  fie  offenbar  nicfyt  einfallen, 
bafj  er  ibnen  beffere  SDtenfte  t&ue,  ate  ber  ber  juszaßoXi].  £>ocf;  ift  er  mieberr/olt  bon 
5  ben  fircb4icfyen  2tutoritäten  ber  Orteten  fanftioniert  roorben  unb  ift  gtoeifeltog  „offiziell" 
9cur  bafs  er  met)r  äujjerlicb.  als  innerlich  ben  ©ebanfen  bei  2tbenbmabl!§munber§  für  fie 
repräsentiert. 

©3  ift  nicfyt  a%i  beribunberlidj),  baf?  bie  älteren  ©rieben,  bie  fid&,  für  bie  ^bee  ber 
/biETovolcoois  (man  trifft  ben  ©ebanfen  aucb.  mit  bem  Slusbrucf  jusraaroixsicooig,  eigent* 

io  lief;  =  transelementatio)  erroärmten,  meift  behauptet  baben,  bafj  if>re  ®ir<be  ben  93e= 
griff  unb  2lu§bmd:  gefef/affen  blatte,  bafj  bie  Sateiner  it)n  mit  Unrecht  im  Urfbrung  für 
fief;  reklamierten.  £)er  ©tolj  ber  ©riechen  ertrug  e3  !aum,  trgenbmo  ben  Sateinern  bie 
33orfyanb  ju  gewähren.  2Ba3  ^ugie  in  bem  oben  ©.  56, 13  notierten  2luffa|  mit  einigem 
Strger  beibringt,  um  bie  ©rieben  jur  Söefcfyeibenr/eit  ju  mahnen,  rnirb  heutiges  %aa,§  bei 

15  miffenfcfyaftlidjen  Scannern  unter  i|nen  boeb,  ©et)ßr  finben. 

©d)on  ©tei£  fyat  in  bem  ©.  56,  n  bezeichneten  Slrtifel  bie  ältefte  ©teile,  mo  bei 
ben  ©rieben  bon  ber  juEzovoicooig  bie  9tebe  ift,  nacfjgetoiefen.  ©3  ift  in  bem  Briefe  bejro. 
bem  ©laubenSbefenntnig  ber  galt,  ba§  Äaifer  SJUcfyael  ^MäoIogoS  bem  Raufte  ©regor  X. 
1274  überfanbte:  rbmifdjeS  SDtftat  liegt  gum  ©runbe.    ©ine  ©r/nobe  ju  ifonftantinobel, 

20  1277,  unter  3ol;anne§  23effo§,  rebetierte  ba§  93efenntni§  mit  bem  ©tief/Worte.  ©3  fyanbelt 
fieb,  um  ben  bekannten  erften  (an  fieb,  bolitifcf;  bebingten)  Uttionlberfucb,  nact)  bem  Briefe 
unter  SDticbael  $ärulario§.  Sie  ©elel)rfamfeit  ®enifle3  (©.  615)  bat  eine  ©teile  au§= 
gegraben,  mo  fcfyon  bunbert  ^afyxt  früher,  ein  ©rieef/e  tfoax  nief/t  bon  ber  juszovolcooig, 
aber  fiEzaozoi%Eiiöoig  rebet,  nämlia)  9cifoIao3  bon  3ftetbone  (f.  ben  21.  bon  Sontoetfct), 

25  33b  XIV  ©.  81)  in  bem  jmeiten  feiner  1865  bon  ©emetrafopuIoS  ebierten  Xoyoi,  um 
1156,  (©.51:  äqzov  xzX.  fXEzaozoi%£iov  fxevcov  ivegyela  zov  navzovqyov  tivev- 
fxaiog  elg  zö  navdyiov  avzov  aeö/xa  etc.).  9Jifolao§  giebt  bem  3lu§bru(fe  feinen 
©bejialnact)brucf,  fonbern  bermenbet  it)n  einfad)  als  fr/nonr/tn  mit  juszaßdXXsoß-ai,  jue- 
zcmoiEio'&cu  etc.,  mie  ©teilen  bemeifen,  bie  ©enifle  felbft   an   anberem  Drte  (©.  618) 

30  beibringt. 

©in  roirflicfjeg  Stetoufjtfein  um  ben  ©onberinfyalt  bei  23egrip  ber  SEran§fubftantia= 
tion  berrät  2ftanuel  J?alefa§  (um  1360;  er  mar  ein  folcfjer  3Jerel)rer  be§  %i)omaS,  bafj 
er  felbft  fcfiliefjltrf)  ©ominifaner  geworben  fein  foß).  Slber  er  oberiert  mit  einer  Über= 
fe^ung  bon  substantia  nid)t  burc§  ovoia,    fonbern  vjioxeijuevov,   unb  fommt   babureb, 

35  anfcb,einenb  nicb,t  auf  ben  Terminus  jusrovolwoig  (ber  alfo  jebenfall§  nod)  nicfjt  irgenb= 
mie  geläufig  getoorben  mar). 

©o  bebeutfame  Männer  mie  5Rifolao3  £abafila§  (^eitgenoffe  be§  MefaS;  f.  b.  21. 
„3Keffe"  Sb  XII  ©.  685, 53)  unb  ©f/tneon  bon  ^effalonid?  (geft.  um  1429,  f.  b.  21. 
bon  $b,.  gjie^er,  93b  XIX  ©.  210;  baneben  auet)  21.  „gjtyftagogifdje  Geologie"  bon  mir, 

40  33b  XIII  ©.  620,  r,y)  bebienen  fiel)  be§  2tulbru(f§  nicf)t ;  ifmen  genügt  burcb,aug  justa- 
ßoXiq  etc.  Daf3  ber  2lusbrud:  /uETovoicootg  boeb  biö  auf  ©eorgiol  ©cf;olarios>  =  ^atriareb, 
©ennabioä  bon  ^onftantinobel,  ben  man  bor  ©tet|  übertäubt  für  ben  „©cfjbbfer"  beSfelben 
b,ielt,  nicfjt  blof?  mit  bem  93riefe  bei  30licb,ael  ^aläologol  in  ben  „2lrct}iben  be§23atifan§ 
fcfjlummerte"  (©tei^),   macb,t  ^ugie  glaubhaft.    @r  bürfte  in  ber  SLbat  auf  bem  Äongil 

45  bon  glorenj  1438  unb  39  eine  9Me  geftoielt  b,aben.  ©oeb  ift  er  bei  9Jtarfo§  ©ugenifol 
nirgenb§  ju  erlceifen.  ^Roct)  im  15.  3ab,rbunbert  lieft  man  bei  ^obannel  ^ßlufiabenol  in 
feiner  ©eftrift  jur  SSerteibigung  bei  ^onjil§  bon  gloreng  eine  Erörterung,  roonacb,  e§ 
richtig  fei,  eine  jusmßoX^  ef  ovaiag  sig  ovoiav  ju  tebren.  ©tei^  bebt  ba§  felbft  l)erbor, 
mit  Stecht  jebotf)  auet/,  ba|  ba§  ©ticb,roort  all  folct)ei§  bier  nicb,t  auftritt.  Qeremial  II.  in 

50  feinen  Briefen  an  bie  Tübinger  (1576—81)  bebient  fieb,  beweiben  ebenfomenig,  fo  nabe 
er  ibm  fact)licb,  fommt.  dagegen  balb  nacb^er  bei  3Jlännern  toie  ©abriet  ©eberoö  (in 
33cnebig),  SKeletiog  $iga§  (^atriareb,  bon  2lle£anbria  1584—1603),  3Jkrgunio§,  ^obanne§ 
^atl;anael  (in  ^onftantinopel),  tritt  er  ^um  Xeil  mit  5Racbbrucf  auf.  ^3igag  mar  nia)t 
Unionefreunb,  fo  ift  e§  um  fo  bemerfenöwerter,  bafs  er  in  ber  Sebje  bon  ber  ©uebariftie 

55  burcfyaug  „latinifiert" ;  er  fennt  unb  bertritt  auct>  bie  Seb,re  bon  ber  5!onfomitanj  („f; 
ETiaxoXov&rjoig"). 

SDie  _SBirren,  metcb,e  ^ritloä  Sufariä  feit  1629  b,erborrief,  b,aben  ba^u  gefübrt,  baf? 
ber  Xerminul  /xEtovatcooig  eine  feierliche  firc^licf^e  ©anftion  fanb.  Db  man  fagen  barf, 
baf?  er  bogmatifiert  toorben,  t)ängt  babon  ab,  mie  boeb,  man  bie  2tutorität  ber  ©t^noben, 

60  bie  bamalS  1638  in  ^onftantinobel,  1642  in  ^ctffo,  1672  inSerufalem,  1691  mieber  in 


SrattSfubftattttaltott  £raW>tften  79 

Äonftantinobel  tagten,  einfd)ä|t.  Stuf  btefen  ©imoben  (tljre  SCttert  finb  am  Beften  ebtert 
bon  SRefoloraS,  JEv/ußofaxi]  rfjg  öq&oö.  avax.  ExxXrjoiag,  JiaQaQTrjjua,  1893,  f.  aud) 
Fimmel,  Monumenta  1850)  Würbe  in  geWifjer  2Seife  bie  ganje  Äircfyenlefyre  rebibiert 
unb  neu  fonftituiert,  befonberS  aber  bte  Set/re  bon  ben  ©alramenten.  3Son  il)nen  finb 
bie  ©ofumente  ausgegangen,  bte  bte  ©riechen  ib/re  ßißXla  av/ußoXixä  ju  nennen  pflegen.  5 
Sie  33efttmmungen  biefer  ©bnobe  ftefyen  bod)  ntct/t  gan$  auf  ber  bogmatifd)en  §öt/e  be§ 
einen,  einjigen  ovfxßokov,  baS  bie  alte  $ird)e  gefdjaffen.  (23gl.  3t.  „©fymbole,  ©r)tn= 
boltf",  93b  XIX  ©.  199,  36—52).  2öer  bon  folgen  Seftimmungen  ber  ©tmoben  beS 
17.  ^a^r^unbert§  abtt>etd)t,  bie  nidjt  mitgefd)ü|t  finb  burd)  C,  ba§  ©r/mbol  fcr;led)tt)in, 
Wirb  fid)  in  Dielen  gätten  als  rechtgläubig  beraubten  !önnen ;  eS  Wirb  ftd)  barum  b, anbeln,  10 
wie  bie  religiöfe  SBolfSembftnbung  bie  etwa  angetaftete  gormel  braltifd)  fd)ät5t.  @3  fteb/t, 
Wie  mir  fcfyeint,  beutlid)  fo,  bajj  aud)  b/eute  nod)  ber  ©ebanfe  ber  jusrovolcooig  abgelehnt 
werben  barf,  Wenn  nur  ber  ber  jusmßoX^  b.  t).  bie  büße  unb  unbebingte  Realität 
ber  ©egenWart  beS  SeibeS  unb  23lute§  ßbjrifti  in  ben  lonfefrierten  eucfyartftifcfyen  (Elementen 
feftgefyalten  Wirb.  $ein  Btoeifel,  bafy  bie  ©fynoben  beS  17.  ^afyrfyunbertS  bie  juezaßoX^  15 
unb  juezanolijoig  roiber  ben  „GalbiniSmuS"  beS  £ufari3  (f.  über  ifyn  b.  2t.  bon  $ßr).  9Jter/er 
in  33b  XI)  abfolut  berteibigt  Wiffen  Wollten.  Äein  3^^  aud),  ba$  bie  meiften  ben 
aerminuS  juerovolcooig  als  ben  beften  äluSbrucf  embfeljilen  Wollten  (bie  bon  1691  fyat 
iljn  jebod)  offenbar  mit  2lbfid)t  nictjt  wieberb/olt,  f.  ©tei|  a.  a.  D.  ©.  698).  2tber  ber 
(entere  SluSbrucf  foll  ben  erfteren,  alten  StuSbrucf  nid)t  berbrängen  unb  bebeutet  leinen  20 
©inngegcnfa|  gegen  it)n;  man  barf  ben  SluSbrucf  /usTovoiaioig  berfte^en  nad)  9JJaf}= 
gäbe  bon  jueraßol^,  man  barf  eS  aud)  umgeteb/rt  machen  —  bie  33ifferenj  fällt  in  baS 
©ebiet  ber  ©belulation,  triebt  beS  „©laubenS" 

25ie  Confessio  orthodoxa  beS  9J£ogila3  bietet  in  ib)rem  jetzigen  griedüfcfyen  9Bort= 
laut,  ben  SMetioS  ©fyrtgoS,  toelc^er  teineSWegS  unionifttfd)  gefinnt,  aber  ein  befonberS  25 
lebhafter  33erfed)ter  ber  jueTovoicooig  war,  fyergefteßt  i)at,  in  I  Qu.  107  ben  letzteren 
2luSbrucl,  rote  Wenn  er  ber  felbftberftänblid)e  für  bie  ©ad)e  fei.  ©er  Urtejt  ber  Con- 
fessio War,  Wie  man  jefct  Wetfj  (f.  bei  uns  ^uerft  SoofS,  3)ie  Urfbracfye  ber  C.  O., 
3#©tß  1898,  ©.  165ff.)  latetnifc^;  ©r,rigoS  f)at  ifm  nid)t  blofj  überfe^t,  fonbern  „be= 
arbeitet" :  e§  fte^t  baljin,  ob  9JfogilaS  unb  bie  ©^nobe  bon  $ieb  1640  jc^on  bon  „trans-  30 
substantiatio"  gefbrocb,en  b,aben.  £>ie  einzelnen  ätutoren  unb  ?3üd)er  gu  nennen,  bie 
in  jener  gett  bie  „jusrovaicooig"  berfocb,ten  b,aben,  l)at  leinen  fttoeä.  ©.  ben  Stuffaij 
bon  ^ugie  (oben  ©.  56,  13).  ©in  befonberS  notabler  33erfed)ter  beSfelben  ift  2)ofi4eoS 
bon  ^erufalem  (1641—1707).  ©.  über  ib,n  je|t  fbejiell  Xq.  A.  IlaTiaööjiovXog, 
Aoal'&Eog,  naxQi6.Qyr\g  cIsqoooXv/ucov  (guerft  in  Nea  2i<x>v,  xojx.  s '.),  febarat  1907.  35 
Qugte  berWeift  ©.76  noefe,  auf  eine  ©^nobalerllärung,  bie  1727  bon  Äonftantinobel  auS 
erging  unb  bie  (in  unberlennbarer  SSeife  fid)  beS  Wortlauts  ber  £>ecifion  bon  Orient, 
bejro.  aueb,  ber  Professio  fidei  Trident.  bebienenb)  ben  SCerminuS  juejovoiayoig  fogar 
„borfc^reibt" ;  bogmatifcb,e  53ebeutung  t)at  biefe  (Srllärung  jebod)  in  feiner  Söeife  er= 
langt.  (&.  @.  ©tei^  f)  %■  Satten6ufcf|.     *o 

^rap^tftett.  — .  Sitteratur:  I.  Stograbfiien  be§  ©ttfter§:  Pierre  le  Nain  de 
TillemoDt,  beutfrf)  ?(ug§burg  1751;  9DJ.  be  ^arfolter,  ^5art§  1702,  2  vol.;  SKaupeau,  $artö 
1702,  2  vol.;  Stbefung,  Se't^tg  1787;  ©ödtngf,  SSerltn  1820,  2  58b;  b'^auotaej,  $art§ 
1842;  eijateaubriartb,  $ari§  1844;  beutfet)  Ulm  1844;  l'abbe  Dubois,  Histoire  de  labbe  de 
Raacö  et  de  sa  Reforme  composee  avec  ses  ecrits,  ses  lettres,  ses  reglements,  ^artä  45 
1867,  2  vol.;  28.  (scljmibt,  KegenSburg  1897;  berf.,  ftronffurter  äeitgemäBe  S3rofd)ürert, 
»5  XIX,  12;  g.  SSüttgenbad),  9(ad)en  1897;  m.  S.  ©errant,  l'abbö  de  Eancö  et  Bossuet, 
^art§  1903. 

II.  ©e|'c^td)te  be§  Orben§:    $elt)ot,    Histoire   des    ordres  monastiques    religieux  et 
militaires  et  des  congregatious  seculieres   de   l'un    et   de  l'autre    sexe  qui  ont  6t6  etablies  50 
jusqu'ä  present  (1714),  VI,  1  ff.,    $ari§  1714—1719;     Urfbrung   unb  <5cf,icffafe  beä  Orbenö 
be  la  Srappe,  SBien  1VJS;     L.  D.  B.,  Histoire  civile,  religieuse   et  littgraire  de  l'abbaye  d. 
1-  T.  et  des  autres  monasteres  de  la  meine  observance,  <ßari§  1824;  ©aiffarbtn,  Les  Trappistes 
ou  l'ordre   de  Citeaux  au   XIX.  siecle,    $art§  1844,    2  vol.;     SRitfert,   ®er  Drben  ber  %., 
Sarmftabt  1833;    Station,  Notice  sur  les  monasteres  de  l'ordre  d.  1.  T.,  $ariö  1855;    ®er  55 
Jrabbift,  SBien  1863;  La  Trappe,  Rome  1864;  beutfdj  ^aberbovn  1865;  gr.  ^fartnenfdjmtbt, 
Süuftrterte  ©efd)icf)te  ber  St.,  $aber6orn  1874;  La  Trappe,    origine,  esprit,  Organisation  ac- 
tuelle,    par  um  Trappiste  de  Sept-Fons,  «J5ciri§  1870;     5ß.  2Rarte  Strüpt)ime    in  Analccta  I, 
Pont.  XXVI,    897  ss.;     ft'.  «Ruff,    Sie  Strappiftenabtet  Öteberg    unb   ber   reformierte    Stfter-- 
cienferorben,    ^reiburg  1898;    eine  Apologie    be§  DrbeitS   in    bljgienifcber  Se^ieljung    bietet  ©> 
Dr.  ©udjier,    Ser  Drben  ber  St.  unb  bie  begetarifd)e  Seben^loeife,    2.  ?luff.  aKündjett  1906; 


80  SrnWtfien 

£emt6ud)er,  ®te  Ovben  unb  Kongregationen  ber  fat^olifcften  Strdje,  2.  Slufl.  ^abevborn  1907; 
Slrt.  „Srappiften"  in  SBelter  unb  3GSe$e,  tird)enie,nfon  XI,  1996  ff. 

III.  3ur  Orbenäregel:  Constitutions  de  l'abbaye  d.  I.  T.,  $cm§  1671;   Reglements 
genöraux  de  l'abbaye  d.  LT.,  <JSctri§  1701,  2  vol.;  ^Reglement  Don  I.  £.,  beutfdj  üon  $•  ®om 
5  SBonaüentura,  ©rag  1887. 

£rabbiften  ober  reformierte  (Siftercienfer  (f.  b.  21.  Siftercienfer  23b  IV  ©.  126, 4  ff.) 
fyeifjen  bie  ©lieber  eines  in  ber  römifd)ert  Eirene  beftel)enben  DrbenS,  Weld)er,  aus  einer 
Dom  ©rafen  9totrou  be  $erd)e  um  1140  gegrünbeten  ßiftercienferabtei  in  ber  Rormanbie 
hervorgegangen,  burd)   bie  big  pxx  ©d)Wärmerei  gesteigerte  §ärie  feiner  Siegel,   feine  bie 

io  Segriffe  eines  Rumänen  SebenS  tief  berle^enben  @inrid)tungen,  unb  befonberS  feine  ftrenge 
23erbönung  beS  23erIefyrS  mit  ber  2öiffenfd)aft  berüchtigt  geworben  ift.  ^ene  Slbtet,  beren 
(Stiftung  bon  anberen  ins  $al)r  1122  gefetjt  Wirb,  führte  ben  tarnen  Notre-Dame  de 
la  Maison-Dieu.  ©ie  liegt  fnnier  einem  großen  Söalbe  in  einem  feud)ten,  ungefunben 
£I)aIe,  nur  ein  enger,  burd)  geifert  ftd)  I)mburd)Wmbenber,  l)öd)ft  befd)WerIid)er  SBeg  füfcrt 

15  ju  il)r,  unb  eben  babon  erhielt  fte  ben  tarnen  la  trappe,  b.  i.  bie  gettttüre.  ®ie  $e= 
Wolmer  ber  2lbtei  Ratten  ftd),  unter  ber  Seitung  guter  SSorfte^er,  bis  gegen  baS  15.  3jab,r= 
fmnbert  burd)  rü£)mltd^en  ©ifer  in  äluSübung  ber  sJRönd)Stugenben  ausgezeichnet;  aber  mit 
bem  reid)en  33efi|e,  ben  fte  erhielten,  griff  aud)  3ud)tIofigfett  bti  ü)nen  um  ftd;.  3aÖ.b= 
Vergnügen  mit  ^rinfgelagen,  9SoIluft  berbunben  mit  2ftäbd)enraub  unb  anberen  grebeln, 

20  brachten  bie  5Rönd)e  bergeftalt  in  3Serruf,  bajj  fie  fogar  ben  -Kamen  ,,33anbiten  bon  la 
%xaippe"  erhielten,  ©iefer  ßuftanb  bauerte  bis  um  2Ritte  beS  17.  %at)xl) unbertS ;  bie 
2Ibtei  jäl)lte  nur  nod)  fteben  3Jtönd)e  unb  mar  bem  Verfalle  nal)e.  ®a  lam  fte  (1636) 
al§  ^Pfrünbe  in  bie  §änbe  beS  faum  10jäl)rigen  Knaben  Dominique  Strmanb  %ean  Ie 
23outl)ilIier  be  Rance,  ber  tl)r  Reformator  »erben  follte.  ©ein  SSater,  £)eniS  Ie  Soutf/illter 

25  be  Stance,  war  ©efretär  ber  Königin  5Raria  bon  SRebiciS,  orbentlid)er  ©taatSrat  unb 
befafj  ein  bebeutenbeS  Vermögen,  ©er  junge  Stence,  geb.  am  9.  Januar  1626  ju  $ariS, 
erlernte  bie  alten  ©brad)en  unb  geigte  bebeutenbeS  Patient;  er  foHte  nad)  bem  2BiHen 
feines  33aterS  2RaItI)efer  Werben,  Würbe  aber  fd)on  früt)  mit  ftnnlidjen  ©enüffen  befannt 
unb  bewies  grofje  @mbfänglid)feit  für  biefelben.    2tlS  jebod)  fein   älterer  Sruber  ftarb, 

30  ber  fd)on  bebeutenbe  ^frünben  befaft,  trat  Slrmanb  auf  ÜBeranlaffung  feines  3SaterS  in 
ben  geiftlid)en  ©tanb,  um  baburd)  @rbe  jener  ^frünben  p  Werben,  ©o  Würbe  er,  laum 
11  ^afyre  alt,  SI)orl)err  an  ber  Kircbe  9iotre=3)ame  ju  ^ßariS,  2tbt  bon  la  %rabpe  unb 
^ßrior  einiger  anberer  Stiftungen,  fo  bajj  er  bereits  als  Knabe  ftd)  im  Sefi^e  anfeb|nlid)er 
geifilid)er  (Sintunfte  fal).    2In  Wiffenfd)aftlid)er  33efd)äftigung   fd)ien  er  nod)  ©efallen  ju 

35  ftnben ;  er  War  laum  13  %at)xe  alt,  als  er  fd)on  ben  ätnafreon  mit  Stnmerfungen  Verausgab 
(^ßariS  1639),  bewies  aber  freilid)  eben  hiermit,  ba^  in  i^m  nod)  feine  Neigung  ju  Ilöfter= 
liefert  Übungen  ober  ©ntbaltfamfeit  bor^anben  War.  @r  Wibmete  fid)  bem  ©tubium  ber 
^b^ilofobb,ie  unb  Geologie,  Würbe  tro^  fetner  loderen  ©itten  unb  2tuSfd)Weifungen  bod) 
1651  jum  ^ßriefter  geweift,  ja  1654  gum  3)oltor  ber  SE^eologie  bromobiert  unb  erlangte 

40  als  ^anjelrebner  nid)t  unbebeutenben  3iuf.  gür  bie  2Irt,  Wie  er  um  biefe  3eit  mit 
äu^erlid;  legaler  33erfel)ung  feiner  getftltdjen  2ImtSbfIid)ten  ein  übbigeS  ©cnufeleben  ju 
berbinben  tou^te,  ift  d)arafteriftifd)  bie  2Inelbote,  Wonad;  er  auf  bie  frühmorgens  bon 
einem  Selannten  an  it)n  geria)tete  grage,  Was  er  ben^ag  über  ju  tr/un  gebenle,  Iad;enb 
geantwortet  ^ahc    Ce  matin   precher  comme   un    ange,    et    ee    soir  —  chasser 

«  comme  un  diable!  —  ©eine  feit  1660  auf  jiemlid)  blö|lid)e  2Beife  erfolgte  Sefefyrung 
ju  büfterer  aS!etifd)er  ©trenge  unb  S03eltberad;tung  foll  burd;  ben  i^m  geworbenen  2tn= 
blid  beS  (bielletd^t  jum  Sebfuf  anatomifd^er  ßWede)  abgefd;nittenen  ÄobfeS  eines  fnu> 
berftorbenen  ©efäb^rten,  beS  Mx.  be  Sliontbajon,  bewirft  Worben  fein,  ©inen  ferneren 
SmbulS  jur  gänjlid)en  2tbleb,r  bom  ffiöeltleben  fotl  er  etwas  fbäter  (1662,  1.  Robember) 

60  babureb,  embfangen  b,aben,  bafs  bie  blö^Iid)  einftürjenbe  3i^merbede  feines  ©emad)S  im 
berWab,rloften  2Ibteigebäube  la  Krabbe  i^n  nafteju  erfd)Iagen  l)ätte,  —  Worauf  er  mit  bem 
Klageruf:  Voilä  ce  que  c'est  que  la  vie!  in  bie  ^Iofterfird)e  geflogen  Wäre  unb  b,ier 
ben  ib,n  erfd)ütternben  aber  aud)  tröftenben  ©efang  beS  ^3falmS:  Qui  confidunt  in 
Domino  bernommen  ^aW.  ©id)er  ift,  ba|  er  feit  1664  fein  Seben  jur  fyerbften  aSletifd^en 

55  ©trenge  reformierte  unb  in  gleichem  ©inne  alSbalb  auf  bie  ©itten  unb  (Einrichtungen 
ber  3Jiöncb,e  bon  la  Krabbe  etnjuWirfen  begann.  5Racb,bem  er  aUe  feine  übrigen  ^frünben 
beräu^ert  ober  §u  llnterftü^ungen  unb  Wob,ltI)ätigen  Qtoeäen  berWenbet  l)atte,  gog  er  ftd) 
in  jene  ©inöbe  jurüd,  lief^  bie  Stbteigebäube  Wieberfjerftetlen  unb  begann  mit  (Erneuerung 
ber  alten  üloftergud)t  unter  bem  flehten  Stefte  i^rer  mönd)ifd)en  ^nfaffen.  "^ro^  beS  f)ef= 

60  tigen  2ßiberfbrud)S,    ben   er  fanb,    gelang   eS  if)tn  bod),    mehrere  Senebiftiner  bon  ber 


SroWiftett  81 

ftrengen  Cbferbanj  unter  bcm  Abte  Barbarin  einzuführen.  @r  felbft  trat  am  13.  ^unt 
11)63  als  Smutje  in  baS  Älofter  ^ierfeigne,  legte  am  26.  Quni  lti<J4  ^rofeß  ab,  mürbe 
nun  regulierter  Abt  bon  la  irabpe,  unb  »erfolgte  als  folcfyer  mit  fcfyroärmerifcfyem  @ifer 
feine  $läne  jur  (Einführung  ber  Älofterregel  in  ifyrer  ganzen  urfprünglicfyen  ©trenge, 
mäfjrenb  er  felbft  einer  auSgefucfyten  ©elbftquälerei  ftcfy  Eingab.  Zweimal  mußte  er  bel)ufs  5 
Grlangung  ber  nötigen  bäbftlirfjen  Jlongeffionen  nacfy  Rom  reifen  (1664  unb  65);  mäf)= 
renb  ber  Aufenthalte  bafelbft  foH  er  nur  bon  Sßrot  unb  Söaffer  gelebt  fyaben.  9fur  mit 
großer  sDiübe  erlangte  er  bie  für  fein  33orl)aben  erforberlicfye  (Genehmigung.  ©ur<$  3mto= 
cenj  XI.  (am  23.  3Rai  1678,  beftätigt  burcb,  SlemenS  XI.  am  19.  ©ebt.  1705).  lim 
jebe  })JiIbeumg  feiner  Siegel  für  immer  ju  bereuten,  liefe  er  im  ^afyre  1675  bteDrbenS=  10 
glieber  bie  ©elübbe  erneuern  mit  bem  Qufa|e,  alle  33eftimmungen  unb  (Einrichtungen  big 
an  tf?r  SebenSenbe  unberbrücfylicb,  aufregt  ju  erhalten. 

Über  ben  burcb,  büftere  Monotonie  cfyarafterifierten  ©til  ber  ÜRancöfcfyen  ^lofterregel 
bemerlt  Gfiateaubrtanb :  berfelbe  erinnere  an  bie  römifcfyen  gtoölftafelgefetje  0ber  aucb,  an 
ben  2Bacf)tbefebl  eines  ber  iSraclitifctjen  Heerlager  roäfyrenb  ber  42  Stationen  in  ber  2öüfte.  15 
Sie  Segel  (Constitutions  et  Reglements  de  la  Trappe,  2  vols.,  ^ßariS  1701  — 
bei  t\)olfteniuS=23rocEie,  Cod.  reg.  t.  VI,  p.  602  sq.)  legt  ben  ^rabbiften  bie  'jßflicfyt  auf, 
früh  um  2  ll^r  baS  auS  einem  ©trofyfacfe  unb  einem  ©trofyfobffiffen  befteljienbe  3Rad^t= 
lager  ju  berlaffen;  jene  ©egenftänbe  liegen  auf  einem  Brette.  (Sin  Sletobitf;  bient  als 
Tccfc.  Säglicf)  toerben  11  ©tunben  auf  ©ebetSübungen  unb3Keffen  bermenbet,  bie  übrige  20 
3eit  ift  ju  harter  Arbeit  beftimmt,  bie  balb  in,  balb  außer  bem  Softer  auf  bem  Jyelbe 
in  beftänbigem  ©tiHf^meigen  Eingebracht  wirb.  Qebe  toiffenfct)aftlicl)e  ^Befestigung  ift 
unterfagt,  benn  bie  ©ebanJen  foEen  nur  auf  bie  SBuße  unb  ben  SLob  gerietet  fein ;  bab,  er 
ift  aucb,  ftrengfteS  ©tillfd)it>eigen  unerläßliche  ^flicfyt,  unb  außer  ben  ©ebeten  unb  ©e= 
fangen  unb  bem  gegenfeitigcn  ©ruße  „Memento  mori"  barf  ber  %rabbift  fein  2öort  25 
fbrecfyen;  Söünfcfye  unb  Sebürfniffe  muß  er  burcb,  3e^en  3U  kennen  geben.  ®ie  Rab/ 
rung  beftefyt  jur  Mittagszeit  in  ben  ärmlicbjten  gaftenfbeifen,  nämlich,  inSöurjeln,  $räu= 
tern,  Dbft,  ©emüfen,  33rot  (aber  ofyne  ^Butter  unb  Dl)  unb  2öaffer.  Rur  Uranien  lönnen 
in  befonberen  gälten  §leifcfy=  unb  ©ierfbeifen  geftattet  »erben;  berSEifcb,  ift  oljne  ^ifct)tuct). 
9iadj  ber  Abenbmaf)ljeit,  an  bie  ficb,  junäcbjt  erft  toieber  eine  religibfe  ^Betrachtung  unb  liebung  30 
fcfjließt,  begiebt  fid?  ber  SErabbift  jur  Rul)e,  im  ©ommer  um  8,  im  SBinter  um  7  Ub,r. 
£er  Drben  teilt  ficb,  in  Saien,  ^rofeffen  unb  Freres  donnes,  b.  I).  folcfye,  bie  nur  eine 
$eit  lang  jur  23ußübung  ifym  angehören,  ©ie  DrbenSfleibung  befielt  in  einer  langen 
lutte  mit  meiten  Armein  bon  grober,  graumeißer  äöolle,  in  einer  fcljtoargtoollenen  ^abu^e 
mit  jtoei  fußbreiten,  bis  an  bie  Änie  b,erabl)ängenben  ©treifen,  einem  breiten,  fd)toar3=  35 
lebernen  ©ürtel,  an  bem  ein  Stofenlranj  unb  ein  9Jteffer  (bie  ©tjmbole  ber  Anbackt  unb 
Arbeit)  Rängen,  unb  in  ^oljfcfyufyen.  ^m  S^ore  ift  bie  Reibung  ein  meiter  bunlelbrauner 
fiantel  mit  Ärmeln  unb  eine  gleichfarbige  ^abuje.  ®ie  Saien  tragen  graue  Butten.  — 
Übrigens  übte  baS  Sancefcfye  Älofter,  ®anl  ben  reichen  SRitteln  beS  33orfteb,erS,  eine 
brofufe  2öob,Itl)ätig!eit  unb  ©aftfreunbjc^aft.  9cad)  einem  Briefe  9tanceS  an  ben  Abbe  40 
■fticaife  (bgl.  3)iontalembert,  Les  moines  d'Occident  etc.  I,  p.  CV)  tourben  mäb,= 
renb  eines  £mngerjal)reS  bon  Sa  Krabbe  aus  über  1500  Arme  boütfiänbig  gefbeift, 
beSgleic^en  faft  alle  umtboljmenben  gamilien  mit  3RonatSgel)alten  unterftü^t.  SDie  gafyl 
ber  regelmäßig  jahraus  jahrein  in  ber  Abtei  berbflegten  ©äfte  foll  über  4000  betragen 
fyabcn  u.  f.  f.  45 

93ei  ber  übermäßigen  ©trenge,  meiere  9?ance  einführte,  ftarben  in  lurjem  biele 
9Jibnd)e,  unb  ber  Reformator  mußte  beSfyalb  heftige  Angriffe  erleiben.  Aud)  feine  Ab= 
neigung  gegen  baS  ©tubium  ber  2Biffenfdjiaften,  mie  er  fie  in  bem  Traite  de  la  sain- 
tete  et  des  devoirs  de  la  vie  monastique  1683  barlegte,  mürbe  als  eine  unfinnige 
unb  gefährliche  Übertreibung  genügt.  SJJabillon  feb^rieb  bagegen  1685  fein  „Eclaircisse-  50 
ment  du  livre  des  devoirs",  fohne  fbäter  (1691)  feinen  berühmten  Traite  des  etudes 
monastiques.  2)ie  fo  entbrannte  litterarifelje  ^eb^be,  an  ber  fidt)  ÜHuinart,  sDcaffuet, 
3)eniS  be  Ste.  3)cartb,e  als  S^ambfgenoffen  ?[RabitlonS,  bagegen  ber  Gluniacenferabt  ßlaube 
be  SBert,  foteie  ber  berühmte  Qanfenift  ©ebaftian  le  9ton  be  'lißemont  (beffen  Sruber 
$eter  felbft  SErabbift  mürbe)  als  SSerteibiger  ber  9tancefcf)en  gorberung  einer  (»eiligen  Un=  55 
gelebjtljeit  ber  5Rönc^e  beteiligten,  mährte  bis  gegen  baS  2.  Viertel  beS  18.  3;af?rImnbertS 
Sgl.  noeb,  beS  SenebütinerS  Vincent  'Jbuittier  (f  1736)  Histoire  des  contestations 
sur  les  etudes  monastiques  (bor  feiner  Ausgabe  ber  Ouvrages  posthumes  de 
Mabill.  et  de  Ruinart,  Par  1724),  fotuie  bie  toiber  i§n  gerichtete  Apologie  deRance 
bon  Arm.  gr.  ©erbais,   bcm  9Jaa)folger  Dances   als  Abt  bon  la  Krabbe.    Sance  legte  eo 

8ieol=®nc5ltopäbie  für  X^eologie  unb  Stird&e.    3.  Sl.  XX.  g 


82  Srawtfictt 

feine  (Stellung  al<§  2lbt  5  Qafyre  bor  feinem  Xobc  (1695)  nieber.  @ine  namhafte  2lu3= 
brettung  feiner  Reform  erfolgte  erft  naty  feinem  Xobe  (12.  Dftober  1700),  aber  im 
aSerl^ältntffe  gu  anberen  Drben  boct;  nur  in  geringem  @rabe.  ^m  18.  ^afyrfmnbert  ent= 
ftanben  nur  jtoei  Klöfter:  1705  Suon  ©ola^o  bei  glorenj,  1717  ©afamari  im  Kird;en= 
5  ftaat.  ©ie  grofje  9ieboIution  in  granfreict;  bertrieb  bie  Xrabbiften  au<S  bem  Sanbe.  ©ie 
fanben  junäc^ft  Slufna^me  in  ber  ©cfytoeij  im  Kanton  greiburg,  too  ber  Xrabbift 
Sluguftin  be  Seftrange  (1791),  ber  übertäubt  für  bie  ©Haltung  unb  Serbrettung  be§ 
DrbemS  eine  grofje  Xfyätigfeit  enttoidelie,  %u  Salfatnie  ein  Softer  grünbete.  2öäl)renb 
fia)  bie  Xrabbtften  in  ^3obIat  in  Katalonien,  bei  SInttoerben,  im  SiStume  fünfter  unb 
10  im  ©ebiete  bon  ^ßiemont  anfiebelten,  tourbe  Sklfainte  (1794)  burd)  ^abft  ^ßiu§  VI.  jur 
Stbtei  erhoben,  aber  1798  bon  ben  granjofen  jerftört.  ®en  33emüb,ungen  SeftrangeS  gelang 
e£,  bafj  Kaifer  $aul  I.  bon  ffiufjlanb  ben  Xrabbiften  eine  neue  SBoIjnftätte  gab.  $u= 
näcb,  ft  liefe  ficb,  nun  ber  Drben  in  ^polen,  namentlich  in  SSarfdjau  unb  Krafau  nieber,  fanb 
bann  1799  auch,  in  23rje3c  fotoie  gu  Sud  in  Sitauen  neue  2SoIjnfv|e,  tourbe  aber  1800 
15  aud)  bon  ba  toieber  aulgetoiefen.  9Run  toanberten  bie  Xrabbiften  über  SDanjig  nadj 
2tItona,  too  fid)  ein  Teil  bon  ifynen  bi§  gum  $rübja§re  1801  auffielt,  bann  über  ^ßaber= 
born  unb  ^Driburg  (too  mehrere  jurücfb(ieben)  nad)  gretburg  unb  ©itten  im  Kanton 
2öaßi3.  ©ie  grünbeten  bei  SSalfatnte  eine  neue  sJfieberIaffung  unb  getoannen  ju  9ftebbrab, 
unb  ju  9iabafio  bei  ©enua  neue  §äufer.  1804  grünbete  Seftrange  ein  Klofter  bei  Stom, 
20  ba§  aber  bei  ber  frangöfifdjien  ^nfafion  toieber  unterging.  ^m  3al^re  1805  befugte  er 
ein  bei  ©aragoffa  befinblidjeS  Drbensflofter,  aber  feine  Semüfyungen,  ben  Drben  in 
granlreidj  toieber  einzuführen,  blieben  erfolglos,  ja  er  fal)  fid?  felbft  ernftlic^en  35erfol= 
gungen  auSgefetjt  unb  mufete  über  ©nglanb  nad)  Martinique,  bann  nacfy  SRorbamerüa 
flüchten,  too  er  bereits  einige  DrbenSglieber  fanb,  bie  fiel)  niebergelaffen  Ratten,  ©o  toenig 
25  tote  in  granfretd)  fonnten  ficb,  bie  Xrabbiften  in  ®eutfd)Ianb  galten;  1802  tourben  fie 
aus  bem  ©ebiete  bon  ^aberborn,  1811  au§  ^retburg,  1812  au3  2)arfelb  bei  fünfter 
auSgetoiefen.  @rft  nacb,  ber  9ieftauration  ber  SourbonS  (1817)  jogen  fie  in  ^ranlreid; 
toieber  ein  unb  festen  ficb,  toieber  in  ben  33eft£  ifyreä  ©tammfIofter<§  la  Krabbe.  Seftrange 
enttoidelie  bon  neuem  eine  bebeutenbe  Xljätigfeit  für  bie  Verbreitung  ber  DrbenSglieber 
30  im  Sanbe,  unb  in  ber  XI)at  gelang  e<§  ifmt,  eine  2lngat;I  neuer  ©u)e  für  biefelben  ju 
grünben.  Sei  feinem  Xobe  (1827)  jäfylte  man  in  granfreid)  ettoa  700  Xrabbiften.  — 
(Sine  neue  ©efafyr  bebrofyte  ben  Drben  1829,  als  Iraft  einer  toniglidjen  Drbonnan^  alle 
iljm  angefyörigen  Klöfter  toieber  gefdjloffen  toerben  foßten;  bod)  beftanben  beim  2Iu3brud?e 
ber  ^ulirebolution  nod)  9  Klöfter,  bon  toeldjen,  aufjer  ta  Xrabbe,  bie  bebeutenbften  ju 
35  Sabal,  SReißera^e,  ©arb,  2ligue§b,eltes  unb  ©t.  2lttbin  toaren.  2HIerbing<o  tourben  babon 
einige  im  Qaf)r  1830  gefc^Ioffen,  boef;  getoann  ber  Drben  fbäter  einen  neuen  3luffd;toung, 
alg  ein  bäbftlia)e§  ©efret  im  ^afyxz  1834  bie  Xrabbiften  aßer  Sänber  jur  Congregation 
des  religieux  Cisterciens  de  N.  D.  de  la  Trappe  bereinigte,  ©eit  1836  meierten  fie 
fid)  toieber  befonberä  in  ber  ©rjbibcefe  Se  Wanä.  1844  lonnten  fie  in  Stlgier  eine3Rieber= 
40  laffung  grünben,  unb  1848  toanberte  eine  2lnjaf)I  ber  Xrabbiften  bon  9J?eißerafye  nad; 
9?orbameri!a  au§,  um  fjier  neue  3Bo()nfi|e  ju  getoinnen.  ©ine  befonbere  Stbjtoeigung  be§ 
DrbenS  bilben  bie  1851  im  Siltume  ©ehä  burd)50?uarb  entftanbenen  Xrab^piftenbrebiger, 
toeld;e  im  Klofter  ^ierrequi=Sire  bei  2IbaIIon  ifyren  2Bot)nfi|  fanben,  bie  Siegel  ber  Xrab- 
biften befolgen  unb  beren  DrbenStracfyt  führen,  jeboeb,  mit  @rlaubni§  be§  ©uberiorS  ba§ 
45  ©c()toeigen  brcdien  bürfen  unb  ber  römifcfydircttfidjen  SRiffion  burdj  it>re  ^ßrebigt  bienen 
(toob^er  \i)t  Diame).  —  9loa)  1870  tourbe  bie  gafyl  ber  Xrabbiftenflöfter  auf  ungefähr  18 
gefd;ä^t,  toobon  bie  meiften  auf  granfreid)  lamen;  aber  im  lyafyre  1880  tourben  1450 
3Jtöna)e  be§  Drben§  au$  gran!reid)  au^getoiefen.  1>od)  lehrten  fie  balb  toieber  gurüd. 
®urd)  ba§  5Berein§gefe|  bom  1.  ^uli  1901  fafjen  fie  fid)  toieber  genötigt,  toenigftenS  einen 
so  Xei(  ifjrer  Meberlaffungen  tn§  2lu3lanb  ju  berlegen. 

§eute  befi|t  ber  Drben  im  gangen  56  Klöfter  (37  Abteien  unb  19  ^Sriorate)  mit 
3700  SRitgliebern.  %)a%u  fommen  auf  ©uroba  44Klöfter  mit  2500  3Jcitgliebern.  Dbenan 
ftefyt  granfreid;  mit  20  Klaftern  unb  1400  Mönchen,  6  Klöfter  befinben  fid;  in  Belgien, 
5  in  ben  9JieberIanben,  3  in  ©nglanb  unb  S^Ianb,  2  in  ©banien ;  Dfterreid;  beherbergt 
55  2  Abteien  unb  1  ^riorat,  Italien  ebenfadg  2  Abteien,  ^n  3tom  b^at  ber  ©eneralabt 
feinen  ©iti.  Qm  ©ebiet  beg  ©eutfcfyen  Meidjeö  befinben  fid;  bie  Slbtei  Ölenberg  bei 
Sutterbacb,  im  Dberelfafj  mit  180  SRöndjen,  baö  ^riorat  Mariatoalb  bei  ^eirnbad;  in 
ber  (Stfel  (1861  gegrünbet,  1875  aufgehoben,  1887  toieber  eröffnet)  unb  ba3  ^Sriorat 
9J{aria=aSeen  (gegrünbet  1888)  mit  älrbeitert'olonie  unb  Xrinlerb^eilanftalt.  33on  befonberer 
go  Sebeutung  für  bie  neuere  Drben§gefcr)idj)te  ift  bie  1869  bon  P  $f anner  in  SBoSnien  ge= 


$raM>tffen  Srnuergebroudjc  bei  ben  Hebräern  83 

grünbetc  ^iebertafjung  'SKariaftern.  93on  ba  auS  würbe  bie  Kaffcmmiffton  in  9iatal  mit 
bem  Mittelpunkt  in  9ftarianIJHu'  unternommen,  bie  beute  auf  23  £auptftattonen  unb  50 
Stufeenpoften  mit  50  ^3atre3  unb  270  Saienbrübern  arbeitet,  10  Kird)en  unb  Kapellen 
befifct  unb  13  000  Katbolifen  unb  3000  Kated;umenen  ^äblt.  Inbere  aujjereuropäifdie 
9?ieberlaffungen  ber  %.  finben  mir  in  Kleinaften,  ^aläftina,  ßfyina,  $apan,  Algerien  (1904  5 
aufgehoben),  Kongoftaat,  S)eut[cfcDftafrtIa  (3  ^atre§,  10  Saienbrüber,  11  ©d)roeftem), 
in  ben  bereinigten  ©taaten  bon  ^orbamerifa  (3),  Kanaba  (3)  unb  Srafilien.  9Jlit  ber 
sJRiffion3arbett  berbinben  fie  überall  bie  (Einrichtung  lanbwirtfcf/aftüc&er  9DZufterbetriebe. 

Sinen  weiblichen  $Weig  Deg  Orbeng  grünbete  bie  ^3rm§effirt  Souife  bon  Sonbe   in 
bem  Softer  £e§  ßlairetS  bei  6bartre<3;  1689  erhielt  er  bon  be  9fance  feine  Konftitutton.  10 
Tic  Tonnen  unterfefteiben  fid?  in  SebenSWeife  unbSEracbt  nic^t  Wefentlid)  bon  ben  9Jiönd)en ; 
ftatt  ber  Kapuze  tragen  fie  ben  ©dreier.  1796  grünbete  Sluguftin  be  Seftrange  ba^  5Ronnen= 
ilofter  La  sainte  volonte  de  Dieu    bei  Süebra   in   ber  ©d)Wei^.     ällä   bie  ©d)Weftern 
hier   auSgeWiefm   mürben,   begaben  fie  ftd)  teilö  nad}  (Snglanb  (1800  ©tope^iß)  teils 
nad)  Tarfelb  in  Söeftfalen.    S5on  Napoleon  I.  bertrieben,  fuebten  fie  1811  in  Köln  eine  15 
3ufluct)t,  festen  1815  nach ,  ©arfelb   jurüd,  um  1826   mteber  auSgeWiefen   gu  Werben. 
9?un  toanbten  fie  fid)  nad)  Ölenberg.    1896  berlegten  fie  if)ren©i§  nad;  @rger3beim  im 
(Slfafe.    §ier   befinbet   fidj)   beute  ba3   einige  SLrapptftinnenflofter  auf  beutfd)em  33oben 
(80  ©cf)Weftern).    ^n  granfreicr;  baben  fie  9,  in  ©panien,  Italien,  ^Belgien  je  eine  9Rieber= 
laffung,  in  ^apan  ein  ^priorat  mit  9  ScfoWeftew.    ®ie  ©efamt^abl  ber  ©cfyWeftem  mirb  20 
auf  900  angegeben. 

©inen  herein  bon  SEertiarierinnen  für  SJltffion^Wede  I)at  1881  3lbt  granj  ^fanner 
unter  bem  SEitel  ber  „SfttffiongfcfoWeftem  bom  foftbaren  331ut"  gegrünbet;  er  ^är/lt  in 
9?atal,  ®eutfd)=Dftafrifa  unb  $elgifd;=Kongo  etma  400  9JcitgIieber. 

©ie  Drganifation  be<§  Drben3  ift  erft  in  ben  legten  ^a^ren  gu  einem  befriebi=  25 
genben  2lbfcr/lufs  gekommen.  ®ie  im  %at)x  1834  angeorbnete  ©inigung  ber  %.  alter  Sänber 
jur  Congregation  des  religieux  Cisterciens  de  N.  D.  de  la  Trappe  ging  febon  1847 
roieber  in  bie  23rüd)e.  ©0  beftanben  h'\§  auf  bie  neuere  3eit  5  Kongregationen,  jebe  mit 
einem  eigenen  ©eneralbilar,  ber  feinerfeitS  Wieber  unter  bem  ©eneral  be3  Siftercienfer= 
orbenS  ftanb.  ©eit  1892  finb  alle  Kongregationen  bereinigt  ju  einem  gemeinsamen  Drben,  30 
ber  burd)  einen  bom  ©ftercienferg eneral  unabhängigen  ©eneralabt  mit  bem  ©itj  in  sMm 
geleitet  Wirb.  21m  25.  Sluguft  1894  bat  Seo  XIII.  biefe  neue  Konftitution  beftätigt  unb 
ba§  Klofter  Eiteauj,  ba§  bie  %.  im  ^abr  1898  erwarben,  burd)  ©efret  bom  30.  $uli 
1902  aU  SJiutterllofter  bes>  ordo  Cisterciensiurn  reformatorum  seu  strictioris  ob- 
servantiae  erllärt.  ©»igen  £acf)enmantt.     35 

Iraner  unb  £rauergrf>räud)e  6et  ben  Hebräer«.  —  9Utere  Sitteratur:  SBia> 
manntjaufen,  De  lacerat.  vest.  ap.  Hebr.  inUgolino  Thesaurus  XXXIII,  p.  1101  ff.;  beif., 
De  corpore  scissuris  figurisque  non  cruentando ;  3-  ®-  sKicf)aeIiä,  De  incisur.  propt.  mor- 
tuos  in  Observ.  sacr.  1742,  I,  131  ff.;  g.  ©.  §eibenu§,  De  sciss.  vestium  Ebraeis  etc.  usi- 
tata,  ^ena  1663;  %ot).  ©.  ßavpjo«,  De  cinerum  apud  Hebr.  usu,  moeroris  atque  luctus  40 
rsnaijoio),  iRoftocf  1739;  Wt.  §.  Seinftavb,  De  saeco  et  cinere,  Ugol.  Thes.  XXXIII, 
p.  1067  ff. ;  §iHiger,  De  tibicin.  in  funer.  adhib.,  Viteb.  1717;  2Jt.  ®eier,  De  funer.  et 
luctu  Hebr.,  Ugol.  Thes.  XXXIII,  p.  63 ff.;  Spencer,  Ritus  funebr.  et  sepulcr.  Ugol. 
Thes.  ib.  p.  252 ff. ;  3.  Nicolai,  De  sepulcr.  Hebr.  ib.  p.  304 ff.;  Buenftebt,  Tract.  de  se- 
pult.  ib.  p.  617 ff.;  ©armann,  De  pane  lugentium  ib.  p.  1083 ff.;  6.  ^ten,  De  fun.  sepult.  45 
luctu,  ib.  p.  1131  ff. ;  llgotino,  De  vet.  Hebr.  et  rel.  gent.  fun.  etc.  ib.  p.   1140  ff. 

teuere  ßitteratur:  Äamp^aufen  bei  [Rietint  II,  1684  (2.  ?luft.  gleicrjlautenb);  ©tobe, 
©efcfjitfite  be§  58olfeS  Säraet2  II,  453.  483  u.  ö.;  berj.,  SSt&lifcIie  Geologie  be§  alten  Jefta- 
ment§,  186ff.  132.  138.  179.  281;  ©menb,  ?Utteftamentüd)e  3teItgiLin§=©efd)icl)te2,  151  ff.; 
9Jicol  in  §afting§  Dictionary  III,  453  ff. ;  gr.  ©crjroaKt),  ®a§  Sebeu  nad)  bem  £obe,  ©iefjen  50 
1802;  3.  g-ret),  'Sie  alti§r.  STotentrauer,  ®orpat  1894;  berf.,  Xob,  ©eelenglaube  unb  <5eelen= 
fult  im  alten  ^ärael,  Seipjig  1898;  S.  ©rünetfen,  Sev  Stlmentultug  unb  bie  Itvreiigton 
3'3TQe(Ä,  feilte  1000;  SaftvoU),  Dust,  earth  and  ashes  as  Symbols  of  mourning  among  the 
ancient  Hebrews  Journ.  of  Amer.  Or.  Soc.  1899,  XX,  130—150;  *üd)ter,  (JntbUifjung  ber 
od)uiter  unb  be§  Strnig  ab?  3etd)en  ber  Trauer,  8atS3  XXI,  81—92;  ^aftroltt,  Baring  of  55 
the  Arm  and  Scoulder  as  a  Sign  of  Mourning,  gcitSB  XXII,  117—120  (littmograplufdje 
^araüelen  jum  ßerreifeen  ber  tleibev!);  SSiicfjler,  ®ie  ©runbbebeutung  bei  r)ebr.  unb  neufiebr. 
Stamme§  C?p  WZKM  XVII,  165—181  (Dbp  ba§  Stampfen  bei  ber  Sotenflage);  Sto&, 
Äranfenbefud)  unb  Srauerbraud)  nad)  S3tbel  unb  5Ta(mub,    grantf.  1901    (mir  un^ugäinilid)). 

Tyerner  91.  3eremta§,  3)ie  bab.=aff.  SSorftelhtngen  üom  Huftaubc  nad)  b.  Stöbe,  Seipj.  1887;  60 
5-  Tjcremiao    in  ßf)antepie    be    (a    ©auffnneS  3fe(.=©efd).  I,   3329ff.     Xie    9lrd)iio(ogien    vrnn 

6* 


84  Srauergebrändje  bei  ben  JpctiTÖcrn 

SSenftinger  unb  SßoiuadE;  dtob.  @mtt£)=©tnbe,  Sie  9Migion  ber  ©etniten;  Seflfjaufen,  9tefte 
arab.  £eibentumg5,  Berlin  1897 ;  ©.  3.  Surtifj,  Urfemittfctje  Religion  im  SSoIfsIeben  beS  b,eut. 
Orients,  Seipgifl  1903;  3.  ©olb^er,  Le  sacrifice  de  la  chevelure  1881;  berf-,  9Jcubamme= 
banifdje  ©tubien,  §aHe  1889.  1890;  Sagrange,  Etudes  sur  les  rel.  semitiques1,  1903;  3(.  3ere= 
5  miag,  Sag  alte  Stefr.  im  Siebte  beg  alt.  Dr.2,  Seipj.  1907;  berf.,  §öße  unb  SJJnrabteS  bei  ben 
83abt)loniern  (Ser  alte  Orient  I,  3)2,  Seipj.  1903;  gimmern  in  mi%\  603  f.  —  lieber  ba$, 
fpätere  ^«bentum  gf.  3-  ©runb,  Sie  5£rauergebräuct)e  ber  Hebräer,  Seipj.  1868;  Diabbinotutc^, 
Ser  SEotenE«itu§  bei  ben  $uben.  —  $ur  SKetbobif  ber  Itnterfudjung:  |).  SStnctler,  9?eIigton§= 
gefcbtdjtler  imb  gefcfjtdjtlicber  Orient,  Seidig  1906;  83.  SBaentfd),  SUtorientalifdjer  unb  t§raeli= 
10  tifeber  Wonotbeigmug,  Tübingen  1906.  —  ©in  7  ©eiten  füdenbeg  $8er$etdmi§  ber  einfcblägigen 
Sttteratur  bi§  1900  bei  ©rüneifen  ©.  IX— XV  SSgl.  auefj  bie  Sitteratur  ju  betn  ?Xrt.  83e= 
gräbniS  oben  33b  II  ©.  530. 

I.  SDag  ©efül)I  ber  Trauer  mit  ben  bietertet  23räud)en,  burd)  roeldje  man  in  Israel 
ber  Trauer  älugbrud  gab,  tonnte  burd)  bie  berfd)iebenartigften  Vorgänge  getoedt  roerben. 

15  ®er  betrübte,  mit  @iferfud;t  berbunbene  Unmille  ber  finberlofen  ÜRat;eI  ©en  30,  1 ;  bie 
Übergabe  ber  Sefiegten  in  bie  §anb  beg  ©iegerg  1%  20,  31  f.;  bag  2luft)ören  aller 
greube  bei  großem,  altgemeinen  @lenb  Qei-' 16,  5 ff.;  bag  §ereinbred)en  bes  göttlichen 
SorneS  21m  8,  8;  aEerlet  «Rot  Qef  61,  3;  @ftf>  4,  3;  erlebtet  Ungemad;  jpt  14,  22;  böfe 
33otfd)aft  SRu  14, 39;  «Rieberlage  %vc  49,  3;  bag  ©efüb/l  ber  Sufse  1  %  21,  27;  „1  ©a  7, 6; 

20  «Ri  20,  26;  —  Serartige  unb  äfmücfye  Vorgänge  pflegten  bie  .ßeidjen  unb  «Äußerungen 
ber  Trauer  t/erborgurufen.  SSgl.  hierzu  nod)  «JRi  1,  8;  Qer  6,  26;i,^of  7,  6;  §0  10,  5; 
$on  3,  7;  ©en  23,  2;  27,  41.  21m  beutticf)ften  tritt  «Kkfen  unb  «Üufjetung  ber  Trauer 
gegenüber  bem  Sobe  in  ©rfdjeinung.  3Son  ben  fctjroeren  «Problemen,  meiere  bie  Sräud)e 
ber  Sotentrauer  barbieten,   fei   im   gmeiten  2tbfd;mtt  bie  «Rebe.    §ier  fyanbelt  e§  fieb,  ju= 

25  näd)ft  um  eine  2lufgät;Iung  ber  bielen  unfoilttürlid;en,  allgemein  menfdjlidjen  unb  fonben= 
tionell  geworbenen,  ffymbolifdjen  Srauerbräud)e,  roelcfye  bie  biblifctjen  ©cfyriften  erroälmen. 
2llteg  Ungemad)  berfe|t  ben  9Renfd;en  in  fernere  «Betrübnig  «£f  6,  7 f.;  31,  10;  102,  4. 
©otd)e  Trauer  beugt  ben  «JRenfctjen  unb  beraubt  ihn  alter  greube  unb  Sebengtufi;  er 
roirb  gebeugt   toon  ©d)merg,   bafj   er  bag  §aupt  gefenlt  trägt  §i  10,  15,   ja  bafj  er  fid; 

30  big  in  ben  ©runb  niebergebrüd't  fühlt  §i  16,  15,  fo  bafe  ^ah,üe  allein  ifm  aufrichten 
lann  «ßf  44,  26;  145,  14;  146,  8,  147,  6;  in  feinem  ganzen  @int;erget)en  geigt  fid)  bie 
Srauer  1  %  21,  27  (Xert  unfid)er!  bgl.  Hloftermann,  l^omm.  gur  ©teile) ;  %i)x  2, 10. 
2)er  ©c^mersgebeugte  mirft  fid)  auf  bie  @rbe  2  ©a  12,  20;  13,  31  ober  fi|t  am  33oben 
3ef  3,  26  im  ©taube  ^«f  47,  1  (bgl.  £>eli|fd),  Homm.  ju  «Pf  35,  14).    ^n  fo!d;er  ©tim= 

35  mung  berbüllt  ber  SLrauernbe  ba$  2tngefid;t  2  ©a  19,  5,  toor)l  um  bon  allem  gurd)tbaren 
mct)t§  met>r  ju  feiert  bgl.  1  %  19,  13;  ©ftb,  6,  12.  ©0  finben  mir  bieg  33erf)üllen  beg 
2tngefic^tg,  bei  SJiännern  ba§  i5erbeden  bon  linn  unb  ©ct/nurrbart  @?24,  17,  als  aH= 
gemeine  'Jrauergebärbe  3er  14,  3;  3Jic  14,  65  (2c  22,  64  gehört  fclbftberftänblid)  nid)t 
^ierb^er;  ebenfo  ift  bie  Sebeutung  beg  ÜBerr;ülleng  @s  12/  6  eine  anbere  bgl.  Ärae|fd)mar, 

40  ilomm.  ©.  125);  2  ©a  15,  30.  ®em  SErauernben  fef)It  bie  Suft  am  Seben,  barum  forgt 
er  auch  ntd)t  mie  fonft  für  fid);  alle  Pflege,  bie  er  fonft  feinem  Seibe  angebei^en  lä'jjt, 
unterbleibt  2  ©a  12,  20  ff. ;  Da  10,  3  ;  er  falbt  fid;  nid)t  2  ©a  14.  2;  ©alböl  unb  Stauer 
ftnb©egenfä£e3ef61,3;  ber  fonft  beliebte  2öcd)fel  ber  Mleibung  unterbleibt  2  ©a  12,20 
bgl.  ba^u  ©en  41,  14;  1  ©a  28,  8;    ungemafcfyenc  Kleiber,  ungeir>afd)ene,  bon  ben  ©an= 

45  balen  entblößte  gü|e  2  ©a  15,30;  $ef  20,  2,  berroilberter,  ungepflegter  Sart  finb3eid)en 
ber  Srauer  bgl.  2  ©a  19,  24;  autf;  2  ©a  14,  2  nacb  rabbintfdjer  Sluslegung.  ©er  93e= 
trübte  fud)t  bie  (Sinfamfeit,  entineber  ben  ©öller  beg  ftaufeö  2  ©a  19,  1,  ober  bag 
ftaa)e  <£>ad)  ^ef  15,  3;  ^er  48,  38,  bie2Biti»e  bag  fülle  2Bitroenftübd)en  ^ub  8,  5.  ©rofee 
gemeinfame  Srauer  flirrt  bie  Älagenben  aud)  mob.1  auf  bem  3J?arft  jufammen  ^ef  15,  2  f. 

60  u.  ö.  ober  berfammelt  bie  Seibtragenben  im  Srauerl^aufe  Wd  9,  23.  ^on  3,  7  foß  fogar 
bag  Sßte^  mittrauern.  —  £)h  bie  Srauernben  fid)  bag  ©efid)t  burd;  33efd;mieren  berun= 
ftaltet  (Äampf)aufen),  ift  aug  ber  Sibel  ntd)t  ju  erfef)en.  dagegen  mar  bag  ©d;eren 
einer  ©la^e  gebrauchtet),  ^er  48,  37  §i  1,  20.  ©t  14,  1  berbietet  bie  ©la|e  am  33orber= 
topf  al«  b/eibnifd);    ^ef  15,  2  feieren  fid;  bie  SKoabiter  in  biefer  2lrt.    ^Jcod;  t)eute  ift  eg 

55  ©itte  ber  arabifd;en  9lomaben,  ben  5?opf  big  auf  einen  ©cfyopf  fahl  ju  feieren,  bgt.  Qer 
9,26  (f.  33b  V  ©.  277, 20 ff.  geringer).  3lud;  grauen  fa)nitten  i^r  §aar  ab,  bgl.  ^er 
7,  29.  ©en  Sart  fc^nitt  man  mot)I  nidjt  gan§  ab,  fonbern  befd;or  nur  bie  Sftänber,  bgl. 
bag  Verbot  beg  Sefd;ereng  für  bie  ^riefter  2e  21,  5;  bagu  3JK  1,  16;  ^ef  15,  2  ;  Qer 
41,5;  48,37.    5Rod;   impulfiber  h>ar  alg  ©d;merjäu|erung   bag  Slugraufen   beg  §aareg 

60  @gr  9,  3  aug  §aar  unb  33art ;  bag  gergaufte  §aar  tiefe  man  ungeorbnet  herunterhängen 
2e  21,  10  bgl.  bie  2luöfä|igen  in  £e  13,  45.    S)em  gangen  ober  teiltueifen  93erl)ütlen  beg 


Sraucrgcbrtiudjc  bei  beu  ^»ebvöcrn  85 

öaubtcS  ftebt  gegenüber  bie  ©ntblöfsung  beweiben  burd)  ablegen  bc$  Xurban§  ober  ber 
lotofbinbe,  ©j  24,  17  23  (bgl.  SBenjinger,  2Ird).  521,  9).  9Jtan  fluttet  (Srbe  unb  ©taub 
auf  ba§  entblößte  ober  gefrorene  |>aupt,  Wäfyrenb  man  felbft  im  ©taube  ftfct.  %üx  ba3 
sBeftreuen  mit  @rbe  fommen  in33etrad)t  1  ©a  4,  12;  2  ©a  1,  2 ;  15,  32;  5M)  9,  1 ;  mit 
©taub  3of  7,  6  (Xcjt  unficf,er!);  $t  2,  12;  @j  27,  30;  T%x  2,  10;  «Mi  1,  10  (XerU);  5 
1  g»af  3,  47;  4,  39;  11,  71 ;  2  9M  10,  26;  14,  15;  Styl  18,  19.  Sie  einige  ©teCe,  an 
Welcher  (natürlich  Sutfyerg  Überfettung  aitggefd£)Ioffen !)  ba§  33eftreuen  mit  Slfctyc  ermähnt 
ift,  2  Sa  13,  19,  ift  bon  9ftorri§  ^aftroir*  genauer  unterfingt  unb  al§  Xertoerberbnig  ober 
s))iif5berftänbni<§  ber  5ßun!tatoren  erliefen,  ^n  2Ifd)e  fi^en,  ftd^>  in  ber  2lfdb,e  Wälzen  ^er 
6,  26  ift  als  Xrauerbraucb,  öfter  ermähnt  bgl.  §i  2,  8;  $on  3,  6  (bgl.  *$.  %.  Garb^ob,  De  10 
cinerum  ap.  Hebr.  usu,  5tofiod  1739;  9JI  §.  ;Keinf)arb,  De  saeco  et  cinere  in 
l'golin.  Thes.  XXXIII,  1067  ff.),  2  ©a  13,  19  aber  ift  ftatt  ien  r>ielmer,r  ^  gu 
lefen:  Ifyamar  nafym  bie  „Hobfbinbe"  ab  b.  b,.  fie  begann  ju  trauern.  SöiH  man  Wegen 
LXX  "en  ftel)en  laffen,  fo  ift  ^  (babtylonifd;  aparu)  ju  bofalifieren,  Wie  fcfyon  ber 
ältere  lyaftroto  gelefen  fyatte.  ®er  ©inn  bleibt  berfelbe:  fie  nab,m  ben  „^aubtfer/mud"  15 
ab.  TaS  Äobfbeftreuen  mit  2lfcb,e  ift  alfo  lein  Xotentrauerbraud;.  SSgt.  fyier^u  auSfür/rlicf) 
^afiroto,  Dust,  earth  and  ashes  as  Symbols  of  mourning  in  Journ.  of  Amer. 
Or.  Soc.  XX,  1899,  p.  133  ff.  9?ad>bem  %i)amax  fid)  be§  Hobfyufce€  entlebigt,  legt 
fie  bie  §anb  auf  ba§  £jaubt.  ©iefer  33raud)  ift  Ijäufig.  ®anad)  erklärt  Hautjfcr;  aueb. 
xVr2,  37  £b  biefe  ©itie  auf  ©teilen  toie  @r.  9,  3;  1  ©a  7,  13,  Wo  bom  fct)tt>eren  20 
aufliegen  ber  §anb  ^al)be§  bie  3xebe  ift,  gurürfgefüfjrt  werben  barf,  ift  boeb,  zweifelhaft, 
fie  ift  ©emeingut  be§  alten  JDrtentsi.  SDaf?  ber  HIagenbe  bie  §änbe  ringt  nacb,  Xroft,  ift 
aEgemein  menfcbjicf;,  bgl.  aud)  Xf)r  1,  17.  3ur  Gleichen  klaffe  ber  Xrauerlunbgebungen 
gehört  ba§  2Beinen,  ba§  bis  ^um  lauten  ©freien  unb  §eulen  (Sutfyer:  lören)  ausarten 
fann  §of  7,  14  (Xejt?);  9Jci  1,  8;  SDcc  5,  38.  greilief)  finben  oft  tieffter  ©d&merj  unb  25 
jäfyeS  ©ntfetjen  leine  HIagetöne  @j  24,  16.  24  (bgl.  Hraetjfdjmar  zur  ©teile),  ba  berfyüHt 
man  baS  ©eficfyt  unb  „frifjt"  ben  Jammer  in  fid)  hinein,  fo  Wofyl  $f  35,  13  (äb,nlicb, 
^eli^fcb  jur  ©teile).  gum  Söeinen  unb  ©freien  treten  oft  noef)  Setcegungen,  beren 
manage  ju  bem  ©d^merj  ber  ©eele  bem  Körper  ©d^merjen  berurfacb,en.  ©0  ba§  ©cb,lagen 
ber  Sruft  befonberS  bei  ben  grauen  3Rab,  2,  8;  $ef  32, 12  (Xejt?);  aud)  Sc  8,  52  ;  18, 13 ;  30 
-"  ift  ba§  lateinifcfie  plangere,  "?P"  bab,er  ber  Slu^bruc!  für  Slotentrauer  ©a  12,  12, 
bgl.  @efeniu3=23ub,I  s.  v.  ®a§u  tritt  bag  ©dalagen  ber  Senben  unb  §interbaö:en  nad; 
ben  §üften  ^u  ^er  31,  19;  @j  21,  17;  Qef.  32,  12.  ®a§  ^änbellatfc^en  %  6,  11  gehört 
nidit  bterfjer,  fonbern  ift  2tu§brucf  fjö^nifclter  greube.  SDaö  ^ufammenf erlagen  ber  §änbe, 
plangere,  fcb,eint  aber  gIeicb,too§I  eine  Xrauergebärbe  beg  offiziellen  ^lageperfonalg  (f.  u.)  35 
getoefen  ^u  fein.  ®irefte  ©elbft^einigung  "^'2,  ~^~^  au3  Hummer,  mie  fie  bei  ben 
Reiben  üblid}  (cgi.  ^5.  9JMd)aeIig  De  incis.  propter  mortuos  in  Obs.  sacr.  2lrnb,eim 
1752),  1  Hg  18,  28;  £er  47,  5,  ift  in  S^wel  berboten  (Se  19,  28;  21,  5;  £>t  14,  1.  ©ie 
gefebab  aber  tro^bem  ^er  16,  6;  41,  5.  —  2öie  überall  fyricl)t  fieb,  bie  Xrauer  aucf>  in 
Israel  au§  burd;  2L<eränberungen  in  ber  Hleibung.  2)er  Xrauernbe  entfagt  allen  33e=  40 
quemlidjfeiten,  er  tbut  feinen  ©cb,mud  ab,  nid)t  nur  ben  Ho|?ffd)mud,  fonbern  aud}  anbern 
Sdimud  (gj:  33,  4,  ptoeilen  gebt  er  barfufe  2  ©a  15,  30;  3ef  20,  2;  roobl  aud)  1  Hg 
21,  27  (ögl.  Hittel,  Homm.  ©.  159),  immer  aber  greifet  ber  Xrauernbe  fein  Cberlleib 
(ntebt  bie  kuttoneth,  bgl  Senjinger  oben  33b  X  ©.  525,  u ff.),  ^ur  ber  ^ofyepriefter 
burfte  ba§  ntebt  Se  21,  10.  ®ie§  ^errei^en  be§  Cberlleibe§  mar  fein  $atym  beweiben,  15 
toie  mir  au§  fpäterert  9Rad}rid}ten  entnehmen  bürfen  (ögl.  Dougtaei  analecta  I,  118; 
StrrieuE,  %la<fyx.  III,  282;  £>ebenuS,  De  scissione  vestium,  gena  1663;  2Bicb,manng= 
Raufen,  De  lacerat.  vestium,  Vitebg.  1716;  Ugol.  Thes.  XXXIII,  1101  ff.;  am  ge= 
naueften  ©runbt  ©.  59),  fonbern  ein  l;anbbreiter  ©inrifc,  über  beffen  ^erftellung  bie 
Stabbinen  genaue  äsorfcb,riften  gaben,  3.  33.  foll  bie  gerreifjung  nacb,  2  ©a  13,  18  im  ©teb,en  50 
borgenommen  werben,  bei  Trauer  um  bie  ©Item  foll  fie  öffentlich  auf  ber  redeten  ©eite 
be§  ©emanbe^  erfolgen  u.  a.  m.,  f.  aud}  oben  33b  X  ©.  525,65  ff.  fotoie  bie  ©teilen  bort 
unb  ba^u  noct)  Se  in,  6;  ^iu  14,  (i;  ^of  7,  6.  2Iud)  beim  2Inb,ören  einer  ©otteöläfterung 
jerrife  ber  jpätere  ^ube  fein  ©etoanb,  3Jct  26,  65;  21©  14,  14.  ®er  Wegen  be3  Xobe^ 
ber  ©Item  gemachte  einriß  burfte  ntebt  Wieber  genäht  Werben,  jeber  anbere  9?ife  nacb,  55 
30  Xagen  (Dtljon.,  Lex.  rabb.  360).  —  SDa§  eigentlicbe  Traucrllcib  War  ber  P'^.  Cb 
berfelbe  auö  fd)War^em  3iegenl»aar  gefertigt  War,  rann  auf  ©runb  bon  9?u  31,  20  ädern 
nicfyt  erwiefen  Werben,  aud)  Äamelgf)aar  tonnte  nad)  5Rt  3,  1  in  33etrad;t  lommen.  tör 
föar  meift  bon  grobem,  buntelgefärbtem  ^eug  bgl.  ^ef  50,  3 ;  2lto!  6,  12 ;  bgl.  ~~  ber 
Iraucrnbe  <|Jf  35,  14;  ■)»,  7;    12,  10;  rr:-^.  \n  fd;Wav^er  Trauer  Dial.  3,  14.     SÖclc^c  60 


86  £remergct>räud)c  liet  ben  Hebräern 

©eftalt  ber  ©aq  fyatte,  ftel)t  noeb,  immer  nicfyt  feft,  bie  2tnficfyten  barüber  Rängen  ah  bon 
ber  gefamten  Beurteilung  ber  "iErauergebräucfye  (f.  unten  unter  II).  §t  16,  5  in  Ver= 
binbung  mit  Slbbilbungen  auf  altbabr/Ionifcb,en  ©enfmälern  (j.  23.  bie  ©eierftele)  ftfjeinen 
barauf  ju  führen,  baf?  ber  <Saq  mirfltctj  nur  ein  härener  ©cfyurg  um  bie  Senben  mar, 
6  ben  man  unter  ber  Reibung  trug,  2  %  6,  30,  unb  aucfy  be§  9tacf)t§  nicb/t  ablegte,  bgl. 
1  S?g  21,  27;  $on  1/  13;  Mottberg  S«f  32,  11.  (Vielleicht  mar  ber  ©aq  aueb,  zugteicb, 
burc|  feine  raufye  Vefcfyaffenfyeit  ^ilfSmtttel,  bem  Srauemben  ba§  übliche  2öacf)bleiben  in 
ber  «Rac&t  gu  ermöglichen,  »gl.  §i  3,  26;  7,  3;  Vf  77,  5;  102,  8).  9?acb,  (tobt  ©.  53 
trugen  bie  fbäteren  ^uben  ben  ©aq  aueb,  beim  gaften,  »gl.  fctjon  1  9JZai  3,  47    @r  fonnte 

io  in  Verbinbung  mit  einem  ©trief  um§  $aubt  1  Sg  20,  30  f.  aueb,  als"  geilen  ber  Unter= 
merfung  bienen.  Ob  aber  ber  ©aq  immer  bie  ©eftalt  eines1  boeb,  nur  Meinen  Senben= 
fc^)ur^e§  gehabt  t;abe,  fcfjeint  mir  jmeifelfyaft.  ©djon  $oel  1, 8,  bann  aber  in  ben  fbäteren 
©Triften  %ub  4,  8 ;  (Sftb,  4,  3  ff.  ift  auf  ein  größeres  JHeibunggftücf  ju  fctjliefjen,  baft  $ur 
3f?ad>t§ett  als  ®ecfe  bienen  fonnte;   2  ©a  21,  10;    1  %  21,  27;    führen    gu  bemfelben 

i5©ctylufs;  bor  altem  bgl.  Qef  20,  2,  mo  ber  Vrobfyet  ben  <Baq  über  bem  £etbrocf  trägt. 
5Riebu|r  berietet,  bajj  noeb,  b,eute  im  Crient  ein  ©eireibefaef  aus\  3^Öen=  DDer  @fel£fyacir 
afö  ^rauerfleib  biene  (bagegen  greb  ^otentrauer,  ©.  7).  1)er  mit  bem  <Baq  Vefletbete 
galt  jmar  ntd^t  ofme  metteres1  als1  unrein  mie  bei  ben  Werfern  ©ftb,  4,  2,  aber  trauern 
unb  fdjmmtjig   fein  fommt  auf  baSfelbe  bjnaus>.    ®er  'jErauernbe  fetU  ftcfc,  in  Btaub  unb 

20  Slfcfye  unb  beftreut  fein  Raufet  mit  @rbe.  §atte  er  ben  SLoten  berührt,  ettoa  mie  eS  nacb, 
©en  50, 1  ba<s  fbätere  S^ntum  jur  Vflicfyt  machte,  ifm  geluvt,  fo  mar  er  unrein,  Se 
21,1;  9ht  19, 11.  9cu  6,9:  ber  9lafträer,  ber  einen :  äoten  berührt,  mirb  unrein, 
^otengebein  berunreinigt  ben  ^embet  ©g  9,  7;  43,  7.  Über  bie  Reinigung  bon  biefer 
Unreimgfeit  fte&e  Äönig  oben  93b  XVI  ©.576, 37 ff.;  577, 46 f.;  über  fbätjübifcfye  ©Uten 

25  ebenba  579,  loff.  2lucb,  für  irgenbmelcfye  ©enüffe  bot  bie  SErauerjeit  feine  ©elegenfyeit. 
©in  SBeib  gu  berühren  mar  berboten,  bgl.  SDa  6,  19;  2  ©a  12,  24  (hierauf  grünben  fieb, 
bie  rabbinifcfjen  Vorfcfjriften).  2tu§  3)a  10,  3  fcfrtiejU  man,  baf?  Die  STrauerjeit  eine  teil= 
meife  gaftenjeit  mar;  auef)  bei  ©aul§  SEobe  ift  bon  einem  7tägigen  gafien  bie  Siebe 
1  ©a  31,  13.    Scacb,  Baba  bathra  16a  toaren  bei  ben  fbäteren  Qubcn  Sinfen  ein  für 

30  biefe  3eit  erlaubte«?  ©ericfyt ;  angeficbtS  ber  Seicb,  e  ju  effen,  ba§  ©efe£  ju  ftubieren  ober 
ba§  ©d)ma  ju  beten,  mar  ftrenge  berboten  Mischn.  Berach.  3,  1.  35gl.  'Sabibg  frei= 
miEigeg  gaften  2  ©a  3,  35  (bgl.  1,  12).  ®aju  fietje  Sub,l  oben  Sb'V  ©.  768,  46 ff.; 
SSeHljaujen,  Sfofte2,  182;  ^ambb,aufen  bei  9Riel)m  425.  SDafc  e§  altgemeine  ©Ute  mar, 
bafj  bie  ^aef^barn  bem  2;rauernben  ©beife  brachten,  geb,t  auä  ber  bafür  angeführten  ©teile 

35  2  ©a  12, 16  f.  fo  menig  fio)er  fierbor  mie  bie  ftänbige  Verteilung  bon  ©beife  beim 
Begräbnis  an  2trme  au§  ^er  14,  7;  @j  24,  17;  §of  9,  4  gefcfjloffen  merben  barf.  ®ie 
fbätern  ^uben  erft  galten  eä  für  berbienftlicb,,  bem  ^rauernben  ©beife  anzubieten.  2)arau§ 
ermucf)§  ber  Sraucf),  baft  aueb,  bie  SErauernben  ben  teilnafytnäbolten  greunben  ©beife  bor= 
festen.  ®ie§  artete  bann  gu  übbigen  ©elagen  aue\    ®a§  "Jrauerbrot  felbft,  baä  bielteidjt 

40  au§  geringerem  2Ret;I  gebaefen  mar,  gilt  al3  unrein  unb  berunreintgt  §of  9,  4;  ©t  26,  14. 
Vielleicht  mar  ba§  Vrec^en  unb  @ffen  be§  SErauerbrotes  eine  fr/mbolifcfje  §anbtung  ber 
SRittrauernben,  um  ibre  ©olibarität  mit  bem  betroffenen  funb  ^u  t^un,  bgl.  ^er  16,  7 
(ftel)e  bie  eingeb,enbe  Erörterung  biefer  ferneren  ©teile  bei  gre^t,  £ob  Je.  ©.  90  ff.).  2lucb, 
mit  bem   bort  ermähnten  Sroftbecfyer   mochte   eg   fieb,    ä^nlicb,    behalten  (f.  u.  unter  II). 

45  Seileib  fetteng  ber  greunbe  unb  üJcacfybam  mar  ja  eine  mofyltlmenb  embfunbene  ^tunb= 
gebung  Vreb  7,  3;  3Jit  27,  61 ;  ^o  11,  19.  ©ie  mirb  ol8  löbliel)  ^ingefteat  §t  29,  25; 
©i  7,  38  bgl.  9tö  12,  15.  Vor  bem  Übermaß  ber  Trauer  marnt  ©i  22,  11;  30,  25; 
38,  16  ff.  Vujtorf,  Synag.  701  meint,  bie  Vefannten  fommen  aueb,  be^f)alb,  um  bem 
Soten,  ben  man  fieb,  fyörenb  unb  febenb  borfteüte,  alle§  angetane  Unrecht  abzubitten.  — 

60  @in  ^aubtteil  ber  äotentrauer  mar  bie  2:otenf(age,  bie  freilieb,  ntdc)t  immer  in  fo  er= 
Ijebenber  unb  benfmürbiger  gorm  fieb,  boEjog  mie  ©abib<3  ^lage  um  3onatb,an  2  ©a  1, 
17  ff.  ober  3eremia§  SHagelieb  um  ^ofia  2  ßb,r  35,  25;  bgl.  noeb,  2  ©a  3,  33  f. ;  1  SJcaf 
9,  21 ;  ^er  22,  18;  34,  5;  1  %  13,  20;  2  ®g  2,  12;  13,  14.  Ugolino  bietet  im  The- 
saurus XXXIII,  1300  ff.  eine  gan^e  ©ammlung  rabbinifef/er  riirp,  bgl.  Vubbe  in^atSS 

55  1882,  1  ff.,  1892,  31  ff.  Um  bie  ^otenflage  ftilgerecb,t  %u  boCjie^en,  gab  eg  geübtes 
mageberfonal  ^er  9, 16 f.;  2lm  5,  16;  fo  mob,l  auet)  3Jcc  5,  38;  bie  2ßeb,flagen  beä  ganjen 
£etcb,enzuge§  2  ©a  3,  31  mürben  fbäter  bon  elegifcb,er  SSJcufif  unterftü^t  Wt  9,  23.  Mischn. 
Kelim  16,  7  ermähnt  bei  ber  3;otenflage  ben  ©ebraueb,  ber  3lbuffen  (qn  §anbbaufe, 
^ambourin).    ©ie   eigentliche  STotenflagegett   bauerte  7  2age  1  ©a  31,  13,   alfo  folange 

eo  mie  bie  £ett  ber  Unreinheit  (bgl.Äönig  oben  33b  XVI  ©.  567,r,eff.;  571,  sf.),  in  tgtjbten 


Srcwergebvnttdje  bei  bat  Hebräern  87 

711  läge  (nacb;  §erobot  2,  85 :  72  Sage)  einfcr/liepcf;  ber  40  Sage  ber  SRumifijierung 
Gkrt  50,  3  f.  35ie  Sotenf läge  um2taron  unb9Jlofe  bauert  30  Sage,  9iu  20,  20;  35t  34,  8. 
35ic  btelen  febr  bermicfelten  Srauerriten  ber  jäteten  ^uben  bgl.  bei  ©runbt.  ©o  nal)m 
man  j.  33.  aus  ©br  20,  27  2tnla§  gum  Sfagünben  ber  Sotenlambe.  35ie  2Bteberfef)r  be3 
2obe3tage3  mar  in  ^Srael  ein  ernfter  Sag  SRt  11,  40.  Seim  Sobe  ber  näcfyften  33er=  ö 
tuanbten,  befonberS  bon  SSater  unb  9J?utter  bauerte  bie  Trauer  noef)  über  bie  7  ftrengen 
Sage  fyinauä,  ja  in  milberer  gorm  bi<§  $u  ber  erften  SBieberfefyr  be§  Sobe§tage3.  33i§ 
babin  barf  ber  um  bie  Eltern  Srauernbe  fein  ©elage  mitfeiern,  mäbjenb  fiel;  bie§  in  ben 
erften  7  'Sagen  für  alle  Srauemben  bon  felbft  berftanb.  35ie  Trauer  um  SRiffetfyäter, 
Selbftmörber,  ©ebannte,  abtrünnige  mar  »erboten,  ja  über  ben  Sob  ber  leiteten  fott  10 
man  fiel)  bielmefyr  freuen  (Sefyrer).  gur  Trauer  ber  ^riefter  fielje  ^öberle  oben  33b  XVI 
2. 44, 55  ff.  —  Über  bie  ÜBitmentrauer  im  befonbern  miffen  mir  nicfit  fefyr  biel,  bgl.  2  ©a 
11,  26;  ©cn  38,  14.  3luc£)  bie  9Bttme  trug  ben  <&aq  unter  bem  SJUmenHeibe  Qub  8,  5 
(bgl.  $anibf)aufen  bei  9tie^m  1321).  Über  bie  SBitmenfleiber  niÄ«  -y<z  üqL  ©en.  38, 
14.  19,  monacl)  bieSöitme  feinen  ©dtleier  trägt.  35ie  Reibung  mar  unfcfyön  unb  fc^mucfloS  15 
3ub  10,  2 ;  16,  9.  35ie  bermitmete  grau  gog  fiel;  mobl  bon  ber  Sßelt  jurücf  $ub  8,  5, 
oft  genug  mobl  fc^on  um  ber  miftlicfyen  Sage  mißen,  in  ber  fie  oft  auf  ba§  SJtttleib  anberer 
angetoiefen  mar  (bgl.  Senjinger  oben  33b  V  ©.  745,  n  ff.).  35ie  finberlofe  Söitme  fefyrte 
meift  m§  @lternl)auö  jurücE,  falls  ib/re  (Sltern  noef)  am  Seben  maren,  unb  nafym  biefelbe 
Steßung  ein  mie  bor  ifyrer  @f)e.  ©0  burfte  3.  33.  bie  bermittoete  finberlofe  Ißrieftertodjter  20 
mit  bon  ber  gemeinten  ©beife  effen  Se  22, 13 ;  ©en  38,  11.  (Sine  bom  (Seemann  ent= 
laffene  grau,  bie  audj)  in  jmeiter  ©f>e  entlaffen  ober  Söttme  roirb,  gilt  für  ben  erften 
ßbemann  als  unrein  35t  24,  4.  §örte  bie  SBitme  ju  trauern  auf,  fo  befefmitt  fie  bie 
■ftägel  35t  21,12;  bieg  ift  alfo  nicfjt  mit  33ertfyoIet  als  Srauerbraud)  anjufeb^en,  fonbern 
mit  bem  arabifct)en  ^Brauet)  (Skiläufen  9?efte*,  ©.  156)  jufammenjuftellen;  fo  St'önig  unb  25 
befonberS  35riber.  -Jcacr)  rabbinifef/er  23orfcr;rift  barf  bie  Söitroe  erft  naef)  bem  3.  t)ob^en 
gefte,  baS  auf  ben  Sob  be<§  9Jianne3  folgt,  mieber  heiraten;  fyat  fie  einen  ©äugling,  fo 
fteigt  biefe  SBartegett  auf  2  $af)re.  35er  9J£ann  barf  um  feiner  ^inber  millen  fcfyon  nact) 
30  Sagen  mieber  ein  SBeib  nehmen.  2Rancf;e  2öitme  behielt  zeitlebens  bie  Srauerfleiber 
bei  (boct)  mof)l  ofjme  ben  Baq  ?)  unb  entfagte  allem  ©cfymucf  unb  aßer  greube  in  ftüler  30 
^urücfge^ogenb^eit. 

IL  35ie  moberne  religionSgefcfncfytlicfye  33etraci)tungs>meife  fe|t  fonftruierenb  einen  ani= 
miftifdji   gefärbten  5?aturfult  an  ben  SXnfang   ber  religiöfen  ©ntmicfelung.    33on  biefer 
Ibeorie  auö  f)at  man  für  ba§  bormofatfcf)e  Israel  eine  ftarf  animiftifcf;  burd^fe^te  ?Ratur= 
religion  gemutmafst.    2im  flarften  ift  biefe  2lnfid)t  entmicfelt  bon  ©tabe  in  feinem  legten  35 
Sßerf,  ba§  gegen  feine  ©efcfjicl;te  be§  23.  ^5.  feinen  gortfcb^rttt   geigt  unb   äße  gegen   ba<§ 
Stiftern  erhobenen  @inmänbe  abtaut,  obne  auf  fie  einjuge|en.    35ie  anbere  Stiftung   ber 
at.  gorfcf)ung  erfennt  bie  bon  ber  fritifcf)en  ©cb,u(e  aufgefteßte  Dueßentb^eorie  infomeit  an, 
als  fie  auf  liiterarifdje  33efunbe,  nieb^t  auf  tfyeoretifd^ugeftutjte  Sejte  aufgebaut  ift,   fyält 
aber  an  ben  bon  ber  33ibel  berichteten  Sliatfad^en  als  folgen  feft,  bor  aßem  baran,  bafs  w 
am  Slnfang  ber  i^raeliiifcfyen  Religion  eine  ©otteöoffenbarung  fteb^t.  Srotj  bauernb  mert= 
boßer  unb  eingefyenber  Darlegungen  fyat  biefe  moberne  bofttibe  ©cb^ule  e§  nicf;t  bermocfjt, 
bie  9teIigion§gefcf;icI)tler  bon  i|rer  S^eorie  abzubringen.  35iefe  %i)at  ift  bon  anberer  ©ette 
boßbracfyt  morben,  menigftenö  in  ifyren  Slnfängen  unb  mit  unleugbarem  ©lücf.  33on  ben 
Vertretern  ber  fritifcfyen  ©d^ule   ift   eg   befonberö  %.  ©cl;maß^   gemefen,   ber  in  feinem  45 
SBerfe  „35aS  Seben  nacl)  bem  %oW  1892  au$  ben  Srauer=  unb  Sotenbräucb^en  auf  eine 
animiftifcfye  33orftufe  ber  ^afybereligion  gefcb^loffen   f>at,   ja   biele  biefer  33räuc^e  aU  ani= 
mifttfd^e  9!ubimente  angefbrocfjen  ^at.  ©la^efdjeren,  2lbf(|neiben  be§  33arte§  foßen  §aar= 
opfer,  @inritw.ngen  unb  @infcf)nitte  33lutobfer  für  (an)  bie  Soten  fein.  35er  ©aq  fei  ba3 
urjbrünglicfje  ©flabengemanb  gemefen,  fein  anlegen  bebeute  bemütige  23erel>rung  be§  Soten=  50 
geifteS,  fyabz  bod;  ber  Sote  noeb^  fobiel  SebenSfraft  in  fiel;,  ba^  er  ben  Sebenben  fcf)aben  ober 
nützen  fönne.  @r  fei  be§b]alb  buret;  Dbfer  günftig  ju  ftimmen.    35afyer  ifst  man  mit  (!)  if)tn 
ba§  Srauerbrot,  trinft  mit  (!)  ib^m  ben  Srauerbecljer.  ©i  30, 18  berfbotte  berartige  Soten= 
obfer.  35ie  ©cb^ä^e  in  ben  ^önigggräbern,  bon  benen ^ofebb^uS  erjagt,  feien  folcb/e 2oten= 
obfergaben  gemefen.    2tucb^    ba§  gaften  gelte   bem  Soten,  um   feine  ©unft  bamit  ju  er=  55 
toerben.  Tmx  ber  SDJann  fonnte  biefen  ÄuIiuS  ausüben,  nur  au^  ib^m  fei  bie  Slnfcljauung 
bon  ber  Solibarität  ber  gamilie  erflärbar.     ©aul  nenne  bieSLoten  bireft  elohim  „©eifter" 
Sa^toaßto,  gegenüber  machte  3ob\  gret;  (in  „35ie  alti§r.  Sotentrauer",  35orbat  1898  unb 
„Sob,  ©eelenglaube  unb  ©eelenfult  im  alten  &v."r  Scibjig  1898)  geltenb,  bafe  bie  i^rae= 
litifd)en  Sjorfteßungen  bon  bem  2öefcn  unb  ben  ©ein^bebingungen  ber  ©cele  naef)   bem  60 


88  £rauergebräucf)c  bei  ben   Hebräern 

Xobe  toobl  ©eelen  glaube  feien,  aber  auf  ©eelenfult  nitfjt  ju  fdjliefcen  erlauben.   9Jtit 

bem  9<iacfyWeiS,  bafe  bie  Ursprünge   ber  iSraelitifcfyen  Religion  mit  SlnimtSmuS   nichts   ju 

fct)affen  fyaben,  faßt  auef;  bie  @rf'lärung  ber  "Jrauerbräucfye  als  5Refte  einfügen  ^otenlultS. 

§ier  ift  u.  @.  ^rer;  im  Stecht  gegen  ©djWallr/.     2tucb,  Sagrange   (Etudes   sur  les  rel. 

5  sem.1,  ©.270  ff.)   argumentiert   äfynlid).    9JUt  Stecht   Wenbet  ftcfy  $reö   aueb,    gegen  bte= 

jenigen,  meldte  bie  SErauerriten  rein  öftycb/ologifcb;  beuten  Wollen,   alfo  im  gerreifjen  ha 

Kleiber  bie  Setbenfcfyaftlicfyfeit   beS  2tffeftS  (Server  in  $3fJ@2)    ober   gar   baS  2lbbilb   beS 

^erriffenen  §erjenS  ($amöb/aufen   bei  Sftefym)   fefyen   Wollen,    greö,    fudjt    nun    fämtlictje 

SLrauerriten  auf  ben  einen  ©ebanfen  ^urücf^ufüb/ren,   bafj  fie  alte  bie  tieffte  Demütigung 

io  öor  3;ar;öe  jum  SluSbrud;  bringen  foHen,  ber  buref;  ben  £ob  beS  betrauerten  ben  SErauernben 

feine  9JäI)e  I)abe  füllen   laffen.    ©ab/er  ber  <&aq   als  bie  religiöfe  23oBStracb;t  ber  De= 

mütigung,  er  bofumentiere  relatiöe  ÜNacftljeit  (in  Slrabien  gelten  ^rauernbe  jutoeilen  ganj 

naclt).    DaS  33erb/üHen  beS  £auöieS  ober  baS  teilWetfe  Verbüßen  bis  über  ben  ©dmurr= 

bart,  aueb;  baS  Söebecfen  beS  floöfeS  mit  ben  £änben   fei  ntd^t  geilen  ber  älbfonberung, 

io  beS  fief/  gurücfjieb/enS  Don  ber  Umgebung,  fonbern  Wieberum  getef/en  ber  ^eiligen  ©cfyeu 

öor  ^afyöe.    @S  ftefyt   auf  einer  Sinie  mit  @r.  3,  6;  1  %  19,  13.    Desgleichen  gefcfyiefyt 

baS  ablegen  ber  ©anbalen  Wie  @r.  3,  5;  2>of  5,  15  aus  dfyrfurc^t  öor  ber  b/eiligen  Jläfye 

$aI)öeS.    Die  gange   armfelige  SErauertradjt  fotte  ©otteS  ©nabe  unb  Sffiilbe  Wadjrufen, 

töte  fie  bie  2lrmen  nötig  b]aben,   meldte  biefe  alte  33oIfStracfi)t  noeb,   lange   trugen.    Die 

20  SEotenflage  entftanb  aus  bem  Stufen  nad)  bem  $erfcb;iebenen.    9cur  baS  fernere  ©efd)i(f 

betrauerte  man,  baS  ben  %oten  getroffen,  ©o  fyaU  Dabib  ntdjt  getrauert  beim  SEobe  öon 

33atr)febaio  Äinbe,  benn  bamit  b,aht  ©ott  ilm  felber  ftrafenb  getroffen.    DaS  gaften  füllte 

©ott  günftig  ftimmen.    ^rauerbrot  unb  SEroftbecfyer  feien  leine  ©öenben  an  ben  SEoten, 

fie  feien  nad)  ber  Seftattung  im  SErauerb/aufe  genoffen,  Wäb/renb  man  bei  Sltjnenbienft  baS 

25  ©rab  al§  $ultftätte  erwarten  bürfte.    [9Benn  man  bem  Soten  etwas  mitgiebt,  fo  tft  baS 

u.  @.  fein  $ult,  fonbern  einfad)  gürforge.    Der  Sote  lebt  in  ber  Unterwelt  Weiter,  aber 

ein  elenbeS  ©cfjattenbafein;    bieg  Will  man   ib,m   bureb,  Mitgäbe  öon  ©aben  erleichtern. 

2lud)  bie  Araber  finb,  Wie  2öeHt;aufen  berietet,  ber  SReinung,  bafj  ein  ^oter  ofyne  feine 

irbifd)en  ©ebraucf/Sgegenftänbe  beS  SerufeS  in  ber  Unterwelt  gar  nidjt  aU  er  felbft  gilt.] 

30  ®ie  §aarfd)ur  bejWedlt  nad)  %vfy  (SntfteCung  ber  ^erfönlicftfeit,   alfo  Verunzierung   unb 

©elbftbemütigung.    §aaroöfer  Würbe  ba§  Darbringen   be3   abgefeb/nittenen  |>aare§  fein, 

boeb,  baöon  ift  nie  bie  9tebe,  fonbern  ftetS  nur  öon  ber  ©la|e  unb  bem  öerungierten  93art. 

@rft  baS  Döfern  be§  §aarg  auf  bem  ©rabe  ift  wirllicf;e§  Sotenoöfer  (©olb^ib,er,  2Ru= 

b,ameb.  ©tubien  I,  ©.  248  f.).    9?ur  bem  ^ßriefter  ift  aEeö,   \va§  nad)  Trauer  au§fieb;t, 

35öerboten;    in  älterer  Qät  blatte  er  ha§  $aax  lang  unb  Wofylfriftert  ^u  tragen,  föäter  bei 

©jedjiel  e§  nict)t  lürjer  ju  fcb,neiben  al§  ftdjg  gehört.  Sefonberg  bie  ©la^e  über  ben  2lugen 

Wirb  als  9?ad)abmung  b^ibnifcb.er  ©itte  öerboten.  ^ternad)  fd;eint  alfo  $ret)  ben  ^3riefter 

al§  einen  ©ottgeWeif/ten  anjufeb,en,   ber  fid£>   nicfyt   Wie  ber  gewöhnliche  35oßSgenoffe  ju 

einem  ©llaöen  ©otteS    im  Stureren*  erniebrigen  barf.    2lucf)   bei   ben  ©infdmitten  auS 

40  21nlafe   ber  Trauer  öermi^t  %xfy   ben  Döfergebanlen.    [Seim    blutigen  Döfer    ift  nad) 

6urti|   baS  ^eröorbrecb.en,   baS  2lu3föri£en  beS  SluteS   bie  §auötfad)e,   bie   beim  Stilen 

unb  and)  bei  bem  öon  Arabern  geübten  23Iutigfra£en  beS  ©efid)tS  fef^It.    3lud)  baS  bei 

heutigen  Sebuinen  geübte  Sefcfymieren  beS  ©efid)t§  mit  Slut,   b.  b,.  mit  Slut   eines   ge= 

oöferten  ^iereS,  ßurtife  ©.  285,  ift  etWaS  ganj  anbereS.]     9JMt  ^Rec^t  betont  er  aud)  ben 

45  ftarf  ft)n!retiftifd)en  Sb/aralter   beS  i§raelitifä;en  Kultus  §ur  $i\t  öon  SlmoS,   §ofea  unb 

^erobeam  II.    9ttan  übertrug  ja  £)eibnifd)e  JMte  birelt  auf  %afytie,  ögl.  3er  41,  5;    bie 

^roöfyeten  nehmen  berartigeS  fdjeinbar  gleid^giltig  b,in.  Slber  bjer  wirb  ber©eban!e  ma^= 

gebenb  fein,  baf$  bie  ©träfe  für  ben  2lbfaU  aueb,  biefe  Sitten  mit  l)inWegner/men  Wirb.  SDie 

föätere  ©efe|gebung  eifert  benn  aueb,  n\d)t   gegen  bie  £rauerbräucb,e   als  fold)e,   fonbern 

so  nur  gegen  bie  bireft   fyeibnifc£)en  Entlehnungen   in   benfelben.    ®af$    bie  §aarfd;ur   rttc^t 

als  teilWeifer  @rfa£  urförünglicb,er  SRenfcltenoöfer   anjuförerf;en   ift,   fonbern   lebiglid)  ben 

^rauernben  entftellen  foll,  jeigt  ber  ägöötifct;e  Sraucf),  Wo  bie  ©Ia|e  bie  reguläre  %radj)t, 

baS  2Öad)fenlaffen  ber  §aare  aber  baS  ^raueräeic^en  ift.     @rfi  in  gang  föäter  gt'ü,  als 

man  ben  £ob  nid^t  mefjr  als  3Serf)ängniS  ©otteS   fonbern    als   ben   regulären  Sauf  beS 

55  gZaturgefcfiefyenS  Wertete,   mögen   folcfye  3eicb,en   ber  ©rniebrigung  ju  Äultäu^erungen  ge= 

Worben  fein,    ©ämtlicfje  ^rauerbräuc|e  tiaben   für  gre^  bie  SBebeutung   ber  Demütigung 

unter  ben  ©enber   fo  großen  ©lenbS  ober  ber  ©orge  um  3tufrecb,terb,altung  irgenbWeldjer 

S3ejiel)ung  ju  ber  in  folcf)eS  trübe  ©cb/aitenbafein  gelommenen  ©eele.    §ier  fe^t  nun  bie 

Unterfucfyung  ©rüneifenS  ein  (Der  2Ib,nenlultuS,  §aEe  1900),  Welcher  nic^t  nur  Wiegre^ 

60  ^amöb/aufenS  Deutung  als  ber  "3;äufcb,ung  auSgefe^t,  fonbern  aueb,  ©cf)WaKr/S  @rflärung  als 


2raiicrgcl>riiud)C  bei  ben  Hebräern  89 

jelbft  in  ©bmbolif  ftedfert  geblieben  bejeiefmet.  Stber  auef;  Jyretyg  Söfung  ift  tlmt  eine  ju 
einseitige.  SDem  wirb  man  juftimmen  muffen,  ©rüneifen  gefyt  bom  ©ebraud;  bag  &aq 
bei  ben  ©efangenen  aug  unb  finbet,  baf$  er  auf  bem  herem  beruht:  um  beg  S3anneg 
mißen,  meil  ber  ©ottfyeit  »erfaßten,  Serben  fo  oft  bie  ©efangenen  getötet.  2öer  gefangen 
iüirb  ober  fid)  ergiebt,  lommt  in  fcfyrecflicfye  33ejieb,ung  gur  ©ottfyeit,  er  ift  ifyr  Verfallen,  5 
ift  in  Scbenggefafyr.  ©0  finb  ^rauerriten  öfter  ba  angewenbet,  Wo  eg  fid)  aud)  nur  barum 
Fianbett,  bafe  ber  ÜJtenfdj  in  Be^ielrnng  jur  ©ottfyeit  tritt.  5(uf  biefe  Slrt  gewinnt  ©rün= 
eifen  eine  ©rubbe  bon  gäßen,  Wo  ©efangenfdjaft  unb  2rauerbräud)e  gemeinfam  bie  3Be= 
jiebung  jur  ©ottfyeit  augbrüd'en.  Slufeer  bei  Trauer  fommen  aber  biefe  Sräuct/e  bor, 
menn  ein  SRenfd)  im  $uftanbe  ber  Unreinheit  in  33egug  jur  ©ottb,eit  tritt.  ©0  finb  10 
ÄSetligfett  unb  Unreinheit  in  ifyrer  SBirtung  auf  ben  SJcenfdjen  urfbrünglid)  ibentifd).  Stuf 
biefe  äöeife  abobtiert  ©rüneifen  bie  bon  gramer  guerft  auggefbrocfyene  Slnfidjt :  ber  -SRenfcfo, 
miß  fieb,  burd)  bie  ^rauerriten  unfenntlid)  madjen,  um  fidj)  bor  ber  broltjenben  9cäfye  ber 
©ottfyeit  ^u  fdtmijen.  2öie  bag  Stuftreten  ber  fid)  ergebenben  Ärieger  ben  3orn  beg  burd) 
ben  ©ieger  repräsentierten  ©otteg  befänftigen  miß,  fo  miß  ber  'Jrauernbe  burd)  ©elbft=  15 
entfteßung  fieb,  einer  ifmi  broljenben  ©efafyr  entjiefycn,  ber  ©efafyr  nämlid),  ir>elcf/e  nadj 
©rüneifen  ber  unheimliche  %oü  bejto.  feine  umfycrirrenbe  ©eele  barfteßt.  93or  ber  2oten= 
fecle  miß  man  fieb,  fdw|en,  man  fjatte  eine  ängfttid)e  ©d)eu  bor  ben  lotengeiftem.  '•Jiicb/t 
übermenfcfylicfye  unb  barum  futtifcb,  ju  efyrenbe  2öefen  fab,  man  ib,n  ifmen,  fonbern  unter* 
menfdjlidtje  Söefen  bon  fbulfiafter,  unheimlicher  2lrt.  $)ie  ©ntfteßung  beg  Sorben?  foß  20 
unfenntlicb,  machen,  bag  toüfte  $Iagegefd)rei  foß  fie  »erjagen.  ®er  Bebuine  berb,üße  ja 
nod>  fyeute  SRunb  unb  9cafe  ober  fyalte  fie  ju,  roenn  er  an  oben  ©tätten  borbeifommt, 
too  ©efbenfter  ber  Serftorbenen  Raufen.  2tm  fcfyneßften  entfteßt  ßerretfjen  ber  Kleiber, 
greitid»  gefiel?  t  ©rüneifen  bejüglicr/  ber  SErauerbräudie  einen  unbeutbaren  Sfoft  ju.  Sielfad) 
berühren  fic£>  mit  ©rüneifeng  ©rgebniffen  bie  bon  Sagrange  (bie  2.  Auflage  ift  mir  leiber  25 
nid)t  jur  §anb).  @r  betont  bor  aßem,  bafj  boeb,  in  bieten  ber  2rauerbraucr)e  gar  feine 
©bur  bon  ©efyeimnigfrämerei  ju  fucfyen  fei.  ©0  finb  ib,m  SBeinen,  ©freien,  ©euf^en, 
Äüffen  be§  %otm  einfad)  3«'d)en  natürlicher  Trauer.  (Sr  f>ätte  nod}  ben  gebeugten  ©ang, 
bas  trofttofe  2tm=33oben=b,oden,  bie  5ßernad)Iäffigung  ber  eigenen  ^ßerfon  getroft  fyin^ufügen 
bürfen.  Sagrange  giebt  aud;  bie  erfte  btaufible  ©rftärung  beg  in  2Ifdjefii5en§  unb  be^  so 
SBätjenS  in  ber  2lfd)e:  Sin  ben  (Eingängen  ber  Drtfd;aften  fammetten  fief;  gro|e  2tfd)en= 
unb  ©dmttb,aufen  an.  ®ie  2lfcb,e  entflammte  ben  Sadöfen  unb  nab,m  jute|t  ftaubartige 
^onfifteng  an.  Söenn  eine  ©tabt  erobert,  ^erftört,  berbrannt  ift,  finb  biefe  §üget  bie 
3uftud)t  ber  33ewor/ner.  ©a  fi|t  man  im  ©taub,  £s'ef  47,  1,  ober  in  ber  Stfdje  3Dn  ?>>  6/ 
iüäfjt  fieb,  in  2lfd)e  &v  6,  26,  ftreut  fic^  ben  ©taub  auf<§  §aubt  2Ri  1,  10  ober  tfmt  bieg  35 
aße§  gugleicb,  @5  27,  30.  ©ab,er  rüb,rt  biefer  Srauerbraudj),  in  ben  man  ©rabafd;e,  Seid;en= 
branbafcfye  u.  a.  {»ineinge^eimnift  b,at.  Iyl)n  ausbeuten  genügt  eg,  @rbe  auf3  §aubt  ju 
ftreuen.  3n  aßen  biefen  gäßen  b,anbett  e§  fieb,  nicfyt  um  %ob  eine§  gamitiengtiebeä. 
Siefe  Beobachtung  bon  Sagrange  beftätigt  bie  Berechtigung,  in  ber  'iEfyamarebifobe  mit 
^aftroto  '-ns  ju  tefen  (f.  oben).  40 

5>n  aß  biefen  ©rflärungsberfudjen,  beren  güße  fidt)  bequem  burd»  Berüd'ficbjigung 
ber  gelegentlichen  itufjerungen  ju  einem  eigenen  33ud}e  ^ufammenfteßen  tiefee,  bermiffen 
toir  bie  ©mbeitlidtfeit  eines  größeren  aßgemeinen  ®efid}t§bunltg.  ®en  2öeg  ju  einer 
lünftigen  geminnbrtngenberen  Beb^anblung  foleber  fragen  |at  Baenifdj  befdiritten  in  feiner 
brogrammatifeb^en  ©cfyrift  „2lttorientatifcb,er  unb  igraetitifdier  SJconotb^eigmug",  Tübingen  45 
1906.  ©ie  enthält  eine  Stbfage  an  bie  retigionggefcb^ic^tlid^e  ©dmle,  auf  beren  linfen 
glügel  Baentfct;  fetbft  lange  geftanben.  Baentfd)  ift  ju  biefer  Slbfage  gelungen  burdi  bie 
2Jcad)t  ber  ^b,atfad)en,  wetdjer  Söindter  ung  burd)  feine  3Bicberauffd)Iiefeung  ber  attorien= 
tauften  2öe(tanfd)auung  gegenübergefteßt  fyat.  SDie  ganje  @ntmtdetung6b,t)botf)efe  be^ügtid; 
be§  ilraelitifd)en  SDconottjei'gmug  ift  für  ib,n  b^infäßig,  bamit  ift  atfo  aud)  ber  bon  ©d)tt>aßr/  50 
bertretene  ©tanbbun!t  nieb^t  meF>r  berechtigt.  2öag  Baentfcb,  unter  bem  (Sinflufe  ber  neuen 
ßinblide  in  ba<§  Sffiefen  attorientatifct)en  Denfenö  über  ^graclg  Religion  fagt,  nähert  fieb, 
fo  auffaßenb  ben  3tefuttaten  ber  mobernen  bofitiben  33eb,anbtung  be§  212,  bafj  in  3U= 
fünft  biefe  mit  Vertrauen  angenommen  unb  ju  einem  Steubau  unter  einem  größeren  ©e= 
fid)tgbunfte  ob,ne  meitereg  bermenbet  merben  bürfen.  ©0  reichen  fid;  biejenigen,  welct/e  55 
bom  aItorientatifd)en  ©efamtteben  (;er  bie  ®inge  betrad;ten,  mit  benen  bie  Aanb,  meldten 
bag  2(X  fd)on  immer  alg  bertrauengtrmrbige  Urlunbc  beg  mirftid)en  igraetitifd;en  SebcnS 
galt  auc^  ob,ne  borauggegangene  tenben^iöfe  Xejtreinigung.  ^iir  bie  3:rauergebräud;e 
liegt  freilid)  bie  Aufgabe,  fie  einzureiben  in  bag  grofee  ©an^e  altorientalifeber  il>clt= 
betrad)tung  befonberg  fcb,mer  unb  ^loar  megen  ber  ©b'ärlicb,feit  ber  ")iad)rid)ten.  Stber  fd;on  eo 


90  $r<uiergel>röii(f|c  bei  ben  Hebräern  $regelle§ 

jeijt  tritt  bie  Xr)atfad)e  Mar  fyerbor,  baß  aßen  femtttfd^ert  93ölferrt,  33abr/Ioniem,  älrabcrn, 
«Syrern,  ^anaanäem  bte  gemeinfame  2lnfd)auung  bon  ber  umberfebweifenben  ©eele  be3 
loten  unb  ibjem  ©cbattenbafein  urfbrünglicb,  eigen  War.  %oh  War  Ünglüd  bon  ber  ©ott= 
I)ett  fyer.  SRan  fud^t  ilm  bureb,  fultifdie  §anblungen  abjuWenben.  Stritt  er  boeb,  ein,  fo 
5  ift  be§  Xoien  ©eele  ju  einem  lyammerbafein  eingegangen;  fte  irrt  umber  unb  fuefyt  ben 
2Beg  jum  Xotenreicb,.  ©ie§  S£r/ema  Wirb  auf  berfebiebene  Söeife  bariiert.  (ginige  23ölfer 
meinen  bie  ©eele  fyeraufbefcfywören  ju  lonnen;  anbere  laffen  fte  rufye!o§  umherirren,  Wenn 
bem  Xoten  ntebt  fein  ^ecf/t  Wirb.  SJJan  muß  fieb,  bor  btefer  ©eele  irgenbWie  fernen  unb 
muß  forgen,  baß  fte  jur  9iur/e  lommt.    tiefer  ©eelenglaube  ift   alles  anbere  als?  ani= 

10  miftifcfyer  SLIotenluIt.  Anläufe  §u  folgern  liegen  freilid)  manchmal  nal>e,  Wie  bte  ©amm= 
hingen  bon  9tob.  ©mitb,  2BeUl)aufen  unb  ßurtiß  erlennen  laffen.  93on  btefer  alten  orien= 
talifeben  ©runbanfebauung  finb  flare  ©buren  bei  allen  ©emiten,  auefy  in  ^Srael  ju  finben. 
®te  aftralen  Sejier/ungen  unb  bamit  bie  enbgiltige  ^Deutung  ber  ©trtgelgüge  bes>  23ilbe§ 
finb  Wegen  ber  Südenfjaftigfeit  beS  SftateriabS  nod)  fef>r  bunfel.  ^eranjujieljen  märe  Wofyl 

15  ber  Xammu^uItuS,  Weldier  aud)  nod)  anber<§  gewertet  Werben  fann  al<§  bon  33aubifftn 
in  Sb  XIX  ©.  328  ff.  Slucb,  b, ter  Wirb  fünftige  gorfdjmng  ju  beftätigen  fyaben,  baß  ba3 
irbifcfye  ©tnjelleben  fein  Srototr/b  im  9JiafrofoSmu<§  bat  unb  baß  Slnfcfyauung  bon  ber 
©eele  unb  SEotenbräudie  auS  aftralmfytfnfcben  ©ebanfen  fyerauSgeWacbfen  finb  (bgl.  $.  33. 
ba§  33erfcbwinben  ber  ©eelen  im  Söeften   analog   bem  SerfcfyWinben  ber  ©onne).    9iur 

20  feb,r  Weniges  tritt  bisher  auS  ber  Ungewißheit  fyerauS.  Söir  roiffen  aber  bon  anbern  ©e= 
bieten  b,er,  baß  btefe  altorientalifcbe  SBeltanfcbauung  aud)  in  ^§rael  tief  eingewurzelt  War. 
©er  QaljibiSmuS  War  if)r  ©egenfa|  unb  fcb,limmfter  ©egner.  Seiber  aber  mar  er  barauf 
angeWtefen,  ftcb,  als  SluSbrudSmittel  ber  bon  uralten,  tief  eingewurzelten  aftralen  Silbern 
unb  SSorfteKungen  burebtränften  ©brad;Weife  ju  bebienen,   Welcbe  bem  33olfe  allein  ber= 

25  ftänblid)  roar.  ©o  famen  groei  Umftänbe  ber  (Erhaltung  unb  bem  ^euembringen  alt= 
ortentaltfcber  Sräudje  ju©ute:  bie  jä^e  ©nergie,  mit  ber  bie  innerfte  SSolfSfeele  am  alten 
aftralen  Stberglauben  feftf)ielt,  unb  ber  Umftanb,  baß  ber  b,öf)erftel)enbe  ^a^bi^mu^  ftd) 
erft  feine  eigene  religiöfe  Terminologie  ju  fdjaffen  r)atte  unb  burd)  3Serroenbung  borl)an= 
bener  ©bradj=  unb  Segripelemente  bem  SRißberftebjen  be§  3SolIeg  %ox  unb  %üx  öffnete. 

30  ©o  geroinnen  mir  bie  bon  DrelU  mit  ©lücf  eingeführten  ^Begriffe  ber  religiöfen  Ober= 
unb  Unterftrömung.  ©ie  größte  3ar)I  ber  Xrauerbräuct)e  tourjelt  in  biefer  Unterftrömung ; 
barum  r;ielt  ba§  Soll  fo  gä^e  an  ilmen  feft.-  ©tlicf)e  btefer  Sräud)e  toürben  fid)  ja  bireft 
aus  ben  ©ebanlen  be§  ^ab,bi§mu§  herleiten  laffen,  rote  ^reb,  bie§  getl)an  fyat,  roenn  nia)t 
femttifd)e  parallelen  if)r  ^ö^ereä  Sllter  beroiefen.  tiefer  Umftanb  mag  if)re  §erübernab,me 

35  in  fimfretrftifcfyen  fttitm  unb  i^r  ©icfyeinfügen  in  ben  3a^t>t§mu§  erilären.  @<§  roürbe 
freilid)  ber!e^rt  fein,  mit  üffiincfrer  nunmehr  annehmen  ju  Wollen,  baß  ber  $al)btemu§ 
nicb,t§  Weiter  geWefen  fei,  als  ba§  ©treben,  bem  Solfe  o^ne  boIt)tb^eiftifä)e  ©infletbung  ju 
geben,  toaä  längft  ©emeingut  ber  monot^eifterenb  benlenben  Kenner  ber  altorienta!ifd)en 
©ef)eimlef)re  War.    SDer  Qar/biSmug  ift   ein  Wefentlid)  anberer  SJtonotfyeiSmuö  als  bie  ju 

40  llnredjt  mit  biefem  tarnen  benannten  foSmotfyeiftifcfyen  anlaufe  ber  alten  ©eb^etmle^re. 
2luf  biefen^>unlt  fyat  Saentfd)  mit  banfen§Werter  ®eutlid)leit  b^ingeWiefen.  ©a^  fa)ließt 
nun  freilief)  nid)t  ans,  baß  ber  2jar/bi<8muS  nid}t  auf  allen  Sebenggebieten  burd)greifenb 
eingeWirft  t)at.  SinS  biefer  ©ebiete,  Wo  ^^raelö  Religion  fiel)  ntd)t  allju^od)  über  ba§ 
9Zibeau  ber  altorientalifdjen  2lnfcf)auungen  ergebt,   ift  alle3  toaS  mit  Xob,   ©rab,  ©eele, 

45  Trauer  unb  ©d)eol  jufammenb.ängt.  Dh  eS  übertäubt  je  gelingen  Wirb,  alte  @rfd)einungen 
biefeS  ©ebteteö  nad)  il)rem  Urfbrung  im  altorientalifcf/en  ©Aftern  ju  beuten,  ift  fef)r  ungewiß. 
@injelne  biefer  @rf Meinungen  b,aben  im  ^ab,bi§mu§  tr)re  SBanblungen  burd)gemad)t. 
©iefe  flargelegt  ju  r)aben,  bleibt  ba§  bauernb  Söertbolte  an  ben  arbeiten  bon  ©cfjWaßt), 
%xfy  unb  ©rüneifen.  —  (®te  SerWeifung  in  SbVI  ©.  370,  iß  erlebigt  ftdj  bereit?  burd) 

so  bte  ausführliche  ©arfteßung  in  93b  II  ©.  531,  is  ff.)  Dr.  SRuboIf  3c(mpfunt>. 

2:rttuung  f.  b.  3t.  @f)erecb,t  33b  V  ©.  200, 43 ff. 

Sraberfart  3lmbrogio  f.  Slmbrofiuä  (SamalbulenftS  33b  I  ©.  443. 

£regelk§,  ©amuel  Srtbeauj,  geft.  1875.  —   Sitteratur:    ^m   9lbbot,    The 

late  Dr.  Tregelles,    in    ber  3eitfc^rift  Independent  1875,    Quni  1;    A  memorial    notice  of 

55  Sam.  Prid  Tregelles,  reprinted  from  the  „Western  daily  Mercury"  of  Mai  3,  1875 ;    Ply- 

mouth  1875,    18  ©.  12°;    ©ertoener,    A    piain  introduetion  to  the  criticism  of  the  N.  T., 

(31883)    p.  485 ff.;    4(1894    non  ©ertöener    unb  SKtüer)    vol.  II,    p.  238 ff.;    ^fjilip    @d)aff, 


Jrcgcücö  91 


\  coinpanion  to  the  grcck  Testament  and  the  english  Version,  2.  Ed.,  9t'clu -VJin'f  188:), 
p.  202  ff.;  ß.  9t.  (»regort),  Sertfritil;  be§  9K£,  93b  IT,  Seidig  1902,  @.  980 f.  —  Eefonberä 
roidjtig  finb  XregeKeS'  eigene  Angaben  über  feine  tertfritifctjen  arbeiten;  »gl.  befonberS  in: 
An  Account  of  the  printed  text  u.  f.  f.  @.   151 — 174. 

©amuel  ^ribeaur.  ^regelleS,  einer  ber  bebeutenbften  SEegtfrttifer  be3  31%$  in  6ng=  5 
lanb,  mürbe  am  30.  Januar  1813  ju  2öobefyoufe  *ßlace  bei  galmoutb,  geboren  unb  ftarb 
am  24.  Slprtt  1875  in  Pr/moutf).  ©eine  ©Itern  baten  Quäler;  er  felbft  berliefj  fd)on 
im  jugenblicr/en  2Ilter  biefe  ©emeinfcbaft  unb  bielt  fid)  bann  ju  ben  $lr/moutb,  33retbren 
(©arbiften).  @§  läfjt  ficf>  begreifen,  bafe  er  aucb,  unter  biefen  feine  Sefriebigung  fanb, 
jumal  er  gerabe  für  biejenigen  ©tubien,  benen  er  fein  Seben  roibmete,  unter  i|nen  laum  10 
ein  rechtes  33erftänbniS  gefunben  baben  fann;  er  »erliefe  be3l)alb  aucb,  fie  mieber  unb  ber= 
brachte  bie  legten  ftafyxe  feinet  SebenS  als  einfaches  Saienmitglieb  („as  a  humble  lay 
member")  in  ber  englifcben  ©taatSfircbe.  23on  1825—1828  befugte  er  the  classical 
grammar  school  in  galmoutb.  @g  fcbeint,  als*  roenn  er  bann  burd)  bie  Ungunft  ber 
Ikrbaltniffe  baran  gefnnbert  roarb,  auf  bem  gehJö&nlicfeen  Sßege  feine  gelehrte  2luSbilbung  15 
,ut  botfenben,  bielmebr  feit  1828  felbft  für  feine  ©giftertg  forgen  mu|te.  gunäcbft  toar 
er  big  1834  in  ben  ©ifenmerlen  ju  ^eatb;  2Ibber/  in  ©lamorganfbire  angeftellt  (als 
Sekret?);  im  $.  1835  lebte  er  eine  furje  $eit  als  ijauSlebrer  in  93ortSmoutr/.  Dbfd)on 
er  niemals  eine  Unitoerfität  befugt  bat,  erfei}te  er  biefen  SRangel  böfiig  burd)  raftlofe  unb 
eingebenbe  ^ßribatftubien.  $on  feiner  frübeften  3>U8mb  an  boß  bon  (Sifer  für  bie  (Sr=  20 
forfcbung  ber  beiligen  ©cbrift  wanbie  er  auf  baS  ©tubium  ber  Urfbracben  berfelben  unb 
aufjerbem  beS  ©fyrifcben  ben  angeftrengteften  f^Iet^ ;  unb  t>on  feinem  25.  Qab,re  an  mar 
er,  fotoeit  bie  äufjeren  23erf)ältniffe  eS  ibm  irgenb  geblatteten,  unauSgefetjt  unb  in  feinen 
fbäteren  $af)ren  bann  immer  mefyr  auSfcbliefsiicb,  mit  tertfrtttfd)en  Arbeiten  für  baS  3i% 
befdjäftigt.  25 

©aS  erfte,  toaS  bon  if)m  im  ®rucf  erfcbien  unb  in  Weiteren  Greifen  belannt  roarb, 
ift,  fo  biel  mir  miffen,  eine  „©efcbicbte  ber  engltfcben  Überfettungen  ber  bl.  ©d)rift"; 
biefelbe  biente  einer  Ausgabe  ber  fect)S  micf/tigften  Überfeijungen  beS  31%$  ins  ©nglifcbe 
(bon  SBicltf  1380  an  bis  jur  autorifterten  Überfettung  bon  1611),  tüelcfee  unter  bem 
iitel  „The  English  Hexapla"  im  £5.  1841  im  Verlage  ber  Sagfter  (fbäter:  ©amuel  30 
Sagfter  unb  ©ölme)  in  Sonbon  erfcbien,  als  Einleitung;  ber  9came  ib/reS  SSerfafferS  ift 
nicbt  genannt;  —  in  fbäteren  Ausgaben  ber  §erabla  würbe  biefe  nad)  bem  Urteile 
bon  ©acbberftänbigen  wie  Sßeftcott  unb  Abbot  b/öcbjt  roertboße  Slrbeit  abfeiten  ber  33er= 
leger  burd}  eine  anbere,  lürjere  Einleitung  berbrängt.  !£>as  ©tubium  ber  b,ebräifd)en 
©brad)e  fudjte  2:regeUe§  burcb  bier  SSerfe  ju  forbern;  im  ^-  1845  erfd)ienen  feine  35 
„Hebrew  Reading  Lessons",  bann  feit  1847  in  mehreren  Auflagen  „Gesenius's 
Hebrew  and  Chaldee  Lexicon",  feit  1852:  „Heads  of  Hebrew  Grammar"  unb 
aud)  im  3-  1852:  „The  interlineary  Hebrew  and  English  Psalter"  3.ßäb,renb 
er  in  ben  übrigen  ber  eben  genannten  3Ber!e  fein  2lbfeb,en  fyaubtfäcbüd)  barauf  ge= 
richtet  bat,  ba3  ©rlernen  beg  §ebräifcb,en  §u  erleichtern,  b,ält  er  eS  bei  ber  Überfettung  40 
be§  ^ebräifd)en  SertfonS  bon  ©efeniuS  für  nötig,  in  Slnmerlungen  berfebrte  rattonaltfttfdje 
Auflegungen  ju  befämbfen.  S£regeHe§  war  aufeerbem  beteiligt  bei  ber  in  ben  3a^^n 
1843  unb  1844  erfolgten  Verausgabe  jmeier  33ibeIroerfe:  „The  Englishman's  Hebrew 
and  Chaldee  Concordance  of  the  Old  Testament"  unb  „The  Englishman's 
Greek  Concordance  of  the  New  Testament" ;  e§  enthalten  biefe  2Berle  „an  attempt  45 
at  a  verbal  connection  between  the  original  and  the  english  translation" 
(SagfterS  SkrlagSfatalog  1875,  ©.  34  unb  37),  finb  alfo  ganj  etwas  anbereS,  als  roaS 
wir  eine  Äonforban^  nennen  mürben.  2tuf  ba§  %,%  begießen  ucb,  nod}  jtbei  ©d)riften 
bon  StegelteS  über  ben  ^robb,eten  ©aniel,  „Remarks  on  the  prophetic  visions  of 
the  book  of  Daniel"  1847  unb  „A  defence  of  the  authencity  of  the  book  of  60 
Daniel"  1852,  bie  letztere  ein  befonberS  bcrauSgegebener  'Seil  ber  erfteren.  —  Qm  biS= 
berigen  finb  biejenigen  felbftftänbigen  SBerle  bon  XregeHeS,  meldte  eS  rticbt  mit  bem  9t  i 
Su  tbun  baben,  mabrfcbeinlicb,  bollftänbig  aufgeführt.  Slucf)  bie  Strtilel,  raeldje  er  für 
tpiffenfd)aftlid)e  3eitfd;riften  unb  biblifd)e  Söörterbücber  (©nctjtlobäbien)  lieferte,  begießen 
fid)  meiftenS  auf  baö  31%  unb  fbejieU  bie  SLertfritü  beSfelben;  mir  miffen  nur  bon  einem  65 
fird)enbiftorifd)en,  über  bie  Scmfwüftat ,  ber  aucb  in  befonberem  Slbbruci  erfd}ien;  bod) 
bleibt  möglieb,  bafe  bon  anbern  anonbm  erfcf)ienenen  nur  niebt  befannt  geworben  ift,  bafe 
fie  ibn  jum  Serfaffer  baben. 

XregelXeö'  te£tSrttifcf>e  totubien  ^um  31%  nahmen  mie  bie  ^ifd)enborfS  ib,ren  Sluögang 
bon  ber  ©cbolsfdjen  2luögabe  beS  91%$;   bei  einer  genauen  Prüfung  berfelben  mevftc  er,  60 


92  Sreaelleä 

bafj  bie  bon  ©d)o!g  alg  aler.anbrtnifd)  bertoorfenen  Segarten  oft  gerabe  biejenigen  toaren, 
welche  fid)  in  ben  älteften  ^anbfdjriften  fanben.  Sine  33ergleid)ung  mit  ©riegbad)  geigte 
il)m  bann,  bafj  bie  Angaben  über  bie  Segarten  ber  $anbfd)riften  unb  gerabe  aud)  oft 
ber  befferen  nid)t  mtteinanber  überetnfitmmten ;  gegen  ©riegbad)  I)atte  er  femer  befonberg 
5  etngutoenben,  bafs  fein  £ert  nod)  biel  gu  fel)r  bom  fog.  textus  reeeptus  abhängig  fei, 
ftatt  fid)  burd)toeg  unter  bößiger  33eifeitefe|ung  beg  textus  reeeptus  auf  bie  beften 
Autoritäten  gu  grünben.  ©o  bilbete  er  fid)  einen  eigenen  ^3Ian  für  eine  Auggabe  beg 
N.  T.  gr.,  ber  im  toefentlid)en  mit  ben  if)m  bamalg  noefy  unbekannten  ^3ringibien  Sad)= 
manng  übereinftimmte,   unb   arbeitete   nad)   bemfelben   im  Augufi  1838    einen   frittfd)en 

10  %($  beg  Koloffcrbriefeg  atö  ©Regimen  einer  folgen  neuen  Auggabe  aug  (bgl.  93b  II, 
©.  764, 55).  ©iefeg  ©Regimen  ift  nid)t  gebrueft  toorben.  Sregefleg  glaubte  bamalg,  er 
ftel)e  mit  ber  bölligen  Sßertoerfung  beg  textus  reeeptus  nod)  gänglid)  allein;  alg  er  bann 
Sad)manng  (f  leine)  Auggabe  bom  $.  1831  lennen  lernte,  herleitete  ir)n  Sad)manng  Äufje= 
rung,  editorem  consuetudinem  antiquissimarum  Orientis   ecclesiarum   secutum 

15  esse  (©.  461  im  furgen  ©bilogug),  angunefymen,  berfelbe  befolge  ©d)olg'  $Pringibten,  eine 
3tnftcr)t,  bie  bamalg  in  ©ngtanb  bon  Dielen  geteilt  toarb.  Sadjmanng  beutfef/en  Auffaij 
in  ben  £f)©tK  1830  !onnte  'Sregelleg  bamalg,  weil  er  bie  ©brad)e  nod)  nicfyt  berftanb, 
nid)t  lefen ;  unb  ber  fleinen  Auggabe  felbft  fehlen  befanntlicb,  aufeer  jener  furgen  Angabe 
im  ©bilog  alle   tertfritifd)en  Erörterungen,    toie   audp  ber  93etoeig  für  ben  %act  aug  ben 

20  Autoritäten ;  bie  größere  Auggabe  Sadjmanng  erfcf)ien  in  if>rer  erften  §älfte  erft  im 
3-  1842.  (33gl.  über  biefe  falfdje  Beurteilung,  bie  Sad)mann  bamalg  fanb,  Xregelleg  in 
feinem  Ijemadj  gu  ertoätmenben  Account  of  the  printed  text,  ©.  98 f.,  153 f.).  ©a= 
malg  bätte  ^regelleg  eg  gern  gefer)en,  Wenn  ein  anberer,  ber  namentlich  aud)  met)r  alg 
er  3«tt  unb  Straft  auf  eine  fold)e  Auggabe  beg  N,  T.  gr.,  tote  fie  il)m  borfdjtoebte,  ber= 

25  toenben  lönnte,  fie  unternommen  r)ätte ;  aber  er  fanb  niemanben  bagu  bereit;  unb  fo 
fud)te  er  fid)  felbft  gunäcr)ft  immer  grünblid)er  auf  bie  Augfül)rung  biefeg  Sßerfeg  bor= 
gubereiten.  @r  fing  nun  aud)  an,  bie  alten  Überfettungen  gu  burd)forfd)en  unb  toar 
erftaunt,  toie  fie,  toie  g.  33.  ber  cod.  Amiatinus  fogar  in  #ledg  ungenügenber  Auggabe, 
feine  fritifdjen  Anfielen  beftätigten.    9(acf)  mancherlei  §inberniffen,   bie  tool)I  f)aubtfäd)= 

30  lid)  barin  begrünbet  toaren,  bafj  eg  il)m  an  Mitteln  fehlte,  fid)  bie  nötige  5Ruf?e  gu  ber= 
fd)affen,  arbeitete  er  (@nbe  1841  unb  1842)  einen  fritifcfyen  £eri  ber  Offenbarung  au§, 
eineg  33ud)eg,  bag  fid)  in  biefer  £jinfid)t  in  einem  befonberg  böfen  guftanbe  befanb;  im 
3>uni  1844  gab  er  ben  grted)ifct)en  iert  bcrfelben  mit  einer  neuen  englifd)en  Überfettung 
I)eraug,   toobei   er   feine  fritifd)en  ©runbfä|e  barlegte  unb  fcfyon  feine  Abfid)t  in  gleicher 

35  2öeife  ein  N.  T.  gr.  berauggugeben,  artbeutete,  ©ie  günftige  Aufnahme ,  toelcfye  bie 
„Offenbarung"  fanb,  befiimmte  itm,  fid)  nun  tbunlicbjt  ununterbrochen  an  bie  Auggabe 
beg  gangen  31%  gu  machen,  ^rren  toir  md)t,  fo  bat  um  biefe  ßeit  feine  Verheiratung 
if)m  mögliel)  gemacht,  fid;  ganj  biefent  2öer!  ju  toibmen.  Um  bie  Irrtümer  früherer 
Kollationen  ju  bermeiben,    toollte  er  gunäd)ft,   fo  toeit  eg  tfjunlicb,  toar,   bie  llncialfyanbs 

40  fdiriften  neu  bergleicfien.  3un«cf)ft  berglid)  er  in  (Sambribge  F2  (Sb  II,  ©.  744, 36)  unb 
bann  bereifte  er  in  ben  ^afyren  1845  unb  1846  bag  ^eftlanb  unb  berglicb,  in  Storn, 
gloreng,  SRobena,  Senebig,  ^Dcüncb.en  unb  Safel  bie  toicfyiigften  ^anbfe^riften.  Qn  feinem 
Account  of  the  printed  text  b,at  er,  toie  über  feine  ie£t!ritifd)en  ©tubien,  fo  aufy 
über  biefe  (©.  155—159)   unb   feine   gtoeite  Greife  genauen  Bericht  gegeben.    3n  ^om 

45  befam  er  ben  Cod.  Vaticanus  jtoar  gu  feb,en,  aber  er  burfte  feine  ©eite  genau  anfefyen 
unb  fid)  aud}  feine  Zotigen  über  Segarten  machen;  nur  gang  Wenige  toidjtigere 
Segarten  fonnte  er  babei  toafymefymen  unb  fid)  fyernad)  auffd)reiben ;  ber  feaupU 
gtoed  feiner  3^eife  nad}  ^om  toar  böllig  Vereitelt,  ^m  %  1847  bergltct)  er  auf 
bem    britifef/en   Scufeum    G1   (Sb  II,    ©.  744, 56,   Account  ©.  159).    Alg   er   barauf 

so  im  $.  1848  feine  Überfettung  ber  Offenbarung  ofyne  ben  griecb,ifd)en  ;Eer.t,  aber  in 
genauerem  Anfd)Iu|  an  bie  älteften  §anbfd)riften  alg  früher  neu  fjerauggab,  ber= 
öffentlid^te  er  fd>on  alg  gugabe  einen  ^rofyeft  über  bie  fritifc^e  Auggabe  beg  31%,  bie 
er  in  Arbeit  blatte;  biefer  ^]rof!peft  Warb  aud)  eingeln  auggegeben.  35on  befonberer 
2Sid)tigfeit  toar  für  "SregeHeg,  ba^  er  um  biefe  geit  (anfangg  1849)  bie  toid)ügen  grag= 

55  mente  ber  fr/rifd)en  Überfefeung  ber  (Sbangelien  im  britifd}en  StRufeum  fennen  lernte,  auf 
toeldje  Sureton  guerft  aufmerffam  machte.  ^m  $*tä)\afa  1849  unternahm  er  fobann 
eine  gtoeite  9xeife  nad)  bem  Kontinent;  fie  führte  it)n  gunäcfjft  nad;  ^Jarig,  too  er  bor 
aHem  D2  (33b  II,  ©.  743, 56)  genau  berglid) ,  aufserbem  aud)  bie  35artoloccifd)e  93er= 
gleid;ung  bon  B  (93b  II,  ©.  741, 32) ;  alg  er  fobann  aud)  K1  (33b  II,  ©.  746,  e)  gu  bergleid;en 

60  begann,  befam  er  einen  heftigen  ß^oleraanfall  unb  mufete,   fobalb   er   bagu   fäb,ig   toar, 


Xrcgclleö  93 

nad>  (Snglanb  zurüdlefyrcn.  @r  erholte  ficb  fo  langfam,  baß  er  crft  im  älbril  1850 
toicber  naä)  ^jjaris  gefyen  unb  bie  Berglekf/ung  bon  K1  bollenben  tonnte,  hieben 
anberen  arbeiten  unternahm  er  eS  nun  aud),  ben  Cod.  Colbert.,  eine  ber  mid)tigften 
sJ)}inuSfeIn  für  baS  31%  (Evg.  33  u.  f.  f.,  33b  II,  ©.  752, 30),  nach  (£id)fyorn  „bie  Königin 
unter  ben  furfib  gefcbjtebenen  £anbfcfyriften",  §u  entziffern;  bie  toocfyenlange  33efcf/äftigung  5 
mit  biefer  f)öd)ft  bertoabjloften  unb  befdjäbigten  unb  größtenteils  laum  nod)  lesbaren 
ymnbfdu-ift  griff  feine  älugen  aufs  äußerfie  an,  unb  mehrfach;  befürchtete  er,  baß  er  fie 
berlieren  Würbe  (Account  ©.  161  f.,  Memorial  notice  ©.  8).  ®tefe  britte  Steife  führte 
ihn  bann  bon  $ariS  Weiter  nach;  Hamburg,  Berlin,  Seidig,  Bresben,  2MfenbütteI  unb 
Ütrcd}t.  SMfyrenb  tf>rt  an  biefen  Drten  im  übrigen  bie  boxt  befindlichen  §anbfd)riften  io 
bcfd)äftigten,  Würbe  if>m  in  Berlin  SacbmannS  unb  in  Seidig  XifdjenborfS  berfönlicbe 
Setanntfcfyaft  bon  größter  33ebeutung  für  feine  ©tubien ;  namentlich  War  für  it/n  Wichtig, 
baß  er  bei  Xifcbenborf  beffen  Skrgleidjmngen  einiger  §anbfd)riften  mit  feinen  eigenen  ber= 
gleichen  tonnte,  „for  our  mutual  benefit",  wie  er  fagt  (Account  ©.  164,  bgl.  33b  II, 
©.765,22).  §ernacb,  fyat  XregelleS  Wot)l  nod;  zweimal,  1857  unb  1862,  einzelne  33iblio=  ir, 
treten  auf  bem  kontinent  befuebt  C). 

IregeHeS  bat  niebt  Wie  Xifcfyenborf  ben  fritifdjen  Slbbarat  für  baS  31%  burd)  @nt= 
bedung  neuer  |>anbfcb,riften  bereichert;  aud)  ntebt  Wie  jener  eine  große  2lngabl  öanb= 
fer/riften  einzeln  herausgegeben,  —  nur  einen  Kober.  gab  er  heraus,  ben  Cod.  Zacynthius 
(=",  33b  II,  ©.  750,38,  Sonbon  bei  33agfter  unb  ©öfmen  1861),  —  aber  er  bat  faft  alle  20 
bamals  bekannten  ttncialen  unb  eine  SRett)e  ber  bebeutenberen  9JcinuSfeln  (bgl.  Account 
£.  172  unb  93b  II,  ©.  765, 11)  fo  forgfam  berglid)en,  baß  feine  Angaben  über  tbre 
^Sorten  fid)  burd)  große  ©icfyerfyeit  auszeichnen.  @r  berglid)  babei  feine  Kollationen,  Wo 
immer  eS  tbunlicb,  War,  mit  früheren,  älteren  unb  neueren,  unb  fud)te  bann  fid;  über 
SeSarten  foleber  ©teilen,  in  benen  feine  Notizen  toon  ben  Angaben  früherer  abmieten,  25 
burd)  abermalige  23ergleid)ung  ber  £)anbfd)rift  böHige  ©id)erl)ett  %u  berfebaffen.  9cament= 
lieb,  ift  auch  bie  größere  guberläffigleit  fetner  Stngaben  über  SeSarten  im  Bergleid;  mit 
abtoeid)enben  bon  Sifcfyenborf  (bgl.  im  21.  %ifd)enborf  93b XIX,  ©.  795, 8  ff.  u.  47)  bielfad) barin 
begrünbet,  baß  er  bie  betreffenbe  £janbfd)rift  fpäter  als  Xifcfyenborf  berglid)  unb  bon  biefem 
angegebene  SeSarten  fcf/on  Wieber  auf  ifyre  iJücf/tigieit  iprüfen  tonnte.  2lucb  bie  (Sttate  30 
beS  9clS  bei  ben  älteren  Kird)enbätern  bis  auf  (SufebiuS  unterfudjte  er  neu.  (Sbenfo  bie 
älteren  93erfionen;  bie  armenifcfye  unb  bie  äifnobifdje,  Welche  er  felbft  ntebt  zu  gebrauchen 
im  ftanbe  mar,  Würben  gu  feinem  ©ebraud)  bon  zwei  93eamten  beS  brittfeben  9)iufeumS, 
@I)arteS  ÜRieu  unb  S.  31.  ^roboft,  neu  berglid)en  (Account  ©.  171). 

©0  roar  er  in  jeber  §inficr)t  Wohl  borbereitet,  nun  aud)  bie  ätufgabe  Z"  löfen,  bie  35 
er  fid)  geftetlt  batte,  nad)  ben  beften  älteften  Duellen  für  ben  Stejt  eine  tritifdje  Xer> 
ausgäbe  beS  3i%§  zu  beranftalten.  @fye  aber  biefe  SluSgabe  zu  erfdjeinen  begann,  ließ  er 
gleicbjam  als  eine  Vorbereitung  auf  biefelbe  zwei  anbere  SBerfe  als  ßeugniffe  bon  biefen 
feinen  ©tubien  erfcfyeinen.  SDaS  eine  ift  baS  fd)on  mehrfach,  ermähnte:  An  aecount  of 
the  printed  text  of  the  greek  New  Testament  with  remarks  on  its  revision  40 
upon  critical  principles,  together  with  a  collation  of  the  critical  texts  of  Gries- 
bach,  Scholz,  Lachmann  and  Tischendorf  with  that  in  common  use,  London, 
Samuel  Bagster  and  Sons,  1854  (bie  „Collation"  erfebten  aud}  für  fid)  f  auflief)), 
ein  3ßert,  in  Welchem  namentlich,  bie  ©efd)id)te  ber  lt>id>tigften  ätuSgaben  beS  31%$  nod) 
beute  bon  93ebeutung  ift  unb  roeld}eS  befonberS  in  ©nglanb  unb  älmerita  zur  2Bedung  40 
beS  3SerftänbniffeS  für  tegtfritifd;e  ©tubien  bon  entfdjeibenbem  ©influß  geWefen  ift.  ©aS 
anbere  ift  STregelleS'  Bearbeitung  beS  bierten  neuteftamentlid)en  XeileS  bon  3;b,omas 
Öartmell  |>orneS  biblifctjer  (Einleitung.  2)aS  2ßerf  erfebten  in  einem  ftarfen  93anbe, 
Sonbon,  Songman  u.  f.  f.  1856,  unb  batte  aud)  ben  befonberen  "Xitel:  An  introduetion 
to  the  textual  criticism  of  the  New  Testament ;  with  analysis  etc.  of  the  0  > 
respective  books  and  a  bibliographical  list  of  editions  of  the  scriptures  in  the 
original  texts  and  the  ancient  versions.  9Bie  fd)on  ber  Xitel  angiebt,  zufiel  eS  in 
brei  Teile,  bon  benen  ber  erfte  unb  toiebtigfte  ungefähr  bie  §älfte  beS  93ud)eS  auSfüßt. 
3\>äbrenb  XregelleS  im  zweiten  Xeile,  ber  bie  Einleitung  in  bie  einzelnen  neuteftament= 
lidjen  33ucber  enthält,  bie  §ornefcb,e  Bearbeitung  roefentlicf;  unberänbert  ließ  unb  nur  s> 
bureb^  Slngabe  bon  9tefultaten  neuerer  gorfdmngen  ergänzte,  Weil  er  auf  biefem  ©ebicte 
nid)t  in  gleicher  Sße'tfe  fclbftftänbig  gearbeitet  hatte,  l)at  er  ben  erften  teitfrtttfeben  Xeil 
bollftänbig  umgearbeitet,  fo  baß  er  ein  ganz  neueS  SBert  rourbe.  §ier  finben  Wir  über 
bie  ©efd)id)te  beS  Xcrtcö,  über  bie  §anbfd>riften  unb  bie  33erfionen  cinge()enbc  Unter= 
iucf)ungen.     Ter  zweiten  Auflage,   bie   fd;on  im  3.  1860  erfebten,  fügte  er  S.  751  bis  '-o 


94  £regellc£ 

784  ^ufätje  f)tngu,  in  Welchen  er  u.  a.  über  Sifc^enborfS  septima,  feine  eigene  im  @r= 
fcfyeinen  begriffene  StuSgabe,  unb  in  einem  Vofiftribt  Dom  1.  9cobember  1860  über  bte 
Sifdjenborffdje  Notitia  editionis  codicis  Sinaitici,  alfo  auct)  über  ben  cod.  Sin.,  5Rit= 
teilungen  macr)t.  ©ie  brüte  Auflage  erfct)ien  1862. 
5  Von  ber  SluSgabe  beS  9cSS  erfcfyien  nun  im  $.  1857  nacb,  langer  Vorbereitung 
baS  erfte  §eft,  Welches  bie  beiben  erften  ©bangelien  enthielt.  ®aS  §eft  umfaßte  216  ©eilen 
in  Duart  unb  auf  ad)t  ©eiten  eine  als  „introductory  notice"  bezeichnete  furze  3tn= 
gäbe  über  ben  bei  ber  SluSgabe  Verfolgten  $ßlan,  bie  befolgten  ©runbfä^e  unb  bie  in 
biefem  §efte  benu|ten  Quellen,    ^ebe  ©eite  enthält  in  ü)rem   oberen  Seil   in    frönen, 

io  giemlic^  großen  Settern  ben  griedjifcfjen  Sejt,  red^tg  t>on  ifym  (Dom  Sefer  aus  geregnet) 
in  Heinen  Settern  unb  biel  formaleren  Kolonnen  ben  Sejt  beS  Cod.  Amiatinus,  beffen 
neuteftamentlicfyen  Seil  SregeÜeS  in  f5IoreriS  felBft  neu  berglicfyen  fyaite.  SinfS  bom 
griecb,ifcf;en  Ser.t  befinbet  ftct)  ein  9knb,  auf  welkem  ftcb  aufjer  Varallelftellen  unb  ben 
•RanoneS  beS  ©ufebiuS  Angaben  über  2lnfang   ober  @nbe   ber  berglicfyenen  £>anbfcf)riften 

io  (Welcfje  für  bie  betreffenben  beiben  offenen  ©eiten  oben  an  biefem  9knbe  jebeSmal  beut= 
Heb,  bezeichnet  finb)  unb  aufeerbem  folcfye  SeSarten  abgebrueft  finben,  bie  nacb,  SregeßeS' 
Meinung  neben  ben  in  bem  Ser.t  aufgenommenen,  wenn  audj>  in  geringerem  ©rabe,  S3e= 
acfytung  berbienen.  Stufcerbem  Wanbte  SregelleS  nod)  eefige  klammern  an,  um  bie  Woa.-- 
licfyfeit,  bafc  etloaS  ein  festerer  3ufa!  \^>   hu  bezeichnen.    Unter  bem  Ser.t  befinbet  fieb, 

20  ber  Iritifcfye  SIbbarat,  fefyr  überfic^tlicb,  in  brei  ©palten  gebrueft;  reä)tS  am  unteren  @nbe 
ber  legten  ©palte  finb  bie  2lbWeid)ungen  ber  clementinifc^en  Vulgata  bom  2ImiatinuS  an= 
gegeben.  ®ie  Verausgabe  erfolgte  gunäd^ft  nur  für  bie  ©ubffribenten,  woraus  ftdj  erllärt, 
baf;  bie  Verbreitung  namentlich  anfänglich  nur  eine  geringe  War,  Wie  SregelleS  felbft 
fagt  (unb  nid)  t  bie  Soften  beette) ;  aber  eS  entfbract)  fo  bem  ernften  unb  befcfyeibenen  ©inn 

25  beS  Herausgebers,  ber  fein  Söerf  nur  in  ben  Rauben  folctjer  fefyen  Wollte,  bie  aus  bollern 
^ntereffe  an  ber  ©acfye  eS  ju  erhalten  toünfcfyten.  S>aS  groette  §eft  fonnte  erft  Diel 
fbäter  erfreuten,  als  SregelleS  beabftcfjtigt  t/atte,  nämlicb,  im  $.  1861;  eS  umfaßte  bie 
beiben  legten  ©bangelien;  für  baS  leiste  Kapitel  beS  3°^anne^  Mte  SregelleS  jum 
erften  Sftale   ben   cod.  Sin.    gebrauten   iönnen   (bgl.  ©.  XXX).    ®ie  gortfe^ung  beS 

30  SöerfeS  festen  fcfyon  unmöglich,  als  SregelleS  im  Q.  1863  (?)  einen  ©cf)laganfaH  fyatte 
unb  längere  $eit  ntdt)t  arbeiten  fonnte;  aber  er  erholte  fia)  Wieber,  unb  am  @nbe  beS 
$5.  1865  erfdjien  baS  britte  §eft,  bie  Sfyoftelgefdjiicfjte  unb  bie  fatfyoltfcfyen  Briefe  ent= 
fyaltenb.  Söäbjenb  ber  Slrbeit  an  bem  folgenben  §efte  fat>  SregelleS  fid)  Veranlagt,  baS 
gaffimile  t>om  Canon  Muratorius,  Welches  er  fct>on  im  ^5.  1857  in  9JcaiIanb  genommen 

35  blatte,  mit  einer  ©rflärung  beä  ^ejteö  beöfelben  u.  f.  f.  ju  Veröffentlichen,  Drjorb  1867 
(Sonbon,  SDJacmillan  1868);  er  fyat  baburcl»  ber  Unterfucb,ung  beSfclben  erft  bie  notWenbige 
fixere  ©runblage  berfc^afft  (bgl.  33b  IX,  ©.  796,36).  ^m  Slnfang  be§  3.  1869  erften 
ber  bierte  Seil  feines  9iX3,  bie  Vaulinen  bis  jum  ^Weiten  S^effalonic^erbriefe  entb,altenb, 
unb  er  War  Wieber,  trotj  mancher  Vefcb.Werben,  fo  rüftig  an  ber  2lrbeit,  ba§  er  Hoffnung 

io  fyatte,  mit  ben  noeb,  übrigen  Sudlern  unb  ben  Vrolegomenen  baS  2Berf  im  Q-  1870 
boHenbet  z"  fet)en.  ®a  traf  ilm  am  beginne  beS  Q.  1870  ein  zweiter,  feb,r  ftarfer 
©ct/laganfall,  als  er  gerabe  an  ben  legten  Äabiteln  ber  Offenbarung  arbeitete,  ©ein 
©eift  blieb  zwar  llar,  aber  feine  Äraft  War  gebrochen,  ©eine  greunbe  liefen  nun  um 
9Jcicr;aeli3  1870  zunäa^ft  als  fünften  Seil  ben  §ebräerbrief  mit  bem  ^efte  ber  Vaulinen 

15  erfd)einen,  unb  biefe  fünf  Seile  lamen  nun  aud)  als  ein  ©anzeS  in  ben  ^anbel  (Sonbon, 
©amuel  Sagfter  unb  ©öb^ne).  S)ie  Offenbarung  Würbe  bann  aus  SregelleS'  ^abieren 
in  berfelben  SBeife  bollenbet  unb  erfefnen  im  §erbft  1872  als  fecbJteS  §eft.  @rft  einige 
^afyre  nacb,  SregeUeS'  Sobe  (1875)  erfet/ienen  als  fiebenteS  §eft  1879  Vrolegomena,  fo= 
Wie  Slbbenba  unb   ßorrigenba,   herausgegeben  bon  %.  3-  21-  £ort  unb  21.  Sß.  ©treane. 

50  2Bäb,renb  §ort  auS  SregellcS'  früheren  beiben  -ffierfen  (Account  unb  Introduction)  baS 
Wicl)tigfte  zufammenftellte,  WaS  SregetleS'  Iritifc^e  2lnficb,ten  mit  feinen  eigenen  Söorten 
Wieberjugeben  unb  fo  als  eine  Einleitung  in  fein  9TS  zu  dienen  geeignet  War,  f)at 
©treane  auf  52  tterauSzufcfilagenben  blättern  Verbefferungen  unb  Ergänzungen  zum 
fritifcb,en  Slbbarat  zufammengeftellt.    2öürbe  SregelleS  aueb,,  Wenn  er  B  genügenb  unb  n 

55  bon  Slnfang  an  gefannt  f)ätte,  über  manche  SeSart  fieb,  anberS  entfeb^ieben  fyaben,  fo  be= 
b,ält  feine  fct)öne  SluSgabe  beS  91SS  boeb,  bleibenben  Söert,  unb  zwar  nic^t  nur,  Weil  fie 
näd)fi  ber  Sifc^enborffcfjen  oetava  bie  bollftänbigfte  in  Sezug  auf  ben  fritifcb,en  Slbbarat 
unb  bon  aufserorbentlicfter  ^u^erläffigfeit  in  U)ren  Slngaben  ift,  fonbern  auc|,  Weil  baS 
Urteil   if)reS   gelehrten   unb   mit   genauerer  ©orgfalt   arbeitenben  Herausgebers  an   fid) 

60  immer  bon  2Bert  bleibt. 


Srcgeüeä  SrcmeHiuS  95 

:Iregettei  fyat  bon  SInfang  an  au$  Siebe  jum  SBorie  ©ottcS  unb  aui  bem  33er= 
langen,  foroeit  eS  ttmnlid/,  baS  neuteftamentlicfye  ©otteSmort  feinem  urfbrünglidjen,  ecfyteften 
Söortlaut  nad;  ju  ergrünben,  fidj  an  biefe  Arbeit  gemacht  unb  in  i^r  immer  einen  if>m 
geftatteien  ©otteSbienft  gefefyen.  £>tefer  fromme  ©inn  lenngetd^net  fein  ganzes  SBirlen 
unb  finbet  fid;  am  ©cfyluffe  feiner  23orit>orte  oft  ernft  unb  ergreif enb  ausgebrochen.  2)a=  5 
bei  t)at  er  ein  einfaches  unb  ^urüdgejogeneS  Seben  geführt;  in  feiner  Umgebung  fannte 
man  ifm  als  einen  Söobltfyäter  ber  Strmen;  in  anberen  Greifen  aud)  ali  einen  SDidjiter 
geiftlid)er  Sieber.  $n  cett  ^ten  Safyren  fe'neg  SebenS  erhielt  er  bon  ber  Königin  eine 
^afyreSrente  bon  200  £.  3ln  ben  arbeiten  ber  StebifionSfommtffion  für  bie  englifd/e 
Ueberfe^ung  bei  9123,  ber  er  als  SRitglieb  beitreten  foHte,  lonnte  er  ficb,  roegen  feiner  10 
ßranffyeit  nict)t  mein-  beteiligen,  ©eine  grau  roar  bie  innigfte  ©enoffvn  feiner  greuben 
unb  Seiben ,  ba  fie  feine  $mber  Ratten,  fonnte  fie  fi<f)  and),  als  er  beren  beburfte,  feiner 
Pflege  bötlig  roibmen;  fie  überlebte  iljm  nur  einige  ^afyre.  6avl  SBertljea«. 

£remclHit§,  Immanuel,  geft.  1580.  —    3.  SSutterS,    (£manuel  SremeHtug,    gmeü 
brücfen  lSüfl;    9Ji.  Söecfer,  Igimnamtel  StretneHtuS,  S3re§Iau  1887.    £ter  ftnb  bie  übrigen  älteren  15 
Quellen  «oüftnnbig  öerjeidjnet.  51.  Neubauer,  3-  SremelliuS  al§  Jteftor  ju  fiornbad)  unb  feine 
©ntlaffung  („3Befipfälätfct)e  ©e|d)id)täblötter"  1902,  Stfr.  9  ff.). 

%m  ^afyre  1510  in  gerrara  bon  jübtfdjen  ©Item  geboren,  erhielt  StremelliuS  bie 
geroöbnlid)e  ©r^ieb^ung  gebilbeter  Israeliten  unb  eignete  fid)  namentltd)  eine  grünblicfyc 
Äenntnii  ber  b^bräifdien  ©brad)e  an.  ©eit  1530  fam  er  mefyrfad)  mit  ©Triften  in  93e=  20 
rüfyrung.  2tud)  ben  fbäteren  Sßatoft  SHeranber  garnefe  (ernte  er  lennen  unb  rourbe  bon 
u)m  gaftlid)  aufgenommen.  Um  1540  mürbe  er  in  bem  §aufe  bei  bamalS  bem  (Sban= 
gelium  nod)  freunblid)  gefinntcn  $arbinals  ERegtrtalb  ^Me  getauft  unb  ftanb  mit  biefem 
toie  mit  9)?arc.  2lnt.  glaminio  in  freunblidjem  23erfet)r.  33on  feinen  ©tammeS= 
genoffen  toegen  feiner  ^onberfion,  bon  römifdjer  ©eite  roegen  feiner  ebangelifcfyen  ©e=  25 
finnung  angefeinbet,  folgte  er  gerne  einem  Stufe  an  bie  im  ©ommer  1541  bon  betrug 
9Jcartt)r  Sermigli  neu  eingerichtete  JHofterfdmle  in  Succa  unb  roirfte  fjter  als  Sefyrer  beS 
£>ebräifcb)en  in  bemfelben  reform  atorifd)en  ©eifte  roie  bie  übrigen  Scl)rer  ber  Slnftalt.  Sßon 
bler  auS  gab  er  feine  erfte  roiffenfd)aftlid)e  3lrbeit  heraus,  bie  unter  bem  SLitel:  Medita- 
menta  1541  in  SSiitenberg  gebrudt  rourbe.  21IS  Sßabft  $aul  III.  burd)  bie  Suite  bom  30 
21.  $uli  1542  bie  Qnquifition  einführte,  entfdjlofj  fidt)  aud)  %x.  jur  glucfyt  unb  erhielt 
fct)on  6nbe  1542  ein  fd)öneS  neues  2lrbeitSfeIb  als  fyebräifcf/er  Sefyrer  an  ber  bon  ^ahh 
©türm  geleiteten  blüfyenben  f)öb,eren  ©d;ule  ju  Strasburg,  an  ber  lurj  bort/er  aud)  fein 
greunb  SSermtgli  ate  Seb,rer  angenommen  roorben  toar.  (Eine  ib,m  übertragene  ^ßräbenbe 
bei  ©tifti  jum  alten  ©.  ^ßeter  gemeierte  ib,m  ben  nötigen  Unterhalt.  $n  Strasburg  35 
berbeiratete  er  ficb,  im  D!toberl544  mit  einer  ber  bortigen  franjöfifd^en  ©emeinbe  ange= 
Ijörenben  Sßitroe  ©ItfaBett),  bie  i^m  eine  Softer  in  bie  @^> e  brachte  unb  eine  ^toeite,  fomie 
einen  ©ob^n  fct)enfte.  9cad;  bem  unglüdlictjen  Sluigang  bei  fdjmalfalbifdb,en  Äriegei  fud}te 
Str.  junädjft  im  9cobember  1547  eine  ©teHung  in  ber  ©d;ineij  ^u  erhalten,  aber,  obwohl 
Galbin  unb  garet  feine  Semüfyungen  unterftü^ten,  ob^ne  ©rfolg.  6r  nafym  nun  eine  -to 
©inlabung  bei  @r^bifd)ofi  (Eranmer  nad)  (Snglanb  an  unb  befdjäftigte  fid)  f)ier  junäcbft 
mit  ejegetifd;en  ©tubien,  befonberi  über  ben  ^ßrotofyeten  §ofea,  roirlte  aud)  bei  ber  2lb= 
faffung  bei  Common  prayer-book  mit.  1549  erhielt  %x.  ben  Set>rftuf)t  ber  f)ebräifcb.en 
©braa)e  ju  ßambribge  unb  erwarb  fid)  b,  ier  bie  fjfreunbfdjaft  bon  3Rattf)äui  parier.  ®urd} 
ibn  trat  %x.  aud)  in  Sejieb^ungen  ju  ber  fbäteren  Königin  ©lifabetb, ,  beren  groetter  @rjief)er  45 
älnton  Gfyebalier  feine  (Stieftochter  heiratete.  3lli  1553  9Jlaria  SCubor  ben  englifdjen 
ibron  beftieg,  mu^te  er  unter  giträdtaffung  feinei  §auirati  mit  feiner  gamilie  aui 
Gnglanb  fliegen  unb  roenbete  fid)  mieber  nad;  ©trafeburg.  ©a  aber  t)ier  injmifd)en 
burd)  ÜJJarbad)  ein  anberer  ©eift  jur  §errfct/aft  gekommen  roar,  gelang  ei  ibm  bieimal 
nid)t,  ein  öffentliches  Sefyramt  ju  erhalten.  Slucb,  in  Sern,  root)in  er,  bon  (Salbin  aufs  50 
befte  empfohlen,  im  Quni  1554  ging  unb  roo  er  eine  SReit)e  bon  öffentlichen  tI)eoIogifd;en 
SSorlefungen  b^ielt,  unb  in  Saufanne,  roo  er  im  ©ebtember  1554  roeilte,  bermod;te  er 
feine  bauernbe  Stellung  ju  erlangen.  Xx.  reifte  nun  jum  Sefud)e  ßalbinS  nad;  ©enf 
unb  rourbe  bon  ifym  mit  feiner  gamilie  liebebotl  aufgenommen. 

^n  ©enf  traf  Xx.  ein  9tuf  bei  §er^og  Söolfgang  bon  ipfal^roeibrüden,  ber  t^m  55 
auf  (Smbfefylung   feines  trefflidjen  3tatS  Ulrtdj  ©Ringer  bie  ©teile  eineS  ©rjtc^eri  feiner 
brei  im  2l(ter  bon  bier  bis  adjt  ^ab^ren  ftebenben  ^inber  antrug,    ©erne  nafjm  Tr.  biefe 
(Sinlabung  an  unb   febrte  im  9cobember  1554  über  Saufanne  nad)  ©cutfcfylanb   prüd. 
25er  1547   geborene  ^rinj  ^t>ilibb  Subroig,   auf   beffen  Unterroeifung   bai  §aubtgeroid)t 


96  $remeuui§ 

gelegt  Würbe,  formte  bctmctfö  nod;  faum  buc^ftabieren.  21n  einem  feften  2el)rblane  fehlte 
e§  anfänglich  ganj.  ©ine  fd)Were  ©rfranfung,  bie  %x.  im  ©^ät^erbfte  1555  befiel,  bie 
SBafferfudit,  feffelte  it)n  jubem  in  Slmberg,  Wo  SBolfgang  bamalä  ab!  (Statthalter  ber 
Dberbfalj  refibterte,  fed^S  Monate  lang  art<§  Sett.  %ro|  biefer  ^tnbermffe  fonnte  er  in 
5  einem  ^Briefe  bom  15.  ©ejember  1557,  in  bem  er  feinem  greunbe  J^onrab  §ubert  ein= 
gefyenb  feine  SebjWeife  barlegte,  bie  fdjönen  gortfcfyritte  feines  ßögltngg  rühmen.  SSoIte 
ÜBefriebigung  gewährte  eine  berartige  Sfyättgfett  freiließ  bem  bisherigen  afabcmifcfyen 
£el>rer  nid)t.  2tl§  ßalbin  1558  bei  bem  ©enfer  9tat  bie  ©rünbung  einer  tfj>eoIogifd)en 
§ocf;fd;ule  burd)fe£te  unb  für  bie,  fbäter  ßfyebalier  übertragene,  altteftamentlictye  ^rofeffur 

io  %x.  ju  gewinnen  fudEjte,  fyätte  biefer  bem  9tuf  be§t)alb  gern  golge  geleiftet.  2tber  bie 
23erl>anblungen  fct)eiterten  an  ber  Steigerung  bes  ^erjogg,  tfyn  ju  entlaffen,  ba  er  iljm 
nid>t  entbehren  fönne  (CR,  opp.  Calv.  XIV,  53 f. ;  XVII,  24.  300f.  477f. ;  XX, 
462  f.).  lim  biefe  $eit  t)atte  Söolfgang  nämlicf),  beranlafjt  burd;  bie  ©rgebniffe  einer  im 
©ommer  1558  abgehaltenen  großen  Äircfyenbifitation,   eine  Jieuorganifation  be§  gefamten 

15  ©a)ulwefen§  im  Herzogtum  befdjrtoffen.  08gl.  ba3  „SBebenfen  SBon  ben  ©cfyulen  Wie  bie  im 
gatrftentfyumb  gwaienbruden  aufäurtet/ten  feien,  1558  bei  tyfy.  Leiber,  92eue  urfunbl.  ^Beiträge 
gur  ©efdüdüe  be§  gelehrten  ©d)ulWefens>  im  Herzogtum  gWeibruden,  1, 44  ff.  $Weibrüden  1892). 
Qn  bem  alten  Softer  §ombacb,  füllte  banaef)  eine  nad;  bem  SSorbilb  be§  ©trafjburger  ©r;m= 
nafiuimo  einjuric^tenbe  f)ör)ere  ©ct)ule  gegrünbet  Werben,  gu  beren  erften  9teltor  %x.  befteHt 

20  Würbe.  Stadlern  fd;on  im  ^ult  unb  2luguft  mit  ib,m  be^alb  33erfyanblungen  ge= 
pflogen  Worben  Waren,  fam  %x.  am  1.  Sejember  1558  nacb,  £>ombad)  unb  erhielt  fyier 
am  24.  ©ejember  feine  auf  ben  1.  2tuguft  jurüdbatterte  Seftaßung.  2tm  16.  (ntct)t  1.) 
Januar  1559  Würbe  bie  ©dmle  eröffnet,  älber  aueb,  in  biefer  neuen  ©teßung  füllte  fid; 
%x.  wenig  befriebigt.     %n  ber  SCnftalt  Waren   nod)  leine  Zöglinge,   meiere  bie  nötigen 

25  Sorfenntmffe  befafjen,  um  feinem  Unterricht  in  ber  fyebräifdjen  ©brad)e  folgen  gu  lönnen. 
!gn  bem  if>m  gugleicb,  übertragenen  Slmte  eme<§  3Jcitglieb<S  be£  $onfiftorium<3  bermocfyte 
%x.  fdwn  Wegen  feiner  mangelhaften  Kenntnis  ber  beutfe^en  ©brache  Wenig  ju  Wirfen. 
£>a  aucr)  feine  Sefolbung  bie  bon  il)m  erwartete  unb  ifyrrt  in  2luöfict)t  gefteHte  §öl)e  niebj 
erreichte,  lam  %x.  ein  um  biefe  ,3^*  an  ifm  gelangter  3Ruf  ber  italienifcfjen  et>angelifcr)en 

30  ©emeinbe  in  ©enf,  bie  iljm  alg  ^>rebiger  begehrte,  roob,l  nicf)t  unroiEfornmen.  3tucf;  bie 
sjroeibrücfer  b,erjoglid)en  3^äte  fbracl)en  fieb,  am  11.  ^uni  1559  bafür  auö,  baf?  ber^erjog 
bie  Gelegenheit  benü^e  unb  %x.  gießen  laffe,  unb  fteUten  fiel;,  aU  %x.  balb  barauf  feine 
©teile  förmlich,  iunbigte,  in  Weiteren  ©utaefyten  bom  10.  2luguft  unb  23.  ©ebtember 
auf  benfelben  ©tanbtounft.     3lua)  SSolfgang   erüärte  fid;  nun  in   einem  ©einreiben  au^ 

35  ^euburg  bom  7.  3Robember  bereit,  %x.  naef)  ©enf  ju  beurlauben,  Wenn  er  bieg  Wünfd>e, 
gab  aber  §ugleicb,  ber  ©rWartung  2lu§brucE,  ba|  er,  Wenn  man  il;n  nac^  einem  ober 
jWei  $ar)ren  Wieber  alg  t;ebräifcb,en  Server  bebürfe,  fiel)  bor  anberen  baju  gebrauchen 
laffen  Werbe.  %x.,  beffen  gleifj  im  ©e^ember  bei  einer  SSifitation  ber  ©c^ule  befonberö 
anerlannt  Würbe,  fcfyeint  junäctjft  auf  feiner  ©ntaffung  nidjt  beftanben  ju  b,aben,  bat  aber 

40  balb  Wieber  um  2lufbefferung  feinet  ©et)altg  unb  wieberl;oIte  am  27.  ^uni  1560  bei 
einer  Sifitation  bie  Älage  über  feine  ju  niebrige  S3efolbung.  2113  biefe  grage  aueb,  je^t 
nia)t  ju  feiner  3"fr^benf)eit  geregelt  Würbe,  gab  %x.  am  5.  Stobember  1560  förmlia)  um 
feine  ©ntlaffung  ein,  erbot  fid;  jebod),  noeb,  fec|g  Monate  gu  bleiben,  bi§  fiel)  ein 
S'Jadjfolger  für  ilm  gefunben  b,abe.     Tum  Würbe  fein  ©efueb,  aueb,  angenommen  unb  %x. 

45  berliefe  feine  ©tellung  in  §orabad)  am  7.  SRärj  1561  (9t.  Suttmann,  bie  ajJatrüel  be§ 
§ornbad;er  ©t)mnaftum§  1559—1630,  ßWeibrüden  1904,  ©.  3).  §iernacb,  ift  bie,  aud; 
bon  mir  in  ber  ^Weiten  Stuflage  biefer  2Ber!e§  nacl)  Sutterg,  Seder  unb  anberen  ge= 
braute  9?ad;ricb,t  irrig,  bafe  %x.  bon  3Bolfgang  Wegen  feinet  Salbini§mu§  abgefegt  unb 
fogar  einige  Monate  gefangen  gehalten  Werben  fei.  Neubauer  Weift  bieg  a.  a.  D.  urfunb= 

50  lict;  nacb,  unb  geigt,  bafj  jene  9Zac^rid;t  bon  JButter^  b,errül)rt,  ber  eine  bon  $onrab 
^iariu§,  ber  "Xx.  in  bem  3lmte  aiS  (grgier)er  ber  fyerjogltdjen  ^rinjen  folgte,  f)anbelnbe 
©teile  in  GroHg  Commentarius  de  cancellar.  Bipont.  p.  102  mi^berftanb  unb  auf 
%x.  bejog.  ^faljgraf  Söolfgang,  ber  noeb,  am  16.  ©ebtember  1560  %x.  mit  ber  Über= 
fe|ung  feiner  Hircb,enorbnung  in§  2ateinifcb.e,  grangöfifc^e,  ^talienifd;e  unb  @nglifcb,e  be= 

55  auftragte,  naf)m  geWi^  big  bab,  in  an  beffen  Salbinigmu§  leinen  2lnftof?  unb  ift  Wof)l  aueb, 
im  ^rieben  bon  i§m  gefd)ieben. 

3Sor  feinem  2Beggang  bon  §ornbad)  b,atte  %x.  nod;  ©elegenb,eit,  feinen  ©lauben§= 
genoffen  in  3Jie^,  ber  §eimat  feiner  grau,  einen  Wichtigen  SDienft  §u  leiften.  311^  ®ömg 
§ranj  II.  am  5.  DItober  1559  ben  @bangeliftt)en  ben  Slufentb,alt  in  3Ke|  berbot,  flüchteten 

60  bie  Hugenotten  61.  Slnt.  be  ßlerbant   unb   ^ierre  be  Gologne   nad;  ^Weibrüden,   Wo  1.x. 


SrcmcüiuS  97 

fie  fcnnert  lernte.  9cacb,  bem  lobe  beS  Königs  granj  (5.  ®ej.  1560)  fanbten  bie  2Re£er 
gbangelifcfyen  eine  Imputation  an  ben  föniglicfyen  §of  nad)  Orleans,  um  roieber  freie 
3MigionSübung  ju  erlangen.  2lud)  Sr.,  ber  bemnad?  um  biefe  $ät  ntdjt  im  ©efängniS 
lag,  nafym  an  ber  ©efanbtfcfyaft  *&>  bie  am  8.  Januar  1561  bon  9)te$  abging  unb 
tocnigftenS  erreichte,  bafj  bie  3Cfte£er  Hugenotten  ein  VetfwuS  aufjerfyalb  ber  ©tabt  be=  ö 
ninjen  burften. 

Salb  nad)  feiner  ?RMttr)x  fanb  %x.  enblicb,  einen  bauernberen,  feinen  gäbjgretten 
angemeffenen,  SSirtungSfreiS.  2US  ftd)  Hurfürft  griebridj  III.  bon  ber  VJalg  bem  refor= 
mierten  Sefenntniffe  gumanbte,  berief  er  %x.  am  4.  9ttärg  1561  an  bie  §od)fd)ule  in 
yeibelberg.  ©oeb,  bereits  im  Steril,  bebor  er  fein  neues  SImt  übernahm,  mürbe  Sr.  10 
bürdet  griebridj  bon  neuem  nadj  granfreid)  gefanbt,  um  bem  $önig  2tnton  bon  ÜRabana 
eine  $ufd)rift  Det:  borfyer  in  Naumburg  berfammelten  toroteftanitfcfyen  dürften  mit  ber 
üDtalmung  ju  treuem  gehalten  am  ©bangelium  $u  überreifen.  %x.  erhielt  rotrllicb, 
bon  Slnton  ben  Auftrag,  ben  beutfcfyen  ebangeltfcfyen  dürften  ein  VünbniS  mit  $rantreid), 
ßnglanb  unb  ©djottlanb  borjufdjlagen  (^nftrultion  für  Xx.  bom  26.  3Kai  1561).  2tber  15 
feine  SRiffion  fdjeiterte  an  ber  Sßeigerung  ber  in  Vetracfyt  fommenben  beutfd)en  dürften. 
(Sgl.  befonberS  Ä.  «Wendel,  SBoIfgang  bon  Sroeibrücfen,  9Mncf)en  1893,  ©.  284 ff.)  3m 
^uni  1561  lam  %x.  mieber  nad)  §eibelberg,  rourbe  bort  am  23.  ^uni  immatriiuliert 
unb,  nadjbem  er  SagS  jubor  gum  Dr.  theol.  bromobiert  morben  mar,  am  9.  3>ult  in 
ben  ©enat  ber  Uniberfttät  aufgenommen.  §ier,  mo  er  in  (Stnem  ©eifte  mit  Voquin,  20 
Dlebian,  UrfinuS  unb  anberen  eine  erfolgreiche  afabemifd)  e  %i) ätigleit  entfaltete  unb  aud) 
jtoeimal  baS  Steftorat  führte,  fanb  %x.  juerft  Sttufte  gu  größeren  Iitterarifd)en  arbeiten. 
3unäd)ft  beröffentlicfyte  er  Vorlefungen  VutjerS,  bie  er  feiner  geit  in  ©nglanb  naa)ge= 
fd)rieben  l)atte  (Libellus  vere  aureus  D.  M.  Buceri  de  vi  et  usu  sacri  ministerii 
etc.,  Basil.  1562,  8°  unb  Praelectiones  doctiss.  in  epist.  D.  Pauli  ad  Ephes.  25 
eximii  D.  M.  Buceri,  habitae  Cantabrigiae  anno  1551.  Ex  ore  praelegentis 
editae  diligentia  J.  Tremellii,  th.  Dris.  Basil.  1562,  Fol.).  Veibe  Söerfe  toibmete 
er  borneb,  men  ©nglänbern,  mit  benen  er  begannt  gemorben  mar.  1563  gab  er  in  ©enf 
einen  Kommentar  ju  bem  Vrobfyeten  §ofea  (enarrationes  in  Hoseam)  I)erauS  unb 
toibmete  il)n  bem  ^urfürften  griebrtd)  unb  bem  Slnbenlen  (SranmerS,  unter  beffen  30 
2lufbijien  er  bie  Vorarbeiten  ju  bem  Vucfye  gemacht  blatte,  ©obann  erfebjen  feine  eben= 
falls  griebrieb,  zugeeignete  lateinifcfye  Überfettung  bon  IJonatfyanS  d)albäifd)er  Umfcfyreibung 
ber  ätoölf  Heinen  Vrobfyeten  (Jonathanis  filii  Uzzia  Chaldaica  paraphrasis  in  XII 
prophetas  minores.  Latine  per  Imm.  Tr.  Heidelb.  1567,  8°).  Vorder  blatte  %x., 
als  1565  bie  Uniberfität  megen  2tuSbrud)S  ber  $eft  eine  3ei*  ^anS  gefc^Ioffen  mürbe,  35 
toieber  eine  Steife  naefy  (Snglanb  unternommen.  Von  feinem  mittlermeile  auf  ben  erj= 
biftt)öflid)en  ©tul)l  bon  ßanterburb  erhobenen  greunbe  parier  aufs  befte  aufgenommen 
unb  auef;  bon  Königin  ©lifabetl)  gnäbig  empfangen,  lehnte  er  boa)  baS  2lnerbieten  einer 
^rofeffur  in  ©nglanb  banfenb  ah  unb  fef)rte  nad;  einem  falben  ^ab,re  nad)  §eibelberg 
äurüd),  mo  er  feiner  greunbfcb.aft  mit  parier  in  ber  Vorrebe  gu  feiner  1569  bei  §.  ©te=  40 
^anuS  in  2bon  erfd)ienenen  d)albäifd)en  unb  f^rifeb^en  ©rammatif  ein  efyrenbeS  S)enf= 
mal  fe|te.  $301  Slnfartg  biefeS  3^^^  ging  5£r.  mieberum  in  einer  biblomatifd^en  9Jtiffion 
naa)  ©nglanb,  um  im  auftrage  beS  ^urfürften  griebrid}  bie  Königin  (Slifabetl)  ju  ge= 
memfamem  SBiberftanb  gegen  bie  ben  ©bangelifcfyen  brob^enben  ©efal)ren  aufzurufen,  (ix 
fanb  aud;  ©lifabetb,  nidjt  abgeneigt,  mit  beutftt)en  broteftantifd)cn  dürften  ein  35erftänbniS  45 
einjugefyen.  Über  ben  näheren  Verlauf  biefer  Ver^anblungen  finb  mir  inbeffen  niebt 
unterrichtet,  ba  bie  bon  %x.  erftatteten  Verid;te  uns  ntebt  erhalten  finb.  3U  einem  P°fc 
üben  (Ergebnis  führten  biefelben  jeboef)  fidler  niebt.  (Vgl.  Rlndfy ob,  n,  Vriefe  griebrid}S  beS 
frommen  II,  211  ff.  218  u.  234.)  9cad)  feiner  SücKefyr  mibmete  %x.  ber  Königin 
©lifabetf)  fein  1569  bei  £>.  ©teb^anuS  unter  bem  Stiel:  Interpretatio  Syr.  novi  test.  so 
Hebr.  typis  descripta,  erfebjenene  SluSgabe  ber  alten  fbrifcfyen  Überfe|ung  beS  9ceuen 
leftamentS,  ber  er  eine  lateinifcfyc  Überfe^ung,  fomie  bie  ermähnte  cbalbätfcbe  unb  fbrifdje 
©rammatif  beigab.  sJKit  Verausgabe  biefer  ©djrift  münfdjte  er,  mie  früher  mit  einer 
fyebräifdjen  Überfe^ung  bon  SalbinS  ^ated)iSmuS  (Catech.  Hebr.  et  Graecus,  Paris. 
1551,  8°  unb  Catech.  Hebr.  1554,  8°)  jugleid]  feinen  jübifdben  ©tammeSgenoffen  55 
einen  ©ienft  ju  tfjun.  Valb  barauf  begann  er  mit  tlnterftü^ung  beS  Hurfürften  griebrieb, 
fein  bebeutenbfteS  2Berf,  bie  lateinifdbe  Überfettung  beS  Sllten  SeftamentS.  @r  berbanb 
fieb.  ju  biefem  ßmede  mit  feinem  fbäteren  ©d)miegerfob,n  %xan^  ^uniuS  (f.  b.  1.  Vb  IX 
©  606),  melier  @nbe  1573,  um  ilm  Jräftiger  unterftü^cn  ju  fönnen,  bon  ©cf)önau  nad; 
§eibelberg  überfiebelte.     ©ocl)   fiel   ber  micbjigfte  Seil   ber  3lrbeit  Sr.   311.     2)aS  2Serf  co 

8dea[=(Sncötlopäbie  für  Iljeoloflte  unb  Ätr4e     8.  81.  xx  7 


98  SremeMuS  Sribur 

Würbe  juerft  1575 — 1579  in  fünf  23änben  ju  granffurt  a.  SR.  herausgegeben  unb 
fanb  allgemeinen  Woblberbienten  Seifall.  (--ftäfyereS  f.  in  bem  2lrt.  33ibelüberfe|ungen,  \a- 
teinifebe,  33b  III  ©.  54.) 

@S  war  bem  alternben  %t.  nid/t  bergönnt,  in  §eibelberg  fein  Seben  gu  befcbliefeen. 
5  3111  Äutfürft  SubWig  VI.  nacb,  griebrid)S  III.  Sob  baS  Sutfyertum  in  ber  ßurbfalj 
Wieberb/erftellie,  Würbe  aui)  er  burdj  (Srlafj  bom  5.  ©ejember  1577  entlaffen  unb  mufete 
abermals  in  bie  Verbannung  Wanbern.  @r  ging  ^unäcf/ft  nacb,  SRetj,  Würbe  aber  balb 
nadj)b,er  bureb,  ^einrieb,  be  la  Sour  b'Slubergne  als  Vrofeffor  ber  fyebrciiftfjen  ©brache  an 
bie  neu  errichtete  älfabemte  in  ©eban  berufen.     §ier  Wibmete  er  feine  legten  Kräfte  ber 

io  franjöfifcften  lyugenb  mit  bemfelben  @ifer,  mit  bem  er  ber  italienifcfyen,  beutfdjen  unb 
englifdjen  gebient  I)atte.  ^n  feinem,  Dom  31.  JyuK  1580  batterten,  Seftament  giebt  er 
nochmals  feinem  ©ante  bafür  StuSbrud,  bafe  fid)  if)tn  ©ott  in  6f)rifto  geoffenbart  Ijiabe, 
unb  fcfylofe,  nafyeju  70  ^^re  aW,  am  9.  Df  tober  1580  fein  bielbeWegteS  Seben.  %xo§ 
feiner  aller  Volenti!  abreiben  ©efinnung  l)atte  er  um  feines  ©laubenS  mitten  mancherlei 

15  Verfolgung  leiben  muffen.  Slber  in  allen  2öed/felfätlen  bewahrte  er  ben  gottergebenen 
©inn,  in  Welchem  er  in  einer  ßeit  fernerer  §etmfudmng  am  8.  ©ebtember  1554  an 
Satbin  fcf/rieb:  Scio,  id  mihi  utilissimum  et  honestissimum  esse,  quod  de  me 
benignissimus  pater  statuit.  Dfme  $rage  War  er  einer  ber  gele^rteften  Kenner  ber 
orientalifdjen  ©brauen  ju  feiner  3eit.  gtet). 

20  £rtl>ur.  —  Sie  9lften  ber  SEriburer  (Bbnobe  b.  g.  895  finb   in   mehreren,    nad)  gorm 

unb  teilroetfe  aud)  nad)  Sinfjaft  üon  einanber  abmetetjenben  SKebaftionen  erhalten,  lüoriiber 
au3reid)enbe  93elet)rung  bietet  f  raufe  im  9?2t  b.  ©ef.  f.  ältere  beutfcfje  ©efdj.  14,  49—82  unb 
281—326;  15,  411—427  unb  ©eefet  ebb.  18,  365— 409  unb  20,  289—352.  Sie  bon  Traufe 
besorgte  9tu§gabe  in  Mon.  Germ.  Capitularia  2,  196—249  ift  abfd)iiefjenb.   Stusfütjrlict)  t)anbett 

25  uon  ber  ©ttnobe  £>efele,  ©onsiltengefc&ictjte  (2.  91.)  4,  552—561  unb  Summier,  ©efd).  be§ 
Dftfränf.  3Reid]§  (2.  21.)  3,  395—404. 

gn  ben  erften  Sagen  beS  9JlonatS  9M  im  ^al/re  895  rourbe  ju  Srtbur  in  2tn= 
Wefen|eit  beS  Königs  Slrnulf  eine  bon  brei  @r^bifcb,öfen  —  benen  bon  $öln,  SRainj  unb 
Srier  —  unb    bon    26  ober  27  Vifctjöfen   befugte   ©tmobe   gehalten,   bie   r)au^tfäct)Itd; 

30  barum  unfere  Slufmerffamfeit  auf  fiel)  jiebt,  Weil  fie  eine  engere  Verbinbung  beS  Königs 
Slrnulf  mit  bem  l)ol)en  ^leruS  begrünbete.  £mtte  nämlid)  ber  letztere  bisfjer  bie  ©rbebung 
SlmulfS  als  eine  boüenbete  Sfjatfacbe  fttUfcfyWeigenb  Eingenommen,  fo  War  eS  nunmebr 
für  baS  Königtum  wie  für  ben  ©biffobat  ein  gemeinfameS  ^Ttterefje  getborben,  gegenüber 
ben  Weltlichen  ©rofcen,  bon  melden  bie  föniglicfje  unb  bie  bif<^>öflidt)e  ©eWalt  gleicfe,  feb/r 

35  bebrob/t  War,  in  feftem  Slnfct/Iuffe  aneinanber  fieb,  gegenfettig  ju  ftärfen.  ©in  großer 
Seil  ber  Vefcfylüffe  betraf  bie  Söieberaufricf/tung  ber  berfallenen  ^ird;enjudb,t,  Vefcb/lüffe, 
mit  Welchen  meift  nur  bie  Stusfbrüdje  früherer  ©tniobcn  aufgenommen  Würben.  Sann 
aber  folgte  eine  SReibe  Wichtiger  JlanoneS,  Welche  bie  berfammeltcn  Väter  aufteilten;  in= 
bem  fie  ber  Äönig  annahm,   machte  er  bem  fyoben  ÄleruS  bie  bebeutenbften  Äonjeffionen 

40  unb  fam  if)m  in  umfaffenber  2Beife  entgegen,  ©o  lautet  tanon  9 :  ffienn  ein  S3ifcb,of 
in  lanonifeijer  2Beife  bie  2lbt;altung  einer  Verfammlung  befct)Ioffen  unb  Wenn  ber  ©raf 
an  bemfelben  Sag,  mag  er  nun  um  bie  bom  23ifd)of  anberaumte  Verfammlung  Wiffen 
ober  nicf)t,  feine  Verfammlung  feftgefe^t  bat,  fo  geb,t  bie  Verfammlung  beS  Vifcb,ofS  bor, 
auf  if>r  follen   ber  ©raf   unb  baS  Volf   fcf)leunigft    etfebeinen.  —    2ln  ©onn=  unb  gcft= 

45  tagen  ober  in  ber  gaftenjeit  barf  lein  ©raf,  übertäubt  fein  SBeltlicfyer,  eine  Verfammlung 
abmatten;  aueb,  barf  feiner,  ber  fird}licb,c  Vujje  ju  leiften  bat,  bom  ©rafen  jum  (Sr= 
fcfjeinen  auf  einer  Verfammlung  gezwungen  Werben  (Äan.  35)'.  2llle  ©rafen  beS  SffeieljeS 
Werben  angeWiefen,  biejenigen  feftneb^men  unb  bor  ben  ßbnig  fübren  ju  laffen,  Welche, 
bon  ben  33ifc£)öfen  ejfommuniäiert,    bie    fircfjlidjen  Vufeen   nid}t  auf  fieb,  nehmen  Wollen, 

50  auf  baf$  biejenigen,  Welche  bor  bem  göttlichen  ©ericb,t  fiel;  nicf)t  fdjeuen,  bem  menfct)Iicl)en 
Sticfiterfbrucb;  berfallen  (üan.  3).  ®iefe  Unterftü^ung  ber  geiftUc^en  ©ericf)tSbarfeit  burcl) 
bie  Drgane  ber  Weltlichen  ©eWalt  finbet  fiel)  auef)  im  ®.an.  20 :  2ßcr  einen  ©eWeib, ten 
berWunbet  ober  fonft  ein  Unrecbt  ib,m  ^gefügt  b,at,  ben  foH  ber  Vifcf>of  bor  ftcb,  laben 
unb  ben  ©rafen  jum  ©ericb,t  beigte^ert,  ber  Vifc|of  beftimmt  bie  bem  mipanbelten  Ilerifer 

65  ju  leiftenbe  ©enugtb,uung,  ber  ©raf  forbert  bon  bem  Übeltäter  bie  93ejab,lung  beS  ÄönigS= 
banneS.  Slucb,  barüber  I)at  ber  ©raf  ju  Wachen,  ba^  ^ircljenräuber  ben  gefe|Iict»en  ©^aben^ 
erfa^  leiften  (Han.  7). 

%üv  baS  Vabfttum  War  bie  ©rmobe  bon  roefentltcber  33ebeutung,  fofern  fie  feine 
rid;terlid;e  Slutorität  ftärfte.    ©er  30.  $anon  fagt,   man   f>abe  bem    aboftolifcb,en  ©tub,Ie 


Stibuv  Srientcr  ton^l  99 

in  boller  Untertoürfigleit  unb  £)emut  ju  begegnen  unb  ein  bon  ii)in  aufgelegtes  ^ocb, 
wenn  e§  aucfy  faum  erträglich  fcfyeme,  bocb;  in  frommer  Ergebung  ju  tragen.  „2Benn 
aber  bon  einem  $re§btoier  ober  SDiafon,  ber  barauf  au§gel)t,  3Sertoirrungen  anzurichten 
unb  gegen  unfer  2Imt  ju  intriguieren,  erroiefen  mirb,  baft  er  ein  unterfcbobene<8  ©cfyreiben 
ober  fonft  etma3  Unred;te§  bom  Sßatofte  beigebracht  r)at,  bann  l;at  ber  33tfd)of  bie  23otl=  6 
mad)t,  jenen  gälfct)cr  \n§  ©efängniä  ober  in  einen  anberen  ©eroabrfam  fo  lange  ju 
legen,  bi§  er,  ber  33ifd)of,  fcfyriftlid)  ober  burcf)  ©efanbte  mit  bem  ^abft  ficb,  in<3  @in= 
bcrnefmien  gefegt  fyat,  bamit  nun  biefer  burct)  feine  2lbgeorbnete  entfcfyeibe,  \m§  baS 
römifd)e  ©efe§  in  einem  folgen  gaUe  anorbne"  (ßan.  30).  —  $)afj  bie  ©imobe  bie 
^ietro^olitanrec^te  MnS  über  ben  ©tul;l  bon  33remen  anerfannt  r/abe,  melbet  Slbam  bon  io 
Bremen  (MG  SS  7,  301). 

Bii)m  mir  f)ier  ben  froren  ®leru§  im  Sunbe  mit  bem  Königtum  ben  meltlicfyen 
©rofjen  gegenüber,  fo  finben  mir,  bafj  faft  200  ^ab/re  fbäter  auf  einer  SSerfammlung  ju 
Iribur  (im  Cftober  1076)  bie  weltlichen  dürften  mit  einem  grofjen  Steile  ber  geiftlidjen 
uno  mit  ber  &urie  (f.  23b  VII,  104)  gegen  ben  üönig  gufammengefyen,  ^einrieb,  IV.  bem  15 
Mcf/terfbrucf;  ©regorg  VII.  unterwerfen,  ba§  beutfd)e  Königtum  gleich  fefjr  bon  9tom 
ioie  bon  ben  beutfcfyen  gürften  abhängig  machen.  3)er  &önig  mufcte  berfbred)en,  am 
2.  gebruar  beS  näct/ften  pafyreS  (1077)  auf  einem  Steicb^tage  ju  lugäburg  p  erfreuten, 
auf  meinem  ber  $abft  über  ifm  ba§  Urteil  fbreeb/en  werbe;  er  folle  ficb,  bie  Söfung  bom 
Sänne  auSroirfen,  gelinge  ib/m  bieg  ntd^t  binnen  3;alj>re§frift,  bom  'Sage  ber  @rfommuni=  20 
fation  an  gerechnet,  fo  berliere  er  untoiberruflicf)  ba<§  9}eid).  2Bie  man  toeifj  folgte 
Ganoffa.  Serler  f- 

Emitter  Stott^tl.  —  Quelle n:  SDte  |muptquellenfammhmg,  bon  ber  in  gufunft  bie 
urfunblid)e  ©efd)id)te  beS  Srienter  Sonjilg  abhängen  wirb,  ift  bie  bon  ber  ®örre§gefefljd.)aft 
1901  begonnene  Sbition  Concilium  Tridentinum ;  diariorum,  actorum,  epistularum,  traeta-  25 
tuum  Nova  Collectio  I,  Diariorum,  P.  I,  Frib.  1901  unb  IV,  Actorum,  P.  I,  Frib.  1904. 
Ta  aber  biefe  monumentale  (Sammlung  erft  fpät  wirb  abgefdiloffen  werben  tonnen,  fo  finb 
mir  oorläufig  nod)  auf  bie  bielfadjen  älteren  Urfunben=$ubIifationen  angemiefen;  Acta  ge 
nuina  s.  oecumen.  concilii  Tridentini  nunc   primum    integra    edita   ab  Aug.  Theiner, 

2  Bbe,  gol.,  Bagabv.  ]874    (entölten  nur   bie  offizielle,    Hon   bem  SJonjilSfetretär  SRafarelii  so 
jured)tgemad)te  ^Relation  über  bie  öffent(ict)en  Vorgänge  p  Srient).    —    Ungebrudte  Berid)te 
unb  £agebüc£)er    *ur  ©efdncbte    beS  tonjilS    Don   Orient,    IjerauSgeg.  Hon  £5.  bon  SMinaer, 
9Jörblingen  1876 ff.;    Se  fjsiat,  Monumenta  ad  historiam  conc.  Trid.  (Lovan.  1781);    ©ictel, 
Rur  ©eftfjicbte  beö  ^onplS  öon  Orient,  3  Abteilungen,    SBien  1870-72;    9t.  n.  Sruffel  unb 
S.  Sranbi  (5  §efte  =  I.  83b  1899),  Monumenta  Tridentina;    Lettres  et  memoires  de  Fran- 35 
jois  de  Vargas  etc.      .      avec  de   remarques    par  M.  Mich,  le  Vassor.,    9(mfterbam  1699 ; 
G.  J.  Planckii,  Anecdota  ad  hist    Concilii  Trid.  pertinentia,  26  ©öttinger  ^eftprogramme, 
1791 — 1818;"  Generoso  Calenzio,  Documenti  inediti  e  nuovi  lavori  letterarii  sul  concilio  di 
Trento  (Roma.  Spithoever)    1874,    680©.;     Lämmer,  v  Meletematum  Rom.  Mantissa,  1875; 
Sannatbi,  Annales  T.  XXI,  ad  annum  1545 sqq. ;  3.  Sufta,    ®ie  3ti3mifcbe    Surie    unb    baS  40 
Sonäil  0.  Orient  unter  <ßiu§  IV.,  5Bien  1904  (ogl.  5B.  grteben§burg§  SRecenfion  in  ©g©  1906 
[3an.j  9h\  I).  —  Sitteratur:    Paolo  Sarpi,  Istoria  del  concilio  Tridentino,    Lond.  1619 
(franjöfifcf)  unb  mit  9lnm.  uon  le  ®oural)er   1736;     beutfdj    Bon  Stambact)    1761  ff.  unb    üon 
fflinterer,  2.  31.  1844,  4  Sbe).  ©arpi  fdjrieb  liberal  partetifd),  ooü  ^afe  gegen  baZ  «ßapfttum ; 
bennoa^  ift  er  btS  beute  unentbebrlid),  weil  er  llrtunben  benugt  unb  ercerpiert  i>at,  weld)e  für  45 
immer  «erloren  finb  (f.  b.  91.  (Sarpi).  ^m  ©egenfatj  ju  it)m  febrieb  jefuitifcf)  partetifd)  Sforja 
i;aüa«icini,  Istoria  del  concilio  di  Trento,  1656   (tat.  91ntwerp.  1670;    beutfd)    oon  ftli£fd)e 
1838);    33rifd)ar,    Rur  Beurteilung  ber  Sontrooerfen   swifcljen  ©arpi  unb  ^attaüicini  (1844, 
2  leite,    uerteibigt   ißaHabicini);     M.    Sljemni^,    Examen  Concilii    Tridentini,    Francofurti 
150."!  sq.  ^at  uorwiegenb  bogmengefdjicbtlidien  Snbalt;  beutfd)  bearb.  «on  SR.  Benebiren,  1884  50 
(mit  erbeblidien  ffurjungen);  Saug,  ^iftorie    beS  Sribentinifdien  Sonsilä    (§aüe  1741—45); 
SBeffenberg,  ®ie  grofjen  tirdjenoerfanimlungeu  be§  15.  unb  16.  Sa^rljunbertS  (1844);  3.  501. 
CMBfdjl,  ©efdiid)te  be§  tonyt§  ju  Sribent,  IRegenSburg  1840;    Bungener,  ©efcbtdjte  be§  Srib. 
•ftonäi(§  (1861);    5)ie  ©efd)äft§orbnung  beä  ftonjil§   oon  Orient,    au§   einer  §anbfd)rift   be-> 
Sat.  9lrct)iD§,  Söien  1871;  «Reimann  in  ©öbelä  %.   Reitfdjr.  XXX,  1873,  ©.  24;  fi.  u.  Manie,  55 
Sie  römifctjen  ^äpfte     .      im  16.  unb  17.  Sabril.  I.  Bb;    berf.,  'Eetitfdie  ®efd)id)te  im  3eit= 
alter  ber  ^Reformation  (3.91.  1852)  V,  71  ff.;    2Rannier,  Etüde  historique  sur  le  concile  de 
Trente,  ^arig  1874  (795  8.) ;     S.  ^aftor,  S)ie    tird)lid)en  9ieuniongbeftrebunaen  wäbrenb  ber 
Regierung   ffiarlö  V.,  1879;  W.  ^dilippfon,  Les  origines  du  catholicisme  moderne :  la  contre- 
revolution  religieuse  au  XVI«  siecle  (*ßart§,  ^eüj;  9llcau.  1884);  5.  "Dittridi,  Beitr.   j.  Wefd).  60 
b.  fnt().  Deformation  im  erften  drittel  beä  16.  3at)fb.  I  unb  II  (§3©  V  u.  VII,  1884  u.  86); 
■H.  Seeberg,  Beiträge  jur  entftet)ung§gefd)id)te  ber  'Seljrbefrete  beö  Äonjil-o  bon  Xvient  I  unb 
II  (3f38ß  1889);    ©.  Mein,  ^aolo  Sarpi  it.  b.  ^roteftanten,  .&etfingfor§  1904;     S.  SRerfle, 
^tö  Sonjil  b.  Sr.  unb  bie  llnioerfitäten,  SBürjb.  1905. 


100  Srtcnter  Sonjtl 

®ie  auttjenlifdjc  9lu§gabe  ber  Srienter  SDefrete  ift  bie  auf  SSefetjl  imb  mit  ^rhnlegium 
$iug'  IV.  1564  in  SRom  burcfj  SRanutiuS  beforcjte  unb  nod)  in  bemfelben  ^a^re  oon  9Kafa= 
reffi  reütbierte  91u§gabe.  9t«§  neuerer  $eit  finb  ferner  bie  91u§gaben  in  ben  uerfdjiebenen 
Sammlungen  ber  fumbolifdjen  33üd)er  ber  iöm.=Iatr).  Sirene  ju  nennen,  bie  oon  ©treittootf 
6  unb  wiener  (©öttingen  1835—38)  unb  bie  oon  ®anj  (SBeimar  1836)  oeranfralteten;  bann  bie 
9lu§gabe  Don  Stifter  (Seidig  1853)  unb  bie  £aud)nitifd)e  £>anbau§gabe  1866.  1883  erfdnen 
ju  $ari§  eine  neue  91u§go6e  ber  Can.  et  decr.  Coric.  Trid.  —  2tn  beutfdjen  Ueberfe^ungen 
ber  Srienter  ®efrete  finb  ju  erwähnen  bie  Hon  3-  @gK  (Supern  1825)  unb  oon  SS.  ©djiEing 
(1845). 

10  ®ogmatifd)e  §ilf§mitte(  (aufjer  bem  genannten  6£)emni$)  finb  bie  3)ogmengefd)id)ten 
oon  SCrjomafiuS,  Slbolf  £arnact,  9?etnt)olb  ©eeberg,  befonber§  aber  SoofS  (4.  Sluflage  1906 
§  74);  ferner  3Rarr)eimcfe,  ©uftem  be§  £atf)oItci§mu§,  I.  33anb;  Zöllner,  ©ümbolit  ber 
römifdj=rartJoIifcr)en  S?irct)e,  Hamburg  1844;  Dealer,  Serjrbudj  ber  ©ümboIif  (1876),  befon= 
ber§  Bon  ©.  73  an.    —    gerner  ift  ju  oergteief/en  £$f.  §.  Seufd),   ®er  Snbei.   ber  oerbotenen 

ib  S3üd)er,  I  (1883).  —  9(u§  ber  grofjen  Qafyl  ber  3)etuü=91rbeiten  feien  errofitmt:  $.  @auben= 
tiu8,  Beiträge  jur  Sirdiengefdjictjte  I  (Sojen,  2Bof)Igemutb,  1880,  590  @.)  enthält  eine  $nr= 
fteflung  ber  Xtjättgfeit  be§  granji§tanerorben§  auf  bem  Xribenter  Sonjil;  33.  SDtardjefe,  La 
riforma  del  clero  secondo  il  concilio  di  Trento:  richerche  storico-critiche.  Torino  (tip.  Can- 
daletti)  1883;     ©.  SDurut),  Le  cardinal  Carlo  Carafa:    etude  sur  le  pontificat  de  Paul  IV 

20  (cf.  Archivio  storico  italiano  1884,  2,  p.  251 — 275) ;  §.  ©rifar  (gefuit),  ®ie  grage  °e§  \>&P\t- 
lidjen  $rimate§  unb  be§  Urfprung?  ber  bifdjöflidien  ©eroalt  auf  bem  Stibentinum  (3t£b, 
VIII,  1884);  berf.,  Qafob  Satnej  unb  bie  grage  be§  2aienfeld)e§  auf  bem  Son^U  oon  Strient, 
Uugebrudte  Sonjügrebe  (3fSf)  V  unb  VI,  1881,  1882);  3.  33ieberfacf,  ®ie  ©etoobnlieiten 
gegen  bie  ®t§jtplinorbefrete  be§  Srienter  Son^lS  (8E££)  VI,  1882);  ©ranberatb,  ®te  Sontro= 

25  öerfe  über  bie  grormafurfadie  ber  ©otte§ftnbfdr)aft  unb  baZ  Stribentinum  (■$%$  V,  1881, 
©.  283 ff.);  ©djeeben,  Sie  Sontrouerfe  über  bie  gormalurfacfje  ber  ©otte§!inbfd)aft  in  ben 
©erediten  unb  ba§  Sribentinum  (in  ber  3eitfd)rift  „®er  $atf)o!if",  1883,  ©.  142  ff.) ;  93.  u. 
2)embin§ft,  ®te  S8efd)icfung  beS  jribentiuumä  burd)  $olen  unb  bie  grage  Born  9JaiionaIfonsiI 
I  (33re§Iau  1883);  ©.,  Sofale  Mitteilungen  über  baZ  Sonsit  Hon  Srient  (3f2f)  IV,  1880,2); 

30  sJ)cartinetti,  Le  pape  Paul  IV.  etc.  avec  des  documents  in^dits  (Rivista  Europea  16.  Oct. 
1877);  ^readnng,  At  the  Council  of  Trent  (church  Quarterly  Eeview,  Apr.  1878,  p.  163 
bi§  184). 

S)aju  fommt,    allgemein  orientierenb:    S)ejob,    De  l'influence  du  concile  de  Trente  sur 
la  littörature  et  les  beaux  arts  chez  les  peuples  catholiques  ($ari§  1885). 

35  3)er  er)emal§  in  9lu§fidjt  gefreute  II.  33anb  oon  SB.  90taurenbrecr)er§  ,,©efd)id)te  ber  fatt)o= 
tifcfjen  ^Reformation"  (I.  33anb  1880)  foHte  roa^rfdjeinlid)  aueb  ba§  Sribentinum  bebanbeln. 
—  3um  ganzen  9lrtifel  ügl.  ©iefeler,  8eb,rb.  ber  firdjengefd).  III,  2(1853),  505—569;  (S.S. 
St).  §ente,  teuere  tirdiengefdiidite,  fjerauSgeg.  üon  ©afj,  33b  2  (1878),  ©.  21  ff.;  Ä-  9t.  £afe, 
Sird]engefdiid)te  (10.  91  uff.  1877)  §  346. 

40  ®er  3Juf  nad)  einer  Deformation  ber  .Utrcfje  an  §aupt  unb  ©liebem  roar  feit  ben 
grofjen  Deformlonätlien  tro^  if)rer  Siifjerfolge  nid)t  öerftummt.  3toar  Mte  ^ü^  JI- 
(1458—64)  bie  SlftyelTation  öom  ^ßa^fte  an  ein  aEa,emeine§  ^onjil  Verboten,  ba  ber  ^Bapft 
über  bemfelben  fter)e;  allein  unter  ben  ©treitigleiten  beö  ^ßa^fttumg  mit  ben  h)eltlid)en 
9JJäd)ten  gegen  (Snbe  bc§  Mittelalter^  mar   an   eine  genaue  ©urdjfüfynmg  biefer  ^aj)a= 

45  liftifd)en  'Xljeorie  bod)  nid)t  31t  benfen ;  ber  franpfifd)e  $bnig  Subtoig  XII.  a^ellierte 
auf§  neue  an  ein  Honjil  im  anfange  be§  16.  3a^uni,ertgf  un^  a^  foüertbS  erft 
Sut^er  1520  baSfelbe  get£)an  fjatte,  r;aben  bie  beutfd)en  Dcid)§tage  fett  1522  mieber^olt 
auf  bie  Einberufung  eineö  Äonjilg  gebrungen,  Dort  meld)em  nid)t  blofj  bie  bae  9teid)  auf= 
regenben  9teUgtonsftrcitigfeiten  gefd^lidjtet,  fonbern  aud)  alle  bie  fd)reienben  Übelftänbe  ab= 

50  gefteßt  roerben  foHten,  über  meldte  man  fid)  mit  Dedit  beflagte.  Sern  Äaifer  Äarl  V. 
lag  aujjerbem  aus  ^olitifd)en  ©rünben  Diel  an  ber  Serul/tgung  ®eutfd)Ianb§  unb  bamtt 
an  ber  Berufung  be§  ^onjil§.  2lUein  bie  5?urie  fürchtete,  baft  ein  allgemeine§  ßonäil 
%  nad)  bem  auftreten  £utb,erg  nod)  gefährlicher  toerben  lönne,  als  l^unbert  $ab,re  bor= 
^er,  unb  ber  SJlebiceer  Siemens  VII.  gravitierte  in  feiner  Sßolitif  toiel  gu  fe^r  nad)  granf= 

55  reid),  al§  bafj  er  juv  görberung  ber  ^ntereffen  RaxlS  ein  Äongil  ^ätte  berufen  fotten. 
^n  ©eutfd)lanb  b,atte  man  groar  fo  feft  auf  ein  fo!d)eg  geregnet,  bafe  ber  Nürnberger 
gieligion^friebe  nur  h\S  jur  @ntfd)eibung  be^felben  einen  f3robiforifd)en  9ied)töjuftanb 
fd)affen  foHte.  Slttetn  fo  lange  GlemenS  VII.  lebte,  backte  in  Dom  niemanb  im  @rnft 
an   bie  Erfüllung   biefe§   laiferlid)en   2öunfd)e§.     2lud)   fein   Dad)folger,    ber    meltHuge 

60  Sßaul  III.,  melier  nad)  40jäb,rtger  X^ätigfeit  als  5?arbinal  mit  ber  Salti!  ber  ßurie 
t)oH  bertraut  roar,  fd)ob  bie  Berufung  be§  Äonjilg  fjinauö,  bi§  er  e§  nid)t  meb,r  umgeben 
lonnte.  3»ar  I)atte  er  fid)  balb  nad)  feiner  ©tublbefteigung  äu^erlid)  ba^u  willig  gezeigt, 
aud)  ein  ^on^il  auf  ben  9M  1537  nad)  9Rantua  einberufen,  tooburd)  bie  ^)roteftanttfd)en 
Geologen  auf  ib,rem  ^onbente  bon  ©d)mal!alben  jur  Slnerlennung  bon  Sut^erö  ,,©d}inal= 


£rienter  ^on^l  101 

falbifcfyen  2lrtifeln"  beranlafjt  mürben;  allein  baä  Äonjil  lam  bocb,  rtid^t  p  (tanbe.  @rft 
trat  kaiU  britter  5trteg  mit  grartj  I.  bon  granfreicfr;  aU  miüfommeneg  §inberni§  in 
ben  2Beg;  bann  folgte  bie  merfmürbige  ©bodje,  mo  fid)  bie  $urie  an  bem  faiferlidjen 
^eligionSgefbräd;  ju  ÜRegenSburg  1541  burcf;  Jlarbmal  ßontarini  beteiligte,  fo  bafe  man 
bielleicfyt  auf  biefem  2öege  hoffte,  einem  Äonjile  aus  bem  SBege  gelten  gu  tonnen;  erft  al§  6 
ber  Äaifer  ficb,  anfdjndte,  bie  religiöfen  Söirren  in  3)eutfcf;lanb  entmeber  mittelft  eine! 
^on^US  ober  auf  einem  9teicr;gtage  auf  eigene  §anb  ju  fdjltcfyten,  ba  fam  ibm  $aul  III. 
notgebrungen  jubor  unb  fc^rieb  ba§  ^onjil  für  ba§  ^afyv  1542  nad)  Orient  au3.  ßu= 
näc^ft  trat  aud;  jetjt  mieber  ein  bolitifd;e3  £jinbemi3  feiner  ©röffnung  entgegen;  e»  mar 
ber  bierte  Ärieg  Sparte  mit  $ranj  I.  @rft  1545,  al§  bie  9ttadjt  $arl3  V-  auf  bie  für  10 
SRom  gefährliche  §öb,e  geftiegen  mar,  bafj  er  hoffen  burfte,  felbftftänbig  ben  $roteftanti§= 
mu3  burd)  2Saffengemalt  nieberjufdjlagen  unb  baburd)  fein  eigene!  Übergemidjt  über 
granfreid)  unb  ba<S  ^ßabfitum  fidler  ju  fteßen,  erft  bann  mürbe  ba!  $ongil  mirflid)  er= 
öffnet,  unb  jmar  ju  STrient,  ber  §aubtftabt  be§  italterttfct)en  Sfyrofö,  in  ber  bifcfyöfltcfyen 
©tabt,  in  mekfyer  ber  ttalienifdje  ^arbinal  unb  SBifcfyof  Sftabru^e  regierte  unb  mofyin  ber  15 
^atoft  bon  9tom  aus>  jeberjeit  feinen  ©tnflufj  geltenb  machen  lonnte.  ©in  freie!  beutfd)e3 
ßonjil,  nacb,  meinem  man  in  proteftantifcfyen  Greifen  Verlangt  t)atte,  mar  ba<§  alfo  nid^t; 
bcnn  Orient  mar  unb  ift  nocb,  I)eut  eine  italtentfd^e  ©tabt  (Srento).  ©in  örumenifcfyeg 
Äonjil,  mie  e3  ftcfc,  nannte  unb  mie  e£  nocb,  fyeute  Dom  gangen  römifdjen  $atl)olici3mu3 
aufgefaßt  mirb,  ift  e!  auct)  nid;t  gemefen ;  benn  e§  finb  nie  äße  djriftlidjen  Völler,  nicf;t  20 
einmal  bie  be§  d>riftlicr;en  2lbenblanbe3  ba  bertreten  gemefen  (au3  ®eutfcf;lanb  nahmen 
in  ben  beiben  erften  gerieben  nur  acfyt  33ifd)öfe  teil,  fbäter  nod;  meniger,  bie  ^ranjofen 
fehlten  in  ber  jmeiten  $ertobe  gänjlid;;  in  ben  midjtigfien  ©jungen,  mo  über  ^eilige 
©a)rift  unb  ^Rechtfertigung  befrettert  mürbe,  maren  nur  etma  60  Prälaten  auf  bem  ßonjil, 
barunter  lein  einiger  beutfcfyer  (bgl.  feiner,  Acta  genuina  I,  89  sqq.).  ®ag  'ütrienter  25 
ßonjil  gilt  aber  boer)  mit  3tect)t  al§  Siegeneration  bes>  rbmifdjen  $atr;olicts>mu§ ;  ber 
römifcfye  £>ierarcf;i€mu3  unb  bie  römifdje  28erff)eiligleit  rafften  ftd;  p  einer  entfdjiebenen 
2lbtoebr  be!  $ßroteftanti3mu<§  auf  unb  gaben  in  SBerfaffung  unb  SDogma  ber  römifdjen 
$ircf;e  ba§  ©ebräge,  melcf;e§  fie  feitbem  unberänbert  behalten  b,at,  fo  ba|  bie  fc>atifanifcr)e 
©^nobe  im  ^ja^re  1870  auf  ben  'jErienter  3Serfaffung§bau  nur  ba§  Irönenbe  ^ad)  p  30 
fe|en  brauste;  baä  SErienter^on^il  fdjeibet  bie  römifef/e  unb  bie  broteftantifd)e  2Belt  no<^ 
freute;  barauf  (nid;t  auf  bem  gleichzeitigen  ©biel  ber  eurobäifd;en  ^Solitif,  ba§  mir  ^ier 
nid)t  berfolgen  lönnen)  beruht  feine  Söidjtigleit. 

2)a§  ^on^il,   meld;e§  bon  1545—1563  mit  Unterbrechungen  tagte,    berlief  in   brei 
$erioben,  bie  felbft  miber  burd;  bie  allgemeinen  Söettberr/ältniffe  bebingt  maren:  bie  erfte  35 
unter  $abft  ^5aul  III.  bon  1545—1547  in  gelm  ©jungen,  bie  jmeite  unter  ^uliu§  III. 
bon  1551—1552  mit  ber  11.— 16.  ©i^ung  unb  bie  britte  unter  $iu§IV.  bon  1562—1563 
mit  ber  17.— 25.  ©i^ung. 

Sie  Seitung  be<§  Konnte  übertrug  ^aul  III.  (am  22.  gebruar  1545)  ben  brei 
Äarbinälen  ©ei  3J?onte,  9JiarceIlu§  (Serbini  unb  3teginalb  $ole.  2lm  13.  9Kärj  jogen  40 
bie  beiben  erftgenannten  in  Orient  ein,  aber  nod)  am  ©onntage  Sätare  mar  aufjer  ben 
Legaten  nur  ein  Sifdmf,  ber  bon  geltre,  antoefenb,  fo  bafe  bie  ©röpung  be<§  Äonjil€ 
(„ob  hanc  et  quasdam  praeterea  causas  ex  voluntate  summi  pontificis")  ber= 
|a)oben  mürbe  (feiner,  Acta  genuina  I,  p.  20).  SDie  Segaten  mußten  faft  10  9Jlonate 
in  Orient  märten,  bi§  fid;  etma  30  „Patres"  pfammenfanben,  fo  ba^  man  enblid^  ba§  45 
Äon^il  eröffnen  fonnte  (Jftatynalb,  Annales  1545,  34).  S)ieä  gefcfyar;  feierlicb,  am 
13.  Sejember  1545.  2tber  nod;  ein  baar  9Jconate  lang  mußten  bie  Säter  nitf;t§  9?edb,teg 
anzufangen;  bie  brei  erften  ©jungen  berliefen  fo  gut  mie  inhaltlos ;  erft  in  ber  bierten 
Sitmng  trat  baö  ^on^il  mit  feiner  ftrdjertgefcf;id)tlicr;  i) odibebeutenben  Arbeit  fjerbor,  inbem 
ef  f^ftematifeb,  hm  gefamten  $roteftanti3mu<§  ju  berurteilen  begann.  Sie  23erl)anblungen  50 
Hg  jur  bierten  ©i|ung  Ratten  ^aubtfä^Iicb,  ber  geftfteöung  einer  ©efd)äftSorbnung  ge= 
gölten,  üflit  richtigem  SSIicfe  ermartete  ber  Haifer  kaxl  bie  3lbfteEung  ber  fdjreienben 
tira^licfjen  SOti^ftänbe,  um  baburd)  bie  2Ret)r3aI>I  ber  ^roteftanten  jufrieben  ju  fteCen  unb 
ben  ^rieben  im  9teid;e  ju  erlangen;  bie  bogmatifdjen  Differenzen  blieben  für  biefen 
biblomatifcfyen  9led)ner  ftetg  3Rebenfad;e.  Umgeiefyrt  lauteten  bie  2lbfid;ten  ber  Äurie ;  65 
jtrar  fträubte  man  fieb,  nid)t  gegen  eine  innertirdjlicfye  Reform,  borau^gefe^t,  ba|  niemanb 
am  Seftanbe  ber  lird)lid)en  §ierard;ie  rüttele;  aber  baö  ^aubtintereffe  richtete  fid;  fyter 
auf  bie  bogmatifd)e  Slbleb^nung  alle!  ^SroteftantigmuS,  um  eben  ben  Seftanb  ber  römifd)en 
Äircb,e  fidler  ju  erbalten.  Unter  folgen  Umftänben  mar  bie  geftfteßung  ber  @efd;äft§= 
orbnung  bon  größter  2öid)tigfeit.     ®an!   ber  Älugb,  eit    ber  bäbftlid)en   Segaten ,    meiere  60 


102  Srtentcr  gonjtl 

fdmn  im  SejemBer  1545  an  arme  33ifd)öfe  2000  ©olbfiüde  bertcilt  Ratten  (©arbt,  beutjdEj 
bort  SBinterer  I,  243,  auS  einem  ©cfyreiBen  ber  Segaten  an  ben  ^äa^ft),  gelang  eS,  bie 
©efdjäftSorbnung  gur  3ufr;ebenl>ett  beS  ^ßabfteS  burcbjufeijen,  bie  Abftimmung  foHte  nacb, 
köpfen,  nict/t  na<|  Nationen  gefd;eb,en;  baS  Stimmrecht  foHte  nur  ben  in  $erfon  an= 
5  toefenben  SBifdjiöfen  unb  ben  DrbenSoberen  auflegen  (bafe  Ie£tere  im  bätoftlidien  ^ntereffe 
ftimmen  mürben,  mar  im  allgemeinen  ju  erwarten);  bie  Segaten  erhielten  baS  Stecht,  bie 
©egenftänbe  ber  33ert)anblung  feftjuftellm  unb  bie  Äommiffionen  ober  Kongregationen  für 
bie  Beratung  berfelben  ju  mahlen,  gür  atle  fct)toierigen  gälte  foEle  bie  bäbfilidje  @nt= 
Reibung  eingeholt  toerben.    (©d)on  im  SDe^ember  1545  Ratten  bie  Segaten  an  ben  ^ßabft 

io  baS  ©efud)  gerichtet,  „bafe  bon  Orient  Bis  9tom  immer  (Siltoferbe  Bereit  ftünben,  um  an 
jebem  SEage,  ja  ju  jeber  ©tunbe,  toenn  eS  bie  Umftänbe  erforberten,  in  rafd;er  SSerBinbung 
ju  ftefyen".  ©arbi,  beutfeb,  bon  Söinterer  I,  243).  3)af>er  ift  fbäter  bie  ©bottrebe  ent= 
ftanben,  „bafj  ftd^>  ber  ^eilige  ©eift  bon  9tom  aus  juroeiten  berjögere,  toenn  bie  glüffe 
austräten  unb   baS  ^ßaefet  jurüdlnelten"     (AIS  Sonmot   beS   franjöfifc^en  ©efanbten, 

15  allerbingS  erft  auS  bem  gafyre  1562  befannt,  bei  SRartin,  Hist.  de  France  t.  IX,  170; 
§en!e,  teuere  ®ird)engefcf).,  fyerauSgeg.  b.  ©af$,  33b  II,  ©.  25).  ^n  ber  fcfytoierigen 
grage  bollenbS,  oB  guerft  über  bie  Reform  ober  aber  üBer  baS  ©ogma  berfyanbelt  toerben 
foKte,  einigte  man  fid)  baf)in,  bafs  jjtoar  über  beibeS  jugleic^  berfyanbelt,  baft  aber  immer 
erft  bie  bogmatifcfyen  Angelegenheiten  erlebigt  toerben  füllten.   Aucb,  fo  mar  ber  ©ieg  beS 

20  spatofttumS  über  ftaifer  unb  Äonjil  fd)on  im  Anfang  entfdjieben. 

®ie  3Serb,anbIungen  mürben  bemnacB,  juerft  in  ben  Kommifftonen  ober  „®ongre= 
gationen"  geführt;  blatte  man  fid)  in  benfelben  über  einen  33efc£)luf$  geeinigt,  fo  tourbe  er 
in  einer  feierlichen  ,,©i|ung"  berfünbigt,  nacfybem  B,ier  bie  berfammelten  3Sätcr  mit 
„Placet"  geftimmt  Ratten.   (®ie  3Serfammlungen  fanben  unter  ^3aul  III.  unb  Julius?  II. 

25  im  ®om,  fbäter  in  ber  ^?farrlircb,e  ©.  9Jiaria  SJtaggiore  ftatt;  feierlid)  brollamiert  mürben 
bie  SDefrete  aber  immer  im  £>om.  Über,  baS  Sofal  bgl.  §eiber,  bon  @itelberger  unb 
£iefer,  SRittelalterlidje  Saubenfmale  bon  Öfterreid)  I,  Stuttgart  1856—1858,  ©.  155, 
bgl.  £enfe,  teuere  $ird)engefcf/id)te  II,  1878,  ©.  26.)  Sie  33efd)lüffe  verfallen  in 
Decreta  unb  Canones;    jene   Betreffen   teils  ben  ©lauBen  (de  fide),   teils  bie  Reform 

bo  (de  reformatione  ober  diseiplina)  unb  geben  bie  römifcb^ftrcblicfye  Sefyre  in  bofitiber, 
aber  fefyr  oft  biblomatifd)  berfmllter  gorm;  bie  Canones  bagegen  enthalten  in  furjen 
©ä£en  bie  entgegenftefyenben  fieberen  unb  belegen  fie  mit  bem  Anatfyem.  SDa  buref)  bie 
Decreta  de  fide  ber  ^ßroteftantiSmuS  abgelehnt  mürbe,  fo  nehmen  fie  fyaubtfäcblicb,  unfer 
Qntereffe  in  Anfbrucb,.    ©ie  enthalten  feine  auS  bem  römifcfyen  Sürcfyenbrinaib  abgeleitete 

35  ft)ftematifcfye  Ausführung  ber  römifdj=fircf)licf)en  Sefyre ,  fonbern  nur  bie  bogmatifdje  Ab= 
lefynung  ber  brei  ©runbgebanfen  beS  fird)lid)en  ^roteftantiSmuS.  §atte  biefer  1.  burdj 
bie  9tecf)tfertigungS=  unb  bie  @rmäb,lungSleB,re  bie  freie  ©nabe  ©otteS  mit  3luSfcb^lu^ 
aller  menfd;lid)en  2?erbienfte  gelehrt,  fo  mufete  je£t  bie  2Berfgered^tiglett  mieber  b,ergeftellt 
merben;    blatte   2.   ber   ftrd>Iid^e  $roteftantiömu<3  gleichzeitig   bie  Rechtfertigung  unb  bie 

40  ©rmäfylung  in  ber  Communio  sanetorum  realifiert  gefunben,  fo  bafj  bie  Kirche  als 
„baS  {»eilige  d^riftlic^e  Soll"  befiniert  mürbe,  bem  bie  SRittel  ber  ^rebigt  beS  göttlichen 
SBorteS  unb  ber  33ermaltung  ber  ©aframente  ju  BleiBenber  Übung  anbertraut  finb,  fo 
follte  im  ©egenfa^  baju  bie  Kirche  mieber  als  fyierardjnfcf/e  ©aframentSanftalt  über  ben 
©laubigen   aufgerichtet  merben;   blatte  enblicf)    3.   ber  ^ßroteftantiSmuS  feine  @r!enntniS 

45  lebiglid)  auS  ber  ^eiligen  ©c£)rift  abgeleitet,  fo  mu^te  ber  SErienter  Kat^ottciSmuS  baS 
SErabitionS^rinji))  erneuern,  um  äße  biejenigen  fieberen  unb  Übungen  §u  berteibigen,  meld)e 
fieb^  nict)t  auS  ber  33ibel  ableiten  liefjen.  ®a  bie  ißäter  ^u  Orient  mit  ©cf)langenflug^eit 
gu  2öerle  gingen  (fie  Ratten  bon  Anfang  an  unter  ben  ju  $Rate  gezogenen  2:B,eologen 
bie  bom  ^ßa^fte  ifmen  ^ugefcfiicften  ^efuiten  ©almeron  unb  Sainej),  fo  berfub,ren  fie  plan= 

so  mäfjig  in  ber  Drbnung,  ba^  fie  naef)  SSerlefung  beS  nicänifcljen  ©laubenSbelenntniffeS 
in  ber  britten  ©i|ung  (moburef)  ber  ßuf^mmenljang  beS  tribentinifcb,en  mit  bem  alten 
Sktf)oIictSmuS  bemiefen  toerben  fotlte)  erftenS  in  ber  4.  ©i|ung  baS  römifeb^e  ^ErabitionS= 
pün^p,  jtoeitenS  in  ber  5.  unb  6.  ©i|ung  bie  römifcb,e  2Berfgerc$tig!;eitSlet)re  (mit 
ib^rer  3SorauSfe^ung,  ber  Sefyre  bon  ber  2BiHenSfreib^eit  aueb^  im  fünbigen  SRenfcfyen)  unb 

55  brittenS  bon  ber  7.  bis  jur  legten  ©i|ung  bie  römifd;e  ©alramentslebje  jur  Sefeftigung 

beS  (als  felbftberftänblicb,  borauSgefe^ten)  ^ierarcb^ifc^=fafeamentaIenKircf)enbegriffSfeftfteilten. 

ßuerft  alfo  foHte  bem  ^roteftantiSmuS   ber   fefte  ©runb   feines  ©cfyriftbrm^S  ent= 

jogen  toerben.    ßu  biefem  3^^d'e  belretierten  bie  SSäter  in  ber  4.  ©ifcung  am  8.  Slfcril 

1546,  ba^  bie  atooftolifdjen  Srabitionen  „mit  gleicher  33ereln*ung"  (pari  pietatis  affectu 

60  ac  reverentia)  aufgenommen  toerben  füllten,  toie  bie  fyeüige  ©cb,rift. 


Erteilter  ®o»3Ü  103 

(iin  23tfd>of,  ber  Don  Gbjo^a,  erflärte  btefert  2lu3brudf  ^mar  für  „gottlog  (impium)", 
mufetc  aber  roiberrufen.    C^^einer,  Acta  genuina  I,  85a). 

yiifyt  blof?  bieg:  "äu<$)  bie  ^eilige  ©cfyrtft  felbft  würbe  in  einem  für  bie  ^ßroteftanten 
unannehmbaren  Umfange  fanftioniert,  nämlid)  mit  ben  fanonifc^en  Supern  beg  2lig 
aui)  bie  abofrfybfyen,  obgleich,  biefe  aug  bem  aleranbrmifcf/en  ^ukttfum  ftammen ;  jroifdjen  5 
DJJofe  unb  bem  58ud)e  3U^^/  stoifdjen  Qefaia  unb  bem  SBucfye  ©per  finbet  ferner  fein 
2Bertuntcrfd)ieb  ftatt;  unb  mit  falfdjer  Soreiligfeit  traf  man  $eftfe£ungen  über  bie  bib= 
Uferen  Tutoren  unb  bie  gar/l  if)rer  Sucher,  Woburd)  alle  freie  SBibelforfdjmng  abgefdmitten 
lourbe.  ©tatt  auf  ben  fyebräijcr/en  unb  ben  grieeb/ifdjen  ©runbteri  berroieg  man  bie  S£^eo= 
logen  unb  ©eiftlicf/en  auf  bie  alte  latetnifd^e  2Mgata,  obgletd)  man  felbft  lein  5Ruftcr=  10 
ejemblar  berfelben  jur  §anb  b^atte  ober  überhaupt  lannte.  ©ie  follte  „für  aut^enttfer) 
gehalten  roerben  (pro  authentica  habeatur)",  lautet  bag  biblomatifcb,  berechnete 
fembfeljlunggurteil.  ©d)on  burd)  biefeg  ©etret  blatten  fieb;  bie  Slrienter  SSäter  gegenüber 
ben  ©cfyriftbetoeifen  ber  ^roteftanten  freie  Saljm  gefcfiaffen.  2öo  bie  ©cf)riftargumente 
nidit  ausreichten,  beriefen  fie  fid)  auf  bie  unfontrollterbare  ^rabitton;  Wie  oft  fie  bieg  15 
im  Verlauf  beg  ganzen  ^onjilg  getr)an  fiaben,  ift  in  bem  Slrtilel  „^rabition"  nacf/= 
geroiefen.  ®ag  ®e!ret  ber  4.  ©i|ung  blatte  ben  3Sätern  ben  2öeg  gebahnt,  auf  welchem 
fie  nunmehr  ben  SRittelbunft  ber  broteftantifef/en  fiebere  angreifen  lonnten.  SDag  rtäct)fte 
Öaubttljema  mürbe  bag  Redjtfertigunggbogma,  für  melcf/eg  bag  bon  ber  ©ünbe  in  ber 
5.  ©i£ung  am  17.  3"™  nur  bit  93orausfe^ung  bilbet.  §atten  bie  Reformatoren,  um  20 
ben  ©ünber  ju  bemütigen  unb  bie  ©nabe  ©otteg  ju  erb/öfyen,  bem  fünbigen  SRenfdjen 
alle  ©ereef/tigfeit  im  geiftticfyen  ©inne  (justitia  spiritualis)  abgefbrocfyen,  fo  gog  fieb  bie 
Srtenter  ©imobe  jeijt,  bie  ©treitigleiten  in  if)rer  eigenen  Sftitte  flug  übergefyenb,  auf  bie 
übliche  fcfyolaftifcf/e  2eb,rform  jurüct,  bie  man  brauchte,  um  bie  3üerbtenftUct)5eit  ber  guten 
Söerte  behaupten  gu  fönnen.  £)ie  urfbrünglid)e  ©eredjtigfeit  r)at  ber  SRenfcfc,  jtoar  burd>  25 
ben  ©ünbenfaH  berloren,  aber  feine  natürliche  2BtHengfretl)eü  ift  nidjt  bemidjtet,  fonbern 
nur  gef ct)rDäct)t ;  bie  Streitfrage  ber  ©ominifaner  unb  ber  granjiglaner  über  bie  fünblofe 
(Imbfängnig  ber  Jungfrau  9Jcaria  mürbe  mit  2tbftd)t  umgangen,  inbem  fiefj  bie  SSäter 
auf  ben  ©tanbbunft  ©ijtug  IV  [teilten.  (3)anj,  p.  26).  2luf  bem  ©runbe  ber  5.  ©i|ung 
baute  fid)  bann  bag  SDogma  ber  fecbjten  auf,  bie  aber  wegen  beg  fdjmalialbifdjen  $riegeg  30 
erft  am  13.  Januar  1547  gu  ftanbe  !am.  Stuf  bie  Raffung  beg  9xed)tfertigunggbogmag 
fam  alleg  an.  ©aber  toaren  bie  S3orberf)anbIungen  fdSwierig  unb  »erliefen  oft  ftürmifcb,; 
einmal  tourben  bie  3Säter  b/anbgemein  (bie  urf  unblict/e  ©cfyilberung  bei  feiner  1.  c.  p.  194a). 
ßg  fehlte  nicfyt  an  ebangelifdjen  ©r/inbatbien  (feiner  1.  c.  I,  161a),  alg  beren  §aubt= 
jeuge  ber  ©eneral  beg  3luguftinerorbeng  ©ertbanbo  auftrat,  ber  äfynlicf)  tote  ßontarini  35 
ju  ^iegengburg  auf  ben  ©lauben  an  bag  3Serbienft  ßfmfti  ben  Racfybrucf  legte  unb  fo 
bie  Rechtfertigung  felbft  aug  ©laube  unb  Siebe  Verborgenen  lief;.  2Illein  im  ©r/ftem  beg 
ganzen  römifcfyen  ^iret/entumg  brauet/te  man  bie  SSerbienftlidjfett  ber  guten  Sßerfe  fo  feb/r, 
bafe  man  fie  gerabe  Iner  ntct)t  entbehren  lonnte.  ®ie  Justificatio,  welche  in  Orient 
belannt  tourbe,  ift  burcfyaug  antibroteftantifcb,  gebaut:  eg  ift  bie  ©erecfytmacfyung,  ju  40 
welcber  ber  getaufte  fatfyolifct/e  ßb,rift  bureb,  eigene  üraft  unb  bureb,  göttliche  ©nabenb,ilfe 
gelangt,  fo  ba%  er  ftdt>  frf;lie|licb  alg  Sob^n  feiner  5£ugenbmül;en  bag  eroige  Seben  ber= 
bient.  (-Danj  1.  c.  p.  82  sqq.).  ©amit  mar  ber  Sßerffyeiligleit  mieber  ^bür  unb  %t)ox 
geöffnet ;  unb  menn  man  aud)  mct)t  gerabe  ben  Wlut  blatte,  bie  £eb,re  bon  ben  SSerbienften 
in  ber  roben  gorm  ber  fbäteren  ©cfjolafti!  ju  fanltionieren  (in  Sess.  VI,  decretum  de  45 
justificatione,  cap.  5,  umging  man  j.  83.  ben  2tugbruc!  meritum  de  congruo,  trug 
aber  bie  ©acb,e  im  Slnfcb^lufe  an  33iet  bor,  bgl.  9R.  6b,emni|,  Examen  concilii  Trid. 
ed.  ^reufe  p.  178):  bie  2Bat?rb;eU  beg  broteftantifdjen  §eilgbrin^i)3g  mar  geleugnet,  alle 
§eilggemif$eit  aug  bem  gläubigen  6t)riftenmenfd;en  in  bie  briefterlicfye  ©aframentganftalt 
Verlegt,  ^nbem  aber  bie  S?irdbe  eg  ift,  roeldje  bie  für  bie  SSerbienfte  unumgänglid;  nötige  bo 
göttlicbe  ©nabe  mittetft  ber  ©alramente  in  bag  ^d)  überleitet,  fo  füb^rt  biefe  WtfyU 
fertigungglef)re  bon  felbft  jur  ©aframentgleb,re.  ®ie  ©alramente  finb  bie  für  bie  ©erecb> 
ntad)ung  notmenbigen  SRittel  („per  quae  omnis  vera  justitia  vel  ineipit  vel  coepta 
augetur  vel  amissa  reparatur",  Sess.  VII,  decr.  de  sacramentis,  prooemium 
Danz  p.  55).  .statten  bie  ^rienter  Sßäter  bie  römif^^atbolif^e  Seb/re  objeftib  fi;ftematifd}  65 
borgetragen,  fo  blatten  fie  alfo  erft  bon  &ircf)e  unb  ©alramenten,  bann  bon  bem  burd> 
bie  lird^Iid^e  ©aframentganftalt  bermittelten  §eile  fbreeben  muffen,  ©tatt  beffen  ftellten 
fte_  nur  im  antibroteftantifeben  braftifdien  ^ntereffe  biejenigen  Scbren  auf,  meldte  jur  s5c-- 
feftigung  ber  römifd)=fird)lid)en  ©aframentganftalt  unbebingt  notmenbig  ioaren.  :^a, 
toäbrenb   fie   b,ier   junäcbft   bie  römifd)=fatf)olifd)e  Sebre  bon  ber  ^ircf)c  unb  erft  im  .311=  uo 


104  Xtienkt  ^on^il 

fammen^ange  bamit  bie  bon  ben  ftrcf)licben  ©aframenten  blatten  auffteflen  fotlen,  frf)h)iegen 
fie  über  bie  Äircfje  übertäubt,  obgleicf;  fie  taufenb  üßeranlaffungen  jum  reben  blatten,  unb 
in  Se^ug  auf  bie  ©aframente  entfetten  fie  ftcf;  jeber  £r)eorte  über  bal  Söefen  imb  bie  innere 
DotWenbigfeit  berfelben,  beibeS  um  unliebfamen  (Erörterungen  au§  bem  Söege  $u  gelten; 
5  man  begnügte  fid),  ben  ©aframentSmecfjanismiuio  in  feinen  einzelnen  teilen  $u  befcfyreiben 
unb  al§  notwenbig  fnnjuftelten.  ©ie  ^iroteftartttfd^e  fiebere  bon  ber  ^irdje  als  ber  ©e= 
meinbe  ber  6£>riftu§gläubigen,  Welche  jWar  bie  ^rebigt  be§  göttlichen  2öorte§  unb  bie 
©benbung  bon  Saufe  unb  2lbenbma^I  als  göttliche  ©nabenmittel  b,at  unb  übt,  aber  im 
geifilitfjen  Sltnte  bocfj  nur  eine  fircf>enorbnungSmäf3ige  ©inrieb, tung,  fein  ©nabenmittel  fielet 
10  —  biefe  fiebere  War  auef)  fo  berWorfen.  SDaS  Srienter  ^onjil  fteHte  bie  Siebenmal)!  ber 
©aframente  feft  unb  Wibmete  ben  Dogmen  über  bie  einzelnen  ©aframente  alle  ©jungen 
bon  ber  fiebenten  (3.  SJlärg  1547)  an  bis  jur  bierunbjtbanjigften  (11.  Dobember  1563); 
boefj  erWecfen  biefe  alle  in  bogmattfdjer  §infid)t  ntdjt  baS  ^ntereffe  ber  4.-6.  ©i£ung. 
$aum  blatte  man  inbeS  bie  33erl)anblung  über  bie  ©aframente  begonnen,  als  ber  $aifer 
15  bem  ^jßabfte  übermächtig  ju  werben  festen ,  fo  bafc  biefer  unter  bem  93orWanbe  einer  in 
•vlrient  aufgebrochenen  ©pibemie  (SDanj,  p.  68)  baS  ^onjil  aus  ber  ©binäre  beS  faifer= 
liefen  ©influffeS  naefy  ^Bologna  berlegte.  3Rtt  ber  infyaltslofen  8.  ©ttjung  am  11.  Wär% 
1547  „fcfylofj  baS  Srienter  $onjil  feine  erfte  $eriobe. 

Überbauen  mir  ben  3nb>It  ber  in  berfelben  $eit   beretnbarten  Deformbefrete,   um 

20  un<3  ein  Urteil  $u  berfcfyaffen  über  baS,  roa§  man  fief)  bamalS  in  Dom  als  „Deformation" 

etwa  gebaute  gefallen  ju  laffen.   ©aS  ^onjil  be!retierte  bie  2InfteHung  bon  tfyeologtfdjen 

Seftoren  an  ben  ^atljebralftrcfjen  (Sanj,  p.  27),   ermahnte  bie  33ifdjöfe  pr  $rebigt  beS 

©bangeliumS  (Sessio  V)  unb   berbflidjtete   fie   ^ur  Defibenj   (Sessio  VI)  „boct)  nur  fo 

weit,  bafj  immer  noer)  ju  ©unften  römifct)er  Geboten  2fuSnal)men  möglief)  blieben"  (£>enfe 

25  a.  a.  D.  ©.  29);   eS  unterwarf  audj   bie  ©omfabitel  ber  Slufftcfyt  ber  33ifcf)öfe  (®anj, 

p.  50  sqq.)  unb  berfcfyärfte  bie  Sebingungen  %uv  ©rfangung  firtfjlicfyer  älmter  (Sessio  VII, 

®anj,  p.  60  sqq.).    (Sine  foldje  „Deformation",   Welcf/e  bie  ©djäben  ber  $irct)e  nicfyt  bei 

ber  Sßurjel  angriff,  fonnte  felbft  bem  Äaifer  rttct)t  genügen,  um  burefy  fie  bie  ^ßroteftanten 

jum  Söieberanfcf/Iufc  an  bie  römifcf)e  ^ircfje  ju  gewinnen;  unb  ba  bie  bogmatifdjen  ©efrete 

30  bollenbS  feine  ^ßläne  bureb^freujen  mufstejj,  fo  berbinberte  er  gunäcfyft  if)re  Sßeröffentlictjung, 

um  ben  ^roteftanten  ben  SBeg  jum  ßonjtl  offen  ju  galten;  bie  9Jkcf/t  batte  er  }a  je|t, 

biefe  im  DotfaE  mit  ©etoaft  jum  2lnfcf)Iu§  an  ba3  ^onjif  ^u  jmingen.    ©a  fdjmitt  ifjm 

ber  ^liabft  bie  -JRöglidjfeit  ba^u  ah,  tnbem  er  ba§  Äonjil  in  feine  eigene  Däfye  naf;m;  ber 

^Proteftanti§mug  in  ©eutfcfylanb   aber  war  tro|  feiner  boIitifd)en  Dieberlage  —  gerettet. 

35  ©o  lange  ^aul  III.  lebte,  war  an  eine  Dücf f ül)rung  be§  ^ongifg  naef)  Orient  niebi  gu  benfen. 

3u  Bologna  fam  t§  ju  feinen  öffentlichen  i&erfyanblungen,  ba  fict;  bie  SSäter  nict)t 

in  genügenber  Qafy  jufammenfanben.    £>ie  f)ier  abgehaltenen  ©jungen,  bie  neunte  unb 

bie  jetynte   (bom  21.  2lbril  unb  2.  ^uni  1547)   berliefen  refuItatloS  (®anj,  p.  68—71, 

boefj  bgl.  feiner,  Acta  genuina,    praef.  p.  XIII  [patres]  „haud  otiosi  erant"). 

40         @rft  al§  ber  ßarbinal  bei  SRonte,   Welcher  bem  5lonjiI  in  feiner  erften  p3eriobe  aU 

erfter  Segat  bräfibiert  blatte,   im  ^al;re  1549  al3  Julius  III.  auf  ben  bäbftlicfyen  ©tub^l 

erhoben  War,  Würbe  auf  ©runb  feiner  Sülle  Cum  ad  tollenda  (Romae,  18.  Kai.  Dec. 

1550,  ©anj  p.  71)  ba3  Äonjil  p  Orient  fortgefe^t.    ©<§  tagte  in  fecf)§  ©i^ungen,    bon 

ber  11.  bi§  jur  16.  (am  1.  3Jiai,  1.  ©ebtember,  11.  Dftober,  25.  Dobember  1551,  baju 

45  am  25.  Januar  unb  28.  Slbril  1552).     2luf   bem  bogmatifeljen  ©ebiete   fe^te   man   bie 

©aframentsslefyre  fort.    Dacfjbem  in  ber  7-  ©itjung   fcfjon  über  SEaufe  unb  girmung  ge= 

fyanbelt  War,    entfct)teb  ba§  ^ongtl  in  ber  13.  ©itjung  über  ba§  fy.  3lbenbmal)l  unter 

SiUigung  ber  SranSfubftarttiation   mit    allen  it)ren   33orauSfe|ungen  unb  Folgerungen 

(2)ang,  p.  75  sqq.),  in  ber  14.  ©i|ung  über  baS  ^ßönitensfaframent  mit  ber  ^Dreiteilung 

so  bon  contritio  cordis,  confessio  oris  unb  satisf actio  operis  (SDanj,  p.  91  sqq.);  bie 

fiebere  bon  ben  „^nbulgenjen"  aber  berfd)ob  man,  Wie  bie  bon  bem  ©enuffe  be§  3tbenb= 

mafjtö  unter  einer  ©eftalt  unb  bon  ber  SJteffe  (bgl.  SDanj,  p.  89),  Weil  bie  ^ßroteftanten, 

beren  Slnfunft  man  erwartete,   mcfjt  bura)   biefe   fyeiflen  SLl;emata  gereift  Werben  füllten 

(bgl.  SDang,  p.  89).    (ErtblidE)  t)anbelte  man  no<f;  über  ba§  ©aframent  ber  legten  Delung 

55  (®anj,  p.  102 sqq.).    ©iefe   befreie   beWeifen,    baf  bie  ©bnobe   in  ftarrer  ^onfequenj 

Weiter  arbeitete  unb  gar  nicfyt  baran  bacfjte,  bem  $roteftantiSmu§  bogmatifc^e  3«0eftänb= 

niffe  ju  machen.   2)ie  beiben  gleichzeitigen  Deformbefrete,  Welche  in  ber  13.  unb  14.  ©üjung 

(©anj,  p.  84  sqq.  unb  109  sqq.)  angenommen  Würben  unb  bie  größere  ©icfyerfteflung  ber 

3Racf)t  ber  §8ifcb;öfe  in  iljren  ©iöcefen  betrafen,  erreichen  nicfyt  im  entfernteften  bie  9Bicf;tig= 

60  feit  ber  bogmatifapen  geftfe^ungen. 


Srtenter  ^ottjtl  105 

^n  fircfylicfe^bolittfcber  Sqieljmrtg  ift  bagegen  bie  ämeite  Veriobc  beS  $onjilS  ungleich 
intereffanter  als  bie  erfte,  meit  bei  $aifer  Staxl  mirfücfy  bie  gulaffung  ber  Vroteftanten 
ju  ben  Verbanblungen,  fogar  bis  ^ur  ©iSbutatton  mit  $onäilSbebutierten  (aber  nicfyt  jur 
23efd)lufjfaffung !)  bürdete;  jtoeimal  ftellte  baS  ^onjil  ben  Vroteftanten  einen  ©eleits= 
brief  („Salvus  conductus")  auS,  erft  einen  mifjberftänblicfyen  (®anj,  p.  90),  bann  einen  5 
Vertrauen  ermecfenben  (16,  118 sqq.);  „omni  fraude  et  dolo  exclusis",  ib.  p.  121). 
6d;on  maren  bie  mürttembergtfcben  unb  bie  fäcfyfifcfyen  ©efanbten  bolitifdjen  ©tanbeS  ein= 
getroffen,  unb  bie  mürttembergifcfyen  Ratten  bor  ber  15.  ©iijmng,  bie  am  25.  Januar  1552 
ftattfanb,  in  einer  Vribatfongregation  am  borljergeljenben  SLage  eine  Don  Srenj  auS= 
gearbeitete  Vef enntniSfcfyrift  übergeben ;  bon  $urfad)fen  mar  gleicbjeitig  sDMand)tbon  mit  10 
einer  Confessio  Saxonica  unterwegs  unb  fdjon  bis  Nürnberg  gefommen,  als  ßurfürft 
Woxty  burcfy  eine  jroeite  Untreue  ben  beutfdjen  VroteftantiSmuS  rettete  unb  burdj  feinen 
füb,nen  ,ßug  nadj  ©übbeutfdljlanb  ben  $aifer  auS  %xm$bv\\ä  unb  bie  ^ongtlöbäter  aus 
Orient  ju  fliegen  beranlafete.  ©aS  Äon^ü  fyatte  ficfy  in  feiner  16.  ©itjung  am  28.  2lbril 
1552  eiligft  „fuSbenbiert"  (®anj,  p.  122).  15 

©er  ©ang  ber  fircr)Iicr;=bolitifc|)en  @reigniffe  führte  bann  in  SDeutfcfylanb  jum  3lugS= 
burger  ÜMigionSfrieben  bom  $af)re  1555;  ftaatSredjtlicfy  anerfannt,  brausten  fidE)  bie 
broteftantifdjen  ©tänbe  um  baS  ^on^il  nicfyt  meiter  ju  fümmem;  aber  jettf  maren  eS 
bie  fatfyolifdjen  dürften,  meldte  auf  Reformen  beftanben:  gerbinanb,  ber  römifc^e  ®aifer, 
Verlangte  ben  Saienfeld)  unb  bie  ^rieftere^e,  ^lofterreform  unb  beutfdje  ^ultuSfbracljie;  20 
nicfyt  biel  geringer  maren  bie  Eroberungen  granfreicfyS,  mo  man  nocb)  im  grübjafej  1563 
bie  Reformierten  gu  befd^mid)ttgen  fud)te;  ©banien  trat  für  bie  ©elbftftänbigfeit  ber 
33ifd)öfe  ein.  ©er  Huge  Vabft  ^ßiug  IV.,  roelcr/er  nacfy  bem  ^infdjeiben  beS  fanatifcfyen 
$aul  IV  feit  1559  regierte  unb  gerabe  im  ^ntereffe  ber  römifd^en  ^£trd^e  jebe  Veleibigung 
ber  fatfjolifcfyen  SJtäcfyte  %u  bermeiben  fud)te,  lief*  mefentlid),  um  fie  aufrieben  %u  [teilen,  25 
baS  ^onjil  am  18.  Januar  1562  mit  ber  17.  ©i£ung  mieber  eröffnen.  ®ie  Verlj)anb= 
fangen  beS  IgafyreS  1562  bon  ber  17.  bis  jur  22.  ©itjung  (17.  ©ebtember)  fielen  aber 
nid^t  nad)  Söunfcfy  ber  fatfyoltfcr/en  3Rädf)te  auS:  in  ber  18.  (am  26.  gebruar  1562) 
tourbe  eine  ^ommiffion  mit  ber  Slbfaffung  eine§  Index  librorum  prohibitorum  beauf= 
tragt;  bie  19.  (am  14.  9Jiai)  unb  bie  20.  (am  4.  $uni)  berliefen  refultatloS;  in  ber  21.  30 
entfa)ieb  man  über  bie  jurüöfgeftellte  $rage  beS  SaienMdEjeS,  ber  nidjt  für  notmenbig  er= 
Hart  unb  bamit  tl)atfäd)lid}  (menn  aud)  mögt  ausnahmslos)  abgelehnt  mürbe  mie  aucb, 
bie  ßinberfommunion  (®anj,  p.  134sqq.),  in  ber  22.  ©itjung  (17  ©ebtember)  befretierte 
baS  Sonjil  im  engften  3tnf<|luf5  an  bie  irienter  2lbenbma!)lSleIj)re  unb  bie  barin  bor= 
getragene  ^ranSfubftantiation  baS  ©ogma  bon  bem  SJiefjobfer,  baS  als  unblutige  35 
„Rebräfentation"  beS  blutigen  ^reujobferS,  aber  als  „mab^r^afteS  ©ü^nobfer"  („vere 
propitiatorium")  (unb  baburd^  bod)  als  gortfetjung  beS  ©üb^nobferS  6b,rifti  ober  als 
Erneuerung  beSfelben)  aufgefaßt  mürbe  (SDanj,  p.  144  sqq.).  Sie  gteicb^eitigen  Reform: 
betrete  befferten  ©inigeS  in  33egug  auf  ©rteilung  ber  Drbination,  auf  ©infommen  unb 
Sebensmanbel  ber  ©eiftlicfyen,  Sefe^ung  ber  ^abitel,  in  Setreff  ber  frommen  Stiftungen  40 
u.  bgl.  (®anj  1.  c.  p.  138sqq.,  152 sqq.).  (Über  baS  2krl)äTtmS  beS  ÄonjilS  gu  ben 
Uniberfitäten  f.  9)ier!Ie.)  2lber  biefe  Verfügungen  beftätigten  nur  baS  3Ilte  mit  geringer 
©rleicb.terung  ober  Sefferung ;  fie  befriebigten  nid)t,  unb  ber  eingetretene  Srud)  bergrö^erte 
fid)  ju  3lnfang  1563  bergeftalt,  bafe  fedpS  Monate  bergtngen,  eb,e  nur  mieber  eine  ©i|ung 
gehalten  merben  lonnte.  @rft  als  im  9ftai  1563  ber  ^arbinal  SRorone  bie  2eitung  beS  45 
^onjilS  übernahm,  gelang  eS  biefem  biplomatifdt)  gemanbten  Vertreter  beS  VabfttumS, 
bie  beiben  obbofitioneßen  ^Jäd^te,  bie  dürften  einerfeitS,  bie  Vifcfyöfe  anbererfeitS,  fo  gegen* 
einanber  ju  rieten,  ba§  jeber  Steil  nur  burd^  baS  Vabfttum  feine  Redete  am  beften 
hoffte  aufredet  erhalten  ju  !önnen.  Vor  aUem  mufite  eS  aber  ber  ®urie  barauf  anfommen, 
baS  unbequeme  Äon^il  möglid)ft  balb  ju  beenbigen.  Unter  biefen  für  bie  $urie  je|t  60 
günftigen  Verb,ältniffen  gelang  eS,  bie  nocb,  unerlebigten  beiben  ©aframente,  meldte  tief 
in  bie  braftifcfyen  Verfiäitniffe  ber  tircb,e  unb  ber  ©efeftfcfyaft  eingriffen,  bie  Vriefterroeibe 
unb  bie  @b«,  Jtemlicb,  glatt  ju  bearbeiten;  jene  mürbe  in  ber  23.  ©i|ung  (am  15.  3"K) 
im  auSgebrägt  ^»ierarc^ifc^en  ©inne  (Vrieftertum  mit  „unjerftörbarem  6b,araIter/;)  bog= 
matifiert;  in  ber  24.  ©i|ung  (am  11.  Robember)  mürbe  ber  faframentale  (Sb^arafter  ber  55 
@be,  ifp  Vebingungen  unb  if>re  §inberniffe,  ba^u  tt)re  Unbereinbar!eit  mit  ber  Vriefter= 
toetbe  in  einer  ^erfon,  alfo  ber  Vrieftercölibat,  feftgefteßt.  ®ie  25.  ©itpng  (3.  unb 
i.  ©ejember  1563)  befd;äftigte  fid)  bann  (bei  ®anj,  p.  209  sqq.)  nocb,  in  fürjefter  gorm 
mit  benjenigen  bogmattfdjen  Vunften,  toeld^e  ben  ^ßroteftanten  in  ber  .^cilSerlangung 
befonberS  21nfto^  erregt  fyaüen,  gegfeuer,  3tnrufung  ber  ^eiligen,  S3Uber=  unb  9ieliquien=  60 


106  £rtentcr  SlonjU  £rter,  ©rjbiMum 

berel/rung,  2Rönd)tum  unb  2lbläffe  —  lauter  fünfte,  Welche  im  unmittelbaren  3ufammen= 
fyange  mit  ber  fubjeftiben  ©eite  ber  §eiISerIangung,  alfo  in  ber  SuftiftiationSlefyre  Ratten 
gur  ©^rac^e  lommcn  muffen.  Mein  mit  Sebatfjt  t/atte  man  fie  zurücfgefteflt,  big  man 
—  leine  Düdftd)t  mebj  auf  bie  ^roteftanten  %u  nehmen  brauchte.  2luS  S^tugbeit  aber 
5  befretierte  man  aucr)  Bier  nur,  WaS  für  baS  römtfef/e  ©ijftem  unbebingt  notWenbig  War. 
Über  bie  2lbläffe  3.  23.  fe$te  bie  ©bnobe  nur  feft,  baf?  bie  ßird)e  baS  ERedE)t  fyabt,  2lb= 
läffe  ju  erteilen  unb  ba|  biefelben,  wenn  mit  Sßetäbeii  gef^enbet ,  nü^Iicb  feien,  ©ie 
DotWenbigfeit  würbe  ntd)t  bebautet;  ebenfo  Würbe  bie  Anrufung  ber  ^eiligen  blofj  für 
„bonum  atque  utile"  erflärt.   Sie  legten  Deformbefrete  brachten  jum  SEeil  tDübltbättge 

10  Söeftimmungen  über  ©eelforge,  ^pfltdbten  ber  33tfcböfe  bei  ber  Drbination  ber  niedrer, 
(Einrichtung  bon  ^lertfalfeminarten  (©an^,  p.  173),  über  bie  gder  ber  lireb, liefen  @be= 
fcblte^ung  (Sang,  p.  181  sqq.),  über  bie  fyaty  ber  93ifcbofe  unb  ftarbmäle  (ib.  p.  187sqq.), 
über  $ßrobin;$iaI=  unb  ©iöcefanffynoben  (ib.  p.  189  sqq.),  über  bifcböfiicfye  Sifitationen 
(ib.  p.  190  sqq.),    borftcfytige  2InWenbung  bon  ©rjornmumfationen    (ib.  228)   unb    eine 

15  ganje  3let^e  anberer  SDtSji^Imarfacfien.  Stber  baS  ganje  DeformWerf  ber  ^rtenter  SSäter, 
unter  ben  berfdE)iebenften  biftortfeben  SSerbältniffen  mit  biplomatifcber  $lugr/eit  ju  ftanbe 
gebracht,  mar  bod)  nur  eine  „Deftauration  mit  wenig  Deformation"  (§en!e  ©.  39). 
Sie  ©rurtbgebanfen  beS  ^roieftantiSmuS  waren  alle  abgelehnt  unb  bamit  in  ber  §o!ge= 
gett  niemanb   über   ben  ©eborfam   beS  2irienter  ®on$ilS   gegen  ben  $abft  im  unflaren 

20  fei,  befcfyloffen  bie  255  3Säter  (fo  lt>ocb  belief  fic^y  tbre  gaty  §um  ©cfyluf}),  bafj  für  alle 
tbre  33efcblüffe  ju  tbrer  ©eltung  erft  bie  Seftätigung  bei  ^3abfteS  eingeholt  werben  folle 
(„ut  et  omnium  et  singulorum,  quae  in  ea  [Synodo]  decreta  et  definita 
sunt ,     confirmatio  a     beatissimo     Romano    Pontifice    petatur" ,     ©anj, 

p.  248).    ®ie  Seftätigung   erfolgte   am   26.  Januar  1564,   ®anj,   p.  253 sqq.;    aueb, 

25  behielt  fieb,  ber  ^ßabfi  baS  Decfyt  ber  Auslegung  ber  ^rtenter  ©efrete  bor ,  Wofür  er 
fieb,  einer  Congregatio  cardinalium  pro  interpretatione  et  executione  saerosaneti 
concilii  Tridentini  bebient.  2luf  biefen  Sefcbjüffen  rufyt  ber  ganje  moberne  J?atl)oU= 
ciSmuS;  fie  gelten  tfyatfäcf/ltd)  in  ber  ganzen  römifd)=fatb,oIifcben  2Selt,  aueb,  Wo  fie  nid)t 
forrneü  berfünbigt  finb;    bon  ber  Srienter  ©r/nobe  bis  jur  batifanifcfyett  im  $al)re  1870 

sogest  eine  grablinige  Bewegung;  WaS  ju  Orient  beb,utfam  umgangen,  aber  bod)  bureb, 
@inb,oIung  ber  bäbftlicfyen  „Seftätigung"  ber  33efd)lüffe  fcf/on  tfyatfäcfylidj)  angenommen 
War,  bie  £>errfd)aft  bei  ^abfteS  über  bie  ^ircfye,  Würbe  ju  Dom  1870  in  fonfequenter 
gortbilbung  bei  'iXrtbentinumS  hinzugefügt.  Qu  Orient  begann  1545  bie  33erjefuitifierung 
ber  rbmifeben  ßiref/e,  ju  Dom  Würbe  fie  1870  bollenbet,  bie  Äonjentration  ber  gefamten 

35  Jatbolifcben  2Mt  unter  ben  autonomen  Söißen  beS  jeweiligen  ^ßabfteS  als  Präger  ber 
^ird^enembeit. 

@S  giebt  jWeterlei  ©tanbbunfte,  baS  ^ribentinum  ju  beurteilen:  1.  einen  rüdWärtS* 
geWanbten,  Wenn  man  bie  SErienter  Deformation  mit  bem  erbärmlichen  3u^an^e  ^er 
Äircfyc  am  2tuSgange  beS  Mittelalters   bergletcbt  —  bann   Wirb   man   gern  bie  SSorgüge 

40  beS  nadjtribentimfd^en  Matr/oIiciSmuS  bor  bem  bortribenttmfef/en  anerlennen;  ober  aber 
2.  man  nimmt  einen  borWärtSgeWanbten  ©tanbtounft  ein,  inbem  man  unter  ftetiger  33e= 
rücffic^tigung  ber  ©efdncfyte  bei  Qefuitilmug  bie  bogmatifebe  ©eite  be§  2:rienter  ^onjill 
für  bie  £)aubifacr>e  bält  unb  bann  bon  ib,m  aul  biejenige  ^eriobe  be§  ^atb,oüci§mu§ 
batiert,  bie  im  3Satifanum  gipfelt.    Dac£)  bem  ^afyxz  1870  ift  ber  jWeite  ©tanbbunlt  ber 

45  richtige  unb  Wichtige. 

Stuf  bie  bäbftlicf/e  ^3ubIiIation  ber  Decreta  et  Canones  Concilii  Tridentini, 
Dom  1564,  erfolgte  noeb,  in  bemfelben  ^afyre  ebenfalls  auf  SSefebl  $ßiu§  IV.  bie  §erau§= 
gäbe  bei  Index  librorum  prohibitorum,  Welcher  bis  in  bie  Deu^eit,  jule^t  bon  Seo  XIII., 
mit  3"fä|en  neu  herausgegeben  Würbe.   2)aran  fcblofe  fid)  gleichfalls  1564  bie  Professio 

50  fidei  Tridentinae,  auf  Welche  alle  ©eiftlict)en  innerhalb  ber  römtfcb,en  ^irebe  berbflief/tet 
Werben,  1566  bureb,  ^JiuS  V  ber  Catechismus  Romanus,  1568  baS  Breviarium 
Romanum  (bgl.  barüber  bett  2tbfcE>nitt  bei  ^.  ^fc^aefert,  ^olemil,  1885,  ©.  228  ff.) 
unb  1570  baS  Missale  Romanum.    ^3abfttum  unb  römifcfye  ^irebe  Waren  neu  befeftigt. 

%  Xfäadttt. 

55  2;tter,  ©rjMStum.  —  Codex  diplomat.  Rheno-Mosellanus,    ed.    \V.  Günther,    5  S3be, 

tobtens  1822—1826;  Uvfunbenbud)  jur  ©efc^idite  ber  ..  SRittelrljeimfcfjen  Serritorten  bearb. 
non  ^.  SSeljer,  S.  gltefter,  91.  ©örj,  3  S3be,  Koblenz  1860—1874;  »gl.  aud)  MG  DD  I,  §an  = 
noüer  1872;  Dipl.  Karol.  I  jponn.  1906;  Dipl.  reg.  et  imp.  Germ.  3  S3be  §ann.  1879— 1903; 
3-.  X.  grau§,   ®ie  c£»r.  ^njd)r.  ber  3t£)einfanbe,  2  Seile,    greiburg  1890,   "Jtr.  75—255.     Gesta 


Srier,  @räbi§tum  2;rtglanb  107 

Trevirorum  in  MG  SS  VIII  u.  XXIV;  Sories  ae.  Trcv.  SS  XIII.  9t.  ©ih'ä,  !Kegefteu  bev 
ISS>}.  pon  Strier,  2  SBbe,  SCrier  1859 — 61;  9f.  31.  b.  ^onttjetm,  Prodromus  histor.  Trevir.,  2  Söbe, 
?luq*6.  1757;  berf.,  Hist.  Trevir.  diplom.  3  S8be,  2(ug§6.  1750;  Gallia  christiana  in  prov. 
ccc'l.  distrib,,  IB.  93b,  <J3ari§  1874;  S-SHarj:,  ©efd).  b.  e'rjftiftS  Sriev,  5  S3be,  Strter  1858—01; 
fi.  Sdjortt,  Eiflia  sacra,  2  Sßbe,  33onn  1887  f.;  $t).  be  Sorenji,  Beiträge  5.  ©efd).  b.  Pfarreien  6 
ber  5).  Srier,  2  93be,  Erier  1887;  ügt.  aud)  bie  ft@©  ®eutfcfjicuib§  Don  [Rettberg,  griebvid) 
unb  £aurf;  t)ier  aucf)  bie  ©pestallitteratur. 

Unter  bert  beutfd)ert  ViSiümem  ift  Srier   tyabrfdjeinlicb,    baS   ältefte.    Sie  ©tabt 
irier  mar  in  ber  römifcben  ^aiferjeit  febr  bebeutenb,  feit  ®ioIletian  mar  fic  £aubtfiabt 
Bon  ©aUien;   man  fd)ä£t  ibre  @intoo|>nerjafyI   auf   50—60000  «Seelen.     ®s   barf   als  m 
ficber  angenommen  roerben,  bafc  ba§  6b,riftentum  fcbon  im  2.  ^afyrfwnbert  bort  gufj  fafjte. 
Jim  Saufe  be<§  3.  bermebrte  fid?  bie  $at)l  ber  ©laubigen  langfam;    erft  feit  Äonftantin 
fdbrooH   fie  rafd)   an.    2Bir  miffen   au§   einer  9?otij  be<§  2Itbanafiu<§  (Apol.  ad  Const. 
imp.  15),  bafj  man  336,   roäbrenb  3ltf)anafiu§   al§  Verbannter  an   ber  Sftofel  roeilte, 
an  einer  neuen  $ird)e  baute,   meil  bie  alte  nid)t  mefyr  ausreichte,    ^m   näcbjien  £,abr=  10 
bunbert  rourbe  bie  um  370  gebaute  ©ericbtsbaHe  in  eine  ßirdje  umgemanbelt;  fie  ift  im 
beutigen  ©om  erhalten.  Qu  einer  rein  ober  faft  rein  cbrtftlidjen  ©tabt  roirb  £rier  erft  in 
ben  legten  Sauren  ber  9ibmerberrfd)aft  geroorben  fein.   SDiefe  naf>m  in  ber  gmeiten  Hälfte 
beS  5.  ^jatyrirnnbertS  ein  @nbe ;   burd}  bie  frcmlifd)e  Eroberung  mürbe  girier  für  immer 
ju  einer  beutfeben  ©tabt.  ®ie  (Eroberer  maren  Reiben;  aber  fie  binberten  ben  gortbeftanb  20 
ber  ßbriftengemeinbe  nid)t  unb  ber  Übertritt  ©blobmigg  führte  alSbalb  aud)  bie  gran!en 
an  ber  2Rofel  jum  2tnfd)Iuf3  an  bie  cfyriftlidjie  $ird)e. 

Ser  Urfbrung  beg  ©biffobatS  in  "Jrier  berliert  fid)  im  SDunfel.    £)enn  bie  angeb= 
Heben   2fyoftelfd)üler   (SucbariuS,    ValeriuS  unb  SftaternuS  finb  ©efdjöbfe  ber  Segenbe. 
Sieber   nacfymeiSlid)   ift   erft  S3ifct)of  2Igröciu£,  einer   ber  SLeilnebmer  ber  ©tmobe   bon  25 
ätrleg  314 ;  eine  bebeutenbe  Stellung  nahmen  feine  5Rad)foIger  SUagiminug  unbVaulinuS 
ein,  bie  ©efinnungSgenoffen  unb  9Jcitfämpfer  beS  2ItI)anaftu3  im  arianifd)en  Streite.   Tod} 
Iä'fjt  fid;  bie  grage,   ob  fie  bereits  als  SJietroboliten  ber  erften  belgifcfyen  ^irobing  ju  be^ 
trad)ten  finb,  nid)t  fid)er  beantworten.    SDer   bo!itifd)e  3iang   ber  Stabt   macf)t   eine  be= 
jabenbe  Stntwort  toab,rfd)emlicb, ;    aber   bie  langfame  ®urd)füb,rung   ber  2RetroboIitan=  30 
berfaffung  im  Stbenblanb  erregt  gegen  fie  Vebenfen.    £>ie  fränüfdje  Eroberung  bat  bie 
Irierer  SBifdjofSretbe  nic^t  unterbrochen;  gerabe  aus  ber  $eit  ber  Mmbfe  ift  ber  3Rame 
beö  33ifd}of§  SambKd&ug  erhalten  (MG  EE  III,  9Jr.  23  v.  79) ;   feine  ^acbfolger  TOce= 
tiu§,  SRagnericb,   u.  a.  erfd)einen  tb,atfäd)Iicb   ai§  SJtetroboliten   (f.   ^@  ®eutfd)Ianbg  I3, 
S.  128).    3tDar  9^nS  in  ber  Verwirrung  ber  auggeb,enben  SJJeromingerjeit   biefe  SBürbe  35 
toieber  berloren.    2lber  feit  ib,rer  Erneuerung   burd)  $arl  b.  ©r.   bor  811  (f.  Ä©  ®J 
IP,  S.  208)  l)at  ^rier  fie  bi§  jum  Seginn  beS  borigen  S^^r^unbertS  behauptet. 

^ur  "^iöcefe  girier  gehörte  ba§  Sanb  auf  beiben  Seiten  ber3)iofeI  bon  ber  je^igen 
breufeifcb^lot^ringifcben  ©renje   biä  jum  (Einfluß  ber  SOZofel  in  ben  3FtE>etn  unb  bielfeitö 
beö  Strom§  ein  Iteinerer  Sanbftreid)  auf  beiben  Ufern  ber  £al)n   bis   oberhalb  2öe|Iar.  40 
©uffraganbistümer  maren  2Re^,  %o\d  unb  Verbun. 

S5if^of8lifte:  2Tgröciug  314,  SKaEtminuS  343,  Vaulinuä  353,  3amblid;u§  um 
475,  SlbruncuIuS  um  530,  9ticetiu§  geft.  566,  9JJagnericb,  geft.  nad;  585,  ©abaubuö614, 
3tnaftafiu§  626  ober  627,  9ftoboalb  um  630,  9Zumerianu§  um  660,  Vafinug  unb  £iut= 
foinuS,  D^cUo  717 — 757  (?  753),  SBeomab  geft.  791,  3f{id}bob  geft.  804,  SBajo,  21malar  45 
geft.  814—816,  §ettt  geft.  847,  Xb,ietgaut  863  abgefegt,  SBcttulf  869—883,  9tatbob 
883—915,  9tuotger  geft.  931,  3luotbert  931— 956,  ^einrieb  1. 956— 964,®ietrid}965— 977, 
Gfbert  977-993,  Siubolf  994—1008,  5S)cegingoj  1008—1015,  Vobbo  1016-1047, 
Öberbarb  1047— 1066,  Äonrab  1066,  Uoto  1066—1078,  ©gilbert  1079— 1101,  33run 
1101—1124,  ©ottfrieb  1124—1127,  SDleginba:  1127— 1130,  2IbaIbero  1131— 1152,  öittin  bo 
1152—1169,  2Irnolbll69— 1183,  golmar  1183— 1189,  gjo&annl.  1189— 1212,  ©ietrid; 
b.  2Bieb  1212—1242,  ärnolb  b.  Sfenburg  1242—1259,  §einrid)  II.  b.  Vinftingen 
1260—1286,  Voemunb  b.  2Barnegberg  1289—1299,  ©ieter  b.  9?affau  1300— 1:!07, 
Salbemin  b.  Susemburg  1308—1354,  Soemunb  b.  ©aarbrüden  1354—1:562,  .Sümo 
b.  galfenftetn  1362—1388,  äBerner  b.  Äöniggftein  1388—1418,  Duo  b.  ^iegenbain  bö 
U18— 1430,  %xahan  b.  §elmftabt  1430—1439,  ^alob  b.  Sir!  1439—1456,  ^obann 
b.  ©aben  1456—1500,  ^atob  b.  Saben  1500—1511,  5Rid;arb  b.  ©reiffenflau  1511  bis 
1531.  fraud. 

Jrtglanb,    ^acobuS,    geft.   1654.    —  ^nlj.  Soccejuv,  Oratio  funebris  (aufgeiiomuien 
in  Opera  omnia    .loh.  Coccoji,    tom.  IV,    ji.  48 seq.);    .£).  silv  tcr  fraax,    Jacobus    Triglard  611 


108  Srtglanb 

(aFab.  Stffertation),    s'Gravenhage    1891 ;    Opuscula  Jacobi    Triglandi,    3  tom.  fol.  Amster- 
dam 1640. 

gur  $eit  be§  9temonfirantifd)en  ©treite§  in  ben  Meberlanben  nafym  ^acobug  S£rig= 
lanb  unter  ben  Kontrarem  onftranten  eine  fybd)ft  Wichtige  ©tellung  ein.  Dbgleid)  er  ju 
5  ben  jüngeren. ©liebem  ber  Partei  gehörte  unb  barum  beim  Beginn  ber  ©treitigfeiten 
nid)t  in  ben  2>orbergrunb  trat,  Warb  er  fel)r  balb  einer  ber  bomel)mften  SBortfüfyrer  im 
©treit.  @r  belämbfte  unermüblid)  mit  2öort  unb  ©d)rift  bie  9temonfiranten  unb  ber= 
teibigte  mit  grofjer  Kraft  bie  Sel)re  ber  reformierten  Kircfye.  2ll<3  SJiann  au§  einem 
©uffe,  ber  ftet§  grabc§Weg§  auf  fein  giel  los>  ging  unb  Don  leinem  Kompromiß  wiffen 

10  Wollte,  ber  fid)  burd)  grofte  ©elel)rtl)eit  unb  unermüblid)en  ©ifer  auszeichnete,  t)at  er  auf 
feine  geitgenoffen  großen  ©influfj  ausgeübt,  Wäbjenb  aud;  baS  9Rad)gefd)Ied)t  il)m  nod; 
immer  banlbar  fein  mag  für  feine  „Kerckelijke  Geschiedenissen",  ein  SBerl,  baS, 
Weld)e  begrünbete  ©inWänbe  aud)  immer  bagegen  erhoben  werben  lönnen,  ftets  feinen 
großen  2Bert  als  eine  ber  Wid)tigften  Quellen  für  bie  Kenntnis  ber  ©efd)id;te  ber  9iieber= 

15  länbifcfyen  Reformierten  Kird)e  bis  jur  $Dorbred)ter  ©bnobe  bon  1618/19  behalten  Wirb. 

©ein  23ater  ßomelis  ^riglanb  entftammte  einem  alten  ^ßatrijiergefd;Ied)t  ju  ©ouba, 

Wo  er  eine  geit  lang  an  ber  Sateinfdmle  unterrichtete.    @r  jog  jebod;,    bielleicfyt   wegen 

feiner  2tnl)änglid)feit  an   bie  römtfd)=!at^oIifd}e  Kird)e  nad)   SSianen,   Wo   er  Bierbrauer 

Würbe.    §ier  Würbe  IgacobuS  'Jriglanb   (ber  !Jftame  Sriglanb   ift   eine  Übertragung   Don 

20  Dreijeykele  =  brei  ©id)eln)  am  22.  !guli  1583  geboren.  @r  Würbe  nid)t  bei  feinen 
©Item,  fonbern  bei  BerWanbten  in  ©ouba  erlogen,  bie  ben  2Bunfd)  Regten,  er  möd)te 
©eiftlidjer  Werben,  unb  il)n  beSl)alb  bie  bortige  Sateinfdmle  befugen  liefen,  an  ber  ba= 
malS  2Rag.  ^auIuS  graubeniuS  Reftor  War.  3>m  $al;re  1597  ifyat  man  tl)n  ju  einigen 
^3rieftern  nad)  Slmfterbam,  bamit  er  bort  bie  Dogmatil  feiner  Kird)e  fennen  lerne.  (Snbe 

25  1598  fiebelte  er  nad;  SöWen  über,  Wo  er  fid),  ba  einem  Verbote  ber  ©eneratftaaten  ju= 
folge  fein  -Kieberlänber  bort  ftubieren  burfte,  unter  bem  tarnen  bon  I^acobuS  5£ribal= 
leniuS  ober  SriblanbiuS  aus  ©ouba  einfd)reiben  Itefs.  $n  Soften  begann  ber  innerliche 
Kambf,  ber  il)n  f^jäter  jum  Brud)  mit  ber  rbmifcfjen  Ktrcfje  führen  follte.  ®te  Sftetfyobe, 
bie  man  bort  bei  ber  Söiberlegung  le£erifd;er  2lnfid;ten  befolgte,  Wobei  mel)r  auf  menfd)= 

30  Iid)e  geugmffe,  oenn  auf  baS  2Bort  ©otteS  ©eWicfyt  gelegt  Würbe,  befriebigte  il)n  nicr)t. 
®ie  Seitüre  ber  SBerfe  BellarminS  beunruhigte  ifm  nod)  mel)r.  BefonberS  bie  Seb,re  bon 
ber  Berbienftlid)feit  ber  guten  Söerle,  bie  er  als  eine  %xud)t  menfd;lid)en  §od;mutS  unb 
für  unberträglid;  mit  ber  d)riftlid;en  ©emut  I)ielt,  Wecfte  3roeifel  bei  tym-  2ßa^rfd)etnltd) 
um  il)n  für  eine  geit  lang  in  eine  anbere  Umgebung  311  bringen,  Würbe  u)m  Dom  Seiter 

35  beS  Collegium  Pontificium  eine  SRiffion  nad)  §aarlem  aufgetragen.  @r  »erliefe  SöWen, 
um  nid)t  mel)r  bortbin  jurüc!juleb,ren.  ©inige  2öod>en  fnelt  er  \\<fy  bei  feinen  latb,olifd)en 
3SerWanbten  ju  ©ouba  auf,  aber  in  biefem  ftreng  fircf) liefen  Kreife  fanb  er  feine  9tub,e. 
®er  M3Weifel  Würbe  ftetö  (tarier  in  feiner  ©eele,  big  er  enblid)  nad)  langem  Kampf  ju 
ber  Überzeugung  lam,  bafe  für  ©ünber  fein  anber  §eil  benn  au$  ©nabe  in  6^riftu§  fei 

40  unb  bafj  bie  guten  2öerle  grüßte  ber  ©anlbarleit  fein  müfjten.  „©0  War  er  bereits 
reformiert,  bebor  er  bie  reformierte  Kird)e  lannte"  (SoccejuS,  1. 1.).  2öäl)renb  feine  SSer= 
Wanbten,  bei  benen  er  erlogen  War,  il)m  nun  ib,r  |iauS  berfd)Ioffen,  fanb  er  eine  §eimat 
bei  feinen  nid)t  fo  ftreng  Eat&oltfc^en  @ltem.  @r  ftubierte  nun  bie  reformierte  Sel)re 
unb  fud)te  mittlerWetl  naefy  Mitteln,  feinen  Unterhalt  ju  »erbienen.  ^m  3al^re  l602  m 

45  2Ilter  bon  19  ^ab,ren  Würbe  er  gum  3teftor  ber  ©dmle  ju  Dianen  ernannt.  ©aS 
©tubium  ber  33ibel,  bie  ^3rebigten  be§  gelehrten  bortigen  ^ßrebtgerS  Dr.  2llb.  ©elcartiuS, 
bie  er  b,örte,  bie  Seitüre  ber  ib,m  bon  biefem  geliehenen  Conl'essio  bon  Seja,  GalbinS 
Institutiones  unb  33uUinger§  Decades  brad)te  ib.n  jur  Überzeugung,  bafe  bie  reformierte 
Kirdie  „bie  Wahrhaftige  Kird)e  6l;rtfti"    fei  unb  im  ^afyre  1603  trat  er  „hilari  animo" 

50  nad)  abgelegtem  ©IaubenSbelenntni§  il>r  bei. 

2luf  Slnraten  bon  ©elcartiu§  bereitete  er  fid)  jWifd)enburcf)  auf  baS  ^rebigtamt  bor 
unb  nad)  beftanbenem  ©ramen  Würbe  er  im  ^a|re  1607  ju  ©tolwijl  jum  ^rebiger 
orbmiert.  ©eine  ^rebigten  machten  einen  fel>r  günftigen  ©inbrucl,  unb  bem  bor  allem 
fyatte  er  e§  ju  banlen,  bafe   er  fd)on  1610  nad;  SCmfterbam  berufen  Würbe,  Wo  er  am 

55  24.  S^ember  in  fein  2lmt  eingeführt  Würbe.  aSäf>renb  ber  erften  ^afyre  feines  Ser= 
bleibe  bortfelbft  mad)te  er  Wenig  bon  fid;  reben,  aber  im  3ab,re  1614  begann  feine 
^fyäügleit  auf  lir^Iicf)=boIitifc^em  ©ebtet,  über  bie  Wir  nad;b,er  näfyer  fbrec^en  muffen  unb 
bie  erft  mit  feinem  SLobe  i^r  @nbe  fanb.  ^m  Qab,re  1617  Würbe  er  an  bie  reformierte 
©emeinbe  im  |>aag  für  eine  ^eWang  beurlaubt,  Worum  ber  bortige  „boleerenbe"  Kird)en= 

60  rat  mit  Unterftü^ung  beS  ^rin^en  Wori|  mehrmals  erfud;t  batte.    ^m  ^ab^re  1618  ent= 


Srtglanb  109 

fanbte  iH?n  bic  ^ßrobtngialftjnobe  bort  Rorb^oflanb  als  gebutterten  nacb,  ber  großen 
9tationalfr/nobe  bort  1)orbred)t.  SBeldjen  Anteil  er  an  ben  Beratungen  genommen  fyat, 
gef;t  auS  ben  Sllten  biefer  ©imobe  nicfjt  fyerbor.  SBo^I  toiffen  wir  auS  feinen  „Kerke- 
lijcke  Geschiedenissen",  bafe  er  einen  Beweis  bon  SRäfu'gfeit  burd)  feinen  Stabel  über 
bic  2Seife,  in  ber  Bogerman  bie  Remonftranten  Wegfdncfte,  gab.  $n  bie  Äommtfffon,  5 
hjeldjer  bie  ©rmobe  ben  Auftrag  gab,  bie  Canones  Dordracenae  aufstellen  unb  babei 
bie  reformierte  2er)re  aufs  neue  ju  formulieren,  Würbe  aufy  er  gewählt.  Sllö  ^rebiger 
ut  Amfterbam  r)at  er  in  bem  (Streit  gegen  bie  Remonftranten,  in  Welkem  er  a%it  im 
Borbertreffen  ftanb,  biele  Unannefymlicb,  leiten  aucb,  bon  feiten  ber  Dbrigfeit  ju  erbulben 
gehabt,  ©ein  Amt  als  ©celf orger  t)at  er  beSWegen  jebocb,  nicb,  t  bernactjläfftgt  unb  als  ^ßrebiger  10 
rourbe  er  iro£  beS  ftrengen  Dogmatismus  feiner  ^ßrebigten  fet)r  gerühmt.  Aucb,  an  ber 
Bertoaltung  ber  ^ircfye  in  ben  Brobinzialftynoben  fyat  er  toieberfyolt  tätigen  Anteil  nehmen 
muffen.  $m  3a^re  1634  berliefj  er  Antfterbam,  um  eine  tljeologifcfye  $rofeffur  ju  Seiben 
anzunehmen  als  -Jcacibjolger  bon  Anbr.  -Wibet  (f.  XVII,  46).  Borger  fyatte  tljmt  ber  afabemifcf/e 
©enat  ben  Dr.  theol.  berliefyen.  JJn  feinen  Borlefungen  befyanbelte  er  bie  ©jregefe  beS  15 
2123  unb  bon  1639—1650  aud>  bic  Loci  Communes,  fbäter  aud)  „conscientiae  casus", 
roäf/renb  er  bei  ben  ®iSbutationen,  bie  unter  feinem  Borfi|  ftattfanben,  über  berfd)ieben 
tfyeologifcfye  ©egenfiänbe  fbrad)  „graviter,  cordate,  libere,  solide,  accurateque" 
(ßoccejuS  1.  1.).  Bon  1637—1645  War  er  ^ugleicb,  angefteHter  Brebiger  ber  ref.  ©e= 
mcinbe  ju  Seiben.  $n  ben  legten  $al)ren  feines  SebenS  warb  U)m  feine  ©cfjWerr;örig=  20 
fett  fefyr  läftig,  aud)  blatte  er  infolge  eines  ©teinlctbenS  biel  ©cfymerjen  auslüfteten.  Am 
5.  Abril  1654  ftarb  er.  Auf  feinen  eigenen  üffiunfd)  roar  fct)on  im  Auguft  1653  ber 
Utrecfyter  Brofeffor  ^ob,.  §oornbee!  als  §tlfe  ifym  zur  ©eite  gefteCt  Würben,  tiefer 
rourbe  benn  aud)  fein  Rad) folger.  ©einer  1604  in  Bianen  gefcfyloffenen  @I)e  mit 
@l)riftina  ©toof,  bie  1643  geftorben  roar,  entflammten  elf  $inber,  bon  benen  fiebcn  it)n  25 
überlebten,  barunter  brei  ©ölme:  SorneliS,  ber  Brebiger  im  §aag  rourbe,  SEI)eoboruS, 
fbäter  Brofeffor  ber  Red;tStoiffenfd)aft,  unb  gacobuS,  ber  juletjt  Brebiger  ju  Amfterbam 
geroefen  ift.  3)eS  legieren  ©ofm,  ebenfalls  mit  bem  Vornamen  $acobuS,  ift  bon  1686 
bis  1705  Wie  fein  ©rofjbater  Brofeffor  ber  S£t)eoIogie  unb  ber  f)ebräifd)en  Archäologie 
ju  Seiben  geroefen  (f.  über  u)n:  ©lafiuS,  Godgeleerd  Nederland,  III,  446,447).  30 

AuS  ben  ©Triften  SLriglanbS,  bie  auSfcf>lief$IicF;  auS  ©treitfd^riften  beftel)en,  lernen 
roir  ib,n  als  einen  SRann  fennen,  ber  in  allen  ©tücfen  bon  ber  2BabrI)eit  ber  reformierten 
2eb,re  überzeugt  mar,  unb  für  ü)re  Berteibigung  feine  9Jcül>e  unb  feinen  ©treit  freute. 
6r  ift  ein  begabter  ®ogmatifer  unb  ein  fcfyarfer  Bolemifer.  $n  allem,  roaS  er  fcfyreibt, 
geigt  er  ficb,  als  ein  SRann,  ber  nict)t  gering  gefcfyätjt  Werben  barf.  @r  befitjt  eine  grofje  35 
©ele^rtf^eit,  eine  grünblict;e  Kenntnis  ber  Bibel  unb  ber  Söerfe  ber  Reformatoren.  Sei 
feiner  SeroetSfüfyrung  mei^  er  fd^arf  ju  unterfcf/eiben,  Iogifd^>  ^u  begrünben,  unb  bringt  er 
ftets  bis  gum  SBefen  ber  ©actje  ^inburd).  ©ein  ©til  ift  fefyr  öerftänbltct),  aber  nicb,t  ge= 
fäßig,  fein  2on  in  ber  Regel  feb,r  ^eftig.  ©oroob,l  bei  ber  SBiebergabe  ber  Überzeugungen 
feiner  ©egner,  als  in  ber  Angabe  feiner  Quellen,  beroeift  er  ficb,  als  efyrlicb,  unb  roiffen=  40 
fdjaftlicb,.  SDie  ®ahit  AnberSbenfenbe  gu  fcb,ä^en,  fc^eint  ib,m  jebocr)  burd^auS  gefehlt  ju 
i)aben.  SDcan  b,at,  rote  eS  bei  hartem  ^3arteiftreit  ju  geb,en  bflegt,  Xriglanb  heftig  an= 
gegriffen,  (gr  t)atte  einen  jäbjornigen  unb  Ieibenfd}aftlid)en  6f)arafter  unb  roar  nicb,t 
burdjauS  frei  bon  £>ocf;mut.  ©abura)  machte  er  fid)  biele  geinbe,  bie  jeitroeilig  feine 
@b,rlid}feit  in  3Serbacb,t  brachten.  ©0  fcb,reibt  Bern.  SDroinglo  (Grouwel  der  ver-  45 
woesting,  blz.  67)  bon  feiner  „bermeffenen  Unberfcf/ämtfyeit,  —  gemobn^eitSmäfeen 
2ügen,  äferleumbungen  —  Betrügereien  jc."  2ln  bem  guten  ©lauben  SEriglanbS  brauet 
iebod)  ntct)t  gejroeifelt  ju  roerben.  ©eine  rote  ©eficfytSfarbe  gab  bem  ®icb,ter  Bonbel  2ln= 
lafe,  ib,n  als  einen  „Mfuttifcfyen  $ab,n"  ju  berfbotten  unb  ib,m  SErunffudjt  borjuroerfen, 
reeller  Borrourf  jeboeb,  bure  Säfterung  ift.  SEriglanb  mar  ein  friegSfertiger  9Jcann,  aber  50 
ferne  bartnädftge  Beftreitung  ber  Remonftranten  entfbrang  triebt  ber  Suft  am  ©treit, 
fonbern  ber  feften  Überzeugung,  ba|  ib,re  Seb,re  berberblid)  unb  barum  in  ber  ref.  Äircfye 
nicb,t  ju  bulben  fei.  Sebrbifferenjen  fonnte  er  nicb,t  ertragen.  2lm  beutlicf;ften  b,at  er  bieS 
in  feinem  ©cb,riftcb,en  „Den  Rechtghematichden  Christen"  (Amft.  1615)  auSgefbrod^en, 
baS  aud)  in  ruhigem  unb  würbigem  2on  gehalten  ift.  (Sr  rechtfertigte  f)ier  feine  Haltung  55 
unbjefcte  feinen  ©tanbbunft  beutlicb.  auSeinanber.  Bon  Bebeutung  ift  aud)  feine  „Ver- 
dedigingh  van  de  Leere  end'  Eere  der  Ghereformeerde  Kerken  ende  Leeraren, 
teghen  verscheijden  lasteringhen  enz"  (2lmft.  1616),  in  ber  bie  Berteibigung  ber 
reformierten  ©ogmatif  im  Borbergrunbe  fte^t.  2)aS  Red)t  ber  Dbrigfeit  in  fireblicben 
fingen  befämbft  er  fraftbott  in   feiner  „Antwoordt  op  drij  Vraghen,  dienende  tot  60 


110  Sriglanb 

advys  in  de  huydendagsche  Kerkelijke  swarigheden"  (2lmft.  1615)  unb  in 
feiner  „Christelijcke  ende  Nootwendighe  verclaringhe"  (2lmft.  1615).  Stud^t  nad) 
ber  großen  ©imobe  bon  ©orbrect)t  im  ^afyn  1618/19,  mo  bie  ref.  £et)re  feftgefe^t 
mürbe,  fufyr  SLrtglanb  fort  in  it)rer  Verteibigung  gegen  bie  fcfyarfen  Angriffe  ber  ÜRemon= 
5  ftranten.  ©eine  toid)tig(ten  ©cfyriften  nact)  1619  finb:  „Christelijcke,  ende  Vrien- 
delijcke  Vermaninge  aen  alle  af-ghedwaalde  Remonstrants-Ghezinde"  (2tmft. 
1623),  „Tweede  Christelijcke  ende  Vriendelijcke  Vermaninghe  aende  af-ghe- 
dwaalde Remonstrants-Ghezinde"  (Slmft.  1623),  „De  Kracht  der  Godtsaligheydt, 
Dat  is  de  Leere  der  Waarheyt  die  nae  de  Godtsaligheydt  is"  (2lmft.  1631),  unb 

10  in  ber  über  biefe  lef  te  ©cf/rtft  fiel)  entfbinnenben  bolemifctjen  ^Debatte  folgenbe  brei 
©Triften  1.  „Trina  Dei  Gratia,  nimirnm,  electionis,  sanctificationis,  conser- 
vationis  applicata,  confirmata  et  indicata"  (Slmft.  1636);  2.  „Disputatio  Theo- 
logica  de  civili  et  ecclesiastica  potestate  et  utriusque  ad  se  invicem  tum  Sub- 
ordinatione,   tum  Coordinatione"   (SImft.  1642);    3.  „Antapologia,    sive  examen 

15  atque  refutatio  totius  Apologiae  Remonstrantium.  Opus  posthumum"  (§arber= 
mici  1664). 

3llg  Seftreiter  ber  9temonftranten  tft  "Jrigtanb  allgemein  belannt,  meniger  aber  al§ 
5ßoIemtfer  gegen  bie  römifct;e  $irct/e.  $Dodb,  I)at  er  auct)  auf  biefem  ©ebiet  fiel)  bäufig 
betätigt.    2lfe  ehemaliger  3ögling  *>er  Seiten  f)eSte  er  SeÖen  bxtfe  eine  befonbere  W>- 

20  neigung.  ©eine  23elefenl)eit  in  ben  $ircf>enbätern  unb  ben  firct)lict)ett  ©Treibern  unb 
feine  33eranntfct)aft  mit  ben  guftänben  unb  9Jiif3bräuct)en  ber  römifct)en  $irct)e  matten 
it)n  iv.  einem  furchtbaren  ©egner.  3>n  feinem  „Valschen  Roem  des  Pausdoms" 
(2lmft.  1631)  beftritt  er  bie  £et)re  Don  ber  atoofioUfc|en  ©ucceffion  bon  ^etru§  unb  bem 
it)m  bon  6b,riftu§  aufgetragenen  Primat   in   ber  Hircfye.    Sluäfüfjrltd^er  tt)at  er  ba§  noa) 

25  in  feinem  „Los  Gebouw  des  Pausdoms,  dat  is  klare  Verthooninghe,  hoe  dat  de 
kerckelijcke  Monarchie  ende  Hierarchie  des  Pausdoms,  op  een  los,  ja  versiert 
Fundament  gebouwt  staet"  (1633).  %n  feinem  „Bodemlooze  Pausdom,  dat  is, 
klaere  aanwijsinghe,  hoe  dat  het  Pausdom  nerghens  gront  ofte  vastigheydt 
en  heeft"  (1638)  b/anbelte  er  über  bie  2lutorttät  ber  $trct)e  unb  bie  2lutorität  ber  ©cbjift. 

30  ^rtglanb  fab,  in  ber  röm.  ^£trct)e  ba§  JReict)  bes>  ©atan§  unb  münfdjte  burdb,  feine 
©Triften  an  bem  ©turj  begfelben  mitzuhelfen. 

2tm  meiften  berannt  gemorben  ifi  Sfriglanb  burct)  feine  grofje  Slrbeit,  betitelt 
„Kerkelijcke  Geschiedenissen,  begrijpende  de  swaere  ende  bekommerlijcke 
geschillen  in   de  Vereenigde  Nederlanden  voorgevallen,    met  derselver  beslis- 

35  singe;  ende  aenmerckinge  op  de  Kerckelijcke  Historie  van  Johannes  Wten- 
bogaert"  (Serben  1650).  $n  biefem  umfangreichen  goltobanb  l>at  er  in  nact)  bielen 
©eiten  bortrefflict)er  äBeife  bie  ©efcfyicr/te  ber  Deformation  in  ben  9iieberlanben  barge= 
fteKt  unb  ein  9Berl  geliefert,  ba3  nod)  immer  ju  9iate  gebogen  merben  mu|,  roenn  aud) 
mit  einiger  Vorfielt.  ©ct)on  lange  fyatte  bie  ref.  $irct)e  nact;  folcb,  einem  9Ber!e  berlangt. 

40  £>er  Honbent  bon  SBefel  (1568)  blatte  bie  ^ufammenfteHung  eine<S  foIct)en  fct)on  an9)?amir, 
(f.  XII,  347)  aufgetragen,  ©bäter  mürben  anbere  Verfonen  barum  erfuct)t,  juletit  noeb, 
§eftu§  £ommtu<S  (f.  V.  g.  Söijminga,  geft.  §ommiu<§,  Setben  1899,  blz.  374—377),  aber 
aueb,  btefer  mufjte  1632  feine  Vorarbeiten  aufgeben.  @g  feinen  fo  ein  folcf)e<3  2Serf  nitt)t 
ju  ftanbe  lommen  ju  folTcn.     SDa  erfcfjien  im  %afyxt  1646  bie  „Kerkelijcke  Historie" 

45  bon  $ot).  2Sienbogaert  ob,ne  ben  tarnen  bon  Verfaffer  unb  ©ruefer.  ®ie3  2ßer! 
mar  eine  3lbologie  be3  Slemonftrantigmus.  Xriglanb  machte  fiel)  fofort  am§  Söerf, 
um  biefe  ©arftellung  ju  mieberlegen  unb  erhielt  babei  alle  nur  mögliche  llnterftü^ung 
bon  fetten  ber  ®irct)e,  bie  über  2ötenbogaert3  SBuct)  febr  entrüftet  mar.  3m  %afyn  1650 
maren  Sriglanbä  „Kerkelijcke  Geschiedenissen"    fertig  unb   erfdjnenen   noeb,  in  bem= 

50  felben  ^af)re  im  ®ruct.  Sie  $tra)e  mar  il>m  fet>r  banlbar  bafür  unb  bie  ©rmobe  bon 
©üb=£olIanb  bezeugte  ib,m  fdc)riftlict>  unb  münbücb,  biefen  ©anf.  ®ie  Regierung  mar 
ineniger  babon  eingenommen.  ®ie  Staaten  bon  §otlanb  metgerten  bie  SStbmung  babon 
anjunelnnen  unb  in  it)rer  SSerfammlung  marnte  ber  Slmfterbamer  Slbgeorbnete  S3ic!er  ba= 
bor  mit  ber  (Srflärung,  bafe  nict)t  nur  biele  gebier,   fonbern  aua)  berfebiebene  mutwillige 

65  Sügen  barin  bortamen.  ®er  Slmfterbamer  3Kagiftrat,  gegen  ben  SEriglanb  in  ben  ^afyxm 
1626—1630  mit  fo  biel  3flut  unb  Iraft  bag  9tecb,t  ber  Hircb,e  bertetbigt  Ejatte,  räcbte  fieb, 
je|t  an  if>m  buret;  ba^  Verbot  ber  2lu§gabe  feineö  SOgerfg. 

2;riglanb§  gmeef  bei  ber  3tulgabe  feiner  „Kerckelijcke  Geschiedenissen"  mar, 
ba§  gute  9tecb, t  ber  ref.  Strebe  gegenüber  ben  3temonftranten  ang  Sieb,  t  ju  fteHen  unb  anju= 

60  geigen,  ba|  3Btenbogaertg  ©arftellung  bäufig  im  ©treit  mit  ber  2Saf)rbeit  mar.    ©r  folgte 


112  tvinitat 

Offenbarung  für  bte  cfyriftlicbe  ©otteSerfenntniS  jum  jufammenfaffenben  2luSbrud\  ©ie 
befagt,  bafs  ber  ©ott  ber  Stiften  nicfyt  nur  bte  5ftad)t  über  bte  SBelt  ift,  bte  in  jeber 
Religion  geahnt  unb  mit  mefyr  ober  Weniger  SDeutIid)fett  unb  .guberficbt  erfaßt  Wirb, 
fonbern  ber  Setter  3efu  Slmfti,  ber  fid)  in  tf>m  boßfommen  offenbart,  unb  ber  Urheber 
o  eines  bie  S'iatur  umgeftaltenben  ^eiligen  unb  feiigen  £ebenS,  baS  in  ber  ©emeinbe  fid) 
berWir!licbt.  ^n  tf>r  5prägt  fo  bte  cfyriftltcbe  Äircfye  ben  2lnfbrud)  auS,  Trägerin  ber  ah 
fd)Iief$enben  Offenbarung  unb  beS  botlfommenen  §eilS  ju  fein,  einer  Offenbarung,  bie 
nichts  ©eringereS  ift  als  bie  Wefenfyafte  ©elbftbarfletlung  ©otteS  in  einem  menfd)lid)en 
^erfonleben,  unb  eines  §eilS,  baS  in  ©otteS  Wefenfyafter  ©elbftmitteilung  an  bie  ©Iäu= 

10  bigen  befielt.  ®emgemäf$  gilt  bie  Sebre  bon  ber  göttlichen  ©reieinigfeit  als  baS  unter= 
fcfyeibenbe  SRerfmal  beS  cbriftlicfyen  ©laubenS  gegenüber  jeber  anberen  religiöfen  ©emein= 
fdjaft,  fpejiell  gegenüber  bem  ^ubentum  unb  §etbentum.  ©ie  ift  bieg  aber  bod)  nur  in 
bem  ©inne  einer  aus  ben  grunblegenben  Überzeugungen  beschriften  bon  bem  £>eiISWert 
Sfyrifti   unb   bem  §eilsbefi|   ber  ©emeinbe  gefolgerten    tb,eoIogifd)en  ^onfequenj.    $DieS 

15  iKuftriert  fd)on  bie  ^b,atfaa)e,  bafj  fie  im  ©efolge  ber  ßfyriftologte  allmäfylid)  auSgebilbet 
Worben  ift  unb  bafc  an  il)rer  2luSbrägung  neben  bem  treibenben  9ftotib  ber  religiöfen 
§eüSerfenntniS  aud)  bie  jeitgefcbldjtlicb,  bebingte  tI)eoIogifd;e  SegriffSbilbung  ifyren  2tn= 
teil  b,at. 

^rinität  ift  bemnacb  bie  5Robifi!ation  beS  cbjtftlicfyen  2JionotI)eiSmuS,  bte  auS   ber 

20  religibfen  SSertung  unb  begrifflichen  Deutung  ber  DffenbarungSgefdjicbte  entftoringt.  3)a= 
bei  fann  baS  religiöfe  ©enfen  eniWeber  bei  ber  llnterfcbeibung  bloßer  DffenbarungSWeifen 
©otteS  fteb,en  bleiben  (öfonomifdje  SErinttät)  ober  jur  3lnnab,me  breier  göttlicher  ©einS= 
weifen  fortgeben  (ontologifcfye  ober  immanente  ^rinität).  ©eitbem  bte  Äircfye  biefen 
Fortgang  bon  ber  öfonomifeben  jur  immanenten  ^rinität  gefctüdjtlid)  belogen  b,at,  läfjt 

25  fie  nur  baS  SefenntniS  jur  legieren  als  ben  bollen  cbjiftlidien  ©lauben  gelten. 

®te  ältere  ©ogmatif  War  ber  2lnfid)t,  ein  fo  grunblegenbeS  ©tücf  ber  magren  @r= 
lenntniS  ©otteS  Wie  bte  Sefjre  bon  feiner  SDreieinigfett  fömte  ben  frommen  beS  2llten 
SunbeS  nid)t  unbekannt  geblieben  fein.  21IS  ©.  (Ealijrt  behauptete,  baS  SDogma  bon  ber 
Strinität  fei  im  %%  nid;t  explicite,  fonbern  nur  implioite  enthalten,  erfuhr  er  lebhaften 

30  2Biberfbrucfy.  §eute  Wirb  fein  Geologe,  ber  fid)  ben  ©tufenunterfebieb  ber  alt=  unb 
neuteftamentlicben  Offenbarung  llar  gemacht  bat,  mefjr  im  213;  SetoeiSfteHen  für  bie 
SLrinität  fud)en  Wollen,  ©o  getotfs  Sebenbigleit  unb  Sßerfönlicbjeit  ©runbjüge  beS  alt= 
teftam entließen  ©otteSbegrtffS  finb,  fo  Wenig  Wirb  bod)  auf  eine  trinitarifdje  Entfaltung 
beS  göttlichen  SebenS  refleftiert.     2BaS  man    für  ©teuren   folcfyer  ©ebanlengänge   auS= 

35  gegeben  fyat :  bie  ^ßluralform  beS  ©otteSnamenS  ©lofyim,  bte  bluralifdje  2Beife,  in  ber 
©ott  ©en  1,  26  bon  feinem  2BiHenSentfd)lufe  fbrid)t,  ober  breigliebrigc  liturgifdje  gormein 
Wie  ber  aaromtifcfye  ©egen  9tu  6,21—26  ober  baS  IriSfyagion  ^ef  6,3,  lann  nur  buro) 
unmetfyobijcfye  (Sjegefe,  bie  näfycrliegenbe  GrllärungSgrünbe  überfielt,  mit  ber  ^rinität  in 
Serbinbung  gebraut   Werben,    ©agegen  b^aben  allerbingS  geWiffe  altteftamentlicb,e  2tuS= 

40  fagen,  in  benen  bon  ftel)enben  formen  unb  9Jlebien  ber  göttlichen  Offenbarung  bie  Siebe 
ift  (SBort  ©otteS  ©en  1 ;  «ßf  :!3,  6;  ^ef  55,  11;  SGBet  16,  12;  18,  llf. ;  ©i  43,  25  — 
2BeiSb,eit  ^r  8,  22 ff.  —  @ngcl  ^ab,beS  ©en  22,  llf.  15;  @j  3,  2.  4.  6;  9)?a  3,  1),  auf 
bie  StuSbtlbung  junädjft  ber  Sb,riftologie  unb  Weiterbin  ber  ^rinitätSlefyre  etngeWir!t.  SDaS 
eigentliche  ^ntereffe,  baS  ib,nen  ju  ©runbe  liegt,   ift   aber   bem   ber  SrinitätSlefyre  ntct;t 

45  ob,ne  Weiteres  gleichartig.  2öäl)renb  für  btefe  ber  Slccent  auf  bie  3ufammenfaffung 
Gljrtfti  unb  beS  ©eifteS  mit  bem  3]ater  fällt,  bienen  jene  altteftamentlict)en  Sorftellungen 
meb,r  ber  Unterfd;eibung  ber  Offenbarung  bon  ©otteS  Sßefen  als  ber  innigen  33er= 
Inübfung  beiber. 

2lucb;  im  %l%  Wirb  bie  Xrinität   nicb,t  als  2eb,re  borgetragen;   fie   ergiebt   fieb,    erft 

so  bann  als  Äonfequenj  aus  ben  neuteftamentlid)en  SluSfagen,  wenn  man  biefe  jufammen= 
fajst  unb  in  t^re  3BorauSfe|ungen  jurüclberfolgt.  SBaS  junäc^ft  bie  ^erfon  Sb^rifti  be= 
trifft,  fo  foH  Ijner  nur  an  bie  Widjtigften  ©tü£en,  bie  baS  3R2:  ber  trinitarifdjen  l^on= 
ftruftion  barbietet,  erinnert  Werben,  im  übrigen  aber  auf  ben  2lrt.  Sfjriftologie  (33b  IV 
©.  4  ff.)  berWiefen  fein.     ®aS  gemeinfame  urcfyriftltcbe  SefenntniS   ^ur  SReffiamtät  3efu 

55  enthält  bte  3SorauSfe|ung,  ba^  er  als  baS  Organ  ^ur  JßerWirflicbung  ber  1\) eo!ratie  ©ott 
nab,e  fteb. t  unb  ib,m  in  irgenb  einem  ©inne  jugebört.  ©cb,cn  bie  jübifcb,e  Geologie 
läfjt  ben  SJleffiaS  ibeeH  bräejiftieren  ober  aud)  in  realiftifcberer  Söenbung  mit  ben 
buref)  if)n  bermittelten  ©ütern  ber  ©nb^eit  bis  ju  beren  Eintritt  im  §immel  auf= 
bewahrt  fein,   ob,ne  boeb  feinen  ßfyarafter  als  ©efa)öbf  in  grage  ju  fteßen.    Sie  tyvxp 

so  lidb,e   ©emeinbe    ben!t   bie   ©enbung  Gbjifti   gleichfalls   als  §erauSfenbung    einer   übcr= 


Snnttät  113 

irbifdjen  (grfcfyeinung  aus  ber  ^immelSWelt  ©a  4, 4.  ©er  mefftanifd)c  Titel  ©ofm 
©otteö  vertieft  ftd)  ifyr  —  gemäf  Qefu  ©elbftgeugnig  3)tt  11,  27  —  ju  ber  2lnfd)auung 
etneö  33erf>ältmffeS  Vertrauter  ©emcinfcfyaft  unb  Siebe  gWifdjen  Sßater  unb©o!m,  baS  auf 
erben  erfcr)eint  ($o  10,  30),  aber  in  einem  borWeltlidjen  ©ein  begrünbet  ift  dlb  8,  32 ; 
2  Mo  8,  9;  $f)i2,  5ff.  ßfyriftuS  ift  beSfyalb  befähigt,  im  5Ramen  ©otteS  ju  fyanbeln,  5 
toeil  in  tym  ©otteS  SebenSfüüe  Wotynt  Hol  2,  9,  Weil  er  ©otteS  ©benbtlb  2  Ho  4,  4,  ber 
9l6glan§  feiner  £>errlic!bjeit  unb  2Ibbrud  feines  2öefenS  ift  £br  1,  3.  ©er  feften  SBerfnübfung 
Gfjriftt  mit  ©ott  bient  bei  2;ol)anneS  ber  SogoSbegrtff ;  er  befagt,  bafj  in  $efuS  ber  ur= 
anfängliche  Präger  ber  göttlichen  ©elbftoffenbarung  auf  @rben  erfcfyetnt,  ber  felbft  d&k, 
b.  b,.  göttlichen  SöefenS  ift  $0  1,  1.  14.  18.  Sn  einigen  neuteftamerttlicfyen  ©teilen  wirb  10 
ber  luferftanbene  unb  @rb,öb,te  gerabeju  &eog  genannt  %o  20,  28;  1  $0  5,  20;  ob  baS= 
felbe  aueb,  9fö  9,  5  unb  SEit  2,  13  ber  $aß  ift,  ift  er.egetifd;  umftritten.  Woä)  häufiger 
wirb  baS©ebet  ju  bem  erbeten  §erm  als  SJlerfmal  beS  Triften  bejeidmet  21©  9,  14,  9tö 
10, 12 ff.;  1  Ho  1,2.  ©aS  bamtY  auSgefagte  $erfyältniS  (Sbrifti  ju@ott  läßt  ftd;  begripd) 
ferner,  jebenfallS  nicfyt  mit  einem  2Bort  umfcfyreiben.  ^raftifd;  Wirb  GbjiftuS  mit  ©Ott  15 
bis  jur  ^bentiftlation  jufammengefa^t,  fo  bafj  fein  £>anbeln  ©otteS  %f)\m,  feine  2ln= 
betung  ©otteS  Slnbetung  ift.  2öo  er  aber  bon  ©ott  berfönlicfy  unterfdneben  wirb,  ba 
bleibt  er  u)m  als  Mittler  untergeorbnet  1  Mo  15,28;  11,3.  3ln  ein  Moment  beS 
immanenten  göttlichen  SebenSbrojeffeS  ift  aud;  beim  jol>anneifd;ett  SogoS  nid)t  gebadet. 
@r  ift  Mittler, für  ©otteS  Offenbarung  an  bie  Sßelt.  ©aS  9)lotib  aller  biefer.©ebanlen=  20 
gänge  ift  bie  Überzeugung,  in  ©tjrtftug  bie  bolle,  it>efenE>afte  Offenbarung  ©otteS  unb 
bamit  baS  „Seben"  im  f)öd)ften  ©inne  ju  fyaben  $o  1,  4;  3,  16;  20,  31.  ©ie  6f>riftuS 
im  2krl)äItniS  gu  ©ott  ^ugefeb^riebene  Stbbilblicbjeit  unb  SßefenSberWanbtfcfyaft  ift  baju 
beftimmt,  fein  irbifcfyeS  Seben  unb  §etlSWerf  naef)  ifyrer  uniberfellen  SSebeutung  für  bie 
9RenfdjI)eit  gu  beleuchten,  Wäfyrenb  fie  über  bie  immanenten  33erl)ältniffe  beS  gottb^eitlidien  25 
SebenS  leinen  atuffcfylufs  giebt  unb  geben  miß.  Stbgefefyen  Don  ber  offenbarenben  Se= 
tfyätigung  ©otteS  gegenüber  ber  äöelt  ift  bon  reinem  SogoS  unb  abgefefyen  bon  ber 
gefdn'djtlidjen  §eilSftiftung  bon  feinem  ©ofyn  als  StRoment  beS  göttlichen  ©elbftlebenS  bie 
Siebe.  2lucf;  !ann  ©ott  in  feinem  23ert)ältniS  ju  ßfyrifiuS  ebenfogut  als  &sog  %o  17, :] ; 
20, 17  Wie  al§  TiaxrjQ  1  £0  8,  6  bejeidjmet  Werben.  30 

33om  bj.  ©eift  fagt  baS  ^i%,  baft  er  je  unb  je  burd;  bie  ^robfyeten  gerebet  bat 
2  $t  1,  21,  bafj  er  bann  im  SSoKmaf  auf  Qefu  rubele  unb  il»n  ju  feinem  meffianifcf)en 
SBirfen  auörüftete  Mc  1,  10 ;  ^50  3,  34.  £>er  feb^eibenbe  ©rlöfer  bereifet  feinen  Jüngern 
bie  ©enbung  be§  ©eifte«  al§  beö  äUog  jiagdx^Tog,  ber  feine  ©teile  bertreten  foll  ^50 
14, 16  f.  2)urcb,  i§n  Wirb  bie  ©emeinfdjaft  ber  jünger  mit  ib^rem  Sfteifter  aufrecht  erhalten,  35 
ja  erft  rect/t  bollenbet  14,26;  16,  13  f.  ©benfo  eng  ift  bei  ^auluö  ber  ,3ufammenl)ang 
be§  ©eifteS,  ben  bie  ©laubigen  empfangen  unb  ber  fie  ifyrer  ©otte§tmbfcr)aft  gemi§  macf)t 
9Jö  8, 16;  ©a  4,  6,  mit  ßfyriftu§.  @r  f>ei^t  ebenfotool)!  ber  ©eift  ßb^riftt  wie  ber  ©eift 
©otte3  5Rö  8,  9  f.  ®urd?  biefe  ^ufammenfaffung  mit  ßfyrifti  5]3erfon  Wirb  ber  ©eift  ju 
einer  ©rö^e  bon  feft  umfeb/riebenem  ^nb^alt  unb  beftimmt  gerichteter  2Birlfamfeit  1  Ho  40 
12,  3 ;  ^a  2.  Ho  3,  17  fcf)eint  ber  erb,öl;te  gljriftuä  mit  bem  ©eift  gerabeju  tbentiftgtert 
?u  toerben,  Wa§  aber  nid)t  bon  fubftantieller  ^bentität,  fonbern  bon  infjaltlid^er  ©Ieid)= 
6eftimmtb,eit  unb  b^il3gefcf>id)ilid)er  ^ufammengefiörigfeit  gu  berftel)en  ift.  ©er  Urfbrung 
be§  ©eifteS  au§  ©ott  unb  fein  Wefentlidjer  ^ufammenb^ang  mit  it)tn  Wirb  1  Ho  2,  10 
ausgebrochen,  ©er  ©eift  ift  f>ier  eine  junäc^ft  innergöttlicl)e  ^oienj,  baS  ©elbftbemu|t=  45 
fein,  traft  beffen  ©ott  ftd;  felbft  erlennt;  barum  bermag  er  aud;  ben  9Kenfd)en,  bie  tbn 
embfangen,  bie  liefen  ber  ©ottt)eit  aufgufd)liefeen.  ©iefe  liefen  finb  aber  nieb^t  fbetu= 
latibe  ©rlenntniffe,  fonbern  toie  33.  12  unb  3iö  5,  5  jeigt,  bie  Söunber  ber  göttlichen 
Siebe  (bgl.  9ieifd}Ie,  3%ffi  1891,  322).  ©er  ©eift  berinnerlid)t  fomit  bie  in  Gb^rtftuS 
gcfd^er)ene  ©elbftoffenbarung  ©otteS;  er  mac§t  fie  jum  berfönliciien  Sefi|  be§  ©laubigen  so 
unb  teilt  ifym  fo  baS  neue  Seben  ber  ©otteSgemeinfc|aft  mit,  ba§  fiel)  in  fittlicb^en  g-riiebtett 
auswirft  ©a  5,  22  f.  ©ie  aßur^el  biefer  Seb^re  bom  ©eift  ift  in  ber  cb.riftlidjcn  mit-- 
«fab^rung  ju  fucf)en.  ©ieS  liegt  befonberS  in  ben  baulinifcfyen  SluSfagen  am  läge,  ©er 
©eift  als  bie  fort  unb  fort  bon  ©ott  burd)  ßbjiftuS  auSgeljenbe  SBirfung  auf  baS 
^erfonleben  trägt  bie  ©emeinfdmft  mit  ©ott  unb  bebingt  bie  ©otteSerlenntniS;  barum  55 
gilt  er  bem  6f>riften  als  baS  im  9JJenfd;enf)erjen  erfc|loffene  ewige  ©eibftbcWufetfetn 
©otteS.  ©ie  SBirfungen  beS  ©eifteS  finb  babei  als  berfönlid>e  2Birfungen  gcbad;t  9tö 
8,16;  ©a4,  6  unb  ber  ©eift  felbft  Wirb  als  ^ßerjon  angefdjaut,  bie  burd)  fünbtgeS 
Sßiberftreben  betrübt  Wirb  @bl?  4,  30.  ©aSfelbe  liegt  in  ben  iofyanncifcfyen  3(usfageit  bom 
didäoxeiv,  lUyxeiv,  avayyillEiv  beS  aud)  formell   als  ^evfon  benannten  7innny.h]roz  00 

8teaI=®nc^HopäMe  für  Ideologie  unb  Jfitdie.    3.  21.  xx.  g 


Srtglanb  Xv'mhät  111 

besWcgen  feinem  ©egncr  ©cfyritt  für  ©cbritt  unb  teilte  fein  2Ber!  genau  auf  biefelbe 
2Beife  ein,  Wie  Sötenbogaert  bas  feine.  sHcan  b,at  itmt  Uneljrlicbjeit,  Unmiffenfcfyaftlicbjeit 
unb  Parteinahme  borgeworfen,  ^n  ben  Wörtlichen  ßitaten  aus  Sötenbogaerts  ©d)rift 
jebod)  unb  aueb,  in  ber  Mitteilung  ber  £r/atfad)en  ift  er  offenbar  boßfommen  erlief)  z"  ffierle 
gegangen,  Was  aud)  Don  SRänner  Wie  £.  6.  9iogge  unb  ter  §aar  burcfyaus  anerfannt  5 
wirb,  bie  keineswegs  ju  feinen  ©eiftesberWanbten  gehören.  2So  er  Sötenbogaert  Ungc= 
nauig!eiten  nacfyWeift,  f>at  er  immer  recfjt.  SSon  ben  ürd)lid)en  2lrd)iben,  bie  z"  feiner 
Verfügung  gefteßt  Waren,  fyat  er  eifrig  ©ebrauef)  gemalt.  (fr  nennt  ftets  feine  Quellen, 
Wenn  er  bon  ber  ®arfießung  ber  ©inge,  Wie  anbere  fie  gaben,  abweidet;  Worüber  bie 
Üueßen  feinen  Sluffcf/Iuf?  gaben,  bas  überging  er  mit  ©iillfdjWeigcn.  geilten  il)m  10 
offizielle  Duellen,  fo  beruft  er  fieb,  Wob/l  aud)  auf  ^ribaigeftoräcfye.  ^n  biefer  §inficb,t 
bat  er  wiffenfdjaftlicb,  gearbeitet.  2luf$erbem  zeugt  fein  SBerf  bon  großer  @eleb,rtb^eit. 
(Eine  Sßefcfywerbe  lann  aßerbings  mit  einigem  Stecht  gegen  bie  SöiffenfcfyaftltcbJ'eit 
feines?  2ßerfe§  erhoben  werben,  bafj  er  nämlicb,  nic^t  immer  genügenb  ^ritif  an 
feinen  Duellen  übte,  Wenn  fie  bon  ber  ©eite  feiner  ©eftnnungsgenoffen  ftammten.  15 
Tas  f)ängt  natürlich  mit  ber  £f)atfad)e  jufammen,  baf?  SCriglanb  bei  Slbfaffung  feines 
2Berfes  nict/t  ganz  unbarteitfd)  ben  ©efcfyelmiffen  gegenüber  ftanb,  bie  er  befdjrieb. 
ISr  b,at  fclbft  leibenfcb.aftlicb,  am  ©treit  teil  genommen,  ©egen  bie  3Remonftranten 
fyegte  er  fernere  Vorurteile,  ©ine  ©djätjung  berfelben  rannte  er  nicfyt.  üßks  er 
lieble«?  über  fie  b/örte,  mar  er  immer  anzunehmen  bereit.  2ln  Sötenbogaerts  guten  20 
Sßtßen  glaubte  er  nict/t.  3ln  feinem  eigenem  guten  ©lauben  brauet  babei  nid)t  ge= 
zweifelt  z"  »erben,  aber  bie  boße  3ut>erläffigfeit  feinet  2Berfcs  ^)at  barunter  leiber  nicfyt 
Wenig  gelitten.  Von  einem  2lkrf  mit  fo  beutlicb,  ausgekrochener  polemifdjer  Slbjroecfung, 
Wie  bie  „Kerkelijcke  Geschiedenissen",  ift  aud;  faum  etwas  anberes  zu  erwarten. 
Tic  ©isbofttion  feines  Söerfes,  in  ber  er  SBtenbogaert  ©d)ritt  für  ©cfyritt  folgt,  jeboeb,  25 
babei  ju  aßerfyanb  Vefonbcrfyeitcn  abfcfytoeift,  ift  bie  Urfacfye  babon,  baft  SEriglanb  nicfyt 
eine  fortlaufenbe  b/iftorifd)e  SDarfteßung  geliefert  b/at.  @in  litterartfdjes  ^unftWerf  ift  es 
nid)t.  ©er  ©til  ift  einfad),  bie  Beweisführung  ftreng  logifcfy,  aßes  Vatlws  fefyli,  an= 
fd)aulia)e  Silber  !ommcn  nietjt  bor.  @s  ift  ein  2ßerl,  bas  burcfygearbeitet,  unb  nic£)t 
Wegen  ber  2tnfcb/aulicb/!eit  gelefen  fein  Wiß.  30 

©ennoeb,  berbient  ^riglanb  VeWunberung  für  bie  gufammenfteßung  tiefes  9tiefen= 
toerfes,  bas  er  im  2tlter  bon  63  2Sctb,Kn  begann  unb  in  gut  brei  S^en  ooßenbete.  @s 
jeugt  bon  eifriger  Unterfucb,ung,  grünblidiem  ©tubium,  großer  ©elef)rfam!ett  unb  au^er= 
gewöftniidjer  2lrbeits!raft.  @s  enthält  eine  Sln^ab,!  toon  (Einzelheiten  aus  Iircl)Iid;en 
2lra)iben,  bie  anbersWo  ntd}t  z«  finben  finb,  Wäbjenb  biete  ©tüc!e  in  extenso  mitgeteilt  35 
finb.  9iec£met  man  bie  unb  ba  mit  bes  ©Treibers  Parteinahme,  fo  ift  es  Wegen  ber 
reichlichen  unb  eb/rlicfyen  SerWenbung  bon  offizießen  Sericbten  im  allgemeinen  gefdjtcfytlicf) 
juberläffig,  fo  bafj  es  immer  noeb,  großen  28ert  für  bie  Kenntnis  ber  ©efcbjdjte  ber  S^e^ 
formation  in  ben  9tieberlanben  b,at. 

^m  %at)Tt  1640  erfdjienen  z"  Slmfterbam  in  brei  goliobänben  cb,ronologifcb,  ge=  40 
orbnet  äße  Söerfe  bon  ^Eriglanb,  bie  bis  bal)m  erfcb,ienen  Waren,  unter  bem  SEitel 
„Opuscula  Jacobi  Triglandi"  mit  einem  guten  ^orträt  bon  il)m  als  ®reiunbfünfgig= 
jäfjrtgem.  @ine  Sifte  aller  feiner  ©cf)rifteu  unb  bon  einigen  anonymen  ^ampt)leten, 
bie  "Iriglanb  gugefdjrteben  Würben,  ift  bei  §.  90.  ter  §aar  (t.  a.  p.  blz.  177—181) 
w  finben.  ©  <£.  0011  Seen.     45 

Srtnitttt.  —  g.  ß^.  SScutr,  ®ie  djr.  Se^re  ü.  b.  ®reteinig!ett  u.  SKenfdjwerbung  ©otte§ 
in  itjrer  gefd)id)tlid)en  (Sntwicflung,  1841—42;  3.  ?t.  ®ovnev,  ßntwtdlung§gefdn'ct)te  ber 
Üeljre  ö.b.^erfon  e&rifti,  2.91.  1845—56;  ©.  9(.  gjjeier,  ®ie  ßeftre  bon  ber  £rinität  in  itjrer 
f)i)t.  (Sntwicllung,  1844;  ©.  Ärüger,  S)a§  ®ogma  bon  ber  2)reiemigfett  unb  ©ottmenfd)^eit, 
1905:  ®d)Ietermad)ev,  Ile6er  ben  ©egenfa^  §tt)ifd)eit  ber  fabeüianifdjen  unb  ber  at^anafianifdjen  so 
Sorfteüung  bon  ber  Srtnttcit,  25-K  I.  916t.,  2.  33b ;  3-r.  Siide,  fragen  u.  SSebenten  über  bie 
immanente  SSefenätrinitcit,  Xt)@tS  1840;  B-  3-  SJitifd),  lieber  bie  wejentlidje  3)reieinigfeit 
öottes,  e6b.  1841 ;  ßfj.  ^.  s2Betf|e,  gut'  SSertetbigung  be§  iiegriffä  ber  immanenten  SKefenätrinitfit, 
e6b. ;  6.  S3raun,  3)er  SSegriff  „^erfon"  in  feiner '9lnmenbung  auf  bie  £et)re  bon  ber  Svinität 
unb  Sntarnation,  1876; '  3.  ^utrtgl,  28iffenfd)aftlid)e  Sedjtfertigung  ber  djr.  £rinit8t3lebje,  65 
1S46;  .Sj.  Sdiults,  Dk  Üef)re  bon  ber  ©otttjett  (£E)rifti,  1881;  5R.  9tod)ofl,  ®er  d)r.  ©otteSbegriff, 
1900;  bie  bogmatifdien  SSerfe  uon  Jtoeften,  Jiiebner,  SbomaftuS,  ®orner,  Maftan  unb  bie 
bogmengefd)iditltd)en  5)arfteüungen  uon  ^arnadE,  Soofä,  ©eeberg,  fowie  g.  Sattenbufd),  3?aö 
Qpoftolifdje  ©ötnbol  II,  1  !)<)<). 

1.  T)ic  Seb,re  bon  ber  göttlid)cn  Trinität  bringt  ben  (Ertrag  ber  gefd)id)tlid)cn  belli--  60 


114  tvinität 

$0  14,  26;  16,  8.  13.  Wtan  toürbe  aber  auS  biefen  SBorten  ju  totel  folgern,  toenn  man 
fie  bafyin  auflegen  toollte,  baf?  ber  ©eift  als  eine  oon  ©ott  unb  ©tmftuS,  beren  ©eift  er 
Ijetfjt,  unterfcbjebene  ^}erfon  gebaut  fei.  £5"  kiefer  Sc^te^ung  malmt  uns  fdjon  ber 
Umftanb  gur  33orfid)t,  bafj  fia)  bie  fyr/tooftatifd)e  ©elbftftänbigteit  beS  ©eifteS  neben  bem 
5  33ater  unb  ©ofm  nur  fefyr  langfam  in  ber  ftrdj>licr)en  Geologie  burcfygefe^t  I?at. 

gu  ben  befbrocfjenen  SluSfagen  über  ©olm  unb  ©eift  fommen  noti)  bie  eigentlich 
irimtarifcfyen  ©teilen.  Scacb,  bem  apoftolifdjeit  ©egenSgrufj  2  $o  13,  13  geljt  baS  §eils= 
leben  beS  Stiften  auf  eine  bretfacfye  ßaufalität  gurüä:  bie  Siebe  beS  SßaterS,  bie  ©nabe 
^efu  ©fjrifti  unb  bie  ©emeinfdjaft  beS  b,I.  ©eifteS.     3>n  biefer  breifacfyen  Jfaufalität  toirb 

10  aber  ^ugleicb,  bie  ©infyeit  beS  göttlichen  §eitStoiHenS  angefct/aut,  ber  ficb,  in  ber  ©enbung 
beS  ©ofyneS  unb  ber  Mitteilung  beS  ©eifteS  gefcr)idjtlicl)  bertoirfltcfyt  Ijiat  (togl.  ©a  4, 4.  6). 
ätfynlicb,  füb,rt  1  $o  12, 4—6  bie  2luSrüftung  ber  ©emeinbe  mit  ©Zarismen,  Ämtern  unb 
Gräften  auf  ben  ©inen  ©eift,  ben  ©inen  §errn  unb  ben  ©inen  ©ott  jurüd.  ©anj  be= 
fonberS  aber  bejeicfmet   ber  Saufbefefyl  SSJlt  28,  19   ben  ©ott   ber  Stiften,  unter  beffen 

15  ©egen  unb  in  beffen  ®ienft  jebe§  ßfyriftenleben  fteb,t,  als  ben  breifacfy,  als  SSater,  ©ob,n 
unb  ©eift  offenbaren.  SDamit  toirb  ofyne  3toe^  ^er  ©otteSglaube  ber  cfyriftlicfyen  ©e= 
meinbe  mit  einer  alle  SSerfennung  auSfcfyliefsenben  SDeutlidjfeit  be^eicfynet.  9cur  too  ber 
Sine  ©ott  als  ber  SSater  befannt  toirb,  ber  im  ©ofm  ficb,  offenbart  unb  im  ©eift  ficb, 
mitteilt,  ba  ift  dE>rift!td^e  ©otteSertenntniS.    SDiefe  fürjefte  ßufawMenfaffung   bei  d^rtft= 

20  liefen  ©laubenS  ift  benn  aud)  für  baS  fbätere  SaufbelenntniS  unb  weiterhin  für  ga^>l= 
reiche  erbauliche  unb  tfyeologifcfye  SDarfteHungen  ©runblage  unb  SSorbtlb  getoorben.  ©ie§ 
barf  freiließ  nicfyt  baju  berieten,  bon  ber  fbäteren  bogmatifcfyen  SrinitätStefyre  atljubiel 
fcfyon  in  biefer  ifyrer  bomefymften  bib(ifd)en  Quelle  finben  ju  tooßen.  Über  eine  $u= 
fammenfteKung  ber  in  ber  £>eilSoffenbarung  enthaltenen  unb  für  ben  ^eilSglauben  cr)araf= 

25  teriftifd)en  Momente  ge!)t  bie  erfennbare  Slbficfyt  ber  ©teile  ntcfyt  fyinauS.  ®a|  baS  in 
ber  ßinjab,!  fteBenbe  övo/ua  baS  jenfeitS  ber  Offenbarung  liegenbe  einheitliche  göttliche 
2Befen  unb  bie  S^ebeneinanberfteHung  bon  33ater,  ©ofyn  unb  ©eift  ifjre  botlfommene 
^oorbination  bebeute,  ift  unjuläffige  bogmatifdje  SluSbeutung.  ©agt  boefy  felbft  baS  naefy 
bem  SDtufter  beS  SaufbefefylS   geftaltete    ausführlichere  SaufbefenntniS  nod)  nichts  bon 

30  biefer  ©tn^eit  unb  ^oorbination.  Söir  fteb,en  barum  aueb,  bter  auf  bem  33oben  ber  fog. 
DffenbarungStrinität,  über  bie  ba§  31%  überb,au^)t  nic^t  &inaugget)t  (33.  SBeij?,  ®ie  SRel. 
be§  31%  199).  2)er  toefentlicb,e  2lccent  foß  in  biefer  ,3uf<minienfaffung  auf  bie  9Jtittler= 
fteHung  be§  ©ob,neS  fallen.  ®aS  ergiebt  ficb,  auä)  au§  bem  Umftanb,  bafe  bie  2l^oftel= 
gefcfyicfyte  toie  bie  ^auüntfcbert  Briefe  bie  Xaufe  auf  (Ebriftug  als  toeitl)in  ftenfcbenbe  ©itte 

35  erlennen  laffen  21©  2,  38;  8,  16;  10,  48;  19,  5;  1  Äo  1,  13;  Stö  6,  3  ;  ©a  3,  27. 
2Bir  toerben  barum  aud>  bie  trinitarifc6,e  Saufformel  fo  interpretieren  muffen,  bafj  fie 
ben  ©ob^n  unb  ©eift  al§  bie  Offenbarung  beS  3Sater§  unb  ben  2Beg  ju  if)m  be= 
jeid)nen  toill. 

Slu^ercfiriftlic^e  bejto.  au^erbiblifcb^e  Quellen  ober  33orbilber  ber  SrinitätSleb^re  an^u= 

40  nehmen  befielt  lein  2lnlaf[.  ^m  18.  ^af)rb,unbert  bat  man  folcfye  bei  ^ßlato  gefugt 
(Sinalpp,  ®ogm.  I,  233 ff.),  fpäter  im  |inbuiSmuS  (§egel,  9iel.=^§il.  II,  199 f.:  %xu 
murti;  bgl.  bkvgu  (Sbantepie  be  la  ©auffar/e,  3tel.=©efcb,.  II3,  142  unb  r>.  Drelli,  9tel.= 
©efcl).  501)  unb  ^arftSmuS  (bgl.  %x.  Vtyfö,  ®ogm.  411),  neuerbingS  in  einer  baty-- 
lonifct)en  %x\a§  (§.  gtmmern,  ^ater,  ©o|n  unb  gürfpreeb^er  in  ber  babr;Iontfcbert  ©otteS= 

45  borfteüung  1896).  Son  all  bem  tonnte  felbft  bann  rttebt  emftltcb  bie  Siebe  fein,  toenn 
bie  Slfmlitftfeit  biel  größer  toäre,  als  fie  toirflid)  ift.  'sDer  ^3roje|,  ber  §ur  SBilbung  ber 
cbrtftlicben  SrinitätSlefyre  geführt  b,  at,  liegt  ntebt  in  einer  grauen,  unbefannten  SSorgett ;  er 
bat  fiel)  im  sollen  Sicfjt  ber  ©efclncfyte  abgezielt,  feine  Sitten  liegen  in  großer  3SoUftänbigfeit 
bor  uns  unb  feine  SDtotioe  finb  teinestoegS  unbefannt.     ©ie  gehören  faft   auSf^Iie|licb, 

so  ber  cr/riftologifcfyen  9leflejion  an  unb  ertlären  burcr)auS  genügenb,  toaS  ju  ertlären  ift. 
©S  ift  barum  gar  ntebt  einjufef>en,  too  biefe  ©inflüffe  eingegriffen  fyaben  füllten  unb  toelc^e 
Söirtungen  oon  ib^nen  unb  nur  toon  ib^nen  ausgegangen  toären. 

2.  1)ie  ©nttoictelung  ber  Itrdblicberi  SrinitätSleb^re  faßt  ju  einem  großen  Seil  mit 
berjenigen  ber  gbjiftologie  (93b  IV  ©.  16  ff.)  jufammen.    @S  genügt  barum,  bie  toefent= 

55  lieben  Momente  unb  ©tabien  biefer  ©nttoictelung  ju  be^eicb,nen.  ®er  SilbungSpro^B 
beS  SDogmaS  ift  bureb.  baS  ^ntereffe  beberrfebt,  bie  2lbfoIutb,eit  ber  cfyriftlicb, en  Offenbarung 
feft^ufteCen.  35ieS  erforberte  bie  engfte  Sertnütofung  ber  gefcfricbilicfyen  ^erfon  (Ebrtfti 
mit  bem  Seben  unb  SBefen  ©otteS.  5)abei  ertrug  aber  ber  cbjtftlicfye  ©laube  toeber  eine 
©efäb,rbung  beS  SRonotljeiSmuS  noeb,  bie  SSerflücb, tigung  ber  ^ßerfon  beS  ©rlöferS  ju  einer 

eo  blofsen  gunftion  ober  borübergeb^enben  ©rfcfjeinung  ber  ©ottfeit.    33ei  ben   aboftolifcfyen 


Xvimt'ät  115 

Tätern  tt>irb  baS  33erfyältniS  bon  23ater  unb  ©ofyn  nodj  nicf)t  als  Problem  embfunben, 
ba  ber  ©olm  entmeber  als  blojjeS  Söertjeug  beS  33aterg  gebaut  ober  mit  btefem  unb 
bem  ©eift  unbebenfticfy  ibenttfigiert  wirb,  ^nbem  bie  Ibologeten  bem  33erftänbniS  ber 
^erfon  3efu  om  Sogoöbegriff  ju  ©runbe  legen,  erreichen  fie  eS  ^War,  biefer  ofyne  35er= 
letmng  beS  9ftonotfyeiSmuS  in  bem  Stammen  ber  offenbareren  S^ätigfeit  ©otteS  eine  5 
©teile  anjumeifen,  nicEjt  aber  ebenfo  bie  Konzentration  ber  Offenbarung  in  ßbjiftuS  unb 
fein  fbeziftfcfyeS  33erl)ältmS  zum  Sater  ju  ftcfyem.  2lucb,  bie  llnterfcfyeibung  eines  imma= 
nenten  unb  eines  bon  biefem  abhängigen  fleifcfygetborbenen  SogoS  fteßt  ben  letzteren  bocl) 
nur  in  ein  mittelbares  33erIj)ältmS  $u  ©Ott.  Äüfyner  unb  bie  fbätere  ©nttoiäelung  biel= 
facfy  borauSnef>menb  lä|t  SertuHian,  ber  aucfy  juerft  ben  Segriff  trinitas  geprägt  f>at,  10 
ber  Offenbarung  an  bie  2Belt  eine  ©elbfterfdjtliefjung  ©otteS  in  ©olm  unb  ©eift  für 
ben  Stoed  ber  Offenbarung  borauSgefyen.  OrigeneS  bringt  biefe  ^ßfjafe  ber  ©nttoiclelung 
311m  Stbfcfylufj,  inbem  er  ben  SogoS  in  ewiger  ©elbftftänbtgfeit  bei  ©ott  beult,  ©ie 
Beugung  beS  ©ofmeS  ift  ein  etotger  Slft  —  wobei  man  nidjt  bergeffen  barf,  bafc 
aucfy  bie  ©cfyöbfung  ber  SBelt  bei  OrigeneS  ein  folcfyer  ift  —  unb  macfyt  biefen  gleiten  15 
SBefenS  mit  bem  33ater  teilhaftig,  dagegen  ift  baS  2öefen  beS  ©eifteS  für  OrigeneS 
eine  nod)  ni$t  geflärte  §rage;  bocb,  benlt  er  fiel)  bie  2BirlungSfbl)ären  bei  üßaterS, 
SofyneS  unb  ©eifteS  als  fonjentrifc^e  Greife:  ber  33ater  maltet  über  bem  SIE,  ber 
©oljn  in  ben  bemünftigen  Kreaturen,  ber  ©eift  in  ben  ^eiligen,  ^nbeffen  b,atte 
ber  2JionarcbjamSmuS  in  feiner  mobaliftifd^en  ©eftalt  eine  nod)  engere  3ufammen=  20 
faffung  beS  ©ofyneS  mit  bem  3Sater  zu  erreichen  gefugt,  inbem  er  beibe  berfönlid) 
ibentifa;  badete,  ©abelliuS  fielet  in  23ater,  ©ob,n  unb  ©eift  einanber  ablöfenbe  Dffen= 
barungSformen,  ngogcana  ber  ©ottfyeit,  benen  brei  gerieben  beS  2BeltlaufS,  ©cfi)öb= 
fung  unb  ©efe£,  (Möfung,  ©emeinbe  entfbrecfyen.  ®iefe  Äonftruftion,  bie  in  ßfyriftuS 
nur  eine  borübergefyenbe  2luSftral)Iung  ber  ©ottfyeit  fafy,  mürbe  als  eine  unerträgliche  20 
3Serfürgung  bei  Wefentlidjften  ©laubenSintereffeS,  ber  bleibenben  9Jcittlerfcfyaft  ßtmfti, 
embfunben  unb  fyalf  ben  ©ieg  ber  l)r/boftatifcf)en  ©fyriftologie  entfcfyeiben.  ^nbeffen  ber= 
blieb  bem  SRobaliSmuS  ein  unberfennbarer  3Sor^ug  bor  ber  SogoSfbefulatton ;  er  bermocfyte 
eS,  ben  ©oljm  tunftcbjlicb,  ber  ©ottb,eit  bem  9]ater  bottfommen  gleichstellen,  $m  3Ser= 
gleich  bamit  mufjte  bie  auefy  bon  OrigeneS  noeb,  feftgefyaltene  ©uborbination  be§  ©olmeS  so 
(unb  ©eifteS)  al§  ein  entfcfnebeneS  9Jlinu§  erfc^einen.  Unb  in  ber  ©ntmicfelung  bei 
2)ogma§  fiegte  immer  bie  religiös  reifere  SSorfteßung  über  bie  bürftigere  ungeachtet  ber 
barauS  entfpringenben  ®en!fc^mierigfeiten.  2lt§  barum  2lriu§  ben  Ünterfc^ieb  bon  3Sater 
unb  ©ofyn  jum  ©egenfa|  be§  ©djöbferS  unb  be§  ©efcb^öpfS  oerfc^ärfte  unb  bie  ©migleit 
beS  ©ob,ne§  beftritt,  galt  e<§,  mit  ber  etoigen  perfönlid^en  ©elbftftänbigleit  be§  ©ol)neS  bie  ;jö 
SBe^aubtung  feiner  boEen  ©ottfyeit  im  ©tnne  ber  5ffiefen§ibentität  (§omoufie)  ^u  ber= 
binben.  ©en  fircfylicfyen  2lu§bruöv  biefer  SBenbung  b,aben  mir  im9ücänum,  %e  gebanlen= 
mäßige  2lu3brägung  in  ber  Geologie  be§  StifjanafiuS  bor  uns.  ©a§  leitenbe  gntereffe 
ber  le|teren  ift  ein  foteriologifc^e§,  bie  ©ic^erfteßung  be§  al§  Mitteilung  göttlichen  SebenS, 
fbe^ieE  ber  Unfterblicbjeit  gebauten  §eil§  bureb,  bie  mefenfyafte  ©ottb,eit  be§  §eil§mittler§.  40 
3)a|  bie  nunmehr  erreichte  Slnfc^auung  im  SogoSbegriff  nid)t  meb,r  ben  jureieb,  enben  2tu3= 
bruef  finbet,  iHuftriert  ber  Umftanb,  ba|  biefer  nun  meb,r  unb  meljr  b,  tnter  bem  ©ob,neSnamen 
für  ben  ^ßräejiftenten  gurücftritt.  ©ine  unbebingte  ©leicb,ftellung  bon  isater  unb  ©ofm 
boE^ie^t  aber  aueb,  2ltbanafiu<§  nic^t;  ber  SSater  bleibt  ib,m  bie  /Aia  ä^h  h>äb,renb  ber 
©obn  ben  ©runb  feines  2öefenS  nic^t  in  ficb,  felbft  fyat.  Slucr)  feb,lt  ibm  noeb,  ein  tedf>=  45 
nifc^er  SluSbrucf  für  bie  ^erfonen  ber  Xrinität.  dagegen  b,at  er  auc§  bie  Sefjre  bon 
ber  ^omoufie  beS  ©eifteS  borbereitet,  mobei  gleichfalls  bie  £>eilslebre  ma^gebenb  ift.  Ser 
©eift,  melcfyer  uns  bie  ©emeinfe^aft  mit  ber  göttlichen  5Jcatur  bermittelt,  mu§  felbft  biefer 
Ulatur  teilhaftig  fein.  SDiefe  ergänjenben  Slufftellungen  über  ben  ©eift  lagen  fo  feb,r  in 
ber  Äonfequenj  ber  cb,riftoIogifd^en  ©ntfcb;eibung,  bafe  eS  nur  eines  äußeren  älnftofseS,  beS  50 
©egenfa^eS  ber  fog.  ^neumatomac^en,  beburfte,  um  fie  als  bie  fircbjicfye  Überzeugung 
auSjufprec^en  (©imobe  bon  Äonftantinobel  381).  ®ie  ^abbabo^ier  fetjufen  bureb  bie 
Unterfa;eibung  bon  ovoia  unb  vnoaxaoig,  bie  ficb,  mie  xoivov  unb  tdiov  jueinanber 
behalten,  baS  SluSbrutfSmittel,  um  bie  ®reil)eit  ber  5ßerfonen  jur  ©infyeit  beS  SSefenö 
ins  SSerb^ältniS  ju  fe^en.  SllS  bie  ©igentümlicb^feiten  ber  brei  #r/boftafen  bezeichnet  55 
©regor  bon  9?ajianz  äyevvrjoia,  yevvrjoig  unb  exjioqevois.  Sluct)  für  biefe  Geologen 
bleibt  aber  toie  für  ältl>anafiuS  ber  3Sater  bie  göttliche  XtrberfönlicfyJeit,  mjyi]  {^eÖT^rog. 
Jaburc^)  erleichterte  man  eS  fiel),  bie@infyeü  zugleich  in  ber  Slnfcfyauung  feftjub^alten.  ^m 
^ntereffe  biefer  @inf>eit  fügt  ber  abfcfyliefjenbe  ©ogmatifer  ber  morgenlänbifcb^en  iUrc|ic, 
3of>anneS  bon  ©amaSluS,  bie  Scftimmung  ber  TiEQixwQrjoK,  ber  realen  ®urd)bringung  60 


116  Xtimtnt 

unb  gegertfettigen  ^mmanenj  ber  brei  $t)boftafen  tnnju.  2tucb,  er  fyält  aber  an  ber 
©utoeriorität  ber  erften  ^erfon  feft  unb  läfjt  ben  ©eift  Dom  Später  burct)  ben  ©olm 
ausgeben. 

Slnbers  Sluguftin.  6r  toitl  ben  begriff  ber  ©ott^ett  bon  bornlf)erein  trinitarifcb, 
5  gefaxt  toiffen:  trinitas  est  unus  deus  (de  trin.  V,  9).  2)ie  ©tntjett  barf  ebenfo* 
wenig  im  33ater  gefugt  toerben,  tote  im  ©olm  ober  ©etft;  fie  liegt  im  göttlichen  Söefen 
als  folgern,  an  bem  bie  brei  ^erfonen  in  bößig  gleicher  Söeife  teil  Ijaben.  ©er  Sater 
ift  in  feiner  ©jiftenj  ebenfo  burd)  ben  ©oI)n  unb  ben  ©eift  bebingt  tote  biefe  burcb, 
jenen,    3eDe  ^erfon   ift   bie  ungeteilte  ©ottl>ett   unb   bie   brei  Sßerfonen   finb    in   il)rer 

io  ©efamtfyeit  bas  Sine  göttliche  2Befen.  ®as  läfjt  ficb,  freiließ  nur  benfen,  toenn  man 
ben  ^krfonbegriff  in  einer  2öeife  fublimiert,  bie  ifm  bem  eines  Moments,  einer  Delation 
ber  ©ottfyeit  gu  ficb,  felbft  nähert.  35er  Unterfcbieb  ber  ^ßerfonen  beftel)t  nur  relative 
ad  invicem  (de  trin.  VIII,  init.).  ®artn  erfcfyeint  ber  neubtatonifd)e  gug  bes 
auguftinifcfyen  ©enfens,   ber  il)m   bie  @infacf)I)eit  bes  göttlichen  Sßefens  wichtig  macfyt. 

is  SDie  UnguIängItd)Jeit  bes  ju  ftarten  ^erfonbegriffs  für  bie  'ülrinitätslefyrc  I)at  Stugufün 
befanntlicb,  aueb,  felbft  ausgebrochen:  dictum  est  tres  personae,  non  ut  illud  di- 
ceretur  sed  ne  taceretur  (de  trin.  V,  9).  ÜBom  alten  SJcobaltsmus  unterfdjeibet  ftd) 
biefe  Stnfd)auung  babureb,,  baf$  nicb,t  an  ©ucceffion,  fonbern  an  etoige  ^oerjftenj  unb  gegen* 
feitige  Qmmanenj  biefer  9Jcobi  gebaut  ift.    ©iefelbe  Slnfdjauung  prägt  fidb,   aueb,  in  ben 

20  Sinologien  aus,  burcb,  toeld)e  Slugufttn  bie  innere  @inb,eit  unb  toeebjelfeitige  33ebingtt)eit 
ber  brei  ,,^3erfonen"  iltuftriert.  @r  bertoenbet  ntc^t  mel)r  bie  alten  realiftifd)en  Silber, 
bie  man  früher  gebraust  I)aite:  Quelle,  SBacb,  unb  ©trom;  SBurgel,  ©cfyöfsltng  unb 
grudjt;  ©onne,  ©trab,!  unb  glamme;  nur  Momente,  bie  in  ungetrennter  unb  untrenn* 
barer  ©leicbjeitigfett  loejiftieren,  lönnen   fner  ausreißen,     ©olcfye  finbet  Sluguftin  auf 

25  bftyd;oIogifd)em  ©ebiet:  memoria,  intelligentia,  voluntas  (de  trin.  X,  11.  12),  too* 
bei  memoria  ben  unmittelbaren  $nf)alt  bes  Betoufjtfeins,  intelligentia  ben  Iogifd)en 
Slft,  in  bem  er  gebaut  toirb,  voluntas  bie  afttbe  SBe^elnmg  beiber  aufeinanber  bebeutet.  %n 
ifjrer  ©intieit  lonftituieren  bie  brei  ÜJlomente  bas  ©elbftbetoufjtfein.  @ine  anbere  2lna= 
logie  bietet  bie  braftifd)e  ©eite  bes  menf cfylicb, en  ©eifteslebens ;  bie  Siebe  bottjiefyt  fiel)  burcb, 

30  bie  brei  SRomente:  amans,  quod  amatur,  amor  (de  trin.  IX,  2;  XV,  6).  $Dabei 
toirb  ber  Unterfd)ieb  nur  fd)einbar  fiärfer  betont;  ba  bon  ©ottes  Siebe  ju  ftd)  felbft  bie 
9?ebe  ift,  gef)t  aud)  biefe  ®ifferen$  bon  SRomenten  in  bie  @inl)eit  eines  immanenten 
toffycfnfcf)en  Stfis  jurücf.  ©ine  Kombination  beiber  Honftrultionen  ift  enblid)  bie  gufammen* 
orbnung:   mens,  notitia,    amor  (de  trin.  IX,  4)   ober   anbers   benannt:   memoria, 

35  intelligentia,  dilectio  (XIV,  8;  XV,  7),  toobei  ©elbftbetoufjtfein  unb  ©elbftltebe  als 
bie  ©runbbejielmngen  ©ottes  ju  fid;  felbft  erfd)einen,  bie  jugletcb,  unter  fid;  in  ^Un- 
tität  fteb,en. 

^n  ber  Äonfequenj   biefer  2lnfcb,auung  bon   ber  gegenfeitigen  Sebingtb,eit  ber  trini= 
tarifcfyen  ^erfonen  liegt  e§,   ba^  nunmehr   aueb,  ber  ©eift   ebenfo   bom  ©oljm  toie  bom 

40  Sater  au§geb^enb  ju  benfen  ift  (De  trin.  V,  14).  ®ie§  toar  im  fyeibsgefctncfytlicfyen  ©inne 
auf  ©runb  be§  WS.  fcb,on  bon  Seriulltan  gefagt  toorben;  burcb,  Sluguftin  toirb  e§  nun 
aueb,  auf  bie  etoigen  SSerl^ältniffe  beg  innergöttlicb,en  Seben§  übertragen  unb  unter  ber 
9Rad)toirIung  ber  auguftinifd;en  2b,eologie  jum  cb,ara!teriftifcb,en  ©onberbe!enntni§  ber 
abenblänbifa)en   ^ircb,e.      ©rft   je|t    toerben    aueb,    gormein   toie   bie   be§   fog.   ati)ana= 

45  fiantfeben  ©^mbofö  möglic^.  %n  ib,m  toirb  bie  @inb,eit  ©otte§  ob,ne  3Sermifcb,ung  ber 
^erfonen  unb  bie  ©reibet  ber  ^]erfonen  ob,ne  Teilung  beg  2Sefen§  unb  ob,ne  Slbftufung 
b^inficb,tlicb,  ib,rer  ©ottb,eit,  2Bürbe  unb  SJcajeftät  befannt,  fotoie  ber  2lu3gang  beö  ©eifte§ 
bom  SSater  unb  bom  ©ob,n  au§gefbrocb,en.  ®ie  immanente  %rinität,  bie  bei  2ltb,anafiu§ 
noeb.  in  engfter  33ejieb,ung  jur  §eil§lebre  ftanb,  ift  je|t  erft  böllig  felbftftänbig  getoorben. 

50  ©ott  müfjte  felbft  bann  trinttartfdb;  gebaut  toerben,  toenn  un§  nid;t  aus  ber  §eilsoffen= 
barung  bie  Nötigung  entftünbe,  für  ben  gefcb,icb,tlid)en  ©rlöfer  unb  ben  ©eift  2lnlnübfungs= 
bunfte  im  göttlichen  SBefen  ^u  fucb,en.  Wlan  lann  fieb,  barum  aud)  unter  Slbfeb,en  bon 
ber  gefcf)id)tlid)en  Offenbarung  in  bie  Betrachtung  ber  immanenten  ©elbftentfaltung  ber 
göttlichen  Sebensfülle  berfenlen.     3)as  9Jtyfterium   ber   immanenten  ^rinttät  labet  jur 

55  pflege  einer  mt)fttfd)ert,  lontemblatiben  grömmigleit  ein.  ^amentlicb,  aber  gilt  es  ferner* 
b^in  als  unerläpcl),  ^  man  erft  einen  33licf  in  biefes  etoige  ©eb,eimnis  getan  I)at,  eb,e 
man  an  bie  gläubige  Aneignung  ber  Offenbarung  herantritt.  Söas  im  9iüdgang  bes 
SDenlens  bon  ber  Offenbarung  auf  tb,ren  ©runb  eine  Ie|te  Folgerung  toar,  toirb  nun  jum 
^ßrtus  für  bas  SSerftänbnis  ber  Offenbarung  felbft. 

eo         ©as  Mittelalter  b,at   jum  tnb,altlicb,en  Seftanb   bes  ©ogmas    nichts  9teues   b,inju= 


Zvinität  117 

gefügt.  Hcan  benutze  bie  auguftmifdjcn  gormein  als  Slnlajj  31t  nü;ftifct;er  Serjenfung 
ober  als  ©toff  für  ben  bialefttfdjen  ©djarfftnn.  ©aß  babei  balb  über  ^ritfyeiSmuS 
geflagt  Würbe,  Wenn  baS  göttliche  2Befen  als  bloß  Iogifcf;c  ©inf;ett  gefaxt  War  (RoScelin), 
balb  über  ©abellianiSmuS,  Wenn  bie  Sßerfonen  ju  bloßen  ©igenfdjaftSbegriffen  berflücfytigt 
fcfyienen  (2lbälarb),  lag  in  ber  Statur  beS  ererbten  Problems,  baS  ein  fdjwer  ju  erf/alten=  6 
beS  @leid;getoid;t  bon  ©infyett  unb  Unterfdjieb  forberte.  ©ine  2ßeiterfüf)rung  ber  augufti= 
nifd;en  ©bcfulatton  f>at  Ricfyarb  bon  ©t.  Victor  berfucf)t.  ©r  folgert  bie  Rottoenbigfeit 
einer  göttlichen  ©elbftunterfd;eibung  auS  bem  Segriff  ber  Siebe.  $ur  Sotlfommenfyeit 
beS  araor  gehört,  baß  er  als  Caritas  ficb,  einem  anbern  juWenbet.  SDiefeS  anbere  fann 
für  ©ott  nicf;t  bie  SSelt  fein ;  benn  Siebe  jur  SSBelt  wäre  ungeorbnete  Siebe.  £>aS  Objeft  10 
ber  fyöcbjten  Siebe  fann  nur  eine  ^ßerfon  fein,  bie  ©Ott  gleicf;  ift  an  ©wigfeit,  -Dcacfrt 
unb  2öeiSf;ett.  ®a  eS  aber  nicfyt  $Wei  göttliche  ©ubftanjen  geben  fann,  muffen  bie  beiben 
göttlichen  ^erfonen  eine  unb  biefelbe  ©ubftanj  bilben.  SDte  befte  Siebe  fann  ficb,  aber 
aucb,  nirf)t  auf  biefe  ^Wei  5ßerfonen  befcfyränfen;  fie  muß  gur  condilectio  werben  burd; 
ben  SBunfcb,,  baß  ein  ©ritter  ebenfo  geliebt  wirb,  wie  fie  ficb,  gegenfeitig  lieben.  ©0  15 
fübrt  bie  boftfommen  gebaute  Siebe  notWenbig  jur  SDreieinigfeit  unb  ba  ©ott  gugteid) 
abfolute  3Radj)t  ift,  bermag  er  aucb,  biefer  gorberung  beS  SegriffS  boftfommen  ju  ent= 
ftored;en  (Säur  II,  527—531).  ©S  bebarf  feinet  SeWeifeS,  baß  biefe  finnige  $onftruf= 
tion  ben  auguftinifcf;en  ^erfonbegriff  berläßt,  inbem  fie  bie  ©retfyeit  als  eine  ^tmmltfcf)e 
jyamilic  benft  unb  überbieS  Weber  ben  ©tillftanb  ber  göttlichen  ©elbftmitteilung  bei  ber  20 
Sreijafyl  begrünbet  nod;  ju  ©otteS  SiebeSoffenbarung  an  bie  2Sclt  Weiterführt.  XfyomaS 
bon  Slquino  fucfjt  ficb,  auf  ben  Sahnen  SluguftinS  %u  galten;  er  friert  bie  geugung  ^ 
SobneS  auf  ben  immanenten  $ro|eß  beS  göttlichen  ®enfenS,  ben  SfuSgang  beS  ©eifteS 
auf  ben  9BiHen  ber  Siebe  jurüd,  olme  freilief;  reale  berförtlicfye  Unterfcfnebe  ju  gewinnen. 
$unS  ©cotuS  ift  umgefefyrt  an  ben  lederen  intereffiert,  Wagt  aber  feiner  ^enbenj  boct)  25 
nur  einen  fefyr  jurücff;altenben  2fuSbrud  ju  geben  (©eeberg,  ®unS  ©eotuS  207). 

3.  ®ie  Reformatoren  Wußten  fiel;  im  ©lauben  an  bie  göttliche  SErinität  auf  bem 
Soben  ber  allgemeinen  $ircf;e  (Conf.  Aug.  1 ;  Art.  Smalc.  P  I)  unb  Sutfyer  i)at  eS 
berftanben,  tt)ten  religiöfen  ©inn  auszulegen,  Wobei  er  freilief;  bie  2fuSfagen  über  ©otteS 
trinitarifd)eS  2öefen  ftets  an  feinem  offenbareren  §anbeln  orientiert.  2öenn  9JleIanct)tt)on  30 
in  ben  Loci  bon  1521  bie  mysteria  divinitatis  bon  ber  ©rörterung  ausliefet,  fo 
liegt  baS  Wof;I  nicf)t  nur  an  ber  braftifcf^religiöfen  Haltung  biefer  ©cf;rift,  fonbern  aud) 
an  ber  Abneigung  beS  ^umaniften  gegen  bie  fd;oIaftifd)en  ©ubtilitäten,  bie  babei  in 
grage  famen.  ©bäter  fyat  tfm  baS  Sluftreten  antitrinitarifdjer  Richtungen,  gegen  beren 
Anfänge  ficb,  auef;  bie  2fug§b.  ^onfeffion  Wenbet,  jur  2fuSfüllung  biefer  Sücfe  beranlafjt.  35 
Seine  fbefulatibe  Äonftrultion  ber  Srmttät  (CR  XV,  1274;  XXIII,  235;  XXV, 
19)  ift  wefentlicf;  auguftinifcf;,  feine  ©rflärung  be§  $erfonbegriff§  in  Conf.  Aug.  1: 
quod  proprie  subsistit  borfief/tiger  als  in  ben  fbä'teren  Loci.  SSenn  fner  (CR 
XXI,  1076)  ^erfon  aU  substantia  individua,  intelligens,  incommunicabilis,  non 
sustentata  in  ajia  natura  befinirt  Wirb,  fo  nähert  ficb,  bie§  —  aucb,  abgefeb,en  bon  40 
ber  ungefcb,icften  Überfe^ung  bon  vjiöoTaais  buref;  substantia,  bie  fcf;on  Sfuguftin  ge= 
tabelt  f;at  (de  trin.  V,  9)  —  biel  gu  febr  bem  mobernen  ^erfönlicfjfeitSbegriff,  um  nicf;t 
bie  @inf;eit  ©otte§  ju  berbunfeln. 

®ie  broteftantifcb,e  Äirdb,enlef;re  ftefft  ber  ©ntwicfelung  ber  ^Erinität  regelmäßig  ba§ 
58efenntni§  jum  3Jconotb,eiSmuS  boran.  @S  ift  nur  @in  göttlicb,e§  Söefen,  una  essentia  45 
divina ;  aber  an  ib,m  b, aben  brei  ©ubjefte,  Sater,  ©ob,n  unb  ©eift  in  gleicher  Söeife  teil. 
@S  giebt  fo  tres  habentes  Deitatem,  aber  nur  ©inen  ©ott.  3ur  Sejeid;nung  ber  brei 
Subfiften^Weifen  bcS  ©inen  ©otteS  bient  ber  Segriff  „Serfon".  ©iefer  Wirb  meift  in 
engem  2lnfd;tuf$  an  2JteIancb,tb,onS  oben  mitgeteilte  formet  befiniert;  etwas  abWeicf;enb 
fagt  ©erb,arb:  subsistens  Individuum  intelligens,  incommunicabile,  non  susten- 50 
tatum  ab  alio.  ®ie  trinitarifd;en  Serfonen  füllen  Weber  als  reale  Xeile  ber  ©ottfyeit 
noef;  als  ^nbibibuen  einer  ©attung  aufgefaßt  Werben,  ^n  jeber  ^Jerfon  ift  baS  gött= 
Iirfje  3Befen  bielmeb,r  ganj  unb  ungeteilt.  ®arum  finb  auef;  bon  jeber  berfelben  alle 
göttlichen  ©igenfcb,aften  auS^ufagen.  Reben  ber  in  allen  gleichen  ©ottb,eit  eignet  aber 
jeber  ber  brei  ^erfonen  eine  befonbere  löiotrjg,  ein  unterfcb,eibenber  Sb,arafter,  character  0;. 
hypostaticus.  ®iefe  Sefonberb,eit  ift  bon  bobbelter  2frt;  fie  begießt  ficb,  teils  auf  baS 
innergöttlidje  Seben,  ben  rgonog  vndQ^Ewg,  teils  auf  bie  Offenbarung  an  bie  Söelt,  ben 
tqotioq  rbioxah"<ij>eo)g.  ®ie  innergöttlicf/en  tlnterfcf;iebe  berufen  auf  einem  immanenten 
£anbeln  ber  ©ottbeit,  ben  fog.  opera  ad  intra.  Son  ib,nen  gilt,  baß  fie  nidit  ein 
gemeinfamcS  >>anbeln  ber  ©ottb,eit,  fonbern  ein  unterfcb,iebeneS  Xb,un  ber  einzelnen  s^er=  60 


118  Srtnttöt 

fönen  finb.  (S§  finb  bieg  bie  generatio  be§  ©o^neö  burd)  ben  SSater  unb  bie  spiratio 
bes>  ©etfteg  burcfy  SSater  unb  ©oljm.  ®ie  erfiere  Wirb  befmiert  al§  aeterna  filii  ex 
substantia  patris  productio.  ©ie  unterbleibet  ficb,  bon  ber  ©cfyöbfung  ber  9Mt 
baburcf),  bafj  btefe  ein  bom  ©cfyöbfer  Wcfentlicb,  berfct;iebene§  ©ein  begründet,  Wäfyrenb  bie 
5  generatio  einer  bem  SSater  Wefens>gleicr)en  Sßerfon  gilt.  ©ie  spiratio  be§  ©eifteg  ift 
analog  aeterna  Spiritus  sancti  ex  substantia  patris  et  filii  productio.  @nt= 
f^rec^enb  biefen  opera  ad  intra  eignen  ben  brei  göttlichen  Sjßerfonen  beftimmte  proprie- 
tates  personales,  bem  SSater  bie  paternitas,  bem  ©ofjm  bie  filiatio,  bem  ©eift  bie 
processio.    ©araus  fcr)eint  ein  S3orrang  be§  SSaterS  bor  ben  beiben  anberen  ^ßerfonen 

10  ju  folgen.  21I§  33ater  behauptet  er  bie  Priorität  bor  bem  ©ofm  unb  mit  biefem  bie 
Priorität  bor  bem  burcb,  beibe  bebingten  ©eift.  Stilein  bieg  foß  nicfyt  im  ©inne  ber 
Unterorbnung  ober  2lbl)ängtgleit  ber  britten  ^Serfon  gegenüber  ber  ^Weiten  unb  beiber 
gegenüber  ber  erften  berftanben  werben.  2SieImeI)r  fte&ert  fid;  bie  brei  ^Serfonen  bermöge 
ber  ^bentität   be§  göttlichen  2Befen§  böHig   gleicb,   unb   bebingen  ficb,    gegenfeitig.    ©ie 

15  Priorität  be§  3Sater§  begießt  ficb,  nur  auf  ben  ordo  subsistendi,  nicfyt  auf  bal  2Sefen; 
fie  l)at  nur  logifdje,  tttd^t  reale  33ebeutung.  Slucb,  ber  SSater  Wäre  nicfyt  SSater  ofyne  ben 
©ofyn  unb  beibe  Wären  ntdjt  bie  eitrigen  ^rinjibien  be3  ©eifte§  unb  SebenS  oI)ne  ben 
Ausgang  be3  ©eifte§.  Paternitas  unb  filiatio,  spiratio  activa  unb  processio  fe|en 
für;  alfo  gegenfeitig  borau§.     ©iefe  ©egenfeitigleit  brüdt  ber  begriff  ber  7i£Qi%d>Qr}ois 

20  auä ;  SSater,  ©otm  unb  ©eift  fielen  im  33er|ältni3  Wecfyfelfeitiger  ^mmanenj.  ©ofern 
bie  brei  §t)boftafen  bocb,  jugleicb,  real  unterfct)ieben  unb  für  ficb,  befie^enb  gebaut  Werben, 
ift  ba§  innergöttlidje  Seben  al§  ein  fteiiger  Hreiälauf  ju  beulen,  ber  bom  SSater  au§= 
gefyenb  burcb,  ben  ©ob,n  unb  ©eift  Wieber  gum  SSater  gurüdfEet)rt.  S3on  ben  proprie- 
tates  personales  unterf Reibet   bie    logifdje  Slfribie   einiger  ©ogmatifer  nocb,  notiones 

25  personales,  bie  ben  ^erfonen  rtid)t  in  Delation  jueinanber,  fonbern  fcr)Iecr;t|in  für  ftcb, 
julontmen.  Unter  iljmen  befinbet  ficb,  ba§  alte  Sßräbifat  ber  äyewrjoia  für  bie  erfte 
^ßerfon.  ©ie  S3ejieb,ung  jur  Dffenbarung§gefd)icr;te  lommt  aber  erft  jur  Slnfdjauung  im 
xQÖJiog  änoxalvipecag  ber  S^rimtät.  §ier  eignen  ben  brei  ^Serfonen  fbe^ififcf/e  opera 
ad  extra:  bem  SSater  bie  ©cr)öbfung  nebft  @rl)altung  unb  Regierung,   bem  ©ob,n  bie 

so  ©rlöfung,  bem  ©eift  bie  Heiligung.  3m  Unterfcfyteb  bon  ben  opera  ad  intra  gilt 
bon  biefen  ^Betätigungen  nacb,  aufen,  bafj  fie  ungeteilte  SBirfungen  ber  ©ottfyeit  unb 
barum  ben  brei  ^erfonen  gemeinfam  finb.  Opera  ad  extra  indivisa  servato  ordine 
et  discrimine  personarum  (©erfjarb).  ©treibt  man  biefe  SSerle  bemtocb,  ben  einzelnen 
^Serfonen  ber  ^rinität  in  befonberer  Söeife  ju,   fo  gefdriefyt   bieg  per  appropriationem 

35  b.  I).  fie  Werben  ben  anberen  ^erfonen  barum  md)t  abgefbrccfyen,  nur  ^um  character 
hypostaticus  einer  ^erfon  in  ein  befonbereö  S3erf)ältm§  gefe|t.  IJn  biefem  ©inn  fann 
man  aucb,  fagen,  baft  unbefdiabet  ber  ©emeinfamfeit  aller  ©igenfcfyaften  bocb,  für  ben 
SSater  bie  SJiadjt,  für  ben  ©ob,n  bie  Siebe,  für  ben  ©eift  bie SBeiSb^eit  befonberS  d;arafte= 
riftifd»  ift.     ©cbjiepct;   WiH  nocb,    beamtet  fein,  bafj  bie  Iircb,Iid}e  ©ogmatif  biefe  S3e= 

40  ftimmungen  md)t  für  eine  rationale  (Srfenntnig  ber  ©acb^e  auögiebt,  fie  begeicr;net  biel= 
mef>r  bie  SLrinität  aU  ein  ^fterium.  ®ie  aufgeftellten  ©ä^e  foHen  barum  aud)  mer)r 
bie  negatibe  S3ebeutung  I)aben,  untt)rifilicb,e  33orfteßungen  abjuWe^ren  aU  bie  bofitibe,  bie 
<Bad)i  felbft  begreiflid;  ju  machen. 

S3lid't  man  bon  biefen  Urcfylidjen  gormeln  auf  bie  biblifcfyen  ©runblagen  jurücl,  fo 

45  laffen  fio)  Wefentlicfje  ©ifferenjen  nid}t  berfeunen.  1.  ®ag  Ti%  _fbrid}t  bon  ber  Wefent= 
liefen  ©tn^eit  be3  ©of)nei  mit  bem  SSater  unb  fief)t  im  ©eift  bie  ©inWolmung  ©otteg 
im  ©laubigen,  ©ie  £ird)enlel>re  erfe|t  biefen  reltgiöfen  ©ebanfen  ber  ©egentoart  ©otteö 
im  ©ob^n  unb  ©eift  buret)  ben  metabb,t)fifcf)en  SBegriff  t^rer  2öefen§gleid)b,eit  mit  bem 
SSater.    ©iefer  S3egriff  enthält  aber  ein  Wef entließ  neue§  SRoment;   er  fa|t  ©ob,n   unb 

60  ©eift  nid)t  blofe  mit  ©ott  jufammen,  er  fteHt  fie  aucb,  als  etoig  unterfcl)iebene  ©ubjefte 
ib,m  gegenüber.  Offenbar  ^aben  Wir  aber  an  biefem  Unterfajieb  nid}t  ba^felbe  religiöfe 
^ntereffe  Wie  an  jener  ©infyeit.  ©ie  religiöfe  Qnterbretation  be§  ©ogma§  b^at  barum 
aucb,  immer  ben  llnterfd)ieb  binter  bie  @inb,eit  jurücftreten  laffen  (3luguftin,  £utb,er, 
©cb,leiermacb,er).     2.  ©a§  9J5E   enthält  leine  unbebingte  Soorbinatton   be§  ©ob^neg    mit 

55  bem  SSater.  9Zacb  Paulus  unb  ^ob,anne§  ift  ber  ©ob,n  Wenigfteng  in  feinem  b,eil§gefcb,icb,t= 
liefen  SBirlen  bom  SSater  abhängig  unb  tym  gefo,orfam  1  Ho  15,  28;  Qo  14,  28.  SBenn 
ficb,  äb,nlicb,e  Sluöfagen  bom  ©eift  nicb,t  finben,  fo  liegt  bieg  baran,  bafj  er  al§  ba§  SDtebium 
ber  SSirlfamleit  ©otte§  in  ber  SBelt,  rttebt  als  für  ficb,  beftebenbe  ^ßerfon  gebad;t  Wirb. 
$anbelt  eg  ficb,  aber  ntebt  um  ©leic()b,eit,  fonbern  um  Wefenb,afte  @inb,eit,  fo  liegt  in  ber 

eo  Stblmngigfeit  beö  ©ob,ne§  bom  SSater   aucb,    nichts  S3efremblid;eg,    Wäb,renb    fidj   freilieb. 


£rinttäi  119 

©kid^eit  unb  Unterorbnung  nidjt  bertragen.  3.  ®te  ^ird^enle^re  bertoenbet  jur  Äon= 
ftruftion  beS  innergöttlicr/en  SebenS  Segriffe,  bte  nact;  biblifcfyem  ©bract/gebraucf)  auf  bie 
CffenbarungSgefcbjc|te  geben.  Ylög  fieov  ift  ber  Dame  beS  gefd^td;tlid^en  6b)riftuS, 
mäfyrenb  ber  bräerjftente  DffenbarungSmittler,  too  er  als  folcfyer  auSbrücflicb,  djaraferiftert 
werben  foll,  SogoS  fyeifjt.  ©arum  tft  audj)  ber  ©ebanfe  ber  emigen  geugung  al§  beS  5 
©runbS  für  baS  ©afein  beS  ^räerjftenten  ofyrte  biblifcfyen  atnt)alt.  ®er  luSbrucf  fiovo- 
yevij;  ^0  1,  14;  3,  16  cr)ara!terifiert  baS  bertraute  SerfyältniS  bon  SSater  unb  ©ob/n 
nad£)  feinem  Seftanb,  nicr)t  nacb,  feinem  llrfbrung  unb  jigcoröroxog  7iäot]s  xrioeco?  $oI 
1, 15  fbridü  t>om  Vorrang  beS  §eilSmittlerS  bor  ber  ©cfyöbfung,  olpe  über  feine  @nt= 
ftefyung  2luSfunft  geben  $a  motten.  ^nSbefonbere  aber  ift  bon  einem  2luSger/en  beg  10 
©eifteS  nie  im  ©inn  feines  innergöttltdjien  llrfbrungS,  fonbern  immer  nur  im  ©inne 
fetner  ©enbung  in  bie  SBelt  bie  Debe.  4.  JJnbem  bie  ^irct/enlefyre  baS  etoige  93er= 
bältniS  beS  ©ofmeS  unb  beS  ©eifteS  jum  23ater  md)t  als  ein  überzeitliches,  fonbern  als 
ein  boräeitlicr/eS  fafjt,  bermag  fie  nicr)tS  anbereS  barüber  auSjufagen,  als  faaS  in  ber 
OffenbarungSgefct/id/te  toieberfebjt.  ©ie  macr)t  aus  bem  Kreislauf  beS  gefcf/icfytlict/en  15 
§eilSlebenS,  baS  bom  eroigen  SiebeStoillen  beS  SSaterö  ausgebt,  burcb,  ben  ©olm  ber= 
mittelt  tbirb  unb  unter  ber  Seitung  beS  ©eifteS  bie  erlöfte  Sftenfcb^eit  jum  33ater  jurücf= 
füf>rt,  baS  blaffe  ©egenbilb  einer  innergöttlicf/en  Seroegung,  beren  ©inn  ganj  unberftänblicf; 
bleibt,  wenn  man  fie  nia)t  auf  if)r  gefcr/icf/tlicfyeS  Urbilb  jurücfbejie^t.  ®enn  foaS  bie 
ftrct/licr/e  ^Dogmatil  über  baS  SBefen  btefeS  innergöttlicf/en  ^3rogeffeS  feftjuftetten  bermocr/te :  20 
paternitas,  generatio,  filiatio,  spiratio,  processio  ift  lebiglicb,  berbaler  Datur ;  eS 
beftefyt  nur  in  einer  Umfcfyreibung  ber  tarnen  SSater,  ©ob/n  unb  ©eift.  ©arm  liegt 
boct/  toofyl  ein  2öinf,  baft  mir  uns  bamit  begnügen  muffen,  ©otteS  SBefen  in  feiner 
Offenbarung  anjufdjauen,  ftatt  eS  hinter  berfelben  in  abftraften  gormein  ju  lonftruieren. 

4.  Dact/bem  fcfyon  im  geitalter  ber  Deformation  bereingelte  ©timmen  bie  firct/Iict/e  25 
irinitätSlefyre  bermorfen  Ratten  (©ent,  §ae|er,  GambanuS,  ©erbet),  belämbfte  ber 
©ocinianiSmuS  baS  ürcr/lict/e  ©ogma  al§  fcb,rift=  unb  bernunftmibrig  bon  bem  ©tanbbunlt 
eine§  abftraft  unitarifcb^en  ©otte§begriff§  unb  einer  moraliftifcb,en  ^uffaffung  ber  Religion. 
©er  2lrminiani§mu§  berührt  fidp  mit  ü)m  nur  infotoeit,  ah  er  bie  ^oorbination  ber  trini= 
tarifcb,en  ^erfonen  für  unjuläffig  erllärt.  ®er  DationaliämuS  erneuert,  tbenn  aud)  unter  30 
mannigfacher  2lnbaffung  an  bie  lircb.licb.en  Söenbungen  bie  focinianifd)e  33eftreitung,  ber 
SubranaturalilmuS  bie  arminianifc^e  SCbfd^toäc^ung  be§  £>ogma3.  Seibnij  unb  Seffing 
maren  für  ben  fbelulatiben  ©eb,alt  ber  SLrinitätHefyre  nicb,t  unembfänglid^ ,  mäb,renb  bie 
burct)  ben  ^ßieti§mu§  neu  ertoec!te  grömmigleit  an  it}ren  lel^r^aften  Seftimmungen  ent= 
meber  mit  acb,  tunglboüem  ©d^toeigen  borbeiging  ober  fie  aucb,  Iritifd?  rebujierte.  gür  35 
erftereg  lann  ©bangenberg  (Idea  fidei  fratrum  §  89)  als  S3eifbiet  bienen,  für  Ie|terel 
3-  31.  Urlfberger,  ber  nur  eine  Dffenbarung§tria§  in  ber  ©cfyrift  finbet  (^urjgef.  ©Aftern 
etneä  Vortrags  bon  ©otteS  ©reieinig!eit  1777).  @3  festen  barum,  als  foßte  bie  S£rini= 
tät§leb,re  bor  bem  gorum  ber  bfjilofob^ifd^en  ©befulation  meb,r  2lnerlennung  finben  als 
bor  bem  beS  religiöfen  SDenlenS.  ©0  f>at  auf  fbelulierenbe  2:b,eoIogen  unb  ^P^ilofob^en  40 
^afob  53öb,me§  t^eofobb^ifc^e  ©otte§leb,re  na^altig  eingemir!t.  @r  läfst  ben  göttlichen 
„Ungrunb"  in  einem  emigen  „©egenmurf"  ^ur  SBeftimmtbeit  unb  @r!enntni§  feiner  felbft 
fommen,  trennt  fid^i  aber  freilieb,  babureb,  bon  ber  ^ircfyenlefyre,  ba|  ib,m  für  bie  £eben§= 
fülle  ber  ©ottb^eit  eine  trinitarifcfye  ©ntfaltung  mcb,t  genügt,  ^nbem  er  eine  ©iebenja^l 
fd?öbfertfc§er  Gräfte  als  „9iatur  in  ©Ott"  ftatuiert,  Iäf$t  er  erlennen,  ba^  eS  bei  feiner  45 
Äonftru!tion  nia)t  auf  ben  Unterbau  ber  §etfc§lefyre,  fonbern  auf  bie  ©rflärung  ber 
Scböbfung  abgefe^en  ift.  Dicb.t  mefentlicb^  anber§  behalt  e§  ftd;  mit  bem  Qntereffe,  ba§ 
ScbeÜing  unb  §egel  ber  trimtarifdjen  ©befulation  jumenben.  93ermöge  ber  alten  ©leia)= 
fe|ung  beS  SogoS  mit  bem  xoa/uog  vorjxög  wirb  ber  ©ob/n  jum  ^5rinjib  ber  Söelt,  ber 
©eift  jum  ^ßrinjib  beS  {»öderen  SebenS,  ba§  ftdb,  in  religiöfer  unb  bb,ilofojpb^ifcb,er  @rlennt=  60 
nis  jum  Urquell  be§  ©ein§  jurücftoenbet.  ®amit  mirb  aber  bie  'SrimtäfcSlefyre  ib^rem 
urfbrünglicben  ©inn  entfrembet  unb  aU  ©cbjüffel  für  baS  foSmoIogifcfje  Problem  ge= 
braucht.  2Bo  man  auf  ben  religiöfen  2lu§gangSbunlt  beS  ®ogmaS  ^urüdrging,  fanb  man 
fidE)  hoä)  bielfacb;  geljnnbert,  ^u  ben  lird^Iid^en  gormeln  über  bie  immanente  'Srimtät  fort= 
äugten.  ©df)leiermad^er  bat  in  ber  2lbf/anblung  über  ben  ©egenfa^  jtoifcb,en  ber  fabel=  55 
lianifd^en  unb  atfyanafianifcr/en  33orfteEung  bon  ber  ^rtnität  eine  Debifion  ber  lircb,IidE)en 
@ntfd)eibungen  ju  ©unften  ber  fabettianifeb^en  Slnfid^t  unb  ib,rer  Vorläufer  geforbert. 
Sein  „<Si)x.  ©laube"  bringt  fct)on  burd^  bie  ©teßung,  bie  er  ber  SErinitätSlefjrc  antoeift, 
jum  iuSbruöf,  bafe  fie  ifym  ^mar  als  ber  „©cf/lufjftetn",  aber  ntd>t  als,  bie  ,,©runbleb,re" 
beS  cb,riftlicb,en  ©laubenS  gilt.    2HS  ibre  3Bab,rb^eit   be^cieb^net  er  bie  Überjeugung,   „bafe  60 


120  Srinitüt 

mcfyt  efmaS  ©eringereS  aU  ba§  göttliche  2Sefen  in  ©briftuS  War  unb  ber  ctmftlicfyen  ©e= 
meinbe  als  ifyr  ©emeingetft  eintoob,nt"  (§  170,  1).  ©ie  gormein,  in  benen  biefe  ©etoifc 
b,ett  ausgeprägt  toorben  ift,  finbet  er  nad)  t£>rer  etegettfcljen  Segrünbung  anfechtbar, 
jWifd)en  entgegengefei5ten  Sorfteüungen  l)in=  unb  fyerfcfyWanfenb  unb  einer  gortbilbung 
5  um  fo  mebj  bebürftig,  als  bie  ebangelifct/e  Äirct/e  eine  -Jieubtlbung  ber  Seigre  unterlagen 
^abe.  QnSbefonbere  beanftanbet  er  baS  3lecr;t,  jur  2lnnab,me  einer  urfbrünglicfyen  unb 
ewigen  ©onberung  im  göttlichen  2Befen  felbft  fortzugeben,  ©en  bon  ©cfyleiermacfyer  ein= 
genommenen  ©tanbbunft  fyat  Sücfe  in  feinem  ©enbfc|reiben  an  -Jtilfcb,  ejegetifcb,  ju  re_cb> 
fertigen  unternommen,  toäfyrenb  biefer  in  fetner  2Inttoort   bie  immanente  SöefenStrmität 

10  al§  bie  Sebingung  bezeichnet,  unter  ber  allein  ©ott  lebenbig  unb  bon  ber  2Belt  unab= 
gängig  gebaut  Werben  tonne.    (2$©tÄ  1840/41.) 

@S  bürfte  fcfywer  fein,  bie  bon  ©cfyleiermacf/er  geforberte  5fteubtlbung  beS  trinitarifcfyen 
©ogmaS  bei  irgenb  einer  Stiftung  ber  heutigen  Geologie  als  toirfltcr;  gelöfte  Aufgabe 
aufjuWeifen.     3um   ©egenftanb   bogmatifcfyer  ©bejialarbeit  ift   unfer  Seljrftücf   in  ben 

15  legten  Sab^efynten  äufjerft  feiten  gemacht  Worben  unb  wo  eS  im  ,3ufammenb,ang  beg 
Sefyrganjen  bargefteßt  Worben  ift,  gefcfyab,  bieg  meift  in  Söieberaufnafyme  früherer  ^ßofitionen. 
Überblicken  Wir  bie  fyaubtfäcfylicbften  ©tanbbunite,  fo  ift  borauSjufct/icfen,  bafj  ber  blofj 
ncgierenbe  UnitariSmuS,  tr>te  er  in  ©nglanb  als  ^iad^^ügler  beS  ©etSmuS  fi<^>  finbet  unb 
bon  bort  aucb,  nacb,  Slmerüa   berbflanjt  toorben   ift,    in   ber  beutfcf)en  toiffenfcfyaftlicfyen 

20  Geologie  fo  gut  hrie  gar  nidjt  bertreten  ift.  Sie  ©laubenSmfyftif  ber  lutb,erifcf)en  9tefor= 
matten  unb  ber  fbefulatibe  ©eift  ber  beuifcfyen  ^Pfyilofobfne  ftanben  einer  fo  abftralt  ber= 
ftanbeSmäfetgen  Sefyanblung  ber  ©otteSlef)re  entgegen.  ©te  §aubttr/ben  ber  fyeute  ber= 
tretenen  Slnfcfwuungen  bürften  fidj  ettoa  in  folgenber  2öeife  orbnen  laffen.  1.  ©ie 
33efcb,ränfung   auf  bie  DffenbarungStrinitäi  als    bie  allein   toefentlicfye  ©laubenSauSfage 

25  bertreten  21.  ©djtoeijer,  §afe,  SibftuS,  Wäb,renb  D.  ^fleiberer  einen  ontologifcfyen  £>tnter= 
grunb  ber  DffenbarungStriaS  forbert  unb  biefen  in  ben  göttlichen  ©igenfcfyaftsbegriffen : 
SJcacfyt,  SöeiSfyett,  Siebe  finbet  (©runbrijj  ber  djr.  ©IaubenS=  unb  Sittenlehre,  4.  2lufl. 
§  77).  2.  2öo  man  ben  Stücfgang  auf  eine  immanente  SSefenStrinität  für  geboten  fyält, 
|at  man  fidj  meift  mct)t  bamit  begnügt,   biefe  aus  ber  Offenbarung  ober  §eilSerfal;rung 

30  ju  erfdjliefsen ,  fonbern  in  2Bieberaufnaf)me  älterer  ©ebanlengänge  eine  trinitarifcfye  ©nt= 
faltung  beä  ctmftlidjen  ©otteSbegriffS  fbelulatib  ju  fonftruieren  berfucfyt.  SJcan  ging  ba= 
bei  enttoeber  a)  bom  göttlichen  ©elbftbetoufjtfein  aus  unb  forberte  ju  feinem  Vollzug  bie 
©elbftunterfcfyetbung  be§  benfenben  ©ubjeftS  unb  be3  gebauten  Dbjelt§  unb  ib,re  2Bieber= 
auf  Hebung   in  bie   @tnb,eit  (Sfoeften,  ©ogm.  II,  1,  <B.  204).    SDamit  bertoanbt   ift  bie 

35  Stnfcfyauung  bon  granl,  ber  au§  bem  Segriff  ber  5ßerfönlic^!eit  bie  Momente  ber  ©e|ung, 
©efe^tlieit  unb  ^neinSfciffMig  gewinnt  (©Aftern  ber  cfyr.  aBa^r^eit  I,  §  15),  bie  in  ©Ott 
ftyboftatifer/  ju  benfen  feien,  unb  biefe  Äonftruftion  baburef)  unterbaut,  ba^  er  in  bem 
cfyriftlicben  §eil§ftanb  bie  @rfab,rung  einer  breifacfyen  unb  boct)  einheitlichen  göttlichen 
^aufalität  aufzeigt,    nämlicb^  bie  ©rfafyrung  ©otteg,   fofern   er  ha§  ©dmlbbetbufjtfein  be= 

40  bingt  (33ater),  bie  ©cr)ulbfreil)eit  bebingt  (©of)n),  bie  23erfe£ung  in  ben  ©tanb  ber  ©cfyulfc 
frei|eit  Wirlt  (©eift).  Ober  man  fcfylofj  b)  au§  ©otteg  2öefenSbefiimmtl)eit  al§  Siebe  auf 
ein  ©ubjeft  ber  Siebe,  ein  eitriges,  bon  ber  Sßelt  berfcb,iebenes,  ©ott  mefen§gleicf)e3  Db= 
jelt  berfelben  unb  lief?  bie  ©egenfeitigleit  biefeg  SiebeSberfiältniffeg  in  einem  ©ritten  jur 
Stufte  fommen.    ©o  ©artoriug,   ©d)öberlein,    ^.  9JtüHer,    Wäljrenb  Siebner   bie  %$cn 

45  a  unb  b  fombiniert,  $.  21.  ©orner  im  Segriff  ber  Siebe  bie  Momente  ber  5Rottoenbig= 
feit  unb  greiljeit  erft  unierfcfyeibet,  bann  ein§  Werben  lä^t,  &>.  Set)fcf)lag  bie  Siebe  burcl; 
bie  brei  Momente  ber  ©e!bftbeWaf;rung,  ©elbftberleugnung  unb  ©elbftmitteilung  b,inburcb,= 
geb,enb  benft.  ©iefe  fbe!ulatiben  'Sljeorien  gewähren  aber  ber  ftrdjlicfyen  STrinität  einen 
feb,r  unficb,eren  §alt,   ba   Weber  bie  Sbentität  bei  göttlichen  ©ubje!t§  unb  DbjeftS  noeb, 

50  bie  ©egenfeitigfeit  be§  Siebe§berf»ältniffe§  ein  britteg  felbftftänbigeS  Moment  ergiebt,  ba§ 
al§  £r;boftafe  gebaut  toerben  lönnte.  ©in  älmlicr/e3  Sebenlen  läfst  aueb,  %xanU  an  fid) 
berbienftltcber  Sßerfuc^,  bie  immanente  Srinität  an  bie  cr)rtftltc^e  ^eil^erfa^rung  anju!nübfen, 
^urücf.  ©a  man  bie  (Srfabrung  ©ottes  aU  be§  bie  ©cfmlbfreifyeit  bebingenben  nur  in 
unb  mit  ber  ©rfafyrung  ber  SSerfe^ung  in  bie  ©cflulbfreiljeit  l;aben  fann,  ift  aueb,  fytx  bie 

55  Trennung  be§  2.  unb  3.  DJcomentg  in  ber  göttlichen  §eil§faufalität  unficb,er  unb  mebr 
ber  tbeologifcb,en  3{efIejton  als  ber  unmittelbaren  ©rfafyrung  angel)örig.  3.  ©inen  biel 
ausgeprägteren  ©inn  gewinnt  bie  ©elbftunterfcfyeibung  ©otte§,  Wenn  man  al§  ba§ 
„2lnbere",  bon  bem  fieb  ©ott  unterfcr)eibet,  ntcb,t  ein  i|m  toefenSgleiclieS  Dbjeft,  fonbern 
bie  2öelt   benft.     ©iefen  SBeg    baben   nacb  §egeIS  Vorgang  ©b-  §•  Söeiffe  unb  33ieber= 

eo  mann   befcb.ritten.     2lüein   e§  ift   llar,   ba^   bie  §ereinnabme  ber  3BeIt   in  ben  ©elbft= 


SrinttSt  121 

entfattung^prosef?  ©ottei  ben  biblifdjen  begriff  ber  göttlichen  £eüigfett  unb  bie  cfyriftlicfye 
Beurteilung  ber  ©ünbe  bebrofyt  unb  fo  gerabe  mit  ber  cfyriftlicfyen  £>eililel)re,  aui  ber  bai 
trinitartfcfye  Dogma  erroacbjen  ift,  in  SBiberfyrud)  tritt.  4.  2Inbere  Wollten  bureb,  bie 
$ücßef)r  ju  fuborbinatianifcfyen  ©ebanfen  ber  irimtätilefyre  eine  mefyr  bibltfct/e  ©eftalt 
geben  unb  äugleicb,  Slnftö^e  für  ba£  Denfen  b,eben.  ©o  ^abmii,  ber  ben  ©ofm  unb  ©eift  5 
aU  ,,©ott  in  bei  Söortei  feuern  unb  brittem  ©inn"  bejeicfynet  (Sutfy.  Dogm.  III,  206) 
unb  in  borstigerer  Söeife  ^fwmafiui.  Sttletn  biefe  2Ibfcf)mäcr;ung  bei  Dogmai  giebt 
niefrt  etmai  ^ebenfäcfylicfyei  breü,  fonbern  bie  Überzeugung,  bie  bon  ferner  feinen  sJJerb 
auimacfyte,  bafj  ber  cfyriftltdje  ©laube  in  bem  gefcfyidjtiicr/en  ©rlöfer  unb  im  ©eift  mit 
©ott  in  bei  SBortei  böcbjtem  ©inn  ©emeinfetjaft  b,at.  5.  2lin  näcfyften  ift  einer  mirf=  10 
liefen  sJJeubiIbung  bei  Dogmai  bielleicfyt  9?.  Sfotfye  ge!ommen.  Diei  weniger  baburd), 
bafj  feine  fbefulatibe  ©otteilefyre  ©ott  ali  abfolutei  Söefen,  abfolute  geiftige  SRatur  unb 
abfolute  Verfönlicbjeit  unterfdjeibet,  ein  Verfucf),  ben  er  felbft  nicfyt  ali  eine  ^onftruftion 
ber  ^rinität  im  überlieferten  ©inn  eingefcfyätjt  miffen  miß  (%t).  (Stfytf  I,  §  37,  bgl. 
Dogm.  I,  §  15—22).  Söobl  aber  enthält  feine  2luffaffung  Dorn  |>aubt  ber  gefcfyaffenen  15 
©eiftertoelt  unb  Dom  ©eift  ali  ber  (Sinfyeit  bon  ©ebanfe  unb  Dafein  bie  ©lemente  einei 
SBegriffifr/ftemi,  ba^  bie  Vebingungen  bei  reltgiög=fittltc^en  Sebeni  mit  bem  ewigen  Seben 
©ottei  berfnübft.  Überbiei  bietet  fein  21uiblicf  auf  bie  Vluralität  ber  SSkltfbfyären  bie 
SKöglicPeit,  ber  eroigen  Beugung  De3  ©ofmei  unb  bem  ewigen  2Iuigang  bei  ©eiftei 
ben  gebamlenmäfjigen  ^nfyalt  3"  geben,  ber  ber  fircfylicfyen  2lnfdjauung  mit  ber  Verurteilung  20 
ber  origeniftifdjen  ©belulation  berloren  gegangen  mar.  freilief)  enthält  feine  ^on^e^tion 
fo  Diel  inbibibuelle  ©befulation,  bafe  fie  in  ber  broteftantifer/en  Stfyeologie  jiemlitf}  un= 
gehört  »erfaßt  ift  (bgl.  noeb,  £f).  @tfy.  I3,  §  51;  III2,  §  540).  6.  (Sine  befonbere  Ve= 
acfytung  barf  aud)  für  bie  ©efeb/ief/te  beg  ^rinitätibogmai  3-  Gb/r.  ü.  ^ofmann  bean= 
fbrucb,en.  Gr  b,at  mit  befonberem  ^acfjbrud;  nid^t  foWof)l  bie  Vefcfyränfung  ber  bog=  25 
mausen  Sluifage  auf  bie  Dffenbarungitriai,  fonbern  bie  Qneinifetjung  ber  öfonomtfcfyen 
unb  immanenten  Srinität  geforbert.  Dai  Verl)ältnü  bon  Vater  unb  ©obm  ift  ib,m  ein 
innergötilicfyei;  aber  ei  ift  für  uni  auf  ©runb  ber  ©ebrift  nur  in  feiner  gefdncfytlicfyen 
©elbftermeifung  erfaßbar  (©cbjiftberoeü  I2,  202).  Qnbem  er  barum  jeben  Verfucb,  ah 
le^nt,  in  ba§  bormeltlicfye  Seben  ber  ©ottb^eit  einzubringen,  rotE  er  bai  gefdjic^tlic^e  3?er=  30 
fyältnig  ©otte§  jur  SJlenfcb.t/eit  in  feiner  £>eiI§offenbarung  unmittelbar  jugleicb,  sub  specie 
aeternitatis  betrautet  miffen.  SDamit  marfjt  er  ber  Unllarb,eit  ein  @nbe,  mit  ber  man 
in  ber  älteren  Geologie  bon  emigen  Verr/ältniffen  ^u  reben  pflegte,  wäbjenb  man  fie 
boeb,  ber  gefrier; tücfyen  Offenbarung  in  ber  &ü  öorau§geb,en  lie^,  ftatt  fie  als  bie  auf$er= 
Seitlirfie  ©runblage  ber  gefcr/icfytüdjen  §eiteoffenbarung  ju  ben!en.  ^n  berfelben  Sinie  be=  35 
toegen  ftd)  aueb;  bie  2lu§fagen  W.  Ml)kvS  (Sßiffenfc^aft  ber  dt;r.  Seb,re  3.  21.  §  368-375). 
$nbem  er  au<§  ber  SDretfalttgJett  be§  göttlichen  2ötrlen§  auf  eine  entf^recb;enbe  ontologifcfje 
Seftimmtb^eit  be§  göttlichen  Sebeng  jurücffdji liefet,  marnt  er  babor,  fie  jur  fSonftruftion 
innergöttlicb.er  3Serb,äItniffe  ju  benutzen.  Sie  immanente  SLrinttät  foH  nur  baju  bienen, 
ben  Sleic^tum,  bie  2lIIgenugfamfeit  unb  bie  Vemeglicb,leit  be§  göttlichen  2eben§  ein=  4ü 
umrägen.  ^nfofern  bilbe  bie  immanente  ^rinität  einen  ©renjbegriff.  SC^nltd^e  ©ebanlen 
finben  mir  aueb,  bei  anberen  neueren  SEb/eoIogen  toieber.  SSä^renb  21.  Siitfc^l  felbft  fieb, 
bamit  begnügt  (of)ne  Nennung  bee  2öorte§  ^rinität),  6b,riftug  unb  bie  ©emeinbe  als 
etoige  3nb,alte  beö  göttlichen  ®en!en§  unb  £iebe<3rotllen§  ju  bejeicb,nen  (3lec§tf.  u.  Verf.  III, 
$  49  unb  Unterricht  in  ber  dt)r.  Religion  2.  2t.  §  46),  ift  £>.  ©cb,ul|  baju  fortgegangen,  45 
ber  gefc^ic^tltcb.en  ©inmo^nung  ©otte§  in  ©^rtftug  unb  ber  ©emeinbe  bie  eroige  @nt= 
faltung  feineö  SKefeni  in  Söort  unb  ©etft  ju  ©runbe  Itegenb  ju  ben!en  (£ef)re  oon  ber 
©ott^eit  g^rifti,  XXVIII.  Step.).  Loftan  enb(tdt)  betont  nactjbrücflicb, ,  bafe  bie  trint- 
tarifcfien  2tu3fagen  nur  infofern  ©laubeniaugfagen  feien,  als  fie  auf  ben  gefdc>tdE)tIidc>en 
GfyriftuS  unb  bie  gefc^icb.tlicb^e  Mitteilung  bei  ©eiftei  belogen  Werben.  @r  folgert  aber  so 
baraui  —  mit  Stecht  —  ntd^t,  bafe  mir  bei  ber  blofj  öfonomifc^en  Srtnität  ftefjen  bleiben 
müßten,  fieb,t  »ielmef)r  in  biefer  unb  ber  immanenten  nur  ber  gorm  nacb,  berfet/iebene,  im 
3nl»alt  fongruente  33etracf)tungen  beifelben  SEb.atbeftanbei.  2öa§  uni  bort  in  ber  gorm 
ber  jeitlicb,en  ©ucceffion  gegeben  ift,  ba§  flauen  mir  liier  in  jeitlofer  33etracf)tung  in  ©Ott 
felbft  fnnein  (SDogm.  3.  unb  4.  21.  §  21).  "Damit  fd^eint  mir  bie  ^icf)tung  belieb, net,  55 
in  ber  bie  £rimtät<8lef)re  oon  ber  Dogmatif  beb,anbelt  fein  Will. 

5.  ©ef)ört  (S  sum  Sßefen  bei  ©laubeni,  im  Sßkltltcfyen  ein  Übermeltlidjiei,  im  ©cfcf)icb> 
liefen  ba§  ©mige  ju  erfaffen  (»gl.  33b  VI,  ©.  680.  682),  fo  fann  fieb,  bai  religiöfe  Verftänbnis 
ber  §eilggefcf)ic1)te  nur  fo  »olbjiefyen,  bafe  mir  in  ber  ^erfon  bei  ©rlöferö  unb  bem  ©eifte-J= 
befi|  ber  ©emeinbe  bie  emige  ©elbftoffenbarung  unb  ©elbftmitteilung  ©ottei  feiten,    ^ebe  6u 


122  Xrinifät 

2lnfd)auung,  bie  unter  biefer  Sinic  ^urücfbleibt,  ermangelt  ber  religiösen  guberftcfyt  u"k 
Klarheit,  ©erfelbe  El)riftus,  ber  als  ©tifter  eines  neuen  religiösen  ©efamtlebens  ber 
9Jienfd)i)eit  unb  ifyrer  ©efclucfyte  angebört,  gehört  sugleicb,  bem  etoigen  Sebcn  ©ottes  an, 
beffen  boEe,  nid)t  ju  überbietenbe  Offenbarung  er  ift.  ©er  ©eift,  in  bem  toir  ©ott  als 
5  3Sater  anrufen  unb  burd)  ben  toir  in  EI)rifii  SStlb  umgeftaltet  toerben,  gefjört  ebenfo  ber 
geitlidjen  Entfaltung  unferes  '-ßerfonlebens  an,  toie  er  gugletd^  bie  ©elbftentfaltung  ©ottes 
ift,  ber  feine  berfönlicfyen  ©efdjöbfe  mit  feiner  ©egentoart  erfüllen  toill.  ^nbem  mir  aber 
in  ber  gefd)icr;tlicl)en  §eilsoffenbarung  eine  eroige  göttliche  SBirfung  erfennen,  entfielt  uns 
aud)  bie  Aufgabe,  alle  anbere  ©elbftoffenbarung  ©ottes  mit  bem  gefd)tcf;tlid)en  Erlöfer  unb  alle 

10  anbere  ©elbftmitteilung  ©ottes  mit  bem  1)1.  ©eift  jufammenjuorbnen.  ^n  allen  gefd;id)t= 
liefen  güb,rungen  ber  Menfd)I)eit,  bie  bas  £>eil  borbereiten,  feiert  roir  bie  offenbarere 
Xfyätigfeit  ©ottes,  bie  fid)  in  Efyriftus  fon^entriert  unb  bollenbet.  2lucf)  bie  ©cfyöbfung 
unferer  2ßelt  gehört  in  biefen  ?ßroje^  ber  Offenbarung  ©ottes  mit  hinein,  fofern  fie 
©arftellung  feiner  2SeisI)eit  unb  Siebe  für  bas   menfcfylicfye  Setoufjtfein  ift.    ®ies  fann 

15  man  nur  beftreiten,  toenn  man  ber  JReinung  ift,  bafj  bie  Söelt  ©Ott  mel)r  berbirgt  als 
lunb  macr)t.  ©er  biblifd)e  Storne  für  biefe  als  Einheit  gebaute  Offenbarung  ift  Sogos, 
„bas  2Sort",  in  bem  toir  nur  nid)t  eine  Erflärung  ber  Offenbarung,  fonbern  eine  2lus= 
fage  bei  in  iln*  gefcf)el)enben  göttlichen  §anbelns  fef>en  muffen.  2lHe  bie  9Jcenfct;I)eit  für 
©ott  bereitenbe  religiöfe  $robI)etie  ift  eine  Sßirfung  besfelben  ©eiftes,  ber  in  feiner  güUe 

20  ber  d)riftlid)en  ©emeinbe  innetoofynt.  Söir  bürfen  aber  aud)  nad)  bem  Vorgang  9totl)es 
nodb,  roeiter  gel)en  unb  bie  2Birlfam!eit  besfelben  Söorts  unb  besfelben  ©eiftes  aud)  in 
anberen  ©d)öbfungsfreifen  borausfetsen  als  in  bem,  toeld)em  roir  jelbft  angehören.  ©as 
r)at  anfd)einenb  mit  ber  braftifcfyen  grömmigfeit  unmittelbar  gar  nid)ts  ju  tl)un;  aber 
mittelbar  ftel)t  es  bod)  mit  il)r  in  gufamment/ang.    ggjr  brücten  bamit  ben  unbedingten 

25  2öert  au$,  ben  toir  biefen  ©elbftertoeifungen  ©ottes  auftreiben,  unb  befennen ,  bafj  roir 
ofme  fie  !ein  geiftiges  ©afein  als  bollenbet  benfen  lönnen.  2lud)  erreichen  roir  bamit 
nicr)t  blofj  ben  ©ebanfen  toieber,  ben  Origenes  mit  ber  eroigen  geugung  bes  ©ofynes 
berbunben  I)at,  Jonbern  machen  aud)  bie  für  unfer  Sßeltbilb  facfygemäfje  Slntoenbung  ber 
bon  ^aulus  $ol  1,  15  ff.  ausgekrochenen  %bzz. 

30  2Bas  fid)  aber  fo  für  bie  2Belt  in  einen  jeitnd)en  ^rojefs  auseinanberlegt,  in  beffen 
Verlauf  bas  re[tgtö§=fittlic^e  ^erfonleben  fid)  geftaltet,  bas  ift  als  ©ottes  Stfyat  betrachtet 
nid)t  ein  Sterben,  fonbern  eroige  ©egentoart,  ber  2lusbrucf  feinet  unberänberlid)en  Söefens. 
Qn  biefem  ©tun  feiert  toir  ©ofm  unb  ©eift  al<3  etoig  in  ©ott  feienb.  ©amit  ift  ba§ 
£e|te  gefagt,   toa§  für  unfer  SDenlen  erreichbar  ift.    SDaö  2öie  ber  immanenten  'jErinität 

35  bleibt  uns  nottoenbig  ©elb,eimnig,  toeil  feine  Kategorien  unferes"  geitlicfyen  ®en!en§  ba^ 
©toige  al3  foldjes  erfaffen  fönnen  unb  feine  Slnalogicn  unferer  Erfahrung  in  bie  §öb,e 
beö  göttlichen  ©eins  emborreicfyen.  ©ott  als  etoiges  ©ubjeft  ber  Offenbarung  ift  uns 
barum  bie  @ine,  alle  güHe  ber  Offenbarung  unb  aßen  Skicfyium  fid;  felbft  mitteilenber 
r/eiliger  £iebe  in  fid)  befaffenbe  abfolute  ^3erfönlid)feit.    Stile  SBerfucfye,  refleftierenb  ober 

40  fbefulierenb  roeiter  borjubringen  führen  entroebcr  ju  ben  blofj  berbalen  93efttmmungen, 
bie  roir  aus  ber  ©efdncfyte  bes  ©ogmas  fennen,  ober  ju  ^Begriffen,  bie  fid)  im  ,3ufammen= 
fjang  bes  bogmatifd)en  ©t)ftems  als  roiberfbrucfjßboll  erroeifen.  hieben  toir  bon  brei  $er= 
fönen  ber  @inen  ©ottb,eit,  fo  gebrauchen  toir  ein  unjulänglicljcs  S3ilb.  2Bir  fagen  bamit 
l;eute  biel  mel)r  als  bie  alte  £trd)e  unter  tf>ren  §t)boftafen  berftanb.    ©ie  bad)te  bie= 

45  felben  fo  elaftifcf),  ba^  fie  aucb,  toteber  fäb,ig  toaren,  fid;  ju  Einer  ^erfönlicfcjeit,  Einem 
göttlichen  ©elbftbetou^tfein  unb  SöiHen  jufammenjufcfiliefeen.  Unfer  moberner  $erfon= 
begriff  ift  biel  fc^ärfer  gebrägt;  er  bejeicb,net  eine  burcb,  unübertragbare  Slfte  bes  ©elbft= 
betoufetfeins  unb  ber  ©elbftbeftimmung  in  fidb,  abgefd)loffene  bf^d)ifd)e  £ebensetnb,eit. 
©rei  ^erfonen  in  biefem  ©inn  ergeben  nid)t  eine  numerifcfje  Einheit,  toie  fie  bie  Kircf;en= 

so  Ief>re  forbert,  fonbern  nur  bie  folleftibe  Einheit,  bie  fie  bertoirft.  Überbies  bertoicfelt  uns 
biefer  moberne  ^ßerfonbegriff  in  feiner  2lntoenbung  auf  bie  E^riftologie  in  bie  ©d;toierig= 
feit,  ba^  toir  in  Sbjiftus  enttoeber  bas  menfd>lid)e  ©elbftbetou^tfein  ausgelöfcb,t  benfen 
ober  eine  ©obbelberfönlicfjfeit  in  ifjm  ftatuieren  muffen,  toas  beibes  ebenfo  bem  gefd)icb> 
liefen  Silb  bes  Erlöfers  toie  ben  Sebürfniffen  bes  ©laubens  toiberftrebt.    Ef;er  läfet  fid; 

55  barum  bon  brei  Momenten,  einer  breifad)en  etoigen  S3efttmmtl)eit  bes  göttlichen  Söefens 
reben.  ®as  b,at  bie  tf;eologifd)e  ©befulation  feit  Stuguftin  mit  mel)r  ober  toeniger  Klar= 
b,eit  unb  Äonfequenj  immer  angeftrebt.  3CReift  ift  man  bann  auf  Eigenfcftaftsbegriffe 
l)öc£)ften  3f{angs  geführt  toorben:  9J£ad)t,  Söeisfyeit,  Siebe  ober  beffer  3iamacf)t,  ©nabe, 
§etligfeit.    9tur  barf  über  einer  folcfjen  ©eutung   ber  SLrinität  bie  ^erfönlidjfeit  bes  er= 

60  t)öb,ten  El;riftus,  an  ber  bas  Qntereffe  ber  d)rtftlict)en  grömmigfeit  toefentlid)  fyaftet,  nicb,t 


SriiiUftt  Srittitaricrorbeu  123 

berfd;minben.  Qn  il)m,  bem  9Jienfd)getoorbenen  unb  @rb,öl)ten  geminnt  ©ottes  ©nabc 
berfönlid;e  ©eftalt  in  ber  ©efdricbte  unb  er  Bleibt,  mit  bem  33ater  geeint,  baS  §aubt 
feiner  ©emeinbe.  Unb  mie  ©otteS  ©nabe  in  %tfu§  ßbriftuS,  fo  getoinnt  feine  baS 
Igrbifcbe  berflärenbe  §eiligfeit  ifyre  gefcbid}tlid;e  ©eftalt  in  ber  ©emeinbe  ber  (Srlöfung, 
bie  im  ©eift  burd?  6b,riftuS  mit  ©ott  berbunben,  am  emigen  Seben  teil  f>at.  5 

SBelcben  biefer  Söege  mir  aber  im  einzelnen  geb,en  mögen,  in  feinem  gall  bürfen 
tctr  bie  immanente  SErinität  bon  ber  geoffenbarten  trennen  unb  ib,r  als  einen  felbft= 
ftänbigcn  ©laubenSbefi|  gegenüber  ftellen.  ©onft  fe^en  mir  an  bie  ©teile  anfcbaulid)er 
Segriffe  inhaltsleere  (Schemata  unb  lenfen  bie  religiöfe  Betrachtung  bon  ber  lebenbigen 
unb  lebenfdjaffenben  Söirflicfyfett  auf  bie  bürren  ©tepben  mr/ftifcber  Kontemplation  ab.  10 
©er  religiöfe  2Bert  ber  £rtnitätSlet;re  befielt  einzig  unb  allein  barin,  bie  DffenbarungS= 
gefd)id)te  als  bie  ©elbfterfdjltefjung  be§  emigen  ©otteS  auszulegen.  Qnbem  fie  bieS  tlmt, 
geigt  fie  uns  ©ott  als  ben  etoig  Sebenbigen,  ben  abfolut  $erfönlicben  unb  fcbledjtfyin 
^eiligen,  ber  unberfoorren  mit  bem  Seben  ber  Söelt  über  il>r  ftefyt,  aber  nichts  befto 
weniger  erlöfenb  in  ib^r  mirft  unb  feine  berfönlidjen  Kreaturen  fjeiligenb  unb  befeligenb  15 
ju  ficfc  jieb,t.  ©ine  ©cfyu^mefyr  gegen  falfcfje,  beifttfdje  Sorftellungen  bon  ©otteS  £ranS= 
fcenbeng  ift  unfere  SeJjre  nur  bann,  toenn  man  feine  2BeiSl)ett  unb  Siebe  md)t  in  einer 
jenfeitigen,  immanenten  ©elbftentfaltung,  fonbern  in  ber  innermeltlicben  erlöfenben  Dffen= 
barung  anfcbaut.  Unb  gegen  ben  ^antfyeiSmuS  giebt  eS  ofmelnn  feine  anbere  mirffame 
©c&uijmefyr,  als  bie  ftreng  toerfönlidje  unb  fonfequent  ftttltd)e  gaffung  beS  emigen  SiebeS=  20 
toiEenS,  bie  uns  ber  Sßlicf  auf  bie  gefdncfytttclje  Offenbarung  gur  9iotmenbigfeit  madit. 
2BaS  9ii$fcb,  bon  ben  3Sorjügen  ber  immanenten  SBefenStrinität  fagt  (bgl.  oben  2lbfd)n.  4), 
baS  gilt  in  Söirf  liebfett  nur  bon  einer  2Infd)auung,  bie  öfonomifdje  unb  immanente 
Irinität  in  eins  fafct. 

9tufyt  bemnad)  bie  djriftlicbe  SErimtätSleljire  ganj  unb  gar  auf  ber  Offenbarung  unb  25 
begießt  fid;  ib,r  religiöfeS  s-8erftänbniS  immer  auf  biefe  gurüd,  fo  fann  man  bie  immanente 
^rinität  mit  Stecht  als  ©renjbegriff  bezeichnen.    933tr-  fönnen  bem  offenbareren  ^Ijmn 
©otteS  nacbbltden  unb  eS  mit  feinem  emigen  Söefen  berfnübfen,  aber  mir  fönnen  eS  ntdjt 
auS  biefem   als   einen  benfnotmenbigen  ^rojefj  a  priori  fonftruieren.    Unfer  2öeg  gef)t 
barum  immer  nur  bon  ber  DffenbarungStriaS  jur  ©infyeit,   mäfyrenb  mir  nicf/t  umgefe^rt  30 
bie  ®reibeit  burcb,  logifdje  ober  metabfyr/fifdje  ober  moralifdie  Konfequenj  auS  ber  ©inbeit 
enttoicfeln  fönnen.    Unb  mir  tlmn  gut  baran,    uns  bor  foldjer  fbefulatiben  Slnmafjung 
ju  fmten;  fie  bient  meber  ber  d)rtftltd)en  grömmigfeit  nod;  ben  mirf liefen  Slufgaben  unb 
^ntereffen  ber  tfyeologtfdjen  Sötffenfdjaft.    ^ft  aueb,  Sfteland^tfyonS  Sßort  über  bie  SErinität 
in  ber  erften  2luSgabe  feiner  Loci  ju  refigniert ,   fof ern  eS  audj  bie  Off enbarungStrinität  35 
unferm  ©enfen   gu   entjieljen    fdjeint;    für  bie   immanente  SLrinität  als  folcr/e  behält  eS 
boa;  fein  Stecht:  Mysteria  divinitatis  rectius  adoraverimus  quam  investigaverimus. 

D.  mxn. 

Srinitorierorbcn  (Ordo  ss.  Trinitatis  redemptionis  captivorum).  —  Sie  imcb= 
tigften  Urfunben  finbet  man  im  Bullar.  Eoman.,  citiert  ift  natf)  ber  Muriner  StuSgabe  1857  ff.  40 
Sie  beiben  SRearfn  fteben  auef)  bei  £oIfiemug=58roclte,  Cod.  reg.  II  ©.  3  ff.  SSgl.  Gallia 
ehr.  VIII  g.1731  ff.;  Joh.  a  S.  Feiice,  Triumphus  misericordiae  i.  e.  s.  ord.  SSS.  Trinitatis 
institutum  redemptio  captivorum,  Viennae  1704;  Florian,  a  S.  Josepho,  Chronicon  discal- 
ceati  ordinis  S.  Trinit.  de  red.  captivorum,  $rctg  1726;  §e!t)ot,  Hist.  des  ordres  monasti- 
ques  II,  310 sq.,  beutfetje  UeBerf-  ©.  366 ff.;  g-.  |>urter,  ©efet).  ^nnoc.  III. '11.  f.  Seitgen.  IV,  45 
213 ff.;  ©melin,  Sie  ßitteratur  %m  ©efd).  be§  örbenS  St.  Trinitatis  unb  Mar.  de  Mercede 
redemptionis  captiv.,  ßarlSrufie  1870  (au§  ©erapeum,  33. XXXI  ©.81  ff.);  ©.  H£)lbürn,  2>ie 
c^r.  Siebe§tf)ätigteit  im  ^tttelaitev,  Stuttgart  1884,  ©.  285  ff.  496  ff. ;  £>etmbucE)er,  3^  0rben 
unb  Kongregationen  ber  Jatt).  ®trcf)e  I,  ^aberborn  1896  ©.  427 f.;  König  im  Ä2.  XII'2; 
$.  S)e§lanbreS,  L'ordre  des  trinitaires,  5üouIoufe  1903,  2  S3be.  50 

©er  SErmitarierorben,  Drben  bon  ber  ©nabe,  aud)  Drben  ber  ©felSbrüber  (Ordo 
asinorum,  meil  bie  DrbenSglieber  anfangs  nur  auf  ©fein  reiten  burften),  fomie  fbejieU 
in  granfreid;  SJJaturiner  (naef)  ber  i§nen  gel)örenben  Kabelle  ©t.  SRaturin  ober  ©t.  sJDtatb,  elin 
in  $aris)  genannt,  mürbe  im  ^afyre  1198  bon  ^of)ann  be  SDktfya  unb  gelij  bon  35aloiS 
geftiftet.  Sie  legenbarifdse  DrbenStrabition  meifs  über  ^D^nn  oe  9Jiatr;a,  bafc  er  um  65 
1160  als  ber  ©olm  bornebmer  ©Itern  -m  gaueon  in  ber  ©raffd)aft  TO^a  geboren  mürbe; 
er  mibmete  fid)  bem  geiftücben  ©tanbe,  ftubierte  in  Slir.  unb  in  ^]ariS,  erlangte  119:1  bie 
tbeologtfd;e  ©oftortoürbe  unb  mürbe  bei  ber  erften  3Reffe,  bie  er  als  ^]riefter  fnelt,  mit 
einer  3Sifion  beglüdt.  ©in  meif?  gcfleibeter  ©ngel  mit  einem  roten  unb  blauen  Wreuje, 
an  jeber  ©eite  bon  einem  mit  Ketten  gefeffelten  ©f laben  begleitet,  foll  ib,m  erfd)ienen  fein;  60 
Sodann  be  9Jcatl)a  foll  in  biefer  @rfd)einung  bie  3lufforbertmg  ©otteS  erfannt  fjaben,  ber 


124  Srtnitartcrovben 

Sosfaufung  bort  ©efangenen  aus  ben  £>änben  ber  Ungläubigen  ftcb,  ju  Wibmen.  $ur 
Weiteren  @rforfcf;ung  beS  göttlichen  SBtHenS  30g  er  ftcb,  in  bie  ©inöbe  eines  SöalbeS  bei 
gerfroib  (cervus  frigidus)  in  ber  ©iöcefe  SReaur.  jurücf;  b,ier  fanb  er  ben  ©infiebler 
gelir.  bon  SaloiS,  bem  er  ftcb,  anfcf)Iof$.  ©ie  Segenbe  berichtet  Don  einer  Reiten  3Stfion : 
5  ©ie  beiben  ©enoffen,  in  fromme  Betrachtungen  berfunlen,  erblicfen  einen  Weifeen  §irfcb, 
mit  einem  üreuje  jWifcfjen  ben  ©langen  beS  ©eWeifyeS;  baS  $reuj  mar  ganj  fo,  Wie  eS 
be  yjlatfya  bei  ber  SJlefjfeier  an  bem  (Sngel  bereits  gefeiten  fyatte.  ©ie  glaubten,  bafe  fo 
jene  Slufforberung  ©ottes  bon  neuem  ftcb,  ifynen  funb  gebe.  Slun  gingen  fie  nacb,  Siom 
unb   festen   ben   lurj   jubor   (8.  Januar  1198)    auf   ben    bäbftlicfyen   ©tuf)l    gelangten 

10  ^nnocenj  III.  bon  ifyren  SSifionen  in  Kenntnis,  fowie  bon  ifyrer  2tbfid)t,  ftcb,  ber  £oS= 
faufung  gefangener  ßbjiften  auS  ben  §änben  ber  Ungläubigen  ^u  Wibmen.  $mtocenj 
beschäftigte  fid),  Wie  bie  Segenbe  weiter  berichtet,  im  ©ebete  mit  ber  ©acfye,  unb  f;atte  bei 
einer  Sftefjfeier  bie  gleiche  @rfct;emung,  mie  be  Sftatfya.  ©araufljm  geftattete  er  bie  ©tif= 
tung  eine§  DrbenS,  beffen  ©lieber  ben  oben  bezeichneten  Manien  führen  füllten.    ©0  bie 

15  Segenbe.  ©ie  urlunblidjen  Stacfyricfyten  über  bie  ©ntfte^ung  beS  DrbenS  Wtberfbredjen  il>r 
jeboct).  ©ie  ältefie  Urlunbe  ift  ein  ^ribilegium  ^nnocenj'  III.  bom  16.  SJtai  1198 
Oßottfy.  189).  SRact)  bemfelben  beftätigt  ber  ^3abft  bem  Sruber  ^ofyann  unb  ben  übrigen 
Srübern  beS  Kaufes  ber  ©reieinigfeit  in  ©erfrotb  ibjen  Sefi|,  befonberS  baS  angeführte 
§auS,  baS  bie  ©räfin  SJlargareta  bon  Surgunb  beljufS  Befreiung  ber  ©laubigen,  bie  in 

20  ©efangenfcfyaft  ber  Ungläubigen  geraten  waren,  ber  Sruberfctjaft  gefcfyenft  batte,  fomie 
anbere  ju  bem  gleiten  .gWecf  ib,r  übergebene  33efüjungen.  @r  beftimmt  jugleicb,,  baf;  bie 
gegenwärtigen  unb  fünftigen  §äufer  ber  93ruberfcfyaft  ifyrem  gtoeefe  nicfyt  entfrembet 
Werben  bürfen  (a  statu  illo  in  quo  eas  deliberatione  provida  ordinastis,  videli- 
cet  ad  redemptionem   captivorum  vel  ad   observantiam  vestri    ordinis   et    in- 

25  stitutionis  nullius  praesumptione  temeraria  valeant  immutari).  ^ternacb,  geljii  bie 
©ntftefmng  ber  Srubcrfctjaft  ber  9tomreife  IJofyannS  einige  3e^t  borauS  unb  mufs  eS  un= 
entfcfyieben  bleiben,  ob  ber  ©ebanfe,  für  bie  ^Befreiung  cfyriftlidjier  ©efangener  ju  arbeiten, 
^ofjann  be  Sftatfya  ober  ber  ©räfin  bon  SBurgunb  gehört.  Skcb,  ben  SOßorten  ber  Urlunbe 
ift  baS  legiere  Wafyrfdjeinlictter  als  baS  erftere.     ©anj  in    ber  Suft  ftefyen  UE;If;omS  23er= 

30  mutungen,  ber  ben  Urfbrung  beS  DrbenS  auS  bem  ©inbruet"  beS  $atls  bon  ^erufatem 
1187  unb  ber  in  ©t.  Victor  bei  ^ßariS  fyerrfcfyenben  ©timmung  ableitet,  ©.  286  f.  ©ine 
2.  Urlunbe  ^nnocen^'  III.  bom  17  ©ejember  1198,  $otty.  483,  geigt,  baf$  baS  $ribi= 
legium  bom  16.  SJiai  nur  als  borläufig  betrachtet  Werben  foEte.  ©enn  nun  b,ören  Wir, 
ba^  Qnnocenj  ^ob,ann  nacb^  granlretd)   jurücfgefanbt  batte,   um  (Smbfe^Iungen  bon  bem 

35  Sifdjof  bon  ^ßariö  unb  bem  Slbte  bon  ©t.  SSictor  ju  erholen.  3JJit  bcnfelben  unb  mit 
einer  Slbfdjrift  ber  Stege!  bes>  Kaufes  ber  ©reieinigleit  lehrte  er  naef)  sJ?om  jurücf  unb 
nun  erteilte  ber  $abft  bie  auSbrüdlicb,e  Seftätigung  ber  Siegel,  bie  er  aber  borb,er  in 
einzelnen  ^unlten  abänberte. 

©ie  Siegel  forbert,  baf}  bie  Srüber  in  ©ef)orfam  gegen  ben  „minister"  be§  §aufe§, 

40  in  l£eufcfyl)eit  unb  ob,ne  ©igentum  leben.  ®ie  einzelnen  §äufer  follen  bon  je  brei  Hlerifern 
unb  brei  Saien  unter  einem  minister  beWofynt  Werben,  ©er  le^tere  raufe  ^riefter  fein 
unb  Wirb  bon  ben  Srübern  gewählt ;  er  b,at  jeben  ©onntag  ein  üabitel  mit  ben  Srübern 
feines  §aufeS  ju  galten.  Sin  ber  ©bi|e  beS  ganzen  DrbenS  fte^t  ber  minister  maior, 
ber  baS  jä^rlic|e  ©eneralfabitel  an  ber  ^Pfingftoftabe   ^u   galten  bat.    Slufeerbem  lommt 

45  il)m  bie  ©iSjiblin  über  bie  ministri  minores  ju.  ©er  ©rreicfyung  beS  DrbenSjWecfeS 
bient  bie  Seftimmung,  bafe  bon  allen  ©tnlünften  —  foWof)l  ©efefeenfen  als  bem  ©rtrag 
beS  ©runbbefi^eS  —  ber  britte  Xeil  jur  Befreiung  ber  ©efangenen  jurüdgelegt  Werben  foß. 
Slu^erbem  entbält  bie  Siegel  Seftimmungen  über  bie  2ebenSb,altung  in  ben  Käufern,  bie 
DrbenStracb,t,  bie  gaften,  bie  Stufnalmte  neuer  3Jätglieber  u.  bgl.    ©aS  §orengebet  u.  a. 

50  foll  naef;  ben  ©eWobnlteiten  bon  ©t.  SSictor  beobachtet  Werben.  @in  neues  ©cfyut5bribi= 
legium  erteilte  ^nnocenj  bem  Drben  am  18.  ^uni  1209,  $oitfy.  3744. 

21IS  erfter  minister  maior  fungierte  3°^ann  ^  3Katb,a.  ©c^on  ^m^^cenj  III. 
gewährte  bem  Drben  Stufnalmie  in  Slom;  er  übertrug  ib,m  bie  Strebe  unb  baS  ©bital 
©.    ^ommafo    in    gormiS    auf   bem    (SäliuS    (f.  Reg.  d'Urbain  IV      Sb  I    Sir.  27 

55  ©.  8  bom  25.  Dltober  1261).  ©in  Weiblicher  3toeiS  bi$  DrbenS  entftanb  Wenige  ^ab^re 
nacb,  ber  ©rünbung  in  ©banien;  boeb,  Würbe  er  erft  1236  befinitib  lonftituiert ;  bie 
erfte  ©uberiorin  ber  Sionnen  War  bie  3nfantin  (Sonftantia,  eine  ^oefeter  beS  Königs 
«ßeter  II.  bon  Slragon  (§elt)0t  ©.  396  ff.). 

©er  ^rinitarierorben  gelangte  rafcb,  ju  feftem  Seftanb;  eS  embfab,Ien  tbrt  bie  großen 

60  ©rfolge  ber  ©efangenenbefreiung.     1199   gingen   bie   erften  ©enblinge   naef)   SuniS;    eS 


£rimt(merorbcu  SrtSljagion  125 

gelang  ibnen  eine  2lnjat)I  ßfyriftenfiTaben  lo«jufaufen,  186  Würben  int  33riumbl)  nad; 
Gerfroib  geleitet.  3-  be  9Jtatf)a  fiarb  17.  ®ej.  121:5  in  SRom;  im  Safyre  Dörfer  War 
gelir,  bon  23aIot«  in  *J$ari«  geftorben. 

23on  §onoriu«  III.  Würbe  ber  Drben,  ber  ftd;  bomefmtlid;  in  ben  romanifcfyen 
Säubern,  aber  aud;  in  ©nglanb,  ©dwitlanb  unb  $rlanb  unb  im  Dften  ausbreitete,  bon  s 
neuem  beftätigt  (Bull.  Rom.  III  ©.  315  Dorn  9.  gcbruar  1217).  Giemen«  IV  liefe 
bie  Siegel  rebibieren,  Wobei  fie  in  einigen  fünften  gemilbert  Würbe  (III,  ©.  786  bom 
7.  ©ejember  1267).  Giemen«  VII.  gemährte  bem  Drben  ba«  Siecht,  für  feine  .groeefe 
ailmofen  ju  fyeifdjen  (VI,  ©.  65  ff.  bom  17   2lbril  1524). 

©o  Wenig  al«   irgenbein   anberer  Drben  fnelt  ber  ber  Slrinitaricr  an  ber  urfbrüng=  10 
liefen  ©trenge  feft  (bgl.  fd;on  Reg.  d'Urb.  IV  23b  1 5Rr.  22  ©.  10  bom  13.  SRobember  1261); 
ber  23erfaH  führte  ju  mancherlei  9teformberfud;en  unb  biefe  rote  geWöfmlid;  gur  ©baltung 
be«  Drben«  in  berfd;tebene  ^toeige.    2lm  Wicfyttgften  ift  bie  @ntfiel;ung  ber  Kongregation 
ber  unbefdjubten   ^rinitarier  (Congr.  Discalceatorum  ordinis  ss.  Trinitatis).    3f>re 
Heimat  ift  ©banien;    fie   Würbe  1599    bon  Giemen«  VIII.  al«  eigene  Kongregation  an=  15 
erfannt  (Bull.  Rom.  X  ©.  529  bom  20.  Sluguft  1599),   unb    gewann   aud;  in  %xani- 
reieb.  unb  Italien  2tu«breitung.    $aul  V   ertlärte   fie   1609   für   einen  23ettelorben  unb 
gewährte  ifyr  alle  ^ßribilegien  ber  SJienbifanten   (XI,    ©.  608    bom  15.  sDejember  1609, 
bgl.  aud;  feine  Grlaffe  bom  24.  ©ejember  1609,  10.  gebruar  1610  unb  14.  2tuguft  1613 
2.  612  ff.).    23i«  1636   ftanb   bie  neue  Kongregation   tro£  aller  23erfct)tebenf)eUen  unter  20 
bem  ©eneral  ber  fratres  calceati.    Tantal«  erft   erjmiertc  fie  Urban  VIII.  bon  beffen 
3uri«btftion  (XIV,  ©.  518  bom  28.  gebruar  1636). 

Über  bie  §aubtfad;en,   bie  $al;I  ber  Konbente  unb  bie  Grfolge  be«  Drben«  in  ber 
©efangenenbefreiung,  roaren  Wir  big  auf  SDeSlanbre«  fcfylccbt  unterrichtet.  SC.  König  nimmt  an, 
bafj  ber  Drben  in  ber  $eit  feiner  fyöcbjten  23Iüte,  bem  15. ^abjfyunbert,  ungefähr  880  §äufer  25 
gejagt  fyabe  (KKS  XII2  ©.  89),  |>elr,ot  giebt  für  feine  £eit  (1.  |jälfte  be«  18.  3af;rl)unbert«) 
ungefähr  250  in  ben  6  franjöfif5;en,  3  fbanifdjen,  ber  italienifcfyen  unb  ber  bortugififdjen 
^robinj  an  (©.  374),  23raun«berger  (©timmen  au§  9Jiaria  Saacf),  ©rgänjungeljeft  9ir.  79, 
1901)  teilt  mit,  bafe  bon  87  fbanifd;en  "jErinitarierflöftern  1835   47  aufgehoben  rourben 
(£.  15)  unb  bafj  1782—90  bie  6  öfterreicl;ifcl;en  Konbente  ber  2tuflöfung  bcrfielen  (©.25).  so 
2Itte  biefe  Qafykn,  mit  2tu«nabme  ber  bon  23raun«berger,  finb  ju  grofs;  £)e«Ianbre«  toeift 
für  granfreieb,  unb  bie  3RieberIanbe  102  Konbente  nad;,  bon  benen  am  Gnbe  be«  18.  ^ai)x= 
Inmbert«  93  nod)  beftanben,  in  Gnglanb  gab  e«  11,  in  ^rlanb  1,  in  ©dwitlanb  7  Konbente. 
2Ba«  bie  ©egenWart  anlangt,  fo  ift  nad;  23raunsberger  ©.  54  ber  Drben  ber  unbefdjmr/ten 
irinitarier  1894  au«geftorben,   wogegen   fid;   bie    befdmfyten   ju  neuer  S^ättgfett  __  auf=  35 
rafften  unb  um  1898  roteber  22  Klöfter  befajjen,   1900  ilp  SBieberb/erftellung  in  Dfter= 
reidt)  erlebten,    ©agegen   läfst  21.  König  bie  befdmfyten  ^rinitarier  au«geftorben  fein  unb 
bie  unbefd>ub,ten  nod;  fortbestehen.    ®ie  le^tere  Stngabe  ift  im  3ted)te.    Wafy  ^ß.  W.  33aum= 
garten,  Kird;!.  ©tatiftil,   2Sbri3t)ofen  1905  ©.  182   b,aben   bie  unbefd;ub,ten   SLrinitarier 
in  9tom  gegenwärtig  4  3Rieberlaffungen  unb   finb   bie    beiben  ^3farr!id;en  ©.  ©rifogono  40 
unb  S.  ^Diaria  beßa  gornaci  in  tt)ren  §änben.     2)er  toeiblidje  3roet9  be$  Drben«  fdjeint 
nie  großen  Fortgang  gehabt  gu  fyaben;  er  jäl;lte  fdjon  gegen  @nbe  be«  18.  ^alirfjunbert« 
in  ©banien,  feinem  §aubtfi£,  nur  10  Klöfter  (21.  König  ©.  89).    2Sa3  bie  Seiftungen 
ber  £rinitarier  anlangt,  fo  |at  ^5.  ®an,  Hist.  de  Barberie,  ^ari«  1649  ©.  451  ff.  bie 
■3<u;I  ber  bon  1198—1640  aufgeführten  3tebembtionen,  b.  i.  ber  im  Stuf  trag  be«  Drben«  45 
unternommenen  93efreiung«reifen,  auf  363  berechnet,  bie  gafyl  ber  babei  befreiten  ßfyriften 
auf  30  720.    21.  König  folgt  einer  anberen  33eredmung,  bie  auf  900000  befreite  6f;riften 
fommt,  unb  rechnet  Weiter,  bafe  ber  Drben  bterfür  5400  000  000  %x.  auggegeben  b,abe.  ©a« 
ift  natürlid;  ein  ©ebäube  au«  Suft.  3JJan  Wirb  nur  ©melin  juftimmen  !önnen,  ber  eine  fixere 
33ered)nung  ber  $aty  ber  befreiten  für  unmöglid;  b,ält;  ®an«  ftafyhn  erflärt  er  für  biel  ju  50 
niebrig,  bie  900  000  natürlid;  für  übertrieben;  bgl.  ©e«lanbre«I  ©.  436.  (Wcubetfct  f)  §™ä- 

2:rimtatiöfeft  f.  b.  2121  gefte  33b  VI  ©.  55, 66  unb  Kird;enjal;r  23b X  ©.398,i. 

2;ri»I)09tonr  liturgifd;.  —  Sttteratur:  ^Irt.  (Sudjariftie  23b  V  ©.:")('.."),  2n ff. ;  3o(). 
Jamngcenu§,  Epistola  ad  Jordanem  Archimandritam  scripta  de  hymno  Trisagio.  opera 
ed.  Lequien,  Venet.  1748,  I,  p.  480 ff.;  ©uicer,  Thesaurus  ecel..  Amstelaed.  11182.  s.  v.  65 
Tijimytov,  p.  i:U0;  ^eter  9lHir,  De  Trisagii  origine,  Rothom.  1074;  @.  .3.  SSattmgorten, 
Disput,  de  historia  Trisagii,  Halae  1741 ;  iötngt)ant=©rifd)üliiu§,  Origines  sive  Antiquitates 
eccles.  VI,  Halae  17'28,  p.  :i7ff.  unb  p.  :-U5  ff.;  9}euaubot,  Liturgiarum  Orient,  collectio, 
Francof.  ad  JMoeu.  1847, 1,  p.  207 ff.;  II,  p.  69.  591 ;  ££)alf)ofev,  £cmblmd)  ber  fatt).  öiturqit  II, 
greibuvg  i.  S5.  1890,  @.  183 ff.;    »fietfdjet,  i»et)rbucl)  ber  Siturqif  I,    Söertin  1900,  S.  379 ff.;  60 


126  £rt§J|agiott 

SBaumftarf,    5)ie    SJJeffe    im   Worgenlanb    (Sammlung    ®öfel),    Kempten  unb  Sftündjen  1906, 
<S.  133  ff.  unb  170  ff. 

Wti  bem  2Iu§brucf  SlriSfyagion  begeidmet  man  in  ber  Siturgtf  jWei  bcrjd^tebene 
gormein,  nämlicb,  einmal  ben  au3  ^ef  6,  3  fiammenben  ©efc  tg  beg  ©retmalfyeilig ;  er 
5  Wirb  aud)  mit  folgenben  9?amen  begeidmet :  Sanctus  (fo  am  b,  äufigften)  ober  Tersanc- 
tus,  cantus  ober  hymnus  seraphicus  ober  cherubicus,  hymnus  gloriae;  im 
©riedjif d)en :  xqioayiog  vfxvog  ober  au$  v/uvog  imvixiog.  ©obann  trägt  tiefen  9iamen 
aucb,  bie  gormel:  ,"Ayiog  6  fieos,  äyiog  io%voog,  äyiog  ä&ävaxog,  ilerjoov  fjfjiäg" 
@<8  Wirb  alfo  im  golgenben   bon   Reiben  gormein  bie  Siebe  fein  muffen.    2Bir  beginnen 

10  mit  ber  erften. 

1.  ©er  Sobgefang  au§  Qef  6,  3  fiefyt,  in  mel)r  ober  weniger  beränberter  gorm  unb 
mit  mefyr  ober  weniger  berfcbjebenen  gufä^en,  in  allen  Siturgien  be§  Dfteng  unb  beS 
SJÖeftenS,  unb  gWar  ber  Siegel  nad)  in  ber  ^räfation  ber  9fteffe,  unb  fyier  meift  nad)  bem 
<Sct)ö^fung§pretä  ©otte§   unb   bor   bem   $)anf  für   bie  ©rlbfung.    £)ie  LXX  überfeinen 

15  3>^f  6?  3:  "Ayiog,  äyiog,  äyiog  xvoiog  aaßa<x>&,  7ikqor)g  näoa  fj  yfj  xrjg  döirjg  av- 
xov.  33ergleicb,t  man  bamit  bie  gorm  beS  ^riSfyagion  in  ben  öftli^en  Siturgien,  fo  ift 
gunädjift  bemerkenswert,  bafj  alle  Siturgien  in  ber  ^Weiten  geile  neben  bie  @rbe  ben 
£>immel,  begVü.  bie  £>tmmel  gefegt  b,aben,  Wäfirenb  fie  ba§  „gang"  (näoa)  bei  @rbe  ge= 
tilgt  l)ahm.    Stufjerbem   aber   ergeben    fid)    beutlicb,    brei   berfdnebene  ©rubben  in  ben 

20  Siturgien.  Sie  erfte  b,äli  ftcb,  infofern  an  ben  ©runbteri,  bejto.  bie  LXX,  aU  fie  in 
ber  erften  geile  xvgiog  unb  in  ber  ^Weiten  avxov  beibehält;  bafyin  gehört  bie  fog. 
flement.  Siturgie  im  VIII.  Sud)  ber  aboftol.  Äonftitutionen  (c.  12;  bei  Skigfytm. 
p.  18,  32 f.;  bei  gunf,  Didascalia  et  Const.  apost.  I,  p.  506),  bie  bemnad)  ba§  SLri§= 
|agion  in  folgenber  gorm  bietet:  "Ayiog,   äyiog,   äyiog   xvqiog   oaßacb'&,    nlfjQrjg  6 

25  ovgavbg  Kai  fj  yfj  rrjg  do^rjg  avrov.  gerner  gehört  ju  biefer  ©rubbe,  wenn  man  bie 
erfte  geile  ergänzt,  bie  antiocfyenifcfye  Siturgie,  Wie  fie  um§  ßfyrbfoftomusj  jeigt  (bei  33rigr/tm. 
p.  474,  14  f.),  unb  enbticb,  bie  ältere  ägbpttfcfye  (Srigb,tm.  p.  505)  unb  bie  ätfnobifdje 
Siturgie  (bei  3ienaubot,  Lit.  Orient,  collectio  I,  p.  489).  ®ie  gWeite  ©rubpe  r)ält 
gWar  in  ber  erften  geile  ben  9?ominatib  xvgiog  feft,   erfe|t  aber  in  ber  ^Weiten   ba§ 

so  avxov  burd)  oov :  fie  ge^jt  alfo  fcfyon  gur  Stnrebe  an  ©ott  über,  ©o  ift  es>  ber  gaH  in 
bem  eudjariftifcfyen  ®?Ut  be§  ©erabion  ("ZU,  %i%  II,  §eft  3b  p.  5;  bei  gunf  a.  a.  D., 
II,  ©.  174),  in  ber  SRarfuöItturgie  unb  in  ber  Siturgie  ber  fobtiftfjen  ^afobiten  (bei 
Srigfitm.  p.  132,  8f.  unb  p.  176,  2  f.),  wo  aKerbingg  bie  jWeite  Qdk  aufjerbem  nod? 
einen  3uial  enthält:  jikrjQrjg  6  ovoavbg  xai  fj  yrj  rrjg  äyiag  oov  öög'rjg   (bgl.  aua) 

35  ®enjinger,  Ritus  orient.  I,  p.  206),  unb  enblicb,  gehören  b,ierb,er  aud^i  bie  !Ieinafiatifcb,= 
b^antintfc^en  Siturgien  (bei  53rigt)tm.  p.  323,  29 f.;  385,  9 f.);  bgl.  aud^  aboftolifd^e 
^onft.  VII,  35.  3)ie  britte  ©rubbe  b,at  ba§  game  2;ri§b,agion  in  bie  gorm  ber  3ln= 
rebe  umgegoffen,  toa§  offenbar  bem  ©ebetgcfyarafter  entfbricbt,  ber  an  biefer  ©teile 
ja  audj  ber  fyerrjcfyenbe  ift.    ©a§  xvgiog  ift  alfo  in  bie  Slnrebe  xvqie  berWanbelt.    ©o 

40  geigt  ftcfr/S  in  ber  f^rifd^en  unb  gried^ifd^en  ^afobuöliturgie  (9tenaubot  II,  p.  31  unb 
Srigbtm.  p.  50,  32  f.)  unb  in  ber  armenifc^en  Siturgie  (Srigfytm.  p.  436,  13f.).  2lu|er= 
bem  b,at  ficb  in  ber  ftyrifcfjen  ^afobu^Iiturgie  unb  in  ber  armenifcfyen  ju  bem  „§err"  noa) 
ein  ,,©ott"  b,inpgefellt.  (Sie  in  2tbf  4,  8  gebotene  gorm  be§  ^riö^agion  finbet  fidj  allein 
Wieber  in  bem  gragmcnt  beö  tobtifcfyen  Dftralon,  ed.  ßrum:  Coptic  Ostraca,  Sonbon 

45  1902,  p.  2).  ©in  Weiterer  bead^ten^Werter  Unterfd^ieb  jtoifcfyen  ben  liturgifc^en  formen 
be§  Xriäfyagion  ift  ber,  ba^  in  einer  3ieil)e  bon  Siturgien  an  baSfelbe  fi^  bie  ©teile 
^Sf  118,  26  in  ber  gorm  bon  9Jit  21,  9  (cboavvd  reo  vlw  Aaßid'  evloyrjjuevog  6 
ipxo/usvog  iv  övojuaTi  xvglov,  djoavvä  iv  xolg  vxpioxoig),  ba§  fog.  SenebiftuS,  an= 
fd)lie§t,  Wäb,renb  anbere  Siturgien  ba§  nid^t  fyabm.    9täf>ereg  barüber  fiefye  in  bem  Slrtilel 

so  „Süurgifcf/e  gormein"  4.  §ofanna  33b  XI,  ©.  551  ff. 

£)ie  römifer/e  Siturgie  —  um  jum  3Seften  überzugeben  —  f>at  im  Sacramentarium 
Gelasianum  folgenbe  gorm  be§  ©anftu§:  „Sanctus,  sanctus,  sanctus,  Dominus 
Deus  Sabaoth.  Pleni  sunt  caeli  et  terra  gloria  tua.  Osanna  in  excelsis. 
Benedictus  qui  venit  in  nomine  Domini.     Osanna  in  excelsis"    (Sacr.  Gel.  ed. 

55  Wilson  p.  235).  ®iefe  gormel  geigt  beutlid^  bie  SerWanbtfd^aft  mit  ber  ber  fr/rifdfp 
^afobu^liturgie  („Sanctus,  sanctus,  sanctus  es  Domine  Deus  Sabaoth.  Pleni  enim 
sunt  coeli  et  terra  gloria,  honore  et  majestate  tua  Domine.  Hosanna  in  ex- 
celsis. Benedictus  qui  venit  et  qui  venturus  est  in  nomine  Domini.  Hosanna 
in  excelsis",  9f{enaubot  II,  31),   nur   bafj   b,ier   fieb,    einige  Bufä^e   finben.    33efonber§ 

60  Widrig   aber    ift   fner   Wie  bort    bie   ecb,t  femittfcfye  gormel  Dominus  Deus  (bgl.  a'ueb. 


SrtSljagtoit  127 

2lbt  4,  8),  ferner  ba3  „tua"  im  jtoetten  ©lieb,  enblicb,  bte  bbUig  berroanbte  ©trultur 
ber  gormel  auö  sDct  21,  9.  2tucb,  an  biefer  ©teile  berrät  fid)  roteber  ber  Don  mir  aud) 
fonft  Behauptete  ©irtflujg  ber  ffyrifd;en  Siturgie  auf  bte  römifd)e.  3lad)  bem  über 
pontific.  fyat  ©tr.tu3  I.  (119—128?)  ba§  ©an!tu§  in  bte  Steffen  eingeführt,  unb  jroar 
aU  gemeinfamen  ©efang  be3  ganzen  $ßolfe§  unb  ber  ^riefter.  ®ocb,  fannte  bte  römifcfye  5 
Siturgie  (bgl.  unten)  ba3  ©anftuS  fcfyon  jur  3eit  bes  SBtfd^ofö  6Iemen§  (I.  Clem.  34,  6). 
—  25te  fonftigen  meftltcfyen  Siturgien  jeigen  an  biefer  ©teße,  fomeit  ftd)  ba€  übcr= 
bautot  beobachten  läfjt,  fcf/on  ben  römifc|en  ©influfj.  Qn  *>er  mo^arabifc^en  Siturgie 
finbet  ftcb,  jebod)  in  ber  gormel:  „Pleni  sunt  coeli  et  terra  gloria  majestatis  tuae" 
(MSL  85,  116)  unb  in  bem  (p.  484)  griect)ifd)  erhaltenen  Anfang  ber  gormel  eine  noch.  10 
ftärfere  33ermanbtfd)aft  mit  ber  fbrifd)en  Siturgie,  als  mir  fie  fd)on  bei  ber  römifd)en 
feftftellen  fonnten. 

äöäfyrenb  im  Dften  ba3  ©anftuS  ebenfo  mie  ba<§  §8enebiiiu§  ber  ©emetnbe  ber= 
blieb,  bat  SRom  biefen  ©efang  fdjon  frülb  ben  ©ubbiafonen  in  ben  3JJunb  gelegt  (t>gl. 
Ordo  I,  n.  16  unb  II,  n.  10  bei  SKabiKon,  Iter  italicum  II,  p.  12  ttnb  p.  47);  15 
feit  bem  12.  Qab/rfmnbert  fingen  itm,  unb  fo  ift  e§  nod)  b,eute  überall  in  ber  rbmifd)en 
$ird)e,  bie  ßfyorfänger.  3m  früheren  SRittelalier  fang  aufjerfyalb  9iom€  Ejter  aud;  noeb, 
bie  ©emeinbe  mit. 

•Dian  toirb  toon  bomfyerein  annehmen  tonnen,  bafj  biejentge  §orm  be3  SCriäbagion, 
bie  fid)  am  meiften  nod)  an  ben  ©runbtejt  Don  $ef  6, 3  b,  alt,  bie  ältere  ift.  2öenn  biefe  gormel,  20 
roie  ia)  ftdber  glaube,  au§  ber  jiibifdbert  Siturgie  in  bie  cfyriftltdie  gekommen  ift,  fo  bat  fid) 
bod)  feb,r  ir>al)rfd)etnlicb,  bie  jübtfcfje  Siturgie  mbglidjft  nab,e  an  ben  Urtejt  gehalten.  ®aj$ 
aber  ber  liturgifcfye  ©ebraueb,  biefeS  SrtSfyagion  in  bie  älteften  djriftlidjen  fetten  fyinauf  reicht, 
ift  aufjer  gmetfel.  ®a§  bemeift  bas>  23orfommen  biefer  ©teile  in  I.  Clem.  34,  6,  roo  fie, 
ganj  toie  in  ber  Siturgie,  auf§  engfte  mit  SDa  7,  10,  unb  ^mar  in  ber  (Einführung,  berfrtütoft  ift  25 
(»gl.  ©remS,  Untersuchungen  über  bie  fog.  dement.  Siturgie  u.  f.  m.  I.  Sie  dement. 
Siturgie  in  Sföom.  Tübingen  1906,  ©.  21  f.).  SDajj  6lemen§  f>ier  au$  ber  Siturgie  unb 
nid)t  au§  bem  biblifd)en  STejt  citiert,  gel)t  aud)  barauS  I)erbor,  bafj  er  für  yrj  ben  weiteren 
Segriff  xnaig  b,at,  ber  fid)  offenbar  ftoäter,  bielleicfyt  au3  -äftljettfc|=rfyr)tl)mtfcr)en  ©rünben, 
in  6  ovQavög  xal  fj  yrj  gerlegt  I)at.  2lucb  2ty!  4,  8  erfcfyeint  ba£  SriSfyagton,  unb  ^tt>ar  30 
toieber  in  einem  gufammenfyang,  ber  auf  bie  Siturgie  binbeutet.  gerner  finbet  fid)  in 
ber  Passio  Perpetuae  et  Felicitatis  (3tuinart,  Acta  mart.  p.  98)  bei  ber  ©djilberung 
einer  ÜBifion  ber  ^erbetua,  in  ber  fie  bie  @ucf/artftie  embfängt,  bie  ©teile:  et  introivimus 
et  audivimus  vocemi  unicam:  Agios,  Agios  sine  cessatione.  2Iu3  gleicher,  bejm. 
fbäterer  geit  bezeugt  ba§  %x\üj agion  SEertußian  (de  orat.  3),  SSictor  SSitenfiS  (de  persecut.  35 
Vand.  III,  23  MSL  58,  234),  3Mgiliu§  Don  2b,abfu§  (de  trinit.  12  MSL  62,  324). 
6lemen§  2lleranbrinu§  fbielt  auf  biefen  §t)mnu§  an,  menn  er  Strom.  VII,  7  fagt,  bafj 
bor  unb  bei  ber  @ud)ariftie  ahoi,  ev%ai,  evrsv^sig  x&v  yqacpwv,  xpaXfiol  xal  v/uvoi 
unb  ein  honoieiv  reo  §eico  %oqöj  ftattfinben.  SSgL  and)  Stmbrofiug,  Expos,  evang. 
LucaeVII,  120  CSEL  XXXII,  4,  p.  333;  Apol.  proph.  David  V,  20  CSEL  XXXII,  40 
2,_  p.  311  u.  a.  SDafj  bie  älteften  (Ebriftert  bei  ber  euebartftifeben  geier  biefen  ©ngelggefang 
toieberb,  ölten,  beruht  auf  ber  2lnfd)auung,  ba|  bei  ibjem  ©otteöbienft  ber  §immel  offen 
ift  unb  bie  (Sngel  gegenmärtig  finb:  Sie  irbifcfye  unb  bie  ^immlifdie  ©emeinbe  feiert 
gleichzeitig  ©otteöbienft  (bgl.  i.  21.  barüber  %fy.  §arnad,  ®er  c^riftlid^e  ©emeinbegotte§= 
bienft,  (Srlangcn  1854,  ©.  398  ff.).  SDtefe  SorfteHung  murmelt  aber  gänglicb  im  jübifebert  4ü 
ßngelglauben.  ©enn  and)  bei  ben  jübtfct)en  ©abbatb,mal)l3eiten  finb  bie  @ngel  gegen= 
toärtig  (».  b.  ©ol§,  5Eifd)gebete  unb  2lbenbmab,I§gebete,  Seidig  1905,  ©.  7,  %\X  5Rg 
8b  XIV,  §eft  2b),  unb  ^auluö  fe£t  bie  ©egentoart  ber  @ngel  im  ©otteäbienft  ber  ©e= 
meinbe  einfacb,  alö  eine  allgemeine  33orftellung  boraug  (1  ^0  11,  10).  9Jun  b^aben  aber 
bte  ^uben  aud)  felbft  fcb,on  bag  jefaianifc^e  Srüb/agion  fultifdb,  bermenbet.  ©0  mürbe  e3,  bo 
^öcfift  ma^rfcb.einltcb,  fdjon  jur  3ett  ^efu,  in  bem  erften  ©egenSfbrud)  bor  bem  ©cb, ma  am 
borgen  gebetet  ©iebig,  Seraa)otb,  Tübingen  1906,  ©.  32 ;  bgl.  aud)  3tenaubot,  lit.  or. 
coli.  I,  208).  sJcacb,  9Jtaimonibeä  ferner  mürbe  bei  ber  brüten  ©anffagung  be3 
3d9mone=6öre  baö  Sanctus,  Sanctus,  Sanctus  remitiert  (Vitringa,  de  synagoga 
vetere  1070  f.).  55 

_  2Ba§  aber  bie  3Serbinbung  be§  Srt^agion  mit  3Jct  21,  9  (-  ^f  118,  26 f.)  be= 
trifft,  fo  bermeife  id;  auf  ba3  bon  mir  im  3lrt.  Siturgtfd)e  gormein,  33b  XI,  551,3ßff. 
©efagte.  SDajj  man  ben  9{uf  sDtt  21,  9,  auf  ba§  kommen  ^efu  im  Elbenbmab,!  be^og, 
fe|t  ftt^on  biel  ^eflerjon  borau§.  Serftanb  man  tbn  aber  fo,  fo  batte  biefe  ©teile  il)ren 
ßegebenen  ^ßla^  rttebt  beim  Xri^^agion,  fonbern  bor  bem  wtrEIicfyen  ©enu^,  unb  ^ter  er=  eo 


128  SriSfiagiott 

fcfyeint  fie  bann  aucf)  in  ber  clementimfcfjen  Siturgie  (33rig£>tm.  p.  24,  27  ff.)-  ®^  gor= 
mein  alfo,  in  benen  Qef  6,  3  unb  sIRt  21,  9  miteinanber  berbunben  finb,  bürften  auf  fein 
aü%u  fyofytä  2llter  2tnf^ruc|  machen  fönnen.  — 

2lu?  ber  römifcfyen  -Ifteffe  fam  ba?  £ri?f?agion  aucb,  in  ben  Iutb,er.  2tbenbmal)l?= 
5  gotte?bienft.  Sutfyer  ftellte  c?  in  ber  Formula  missae  (1523)  hinter  bie  @infet$ung?= 
toorte  (@2l  opp.  var.  arg.  7,  p.  9  unb  2Ö21  12,  p.  212);  1526  aber,  in  ber  „beutfctjen 
SJJeffe",  erfetjte  er  e?  burd)  bie  beutfcf/e  Sichtung:  „S^ia  bem  $robl)eten  ba?  gefcljab/' 
(@2I  22,  ©.  242 ;  2S2I  19,  ©.  100),  Wobei  aber  ba?  Senebiftu?  Wegblieb.  ®ie  2Jcelobte 
$u  biefem  „beutfctjen  ©anftu?"  §at  Sutfyer  felbft  gefegt  ($öftlin=$aWerau,   SJcartin  £utl)er 

io  5.  SCufl.  II,  ©.  15  unb  20).  Sutfjer?  Vorgang  Würbe  natürlich,  bielfactj  für  bie  ib/m  folgenben 
^ircb^engebiete  mafsgebenb:  balb  fcblof$  man  fid)  ber  Formula  missae,  balb  ber  „beutfdjen 
3Jceffe"  an  (bgl.  barüber  9Mf)ere?  bei  SRtetfc^el,  Siturgif  I,  432). 

®ie  neueren  lutfyerifcfjen  2lgenben  l)aben  faft  au?nafym?lo?  ba?  ©anftu?  mit  bem 
§ofanna    unb    93enebiftu§    berbunben    unb    an    ba?    >ßräfation?gebet  angefügt.  n  ®a? 

15  „beutfcfye  ©anftu?"  Sutfyer?  aber:  „^efcua  bem  ^robfyeten"  ift  nirgenb?  mefyr  in  Übung 
(3ftietfcr,el  a.  a.  D.,  ©.  542).  — 

©ie  beutfdjen  ebangelifdjen  ^Jlefjorbnungen  bor  Sutljer?  „©eutfdjer  SCReffe"  b)aben 
ba?  ©anftu?  fämtlicf;  beibehalten;  fo  bie  Drbnung  bon  Dfolambab  1523  (©menb, 
©ie  ebangel.  beutfcfyen  Neffen,  ©öttingen  1896,  ©.  54),  bon  ßan|  1522  (ebenba  ©.  75), 

20  bon  3Jlün£er  1523—1526  (ebenba  ©.  104),  bon  Nürnberg  1525  (ebenba  ©.  167). 
2lucb,  bie  älteften  ©trafjburgcr  Drbnungen  b^aben  ba?  ©anftu?  (ebenba  ©.  131 ;  §ubert, 
©trafjburger  liturg.  Drbnungen,  ©öttingen  1900,  ©.  65.  80.  85);  aber  fett  bem  $aljre 
1526  fd>Winbet  e?  Ijier.  SDa  nun  nad;  @rtct)fon§  üftadjWei?  (£)ie  calbinifcfye  unb  bie  alt= 
ftraPurgifctje  ©otte?bienftorbmmg,  Strasburg  1894)    bie  fbätere  ftrafjburgifcfye  Drbnung 

25  bie  ©enfer  unter  (Salbin  bößig  beftimmt  fyat,  fo  fefylt  aucf)  in  ber  ©enfer  2tbenbmal)l?= 
feier  ba?  ©anftu?  (bgl.  @rid)fon  a.  a.  D.,  ©.  14).  Unb  ba  enblid)  auct;  gwingli,  ^er 
in  ber  ©cfyrift  De  canone  missae  epiehiresis  1523  ba?  ©anftu?  noct;  beibehalten 
blatte,  e?  in  ber  „2tftion  ober  23rud)  be?  ÜJcacfytmal?"  (1525)  getilgt  blatte  (übrigen?  fehlte 
e?  aucf;  in   ben  Safeler  2lbenbmabJ?orbnungen  bon  1525  unb  1526;   ©menb  a.  a.  D., 

30©.  213 ff.),  fo  wirb  e?  begreiflich,  bafs  e?  bie  reformierten  2IbenbmaI)I?orbnungen  nidjt 
lennen. 

2.  ®a?  eigentliche  ^riäfyagion  —  Wenigften?  roirb  e?  in  ben  öftlicf/en  Siturgien  felbft 
fo  bejeidmet  —  ift,  Wie  oben  gefagt,  jener  Heine  §r/mnu?:  ,"Ayiog  6  &s6g,  äyiog  ta- 
%vq6s,  äyiog  äftävaTog,   eUrjoor   fjjLiüg",   ber  aöerbing?  aucfy  allerlei  3ufcv|e  erfahren 

35  b,at.  2llter  unb  §ertunft  biefer  eigentümlicljen  gormel  liegt  im  ©unfein,  gwar  fennt 
bie  Überlieferung  eine  Segenbe  über  il)re  ©ntftefjmng.  Unter  bem  Matriarchat  be§  ^roflu? 
(434—446)  fei,  al§  bie  @inn)ol)nerfcb,aft  bon  ^onftantinobel  bier  3JJonate  lang  burcb,  @rb= 
beben  beunruhigt  »orben  roar  unb  bei  ©elegenf)eit  eine?  folgen  @rbfto^e§  alle?  3Solf 
ba3  „ß^rieeleifon"  gerufen   blatte,   ein  Jüngling   bor  aller  Stugen   in  bie  Süfte  erhoben 

40  morben  unb  fyahc  bort  bon  einer  göttlichen  ©timme  ben  Auftrag  erhalten,  bem  S3ifa)ofe 
unb  bem  Solfe  ju  fagen,  bafe  fie  bie  Sitanei  mit  ben  SBorten  galten  füllten:  "Ayiog 
6  fteog  k.  ©arauf  i)abc  bas  ©rbbeben  aufgehört,  ©o  berieten  2:f)eobb,ane§  (Chronogr. 
A.  M.  5930,  MSG  109, 245),  9cicebb/oru§  (Sallift.  (eccl.  hist.  18,  c.  51.  MSG  147,  p.  433), 
©eorgiuS  6ebrenu§  (hist.  Compend.  anno  28  Theodosii,  MSG  121,  651),  Qol)annc§ 

45  ©ama^cenu?  (de  fide  orthodoxa  1.  3,  c.  10  ed.  Sequien  I,  p.  219)  u.  a.  3Sielleicf;t 
milt  biefe  ©efdjictjte  erflären,  wie  ber  §t>mnug  m  feie  Siturgte  ^onftantinobel?  ge= 
fommen  ift.  5ßielleicb,t  fbiegelt  fiel;  barin  ami)  bie  SOBertfcf)ä^ung,  bie  man  biefem  §r/mnu3 
ju  teil  roerben  Iic|.  ©eine  ©ntfteb^ung  ift  bamit  natürlich  mct)t  erflärt.  @r  mirb  älter 
al§  ba§  5.  ^ab,rf)unbert  fein;   aber  jebenfaH§  fommt  if)m  fein  l)ot)e§  Sllter  ju.    (2lnber3 

50  Sdtner,  ©otteöbienftlict)er  Solflgefang  im  jübifcfyen  unb  d)riftlicb,en  Slltertum,  greiburg  i.  33. 
1906,  ©.  148).  ^übifcf;en  Urfbrung?  ift  er  fict)erlid)  nicf)t.  ®enn  mag  i|m  auet)  ba§ 
®reimall)eilig  in  ^ef  6,  3  ju  ©runbe  liegen,  fo  ift  bie  gormel  felbft  boefy  erft  auf  cb,rift= 
Ud;=f)ettentfd)em  Soben  gebrägt  toorben.  ©enn  ©ott  ä&dvarog  ju  nennen,  ift  nid^t 
jübifcf),  fonbern  griecf;ifcf).    ^n  ben  LXX   mirb    biefe?  ^ßräbifat   ©Ott  niemal?  beigelegt. 

55  ©oetj  mufe  e?  bon  b,elleniftifc§en  ^uben  unb  bon  ben  Stiften  gebraucht  toorben  fein  (bgl. 
©ibblt  V,  277  bei  ®au|fd?,  ^feubebigrabl)en  II,  211  unb  1  £im.  6,  16).  dagegen 
ift  ba?  ^räbifat  loxvgog  für  ©ott  ben  LXX  fel>r  bertraut  (bgl.  3.  S.  ©t  10,  17; 
9cef).  9,  31.  32;  auefy  $f  41,  3  nact)  einigen  §anbfc§riften).  2öarum  man  aber  gerabe 
bie    ^ufammenftellung    biefer   ^räbifate:    loxvgog  unb  äddvaxog  geibä^It,  Warum  man 

60  biefer  gormel  Slufnafymc  in  bie  3Jccffe  gegönnt  l)at,  ift  nid;t  ju  fagen.    ©ine  Antwort  auf 


$rtgf)agtott  £rttljeifttfcf)er  ©trctt  129 

biefe  fragen  toiffen  freiließ  bie  grieclnfdj=ortl)obor.ett  Äird)enfcl)riftfteller  gu  geben.  2(ber 
fie  ift  fcfyWerlicfy  fiic£)I)alttg.  üftacfy  ifynen  fei  ber  DtymnuS  nid)t  nur  auS  Qef  6, 3,  fonbern 
bor  allem  au§  ^ßf  41  (42),  3  gebübet.  Siefer  ^falm  feire  ©ott  al<§  ben  „ftarfen, 
lebenbigen".  Senn  in  SSer§  3  lefen  einige  Ijanbf  driften:  xbv  debv  xbv  ioxvqöv  töv  tä>vxa. 
gür  baS  le|te  SSort  I)abe  man  d^dvarov  eingefeijt  unb  fo  fei  bie  gormel  entftanben.  5 
©o  nafy  bem  Kommentar  bes"  Wl'ön<$)t§  %oh  (6.  ^afyrfy. ;  bgl.  §ergenrötb,  er,  Sßb, otius"  III, 
©.  23.  46),  ber  biefe  ßrtlärung  einem  jübifcfyen  ^ßrofeltyten  berbanft,  $b,ottug  (Biblio- 
theca,  Cod.  222  MSG  103,  772)  unb  banad)  gabafüas"  (expos.  litur.  c.  2o  MSG 
150,  411).  ©iefe  ©rflärung  geigt  nur,  baß  man  nad)  ber  Söfung  eines  9tätfel<§ 
fucfyte.  io 

SiefeS  Sri^agton  ift  in  alten  bftlidfjen  Siturgien  anzutreffen.  2öenn  e§  in  ber 
dement.  Siturgie  be3  VIII.  33ucb;e§  ber  a^>oft.  Konft.  fel)lt,  fo  erklärt  ftd)  ba§  enttoeber  att§ 
bem  2llter  biefer  Siturgie  ober  bielleid)t  aud)  barau§,  baß  bie  SReffe  fyier  an  bie 
Sifdjtofgorbtnation  fic^>  anfcfyließt,  alfo  ben  Stnfang  ntctjt  gang  bollftänbig  Wiebergtebt. 
tiefer  £r/mnug  ftanb  in  fyofyem  2lnfeb,en  unb  er  ift  fo  bolfetümlid;  geworben,  baß  er  15 
auefe,  in  ben  täglichen  Offizien  gefungen  Wirb,  ©eine  regelmäßige  ©teile  in  ber  sIReffe 
ift  am  2lnfang  bor  benSefungen;  nur  bie  Siturgie  ber  lobtifcfyen  unb  abeffimifcfyen  $aio= 
biten  Ijat  ib,n  in  bie  Sefungen,  unb  jWar  bor  bie  Sefung  be3  ©bangeliums-  gefegt  08rigt)tm. 
p.  155,  11  unb  p.  218,  2 ;  bgl.  Stenaubot  I,  208),  Wäfyrenb  bie  fr;rifd)en  ^alobiten  ifm 
jhrifd)en  ber  alt=  unb  neuteftamentlicfyert  Sefung  fingen  (SBrigl)tm.  p.  77, 23 ff.),  ©efungen  20 
Wirb  er  meift  bom  ©ängerd^or. 

©aß  an  biefem  Keinen  liturgifc^en  ©tücf  ein  fo  lebhaftes1  ^nteref^e  b, ing,  erflärt  fid) 
mit  barau§,  baß  e<5  jum  ©egenftanb  eine§  bogmatifdjen  ©treues"  geworben  ift.  Sie 
gormel  mar  bon  ©ort  gemeint.  2ll§  ib/r  ^]etru§  ^uHo,  ^atrtard)  bon  älntiocfyien  (bgl. 
ben  2lrtilel  9)ionobb^fiten  §8b  XIII  ©.  318,  39  ff.),  (um  470)  ben  ©a£  eingefügt  Ijatte  25 
—  unb  jroar  bor  bem  ©cbjußruf  ilerjoov  fj/jiäg  — :  6  oravQco&elg  öi  rj/j,äg,  erb,  ob 
fid}  bes^alb  ein  bogmatifdfyer  ©treit;  benn  geWtffen  Greifen  fdpiert  biefe  Formel  Weber  mit 
ber  ortfyoborm  trinitartfcfyen  noeb,  mit  ber  ortfyoborm  d)riftologifd)en  ätnfcfyauung  bereinbar. 
(^ere§  f.  in  bem  2lrt.  £l)eotoafcr;ttett  93b  XIX  ©.  658,  «ff.).  Sa3  Concilium  quini- 
sextum  bon  692,  c.  81  berWarf  ben  ©ebraueb,  biefer  gormel  im  SEri3b,agion  (Saud)ert,  30 
ÄanoneS  ©.  132).  $n  ben  monotofyr/fitifcfyen  Siturgien  I)ielt  fiefy  aber  biefer  3ufa|  un^ 
er  Würbe  fogar  noefy  bariiert  (bgl.  j.  33.  bie  fobtifc^monobb^fttifcfje  Siturgie  bei  Srigfjtm. 
p.  155,  10  ff.).  - 

3Som  Dften  lam  biefe  gorm  be§  SDreimalb^eilig  aueb,  naa;  bem  2Beften.  §ier  ftanb 
e§  in  ber  gatliianifcfyen  9JJeffe  (®ermanu§  bon  ^ßari§,  epist.  I,  MSL  72,  89  unter:  35 
De  Aius),  unb  in  ber  mojarabifcfyen  Siturgie  wirb  e§  nod)  bleute  gefungen.  S)aß  3fiom 
eg  ebenfalls  aufgenommen  b,atte,  beroeift  fio)  burd^  ben  noeb,  bleute  üblichen  Sraucf),  bie» 
2riäb,agion  in  ber  adoratio  crucis  am  Karfreitag  ju  fingen,  unb  jWar  als  2Becf)feI= 
gefang  ^mifd^en  jWei, Stören,  beren  erfter  bie  griec|if(|e  ^orm  fingt,  Worauf  ber  jWeite 
mit  ber  Iateinifd)en  Überfe|ung  antwortet.  2>ren»§.     40 

$rttf)eifttf<fjer  «Streit  (6.  Sa^^-)-  —  Quellen:  1.  ®ie  SBerfe  be§  So^anneS  ^fnlo= 
ponu§  (f.  ben  Slrt);  üor  allem  bie  9lu§äüge  au§  feinen  SSerfen  Bei  3ol)anne§  üon  ®ainasfu3 
(f.  u.)  unb  Bei  ^fjottuS  üon  ^ünftanttnopel  (f.  it.);  2.  9(u§äitg  auä  ©iäputationcniften  (xpax- 
Ttxa  im  jiaQovoiii.  'hoavvov  eiiioxöjiov  KcDvazavTivovjiolsmg  [b.  f).  ^O^nneä'  III.  ©dlolaftifu§, 
unter  ^uftin  II.j)  bei  *p{)otiuS  biblioth.  24  (MSG  103,  60:  tjier  biäputieren  <j$t)iloponii3'  & 
Sreunbe  Äonon  unb  ©ugeniue  mit  feinen  ©egnern  5ßaulu§  unb  ©tepfjanuä);  3.  S'ontiuS  uon 
%anj  (f.  ben  Slrt.)  de'sectis,  actio  5  (MSG  86,  1,  1232  D  —  1233 B);  4.  Stmot^euS  (^vev= 
bt)ter  unb  ©feuop^laj  in  Äonftantinopel,  9tnfang  beä  7.  ga^r^unbertS)  x?qI  jwv  .-roooroyji- 
nh-oiv  r/7  äyiu  ixxlrjoia  (MSG  86,  1,  44 ff.);  5.  ©opIjroniuS  üon  Sevufatem  (MSG  S<); 
6.  OeorgiuS  g5iftbe§  (MSG  92,  ein  gettgenoffe  be§  ©o^rontuä) ;  7.  3o(janne§  üon  ®ama«fu§,  bo 
de  haeresibus  83  (MSG  94,  744  ff.);  8.  ^fjotiu§  biblioth.  24  (f.D.),  55  (Ü6er  So^annec- 
HS^iloponUä,  xaxä  rfjg  äyias  xal  olxoii/iEvixfjg  TEzaQTtjg  avvödov),  75  (Ü6ei"  3j°()anne§  ^5t)iJü  = 
pOttUS,  -toos  tov  'Icodvrrjv  äoxiEJiioxojiov  KmvoxavxLVOvnöXscog  [genauer  gegetl  befien  y.axi}- 
Y^xiy.ög  köyoq]   ne.in   rtjg   äyiag   y.ul   6/Ltoovoiov   xgiädog):    MSG  103,  60.  97.  440;   !>.    9?ice|3^orU§ 

hist.  eccl.  18,  47."  49    (MSG  147,  424 ff.);     10.    Stbulfarabfd)    («ffemam,    Bibl.    Orient,  2).  55 
S>arfteUungen,  bie  ben  heutigen  ?(nforberungen  genügen,  fehlen  meincä  3Biffen§  ganj. 

Unter  ^ritb^eiömuS  berfteb^t  man  bie  tfyeologifdfje  Seb^re,  bie  bie  ©reib^eit  in  ber  ®rei= 
einigfeit  fo  ftarf  betont,  baß  bie  ©inbeit  (ber  9JionotI)ei§mu!§)  barüber  ganj  berloren  geb,t. 
Sie  ©efd)id^te  biefeS  ^ritb^eiömug  in  ber  Sb^riftenb^eit  b^ängt  eng  jufammen  mit  ber  ®e= 
fd)icb,te  beS  Slriftoteliömuo  in  ber  Kircb,e,  alfo  auef)  mit  ber  ©efd)id;te  ber  ©d)olaftif.         go 

8leoI«(Snc^»opäble  für  Ideologie  unb  Stirere.    3.  91.  XX.  9 


130  £ritf)etfttf«f)er  (Streit 

©ie  erfien,  bie  ftcb,  miffenfd)aftlicb,  mit  ber  Seljre  bon  ber  ©reieinigfeit  (ober  menig= 
ften§  Don  bem  $erl!>ältni§  jmifcfyen  33ater  unb  ©ofm)  befdjiäftigten,  maren  bte  d)riftlid)en 
Apologeten  be§  2.  Qab,  rlnmbertg.  greilicfy:  fie  fallen  bort  nocfy  leine  Probleme,  h>o 
fbätere  $eiien  bor  lauter  Stätfeln  ftanben.  8uftiR  ber  SDtärtt;rer  fagt  unbebenflid),  ber 
5  ©olm  fei  äQt&jucö  ezegog  -&e6g;  unb  bocb,  legt  $uftin  großen  2öert  barauf,  ein  9J£ono= 
ifyeift  ju  fein.  Si>er  innere  Sßiberfbrucb,  ertlärt  ftc|>  einmal  barauS,  baß  biefe  2lnfä'nge 
ber  cfyrtfilicfyen  2öiffenfd)aft,  tote  überl^au^t  alle  Anfänge  be§  $Denlen§,  unter  bem  Sänne 
einer  gemiffen  5Raibetät  ftanben.  Zweitens  finbet  ber  SBtberf^ruc^  feine  Söfung  barin, 
baß  bie  Sfyologeten  im  mefentlid)en    auf   ber  ftoifcfyen  %^\\l    unb    bem  ^latonigmu» 

io  fußten:  ba§  waren  jtoei  fbefulatibe  ©fyfteme,  bie  e§  mit  ber  ftrengen  Sogil  nidjt  att^u 
genau  nahmen.  ©aß  ba§  SBerfyältnte  be3  ©Iauben§  an  einen  ©Ott  $u  bem  ©lauben 
an  bie  ©reieinigfeit  ein  fcb>ere§  tfyeologifd^  Problem  bilbete,  erlannten  juerft  bie 
SRonarcfyianer:  bie  mobaliftifcfyen  äftonardjtaner,  bie  bon  ber  ftoifcfyen  Sogir,  unb  bie 
bimamiftifcijen  2Ronard)ianer,  bie  bon  ber  ariftotelifcfyen  ©ialeftif  ausgingen  (bgl.  über  bie 

15  lederen  bor  allem  Eus.  hist.  eccl.  5,  28,  14  [«pibbolfyt?]).  ®ie  5Ronarcb,ianer  fab,en 
bie  Hauptaufgabe  i^rer  Geologie  barin,  in  ber  cfyriftlicfyen  ©otteölefyre  ben  5Ronotf)ei<omu3 
fieser  ju  fteHen.  ©ie  traten  ba§  aßerbingg  auf  Soften  ber  £eb,re  bon  ber  ©reieinigfett. 
©e^alb  lehnte  bie  Äird^e  ben  SOtonarcf)ianigmu§  ab. 

$n  ber  golgejeit  trat  ba§  Problem,  aJionotljetemuS  unb  ^rinitätölefyre  ju  berföfjmen, 

20  einigermaßen  jurüä,  toie  id)  glaube,  au§  jtoei  ©rünben.  @rften£  gemöljmte  man  ftcb,  ba= 
ran,  bie  ärinität^Iefyre  als»  ein  SRbjterium  §u  betrauten:  man  bereite  ba§  9Jtyfterium; 
aber  man  backte  rttd^t  gern  tiefer  über  ba3  Sftfyfterium  naefy,  aU  man  unbebingt  nacb/= 
benfen  mußte,  b.  b,.  als»  man  bureb,  ben  ^ambf  mit  ben  £e£em  genötigt  marb:  „fd)tbei= 
genb  foEC  ba3  ©eb,eimni3  berefyrt  toerben."    gtoeitenio  toarb,  au3  ©rünben,  bie  id)  niöpt 

25  anzugeben  bermag  (bielleidjt  roeil  aHmäpcb,  getoiffe  b,eibnifd)e  33orfteßungen  ©ingang  in 
ber  ä\rä)t  fanben),  im  Saufe  beS  4.  ^aljrtyunberts  bag  ^ntereffe  ber  Äircfye  am  9Jtono= 
tfyeiSmuS  geringer.  SRänner  ibie  2ltf)anaftu§  unb  5Bafiliu§  ber  ©roße  fbrad)en  ungefcfyeut 
ben  <Ba§  au§ :  bie  cb,riftlicf)e  £eb,re  bon  ber  Sreieinigfeit  fei  bie  redete  SDtitte  gtoifcfyen  bem 
9Jionotb,et<omu3  ber  ^uben  (unb  ber  ©abeHianer)  unb  bem  ^oltytljetämuS  ber  Reiben.  S3et 

30  biefer  SÄuffaffung  mar  natürlicb,  bie  Dfottoenbigleit  nicb,t  aHju  bringenb ,  ÜJionotfyeiSmuS 
unb  ^rinitätöle^re  miteinanber  ju  berföfmen.  ©o  er!lärt  eö  fiep,  baß  im  4.  Scb,^ 
^unbert  nid)t  einmal  bie  mutmaßlichen  9^ad)folger  ber  bt/namiftifdjen  5Ronareb,ianer,  bie 
Slrianer  (bie  übrigen^  aueb,  33ere|rer  be§  Slrtftoteleö  toaren),  am  ftrengen  3Jionotf)ei§mu§ 
feftfyielten.   ^efu§  mar  nad^  arianifdjer  2lnfd)auung  ein  jum  ©otte  erhobener  3Renfcb,,  ein 

35  §ero§,  alf o  ein  Untergott :  bief e  Sluffaffung  erinnerte  unmittelbar  an  bie  bolfytb,  eiftifd) e 
^tb,ologie  be§  griecb.ifc^en  £>eibentum§. 

®aä  m^ftifc^e  ©unlel,  ba§  über  ber  Sebje  bon  ber  SDreieinigteit  lag,  tbarb  erft  ge= 
listet,  al?  im  6.  Qa^r^unbert  bie  nüchterne,  flare  Sogi!  beg  2lrifiotele3  toeitere  Greife 
bon  Geologen  erfaßte.   ©amal3  mirften  bie  fcVtb,ifcb,en  SRöncfye,  bor  allem  SeontiuS  bon 

40  93t)gang,  bie  mit  §ilfe  ber  ariftotelifcften  ^fjilofopfjie  ba§  alejanbrinifc^e  3Serftänbni§  be§ 
ß^alcebonenfe  mit  bem  abenblänbifcfyen  gu  berföb,nen  fugten  unb  bamit  bem  ^aifer 
^uftinian  I.  einen  großen  ©ienft  leifteten.  S)amafö  führte  aud)  bie  ariftotelifd^e  5p^Uo= 
fobfyie  ju  einem  ©treite  über  bie  £ef)re  bon  ber  ©reieinigleit,  bem  tritfmftifdjen  ©treite 
(biefer  fbielte  ftcb,  im   mefentlicfjen  unter  ^uftinian  I.  527—565  unb  Suftni  IL  565—578 

45  ab).  Ttan  barf  bie  bamal^  entftanbene  griec^ifcfj^riftotelifd^e  Geologie  mobl  al§  grieögifcb.e 
©djolaftif  bejeicb,nen. 

Sffienn  man  bie  ftrenge  ariftotelifcfye  Sogif  auf  bie  Se^re  bon  ber  ®reieinigleit  an= 
manbte,  fo  tonnte  man,  je  naa)  ben  fubjeftiben  Sßorau^fe|ungen,  ju  einem  bobbelten  @r= 
gebniffe  gelangen:  enttoeber  gum  SJfonard^ianigmuS,  ober  ju  einer  Slnna^me  breier  ©ötter, 

50  b.  f).  jum  2:ritl)ei§mu§.  @§  ift  be^eidmenb  für  bie  &{t  ^uftinian§,  baß  fie,  fotoeit  fie 
bon  ben  alten,  ortfyoborm  gormein  übertäubt  abroid),  bie  jtoeite  9J?ögIid)!eit,  ben  %x\ti)t\& 
mu€  beborjugte. 

®ie  Urfbrünge  be§  ^rit^et§mu§  liegen  leiber  ganj  im  ©unfel.  Slbulfarabfcb,  be= 
jeicb,net  afö  ben  erften  ^rtt^etften  ben  Qofyanneä  2l§luänage§,  ben  SSorfteb^er  einer  $b,ilo= 

55  fobl)enfcb,uIe  in  Honftantinobel.  3Son  biefem  Slglu^nageg  toeiß  aber  leine  unferer  griett)ifd)en 
Quellen,  ©ie  be^eid)nen  bielmef)r  aU  ben  §ärefiarcb,en  beö  ^rit^eiämu§  ben  alepnbri= 
ntfcJjert  ^ilofobljen  ^oj^anne^,  ber  ben  Seinamen  ^ßlnlobonuS  führte  (feine  ©egner 
fc^mäb.ten  ifm  alg  9)iataiobono§).  2ßie  biefer  2öiberfbrucf)  ju  löfen  ift,  miffen  mir  nict)t. 
©id^er  ift  nur,  baß  ber  2ritl)ei§mu§  innerhalb  be§  gjtonobltofiüSmug   entftanb   unb   baß 

60  aud)  feine  fbätere  ©ntmicfelung  im   mefentlicfyen  in  ben  SRonob^^fitiömuä  fiel.    ©<§  b,at 


Sritljetfttfdjer  Streit  131 

fogar  ben  2Infcb>in,  aU  tyäite  man  bie  tritfyeiftifcfye  Geologie  au<3gebilbet,  um  mit  if>r  ben 
25toobIjbfiti3mu<§  $u  befämbfen. 

^obanneS  Slj)ilobonu§  legte  feine  SCrittitätSler/re  nieber  bor  allem   in   feinem    hai- 
t?/t//s  rj  negl  evcöoewg  (10  Kapitel;  roicfytige  SLejte  bei  ^ofyanneä  Don  ®ama3fu3).  @r 
geftanb  felbft  mit  bürren  2Sorten,  ba§  er  bon  ber  beribatetifd^en  Sb/ilofobfüe  ausging  (er  5 
tbentifijierte  3.  S.  vnöoxaoig   au^brücflicr;  mit  bem  beribatetifcfyen  äxojuov).    Stuct)  feine 
©egner    beamteten    ba<§;   SeontiuS   fagt   3.  33.:   eXeye  de  xavxa  Xaßoov  xyjv  dcpogjurjv 
cuiö  rrbv  'AgioxoxeXixcov'  6  ydg'AgioxoxeXrjg  <pr]olv  oxi  elol  xcöv  axopcov  xal  juegt- 
y.al  ovoiai  xal  juia  xoivr\'  ovxcog  ovv  xal  6  <&iX6jiovog  k'Xeyev  oxi  elol  xgeig  /uegi- 
xal  ovoiai   im   xfjg   dyiag  xgiädog  xai  eoxi  ma  xoiviq.     Stnlobonuä  beranfd)aultct)te  10 
feine  SrmitätSleljre   mit   einem   fefyr  blaftifcb>n   Silbe.     @§    giebt  fefyr  biete  Sttenfdjen 
xaxä  xbv  ägi&iuov,  lauter  ^nbibibuen,  bon  benen  jebe§  feine  eigene  ovoia  t>at.    Slber 
xcö  xoivcö  ei'dei  01  noXXol  äv&gcojioi   eig  xvyydvovoi:   fie    fyaben    alle   ber  2lrt  nad) 
biefelbe  ovoia.   ©benfo,  rote  ba§  Serfmltntg  ber  einzelnen  SRenfc^en  untereinanber,  badete 
ftcf>  Sl)ilobonu§  baS  SerfyältniS  ber  bret  Serfonen  ber  ^rinität.    @§  ift  Har:   biefe  2ln=  15 
fd)auung  roar  in  ber  ^ircfyengefcfyicfyte  eine  bollfommen  neue;  nur  mit  Unrecht  berief  fiel) 
^InlobonuS  auf  ©regor  bon  ÜRa^ianj,  Safiliu§  ben  ©rofeen,  SltfyanafiuS  unb  6r/rul  bon 
Jtlejanbria.    ®en  tarnen  eines  Sritfyetten  berbiente  er,   moef/te  er  e§  jugeben  ober  nidbt 
(toie  man  fielet,  ibentifigierte  Sfyüobonu§   bi§   ju  geroiffem  ©rabe  ovoia  [cpvoig]   unb 
vnöoxaoig:  er  nab/tn  an,  jebe  vnöoxaoig  muffe  aud)  eine   yvoig   für   ftcf/  I)aben,   unb  20 
umgelegt;  bon  I)ier  au3  fudjite  er  bann  ben  ®t)obl)r/fiti3mu<§  ad  absurdum  ju  führen: 
toenn  ^efuS  jroei  cpvoeig  fyabe,  rniiffe  er  aufy  jroei  vnooxdoeig  f)aben). 

Qnnerfyalb  be3  £rttfyei§mu§  fam  eg  fel)r  balb  %u  ©baltungen,  bor  altem  begfyalb, 
toeil  $f/üobonu!§  in  feinen  Sudlern  gegen  bie  Reiben  eine  eigentümliche  Sefyre  bon  ber 
2(uferftefyung  niebergelegt  blatte  (biefe  Seb/re  rufyte  it>of)I  audj  auf  artftotelifcfyer  ^ilofobb».  25 
^ßbilolponuö  lehrte  nämlicf;:  xb  ocbpia  o  vvv  Ijopcev  ovx  iyslgsxai  äcp&agxov'  all' 
exegov  dvr'  avxov  Xa/xßdvopLsv.  ®ie  Partei  ber  Xritb^eiten,  bie  ftd^  gegen  biefe  £ef>re 
erflärte,  ftanb  unter  bem  23if$of  ^onon  bon  ^arfu§.  ®ie  betben  ©egner  befeb^beten  fielt) 
auf§  Ijefiigfte;  fie  befd£)imbften  fid^  al§  ©abbueäer,  Reiben,  Salentinianer,  '5Rantd)äer  u.  f.  tt>. 
3Jler!toürbigertt)eife  beriefen  fid)  beibe  auf  DrigeneS.  3lud§  in  ©acfyen  ber  Sürinität^le^re,  30 
fotoie  in  ^ßerfonalfragen  b^at  e§  unter  ben  ^Eritfyeiten  berfd^iebene  ^arteiungen  gegeben; 
toir  toiffen  aber  barüber  fo  gut  toie  nichts  ©enauere§. 

©ie  ©egner  ber  ^rtt^eiten  gaben  ilmen  an  3^iff«n^it  nid^tg  nad§.   5Da  gab  e§ :  j.  93. 
1.  Tlsxgiavoi;  fie  lehrten,  unter  vnöoxaoig  feien  bie  Idiojjuaxa  %<x>glg  ovoiag   ;ju  ber= 
fteb^en;  2.  Kovdoßavdlxai  (fie  berfammelten  \\d)  h  xotg  Xeyo/uivoig  Kovöoßavöov  in  35 
Äonftantinobel);    3.  'Ayvotxai;    4.  IlavXiavioxai ;   5.  AyyeXixai  (berfammelten  fi$  im 
'AyyeXiov   in    Slleranbria)   xal   Aajuiavixai;    fie  lebrten  äXXov  fxhv  ehai  xbv  naxega 
xal  äXXov  xbv  vlbv  xal  äXXov    xbv  nagdxXrjxov  xb  7ivev[xa  xb  äyioV   /xtj  elvai  de 
xovxcov  exaoxov  xad~'  iavzbv  i%bv    (pvosi,    äXX'  e%eiv  xoivbv  ■d'ebv  ijyovv  fteöxiyia 
Ivvnagxxov  xal  xavxtjg  [xsxE%ovxa  döiaigexcog  slvai  ftebv  Exaoxov'   xaXovoi  öh  xbv  40 
[iev  naxega  xal  xbv  vlbv    xal    xb    dyiov  Tivevjua  vjiooxdoeig,   xb  de  xoivbv  avxcöv 
debv  ovoiav  xal  <pvoiv;  biefe  ®amianiten  erfnelten,  metl  fie  fo^ufagen  noef)  ein  bierteS 
göttliches  Sföefen  annahmen,  ben  Äe|ernamen  Texgadhai;  6.  Nioßixai;  fie  behaupteten, 
in  ber  ^erfon  ^efu  gebe  es>  nad§  ber  evwoig  ber  Naturen  feine  diaepogd  xcöv  cpvoeoov 
mel)r.  S3ie  fid§  all  biefe  Parteien  in  ber  XrinitätSle^re  unterfdjteben,  ob  fie  fidf)  ba  über=  45 
fyaubt  unterf Rieben,  roiffen  toir  nict/t  fid§er. 

Seiber   finb   toir    and)    barüber    nidfyt    unterrichtet ,    rote  ber  tritfyeiftifcfye  (Streit  ju 
©itbe  ging.    3Ran  roirb  lüot)I   annehmen   muffen,    ba|   t^m  bureb^    ba§  Sorbringen  ber 
Werfer,  bann  ber  2lraber  ein  3i«l  gefegt  tourbe,   33eibe  brauen  ja  gerabe  in  2(g^)bten  fe^r 
balb  ein,  alfo   in  bem  Sanbe,   baä   allem  2lnfct)ein  nacb^    ber  getftige  SJcittefyuntt  beS  60 
Iritb^ei§mu§  roar. 

2luc9  im  2lbenblanbe  führte  ba§  Sorbringen  ber  beribatetifef/en  Sl)ifofob^ie  unb  bie 
ßntftefmng  ber  ©dpolafti!  ju  einem  tritfy eiftifd^en  ©treite,  ber  fiel;  allerbingS  in  biet  engeren 
©renken  b^ielt.  @in  5Rominalift,  5RoäceEtn,  ^anonilug  bon  Sombiegne,  fteCCte  ben  ©a£ 
auf:  entroeber  feien  Sater,  ©oljm  unb  ©etft  tres  res;  ober  Sater  unb  ©eift  feien  mit  5:, 
bem  ©ofme  -ücenfet;  geroorben;  3togceHin  entfepieb  fidt)  für  bie  erftere  SOcöglicf)fett.  2lbcr 
bie  abenblänbifcf;e  ^trct)e  entlebigte  fid^>  biefeS  'SrittwiomuS  fet)v  rafdp.  1092  roarb  9io§= 
ceßin  bon  einer  ©i^nobe  ^u  ©oiffonö  berbammt;  er  mufete  totberrufen.  211S  er  fbäter 
nodgmalä  als  Sritfyeift  auftrat,  ioiberlegte  it)n  Slnfelm  bon  ßanterburt;  in  feiner  ©d)rtft  De 
fide  trinitatis  et  de  incarnatione  verbi  contra  blasphemias  Rucelini.  co 

!)',T 


132  $rttl)etftifef|er  ©treu  SrttJjemiuS 

$n  neuerer  $eit  ift  e<§  bor  allem  bie  ${)ilofopbie  beS  ®e3carte§  geWefen,  bie  einzelne 
Geologen  ju  tritfyetftifcben  Sluffteßungen  geführt  t)at  (Söilltam  ©fyerlod  in  Sonbon,  geft. 
1707,  unb  Perre  gat)bit  in  tyatiz,  geft.  1709).  2lud)  ^einrieb  Nicolai  in  ®an$ig 
(geft.  1660;  itm  bekämpfte  ßalob),  Stnton  Öfymb3  (geft.  1809),  ein  3tattonalift,  unb  ber 
5  bekannte  t'atf)oIifd)e  Geolog  Slnton  ©untrer  (geft.  1863)  jogen  fid)  ben  Vorwurf  be§ 
£ritr)ei3mug  ju.  3.  Seipolbt. 

£ritf)emttt§,  $o  bannet,  geft.  1516.  —  Sie  tbeologifcben  (Schriften  be§  Xrttbemiu§ 
ftnben  ficf)  gefammelt  gebrucft  in:  Jo.  Trithemii  Opera  spiritualia  quotquot  reperiri  potuerunt 
ed.  Jo.  Busaeus.     Mogunt.  1604    Fol.    unb    in:    Jo.  Busaei    Paralipomena    Opusculorum 

10  Petri  Blesensis,  Jo.  Trithemii  et  HiDcmari.  Mogunt.  1605.  8°.  Sie  Ijtjtortfcf)en  ©obriften 
be§  £ritbemui§  finb  gefammeft  unb  unter  bem  SEttet:  Jo.  Trithemii  Opera  historica,  curante 
Marq.  Frehero,  Tom.  I.  et  II,  Francof.  1601  in  Folio,  berau§gegeben;  bie  §irfauer  91nnnlen 
berauggegeben  Bon  3-  ©.  ©cblegel  1690.  SSerjetc^niffe  ber  fämtlidjen  ©Triften  £r.§  bei 
©übernagei  @.  136  unb  @dmeegan§  ©.  287.    ©eine  SSriefe   finb  unter  bem  Xitel:    Jo.  Tri- 

15  themii  Abb.  Sponhem.  Epistolarum  familiarium  libri  II,  ad  diversos  Germaniae  Prin- 
cipes,  Episcopos  ac  eruditione  praestantes  viros.  Hagan.  ex  offic.  Pet.  Brubachii,  1536  in 
4°  erfä)ienen.  —  3K.  gtegetbaur,  Hist.  rei  litt.  Ord.  Bened.  III,  ©.  221  ff.;  Fabricü, 
Bibl.  Lat.  med.  et  inf.  aetat.  IV,  ©.154;  8.  Sßadjler,  ®efcb.  ber  hiftor.  gorfcijung  unb  fünft, 
m  1,    ©.  236;    (£r^orb,  ©efcf,.  beS  Sßieberaufbtfibeng    miffenfdjaftl  Silbung,   üomebmlicb  in 

20  Seutfd)(anb  bi§  pm  anfange  ber  Deformation  (SKagbeburg  1832),  SSb  3,  @.  379 ff.;  28oIff 
in  b.  ffiürtt.  3SS.  f.  ©tatiftif  1863  ©.  229 ;  $aul,  De  fontib.  a  Trithemio  in  prima  parte 
ehr.  Hirs.  adhibitis,  &a£(e  1867;  ©übernagel,  ^ob.  £ritbemiu§,  Sanb§b-  1868;  SKüHer, 
Guellen,  metobe  ber  SIbt  Sritbetm  im  erften  Xeü  ber  ©irfauer  9lnnalen  benutzt  bat,  Seipg.  1871, 
£>aHe  1879;  §etm§börffer,  gorfcf).  jur  ©efeb.  28ilbelm§  ü.  §irfcbau,  ©öttingen  1874;  @d)nee= 

25  gan§,  2lbt  3-  2ritbemiu§  unb  Slofter  ©ponbeim,  treupadj  1882;  ©tamminger  im  S$£VF 
©.  1770 ff.;  SBegeie  in  91593  23b  38,  1894  ©.  626 ff.;  berf.,  ©efebiebte  ber  beutf<i)en  §ifiorto= 
graübie,  SMncben  1885  ©.  67 ff.;  ©tub.  u.  Mt  au§  b.  S3eneb.  D.  III,  2  ©.332;  TOenfc,  3ft 
e§  bewiefen,  bafj  Str.  ein  gälfdjer  mar?    Qena  1892. 

Soft.  SEritbemiuS  Würbe  ben  1.  gebruar  1462    in  bem  unfern  %xkx  an  ber  SRofel 

30  gelegenen  ®orfe  2;rittenbeim  geboren,  nad)  Weld)em  er  fid)  fpäter,  ber  ©Ute  ber  geit 
folgenb,  benannte.  35on  feinen  ^ugenbjabren  ift  nur  wenig  belannt.  ©ein  33ater, 
^o|ann  föeibenberg  ftarb  bereits  1463;  ber  reiebbegabte  ®nabe  erbielt  einen  barten  ©tief= 
bater,  Welcber  ibn  ju  länblicben  arbeiten  jWang  unb  ba§  frür)  erWacbte  Verlangen  be3= 
felben  nad)  geifttger  2tu3bilbung   ju   unterbrücfen  fud)te.    ®od)  fein  raftloS  aufftrebenber 

35  ©eift  Wujjte  fid;  burd)  alle  §inberniffe  33abn  ju  brechen.  @r  benutzte  nid)t  nur  am  £age 
bie  furje  ^eit,  Welcbe  er  erübrigen  fonnte,  eifrig  baju,  lefen  unb  fd)reiben  ju  lernen,  fon= 
bem  er  lernte  aud)  beS  9iad)t§  fjeimlid)  bei  einem  3Rad)bar,  fo  gut  ei  geben  Wollte,  bie 
erften  2lnfang3grünbe  ber  lateinifeben  ©pracbe.  günfjefiniä^rig  entfd)(o^  er  fid),  ba<*  elter= 
Iid)c  §au§  beimlicb,  ^u  berlaffen;    er  ging  nacb  SErier,   too  er  eine  3«t  lan&  bon  m^= 

40  tb,ätigen  9Jienfcben  unterftü^t,  bie  Iateinifd)e  ©d)ule  befuebte.  ®ann  toanbte  er  fid)  nad) 
ben  5Rieberlanben,  fdjliefelicb  lam  er  nad)  |>etbelberg,  roo  ib, m  feine gäbjgfeiten  balb  mob,l= 
tooEenbe  ©önner  unb  burd)  biefelben  bie  ertnünfebte  llnterftü^ung  ber(d}afften,  toeld)e  i^n 
in  ben  ©tanb  fe^te,  auf  biefer  bamalS  emporbIüf)enben  §od;fd;uIe  neben  ben  tbeologifcben 
Söiffenfcbaften  alle  biejenigen  ^enntniffe  fid)  anzueignen,    nad)  benen  er  fid)  fo  lange  ge= 

45  febnt  batte.  33efonber§  mar  eS  Stubolf  2lgricoIa,  ber  ibn  in  ba§  ©tubium  ber  ©efd)id)te 
einführte  unb  mit  ben  febönen  3iUffenfd}aften  belannt  mad)te.  2ßäb,renb  er  unter  fo 
günftigen  äkrtmltniffen,  mie  er  fie  laum  ju  boffen  gewagt  I)atte,  ber  Erweiterung  feiner 
Äenntniffe  ben  größten  glei^  toibmete,  erWacbte  in  i|m  ba§  Verlangen,  feine  SerWanbten 
in  ber  §eimat  ju  befueben,  unb  er  trat  1482  bie  Steife  babin  mit  einem  greunbe  ju  gu^ 

50  an.  ©d>on  Waren  fie  bi§  jum  Senebütinerllofter  ©^onbeim  bei  ^reujnaa)  getommen,  in 
Wettern  fie  gaftfreunblicbe  2lufnar)me  fanben.  31I§  fie  ib^re  2öanberung  fortfe^ten, 
nötigte  fie  ein  Unwetter  nad)  bem  Softer  jurüdjulebren.  ©tefeS  ©reignii,  WelcbeS 
2;ritb,emiu§  nad)  ben  2tnfid)ten  feiner  Qeit  alg  einen  2öin!  ber  göttlicben  Sorfe^ung 
betrachtete,    gab  feinem  Seben  eine  entfebeibenbe  äSenbung.    @r  entfd)lofe  fid)  im  Älofter 

55  ju  bleiben,  ©eine  Sitte  um  2lufnab,me  Warb  ib. m  gern  geWäb/rt,  unb  balb  I)atte  er  fid; 
burd;  feine  grömmigleit  unb  ©eleb,rfamleit  Wie  burd)  bie  geWiffenf)afte  ^Ereue,  mit  Welcher 
er  alte  il)m  übertragene  ©efebäfte  berrid)tete,  bie  Siebe  unb  2ld)tung  ber  ^lofterbrüber  fo 
fet)r  erworben,  baf  fie  ibn,  obgleid)  er  erft  21  %afyxt  alt  War,  am  29.  ^uli  1483  gu 
ib,rem  2lbte  Wählten.    3^un  lonnte  £ritl)emiu§   feinen  ^umaniftifd)en  Neigungen   leben. 

60  ©eine  ^)auptfäd)Iid)fte  ©orgfalt  Wanbte  er  ber  Älofterbibtiotfjef  ju ;  er  traf  fie  im  traurigften 
£uftanbe,  nid)t  einmal  50  Sänbe  entfjaltenb,  unb  brachte  fie  nad)  unb  nad)  auf  mebj  als 


£ritf|enuiiS  133 

2000  33änbe,  teils  STCanuffribte,  teils  gebrückte  33üd)er.  ©ie  galt  balb  als  eine  ber  be= 
beutenbften  SBücfyerfammlungen  ©eutfcfylanbS.  Qf)r  liebenSWürbiger,  bielbelefener  ©rünber 
war  eine  angefefyene  sßerfönlicr^eit  im  Greife  ber  £>umaniften:  9Ränner  Wie  2;of>.  b.  ©al= 
berg,  9ieud)lin,  ßelteS,  2Simbr/eIing,  $trdl;eimer,  ^ßeutinger  u.  a.  Wedjfelten  Briefe  mit 
tbm  ober  fugten  irm  im  SHofter  auf.  ©ie  2lnWefenl)eit  bon  GelteS  unb  9teud)Iin  gab  6 
bem  Stbte  ©elegenfyett  ©riedjifd)  unb  etwas  #ebrätfd)  ju  lernen.  3lud)  bie  fürftlidjen 
©önner  ber  Wiffenfd)aftlicr)en  Seftrebungen  biefer  3«tt  Wanbten  tljm  ifyre  ©unft  ju.  @S 
War  ganj  im  ©inne  beS  älteren  §umaniSmuS,  baft  SEritfyemiuS  bie  religiöfe  ©eite  feines 
ÜBerufS  md)t  aufter  ad)t  lieft,  er  fuct)te  bie  tiefgefunlene  Jtlofterjudrt  ju  fyeben,  rjtelt  ben 
SRöndjen  erbaulidje  2lnfbracr/en,  bor  allem  fudjte  er  fie  mit  ber  Überzeugung  ju  erfüllen,  io 
baft  wer  jum  Sefyrer  anberer  berufen  fei,  juerft  fid)  felbft  2BeiSf)eit  unb  ^enntniffe  er= 
Werben  muffe,  unb  baft  nur  berjenige  bie  ^eiligen  ©Triften  richtig  berfteb/en  unb  erklären 
fonne,  Welker  bie  allgemeinen  ^enntniffe  ber  Weltlid)en  2öiffenfd)aften  beftije.  Sfödjt  minber 
forgte  er  für  bie  Wirtfcr)aftltcr)e  §ebung  beS  MofterS;  burd)  Umbau  unb  ^liuhau  fdmf  er 
freunblidjere  2öofmräume,  für  ben  2tbt  junädjft,  aber  aud?  für  bie  Srüber.  ®em  Drben  15 
übertäubt  biente  er  burd;  häufige  SBornafyme  bon  3Sifitationen  in  33enebiftiner!Iöftern. 

@S  Waren  für  'SritfyemiuS  glüdlid;e  %afyxe,  Welche  er  als  2lbt  im  Softer  ©bonI)eim 
Icljrenb  unb  lernenb  zugleich,  berlebte.  StUem  jur  Seitung  be§  $IofterS  mar  ber  bielfeitig 
gebilbete  9Jtann  fdjlieftlicb,  bod)  nicfyt  geeignet;  eS  fehlte  ib/m  ber  fd)arfe  23Iid  für  bie  33e= 
urteilung  ber  ^ßerfonen  unb  Sßerr/ältniffe,  fo  baft  er  einen  SJtiftgriff  um  ben  anbern  in  20 
ber  2£afjl  feiner  frieren  tfyat;  md)t  minber  mangelte  ifym  ^eftigleit  unb  ®raft  bei  ber 
®urcr/füb,rung  feiner  SJJaftregeln;  er  fd)Wan!te,  Wo  er  fyätte  feftbleiben  foflen,  unb  lieft 
manches  gefd^et;en,  WaS  er  miftbiHigte.  ®em  SBtberfbrud)  gegenüber  aber  gebracb,  eS  ib)m 
boHig  an  9Jiut.  ©er  9Serfet)r  mit  feinen  fürftlidjen  ©ömtem  Inelt  if>n  meb)r  als  gut  mar 
bon  bem  Sllofter  entfernt.  ®aS  b/atte  auf  feine  ©teEung  in  bemfelben  ben  übclften  @in=  25 
fluft,  bie  $ügel  glitten  ifym  auS  ben  §änben,  olme  baft  er  eS  merfte.  SllS  nun  bie 
Cbbofition  feiner  3Jlönd)e  offen  b/erbortrat,  fo  berlor  er  baS  ©Ietd)geWid)t;  er  fucfyte  ju= 
crft  fie  p  überWinben,  inbem  er  feine  moralifdjie  Slutorität  in  bie  2Bagfd)ale  toarf;  aber 
er  muftte  erfahren,  baft  er  leine  mel)r  befaft,  unb  nun  jog  er  eS  bor,  auf  bie  2lbtei  ju 
beraten,  ftatt  um  feine  ©teHung  ^u  tambfen.  ®ie  glänjenben  Anträge  beS  ßaiferS  30 
SOJajimilian  unb  beS  ^urfürften  ^oacfyim  bon  Sranbenburg,  bon  benen  jeber  ib,n  an  feinen 
§of  sieben  Wollte,  lehnte  er  ab  unb  folgte  ber  ©inlabung  be§  eblen  unb  Wiffenfct/aftlid; 
gebilbeten  Sorenj  bon  Sibra,  33ifd;ofS  bon  3Bür^burg,  auf  beffen  ©mbfe^lung  er  im 
3-  1506  bie  jWar  !leine,  aber  feinen  SMnfd&en  entfbred;enbe  2lbtei  beS  ©cb,ottenflofterS 
©t.  %cäob  in  SBür^burg  erhielt.  3n  bitfex  füllen  gurüdgejogenfyeit  lebte  er  anfbrudjsloS  35 
unb  aufrieben,  auSfdjlieftücb,  mit  ben  2Siffenfcr;aften,  befonberS  mit  b^füalifd^en  ©tubien 
beföäfttgt  unb  baneben  einen  lebhaften  5BriefWecb,fel  mit  feinen  greunben  unter^altenb. 
(Sr  ftarb,  54  ^afyre  alt,  ben  13.  ©ejember  1516. 

3Son  ben  gar)Ireict)en  ©d)riften  be§  ^ritb,emiuS  finb  berb^ältniSmäftig  Wenige  bei  feinem 
Seben  unb  burd}  tt)n  felbft  herausgegeben,  ©ie  Begießen  fid)  teils  auf  bie  Geologie  mit  40 
befonberer  Sftüdfidjt  auf  baS  !löfterlicb,e  Seben,  teils  auf  bie  ©efd)icf>te,  teils  enblicb,  auf 
allerlei  @eb,eimWiffenfd;aften,  auf  Welche  Xrit^emiuS  ben  gröftten  2Bert  legte,  Woburd;  er 
in  ben  Stuf  eines  gaubererS  fam.  §ierb,er  gehören:  bie  Steganographia,  sive  de 
ratione  occulte  scribendi,  berf.  1500  (Francof.  1606,  4°)  unb  Polygraphiae  libri  VI, 
ad  Maximilianum  Caes.  cum  clave  seu  enucleatorio,  in  quibus  plures  scribendi  i& 
modos  aperit,  berf.  1507  (Oppenheim  impr.  Jo.  Hasselberg  1518,  Fol.).  Unter 
feinen  tlj>eologifcr)en  ©Triften  nehmen  bie  Sermones  et  Exhortationes  ad  Monachos, 
berf.  1486  (Argent.  per  Jo.  Knoblouch,  1516,  Fol.)  bie  erfte  ©teile  ein.  2Bie  er  in 
benfelben  als  einbringlid)er  unb  geiftreid)er  Sfobner  bie  3}fönd)e  ©bonl>eimS  in  ben  iser= 
fammlungen  beS  flöfterlidjen  ÄabitelS  mit  allem  ^ac^brude  ^um  gieifte  in  ben  2Biffen=  50 
fa^aften,  jur  grömmigfeit  unb  ju  einem  tugenbb,aften  Söanbel  ermahnte,  fo  fucr)te  er  aud; 
bie  Reform  beS  SenebiltinerorbenS  übertäubt  ^u  förbern  burcb,  feine  ©Triften  De  regi- 
mine  claustralium,  einen  Kommentar  jur  Senebdtinerregel,  berf.  1486;  De  visitatione 
monachorum,  eine  Anleitung  jur  SSifitation  ber  Senebiftinerflöfter,  berf.  1490;  De 
modo  et  forma  celebrandi  capitulum  provinciale  patrum  ordinis  S.  Benedicti  55 
Mogunt.  provinc,  berf.  1190;  Enchiridion  s.  epitome  statutorum  capitularium 
Ord.  S.  Bened.  per  prov.  Magunt.  et  dioec.  Bamberg,  berf.  1491,  unb  bie  meb,r 
erbaulief)  gehaltenen  33üd)er  De  Religiosorum  sive  Claustralium  tentationibus,  berf. 
1487;  De  statu  et  ruina  Monastici  ordinis,  berf.  149:»;  De  triplici  regione  Clau- 
stralium et  spirituali  exercitio  Monachorum,  berf.  1497 ;  bie  ©d;riften  De  vanitate  60 


134  SritljemtiiS  £riumplju§ 

et  miseria  vitae  humanae,  berf.  1485,  unb  Institutio  vitae  sacerdotalis,  berf.  1486, 
enblttf)  faKten  bet  ©rtoecfung  unb  Verbreitung  ber  ©ottfeligtett  audj  in  einem  Weiteren 
Greife  bienen.  Did)t  olme  SSert  für  bte  Kenntnis  ber  Deligiofität  im  Zeitalter  unmittel= 
bar  bor  ber  Deformation  finb  bte  ©d)riften  Cursus  s.  officium  quotidianum,  Rosa- 

5  rium  et  oratio  supplicatoria  de  s.  Anna,  berf.  1499 ;  De  miraeulis  b.  Mariae  vir- 
ginis  in  Dittelbach,  öerf.  1511;  De  miraeulis  ad  invocationem  b.  virg.  Mariae 
in  Urticeto  extra  Helbronnam,  berf.  1516;  Liber  octo  quaestionum  ad  Maxi- 
milianum  Caesarem,  berf.  1508.  §ier  mögen  aud)  bie  Briefe  be§  £ritb,emtu3  genannt 
tuerben.    SBeitaug  ben  größten  Dufym  ermarb   er  fiel)  al<§  §iftorifer;   aber  biefer  Duljm 

io  mar  unberbient.  £ritb,emiu<§  fdjrieb  nid)t  al§  ©efd^tcfytfcfyreiber,  fonbern  er  berfafjte  aU 
Patriot  unb  al§  SRöncb,  Senbengfdjriften  put  Verherrlichung  SDeutfdjlanbg  unb  feines 
Drbeng.  @r  benutze  nict/t  nur  bte  eckten  Quellen  fyödjft  leichtfertig,  fonbern  er  trug  aud), 
mo  es  if)m  an  Duellen  fehlte,  fein  Vebenfen,  Quellen  ju  erbieten:  ©eine  ©rfinbung  ift 
ber  ©efcfytdjtfcfyreiber  £mnibalb,    beffen    1.  XVIII   historiarum   er  als  Quelle  für  bte 

15  fxänftfcb^e  Urgett  bon  440  bi§  auf  ßbjobomecb,  benü|t  I)aben  miü;  ebenfo  ber  fulbifdje 
ßfyronift  SJiegtnfrib,  bem  er  angeblich  feine  Dacfyrtdjten  über  bie  erfte  ^ßeriobe  be§  Älofterö 
£irfd)au  (830—1050)  entnahm,  ©o  bleibt  il)m  gmar  ba3  Verbienft  in  ©eutfcbjanb  ben 
erften  ©runb  jur  allgemeinen  ©elel>rten=  unb  t^eologifc^en  £itterargefct)id)te  gelegt  ju 
l)aben,  aber  ab§  ©efd;id)t3quellen  finb  feine  ©djrifien,  fo  mett  er  nidjt  bon  feiner  eigenen 

20  ^eit  fbritfjt,  unbrauchbar.  (Chronicon  Sponheimense  1502,  fortgebt  1509;  Annales 
Hirsaugienses  1514;  Comp,  fundat.  mon.  S.  Jacobi  1509;  Vita  Rabani  1515; 
Vita  s.  Maximi  ep.  Mog.  1515;  Oratio  in  laudem  Ruperti,  Tuit.  abb.  1492; 
De  origine,  progressu  et  laudibus  ordin.  Carmelit.  1492 ;  Comp.  prim.  vol.  ann. 
de  orig.  Franc.  1514;  Comp,  de  orig.  gent.  Franc.  1514;  Catalogus  illustrium 

25  virorum  Germaniam  suis  ingeniis  et  lucubrationibus  omnifariam  exornantium 
1495;  De  scriptoribus  ecclesiasticis  1487 — 1492,  2.  Bearbeitung  1494;  De  viris 
ill.  ord.  s.  Bened.,  1493.  (05.  £.  ®üpt>ti  f)  £<mif. 

£riuitt}jI)U&,  2luguftinu§  1243—1328.  —  ©Triften:  Summa  de  potestate  eccle- 
siastica,   Slugsburg  1473  je,   ple^t  3?om   1584  «gl.  Sjjottljafl  unb  §arjn;    3  Iirct)enpoIittfct)e 

so  Sraftate  bei  @ct)oIj;  fömtlicrje  SSerFe  banbfcfiriftlid)  in  ber  bat.  83:61.  —  Sitteratur:  g.  S. 
Eurtiu§,  Virorum  ex  Ordine  Erem.  August,  elogia,  Stnüoerpen  1636;  ©anbo!fu§,  Disser- 
tatio  bist,  de  200  Augustinianis  scriptoribus,  SRont  1704;  ©ctjulte,  ®efc^.  ber  Quellen  unb 
Sitt.  b.  tanon.  3ftect)t§  II,  <&.  193;  griebberg,  ®ie  tnittelalterlidtjen  Sefjren  über  ba§  33er= 
tjältniä  bon  Sircfje  unb  (Staat,  3®9t  1869    (gießt  ausführliche  3nfjaitSü6erfict|t   ber  summa); 

35  (Bctjols,  5ßubltäifttf  pr  $eit  $t)ilibb§  be§  ©djönen,  in  firdjenredjtl.  9I6l)anbIungen  bon  <StuJ$, 
£eft  6-8,  1903;  £>afler,  ^abfttmn  unb  Ätrtfienreform,  1903,  33b  I,  @.  82. 

SDie  BiograblSie  be<§  SErionfo  beruht  auf  ben  banegr/rtfet)  gehaltenen  Vertaten  be§ 
6urtiu§  unb  ©anbolfuä.  ©anad)  ift  er  in  Slnfona  au§  altbatrijtfdjer  gamilie  1243 
geboren.    3JJit  lSQafyren  trat  er  in  ben  Slugufiinerorben,  mürbe  megen  feiner  glänjenben 

40  ©aben  pm  ©tubium  nad)  $ari<3  gefd)idt,  mo  er  Stomas  b.  Slqutno  unb  Bonabentura 
Böttc.  33alb  mürbe  er  SDagifter  unb  liielt  felbft  Vorlefungen.  1274  mürbe  er  bom  $abft 
©regor  X.  auf  ba§  ^on^il  bon  Sijon  berufen,  1277  nad)  Vabua  al§  ^rebiger  an  ben 
§of  be§  dürften  granj  ßarrara.  ©bäter  ift  er  mieber  in  Slnfona  unb  mirb  bon  bort 
bon  Mönig  Äarl  II  nad;  9ceabel  berufen,  mo  er  al§  Vrinjenergiel^er,  bertrauter  Ratgeber 

45  unb  ©efanbter  be§  Königs  eine  grof?e  bolitifdje  Dolle  fbielte,  aber  aud)  für  bie  2lu§= 
breitung  unb  görberung  feinet  DrbenS  auf§  befte  forgte.  @r  ftarb  85  ^a^te  alt  in  Deabel 
am  2.  3lbril  1328.  Über  feine  ^ablretcbert  ©Triften  fiefye  ba§  3Serjeid;niö  be§  6urtiu§, 
abgebrud't  bei©d)olä  ©.173.  Ix.,  fein  geben  lang  ein  eifriger  Slnfyänger  ber  bäbftlicfyen 
2lHeinr)errfd)aft,  berbanft  feinen  Damen  befonberS  ben  firci)enbolitifc|ien  ©d)riften.    1308 

50  tritt  er  mit  einem  bon  ©enifle,  ginfe  unb  ©d)olj  ib^m  jugefcb.riebenen  'Sraftat  Contra 
articulos  inventos  ad  diffamandum  sanetissimum  patrem  d.  Bonifacium  papam 
als  Verteibiger  be§  älnbenfenö  biefe§  ^ßa^fteS  auf.  ®er  nationale  ©egenfa|  tritt  ftarf 
b,  erbor :  bie  SSab,  l  be3  granjofen  6lemeng  V  bat  ©ott  jur  ©träfe  ber  ^ttefte  jugelaffen ; 
bennoc^  barf  man  ib,m  ben  ©eb.orfam  nid)t  bertoeigern,  man  mufj  nur  aHe§  baran  feiert, 

55  ba§  bie  5?urie  mieber  nacb,  Dom  jurücffornrnt.  Weitere  ©Triften  au§  biefer  Qzxt  finb: 
Super  facto  Templariorum,  De  potestate  collegii  mortuo  papa.  £jn  bem  erften 
febreibt  er  bem  ^Sabft  ba§  alleinige  Ded;t  ju,  über  $e|er  ju  urteilen,  alfo  gegen  ba§  3Sor= 
ge^en  beg  ^onigg  in  ber  Semblerfadje,  in  ber  jmeiten  berteibigt  er  bie  ^ä^ftltdje  9Jtacb> 
bollfommen^eit  gegen  bie  oltgarcbtfcben  ©elüfte  beö  5!arbinaIgfoßegiumg,    ebenfo  in  ber 

60  ©d)rift  Contra  divinatores  et  somniatores  gegen  bie  Singriffe  ber  ©biritualen.    ©ie 


SrijtntyljttS  Xtondfin,  2.  135 

gufammenfaffung  feiner  ©ebanfen  giebt  er  in  ber  Summa  de  potestate  eecle- 
siastica,  getrieben  ca.  1322  unb  $abft  So^nn  XXII.  geWibmet.  Sie  unmittelbare 
23eranlaffung  baju  War  ber  erneute  $amtof  bes  ^ßabftes  mit  ben  23arfüf$er=Dbferbanten 
unb  mit  ßaifer  SubWig  (bgl.  §aEer  ©.  83  f.).  SDie  Xbeorie  ber  bäbftlidjen  SWmacbt  ift 
in  ber  Summa  fo  botlfommen  ausgebildet,  Wie  nur  benfbar,  befonbers  gegenüber  bem  5 
Äaifer  unb  ben  dürften.  SMn  ©efe£  eines  weltlichen  ^jerrfcfyers  ift  berbinblicfy  aufjer  fo= 
weit  es  bom  ^}abfte  beftätigt  ift.  ©er  $abft  fann  bas  ^aifertum  beliebig  übertragen,  ben 
Äatfer  ernennen  unb  abfegen,  alle  dürften  muffen  ib)m  ben  S£reueib  fcfywören,  finb  alfo 
einfach  feine  Untertanen,  aud)  in  93ejie^ung  auf  bie  weltlichen  ©üter,  über  bie  bem 
$abfte  eigentlich  bie  Verfügung  gufieEjt,  aucf;  Wenn  er  fie  nicr/t  bireft  ausübt.  ©er  *Pabft  10 
bat  b,öb,ere  2öürbe  als  @ngel  unb  ^eilige,  barum  gebührt  ifym  dulia,  thurficatio,  genu- 
flexio  (quaest.  9).  Über  bie  berfönlict/en  Dualitäten  bes  ^abftes:  quod  si  contingit 
aliquos  assumi  ad  summum  pontificatum  qui  non  sunt  boni  homines,  sunt 
tarnen  boni  praelati  (quaest.  1  art.  5).  2Iucf)  Wenn  ber  ?ßa^ft  ber  ©imome  ober  offen= 
barer  SSerbrecb, en  fcfyulbig  ift,  bleibt  er  bas  §aubt  ber  Strebe,  Wenn  aud)  ein  franfes.  ©ie  15 
3Sorfcbriften  bes  bofittben  Stents  binben  ifm  nic§t,  ba  er  bie  Quelle  aller  9ted)te  ift,  unb 
für  bie  üßerle^ung  bes  natürlicben  $ecf;tes  ift  er  ©ott  allein  ^Rec^enfc^aft  fdjmlbig.  $ein 
Sflenfd)  barf  ib,n  rieten,  ober  il)m  Wegen  feiner  Untaten  ben©eborfam  berWetgem.  3luv 
eine  Sücfe  ift  nocb :  ber  ^ßabft  fann  Wegen  §ärefte  abgefe|t  Werben ;  gleichwie  ein  toter  SRenfct) 
fein  2Jcenfc&,  mel)r  ift,  fo  ift  ein  feijerifct/er  t$abft  fein  $abft  meb,r.  9Jitt  all  bem  t)at  X.  nur  20 
basfelbe  gejagt,  Was  t>or  unb  nacb,  ib/m  biele  $äbfte  unb  Geologen.  @s  ift  bie  flafftfd)e 
mittelalterliche  ©oftritt,  unb  bon  ber  ^rarjs  gerabe  eines  Sonifag  VIII.  ober  ^ob,  ann  XXII. 
nicfyt  allzuweit  entfernt.  $ein  SBunber,  ba|  $or)ann  bon  bem  Söerfe  bocb,  entjücft  War, 
unb  baft  es  ^^rljunberte  lang  eine  gunbgrube  ber  ^urialiften  unb  ein  ©egenftanb  ber 
^olemif  ib,rer  ©egner  Würbe.  ©ie  neuere  fatt;.  ©efcfyictjtfcbreibung  le^rtt  feine  2lnfid)ten  25 
ab  unb  bejicfettgt  ib,n  gefcfymacflofer  Übertreibung  (^3aftor,  ginfe),  Was  bie  ©efcbmacfIofig= 
feit  betrifft  mit  Stecht:  er  ift  „ein  ttwifcfyer  Vertreter  ber  fyerabgefommenen,  banbWerfs= 
mäßigen  ©cfjolaftif"  (§aller).  9t.  ©d)mib. 

£rottd)ttt,  %1) eobor,  geft.  1657.  —  Sitterotur:  ©efer.  £>aag,  La  France  protestante 
1.  91ufl.  33b  IX;    g.  Stdjtenberger,  Encyclopedie    des  Sciences  religieuses    33b  XII,   @.  234;  30 
S3orgecmb,  L'Academie  de  Calvin,  Geneve  1900. 

Sfyeobor  %.,  nicf/t  %u  berWect/feln  mit  feinem  Urenfel  unb  üftamensbetter  Xbeobor  X, 
bem  berühmten  2lrjt  bon  Voltaire  (geft.  1781),  Würbe  1587  ju  ©enf  geboren  unb  ftarb 
bafelbft  1657,   befannt  als  Drientalift,   Sfyeolog  unb  ^ßolemtfer.    ©ein  SSater  9temt,  aus 
ber  ßfyambagne  gebürtig,  War  ein  ausgezeichneter  ^riegsmann  in  ber  fvangöfifcben  Slrmee,  35 
flüchtete  aber,  nacb  bem  ©.  Sartbolomäusblutbab,  nafy  ©enf.   ©ort  Würbe  er  freunblicb, 
bon  X^eobor  be  Se^e  embfangen,  Welker  5patb,e  feines  erftgebornen  ©ob,nes  Würbe  unb 
fbäter  i^m  feine  Pflegetochter  als  ©attin  gab.    Xfyeobor   erbte  bon  feinem  33ater   einen 
mutigen  ßbarafter  unb  bon  feinem  ^5aten  eine    ftrenge  Sln^änglic^feit  gur  ßalbinifd^en 
Glaubenslehre.    1606  Würbe   er   angeftellt  als  ^rofeffor  ber  orientalifd)en  ©brachen  an  *o 
ber  ©enfer  Sffabemie,  1608  als  Pfarrer  in  ber©tabt,  1618  ^rofeffor  ber  %i) eologie  unb 
bojierte  bis  an  feinem  £ob.  Qn  bemfelben  ^a^re  Würbe  er,  mit  feinem  Kollegen  ^obcinn 
2)iobati,  ju  ber  ®orbred)ter  ©tjnobe,  als  Slbgeorbneter  ber  Venerable  Compagnie  ber 
©enfer  ^rebiger  gefanbt  unb  berteibigte  ßalbins  ftrenge  JPräbeftinationslefjre   gegen  bie 
Slrminianer.    ®ie  beiben  ©enfer  ^eologen  gingen  fo  Weit,    bie,  bon  ©taatsWegen  aus=  45 
gefbrocfjenen,  ©trafen  gegen  bie  befiegte  Partei  gutjub,  elften.    1632  Würbe  %.  als  §elb= 
brebiger  bei  bem  $erjog  ^einrieb,  b.  9tot;an,   Wäb,renb  feines   legten  gelb^uges  in   ber 
SSalteEina,  angeftellt.    1653  unterhielt  er   einen  33riefWecb,fel  mit  bem   ©Rotten  3-  ®"; 
raus  über  bie  3JiitteI,   £utb,eraner  unb  ßalbiniften   ju  bereinigen.    Sei  biefer  ©elegen= 
beit   fcfjrieb   er   eine  Harmonia  Confessionum,  Welche  nocb,  ungebrueft  in  bem  ©enfer  50 
3lrcfjib  liegt. 

SBerfe :  Cotton  plagiaire  ou  la  verite  de  Dieu  et  la  fidelite  de  Geneve,  main- 
tenues  contre  les  aecusations  du  P.  Cotton,  jesuite,  contre  la  Bible  de  Geneve, 
6.  1620;  De  bonis  operibus,  G.  1628;  Oratio  funebris  de  Henrico  duce  Rohani, 
G.  1638;  De  peccato  originali,  G.  1658.  ©.  Sottet^-Hautt).     55 

£rondjin,  SubWig,  geft.  1705.  —  Sttteratur:  ®tefelbe  wie  für  ben  St^eobor,  baju: 
3-  ©oberel,  Histoire  de  l'Eglise  de  Geneve,  G.  1862,  3.  S3b. 

Souis  %.,  geb.  1629,  geft.  1705  ju  ©enf,  ©ob^n  bes  borb, ergenannten,  ftubierte  auf 
ber  ©enfer  unb  fbäter  auf  ber  broteftantifcfyen  Slfabemie  bon  ©aumur,  Wo  er  ben  isor= 


136  £rond)in,  £.  Srufcer 

lefungen  be§  Sfto'ife  2lmbraut  beiwohnte,  beffert  „llniberfaliämug"  burd)  ^eobor^.  heftig 
angegriffen  getoefen  toaren.  1655,  nacfybem  er  ein  (gramen  bor  ben  reformierten  ^arifer 
^3rebigern  ju  6t)arenton  glüdlid;  burdjgemacr)!,  würbe  er  aU  Pfarrer  in  ber  £t/oner  ©e= 
meinbe  berufen;  unb  brei  %afyxz  f^äter  Wie3  er  einen  Duf  afö  $rof  eff  or  an  bie  2tfabemie 
5  bon  ©aumur  ab.  1661  Würbe  £.  %.  jum  ^rofeffor  ber  Geologie  gu  ©enf  erWäfylt  unb 
!am  in  feine  §eimat  jurüd.  3Son  nun  an  erroie§  er  fid)  al§  ein  Vertreter  ber  freifinnigen 
Did)tung  unb  ber  ©ulbfamleit.  1669  burd)  feinen  Kollegen  SDieftrejat  unterftü^t,  ber= 
langte  £.  %.  bie  2lbfd)affung  be§  @ibe3,  welker  aüen  Äanbibaten  auferlegt  Würbe,  leine 
Neuerungen  in  ber  ßaltomifdjien  Sefyre,  3.  33.  bie  UniberfaUtät  ber  ©nabe  u.  f.  W.  borju= 
10  nehmen.  £.  %.  unterhielt  einen  au§geber)nten  58riefWed)feI  mit  fremben  (Metrien  au§  bem 
ganzen  ©uroba,  b/at  aber  wenige  33üd^er  »erfaßt. 

9SerIe:  Disputatio  de  Providentia  Dei,  G.  1670;    De  auctoritate  Scripturae 
Sacrae,  1677  @.  aSottet=3Raurt). 

Araber,  $rtmu§,  geft.  1586,  unb  bie  Deformation  in  $rain.  —  Sitteratur: 

15  $r.  £ruber§  «riefe,  gef.  u.  erläutert  0.  %f).  ©l^e  (93tbl.  b.  litt.  23eretn§  in  Stuttgart,  215.  33b, 
£üb.  1898;  %al  2Inbreö,  Seid)prebigt  fr.  2ruber§,  %v&.  1586;  SßalDafor,  Sie  ®$re  $rain§, 
1689;  SSernt).  Dtaupadj,  ©tiang.Oefterreidj,  §amb.  1732—46;  Srjr.  grb.  ©dmurrer,  ©laüifcfjer 
SSücftexbrucE  in  SBürttemberg  im  16.  %cA)X%,  %ül.  1799;  SobrotoStö,  ©lairin,  SBrag  1806, 
2.  StuSg.  u.  §anfa,   $rag  1831;    Sopitar,    ©rammatif  ber  flau,  ©pradje  in  Srain,   Saibad) 

20  1808;  Mitteilungen  be§  Ijtftor.  33erein§  in  train,  ßai&ad),  feit  1846;  §.  ©.  28.  ©Wem, 
«BrimuS  Sruber,  Erlangen  1861 ;  %.  ü.  9tabic§,  §erbarb  ».  StuerSperg,  Sßten  1862 ;  2lj.  ©Ige, 
Sie  ©uperintenbenten  ber  euang.  Äird)e  in  Srain  tt>äl)renb  be§  16.  Satjrlj.,  SSien  1863;  $.  3. 
©afarif,  ©efdjtdjte  ber  fiibftattiijdjen  Sitteratur,  tjerauSgeg.  Don  3.  Sirecef,  1.  SSb,  ^ßrag  1864; 
2lug.  Simi|,  ©efdjidtfe  ®rain§,   Saibad)  1874—76;    3.  Softrencic,   ltrfunbltd)e  Beiträge  jur 

25  ©efdjiclite  ber  prot.  Sitteratur  ber  ©abflauen  Don  1559—65,  SSien  1874;  %$.  glje,  Sie  ltni= 
Derfität  Tübingen  unb  bie  ©tubenten  au§  Shain,  %ub.  1877;  galjrbud)  ber  ©efeUfdjaft  für 
bie  ©efditcfjte  be§  $roteftanti§mu§  in  Oefterretd),  SBien  u.  Seipjig,  feit  1880.  Sarau§  befon= 
ber§  abgebrucft:  %%.  ©Ige,  $aul  Sßiener,  SSten  unb  Seipä-  1882;  %%.  @Ije,  Sie  floDen.  »rot. 
©efangbüdjer  be§  16.  3al)rf).,  SSien  unb  Seidig  1884;  berf.,  Sie  ff.  prot.  ®ated)i§men;   Sie 

30  ft.  pr.  «BoftiHen;  a.  a.  D.  1893;  berf.,  Sie  fl.  pr.  ©ebetbiidjer ;  Sie  ff.  pr.  3ftitual=,  ©trete, 
Sefir=  unb  SSefenntni§=©d)riften,  a.  a.  0.  1894;  berf.,  Sie  ft.  pr.  33ibelbütf)er  be§  16.  3aW-, 
a.  a.  D.  1895;  3-  Sofertl).  Sie  Deformation  unb  ©egenreformatton  in  ben  inneröfterreid). 
Säubern,  ©tuttg.  1898;  berf.,  Elften  u.  Sorrefp.  5.  ©efd).  ber  ©egenreformatton  in  3tmer= 
öfterretd)  unter  ®§.  ®arl,  SSten  1898,  unter  gerbinanb  II.,  SSten  1906. 

35  2)ie  !ird)Iid)en  unb  religiöfen  3"fiänbe  ^rain§  waren  ju  Slnfang  be§  16.  ^afa 
t)unbert§  nidit  fcb.Iec^ter  unb  nidjt  beffer  al§  anbertoärtg.  Deligiöfe  Unwiffenfyeit  beö  SSolfeg, 
fittlicije  SSerfunJenr)ett  im  £leru3,  ItvcE>Itd^e  gönnen  o^ne  innere^  £eben  gingen  mit  meit= 
berbreitetem  Aberglauben  unb  ©ittenlofigleit  §anb  in  §anb.  ©0  fanben  bie  £eb,ren  ber 
Deformation  auc^  t)ter  bei  ernfteren  ©emütern  balb  (gingang  (1525).    ©cr)on  1527  ber= 

40  fammelte  fid)  ein  Ärei§  ebangelifcb,  gefinnter  SRänner  in  £aibad),  ber  §aufctftabt  be§ 
£anbe§,  um  SUtatt^iaS  ^lombner,  ber  ftoäter  berfcfiiebene  Ianbe§fürftlid)e  unb  lanbftänbifcfye 
Ämter  belleibete.  ®ab,er  liefe  Äönig  gerbinanb  I.  bie  ftrengen  fog.  Dfener  ©eneralien  bom 
30.  Sluguft  1527  unb  manche  anbere  Serbote  ber  et>angelifd)en  £eb,re  aucb,  in  ^rain 
bubltjieren,  hod)  olme  bielen  (Srfolg. 

45  ®a  begann  im  %a$xt  1530  ein  junger  lrainifct)er  ©eiftlid)er,  ^rimuä  SEruber,  in 
Unterlrain  unb  Unterfteier  gegen  aftifebräucfye  in  ber  fat^olifc^en  ^ird)e,  in^befonbere  gegen 
bie  ©inroirlungen  ber  angeblichen  3Sifionen  einiger  übelberüdjtigten  Söeiber  in  jener  ©egenb 
öffentlid)  ju  brebigen  unb  ba§  SSolf  jur  redeten  Sufee  unb  ^ur  @rlenntni§  be3  alteinigen 
§eilanbe^  ^efu  6|rifti  mit  beutlicfyen  3«u0nifj«n  ber  ^eiligen  ©cfyrift  unb  nacb,  Slnleitung 

50  be3  cb,riftlid;en  tated)i§mu§  l^injuroeifen.  ^rimu§  trüber  war  1508  ju  Dafdjija  bei 
2tuer§berg,  3  SReilen  bon  £aibad)  geboren,  ein  ©ob^n  beg  gimmermamv»  unb  Äird)en= 
borftet)er§  5Ricb,aeI  Xruber  bafelbft,  ein  Untertan  unb  @rbb,o!b  ber  greit)erren  (fbäter 
©rafen  unb  dürften)  bon  2luer§berg.  ^m  2IIter  bon  13  ^a^ren  (1521)  befugte  er  bie 
©d)ule  in  giume,  fbäter  bie  ^u  ©aljburg  unb  gu  Sßien,  roar  aber  fo  arm,  bafe  er,  roie 

55  £utr/er,  Suttinger,  SDiat^efiuS,  Silber  u.  a.  al<§  „^artelen^engft"  ftdt)  fein  33rot  bielfad^ 
erfingen  unb  erbetteln  mufete.  Dtine  eigentlich  auf  einer  Uniberfität  ftubiert  unb  fid)  bie 
$enntm3  ber  grtedt)tfdc)ert  unb  fyebräifct/en  ©brad)e  angeeignet  ju  b,aben,  feb/rte  er  (nod) 
bor  1526)  in  feine  §eimat  jurüc!.  ^n  bem  trefflichen,  bem  bfterretct)ifcr)ert  §umaniftenlreife 
anger/örigen,  eine  ebangelifcb,e  Deformation  innerhalb  ber  römifcfyen  Äircb.e  anftrebenben  S3ifd)of 

60  $eter  S3onomo  bon  trieft  fanb  ber  junge,  nicfyt  ungebilbete  9JZann  einen  root)lmoHenben 


Sruber  137 

23efd)ü|er  unb  2lsobdtl)äter,  tüeldjier  tfyn  gunäc^ft  in  feine  Kantorei  aufnahm,  ifm  unter 
feiner  Seitung  jutn  ^riefter  augbilben  liefe,  ifcm  bann  bie  Äablanei  Sei  ©t.  SRarjmiltan 
ju  ßilli  (bor  1530),  fbäter  (1540  u.  1541)  aucfy  bie  Pfarreien  ju  Sad  frei  Ratfcfyad;  unb 
ju  SLüffer  berfcljaffte.  £ier  an  ben  Ufern  ber  ©abe  trat  er  mit  ben  ermähnten  $re= 
bigten  auf.  ©iefe  führten  ifm  (1531)  nadj  Saibad;,  mo  er  ^uerft  im  £>om,  bann  aber,  5 
ba  ifym  bjer  ber  33ifd;of  fein  gegen  bie  ©fyeloftgfeit  ber  ©eiftlidjen  unb  bie  StuSteilung 
be3  SKbenbmafylS  unter  ©iner  ©eftalt,  fotrie  für  bie  Rechtfertigung  allein  burcb,  ben  ©tauben 
abgelegtes  geugntS  f erbot,  in  ber  ftäbtifcfyen  ©bitalSfircfye  ber  bl.  ©lifabetb  brebigie.  ©eine 
in  Trieft  entroid'elte  ebangelifdje  Richtung  marb  um  biefe  geit  geftärft  unb  erweitert  burd) 
bie  ib,m  jugelommenen  itommentarien  ^ßetlifanS  unb  33ullinger§  (1532),  bie  if>m  als  10 
Unterlage  unb  Ricfytfcfynur  feiner  ^rebigten  bienten.  Salb  (1536)  fci/Iofj  ficb,  ifym  bier  als 
^rebiger  beS  ©bangeliumS  ber  Saibadjer  ®omb,err  $aul  Söiener  an,  ber  fbäter  ber  erfte 
ebangeltfcfye  SBifcfyof  Siebenbürgens  warb  (geft.  16.  Sluguft  1554).  T.  mufjte  ficb.  jtoar 
1540  bon  Saibacl)  auf  bie  ib,m  berliefyene  Pfarrei  Sad  gurüdgiefyen  unb  berweilte  biel  in 
Trieft  bei  33ifdjof  33onomo,  warb  jebocb,  1542  jum  ®omb,errn  in  Saibacb,  ernannt,  1544  15 
ncbft  $aul  2öiener  Dom  SBifdmf  mit  ben  beuifdjen  unb  toinbifd)en  ^prebigten  im  2)om 
betraut,  unb  1546  mit  ber  bem  Saibacfyer  ©omfabitel  gehörigen  Pfarrei  ©t.  23artf)oIo= 
mäenfelb  in  Unterlrain  beliehen,  $m  2luguft  1547  benutze  jebocb,  ber  Saibacfyer  23ifd}of 
Urban  Terror,  Der  als  §ofbrebiger,  33etct)tbater  unb  Stlmofenier  beS  Königs  meift  in 
©ien  lebte,  unb  ein  greunb  beS  $gnatiuS  bon  Sofyola  unb  beS  ßlaubiuS  %a\uä  mar,  20 
bie  günftige  Gelegenheit  ber  fiegreic^en  SBeenbigung  beS  fcf)malfalbifd;en  Krieges  unb  ber 
Stbreife  Äbnig  gerbinanbS  jum  Reichstag  nacfy  2fugSburg,  um  gegen  bie  §äubter  beS 
ebangelifcfyen  ÜBefemttniffeS  einen  bernidjtenben  ©d)Iag  *u  führen.  SDer  ©eneratbilar  ©eorg 
^ragolu)  unb  ber  ©omfjerr  5ßaul  Söiener  mürben  gefänglich  eingebogen.  T.,  gerabe  in 
feiner  Pfarrei  ©t.  2krtf)oIomäenfelb  abwefenb  unb  rechtzeitig  getoamt,  entging  biefem  20 
©cbjdfal  burdj>  %lud)t  an  fixere  Drte;  feine  2öob,nung  in  Saibacfy  Warb  jebocf)  erbrochen, 
feine  Süd^erfammlung  Weggenommen,  er  felbft  aller  feiner  ^ßfrünben  beraubt.  23ermutlid; 
war  er  jetjt  (menn  nicfyt  fcfyon  1540)  eine  geit  lang  Winbifcfyer  ^3rebiger  in  Trieft.  $m 
folgenben  %ab,xt  (1548)  burfte  er  gtoar  in  feine  §eimat  gurüc!!eb,ren,  mufjte  jebod)  alSbalb 
aufs  neue  flüchten.  SBtS  an  bie  ©ren^e  Tirols  berfolgt,  gelangte  er  bod)  glüdlid)  nacb.  30 
Nürnberg,  ^u  bem  belannten  reformatorifcfyett  ^?rebiger  35eit  ©ietrid).  Stuf  beffen  @mbfeb,= 
lung  toarb  %.  aföbalb  (1548)  grüb,brebiger  in  Rothenburg  an  ber  Zauber.  §ier  begriuu 
bete  er  ficb,  ein  Familienleben  unb  befcb.äftigte  ficb,  aucb,  bamit,  feinen  Sanb^leuten  ba§ 
©bangelium,  ba§  er  i^nen  nicf)t  mel)r  ^rebigen  fonnte,  in  ib,rer  minbifcfyen  (flobenifc^en), 
bi^Ejer  nie  in  ©cfmft  fixierten  ©))racb,e  jugänglicb,  ju  machen.  Rac§  mancherlei  9Jiüf>en  35 
gelang  il)m  biefe^,  unb  1550  erfd)ienen  bon  ib,m  (unter  bem  ^3feubom)m  Philopatridus 
Illyricus)  bie  erften  Sucher  in  biefer  ©brache:  1.  ßatecbjfmug,  2.  Stbecebarium  bnb  ber 
Hein  6atecb,ifmu§,  beibe  in  Tübingen  mit  beutfcfyen  Settern  gebrucft.  Qm  Sa^re  1^52 
toarb  T.  Pfarrer  in  Kempten,  lie^  aber  feine  litterarifc^e  Tl)ätigfeit  rub,en,  jumal  beren 
Soften  feine  SRittel  überfliegen.  ®a  trat  $.  ^ß.  SSergeriuö,  ber  fic^  gern  in  aüe§  mifcf)te,  40 
mit  il)m  in  SSerle^r  unb  litterarifdjie  SSerbinbung  (1555—57).  2lug  biefer  gingen 
1555  jmei  Heine  ©Triften  be§  33ergeriu§  unb  brei  arbeiten  TruberS  b,erbor,  nämlic^: 
3.  Ta  Ev.  S.  Mateusha,  4.  Abecedarium,  5.  Catchismus  (in  16°),  fämtlidj 
1555  in  Tübingen  mit  lateinifcfyen  Settern  (bon  ba  ah  für  bie  flobenifc^e  Sitteratur 
bleibenb)  gebrucft.  Rad)  Söfung  biefer  sßerbinbung  beröffentlicb,te  T.:  6.  1557  Nov.  45 
Test.  I  (bie  4  ©bangelien  unb  bie  2IbofteIgefcb,id)te),  7.  1558  En  Eegishter  OßofMe), 
8.  1560  Nov.  Test.  II,  a  (Römer),  9.  1561  Nov.  Test.  II,  b  (1  unb  2  Äorintf;er; 
©alater),  10.  1562  Articoli  oli  deili  etc.  (eine  3ufcmunenaitf!un0  oer  2lug§burgifc^en, 
SBirtenbergifcfyen  unb  ©äcb,fifc^)en  Honfeffion),  11.  1564  Ordninga  cerkovna  (^irc£)en= 
orbnung),  äße  ebenfalls  in  Tübingen  gebrucft,  jum  Teil  in  gefcfyäftlicfyer  ^Berbinbung  mit  50 
bem  in  Uratf;  angefiebelten  grei^errn  %an§  Ungnab.  ©effen  Tob  (27.  SDej.  1564)  b,emmte 
iebocf;  T.  in  ber  gortfetjung  feiner  litterarifcben  Tb,ätigfeit  nicfyt.  @§  erfcljienen:  12.  1566 
Ta  celi  Psalter;  13.  1567  Nov.  Test.  II,  c  ((Sbbefer,  ^ilitotoer,  Moffer,  1  unb  2 
ifieffalonicfier,  1  unb  2  Timotf>eu§,  Titug,  ^b,iIemon);  14.  1567  Ta  celi  Catechis- 
mus  etc.  (^ircb,engefangbucf)) ;  15.  1570  (?)  Ta  celi  Catehismus  etc.  (2.  3lufl.);  55 
16.  1571  Ta  celi  Catehismus  (3.  2lufl.);  17.  1575  Try  duhouske  peisni  (3  geift= 
licfye  Sieber,  ^ufammen  mit  ©eorg  SDalmatin  unb  ^ob^nn  ©d^tuetger);  18.  1575  Cate- 
hismus sdveima  islagama;  19.  1577  Nov-  Test.  II,  d  (Hebräer,  ^afobuö,  1  unb  2 
betrug,  1,  2  u.  3  Sofyanneg,  ^uba§,  Offenbarung;  in  8°);  20'.  1579  Ta  pervi  Psalm; 
21.  1579  Ta  celi  Catehismus  (4.  Slufl,  Satbad));  22.   1581  Formula  Concordiae;  eo 


138  XvnUv 

23.  1582  Nov.  Test.  (2.  2luSg.);  24.  1582  Ta  Slovenski  Kolendar  (SMenber).  — 
Wafy  %.3  %obe  erfdnen  nod)  bie  bon  ilnn  fyinterlaffene  Überfe^ung  bon  Sutl>erS  Voftitle: 
25.  1595  Hishna  Postilla  etc.  (gol.,  herausgegeben  burd)  fSfeüjtan  trüber).  2tHe  biefe 
33üd)er  würben,  mit  StuSnafyme  bon  9fr.  21,  in  Tübingen  gebrückt,  unb  aufjer  ifmen 
b  fyaben  Wir  bon  %.  nur  nod;  eine  Heine  ©d)rift  in  beutfcfyer  ©bradje. 

hingegen  Würben  biele  biefer  23üd)er,  namentlich  baS  5Reue  SEeftament,  faft  gleidj= 
geitig  (1560—65)  in  bie  Irobatifcfye  (tHr/rifdje)  ©brad)e  übertragen,  Weldje  $.  notbürftig 
lefen,  aber  nicfyt  fd)reiben  lonnte.  ©tebfyan  ßonful,  ein  frobatifd->er  Vriefter,  geboren  1521 
gu  ^inguente  in  ^ftrtert,    1549   Wegen   ebangelifcfyer  ©efinnung   aus  $rain    bertrieben, 

10  fyatte  1552—53  in  %.§  §aufe  $u  Stotljenburg  unb  ^ernbten  als  franler  ©aft  gelebt  unb 
War  bann  auf  beffen  ©mbfefylung  Sefyrer  in  6b,  am  (Dberbfalj)  unb  (1553)  Kantor  unb 
Äollaborator  an  ber  bamalS  berühmten  „^ßoetenfdtule"  (Si^eum)  in  9frgenSburg  geworben. 
|rier  begann  er  eines  ber  flobenifcfyen  33üd)er  %.§  ins  $robatifd)e  gu  übertragen  unb  gab 
biefem  natürlich  babon  Kenntnis,  Wäfyrenb  er  jugleid)  fid)  bemühte,  frobatifc^e  b.  i.  gla= 

15  golifd)e  Settern  jum  ©rucf  feiner  SCrbeit  ju  befommen.  %.  fe^te  SonfuI  mit  bem  grei= 
|errn  §anS  Ungnab  in  SSerbinbung,  melier  benfelben  nad)  Urad)  berief  unb  mit  ifym 
b^ier  feine  belannte  frobatifdje  (nid)t  flobenifcfye)  Überfe£ungS=  unb  £)rucfanftalt  begrün= 
bete,  beren  Seitung  er  jebod}  %.  übertrug.  Slufjer  ©tebljian  ßonful  arbeiteten  für  biefelbe 
unb  an  berfelben :  Slnton  ab  SlleEanbro  gen.  ®almata,  ©eorg  ^uritfdjntfdj),  ©eorg  gWe^itfdj, 

20  £>err  Seonfyarb  9Jfrrd;eritfcr;,  SJiattljnaS  ^ßoboWitfd),  §anS  SMefct/ebaj  u.  a.  2tuS  iljr 
gingen  31  2öer!e  in  frobattfcfyer  ©brache  fyerbor,  teils  mit  gIagoIifc|en,  teils  mit  cbritli= 
fd)en  unb  teils  mit  lateinifcfyen  Settern  gebrückt,  aufjerbem  nocb.  6  2öerfe  in  iialienifd>er 
©brache. 

^njmifd;en  toar  in  Ärain  bie  ebangelifdje  ^Bewegung  immer  weiter  borgefcfyritten  unb 

25  baS  3Ser^aIten  beS  faifyolifcfyen  Uterus  gegen  biefelbe  immer  unleiblidjer  geworben.  S5ieS 
beWog  1560  bie  Irainifd)en  Sanbftänbe,  beren  Weltliche  SDfrtglieber  nun  fd)on  faft  fämtlicb. 
ber  ebangelifd)en  Äircfye  angehörten,  gur  Crbnung  unb  Seitung  berfelben  %.  als  Sanb= 
fd)aftSbrebiger  nacfy^ram  jurüdäuberufen.  9Jur  fdjiwer  trennte  fid)  biefer  bon  feiner  Iitte= 
rarifd^en  ^ätigfeit  unb  ©teHung  in  ^embten  unb  Uracfy,  bod)  traf  er  enblid)  am  26.  $um 

30  1561  in  Saibad)  ein,  bon  feinen  greunben  unb  2lnfyängem  feftlicr;  eingeholt  unb  bor 
feiner  üKSoIjmung  bon  ber  ©tabtmufi!  mit  biertelftünbigem  Olafen  beS  „De  Teum  lau- 
damus"  begrübt.  ®odj  lehrte  er  nad;  einigen  Monaten  nod;  einmal  nad;  Urad)  jur 
2tbtoidelung  feiner  bortigen  ©efdjäfte  jurücf  unb  überfiebelte  erft  im  $uni  1562  mit 
feiner  ^"lilie  gänglid)   nad)  Saibad).     2luf  Setreiben   beS  bortigen  33ifd)ofS  ^ßeter   bon 

35  ©eebad)  trafen  jebod)  balb  faiferlid)e  Sefeb^Ie  bom  12.  Stuguft  1562  ein,  %.  nebft  anberen 
ebangelifd)en  ^ßrebigern  (^uritfd^itfd),  ?Öiatfd)t!,  2ulfd;a!,  Stotabej,  ©trabiot)  unb  Sdatt^iaS 
0ombnern  gefänglich  einjujieb^en.  infolge  ioirffamer  23erWenbung  ber  Sanbftänbe  Warb 
biefer  SefebJ  bafnn  abgeänbert,  ba^  ST.  bom  SBtfdjof  betört  Werben  fottte.  ®ieS  gefd)ab, 
am  6.  unb  20.  SDejember  1562,  Wobei  natürlid)  bie  grage  bie  §aubtfad^e  bilbete,  ob  er 

40  SlugSburgifcber  ^onfeffion  fei.  ©leicbjeitig  mit  bem  33erid)te  beS  SBifcfyofS  über  bieS  Ser^ör 
ging  jebod;  ein  anberer  ber  Sanbftänbe  (bom  27  ®ej.  1562)  über  ben  33ifd;of  unb  feine 
unb  anberer  SDomgeiftlicfyen  Unfittlid)leit  an  ben  Äaifer.  Qnfolge  b^ierbon  Warb  bie Unter= 
fud;ung  gegen  %.  eingefteüt,  unb  bagegen  eine  anbere  gegen  ben  3Mfd)of  eingeleitet,  ber 
jebod)  bie  Weiteren  folgen  berfelben  abjuWenben  Wufete. 

45  Ungeb^inbert  fuf)r  %.  nun  in  feinen  organifatorifdjen  arbeiten  fort.  SDie  ©emeinben 
Würben  georbnet,  neue  ©eiftlid)e,  5.  33.  ©ebaftian  kxtl  (1563)  Würben  angefteßt  unb 
ein  ebangelifd^eS  Sanbfc^aftSgbmnafium  unter  ber  Seitung  Seonb^arb  33ubinaS  in  Saibao) 
errichtet  (1563).  Natürlid?  fteKte  fidj  fofort  baS  SebürfniS  einer  flobenifd)en  Slirdjenorb* 
nung  b^erauS,  Welche  %.  aus  ber  Württembergifd)en,  nürnbergifd)en  unb  mecflenburgifcfyert 

so  sufammenftellte  unb  bem  ©ruc!  übergab  (f.  oben  9Zr.  11).  SDiefeS  Unterneltmen  §og  i^m 
aber  ntdjt  allein  in  Württemberg  burd?  ben  übereifrigen  ^an^Ier  %al  Slnbreä  eine  3Ser= 
bäcb^tigung  feiner  Iutb,erifd)en  Sledjtgläubtglett  ju,  bie  er  nur  mit  SfJiü^e  befeitigte,  fonbern 
eS  Warb  aucb.  bie  Seranlaffung  feiner  gänjltcr/en  Verbannung  aus  ^rain. 

Stuf  Slnorbnung  Äaifer  gerbinanbs  liatte  !urj  bor  beffen  ^obe  fein  ©oljm  ©r^erjog 

55  J^arl  bie  Regierung  ber  inneröfterreid)ifd}en  Sänber  übernommen.  2lm  28.  Slbril  1564 
liefe  berfelbe  fidj  in  Saibad;  b^ulbigen.  2tlS  er  am  ©onntag  in  ben  £)om  ^ur  SKeffe  ging, 
begleiteten  if)n  bie  ©tänbe  jWar  bis  jur  Äird)e,  gingen  bann  aber  gur  5ßrebigt  %.§  in 
bie  nahegelegene  @Iifabetb,!ird)e,  unb  lehrten  hierauf  jum  5Dom  jurüd,  bon  Wo  fie  bann 
ben  SanbeSfürften    wieber    l)eimgeleiteten.    3nft>tse    berartiger  Vorgänge   Warb    eS  %.$ 

60  2Biberfad;ern  leicht,  bem  @rgt)ergog  bie  beabfidjtigte  ©infübrung  einer  neuen  5!ird)enorbnung 


Zmbtv  139 

als  einen  ©tngrtff  in  feine  £obeitSrecfyte  bar^ufteßen  unb  Um  $u  bewegen,  nicfyt  allein 
biefe  ^ircfyenorbnung  ju  berbieten,  fonbern  aucb,  %.  als  beren  Urheber  für  immer  auS 
Ärain  ju  berbamten.  W\t  ©nbe  gult  1565  berliefj  biefer  feine  §eimat  abermals  unb 
fab,  btefelbe  nur  nocb,  einmal  bei  einem  ganj  lurjen  33efu$e  1567  Wieber.  @r  r)interlief} 
fcfyeibenb  feine  Sücfyerfammlung  feinem  üßaterlanbe,  Woburcb,  er  bie  erfte  öffentliche  23iblio=  5 
tbef  (mit  3lu§Ietf>en  ber  Sucher  gegen  fd&riftlicfye  Seftätigung  u.  f.  W.)  in  ®rain  grünbete, 
unb  toanbte  ficb,  nact)  Söürttemberg,  Wo  er  juerft  (1565)  $farrer  in  Saufen  am  SJecfar 
unb  bann  (1566)  in  SDerenbingen  bei  Tübingen  warb.  -Jcacfybem  er  als  ©eelforger  unb 
©d)riftfteller  (f.  oben  Rr.  12—24)  nocb,  manches  ©ute  mit  Rat  unb  %$at  bollbracfjt 
batte,  ftarb  fttx  im  @rjte  ber  Reformator  Drains  unb  ©rünber  ber  flobemfcfyen  Sitteratur  10 
am  29.  ^unt  1586. 

I.S  -Jcacbjotger  in  Saibacb,  all  ©uberintenbent  ber  ebangelifcfyen  Sltrcfye  in  ^rain  War 
©ebaft.  $rel,  gebürtig  bon  28ibbacfy,  ein  ©cfyüler  be§  glaciuS  QU^ttcuö  in  $ena  unb 
^HegenSburg.  @r  War  ein  frommer  ftiHer  SJcann,  Welker  (aufjer  einer  beutfcfyen  ©ct)rtft 
ju  ©unften  feinet  SeljrerS)  in  flobemfct/er  ©brache  einen  lleinen  ^atedjnSmuS  für  ben  15 
©cfmlgebraucb,  berfafjte,  einige  Jlircbenlieber  bietete,  unb  ben  üffiinterteü  bon  ©bangen= 
bergS  $oftiüe  ins  ©lobemfdje  überfeine  (gebrudt  ju  RegenSburg  1567),  aber  fc£)on  ju 
2öeifma$ten  1567  an  ber  ©cf)Winbfuc|t  ftarb.  2Bäbrenb  feiner  2lmtSfüfyrung  Warb  (1566) 
ber  fbäter  als  erfter  flobenifcber  ©rammatifer  berühmt  geworbene  2Ibam  33ocf)oritfcb  an 
©teile  beä  benfionierten  Seonljarb  Subina  als  Reftor  ber  SanbfcfyaftSfcf/ule  in  SaiBact)  20 
angeftellt. 

Stuf  ßrel  folgte  (1569)  ßfyriftobb  ©binbler  (geb.  1546  &u  ©öbbingen  in  2i>ürttem= 
berg)  als  ©uberintenbent  ber  ebangelifcfyen  £irct)e  Drains.  SDiefe  Ijatte  bamalS  (2lnfangS 
1570)  bereite  eine  folcfye  2luSbebnung  gewonnen,  bafj  24  beutfdje  unb  Winbtfcfye ^rebiger 
im  Sanbe  angeftellt  Waren  unb  bie  reformatorifcfye  Bewegung  bon  I)ier  auS  ju  ben  Kroaten  25 
unb  anberen  fübflabifcben  ©tämmen  gu  bringen  begann,  <Ero$  äußerer  Unruhen,  33auern= 
aufftänben  unb  SLürlenfämbfen  Wenbete  ficb  ©binblerS  %fy ätigleit  unauSgefe^t  bem  inneren 
2luSbau,  ber  §ebung  ber  ebangelifcfyen  ©eiftlicfyJeit,  ber  Drbnung  ber  älrmenbflege,  ber 
Drganifation  beS  ©dmltoefenS  ju.  ©emeinfam  mit  2tb.  S3oc£)orttfc^  rief  er  eine  Reu= 
geftaltung  ber  SanbfcfyaftSfcbuIe  ins  Seben  (1575).  ©leicbjeitig  aber  begann  ©rjberjog  30 
Üarl  unter  bem  ©influffe  feiner  baierifcben  ©emafylin  unb  feiner  jefuitifcben  Umgebung, 
gegen  bie  frainifcfyen  ^roteftanten  einjufc^reiten.  %voi$  feiner  beftimmten,  ben  Sanbtagen 
mebjfacb,  erteilten  guficfyerungett,  niemanb  um  feines  ©Iauben§befenntniffe§  Willen  ber= 
treiben,  nocb,  unge^ört  berurteilen  ju  Woßen,  lie^  er  bennocb,  (feit  1569)  auf  feinen 
^ammergütern  in  ^rain  ftrenge  SJJa^regeln  gegen  bie  ^roteftanten  ergreifen  unb  beren  35 
^rebiger  berjagen.  Slucb,  beranlafjte  er  in§get)eim  bie  93ifcb,öfe  bon  23rirm,  greifing 
unb  ^ßaren^o  ju  gleichem  23orgeb,en  auf  i|ren  33efi|ungen  in  Ärain  unb  bem  baju 
gehörigen  ^ftrien.  ®ie§  führte  bie  Sanbftänbe  bon  ©teier,  Kärnten,  ®rain  unb  ber  ©raf= 
fcfjaft  ©örj  auf  bem  ©enerallanbtage  in  23rucf  an  ber  5Rur  1578  ju  einem  gemeinfcbaft= 
liefen  ©dritte  beim  ©rjb,  erjoge,  infolge  beffen  biefer  bie  @r!lärung  ab^ab,  bie  broteftan=  40 
tifcb,en  ©tänbe,  aueb,  bie  Sauern,  in  ibjem  ©eWiffen  niebt  befcfyWeren,  nocb,  if)nen  Wegen 
ber  Religion  ba3  geringfte  Seib  jufügen  ju  Wollen,  ficb,  jeboc^)  bie  ReltgionSbiSbofition  in 
ben  (Ianbe§fürftlicf)en)  ©täbten  unb  SRärlten  borjub ehalten,  jeboc§  bie  ebangelifcfyen  ^]re= 
biger  unb  Sefjrer  aus  ©raj,  Saibacb,,  Älagenfurt  unb  Qubenburg  niebt  bertreiben  ju 
toollen.  Übrigens  Weigerte  ficb  bzx  @rjf>erjog  biefe  ©rllärung,  bie  fog.  „Srutfer  9Migion3=  45 
baeififation"  (bom  9.  gebruar  1578),  Welche  überbieS  einer  auSbrücflidjen  33erbflic|tung 
für  bie  Racbfolger  entbehrte,  fcbriftlic^  gu  geben.  ®ie  berfammelten  Sanbftänbe,  Welche 
mit  2luSnabme  beS  geiftlicben  ©tanbeS  unb  2—3  einzelner  SJJitglieber  ficb,  fämtlicb,  gur 
SlugSburgifcben  ^onfeffion  be!annten,  fdjloffen  bab,er  nocb  e'ne  Übereinkunft  ju  gemein= 
famer  Sßerteibigung  unb  ©ntwicfelung  ib^reS  &ircben=  unb  ©cb,ulWefenS  unb  einigten  ficb,  50 
iur  Verausgabe  einer  flobenifcb, en  Sibelüberfe^ung  für  bie  Winbifcb,  e  33ebölferung  in  ^rain, 
Kärnten  unb  ©teiermarf. 

%ro$  ber  bom  (Sr^erjog  fortgefe^ten  llnterbrücfung  beS  broteftantifcb,  en  SefenntniffeS 
in  ben  IanbeSfürftlicb,en  ©täbten  unb  SJcärlten  fcb,ritt  bie  @ntwic!elung  ber  ebangelifci)en 
Sirene  in  Ärain  immer  Weiter  fort.  %üv  baS  neuerWacb,te  geiftige  Seben  beS  SanbeS  batte  55 
ber  Saibacber  Sürger  §anS  ?Öiannel  febon  1575  eine  33ucbbrud"erei  in  Saibacb  erriebtet, 
auS  Welcher  Wäb,renb  ibreS  lurjen  fünfjährigen  ^eftebenS  29  'Drucffcfjriften  (14  beutfeb^e, 
9  flabifdb,e,  6  lateinifebe)  berborgingen,  barunter  (©.  S)almatin)  Jesus  Sirah  1575;  ein 
Catehismus  (1578;  Juritschitsch,  Postilla  Spangenberg  (3.  leite;  ber  erfte  ift  ein 
SBieberabbrud:  ber  Ärelfcben  Überfettung  bon  1567,  f.  ob.);    Ant.  Vramecz,   Kronika  60 


140  Xvnbev 

vezda   1578;    J.  Tullzhak,    Kerfzhanske   leipe   molitve  (£>abermann)    1579,  unb 
mehrere  Werfe  ©eorg  ®almatins. 

©eorg  ©almatin  (fo,  nid)t  ©almata,  fyeifet  fein  Familienname)  mar  um  1546  31t 
©urffelb  in  Untergrabt  in  ärmlichen  Serfyältmffen  geboren  unb  bis  in  fein  18.  JJafyr  in 
5  2lb.  23od)orttfd)'  Sribatfdmle  bafelbft  unterrichtet  toorben.  ©urcf)  SE.s  gürforge  unb  gürfbracfye 
fam  er  nad)  Württemberg  in  bie  ebangelifd)e  Mofterfd)uIe  ju  Sebenfyaufen  bei  Tübingen 
(1565—66),  bann  in  bas  %iffemum  ju  Tübingen  (1566 — 72).  9Rad)bem  er  fidE)  fd)on 
1569  fyier  ben  2Ragtftergrab  erworben  fyatte  unb  1572  in  Stuttgart  examiniert  unb  orbi= 
niert  toorben  mar,   toarb   er  (1572)  Srebiger   in  Saibad),   toobei  er  jugleic^  (1574—85) 

10  bie  ebangelifd)e  ^ircfye  %a  33igaun  in  Dberlrain,  unb  bann  (1585—89)  bie  Pfarrei  ju 
©t.  ßanjian  bei  2tuerstoerg  ju  beforgen  batte.  Seiber  ftarb  er  im  beften  2llter  am 
31.  3luguft  1589  gu  Satbad).  Wie  burcfy  Socljoritfcf)  fbracbjttd),  fo  burcb,  %.  litterarifcfy 
fyerangebilbet  unb  in  bie  Öffentltdjfeit  eingeführt  (f.  oben  bei  %.  ittx.  17),  ift  er  auf  bem 
©ebiete  ber  flobenifcfyen  Sitteratur   beffen   größter  Dfacfyfolger  im   16.  2saf)rl)unbert  unb 

15  barüber  Innaus  getoorben.  2Iufeer  fIobemfd)en  föircfyenliebem  in  %.§  ©efangbud)  (feit 
1574)  gab  er  feinem  Solle:  1.  Passion  (brof.  unb  poet.  bearbeitet)  1576;  2.  Biblia  I 
Oßentateud))  1578;  3.  Salomonove  pripvvisti  (©brücke  ©alomos)  1580,  —  fämtlid) 
in  Saibad)  gebrucft,  unb  1584  bal  §aubttoerl  feines  Sebens:  4.  bie  Überfettung  ber 
ganzen  BJL  ©ct>rift,   unb  ^ugleicb,  5.  eine  neue  (5.)  Stuflage  bes  Mrd)engefangbud)e2>,  unb 

206.  ein  Setbücfytem  toinbifd)  (nad)  2tnbr.  9JcuscuIus;  2.  2Ius>g.  burcfy  geli^ian  %.,  Tübingen 
1595),  leitete  brei  1584  in  Wittenberg  gebrucft.  ©almatins  flobenifcfye  Sibelüberfcimng 
toar  übrigeng  fcfyon  im  ^afyre  1580  boUenbet,  unb  ber  Sucfybrucfer  §.  SRannel  fyatte  im 
felben  $ja|re  bereits  ein  ^robeblatt  berfelben  für  bie  frainifd) en,  I  ärnttfd)en  unb  fteirifd)en 
Sanbftänbe  gebrucft,  ba  berbot  ©r^erjog  $arl  biefen  SDrucf,   liefe  -Kännels  Sucfybrucferei 

25  ftoerren,  unb  Verbannte  biefen  felbft  aus  $rain  unb  allen  feinen  Sänbern.  ®ie  genannten 
Sanbftänbe,  toeld)e  ja  fd)on  1578  gu  Srucf  a.  b.  SRur  bie  Verausgabe  ber  flobenifcfyen 
Sibelüberfeijung  befcfyloffen  Ratten,  liefen  beffenungeadjtet  im  folgenben  I^afyre  (bom 
28.  2luguft  bis  22.  Dft.  1581)  eine  Konferenz  Don  Geologen  unb  Biologen  aus  ü)ren 
Sänbern  jur  9rebifion  berfelben    in  Saibacb,   ^ufammentreten.    ®a3   toicfytigfte  3Jiitglieb 

30  biefer  Serfammlung  näd)ft  bem  Überfeiner  felbft  toar  ber  berühmte  flabifcfje  Slnlolog 
Slbam  Socfyoritfd),  ber  einige  ©djmlmann  neben  ben  übrigen  ©eiftlictjen.  Sodjorttfc!)  toar 
als  Untertan  bes  greifyerrn  §ans  llngnab  in  llnterfteier  (Stann'O  geboren  unb  fyatte 
1546  bie  Uniberfität  Wittenberg  befugt,  too  er  namentlich  SMancfytfyons  ©d)üler  toar. 
§eimge!ebrt  blatte  er  1551  in  feinem  eigenen  §aufe  ju  ©urffelb  an  ber  ©abe  in  Unter= 

35  frain  eine  ©dml=  unb  @rjieb,ungganftalt  gegrünbet,  aus  toeld)er  eben  aud)  ©.  ©almatin, 
fein  berüfymtefter  ©cfyüler  b,  erborgegangen  toar.  IJm  Qafyre  1566  toar  er  als  9teftor  bes 
Sanbfc^afts^^mnafiums  nad)  Satbacf)  berufen  toorben,  too  er  für  bie  gtoetfe  biefer  2lnftalt 
fegensretcb,  toirfte,  aud)  1578  ein  Elementale  Labacense  unb  einen  Donat  brücken 
liefe.    %üx  bie  9tebifion  ber  33ibelüberfe|ung  ©almatinä  erhielt  er  1581  ben  Auftrag,  bie 

40  Stegein  für  bie  richtige  ©djreibtoeifc  ber  flobenifdjen  ©^rad;e  in  lateinifdjen  33ud)ftaben 
ju  enttoerfen,  unb  1583  toarb  er  mit  ©.  SDalmatin  bon  ber  Irainifcfjen  Sanbfd^aft  nacb, 
SBittenberg  gefd)idt,  um  gcmetnfd;aftlicb  mit  bemfelben  bort  ben  ©ruc?  biefer  33ibel  ju 
leiten  unb  ju  übertoad)en,  ber  jum  3teujab,r  1584  beenbigt  tourbe.  Sei  biefer  ©elegenf)eit 
beröffentlid^te   er   feine  berühmte  flobenifcfye  ©rammatif:   Arcticae  horulae  succisivae 

45  de  Latino-Carniolana  literatura,  Wittenberg  1584,  toeldje  nebft  ©almatins  Sibel  bis 
jur  ©egentoart  bie  f!obenifcb,e  ©bracfje  unb  Sitteratur  beeinflufet  ^at.  2Son  2öitten= 
berg  jurüdfgefel^rt,  toarb  Socfioritfd)  SDtitglieb  bes  ebangelifd)en  ©d;ulrats  in  $rain,  aU 
toelcljer  er  nod)  1598  lebte,    ©ein  2!obesjab,r  ift  unbelannt. 

Siocb,    im  3ab,re  1580    Ratten  20  ©eiftlid)e  unb  10  ©djulbiener  in  ^rain  bie  ßon= 

50  forbienformel  unterzeichnet.  SDod;  fehlte  es  an  3Racb,touc^§,  befonbers  an  flobenifd)en  Sre= 
bigern.  ©ie  frainifcfye  Sanbfd)aft  berief  baljer  im  felben  Qafyre  (1580)  geUjian  trüber, 
Srimu§  1.§  jüngeren  ©ob,n,  al§  Srebiger  nacb,  Saibacb,,  ftiftete  1582  brei  ©tibenbien 
für  2:f)eoIogie=©tubierenbe  in  Tübingen,  too  aud;  ber  §erjog  bon  Württemberg  jtoei 
©teilen  im  ^iffemum  für  Irainifcfje  Sanbe§!inber  referbiert  blatte,  unb  berief  besgleic^en 

55  1582  jur  toeiteren  (Enttoicfelung  bes  Sanbfd)afts=@t)mnafutm3  ben  belannten  §umaniften 
9|i!obemus  grifcfylin  al§  dititox  an  bes  alternben  33od)oritfcf)  ©teile.  §ier  berfafete  biefer 
feine  Strigilis  unb  feine  Quaestiones  grammaticae,  toeld)e  er  gegen  feine  2lmtsber= 
bflid}tung  of)ne  ©ene^migung  feiner  Sorgefe^ten  1583  in  Senebig  bei  ©elegenfyeü  einer 
übermäfeig  berlängerten  Serienreife  jum  ®rud'  brachte.    Übertäubt    mod)te   fid)  grifd;Iin 

so  feinen  Sorgefettfen  (unter  benen  fid;  aucf)  fein  faft  gleicfmlteriger  Sanbsmann,  ber  ©uper= 


Sniticr  141 

intcnbcnt  Gfmft.  ©binbler,  Vodtoritfct;  unb  ©almatin  befanben)  nicf/t  gern  unterorbnen, 
unb  berliefj  bafyer  fdwn  1584  Satbacr)  toieber.  SBäfyrenb  feines  Aufenthaltes  in  Urain 
warb  f)ier  (SBeifynacfjten  1583),  mit  geringerer  ©cfytoierigfeit  als  anbertoärtS,  ber  neuber= 
befferte  Äalenber  eingeführt. 

Letten  biefem  regen  inneren  Seben  ber  ebangeltfdjen  ^ircfje  in  $ram  ging  aber  aud)  5 
fort  unb  fort  bie  Verfolgung  ib/rer  Vrebtger  unb  Anhänger  b,er.    ©o  in  ©brj,  2Bibbact;, 
Ärainburg,  SiabmannSborf,   SBifd^ofladE,  ^atfdjacfr,,  SJietlmg,   SRitterburg  (^ftrten),  ©eno= 
fetfd),  S3elbeS  unb  Vigaun.    ©inline  ©eiftlicfye   entgingen  nur   mit  $ot  bem  fcf)toerften 
3cf)icffale;  in  Selbes  fam  eS  ju  bewaffnetem  ©infcfyreiten ;  bie  SanbeSredjte  unb  SanbeS* 
freifyeiten  Würben  toielfacr)  berieft;  bie  auswärtigen  in  Ä'rain  begüterten  Vtfcl)öfe  endogen  10 
ficb,  mit  §ilfe  beS  SanbeSfürften  bem  natürlichen  9?ecf/tSgang ;    bie  althergebrachte,  r/eilig 
befcfytoorenc  Verfaffung  beS  ^»erjogtumS  $rain  Würbe  mannigfacfj  gebrochen  unb  gelodert. 
2Bäb,renb  biefer  traurigen  Vorgänge  ftarb  ©r^erjog  $arl  am  10.  ^uli  1590.   Unter  ber 
Regierung  ber  Vormünber   unb  ©ubernatoren  feines   mtnberjäfyrigen  ©ofmeS,  ©r^erjog 
^erbinanbS  (fbäteren föaifer  $erbinanb  II.),  trat  eine  3eit  größere  9tub,e  unb  Erleichterung  15 
ber  ebangelifcfyen  Äirtfje  in  ®rain  ein,  Wenn  fcf^on  bie  Vebrücfung  nicfjt   ganj   aufhörte. 
211S  aber  ©r^er^og  gerbinanb,  ber  gögling  i>«  ^sefuiten  in  ^ngolftabt,  im  %afyxe  1596 
bottjär)rig  geworben  mar,  unb  bie  SanbeSregierung  übernahm,   begann   baS  unbulbfame 
unb  gewalttbatige  Vorgehen  gegen  bie  Vroteftanten  aufs  neue.    Unter  Vegünftigung  beS 
SanbeSfürften  festen   ficb,  1596  bie  3>efuiten   ju  Saibad)   feft;    ber  ®ombec§ant  StfyomaS  20 
ilreen  (6f>rbn),  ©ob,n   beS  geWefenen  VürgermeifterS   unb  sJtatSljerm   Seonb/arb  Streen, 
eines  Vroteftanten,  ein  Übergetretener  boß  $enegateneiferS,   Warb  am  18.  Dftober  1597 
äum  Vifcljof  bon  Saibacf;  ernannt,  unb  1598  ber  gefügige  Jlatfyolif  ^ofebf)  bon  Stabatta  aus 
©örj  als  SanbeSbicebom  nad)  Rxam  gefdneft.    ©0  Waren  bie  Vorbereitungen   getroffen, 
um  ben  bon  ben  $efuiten  befcf)Ioffenen,  bon  ©r^erjog  gerbinanb  in  Soreto  gelobten  $lan  25 
ber  Ausrottung    beS  VroteftantiSmuS    in  ^rain    auszuführen.    2)er  Abel   beS  SanbeS, 
ebenfo  eifrig  ebangelifcfr,  als  lotjal  unb  treu  gegen  feinen  dürften,  burcfyblicfte  biefe  9tänfe 
nicfyt.    3ioc|  (Snbe  beS  %a§x?$  1594  fyatte  bie  £anbfd£>aft  ben  ^rebiger  geligian  trüber 
jum  ebangelifcfyen  SanbeSfuberintenbenten  gemalt,    unb  1595   burd)  ibm   feines  VaterS 
|interlaffeneÜberfe|ung  bon  Sutl)erS  Vofiille  bruefen  laffen;    im  %af)xt   1597   blatte  fie  30 
ein  neues  §auS  für  ir)re  SanbfcfjaftSfcfiule  gefauft;  gegen  einzelne  ©eWaltfyanblungen  Wie 
bie  Vertreibung    beS  ^rebigerS    M.  $ol).  ©noilfcfyif   im  %ul\   1598    befcfywerte    fie    fiel) 
beim  SanbeSfürften,  natürlich  erfolglos.   Vlieben  bod)  bie  broteftantifcfjen  ©tänbe  faft  bis 
äum  ©cfyluffe  beS  traurigen  ®ramaS   in   ber  naiben  Hoffnung,   burdj  VefcfyWerben  unb 
klagen,  buref)  Vitien  unb  gießen  ein  Vorgehen   aufhalten  ju  fönnen,   Welct/eS  nur   ber  35 
AuSflufj  beS  bom  SanbeSfürften  unb  feinen  jefuitifcfyen  Ratgebern  im  Verborgenen   ge= 
faxten  Vefd)luffeS  mar,  ber  ebangelifcfyen  £trd)e  in  £rain  unb  ben  anberen  inneröfterreic|i= 
fcfyen  Sänbern  um  jeben  VreiS  ein  @nbe  §u  machen.    %xo§  ber  im  ©ebtember  1598  er= 
folgten  Unterbrücfung  ber  ebangelifcb.en  ^irc^e  in  ©teiermarf   traf   eS  bal)er  bie  ^äubter 
berfelben  in  ^rain  bennoeb,  mie  ein  betäubenber  ©onnerfc^lag,   als  r/ier  im  Dftober  beS=  40 
felben  ^jafyreS  baS  ©leiere  erfolgte.    2tm  22.  Dftober   1598   erlief?  ©r^erjog  gerbinanb 
ben  Sefeb,!,  ba|  alle  berjeit  in  Saibacl;  antoefenben  Vrebiger  unb  ©cfjulbiener,  meiere  ber 
2lugSb.  ^onfeffion  ^ugetljan  feien,  angeficfyts  biefeS  Vefef)IS  fieb,  aßeS  weiteren  VrebigenS, 
gungierenS  unb  ©c|ulf;altenS  in   feiner  ib,m  gehörigen  §auj)tftabt  Saibacb,    gänjlicf;   ent= 
galten,  bor  Sonnenuntergang  bie  ©tabt  unb   beren  Vurgfrieben,   unb   innerhalb   breter  45 
2age  alle  feine  Sänber  bei  Verluft  SeibeS  unb  SebenS  bertaffen  foUten.  2tm  29.  Dftober 
1598  traf  ber  Vefefyl   beim  SanbeSb,aubtmann  ©eorg  greib,errn  bon  Senfomitfd),   einem 
bobbelbeutigen  Äat^olifen,  in  Saibad)  ein;   am  1.  sJcobember  1598  begab  fid)  ber  Vifc^of 
Stb^om  Äreen  in  feierlicher  Vrojeffion  in  bie  brot.  ©lifabetpircf^e,   gerri^   bie  b,ier  befinb= 
liefen  ebangelifcf;en  Vüc^er,  serfcb,lug  ben  Saufftein  unb  las  3Jteffe  bafelbft.    2lnftatt  beS  50 
gefc^Ioffenen  broteftantifcfyen  Sanbfcb,aftSgt)mnafiumS  eröffneten  bie  3^"'^n  ifyre  neue  la= 
teintfcE)e  ©cf;ule    ju  Saibacb,.    ©ie    bertriebenen   Vrebiger:    ©uberintenbent   M.  gclijian 
Iruber,  M.  «Nif.  SBuritfcf;,  M.  ®an.  S^lanber,  3Dcarf.  ^umbrec^t  unb  M.  ©eorg  ßlement 
berbargen  fief;  flüchtig   eine  3«i  lang  in  ben  ©cf;löffern  ber  broteftantifcljen  ©belleute  in 
^rain  ober  in  Kroatien.    ®a  aber  tl)re  Verfolgung  unter  2lnbrol;ung  ungeheurer  ©elb=  55 
ftrafen  gegen  ifjre  Vefdjütjer  unb  felbft  unter  Aufbietung   bewaffneter  ©ewalt  fortgefe^t 
tourbe,  ba  auef)  beren  grauen  berbannt,  broteftantifef^e  Veerbigungen   beftraft,   ein   etn= 
gefangener,  fieb^igjä^riger  Vrebiger,  6b,rift.  ©Ube^,  gebunben  auf  baS  ©ctjlojj  Saibad;  ins 
©efängnis  gebraut,   unb  übertäubt  bie  ©egenreformationSma^regeln   immer   mef)r  ber= 
fdjärft  tourben,   toäfyrenb  bie  dürfen  brennenb,   raubenb  unb  morbenb  baS  Sanb,  felbft  no 


142  Srufier 

bt§  in  bie  -föäfye  ber  §aubtftabt,  burc^ftreiften  unb  baju  in  Saibacb,  unb  anberroärtS  bie 
Sßeft  auSbracb,  — :  ba  erft  begriffen  bie  broteftantifcfyen  ©tänbe  ben  ©rnft  ber  Sage  unb 
entließen,  tote  bie  Sefyrer,  fo  aucb,  (im  grübjafyr  1600)  ib,re  bis  bafyin  nocb,  immer  befolbeten 
^ßrebiger.  geligian  trüber  ging  nacb,  SEBürttemberg,  mo  er  Pfarrer  in  ©rüntfyal  mürbe. 
5  ©o  enbete  unter  geli^ian  SEruber  (1598)  bie  ebangelifdjie  $ira;e  in  ®rain,  bie  unter  feinem 
Vater  VrtmuS  trüber  (1561)  ifyren  Sittfang  genommen  I)atte;  beibe,  Vater  unb  ©ofyn, 
ftarben  im  @rjl. 

Quv  Velefyrung  ober  Vertreibung  ber  Vroteftanten  unb  Sertilgung  aller  ©buren  beS 
VroteflantiSmuS  in  $rain  ernannte  ©r^erjog  gerbinanb  im  %afyxt  1600  eine  fog.  9Mi= 

10  gtonSsReformattonSfommiffton  unter  bem  SSorft^  beS  VifdmfS  2b,  omaS  $reen,  melier 
er  eine  HKacfytbollrommenljieit  übertrug,  bie  er  recfytlicfy  felbft  nid^t  befafj.  ©tefelbe  inaugu= 
rierte  tl)re  ^ättgleit  am  29.  SDe^ember  1600  mit  einem  großen  Slutobafe  bon  mefyr  als 
2000  broteftantifcr/en  Supern  auf  bem  SDiarftblaije  in  Saibad),  unb  feiste  biefelbe  Ijter 
unb  im  gangen  Sanbe  mehrere  ^ab,re  Ijnnburcr/  fort.    £>ie   ebangeüfdjen  ®ird)en   mürben 

15  teils  mit  Vulber  jerfbrengt,  teils  berbrannt,  teils  bem  lat^olifd^en  SRttuS  gemeint ;  bie 
griebfyöfe  mürben  mit  gcuer  bermüftet,  bie  ©räber  fyerborragenber  Vroteftanten  unb  ber 
^rebiger  in  ben  $ird)en  aufgeriffen,  bermüftet  unb  bie  borfinblicfyen  ©ebeine  ins  SBaffer 
geworfen.  Vefcfymerben  barüber  blieben  fo  frucf/tloS  als  früher  bie  Sitten.  ®ie  lebenben 
2lnt)änger  beS  ©bangeliumS  mürben  borgelaben,  ©elb=   unb  ©efängniSftrafen  »errängt, 

20  ©igentum  unb  Vefi|  fonfiSjiert,  ober  beren  Vefi|er  berbannt  unb  ber  10.  Pfennig  bon 
ifyrem  Vermögen,  ©rmerbe  unb  @rbe  erhoben.  Von  ben  ©trafgelbern  unb  bem  10.  Pfennig 
mürben  bie  Soften  ber  Äommiffion  beftritten,  unb  mit  bem  Reft  marb  baS  ^efuiten= 
fottegium  in  Saibad)  unterftü|t,  bem  bafyer  bon  1601—1620  mefyr  als  16  000  ©ulben 
juftoffen.  5Reb,rere  lanbeSfürftlicfye  SDefrete  (1600—1602)  Verboten  in  ©teiermarl,  Kärnten 

25  unb  $rain  jebe  SluSübung  ber  ebangelifdjen  Sefyre  in  Äirdjen,  ©cfyulen,  ©djlöffem  unb 
Vrtbatmofymmgen ;  alle  Vrebiger,  Sefyrer,  Vräjebtoren,  ©Treiber  unb  ©cfmlmetfter,  meiere 
nid)t  ber  fatfyoltfd^rö^ifcfyen  Religion  anhängig,  mürben  als  Stufrüfyrer  binnen  8  S£agen 
bei  Verluft  i^rer  fcobt  unb  ©üter,  U)reS  SetbeS  unb  SebenS  aus  aßen  Sänbern  beS  @r^= 
fyer^ogS  berbannt;  ben  nobilitierten  Verfonen,  ben  ebangeltfdjen  Pflegern  unb  ©Treibern, 

30  bürgern  unb  Sauern  ber  ©belleute  marb  befohlen,  latb,  oüfti)  ju  merben  ober  mit  §inter= 
laffung  beS  10.  VfemtigS  auSgutoanbern ;  ber  Ianbftänbifd)e  Slbel  follte  binnen  6  Monaten 
feine  ebangelifcfyen  Veamten  buret)  raifjolifcfye  erfetjen,  in  bie  3Jiagiftrate  unb  ju  SanbeS= 
berorbneten  füllten  nur  $atl)oIifen  gemäht,  bie  2lufnab,me  eines  Verbannten  foßte  an 
Setb  unb  ©ut  geftraft  merben;  ber  MeruS  marb  mit  ber  (Sbiben^altung  ber Veirijtenben 

35  unb  Slnjetge  ber  Unge^orfamen  unb  Renitenten  an  bie  ©erttijtSfyerren  beauftragt,  meiere 
bann  ü)rerfeits  bei  b,ob,er  ©elbftrafe  gegen  bie  ätngejetgten  mit  §aft  unb  ©ütereinjie^ung 
borge^en  foUten.    Rob^e   unb   gemalttb,ätige  2luSfiu)rung   biefer  SRaferegeln  bura>  Unter= 

•  lommiffäre  führte  in  einzelnen  gälten  namentlich  in  Ärainburg,  bis  ju  SanbfriebenSbrua), 
beffen  Verllagung  beim  §ofred)t  ber  @rjf)erjog  jeboeb,  berbot.   ©egen  foIa)e  Singriffe  auf 

40  il)re  alten  berfaffungSmäfeigen  gretfjeiten  richteten  33  Stbelige  beS  SanbeS,  barunter 
SluerSberg,  @gl,  ©aK,  ^a^taner,  Samberg,  SRoSfon,  ^arabeifer,  RaSto,  Rauber,  ©a)et>er, 
©dmiienbaum,  ©emenitfc^),  ©igerSborf,  ^fjurn,  Söaagen,  Söemeä  u.  a.,  im  ©ebtember 
1609  eine  Sorftettung  an  ben  SanbeSb^errn,  natürlich  o^ne  ©rfolg.  @ine  ©efanbtfdjaft 
ber  broteftantifajen  Sanbftänbe  ©teiermarlS,  Kärntens  unb  Drains   an  ben  ^aifer  marb 

45  bom  ©r^erjog  aus  SBten  jurüelberufen  unb  mit  feb,  arfen  Sefc^ulbigungen  unb  Slnbrob,  ungen 
in  ü)re  §eimat  bermiefen. 

SDa  mit  aßebem  bie  ^atfyolifierung  ÄrainS  boeb,  nur  langfam  bormärtS  ging,  begann 
bie  ReformationS=$ommiffton  tE>r  SSerf  mit  neuem  @ifer  1614—18.  2;ro|bem  mürben 
1615  nur  7  Verfonen  jur  römifcb.en  ^iro^e  hdtf) rt.    Ramentlid)  bie  grauen  aller  ©tänbe 

50  seiclmeten  fic^)  bureb,  ©laubenStreue  unb  ©tanbb,aftigfeit  auS;  unerfdjmttert  ertrugen  manche 
bon  ifmen  fogar  möglic^ft  berfcb,ärfteS  ©efängnis,  efye  fie  berbannt  mürben.  ®aS  machte 
felbft  auf  bie  Verfolger  ©inbruef,  fo  bafe  ber  ©r^erjog  imgebruar  1617  ben  ebangelif^en 
grauen,  beren  3Jiänner  latfjolifcb,  maren,  im  Sanbe  ju  bleiben  geftattete.  Rocb,  1621  mar 
ber  VroteftantiSmuS  in  ben  Sllbentälern  DberlrainS  nicb,t  ausgerottet,  aber  natürUa)  fiegte 

55  boeb,  mit  ber  3e^  ^  ©egenreformation  immer  meb,r,  ba  bie  Vroteftanten  nicb,t  blofe 
jebeS  äußeren  ©cfyutjeS,  fonbern  aueb,  jeber  geiftigen  Rafyrung  burd;  Vrebiger  oberVüa^er 
in  ifyrer  flobeniftt^en  ©brache  entbehrten.  Slber  ber  Stbel  beS  SanbeS  ^ielt  noa)  feft  am 
©bangelium;  bis  1626  b,atte  Vifü)of  treen  nur  erft  12  9flitglieber  beSfelben  für  bie 
römtfa)e  Äircb,e  miebergeminnen  lönnen.    ®a  erfolgte  ber  le^te  ©d)Iag.  ©r^erjog  gerbi= 

eonanb,  feit  28.2luguft  1619  Äaifer  gerbinanb  II.,  erliefe  am  31.  Sluguft  1628  ein  ©eneral= 


Xvnbev  SntUamfdje  ©tyuobcn  143 

manbat  für  feine  (Srblänber,  in  toelcbem  er  aßen  unfatbolifcben  Ferren  unb  Sanbleuten, 
aucf)  anberen  abeligen  9J}ann3=  unb  2Beib3berfonen  befahl,  binnen  eine§  %at)xe§  fatbolifd) 
ju  werben  ober  baS  Sanb  ju  räumen.  ®a  jogen  btele  -iÖJitglieber  ber  gamilien  2ti$el= 
Berg,  2lbfaltrer,  @gl,  ©all,  Samberg,  2Jiorbaj;,  9Jto<Sfon,  '»ßarabeifer,  ^etfcbobitfcb,  ©$er;er, 
©cbtoab,  £fcbemembl,  2öaj  u.  a.  au§  ifyrer  irjeimat  in§  @rjl,  meift  nad)  Nürnberg  unb  6 
9iegen£burg ;  anbere  tourben  au§  toeltlict/en  9iüdffid^ten  ober  au§  gurcfyt  bor  ©träfe  Iat£)o= 
(ifcb.  ©iefe  tourben  burd)  9lang  unb  Söürben  belohnt,  für  jene  tarn  naty  unb  nact)  ein 
neuer  Slbel  ins  Sanb.  Unb  trotj  aßebem  fanb  e§  bie  nocfy  befteb,  enbe  9Teligiott<o=9reforma= 
tionSfornmiffion  nocb  im  3M  1642  nötig,  ebangelifcbe  ©belfrauen  unb  Kräutern  aus  ben 
gamilien  2ti>faltrer,  SBarbo,  ©au,  §afiber,  ^ßel^ofer,  üftaumbfcbüffel,  ©cbtoab,  2öerne<f  u.  a.  10 
bor  u)r  Xribunal  ju  laben,  um  fie  %u  befebjen  ober  ju  berbannen.  (Sinjelne  ebangelifcbe 
^erfonen  gab  e3  im  frainifcfyen  9lbel  nocb  in  ber  ^weiten  §älfte  be§  17  ^abr^unberts, 
unb  3jobann  3ßetfJ?arb  §reif)err  bon  33aIbafor  läfjt  in  feiner  1689  erfcfyienenen  berühmten 
(S^rontf  „SDie  @bre  ^rainl"  bei  allem  33emüben  al<§  guter  ^atbolii  ju  erfct)einen  eine 
geroiffe  Vorliebe  für  bie  ebangelifcbe  ^irdje  nict/t  berfennen,  ber  feine  Sorfafyren  feit  mel;r  15 
aU  bunbert  3abren  angehört  Ratten.  Dr.  e^e  -\. 

Xwfopttt,  SDtärt^rer  unb  ©rünber  eine3  berühmten  ®Iofter§  im  33rei§  = 
gau  um  6  0  0.  —    SSgl.  9tett6erg,  KiräKngefd).  2)eutfd)Ianb3  2,  48—50;  griebrid),  $ird)en= 
ge(cl)id)te  ®eutfd)fanb§  2,  1,607—613;  §aucr,  tird)engefd)id)te  $eutfd)[cmb§,  3.  9lufl.  1,  340  f. 
feen  9Serfutf(,  607  als,  JobeSjaljr  ju  ertoeifen,  machten  SBaur  im  gretb.  ^iö^.Mxd).  11,  247  f.  20 
unb  lieber  in  ber  geitfdjrift  ber  ©efettfcljaft  für  SSeförb.  ber  @efd)id)te  oon  g-reiburg  k. 

13,  79  f. 

Unter  Subtoig  bem  frommen  tourben  im  ^afyre  816  bie  Reliquien  %.§  erhoben,  unb 
ein  ÜJieubau  ber  33afilifa  an  ber  ©tätte,  mit  ber  fein  üftame  in  3Serbinbung  gebraut  toar, 
aufgeführt.    ©ie§  ift  bie  ältefte,  unb  toobl  bie  einzig  fixere  ^iacbrkbt,  bie  man  über  it)n  25 
bat.   5teuerbing§  toirb  ba§  %at)x  607  al3  fein  ©terbejafyr  angenommen  —  unter  Berufung 
auf  eine  fbätere  Queße.    ®afs  er  ein  Araber  be3  23aiem=2lboftel§  Hubert  getoefen,  baf$ 
er  nacb,  Italien  gepilgert,  unb  bafj  er  ju  ben  Slbnen  ber  Habsburger  gebore,   toirb  bon 
ber  Segenbe  berietet,  bon  ber  $ritif   aber   bertoorfen;    feine  §er!unft  au§  ^rlanb  toirb 
nitt)t  gerabe  geleugnet.    3113  fein  %obe§tag  würbe  ber  26.  Slbril  feftgefteHt.  —  ®ie  Iegen=  30 
bariftt)e  Seben3befct;reibung  beg  30tärtr;rerg   liegt  in  brei  gaffungen   bor:    1.  toobl   au£ 
3tnla|  ber  obenertoäbnten  ©r^ebung  ber  Reliquien,  alfo  im  Slnfang  be§  9.  ^ab,rbunbert^ 
entftanben,  gebrudt  in  SOJone,  Queßenfammlung  ber  babifdjen  £anbe§gefc^icbte  1,  19—21 
unb  MG  Scr.  rer.  Merov.  IV  ©.  352 ff.;  2.  berfafjt  bon  3lbt  @rcr;enbalb  im  2lnfang 
beg  10.  SabrfmnbertS,  SJlone  ©.  22—26;  bie  britte  1179  (1280)  gefc^rieben,  gebrudt  in  35 
AS  2lbril  III,  424 ff.  Werter  t- 

Sntötttttft^c  ©Jjttobcw,  680.  692.  —  Mansi  XI  @.  189  ff.  unb  921  ff.  «ßgt.  5-  SBalcf), 
ßntourf  einer  ooltft.  §ift.  ber  ßtrc^en«erfammtungen,  Setpsig  1759,  <S.  432 ff.  441  ff.;  berf.,  @nt= 
tnurf  einer  uoHft.  §ift.  ber  te^ereien,  IX,  Seipjig  1780  <S.  317 ff.,  387 ff.,  443 ff.;  ©c^röcEtj, 
m  IX,  474, 508 ff.;  Slugufti,  SDenfinürbtgfetten  au§  ber  dir.  2trd)äot.III,  124 ff.;  31.  sßidjler,  ©efd).  40 
ber  fird)I.  Trennung  gtntfcEien  Orient  unb  Dccibent  (9Jtünd]en  1864),  I,  87  ff.;  |>ergenröt£)er, 
^otiu§,  sßatr.  üon Äonftantinopel  (3tegen§burg  1867),  I,  210 ff., 216 ff.;  §efele,  (£(S  III2  1877 
8.  200  ff. 

StruHanifcbe  ©^noben  b^feen  ^toei  ^ircbenberfammlungen  be§  7.  '^afyxfyun'txxW,  toeld^e 
im  ©efretarium  be§  faiferlicben  ^ßatafteö  ju  ^onftantinobel  gebalten  toorben  finb.  SDiefeg  45 
Sefretarium  —  ein  großer  ©aal  (basilica),  toorin  ber  ©enat  bie  ©jungen  ^>ielt  unb 
manche  befonbere  $eierlidj>leiten  ftattfanben  —  führte  nacb  bem  e§  bebedfenben  obalen 
Subbelgetoölbe  ben  tarnen  xqovXXoq  (tqovMo),  b.  i.  ^ubbel;  baber  bie  Benennung 
jmer  ©t)noben.  $Die  erfte  berfelben,  bie  6.  aßgemeine  ©l;nobe,  tourbe  im  3-  680  bom 
ßaifer  SonftantinuS  ^5ogonatuä  berufen,  ©ie  bebanbelte  in  18  ©jungen  bie  Beilegung  50 
ber  bon  ben  ÜJlonott)eIetert  angeregten  ©treitigteiten ,  bgl.  über  fie  b.  21.  SJtonotbeleten 
Sb  XIII  ©.  409, 12 ff. 

2)ie  6.  allgemeine  ©fynobe  Ejatte  ficb,  auSfcbliepcb  mit  ber  bogmatifcben  Streitfrage 
befcf,äftigt.    3um  Sebuf  ber  Reform  beS  lircblicben  2ebeng  berief  ^uftinian  II.  i.  3.  692 
eine  neue  ©imobe,  bie  toieber  im  Slrußu§  ju  Itonftantinobel  tagte.    ®er  ^aifer  toolltc  65 
fte^al§  ©rgänjung  be3  bor  13  ^abren  gebaltenen  f elften  fotoie  be§  unter  3"fttnian  I- 
ü-j3  ftattgebabten  5.  ö!umenifcb,en  ^onjilö  betraebtet  baben.    ©ie  foßte  mit  U)nen  beiben 


144  Statflatufdje  Sttnoben 

gletct)fam  nur  ein  ^ortgtl  bilben;  baljer  ber  üftame  ovvodog  Tzev&Exrr],  Concilium 
quinisextum.  ©ie  ©tjnobe  ftellte  -jutn  angegebenen  gwecle  102  KanoneS  auf,  bie 
meift  fcfyon  beftefyenbe  Seftimmungen  nunmehr  für  gefe|lidje  Kircfyenorbnungen  erflärten, 
gum  ieil  aud)  ältere  Kanone^  nur  roieberbolten.  33on  biefen  Kanone^  erregte  eine  2ln= 
5  ga^I  2lnftofj  in  9fom.  ©abei  fommen  befonbers  folgenbe  in  33etrad)t:  1.  Kanon  2,  ber 
85  aboftolifdje  KanoneS  fanltionierte,  toä^renb  bie  rbmifcf/e  Kircfye  nur  bie  50  anerkannte, 
bie  ©ionr/ftu?  ©rjguus  inä  £ateinifd)e  überfe^t  unb  in  feine  ©ammlung  aufgenommen 
r/atte  (f.  33b  I  ©.  738, 54  ff.).  2luf$erbem  fanftionierte  bie  ©tynobe  bie  Kanones  ber 
Kird)enberfammlungen  bon  9iicäa,   Slncfyra,   9ceucäfarea,   ©angra,  Shttiodjrien,  Saobicea, 

10  Konftantinobel  (bon  381  unb  394),  @br/efu§,  Gfyaleebon,  ©arbica  unb  ßartljago,  ferner 
bie  Kanone3  ber  Kircfyenler/rer  ©ionr/s'  unb  $etru§  bon  Sllejanbrien,  ©regoriu§  ^auma= 
turgu§,  2ltr/anafiu»,  aSafiliug  be§  ©rofjen,  ©regor  bon  ^ffa  unb  ^iajianj,  2lm^tIod^iu§ 
Don  ^conium,  %imotI)eus',  ^eotofyilnS  unb  6r;rillu<§  bon  2tleranbrien,  ©ennabiuS  bon 
Konftantinobel,  Sfybrian  fomie  be§  bon  biefem  gehaltenen  Konzils,    ©ie  abenblänbifcf/en 

iB  ©fynoben  faft  fämtlid)  unb  alle  SSerorbmmgen  ber  römifd)en  Sifc^öfe  mürben  bemnacb, 
ignoriert.  2.  Kanon  13,  ber  mit  SejieEmng  auf  9Jtt  19,  6 ;  1  Ko  7,  27  unb  §br  13,  4 
unb  can.  ap.  6  unter  au3brücHid)er  2tbleb,nung  ber  rbmifctyen  ©eroolmfyeit  bie  ?ßrtefter= 
ef)e  geftattet;  nur  bie  Umgebung  einer  groeitert  @I)e  unb  bie  @b,e  mit  einer  Söitroe  (nad) 
Kanon  3),   bie  Verheiratung   nacb,    ber  Drbination   (Kanon  6)  unb  bie  gortfetjung  be§ 

20  efyelicfyen  Sebeng  bon  33ifcf;öfen  (Kanon  12)  bleiben  berboten.  3.  .Kanon  36,  ber  bem 
Patriarchen  bon  Konftantinobel  ben  9fang  jwar  nad)  bem  ^abfte  anroeift,  it>n  aber  an 
iSRafyt  unb  $üße  ber  ^ßribilegien  biefem  gleichstellt,  meil  Konftantinobel  bie  gtoeite  §aubt= 
ftabt  ber  2Belt  fei.  ©ie  ©r/nobe  beruft  fid)  für  biefe  ©leidjfteßung  auf  frühere  33efd)lüffe 
öfumenifdjer  ©rmoben,  namentlich  auf  Kanon  3  bes  Konftantinobolitanum  bom  £$.  381 

25  foroie  auf  Kanon  28  bes  ßfwlcebonenfe.  4.  Kanon  55,  ber  bas>  bon  jefyer  in  ber  morgen* 
länbifc^en  Kirche  berbotene,  in  ^tom  aber  übliche  gaften  an  ben  ©amstagen  ber  Quabra= 
gefima  nad)  can.  ap.  66  bon  neuem  unterfagt.  5.  Kanon  67,  ber  ben  ©enujj  bon 
ÜBIut  unb  ©rfticftem  unter  jeber  Sebingung  berbietet;  benn  ba§  SBIut  fei  bie  ©eele,  unb 
roer  es  genieße,   berjefyre  bie  ©eele.    6.  Kanon  82,  ber  ben  ©ebraud)  gelbiffer  £amms= 

30  bilber  bon  ßbjifto  unterfagt,  befonber§  ber  ©arftellungen  bes>  Sammes  mit  bem  auf  ba§= 
felbe  ^injeigenben  ^ofyaiweS  i>em  Käufer  {a/xvbg  damvlcp  xov  jiqoöqojuov  deixvv- 
/nevog. 

®ie  Segaten  be§  ^$abfte§  ©ergiu§  I.  erflärten  fidj  ^roar  buro)  Unterfc^rift  für  bie 
2tnnab,me  ber  aufgefteßten  Kanone^  (Lib.  pont.  V.  Serg.  ©.211:    In  quo  et  legati 

35  sedis  apostolicae  convenerant  et  decepti  subscripserant  —  e<§  b,anbelt  fid)  alfo 
nid)t  um  bie  ftänbigen  bäbftlic^en  3lbofrifiarier,  §efele  ©.  344,  fonbern  um  eigene  ^ur 
©imobe  abgefanbte  Segaten).  2lKein  ©ergiu§  felbft  fab,  ficb^  burcb,  bie  angeführten  Se= 
ftimmungen  tief  berieft.  @§  entging  ib,m  nic^t,  bafe  burcb,  biefelben  bie  Slutorität  5Romi, 
roelcf/e  in  ber  erften  ^ruEanifcb.en  ©tynobe   einen  bebeutenben   Sriumbb,    gefeiert   fyatte, 

40  toieber  geminbert  unb  baralfyfiert  tberben  foEte.  31I§  3",^"^"  ^ü  Unterfc^rift  ber  33e= 
fcb,lüffe  bon  ifym  forberte,  lehnte  er  fie  ah  unb  berroarf  biebne^r  bie  Kanone§  ber  Konft. 
©tjnobe  mit  aller  ©ntfdjiebentjett  unb  geftig!ett.  ©er  Kaifer  beftanb  auf  feinem  3Ser= 
langen  unb  ioar  im  Segriffe,  bie  Stnnafyme  mittelft  getoaltfamer  Überführung  nad)  Kon= 
ftantinobel  ju  ergingen,  al§  eine  ©mbörung  in  Sftom  au§braa),   roelcbe  bie  3luöfüb,rung 

45be3  fcb,on  erteilten  33cfe^I§  unmöglicb,  macf/te.  (Vit.  Serg.  ©.211  ff.)  Unter  ^ofjann  VII. 
705—707  erneuerten  fidi  bie  SSer^anblungen.  9tun  fcl)ic!te  gwf^ian  jtoei  ^etroboliten 
nad)  Diom  mit  ber  Slufforberung,  ber  ^ßabft  foKe  auf  einer  römtfct/en  ©^nobe,  mal  er 
billige,  anerkennen,  toaö  er  ablehne,  für  nichtig  erüären.  2lber  ^o^nn  roagte  nid)t,  bon 
biefer  bebenflic^en  grei^eit  ©ebraud)  ju  machen:  er  fanbte  bie  S3efa)lüffe  unrebibiert  nad) 

50  Konftantinobel  jurücl  (V    Joh.  ©.  220). 

2lucb,  fbäter  lam  es  meber  ju  einer  Ilaren  2lbleb,nung  nocb,  ju  einer  borbe^a!t= 
lofen  2tnnab,me  ber  truEantfcben  Kanones.  §abrian  I.  fbrad)  785,  als  billigte  er  fie  (23f. 
an  2;arafiu§  MSL  96  ©.  1235);  aber  ^ofann  VIII.  872—882  gog  fid;  ibieber  auf 
bie  borfid}tige  ©rflärung   jurüc!,    er   ner/me    bon   ben   truHamfcf/en  Kanone§  biejenigen 

55  nidbt  an,  quae  prioribus  canonibus  vel  decretis  sanctorum  sedis  huius  ponti- 
ficum  aut  certe  bonis  moribus  inveniuntur  adversae  (Mansi  XII  ©.  982).  Qm 
einzelnen  genannt  b,at  aucb;  er  bie  ab^ule^nenben  33efcb,Iüffe  ntcbt. 

©ie  ©rieben  b,aben  fie  ftets  als  giltige  Sefc^lüffe  einer  allgemeinen  ©bnobe  be= 
trautet,  ©er  1. Kanon  ber  2.  niccmifdjen  ©tjnobe  bon  787  ift  bierfür  bemeifenb  (Mansi  XIII 

60  ©.  748).  ftcubetfer  f  (^ourf). 


£rljgo))l)oruS  145 

£ttjgoj)fnmt§  (£>cfcntreger),  $o£)anne<§,  Walbcdifd;er  Reformator,  geft. 
1542.  —  diellen:  ®ie  biogvapbjfdjen  Mitteilungen  in  ben  Denfnmvbigfeiten  feine*  Got)ne§ 
gcmaÄ  ({janbfctmftltdj  in  ber  93ibIiou)ef  be§  ©efc£)id)t§Oerein§  für  SBalbecf  unb  Sßln'ntont  in 
troffen)  unb  feine  nteift  ungebrurften  Schriften,  beren  SSorfjanbenfein  id)  in  bem  anäufiu)reu= 
ben  53ud)e  nadjgetuiefen  fyabz.  Ein  Seil  ber  Ittterarifcfjen  £)tnterlaffenfd)aft  ift  üerloren  ge=  5 
iiangen.  —  8-  «gl-  3>tctor  ©djulfce,  28albecftfdje  D?eformatton§gefd)td)te,  Seidig  1903;  baut 
3.W®  1907,  @.  60  ff. 

©cbon  früf)   erreichten   bie  ©ebanfen  SutfyerS  bie   ©raffdjaft  Söalbedt,  fei   eS   auf 
Ittterarifd^em  üffiege,    fei   e§  burd)  mittelbare  ober  unmittelbare  ©inWirfung  ber  reforma= 
torifd)ert  ^Bewegungen  in  ben  Racfybarlänbern  Reffen  unb  Söeftfalen.     ©c|on  bor  1520  io 
treten  einzelne  ©etftlicbe  alä  Präger  ber  neuen  religiöf en  Qbeen,  Wenn  aua)  nocl)  nid)t  in 
boller  2lu§brägung,   fyerbor.    $nbe3   erft  burd;  ba<§  Eingreifen   ber  Sanbe^tjerren  erhielt 
bie  ßntmicielung  eine  beftimmte  Richtung  unb  einen  fdmetleren  ©ang.    25er  jugenblidje, 
aber  Weitfidjitige  unb  tfyatfräftige  ©raf  ^ßbjlibb  IV.,   ber  in   ben  füblicfyen  £anbe»teilen 
berrfcbte,  fefyrte  Dom  Reicr)§tage  ju  SÜBorms»   al<5   entfcfytoffener  Slnfyänger  2utl)er3   jurücf.  15 
tytylxpp  III.,  bem  ba<§  nörblic|e  ©ebiet  eigen  mar,  fcbeint  bor  altem  burd)  ben  ©tnflufj 
fetner   ^Wetten   ©emabiin   Stnna  b.  ©lebe,   einer  ©cf)Wefter   ber  Kurfürftin  ©ibtytle  bon 
©atftfen,  in  ber  lutfjerifcfeen  2et>re  geförbert   ^u  fein.    3)urd>   ba§   ganje  £anb   tnnburd) 
erfolgten,  junäct)ft  nocb  mit  einer  gewiffen  ©cfyonung,  2Jcafjregeln  im  ©inne   ber  Refor= 
mation.  ©ocb,  es>  beburfte,  um  ba§  letjte  ftid,  bie  böllige  (Einführung  ber  ©raffcbaft  in  bie  20 
Reformation,  ju  erreid)en,  eines  Geologen,  ber  mit  flarer  ©rfenntniä  unb  feftem  9BtHen 
bie  (Babi  ber  Örganifation  berbanb.    SDiefer  Rcann  fanb  ftd)  in  ^o^anneö  Xrr/gobf)oru3. 

$of)ann  £>efentreger  (gräjifiert  Xrtygopfy  oru§)  ift  1497  in  ber  am  2tu§gange  ber  ©ber 
au§  Walbedifcfyem  ©ebiete  gelegenen,  gefcbjcbtlicl)  mit  S3onifatiu§  berlnübften  ©tabt  grujlar 
geboren.    3)ie  frommen  (Eltern   beftimmten   it>n  bem   geiftlicfyen  ©tanbe,    Wie  aud)  jWei  25 
©cbWeftem  in  ein  Senebiftinerinnenllofter  eintraten.    Qm  3<*I)r  1516  begog  er  bie  Üni= 
berfität  ©rfurt  unb  erwarb  f)ier  1517  ba3  bb,  tlofobb,ifd;e  Saccalaureat.  Qm  ^alire  1521  jum 
^riefter  geweift,  Wirb  er  33eid)tiger  ber  Sluguftinerinnen  in  feiner  äkterftabt.  §ier  erfaßt 
il)n  bie  auct)  nac&  gritjlar  borgebrungene  neue  JBertünbigung.    ©r  erlennt  ben  Saturn, 
in  bem  er   bt§t)er  getoanbelt,   unb   bem  9Rafje  ber  Eingabe    an    ba§  ©bangelium  ent=  30 
fbrecbenb  wirb  ber  „bäbftlicbe  Xrug"  für  ifyn   ein  ©egenftanb   be§  £affeso.    Pontificias 
fraudes  non  tarn  novisse  quam  odisse  coepit,  berichtet   fein  ©otm.    Run   brebigt 
er  ba3  (gbangelium  unb  nimmt  Wie  Sutfyer   eine  Rönne  aU  @l)eWeib.     ®ie  golge   ift, 
bafe  er  bie  ©tabt  berlaffen  mufc.     Räubern  er  eine  3«'t  ^"3  mit  Sßeib  unb  Minb  um= 
fyergeirrt,   berufen   it>n   bie  beiben  ©rafen  burd)   einen  gemetnfamen  2Ht   auf  Anregung  35 
$b,ilibb^  IV    als>  Pfarrer  be§  ©täbtd;enä  Sßalbed.    @s>  War  eine   Heine  ©emeinbe  unb 
ein  abgefdüebener  Drt.    ©ein  fd)öbferifd)er  ©rang  tritt  fd)on  fjter  fyerbor.    ^n  2Balbed 
entftanb  1529  eine  ^onfirmation§orbnung,  jeitlid)  bie  erfte  unter  ben  btefyer  befannten,  in 
toeld)er  tiefe  religiöfe  @rfenntni§  unb  ernfte  Seben^auffaffung  ben  fd)önften  EuSbrud  ge= 
funben  ^aben  (nad)  ber   eigenfwnbigen  Rieberfd;rift  §efentreger§  bon   mir  beroff entliefe,  1 40 
unb  getoertet  in  ber  Rf£  1900,  ©.  233 ff.;  baju  3lcbelig  ebenbaf.  ©.  423 ff.  mit  anberer 
Beurteilung  unb  meine  ©rtoiberung  ©.  586  ff.). 

Sie  Berufung  nad)  SSilbungen  1531,  ber  geiftig  angeregteften  ©tabt  be^o  £anbe§ 
unb  Refibenj  ^b,ilibb§  IV.,  füb,rt  ib,n  auf  bie  |)öb,e.  %tyt  beginnt  feine  bebeutfame 
S^ätigfett  al§  Drganifator  ber  malbedifcben  Reformation§lird)e.  ©ie  tird)licben  Rcafe=  45 
nahmen  ber  Sanbest/erren  Wurzeln  bireft  ober  inbire!t  in  feiner  ^nitiatibe.  Sin  ben  3Sifi= 
tationen  ift  er  afö  ftänbige^  SJUtglieb  unb  al§  ber  eigentliche  güf;rer  beteiligt.  Sluf  ib^n 
gelten  bie  Söilbunger  ©ä^e  bom  25.  Stuguft  1539  jurüd,  tueldje  beftimmt.  Waren,  bor= 
läufig  eine  Äirdjenorbnung  ^u  erfe^en.  daneben  t)at  er  eine,  in  feiner  Rieberfcfyrift  nod) 
bor^anbene  Äultu^orbnung  aufgearbeitet  (meine  Walb.  Ref.=©efd>.  ©.  195  f.),  ber  eine  0» 
bortrefflidje  UnterWeifung  im  ^ated)i§mugunterricbt  angegliebert  ift  (©.  278 ff.).  ®ie 
^irdienorbnung  bom  Salre  1556  W  einen  grofeen  SEeil  beö  3nb,alte§  übernommen. 
2lua)  im  Hird;cnliebe  bat  fid;  £efcntreger  berfuebt  (©.  286).  (Sr  berfafjte  ferner  für  ben 
©ebraud;  im  ©otteöbienfte  ein  Slntib^onar  (bgl.  (5.  ßur|e,  ©efd)id)te  beg  ebangelifcb.en 
Äircbengefangeö  unb  ber  ebangelifd)en  ©efangbücfeer  in  bem  gürftentum  SBalbed,  Slrolfen  65 
1853,  ©.  18  ff.),  ©eine  „§au#tafel"  ^eigt  i^n  aU  Tlann  braltifa)er  ©rfaljrung  unb 
religiöfen  @rnfte§.  ©in  bon  6.  6ur|e  unter  bem  Xitel  „®er  ältefte  Walbedifd)e  ®ated;i3= 
ntu§  bon  ^ob,anneö  2rl;gobb,orug"  beröffentlid>teg  ©d)riftftüd  (Seiträge  jur  ©efa)icbte  ber 
gürftentümer  SBalbed  unb  «pbrmont  1861,  ©.  308—316)  ift  bielmef)r,  Wie  ßnofe 
(§alte  ft>a$  bu  fyaft  1900,  ©.  215  ff.)   nadigeWiefen   t)at,   ein  Konglomerat   berfa)iebener,  m 

illeal=*ncQClopäbte  für  £f)eotogte  unb  fttrebt.    3.  81.  XX.  ]  (I 


146  £rt)rjopljoruS  Sud) 

innerlich  nid^t  zufammengebörenber  ©tüde.    freilief)    finb   bamit  äffe  SHätfcl   biefe?  nicb,t 
untbid)tigen  2:er,te?  noeb.  nid)t  gelöft. 

©d>on  barau?  gefyt  fyerbor,  baf?  £efentreger?  eigentliche  Begabung  unb  Neigung  auf 
bie  Drganifation  ging,  ©arauf  fam  e?  aber  aud)  bamal?  in  erfter  Sinie  an.  ®enn  al? 
5  religiöfe  unb  ifyeotogifdje  Autorität  erfannte  man  näcf/ft  ber  bj.  ©d)rift  Sutfyer  unb 
Wldanü)tf)on  an.  33on  Einfang  E>er  I?at  bie  junge  roalbedifcfye  Sanbesfirc^e  lutfyerifcben 
%\)pü§  unb  fyielt  biefen  aud)  in  ber  golge  feft.  £ier  gab  e?  fein  ©cfyroanfen ;  calbinifttfd;e 
Regungen  rourben  fcfyroff  abgeliefert. 

§efentreger  befaß   ein  befonber?   feine?  Iiturgifd)e§  ©mbfmben.    ©eine  liturgifdjen 

10  ©ebete  gehören  in  Beziehung  auf  S£iefe,  Qnnigfett  unb  ©brad)e  ju  ben  beften  ifyrer  2lrt 
im  3fteformation?jar/rb,unbert  (einige  groben  roalb.  9tef.=©efc^.  ©.  449  ff.).  2llle?  griff 
er  mit  großem  (Srnfte  an.  ©ab/inter  ftanb  ein  ftarfer,  oft  leibenfdjiaftlidjer  Söiße.  &ie= 
felbe  innere  ©ntfcbjoffenfyeit,  mit  melier  er  ba?  ©bangeltum  ftd)  ju  eigen  gemacht  blatte 
unb  gegen  ^abiften  unb  ©eftierer  al?  einen  f  oftbaren  ©et) a£  b/ütete,  fyielt  ifm,  aud)  unter 

15  barten  förderlichen  Sefdiiberbcn,  aufredet  in  ben  mannigfachen  Hemmungen  unb  ^on= 
fliften,  bie  in  einer  fo  bebeutfamen  Umtoäljung  naturgemäß  ftd)  cinftellen.  2tu?  feinem, 
in  ben  3<%en  1537—1542  niebergefet/riebenen  ^Eefiament  leuchtet  ba?  Bilb  be?  außer= 
geibör/nlidjen,  mit  ber  gangen  ©lut  feiner  ©eele  bem  ©bangelium  jugettjanen  unb 
bon  ber  ganzen  §errlid}feit  feine?  IJnfyaltc?  erfüllten  SRanne?   eigenartig  unb   einbrud?= 

20  boll  fjerbor  (nacb,  ber  9iicberfd)rift  feine?  ©ofme?  mitgeteilt  bon  mir  in  ber  SRfg  1899, 
©.  658  ff.). 

(Srfi  45  ^ab,re  alt,  ftarb  er  am  3.  ^uni  1542,  umgeben  bon  ben  ©einen,  beren  einer, 
fein  ©obn  Qona?  un?  bie  ergreifenben  Slugenblide  feine?  ©terben?  aufgezeichnet  fyat 
(roalb.  sJtef.=©efcb,.  ©.  130  f.).     ©ein  ©rab  in  ber  ©tabtfird;c  ift  gcgenlbärtig  ntct)t  mebj 

25  nacbjuroeifen.  2Bob/I  aber  ift  nod)  eine  E>öl^evrte  ©ebäcf/tni?tafcl  mit  einer  Ignfd)rift  bor= 
r/anben,  bie  auf  feinen  Tiact/folger  3°^  ^bd  jurüd'geb,t  (bgl.  bie  Befcbreibung  bureb, 
21.  Sudeler,  in  ben  ,,©efcf;id)t?blättera  für  2Mbed  u.  $r,rmont"  3.  S3b,  1903,  ©.73 ff.). 
©raf  Söolrab  IL  gu  Söalbed,  ber  ©olm  be?  oben  genannten  ^3f)ilibb?  III.,  ber  §efen= 
treger  berfönlid)  fannte  unb  al?  Berater  unb  Reifer  in  f ird)Iicb,  en  Stngelegenb,  eiten  gebrauchte, 

30  urteilte  balb  nad)  feinem  %obe  über  iljn  in  einem  Briefe:  „®a?  muß  jeber  jugeben,  baß 
er  ber  einzige  geloefen  ift,  ber  in  biefer  ©raffdjaft  ben  ©cb,mui3  be?  bäbftlidjen  ^ultu? 
Zu  befeitigen  gemagt  f;at,  inbem  er  an  ben  ®rolmngcn  unb  bem  £ot)n  gottlofcr  £eute 
mit  taubm  Dfyrcn  borüberzog  roie  Dbt/ffeu?  an  ben  ©irenen.  ©id;  ftüljenb  auf  ba?  f>etl= 
bringenbe  2öort  ©otte?  allein  al?  ben  fefteften  §alt,  §  bat  er  biefe  $ird;en  faft  bon  bem 

35  ganzen  Unrat  be?  ©ö^enbienfte?  unb  menfcfylicfyer  Überlieferungen  gereinigt"  SDiefe 
SBorte  greifen  etwa?  fyod;,  treffen  aber  im  ©runbe  ben  ilern. 

Stn  £anbe?teile  üföolrab?  b,at  bernad)  ber  ©ol;n  £cfentreger?,  ^ona?,  mit  "Sicd)t  eine 
einflußreiche  ©tellung  innegehabt.  (Sr  War  ein  SRann  bon  feinem  firdjlic^en  SScrftänbni? 
unb  braftifebem  ©inn,  boeb  festen  if>m  ber  roeite  33lid  unb   bie   burd)grcifenbe  2lrt  be? 

4o35ater?  (tealb.  3"ief.=©efd).  ©.  322  ff.).  Victor  St^ulljc. 

S:fd)cd)cn,  Übertritt  §nnt  Gljriflciitum  f.  bie  Slrt.  2Ben^eI  b.  §.  unb  Slbalbert 
bon  ^rag  33b  I  ©.  153 f. 

Xud),  griebrid),  geft.  1867.  —  9h)fiel  in  bev  ßt^BS  1S8U,  @.  169 ff.;  ©iegfrieb  in 
b.  ?lb83  38.  m,  ©.754  ff. 

45  gr.  %ud)  rourbe  am  17.  SDe^cmber  1806  in  Öueblinburg  geboren,  befugte  ba?  ba= 
mal?  unter  ÜMtor  Slraft?  Seitung  fteb,enbc  ©timnafium  ju  9forbf)aufen  unb  be^og  1825 
bie  Uniberfität  §allc,  um  fyier  tbeologifd)en  unb  orientaIifd;en  ©tubien  obzuliegen,  ju 
benen  if)rt  ©efeniu?,  ber  Dleubegrünber  ber  b,ebräifcb,en  ©rammatif  unb  Sejifograbl)ie, 
anregte.    ®ocf)  trat  er  aueb,  ju  §.  ©roalb  in  nähere,  für  tr)rt  bon  tief  eingreifenbem  @in= 

50  fluffe  geroorbene  Beziehungen ;  befonber?  fyat  er  fidt)  aud)  nod)  fbäter  in  feinen  5ßorlefungen 
über  l>ebräifcbe  ©rammatif  eng  an  ©roalb  angefd)Ioffen.  ^m  ^ab,re  1829  %u  §aße  zum 
3)oftor  ber  ^bi^fof fyie  bromobiert,  habilitierte  er  fid)  1830  bafelbft  in  ber  bbilofobbjfdjen 
gafultät  bureb  eine  fritifd^e  §erau?gabe  be?  arabifcb,en  ^e^te?  ber  einen  %t\l  ber  ©eo= 
grabble  Slbulfeba?  bilbenben  „Sefcbreibung  9)iefobotamien?  z»ifd)en  ©ubbrat  unb  Sigri?", 

55  zu  reeller  trjm  (Sroalb  nacb,  feinen  ©geerbten  au§  bem  ©öttinger  Roüoc  jene?  2ikrfc? 
be?  berühmten  arabifcb,en  ©eograbften  unb  §iftorifer?  Beiträge  lieferte,  ©eine  33or= 
lefungen  erftredten  fieb,  z11"0^^  ü^cr  ba?  §ebräifcb,c  unb  bie  berroanbten  femitifd)en 
©brachen,  fbäter  aud)  über  alle  auf  ba?  2KL  bezüglichen  ©i?ziölinen.  1838  crfd)ien  fein 
§aubtroerf,  ber  Kommentar  über  bie  ©enefi?,   eine  in  mcbrfad;er  ^infidit  babnbrcd;cnbc 


Xud)  147 

3lrbcit.  sJ?acr;bcm  er  bon  ber  Uniberfität  güricb,  jum  Sijentiatcn  ber  Geologie  ernannt 
loorben  mar  unb  fobann  in  §alle  eine  aufserorbentlicfye  ^rofeffur  erhalten  I)atte,  folgte  er 
1841  einem  3lufe  an  bie  Seidiger  Uniberfität.  gtoei  ^afyre  fbäier,  1843,  rücfte  er  in  eine 
orbentlidje  s;profeffur  ein,  nacfybem  ifym  lurj  jubor  bie  tEjeoIogifc^c  $aiuliät  ber  Uniberfität 
Tübingen  bie  tf)eologifd)e  ®oftorioürbe  berliefyen  b/atte.  Unter  feinen  SBorlefungen,  bie  5 
fieb,  eines  grofjen  gufbrucb/S  erfreuten,  toaren,  entfbrecfyenb  ben  miffenfcb^ftlicfjen  Neigungen 
1ucf/S,  befonberS  bie  über  ©eograbfyie  ^aläftmaS,  über  fyebräifcfye  ©rammatif  unb  über 
baS  Sucb,  ftiob  beliebt.  @in  TOeifter  ber  $orm  unb  in  feltencm  Stftafce  mit  ber  ®abe 
lebhafter  Mitteilung  auSgerüftet,  ioufste  er  feine  gubbrer  nid)t  nur  momentan  ;ju  feffeln, 
fonbern  aueb,  bauernb  anzuregen  unb  für  ein  eingefyenbereS  ©tubium  beS  21SS  ju  be=  io 
geiftern,  mie  biele  banfbare  (Schüler  SucfyS  bem  Unterzeichneten  bezeugt  §aben.  ©eine 
ü8erbienfte  um  bie  tr/eologtfcfye  Söiffenfcfyaft  unb  um  bie  ®ircf;e  ©adjfenS  mürben  bon 
ber  Regierung  burd)  bie  Skrleifyung  beS  Titels  eines  !gl.  fäcfyfifdjen  ^ircljenräiS  an= 
erfannt.  2luc|  b/atte  er  bereits  1853  mit  ber  britten  $rofeffur  baS  ^anonifat  im  ©tiftc 
3eifc  erlangt  unb  mar  einige  Qafnx  fbäter  in  bie  erfte  ^rofeffur  eingerückt.  @r  ftarb  naef)  ig 
längerem  Seiben  am  12.  Slbril  1867 

3Me  Heineren  2lbl)anblungen,  meiere  Sud)  aufjer  feinem  ©enefiSfommentare,  jumeift 
als  Seidiger  UniberfitätSbrogramme,  Veröffentlicht  fyat,  verfallen  in  folcfye  fbracfylicb/en  unb 
geograbbifeben  ^nfyalteS.  3U  om  erfteren  gehört  baS  ^ftngftbrogramm  Dom  $ar)rel854: 
De  Aethiopicae  linguae  sonorum  proprietatibus  quibusdam  Commentatio  (4°  20 
22  2.),  meld/eS  über  bie  u^altigen  $eb/l=  unb  ©aumenlaute  ber  ätb/iobifeb/en  ©bracb/e 
banbelt,  unb  ein  anbereS  Programm  aus  bemfelben  ^afyre  über  ein  älmltcb/eS,  im  Sitel 
bejeicfyneteS  ib/ma:  De  Aethiopicae  linguae  sonorum  sibilantium  natura  et  usu 
Commentatio  (4°  12  ©.);  ferner  baS  SieformationSfeftprogramm  Don  1849,  melcb/eS  bie 
fr/rifd)c  $entateud/b/anbfd)rift  ber  Seidiger  UmberfitätSbibliotb/ei'  (Codex  Tischendorfianus  25 
XIII,  nicf)t  jünger  als  aus  bem  10.  ^afyrr/unbert),  bie  baS  ©tüd  ©en  50,  7  big  @r.  18,  9 
(erjl.  @r.  8,  22—10, 19)  enthält,  jutn  ©egenftanbe  b,at.  ®em  (Gebiete  ber  femitifd)en 
©bigrabb/il;  jugefyörenb  unb  megen  ber  ©igenart  ber  bef/anbelien  ^nfc^riften  auf  bem 
©renjgebiete  3mifcb/en  ©bract/forfeb/ung  unb  ©eograbb/te  fieb,  betoegenb  ift  ber  2Iuffai$  über 
„ßinunbjtoanjig  ftnaitifeb/e  £mfcb/rtften.  33erfucb/  einer  ©rflärung"  (juerft  in  ber  ßbm©  30 
33b  III  ©.  129—215;  aud?  febarat  erfeb/ienen,  Seidig  1849,  8°  87  ©.),  in  welchem  %u<fy 
ben  ^iacr/toeiS  ju  führen  fueb/te,  bafj  ber  £)ialelt  jener  ^nfetyriften  ein  rein  arabifcfyer  fei, 
meSfyalb  i^re  $ßerfaffer  2lngeb/örige  ber  atabtfdjen  ©tämme  fein  müßten,  bie,  auf  ber 
§albtnfel  emr/etmtfcr),  btelleicf)t  amaleiitifcb/en  UrfbrungeS  unb  2lnb/änger  eines  fabäifdjen 
MtuS  toaren  unb  beren  Pilgerfahrten  ben  bortSlamifcfyen  Heiligtümern  ber  ©inaib^atb=  35 
infel  unb  if/ren  alt^eibnifdtjen  heften  galten,  wogegen  fieb,  neuerbingS  b,erauSgefteflt  b,at, 
bafj  bie  ©)3racbe  ber  ^nfdjrtftert  mit  2lu§nabme  ber  arabifc()en  ©igennamen  ein  aramäifcb.er 
Sialelt  ift,  beffen  fid)  jeboeb,  bie  arabifd)en  ©tämme  ber  feit  bem  2.  ^afyrfyunbert  t>.  ßb.r. 
bis  jur  ^eit  ^aifer  ^rajanS  über  baS  Dftjorbanlanb  Dorn  §auran  bis  jum  älanitifcfien 
2Jceerbufen  b,errfcb,enben  |eibnifd)en  5Jcabatäer  bebienten.  40 

■£en  größten  unb  roicb.tigften  'Seil  ber  lichteren  ©d^riften  S£uct;S  nehmen  geogra^fiif^e 
Unterfucf)ungen  ein.  §ierb,er  gehören  au^er  ber  bereits  ermähnten  §abilitationSfd>rift : 
Abulfedanae  descriptionis  Mesopotamiae  speeimen  (§alle  1830,  4°  29  ©.)  folgenbc 
SBerfe,  meldte  auf  eine  eingef/enbere  unb  richtigere  Kenntnis  bc§  SanbeS  unb  ber  ©e= 
jcfijdjte  beS  SolfeS  ^Srael  unb  anberer  Sölferfdjaften  SorberafienS  abmieten  unb  baburd)  4:, 
bem  Serftänbniffe  ber  fyl.  ©d;riften  bienen  mollen :  jjunäcbji  bie  ©c(;rift :  De  Nino  urbe 
animadversiones  tres  (1845,  8°  67  ©. ;  als  Pärticula  I.  üon  niebt  roeiter  erfd;ienenen 
Commentationes  geographicae  begeiebrtet),  in  roeldjer  %ud)  gegenüber  ber  bamalS  t>iel= 
fad)  2tn!lang  finbenben  Se^au^tung  MannertS  (©eogra^bte  ber  ©rieben  unb  Körner, 
Sb  V  ©.  444  ff.),  bafi  TOnibe  in  ber  9cäb,  e  öon  Sab^Ion  gelegen  ^abe,  enbgiltig  nad}=  50 
toetft,  bafj  bie  etnftige  §autotftabt  ber  Slffyrer  nur  am  öftlic^en  Ufer  beS  Tigris  gelegen 
baben  lönne,  maS  nebft'ber  ^bentifijierung  bon  ßaladb,  mit  Sariffa  unb  bon  Jlujunbfcb,i! 
mit  2Jiefbila  burd;  bie  @ntbec!ungen  eines  Sotta,  Sa^arb  u.  a.  in  2luffeb,en  erregenber 
Sßeife  beftätigt  mürbe;  bie  groei  Programme:  „9veife  beS  ©fyeifb,  ^bräb/im  el=^l)ijäri  el= 
SJiebeni  burd)  einen  Seil  ^aläftinaS"  (^fingftbrogramm  bon  1850,  4°  19©.)  unb  55 
„2lntoninuS  SJcarti^r,  feine  3eit  unb  feine  Pilgerfahrt  nacb,  bem  SJiorgenlanbe"  (^ßfingft= 
Programm  bon  1864,  4°  39  ©.),  Welche  bie  öertef/te  gmeier  ^aläftinareifenbcn,  eines 
1672  n.  Gfyr.  ©eburt  geftorbenen  sDlubammebanerS  unb  eines  cf)riftlid;en  2lbenblänberS, 
bes  im  legten  Viertel  beS  (i.  ^afyrfyunberts  lebenben  ^ilgerS  aus  ^ßiacen^a,  bebanbeln 
unb  burd)  bie  sIRenge  ber  barin  nicbergelegten  intcreffanten  unb  Wcrtbotlen  Seobad)tungcn  «1 

io* 


148  £ud)  Sübütger  ©djule,  ältere 

bte  Kenntnis  bc§  bl.  2anbes>  förbern  motten;  fotüte  ba<S  Programm  über  „ÜJlafaba,  bie 
fyerobianifcfye  gelfenfefte,  naefy  %l  Qofetoljmg  unb  neueren  ^Beobachtern"  (SieformationSfeft 
1863,  4°  39  ©.),  in  meinem  %uty  bte  Qbentttät  jener  faft  unzugänglichen  gelfenfltybe 
am  meftlicb>n  Ufer  be§  %otm  3Jleere§,  an  beren  altertümliche  9tefte  bon  Sefeftigungen 
5  unb  Söaulicfyleiten  ficb~  blutige  (Erinnerungen  fnübfen,  mit  bem  SErümmerfyügel  Bebbeb,  jur 
@i)ibenj  ergebt.  —  gerner  eine  Dlet^e  bon  2lbf>anblungen,  toeldje  fcfjibierige  ©teilen  ber 
bl.  ©cfyrift  unb  be§  ^ofepM,  i»  °«nen  geograbf)ifdj)e  äkrfwltniffe  in  einer  für  unfer 
äkrftänbnig  nicfyt  unmittelbar  audreicfyenben  SBeife  geftfjilbert  werben,  erläutern  foßen: 
ber   2tuffa$   „Semerlungen  ju  @eneft§  $ab.  14"   (guerft   in  ber  3bm©  33b  I,    1846, 

io©.  161 — 194;  toteberabgebrufft  in  ber  2.  luflage  be3  ©enefi§fommentar§  ©.257—283), 
eine  SDtufterleiftung,  in  melier  %u<fy  burefy  ben  genauen  9Jad)h)ei§  ber  einzelnen  ^ßfyafen 
be§  gugS  oeg  feinblidjen  §eere§  ber  oberafiatifc|en  §errfcfyer  nadj  ber  Sanbfcfyaft  beS 
£oten  9J?eere§,  fotoie  feiner  Sßetoeggrünbe  ^ugleicr;  ben  fiftorifdjen  G^arafter  jene<§  uralten 
S3erid^)te§  feftfteEte;   bte  Heine  ©cfyrift  über  „bie  Himmelfahrt  ^efu,   eine   tobograbfyifcfye 

15  grage"  (Uniberfitätlfcfyrift,  Seidig  1857,  8°  10  ©.),  in  meiner  er  nadjroeift,  baf$  naa) 
ber  1)1.  ©cfyrift  SBetljamen  als  ber  Drt  bezeugt  ift,  wo  ber  fcfyeibenbe  ©rlöfer,  bor  ben 
2lugen  feiner  jünger  emporgehoben,  ju  feiner  fnmmlifcfyen  Söofmftätte  einging  unb  bafj 
bie  jünger  über  ben  DIberg,  unb  jtoar  auf  bem  SBege  über  ben  mittleren  unb  I)bcfyften 
©ibfel  bes>  ÖlbergerS,   naefy  ^erufalem   ^urüiffe^rten ;   fotoie   bie   „Quaestio   de  Flavii 

20  Josephi  loco  B.  J.  IV,  8,  2"  (^fingftbrogramm  1860,  [4°  17  ©.),  in  toeldjer  er  bie 
©cfytlberung  ber  Sage  toon  gericfyo  in  ber  „großen  @bene"  jmtfdjen  bem  ©ee  ©enejaretfy 
unb  bem  £oten  Speere  in  jener  fcb>ierigen  ©teile  bei  $ofei>fyu<§  erläutert.  —  Inerju 
fommen  nod)  einzelne  2lbf)anblungen,  in  benen  fd)toierige  Seriellen  in  ber  SSibel  unb 
bei  $ofeb!jm3  berbeffert  merben :  Commentatio  de  MaioaXaid  iv  "AgßrjXoig  1  2Ttctf  9, 2 

25  (9faformation3feftbrogramm  1853,  4°  21  ©.)  unb  Quaestiones  de  Flavii  Josephi  libris 
historicis  (^eformationgbrogramm  1859,  4°  22  ©.). 

3lUe  biefe  einzelnen  2lbl)anblungen  finb  burefy  bor^üglic^e  SJletfyobe  ber  gorfcfyung 
unb  ©arfteßung  ausgezeichnet.  SDaäfelbe  gilt  aud)  bon  bem  §aubtmerfe  %\\&)Z,  feinem 
„Kommentar  über  bie  ©enefi3"  (£alle  1838,  2.  2lufl.  1871,   beforgt  bon  ^rofeffor  Dr. 

so  21.  Slrnolb,  nebft  einem  «Jcacfymort  bon  21.  3Jcer£,  grofe  8°  CXXII,  506  ©.).  ©erfelbe 
toar  bamal§  in  mel)rfac§er  §inficf)t  eine  balmbrectjenbe  llrbeit :  in  formeller  §tnfidj>t  toegen 
ber  mefyr  rebrobuittben  gorm  ber  ©rllärung,  bie  ba3  ©an^e  ftet§  im  2luge  behält,  unb 
toegen  feiner  Haren  unb  fliejsenben  SDiftion,  in  33ejief)ung  auf  bie  ©jegefe  felber  bureb^ 
feine  grammatiferje  2llribie  unb  befonber§  burdj  fein  reicfjeö  unb  gebiegene§  SRaterial  jur 

35  ©rläuterung  ber  tobograbI)ifcI)en  ä5erb^ältniffe,  ber  ^atur  unb  35obenbefcIj)affenI)eii,  ber 
gauna  unb  $loxa,  fowie  ber  ©itten  ber  Semobner  be£  £anbe§  5paläftina,  rüclficb^tlic^  ber 
2luffaffung  be§  ^nf)alts  megen  ber  buref)  feine  ^Darlegungen  über  ,,©age  unb  5Rr;tl)u§" 
begrünbeten  2lnerlennung  beö  fnftorifcfyen  fernes  ber  igraelitifcb^en 33orgefcl)ic§te  unb  feiner 
Betonung  be§  reineren,  erhabneren  ©otteöbeit)u^tfcin§,  fomie  enblid;  auf  bem  ©ebiete  ber 

40  ^ombofition^!ritif  wegen  ber  fcfjarffinmgen  ©ureb^füb^rung  ber  bon  SIeel  juerft  aufgeftetlten 
@rgän^ungäf)t)bot^efe,  bie  freiließ  balb  nacb^ljer  bureb,  bie  neuere  Ur!unben£)^botf)efe  ein  für 
allemal  abgelöft  tourbe.  2lnbererfeit§  fjat^udi  in  bem  Seftreben,  bor  allem  bie  lnftorifd)e 
©eite  ber  i§raelitifcb^en  Sieligionlborftellungen  ju  erfaffen  unb  if)ren  ^iftorifeb^en  Söert 
bureb^  eine  35ergleicl)ung  mit  ben  33orfteHungen  bermanbter  femitifeb^er  Voller  feftjufteÖen, 

45  bi^tbeilen  unter  bem  ©influffe  be§  §egeliani^mug  bie  tiefere  biblifcb^tfyeologifcl) e  Sebeutung 
einzelner  Gegebenheiten  unb  2lu3fbrüc|e,  ib^ren  Söert  für  ba§  religion§gcfcf)icl)tlicb^ ererben 
innerhalb  ber  i§raelitifcf)en  Religion  unb  if)ren  ©influ^  auf  bie  bogmatifcfye  2{nfc^)auung 
aufy  ber  d)riftlicf)en  Religion  nieb^t  b^inreic^enb  tief  erfaßt.  —  ©iefe  fcf)riftlic|  borliegenben 
©eifteöbrobulte  %u<fy$  laffen   eine  bureb^  unb  burefy  borneb^me  toiffenfc^aftlid;e  Statur  unb 

50  2trt  erlennen;  aüe§  ift  toofyl  ertoogen  unb  bureb^bac^t,  unb  e£  fommt  aueb^  aüe€  in  einer 
burcf)au§  gemähten  unb  babei  bod)  ungejtoungenen  gorm  ^um  2lu§brucf.  %wfy$  bleiben^ 
beg  SBerbienft  befielt  aber  bartn,  ba^  er  fein  befonbere3  Sfiartema  für  bie  ©rforfdjung 
unb  2lufb^eUung  feb^mieriger  tobograbf)ifcb^er  unb  geograblnfcfyer  gragen  in  ben  £)ienft  ber 
33ibelforfcl)ung   gefteHt   unb   treu   ju  ©unften   biefer   genügt   fjat;    feine   geograbb^iftt)en 

55  Unterfuc|)ungen  finb  noefy  bleute  bon  unbeftrittenem  SBerte  unb  §ugleid?  burcbl  bie  fbrad> 
licb;e  2lfribie,  bie  fad^lid^e  $larl)eit  unb  bie  trefflicfte  SRetb^obe  ber  toiffenfcfyaftlicfyen  2lrbeit 
für  aUe  Reiten  muftergiltig.  *ß.  dtjffel  f. 

Sülrittger  ©c^ule,  ältere.  —  Körner,  SBürttemb.  ^ircr)engefct)icE)ie  2.  91ufl.,  8.  515  ff. ; 
3ul.  §artmnnn  u.  6£>r.  tolb  in  SSürttemb.  ^trerjengefef).  beTnu§3-  t>oui  Saliner  58erlag§nereiu 


Sütmigev  ©djulc,  ältere  149 

S.  449  ff.  unb  56t)  ff. ;  <y.  e&r.  Säur,  Äirdjenqefaudite  beä  19.  3a£)rf).  ö.  98,  Sorlefungen 
Ü6ev  $ugmengefd)td)te  III,  303  ff.;  ftranf,  @efd)td)te  ber  p roteftantifd)en  SEjeologte  III,  383 ff.; 
Turner,  ©efd).  ber  prot.  Sfjeuf.  692 ff.;  ©afe,  ©efd).  ber  prot.  ®ogmntif  IV,  141.  503 ff.; 
Snnberer,  Sceuefte  Sogmengefd).  S.  156  ff. ;  6.  SSei^fäcfer,  Sefirer  unb  Unterricht  an  ber  eü.- 
töeol.  gaf.  b.  Uni».  Tübingen  1877,  <3. 131  ff.,  fotoie  bie  ©djriften  über  bie  ©efd).  b.  Unb.  £ü=  5 
tungen  »on  93öf,  ©ifenbad),  ®lüpfel=33aur. 

Sie   ©ntfteljmng  ber   älteren    Slübinger   t^eologifc^ert   ©cr)ule,    Welche  buret)   ifyren 
„biblifdjen  ©upranaturaliSmuS"  in  bie  ©efd)icr/te  ber  prot.  Geologie  be<§  18.  unb  19.  8af;r= 
bunbertS  eingreift,   fnüpft  fic^>   an  ben  tarnen  ©ottlob  Gfyriftian  ©torrS,  $rofeffor§  ber 
Ideologie  in   Tübingen,   geb.  ben  10.  September  1746   in  Stuttgart,   geft.  ebenbafelbft  10 
ben  17.  Januar  1805.  —  ©ein  SSater,  Sofyann  6b,rtftian  ©torr,  ^rälat  unb  $onfiftorial= 
rat  (geb.  3.  $uni  1712  in  §eilbronn,   geft.  1773  in  Stuttgart),   gehörte  nod)  ber  $.  21- 
33enge(fcb,en  ©d)ule  an,   War   ein  inniger  üßerefyrer  2lwbt§  unb  ©penerS  unb  taufte  als 
^rebiger  unb  @rbauungs>fcf)riftfteller  im  ©egen  (g.  33.  burd)  fein  awfy  je^t  nod)  in  2Bürttem= 
berg  bielgebraudjtes*  „ct;riftlid()e3  .gauSbud)"  1756  u.  o.,  fein  :öeicb>  unb  Äommunionbucf;  15 
1735  x.,  f.  über  ifm  9Jc*ofer§  Sßürttemb.  ©efetyrtenfertfon  I,  73;   9Jceufeb3  Serjfon  XII, 
434;  ©bring,  ©ei.  gelogen  IV,  402;  Körner,  äötirtt.  m  475).  —  ®er  ©ofur,  ©.G&r. 
©torr,  erhielt  feine  33ilbung  erft  auf  bem  ©pmnafium  gu  Stuttgart,   bann  1763 — 1768 
auf  ber  Uniberfität  Tübingen   unb   in  bem   bortigen   tfyeologifcfyen  ©tipenbium.    ©eine 
tfycol.  Sefyrer   Waren  $ob,.  %x.  ßotta  (ber  gelehrte  ^irdjenfriftorifer,  begannt  buref;   feine  20 
erweiterte  Ausgabe  ber  ©erf)arbfcf;en  loci  theol.,   geft.  1779),  Sf)r.  %x.  ©artorius  (geft. 
1782),  §.  2a>.  ßlemm  (geft.  1775),   befonberS  aber  ber  bamalige  Rangier  ber  llniberfität, 
ber  fromme  unb  gelehrte  Sengelianer  ^er.  %x.  Sieufß,  ben  ©torr  felbft  feinen  eigentlichen 
2eb,rer  nennt  (bgl.  über  iljm  unb  feine  Pflegen  bie  ©efefy.  b.  Unit).  Tübingen  bon  23ö% 
ßifenbad},  ^lüpfel,  SBeigfäcfer,  foWie  ©bring,  Körner  a.  a.  D.).    2tl<§  @igentümlid)feit  Don  25 
©torrS  bamaligem  ^ribatftubium   I)ebt  fein  ©cfyüler  ©üSfinb  (f.  u.)   namentlich,  fjerbor, 
bajj  er  beim  Stnfang  feinet   tt)eoIogtfdt)en  ©tubiumS   längere  geit  augfcfyliejjlidj)  mit  ber 
Seftüre  ba§  3t%S   fiel;  befdjäftigte.     @r   befct)Iof$    fein  afabemifd)e<§  ©tubium  1768   mit 
einer  latetnifdjen  2lbl)anblung  über  Qef  52  unb  53,  bie   bon   feiner  ^ebräifd)en  ©prad)= 
fenntnis  wie  bon  feinem  tfyeologifcfyen  SSiffen  ein  rülmilicf)e§  geugmS  a&Iegt.  %la<fy  Wob,I=  30 
beftanbenem  ^onfiftorialejamen  unterftü|te  er  eine  Qtit  lang   feinen  SSater  in  Iirdt)Itdt)en 
©efd)äften  unb  machte  fobann  1769—1771   gu  fetner  Weiteren  2lu3bilbung  eine  Wiffen= 
fa)aftiid)e  Steife  buref)  ©eutfcfylanb,  §oflanb,  ©nglanb  unb  $ranfreid),  auf  Welker  er  neben 
33cnü|ung  ber  S8ibliotf)efen  gu  Seiben,   Djforb  unb  tyav'xS  bie  fyebräifcfyen  unb  arabtfcf;en 
Sorlefungen  bon  £5.  %.  ©d)ulteng  unb   bie  gried}ifcb,en   bon  2.  §t.  SaHenaer  fyörte  unb  35 
baraug  für  feine  pfnlologifdje  21u§bilbung  ©eWinn  gog.    3tt§   litterar ifcfje  ^rucfjt  biefer 
Steife  gab  ©torr  nact)  fetner  StücHeb.r  in§  SSaterlanb  ate  Tübinger  Repetent  feine  für  bie 
Senntni«)   ber   ftjrifdjen  93ibelüberfe|ungen  Wichtigen  Observationes  super  NTi  versi- 
onibus  Syriacis  1772  b,erau§,  foWie  bie  Diss.  de  evangeliis  arabicis  1775,  mit  ber 
er  fein  Slmt  aU  ao.  ^rofeffor  ber  ^3I)ilofopI)ie  in  Tübingen  antrat,   ^acfybem  er  in  bem=  40 
felben  ^afyre  mit  ber  SEod)ter  feines  Seb.rerS  3-  %x-  3^eufe  M  »erheiratet  r)atte,   ging   er 
1777  al§  ao.  ^rofeffor  in  bie  tfyeol.  gafultät   über  unb  erhielt  balb  barauf  beim  ^ubt= 
läum  ber  Unitierfität  bie  t^eologtfc^e  ©oltorWürbe.  1780  Würbe  er  bierter  ^ßrof effor  ber  %feo'- 
Iogie,  Spegialfuperintenbent  unb  ©tabtpfarrer,  1786  rücfte  er  afö  prof.  Ordinarius  in  bie 
^afultät  ein  unb  Würbe  gugleid)  ^Weiter  ©uperattenbent  be§  tr)eoI.  ©eminar§  unb  britter  45 
y)-rüb,prebtger.     %n  biefer  ©teltung   blieb   er,    bi§   er  1797   bon  §ergog  griebrid)   als 
Äonfiftorialrat  unb  Dberb.ofprebiger  naefj  Stuttgart  berufen  Würbe,  Wo  er  ben  17.  Januar 
1805,  noeb,  nicfjt  59  Qafyre  alt,  ftarb.    DbWob,!  er  aud)  in  biefem  praftifd)en  Sftrdjenamt 
unter  fd)wierigen  33er^ältniffen,   bei  garter  ©efunbfjeit,  aber  unermüblicf;er  SerufStreue, 
eine  anerfennen3Werte  unb  gefegnete  2Bir!famfeit  entfaltete:   fo  bilbete  boeb,    fein  SJBirfen  eo 
als  afabemifd}er  £eb,rer  unb  feine  fd)riftftellerifcb,e  Xb^ätigfeit  ben  §öl)epunft  feinet  SebenS 
unb  gab  ib,m   feine  in   ber  ©efd}icb,te  ber  Geologie   epod)emacb,enbe  Sebeutung.    ®aju 
befähigten   ib,n   bor  allem    ein  ungewöhnlicher  Scljarffinn    unb   b,erborragenbe   ^ombi= 
nationSgabe,  Wogegen   eS  ib^m  freilief)   an  lebenbiger  ^5b,antafie  unb  fpefulatibem  Talent 
fehlte,    ^nbem   fidj   mit  biefen  ©aben  ein  raftlofer  glei^    unb    regeS    Wtffenfcf)aftIicf;eS  55 
^ntereffe  berbanb,  gewann  er  eine  bielfeitige  Silbung  unb  grünblid;e  ©eleb,rfamfeit.  ©eine 
afabemifcfjen   SSorlefungen    (über  ©ogmatif,    sJJ?ora'l,    ©jegefe  be§  %t%S,    eb.  ©efd^tdjtc, 
$anonägefcf;td)te  2c.)  jeidineten  fid)  nad)  bem  Urteil  ber  geitgenoffen  burd;  ©rünblicfyfeit, 
^larfjeit  unb  logtfdbe  Drbnung  au§  unb  fammelten  ftetS  eine  grofje  $al)l  bon  ^u^brern 
um  tbn.    2lu^erbem  übte  er  eine  fruchtbare  fd)riftftellertfd;e  2l)ätigfeit,   Welche  if;in  aud;  60 


150  Sütmtgcr  ©djulc,  ältere 

in  weiteren  Greifen  Stitfcfjcn  unb  (Einfluß  bcrfcfyaffic.  ®icfc§  Sohlen  mar  aber  mefentlid) 
unterfiü^t  unb  getragen  buref;  feine  ganje  ^erfönlicljfeit,  beren  fyerborragenbe  3u9e  z™ 
aufrichtige  grömmigfeit,  ad)tunggebietenber  fittlid)er  @rnft,  gehaart  mit  geminnenber 
SJcilbe  unb  Humanität,  maren.  ©ie§  bezeugt  nid)t  nur  fein  ©cf/üter  ©üifinb,  ber  ifyn 
5  „einen  ber  ebelften  üftenfcfyen  unb  boflenbetften  ©fyaraftere  nennt,  bie  man  in  ber  2ßelt 
finbet" ;  aua?  folcfye,  bie  auf  einem  gang  entgegengefettfen  tfyeologifcfjen  ©tanbbunft  ftanben, 
mie  ber  9totionaIift  ^Saulu3,  fyaben  nur  mit  ber  größten  Sichtung  bon  ©torr  gerebet. 
äBollen  mir  gemerftefyenben  bem  begeifterten  £ob,  ia§  bie  Umgebung  feiner  ganzen 
$erfönlid)feit  joKte,   aueb,  nichts  abbrechen,  fo  fönnen  mir  un§  bodb,  nief/t  berbergen,  baf$ 

10  feine  dmftlicfje  grömmigfeit  nid)t  fomofjl  auf  grofjer  SLiefe  unb  ^m^Ö-föt  ^  religiöfen 
©efüfyl<§  beruhte,  als  auf  ftreng  bflicfytmäfjiger  unb  gemiffenljafter  ©efinnung  unb  ba3 
Unmittelbare,  Kernwaffe,  £eben3marme  bermiffen  läfct.  2öie  fid)  bieg  burd)  ben  ßfyarafter 
feinet  tfyeologifdjen  ©r/ftem§  beftätigt,  fo  auefy  burd?  feine  nacfygelaffenen  ^rebigten  (b,er= 
au<3g.  bon  ©ülfinb  unb  glatt,   Stuttgart  1806—1810,  3  33be).    3ft  in  biefen  auef;  ber 

i5  grofje  fittlid)e  @rnft  unb  eine  geibiffe  geinfinnigfeit  in  Kombination  unb  Stnmenbung 
biblifcfyer  3lu3fbrüd)e  anjuerfennen,  fo  müfjte  bod?  bie  muftbifdje  ^ufammenfe|ung  ber 
^rebigten  au§  faft  lauter  Sibelfbrüd)en  unb  ber  trockene,  fcfymunglofe  SEon  ber  5Be= 
lefyrung  unb  ©rmafmung  ben  Seifati,  ben  ©torr  aud?  afe  ^rebiger  gefunben  b,at,  faft 
unbegreiflich  erfcr)einen  laffen,   menn  mir  nicfyt  bebauten,  mie  feine  ^ßrebigten  im  2Siber= 

20  fcfyein  feiner  el)rmürbigen,  ernftmilben  $erfßnlid)feit  biefe  grofje  Sebeutung  im  2tuge  ber 
gufyörer  gemimten  fonnten. 

„@<S  toar  nidjt  ofme  Sebeutung  (fagt  S3aur  in  feinem  Slbrtfs  ber  ©efdjidjte  ber 
ifyeol.  gaMtät  in  Tübingen  a.  a.  D.  ©.  216),  bafj  in  bemfelben  %ai)xe,  in  meinem  ©torr 
fein  tb,eo!ogifcbeg  £eb,ramt  antrat,  bie  tlniberfität  ifyr  brütet  Qubelfeft  feierte;   benn  ber 

25  Stntritt  feinet  ttyeologifdjen  2eb,ramte§  mar  eine  neue  ©bocfje  ber  Tübinger  Geologie" 
$n  Tübingen  b,atte  bie  bon  @.  ©cfmebff,  ^of).  Srenj  unb  ^alob  Slnbreä  begrünbete  Iutb,e= 
rifcfye  Drt^obojie  2Sürttemberg§  feit  bem  @nbe  be3  16.  bureb,  ba3  ganje  17.  Qafyrlmnbert 
b,erab  in  ungebrochener  §errfd;aft  ftd?  beraubtet;  aber  bon  2tnfang  an  Ijiatte  aueb,  bie 
eb.  Kirche  2Bürttemberg§  ben  befonberS  bon  S3renj   ib,r  aufgeprägten  Sfyarafter  faft  auS= 

30  nafytm3lo<§  treu  bemaljirt,  nämlicf)  1.  il)re  bibüfcfye  3fiicf>tung,  2.  ib,re  mefentlicb,  irenifcb,e 
Haltung,  unb  3.  ba§  ©treben  nacb,  inniger  33erbinbung  bon  ^fyeorie  unb  ^?rajte,  bon 
tfyeologifcfyer  SBiffenfcb.aft  unb  Pflege  be§  ürcfylic^en  SebenS.  ^n  ^m  t^eologifcfjen  ©treit= 
fünften  bei  16.  unb  17  Qc^rfyunberiiB  treten  bie  Tübinger  Geologen  £>eerbranb,  ©erlarf), 
©igmart,  §afenreffer,  2tnbrea§  unb  £ufa§  Dfianber,  SE^eobor  ^E^umm,  5ReIcb,ior  Nicolai  k. 

35  al§  rüftige  ©treiter  unb  eifrige  üßorfambfer  ber  buref)  bie  Formula  Concordiae  nor= 
mierten  lut^erifcb.en  9tecb,tgläubig!eit  b,erbor.  Slber  aueb,  bei  if)nen  berliert  fiel)  feine^megg 
(mie  ^olud  meint,  2IIab.  Seben  II,  133)  jener  bibüfcb^braltifcfje  ©tanbbunft,  melden 
bie  Srenjfcfje  Confessio  Würtembergica  fo  au§brüdüc§  betont  unb  aud)  bie  Slnbreäfcb^e 
Konforbienformel  nicfyt  berleugnet  blatte,    ©eit  ber  SJtitte  bei  17.  Sa^f'nnbertS  maren  e3 

40  ^mar  feine  b^erborragenben  tfyeologifcfyen  (5elcbritäten,  bie  auf  ben  Tübinger  £eb;rftüb,Ien 
fafeen;  aber  neben  fyanbfeften  ^olemilern  mie  Tobias  SBagner,  $.  21.  Dfianber  :c.  finbet 
fic|  aud)  eine  gan^e  Steige  bon  Scannern  ernften,  frommen  ©inne§  unb  Vertreter  einer 
biblifcft^raftifc^en  sJiicf)tung,  mit  ©bener  befreunbet  ober  bon  il)m  angeregt,  j.  58.  Slaitb,, 
9teud)Iin,  .v3od)ftetter,  .s^ofmann  u.  a.     (Sine   neue  Söenbung  bejeieb^net  bann  ju  Stnfang 

45  be§  18.  3af)rfmnberi3  ber  gelehrte  Kanter  Q.  SSoIfgang  ^äger  (1702— 1720),  ber  bie 
Neuerung  magte,  eine  lebenbigere  £eb,rtoeife  ju  fucljen  unb  für  biefen  grneef  an  bie 
<5occejantfct;e  9Jfetf)obe  fidb,  anjufcf)Iie^en,  in  feinem  Compendium  theologiae  positivae 
1702  u.  ß.  5Rocf>  meb,r  Ratten  fieb,  bann  ber  Üanjler  6b,r.  Tiatti).  «ßfaff  (f.  Sb  XV, 
233  ff.)  unb  Gljr.  CSberl).  SSeilmann  (1721— -1747)  bon  ber  ortfy obojen  ©cb,ul=  unb  ©trete 

50  Ideologie  Io§gemacf)t  unb  ba§  tb,eoIogifd)e  ©tubium  ju  bereinfacfjen  unb  ju  beleben  ber= 
fud)t,  ^3faff  meb^r  im  ©eifte  ßalijtg,  2öei§mann  im  ©eifte  ©benerä  unb  Q-  21-  Senget 
(f.  über  ü>  Körner,  2ß.  m  ©.  416 ff.;  ßlübfel,  ©efc§.  ber  Unib.  %üh.  ©.  150 f.).  ®ie 
£eibnu>2Mffd)e  ^pt)iIofobf)ie,  meiere  anbermärt§  mit  ber  ftjftematifc^en  ^fjeologie  jur 
SSerbefferung  i|rer  3)Jet{)obe  in  3Serbinbung  gefegt  mürbe,   mar  jmar  in  Tübingen  burtf) 

55  ©.  33ernf)arb  Silfinger  (geft.  1730)  unb  ^Sr.  ©ottl.  6anj  (geft.  1733)  in  tüchtiger  3öeife 
bertreten,  £>at  aber  |ier  auf  Umgeftaltung  ber  'iCbeoIogte  feinen  mefentltd)en  @influ§  ge= 
übt.  ®in  anbere§  b,ätte  man  bon  ber  £;.  31.  33engelfc^en  ©cfiule  ermarten  fotten,  fofern 
biefe,  ebenfo  bon  ber  ortlmborm  ©c£)o(aftif  mie  bon  ber  neo!ogifd)en  Stufftärung  fi(f;  ah- 
menbenb,  burd)  Vertiefung  in  ben  bolten  ©ebalt  ber  ©cf;rift  als   einei  ©anjen   lebend 

60  boßer  üffialjrfyeit    für  ben   ganzen  9)Ienfcf)en    eine  Erneuerung   ber  c§riftlid)en  (SrfcnntniS 


ÜiUiiiijjcr  ©djttlc,  ältere  151 

unb^rarig  anftrebte.  Stbcr  fie  fyat  fotoobl  in  iEjrer  einfachen  biblijd;=braftifd)en  Sticf/tung 
bei  Sengel  felbft,  bei  Surf,  3toog,  ©teinfmfer,  Stieger  unb  anberen,  alg  in  ber  biblifd)= 
nü;fitfd)cn  ober  tbeofobfnfctjen,  toie  fie  faatyi,  $rider,  Detinger  unb  feine  ©djmler  bem 
abftraften  ©biritualigmug  unb  lallen  3tationaligmug  ber  geüblntofobfne  entgegenftellten, 
jtoar  fruchtbare  föeime  tl)eoIogtfd;er  ©rfenntnig  auggeftreut,  aber  feine  mm  $b,afe  tr)eo=  5 
logifcfyer  2Biffenfd>aft  gefdjaffen,  toirfte  bielmefyr  junäcfyft  mefyr  im  ©tillen  alg  mob> 
tfiätigeg  ©alj  pr  ©rfrifdmng  beg  religtöfen  Sebeng  (bgl.  Hon  ber  ©olts,  $•  31.  Senget 
unb  feine  ©dnilc  in  SbXfc  1861,  ©.460 ff.;  SUtberlen,  ®ie  göttl.  Offenbarung  6.284  ff.). 
Unterbcffen  batte  feit  ber  jtoeiten  §älfte  beg  18.  $ar/rlmnbertg  bie  tfyeologifcfje  Slufflärung 
mit  bem  ortfioborm  Sefyrfbjtem  bag  bofitibe  ßfyriftentum  überfyaubt  $u  befänden  be=  10 
gönnen,  ©iefer  3eitbetoegung  gegenüber  galt  eg,  ftcb,  neu  ju  orientieren  unb  einen 
Stanbbunft  p  gemimten,  ber  bag  Unberäu^erlid;e  ber  alten  2öab,rb,eit  feftfnelt,  inbem  er 
fie  jugleid)  in  eine  neue  ben  S3ilbunggelementen  ber  $eit  entfbrecfyenbe  gorm  ffeibete. 
®ieg  mar  eg,  toag  ©torr  mollte  unb  fudjte.  2Bäb,renb  er  fieb,  ber  Sebjform  ber  alten 
Ideologie  entzog,  toufjte  er  ftcb,  ^u  ber  ®enfart  ber  Geologie  in  inhaltlichem  ©egenfa|,  15 
freilief;  nid}t  fo,  bafc  er  nicfyt  boct)  in  toefentlicfyen  fünften  bon  beiben  abhängiger  geblieben 
toäre,  alg  ihm  felbft  jum  Betoufjtfein  fam. 

2Ba3  juerft  bie  Sefjrform  betrifft,  fo  glaubte  ©torr  nacb,  ^ßretägabe  ber  ortfyoborm 
Subftruftion  ein  ficfjereg  unb  unumftöpcfyeg  gunbament  ber  Geologie  bef.  ber®ogmatif 
als  ber  ©runbtoiffenfcfyaft,  bamit  gu  getoinnen,  bafe  er  fid)  einzig  unb  allein  auf  bie  20 
Autorität  ber  göttlichen  Offenbarung,  fo  mie  fie  in  ben  bibltfcfyen  Urfunben  enthalten  ift, 
ftellte  unb  aug  biefen  Urfunben,  alg  ber  fyiftorifd)  fidleren  unb  göttlicb,  beglaubigten  Quelle 
ber  a)riftlicb,en  9Sal)rb,eit,  biefe  bureb,  grammatifcb.^iftorifc^e  ©jegefe  unb  bie  Operationen 
beg  logifcfjen  Skrftanbeg  ableitete.  SDemgemäfj  fud;t  ©torr  bor  allem  bie  Slutfyentie  unb 
Integrität  ber  neuteftamentlidjen  ©Triften  burdj  t)ifiorifd;e  geugniffe  $u  begrünben  unb  25 
bie  ©laubmürbigfeit  tt)rer  SSerfaffer  aug  ibrem  23err/ältnig  ju  ben  berichteten  (Sreigniffen, 
ihrer  in  ben  ©driften  felbft  erfennbaren  ©efinnung  unb  ber  unaugbleiblicfjen  Kontrolle 
bttref)  ©laubenggenoffen  unb  ©egner  ju  ertoetfen.  ,,©ie  fonnten,  mollten,  mußten  bie 
SBabrfteit  fagen"  ©inb  il)re  ©Triften  bemnad)  für  glaubtoürbig  ju  galten,  fo  ergiebt 
fid}  aug  biefen  toeiter,  bafs  <5r)rtftuS  für  fid)  bie  Autorität  eineg  göttlichen  ©efanbten  im  30 
f)öd}ften  ©inn  beg  2öorteg  in  Slnfbrud;  nafym,  mag  burd}  feine  ganje  ftttlicf;  bollfommene 
£cnf=  unb  §anblunggtoeife  beftätigt,  borjüglicr;  aber  burd)  bie  in  feinen  Söunbern  liegenbe 
göttliche  Beglaubigung  betoiefen  mirb.  Slug  biefer  Stutorität  ^efu  folgt  toeiter  bie  2öabrfyeit 
feiner  fiebere,  bie  Slutorität  ber  bon  ib,m  ermahnten  3lbofteI  unb  bie  aBafyrfyeU  tt)rer  Seb^re, 
bie  £b,eo:pneuftie  ber  aboftolifdjen  ©cb,riften,  enbtict)  ba§  göttliche  3lnfeb,en  unb  bie  SLb,eo=  35 
bneuftie  ber  altteftamentlidjen  ©driften,  fofern  fie  bon  göttlid;  beglaubigten  Männern  ge= 
billigt  finb.  2)arau3  ergiebt  fid),  bafe  mir  bie  ©djriften  beä  2t  unb  $1%  inggefamt  alg 
3torm  beö  ©laubeng  anjuneb,men  unb  anjuerfennen  b,aben.  33on  bem  ortl)oboj;en  ©Aftern 
unterfcb,eibet  ftdt)  biefe  abologetifdje  ©runblegung  ©torr§  baburd),  ba|  er  an  bie  ©teile 
ber  ^nfbiratton  ber  biblifdien  ©driften  bie  bürgenbe  Slutorität  ^u  unb  feiner  Slboftel  40 
fefet,  ba<3  SSort  ©otteg  jur  augfd;liefelid}en  Quelle,  ja  jum  ©efefebud}  ber  cbjiftlidjien  Sef;re 
erbebt  unb  au§  bem  empirifd)=l)iftorifd;en  Setoeigberfaf^ren  nid;t  nur  bie  fides  humana, 
fonbern  mittelbar  aueb,  bie  fides  divina  herleitet,  toäfyrenb  er  Sebenfen  trägt  bemtesti- 
monium  spiritus  saneti  entfd;eibenbe  Setoeigfraft  jupfcrjreiben.  ©ein  Vertrauen  jur 
berftanbesmäfeigen  ®emonftration  ber  cb,riftlid)en  SBat)rt;eit  berrät  einen  intelleftualiftifdjen  45 
^eligionö=  unb  Dffenbarung^begriff,  ber  in  biefer  gorm  nid)t  fotoob,l  ein  @rbe  ber 
Crtbobojie  al§  ein  ©r^eugnig  beg  geitgeifteS  ift.  2Ba§  ©torr  freilief)  bon  ber  3luf= 
flärung  toieber  fdjarf  unterjd}eibet,  ift  bie  Slrt,  mie  er  bie  Inftorifcfye  unb  logifdje  33etoeiä= 
fübrung  in  ben  2)ienft  beg  Sfutoritätgbrinjibg  fteflt.  ?Jad;bem  bie  Slutorität  ßfjrifti  unb 
lt)eiterb,in  bie  ber  Sibel  gerechtfertigt  ift,  bebarf  eg  einer  inneren  Segrünbung  ber  cb,rift=  50 
licfien  SBalirlieit  au<§  Vernunft  ober  @rfaf;rung  fc^lecfitfjin  ntd)t  meb,r.  ©0  b,ei^t  tS 
Doctrinae  ehr.  pars  theoret.  §15:  „S)ie  ©laubtoürbigfeit  beffen,  toag  in  ber  bJ.Scfyrift 
gelehrt  toirb,  f)ängt  bon  bem  Slnfcfyen  i£;re§  ^eugniffeg  ah.  .  @g  ift  feinegtoegg  not= 
toenbig,  bafe  jebe  2ei)re  bttrd)  nottoenbige  23ernunftgefe|e  unb  ©rünbe  aug  ber  9?atur 
ber  <5ad)t  beftätigt  toerbe.  Slucb,  beim  9JJangeI  foldjcr  ©rünbc  b,anbeln  toir  bod;  ber=  65 
nünftig,  toenn  toir  biefe  ober  jene  £ef)re  blofe  auf  bie  Slutorität  ber  ©cbjift  bin  an= 
nehmen,  unb  jtoar  ebenfo  bernünftig  tote  jeber,  ber  auf  Slugfagen  bollgiltiger  3eu0cn 
bag 'annimmt,  mag  er  aug  anberen  ©rünben  nid)t  ertoetfen  fann."  ©amit  befennt  fid) 
Storr  jum  lebiglid)  formalen  Slutoritätgbrinjib,  jur  Überbernünftigfeit  ber  d;riftlid;en 
SBabrbeit  unb  entfd)cibet  fid;  für  einen  blof,  inftrumentalen  3>ernunftgebraud;.  60 


152  Tübinger  ©rfjitlc,  ältere 

^n  bemerfenSWerter  9Setfe  b,at  er  bicfeS  SSerfafyren  gegen  Kants  bf)i!ofobI)ifcf;c  9ic= 
IigionSleI)re  berteibigt  (Annotationes  theologicae  ad  philosophicam  Kantii  de 
religione  doctrinam  1793,  aueb,  beutfc^)  1794,  eine  ©cfyrift,  bie  Kant  im  33orWort  gur 
2.  2luSgabe  ber  Religion  innerhalb  tc.  mit  Sichtung  ermähnt,  aber  nicfyt  meljr  beantwortet 
5  fyat).  33on  Kants  gugeftänbmS  auSgefyenb,  baß  bte  tfjeoretifd)e  Vernunft  überftnnlicfye 
Sßafyrfyeiten  Weber  ju  bejahen  noeb,  ju  Verneinen  berechtigt  fei  unb  nur  ein  notWenbigeS 
praftifcfjeä  ^ntereffe  ber  reinen  Vernunft  baS  Urteil  über  fte  beftimmen  bürfe,  fudjt  er  pi 
jeigen,  baß  Don  fyter  aus  eine  anbere  ©ießung  ju  ben  Inftorifcfyen  Elementen  beS  ©fyrtften* 
iumS  möglich,  ja  geforbert  fei,   als  Kant  eingenommen  l>atte.    2Ber  fieb,  Weigere,  folgen 

io  Autoritäten  ju  glauben,  bte  ben  SSorgug  Ratten,  befonbere  (Erfahrungen  ju  machen,  nur 
Weil  ifyre  Sefyren  auS  ben  ^ßrin§ibien  ber  fid)  felbft  überlaffenen  SSernunft  nicfyt  ab= 
gleiten  feien,  ber  berlaffe  burefj  folcfyeS  bogmattfdje  Slbfbrecfyen  ben  ecfyt  frttifcfyen  ©tanb= 
bunft.  (SS  Werbe  btelmebj  gerabeju  ^flicfjt,  fiefy  mit  folgen  geugniffen  ernftlict;  ju  be= 
fcfyäftigen,   fobalb   ifyre  moralifcfye  SBirffamfeit  feftftefye.    %n   letzterer  §inficb,t   übertreffe 

15  aber  ber  d)riftlid)e  ©efct)id)tSglaube  ofme  grage  ben  blaffen  ünb  inhaltsleeren  reinen 
SBernunftglauben.  ©cfylteßlict)  benu^t  ©torr  auef)  Kants  ^oftulat  einer  notWenbigen 
Harmonie  bon  Xugenb  unb  ©lücffeligfeit,  um  barauS  baS  ÜRecfyt  ber  neutefiamenilidSen 
Skrfnübfung  bon  Religion  unb  ©ittlidjfeit  barjutfmn.  $n  aß  bem  erWeift  er  fid^  als 
grünblicfyen  Kenner  unb  fcf)arffinnigen  Beurteiler  ber  fritifdjen  ^fytlofobljiie  unb   benütjt 

20  gefebieft  bte  2lnfnübfungSbunfte,  meldte  fte  für  bie  Sertetbtgung  unb  Söürbigung  ber 
d)riftlic§en  Offenbarung  barbietet,  $n  ber  abologetifdjen  2lnleb,nung  an  Kant  ftnb  it>m 
benn  aud)  feine  ©cfyüler  regelmäßig  gefolgt,  ja  fte  ftnb  barin  weit  über  tyn  bjnauS= 
gefcfyrttten. 

3Son   einem   materialen   (Einfluß   irgenb  melier  $I)iIofobf)te   auf  ben  lynfyalt  ber 

25  cfyriftltcfyen  Sefyre  fann  für  ©torr  felbft  feine  9tebe  fein.  SDie  ©laubenS=  unb  Sittenlehre 
fyat  nacb,  il)m  lebiglicf;  bie  fftefultate  ber  ©segefe  jufammen^uf äffen  unb  ju  berfnübfen. 
daraus  entftefyt  freiließ,  Wie  33aur  fagt,  eine  weniger  fünftlerifcfye  als  fünftltcfje  5Rofaif= 
arbeit,  bei  ber  einzelne  ©teilen  auS  aßen  teilen  beS  alt=  unb  neuteftamentlicfjen  Kanons 
jufammengefe^t  werben  olme  9iücfficf)t  auf  bie  genetifcfje  (Entfaltung  ber  biblifcfyen  2öal>r= 

30  |eit  unb  bie  berfcfytebenen  ©tufen  unb  formen,  in  benen  fte  fiel)  boßjieI)t.  (ES  gtebt  für 
ifyn  nicfyt  ©Triften  be§  Kanons,  fonbern  nur  ©teßen  ber  ©cfyrift,  Don  toeldjen  jebe  bie= 
felbe  Seit) eintraft  §at.  ®teS  fyängt  bamtt  ^ufammen,  baß  ber  bogmatifd^e  ©toff  nur 
bureb,  bie  formale  SCutorität  beS  ©cb.riftmortS,  nidgt  aber  bureb,  eine  ©runbanfcb,auung 
jufammengeb,alten   Wirb,  bie  als  organifterenbeS  fjßrmgt^  bem  einzelnen  feinen  §alt  unb 

35  feine  Sebeutung  gäbe.  2öaS  fein  ©cfmter  ©üSfinb  als  bie  ©runbibee  ber  ©iorrfcfyen 
©ogmatif  bejeicb.net,  ber  ©ebanfe  beS  ererbten  moralifd)en  S5erfaßS  unb  ber  Steftitution 
beS  SRenfcb.engefa^IedjtS  bureb,  Sb,riftuS,  baS  fließt  fo  unmittelbar  auS  bem  biblifa)en 
©toff  felbft,  baß  eS  nicfyt  als  befonbereS  2Rer!mal  feiner  2tuffaffung  gelten  fann.  3JJan 
!ann  aber  aueb,   fcfjWerlicb,  fagen,   baß  ©torr  ben  ©egenfa|  bon  ©ünbe  unb  ©nabe  in 

40  feiner  ganzen  ^iefe  gewürbigt  l)ätte.  ©eine  Slrbeit  ift  bielmefyr  gerabe  t)ier  eine 
femipelagianifcb.e  ©im^lifi^terung  unb  5[Roberierung  beS  ©ogmaS,  bie  an  ben  bor= 
fantifeljen  tfyeologtfcljen  „SJioberantiSmuS"  eines  SDöberlein,  ^ÖloruS  u.  a.  erinnert  unb 
cbenfotoenig  ein  tieferes  religiöfeS  Wie  baS  Wiffenfcfyaftlicfye  ^ntereffe  befriebtgt.  SDtefe 
2lbftumf)fung  beS  ©ogmaS  geigt  fic§  namentlicb,  barin,    baß  ber  ©laube  gWar  Vertrauen 

45  auf  bie  ©nabe  ©otteS  fein  foß,  als  foldjeS  aber  ganj  in  bte  eigene  Kraft  beS  9Jienfdj)en 
gefteßt  Wirb,  unb  baß  biefem  ©lauben,  fofern  er  bie  äußerlicb,  berfünbigte  Vergebung  ber 
©ünben  anerlennt,  unmittelbar  „ber  Wofyltfyäüge  ©influß  pgefcb.rieben  Wirb,  unfer  §erj 
unb  Seben  ju  beffern"  („bie  juberfidjtlicfye  (Erwartung  einer  fo  großen  ©eligleit  bureb, 
6b,riftuS  muß  bem  ©eifte  einen  folcfyen  flogen  ©inn  einflößen,  baß  er  eS  unter  ber  Sßürbe 

so  beS  (Stiften  achtet,  ein  ©Habe  ber  ©ünbe  ju  fein  unb  nur  ein  eifriges  Seftreben  nao) 
§eilig!eit  mit  biefer  erhabenen  33eftimmung  bereinbar  finbet"),  baß  enblicb,  bie  ©naben= 
Wirfungen  beS  i)l  ©etfteS,  bie  aßerbingS  bon  ©torr  noeb,  als  etwas  SefonbereS  bon  ber 
moralifa^en  SBtrfung  ber  £eb,re  unterfcf)ieben  Werben,  nur  gleidjfam  tjintennao;  als  unter= 
ftü|enbeS  Moment  ba§u   fommen.    2öaS   ift   noeb,  bom  ©eifte   beS  ortfyoborm  ©tjftemS, 

55  WaS  noeb,  bom  eigentlichen  ©inne  ber  ©cb,riftleb,re  übrig,  Wenn  ber  ©laube  aus  einer 
göttlicb,  ^bereiteten  @mbfänglict)fett  für  bie  Wiebergebärenbe  ©nabe  gerabe^u  in  ein  felbft= 
tb,ättgeS,  fittlicf;eS  3Serb,aIten  berWanbelt  unb  ber  bl.  ©eift  auS  bem  befyerrfdjienben  ßentrum 
ber  gangen  §etISaneignung  auf  bte  ^3eribb,erie  InnauSgebrängt  Wirb,  als  ein  baS  eigene, 
menfcfylkfye  Xb,un  nur  unterftü^enber  unb  boßenbenber  gaftor?    @S  Würbe  juWeit  führen, 

60  Wenn  Wir  auef)  noeb,  an  anberen  ©ogmen  biefe  ^Jtetfyobe  ber  2lbftumbfung  unb  .gurecb,t= 


Xübtttger  ©djulc,  filtere  153 

madjung  nad)meifen  Wollten ;  c§  fei  bal)er  nur  noeb,  erinnert  an  bie  fyöcbjt  d;ara£teriftifd;c 
2Iuffaffung  ber  £el)re  bom  BerfötmungSroerle  unb  ber  ^3erfon  6t»rifti.  ®ie  ©torrfcfyc 
Ibeorie  ber  Berföb/nung  roeid)t  Don  ber  orif)obor.en  Bofition  baburd)  ab,  baß  fie,,  ben 
(Straferlaß  auf  ben  baffiben  ©er/orfam  (Sfyrifti  allein  begrünbet,  bie  formale  2tqui= 
balenj  ber  Seiben  ßl)rifti  mit  ber  ©träfe  ber  Sftenfcb^eit  babjngeftellt  läßt  unb  bon  5 
bem  aftiben  ©efyorfam,  ju  bem  Gr)riftu3  aud)  für  fid)  felbft  berbflicfytet  mar,  nur  bie 
bofitiben  folgen  feiner  Berb,errlid)ung  unb  ber  Befeligung  feiner  Brüber  ableitet.  ®a= 
burd)  nähert  fid)  ©torr  aUerbingS  Slnfelm  unb  §ugo  ©rotiu§,  aber  aud)  bem  refor= 
mierten  Sbtoui.  (Bgl.  Säur,  Set)re  bon  ber  Berföfynung  ©.  537  ff.  unb  bie  mefentlitf) 
anbere  Beurteilung  StitfölS,  SRedEjtf.  u.  Berf.  I3,  ©.  426 ff.),  ©benfo  cfyarafteriftifcb,  10 
jeigt  fid)  ber  rein  biblifd)e  unb  berftänbige  ©ubranaturaliämug  ©torr<8  in  feiner  Be= 
banblung  be§  ©ogmas"  bon  ber  Berfon  (Sfyriftt  (bgl.  SDorner,  ßi)riftologie  II,  968; 
Baur,  ©©  III,  518  f.).  @r  miß  ^mar  äße  roef entließen  Beftimmungen  ber  $ir<f)enler)re 
über  bie  ©ottfyeit  6f)riftt  feftfyalten,  fofern  er  fie  auet)  für  bibltfcb,  begrünbet  §011  (con- 
junetio  cum  Deo  talis  ac  tanta,  ut  qui  Deus  est  idem  homo  sit,  et  qui  homo  15 
est  idem  sit  Deus).  £$nbem  er  aber  ber  communicatio  idiomatum  ganj  aus"  bem 
SSegc  gel)t,  tritt  bie  3bee  einer  matten  5Renfd)rcerbung  be3  £ogo§  unb  einer  perfönlid)en 
(iinr/eit  be3  bräejiftenten  £ogo£  mit  bem  SRenfcfjen  QefuS  gar  nid)t  mel)r  b,eraus\  Biel= 
mefir  mad)t  bie  ©arfießung  ben  ©inbruef,  baß  ber  £ogo§  ober  bie  excelsior  natura 
niebt  berfbnlid)  eins"  mit  ^efuä  mar,  fonbern  nur  bas"  bon  außen  b/er  u)n  beftimmenbe  20 
unb  fuftentierenbe  Brin^ib,  momit  ©torr,  ob,ne  es>  ju  motten,  einer  famofatenifcf)en  ober 
focimamfcfyen  2lnfd)auung  bon  ber  Berfon  6f)rifii  ftd)  annähert,  mie  fie  bamals"  aud) 
fonft  borfyanben  mar. 

£a3  bogmatifd)e  ©Aftern  ©torrs"  ift  niebergelegt  inSbefonbere  in  feiner  legten  §aubt= 
fd)rift:  Doctrinae  christianae  pars  theoretica  e  sacris  litteris  repetita  1793,  ed.  25 
em.  1807,  beutfd)  überfe|t  unb  mit  3ufä|en  au3  ©torrs"  übrigen  ©cfriften  unb  benen 
anberer  Ideologen  berfefyen  bon  feinem  ©d)üler  Äarl  (5f)rtftian  glatt,  1803;  in  ^weiter 
2(u3gabe  ift  nur  nod)  ber  erfte  Banb  erfd)ienen  1813.  25iefe<§  Söerf  ift  in  Sßürttemberg 
burd)  Ianbe§t)errltct)e  Berorbmmg  als"  £efyrbud)  ber  £anbe§bogmati!  förmlid)  eingeführt, 
ben  göglingen  bes"  ebangelifd^en  ©eminars"  in  bie  §anb  gegeben,  unb  bei  ib/ren  mtffen=  30 
fcfyaftlicfyen  Uebungen  mie  bei  ben  jäl)rlid)en  ®iöcefanbt§butationen  ber  ©eiftlid)feit  lange 
ßeit  §u  ©runbe  gelegt  morben.  Söetter  finb  für  bie  Kenntnis  be§  bogmatifdjen  ©t^ftemg 
tüitt^tig  bie  beiben  ®iffertationen  de  spiritus  saneti  in  mentibus  nostris  efficacia, 
1777,  bie  2lbb,anblung  über  bie  ©nabenmirfungen,  1779,  ber  jmeite  2;eil  feiner  @r= 
läuterung  be§  S3riefe§  an  bie  Hebräer,  1789,  2.  2lu3g.  1809,  ber  eine  3lbb,anblung  über  35 
ben  groeef  be§  £obe§  3efu  enthält,  fid;  aber  aud)  über  bie  metften  anberen  $aubtle£>ren 
bei  (Eb,riftentumg  ausbreitet ;  meiier  entbält  bie  ©d)rift  über  ben  fttoeä  beä  ©bangeliumg 
unb  ber  Briefe  ^ob,anni§,  1786,  eine  Berteibigung  ber  ©ott^eit  ß^rtfti;  enblicb,  begießen 
fid)  mehrere  2lbf)anblungen  im  glattfdjen  SJlagagin  unb  einige  befonberö  erfdjienene  SDiffer= 
tationen  auf  ba§  ©ebiet  ber  ^Dogmatif.  Qn  btx  @r.egefe  befämbft  ©torr  bie  bon  ©emier,  40 
3t.  netter  u.  a.  angetoanbte  SltlommobationS^t/botfjefe  (Dissert.  de  sensu  historico 
1778).  gretlid)  befaß  er  bei  aller  Beljierrfctmng  ber  gelehrten  §ilf§mittel  boeb,  roeber 
gefcb,id)tlid)en  ©inn  nod)  bogmatifd)e  Unbefangenheit  genug,  um  bie  attmäblidje  @nt= 
toidelung  ber  ©cfyriftroafyrr/eit  ^u  er!ennen  unb  bie  Slbmege  !ünftlid)er  §armonifierung  ju 
bermeiben.  33on  feinen  ejegetifd}=!ritifd)en  ©djriften  finb  bie  hndjtigften :  bie  neue  2lbo=  45 
logie  ber  Offenbarung  ^otjannig,  1783,  über  ben  groeef  ber  ebangelifeben  ©efd)id)te  unb 
ber  Briefe  ^or)anni§,  1786,  unb  bie  Erläuterung  bei  Briefes  an  bie  Hebräer,  178'.». 
Xte  erfte  ©d)rift  ift  eine  für  il)re  geit  feb,r  grünblid)e  unb  unbefangene  Berteibigung 
ber  ßa)tf)eit  ber  Slbofal^bfe.  Qn  ber  ©d)rift  über  ben  .ßroeef  ber  ebangelifd)en  ©efd)id)tc 
unb  Briefe  be§  3°f'anneg  fafet  ©torr  ba§  Problem  ber  @bangelien!ritif  mit  ebenfo  biet  50 
fritifd)em  ©d)arffinn  als  Umfid)t  an,  um  burd)  Bergleiclmng  mit  ben  anberen  ©bangelien 
Stellung  unb  3tbecf  beg  ^D^annegetoangeltumg  au^umitteln.  Slucb,  Baur  fagt:  mie  man 
aud)  über  ben  materiellen  SBert  feiner  Stefultate  urteilen  möge,  anerfannt  muß  boeb, 
toerben,  baß  ba§  Iritifdje  BerftänbniS  be§  iob.anneifcb.en  iStoangelmmS  bureb  bie  ©torrfcb.c 
cdjrift  einen  großen  gortfcfjritt  gemacht  bat,  befonberg  barum,  meil  er  ernannte,  baß  55 
man  bon  ber  @inl)eit  unb  burd)grcifenben  @igentümlid)feit  be§  ©an^en  ausgeben  muffe, 
um  ba§  einzelne  \n§  reebte  £td)t  ju  ftellen.  Söenn  man  au§  biefer  ©ct)rift  ben  (Sinbrucf 
Befommen  möd)te,  baß  ©torrl  Birtuofität  bod)  eigentlid)  mel)r  bie  ^iftorifeb^ritifefte,  als 
bie  bogmatifebe  ift,  fo  toirb  biefe  günftige  SfJleinung  mefentltcb  b,erabgeftimint  burd)  bie 
britte   ber   genannten    eEcgetifd;=frittfd)cn  ©driften,   feine  ©rläuterung   beö  .s^ebräerbriefs.  «> 


154  Sülmtgcr  ©dnile,  ältere 

So  febr  jcigt  fieb,  ©ton-  f)icr  gebunben  bon  ber  ©trenne  feines  Slutoritätsbrinjibs,  fo  un= 
fäfng  bie  inneren  Unterfcbtebe  im  Kanon  in  tfyrer  bollen  Sebeutung  anperfennen,  ba$ 
er  es  als  einer  ber  legten  unternimmt,  bureb,  bie  fünftUcbftert  Kombinationen  bem  ^aulus 
bie  UrBe&erfcbaft  ju  retten;  bagegen  ift  bie  (Sjegefe,  menn  aud)  nid)t  febr  ttefgebenb  unb 
5  im  einzelnen  totelfacb  anfechtbar,  boeb,  bert/ältnismäßig  einfaef).  SCnberc  Seiträge  ^ur 
©cfyriftauslegung  finb  in  feinen  Opuscula  academica,  3  S3be,  1796—1803,  gefammelt. 
©cfyltefjltcr)  ift  aud)  ju  ermähnen  fein  Settrag  jur  bebräife&en  ©rammatif  in  benObservationes 
ad  analogiam  et  syntaxin  hebraicam  pertinentes,  Tübingen  1779  (bgl.  Dealer  in 
©djmibs  ^äbag.  ©ncbfl.  33b  III,  ©.  368  unb  ©ieftel,  ©efd).  bes  3l£s,  ©.  565).    Über 

10  bie  ©Triften  ©torrs  bgl.  bas  SSer^etcbniö  im  Reiten  Sanb  feiner  nadjgelaffmen  ^ßrebigten 
(Tübingen  1806/8),  benen  aud)  ein  Sebert^abrife  unb  eine  bon  ©üsfinb  unb  glatt  ber= 
faßte  GI)arafteriftif  ©torrs  beigegeben  ift  (»gl  £>.  ®öring,  ©eutfd)e  Kanjelrebner  bes  18. 
unb  19.  Safyrfyunberts  6.  489 ff.;  ^eitgenoffen  II,  2;  ©.  191  ff.;  ©üsfinb  im intelligent 
blatt  ber  §all.  £itt.=3tg.  1805,   «Rr.  43,   ©.  345 ff.;   Teufel,  ©et.  ©eutfcbjanb  VII.  X. 

15  XI.  XII.  XV.  XX). 

©ie  ©dmle  ©torrs,  ju  ber  mir  meiter  gefyen,  mirb  im  engeren  ©inne  gebilbet  Don 
$of).  griebrtcb,  glatt,  griebrid)  ©ottlieb  ©üsfinb,  Karl  Sbrifttan  glatt,  meiere  äße  un= 
mittelbare  ©ctmler  ©torrs  unb  feine  9Rad)folger,  ieilmeife  noer)  Kollegen  in  ber  tbeo!ogt= 
fdjen  galultät  ivaren.    Q-  ?5rtebricb  glatt  mar  geboren  ben  20.  gebruar  1759  in  Tübingen 

20  unb  bollenbete  b,ier  als  3°9^n9  oe^  eoangelifcfyen  ©eminars  feine  ©tubien,  bie  fieb,  neben 
Sßfyilofob&Je  unb  Geologie  aud)  auf  SRatfyemattf  erftredten.  Son  einer  gelehrten  Steife 
in  ben  Qafjren  1784  unb  1785,  mäfyrenb  toelcber  er  fid)  größtenteils  in  ©öttingen  auf= 
fyielt,  roo  bamals  ©bittler  unb  ^ßland  lehrten,  lehrte  er  als  neu  ernannter  ^rofeffor  ber 
^lulofoblue  nad)  Tübingen  gurüd  unb  marf  fid)  l>ier  mit  allem  ßifer  auf  bas  ©tubium 

25  ber  Kantfd;en  ^Inlofoblne,  über  ir>elcr)e  er  bie  erften  Sorlefungen  auf  ber  Umt-erfität 
Xübingen  Inelt.  grüdjie  biefer  Sefdjäftigung  mit  ber  ^fnlofobljie  maren:  bie  fragmen= 
iarifer/en  Seiträge  jur  Seftimmung  unb  ©ebultion  bes  Segrip  unb  ©runbfatjes  ber 
Kaufalität  unb  gur  ©runblegung  ber  natürlichen  ^tb/eologie  in  Sejiel)ung  auf  bie  Kantfdje 
$InIofobf)ie  1788,  Sriefe  über  ben  moralifdjen  ©rfenntnisgrunb  ber  Religion,  1789,  unb 

30  Observationes  quaedam  ad  comparandam  Kantianam  diseiplinam  cum  chri- 
stiana  doctrina  pertinentes,  1792.  Übrigeng  fetjte  er  mäfyrenb  biefer  $eit  bie  X^o- 
logie  feinesmegs  beifeite,  loas  er  befonbers  bemies  in  ber  Seantmortung  ber  1786  auf 
befonberen  33efef>l  bes  Könige  ©eorg  II.  bon  ©nglanb  bon  ber  ©ötttnger  tbeol.  gafultät 
geftellten  ^reisaufgabe :  „Semeis  ber  @ottf)eit  Sfirifti"  u.  b.  X.  Commentatio,   in  qua 

35  symbolica  ecclesiae  nostrae  de  Deitate  Christi  sententia  probatur  et  vindicatur, 
1788,  fomie  in  ben  „Seiträgen  gur  cbriftlicfyen  ©ogmatif  unb  9Jcoral  unb  %ux  ©efcfyicfyte 
berfelben",  1792,  in  meldten  bie  Semerhmgen  über  ©ocins  ^ßfyilofobbie  unb  Geologie, 
nad;  ib,rem  Serl)ältnis  jur  braltifcfien  Sernunft  betrautet,  bon  einbringenbem  Serftänbnis 
jeugen.    ^m  ^ab,re  1792  in  bie  tf)eologifc§e  galultät  berfetjt,   las   er   junäcb,ft  über  bie 

40  d;riftlidie  ©ittenleb,re  als  fein  .gaubtfad),  baneben  über  neuteftamentlic^e  ©jegefe,  2lbolo= 
getif,  praJttfcbe  Xbeologtc,  nur  furje  &\t,  1798,  nad)  ©torrs  Slbgang,  über  bie®ogmatii 
Som  1796  an  gab  er  bas  „Siagajin  für  Dogmatil  unb  9)coral"  f;eraus,  bas  fbäter  bon 
1803  an  ©üsltnb  rebigierte;  es  finb  barin  aud)  mehrere  2lbb,anblungen  etl)ifd()en,  bog= 
matifeben  unb  ej:egctifd)en  ^n^ttes  bon  ib,m  enthalten,    dlad)  feinem   am  24.  bJJobember 

45  1821  erfolgten  SCobe  finb  feine  Sorlefungen  über  d;riftlid}e  Sittenlehre  (bon  ©teubel 
1823)  unb  über  bie  baulinifd)cn  Sriefe  (bon  §offmann  unb  Kling  feit  1820)  aus  feinen 
Sftanuffribten  unb  Kollegienb^eften  b, erau§gegeben  morben.  ®iefe  ©d)riften  finb  ein  Setoeis, 
baf3  es  it)in  md)t  an  ©d)arffinn,  ©eleljrfamleit  unb  bielfeitigem  rr>iffenfcbaftlicbem  ^ntereffc 
fehlte,  menn  er  aud)  feinen  2ef)rer  ©torr  bjerin  nicb,t  erreiebte.  ®ie  große  ©ett>iffenf)aftig= 

50  feit  unb  ©orgfalt,  mit  ii>elcl)er  er  feine  roiffcnfcbaftlicbert  llnterfucfyungen  unb  afabemifdjen 
Sorlefungen  bef)anbelte,  mürben  mit  j$unef>mcnben  ^ab,ren  bei  ib,m  unter  bem  ©rud 
!örberlid)er  Seiben  unb  ©ebrecb.en  ju  einer  älngfilidtfeit,  ©Irubulofität  unb  ©d;merfällig= 
feit,  bie  ib, n  aueb,  bas  fietcb tefte  nur  mit  Slnftrengung  tb^un  lief?,  feine  litterarifc^e  Xb,ätig= 
feit  fjemmte  unb  feinen  Sorlefungen  bie   frifd)e,   lebenbige   unb    freie  Semegung   raubte. 

55  2Iucb  bie  natürlid)e  .£eiterfeit  unb  £ebb,aftig!ett  feines  SBefens,  mit  ber  jeboeb,  aueb,  eine 
getoiffe  Sftetgbariett  bes  SEemberaments  berbunben  mar,  mid)  infolge  jener  förberlic^en 
Seiben  unb  mancher  fcb,merjlid}en  Serlufte  in  feinem  gamilienleben  einer  gemiffen  Ser= 
büfterung  unb  einem  bon  ber  Slufjenmelt  fieb,  abfcbltefienben  ©rnfte,  obmof)l  fein  mab,rb,aft 
djriftlidb,  frommer  ©inn  unb  fein  feftes  ©ottbertrauen  bies  mieber  milberte  unb   tbn   ju 

eo  ausfjarrenber  ©ebulb  ftärlte.     Sgl.  über  ib,n  bie  ©ti^en  bon  feinem  Sruber  Karl  glatt: 


£übtnjjcr  Sd)ii!c,  ältere  1  f>r> 

„Einige  ^ügc  öon  tont  ÜBilbc  bcö  bcrcWigtcn  D.  $ofy.  $r.  $Iatt"  u.  f.  W.,  bic  feinen 
$orlcfungen  über  bic  fyx.  Moxal,  lübingen  1823,  borangeftellt  unb  Welcher  aud;  ein 
^eqeidmiS  feiner  ©driften  angebängt  ift;  ferner:  Sufyenäum  berühmter  ©clefyrten  2ßürttcm= 
bergS,  182!),  I,  19;  Gifenbad),  ©efd).  ber  Unib.  %üb.,  ©.  345;  ßlübfcl,  33nur,  äBetgs 
fader  a.  a.  C. ;  Teufel,  ©ei.  ®eutfcf/l.,  33b  II ff.;  §.  Döring,  ©el.  2$eoL,  I,  408;  5 
'JSalmer  in  2lbS3. 

^r.  ©ottlieb  ©üSfinb,  ber  College  glattS,  War  geboren  17.  gebruar  17<>7  ju  9ieuftabt 
a.  bA'inbe,  al§  ©ofyn  beS  bortigen  ©iafonuS,  llrenM  bon  3-21. 23engel.  Gr  abfotbierte  feine 
tbcologifdjen  ©tubien  gleichfalls  im  tfyeologifcfyen  ©tift  in  Tübingen  1783—1788,  mad)te 
1790  eine  gelehrte  Steife  buret/  SDeutfcb.Ianb,  Würbe  1791  Repetent  in  Tübingen,  1795  10 
£iafonu3  in  Urad).  33on  ba  als  ^rofeffor  ber  Geologie  naef»  Tübingen  berufen,  War  er  ber 
-Jiadjfolger  beS  il?m  nafye  berWanbten  unb  befreunbeten  ©torr  auf  bem  2el>rftur/l  ber  2)og= 
malif,  trat  aber  fd;on  1805  an  bie  ©teile  ©torrS  als  Dberfjofbrebiger  unb  Jlonfiftorialrat 
in  Stuttgart,  würbe  1814  nad)  Gnit/ebung  Dom  erfteren  2lmte  gugleid)  ©ireftor  beSDber= 
ftubienrats,  unb  ftarb  als  folcfyer  ben  12.  'iKobember  1829.  ©eine  Wiffenfdjaftlicfyc  15 
2bätigfeit  galt  b/aubtfäcf/lid)  ben  abologetifd)=bogmatifd>en  ©runbfragen,  Welche  er  teils 
mit  pfnlofobr/ifdjen  Mitteln  teil«  auf  ejegetifd;em  2Bege  gu  beantworten  fueb/te.  Sie 
bebcutenbften  feiner  wiffcnfdtaftlidjen  arbeiten  finb:  „Über  ben  aus  ^ßrinjibien  ber  braf= 
tifct)cn  Vernunft  hergeleiteten  Über^eugungSgrunb  bon  ber  3}JbgIid)leit  unb  2öirftid)!cit 
einer  Offenbarung",  bie  als  2lnb,ang  feiner  Überfettung  bon  ©torrS  lateinifdier  2Ibb,anb=  20 
hing  über  $ants  9teIigionSlct)re  beigegeben  ift,  bom  $afyre  1794;  Woran  fid)  eine  2lb= 
banblung  im  glattfdjen  SJcagajin  1797  anreiht:  Über  baS  Stecht  ber  Vernunft  in 
2lnfebung  ber  negatiben  SBeftimmung  beS  $nl)alts  einer  Offenbarung;  bieg  namentlich, 
gegenüber  ber  $ant=gicbtefd)en  9teligionSblnlofobr/ie.  2tber  aud)  bem  ©d;etlingfcf/en  ©Aftern 
gegenüber  fuct)te  er  bie  tfyeiftifdje  ©runblage  beS  Gl)riftentumS  ^u  fiebern  in  ben  3lb=  25 
|anblungen :  Über  bie  ©rünbe  beS  ©laubenS  an  bie  ©oitt/eit  als  aufjerWeltlidje  unb  für 
fid)  beftefyenbe  ijntelligenj  in  33ejief)ung  auf  baS  ©Aftern  ber  abfoluten  Qbentität,  $IaitS 
tTRagaun  1804  unb  1805,  unb:  Prüfung  ber  ©cfyellingfcfyen  2ef;ren  bon  ©ott,  2öelt= 
fcfyöbfung,  gretfyeit,  moralifd)  ©utem  unb  23bfem,  SDcaga^in  1812.  2Ibologetifd)  ift  ferner 
bie  2lbfyanblung :  $n  meinem  ©inne  f)at  ^efu§  bie  ©öttlicbjeit  feiner  9teügionS=  unb  30 
(Sittenlehre  beraubtet?  1802.  Qn  bogmatifdjer  S3e§te£)ung  bewegten  ftd)  feine  Unterfudmngen 
um  bie  Äarbinalfrage :  Über  bie  9Jcöglid)feit  ber  ©trafauffyebung  ober  ©ünbenbergebung 
nacb,  ^rin^ien  ber  ijralttfc^en  Vernunft,  glattS  SRagajin  1796,  unb:  ^cod)  etwas  über 
bie  moralifcfye  9JcögItd)feit  ber  3luff)ebung  berbienter  ©ünbenftrafen,  ebenbaf.  1803,  Womit 
firf;  bie  e£egetifd)e  9cad)Wetfung  ber!nübfte :  $ft  unter  ©ünbenbergebung,  bie  baS  %l%  35 
berfbridjt,  2luff)ebung  ber  ©trafen  ju  berfieben?,  ebenbafelbft  1797  unb  1798.  SludE)  bie 
3lrt,  Wie  ©üSfinb  nod)  ^ule|t  mit  ber  ©c^ieiermacb^erfd^en  'Jf)Cologie  in  fragmentartfdten 
Semerlungen  fid;  au^einanberjufe^en  fucfyt,  ift  nic()t  unintereffant  (f.  feine  „Sermifcfyten 
Sdriften"  nad}  feinem  £obe  b^erauSg.  bon  feinem  ©ob^ne  1831).  Sie  fyerborfted>cnben 
^üge  feiner  3>nbtoibuaütät  finb  eine  gro^e  ©d^ärfe  be3  ©eifteg  unb  gleid)  gro^e  Energie  40 
beö  3ßiHeng.  Gr  ift,  Wie  33aur  treffenb  bon  ifym  gefagt  fiat,  ber  ®iale!tifer  ber  ©d;ule, 
ber,  wie  ber  Krieger  auf  beö  ®egen§  ©bi^e,  auf  bie  ©d)ärfe  feiner  Iogifd>en  2Irgumen= 
tationen  füb^n  bertraut.  ©eine  2J?eifterfd)aft  in  ber  Sogil  gab  ifym  eine  entfd)iebene,  ener= 
gifd;e  Haltung,  unb  er  liebte  aud}  in  ber  SBiffenfdjaft  ba§  Äategorifdie  unb  ®ütatortfcf/e, 
ebne  3lebenrüdfid;t  refolut  auf  fein  giel  Io§geb;enb.  2Ba§  tr)m  aber  ganj  abging,  War  15 
ber  fbefulatibe  ©inn,  ber  über  bie  ©egenfätje,  Wie  fie  in  ber  drfafyrung  erfd)einen,  |inaug= 
greift  unb  eine  Gmfyett  unb  ein  organifdjeg  ©an^e§  bon  einer  fyöcf/ften  ^bee  au§  ju  gc= 
»innen  ftrebt.  ^n  feinen  fbäteren  amilidjen  $8erb,ältntffen  b)at  ba§  geWöt)nIid;e  Urteil  fid) 
häufig  an  bem  „Ifotegorifcr/en  unb  ®iltatorifd)en",  an  ber  ©d)ärfe  unb  ©trenge  feinet 
3luftreten§  geftofjen,  aber  bie  2;ieferfel)enben  unb  9?äf)erfter)enben  f)aben  bod;  immer  be=  50 
fannt,  baf?  bie  ©tadeln,  Welche  biefer  3)iann  f)in  unb  Wieber  nad)  aufecn  fet;rtc,  nid)t 
fd?ärfer  Waren  al§  biejenigen,  Welche  er  felbft  in  feinem  ©eWiffen  unter  bem  ®rude 
fd}tt)ieriger  5Berb,ältniffe  embfanb ;  ja  bafe  er  nod;  ftrenger  gegen  fid)  felbft  War  aU  gegen 
anbere,  unb  bafj,  Wenn  feine  ©trenge  biel  forberte,  fein  rechtlicher  ©inn  audi  oft  genug 
mebj  f>tel±,  als  er  berfbrad).  ^nebe'fonbcre  ift  feine  2lbfaffung  unb  -atebartion  ber  aller=  55 
bingS  mit  Nety  angefochtenen,  beränberten  Württembergifct)en  Viturgic  bom  :^at)xc  18»  >9 
nitt)t  ganj  billig  beurteilt  worben,  inbem  fid;  erft  fböter  geigte,  Weldien  fdjWcren  Stanb 
«  bier  b,attc  gegen  f)ol)e  unb  aßertiöd^ftc  Ginflüffe,  wie  er  mit  feufjenbem  ©ewiffen  in 
mand)cS  fid)  ergeben  mufstc,  toa$  er  nid>t  änbem  fonnte.  äsgl.  über  ilm  ^citgenoffen 
HI,  2,  3,  ©.  78 ff.;    Ti.  9JefroIog    ber  ©eutfd;cn  VII,  2,  742 ff.;    3lUg.  K.=,ßtg.  1s2<),üo 


156  Sübittger  ©djulc,  ältere 

9h.  191;   ©c^toäb.  SWerfur  1829,  9?r.  277;    SDieufel,  ©el.  SDeutfd^l.,  VII.  X.  XI.  XV 
XIX;  §.  ©oring,  ©eutfcfye  tangelrebner  S.  502 ff.;  Corner,  SSürtt.  &=©.  S.  531. 

©er  brüte  ber  genannten  §aubtbertreter  ber  Storrfcfyen  Sdjmle,  Ratl  @Ijrifttan  glatt, 
ber  jüngere  SBruber  %ofy.  griebr.  glait§,  geboren  18.  Auguft  1772  in  Stuttgart,  erhielt 
5  feine  bj?tIofobb,ifct)e  unb  tfyeologifdje  SBilbung  gleichfalls  im  ebangelifcfjen  Seminar  in 
Tübingen  unb  machte  mehrere  Steifen,  auf  meldten  aud)  er  längere  Qtit  in  ©öttmgen 
bermeilie,  mo  man  itm  für  ba§  afabemifd)e  Sefyramt  feftguljialten  fuef/te.  SOöäfjrenb  biefer 
^eü  befd)äftigte  er  ftd?  eifrig  mit  bem  Stubium  ber  ®antfd)en  ^l)ilof  obb/ie ;  mit  biefem 
©tubium   ijing    innerlid)   gufammen   feine   erfte  Sdmft:    ^r/iIofobb,ifd)=e£egetifd;e  Unter= 

10  fudmngen  über  bie  Sefyre  bon  ber  23erföb,nung  be§  9Jtenfd)en  mit  ©Ott,  2  ^eile,  1797 
unb  98  (bgl.  über  biefelbe  3fttfcf/l,  9ted)tf.  u.  33crf.  I3,  471  ff.),  in  melier  er  gu  geigen 
berfucfyt,  bajj  bie  au3  bem  $antfc£)en  ©Aftern  ftcf>  ergebenbe  SSerföfynungstfyeorie,  monad) 
eigentlich  bie  Vergebung  ber  ©ünben  fid)  nacb,  bem  2ftaf$e  ber  ftttltdjen  Sefferung  rietet 
unb  tb,r  erft  nachfolgt,  nicfyt  blofe  bie  allein  bemünftige,  fonbern  aud)  bie  allem  im  31% 

15  begrünbete  fei.  @3  foK  ifym  bafyer,  atö  er  nad)  furger  braftifcfyer  SBirffamfeit  1804  gur 
tb,eoiogifcb,en  ^rofeffur  in  Tübingen  berufen  mürbe,  bie  3urücfnab/me  ber  ©runbgebaraen 
biefer  Scfyrift  bon  Storr  gur  33ebingung  gemacht  morben  fein,  ©emifj  ift  roenigften3,  bafj 
er  bie  eigentümlichen  §aubtibeen  biefer  Sdjrift  in  feinen  35orIefungen  unb  fbäteren 
©Triften  gurüdgenommen  f)at  unb  fid;  gang  an  bie  bon  ©torr  unb  feinem  Sruber  3-  g- 

20  glatt  bertretene  Stiftung  anfcf/Iof?,  wie  er  benn  übertäubt  metjr  eine  regebtibe,  aU  felbft= 
ftänbig  brobuftibe  sJiatur  mar.  ©eine  miffenfcfyaftlicfye  'Sr/ätigfeit  bewegte  fiel)  um  btefelben 
©egenftänbe  unb  Probleme,  roie  bie  ber  anbern  Storrfd;en  Geologen ;  bie  bon  ü)m  ber= 
faxten,  im  glattfd;en  SRagagin  b.aubtfäc^Iicb,  enthaltenen  2lbb,anblungen  belogen  fieb,  auf 
ben  abfolut  göttlichen  $nf>alt  ber  Offenbarung  (1796),  bie  SBunber  Efyrtfti,  2lboIogie  ber 

25  mofaifcfyen  Religion  gegen  $ant  (1797),  ®ants>,  gtcb,ie<3,  gorbergg  9ieligion3tl)eorie(1799, 
1800),  gunbament  bes>  ©laubemg  an  bie  ©ottfyett  (1804)  unb  einzelnes»  @jegetifd)e.  @3 
fehlte  ib,m  nicfyt  an  Scfyarffinn  unb  miffenfcfyaftlicfyem  Qntereffe,  roenn  er  gletd)  hinter  ben 
brei  befbrocfyenen  Geologen  ber  alten  Tübinger  Sdwle  gurüdftefyt.  ©eit  feinem  Über= 
gange  inf  braitifd;e  2tmt  als  Stiftöbrebiger  unb  Oberlonfiftorialrat  in  Stuttgart  1812, 

30  unb  ber  Übernahme  be3  ©ireftorium§  be§  Oberftubienratä  1829,  tuogu  aueb,  noeb,  bie 
©eneralfuberintenbeng  bon  Ulm  !am,  fyörte  feine  Iiiterarifd)e  'üLr/ätigfeit,  wenn  aueb,  nidjt 
feine  93efct)äftigurtg  mit  ber  SfBiffenfcfyafi,  auf,  meil  feine  amtliche  2Birffamfeit  ifm  bollauf 
in  Slnfbrucb,  nafym ;  benn  bas>  2öob,I  ber  baterlänbifcb,en  Ätrcf) e  unb  ber  Sefyranftalien  lag 
ib,m  feb^r  am  §erjen.    ©eine   raftlofe  ^fjätigieit  mürbe    bureb,    einen  ©cf;laganfaH,   nic^t 

35  ganj  jtoei  ^ö^re  bor  feinem  3obe,  ftiße  geftettt,  unb  feine  ©efmfucfyt  nacb,  ©rlöfung  er= 
füllt  burd)  feine  fd^rtetle  Abberufung  am  20.  9Zobember  1843.  konnte  man  in  feinem 
amtlichen  SBirfen  aueb,  oft  bie  ©ntfcb^tebenlteit  unb  ©elbftftänbigfeit  beö  Auftretend  ber= 
miffen,  fo  mar  er  boef)  eine  pflichteifrige,  bem  Serufe  fidb,  aufobfembe,  mofylmeinenbe, 
milbe,  fjeiterernfte,  ,,aud)  in  ifyren  ©4>mäc^en  acfitungSmerte  unb  UebenSmürbtge"  ^3erfön= 

40  licb,feit  unb  b,at  fic|)  im  Slnbenfen  bieler  eine  freunblicfie  unb  banlbare  Erinnerung  ge= 
fiebert  (bgl. :  3"t"  Slnbenlen  an  Dr.  ®arl  (S^rifttan  b.  glatt,  bon  ©ettinger  unb  feinem 
Kollegen  Oberfonfiftorialrat  Dr.  b.  Ilaiber,  Stuttgart  1843;  ferner:  31.  SMroIog  ber 
©eutfcfyen,  1843,  II,  ©.  989  ff.,  wo  auet)  ein  Serjetc^nig  feiner  ©djmften;  Äling,  3Ze= 
Irolog  be§  j.  glatt  im  @bang.  R.matt  für  Sßürttemberg,  1844,  ©.  137  ff.). 

45  ©ie  genannten  brei  Ideologen:  $of).  griebrieb,  glatt,  ©üöltnb  unb  Jkrl  6b,riftian 
glatt  bemegen  fic^  im  gangen  burcf;au§  in  ber  Stiftung  ©torrS,  inbem  fie  fieb,  bemühen, 
ber  ^«ttb^ilofobb.ie  3«8«fiänbniffe  p  ©unften  ib,re3  DffenbarungSftanbbunIt§  abzuringen. 
©ie  berufen  fiel)  für  bie  ©enfbarfeit  ber  Offenbarung,  bie  fie  al3  Mitteilung  f)öb,erer 
3Sab,rl)eiten  berftelien,  auf  bie  ©cb,ranlen  ber  menfcf)Iicr;ert  Vernunft  unb  rechtfertigen  ben 

so  ©lauben  an  fie  burd;  ben  §intoei§  auf  iljren  3Bert  für  bie  Seförberung  ber  SUtoralität. 
©iefe  2lrt  ber  Abologetü  mar  ntct)t  baju  angeib/an,  bie  gange  2!iefe  be^  obmaltenben 
©egenfatjeä  erlcnnen  gu  laffen  unb  bie  gefcfyloffene  Söucb,!  unb  felbftftänbige  Eigenart  ber 
cf)riftlicr;en  Übergeugung  gur  ©eltung  gu  bringen.  Sßag  t§re  mob^Igemeinte  unb  nicfyt  feiten 
feb^arffinnige  SSerteibigung  im  borau§  lähmte,  mar  bie  Unlebenbigfeit  ifjreö  eigenen  ©otte§= 

55  begriffg  unb  bie  barauä  folgenbe  2tu^erlicl)feit  ber  Offenbarunggautorität.  ©o  i)at  ©ü§= 
ünb  in  ber  oben  angeführten  Slblianblung  bom  ^ab^r  1802  auf<§  genauefte  erörtert,  in 
meinem  ©inne  ^efus  bie  ©öttlicjifeit  feiner  9ieIigion§=  unb  Sittenlehre  beraubtet  iabe, 
aber  feinen  SSetfucr)  gemacht,  bie  bon  ifym  au§gel)enbe  Offenbarung  tiefer  mit  feinem 
^3erfonleben  gu  berfnübfen.    (Sine  anbere  ^emmenbe  ©cb^ranfe  lag  aber  aueb,    in  ber  me= 

60  tfyobifdjien  2Sermanbtfcb,aft,   in  ber  il;re  eigene  rationale  ©emonftration  mit  bem  leitenben 


Süfitngcr  ©djitle,  ältere  157 

sDiotib  ber  befämbften  rationaliftifd)en  SDenfWeife  ftanb.  @?  fann  barum  nid)t  über= 
raffen,  Wenn  trots  aller  ©trenge,  mit  ber  bie  Autorität  be?  VtbelWort?  berfod)ten  Würbe, 
biefer  rationale  $"9  in  fteigenbem  3Jia^e  aueb/  in  bie  2Iuffaffung  be?  SDogma?  felbft  ein= 
brang.  ©o  berWenbet  ©ü?finb  ben  Äanifcb/cn  ©runbfais  bon  ber  Proportion  ber  "Jügenb 
unb  ©lüdfeligteit  für  bie  geftftellung  ber  cfyrifilidjen  6entrallel/re  bon  ber  ©ünbenbergebung  5 
al?  einer  ber  Vefferung  borangeb)enben  2luff>ebung  ber  ©trafen,  ^n  ben  oben  genannten 
Slb^anblungen  Will  er  bon  jenem  Kantfcfyen  ©runbfats  au$  mit  logifct/er  l^onfcquenj  bereifen 
unb  fogar  mit  matb/ematifd)en  gormein  beranfcb/aulicfyen,  bafc  ba?  b/bcbjte  ©ut  noeb,  beffer 
meid/t  Werben  lönne  burd)  2lufb/ebung  ber  ©ünbenftrafen,  al?  burd)  ib/re  SSoUgte^ung. 
(3Jlit  einer  äbmlid/en  matbematifd)en  SDemonftration  mar  it>m  3-  gr-  glatt  im  SJcagajin  10 
bon  1797  feb/on  borangegangen.)  216er  Wenn  fieb)  bie  ©torrianer  aud)  in  biefer  Ver= 
teibigung  ber  cb/riftltdjen  ©runbleb/re  bon  ber  ©ünbenbergebung  für  ein  Wafyre?  Qntereffe 
getoeb/rt  b,aben;  Wie  Wenig  b/aben  fie  boeb,  mit  biefen  fantifd)--abgeblafsten  Segriffen  ben 
tieferen  ©inn  unb  bie  gan^e  Tragweite  ber  £el)ren  bon  ber  Verformung,  ©rlöfung  unb 
Rechtfertigung  erfd/ötoft,  unb  Wie  roenig  b/aben  fie,  eben  Weil  fie  felbft  ftd)  $u  fefyr  auf  15 
ba?  "iiibeau  it)re?  bb/ilofobfufd/en  ©egner?  b^inübergie^en  liefen,  bie  eigentlid/e  ©d/Wäcb/e 
belfelben  in  feinem  Velagiani?mu?  ju  erlennen  unb  mit  burd/greifenbem  ©rfolge  31t  be= 
fämbfen  bcrmod)t!  ®ie  biblifcfye  Äritil  unb  (Sjegefe  ber  ©torrfcfyen  ©cb/ule  ift  bon  ber 
iljre?  9Jceifter?  nieb/t  toefentlid)  berfd)ieben;  fie  feiste  bie  Slrbeit  be?  Jtambfe?  gegen  bie 
:>(ftommobation?I)r/botb)efe  unb  bie  Ableitung  Wefentlid/er  dmftlicb/er  2öaf)rl)eiten  au?  ßeit=  20 
ibeen,  fotoie  gegen  bie  Singriffe  auf  bie  @cb/tl)eit  ber  ©bangelien  eifrig  fort.  SDie  nacb/ 
feinem  £obe  herausgegebenen  Kommentare  3"^-  griebrid)  glatt?,  wenn  fie  aud)  b)infid)tlid) 
ber  bbilologifd/en  2ltribie  unb  ber  ©cb/ärfe  unb  Suefe  ber  tb/eologifcb/en  begriffe  manche? 
bermiffen  laffen,  Ratten  immerhin  burd)  bie  treue  Venutjung  be?  bamaligen  ejegetifcfjen 
2lbbarate?,  unb  bureb)  i^>r  forgfältige?  ©inbringen  in  ben  gufammenb/ang  für  i|)re  geit  25 
ibjen  Sffiert. 

Sßäbrenb  bie  bisher  djarafterifterien  brei  S£f)eoIogen  bie  ©torrfeb/e  ©cb,ule  im  engeren 
Sinne  bilben,  nimmt  ber  bierte,  ber  fid£>  tfmen  anreiht,  @rnft  ©ottlieb  Vengel,  @nfel  be? 
berühmten  Qob/.  Stlbrecb/t  SBengel,  obgleicb/  auet;  noeb)  ein  unmittelbarer  ©cb/üler  ©torr?, 
boef/  fcfyon  eine  ntcr)t  unmefentlid)  abWeid/enbe  Stellung  ein.  Vengel,  geboren  ben  3. 5Ro=  30 
bember  1769  ju  ^abelftein,  1800  £>iafonu§  in  3Jiarbacf;,  feit  1806  ^rofeffor  ber  %i)to= 
logie  in  Tübingen,  feit  1810  prof.  Ordinarius,  feit  1820  Prälat,  b)atte  fyaubtfäcfylicf/ 
bie  gäcf;er  ber  gefcb/ic^tlic^en  ^t/eologie  borgutragen  unb  fcb,on  beSroegen  Weniger  Slnlafj, 
ben  bogmatifc^en  ©tanbbun!t  ber  ©torrfcf)en  ©cr^ule,  ib,re  bibtifc^^abologetifcb.e  9lic£)iung  b,er= 
bortreten  ju  laffen.  ©eine  SSorlefungen  über  Kircb;en=  unb  ©ogmengefclncr/te  fanben  bieten  35 
Beifall  Wegen  ber  Haren  überfic^tlictjen  Verarbeitung  be§  ©toffe?,  Wegen  ber  gewählten 
unb  gefälligen  ©arfteEung  unb  be?  bureb,  bie  2Bürbe  feiner  ^erfönlicb;feit  gehobenen  ernften 
unb  nacb,bruc!?boHen  Vortrage?,  obgleich  ©ac^berftänbige  fbäter  an  it>nen  eine  felbft= 
ftönbigere,  umfaffenbere  unb  tiefer  geb)enbe  QueHenforfcb;ung  bermi^ten  (bgl.  ba?  bielleic^t 
ettoas  ju  ftrenge  Urteil  33aur3,  ©efcf)icf)te  ber  Uniberfität  Tübingen,  ©.  241  ff.).  ®a=  40 
gegen  bewegte  er  fiel)  in  feinen  Sßorlefungen  über  bie  cfyriftlidje  ©tjmbolil  auf  bem 
©runbe  eine?  felbftftänbigeren  unb  forgfältigen  ©tubium?  ber  Quellen,  unb  ^War  niebt 
Wo^  fjinficfitlicb;  ber  SDarftetlung  be?  latl)olifc§en  Seljrf^ftem?,  fonbern  in?befonbere  aueb, 
be?  focinianifcb,en  ©Aftern?,  über  Welche?  Sengel  eine  aueb,  feist  nocl)  bead)tcn?Werte  2lb= 
lianblung :  „^been  jur  r)iftorifcb=anaIt)ttfet)en  @r!lärung  be?  focinianifcb;en  Se^rbegrip",  45 
glatt?  gjiagaätn,  ©tücE  14.  15.  16  beröffentlicl)t  f>at.  3Jfan  %at  e?  mit5tec£)t  cl)ara!teriftifcb, 
gefunben,  bafe  bie  ©torrfcfye  ©c^ule  (©torr  felbft,  ber  ältere  glatt,  ganj  befonber?  aber 
Sengel)  mit  Vorliebe  ber  Vefcb/äftigung  mit  bem  focinianiftt^en  ©Aftern  fiefy  juWenbete. 
6?  begreift  fidc)  bie?  au?  ber  inneren  SSerWanbtfcf)aft  be?  bogmatifcfyen  ©tanbbunfte?, 
in?befonbere  au?  ber  SifmUcbJeit  ber  fubranaturaliftifct;en  Slbologetif  mit  bem  ©ociniani?=  50 
mu?,  fofern  fie  aueb;  ein  Wesentliche?  ©ewicfyt  legt  auf  bie  ©laubwürbigleit  ber  biblifcfien 
Tutoren  unb  ben  rein  übernatürlichen  (5b,aralter  ber  bureb;  fie  mitgeteilten  Offenbarung. 
SBenn  nun  aber  ©torr  unb  glatt  in  ber  äluffaffung  ber  §aubtbogmen  be?  ß^riftentum? 
bem  braltifcben  3Rationali?mu?  be?  focinianifer/en  ©Aftern?  noeb;  ferner  geblieben  finb,  fo 
ift  bagegen  Vengel  gerabe  fyierin  if)m  Wefentlic^»  näb^er  gefommen,  obwohl  er  benfelben  gu  55 
Vertiefen  unb  ju  bollenben  fuebte  burd)  bie  Äantfc|e  ^ßb;ilofobj)ic,  beren  etf)ifd)e  ©runb= 
flnfajauung  er  fict)  noc^»  boltftänbiger  aneignete,  al?  bie  eigentlichen  ©torrianer.  ©ein  bog= 
matifebe?  ©Aftern  trägt  baber  im  allgemeinen  ben  Gbarafter  be?  fog.  rationalen  ©ubra= 
naturali?mu?  ober  fubranaturalen  3lationaIi?mu?  an  fiel),  Welcher  in  ber  Offenbarung  bie 
übernatürliche  Veftätigung  unb  tfyatfädjiicfyc  Sarftellung,   eben   barum   aud)  eine   geWiffe  60 


158  Tübinger  <Sd)iile,  ältere 

(Erweiterung  ber  eibjfcr)=religiöfen  üßermmftWafyrfyeit  crfcnnt  (bgl.  bef.  23engel§  „Sieben 
über  Religion  iinb  Offenbarung",  1831,  nad)  feinem  ^obe  fyerauSgegeben,  unb  ben  2tn= 
fyang  gu  ber  ©cfmft  bon  Drellt  über  ben  Hambf  bc§  Nationalismus  mit  bem  ©ubra= 
naturaliSmuS,  Tübingen  1825).  ©ine  fbe^ielle  $robe  biefer  Sluffaffung  ber  cf/riftlicr;en 
5  Söafyrfyeit  geben  feine  10  ©iffertationen  über  ben  SniWidtungSgang  beS©IaubenS  an  bie 
Unfterblicbleit  unb  baS  SSerJjältmö  ber  Offenbarung  baju,  in  meinem  SCfyema  feine  33or= 
liebe  für  ben  ©ocinianiSmuS  unb  fein  fantianifterenber  futoranaturaler  Nationalismus  ficb, 
begegneten  (bgl.  SengelS  opuscula  academica  ed.  Pressel,  1834).  ©benfo  be$eicr;= 
nenb  Wie  biefer  fubranaturale  Nationalismus,   rocldtjer   bem  ©fyriftentum  im  ©runbe  nur 

10  ben  formellen  SSor^ug  ber  Seftätigung  ber  SernunftWafjrfyeit  übrig  läfjt,  tft  für  bie 
©tellung  SBengelS  fein  ^elagianiSmuS,  melier  ben  Unterfdjueb  jtoifd^en  ^roteftantiSmuS 
unb  ®atf)oliciSmuS  in  ber  ©runblefyre  i)on  ber  Necr/tfertigung  als  eine  „Sogomadjiie"  ^u 
betrauten  geneigt  tft,  inbem  er  ben  Segriff  beS  ©laubenS  in  ben  ber  Sefferung  unb 
UmWanblung    ber  ©efinnung    umfe|t    (t>gl.  SengelS   2lrrf>it»  Sb  I,    ©tücf  2,    ©.  469. 

15  SiefeS  2lrct;ib,  feit  1816  an  bie  ©teile  beS  glatt=©üSfinbfd)en  SRagajinö  getreten,  feit 
1822  Neues  Slrdiib  k.,  Würbe  bon  Sengel  bis  gu  feinem  Sobe  r)erauSgegeben  unb  ent= 
fyält  im  Unterfdneb  bom  SJlaga^in  weniger  bogmattfcfye,  als  ejegetifcfye,  bibltfd)4rittfcf;e, 
abologetifd)e,  braftifdje  älbfyanblungen,  Welche  in  ifyrem  giemttcr;  trodenen  unb  oft  aucfr, 
unbebeutenben  ^nb,alte  laum  ein  tiefereg   unb   bletbenbeS  Qntereffe  barbieten).    —    $n 

20  biefem  feinem  ©ianbbunfte  mar  Sengel  fo  feft  abgefcfyloffen,  bafs  er  jeben  bon  ber  ber= 
änberten  religiöfen  geitftimmung  urtb  bon  bem  Umfcf;Wung  ber  ^3r)ilofobl)ie  -  auf  Neu= 
belebung  unb  Vertiefung  ber  Geologie  auSgef)enben  ©mflujj  ftreng  bon  ftcr)  abhielt; 
bafyer  er  bon  ©cfyleiermacfyer  nur  in  ber  Söeife  Kenntnis  nafym,  baft  er  „mit  bem  3Sor= 
Wurf  beS  9Kr;ftifd)en  unb  ^antr/eiftifcfyen,  Wo§u  fid)  §err  ©cf/leiermacr)er  befanntlid)  neige, 

25  feinen  ©tanbbunft  fo  lurj  als  möglich  abfertigte"  (Säur).  2lber  aud)  feinen  jüngeren 
SanbSmann,  ©.  %.  SodSfyammer  (geb.  1784,  geft.  1822),  melier  in  feiner  ©djrtft  über 
bie  greir/eit  beS  menfd>Itd;en  SBillenS  (1821)  eine  ntcfyt  geWör)nlicr/e  bb,iIofobf)ifd;4l)eo= 
logifcfje  Begabung  an  ben  Sag  gelegt  blatte  unb  nad)  bem  Sobe  Qo^.  griebrid)  glattS 
$ur  (Ergänzung  ber  entftanbenen  Sude  bie  2(ugen  ber  gafultä't  auf  fid)   lenlte,   befeitigte 

30  Senget  E)au^tfäd^(tct)  burcb,  feinen  allgewaltigen  ©inftufs,  Weil  mit  itnn  ein  bon  ber  biS= 
r)erigen  Nicf)tung  Wefentlicb,  abWeicfyenbeS  neues  ©tement  in  bie  tt)eotogifd)e  gatuttät  ein= 
gebrungen  Wäre.  SJIan  fönnte  fid;  faft  Wunbern,  baft  Senget  gteicr)Wof>l  aud;  mit  feinen 
bogmatifcfyen  Sorlefungen  äiemlidb,  biel  Seifati  fanb.  (§,§  erflärt  ficb,  bieg  au§  ber  for= 
metlen  ©etoanbtfjctt,  mit  ber  er  9ktionali3mu§  unb  ©ubranaturaligmug  einanber  gegen= 

35  über  ju  ftellen  unb  nüeber  fo  gut  ju  bermitteln  rou^te,  ba^  bie  Wenigftenö  in  ber  ©tüte 
aud;  unter  ben  Württembergifcfyen  äb,eoIogen  giemlid)  berbrcitete  Neigung  jum  Stationalig; 
mug  Fjintängltcfee  9caf)rung  fanb,  unb  bafe  anbererfeitö  basi  fcf)Iie|Ud)e  Übergemid}t  beS 
©ubranaturali§muö  bie  Slnftorücfyc  an  einen  bib!ifd)=bofitiben  ©tanbbunlt  im  ©egenfa^ 
jum  Siattonationmg  unb  jur  ^eitb^ibfob^ie  ju  befriebigen  fd;ien.     2lber  ebenfo  toefentlid) 

40  tnirfte  tooI)I  ju  biefem  ©rfolg  aucb,  ba3  mit,  ba|  Sengcl  auf  bem  $atb,eber  ba§  ganje 
@emid}t  feiner  imbonierenben  Würbeboßen,  aber  aw§  „ifyrer  ©tetlung  red)t  fidcjtbarlid;  be= 
Wußten"  ^erfön(id;feit  in  bie  3Bagfdb,ale  ju  legen  roufete.  ®ie§  unb  ba3  gro^e  berfönlic£)e 
ainfe^en,  ba§  Scngel  aU  ba§  anerfannte  §aubt  ber  galultät  geno§,  läfst  aud)  begreifen, 
Wie  bei   feinem   im  beften  'JRanneSalter   eintretenben   blötjlicfyen  Sobe   (28.  ÜRärg  1826) 

45  fein  Serluft  feiner  Umgebung  alä  ein  unerfe|lid)er  erfcb.einen  lonnte,  Wä^renb  ba§  um 
befangenere  Urteil  einer  ferner  ftefyenben  9?ad)WeIt  ioenigfteng  feine  tf)eoIogifd9=Wiffenfd;aft= 
licfye  Sebeutung  nid^t  fo  fyofy  anfd)lagen  fann  (bgl.  ?ßalmer  inStbSII,  330;  31.  9Je!roIog 
IV,  162 ff.;  2iag.  £=3tg.  1826,  «Rr.  97;  2lrd)ib  1826,  VIII,  723). 

SBäfjrenb  Sengel,    Wie    gezeigt   morben,    über  ben  genuinen  6I)arafter   ber   alten 

so  Tübinger  ©dmle  nid)t  untoefentlicr;  ^tnausfdjritt,  b,aben  anbere  Tübinger  unb  toürttem= 
bergifd)e  Geologen  neben  unb  nad;  i^m  benfelben  nocb,  treuer  feftgeb, alten :  fo  $.  6b,r.  %. 
©teubel,  geft.  1837  (f.  b.  21.  93b  XIX  ©.  16  ff.),  6b,r.  %t.  ©cb^mib,  geft.  1852  (f.  b.  31. 
Sb  XVII  ©.  645),  6b,r.  Senj.  ülaiber,  geft.  1836,  ber  Herausgeber  ber  ©tubien  ber 
Württ.  ©eiftlidileit,   fortgefe^t  bon  ©tirm,  3.  ©.  2Surm,   geft.  1847  als  ®elan  in  91ür= 

55  tingen,  ^.  %.  Sabnmaier,  geft.  1841  al§  S)elan  in  tträ^eim  u.  %.  unb  anbere  (f.  bie 
©efct/id)te  ber  Tübinger  tfyeolog.  gatultät  bi§  1877  bon  Sßeisfäd'er).  216er  aud;  bie  be= 
beutenbften  bon  biefen,  ©teubel,  ©d)tnib,  Älaiber,  finb  burd;  bie  gortentmidlung  ber 
tb,eologifd}en  3Biffenfdb,aft  unb  inSbefonbere  burd)  bie  ©intoirfung  ber  ©d)Ieiermad^erfd)en 
%t) eologie  über  ben  trabitioneEen  Sr)buS  ber  alten  Tübinger  ©d^ule  {unausgeführt  Werben, 

60  fo  ba^  fie  nid)t  mef)r  ju  berfelben  gerechnet  Werben  !önnen,  obWob/l  bei  ifmen,  befonberS 


SüDingcr  ©djitlc,  ältere  £uo,cnb  159 

bei  Steubel,  bie  s)tnd;iutrfimgcn  jener  ©d)ulc  unberfennbar  finb  —  unb  pvax  nid)t  blofe 
in  bem,  morin  fic  in  il)reiu  Steckte  iuar,  tote  bor  allem  in  ber  entfd)iebenen  Betonung 
ber  ©d)riftautorität,  fonbem  aud)  in  bem,  toorin  iE>re  ©d)toäcl)e  lag,  in  manchen  £>alb= 
Reiten  unb  (Sinfeitigtaten  beg  biblifd)=berftänbigen  ©ubranaturaligmug  (bgl.  ®.  g.  ©trauft, 
©treitfdjriftcn ,  1837,  I).  9cad)bem  aud)  biefe  Ie|ten  Eigenen  ber  alten  ©torr=  5 
fd)en  ©diulc  Dorn  ©cfyaublafc  abgetreten,  ift  biefe  bor  neueren  ©tanbbunften  unb  9ftd)= 
tungen,  bie  an  ifyre  ©teile  traten,  berfd)tounbcn,  l)at  aber  eine,  toenn  aud)  eigenartig 
mobifijierte  gortfefcung  unb  (Erneuerung  gefunben  in  ber  ©d)rifttf)eologie  $.  %.  33edg 
(geft.  1878,  »gl.  33b  II  ©.  500 ff.)  unb  ber  bon  tl)m  ausgegangenen  ©d)ule. 

93Jan  mag   bie   toiffenfd)aftlid)cn  ©d)toäd)en   unb  Mängel  ber  ©torrfd)en  Geologie  10 
bollfommen  jugcftcljcn,  barf  baruin  aber  bod)  in  ifyrer  Dbbofition  gegen  bie  toiffenfd)aft= 
licfte  .ßeitftrömung  beS  Siationaligmug  unb  ber  2lufllärung  unb  in  if)rer  baburd)    berbor= 
gerufenen  aboIogetifd)en  unb  lonferbatibcn  Haftung  leinegtoegg  ©etftegträgfjcit,  bl)ilofobf)tfd)c 
Öefa)ränftf)eit  unb  religiöfe  @ngf)er^ig!eit  fefyen.    @g  toar  bod)   ein  tool)Ibered)tigteg   unb 
unbcräujjerlidjeg  Qntereffe,  fur  toeldjeg  jene  alte  SEübtnger  ©d)ule  getambft  b,at,  iuie  un=  15 
boflfommen  aud)  bie  2lrt  unb  2Beife  getoefen  fein  mag,  in  ber  fie  bieg  getfyan.    @g  mar 
bie  3*>«  ^c'3  ©ubranaturaligmug,   bie   in   biefen  SRännern  lebte,  b.  i).  bie  Überzeugung, 
bafj   eine  übernatürliche,  göttliche  2öaf)rl)eit,   bafj   übermenfd)Ud)e  Gräfte  unb  ©üter  ber 
2)icnfd)f)eit   im  Sfyriftentum    gefdjenft   feien.    SDafür  fyaben   fie   allen    if)ren  ©ifer,    allen 
©d)arffinn  ifjreg  ©etfteg,  ben  ganjen  9leid)tum  if)reg  SBiffeng  einfetjt.  SRögen  fie  in  jenem  20 
ßambfe  manches  2öefentltd)e    breiggegeben   ober   in   ber  2lrt    ber   SSerteibigung    beffen, 
mag  fie  feftf)ielten,   nad)  unferem  Urteil  mandjeg  berfefylt  b,aben,   jebenfallg   bleibt  ifjnen 
bag  grofte  33erbienft,   in  ftürmtfd)er  geit  bag  ©rbe   ber  SSätcr  berteibigt   unb    für    eine 
beffere  ^eit  gerettet  $u  f)aben.  Sanbem  f  (fiivn). 

Sübutger  Sdjulc,  neue,  f.  b.  21.  33aur  33b  II  ©.  467  25 

Surfet,  Sljrtftentmu  in  ber,  f.  b.  2121.  Drientalifdje  ®ird>e  33b  XIV  ©.  44  1,9; 
?(gi)bten,  bag  neue  33b  I  ©.  217,8;  2lrmenien  33b  II  ©.  85,io;  ©l)rifd)e 
ßird)e  33b  XIX  ©.  305, 10. 

Sugcnb,  Xugenbmittel.  —  Sitteratur:    Böctter,   Sie  Sugenbteljre   beS  6öviften= 
tum§,  geftf}id)tt.  bargeftellt.  Satttjarbt,  ©efd).  b.  clmftl.  6tp,  aud)  Komp.  b.  tfjeut.  (Stfjif  §  2  f.  30 
5m  Strtifel  bef.  b.  1.  Slbfafc.    Sgl.  b.  9lrt.  „SlSIefe"  93b  II  @.  134. 

£ag  beutfd)e  2Bort  bon  einem  ©tamme  mit  gebeifylid)  unb  tauglid),  in  alter  3eit 
bortoiegenb  für  friegerifdje  33or§üge  gebraucht,  Ijat  feine  je|t  geläufige  ©onberbebeutung 
unter  bem  (Sinfluf?  ber  bfjilofob^ifdien  33egripfbrad)e  erhalten  (bgl.  Hilmar,  %1)qoI 
Floxal  fyerauggeg.  bon  Israel,  33b  2,  ©.  106).  @3  eignete  fid)  trefflid)  jur  3Biebergabe  35 
bon  virtus,  rotefern  bieg  3Sort  Überfe^ung  bon  ägerrj  ift.  3)?an  lann  nod)  berfolgen, 
h)ic  bie  etb,ifd;e  Siefleftion  fieb,  biefeg  Slusbrudeg  bemäd)tigt  unb  ilm  für  tl>re  fywdt  inf>alt= 
licb^  beftimmt,  fo  bafe  fortan  Sugenb  unb  ©ittlid;ileit  faft  Söedjfelbegriffe  finb.  &q£xi), 
bon  bem  ©tamme  äg,  ber  aud)  in  ägeicov  ugzcog  ägeaxoj  borliegt,  be^eictjnet  urfbrüng= 
lieb,  jebe  33ortreffIicl)feit,  bie  einer  ^erfon  ober  aud)  einem  SDinge  Söert  gibt  unb  2ln=  40 
erfennung  berfdjafft;  bal)er  bebeutet  eg  gelegentlio)  9vut;m  unb  @l;re;  bgl.  hierüber  ßremer, 
33ibl.  tfjeol.  Söörterb.,  s.  v.  ägexr].  9Zodt?  in  boller  glüffigleit  unb  bod)  gugleid)  in  be= 
fonberer  35ermenbung  für  bie  fütlicfye  2refflid)leit  erfd)eint  ber  2lusbrud  in  ben  ^eben 
beg  ©ofrateg  bei  Jenobb,on  unb  bei  Ißlaton  (©täublin,  ©efcl;.  b.  9Eftoralbf)ilof.  1822, 
S.  90;  ßremer  a.  a.  D.);  unb  biefer  ©ebraud)  fam  ib,m  \d)on  bon  ©obfyiften  entgegen.  45 
$laton  unb  befonberg  Slriftoteleg  (e?t?  Tigoaigerixtf  äq>  fjg  äya-&6g  ävdgconog  yive- 
rai  eth.  Nie.  5.  6)  befttmmen  bann  ben  33egri~ff  fefter;  eine  gertigleit  im  ßkbiete  beg 
^raltifd^en,  toeld;e  auf  xb  xov  avdgumov  ayaftöv  belogen  ift.  2lriftoteleg  i)at  bann 
aua)  burd)  bie  Unterfcb,eibung  ber  ägeral  fftixai  bon  ben  diavorjTixai  in  ber  Sejielning 
auf  bag  ju  bel;errfd)enbe  ^riebleben  bag  ©ittlid)e  im  engeren  ©inne  in  bag  Slugc  gefaxt.  50 
35on  ba  ab  b,errfd)t  bie  33ebeutung  bor,  ber  gemäfs  Xugenb  biejenige  33cfd)affenf)eit  beg 
5Kenfd)en  im  ganjen  unb  nad)  ben  einzelnen  ©eiten  f)in  bekämet,  burd)  h)cld)e  er  ju 
ipaf)rf)aft  fittlid)em  ^panbeln  gefd)idt  ift.  SDie  mel)r  bolfgtümlid)e  baränetifd)c  ober  beffrib= 
übe  STioral  gef)t,  j.  33.  im  angefyenben  3RitteIalter,  ganj  in  eine  befd)reibenbe  3luf= 
}ät)lung  ber  Xugenben  unb  Safter  auf;  unb  in  ber  ßeit  ber  2luf£lärung  unb  beg  9tatio=  55 
naligtnug  fallen  bie  33egriffe  ©ittlid)!eit  unb  Xugettb  fo  fel)r  jufammen,  bafe  aud)  bie 
cinjclne  §anblung  2;ugcnb  l)cifjcn  !ann  (2lmmon,  2e()rbud),   1.  2lufl.,  1806,  £  52)   unb 


160  Sugenb 

bei  $cmt  ^ugenb  im  Unterbliebe  bon  9?ecf)t  ba§  'äftoralifcfye,  bie  ©efinnung  im  Unter= 
fcfuebe  bom  Segalen  begeic^net,  „9tedb>  unb  Sugenbbflicfyten"  £>e§f)atb  fyat  bann  ©cfyleier= 
macfyer  unternommen,  biefen  begriff  gegen  bie  anberen  formalen  ©runbbegriffe  ber  ©tbjf 
abzugrenzen,  ©runblinien  einer  Hritif  ber  bi3l>er.  (Sittenlehre,  1803,  ©.  163  f.,  Söerfe 
5  z-  $f?il.  33b  II,  Slbfyanblungen.  $m  Unterschiebe  bon  ©ut  („jebeg  ©inäfein  beftimmter 
©eiten  bon  Vernunft  unb  sJcatur")  unb  ^flicfyt  („SBerfabjungSarten")  befiniert  er  bie 
STugenb  als  „Äraft  ber  ÜBemunft  in  ber  fittlict;  mit  if)r  geeinigten  -ftatur  unb  jroar  im 
einzelnen  9Jcenfd?en",  a.  a.  D.  33b  V,  ©.  75 f.  328  f.  ^m  2tn$luffe  ««  $"  unterfäeibet 
9totl)e  ©ut  al§  ba§  moralifdje  ^ßrobuft,  ^ugenb  al<§  bie  brobujierenbe  $raft  („bie  fbeziftfcfy 

10  für  bie  Söfung  ber  moralifcfyen  Slufgabe  qualifizierte  moralifcfye  ßraft")  unb  ^flicfyt  al<§ 
bie  Söeife  unb  gorm  be§  mora!ifc|en  'ißrobuzierenS,  SEfyeoI.  ©tfytf,  2.  Stuft.,  ©.  396f. 
SlUgemeiner  befolgt  ift  bie  einfachere  ^Definition  bon  ©b.  %.  ©cfymib,  in  ber  cfyriftl.  ©ittenl. 
fyerauSgeg.  bon  fetter  1861,  ©.  345 f.,  ber  ficb,  ebenfalls  an  Scr)Ieiermad)er  anliefst: 
ba§  ©ute  als  SöiHensbefcb.affen^eit  be<§  menfcfyücfyen  SubjefteS.  —  liefen  33eftimmungen 

15  liegt  bie  Beobachtung  ju  ©runbe,  bafs  bie  ^erfon  gar  nic£)t  umfun  fann,  unter  il)rer  33e= 
tfyätigung  ficb,  eine  fefte  33ilbung  zu  erwerben,  bie  bann  fernerhin  für  ib,r  §anbeln  be= 
ftimmenb  toirb;  baft  babei  aber  entmeber  eine  »afyrfyafte  33ilbung  ober  eine  ÜBerbilbung 
fyerauSfommt,  SEugenb  ober  Safter.  Sitte  jene  ^Definitionen  fe|en  bann  borauS,  bafj  ber 
Segriff  be3   ©uten   ober   mafyrljaft  Sittlichen   fct)on   gegeben   fei,    unb  bemgemäfj  biefe 

20  fyertigfetten  ober  ©efcfncflicttfeiten  ficb,  burcb,  ifyre  inhaltliche  Beziehung  bon  ben  fonftigen 
Seelenfertig!eiten  unterfcfyeiben.  sJlur  2triftoteIe§  in  ber  bielbefbroct)enen  Definition  e&g 
jiQoaiQsnxr]  iv  jusoottjti  ovoa  xfi  JtQog  fjjuäg  (OQiOjusvf]    (ober  /uzvf])    ^oy<p  ^oX 

d>g  äv  6  q^gövijuog  öq'loeiev  miß'  toofyl  eben  in  ber  33eftimmung  ber  SLugenb  felbft  zu= 
gleicb,  ba§  SÖefen  be§  Sittlichen  zum  Slusbrude  bringen,  nämlicb,  bie  b,ellenifc|)e  2lnfct)auung 

25  be§  -Btofetoollen  (33eftmann,  ©efd)ict)te  ber  cbjiftlicfyen  ©Ute,  33b  I,  ©.  190f.);  eben  bafyin 
trautet  er  weiter  in  ber  Unierfcfyeibung  ber  ^ugenb  einerfeitö  bon  ber  Sortierung,  bem 
Unterdrücken,  anbererfeits  bon  ber  l>eroifct)en  ^ugenb,  bem  Überftttlicfyen.  —  ©S  bürfte  aber 
eine  unabtoeislicfye  gorberung  fein,  in  ber  Begrifflbeftimmung  ber  ^ugenb  aucb,  ben  Unter= 
fcb;ieb  be§  Sittlichen  (©tb, ifcb,en)  bon  bem  ^ecb, nifcfjen  zum  2lu§bruäe  zu  bringen,  bamit  bie  33er= 

30  mecb^felung  ober  teilroeife  23ermifcb,ung  ber  ©ittlidifeit  mit  93ilbung,  ber  ^ugenb  mit  93ir= 
tuofität,  ber@tl)if  mit  ber  ^eorie  ber  Kultur  bermieben  roerbe;  bgl.  ^äl)ler,  2Biffenfcb,aft 
ber  dmftl.  Seb,re,  3.  Slufl.  §  136 f. 

©as>  33ebürfniS   einer    folgen    melir    formalen  Unterfcb^eibung  ftellte   ftd)  für  ben 
Slriftoteleö  bringenber  b,erau§,  toeil  er  aU  ©mbirifer  fiel)  mit  einem  „§aufen"  bon  Slugenben 

35  (©cl)Ieiermact)er,  ©runblinien,  ©.  317)  ab^ab  unb  mithin  nur  ben  ©attungöbegriff  fud^te, 
roäb^renb  bie  anberen  ©ofratifer  ifjrem  SReifter  in  ber  2lnnal)me  folgten,  ba^  e§  facbjid) 
nur  eine  Slugenb  gebe.  SDiefe  Meinung  finbet  bei  ^piaton  il)ren  Sluöbruc!  in  ber  S^fte= 
matifierung  ber  Slugenben.  ©iefe  fc^liefet  ficb,  an  bie  2lntb,robologie  an,  inbem  Teilung 
unb  3f{angorbnung  ber  %ricf)otomie  entfbrecfjen:  aoepia,  ävögia,  oaxpgoavvrj ;  bie  dixcuo- 

ioovv7],  zunäcfyfi  bag  SSofytberfyältms  biefer  Seiten  b^erftettenb,  mad)t  ben  ßljarafter  au§ 
unb  beftimmt  bamit  gugletc^  al§  fojiale  Stugenb  ba§  93erl)ältni€  be§  einzelnen  3Jienfc^en 
Zur  ©efamtf)eit.  ©a  bie  öoiözijg  nur  auf  ben  öffentlichen  Uult  bezogen  wirb,  ift  fie 
neben  jenen  bier,  toie  feb^on  im  ©t)mbofion  bon  ?ßl.  felbft,  fo  rceiterl)in  unbeachtet  ge= 
blieben.    Dbtoob^l  biefeä  SLugenbftjftem  auf  bem  etb,ifcb,en  ^ntetteltualiärnuä  (f.  unten)  unb 

45  bem  ©ualigmug  bon  Vernunft  unb  ©innlicb^leit  rub|t,  ift  e§  boeb,  bon  bauernbem  ©in= 
fluffe  geblieben,  als  bie  dt)rtftlicf>en  SEb^eotogen  fic|  bei  Paton  in  bie  ©cb^ule  begaben. 
2lmbrofiu§,  de  offieiis  ministrorum,  übernimmt  bie§  Schema  ber  „virtutes  princi- 
pales"  unb  in  ber  ifym  untergefeb^obenen  ©cb^rift  de  sacramentis  erhalten  fie  ben  fortan 
bleibenben  Tanten  v.  cardinales.     2lu§  temperantia   fortitudo  iustitia   prudentia 

50  madjt  Sluguftinul  bie  ©rmeifungen  be§  amor  dei,  bemgemäfj  ba^  bie  definitio  brevis 
et  vera  virtutis  laute:  ordo  est  amoris;  al§  beftimmenbe  9)cacf)t  entfaltet  fic^  aber 
bie  Siebe  in  fides,  spes  unb  charitas,  ben  tfyeologifdjen  STugenben,  roie  man  fie  fbäter 
Zu  nennen  bflegt  (9?eanber,  25orlefungen  über  ©efeb,.  ber  cfjriftl.  @tt)il,  tjerau^geg.  bon 
©rbmann  1864,   ©.  228  f.).    ©o  wirb   eine  ©iebenjab,!  ber  5lugenben   trabitionell,    ber 

55  bann  bie  fieben  2!obfünben  gegenüber,  bie  fieben  ©eingaben  boran  treten.  3n^em  °'e 
©cfyolaftif  biefe  33eftimmungen  übernimmt,  fäl)rt  fie  zuS^e^  fort  bk  ©inb^eit  ber  üEugenb 
Zu  betonen  unb  in  ber  cfyriftl.  ©runbtugenb,  ber  Siebe,  aufzuzeigen  (Söuttle,  §anbbua) 
ber  cbjiftl.  (Sittenlehre,  3.  2lufl,  S3b  1,  ©.  129  f.).  $Die  S3ereb,rung  be§  SEb^omaS  3lq. 
aU  be§  !anoniftt}en  ^^eologen  fül>rt  auc|  bie  neuefte  römifcfye  SOtoral  zu  biefem  £ugenb= 

go  feb^ema   zurücf,   ©cb^mane,    fpegtelle   2RoraltI)eol.  1878.    2öenn  33enatoriu§   de   virtute 


Sugenb  161 

christiana  1520  an  bie  ©teile  ber  Siebe  ben  ©tauben  al§  ©runbtugenb  geftellt  fyatk, 
fo  enttoicfelte  sKcelancf;tbon  ethicae  doctrinae  elementa  1550  bte  iustitia  civilis  an 
bem  ©cfyema  ber  ©eredjtigfeit,  2öal)rt)aftigfeit  unb  sIRä^tgfett,  leitet  aber  burd;  ben  £in= 
roei§  auf  ben  ®efaIog  jur  23oranfteltung  be£  ^flidjtbegriffeiS  über,  toeldje  bei  "ben 
^roteftanten,  befonberS  feit  Söolff,  allgemein  roirb,  bgl.  SButtle  a.  a.  £).  ©.  150  f.  ®er  b 
eingebrochenen  gormloftgtett  ftellte  bann  ©cbleiermacfyer  auf  ©runb  fetner  $ritif  eine  um= 
toanbelnbe  9tetonftruftion  ber  tolatomfcfyen  Steril  t>on  SEugenben  entgegen,  a.  a.  D. 
2.  335 f.:  ^ugenb  ber  ©efinnung  ift  im  ©rfennen  2Bet€r/eit,  im  ©arftellen  aber  Siebe; 
unter  ber  geitform  erfcfyeint  ba§  ©rfennen  al§  s8efonnent)eit,  ba§  SDarfteßen  al§  33efyarr= 
lidjleit.  SBie  fcfyon  liier  bie  Siebe  an  ©teile  ber  ©eredjtigfeit  tritt,  fo  b,at  bie  Einteilung  io 
mit  ^piaton  eigentlich,  nur  bie<§  gemein,  bafs  fie  au§  ber  formellen  2tntt)rD^oIogie  t)er= 
geleitet  wirb;  fo  ift§  aud)  bei  ^otlje  a.  a.  D.  ©.  225 f.:  ©enialttät,  2öei<%it;  Driginali= 
tat,  ©tärfe;  unb  boHenbS  bei  $almer,  SOJoral  ©.  285 f.  Übrigeng  togl.  unten  bie 
6f)aralterbilbung. 

©er  Sefyrfa^  t>on  ber  ©infyett  ber  ^ugenb  fyängt  bei  ©ofrateS  eng  mit  bem  anberen  15 
jufammen,  toeldjer  ägezri  unb  emorrjjur]  einäfe^t.   liefen  intelleftualifttfclien  ®etermini§= 
mul  bollenbete  bie  ©toa,   inbem   fie   einerfeits  bie  ©runbtugenben  auf  ben  blofjen  ©itt= 
licfyfeitsbegriff  gurueffü^rte  (Beller,   «jtytl.  b.  ©rieben,   2.  SIufL,  3,  1,    ©.220  f.),  anber= 
feitS  lebjte,  ba|  fie  mit  ber  ©rfaffung  tbjeg  33egrtffe<§  audj  borfianben  fei,  ofme  baf?  eine 
allmähliche  Slnnä^erung  an   fie  ftattftnben  tonne.    3luf  ©runb  il)re<§  abftraften  3bealis>=  20 
mug  bat  fie  eS  leicht,  tugenbftolj  für  bie  Autonomie  ju  fettarmen;    unb    bei  ber  Über= 
fiebelung  ju  ben  Römern   trat  bann  baä  ©treben  naa)  ber  anjuerlennenben  SErefflicbJeit 
in  ber  eiteln  ©elbftbeftoiegelung  red)t   I)erau§:    nulluni   theatrum  virtuti   conscientia 
maius,  Cicero.    ®er  ©mbirtter  2triftoteIe3  bermocfyte  bie  $rage  nad)  bem  ©rtoerbe  ber 
Sugenb  nidjt  fo  leicht  ju  nehmen ;    of)ne  ben  determinismus    consequentiae   ju   t>er=  25 
rennen,  betont  er  bod)  bie  Söitlfur  unb  erfennt,   baft  bte  gertigfeit  nur  burd)  (Einübung 
.511  getoinnen  fei;   aber  bor  bem  9tätfel,   mie  ber  nod)  nietjt  Sugenbb/afte  jur  ©inübung 
ber  Sugenb  fomme,   bleibt  er  fielen  (-Jieanber  a.  a.  D.  ©.  94 f.).    ®er  firdt)ltd)  ortf/oboje 
Semitoelagiani§mu§  blatte  jur  (Srflärung  bie  gratia  inf usa  $ur  §anb ;  wenn  er  fiel)  bann 
in  ber  Xugenbler)re  auf  ben  philosophus  ftütjte,  fo  bilbete  jener  ©at)  „mir  »erben  gerecht,  30 
toemt  wir  ©eredjtigt'eit  üben"  für  Sutfyer  bon  SCnfang  ben  Slnftofj  gum  £>affe  gegen  ben 
2lriftoteli3mu<§  (Sutr)arbt,  ©efd).  b.  d)r.  @t^tf  2,  611  f.).    ®iefer  ©egenfa^  erneuert  fid); 
ß^r.  Söolff  tritt  fiegreieb,  für  ben  inteöeftualiftifd^en  SetermmiSmuS  ein  (2ßuttle  a.  a.  D. 
6.  186 f.)  unb  Stouffeau  erroeeft  meitb^in  bie  ©c^toärmerei  für  bie  urfbrünglid)e  Steinzeit 
ber  Siatur;  auf  biefen  Unterlagen  ergebt  fiel),  tner  unb  ba  geabelt  buref)  £ant§  9tigort!8=  35 
mu^  ber  ^flicfjt,   bie  Segeifterung   für  ba^  felbftgenugfame  ^ugenbftreben  (©filier,  SDie 
SBorte  be§  ©laubenS;  bgl.  aueb^  2lömug  1.  unb  2.  %.,  1775,  ©.  81)  unb  tt>ieberl>olt  bie 
$raf)Ierei  be3  /ueyakoipvxos  bei  2lriftotele^  unb   be§  ftoifcb^en  2Beifen.     ®ab,er  erklärt  e3 
fid),  ba|  bie  borneb^mlicb,  biblifcf;  ober  et>angeIifd)=bogmatifd)  gerichtete  ^E^eologie  eine  21b= 
neigung  gegen  bie  SSermenbung  be§  Segriffeg ,  teil§   au^ftoricfyt  (Hilmar  a.  a.  D.  §  46),  40 
teils  jeigt,  mie  §ofmann  u.  a.;  ögl.  noef;  t).  Öttingen,  ß^rtftl.  ©ittenl.  §  3. 

3n  ber  %fyat  fefylt  ber  3Sermenbung  biefeä  33egriffe§  bie  biblifd;e  2lnlnübfung;  nur 
too  ba§  ^ubentum  unter  ben  ©influfe  ber  f)ellenifct)en  ^f)ilofobb,ie  tritt,  mithin  in  ben 
Slbofrttyben  begegnet  ägsr^  in  biefem  ©inne,  2Bet§f>eü  4,  1;  5,  13;  8,  7  unb  im*!.  23. 
b.  ÜJcal,  bagegen  im  31%  bejeicfynet  e§  l  ^t  2,  9 ;  ^l)i  4,  8  ba§  3flü^mltcr;e  überbautet,  45 
2JSt  1,  3  bie  göttliche  ICraftertoeifung,  unb  nur  ebenb.  1,  5  eine  befonbere  ^tugenb,  lr>oi)l 
bie  SLt)at£raft,  togl.  ßremer  a.  a.  D.  ©e^t  man  oft  bafür  ,,©erecf)tigfeit"  ein,  fo  fyat  auet; 
biefe  2lnfcb,auung  im  %,%  neben  bem  ber  ©otteSfurcfjt  ntd)t  bie  formell  ^>errfd^enbe 
Stellung,  £.  ©d;ul|,  Stltteftamentl.  ^Ef)eol.,  5.  Slufl.,  St.  21,  1;  £.22;  unb  bon  einem 
feftgebrägten  ©ebraucfye  beö  2BorteS  dixaioovvi]  in  biefem  ©inne  fann  bei  ben  neu=  50 
teftamentl.  2?erff.  nietet  bie  sJiebe  fein ,  ßremer  a.  a.  D.  s.  v.  dm.  @3  ift  auef)  an  fiel) 
tooljl  berftänblidb,,  ba|  bie  fittlia)e  2lrbett  be§  Reiben  fid)  unter  ben  Segrtff  ber  ju  cr= 
teerbenben  unb  erroorbenen  Xüclitigfeit  fteUt,  bagegen  ber  6E>rift  au§  ©otte3  SBort  ju= 
näd)ft  bie  fittlict/e  Aufgabe,  feine  $flicf)t  ergebt,  unb  be§I)alb  bie  ebangelifcb,e  @tb,if  feit 
$annäu<S  bielfacb  aU  ©efe|efSetb,i!  erfcf)eint.  55 

2öenn  mithin  ein  nict)t  genug  beamteter  SBin!  barin  liegt,  bafs  ©cb,Ieiermad)er  felbft 
ben  Segriff  ber  Sugenb  für  bie  tI)eologifd)e  ©ittenlef)rc  ntcr)t  berluenbet,  fo  bat  er  ^'efc 
boer)  aueb,  md)t  all  5ßflid)tenlebre  geftaltet.  @r  fyat  bafür  ein  Sorbilb  an  ßalijt  unb 
bem  ^ßietiSmuS,  toelcbe  ba3  Sterben  unb  bie  ©rtüeifung  bc3  d;riftlicl)en  Seben§  bar= 
fteHen   unb   fo   bie   ^3flid)tenlebrc   unterbauen   (Buddei   Instit.    theol.   moral.).    §ier  60 

Kea[=(Snc«tIopäbU  für  Ifeeoloflie  unb  .wtrd»e.    3.  8J.  XX.  j  ^ 


162  Sttgenb 

bietet  ftd)  ber  $unft,  mo  bte  altcfyriftlidje  2ln!nübfung  an  entgegengebrachte  miffem 
fcb,aftlid;e  formen  befolgt  unb  bte  Sel>re  bon  ber  Slugenb  ed)td>riftltd)  ausigebilbet  merben 
fann.  £äring,  2).  ct)r.  Seben  ©.  238;  Sutfyarbt,  5!omb.  §  30f.  Sie  Vorausbedungen, 
bte  Vilbung  unb  bte  ©nimidelung  be§  d)riftlict)en  (Sfyarafters'  bürfen  nid)t  über  einer  d)rift= 
5  liefen  ©ojialetljiif  bergeffen  merben;  ifyre  it>tffertfd^aftltc^)e  Vefyanblung  bietet  bann  bie  be= 
friebigenbe  ^Darlegung  ber  ©infyeit  unb  bes  SBerbens"  ber  'Sugenb ;  bgl.  ©djmib  a.  a.  D. ; 
$arlefe,  Gf>riftl.  @tyif,  §  30 f.;  9Jkrtenfen,  (S&rtftl.  @tfnf,  allgem.  Seil;  3.  «ß.  Sänge, 
©runbrifc  ber  djriftl.  @tf)if,  3.  Steil. 

®amit  ift  aueb,  bie  Slnfnübfung  für  bie  älsfettf  unb  für  bie  Erörterung  ber  £ugenb= 

10  mittel  gewonnen.  SDie  meitaus"  umfaffenbfte  Vefyanblung  biefes'  ©egenftanbes'  finbet  man 
bei  3ieinb,arb,  ©fyftem  ber  cb,riftl.  9Jtoral,  3.  Steil:  bon  ben  allgemeinen  Hilfsmitteln  ber 
djriftl.  Votlfommenfyeit,  33b  4  unb  5  bef.  ^ab.  4.  91  berftefyt  barunter  „aßeS,  toae  einen 
borteilfyaften  ©influfj  auf  bie  mirflidje  SluMbung  unb  Vollbringung  bflidjtmäfuger  §anb= 
lungen  fyat"     ®ies  fann  nun,  mit  2lugnaf)me  ber  Verfügungen  unb  Strgerniffe,  im  bib= 

15  lifdjen  ©tnne  biefes*  ÜJBortes",  eigentlich  alles  fein,  momit  man  unter  ftttlicfyem  ©efic^)t^= 
bunfte  ju  tlmn  befommt;  ja,  auet)  jene  Fügungen,  menn  fie  al§  Prüfungen  aufgefaßt 
merben,  fönnen  jenen  2öert  erhalten,  ©emgemäfj  mirb  bann  aueb,  bon  bem  Vetftanbe 
©otte§,  bon  ben  fitiltdjen  SJtotiben,  unb  fobann  bon  9iatur,  ©djidfal,  Veruf  unb  allen 
benlbaren  berfönlid)en  Vereisungen  gefyanbelt.   2Ba§  aber  biefe  3)inge  ju  SRitteln  machen 

20  fann,  ift  lebiglid)  bie  (Stellung  bes  3ftenfct)en  §u  ifmen,  feine  Venütjung  berfelben  unter 
einem  befonberen  ©efic£)t3punftc;  eigentlich  befielen  alfo  bie  SRittel  in  ben  Verfal)rung<>= 
meifen,  burd)  meiere  bie  ©inge  nutzbar  gemacht  merben,  unb  bes^alb  mirb  e§  ftd)  um  bie 
$unft  ber  ©inübung  ber  SLügenb  ober  ber  ©ittlicb,feit,  b.  I).  um  bie  Slsfetif  fyanbeln. 
Von   einer   folgen   mar   in  ber  alten  $ird)e  im  2Infc^lufß  an  bie  angemanbte  (Stluf  ber 

25  ©toa  bie  9?ebe.  $ant  giebt  bafür  in  ben  metabbtyfifdjen  Stnfanglgrünben  ber  SLugenb= 
lef)re  als  2.  SEeil  bie  eil)ifcf)e  3Retf;obenIef;re  unb  §mar  ©ibaftif  unb  Slsfetif  ober  ©tätetif. 
Unb  SRot^e  a.  a.  D.  ©.455  befiniert  bie  Slstefe:  „ein  lebiglid)  auf  bie  (Srmerbung  ber 
eigenen  Slugenb  rein  als"  folcfyer  abjielenbes  |>anbeln  otnie  irgenb  einen  fonftigen  aufjer 
bem  fyanbelnben  ©ubjeft  felbft  liegenben  gmed" ;  nad)  be  Söctte,  Seb.rbucl)  ber  cfjriftlic^en 

30  (Sittenlehre  1833,  §  296  ift  fie  ein  folcfyeg  §anbeln,    „ju   bem   mir   nur   mittelbar   ber= 

bflicf)tet  finb,  nämlicf)  um  im  ftanbe  ju  fein,  ber  unmittelbaren  Verbflicbtung  gu  genügen" 

©egen  bte  gidaffimg  biefer  Slnfcfjauung   in   bie   roiffenfcfyaftlicfye  @tf)tl   menbet  man 

ein,  bafj  in  jeber  bflic^tmäfeigen  §anblung  bie  53ejieb,ungen  auf  bas  ^nbibtbuette  unb  auf 

bie  ©emeinfc|aft  sugleicb,  jur  ©eltung  lommen  muffen;  bamit  märe  9totfye§  Sefttmmung 

35  al§  un^uläffig  er!annt.  ferner  umfaffe  bie  ^flicfyt  in  bem  9Jca^e  ba§  gefamte  Seben, 
ba^  fiel)  in  beffen  Verlaufe  fein  Moment  beulen  laffe,  ba§  nur  unter  mittelbarer  3Ser= 
bflictjtung  fteb,e.  ©tefe  (ginmenbungen  befeitigen  in  ber  Xtjat  eine  blumbe  2luffaffung 
ber  ©aelje,  ber  gemäf?  ber  ßbrift  fiel)  ber  2ls1efe  gegenüber  toilllürltcl)  berb,altcn  bürfe. 
©etoif?  erforbert  bte  ^ßfltdt)t,    in  jebem  lugenbltcf'e  ba§  3TOec^mä^3^e  ?u  ^un'   un^  nur 

40  bie  Unftcf)erb,eit  be§  Urteile«  barüber,  morin  baö  ^tDccfmäfßtgfte  befiele,  ertuedt  ben  Schein 
ber  3"Iaffung  bon  berfclnebencm.  93can  ift  alfo  gu  ber  Slnmenbung  be^  ^ugenbmittelS 
eben  berbflic£)tet,  menn  fte  am  Vla^e  ift.  ®a^  aber  bie  33e^iel)ung  auf  bie  ©emeinfcfyaft 
ben  diaum  für  folctjc  §anblung§toeifen  net)ine,  mirb  nur  bann  beraubtet  merben  fönnen, 
menn  man  bte  Slufgaben  ber  Silbung   unb   ber  Reinigung  bc§  eigenen  Gb/araftere'  über= 

45  fiel)t.  ^n  biefer  Stlbung  leiftet  ber  SERenfcb,  einen  2:eil  feiner  ©^ulbigfeit  für  bie  ©c= 
famtb,ett.  ^nnerb,alb  ber  S^arafterbilbung  botljteb^t  fiel)  aber  ber  Übergang  bon  bcr  Un= 
münbigfeit  jur  3DZünbiglett ;  mit  biefer  @infict>t  ift  ein  ßufammenljang  bon  Väbagogil 
unb  Sl^letif  erfannt,  unb  ba  ber  ©intritt  ber  5Rünbig!eit  jeitlicf)  ntc^t  beftimmt  feft= 
aufteilen  ift,   fann  ©rjielmng    unb   ©elbftbilbung  gleichzeitig  ineinanbergreifen,   mic  benn 

so  biefe  aus1  jener  {»erbormadbjen  foE;  bäbagogifcb,e  Übungsmittel  gelten  aber  mit  SRec^t  für 
unentbehrlich,  unb  fo  mirb  bie  Sinologie  auef;  bie  aöfetifeften  rechtfertigen,  gerner  f>at  bie 
©elbftbilbung  bie  unfittlicb,  e  Verbilbung  beä  eigenen  2öefen§  aus^ufcl; eiben,  §äring  a.  a.  D. 
©.  264f.;  bie  entfbrecl;enben  ©egenmirlungen  unb  93orbeugung§mittel  finb  in  2Btrflicb,= 
leit   burcf)aus    unentbe^rltcf),   fie  mürben   aber   in    einem  ibealen  ©ntmurfe  ber  fittlicb,en 

55  ©elbftentfaltung  leinen  Vla|  finben,  alfo  innerhalb  einer  folgen  Betrachtung  al§  ftttlicb, 
mertloä  erfcb,etnen.  ©erabe  biefe  ©eite  b,at  bie  dmftliclie  @tl)tl  erflärlicljermeife  befonberg 
berüc!ficf)tigt,  benn  ba3  entfbricl;t  bem  ©rnft  in  ber  ©d;ä^ung  be«  fittlicf)en  Verberben§. 
@§  mirb  ftdi;  ber  ©act)e  nad;  bielfältig  barum-  f)anbeln,  eine  falfcb,e  unb  übermäßige  33er= 
fled)tung  mit   bem  SBeltleben  aufjuf)eben,   unb  ba§  lt)at  ju  einem  ablelmenben  Verhalten 

60  aueb,  gegen  bas  fittlicb,e  ©efamtleben  unb  ju  Übungen  geführt,  meld;e  in  fid}  mertlos"  für 


£ugcttb  K)3 

bic  Sttttid)feit  finb  unb  sugleid)  bic  Söfung  gtt>etfeUofer  Aufgaben  ^inbcm;  man  benfe 
an  bic  anacboretifd)c  2l€fefc,  aber  aud)  an  getoiffe  (Srfcbeinungen  bei  bot  $iettften.  ®em 
gegenüber  bürfen  allein  foId)e  |>anblung3toetfen  afö  Xugenbmittel  gelten,  toelcbe  übett)aubt 
für  ben  (griffen  fittlid)  berechtigt  unb  geforbert  ftnb,  unb  tl)re  Sefonberbeit  toirb  eben 
nur  barin  ju  erfennen  fein,  baß  bie  Schiebung  auf  bie  görberung  ber  2lu§bilbung  be3  5 
(SfyarafterS  unb  auf  bie  2lu§fd)eibung  beS  bereits  angeeigneten  Söfen  bem  2t)un  einen 
3ug  berieft,  ber  oljmebem  festen  toürbe.  9Jcäßigfeit  ift  an  fid)  geforbert;  fie  mu|  jur 
Üntbaltfamfeit  toerben,  toenn  ein  Safter  ju  übertoinben  ift.  Slnbad^t  ift  fo  ^ßflic^t  tote 
:Kcd)t;  ben  gottentfrembeten  ©inn  toirb  man  unter  regelmäßiger  Übung  in  bie  gäfngfeit 
bcrtoanbeln,  aHjeit  in  bie  3lnbad)t  überzugeben  u.  bgl.  ©otootyl  ba§  9Jcaß  unb  bie  2lrt  10 
ber  eingeiDübnten  Unfittlid)feit  al§  ber  ©rab  be3  §ortfcbrttte3  in  ber  ßbarafterbilbung 
finb  bei  jebem  3Jcenfd)en  toerfd^ieben;  be§f)alb  ift  bie  2lntoenbung  foldjer  bittet  burd)auiS 
inbibibuell.  Sie  ©d)toierigfeit  liegt  barin,  baß  bie  außer  bem  öinjelnen  fte^enbe  ^äba= 
gogif  ber  ^erjen§!unbe  entbehrt  unb  barum  nur  felt)r  ofyngefäbr  berfafyren  fann,  ber 
llicnfdi  felbft  aber  nid)t  in  bem  9Jcaße  über  fid)  felbft  ftebt,  um  fid)  mit  ©id;erbeit  felbft  15 
bebanbeln  ju  !önnen.  §at  man  bie  21§fetif  mit  ber  ärjtlicben  Skfyanblung  bergltdien 
(iüncenj  ^ßlacciuS,  Typus  medicinae  moralis,  b.  i.  ©nttourf  einer  bollftänbigen  ©itten= 
Icbre  nad)  Slrt  ber  Ieiblid)en  Slrjneifunft,  1688),  fo  werben  biefe  ©d)toierigfeiten  bobbelt 
anfdmulid).  Sxityalb  fetjt  bie  dmftücbe  2lsfefe  bie  Heiligung  borau§,  toeld)e  ©ott  bem 
fid)  befebrenben  ©Triften  grunblegenb  unb  fortgebenb  jutoenbet;  biefe  bringt  tbm  bie  burd)=  20 
greifenben  ^ugenbmittel  unb  Heilmittel  ber  %aQig  jicudevovoa  (1t  2,  11  f.)  entgegen,  bie 
fid)  in  bem  SiebeiSbienft  unb  ber  Seiben§fd)ule  (§br  12,  4  f.)  jufammenfaffen ;  bgl.  bie  S3e= 
banblung  ber  @tbif  bon  3Silmar,  unb  namentlich  aueb  bon  |>arleß  unb  lob.  Sed.  9)ot 
biefen  2fnbeutungen  ift  aud)  ba3  93erl)ältm<8  gtoifd)en  „religiöfen  unb  fittlicben  lugenb; 
mitteln"  auf  ben  beftimmenben  ©runb  jurüdgefübrt ;  im  d)riftlid)en  Scben  bilben  Religion  25 
unb  ©ittltd)feit  nid)t  einanber  nebengeorbnete  Greife  unb  unter  ben  fittlicben  ;Eugenb= 
mitteln  finb  bie  toid)tigften  eben  bie  religiöfen. 

ßufolge  biefer  Erörterung  laffen  fid)  bie  lugenb  mittel  im  engeren  ©inne  befinieren 
al3  fittlicbe  §anblung§toeifen  in   ibrer  befonberen  23ejie£)ung    auf  bie   2Iu3bilbung   bes> 
eigenen  6l)arafter£>  unb  Jtoar  in  berjenigen  berechtigten  befonberen  ©eftaltung,  toeld)e  burd)  30 
bie  Unfertigfeit   unb  bie    Skrfebrtbeit  biefeg  Sbaralter§   erforbert  toirb,    tote  foId)c  fid) 
bei  einem  jeben  berfdjteben   borftnben.     £)a  bie  inbibtbuelle   2>erfd)iebenbeit   bod)   leine 
billige  ift,  fann  man  biefe  §anblung§meifen  eben   auf  ©attungen  jurüd'fübren  unb  ak> 
fold)e  befbred}en.    2luf  frud»tbare  üfiktfe  gefd)iebt  ba§  inbe§  nur  in  bem  3uf<™'"1ienbange 
ber  Sebre  i>on  ber  Sbaralterbilbung  ober  ©efainttugenb.    $Da§  ift  bann  bie  Sl^fetil,  bie  35 
einen  notmenbigen  2eil   ber  Stbtf   bilbet ;    bgl.  ©dmübt  a.  a.  D.  ©.  541  f. ;    SHartenfen 
a.  a.  0.  2,  1,  ©.  465 f.;  bon  Dttingen  a.  a.  D.  §  65 f.;  §  86;  Sßalmer,  3Jcoral,  ©.  232 f.; 
Gabler,  SBiffenfcb.  §  669—693.   @'ine  Stufjä^lung  ber  SEugcnbmittel  erfdjeint  laum  tbun= 
lid),  man  bgl.  Steinbarb  a.  a.  D. ;   fie   toirb   in   bem   bezeichneten  ^ufammenbange  über= 
flüffig,  toie  fieb  bann  bie  Einteilung  bon  felbft  ergiebt,  nämlicb  ihm  nad)  ben  berfdiiebenen  40 
Seiten  ber  Sbarafterbilbung ;  biefer  SLeilungggrunb  liegt  benn  aueb,  nur  unter  "isoranftellung 
berfebiebener  ©efid)t§bunlte,  ben  meiften  ©rubbierungen  ju  ©runbe,  bgl.  9ci|fcb,  ©bftem  ber 
d}r.  2et>re, §  159 f.;  ©dmiib a.a.O.;  Siotbea.a.D.  §871;  sJJcartenfen ©. 486.  Hilmar  a.a.D. 
§  jöf.  erneuert   für  biefe  2lbbanblung  bie  Sejeicbnung  ,,©i§jiblin"  unb  erinnert  an  „bie 
tird)licbe  Drbnung",    toie   aud)   ©d)leiermacber,    ©t)rtftl.  ©itte,   ^erauögegeb.    bon  ^jonaä  45 
S.  Ulf.   ba§    fym   @infd}Iagenbe    unter   ber   £ird;enzud)t    erörtert.     SDarin   liegt   eine 
5Kabnung,  ntc^t  p  überfeben,  intoiefern  bie  Isletif,   bie  jeber  fieb  felbft  angebeiben  läßt, 
al^  ©rgänjung  bie  ^ßäbagogif  erforbere,  toelcbe  bie  ©efamtbeit  an  tbm  ju  üben  fyat  ©er 
proteftantifebe  Snbibibuali^mug  barf  aud)  auf  biefem  fünfte  nid)t  ju  bem  ©ubjetnbiSmuS 
ausarten,  toeldjer  bie  ürcblid)  gebrägte  gorm  unb  ©itte  mißartet;   boct)   finb  babei  aud;  50 
bie  ©efabren  jebeg  SDtetbobigmuS  im  2luge  ju  bebalten. 

^ie§  fübrt  fd)ließltcb  auf  ben  Unterfcbieb  ber  broteftantifdjen  bon  ber  römifd)en 
ßtbif.  ©ic  2Iöfeti!  ber  legten  teilt  beren  Mängel  in  befonberem  sIftaßc;  fie  mad)t  erftlid; 
bie  öilfSmittel,  toeld^e  fid)  für  inbibibuelle  Aneignung  barbieten,  ju  fird)Iid)  berbflid;tcn= 
ben  ©efetjen ;  fie  reißt  ferner  biefe  §anblungen  au$  bem  ß^fa^twenbange  bc§  fittlicben  .-,.-, 
Sebeng  unb  maebt  fie  ju  Seiftungen,  toelcbe  in  fieb  wertboll  unb  fogar  berbienftlieb  finb, 
bebt  alfo  ibre  Sebeutung  als  ^ugenbmittcl  auf  unb  mad)t  fie  ju  §eil§mitteln  ((i'rtoerb 
ber  Seligfeit) ;  enbltd)  fann  fie  bie  Slltgemeingiltigfeit  nur  fo  feftbalten,  baß  fie  beut  3»= 
btoibualrecbt  entgegenfommt  unb  klaffen  feftftellt,  bie  fid)  an  ben  Unterfcbieb  ztoifd)en  beut 
bereebtigten  toeltlid;cn  unb  bem  bollfommenen  geiftlid)en  Sebcn  anfdjließen  (bgl.  ben  2trt.  60 

11* 


164  Jugenii  Simtom 

consilia  ev.).  3m  3ufammen^an0e  ^erru^  macbt  fid)  unter  ben  ©eficfytebunftcn  ber  altlird)= 
liefen  Sfefetif  in  ber  ©elbftbefyanblung  eine  felbftgefällige  Sötac^erei  breit.  ®em  gegenüber 
fteßen  erllärlicbertoetfe  bie  (Sbangelifcben  bie  unb  ba  eine  33etracbtung3roeife  einfettig  in 
ben  Sorbergrunb,   nacb,    toelcber   in   ber  cfyriftlicben  ©ittlicftfeit  ftcb,  ba<§  bon  ©olt  gefegte 

5  unb  fortbauemb  bebingte  Seben  in  einem  gefeijmäfsigen  Sßerben  bon  innen  beraub  ent= 
faltet  unb  bemgemäfj  Übung  unb  Sugenbmittel  ganj  au§  bem  ©eftcbtslreife  geraten, 
S-  G&r.  £ofmann,  %beoI.  @tr/if,  bef.  ©.  84 f.  ©od)  bleibt  eine  folebe  Slnfcbauung  neben 
ber  nüchternen,  bem  ftrirJIicbett  Seben  jugemanbten  bibüfeben  Sebanblung  ber  ©ac|e  eben 
eine  ©infeitigleit.   Sgl.  in  Setreff  be£  ^onfeffionellen  9Jterj,  ©fyftcm  ber  d)riftlid)en  ©itten= 

10  lebre  1841,  ©.  80 f.  W.  Säl)ler. 

Fünfer  f.  b.  21.  Sabtiften  Sb  II  ©.  389,26. 
Xnoülo  f.  b.  SC.  ©t.  ©allen  Sb  VI  ©.  348,2. 

£ltrhtytnetU  —   Lea,  A  History  of  the  Inquisition  II,  New- York  1888,    126 f.    158; 
Fredericq,   Corpus   documentorum  inquisitionis  haereticae  pravitatis  Neerlandicae  I,  Gent- 
15 'sGravenhage  1889,  409-412;   Gersonii  opera  omnia,  Antwerpen  1706,  19;  Nouvelle  Bio- 
graphie generale  XIII,  166ss.;  Kelter  unb  3Se|e,  Sirenen lerjton  XII,  147  f. 

■^urlubinen  (Turlupins),  eine  ben  Segarben  (f.  b.  SCrt.  II,  51 6  ff.)  bertoanbte 
mittelalterliche  ©elte.  ®ie  Sejeicbnung  %.  ift  ein  ©bottname,  beffen  §erfunft  bun!el  ift. 
SDie   Slbleitung   bon    turris  unb  lupi    („weil   fie   in    berlaffenen    türmen    pfammen= 

20  lamen  unb  toie  bie  Sßolfe  in  ben  SSälbern  lebten")  fei  nur  ber  9Jterltbürbigfeit  balber 
ermäbnt.  ©ie  felbft  nannten  fid),  äbnlicr)  mie  bie  S3egarben,  „©efettfefcafi  ber  Sirmut" 
©ie  fcfyeinen  befonberl  unter  &arl  V  (1364—1380)  in  $ari3  unb  in  ber  Srobinj  Isle- 
de-France  febr  gablretct)  geroefen  ju  fein,  ©bäter  (1460—1465)  finben  mir  fie  in  ber 
üftäbe  bon  SiEe.    Waty  ibren  Sefyren,  bie  mir  nur  au§  ben  SDarftellungen  ibrer  ©egner 

25  fennen,  bielten  fie  ba3  „inncrlicbe  ©ebet"  für  bie  einige  religiöfe  ^fücbt.  ®a<§  ©treben 
nacb,  aboftolifeber  23oMommenI)eit  beranlafjte  fie  ju  bem  ©elübbe  boUiger  Sirmut,  bie  fie 
foroeit  augbetmten,  bafj  fie  faft  naeft  gingen.  ^n  tyx?n  Serfammlungen,  bie  fie  geheim 
breiten,  füllen  fie,  um  ba3  ?parabie§  bor^uftetten,  bie  Kleiber  ganj  abgelegt  baben.  ©erfon 
nennt  fie  Epicurei  sub  tunica  Christi   unb  febrieb  ibnen  bie  Sebre  ju,  ber  ßbrift  fei, 

30  wenn  er  eine  gewiffc  ©tufe  ber  Soßfommenfjeit  erreicht  fyahz,  jur  ©ünbe  ntebt  mefyr  fäfrig 
unb  lönne  ftcfc  obne  Sebenfen  feinen  finnlicben  Neigungen  bingeben.  ®ie  ^nquifition 
berfolgte  bie  %.  auf3  fycftigfte,  jumal  ba  fie  aueb,  in  ber  Sanbe-Bfbracbe  für  ifire  Ser)ren 
Srobaganba  maebten.  Slm  5.  Quli  1372  mürbe  in  $ari§  3ol^anna  ®abenton,  bie  eral= 
tierte  ^robfyetin    ber  ©efte,   unb   ein   ungenannter  Srebiger  berbrannt.    ©er  Qnquifttor 

35  $afob  9Jtore  erhielt  im  $ebruar  1373  bon  Harl  V  ein  ©elbgefcbenf  für  feine  Serbienftc 
um  bie  3lu§rottung  biefer  Üe^erei.  3tm  27.  5Rärj  1373  lobt  ©regor  IX.  ben  Äönig 
um  feinen  @ifer  unb  bittet  ib,n,  bie  ®omini!aner  noeb,  toeiter  gegen  bie  %.  ju  unterftü^en. 
@rft  in  ber  ^wetten  §älfte   beö   15.  Qa^rt)unbert§  berliert  fid)  i^re  ©bur  in  granfreieb. 

@uge«  Sac^entitamt. 

40  Juritotti,  $eter,  3JJärtb,rer  h)aIbenftfd)=tabortttfd) er  ^been,  geft.  1426. — 
Sftattf).  gkciu§  Süljr.,  Catalogus  testium  veritatis,  Francof.  1666;  ©aroluä  $uplejft3  b'?lr= 
c]entre,  Collectio  iudiciorum  de  novis  erroribus,  tom.  II,  Paris.  1728;  %ot).  ©rö-  Änpp, 
ftteine  sJiad)Iefe  einiger  jur  ©riäutenmg  ber  3teformatton§=©efdn<f)te  nüjjlicl)er  Urfunben, 
III.  Seit,  Seidig  1730;    ^ermann  ^aujjt,  Sie  religiöfen  ©eitert  in  ^xanhn  bor  ber  ifiefor= 

45  ntation,  Sßüräburg  1882;  berf.,  öufttifetje  ^robaganba  in  Seutfct|(anb :  Snftortfdjes  Safcßen= 
6uc6,  6.  gotge,  VII.  53b,  ©.  233  ff.  (tjier  namentiid)  <B.  298  ff.  im  9lnt).  I  ba8  3nquifitton§= 
urteil  SBiftfiof  3t^a6anS  uon  Speier  gegen  %.  au§  einer  efjemat§  g-Iaciu§  ge&örigen  §onbfct)rift 
mitgeteilt);  berf.,  SSalbenfevtum  unb  ^nquifttion  im  fiiböfrltcfjen  S)eut(d)lanb,  greiburg  i.  SS. 
1890;  Subtütg  ffeHer,  ®ie  Deformation  unb  bie  älteren  SReformbarteien,  üeibsig  1885. 

50  ^eter  ^urnoto  ift  mo^l  um  1390  in  Sotfemit  bei  ©Ibing  geboren.  Über  feine 
Sugenb^eit  ift  nichts  befannt.  Um  1415  begegnet  er  un§  in  $rag,  unb  bon  biefer  ßeit 
an  finb  feine  Sebenäfcbicffale  bielfacb,  mit  benen  beö  ^obanneg  ©ränborf  (f.  b.  SC.  Sb  V 
©.  17  f.)  berfnübft,  bem  gleicb,  er  bamalö  bufitifd)=lr>albenftfd)en  ©eban!en  fieb,  ^utbanbte. 
£)h  er  eine  Steife  nad)  ©ried)enlanb,   bie  er  bem   gegen   ifm   gefaßten  ^nquifitionsurteil 

55  nad)  unternommen  bat,  um  bie  Söunber  ber  Söelt  unb  bie  fircfcltcben  ©ebräuc^e  ber 
©ried;en  lennen  ^u  lernen,  febon  bor  ober  nad)  feiner  $rager  3«it  gemaebt  b,at,  ftebt 
nid)t  feft;    wabrfcbeinlicber  ift  ba§  le^tere.     @rft  in  ben  leisten  Qabren  bor  feinem  'iobe 


Surnoto  Surrctttni  165 

finbcn  wir  1.  iuicber  aU  ©dmlreJtor  in  «Bieter,  jefct  mit  £)ränborf  in  gemeinfamer  ©c= 
finnung  unb  innigfter  grcunbfcfyaft  oerbunben.  Wü  ib,m  jufammen  begann  er,  bon  roal= 
benfifdjen  ^been  getrieben,  eine  lebhafte  Agitation  gegen  bie  ©toeierer  ©eiftlidtfeit,  bie 
bamate  mit  ber  23ürgerfd)aft  in  gefybe  lag,  unb,  obgleich  er  Don  feinen  23erb,cmbhmgen 
mit  bem  geächteten  unb  gebannten  2Bein§berg,  mit  §eilbronn  unb  SBtmbfen  (f.  b.  9cäl)ere  6 
a.a.D.  ©.  17, 49  ff.)  feinen  greunb  jurüdb,  alten  wollte,  rourbe  er  boeb,  in  feinen  llnter= 
gang  funeingeriffen.  9camentlid)  jeugte  gegen  ib,n,  baft  er,  al3  $)ränborf  abgereift  war, 
um  mit  ben  2Jöein3bergem  berfönlid;  §ül)lung  S"  geroinnen,  bie  ganzen  Rapiere  be3 
^•reunbeö  in  23erroaf)rung  genommen  f)atte,  bie  bei  feiner  23erl)aftung  bann  bei  itmt  ge= 
funben  rourben.  2öofyI  im  2lbril  1426  folgte  er,  in  (Speier  berbrannt,  SDränborf  im  10 
lobe  nad).  2(uf$er  feiner  ^ßolemil  gegen  bie  roeltlid)e  ^jerrfdjaft  be3  Klerus  giebt  ba3 
^nquifitionSurteil  ifym  namentlich  fcfyulb,  bafe  er  gelehrt  I)abe,  ein  generale  concilium, 
universalem  ecclesiam  repraesentans,  fönne  irren,  unb  bafs  er  bie  communio  sub 
utraque  bertreten  unb  gebrol)t  I)abe,  jeber  ^ßrieftcr,  ber  rtic^t  ben  Saienfelcb,  leb,re  unb 
bem  SSolfe  mitteile,  muffe  am  füngften  £age  barüber  SRecr)enfcl)aft  geben,  ©benfo  wenig  15 
loie  2)ränborf  barf  %umoto  einfad)  ein  fmfitifcfyer  Parteigänger  genannt  werben;  aud)  in 
leinen  religiöfen  2lnfd;auungen  finb  roalbenfifdje  mit  roiclifitifd)4aboritifd)en  ©ebanfen  ber= 
bunben.  ijerbtiionb  (£oljr§. 

lurrecremoto,  $of|amte§  be  f.  %uan  be  Sorquemaba  33b  IX  ©.  545. 

Jurretttni.  —  Sttteratur:  ^ottinger,  £>eluet.  Sirrfjengefd). ;  ©enebier,  Hist.  litteraire  20 
de  Geuevc;  Supplement  du  dictionnaire  de  Bayle  par  Chauffepi£;  ®at)ou§,  Histoire  de 
la  litterature  francaise  ä  l'etranger;  ©ciberel,  Hist.  de  l'Egl.  de  Geneve,  t.  III;  33loefd), 
©efdjidjte  ber  fctitüei^.  ref.  Sirenen ;  Mömoires  pour  servir  ä  l'histoire  des  troubles  arrives 
en  Suisse  ä  l'occasion  du  consensus,  Sltnfterbnm  1726;  ©cbtueigei",  (Jentrcilbognien,  II;  (£eüe= 
rier,  Du  röle  politique  de  la  V  Compagnie  dans  l'ancienne  republ.  de  Geneve,  speciale-  25 
ment  dans  la  crise  de  1734;  Protestant  de  Geneve,  ^alfca,-  1838  u.  1839;  0.  ber  ©olfj, 
®ie  ref.  $trd)e  ©enf§  im  XIX.  SnW-,  1862;  gf.  SEurrettüti,  Notice  biographique  sur  Bene- 
dict Turrettini,  1871;  @.  be  93ube,  Vie  de  Francois  Turrettini,  1871;  berf.,  Vie  de  J.  Al- 
phonse  Turrettini,  1880;  2fj.  §el)er,  Deux  deputations  Memoires  de  la  Soc.  d'hist.  et 

d'archeol.  de  Geneve,  t.  XIII;  Seiger,  Francois  Turrettini,  Lausanne  1900;  !g.  §etier,  Cata-  30 
logue  des  theses  soutenues  ä  l'Academie  de  Geneve;  Gen.  1898;     83ovgeaub,   L'Aca- 

demie  de  Calvin,  Geneve  1900. 

turrettini  (ober  SEurrettin)  ift  ber  sJcame  eine§  genferifdjen  %l)eoIogengefd)Ied)t§, 
beffen  ©tammbater,  granjj  %.,  fein  23aterlanb  Succa  1574  berlaffen  unb  fid)  1592  in 
©enf  angefiebelt  blatte.    (§<§  finb  namentlich  3  %.  namhaft  %u  machen.  35 

1.  Senebift  turrettini,  ©otm  be£  foeben  ©enannten  (geb.  1588,  geft.  1631), 
tourbe  Pfarrer  in  ©enf  unb  $rofeffor  ber  Geologie  1612.  $m  Qafyre  1620  war  er 
deputierter  ber  ©enfer  $ird)e  bei  ber  -Jcationalftmobe  fon  2Ilai§,  toeldjc  bie  ©orbredjter 
Sefdjlüffe  in  granlreicb,  einführte.  3m  folgenben  %afyvt  erhielt  er  ben  Auftrag,  bei  ben 
©eneralftaaten  §oCanb§  unb  ben  b^anfeatifdjen  ©täbten  bie  nötigen  §üf3leiftungen  ju  er=  40 
toirfen,  um  ©enf  in  gehörigen  Serteibigung^ftanb  ju  fe^en,  roeld)e  SRiffion  er  mit  glän= 
jenbem  ©rfolge  au§fü|rte.  Unter  feinen  jab,Ireicf)en  ©d)riften  ift  bie  b^erborragenbfte  bie 
„SSerteibigung  ber  genferifd)en  Sibelüberfe|ung"  (©enf,  2  Sänbe,  1678—1620),  gerietet 
gegen  be3  ^ßater§  Sotton,  be§  Setd)tbater§  §einrid)§  IV.  ©d;rift:  Geneve  plagiaire. 

2.  ^ranj  turrettini,  fein  ©olm  (geb.  1623,  geft.  1687),  ftubterte  in  ©enf,  Serben,  45 
Utrecht,  $aril,  ©aumur,  SJcontauban  unb  9cisme<§.  9Zad)  ©enf  äurüd;geleb,rt,  rourbe  er  (1548) 
Pfarrer  ber  bortigen  italienifd)en  ©emeinbe,  1653  ^rofeffor  ber  Geologie,    ^n  §oHanb, 
toobtn  ib,n  biefelbe  SRiffion  führte,  roeld)er  fd)on  fein  33ater  fid)  unterzogen  b,atte,  fud)te  man 
il>n  fefeub, alten;  er  blieb  aber  feinem  Saterlanbe  getreu.    $n  tb,eo!ogifd)er  33ejief)ung  ift 
%xcmi  1.  befonberS  be!annt   alg   eifriger  ©egner  ber  Geologie  fon  ©aumur  (f.  b.  21.  so 
Slmtiraut  33b  I   ©.  476),   aU   eifriger  3Serfed)ter   ber  ftreng   ortb^oboi'en  Dogmatil    im 
Sinne  be§  SDorbred)ter  SvonjibS  unb  al€  einer  ber  Urheber   unb  33erteibiger   ber   f>elfc>eti= 
fäen  H'onfensformel  (f.  b.  21.  33b  VII  ©.  647).  Unter  feinen  giemlid)  ^(reic^en  ©Triften, 
bie  meiftenä  bogmatifd)en  Qnf)alte6   finb,   berbient  am  meiften  33ead;tung  bie  Institutio 
theologiae  Elencticae,  in  qua  Status  controversiae  perspicue  exponitur,    prae-  66 
cipua  Orthodoxorum  argumenta  proponuntur    et  vindicantur   et   fontes  solu- 
tionum  aperiuntur,    ©enf  1679—1685,   2.  2lu§gabe  1688.     ©eine  ©djriften  rourben 
1817  ff.  in  ©djottlanb  neu  berauSgegcbcn.    'JRan  b^at  aug  feinen  SBert'en  §anbbüd;er  für 


166  Surrcttuu 

©tubentcn  pfammengefteEt,  bie  bis  jum  heutigen  ^age  in  einigen  %o!ogifd)en  ©cfyulen 
(j.  33.  Srinceton)  gebraucht  merben. 

3.  ^obann  2lIbl)onS  SLurrettini,  ©olm  beS  borigen,  Verfolgte  äußerlich  btefelbe 
Saufbalm,  aber  in  ganj  anberem  ©eifie.  -Kenn  ber  eine  bie  calbinifcfye  Örtlmborje  in 
5  aller  ©trenge  aufrecht  ju  galten  fud)t,  fo  ift  ber  anbere  bemüht,  bie  Bereinigung  aEer 
Sroteftanten  auf  ber  33afiS  einiger  meniger  gunbamentalartilel  ^u  fianbe  ju  bringen. 
Reiter  mar  einer  ber  §aubturl)eber  ber  belbetifd;en  IbnfenSformel,  biefer  beroieS  benfelben 
@ifer,  um  biefe  gormel  mieber  ab^ufetjaffen,  unb  befreite  bie  ©enfer  Äirclje  bon  ber 
Stutorität  bei  ÄonjilS  bon  ©orbrecfyt.    2llbl)onS  %.  ift  ber  bebeutenbfte  Mann  in  biefem 

io  3^eologengefcf)Ied;te. 

©eboren  1671,  machte  er  feine  ©tubien  großenteils  in  ©enf;  unter  bem  ©influffe 
bon  S.  'iSrondjin,  bem  bebeutenbften  3iebräfentanten  ber  bom  reformierten  ©dmlafticiSnmS 
fid)  emangibierenben  unb  bem  SlrminianiSmuS  fiel)  juneigenben  ©enfer  Geologie.  %. 
mürbe  fein   befter  ©djüler;    als  ib/n  "Srondjin  eine  feiner  erften  Srebigten  galten  fyörte, 

15  fagte  er:  „biefer  junge  SJtann  fängt  ba  an,  mo  bie  anbern  enben"  !gm  Sa^re  1691 
begab  er  fid;  nad;  £>otlanb,  um  bafelbft  feine  ©tubien  ju  berbollfommnen.  ©ein  £>autot= 
jmed  mar,  unter  ©i>anl)eim  bie  "Rirdiengefcfndjte  ju  ftubieren.  Sebor  er  bon  Serben  ab- 
reifte,  gab  er  einen  SemeiS  feiner  ^ortfcbjitte  buref)  SLfyefen,  betitelt:  Pyrrhonismus 
Pontificius    sive    theses    theologico-historicae    de    variationibus  Pontificiorum 

20  circa  Ecclesiae  infallibilitatem,  Lugd.  Bat.  1692,  eigentlich  eine  SBtberlegung  ber 
©cfirift  bon  Soffuet  über  bie  Variations  des  eglises  protestantes.  guerft  ^etgt  er, 
baß  bie  Srotefianien  il>re  Meinung  nid;t  fo  oft  geänbert  |aben,  als  man  angebe;  barauf 
bemeift  er,  baß,  füllte  bie  £f)atfad)e  auef)  maljr  fein,  man  barauS  auf  bie  Siecfrtmäßigfeit 
if)rer  <Sact)e   feinen   ungünftigen  ©cf)luß   gießen  bürfe.     ©rtblict)   giebt   er   baS  Argument 

25  jurüd,  inbem  er  bemeift,  baß  bie  römifd)e  Strebe  felbft  fel)r  gefcfymanft  bat,  teils  in  ber 
Sebre,  leite  im  ©otteSbienfte,  teils  unb  l)aubtfäd)Iid;  in  einem  fünfte,  ber  bie  S3aftS 
aller  anberen  ift,  nämlid)  in  Setreff  ber  Qnfallibilität  ber  $ird)e.  ©iefe  Slfyefen  matten 
großem  2tuffeben.  Sebor  er  in  feine  £>eimat  gurüdfefyrte,  bereifte  er  nod;  (ünglanb  unb 
granfreid;.    %n  ßambribge  erfreute   er   fiel)  eines  bertrauten  Umgangs   mit  Newton,   in 

30  $aris  fanb  er  oljme  ©d)mierigfeit  gutritt  ju  Soffuet,  3D?abtHon  unb  9Mebrand;e.  $n 
©enf  mürbe  er,  obgleid;  erft  22  ^ai)ti  alt,  alfobalb  in  bie  Venerable  Compagnie  des 
Pasteurs  aufgenommen,  unb  ba  er  bie  Sorjüge  ber  englifd)en  unb  ber  frangöfifeben 
^rebigtmeife  bereinigte,  fo  mar  er  balb  einer  ber  beliebteften  Sfanjelrebner  ber  ©tabt. 
$m  ^aftre  1697  mürbe  für  it)n   ein  Sebrftub/l   ber  $irct)engefd;icf)te    errietet,   unb   fdjon 

35  1701  mürbe  er  Sieltor  ber  Sllabemic;  biefe  SBürbe  füllte  er,  im  gaUe  ber  2Bieberermäf)= 

lung,  böd)ften§  4  ober  5  $abre   befleiben;    ju   feinen  ©unften   machte   man   eine  2luS= 

nafyme;    er   blieb   boHe  10  $al)re  9Mtor,   unb  bie  9teben,   bie  er  jätyrlid;  am  £age  ber 

Promotionen  l)ielt,  finb  1737  unter  bem  SEitel  orationes  academicae  gebrudt  morben. 

Son  befonberer  Sebeutung  ift  ber  2lnteil,   ben  %.  an   ber  2lbfcf)affung  ber  r/elbeti= 

40  fdjen  ÄonfcnSformel  nab^m.  5Ran  cmbfanb  in  ©enf  fo  gut  mie  anbermärts  in  ber 
©cfymeij$  bie  Serbflicfjtung  auf  biefe  gormel  als  ein  ^oef) ;  fie  blatte  aEerbingS  nod)  einige 
Jyreunbe  in  ©enf,  unb  ba  fie  mit  finnbolifcf/er  t'lutorität  befleibet  mar  unb  bie  ftaatlicjje 
©anftion  befaß,  fo  fonnte  fie  niefit  ofme  SRübe  befeitigt  merben.  gux  ©rgänjung  beS  im 
Slrt.  §elbetifd)e  SlonfenSformel  33b  VII  ©.  647  ©efagten  geben  mir  b^ier  eine  altenmäßige 

45  SarfteEung  ber  ©enfer  Vorgänge. 

®ie  gorm  ber  llnterfd;rift,  momit  fid)  bie  ^anbibaten  auf  bie  ^onfenSformel  ber= 
bflid)teten,  mar:  „sie  sentio,  sie  profiteor,  sie  docebo  et  contrarium  non  docebo" 
9hm  ereignete  eS  fid)  im2lbril  1706,  baß,  als  ^tt>et  junge  ©eiftlicCje,  sßial  unb  Sautier,  in 
bie  Slombagnie  aufgenommen  merben  foEten,  Sautier  bie  berlangte  llnterfdn-ift  gab,  Sßial 

50  aber  nur  fo  biel  geloben  moEte:  contrarium  non  docebo,  pacem  ecclesiae  promo- 
vebo,  toorauf  bie  Majorität  ber  ^ombagnie,  „um  llneinigfeit  unb  bie  großen  Übel  ^u 
bereuten,  meldte  entftelten  lönnten,  menn  bie  ©adie  außerhalb  ber  Äombagnie  anhängig 
gemacht  mürbe",  befd}loß,  fid)  bei  ber  Unterfertig  beS  Sial  §u  begnügen ;  fo  mürbe  er 
benn  fo  gut  mie  Sautier  in  ben  ©d)oß  ber  ibmbagnie  aufgenommen,    ^nbeffen  benad)= 

65  ridjtigte  bie  broteftierenbe  9)Jinorität  ber  Hombagnie  ben  Staatsrat  (bie  ejefutibe Seb^örbe 
ber  %toubltl)  bon  biefer  2Ibmeid}ung  bon  ben  beftebenben  Serorbnungen,  bie  offenbar 
eine  Uberfdjreitung  ber  tombetenä  ber  lombagnie  mar.  ©er  ©taatSrat  faffierte  ben  S3e= 
febluß  ber  2lufnabme  bon  Sial  unb  befahl  eine  neue  Serfammlung  ber  Äombagnie,  um 
biefe  3lngelegenf)eit   auf   eine   freunblid)e  Söeife   (ä  l'amiable)  ju  @nbe  ^u  führen,    ^n 

eo  biefer  neuen  Serfammlung  bom  7.  Mai  mürbe   befcbloffcn,   baß,   mit  ©eneb;migung   beS 


$urrctttnt  107 

Staatsrate:,  folgenbe  Unterfd;rift  bcrlangt  merben  füllte:  sie  docebo,  quoties  hoc  ar- 
gumentum traetandum  suseipiam,  contrarium  non  docebo,  nee  ore,  nee  calamo, 
nee  privatim,  nee  publice.  3)er  (Staatsrat  billigte  biefe  neue  Unterfdmft.  ©er  sJtat 
ber  ßmcilmnbert  (bie  gefe^gebenbe  93ef)örbe),  olme  eine  Billigung  ober  SDtipitligung  auS= 
mfbrecb,en,  lief?  fie  gemäßen,  lobte  bie  ©inigleit  ber  ©etftlicfyen  unb  ermahnte  fie,  „fiel)  5 
insbefonbere  über  bie  obfcfyroebenbe  Angelegenheit  immer  beffer  ju  berftänbigen"  Sßial, 
nadjbem  er  bie  neue  Unterfcf>rift  geleiftet,  mürbe  gum  Reiten  9Me  in  bie  &ombagnie 
aufgenommen.  3lad)  langen  SSerfycmbtungen  über  ben  ©inn  ber  33erorbnung  beS  9kteS 
ber  gwcifyunbert,  ber  in  ber  %^at  jmeibeutig  mar,  befcblofj  bie  iRombagme  am  18.  ^uni, 
borjüglid;  auf  Antrieb  bon  X.,  bie  grage  über  bie  Unterfcbrift  ber  ionfenSformel  toieber  10 
borjunebmen.  3ln  ber  toitjung  bom  25.  $uni,  mo  bie  6ad)e  in  ernftlicbe  Beratung  ge= 
uvvn  merben  fotlte,  nahmen  bon  34  3JcitgIiebern  ber  Kombagnie  12  ftreng  calbinifcb, 
ißefinntc  ntebt  teil,  morunter  ßalanbrini  unb  93en.  Rietet  (f.  b.  31.  93b  XV  ©.  395) 
bie  bebeutenbften  maren.  @S  mürbe  obne  ©d;mterigleit  befcbloffen,  feine  Unterfcbrift  mefyr 
ju  forbern;  folgenbe  SJiotibe  mürben  bafür  angegeben:  1.  9cad)  Öefeitigung  beS  unge=  iü 
bcucrlicben  sie  sentio  fönne  man  aud)  baö  sie  docebo  nicf)t  beibehalten ;  2.  bie28orte: 
quoties  hoc  argumentum  traetandum  suseipiam  feien  febr  gmeibeutig ;  3.  bie  üffiortc 
neque  ore,  neque  calamo,  neque  publice,  neque  privatim  lönnten  eine  Slrt  $n= 
quifition  f)erborrufen,  meiere  fid;  big  auf  Unterrebungen  unb  Sriefmedjfel  erftreden  müfjte; 
4.  bcrgleicf)cn  äserpflid)tungen  feien  abfolut  unausführbar.  Slufjerbem  machte  bie  $om=  20 
bagnie  geltenb,  bafe  bie  genannte  Unterfcbrift  ben  anberen  Äird;en,  befonberS  benen 
rcutfcb,lanbs  unb  ©nglanbs,  meldte  anberS  gefinnt  feien,  großen  Slnftof?  geben,  unb  bafj, 
toenn  biefe  ^ireben,  bem  ©enfer  SBeifbiel  folgenb,  für  ir;re  ©ä£e  äbrtücbe  Unterfcbriften 
forbern  mollten,  barauS  eine  ©baltung  jmifdjen  ilm.cn  unb  ©enf  entftünbe.  ÜberbieS  fei 
es  unangemeffen,  einesteils  fieb,  mit  einem  münblic^en  SSerfbredjen  ber  Konformität  mit  25 
bem  äßorte  ©otteS  unb  mit  bem  ©laubenSbelenntmS  (ber  jmeiten  b,elbetifd)en  Konfeffion) 
ju  begnügen  unb  anbererfeitS  eine  Unterfcbrift  betreffenb  gleicfygiltige  ®inge  ju  berlangen. 
^n  berfebiebenen  Kirchen  ber  ©ibmeij,  3üricft,  33afel,  ©cfyaffb/aufen,  merbe  leine  Unter= 
fdjrift  berlangt.  9Jtan  betonte  fernerhin,  bafj  bie  ÄonfenSformel  ben  lutberifcbert  Kirdjen 
abfonberlicb,  mißfalle,  bafs  bie  reformierten  gürften  ©eutfdjlanbS  münfditen,  man  ntögc  30 
ben  3ßeg  ber  SRilberung  etnfcblagen,  unb  bafc  aud;  bie  englifeben  Prälaten  fefyr  unju= 
frieben  feien  mit  biefen  errungenen  Unterfdjriften.  Sie  betreffenben  SRaierien  feien 
bon  feinem  ©influffe  auf  bie  ©itten,  auf  ben  ©otteSbienft,  auf  bie  ^rebtgtmeife;  eS  gebe 
taufenb  tl)eoIogifcf)e  fragen,  miebtiger  als  bie  betreffenbe,  über  meldte  man  geteilter  3Jlt\- 
nung  fei,  obne  bafj  man  baran  beule,  gormein  beSmegen  aufstellen  unb  beren  Unter=  35 
febrift  ju  befehlen.  @S  fei  bart,  ein  Reglement  ju  baben,  beffen  §anbb,abung  felbft  bie 
Reformatoren,  menn  fie  nod;  lebten,  unb  anbere  grofje  SRänner,  bie  nad)  ib,nen  auf= 
getreten,  bom  getftüdben  Slmte  auSfcljliefjen  mürbe,  ©elbft  in  ber  rötmfd)en  Kirche,  meiere 
bie  ^nquifition  errietet  f;abe  unb  meldte  ficr)  für  untrüglid)  fyalte,  bulbe  man  ftd)  gegen= 
feittg  in  ben  in  §rage  ftef)enben  fünften.  %.  unb  ©artortS  mürben  beauftragt,  bem  40 
Staatsrate  ben  gefaxten  23efd)luf5  unb  beffen  ^ftotibe  unterjubretten.  Slllein  bie  obbo= 
nterenbe  5Dcinorttät  ber  Kombagnie  übergab  bem  Staatsrate  aud;  jmei  Memoires,  ber= 
fafet  bon  if)ren  beiben  §äubtern  ßalanbrini  unb  Rietet,  ©iefer  fagte  unter  anberem:  „eS 
ift  uns  unmöglid},  unfere  Seforgniffe  ju  berbeb,len.  3uer^  f^^u3  man  ung  bDr'  ^ag 
sie  sentio  ju  ftreicb;en,  barauf  baS  sie  docebo ;  je^t  rotll  man  baS  ©anje  abraffen,  j-. 
ÜiUr  befürchten,  bafe  balb  bie  9ieib,e  an  bie  ©^nobe  bon  £)orbrecr;t  unb  bie  ©laubenS= 
befenntiüffe  lomme.  2ßtr  beforgen  baS  3Iuflommen  beS  3lrminianiSmuS  unb  felbft  ärgeres. 
3Me  ©eifter  finb  in  biefem  ^abjlmnbert  au^erorbentlicb,  begierig  nacb,  Neuerungen,  ©afyer 
bitten  mir  ©ueb;,  ju  befehlen,  ba^  fortan  bie  Canones  bon  2)orbred)t  mit  berfelben 
Jormel  unterfefmeben  merben  follen,  mit  ber  man  ehemals  unfere  Reglements  unterfebrieb :  »j 
sie  sentio,  sie  profiteor,  sie  docebo  et  contrarium  non  docebo"  ®iefe  $rote= 
ftation  blieb  bod)  niebt  ganj  obne  2Sirfung,  fo  ftarl  aueb,  bie  freiere  ©trömung  fein 
mochte.  Sem  Staatsrate  mürbe  bon  ber  Kombagnic  folgenbeS  Formular  ber  5ßerbflicb= 
tung,  melcb,  e  bie  JKanbibaten  eingeben  foUten,  borgefdilagen :  ,,^^r  berfpreebet  unb  fcfjmöret 
bor  ©ott,  alles  ju  glauben  unb  ju  belennen,  maS  in  ben  ^eiligen  ©Triften  beS  Sllten  55 
unb  s3cTS  entb/alten  ift,  meldte  bie  malere  unb  einige  ?{id)tfd)nur  unfereS  ©laubenS  finb. 
3>br  berfpreebet  ferner  nichts  ju  lehren,  maS  bem  ©laubenSbelenntniffe  unb  bem  ilate= 
c^iSmuS  unferer  Mirde  nid)t  lonform  fei,  als  meld)e  bie  ©uinma  ber  ©cf)riftlef)re  ent= 
balten.  CSnbltcb  feib  ibr  ermabnt,  in  ber  5lircbe  unb  in  ber  3llabemie  nid)tS  ,ui  lehren 
gegen  bie  Canones  ber  Stmobc  bon  Dorbredjt  unb  gegen  bie  3(eglemcntS  ber  „Venerable  6i 


168  £urrettint 

Compagnie"  ®er  (Staatsrat  billigte  biefeg  gormular.  ©ie  Majorität  bc<§  9tatc§  bcr 
gWeifmnbcrt,  mit  ber  genannten  gormel,  al§  einem  bloßen  ^ombromifj,  nid^t  gufrteben, 
Wollte  bie  ©eifilicr/J;eit  ermuntern  ju  einer  bölligen  2lbWerfung  ber  fonfefftonetten  35er= 
bflicfytung  übertäubt,  ©od)  berflofe  nocb,  geraume  geit,  bi§  bie  genannte  23er!pflicr;tung§= 
5  formel  befeitigt  mürbe.  !ym  $afyre  1725,  ba  bie  ortr/oboje  SOlinorität  bereite  im  2lu§= 
fterben  begriffen  War,  befcfylofj  bie  $ombagnie,  mit  2lu§naf>me  Don  einem  ober  jWei 
Sftitgliebern,  in  ber  ©i|ung  Dom  15.  Quni,  bie  gormel  Don  1706  aufzugeben  unb  ficb, 
einzig  unb  allem  an  ben  6.  SIrtifel  ber  calbtntfct)ert  Ordonnances  ecclesiastiques  ^u 
galten:  „^Sfyr  befennet,  bafj  t^r  bie  2e£>re  ber  $robf)eten  unb  2lbofteI  fcft^altet,   wie  fte 

io  in  ben  Supern  be§  Stlten  unb  %l%3  enthalten  ift,  bon  melier  Seigre  mir  in  unferem 
üaiecfnSmuä  einen  Inbegriff  b/aben"  Qu  gleicher  geit  fottten  bie  auf-mneljmenben  $anbi= 
baten  bom  SRoberator  ber  $ombagnie  ermahnt  Werben,  auf  ber  üanjel  nid^tg  Unnü|e3, 
nod)  blofj  ber  Neugierbe  ©ienenbeä  ober  ben  ^rieben  ©törenbeS  borjutragen.  SDamit 
toar  nicfyt  nur  bie  fyelbetifcfye  $onfens>formeI,   bie  Canones  bon  ®orbred)t,   fonbern  aucb, 

15  bie  gtoeite  fyelbetifcfye  ^onfeffion  abgefdjafft  unb  allem  bem  $atect)i3mu§  Galbin3  noa)  eine 
3lrt  bon  fr/mbolifcfyer  Autorität  binbi^iert.  Unb  bamit  man  aucb,  biefe  Autorität  ntd^t  ju 
Ijocb,  anfrage,  War  au§brücfücf)  bemerlt :  „Wenn  bie  ^ombagnie  bom  ^atedji^mug  fbrecf/e, 
fo  gefct/eljie  e§  nicb/t  in  ber  2lbficb,t,  ifyn  ber  ©djrift  gleichstellen,  noct;  um  bie  Befolgung 
beSfelben  in  alten  ©ingel^eiten  ju  embfefylen,  fonbern  blüfs  unb  allein  um  ju  bezeugen,  bafe 

20  bie  ^ombagnie  erfenne,  bie  ©ubftanj  unb  ber  Inbegriff  ber  dmfilicfyen  Sefyre  feien  barin 
enthalten.  2luf$erbem  Würbe  r/erborgeb,oben,  baft,  inbem  man  ftd)  an  jene  Ordonnances 
fyalte,  man  fid^>  unter  eine  Siegel  ftctte,  bie  man  niemal?  b,ätte  berlaffen  füllen  unb  unter 
Welker  bie  ©enferifcfye  ^ircfye  mef)r  al§  ein  $ab,rl)unbert  lang  gelebt  I)abe.  $m  ^protofott 
ber  ©itmng,    Worin  biefer  SBefcfyluft  gefaxt  Würbe,    ift   gefagt,    bafs  ber  ©taat§rat  ein= 

25  mutig  bie  Slnficfyt  ber  ßombagnie  betreffenb  ba§  Formular  bon  1706  bittige,  bafs 
er  aber  Wünfcfye,  bafs  man  bon  biefer  ©ad)e  fo  Wenig  als  möglieb,  Sluf^ebenö  madjie. 
Offenbar  War  bie  Regierung  mit  ber  ©eiftlidjfeit  einberftanben ;  fte  Wünfcfyte  aber,  nad) 
ber  ©itte  be§  18.  QafyrlmnbertS,  Wo  alle  Öffentlichkeit  möglich  befcfyränft  Würbe,  bafs 
bie  ©acb.e  intra  parietes   abgemalt  Würbe.    SRan   i)ätte  gefürchtet,  ba§  2lnfeb,en  ber 

30  Regierung  ju  fcfywäcfien,  Wenn  bie  ^unbe,  bafs  fie  in  Neuerungen  Willige,  attjufeb^r  in 
ba?  33olf  gebrungen  Wäre,  ©od)  begnügte  fid)  %.  nid^t  mit  ber  Sefeitigung  ber  $onfen3= 
formel  in  ©enf,  er  Wollte  tt)re  ©eltung  in  ber  ©cfjWeiä  übertäubt  aufgehoben  Wiffen. 
@r  fe^te  ftcb,  mit  bem  ©rjbifdjof  SÜßafe  bon  ßanterburt)  ins  (Sinbemefymen,  Worauf  juerft 
biefer  unb    fbäter  ber  ^bnig   bon  ©nglanb   felbft    an    bie    fdjWei^erifcijen  Kantone  ein 

35  ©^reiben  ergeben  liefe,  Worin  er  fie  aufforberte,  ber  $onfens>formel  ju  entfagen. 

®ie  2lbfcb,affung  ber  $onfen§formel  b,ing  für  %.  auf?  engfte  mit  einer  anberen  %n- 
gelegenf)eit  jufammen,  Welche  eine  Wichtige  ©teile  in  feinem  Seben  einnimmt,  nämlia) 
mit  ber  Union  jWifcfyen  ben  Sutb,eranern  unb  ben  Reformierten,  gmwcfyft  Würbe  er  ju= 
fällig  aufgeforbert,  fiefy  birelt  bamit  gu  befaffen.    (Sr  erfuhr  im  %afyxe  1707  bureb,  einen 

40  :preu|ifcfyen  Slbgeorbneten  in  Neuenbürg,  bafe  griebrict;  I.,  bem  biefe  Union  fefyr  am 
§erjen  lag,  bie  2tnfic£)t  ber  Äirc^e  unb  ber  Slfabemie  bon  ©enf  barüber  Wünfa^e  fennen 
gu  lernen.  2)ie  ^om^agnie  beeilte  fiel),  bem  Äbnig  in  einem  ©(^reiben  bom  22.  2lbril, 
Welche?  %.  aufgefegt  f)atte,  bie  berlangte  2lu§!unft  ju  geben :  „2)ie  Kirche  bon  ©enf  b,at 
immer  einmütig  bie  Stnfic^t  feftgel>alten,  bafj  bie  ^iroteftanten  beiber  33e!enntniffe  in  allem, 

45  \va§  Wefentlitt}  jur  Religion  gehört,  einig  ftnb,  bafs  bie  5rct9en'  um  toeld^er  Witten  fie 
boneinanber  getrennt  finb,  für  ba<§  ©eelenfyeil  inbifferent  finb,  unb  bafs  fte  bemnacb, 
einanber  gegenfeitg  tragen,  fidj  als  Srüber  betrachten,  gegenfeitig  an  ben  gotte^bienftlic^en 
3Serfammlungen  teilnehmen,  bie  Kommunion  boneinanber  embfangen,  mit  einem  ffiorte 
fiel)  attefamt  fo  benehmen  follen,  al§  bilbeten  fie  nur  @ine  lircljlicfje  ©emeinfcfyaft.    3Baö 

so  bie  2lrt  betrifft,  Wie  bie  gWei  Parteien  ju  bereinigen  finb,  fo  erachten  Wir,  bafj  bie§  nic^t 
auf  bem  Söege  ber  Äontrober^ftreitigfeiten  gefcb,eb,en  lann;  benn  feiner  bon  beiben  teilen 
Witt  babei  nachgeben,  unb  ber  ©treit  erbittert  bie  ©eifter,  anftatt  fie  jur  SJtilbe  ^u 
ftimmen.  93tel  beffer  fcb,eint  e?  un?,  allen  ©treit  ju  meiben,  über  bie  ©treitbunlte  nie 
anber§  al§  mit  IRäfeigung  fic§    ju  äußern  unb  im  gegenfeitigen  berfönlic^en  3Serleb,r  bie 

55  Siebe  Walten  ju  laffen.  Nacf)  biefen  ©runbfä^en  fjat  bie  ©enf er  Äircfye  immer  geb^anbelt. 
SBenn  2lnl)änger  be§  Slugsburgifc^en  33elenntniffeg  bei  unl  ba§  Slbenbmab,!  ju  empfangen 
Wünfcb^en,  nehmen  Wir  fie  mit  offenen  2lrmen  auf,  ob,ne  bon  ib,nen  irgenb  eine  2lbfcfyWö= 
rung  ib^rer  befonberen  ©Iaubenganficf)ten  juberlangen;  Wenn  fie  unter  berfelben  33ebingung 
un§  ju  il)rem  3lbenbmaf)Ie  julaffen  Wollen,   finb  Wir  bon  §er3m  Serne  bereit,   mit  iljren 

60  ©emeinben  ^u  lommunijieren.    2Bir   fönnen   fogar   eine   befonbere  Sfyatfacfje   erwähnen, 


£urrcitini  1H9 

tuclcf;c  @m.  3[Raicftät  btc  gemäßigte  unb  friebfertige  ©efinnung  unferer  Äird)c  bezeugen 
lbirb.  33or  einigen  %af)xm  fyaben  einige  fyier  anfäffige  2utl)eraner  um  bie  (Erlaubnis 
nad)gefud;t,  bon  3eit  3U  8^  kte  Kommunion  auS  ber  §anb  eines  if;rer  ©eiftlicfyen  ju 
empfangen;  bie  Erlaubnis  mürbe  ifmen  bon  ber  Äombagnie  fogleid;,  einmütig,  oljme  alle 
SBiberrebe  gemährt",  ®em  ift  beizufügen,  bafj  in  bemfelben  $al;rc  1707  ein  lutfyerifd;er  b 
©eiftlicfyer,  ben  ber  ®önig  bon  ^reufcen  embfofylen  fyatte,  bie  Erlaubnis  erhielt,  ftd;  in 
©ertf  anjufiebeln ;  fo  eniftanb  bie  lutl;erifd;e  &ird;e  in  biefer  ©tabt.  ©er  $önig  geigte 
fitf;  in  feinem  2tnttoorrfd;reiben,  me!d;eS  am  1.  ^ult  im  ©cfyofje  ber  Kompagnie  beriefen 
tourbe,  äufjerft  aufrieben  mit  bem  ©utacfyten  unb  bat  bie  ©enfer  $ird;e,  befmfS  ber  Union 
fid;  mit  feinen  ©eiftlicfyen  unb  Geologen  ins  Skmefymen  ju  fe^en.  5D;e  beiben  Schreiben,  io 
baS  ber  Kompagnie  unb  bie  Antwort  beS  Königs,  finb  beigebrudt  ber  6.  9ieftoratSrebe 
bon  1.:  de  componendis  Protestantium  dissidiis.  SDiefe  Rebe  felbft  tourbe  gerabe 
in  biefer  geit  gehalten  unb  auf  2lnfud;en  ber  ^ombagme  bem  ©rüde  übergeben,  infolge 
babon  mürbe  %.  jum  9Jiitgliebe  ber  ioniglid;en  Stfabemie  in  Berlin  ernannt  unb  bom 
Könige  mit  einer  golbenen  9JlebailIe  befd;entt.  15 

Sie  bisherigen  Erörterungen  über  bie  2lbfd)affung  ber  I)elbetifd;en  ^onfenSformel 
unb  bie  Union  jftrifcfyen  ben  beiben  broteftantifcfyen  Äonfeffionen  führen  uns  ju  ben  mtd;= 
tigften  tfyeo!ogifd;en  2öer!en  beS  %.,  morauS  mir  feine  tfyeologifcfye  Stiftung  am  beften 
fennen  lernen.  SSor  allem  fommt  fyter  in  S3etrad)t  bie  1729  erfdjienene,  auf  Slnlafj  eines 
Briefes  beS  ©rjbifdjofS  SBa!e  an  bie  $aftoren  unb  ©eiftlicfyen  bon  ©enf  unb  an  bie  ge=  20 
famte  broteftantifcfye  ©eiftlicftfeit  ber  ©cfymeij  ausgearbeitete  nubes  testium  pro  mode- 
rato  et  paeifico  de  rebus  theologicis  judicio  et  instituenda  inter  Protestantes 
concordia.  Praemissa  est  brevis  et  paeifica  de  articulis  fundamentalibus  dis- 
quisitio,  qua  ad  Protestantium  pacem  mutuamque  tolerantiam  via  sternitur. 
3>er  genannte  SSrief  SöafeS,  fomie  bie  2tnttoort  ber  Jbmbagme  finb  ber  nubes  bei=  25 
gebrudt;  aus  bem  SSormorte  erfahren  mir  aud;,  baft  fd;on  feit  1707  %.  mit  Seibmz  in 
Angelegenheiten  ber  Union  unter  ben  ^3roteftanten  forrefbonbierte.  ®ie  angehängte 
Siffertation  über  bie  gunbamentalartifel,  auf  bie  Sitte  jmeier  lutfyerifcfyer  2lbeliger  auS= 
gearbeitet,  tourbe  juerft,  nod;  bor  bem  ©rfebeinen  ber  nubes,  befonberS  gebrudt  unb 
ijernad)  nod;  in  ben  Reiten  Sßanb  ber  cogitationes  et  dissertationes  theologicae  beS  30 
23erfafferS  aufgenommen.  SDie  Unterfcfyeibung  ber  mefentlidjen  Sefjren  beS  GI)riftentumS 
bon  ben  minber  mefentlid;en  bot  fid;  bem  bogmatifeben,  ja  felbft  bem  bobulären  %lafy 
benlen  leidet  bar,  aber  fd;mieriger  mar  eS,  barüber  eine  erfcfyöbfenbe,  bollfommen  befrie= 
bigenbe  2tuSfunft  zu  geben;  aud)  %.  fdjeint  baS  niefot  böUig  gelungen  zu  fein,  ©ie  aH= 
gemeine  ^Begriffsbestimmung  babon  ift  jmar  eine  foldje,  gegen  meld;e  nichts  einjutoenben  35 
ift:  „ea  religionis  capita,  quae  ad  ejus  essen tiam  seu  fundamentum  ita  perti- 
nent,  tantique  sunt  in  ea  momenti,  ut,  iis  demptis,  stare  nequeat  religio,  vel 
saltem  praeeipua  quadam  planeque  necessaria  sui  parte  destituatur;  ober 
fürjer  nennt  er  ^unbamentalartifel  foldje,  quorum  cognitio  atque  fides  ad  Dei  gra- 
tiam  salutemque  obtinendam  necessaria  est.  ©ergleicfyen  Slrtifel  giebt  e§  nur  eine  40 
geringe  ftafyl.  ^Diejenigen  allein  finb  funbamentat,  meiere  bon  aßen  (Stiften  ju  alten 
Reiten  geglaubt  morben  finb.  Qa,  er  ge§t  fo  meit,  ju  beraubten,  praeter  obedientiam 
mandatis  divinis  et  positam  in  promissis  Evangelii  fiduciam  fundamentale 
nihil  esse,  ©arauf  aber  ftellt  er  ben  ©a£  auf,  ba^  ba§  aboftolifd;e  ©^mbolum  Fun- 
damentalium  Judicium  et  mensura  fei.  ©leid;  nacf)l)er  meint  er,  articulos  funda-  45 
mentales  non  esse  eosdem  omnibus,  sed  pro  varia  revelationis  mensura, 
variisque  hominum  dotibus  et  circumstantiis  varios  esse,  —  fo  bafj  jule^t 
nur  ©ott  entfc£)eibet,  quid  ad  salutem  necessario  credendum  sit,  quisve  error  a 
salute  exeludat,  moran  fid;  eine  braftifd;  fyeüfame  ©rmafmung  anfdjliefjt;  cum  agitur 
de  nobis  ipsis,  tutius  esse,  vel  ab  minimis  erroribus,  quasi  fundamentales  50 
essent,  abhorrere  et  in  veritatum  divinarum  cognitione,  quam  longissime 
possumus,  progredi.  At,  cum  de  aliis  agitur,  nonnisi  caute  admodum  maxima- 
que  cum  caritate  et  mansuetudine  pronuntiandum  esse.  5Den  ©cfyluf?  bilbet  bie 
Erörterung,  ba^  ba,  mo  3^iefbalt  ^errfdjt,  in  S3ejieb,ung  auf  bie  ©runbmafyrfyeiten  be§ 
6bangelium§,  mie  j.  S.  ^mifd;en  Jlat^olilen  unb  ^roteftanten,  bie  Union  unmöglid;  fei,  bb 
toenn  aber  bie  ©iffereng  blofe  accefforifd;e  fragen  betreffe,  mie  ba<B  im  3Serb,ältniiS 
Jtoifdien  Sutfyeranern  unb  Reformierten  ber  gall  fei,  fo  folle  fird;lid;e  ©emeinfd;aft  ^(a§ 
greifen. 

(Sin  anbereS  t^eologifd;e§  2öerl  %.$,  bon  größerer  Sebeutung  für  bie  Jlenntniö  feiner 
Ideologie,   finb    feine  1711  begonnenen  unb  1737  in  2  33be  gefammetten  cogitationes  m 


170  Surrcttiui 

et  dissertationes  theologicae,  quibus  principia  religionis,  cum  naturalis  tum  reve- 
latae,  adstruuntur  et  defenduntur,  animique  ad  Veritatis,  Pietatis  et  Pacis  Stu- 
dium exeitantur.  ®er  atigemeine  ßfyarafter  ber  /Ideologie,  ber  fid)  barin  auSfbricb,:,  ift  ber 
einer  gemäßigten  Drtfyoborje,  äbnlicb,  berjenigen  beS©iegmunb  ^jafob  Saumgarten,  beS  SefyrerS 
5  unb  Vorläufers  bon  ©emier  (f.  ben  31.  33b  II  ©.  464).  @d)t  reformiert  ift  bei  %. 
baS  ,§erborf)eben  unb  betonen  ber  natürlichen  Geologie;  nur  fällt  auf,  baß  bie  Sieligion 
ber  Üffenbarung  lebiglidb,  berbottftänbigen  foH,  maS  bie  natürliche  Religion  lefyrt.  SSknn 
nun  ber  Serfaffer  aud)  eigentliche  9Jcr;fterien  in  ber  geoffenbarten  Religion  annimmt, 
quae,  ut  perfecte  comprehendantur,    humani   intellectus    fines  non  sinunt,    fo 

10  polemtfiert  er  befto  eifriger  gegen  bie  frembartigen,  fdjolaftifcfyen  guttaten  %u  ber  ü£b,eo= 
logie.  „Theologia  haud  absimilis  est  arti  statuariae  quae  non  tarn  adjiciendo 
quam  abradendo  opera  sua  perficit.  Tantum  materiae  inutilis  vel  noxiae  ab- 
scindendum  est,  donec  id,  quod  superest,  sit  novus  homo  ad  Dei  imaginem 
sculptus.     yioä)  bejeicfynenber  für  feine  ©tellung  §ur  bisherigen  ©ntmidelung  ber  refor= 

15  mierten  SDogmatif  ift  folgenbe  ©teile :  In  Nosodochium  ingreditur  medicus,  et  ex- 
plorato  aegrorum  statu  apta  iis  remedia  praebet ;  mox  discedit,  se  postero  die 
reversurum  pollicitus.  Statim  vero,  ubi  est  egressus,  aegroti  illi  de  variis 
sermones  miscent,  puta  de  barba  medici  illius,  de  ejus  capillis,  de  toga,  item 
de  ejus  statura,  patria,    majoribus,    tum  de  phyalis,    quibus  sua   includebat 

20  pharmaca,  utrum  vitreae  an  crystallinae,  an  ex  ignota  materia  essent.  De 
his  aliisque  non  placide,  non  amice,  ut  res  ferebat,  sed  acerbissime  inter  se 
disputant,  atque  a  rationibus  ad  convitia,  a  convitiis  ad  ictus  deveniunt.  Tum 
aliquis  forte  adveniens,  quid  agitis,  miseri?  clamat.  Quae  vos  rabies,  quis 
vos  febris  aestus  agitat?    Sumite  modo  allata  vobis  remedia;    cumque  sanati 

25  fueritis,  tum  commodius  de  bellis  istis  quaestionibus  disputabitis.  At  illi  neque 
dictis  audiunt  neque  monitori  pepercissent,  nisi  ille  praeeipite  fuga  eorum  se 
unguibus  surripuisset.  $n  ben  Sefyren  bon  ber  SErinität,  ber  ©ottfyett  Gfyrtfti,  ber 
SfRenfcfymerbung,  bem  Obfertobe  Sf)rifti,  fbricfyt  fieb,  2.  im  allgemeinen  bem  ortfyoborm 
Sefyrbegriffe  gemäß  auS.    hingegen  in  Setreff  ber  ^ßräbeftinationSlefyre,   bie  in  ber  refor= 

30  mierten  ©d^olaftif  folcfj  eine  große  9rolle  fbielte,  ift  er  offenbar  bemüht,  einen  anberen 
2öeg  einzuklagen,  als  ben  bisherigen.  @r  fragt:  cur  theologi  tanto  aestu  tantaque 
fiducia  de  decretorum  divinorum  ordine  inter  se  digladiantur  ?  Illi  circa  Dei 
consilia  optime  se  gerunt,  qui,  oecultis  Deo  relictis,  de  revelatis  opere  im- 
plendis  unice  sunt  solliciti.  Qui  crediderit,  servabitur,  qui  non  crediderit,  con- 

35  demnabitur.  Hoc  scire,  de  Dei  decretis  satis  scire  est.  Unb  fo  mirb  überall  bon 
I.  baS  £aubtgehnd)t  auf  baS  brafttfdHrucfytbare  SRoment  ber  £et)ren  gelegt.  Ex  una 
parte:  quid  habes,  quod  non  aeeeperis.  Ex  altera:  Deus  reddet  singulis  se- 
eundum  opera  ipsorum.  23JaS  SöfeS  in  unS  ift,  ift  nidjt  ©Ott,  fonbern  unS  juju= 
fdjreiben,  bie  greu)eit  beS  Sftenfdjen  muß  nid;t  fo  b^orgeb,oben  merben,   baß   barob  bie 

40  ©nabe  ©otteS  in  ©chatten  geftellt  werbe,  unb  toieberum  barf  bie  menfcfylicfye  greifyeit 
ntcr)t  fo  toeit  berneint  werben,  baß  baburd)  baS  Urteil  ©otteS  aufhöre,  ein  geregtes  ju 
fein,  $n  ©acfyen  beS  vmleS  f ollen  mir  fo  fyanbeln,  als  ob  aüeS  bon  uns  abhänge; 
bagegen  fo  beten  unb  banlen,  als  ob  bon  unS  nicfyiS  abginge.  Duo  haec  multum 
differunt,    non    justificari  neque  salvari  propter  ulla    bona   opera,    et   justi- 

45  ficari    ac    salvari    nullo   praestito    bono  opere.     Cum  fides   Christum    totum 

complectitur,    non    modo    ut    prophetam    et  sacerdotem  sed    etiam  ut  regem, 

hinc  requiritur,    neminem  credere,    qui  Christi    legibus    se    non  subjiciat  etc. 

X  Cogitationes  enthalten  bieleS  2tboIogetifd)e,  welches  bem  Serfaffer  einen  eb,ren= 

bollen  $la|  unter  ben  älbologeten  beS  (SfjriftentumS  fiebert  (f.  ^elt,  ©nctjflobäbie  ©.391). 

öo  ©eine  abologeiifdjen  $been  finb  aber  in  ber  fran^öfifetjen  Söelt  fyaubtfädjltd)  in  ber  $orm 
belannt  geworben,  bie  SSernet,  ^rofeffor  ber  ©efcr/id)te  unb  ber  fronen  üffiiffenfcfyaften  in 
©enf,  ifynen  gegeben  r;at  unter  bem  Xitel:  Traite  de  la  verite  de  la  religion  chre- 
tienne,  tire  du  latin  de  Mr.  J.  A.  Turrettini,  3  Sbe,  1735—1740.  Sernet  bezeugte, 
baß  er  allerbingS  feE>r  frei  überfeijt   fyahe,   „aber  burcfyauS  mit  Sißigung  unb  unter  ben 

55  Slugen  beS  SerfafferS"  $n  °en  folgenben  SluSgaben  unb  Bearbeitungen  mifd)te  Sßernet 
immer  mebr  bon  ben  ©einigen  ein,  fo  1748  in  einer  ^Weiten  SluSgabc  beS  erften  SanbeS, 
ben  er  be^eidmenb  genug  überfdjrieb :  de  la  grande  utilite  d'une  revelation  ajoutee 
ä  la  lumiere  naturelle,  ftatt  beS  älteren  bon  %.  abbrobierten  XitelS:  de  la  necessite 
de  la  revelation.     ©te  gtoeite  SluSgabe  beS  britten  SanbeS,  bie  1751  erfdnen,  erlaubte 

60  fid)  noeb  größere  greifyeiten,  Worüber  ju  bgl.  Viguie,  Histoire  de  l'apologetique  dans 


lurrcttiut  £u>cfkn  171 

l'eglise  reformee  frarxjaise,  $ariS  1858.  Ü3ct  kernet  tritt  ber  ©ek-4miS  beS  18.  Jabr^ 
fyunbertS  beutlicb,  fyerbor,  jiuar  nod)  in  SScr&mbung  mit  einem  geroiffen  ©ubranaturaliS* 
muS,  aber  mit  gänjlicfyer  üBeriennung  beS  mr/ftifcfyen  (Elementes  ber  Sieligion. 

^n  ©enf  felbft  erlangte  X,  allmäfylicb,  bie  ©teile  eincS  geiftlicf/en  ^ßrimaS.  i>ÜS 
foldicr  fyat  er  j.  33.  bie  ©ittc  ber  öffentlichen  Konfirmation  eingeführt.  2lud)  Dom  2IuS=  5 
lanbe  b^  mürbe  er  unjafyligc  3)iale  um  ©utad)ten  unb  ^Interventionen  angebrochen, 
©eine  legten  SebenSjalvrc  roaren  fefjr  getrübt  burd)  bie  ©enfer  Unruhen  com  3afyrel7:U, 
1.  ftarb  am  1.  9Jiai  1737.  3lad)  feinem  SEobe  erfdjuenen  feine  commentarius  theo- 
retico-practicus  in  ep.  St.  Pauli  ad  Thessalonic,  Bafel  17M9,  fobann  feine  prae- 
lectiones  ^um  11.  Kapitel  beS  9iömerbriefeS,  ©enf  1741,  unb  ein  Xrafiat  über  bie  i» 
Auslegung  ber  bi.  ©dbjift,  Berlin  1766.  @ine  boßftänbige  ©ammlung  feiner  2ßerfe  er= 
friert  1775  in  Seutoarben.  (2.  £t)onta§  f)  ©.  61)iHfr). 

Stoeftett,  2luguft  Setleb  Gfyriftian,  geft.  8.  Januar  1876.  —  8ur  Stogra  = 
phie:  S.  9luguft  Sraeften  nach  £agebüd)ern  unb  Briefen,  Bon  6.  g.  @eorg  ^einrict,  Serlin 
issi);  l£.  Er.  GarftemS,  ©efebtehte  ber  .flieler  tt)eoIoflifrf)en  gafultät.  1875;  ?lrt.  Sioeften  in  15 
?lbS ;  $ur  ©efd)icbte  be§  föaraSfdjen  STbefenftreit«,  3tfd)r.  ber  ©efeUfdiaft  für  @chlevro.4)olft. 
Wefd).  1800,  ©.  271  f.  Sie  2lrt.  oon  Sübfer,  ©chuiber,  9Uberti  im  (ScEde§tD.=t)oIft.  Schrift« 
fteuer*Sejifon  11,490,  634.  gortfebung  II,  330;  $.  SIemert  u.  (S.  GurttuS,  SSorte  ber  Grtnne= 
ning  an  Dr.  91.  Xmeften,  1889;  $aul  be  Sagarbe,  lieber  einige  berliner  Sbeotogen  nnb  luaS  Bon 
ihnen  ju  lernen  ift,  Wt  IV,  1890,  ©.  85  f.;  3).  ß.  S.  3tanfe,  Gin  Sebenöbilb,  gejeidjitet  »on  20 
j.  Jocbter  (£.  .\>itsig,  1906,  ©.151  f.;  2.  0.  SJanteS  Sßerfe,  93b  53,  ©.267.  275 f.  —  ©djriften 
JmeftenS  abgefeben  Bon  ben  in  ber  biograptjifcben  ©fi^e  angeführten  SReben  unb  9Uiffäjjen, 
ben  Seiträgen  ju  ben  Steler  Stottern  nnb  ben  £b©tS  (Bgl.  ^'einrict,  Sroeften  ©.  274.  422): 
Conimentatio  critica  de  Hesiodi  carmine,  quod  inscribitur  opera  et  dies,  Siel  1815 ;  Sie 
biet  öfitmenifcf)en  ©t)mbote,  bie  9lug§burgifd)e  Sonfeffion  unb  bie  repetitio  confessionis  Au^u-  25 
stanae,  £ierau§gegeben  Bon  ?(.  Slroeften,  Stet  1816;  Sie  Sogif,  tuMtefonbere  bie  9lnali)tif, 
SdifeSroig  1825;  ©runbrifj  ber  atmitjtifdjen  Sogif';  für  feine  Sorlefungen  entworfen,  Miet 
18:14;.  Sorlefungen  über  bie  Sogmatif  ber  eBangelifd)4utberifcben  Sirdje  nach  bem  ®omBen= 
bium  be§  S.  SB.  %R.  £.  be  Sßette,  Hamburg,  ^erttjeS,  Sanb  I.  welcher  bie  Einleitung  unb 
ben  eilten  fritifchen  Seil  enthält,  1.  »lufl.  1826,  2.  9(uff.  1829,  3.  3(uf(.  1834;  4.  9lufl.  1*38;  30 
33anb  II,  1.  Abteilung,  toelcbe  bie  Geologie  unb  bie  2(ngeIoIogie  enthält,  Hamburg  1837; 
griebrieb  ©diletermad}erö  ®runbri§  ber  philofototüfcbett  (Sthi!,  mit  einleitenber  SSorvebe,  SBerlin 
1841;  5CRattt)ia§  glaciu§  3ö^ricu§,  eine  Sßorlefung.  Sfit  autobiographifd)en  Seilagen  unb 
einer  9(bhanblung  über  SKeloncfithonS  Serbalten  jum  Interim  Bon  .^ermann  SRoffef,  Serltn 
1844;  Leonhardi  Hutteri  Compendium  locorum  theologicorum.  Addita  sunt  excerpta  35 
ex  Jo.  Wollebii  et  Ben.  Picteti  compendijs.  Praefatus  est  Dr.  A.  Twesten,  Serlin  1855; 
3ur  ©tnnerung  an  g-riebrid)  Saniel  (Srnft  ©d)Ieiermad}er.  Sortrag  gehalten  in  ber  S'önig= 
lid)en  ö-riebrich^JBilbelntS^llniBerfität   ju  Serltn  am  21.  3Jo»emfjer  1868,    Serlin  1869. 

X  tourbe  am  11.  2lbril  1789  ju  ©lücfftabt  in  §otftein  al§  ber  britte  ©olm  beö 
au§  bem  f)annot)erfcr)en  Kird)fbiele  lRarfcf)acr;t  ftammenben  SBürgerg  unb  §anbröerter<§  10 
^ofjann  X.  unb  ber  ©otolne  %.,  geb.  ©toll,  geboren.  @r  ftarb  in  ^Berlin  all  Dberfonfi= 
ftorialrat  unb  ^3rofeffor  ber  SEb/eologie,  nacf)bem  er  in  feinem  afabcmifcfyen  53erufe  b\§  in 
bie  legten  Seben^tage  t^ättg  geblieben  mar.  5>n  ^er  @efd)ict;te  ber  tr)eoIogifcr)en  Söiffen= 
febaft  beraubtet  er  burd)  bie  eigentümlicbe  SSerroertung  ber  ©runbfäfce  ©d)Ieiermacberg 
jur  Belebung  unb  Segrünbung  ber  Itrdjlidjen  ©lauben3lel)re  feinen  Pa| ;  al§  Se^rer  45 
bat  er  buret)  Klarheit  unb  ©td;err/eit  ber  9JJett)obe,  buret)  feiten  ausgebreitete  unb  um= 
ftdjtig  ausgebeutete  ©elefyrfamfeit,  burd)  forgfam  abmägenbe  33illig!eit  be<3  Urteils  unb 
ungeblenbete  2öabrl;eit6liebe  roäfyrenb  jroeier  9Jcenfd)enalter  in  bf)ilofobb,ifcb;en,  er.egetifcb/cit 
unb  f^ftematifd)en  33orlefungen  unermüblid;  tf)ätig  auf  roeite  Kreife  ber  t^eologifdien 
^ugenb  nad)l)alttg  eingetoirft;  als  -äJMtglieb  beS  Kird)enregimentS  arbeitete  er  in  gerechter  50 
ilJilbe  unb  in  bemühter  2lblet;nung  jeber  Serfümmerung  ber  reformatorifd)en  ©runbfä^e 
für  ben  Slufbau  ber  einen  unb  großen,  tb,rer  @tnf)eit  aud)  bei  rüd'b/altlofem  unb  treuem 
Acftfyalten  beS  SefenntniSgrunbeS  fixeren  ebangelifc£)en  Kird;e.  Überall  ftefit  er  mitten 
in  ben  Setoegungen  ber  ßeit,  bie  er  burdjlebt,  jeben  (Sinbruct',  jebe  bebeutenbe  @rfd)einung 
felbftftänbig  unb  gcroiffenbaft  in  fid)  berarbeitenb,  aber  jugleid)  in  borfid)tiger  ^urücf=  56 
baltung  nur  bann  eingreifenb  unb  b,erbortretenb,  roenn  bie  Umftänbe  eS  nid;t  anbcrS  ge= 
ftatteten.  ©eine  ©ntroiclelung  unb  fein  Söirlcn,  für  beffen  ©djilbcrung  nid)t  nur  feine 
Schriften,  fonbern  aud)  jar/lreidje  bebeutenbe  SBriefe  unb  Slufgcidjnungen  als  Duellen  bor= 
banben  finb,  bieten  bab,er  ^ugleitt)  ein  ©biegelbilb  ber  geiftigen  Bewegungen  ber  geit,  bie 
er  burdilebt  bat.  60 

©eine  isorbilbung  erhielt  2.  auf  ber  6ielcl;rtcnfd;ulc  ©lüd'ftabty,   bie   er   im  iHbril 


172  Stoeßeu 

1808  berltefs,  um  bie  Itniberfität  Atel  ju  bestellen.  Stuf  ben  ©eift  ber  ©lüdftäbter  ©dnde 
lafjen  bie  „Vemerfungen  über  bie  UnterricfytSgegenftänbe  in  ben  ©elefyrtenfcfyulen  unferer 
^erjogtümer"  (Vieler  Vlätter  1816,  ©.  216)  §urüdfd;ltef5en,  in  benen  %.  für  bie  $u= 
fammenfaffung  ber  geiftigen  Gräfte  auf  bie  gebüfyrenbe  Vorbereitung  jum  afabemifa)en 
6  ©tubium  eintritt  unb  bor  ber  ©rtötung  beS  freien  ©eifteS  burcb,  ©eneralifteren  unb  ©ct)e= 
matifieren,  fomie  bor  ber  Überlaftung  burd)  9?ealfenntniffe,  bie  fcfyliefjlicb,  nur  bte  Dber= 
flädjltd&Jett  beförbern,  einbringlid)  marnt.  2öedung  be§  Qntereffeö  unb  flafftfcfye  Vilbung, 
in  melier  ber  ©eift  ficb,  metljobifd)  regen  lerne,  bleibe  bie  |>aubifad)e.  Dfyne  ficb,  be= 
ftimmt  für  ein  gacbjtubium  entfdneben  ju  fyaben,  mibmete  er  ficb,  junädjft  unter  §einricl)§ 

10  unb  3WnI)olbS  Seitung  ber  Vlnlologie  unb  Vlnlofobfyie,  roäfyrenb  er  bon  ben  rationaIifti= 
fdjen  Vertretern  ber  Stfyeologie,  ju  ber  ilm  im  ©runbe  fein  §erj  fyinjog,  ficb,  jurüdgeftofjen 
füllte.  @rft  in  Verlin,  mofnn  er  im  §erbft  1810  als  einer  ber  erften  ©tubierenben  ber 
neubegrünbeten  §od)fd)uIe  überfiebelte,  füllte  er  gum  Geologen  werben,  ©inen  anfd;au= 
liefen  ©inblid   in   feine  IJntereffen   unb  Vereisungen   gemäßen   bie  'iLagebücfyer,    bie   er 

15  mäfyrenb  ber  beiben  ©emefter  feinet  bortigen  SlufentfyalteS  für  ©fyriftian  VranbiS  führte, 
gierte  unb  üffiolf  Ratten  ilm  Innge^ogen.  3lber  ©djleiermadjer  erft  bermocfyte  feinem  ©eift, 
ber  in  bem  ©treben  nacb,  uniberfetler  SluSbilbung  in  bie  moI)l  ernannte  ©efafyr  ber  $er= 
fblitterung  geriet,  ©ebräge  unb  3Rid;tung  ju  geben.  Söolf  bagegen  entfernte  ilm  meb)r 
unb  mel)r  bon  ficb,  burcb,  bie  attju  tetd&tfjergtge  Betreibung  feines  £er)rberufS,  ebenfo  gierte 

20  burcb,  feine  abobiftifdje  Vrotofyetenart  unb  bie  macfyfenbe  Unberftä'nblicfyfeit  in  ber  2)ar= 
legung  ber  legten  Vrinjibten  feiner  Vfyilofobfne.  „Von  gierte  ftiefj  mieb,  beibeS  jurüd, 
feine  Verfonalität  —  nid)t  als  toenn  id)  biefe  nid)t  achten  mufjte,  aber  med  fie  meinem 
Söefen  fo  gang  fremb  fear  —  unb  jugleicb,  baS,  maS  er  als  ibjen  5Rittelbun!t  felbft 
angab,  feine  Vbjfofobfne.   $u  ©d)Ieiermad;er  hingegen  §og  mict)  beibeS  E)iny/     ©ntfdjieibenb 

25  mirften  ^tergu  bie  Vorlefungen  über  bie  tfyeologifd)e  @nct/flobäbie. 

%m  ^erbfte  1811  berliefs  %.  Verlin,  mo  er  bem  SDrange  nacb,  biel  umfaffenber  Vil= 
bung  melj>r  S^aum  gegeben  blatte,  als  bem  gacfyftubium  nüislicb,  mar.  ©eSfyalb  ibirb  eS 
ifym  ferner,  ju  einem  äußeren  Slbfdjluffe  ^u  fommen.  ©r  fdjreibt  an  ©cfyleiermadjer,  ber 
ifym  ein  greunb  gemorben  mar:  „2öetl  niemanb  mid;  eigentlich  fyat  ftubieren  laffen,  fon= 

30  bem  bie§  nacb,  unb  naef)  bon  felbft  fo  gefommen  ift,  fo  f)abe  icb,  aueb,  bie  3eit  meines 
©tubierenS  nie  in  Vejietmng  auf  eine  anbere  gebadet,  fonbern  jebe  $eit  beriebt,  als  toäre 
fie  um  ifyrer  felbft  mitten  ba"  Qebod;  in  bem  ernften  Sföillen,  fid)  gufammenjufaffen, 
botlenbete  er  feine  ©rftling^fd;rift,  bermittelft  beren  er  in  Kiel  ben  blnlofo^bjfdjen  ©oftor= 
grab  ertbarb.     @§  ift  bie  mertbotte  Commentatio  critica  de  Hesiodi  carmine,  quod 

35  inscribitur  opera  et  dies,  bie  er  bann  1815  mit  einigen  ßufä^en  bon  ^einrieb,  burd) 
ben  ®rud  beröffent(id)te.  @r  brüft  barin  nad)  ber  ^etb^obe  %.  31.  2öolf<S  bie  ©id;tung, 
inbem  er  in  ifyr,  fd;arffinnig  fd^eibenb  unb  berfnübfenb,  eine  5Retbe  bon  Siebern  unb  %xüq- 
menten,  bie  fbäter  ju  einem  ©anjen  berbuttben  finb,  nad}iüeift.  ®ie  2lrt  aber,  in  ber  er 
ficb,  miber  bie  Neigung,  inöSöeite  ju  geb,en,  unter  bem  eintrieb  be§  Vflid)tgefüb,l§  an  bie 

40  nädjtfte  2fufgabe  btnbet,  ift  borbilblid?  für  alle  golgejeit.  Wit  bem  ficb,  erteeiternben  Ve= 
rufe  toucb,g  aueb,  bie  2reue,  bie  ficb,  nid)t  genug  tb,un  f onnte  in  ber  Erfüllung  be§  sunäcbjt 
Dbliegenben  unb  fo  faft  auäfcbjiejdicb,  burd}  bie  unmittelbaren  Slnforberungen  inSlnfbrud; 
genommen  mürbe. 

9cacb,  lurjer  2Bir!famfeit  am  Söerberfcfyen  ©ttmnafium   ju  Verlin  mirb  %.  im  ^uü 

45 1814  jum  aufeerorbent!icb,en  Vrofeffor  ber  VbJIofoblne  unb  3:b,eoIogte  in  Äiel  ernannt 
unb  tritt  im  §erbfte  fein  Slmt  an.  Sie  älteren  Kollegen  ber  tb,eologifcb,en  ^afultät 
empfingen  ib,n  aU  ben  jünger  neuer  ©runbfä^e  eb,er  mit  Abneigung,  alz  mit  2öob,lmollen. 
2lber  al§  ebenbürtiges  ©lieb  mirb  er  bon  bem  Greife  aufgenommen,  ber  ben  ©eift  ber 
norbifdjen  $odj)fd)ule  beftimmte.    ©o  finbet  ib,n  (Sb^riftian  VranbiS,   al§   er  im  grüfyling 

so  1815  mit  Vunfen  in  liel  bermeilt,  in  erfolgreichem  älustaufcb,  mit  ben  ©efinmmg> 
genoffen.  VranbiS  fcb,ilbert  feine  ©inbrüde.  „@S  mar  eine  glüdlid}e  ßeit  für  jene  fleine 
Untberfität ;  3Jtänner,  toie  %.,  mein  geliebtefter  Uniberfitätifreunb,  ©af)lmann,  %all, 
§egemifd),  lebten  im  engen  Verein  miteinanber,  auS  meinem  balb  barauf  bie  Vieler 
Vlätter  b,erborgingen  (baS  erfte  §eft  erfd)ien  1815),  eine  ©ammelfd^rift   bon   gebiegenem 

.w  Söerte."  Mit  boller  JHarfyeit  berfolgten  biefelben  bie  b,öd)ften  $iele  einer  „baterlänbifcb,en 
3eitfcb,rift".  ©ie  ©rrungenfdwften  ber  VefreiungSfriege  motten  fie  bem  beutfcb,en  Volfe 
fidiern.  „2ltte  ©cgenftänbe  be§  SöiffenS,  fomeit  fie  unmittelbar  mit  bem  Seben  jufammen= 
bangen  unb  fo  bargeftettt  finb,  mie  fie  als  ©emeingut  aller  ©ebilbeten,  bor^üglid)  bureb, 
bie  öffentliche  Meinung,  jum  3öob,le  unfereS  allgemeinen  unb  befonberS  unfereS  näd)ften 

60  VaterlanbeS  mirfen  fönnen,   gehören  gum  Vlane  biefer  3eitfcb,rift"  —  fagt  bie  Vorrebe. 


Stoeftcn  173 

Unb  bicfen  3toecf  erreichte  fie  (bgl.  Weiteres  in  ber  33tograbf;ie  ©bringerS:  griebrid) 
(^riftobb,  SDafylmann,  Seidig  1870,  33b  I,  6.  86  f.).  Qn  einem  Briefe  an  9ietnr)olb 
(8.  Dftober  1817)  fenbet  %.  §.  ^afobt  ben  „Vieler  jtoölf  2lbofteln"  feinen  ©rufe.  $ie 
„trefflicfjen  2tuffä£e"  ber  Slätter  läfjt  er  fid;  öfter  iüteber  lefen,  unb  unter  benfelben 
feffelt  bor  allem  %ä  „Siebe  eines  ©eiftlidjen  in  einer  ©efellfcfyaft  bon  2lmtSbrübem"  5 
(33b  I,  ©.  125f.)  fein  ganjeS  ^rttereffe.  @r  erfennt  barin  bie  glüdlid;e  Raffung  beS 
Problems,  auf  bcffen  Söfung  aHe§  I)inbränge,  Wenn  „bem  träger  fdtfagenben  §erjen  beS 
c|riftlid;en  ÄörtoerS"  neues  SebenSblut  jugefü^rt  Werben  fülle:  „2Ber  bie  Sieligiofität  ber 
Später  Will,  mufj  aud;  bie  Sieligion  ber  SSäter  Wollen"  Unb  Wäl)renb  ^afobi  über  ben 
ßtoiefbalt  Don  ©el)nfud;t  unb  @inftd;t  nid;t  ^inaugjufommen  geftefyt,  freut  er  fid;  bod;  10 
ber  flaren  unb  fraftbollen  2lrt,  in  ben  %.  über  benfelben  fid)  ju  ergeben  fucf/t,  inbem  er 
an  bem  „rationalen  SDeiSmuS",  bem  aucb,  bie  Vieler  Geologen  Ijmlbigten,  fdmeibige 
Äritil  übt.  ©eine  Abneigung  gegen  alles  Seftimmte  unb  @igentümlicr)e  mad)e  ifm  ju 
einem  ©djattengebilbe.  „SbenfoWenig  Wie  eS  einen  Saum  überhaupt  giebt,  giebt  eS  eine  Sieli= 
gion  übertäubt".  @S  fommt  barauf  an,  aus  ben  fird;lid)en  Skrfammlungen  „jenes  falte  15 
Söefen,  jene  $albl)eit  unb  ,ßerftreutl)eit  ju  entfernen,  um  berentWitlen  fie  lauin  nod)  als 
entfbred;enbe  2)arftetlungen  eine»  lebenbigen  Organismus  angefel)en  werben  tonnen"  „@S 
muffen  fid;  ©ruber,  feine  $ul)örer  berfammeln",  nid)t  um  geWiffer  liturgifd)er  formen 
unb  Sitten  frol)  ^u  Werben,  aud)  nicf)t,  um  fid;  burd;  eine  $rebigt  unterhalten  unb  be= 
lebren  ju  laffen  —  ift  bod;  bie  $ird;e  „feine  blofje  menfd;Iid)e  2el)ranftalt  für  @rWad)=  20 
fene"  — ,  fonbern  um  mit  ben  göttlichen  ©aben  b,auSjul;alten. 

üDiefe  ungehaltene  Siebe  beS  jungen  ^rofefforS  enthält  Wie  im  Heime  bie  gielbunfte 
feine»  SöirfenS,  bie  flar  unb  beWufjt  bon  il)m  burd;  baS  ganje  Seben  feftgel)alten  roorben 
finb.  ©r  Weifj  .fid)  aud)  als  afabemifcf)er  Sefyrer  burdjauS  bebingt  burd;  bie  ftänbige 
Siüdficfyt  auf  bie  brafttfdje  Sebeutung  beS  d;riftlid;en  SebenS  unb  ift  beftrebt,  baSfelbe  im  25 
©egenfa^e  ju  auSgelebtercn  formen  ^u  erneuter  Hraft  gu  bringen,  inbem  er  bon  ©d;leier= 
macfyerS  ©rgebniffen  auSgeI)t,  aber  jugletct)  bie  gefdricfytlid;  geworbene  ©eftalt  beS  ebange* 
Uferen  6I)riftentumS  nad;  il)rem  Sied)t  unb  il)rer  2Sar)rl)eit  ju  berftel)en  unb  nad)  il)rem 
bleibcnben  Sßert  ju  erWeifen  fid;  bemüht.  ®er  mel)r  unb  mel)r  fid;  erWeiternbe  ÄreiS 
feiner  SBorlefungen  unb  feine  Iitterarifd)e  Arbeit  treffen  in  biefem  ©treben  jufammen,  30 
fo  bafj  er  aud;  bei  bem  Anbau  ber  ©ebiete,  bie  in  feiner  unmittelbaren  33erbinbung  mit 
ber  Jb,eoIogie  fielen,  ben  3ft>ed  berfolgt,  fid;  bie  äöaffen  ju  nad;brudSbollerem  ©intreten 
für  bie  Sieltgton  ju  befd)aflen,  in  ber  er  bie  enifd)eibenbe  Sürgfd;aft  ber  moralifd;en 
©efunbb,eit  beS  SSaterlanbeS  finbet.  ®ie  tl;eologifd;en  Slrbeiten  aber  ftellt  er  immer 
auSfd;Itefeltd;er  auf  Unfoften  bon  anberen  roiffenfd)aftlid)en  planen,  bie  er  lange 35 
unb  mit  Siebe  l;egt,  in  ben  SDienft  feiner  Se^rtf)ätigfeit.  SlllerbingS  toirft  l)ierju  auö) 
bie  ffrubulöfe  ©trenge  mit,  bermöge  beren  er  aud;  im  lttterarifd)en  ©d;affen  fid;  nie  genug 
tbun  fonnte.  „3um  ©cfjriftfteller  bin  id;  übertäubt  nid;t  red;t  gemacht.  $>d;  geb,e  nid;t 
leicfit  genug  baran  unb  ftöre  mid)  burd;  ju  biel  Hritif"  (20.  ^uli  1819  an  ©d>leier= 
madjer).  40 

^n  breifad;er  Siicl;tung  bewegten  fid;  feine  SSorlefungen,  inbem  er  bie  bl)ilofotol)ifd;en, 
ft)ftematifd;en  unb  neuteftamentlid;=eEegetifd;en  ©iSgiblinen  in  ftetig  fid;  erWeitembem  Um= 
fange  in  ben  ÄreiS  feiner  SCrbeit  30g.  ^n  ber  ft)ftematifd;en  Geologie  bflegte  er  guerft 
bie  bf)ilofobf)ifd;c  Geologie,  in  meld;er  er  bie  Anregungen  JiantS,  gid)teS  unb  ©d;Ieier= 
macb,  erS  in  eigentümlicher  2Beife  auSnu|te ;  gleidjjeitig  roanbte  er  ber  Sei) re  bon  ber  45 
Äira)e,  ber  ©r/mbolif,  bann  aba  aucb,  ber  ©ncr/flobäbie,  ber  ©ogmatif  unb  ©tl)tf  baS 
einbringenbfte  ©tubium  ju.  ^n  ^cr  ©Eegefe  bet)nte  er  fid;  über  aße  SEeile  beS  9tTS  auS. 
3)aju  famen  roäfjrenb  einer  Sieib,  e  bon  ©emeftem  bie  Seitung  beS  bl;iloIogifd;en  ©eminarS 
unb  fonftige  Übungen,  in  benen  er  bie  3SorIefungen  fruchtbarer  ^u  machen  bemüht  War. 
Überall  legt  er  ben  ©d)toerbunft  auf  bie  ^Darlegung  fixerer  unb  flarer  Henntniffe.  ©eS=  50 
lialb  arbeitet  er  ©d)o!ien  pxm  31%  aus,  ju  beren  Verausgabe  er,  obwohl  fie  brudfertig 
toaren,  fia)  nid;t  entfcf/liefeen  fonnte.  ©ofort  aber  geroann  er  eS  über  fid),  um  feine 
©cfmler  mit  bem  ©runbe  befannt  ju  machen,  auf  bem  bie  ebangelifd;e  Hird;e  fid;  erbaut 
bat,  „bie  brei  öfumemfd)en  ©i;mbo!e,  bie  2lugSburgifd)e  Honfeffion  unb  bie  repetitio 
confessionis  Augustanae"  unter  forgfältigfter  SBenutjung  ber  älteften  SDrude  ju  ber=  55 
offentfidjen.  Um  fo  notWenbiger  erfd;eint  il)m  bie  Kenntnis  biefeS  ©runbeS,  „je  Weniger 
man  je£t  borauSfe^en  barf,  bafe  ber  ifyeologieftubierenbe,  Wenn  er  nad;  33eenbigung  feinet 
bogmatifd;cn  unb  ejegetifd;en  HurfuS  jur  Sefung  ber  fVmbolifd;en  33üd;er  fommt,  fd;on 
geläufige  ^been  unb  2lnfid)ten  in  benfelben  Wteberfinbet"  ®abei  fotl  bie  Unterfdjeibung 
bon  33ud;ftabcn   unb  ©eift    ju   ib^rcm  Siectjtc  fommcn;    nur  brüfe   man,    „ob   ber  ©eift  60 


174  Stucfieit 

Don  allen,   bie  ifyn  ergriffen   gu  Ijaben  meinen,   Wirilicb,    gebannt   unb   ber  Budjftabe   in 
feinem  Verhältnis  gu  tr/m  berftanben  fei" 

©ie  gleiche  ^Jtüdficr/t  auf  feine  ©ct/üler  geitigt  feine  „Sogil",  Weld;er  „©er  ©runbriß 
ber  analr/tifdjen  Sogif"  folgt,  ©ie  Bebeutung  jenes  BucfyS,  baS  in  ber  blnlofotofyifdjen 
5  Sitteratur  lange  feinen  s$la|  behauptet  § at,  renngeicfynet  bie  2lbficb,t  ©<f)leiermad,)erS,  9Bor= 
lefungen  barüber  gu  galten.  X  nimmt  in  bemfelben  Stellung  gegen  bie  Berfucfye  ber 
geiigenoffen,  bie  2ogif  in  eine  ©enf=  unb  2BiffenSleb,re  umgufe^en,  gegen  bie  Überfdjätjung 
beS  SßerteS  ber  Bernunftfditlüffe  auf  Soften  ber  ^nbultion  unb  ber  rtd^tig  toerfolgten 
Analogie.    2Iucr;   Iner  tottt  er  baS  erprobte  Sllte  gegen  borfdmelle  (Entwertung  in  <5<fyufy 

10  nehmen,  inbem  er  fnabb  unb  licfytbotl  bartfmt,  baß  bie  Sogt!  md)t  um  ifyrer  felbft  willen 
bon  Segriffen  unb  Urteilen  fyanbcle,  fonbern  um  ifyreS  ©ebraudjs  Willen  für  eine  anbere 
©enfoberatton.  ©aburd)  aber  biete  bie  Sogif  baS  notwenbige  Organon  aller  eckten  Wiffen= 
fcfyaftlicfyen  SRetfyobe  unb  bleibe  ber  unterfcfyeibenbe  2luSbrucf  ber  in  ©uroba  einfyeimifdjen 
Wiffenfd;aftlid)en  Bilbung,   bie  gum  guten  ZLeile  im  ©treben  nad;   logifcfyer  Bollenbung 

15  befielt. 

Salb  folgte  ber  erfte  grunblegenbe  Sanb  ber  „Sorlefungen  über  bie  ©ogmati!  ber 
ebang.'-lutfyerifcfyen  ^ircfye",  für  beren  Slbfaffung  ©drteiermacfyerS  ©laubenSlefyre  (1821. 1822) 
entfd;eibenb  geworben  War.  ©einerfeits  Will  er  biefe  ergangen.  Über  fein  Berr/ältniS 
gur  9)ietI)obe  beS  SReifterS  fcfyreibt  er  an  irm:  ,,©ie  nehmen  ifyren  ©tanbbunft  mefyr  über, 

20  id)  in  bem  djriftlidien  SeWußtfein"  „Wir  ift  eS  borgelommen,  baß  bei  bem  je|igen 
©tanbe  ber  ©inge,  Wo  baS  (Efyriftentum  fo  fer)r  bieten  nocb,  ettoaS  faft  UnbefamtteS  ift, 
Wo  alfo  baS  credere  nicf/t  immer  borauSgefe^t  Werben  lann,  um  nur  baS  intelligere 
Ijnngugufügen,  bie  bibaftifcfye  3f?ücfficr)t  auf  bie  Seljrlmge  ber  Sefyanblung  aus  bem  gweiten 
©tanbbunfte  für  btele  ben  SSorgug  giebt"     5Rit  $Rüdfid;t  auf  biefe  Unterfc£)iebe  entwirft 

25  er  feinen  ^3lan : 

©ie  ältere  SSeife  ber  ©ogmatif  ift  es  geWefen,  bie  aus  ber  Bibel  gegogenen 
©laubenSfä^e  logifd)  gu  orbnen  unb  gu  berfnübfen,  Wäfyrenb  ib,re  Söafyrr/eit  allein  auf 
bie  Autorität  6f)rifti  gegrünbet  Würbe.  !ym  ©egenfaij  bagu  fei  fie  bann  auf  trgenb 
ein  ©r/fiem  ber  natürlichen  Xfyeologie   ober  üfteligionSbfnlofobtne,   baS  für  i^ren  allein 

30  faltbaren  <Rern  ausgegeben  Würbe,  rebugiert  Werben.  ^Wifdjen  oen  &efoen  (gjtreinen 
mußte  ©tellung  genommen  Werben.  @S  gelte  nid)t  eine  einfache  9iüdfer/r  gum  SClten;  benn 
bloße  Autorität  fei  leine  ÜJcacfyt  mein*,  man  fragt  nad;  ben  ©rünben.  %n  Beibringung 
berfelben  gefyt  X,  in  umgefel)rtem  Sßert;ältni§  gu  ©d;letermad;er,  Don  bem  gegebenen 
©toffe  ber  lird)Iid)en  Sefjrbeftimmungen  auf  ben  tieferen  ©runb  beSfelben  gurüd.  ©d;leier= 

35  mad)er  ftedt  im  „©eifte  einer  großartigen  Xolerang"  bie  ©renge  ah,  big  Wob, in  ber  3U= 
fammenfyang  mit  bem  Vringito  beS  ebangelifd;en  ßfuiftentumS  möglid;  fei.  X  WiH  mitten 
auS  biefem  ^ufa'timen^ange  bem  ebangelifcfyen  33eWu|tfein  Älarb,eit  unb  Vertrauen  gu 
feinen  gefd;id)tlid)en  ^orauSfe^ungen  Vermitteln,  ©eine  ©lauben§Ieb,re  foll  eine  ©ogmatif 
ber  eöangelifd)4utb/erifd)en  ^ird}e  fein,   bie  nicfyt  Wie    „ein  berborrter   unb   abgeworbener 

40  Saum"  bafte^e.  Slber  bamit  ift  nid}t  beraubtet,  baß  bie  eingelnen  fie^rbeftimmungen 
be§b,alb  für  richtig  gelten  muffen,  Weil  fie  in  ber  Äircfye  angenommen  finb.  ©erabe  Weil 
bie  Jlirdjenlefyre  nict)i  al§  abgefd)Ioffen  unb  unberbefferlid;  angufeb,en  ift,  bebarf  fie  erneuter 
gcfct)id)tlid)er  gorftt)ung  unb  fr/ftematifcfyer  Bearbeitung.  2tu§  mct^obifd;en  9tüdficf/ten, 
Don  ber  2lbfid)t  geleitet,  bereits  ©eleifteteS  nicb,t  gu  Wieberb,olen,  legt  er  be  SßetteS  £eb,r= 

45  bueb,  gu  ©runbe.  Xro§  tiefgeb,enber  Serfdjiebenbeit  ber  ^ßringibien  Weiß  er  fid)  mit 
biefem  gorfd;er  berbunben  in  bem  „gemeinfcf)aftlid)en  ^ntereffe  teils  für  eine  rief/tige 
{»iftorif^e  luffaffung  beS  lircr;ltd)en  Se|rbegrip,  teils  für  bie  Wiffenfd;aftlid)e  @rforfd)ung 
unb  Aneignung  beS  if)m  3Befentlicl;en  unb  bauernb  ©iltigen" 

©urc|  biefeS  2Berl,  fo  fagt  ein  ^eitgwciffe,  blatte  X  nad)  unferer  Übergeugung  ben 

50  fircblidjen  Sebürfniffen  baS  löfenbe  SÜßort  unb  ben  lirdjltd^en  Seftrebungen  bie  entfbredjenbe 
gormel  bargeboten.  Man  erblidte  in  bemfelben  ben  gebiegenen  ©rWeiS  bafür,  baß  bie 
fr/ftematifdjie  Arbeit  ber  ^eformationSürdjen  ib,ren  Söert  unb  ifyre  <draft  behaupte.  Xto^ 
ber  großen  Auflage  War  bab,er  ber  äußere  ©rfolg  ein  auSneb,menber,  ba  bis  gum  Qafyre 
1838,    obwohl  bie  Sollenbung  nod)   immer  auSftanb,   bier  2luSgaben  nötig  Würben,   an 

65  Welchen  gu  beffern  unb  gu  feilen  ber  Serfaffer  nid;t  nachließ.  Slber  biefeS  §aubtWerf  feines 
SebenS  ift  ein  Xorfo  geblieben,  ©er  ^ßringibienlef)re  beS  erften  SanbeS  folgte  1837  bie 
©otteSleb^re;  banacr;  War  X,  obwohl  er  feine  Vorträge  über  ©ogmati!  meb^r  als  gWangig 
9Me  umgearbeitet  b,at,  gur  Veröffentlichung  beS  auSfteb, enben  XeilS  nid}t  gu  bewegen.  Qe 
beutlicb,er  ib,m  bie  ©cl)Wierigteiten  Würben,   in   bie   ber  2tuSbau  ber  d^riftologie  unb  ber 

60  ©rlöfungSlefyre  ib,n  bon  feinen  ©runbfätjen  aus   führte,   befto   gurüdb^altenber  Würbe   er. 


$tucftcn  175 

^cne  objcftibe  ebrlid;e  ©eredüigfeit  einerfeits,  fraft  beren  er  in  ben  Vorlefungen  auf  bie 
gleid;Wertigcn  Möglidbjfciten  ber  bogmatifd;en  gaffung  bon  ©laubensfci^en  fnnwies,  obne 
fid;  felbft  entfd;ciben  ju  wollen,  anbererfeits  bas  nidjt  rufyenbe  £rad;ten  nad;  einer  be= 
ftimmten  Stellungnahme  insbefonbere  &u  ben  entfd;eibenben  fragen  ber  Sbriftologie, 
hielten  tfjn  bon  bem  bellen  2lbfcr)luJ3  feiner  gorfdmngen,  ber  ibm  bie  unerläßliche  33or=  6 
bebingung  i^rer  SBeröffcntlic^ung  War,  jurüd,  trotjbem  er  unter  biefer  gurüdbaltung  litt. 

Dod;  unter  biefen  ©inbrüden  ftanb  feine  Vieler  SBirffamfeit  nid)t,  bie  burd)Ieud;tet 
ift  burd;  bie  freubige  3uberfid;t,  bon  feftem  ©runbe  aus  bie  ebangeltfcfye  $ird;e  ju  er= 
bauen  unb  ihr  Ned;t  auf  ©elbftftänbtgfeit  gu  erWeifen.  Jn  legerer  §tnfufyt  bietet 
namentlich  feine  Siebe  beim  antritt  bes  SReJtoratö  im  breifmnberijäfmgen  Jubeljafyre  ber  10 
2lug*burgifd)en  Äonfeffion  (5.  STtär^  1830)  einen  Wertbollen  Veleg.  @r  beurteilt  barin 
bas"  ebangelifdje  ©runbbefenntnis  als  bie  flafftfdje  Urlunbe  ber  ©eWiffensfreifyeit.  'Die 
Segrünbung  berfelben  liege  in  ber  flar  unb  treffenb  (2Irt.  28)  ausgekrochenen  Unter= 
febeibung  ber  Weltlid;en  unb  geiftlid;en  9Kad)t,  mit  ber  jugleicf)  ber  ©runbfatj  fid;  ergebe, 
bajj  in  Dingen  bes  ©eWiffens  unb  ber  religiöfen  Überzeugung  nid)t  3Wang  unb  bürger=  ib 
lid;e  ©eWalt,  fonbern  2Bort  unb  Sele^rung  bie  SRittel  feien,  Woburd;  allein  man  auf 
anbere  cinjuWirfen  fucfyen  bürfe.  3Rit  »oller  Eingebung  lebte  er  felbft  bem  alfo  gerid;= 
teten  ÜiUrfen,  burd;  beffen  ©rfolge  bie  Vieler  tl;eologifd;e  gafultät  einen  2luffd;Wung  ge= 
mann,  ber  allein  fd)on  U)m  als!  afabemifeben  Sebrer  bie  gead)tetfte  ©teHung  bcrfd;afft 
hätte,  ©efteigert  mürbe  bie  Äraft  feiner  ©inroirlungen  nod;  burd;  bie  ©emeinfdjaft  mit  20 
Miaue  ,v)arms,  ber  feit  1816  nad)  Äiel  gerufen  als  ^rebiger  unb  ©eelforger  bie  ©emüter 
tief  bewegte  unb  ergriff.  33ielleid)t  mar  es  gerabe  ber  ©egenfatj  ber  Gbaraftere,  ber  i£>r 
3ufammentreffen  in  ber  Verfolgung  ber  gleiten  3We  befonbers  ergiebig  mad;ie.  Der 
(£mbfinblid;feit  Don  §arms  begegnete  bei  %.  unbeirrte  fad;lid;e  ©rWägung;  ber  tembera= 
mentsbolle  2lnbaffungstrieb  be§  erfteren  fanb  in  %.$  umfidjtiger  SBeljanblung  ber  ebange=  25 
lifcfyen  ^.ringibien  feine  Regelung ;  ber  Neigung  bon  §arms,  bem  borübergel)enben  ©inbrud 
in  Warmer  Eingabe  ober  Ieibenfd;aftlid;er  2lbWeb,r  Naum  ju  geben,  trat  X.  mit  ber 
offenen  ©abrbaftigfeit  edjter  greunbfd;aft  entgegen.  Sßenn  er  besbalb  ju  £arms  2Sor-- 
geben  in  ben  "Zfytfm,  mit  benen  berfelbe  in  feiner  Söeife  bie  Jubelfeier  ber  Deformation 
begeben  wollte,  Wie  Jobannes  oer  Käufer  ju  bem  nod)  ungeworfelten  Soeben  Stellung  30 
nimmt  —  in  ben  ^Briefen  liegen  bie  $eugniffe  bafür  bor  — ,  fo  banlt  er  bem  gott= 
begnabigten  ^ßrebiger  äugleid;  auf  bas  aufrid)tigfte  für  jebe  görberung  unb  Anregung. 
£er  Sater  be§  ©bigrammg:  %.  be!eb,rt  feine  ß^börer  unb  §arm§  tauft  fie  banad),  batte 
öom  Stanbbunfte  bes>  alten  Nationalismus  au§  nid;t  Unred}t. 

2lber  es  mar  i^m  ntcr)t  befd)ieben,  in  feiner  jum  beften  2;eile  bon  i§m  felbftftänbig  35 
geftalteten  Vieler  2Bir!famIeit  ju  beharren.  Nufe  nad}  S3onn  unb  ©öttingen  blatte  er 
abgelehnt.  ?fla<fy  ©d)letermad)ers  Stöbe  aber  erbielt  er  bie  2tufforberung,  9cad)foIger  bes 
großen  Salmbrecbers  ju  merben.  @s  entfbriebt  feiner  §eimatsliebe  unb  feiner  ftrengen 
Selbfttritif,  bie  er  eine  Slufeerung  feiner  „flebtifdjen  Natur"  ^u  nennen  liebt,  Wenn  er 
fid)  fdjwer  jur  2lnnabme  entfcbließt.  ©rft  Neanber  unb  bann  burd)  berfönlicb,e  33erb,anb=  40 
lung  in  ft'iel  Jobannes  ©dmlje  brauten  feine  Sebenlen  jum  ©d)Weigen. 

Jm  ©ommer  1835  fiebelte  er  naefe,  ^Berlin  über,  um  nad)  Maßgabe  feines  £ebv= 
auftrags  Dogmatil  unb  neuteftamentlid)e  ©jegefe  anzubauen.  Die  Negierung  erwartet 
in  ibm  einen  ^beologen,  ber  „eine  Wabrbaft  ebangelifcbe  grömmigleit  Wie  eine  treue  unb 
aufrichtige  2tnbänglicbfeit  für  bas  ^Srinjib  ber  eüangelifeben  ^irdje  mit  einer  grünblicben  45 
tbeologifeben  ©ele|rfam!eit  unb  einem  freien,  bon  jeber  einfeitigen  ^arteiftetlung  entfrem= 
beten  Wiffenfd^aftlicEjen  ©eifte  berbinbet"  ©0  fteßte  fieb,  ibm  red)t  eigentlicf)  bie  Slufgabe, 
bie  ÜDtttte  ju  beraubten  ^Wifcben  ben  beiben  ^errfd^enben,  auseinanberftrebenben  ©eiftes= 
ftrömungen  auf  ürcblicbem  ©ebiete,  benen  Neanber  innerbalb  ber  tbeologifeben  ga!ultät 
in  gleia)er  9Beife  abbolb  War,  of)ne  boeb  entfd)ieben  unb  burd)fd)lagenb  ibnen  entgegen^  50 
treten  ju  fbnnen.  @s  Waren  bie  „§egelei"  SDkrb,einedes  unb  bie  neu=ortbobose  ©efe|lid;= 
feit  £jengftenbergs,  bie,  untereinanber  im  ©treit  um  bie  güfyrung,  junäcbft  fid)  jufammen= 
fanben  in  ber  ^urüdbaltung  gegen  ben  neuen,  ib,nen  nid)t  erWünfdjten  Kollegen.  Unb  in 
ber  £fyat  blieb  Z.,  tro|  Widriger  Serübrungsbunfte  unb  tro^  bes  ibn  ftets  leitenben 
Ariebes  jur  SSerftänbigung,  grunbfä^licb  bon  ben  Nietungen  beiber  getrennt.  Von  beut  55 
3krjucbe,  bie  bogmatifeben  Formeln  unb  begriffe  ju  Prägern  §egelfcl)er  ©ebanfen  ju 
machen  unb  fo  einen  ©cr)einfrieben  jWifcben  ^^eologte  unb  s^bilofobbie  ju  fcbließen,  mußte 
w  fid;  abWenben  fraft  ber  @rfenntnis  bes  allem  religiöfen  Seben  eigentümÜd;en  ©ebiets. 
2lnbererfeits  berbanb  ibn  mit  SDiarljeinede  bie  @brfurd;t  bor  ber  gefcf)id)tlicben  $erfönlid;= 
^it  Jefu  <Jf>rtftt.    Wti  Aengftenberg  War  er  eins   in   bem  ©rftreben   einer   feftcren   unb  co 


176  Stoeften 

tiefer  gegrünbcten  gorm  bes>  Ürcbjicfyen  fieberig.  2Iber  jene  fünftlidjie  (Erneuerung  ber 
Drtfyobork  mit  toietiftifcfjem  (Einfcbjag,  bie  il>re  2tnletf)en  bei  bert  bogmatifcfyen  23orau§= 
jungen  be§  17.  2iar;rr)unbert3  unb  bert  |odj)Iir$lic§en  Bewegungen  (EnglanbS  machte 
unb  in  ©efafyr  tarn,  ben  ©cfywerbunft  be3  ebangelifcfyen  fiebern  in  bie  äußere  Autorität 
5  „ber  fanonbilbenben  unb  auSlegenbeu  ^irdje"  ju  berfcfyieben,  mußte  bem  bon  bem  ©eift 
unb  ber  föcaft  ber  reformatorifcfyen  Befenntniffe  burcfybrungenen  ©filier  ©djleiermadjerio  al3 
ein  2>rrlDe3  etfd)einen.  demgemäß  I)at  er,  ficb,  felbft  getreu,  ©tellung  genommen  weniger 
in  Befämbfung  ber  (Erfreme  —  ^Solemil  wiberftrebte  feinem  SBefen,  —  Wofyl  aber  in 
llarer,  facpcfyer  Behauptung  ber  geroiffenb^aft  erarbeiteten  Überzeugung,  bie  aucb,  bei  bem 

10  ©egner  ba§  ©ute  anerlannte  unb  nur  ba  ficb,  abWanbte,  Wo  Mangel  an  2Saf)rI)afttglett 
ober  offene  Seugnung  ber  ebangeltfdjen  ©runbfätje  fic&,  geltenb  zu  machen  fcfyienen.  gWar 
nicr)t  in  gleicher  (Energie;  infolge  be§  SRücffc^Iageä  ber  (Stnbrücfe  bon  1848,  ber  fo  biele 
gute  ^eime  ber  (Entwicklung  gerftörte,  äußerte  fid?  aud)  bei  ifym  eine  geWiffe  (Entmutigung. 
Slber  ber  fiegeSfreubige  Dtotimi§mu§,   mit  bem  er  für  ben  3lufbau  beö  ftrcb/ltcfyen  fiebern? 

15  eingetreten  War  (bgl.  ^Dogmatil  3.  2tufl.,  I,  ©.  213  f.),  Würbe  burcb,  bie  treue  umficfytige 
Pflichterfüllung  erfetjt,  welche  ficb,  barauf  richtete,  ba§  redete  ©leicfygeWidjt  bor  allem  ju 
erhalten.  „(Er  ftanb  in  unferer  3)citte  wie  baä  ßünglein  ber  2Sage",  fo  d)ara!terifierte 
ein  langjähriger  Mitarbeiter  im  ^ircfyenregiment  feine  2Beife. 

Bebeutfam  treten  feine  ürcbjicfyert  ßtelbunfte,  bie  er  al<§  SJtitglieb  be§  ^onfiftoriumg 

20  ber  ^ßrobinj  SBranbenburg  (feit  1841)  unb  be<§  Dberfircfjenrat»  (feit  1852)  unerfcfyütterlid) 
feft  im  Sluge  behalten  fyat,  in  ber  berliner  ©eneralfimobe  be§  $alj)re3  1846  fyerbor  Wäfy= 
renb  ber  mistigen  ißerfyanblungen  über  eine  ben  Bebürfniffen  ber  geit  entfbred)enbe 
©runblegung  ber  ebangelifcfyen  äircfye  $reußen§.  (E3  b/anbelte  ficb,  um  bie  Stellung  zum 
23denntni<o;  man  fudjte  bie  $orm,  in  Welcher  „ba§  dizfyt  ber  broteftantifd)en  greifyeit  mit 

25  ben  unerläßlichen  fieben^bebingungen  ber  fircf/licben  ©emeinfcfyaft"  geWabjt  Werben  lönnte. 
(33gl.  Berfyanblungen  ber  ebangelifcfjen  ©eneralffynobe  bom  2.  $uni  bi<§  zum  29.  3luguft 
1846  —  Berlin  1846  -  ©.  185 f.  257 f.)  ^m  ©egenfa^e  ju  bem  Berfudj  einerneuen 
Formulierung  ber  gemeinfamen  ©runbfä^e  ber  ebangelifc^en  Befenntniffe  tritt  er  ein  für 
ba§  gehalten  an  ben  alten.    2lHein  nia)t  fo  ift  ba<3  bon  ib,m  gemeint,  baß  biefe  Hafft= 

30  fc^en  Urtunben  ber  Deformation  tote  ein  ©efeijbucb,  für  ritterliche  ©eWalten  in  ©eltung 
gehalten  Werben  follten.  $n  bem  ©etft,  in  bem  fie  gelten  lüoKen,  foUen  fie  gelten  (1  $o 
3,  10—15.  Art.  Smal.  305).  „^cb,  fyahe  Vertrauen  genug  z"  ber  inneren  Äraft  unferer 
Befenntmgfcfyriften,  um  ju  glauben,  baß  fie  ficb,  burd)  ficb,  felbft  geltenb  machen  roerben, 
Wenn  fie  nur  nicfyt  burd)  eine  neue  BelenntniSformel  in  ben  §intergrunb  gebrängt  finb." 

35  ,,^n  il;ren  f)errlicf)en  23elenntniffen,  in  ber  älug^burger  Honfeffion,  ben  ©c^malfalbifdjen 
3lrti!eln,  bem  großen  ^atecb,i§mu§  fiutberö  b,at  bie  ebangelifcr;e  ^irct^e  ib,ren  3teicl;tum; 
ba§  ift  eine  Quelle  beftänbiger  Uraft  unb  S£üc|)ttgieit,  babon  bag  §erj  roarm  wirb,  bafür 
man  leben  unb  fterben  fann."  ISeinegroegS  forbere  bie  Union  ein  aufgeben  berSelennt= 
niffe.    „SBorauf  eö  bei  berfelben  anfommt,  ift  allein  bie  (Einfielt,  baß  bie  Skrfcbjebenfyett 

40  ber  lonfeffioneßen  Überzeugungen  fortan  leine  Trennung  ber  &ird)engemeinfcf)aft  begründen 
folle/'  3Jicb,t  alfo  feien  bie  2tbroeitt}ungen  mit  ©tiHfcb^ioeigen  ju  übergeben;  fonbern  man 
laffe  fie  gelten  in  ber  ©cmißfyett,  baß  bei  weiterer  ©nttoidtelung  bie  ünterfcb,iebe  in  ifyrer 
ünerb,eblicb,leit,  WenigftenS  toa$  bie  !ircb,licb,e  ©emeinbe  betrifft,  erfc^einen  Werben.  £>ie§ 
entfbrec^e  ber  Slnfidjt  ©cb,leiermacb,er§.     ,,©a  bie  früheren  33erfucb,e,  meinte  er,  fiel;  jubor 

45  über  bie  ftreitigen  fielen  %u  bergleid;en,  bebor  man  \xä)  Wirllicf)  bereinigte,  in  ber  Siegel 
gefcfjeitert  Wären,  fo  febjage  man  ben  umgelegten  2öeg  ein"  9Jur  bureb,  lirct)Iicb,e  33er- 
einigung  Wirb  man  ermitteln,  ob  bie  £eb,rberfc^iebenb, eiten  ber  %fy eologie  ober  bem  ©tauben, 
ber  ©cfmle  ober  bem  ©emeinbeleben  angehören. 

3Rodr)  tiefere  Segrünbung  b,at  %.  biefen  ©eficb,t§bun!ten  in   feiner  2lbf>anblung  über 

50  bie  Union  gegeben  («ß9t@  1.  2lufl.,  33b  XVI  ©.  659  f.),  in  Welker  er  i^r  Söefen  unb 
ib,re  Sebingungen  erörtert.  2lHerbing<§  fe^e  bie  Union  lirc^lic^e  ©egenfä^e  borauS,  aber 
thm  berartige,  bie  Weber  jum  ©a)i§ma  noeb^  jur  §ärefie  führen.  %t)v  biblifc^e§  Dedjit  be= 
Weife  bie  abofto!ifcb,e  33eb,anblung  ber  ©egenfä^e  beö  ürctjriftentum^.  ©anacb,  ergebe  fiel; 
aU  ba§  3'cl  aller  Union^beftrebungen   bie  Bereinigung   ber   gleichzeitig   an   einem  Drte 

55  lebenben  ©laubigen  gu  gemeinfü)aftlicb,er  (Erbauung,  ßugleict;  aber  muffe  ein  Unterfdneb 
gemacht  Werben  jWifc|en  bem,  Was»  jur  (Erbauung  ber  ©emeinbe  biene,  unb  bem,  totö 
©acb,e  ber  ©cf)ule  fei.  (Eben  Weil  bie  Ibnforbienformel  biefen  Unterfcbjeb  außer  acb,t 
laffe,  inbem  fie  jeben  2lnber3benlenben  bon  ber  ^irct)engemeinfcb,aft  au§fc()Iieße  unter  ber 
3Sorau§fe|ung,  baß  bon  entgegengefe|ten  Slnna^men  nur  eine  ftt)riftgemäß  unb  Wab,r  fein 

60  lönne,  lt)a6e  fie  für  bie  (Entwiclelung  berf>ängni§bolle  ©cb,ranlen  errichtet. 


£n>eften  X\)vm  177 

$n  biefen  Ausführungen  ift  %£  ©tellung  im  JHrdjicnrcgimente  unb  aucb,  fein  Söirfen 
in  bcr  unter  mannigfachen  ©egenfä^en  nad)  fräftigerer  ©eftaltung  beS  ttrcr;Iicf)en  i'ebenö 
ringenben  3«*  gefenngeidmet.  $eme  ber  jtm  bie  #errfd)aft  famtofenben  ^Parteigruppen 
fonnte  tbn  als  ben  ifyren  anfefyen.  £>ie  ödntler  ©cfyletermadjerS,  roelcfye  in  ber  „5ßrote= 
ftantifdjcn  Mucf/engeitung"  ib,r  Organ  Ratten,  aud;  -Jttfcfcr),  Julius  9JculIer,  Corner  t>er=  5 
motten  baS  Skeal  £tner  Sefynmion  nid}t  aufzugeben;  ©tafyl  bagegen  unb  §engftenberg 
forberten  eine  öon  X.  als  unebangeltfd)  abgelehnte  Ummobelung  beS  et>angelifd>en  2lmtS= 
begriffe.  $Die  SBitterfeit  unb  £eibenfd}aftlid)feit,  bie  namentlid;  bureb,  bie  ©cfylagworte  unb 
Herbitte  ber  „@t>angelifcf)en  £ird;engeitung"  in  bie  2}erl)anblungen  über  ftreitige  fünfte 
gebraut  mürbe,  trübte  ben  23Iid  für  bie  2öürbigung  beS  gemeinfamen  33efenntniSgrunbeS,  10 
unb  baS  fidb,  überftürgenbe  §aften  nad)  fird^enpolitifcfyen  ©rgebmffen  brängte  bie  3tüdficf/t 
auf  bie  in  ber  9Jlitte  tiegenben  Söafyrfyeiten  gurüd,  Don  benen  ftcr)  %.  leiten  liefe.  Sßic 
biefelben  ifym  bie  Dttcfytfdjnur  fetner  @ntfd)lüffe  gaben,  geigt  einerfeitS  baS  Don  il)m  roefent= 
lieb,  befummle  (Ergebnis  beS  Kolloquiums  gu  Söittenberg  (14.  SRai  1845),  baS  gur 
3(uSfd;eibung  einer  tf)eologifcr/en  ^icfytung  führte,  weldje  Vernunft  unb  ©eift  ©otteS  in  15 
pantljeiftifdjem  ©inne  für  eins  erllärte,  anbererfeitS  fein  2tuSfcf;Iag  gebenbeS  Eintreten  für 
3iiboh)  (1873)  im  ^ntereffe  ber  $orf(fmngSfreir/ett  aud)  ber  ©eiftltcfyen. 

Solvent  brat"tifd)en  Eingreifen  entfbred;en  bie  ©runbfätje  für  n)tffenfd;aftlid;e  2trbett. 
3tt>ifcb,en  miffenfdjaftlicr/en  Männern  folle  unter  allen  Umftänben  ein  hnffenfcfyaftlidjer 
Herfefyr  möglief)  bleiben,  ^ebenfalls  fottten  fid)  Ideologen  aud)  ber  toerfdnebenften  2ln=  20 
fidjten  in  groei  ©tüden  begegnen:  baS  eine  ift  baS  $ntereffe  für  roiffenfdjaftlidje  ©d;ärfe, 
liefe  unb  ©rünblicbjeit,  tcobei  feftguljalten  fei,  bafe  aud;  baS,  roaS  mir  Irrtum  nennen, 
relatbe  3Baf)rb,eit  befi£e,  —  baS  anbere  ift  bie  ©efdnclüe,  baS  äkrftefyen  ber  33ergangen= 
Ijeit,  auf  melier  mir  fortbauen  (^Dogmatil  I,  ©.  Vif.).  ®arum  I;ält  er  eS  für  $flid)t, 
ebangelifdjen  ©lauben  unb  toiffertfcf/aftlicfye  Süüd^tigleit  als  bie  ©runbbebingungen  ber  25 
ebangelifcfyen  S£f)eologie,  mo  fie  fidE)  finben,  gu  fcfyätjen,  oI)ne  burd)  bie  abmeidjenbe  $orm, 
in  ber  fie  ftcb,  barfteflen,  fiel)  irre  machen  gu  laffen.  £>te  gel)altr>olle  ©dmft  über  9Jcattf)iaS 
glactuS,  bent  er  eine  „gefd)id;tlid)e  @f)renrettung"  angebetfyen  läfet,  fonue  bie  umfidjtige 
3lu^gabe  beö  bogmatifdjen  §anbbud;§  ber  Iutl)erifcf;en  Drtfjobojie,  über  ba§  er  aud;  gerne 
isorlefungen  Inelt,  finb  grüdjte  biefeg  ©trebeng,  wäfyrenb  bie  bottenbet  Ilaren  unb  burd;=  30 
fid;tigen  ©arftellungen  ber  ttnffenfcfyaftlicfyen  Slrbeit  ©d}Ieiermad}er^  in  ber  umfangreichen 
Einleitung  gu  ber  Slu^gabe  be3  ©runbriffe^  Don  be^felben  ^^ilofo^^ifd^er  (Stfyil  (Serlin 
1841)  unb  in  ber  geftrebe  bei  ber  berliner  llniöerfitätgfeier  be§  Ijunbertiä^rigen  ©eburt§= 
tageä  (Berlin  1869)  gugleid}  ein®enlmal  feiner  petät  gegen  ben  Sel;rer  bleiben.  Überaß 
geigt  fia)  H.  al§  eine  anerlennenbe  3?atur,  toeld;e  bie  eigene  @inficl)t  au^  2ld)tung  bor  35 
ber  bereits  geleifteten  2lrbeit  bureb,  ^eröorl^eben  unb  ©rllären  be§  ©eleifteten  betbätigt. 
ocb,on  bem  Jüngling  ift  e£  Ilar,  „bafe  burd;  fid;  allein  ber  SItenfd;  in  roiffenfd^aftlidjer 
§infid}t  feb,r  wenig  toirb,  unb  bafe  ein  eifriges  ©tubium  be§  früher  fdjon  ©eleifteten, 
toenn  e§  nur  mit  ©eift  gefd)ief)t,  bie  war/rl)aft  ergiebigen  9Bege  roeift" 

Man  barf  Don  %.  fagen,  bafe  er  ein  SDtann  lttar  au§  einem  ©uffe  unb  bon  bemunbern§=  40 
toerter  SBielfeitigfeit.    ©eine  Slnforberungen  an  fieb,  felbft   maren  bie  ftrengften,   be3f)alb 
hielten  ib,n  bie  näd)ften  ^]flid;ten  feft;    feine  Überzeugungen  maren  in  fiel;  ftarl  unb  un= 
beugfam,  beSb,alb   b,afcl)te  er  niemals  nacb)  ber  ^uftt^wung  ber  ^ageSmeinungen.    2öie 
toarm  er  aud;  empfanb,  fo  fudjte  er  boeb,  gemiffenb,aft  unb  toorficf)tig  bie  3)Jafeftäbe  feines 
Urteils  nid}t  im  ©efüfyl,  fonbern  in  ber  ©efd}td)te,  ber  @rfal;rung,  bem  3Serftanb.    2llle=  45 
toege  aber  trug  unb  r/ob  ib,n  baS  mäditigfte  ©ottbertrauen.  SllS  er  am  Totenbette  feines 
©ofmeS  ^arl,  beS  berühmten  ^olitilerS,  nieberlniete,  ban!te  er  ©ott,  bafe  er  tym  benfelben 
feit  feinem  fünften  %ai)xe,   in  bem  ber  Änabe  hoffnungslos  barnieberlag,   gefd;enlt  fiätte. 
Bunt  £er.t  für  feine  ©rabrebe  erbat  er  fieb,  oon  bem  langjährigen  ©eelforger  unb  greunbc 
^riebrieb,  2lrnbt  baS  ©d^riftroort :  ©er  §err  toirb   baS   gerftofeene  9?ot;r  nid; t  gerbrecfyen  50 
unb  baS  glimmenbe  ®od;t  toirb  er  ntct)t  auslösen.  05-  ^eiitrici. 

Stein  (Soöiit,  Suttt)  ©ftnoben  in  f.  b.  21.  Armenien  Sb  II  ©.79,2. 

Senilis  f.  am  ©djlufe  beS  93anbeS. 

Snnbal  (Sinbale),  äÖtUiam  f.  b.  i)l.  Sibelüberf e|ungen  33b  III  ©.98,2t. 

Jttru§  f.  b.  21.  ©ibonier  Sb  XVIII  ©.  284,27-  55 

fReaI=®ttcDf[o)>äbie  für  I^eorogte  unb  Strtfe.    3.  SK.  xx.  p_> 


178  Sjfdjtrncr 

£3fd)trner,  .(Kinricr)  ©ottlieb,  geft.  1828.  —  .6.  65.  %%.,  ©fi^e  feines  2eben§, 
Setpjtg  1828;  ©olb^orn,  SJcitteihmgen  auö  £$.8  legten  5lmt8=  unb  SetbenSjatjren,  Seipjig  1828 
(abgebntrft  nebft  ben  ©eböcütnigürebigten  Don  Äünffjavbt,  Siegel,  Sdimatft  u.  9(.  in  5RBljr§- 
SWagciäin  f.  ^tebiger,  1.  33b,  1  @t.);  $öfifc,  §.  65.  £j.,  Slbrt'fj  fetneS  2eben§  unb  Sßirfenö, 
5  Seidig  1828;  trug,  £3.8  Senf  mal,  Seidig  1828;  Sittmann,  Memoria  H.  G.  Tzschirneri, 
Lips.  1828;  Werter'  9Mro(og  ber  ®eutfdjen,  Sabjgang  1828,  1  3X,  ©.  113 ff.;  gactübeS, 
X3.8  $rebigtlneife  jc.  in  3töt)r§  Wagaztn  f.  $reb.,  1.  Sb,  2.  @t.;  S)er  bereinigte  Sj.  a(§ 
San^elrebner  gefcbjlbert,  £afle  1829;  65.  granfä  9lrt.  £,v  in  ber  1.  i'Iuff.  btefer  (£ncl)tIop«bte 
SbXVT,  ©.548 ff.;  berf.  .in  b.  9lb$B  39.  «b  S.62ff.;  Söfcfdj,  2j.8  Sebett  unb  SSivfen,  TOitt= 

10  tueibaer  ©inttprogramm  bon  1875. 

£>.  ©.  £zfd)trtter  tourbe  am  14.  9?obember  1778  ju  5Dtitttoeiba  in  ©acbjen  geboren. 
%n  biefer  ©tabt  hjirfte  fein  SSatet  feit  1775  als  SDtafonuS,  feit  1793  al<§  Dberpfarrer, 
er  toar  ein  trefflicher  ^ßrebiger  unb  ©eelforger.  23on  il)m  unb  einem  £>auSlef)rer  empfing 
Szfdjiirner  ben  erften  Unterricht.    13  $ar/re  alt   fam  er  auf  ba§  Sipum   ju   ßljemmfc. 

15  §ier  tourben  SBinjer  (fpäter  ^ßrofeffor  ber  Geologie  ju  Seidig),  gactlibeS  (fpäier  ©uper= 
intenbent  zu  Dfd;a|),  Sreifdjnetber  (fpäter  ©eneralfuperintenbent  zu  ©otf/a)  unb  3ceanber 
(fpäter  Sifdjof  ju  Berlin)  feine  9Jiitfd)üler  unb  greunbe.  ©e|r  geförbert  warb  er  in 
feiner  2tuSbilbung  burd)  ben  Privatunterricht,  toeldjien  ifym  ber  ausgezeichnete  ^fnlolog 
$önig   (fpäter  ÜReftor  bon  ©t.  2lfra  zu  SJkifsen)  erteilte,  burcr)  ben  anregenben  Umgang 

20  mit  einem  älteren  grcunbe,  bem  §iftoriler  Sßöltfc,  unb  burcr;  bie  trefflichen  ^ßrebigten  beS 
©uperintenbenten  derlei,  ©cr)on  ju  Dftern  1796  bezog  er  bie  Uniberfität  Seipzig,  too 
23ecf,  ©ottfr.  §ermann,  SBencf,  Söielanb,  Patner,  Säfar,  §epbenreid),  6aruS,  $ül)nöl, 
bie  beiben  Stofenmüller,  Surfcfyer,  Xittmann  unb  $eil  feine  Sefyrer  mürben;  befonberS  bem 
letztgenannten  fdjlofe  ftd)  ^fd^irrter  mit  inniger  23ereb,rung  an.    $m  Dftober  1799  tourbe 

25  er  -IRagifter  unb  beftanb  balb  barauf  in  ©reiben  fein  trjeologifcfyeS  Äanbibateneramen. 
$m  gebruar  beS  %ai)xz§  1800  habilitierte  er  fid)  in  SSBittenberg  unb  tourbe  balb  barauf 
StbjunÜ  (ettoaS  mer)r  als  ^ribatbozent)  ber  pfyilofopfnfdjen  gafuttät  (Observationes  ad 
Pauli  Ap.,  epistolarum  scriptoris,  ingenium  spectantes,  P  I.  II.  III.  Viteb.  1800). 
2Iber  fd)on  nacf)  Jurzer  geit  far;  er  fict)  genötigt,  biefe   l)offnungSbolI  begonnene  £l?ätig= 

30  feit  emgufteEen,  ba  it)n  ber  fcfytoererfranfte  3Jater  zum  ©ubftituten  begehrte.  2^fdjirner  mar 
eben  im  Segriff  in  biefe  ©tetlung  einzutreten,  ah  ber  3Sater  ftarb.  Um  bie  Butter  unb 
jtoei  jüngere  trüber  unterftü^en  %u  fönnen,  übernabm  er  nun  ba3  eben  erlebigte  ®ia!onat 
^u  9J?ttttoeiba.  Sei  alfer  pflichttreue,  bie  er  btefem  2lmte  toibmete,  fanb  er  bod)  nocb, 
SRuf^e  ju  litterarifcb,  er  33efc|)äftigung.    @r  gab  mit  ?[Raucr)art  ba§  ?Jeue  atigemeine  ÜRetoer= 

35  torium  für  embirifd)e  ^ftydjologie  unb  bertoanbte  Sßiffenfdtaften  (2  Sbe,  Seitojig  1802 f.) 
b^erauö;  er  fceröffentlidjte  bie  ©Triften:  Seben  unb  @nbe  merltoürbiger  ©elbftmörber  k. 
(SBei^enf.  unb  Seidig  1805)  unb:  Über  ben  moralifdpcn ^nbifferenti§mu§  (Seidig  1805); 
er  begann  eine  ©efdjicfeje  ber  Stpologetif  ju  fcf)reiben  (1  %l  Seidig  1805,  mit  üßortoort 
bon  ^etnf;arb).    SefonberS  bem  legieren  3Berle  f)atte  er  e3  zu  öerbanlen,   bafe  er  1805 

40  nacb,  2Bittenberg  zurücfberufen  tourbe,  unb  ztoar  afö  orbentlidjer  ^3rofeffor  ber  'Ji^eologie. 
2lm  24.  5Rot)ember  Ijielt  er  in  ber  ©tabt!ircf)e  bie  übliche  Sicentiatenprebigt,  lolloquierte 
mit  ber  tljeologifc^en  galultät  unb  berteibigte  feine  3tb£>anblung :  De  dignitate  hominis 
per  religionem  christianam  adserta  et  deelarata  (Viteb.  1805).  3lm  2.  ©ejembcr 
empfing  er  in   ber  Uniüerfität§lirtt)e   bie  tb,eologifd}e  ©oltortoürbe.    ^n  feinem  2lntrittg= 

45  Programm:  De  virtutum  et  vitiorum  inter  se  cognatione  etc.  (Viteb.  1805)  be= 
fpracf)  er  ein  Sfyema,  toeld^eg  er  fpäter  auöfübrltcb,  beb,  anbelte  in  ber  ©d)rift:  Über  bie 
Skrtoanbtfcfyaft  ber  2:ugenben  unb  Safter  (Seipzig  1809).  @tn  anbcre§  Programm:  De 
sacris  publicis  ab  ecclesia  vetere  studiose  cultis  (Viteb.  1808)  füllte  ber  Vorläufer 
einer  ©efcf;id)te  be3  d;riftlid)en  Iultu§  fein,  beren  Aufarbeitung  ^gfdc^trner  bamalS  hiah- 

50  fid)tigte,  balb  aber  toieber  aufgab,  ba  er  burd)  feine  Sorlefungen  aE^ufe^r  in  Slnfprud; 
genommen  tourbe.  @r  lag  über  natürliche  Geologie,  über  Dogmatil  unb  ^omiletü,  feit 
1806,  al§  ©d)röcfl^  Äraft  erlahmte,  aucb,  über  Iircb,engefcb,id;te.  ©otoo|l  burd)  biefe 
Sorlefungen  als  aud;  burd)  bie  Pon  ilmi  geleiteten  Disputationen  unb  6omiletifd)en 
Übungen  toirlte  5Egfc^>trner  in  j^o^em  ©rabe   anregenb  auf  bie  afabemifcf/e  3uSen^/  ^e'n 

55  ©influfj  auf  biefelbe  toud)S  mit  jebem  ^a^re.  2Iudt)  bie  ^rebigten,  toeld)e  er  bon  3«t 
Zu  3eit  unb  mit  großer  greubigteit  l}ielt,  fanben  2ln!Iang,  fie  tourben  fotool)!  bon  ben 
UniberfitätSangeb^örigen  als  aud}  bon  ben  bürgern  oer  ©tabt  mit  lebhafter  5leilnal;mc 
ger/ört.  S)urd}  biefe  erfolgreiche  ^ptigfeit,  burd)  bie  greunbfd)aft  feiner  Kollegen  unb 
bie  Siebe  ber  ©tubierenben,   burd?  eine  el}elid;e  3Serbinbung,   in   ber   er   feit  1806   (mit 

so  2lugufte  geb.  ^lo^fdj)  lebte,  füllte  ftd)  ^fdt;trner  fe^r  beglüdt;  bitteren  ©dmierz  aber 
bereitete  bem  patriotif cfyen  Wanne   baS  Unglüd',   toe!d)eS  1806   über  ©eutfdjlanb   ftcrcin= 


£äf(i|trner  179 

bracb  unb  aud)  ÜBittcnbcrg  naf;e  berührte.  Dad;bem  ^fd;irner  bon  1805—1809  in 
Sffiittenberg  gewirft  blatte,  tourbe  er  als  bierter  ^rofeffor  ber  Geologie  an  bie  Uniberfttät 
Seidig  berfe^t,  loo  fid;  tfym  ein  größerer  SöirfungSfreiS  erfdirtofj.  $m  Df  tober  1809  trat 
er  fein  neues  2lmt  an  (De  formis  doctrinae  theologorum  evangelicorum  dog- 
maticae  distinguendis  rite  et  aestimandis,  Lips.  1809).  23alb  barauf  titelt  er  jur  5 
Vorfeier  beS  lOOjatjrigen  UniberfitcttSjubiläumS  eine  ^rebigt  (3)ie  3Biffenfd;aften,  ein 
Mittel  ber  ßrjiefyung  beS  Menfcb^ngefcr)lecl;teS,  Seibjig  1809),  burd;  welche  er  fid;  fogletcb, 
fcen  Duf  eines  öorgügltc^en  DebnerS  erwarb.  ©0  oft  er  in  ben  folgenben  ^afyren  bie 
ßanjel  ber  UniberfttfaSfircfye  beftieg,  fafy  er  bort  eine  jafylreidje  gul;örerfd;aft  um  ftd;  ber= 
fammelt  Oßrebigten  bon  ^fd;irner  1.  ©ammlung,  Seidig  1812).  lud)  feine  SSorlefungen  10 
über  ®ircf;engefcf;id;te,  ©ogmattf  unb  §omiletif  fanben  ungembt)nlid;ert  23eifall.  SDafj  er 
ein  tüchtiger  §iftori!er  mar,  bemicS  er  burd;  feine  $ortfe|ung  beS  großen  ©d;röcfl;fd;en 
2\>crfeS:  Gbriftl.  Äird;engef^id}te  feit  ber  Deformation  fortgefe^t  bon  2^fd;iraer,  33b  IX, 
i'eibjig  1810  (©efd;.  b.  gried).  ü  u.  b.  ©eften,  Überfielt  ber  neueften  Äircfyengefcfncfyte), 
üBb  X,  ib.  1812  (23iograbr)ie  ©cfjrödfyS  unb  geittafeln).  2Xber  aueb,  als  ©ogmatifer  unb  15 
Momiletifer  machte  er  ftd;  je^t  einen  Damen  burd;  feine  „23eurteilenbe  ©arftellung  ber 
bogmatifcfyen  ©tyfteme,  tuelcfye  in  ber  broteftantifdjen  $ird;e  gefunben  merben"  (3Jiemora= 
biliett  1.  33b,  1.  ©t.  1810,  2.  ©t.  1811)  unb  burd;  bie  „Briefe  beranket  burd;  Dein= 
barbS  ©eftänbniffe  tc."  (Seidig  1811).  $n  biefen  ©Triften  beftrttt  SEjfdnmer  bie  S3e= 
baubturtg  DeinI)arbS :  f onf equent  fei  nur  ber  Dattonalift  unb  ber  ©ubranaturalift,  ein  20 
tlliitteltoeg  füf;re  jur  ^nfonfequeng.  2IlterbingS,  erflärte  SEjfdnrner,  fönne  man  nur  (Einer 
©laubenSregel  folgen,  enttoeber  ber  fyl.  ©cfyrift  ober  ber  Vernunft  muffe  man  bie  oberfte 
Autorität  juerfennen.  ®ab,er  lönnten  nur  jioei  ©bjteme,  baS  rein  biblifdje,  roeldjeS  or)ne 
9ftidftd;t  auf  bie  Degel  ber  ©tymbole  unb  auf  bie  Dorm  bfytlofoblnfcfyer  ©runbfätje  alles 
als  göttliche  33elef;rung  gelten  laffe,  mag  f)ermeneutifcr)  ertoeisltd;  2eb,re  $efu  unb  ber  25 
2lbofteI  mar,  unb  ber  entfd;tebene  DationaliSmuS,  toelcfyer  unberufen  ben  ©ubremat  ber 
3d)rift  aufgebe  unb  ben  3jnl)alt  ber  Offenbarung  nacb,  ber  Dorm  eines  23ermmftbrtnsibS 
beurteile,  Slnfbrud;  auf  $onfequen§  ergeben,  unhaltbar  feien  alle  ftmfrettftifcfyen  ©fyfteme. 
Unhaltbar  fei  aber  aud)  ber  efleftifcfye  DationaliSmuS,  welcher  ben  gemeinen  9Jienfd;en= 
berftanb  jum  SRafjftab  feiner  Urteile  mad;e,  ebenfo  ber  eubämoniftifcfye,  roelcfyer  ben  biel=  30 
beutigen  23egriff  ber  ©lüdfeltgfett  an  bie  ©bi^e  ftelte,  faltbar  fei  nur  ber  etfjifdj^lritifdie 
Nationalismus,  meiner  bie  93ernunftibee  ber  ©ittlid^Ieit  als  baS  oberfte  ^3rmgtp  ber  ct)rift= 
lid)en  ©laubenSlebre  betrachte,  nacb,  ber  Dorm  berfelben  bie  ©djrift  beurteile,  baS  mit  ben 
fittlicb,en  93ebürfniffen  nottoenbig  3ufammenf)ängenbe  feftb,alte,  bie  beigemifdjten,  nad)toeiS= 
lid;  auS  ber  fbäteren  ^Ef)eoIogie  ber  ^uben  entftanbenen  ^eitborftellungen  aber  aufgebe.  35 
9D?it  biefem  etb,ifd;=lritifc^en  DationaliSmuS  fei  eS  aber  toofyl  bereinbar,  baS  ßfyriftentum 
als  eine  göttliche,  burd)  SBunber  beglaubigte  Offenbarung  gu  betrauten,  bafern  man  nur 
ben  gtbed  biefer  Offenbarung  nict)t  in  bie  33e!anntmad)ung  beS  ber  fid;  felbft  überlaffenen 
33ernunft  Unerreichbaren,  fonbern  in  bie  33etanntinad)ung  unb  33eftätigung  ber  (noct)  un= 
ernannten  ober  berbun!elten)  Söafyrfyeiten  ber  23ernunftreligion  burd)  einen  göttlid;en  ©e=  40 
fanbten,  unb  in  bie  ©rünbung  ber  gur  gortbf!an§ung  biefer  fo  geoffenbarten  toa^ren 
Religion  beftimmteu  Strebe  fe^e.  3Dtan  fönne  alfo,  was  baS  Materielle,  ben  ^nfyalt  beä 
GbriftentumS  anbetreffe,  Dationalift  fein,  unb  bod)  b,infid;tlid}  beS  formellen,  b.  i^.  ber 
Slrt  unfc  2ßeife  ber  @ntfteb,ung  unb  @infüb,rung  beSfelben,  bie  3lnfid}t  beS  ©ubernatura= 
liften  teilen.  Ob  man  fid;  für  baS  biblifct)e  ober  für  baS  rationaIiftifd;e  ©tjftem  entfd;eibe,  .15 
baS  tiänge  nid;t  fomofyl  bon  jmingenben  ©rünben  als  bon  fubjeftiben  2lnfid;ten  unb  93e= 
bürfniffen  ab.  %tb&  bon  biefen  beiben  ©^ftemen  aber  enthalte  bie  ©runblefyren  beS 
Sb,riftentumS,  jebeS  bon  beiben  fei  bab,er  geeignet,  ben  gmed  ber  ^ird;e  gu  beförbern;  un= 
bereinbar  mit  biefem  feien  ber  DaturaliSmuS  unb  bie  bantb,eiftifd;e  3bentitätSbb,ilofobf)ie. 
2o  begrünbete  ^fd;irncr  feinen  offenbarungsgläubigen  DationaliSmuS,  bem  er,  unbeirrt  50 
bura;  SBiberfbrud;  (bgl.  u.  a.  bie  ©ct)rift:  Sffier  ift  lonf equent,  Deinfyarb  ober  2;jfd;irner, 
ober  feiner  bon  beiben?  33eantm.  in  Briefen  b.  ^?reb.  ©ad;fe,  b.  i.  Dör;r,  1811),  ftetS 
treu  geblieben  ift.  £)od;  b,at  er  feinen  ©tanbbunft  niemals  in  ejjflufiber  Söeife  geltenb 
gemacht;  auef)  ben  DationaliSmuS,  iueldjcr  eine  übernatürliche  Offenbarung  bertr-arf,  aber 
baS  (Sb,riftentum  bod;  nod;  als  eine  göttliche  33eranftaltung  betrachtete  unb  fid;  baburef;  55 
toefentlid;  bom  DaturaliSmuS  unterfd;ieb  (man  benfe  an  Söffler,  Döb,r,  2öegfd;eiber)  bielt 
Ijfcbirner  für  geeignet,  neben  bem  biblifd;=fird;Iid;en  ©bftem  ben  fttotd  ber  Äircr)e  ju  be= 
forbern;  ebenfo  urteilte  er  fbäter  über  baS  „äftt)etifd;e"  ©l;ftem  (mie  man  bamals  baS 
®d;leiermad;erfd;e  s"  benennen  bflegte).  @r  münfd;te,  bat^  bie  2tnb,änger  biefer  ber= 
fa)iebenen  ©^fteme  fid;  einanber  tragen  unb  adjten  mbd;ten,  unb  berabfd;eute  ein  gemalt=  60 

12* 


180  $gfd}wner 

fameS  ©ingreifen  in  bie  greifyett  iljrer  $orfd;ung.  ©ein  33err/ältni§  ju  9teinl;arb  blieb 
ganj  ungetrübt,  SDiefer  füllte  fic§  burcb,  ^fcfyirnerg  ©egenbemerfungen  (in  benen  er 
übrigen!  eine  „SSeränberung  ber  «Streitfrage"  erblidte,  nad;  einem  Briefe  Dom  11.  3juni 
1811)  nid)t  »erlebt,  er  blieb  jenem  ein  väterlicher  greunb.  @r  fyaubtfädjltcb,  bemirfte  e3, 
5  bafs  ^fdnrner,  ber  im  2tbril  1812  einen  ÜRuf  nad)  $ena  unb  einen  anberen  nad;  Berlin 
erhalten  t)atte,  in  Seidig  berblieb.  2lnbererfeii§  fyat  ^fcfytmer  bem  trefflichen  Manne 
ftets  bie  banfbarfte  Verehrung  gemibmet,  unb  ifym,  ab§  er  im  «September  1812  berftarb, 
ein  ©enfmal  gefe|t  in  ber  „$ebe  bei  SteinfjarbS  ©ebäd)tm3feier  k.",  gehalten  Seidig 
1812.  —  $e  ruhiger  ^fd)trner,   gang   Eingegeben  feinem  Berufe,   bie    erften  $al)re  in 

10  Seidig  beriebt  fyatte,  befto  größer  mar  bie  Aufregung,  in  melcfye  tfyn  bie  ©reigniffe  be§ 
^afyreS  1813  berfetsten.  Qm  ?5rüt;Img  biefe!  $al?re3  roagte  er  e§,  nod;  umgeben 
bon  Saurem,  „über  bie  Hoffnung"  gu  brebigen,  „melcfye  ben  Söeifen  über  ba§  UnglücJ 
ber  3eit  ergebe"  ©d)on  nad)  wenigen  SRonaten  begann  feine  Hoffnung  in  Erfüllung 
ju  gefjen.    (Ergriffen  Don  ber  allgemeinen  SBegeifterung ,   r/ätte  er  am  liebften  afö  Solbat 

15  fid;  an  ber  Befreiung  be§  23aterlanbes>  beteiligt,  nur  bie  Stüdficf/t  auf  feinen  ©tanb,  ober 
bielmefyr  auf  bie  öffentliche  SReinung  über  benfelben,  t)tel±  tl^n  babon  jurüd.  Um  fo 
gelegener  lam  tfjm  ber  Antrag,  ba§  2lmt  eine!  gelbprobfte!  bei  ben  fädjftfdjen,  bem  33e= 
fet)Ie  be§  §erjogs>  bon  Sßeimar  unterftellten  Slrubben  §u  übernehmen.  3Rad;bem  er  ein 
2lbfcfyiebs>n)Drt  an  feine  gufyörer  gerietet  b,atte  (23on  ber  großen  23ebeuiung  ber  ©reigniffe 

20  unferer  £age,  Seibjig  1814),  brad;  er  im  Januar  1814  bon  Seidig  auf  unb  eilte  burd; 
Springen  unb  SBeftfalen  nad)  ben  TOeberlanben  $ux  3lrmee.  ©rfi  in  9Jton<S  gelang  e§ 
ü;m,  unter  bem  SBiberfireben  ber  fanatifdjen  Sebölferung,  ©otieSbienfte  ju  beranftalten,  bei 
benen  er  begeifternbe  Söorte  %a  ben  fädjfifcfyen  Kriegern  fbrad;.  ©od;  fd;on  nad)  toenigen 
SBodjen  erreichte  biefe  ^ätigfeit  ib,r  ©nbe.    ^fer/irner   fefyrte  im  Quni  in  bie  ^eimat 

25  ^urüd.  @r  manbte  fid;  mieber  Ittierarifcfyer  SLfyätigleü  ju,  fdjrieb  bie  Programme:  Nominis 
germanica  laudes  instauratorum  saerorum  historia  illustratae,  Lips.  1814,  unb: 
De  bello  Christianis  non  interdicto,  ib.  1814,  banad;  ba§  treffliche  Sud):  Über 
ben  £rieg,  ein  bfyilofobfyifcr/er  23erfud),  Seibjig  1815.  ^m  |>erbft  1814  mürbe  ^fcfyimer 
al§  2Irdjibiatonu§  an  bie  %r;oma3fird;e  berufen,  balb  barauf  mürbe  er  jum  ^ßaftor  an  ber 

30  genannten  £trd)e  unb  §um  ©uberintenbenten  ber  (bamal§  nod;  ungeteilten)  Seidiger  £>iö= 
cefe  ernannt.  ©r  übernahm  biefe  Ämter  im  ©ebtember  1815.  $u  berfelben  $z\t  mürbe 
er  mirtlid;er  Seifiger  be!  Äonfiftorium!  unb  britter  ^profeffor;  balb  barauf  (1818)  rüdte 
er  in  bie  jroeite  ^profeffur  auf  unb  mürbe  ©omr/err  ju  SReifjen.  ^ngtoifdjen  iDar  e^ne 
neue  $eit  für  SSaterlanb   unb  $ird;e   angebrochen.    ©d;merjlid;   beflagte  SE^fd;irner  ba§ 

35  llnglüd  ©acb,fen§  unb  ba!  ©Reitern  jener  grofjen  Hoffnungen,  mit  benen  er  unb  alle 
Patrioten  ber  9Rcugeftaltung  ©eutfdjlanb!  entgegengefeljen  Ratten;  aber  er  belämbfte  ben 
^effimiSmug,  bem  fid)  biele  ergaben.  23 or  allem  fei,  malmte  er,  @in§not:  bafs  bie  Äird^e 
bie  fer/toergebrüften  33ölfer  um  fid;  berfammle,  ifmen  ©lauben  unb  Siebe  brebige,  unb  bie 
bem  blutgetränlten  33oben  ber  &\t  entfbroffenen  üeime   beg  ©uten    bflege  unb   fd;ü|c. 

40  (^ßrebigten  bon  Slgfdjirner,  2.  ©amml.,  Seidig  1816.)  D^ne  anbere  Iird;en  ju  mieten, 
mar  er  boeb,  bon  ber  Überzeugung  burcf)brungen,  ba^  nur  bie  toroteftantifcfye  ^ird)e,  beren 
frommen  unb  freien  ©eift  er  t>ö|er  feilte  alg  beren  ©laubensf^mbole,  bie  Sebürfniffc 
einei  reiferen  ©efdjled)t§  befriebigen  lönne,  feine  Sofung  mar:  ba!  ©fyriftentum  ift  ba! 
§eil  ber  2Mt  unb  unfere  Äird;e  bie  erftabenfte  unter  if)ren  ©4»toeftern.   3Jitt  33ecj?ifterung 

45  beteiligte  er  fid;  an  ber  geier  be§  Steformationgjubiläumö  bon  1817,  unb  unabläffig  mar 
er  bemüfjt,  nid;t  nur  „bie  2lufnal)me  be§  §errn  in  bem  ©efcfylecfyie  feiner  3«t  ?«  förbern", 
fonbern  aud;  Iircl)lid;en  ©inn  ju  meden  unb  %u.  ftärlen.  ©od)  betämbfte  ^fcf)irner  nidjt 
blo|  ben  Unglauben  unb  ben  QnbifferentiSmuS,  fonbern  aud;  ben  miebererftarften  Siafyolh 
ciämug,  ebenfo  lat^olifierenbe  unb  fcfjmärmerifctte  9üd;tungen,  meldte  innerhalb  ber  brote= 

50  ftantifd)en  Äirdje  auftauchten,  in^befonbere  aud;  ben  „alle  Prüfung  bämbfenben"  pettemuö. 
Unerfdmtterlicb,  feft  mar  er  babon  überzeugt,  ba^  bie  3Babr&ett  in  biefem  bobbelten  S^ambfe, 
gegen  Unglauben  unb  Aberglauben,  ben  «Sieg  behalten  merbe,  unb  bie  Sürgfc^aft  bafür 
fanb  er  in  bem  bobbelten  «Siege,  ben  fie  bereinft  bei  ber  @infüt)rung  be§  ©^riftentumS 
in_  bie  I)eibmfd)e  2Belt   unb    im  Zeitalter  ber  l?ird;enreformation   babongetragen  b,atte. 

55  liefen  beiben  53egebenb,eiten  unb  ben  gelben  berfelben,  Paulus;  unb  Sutfjer,  mibmete 
^fd)irner  ftets  ba§  tieffte  ^ntereffe.  ®ie  erftere  33egebenb,eit  Batte  ilm  fdjon  in  ber 
^ugenb  mächtig  angezogen,  im  ^ab,re  1814  fafcte  er  ben  33efd)Iu^,  fie  au§füb,rlid;  bar= 
guftetten  in  einem  SBerfe,  melcb,e§  ben  %itd:  „®er  %aü  be!  §eibentum§"  führen  foßte 
unb  bon  nun  an  ben  2JätteIbunft  feiner  miffenfcb,aftlic|)en  S^ätigfeit  bilbete.  2tber  oft 
60  marb  er  bon  biefer  Sefcfyäftigung  mit  ber  Vergangenheit  abgezogen  bureb,  fein  lebenbige! 


S-jfdjmicr  181 

^ntcrcffc  an  ben  ©rcigniffcn  ber  ©egenroart.    211S  bie  ©rieben  fidj  jum  Itamtof  für  ifyre 
)yreit)eit  erhoben,   griff  er  fogletcb,  -mr  geber,  um  „menfct/licfye  unb  ct)rtftlid)e  SLeilnafyme" 
für  baS  unglüdlictje  33oll   ju   ermeden    (®ie  ©act)e  ber  ©rieben    bte  ©ac^e  GurotoaS, 
^eitojig  1821,  togl.  baju  bte  ^rebigt:   ®ie  Silage  ber  Siebe  unb  ber  £roft  beS  ©laubeng 
über  ben  ftaß  unb  bie  ©rangfale  ber  Söller,  ib.  1821).    S3or  aßem  maren  ei  bie  93e=  5 
ftrebungen  ber  iatt)oItfd;en  £>ierardne,  Voeld^e  feine  Aufmerlfamteit  unb  feine  2Bad)famfett 
in  Anftorud;  nahmen.    3Jcit  für)nem  greimut,   aber  and)  mit  unerfd)ütierlitfyer  Nut)?  unb 
ii'ürbc,  retooluiionärem  Ungeftüm  ebenfo  feinb  als   reaktionärer  23ergemaliigung,   fyat  er 
für  bie  ©ad)e  beS  'JßroteftanttemuS  geftritten  in  ben  ©Triften:  £)er  Übertritt  beS  £errn 
b.  #aHer   jur  latfyolifdjen  J!trd)e,    beleuchtet  je,    Seidig  1821;    $roteftantiSmuS  unb  10 
Mat|oIict§nmä  auS  bem  ©ianbtounlie  ber  $olitil  betrachtet  «.,   Seidig  1822,  4.  2tufL, 
mit  einem  ©enbfd) reiben  an  ben  2lbt  $red)tl,  ib.  1824  (biefe  ©djrift  mürbe  ^toeimal  ins 
granäöftfd;e,  and]  ins  §oßänbifd)e  unb  @rtgtifcr)e  überfe^t);   $ie  ÜRücHefyr   fatfjolifdjer 
libriften  im  ©roPerjogtum  33aben  jum  ebangelifct)en  ßbjiftentume  (betr.  bie  ^enböfetfebe 
Angelegenheit),  Seidig  1823,  toter  Auflagen;    ®ie   ©efafyr   einer   beutfd)en  ^ebolution,  15 
t'ettojig  1823,  groet  Auflagen ;  £)aS  ^ealtionSfr/ftem  bargefteßt  unb  geprüft,  Seidig  1824; 
3it>ei  Briefe  burd)  bie  jüngft  ju  ©reiben  erfdnenene  ©cfyrift:  ©ie  reine  lattmlifdje  £eb,re, 
beranlafjt,  Seidig  1826,  §mei  Auflagen ;  anonym  erfdrienen  bie  33rofcr)üren:  ®tc  AnHagen 
ber  ©tunben  ber  Anbadjt  (biefeS  SBerf  gfct/olleS  mar  befonberS  toon  latfyolifcfyen  ©d)rtft= 
(tellern  arg  toerläftert  morben)  gemürbigt  jc,  granlfurt  1826;   23orfteßung  eines  ©taatS=  20 
manneS  im  AuSlanbe  an  einen  beutfdjen  dürften  (betr.  ben  St'onfefftonSmectjfel  bei  IJerjogS 
bon  Äötfyen),  ^annober  1826.  ®ocr)  ntd)t  bloß  ber  Serteibigung  feiner  J?trd)e,  auet)  anberen 
tDtcr)ttgert  Angelegenheiten  berfelben,  toomefymlid)  and)  ber  Seförberung  tfyeologifdjer  ©tubten 
mibmete  ^fcfyirner  fein  Qntereffe  unb  feinen  litterarifdjen  gleiß.    ©0  fcfyrteb  er  im  3ln= 
fd)luß  an  SörgS  SBet!  über   bte  @b,e   (Seidig  1819)   toter  Abfyanblungen  über  baS  3Ser=  25 
bahnte  ber  $ird)e  jur  @b,e,  in  meldjen  er  eine  9tetotfton  beS  @t)erec&tä  befürmortete,  aber 
bie  gibtlefye  bermarf.   gerner  Veröffentlichte  er  ein  ib)m  abtoerlangteS  „©utacfyten  über  bie 
Annahme  ber  ?ßreu^tfct)en  Agenbe  (Seitojig  1824,  jtoei  Auflagen),  morin  er  bte  Ablehnung 
biefer,  jtoar  gut  ebangelifcfyen,  aber  otme  9Jcitmtrlung  lircfylicfyer  Organe  juftanbe  gelommenen 
unb  ungenügenben  Siturgie  bei  fretgefteßter  2öat)I   billigte,   bie  Annahme  berfelben  aber,  30 
toenn  fie  befohlen  merben  fußte,  nid;t  ju  toermeigern  riet,  übrigens  eine  grünbücb.e  Reform 
beS  Kultus  forberte,  toor  aßem  aber  ©infüfyrung  toon  l^irc^enborftänben  unb  ©t^noben  an= 
emtofaf)!.    @ine  Anjaf)!  feb,r  intereffanter  ©toffe  b,at  ^fcb,trner  mit  toielem  %ki$  be^anbelt 
in  feinen  Programmen:    De  sacris  ecclesiae  nostrae  publicis  caute   emendandis, 
Lips.  1815.     Ecclesiae  et  academiae  Evangelicorum  quid   mutuo  sibi  debeant,  35 
1817.    De  claris  veteris  ecclesiae   oratoribus,    1817 — 1821.     Graeci   et    romani 
scriptores  cur  rerum   christianarum    raro   meminerint,    1824sq.     De  perpetua 
inter  catholicam  et  evangelicam  ecclesiam   dissensione,    1824.     De  causis   im- 
peditae  in  Francogallia  sacrorum  publicorum  emendationis,  1827.  De  religionis 
christianae  per  philosophiam  graecam  propagatione,  1827.    (Snblid;  finb  bie  fe^r  41) 
gefdwtjten  3eitfd}riften  namhaft  ju  machen,   welche  %tfd)ixmx   teils  aßetn,   teils  in  3Ser= 
btnbung  mit  anberen  ©elebrten   Verausgab:   SRemorabilien    für   baS  ©rubrum   unb   bie 
atmtSfüfirung  beS  ^rebigerS,  Seidig  1810—1821,   8  Sbe;    Slnalelten  für  baS  ©tubium 
ber  egegettfetjen   unb   f^ftematifd)en    Geologie,   herausgegeben   toon  ®etl  unb  ^fd}irner, 
Seidig  1812—1817,  3  Sbe,  4.  Sb  herausgegeben  toon  @.  %.  R.  3tofenmüßer  unb  ^fcbyirner,  « 
1820—1822;  2lrd)ito  für  alte  unb  neue  $ird)engefdnct)te  ^ausgegeben  toon  ©täublin  unb 
Ijfd)irner,  Seidig  1813—1822,  5  Sbe,   unb:  Etrct)ent)iftor.  2trd)ito,   herausgegeben  toon 
Stäublin,    ^fetnrner  unb  SSater,    §aße  1823—1826,    jaultet)  4  §efte;    SRaga^in  für 
cbriftl.  ^rebiger,  Seidig  1823—1827,   5  33be.    3Son  ben  galEjIretcben   Auffät^en,   meiere 
^jfct)trner  in   biefen    ober  in  anberen   ßeitfet/riften   toeröffentlicb.te,   ermähnen   mir  nur  50 
folgenbe:  Über  bie  33enu|ung  ber  ©efdjtd)te  in  Äangeltoorträgen  (SJtemorab.  3.33b,  l.©t.); 
Sie  93erfcbtebent>ett  ber  bogmatifdjen  ©t)fteme    lein  §inberniS   beS   gttxdte  ber  Rixdjc 
Ocagajin  f.  ^reb.,  1.  33b,  1  ©t);   Über  ba§  SebürfniS   einer  zeitgemäßen  ^polemil  in 
ber  eb.  ßirdje  (ib.  3.  33b,  1.  ©t.);    2öie  gefc^ar)   eS,    baß  granfreid;   latb.olifd}    blieb? 
(;13öli|,   3abrbüd)er  ber   ©efd)icr,te,   1.  Sb,  3.  ©t.,   1828).  —  3öie  ^fd)irnerS  fd>rift=  55 
ftcHertfd)e  Xf)ätigleit,  fo  nafym  aud;,  unter  bem  ©influffe  ber  Stiftung  unb  beS  ©rfoIgS 
berfelben,  feine  alabemifd)e  unb  b,omiletifcb,e  Söirlfamleit  feit  1815  unb  1817  einen  neuen 
äluffdifoung.    ©einem  ?ßrebigtamt  lag  er  mit  eblent  Sifer  unb  in  fo  erfolgreicher  2Qeifc 
°b,  bafe    er  ben   fjertoorragenbften  ^rebigern  fetner  3eit   beigejäf)lt  mürbe  (bgl.  33b  XV 
2.  096, 2«  ff.).  60 


182  £3fcf)h'l,ei'  lNnquität 

Sjfcfymter  mar  ein  lebensfroher,  fräftiger  vtnb  rüftiger  3S)cann  bon  anfdjeincnb  guier 
©efunbt)eit.  5ßlö|lid)  aber,  im  $ar)re  1.823,  warb  er  bon  einem  rätfelljiaften  23ruftleiben 
befallen,  meines  ber  Äunft  ber  beften  Strjte  Rottete.  Sluct)  bie  Quellen  bon  @ms 
unb  granjensbrunnen  brauten  leine  Teilung.    2lm   2.  gebruar   1828   betrat   er  jum 

6  Ie|ten  9Jcale  bie  Handel  unb  prebigte,  im  23orgefüf)l  feinet  %obes  „bon  ber  Setlnafyme  an 
ben  menfcpcr/en  fingen,  toelcfye  bleibet,  aud)  Wenn  bie  Sebcnsluft  unb  bie  Sßeltliebe  ber= 
geb,et"  (£gf<f)imers  Ie$te  Sßorte  an  t)I.  ©tätte  gefbrod)en,  Seidig  1828).  Waü)  turpem 
Iranfenlager,  entfcfylief  er,  49  %af)n  alt,  am  17.  gebruar  1828. 

®urcf)  feinen  fo  frühzeitigen  £ob  tourbe  %$d)\vmx  berf/tnbert,   manches  fdjon  be= 

10  gonnene  2Bert  ju  boftenben,  manches  erft  borbereitete  (j.  33.  eine  ©dnlberung  ber  Äirdje 
feiner  geit)  auszuarbeiten.  ®ocr;  b)aben  treue  greunbe  fid)  feines  litterarifcfyen  3Zad)Iaffes 
mit  bieler  Eingebung  angenommen.  @ine  2lustoat)I  bon  'Jjfc^irners  Sßrebigten  (aus  ben 
Sauren  1817—1828)  beranfialtete  Slrc^ibialonus  ^ßrof.  ©olbfyom,  Seidig  1828,  3  33be, 
2.  SCufl.  1829,  4  33be.    23on  bem  unbollenbeten  Söerfe  „$er  %aü  bes  £eibentums"  ber= 

15  öffentliche  20.  -Jiiebner  ben  1.  %til  Seibjig  1829.  ®ie  „33ortefungen  über  bie  dmftlicfye 
©laubensler)re"  würben  bon  $.  §afe  herausgegeben,  Seidig  1829.  ®ie  afabemtfdjen  ^ßro= 
gramme  fammelte  Dr.  Söinjer:  Tzschirneri  opuscula  academica,  Lips.  1829.  S)te 
(unboK.)  „^Briefe  eines  £)eutfd)en  an  bie  §erren  6t)ateaubrianb,  be  la  SRennais  unb 
■äJJontlofier  über  ©egenftänbe  ber  Religion  unb  ^olitif"  beröffentlid)te  ^3rof.  $rug,  Seibjig 

20  1828,  eine  frcmjöfifdje  ^Bearbeitung  berfclben  beforgte  Honfiftorialrat  9Jiäber,  $aris  unb 
(Strasburg  1829.  Dr.  ^.  2R.  Sgfdjtrner  t- 


it. 

U6ertitto  be  Gafale  f.  b.  2t.  %-xan%  bon  Iffifi  33b  VI  ©.  211,54. 

ülitquttät  —  Sitteratur:  3tettberg,  Gccam  unb  fintier,  SC^StÄ  1839,  33b  1  S.  69 ff. ; 

25  g.  (St).  Sßaur,  Sie  Set)re  u.  b.  Sreteinigfeit  it.  5öcenfd)tt)eibung  @otte§  23b  III,  2üb.  1843; 
St.  (Sbrarb,  Sa§  Sogma  Dom  b,t.  Stbenbmabt  u.  f.  ©efd).  2  S3be,  grauffurt  a.  Wl.  1845 f.; 
®afjni§,  ®je  Setjre  bom  Slbenbrnaf)!,  Seipjig  1851;  §.  £er>be,  ©efd).  b.  beutfcr).  ^roteft.  in 
ben  Sauren  1555—1581  4  33be,  Harburg  1852  ff. ;  berf.,  Sogmatit  b.  beutfd).  $roteft.  im 
16.  Igaljrtjunbert  3  33be,    ©ottja   1857;    2t.  @c£)roei§ev,   Sie    broteft.  Kentratbogmen   in   it)rev 

30  (htthricfelung.  in  ber  ref.  Sirdje  2  SSbe,  Qüitd)  1854  u.  56;  Siecffjoff,  Sie  eüang.  Slbenbma|l§= 
ie^re  in  ber  8teformation§sett  33b  I,  ©ött.  1854;  ©.  SljomaftuS,  etjrifti  $erfun  u.  2Berf  II, 
2.  Stuft.,  (Sri.  1857;  ©djnecfenburger,  SL-ergl.  ®arftet(ung  be§  luti  u.  ref.  £et)rbegrtff§,  @tutt= 
gart  1855;  berf.,  3ur  firctjl.  etjriftologte,  ^forj^.  1848;  ©.  Steitj,  9(rtt.  £ran§fubfianttation 
unb  Ubiquttät  in  ber  1.  Stuft.  btefeS  SKerteS;  3.  ?f.  Sortier,  (£ntwicleluug§gefd)tc£)te  ber  Seöre 

35  Hon  ber  ^erfon  (Sbrifti  2.  9luf(.,  33-eitin  1854;  ©.  ^titt,  einteitung  in  bie  Stnguftana  2.  £(., 
Erlangen  1867  f.;  g.  .Sp.  9r.  granf,  Stjeologte  b.  eoncorbienformet  4J(e.,  1858— 64;  <g.  @d)mib, 
Ser  Santbf  ber  tutb.  Itidie  um  Sutt)er§  Se^re  ooni  Slbenbmatjl,  Setpjig  1868;  &.  ©djulfi, 
Sie  Sebie  »on  ber  ©ott^ett  ß^riftt,  ©otfja  1881 ;  3.  Äöftlin,  Sutbere  Geologie  2  33be,  2.  Stuft. 
1902;   ®.  ©.  ©05,   Sie   Stbenbma^föfrage   in  it)ver  gefd)id)ttid)en  (£ntintcfelung  1904.    Sopt 

40  bie  Sogmeugefd)id)ten  «on  §arnad,  Sbomafiuä=@eeberg,  (geeberg,  SoofS;  bie  ©efd)id)ten  ber 
prot.  Sbeot.  u.  S.  St.  Sorner,  ©af;  unb  ©.  gianf,  fowte  bie  "neueren  Sogmntifen,  bie  Slr= 
lifet  biefe§  3SerfeS:  Slbenbmnbt  II  (33b  I,  38 ff.),  Gfjriftologie  (IV,  16  ff.),  Communicatio 
Idiomatum  (IV,  254 ff.),  fienofiä  (X,  246  ff.),  ^bitippiften  (XV,  322  ff.),  ©tanb  e^rifti  (XVIII, 
755  ff.),    Stuttgarter  Sljnobe    (XIX,  116 ff.),  Srangfubftantiatiou  (oben  @.  55). 

45  1.  Ubiquttät  ift  bie  bon  ben  Steformierten  getorägte  (33renj,  Opp.  VIII  p.  932  Ed. 
Tub.)  33ejeid)nung  für  bie  bon  Sutfyer  in  bem  großen  Slbenbmab^Isftreit  be^aubtete  un= 
räumliche  (repletive)  Mgegeniuart  bes  Seibes  ß^rifti.  Obwohl  Sutb^er  unb  feine  3Rad}= 
folger  biefe  33eb^aubtung  für  eine  blofje  ^ebriftination  alt!ircb,lic|er  Sel)re  r)ietten  (@2l  46, 
366  bei  Soofs,  ©ogmengefcb;.  4.  Stufl.  ©.  811  3lnm.  5),  fo  ift  eine  foldje  Ubiquität  bod} 

50  roeber  bon  ben  griecb)ifd)en  nod)  Iateinifd)en  33ätern  gelehrt,  fonbern  im  ©egenteil  meb^r= 
facb)  ausbrücflid)  abgeroiefen  toorben.  ©enau  betrachtet  faKen  alte  fd)einbar  ubiquitarifd)en 
Slusfagen  ber  morgenIänbifcb)en  Äircb)en leerer  bon  Drigenes  bis  jum  ©amascener,  aucb)  bie 
ber  Jtabbabojier,  bes  Seontius  unb^obannes  felbft,  unter  bas  genus  idiomaticum  refb. 
apotelesmaticum,   b.  i).  fie  behaupten  auf  ©runb  ber  (Einheit  ber  Naturen  bie  logifcb^e, 

55  nid)t  bie  reale  Übertragung  ber  ©igenfdjaften  einer  Statur  auf  bie  anbere,  alfo  nur  ävri- 
dooig  ober  xoivcovia  xh]oewg  ober  övo/udrcov,  nicb)t  eine  avtidooig  idicojudrcov  im 
eigentlichen  ©inne  bes  2Bortes,   obtoof)!  biefer  älusbrucf  bei  Seontius  unb  bem  5Damas= 


ltbiquitüt  183 

ccncr  toorfontmt  (£oofg  a.  a.D.  ©.  812  Slnm.  1;  ©teitj  a.  a.  D.  ©.  560).  ;3)aS  genus 
majestaticum  bleibt  in  ber  griednfcfyen  ßtrcfye  nod)  unauggefagt.  äluguftin,  beffen  lofale 
äluffaffung  ber  dextera  dei  gegenüber  ber  illoMen  be<§  2)amagcener§  im  Mittelalter 
unb  flötet  bei  ben  Sieformierten  unb  9Mandjtl)on  ©eltung  behalten  fyat  (Srenj:  Cing- 
liani  jactant  suum  esse  robur),  unb  bei  bem  ftcr)  nict)t  einmal  mit  ©icfyerfyeit  bie  ö 
vcaliftifd^e  Sluffaffung  ber  ©egenWart  be<§  £eibe£  @l)rifti  im  Slbenbmab^l  nad)Weifen  läfjt, 
bat  bie  SlllgegenWart  6l)rifti  auf  feine  göttliche  9Zatur  befcfyränft  (in  Joann.  Ev.  50,  13 
MSL  III,  ©.  1703).  Sag  fytnbert  ibjt  natürlich  nidjt,  bon  ber  Dmnibräfeng  „Sfjrifti"  ju 
ftorcdjcn  (de  Gen.  ad  litt.  XII,  35,  66),   ja  beg  totus  Christus  (Epist.  137,  3,  7). 

2.  %üx  bie  ©d>olaftif  gewinnt  bie  grage  ber  Dmnitoräfeng  in  bem  SJfafje  an  ^ntereffe,  10 
ahi  bie  ^ealbräfen^  be£  £eibe3  ßfmfti  im  2Ibenbmaf;l  fid)  Iird^Itct)e  ©eltung  berfdjafft  unb 
bann  in  ber  Xran§fubftantiation<oIefyre   ifyre   Xf>eorte   erhält.    3luguftin   bleibt  babei  in 
cvftcr  Sinie    mafegebenb.    _(§ugo  a  ©t.  $.    de   sacram.  II,  1,  13:    Quod    Christus 
secundum  humanitatem  in  coelo  est,  secundum  divinitatera  ubique).  ®ie  ©d;Wierig= 
feit,  bie  burefy  biefe  Sluffaffung  für  bie  33erftänblid;macr/ung  ber  9tealbräfenj  entftefjt,  bleibt  15 
nod)  Verborgen  (cf.  Qnnoceng  III.  de  sacr.  alt.  myst.  4,  16).   21uf  ben  Sombarben  unb 
iboniag  b.  2lqu.  gewinnt  bie  Unterfdjetbung  be§  £>ama§cener§  jh)ifc§en  bem  ßr/riftug  abo 
totus   unb    totum   ©influfe.    2113  totus  ift  ßb/riftu3  überaß   infolge  ber  (Einheit  ber 
s}krfon,  al3  totum  b.  b-  ^nBegrtff  beiber  Naturen  nid)t.   (©tei|  a.  a.  D.  ©.  561.)   £>a= 
mit  ift  bie  Dmnibräfeng  bes  £eibe3  abgeliefert.    Sie  ^erfon  6b,riftt    ift   eben  nad)  ber  20 
2lnI)bboftafi3  be§  £eontiu§  Wefentlid)  ber  £ogo3.   Sie  ©ottfyeit  folgt  jWar  ber  3Jcmfd)I?eit 
überallhin,  rttcE)t  aber  biefe  jener  (t>gl.  Siel  expos.  can.  miss.  lect.  42  0.).     SDie  9lab= 
berufne  Raffung  ber  ©egenwart  be§  £eibe<§  ermöglicht  nod;  bie  2luffaffung,  bafj  jebelmal 
burd)  ein  9)iira!el  ad  hoc  ber  £eib  au§  bem  Sorot  burdj  bie  Äonfefration  neu  gefcfyaffen 
Werbe.    3lrno  bon  9?eid;er^berg  (geft.  1175)  Iet)nt  ben  ifym  bon  golmar  bon  Xrieffenftein  25 
gemacf)ten  SSorWurf  ber  Ubiquttätslefyre  energifd)  ab   (non  quod  doceamus  sicut  Fol- 
lis  ille    amarus   nobis    imponit,    corpus  Christi   quod  sumimus   non  aliter   in 
tarn  multis  loeis  simul  esse  posse,  nisi  Christus  corporaliter    sit   ubique,    sed 
quod  virtutem  specialem  in  corpore  Christi  essendi  ubi  ipse  voluerit,  praedi- 
cemus.     Et  haec  quidem  facultas  in  eodem  corpore  Christi  etiam  adhuc  mor-  30 
tali  erat,  sed  donec  tempus  dispensatoriae  oboedientiae  transiret,  exercenda  non 
erat  (Apolog.  162  bgl.  $ßa$,  ®@.  b.  9K.  II,  685).    ®a§  Wäre   alfo  9JMtibolibräfenä. 

5Da§  ift  aud)  bie  3luffaffung  be§  £ombarben:  Intelligendum  est,  corpus  Christi 
esse  in  uno  loco,  scilicet  visibiliter  in  forma  humana,  veritas  tarnen  ejus  i.  e. 
divinitas  ubique  est,  veritas  etiam  ejus  i.  e.  verum  corpus  in  omni  altari  est,  35 
ubieunque  celebrandum  est  (bgl.  ©teiij  a.  a.  D.  563).  „@r  beraubtet  alfo  bie  UnU 
bräfen^  be§  ertöten  £eibe3,  bie  Dmnibräfenj  ber  ©ottfyeit,  bie  SDMtibräfenj  beä  fafra= 
mentlicfjen  £eibe§"  (bgl.  bagegen  (Sbrarb,  2tbenbmal)l  I,  493  unb  ®iedl>off,  2IbenbmafyI 
S.  136  mit  ©teit3  a.  a.  D.  563).  £)te§  tft  im  Wef entließen  bie  2lnfdmuung  ber  ©d;olaftif 
geblieben.  Übrigeng  gel)t  au§  bem  2lrno=Sitat  b^erbor,  baft  bod;  bie  gbentttät  beö  eud)a=  40 
riftifcfjen  mit  bem  r/immlifd)en  £eibe  feftgeb^alten  mirb,  ba  boct;  biefem  bie  virtus  speci- 
alis essendi  ubi  voluerit  bittbi^iert  toirb,  it)ien)ob,l  ber  l)immlifd)e  £eib  ganj  nad;  3tna= 
logie  beg  menfcfylidjen  £örber§  gebaut  iourbe,  nur  baf$  er  bo«  biefem  bie  ©igenfcfoaftert 
ber  impassibilitas,  subtilitas,  agilitas,  claritas  boraug  Ejatte.  5Die  fdjtnterige  5ra9c 
roar  nun  bie,  roie  biefer  im  .»oimmel  jirfumflribt  ejiftierenbe,  mit  ben  @igenfd;aften  ber  a 
Quantität  unb  S)imenftonaIität  behaftete  £eib  in  ber  £oftie  anftatt  ber  Srotfubftanj  ^u 
fein  bermöge.  2llbert  b.  ©rof$e  fudjte  fid;  au§  biefer  Kalamität  burd;  bie  Unterf Reibung 
bon  corpus  grossum  unb  corpus  spirituale  ju  Reifen.  9?ur  „per  modum  corporis 
spiritualis"  fei  bag  corpus  gloriosum  Christi  in  ber  §oftie  (£oof3  a.  a.  D.  581  u.  2lnm.  6 
ällbert,  Sent.  1,  13  a.  10  opp.  XVI,  196).  Analogie  roar  ba§  £id)t,  ba<§  bon  einem  Drtc  50 
au§  an  allen  gegenwärtig  fei.  ^n  Serbinbung  mit  ber  fog.  ©ubtntrationStfyeorie  (£oofg 
a.  a.  C.  581)  mufjte  freilief)  biefe  2luffaffung  jugleid;  mit  ber  ^täumlidjleit  bie  Sßirflidtfeit 
beö  Corpus  Christi  in  ber  £oftie  in  grage  ftellen.  Sonabentura  unb  Xb.omaS  fugten 
be^balb  bie  quantitas  dimensiva  corporis  Christi  al§  in  ber  §oftie  gegenwärtig  ju 
erweifen  unb  bamit  biejenige  2luffaffung  ber  ©eingreife  eineg  ^örber§  ju  berbinben,  bie  56 
fbäter  £ccam  al§  esse  diffinitive  bejeid;net  bat:  quando  aliquid  est  in  loco  sie, 
quod  totum  est  in  toto  et  totum  in  qualibet  parte  (©tei£  a.  a.  D.  504;  £oof3 
a.  a.  £.  581,  bgl.  bamit  bie  ältere  2luffaffung  be3  esse  diffinitive  bei  2;bD>"ag  in 
©dmlä,  £Boma3terjton  2.  Stuft.  450.  bgl.  £oofS  a.  a.  D.  ©.  019).  ®cr  äöiberfbrucb., 
ber  fid)  barauö  ergiebt,    beftebt  barin,  bafj   ber  in  ber  §oftie  gegenwärtige  Seil  gugteidf)  60 


184  Itbtquttöt 

quantitativ  unb  nicf}tquantitatit>  borgeftellt  ioerben  mu|,  maS  Sonabentura  offen  genug 
jumutet  „habens  suam  dimensionem"  unb  boct;  „non  dimensive"  (Sent.  4,  10 
art.  un.  qu.  4  conel.  IV,  2236)  —  unb  %i)oma§  bialefttfcf)  gu  rechtfertigen  fudjt  (£oofS 
a.  a.  D.  582).  Dccam  ift  eS,  ber  biefe  auf  ber  realtfttfcfyen  Saum=  unb  QuantitätSlefyre 
5  aufgebaute  £eb,re  bon  bem  ©ein  beS  er.tenfiben  £eibeS  6f)rifti  in  ber  £>oftie  „sed  non 
dimensive"  fritifcfy  auflöft.  Sie  Quantität  ift  tr)m  etma§  ©ubftantielleS,  baS  ein  esse 
circumscriptive  inbolbiert.  %lux  ben  quantitätstofen  Singen  eignet  baS  esse  diffini- 
tive  (bgt.  oben).  SDeö^alb  mufs  ber  Selb  Sfyrifti  als  ein  non-quantum  in  ber  £oftie 
feienb  gebaut  toerben.    Samit  lenlt  Dccam  gu  ber  urfbrünglicl)en  gaffung  *>«  ©cfyolaftii 

10  gurücf,  nur  bafs  er  bie  ©ubintrationStfyeorie  berfelben  burcb  eine  Slrt  SonbenfationStfyeorie 
erfetjt,  ber  gufolge  burcb,  göttliche  SMmacfyt  eine  ©ubftanj  big  ju  ber  räumlichen  2tuS= 
befymmgSlofigfeit  eines  matfyematifcfyen  fünftes  fcerbicfytet  werben  fann.  greittcf;  war  bie 
Zumutung,  bie  Dccam  unb  mit  ifmt  Siel  baburd)  ftellien,  in  jebem  SItom  ber  £»oftie 
ben  bollftänbigen   orgamfdjen   £eib  (Sfcrtftt   mit  ,§aut  unb  paaren   unb   aßen  ©liebern 

15  bunftueß  antoefenb  ju  benlen,  nicf)t  gering  (bgl.  fyierju  ©tei|  im  Slrt.  SLranSfubftantiaiion 
in  ber  1.  Auflage  biefeS  SßerfeS  335 ff.;  Stettberg,  Dccam  unb  £uu)er  a.  a.  D.  ©.  81ff.; 
Dccam,  Sent.  IV  qu.  41it.  E.  G.  H.  K.  L.  unb  tract.  de  sacr.  alt.  ©inleitung  Bo.  D.; 
Siel,  Expos,  lect.  43  O.  P  Q.;  £oofS  a.  a.  D.  619;  ©eeberg  a.  a.  D.  189).  3a  Dccam 
get)t  nocr)  über  baS  esse  diffinitive  beS  £eibeS  in  ber  §oftie  fyinauS.     Stuf  ©runb  beS= 

20  felben  unb  ber  2lHmact)t  ©otteS  folgert  er  in  fbi|ftnbigfter  Sialeftif  toemgftenS  bie  9Jlög= 
licftleit  (rttd)t  2BtrIttdE>Sett  gegen  9Rettberg)  beS  esse  repletive  unb  bamit  ber  Ubiquität 
beS  £etbeS  Sf)rtfti.  (5fiäf)ereS  bei  ©tei$  a.  a.  D.  ©.338 ff.;  £oofS  a.  a.  D.  ©.  619f.) 
(Ir  Iel;rt  alfo  1.  baS  faftifcfye  esse  repletive  ©otteS,  2.  bie  lofale  Unibräfeng  beS  £eibeS 
ßbjiftt  im  §immel,  3.  bie  quantitäiSlofe  bunftuelle  SSJMtibräfeug  beö  £eibeS  (grifft  in  ber 

25  §oftie,  4.  bie  9JJöglicf)feit  ber  Ubiquität  biefeS  £eibeS  im  2111  (Dccam  Sent.  IV 
qu.  4  N.  —  quia  potest  esse  in  diversis  locis  simul  immo  ubique  per  poten- 
tiam  divinam  non  virtute  propria),  Worin  ifym  aber  Siel  nicfyt  gefolgt  ift  (£oofS 
a.  a.  D.  620)  unb  ©erfon  auSbrüd'licr)  Wiberfbricfyt  (bgl.  Hermelin!:  Sie  tr)eoIogtfd)e 
gafultät  Tübingen  :c.  ©.  131  Slnm.  6).     Sin   btefe  bialefiifdje  Urgierung  einer  fyfybo= 

30  tb,etifd;en  Ubiquität  beS  £eibeS  ©Brtftt  burcb,  Dccam  fnübft  £utberS  Segrünbung  ber  Ubi= 
quität  an. 

3.  Sie  urfbrüngltcfye  ©aframentSauffaffung  £utl>erS  ift  gang  an  bem  ©egenfat} 
gegen  baS  römifct/e  opus  operatum  orientiert.  21m  Sufjfaframent  Ijiat  fie  ficb,  gebilbet. 
Ser  ©laube  an  baS  SlbfoIuttonSWort  Wirb  bereits  in  ben  ©ermonen  bon  1516f.  gu  bem 

35  entftfjeibenben  2Roitb.  SaS  Söort  ift  ba§  ÜSkfentlitfje  im  ©alrament,  ber  ©laube  bie 
»ai)re  S)i§^ofition.  „Sacramentum  non  justificat,  sed  fides  sacramenti"  (Sermo 
de  poenit.  1518  2Ö21  I,  314).  Sie  f^ififc^e  faframentliclje  ®ah?f  bie  £utb,er  f^äter 
menigftenS  in  feinen  $rit>atfcf)riften  fo  feb,r  in  ben  Sorbergrunb  rücft,  tritt  nocb,  hinter 
3Bort  unb  ©lauben,  ben  lonftituierenben  Momenten  be§  ß^riftentumS  jurücf.    ©o  aucb, 

4onoc^  in  ben  ©a!rament§fermonen  bon  1519  (SB2UI,  709  ff.  727  ff.  738  ff.).  Sie  $aupU 
facb.e  im  ©alrament  ift  bie  expressa  promissio  divina,  quae  fidem  exercet  (£oof£ 
a.  a.  D.  732  Slnm.  1).  Qebod)  belennt  ficb,  £utb,er  im  2lbenbmaf)I§fermon  »on  1519 
(SßSl  II,  738  ff.)  auSbrM'licb,  jur  Sieatyräfenj  unb  XranSfubftantiation  (©eeberg  a.  a.  D. 
272f.).    Sie§  änbert  fiel)  1520  in  ber  ©d;rift:  De  captivitate  babyl.  (2M  VI,  484 ff.). 

45  2öäf)renb  fner  baS  alte  ©ett)icl)t  auf  bie  promissio,  ba§  verbum,  bie  ©ünbenbergebung 
unb  ben  ©lauben  fällt,  als  baS  ©emeinfame  in  allen  ©alramenten,  bem  gegenüber 
fpe^iell  im  Slbenbmafyle  baS  „ßffen"  gurücltritt  (©eeberg  a.  a.D.  274),  wirb  bie  „%ran§= 
fubftantiationSlefyre  bureb,  bie  bereits  bon  Dccam  em^fofilene  ^onfubftantiationStb,eorie  er= 
fe|t"  (£oofS  a.  a.  D.  735),    ofme   jeboeb,    jum  ©laubenSartifel  gemalt  ju  Ir-erben.    Sluf 

so  bie  Serftänblicfymac^ung  ber  9Jtöglicf)feit  -biefeS  SeifammenfeinS  bon  Srot  unb  £eib  roirb 
auSbrücHirf;  toergte^tet,  bie  ^£E>atfact)e  als  allgemein  cb.riftlic^  aber  feftgef)alten.  Sie  Jlon= 
fubftantiationStb,eorie  befagt  an  ©teile  ber  Serwanblung  ber  Srotfubftan^  in  ben  £eib 
(S^rifti  bie  fubftantielle  toeEiftenj  bon  Srot  unb  £eib.  Slnalogie  ift  bie  fubftantielle  Äo= 
ejiftenj  ber  beiben  Naturen  gtirifii  in   einer  ^erfon  (©te«3,  Ubiquität   565).     2tucb,    bieS 

55  nacb,  bem  Sorbilb  ber  ^mpanationStfyeorie  ber  ©cb.olaftii  SaS  ©ein  beS  £eibcS  im 
Srot  toirb  öorgeftellt  nact)  ber  SBeife  beS  esse  diffinitive  DcamS,  fo  bafj  ber  gange  £eib 
unauSgebeltnt  in  jebem  ^eil  ber  §oftie  gang  borfyanben  ift.  SaS  alte  Silb  bom  glüb,en= 
ben  ©ifen  taucht  mieber  auf.  3U  "nem  ^trtauggeben  über  biefe  bon  Dccam  bereitgcftellte 
SorfteHungSroeife  mar  gunädjft  für  £utl»er  fein  ©runb  oorfyanben,   ba   bie  ©act)e  felbft 

eo  unbeftritten  toar.    Siefer  unb  bamit  baS  3)?otib  gur  UbiquitätSleb,re  ftellte   ficb,    erft  ein, 


ttWqnttät  185 

nad)bem  bon  feiten  ÄarlftabtS  unb  bann  groingliS  bic  Slealbräfeng  bc§  SeibcS  geleugnet 
unb  eregetifd;  tote  ^if)tIofo^^ifd^=tl;eoIogtfc^  totberlegt  tourbe.  ®a€  ©igttal  ju  bem  großen 
:!lbenbmar/lsftrett  gab  ^arlftabt  burd)  feine  Toi>To-@Eegefe,  bie  bie  3?eal^räfenj  aufhob. 
3>3  toar  allerbingg  für  Sutb/er  ein  frebelb/afteS  Stntaften  beS  2ttterr/eiligften,  beS  6r)riftu& 
toortes.  ©einer  Söarnung  „an  bie  ©Triften  p  ©trafeburg"  (15.  Sejember  1524,  ©St  53,  5 
270 ff-),  bie  aud)  baS  berühmte  ©eftänbmS  (©.  274)  enthält,  folgt  alSbalb  bie  erfte  grofce 
bolcmtfcfye  ^benbmal)I§fd)rift:  SBiber  bie  I)tmml.  ^robb/eten  bon  ben  Silbern  unb  ©afra= 
menten  (G21  29,  134  ff.).  ®er  ertgetifcJje  255irflid)feitöfinn  Sutb/er§  erfcfyeint  Jjter  neben 
einer  unerreichbaren  bolemifctjcn  (Sabe  in  feinem  glänjenbften  Sidjt.  ©iefe  ©cbjift  ent= 
halt  bie  erfte  Segrünbung  ber  fog.  ftmefbocfyifcfyen  Sluffaffung  ber  9tealbräfen;$,  ja  aud)  bic  10 
erften  Slnbeutungen  ber  Ubiquität3ler)re.  ©rftere  fann  fner  nur  !urj  berührt  toerben 
(toeitercS  bor  allem  bei  SDtedr/off  a.  a.  D.  ©.  368  ff.).  Sutfyer  toul  unter  bem  rovro 
jtoar  baS  33rot  berftanben  toiffen,  aber  nicfyt  als  auSfcfyliefjticfyeS  33rot,  fonbern  fofern  eS 
bereite  mit  bem  Seibe  (S^vifti  eine  faframentlicfye  ©infyeit  bilbet,  alfo  baS  ©anje  bon  Srot 
unb  Seib.  ®abei  ift  aber  &u  beachten,  bafs  baS  rovro,  alfo  bie  faframentlidje  @inl)eit,  15 
nief/t  cttoa  erft  baburd)  &u  ftanbe  lommt,  bafe  baS  Srot  gebrochen,  gereicht  unb  bon  bem 
})(unbe  aufgenommen  toirb,  alfo  burd)  bie  §anblung,  ben  usus.  @§  ift  nidjt  baS  „ge= 
banbelte  33rot",  fonbern  nact)  Sutb/erS  au§brüdlid)er  Gsrflärung  ift  ber  Seib  bereits  im 
33rot,  alfo  baS  rovro  fd)on  ba,  efye  ba<3  23rot  gebrochen  roirb  „unb  muf?  ja  im  23red)en 
(ber  Seib)  fein  brinne  getoefen,  ^auluS  lüge  benn  (280)"  35aS  ungebrochene  SBrot  in  20 
ber  öanb  $efu  ift  baS  rovro,  infofern  eS  fcfyon  ben  Seib  enthält.  $)ie3  ift  toidjtig  für 
bie  ÜbiquitätSauffaffung  SutfyerS.  ü&kmt  ßbjiftuS  alfo  fagt:  bieg  ift  mein  Seib,  fo  nimmt 
er  ba§  totum  (SBrot  unb  Seib)  pro  parte  (Seib).  ®a3  ift  bie  —  fbäter  bon  9Mand)= 
tbon  mobifi^ierte  —  ©r/nefbocfye  Sutb>r3  (@3l  29,  266  ff.  30,  298  f.).  ^ntoiefern  bie 
babei  herangezogenen  3lnaIogien  (feuriges  @ifen,  befeelter  Seib,  ©ottmenfd^eit,  $inb  in  25 
ber  Söiege  jc.)  ber  Skranfdjaultcb/Ung  ober  gar  bem  Setoeife  bienen,  fümmert  uns  r)ter 
ntd^t.  3)aS,  toorauf  eS  anfommt  für  Sutt)er,  ift  einerfettS  bie  2Birflid;fett  ber  ^ßräfenj  beS 
SeibeS  im  33rot  fid^ufteHen,  anbererfeits  gleichzeitig  eine  grobe  unb  äufcerlidje  ^benti= 
fifation  unb  SBermifdmng  ber  beiben  ©ubftanjen  auSjufdrtiefsen  (@2l  30,  298 f.).  Sutb/er 
roiH  alfo  bie  übernatürliche  fa!ramentale  Gühtr/eit  bon  SBrot  unb  Seib  unbefdjabet  tfyrer  30 
fubftantieüen  ÜBerfdnebenfyett  unb  Integrität  in  bem  rovro  feftb)alten. 

3ur  SBegrünbung  ber  Ubiquität§lel)re  unb  bamit  %u  einer  nid}t  nur  für  bie  2tu§= 
bilbung  ber  Iutl;erifd)en  Slbenbmaliföle^re,  fonbern  aud}  für  bie  gortbilbung  ber  ßb^rifto= 
logie,  ja  für  bie  gefamte  Iird)licr)e  unb  fird)enbo!itifd)e  ©nttoidelung  ber  ©inge  fo!gen= 
l'djtoeren  bogmatifd;en  Seftimmung  rourbe  Su%r  erft  burd;  ba§  luftreten  groingliS  unb  35 
DefoIambabS  gegen  bie  Stealbräfenj  be§  Seibe§  im  2tbenbmar/l  gebrängt,  ©ie  erften  3ln= 
beutungen  biefer  Sel)re  finben  ftdt)  ^roar  nid)t  bor  bem  ^ah,™  1525  (mit  ©tei|  a.  a.  D. 
5ii8  gegen  ^omafiu§,  ®iedb,off,  Hübel  in  ^9J@2  2trt.  Ubiquität  122),  roob/I  aber  bereits 
in  ber  ©d)rift  roiber  bie  r)tmmltfd;en  ^robfyeten.  ®enn  wenn  t)ier  bon  ©b>tftu§  gefagt 
tnirb,  ba^  er  „altentb/alben  fei  unb  alles  erfülle",  „an  aßen  Drten,  ©tätten,  Reiten,  40 
"Ikrfonen  frei  fei",  fo  würben  biefe  Slusjagen  burd;  bie  23efcr)ränrung  auf  bie  göttliche  9Jatur 
(Sfyrtftt  jebe  SSeiocigfraft  für  bag,  roa§  fie  bemeifen  foltert,  nämlid;  bie  leibliche  ©egentoart 
berlieren  (@3l  29,  293  ff.),  ^nbeffen  ift  jujugeben,  bafc  eine  au§brüd'Iicb,e  Sebre  bon 
ber  Ubiquität  erft  bureb,  ben  „©ermon  bom  ©alrament  be§  SeibeS  x"  bom  29.  2Rär(^ 
1526  (621  29,  328ff.,  2S2(  XIX,  482 ff.)  angebahnt  unb  in  ben  großen  bolcmifdien  45 
©Triften  gegen  ^mingli  unb  Defolambab,  „bafe  biefe  2öorte,  ba§  ift  mein  Seib,  nod; 
foftfteb,en"  bom  SJfärj  1527  (@3l 30,  19 ff.;  2B21  XXIII,  28 ff.)  unb  bem  (großen)  „33e= 
fenntnis  bom  Slbenbrnab/I"  bon  1528  (@2t  30,  151  ff.)  aufgeführt  ift.  Sut^er  fyat  fein 
Eingreifen  in  ben  bereits  aufgebrochenen  Slbenbmab^Iäftreit,  folange  e§  ifym  innerltct)  mög= 
licb^  roar,  berjögert,  um  roo  möglid;  ben  33rud;  ju  bermeiben.  6r  mifd;te  fid)  be^balb  50 
junäd^ft  nicJjt  in  ben  ©treit  Sugenb/agenS  unb  ber  ©d>roaben  mit  3tbingli  unb  £rfv- 
bombab.  ^n  feinem  ©ermon  bom  2tbenbmabl  unb  ber  SSorrebe  ju  bem  beutfd;en  ©^>n= 
gramma  befämbfte  er  groar  groingliS  „significat"  unb  DeloIambabS  „figurä  corporis", 
jebod)  ofme  9?amen  ju  nennen,  (gr  roar  inbeffen  bereits  jum  Vorgeben  entfcb>ffcn  unb 
mit  ber  erften  ©treitfdt>rift  gegen  ^roingli  fertig,  als  beffen  „amica  exegesis"  unb  65 
„friinblid)  Serglimbfung  jc."  feine  2lbreffe  erreid)ten.  ®amit  entbrannte  ber  S?ambf  mit 
%Iit  unb  ©ublif. 

©egen  bie  beiben  £>aubtangriffe  ber  ©egner  berteibigt  £utl)er  bon  bornf)crein  bie 
Sealbräfenj  beS  SeibeS  gegen  ben  Sorrourf  ber  ätbfurbität  unb  ber  Unnötigfett.  ©0 
Jftfiel  feine  boIemifd;e  Aufgabe  bon  felbft   in   eine  cj;egetifd)c  unb  eine  bogmatifd;c.    X'xc  60 


186  ttbtqmtät 

leitete  ifi   e§,    mit  ber  Wir  un§  ju  befcfjäftigen   f>aben.     ©cnn   fte    enthält  bte  Ubiqui= 

Qnbem  Sutfyer  bte  mafjrr/aftige  ©egenWart  be§  Seibe<§  ©l)rifti  in  ber  £>oftie  feftbjelt 
al§  an  einem  unabänberlicfyen  ©Iaubens>artilel,  ber  burd)  bie  (Schrift  geftellt  fei,  lag  if)m 
5  ebenfofe^r  barem,  bie  Wal)re  Seiblicbjeit  be§  Seibc3  feftjur/alten  ab?  alle  grobfinnlidjen 
aSorfteßimgen  bon  t^r  fernzuhalten.  3)er  Seilt»,  ber  im  2lbenbmafyl  gegeben  wirb,  ift  „ber= 
f eibige  Seib,  gleich  ba  er  auf  ©rben  ging"  (@2I  30,  203).  2lud)  ift  fein  »lut  „nidjt 
©abrief  ober  2Jtid)ael3  93lut  Worben,  ba  er  unfterblid)  Warb,  fonbern  ift  begfelbigen 
©bjiftuS  33Iut  geblieben"  (ib.  287).    2tber  biefe  Realität  be§  Setbe§  unb  Slutei  ©firifii 

10  forbert  nidjt,  wie  bie  ©egner  unterteilen,  bie  Qbentität  beweiben  mit  unferem  eigenen 
gleifd)  unb  33Iut.  5JMt  bitterer  3rt>nie  geißelt  Sutfyer  immer  Wieber  bie  ©ebanfen  berer, 
bie  fid)  bon  bem  Seibe  Gfyrifti  eine  fleifct/Iicfye  SSorfteltung  madjen  ober  tb,n  imputieren 
Wollen,  ©fyrifti  Seib  ift  „au§  bem  ©eift  geboren  unb  ift  fjeilig,  barum  mufj  er  gemifjlidj» 
nid)t  gleifd),  fonbern  ©eift  fein"  nad>   bem  ©brueb,  ©I)rifti,   roa§  bom  ©eift  geboren  ift, 

15  ba§  ift  ©eift  (2Ö21  XXIII,  201).  „3ft  nun  Sr,riftu§  ^leifd)  au$  allem  gleifd)  au3= 
gefonbert  unb  allein  ein  geifilicb.  gleifcb;  bor  allem,  nicfyt  auä  ^leifcb.  fonbern  au§  ©eift 
geboren,  fo  ift£  aud)  eine  göttliche  ©peife"  „©ein  gleifd;  ift  nicfyt  au§  gleifd)  nod) 
fletfdjlid),  fonbern  geiftlid),  barum  fann  e£  nicfyt  berget^ret,  »erbauet,  bertoanbelt  Werben, 
benn  es>  ift  unbergänglid),   Wie   aHes>  mag   au$  bem  ©eift  ift.    Unb  ift  eine  ©beife  gar 

20  unb  gang  anberer  2lrt,  benn  bie  bergänglicb/e  ©beife"  (ib.  2G3).  „SDarum  foDC  gmingel 
nidjt  alfo  fcfyliefjen:  2öirb  ©briftuä  gleifd)  gegeffen,  fo  Wirb  nichts  benn  gleifcb,  braug.  ©oId)e3 
gilt  mofyl,  Wenn  man  bon  Stinbfleifd)  unb  ©aufleifd)  rebet  unb  ©abernaiten  reben  fo, 
fonbern  alfo:  Wirb  (Sbrtftug  ^leifcf)  gegeffen,  fo  roirb  nichts  benn  ©eift  brau§,  benn  e§ 
ift  ein  geiftltd)  gleifdi  —  unb  giebt  ben  ©eift,  bem  ber  e§  tfjt"  (205).    (§ieran  fcf)Iief$t 

25  ftd)  bie  2luffaffung  be§  faframentalen  Seibe3  als*  cpaQfxaxov  adavaaiag  an.)  2öeil  alfo 
ßfmfti  Seib  ein  „geiftlid)  $leifdj>"  ift/  fo  oarf  m&n  Ü)"  ntd^t  borftellen  nad)  ber  „groben 
begreiflichen  Söeife"  (226).  ®ie  Slttribute  ber  ©röjje  unb  2lu§bebnung  gelten  niefot  bon 
tfym  unb  für  ifm  (221).  ©3  ift  ganj  unb  gar  nad)  Sutl)er  ein  2lu3nat)meleib.  ©r  „um= 
jäunet  bie  ©ottfyeit  md)t"  „gleicf;  als  wenn  ein  ©trobfarf  boll  ©trol)  fteeft."   „©a  mürbe 

30  freilid}  (Sbriftu^  Seib  ein  lauter  ©ebid;t  unb  ©efpenft  fein"  (221).  @r  fyat  ein  „über= 
natürlichem  2Befen"  (215). 

SBeil  nun  ber  Seib  ein  geiftlid)er  unb  übernatürlid;er  Seib  ift,  fo  folgt  äunäcfyfi  für 
Sutfyer  barauö  jtoeierlei.  (Einmal,  ba^  il)m  alle  ©inge  „gegenmärtig  unb  burcr/läuftg" 
finb  (©21  30,  210),   fo  bafs   er  in  fie  fnneinrommen  unb  burd;  fie  l)inburd)fab^ren  lann, 

35  ofme  „ein  Sod}  ju  madjen"  (35321  XIX,  490).  @r  ift  ©nergie,  ol;ne  5ÖJaterie  ju  fein, 
ßurn  Semeife  beffen  beruft  fid)  Sutljer  ftet§  auf  ba3  kommen  be§  2luferftanbenen  burd) 
berfdjloffene  ^l)üren  unb  ben  berfiegelten  ©rabes>ftein.  „9cun  b^aben  mir  flare  ©djrift, 
bafe  ©brtftuä  su  feinen  Jüngern  lam  burd;  berfd}Ioffene  %i)üx  unb  au§  feinem  ©rabe 
aud}  burd)  befiegelten  ©tein.    @r  fei  nun  burcp  genfter  ober  "Xljüx  f>inein  !ommen,   fo 

40  b^at  fein  Seib  unb  baö,  baburd;  fein  Seib  gefcfymunben  ift,  jugleid}  an  einem  Drt  fein 
muffen,  beibeS  unberfe^rt  unb  unbertoanbelt"  (2B21  XXIII,  147).  „Söie  ber  berfiegelte 
©tein  unb  bie  berfcfyloffene  2$)üx  unberänbert  unb  unbermanbelt  blieb  unb  bod)  fein 
Seib  jugleid)  mar  an  bem  Drt,  ba  eitel  ©tein  unb  §olj  mar,  alfo  ift  er  aud)  im  ©alra= 
ment  gugletct),  ba  33rot  unb  Söein  ift,  unb   boa)  Srot  unb  Sffiein  für  fid;  felbft  bleiben, 

45  unbermanbelt  unb  unberänbert"  (©21  30,  208  f.,  bgl.  213.  214.  2 15  ff.).  SBeiter  aber 
folgt  für  Sutb^er  au§  ber  Übernatürlid)feit  be3  Seibe^,  ba^  er  aufy  in  bem  fleinften  2ltom 
ganj  unb  gar  fein  fann,  olfme  bod)  bon  iljmi  umfd^Ioffen  ju  merben.  S)er  „grofee  Seib" 
lann  in  einem  „fleinen  ©tue!"  fein  „baju  ungeteilt  unb  gan^"  in  einem  jeglichen  ©tüd 
(@2l  29,  497).    „@r  mifet  fid}  ntd;t  ab  naef»  bem  ffiaum  beg  DrteS,   ba  er  ift,   fonbern 

50  !ann  etma  biel  3Raum§  etma  menig  Staum  einnehmen"  (©21  30,  208).  @r  marb  barum, 
Wenn  ba£  Orot  jerbrocb,en  Wirb,  ntcr)t  mit  jerbrod)en  (©21  29,  281),  fonbern  bleibt  ganj 
in  jebem  aud)  bem  lleinften  Sleild^en.  2luf  fold;e  Söeife  ift  aud;  bie  ©eele  im  gangen 
J^örber  unb  bod)  aud}  ganj  unb  gar  in  jebem,  auä)  bem  fleinften  J?örberteil  (23321  XIX, 
487).    %a,  ba<§  ift  bie  2öeife,  auf  bie  bie  ©ngel  unb  ©eifter,  ja  felbft  bie  ©amonen  unb 

55  ber  Teufel  an  „©tätten  unb  Drtern  fein  fönnen"  (@2l  30,  208). 

Wät  biefer  Segrünbung  ber  Honfubftantiation  b,ält  fiel)  Sutfyer  nod;  ganj  innerhalb 
ber  ©renken  oecamiftifeber  2luffaffung.  ^a,  er  bebient  fieb,,  Wie  leicht  ju  feben  ift, 
fd)o!aftifd;er  2lrgumentation.  @g  ift  ba§  2Befen  be§  „esse  diffinitive",  ba§  er  b,ier  mit 
auäbrücf lieber  Benennung  be§  Xerminug  befcfjreibt,   Wie   eg  Dccam  beftniert  b,at  (©21  30, 

eo  208).      ©iefe   ©einSWeife    erflärt   aber    nur,    Wie    e§    möglid)    fei,    bafe    ein  leibliche! 


ttbtquüüt  187 

ÜBcfen  in  materiellen  ©ubftan§cn  ofmc  fid;  unb  fie  ju  beränbern  bräfent  fein  fann.  gur 
(Srlcbigung  ber  Weiteren  gragc,  tüte  nun  ber  Seib  (grifft  im  £immcl  unb  ^ug(eid)  in  ber 
yioftic  fein  fbnne,  ja  in  willigen  §oftien,  bebarf  fie  be§  9Jcfurfe3  auf  bie  2lIImad;t 
©ottcä  unb  ergiebt  bann  bie  fd;oIaftifd)c  9JMtiboIibräfen3  (ib.  f)  aud)  für  Sutfyer.  ^mmer 
mieber  beruft  fieb.  Sutfyer  barauf,  bafs  man  glauben  muffe,  bei  ©ott  fei  fein  ©ing  un=  6 
meglidi  unb  barum  aud;  biefeS  ntd;t,  bafs  ber  fnmmlifdjie  Seib  in  ber  ftoftie  fein  fbnne. 
Ta*  fcböbferifcf,e  355ort  unb  Sefeb,!  ©otte§  ift  eS,  ba§  foW&eS  bewirft  (35521  XIX,  487- 
48!i.  490f.  493;  @3l  30,  200).  ©Ott  roill  e§  fo  tjaben  (25521  XIX,  495)  unb  mir 
muffen  c3  glauben,  bafs  ib,m  bieg  Sfiunber  nid)t  unmbglid)  fei. 

$ft  nun  Sutfyer  aueb,  ber  Meinung,  bafs  ba<§  esse  diffinitive  unb  bie  SRuIttboIibräfcns  10 
unter  bem  ©eficr)t3bunft  ber  Dmnibotenj  ©otte<§  bem  ©lauben  genügen  muffe,  fo  roeijj  er 
bod)  nod}  eine  ftöfyere  Sßeife  ber  23erftänblid;mad)ung  ber  9?ealtoräfen3  be§  erbeten  Seibeg 
gegen  bie  ©egner  auSjufbielen.  Unb  bamit  nun  ge|t  er  über  bie  occamiftifdje  2lrgumen= 
tatton  t)inau§,  inbem  er  jugleicb,  an  fie  anfnübft.  @r  min  bamit  ben  entfeticibenben 
©egengrunb  ber  355iberfad}er  treffen,  ben  „b,od}berüf)mten  ©runb:  Gf>rtftu3  filjt  im  £jimmel  15 
unb  fein  Seib  ift  im  2lbenbmat>l"  (35521  XXIII,  119).  ®a3  esse  diffinitive  fteigert  er 
juni  esse  repletive,  bie  SDMtibolibräfenä  jur  Dmnitoräfeng.  ©eine  Mittel  finb  1.  bie 
fbmbolifcfye  Deutung  ber  „Sftedjten  ©ottes>",  2.  bie  ®urd)fül)rung  ber  ^biomenfommuni= 
fation. 

TaS  esse  diffinitive  unb  bie  SJMtibräfenj  belogen  fidb,  bermittelft  ber  göttlidEjen  20 
2lllmad)t  aueb,  auf  bie  ©ngel  unb  ^Dämonen.  2lud)  fie  Vermögen  an  Dielen  Orten  311= 
gleid)  ju  fein,  baju  im  §immel,  babei  an  jebem  Orte  gang.  §ür  ben  Seib  ßfyrifti  giebt 
e3  aber  nod)  eine  „biel  fjöljere  unb  übernatürliche  S55eife",  benn  biefe,  bie  feinem  Seibc 
fdjon  auf  Srben  ju  ©ebote  ftanb.  „®er  ©eift  mufs  nur  bjer  ftel)en  unb  befennen,  bafs 
(5f>rtfii  Seib  gar  biel  ein  b,öb,ere§  unb  übernatürliche!?  255efen  f)abe,  ba  er  mit  ©ott  eine  20 
$erfon  ift,  benn  ba  er  fjaite,  ba  er  im  berftegelten  ©tein  unb  Ifyüx  mar,  fintemal 
ba3  bie  fjöcbjte  2S5eife  unb  3S5efen  ift  unb  nid)t§  f)öb,ere€  fein  fann,  benn  bafs  ein 
DJienfcb,  mit  ©ott  eine  $erfon  ift.  ®enn  bie  anbere  355eife,  mie  @fjriftu§  Seib 
im  ©tein  mar,  wirb  aud)  allen  ^eiligen  im  Fimmel  gemein  merben,  bafs  fie  mit 
ifjrem  Seibe  bureb,  alte  Kreaturen  fahren ,  gleiclimie  fie  f dmn  je|t  allen  ©ngeln  30 
unb  Teufeln  gemein  ift,  benn  ber  @ngel  fam  gu  ^5etro  in  ben  Werfer  2ltof  12,  7,  fo 
fommen  bie  ^oltergeifter  täglicf)  in  berfcbloffene  Kammern  unb  Äemnaten"  (@2l  SO, 
2 15 f.).  ,,-Oietne  ©rünbe  aber,  barauf  id)  fteb,e  in  folgern  ©tüde,  finb  biefe:  ®er  erfte 
ift  biefer  2trtifel  unfere§  ©laubeng,  3efu§  Sb,riftu§  ift  toefentlicb,  natürlicher  mab,rb,aftiger 
bölliger  ©ott  unb  JjJenfd)  in  einer  $erfon  unjertrennt  unb  ungeteilt.  ®er  anbere,  ba|  so 
®otte§  9f{ecf;te  aßentbalben  ift"  (@2l  30,  207).  ©ie§  ledere  mar  e§  gerabe,  ma3  bie 
©egner  beftritten.  ©ie  folgten  barin  ber  bon  Sluguftin  unb  bem  SRittelalter  überhaupt 
Vertretenen  lofalen  2luffaffung  ber  dextera  dei.  Sei  Sutb,er  beutet  in  feinen  früheren 
idiriften,  meber  in  ber  erften  ^5falmenau§legung  bon  1513 ff.  (3552t  IV,  227 ff.)  noeb, 
fbäter  irgenb  etroa§  barauf  b^in,  ba^  er  biefe  2tuffaffung  aufgegeben  ^atte  (»gl.  @2l  40, 1  ff.).  40 
3e|t  aber  menbet  er  fieb,  fiegreieb,  mit  allen  355affen  feinet  ©cb,arffinn§  unb  fetner  3^onte 
gegen  fie.  ®ie  gegnerifcb,en  ©ebanfen  bon  ber  Steckten  ©otte§  finb  „finbifcb,  unb  fleifd)= 
litt}"  (35521  XXIII,  131).  ®ie  „Siebte  ©otte^"  ift  fein  „fonberlicr,er  Crt",  fonbern  bie 
„allmächtige  ©etoalt  ©otte§,  meiere  äugleid)  nirgenb  fein  fann  unb  boeb.  an  allen  Crten 
fein  nmfs"  (133).  „2llfo  fann  ja  bie  Steckte  ©otte^  nid)t  eine  Kreatur  fein,  fonbern  45 
mu|  etma§  über  unb  aufeer  allen  Kreaturen  fein.  ®ag  ift  aber  nid)t,  benn  ©ott  allein 
felbft  —  brum  mufj  auc^  ba§  mab,r  fein,  bafe  ©otteg  S^ecb.te  £>anb  allenthalben  in  allen 
fingen  ift"  (143).  ®ie  SRed;te  ©otteg  bebeutet  alfo  bie  unräumlid)=br/namifd)e  2lllgegen= 
ipart  ©otte§.  ©ie  befagt,  ba^  ©ott  nidjt  „ein  foleb,  au^geftredt  lang,  breit,  bid,  fyod), 
tief  355efen  fei,  fonbern  ein  übernatürliche^  unerforftt)Iicf)e<3  S5?efen,  ba§  jugleicb,  in  einem  50 
jeglichen  Äörnlein  ganj  unb  gar  unb  bemnacb,  in  allen  unb  über  allen  unb  aufjer  allen 
Kreaturen  fei.  ®aran  bebarf  e§  feinet  Um^äunenö,  mie  ber  ©eift  träumt.  SDenn  ein 
Seib  ift  ber  ©ottb,eit  biel,  fcnel  ju  meit  unb  fbnnten  toiel  taufenb  ©ottf;eiten  barin  fein, 
toieberum  aueb,  biel,  btel  ju  eng,  baf$  nicb,t  eine  ©ottb,eit  brinnen  fein  fann.  Dcidt«  ift 
fo  flein,  ©ott  ift  nod}  fleiner,  nichts  ift  fo  gro^,  ©ott  ift  noeb,  größer  2c."  (221)  —  55 
eine  unübertrefflid}  roafyre  unb  großartige  2lnfd;auung  bom  355efen  ©otte§,  bie  bie  gan^e 
bem  Mittelalter  fiegreid}  überlegene,  eci)t  moberne  ©röf5e  be§  ©eifte^  Sutber»  offenbart 
für  ben,  ber  fefjen  mitl.  35er  ©i;llogigmug  bei  Sutljer  ift  nun  ber:  „(5I)riftu<o  Seib  ift  jur 
Steckten  ©otteö,  bas  ift  befannt.  ®ie  9ted)tc  ©otteö  aber  ift  an  allen  (inben  —  fo  ift 
fie  gemipeb,  aud;  im  33rot  (143).    2llfo  ift  (SfyriftuS  im  23rot"     2)arum,  „menn  (SbriftuS  eo 


188  Ubtquüiit 

im  2lbertbmafyl  btefc  3Borte,  bag  ift  mein  Seib,  gleid)  Wie  gejagt  fyätte,  fo  ergingen  bod; 
biefe  äöorte:  ©fjriftug  ft|et  %ux  5ied;ten  ©otteg,  bafs  fein  Seib  unb  Slut  ba  mögen  fein, 
wie  an  allen  Drten  unb  ~eg  bebarf  Weber  einer  STrangfubftantiation  unb  23erWanblung  beg 
Sroteg  (145)".  „2flfo  eg  ift  nid)t  Wiber  einanber,  fonbern  ber  ©djrift  unb  bem  ©lauben 
5  gemäf?,  bafs  ©fyriftug  Seib  gugleid;  im  §immel  unb  im  2Ibenbmal;I  fei.  Unb  ift  gegrünbet 
eigentlich  im  1.  2lrtifel,  ba  Wir  fagen:  Qd;  glaube  an  ©Ott  ben  93ater,  aßmäcfytigen 
©djöbfer  k."  (153). 

2lber  nid;t  nur  bom  Segriff  ber  dextera  dei,  fonbern  aud;  bon  ber  ©fyriftologie  aug 
erreicht  Sutfyer  biefeg  9tefultat,    bafj  ©fyriftug  Seib  immer  gleich  Wie  ©ott  felbft  aßgegen= 

10  toärttg  fein.  $m  großen  Sefenntnig  füfyrt  Sut^er  bag  burd).  ©ag  Argument,  bag  er  immer 
Wieber  geltenb  macfyt,  ift  bieg:  ©ie  gWeinaturenlefyre,  bie  ©infyeit  ber  $erfon  in  ber  $Wei= 
I;eit  ber  Naturen  forbert  bie  ^ßartijibation  ber  erbeten  STienfdjfyeit  ©Ijrtfti  an  ber  2111= 
gegenWart  ©otteg.  „9?un  aber  ein  folcfyer  SJcenfcr)  ift,  ber  übernatürlich  mit  ©Ott  eine 
^ßerfon  ift  unb  au^er  biefen  SRetxfc^en  fein  ©ott  ift,  fo   mufe  folgen,   bafs  er  aud;  nad; 

15  ber  übernatürlichen  SBeife  fei  unb  fein  möge  allenthalben,  Wo  ©ott  ift,  unb  aßeg  burd} 
unb  Doli  ©fyriftug  fei,  aucf;  nad;  ber  SRenfd^eii,  nid;t  nad;  ber  erften  leiblichen  begreif= 
liefen  Söeife  (esse  circumscriptive  seu  locäliter),  fonbern  nad;  ber  übernatürlichen 
göttlichen  SBeife.  ©enn  fyier  muf$t  bu  fielen  unb  fagen :  ©t)riftug  nact)  ber  ©ottb,eit,  Wo 
er  ift,  ba  ift  er  eine  natürliche  göttliche  ^ßerfon  unb  ift  aud;  natürlid;  unb  göttlid)  bort= 

20  felbft  —  ift  er  nun  natürlid)  unb  berfönlid;  Wo  er  ift,  fo  muf?  er  bafelbft  aud;  9Jienfd; 
fein,  ©enn  eg  finb  nicfyt  jtoo  getrennte  $erfonen,  fonbern  eine  einige  unzertrennliche 
^ßerfon.  Unb  roo  bu  fannft  fagen:  fyie  ift  ©ott,  ba  mufjt  bu  aud;  fagen:  fo  ift  ©b,rtftug 
ber  SRenfcr;  aud;  ba  (©31  30,  211).  „Unb  eg  foßt  mir  ein  fcfyledjter  ©I)riftug  fein,  ber 
nidjt  met)r  benn  an  einem  einzelnen  Ort   gugleid;   eine  göttliche  unb  menfd;Iid;e  ^Serfon 

25  märe,  unb  an  allen  anberen  Drten  müfjte  er  allein  fein  blofjer  abgefonberter  ©ott  unb 
göttliche  ^ßerfon  fein.  9cein  ©efeße,  roo  bu  mir  ©ott  Innfetjeft,  ba  muf$t  bu  mir  bie 
9Jcenfd;I;eit  aud;  t;infe£en,  fte  laffen  fid;  nid)t  fonbern  unb  boneinanber  trennen.  ©g  ift 
eine  ^erfon  Werben  unb  fcfyeibet  bie  3Renfd;i;eit  mct)t  bon  fid;,  Wie  SCReifter  §an§  feinen 
$Rod  augjeugt  unb  Don  fid;  legt,  Wenn  er  fd>lafen  geb,t  (211  f.). 

30  Sutl;er  bräbijiert  alfo  bon  bem  Seibe  ©fyrifti  neben  bem  esse  diffinitive  unb  über 
biefeg  Ijinaug  aud;  bag  esse  repletive,  bie  Dmnibräfenj  im  eigentlichen  fubftantießen 
©inne  beg  2öorte§.  ©ieg  t;atte  Dccam  nid)t  getoagt.  @r  mar  babei  ftefyen  geblieben, 
bie  9Jcöglid;feit  beg  repletive  esse  für  ben  Seib  ßfyrifti  au§  bem  Segriff  be§  esse 
diffinitive  mit  §ilfe  ber  2lllmad)t  ©otte§  bialeftifd;  ju  urgieren.    Sutf)er  ift  fülmer  unb 

35  fonfequenter.  ®a§  repletive  esse  ift,  „menn  etma§  jugleid;  ganj  unb  gar  an  aßen 
Drten  ift  unb  alle  Drte  füllt  unb  bod;  bon  feinem  Drte  begriffen  unb  abgemeffen  wirb" 
(209).  Sutb/er  boUenbet  bamit  ben  —  feiner  SReinung  nad;  fd;rift=  unb  glauben^gemäfeen 
—  SBewei1?  für  bie  Ubiquität  be§  Seibe§  Sb,rifti,  inbem  er  bie  Communicatio  idiomatum 
au§   ber   ^rämiffe   ber   unio  personalis    fonfeouent    big  jum    genus  majestaticum 

40  burd;fül;rt  unb  bamit  äugleid;  eine  d;riftologifd;e  SDigtreban^  mit  ber  reformierten  Seb,re 
aufbedt  (Alloiosis,  ©21 30,  199).  2)ie  9?ealbräfen^  beg  Seibe§  in  ber  §oftie  folgt  natür= 
Itd;  bon  felbft  au3  bem  repletive  esse.  Slber  eg  war  bamit  ju  biel  berotefen,  bie  9ieal= 
bräfenj  be§  Seibeg  im  SBeltaH,  in  jebem  ättom,  in  jebem  Srot  unb  allem  SBein. 

®ag  Ijat  Sutf;er  fid;  ntd^t  berb,el;lt.    ©r  roei^,  ba^  bie  Ubiquität,  wag  fie  beroeifen 

45  foll,  im  fyöcbjien  ©rabe  gefäl;rbet.  ®a§  fnnbert  biefen  fü^nften  unb  unerfd;rodenften 
aller  Geologen  aber  nid;t,  bie  bolle  ^onfequeng  feiner  Seb,re  ju  gießen.  „®ag  ift'g,  ba^ 
er  (nad;  ber  3Jcenfd;f)eit)  über  alle  Kreaturen  unb  in  allen  unb  aufjer  aEen  Kreaturen 
ift  —  benn  Wo  er  Wot;I  überall  ift  in  allen  Kreaturen  unb  id;  mödjte  ib,n  im  ©tein,  im 
$-euer,  im  Sffiaffer  ober  aud;  im  ©trid  finben,  Wie  er  benn  geWipd;  ba  ift."    ®ie  ©ub= 

so  ftanj  beg  Seibeg  6f;rifti  burd;bringt  unb  erfüttt  atleg,  aud;  bag  fleinfte  Sltom  (2Ö21 XXIII, 
138  f.  140.  XIX,  492).  ©amit  ift  bie  fbejififd;=faframentlid;e  ©egenWart  beg  Seibeg  be= 
brof;t.  Sutf;er  begegnet  bem  ©inWanb.  ,,^ft  benn  ©fyriftug  Seib  an  allen  ©nben,  ei  fo 
Will  id;  ib,n  freffen  unb  faufen  in  aßen  Söeinftuben  2c.  —  fo  ift  fein  Unterfd;ieb  unter 
meinem  £ifd;  unb  beg  §errn  ^ifd;"     „Sßenngleid;  ©l;riftug   Seib   an    aßen   ©nben   ift, 

55  fo  wirft  bu  ifm  barum  fobalb  ntct)t  freffen,  nod;  faufen,  nod;  greifen."  „Sroben  fyaht 
id;  gefagt,  ba|  bie  Steckte  ©otteg  an  aßen  ©nben  ift,  aber  bennod;  jugleid;  aud;  nirgenb 
unb  unbegreiflich  ift,  über  unb  aufjer  aßen  Kreaturen.  @g  ift  ein  Unterfd;ieb  jWifd;en 
feiner  ©egenWärtigfeit  unb  beinern  ©reifen  —  ob  er  gleid;  allenthalben  ba  ift,  fo  läfst 
er  fid;  nid)t  fo  greifen  unb  tabben.     ©r  fann  fief;  Wol;l  augfd)älen,   ba^   bu   bie  ©d;ale 

60  babon  friegft  unb  ben  Kern  nid;t  ergreifft  —  barum,  bafc  eg  ein  anbereg  ift,  Wenn  ©ott 


Iniquität  189 

ba  ift,  unb  toenn  er  bir  ba  ift.    ®ann  aber  ift  er  bir  ba,  toenn  er  fein  Söort  bagu  tfntt 
unb  binbet  ftcb,  bamit  an  unb  fbrict/t:  §ier  foßft  bu  mid)  finben".    „SDu  wirft  ib,n  nid)t 
tabtoen,  ob  er  gletrf)  in  beinern  33rot  ift,  eg  fei  benn,   bafj  er  fict)  btr  anbinbe  —  burd) 
fein  28ort  unb  beute  btr  felbft  bag  SBrot  burd)  fein  2Bort,  ba  bu  ifm  effen  follft,  melcfyeg  er 
betttt  t&ut  im  2lbenbmafyl"  (SSJ21  XXIII,  149—151).    §ier   enthüllt  fid)  bie  ©d>toäd)e  5 
ber  Scroeigfüljrung  Sutfyerg.    @r  mufs   gugeben,    bafj    bie  ubtquitarifcfye  ©egentoart  beg 
i'eibeö  Gbrifti  feinegtoegg  ibentifcb,  ift  mit  ber  faframentalen.    Qene  begrünbet  ein  Überall 
unb  "Jlirgcnbg  beg  Seibeg,  gugleid)  ein  $n=  unb  2tuf3er=ben=J?reaturen=©ein,  eine  für  bie  Kreatur 
ungreifbare  ©egentoart.    ^m  2tbenbmab,I   Ijianbelt   eg  ftd)   bagegen  um  eine  „greifbare" 
2o  fann  alfo   bocf>  nur  ber  Stefurg    auf   einen  fbegififcfyen  SMlengaft  ©otteg  im  2Bort  10 
bie  faframentale  ©egentoart  retten,    ©ott  mufj  motten  unb   befehlen,  bafe  fein  Seib  auf 
jene  greifbare  ©egentoart  an  befonberen  Drten  fei.    ®amit  fongebtert  £utt)er,  bafj  fie  nur 
auf  bie   2>oIibräfeng   begrünbet   toerben   fann.     Refugium  ultimum    ift  toieber  ©otteg 
omnipotenter  2öille.   ©0  geigt  fid)  fcfyon  bei  Sutfyer  bie  SeiftungSunfä^igleit  ber  Ubiquitätg= 
leljre  für  ben  -ftadjWeig  ber  9tealbräfeng  im  Slbenbmal)!.    $j^e  Sebeutung  b,at  fie  lebiglicb  15 
für  bie  6b,riftoIogic,  für  bie  Slbenbmafylgler/re  ift  unb  bleibt  fie  irrelebant. 

©0  giebt  eg  benn  jebenfallg  nad;  Sut^er  brei  feftfteftbare  Söeifen,  toie  bie  SJcenfdjfyeit 
(5brifti  irgenbtoo  fein  fann    1.  nad)  bem  esse  circumscriptive  ober  localiter,    toie  fie 
auf  ©rben  mar  unb  toteberfommen  mirb  am  @nbe  ber  Stage,   2.  nad)  bem  esse  defini- 
tive (diffinitive),    toie  fie  nad;   unb   wäfyrenb  ber  2luferfteb,ung  im  ©rabftein  unb  ber  20 
Ibür  mar  unb  aud)  in  ber  §oftie  ift,  3.  nad)  bem  esse  repletive,  toie  fie  bermöge  if)rer 
^erfonalunion  mit  ber  ©ottfett  unb  @rb;öb,ung  gur  Steckten  überall  unb  boeb,  ntrgenbg  ift 
unb  bemgemäfs  aud)  in  ben  Stbenbmafylgfubftangen,  aber  an  fid)  ungreifbar  unb  toirfungg= 
log.    Stuf  biefe  breifacfye  ©rjftcngweife  miß  aber  Sutfyer  ntdjt  ttWa  ben  Seib  <5I)riftt  be= 
fd>ränfen   unb   fo    ©otteg  Slllmadjt    borgreifen,     ©ott   toeifj   toob,l  nod)   mefyr  SBeifen  25 
(6sil  30,  210.  217.  273.).    Sutf)er  liegt  nur  baran,  bie  Söetfen  t)eraugguf)eben,  bie  jeben= 
faEö  bag  ©enlen  nad)  bem  ©lauben  unb  ber  ©d)rift  feftfteHen  lönne  unb  muffe.   @g  märe 
fefir  berfefyrt  gu  berfennen,  baf$  £utb,er  biefeg  bretfadje  ©ein  feine§wegg  als  eine  ©befu= 
Iation  ber  Vernunft,    fonbern   ab§    ein  ©laubengboftulat  meint.    £)te  2.  unb  3.  SBeife 
ift  it)m  „über    bie  Vernunft",   menngleid)   nicfyt   „miber  bie  Vernunft"   (217).    Sutfyer  30 
toiE  geigen,    toie   ber,   ber  im  @l)riftugglauben    unb    in    ber  ©djriftgebunbenfyeit  ftet)t, 
minbefteng  biefe  Söeifen  ber  ©rjfteng  beg  Äörberg  6f)rifti  anerlennen  muffe.   ®er  ©laube 
mu^  l)'m  f^Iie^lid;   „bie  Vernunft  blenben"  (2 14  f.),  bie  „Vernunft  mu§   untergeben" 
Jenn  alltä  „toie"  bleibt  böHig  berborgen  (217).  Refugium  ultimum  ift  ber  ©laube  t/ier. 
2)arum   füf)rt  2utf)er  ben  Sßiberfbrucb,   ber  ©egner  §ule|t   auf  il)ren  Unglauben  gurüd  35 
(2B21  XXIII,  161)  unb  wettert  toeiblicb,  gegen  bie  „alte  2Bettermad;erin,  bie  grau  33er= 
nunft,  grau  §ulba".    3)ie  blöben  Slugen   be§  Unglauben^   finb  abgeftumtoft  gegen  bie 
2öunber  ©otte§  in  Dtatur  unb  ©nabe.    ©d)lief$lidj  ift  alle§  SBunber. 

gür  ben  galt,  baf?  feine  ©egner  felbft  mit  itjrer  Stuffaffung  ber  9ted;ten  ©otte§ 
recb,t  Ratten,  mag  £utb,er  natürlich  auf  bag  entfd;iebenfte  beftreitet,  fonftruiert  er  bie  3)lög=  40 
lidjtfeit  einer  Ubiguität  ber  im  §immel  Io!alifierten  SDknfd;f)eit  Sb,rifti;  fie  bilbet  bann  ba<3 
Zentrum  ber  2Girflid)feit  unb  ift  allen  fingen  fsräfent,  toeil  i^r  alle  ®inge  toräfent  finb. 
Siefe  Slnfdiauung,  auf  bie  mir  nidjt  näb,er  eingeben,  fcb,eint  ber  3lnla^  gu  ber  fbäteren 
praesentia  intima  getoorben  ju  fein. 

4.  5Rit  berfelben  gäfngleit  toie  Sutb,er  b,ielt  ^toinglt  an  feiner  ^ßofition  feft.  ©ie  45 
ift  tr)ren  gunbamenten  nad)  burcb,au§  mittelalterlid),  toie  befonber§  bie  lolale  2luffaffung 
ber  dextera  geigt,  ©ie  ift  fyumamfüfcb^rationale  Iriti!  beg  3RittelaIterg.  Ubiquität  unb 
Sealbräfenj  toerben  aug  rationalen  ©rünben  abgetoiefen.  ®er  ^biomenlommunifation  fetjt 
er,  inbem  er  bie  bezüglichen  ©cb,riftftellen  bureb,  bie  gigur  beg  Alloiosis  beg  ,,©egen= 
tDecb,fetg"  erftärt  (Amica  Exeg.  3,  525,  bafj  biefe  SBorte  K.  2b,  66 ff.),  bie  SDigparität  50 
ber  GEiftengtoeife  ber  beiben  Naturen  entgegen  (Soofg  a.  a.  D.  ©.815;  ©eeberg  a.  a.  D. 
:>08 f.  Am.  Exeg.  4,  52,  bafj  biefe  Sßorte  k.  2b  68)  unb  bleibt  aud)  bamit  auf  ber 
mittelalterlichen  ^ofition  (©eeberg  a.  a.  D.  309).  @r  bertoirft  nicb)t  nur  bag  repletive, 
fonbern  aud)  bag  diffinitive  esse  für  ben  Seib  6l)rifti.  SDiefer  bleibt  circumscrip- 
tive unb  localiter  im  „§immel",  toie  er  eg  auf  @rben  toar.  65 

Galbin  rebräfentiert  eine  Kombination  ber  lolalen  luffaffung  ß^inglig  bon  ber 
Seiten  ©ottc§  mit  bem  ©etoic^tlegen  Sut^erg  auf  bie  beilgfräftigc  ©egentoart  beg  gangen 
Ctyriftug  im  2lbenbmabl,  aud)  feineg  „gleifcb,eg"  ßfjriftologifd)  bermittelt  ftcb,  ifym  bie 
oacb,e  fo,  ba^  er  über  bie  blofj  nominelle  Sluffaffung  ^toinglig  bon  ber  ^biomen!om= 
munifation,  alfo  über  bas  genus  idiomaticum  binauggef)t  gu  ber  £et)re,  bafj  bie  5ßräbilate  60 


190  Iniquität 

ber  ©rlöfungSWirffamfeit  aufy  ber  menfd;lict)en  SRatur  realiter  gelten,  alfo  ^um  genus 
apotelesmaticum  (Just.  rel.  ehr.  II,  14, 1 — 3).  2snMlen  tnac^t  er  bor  bem  genus  maje- 
staticum  SutfyerS  unb  bamit  bor  berUbtquttät  tyalt  (©tei|  a.  a.  D.  578).  33rot  unbSöem  bleiben 
ibm  (Symbole,  aber  folcfye  unter  benen  bie  ©rlöfungSfräfte  beS  'iSobeS  unb  ber  äluferfteljmng 
5  (5f>riftt  realiter  mitgeteilt  Werben.  25arum  ift  ©Ejrtftuä  totus  im  Stbenbmabl  gegen* 
Wärttg,  nidjt  nur  fetner  ©ottfyeit  nad),  fonbern  als  ^erfon  (IV,  17,  30),  aber  nid)t  als 
totum.  ®aS  Ijeifjt,  fein  Seib,  ber  im  §tmmel  ift,  ift  nicfyt  fubftantiell  in  ber  £>oftie. 
üßkil  aber  nad)  bem  genus  apotelesmaticum  bie  ^etlSWirlungen  Don  ben  ungeteilten 
ßljriftuS  ausgeben,   alfo   auefy   bon  feinem  gleifd)  unjertrennlid)  finb,  fo  finbet  aud)  eine 

10  potentielle  ober  birtueHe  Mitteilung  feines  gleifcb.eS  ftatt  (IV,  17,  11:  per  symbola  panis 
et  vini  Christum  vere  nobis  exhiberi  adeoque  corpus  et  sanguinem  ejus).  2tuct) 
fein  Seib  erWeift  fid;  als  WirHtcfye  ©beife  (7),  (SrlöfungSlräfte  bergenb  unb  fbenbenb  (8.  9). 
JJic^t  aber  feinem  fubftantiellen  ©ein  nad)  ift  ber  Seib  ßfyriftt  im  2lbenbmaI)I  gegenwärtig, 
fonbern  naef)  fetner  virtus  unb  potentia,    nacb,  feiner  foteriologifcb/en  Söirlfamfeit.    2)ie 

i5  Urfact)e  bleibt  im  §immel,  bie  2öir!ungen  Werben  auSgeftraf)It  ins  Slbenbma^l  ber 
©laubigen,  ©ie  Entfernung  überbrüdt  ber  1)1.  ©etft  bon  feiten  ©otieS  (cujus  [corporis] 
communionem  spiritus  sanetus  virtute  in  eos  transfundit  [18]),  bon  feiten  bei 
9ftenfd)en  ber  ©laube  (5.  11.  12).  SDer  gläubige  ^ommunilant  empfängt  alfo  allein  bie 
®abe,  aber  nid)t  baS  corpus  ipsum,    fonbern  bie  communicatio  ober  xoivcovia  cor- 

20  poris.  @S  Wirb  in  bie  ©emeinfcfyaft  beS  erlöfungSfräfttgen  gleifcfyeS  berfe|t  (22.  bgl. 
©eeberg  a.  a.  D.  403  f.).  ®er  gan$e  Vorgang  beruht  auf  ber  arcana  spiritus  saneti 
virtus  (32).  ©anj  beutlid)  fbrid)t  bie  Institutio  bon  1559  auS:  Christum  e  carnis 
suae  substantia  vitam  in  animas  nostras  spirare  —  quamvis  in  nos  non  in- 
grediatur  ipsa  Christi  caro  (IV,  17,  32).     ßalbtn  beborjugt   barum  bie   baulinifcfye 

25  gaf fung  bon  ber  xoivcovia  xov  ocouaxog  Xq.  Über  bie  ^Differenzen  in  ben  einzelnen  @bi= 
tionen  ber  Instit.  bgl.  SoofS  a.  a.'D.  890 ff. 

®er  Unterfdjueb  ßalbinS  bon  £utl)er  ift  fomit  beutlid).  @r  leimt  baS  genus 
majestaticum  unb  bamit  bie  Ubiquttät  ab,  ebenfo  Wie  bie  fubftantielle  Stealbräfenj  beS 
SetbeS  6r)rifti,  beraubtet  bagegen  auf  ©runb  beS  genus  apotelesmaticum,  ben  objeuib 

30  burd)  ben  1)1.  ©eift,  fubjeftib  buret)  ben  ©lauben  bermittelten  getftlicfyen  ©enufs  ber 
,§eilS=  unb  unfterblicfyleitsträfte  beS  im  §immel  lotalifiertcn  SetbeS  ©briftt.  ®te  9lb= 
lefmung  ber  Ubiquttät  mit  ifyren  „portenta"  begrünbet  baS  calbtnifcfye  „Extra"  3)ie 
^präfenjauffaffung  bie  33efd)räniung  ber  Söirfung  auf  bie  „credentes"  SBeibeS  machte 
bie  6albtnifd)e  2tbenbmal)lSleIj)re  für  bie  ©nefiolutfyeraner  unannebmbar. 

35  %ux  9)ieIancfytl)onS  anfängliches  gehalten  an  ber  lutfyerifcben  2luffaffung  ber 
9vealbräfenj  beS  SeibeS  in  ber  §oftie  (CR  I,  145.  760.  823.  830.  1109 f.;  bgl.  ©eeberg 
a.  a.  D.  337)  War  neben  ber  Autorität  SutfyerS  einmal  ber  bermetntlid)e  altfircfylicfye  Con- 
sensus  (I,  901),  ber  ifm  nidjt  Urheber  eines  neuen  ®ogmaS  Werben  laffen  Wollte,  fo= 
bann  feine  Überzeugung   bon  ber  $rofanität  ber  ßWtnglifdjen  ©^egefe  unb   ©efamtauf= 

40  faffung  (I,  1067.  1077)  Wie  ber  Unfwltbarfeit  ber  iljir  jugrunbe  liegenben  6I)riftologie 
(I,  974.  II,  25.  II,  222 f.)  ma^gebenb.  ^nbeffen  ftel)t  er  ben  Argumenten  ber  Iut§erifcb.en 
UbiquitätSleb^re  bon  bornfyerein  ffebttfcl)  gegenüber  (SoofS  a.  a.  D.  861  Slnm.  7,  820, 
2lnm.  2;  ©tet|  a.  a.  D.  579).  @r  Will  an  bem  ubique  esse  Christi  feftb^alten,  aber 
feine  leibliche  ©egenWart  im  Ttaty  nicfjt   magifcf),   fonbern  manbatarifet;  begrünbet  b^aben 

45  (I,  949).  ©ieS  geftl)alten  an  ber  SRealbräfenj  geigt  aueb,  nod;  bie  3Karburger  3Ser^anb= 
lung  bon  1529  (II,  25),  Wo  er  fiel)  fbröber  gegen  ^ruirtgli  geigte  als  Sutber,  freiließ  nid;t 
ol)ne  baf?  ltrd)enpoltttfc£)e  3)iottbe  mttwirften,  unb  bie  batrtfttfdje  ©ammlung,  bie  er  1530 
berauSgab  (CR  XXIII,  7,  31  f.),  enblicf)  bie  Formulierung  bon  Slrt.  X  in  ber  3lugS= 
burger  ^onfeffion  bon  1530/31.    ^nbeffen  maa)te  tfjn  ber  De!oIambabfcb,e   ©talog,   ber 

50  fein  Vertrauen  in  ben  batriftifdjen  Consensus  ftar!  erfd}ütterte,  fortan  fet) Wanlenb. 
9^eben  Selenntniffen  jur  leiblichen  ©egenWart  (II,  311.  315.  787.  801;  bei  ©eeberg 
a.  a.  D.  337)  finbet  fid)  in  junefymenbem  Sftafje  bie  Neigung  auSgefbroc^en,  meift  bor= 
firfjttg  gunäcbft  in  ^3ribatbriefen,  bie  ©egenWart  im  9D?al)l  borjugSWeife  auf  ©briftuS  als 
©Ott  ju  belieben.    (Srief  an  S3Iaurer  bei  Sinbfeil,  Phil.  Mel.  ep.,  §atte  1874,  ©.  85; 

55  CR  II,  620).  ^n  ßaffel  füllte  er  fieb.  bereits  SBucer  gegenüber  (1534/35)  als  nuntius 
alienae  sententiae.  Qmmer  beutlic^er  nähert  er  fid)  feitbem  ber  oberlänbifcfyen  3luf= 
faffung.  33or  aUem  Wtberftrebt  eS  ibm,  bie  ©egenWart  beS  SeibeS  im  Srot  anjunef)men. 
©o  febon  im  3lömerbrief!ommentar  bon  1532  (CR  XXI,  479),  Wo  er  bie  ©egenWart 
Sfyrifti  im  2lbenbmal)I  burd)  bie  SluSteilung  realifiert  benft,  am  beutlicbftert  33eit  ©ietrid} 

60  gegenüber  (III,  514),  Wenn  er  bie  ©egenWart  burd;  ben  usus   ejlnbiert  Werben   läfjt 


Ubiquität  191 

(gtcitf  a.  a.  0.  580f.)  1508.  Qn  biefcm  ©mite  mobifigiert  s)JMandttb,on  aucb,  bie  ©r/nef= 
bocf>e  i'utfyerä  (V,  498  ff.),  ©d;on  1535  in  einem  S3rief  an  Söreng  gefielt  er  aua)  ber 
trogen  (Sjegefe  be3  est  Berechtigung  gu  (CR  II,  824;  bgl.  837  841  f.;  III,  292). 
Sie  äQjoXolaiQEia  ift  tr,m  beruft  (VIII,  362.  660.  792).  £>ie  Ubiquität  be3  £eibe3 
bcftreitet  er  enblicb  burd;au3  (VII,  7S0.  884.  VIII,  385.  IX,  387.  962 f.;  bei  ©eeberg  r, 
(i.  a.  C  ©.  338).  @r  beborgugt  bie  fbäter  bon  Galbtn  in  ben  SSorbergrunb  geftetlte 
xotvoivia  xov  ocß/uaroc,  Xq.  al$  Slnglieberung  ber  ©laubigen  an  ben  Seib  Gfyrifti 
(CR  XV,  1112  S.  498  ff.  IX,  962;  bei  ©eeberg  a.  a.  D.).  ©o  boa^te^t  ficb,  bei  9JWana> 
tbon  fortfd;reitcnb  eine  ©btritualifierung  ber  älbenbmafyMeljre  £utl)er3,  toie  bas>  in  ber 
Slbänberung  bon  SCrtitel  X  in  ber  Variata  bon  1540  anbeutungsroetfe  gum  3lusbrud  io 
fommt.  Sic  immer  fcfyroffer  merbenbe  Slbleljmung  ber  Ubiquität  füb,rt  itm  fonfequenter= 
lucife  gu  ber  früber  fo  runbweg  beftrittenen  lofalen  2tuffaffung  be3  dextera  dei  (corpus 
localiter  alicubi  est  secundum  veri  corporis  modum  ©iefeler  III,  2, 243  Slnm.  45). 
Die  ©egenroart  (Efyrifii  im  2lbenbmafyl  ift  feine  effieacia  in  credentibus,  momit  benn 
aud)  nod>  ber  letjte  Schritt,  ben  bie  SSariaia  nocb,  nidjt  tbut,  getfyan  ift  —  bon  ben  15 
vescentibus  gu  ben  credentibus.  ©o  l)at  ©tei|  red)t,  wenn  er  fagt,  9Mancr/tI)on  fei 
gu  bcrjenigen  2Ibenbmal>l§auffaffung  gurüdgefeb,rt,  bie  Sutfyer  1523  (@2t  28,  397)  gurüd= 
iueift.  ^ebenfallg  ift  SMandjtfyon  ber  Sebre  GalbtnS  roeit  näl)er  al§  ber  £utl)er<§.  @r 
teilt  mit  ib,m  bie  ©runbauffaffung  in  ber  lofalen  ©eutung  be§  dextera  unb  ber  23e= 
fd)ränfung  ber  $biomentommunifation  auf  ba§  genus  apotelismaticum.  @r  befennt  20 
ficb,  mit  ib,m  gu  bem  geiftlidjen  ©enuf?  ber  ©laubigen.  ©0  festen  in  il)m  unb  (Salbin 
ber  ©egenfa|  gtoifcfyen  Sutfyer  unb  gmingli  ausgeglichen  gu  fein. 

5.  2)tefe  für  ben  $roteftanti3mu<§  fo  günfttgen  Stuöftcbten  gerftörte  befinitib  bie 
Stuttgarter  ©imobe  1559,  auf  ber  §ergog  ßfyriftobfy,  ber  bureb,  bie  Conf.  Wirtemb. 
„im  Sanbe  anerfannten  lutberifd^ert  älbenbmafyläler/re  eine  feierliche  ©anftion  erteilen"  liefs  2.-. 
(»gl.  bjergu  b.  2lrt.  in  biefem  SBer!:  (Stuttgarter  ©r/nobe  bon  Hermelin!  XIX,  116 ff.). 
Sa»  bon  Sßreng  berfajjte  33efenntni§,  roeldbeg  bon  ber  ©efamtfyeit  ber  Prälaten  unter* 
geid)net  rourbe,  begnügte  fieb  nidjt  mit  ber  praedicatio  identica,  fonbern  legte  bie 
toürttembergifdje  ®ird;e  auf  bie  Ubiquität§Ieb,re  £utl)er§  unb  bamit  cfyriftologifd)  feft.  $Dic 
Aolgen  biefer  ©tmibolifierung  einer  Sefyre,  bie  Sutfyer  felbft  nid)t  fr/mboltfiert  Ejat ,  finb  so 
nidit  blofe  für  bie  ©ntmidelung  ber  Dritjoborjem  Sßürtiemberg  (bgl.  ba§  ©djüdfal  ®eb= 
lerg,  £.  ©untrer,  Gebier  unb  bie  Geologie  1905;  ^3.  ©tarl,  Cannes  %ler  3b^b 
1868,  38,  3  ff.),  fonbern  für  bie  tfyeologifcfye  unb  fircfyenbolitifcfye  ©ntroicfelung  ber  9iefor= 
mation  überbautet,  man  barf  roob,l  fagen:  berfyängntgboll  geworben.  2Ba§  fid)  gunädjft 
entfbann,  mar  eine  beftige  ^5olemi!  gtoifcben  Sullinger  unb  SJfarti^r  einerfeit§,  33reng  35 
anbererfeitg,  in  melier  biefer  in  einer  5Heib,e  bon  ©dmften  (De  personali  unione 
duar.  natur.  etc.,  Op.  £üb.  VIII,  831  ff.  1561;  sent.  de  libello  Bull.  etc.  ib.868ff. 
ljiil;  de  majestate  dorn,  nostr.  etc.  891  ff.  1562;  recognitio  proph.  et  apost. 
doctr.  etc.  976  ff.  1661)  gur  ©icfyerfteßung  ber  leiblichen  ^tealbräfeng  au§  ben  ©lementen 
£uu)erifd)er  Slrgumentation  gegen  3win0^  em  imbofanteg  d^riftologifclteg  ©Aftern  fd;uf.      40 

Sn  »»de  majestate  domini"  fbrid^t  33reng  bie  bobbelte  ©runblage  feiner  ßfyriftologie 
in  einem  ©a^e  au§:  Cum  enim  in  ecclesia  t'it  sermo  de  incarnatione  Christi,  non 
solum  dicitur,  duas  naturas  in  Christo  esse  personaliter  unitas,  veram  etiam 
dicitur,  humanitatem  esse  assumptam  in  deum  et  Christum  hominem  con- 
scendisse  ac  elevatum,  exaltatum  et  evectum  esse  in  majestatem  dei  adeoque  45 
factum  esse  deum  (9n6).  ®aä  ift  ber  ©runbgebante ,  bon  boml;erein  bie  füb,nftc 
ßonfequeng  Sutt)erfct;er  ©ebanlen:  bie  ^oingtbeng  ber  Sbeogenefe  be§  5!J{enfd)enfob,n§  mit 
ber  ßnfartofe  be§  ©otte§fob,ne§.  ©arau^  ergiebt  fiel)  ein  bobbelter  3tu§gang€bunft  für 
ben  SBemetö  ber  Ubiquität  beö  2eibe3  (ober,  mie  33reng  lieber  fagt:  ber  Omnibräfeng), 
foluobl  bon  ber  unio  personalis  sive  hypostatica  aU  and)  bon  ber  assumptio  in  50 
deitatem,  ber  deificatio  au§. 

£en  erften  2luögang§bunlt  bilbet  bie  unio  personalis:  illa  unio,  qua  deus  et 
homo  in  una  persona  Christi  ita  conjuneti  sunt,  ut  nullo  loci  spatio  a  se  in- 
vicem  separari  queant  (841,  bgl.  834.  835.  812.  900.  9<i2.  901  u.  oft).  ®iefe 
vlierfonalunion  bollgiebt  bie  göttlid/e  "ältlmadjt  tro^  unb  unbefcb,abet  ber  i5erfd)iebenartiq=  55 
f«t  unb  ©elbftftänbigfeit  ber  betben  Naturen  ober  ©ubftangen  (834.  H:)5.  836.  837  902. 
bui.  912.  918.  926.  914  u.  oft).  (£<§  finbet  alfo  teeber  eine  mutatio  humanitatis  in 
deitatem  ftatt  (834.  837  818.  901.  918.  926  u.  oft),  noeb,  eine  Serbobbelung  ber 
"Perfonen  (834.  836  non  sunt  duo  Christi  842.  898.  900.  902  u.  oft).  SeibcS  lueift 
s^reng  aU  eine  abfurbe  ^nfinuation   ber   ©egner   immer   toieber   ab.    3)ic  unio  perso-  eo 


192  Mbiquttät 

nalis  t>ebt  toeber  bie  duplicitas  naturarum,  nocb,  biefe  jene  auf.  SDurcb,  btefe  unio 
admiranda  et  ineffabilis  befielt  fofort  celebris  illa  in  ecclesiasticis  scriptoribus, 
communicatio  idiomatum  inter  divinam  et  humanam  naturam  (838)  unb  $vax 
non  solum  communicatio  proprietatum  vocabulorum  sed  rerum  (838  f.).  SDtefe 
5  fco*  bte  alte  Äircfye  in  2BirlH$fett  gelehrt  (839—841),  jene  bte  ©d)olaftif  (838).  ©ie 
betotrft  einen  realen  Slugtaufcb,  ber  f^egtfifc^en  Proprietäten  ber  Naturen.  Sern  ©tntoanb, 
bajj  ja  babei  nottoenbtg  bag  2Befen  ber  menfcbjtcfyen  5Ratur  berloren  gefye,  begegnet  Srenj 
burd)  bie  Unterf  Reibung  3toifd)en  fubftantiellen  unb  accibentieUen  ©igenjc^aften,  toobei  ber 
©runbfa|  geltenb   gemalt  toirb:   res   non   tollitur,    cum   accidens   tollitur  —  ber 

10  ©runbfaf  einer  ^frilofopfyie,  beren  ©tltigfeit  SSrenj  fonfi  lebhaft  bestreitet.  ®ie  Statur 
im  eigentlichen  ©inne  ift  substantia  (837  corpus  videlicet  humanuni  et  änima 
rationalis  834)  substantia  corporea  intelligens  et  in  tempore  creata  904).  $n= 
beffen  finb  bie  proprietären  alg  blojje  Stccibengien  toon  ber  fubftantiellen  9?atur  ablösbar. 
2Bäf)renb  bie  ©ottfyett  jtoar  alg  res  simplicissima  acctbentienlog  ift,  ift  bie  humanitas 

15  alg  res  composita  variis  accidentibus  obnoxia,  quae  et  substantiam  rei  non 
mutant  —  adesse  et  abesse  possunt  unbefc^abet  ber  toollen  Integrität  ber  Statur  (837). 
Qu  biefen  accibentiellen,  berlterbaren  @igertfct)aftert  ber  menfctjlicfyett  9?atur  gehört  nun 
nid)t  blofj  bag  pati  ac  mori  (837),  fonbern  aucb,  bag  „in  loco  esse"  (837  934.  1087). 
2ln  biefer  SEfyefe  b/ängt  bei  95reng  nictjt  weniger  alg  alleg.    ©iefe  proprietates  acciden- 

20  tariae  (unb  alfo  aucb,  bag  in  loco  esse)  tonnen  alfo  „abesse"  unb  burcb,  Mitteilung 
göttlicher  (Sigenfdjiaften  erfe^t  werben,  ofyne  bafj  baburcb,  bie  SRatur  beg  SJcenfcfyen  ber= 
änbert  wirb,  eben  burd)  Mitteilung  i>on  vjieQyvoixä,  bie  bann  freilieb,  aud)  nur  acci= 
bentieH  Don  ü)r  befeffen  Werben  (841.  848).  ©o  ift  eg  auef)  bem  9Jcofeg,  betrug,  @Iiag,  ^ßaulug 
unb  anberen  ^eiligen  zeitweilig  (848)  toiberfabjen.    2luf  biefe  3Beife  tonnen  in  ber  einen 

25  ^ßerfon  @f)riftt  dissimiles  proprietates  inseparabüiter  conjunetae  esse,  ut  haud- 
quaquam  loco  sed  tantum  intellectu  distinguantur  (904).  ©eine  humanitas  fann 
unbefd^abet  tbrer  Integrität  nova  coelestia  divina  ornamenta  empfangen  (912).  ®ie 
^ßerfonalunton  bewirft,  quod  quiequid  convenit  filio  dei  per  näturam,  hoc  con- 
veniat  filio  hominis  per  gratiam  (836),  toobei  aber  boef)  injtotfcfyen  jeber  Statur   if>re 

30  Proprietäten  berbleiben  muffen  (841),  obtoofyl  bie  proprietates  humanae  für  accibentiell 
unb  oerlierbar  ertlärt  toorben  finb.  SDem^ufoIge  mürbe  alfo  bie  menfcfylicfye  ^catur  fo= 
toot)l  ib/re  eigenen  Proprietäten  alg  auef)  bie  göttlichen  per  accidens  befi^en,  ein  $u= 
ftanb,  ber  jeben  Unterfcfyieb  ju  bertotfcfycn  fcfyeint. 

Sarin  liegt  offenbar  Srenj'  §cmptfd)toäd)c  feinen  (Segnern  gegenüber,    bafj   er  bag 

35  „in  loco  esse"  oljne  toettereg  für  eine  ber  menfcfylicfyen  Statur  untoef  entließe  Proprietät 
erflärt.  @r  befyanbelt  eg  alg  quantite  negligible  unb  fann  eg  bod)  nict/t  log  toerben, 
nocb,  entbehren.  Unb  toäbjenb  er  Bier  felbft  mit  plnlofoplrifcf/en  2öaffen  ftrettet,  rüdt  er 
ben  Söiberfacfjern  ib,re  2Ibf)ängigfeit  Don  2lriftoteleg  unaufhörlich  bor  (850.  934.  935. 
938.  942.  944  u.  oft)  unb  Will  bei  ifynen  pfyüofoplufcfye  ©egengrünbe  nid)t  gelten  laffen 

40  (837.  903),  ja  jte&t  fid)  fd)Iiepd)  au§  ber  SMaleftif  auf  bie  2lltmad)t  ©otteg  jurücf,  ber 

nidjts  unmöglich  fei  unb  ber  bie  ©egner  nur  nid)t  glauben  Wollten  (833.  837.  899.  902. 

905.  920f.  934).    ©a^u   fann    er   fid)  ben  ©iffenfug  ber  SBätcr  md^t  berb.eb.Ien  (836 f.). 

^nbeffen  ergiebt  nun  bie  Communicatio  idiomatum  bie  Ubiquität  bon  felbft  (835. 

838.  842  repletive  897 f.  932  f.)  unb  bamit  für  Srenj  auet)  bte  Sealpräfenj  be§  2eibe§ 

45  im  3lbenbmal)l  (843  u.  oft). 

2lber  fie  ergiebt  fiel)  ilmt  nod;  in  befonberer  Söetfe  bireft  au§  ber  assumptio  in 
deitatem,  au§  ber  ©jaltation.  3Kan  mu^  bebenfen,  ba^  bie  ^nfarnation  nid)t  blo^ 
eine  JPerfonalunton  bewirft,  fonbern  aueb,  (verum  etiam)  eine  assumptio  ber  SRenfcb^ 
b^eit  in  bie  ©ottbeit.    ^ic^t  gletcbberecbtigt  ttmn  fiel;  bte  Naturen  jufammen,   fonbern  bie 

so  göttliche  präbaliert  unenblict;.  SDarauf  legt  Srenj  bag  §auptgetr>icf)t.  ®ie  ^Jtenfcb.merbung 
©otte§  ift  eigentlich  ein  ©otttoerben  bei  SJlenfc&en:  homo  deus  factus  est  (906).  £)ie3 
gefdbtebt  bereite  in  utero  Mariae  virginis,  bei  ber  Qnlarnation  im  friifceftert  ©tabium. 
©cb,on  in  bem  Heimproje^  mirb  ^efug  ber  Genfer;  jur  Sftecfeten  ©otteg  gefegt,  jur  bellen 
SRajeftät   ©otte§   erb^öb^t,   ^um  §errn  über  alle  Kreatur  gemacht.    „2lHe  ©inge  toerben 

55  unter  feine  gü£e  getb.an"  (835f.  841.  845.  906 f.  914.  916.  918  u.  oft).  £>iefe§  ift 
ba§  eigentliche  ©unber  (836  f.).  greilieb,  ift  bie  menfcb.Ucfye  ^catur  niebt,  toie  bie  ©egner 
infinuieren,  per  se  capax  divinae  majestatis  (905.  918.  920).  ©ie  totrb  eg  aber 
burd)  bie  ©nabe  ber  unio  hypostatica  (903.  905).  ®ie  menfcfelicbe  9faxtur  erleibet 
biefeg  aUeg,  befi^t  eg  paffit).     ©te  divinitas  Christi  ift   bie   divinitas   communicans 

60  seu  partieipans,  bie  ber  menfcbjicfyen  Statur  blofj  divinitas  communicata  seu  parti- 


Iniquität  193 

cipata.  llnb  bte[c-o  gcfcfyiebt  „in  momento  incarnationis"  (846.  847.  900  f.  925. 
927 f.  u.  oft).  (Sine  breifacfye  Himmelfahrt  lefyrt  auf  foldje  2Beife  33rcnj,  bie  eigentliche 
bei  ber  ^nfarnation,  bie  jmeite  gleich  nad)  ber  2tuferftefmng  (841.  846.  906  f.  923.  92 7  f.) 
unb  enblid)  bie  fid;tbare  unb  uneigentlidje  „öfonomifcfye",  nur  um  ber  gufcfyauer  mitten 
gefd)ef)ene,  ein  blofseS  „spectaculum  locale  et  visibile"  (846.  907.  927)  —  ascensio  c 
nur  „per  phrasim  loquendi".  ^etlSgefdücfytlicfye,  cfyriftologijdje  Sebeutung  b,at  nur  bie 
crftc.  Ununterbrochen  befinbet  ftcb,  alfo  ber  Sftenfd)  $efuS  feit  bem  9Jcoment  ber  $nfar= 
nation  als  ©Ott  unb  §err  über  alles  jur  iftetftfen  ©otteS  im  £>immel,  mäfyrenb  er  gletd^= 
jeitig  burcb,  bie  communicatio  idiomatum  in  ben  ©tanb  gefegt  toirb,  auf  @rben 
localiter  et  circumscriptive  im  guftanbe  ber  ©rmamtton  ober^umiliation  ba§  @r!öfungS=  10 
toerf  ju  boCbringen  (888.  847.  902.  915.  922,  925  f.  931).  (Sine  Sobbelerjftenj  $efu 
(fbrifti  ift  bamit  für  bie  geit  feinet  (SrbenlebenS  fonftatiert,  eine  göttltd^menfdjlidje  im 
yummel  unb  eine  menfcpd^göttlicfye  auf  (Srben  (alterum  —  alterum  915).  $m  §immel 
brdbaliert  bie  ©ottb,  eit,  auf  (Srben  bie  2J?enfd)f)eit.  SDer  status  inanitionis, ;  in  bem  bie 
ßottlieit,  foioeit  eS  ifyr  möglich  ift,  an  ben  gunftionen,  bor  allem  bem  Seiben  unb  ©terben  ig 
ber  9Jtenfd$ett  teilnimmt,  ift  nur  ein  ^nterme^o  in  ber  eigentlichen  ©einStoeife  ber 
ÜDtajeftät  ber  SRcnfd^eit:  „Christus  suscepit  tempore  ministerii  et  conversationis 
suae  in  hoc  mundo  humano  imbecillitates  ac  fuit  corpore  suo  pro  conditione 
hujus  temporis  in  loco  circumscriptive".  ®a§  repletive  esse  ift  baS  eigentliche 
Sein  aucb,  feiner  9Jtenfd)l)eit,  baS  nur  jeitmeilig  burd)  baS  circumscriptive  esse  unter=  20 
brocken  ober  bielmefyr  begleitet  toirb.  ®aS  bemirft  bie  exaltatio  inde  ab  incar- 
natione.  ©0  begrünbet  benn  in  ber  %fyat  bie  inanitio  für  93reng  nur  eine  uneigent* 
lia)e  (Srjftensmeife  Christi  hominis  (secundum  hanc  infirmitatem  fuit  in  terra,  am- 
bulavit  in  terra  etc.  919).  ®ie  ©ottfyeit  aber  wirb  burd;  bie  ^biomenlommunilation 
bi§  ju  einem  unbefinierbaren  unb  aud)  bon  93rertg  nid)t  bräjifierten  ©rabe  in  biefen  25 
^rojefj  mit  hineingezogen,  mietoofyl  fie  per  se  impassibilis  etc.  ift.  Slber  bocb,  in 
einem  feb,r  befd)ränften,  ber  j^ommumtation  fel)r  toenig  geredjittoerbenben  9Jiaf$e.  ®ie 
uogcf  i]  4eov,  beren  ber  Sftenfd)  fid)  entäußert  l)at,  ift  nämlid)  nur  ber  aspectus  divinus 
ober  bie  species  divina  (922).  Majestatem  texit,  et  obduxit  eam  forma  servi  (925 f.) 
„apparuit  omnium  vilissimus"  @S  lefyrt  alfo  Srenj  nur  eine  dissimulatio  usur-  30 
pationis,  xQvxpig  xQrjOEoig  (840),  nid)t  eine  xevcooig  %Q7}O£0)g  ber  göttlichen  Quali= 
täten  feitenS  ber  -JJtenfd^eit.  2lud)  bie  ©ottfyeit  fyat  ftd)  freiltd)  gebemütigt  (923).  Per 
commun.  idiom.  muffen  mir  fogar  fagen,  bajj  ©ott  in  ßfyrifto  gelitten  fyabe  unb  ge= 
ftorben  fei,  ja  non  est  sententia,  quod  deus  Verbum  dicitur  tantum  sermone 
vocabuli  pati  et  mori,  res  autem  ipsa  nihil  prorsus  ad  deum  pertineat,  sed  35 
quod  deus,  etsi  natura  sua  non  patitur  nee  moritur,  tarnen  passionem  et 
mortem  Christi  ita  sibi  communem  faciat,  ut  propter  hypostaticam  unionem 
passione  et  morti  adsit  et  non  aliter,  ut  sie  dicam  afficiatur,  quam  si  ipse 
pateretur  et  moreretur  (839.  903).  2öie  fann  aber  bie  ©ottfyeit  an  bem  Seiben  unb 
Sterben  ber  SJtenfcb^eit  teilnehmen  (adesse)  unb  babon  irgenbmie  affigiert  werben,  wenn  40 
fie  felbft  impassibilis  ift  unb  bleibt?  ©0  ift  aud)  bie  ©ottfyett  nicfyt  aufermedt  toorben 
(913).  §ier  bermideli  fid)  bie  ©befulation  in  unlösbare  2öiberfbrüd)e.  ©ie  $ommuni= 
lation  ertoeift  fid)  als  unburd)füt)rbar  tro|  beS  eb,rlid}ften  unb  ewftlicbjten  ©trebenS. 
9Jcenfd)I)eit  unb  ©ottfyeit  in  einer  $erfon  unauflösbar  geeint,  füllen  in  biefer  einen  ^erfon 
gleichzeitig  im  £>immel  alle  ©eligfeit  genießen,  äße  Süelt  regieren  unb  auf  (Srben  leiben,  a:> 
fterben  unb  auferftefyen.  Srenj  mu§  beraubten,  bajs  ber  SRenfcb,  $efuS  ju  gleid;er  &\t 
lebenbig  unb  tot  mar. 

^a  aueb,  bie  ÜUienfcb^eit  auf  (Srben  lommt  in  ©efafyr,  ifyre  Realität  einjubüfeen.  Etsi 
enhn  Christus  (homo)  ea  erat  forma,  fcfyreibt  Srenj  gu  ^3b,i  2,  ea  majestate  jam 
inde  ab  initio  incarnationis,  ut  potuisset  nee  humanis  oculis  videri,  nee  50 
humanis  manibus  palpari  —  tarnen  inanivit  humiliavit  demisit  sese,  ut  et 
videretur  et  palparetur  adeoque  loco  circumscriberetur.  Erat  igitur  in  terra 
secundum  visibilem  carnem,  secundum  majestatem  autem  invisibilis  erat  in 
coelo  et  in  terra  (925  f.).  Slucb,  bag  esse  in  loco  mar  alfo  eine  ©einStoeife,  bie  nicfyt 
etwa  mit  ber  9Jcenfd)merbung  gegeben  mar,  gu  ber  fieb,  bielmefyr  ber  eigentlich  unfidjtbare  hb 
9ftenfd)  ^efu§  neben  feiner  Unficfytbarfeit  nod)  erft  berablaffen  mufjte.  (Über  bie  brei 
©rabe  ber  (Sjiftenj  bgl.  928.) 

Sie  2tu3fage  Srenj'  über  bie  dextera  dei,  bie  corpora  spiritualia,  bie  iHofale 
©einäroeife  unb  feine  aftronomifcfyen  ©belulationen  über  bie  §immelsfbb,ären  übergeben 
toir.    ©ie  bilben  nur  Hilfslinien.    Söie  Sutfycr  mar  er  fiefy  übrigens ,   aber  mit  weniger  uo 

SReat=®nc«ffotJäbic  für  Ifteoloflic  unb  xür&e     a.  Si.  xx  |ß 


194  Iniquität 

9ted)t,  bemüht,  alles  auS  ber  ©cbrift  zu  fd)öbfen,  mäfyrenb  bie  ©egner  mit  ben  fletfd)lid)en 
Söaffen  ber  '»JSfyilofoblue  fämbften.  SltlerbingS  nimmt  ber  ©cf/rtftbemeiS  mie  ber  SSäter= 
beweis  einen  großen  Raum  bei  ü)m  ein.  ©ie  bfnlofobfnfdjen  ^rämiffen  aber  liegen 
überall  zu  ©runbe. 
5  Witt  ber  llbiquttät  mar  für  Srenj  bte  Realbräfenz  beiuiefen.  ©en  ©inmanb,  bafj  ja 
burd)  bie  Übiquität  baS  2IbenbmaI)I  überflüfftg  toerbe,  fertigt  er  furzer  §anb  mit  £utl>er§ 
2luSfunft  ah  (849).  ©en  ©enufj  beS  SetbeS  aud)  feitenS  ber  Ungläubigen  betont  er 
natürlid)  (850).  Sieben  bem  esse  repletive  behauptet  er  mit  Sutber  aud),  bafs  esse 
diffinitive  beS  SeibeS  im  2lbenbmal)l  unb   tfvax   auf   eine  SSeife,    bafs    bie  ©fynefbod)e 

10  SutfyerS  fo  umgebogen  zu  fein  fcfyeint,  bafj  bte  ©egenmart  beg  SeibeS  burcb,  ben  usus 
erj)ibiert  mirb  (849). 

©aS  SJcauIbronner  ©efbräd)  ber  ©d)maben  unb  ^fäljer  (1564)  enthüllte  bie  ©d)roäd)en 
ber  burd)  2lnbreä  infolge  feines»  2lriftoteIifd)en  ©otteSbegriffeS  (actus  purus)  bereits  ah- 
gefc^tr>ä4)ten*  ß^riftologte  Srenj'  (bgl.  ben  SIrtilet,  baju  ©tei|  a.  a.  D.  590;  %f)omafiuS 

15  a.  a.  D.  363).  ©ie  ©Rarität  ber  beiben  gleichzeitigen  ©tänbe  mar  burd)  bie  llnter= 
Reibung  bon  xzfjaig  unb  xQ^otg  nict)t  auszugleiten,  ©ie  2lboIogie  beS  SJfauIbronner 
^ProtofoIlS  1565  (bei  5ßfaff  comment.  de  actis  et  scriptis  publ.  Eccles.  Wirt.  77) 
longebiert  bereits  eine  xevwoig  xQiqoEwg  gegenüber  ber  blofsen  xqmpig  xQ^oscog  Srenj', 
woburd)  freilief)  ber  ©egenfaij  jmifcb^en  bem  entäufsemben  ©rbenleben  unb  bem  gleichzeitigen 

20  §immelSleben  €l)riftt  nod)  berfcf/ärft  tourbe.  Qn  SBürttemberg  blieb  biefe  Sefyrmeife  bis 
jum  @nbe  beS  $aI)rf;unberiS  mafjgebenb  CIr/omaftuS  a.  a.  D.  374ff.). 

6.  3mifcf/en  ben  Sffiittenberger  $I)üibbiften  <3}cajor,  @ber,  Grell),  bie  an  ber  9JceIattd)= 
tI)onifcr/en  23efd)ränfung  ber  ^biotuenfornmuntfation  auf  bie  erften  beiben  genera  feftlnelten, 
bie  Übiquität  bertuarfen  unb   bie  disputationes  scholasticae  über   bie  Realbräfenz  ab= 

25  lehnten,  unb  ben  fd)roäbtfd)en  Sren^ianern  fud)te  2Rartin  Sl)emni|,  ber  Sraunfdjmeigifd)e 
©uberintenbent,  Sermittelung.  Qebod)  ift  eS  U}m  nicfyt  gelungen,  eine  mirfltdje  ©im%fe 
fyerzuftellen.  ©eine  2el)re  bleibt  ein  Aggregat  biSbarater  Elemente  2ReIanct)t£)ontfcE)er  unb 
£utf)er=33renzfd)er  ^erfunft.  3Mand)tI)onifc1)  ift  in  feiner  Sefyrmeife,  bie  er  am  um= 
faffenbften   in    ber  ©d)rift   de   duabus    naturis   in  Christo  1571    entmidelte    (Wit. 

30  Lips.  1578),  ber  2tuSgangSbun!"t,  bie  2lrifioteIifd)e  ^rämiffe:  Propria  non  egrediun- 
tur  sua  subjecta  (280).  ©ie  Proprietäten  ftnb  ber  menfcr/Iicfyen  -Jiatur  effentiell,  nid)t 
blojj  accibentieH,  lr>ie  23renz  moÜte,  unb  tonnen  beSl)aIb  nid)t  einfad)  burd)  göttliche 
Attribute  erfe|t  merben.  ©aS  in  loco  esse  gehört  alfo  zum  SBefen  beS  3)ienfd)en. 
2öäl)renb  nun  auf  biefe  Söeife  baS  genus   majestaticum,   baS  bod)  baS  in  loco  esse 

35  aufgebt,  aus  ber  ^ommunifation  auSgefcfyaltet  unb  auf  ben  biale£tifd)en  ©ebraud)  sD?eIand)= 
tb^onS  rebuziert  zu  fein  fd)eint,  getoinnt  (ifyemnitj  eS  gradatim  bocb,  toieber.  @r  giebt 
Ztoar  z",  ba%  bie  menfcblidje  9fetur  b,infid)tlid)  beffen,  iuaS  t^r  habitualiter  unb  forma- 
liter subjective  unb  inhaerenter  ein  proprium  toerben  lönne,  non  capax  infiniti 
fei.    ©ie  fann  alfo  mob^l,  toaS  aud)  bie  Reformierten   zu9e^en'    ^ona   creata   infusa, 

40  qualitates  finitae,  habitus  finiti  Don  feiten  ber  ©ottljeü  aufnehmen,  aber  nur  naa) 
bem  3J}afee  ib^rer  menfd)licfyen  Äa^zität  (263  ff.  267),  etma  fo,  rote  aud)  burd)  ^nf;abt= 
tation  ©otteS  in  ben  ^eiligen  eine  Steigerung  it)rer  natürlichen  Qualitäten  toorfommt. 
2lber  6b,emni^  miH  nun  boct)  auc§  baS  britte  genus  md)t  preisgeben.  @r  behauptet  beS= 
balb  eine  ©tetgerung  ber  Kapazität  für  baS  ©öttlid)c  in  Christo  homine  burd)  bie  unio 

45  personalis,  bie  er  mit  bem  ©amaScener  anljt^oftatifd)  begrünbet  (©tei^  a.  a.  D.  592 ; 
©eeberg  a.  a.  D.  363).  ®aburd)  bermag  fie  nun  bocb,  aud)  b^perpl)r/ftfd)e  Qualitäten, 
bie  mit  bem  Söefen  ©otteS  ibentifd)  ftnb,  aufzunehmen  unb  zu  beftfeen,  jebod)  nid)t  als 
einen  effentiellen,  formalen,  b^abitueEen  unb  tnl)ärierenben  fubjeltiben  S3eft|,  fonbern  nur 
als  eine  effeftibe  unb  aktuelle,  botentieße  (3ab(,  alfo  nict)t  fubftantiell,  fonbern  energetifcb 

50  (229  f.  279.  328.  468.  620),  als  SBirfungen  beS  mit  i§r  berfönlicb,  geeinten  SogoS  auf 
fie,  bie  fie  felbftmillig  aufnimmt  unb  felbfttb^ätig  „looberatib"  bertuertet  (224.  261.  306. 
363).  ©ie  menfcblic|e  Ratur  toirb  alfo  zum  felbfttl)ätigen  Drgan  beS  SogoS.  ©ie  gülle 
ber  göttlidien  SJtajeftät  fubftantiiert  fidt)  ntct)t,  aber  manifeftiert  \xa)  in  if)r.  ©iefen 
^3roze^   beult   6b,emni|   als   eine  2lrt  jieQixcoQtjaig.    @r  bertoenbet  aud)  baS  23ilb  bom 

55  glül)enben  ©ifen  mit  Vorliebe  (305  u.  oft),  ©ie  9)Jenfa)l)eit  mirb  burcb^gottet  (2lnleb,nung 
an  mr/ftifd>e  SorfteKungen,  ©orner  a.  a.  D.  II,  2  ©.  698  f.).  Slber  bie  ©ottljeit  ge^t 
in  bie  Spontaneität  ber  3Renfcr)f)ett  ein  (©eeberg  a.  a.  C.  364).  ©0  fcb^uf  6§emni| 
allerbingS  Raum  für  eine  größere  33erfelbftftänbigung  ber  ©tänbe.  $n  ber  ©rniebrigung 
tritt  bie  mitteilenbe  ^ätigfeit  beS  SogoS  bis  zu   xQviptg  xQnaEa>s   (353X    ja   6iS   jur 

eo  xevwoig  xQ^joecog  (57)  zurüd,  ob^ne  je  ganz  3U  baufieren  (228  f.),  in  ber  ©rfwfmng  ba= 


Miquttot  195 

gegen  boll  f>erbor.  %a,  eine  ©nttoicfelung,  ein  Sacb^tum  toirb  auf  btefe  Söeife  möglich 
(©eeberg  a.  a.  D.  365).  gugletcb  toar  babura)  ein  ©rfa|  für  bie  inbärierenbe  Ubiqui= 
tat  gegeben.  £>iefe  toirb  als  habitueller  SBeftfc  ber  TOenf^eit  entfefeieben  abgelehnt,  als 
potentieller  bagegen  toiebergetoomten,  als  eine  SCrt  Ubtbolipräfenj.  Samit  ftefyt  allerbingg 
bie  anbere  33ebauptung  int  SSiberfprua),  bajj  bie  fyt;poftatifcfye  Union  an  unb  für  fieb,  5 
utriusque  inter  se  praesentissimam  unionem  et  unitissimam  praesentiam  be= 
grünbe  (66  f.)  unb  barum  bie  ^Jcenfcfybeit  allezeit  im  £ogo§  gegentoärtig  fei  unb  in  il)m 
alle  Kreaturen  gegentoärtig  fyabe  (©tei£  a.  a.  D.  595,  praesentia  intima).  60  fommt 
Gl;emni£  über  ein  toiberfprud)§bolIe3  ©djtoanfen  atoifcfyen  aprtorifcfyer  Ubiquität  unb 
apofteriortfdjer  Ubi=  ober  SMttbolipräfens  nicfjt  fymauS  unb  {ebenfalls  buref)  fein  Stefuttat  in  10 
Monflilt  mit  feiner  ©runbtbefe:  propria  non  egrediuntur  sua  subjeeta.  35ie  ßonfe= 
quenj  feiner  2lnfcbauung  ift  eigentlich,  bafj  bie  2ftenfcbt>eit  $efu  jugletd)  effentieK  3trlum= 
ffript  unb  potentiell  ommpräfent  ift.  (Über  bie  reformierte  ^ßolemif  bgl.  ©orner  a.  a.  D. 
Z.  724ff.) 

£ic  £ef>re  ber  Konforbienformel  (Slrt.  VII  unb  VIII)  ertoeift  ftd^  al§  eine  fa)toer=  15 
lieb  genau  fijierbare  unb  einbeutige  Kombination  Sutfyertfc^äSrengfcfyet;  unb  (S^emni^fdjer 
2luffaffung.    9ttan  mu|  feigen,  baf$  fie  bireft  bie  3JJuIti=  ober  llbiboltpräfeng  inbirelt  aber 
bie  effentieße  Ubiquität  be§  £eibe3  lef>rt.   £)enn  mrgenbS  benennt  fie  \xa)  au§brüdlicb,  unb 
bireft  ju  bem  repletive  esse,    ber  Dmnipräfeng  ber  9[RenfcbI)eit  ßfyrtfti.    SSielmefyr  be= 
tocgen  fid)  alle  ib,re  2tu3fagen   in  biefer  3ticbtung   auf  ber  Sinie   ber  s]JcuIttboIipräfen;$.  20 
3toar  fcfyreibt  fie  ber  9Jlenfcb/b/eit  toäfyrenb   ber  ©rniebrigung    tote  @rb,öb,ung    ben  bollen 
33efu)  ber  göttlichen  SRajeftät  ju.    Stber  fie  ertoäfynt  als  beren  ^tgenfebaften  immer  nur 
bie  Dmnipotenj  unb  Dmnifcien^,  nie  bie  Dmnipräfenj  (bei  9MHer  549, 35.  680, 29. 680, 27  f. 
C91,  74.  692,  77  f.  695,  92).    @S  toirb   jtoar  bon  ber  2lllgegentoart  ©otteg    (548,  27 
695,  90.  692,  77)  aber  nie  bon  ber  Slllgegentoart  ber  DJienfcbbeit  ß^rifti  gerebet,  bagegen  25 
bon   tbrer  ©egentoart  „auf  ©rben"  „in  ber  Kirche''  „bei   ben  ©laubigen"     ©tefe  toirb 
aber  ftetö  als  burefy  bie  Dmnibotenj  Vermittelt  gebaut  (672,  119.  680,  27   29.  691,  74. 
092,  77.  695,  92).    @3  fyeifjt  jtoar   einmal:   revera   omnia  implet   et   ubique   non 
tantum  ut  Deus,    sed  etiam  ut  homo  praesens  dominatur  et  regnat  (680,  27  f.). 
2lber  praesens   ubique  dominari   ift   ntdjt  ubique   esse,     ©ine  Überfpannung     ber  30 
Ubiquität  lefynt  fie  jebertfaffS  febr  beftimmt  ab  (548,  27.  695,  90).    ^nbireft  approbiert 
fte  aber  bie  Ubtquttät3lel)re  £utfyer3  buret)  bie  2lufnafyme  ber  großen  Gitate  aus  feinen 
2lbenbmabl3fd)riften  (667  ff.  693 ff.)  mit  allen  ©ä£en  über  bie  Ubiquität  unb  ba§  reple- 
tive esse,    ©te  lebrt  alfo  bie  Ubiquität  tnbireft  neben  ber  Ubtbolipräfenj.   SDabei  eignet 
fie  fid)  £utber§  Sluffaffung  ber  dextera  dei  als  S£ropu§  für  ©otteS  SJtajeftät  an  (540,  12.  35 
546, 17).    9Jcan  fiebt  alfo  beuttief),  toie  t?ter  bie  beiben  Strömungen  miteinanber  ringen. 
Sonseffionen  an  6fyemnit5    finb   1.  bie  Betonung    ber  Ubibolipräfenj  al3  2lu3fluf$  ber 
Cmnipotenj,   2.  ber  ^nanition   ntebt   blofj   als  xgvyjtg  fonbern  aud)  xsvtooig  xQVosco^ 
(546,16.  679,26.  680,26.  688,65),  3.  bie  a3orau3fe£ung :  propria  non  egrediuntur 
sua  subjeeta  (681,  32)  mit  ber  @r!lärung,  ba§  circumscripte  esse  fei  effentiette  s$ro=  40 
prtetät  ber  SRenfcbbeit  (676,  8),  —  tooburef)  freilieb,  ebenfo  tote  bei  Sb^emnii  ba§  genus 
majestaticum  gefprengt  toirb,  4.  bie  toieberbolte  Segitimierung  be§  bie  energetifd)e  2luf= 
faffung  begünftigenben  33ilbe§  bom   feurigen  ©tfen    (678,  18.  689,  66).    ^n  ben  Sutber= 
citaten  fommt  bagegen  ber  SBren^aniSmug  ju  3ßort.    2lucb  barin,  ba|  inbirelt  btötoeilen 
(Sbemni^fcbe  2lnfid)ten  abgeliefert  toerben  (685,  5).     ^m  übrigen  toirb  bie  Comm.  Id.  45 
realis  als  iaS  gunbament  ber  gefamten  dbjiftologie  mit  ftarler  Betonung  ber  Integrität 
ber  Naturen  unb  ibrett  Proprietäten,  ber  Unempfängltcbleit  ber  göttlichen  Statur  für  bie 
menfcbltd)en  Proprietäten  (684)  unb  ber  Trennung  ber  ©tänbe  fo  burebgefübrt,   ba^  fte 
fotoobl  ein  gemilberter  SBrenjianiömug ,   toie  ib^n  Slnbreä  bertrat,   als  ber  fortgerittene 
SWelanc^tf;oniani§mu§  6b^emni|'  aeeeptieren  lonnte.  ©oefy  geigt  ber  Sorbebalt  bei  (enteren  50 
betreffs  ber  Ubiquität  in  feiner  Unterfcbjift,  ba^  man  ba<§  Problem  ungelöft  toufete. 

7  ©te§  jeigt  aueb,  bie  toeitere  ©nttoictelung  ber  Sebre,  bie  nur  !urj  fli^iert  toerben 
lann.  SBietoob^I  bie  Ubibolipräfenj  6b,emni|'  in  ber  F.C.  haS  Übergerotcbt  über  bie  afc 
folute  Ubiquität  getoann,  tourbe  fie  boeb  eine  Zeitlang  bureb  bie  gemeinfc^aftlicben  Se= 
mübungen  ber  beiben  ©ebtoaben  £  eonbar  b  §utt  er  unb  leg.  §unniu§  ju  ©unften  ber  55 
Ubiquität  berbrängt  (3)orner  a.  a.  D.  775;  £bomafiu<§  a.  a.  D.  427f.).  §utter  reprobu= 
Siert  toefentlicb  bit  Srengfcbe  Sebre.  §unniu§  lebrt  im  2lnfcblu^  an  ©bemni^febe  ©e= 
banfeit,  bielleicb,t  aua)  fd)on  2utt)erifcbe,  eine  praesentia  intima  ber  3Jcenfd;beit,  eine 
immanente  2lllgegentoart  berfelben  im  £ogo§,  eine  paffibe  Dmnipräfenj.  1)od)  gebt  er 
bnrin  über  (§bemni£  ^titanS,  ba|  er  bie  im  ©tanbc  ber  (gmtebrigung  blofj  latente  prae-  eo 


196  ttbtquttät  ttgoltm 

sentia  intima  burd)  bie  ©rfyölmng  zur  omnipraesentia  extima  fteigert,  neben  ber 
Zugleich,  aber  bie  räumliche  ^ßräfenz  be§  £etbe3  im  §immel  fortbeftefyt,  womit  ber  ®uaIi<o= 
mu§  ber  menfd)li$en  (Sjtftcnj  ßfyrtfii,  ber  bei  Sutfyer  unb  33renj  auf  bie  %f)at  ber  @r= 
niebrtgung  befcfyränft  blieb,  in  permanens  erllärt  wirb  (©tei£  a.  a.  D.  599  f.)-  ®amit 
5  War  bie  Ubiquität  jur  3Inerlennung  gebraut  unb  nur  bie  nähere  girjerung  ber  Geologie 
überladen. 

3Son  je£t  an  Wirb  bie  Ubiquitätslebje  ein  Moment  in  ben  Cenotifcfyen  ©treitigfeiten, 
für  meiere  auf  bie  Slrtifel  Cenofig  unb  ßfjriftologie  in  biefem  Söerfe  berWiefen  werben 
mufj  (bgl.  aud)  ©tei|  a.  a.  D.  600  ff.).    _®ie  ©iefcener  lehren  im  Stnfcbjuf}  an  Gfyemnü^ 

10  §unniu§  neben  bem  potentiellen  33efitj  bie  xevwoig  xqiqoecas  ber  göttlichen  Proprietäten 
fettend  ber  9Jienfct)^ett  unb  bie  praesentia  intima  in  ber  ©rniebrigung,  referbieren  bie 
Dmnibräfenz  ber  9ftenfd$eit  für  bie  ©rfyöfyung.  ®er  Sogos'  f)at  alfo  Wäfyrenb  ber  (Sr= 
niebrigung  bie  9)lenfcf)fyeit  tfvax  gegenwärtig,  aber  aU  eine  folcr/e,  bie  nicfyt  an  feiner 
3lllmacr)t  unb  SlHgegenWart  bartizibiert.   @r  regiert  oljme  t^re  Cooperation.   ®ie  Tübinger 

15  führen  bie  Comm.  Id.  aueb,  Wä^renb  ber  ©rniebrigung  lonfequent  burd),  geftatten  nur 
eine  xQvxpig  xQV°£C0^>  -binbijieren  alfo  ber  9Kenfcf;I)eit  in  inanitionis  statu  nur  eine 
©iffimulation  ber  bollbefeffenen  Dmni^räfenj.  5Kur  für  bie  SlUmac^t  gefielen  fie  ben 
fyol)enbriefterlid)en  Munitionen  3efu  eme  yJvcooig  xQrjaecag  iu  (retractio  reflexiva). 
©te   Wafyre  9Jcenfcl$eit   War  freilieb,    bamit  in  grage    geftellt   (©teifc  a.  a.  D.  600 ff.; 

20  S^omaftus'  a.  a.  D.  429;  ®orner  a.  a.  D.  788  ff.).  ®er  2lbftanb  zWifcfjen  beiben  ift  nur 
relatib.  Sie  ©iefjener  befcfyränlen  fid^  auf  bie  ^ßotentialität,  bie  Tübinger  be^au^ten 
©ubftantialität  beö  9Jtajeftät3befi|e§  ber  3Dlenfd)I)eit  in  ber  ©rniebrigung. 

®ie  ©efcfyicfyte  ber  Übiquitätslelp  ift  bamit  abgesoffen.  SDer  23erfucb,  9cifoIais',  fie 
im  banentl)etftifd;en  unb  etfnfcfyen  ©inne  umzubiegen   (©tei|  a.  a.  £>.  605 f.),    ift  ©irtgel= 

25  erfcfyeinung  geblieben.  2öieWo|l  bie  beiben  Styben  einanber  näl)er  Jommen,  wirb  boeb,  in 
ber  golgejeit  feine  ©tmtfyefe  erreicht,  ©ie  befielen  innerhalb  ber  lutfyerifcfyen  Geologie 
mobifijiert  nebeneinanber  fort.  $m  allgemeinen  gewinnt  6I)emmi3  bureb,  bie  ©iefjener 
bie  Dberfjanb.  Salijt  lefyrt  ju  ber  melancfytfyomfcfyen  fjaffung  ber  Comm.  Id.  jurüd3. 
®ie  33eztel)ung  auf  bie  2tbenbmal)Islel)re  tritt  in   ben  ^intergrunb.    9JUt  bem  ^ietigmug 

30  unb  befinitib  mit  bem  9tetionalis'mus  erlahmt  bie  d?riftoIogifc|e  ©belulation.  ®ie  lutb,e= 
rifcfye  ©ogmatif  bes"  19.  ^al>rf)unberts  Ijiat  bem  Ubiquitäi^broblem  geringere*?  ^ntereffe 
entgegengebracht.  ÜRur  ^3I)ilibbi  ttat  bon  ben  ©r/ftematifem  ben  ©tanbbunlt  ber  ©iefjener 
retorobujiert.  $)ie  (Manger  Cenotiler  behalten  bie  Dmnibräfenz  für  ben  erbeten  ©ott= 
menfd)en  bor;  Xl)omafiu§  begrünbet  fie  mit  @I)emmtj  auf  bie  2lllmacf)t   (a.  a.  D.  271), 

35  granf,  Wie  e§  fcfyemt,  auf  bie  praesentia  intima  (2öal)rf)eit  II,  ©.  230  ff.),  b.  Dttingen 
auf  bie  „Staumbefyerrfcfyung"  (©Aftern  II,  2,  151).  ©afj  aueb,  bie  Cenotifcb^e  2luffaffung, 
Wietoob^I  fie  einen  cb,riftologifcb,en  gortfcfyritt  barftellt,  bon  großen  ©cb^Wierigfeiten  gebrückt 
Wirb,  lann  nict)t  zweifelhaft  fein.  5Der  gortbilbung  ber  ßf)riftologie,  an  ber  bon  ber= 
feb^iebenen  ©eiten  gegenwärtig  gearbeitet  Wirb,  bleibt  bie  Aufgabe,  nacfybem  bie  Ubiquitätg= 

40  lef)re  in  if)ren  bisherigen  formen  nirgenb§  eine  Wiberfbrucfjälofe  Raffung  gewonnen  b^at, 
bem  ©laubenöintereffe,  ba§  il)r  unleugbar  jugrunbe  liegt,  ju  einem  bogmatifa)  einWanb= 
freien  2lusbruc!  ju  bereifen.  9t.  85B.  ^«nsinger. 

Übel  f.  b.  31.  Seiben  33b  XI  ©.  360. 

ltgolmi,  Siagio,  latein.  93Iafiu§  llgolinuä,  ift  betannt  geworben  burdb,  ben  The- 

45  sauraus   antiquitatum  sacrarum,    ber  in  Senebig  1744—1769   in   34  goliobänben 

größten  gormat§  erfc§ienen  ift.    tiefes  äöerl  enthält  erfteng:  einen  9toubrud  ga^lretd^er 

Slbb^anblungen  jur  biblifcfyen  Streb, äologie  bon  berfeb^iebenen  ©eleb^rten.  —  $Weiten§:  3lb= 

l>anblungen  bon  U.  felbft,   33b  10:   Altare  exterius,    de  mensa  et  panibus  propo- 

sitionis;  Sb  11:  Altare  interius;  de  candelabro;  33b  12:  de  sacerdote  castrensi 

50  (£)t  20, 2ff.);  93b  13:  SacerdotiumHebraicum;  33b  17:  de  ritibus  in  coena  Domini 

ex  antiquitatibus  Paschalibus  illustratis ;  93b  21:  de  phylacteriis  Hebraeorum ; 

33b  22:  Trihaeresium  ($fyarifäer,  ©abbueäer,  @ffäer);  33b  29:  de  re  rustica  veterum 

Hebraeorum;  33b  30:  Uxor  Hebraea;  33b  33:  de  veterum  Hebraeorum  et  reli- 

quarum  gentium,  praesertim  Graecorum  et  Romanoruin,    funere  et   praeficis. 

55  S)iefe  älbfyanblungen  geigen  gute  Kenntnis  ber  jübifdjen  Sitteratur  unb  aueb,  fonft  ©elefyr= 

famleit.  —  S)ritten§:  Überfe^ungen   altjübifcfyer  Söerle  famt  nebenfteb,enbem  ©runbte^te. 

a)  31  ^Eraltate  ber  3;b,osebb,tb,a,  nämlia)  in  33b  20  bie  erfte  Drbnung,  in  33b  17    18  bie 

zweite  (Web),  in  33b  19  bie  fünfte  (Qobafd)im).  —  b)  20  Sraftate  bes  toaläftin.  2al= 


ltgolim  UI)U)inu  197 

tnubs.  33b  17:  ^esacfnm.  23b  18:  ©cbeqaltm,  ^oma,  Su!fa,  9bfd)  fya=fd>ana;  Tfya'anitb,, 
9Kegilla,  (^agiga,  33e^,  ^oceb  qaton.  93b  20:  3Jcacafrotty,  9Jlacafer  fc^ent,  ßljalla,  Trla, 
SiHurim.  33b  25:  Sanfyebrin,  2Raifot&.  33b  30:  Qibbufd)in,  Sota,  Äetfyuboify.  — 
c)  3  Traftate  be£  babtylon.  TalmubS.  33b  19:  Zebacfyim,  9Jcmacr;otfy.  33b  25:  Sanljebrin. 
-  d)  -1  alte  ÜRtbrafd&e  (f.  biefe  ©ncbil.  XIII  ©.  788.  793,45ff.),  nämlid):  9MfyiItba  5 
unb  Sibbja  in  33b  14;  Sibb/re  in  33b  15;  &qa<§  tob  ju  Set»,  9cu,  35t  (unter  bem  fal= 
fd)en  Titel  Pesictha)  in  33b  15  unb  16.  —  e)  ,3cd)lreid)e  Traftate  au§  bem  großen 
3titualtoeri  Sab  cfyazaqa  beö  90?ofe§  9Jcaimombe§.  9}amentlid)  megen  biefer  letztgenannten 
Überfe^ungen  ift  U.  in  35eutfd)lanb  angegriffen  morben :  SRofeg  9Mm.  fei  leine  2lutorität. 
3n  einem  1748  an  Sf)r.  33en.  9Jcicr;aeli3  in  §afle  gerichteten  ©djreiben  (ba£  ©jemblar  10 
bei-  flfll.  33ibIiotb/ef  in  93erlin  (33ibl.  35iej  2488;  11  ©eiten  4t0)  f>at  lein  Titelblatt.  Qn 
Zaccaria's  Storia  letteraria  d'Italia  I  (23enebig  1750),  ©.  207  lautet  ber  Titel : 
Viro  celeberrimo  Cristiano  Benedicto  Michaelis  .  Blasius  Ugolinus  S.  P.  D., 
Venetiis  1748)  berteibigt  er  fid)  unb  bringt  33emeife  bafür,  bafj  9Jcofe<§  SRaim.  mit  9ied;t 
fia)  ^obc6  2lnfeben§  erfreue.  23gl.  aucfy  baö  93orroort  ^um  17.  33anbe.  15 

33b  34  beg  Thesaurus  ift  ein  486  ©eiten  fültenbeS  9tegifter.  $ot).  ©eorg  Teufel, 
Bibliotheca  Historica  I,  2,  ©.  118—142  (Seidig  1784)  giebt  ein  aSergeid^nig  aller 
Titel  ber  einzelnen  Slbbanblungen  unb  Überfettungen. 

Über  ba§  Seben  ü§.  fyahe  id)   bi§   je|t  letber  nicbtg  ermitteln  lönnen.    $n    ber 
äBibmung  jum  erften  33anbe,  1744,  ift  gefagt,  ba|  bie  Vorarbeiten  mefyr  atö  ein  ^abr=  20 
gebnt  gebauert  baben.    35er  Stegifterbanb,   1769,   ift  nod)   bon  ü.  felbft   bearbeitet.    XL. 
nennt  fid),  too  er  lateinifd)  fd)reibt,  ftet3  33Iafiu3  UgoIinuS.   Ugolini  mirb  er  in  ber  33e= 
fbredmng   ber   erften   3  33änbe   bes>  Thesaurus   im  Journal   des  Scavans   genannt: 
33b  138  (346,  2lmfterbam  1746),  ©.  389—412;  33b  141  (349,  Stmft.  1747),   ©.  245 
bil  262;  33b  142  (350),  ©.  20—35;  33iagio  Ugolini  in  Storia  letteraria  d'Italia  I,  25 
S.  207  unb  in  ben  furjen  33efbred)Uttgen  be<§  Thesaurus  bafelbft  IV,  134— 136;  VII, 
476—478;  VIII,  372;  X,  506.    fön  biefen  Sinnigen  wirb  gerügt,  baft  U.  bie  33ebeu= 
tung  ber  rabbinifd)en  Sitteratur  für  ba§  SSerftänbmS  ber  33ibel   überfd)ät$e.)    U.  ift   ein 
nid)t  feltener  italienischer  3came.    ^n  bem  ©^reiben  an  (5b/r.  33.  3)Jid)aeli§  ermähnt  ü., 
baft  bie  jugenblid)en  33rüber  2öald)  in  SSenebig  oft  mit  ibm  jufammen  roaren  (gemeint  finb  30 
Qob,ann  ßrnft  3mm<wuel  2ßalcb,  fyäter  ^rofeffor  ber  ^ßlnlofobfyie  unb  ber  33erebtfamieit 
in  ^ena,  geb.  1725,  unb  6f)riftian  2Bilr,elm  granj  äSald),   geb.  1726,  feit  1753  «ßrof. 
in  ©öttingen).    ©benba  bittet  er,  bem  ^ßrofeffor  ©igigmunb  33aumgarten  in  .gälte  (geft. 
1757)  biete  ©rüfce  auszurichten.   —   Dbmofyl  U.  eS,  fotoeit  td)  gefeben   l)abe,  nirgenb§ 
fagt,  lann  bocb,  roobl  faum  ein  groeifet  fein,  ba§  er  geborener  $ube  mar  unb  erft  fbäter  35 
jur  römifcb^fatbolifcfyen  ®ircbe  übergetreten  ift.  £crm.  £.  ©trorf. 

U^l^orn,  ©erb,  arb,  lut^erifd^er  Theologe,  geb.  in  D^nabrüd  am  17.^ebruar 
1826,  geft.  in  §annober  am  15.  35e^ember  1901.  —  ®.U.,  3t6t  ju  Soccum.  Don  &r.  Ufjl= 
Iiorn,  Stuttgart  1903. 

U.  entflammt  einer  bürgerlichen  gamilie.    35er  3Sater  mar  ©dju^madjermetfter,   ein  40 
angefe^ener  3)?ann  bon  geiftiger  9tegfamfeit   unb   ecfeter  grömmig!eit,   bie  -Bcutter   eine 
jarte  feinfinnige  grau,   bie  balb   nad)   ber  ©eburt  be3  ©ob^neS   ftarb.    ©c^lic^tbeit  unb 
filarfyeit  be§  2Befen§   b,at  IX.   ab§  ©rbteil  be§  @lternl)aufe§  empfangen,   aber  aucfy  burcb, 
bie  fleinlicf)en  33err;ältniffe,  bie  totrtfd)aftlid)  oft  bebrängte  £age„be3  33aterS  unb  ba§2ln= 
getoiefenfein  auf  frembe  §ilfe  eine  getoiffe  33efangenbeit  unb  Singftlicb^feit.    35er  Slnabe  45 
befugte  junäcbft  bie  S^olföfc^ule,   ba  ber  35ater  iE>n  jum  §anbroerf  ergeben  roodte,   aber 
feine  ungemöfmlidje  33egabung  50g  bie  3lufmerlfamfeit  ber  Sefyrer  auf  it)n,  unb  ber  l>er= 
borragenbe  ©cb^ulmann  Schüren  fettfe  burd),  ba§  er  baö  ^latSgr/mnafium  befucben  !onnte. 
§ier  l^at  bor   allem   35ire!tor  Slbeden,    einft  §au3lefyrer  bon  ©d)illerg  ©öb^nen,    auf 
ilm   eingetoirft,    ein  SRann   boü   33egeifterung   für   ba§  Älaffifd^e   unb   bon  religiöfen  60 
unb  tfieologifdicn  ^ntereffen;   unb   im  ^onfirmanbenunterric^te  ^aftor  SSeibegabn,   ein 
Vertreter  be§   neu    ertoad)enben    lirc^lic^en  ©lauben^Iebeng.     ^acb,    einem   bergeblidjen 
23erfud)e  in  ba§  ©cb^ulle^rerfeminar  aufgenommen  ju  merben  tonnte   er  mit  ber  Unter= 
ftü|ung  einiger   ifym  toof)lgefinnter  §erren  baS  ©^mnafium  abfolbieren.     ©ein  SBunfd; 
*oar  3)catf)ematit  ju  ftubieren,   aber  au§  Mangel  an  Mitteln  entfcblo^  er  fid)  jur  Tb«o=  55 
'08i«,  ju  ber  iljm  feine  ^ugenbeinbrüde  binjogen.     $n  ©öttingen   mürben  Sude    unb 
(ätyrenfeud)ter  feine  Sef)rer  unb  bäterlid)en  greunbe.  Unter  ib,rem  ©influffe  befreite  er  fid) 
bon  bem  $ieti§mu§,  ber  ibn  bon  D^nabrüd  b,er  anhaftete  unb  mürbe  ein  2ln^änger  ber 
gläubigen  3Jermittlung3tb,eologie,   aber   unter  2öal)rung  feiner   getftigen  ©elbftftänbigl'eit. 


198  ltt)Cf»or« 

9Zacb  früher  ^auSlefyrcrjeit  Würbe  er  1849  in  ©ottingen  Slebetent  urtb  habilitierte  fid; 
1852  bort  als  ^ßribatbo^ent  mit  ber  ©cfyrifi:  Fundamenta  chronologiäe  Tertullianeae. 
2lußer  Slird;engefd;id;te  IaS  er  aud;  über  baS  St'S  unb  torebigte  regelmäßig  in  ber  Uni= 
berfitätSfirdje.   ©ifrig  beteiligte  er  fid;  mit  fcfyarfer  geber  an  bem  Wiffenfd;aftlid;en  Äambfe 

5  gegen  bie  Tübinger  ©d;ule,  bon  Säur  als  „ein  nicfyt  unbilliger  Beurteiler"  geartet,  bon 
£ilgenfelb  gefd;ä£t  unb  berbiente  fid;  in  faft  federn  «Streite  bie  ©boren.  1854  erfcfyien 
fein  Bud;:  „®ie  §omtIten  unb  ÜRefognitionen  beS  GlemenS  SiomanuS  nacb.  ifyrem  Ur= 
fbrung  unb  %nfyalt  bargeftellt",  aud}  arbeitete  er  mit  an  ber  grage  nad;  ber  @d)tl)eit  ber 
3gnatianifd;en  Briefe  unb  fdjrieb  2trtitel  für  bie  erfte  Auflage  biefer  ©ncttflobäbie,  beren 

10  Mitarbeiter  er  bis  ^um  £obe  geblieben  ift. 

^n  ber  l>annoberfd;en  SanbeSfird;e  entbrannte  ju  biefer  $eit  ber  ß'atnbf  jWifdjen 
ber  neulutl>erifd;en  ortfyoborm  Stiftung  (Sßetri  unb  SRündmiefyer)  mit  tfyren  fyocfyfircbjicfyen 
2lnftd;ten  unb  ber  ©öttinger  gafultät  (Sude  unb  6f)renfeud;ter),  ber  2lbtoeid;ung  bom 
Bekenntnis  unb  unioniftifdje  SEenbenjen  borgeWorfen  mürbe.     Ü.   ftanb   auf  ber  ©eite 

15  ber  ©öttinger,  maßbotl  tfyre  Sinficfyten  bertretenb ;  er  rebigierte  bie  bon  ben  ©öttmgern 
herausgegebene  „9JionatSfd;rift  für  Geologie  unb  Uircbe"  %n  biefem  $ambf  hinein  fpielt 
ein  anberer  über  bie  innere  SJliffion,  bie  bon  ben  BermittlungStfyeologen  Warm  gefördert, 
bon  5ßetrt  für  ein  gefährliches  ©cpnggeWädjS  am  Baum  ber  $ird)e  erflärt  würbe. 
^3etri  erreichte  bie  Befeijuug  ber  ©öttinger  gatultät  mit  ©efinnungSgenoffen  nid)t,  biel= 

so  mein-  mürbe  aufs  neue  ein  BermittlungStfyeologe  unb  ^War  aus  ber  Union  berufen 
(©djöberlein),  aber  fein  „ßeitblatt"  berbrängte  bie  ©öttinger  geitfebnft  unb  getoann 
großen  (Einfluß  auf  ben  größten  SEetl  ber  ©eiftlid;ett,  bie  fid;  einer  bolfStümltdjen  DrtI)o= 
borje  juWanbten. 

Um  ber  ^ßetrifdjen  Stiftung  entgegenzuwirken  tourbe  U.,  ber  fid)  aud;  als  bebeuten= 

25  ber  ^rebiger  burd;  ein  Bänbdjen  ^rebigtert  (©ottingen  1854)  in  Weiteren  Greifen  befannt 
gemacht  fyatte,  1855  nad;  £annober  berufen  als  .gtlfSbrebiger  an  ber  ©d;Ioßfird;e  unb 
Hilfsarbeiter  im  ^onfiftorium.  @r  »erheiratete  fid;  unb  b,at  mit  feiner  grau  in  einer 
langen,  überaus  glüdlicfyen,  mit  jed;S  ^inbern  gefegneten  (Efye  gelebt.  SRafd;  ftieg  er  empor. 
1857  tourbe  er  ^Weiter,  1861  erfter  £>ofbrebiger  unb  ^onfiftorialrat.    SJttt  feiner  ^rebigt= 

so  art  (f.  b.  31.  ©efd;.  b.  ^rebigt  Bb  XV  ©.  718)  brang  er  nur  langfam  burd;  unb  lonnte 
erft  gegenüber  ben  anbern  bebeutenben  ^rebigern  §annoberS,  bor  allem  $etri,  nid;t  auf= 
fommen,  lange  Qtit  fyatte  er  faft  leere  Slirdjen,  bis  fid;  bann  eine  bon  $al;r  gu  $al;r 
Wad;fenbe  treue  ©emeinbe  um  iljm  fammelte.  SBenig  besagte  tfym  erft  bie  Slrbeit  im 
^onfiftorium.  $Die  bureaufratifcfye,  jagfyaft  unentfdjloffene,  am  Sllten  fyängenbe,  bem  $ort= 

35  fdjritt  abgeneigte  Slrt,  bie  fd;on  TOemann  bergeblicb.  belämbft  fmtte,  War  il)tn  I)öd;ft  un= 
ffymbatfyifd).  SDrüdenb  embfanb  er  aud;  bie  Berlobblung  bon  Jlird;e  unb  ©taat  unb  bie 
9?üdhnr!ung,  bie  aUe  boIitifcb,en  Äämbfe,  bie  bamalS  baS  lönigreid)  ^annooer  bewegten, 
auf  bie  Äird;e  ausübten.  „SDaS  ift  baS  unfäglidje  (S'lenb  biefer  Berbinbung  bon  ©taat 
unb  $ird;e",   fd;rieb   er  bamalS,   „baß  nun  bie  ^ird;e  9JJagb  Wirb,   baß  fie  in  jebeS 

40  ©d;Wan!en  ber  Regierung,  in  jeben  ^rrWeg,  ben  bie  ^olitil  einfd)lägt,  mit  hineingezogen 
Wirb"  ©od;  lonnte  er  einige  fyeilfame  gortfd;ritte  anbafmen  Reifen,  fo  bie  (Einführung 
bon  2lbenbgotteSbienften  unb  bie  SReuorbnung  ber  ©efängnisfeelforge,  bie  nod;  red;t  im 
Slrgen  lag. 

^n  ber  braftifcfyen  Slrbeit  in  §annober  toanbelten  fid;  feine  tfyeologifdjen  unb  lird;= 

45  lid;en  3lnfd;auungen.  ©eine  Siebe  ju  ber  (Eigenart  ber  Iutl>erifd;en  üird;e,  bie  in  feinem 
reiben  ©emütsleben  unb  feinem  gefd;id;tlid;en  ©inne  Wurzelte,  Würbe  geftärü,  er  Würbe 
ein  ©egner  ber  UnionSgebanlen  unb  Wanbte  fid;  meb,r  ber  Drt^obo£ie  ju.  @r  Würbe 
baburd;  jum  Mittelsmann  jWifd;en  ber  ©eiftlid;!eit  unb  gafultät  unb  l>at  namentlid;  ba^u 
beigetragen,  baß  bie  ©bannung  jWifd;en  beiben  allmäpd;  aufgehoben  Würben.  SBä^renb 

so  feines  ganzen  SebenS  f)at  er  fid;  barum  bemüht,  ein  gutes  Behältnis  gWifd;en  Äird;e 
unb  Uniberfität  aufregt  ju  erhalten  unb  War  ba^u  befonberS  geeignet  burd;  feine  Siebe 
jur  5!ird;e  unb  aud;  jur  SSiffenfdiaft.  2lllerbingS  mußte  er  aua)  felbft  bie  ©bannung 
jWifd;en  ^^eologie  unb  Äird;e,  bie  in  geWiffer  Söeife  unbermeiblid;  ift,  embfinben,  unb 
ba  er  mit  bem  §er^en  in  ber  Hird;enle^re  Wurzelte  unb  in  fie  immer  tiefer  I;ineinmud;S, 

55  wä^renb  fein  fd;arfer  Berftanb  offen  War  für  aUe  t^eologifdjen  fragen  unb  Wiffenfd;aft= 
liefen  gorfd;ungen,  fd;ien  er  juWeilen  unentfcbjeben  unb  fd;Wanfenb  ju  fein,  ©o  flar 
unb  beftimmt  er  bie  altlutfyerifcfye  Se^re  bertrat,  fo  fd;roff  er  gegen  2lbWeid;ungen  bom 
BelenntniS  fein  !onnte,  fo  an§ie|enb  Waren  für  ilm  auä)  Wieber  bie  neueren  tl;eoIogifd;en 
©ebanlen,  unb  er  berftanb  unb  trug  abWeid)enbe  3lnfid;ten.    ©o  lam  es,  baß  bieDrt^o= 

60  bojen  \i)tn  borWarfen,  er  neige  ju  ben  Neuerern,  Wäfyrenb  biefe  enttäufd;t  Waren,  baß  er 


W)H)ov«  199 

nid;t  auf  ibje  ©citc  trat.  SDJan  I)at  ifym  be§f>alb  aud)  iuoE)I  bcn  33ormurf  ber  ©ib!o= 
matic  gemacht,  aber  mit  Unrecht,  benn  fein  23erf)alten  im  ifyeologifcfyen  unb  fircfylidjcn 
©treite  ift  nicfjt  ein  berecfynenbeS  gemefen,  fonbern  au§  feiner  2BcfenSart  fyerauSgemact/fen. 

Wü  bem  tfyeologifdjen  92acl)mud)S  blieb  er  in  SSerbinbung  burd;  feine  ©£amenS= 
tfiätigfett.  ©r  fyalf  an  feinem  Teile  bie  jungen  Theologen,  bic  in  miffenfdjaftltcfyer  5 
33ejieb,ung  biel  ju  münfdjen  übrig  liefjen,  ju  ernfteren  ©tubien  gu  führen,  ©eine 
eigene  hnffenfcfyaftlidjie  Tfyätigfeit  erftredte  ftd)  auf  baS  gefcfytdjtlidie  ©ebiet.  $n  ben 
$abrbüd;ern  für  beutfdje  Theologie  (1857  u.  58)  fcfyrieb  er  luffä^e  über  bie  $ird;en= 
gcfd;icf)tSfcl)reibung,  bie  auef)  eine  2luSeinanberfe|ung  mit  ber  Saurfd)en  ©dmle  enthalten. 
Öreifsmalb  efyrte  ifym  1860  burd;  ben  tfyeologifdjen  ©oftor.  1861  erfcfyien  fein  Seben  10 
beS  UrbanuS  9tf)egiuS.  3n  \imiX  prafttfdjen  Tfyätigfeit  als  §oftorebtger  erneuerte  er 
bie  alten  formen  beS  lutfyerifcfjen  ©otteSbienfteS  unb  führte  liturgifd)e  Sehern  ein. 
Sie  ©cfylofelirdje  mit  ifyrem  ©fyor  mürbe  borbilblid;  für  bie  Siturgie.  %ufy  ©efangbud;S= 
fragen  befestigten  ü)n  unb  ^mar  in  Se^ie^ung  auf  baS  gürftentum  DSnabrüd,  baS  ein 
febr  fd}Iecb,teS  ©efangbueb,  befafj.  ©ine  beffere  geiftlid;e  33erforgung  ber  rafefy  maef/fenben  15 
.vmubtftabt  mürbe  burd;  ben  33au  ber  bon  K'önig  ©eorg  V  gefcfyenften  ©f)riftuS!ird;e 
begonnen,  ©eine  in  ©öttingen  gemedte  Siebe  jur  inneren  3Jiiffton  betätigte  11  burd; 
l'Jcitarbett  im  Qüngtmg^toerem,  nod;  mel)r  bei  ber  ©rünbung  ber  ©iafoniffenanftalt 
„§enriettenfttft",  einer  ©tiftung  ber  Königin  9Jiarie  bon  §annober.  ©r  entmarf  bie 
©runbjüge  ber  SCnftalt  im  2Infct)luf$  an  23etb,anien  in  Berlin.  Sie  §auSorbnung  unb  20 
2lnmeifung  für  bie  ©d;meftem  gel;en  ben  SRittelmeg  ^mifdjen  ju  gröfeer  ©ebunbenfyeit 
unb  greifyeit.  U.  I)at  burd)  feine  perfönlid;e  Arbeit  bem  ©tift  ben  lutfjiertfdjen  6I)arafter 
aufgeprägt  unb  bie  feften  ©runblagen  gefd;affen,  auf  benen  S3üttner  eS  bann  ^u  fyoljier 
Slüte  geführt  fyat.  ©er  Anfang  mar  ferner,  bie  gafyl  ber  ©cr/toeftem  Hein,  baS  5Rif$trauen 
im  Sanbe  gegen  baS  als  fatfyolifd;  unb  bietiftifd;  berfd)rieene  ©tift  grofs,  baS  b,annoberfd;e  25 
ßönigSbaar  blieb  lange  geit  £>aubtförberer  ber  ©iafomffenfacfye.  1863  mürbe  ein 
grofjeS  ©ebäube  für  bie  §enriettenftif  tung  gebaut,  aber  erft  in  ben  Kriegen  Don  1866  unb 
1870  71  mürbe  für  weitere  Greife  bie  S3ebeutung  beS  ©tafoniffenmefenS  ermiefen  unb 
größere  Teilnahme  bafür  gemedt. 

§emmenb  unb  bod;  mieber  förbernb  für  bie  ©ntmidelung  ber  I;annoberfd;en  SanbeS=  30 
fircfye  rourbe  ber  $ated)iSmuSftreit  1862.     ©er   an  ©teile  beS   alten   rationaliftifd;   ge= 
färbten  SanbeSfatecfyiSmuS  bon  1790   einfeitig   burd;   romglid;e  33erorbnung  eingeführte, 
bon  SübrS  bearbeitete  unb   bon  ber  ©öttinger  ^alultät  gebilligte  ort^oboje  ^ated^temuS, 
ber  bie  neuere  Gmtmidelung  ber  fatect^etifc^en  Slrbeit   ju  feb,r  ignorierte,   erregte   einen 
©türm,  ber  bon  ben  boütifd)  Siberalen,  bie  ba§  realtionäre  3)Jinifterium  SorrieS  ftürjen  35 
wollten,  teils  b,erborgerufen,  teils  geförbert  tourbe.    @S  fam  ju  S]olfStumuIten,  bie  felbft 
baS  Seben  beS  ^onfiftorialrateS  bemann  unb  aueb,  U^I^ornS,  bie  als  Träger  ber  fircbjidjen 
9ieafttort  galten,  gefäl)rbeten.    SDer  dortig  ©eorg  V   gab   nacb,    unb  50g  bie  Sßerorbnung 
äurüd.    ©er  ^atecl)iSmuSftreit  führte  aber  bie  ort^oboEe  Stiftung  mit  ber  gafultät  gu= 
fammen  unb  buref)  it)rt  fam  aud;  bie  §rage  nad;  einer  ©t)nobalberfaffung  toieber  in  glu|.  40 
I860  mürbe  eine  35orft;nobe  berufen,  bie  nacb,  fyeifjen  ^?artei!ämbfen  eine  Äird;eni)DrftanbS= 
unb  ©rmobalorbnung  fd>uf,  bie,   einftimmig  angenommen,  bis  f)eute  giltig  unb  bie  fefte 
©runblage  ber  meiteren  (Snttoidelung  ber  b,annot)erfd;en  SanbeSlirdje  gemorben  ift.  31IS  1866 
^annober  eine  breufjifdje  ^ßrobinj  mürbe,   erfannte  Äönig  Söiltyelm   bie  ©elbftftänbigfeit 
ber  Iutf)erifcb,en  SanbeSrnicfye  an,  bie  ib,r  am  17  Slbril  1866  gebilbeteS  SanbeSlonfiftorium  45 
als  oberfte  fircfylidie  33ef)örbe  behielt,    ^räfibent   ber   neuen  33eb,örbe   mürbe  ber  fyoeb^ 
begabte  unb  fyocfyberbiente  5!JJinifter  Sicftenberg,  U.  mürbe  U)r  3)titglieb   unb   blieb   cS 
bis  jum  Tobe. 

3n  btefer  ©tellung  b,at  er  ©ro^eS  für  ben  SluSbau  feiner  ^ircb,e  geleiftet.  2ßenn 
ilrni  aud)  ber  lüfjne  SBagemut  nid}t  gegeben  mar,  ber  aud)  rüdfid;tSloS  burd;greifen  50 
fann,  menn  er  aueb,  meb,r  barauf  bebadrt  mar  burd;  borfid)ügeS  Sabieren  baS  ©duff  burd) 
bie  mancherlei  Älibben  ju  führen,  fo  ^atte  er  bod)  ©in  $id  feft  im  2tuge,  bie  lut^erifcb.e 
förd)e  ju  förbern  unb  ju  ftärfen,  unb  baS  §at  er  getl)an  mit  feltener  SlrbeitSfraft,  großer 
ircue  unb  ©e!bftlofig!eit.  ©r  mar  lein  eigentlid)  neufd;öbferifd;er  ©etft,  fein  gefd;icf)tlid;er 
Sinn  Ijing  mef)r  am  Sllten,  aber  biefeS  2llte  fud;te  er  für  bie  ^eujeit  mieber  lebenbig  55 
?u  machen,  unb  fo  borfid)tig  er  allen  neuen  Anregungen  entgegenkam,  obmob,!  ftetS  boü 
^ntereffe  für  alle  neue  ©ebanfen,  fo  jäb,  unb  entfd}loffen  arbeitete  er  an  it)rcr  2luS= 
füb,rung,  fobalb  er  fieb,  bon  ib^rem  2öerte  für  bie  $ird)e  blatte  überzeugen  laffen. 

©r  f>at  feine  befte  Äraft  baran  gefegt,  bie  Äircl)enborftänbc  unb  ©fynoben  ju  Ieben= 
bigen  unb  fruchtbaren  Organen  ,^u  geftalten.    Unermüblid)  mar  er  in  ber  Teilnahme  an  60 


200  UljUjortt 

ben  Sejirlgfr/noben  unb  fucfyte  im  berfönlicben  3Serlet)r  auf  bie  <i?ircl)cnborfteI)er  unb 
^aftoren  em^utoirfen.  @r  tourbe  ber  Tlann  be§  3Sertrauen§  für  biele  unb  bort"  ®ird)en= 
borftefyem  unb  ^ßaftoren  häufig  um  9?at  angegangen,  zuweilen  fafi  überlaufen  unb  bod) 
immer  bereit  ju  Reifen,  ©ie  ©elbftftänbiglett  unb  33eWegung3freiI)eit  ber  ©fynoben  unb 
5  einzelnen  ©emeinben  lag  il)m  am  £>erjen,  ein  ^incinregieren  ber  ^ird)enbe!)örben  liebte 
er  nid)t,  fo  lange  ba§  33efenntni3  unb  bie  ©runblagen  ber  £anbes>lird)e  geartet  mürben. 
©aä  $ird)enregiment  foßte  nacb,  feiner  Meinung  fid)  bor  allem  burcaufratifd)en  9tegle= 
mentieren  b,üten  unb  feine  Hauptaufgabe  in  ber  eifrigen  görberung  aller  £eben3regungen 
in  ben  ©emeinben,  in  ber  Unterftü|ung  aller  Seftrebungen  für  il)ren  äußeren  unb  inneren 

10  2tu3bau  fe^en.  $n  biefe™  ©inne  fyat  er  ber  ©iöcefe  §ofya=$Diebf)oIz  längere  gett  aU 
©eneralfuberintenbent  gebient  unb  ber  gangen  £anbe§fird)e  im  £anbes>fonfiftorium.  §ier 
bat  er  als  geiftlid)e§  9Jtitglieb  entfcfyieben  ba§_  meifte  geleiftet  burd)  feine  bebeutenbe 
2lrbeit§fraft  unb  unermüblidje  2lrbeii§Iuft.  9Jtit  Überzeugung  bertrat  er  bie  fog.  33rüelfd)en 
2lnträge,  bie  bem  £anbe3fonfifiorium  bie  guftänbigf eitert,  Wie  ber  Dberfird)enrat  in  Berlin 

15  fie  blatte  unb  beffen  formelle  Unabbä'ngigfeit  bem  jftinifierium  gegenüber,  foWie  ber 
^irdje  übertäubt  größere  ©elbftftä'nbigleit,  aber  unter  ^Beibehaltung  ber  Ianbe§l)errlid;ert 
$ird)engemalt,  berfd)affen  wollten.  %fym  fd)ien  ba§  mit  ein  2Beg  ju  fein,  ben  33eftanb 
ber  Iut|erifd)en  £anbe§fird)e  ju  fiebern  unb  il)r  2lufgel)en  in  bie  Union,  bon  ber  er  eine 
©d)äbigung  ber  ed)t  Iuti)erifd)en  ©ebanfen  fürchtete,   §u   berbjnbem.     Söurbe  in  biefer 

20  §infid)t  aud)  nid)t§  erreicht,  fo  berfolgte  er  um  fo  entfdnebener  ba<§  giel,  bie  fyannoberfd)e 
£anbe§ftrd)e  äufjerlicb,  unb  innerlicb,  fefter  zufammenzufcfyliefjen  unb  i^r  Iutb,erifd)e§  ©e= 
bräge  zu  bertiefen. 

21(3  ©uberintenbent  ber  l^nfbeltton  §cmnober  arbeitete  er  in  enger  33erbinbung  mit 
feinen  @eiftlid)en  unb  lürcbenborftänben   für   eine  au3reid)enbe  !ird)Iid)e  Skrfotgung  ber 

25  rafd)  Wad)fenben  §aubtftabt.  $n  ben  fiebriger  unb  adliger  $al)ren  fefjte  er  ben  93au 
bon  fed)§  neuen  Eirenen  unb  bie  @rrid)tung  bon  jefm  neuen  ^3farrfteHen  burd).  SDie  beffere 
lird;Iid)e  3Serforgung  ber  anfcfyweUenben  ^nbuftriecentren,  ber  SDioorfolonien  Dftfrie^Ianbö 
unb  ber  au§gebeb,nten  ©emeinben  in  ber  Süneburger  §eibe  l)at  er  big  zum  %obt  unab= 
läffig  unb  erfolgreich  betrieben.    5Rtd)t  minber  eifrig  mar  feine  ^fyätigfett  auf  bem  ©ebiete 

30  ber  Innern  3JJiffion.  $n  bem  1865  gegrünbeten  „@bangelifd)en  herein",  ber  d)riftlid)e3 
Seben  unb  2Bir!en  im  ©inne  ber  lutfyerifcfyen  Ä'ird)e  förbern  foßte,  tnelt  er  öffentliche 
Vorträge  über  „bie  mobernen  ©arfteltungen  be3  £eben£  Qefu"  (1892  in  bierter  Auflage 
erfd)ienen),  um  bie  burd;  bie  ©ctmften  bon  9?enan  unb  ©traufc  beunruhigten  ©emüter 
ber  ©ebilbeten  burd)  ben  Wiffenfcfwftlicfyen  9Zad)toei§   zu  ftärfen,  bafc  ber   alte  ®ird)en= 

35  glaube  auf  fidlerem  ©runbe  rube.  ©aS  lutfyertfcfye  SBeWufjtfein  fud)te  er  ju  förbern  bureb. 
eine  SReiEje  bon  Vorträgen  über  ben  ©egenfa|  jtoifc^en  ber  lutfjerifc^en  unb  römifc^en 
Hird;e  unb  bie  ©runbberfd)iebenf>eit  ber  lutb.erifdjen  unb  reformierten  föonfeffion  (2utb,er 
unb  9tom,  Sutb,er  unb  bie  ©d^märmer,  £utb,er  unb  bie  ©d^meijer).  1869  folgten  bie 
Vorträge   über  bag  batilanifcbe  ^ongü,   bie  in   ba§   gefd)id)tlid;e  Serftänbniö   biefeg  ©r= 

40  eigniffeS  einführen,  auf  bie  Sebrob,ung  be§  fonfeffionellen  griebenö  b,inmeifen  unb  jur 
ebangelifd^en  Slbtoeljr  mahnen  foUten.  iäueb,  in  ber  £anbe§fi;nobe  mie§  er  auf  bie  brobenbe 
©efab,r  b,in  unb  rief  bie  ©t^nobalen  auf,  bie  ©üter  ber  Sieformation  ju  fd)ü£en  unb  mit 
entfd;Ioffener  %f)at  an  ber  ©tär!ung  ber  lutfyerifcfyen  ^ird)e  ju  arbeiten,  ©urd)  $örberung 
ebangelifd;er  £iebegtb,ätigleit   folle   man   ber  Überflutung  be§  £anbe§  burd;  „barmherzige 

46  ©c^meftern"  magren,  ben  gemifcfyten  @b,en  befonbere  2lufmer!fam!eit  mibmen  unb  ernft 
gegen  fold)e  Iutf)erifc^e  SSäter  borgeb,en,  bie  ib,re  Minber  Iatl>olifcb,  ergtefcen  liefen,  bor  allem 
aber  bie  ^rebigt  be§  reinen  SBortg  bflegen,  bie  ünterfcfyeibung<§Iel)ren  flar  betonen  unb  ben 
©uftab  2lbolf=&erein  unb  ben  ©otteSfaften  Iräftig  förbern. 

1869  mar  auc^  unter  Ufylliormg  tbätiger  9)iitmirlung  bie  ©iafoniffenanftalt „©tebb,an^= 

so  ftift"  gegrünbet,  juerft  bon  ^paftor  grefytag  geleitet,  bann  bon  ^aftor  Briefe  ju  ^ob,er 
Slüte  gebraut.  1870  brad)  ber  beutfcb,=franzöfifc§e  Ärieg  au§,  ber  U.  §u  befonberen, 
bon  liberaler  ©eite  fd)arf  angegriffenen  ^rebigten  2lnla§  gab  (3ur  Erinnerung  an  bie 
l^rieg^eit.  2ld)t  ^rebigten  1871).  2lucb.  übernahm  er  bie  ©eelforge  bei  ben  in  §annobcr 
untergebraebten  SSermunbeten.    ®ann  !am  ber  fog.  Äulturfambf,  toie  U.  bon  Slnfang  an 

55  betonte,  töricht  begonnen  unb  nod)  berlel^rter  geführt ;  bie  „baritätifd)e"  93e^anblung  ber 
römifd)en  unb  ebangelifd)en  ^irebe,  jmeier  ganj  berfdjiebener  unb  z«w  «Staate  bößig 
berfd)ieben  ftei)enber  tird;en,  mu^te  nacb,  feiner  2lnfid;t  lebiglid;  ber  ebangelifcfjen  ^irc^e 
fcb,aben  unb  ber  Kulturfambf  übertäubt  mit  einer  ?iieberlage  be3  ©taate§  enben.  ©er 
^ambf  ber  £iberalen  gegen  5Rom  mürbe  in  28irfücf)feit  ein  Äambf  gegen  bie  £ird)e  über= 

60  baubt  unb  gegen   jebe§  bofitibe  (Eb^riftentum.    ®ie   fiebriger  Qaf)re  brachten  einen  ftar!en 


nWorn  201 

Webergang  beg  fird)Iid)cn  £ebeng.  £>ie  .ßaljl  ber  X^eologtcftubicrcnbcn  nal)m  rctfjcnb  a6, 
in  ben  Jabrifftäbten  Würbe  bie  ftrcfylidje  Xrauung  fett  ber  6infül)rung  ber  Gibilefye  in 
Dielen  gäUen  berfdnnäfyt.  SDte  Wacfyfenbe  foäialbemolratifdje  ©trömung  unb  juneljmenbe 
(vntfrembung  ber  3trbeiter  bon  ber  $ird)e  bereitete  grofje  ©orge  unb  bie  ©rünber=  unb 
Sdwinbelgeit,  bie  mit  einem  furchtbaren  Jlrad;  enbete,  fd)äbigte  bag  religiöfe  unb  fittlid)e  5 
Ücb'en  auf  bag  fd)Werfte.  11.  arbeitete  mit  allen  Gräften  ber  junetymenben  !ird)lid;en 
unb  religiösen  ©ntfrembung  entgegen,  ©egen  bag  Mittel  ber  „©tabimiffion"  E)atte  er 
crnfte  Sebenlcn,  er  fürchtete  eine  ©cfyäbtgung  ber  georbneten  !pfarramtlid)en  SLfyätigfeit 
(wie  im  Mittelalter  burd)  bie  23ettelmönd)e)  unb  Wollte  lieber  mit  allen  Gräften  bie  3af)I 
ber  Ideologen,  ber  ^farrftetten  unb  fötrcfyen  meftren.  ©obann  fyielt  er  Vorträge  über  10 
bcn  „i\ambf  beg  Gfyriftentumg  mit  bem  §eibentum"  alg  ©biegelbtlb  für  bie  ©egenWart, 
aug  benen  bag  in  -$al)Ireid;en  Auflagen  Verbreitete  93ucß  mit  gleichem  £itel,  nad)  ^nb^alt 
unb  gorm  ein  „SfleifterWerl"  genannt,  erWudjg.  @g  Würbe  bie  SSeranlaffung  ju  feiner 
Berufung  an  bcrfcfyiebenen  Uniberfttäten,  bie  er  aber  um  feiner  nrd)Iid)en  Slrbeit  Willen 
ablehnte.  15 

3>ag  burdj  bie  Stbilelje  beranlafste  Srauungggefeij  1876  rief  in  ber  I)annoberfcf)en  £anbeg= 
fircbc  eine  Separation  fyerbor,  relatib  ftärler  unb  auggebefynter  alg  in  irgenb  einer  anbern 
beutfd)en  £anbegfird)e.  %t)x  9JHtteIbunft  mürbe  §ermann§burg  mit  feiner  9Dnffionganftalt, 
an  berll.g  ganjeg^erj  t)ing.  ®er  aufgcbrungene  ^arntof  mit  §ermanngburg  unb  mit  ben 
©ebarierten  überhaupt  bat  i|m  toiel  ©djmerg  bereitet ;  Wag  in  feinen  Gräften  ftanb,  fyat  er  20 
getrau,  um  ber  ©etoaraiion  ju  mehren  unb  bag  ©inbernefymen  jtoifdien  ber  £anbegftrd)e 
unb  ber  5Riffion§anftaIt  um  ber  9)ciffion  Willen  mieber^ergufteHen,  wag  aber  erft  1890 
gelang.  Stuf  ber  anbern  ©eite  gab  c3  einen  $ambf  mit  bem  ^roteftantenberein,  ber 
planmäßige  SSerfucbe  machte,  ©eiftlidje,  bie  ifym  angehörten  ober  bocf)  in  ber  ÜRicfytung 
ibm  nafyeftanben,  befonberg  folcbe,  bie  ntcbt  aug  §annober  flammten,  auf  bie  hangeln  25 
ftäbtifd)er  ©emeinben  ju  bringen.  Xa§  Sanbe^onfiftorium  Wiberfianb  auf  bag  ent= 
fdnebenfte  ber  gorberung  ber  (Gleichberechtigung  aller  9nd)tungen  in  ber  £irdie  unb  bem 
Streben  nadj  einer  llnionifierung  berfelben.  Söeil  eg  toerfcbiebene  biefer  ^ßaftoren  Wegen 
sJiid)tübereinftimmung  mit  bem  tutbertfcben  Sefenntnig  abwieg,  Würbe  eg  auf  bag  fyeftigfte 
angegriffen,  and)  U.,  ber  aber  auf  ber  £anbegftmobe  1875  einen  33efd)Iuf5  bürdete,  30 
toeld)er  bag  35erfab^ren  ber  Selwrbe  billigte  unb  ber  31rbeit  beg  $roteftantenbereing  in 
§annober  ben  SCobeäftofs  berfetjte. 

1878  Würbe  U.  jum  2lbt  bon  Soccum  erWäl)It,  eines  im  12.  ^ab^rl^unbert  gegrünbeten 
©ftercienferflofterg,  bag  am  (Snbe  be§  16.  $afyrfmnbertg  lutEjerifcb  geworben,  feine  ©elbft= 
ftänbigfett  unb  alte  Drganifation  big  in  bie  Steugeit  erhalten  ijat.  11.  brachte  ber  ber=  35 
toidelten  SSerWaltung  beö  ÄlofterS  ein  etngel)enbe§  3Serftänbnig  entgegen,  Wie  er  aucf)  al§ 
^räfibent  ber  Äalenberg^ruben^agenfc^en  Sanbfcfeaft  —  eine  ©teHung,  bie  mit  ber  2tbt§= 
tcürbe  berbunben  ift  —  rtidbt  nur  bie  burcfy  bie  Sanbfcb^aft  betriebene  Söaifenbflege, 
fonbern  aucb^  bie  (Snttoitfelung  ber  großen  lanbfdjaftlicben  S3ranb!affe  gefcf)ic!t  unb  tl)at= 
fräftig  förberte.  Sefonberen  (gifer  toibmete  er  bem  mit  bem  Softer  berbunbenen  ^ßrebtger=  40 
feminar,  bai  er  jur  3Jcufteranftalt  machte.  @r  fd;uf  nocb^  ein  jtoeiteS  ^ßrebigerfeminar 
auf  ber  @ric§§burg  unb  nacf)  bem  33orbilb  Soccumg  finb  auä)  in  ben  anbern  breuf$ifcf>en 
^robinjen  ^ßrebigerfeminare  gegrünbet.  11.  f>at  in  biefer  §tnfic^t  aufy  auf  ber  ^onferenj 
ber  beutfcben  ®ird)enregierungen  in  ©ifenacb  geWirlt  burcb^  Referate  über  bie  tora!tifcb^e 
3?orbilbung  ber  Sanbibaten  für  ba§  5pfarr=  unb  ©cfmlinfbeftoratSamt  1886  unb  1888.  45 
SBicfytige  Referate  t)ielt  er  auf  biefer  ^onferenj  ferner  über  bie  toiffenfdjaftlicfie  unb  bra!= 
üfttje  gortbilbung  ber  ©eiftlid}en,  über  !ird;licf)e  Slrmenbflege  unb  bie  Mitarbeit  ber 
Sijnoben  auf  bem  ©ebiete  ber  £iebe§tl»ätigleit. 

3)er§annoberfcb;en  Sanbe^nobe  b;at  11.  juerft  ate  gemähtes,  feit  1878  als  ftänbigeS 
3)citglieb  angehört  unb  f)ier  feine  reichen  ©aben  recfot  erzeigt,  bor  allem  bie  ber  2BetSfyeit  50 
unb  ber  Serebfamleit.  „SBewunberungStbürbig  War,  Wie  er  aud;  bei  il)m  ferner  liegenben 
öegenftänben  baäjenige  gleicb  erfaßte,  Worauf  t§  anlam,  ba§  ßiel  flar  l»erborl)ob  unb 
ben  einfachen  geraben  2Beg  ju  geigen  Wufete.  ©eine  5Rebe  War  fcfmelt,  Wie  ber  glufe 
9ibobanu3,  immer  borWärt§  unb  immer  bem  giel  entgegen"  (©teinme^  auf  ber  £anbeö= 
n?nobe  1904).  @r  b>t  einen  Wefentlict)en  Slnteil  an  ber  ©Raffung  ber  ©efe^e  gehabt,  55 
Üe  für  ben  Slugbau  ber  £anbe§fird)e  bebeutunggboll  geworben  finb;  ju  nennen  finb  bc= 
fortber§  baS  neue  ©efangbucf)  (1881),  bag  an  bie  ©teile  ber  19  begebenen  ©efang= 
büdjer  in  §annober  getreten  ift  unb  nad)  bem  Urteil  ©acblunbtger  eing  ber  beften 
beutfcben  ©efangbüdjer  ift,  unb  bie  Slgenbe  (1901).  ^Dagegen  gelang  eg  ib>  nicbt, 
einen  neuen  allgemeinen  £anbegfatec£)igmug  burd)5ufe^en.     2luc|   für   bie  Sorbilbung  ber  60 


202  ltylliont 

©eiftlicfyen  mürbe  unter  feiner  Anregung  biel  getfyan.  SDte  Drbnung  ber  Prüfungen  mürbe 
berbeffert  unb  SStfartate  gefcfyaffen.  ©eine  Mitarbeit  an  ber  firctjlicfyen  ©efe^gebung 
tourbe  bureb,  bie  Verleihung  ber  juriftifcfjen  ®of  tormürbe  (©öttingen)  anerfannt. 

25en  alten  Slnftalten  ber  inneren  SRiffton  bemabjte  er  ftets  feine  manne  ^eilnab/me,  unb 
5  für  jebe  ;ifteufcJ;öbfung  r)atte  er  ein  leb^afteg  ^ntereffe.  ®a§  3Jcagbalenenafbi  bon  §annober, 
ba<B  grauenr/eim  bei  §tlbe<sl)eim,  bie  2lrbeiterfoIonie  Ääftorf,  bie  ©ptlebtifcfyenanftalt  in 
Rotenburg  fyat  er  eifrig  geförbert  unb  auf  ber  Sanbe§fbnobe  unb  ben  Sejirf^f^noben  ben 
@ifer  für  bie  innere  SJeiffion  ju  toeefen  unb  px  ftärlen  gefugt.  @§  giebt  nicfyt  ein  ©e= 
biet  ber  inneren  StRiffion,  ba3  Ü.  mcr)t  mit  feiner  £eilnal)me  begleitete,  unb  aueb,  foldje 

10  Seftrebungen,  bie  mefyr  Humanitären  ßfyarafter  trugen,  aber  bon  Sebeutung  für  baö  ail-- 
gemeine  3Mf3mof)I  maren,  fanben  an  u)m  einen  greunb  unb  §elfer,  fo  bie  2Räf$tgfett3= 
fact)e,  Jfrtabenfyorte,  §anbferttgfeit3unterricf)t,  ^ugertbf^tele,  Sau  bon  ätrbevtermobnungen 
u.  f.  tr>.  ©ureb,  ifm  mürben  jum  erftenmal  aueb,  bie  fcfyon  bon  SBicfyern  angeregten 
QnftruftionSfurfe  für  innere  5Riffion  eingerichtet.     2öicf)ttg  unb  erfolgreich  mürben  aueb, 

15  bie  Atemübungen  um  eine  beffere  ©onntaggrufye,  auf  bie  bie  lutfyerifdje  Äonferenj  in 
Seibjig  1870  bie  Slufmerffamfeit  gelenft  t)atte.  1885  gab  U.  einen  33ertct)t  über  bie 
©onntagSrufye  im  §annoberfct;en,  ber  ftcf)  auf  bie  bom  6b.  herein  beranftaltete  genaue 
Umfrage  ftü|te.  2113  ber  ©taat  bann  mit  ©onntag3gefe|en  folgte,  betrieb  U.  mit  Sifer 
eine  beffere  ©onntagefeier,   aueb,    bureb,  ^3rcbigten=  unb  ©cb,riftberbereitung.     ©eine  be= 

20  fonbere  Siebe  fdtenfte  er  bem  äöerf  ber  Iutl;erifer)en  ©eemannimiffton  unb  blatte  feine 
fterjlicb,  e  greube  an  ifyrem  ©mborblüfyen ;  ebenfo  lag  il)m  aueb,  bie  gürforge  für  bie  beutfeben 
Sutfyeraner  im  2lu3lanbe,  befonber§  in  ©übafrifa,  am  §erjen.  SSieberb/oIt  mie$>  er  barauf 
b,in,  bafj  biefe  ©emeinben  im  lutr/erifcfyen  SBefenntniS  unb  im  beutfcb,en  33oIf3tum,  ba3 
bort  unauflöslich  miteinanber  berbunben  fei,  bureb,  ^Srebtgt  unb  ©dmlunterrict/t  in  beutfeb,  er 

25  ©brache  erbalten  merben  müfjte.  SRan  muffe  alle§  tb,un,  um  ber  lutfyerifcfjen  jftrdjie 
©übafrifas»  ib,re  ©elbftftänbigfeit  bemab/ren  ju  Reifen. 

©ureb,  feine  SEb,  ätigleit  in  ber  inneren  SRtffton  tourbe  er  $u  miffenfcr)aftlicf;en  ©tubien 
über  bie  ©efd)icf;te  ber  Siebe3tf)ätigfeit  geführt,  unb  biefe  ©tubien  förderten  mieber  feine 
braftifcfje  Slrbeit.    ®ie  enge  Verbinbung  jtoifcb,en  2Biffenfcb,aft  unb  $rarj§  ift  übertäubt 

30  ba§  Sejeicb,nenbe  bei  U.  3Son  1881 — 90  erfcfyien  fein  breibänbige§  Sßerf :  „SDie  cf)rift= 
licfye  SiebeStlmtigfeit",  ba§  auf  ben  eingeb,enbften  Buellenforfcfjungen  beruht  unb  bie  erfte 
jufammenb,ängenbe  ©arftellung  ber  cr)riftlict)en  33arm^er§tgfeitgü&urtg  bon  ber  aboftolifcfycn 
big  jur  neueften  ftt'ti  bietet. 

älucb,  ber  fokalen  $rage  mibmete  er  befonbere  Slufmerffamfeit  unb  beb,anbelte  fie  in 

35  mehreren  Vorträgen:  ,,©ojiali§mu3  unb  Sb,riftcntum"  unb  „S^riftlic^e  23armfyerätgfeitl= 
Übung",  beibe  gebrueft  in  „Stermifcfyten  3>orträgen  über  ftrd^Itc^eg  Seben  ber  33ergangen= 
b,eit  unb  ^ulunft"  1875,  bann  „®a§  6b,riftentum  unb  ba§  ©elb"  1882.  ^n  biefen 
Vorträgen  tcoßte  er  in  bag  3Serftänbnig  ber  fojialen  Semegung  einführen  unb  eine  lutljerifcb/c 
3lnttoort  auf  bie  grage  geben:   2öie  b,aben  mir  ab§  ß^riften  über  ben  ©o^ialigmug  ju 

40  urteilen  unb  uns>  §u  ib,m  unb  feinen  Vertretern  ju  ftcllen?  ©cb,on  b,ier  enttoidelt  er 
bie  ©ebanlen,  bie  er  1887  in  ber  ©djrift:  „®atl)oUci3mu<§  unb  ^ßroteftantigmuS  gegen= 
über  ber  fojtalen  ^rage"  in  befonberem  ©egenfa|  ju  ©töc!er  augfü^rlict)  barlegte,  ©ie 
fokale  grage  ift  junäcb,ft  eine  mirtfcb,aftlicb,e  grage,  bie  auf  boIf§toirtfcb,aftlicb,em  ©ebiete 
bureb,  bie  ©taat^männer  unb  ^ationalöfonomen  gelöft  merben  mu^,  aber  nietjt  bureb,  bie 

45  Äircfye,  melcb,e  nur  ba§  SBort  ©otteS  gu  ber!ünbigen  t)at  unb  biefe§  enthält  feine  Dffen= 
barung  über  mirtfcb,aftUcb,e  ©inge,  fonbern  §etl^offertbarung,  giebt  feine  mirtfa)aftlid)en 
©ä^e,  fonbern  nur  etfnfdE)e.  SDie  Hircb,e  b,at  ber  fokalen  grage  gegenüber  nur  bie  2luf= 
gäbe,  bie  unumgänglich  nötigen  fittlicfjen  Gräfte  ju  if)rer  Söfung  baräureid;en,  ben  fitt= 
licb,en  Sßtert  ber  2lrbeit  unb  SerufSerfüllung   ju  br^igen,  ben  dgoiSmus  gu  befämbfen 

50  unb  Siebe  gu  pflegen,  ©ie  b,at  ba§  religtöfc  Seben  in  ben  2lrbeit§freifen  unb  allen 
©tänben  be§  SSoIf§  mieber^uermeefen,  ben  ©onntag  toieber  ju  @b,ren  ju  bringen,  ber 
unerhörten  ßircb,ennot  gu  fteuem  unb  bor  allem  recb,te§  ebangelifcf;eg  ©emeinbeleben  ju 
fcb,affen.  ^a^u  fann  am  meiften  eine  fräftig  entioicfelte  ©emeinbebiafonie  b,elfen.  ©iefe 
©ebanfen  führte  U.  noc^  toeiter  aus  ber  in  ©cb,rift :  „SDie  fireb, lieb, e  Irmenbflege  unb  ib,re 

55  Sebeutung  für  bie  ©egenmart"  1892. 

Slblelmenb  behielt  er  fieb,  aueb,  gegen  bie  ©töcferfdje  ^ircb,enboIitif  unb  bie  §ammer= 
fteinfcb,en  Seftrebungen  für  eine  größere  greib,eit  ber  Jlircfye  burc^i  Stnberung  be§  Uircb,en= 
regiment§.  ©etoi|  embfanb  aueb,  er  bie  ernften  ©djäben  be§  ftaatlicb,en  ^tre^enregimentg 
unb  be§  Übertoiegen§  be^  juriftifcb,en  @influffe§  in  ber  ^irc^e  unb  t)at  je  älter  er  mürbe, 

60  um  fo  bitterer  barüber  geflagt.    ©ein  Qbeal  mar  bie  ftaatäfreie  Sürcfje,   aber   er  glaubte 


ttfjnjorn  Ulftla  203 

bie  3eit  für  eine  hitfKvifcfyc  |Jreiftrd^e  noeb;  nid;t  gelommen  unb  er  betonte  immer  mieber, 
bafi  ber  ©djiroerbunft  ber  lutfyerifcfyen  Äircfye  in  ber  (Sinjelgemeinbe  läge  unb  nid)t  im 
ßirdjenregimente,  baS  ftetS  bie  fcfymacfye  ©eite  ber  lutfyerifcfyett  Äirctje  geroefen  fei  unb  auefy 
bleiben  mürbe. 

gjZefjr  beunruhigte  tb,n  bie  (Sntrcidelung  ber  Sfyeologie.  @r  ^atte  9titfd)l  gegen  bie  5 
Singriffe  ber  Drtfyoborm  in  ber  SanbeSffynobe  berteibigt  unb  mar  für  bie  greifyeit  ber 
2Biffenfcr/aft  eingetreten.  (Sine  unmittelbare  unb  entfdjeibenbe  9Jcitroiriung  ber  ^tre^e  bei 
ber  33efe$ung  ber  tb/eologifd)en  $rofefforen  l)ielt  er  für  bebenilicfy,  roeil  baburd)  bie  tbeo= 
logifdjen  gafultäten  auä  ben  Umberfitäten  InnauSgebrängt  unb  in  ©eminare  berroanbelt 
mürben  jum  ©cbaben  ber  allgemeinen  mtffenfcfyaftiicfyen  iöilbung  ber  Xfyeologen  unb  ber  10 
flircfye,  bie  bamit  bon  ber  (Introidelung  bes  geiftigen  SebenS  abgefetmitten  mürbe.  Gr 
liefe  auef;  in  ben  ^rebigerfeminaren  bolle  greifyeit  ber  rotffenfdmftlidjen  2trbeit  gelten. 
2Iber  in  ber  mobemen  Xb/eologie  fafy  er  mel)r  unb  meb/r  eine  ©efab,r  für  bie  Strebe 
unb  ber  2öeingartfcr)e  §anbel,  in  bem  er  einen  SSorftofj  biefer  Geologie  fab,,  be= 
rettete  ibnt  ernfte  ©orgen.  @ntfcr)tebcn  mar  er  gegen  bie  unbebingte  Seb/rfreib/eit  unb  15 
für  2tufredt)tt)atten  beS  lutfyerifcfyen  BefenntniffeS,  ofme  biefeS  einfeitig  juriftifd)  nad; 
jebem  Sudjftaben  binbenb  anjufeb^en.  2Iber  bie  moberne  Geologie  mar  tl)m  eine 
grunbftürjenbe  „©djmarmgeifterei",  bie  nur  jerftörenb  mirfen  fonnte.  ©eine  fefte 
Uebergeugung  mar,  bafj  nur  ber  „alte  ©laube"  ©runb  unb  §alt  bieten  unb  bie  ®ir<f>e 
bauen  fönne.  20 

£ie  bitteren  Erfahrungen,  bie  er  mit  bem  ©taatSregiment  in  ber  föirdje  machte,  unb 
bie  tfyeologifcfyen  Äämbfe  b/aben  feinen  SebenSabenb  getrübt.  ®aju  lamen  bann  noeb,  fdjmer^ 
Ii$c  25erlufie  in  feiner  Familie,  brei  erroadjfene  äinber  gingen  bor  ib/m  l)tn.  Unb  bod) 
blieb  feine  StrbeitSiraft  bie  alte  unb  ungefct;mäd;t  fein  ^ntereffe  für  bie  berfcfyiebenften 
©ebiete  ber  2Biffenf$aft  unb  ^unft.  @r  mar  feit  1884  23orfi£enber  beS  §iftorifcr;en  25 
Vereins  für  üftteberfacbjen  unb  ber  SluSfdjmüdung  feines  ÄlofterS  (Söanbgemälbe  bon 
©ebljarbt)  fcfyenfte  er  eingefyenbe  £eilnal)me.  tätigen  Slnteil  naljm  er  an  ber  ©djul= 
lonferenj  in  Berlin  1890,  auf  ber  er  entfdneben  für  bie  2Ba§rung  beS  Ilaffifcfjen 
Gb)arafterg  ber  ©fymnafien  eintrat,  .^laffifcfye  Silbung  berbunben  mit  bem  ©fyrtftentum 
unb  bem  beutfcfyen  Seben,  baS  foHten  nad)  ifym  bie  ©fymnafien  bieten  unb  barum  rtidc)t  30 
mit  ben  9iealfcr)ulen  berquidt  roerben.  —  ©einer  geliebten  ©iafomffenfadje  nafym  er  fic^ 
1894  unb  1896  noef)  einmal  befonberS  an,  inbem  er  bie  Einrichtung  ber  3)taiomffen= 
mutterfyäufer  gegen  bie  ber  SDiafomffenfdjmlen  berteibigie  (befonberS  gegen  Dettinger  unb 
3immer  in  ber  Slllg.  eb.  lutf).  %g.  1894,  20—22)  unb  ben  Unterfdneb  jrotf^en  tatt)o= 
lifa>n  ^flegeorben  unb  ebangelifcbem  ©iafoniffenmefen  barlegte  (9Jit3fcr)r.  für  3>.  sDt  XVI).  35 
Seine  legten  fdmftftetlerifdien  arbeiten  galten  ber  ©efdnd)te  feiner  2anbe§ftrcr)e  „2lnton 
ßorbinuS"  1901  unb  „§annot>erfcr)e  Hircb.engefcbicbyte".  Qm  §erbft  leitete  er  noeb  in 
Hameln  bie  ©eneralberfammlung  beg  @bangelifcb;en  Sereing.  @nbe  Dftober  nab^m  er 
nod^  in  granffurt  a.  W.  an  einer  Beratung  ber  ©ifenacb^er  Äonfereng  über  ben  engeren 
3ufammenfdjlufj  ber  ebangelifd^en  Sanbeglirc|en  teil.  U.  mar  lein  grunbfä^licfjer  ©egner  40 
biefeg  5]ßlane§,  blatte  aber  ernfte  Sebenfen,  bafe  baburef)  bie  lutljerifcb^e  Äirc^te  gefcf)äbigt 
toerbe  unb  b)egte  übertäubt  ^roeifel  an  ber  ©urcfpbjbarfeit,  fo  lange  bie  Slircf/e  ©taat§= 
firebe  bleibe.  SSon  einer  unierten  beutfeb^en  9?eicf)§lircb,e  moHte  er  nid;t§  miffen.  (Sine 
foldje  fönne  lein  ein^ettltd>eg  gefunbe§  Seben  b^aben  unb  führen  gur  Trennung  bon  ben 
aufeerbeutfdjen  lutfjertfcben  JÜrdjengemeinfc^aften,  mürbe  auef)  mel;r  ein  boIitifcf)e<§  al§  ein  45 
fircf)lic^e§  ©ebtlbe  merben. 

Sie  legten  2öocf)en  feines  SebenS  arbeitete  er  noeb,  an  ber  Verausgabe  ber  Slgenbe  für 
bie  lutfyerifcb,  e  Kirche  |>annober3,  meiere  bon  ber  Sanbesf^nobe  einftimmtg  angenommen  mar. 
Tamit  mar,  bis  auf  ben  noct;  feb^Ienben  Hatecb^iSmuS,  ^u  feiner  greube  baS  Sßerl  beS 
3ufammenfd)IuffeS  ber  felbftftänbigen  SanbeSltrd;e  §annoberS  boEenbct.  33iS  ^um  legten  50 
läge  frifcl)  unb  arbeitSfrol)  ftarb  er  mie  er  ftd;  gemünfcl)t,  „ben  §ufe  in  ber  gurcfje  unb 
bie  §anb  am  Pfluge"  am  15.  3)ejember  1901,  einem  ©onntagabenb,  an  einer  £erj= 
lab^mung.  Unter  großer  Beteiligung  mürbe  er  im  Softer  Soccum  beerbigt.  ©eit  ^uftue 
SefemuS,  fo  mürbe  bei  ber  Srauerfeier  in  ber  ©djlofjfircfje  ju  ^annober  bezeugt,  babe 
bie  Äird;enregierung  §annoberS  einen  Xf/eologen  bon  gleicher  Sebeutung  nid)t  be=  55 
feilen.  Jsr.  U^tfjor«. 

Uijlidj,  l'eberedjt  f.  b.  21.  St^tfteunbe  Sb  XI  ©.  MM,  u. 

Ulfila  f.  3i< ulftla. 


204  Ullmamt 

ttümantt,  Äarl,  geft.  1865.  —   %L  bieWcfrofoge  »ott  ©rüneifen  in  ber  Mg.  Qtg. 

(Januar  1865),  §agenbad}  im  Sird]enblatt'  für  bie  ref.  ©d)tueiä  (9Jlär§  1865),  SBäftr  im  Sab. 
Sird)en=  u.  SSoIISBIatt  (Januar  1865),  £>oi|3mann  in  ber  «ßrot.  $8  Cgaljtg.  1865),  vmb  be§ 
Unterjetdöneten  ausführlichere  2)arfteflung  in  bem  ©jtratjeft  ber  SfjStS  üon  1867,  welker 
5  aud)  bie  imt>oflenbete  S)enffdjrift  UUmanrtS  über  feine  STeünafjme  am  Sirebenregiment  6et= 
gegeben  ift  (aud)  befonberS  erfcljienen  unter  bem  Sütel:  D.  Sari  Itßmarm,  eine  biograpt)ifd)e 
©fi^e  Don  SS.  83et)fd)lag,  ©ot|a  1866).  Ser  SSortrag  Don  D.  £au§ratfj  über  Ultmann  (Sieine 
©djriften  reltgion§gefdjid)tltd)ett  Secuta,  1883,  @.  438—460)  ftefft  bie  ©efd)td)te  be§  ltfl= 
mannfdjen  SirdienregtmentS  nacb,  ber  Sluffaffung  ber  baSfelbe  befämpfenben  Partei  bar; 
io  ©•  granf,  ®ie  Söeologie  be§  19.  Safjrfj.3,  Seip^ig  1904,  ©.  270.  —  gine  ©efamtauSgabe  ber 
4>auptfd)riften  UHmannS  ift  in  $J3ertbe§'  „5£fjeoIogifd)er  SSibliot^ef"  enthalten. 

$arl  Ullmann  Würbe  am  15.  SEftärz  1796  ju  (Sbfenbad)  bei  £eibelberg  geboren; 
er  gehörte  bon  £>auS  aus  ber  reformierten  ^onfeffion  an.  ©ein  SSater,  ^o|ann  S3alt= 
fjafar  UKmann,   war  Pfarrer  gu  (g^fenbad^.    @r   befugte  baS  ©r/tnnafium   ju  §eibel= 

15  berg,  Wo  ilm  befonberS  bie  alten  ©brachen  unb  ber  SMigionSunterricfyt  anzogen, 
©eine  alabemifcfyen  ©tubien  begann  er  im  £erbft  1812  in  §eibelberg  unter  25aub, 
^auluS  unb  ©d)Warz,  olme  jebod;  bon  einem  biefer  fo  feb,r  berfdjtebenen  Stctoräfentanten 
bamaltger  Geologie  eigentümlich  angefaßt  ju  Werben.  3laä)  einem  $af)re  fanbte  t^n 
ber  SSater  auf  SDaubS  diät  nad?  Tübingen.     §ier  bollenbete   er  unter   ber  freunblidjen 

20  Seitung  ber  (Sbigonen  ©iorrS  bis  gum  §erbft  1816  feine  ©tubien  unb  würbe  nid)t  nur 
mit  guten  Äenntniffen  auSgerüftet,  fonbern  aud)  in  ber  anerzogenen  bofttib  cfyrtftlidjen 
9ftd)tung  befeftigt,  olme  jebod)  mit  feinen  Überzeugungen  gu  einem  ganz  befriebigenben 
2tbfd)Iuf$  zu  gelangen.  3>n  bk  Heimat  jurüctgele^rt,  beftanb  er  fein  tl)eoIogifd)eS  ©jamen, 
Warb  am  12.  ^inuar  1817  orbiniert  unb  als  $ilar  nacfy$ird)f)eim  bei  §eibelberg  gefanbt, 

25  Wo  er  ein  Qafyr  lang  im  braftifd) en  ®ird)enbienfte  tr/ätig  mar.  Um  ^ur  afabemifd)en  2auf= 
balm  überzugeben,  begann  er  im  §erbft  1817  in  |jeibelberg  feine  ©tubien  bon  neuem, 
inbem  er  bor  allem  bei  §egel  in  ber  ^Ijnlofobfne,  bei  ßreujer  in  ber  Ätiologie  ein= 
^etmifcl)  zu  Werben  fuct)te.  9camentlicb,  ber  ledere  30g  tlm  facfylid)  unb  perfönlid)  auS= 
nef)tnenb  an,   mä^renb  bie  93efct)äftigung  mit  ber  ^r/ilofopln'e  il)m  borzugStoeife  bie  ün= 

30  fertig!eit  feiner  tfyeologifdjen  Überzeugungen  unb  zugleid)  bie  Skftimmung  feine?  ©etfteS, 
nicfjt  bom  Slltgemeinen  aufs  23efonbere,  fonbern  toom  Sefonberen  aufs  SWgemeine  zu  geljen 
unb  bafyer  mit  ejegetifdjer  unb  Inftorifcfyer  ©rforfdmng  be§  StyriftentumS  zu  beginnen, 
Zum  SeWufetfein  brachte.  9iad)bem  er  im  ^rüf)ling  1819  al§  ©oltor  ber  ?ßb,iIofobb,ie 
^romobiert  f>atte,  führte  if)n  eine  meljirmonatUcfje  tciffenfd)aftlid)e  5Reife  nad)  ^orbbeutfct): 

35  lanb,  infonber^eit  nacb,  Sertin,  unb  b^ier,  im  Umgang  mit  ©cfyleiermadjer,  be  SBette  unb 
befonberS  üfteanber,  gewann  fein  innere^  fingen  ben  prinzipiellen  2lbfd)Iu|,  inbem  er  in 
ber  l)ier  betretenen  ^^eologie,  „Weldje  im  ©egenfa^  gegen  ben  Nationalismus  Wie  ben 
älteren  ©ubranaturaliSmuS  baS  6f)riftentum  als  ec|te  Offenbarung  unb  neue  2ebenS= 
fcfjöbfung,  aber  ^ugteid)  als  etwas  gefd^ic^tlid;  unb  organifcf)  ficb,  @ntWic!eInbeS  fa^te  unb 

40  bar)er  ben  cb.riftlic^en  ©laubenSinlialt  mit  ben  eckten  unb  gefunben  SilbungSelementen  ber 

3eit  zu  bermitteln  fuct)te",  baS  Qid  feines  eigenen  Wiffenfcb,aftlicb,en  ©trebenS  erfannte. 

^m  §erbft  1819  begann  U.  in  §eibelberg  er.egetifcr;e  unb  l)iftorifd)e  3SorIefungen  z" 

galten,  habilitierte  fid)  balb  barauf   als   tfyeologifdier  ^ribatbocent  unb  erhielt  im  grüb,= 

ling  1821  feine  Ernennung   z""i   au^erorbentlid^en  ^rofeffor.     ^n   biefelbe  3e^  faUen 

45  feine  erften  litter ärifdjen  $ubli!ationen,  zunäd)ft  gtüet  !ritifd)e,  eine  ©d;rift  über  ben 
Zweiten  ^ßetruSbrief,  beffen  erfteS  Jlabital  er  unter  preisgäbe  ber  beiben  anberen  als  ein 
ed;t  betrinifd)eS  Fragment  retten  Wollte,  unb  eine  2lbf)anblung  über  ben  fog.  brüten  SBrief 
an  bie  ^orintf)er,  beffen  Uned)tb,eit  er  überzeugenb  bart^at;  bann  giüet  firdjengefd^td^tlid^e 
arbeiten,  ein  ber  zweiten  Auflage  bon  SreuzerS  ©r/mbolif  beigegebener  2luffa|  über  ben 

50  dmftlidjien  geftzb,fluS  unb  ein  lateinifcfyeS  Programm  über  bie  ©elte  ber  £t)bfiftarier. 
©iefen  Heineren  arbeiten  folgte  im  2>ab,re  1825  fein  ©regor  bon  Nazianz,  eine  %xuä)t 
feiner  bereits  bon  dreier  angeregten  batriftifd)en  ©tubien.  ®iefe  STfonograb^ie,  bie  fid; 
ben  analogen  arbeiten  5ReanberS  ebenbürtig  an  bie  ©eite  ftellte,  trug  ib,m  einen  Stuf  ans 
SBittenberger  ©eminar  unb  infolge  ber  2tblel)mmg  beSfelben  bie  Ernennung  zum  orbent= 

55  liiert  «ßrofeffor  ein  (1826). 

Obwohl  bie  §eibelberger  SSerr;äItniffe  für  bie  Söirffamleit  eines  jungen  tfyeologifdjen 
Seb,rers  bon  ll.S  Stiftung  ungünftig  Waren,  blieb  U.  bod)  ber  baterlänbifdien  üniberfität 
unter  feb,r  befct)eibetien  ©eljaltSbertyältniffen  ^n  ^af)re  lang  getreu. 

SDaS  ^a^r  1820  ^atte  ib,m   in  bem  jugenblid)en  Umbreit,   ber  bamals  nacb,  §eibel= 

60  berg  lam,  einen  §erzenSfreunb  zugeführt,  wie  er  tlm  fieb,  längft  an  feine  ©eite  geWünfd)t 
blatte,    ©iefem  greunbfdjaftSbunbe  berbanlte  ein  Unternehmen  feine  (Sntftefmng,  baS  für 


Wlmiutn  205 

U.S  fcfyriftftetterifcfye  (SntWidelung  unb  Weit  über  bie  ©renken  beS  ebangelifdjen  ©eutfcr)= 
lanbS  r/inauSgefyenbe  ßelebrität  bon  entfd^eibenber  SBebeutung  iüarb,  bte  „£f)eologifcr;en 
Stubien  unb  llritifen".  SDer  ©ebante,  jener  neuen  gläubigen  Geologie,  ju  ber  fid)  U. 
in  ©emeinfct/aft  mit  ©djleiermacfyer  unb  Reanber  befannte,  ein  Drgan  ju  grünben,  in 
tocldjem  fie  fid)  auslaufen,  nad)  ben  bcrfdnebenften  «Seiten  ftd)  burcfybilben  unb  auf  bie  b 
braftifcb^fircbjidien  Greife  unb  23erf)ältniffe  einWirfen  fönnte,  War  ein  ^öc^ft  glüdlid)er,  unb 
bic  2luSfüf?rung,  ju  ber  ficfy  bie  in  33omt  bereinigten  ©efinnungSgenoffen  £üde,  RUjfd;, 
©iefeler  unb  ein  fo  ausgezeichneter  SSerleger  Wie  griebrtd)  ^3ertt)eg  mit  II.  unb  Umbreit 
berbanben,  gebiet)  nad)  ben  erften  müfyebollen  unb  befdjeibenen  Anfängen  fo  gut,  bafs  bie 
geitfdjrift  in  ben  erften  zwanzig  ^afyren  iljireS  23eftel)enS  allmäfylicr;  bis  an  taufenb  2tbon=  10 
nenten  gewann  unb  nod;  Ijeuie  baS  Seben  tr)rer  ©tifter  fräftig  überbauert.  £)er  balb 
boionberS  herausgegebene  (SrftlingSauffaij,  mit  bem  U.  bie  SEfy©t$  eröffnete  —  „Über 
bie  Unfünblidtfeit  (fbäter  „©ünbloftgreit")  Sefu"  ertt>ud;S  in  fiebert  Auflagen  gu  einem 
ber  einflufereicfyften  Söerfe  ber  gläubigen  Geologie  ber  erften  £älfte  beS  19.  ^afyrlunbertS. 

$m  %ai)xz  1829  folgte  U.  einem  -Kufe  an  bie  tI)eoI.  gafultät  ju  £alle.  ©eine  15 
Hauptaufgabe  mar  t)ier  baS  fircr/engefdncfytUcfye  gaa),  neben  bem  er  aber  awfy  bie  @in= 
leitungStoiffenfcfyaft,  ©r/mbolif  unb  ^Dogmatil  betjanbelte.  @r  eröffnete  feine  Vorträge  mit 
ber  in  ben  5£fy©t$  Veröffentlichten  Siebe:  „Über  bie  Aufgabe  beS  ^ircfyenbjftoriferS  in 
unferer  geit" ',  unb  gewann  bureb,  I)iftorifd)e  Wie  fr/ftematifdje  33orIefungen  balb  eine  be= 
beutenbe,  mefentUcb,  auf  ÜberWinbung  beS  in  §alle  noefj)  borWiegenben  alten  3fiationali§=  20 
muS  gertebtete  SBirffamleit.  2IIS  aber  bie  Singriffe  ber  @b.  $3  0esen  ©efeniuS  unb 
iÖevji'a)eiber  ftatt  ber  geiftigen  ÜberWinbung  jener  ©ctyule  eine  obvtglettlicbe  Unterbrüdung 
berfelben  begehrten,  trat  er  in  einem  „Xfyeologifdjen  Sebenten"  (§alle  1830)  für  bie  ge= 
fäfirbete  greifet  ber  t^eoIogifdt)=Itrct)Iict;en  ©ntwidelung  entfct)teben  ein.  23on  litterärifcfyen 
arbeiten  fallen  in  biefe  §aüifö^e  ^ertobe,  näcbjt  einer  3lei^e  bon  Heineren  Beiträgen  für  25 
bie  %\ßi%  befonberS  fein  Stuffaij  über  „SRicolauS  Don  9Ketr/one  unb  bie  bogmatifdje 
gnttoidelung  ber  grtect).  ßtd&e  im  12.  ^afyrfyunbert"  (3#6tß  1833,  §eft  3);  feine  St6banb= 
lung  „De  Beryllo  Bostreno  ejusque  doctrina"  (1835),  unb  fein  „^o^ann  2öeffel,  ber 
Vorläufer  SuifyerS"  (1833),  eine  2Ronograbi)ie,  aus  ber  fbäter  fein  fircfyengefcb^djtlicfyeS 
Öaubttoerf,  bie  „Reformatoren  bor  ber  Reformation",  erwuchs.  30 

Unter  feinen  Kollegen  namentlid)  mit  %f)ilo  freunblid;  berbunben,  bem  toerfönlidjen 
SSetfebr  mit  ©cbjeiermadjer,  Reanber,  Sude  näl)er  gerüdt,  bureb,  bie  ber  §aubtfacr)e  nad; 
öon  ifim  beforgte  Rebaftion  ber  Stf)©t$  überhaupt  ju  einem  ?!Jftttelbunft  tr)eoIogtfct)er 
©emeinfcfyaft  geworben  unb  bor  allem  buref)  bie  Serr/ältntffe  unb  Erfolge  feinet  SeE>t= 
amtel  auf§  b, öo)fte  befriebigt,  b,ätte  U.  in  §aUe  bie  geliebte  ^fäljer  §eimat  auf  bie  ®auer  35 
öerfdimerjt,  wenn  nio)t  eine  5Reib,e  bon  b,äu§lid;en  ^rübfalen  i^n  bjer  auf§  fdt)merglic^fte 
(ieimgefud;t  b,ätte.  ©0  bermoa)te  er  ber  1836  an  ibn  erge^enben  älufforberung  jur 
S^ücHebr  nad}  §eibelberg  nid;t  ^u  toiberftel)en.  @r  regnete  auf  eine  Umgeftaltung  ber 
gafultät  unb  tb,  eologifd^en  ©tubien  in  feinem  ©inne,  mie  fie  benn  aueb,  burd)  bie  Berufung 
Sotb,e§,  §unbeäb,agen§  unb  anberer  fowie  buro)  bie  ©tiftung  beS  tbeologifiben  ©eminarS  40 
aHmäb,lid;  eintrat,  bagegen  Innficfytlid)  ber  bon  ib,m  bringenb  getüünfcb,ten  §eranjie^ung 
einer  anregenben  bb,ilofotob;ifcb,en  Se^rlraft  unausgeführt  blieb.  U.S  Sßorlefungen  Waren 
aua)  b,ier  Äird}en=  unb  ®ogmengefd;id;te,  ©^mbolif  unb  neuteftamentlicfye  Einleitung,  aud) 
t»ob,l  ©^nobtiler  unb  anbere  ©^egetifa;  namentlid;  in  ben  b,iftorifcb,en  Vorträgen  War 
bas  forgfältige  Siiftat,  ba§  er  gab,  Wie  bie  lebenbige  freie'  2tu3fül)rung,  bie  er  folgen  45 
liefe,  bureb,  feine  unb  belebte  6b,aralteriftif  unb  StuSeinanberfe^ung  anregenb  unb  feffelnb. 

$jn3toifcr)en  War  feine  fd^riftfteHerifd^e  <Xi)ättgtett  burd)  baS  im  Qab,re  1835  er= 
fc&ienene  „Seben  Qefu"  bon  ©traufs  bon  ber  Iircbengef(bicc)tlidt)en  Sab^n  mieber  auf 
bie  abologetifd^e  jurüdgerufen  Werben.  ©d;on  im  %ai)xe  1836  erfebien  au§  feiner 
geber  eine  $ritif  be§  „2eben§  ^efu"  unb  als  ©traufc  in  einem  frieblicben  ©enbfcfyreiben  b> 
antwortete,  fcb,rieb  U.  in  berfelben  gorm  unb  Haltung  eine  befonberS  mit  ber  ^]erfön= 
ItcbJEeit  3efu  unb  ber  ©laubwürbigteit  beS  äüunberS  fia)  befdjäftigenbe  Steblil,  bie  bann 
mit  jener  erften  föritif  jufammen  unter  bem  Sitel  „£>iftorifcb,  ober  5Rt)tf)tfd;"  (1838)  in 
Befonberer  2luSgabe  erfd;ien.  ®ie  bon  ©traufs  Eingeworfene  ^bee,  ben  cbrtftltcben  ©otte»= 
bienft  bureb,  einen  ÄuItuS  beS  ©eniuS  ju  erfe^en,  beranla^te  U.  ju  ber  fd)önen  an  ©uftab  55 
ccbtoab  gerichteten  ©d;rtft :  „Über  ben  ftultuS  beS  ©eniuS"  (1840)  — ,  unb  ebenfo  riefen 
bie  feit  ©traufj  neu  erregten  SBerfyanblungen  über  baS  Söefentltcbe  unb  Sleibenbe  im 
ß^riftentum  bie  Slbb,  anblung :  „Über  ben  unterfcfyeibenben  6f)aralter  beS  SljriftentumS,  mit 
8e^ieb,ung  auf  neuere  SluSbrudSWeifen  (Xl;©tK  1845)  —  b^erbor,  Welche  als  febarate 
Sdbrift  unter  bem  £itel   „'SaS  äöefen   beS  GfyriftentumS"   feitbem   in  bier  Auflagen  cv=  m 


206  Hamann 

feierten  ift.  @S  firtb  bie  ©d)leiermad)erfd)en  tbeologifd)en  ©runbanfd)auungen,  bie  unS  Bei 
II.  entgegentreten,  aber  in  einer  äb,nlitt)en  Temperierung,  itrie  bei  3Reanber:  Unabhängigkeit 
bon  ben  ortfyoborm  ttyeologifdjen  formen,  llnterfd)etbung  bon  ©laube  unb  ^Dogmatil) 
3lner!ennung  beS  ©oitmenfdilicr/en  in  Offenbarung  unb  b,l.  ©d)rift,  auf  ber  anberen  ©eite 
6  Betonung  ber  bom  Nationalismus  bekannten  religiöfen  ^been  beS  6I)riftentumS,  nament= 
litt)  ber  centralen  Bebeutung  ber  Verfon  6b,rifti  als  beä  notWenbigen  unb  fd)Ied)tb,in  boH= 
lommenen  Vermittlers  ber  ®emeinfd)aft  mit  ©Ott:  baS  alles  aber  ob,ne  bie  einfeitige 
©ubjeftibierung  ber  ©IaubenSWab,rf/eit  unb  bie  fonftigen  btüdenben  Bebingungen,  bie 
berfelben  bei  ©d)leiermad)er  burd)  fein  eigentümliches  ^Jebeneinanber  Don  -äJtyfttt  unb  ©be= 

10  Marion  auferlegt  finb,  alfo  bor  allem  ein  unumtounben  tb/eiftifd)er  ©otteSbegriff  unb 
eine  bollere  Slnerfennung  beS  Übernatürüd)en,  foWie  überbaubt  ein  ausgeprägter  l)iftoriftt)er 
©inn.  ®abei  ift  U.S  tt/eologifdje  5Retb,obe  bialeftifd),  aber  burd)auS  nid)t  fbefulatib: 
b,tftorifd),  aber  MneSWegS  Wefentlid)  fritifa);  bon  ber  fein  beobachteten  äußeren  ober  inneren 
@in^elt^atfad)e  get/t  er  auf  allgemeine  9xefultate  bofitiber  9Jatur  aus,  ofyne  aus  benfelben 

15  ein  eigentliches  ©Aftern  ju  bauen  ober  fie  mit  bem  fird)Iid)en  ©Aftern  fritifd  auSeinanber= 
jufe|en,  —  @igenfd)aften,  bie  ü)n  für  eine  borI)errfd)enb  anregenbe Seb, rtb, ätigleit  unb  als 
©d)riftfteller  für  eine  mittlere  ©aitung  jWifd)en  ftreng  toiffenfd)aftlid)er  unb  rein  bobulärer 
Erörterung  d)riftlid)er  unb  !ird)lid)er  SDinge  borjüglid;  befähigten. 

^n  U.§  ^Weite  §eibelberger  $eriobe  fäUt  bor  allem  fein  firc^engcfcfyidrtHdjeS  §aubt= 

20  Werf,  feine  „Reformatoren  bor  ber  Deformation",  ©ie  ertoud)fen  u)m,  Wie  fd)on  ertoäl;nt, 
au§  feinem  „^ofyann  Söeffel",  ben  er  burd)  ^injunafyme  3°^anng  *>•  ©od),  $oI)annS 
b.  SBefel,  ber  Srüber  beS  gemeinfamen  SebenS  unb  ber  rr/einlänbifc^en  SRfyfttfer  ju  einer 
©efamtbarftellung  ber  religiöS^eoIogifcfyen  Vorbereitung  beS  beutfd)en  SteformationSWerfeS 
erweiterte.     Slber  mit  biefem  Söerf'e  (1842)   unb  bem  „Sßefen  beS  ßfyriftentumS"  (1845) 

25  ift  feine  im  engeren  ©inne  tr)eoIogifd)e  ©d)riftftellerei  im  großen  unb  ganzen  aua)  ah- 
gefdjloffen;  weitere,  namentlid)  !ird)engefd)id)tlid)e  (Entwürfe,  bie  er  fyegte,  famen  nia)t 
meb,r  $ur  Steife,  unb  auf  bie  burd)  Säur  unb  feine  ©d)ule  eröffneten  fritifd)=b,iftorifd)en 
Streitfragen  über  baS  Urd)riftentum  ging  er  nicbt  näb,er  ein.  ©agegen  trat  baS  ^ntereffe 
an  braltifd)=lird)litt)en  ,ßeitfragen,  baS  in  einem  urfbrünglid)en  $uge  feirteg  SöefenS  begrünbet 

30  War  unb  fd)on  in  einer  Neifye  älterer  Seiträge  ju  ben  %b©t$  („Über  einige  SOtängel 
unb  Bebürfniffe  ber  broteftantifd)en  ®ird)e",  1832;  „Über  Partei  unb  ©d)ule,  ©egenfä^e 
unb  Vermittlung",  1833)  fid)  belunbet  fyatte,  feit  ben  bierjiger  %at)xm  im  3ufammen= 
bang  mit  ber  immer  mefyr  auf  Iird)lid)e  Probleme  füfyrenben  gettbeWegung  junefymenb, 
bei  ib,m  b,erbor  unb  nab,m   feine   fd)riftftellerifd)e  Xb/ättgfeit   je  länger  um   fo  auSfd)Iief3= 

35  Iid)er  in  Stnfbrud).  U.  warb  bon  ba  an  gegenüber  ben  einfd)lägigen  ßeitfragen  ber 
fyerborragenbfte  2BortfüI)rer  ber  in  ben  Xb,©t®  bertretenen  Geologie,  unb  eS  ift  in  ben 
bierjiger  ^afyren  laum  irgenb  eine  erheblichere  Bewegung  auf  !irtt)lid)=nationaIem  ©ebiete 
borgelommen,  über  roeldjc  er  fid)  nid)t  in  eingefyenb  begutad)tenber  2Beife  in  feiner  3eit= 
fd)rift  auSgefbrod)en    f)ätte.     ©o    über   bie    !ird)Iid)e  ©ulbung    ober  Berechtigung   beS 

40  StationaliSmuS  auS  Slnlajj  beS  2lltenburger  üird)enftreiteS  bon  1838 ;  über  bie  burd) 
©traufsenS  Stuftreten  unb  ©djidfale  in  Bewegung  gefegte  Seb,rfreib,eitSfrage  in  feinen 
„Vierzig  ©ä|en,  bie  t^eologifc^e  fiefirfrei^eit  innerhalb  ber  ebangeIifa)=broteftantifd)en 
5?ird)e  betreffenb"  (1843);  über  bie  beutf^fatljolifc^e  Bewegung  (1845);  über  bie  9cicb> 
annähme  beS   D.  3tubb  auf  ber  Berliner  ^aubtberfammlung  beS  ©uftab  2lbolf=BereinS 

45  (1847).  ®en  in  ben  legten  Qab,ren  bor  1848  fia)  regenben  ©ebanlen  einer  beutfd)=eban= 
gelifa)en  ÜKationalfirdje  bertrat  er  in  einem  Sluffa^e  ber  Sottafd)en  ,,©eutfd)en  Biertel= 
jab^Sfdmfi"  (1843),  inbein  er  ib,n  ben  an  bie  ©tiftung  beS  BiStumS  ^erufalem  fid) 
Inübfenben  SlnglifanifierungSibeen  entgegenftellte,  unb  als  jener  ©ebanfe  in  bem  bon  ben 
Königen  bon  3Bürttemberg  unb  Vreufeen  auSgeb^enben  ©ntWurf  einer  allgemeinen  beutfd)= 

so  ebangelifd)en  ^ird)enlonferenj  einen  geWiffen  2ln!lang  fanb,  berfafcte  er  im  ^ntereffe 
beSfelben  bie  ©d)rift:  „gür  bie  3utunft  ber  ebangelifd)en  Hira)e,  an  ib,re  ©d)irmb,erren 
unb  greunbe"  (Stuttgart  1845  unb  1846),  Wie  er  benn  aud)  als  Slbgeorbneter  BabenS 
an  ber  fonftituierenben  Berliner  Äonferenj  unb  ebenfo  an  ben  meiften  fbäteren  (@ifenad)er) 
Äonferenjen  tfjätigen  Slnteil  nal>m.    SDie  ©runbfä^e  U.S  b,infid)tlid)  biefer  braltifd)4ird)= 

55  Iid)en  ^rage  Waren  Wefcntlicb,  folgenbe :  tlnterfc^eibung,  aber  nid) t  ©d)eibung  bon  ©taat 
unb  $ird)e.  ällfo  bon  feiten  beS  ©taateS  ©ulbung  für  alles  fittlid)  @rträglid)e,  aber  Pflege 
ber  anerfannten  bofitib=d)riftlid)en  Jlonfeffionen  als  ber  Trägerinnen  ber  tieferen,  ben 
©taat  tragenben  fittlid)en  Gräfte.  Unbefd)rän!te  greibeit  ber  Wiffenfd)aftlid)en  @rörte= 
rungen  in  ber  Sitteratur,  aber  b/infid^tlid)   ber   tbeol.  gafultäten  Bermittelung  ber  3iüc!= 

6ofid)ten  auf  bie  §reu)eit  ber  2öiffenfd)aft  unb  auf  baS  BebürfniS  ber,tird)e;  alfoBinbung 


ItUmamt  207 

nicht  an  bie  Sefyrform  ber  ftymbolifcfycn  23üd)er,  aber  an  bie  ^ringibien  beS  ebangeltfcf)en 
iVfenntniffeS.  Auf  bem  33oben  ber  Kircf/e  felbft  lein  gefeilterer  ©tymboI^Wang,  fonbern 
freie  geiftige  ÜberWinbung  unbollfommener  Richtungen,  aber  unter  gefifyaltung  ber  23e= 
fenntniffe  als  borbilblicfyer  ©laubenSgeugniffe  unb  unter  33orbet;alt  beg  Recf/tSberfafyrenS 
gegen  foldje,  bie  ifyr  Amt  jum  Umfturj  ber  fircfyltcr/en  gunbamente  mißbrauchten.  @nb=  5 
lieh  feine  33efeitigung  be§  lanbeSfyerrlicfyen  KirctjenregimentS,  Wohl  aber  Ergänzung  ber 
fonfiftorialen  Einrichtungen  burdj  breSbr/terial=frmobale,  bamit  eine  ©elbftbeftimmung  unb 
Sclbftentfcfjeibung  ber  ebangeltfcf/en  Hirc^e  möglief;  fei. 

Slucf)  in  ben  %at)xtn  1848—1850   fufyr  lt.  fort,  biefen  33eruf  eines  Sprechers  ber 
neueren  gläubigen  Geologie  gegenüber  ben  aufragen  §u  erfüllen,    ©ie  Anfbractje,  bie  10 
er  mitten  im   Wüfteften  ©etümmel  beS  AbrilS  1848   an  bie  Sefer  ber  %fy(&tU  richtete 
(„ßinigeS  für  ©egenWart  unb  gufunft",  1848,  3),  ift  ein  erfyebenbeS  geugniS  *>er  cf)rift= 
liefen  llliannfyaftigfeit,  mit  ber  er  bem  (Sfmften  unb  Geologen  ben  aufgewühlten  23oben 
bei  S3aterlanbeS  als  ein  fruchtbarem  ©aatfelb  ju  geigen  mußte,   ©ine  anbete  ©cfyrift  beS= 
felben  3aI)reS  („Über  baS  23erI)ältniS   bon  ©taat  unb  Kirdje")   bertrat  gegenüber   ben  15 
alle  23anbe  awifcfyen  ©taat  unb  Kircf/e   löfenben  Seftimmungen  ber  „SDeutfcfyen  ©runb= 
rechte"  bie  ^bee  beg  djriftlicfjen  ©taateS  in  bem  oben  angebeuteten  ©inn.    An  ber  ©ct)ö^>= 
fting  bei  im  £>erbft  1848  ins  Seben  tretenben  beutfd)en  ebangeltfcfyen  Kirchentages  na^nt 
II  eifrigen  Anteil;  ebenfo  ging  er  mit  warmem  §erjen  auf  ben  eben  bamalS  9Jiacf)t  ge= 
tuinnenben  ©ebanfen  ber   „inneren  SRiffion"   ein.     $Die  RebolutionSjafyre  ließen   einen  20 
tiefen  ©inbruet'  bei  11.   jurüd,   feineSWegS   einen  berbitternben  ober  berbüfternben,   Wofyl 
aber  eine  Serftärlung   unb  Vertiefung  feinet  braftifd)=religiöfen   unb  firctjlicfyen  ©rnfteS. 
ii3ie  fern  fein  cb^iftltcfy^ircfylidjer  KonferbatismuS  bon  ben  Ausartungen  mar,  bie  ingorm 
einer  fonfefuonaliftifcfjen  ©efe|lict)leit  unb   trüben  2Sermifc£)ung   firefilieljer  unb  bolitifd)er 
lenbenjen  bamalS   gu  Wuchern   begannen,   bezeugt  namentlich   bie  bon   ^eiligem  (Srnfte  25 
unb  ben  reinften  ebangelifdjen  ©efinnungen  getragene  ßeitbetracb.tung,   mit   ber  er_,  ben 
Jahrgang  1852  ber  SEf)©t^  eröffnete.     Unb   baß  in  ben   freieren   tljieologifctjen  Über= 
Beugungen  U.S  leine  3Seränberung  borgegangen  mar,   bewies   in  bemfelben  3<%8flttg  ber 
^eitfcbjift  bie  feine  unb  überlegene  gurüd'Wetfung,  bie  er  ben  bom  ©rafen  ©aSbarin  im 
Sinne  einer  wenig  erleuchteten  Drifyoborje  gegen  fein  „Söefen  beS  GtmftentumS"  gemachten  30 
Singriffen  Wiberfafyren  ließ. 

GS  entf^ract)  ben  93ert)ältntffen  unb  Slnforberungen  ber  auf  bie  ReboIutionSjabje 
folgenben  geit,  Wenn  fiel)  II.  bon  nun  an  borjugSWeife  ben  Angelegenheiten  ber  babifdjen 
SanbeSfircfye  Wibmete.  Tie  eb.  Äirdje  in  SBaben,  ein  ©rittteil  ber  Seböllerung  umfaffenb, 
mar  aus  altbabifcfyen  Sutfyeranern  unb  bfäläifcfycn  Reformierten  bureb,  bie  SanbeSffynobe  35 
bon  1821  ju  einer  im  bollften  ©inne  unierten  jufammengeWacfjfen.  ®ie  UnionSurfunbe 
enthielt  au<|  bie  l^bee  einer  bon  ber  ©in^elgemeinbe  aus  organifcb,  ftdt)  gliebernben  unb 
mit  bem  ©taatSorganiSmuS  felbftftänbig  fiel)  gufammenfcfyließenben  Kirche;  aber  biefe  3bee 
war  nur  fel)r  fümmerlicb,  berWirllicbt  Worben,  inbem  jWar  ju  bem  fonfiftorialen  Kir(|en= 
regiment  b«3bt)teriale  unb  ftjnobale  @inricf;tungen  hinzugetreten  Waren,  aber  teils  an  40 
mangelhafter  Äonftituierung  litten,  teils  burd)  ein  Übermaß  bon  ©taatSbebormunbung 
auf  einen  geringen  ©rab  bon  Sebeutung  fyerabgebrücft  Würben.  ®er  IanbeSfircf)liclje  S3e= 
fenntnisftanb  War  unter  9cacl)Wirfung  ber  bon  bem  trefflichen  5Rarfgrafen  unb  ©roß= 
f>er,^og  Karl  griebrief)  (geft.  1811)  fyerrübjenben  ^pofitib  gerichteten  HirdjenratSinftruftion 
bureb,  §  2  ber  UnionSurfunbe  jWar  im  ©inne  ber  Slnerfennung  beS  KonfenfuS  ber  S3e=  45 
fenntniffe  feftgeftetlt  Worben,  aber  inbem  man  bie  ©eltung  berfelben  ber  Autorität  ber 
Schrift  blatte  unterorbnen  unb  baS  SRedjt  ber  fortfcfireitenben  freien  ©cfmftforfcfmng 
Wahren  Wollen,  War  ein  fo  unbel)ilflidh,er  33efenntni§^aragra^  entftanben,  baß  auef)  Se= 
fenntnisflucljt  unb  SefyrWiflfür  fid;  nicf)t  ol)ne  ©c^ein  auf  benfelben  berufen  fonnte  (bgl. 
ÖunbeSfyagen,  5Die  SefenntniSgrunblage  ber  bereinigten  eb.  Kircfye  im  ©roßf)er3ogtum  50 
Saben,  granffurt  a.  9Jc.  1851).  Run  blatte  ber  Rationalismus  eine  ausgebreitete  <oerr= 
l'a?aft  unter  ben  ©eiftlicfyen  unb  ©ebilbeten  33abenS  gewonnen  unb  bie  unter  feiner  9Jtit= 
toirfung  entftanbenen  Äirc^enbüc^er,  ber  SanbeSfatecf)iSmuS,  bie  2lgenbe,  baS  ©efangbuef), 
auef)  bie  biblifdje  ©efc£)icf)te,  gaben  einem  bofitiberen  ©inn  unb  fircfyücfyen  ©efcf;macf  biel= 
fachen  Slnftoß.  ÄnbererfeitS  War  feit  ben  gWan^iger  Sauren,  getragen  bon  einzelnen  55 
wigineßen  ^erfönlicf)feiten,  ein  bem  Württembergifcfyen  berWanbter  ^ietiSmuS  im  Sanbe 
aufgenommen  unb  nad)  unb  nad)  ju  bolfStümlic£)er  S3ebeutung  gelangt:  inbem  fieb,  auS 
i(>m  gemäß  ber  allgemeinen  beutfetien  (SntWicfelung  ^te  unb  ba  ein  ftrenger  $onfcffiona= 
IiSmuS  entwicfelte,  erfcljien  in  einer  ßeit,  bie,  Wie  bie  erften  fünfziger  ^ab,re,  bon  einem 
ftarfen  firc^Iicfjen  Qu^  bewegt  Warb,  ber  lanbcSfirdtlic^e  Seftanb  um  feiner  Mängel  unb  60 


208  Itltommt 

Slergerniffe  Willen  ernftlict;  gefäfyrbet,  unb  fcfyon  Waren  bic  Anfänge  einer  lutt)erifd)en 
©eparation  im  Sanbe  borfyanben.  ©o  eröffnete  fic^»  ber  neueren  gläubigen  Geologie 
eine  ebenfo  lofynenbe  als  bringenbe  Stufgabe :  burd)  eine  gefunbe  Reform  ben  Seftanb  ber 
£anbeSfird)e  z«  fidjern  unb  bie  SinWirfung  berfelben  auf  baS  33oßS=  unb  ©taatsleben 
5  ju  fteigern.  @S  ift  ein  grojjeS  unb  btetbenbeS  SSerbtenft  It.S,  biefe  Aufgabe  in  feine 
§anb  genommen  unb  bie  bamalige  gefahrvolle  Griffe  ber  Babtfd^en  SanbeSftrctje  zum 
©uten  geWenbet  ju  fyaben. 

@r  tl)at  bieg  gunäd^ft  Don  feiner  afabemifct/en  ©teHung  aus  in  ganz  freier  SBeife, 

inbem  er  bie  reformgefinnten  $reunbe  ber  ebangelifcfyen  SanbeSfirdje  in  halbjährigen  freien 

10  Konferenzen  bereinigte.    ®iefe  „2)urlacr)er  Konferenzen"  (zu  unterfct)eiben  Don  ben  fbäter 

unter  ©cfyenlelS  Seitung  erneuerten)  gewannen  für  baS   ebangelifctje  33aben  eine  ej)ocf/e= 

mad)enbe  SBebeutung,  inbem  t/ter  juerft  ^tetiSmuS  unb  BermittelungStfyeologie  gueinanber 

Vertrauen  faxten,  unb  in   grünblict/er  freiefter  Erörterung  bie  Söfung  ber  fctjtoebenben 

lanbeSfircfylidjen  SebenSfragen   Vorbereitet  warb,     ©er  1852   in  33aben  eintretenbe  3te= 

15  giemngSWed)fel  eröffnete  bie  beften  Hoffnungen   auf  bie  SDurcfyfüfyrung   ber  angeftrebten 

Reformen,  unb   als   im  %afyx  barauf  bie  ebangelifcfye  ^ßrälatur  burd)  §üffeltS  -Jiücftritt 

erlebigt  warb,  erfdjnen  nidjtS  natürlicher,  als  bafj  ber  ^3rinjregent  (ber  je|ige  ©rojjfyerzog) 

ju  berfelben  U.  berief.    @r  folgte  im  §erbft  1853  bem  $uf,   nicr)t  obne  ein  Programm 

feiner  fircfyenregimentlidjen  ©runbfäije  unb  giele  aufgeteilt  ju  fyaben,  Don  beffen  Billigung 

20  an  entfd)eibenber  ©teile   er  feine  Annahme  abhängig   machte ;   ben  Wefentlidjen  ^nfyalt 

berfelben  führte  er  gleicb,  nacb^er  in  einer  Anfferact)e  an  bie  SanbeSgeiftlicfyfeit  auS. 

®er  ebangeüfcfye  Dberlircfyenrat  in  33aben  mar  bamals,  abgefeiert  Don  wenigen  rein= 
innerlichen  Angelegenheiten  ber  Kircfye,  eine  bem  Sftinifterium  be§  ^nne*"  untergeorbnete 
23el)örbe,  oljme  baS  Sfted^t  beS  Vortrags  beim  ©rof$r)erjog ;  im  Dberfircfyenrate  felbft 
25  war  ber  Prälat  (b.  b,.  ber  Vertreter  ber  ebangelifcfyen  Kircfye  in  ber  erften  Kammer) 
nichts  Weiter,  als  baS  erftbotierenbe  9)litglieb  ber  geiftltctjen  San!.  U.  empfing  alfo 
burd)  feine  ©teHung  leine  fircfyenregimentlicfje  Wlafyt  unb  lonnte  nur  burd)  befonbere 
gugänglicfyfeit  beS  dürften,  beS  9JiinifterS  unb  feiner  Kollegen  im  Dber!ird)enrat  für  feine 
Seftrebungen  etwas  auszurichten  fyoffen.  (Srft  im  ^afyxt  1856  übertrug  ber  ©rojjfyerzog 
30  lt.  aud)  baS  SDireltorium,  aber  bie  nachträglichen  Sebingungen,  Welche  ber  bamals  neu 
eingetretene  SRinifter  Don  ©tengel  biefer  Neuerung  anzuhängen  Wujjte,  matten  bie= 
felben  für  11.  efyer  zu  einem  ©cfyaben  als  zu  einem  ©eWinn.  @S  Warb  ib,m  im  Dber= 
lirdjenrat  ein  Weltlicher  3Stgebirettor  gegenübergefteüt,  beffen  Söiberfbrud)  jeben  fonft  ein* 
t)eHtgen  Kollegialbefcf/lufj  ber  beeren  ©ntfdjeibung  beS  9JcinifteriumS  unterwarf,  unb  ftatt 
35  beS  beantragten  unmittelbaren  Vortrags  beim  ©rof^erjog  erhielt  ber  neue  SDireftor  famt 
jenem  SSi^ebireftor  ©i|  unb  ©timme  im  SJttniftertum  beS  3nnern/  ®n  3^$:,  WeId)eS  bei 
ber  ftarl  bureaufratifcfyen  unb  für  geiftlicfye  ©eficfytStounfte  Wenig  empfänglichen  ©timmung 
biefe§  Kollegium^  für  IX.  balb  jur  größten  5ßem  Werben  foHte. 

S)a§  §au^tbeftreben  be§  neuen  Prälaten  War  auf  bie  Ausführung  ber  in  ben  Sur= 

40  Iacb,er  Konferenzen  borbereiteten  Reformen  gerichtet,  behufs  beren  bie  feit  1843  nidjt  ge= 

^altene  ©eneralft>nobe  im  ^afyxz  1855   einberufen  Warb.    3#r  Würben  Entwürfe  einer 

neuen  Formulierung  beö  Sefenntni^ftanbeS,   eines  neuen  2anbe3Jatect)i<§mu§,  einer  neuen 

©otteSbienftorbnung  unb  biblifd)en  ©efcf)id)te  borgelegt,  Vorlagen,   Weld)e  eine  au§  ben 

SKitgliebern  ber    tfyeol.  gafultät    unb  einer  2lu<§Waf)l   angefeuerter  ©eiftlicb,en  gebilbete 

45  Sorfonferenj  faft  WiberftorucliSloS  gutgeheißen  b,atte;  bie  ©efangbud)3reform  unb  bie  3Ser= 

faffungSrebifion   füllten   einer   folgenben  ©eneralfimobe  borbe^alten  bleiben.     2)ie  neue 

©eflaration  beS  SelenntniSftanbeS  lautete:  „®ie  bereinigte  ebangelifd)=broteftantifd)eKird)e 

im  ©ro^erjogtum  Saben  grünbet  fic^  auf  bie  b,I.  ©c^rift  beS  2t  unb  %l%§  als  bie  aß= 

einige  Quelle  unb  oberfte  ^idjitfclmur  ib,reS  ©laubenS,  ib,rer2eb,re  unb  ib^reS  SebenS,  unb 

so  fyält  unter  boller  2tner!ennung  i§rer  ©eltung  feft  an  ben  Selenntniffen,  Welche  fie  it)rer 

Bereinigung  ju  ©runbe  gelegt  b,at.    £>iefe  in  ©eltung  fteb,enben  Selenntniffe   finb  bie 

nocb,   bor  ber  Wirfliefyen  Trennung  in  ber   eb.  Kircfye   erfcfyienenen,  unb   unter  biefen 

namentlich   unb   auSbrücflicb; :   bie  StugSburger  Konfeffion,  als  baS  gemeinfame  ©runb= 

befenntniS  ber  eb.  Kircfye  ®eutfd)lanb§,  fowie  bie  befonberen  33e!enntniSfd)riften  berbeiben 

55  früher  getrennten   eb.  Konfeffionen  beS  ©ro^erjogtumS,   ber  KatecfyiSmuS  SutfyerS  unb 

ber  §eibelberger  KatecfyiSmuS,  in  ifyrer  übereinftimmenben  Bezeugung    ber  ©runblefyren 

t;I.  ©d)rift  unb  beS   in   ben  allgemeinen  SBelenntniffen  ber   ganzen  ßfyriftenfyeit   auSge= 

fbrocfyenen  ©laubenS"   —  ^n  biefer  Aufteilung,  bie  fonft  einmütig  gebilligt  Warb,  ber= 

mi|te  eine  Minorität  ber  ©^nobe  unb  an  beren  ©bit$e  §unbeSb,agen  unb  9totb,e  bie  im 

60  §  2  ber  UnionSurlunbe  ausgekrochene  Söafyrung  beS  9tec|tS  ber  freien  ©d)riftforfd)ung, 


Mummt  209 

toäbrenb  lt.  beftritt,  baß  eine  foldje  in  ben  23cfenntniSauSbrud  gehöre,  ©ein  ©tanb= 
bunft  in  biefen  fragen  mar  allerbingS  md)t  mefyr  ber  feinet  25  Qafyre  älteren  ©ut= 
achtens  in  ber  ©efeniuS=2öegfd)eiberfcl)cn  Angelegenheit  (f.  o.  ©.  205, 21),  aber  er  fyatte, 
tcic  baS  bon  ifmi  berfaßte  ©utad)ten  ber  §eibelberger  $atultät  über  ben  bfäljifdjen 
Hird;enberfaffungSentrourf  bom  $af>re  1849  bezeugt,  feine  Anficht  ntd)t  erft  mit  bem  ©in=  6 
tritt  in§  $ird)enregiment  geänbert  unb  roollte  aud)  je|t  ber  tt)cologifcr;en  freien  gorfdmng 
fp  toenig  entgegengetreten  miffen  tote  feine  ftynobalen  ©cgner,  nur  baß  er  fürchtete  burcfy 
(ivtoäfmung  berfelben  im  53efenniniSbaragrabI)en  alle  red^tltd^e  Anmenbbarfeit  beSfelben 
roiebcr  in  3we'fe'  Su  fe£en-  ®*n  fcfyließltcr)  öon  '^m  nachgegebener  $ufa$,  toelcfyer  9*ed)t 
unb  s^flid)t  ber  freien  ©d)riftforfd)ung  für  alle  ©lieber  ber  $ird;e  betonte,  ben  Sienern  10 
ber  Äirdie  biefe  ^3flicf/t  befonberS  einfdjärfte,  aber  aud)  ein  fbe^ififcljeS  Stedjt  ber  tf>eo= 
logifdjen  gorfcrmng  nid)t  auSfbradj,  gewann  für  bie  Vorlage  gtoar  nidjt  alte,  aber  bod) 
bie  bei  meitem  mehreren  ©timmen.  Unbebingter  mar  bie  guftimmung  ^u  t,en  übrigen 
ßntlüürfen.  ®er  borgelegte  neue  SlatecfyiSmuS,  eine  bon  U.  felbft  bearbeitete  23crfd)mel= 
jung  beS  fleinen  2utb,erifd;en  mit  einer  AuSmafyl  aus  bem  §eibelberger,  fanb  nicfyt  nur  15 
auf  ber  ©r/nobe,  fonbern  aud)  in  ben  ©emeinben  bie  banfbarfte  Aufnahme,  wie  er  benn 
aud)  wenige  $ab,re  nad)f)cr  mit  geringen  Änberungen  in  ber  rl)ein=breußifcl)en  Siircfye  als 
UnionStated) ismuS  abobtiert  marb.  ©benfo  rourbe  bie  neue  biblifcfye  ©efd)  idjte  otme  3Siber= 
fbrud),  bie  neue  ©otteSbienfiorbnung  —  eine  treffliche  Arbeit  bon  D.  SBäfyr  —  unter 
ganj  geringen  Sftobififationen  angenommen  unb  bie  ©infüfyrung  ber  letzteren  nur  baburd)  20 
berjögert,  baß  bie  ©r/nobe  ein  boEftänbigeS  Äirdjenbudj  berlangte,  mefd)eS  in  bemfelben 
©tile  aud)  bie  ^ebengotteSbienfte  unb  Hafualien  befyanbelte. 

0leid)toof)l  foHte  biefe  neue  ©otteSbienftorbnung  für  baS  U.fd/e  $ird)enregiment  ber= 
IjängniSbotl  merben.  Als  brei  ^afyre  nad>  ber  ©eneralftynobe  bon  1855  bie  Agenbe,  auf 
beren  balbige  @infül)rung  nocf)  bie  Siöcefanfimoben  bon  1857  gebrungen,  enbtid)  ber=  25 
bollftänbigt,  rebibiert,  genehmigt  unb  gebrudt  mar,  t)atte  ftd)  injtbifd)en  bie  ©ituatton 
meljr  als  man  afmte  beränbert.  $n  Sägern  fyatte  bor  lurjem  eine  neue  altertümlid/e 
Siturgie  im  3ufammenl)ang  mit  anberen  mißliebigen  Äonfiftorialerlaffen  ben  SBiberftanb 
ber  ©emeinben  macf/gerufen,  in  Preußen  l)at  ein  9IegierungSmed)fel  ftattgefunben,  melct/er 
bie  liberalen  Xenbenjen  auf  ftrcr/lid/em  mie  auf  bolittfcf/ein  ©ebiet  mit  neuen  Hoffnungen  so 
erfüllte,  unb  in  Saben  felbft  mar  an  bie  ©teile  beS  mofylmollenben  brot.  3JcinifterS 
b.  2Bed)mar,  ber  oben  ermähnte  $r.  b.  ©tengel  getreten,  ein  ®atl/oIif,  beffen  gefbannteS 
$erf)ältniS  ju  bem  Sireftor  beS  Dberfird/enrateS  Ianb!unbig  mar.  2)aS  alles  lub  bie 
feit  bem  StebolutionSjaljr  faft  böüig  berftummten  obbofitionetlen  Elemente  ju  einer  neuen 
Slftion  ein,  als  beren  näcb,fteS  Dbjeft  baS  neue  £irc^enbuc§,  meines  für  bie  faft  aller  35 
liturgifcr/en  AuSftattung  beS  ©otteSbienfteS  entmöb,nte  fübbeutfcfye  unb  befonberS  bfäljifdie 
ÜolfSftimmung  immerhin  etmaS  33efremblid;eS  anfd;einenb  ^at|olifierenbeS  b,atte,  fidt>  jur 
guten  ©tunbe  barbot.  3öäl)renb  fid},  fo  lange  eS  ficf)  de  lege  ferenda  r/anbelte,  fo 
gut  mie  leine  Dbbofition  berlautbart  b,atte,  er^ob  fia)  biefelbe  jetjt,  mo  baS  ^ird}enbuc£) 
nur  nod)  burd)  einen  ftrc^Uc^ert  SecfytSbrucr;  rüdgängig  ju  madien  mar,  ^uerft  in  2Rann=  40 
^eim  unb  formulierte  ficb,  fofort  in  §eibelberg  §u  ber  an  ben  ©ro^er^og  gerichteten 
^itte,  bie  ©infü^rung  nid)t  etma  in  ber  Solalgemeinbe,  fonbern  in  ber  ganzen  £anbeS= 
fira)e  ju  fusbenbieren.  3Jlit  §ilfe  einer  gebrudten  unb  maffenb,aft  berbreiteten  glugfdmft 
unb  aller  fonftigen  Mittel  ber  Agitation  berbflanjte  man  biefe  Dbbofition  aud)  in  anbere 
SanbeSteile,  unb  balb  gemann  biefelbe,  ermutigt  burd)  bie  Äonnibenj  beS  3JcinifteriumS  beS  45 
Innern  unb  ein  an  b,öd)fter  ©teile  felbft  eintretenbeS  ©cfymanfen  bie  größten  ©imenfionen. 
3)ie  Äirdjenbefyörbe,  bie  an  eine  gelungene  ©tnfüfyrung  nie  gebad)t  t;atte,  bermod;te  — 
bon  ben  beeren  ^nftanjen  berlaffen  —  bem  anftedungSartig  burc^S  Sanb  ge^enben 
3d)iüinbel  feinen  SBiberftanb  §u  ti)unf  unb  obmob,!  bie  9Rid)tigfeit  ber  ganzen  (Bad)^  am 
Gnbe  barin  an  ben  %a$  trat,  baß  bie  aJceb^af»!  ber  ©emeinben  bennod;  bie  neue  ©otteS=  so 
bienftorbnung  annahm  unb  aucb,  bie  renitenten  ficb,  jum  ©ebraud)  ber  &>tUU  unb  %ox- 
mulare  beS  neuen  ^irdjenbucfyeS  herbeiließen,  fo  mar  baS  9tefultat  beS  AgenbenftreiteS 
bod)  eine  töblict)e  3Serle^ung  ber  tircfyenregimentlidjen  Autorität  unb  bie  @rfal;rung,  baß 
nod)  ganj  anbere  Singe  ju  ertro^en  feien,  als  baS  Wegbleiben  eines  ©onntagSebangelium 
ober  Ijallelufaf)  im  ©otteSbienft.  55 

ÄlSbalb  geigte  fid)  aud),  baß  bie  Dbbofition  biel  meiter  gel?enbe  $kh  berfolgtc. 
©eit  entfernt  mit  ber  ©rlebigung  ber  Agenbenangelegenb^cit  jurüd^utreten,  organifierte  fie 
ficf)  nur  um  fo  fefter  unb  nat>m  giim  ^iel  ben  ©turg  beS  Ll.fd)en  Mird)enregimentS,  baS  als 
ein  reaftionäreS,  Imcfylircr/licfyeS,  b^ierard}ifd)eS  bon  ba  an  bie  .ßielfcf/cibe  ebenfo  unermüb= 
lidjer  als  unmürbigcr  ^eitungsangriffe  iourbc.  9cad)ft  ber  Agenbe  mürbe  befonberS  bie  biucf)  so 

SReo[=®ncftfropäbie  für  Sljeologte  unb  SHväje.    K.  81.  XX.  n 


210  UHraanu 

33efd)Iuf5  ber  ©imobe  bort  1855  an  bte  ©teile  eines  r)öd>ft  mangelhaften  SBafylfr/ftemS  ge= 
fe|te  Hoobtation  ber  $reSbr>terien  als  öemeiS  ber  gegen  gretfyeit  unb  Siecht  ber  ©emeinben 
fetnbfeligen  ©efinnung  ber  SUrdjcnbefyörbe  ausgebeutet,  obmob;!  ber  Slntrag  auf  biefe  33er= 
änberung  gar  ntct)t  bon  btefer,  fonbern  bon  bem  fonft  obbofitionellften  Sftitgltebe  ber 
5  ©bnobe  ausgegangen  mar.  ©benfo  berbäcfytigte  man  bte  Sltrctjenbe^brbe  —  otme  allen 
©runb  —  ber  ©r/mbatfyie  mit  bem  ebenbamalS  bon  ber  Regierung  mit  ber  römifcfyen 
Hurie  abgesoffenen  Honforbat.  Sie  güfyrer  beS  2IgenbenftreiteS  nahmen  nun  aucb,  bte 
Slgitation  gegen  baS  Honforbat  in  bte  §anb,  unb  als  balb  barauf  bie  zweite  Hammer 
baSfelbe  bermarf  unb  infolge  beffen  ein  neues  3Jciniftertum  aus  berSJUtte  ber  Dbbofition 

io  Ijierborging,  mar  aud)  baS  ©cfyidfal  beS  ll.fcfyen  HirdtenregimentS  beftegelt.  SDa  an  bie 
©teile  beS  HonforbatS  ein  gefe^gebcrifd)er  Slft  trat,  ber  beiben  Hirnen  ©elbftftcinbigfett 
unb  ©elbftbermattung  zufbracb,,  mithin  eine  Jtebifion  ber  ebangltfdjen  Hircfyenberfaffung 
geboten  mar,  fo  roarf  \\<fy  bie  fircfylicfye  Dbbofition  nun  auf  bie  ÜBerfaffungsfrage.  ©ie 
Sofung,  bafj  bieS  Hirdjenregiment  mcfyt  berufen  fein  tonne,  baS  Prinzip  ber  ©elbftftänbig= 

io  feit  unb  ©elbftbermattung  ber  eb.  SUrdje  (für  melcfycS  11.  bon  Anbeginn  getambft  blatte) 
ins  Seben  einzuführen,  marb  unter  gefteigertem  Fortgang  ber  gefyäffigen  3ettung§angrtffe 
ausgegeben,  unb  baS  botlftänbige  ©emäfyrenlaffen  berfelben  feitenS  ber  Regierung  gab  bcn 
©egnern  bie  ©emipeit,  baf$  ber  ©turj  ll.S  nur  eine  grage  ber  gett  fei- 

211s  ^rälat  bor  unfreiwilliger  ©ntlaffung  gefiebert,  b/ielt  11.,  fo  fcfymer  er  unter  btefer 

20  Situation  innerlicf)  litt,  fiel;  boeb,  in  feinem  ©emiffen  gebunben,  baS  ©teuer  ber  Äirc^e 
feinen  ©egnern  nicf)t  ju  überlaffen,  fo  lange  eS  i§m  fittltcb,  möglid)  fein  mürbe,  baSfelbe 
^u  beraubten.  2IIS  aber  §ule|t  ifym  bie  ßumutung  gefteUt  marb,  ein  bon  ifym  felbft  in  bie 
Äirc^enbeb^örbe  gezogenes  bollfommen  untabcligeS  geiftltd)eS  9JlitgIieb  aus  berfelben  entfernen 
ju  laffen,  bamit  eine  SDJifdjmng  berfdnebener  9iicb,tungen  im  Hirdjenregimcnt  ftattfinben  tonne, 

25  erklärte  er,  bafj  nacb,  feiner  Überzeugung  baS  Hirdjenregiment  nid/t  an  ber  SSerfcfyiebenfyeit 
ber  9ticl)tungen,  fonbern  an  bem  einhelligen  33e!enntniS  ber  eb.  iürdje  feine  SBafiS  b,abcn 
muffe,  unb  bat,  menn  man  bon  bem  ©ebanfen  nicfyt  abfegen  unb  zugleich  bie  Hird)en= 
beljörbe  gegen  bie  meift  bon  Seuten  in  ©taats=  unb  Hird;enämtern  auSgefyenben  Singriffe 
unb  33erbäct;tigungen  nic£)t  fdmtjcn  motte,  um   feine  (Sntlaffung.    %laü)  bergeblicfyen  3L?er= 

30  (»anblungen  erhielt  er  biefelbe,  ebenfo  auf  beharrliches  sJcad>fucb,en  D.  33ät)r,  unb  nun  traten 
in  Regiment  unb  SSerfaffung  ber  babifcfyen  SanbeSürcfye  jene  SSeränberungen  ein,  meldte 
in  ben  nädjften  ^jar/ren  fo  biet  bon  fid)  reben  gemalt  l/aben  unb  in  Setreff  beren  mir  Iner 
lebiglicb,  auf  unfere  feiner  ^c'xt  in  ber  feuert  db.  H$  l86*  gebrachten  33ericf)te  bermeifen 
formen.  @S  roirb  ntdjt  zu  beraubten  fein,  baf$  baS  ll.fdje  Hirdtenregtment  biefen  SluSgang  bureb, 

35  keinerlei  SOMngel  erleichtert  b,abe ;  bor  allem  lag  eS  in  ber  ^nbtbibualität  mie  in  ber  SebenS= 
füf)rung  beS  trefflichen  SRanneS,  bafj  er  ^u  biel  auf  baS  2Bof)ImoIIen  beS  SanbcSfürftcn  unb 
beS  Hircb.enregimenteS  baute  unb  einer  freiroücfyfigen  ©ntmiclelung  bon  unten  auf  nid)t 
jutrauenSboH  genug  entgegenkam;  aber  ber  Mambf,  in  bem  er  unterlegen  ift,  blatte  ^mn 
tiefften  ©runbe  einen  ganj  anberen  ©egenfatj,   bcn   eines   auf  beftimmten  bofitiben,   be= 

40  lenntniSmä^tgen  ©runblagen  georbneten  unb  eines  bon  biefen  ©runblagen  mbglicf/ft  ab-- 
ftrab,ierenben  unb  auf  bte  bage  ©emeinfamleit  broteftanttfcl)er  33ilbung  unb  ©ntmiclelung 
bafierenben  Ätrd^entumS.  Wlan  barf  aufy  beraubten,  baf?  eine  Sieorganifation  ber  ba- 
bifcb,en  SanbeSlirc^e  im  ©tnne  einer  mal)rf)aft  Jird;Itc^ert  3]erfelbftftänbigung  ber  @injel= 
unb  ©efamtgemeinbe,   falls  11.  ftc  angeftrebt   l)ätte,   bcn   babifd;en   burcaufratifd;en  mie 

45  liberaliftifcfjen  ©timmungen  ber  fünfziger  ^al;rc  gegenüber  faum  zu  erreichen  gemefen 
märe.  —  §eute  mirb  bicHeict)t  allerfettS  zugegeben  merben,  —  ntdjt  nur,  ba|  eS  b,öct)ft 
mangelhafte  latecfjettfc^c  unb  liturgifcf)e  $3eftänbe  toaren,  meiere  11.  bura;  beffere  zu  ^= 
feiert  fucl;te,  fonbern  aueb,,  ba^  er  \\fy  noeb,  meitere  unb  bleibenbcre  35erbienfte  als  SUrcb, en= 
regent  um  fein  £anb  ermorben  f)at.    2Sir  rechnen  bab,in  ben  bon   tb,m  guerft  eröffneten 

so  Hambf  gegen  eine  unmäfjtge  3>erftaatlicf)ung  ber  Hircb,e ;  ferner  bie  in  mül)feligftem  Hambf 
gegen  bie  33ureau!ratie  burct)gefe|te  ©manzibation  unb  Serforgung  ber  ebangeltfd)en  ®iafbora 
im  Sanbe;  bie  älnbaf^nung  berfönlicfyer  2Sect)felbejieI)ungen  gtütfcEjen  Hird)cnregiment  unb 
©eiftlicfifeit  mie  ©emeinbe;  aucl;  ben  aUerbingS  nict)t  freilaffenb  genug  unternommenen 
unb  bab^er  arger  SJlifjbeutung  berfallenen  5Berfucb,,  bie  ^Pfarrbefe^ung  bem  bureaulratifcljen 

55  aRecf)aniSmuS  zu  entnehmen  unb  geiftlicb,en  ©eficf>tStounIten  zu  unterftetlen. 

SllS  11.,  65jäb,rig,  in  ben  9iub,eftanb  trat  CJteujafyr  1861),  mar  unter  ben  unfäglid; 
bitteren  Erfahrungen  ber  legten  ^jafyre  feine  ©efunb^eit  bereits  gelnid't.  ©o  gingen  bie 
fefmfücf/tigen  Hoffnungen,  bie  er  für  eine  erneute  litterartfdjie  2Ruf$e  auf  feinen  9tub,eftanb 
gefegt   b,atte,   nur   fümmerlicb,    in  Erfüllung.     3lbgefel;en   bon  ber   legten    Umarbeitung 

eo  feiner  „©ünblofigfeit  ^efu"   unb   einigen  Heineren  Beiträgen   zu   ben  Xf»©t£,   lam   eS 


ItUiitcutu  Ulrid)  •>{[ 

nur  nod)  511  Stnfäfcen,  nid)t  mcbr  p  SluSfüfyrungen ;  namentlid)  ift  eine  ®cnlfd)rift,  bic 
er  über  feine  iird)enrcgimentlid)C  2lmtSfüt)rung  im  Skrte  fyatte,  letbcr  unbollenbet  ge= 
blieben.  ©aS  befte  Seil  feiner  ßeit  unb  Straft  nabjn  bie  sJ(ebafiion  ber  Xb/Stß  in  2tn= 
f^vud),  roeldje  roäbrenb  feiner  $rälatur  borjuggtoeifc  Don  Umbreit  geführt  nun  in  feine 
.fjänbc  jurüd'ging  unb  nad)  bem  £obe  jerteö  bieljäfmgen  Mitarbeiters,  bem  il.  nod)  ein  r, 
fd)tfneS  ©enfmal  fetste  (f.  18G2,  §eft  3)  anfangt  unter  3totf;c^,  bann  unter  £unbeS= 
bagenS  unb  3itef>mg  Mittbirlung  mit  alter  Siebe  unb  Sreue  bis  an  baS  eigene  @nbe 
fortgefeljt  roarb.    2lm  12.  Januar  1865  ift  er  geftorben. 

II.  mar  leiner  Don  ben  fd)öpferifd)en  ©elftem  unb  pto^etifcf)en  Männern,  benen 
cS  gegeben  ift  bk  Geologie  unb  £ird)e  in  neue  Satmeu  311  führen,  aber  er  mar  eine»  10 
ber  febrnften  Talente  unb  einer  ber  ebelfien  Gf/araftere,  bie  im  19.  ^abjfmnbert  ber 
beutfden  eb.  ^tre^c  gcfdjentt  roorben  finb.  (Sin  d)rifilid)er  §umanift  im  beften  ©inne 
bec  Portes,  bat  er  ben  flar  unb  toarm  erfaßten  d)riftlid)en  $nl)alt  tote  in  feinen  ©diriften, 
fo  in  feinem  i'ebcn  in  eble,  reine  formen  gefaxt  unb  als  d^iftlid)cr  ©efd)id)tfd)rcibcr  unb 
2lbologet,  als  berebtcräöortfübrer  ber  dmftlidjen  2Bal)rf)eit  unb  ber  eb.  &'ird)e,  als  anregenber  15 
unb  liebevoller  $ül)rer  ber  afabcmifdjcn  Sju^nb  unb  als  treuer  aufobfentb  gea>iffent)aftcr 
Arbeiter  im  $ird)cnrcgiment,  enblid)  als  cfmftlidjer  §auSbater,  greunb  unb  ©ulbcr  für 
bic  tbeoIogifd)e  Stiftung  ju  ber  er  ftd)  belannte,  ein  3euÖn^  abgelegt,  baS  mancher 
geringfebä^igen  ^Beurteilung  unb  lcibcnfd)aftlid)cn  S3er!ennung  uneraebtet  in  reichem  ©cgen 
fortlebt.  «Bill.  S3ci)fd)tag  f.     20 

Ulrtd),  23.  Don  2lug§burg,  geft.  973.  —  Gerhardi  Vita  s.  Oudalrici,  Ijeri:u§qeg. 
nun  9Sai&,  MG  SS  IV  6.  377;  ßufati  %.  Martyrol.  Notkeri,  $b<8  XXV,  3.  209;  «raun, 
Wejd).  ber  So.  u.  SlugSburg.,  I,  IHugäb.  1813  «5-  177;  Sod),  ©e[d).  unb  ftuit  beä  fd.  U trief), 
bau.  S-iff.  1875;  SSattenbad),  ©efd).=£l.  V,  3.  117;  l£6err,  Sitt.  be§  Wl.  III,  3.  409  ff.; 
Öaucf,  m  ®-3  III",  6.  47  ff.  25 

Ulrich,  mürbe  890  ^u  SlugSburg  geboren,     ©ein  SSatcr  #ubatb  ift  ber  STbnbcrr  ber 
©rafen  bon  Sillingen,  feine  Mutter  ©ietbird)  l)ängt  mit  bem  §aufe  beS  .§er^ogS  33urd)arb 
bon  Sd)toaben  jufammen.    ©eine  ©rjtebung  fanb  er  in  ©t.  ©allen,   bamatS  bem  toid)= 
tigften  ©itje  litterarifd)cr  unb  tbeolügifcber  SSilbung  in  Sllamannicn.   ©od;  finb  bie  sJtad)= 
richten  über  feinen  bortigen  2luf enthalt  legenbarifd)  gefärbt;  befonbcrS  ift  atleS  erbid)tet,  roaS  m 
über  feinen  35erfebr  mit  ber  ©inficblerin  älsiborab  crjäfytt  toirb;  fie  !am  erft  nad)  ©t.  ©allen, 
naef/bem  Ulrtd)  bic  SUofterfcfyule  berlaffcn  batte,  f.  Mefyer  b.  ^nonau  %u  Ekkeh.  Cas.  s. 
Galli  57,  ©.213.   (SS  ift  möglid),  bofj  bic  Mond) c  tbn  jum  (Eintritt  inS  Älofter  brängten ; 
benn  banl  feiner  bornet)men  §erfunft  fwtte  er  bem  ^tofter  als  2Ibt  grofje  ©ienfte  leiften 
tonnen.    2lber  eS   ift   fidler,   baf$  Ulrtd)  baS  mönd)ifd)c  Seben  berfd)mät)te.     ©inige  ^cit  a5 
bor  bem  'Sobe  SlbalberoS  b.  3tugSburg  (28.  Slbrit  909)  fel)rte  er  nad)  SCugSburg  jurüd. 
3)er  Sifd)of   übertrug   it)m  ba§  älmt  bcS  SamerariuS.     2US  2lbalbero   ftarb,   berliefj   er 
3tugSburg  roieber,  erhielt  aber  nad)  bem  Sobc  §iftinS  (8.  9lobember  923)  bou  Jpcüirid)  I. . 
auf  anbringen  feiner  ^erioanbten  baS  SiStum  ätugSburg;    er  iüurbe  am  28.  ©ejember 
getoeif)t.    ^n  jener  geit  ioaren  bie  S3ifd)öfe  gunäd)ft  geiftHd)e  Ferren,  gerabe  im  10.  $at)x-  w 
b.unbert  irmrben  bie  ftaatlid)en  ^]flid)ten  unb  3ied)tc  ber  ©rof^en  bcS  SteicbeS  auf  fie  über= 
tragen.    Ulrtd;   bat   fold)en  S)ienft   ben  Königen  ^einrieb,  I.   unb  Dtto  I.  gcleiftet.     Sr 
forgte  für  Scfeftigung  feiner  ©tabt  unb  ber  ifym  gehörigen  ©tifter  unb  Üaftcttc.    (Sr  mar 
in  ber  fdjlimmen  ^dt  ber  (Smpörung  bcS  §erjogS  Siubolf  bem  Könige  treu  unb  mußte 
bcöbalb  fein  ganjeS  ©ebiet,   aud)  SlugSburg,  an  ben  s$faijgrafen  Slrnulf   beclorcn  geben  45 
unb  fid)  felbft  in  bem  eilig  befeftigten  ©d)mabmünd)en   belagert   fefjen.    ©od)  mürbe   er 
bon  feinen   bem  Stönige   treuen  Jßerroanbten,    feinem  Sruber  ©ietbalb  unb  bem  ©rafen 
Slbalbcrt  bon  SRard)tbal,  befreit.    9iun  bemühte  er  fid),  ben  ^rieben  3it)ifd)en  33ater  unb 
Sobn  fjerjuftellen.    @S  fam  aud)  auf  feinen  unb  beS  S8ifd)ofS  §artpert  bon  (5l;ur  betrieb 
ber  Sßaffenftillftanb  ju  ^Hertiffen   ju   ftanbe.     ®aS  barauf   folgenbe  3at)r  95Ö  mar  bic  &o 
gröfite  3eit  feines  SebenS.    ®ie  Sagbaren   blatten   fd)on   im  2>al)re   !)--J  öor  SlugSburg 
gelegen,  toaren  aber  abgezogen,  ob;ne  ber  ©tabt  ^u  febaben.  ©reinig  %afyxc  fboiter  erneute 
fid)  bie  ©efabr  unb  gmar  in  biet  größerem  Umfang,     ©anj  ©übbeutfd)lanb  rourbe   ba= 
mals  bon  ben  räuberifd)en  ©d)arcn  ber  SRagtyaren  burd)jogen,  bie  unterftü^t  bon  SanbeS= 
berrätern  faum  SBiberftanb  fanben.     Ulrid)   30g   biet    tapfere  9Jfannfd)aft   in   bie  ©tabt,  55 
befcljte  bie  niebrigen,   burd)  Xürntc  triebt  berftiirlten  s)Jiauern,   unb  tbat  baS  ©eine,   baf; 
ein  Sturm  auf  baS  %fyox  im  Dften  fräftig  abgefd)lagen  mürbe.   00  roufjte  er  bic  c^tabt  311 
balten,  bis  Cito  I.  mit  bem  beutfcfjen  Speere  b/eranjog.  ©cinöiegauf  bem  ^ed)felb  (lo.Stug. 
'•'■"'•j)  befeitigte  bie  ä)cagi)arengefal)r  für  immer,     sjjad)  biefer  .3 c i t  muf;te  Ulrid)  bic  jcr= 

M* 


212  Ulrid) 

ftörten  Atrien  unb  Tabellen  erneuem,  ©täbte,  ©tifter  unb  33urgen,  Käufer  unb  gelber 
feiner  Sanbgüter  Wieber  in  guten  ©tanb  fetjen.  23efonber<3  3lug§burg  erfreute  fid;  feiner 
gürforge.  @r  mufsie  bie  Verarmten  Pfarrer,  SSerroalter  unb  ©ienftleute  bon  betn,  tva§ 
ifym  übrig  geblieben  War,  eine  geraume  geit  erhalten,  unb  er  mufUe  Itrdjltdje  unb  bürger= 
5  Iid)e  Drbnung  in  feinem  3Bolfe  fefter  grünben.  ®a§  I)at  er  gern  auf  SifitationSreifen 
getfyan,  bie  er  nad)  bem  Dfterfefte  ju  machen  pflegte,  nad)bem  er  in  ben  erften  Jagen  ber 
ÄarWod)e  ©iöcefanftmobe  gehalten  b/atte.  ©a  befugte  er  bie  ©tifter  unb  Softer  geudjt* 
Wangen,  ©taffelfee,  güfeen,  Söiefenfteig  unb  §ebac^,  bie  er  fid)  referbiert  fjatte  unb  bercn 
©infünfte  tfym  bie  großen  Sftittel  ju  feinen  Unternehmungen  gaben,  unb  burcbjog  fobann 

io  bie  übrige  ©iöcefe,  um  ©enbgerid)t  unb  girmung  $u  galten  unb  um  bie  §ufammen= 
gerufenen  steriler  l)inftd)ilid)  tt)rer  SlmtSfüIjrung  unb  tt)ret  ©Uten  ju  prüfen  unb  %a  er= 
mahnen.  ©ine  überftrömenbe,  Wenn  aud)  unWeife  Söofyltfyäiigleit  ju  üben,  füelt  er  für 
einen  ©d)tnud  foWot)I  be§  gürften  als  aud)  be§  33ifdjof§.  @r  übte  fie  aud)  gegen  bie 
kleriler,    bie    er   in   großen  ©d)aren   in   feiner   bifd)öflid)en  Siefibertg  I)atte  unb  ju   ben 

15  ^ircfyenfeften  berWanbte.  ®ie  feftlictjen  ©otteSbtenfte  Würben  bon  ifmt  fefyr  bermannig= 
fac^t  unb  an  ben  §aubtfefien  in  mehreren  Slird)en  Inntereinanber  mit  immer  fteigenben 
^runfe  unb  ^3ombe  bon  tr)m  boUjogen.  3U  Innern  täglichen  berfönlid)en  ©otteSbienfte 
glaubte  er  bie  2lnbad)tSmittel  nid)t  genug  Raufen  ju  tonnen,  ©r  betete  ben  l)errommlid)en 
täglichen  ßurfuS,  iaS  officium  bon  ber  SRutter  ©otteS,   bon  bem  ^eiligen  ^reuje  unb 

20  t>on  alten  ^eiligen  unb  ben  ganzen  ^ßfalter  unb  feierte  an  manchen  'Jagen  bie  9J?effe 
breimal.  2lud)  im  gaften  lonnte  er  fid)  in  ben  bon  ber  $ird)e  baju  beftimmten  Reiten 
nicr)t  genug  tfrnn.  ©ie  grömmtgfeit  feiner  geit  richtete  fid)  befonberS  auf  9teliquien= 
bere^rung.  ©o  mar  e§  aud)  bei  Ulrid),  ber  beSfyalb  auf  bie  3krmet)rung  feine«?  5HeIiquten= 
fd)at$e3  eifrig  bebad)t  War.    ©r  machte  gu   bem  gtoede   weite  Reifen.    @r  brachte  unter 

25  Slnberem  bon  ©t.  SJcoritj  im  SöalliS  fefyr  zweifelhafte  Überrefte  bon  Kriegern  ber  tb,ebai= 
fd)en  Segion  unb  auS  $om  ben,  Wie  e3  fd)eint,  md)t  reblid)  erworbenen,  aber  aud)  fefyr 
unfid;eren  ^obf  beg  1)1.  SlbunbuS  nad)  2Iug§burg.  $n  Stom  ift  er  breimal  (910,  954, 
971)  al§  SBaßfafyrer  geWefen.  ©a§  9Jcönd)tum  fyat  er  fteiS  bodigefyalten.  ©ie  unter  bem 
33orfitj  be§  ©93.  griebrid)  bon  -JJiatnj  tagenbe  2Iug3burger  ©fynobe  bon  952   traf  9Rafj= 

30  regeln  jur  Reform  ber  Softer  toie  jur  fittlicf)en  §ebung  be§  £leru§  (MG  CI  I,  ©.  18). 
Ulricb,  felbft  b,at  bie  9Bieberaufrid)tung  bon  Senebiltbeuern,  Kempten  unb  Dttobeuern  be= 
trieben  unb  ba§  ?Jonnen!lofter  ©t.  ©tepl)an  in  2lug3burg  begrünbet.  äöenn  er  bie  oben 
genannten  ©tifter  nid)t  jur  ©elbftftänbigleit  lommen  Iie|,  fo  roirlte  er  bod)  anberen  bie 
freie  Stbt^wal)!  au§  unb  unterftüite  bie  SSerftrcngerung   be§  ^lofterlebenö,  mie  fie  bon 

35  Söeften  nad)  ©eutfd)lanb  einbrang.  ®ie  in  ©t.  ©allen  empfangenen  ^ugenbeinbrüde 
mirften  nad). 

©er  2tu§gang  feinet  fonft  fo  glüdlid)en  @piflopat§  war  nid)t  frei  bon  einem  5Jftfj= 
Hang.  @r  f>atte  einen  Neffen  2lbaIbero,  bem  er  längft  bie  güb,rung  be§  bifd)öflid)en 
Aufgebots  übertragen  §atte.   ^n  roünfdjte  er,  um  ba€  Öiötum  feiner  gamilie  ju  erhalten, 

40  ju  feinem  9tad)foIger.  3lbaIbero  mar  baju  geeignet:  er  war  Wol)I  unterrid)tet,  beeiSBortcg 
mächtig,  in  aßen  weltlichen  ©efd}äften  beWanbert.  Dtto  I.  b,at  ib,n  benn  aud)  UIrid)§ 
SBunfd)  entfpred)enb  im  Steril  971  $u  beffen  ?iad)foIger  ernannt.  9?un  lie^  Ulrid)  bie 
Safallen  unb  SDienftleute  be§  33i§tumö  il)m  ben  Sreucib  leiften.  Slbalbero  b,anbelte  feit= 
bem  al§  ber  red;tmäfeige  9?ad)foIger  feinet  Db,eimg;    er  trug,  obgleid)  er  nid)t  lonfelricrt 

45  War,  ben  33ifd)ofgftab.  ©ag  erregte  aber  foWob,!  bei  bem  Slugöburger  ^Ieru§  Wie  bei 
bem  beutfdjen  ©piffopat  großen  3lnfto^.  ©ie  ©ijnobe  ju  ^ngell)eim  im  §erbft  972  gog  bie 
<Bad)i  bor  ib,r  gorum  unb  nötigte  Slbalbero  ben  23ifd)ofgfiab  §urüdjugeben.  @r  ftarb  !urj 
banad);  ib,m  folgte  am  7.  Wai  973  Dtto  I.  im  S£obe  unb  nod)  in  bemfelben  3a^e 
erreichte  ben  leben^müben  33ifd)0_f  ber  Job,  er  ftarb  am  4.  ^uli  973,  auf  afd)ebeftreutem 

so  33oben  liegenb,  in  ©egenWart  feiner  Hlerifer,  Weld)e  bie  Sitanei  fangen.  33eigefe£t  Würbe 
er  in  ber  ©rabftätte,  Welche  er  fid)  nad)  bem  legten  Kriege  mit  ben  9flagi)aren  neben  ber 
neu  aufgebauten  ©t.  Slfra!ird)e  errietet  §atte. 

®em  ©lauben  jener  gzxt  entfpred)enb  War  e3,  bafe  fid)  feb,r  balb  am  ©rabe  Ulrid>g 
§ilfefud)enbe  einfanben  unb  bafe  fie   aud)   bon   bort  gefd)eb,enen  SBunbern    berichteten. 

55  UIrid)3  Slnbenlen  unb  Überrefte  genoffen  beälwlb  in  2tug§burg  unb  im  Weiten  Umfreife 
allgemeine  23erel)rung.  ©ein  ftänbiger  Begleiter  in  ben  legten  ^afyren,  ^ropft  ©erb,arb, 
fd)rieb  eine  preifenbe  Siograpljie,  Welcher  er  fd)on  biete  geilen  unb  2Bunber  bei  ^eiligen 
Sifd)of§  anfügen  lonnte.  ©iefe  ©dmft  nab,  m  S3ifd)of  Stutulf  bon  Sluggburg  mit  fid)  nad) 
9tom,  als  er  barauf  ausging,  für  feinen  Vorgänger  bie  33ereb,rung  ber   ganzen  dl)riften= 

eo  t>ett   gu    erwerben,    ©er  ^atoft  ^ol)ann  XV   erfüllte    feine  Sitte   unb   liefj  im  gebruar 


Ulrid)  Ultrnmoittoiiiömnä  213 

093  eine  23ultc  an  bic  ÜBifd^ofc  unb  ätbtc  ©allienS  unb  ©ermanicnS  auSgeb/cn,  Weld)e 
bic  fird)Iid)e  33eref>rung  Wrid;S  gebot.  SDaS  erfte  nachweisbare  23eifbicl  einer  bäbftlidjen 
Manonifation. 

2cn  Manien  Ulrichs  trägt  eine  furge  (Streitschrift  gegen  ben  Gölibat  (Eescriptio  b. 
Udelrici  ep.  in    qua  papae  Nicoiao    de  continentia    clericorum    non   iuste    sed   6 
impie,  non  canonice  sed  indiscrete  traetanti  ita  respondit,  MG  LL  I  ©.  254  ff.). 
2er  ^erfaffer  beginnt  mit  ber  23emerfung,  baf?  bie  il)m  gugefanbten  befreie  beS  s^3a^>fteö 
über  bie  (Sntfyaltfamfeit  ber  ©eiftlicfyen  iE>n  in  gurdjt  unb  ^raurigfeit  berfe^t  t)aben.   @r 
erflärt  eS  für  ©eWalttfyat,   bafj   man  gegen  baS  (Sbangelium  unb  ben  ^eiligen  ©etft  $ur 
Befolgung  bon  bribaten  Sefebjen  gelungen  Wirb.    SRatfd;täge  unb  Ermahnungen   feien  10 
boruigieb/en  geWefen.    ©ott   fjabe  im  212;  ben  ^rieftern  bie  @I)e   erlaubt  unb   I)abe  fie 
Urnen  nacfir/er  niemals  »erboten.    6t)riftu§  l)abe  bie  ftrenge  (Snttwltfamfeit  für  weniger 
ratfam   gehalten  unb  SßauluS  I)abe  jebem  embfob/Ien,   fein  eigenes  SBeib  gu  r;aben,   nid)t 
ettoa  nur  ben  Saien.    SSom  93ifcr)of  »erlange  ^ßauluS,  bafj  er  ßineS  SöetbeS  9Jlann  fei, 
unb  bis  ins  4.  Iyat)rl)unbert  fyafce  eS  fein  bem  entgegenftefjenbeS  Verbot  gegeben,  ©regor  15 
ber  ©rojje  fyabe  freiließ  ben  ©eifilidjen  bie  @b,e  unterfagt,   aber  als  er  in  feinem  £eid)e 
(iOOO  Hinbetföbfe  fanb,   r)abe   er  gefagt:   eS  ift  beffer,  ju  heiraten,   als  ©elegenl)eit  jum 
lobe  ja  geben.    ^JcifolauS  t)abe   alfo  einen  großen  geiler  begangen  mit  feinem  ©ebote 
ber  ßntljaltfamfeit.  ßl;riftuS  fage,  l»er  eS  faffen  lann,  ber  faffe  eS.    ©er  ^ßabft  bagegen: 
locr  es  nidjt  faffen  lann,  ber  folt  »om  33annflucf/e  getroffen  Werben,    ©cfjänblicr)  fei  eS,  20 
bafj  53tfd)öfc    ober  2Ircf)ibiafonen    »or    ben    abfdteulicf/ftcn    2Bof)Ilüften    feinen   2lbfd)eu 
embfinben  unb    bie  ilmen  untergebenen  ©eiftltdjen  tüte  ©Haben  gWingen,  ib,re  feufdjen 
(i'ben  aufjubeben.    ®er  SSrief  ift   ein  ^ßfeubonfymon;    feine   SlbfaffungSjeit   ergiebt  ftd; 
barauS,  bafj,  ©regor  VII.  ib,n  auf  ber  gaftenfr/nobe  bon  1079  »erurteilte  (Bern.  ehr.  3. 
b.  3-  3. 436).  @r  wirb  bemgemäfj  nad)  bem  ßblibatSerlafj  ber  römiftfjen  ©tynobe  bon  1074  25 
getrieben  fein.    ®ie  9cotig  SernoIbS  geigt  gugleidt),  bafj  man  in  bem  b.  Udelricus  beS 
Briefs  ben  SlugSburger S3ifc£)of  erfannte;  benn  er  ift  ber  b,  eilige  Mrid).  @S  ift  möglid), 
bafj  baS  ber  2lbfid)t  beS  SkrfafferS  entfbrad),   ber  feinen  ©inmenbungen  gegen   ben   er= 
jicungenen  ßölibat  baburtb,  ©eWid)t   §u   geben   meinte,  bafj   er  unter  ber  sIRaSfe  eines 
bolfStümlid)en  ^eiligen  rebete.    ®od)  ift  bie  ©ad)e  nicr/t  fieser;    benn  unter  bem  ^Sabft  so 
ÜttfoIauS  ift  fid)er  MfolauS  II.  gemeint;    bei   ben   decreta   super  clericorum  conti- 
nentia foll  ber  Sefer  an  ben  3.  ^anon  ber  Sateranfimobe  bon  1059  benfen.    2)ann  fann 
ber  SSerfaffer  aber  nid)t  als  ber  SlugSburger  Sifcfyof  reben  Wollen,   fonbern  er  mufj   als 
3eitgenoffe  9tifolauS'  II.  fbrecfyen.   ©inen  ocutfcfyen  SÖifc^of  Ulrid),  ber  jiütfct)ert  1051)  unb 
1074  ftarb,  giebt  eS  nidpt,  bagegen  brei  Italiener:  Ulrid)  bon  Qmola,  »onSenebent  unb  35 
bon  germo.    SDer  gälfdjer  fann  fid)  alfo  Ulrid)  genannt  Itaben,  um  für  einen  biefer  brei 
gebalten  ju  werben.    2)od)  aud)  Wenn  eS  fo  War,  fo  Wirfie  feine  ©d)rift  nur  als  2öerf 
beS  Slugsburger  ^eiligen.     ©aS  geigt  bie  9loitg  SernolbS. 

gerner   Wirb    bem  Ulrid)    ein    Sermo    synodalis    parochianis   presbyteris    in 
Synodis  enuntiandus   gugefd^rieben   (bgl.  MSL  135,   ©.  1069).     Slber   mit  Unred)t.  4« 
2er  ©ermo  ift  nur  baS  bielbenu|te  Commonitorium   cuiusque  episcopi   in   leid)ter 
Überarbeitung.  (9t.  SSoget  f)  §anä. 

UltramontaniSmuS.  —  Sitteratur.  (£§  wirb  auf  bie  retc^tjaltigen  Sitteraturangaben 
:,u  bem  §trt.  „Stöntifdie  Sirdje"  S3b  XVII  unb  jwar  ntcfjt  nur   für    ben   erften   aügemeinen 
'2.  74  f.),  fonbern  and)  für  bie  folgenben  ?(5frf)nitte  (©.78,  83,  85  u.  f.  w.)  Oerwiefen.  Ein=  45 
,jclne§  barauä  muf3  um  ber  SßoHftcinbigfett  roiHen  t)kx  uoc£)maI§  notiert  werben. 

A.  Sßegrif f Sbeftimntung  unb  t) i ft 0 r.  (Sntwitf elung  be§  11.    SöHmger,   kleinere 
2cf)riften  ed.  9?eufc£),  1890;  berf.,  ft'irdje  unb  feirctien,  ^atifttum  unb  Süvcbenftaat  1861;  berf., 
3anuö,  ber  ^ßapft  unb  ba§  Sonjit  (in  2.?luf{.:  $a§  Sßapfttum)  1869,  (1892)';  griebridi,  ©e= 
ict)icf)te  beS  Sßatttanifctjen  So«jit§,  3  S3be  1877—82;    berf.,  3.  3-  Söllinger,  3  33be    1899  —  50 
1901;  n.  gdjulte,  ®ie  iUndjt  ber  römtfdjen  ^ßäpfte,  1871  u.  ö.;  berf.,  üe^rbuet)  beo  Mt).  unb 
eo.  ftird)enred)t§,  1886;    0.  üoen§6roed),  ®er  lt.,  fein  SBefen  u.  f.  Sefiimpfnng,  2.  Slufl.  1898 
(t>op:  ^eiifdjtog,  3.  9t6£)iüfe  gegen  bie   uttr.  9cot,  ®eutfd)=eo.  331.  unb  feparat  1S97);     berf., 
Jer  U    in  2)eulfd)tanb  1896;    berf.,    ja^lreicbe  brütet   in    ber  3Konatöfd)rift  „©eutfc^Ianb" ; 
beif.,  Taö  «ßapfttum  in  f.  fug.  unb  fultur.  SBirtfamteit,   2  S3be,  1900-1902    (aud)  in  3>o»§=  65 
ausgäbe);  ba.^u:  33ie  tatt).  ilritif,  1902;  2.  ß.  ©ßg,  ®er  U.  ai-i  Sßeltanfdjauunq  1904;  ba^u: 
9?f)ennnu§,  Äat^oliciömuä  unb  11.  (§tft.=boI.  S3t.  1 904) ;  ZI).  SBeber,  Staat  unb  «ird)e  nad) 
ben  9lbfid)ten    be«  U.  1873;     Jyr.  ^-  Krau§,    ©pettatür=S8viefe   in  ber  «Ittg.  geitting  1895  ff. ; 
•Öaimiaer,  ^r.  X.  Ärauö,  ein  Sebencbilb,  '■'<■  Vtu§g.  1905;    SBratg,    3.  eriunerung  an  «rau§, 
1902;  '^aumftarf,  Plus  ultra,  ©d)idfale  eiueS  beiitfctjen  SJattjoüfeti,  1883;  üiufdjtuc-.,  Mtrd)cn=  w.i 


214  ltltroiuontaniSranS 

recfjl  23b  IV  imb  V;  Scrdjiolb,  Sie  93ul(e  Unam  Sanctam  it)re  SSebeulunq  f.  Slitdje  unb 

©tciat,  1887;  Soo«,  Sie  23utfe  Unam  Sanctam,  1897. 

B.  SiuSluirf'ung  beS  mobemen  11.  a)  Seutfdje  Sitteratur:  SDtejer,  Sie  vötiiifdjc 
'Jrage,  3  ^be,  1871-85 ;  berf-,  Sie  beutfdje  Sirdjenfreirjett  unb  bie  fünft,  fatf).  Partei,  1848; 

5  berf.,  Um  umS  ftveiten  Wir  mit  ben  Wir.  ?  1875;  bevf-,  $ur  Scaturgefd).  beS  gentrumS,  1882; 
'■IHpfoIb,  teuere  .ft\=©efd)id)te  II,  1883  (ebb.  litter.  Stnqaben  im  Stnbang,  leiber  nid)t  feiten 
o  O.  imb  3.);  SSenier,  ©efd).  ber  fatf).  £t)eo(ogie,  0.  33b  1889;  Wirbt,  «Quellen  j.  ©efd).  b. 
I«abfitum8,  2.  Stuft.  1901;  berf.,  Ser  II.  im  19.  Satjrb,.,  1902  (g-Iugfdmft  beS  ®u.  SjunbeS); 
Gdjotler,  Satt)otici§mit§  unb  11.  (£r)eoI.  geitfdjr.  au§  ber  @d)lneij  1900);     (93ad)em)  Staate 

io  lerjfon  (2.  Stuft.);  Ser  Seutfdje  Slcerfur  (feit  1869);  Ser  ftatbotit,  gegr.  1821  (SJcahiä);  3Ser= 
Ijanblungen  ber  ©enerafoevf.  ber  fatf/.  Vereine  (bejw.  Slattjolifentage)  1850—1906;  baju:  Sie 
©en.=S3erf.  3tunbfd)au    unb  itritil      ,  1868;    baju:    t>.  §oert$broedj,    Ser  DvegenSburger 

«altjotifentaq,  1904  (in:  Seutfcl)Ianb,  3.  £>eft);  grantfurter  ^eügem.  33rofd)üren;  S3rofd)üren= 
cl)!Iu§  für  b'a§  fatt).  Scutfd)Ianb,  1866 ff.;  33onifatiu§brofd)üren,  1870 ff.;  «Dcajunfe,  @efd).  beä 

15  f  uliurfainbfs,  2.  3(u§g.  1902;  Tttebermerjer,  Sie  Mi),  treffe  SeutfdjtanbS  1861;  berf.,  Sie 
fatl).  ^Bewegung  in  unfern  Sagen,  1868;  Sa3  20.  Safjrtjunbert  (Organ  ber  SReformfat^ülifen 
feit  1904);'  -jRenaiffance  (beSgi.  feit  1904);  „Sag  mir  motten",  Programm  be§  20.  Satjrf). 
(1904);  5Seitbred)t,  fronfeff.  Sitteraturbetrieb  (glugfdir-  be§  ®r>.  33unbe«)  1906;  ^errmann, 
9u>mifd)=fat(i.  unb  euang.  ©ittlidjfeit,  1899  u.  ö. ;  bagegen:  SRauSbad),  Satt).  Sßorat,  2.  Stuft. 

-0  1902;  Stbloff,  Satt).  Moral  1901;  1903;  fiotbe,' Äirdit.  Sßrüberfcfjaften  u.  ret.  Seben  im 

«tob.  Statt).,,  1895;  SEBerr,  ©efd).  bc§  tartetloerbanbeä  b.  tattj.  ©tubentetmerbinbungen,  1890; 
^.  SSerner,  Sie  marian.  Kongregationen  (Grjrifti.  Sföeft  1904  3?r.  13);  weitere  Sitteratur  f. 
St;coI.  3at)re§ber.  über  1905,  <B.  863;  SSerner,  lUoberuer  ßatt)otici§mu§  (Sfieol.  3vunbfd)au, 
1902);  ©eil,  Sie  (Sntlüirfetung  ber  fatt).  Sirdie  im  19.  Safjrrj.,  1898;  Steifen,  ©efd).  ber  fatt). 

125  fttrd)e  iml9.  Sabrt).  (beittfd),  2  Sie.  1880).  SSgt.  Sitt.  junt  St.  sßiu30ereine  33b  XV  ©.464,19 
S.U.  ©0(3,  Sa§  a5.CJ.93.  unb  ber  lt.  (9111g.  3tg.,  SSeil.  Sh\  238  (IS99);  Seljmfuljl  B.J.,  SaS 
SH.C3.aS.  für  b.  ©ebraud)  be§  ©eetforgerS  unb  93eid)toater3,  greiburg  1899.  —  b)  S[u«tan  = 
bifd)e  Sitteratur:  La  Civiltä  Cattolica  feit  1850  (erft  in  9ceabe(,  bann  in  9tom,  bann  in 
gtorenj  erfdjienen,  jejjt  wieber  in  9tom);     SPiidinub,    L'etat  actuel  de  l'Eglise  rom.-cath.  en 

30  France  (aud)  beittfcf),  burd)  ftr.  .f)offinann)  1876;  öittnet,  L'U.  ou  l'egliso  romaine  et  la 
soeiete  modeine,  $ari§  1S44;  Secannet,  SJJontatembert,  3  SSbe,  $ariS  1898—1902;  Satreitk, 
Joseph  de  Maistre  et  la  Papaute  ($cm§  1906)  f.  Sinnige  in  £f)S3  1907,  Ta:  7;  ©eipbet, 
Lcs  deux  Franccs,  1906;  Sebibour,  L'Eglise  catholique  et  l'Etat  sous  la  troisiemc  Eepu- 
blique  I  (1870-1889),    SßarB  1906;     Sabrl),    Lcs   catholiques   republicains  (1890-1903), 

35  'ißariö  1905;  Sotnbeö,  Une  campagne  laique,  S3ari§  1903;  berf.,  Uno  deuxieme  campagne 
laique.  eib-  1905;  Sfiureau^Sangin,  La  Eenaissancc  catli.  en  Anglcterre  au  XIX. «.,  5ßari3 
190  ff. ;  SSer(aegen,  La  lutte  scolaire  en  Lelgique,  ©ant  1905. 

C.  ©l)(Iabu3  =  Sttteratur:  ©taatSIejfiton,  9tvt.  (St)üa6u@  u.a.;  ©dyraber,  S.  <ßa^ft  u.  b. 
«tob.  gbecu,    2.  Stuft.    SSien  1867;     Soft,  93ov(efungen  über"  ben  ©r)Habu3  SSien  1865; 

40  SSieuitle,  Le  Syllabus  commente  d'apres  les  Actes  dos  Souverains  Pontifes,  ^ßariö  1879; 
Sie  Gncrjftifa  Dom  8.  Sejember  1864  (Shlt.  tu  12§eften  ber  ©Hunnen  aus?  $)?aria=Saacl) 
feit  1865);  Storniere  (euang.  ©eifttid)er),  5piu3'  IX.  ßncl)flifa  unb  @.  nerbeutfd]t  unb  ev= 
Hart,  ©ütevStot}  1891;  meiiere  Silt.  f.  bei  Scirbt,  33abfrtum,  2.  Stuft.  (1901)  ,^u  430,  luo 
aud)  ber  Sortlaut;  t>.  ,S>oen§broed),  Ser  ©V)tlabu§,  f.  Stutorität  unb  Sraglueite  1904;  SRinatbi, 

45  J.S.,  II  Valore  del  Sillabo  (8iom  1888);  ijoural,  Genese  historique  du  Bvllabus,  2.  Stuft., 
^ßau  1906. 

^n  bcm  embringenben,  tüett^m  orientierenben  Slrtilel  „Siömifdje  Äird)e"  Sb  XVII 
©.  75  ff.  ftellt  ^attenbxifd)  als  ba§  Untcrfd)eibenbe  be§  „römtfd^en  £i#u3"  tun,  ba^  ba§ 
(i^ttfteutum,  lt)är;renb  e^  für  ben  ^roteftantiigmug  eine  233eltanfd)auung,  btelme^r  für 

50  bcn  romifd^en  ^atf)Dlici§mu§  eine  öerrfdiaft  fei.  Jiatürltd)  ift  jener  2BeItanfd)atumg 
bejto.  if)ren  Vertretern  9^ed)t  unb  irieb  ber  ß^anfion  bamit  nid)t  abgebungen  —  aber 
bie  ©jbanfion  beriet)*  fic^  ^rin^i^iell  nur  auf  ba§  geiftige  ©ebiet  unb  bie  SRtttel  follen 
unb  inerben  bcm  entfyred)en.  dagegen  ift  eä  nid)t  aHein  erflärlid),  fonbern  geb,t  au§  beut 
2Befen  beg  romifd)en  5?att)oIici§mu§  —  inenn  bie  obige  Sefinition   richtig  ift  —  b,erbor, 

55  bafj  bie  ©eltenbmad)ung  ber  §errfd)aft  burd)  itm  je  nad)  Sage  ber  Serb/ältniffe  aud)  auf 
bem  tüeltlid)en  ©ebiete  gefurftttnirb.  ©iefe  leitete  ©eltenbmad)ung  im  tneiteften  ©inne 
tnirb  unter  bem  begriffe  be§  Uttramontanigmug  befaßt  —  einem  Segriff,  ber  allcrbing3 
erft  auf  ©runb  t)iftDrifd;er  Unterfucfyung  unb  ©ntlnidelung  genauer  flargeftellt  tnerben 
fann,  bon  bem  aber  bon  bornb,erein  fobiel  einleuchtet,  ba^  toir  e§  bei  it)m  nid)t  lebiglid) 

eo  mit  einem  unter  befonberen  Umfiänben  fiel)  ergebenben  (Sinjelattribut  römifct)=!atfyolifd)cr 
Äird)lict;feit,  fonbern  mit  einer  ba§  gefamte  233efen  berfetben  betreffenben  £Seftimmtl)eit 
SU  ib,un  b,aben,  bei  ber  bann  freitid)  §u  untcrfud)en  bleibt,  unter  welchen  33ebingungen  fie 
in  Stltion  tritt.  ©d)on  ef)e  ber  ©treit  barüber  ging,  ob  „ultramontan"  unb  „fatr/olifer;" 
ibentifd)e  begriffe  feien,  t>at  fid)  ©ößinger  in  ber  1865  gefefnuebenen,  abzx  erft  nad)  feinem 


lUti'(iiitouttuii£m]iS  215 

lobe  veröffentlichten  bebeutfameu  2lbl)anblimg  „Die  ©Vetyerifd)e  ©eminarfragc  unb  ber 
©bjttabuä",  barüber  auSgefvrodjen :  „Jm  ©runbe  ift  e3  nidjt  fdjtoer,  genau  anzugeben, 
nue  unb  worin  fid;  ber  Ultramontane  Vom  ^atlwlifen  unterfertige,  ift  e3  nidjt  fd;Wer, 
naebutmeifen,  baf$  bev  U.  nur  eine  im  ©d)oj?e  ber  großen  rird;lid)en  ©cineinfdjaft  fid) 
geltcnb  nmdienbe,  Von  einer  größeren  ober  geringeren  äfruar/l  Von^erfonen  vertretene  ..  5 
i>ltifd>auung  ift.  ©iefc  läfjt  fidt)  in  einen  einigen  !urjen  unb  uaren  ©a§  jufammenfaffen; 
aber  au§  biefem  Baty  entsinnt  fid;  eine  Seigre  unb  3lnfct)auung,  Welche  nid)t  blofs  3teligion 
unb  .Uirdu-,  fonbern  auef)  ©taat,  2öiffenfd>aft,  ^SoXttif,  ©Ute  unb  fogiale  guftänbe,  furj 
ba3  gan^e  geiftige  Scben  .  in  ifyren  SBereidt)  ^ieb,t.  Der  ©at$  lautet:  ber  tyapft  ift 
bic  fyöcbjte,  unfehlbare  unb  barum  aud)  einzige  Autorität  in  allem  toa3  Religion,  &ird;e,  w 
2itte,  Moral  betrifft;  jebem  feiner  2lnfvrücr)e  über  biefe  ©egenftänbe  gebührt  unbebingte 
innerliche  tüte  äitfeerlid£>e  Unterwerfung"  (f.  Döllinger,  &t  ©d;riften,  ©.  226  unb  Vgl. 
S.2Uf).  Demnad)  ift  Döllinger  —  unb  jtoar  batiert  feine  ätufterung  fünf  IJab/re  bor  ber 
Definition  ber  Unfer/lbarfeit  —  ber  älnficf/t,  bafc  U.  unb  $atfyoItci3mu3  im  allgemeinen 
nicht  ibentifcb,  finb,  aber  für  U.  unb  römtfdjen  $atf)oIici3mu3  be^ro.  ^aVali§mu§  ($uria=  15 
Ii*mu3)  Würbe  er  bie  ^bentität  zugeben,  ©raf  ^oenSbroect)  fief)t  in  ber  Segriff3beftim= 
mung  (Der  U,  ©.  12)  junäd;ft  Von  ber  ^öentitätgfrage  ab  unb  befiniert  ben  U.  al<§ 
„ein  Weltlicr/=volitifd)e§,  antireligtöfeS  ©Aftern,  ba§  unter  bem  Dedmantel  bon  Religion 
unb  unter  Serquicumg  mit  Religion  Weltlid)=Volitifd)e,  irbifd)=materielle  §errfd>aft§=  unb 
Maa)tbeftrebungen  Verfolgt,  ein  öt;fiem,  ba§  bem  getftlidjien  Raubte  ber  iatr/oIifd)en  9?eli=  -m 
gion,  bem  ^avfte,  bie  ©tellung  eine§  WettIid)=Volitifd;en  ©rofjfönigio  über  dürften  unb 
Golfer  aufbricht" 

(Sine  borläufige  SegriffSbeftimmung   entnehmen  mir  ber  Darlegung   eines*  Mannet, 
bem  niemanb  abftreiten  Wirb,  baf?  er  ben  U.  genau  gelaunt  twt,   ba  berfelbc  U)m  nid;t 
allein  tr/eoretifcf»  al3  befonbere  9tic£)tung  im  $atr/oIici§mu§,  fonbern  aud;  praftifcf;  in  fein  25 
eigene«»  Seben   unb  in  feine   Iitierarifd)e   Dr/ätigleit  eingreifenb   nal)e  —  ju  nafyc!  — 
getreten  ift,  nämlid;  ber  Definition,  meiere  $ranj  XaVer  $rau§  in  bem  ^Weiten  ©vettatorbriefe 
ber  allgemeinen  Leitung  gegeben  l)at.  „Mir  fcfyeint"  —  fyeiftf  e<§  ba,  „bafj  biefe  Merfmalc 
(nämlicb,  biejenigen,  Welche  bem  ultramontanen  ©r/ftem  ^u  alten  Reiten  ju  eigen  gemefen  finb) 
fieb,  in  5  fünften  guf am menf äffen:  1.  Ultramontan  ift,  Wer  ben  Segriff  ber  $ircf/e  über  30 
ben  ber  Religion  fe|t;    2.  uttramontan   ift,   Wer  ben  5ßabft  mit  ber  ^irct)e  verWecf/felt; 
o.  ultramontan  ift,  Wer  ba  glaubt,   ba§  Steter)  ©otteS   fei  bort   biefer  23elt   unb    e§   fei, 
mie  bal  ber  mittelalterliche  äuriali§mu<§  behauptet  I)at,  in  ber  ©ct/tüffelgeWalt  5)]etri  aud) 
tucltlicf/e  Jurigbiition    über  dürften   unb  Golfer   eingefd;Ioffen ;    4.  ultramontan  ift,  tver 
ba  meint,  religiöfe  Überzeugung   lönne  burd)   materielle  ©eWalt   erzwungen   ober  bürfe  35 
burd)  folcfye  gebrochen  Werben;  5.  ultramontan  ift,  roer  immer  fid)  bereit  finbet,  ein  flareä 
ßebot  beS  eigenen  ©eroiffeng  bem  2lnfbrud;e  einer  fremben  Stutorität  ju  obfern."   Unter 
bem  i<orbe^alte  einer  nähern  Umgrenzung  be§  fünften  ^unlteg  in§befonbere  toirb  man  biefer 
Definition,  toeldie   ^aubiEer  in  ^rauö'  Seben^bilb  (2.  Stuft.  ©.  100)  toieber  abbrudt,  bei= 
ftimmen  !önnen,  ivenn  fie  temporis  ratione  habita   unb  nid)t  fo  Verftanben  tvirb,  al§  40 
ob  alle  fünf  SRerfmate  ftet§  Vereint  Vor^anben  fein  müßten. 

Der  Segriff  „ultramontan"  fyat  feit  ^ab,rr;unberten  fd;on  feine  eigene  ©ntividelung,  ab* 
gefeb,en  junäer/ft  bon  feiner  inneren  Stugtvirlung.  „Ultramontani"  ^>ei|en  im  Mittelalter 
an  ber  UniVerfität  Bologna,  unb  aud)  an  anberen  üalienifcfyen  §od;}d)ulen,  biejenigen 
Stubierenben,  roeld;e  „Von  jenfeitg  ber  Serge"  fommen  —  big  in  baS  16.  ^afyrfyunbert  ^ 
finbet  fid;  bie  Se^eidimung  auf  ©rabfteinen  Von  beutfdjen  Jünglingen,  toeld;e  tväbrcnb 
ber  ©tubienjeit  j.  S.  in  ©iena  berftorben  finb.  Ultramontani  f)ei|en  in  9iom  gelegentlid; 
ber  $avftroaf)l  Glemcnä'  V.  unb  meiterb,in  bie  franjöfifct;en  Äarbinälc.  35iel  Verbreiteter 
aber  mar  fer/on  im  Mittelalter  eine  Serroenbung  be§  3lu§brudg,  meld;e  ben  entgegen* 
gefegten  geograbb,ifd)en  ©tanbvunlt  nimmt,  fei  e§  Von  Deutfdjlanb,  fei  e3  ettva  Von  50 
Aranfrcicft  au3  —  ba  finb  „ultramontani"  jur  ^eit  §einricl)S  IV.  bie  beutfef/en  Ghc= 
gorianer,  meil  fie  ber  Von  jenfeitö  ber  Serge  in<S  äßerl  gefegten  Slftion  bienen;  gleid;er= 
ioeife  tverben  in  granfreid)  fo  genannt  biejenigen,  roeldie  ber  galliranifd;en  3?id)tung  (f.  b.  31. 
©aHifani§mu3  Sb  VI,  355)  entgegen  fiel)  ber  furialiftifd)cn  Eingeben.  3"  *>iefcr  Sebcutung 
ift  ber  Slugbrud  im  18.  Jar/rfmnbert  aud}  nad)  Deutfd^lanb  gelommen:  ©emier  meint,  ba|  55 
bie  in  Italien  lebenben  iatr/oIifd)cn  Hird)cngefd)id;töbefliffenen  aud)  in  bem  übertragenen 
Sinne  ultramontani  feien  (2ebenSbefd)reibung  Von  ir/tn  felbft  abgefaßt,  .Stalle  1 .  S2, 
II.  Dl.  S.  151).  ©obann  ift  ber  DerminuS  im  I'.).  3a(irl;unbert  fcb,r  in  Webvaud)  ge= 
tommen,  unb  jrvar  feit  tSnbe  ber  2oer  Jab,re  ^uerft  in  Münden  für  bie  Partei,  melde 
burd)  ben  ©tanbvunlt  beS  älteren  ©örree  gefcnnzeicl)net  ift  (vgl.  '^riebrid),  Döllingcr  II,  •■•» 


216  UltrnmontnniSmuS 

5 ff.);  burcfy  ben  Kölner  Kird>enftreit  ift  er  aueb,  in  9Rorbbeutfd)Ianb  üblid)  geworben. 
3lngefid;t3  ber  fdjon  berührten,  für  ben  oberflächlichen  Seobacfyter  bertounberlicfyen  %f)aU 
fad£?e,  bafe  t>on  ber  einen  ©eite  bie  Qbentttät  bon  11.  unb  (römifd>em)  Äatr)oIici3mu§  ebenfo 
eifrig  geleugnet,  toie  fie  auf  ber  anbern  behauptet  toirb,  fü^rt  nur  eine  eirtgefjenbe  _f)iftorifd)= 
5  frttifcb,e  Unterfucr)ung  über  ba§  Sßefen  be§  U.  gur  Klarheit.  @§  toirb  fieb,  babei  I)eraug= 
fteHen  —  toie  bereits  bie  obigen  Definitionen  e3  erlennen  laffen  — ,  bafc  toir  e3  im  U. 
mit  einer  fet/r  lomblijierten  ©rjer/einung  ju  tlnm  fjaben. 

Da3  ift   ber  ©runb,   toe§b,alb  fcfyon  bie  $rage  nact)   ber  ©ntftet/ung   beg  lt.  fefyr 
berfcfyiebene  Seanttoortung  finben  fann  —  rote  fie  benn  aueb,  in  ber  %i)at  folcfye  gefunben 

io  fyat.  2öie  toeit  foll  man  babei  rüdtoärts>  flauen 'i  ©inb  eitoa  bie  granjofen  be  £amme= 
nais  (f.  b.  31.  $b  XI  ©.  331  f.)  unb  be  SUcaiftre  (geft.  1821,  bgl.  SDcargerie,  Le  comte 
J.  d.  Maistre,  ^ari3  1890)  bie  3>äter  be3  U.  getoefen?  Dag  fönnte  bem,  ber  ben  in= 
ftruftiben  Ausführungen  in  ben  einleitenben  Kapiteln  bon  grtebrid):  ©efdjicfyte  be§  batU 
fanifdjen  Konnte  folgt,  fo  fdjeincn  —  ba  ftcfyt  man  (Sudj  I,  Kab.  2—6)  bie  ©enannten 

15  unb  il)re  ©efinnung§genoffen  am  2Berf,  ben  ©eift  abfoluter  £>errfd)aft  ber  Kird>e  auf 
allen  ©ebieten  junäd;ft  in  grantreid)  bureb^ufetjen,  worauf  er  bann  nacb,  Deutfdjlanb 
bjnübergefüfjrt  toirb.  Aber  ^rtebrtd^  felbft  toeift  toeiter  $urüd:  bereite  auf  bem  SLrienter 
Konjil  finb  in  ber  gorm  ber  Aufbrüche  eines  unbebingten  $abalis>mu§  ed)t  ultramontane 
$iele  aufgeftedt  unb  berfolgt  Würben,  toenn  e§  aud)  ^iu§  IV  nod)  ntc^t  rätlicr;  erfdnen 

20  —  ober  toofyl  burd)  bie  nod)  red)t  Iräftige  ebi§f obale SWtion  bagegen  berbaut  tourbe  — , 
bajs  bie  legten  Konfcquenjen  auf  bem  ©ebiete  ber  Sefyre  unb  bes>  £eben3  gebogen  toürben. 
Söenn  infolge  babon  bie  Canones  Doctrinae  unb  bie  Decreta  Reformationis  be§  ^rienter 
Äon^ilg  bem  11.  nod;  nid)t  abfcfylietjenben  AuSbrud  geben,  ja  fogar  auffallenbe  Süden  in 
biefer  §infid)t  geigen,  j.  33.  bejüglid)  ber  potestas  papae,  fo  ift  bie  babalifttfdje  3iicr/tung 

25  bod)  in  flafftfcfyer  SBeife  auf  bem  Konzil  Vertreten  toorben  burd)  einen  Sainej  unb  feine  ©e= 
finnung^genoffen,  wie  fie  benn  aud)  in  gelegentlichen  2öenbungen  in  ben  Canones  ber  VI., 
XIV  unb  XXV  Sessio  Ausäbrud  gefunben  fyat  (bgl.  Appendix  analytica  adConc.Trid. 
in  ber  Aulgabe  ber  Canones  et  Decreta,  Seidig,  'üSaudmitjfcfyer  ©tereotitobrud  s.  v. 
Pontifex  Maximus).    Söenn  toir   nun   in  Orient   in   ben  gefuttert   bie   entfcfyiebenftcn 

30  Präger  ber  $bee  be3  abfoluten  ^abaligmul  unb  bamit  jugletd;  bei  11.  ju  erbliden  b^aben, 
fo  liegt  e<§  nafye,  auf  bem  ©oben  ber  fircfylicfyen  ©efamtanfdjauung  eben  be§  3efu^entumg 
nad;  ber  @ntftel)ung  beS  U.  2lu3fd;au  gu  galten.  Denn,  ber^ält  e3  fieb,  Wirüicb,  fo  — 
toie  ©otf)ein  in  feinem  ^gnatiuä  t>on  £ot)o!a,  §alle  1895  ausführt  (togl.  33uo)  II  u.  III) 
—  baf?  ber  ©eift  ber  ©egenreformation  nad;   ben  beiben  ©eiten   tun,  fotoor;!  ber  £on= 

35  jcntriervmg  ber  Gräfte  be§  ^atb,olici§mu§  ab§  ber  Äambfaltion  gegen  alk§,  tr>as>  toiber 
if)n  ift  in  ber  umgebenben  SBelt,  junäcftft  in  Haffifd)er  ®cife  in  £ot;ola  unb  feiner  ©tif= 
tung  Sctüu^tfein  unb  ©eftaltung  gewonnen  b,at  unb  bon  bort  au§  bann  in  bie  Slbern 
be§  gefamten  Iatb,olifcb,en  ^ird)entum§  infiltriert  toorben  ift,  fo  ift  aud)  bie  $rage  nao) 
ber  ©ntftefmng  beS  11.  nid^t  einfacl)  burd)  einen  §intoei§  auf  baä  Xrienter  ^on^il  ju  be= 

40  antworten.    Dort  tritt  nur  ju  2age,  toie  toeit  e§   bereite    erreicht   toar   unter  toefentlicb, 

beftimmenber,  toenn  aueb,  nid;t  alleiniger,  Vorarbeit  ber  ^efuiten,  ben  „römifd;en  %t)pü§" 

ber  Sluffaffung   be§  6l)riftentum§   burd)   ba3  SBirfen   ber   „militia  ültramontanismi" 

(©otfiein,  Sud?  II,  Mab.  2,  3)  jur  2;b^at   gu  mad;en,   bejto.  jur  §errfd;aft   ju   bringen. 

2Ser  nun  nod;  toeiter  jurüdblidenb  bie  ©efc£)id)te  ber  Äircf)e  befragt,  bem  wirb  bie<§ 

45  allerbingä  nid)t  al§  ettoaS  im  16.  Jjafyrfyunbert  ^eugefcb^affeneS,  fonbern  nur  al§  etmtö 
toieber  S3elebte§  erfd;etnen.  llnb  fo  mufe  unfer  33Iid  fid)  nod)mal§  rüdtoärtö  toenben 
um  ben  s|iunft  ju  erlennen,  too  juerft  mit  53etouf3tfein  römifcb^erfeitS  ber  ©tanbbunft  ge= 
nommen  toirb,  ben  Wir  al§  ben  ultramontanen  bejeidmen  eine  Unterfudmng,  bie  un§  ju 
genauerer  ©rfenntniS  be§  2Befen§  be§  U.  toirb  Dienfte  leiften  fönnen. 

so  @§  ift  bemerfengtoert,  ba^  tyapft  ^ßaul  IV.,  inbem  er  in  ber  Sülle  „Cum  ex 
apostolatus  officio"  im  ^a^e  1559  bas,  toa£  $abft  unb  5lird;e  fei  unb  folle,  feterlid; 
ber  a."i>elt  funbtfjat,  fcb,on  eine  9^eit>e  bon  Seftimmungen  über  bie  ^abftgetoalt  gegeben 
l>at,  toelcb^e  toof)l  geeignet  getoefen  toären,  bie  in  ben  ^rienter  Bestellungen  berbleibenben 
Süden   au^ufüHen.    Da^   biefe  Sülle   ganj    gtoeife!lo§    al§    „ex    Cathedra"    erlaffen 

55  gemeint  fei,  fyat  gegen  §ergenrött»er§  berlegene  @infbracr)e  (ßirc|c  unb  ©taat  ©.  763  ff.) 
$riebricfy  in  ber  2.  Auflage  beg  „Sanuö"  (f.  o.)  ©.  501  fiegreieb,  nad;geioiefen.  Die 
Sülle  felbft  aber  (Wortlaut  bei  ÜRtrbt,  Queüen,  n.  288)  „befiniert  au<3  ber  %üü?  ber 
aboftolifd;en  ©etoalt"  ba§  ^olgenbe:  (§  1)  Der  ^3abftr  toeld)er  ©otte§  unb  SJ> rifti  ©tett= 
bertreter  auf  @rben  (in  terris)  ift  unb  über   bie  Völler   unb  Königreiche   bie  glitte   ber 

eo  ©etoalt  innehat  unb  alle  richtet,  lann  bon  niemanb  gerichtet  toerben.   (§  3)  Alle  §ierard;en 


UUratttoittantSmuS  217 

unb  alle  sperren  unb  gürftcn  big  zum  $aifer  hinauf  finb,  fo&alb  fic  nad)gcmiefenermaf?cn  in 
Meierei  ober  ©d)igma  berfallen,  Don  felbft,  olme  ba£  eg  etneg  befonberen  3?ed^töborgc^en§ 
babei  bebürfte  (absque  aliquo  juris  aut  facti  ministerio),  tljrer  ©teile  unb  beren 
(iinen  unb  CSinlünfte  böllig  unb  für  immer  berluftig  unb  jum  Verleiben  berfelben  fernerhin 
untauglich  unb  tonnen  nie  mieber  als  baju  tauglich  erflärt  merben  5 

£iier  fernen  mir  bag  babaliftifcfye  ^rinzib  ber  allumfaffenben  £>errfd)aft  eigenartig 
ausgeprägt,  „in  ber  feierlichsten,  bon  ben  5!arbinälen  unterzeichneten  unb  nachher  nod) 
r-on"  i*iug  V.  befonberg  beftätigten  unb  erneuerten  ©rflärung :  baf?  ber  $abft  bermöge 
{einer  Mgetvalt  jeben  sJftonard)en  abfegen,  jebeg  £anb  einer  fretnben  Qnbafion  preisgeben, 
jeben  äkfitjer  feinet  ßigentumg  berauben  lönne,  unb  jroar  ohne  jegliche  red;tlid)e  $ox-- 10 
malität"  (3)öHtnger,  ^anuö2  ©.  214).  ©teilt  man  neben  biefe  33ulte  jur  Ergänzung 
nod)  bic  1568  burd)  $iug  V  neu  eingeschärfte  unb  ergänzte  „9?ad)tmal)lgbulle"  (f.  b.  21. 
Bulla  in  Coena  Domini,  33b  III  ©.  535  f.),  bie  zwar  jetjt  ntct)t  mefjr  an  ben  @rün= 
bonnergtagen  in  ©an  ©iobanni  beriefen  mirb,  beren  ^eftfteltungen  aber  baburd)  nid)t 
aufgehoben  finb,  fo  f)at  man  um  bie  $z\t  furz  bor  unb  nad)  bem  Slbfdjlufs  beg  ZErienter  10 
.\\omile.  eine  neue  Üserfidjerung  ber  llnbegrenjtb,eit  ber  bäbftlid)en  i>(nfbrüd)e  auf  abfolutc 
©eltung  ihrer  §errfd)aft  bor  fiel).  Slber  aud)  biefe  beiben  SHtenftüde  bon  1550  unb  15(i8 
finb  nur  ergänjenbc  Söieberfyolungen  früherer  gefiftellungen.  23ei  ber  „^ladrtmabdgbulle" 
ift  bag  olme  meiiereg  Har,  ba  fie  meil  älteren  ®atumg  ift  unb  befanntlid)  fd)on  Sutfyer 
mit  feiner  $et}crei  1524  in  biefelbe  aufgenommen  mürbe.  Slber  aud}  bie  33uECc  bon  1559  20 
ift  nid)t  original,  fonbern  beruht  in  ben  §autotfä|en  auf  ber  ©runblage  ber  33ulte  Unam 
Sanctam  bon  1302,  meld)e  1516  burd)  Seo  X.  erneuert  morben  mar. 

2>nbem  ioir  ung  biefer  btelbefbrocfyenen  33ulle  guroenben,   fteben  mir  bor   einer  ber 
erfien  mafjgebenben  Formulierungen  ber   grenjenlofen  Slnfbrüdje  beg  ^abaligmug.    2öas 
in  ben  Dictatus  ©regorg  VII.  jerftreut  ift,  liegt  tner  fompalt  bor.    ©0  merben  fid)  t)ter  25 
auef)  bieSBurzeln  beg  U.  Har  legen  laffen,  ber  immer  in  genauer  Sejiefmng  jum  fteigenben 
^apaligmug  ftefyt.    ÜHun  mar  ja   freilid),   menn  man  bie  Sage  ber  Singe  in  $ranfreid), 
tr>or;m  bie  Sude  junäcbjt  it)re  ©bitje  richtete,  nad)  beren  (Srlafj  ingätuge  fafct,  bag  3Sor= 
gelten  33onifaz'  VIII.  ein  ©cbjag  ing  ©affer.    2lber  bie  S3uHe  bleibt,  obmobd  Siemeng  V 
gejtoungen  ben  auf  granfreid)  fbejiell  bezüglichen  ^eil  berfelben  rebocierte,    bag  flaffifcfyc  30 
£ouiment  ber  t>öd)ftgefbannten   babaten  3lnfbrüd)e  für   alle  Reiten,    meil    fie    biefelben 
biblifd)=bogmatifd)  ju  begrünben   fudjt,   fie   fo    in   bie  33eleud;tung   einer  religiöfen  $un= 
bierung  rüdt  unb  in  einer  gorm  geigt,   meld)e  fo  einfad)  ift,   bafj  aud)  ber  meniger  @e= 
bilbete  berftefit,  mag  fie  mill,  menn  fie  befagt:  Porro  subesse  Romano  Pontifici  omni 
humanae  creaturae  declaramus,  dieimus  et  definimus    omnino    esse   de   ne-35 
cessitate  salutis.    2lud)  bie  Silber,  beren  Sonifaj  fid)  bebiente,  maren  berftänblid) : 
„bie  bäbftlid)e  ©emalt  berb,ält  fid)  jur  faiferlid)en   unb   rönigltcfeen  mie  bie  ©onne   jum 
3Konb,  ber  fein  £id)t  nur  bon   jener  embfängt,  mie  bie  ©eele  jum  Serbe,  meld)er  nid)tg 
für  fid;,  fonbern  nur  ber  untermürfige  ®iener  ber  ©eele  fein  foll ;  unb  bie  jmei  ©cr)merter 
finb  bag  ©tjmbol  ber  fird)lid)en  unb  meltlid)en  ©emalt,  meld)e  beibe  bem  ^3abfte  gehören,  4u 
aber  fo,  ba^  bag  eine  com  ^ßabfte  felbft  geführt  mirb,  bag  anbere  bomgürften,  bod)  für 
bie ßixd)i   unb   nac^   ben  Reifungen   beg  5ßabfteg;/  (^anug,  2.  Stuft.  ©.  65).    gür  bic 
politifcfyen  &zk  beg  11.  ingbefonbere  bleibt  bie  53ulle  bag  gunbament,  meil  fie  bie  Sc= 
Ijaubtung,  ba^  bie  meltlidje  ©emalt  in  it)rer  ©infe^ung  unb  iltrem  SBirfen  bon  ber  geift= 
liefen  unabhängig    fei,    alg  ^e^erei  berbammt    (bgl.  33erd)toIb   a.   a.  ■£).)•    3tüar   M 45 
§ergenrötber  im  31nti=Sanug  (bgl.  b.  ©dmlte,  Slltfatt).  ©.  331  f.)  beftritten,  bafe  bie  93uttc 
al§  „infallibel"  anzufeilen  fei  unb  fbeziell  bat  er  in  „Hirdje  unb  ©taat"  ©.  300ff.,  751  ff. 
„aHeg  aufgeboten,  um  bie  Sebeutung  berfelben  für  unfere  5ra9e  auf  ^u^  au  rebu^ieren" 
(f.  $anug,  2.  2lufl.  ©.  407).     Slber  toenn  er  bag  begrünben  mill   bureb   eine   milbernbc 
jnterbretation  ber  Söenbung    „spiritualis    potestas    terrenam    potestatem    insti    50 
tuere  habet"  —  mag  er  miebergeben  möchte:    „bie   geiftlidje  ©emalt   ift   befugt,   bie 
Mtlid)e  ju  belehren  (!)  — ,   fo   bat  felbft  ber  rau)olifd)e  Ätrd&m&tfbrtf«  ^un!  (Über 
bic  53ulle  Unam  sanctam  in  ber  Xüb.  Q©  1890,  ©.  640  ff.)  nad)gcmicfen,   ba^  biefe 
Uberfe^ung  rttc&t  angängig  ift,  baf$  fywc  „instituere"  nid)tg  anbereg  bebeuten  lönne  unb 
folle  alg  „einfe^en"  —  nämlid)  dürften).  00 

Gs  gebt  baraug  berbor,  ba^  bag  brittc  ber  bon  ^raug  aufgeftelltcn  DJJertmale 
beg  U.  feine  birelte  gunbierung  in  ber  SBullc  Unam  sanctam  finbet  unb  ba$  eg  im 
©runbe  reebt  unbantbar  bon  ,v)crgcnrötber  ift,  menn  er  ber  angeführten  ©teile  ibren 
toa^ren  Sinn  nebmen  mill.  ®enn  auf  ber  bon  ihr  betretenen  Sebre  beruht  big  auf  bic 
©egenroart  bie  aud)  feinen  ©efinnungggcnoffcn  innemof)tienbe  leubenj,  ba,  mo  eg  fid)  um  go 


218  UltraniontatttSmuS 

bag  ^ntercffc  ber  rönüfdjm  Äird;c  fyanbelt,   bic  bcibcn  (Miete  ntdjt  ju  Reiben  unb  bie 
Weltlichen  ®inge  fietg  nad)  SRafjgabe  jeneg  ^ttterefleö  ju  beljanbeln. 

SÖernt  eg  fidE>  nun  ^unäcbjt  barum  {janbelt,  bie  Slugwirfung  beg  U.  auf  bag  ©ebiet  f)in, 
Weld;eg  außerhalb  beg  $ird)enWefeng  liegt,  ^tftortfd^  §u  berfolgen,  fo  gefyt  bäbftlid;er= 
5  feitg  bie  S^enbenj,  baß  „in  ber  ©cfylüffelgeWalt  Sßettt  aud)  Weltliche  Qurigbiftion  über  dürften 
unb  SMfer"  einzufließen  fei,  jtoar  rüdwärtg  nod;  Weit  über  ©regor  VII.  fyinaug,  fie 
tritt  aber  bod)  in  bag  entfd;eibenbe  ©tabium  itjrer  ©ntwidelung  erft  in  beffert  geit,  alfo 
feit  ber  Reiten  §älfte  be§  11.  2s<#I;unbertg.  ©liefe  @ntfcr)eibung  ift  im  Äambf  mit  ber 
beutfdien  gürften=  bejtt).  ^aifergeWalt  unter  ^einrieb,  IV.  erfolgt.    ®ie  SBerfyältniffe,   bie 

10  F)icr  im  einzelnen  ntd^t  begeic^net  gu  werben  braudien,  waren  ebenfo  günftig  geworben, 
Wie  fie  nod)  unter  ^einrieb,  III.  ungünftig  Waren.  Sangfam  War  ber  bfeuboiftborifcbe 
„ultramontane"  ©ebanfe  bon  ber  ©uberiorität  be§  ^3abfttumg  aud;  in  ben  Weltlidjen  fingen 
in  bie  2lbern  ber  ©laubigen,  ^ßriefter  unb  Saien,  eingeführt  Worben,  alg  nun  ber  große 
$abft    bie  SReifterjüge    feiner    lird;Iid;^olitifd;en  ©iblomatie   tb,at.    £>ie   gregorianifd;en 

15  ^been  finb  big  ^um  13.  ^afyrlmttbert  W  £>errfd;aft  gelangt,  unb  bie  SBefyaubtung,  baß 
bie  I)öd)fte  ©djlüffefgeWalt  alle  anbere  ©eWalt  aud;  auf  bem  Weltlichen  ©ebiete  inbolbiere, 
berief  fiel)  auf  bag  angebliche  Seifbiel  ber  ©djenfung  ^onfianting,  big  fcfyließlid»  ^nno= 
cenj  IV.  (geft.  1254)  auefy  beffen  nicfyt  mefyr  ju  bebürfen  glaubte  unb  nun  fagte:  „galfcf)  fei 
eg  ju  fagen,  Äonftantin  fjabe  burd)  feine  ©dienfung  bem  bäbfilidjen  ©tubje  Weltliche  5Rad)t 

20  gegeben,  ba  biefe  ib,m  bod;  naturgemäß  unb  unbebtngt  bon  Gliriftug  berliefyen  Worben  fei, 
ber  aud;  eine  föniglid;e  £errfd;aft  gegrünbet  unb  bem  1)1.  betrug  jugleicb,  bie  ©cfylüffel 
beg  trbtftfjen  unb  beg  tnmmlifcfyen  3^eid;eg  übergeben  I)abe.  ©ie  Weltliche  5Rad)t  fei  nur 
infofern  eine  legitime,  alg  bie  Weltlichen  dürften  fie  alg  eine  bom  ^3abfte  berliefyene  ge= 
brauchen,    ^nnocenj  III.  f>at  bieg  in  einem  33riefe  an  ben  Patriarchen  bon  $onftanti= 

25  nobel  iurj  fo  auggebrüdt:  Dominus  Petro  non  solum  universam  Ecclesiam  sed 
totum  reliquit  saeculum  gubernandum  (^anug,  2.  SCufl.  ©.  407). 

©ie  fo  aufgebedten  ©runbWurjeln  ber  ultramontanen  9ftd)tung  nad;  ben  außerfird;= 
Iid;en  ©eiten  fnn  umfaffen  in  ifjrer  SlugWirlung  aUe  ©ebiete  beg  ftaatlidjen  Sebeng  — 
allerbingg  böllig   nur   in  ber  ^eorte,    aber  Wcnigfteng  mit   bem  2lnfbrud;e  bralttfdjcr 

30  ©urd)fül)rung,  „Wenn  bie  $eit  eg  berlangt  unb  günftig  ift"  Qft  ber  ^3abft  «Statthalter 
©otteg  aud)  über  bag  nid;tfird)licbe  ©ebict,  fo  ift  ber  2Infbrud;,  bie  Weltlichen  Ferren 
cin=  unb  unter  Umftänben  aud;  abgufe^en,  eine  logtfcfye  ^onfequenj.  ®ie  $rone  ber  3ln= 
fbrüdje  aber  bilbet  bie  ausbrüdlid)  „auetoritate  apostolica  de  fratrum  nostrorum 
consilio"   erlaffene  Defloration  ßlemeng'  V.,   Welche   einen  förmlid;en  £reu=  (h^W.  ©e= 

35  f)orfamg=)  @ib  bom  Äaifer  berlangt:  um  jeben  ^toetfel  baran  ju  bef eiligen,  ob  ein  folcfyer 
@ib  (burd)  §einrid;  bon  Suremburg,  ben  1312  ©efrönten)  geleiftet  fei  ober  bon  feinen 
9tad;foIgern  geleiftet  Werben  muffe,  Wirb  erklärt,  „illa  juramenta  praedieta  fidelitatis 
existere  et  censeri  debere"  (Clementina  tit.  9  de  jurejur.  II,  9). 

$Da  eg  fid)  bei  ben  bigfjerigen  Darlegungen  um  bie  mittelalterlid;en  Söurjetn  beg  11. 

40  ftanbelt,  foWie  um  bie  SlugWirfungen,  Welche  berfelbe  in  ber  ©efd)id)te  unter  ib,m  günftigen 
Umftänben  einft  bargeboten  b,at,  nad;bem  einmal  feine  3iid;tung  eingefcfylagen  Worben  War,  fo 
Wirb  immerhin  bie  grage  berührt  Werben  muffen,  ob  benn  jeneg  britte  9JcerImaI  Wie  ©beltator 
eg  auffteKt,  b,eute  noa)  für  ben  U.  gutrifft.  Slllerbingg  begegnet  man  ba  junäc&ft  lautem 
^rotefte  feiner  Vertreter:    bie  Reiten  feien  borbei,  fo  Reifet  eg  ia,  in  Welchen  foldje  3ln= 

45  fbrüd;e  erhoben  unb  burd;gefetst  Werben  lonnten.  QaS  letztere  borber^anb  ja  —  unb 
bod;  ift  felbft  bieg  nur  cum  grano  salis  ju  berfteb,en.  )&a$  aber  bag  ©rftere  angebt 
—  b,aben  Wir  nid)t  bor  3lugen  bie  2lußer!rafterllärung  ganjer  ©efe^grubben  aug  neuerer 
$eit?  gft  rttcöt  bag  öfterreid)ifd)e  ©runbgefe|  bon  1867,  finb  nid;t  bie  breußifd;en  Wlav- 
gefe|c  feiteng  beg  ^abfteg  alg  unberbinblid)  erflärt  Worben  (Ttxxht,  ^abfttum,  n.  432  itp. 

50  441)'^  2lber  man  Wirb  bielleid;t  fagen,  baß  bag  nur  gefd;el;en  fei.  Weil  in  biefen  ©c= 
fe|en  bie  Weltliche  ^nftanj  bie  ©renje  if)rer  33eftimmunggfäl)igleit  überfcb,ritten  i)abt 
^fjatfäc^Iicr;  b,aben  jene  ©efetje  bod;  nirgenbWo  bogmatifc^e  ®inge  berührt  unb  b,abcn  bie 
inbibibuelle  grömmigfeit  nic^t  bel^inbert ;  fie  f)aben  lebiglid)  ©cb,u^We^ren  errietet,  um 
ben  mobernen  9tcd)tg=  unb  ©taatggebanlen  jur  2lugWirlung  ju  berb,elfen,  Wie  bieg   aueb, 

55  burd;  ben  big  f)eute  bon  ber  Üurie  nid;t  anerfannten  2öeftfälifd;en  grieben  gefd;eb,en  ift. 
Unb  anbererfeitg  ftrebt  ber  U.  Wie  einft  im  Mittelalter  fo  aueb,  je^t  noeb,  nacb,  2lugbeb,= 
nung  beg  römifd)=fird)licf)en  ©influffeg  auf  bie  nämlid;en  „Weltlidien"  ©ebiete  —  nur 
tt)ut  er  eg  in  Slnbequemung  an  bie  mobernen  formen,  j.  S.  ben  ^Sarlamentarigmug.  ®ag 
b,aben  Wir   in  eurobäifcb;en  Parlamenten  mit  §änben   j^u  greifen,   Wie  eg  benn   auo)  im 

co  fokalen  Seben  2ag  für  Xag  ^erbortritt.  r>ier  Wirb  bom  IL  bie  ©d;eibung  tird;licb,er  unb 


ItUramoittaittsnuts  219 

tvcltlid;cr  Singe  eben  nidtt  bot^ogen,  menu  es  auef)  im  Igntcreffc  bcsfelbcn  liegt,  foldjc 
5dicibung  51t  fingieren.  2lls  auf  bem  ©ff  euer  ^atfjolüentag  1906  ber  ftarbinal  ä<annu= 
lefli  bie*  aujjcr  ad)t  gelaffen  unb  Unterwerfung  unter  ben  s$abft  aud)  in  ben  bolitifd;en, 
alfo  nid)t  lebiglid)  in  ben  religiösen  Singen,  als  felbftberftänblicfye  unb  Bei  ben  beutfdjen 
tfatbolifen  treu  biird;gefüb,rte  sßflidjt  rül;menb  fyerborgefyoben  r)atte,  ba  entftanb  gegenüber  5 
bem  ftinWcifcn  ber  2lntiuItramontancn  barauf  eine  lebhafte  nachträgliche  23emcgung  in 
ben  blättern  ber  ultramontanen  Partei.  Unb  biefe  33eit>egung  fjat  ifyre  3Mlen  fo  meit 
gcfd;lagen,  bajj  jtoei  9Jconatc  nacfyfycr  (unter  bein  30.  Dftober  1906)  pus  X.  fclber,  ben 
illtraiiiontanen  ,ut  £>ilfe  fommenb,  erflärt  fyat,  bie  „beutfdjcn  ü'atb,olifen"  feien  in  !poU= 
tifdien  fingen  frei.  9?atürIicJ)  ift  babei  borausgefetjt,  bajj  biejenigen,  mekfye  allein  er  fo  10 
bejeidmet,  b.  I).  bie  2lnb,ängcr  ber  ultramontanen  Jticfytung,  ftet)  buret)  nid)ts  anbercs  als 
bas  ^ntcreffe  ber  römtfdjen  SCirdje  aud;  in  bolitifdjen  Singen  würben  leiten  (äffen.  Sas 
edu-eiben  bes  -}>abfies  rourbc  abgebrudt  unb  ift  fommentiert  in  ber  Köln.  Leitung  t,om 
21.  sJioü.  19i Mi. 

2iodi    bejeid)ncnbcr   aber    ift,    bafe   bie   eigentliche  §aubtbrobe   bäbftlid;er  2lllgcmalt  15 
über  bie  weltlichen  ^nftanjen  als  felbftberftänblid)  beibehalten  Sorben  ift.  Ser  2tnfprud), 
bie  Untertfyanen  bom  ©ibe  gegen  ib/re  dürften  unter  Umftänben   ju   entbinben,    ift   nicl)t 
ein  foldjer,   ber  mit  ben  gelten   bes  SRittelalters  begraben  fyinter  uns  läge:  nod)  1805 
febrieb  $ius  VII.  an  ben  Nuntius  in  SÖien,  bafc   bieg   prinzipiell  feft  bleibe  —  „aller= 
bings  aber  finben  mir  uns   jc|t  in  Reiten  fo  großen  Unglüd's  unb  foldjer  ©rniebrigung  20 
für  bie  ÜBraut  ©fyrifii,  bafs  bie  5tirct)e  biefe  fteilfamen  ©runbfä|e  einer  berbienten  Strenge 
liegen  bie  rebellifcfyen  geinbe  be§  ©laubens    ntct)t  nur  nidjt  anmenben,    fonbem    ofmc 
Schaben   nid)t   einmal   ermähnen   barf"    (bgl.  $anus,  2.  Slufl,  ©.  351  ff.)    SRan  mirb 
folebe  Filterungen   im  Sluge   behalten   unb   fidc)   nidc)t  buref)    bie  milbernbe  Senbenj  ber 
feiten  Stuflage   bes  ©taatslerjfons   irre  machen    laffen.     „@s    bürfte"    fagte  Söllingcr  25 
fdion  1865,    „nur   eine   fo!d;en  2lnfbrüd;en  günftige  SSenbung  ber  Singe   in  ber  2Belt= 
läge  eintreten    —    unb   mir  mürben   alsbalb    fämtlidje   Ultramontane  bie  2lbfeijungs= 
boftrin  als  göttlich  geoffenbartes  Sogma   berfünbigen  fyören" 

Sic  Stüdroirfung  ber  ultramontanen  sJJic£)tung  auf  bie  23err)ältmffe  innerhalb  ber 
Hira)e  trat  natürlid)  gleichzeitig,  ja  nod;  früher  als  bie  23erfud)e  ber  Slusbreitung  if;rer  30 
^errfefjaft  auf  bas  weltliche  ©ebiet,  Ijerbor.  ©enau  betrachtet  mürben  biefe  letztem  gar 
niebt  fyaben  gemalt  merben  fönnen,  menn  nictit  bas  s$abfttum  bereits  bie  „aboftolifd;e 
Autorität"  in  ber  ^irdie  in  einer  2Iusbelmung,  meld;e  alle  anbere  Slutorität  nieberlegte, 
fein  eigen  genannt  blatte.  9Bir  flehen  ba  bor  bem  r)ocr)  hinauf  unb  tief  berab  reidjenben 
Mambfe  jtoifcf)en  ber  ebiffobaliftifeben  unb  ber  babaliftifc|en  Stiftung,  ber  in  ber  abenb=  35 
länbifcben  ^'ird^e  ausgelämbft  morben  ift  unb  fc£)on  mit  bem  ©iege  ber  gregorianifcfyen 
^been  bie  alte  95erfaffung  unb  georbnete  ^ird)enbermaltung  burd)  felbftftänbige  Sifcb.öfe 
fernid^tet  liat.  Sieben  ber  greifjeit  ber  33ifc£)öfe  fcl))binbet  bann  unter  heftigen  ^ämbfen  bal)in, 
|»a§  bie  Sanbeslircljen  bon  felbftftänbigen  unb  eigenartigen  ©inric^tungen  gefd)affen  fjatten, 
inebefonbere  auef)  bie  33ebeutung  ber  fr/nobalen  ^nftitutionen :  bie  miffenfdmftlidHfyeo;  40 
logifciie  Slrbeit  erhält  ben  Sobesftofs,  mo  ber  U.  ben  %u%  ^infe^t;  bie  inbibibuelle 
^rommigfeit  mirb  nacb  feinen  ?ßrinjibien  gemobelt,  unb  eine  fanatifct)e  ©efinnung  allen 
Setljärigungen  gegenüber,  meiere  bem  U.  entgegen  fielen,  mirb  bureb,  einen  bemofratifd; 
geworbenen  Klerus  in  ben  untern  ©ebbten  gebflegt. 

Seit  ßtybrian  ift  ber  ^ambf  ^ifeb^en  ber  ebiffobaliftifdjen  unb  ber  babaliftifd)en  45 
Sichtung  —  berfelbe  b,at  fid)  bamal§  an  einer  bogmatifd)en  Streitfrage,  ber  über  bie 
©iltigfeit  ber  ®e£ertaufe  (f.  b.  21.  23b  X  ©.  270 ff.)  ent^ünbet  —  ^afyrlmnberte  lang 
unter  ber  Cberfläd)e  geführt  morben.  ©ein  Stefultat  Iäf?t  fieb,  !urj  beäeic^nen:  es  bcftefyt 
in  einer  fo  funbamentalen  ©cfymäcfmng  ber  ebiffobaliftifd;en  9üd;tung,  ba^  biefclbe  im 
Weiteren  Verlauf  nur  ausnafymsroeife  nod)  unter  günftigen  Umftänben  fiel)  geltenb  machen  50 
fonnte.  „£er  «ßatoft  ift"  (^anus  a.  a.  D.  ©.  70)  „naef)  bem  neuen  Siebte  riic£?t  nur 
oberfter,  fonbem  im  ©runbe  einiger  ©cfeijgeber  ber  ganjen  Äircb,e.  ©r  trägt,  mie 
Sonifa^  VIII.  es  ausgebrücft  b,at,  alle  3xed;te  im  ©d;rein  feiner  93ruft"  (lib.  sext.  c.  1 
de  Constitut.  I,  2  licet  Romanus  Pontifex  qui  jura  omnia  in  scrinio  pectoris 
censetur  habere).  Unb  bod)  l)at  fieb,  gerabe  angeficf)ts  unb  unter  bem  ®rucf  biefer  65 
VMpaltftifd)en  2{ügemalt,  geftü^t  auf  bie  fid;  burd;bilbenbe  2lnfc£)auung  bon  ber  ©ubertorität 
fcer  allgemeinen  ilonjilien  feit  bem  1  I.  ^ab,rb,unbert,  befonbers  feit  ber  3«t  bes  ©du-oinas 
mit  bem  mieber  erftarlenben  bifd;öflid)en  2lmtsbemu|tfein  aud;  ein  neues  (!biffobalfbftem 
auSgebilbet  (f.  oben  33b  V  ©.  128, 45 ff.);  allerbings  f;at  bas  5.  ^ateranfonjil  fomobl  bie 
tonjütare  ibeoric  als  auef)  bie  gormulicnmg  ber  ebiflobaIiftifd;en  ^raris,  ioie  fie  in  ber  im 


220  ItltramontaniSmnö 

5.  unb  31.  Sessio  bon  ^onftanj  foroie  ber  2.  Sessio  bon  33afcl  erfolgt  roar,  bcrbammt. 
Srot^bem  trat  bie  9lid)tung  auf  bem  Srienter  Sbnjil  roieber  fyerbor,  unb  wenn  fie  aud) 
ntd^t  ftarl  genug  war,  um  ben  93efd)lüffen  beSfelben  ein  ebiflobaliftifd)eS  ©ebräge  ju 
geben,  fo  t)at  fie  boc^  bie  2tu3brägung  eines  Iraffen  ^abaliSmuS  nod)  bert)inbert.  @rft 
5  baS  äsatilamtm  t)at  ben  bößigen  ©ieg  beS  le|tern  in  ber  römifd)=fatt)oIifd)en  $ird)e  fon= 
ftattert  unb  befeftigt.  2jn3roifd)en  iDar  Der  ©inflobaliSmuS  in  granlreid)  in  ©eftalt  ber 
neugallilanifct)en  33erocgung  beS  17.  3al)rl)unbertS  (f.  b.  21.  ©allilaniSmuS  SBb  VI  ©.  335) 
unb  in  ©euifd)lanb  in  ber  beS  gebronianiSmuS  (f.  b.  2t.  ^ontfyeim  33b  VIII  ©.  340) 
im  18.  ^ar)rf)unbert  nochmals  t)erborgetreten  unb  bilbet  im  2tltlatr)oltctSrnuS  (f.  b.  2t.  23b  I 

10  ©.  415)  eine§  ber  SRomente  beS  ^SrotefteS  gegen  baS  neurömifd)e  Äird)enroefen  (bgl.  SJZejer, 
3.  ©efd).  b.  röm.=beutfd)en  $rage  I  [1871]). 

©aß  bie  uttramontan=monard)ifd)e  ©eroalt  aßen  ©onbereinrid)tungen  unb  =©etoot)n= 
fetten  im  tird)lid)en  ttmlreife,  allen  tieften  älterer  Übung  auf  bem  ©ebiete  ber  Sitte, 
ber  formen  beS  ©otteSbienfteS  ober  beS  lird)lid)en  SebenS,  entgegentreten  roirb,  jebenfalls 

15  too  fiel)  biefe  ber  erftrebten  Untformität  nicf)t  fügen,  bebarf  nur  ber  ©rroäfmung.  ©o 
entfällt  im  roetteren  ©inne  unter  it)re  StuSroirlung  auct),  roaS  gefd)el)en  ift  unb  nod)  ge= 
fd)ieb,t,  um  ©onberbilbungen  auf  Iiturgifd)em  ©ebiete  ju  berbrängen  (bgl.  oben  33b  XII 
©.  7 14 ff.)  unb  um  befonbere  formen  ber  SDebotion  im  ©otteSbienft  einzuführen.  Sine 
fernere  teils  beabfietttigie  2Birtung  teils  mittelbare  $o!ge  ber  ,£errfd)afi  beS  ultramontanen 

20  ©etfteS  ift  bie  £ät)mung  beS  3nterefleg  an  ftynobaler  33etf)ätigung,  ja  beren  bötlige  S3e= 
feitigung  geroefen.  groar  ^atte  *>aS  Xrienter  konjil  (Sess.  24,  de  Ref.  c.  2)  regelmäßige 
^robinjiaI=  unb  ©iöcefanftmoben  angeorbnet  unb  man  I)at  beren  auct)  im  16.— 18.  ^afo 
l)unbert  ;$at)lreid)e  gehalten  —  aber  roo  einmal  roie  in  ^iftoja  (f.  b.  21.  SRicci  33b  XVI 
©.  745  ff.)  ein  felbftftänbigerer  ©eift  ftd)  geltenb  mad)te,  ba  fyat  benfelben  alSbalb  berU. 

25  unterbrücft. 

©elbftberftänblicl)  liegt  in  ber  Sticfytung  ber  2tltion  beS  lt.  tüte  bie  tlnterbinbung  beS 
fbnobalen  £ebenS,  fo  aud)  bie  23emict)tung  beffen,  roaS  bon  Ianbe§Iirct;lict;en  33eftänben 
ftd)  im  23ereid)e  ber  Iatl)oIifd)en  £ird)e  ftnbet.  S)a  t)at  er  —  um  nur  an  jroei  SBeityielen 
bie§  ju  tltuftrteren  —  bei  ber  $trd)e  im  granlenreid)e,    fct)on    el)e  bie  tofeubo4fiborifd)en 

30  ©etretalen  entftanben  unb  bei  ber  ®ird)e  in  ©banien  balb  nad)t)er  eingefetjt.  5m  Sereia) 
ber  fräntifct)eit  ^ird)e  roar  33onifatiuS  berjenige,  roeld)er  juerft  eine  bewußte  unb  er= 
folgreid)e  Sfyätigteit  bat;tn  richtete,  mit  ber  jroeifelloS  notroenbigen  Reform  gugtetet)  bieS 
^u  erreichen,  baß  ein  Seil  roenigftenS  ber  bisherigen  nationalen  ©elbftftänbigieit  beS 
Äirct)enroefenS  an  ÜRom  abgegeben  tourbe.    23on  ba  ah  ift  iro£  ber  energifd)en  Betonung 

35  unbebingter  2lutorität  auct)  in  bem  ^ircfyenroefen  beS  ^Reic^eS,  roie  $arl  ber  ©roße  fie 
nod)  übte,  ber  ^rojeß  ber  2tbbröctelung  jener  nationalen  ©elbftftänbigieit  bon  ©tabbe  ju 
©tabbe  ibeiter  gegangen,  unb  roenn  bie  roertbollen  Siefte,  bie  immerinn  nocl)  in  ber 
„^ragmatifdien  ©anftton"  bom  ^al)r  1438  feftgelegt  rourben,  nad)  80  %at)tm  bößig 
befeitigt  finb,  fo  t)aben  baju  ^pabft  unb  ^önig  fiel)   bie  §anb  gereicht.    9tun   ift  ja   ab 

40  unb  ju  bie  „gallilantfct)e  9ttct)tung"  (f.  b.  2t.  ©allilaniSmuS  93b  VI  ©.  355)  roieber 
aufgetaucht,  aber  burd;  baS  bem  U.  bienlid^e  Jvonlorbat  bon  1801  rourbe  jebe  ©elbft= 
ftänbigleit  roieber  bernid)tet  unb  abermals  teilte  ber  2anbeSl)err  fiel)  mit  ber  römifd)en 
^nftanj  in  bie  ©bolien.  §eute  freilid)  ergebt  fiel)  auS  biefen  Ruinen  angefidjts  beS 
„TvennungSgefetjeS"  bom  ^at)re  1905  ein   bie  römifcr)e  ^nftanj  unb  baS  ganje  ^ird)en= 

45  toefen  bebrol)enber  ßtrftartb :  ber  fran^öfifcl)e  ©taat  beratet  auf  jebe  @inmifd)ung  in  bie 
2Ingelegent)eiten  beS  ^ird)enroefenS  in  feinem  33ereid),  nacl)bem  er  bie  roibergefet3lid)en 
2tuSroüd;fe  beS  DrbenStoefen  befd)nitten  t)at,  jiel)t  aber  aud)  baS,  toaS  er  bisher  xzidßa) 
pr  33efolbung  beS  üleruS  geleiftet  t)at,  jurüd  —  unb  bie  römifd)e  ^urie,  ber  leine 
irgenbroie  felbftftänbige  ober  an  eigenartiges  Seben  geroöl)nte  fran^öfifdie  ^'trd;e,   fonbern 

50  nur  bie  roillcnlofen  33ifd)öfe  unb  ein  Seil  ber  33eböllerung  jur  ©eite  fter)en,  foll  nun 
neue  umfaffenbe  Drgantfationen  bet)ufs  gunbamentierung  eines  lebensfähigen  $ird)en= 
roefenS  fd)affen.  @S  muß  fid)  jeigen,  ob  bie  ©efoIgfd)aft  ben  Hoffnungen  9tomS  entfbrid)t 
—  follte  baS  allgemein  ber  %aU  fein,  fo  t)at  ber  II.  aud)  bort  gefiegt  unb  toirb  unbe= 
bingter  §err  fein  tro|  ber  jet^t  il)m  gefd)affenen  ©d)roierigleiten. 

55  ^n  ber  altfbanifd)en  ^trct)e  blieb  bis  @nbe  beS  7  ^al)rt)unbertS  IanbeSlircb,= 
lia)e  2tutonomte  gegenüber  ben  römifd)en  2Infbrüd)en  beftet)en.  „®ie  mit  großer  ^tegel^ 
mäßiglett  gehaltenen  ©t^noben  btefer  £ird)e  übten  baS  9iid)teramt  über  23ifct)öfe  unb 
5Retroboliten  unb  roiberf!prad)en  gelegentlid)  aud)  ben  ^ßäbften  in  ©act)en  ber  ©laubertS= 
Iel)re,  roie   eS   namentlich   bie  ©t)nobe  bon  Solebo  im  ^at)re  688  gegen  ^ßabft  Senebilt 

fi0  tl)at,  inbem  fie  fein  ©ctiretben  einer   fdiarfen  ^ritit   unterioarf   unb   felbft   ben  33ortourf 


UltramoutantSutuS  221 

iftm  nicbt  fbartc,  baß  er  mit  fcfyamlofer  ©tirn  ben  Vätern  Wiberfbred)e  |3Jcanfi  XII,  16]. 
Jn  ber'ßeit  bon  ber  arifcfyen  ^nbafion  big  gegen  SluSgang  be3  11.  $al)rf)unbert3  fjatte 
bic  fpanifcfye  $ird)e  xfyc  felbftftänbtgeS  Seben  geführt  .  fte  folgte  bcm  iolebanifdjen,  nid)t 
bcm  römtfdjcn  ©efetje  2)a3  Würbe  anber<§  burcl)   bie  9Jcönd)e   bon  ßlunr/,   unb   al§ 

alles  römifd)  geworben  War,  fällte  man   bie  ©efcr)id)te   ber  früheren  $af)rt>unbertc  int  5 
remifden  Sinne"  (bgl.  ©öffinger,  %anu$  2.  Slufl.  146  ff.   u.  299  nebft  ben  betr.  «Roten). 

Üiknn  fidj  bie  SZieberbrüdung  lanbegfircfylicfyer  ©elbftftänbigfeit  burd)  bie  ultramon= 
tanc  Stiftung  naturgemäß  mefyr  in  früheren  ^a^l^unberten  gegeigt  fyat,  fo  ift  bie  Weitere 
iVibätigung  be3  U.,  alle  tt/eologifd;  =  Wiff  enfcf)aftlid)en  Bewegungen  in  feine 
iWn  ju  leiten  unb,  fofern  ba§  nid)t  angängig,  gu  unterbinben,  naturgemäß  mef>r  ber  10 
neueren  fyti  aufbewahrt  geblieben,  obWofyl  auc|  fcf/on  in  bie  tfyeologifdjen  Stampfe  früherer 
^abrl;unberte  entfbrccfyenbe  Momente  fyineinfbielen.  ®a3  Varabigma  bafür  bleibt  ba  bie 
Untcrbrüdung  ber  ifyre  eigenen  Sahnen  gefyenben  beutfd)en  fatfyolifdjen  SLbeoIogte  im 
lii.  ^aljrfmnbert.  $n  bem  Vortrage  ®öllinger§  „2)ie  Vergangenheit  unb  ©egenWart  ber 
fatbolifer/en  Ideologie",  gehalten  am  28.  ©ebtember  1863  bor  ber  ©eleb/rtenberfammlung  15 
in  2JJünd)en  Wirb  (f.  ©öllinger,  Sil.  ©d;riften,  ©.  170 ff.)  barauf  InngeWtefen,  baß  ba§ 
16.  $abrl)unbert  aud)  für  bie  fatfiolifcfye  Geologie  ein  Zeitalter  be3  Slufblüf)en§  einleite, 
baß  aber  mit  bem  17.  in  ©banien,  mit  bem  18.  in  granf'reid;  ber  Verfaß  eintrete,  roäfy= 
renb  ber  beutfcfyen  fatfyolifdjen  Geologie  nod;  große  $tele  gefiedt  feien,  bie  fie  jebod), 
nxnn  t£>r  greibeit  ber  ^Bewegung  berfagt  Werbe,  ntct)t  erreichen  fönne.  2113  ©öUinger  fo  20 
fbrad),  afmte  er  nicfjt,  Wie  balb  biefe  Verfagung  erfolgen  unb  gerabeju  fobifijiert  Werben 
irürbe  —  tote  bieS  für  Wichtige  (Einzelausgaben  Wiffenfd)aftlid)er  Slrbeit  bureb,  ben  Syllabus 
errorum  bon  1864,  bann  in  allgemeinerer  ^nftanj  burd;  bie  Definition  ber  llnfet)lbar= 
feit  bc§  VabftcS  erfolgt  ift.  2öa3  biefe  letztere  für  ben  Weiteren  ©ang  ber  fatfyolifcfyen 
Ideologie  bebeuten  Werbe,  fyat  ber  fdjarfblidenbe  SDöllinger  fd/on  bor  ber  ^Definition  25 
borauSgefagt,  unb  im  2Ingeftd)t  ber  Erfüllung  feiner  VorauSfagung  flehen  bie  legten 
^at/rjefmte.  „gunädjft,"  fagt  er  am  ©cfyluß  feinet  „QanuS",  „muß  ber  neugebrägte 
©laubensfa£  fid?  al§  ©runb=  unb  ©dftein  beS  gangen  römifd;=Iat^oIifd}en  £et>rgebäube3  b,in= 
bflanjcn,  bie  gefamte  5£bätigfeit  ber  Geologen  fieb,  auf  bie  (Ermittelung  rebujieren,  ob  ein 
jüpftlicr/er  SluSfbrud)  für  eine  Set/re  §u  finben  fei  ober  nicfyt . . .  2Bo§u  nod)  müI)fame<B  gorfd;en  30 
in  ber  Sibel,  toogu  ba3  fcfywierige  ©tubium  ber  SErabition,  Wenn  ein  einiger  2lu3= 
fprud)  be3  untrüglichen  «ßabfteS  bie  geWiffenl)afte  tfyeologifcfye  Slrbeit  eine§  9Henfc|>enalterg 
ju  jertrümmern  bermag?  11m  bie  £el)re  bon  ber  bäbftlid)en  Unfel)Ibar!eit   au^  ber 

ftirdjengefctncfyte  gu  ertoeifen,  ift  nicfyt  Weniger  nötig,  al§   eine   burcfygängige  33erfälfd;ung 
berfelben  .   .    "    2ßa§  bie  neuere  Iat^olifd;e  23ibelforfd?ung   angebt,   fo  Wirb  man   trotj  35 
Bieter«  («ßabft  «ßtuä  X.  unb  b.  Sibetftubium,  1906  —  bgl.  baju  %f)2$  1907,  ©b.  104) 
toobl_!aum  jur  Söiberlegung  $)öllinger§  auf  bie  (Errichtung   ber  römifd)en  „^ommiffion 
für  bie  görberung  ber  bibüfdjen  ©tubien"  bom  ^ab,re  1904  r/inWeifen  wollen,   ba,   Wie 
§outin  (La  question  biblique,    Vari§  1906,   ©.  197—222)   nacb>eift,  bon  grüßten 
terfelben  für  bie  Wiffenfd;aftlic^e  gorfdmng  feine  5Rebe  fein  fann ;    ti>a$  aber  bie  fird)en=  40 
gejdjicfytlidien  gorfdjungen  betrifft,  fo  bleibt  ber  „^nber/'  ein  ftetg  gegen  bie  $orfd;er  ge= 
ricfjteter  Sold),  Wie  it)n  einft  5ßaIeario  genannt  t;at.    ©efd)id)töfälfd}ungen,  ber  Senbenj 
fre*  U.  entfprungen,  b,at  ©öllinger  im  „%anu%"  unb  anber§Wo  reidilid)  an3  £id)t  gebogen. 
3lllerbing§  ift  ba§  ©ebiet  ber  äird;engefd)id)te,  foWie  ber  ©efd)id)te  beö  d)riftlid)en  Sebenä 
unb  ber  bielgeftaltigen  älußerungen  be§  religiöfen   unb   fird;lid}en  ©eifteg   im  Sauf   ber  45 
^abrbunberte  ein  fo  großem,  baß  immer  nod;  9iaum  ju  einer  Slrbeit  bleibt,  bei  ber  felbft 
ultramontane  Geologen  nüijlicfye  33eil;ilfe  leiften  mögen,  aber  ber  Regulator  aller  f;iftori= 
i*en  ^orfdmngen  liegt  für  ben  11.  in  beffen  eigener  Xenbenj. 

Unmittelbarer  nod;  als  auf  bem  litterarifdjen  2Bege  Wirft  ber  11.  auf  breite  Süiaffen 
be»  SSoIfe^  baburd;,  baß  er  bie  2lrt  ber  ©ebotion  beeinflußt  unb  jur  görberung  feiner  60 
3tt)ede  leitet.  Jlatürlid;  entfällt  unter  ba§  unfererfeitö  f)ier  in§  äluge  gefaßte  Sereid; 
nicb,t  olme  Weitere^  alles,  toaä  auf  fatfyolifcfyer  ©eite  bon  3Jcaterialifierung  unb  3Jced)ani= 
lierung  ber  Seligion  unb  ifyrer  Übungen  borfommt  unb  Wobon  ein  Xeil  als  für  bie 
neuere  geit  im  ©ebraud)  bon  Seufd)  in  ber  ©enffd;rift  „®ie  beutfd)en  33ifd)öfc  unb  ber 
Aberglaube"  (Sonn  1879)  für  Weitere  Greife  offen  gelegt  Worben  ift.  %üv  ung  fommen  55 
Bier  folrfje  formen,  mögen  fie  neu  (Wie  bie  fog.  2lnbad)ten  jum  l;eiligften  .sperren  ^efu, 
SJanä  unb  ^febl;§  a.  a.  D.  ©.  81  ff.)  ober  nur  erneuert  fein  (Wie  ber  Unfug  mit  Sfa= 
Mieren,  SUebailten,  ferabf/ifdten  u.  a.  ©ürteln,  a.  a.  D.  :33 — (il)  nur  infofern  in  53etrad;l, 
als  biefe  Debotionen  bem  immer  Weiteren  unb  gefiederteren  ©inbflanjcn  be§  ultramon= 
tanen  ©eifteö  bienen,  bie  ©elbftftänbigfeit  unb  Steinzeit  fatl>olifd;cr  Übung  ber  gröntmig=  60 


222  UUramoutantöntug 

feit  burd;  frembe  3ut^atcn  Hubert  unb  bie  d£>incfifc^)c  SRauer  befefttgen,  Welche  ber  U. 
je|t  in  ®eutfd)lanb  um  einen  grofjen  Seil  ber  Volfsmaffen  jiefyt,  um"  fo  feine  bolitifdjen 
^toecfe  ju  förbern.  SBie  übrigen?  fdjon  im  17.  Qafyrfmnbert  in  granfreid;  fclbft  bie 
foetltgften  g-unftionen  biefem  3tele  ultramontaner  Konzentration  bienftbar  gemalt  Würben, 
5  ba§  lehren  bie  1899  in  ber  Revue  Historique  beröffentlid)ten  2Innalen  ber  „Com- 
pagnie du  St.  Sacrement",  über  Welche  6.  Slair  in  ben  Etudes  rel.  etc.  1888/9 
unb  febarat  Raoul  Sltlter  (La  Cabale  des  Devots,  Vartä  1902)  eingefyenb  fyanbelt. 
2lngefid)t§  ber  St)aifad;e,  baf?  bon  ©taat§  Wegen  bamal§  (1627)  bie  erftrebte  Vertreibung 
ber  $rotcftanten  auS  granfreid;  ntd)t  §u  erreichen  War  —  fie  i(t  erft  1682  mit  ber  2tuf= 

10  bebung  be§  @bift§  bon  9tonte§  erfolgt  — ,  ftifteie  ber  £>erjog  bon  Ventabour  eine  um 
ba3  2lbenbmaI;Isfaframent  fid;  fammelnbe  „Compagnie"  olme  Drbensfteib  au§  einflufj= 
reichen  in  ben  Srabitionen  eine?  fanatifd;en  ^koicfiantenfwffes  aufgewogenen  ^erfonen, 
um  bem  angegebenen  .g^ecfe  nacbjugcfyen.  Wüxt  bäbftlid;er  2lbbrobation  auggerüftet  ber= 
breitete  biefe  Compagnie  fid;  in  56  ©täbten  —  überall   tritt   neben    einbringlid;er  33e= 

15  müfmng  um  ba§  äußere  2öofe(  ber  tiefftfteljenben  ©dndjten  ber  ©efetlfcfyaft  unb  auf= 
obfernber  ^ftädjftenliebe  ba3  fanatifcbjte  unb  b^itcbierifdjfte  ©ebaf)ren  gegen  2Inber§gläubige 
teil§  in  birefter  Verfolgung,  teil?  in  llnterbinbung  bon  §anbel  unb  fonftiger  @jiftenj= 
möglid;feit  berfelbcn  ju  Sage.  Söenn  man  beacbtet,  bafs  mir  ba  ben  ©egenftanb  bor 
2tugen  fyaben,  ben  9Miere§  „Sartuffe"  fd;onung§Io3  geißelt,  fo  Wirb  flar,  toeld;e  Rolle 

20  ber  U.  in  bem  berühmten  geiroilbe  fpielt,  ba  gegen  ifm  ber  bernid;tenbe  ©cfylag  be<§  £>id;= 
ter§  gerietet  War. 

2Bie  b,ier,  fo  rietet  fid)  bie  Slftion  be§  U.  in  ifyrer  legten  Stbjtoedung  ftet§  auf 
bo!itifd)e  3iele.  ®a3  ift  weiten  Greifen  in  ©eutfd;lanb  erft  flar  geworben,  feit  mir 
eS  geWiffermafjen  täglid)  am  eigenen  Seibe  fbüren  burd)  ben  ©ebraud;  ber  barlamentarU 

25  fdjen  SÜöaffen,  ibeld)e  ber  IX.  fid;  in  ben  boIitifd)en  unb  fommunalen  VertretungSförbern 
gefdiaffen  f)at.  greilid;  ift  bie  3xid)tung  felber  ja  älter  unb  fyat  aud;  tbre  2Bege  ju  gef)en 
geWufet,  lange  el>e  barlamentarifdte  (Einrichtungen  borfyanben  Waren.  2öa§  bie  gefuttert 
alsSbalb  nad)  ifyrem  ©inbringen  in  ®eutfct)Ianb  fid)  ju  fiebern  Wußten  —  (Einfluß  an 
fatb,oIifd>en   §öfen    (anberiWo    fogar    an    ebangelifcfyen,    3.  V.    bem  $of)ann<B  III.  bon 

so  ©cfyweben),  nämlid;  (Einfluß  auf  bie  Vefetjung  Wichtiger  ©teilen  in  ben  Regierungen  unb 
33ef)örben  — ,  bag  ift  natürlid)  ftetg  im  ultramontanen  ^ntereffe  ausgenützt  Werben.  Unb 
Wie  ba  in  bem  broteftantifdjen  ^3reuf$en  be§  19.  ^afyrlnmbertg  bie  gäben  gejogen  Würben 
bon  „Rebenregierungen"  befonber?  unter  griebrid;  2ßilb,elin  IV.  unb  tro|  ber  2luff)ebung 
ber  „fatfyolifdjen  Slbteilung"  im  Äultu^minifterium  aud)  unter  ben   folgenben  §errfd)ern, 

35  ba3  bebarf  feiner  fbcjiellen  2lu3füf)rung,  bietet  aber  2lnla^,  bter  jum  ©dilufe  auf  bie  @in= 
imbfung  be§  U.  in  ©eutfd)lanb  übertäubt  §urüd  3U  fommen. 

©ic  fdjon  berührten  Unterfud)iingen  griebrid}?  (bgl.  bie  ©efd;id)te  be?  33atifanifd)en 
lonjilä  I,  1877)  l)ah(n  bie  grage  nad;  bem  §>eimatlanbc  be§  mobernen  U,  flar  gefteHt. 
©a^  bie§  granfreid)  unb  §War  bag  granfreid;   ber   bourbonifdien  Sieftauration   ift,   ftel)t 

40  feft ;  bafe  aud}  bie  ^ulirebolution  unb  bie  Qät  %3boIeon3  III.  ben  franjöfifd;en  U.  nur 
Weiter  cntwidelt  unb  gefräftigt  i)at,  ri\d)t  minber.  ^m  Sauf  ber  bamit  befaßten  Qa^rjefjnte, 
unb  ^War  gletct;  ber  erften  ift  bann  aud)  bie  gnfeftion  nad;  ©eutfcfylanb  übertragen  Werben, 
^n  S3at)crn  Waren  bie  Verfyältniffe  günftig.  ©ie  römifdjte  Iturie,  Wcld)e  nad;  bcr9teftau= 
ration  ben  $>artifulari§mu3  in  bcutfd;cn  Sanben  borjüglic^  auggenul^t   f)at   für  ib,re  3n= 

45  tcreffen  —  bie  ©injelfonforbate  mit  33ai;ern,  ^preu^en  unb  ber  oberrl;einifd;en  i!ird)en= 
brobinj  bezeugen  ba§  — ,  fanb  ben  Soben  borbereitet  bureb,  ben  9iüdfd;lag,  Wie  ifm  ba§ 
2luffommen  ber  Romantif  gegenüber  ber  aufflärenben  9tid;tung  be3  18.  3al)rb,unbert§ 
bejeid;net,  bie  ja  aud;  in  bem  fatf)o!ifd)en  ^ird;enWe_fcn  auflöfenb  gewirft  b,atte.  ®enn 
ben  rl)eimfd;en  Greifen   bejüglid;   bes  3ufammenfd;luffeö    gu   einer  ultramontanen  Partei 

50  bie  Priorität  gebührt,  fo  ift  boeb,  juerft  in  9)Iünd;en  ber  ftärffte  §ort  unb  ber  belebenbe 
sDtitteIb^ unft  einer  fold;en  in  bem  ©örre§fct)en  Greife  begrünbet  Worben.  ©ab,in  gravitieren 
nun  feit  ben  30er  ^ab,ren  bon  ber  Stomantif  ober  ber  allgemeinen  reaftionären  3eit= 
ftrömung  au§  eine  güllc  bon  Gräften  (griebrid;  a.  a.  D.  ©.  203;  bgl.  berf.,  %  bon 
DöUinger,  93b  I,  II  [1899|)  —   it)re  ©tärfe  aber  gewann  bie  Partei  baburd;,  ba^  ber 

55  b,eranWad)fenbe  ^Ieru§,  teils  bon  oben  b,er  mit  Raa^brud  angeleitet,  teifö  in  ber  cl)rlic^en 
Ueber^eugung,  bafe  b,ier  Wie  ba§  fird;Iid;e  fo  aud»  ba?  religiöfe  ^ntereffe  tfjatfädjlid;  feine 
Rechnung  finbe,  fid)  anfd;Iof$.  ®er  9xef.  mag  nid;t  unerwähnt  laffen,  ba|  ©öllinger 
fclbft  einmal  ib;m  gegenüber  feine  zeitweilige  Hinneigung  §u  tt)r  mit  ber  ,§inWeifung  auf 
bai  le^tere  3)loment  erflärt  b,at.     ©r  ift  freilief)  nur  big  ju  bem  fünfte  i|rer  gab,ne  ge= 

«"  folgt,  an  Weld;en ©tubten  unb  £eben§erfa^rung  ib,m  ein  unbebingteS:  Plus  ultra!  juriefen. 


lUtrautontantSmnS  223 

2o  cntftanb  in  £}cutfd;Ianb  infolge  beS  traurigen  Kölner  (SreigniffcS  (j.  ben  2lrt. 
Srofte  33b  V  ©.  24  ff.)  jum  erftenmal  Wieber  eine  fog.  ultramontanc  ^artei,  beren 
3cntrum  9Jiünd;en  War.  Qu  bem  Greife  um  %o\epfy  ©örreS  gehörten  ©öllinger,  Söiebe-- 
mann,  Söinbifdmiann  b.  %,  b.  Safaulj,  3UngSeiS,  Tioi)  unb  Satyer;  fbäter  bie  jüngeren 
Mräfte  ir-ie  £aneberg,  ©eutinger,  ©ebp,  £öfler,  ©uibo  ©örreS  unb  §offiättcr  k.  Son  5 
biefem  ging  aud)  bie  Berufung  SttöfylerS  auS,  ber  natürlich  alöbalb  nacb/  feiner  Überftebe= 
lung  nadr;  9Jiünd)en  ein  Siitglieb  beSfelben  Würbe.  ®ie  Sranbfdjrift  „2ltl)anafuiS", 
melcr/e  ©örreS  in  ben  Kölner  Söirren  unter  bie  Hatfyolifen  ©eutfdjlanbs  frfjleuberte, 
baS  infolge  ber  nämlicr/en  2lngelegenl)eit  bon  ^fnlibbS  unb  ©.  ©örreS  gegrünbete  §aubt= 
organ  ber  Katl/olifen,  bie  „£iftorifcr)=poIitifcr;en  Slätter",  unb  bie  immerhin  grofje  geiftige  10 
Scbeutung  ber  in  3)Mnd)en  bereinigten  SJiänner  matten  biefeS  jum  9Jttttelbuntt  ber 
fatf>Dltfdt)en  SeWegung"  (griebricr;,  Sat-Kon^.  I,  ©.  203  f.).  2Bie  nun  biefe  „fat&oltfd&e" 
'Bewegung  met)r  unb  mel)r  in  eine  ultramontane  fid)  fortbilbete,  baS  mag  man  in 
ivrtebricb/3  weiteren  SluSfüfyrungen,  junäcbjt  bis  ©.  373,  nadjtefen.  SDie  Sefämbfung  ber 
Ideologie  beS  Sonner  §ermeS,  bann  beS  ^reiburger  §irfd)er  machte  ben  Stnfang,  bem  15 
fpater  bie  ber  ©üntt)erfd)en  ^3t)ilofobt;ie  gefolgt  ift ;  fobann  mürbe  bie  SoKSagitation  bon 
SJtoinj  auS  mit  §einrid)S  unb  9JioufangS  Seitung  begonnen  unb  burd;  bie  ,,fatt)olifd)en  Vereine" 
(^iuSbcrcine,  f.  b.2lrt.)  unb  beren  ©eneralberfammlungen  fbjtemattfcr)  betrieben.  ©cfyon 
bei  ben  SBafylen  jum  granffurter  Parlament  griffen  biefe  Vereine  ein.  2tuf  ben  großen 
Matfjolifenberfammlungen  Würben  teils  ge(;eim  teils  öffentlich)  bie  3iele  unb  Mittel  ber  20 
gefamten  Slftion  f cftgeftellt :  ©dwle,  treffe,  SereinSWefen,  2öof)ltr/ätigfett  u.  f.  W.  bilben 
bie  SeWeife  bafür,  bie  fid)  immer  meljir  erweitern.  3n  einer  3e^  bie  mefyr  unb  mcb/r 
einer  bemolratifcfyen  Seeinfluffung  ber  Seitung  aller  öffentlichen  3lngelegenr)eiten  Siaum 
gab,  leiftete  bie  Bearbeitung  ber  Breiten  SRaffen  in  ben  ^piuSbereinen  unb  fonft  @nt= 
fcfyeibenbeS  —  allerbingS  bie  Krone  beS  (Erfolges  fjat  biefen  Seftrebungen  erft  bie  @m=  25 
für/rung  bc§  allgemeinen  gleiten  9foid)StagSWaI)Irecr;tS  aufgefegt,  meines  bie  gunbamen= 
tierung  unb  ben  Sau  beS  3entrumS=£urmeS  ermöglichte,  ©inline  befonberS  bebeutfame 
Stabben  auf  bem  2Begc,  ben  bie  Ultramontanifierung  ber  fatt)oIifcr)en  Ktrd>e  in  ®eutfcr)= 
Ianb  feit  ßnbe  ber  40er  2jal)re  jurüdgelcgt  I)at,  mögen  nod)  ermähnt  Werben :  faum  War 
einer  ber  £>aubtteilnel>mer  an  bem  Serein,  $reif)err  bon  Ketteier,  Sifdwf  bon  SJiaing  ge=  30 
werben  (1850),  fo  fe|te  er  bie  Sluflöfung  ber  ©iefeener  fatl)olifd)4i)eologifd)en  galultät 
burd)  unb  liefe  nun  ben  jungen  KlcruS  buret)  bie  oben  genannten  Sftainjer  ©elefyrten  er= 
Sieben.  Sem  ©rjbifd^of  Steifad)  in  3Jcünd)en  entwarf  ber  $efmt  ®el)arbe  einen  ultra= 
montanen  Äatec^iSmuS,  ber  nacb^  unb  nad)  in  ben  weiften  beutfdien  ©iöcefen  (Singang 
fanb.  ^Dte  gefuttert  felber  sogen  ein  unb  gelten  i§re  „Sftiffionen" ;  anbereDrben  folgten;  35 
firtt^licbc  Vereine  aller  2lrt  Wud)fen  Wie  ^ilje  t;erbor.  Unb  für  jebe  2lftion,  ja  für  ba§ 
Senfen  unb  Urteilen  in  allen  fragen  Wirb  jugleid}  in  ber  1850  gegrünbeten  Civiltä 
Cattolica  bas  mafegebenbe  Statt  gefcfyaffen,  au§  bem  ber  SJcain^er  „Äatl)oli!"  nunmehr 
bie  ^arolen  entnimmt,  Wäfyrenb  bie  ©d;aren  ber  „©ermanifer",  b.  I).  ber  ^efuitenfd}üler 
beutf^er  ^robenien^  mel^r  unb  mef)r  mafegebenbe,  barunter  aud)  bifd)öflid;e,  ©teUen  cin=  40 
nebmen  unb  für  ®eutfd)=Dfterreid)  bie  ^efuitenfdjulen  in  gelbfird;  unb  QnnSbrud  bie 
Älerifer  borbilben.  2ln  ben  Seriellen  über  bie  ©eneralberfammlungen  ber  fatb^olifcben 
Vereine  ober,  wie  fie  neuerbingS  genannt  Werben,  über  bie  „&atl>olifentage"  !ann  man 
am  beften  ben  auffteigenben  ^egelftanb  ber  Ultramontanifierung  Icnnen  lernen,  ©cb.on  bie 
^räfenjliften  finb  inftrultib.  9tod}  unb  nacb,  berfd)Winben  bie  f)erborragenben  fat^olifd)en  45 
(Mehrten,  obwohl  bod;  3af;re  lang  bie  ©rünbung  einer  „fatr)oltfcr;en  Uniberfität"  eins 
ber  ftärlft  bcrborgel)obenen  ^rogrammnummern  bilbete,  bie  aud;  bleute  nod;  Wieberfefy rt ; 
jene  räumen  ben  Pa£  ben  s3JJoufang,  £>affner  unb  9Jie^ger  galf  u.  3t.  £>afür  machen 
jicf)  bie  fatfyoIifd;en  ©tubentenbereine  immer  breiter,  aud;  el)e  fie  noc^  in  ben  allerlc^tcn 
3aBren  ba§  ©lud  Ratten,  Slngriffc  feitenS  i^rer  nid)tlatf)olifa^en  Kommilitonen  ju  erfahren,  50 
bie  nacb,  2lu§gangSbunft  unb  ^altif  berfeb^lt  Waren  unb  angefid}ts  ber  l»eute  befteb^enben 
i^erfiältniffe  nur  ein  enormes  2öad)Stum  jener  Sereinigungen  zeitigen  fonnten. 

So  War  ber  U.  Wie  anberSWo  fo  audr;  in  SDeutfd}lanb  auf  ber  ganzen  Sinie  bor= 
gerüdt,  unb  als  nod)  bor  ber  @ntfd)eibung  beS  ^afyreS  1870  als  eine  ^3robe  auf  ben 
allgemeinen  ©tanb  ber  SDinge  bie  18.  ©älularfeier  beS  3Rart^riumS  ber  älboftclfürften  55 
mit  unerhörtem  $omb  —  eS  Waren  500  Sifdjöfc  erfc^ienen  —  als  le^teS  /i-eft  im 
„freien"  .ftiref/enftaate  begangen  Worben  War,  ba  tonnte  ein  aufmerlfamcr  ultramontaner 
^eobadjter  frol;lodenb  rufen:  „2Bir  gewahren  feit  biefem  bebeutfamen  (Sreigniffe  allent= 
falben  größere  3tüb,rigfcit  unb  mel;r  Energie ;  braltifd)e  ßiele  werben  berfolgt,  alles  brängt 
wattiger  als  früher  jur  ©inigung  ber  Iat^olifd;cn  Elemente;  baS  Sertrauen  ift  gcWad;feu,  go 


224  ttltruutontauiSmitS 

bag  ©efür/l  ber  gufammengefybrigfeit  gefteigert"  (9liebermer/er,  ®ie  tafy.  Bewegung  1, 1). 
2Bag  lag  barem,  ob  jene  fatfyolifdjen  @eler)rten  bureb,  2lbwefenfyeit  bei  bm  Katfyolifentagen 
glänzten  —  jetjt  Wanbte  ftc^>  ber  Vifcfyof  bort  Ketteier  rote  einft  Sutfyer  „2ln  bert  2lbel" 
imb  fnelt  ir)m  feine  Vflicfyten  fo  einbringenb  bor  (1868),  bajjj  Wir  ^af)re  lang  Vertreter 
5  beg  r)ob/en  2IbeI§  an  ber  ©bifce  ber  35 erfamm hingen  fungieren  feigen.  $n  ben  Verfamm= 
Jungen  felbft  aber,  beren  bbliiifcfyer  ßfyarafter  fict)  mefyr  unb  mefyr  accentuierte,  Werben 
bie  ßtoeefe  beg  U.  auf  ber  breiteten  Unterlage  ftyftematifd)  geförbert  tüte  bon  einem 
Vrennbuuft  aug,  in  bem  alle  ©trafen  !onbergteren.  Vor  altem  fyanbelt  eg  ftdt)  —  trotj 
ber  Verfidierungen   toleranter  ©efinnung  unb   tro|  ber  ©inlabungen  3.  V.  beg  offener 

10  Katfyolifentageg  an  bie  „©laubigen"  unter  ben  ©oangelifcrjen  ju  gememfamer  3lrbeit  „be= 
b)ufg  Betambfung  beg  Unglaubens  unb  beg  Urnftur^eg"  —  eg  fyanbelt  ftcr;  barum,  bie 
d^tnefifd^e  30tauer  ^Wifcfyen  ben  Konfeffionen  immer  f>ör/er  ju  bauen  unb  immer  fefter  ju 
funbamentieren.  2lIgVaufteine  baju  wirb  in  erfter  Sinie  litterarifcfyeg  SRaterial  berWenbet: 
ftoegififd)  lat§oIif4>e  BeKetriftif,  JatE>oItfd>e  SBettbefdpibung,  fatb/olifdje  Sichtung  an  ©teile 

15  ber  bem  Volte  ju  entjie^enben  Klafftfer  —  JatE>olifd£>e  ©efdjucfytgi'litterung  an  ©teile  ob= 
jefttber  ober  gar  „broteftantifcfyer"  2luffaffung  unb  SDarfteßung.  @in  latfyolifdje  %a%i& 
treffe  bon  erftaunlic^er  2lugbelmung  breitet  fief;  ja  feit  ber  geit  beg  „Kulturiambfeg" 
über  ganj  ©eutfcfylanb  aug  —  bie  forgt  fd)on  bafür,  bafj  nichts  ©iörenbeg  in  jene  Greife 
bringt  unb  bafs  alle  Vorrommniffe  in  bie  richtige  ultramontane  Beleuchtung  gerüdt  Werben. 

20  2öenn  auf  ben  Kaibjolifentagen  bie  bo!itifcf)e  Varole  auggegeben  wirb,  fo  |at  ber  gange 
2ltobarat  banad)  gu  funktionieren,  unb  in  legier  3nfian3  barm  ber  gentrumgturm  im 
^Reidjgtage  unb  bie  ßentrumgtürmcfjen  im  bar/erifd)en  Sanbtage  foWte  in  einer  2lnja^I 
fommunaler  Vertretungen  bafür  gu  forgen,  baß  aug  bem  sie  volo  aud)  ein  maßgebenbeä 
sie  jubeo  Wirb.    Um  btefen  ©ffeft  ftänbig  erzielen   gu   lönnen,   Wirb   im   großartigften 

25  SRaßftabe  bag  fbejiftfd)  fatt;olifd;e  Vereingleben  gepflegt  —  in  ^uriften=,  £ef)rer=  unb 
§anbWerferbereinen,  in  faufinännifcfyen  unb  ©efeHenbereinen,  in  §af)lretd^ert  Verbinbungen 
aud)  bort  Weiblichen  ©eWerbetreibenben.  §ier  unb  ba  gefcbjdt,  bod)  meift  —  fobalb  man 
an  bie  Öffentlichkeit  tritt  —  in  blumber  Söeife  Wirb  bon  bem  $ßarttätgbringty  ©ebraud) 
gemaef/t  unb  baneben  ot)ne  ©Irubel  bag  SofunggWort  aug   einer  Verengung  ber  @r.egefe 

30  bon  @a  6,  10b  entnommen. 

^n  ber  SRärgnummer  beg  Kölner  Vaftoralblatteg  (1907)  finb  überfidjtlicr;  bie  „außer= 
orbentlicfjen  Mittel  jur  Pflege  be<§  religiöfen  2ebeng"  jufammengefteßt,  beren 
ber  U.  fief;  bebient  befonberg  jum^toed  ber  „SRännerfeelforge"  in  feinem  ©inne:  „1. 33oIIs>= 
miffionen  unb  3)tänner=@jercitien,  befonberg  folef/e,  Welche  in  bollfommener  3utücfge^ogen= 

35  r;eit  in  befonberen  @j;ercitienr;äufern  gehalten  Werben ;  2.  moberne  §au§feelforge,  §au§= 
befuge;  3.  Vereine  unb  fivax  50cännerbruberfd;aften,  Kongregationen,  ©efeHenbereine, 
Veruf^bereine  (gad)bereine)  mit  borWiegenb  fird;lid;en  3ft>ecfen,  gürforgeberein  für  ent= 
laffene  Sträflinge  u.  bgl. ;  4.  Vefcb^affung  ^ettgemäfser  guter  2e!türe  (Rettungen,  $e\U 
fünften  jc),  @inrid;tung  bon  Vorromäug=Vercinen,  Sefc^allen,  Kolbortage;  5.  görberung 

40  ber  zeitgemäßen  Vilbung  auf  unferer  ©eite  (gortbilbungSunterrict;:,  fojiale  Kurfe,  ®e= 
battierflubg,  Sßinbt^orftbunb,  Qugenborganifation ;  6.  allgemeine  öffentliche  Volfgberfamm= 
lungen;  7  ct;aritatibe  Einrichtungen  (Kranfenbflegc  jc);  8.  21$ol)IfaIj)rtSetnrid,)iungen 
(©barfaffe,  ©terbelaffe,  ©arlej)engbereine  u.  f.  W.)" 

5i>enn  berart  bie  Vaufteine  für  bie  d;inefifd;e  9)tauer  befebaffen  finb,  fo  laffen  fid; 

45  feit  1864  auefy  bie  Sinien  beS  ©runbblaneg,  nad)  bem  gearbeitet  Wirb,  aufweifen,  unb 
jWar  au§  ber  gegnertfd)en  Darlegung  felber.  ®a3  t^eoretifdje  gunbament  bilbet  ber 
„©tyllabug",  Welker  „bie  Jatl)oItfct)e  Kirche  auf  bie  ultramontane  Beurteilung  ber  ge= 
famten  mobernen  Kultur  feftlegt"  (SJiirbt,  U.,  ©.  12).  2e|te  3lb^Wedung  ift  nieb^tö  anberel 
alg   bie  2lufrict/iung    einer   romanifd;=!leriIaIen  ©enfWeife  unb   ifjrer   §errfc§aft   in   ber 

60  gangen  (Sljriftenfyeit. 

%u§  ber  Scelta  di  Atti  episcopali  del  Card.  G.  Pecei  ora  Leone  XIII 

(Roma  1879,  ©.  417)  ergiebt  fid),  baß  fein  anberer  al3  biefer  ber  „geiftige  Vater  be<§ 
©bltabug"  ift(©ö^,  U.,  ©.57).  SllgVifdbof  bonVerugia  b,at  er  1849  auf  einer  ©tmobe 
ju  ©boleto  ben  Antrag  gcftellt,   eg  möchten  bie  mobernen  Irrtümer   unter  Beifügung 

55  eineg  Verbammunggurteilg  aufgeftellt  Werben.  3)ie  Civiltä  Cattolica  ergriff  biefen  ©e= 
banlen  unb  fct)Iug  bor  (1851),  mit  ber  beborftefyenben  Vulle  über  bie  Immaculata  Con- 
ceptio  eine  berartige  Kunbgebung  jugleia)  auggelien  ju  laffen.  3n  bex  %t)at  fe$te  ^5iug  IX. 
gu  biefem  Qxozü  eine  Kommiffion  ein,  boc^  Würbe  ber  angedeutete  Termin  rttct)t  ein= 
gehalten,  unb  ba  im  $uli  1860  ber  Bifd)of  ©erbet  bon  ^erbignan  85  ^rrlel)ren  gefammelt 

60  blatte,  fo  befab,!  ber  $abft  einer  neuen  Kommiffion  (barunter  ber  ©ogmatifer  ber  Qefuiten 


UItramowtont§«iu§  Urabreit  2^5 

^errone),  auf  ©runb  bon  beffen  BergeicfymS  einen  ©tyllabuS  aufstellen.  2öie  biefer  bann 
auf  80  Hummern  feftgefteHt  unb  bafj  beabftebtigt  würbe,  „burd?  bie  Bollftänbigfeit  ber 
Sammlung  eine  ©efamtbottrin  für  bie  fatfyotifd)e  SSeltanfcfyauung"  gu  bieten,  erörtert 
©cfyanj,  SCrt.  ©tyllbuS  im  ©taatSlerjton,  2.  Stuft.,  V,  641  ff.  Sieben  bem  Syllabus  Er- 
rorum  bat  aueb,  nod)  bie  Encyclica  Quanta  cura,  mit  ber  jener  beröffenttict)t  Würbe,  5 
eine  bofitibe  Bebeutung.  ©oe£  (©.  61  ff.)  unb  grofyfcfyammer  (Beleuchtung,  ©.  12  f.) 
toeifen  barauf  fyin,  bafj  buret)  beren  ben  ©fyttabuS  bectenbe  Stutorität  bogmatifd)  bie  ah- 
fotute  ^errfdjaft  bon  Kircfye  unb  '»Pabfttum  über  alte  Weltlichen  ^nftanjen  feftgeftettt  Wirb, 
greilid)  nimmt  eS  ben  2tnfd)ein,  als  ob  biefe  unbebingte  Stutorität  ber  ©nctytlifa  Iatb,o= 
lifdjerfeitS  nict)t  burd?  weg  als  ben  ©fyltabuS  beefenb  anerfannt  fei  —  ©r^arb  g.  B. 10 
(Siber.  KatfyoliciSmuS,  ©.  165)  beftreitet  eS  — ,  aCCeirt  in  ben  jetjt  mafjgebenben  Greifen 
ift  biefe  3lnerfennung  zweifellos  borfyanben  trotj  ber  mobifi^ierenben  Behauptung  bon 
Z<i)a.n%  a.  a.  £).  ©.  649,  bafs  „bie  Autorität  ber  ©ncbllita  nicfyt  ofyne  weiteres  auf 
ben  ©r/IIabuS  übertragen  Werben"  tonne  (bgl.  bagu  ©oe£,  tl.,  ©.  66). 

£ie  80  ©ä£e  beS  ©fyttabuS  finb  in  jetm  ©rubben  eingeteilt,    bon  benen  bie  brei  is 
erften  (big  ©a|  18)   altgemeine  2tnfd)auungen  tüte  ^antfyeiSmuS,  Naturalismus  bis  t)in 
jum  Qnbifferentiömu§  bermerfen;    ber  bierten  finb  ©Dualismus,  Kommunismus,  geheime 
unb  23ibelgefeüfcf)aften  jugewiefen.  @S  folgen  ^rtümer  über  bie  Kirche  unb  beren  9tect)te 
(@a£  19—38)  über  bie  bürgerliche  ©efellfcfyaft  (39—55),  bie  natürliche  unb  bie  djirtftlicfye 
Sittenlehre  (56—64),  bie  @t>e  (65—74),   bie  Weltliche  §errfd)aft  beS  ^ßabfteS  (75—76)  20 
unb  Irrtümer,  meldte  fieb,  auf  ben  mobernen  SiberaliSmuS  begeben  (77—80).   ®a  bie  ©el= 
tung  biefer  ©ä|e  negiert  wirb,  fo  ift  bie  bofitibe  Seb,re  gu  finben,  wenn  man  bie  ©ä|e 
umfefirt,  unb  ba  leuchtet  benn   ein,   bafs   jWtfcfyen  ben  im  ©tytlabuS   tl)atfäd)licb.    nieber= 
gelegten  babftlicfyen  ,£>errfd)aftSanfbrücI)en  unb   bem   mobernen  ©taatSwefen  ebenfoWenig 
ein  ebrlicfyer  griebe  befielen   fann  toie  gtbifc^en  ber  ba'bftlicfyen  Sebre   nebft  ifyren  §oIge=  25 
rungen  unb  ber  ebangelifcfyen,  tüte  fie  fieb,  auSbrägt   auf  ben   berfcfjiebenen  ©ebieten   beS 
religiöfen  SebenS. 

3m  BlicE  auf  ©nebflifa  unb  ©bllabuS  fagt  ®bltinger    (AI.  ©Triften  ©.  206  ff.): 
„9)tan  tonnte  früber  fagen,  bie  Bezeichnung  „ulteamontan"  fei  nur  ein  gefyäffigeS  9Jcanbber 

—  baS  ift  nun  anberS:  ber  11.  ift  feine  giftion  mef)r,  fonbern  eine  reelle  unb  aggreffib  30 
borfebreitenbe  SSJiac^t,  bie  tfyren  Krieg  mit  allen  im  tircblict/en  ^>arteit>aber  anWenbbaren 
SBaffen  fübrt,  unb  bie  Kluft  gwifcfyen  ben  ©eiftern  biefer  9xtct)tung  unb  tfyren  (tatb,  olifeben) 
©egnern  mufj  mebr  unb  meb,r  auet)  bem  btöbeften  3tuge  fid)tbar  werben"  3ufammenfafien^ 
ftellt  ©oetj  (U.,  ©.  60)  bie  Senbeng  I)erauS:  bie  gange  Söelt  ju  leiten  bureb,  ben  KleruS 
mit  ber  fbejififc^  romanifeben  ©eifteSfc^ulung,  bie  im  ©egenfa|  ju  anbern  tb,eologifd)en,  35 
))b,ilofobbifcb,en  unb  allgemein  miffenfdjiaftlicben  9tict)tungen  fbejiell  bie  ^efuiten  bertreten 

—  ein  ©Aftern,  baS  eine  burcb,gefüb,rte  33erquictung  bon  Religion  unb  ^otitit  ift. 

S5a§  ©treben,  in  ber  6b,riftenbeit  bie  romanifct)4Ierifale  SDenfmeife  jur  ©ettung  $u 
bringen,  ift  einft  in  ber  jmeiten  §älfte  beS  16.  unb  im  17.  ^«^r^unbert  tro^  ber  ioeit 
günftigeren  Sage  in  ben  eurobäifeben  Nationen  nur  ftellentoeife  bon  @rfolg  getoefen.  ^a,  40 
bie  ^atfac^e,  baf$  eS  im  18.  ^af>rt)unbert  ber  Stufflärung  gelang,  in  bie  fatbotifcb,  e  Kircfye 
felbft  einzubringen  (bgt.  S-„  B.  ©cb,iüab,  grang  Berg,  1869,  2lbfcb,n.  8,  9,  10  unb  15) 
unb  in  ©eutfcblanb  unb  Dfterreicb,  beacb,tenStberte  Reformen  auf  bem  tfyeologifcfyen,  bem 
allgemein  literarifetjen  unb  bem  brattifc£)en  ©ebiete  ju  inaugurieren,  geigt,  bajj  aueb,  bie 
tunftboUfte  c^inefifclje  3Jcauer  ba  nid^t  ftanbfyält,  tbo  ein  mächtiges  geiftigeS  2öeben  bie  45 
Rationen  ergreift.  2Ser  fieb,  aber  t)eutgutage  bie  $rage  borlegt,  ob  ober  tbietoeit  mafsgebenb 
jener  romanifc^^lerifale  ©eift  bureb^bringen  tbirb,  ber  toolle  beachten,  ba^  baS  unleugbare 
3tnfteigen  ber  ultramontanen  aBette  in  SDeutfcbJanb  allein  ttict)t  entfcfyeibenb  ift  —  felbft 
teenn  man  glaubte  brognoftigieren  ju  muffen,  bafs  biefelbe  noct)  weiter  fteigen  unb  atteS 
2anb  berfcb^lingen  toerbe.  üBenratf).     so 

Umbrett,  ^riebrieb  SBilbelm  Kart,  geft.  1860.  —  Sie  9?etroIoge  Don  ©tfjenfet 
Olügem.  ttrrfil.  3eitfd)r.  1860,  §eft  6,  ©.  11  ff.);  $|RülM8u&er  (9?cue  eüangel.  ttr^enseitung 
W60,  9?r.  23)  unb  Bitte!  (2Wgem.  girc£)en^ettg.  1860,  %lv.  54)  werben  ergänzt  burd)  bie  non 
3-  6.  33.  9RoIjr  ju  |>etbeI6erg  1860  (je^t  ^3aul  SiebeiJ)  Verlegten  „3wei  9feben  gehalten  am 
©rabe"  [Umbreite]  üon  bem  ^eibelberger  ©tabtbfarrer  jum  ^eiligen  ©eift,  bem  fpäterett  s^rä=  55 
taten  3-  •'poltjmamt  unb  bem  Kollegen  SR.  SRotfje,  befonbevg  aber  burd)  baZ  tion  bem  früberen 
Kollegen  unb  langjährigen  9Jiitberau§geber  ber  SfiStü  ß.  UHtnann  gejetebnete  fiebenSbitb  be§ 
Sreunbe§,  baS  in  ber  gemeinfam  gegrünbeten  ßeitfcfjrift  (]S62,  §eft  3)  erfdiieu  unb  al§  ?(n= 
^ang  (im  Sonberbvucf  ©.  47—79)  uon  ^Srof.  Lic.  3ltet)m  eine  9t6£)anbtung  bradite,  in  ber 
„bie  Ittterärifcbe  SBirffamfeit  UmbvettS  nad)   itjven  ^aupterjeugniffeu  gefd)ifbevt"  ift.  wi 

«ear=®ncftftoDäbie  für  Ifieotogic  unb  Mir4e     3.  M.  XX.  1 5 


226  Itmbrctt 

U.  Würbe  am  11.  silbrit  1795  ju  ©onneborn,  einem  größeren  ©orfe  unfern  ©otfja, 
geboren.  ®ie  grömmigfeit  ber  ©Itern,  bie  ifyren  einigen  ©oljm  jum  ©tubium  ber  %l)w- 
logte  beftimmten,  unb  ber  funftliebenbe  ©inn  bes  Baters,  eines  9Jceifters  auf  ber  Drgel, 
äußerten  einen  nachhaltigen  ©tnflufe  auf  fein  empfängliches  ©emüt.  ©djon  auf  bem  ©otljaer 
5  ©bmnafium  (1809 — 1814),  beffen  ^rofeffor  Sftegel  trefflict)en  Unterricht  im  ^ebrätfcfyen 
erteilte,  Don  ber  ^oefie  bes  2l£s  mächtig  angezogen,  liefe  er  fid)  feit  §erbft  1814  auf  ber 
Uniberftiät  ju  ©ötttngen  bon  %  ©.  @id}l>orn  leicht  für  bas  ©tubium  ber  fog.  orientali= 
fcr/en  ©prägen  begetftern.  ©ine  grud)t  besfelben  liegt  uns  bor  in  ber  14  Quartbogen 
ftarfen,  auf  Soften  ber  Uniberfttät  1816  gebrudten  ©bttinger  ^reisfdnnft :  „Commentatio 

10  historiam  Emirorum  al  Omrah  ex  Abulfeda  exhibens"  2Bie  fefyr  aber  aucb,  ber 
fdjon  fo  früb,  ber  gelehrten  3BeIt  betannt  gemachte  ©cfmler  ber  Georgia  Augusta,  bem 
fein  Sefyrer  ©tcf^orn  bereite  am  ©cfylufe  bes  erften  ©emefters  bie  arabemifdje  Saufbalm  in 
Slusficbi  geftedt  fyatte,  auf  Erwerbung  grünblicfyer  ©bradjfenntniffe  bebaut  blieb,  fo  war 
es  bod)  Weniger  ein  rein  fbrad)Iicr/es  ober  gar  gefcfyicfytlicfyes,   als  bielmefyr  ein  äft^etifcb.eg 

i5  Qntereffe,  bas  fein  für  alles  menfdjltdj  ©ct/bne  unb  ©rfyabene  empfängliche^  ©emüt  ju  ben 
Werfen  bes  SJlorgenlanbes  ^injog.  DZocb,  als  ©tubent  berfafete  er,  §erber  unb  ©icfyf/orn 
ju  „leitenben  ©eftimen"  erWäfylenb,  als  Commentatio  philosophico-critica,  bie  ifym 
fbäter  §ur  Habilitation  biente,  feine  erfte  ©cr)rift  über  ben  $rebiger,  beren  %itd  lautet: 
„KoI)eIets  bes  Weifen  Königs  ©eelenfambf  ober  bfyilofobfyifcfye  Betrachtungen  über  bas  b,öd)fte 

20  ©ut,  aus  bem  £>ebräifcf)en  überfetjt  unb  als  ein  ©an^es  bargefteßt,  ©otfya  1818"  SDiefer 
auf  WiHfürlicfyen  Bersberfei}ungen  rufyenbe  Berfucfy,  bie  ©infyeit  bes  Bucfyes  nacb^uWeifen, 
ben  er  burd)  bie  2lbf)anblung  „Coheleth  scepticus  de  summo  bono"  1820  Weiter 
frttifcf)  begrünben  Wollte,  Würbe  inbes  fbäter  bon  ib,  m  aufgegeben  unb  fa)erjr)aft  als  „litte* 
rärifd)e  ^ugenbfünbe"  bejeidniet.  Bon  feiner  Borltebe  für  bas  rätselhafte  Bucb,,  ben  ©egen= 

25  ftanb  feiner  erften  altteftamentlicfjen  Borlefung  jeugt  nod)  bas  1849  erfcfyienene  ©cfyriftdjen : 
„2öas  bleibt  ?  3«tt0«wiäfe2  Betrachtungen  bes  Königs  unb  $rebiger3  ©alomo  über  bie 
©itelleit  aller  üDinge.  Überfe|t,  erflärt  unb  in  u)rem  toofylgefcfyloffenen  gufammenljtange 
entwickelt",  Worin  er  „ben  greifentwften  SLon"  bes  in  ©alomos  Statnen  rebenben  ^rebigers 
Wieberjugeben  ftrebte. 

30  Dbfcfyon  er  im  grü&jabr  1818  unter  bem  ©eneralfuberintenbenten  Breifdmeiber  bas 
tt)eoIogifd)e  Kanbibatenejamen  ju  ©otfya  mit  ©fyren  beftanben  f)atte,  berjicbiete  er  auf  ben 
Beruf  eines  braftifcfyen  ©eiftlidien  unb  fel)rte  nacb,  ©öttingen  gurütf,  um  fid)  bafelbft  ben 
bfyilofobfnfdjen  ©oltorgrab  §u  erwerben  unb  im  §erbft  1818  afe  ^ribatbocent  feine  erfo!g= 
reiche  Söirffamfeit  ju  beginnen.  Unterbrochen  Würbe  biefelbe  im  ©ommer  1819  burcb,  eine 

35  Wiffenfdjaftlidje  Steife  nact;  Söien,  Wo  er  mit  bem  geiftesberWanbten  §ammer=BurgftalI, 
ben  er  für  „ben  erften  Kenner  ber  ©d)riftfcr/ät$e  bes  SRorgenlanbes"  gehalten  t>at  (»gl.  aber 
ben  21.  ©cfylottmann  in  58b  XVII  ©.  620,  3  f.),  fid)  auf  immer  innig  befreunbete.  93e= 
reitö  im  §erbft  1820  »erfdjaffte  ib^m  bie  ©mbfel;lung  bes  berühmten  5)]aläograbf)en  Stopp, 
ber  ein  greunb   bes  SDZiniftcrs  Steisenftein  War,   ben  3tuf   als   aufeerorbentlicb,er  5ßrofeffor 

40  ber  5|]b,iIofobl)ie  unb  Geologie  in  ber  ^ilofobfjifd^en  ga!ultät  ju  §eibelberg,  Welker  er  feit 
1823  als  Drbinariu§  angehörte;  unb  biefe  ©teile  l)ielt  er  fid)  audj  offen,  aU  er  1829 
jum  Orbinarius  ber  tl)eologifcb,en  -Jafultät  ernannt  Würbe.  3>m  Greife  feiner  gamüie,  ber 
er  ftets  ein  liebeboller  unb  gärtlidjer  ©atte  unb  SSater  War,  im  innigen  Beriefe  mit 
5ab,Ireid;en  greunben  unb  bor  allem  in  ber  Siebe  ju  feinem  Berufe,  bem   er   als  Se^rer 

45  unb  ©djriftfteHer  mit  gvöfeter  Slreue  oblag,  führte  nun  U.  ju  §etbelberg  ein  glüdlic^es 
unb  ruhiges  Seben,  bantbar  geftimmt  burd)  ben  ficb,tlict)en  ©egen,  Weidjen  ©Ott  auf  feine 
SBirlfamleit  legte,  unb  b^lid)  erfreut  burd)  bie  bon  ben  berfcfyiebenften  ©eiten  i^m  ju 
teil  Werbenbe  Bereb,rung  unb  älnerJennung.  Slber  er  b,atte  jule^t  eine  fcfywere  ?ßrüfung 
auszufallen,   ba   ifyn  im  ©ommer  1858  ber  Slltersbranb  ergriff,   bon  Welchem  ib,n  erft 

50  nad)  unfäglicf)en,  mit  d)riftlid)cr  ©tanbb,aftigfeit  unb  aufrichtiger  grömmigleit  ertragenen 
Seiben  am  26.  älbril  1860  ber  %ob  erlöfte. 

2öenn  Wir  je|t  ben  Berfuc^  machen,  über  U.s  Bebeutung  uns  9iecr)enfcr)aft  ju  geben, 
fo  Wirb  unfer  Blid  fofort  auf  „bie  eble,  berfölmenbe  unb  jufammenb,altenbe  Kraft  feiner 
^erfon"  gerichtet,  auf  bie  bon  9fatf)e  fo  treffenb  gefdjilberte  „Kinblid)feit  unb  2öeitfinnig= 

55  leit  feines  berfönlidjen  ©j^riftentums,  in  ber  er  fid)  fo  ganj  unb  gar  nid)t  ausfc|)liefeenb 
berb,ielt  gegen  bie  begebenen  9iid)tungen  unb  Färbungen  ber  d)riftlicf;en  grömmigfeit, 
fobalb  er  nur  bie  toerfönlicfye  2öab,rbeit  berfelben  inne  Würbe"  ®agu  fam  ber  offene  Blicf 
nic^t  nur  für  bie  ©d^önb.eit  ber  ^oefie  bes  %%§,  fonbern  aud)  mein  unb  meljr  für  bie 
©öttlicfyfeit  feines  ^nb,altes,   Woburd)   er  befähigt  Würbe,   feinen  3u()btern  unb  ben  jaf;I= 

60  reichen  Sefern   feiner   begeifierten  ©Triften  bas  312  lieb  unb  Wert  ju  machen.    Sluf  tote 


Umbreit  227 

©elefyrfamfeit  War  U.3  ©treben  nid^t  gerietet,  aber  ben  ©runbfinn  ber  bJL  ©ebrift  in 
$orm  unb  ©eift  immer  reiner  unb  umfaffenber  ju  ernennen  unb  für  bie  richtige  SBürbigung 
beä  Sllten  SBunbeS  in  ber  cfyriftlid^en  Geologie  unb  $ircr)e  unermüblicb,  gu  Wirren,  ba3 
blieb  fortwäfyrenb  feines  SebenS  ^od^fte  greube.  ©eine  tfyeologifdje  Stiftung  Würbe  im 
Öoufc  ber  Igabre  eine  toofitibere;  aber  im  SBefttje  eines  gefcfjloffenen  SfyftemS  ift  btefer  5 
©otteggelc^rtc  nie  gefoefen.  Dbgleicb,  er  ftcb,  (bgl.  %t)&t®  1858,  6.  607)  mit  ber  Un= 
mlänglidjfeit  fircr/lidjer  Sefyrformetn  ntdjt  abfmben  laffm  wollte,  freute  er  fief),  mit  ftreng 
iftrdilidjen  SluSlegem  in  ber  liebeboHen  ©rforfctmng  ber  Offenbarungen  be§  ^eiligen  in 
gSr'ael  gufammentreffen ;  aber  folgen  gegenüber,  bie  eS  jur  d;rtftltcr)en  ^flict/t  regneten, 
£erber  unb  @icJ)fyom  gerabejm  über  23orb  gu  werfen,  befannte  1852  ber  friebfertige  SRann,  10 
bon  feinem  feiigen  Setyrer  @id)l)orn  folgenbe  brei  ©rüde  gelernt  p  t)aben:  „1.  <£>ie  Uritif 
ber  I?l.  Schrift  ift  eine  broteftantifdHreie  SBiffenfcfyaft.  2.  3)ie  2Iu3legung  berfelben  mufj, 
Wenn  aueb,  ntd^t  allein,  bod)  aud;  im  ©eifte  beS  Orients  geübt  Werben.  3.  35ie  Humanität 
unb  Pietät  gehören  auet)  gur  Religion  unb  inSbefonbere  jum  guten  beutfct)en  ©tnn" 

U.  geicfynet  unS  f eiber  feinen  ©nttoidelungSgang   mit  ben  Sßorten  (2$©t$   1856,  15 
S.  177):   „3d>  toarb   burd}  ©icbjfyorn  gu  £erber  unb  §ammer  geführt  unb  machte  bie 
orientaltfcr)4beologifcr;e,    fowie  fbäter  bie   tr)eologifct)=ortentalifcr;e   ©rllärung  beS  SföS  p 
meiner  borjüglicbften  Wiffenfct)aftlict;en  SebenSaufgabe"    Dirne  Drientalift  im  jetzigen  ©inne 
be§  SöorteS  ju  fein,  befafß  er  gute  ©toracfylenntniffe  unb   ein   feines  SSerftanbniS  für  bie 
(gtgentümltd^Jeit  beS  tyn   anhieb,  enben  morgenlänbifdt)en  SBoIfStumS;    unb  ot)ne  2tnfbruct)  20 
auf  ben  tarnen  eines  mit  fct)arf  gugefdmittenen  bogmatifct)en  Segriffen  arbeitenben  5£t)eo= 
logen,  berftanb   er   es  um   fo  beffer,   bie  religiöfen  Stimmungen  unb  2lnfct)auungen  ber 
©otteSmänner  beS  Sitten  SunbeS  glüdlict)  nacbjuembfinben  unb  lünftlerifct)  barjufteßen.  ©o 
fanb  benn  fd)on  baS  erfte  ©ct)riftd)en  ll.§  über  baS  §oI)elieb  bielfact)en  Slnflahg,  baS  unter 
bem  5£itel  „Sieb  ber  Siebe,  baS  ältefte  unb  fdjönfte  auS  bem  SRorgenlanbe.   9?eu  überfeijt  25 
unb  äftbetifcb,  erftärt"   ju  ©öttingen  1820  erfdbjen.    Ungemein  erfreute  ben  33erfaffer  bei 
biefem  SBerfudje,  baS  §ot)elieb   gegen  §erber  als  @in  äufammenfyängenbeS  ©ange  ju  er= 
toeifen,  ber  ^Beifall  ©oett)e§,  ber  ftcr)  noeb,  im  Weftöfttid)en  ©iban  über  bie  2Serfuct)e,  @in= 
r)eit  in  baS  §o!?elteb  gu  bringen,  nict)t  günftig  ausgebrochen  batte,  bagegen  bon  UM  ©ebrift 
urteilte:  „-Stieb,  bünft,  ber  Serfud)  ift  biegmal  glüdlidb,  gelungen"    @ine  jWeite  berbefferte  30 
unb  bermefyrte  Sluggabe,  bie  Wegen  ber  2tu§fd)neibung  übbiger  Manien  jugenblic^er  $lian= 
tafie  jugleicb,  eine  berminberte  fyeifjen  lonnte,  erfajien  1828  §u  §eibelberg;  unb  aud)  fbäter 
berlor  II.  ba§  ^ob.elieb  nie  au§  bem  Sluge.  ©afür  jeugt  au^er  meb^rfacb^en  Sefbrec^ungen 
in  ben  ,,^©tÄ"  unb  bem  betreffenben  älrtüef  in  biejer  ©ncbllobäbie  aud^  feine  „@rinne= 
rung  an  ba3  §of)eIieb"  (§eibelberg  1839)  bei  ©elegenfyeit  be§  öOjälfrigen  ^rofeffor=  (ni<f>t  35 
3)oltor=)  Jubiläum«  bon  §.  @.  ©.  ^5aulug,  bie  fcfyon  aU  einlJenfmal  feiner  eblen  §uma= 
nität  bier  @rWäl)nung  berbient;    bg(.  ^eicl)ltn=3)lelbegg,   ^]aulu§  unb  feine  gett,    Sb  II, 
<5.  237 f.    3Rod)  beutlid^ier  geigte  fid^j  feine  feltene  ejegetifclje  Begabung   in   ber  ©rflärung 
be§  $iob   (,,©a§  Sucb,  §iob.    Überfe^ung  unb  Sluölegung   nebft  ©Weitung  über  ©eift, 
^orm  unb  Sßerfaffer  beä  Sucres,  §eibelb.  1824",   beren  jweite  Auflage  (1832)  auä)  m§  40 
(Snglifcb,e   überfe^t   Würbe.    SDiefelbe  Begabung   geigt  fieb,    in   ber  (Mlcirung  ber  obrücb,e 
(,,$b,ilologifd9=fritifcb,er  unb  bb,ilofobl)ifcb,er  Kommentar  über  bie  ©brücfye  ©alomog,   nebft 
einer  neuen  Überfettung  unb  einer  (Einleitung  in  bie  Sftorgenlänbifcfye  Söei^eit  übertäubt 
unb  in  bie  §ebräifcb.=©alomonifa)e  in^befonbere,  §eibelberg  1816"). 

©djon  bei  biefen  arbeiten  offenbart  fid)  feine  fpäter  immer  beutlicfyer  b,erbortretenbe  45 
praltifd)e  3lidb,tung;  er  Wollte  bie  geiftige  unb  religiöfe  (Erhebung,  bie  it>m  gu  teil  ge= 
Sorben  War,  burdb;  gefcb/madwolle  unb  treue  2öiebergabe  ber  betligen  Quellen  aua)  ben 
Ungelegten  gugänglia)  mad^cn.  slisie  U.  feit  1828  feine  ©tellung  in  ber  9tebaftion  ber 
bon  ibm  mitgegrünbeten  „©tubien  unb  ^ritüen"  jur  SSerfö^nung  ber  Wiffenfcfyaftlicben 
^ntereffen  mit  benen  ber  ctyriftlicr/en  grommigfeit  treu  unb  unberbroffen  benu^te,  fo  War  60 
«3  ib,m  aueb  ein  befonbereS  anliegen,  bie  ©rgebniffe  ejegetifd^=Wiffenfcb,aftlicb,er  gorfcb,ung 
ber  cfyriftlicfyen  ßrbauung  gu  bermttteln  unb  bie  ©runbtöne  ber  betligen  93Jufif  beS  Sllten 
S3unbeg  jebem  frommen  §ergen  berne^mlid)  anjufcf)lagen.  3U  biefem  3toed;  giebt  bie 
„e^rtftlic^c  (Srbauung  auö  bem  ^falter"  (Hamburg  1835)  eine  tlberfe^ung  unb  (Sr^ 
tlärung  35  au§erlefener  ^falmen  in  brei  2lbftt)nitten,  ©laube,  förlöfung  unb  §offnung,  66 
beren  le^ter  $ff  2,  110,  72  beb,anbelt.  Sie  aud;  inö  ^oßänbifd^e  überfeinen  „©runbtöne 
fce$  StX"  (Hamburg  1843),  Weld)e  au§  ber  braltifdien  ©rflärung  beS  5H23  im  §eibel= 
berger  ^rebigerfemmar  berborgingen,  b«nbeln  am  Seitfaben  aulgejeidjneter  ©djriftftetlen 
Sunäü)ft  bon  bem  fcböbferifcb,en,  ewigen,  berfönlid)en,  ©inen  ©otte  unb  feinem  ©eifte  unb 
Sorte,  bann  bom  ÜRenfc^en  unb  fd;lie^licb,  bom  3J}effia<3.    Slu^er  ben  Heineren  2luffä|en  eo 

15  ! 


228  ttrairett  ltnber=gucf 

in  ben  „2$©t$",  toelcfye  gar/lreicr/e  ^enftonen  unb  ©elbflangeigen  auS  U.S  $eber  ent= 
galten,  erroäbjte  id)  nocb,  bie  2lbt;anblungen:  „De  veteris  testamenti  prophetis,  cla- 
rissimis  antiquissimi  temporis  oratoribus,  Heidelb.  1832,  4°"  unb  „£>er  Änedjt 
©otteS.  Settrag  jur  (Sr/riftologie  beä  Sitten  SeftamentS,  Hamburg  1840"  ©enfelben 
5  b,  ol/en  gtoecf  berfolgt  ben  Geologen  gegenüber,  fo  baß  alfo  ber  gelehrte  3($>arat  nicfyt  ganj 
fel/lt,  U.S  bebeutenbfteS  Söetf,  bie  ©rflärung  ber  ^ro^eten  außer  %ona  unb  ©aniel 
(^ßraltijd^er  Kommentar  über  bie  ^ro^eten  beS  Stlten  SunbeS  mit  er.egetifcf)en  unb  ftt= 
tifcfyen  Stnmerfungen,  4  Sbe,  Hamburg  1841—46"),  toobon  baS  Bucb,  Sefaja,  baS  er 
aud)  in  ber  1.  Stufl.  biefer  @ncr/flo£äbie  befcfyrieb,  1846  in  »erb.  Auflage  toieber  erfcbjen. 

10  2lber  U.  begnügte  ficr)  nicfyt  bamit,  ben  bleuen  Sunb  im  Sitten  mit  ben  lidjteften  garben 
ber  ^ropfyeten,  bie  er  „bie  älteften  praltifcfyen  Geologen  im  ©ienfte  beS  einen  lebenbigen 
unb  ^eiligen  ©otteS"  nannte,  gu  geict)nen;  eS  brängte  ilm  aucfy,  bie  ©rgebniffe  feiner  alt= 
teftamentlid^en  gorfcfyungen  %ux  Slufr/ellung  beS  %l%3  %a  bertoenben.  ©o  entftanb,  nadjbem 
auS  ben  Vorarbeiten  eine  ©in^elfdjrift    („Sie  ©ünbe.    Seitrag   jur  Geologie  beS  SCS^, 

15  Hamburg  unb  ©otfya  1853")  erroacbjen  roar,  fein  leistet  größeres  2Berf:  „©er  Srief  an 
bie  Corner  auf  bem  ©runbe  beS  21SES  aulgelegt,  ©otf}a  1856" 

2lucr)  bie  atabemtfcfye  Sefyrtb,  ätigfeit  U.S  toar  überroiegenb  bem  21%  geroibmet.  2Bäb,renb 
aber  ber  Unterricht  in  ber  fyebräifdjen  ©rammatil  unb  in  ben  Elementen  anberer  femiti= 
fcr)er  Sprachen  immer   feltener  rourbe,    begannen  fcfyon  1826  unb  1827   bie  regelmäßig 

20  fortgefe^ten  Sorlefungen  über  bie  apoftolifc|en  Briefe  unb  bie  Einleitung  ins  31%.  2tuf= 
faKenb  ift  baS  gurücftreten  ^vc  tyiftortfd&en  Sudler  beS  21S£S,  hne  benn  überhaupt  ber  ge= 
fcfücfytltcrje  ©inn  in  U.  weniger  enttoicMt  geicefen  ju  fein  fcfyeint.  3um  ^e^  hieraus  läßt 
fid/S  iüot)t  erflären,  baß  ber  getoiffenfyafte  3Rann  unbefcfyabet  feiner  aufrichtigen  2öab,r= 
fyeitSliebe  öfters  ber  ©efab,r  erlag,    ficb,    burcb,    ben  ©djein  ber  ©läubigleit  einer  2lnfid)t 

25  blenben  ju  laffen,  Wenn  biefelbe  feinem  frommen  ©efül)le  jufagte  unb  burdj  bie  gegenüber: 
ftefyenben  ©cfyrmerigfeiten  für  itm  ben  SRetg  beS  Slieffinnigen  gewann.  Sei  biefer  Sefyaup= 
tung  I)abe  ict)  weniger  bie  2lnnäb,erung  an  bie  fircblicfyen  SSJceinungen  über  $ef  7  u.  §i  19 
im  Sluge,  als  j.  S.  bie  ©elbfttäufcfmng,  meldte  itm  in  bem  fyofyen  ©djöpfungSgefange  am 
(Eingänge   in  baS  Heiligtum  beS  %%$  eine  ©reieinigfeit   beS  göttlichen  SBefenS  bemerfen 

30  ließ,  foroie  fein  faft  unbebingt  juftimmenbeS  Urteil  über  S3äl)rg  ©r/mbolil  be§  mofaifdjen 
^ultu§;  toenigftenö  bezweifle  id;,  baß  je|t  nod)  ein  „feit  Sängern  im  Oriente  §aufenber  unb 
bon  feinem  ©eifte  Erfüllter"  (2b,©tK  1843,  ©.  169)  jenen  Deutungen  ber  3a^)Ien=  unb 
9Jtaßbeftimmungen  feinen  bellen  Seifall  toirb  fcf/enfen  lönnen.  Übrigens  regnete  U.  felber 
fritifcf/e  ©d^ärfe  ntd^t  ^u  feiner  befonberen  Segabung  unb  Ijatte  aucf)  ein  Setoußtfein  barum, 

35  baß  ficb.  if)m  ^utoeilen  baS  ©efül)l  in  allp  großer  Seh)eglicf)Ieit  an  bie  ©teile  nüchterner 
Betrachtung  brängte.    Sgl.  9{euß'  Srieftoecfjfel  mit  ©raf.    ©ießen  1904,  ©.  146. 

Siatürlicr;  toerben  bie  Urteile  über  ben  roiffenfdjaftlid^en  2Bert  ber  einzelnen  ©cfiriften 
U.S  je  nac^  bem  ©tanb^unfte  ber  Seurteilenben  berfcb,ieben  auSfaßen.  granj  ©eli|fd^ 
ftt^rieb,  als  er  UJ  %oh  erfahren  b,atte,  an  feine  Söitroe:   ,,©ie  lirc|Iic|)e  unb  inSbefonbere 

40  bie  altteftamentlid^e  2Biffenfdpaft  fyat  einen  ib,rer  ^ort^^äen  berloren,  ben  -Kann,  ber,  tüaS 
§erber  begeiftert  begonnen,  im  ©eifte  bollenbet  unb  ber  menfcf;licf)en  ©eite  beS  alten  SLefta= 
ments  ol>ne  Serlennung  ber  göttlichen  ju  rechter  SBürbigung  berfyolfen  b,at"  ©arüber 
aber  lann  tootyl  fein  3t»eifel  befielen,  baß  baS  liebenStoürbige  unb  befcljeibene  SBtrlen  beS 
3DtanneS,  ben  nacf)  3totl)eS  geitsm^  „eine  feltene  Sertnü!pfung  mannigfaltiger  ©aben  unb 

45  £ugenben"  gierte,  ju  ben  mo^lt^uenbften  ©rfdjeinungen  in  unferer  Sermtttelungetfyeologie 
gehört.  Stbolf  Äomp^oitfen. 

ltnber:=@h{f(Unberer/cf",  Unteret^f,  aud)  Dnbereid),  ^^eobor,  geft.  1693. — 
3tuei  gute,  leiber  fetir  turje  Seben§6erict)te  bei  ©ottfr.Slrnolb,  £eben  b.  ©laubigen  <B.  933— 945; 
Wat  ©oebel,  @efct).  b.  cfjriftl.  Se6en§  II,  @.  300 ff.;  §.  §ep|je,    ftircfjengefrf). 'beiber  Reffen  II, 

50®.  330;  beif.,  ©efdj.  beS  $iettSmu§  in  ber  ref..ttrd)e  ©.  469 ff.;  '91.  SRitfc&I,  ©efci).  beS 
«ieti§mu§  I,  @.  371  ff.;  g.  gr.  Sten,  Soacbtm  «Reanber  @.  61—76,  272—279;  gr.  SS.  ßuno 
in  9lbS3  39,  @.  279 f.;  «RttfdjlS  Untermietung  bringt  tr>eoIogtfct)  am  tiefften,  ift  aber  trogbent 
wenig  befriebtgenb.  6r  benugt  außer  ©oebel  taum  jroet  [oon  fünf]  ©djrtften  U.S.  Sie  93e= 
beutung  biefeg  ^iietiften  ift  auS  feiner  @d)riftfteHerei  nur  ungenügenb  jju  erfennen.  fRtieinifdie 

55  Sitten  finb  uon  ©oebel  fleißig  üerroertet.  Ueber  bie  SBrenter  gett  finbet  fi^  ungleicf)  widjtigereg 
SKaterial  in  ben  bortigen  ?lrd)iüen  (TOniftertaU  unb  ^atäfnotofolte,  ifteügionSgefcf).  SremenS, 
9Rffr.  Don  «ßeter  Softer,  geft.  1709,  S3renter  (S^rontf,  «Diftr.  oon  bemf.).  ®ie  treffliche  ?trbeit 
oon  Sfen  gewährt  eine  reetjt  gute  Ueberftcl)t. 

I.  Seben  unb  fird)licr)e  ^äm^fe.    S£b,eobor  U.,  ber  erfte  Segrünber  ^ietiftifd)er 
eo  Jlonbentifel  in  ®eutfcb;ianb,  ift  am  15.  ^unt  1635  als  ©olm  eines  toob,l§abenben  refor= 


Unbcr=@ntf  229 

mierten  Kaufmanns  in  ^Duisburg  geboren,  $m  jtoetten  2ebengjab>  berlor  er  bureb,  bie 
speft  ben  Sater,  ©erwarb  lt.,  unb  bie  SJtutter,  ©ara,  geb.  ©alenger,  beibe  9?acblommen 
niebertänbifdjer  ©planten.  ®er  Db>im,  gotyann  ü.,  nab>  fid)  beS  Sermaiften  liebeboß 
an,  bod)  mögen  bie  3«3enberlebniffe  baju  mttgeroirr't  twben,  ifm  ernft  unb  ftreng  ju 
machen.  Sotengtoden  fyaben  tfyn  ftetS  tief  bemegt.  Mit  18  Igabjen  begab  er  fid)  jum  5 
Stubium  ber  SLbeologie  nact>  Utrecht.  Sie  gierbe  ber  bortigen  galultät  mar  93oetiu§ 
(f.  b.  31.),  bei  bem  umfaffenbe  ©etebrfamfeit  unb  grofje  Sefyrtfyätigfeit  Don  ernfter  grömmig= 
feit  burcbleucfytet  mar.  3#m  jur  Seite  ftanben  feine  ©cfyüler,  (SffeniuS  unb  ber  heftige 
ilfattb-  SRet^enuS,  ein  SanbSmann  bon  II.  ©in  gleicfygefinnter  Kreis  ausgezeichneter  ^aftoren 
fämpfte  in  ber  ©tabt  für  purttamfdje  2ebenSb>ltung  unb  für  greifyeit  ber  Kirche  im  ©taat.  10 
öefonber^  embru(f§boÜ  burd)  5ßrebtgt  unb  ^onbcnttfel  toar  feit  1653  Sobenftein.  ©urd)  einen 
brcijäbrigen  3lufentf>alt  in  biefem  Greife  (1654—1657)  empfing  II.  baS  ©epräge  feiner 
^römmigfeit.  Sefonberc  Sebeutung  für  fein  inneres  Seben  Imtte  ber  ^rebiger  ban  ben 
Sogaart  (bgl.  ^afleluja,  ©.  ****  4a).  ®er  fog.  Kapitelftreit  unb  ber  eben  neu  auS= 
brecfyenbe  ©abbatfyftreit  liefen  il)n  unberührt.  U.  mürbe  lein  einfeitiger  Soetianer.  9cad)  15 
Duisburg  jurüdgefebrt,  borte  er  bort  bie  Goccejaner  §unbiuS  unb  ßlauberg,  ja  er  roeilte 
als  Kanbtbat  nact;  furjem  Sefuct)  in  granffurt  a/2ft.  längere  gett  bei  SoccejuS  in  Seiben. 
Spürbare  2öir!ungen  biefer  ©dmle  ftnb  bie  bibtifcfye  Orientierung  ber  Segriffe,  ©inn  für 
fpracfylicfye  Ünterfuct/ungen,  Sermenbung  ber  SunbeSibee,  tppifdje  ©eutung  beS  <Sahhatfy 
geboteS  (am  nacfybrüdttcfyften  in  SBegeroeifer  ber  Einfältigen  %v.  131,  aud)  §atlel.  ©.  560).  20 
6ine  afabemifcfye  Steife  führte  itm  nad)  ©nglanb  unb  granlreid;  unb  borfyer  nad)  ©enf. 
Tort  f>at  II.  geprebtgt,  aber  mit  Sababie  moljil  !eine  Serüf)rung  gehabt,  (©egen  ©oebel 
unb  Stitfcbl  bgl.  baS  urfunbl.  geugniS  im  Bremer  3ftin.4prot.  bom  31.  3>uli  1670  bei 
Sien,  ©.  273.). 

9<cad)  feiner  §eimter/r  rourbe  U.,  25jäl)rig   (1660),   $aftor   in  StRütfieim  a.  b.  Stufyr.  25 
Tiefer  Crt  ift  burd)  iljm  %um  fprid)roörtlid)en  Sorbilb  für  ben  gefamten  meberrfyeinifdjen 
PetiSmuS  geworben.    ®ie  jiemlid)  ftarfe  reformierte  ©emeinbe  erlebte  eine  böllige  llm= 
toanblung.    @S  berlautet  ntct)tö  bon  befonberer  Stebegabe  bei  II.,  baS  fyoct/beutfcfye  machte 
ibm  fogar  ©d)mierigfeiten  (Sb)rift  Sraut  ©.  **  5  b).    ®od)  befunben  feine  ©Triften  bei 
aller  ©cb>erfättigfttt  eine  ungetüöb^nlid)  feine  3Utenfd}enIenntni§.  ©tets>  ftet)en  i^rn   treffenbe  30 
Silber  in  gütte  ju  ©ebot.    SJian  fpürt  ben  S^ara!ter,  ber  für  eine  ^eilige  Überzeugung 
fämpft  unb  ju  b^errfd^en  unb  ju  ftegen  berfteb^t.    9J?it  großem  ©rnft  berroaltete   er  fein 
3lmt  in  ^rebigt  unb  ©eelforge.    ®ie  Seben§füf)rung  feiner  ©emeinbeglieber    foHte   in 
jebem  $uge  eine  fbejtfifdj  d;riftlid)e  fein.    Sei  feinen  §au§befud)en   brang   er   auf  @in= 
ridjtung  regelmäßiger  Sefbrect;ung  d)riftlid)er  SBa^rb^etten  im  gamilienlreife.  ®iefe  „5Prir>at=  35 
firdie,  in  ber  jeber  §au§t>ater  ^ßaftor  ift",   fd;ä|te  er  fo  fyod),  bafe  nad)  feiner  Meinung 
e§er  ber  bürgerliche  Seruf  mit  einem  anbern  bertaufd;t  werben  füllte,  al§  ba|  ein  d)rift= 
lic^eS  §auä  folgen  ©otte^bienft   ganj   entbehre  (2Begm.  ber  (Einfalt.,  2Bibmung).    Salb 
erteuc^fen  hieraus  freie  23erfammlungen  jur  Pflege  ber  ©ottfe!ig!eit.    $m  eignen  §aufe 
geftaltete  fia)  UJ  „Übung"  jur  ^ated;ifation.    SBertboIIe  llnterftü^ung  leiftete  ib^m   b^ier  40 
unb  fonft  feine  £eben§gefäl)rtin  Margarete,   %od)ter  be§  franj.=ref.  ^rebigerg  §ulfiuä   in 
SBefel.    Sie  Seute  brängten  fid)   ju  ben  ^3rebigten  unb  Seffcredjmngen.    II.  mar  uner= 
müblitt),   babei    bon  großer  Sefonnenb^eit   unb   gäfyigfeit.     9iicf)t§  fbrungf)aft  Ungleid;= 
mäßiges,  nid}t§  Überfbannte§  geigt  fid)  bei  bem  ^ielgefcfyäftigen  (bgl.  fallet.  ©.  584). 
3ll§  er  1668  3)lülf)eim  a.  b.  3tul)r  berlaffen  blatte,  bro|te   jiüar   eine  SBetle  Sertoirrung  45 
unb  Separation  (bureb  Eingreifen  be§  lutt).  ^erritorialr/errn  unb  Sefud)   be3  Sababiften 
;5öon),  bod;  bie  clebifcfye  ©^nobe  ftellte  batb  bie  Drbnung  mieber  b^er. 

Slteb^rere  eb/renbolle  Berufungen  blatte  11.  au§gefd}lagen,  als  er  £>ofprebiger  ber£anb= 
grafin  §ebmig  ©oplne  in  Gaffel  mürbe  (1668).  Stjad;  §eppe  b^at  er  ben  petiSrnuä  am 
bortigen  §ofe  böllig  fycimifd)  gemalt.  2öir  finben  if)n  fpäter  nod;  bort  in  b^ob; em 2lnfer/en.  50 
Stuf  feinen  ©influ^  lommt  aud)  bie  Serorbnung  be§  Sanbgrafen  üarl  bon  1692,  bureb;  toeld;e 
ßated}ifation  bom  8.  Sebengjafjre  ab,  unb  Konfirmation  mit  14  im  Sanbe  obligatorifd; 
töurbe.  ^rt  Met  boCenbete  U.  feine  erfte  ©dbrift  (St)rifti  Sraut,  6.  ®e§.  1669,  f.  u.). 
<2ie  ift  feiner  gürftin  getoibmet.  ©od)  entbehrte  er  tootjt  aU  §ofprebiger  bie  ©emeinbe= 
tfmtigfeit.  ®arum  fdjtug  er  einen  $uf  ber  Königin  ßb^arlotte  älmetie  bon  ©änemarl  55 
au«,  folgte  aber  gerne,  als  ib/m  1670  baS  2tmt  eines  ^ßaftor  primarius  an  ©t.  SRartini 
in  Sremen  angetragen  mürbe. 

gür  Sremen  bebeutete  U.§  9Jamc  bie  Sofung  einer  Partei,  bie  im  ©egenfa^  ju  ben 
frsberigen  ^3rebigern  ftanb.  Kaufleute  t/atten  ibn  empfohlen,  bie  Sauf)erren  berufen  unb 
Heg  ©el)alt  beroilligt.    CDaS  geiftlict/e  ÜJtiniftertum   ber  ©tabt  hingegen   betrachtete   ib^n  «o 


230  Utibcr=@l)tf 

mit  bcm  größten  9Jiif$trauen.  ®ie  klagen  gegen  ben  unruhigen  teuerer  beim  9kt  mollten 
rtid)t  aufhören.  9?a<|bem  bet  33erbacf)t  be§  SababiömuS  abgefcfyüttelt  mar,  fyeifjt  e3  in 
einer  neuen  33efct;merbe,  XL.  febaffe  bie  ^erifoben  ab,  änbere  bie  Formulare,  bringe  auf 
bie  Mangel,  mag  ifym  gerabe  am  §er3en  ^eSe'   ftW  quäferifcfye  ©ebärben  beim  ©ebet  u. 

5  bgl.  m.  ©ine  allgemeine  Aufregung  ergriff  bie  ©tabt.  9Kan  tonnte  biefem  ÜRanne 
gegenüber  ntc^t  gleicfygiltig  bleiben.  9Jlanrf) e  maren  mie  Don  ©innen  buref;  bie  ernften  33uf$= 
brebigten.  ©inige  ©elbftmorbe  galten  allgemein  al§  folgen.  @§  entfbricfyt  gan^  genau 
ber  ©timmung  in  ben  ortfyoborm  Greifen,  menn  J.  §•  ^e^,  bDn  feinem  greunb  Joadjim 
ÜReanber  berichtet,  biefer  fyabe   aU  ©tubent   einft  U.4  ^rebigt   aufgeführt    „mit  bem  316= 

io  fefyen  etroa<§  ju  I)ören,  fo  man  fyernaef)  übel  beuten  unb  auftragen  möchte".  Sie  blötj= 
licf/e  Sefefyrung  ift  beften§  Verbürgt  unb  in  ber  SStrffamfeit  U.3  nicfyt  ofme  ©leiten. 
©o  miffen  mir  j.  23.  bon  ©.  2B.  Sucf,felber  (1645—1690,  ^aftor  in  Tübingen,  MühU 
beim,  ©mben),  bafj  er  afe  Jurift  buref)  eine  ^rebigt  IU  in  Gaffel  jur  Sfyeologie  geführt 
morben  ift.    9ceanber  ift  fortan   in  linblic^er  2ln^änglid)!eit  feinem   geiftlicfyen  3Sater  er= 

15  geben,  ©ie  Vorgänge  in  Bremen  glichen  im  ganzen  ber  Mülleimer  $t\t,  borf»  behauptete 
fieb;  bie  Dbbofition.  2öie  eine  amtliche  Slngabe  ton  1680  befagt,  fyielt  II.  täglidj  brei 
©tunben  ^ßribatunterrebung  unb  eineinbalb  ©t.  ^ateef/ifation.  ©onntag  Wafym.  ber= 
fammelten  fieb,  bie  9JIänner  unb  jungen  ©efetlen  bei  ü)m  jur  Sefpredjung  eine3  ©<f)rift= 
abfdmttte§.    gaft  noef)  tb,ätiger  mar  feine  grau,    ©ie  leitete  nicfyt  nur   eine  SBefbrecfyung 

20  mit  grauen  unb  Jungfrauen,  fonbern  berfammelte  aueb,  an  allen  2Boc§entagen  bon  11 
big  12  bie  jüngeren  Softer.  SRittmocfy  unb  ©onnabenb  9}acfym.  !amen  bie  kleinen  ^u 
ifyr,  um  auf  bie  Äatedjnfation  borbereitet  ju  werben.  2ln  einigen  anbern  Scadjmittagen 
braute  fie  ben  ©ienftmägben  unb  geringen  Seuten  ba<§  einfältige  Skrftänbniö  ber  5  §aubt= 
fiücfe  bei.    (älu^fü£>rltc^er  Sericfyt  bon  ber  Slrt  unb  äöefyfe,  mie  §err  Unberet;!  unb  feine 

25  .gaufjfrau  i|re  ber/berfeitö  fonberba^re  23erfammlungen  galten,  Venerando  Ministerio 
übergeben  22.  ©ejember  1680  —  mit  Äritif  bom  gebruar  1681,  im  Sremer  ©t.=3l.)  ©ie 
Kollegen  jürnten,  in  ber  ganzen  ©tabt  la$>  man  bie  ©iftate  ber  $Paftorin.  2lber  ber  9fat, 
in  bem  II.  ergebene  2Inr/änger  jäfylte,  bemütigte  nicfyt  ungern  ba§  geiftlicfye  5Rinifterium. 
Unjmeifel^aft  fyat  ber  $rimariu3  bon  9Eftartini   oft  nacb;  ^ietiftenart  ben   lirdjlidjen  ©e= 

30  ftcfytäbunft  berfannt,  unb  bie  tlnterftütjung  feiner  Sefirebungen  angenommen,  mie  fie  fieb, 
itnn  bot.  ©r  I)at  fieb;  um  bie  SRmifterialfitjungen  menig  gelümmert,  obgleich  er  alter= 
nierenber  ^$räfe§  mar.  ©cfjroff  begegnete  er  ben  2lmt§brübern,  bie  auf  feine  2Irt  nidjt 
eingingen.  33ei  ^euma^len  !am  e3  ^u  heftiger  Agitation.  Stacb,  ©t.  50tartini  braute  Ü. 
1676  al§  §ilf§brebiger  feinen  ©cb,üler  6orneliu§  be  §afe,   lie^   ib,n   bann  miberrecfytlicb, 

35  jum  3.  ^rebiger  machen  unb  fo  inä  SRtnifterium  einrücfen.  ®ie  §ilf§brebigerfteHe  mürbe 
1679  mit  Joachim  9ieanber  befe^t.  Jm  ganzen  finb  nid)t  meniger  ate  elf  greunbe  U.8 
^u  feinen  Seb^eiten  auf  Sremer  ©ebiet  angefteßt  morben.  ©ie  famen  au§  gran!furt, 
5Jlülb,eim,  ©Iberfelb  u.  f.  m.  2Seitget)enbe  Sieformbläne  gegen  ba§  ©taatöfircb,entum  in 
Sternen  begegnen  un§  in  bem  „SJiemortal  ber  beiben  ^rebiger  'üLfyeobor  Unbere^i!  unb 

40  ©orneliuä  be  £mfe  an  ben  bräfibierenben  Sürgermeifter  Dr.  $arme§,  praesentatum  Ven. 
Ministerio  1679  b.  27.  Juni."  ^aubtmunfcb,  ift  ein  ^reöb^terium,  ba§  ernftlicfye 
^ire^enjueb^t  übm  unb  ben  ^rebigern  in  ib.rem  3lmt  Reifen  fotl.  ©a§  Slbenbmab,!  gebührt 
nur  ben  ©laubigen.  S3ei  ben  ^inbern  ungläubiger  —  b.  b\  Bier  unmiffenber  —  ©Item 
foH  aueb,  bie  Saufe  nicfyt   ob,ne  meitereS   boltjogen  rcerben.    —    2Bäf)renb  biefe  2öünfcb^e 

45  unburcfyfüfyrbar  blieben,  Batte  H.  großen  ©rfolg  mit  feinen  Semüfjungen  um  bie  5?atecfet= 
fation.  ©rünblicb,e  bfarramtlicfye  Untermeifung  bor  bem  erften  Slbenbma^I^gang  marb 
allgemein  angeorbnet  unb  nal)m  am  28.  Januar  1672  in  ben  bier  ©iabtfirdjen  ib^ren 
Anfang,  ©in  feierlicher  2«t  bilbete  ben  ©cfyluf?.  (Über  U.g  fatecb,etifcb,e  ^ilfäbüdjer  f.  u.) 
—  2)a§  ©djmlmefen  im   engeren  ©inn  tourbe   bureb,  Anregung  einer  ©c|ulgrünbung  im 

60  SDorf  SRabltng^aufen  geförbert.  —  Dfocb,  langen  Semüb^ungen  gelang  1684  für  bie  ^3arocb> 
bon  ©t.  Martini  bie  Slbfcb.affung  be§  33eid)tbfennigg.  —  ateicbjicf!  22  Jaf)re  lang  b,at  U. 
in  Bremen  gemirlt  unb  mel)r  unb  me^r  33oben  gemonnen.  3ll§  er  am  1.  Januar  1693 
bie  2lugen  fcfilo^,  lam  aueb,  im  9Kinifterium  bie  §ocf)acf;tung  bor  bem  feltenen  SDtanne 
jum  Slugbruc!.    %loä)  am  2öeif)narf»tgfefte  batte  ber  Stoftlofe  meb^rfaef»  gebrebigt.  Sei  bem 

55  Begräbnis  am  6.  efyrte  be  $afe  t&n  buref)  eine  feböne  „3lbbanlunggrebe"  (aufer  b.  Strnotb 
bor  §aCeI.2  1722). 

II.  ©cfyriften.    ©ie  Mitteilungen  hierüber  finb  fo  lücfenfyaft  unb  falfcb,,  bafe  eine 
genauere  Überfielt  nötig  ift.    3u0Ie^  führen  mir  bamit  bie  §aubtgeban!en  U.§  bor. 
1.  6f)rifti  Sraut  unter  ben  Xöcb^tern  ju  Saobicaea,   ba§   ift  ein  b,od)nbtiger  SEraftat 

60  in  biefen  legten  Sagen,  barinnen  bie   lebenbige  Äraft  be3   feügmacJjenben  ©laubenö  bon 


Uitber^ijrf  231 

allen  ©dmtad/reben  ber  in  biefer  ^eit  Gljrifti  fdjemenber  ©pötter  nicfyt  nur  au3  §.  ©grifft, 
fonbern  aud>  aufe  gletcbjautenben  geugnüffen  ber  barin  gottfeelig  erfahrenen  unb  bon  (Sott 
gelehrten  Scannern  gereiniget  unb  bertb/äbiget  ftrirb.  $n  bret;  'Ictl,  beren  ber  I.  bie  un= 
teilbaren  ^ennjeidjen,  ber  II.  bie  berfcfyiebene  .vunbernüffen,  ber  III.  bie  bargu  nötige 
Mittel  in  fid?  berfafet-  *>anau  1670,  (46)  +  232  +  119  +  459  ©©.  8°,  21697  —  & 
£a»  Vucb,  if±  entftanben  au$  bem  Serlangen  nacb,  einer  ausführlichen  beutfdjen  Slafuifttf, 
bie  5Retf)obe  erinnert  ftar!  an  £>oowbeed3  Theologia  practica.  @in  Seitfatj  [ber  fid> 
oft  ju  einem  breiten,  fcfytoerfätligen  Slbfcfynitt  auätbäcbjt]  roirb  erläutert  burd)  gut  gei»äE>Ite 
Üelegftellen  au3  ber  ©cf/rift,  ^atednSmuS  unb  ^irdjenlefyrem.  VefonberS  reidrtieb,  finb 
bie  92iebcrlänber  unb  Puritaner  Vertreten.  Sutfyerä  Sieber  fehlen  nid)t,  bie  2Tufnaf>me  Don  u> 
vJlrnbt  unb  ^einrieb,  STiüßer  roirb  befonber§  gerechtfertigt  (**  6  b).  —  SlHe  9Jcenfd)en 
finb  bon  ^catur  gottlos  unb  berloren.  2lber  bie  erlt)äb,It  finb  bon  (Sroigleit,  finben  burd) 
Bereinigung  mit  ©Ott  §eil  unb  unauSfbrect/licfye  ©eligfett.  Mittel  baju  ift  Gb)riftu3,  an= 
genommen  im  ©lauben.  £>a§  entfcfyeibenbe  ^ennjeidjen  be§  feltgmadjenben  ©laubenS  toirb 
barin  gefunben,  bafj  man  (Efjrtftuö  mef)r  begehrt  ak  alles  Vergängliche.  $ur  Verbeui=  15 
lidiung  biefeS  in  aUen  ©Triften  roieberfefyrenben  ©ebanfenS  bergleicfyt  U.  bie  Stellung 
ber  berlobten  Vraut.  Söie  biefe,  wenn  fie  baS  Jawort  gegeben  b;at,  ftd)  unberbrücbjid) 
gebunben  tbetfs,  fo  foll  (5r)rifti  Vraut  if)n  bor  allem  begehren,  ifym  bie  ^reue  galten  unb 
burd)  ibrenSSanbel  ib,m  ©b/re  machen.  ©0  ift  ber  Stitel  beSVucfyeS  ju  berfteljen,  feinet 
toegS  aber  bon  gefühlsmäßiger  £>ol)enltebeSfrömmigfett  (baS  Referat  bei  9iitfcf)l  I,  ©.  372  20 
ift  eitel  Vfyantafie,  ein  baar  gelegentliche  SBenbungen  fyaben  tfyn  irregeführt.  SSgL  nodb, 
.vmtfcluja  ©.  307  unb  355  ff.  ©infält.  <5f>rift  1700,  ©.  20).  Dft  ift  ber  ©laube  nur 
fditoad).  9Jian  tbürbe  be§t)al&  bie  ©emiffen  bertbirren,  toenn  man  l^ör)ereö  forbern  ibollte 
als  biefeS  3Reb,rbegeb,ren  6r)rifti.  $m  gufammenfyang  hiermit  ergiebt  fid)  ifym  bie  33e= 
beutung  d>riftlid)er  ©emeinfd)aft:  „roeil  nirgenbwo  bie  bollfommene  Slbbilbung  beS  mer)r=  25 
geliebten  fo  tlärltcb,  als  in  ben  roiebergeborenen  ^inbern  ©otteS  ju  fbüren,  fo  liebt  er 
biefelbigen  mit  bimmlifdjer  Zuneigung  über  alle  greunbe  unb  Vermanbten  nad)  bem 
ftleifcb/'  (I,  ©.  131).  —  ^inberniffe  beS  getftlidjen  SebenS  finb  falfdje  ©id)err)eit  beS©e= 
toiffenS,  blojj  äußerliche  Übung  ber  bürgerlichen  unb  Iirct)Itd;en  Vfltd)ten  unb  beS  ©ebetS, 
kämpfen  beS  b,l.  ©eifteS.  —  $u  eücmgelifcfyer  2Iufrid)tigJeü  werben  folgenbe  Mittel  30 
embfofylen:  Velmtfamer  ©ebraud)  begr».  Reibung  ber  an  fieb,  jugelaffenen  3)cittelbinge, 
bef.  in  Sup^,  ©biel  unb  %an%.  ^rbifcb.er  5Reid)tum  ift  eine  ©otteägabe;  man  fei  ein 
getoiffenfyafter  SSertoalter  unb  f^are,  um  guten  .ßtoeden  roir!fam  Reifen  ju  lönnen  (III, 
©.  53  ff.).  S)aä  bomelmtfte  Mittel  aber  ift  ba^  ©otteätoort,  gunädift  im  ^rebigtamt, 
baneben  aber  aud)  in  bribater  33ertbaltung.  Sßie  ber  irbifdje  Seruf,  fo  fei  ber  ßb,rifien=  35 
ftanb  Snb,alt  ber  ©efbrädje! 

2.  §alleluja,  ba§  ift,  ©ott  in  ben  ©ünben  berfläret.  Ober  be§  ©ünber§  2öanber= 
ftab  ,nir  ©rlänntnü^,  ©enie^ung  unb  Verklärung  be§  ^ödjften  ©uteö.  (Srfter  Sleil  Bremen 
1678,  600  ©@.  in  4°,  ber  Königin  Sfyarlotte  3tme(ie  bon  ©änemarf  geibibmet.  2§er= 
born  1722,  aud)  liollänbifcb,  1684,  401©©.  in  4°.  ©eutfd;er  Stu^ug  bon  ßb,r.  ©täfo,  elin  40 
u.  b.  2.:  eb,elid)eg  ^atoort  ber  gläubigen  ©eele  21731,  212  ©©.  8°  ((Sine  2tu<Sgabe 
§anau  1668,  melcfye  §ebbe  471,  unb  3fJitfd)l  I,  371,  ©oebelll,  301  nad)fd;reibenb,  an= 
führen,  b,at  nie  ejtftiert).  —  SDiefe  ©cb,rift  ift  ein  breit  angelegter  ©ntrourf  beö  §etllroegg 
nacb,  coccejanifdjem  ©d)ema  in  grageform.  ®er  borliegenbe  erfte  ^eil  beb,anbelt  „bie  $11= 
Bereitung  beö  augermäf)Iten  ©ünber<§  gum  2BerI  ber  Verllärung  unb  beffen  2tnfang  mit  45 
bem  toaf)ren  ©lauben"  ®ie  Unterfud;ung  be§  ©laubenöbegriffeg  geigt  ©elbftftänbigleit 
unb  5einb,eit  (l?ab.  XVIII— XXVIII).  ©laube  ift  für  lt.  ein  Assensus  practicus 
(<£.  180  f.).  ©rfenntnig  ift  jroar  unabtrennbar  mit  bem  ©lauben  berbunben,  gehört  aber 
bod)  ftreng  genommen  nicfyt  ju  feiner  mefentlidjen  2lrt  unb  ©igenfcliaft.  ©emgemäfe  Reifet 
e$:  „3Rottbenbige  ©tüde  be§©lauben§  nadjeinanber  unb  in^befonbere  namhaft  ju  machen  so 
unb  ju  geilen,  bürfte  fid)  fd)lberlict)  tfmn  laffen  (©.  215).  3ted;ter  ©laube  ift  1.  ein 
Bufludjt  nehmen  (nin),  2.  ein  fefte§  fefteS  Sefi^en  (rrjn).  ©ein  erfter  Anfang  ift  ein 
Öungern  unb  Surften,  unb  folcfyeS  ©ern=glauben=tbotlen  ift  fd)on  ©laube  (©.238).  6nt= 
fefeieben  tabelt  U.  ba§  §afd;en  nad^  füjjen  ©nabenembfinbungen  (©.  235,  ©.  435,  gegen 
Mitfdill,  ©.372  f.  ©inmal  finbet  fid)  fogar  barauf  be^üglicb,  ein  leifer  Vortourf  gegen  1beo=  :.:. 
boruS  a  33ralel).  Von  ben  Äenngetcfyen,  an  benen  ber  ©laube  fid)  feiner  Steditbefdjaffen^eit 
öergetbiffert  (tab.  XXIX— XXXIV),  ift  baS  toidjtigfte  fdjon  früher  bargefteKt.  ©e«  ©Iau= 
beng  ©üter  unb  ^orred)te  tberb'en  lurj  betrieben  (Ä'ab.  XXXV— XXXVII,  3^ed;t= 
fertigung,  Verfüb,nung,  geiftlicb,e  ^inbfcb,aft,  §eilig=  unb  $errlid;macb,ung).  ttrfbrung  be§ 
©lauben«  (kap.  XXXVIII)  ift  bie  Uraft  be*  £;L©eifte3  in  ber  Sßiebergeburt  bei  rechtem  eo 


232  Unöer=@«d 

©ebraucb,  Don  SSort  unb  ©aframent.  §ier  toirb  über  bie  IbenbmablSgemeinfcfyaft  mit 
Ungläubigen  gerebet  (©.  544  ff.)  U.  toünfd)t  ftrenge  Kircfyensuctjt,  bolemtfiert  aber  gegen  ben 
SDonatiSmuS  ber  Sababiften  (tote  fcfyon  *  lb).  —  Sie  Übung  beS  ©laubenS  in  ber  Siebe  foUte 
im  jtoeiten  %tfl  nacb,  ben  betriebenen  Bedungen  jur  SarfteHung  fommen.  ©inen  furzen 
5  ©nttourf  bieten  bie  beiben  legten  Kabb.  beS  borliegenben  erften  Seils,  .ßunäcfyft  toirb 
eine  furje  (Mlärung  ber  3  £aubtftücfe  gegeben  (Kab.  XXXIX),  bann  fcf)Iief$t  baS  Sua) 
mit  ber  „2lbbilbung  eines  9JJenfd)en,  in  toelcfyem  ber  ©laub  6,at  angefangen  burcb,  bie 
Siebe  tljätig  ju  fein".  2luS  feiner  eigenen  Übung  unb  Erfahrung  betreibt  ber  Serf. 
bie  3Birlungen  ber  ©nabe  ©otteS  im  berfönlicfyen  unb  beruflichen  Seben.  —    $Der  jtoeite 

10  SLeil  ift  nie  erfcfyienen.  Sie  berftfjiebenen  Auflagen  unb  Bearbeitungen  beS  umfänglichen 
SöerfeS  geigen,  toie  gefaxt  eS  getoefen  ift.  — 

S3em  ^aÜeluja  toefentlicb,  ä^rtttc^  ift  ber  ©ebanfenaufbau  in  jtoet  turnen  Katechismen 
U.S.  ©ie  Verleugnen  nicb,  t  einen  ftarfen  fbftematifdjen  Srieb,  obgleich,  fie  nur  eine  fcbjicfyte 
Auslegung  ber  §aubtftücfe  bieten  tooUen.    ®ie  2luSfülj>rung   berbient  fotoofyl  infyaltlicb, 

15  als  formal  I)ofyeS  Sob.  Seiben  ift  eine  2IuStoafyl  fcfjöner  ©ebete  angehängt.  Sei  faft 
gleichem  Umfang  ift  übrigens  baS  Behältnis  jueinanber  rätfelfyaft  (aucb,  %a  §aßeluja 
Kab.  XXXIV,  bgl.  baf.  ©.  ****  2  a). 

3.  Söegtoeifer  ber  Einfältigen  ju  ben  ©rften  Buctjftaben  beS  toabjen  SbriftentljwmS, 
meiftenteilS  nacb,  ber  Drbnung   ber  $ünf  §aubtftücl  Gbjiftlicfyer  Religion,  Bremen  1676 

20  (48)  +  120  ©©.  in  12°  ®aS  Sud)  ift  gum  9lu|en  ber  Sanbbebblferung  getrieben. 
(Sine  toicb, tige  Söibmung  an  bie  §auSbäter  ber  9Jcartinigemeinbe  ge^t  boran.  U.  ift  ©egner 
ber  gerglieberungSmetfyobe,  bie  nur  im  münblicfyen  Unterricht  angetoanbt  toerben  mag. 
$n  biefem  Sel)rbüct)lein  füllen  ,,©ie  troftreicb^en  9Bafyrl)etten  aneinanbergefnübft  aufs 
Sabier  gefe|t"  toerben,  jebocb,  einfacher  als  im  §eibelberger  Katechismus.   2IuSgefyenb  bon 

25  ©otteS  Söefen  unb  (Sigenf haften  befbricfyt  er  ©c|öbfung  unb  Erhaltung  (@rfl.  beS  1.  2lrt), 
bann  bie  ©ünbe  (elencfytifcfye  Auslegung  ber  10  ©ebote),  unb  bie  ©rlöfung  (2.  u.  3.  2lrt.). 
BefonberS  forgfältig  toirb  toieber  bie  ^eilSaneignung  burcb,  ben  ©lauben  enttoicMt.  Ur= 
fbrünglidbjte  2tuf$erung  beSfelben  ift  baS  ©ebet  (@rfl.  beS  U.S.),  feine  Sprung  finbet 
er  an  Sßort  unb  ©aframent  (4.  unb  5.  §aubtft),  feine  Betätigung  regelt  ficb,  nacb,  bem 

30  2)efalog  (normatibe  2tuSl.  ber  10  ©ebote).  21m  ©cfylufj  ift  ber  ganje  ©toff  nocb,  einmal 
in  12  fnabben  fragen  jufammengefafjt.  — 

3^0^  mebj  nacb,  bem  coccejanifdjen  ©d)ema  eingerichtet,  unb  nocb,  überfidjtlicfyer  in 
genauerem  Stnfcfylufs  an  §aMuja  ift  ber  jtoette  Katechismus,  beffen  (SntftefyungSjeit  nid)t 
näfyer  feftjuftellen  ift.    §ier  ergiebt  ber  Xitel  ^ugleicb,  hinlänglich  beutlicb,  bie  ©lieberung : 

35  4.  £)er  Einfältige  6  fyrift  burcb,  toasten  ©tauben  mit  Efyrifto  bereinigt,  unb  nacb,  offt= 
begangnem  -JRipraucb,  ju  bem  redeten  ©ebraucb,  beS  ^eiligen  2lbenbmab,IS,  unb  beme  gemäfj 
ju  leben,  borgefteHet :  ®urcf)  fragen  unb  2lnttoortben  in  jtoe^en  ^aubtftüden.  @rftlic|  bon 
ber  tröftlicfyen  Sereinigung  beS  ©ünberS  mit  ©ott  in  ßfyrifto.  3um  anbern,  bon  bem  ©J>rtft= 
liefen  Seben,  burcb,  eine  banfbare  ©egenliebe  foldjer  Sereinigung  gemä^  eingerichtet.  (3ft 

40  nur  in  einem  9Rad)bru(f  nacb,toeiSbar:  @fcb,toege  1700  (10)  +  92  ©©.  12°).  —  1.  Son 
ben  jtoei  Sarteien  —  ©ott  unb  bem  ©ünber,  bon  bem  Mittel  ber  Sereinigung  beiber: 
ßfyriftuS,  unb  bom  ©lauben  an  ib,n,  bon  ber  Serfiegelung  berfelben  bon  feiten  ©otteS 
burcb,  bie  ©aframente.  2.  Son  ber  Erneuerung,  ber  SflicfyterfüHung  nacb,  ©otteS  ©ebot, 
unb  bon  ber  Übung  beS  ©ebets.  —  ©en  ©cb,Iufi  beS  Sücb,leinS  bilben  ©utacb,ten  gegen 

45  unterfcb,iebSlofe  3ulaffung  jum  2lbenbmab,l. 

5.  ©er  üftärrifdje  2ltb,eift  entbeeft  unb  bon  feiner  S£f)orbeit  überzeuget.  $n  jtoe^en 
Xb,eilen.  ^n  bem  ©rften  als  ein  fo!cb,er,  ber  ba  toiffentlicb,,  toitlenS  unb  borfe^licb,,  ib,me 
felbft  unb  anberen  bie  ©ebanlen,  toelcb,e  fie  bon  ©ott  b,aben,  nehmen  toiH.  ^n  ^em 
jtoet)ten  als  ein  fo!cb,er,  ber  ba  untoiffenb   unb  ungemerft  auo)   unter  bem  ©djein  beS 

50  toab,ren  ßb,riftent^umS,  ob,ne  ©ott  in  ber  2öelt  lebet.  Bremen  1689,  974  ©©.  8°, 
liegt  aueb,  fjoßänbifcb,  bor  3lmfterbam  1702,  245  ©©.  4°,  mit  Sffiibmung  an  Kurfürft 
griebrieb,  III.  bon  Sranbenburg,  Sanbgraf  Karl  bon  §effen,  unb  ©eorg  Subtoig  bon 
Braunfc^toeig.  Offenbar  ift  eine  beiftifc^e  ©trömung  fbürbar  getoorben.  ®er  erfte  %nl 
toiß  bieberftanbeSmäfeigen  3toeif^  buxfy  ©egengrünbe  entfräften.    Sieben  bem  üblichen 

55  abologetifcb,en  SRaterial  toirb  mit  befonbrem  ?cac|bruc!  bie  Erfahrung  ber  ßb,riften  geltenb 
gemacht.  ®enn  unjtoeifelb,aft  ift  eS,  bafc  3[Renfcb,en  ©rfab^rung  gehabt  b,aben  bon  ib,rer 
eignen  großen  Seränberung,  bon  einer  übernatürlichen  ©otteSerfenntniS,  bie  enttoeber  aß= 
mäb,Iicb,  ertouc^S  (©amuel,  'Simotb, euS),  ober  aber  mit  bli^artiger  Slbpcbjeit  entftanb,  als 
bie  bon  ©ott  beftimmte  ßeit  ber  Seränberung  ba  toar  (Sftngften,  SauIuS,  —  ©.  168). 

60  @ine  unbeftreitbare  @rfal)rungStb,atfacb,e  ift  bie  unbefcb,reiblicb.e,  ben  Serftanb  überragenbe 


Uuber=(gt)tf  Unfeljlbiirfcü  beS  Ißatfttä  233 

CMemctnfd^aft  ©ottcg  mit  ber  ©eele,  unb  Leiter  bie  ©eroiffengqual  beim  SBiberftreben 
gegen  bie  2Bal)rt)eit.  —  $er  gtt>ette  Seil  rietet  fid?  gegen  bie  Streiften  ber  $rarte.  2Ille 
gelten  bei  ©Ott  al§  foId)e,  aud)  bie  ©lieber  ber  fief/tbaren  ®ird)e,  fofern  fie  nicfjt  fräftig 
belehrt  ober  totebergeboren  finb.  9JJit  gefunbem  %att,  roirb  roeitergefjenbeg  ©cfyematifteren 
bermieben,  bod;  roirb  aud)  in  ben  SBtebergeborenen  fortbauernber  braftifcfyer  2Itf)eigmug  5 
gefunben.  — 

Q?$  bleibt  immerhin  bemerfengroert,  ba|  ber  älnfcmger  ber  föonbentiiel  biefeg  ?8ud) 
getrieben  bat.  9iic£)tig  er!ennt  er  ben  religiösen  SDefeft  im  Sttljeigmug.  @r  toeijj  genau, 
ba^  bie  Überroinbung  roeber  bureb,  ben  ^nteHe!t,  nod)  bureb,  ben  Söillen  gu  erwarten  ift. 
—  Übrigens  finb  bie  brei  legten  ©driften  fo  gut  rote  unbefannt  geworben.  10 

III.  Die  gefcb/icbtlid)e  Sebeutung  ergiebt  fid)  aug  bem  Sigb, erigen.  „Söag 
Sbener  in  ber  lutlterifdjen  ®ircb;e  ift,  bag  ift  Unberer/cf  in  ber  reformierten  geroefen",  — 
fo  iiat  be  §afe  1703  geurteilt.  SJiit  ©infcfyränfung  auf  ®eutfct)Ianb  Wirb  man  biefen 
<5a§  in  ber  %fyat  gelten  laffen.  QWat  ift  [anberg  alg  bag  Sutb/ertum]  ber  6al= 
binismug  bem  pettgmug  roefengbertoanbt,  unb  biefer  begeiefmet  in  ber  beutfcfyen  refor=  15 
mierten  ®ircf)e  nur  eine  2öette,  bie  bon  ben  sJlieberIanben  unb  ©nglanb  r)erüberflutet.  U. 
bat  feine  9tid)tung  in  ben  TOeberlanben  empfangen,  aber  ebenfo  gerotfc  b,at  er  eine  ftar!e 
Eigenart.  6r  ift  nicfyt  ÜBoetianer  ober  ßoecejaner,  fonbern  beibeg.  2öag  feinen  ftarlen, 
braftifdjien  ^ntereffen  fiel)  einorbnet,  roirb  übernommen.  ®ie  aftuellen  ^ontroberfen  feiner 
3eit  bleiben  unberührt,  roenn  fie  feine  STenbengen  ntct)t  angeben,  ©eine  gange  2lufmerl=  20 
famfeit  fongentrtert  fid)  auf  bie  fragen  ber  fubjeftiben  §eilganeignung.  ®as  ©Iaubeng= 
leben  frifcr)er,  Doller,  tiefer,  ^erfönlidjer  gu  geftalten,  äkrflärung  ©otteg  im  ©ünber  bureb, 
beffen  fnngebenben,  genau  geregelten  ©eljorfam  gu  bewirten,  barauf  finb  aUe  feine  33e= 
mülmngen  gerietet,  feine  fd)riftftellerifct)en  arbeiten,  feine  Seftrebungen  in  ^ßrebigt,  ßate= 
cbefe,  ©eelforge.  dben  btefem  fttoed  fotlen  aucr)  bie  freien  Slffociationen  bienen.  Sie  25 
2d)ranten  biefeg  ©tanbbuntieg  geigen  fiel)  in  bem  geringen  23erftänbnig  für  ben  calbini= 
fcfyen  ©emeinbegeban!en,  foroie  für  bie  Aufgaben  unb  ©üter  beg  lulturellen  Sebeng.  SDod) 
begegnet  nirgend  eine  ©bur  febaratiftifcfyer  ©ngigfeit. 

3)lit  allem  ©rnft  unb  @ifer  berbanb  fid^>  nüchterne  Sefomtenfyeit.  ®arum  feiert  roir 
fo  biele  tüchtige  jüngere  9ftänner  unter  feinen  3lnb)ängem.  2ßtr  finben,  bafj  nidjt  30 
nur  ©türmer,  toie  ©d)Iüter,  ßobber,  $Detrt)  iijm  folgen,  fonbern  er  bürgert  „bie 
Übung  ber  ©ottfeligteit"  in  ben  §äufem  ein  unb  b,at  bie  äonbentttel  in  feiner  ®ird)e 
Joirflitt)  bobulär  gemacht.  ®iefer  in  feiner  ©timmung  boetianifcfye  petigmug  ift  bottg= 
tümlid).  Sin  ben  frommen  ©efängen  ber  ^elbarbeiter  erlannte  man  bag  mülb/eimifcfye 
©ebiet.  SBon  liier  b;aben  SReanberö  Sieber  ibjen  ©iegeäjug  angetreten.  SBa^rf^einlicb,  l)at  35 
aueb,  U.  Sieber  gemacht.  ®ie  eingaben  im  ,,©eiftltc|en  §arfenfbiel  ber  S^inber  3ion" 
finb  inbeffen  unficfyer.  ®aS  belanntefte  ber  bort  aufgeführten  Sieber:  „©rleucb^t  mieb,  §err 
mein  Siebet"  ift  jebenfaßS  toon  U.§  feb^on  ermähntem  ©c^üler  23ucf)felber  (3JJeiner§,  Doft= 
briefcbl.^er{gefc|.  II,  1739,  ©.  524).  Qn  (Saffel  erfcf)ienen  1693  Überfe^ungen  breier  (Schriften 
bon  3öiaem  SEeeffincf  (f.b.Sl.Sb  XIX,  472):  ©oliloquium,  bag  neue  ^erufalem,  bie  £lage  40 
$auli.  ©er  Überfe^er  3(o^nn^)  ®(eufing  auS  Bremen)  b;anbelte  wob,!  infolge  einer 
Anregung  U.§,  ber  in  fo  bieten  ^ügen  an  %eeßmcf  erinnert.  —  SDte  ®onner§tagg= 
berfammlungen  in  SSJJül^eim,  beren  beginn  rool)l  1661  ju  fe^en  ift,  erhielten  fid^  big  1740 
(lerfieegen,  geiftl.  unb  erbaul.  Briefe  II,  1,  ©.  17),  um  1700  rourben  fie  jeitroeilig 
bon  ben  ^aftoren  gehalten.  SLerfteegen  erfuhr  in  biefem  $rei3  tiefe  @inbrüc!e  unb  nannte  45 
U.  ben  Reformator  bon  SOWilfieim.  ©eit  1727  l>at  er  in  biefen  berfammlungen  gerebet. 
3Bef entlief)  bureb;  feine  SKitroirfung  rourben  fie  1750  ju  frifd;em  Seben  erroedt,  unb 
blühten  lange  fort,  big  etroa  1840  buref;  ^aftor  ©turgberg  ein  neuer  Sluffcfyroung  fam. 
6g  ift  rebrreieb,  ba^  ÜRütbetm,  äbnlicb  roie  Utrecht  unb  Stibbelburg  noeb;  bleute  ein  (Zentrum 
religiöfer  Seroegungen  ift.  eo 

S"  Bremen  bat  be  §afe,  unb  nad)l)er  befonberg  %v.  2lb.  Sambe  bie  ©eban!en  il.g 
mm  ©iege  geführt.  @g  roar  ©t.  Martini,  bag  fbäter  einen  ©.  ©.  Srebiranug  unb  ©ott= 
frieb  Genien  berief.  —  Stucf;  mit  bem  beffifclben  §of  blieb  U.  in  bauernber  Serbinbung. 
£as  betoeifen  bie  SBibmungen  ber  brei  §auj)tfcf)riften.  —  Über  Regierungen  ju  ©bener 
läfet  fieb  nid;t  biel  feftftellen.  ^n  bem  Ireig,  ber  ftd)  in  granffurt  an  biefen  anfcf)Iof$,  55 
Nte  U.  berfönlicb/  ^reunbe.  9Zeanbcr  fanb,  bon  §eibelberg  lommenb,  bei  ©bener  b,er(v 
licfye  älufnabme.  ^ur  Rcditfertigung  feiner  berfammlungen  b;at  fiel)  11.  in  ^Bremen  auet) 
«inmal  auf  Dr.  ©benerg  J5orgel)en  in  granlfurt  berufen  Qten,  ©.99,275).    ©oetevv. 

ltnfe!)lbarfeit  bcö  ^apfteS  f.  b.  21.  isatif anifebeö  flonjil.  *• 


234  Uttgtirifd)e  ®onfeffio«en 

Ungartfd)C  S'onfefftone«.  —  Kiss,  A.  XVI.  szazadban  tartott  Magyar  refonnätus 
zsinatok  vegzesei  (33efct)lüffe  ber  ungartfdjen  reformierten  ©tjnoben  be§  16.  3jaßrf)imbert§), 
Subapeft  1882;  S.  WMex,  a3e!enntnisfcf)riften  ber  ref.  ftircf,e,  Seips.  1903;  (S.  SBö^f,  Con- 
fessio  helvetica  posterior,  SBiett  1866,  p.  XV  ff. ;  $.  33ob,  Historia  Hungarorum  ecclesia- 
5  stica,  Tom.  I,  Lugd.  Bat.  1888;  ££.  SSalogf),  History  of  the  Keformed  church  of  Hungary, 
Eef.  Church-Review,  July  1906. 

§aubiträger  ber  reformierten  Sebre  rourbe  tri  Ungarn  9ftattl;iag  ®ebat)  (f.  ben  31. 
33b  IV  ©.  598, uff.),  ber  junäd^ft  in  Sutberg  ©inne  geroirft  batte,  fid)  aber  feit  1542 
ben  ©d&toetjern  anfto-  $>"«&  bag2ßirren  be§  Sßeter  SJteliug  (f.  ben  21.  35b  XII  ©.  567  ff.) 

io  rourbe  ®ebre^in  feit  1558  ber  geiftige  3JJitteIpunft  ber  reformierten  Stiftung,  ber  fid)  bte 
ungartfcfyen  ^roteftanten  faft  burdjroeg  ergaben,  roäbrenö  Siebenbürgen  tut^ertfdt)  gefinnt 
blieb.  ®en  äufjeren  Slnftofj  jur  Slbfaffung  eineg  reformierten  ©laubengbefenntniffeg  gaben 
bie  Sefuiten,  bie  fett  1560  ifyre  gegenreformatortjdje  2lrbeit  begannen.  Unter  ifyrem  ©influjj 
erbob  ber  ©rlauer  SSifc^of  2tnton  33eran£  unermübltcbe  klagen  roiber  bie  ©rlautfyaler  be= 

15  roaffnete  ©d;ar,  bie  fid)  jum  ©dm^e  beg  ^roteftantigmug  jufammengefunben  blatte :  fie 
feien  23ranbftifter  unb  Rebellen,  ©inen  roir!lid)en  ©rfolg  erhielte  bie  (Gegenreformation 
unter  gerbinanb  unb  SRarjmilian  nod;  nid)t,  aber  bie  Reformierten  faljen  fid;  bod)  ge= 
nötigt,  ausführlichen  Sertdjt  tEjreS  ©laubeng  ju  geben.  SReliug  fonnte  bafür  ein  umfang= 
reicfyeg  ©djriftftüd  borlegen,    an  roeldjem  r>ietteid)t  auch]  fein  College  ©regor  ©jegebi)  mit= 

20  gearbett  bat.  @g  erfct)ien  im  gleiten  SDrud,  jebod;  mit  berfd)iebener  Sßorrebe  1562  alg 
Confessio  catholica  exhibita  sacratissimo   et  eatholieo  Romanorum  Impe- 

ratori  Ferdinando  et  filio  suae  Majestatis  Regi  Maximiliano,  ab  universo 
exercitu  equitum  et  peditum  S.  R.  M.,  a  Nobilibus  item  et  incolis  totius  vallis 
Agrinae,  —unb  §ugletd;  als  Confessio  ecclesiaeDebreciensis.  $n  jtemltd)  ungeorb; 

25  neter  SBeife  roirb  ber  gefamte  ©toff  ber  cbjiftlicben  Sefjre  vorgetragen:  bie  einzelnen  2lb= 
fdmttte  finb  ganj  nad;  fd)oIaftt[d;er  Kanter  burd;gearbeitet,  nirgenbg  fbrtdjt  bag  gläubige 
©emüt,  überall  nur  ber  logifd;  augmeffenbe  23erftanb.  gufäHigreiten  big  fyerab  jum  211))? 
brüden  unb  big  $u  ber  grage,  ob  illegitime  ^inber  feiig  roerben  tonnen,  roerben  mit  fonber= 
barer  Umftänbltd^eit    be^anbelt.    Sie    Sefyre    ift    begügltdö    ber    ©aframente    calöinifd), 

so  bejüglid)  ber  ©rroäfylung  ebenfatlg:  bod;  brängt  fid;  bie  ^räbefttnation  tbeorettfdb  überall 
in  einer  fcboIafttfd)en  %rodent;eit  berbor,  bie  mefyr  an  bie  ©bigonen,  als  an  ©albin  felbft 
erinnert.  Rätfelfyaft  ift,  bafj  bte  Rechtfertigung  etnerfeitg  flar  aU  Imputation  gebeutet 
roirb,  unb  bod;  in  anberem  .ßufammenfyange  ber  ©a$  ju  lefen  ftebt  (SBefenntntgfdjriften 
©.  327,9,  bgl.  282,  ü  ff.):    Tridentinum  anno  1547  et  1546   celebratum  de  iusti- 

35  ficatione,  de  fide,  operibus,  recipimus. 

SDte  tb;eologifd;e  Unbebolfenl)eit  biefer  ©djrift  führte  fer)r  balb  gu  einer  nod;  bößtgeren 
älnlebnung  an  bie  ©d;roetj.  $unäd;ft  übernahm  eine  ©^nobe  »on  ^arcjal  1562  93ejag 
bogmatifd;en  Slbri^  „Confessio  christianae  fidei"  in  einer  leisten  Bearbeitung,  ©ine 
fiebenbürgifd;e  ©t^nobe  Don  Xorba  fd;lo^  fiel;  1563  an.   Dbgleid;  biefeg  SSefenntnig  jofort 

40  ju  Mlaufenburg  gebrudt  roorben  fein  foß,  ift  bod)  nur  ein  ®rud  bon  ©ärogbataf  1655 
nad;roetgbar:  Compendium  doctrinae  christianae,  quam  omnes  Pastores  et  Mi- 
nistri  Ecclesiarum  Dei  in  tota  Ungaria  et  Transsylvania,  quae  incorruptum 
Jesu  Christi  evangelium  amplexae  sunt,  docent  ac  profitentur.  §ier  totrb  bie 
calbinifcbe  Seigre  in  ft)ftemattfc&er  2lbrunbung  vorgetragen,  befonberg  augfür)rltd;  bte©tüde 

«  bon  Rechtfertigung  unb  neuem  Seben  foroie  bon  ben  ©aframenten.  33ejag  ©nttourf  einer 
bregbt;terialen  5lird;enorbnung  rourbe  inbeffen  fo  gut  roie  ganj  befeitigt. 

2lud;  bie  §errfd;aft  biefer  ©d;rift  roäbrte  nid;t  lange:  man  beborjugte  balb  bie  mil= 
bere  Confessio  helvetica  posterior  SuIItngerg.  ©ine  ©fynobe  bon  ®ebre^in  1567  be= 
fdjlofj:  Inter  reliquas  confessiones  reeepimus  et  subscripsimus   helveticae  con- 

50  fessioni  Et  quieunque  confessionem  nostram  in  synodis   confirmatam  et 

hanc  confessionem  helveticam  .      .  temere  reiecerit  iurisdictione  ecclesia- 

stica  puniendum  statuimus.  @g  foHten  alfo  bie  borigen  33efenntniffe  nid;t  befeitigt 
roerben;  baju  fteHte  eine  ganje  Reib^e  bon  ©r;noben,  barunter  bie  gu  ©ebrejin  felbft,  in 
ben  burd)  SSIanbrata  unb  granj  ©abib   l)erborgerufenen  antitrinitarifd;en  ^ämbfen  neue 

55  ortr;oboje  2lrtife£  auf,  bie  fid;  teilroeife  aud;  auf,  bte  ©aframent§Iel)re  u.  f.  ro.  etnlaffen. 
©ar;in  gebort  aud;  bie  Confessio  Czengerina  bon  1570  (nid;t  1557),  bie  man  lange 
3eit  alg  „bag  ungarifd;e  33efenntnig"  berjeid;nete,  bte  aber  t$atfäct)Iict)  leine  fyerborragenbe 
Sebeutung  befi|t. 

Qn  ber  (Gegenwart  bält  fid;  bie  ref.  Äircbe  in  Ungarn  ebenfo  tüie  in  Öfterreid;  allein 

so  an  bie  §elbetifd;e  lonfeffion  unb  ben  §eibelberger  Hated)tgmug.      @.  S-  ®arl  SöJufler. 


Ungarn  235 

Ungarn,  fird)lid;)  =  ftatifttfcr;.  —  Quellen:  1.  Sie  tu  bat  Säubern  bev  tinaarifdjeu 
jrrone  am  Sittfange  bes  SaljreS  1901  Oorgenomiuene  23oIr3jät)tuug,  refp.  bereu  DJeful'tat,  ä"= 
jnmmengefteUt  u.  ausgegeben  Hon  336Io  Äenej:  Magyarorszag  nepessögi  statisztikäja,  33uba= 
peft,  1906,  8°,  320  ©.  2.  Magyarorszag  közoktatäsügye  az  1904  evben  (®er  öom  föntgl. 
tmg.  ®ultu§--  unb  llnterricf)t§minifter  Hont  ©taube  be§  @d)ithoefen§  (janbelnbe,  bein  Sanbta'ge  5 
unterbreitete  93erid)t  ö.  S-  l904)>  Subapeft  1906,  4°,  184  @.  3.  Organisation  religieuse  de 
la  Hongrie  par  Emile  Hörn,  <ßart§  1906,  8°,  61  @.  4.  A  magyarorszagi  protestäns  egy- 
Mzak  törtenete  (©efdt)td)te  ber  ungarifcfjen  proteftanttfdjen  ®irdie),  öon  granj  Safogfj,  $ro= 
ien'or  ber  'Xtjeologte,  3)ebrecen  1905,  8",  167  @.  5.  Magyarorszag  egyhäztörtönete  föbb 
vomisokban  (fitrdjengefcfjidite  Ungarns  in  ^auptjügen)  öon  Dr.  gofjann  Äarätüonrji,  röni.-  io 
fatf).  Somtjervn,  SJagpöärab  1906,  8°,  357  ©.  6.  @efd)idite  be§  ©oangelittmä  in  Ungarn  öon 
Stefan  Sinberger,  euang.  Pfarrer,  Söubapeft  1888,  8°,  199  @.  7.  Magyar  evaDgelikus  egy- 
liiizjog  (Ung.  euang.  gtrd)enred)t),  öon  Sari  9Jcif(er,  «JSrofeffor,  S9ubape|t  1906,  8",  XIX  unb 
742  ©.  8.  Protestäns  Kepes  Naptär  (iJSroteft-  SSüberfalenber),  rebigiert  öon  kaxl  ©jäSj, 
ScftionSrat,  LIII.  ^afirgang,  Subapeft  1906,  8°,  79  ©.  Slufjer  biefen  nod)  mehrere  fjierrjer  15 
bejüglidje  3)aten  tird)Itä>gef'diicfjtüd)er  28erfe,  firdjlicfjer  ©djematiämen,  Iird)lid)ev  unb  poli= 
tifdjer  Stätter  unb  ßeitfcrjrtften. 

Sie  jur  ^eiligen  ©tebfyansSfrone  gehörigen  Sänbcr  be§  ungarifdjen  ©taateS  finb: 
a)  ba3  eigentliche  Ungarn,  inbegriffen  «Siebenbürgen  unb  $tume,  b)  Kroatien  unb  ©la= 
bonien,  nebft  ber  ehemaligen  SCfJtlttärgren^e,  beren  ©efamtfläcbeninfyalt  5853  geograbfyifcfye  20 
SQuabratmeilen  (324851  qkm)  beträgt.  ®ie  ftafyl  ber  (Sintooljmer  befielt  laut  ber  legten 
allgemeinen  SSoIESjä^Iung  im  $at)re  1901  au§  19254559  ©eelen  (am  ©nbe  1906 
ca.  20000000).  2öa3  bte  «Rationalität  betrifft,  fo  finb  bjerunter  9ttagr;aren  8  742301 
(45,4» ■'„),  £>eutfcr/e  2  135  181  (ll,l°/0),  ©lobenen  2019641  (10,5°/0),  Rumänen 2 799479 
(14,5°  0),  9*utb,enen  429447  (2,2»/0),  Kroaten  1  678569  (8,7°/,),  ©erben  1052  180  (5,5°/„).  25 
2lnbere  397761  (2,l°/0).  ®er  Äonfeffion  nacb,  gehören  a)  jur  römifcb^fatr/olifcfyen  ^ird^e 
9  919913  (51,5°/0),  jur  gried)ifd)=i'atb/.  1  854143  (9,6°/0),  jur  gried)ifc^=orientaItf^en(ortb,o= 
bor),  2  815713  (14,6°/0),  jur  Stugfburgifdjen  tonfeffton  benennen  ftdj  1288942  (6,7"/0), 
jur  reformierten  (fyelbetifcfyer  $onfeffton)  2  441 142  (12,7°/„),  gur  Umtarifcben  Religion 
68568  (0,40/„),  Israeliten  finb  851378  (4,4°/0),  anbere  ^Religionen  unb  ©eften  (2lng=  30 
lifaner,  Sabtiften,  ÜRa^arener  2c.)  14  760  (0,l°/o).  (S^ettdf)  geboren  maren  (im  ^afyre  1904) 
682  064,  unefyelid)  @eborene73462,  jufammm  755526  ©eburten.  ©eftorben  finb  495836. 
2Son  ben  182170  gefcb>ffenen  @b,en  waren  gemixte  @$en:  19127  (10,500/0). 

©d)ulbflid)ttge  $mber  gab  e§  im  ungarifcfjen  ©taate,  unb  ^mar  im  2tlter  bon  6—11 
Sabren  2174577,  im  älter  bon  12— 14  ^ren  1241010,  jufammen  3  415  587.  2b,at=  35 
fädjlicb,   befugten   bte  ©dmle  2  657  263  ftinber  (77,8°/0).    33on  ben  SolfSfdmlen  Waren 
1921  Staate,  2804  ©emeinbe=,  375  $ribat=,  12,766  &onfeffton3fcf,ulen  (unb  föax  röm.= 
fatf).  5280,    gried).=fatf).  1991,    gried).=orient.  1756,    ebang.  2lug£b.  Äonf.  1362,  reform. 
1863,  unit.  36,  i§r.  478),  jufammen  alfo  17  866  ©d^ulen.  2)en  ^onfejfionen  naä)  Reiben 
ft^  bie   bie  ©cbule   befud^enben  linber  (in  Ungarn)   in  röm.=fatf/.  1268  319  (49,34°/,,),  40 
gried^.=fatb,.  234873  (11,82°/,,),    gried^.=orient.  274127  (12f840/0),    eb.  3lug§b.  ßonfeffion 
200939  (7,30°/o),  reform.  344078  (13,93"/0).  untt.  9  908(0,39°/»),  t«r.  102  326  (4,38"  „), 
anb.  fionf.  22).     £>ie  Qaty  ber  £eb,rer  betrug  31678    (tnerbon  Seherinnen  8157).    ®ie 
$ai)l  ber  2eb,rerbUbungäanftalten  toar  89,  unb  jroar  27  bom  ©taate  erhaltene,  bie  übrigen 
fonfefftoneKe  ^nftitute.    S5ie  3ab,I  ber  Zöglinge  mar  10  362,  fyierbon  in  ©taatöanftalten  45 
3995.    2)a3  SSoIfefc^uIgefe^  tourbe  im  %dbxe  1868  befcbloffen  unb  fanltioniert.  —    ®aö 
©efe|  über  bie  9JUtteIfcb,ulen  unb  Dualifüationen  ber  ^rofefforen    lam   im  %at)K   1883 
ju  ftanbe.    ©a§  biftorifebe  3^ed)t  ber  Sbnfeffionen,   öffentltdje  ©bmnafien  ju  galten,  blieb 
i^nen  gefe|licb,  gefiebert.  ®ie  ftafyl  ber  SfRittelfc^uIen  mar  in  Ungarn  im  ^atyre  1904,  unb 
Jtüar  ©^mnafien  167,    Sealfc^ulen  32,  jufammen  199;    b,ierbon  ©taatsfd;ulen  63,    @e=  50 
meinbefa)ulen  11,    ^ribatfdmlen    4  unb   ftonfejfionsfcr/ulen  121.    SDte  2tnjat>I    ber  ^ro= 
fefforen  mar  3  953,  bie  ber©ct)üler  62  201.   ^n  Kroatien  unb  ©labonien  toaren  19  3)iittel= 
jaulen,   399  ^rofefforen  unb  6301  ©cbüler.  -  -  Söiffenfdjaftlic^e  Uniberfitäten  beftefyen  3, 
unb  jroar  1.  bie  Subapefter  lönigl.  ungarifebe  Untberfität,  gegtünbet  bon  (Srabtfdjof  ^ßeter 
$äjmän^  im  %al)xe  1635,    neu  organifiert  unb  erweitert  bureb,  bie  Königin  9ftaria  Xb,e=  55 
refia  im  ^ab,re  1770,  nad)  Subabeft  bcrlegt  im  ^abre  1781.   ®ie  3ab,I  ber  orbent!icb,en, 
aufeerorbentlidjen  ^rofefforen,  ^ribatbo^enten  unb  £ef/rer  ift  328,  unb  ^War  an  ber  röm.^ 
fatb,.  tfyeologtfcfyen  gafultät  13,  an  ber  jurtftifdjen  unb  ftaat^miffenfd;aftltd;en  gafuttät  53, 
an  ber  mebijinif^en  151,    an  ber  bfyUofobbtfdien  g-afultät  111.    Sei   ben^  4  gafultätcn 
fearen    im   SÖinterfemefier    1903/1  =6586,    im   ©ommerfemefter  5860  totubenten    cin=  60 
gefdjrieben,   bte   meiften  (4(>06  refb.  3392)  bei  ber  juriftijd;en  ^-alultät.     2.  Tic  Solo(^= 


236  Ungarn 

bärer  (Älaufenburger)  Uniberfität,  gegrünbet  burcb,  ben  ©taat  im  %afyct  1872,  ofme  t^eo= 
logifcfye  gafultät.  2lnjal)l  ber  £eb,rftül>Ie  110,  bie  StngaEjl  ber  ©dritter  in  ben  4  gafultäten 
(naturtoiffenfcr)aftlicr)e  bann  bie  iifyilofobfyifc^bfyilologtfdjie  Abteilung  bilben  bort  2  %aM- 
täten)  ift  1925.  3.  ©ie  gägräber  (Slgramer)  Uniberfität,  gegrünbet  im  3>aljre  1874,  mit 
5  83  ^rofefforen  unb  ©ojenten,  or)ne  mebigintfc^e  gafultät.  ©ie  Sln^a!)!  ber  ©djüler  ift 
1055.  ©ie  Unterricfjtgfyracrje  ber  erften  ^toet  Uniberfttäten  i[t  bie  ungarifd^e,  in  ber  Ie§= 
teren  bie  froatijcfje. 

Red)t3berl)ältnt!§.  SBetreffenb  bie  röm.=fatr).,  griecb,.=fatr).,  griect).=oriental.,  ebang. 
2lug3burger  Äonf.,  reformierten  unb  bie  unit.  Religionen  mürbe  bie  botte  ©leicb^eit  unb 

10  Reziprozität  burtf)  ben  ©21  20  bom  $.  1848  auSgeftoroctjen,  melier  jugleid>  berfbradj, 
bafs  fämtlic^e  firdjlicfye  unb  ©djulbebürfniffe  ber  genannten  $irct)en  auf  ©taatgfoften  be= 
ftritten  roerben.  ©ie  Erfüllung  biefe§  23erfbrect)en§  liegt  aber  auct)  fyeute  nocb,  in  weiter 
gerne,  ©bäter  mürben  bie  Steuerungen  ber  einzelnen  ßonfeffionen  untereinanber  burcb, 
bie  ©21.  53  bom  3.  1868  unb  43  bom  3.  1895  geregelt,   ©urcb,  ©21.  42  bom  %  1895 

15  itmrbe  aud)  bie  iäraelitifcfye  Religion  für  regiert  gefeilte!)  au§gefbrocf)en,  bie  Sabtiften  t)in= 
gegen  tourben  burct)  bie  2JUnifterialberorbnung  bom  2. Rob.  1905  gefetjlicb  anerlannt  unb 
erhielten  ib,r  3bnftitution§retf;t.  Straft  be§  ©21.  7  bom  3.  1885  erhielten  13  Dberfyäubter 
ber  ref.,  lutb,.  unb  unit.  Stircfjen  einen  ©iij  im  9Jcagnatenf>au!§.  ©er  ©eb,alt  ber  33oIfl= 
fdjultefyrer,  9Rittelfd)ulIeI)rer  unb  ©etftlidjen  roirb  auf  ba§  fsftgefetjte  SRinimum  bom  ©taate 

20  ergänzt,  roeldjeg  gugletc^  eine  jäfyrlicfye  ©ubbentton  ben  brot.  ^ircfyen  betouligt.  ©ie  ©ub= 
bention  ift  im  Subget  bom  $.  1907  mit  Str.  5  654078  firjert,  toeldje  ©umme  im  ^aljre 
1908  mit  1  Wiü.,  unb  in  1909  abermals  mit  1  9Jliß.  fronen  bermefyrt  roirb.  ©ie  ob= 
ligatoriftfje  ßibilefje  beruht  auf  ©21.  31  bom  £5.  1894,  bie  fiaatlitfje  2ftatrife(füb,rung  auf 
©21.  33  bom  3.  1894  unb  ©21.  36  bom  3.  1904.   —    ©2t.  32  bom  3.  1894   regelt 

25  bie  Religion  be§  bon  gemifctjten  @b,en  ftammenben  ^inber  berart,  bajj  bie  Verlobten  bor 
ber  (Sfyefcbjiefjung  ba3  Übereinkommen  treffen  fönnen,  bafj  tEjre  fämtltcfyen  au§  ber  (Sfye 
ftammenben  Stinber  in  ber  Religion  ber  einen  ober  ber  anberen  @I)ef)älfte  erlogen  roerben. 
@ntfteb,t  lein  Übereinfommen,  fo  folgen  bie  Knaben  ber  Religion  be3  23ater§,  bie  ÜJiäbd^ert 
ber  ber  3Rutter.    ©ie  Übereinlommen  bor  ber  (Sfyefcfyliefcung  (Reberfateg)  finb  jum  großen 

30  Vorteil  ber  röm.=fatr).  Sftrcr)e  unb  jum  Radjteil  ber  brot.  Stirdjen. 

I.  Römifcb/  =  fatt)olifcb/e  Äirct)e.  ©er  ©rünber  unb  2Solj)ItI)äter  ber  röm.=fatb,. 
^irdje  in  Ungarn  mar  ber  erfte  gefrönte  $ömg  Ungarns,  ©t.  ©tepfyan  (1001—1038). 
©eit  jener  ,3^  übt  jeber  Wönig  Ungarn^  aboftolifcr)e  Rechte,  unb  ift  „supremus  eccle- 
siarum  patronus"     ©eit  1404  üben  bie  Könige  Ungarn*?  ba3  „jus  placeti"     ©iefeg 

35  Recfyt  mürbe  burcb,  ba§  Jtonforbat  bon  1855  fallen  gelaffen,  am  9.  2luguft  1870  jebocb, 
mit  33eifeitefe£ung  be§  S^onforbatS  toieber  fyergefteßt.  ©er  Stönig  übt  laut  ber  ^onftitution 
bon  1848  unb  1868  ba§  vl>atronatg=  unb  Regierung3recfyt  über  bie  fat^olifc^e  ^ircb,e,  burcb, 
33ermittelung  be§  berantmortlicb.en  ^ultu§=  unb  Unterricf;t3minifter§.  2ln  ber  ©^i|e  be§ 
ung.  röm. -lai^.  Äleru§  fteb,t  ber  @^jtergomer  (©raner)  ©rjbifcb,of  (ba§  ©r^btötum  grünbete 

40  ©t.  ©teb^an  im  3af)re  1001).  ©eit  1279  ift  berfelbe  ber  $rima§  beö  Reicb,e§,  feit 
1452  legatus  natus  sedis  Apostolicae,  feit  13!>3,  Dber=  unb  ©efjeimfanjler,  feit  1715 
trägt  er  ben  §erjog§titel.  ©eine  Redete  finb:  er  frönt  unb  beeibigt  ben  Äönig;  er  fann 
eine  Rationalfintobe  einberufen;  jebe  2lbbeßation  geb,t,  mit  Umgebung  ber  SBiener  Run= 
tiatur  bireft  nad;  Rom.    Unter  feine  ©erictjtgbarfett  gehört  teilraetfe  aucb.  bie  griecfjifclj^at^os 

45  lifclje  (unierte)  ®irct)e. 

©ie  ung.  röm.=fatb,.  Sürcfye  teilt  ficb,  in  4  §aubtbiöcefen  unb  1  §aubtabtei. 

1.  ©ie  @§jtergomer  (©raner)  §aubtbiöcefe  enthält  1  @r^bi§tum,  8  "S3ifd;offi^c,  40@rs= 
bed?antftüf)le,  207  ©ed)antftüf)le,  1783  Pfarren.  Sifdjoffi^e  finb.  in  R^itra,  ©bör, 
SSeöjbrem,    5ßec§   unb  SSäcj    (gegrünbet   bon  ©t.  ©tebfyan),    ferner   in  SeSjterc^ebän^a, 

50  ©jefe§feb,erbär,  ©jombatb,el^  (gegrünbet  bon  2Jlaria  SEb^erefia  1777). 

©ie  §aubtabtei  bon  5jßannonb,alma,  gegrünbet  bon  ©t.  ©tebb.an.  ©er  ^aubtabt 
(abbas  de  monasterio  Sancti  Martini  in  monte  supra  Pannoniam  sita)  ift  ber 
ftete  unb  oberfte  2lbt  ber  Senebiftiner.  @r  ift  ber  einzige  „praelatus  nullius  dioece- 
seos"  unb  bireft  bem  abofto(ifcf)en  ©tul)le  unterworfen,  fann  ©iöcefanf^noben   abgalten. 

55  ©eit  bem  $at)re  1870  ift  er  berechtigt,  „Privilegium  ad  instar"  girmungen  borsu= 
nehmen,  unb  rote  jeber  @rjbifd;of  unb  33ifd)of  ift  er  StRitglieb  be§  Dberl>aufe§.  ©ie  §aubt= 
abtei  b^at  1  ©edjantftub,!  unb  15  Pfarren. 

2.  ©ie  Mocfaer  §aubtbiöcefe  enthält  ein  ©rjbiStum,  3  33ifcb,of§fi|e,  29  ©r^bedjant; 
ftüfyle,  51  ©edjantftüb^le  unb  658  Pfarren.  §8eftanbteile  beweiben  finb:  ba§  @rjbi<otum  in 

6oIalocfa   (gegrünbet   bura)  ©t.  ©tebfyan,    jum  (SrjbiStum   erhoben  1135),    bau   ßfanäber 


Ungarn  237 

Siltum  (gegrünbet  burcb.  ©t.  ©tebljan,  Stefibenprt  £emei§bär),  baö  Ragfybäraber  33i§tum 
(gegrünbet  burcb,  SabiSlauS  I.  ben  ^eiligen,  1095),  ba§  ©tebenbürger  23i3tum  (gegrünbet 
bura)  ©t.  ©tebfyan,  ^eftbenjort  ©fyulafefyerbär). 

3.  Sie  (jrlauer  (@ger)  §aubtbiöcefe  enthält  1  @rjbt§tum,  4  33i3tümer,  18  @rj= 
bcajantftüble,  81  2)ecr)antftüljle,  753  Pfarren.  Öeftanbteile  ber  §aubtbiöcefe  finb:  ba§  @r=  5 
lauer  Stetum  (gegrünbet  burcb,  ©t.  ©tebfyan,  gnm  ©rjbiätum  erhoben  burcb,  grang  I.  im 
Qafyre  1804).  Sie  Bistümer  9toä§nr/6  unb  ©jebeg  (gegrünbet  bon  SDiavia  Sfyerefia,  1776). 
<Da3  ©palmarer  unb  Kafcfyauer  (Kaffa),  33i§tum  (betbe  gegrünbet  burcb,  granj  I.  im 
^abje  1804). 

4.  £)te  gägräber  (2Igramer)  §aubtbiöcefe  enthält  1  @rjbi§tum,  2  SiStümer,  nämltcf;:  10 
baS  ^ägräber  @r^bi§tum  (alä  Saturn  gegrünbet  burcb,  Sabillauö  I.,  gum  ©r^biätum  er= 
ijoben  burcb,  granj  Sofefcfy  I-  im  %at)xe  1853),  ba<3  genger  (©egniaer)  33i<§tum  (ju= 
fammengejogen  au3  ben  früheren  ßorbabiaer  unb  9Jcobrufer  Bistümern  im  ^afyxe  1833), 
baS  ©tafobärer  Saturn  (entftanben  burcb,  3ufammenäte^ung  be§  alten,  im  3«^e  1230 
gegrünbeten  ©^eremer  unb  bognifdjen  23i6tum§  im  $al>re  1773).  ©ie  §auptbiöcefe  enthält  15 
25  grjbecfyantftüfyle,  66  ©ecfyantftüfyle,  610  Pfarren  in  Kroatien,  ©labonien  unb  £)al= 
matien. 

SDie  £af>I  ber  ©omfabitel  ift  27.    @S  giebt   272  tüir!Iicb,e  unb   152  £ituIar=£)om= 
berren ;  30  mitfliege  unb  150  £itular4ibte,  37  rotrflidje  unb   109  £itular=^röbfte.    ®ie 
£omfabttel  (5  ©efeKfcr;aft3bomfabitel,    Capitula  collegiata)  roaren    feit   uralten  Reiten  20 
autb,enttfcb,e  Orte  mit  2lmt§ftegel;  b,aben  auf  bie  2BabJ[  be§  SHfcfyofio  feinen  ©influfj.    SDie 
3abl  ber  weltlichen  ©eiftlicfyen  beträgt  6593. 

2tufnal)me  bon  DrbenSgeiftlic^en  in  ba§  £anb,  ©tiftung  ober  2Iuffyebung  bon  Drben, 
fann  nur  mit  SeroiEigung  be§  Königg  ober  auf  £5efdjluf$  bes>  Reid^tageS  gefcfyefyen. 
^ofebb,  II.  (1782—87)  fyob  134  9JJöncf;3Jlöfter  mit  1544  SJföndjen  unb  6  grauenflöfter  25 
mit  191  Tonnen  auf.  SDie  fyeute  beftefyenben  Drben  finb  folgenbe:  ^ßrämonftratenfer, 
Senebiftiner,  ßifiercienfer,  Kabu^iner,  SDominiraner,  granjiSfaner,  ^iariften,  SDtifericorbianer 
unb  fett  1854  bie  ^efuiten.  Sie  gafyl  ber  3ftöncb^flöfter  ift  227,  bie  ber  DrbenSbrüber 
2196.  £te  ftafyl  ber  grauenllöfter  ift  365,  bie  ber  Tonnen  (Urfulinernonnen  ber  fyl.  (£lifa= 
betf),  9?otre=®amenonnen,  engltfdje  $räuleino,  graue  ©cfytoeftern  jc.)  5420.  30 

£l)eologifcr;e  ^nftitute  (©eminare)  finb  in  jebem  @rjbi§tum  unb  33i3tum  mit  2lu3= 
nafyme  bon  3  p  finben ;  fie  finb  organifiert  auf  ©runb  ber  Igl.  33erorbnung  bom  25. 2Ibril 
1803;  ber  größte  S£eil  roirb  au§  bem  SMigiomSfonbe  erhalten,  ©egenroärtig  befielen  18 
^nftitute  für  meltlicfye  unb  13  für  DrbenSgeiftlicfje,  fomie  ein  ßentralinftitut  an  ber  Uni= 
berfität  ju  Subabeft;  jufammen  32  ^nftitute  mit  880  Zöglingen  unb  177  ^ßrofefforen.  35 
Sie  Unterria)t§fbracf)e  ber  fatb,.  ©eminare  ift  bi<§  bleute  bie  lateinifdje. 

Äircb,enbermögen.  S)er  geiftlicb.e  ober  ^iretjen^ent  mürbe  1848  gefe^Iicb.  auf= 
gehoben,  gür  ben  Serluft  rourbe  bie  ®eiftltcl)feit  nieberen  ^angeg  burcb,  @runbentlaftung§= 
babiere  entfe^äbigt.  2)a§  ^eftierung§recb,t  ber  oberen  ©eiftlicbjeit  rourbe  burcb,  ein  ®efet$ 
bom  ^ab,re  1715  geregelt;  e§  erftreeft  fieb,  nur  auf  ben  brüten  'Seil  ibjceg  rein  erworbenen  40 
Vermögens,  ba§  2.  drittel  geb,t  in  ba§  ©igentum  ber  ^ircb,e  über,  baä  3.  ©rittel  in  ba§ 
be§  ©taate§.  SDie  untere  ©ei[ilicb,Ieit  lann  mit  2lu§nab,me  beg  20.  ^eile§  be§  @rtoerbe§ 
frei  teftieren.  $Da§  ©efe|  bom  ^afyxt  1498  berbietet  ber  oberen  ©eiftlicb,!eit  bie  ©rtoerbung 
roeltltdier  ©üter. 

®a§  in  ben  §änben  ber  röm.=fatl).  ©eiftlicb,!eit  ftel)enbe   !ircb,licb,e  Sefi^tum   beträgt  45 
987079  §eltare. 

^(eligionäfonb  (fundus  religionis)  gegrünbet  burcb,  König  gerbiwmb  III.  mit 
©rünbung§ur!unbe  bom  %ai)xt  1647,  roelcb,e  für  Meligtonöbebürfniffe  au§  bem  @in= 
Eommen  ber  Igl.  Kammer  iäljrlicb,  6000  ©ulben  beftimmte;  bergröfjert  burcb,  Karl  III. 
(im  ^ab,re  1733),  burcb,  3Raria  Stjerefia  (1769),  burcb,  ^ofebb,  II.  (1786),  ber  ben  xöefi^  w 
ber  aufgelösten  Crben  unb  Klöfter  ju  ©unften  beä  gonbeö  liquibierte,  jule^t  bergröfeert 
bma)  ^ran^  I.  (1802).  35ie  ©röfee  beg  gonbe§  ift  b,eutc  30  SJiiaionen  Kronen.  ®er 
SdE)ä^ung§breig  ber  £iegenfcb,aften  (112  000  £eftar)  20  Millionen  Kronen,  ber  Reinertrag 
2200000  Hronen.  ®ie  Sertoattung  biefe§  gonbeS  ftet)t  unter  3luffic^t  be§  Kultur 
mtnifteriumä.  55 

Seb^rfonb  (fundus  studiorum),  gegrünbet  burcb,  9Jtaria  1b,erefia  im  3a^re  I775/ 
ate  fte  bie  ©üter  be§  aufgelöften  ^efuitenorben§  ju  ©ctjulgtoecfen  ju  bertoenben  anorbnete. 
Sargelbfabital  13  SJüttionen  Mronen.  ©ie  Siegenfrfmften  betragen  35  000  §eltar,  mit 
einem  jäbjclicb, en  ©infommen  bon  700  000  Kronen.  2lu§  bemfelben  werben  röm.=fatb,.  ©i;m= 
nafien,  Recb,t§alabemien,  £eb,rerbilbung§anftalten  unb   einige  9Jormalfcb,ulen  erhalten.    IMe  60 


238  Ungarn 

Verwaltung  biefeg  $onbg  ftel)t  unter  Slufftcbt  beg  Kultugminifteriumg.  £>er  König  E>at 
burcb,  @rla£  bom  21.  9)iai  1880  mit  ber  KontroIIteumg  ein  Komitee,  beftefyenb  aug  15 
röm.4atl).  ©eiftlicfyen  unb  Saien,  betraut. 

KatfyoIifdJK  Autonomie,  ©ie  röm.=iatr/. Vifcfyöfe  berfucfyten  feit  bem  ^jafyre  1868 
5  gegen  ben  ©influfj  beg  ©taateg  auf  bie  fircr/licfyen  Angelegenheiten  unb  jur  (Mangung  ber 
tatfy.  Autonomie  ju  agitieren.  ®ie  erfte  organifterenbe  Verfammlung  Würbe  im  SRonat 
Dftober  1870,  bie  jtoeite  am  ll.Robember  1897  gehalten,  gwä  berfelben  tft,  mit  Äug: 
nafyme  bei  Vatronateg  ©r.  SKajeftät  feiner  ftaatlid)en  Vefyörbe  bie  ©inmifcfyung  in  fircfylicfje 
Angelegenheiten  ju  geftatten.  ©a  aber  biefe  Intention  mit  ber  taufenbjäfyrigen  Verfaffung 

10  beg  ©taateg  im  KUbertyrucf/  ftefyt,  erlangte  fie  bisher  nidjt  bie  ©t)nvpatr)ie  ber  Nation  unb 
ber  Regierung.  Rur  bie  ©iebenbürger  röm.=fatl).  Kirche  (status  catholicus)  beft§t  nocb, — 
aug  ber  gürftentumgperiobe  —  eine  Art  fircbjicfier  Autonomie,  inbem  unter  bem  Vräfi= 
bium  beä  33tfd^ofg  mit  Vejieljmng  68  geiftlidjer  unb  136  Weltlicher  Vertreter  jär/rlicfe,  über 
Vermögend  unb  ©tfmlangelegenfyeüen   beraten   Wirb.    SDiefeg  Siecht  Würbe  burcr;  ©rlaffc 

15  i>om  %at)xt  1861,  1872  unb  1876  Verbrieft.  ©er  Vertnögengftanb  ber  —  unter  ber  3Ser= 
Waltung  unb  Rechnungslegung  ber  burcb,  bie  ©iebenbürger  xöm.-tati).  Ktrdje  jäljrlicb,  ab^u= 
f/altenben  füg.  ©tatutgberfammlung  machte  im  ^atyre  1906:  6  070  721  Kr.  mit  401339  Kr, 
2>ar;regeinfommen. 

Kircbjtcfyeg  Seben.    Auf  bem  ©ebiete   beg  fircfylidjen  Sebeng   unb  ber   inneren 

20  SDfiffion  toirfen  1.  ber  im  %afyxt  1847  gegrünbete  ©t.  ©te^anstoerein,  beffen  §aupt= 
jWecf  bie  Vefefttgung,  (Srr/altung  unb  Verbreitung  t»e§  Katl)oItcigmug  auf  bem  SBege  ber 
treffe  tft.  @r  giebt  @lementarfcb,ul=  unb  Religtongbücr)er,  ©ebetbüdjer,  fatl).  %a$--  unb 
SBoc^enblätter,  93rofct;üren,  Wiffenfcfyaftlicfye  Vücfyer  unb  §eiligenbilber  fyeraug ;  erläßt  Vreig= 
aufreiben  unb  liefert  ben  5)titgliebern  jär/rlicb,  100  ©rudbogen.   An  ber©pi|e  fielet  ber 

25  Vrtmag  unb  jtoei  b,ot)e  Magnaten,  alg  Vräftbenten.  2.  ©er  Verein  beg  6,1.  Sabiglaug,  gegrünbet 
im  $afyre  1864.  Vräfibent  ift  ein  93tfd>of.  3wecf  beg  Vereint  ift  bie  ungarifcfye  röm.=ratr;. 
©efinnung  in  ben  öftlidjen  Säubern  (Vallanbalbinfel)  ju  unterftü^en,  für  biefelben  ©eift= 
liege  unb  £el>rer  ^eranjubilben,  ferner  bie  (Erbauung  unb  görberung  baterlänbifcfyer  ©Ovulen 
unb  Kirnen.  3.  ®ie  berfcfyiebenen,  ga^Ireic^en  Vereine,  j.  33.  ber  ©t.  ^r/omag:,  ^äjmän^, 

so  ©t.  ©merictWerein,  bie  lati).  $üngltngg=,  grauen=  unb  ©efeHenbereine,  bie  9Jcartenfongre= 
gattonen  k. 

II.  ©riecb, ifcg=fat^oIifc6,e  (unierte)  Kirche.  Auf  Anregen  beg  ©gjtergomer 
(©raner)  ©r^bifeijofg  ©eorg  Si^ai?  unierten  ftcb,  aug  bem  Kreife  beg  rutfyenifcfyen  Volfeg 
ber  ©egenb  9Jhmfäcg  400  ©eifiltcfye  grtecfyifcfyer  Religion  mit  ber  röm.=!atb,.  Kirdje,  beren 

35  erfter  Vifcfr;of  im  %at)xc  1655  geWeifyt  Würbe,  ©raf  Seopolb  Kolonicg  (©raner  @rjbifd)of) 
i)at  mit  «§ilfe  ber  ^efuiten  burd)gefe£t,  ba^  au§  ber  rumänifcb.en  Sebölferung  ©ieben= 
bürgeng  mef)r  alg  100000  ©laubige  griedb,ifcb,er  Konfeffion  jur  Union  übertraten,  unb  bafj 
auf  ber  ©t>ulafel)erbärer  ©imobe  (1697)  ber  Vifc^of  ^eo^il  unb  12  griecf/ifcf;e  ©ec^antg, 
bie  aueb,  bon  König  Seo^olb  I.  unterführte  Union  untertrieben,  unb  für  bie  unierte  Kirche 

40  ba§  gogarafcfyer  Viötum  gegrünbet  rourbe. 

Qn  ber  griecr/^atfyol.  Kircfje  befielt  1  (Srjbigtum,  6  S3istümer,  7  ©omfa))iteI  mit 
45  $Doml)erren  (canonici),  59  ©rjbecfyante,  155  ©ecb,ante,  1361  Pfarrer,  731  Kapläne, 
9  SRöncb.gJlöfter,  44  Klofterbrüber,  5  Scminarien,  228  ©eminariften,  34  Vrofefforen.  ®ag 
gogarafd^er  Viitum   tourbe   im  Qaf)re    1850    bureb,  gtanj  S°fc^  I-  3um  @r^^tum   'n 

45  ©tjulafeb.erbär  erhoben,  ber  ©ii}  begfelben  tft  Valäjsfaloa.  ®ag  (Srjbigtum  tourbe  im 
^ab,re  1868  berfaffungggemäfj  ben  Sanbeggefe^en  inartüuliert.  Unter  fetner  ^uri^iftton 
gehört  ba§  £ugofcb;er  unb  ©jamofujbärer  33iitum  (beibe  gegrünbet  im  $ar/re  1850)  unb 
ba§  ©rofjtoarbeiner  (Rag^bäraber)  33i§tum  (gegrünbet  bur<|  SDfarta  SLt/erefta,  im  3a^re 
1777).  ©ie  übrigen  brei  Sigtümer,   nämlicb,   bag  3)Junfäcfer  (toieberb,ergefteEt  bon  Ataxia 

so  Slfyerefia,  1771)  bag  %erjefer  (gegrünbet  bon  granj  I.  im  $afyre  1816)  unb  bag  Körö= 
fcfyer  (gegrünbet  aus  bem  früheren  ©jbtbnicjer  Vigtum  im  ^a^re  1751)  finb  ber  %üxi& 
bütion  röm.^latb,.  (Srjbigtümer  unterfteHt.  9taa;bem  bie  gried)--ktf).  Kirdje  ein  integrierenber 
Xeil  ber  röm^fatljolifdjen  ift,  geniest  fie  aud)  alle  Rechte  unb  Vorteile  bon  feite  beg 
©taateg,  wie  bie  röm.4atl).  Kirche.    ®ag  in  ben  §änben   ber  grtecb^.^atb,.  Kirche  fteb^enbe 

55  Vefüjtum  beträgt  172  329  §e!tare.  SDie  ©laubenggenoffen  ber  griea;.=unierten  Religion 
finb  ib,rer  Rationalität  nacb,  Rumänen,  Rutb^enen  unb  SRag^aren. 

III.  ©iied§.  =  orient.  Kirche,  ©ie  juribifcfie  ©tellung  ber  griecf;.=orient.  Kirche  in 
Ungarn  Würbe  buref)  ben  27.  ©A.  beg  Sanbtageg  bon  1791  geregelt,  inbem  ib,r  an  ben 
ber  röm.=Iat^.  Kircfye  feit  je^er  jufte^enben  Vorrechten  Anteil    gewährt   tourbe.    Qb,ren 

60  33ifcb,öfen  rourbe  ©i^  im  Oberläufe  juerfannt  unb  fie  Würben  mit  ©ütern  (60  032  §ef= 


Ungarn  239 

täte)  botiert.  Nationalität  unb  ©bracfye  entjtoeiten  bie  Hir^c.  infolge  beffen  rourbe  fie 
burcf)  ben  &ÜI.  9  bom  %at)xe  1868  in  jtoei  9)}eiroboIitanfbrengel  geteilt,  ©ie  fwben 
2  ®rjbif^6fe,  8  93ifcböfe,  92  (grjbec&ante,  2311  Pfarren,  283  Fabiane,  290G  Pfarrer, 
4  Seminarten,  35  ^rofefforen,  351  ©eminariften,  28  Drbenäfyäufer  mit  158  Drben<o= 
brübern.  5 

A.  Urfbrung  be§  ferbifdjen  -DJcetroboIitaneig.  Unter  bem  $befer  Patriarchen, 
2lrfen  ßfernobicS  roanberten  38  000  ©erben  ein,  um  bem©rucfe  ber  "Surfen  jju  entgegen. 
Ten  Slnfieblern  mürben  bom  Äönig  Seobolb  I.  bureb,  ba£  ©iblom  bom  10.  Sluguft  1691 
ib,re  fird^Uc^en  9tecb,te  gugefic^ert.  %fox  Weligion3oberl)aubt  ift  ber  Karlobicjer  ^atriardj. 
Sein  2Birfung§ifretg  mürbe  im  $abje  1829  auefy  auf  ba§  balmatinifcbe  23i§tum  au?-- 10 
gebefmt.  ©ie  Äarlobic^er  ®ircl;enftmobe  (1864)  arbeitete  bie  neue  SSetfaffung  au3,  toelcbe 
im  3ab,rc  1875  bom  König  fanfttoniert  tourbe.  ©ie  oberste  23ebbrbe  ift  ber  ferbtfcfyc 
9?ationalfircf;enfongref3,  melier  aus  25  geiftlict/en  unb  50  meltlicljen,  auf  3  $afyre  ge= 
tuät>Iten  tOiitgliebem  beftefyt.  ©er  beftänbtge  33orfii$enbe  ift  ber  ^atriareb,.  ©er  Äongref? 
wirb  nao)  bem  2öiKen  beS  SlönigS  einberufen  unb  berät  unter  2tufftcfyt  eine§  fgl.  $om=  15 
miffärä.    ©ie  33i3tümer  teilen  ftcb,  in  ©rjbecbantfiüble.    ©ie  Pfarren  unterfteljen  ben  auf 

6  ^abre  gehalten  lofalen  Kirctjenfenaten.  ©ie  Seftanbteile  be3  SDZetroboIitaneS  finb :  ba§ 
Matriarchat,  ba§  Säcfer,  Dfener  (23uba),  SemeSbärer  unb  SSerfecger  SBtgtum  (alle  unter 
«eobolb  I.  gegrünbet  im  lyafyre  1690),  ferner  ba3  Karlftäbter  unb  ^afräc^er  Siötum. 

B.  ©a3  rumänifc^e  @rjbis>tum  mürbe  unter  bem  §ermanftäbter  (Srgbtfd^of  20 
(Metropolit)  im^afyre  1865  felbftftänbig.  ©eine  Drganifterung  rourbe  bureb,  ben  §erman= 
ftäbter  Äongrefj  tm^abje  1870  feftgefe|t.  ©ie  beb, örblicljen  Slbftufungen  finb:  ber  National 
iircfienfongrefj,  beftefyt  au3  30  geiftltcfyen  unb  60  roeltlicben  auf  3  ^ab,re  geroäbjten 
Jtebräfentanten,  ba<§  9JietroboIitanfonfiftorium  (in  beiben  bräfibiert  ber  (Srjbifdjof),  bie 
Gptffotoalfrmobe  (^räfibent  ber  SBifcfyof)  unb  bie  ©emeinbefimobe.  SBeftanbteile  finb:  a)  ba3  25 
£ermanftäbter  ©rjbigtum  (für  bie  nid)t  jur  Union  übergetretenen  Rumänen  bureb 
Sofebb  II.  al3  23i3tum  errietet,  jutn  (Erzbistum  erhoben  im  ^afyxz  1864);  b)  ba3  Araber 
Bistum  (gegrünbet  bureb,  Seobolb  I.);  c)  ba§  föaränfebefer  SMStum  (gegrünbet  im  ^af>re 
1865). 

IV  ©ie  ebangelifcf) e  Kircfye  2lug§burger  Konfeffion   ift  in  gtoei    —   auf  30 
gefcbjcbtlicber  33aft§  entftanbene  Korporationen,   jebe  mit   felbftftänbiger  unb  eigener  SSer= 
toaltung  —  geteilt. 

A.  ©ie  ungarifcfye  ebangelif  et)  e  Kirclje  fcfjltefst  bie  auf  bem  ©ebiete  be§  unga= 
rifcb,en  ©taateg  fi<|  befinblicb, en  ebang.  21.  K.  ©laubigen  in  ftcb, ,  mit  Slusmab, me  ber  ©ieben= 
bürger  ©act/fen.  ©ie  erhielt  ifyr  fiaat§recf)tlicr)e<§  (gEiftengre^t  im  $af>re  1606  unb  1608.  35 
3b,re  fonftitutionelle  Drganifierung  mürbe  auf  ben  gfolnaer  (1610),  ©jebeäbäraljer  (1614), 
Söäfaf)egr,er  (1707),  Hefter  (1791)  unb  Subabefter  (1891—4)  ©bnoben  aufgearbeitet, 
^ureb  bie  3^efolution  äaxU  III.  tourbe  bie  ebang.  Ktrcfye  in  4  ©uberintenbenjen  geteilt, 
bie  Subabefter  ©bnobe  blatte  bie  ©eniorate  in  ben  4  ©uberintenbenjen  anber§  eingeteilt, 
^m  ^ab,re  1735  tourbe  neben  ben  ©uberintenbenten  au§  ber  Steige  angefel)ener  2öelt=  40 
lieber  für  jeben  ©iftrilt  ein  ^nfbeftor  gemäht.  3Ktt  SetoiHigung  SDf aria  SberefienS  fonnten 
bie  4  ©iftrifte  jä^rlic^  p  einem  ©eneralfonbent  sufammenfommen.  3m  3a^re  l774 
tcurbe  ber  erfte  „©eneraKonbent"  abgebalten,  an  beffen  ©bi^e  ein  bon  allen  ©iftriften 
getoäbjter  toeltlic^er  $räfe§  (mit  bem  Stiel  „©eneralinfbeftor")"  geftetti  tourbe.  ©eit  1860 
tourbe  ba3  ©obbelbräfibium,  ber  amt^ältefte  ©uberintenbent  neben  bem  ©eneralinfbeftor,  45 
eingeführt,  ©er  ©encralfonbent  befielt  au§  90— 100,  bon  allen  ©uberintenbenjen  getoäb^lten 
3JlitgIiebern.  ©er  ©eneralinfbeftor  mirb  buref;  Slbftimmung  ber  Kttct/engemeinben  lebenl= 
länglicb  getoäf)lt. 

©ie  ©eneralfbnobe  beftef)t  au§  ben  bon  ben  s$re§bt)terien  aller  4  ©uberintenbenten 
im  Sege  ber  Slbftimmung  gemähten  geiftlicfyen  unb  meltltcfjen  SRttgliebern,  bon  ben  9te=  50 
bräfentanten  ber  ^rofefforen  unb  Seb^rer,  enblicb,  bon  „ex  offo"  sDJitgliebem  (®eneral= 
infbeftor,  ©uberintenbenten,  ©iftrift^inflpeftoren,  bie  Sorfiijenben  ber  ung.=ebang.  §ilf^= 
anftalt).  ©ie  übrigen  Sebbrben  finb:  ©er  Kir  cb,  enbiftrtf  t,  an  beffen  ©bifce  ber 
Superintenbent  (Si'fcbof)  mit  bem  ©iftriMnfbeftor  fteljen;  —  ba§  lirebenfeniorat, 
ebenfaEg  mit  ©obbelbräfibium  (©enior  unb  ^nfbeftor);  bag  ^reSb^terium,  b.  i.  ber  55 
«injelne  Kircb^engemeinberat  unb  bie  ©emeinbeberfammlung.  ©ie  lircb^engemeinben 
toä^len  ben  ©enior,  bie  ^nfbeftoren,  ben  ©uberintenbenten  unb  ©eneralinfbeftor.  öftren 
eigenen  ^rebiger  toäf)len  bie  StRitglieber  ber  Äircfjengemeinbe.  ©ie  Drbination  bolljiebt  ber 
-öijcbof  gemeinfcf)aftlicb  mit  ben  Senioren. 

Sie  4  $irc£)enbiftrifte  finb  folgenbe :  I.  ©ie  Sänbaer  ©uberintenbenj  befielt  auö  1 0  eo 


240  Ungarn 

©enioraten,  165  ^irdjengemeinben.  gafyl  ber  ©laubigen  433583.  ©tfc  beS  je|igen 
SifcfyofS:  SBubapeft.  II.  Sie  ©uberintenbenj  bieSfeitS  ber  Sonau  befielt  auS  9  ©enio= 
raten,  164  $ira;engemeinben.  gat)l  ber  ©laubigen  205  375.  ©i|  gegenmärtig:  SBalaffa= 
gbarmat.  III.  Sie  ©uberintenbenj  jenfeitS  ber  Sonau  Beftel)t  aus  10  ©enioraten,  160 
5  iRirdjengemeinben.  Slnja^I  ber  ©laubigen  236934.  ©t£  gegenmärtig:  tyäpa.  IV.  Sie 
Sfyeifjer  ©uberintenbenj  befielt  auS  10  ©enioraten  unb  172  äird;engemeinben.  2lnga^i  ber 
©laubigen  209  711.  ©i|  gegenwärtig:  SJttSfoIcj.  Sie  ungarif$=evangelifd;e  $ird)e  befielt 
alfo  auS  89  ©enioraten,  661  ^ircfyengememben,  mit  665  Pfarrern  unb  169  Fabianen. 
Qofyl  ber  tfyeologifdjen  Stöabemien  3,  mit  16  orb.  $rofefforen  unb  138  £>örem.  Sie 
10  ©laubigen  ftnb  ifyrer  Nationalität  nacb,  9Jfagtyaren,  Seutfcfye  unb  ©lobafat. 

B.  Sie  ©iebenbürger  eöange lif ct)e  $irä)e.  Qljr  Urftorung  ift  gleichzeitig 
mit  ber  Reformation,  ©ie  befielt  aus  einer  ©utoerintenben^,  mit  bem  beftänbigen  ©i|e 
§ermanftabt  (Ragr/Sjeben),  biefe  faf$t  in  fid)  10  Secb^ntftülile,  247  ^ircfyengememben  unb 
220362  ©laubige,  meiere  ©aajfen  mit  beutfcfjer  SRutterfbradje  ftnb;  biefe  mürben  im 
15  Safyre  H42  in  baS  Sanb  gerufen,  mit  btelen  Privilegien  berfefyen  unb  bewahrten  ir)re 
Nationalität  (natio  saxonica)  bis  b,eute.  ©ie  b,aben  1  tfyeologifcfyeS  ^nftüut  mit  80 
©cfyülem.  Siefe  $ird)e  erhielt  tfyr  ReIigionSfreil)ettSgefe|  im  !3ab,re  1557  unb  mürbe 
unter  ber  Regierung  ber  ©iebenbürger  gürften  unabhängig,  ©ie  behielt  baS  ©elbftberwal= 
tungSred)t  aueb,  naa)  ^Bereinigung  Siebenbürgens  mit  Ungarn  (1848).  SaS  frühere  bureau= 
20  fratifdje  $ird;enregiment  mürbe  gelegenr/eitlia)  ber  ttrd)Iic|en  ©eneralberfammlung  1870  in 
eine  ^ßreSbfytertalEonftitution  bertoanbelt,  beren  gaftoren  ftnb :  a)  bie  $farrgemeinbe,  beren 
Organe  baS  $reSbr/terium  (Sorfitj:  ber  Pfarrer)  unb  bie  ©emeinbeberfammlung,  beren 
SJcitglieber  auf  6  Igafyre  gemättlt  merben.  Sie  ©emeinbeberfammlung  mäfylt  ben  Pfarrer, 
menn  fie  auS  mein-  als  2500  ©eelen  befielt,  einen  Kurator  unb  bie  5ßreSbr;teriumSmit= 
25  glieber;  b)  bie  Sed)antftüb,le;  ber  Gräfes  ift  ber  Secfyant;  c)  bie  SanbeSfircfyenberfamtm 
lung,  beren  boHjtefyenbeS  Organ  baS  Dberfonfiftorium,  auS  8  Sftitgliebern  befielt,  beffen 
$ßräfeS  ber  ©utoerintenbent  ift.  Serfelbe  toirb  burd)  bie  SanbeSftrcfyenberfammlung  im  Sßege 
gegebner  Slbfttmmung  bon  ben  6,  burd;  bie  Secfyanei  fanbibierten  ©eiftlicfyen  gemäfylt, 
unb  auf  ©runb  ber  alten  lanbeSfürftlid)en  Redete  bon  bem  Könige  in  feinem  2lmte  be= 
30  [tätigt.  93ei  bem  ©eneral!onbente  ber  ung.  ebang.  ^ira)e  bon  1848  erfd)ienen  aueb,  bie 
Vertreter  ber  ebang.  ^ircfye  ber  fiebenbürger  ©acfyfen;  aufserbem  fonft  niemals,  meber 
früher  nod)  fpäter.  —  SaS  33efi£tum  ber  ebang.  5Eirct)e  beträgt  40  441  §e!tare. 

V  Deformierte  ^ircfye.    Urfbrung.    ©ie  entftanb  mit  bem  Einbringen  beS  6al= 

»iniSmuS   unb   teilte  basfelbe  £oS,   mie  bie  Iutl?erifd)e  Äircfye.    2InfangS    Verbreitete   ficb, 

35  baS  £utl) ertum  unter  ben  magtiarifcb,  en,  beutfcfyen  unb   flabifcfyen  SSölfern  Ungarns ;    aber 

nact>  bem  auftreten  beS  GalbtmSmuS  fdjiloffen  fiel)  faft  fämtlicfye  -äftagfyaren  an  bie  gafyne 

ber   fyelbetifcfyen   Äonfeffion    unb    bie   Seilung    beS  *]ßroteftantiSmuS   mürbe   bon    1561 

bis  1591  befd)loffen;   unb  bureb,  bie  SeilungSfimoben  (in  Siebenbürgen  im  Qafyre  1564, 

in  ber  Sfyeiftgegenb  im  ^ab,re  1567)    burcb,gefüb,rt.    93on  nun  an  [tanben  fia)  bie  jtoei 

40  vroteftantifa)en  §älften  mit  itjren  ©djulen  unb   mit  ib,rer  getrennten  33ermaltung   gegen= 

über.    3Jur  im  ^afire  1841   tourbe  bureb,  ©raf  ^arl  ßab  (©eneralinfbe!tor  StugSburger 

üonfeffton)  bie  Union  beantragt.  @§  ftimmten  aufy  hierfür  mehrere  fyerborragenbe  Debner. 

Socf)  in  ben  SSirren  ber  1848er  Devolution  unb  ber  barauf  folgenben  fcolitifcfyen  Deaftion 

tourbe  unb  blieb  biefe  ^bee  bergeffen;  nur  r)ier  unb  ba  finben  fiel)  einige  gemifa^te  ^ira)en= 

45  gemeinben  unb  ©r/tnnafien,  bura;  bie  Dotmenbigfeit  ber  ©elbfterb^altung  bemogen,  ju  ber= 

einter  33ertoaltung  organifiert. 

Dacb,  ber  IRo^äcfer  ©^laa)t  (i:»26)  mürbe  baS  Sanb  Volitifd;  in  brei  Seile   geteilt. 

Sie  füblic^en  unb  mittleren  Seile,  mit  ber  §aubtftabt  Ofen  (33uba)  bon  ben  Sürlen  er= 

obert,   unterlagen  ber  .«oerrfcfyaft  be§  §albmonbel.    Sie  nörblia)en  unb   meftlia;en  Seile 

so  blieben  unter  ber  ^absburgifcfyen  St^naftie.    Sie  öftlicfyen  Seile  (Siebenbürgen  bab,in  ge= 

rechnet)  unb  bie  S^ei^gegenb  bilbeten  unter  ber  Degierung  reformierter  dürften  bon  1538 

bis  1691  ein  eigenes  Deicfy;   unter  folgen  Volitifcb,en  33er|ältniffen    änberte   [ic^i   baS  SoS 

unb  bie  ©nttoicfelung  beiber  getrennten  broteftantifc^en  Hirnen.    Sie  ©vuren  ber  langen 

getrennten  ©tellung  finb  bis  fyeute  noa)  nid^t  berfa)munben.  Qutx\t  tarnen  bie  beiben  bro= 

55  teftantifcfyen  £ira)en  auf  bem  ©ebiete  beS  g-ürftentumS  Siebenbürgen  jur  33lüte.    Defor= 

mierte  prften:    ©tefan  SocSta^i  (1604—1606),    ©abriel  Setzen    (1613—1629)    unb 

©eorg  Däfoc^  I.  (1630—1648)  er^mangen  mit  Söaffengefoalt  bon  ben  fatl)olifcb,en  §abS= 

burgern  bie  Religionsfreiheit  ber  ^roteftanten  aueb,  für  bie  anberen  Seile  Ungarns,  gerner 

maren  bon  SBebeutung  ber  Sföiener  (1606),  DifoISburger  (1621)  unb  Sinqer  (1645)  aueb, 

go  in  DeligionSfacb,en  entfd^eibenbe  griebenSöertrag   unb   bie  barauffolgenben,   bie  DeligionS= 


Ungarn  241 

freifycit  ber  $roteftanten  fid)cmben  £anbtag§gefe£e.  2lber  nad)  bem  SBeftfälifdfjcn  ^rieben 
erhielt  baS  burd?  Sefuttenjjoltttf  geleitete  §ab§burger  .fjauS  (unter  £eobolb  I.)  ©ieben= 
bürgen  toieber  jurüd,  unb  in  bem  fo  neubereinten  ©taate  tourbe  ber  ^roteftanttemuS  bem 
Untergange  nafye  gebraut.  Grft  ba§  burd;  3°W  H.  «»"  25.  Dltober  1781  erlaffene 
©efe|  (edictum  tolerantiale)  berurfacfyte  ein  Reuaufleben,  toeld;e§  ber  auf  bem  1791er  5 
Sanbtage  eingebrachte,  burd>  Seo^olb  II.  fanftonierte  26.  ©efe^artifel  (laut  toelcfyem  bie 
fleligionSfreifyeit  ber  Sßroteftanten  auf  ©runb  be§  2Biener  grieben§  gugefic^ert  toarb),  unter= 
ftüttfe.  Saburd;  getoann  bie  broteftantifdje  $ird)e  einen  fo  fixeren  23oben,  baß  baS  im 
£s<tbre  1859  erlaffene  i.  i.  Sßiener  patent,  toeld}e3  bie  broteftantifdje  Slutonomie  einju= 
färänfen  beredte  unb  biefelbe  bem  att^ugroßen  ©influß  ber  abfoluten  ©taatSregierung  10 
untertoerfen  wollte,  auf  eine  fo  große  Dpbofttion  traf,  baß  e<§  bon  ber  Regierung  gurüd= 
gejogen  toerben  mußte  unb  bloß  unter  ben  Sutfyeranern  flabifcfyer  Nation  eine  Trennung 
berborbracfyte.  Siefer  abgetrennte  Seil  aber  (patentalis  superintendentia),  bereinigte 
fitt)  nacb,  Rüderlangung  ber  ^onftitution  toieber  mit  ber  autonomen  iRircfye,  unb  ber  griebe 
tourbe  im  ^n  1867  fyergefteßt.  Sie  reformierte  Sftrdje  blieb  aud)  ju  Reiten  be§  tya--  15 
tente»  feft  unb  einig.  — 

Sie  Konftitution  unb  Drganifterung  ber  $ircb,e  tourbe  burd;  bie  auf  ben  S?omjäter 
(Hi23)  unb  Sjatf)märer  (1646)  ©tmoben  befdjjloffenen  $ircb,engefe£e  befeftigt.  Sag  ^3re3= 
btyterialftyftem  tourbe  in  ber  erften  in  Dfen  (1791)  abgehaltenen  ©imobe  gefepcb,  formu= 
liert.  Siefe  ©imobe  befteßte  ben  ©enerallonbent  jur  firdjlidjen  Dberbefyörbe  über  bie  20 
Suberintenbenjen,  um  bem  toeltlidjen  (Elemente  einen  gleichmäßigen  ©influß  unb  2Bir= 
fung3trei§  ju  beriefen. 

Sie  Janonifdjen  ©efetje  ber  Dfener  ©imobe  fanftionierte  ber  föömg  nid)t.  Sie  ba= 
ntaligen  Sefdjlüffe  tourben  aber  autonomifcb,  troijbem  burdjgefüfyrt.  Ser  in  Sebrecjen  am 
25.  ©ebtember  1860  abgehaltene  Sbnbent  formulierte  bie  toeitgefyenbfte  bemolratifcfye  25 
Organifation ;  beftimmte,  um  in  jebem  fünfte  bie  Rarität  burcbjufüfyren,  baß  bie  Qaty 
ber  getollten  toeltlicfyen  unb  geiftlid)en  Repräsentanten  gleicb,  fein  foße,  unb  führte  ba§ 
bobbelte  ^ßräfibium  ein. 

2ln  bem  im  ^afyre  1873  abgehaltenen  $onbente  beteiligte  fid)  aud)  bie  ©iebenbürger 
Superintenbenj  toenigftenS  an  ber  Beratung;  infolge  ber  bolitifcfyen  Union  nal)m  aud)  bie  30 
Sereinigung  ber  reformierten  ^irdje  it>ren  Anfang.  —  SRebjere  Äonbente  befdjäftigten  fiel) 
mit  ben  SSorarbeiten  jur  neueften  ^onftitution,  um  biefe  ber  ©imobe  borjmlegen.  infolge 
ber  günftigen  bolitifcfyen  ^onfteEation  tourbe  im  $ab,re  1881  mit  Setoißigung  be§£önig§ 
bie  erfte  organifierenbe  £anbe3fönobe  mit  ©infefyluß  Siebenbürgens!  einberufen.  (Sine  äi)n= 
licfye  batte  bie  reformierte  ^ireb, e  Ungarns»  noeb,  nicfyt  erlebt ;  benn  felbft  auf  ber  I)erbor=  35 
ragenben  Dfener  ©imobe  toaren  nur  4  Siftrifte  bertreien ;  ber  5.,  ber  ©iebenbürger,  nid}t. 
3)iefe  bemerlen^toerte,  ebod^ebilbenbe  £anbe§fimobe  tourbe  in  ber  ©tabt  Sebrecjen  com 
31.  Dftober  bi§  24.  Sfobember  1881  im  großen  ©aale  be§  eben  bamal§  boHenbeten  neu= 
erbauten  ^oßegiumgebäube§  abgehalten  (Sebrecjen  ift  ber  gocu§  ber  ebang.  Reformierten 
in  Ungarn;  52  282  ©eelen  unter  Seitung  bon  7  5ßrebigern  unb  4  §ilf§brebigern).  Sie  40 
jtoeite  ©i|ung§beriobe  biefer  ©i^nobe  tourbe  bom  10.  bi§  17.  ©etotember  1882  abgehalten. 
Sie  stoeite  (1891—92)  unb  bie  britte  (1904—07)  ©eneralfimobe  tourben  in  $3ubabeft 
abgehalten.  Sie  ©eneralftjnobe  befielt  au?  ben  bon  ben  ^ßre§br/terien  aller  5  ©Uji>er= 
intenbenjen  im  Söege  ber  2lbftimmung  getollten  96  3Jcitgliebern,  toelcfje  $ai)l  bie  5 
©uberintenbenten  (93ifd)bfe)  unb  bie  5  Dberluratoren,  al§  „ex  offo"  SRitglieber,  unb  10  45 
SProfefforen  auf  116  erbten.  2ßa§  bie  ^^ätigfeit  ber  3  ©eneralfimoben  betrifft,  fo  begann 
man  bamit,  ©ott  toegen  ©inigung  ber  5  ©uberintenben^en  ber  ung.=reformierten  föircfye 
ju  banf'en;  al§  Sinnbilb  ber  ^ircfyc  tourbe  baö  ©iegel  ber  ©eneralfimobe  (eine  brennenbe 
^adel  mit  7  ©lernen  umgeben  unb  3)ct  5,  15)  feftgeftellt.  Sie  Organifation  ber  tircfye 
tourbe  auf  gefdjicfytlid^er  ©runblage  bon  ber  unterften  ©tufe  bi§  pr  b,öcb,ften  im  ©inne  50 
be§  f^nobalbreäb^terialen  ^3rin§ib§  unternommen.  2113  oberfte,  bie  ©efe|e  ber  ©eneral= 
f^nobe  bolljieljenbe  Seljörbe  tourbe  ber  „©enerallonbent"  alz  Vertreter  ber  ©inljeit  mit 
feftgeftellter  Slombetenj  in  bie  Honftitution  aufgenommen;  bie  in  jebem  10.  3>ab,re  emju= 
berufenbe  £anbeögeneralft)nobe  tourbe  alsi  oberfte,  legiälatibe  23ebörbe  beibehalten.  @§ 
tourbe  ferner  ein  ^Pfarrtoablgefe!  befcbloffen,  laut  toeld;em  bie  ^irc^engemeinbe  bureb,  2lb=  55 
ftimmung  i^ren  ©eiftlic^en  toäblt.  2Beitere  Seftimmungen  betrafen  bie  9lect)tfprec^ung  in 
Stäjibliriarangelegenfyeiten,  bie  £irc^)ltcr)e  Sefteuerung,  baS  3Serb,alten  ber  lircblic^en  Beamten, 
baö  Srjief)ungö=  unb  Unterrid)t§toefen,  bie  ©rünbung  eineö  allgemeinen  Sanbeiofirc^enfonbä, 
«iner  $farrtotttoen=  unb  Söaifenfaffe  unb  eines  Sßenfiongfonbg  für  Pfarrer. 

Ser  brittjibietle  Gfyaraftcr  ber  Monftitution  ber  ref.  ilircfye:  bie  freie  2Babl,  bie  gleiche  go 

fRtat^nc^rtopäbie  für  J^eologie  unb  Slirdje.    3.  Sil.  xx.  |(j 


242  ltngortt 

älnjab,!  geistlicher  unb  toeltlid)er  Vertreter  bei  ben  93el)örben  unb  ba§  bereite  ^räftbium 
(Rarität)  finb  in  allen  Slbftufungen  burd^gefütjrt.  ©ie  erfte  SanbeSgeneralfrmobe  naf>m 
nad)  altem  ©ebraud)  bie  Sejeic^nung  „33tfd)of"  (püspök)  anftatt  ©uberintenbent  an. 
©ie    älbftufung    ber   $trd)enbeb,örben    ift  folgenbe;   ^reSbbterium,    ©entorat   (Xraftu§), 

6  ©uberintenbenj,  ©eneralfonbent  unb  SanbeSgeneralfimobe. 

(Einteilung :  5  Mrcfyenbiftrifte.  1.  ©ie  ©uperintenbenj  bie^fettS  ber  ©onau  be= 
fiefyt  feit  1544.  ^m  $af>re  1607  teilte  fie  fieb,  in  2  Se^fe.  %m  ^atyre  1734  bereinigte 
jie  \xä)  h)ieber  infolge  ber  Carolina  resolutio.  ©i£  gegentoärtig  in  ^un^entmiiHoS.  Sie 
enthält  8  £rarru§,  268  $ircf)engemeinben,  Qaty  ber  ©laubigen  431910.    2.  ©ie  ©uber= 

10  intenbenj  jenfett§  ber  ©onau  befielt  fett  1591.  ©h)  in  #tomärom  (^ornorn).  §at 
9  'SraltuS,  293  lircfyengemeinben,  256  017  ©laubige.  3.  ©ie  ©ubermtenbenj  bieSfettl 
ber  Streife.  Racb,  bem  ^afyxi  1572  bereinigten  fieb,  4  ^raftuS  unter  bem  tarnen  „93er= 
einigte  Sftrdjenfeniorate  DberungamS",  unb  übernabmen  anftatt  ber  Regierung  ber©uber= 
intenbenj  bie  ber  ©enioren  an,  unter  bem  ^ttel  „seniorale   regimen",     Rur   infolge 

15  ber  Carolina  resolutio  (1734)  bertoanbelte  fid)  biefelbe  in  eine  ©uberintenbeng.  ©i| 
gjttsfolcs;  fie  ääfylt  8  £raftu§,  354 JÜrd^engemeinben  unb  270  735  ©laubige.  4.  Sie 
©uberintenbeng  jenfeitg  ber  Xfyeifj  befielt  feit  1559,  jäbjt  13  Sra!tu§,  576  ^ircb,en= 
gemeinben  unb  1  061  759  ©eelen.  5.  ©ie  ©iebenbürger  ©uberintenbenj  befielt  feit  1564, 3äf>lt 
19  SraftuS,  539  Jürdjengemetnben,  432  352  ©laubige;   ©t|  in  Mojfbär  (Ulaufenburg). 

20  ©tefe  ©uberintenben^  b,at  infolge  ifyrer  SOOjäfyrigen  abgefonberten  ©tettung  einige  ab- 
toeidjenbe  güge  bi§  auf  Ijeutc  beibehalten:  ifyren  93ifcr/of  (biefer  %\td  ift  feit  ber  gürften= 
gett  im  ©ebraudje)  beftätigt  ber  ®önig  unb  ber  SBifcfyof  legt  einen  @ib  berSEreue  ab.  ©ie 
©uberintenbeng  fyat  5  Dberfuratore  au§  toeltlid)em  ©tanbe;  ein  ftänbiger  ©ireftiomSrat 
ift  in  2Birlfamfeit.     ©en  23tfd)of  unb  bie  Dberfuratoren  toäfylt  bie  ©iftrtftSberfammlung 

25  unb  nidjit,  tote  bei  ben  anberen  ©uberintenbenjen  ba<§  ^3re§br/terium.  ©ie  gabt  ber 
t^eologifd^en  Slfabemien  ift  5  (in  33ubapeft,  ©ebrec^en,  5loto§ft)är,  $äba  unb  ©äroSpatat), 
mit  34  orbentltctjen  ^rofefforen  unb  503  Geologie  ©tubierenben.  ©ie  ©efamtgafyl  ber 
ung.=ref.  ^ircfyengemeinben  ift  2025,  mit  1981  Pfarrern  unb  188  §ilf§bfarrem.  ©a3 
23efi§tum  ber  ref.  Äirdje  beträgt  81280  §eltare. 

30  Sie  ungarifd)e  ref.  $ird)e  bezeugt  toarme  ©fymbatlne  für  bie  Slßtang  ber  bal  ^ßre§= 
bbterialfr/ftem  befolgenden  ref.  ^trd)en  (Alliance  of  the  reformed  ehurches  holcling 
the  presbyterian  system).  ©ie  leitenben  SSorfte^er  ber  ref.  ©emeinbe  unb  bes>  ^oHegiumS 
ju  ©ebreejen  fcfytcEten  ifyren  erften  SegrüfjungSruf  im  Qafyre  1875  nacb,  Sonbon  an  bie 
erfte  fonftituierenbe  23erfammlung.    ©te  5  ©uberintenbenjen  liefert  fid)  auf  bem  im  ^atye 

35 1877  in  ßbinburg  abgehaltenen  großen  ©eneralfonjil  bureb,  jtoei  2tbgeorbnete  bertreten, 
unb  brückten  ben  in  9ieto=9)or!  1880  unb  in  23elfaftl884  abgehaltenen  großen  33erfamm= 
lungen  in  33riefen  ifjre  brüberlicfyen  ©bmbatfnen  au§.  ©nblid)  im  %ab,xe  1905  ift  bie 
ung.=ref.  ^trd;e,  als  orbentlidjeg  SRitglieb  in  bie  Slllianj  eingetreten. 

VI.  llnttarifd)e  Streite,     ©er  größte  S£eil   ib,rer   ©laubigen  faßt  auf  ©teben= 
40  bürgen,     ©rünber  biefer  SWigionlgemcinfcfyaft  (1566)  toar  ©eorg  33Ianbrata,  §ofarjt  be§ 

©iebenbürger  dürften,  unb  $xax\%  ©äbib  (geft.  1579)  früher  Älaufenburger  ref.  ©eiftlidier. 
©ie  erhalten  bie  Religionsfreiheit  im  $alp  1568 ;  bie  unitarifdje  Äird^e  tourbe  eine  ber 
4  reeeptae  religiones;  in  Ungarn  erhielten  fie  nur  im  ^al)re  1848  gleite  9ted)te  mit 
ben  anberen  Iftrcfyen.  9Jad^bem  bie  unit.  Mirdje  au3  ber  ref.  ^trdje  gefd)teben  ift,  über= 
45  nab,m  fie  beren  Kultus  unb  tonftitutton  nad;  ©iebenbürger  gorm ;  b,at  einen  33ifa)of, 
toeld)en  ber  Äöntg  in  feinem  Slmte  beftättgt.  ©ie  Unitarier  fyaben  9  ©ecfyanten,  113^ird)en= 
gemeinben,  109  Pfarrer,  ein  il)eologifd)e<§  ©eminar  mit  4  '■ßrofefforen  unb  25  ^örern. 
©ie  englifd;en  unb  amerifanifcb,en  Unitarter  unterftü^en  bie  ung.  unit.  .^ird)e  bebeutenb. 

VII.  ©ie  5Rajarener  unb  93abttften.    §autotf abliefe,   in  ber  unteren  93oIl3flaffe 
60  bertreten,  enttoidelte  fieb,  feit  ber  Rebolution  bon  1849  eine  neue  ReügtonSfefte  unter  bem 

tarnen  91ajarener  ober  9?ad;folger  gb^rifti,  beren  Religion  eine  Sftifdjmng  ber  2tnfcfyauungen 
ber  ©arbiften,  93abtiften  unb  DJtennoniten  ju  fein  fd;eint.  ©ie  erfte  bolitifo)e  33erorb= 
nung  erging  gegen  biefelbe  im  Safte  1854.  Racfy  @rla|  be§  Äultu§mintfter§  bom 
13.  2luguft  1868  gehört  biefelbe  nicfyt  unter  bie  gefellic^en  Religionen,  ©ie  S3abtiften 
55  erfd)ienen  feit  1874  in  Ungarn,  bie  erfte  ©emeinbe  organifierte  fia)  in  33ubabeft.  ©ie 
würben  im  Qab,re  1905  gefe^licb,  anerlannt. 

VIII.  ©  ie  Israeliten,  ^^e  bürgerliche  unb  bolitifd)e  ©leicbj&eredjtigung  erhielten  fie 
im  17.  ©.21.  be§  ^afyreS  1867;  bie  i§r.9Migion  tourbe  im  %ab, re  1905  gefepcf)  reeibiert. 
3ur  geftfteHung  il^reS  33erl)ältniffeS  gueinanber  unb  bem  ©taate  gegenüber  tourbe  ber  erfte  iS= 

60  raelitifcfje  allgemeine  üongre^,  befteb^enb  au§  ben  Vertretern  be§  ^ubentumS,  am  10.  ®e= 


Ungarn  243 

jemberl868  jufammenberufen;  bie  Sefcfylüffe  biefeS  KongreffeS  mürben  am  14.  ^uni  1869 
burd)  einen  fgl.  ©rlafc  beftätigt.  §ier  beginnt  bie  9?eu*eit  ber  iSr.  KultuSbereine.  35ie 
tör.  KultuSgemeinbe  mürbe  in  26  greife  eingeteilt;  fomofyl  bie  ©emeinben  als  auify  bie 
^ejirfSfreife  merben  burdb,  ben  auf  brei  %at)xe  geteilten  3Sorftanb  geleitet.  Sie  allge= 
meine  Oberbefyörbe  i[t  ber  Kongreß  melier  aus  86  2lbgeorbneten  befielt;  beffen  boß=  5 
ftrecfenbeö  Drgan  ift  bie  iSr.  SanbeSfan^Iei  in  SBubabeft,  bureb.  tüeldje  bie  Äreife  unterein= 
anber  unb  mit  ber  Regierung  berfefyren.  35ie  33efd^lüffe  beS  KongreffeS  mürben  nur  bon 
einem  £eile  ber  Israeliten  angenommen,  biefelben,  fomie  bie  neue  Drgamfation  [inb  auet; 
nur  für  btefen  Seil  gilttg ;  feit  1869  ift  bal)er  eine  ©Haltung  eingetreten  unb  teilen  fieb, 
bie  Israeliten  in  brei  boneinanber  unabhängige  Korporationen,  nämlicb.  in  bie  Kongreß,  10 
Crü)obor.=  unb  in  bie  „status  quo"  KultuSgemeinben,  mit  betfd^tebenem  Kultus  unb  mit 
berfdjiebener  Sßertoaltung.  35  en  KongrefjiSraeltten  mürbe  eine  2anbeS=sJtabbibrätoaranbie 
in  Subabeft  errietet  unb  am  4.  Dltober  1877  eröffnet,  mit  Dber=  unb  UnterlefyrturS, 
10  orbentlid)en  unb  §ilfSbrofefforen  unb  81  Zöglingen. 

IX.  Konfeffioneller  Unterricht  unb  ©ct)ulen.    $ur  ©rgänjung  ber  Kirdjem  15 
ftatifti!  gehört  bie  bei  Unterrichts,  meil  berfelbe  fid)  auefy  bleute  größtenteils  in  ben  §änben 
einzelner  iMtgionSfonfeffionen  befinbet.    a)  35er  SSolfSunterricfyt.    35aS  bieSbejüglicrje 
(1868)  2anbeSgefe$  ließ  bie  bureb,  baS  1791er  ©efe$  aufrecht  erhaltene  Slutonomie  ber  $ro= 
teftanten  fyinficfytlicr;  beS  Schulunterrichtes  unberührt  unb  mürbe  burd)  baSfelbe  nur  bie  ftaat= 
lia)e Oberaufficfyt  ausgesprochen.    9cad)  bem  neueften  Serielle  beS  KultuSminifterS  ijalt  bie  20 
röm.=fatl).  ^ireb,  e  40  Sebrerfeminare  mit  3645  göglingen ;  bie  gried).=tatlj) .  4  Sefyrerfeminare 
mit  605  Zöglingen;  bie  gried).=orient.  5  £el)rerfeminare  mit  549  ßöglingen;  bie  et).  2lugSb. 
Konfeffion   7  Sebjerfeminare  mit  473  Zöglingen;    bie  ref.  Kirche   6  £el)rerfeminare  mit 
674  Zöglingen  unb  bie   iSr.  KultuSgemeinbe  1  Seminar   mit  154  göglingen.    35ie  brot. 
fiirdjengemeinben  erhalten   ifyre  33oIfSfcfyulen  auS  tt)ren  eigenen  ©elbmitteln,  mancherorts  25 
Ieiften  auä)  bie  DrtSgemeinben  unb  ber  ©taat  jäfyrltdje  §ilfsbeiträge.    b)  ©tymnafien. 
ivür  bie  röm.=fatfy.  ©tymnafien  mürbe  unter  9Jcaria  ^erefia  (1776)  baS  erfte  DrganifationS= 
Itatut  erlaffen.  35ie  ^roteftanten  aber  blieben  im  ©ebraucfye  ifyreS  2lutonomiered)teS.   ©in 
allgemeines  2anbeSgefe|  mürbe  im  %afyxz  1883  nad)  langer  Dfttoofition  unb  bielen  ©egen= 
reben  ju  ftanbe  gebraut,   hierbei  mürben  bie  gefdncf;tlic|ett  Steckte  ber  Konfefftonen  ge=  30 
achtet  unb  nur  bie  Dberaufficfyt  beS  ©taateS  unb  baSSRinimum  beS  2eI)rftoffeS  beftimmt. 
Honfeffioneße  ©r/mnafien  befielen  117,   unb   jmar  röm.=fatb  60   mit   18279  ©d)ülem; 
griea).=!atf).  2  mit  900©cfyülern;  griecr).=orient.  3  mit  810©d)ülern;  eb.  2tugS.  Konfeffion 
22  mit  6031  ©cfyülern;    ref.  27  mit  8476  ©dntlern ;   unit.  2   mit  476  ©cbülem;   brot.= 
unierte  1  (in  3ttmaSjombat)  mit  384  ©cfyülem.     c)  Sßroteftantifcfye   §ocbJ$uIen.  35 
Ter  $roteftantiSmuS  grünbete  bon  jel)er  §ocbJcfmIen,  an  melden  Geologie,  9?ecfytSmiffen= 
fcfyaft  unb   einige  bfnlofoblnfcfye  ©tubien  gelehrt  mürben,  unb   biefe   merben  „Koßegien" 
benannt.    35ie  Reformierten  befüjen  gegenmärtig  3  Koßegien  unb  mehrere  2lfabemien. 

35aS  35ebrecjener  ÜoKegium,  gegrünbet  als  ftä'btifcfye  ©dmle  tm^a^re  1550,  entmicfelte 
iieb  jur  §ocbfct)ule  im  %afyxt  1588 ;  ib^re  b^öb^ere  ©ntmicfelung  erlangte  fie  im  19.  3a^s  *o 
b^unbert.  ©rgänjenbe  STeile  fmb  bie  tb,eologtfcb,e  unb  rec^tStoiffenfcb,aftltd;e  2lfabemie,  jebe 
mit  4  ^ab^rgängen,  ein  ©fymnaftum  unb  ein  £el)rerfeminar,  jufammen  mit  40  orbent= 
liefen  unb  6  §ilfSbrofefforen.  ^m  ^ab^re  1905  säb^e  man  121  §örer  ber  Geologie, 
228  §örer  ber  Rechte,  708  ®^mnafialfdb,üler  unb  245  ©eminarjöglinge. 

2)aS  ©äroSbataler  Kollegium,    gegrünbet  1549,    befi^t  fein  Sebrerfeminar,   b^at   ju=  45 
fammen  32  orbentlictje  unb   §ilfSbrofefforen,    112  §örer   ber  Geologie,   65  öörer   ber 
9iec|te  unb  520  ©bmnafialfcb^üler. 

3)aS  ^äbaer  Kollegium,  gegrünbet  1531,  fyat  20  ^rofefforen,  70  §örer  ber  Geologie 
unb  550  ©r/mnafialfcfyüler. 

Tie  Subabefter  tl)eologifcb,e  2l!abemie,  eröffnet  1855,  mit  6  orbentlicfyen  ^rofefforen  50 
unb  81  §örern  ber  SEbeologie. 

Tie'ÄolojSmärer  t^eologifc^e  Slfabemie,  eröffnet  1895  mit  5  orbentlicfyen  ^rofefforen 
unb  119  §örern. 

9iecb,tSa!abemien  befielen  nodb,  in  KecSfemet  unb  9Jcäramaroffäiget.  35ie  Unterricf)tS= 
j^rac^e  ift  überaß  bie  ungarifcfye.  bs 

35ie  .'oocbjcfyulen  ber  ebangelif cb,  en  2lugSburgifd)en  Slonfeffion  finb 
Wgenbe :  in  ^orgfonr;  Oßrefeburg),  gegrünbet  1606,  geftaltete  fia)  jur  bierjai)rgängigen, 
'Otnbletten  tbeologifd)en  2l!abemie  im  Safyre  1882,  mit  7  ^rofefforen  unb  56  Sb«^™- 
Tie  ßberiefer,  gegrünbet  1534,  mit  einer  SiecbtSafabemie  (bie  einige  ber  eb.  2lugSb.  Konf.) 
unb  einem  Sebjerfcminare,  53  'Jb^eologen,  270  Hörern  ber  ))kd)k,  126  ©eminarjöglingen,  60 

16* 


244  Ungarn 

337  ©r/mnafialfct)ülem  unb  30  ^rofefforen.  ^n  ©opron  (Öbenburg),  gegrünbet  1557, 
mit  37  Geologen,  390  ©r/tnnaftalfcfyülem,  116  ©etninarjöglingen  unb  24  ^ßrofefforen. 
Unterrict/tSfbracfye  überall  bie  ungarifcfye.  ©te  ©iebenbürger  ebangelifcfyen  ©acfyfen  baben 
ein  tb,eologifcfy=lpäbagogifcr;e!o  ©eminar  in  Stegt^eben  (|>ermanftabt)  mit  7  ^Jrofefforen 
5  unb  80  Zöglingen.    Unterric^tSjprad^e  beutfcfc\ 

X.  SUrcljltcfye  Seiftungen  ber  $roteftanten.  ©a§  ©laubenSleben  entmidelte 
ftcb,  nod)  bei  feiner  Honfeffion  ju  einem  folgen  ©rabe,  baji  e§  auf  bem  gelbe  ber  inneren 
3JUffion  im  23erf)ättm§  ju  ber  gaty  ber  ©laubigen  tüirffam  märe,  ©ie  ©elbmittel  unb 
bie  D^fertoiUigfeit  ber  ung.^rot.  Hircfye   erfd&ßpfen  ficb,    in   ber  ©rfyaltung  t-erfct/iebener 

io  ©cfyulen ;  auf  bem  kontinente  giebt  e3  faum  eine  Hircfye,  Welche,  auf  eigene  Hraft  ange= 
toiefen,  fo  biete  Spulen  erhält,  wie  bie  ungarifd^proteftantifcfye. 

Qn  ber  eb.  Slircfye  2Iugsb.  Honfeffion  toirft  bie  ,,ungarifct)=ebangelifä}e  §ilf<§anftalt"  feb,r 
fyeilfam.  ©ie  mürbe  im  Sab,re  18^3  angeregt,  erfteö  ©rünbung<ora!pital  mar  4000  fronen, 
toirft  aber  feit  23.  Dltober  1860,  ba  fte  erft  $u  biefer  geit  bom  Könige  beftätigt  mürbe. 

15  fttoed :  bie  Unterführung  ber  mit  materiellen  ©djmierigf eiten  fämpf enben  Hircfy  engememben 
unb  ©djulen,  bie  ©rünbung  unb  ©rfyaltung  bon  STRiffion^often,  Unterftü|ung  ber  SSittoen 
unb  SBaifen  fircpcr/er  Beamten.  $b,r  ©runbfapital  unb  ©tntommen  fd^ö^ft  fie  au§ 
freiwilligen  ©penben  unb  ftefyt  mit  bem  grofjen  ©uftab  2lbolf=3Serein  ©eutfcfylanbS  in  enger 
SSerbinbung.    ^m  ^afyre  1905  fyatte  bie  Stnftalt  34115  Ar.  einnahmen  unb  20619  ßr. 

20  ausgaben ;  ©runbfapital  292  768  Hr.  %n  SSerbinbung  mit  biefer  2tnftalt  würbe  mit 
©enefmügung  be3  MonbentS  im  Safyre  1877  unter  bem  tarnen  „Seoipolbinum"  ein  neuer 
$onb  angelegt,  melier  bei  ©elegen^eit  be§  1 00 jäfyrigen  Jubiläums  ber  burcb,  Seopolbll.  fanf= 
tionierten,  bie  greil)ett  ber  Religionen  ftcfyemben,  berühmten  1790/91er  ©efeije  unter  bie  ärmften 
Hirnen  unb  ©acuten  ju  berteilen  ift.    ©er    gemeinfame  Hirdjenfonb  (cassa  domestica) 

25  mürbe  1895  gegrünbet,  ©runbfapital  280  000  Hr.  —  ©ie  Sanater  SJftffton,  gegrünbet 
im  ^afyxz  1862,  jur  (Erhaltung  unb  33eleb,rung,  ber  unter  anberen  Honfeffionen  im  Sßanate 
jerftreut  lebenben  ©bangelifcfyen.  ©ie  erfte  felbftftänbige  ©iafporai'ircfye  mürbe  in  33erfeq 
im  %afyxe  1868  organifiert  mit  Set§au§  unb  ©cfyule,  SRiffionlcentralftation  SemeSbär. 
©ie  froat=flab.  Sttiffton  entftanb   im  Qafyre  1868  jur  ©eelforge  ber  an  beiben  Ufern  ber 

30  ©rau  gmifd^en  röm.=!atl>.  unb  griecb,.=orient.  Golfern  jerftreuten  (Sbangelifdjien,  bie  Gentral= 
firdjengemembe  in  gägräb  (2Igram)  mürbe  mit  §ilfe  ber  ©uftab  2Ibolf=2krein3  im  %a§xt 
1879  organifiert  mit  4  ©iafyorafircfyen.  ©ie  ©iebenbürger  eb.=fäcr)f.  Hira)e  grünbete  im 
^Safyre  1861  ben  „©uftab  2lboIf=23erein"  mit  10  Unterabteilungen.  2luf  Anregung  be§ 
eb.  ©uperintenbenten  Sofepb,  ©^eläc§  organifierte  fiel)  in  23ubapeft  ber  „SLabitb,a=33erein" 

35  im  $al)re  1873  jur  Unterftütjung  2lrmer  unb  fieibenber.  @in  gemeinfame^  Siebegtoerf 
beiber  prot.  Hirdjen  ift  baS  ^rot.  SanbeSmaifenb^au^,  gegrünbet  in$Buba))eft  im^re  1859; 
baS  neue  SBaifenfjaug  mürbe  im  3ab,re  1877  erbaut,  ber  herein  forgt  für  100  2Baifen. 
@b.  3Baifenb,äufer  befteb,en  ferner  in  $Rojön^)6,  ^ßo^on^,  Ujbanoüce.  @in  großer  gemeim 
famer  gonb  ift  ber  be<§  Saron  SBalbäcfi;,  beffen  @ntfte|>ung  fefyr  merftoürbig  ift.    Saron 

40  SSalbäcfb,  (geft.  8.  2luguft  1878),  ungarifef/er  röm.^atb,.  ©ro^grunbbefi^er,  betrachtete  ben 
ungar.  t$roteftantigmu3  «^  "i>\t  ©runblage  ber  greu)ett  unb  teftterte  fein  8000  2>oa)e 
gro^e§  Sefi^tum  ben  gefamten  b^ot.  .Hirnen,  inll.  ber  ©iebenbürger  fäcbf.  unb  ber  unit. 
Äircfye;  fttoed  be§  gonb§  ift  Unterführung  armer  Kird^engemeinben,  !trcf)licber  Beamten 
(^farrer,  Sebrer),   ber   ^ßfarr=2Bitmen  unb   =2öaifen,   unb   ©rljö^ung   beö  ©el)alte§  ber 

45  33ifd)öfe.  ©er  ^onb  beträgt  1 715050  Slx.  unb  ftel)t  unter  gemeinfamer  Dberauffic^t 
unb  Verwaltung  ber  11  ©u^erintenbenjen. 

©ie  ältefte  SSJtiffion  ber  ref.  5?irc^e  ift  bie  ÜMffion  9)ioIbau=9tumänien§,  mol)in  biele 
religionsbermanbte  3)iag^aren  au§  bem  ftarf  beböllerten  ©jefler  Äreiö  Siebenbürgen^  au& 
manberten  unb  ftcb,  nieberlie^en.     ©er   erfte  aJiiffionar  mar  @meric^)  ©ülei,   ref.  Pfarrer 

&o  (geft.  1847)  fein  3laä) folger  §ranj  ^6§  (1855—1869).  ©er  brüte  berühmte  unb  eifrige 
SRiffion^farrer  mar  SCRartin  gelber  (1861— 1871),  melcfier  binnen  jetyn  pafyren  3439  ®u= 
faten  pm  ^ird^enbau  fammelte.  ©a§  Refultat  t£?rer  gemeinfamen  SBemüb,ungen  finb  fünf 
regelrecht  organifierte  Jftrcfyengemetnben  in  Sulareft,  ©alaej  u.  a.  mit  6045  ©eelen.  ©ie 
Dberaufficl)t  unb  5u^run8  iüurbe  ber  ©iebenbürger  ref.  Strebe  übergeben  unb  unterftefyt 

f.5  ber  ^onbentbeb,örbe. .,  ©ie  „flabonifcHr/rmifdje  5Kiffion"  nab,m  im  ^atyre  1876  ib,ren  2ln= 
fang,  fteb,t  unter  ber  2lgibe  ber  ©upertntenbenj  bie§feit§  ber©onau,  §au^tftation  mar  23e3fa. 
©ie  ref.  S?irdb,e  erhält  ^eut^utage  90  3Jliffionsftationen  für  bie  ©iaftioragemeinben.  ©aö  gro|= 
artigfte  Sffier!  ift  ber  gelegentlich  ber  ©ebreejener  Sanbe^nobe  gegrünbete  gemeinfame  S?ira)em 
fonb;  ju  ©unften  beweiben  mürben  gelegentlich  ber  1881er  ©^nobe,  an  ben  greubentagen 

go  ber  Drganifierung  64000  Hr.    gejeic^net.     ©ie   Aufgabe    ift   bie   2lufrect;tl)altung  unb 


o 


Ungarn  Uniertc  Orientalen  245 

«Stärfung  ber  burcb  (Stnflufj  anberer  .Uonfeffionen  ober  Nationen  im  Untergeben  begriffenen 
$ira)engemeinben,  bie  ©rünbung  neuer  ©emeinben,  bie  ^Dotation  ber  2ttiffion  unb  be§ 
t'anbe3=,  $farrhntroen=  unb  SöaifenfonbS.  3)te  im  Saläre  1905  ausgegebene  6umme  be= 
trägt  329  944  Ar.,  ©runbfapital  3  573510  Sir.  £>ie  ©uperintenben^  jenfeit§  ber  Sfyeifj 
grünbctc  im  ^afjre  1864  ben  ref.  Unterftüt$ung§t>erein  jur  Unterftütsung  ber  p  grünben=  5 
ben  unb  ber  Dom  Unglüde  Verfolgten  armen  $ird)engemeinben,  armer  Pfarrer  unb  ber 
jttnfdjen  anbere  uonfeffionen  eingehängten  9Jtiffton§fmnfte ;  jäfyrltcbe§  (Sinfommen  12  000  Ar., 
bie  jäbrlid)  au^uteilenben  Unterftütmngen  belaufen  fia)  auf  9000  Hr.,  ©runbfapital 
180  000  Kr. 

Tie  miffenfd^aftlicb^itierarifdjen  Vereine  ber  ung.  ^roteftanten  ftnb :  1.  $Der  ungarifcbe  10 
prot.  ^tttcräröerein  (gegrünbet  1889):  gaty  ber  30iitglieber  1631,  ©runbfapital  131 470  Ar, 
■2.  Sie  2utb,ergefeafd)aft  (nur  für  bie  et).  2(ug3b.  lonf.  gegrünbet  1883)  mit  1505  2Ritgliebem. 
Örunbfapital  37000  kx.  Sie  tfyeologtfcfyen  ober  Jirchlicfyen  geitfcfyriften  roerben  burcb,  25 
prot.  9Jionat§=  unb  2Bod)enblätter  Vertreten,  barunter  10  für  ba§  SSoIl  aufgegeben.  £)ie 
Pflege  ber  miffenfd)aftlid)  t!)  eol.  Sitteratur  —  früher  meb,r  unter  bem  @influf$  ber  beutfcb,  en  15 
unb  englifcfymieberlänbifcfyen  Geologie  — geriet  je  länger,  jemebr  in  f  elbftftänbige  Saljmen 
unb  liegt  nebft  einzelnen,  auf  auSlänbifcfyen  Uniöerfitäten  gebilbeten  ©eiftlid)en  gröf$ten= 
teils  in  ben  §änben  ber  eb.  unb  ref.  tljeol.  2t!abemieürofefforen. 

(ftrans  SSatog^)  Soloman  9leüe§5. 

Untcrte    Orientalen.    —    Sitteratur:  £eo  9lt(atiu§,  De  ecclesiae  occidentalis  atque  20 
orientalis  perpetua  consensione,  1648  (ngf.  ben  9trt.  „9lKatiu§"  SSb  I,  370,  Hon  38agenmann= 
fmurf);   91.  Siebter,    ©efdjidite   b.    fird)l.  Srennung  jwifcfjen  bem  Orient  u.  Occibent,  2  33be, 
iSW  u.  65  (ba§  materiatreierje,    aber  untrttifcfje  SBerf  beS  burd)  feine  eigentümlidjen  ©c£)tclfale 
betannt  geworbenen  fattjoltfcfiert  SRündjener  Geologen  gewährt  für  ben  gegenwärtigen  Strtifel  nur 
infofem  gntereffe,    al§   bie  ©efctjicfjte  ber  Unionen  mit  bargefteüt   wirb:    für  ben  bermaltgen  25 
^efianb  unb  Quftanb  ber  „unierten"  Strafen  bietet  e8  fo  gut  wie  nichts);  3-  §ergenrött)er, 
Ite  SRedjtSoerljaltniffe  b.  »erfdjtebenen  Otiten  innerhalb  b.  fatt).  ^irctie,  9lrd)it>  f.  fatfj.  $irdjen= 
redjt,  SSb  VII  u.  VIII,  1862,    4  9luffäße:    1.  2111g.  («rmtbfäfce   b.    röm.  @tubl§   belügt,  ber 
Orient.  Otiten,  2.  Sie  £nerarcfjie  ber  orient.  Otiten  u.  ir)re  Stellung  j.  päpftl.  Primat,   3.  Ser 
Orient.  9tegular=    u.    ©ärulartleruS,    bie   ©emtnarien   u.  Pfarreien   ber   Orientalen,    4.  Sie  30 
Saframente,    ©aframentalien  it.  anberen  !ird)I.  ©ebräudje  bei  b.  Orientalen;   9t.  ©tlbemagl, 
Serfoffung  unb  gegenwärtiger  33eftanb  fämtlidjer  Sircfjen  b.  Orients,  1865;  2.  Auflage  (allein 
jetit  ju  brausen),  beforgt  oon  3.  ©einiger,  1904  (f.  tn'er  @.  325  ff.);  §■  Senjinger,  Ritus  Orien- 
talium,    Ooptorum,    Syrorum  et  Armenorum    in    administrandis  sacramentis,    2  voll.  1863 
u.  61;   3-  4-8-  $itra,    Juris    ecclesiastici  Graecorum  historia    et    monumenta,    2  voll.  1864  35 
ii.  US  (6ei  ber  eigentümlichen  OtecfjtSftetlung   ber  unierten  Äircfjen  mufs  man  allenthalben  bie 
üoereinftimmenben  unb  bie  befonberen  9ted)t§quellert  unb  =trabitionen  beS  Orients  neben  bem, 
was  „Otom"  hinzugefügt  Ijat,    tennen,    um  bie  SSerpItniffe  %u  oerfteljen:    für   bie  „©riedjen" 
»gl.  jur  tteberfidjt  31.  >Dtila§,  S.  ftird)enred)t  b.  morgenlänb.  Sirdje,  beutfd)  Hon  9(.  ö.  Reffte, 
1S!;*7,    ätoeite,   erweiterte  Sluflage,    1905);    2:^einer    u.  TOftoficfj,    Monumenta  speetantia  ad  40 
unionem  ecclesiarum  Graecae  et  ßomanae,  1872;    9?.  9?iüe§,    S.J.,    Kalendarium    manuale 
utriusque    ecclesiae,    orientalis    et  occidentalis  I  1879,    II  1881,   2.  9luft.  1896  u.  97,  III 
Addititia  2  voll.,  1885:    Symbolae  ad  illustrandum    historiam  ecclesiae  orientalis  in  terris 
coronae    S.  Stephani    (ba§    fe^r    Wertuoffe    titurgiotogifetje  ?BerE    will    fpegtetC   ben  unierten 
Sirenen  bienen) ;    C.  Sßkrner,    S.J.,    Orbis  terrarum  catholicus  s.  totius  ecclesiae  catholicae  45 
et  oeeidentis  et  orientis  conspectus  geographicus  et  statisticus,  1890;  91.  9tcnbt,  S.J.,    Sie 
gegenfeitigen  3?ec£)t@uerr)ä(tniffe    ber  Otiten  in   ber   fatr).  Strdje,    9lrct)trj  für  fatt).  ®ird)enrec£)t, 
9b  LXXI,    1894;  qjring  SJtaj;,    §erjog   ju   ©aebfen,  SSorlefungen   über   bie  orient.  Sird)en= 
frage  1907,    füejieü  ©.  200 ff.;    ©efoftriS  ©ibaroufe,  Des  Patriarcats:  Les  Patriarcats  dans 
l'empire  ottoman  et  specialement  en  Egypte,  1907  (faft  gänjltd)  oftne  ÄenntniS  ber  beutferjen  50 
Sitteratur  jur  @ad)e).  —  Sitte  tiefe  Tutoren  ftnb  fatrjotifet).    Sßon   eüangelifcber  ©eite  lommt 
in  S3etracf)t:  C.  3Rejer,  Sie  ^ropaganba,  ttjre  «ßrouinsen  unb  t^r  Ütecf,t,  1.  S3b,  1852,  fpejiea 
£•418 ff.;    3-.  Sattenbufct),   SSergIetc£)enbe  ^onfeffionStunbe,    1.  SSb,   1N92,    ©.  245 ff.;   mit). 
fö^ler   (Surift),    Sie   fatt).  ftirdjen    be§  TOorgentanbS.    Beiträge    5um   58erfaffung§red)t   ber 
log.  uniert=orient.  Äird)en,  1896  (bie  eingebenbefte  Sarftellung  ber  gefamten  $8ert)ä£tntffe ;  reid)=  55 
lit^e  3lnga6e    ber  Setailtitteratur);   %  ßoof§,    ©Qmbottf  I,'  1902,    ©.  393 ff.;  it  Söetf),    Sie 
«tent.  et)rtftenf»eit  ber  äRtttetmeeriänber  1902,    fpejieü  ©.  140  ff.  u.  425  ff.  —  Tvür  bie  f)ier= 
arrf)ifcf)en  SSert)ä(tnif|e    im   eiu^etnen  unb  nad)  momentaner  Drbnung   (zumal  and)   nad)   tt)at= 
l^licber   33efe£ung)  f.  fpejieH  La  Gerarchia   cattolica,    offijieHeS    3al)rbud)  ber  Kurte,    alfo 
^ule^t   190 <.      3Bid)ttgere    ©pejiaKitteratur   nenne  tri)  bei   ben   einzelnen   .Sitrdjen  (wertoolfe  60 
Mitteilungen  auä  benfelben  mannigfad)  in  ben  Echos  d'Oricnt).  3uyerläffige  ftatiftifd)e  sJ(ad)= 
ricfltert  ftnb  oielfad)  faum  ju    erlangen;    ba§   befannte  ^a^vlutd)  iwn  .{iübner=3urafd)ef  (®eo* 
gvapl)ifcl)=ftatiftifd)e  Saöelfen    aüer   Sauber;    5(1.  9luSgabe  1907)    betaifliert    mit    Sejug    auf 


246  Untertc  Orientalen 

reltgtöä=fiv$ltd)e  $erf)8Itmffe  nidjt  [o  loett,  bafs  überaß,  wo  eS  „ünievte"  giebt,  aud;  fie  unter= 
fdjieben  mürben;  bennod)  ift  e§  gelegentlich,  brauchbar. 

I.  SlllgemetneS  über  bie  Stellung  ber  unierten  Ktrdjen.    @S  fyanbelt  fiel; 
in  biefem  Slrtifel  nicfyt  um  baS  ©an^e  ber  Sßerfudje,  bte  getrennten  $irct)en  bei  Orients 

5  unb  OcctbentS  toieber  jufammen^ufü^ren.  (©oWeit  bte  „ortl;Dbor.e"  orientaltfd;e  $trd;e 
in  £etrad;t  lommt,  f.  31.  „Drientalifcfye  Stirere"  93b  XIV,  fbe^ell  ©.  442—444.)  SSteI= 
mefyr  fyabt  id;  nur  barguftellen,  WaS  fid)  bis  &ur  gett  erhalten  fyat. 

1.  @S  ift  3tom   gelungen,   bon   allen  $ird;en  bei  Orients   größere   ober    (meift) 
Heinere  Srud)ftüde  ab^ulöfen  unb  feiner  Obebieng  $u  unterfteHen.    Sn  forborattber  gorm, 

10  im  einzelnen  unter  Umftänben,  bte  ju  berfolgen  ebenfo  weitläufig,  tote  unintereffant  Ware, 
fyaben  fid)  in  (Suroba,  2lften,  Slfrifa  Seile  ber  fyeimifcfyen  alten  $ird;en  an  bte  römtfdje 
angliebern  laffen  unb  baburdj  im  ©inne  ber  letzteren  unbefdjränt'ten  Slnfbrud;  auf  baS 
Sßräbtfat  „^atfyoltfd;"  mitbefommen.  ®ie  offizielle  Se^ei^nung  ger)t  babon  aus,  bajj 
jebe   biefer  $ird;en  tljren    befonberen   „9lituS"   l)at.    ©egenüber  bem  fyerrfdjenben  unb 

15  eigentlich  „normalen"  9tituS,  bem  „lateinifdjen",  finb  bte  linierten  Wefentltd;  als  bterfad;er 
9fttuS  fc|ematifiert:  griedjifcfyer,  armenifdjer,  fi;rifd;er,  fobtifcfyer.  SDocb  j>at,  bom  armenifcfyen 
abgefeb,en,  jeber  Unterabteilungen,  nämlid;  teils  nad;  Nationen,  teils  nad;  ber  ^ulluSfitte 
unb  =f^rad^e.  ®er  Segriff  „ritus"  ift  im  latetnifdjen  ©bracfygebraud;  umfänglicher  als 
fbejtelt  bie  Übernahme  beS  SluSbrudS  in  ben  beutfe^en  ©bracbjcfyat*  berrät.    2öäl;renb 

20  Wir  unter  „9ütuS"  eigentlich  nur  bte  ^ultuSformen  berfter)en,  bte  „S3räud;e"  ber  Stircfye 
bei  ifyren  feiern,  umfaßt  bie  Iateintfd)e  (Embfinbung  beS  üffiorteS  alle  2lrt  bon  33rau<|, 
jumal  bon  §erfommen  (bgl.  ^orceHtni,  Lexicon  totius  latinitatis  s.  v.).  ^rgenb= 
Wann  muft  ein  ritus  ja  Wo|l  einmal  „eingeführt"  Werben,  ©o  fann  jebe  ©egenwart 
ritus  f  Raffen.    2lber   eS   überwiegt  bie  3Sorftellung,  bafj   ein   ritus   eine  Slrabition 

25  rebräfenttere.  ©o  ift  bie  „folenne"  ©itte  ein  ritus.  ®er  SluSbrud  l)at  nafyen  inneren 
Äontaft  mit  diseiplina.  ©o  fönnen  aud)  formen  ber  33erfaffung  k.  barunter  begriffen 
Werben.  Sine  ©renje  ift  immer  ber  ©ebanfe  beS  „Slufjerlidjen",  b.  I).  etwas  WaS  „blofc" 
SIJKorie  ift,  lann  nid)t  ritus  fyeifjen.  ®ie  römtfdje  $trci;e  unterfdjeibet  ^wifdjen  Orb= 
nungen  juris  divini  unb  juris  humani.    2öaS  nid;t  „göttliches  9led;t"   ift,  ift  freier 

30  ritus,  b.  f).  eine  Drbnung,  über  bie  bie  $ird)e  „berfügt".  Ungtt)etfelr)aft  ju  ben  ©tngen 
juris  divini  gehört  baS  SDogma  unb  baS  ©aframent.  $ebe  bogmatifierte  £eb,re,  alfo 
aud;  bie  bom  Primate  beS  ^abfteS,  baju  aUeS,  WaS  gu  ben  ©ffentialten  (Materie  unb 
gorm)  ber  ©alramente  gehört,  mu|  überall  anerlannt  fein,  Wo  „fatfyolifcfye  $ird;e"  ift. 
darüber  IjiinauS  „barf"  bie  $ircbe,  ber  Sßatoft,  $reif>eit  Walten  laffen.    2llS  ritus  gelten 

35  biejenigen  äußeren  Sräudie,  ©Uten,  Drbnungen,  ^nftitutionen,  bte  juris  humani  finb 
unb  beSfyalb  nidjt  überaC  in  ber  üircfye  uniform  fein  „muffen"  Slucb,  an  ben  ©alra= 
menten  ift  ritus,  WaS  nicf)t  il)r  „SSkfen"  ausmalt,  ©onacb,  befielt  9?om  ba,  Wo  eS  fieb, 
nid;t  böllig  burcb,jufe|en  bermag,  Wo  ber  ritus  Minus  auf  ju  heftigen  Söiberfbrud), 
Wäre  eS  aud^  nur  auf  unüberWmblidjeS  Vorurteil  ftöfet,  als  23ebingung  ber  Slnglieberung 

40  an  bie  catholica  in  feinem  ©inne  nur  auf  Unterwerfung  unter  baS  2>ogma  unb  Übung 
„aller"  ©aframente.  ®ie  Unierten  muffen  feit  1870  natürlich  aud)  bie  Unfeb,lbarleit 
beS  $abfteS  unb  fämtlic^e  £eb,ren,  bie  ben  ßfyarafter  ber  „^atb,ebralentfcb,etbungen"  tragen, 
anerlennen.  @S  brauet  nadjgerabe  faum  mebj  betont  ju  Werben,  ba^  eS  nacb,  ber  ibe= 
eßen  ©eite  eine  partie  inegale  ift,  Wenn  9Jom  unb  SCeile  ber  orientalifdjen  Jlirdjen  fieb, 

45  unter  3Sorbeb,alt  ib,reS  „ritus"  unieren.  ällle  Äird;en  beS  Orients  embjtnben  tl)rem 
ritus  gegenüber  anberS,  als  9tom  bem  feinigen  gegenüber,  Wie  eS  tb,n  begrifflid;  begrenzt. 
5im  Orient  lebt  allenthalben  baS  ®ogma  in  ber  geier.  SöaS  ntd)t  ItturgifdE)  auS= 
gebrägt  ift,  Wirb  als  meljr  ober  Weniger  lebhaft  irrelebant  embfunben.  Umge!ef)rt  fteb,t 
man  in  ber  ©eftattung  beS  eigenen  SOR^fterienbraucb/S  minbeftenS  eine  Slrt  bon  Sitligung 

so  aud)  Der  fyerfömmltcfyen  ©onber!eb,re.  $Dte  orientalifd;en  ^ird)en,  fbejteU  aud;  bie  größte, 
bie  „ort^oboje",  finb  merlwürbig  bereit,  gujugefteb^en,  ba^  anbere  $trct)en  bielleid)t  aueb, 
ein  <Sb,arisma  b,ätten.  ^l)re  brobaganbiftifcfe,en  unb  UnionSbebürfniffe  finb  an  fid;  gering. 
Slber  fie  „fönnen",  unter  bem  33orbeb,aIt  fbejielt  ib,rer  Jlul tu S formen,  fid;  anberen 
Äirdjien  nähern,  ja  bon  bortb,er  eine  Oberleitung  annehmen,    formen  ber  ^uriSbiltion 

55  Werben  bon  ben  orientalifcfyen  Triften  jum  %(H  enger,  jum  SEetl  freier  beurteilt,  als  in 
üftom.  ®a  biejenigen  ^onjilien,  bie  nacb,  orientalifdjien  Gegriffen  „göttliches  $ird)enrecb,t" 
gefd)affen  l)aben,  bie  für  „öfumenifd;"  erachteten,  aud;  in  5Rom  gelten,  „lann"  bie  $apft= 
frage  Wie  eine  relatib  arbiträre  gelten,  ©inen  ©fyren brtmat  beS  römtfd;en  Sifd;ofS  ge= 
ftebt  jebe  orienta!ifd;e  $ircf;e  nacb,    ib^ren  genuinen  5ßerfaffungSibeen  ju.    @S  ift  befannt, 

60  ba|  baS  ^onjtl  bon  glotenj   buref)   einen   berfdileiernben  SluSbrud,   l)üben   unb   brüben 


Itmerte  Orientalen  247 

ijcrfc^tebert  interpretierten  ©a£  bie  „©tnigung"  in  §tnftcr)t  bcr  ©eitmlt,  bte  ber  slkbft 
innerhalb  ber  fötrdje  fyahe  unb  üben  bürfe,  ergtelt  fyat.  ©ie  ©act/e  ftebt  brinribiell 
jo,  bafe  ber  Orient  ficfy  trgenbrote  eine  oberfte  ^egimentäfteltung  be3  ^ßa^fteg  „gefallen 
laffen"  fann,  ber  öccibent  hiermit  bem  Orient  gegenüber  fic§  „aufrieben  erflären"  lann. 
Tic  römtfd;e  $ircf)e  tonnte  (begrifflich)  felbft  ibjen,  ben  ritus  latinus  einer  Union  5 
julieb  abänbern,  gefdjroeige  bafe  fie  fremben  ritus  „bulben"  fann,  roenn  fie  bafür  ben 
2lnfbrucb  auf  „£errfd;aft",  ben  fie  ttic^t  ^reiggeben  fann,  burc£)fe£t.  £>ie  orientalifdje 
MMje  „nmfe"  bie  Slnerfennung  ir/re§  ritus  Verlangen,  bann  fann  fie,  ofme  aufhören 
in  bcr  Ibeorie  ftdE>  felbft  gleid)  gu  bleiben,  ben  $abft  als  ifyren  (bödmen)  „Regenten" 
anerkennen.  23i§  1870  fonnten  ^Ilufionen  über  ben  Gfyarafter  beS  römifd)en  Primats  10 
im  Orient  genährt  Werben.  %laä)  1870  ift  nod)  feine  „Union"  roieber  gefd^affett  (freiließ 
autt}  nod)  feine  roieber  aufgeboben)  Werben;  eS  braucht  aud)  feine  ,,grunbfä|litf/'  meljir 
geftiftet  ju  Werben:  mit  Erweiterung  ber  bori)anbenen  Unionen,  ober  2tnglteberung  neuer 
ßkmeinben  ober  SDiöcefen  an  biefe  ober  jene  fann  man  ftet)  Reifen.  @§  mufe  ftdb,  geigen, 
ob  bie  and)  im  Orient  Wieber  Wacfyfenbe  t|eoIogifcr)e  UrteilSfraft  bie  3lu<3bebmtng  ber  bor=  15 
banbenen  unierten  £ird;en  in  ben  ©ebieten,  aus  benen  fie  ftammen,  beförbern  ober 
hemmen  Wirb. 

2.  %d)  gebe  nunmehr  eine  furge  Überfielt  über  bie  grunblegenben  Urfunben  bejro. 
bäbftlicfyen  (Erlaffe  in  £inftcr)t  ber  unierten  $trd;en. 

3n  geWiffem  Sftafee  bon  ^Belang,  nämlicf)  gWar  nirf)t  im  juriftifer/en ,   Wob/f  aber  im  20 
tbcologifeben  ©inn,  ift  geblieben  bag  ©Iauben§befenntni§,  WeldjeS  föaifer  -Ifttcr/ael  $aläo= 
logoS,  nacb,   ber  Vorlage,  bie  ^ßa^ft  ßlemenS  VI.   ib/m  1267   gemalt    l)atte,   auf  bem 
Äonjil  bon  £r/on  1274  bem  $atoft  ©regor  X.  übergab.  ©.  ®enginger,  Enchiridion  sym- 
bolorum  etc.  9.  ed.,  bon  ©tal)l, 1900,  9fr.  LIX.  @§  fanftioniert  ba§  filioque,  bterömifcr)e 
3aframent§Iebre,   foWeit  fie  fontrobers>  febien,   bie  Sefyre  bom  purgatorium,  bor  altem  25 
aueb,  in  fet/rofffter  gorm  bte  bom  bäbftticfjen  Primat.  ®iefem  ©ofument  gegenüber  erfennt 
man  erft  bötlig  bie  gurüdfyaltung  beö  Decretum  unionis,  ba§  in  gloreng  1439  erlaffen 
unb  bon  Eugen  IV.    burd)   bie  33ulle  Laetentur  Coeli  broflamtert   Würbe.    $n  biefem 
£efret  fiebert  fiefj   bie  romifdje  $ird)e  nur  bie  älnerfennung  bes>  „9ied;tes"  tbrer  bog= 
matifeben  ^ßofitionen,  fbegiell  aueb,  foWeit  fid)  Iiturgifd)e  formen  baran  angefd)Ioffen  batten.  30 
SSom  filioque  Wirb  gefagt,  bafe  eS  „licite  ac  rationabiliter"  bem  ©bmbol  hinzugefügt 
fei:  e§  wirb  nid)t  etwa   berlangt,   bafe  bie   ©rteeben  e§   aueb,  bem  ©fymbol   einfügen 
müßten,    ßbenfo  wirb,  ofme  bafe  ber  Slu^brucf  transsubstantiatio  eigene  berührt  roürbe, 
feftgefteEt,  bafj  in  ber  ©uc^ariftie  bom  ^ßriefter  ha§  corpus  Christi  „roa^r^aft  fonfi^iert" 
toerbe,  roobet  fonftatiert   toirb ,    bafs   ba§    in  azyrno  sive  fermentato    pane    triticeo  35 
gan;  gleic^ertoetfe  gefcbeb,e:  l^ier  roirb  alfo  bie  alte  ^ontrobergfrage  über  ba§  ungefäuerte 
ober  gefäuerte  S3rot  einfacb,  für  irrelebant  erflärt,   gugleicb,  roirb  beutltcb,    feftgeftellt,    ba^ 
jebe  förebe  bie  geier  nad)   ibrer   eigenen  consuetudo   begeben  bürfe.    ®ann  roirb  bte 
Sebre  bom  gegefeuer  unb  bon  ber  „^cütjlicbfeit"  bon  ©eelenmeffen  „biffiniert",  be^gleicben 
jule^t  in  ben  biel  berbanbelten  unflaren  Slugbrücfen   bie  „plena  potestas"  be§  $abfte§  40 
„regendi  ac  gubernandi  universalem  ecclesiam"    ©.  ®enjinger=©tabl,  9?r.  LXXIIIA 
(bier  nur  ber  lateintfebe  %at;  ben  griecfjifdjten  f.  baneben  g.  33.  £efele,  üonäiltengefcbicf) te  VII, 
c.  724  —  bgl.  übrigeng  21.  „$errara#orenf  33b  VI,  ©.  45).    3ft  bie  23ulle  Lae- 
tentur Coeli  bie  ©runblage  be§  geäfften  älnfcbluffeg   ber   ganzen  „griect/tfeben"  ^ircf)e 
unb  ber  tb^atfädjlicben  Union  menigftenS  geibiffer  33ruc£)ftücfe  biefer  $ird)e,  fo  fonnte  ©ugen  45 
noef/  jroei  roeitere  Unionsbefrete  ))rof lautieren,    eines  in  §inficb,t  ber  Armenier  (33utle 
Exultate  Deo  1439)   unb   eines   in   §tnficf;t   ber  Qß^btten   (33uße  Cantate  Domino 
1442),  f.  bie  bogmattfeben  ^aubtbartien  bei  $)en3tnger=©ial)[,  1.  c.  Nr.  B  u.  C.    £cr 
^Jabft  berfäf)rt  I)ter  in  ben  ©ogmen,  bte  er  jur  ©brache  bringt,  biel  lebhafter  unb  um= 
ftänblicber,  e§  ^anbelt  ftdE)  eben  um  roeit  meb/r  in  ber  gemeinfamen  „fatl^olifd^en"  ©ogmen=  50 
ertttoicfelung   „jurüdgebliebene"  Hird)en;    ber    gange  %mox    ift    autoritatiber    (bon  ber 
^rimatftellung  be§  ^abfteg  roirb  nic|t  erft  gebanbelt,  fie  roirb  einfacb,  borauögefe|t) ;   ber 
fattifebe  ©rfolg  roar,  toie  bei  ben  ©riedjien,  nur  ein  feb/r  barttaler. 

2luf  bie  ©riedjen  Begießt  fidb,  ein  33rebe,  bag  Seo  X.  1521  erliefe  unb  *>a§  jenen  nid)t  nur 
ibre  fultifd;en  formen  unb  ©Uten,  fonbern  aucl)  tbre  £nerarcr/ie  auäbrücfltd}  beftätigte.  55 
Ginfad;  eine  Erneuerung  ber  florentinifeben  gormel  enthält  bie  93ullc  Magnus  Dominus 
bon  Glemeng  VIII.  1595,  bie  bie  ©runblage  ber  rutbenifd;en  Union  btlbet,  unb  ber 
^«  33uße  Decet  Romanos  Pontifices  (bie  §ierard;te  ber  neuen  $ird)e  betreffenb) 
löOfi  folgte. 

23efonberc3  ^nterefje  für   bie  Unionen   bezeugte  33cnebift  XIV     ®urd)  bie  33ulle  «> 


248  linierte  Orientalen 

Etsi  Pastoralis  1742  regelte  er  befinitib  bte  Berfyältnifje  ber  ©rieben  in  Italien,  ber 
fog.  Italograeci,  burcb,  bte  Butte  Demandatam  Coelitus  Wenbete  er  ficfy  an  ben 
Patriarchen  unb  bie  Bifd)öfe  ber  SMcbjten.  @r  felbft  ü&ertrug  bte  Beftimmungen  ber 
letzteren,  fefjr  „fcfyonenben"  Butte  burd)  bte  Weitere  Butte  Inter  Plures  1744  aucb,  auf  bie 

5  Sutanen;   £eo  XIII.  Ij>at  fie  burcb,  bie  Butte  Orientalium  Dignitas,  9Robember  1894 

überhaupt  auf  bie  „ecclesia  orientalis"  auSgebeljmt.    ^n  ber  Butte  Allatae  sunt  fyat 

Benebift  1755   nod)   einmal  feierlich  bie  Berechtigung  begebener  „Otiten"  broflamiert. 

BiuS  IX.  t)at   baburd)  Bebeutung,   bafj   er   burd)  bie  Breben  Eomani  Pontifices 

unb  Amantissimus,  beibe  bon  1862,  eine  befonbere  ßentralbefyörbe  für  bie  $irdjen  ber 

10  orientalifdjen  Seiten  fdjmf ,  bie  Congregatio  de  Propaganda  fide  pro  negotiis  ritus 
orientalis.  @ben  er  tnelt  bie  Rtit  für  gefommen,  fbe^iett  in  bie  fyierarcfyifdjen  3}ed)ts= 
berfyältniffe  ber  orientalifdjen  Kirnen  mit  „Reformen"  unb  organifcfyen  2lbänberungen 
tiefer  einzugreifen,  ©o  mit  ber  Butte  Reversurus  1867  in  bie  $orm  ber  armenifdjen, 
mit  ber  Butte  Cum  Ecclesiastica  1869   in   bie   ber   „dwlbäifcfyen"    Jftrcfyenberfaffung. 

15  Unter  Armeniern  wie  (Sfyalbäern  b,at  baS  eine  ©Haltung  nad)  fid)  gebogen ,  bie  erft  bie 
fölugfyeit  feinet  9Zad)foIgerS  ju  übertoinben  Wufjie. 

£eo  XIII.  mar  bisher  Wob,I  ber  am  intenfibften  für  bie  Union  bemühte  unter  ben 
Bäbfien.  @r  I)at  bie  Orientalen  bon  bornI)erein  unb  immer  wieber  aufs  lebfyaftefie  um= 
Worben  unb   er   b,at   eine  gütte  bon  organifatorifd)en  3J?afenab,men    getroffen,    um  bie 

20  UnionSftrdjen  ju  ftärfen  unb ,  Wo  möglid),  für  Weitere  ßutritte  angtet) enb  ju  machen. 
©.  bie  Darlegungen  bei  £.  3t  ©oe£,  See  XIII.,  1899,  ©.221  ff.  3Bie  fdpn  einzelne 
feiner  Borgänger  fyat  er  nationale  Kollegien  gur  SluSbilbung  beS  föleruS  ber  Unierten  in 
9?om  (f.  über  bie  berfdjiebenen  Kollegien  biefer  2trt  b,ier  am  6entralfi|:  ^öfrter  ©.  67), 
aber  aud)  in  ^onftantinobel  unb  Sitten  gefdmffen  (baS   in  ^onftantinobel  unterftettte  er 

25  ben  franjöfifdjen  2Iuguftmer=2lffumbtioniften ,  bie  u.  a.  feit  1897  bie  oben  ©.  245, 6i 
notierte  geitfcfyrift  Echos  d'Orient  herausgeben).  %n  ber  @ncr/clifa  „3ln  alle  dürften 
unb  Böller  ber  @rbe"  (Praeclara  Gratulationis,  fie  War  ber  ©an!  für  bie  Shtnb= 
gebungen  auS  2lnlaf$  feine»  BifcfyofSjubtläumS),  $unt  1894  nennt  er  unter  ben  fragen, 
bie  ib,m  am  §er§en  lägen,  borab  bie  ber  „Unionen"     @r  berftcfyert  bie  Orientalen,  ba$ 

30  er  „unb  feine  5Racf)foIger"  niemals  etWaS  de  jure ,  de  patriarchalibus  privilegiis, 
de  rituali  cujusque  ecclesiae  consuetudine  abtijmn  Würben.  ®ie  fd)on  erwähnte 
Butte  Orientalium  Dignitas  fottte  baS  in  9ted)tSform  beftätigen.  ©ie  btlbete  ben  2lb= 
fd)Iuf$  einer  Konferenz  ber  orienta!ifd)en  Patriarchen,  bie  er  nod)  im  §erbft  1894  um 
fid)  fammelte.    Bgl.  über  biefe  Konferenz  fbejiett  20.  ®öl)ler,  ©.  38  ff.    £eo  erWteS  ftcb, 

35  im  Weiteften  SRafse  ben  klagen  ber  Orientalen  über  BergeWattigungen,  bie  fie  im  2öiber= 
fbrud)  mit  ben  feit  2HterS  immer  Wieber  „geWäfyrleifteien"  greiljeiten  tfyatfädjücb,  erbulbet 
tjätten  unb  erbulbeten,  ^ugänglid).  @r  War  Ilug  unb  grofs  genug,  um  baS  „Satinifieren" 
gerabeju  ^u  tabeln.  t)ie  ittegalen  9JJafmafymen  puS'  IX.  machte  er  atterbingS  nicfyt 
rückgängig.     5Dte  befonberen   „lateinifcfyen"  9ßatriard)aie  k.   beS  Orients    b,ob    er   aufy 

40  feineSWegS  auf,  befcfyränfte  aber  ifyren  @ifer,  eigentliche  „Sateiner"  aus  ben  Orientalen  §u 
gewinnen,  ©eine  Hoffnungen  für  bie  ©efamtürcfye  Waren  gerabe  auSbrüdlicb,  auf  bie  $örbe= 
rung  ber  „Unierten"  als  foldjer  geftü^t. 

3.  Bleibt  es  in  ber  5ßoIitif  ber  $ätofte  bei  ben  ©runbfä^en  SeoS,  fo  Wirb  baS 
^irdjenWefen  ber  Unierten  immerhin  ein  fe^r  anbereS  Slnfe^en  bewahren,   als  baS  un= 

45  mittelbar  römifd^atfyolifc^e.  SoofS  b,at  böttig  recb,t,  Wenn  er  ©.  395  fcb, reibt:  „©ie  nid)t= 
Iateinifd;e  Iird)enfbrad)e  ift  Wab^rltd)  nid^t  bie  einige  Befonber^eit,  bie  ben  Unierten 
belaffen  ift.  ©ie  fjaben  ifyre  eigene  Siturgie,  eine  9?eib,e  eigener  $efte  unb  eigener  Jiird;en= 
gebäube;  fie  muffen  ^War  bie  römifdjen  ^eiligen  als  ^eilige  anerfennen,  feiern  aber  ib,re 
2agc  ntcr)t,  g!eid)Wie  fie  bon  ben  fiiejififd^  abenblänbifc|en  geften  nur  baS  gronIeid)naml= 

so  feft  angenommen  fy ahm ;  fie  fyaben  nidjt  bie  bunte  JRannigfaltigleit  beS  abenblänbifa)en 
5Röncb,tumS  —  auf  ben  meiften  ber  unierten  ©ebiete  giebt'S  nur  Bafüianifdje  2Jcöncfye 
ober  Stntonianer  [baneben  bei  ben  Armeniern  bie  3Jcecb,itariften  in  Benebig  unb  Söien] 
—  fie  fyaben  bor  attem  nod)  ib,r  eigenes,  nur  teilweis  (3.  B.  im  ©fyerecfyt)  abgeänberteS 
ober  mobifijierteS  Äircb,enred}t  unb  i§re  eigene  5!ircb,enbiSjibIin  [ifyre  %xt  bon  gaften,  bon 

55  2BeU)egraben,  bie  $rieftereb,e,  Briefterbärte  2c.  jc.]"  Böttig  anfctjaulict)  ju  machen  Wäre  baS 
$ird)entum  ber  Unierten  nur  unter  3fücfgreifen  auf  baS  J^ird)entum  ber  „ortfyobor.en" 
©ried)en  betfv.  je  bie  alte  fyiftorifd)  gegebene  gorm  ber  „9tebenlird;en"  (©elten)  beS 
Orients,  bie  in  geWiffen  Seilen  jur  Union  übergegangen  finb.  $n  ^i£fer  $inftd)t  ift  auf 
bie  einzelnen  ©onberartilel   ju  berWeifen.    Die   eigentlich  ab enblänbifd)  =  römifc^e  2lrt 

60  bon  grömmigleit  Wirb  in  biefen  ^irtfien  nie  l^eimifcb,  Werben  tonnen.   ®enn  fie  t)ängt 


Itnicrtc  Orientalen  249 

eben  an  cinberen  gaftoren  nod)  als  bem  bloßen  „SDognta"  itnb  bem  äußeren  $u= 
fammenr/ang  mit  3tom.  (@S  gehört  ju  ben  frönen  3"0en  i"  ber  ©nctycltfa  £eoS  XIII. 
t>om  Suni  1891  [Praeclara  Gratulationis],  baf?  ber  Söunfct/  nad;  einer  „plena  ac 
perfecta  conjunetio"  in  ber  „fides",  bie  mefyr  fei  als  certa  aliqua  dogmatum 
credendorum  concordia  fraternaeque  caritatis  commutatio,  barin  auSgebrüdt  5 
toirb  [in  bem  .ßufammenr/ange,  wo  bie  2}erfd)iebenr/eit  ber  Seiten  auSbrüdlid)  für  bie 
Tauer  ^ugeftanben  Wirb!]  2lber  ber  ^ßa^ft  fteb/t  als  Geolog  unb  £iftorifer  mcr)t  fcf/arf 
genug.  Cb  je  ein  ^ßapft  aus  ben  linierten  Verborgenen  unb  in  feiner  berfönlicfyen  Haltung 
fortfahren  fömtte,  nad;  beren  2lrt  ©Ott  gu  bienen?!) 

II.  Überfielt  über  bie   einzelnen  unierten  $trd)en.    $Die  ©efamtjiffer  ber  10 
linierten   mag    51/,  Millionen    betragen.     Wan    lann  ifyre  &ircr)en  nad;  berfdjiebenen 
©efidiSbuniten  gruppieren,    gunädjft  nacr)  ^r  33erfc§Ubentyeit  ber  „Otiten",   rote  fer/on 
oben  ©.  246,  ig— 18  in  ber  Äürje  angebeutet  Worben.  ©obann  nacb,  ben  „SBerfaffungStfyben" 
$n  biefer  SSetfe  ergeben  ftd?  brei  (Brufen    ($öf)ler,  ©.  3):    a)  (Solche  ©emeinfer/aften, 
bie  nur  im  engeren  ©inne  eigene  9iiten,    jeboeb,    feine  eigene  §ierardne   I)aben,   fonbern  15 
unter  lateinifd)en  23ifd)öfen  fter/en:   bie  ©riechen  in  Italien,   bie  Wenigen  ^Bulgaren  unb 
Jlbeffinier,  ein  %exl  ber  Armenier,  aueb,  bie  fog.  SfyomaSdiriften.    b)  ©olcfye  mit  eigenen 
^ifeböfen,  ja  jum  Seil  eigenen  9ftetroboliten:   befonberS  in  Dfterreicf/=Ungam.    c)  ®ie 
$atriard)ate  beS  SftorgenlanbS.    (Sftannigfacb,  mufs  man  bie  Unterfcfüebe,  bie  baS  römifdjie 
Mird)ertred)t  in  |>inftd)t  ber  provinciae  sedis  apostolicae  unb  terrae  missionis  macb,t,  20 
unb  bie  normen  ber  Drganifation  ber  legieren  beachten   [bgl.  barüber  2lrt.  „Stömifcfye 
kixfy"  33b  XVII  ©.  96—97],  um  bie  2trt  ber  ©inglieberung  ober  Seauffidjtigung  ber 
berfcfyiebenartigen  unierten  ©ebiete  ju  begreifen,   ©ie  in  33etrad)t  lommenben  ©ebiete  finb 
nid)t  felbft  terrae  missionis,  jum  %dl  jebodt)  geograbfyifd)  in  folgen  belegen  unb  beren 
Drganifation  eingefügt.    Stile  ^Angelegenheiten   ber   unierten  ^ircfyen   unierfteb/en   bei  ber  25 
fturie   ber   S.  Congregatio  de  Propaganda  fide  [f.  über  biefe  2lrt.  „9vöm.  Ätrdje", 
S.  98, 54],  fbe^iell  bem  borb)tn  ©.  248, 10  bezeichneten  $Weige  berfelben.    [SSereinjelte  ?0cale 
fmb  aud)  Äarbinäle  aus   ben  linierten  freiert  roorben.])    9Jttr  fd;eini  eS  braftifcb,  am 
beften  bei  einer  Überfielt  rein   geograbfnfcb,    ju  berfalnm    ©ann  ergeben  fidc)  folgenbe 
ßiref/en:  30 

A.  in  Suropa:  21IS  ältefte  unb  am  Weiteften  in  ber  Union  innerlich  ber  römifdjen 
ßirdie  angenähert: 

1.  Sie  ber  Italograeci.  SBflI.  SRe&er  in  ÄÄSS  VI,  1133—1141;  b,ier  eine  Über= 
ficb>t  über  bie  Wedjfelbolle  ©efd)id)te,  befonberS  ber  efyebem  Widrigen  ©emeinbe  bon 
Senebig.  ©injelne  ©rubben  finb  bureb,  baS  ganje  ®önigreid)  b/tn  jerftreut.  SJombaftere  35 
©rubben  nur  in  ßalabrien  unb  ©Milien;  ©efamtjal)!  etwa  50000.  Über  bie  (Sinjel= 
Reiten  ber  Sülle  Etsi  Pastoralis  (f.  ©.  248, 1)  berichtet  Nefjer.  ®a  biefe  ©rieben 
lateinifd^en  93tfcr)öfert  als  Drbinarien  unterteilt  finb,  boct)  aber  ib,re  ^riefter  bon  biefen 
nirfit  geroeib,t  werben  fönnen,  Jat  ber  ^abft  mehrere  „Söei^bifc^ijfe"  il)reS  SrituS  beftellt. 

2.  Unierte  ®ircr/en   Dfterreicf)=lingarnS.    ©ie    gehören   bis   auf   eine,   bie  40 
armenifcb,e,   bem  Ritus  graecus   an,    verfallen  aber  nacb,  ben  Nationalitäten  unb 
nacb,  ben  ÄultuSf brauen  in  folgenbe  ©rupben: 

a)  Sirene  ber  3tutf)etten.  ©peätallitteratur:  ÜK.  o.  3Kaltnom§fi,  ®ie  Sirenen» 
unb  ©taatgfa^ungen  Bejügf.  beg  grtedi.=fatt).  Situs  ber  3Jut^enen  in  (.«attgien,  1861 ;  W.  §ara= 
ÜeiDtc^,    Annales    ecclesiae    ruthenae  communionem   cum    s.  Sede  Romana    habentis,  45 

1S02;  9kt.  „giem",  Stt^2  S3b  VI  bon  SRetjer,  1889;  g.  SitomSfi,  ®ie  rut(]enifd)=römifcl)e 
fiirdjenberetnigung ,  genannt  Union  §u  SBreft;  ciu§  betn  ^olni(d)en  überfe^t  oon  5ß.  3eb= 
jinf,  1904. 

es  b,anbelt  ftdj  bei  biefer  $ird)c  jur  ßeit  nur  noct;  um  „9veftc"  ©ennoct)  ift  fie 
bie  größte  aller.  SDenn  bie  ßar)I  it)rer  SDZitglieber  beträgt  in  ©alijien  (1900;  f.  §übner=  50 
3urafcb,e!)  ftarf  3  Millionen,  in  Ungarn  etroa  V,  gjliHion.  ®ie  üird;e,  beren  ©brache  baS 
lHltflaroifd)e  ift,  fyat  in  ©alijien  eine  boEftänbig  felbftftänbige  Drganifation  als  ein  6rj= 
Kstum:  9)JetroboIie  ^alicj  (ober  „ßrjbiStum  bon  Semberg  rit.  graec")  errietet  1807, 
mit  jtoet  ©uffraganfit^en  (^rjem^sl  =  Sßefigali^ien,  ©taniSlaroöro  =  Dftgalisien  unb  bie 
Öuforoina).  ^n  Ungarn  b,at  fie  jtoei  Bistümer  (3Jiun!acj  unb  (SbcrieS),  bie  unter  bem  55 
lateinifdten  ^ßrimaS  beS  SanbeS  (bem  ©rgbifd;of  bon  ©ran)  flehen.  (Inblid)  ift  it)r  ein 
ferbifdeS  SiStum  in  Ungarn  angegliebert  (treu^  in  Kroatien),  unter  bem  lateinifdten 
Gr^ifdof  bon  2lgram  (nur  20—25000  ©eclen,  als  felbftftänbige  ©bardne  fdton  unter 
3)?aria  i^erefia  lonftituiert :  fie  !ann  mit  ber  rutf;cnifd)en  Äirdtc  jufamntengefa^t  werben, 
ba  alle  flaroifc£)en  Äirdicn  bie  glcidjc  Üird)cnfbrad)e  f;abcn    |aud;,   foiocit  fie   uniert  finb,») 


250  Hniertc  Orientalen 

bie  gleiche  33  u  dj  ft  a  b  e  n  form,  bie  „glagolitifer/e"  —  bie  ortbobojren,  römifcb,  auSgebrüdt: 
„afatr;oltfd)en"  ober  „fcfyiSmatifdjen"  $ird;en,  b/aben  mit  tfynen  bte  itircfyenfpra d)e,  aber 
nicfjt  bte  23ucbJtabenform  gemein;  bte  letzteren  fyaben  fid)  bie  „cfyrilüfcfje"  ©cfyrift  an= 
geeignet!]). 
5  35te  Stutfyenen  finb  eines  ber  33ölfer,  bie  in  ber  ©efd)tcf)te  bisher  nicfyt  ju  il)rem 
SRed^te  gefommen  finb.  ©ie  finb  eS,  bte  eigentlich  ben  tarnen  ber  „Muffen"  urfprünglid) 
tragen  unb  in  £ieb  bte  erfte  Metropole  ber  Dftflamen  befeffen  fyaben.  $ur  geit  ^ei^en 
fie  in  Sfufjlanb  entroeber  Ufrainer  ober  ^leinruffen,  fie  fyaben  im  ganzen  einen  23efianb  bon 
etroa  30  2Jittltonen  ©eelen.    ^ad)   ben  SEatareneinfäHen    im   13.  ^a^unbert  mar  tE>r 

10  Sanb  im  14.  $al)rf;unbert  teils  an  ^ßolen,  teils  an  Sittauen,  bann  nad)  ber  Bereinigung 
ber  beiben  letzteren  9leid)e  (1385)  faft  ganj  an  *|Men  gefommen.  %üt  biefeS  5Reid)  maren 
fie  jeboeb,  ein  unfidjerer  33eftanbteil ,  folange  fie  „ortr/obor."  blieben.  Qumal  nadjbem 
„©rofjrufjlanb"  in  SftoSfau  bureb,  ©rfyebung  beS  bortigen  9Ketrotooiiten  jum  Patriarchen 
(1589)  ein  toöllig   freies  fircfylicfyeS  Zentrum   unb   bamit  neuen  ©lanj  gemonnen   I)atte, 

15  beftanb  feine  geringe  ©efab.  r  für  bie  $ßolen ,  bafj  bie  immerhin  ben  9KoSfottntem  fefy  r 
biel  näfyer,  als  tljmen,  ben  SSeidjfelflaroen,  bertoanbten  Ufrainer  auf  2tnfd)Iuf;  an  ©rofs= 
rufjlanb  finnen  mürben,  ©o  empfab/I  fieb,  für  fie  auS  bolitifcfyer  Stücfficfyt  bie  Setreibung 
ber  Union  ^reifc^en  ben  Ufrainern  ober  9fo%nen  mit  3f{om.  ©in  3ted^tStiteI  bafür  mar 
borI)anben  feit  bem  ^onjil  bon  ^Ioren§,   auf  bem  fbejiell  aueb,  JJfibor  bon  ^ieto  fidj  für 

20  bie  Union  erflärt  f/atte.  92icb,t  of)ne  reid)Iid)en  ©dmlbanteü  ^onftantinobels  bejro.  ber 
lanbfremben,  griednfcfyen  Metropoliten  bon  $ieb,  unter  rüb,rigfter  Xfyätigfeit  ber  Qefuiten 
(©farga,  ^offebin)  fam  eS  im  2>al)re  1596  auf  ber  ©fynobe  $u  23reft  (in  Sittauen) 
mirflicb,  ju  bem  neuen  23efcf/Iuf$  einer  Union  ber  3tutr/enen  mit  9tom.  ©er  9JktroboIit 
bon  $ieb,  Sftidjael  9tef;ofa  (SRagoja),  accebtierte  fie,  immerhin  berfönlicb,    oljme  fieb,  me!)r 

25  als  äufserlicb,  gefügig  ju  erroeifen.  ©eine  9?acr/foIger,  §t)batiuS  $ociej  (1600—1613) 
unb  Belamin  9?utSfi  (1613—1637),  toaren  um  fo  eifriger.  (2In  bem  ©rgbifcfyof  ^ofobbat 
ihm^eroitfeb,  bon  ^ßolojf,  ber  bon  ben  erregten  Drtb,obojen  1623  ermorbet  mürbe,  erhielt 
bie  Union  tfyren  fbe^ififd^en  3ftärtr/rer  [bon  puS  IX.  1867  fanonifiert  —  Seo  XIII. 
b,at  fein  geft  aueb.  auf   ben  lateinifcr/en  StituS   mitauSgebefjmt]).    ©o   gelang   eS  in  ber 

30  ^Zfyat,  baf*  bis  3JJitte  beS  17.  ^a^uno^tS  bie  Union  jiemlid;  boEftänbig  in  bem  Steidje 
burdjgefetjt  mürbe.  9htr  bie  ©iöcefen  bon  Semberg  unb  Sujf  ftanben  noeb.  auS,  ergaben 
fid)  1700  unb  1702  aber  auefy.  ©er  gerfaK  ^olenS  b,at  bie  golge  gehabt,  ba|  bie 
„Union  bon  53reft"  im  roefentlidjen  auf  ben  3!eil  beS  9teid)S,  ber  an  Öfterreid)  fam, 
^unterging.    (Sie  9tutb,enen  im  ©ebiete  ber  ©tebb,anSfrone  §aben  mit  ber  Union  bon 

35  Sreft  an  ftd)  nichts  ju  tb,un,  fonbern  eine  befonbere  Union  um  bte  SRitte  beS  17.  ^ab,r= 
{»unberts  abgefebjoffen.)  Qm  einzelnen  ^aben  bie  9?utt>enen  befonberS  oft  über  „3Ser= 
geroaltigung"  burd)  bie  „Iateinifd;en"  33ifd;öfe  (ober  bie  biefen  ^ugetfyane  Regierung)  ^u 
flogen  gehabt,  ^n  ©altgten  bauern  bie  fird;Iicb,en  unb  bolitifd^en  klagen  fort.  Slber 
aud)  in  Siuplanb  finb  bie  Stutl^enen  ferneren  Sebrängniffen  als  ©onbernationalität  (maS 

40  fie  im  relatiben  ©inne  zweifellos  finb)  auSgejetjt.  ©o  b,at  aud;  bie  „Drtfioborje"  feine 
unbebingte  3Serbefraft  für  fie.  0ßgl.  ben  inftruftiben  älrtifel  „JUeinruffen"  in  bem 
©ammetoerfe  „Muffen  über  Stufelanb",  b,erauSgeg.  bon  3.  Belnif,  1906.) 

b)  Sirene  ber  Rumänen,   ©ie  befteb,t  nur  in  Ungarn,  befonberS  in  Siebenbürgen 
unb    reicht    in   unfidjeren  Anfängen   bis   ins  17.  $af)tl)unbert  jurüd.    3)ie  3Bed;feIfäße 

45  ib,rer  ©efd;id)te  finb  in  manchen  Sejiebungen  nid^t  unintereffant.  ^n  Se^ug  auf  bie 
Rumänen  tburbe  juerft  bie  ^bee  bon  „^ßerfonalbiöcefen",  bie  u.  a.  bie  ^efibenj  mehrerer 
„fatb,olifd;er"  S3ifd)öfe,  für  berfd)tebene  „SUten",  am  gleiten  Drte  geftattet,  ins  Sluge  ge= 
fafet  unb  nad)  bielem  ©d)toanfen  berroirflicb.t:  fie  mar  mit  Segug  auf  bie  Unierten  unb 
bei  ber  territorialen  ® urdjeinanbermifcfyung  ber  9titen   gar   nidu1    ju   umgeben. 

50  ^ur  3eit  bilbet  bie  Hird;e  (ib,re  eigene  üird)enfbrad)e  b,aben  bie  Rumänen  erft  im 
17.  ^a§r|»unbert  befommen)  eine  felbftftänbige  9Mrotoolie,  bie  bon  gogarafd)  ober  3llba 
^ulia,  mit  brei  ©uffraganbiStümern  (in  SugoS,  ©rofe=9Barbein  unb  ©jamoS=Ubjär),  ju= 
fammen  etma  eine  SMion. 

c)  ©ie  ^ircb,e  ber  Armenier.    @in  (Sr^biStum   in  Semberg,   eine  größere  ©e= 
55  meinbe  befonberS  in  2öien ;   aber  aud)   bie  Armenier  in  33enebig  gehören  baju.    %n& 

gefamt  bod)  nur  roenige  3CRitglieber  (b,öd;ftenS  4—5000).  Über  bie  berühmte  armenifd;= 
fatb,oIifd)e  9)?önd;Sfongregation  ber  3Jied;itariften  (in  Senebig  unb  Söien)  bgt.  ben  Slrt. 
Sb  XII  ©.  477—482. 

3.  Uniaten  in  9tuf$Ianb  unb  in  ber^ürfei.  ©^ejianitterotttr:  (9f.  feiner) 
60  ^ie  neueften  3uftnnbe   ber  Eatt).  Strdjett  beiber  SRituS  in  «ßolen  unb  SRu^tanb  fett  gatfjarmn  II, 


ltnicrtc  Orientalen  251 

]s4l;  G.  Sihmisft,  ©cfdiidjtc  bc*  allgemeinen  SSerfall'ö  bei'  unievlcn  rutfjeuifdicn  Mivdjc  im  LS. 
imb  19.  Saijr&imbert  unter  jwlnifdjem  unb  rufftfdjem  ©cepter,  beutfd)  bon  91.  Slocätjnäft, 
2  93be,  1S85  u.  1887 ;  9trt.  „$tew"  u.  „£ürfei"  $®S2 

a)  Tie  ©dndfale  bcr  rutf>enifd)en  uniertm  $ird)e  toaren,  tote  fd)on  berührt,  eng  bcr= 
floaten  in  bie  beS  bolnifdjen  9teid)eS.    geittoeilig  Mte  &  Den  2lnfd)ein,  bafe  biefe  £trd)c  ö 
bie  ganjc  Nation  umfbannen  toerbe.    ©er  bolmfcr/e  latetnifcfye  JlleruS  toar  jebod)  biet  ju 
begierig,  bie  Union  too   möglich  in  eine  2lnnerjon  umjugeftalten  unb  bie  unierte  $ird)e 
minbeftenS  in  bolle   fyierardnfdie  Unfelbftftänbigfeit  ju  berfe^en,   bie  bolnifcfyc  Regierung 
anbrcrfeitS  toar  bolitifcb,  biel  ju  getoalttf)ätig ,  als   bafe  bie  Kutanen  ntd)t  immer  triebet 
Widfyalt  an  bem  Matriarchat  unb  ber  £ird)e  bon  SRoSfau  fyätten  fucfyen  f  ollen.  ©cb,on  1648  fam  10 
es  jum  2lufftanbe  ber  Äofafen  toiber  ^olen  unb  bamit  -mm  ^Beginn  ber  enblofen  SSirren, 
bie  baS  ^olenreicb,  fd)liefeltcb,  Vernieteten.    %n  ®\&   M^  M  fä>on  äiemlicf)  balb  neben 
bem  unierten  Metropoliten   ein   ortfyobojer   etabliert.     ®er  ^3atriarcf)  CEfyeobfyarteS  bon 
Jerufalem  blatte  1620   einen   folgen  getoeifyt,   unb  bie  toolnifcfr/e  9ftacf/t  reifte  nic^t  aus, 
bie  gortfe^ung   ber  Steige   „fdnSmatifcber"  Metropoliten  bon  ®ieb    ju   berfyinbern   (ber  15 
befanntefte  in  biefer  !Weifye  ift  betrug  MogilaS  ober  9Jiof>ila,   1633—1647;   f.  über  iljm 
unb  feine  „Confessio  orthodoxa"  ben  2lrt.  bon  «ß&.  3Jfer,er,  23b  XIII    ©.  249).   (Srft 
17U7  gelang  eS,   nacfybem   jebocb,    inätoifdjen   ein   großer  &eü  ber  Ufraine  (baS  gan^e 
ßofafengebiet)  befinitib  an  -Rufelanb  abgetreten  toar  unb  ®ieb  jtoar  in  bolnifcfyem  Ü8efr| 
geblieben,  aber  firdjenbolitifcr;  faft  bebeutungSloS  getoorben  toar,  biefe  SRetrobolie  toieber  20 
rein  uniert  ju  geftalten.    Qm  einzelnen  ju  berfolgen,  toie  unb  in  toelct/em  Umfange  burd; 
bie  berfa)iebenen  „Teilungen"  (bie  „erfte"  gefdjab,  1775,  bie  toeiteren  1793,  1795,  gule$t 
1815)  feolnifdje  ©ebiete  an  Stufelanb  famen,  tft  Ejter  nid)t  im  ^ßla^e.   getttoeilig  getoann 
burd)  biefe  politifcfyen  Vorgänge  aud)  ^reufeen  eine  „unierte"  ©iöcefe  (bie  bon  ©ubraSl, 
1807  im  ^rieben  bon  £tffvt  an  9?ufelanb  übergegangen),  $n  JRufelanb  galt  eS  als  felbft=  25 
berftänblidje  Aufgabe,  bie  Union  ber  JRutfyenen  toieber  rücfgängig  ju  mad)en.  ^attjarina  II. 
ertoieS  ftdi   in  biefer  S3egter)ung  als  bößig  rüdfid)tS=  unb  ffrubelloS.    ®en  ©tut)I  bon 
$ieb  berfud)te  fie  nid)t  fotoobjt  bon  ber  Union  ju  befreien,  als  bielmefyr  aufgeben,   ©te 
foß  nid)t  toeniger  als  ad)t  Millionen  Unierte  toieber  $u  Drtr;oborm  gemacht  b,aben.   -Jhtr 
baS  ©rjbiStum    ^ßolo^   liefe  fie  nod)   toetterbeftef)en.    Jjfyre   beiben  näd}ften  3Rad;folger,  30 
$aul  I.  unb  SUejanber  I.,  toaren  im  ©egenfa|e  ju  ib,r  tolerant   unb   geftatteten   fogar 
eine  ^ierard)ifd)e  9Zeuorganifation  ber  Unierten,   befonberS  in  ben  nbrblicfyen,  Itttautfc^en 
Jiftriften.    hingegen  TOfolauS  I.  fd)Iug  toieber  bie  2Sege  ^at^arinaS  ein  unb  brachte  eS 
bis  1839   ba^in,  bafj  bie  Unierten,   fotoeit   i^r  ©ebiet  bem   eigentlichen  9iufelanb   an= 
gegliebert  toar,  „freitoiHtg"  baten,  in  bie  orti)obor.e  „Äirct)e  ib,rer   SSäter"  jurücfleljren  ju  35 
bürfen.     ©ie    immer    nocb,    uniert  berbliebene,   relatib  Heine  ®iöcefe  bon   6b,elm  (in 
„tongrefjbolen")  tourbe  bann  1875  bon  Slleranber  II.  ebenfalls  in  bie  orir/oboje  ©taatS= 
fird)e  mit  aufgenommen,    ©eitler  giebt   eS   feine   unierte  rutfyenifcfye  Äircfje   in  ^Kufelanb 
me^r.    SRämltdj  trjatfäc^licb,.  ,,^trct)enred)tltcr;"  b,at  9^om  auf  nicbtS  berjic^tet  unb  (»alt  eS 
biejenige  Drganifation,  in  bie  eS  jule|t  eingetoilligt  i)at,  aufregt,  toenn  eS  bie  entfbrec^en=  40 
ben  b,ierarcf;ifcr;en  ©teilen  aud)  nicb,t  befe^t.    Qm  Moment   ift  baburcb,  toieber  eine  neue 
Situation  gegeben,  bafs  ber  „Cftererlafe  bon  1905",  burd)  ben  SftfoIauS  II.  £ultfreib,eit 

in  feinem  Steige  getoä^rte,  eine  größere  ober  geringere  Qafyl  foId;er,  bie  im  ©efyeimen  an 
ber  Union  feftgefjalten  Ratten,  in  ©tanb  gefegt  bat,  ^u  „$Rom"  jurüc!äu!eb,ren.  3luS  ber 
oben  ©.  245,  48  bezeichneten  ©d)rift  beS  ^ßrtnjen  Mar.  bon  ©acbjen  entnehme  icb, ,  bajj  biefe  45 
borerft  nocl)  gelungen  feien,  fid)  jum  „lateinifdien  ^HituS"  ^u  galten.  3)enn  eine 
„fatfyolifdie"  J?ird>e  mit  „gried)ifd)em  ^RituS"  fei  eben  bod)  in  3tufelanb  nod)  nicf)t  „an= 
erJannt"  ©er  ^rinj  ertoägt  bie  Sorjüge  unb  Sebenlen  biefeS  ßuftanbeS  für  5Jom. 
3m  einzelnen  finb  aEe  93eri(|te  über  bie  2lrt,  toie  bie  Union  in  9lufjlanb  rüdgängig  ge= 
toorben  unb  toie  bie  ^uftänbe  gur  Qeit  liegen,  fo  unburd}ficf)tig,  bafe  ein  fjiftorifcb,  ju=  50 
treffenbeS  Urteil  laum  ju  getoinnen  ift. 

@S  giebt  in  Stufjlanb  jerftreut  aud;  linierte  (ruff.  „Untaten")  bon  anberem  als 
„gried)ifd)em"  SRituS,  befonberS  Irmenier.  ©otoeit  bie  SlaufafuSlänber  in  33etrac§t  fommen, 
bgl.  bie  Semerlungen  über  ben  fog.  „cilicifdien  ^atriard>at"  ®ie  fonftigen  armenifdjen 
unierten  ©emeinben  unterftel;en  Iateinifc6,en  3^ilariaten.  55 

b)  gür  bie  Xür!ei  ift  b,  i  e  r  nur  berjenigen  Unierten  ju  gebenlen,  bie  auf  ber  33alfan= 
^albtnfel  leben,  @S  l)anbelt  ficb  babei  (fotoeit  ber  „griednfd)e  9tituS"  in  33etrad)t  fommt) 
um  minimale  ©rubben,  bie  ben  „^Otiffionen"  angegliebert  finb.  §offnungSboE  liefe  fia) 
bie  ©acf)e  ber  Union  anfdjeinenb  ^eittoetlig  unter  ben  Bulgaren  an,  folange  fie  nocb 
^olitifd)  gänjlidb,    unfrei,   fircljlicb,    bom    öfumenifd;en  Patriarchate  abhängig  toaren.    ^m  so 


252  linierte  Orientalen 

^afyre  1860  fe|te  fyter  eine  UnionSbemegung  ein,  bie  puS  IX.  nur  all^u  „tfyatfräftig"  untcr= 
ftü|te.  ©ie  ift  balb  im  toef entließen  im  ©anbe  Verlaufen,  jumal  nad)  Segrünbung  beS 
„Bulgarien  ©rarcfyatS",  1872.  ©ie  Bulgaren  finb  feit  ifyrer  33el;er)rung  ein  befonberer 
©egenftanb  ber  Hoffnung,  ja  beS  „2lnftorucf)S"  ber  $äbfte  gemefen  (f.  meinen  2trt. 
5  „^otiuS",  93b  XV  ©.  380) ;  fie  f>aben  boeb,  immer  9frm  nur  getäufcj>t.  Seo  XIII. 
f>at  bie  unierte  „ecclesia  Bulgarorum"  1883  in  brei  „a^cftoltfc^e  Sifariate"  eingeteilt; 
tfyre  SDiitglieber  roagt  niemanb  auf  mef>r  als  10—15000  ©eelen  ju  beranfdjlagen.  — 
^n  ^onftantinobel  giebt  eS  aueb,  eine  $ai)l  unierter  Armenier  unb  „^DMcfyiten" ;  barüber 
fogleict;. 

10         B.  Linierte  ^ircfyen  in  Stfien  unb  2lfrifa. 

©tefe  ^irdpen  bieten  baS  befonbere  gefc^ic^tlic^e  unb  recfytlidjie  ^ntereffe,  bafs  fie  faft 
fämtlid)  al§  „Patriarchate"  organifiert  finb.  Über  baS  9Jia|  ber  2lbr>ängtgfett  ber 
unierten  Patriarchen  als  fo!ct)er  Dom  ^abfte  fyerrfcfyt  im  einzelnen  einige  UnfTarfyett. 
©icfjer  ift,   bajj  5tom   bie  altlircfylicfye  Sfangfiellung  unb  Sfecr/tSbefugniS,   bie  fief)  in  bem 

15  $atriarcf)entitel  auSbrüät,  in  beftimmtem  9JJaf$e  magren  toill.  ©ie  Orientalen  ^ßatrt= 
ardjen  fte^ert  anberS  als  bie  occibentalifcfyen.  (©er  Segriff  eines  „Patriarchen"  unter* 
feb,  eibet  ftcf/  in  geroiffem  Umfange  bon  bem  eines  Dbermetroboliten,  aud)  bem  eines  ^rimaS.) 
©er  ©cf)ematiSmuS  faft  aUer  orienialifcrjen  Patriarchate  roeift  eine  2tbfiufung  bon  @rs= 
btfct)öfen  unb  bloßen  „Sifdjöfen"  auf:  baS  barf  nid)t  irre  führen,    eS  fyanbelt  fieb,  lebig= 

20  lieb,  unb  überall  nur  um  %itularunterfcf)eibungen,  rttd^t  i) ierarcfnfcfye  Über=  unb  Unter* 
orbnungen;  it)irflict)e  „©uffragane"  i)at  nur  ber  ^atriardj).  ©od)  eS  ift  ju  weitläufig,  aud) 
in  Sejug  auf  bie  uiatfäcf/licf)  ntcf)t  bebeutfame  2lrt  ber  unierten  Patriarchate  laum  angezeigt, 
ben  frmlreten  ;JRecr)tSberr;äItniffen  fyter  näl)er  ju  treten,  ©ie  §aubtfad)e  ift,  bafj  bie  unierten 
Patriarchen  meift  irgenbroie  ein  ditdjt  ber  (Ernennung   ib,rer  ©uffragane  b,aben,    aud) 

25  fbejififd)e  ©tjnoben  berufen  tonnen,  ©.ben  zweiten  ber  oben  ©.245,26  bezeichneten 
2tuffäie  Don  §ergenrötl)er,  ferner  befonberS  noeb,  ^infc^iuS,  ©aS  Äircr/enrecfyt  ber  $att)o= 
lifen  unb  ^roteftanten  I,  1869,  ©.  538 ff.,  fbe^ieß  ©.  562 ff.;  baS  oben  ©.  245,49  aueb, 
benannte  Söerf  eines  fatfyolifcf/en  2igttoterS  ift  mel)r  umftänblid),  als  grünblicb,  unb  nur 
mit  33orftd)t  ju  benutzen. 

30         $ur  3e^  S'eDt  eg  fecP  unierte  Patriarchate: 

1.  ©er  Patriarchatus  Ciliciae  Armenorum.  @r  ift  feit  1867  in  $on= 
ftantinobel  bomijiliert  (nad)  S3etl)  ©.  153  t)at  bie  ©emeinbe  Irier  14  ^ircfyen  unb  runb 
16000  SRitglieber),  umfaßt  aber  aufjer  ben  armenifd)=l:aiI)olifd)en  ©emeinben  ber  93al!an= 
I)albinfel  nod)   biejenigen   in  sJ{uffiftf;  Armenien   unb   im  auf$ereurotoätfd)en  ©ebtete  beS 

35  ©ultanS.  ©er  2itel  beutet  barauf  I)in ,  baf$  bie  Union  ausgegangen  ift  Don  ben  in 
(Sictlien  unb  ©fyrien  Verbreiteten  Slrmeniern  (ber  ^Batriarcb,  refibierte  bis  1867  auf  bem 
Sibanon  in  @I=^urein  ober  33jommar).  ©ie  ^aubtöun!te  ber  ©efcb.icljte  f.  bei  3Serner, 
©.  144 ff.  Unter  bem  Patriarchen  (ber  bureb,  ^iuS  IX.,  f.  oben  ©.  248, 13,  in  feinen 
üRedjten  feb,r  beeinträchtigt  mürbe)  fiebert  10  ©iöcefen  (eine  Heine  barunter  in  ^erfien) ;  im 

40  gangen  l)anbelt  eS  fiel)  aber  um  nicr/t  »iel  mef)r  als  etroa  100  000  ©eelen  (©ilbernagl 
fagt:  „130000",  aber  SBerner  beregnete  nur  etroa  94000,  unb  er  ift  im  allgemeinen 
nicf>t  ängftlicl)  in  feinen  3iffern)- 

2.  ©ie  brei  antioeb,  enif  c^en  Patriarchate: 

a)  Patriarchatus  Antiochenus    Graeco-Melchitarum.     @r    umfaßt    bie 
45  unierten  ^ationalgrtecfjen   beS   türlijc£)en  SieicfyS.    ©ie  ftärffte  $at)l  folcb,er  finbet  fieb,  im 

alten  ©^rien  (©amaStuS,  Beirut,  ©aiba  [=  ©ibon],  befonberS  9)tariamne  [fieute  =  Qofyltf), 
an  ber  Salm  bon  Seirut  nact)  ©amaSfuS]);  baf)er  bie  Benennung  beS  Matriarchats, 
beffen  ^nftaber  übrigens  nief/t  in  bem  heutigen  2lntaija  refibiert,  fonbern  in  bem  Älofter 
(Hlerilerfeminar)  3lin=SEraj  im  Sibanon.  Organifiert  finb  bie  „9Jtelcf)iten"  in  15  ©iöcefen, 
50  mit  inSgefamt  etwa  120  000  ©eelen. 

b)  Patriarchatus  Antiochenus  Syro-Maronitarum.  9iebräfentiert  bie 
lolal  am  meiften  jufammenfyängenbe  (faft  ganj  im  Sibanon  fonjentrierte)  unierte  Strebe 
beS  Orients,  organifiert  in  8  bejm.  9  ©iöcefen  mit  bielleic^t  etroaS  über  250000  ©eelen. 
©.  SCrt.  „Warontten"  bon  Stoebiger^efeler,  Sb  XII  ©.  355—364. 

55  c)  Patriarchatus  Antiochenus  Syrorum.     ©in  Srudjteil    ber  ^afobiten;    ber 

^atriareb,  refibiert  in  Harbin  (bei  ©iarbefr,  im  oberen  Sanbe  beS  Tigris),  bat  9  ©iöcefen 
unter  fiel),  bei  im  ganzen  bielleicr/t  15—20000  3lnb,ängern.  —  ©afe  biefe  brei  Streben 
fieb,  alle  im  tarnen  mit  Slnttocbia  in  Serbinbung  bringen,  bebeutet  jum  Xeil  b^iftorifc^e 
Slnfbrüc^e,  baneben  jebenfaUS  einen  toob,lflingenben  mittel. 

60         3.  ©er  Patriarchatus  Chaldaeorum  Babylonensis.     ©ine    auS    ben 


Unicrte  Orientalen  Union,  firdjlidje  253 

"lteftortanem  gewonnene  UnionSftrdje.  Vgl.  für  ifyre  @efd)icfyte  ben  2lrt.  „ßt>albäifd)c 
Triften"  M2*  III,  41—45,  bon  9}el>cr.  3^r  Verhältnis  ju  9rom  fear  burd)  9Jta|= 
nahmen  $iu3'  IX.  (f.  oben  ©.  248,  u)  lange  fefyr  unfidjer  unb  ift  eS  tt>or)l  nod).  Unter 
bem  Patriarchen  fielen  11  $)iöcefen,  für  bie  SBerner  nur  etwa  40000,  ©ilbernagl 
bagcgen  70  000  ©eelen  anfe^t.  ®er  ©t|  be§  Patriarchen  ift  SRoffuI.  SDie  „ßfmlbäer"  5 
bieten  für  ben  fyiftoriftfjen  gorfctjer  befonbereS  ^ntereffe,  ba  fie  eine  grofee  Vergangenheit 
aU  „9ceftorianer"  gehabt  fyaben  unb  ba  u>e  ©ntitndelung  als  folcfyer  ficb,  auf$erl)alb  ber 
©renken  beS  oftrbmifcfyen  Steiges  bottjog.  ^fyre  Stturgie  unb  ifyr  3Jiönd;tum  ift  bafür 
ein  $euge. 

4.  J2)te  @rrid)tung  eines  fecf)ften  unierten  Matriarchats,  nämlid)  für  bie  fototif  die  10 
ßirdje  SIgtytotenS  gehört  $u  ben  organifatorifcr)en  Mafjnafymen,  bie  £eo  XIII.  ghjcdfmäfetg 
befartb.  2lm  26.  ^ouember  1895  ftiftete  biefer  gern  ins  ©rojje  unb  in  eine  ferne  ^u= 
fünft  blidenbe  Vabft  ben  Patriarchatus  Alexandrinus  Coptorum,  mit  bem 
$atriarcfyenfit5  in  «airo  unb  zwei  ©iöcefen.  £eine  Veredmung  ber  ©eelenzaljil  wagt  fid) 
über  21000  fyinauS  (fo  «Rejjer  im  Slrt.  „£ürlei",  GAS"  XII,  134);  nad)  Vetl),  ber  16 
3.  12itf.  ben  ßenfuS  bon  1900  mitteilt,  beziffern  fid)  alle  (alfo  nicf)t  btoj}  bie  lobtifdjen) 
linierten  StgfybtenS  auf  4630!  %üx  bie  Verfyältniffe  im  einzelnen  bgl.  befonberS 
bas  SBerf  bon  ©.  ©ibaroufj. 

5.  9Jocb  ift  I)ier  ber  linierten  unter  ben  Slbeffiniern  unb  ^IjomaScfyriften  gu 
gebenfen.  ©ie  $al)l  ber  erfteren  ift  ganz  gering ;  fie  fielen  je£t  unter  einem  im  Sanbc  20 
(in  Äeren)  refibierenben  eigenen  aboftolifdjien  Vifar.  gür  bie  legieren  f.  ben  ©cfy!uJ3= 
abfdmitt  be§  2trt.  „SRefiortaner"  Vb  XIII  ©.  735—36,  bon  ^etermann4?efeler.  (£ur 
Sitteratur  über  fie  ift  nachzutragen :  ©.  5R  9rae,  The  Syrian  church  in  India,  1892). 
Öco  XIII.  bat  fie  1887  in  brei  befonberen  „Vicariatus  apostolici  Syro-Malabarorum" 

(f.  bie  -Kamen  bei  Söerner,   ©.  175),   b.  £).  fo  befaßt,   bafj  fie  unter  lateinifdjen  Oberen  25 
ftefyen,  bie  baS  „Vribilegium  fyaben,  nad;  ft)rtfd;em  S'tituS  §u  bonttfijieren  unb  ju  !onfir= 
miercn",  übrigens   einen  ©eneralbüar   unb   einen  Seirat  bon  bier  ©eiftlicfyen  aus  bem 
$oIfc  felbft  jur  ©eite  fyaben.    Sie  Qafyl  ber   in  Vetracfyt  !ommenben  ^omaSdmften 
fdieint  etwas  über  100000  z«  betragen.  %.  Sattcnfcufif). 

UmforntitätSalte  f.  b.  31.  älnglilanifc^e  ßird&e  Vb  I  ©.  528,  ie  u.  529, 1.         30 

lttttgenttuS,  SBuCc  f.  b.  21.  ^anfen  33b  VIII  ©.  597, w. 

Union,  lird}Iid}e.  —  Sitteratur:  S.  g.  9tt£fcf),  Urtunbenbud)  ber  eoanget.  Union, 
Öonn  1853;  3.  Mütter,  S)te  euangel.  Union,  iEjr  SBefen  unb  göttliches  3fed)t,  Sertin  18D4; 
5-  3-  @tat)I,  ®te  luttjer.  Sirene  unb  bie  Union,  SBerltn  1859;  S.  §.  ©act,  S)te  euang.  Jfirclje 
u.  bie  Union,  «retnen  1861 ;  91.  Stoeften,  9trt.  Union  in  b.  1.  9luf(.  b.  $S®. ;  S.  «B.  gering,  35 
®e(cf|.  b.  firrfil.  UnionSoerfudie,  ßeips- 1836.  1838;  3. ©. @d)ribel,  9Utenm«Bige  ©efd).  ber  neue= 
ften  Unternehmung  einer  Union,  Setpjtg  1834;  berf.,  TOittettungen  über  bie  neuefte  ffiefd)ict)te 
ber  luttjerifeben  kuü)e,  1835 f.;  91.  ©.  Subelbadi,  Deformation,  Sutbertum  unb  Union, 
Seipj.  1839;  SR.  g-  Entert,  etjaraftersüge  au§  b.  Se6en  ftriebrid)  «tU)etnt  III.,  3.  £1.  1846; 
Jf).  si8angemann,  ©ieben  SSücfjer  preufjtfdier  fitrd)engefd)ict)te,  SSerlht  1859  f. ;  ®.  $>.  ©aef  in  ber  40 
1.  9lufl.  biefer  3fl.=(gitci)fl. ;  f.  g.  9t.  ga^ttiS,  Sie  Union  (?l.  ®8.  .ftß.  1868,  0.  81  ff.); 
3-.S8ranbe§,  ©efd)id)te  ber  fird)t.  ^oütif  be§  §aufe§  Sranbenöurg,  @ott)a  1872 f.;  %t>.  SSnnge= 
mann,  -Die  preufttfdje  Union  in  tljrem  SSertjältniS  jur  Una  Sancta,  33ertin  1884;  berf.,  ®ie 
tird)Iid)e  (Ja6inet§poIitit  griebrief)  38itf)eImS  III.,  SBerltn  1884;  (£.  g-örfter,  Sie  gntftetjung 
ber  ^reujjifdjen  Sanbe§fird)e,  2  «Bbe,  Tübingen  1905  unb  07;  ®.  ©.  gtnUja&er,  ®ie  euang.  45 
fivd)I.  Union  in  9Zaffou,  SJBieSbaben  1895;  «gl-  audj  bie  Sitteratur  bei  bem  9lrt.  Sutfieraner, 
ieparierte  33b  XII  @.  1. 

Hird)lid;e  Union  ift  bie  Vereinigung  fonfeffioneU  getrennter  Äird^en  ju  einer  fird;= 
liefen  ©emeinfcb.aft  olme  2ßed}fel  ber  Jonfeffioneüen  Überzeugungen.  Unionen  in  biefem 
Sinne  fennt  nur  oer  ^ßroteftanti§mu§,  borneb,  mlid;  ber  beutfct)e.  ©enn  bei  ben  berfd}iebenen  50 
3Sereinigung3berfud)cn  jmifdjen  ber  römifd^en  unb  ber  ortentalifcfyen  Äird^e  banbelte  e§  fia) 
ftetg  um  2lnerlennung  be§  römifeben  ?ßrimat§  bureb,  bie  ©riedjen,  alfo  um  eine  Slnberung 
tyrer  lonfeffionetlen  Überzeugung  in  einem  feljr  mistigen  fünfte;  f;ierbon  machte  91om 
feine  Slnerfennung  ber  Orientalen  afö  fat^olifd^er  (Stiften  abbängig.  Unb  bei  ben  Ver= 
^lanblungen  grotfet^en  9tömifd)en  unb  ^roteftanten  über  eine  Iird}lid}c  Vereinigung  backten  55 
U)entgften§  bie  erfteren  ebenfalls  nid)t  an  eine  Union  im  angegebenen  ©inn,  fonbern  nur 
an  bie  burefy  mefyr  ober  weniger  roertlofe  ^ugeftänbniffe  erleichterte  Unterioerfung  ber  lei.v 
teren  unter  9tom. 


254  Union,  fird)H(f|e 

3)te  ©nttotcfelung  ber  Deformation  führte  jur  ©ntftefyung  jtoeter  getrennter  $on= 
feffionen,  Voeld^e  Sefyre,  Berfaffung  unb  SMtu<S  eigenartig  auSbtlbeten  unb  fid^,  obgleict) 
berfelben  Bewegung  entflammt,  bocf)  älmlicf;  fc^roff  gegeneinanber  abfdjloffen,  Wie  beibe 
gegen  bie  rbmifcfye  ^irc^e.  $n  ber  ©cr/toeig,  ben  Dteberlanben,  ©djottlanb  unb  —  Soweit 
5  ba§  £anb  für  ben  $roteftanti§mu<o  gewonnen  Würbe  —  in  granfreicr;,  Wie  anbererfeit§  in 
ben  ffanbinatrifdjen  Sänbern,  tarn  eine  ber  beiben  Äonfeffionen  ju  au€fdjliepcber  .gerrfcbaft, 
Wogegen  innerhalb  be§  beutfdjen  SSoIleg  fid)  nid)t  nur  ^roteftanten  unb  Äatbolifen,  fon= 
bern  aucb,  Sutfyeraner  unb  Deformierte  gegenüberftanben.  £>ier  mufjte  ber  ©treit  ber 
Ä'onfeffionen   am   beftigften  Werben,    I)ier   aud)  ber  SSunfc^)  nacl;  Bereinigung    am    leb= 

10  fyafteften. 

3unäcb,ft  Waren  bie  Berührungen  ber  beiben  proteftantif^en  ^onfeffionen  borWiegenb 
bolemiSd);  bocb,  behielten  ftct;  2utf)eraner  unb  Deformierte  nid^t  ganj  gleich :  bie  £utr)eraner 
(ernten  bie  ©emeinfcfyaft  mit  ben  Deformierten  entfdueben  ab,  Wäfyrenb  biefe  ficb,  Don  2tnfang 
an  entgegenfommenb  geigten.    ®er  ©runb,  We§r/alb  bie  Sutt)eraner  fid)  bon  ben  Deformierten 

15  getrennt  füllten,  lag  allein  in  ber  Berfd)iebenl)eit  geroiffer  ©ogmen,  auf  bie  großen  Unter= 
Scfjiebe  in  JMtuS  unb  3Serfaffung  legte  man  lein  ©eWidjt.  ®a§  entfbrad)  bem  Umftanbe, 
bafj  bie  ©Egonen  ber  Deformation  au§fd)lief$lid)en  Söert  auf  bie  fircf)ltcf;e  £el)re  legten. 
$n  ©nglanb  ftoielte  bie  BerfaffungSfrage  eine  älmlicfje  bebeutenbe  Dolle,  Wie  bie  2el)rfrage 
in  ©eutfdjlanb :  §tt>tfcr)en  ©biffobaliften,  Breäbbterianem  unb  Qubebenbenten  mar  eine  3Ser= 

20  ftänbigung  über  bie  Sßerfaffung  ebenfo  unmöglich,  roie  über  bie  2el)re  Dom  {»eiligen  3lbenb= 
matjl  §toifcb;en  ben  beutfd^en  2utb,eranern  unb  Deformierten,  ©o  lange  nun  bie  Drtr/oborje 
bie  allgemeine  Überzeugung  befyerrfcfyte,  fehlte  ber  Boben  für  erfolgreiche  unioniftifdje  5£^>ätig= 
feit:  fo  führten  benn  aud)  bie  2lnnäfyerung3=  unb  2kreinigung§t>erfud)e  beS  16.  unb 
17.  $al;rt;unbert3  ju  feinem  anberen  Defultate,  aU  p  bem,  immer  bon  neuem  p  geigen, 

25  bafc  man  nidjt  einig  mar.  ©eitbem  jebod)  ber  $ßieti3mu3  bie  §errfd)aft  ber  Drtfyoboyje 
erfdjüttert,  bie  2lufflärung  biefelbe  gebrochen  f)atte,  fanb  ber  Union^gebanfe,  ber  bi§  bafym 
nur  bon  einzelnen  Männern  gebflegt  Worben  mar,  in  Weiteren  Greifen  Slnflang:  eS  mar 
bie  Batyn  für  bie  @infüf)rung  ber  Union  geöffnet. 

@iner  ber  Wefentlicbjten  Unterschiebe  jroifd^en  Drtl)obor,ie  unb  Bieti3mu3  befielt  barin, 

so  ba$  beibe  Dichtungen  berfdjneben  über  ben  2Bert  ber  Deinfyeit  unb  ber  Uraft  ber  §römmig= 
feit  urteilen.  %üx  bie  Drift,  oborje  mar  bie  Deinfyeit  berfelben  ba§  Slugfc^laggebenbe :  fie 
Schien  geWabtt  burcb  bie  Wtberfbrucb^loSe  §errfd)aft  ber  „reinen  2el)re'/.  Sern  $ieti§mu§ 
entging  bie  Säufdjmng  nid)t,  bie  bjer  borlag;  er  feinerfeitä  legte  beSfyalb  allen  Dacf)brucf 
auf  bie  ^ntenfität  ber  grömmigfeit,  unb  er  meinte  fie  meffen  ju  fönnen  an  ber  2ebl)afttg= 

35  feit  ber  religiösen  ©mbfinbung  unb  an  ber  eigenartigen  Sßeife  beö  religiöfen  ©ebab/renS. 
aiucf;  er  irrte,  unb  auch,  fein  Irrtum  f)atte  üble  folgen ;  benn  Wenn  bie  Drtfyoborje  eine 
tote  Ded^tgläubigf eit  geförbert  hatte,  fo  fbrberte  ber  ^ßietiömuö  einen  geiftlofen  ÜDtetfyobtemuS 
be§  religiöfen  Seben§  unb  ben@rfa|  be§  religiöfen  @efüf)l§  burcf;  gemalte  ©mbfinbungen. 
2lber  feine  3lnSd;auung  blatte  etma§  einleuc^tenbeg:  fie  mirfte  auf  bie  roeiteften  Greife  unb 

40  erfctmtterte  bie  ©tü^en,  roelcfye  bie  fonfeffioneEe  Trennung  im  öettmfetfein  ber  älteren 
©eneration  gehabt  blatte,  ©enn  lebenbige  ^römmigfeit  mu^te  man  nicfyt  feiten  bei  ©lie= 
bern  ber  anberen  ^onfeffion  erblicfen,  mäl)renb  man  il)ren  SOJangel  bei  ©liebern  ber  eigenen 
ju  beflagen  blatte;  unb  mar  e§  bann  berechtigt,  ben  erfteren  eine  ©emeinfa)aft  p  berfagen, 
bie  man  ben  festeren  gemährte,  \dh\t  roenn  man  annahm,  ba^  jene  in  einzelnen  fünften 

45  irrten?  @g  ift  begreiflich,  bafj  bie  Srübergemeinbe,  biefe  grud)t  ber  bietiftifc^en  Bewegung, 
bie  erfte  unierte  firdjlicf)e  ©emeinScf;aft  roar. 

Drtltoborje  unb  pettemu§  ftanben  infofern  auf  gleichem  Boben,  al§  fie  an  ben  5Ef;at= 
fachen  ber  Offenbarung  festhielten,  ^b^nen  trat  in  ber  Slufflärung  eine  3Seltanfcf;auung 
gegenüber,  bie  ba<3  Deligiöje  jroar  nic|t  beseitigen  Wollte,  bie  jebocb.  ba§  Deltgiög=9öertboHe 

50  nic^t  in  bem  Sbegififcljen  3nb,alt  beg  christlichen  ©laubenö  erblicfte,  (onbern  in  ber  Sotnialen 
unb  be<3l)alb  an  \\<S)  inhaltslosen  93orau3S4un9  ie^er  b,tStorifd)en  Deltgion,  bem  ©lauben 
an  ©ott,  ^ugenb  unb  Unfterbtic^Jeit.  Wü  einer  ©cb,netligfeit,  bie  beifbiello§  ift,  errang 
bie  3lufflärung  bie  $errfcf;aft  unter  ben  ©ebilbeten.  ©ie  aber  fonnte  in  ber  fonfeffioneHen 
Trennung  nur  eine  3Jli^biIbung  erblicfen,  erflä'rlicb  au§  bem  irrationellen  Verlauf  ber  reli= 

55  giöfen  Bewegung.  SBo  bie  2lufflärung  Berrfcbte,  berScljWanb  be§b,alb  ba§  BeWu|tSein  bon 
Decfjt  unb  $flicl)t  fonfeffioneller  Trennung  böflig.  ©leicbWol)!  Waren  bie  3luSgeflärten 
nicBt  bie  eigentlichen  Präger  be§  ©ebanfen§  einer  Union  ber  beiben  ebangelifc^en  5lon= 
Sefftonen;  bieg  Qid  wäre  für  fie  ju  niebrig  geWefen.  Dber  Wo  S«  biefe  Union  forberten, 
galt   fie  ibnen   nur  al<3  Bollenbung  ber  SToleranj   unb    ab§  BorStufe  für  bie  gortbilbung 

60  be§  6b,riftentum§  jur  SBeltreligton.    §ier  griff  nun  bie  Deubelebung  be§  cbriftlic^en  ©inneö 


Union,  firdjltdje  255 

im  anfange  beö  19.  ^afyrljunberts  ein :  baS  Btbltfd^e  ßfyrifientum,  baS  bem  Bolfe  nie 
ganz  berlorcn  gegangen  toar,  begann  aud)  in  ber  äöelt  ber  ©ebilbeten  toteber  2(nf)änger 
511  finben.  ^ffre  grömmtQfcit  aber  toar  frei  Don  jeber  Jonfefftonetlen  Befcfyränfung : 
Lutheraner,  Reformierte  unb  $att)olifen  toufjten  fieb,  in  bem  fyöcbjten  eins  trotj  ber  $u-- 
gefyöngfett  zu  berfdnebenen  Sltrcfyen.  Qa  bie  beiben  erfteren  Ratten  baS  Betoufjtfein,  tyaU  5 
fäd)Ucb.  einer  ^ird;e  anzugehören.  (Sin  SDtfann,  ber  bor  bieten  anberen  ein  berebter  $euge 
bcö  ©laubeng  toar,  @.  2JZ.  Slrnbt,  rannte  nur  ztoet  £ircr)en,  bie  ficfytbare  Äirdjc  beS  BabfteS 
unb  bie  unfid)tbare  töirdje  beS  2öort3  (bgl.  Bon  bem  Söorte  unb  bem  $ircr;enliebe  1819 
S.  34).  1)a<fytz  man  fo,  bann  mufjte  man  bie  äußere  ©efdiiebenl)eit  als  ettoaS  embfinben, 
baS  nicb,t  fein  foHte:  inoju  man  fidj  nod)  ein  ^a^rfjunbert  borfyer  um  ber  äisafyrfyeit  toillen  10 
berbflidjtet  gefüllt  fyatte,  2lbfcf)lief$ung  gegen  bie  frembe  ^onfeffion,  baS  aufzugeben  füllte 
man  fidt)  je|t,  toteber  um  ber  2öaf?rr)eit  toillen,  gebrungen :  eS  blatte  ein  bollfiänbiger  Um= 
fa)toung  ber  ©efinnung  flattgefunben. 

2)a§  geigte  fid}  auf  bem  litterarifdjen  ©ebiete.  §ier  toar  bie  %taa.t  m<§  oer  2Bieber= 
bereinigung  ber  torotefiantifcfyen  ilonfeffionen  längft  zu  einer  ftefyenben  getoorben.  Slber  baS  15 
Urteil  über  bie  Bereinigung  fdjlug  im  Saufe  eines  ^abjlmnbertS  völlig  um.  "MnflerS 
Arcanum  regium,  baS  im  3saf)re  1703  erfd)ien,  r)atte  noeb,  einen  ©türm  ber  ©ntrüftung 
berborgerufen  (f.  b.  31.  ^ablonSfr;  Bb  VIII  ©.  512,27);  als  im  nädjften  Safyrjefynt  &)x. 
3JJ.  $faff,  bon  einer  btetiftifdjen  Beurteilung  beS  Religiöfen  auSgefyenb,  BereinigungS= 
borfebläge  machte,  fanb  er  bei  ben  lutfyerifcfyen  Geologen  faft  nur  Söiberfbrud;  (bgl.  33b  XV  20 
S.  236, 31).  S^1  bagegen  bertraten  bie  fyerborragenbften  Geologen  neben  ben  unbe= 
fceutenbften  9Jcännem  ben  UnionSgebanfen,  unb  aUe  fanben  gleite  gufitmmung.  Unter 
jenen  nenne  icb,  Bland,  beffen  ©djrift  über  bie  Trennung  unb  SBieberbereinigung  ber  ge= 
trennten  cfyriftlidjen  §aubtbarteien  im  $.  1803  erfdjien.  Bland  fab,  baburd;  ben  Boben  für 
bie  Union  geebnet,  baf?  in  ben  tfyeologifdjen  Meinungen  unb  2lnfid)ten  eine  Berf<f)iebent)eit  25 
nid)t  mebj  bemerkt  toerben  fönne,  berfyel)lte  fid)  aber  nid)t,  bafj  mögltdjertoeife  bie  ©e= 
meinben  ©cfytoierigfeiten  in  ben  3Beg  legen  toürben;  aud;  bafj  eS  an  einem  allgemein  an= 
erfannten  Organ  ber  $irct)en  fehlte,  toeldjeS  bie  Bereinigung  bollzter)en  fönne,  machte  u)m 
Sebenfen;  g!eicb,toob,l  glaubte  er,  baf?  bie  Union  toenigftenS  auf  einem  befdjränften  ©e= 
biete  möglieb,  fei,  toenn  fie  nur  mit  gehöriger  Borftcfyt  ins  28er!  gefegt  toerbe.  Born  9?o=  30 
bember  beSfelben  $af)reS  ift  bie  Borerinnerung  zu  ©cfyleiermadjerS  „ßtoei  unborgreiflicfjen 
©utacfyten  in  ©acfjen  beS  broteftantifd;en  ^ird^entoefenä"  batiert.  ©d)Ieiermad)er<§  Ie|te§ 
3tel  toar  bie  2lu§gleicf)ung  jebe§  !onfeffionellen  ©egenfa^eS,  jebod;  nid;t  bie  Bertoifdiung 
jebeg  Eirdjlidjen  Unterfd}ieb§.  @r  fragt:  9Beld)er  berftänbige,  nid;t  bon  Uniformität§fud}t 
angeftedte  ÜDtenfdj  lönnte  too^l  irgenb  einen  ©etoinn  barau§  ab;nben,  toenn  man  in  §oIIanb  35 
unb  3ad}fen,  in  ©cfyottlanb  unb  ©ct;toeben  einen  mittleren  Br|tyorttDnalglauben  annähme 
über  ba§  Slbenbmafyl  ober  bie  ©nabentoa^l,  unb  toenn  man  eine  @intrad;t§formeI  ju 
ftanbe  brächte  gtotfe^en  ber  @tntrad;t§formeI  unb  ber  ®ortred;tfd;en  ©t;nobe?  ©eäb^alb 
h>ün[d)te  er  nid;t  ben  Berfud;  einer  allgemeinen  Bereinigung  anzuregen,  fonbern  nur  ba 
foHe  bie  Äird^engemeinfd^aft  beranftaltet  toerben,  too  fie  fid)  als  ein  beftimmteS  unb  all=  *o 
gemeines  BebürfniS  aufbringe.  33ie  3lrt  ber  Bereinigung  aber  beftimmte  er  bafnn,  ba^ 
bon  einer  Slnberung  ber  religiöfen  Überzeugung  babei  nicfyt  bie  5Rebe  fein  bürfe.  ©3  fomme 
barauf  an,  bie  ^ird)engemeinfd;aft  ^erjuftellen,  ob^ne  ba|  bie  Unterfcfyiebe  im  Seb^rbegriff 
unb  bie  Slbtoeicfyungen  im  Rituale  angetaftet  toürben.  SDie  $xaa,e  be§  BebürfniffeS,  toeldie 
für  bie  ©infübjung  ber  Union  entfetjetbenb  fein  foßte,  bejahte  ©cfjleiermadjer  für  Bre"Ben-  46 
^mberniffe  erblidte  er  faum,  ba  ja  bon  ben  Berfcbjebenfyeiten  in  ber  Seb^re  auä)  nur  ju 
reben,  unnü§  unb  faft  läcfyerlicb,  fei.  SDaS  Bebenfen  q3IancEg,  eS  lönnten  bie  ©emeinben 
iiitberfbrud;  ergeben,  blatte  er  nidjt.  S)ie  §erftellung  ber  lird^Iid^en  ©emeinfcfyaft  aber,  ur= 
teilte  er,  toerbe  fid)  fel>r  einfad}  betoirfen  laffen.  5Da  ber  ©taat  baS  einzige  toirffame 
Crgan  ber  EirdjlidEjert  ©emeinfdjiaft  fei,  fo  bebürfe  e§  nidjtS  als  bie  bon  i^m  auSgeb,  enbe  50 
Grftärung,  bafe  eS  überall  toeber  in  bürgerlicher  noeb,  in  rtrdjlicfyer  unb  religiöfer  §infid)t 
für  eine  Beränberung  foEe  gehalten  toerben,  toenn  toer  bisher  nad)  bem  einen  RituS  unb 
bei  einer  ©emeinbe  ber  einen  ^onfeffton  fommuniziert  f)ah(,  in  ^"^«ft/  e§  fo  nun  iwmer 
ober  abtoectifelnb,  bei  einer  ©emeinbe  ber  anberen  ^onfeffion  unb  nad)  bem  anberen  Ritus 
lommuniziere.  —  Racb,  „einer  längeren  Bmtfe  erfcb,ien  bie  ©d}rtft  beS  bamaligen  §of=  55 
brebigerS  g.©. ©.©ad,  Über  bie  Bereinigung  ber  beiben  torotcftantifcb^nÄirdjengemeinben 
in  ber  breufeifcfyen  9)conard)ie  (1812).  Bad,  ber  fid;  fd;on  in  einem  ©utad;ten  bom 
1 3.  ^3uli  1798  für  eine  gemeinfame  2lgenbe  für  bie  lutf).  unb  bie  reform.  Jlird;c  in 
!(reujjen  auSgefbrod;en  blatte  (f.  görfter  I,  ©.  107),  teilte  ben  ©ebanlen  ©djlctermadjerS, 
^6  bie  Union  zunädjft  nur  auf  einem  befd;rän!tcn  ©ebiete  einzuführen  fei;  er  unterfcfyieb  eo 


256  Union,  ttrdjltdje 

fid)  bon  if)m,  inbem  er  ein  SBelenntniS  auct)  für  bie  unierte  S^itd^e  für  nötig  Ijnelt  unb  als 
folctyeS  baS  fog.  Slboftoltfum  unb  bte  2tugSburgifdje  ^onfeffion  borfcbjug,  unb  inbem  er 
bie  ©infüfyrung  ber  Union  burdj  eine  ftaatlidje  ©rflärung  bermarf  unb  ftatt  beffen  bte 
Slbftimmung  aller  ©eiftlicfyen  beiber  Parteien  unb  bie  ©ntfcfyeibung  burct;  eine  grojje 
5  gdtajorität  forberte. 

jffiiU  man  unbefangen  urteilen,  fo  mirb  fidj  faum  leugnen  laffen,  bafs  in  biefen 
«Schriften  ber  UntonSgebanfe  ntcfyt  bon  einem  fyofyen,  ber  SBebeutung  ber  ©acl)e  toürbigen 
©tanbbunfte  auS  betrautet  ift.  gtoar^barauf  $  ^n  9r°f5eS  ©emidjt  ju  legen,  bafj  bie 
Sßerfaffer  bie  augenblicflicfy  fyerrfdjenbe  Überzeugung  für  bauernb  gelten,  toäfyrenb  fie  boa) 
10  bereits  im  ©efytoinben  begriffen  mar,  benn  fo!c|e  Irrtümer  begegnen  allen ;  fcpmmer  ift, 
bafj  roemgftenS  tylanä  unb  ©djleiermadjer  jebe  Stiftung  bor  bem  ©tauben  ber  ©emeinben, 
beS  Rubels,  toie  ^ßland:  unb  ber  ungebtlbeten  SotfSflaffe,  toie  ©cbjeiermacfjer  fid^  auS= 
brücfte,  mangelte,  unb  ganj  unbefriebigenb  finb  bie  borgefcfylagenen  -jJcafjregetn.  ^lanctS 
■Rat  lief  barauf  fyinauS,  bie  SGeränberung  fo  borfidjtig  einzuführen,  bafj  biejenigen,  bie  fie 
15  betraf,  nichts  babon  merften ;  ©cbjeiermacljer,  ju  beffen  bleibenbem  3f{ufym  e§  gehört,  ben 
©ebanten  an  bie  ©elbftftänbigleit  ber  $ircr)e  mteber  jur  3lnerfennung  gebracht  $u  Ijaben, 

räumte  bem  ©taate  bie  Befugnis  ein,  eine  für  baS  Htrd^Itd^e, ja,  maS  genau  genommen 

finnloS  ift,  für  baS9Migiöfe  mafjgebenbe  Seftimmung  in  bolter  i&elbftftänbigfeit  ju  erlaffen; 
©act  aber,  ber  baS  lebhafte  ©efüfyt  fyatte,  bafj  baS  unt£mnli$  fei,  geigte  mit  feinem  3Sor= 
20  fdjrtag,   mie  feft  ber,   freilid)  auct)  je|t  nod)  ntd^t  berfcfyrounbene  Söatm,  bafj  eigentlich  bie 
Pfarrer  bie  ct;riftlicr)e  $irct;e  bilbeten,  aucfy  treffliche  ©eiftlidjie  beftricfte. 

Sßebeutenbe  görberung    braute    ben  UnionSbtänen    baS  SteformationSjubiläum    bon 

1817.    ©enn  im  gufammenfwnge  mit  bemfelben  lam   eS  juerft  jur  SSermirtlict;ung  ber 

Union.    ®en  3tnfang  machte  5Raffau;    bjer  traten  am  5.  2luguft  1817  38  bon  ber  3?e= 

25  gierung  ausgemalte  ©eiftlicfye  ^u  einer  ©imobe  in  ^bftetrt  gufammen,  um  über  bie  mür= 

bige  geier  beS  Jubiläums  ju  beraten.  Sem  üßorfdjlag  ber  Regierung  gemäfj  einigte  man 

fic|  bafyin,  bafj  bie  befte  geier  bie  Bereinigung  ber  getrennten  ^onfeffionen  fein  »erbe,  ba 

bie  S3erfcf;iebenl)eit  ber  Meinungen  in  ben  roenigen  bisher  noefy  abmeidjenben  Sßorfteuungen 

beiber  broteftantifd)en  ^ird^ert  in   baS  eigentliche  SBefen  ber  Religion   ntcfyt  eingreife  unb 

30  bemünftigermeife  feinen  ©runb  ber  fortbauernben  Trennung  meljir  abgeben   tonne.    Sie 

SSerfammetten  ftimmten  bemgemäjj  ber  ©rttärung  ju,  bafj,    ba  betbe  broteftantifdje  9telt= 

gionStetle  im  mefentlidjen  ifyreS  BefenntniffeS  übereinftimmen,   fie  fieb,    baf)in  bereinigen, 

bafj  fie  bon  nun  an  eine  Sftrcfye  im  §erjogtum  bilben,  roelcfye  ben  SZamen  ber  ebangelifd)= 

cfyriftlidjen  füfyre.    Söiberfbrud)   gegen  bie  Bereinigung  unb  gegen  biefe  Begrünbung  ber= 

35  felben  erI)ob  fic|)  roeber  auf  ber  ©bnobe,  noeb,  im  Sanbe:  erft  fbäter  trennte  fieb,  eine  3ln= 

%afyl  Sutb^eraner  bon  ber  Sanbe^fitc^e,  fie  btlbeten  bie  lutb,erif(^e  ©emeinbe  ©teeben. 

2lud?  in  ^ßreufeen  fnübfte  fieb,  bie  @tnfül;rung  ber  Union  an  ben  bretlmnbertiäfyrigen 

©ebäcb,tni§tag  ber  Deformation.   §ter  aber  l)atte  bie  Union  eine  lange  üßorgefcljicfyte.  S?ur= 

branbenburg  mar  ba§  erfte  beutfdje  Sanb,  in  meinem  fd;on  feit  bem  anfange  be§  17. 3a^r= 

40  f)unbert§  bie  beiben  broteftantifc^en  Slonfefftonen  mit  gleichen  5Recf)ten,   menn  auet;  in  fel)r 

ungleicher  ©tärfe,  nebeneinanber  beftanben.    ®er  ©ebanfe  ber  ^Religionsfreiheit  lam  alfo 

l)ier  in  einer  $eit,  ber  er  fonft  fremb  mar,  roenigftenS  ju  teilmeifer  Sermirftidnmg.   2lber 

bie  ^ob,enjoHernfcl)en  dürften  Ratten  feit  ^o^nn  ©igtSmunb  meitergeb^enbe  2lbftcf;ten.  ©er 

Söunfcb,,  bie  religiöfe  ©baltung   ib^rer  Untertanen  ju  befeitigen,  bie  Uraft  ber  @bange= 

45  Iifcb.en  im  Steige  gujammenjufaffen,  machte  bie  §>ol)engollem  ju  Prägern  unb  görberern 

ber  S^e«  ber  Union.    SDabei  befeb^ränften  fiel;   bie  ©eban!en   nicfjt  auf  bie  eigenen  Sanbe 

ober  baS  Steicb;:  ber  erfte  breujjifcfje  Äönig  backte  an  bie  firdpdje  Sereinigung  aller  @ban= 

gelifeljen  übertäubt,    griebrieb,  SBilb^elm  III.  blieb   bemnact)   nur  ben  Xrabitionen   feines 

|jaufe§  treu,   menn  aueb,   er  bon  Anfang  an  ben  SBunfcb,  biegte,   ba^  bie  trennenben  lon= 

50  feffioneßen  ©djranren  bab^infaUen  foEten;  er  fbraef;  ib,n,  too  fieb,  Gelegenheit  gab,  offen  unb 

nacfybrücflicl)  auS;  er  beljanbelte  in  einzelnen  3}{a^regeln  (©rnennung  ©cb,Ieiermacf;erS  jum 

^rofeffor  in  £aüe,  ©tetnbartS   in  granffurt  a.  D.  unb  bgl.)  bie  !ircb,licl)e  Trennung  als 

nieb^t  befteb,enb;  aber  er  mar  in  feiner  getoiffenfyaften,  bebäcf/tigen  unb  befonnenen  2öeife 

bon  nichts  toeiter   entfernt,   als  babon,   bte  StuSfüfyrung  eines   lange  gehegten  SG3unfeb.eS 

söirgenbtoie  gu  überl>aften.    @S  maren  lang  ermogene  unb  aßmäfjlicb,  gereifte  ©ebanlen,  bie 

ber  ^önig  in  feinem  Aufrufe  bom  27.  ©ebtember  1817  auSfbracb, :  er  belannte  fid)  ju  ber 

Überzeugung,  b«|  bie  beiben  broteftantifcfyen  ^onfeffionen  in  ber  §aubtfacf) e  im  ßliriftentum 

einig  feien  unb  nur  noefy  burdj  äußeren  Unterfd;ieb  getrennt  mürben;  in  iljrer  Union  fab, 

er  beSb^alb  ein  gottgefälliges  SSer!,  bon   bem   er  reiche  görberung   beS  ftrdjlicfyen  ©inneS 

60  ertoartete.    ®aS  äöefen  ber  Union  aber  beftimmte  er  balnn,   ba^  meber  bie  reformierte 


Union,  ftrd)Hd)c  257 

Kmfyc  jur  lutt>erifd;en  nocb,  bieje  ju  jener  übergeben,  fonbern  beibe  eine  neubelebte,  eban= 
gelifcfcd&rtftucfye  ^ird?e  im  ®eWe  li>u§  ^eiligen  ©tifterS  Serben  foßten.  @r  ertlärte,  ba| 
er  felbfi  baS  ©ätularfeft  ber  Deformation  in  ber  Sereinigung  ber  bisherigen  reformierten 
unb  lutljerifcfyen  §of=  unb  ©armfonSgemeinbe  ju  SotSbam  ju  einer  ebangelifcb^cbjiftlidjen 
©emeinbc  feiern  merbe,  unb  forberte  gur  Nadjafymung  auf,  »erfidjerte  aber  jugieirf),  bafj  5 
er  loeit  babon  entfernt  fei,  bie  Union  aufbringen  unb  in  biefer  Angelegenheit  etmaS  ber= 
fügen  ober  beftimmen  ^u  rooßen  (ßur  Sorgefd;idj)te  beS  Aufrufs  bgl.  görfter  I,  ©.267  ff. 
£cr  Serfaffer  ift  Gbjert.) 

25er  Aufruf  beS  Königs  fanb  begeifterte  Aufnahme:  eine  grofte  AnjabJ  ©eiftlidje  unb 
©emeinben,  befonberS  in  bem  toeftlic|en  Seile  ber  5Ronard)ie,  fcfyloffen  ficb.  auSbrüdlid;  10 
ber  Union  an.  ©er  SBiberfbrucb,  innerhalb  SreufjenS  blieb  ganj  oereinjelt,  unb  bie  Se= 
benfen  aufjerbreufjifcfjer  Geologen,  irie  Ammon,  $axm§  unb  Sittmann,  fanben,  mie  eS 
fdjeint,  in  ^ßreufcen  mrgenbS  2Biber!)aß.  dagegen  folgte  eine  9ieibe  feinerer  beutfcfjer 
£änber  bem  Borbilbe  Sreuf$enS  nacb,:  bie  erfte  ©eneralfimobe  ber  9tf)einbfatj  ju  $aiferS= 
lautem  im  $afyre  1818  befcfylofj  bie  Bereinigung  ber  getrennten  Honfeffionen  ju  einer  15 
proteftantifcb^cb^ifilictjen  Sftrcfye,  unb  erflärte  (§  3  ber  Serein.=Afte),  bafs  fie  gmar  bie  aß= 
gemeinen  ©Symbole  unb  bie  bei  ben  getrennten  broteftantifetjen  Honfeffionen  gebräuchlichen 
fmnbolifcfyen  33ücb,er  in  gebüfyrenber  Artung  b,alte,  jeboc^  feinen  anbern  ©laubenSgrunb 
unb  leine  anbere  2eI)morm  anertenne,  als  bie  fyl.  ©cfyrift.  Son  1817—1822  bottgog  fid; 
bie  Union  in  einem  großen  Seile  beS  ©ro^erjogtumS  §effen  (f.  58b  VIII  ©.  5, 41),  '-0 
ISIS  in  ben  ju  $urb,effen  gehörigen  ©ebieten  bon  §anau  unb  gulba.  $n  Saben  be= 
fdjlofc  bie  ©eneralfrmobe  bom  ^a^tre  1821  bie  Sereinigung  ber  Honfeffionen  (f.  33b  II 
©.  350,2o).  $n  Söalbecf  mürbe  fie  im  gleiten  Sjatyre  bura)  baS  H'ircbenregtment  be!re= 
tiert.  Son  ben  Anl)altifd>en  $ürftentümem  nafym  fie  Sernburg  im  Jyafyre  1820,  ©effau 
im  %afyn  1827,  Hotten  erft  1880  an  (f.  33b  I  ©.  549,4).  ®ie  gaffung  ber  Union  unb  25 
bie  ©teßung  gu  ben  ©Embolen  mar  nidjt  überall  gteieb,:  baS  eine  ©jtrem  begeiefmet  ber 
eben  ermahnte  3.  Saragrabb,  ber  SereinigungSatte  ber  Sfalger  Hircfye,  baS  anbere  bie  ent= 
ftiredjenfce  Sefttmmung  in  ber  SereinigungSurfunbe  ber  broteftantifcfyen  Honfeffionen  in 
Sfyemljeffen,  monacb,  bie  beiben  bisher  getrennten  Honfeffionen  gemeinfct)aftltc^en  fr/tnboli= 
fa)en  S3üct)er  aueb,  fernerhin  als  Sefyrnorm  ertlärt  tourben.  30 

Herren  mir  gu  ben  Serfyältniffen  in  Sreufeen  gurüd.  ©er  Honig  fyatte,  irie  ermähnt, 
ben  2lnfct)Iu^  an  bie  Union  ber  freien  @ntfcb,eibung  ber  ©emeinben  überlaffen.  Söoßte 
man  nun  bie  ©efal>r,  bie  bamit  gegeben  mar,  baf?  neben  ber  neu  ficb,  bilbenben  unierten 
Sirene  metyr  ober  meniger  bebeutenbe  Srucfyteile  ber  HonfeffionStirdjen  als  foldje  fort= 
beftanben,  bermeiben,  fo  muftte  bie  Abfielt  fein,  ben  aUgemeinen  Anfdjlufj  an  bie  Union  35 
fyerbeigufüfyren.  Allgemein  binbenbe  unb  boeb,  freie  ©rllärungen  toaren  aber  nur  möglid), 
roenn  bie  5?ircb,e  eine  folcb,e  Organisation  erhielt,  ba|  fie  irgenbmie  felbftftänbig  b,anbeln 
tonnte.  9tun  maren  feit  bem  2>al)re  1814  S5erb,anblungen  im  ©ange,  um  baS  gefamte 
$ira)enmefen  neu  ju  regeln.  3U  ^en  Abfielen  gehörte  bie  @infüb,rung  preSbt)terial=fimo= 
baier  (Sinricbtungen ;  in  ben  3a^r^n  1817ff.  mürbe  mirftieb,  ein  Anfang  bamit  gemalt.  40 
allein  bie  Sureautratie  tonnte  fieb,  in  biefe  neue  2Beife,  bie  tireb,  liefen  ®inge  gu  beb,an= 
beln,  nicb,t  finben;  bie  Abneigung  beS  Königs  gegen  aßeS,  maS  nacb,  SiberaltSmuS  auSfab,, 
tarn  baju:  bie  gotge  mar,  baf$  man  bie  beabficb.tigte  ©^nobalüerfaffung  fallen  liej$.  gür  bie 
Union  ergab  fieb  als  unoermeiblicb, e  Äonfequenj,  bafs  ber  Äönig  bie  Surcb.fü^rung,  meb,r  als 
er  urtyrünglicb,  beabficb.tigte,  in  bie  eigene  §anb  nehmen  muffte.  An  ©tnmirlung  auf  bie  45 
fonfeffionelle  Seb,re  backte  ber  Honig  nicfyt:  ba^  er  bie  greib,eit  ber  Überzeugung  artete, 
binberte  ib,n  baran.  Sei  ber  Neueinrichtung  ber  ftrdjlicfyen  Seb,örben  mar  fc^on  bisher 
leine  Ätficfyt  auf  bie  fonfeffioneße  Trennung  genommen  morben.  Sie  Honfiftorien  maren 
nitt)t  einmal  rein  ebangelifdje  Amter.  £>ie  ©urebfü^rung  ber  Union  mufjte  beSb,alb  bei= 
natje  auSfcb,lie|licl;  auf  bem  ©ebiete  beS  ©otteSbienfteS  serfuct)t  merben,  mie  benn  aueb,  50 
oon  Anfang  an  bie  Annahme  beS  gemeinfamen  AbenbmaljlSrituS  als  Annahme  ber  Union 
betrachtet  mürbe.  SBenn  irgenbmo,  fo  f)m\fyte  in  ber  ©eftaltung  beS  ©otteSbienfteS 
toäfyrenb  ber  rationaliftifcb,en  Qät  bie  3Bißl'ür.  ©er  ©efcb,mact  ober  Ungefcb,mact  ber 
tircbjtcfyen  Sel)örben,  oft  genug  beS  einzelnen  SfarrerS,  maren  ma^gebenb.  griebrieb  2öil= 
b,elm  III.  bagegen  liebte  Orbnung  unb  Siegel  in  aßen  ©rüden,  er  mar  erfüllt  bon  Sietät  6ä 
gegen  baS  Alte,  fo  bafj  bie  ©efinnung  beS  Königs  treu  miebergegeben  ift,  menn  eS  in  ber 
"-Borrebe  gur  Agenbe  oon  1822  fyeifjt,  bureb^  bie  ©leiebförmigteit  ber  ©otteSbereb,rung  merbe 
nitt)t  aßein  eine  gemeinfc^aftlic^e  Überzeugung,  fonbern  aueb,  eine  b,eitere  ©eelenrub,e  unb 
fromme  guberfiebt  in  bem  anft>recl;enben  ©ebanfen  erzeugt,  bafe  eS  biefelben  gürbitten  unt) 
©clübbe  feien,   meiere  unfere  cb,riftlicb,en  Sorfab,ren   feit   mehreren   ^ab, rb,unberten  beteten  (;n 

ffleal=®nc^Hopäbie  für  I&eorogie  unb  Sir«e.    3.  M.  XX.  j  7 


258  Union,  ftripcfie 

(bgl.  aud)  ben  Srlaß  an  ben  ^ronbrinjen  bei  görfter  II,  ©.  55  nnb  ben  Driginalauffat; 
beS  Königs  über  bie  Siturgie  S.  345).  9Jton  begreift,  baß  griebrid;  2Büljelm  bon  ber 
RotWenbigfeit  einer  neuen  ©oiteSbtenftorbnung  für  bie  preußifct;e  Mrdje  burd;brungen  War 
unb  baß  er  bie  Sorbilber  für  biefelbe  nur  in  ben  älteren  Stgenben   fucfyen  tonnte.    Run 

6  embfanb  ber  ®ömg  für  Suttyer  bie  f)öd;fte  Serefyrung,  er  lannte  feine  ©dirtften  Wie  Wenige 
geitgenoffen ;  aud;  fear  ifym  bie  gorm  beS  lutb,erifd;en  ©otteSbienfteS  fi;mbatl;ifd;er,  als 
bie  beS  reformierten,  So  tarn  cS,  baß  bie  neue  Slgenbe  im  Wefentlict)en  an  bie  lutfyerifcfye 
©otteSbienftorbnung  ftd;  anfd;Ioß,  obgleich  fie  für  bie  ©emeinben  beiber  ^onfeffionen  be= 
ftimmt  mar.    @ine  gemeinfcfyaftlicfye  2Igenbe  für  2utf>eraner  unb  Reformierte   blatte  fd;on 

10  eine  ^abineitSorbre  bon  1798  für  etwas  2Bünfd;enSWerteS  erflärt.  Rad;bem  injtoifdien  bie 
2lbftd)t  ber  Bereinigung  beiber  Sfrmfefftonen  in  ben  Sorbergrunb  getreten  War  unb  bereits 
anfing,  fid;  ju  berWirftid;en,  lonntc  ber  ftönig  bei  ber  neuen  2lgenbe  nur  an  eine  UnionS= 
agenbe  benfen,  unb  ba  er  überzeugt  mar,  baß  er  ^War  nid;t  bie  Union,  aber  fraft  feiner 
IanbeSl;errlid;en  ^trctsengeWalt  bie  2lnnal?me  einer  neuen  Slgenbe  gebieten  fönne,  fo  erteilt 

15  leicht,  meiere  S3ebeutung  bie  Slgenbe  für  ®urdj)fübrung  ber  Union  gewinnen  mußte.  Qnbem 
icb.  für  ben  Serlauf  ber  Slgenbenfacfye  auf  SBb  X  S.  349, 43 ff.  unb  auf  görfter  ob  II, 
S.  70  ff.  berweife,  gte^e  id;  nur  bie  SBirfung  berfelben  für  bie  Union  in  23etrad;t.  ©ie 
2lgenbe  gab  bem  ©otteSbiertfte  eine  §orm,  bie  ber  3eit  ungeWofmt  mar,  bie  aud;  bem 
®urd;fd;nitt  ber  religiöfen  Überzeugung  fcfyWerlid;  ganz  entfbrad;;    fdmn  baburd;  retgte  fie 

20  zum  Söiberfbrud;.  ©en  reformierten  ©emeinben  aber  bot  fie  eine  ©otteSbienftorbnung, 
bie  auf  Iuti)erifd;em  Soben  ertoad;fen,  bie  ben  reformierten  Hircfyen  fietS  fremb  geblieben 
War,  außerbem  fd;Ioß  fie  fid;  aud;  in  einzelnen  fünften,  auf  bie  baS  SSolf  Sffiert  legte 
(^ä^Iung  ber  jeb^n  ©ebote  unb  bgl.),  an  baS  §erfommen  ber  Iutl;erifd;en  $ird)e  an.  Sie 
$olge  mar,   baß   reformierte  SreSbfyterien,   bie  ber  Union  gugetfyan  toaren,  bod^   bon  ber 

25  Slgenbe  nid;tS  miffen  büßten.  2lnbererfeitS  konnte  fie  and)  ben  Sutfyeranem  nidjt  genug 
tbun.  ®aS  53eicb>  unb  2lbenbmaI;lSformular  mar  unlutfyerifd; ;  befonberS  erregte  bie 
Stoenbeformel  beim  f)I.  3lbenbmab.I  Sebenfen;  benn  fie  Wiberfbrad;  jtoar  ber  fiuttyerifcfyen 
Sebje  nidjt,  aber  inbem  fie  biefelbe  nicfyt  auSfbrad;,  fdnen  fie  beftimmt,  fie  unter  ber  §anb 
Zu  befeitigen. 

30  ©arauS  erflärt  fid;,  baß  an  bem  2Biberfbud)  gegen  bie  2lgenbe  fid;  ber  üambf  gegen 
bie  Union  ent^ünbete,  ber  zur  Separation  eines  SEeilS  ber  breußijcfyen  £utb^eraner  bon  ber 
unierten  SanbeSfirdje  führte  (bgl.  33b  XII  S.  lff.),  @S  märe  aber  ju  biefem  ^ambfe 
felbftberftänblid;  nid}t  ge!ommcn,  menn  nidjt  injmifd;en  ein  mistiger  Söanbel  in  ben  reli= 
giöfen  Überzeugungen    fid)   boHjogen  blatte.    Qm  anfange  be§   QafyrfmnbertS   führte  bie 

35  Stufflärung  faft  allein  ba§  2Bort,  fie  bcrrfcfyte  i"  ben  Uniberfitäten  mie  auf  ben  Äanjeln; 
e§  gab  aud)  fpäter  Diationaliften  in  SRenge,  aber  ifyre  §errfd;aft  mar  gebrochen;  ifmen 
gegenüber  ftanb  bie  gro^e  ftafyl  berjenigen,  meiere  bon  ber  ätufftärung  jum  ^ofittben 
6l>riftentum  gurüdgelebrt  maren.  2)em  alternben  Rationalismus  gegenüber  füllten  fie  fia) 
als  bie  Präger  eines  neuen,  jugenbfrifdjen  ©cifteS,   als  bie  ©rben  ber  3"^"^-    ®$  toar 

40  nun  aber  eine  naturgemäße  ©ntmidelung,  baß  nidjt  Wenige  bon  iljmen  ju  bem  lirdjlicfyen 
ßb^riftentume  fortfd;ritten.  ©iefe  ©ntmidelung  bemerft  man  überall:  auf  fonfeffionellem 
Wie  auf  uniertem,  auf  broteftantifdiem  Wie  auf  fatI)olifd;em  ©ebiete.  Sie  führte  ba^u, 
baß  innerhalb  ber  Union  felbft  berfd)iebene  Strömungen  entftanben,  meiere  2öefen  unb 
Slufgabe  ber  Union  fcfyr  berfdjieben  faßten.    ®en  einen  War  bie  Union  mertboll,  Weil  fie 

45  bureb  biefelbe  baS  Red;t  ber  fonfeffionellen  fiebere  befeitigt  fab,en;  bie  anberen  Waren  ber 
Überzeugung,  baß  bieS  keineswegs  ber  gall  fei;  fonbern,  inbem  bie  Union  ben  übereim 
ftimmenben  ©efjalt  ber  reformatorifdjen  Sefenntniffe  anerlenne,  fjabe  fie  ein  reidjereS  33e= 
fenntniS  als  jebe  ©inzellirdje  unb  gugleid;  ein  beftimmtereS  unb  geüärtereS;  bie  britten 
aber  bertraten  ben  Sa|,  baß  burd)  bie  Union  bie  SScHgiltigfeit  ber  Iutb^erifd;en  £eb,re  in 

50  ben  f)iftorifcb,=lut^erifd}en  ©emeinben  Wie  ber  reformierten  in  ben  reformierten  leineSWegS 
aufgeboben  morben  fei. 

@S  ift  l)ier  nicb,t  ber  Dxt,  ben  Streit  ber  Parteien  ju  berfolgen,  bagegen  muß  bar= 
gefteltt  merben,  Wie  bie  offizielle  gaffung  ber  Union  burd;  bie  @inWirfung  biefer  berfdne= 
benen  Richtungen  beeinflußt  Worben  ift.    ®er  Slufruf  bon  1817  ftellte  als  ßiel  tyn  bie 

55  §erfteHung  einer  neu  belebten  ebangelifcb=d?riftlicb>n  £ird)e  burd;  Sereinigung  ber  beiben 
getrennten  broteftantifd;en  Äirdjen.  Qn  ber  in  Rüdfid;t  auf  bie  fd)lefifd;e  Bewegung  er= 
laffenen  üabinettSorbre  bom  28.  gebruar  1834  beißt  eS  bagegen:  ,,©ie  Union  bejWedt 
unb  bebeutet  lein  2lufgeben  beS  biSberigen  ©laubenSbetenntniffeS,  aud;  ift  bie  Slutorität, 
Welche  bie  SefenntniSfcfyriften  ber   beiben  ebangelifd;en  Äonfeffionen   biSber  gehabt,   burd; 

60  fie  nid;t  aufgehoben  Worben.    ®urd;  ben  beitritt  zu  ib,r  Wirb  nur  ber  ©eift  ber  Mäßigung 


Union,  ttrtfjlt^c  259 

tmb  OUilbe  auSgebrüclt,  Welcher  btc  SSerfdjnebenfyeit  einzelner  &el»rpunfte  ber  anbeten  $on= 
feffton  nid;t  me|r  afö  ben  ©runb  gelten  läfjt,  \i)v  bie  äu^erttd^e  fircfylicfye  ©emeinfd)aft  gu 
berfagen.  ©er  beitritt  jur  Union  i[i  ©acf;e  be§  freien  @ntfd)iuffe<§,  unb  e<o  ift  bab)er  eine 
irrige  Meinung,  bafj  an  bie  (Einführung  ber  erneuerten  2lgenbe  notWenbig  aueb,  ber  33ei= 
tritt  zur  Union  getnüpft  fei  ober  inbireft  bureb,  fie  bewirft  Werbe.  $ene  Beruht  auf  ben  5 
Don  -Mir  erlaffenen  Slnorbnungen,  biefe  get)t  naefy  Dbigem  au§  ber  freien  @ntfcr}Itefjung 
eines  ffim  fyerbor"  &  §.  ©ad  urteilte  in  ber  erften  2tuftage  biefer  ©nctyllopäbie 
(3Jb  XVI  ©.  711)  ofyne  ^Weifel  richtig,  bafe  ber  Sn&alt  biefe§  (MaffeS  triebt  in  botlem 
©inflang  fter)e  mit  bem  Qnfyalte  be§  Aufrufs  Don  1817;  baj$  bie  Bereinigung  ju  einer 
eüangelijc^riftlicf/en  Äirdje  ettoaS  anbere§  fei  afe  „(Seift  ber  ÜJtäfjigung  unb  -Kilbe  unb  10 
©etoäfyrung  ber  äufjerltcj)=firc§lic§en  ©emeinfe^aft" ;  ebenfo  ftimmte  bie  ©rtlärung,  bafj 
niebt  geftattet  Werben  bürfe,  bafj  bte  getnbe  ber  Union  im  ©egenfatj  ju  ben  greunben 
berfelben  als  eine  befonbere  9fteItgion§g.efeUfd)aft  fid)  tonftituieren,  ntdt)t  mit  ber  gufage 
überein,  baf?  lein  $Wang  ?ur  Union  angeWanbt  Werben  foEe;  biefe  $ufaSe  f)atte  bte  9ie= 
ItgionSfreifyeit  anerfannt,  jene  SSeigerung  War  eine  33erle^ung  biefeS  religiöfen  Urrecf/t§.  15 
2Ba3  ba$  (entere  anlangt,  fo  würbe  nad)  bem  Jtegierungfantritte  griebrid)  2Sill>elm3  IV 
burdi  bie  ©eneralton-jeffion  bon  1845  Weiteres  Unrecht  abgefebnitten.  ^Dagegen  ging  bie 
g-ortentwiefetung  im  übrigen  in  ber  burd)  bte  $ab  inettSorbre  bon  1834  angeWiefenen  9ticb/ 
tung.  £)a3  geigte  bie  berliner  ©eneralffynobe  bon  1846.  Söenn  auf  berfelben  ber  Berfud) 
gemacht  Würbe,  bas>  ©emeinfame  ber  reformatortfcfyen  Setenntniffe  in  bem  Drbination§=  20 
formular  jufammenjufaffen  unb  fo  bie  bisherige  äkrpflicfytung  „auf  bie  58 elenntniSf Triften 
in  ibrer  Übereinfttmmung"  bureb,  eine  beftimmtere  Raffung  gu  erfetjen,  fo  entfpracr;  ba3 
ebenfo  fidjer  bem  UnionSaufrufe  bon  1817,  als  eS  ber  ^abinettSorbre  bon  1834  juWiber= 
lief.  2)af$  bie  leerere  für  mafcgebenb  angefef/en  Würbe,  ergiebt  fid)  barauS,  bafj  ba§  %ox= 
mular  bie  fönigtiebe  33eftätigung  nidjt  erhielt.  üftod)  Weiter  ging  bie  ÄabinettSorbre  bom  25 
6.  3Kärj  1852.  £)er  $önig  fpracb;  in  berfelben  feine  Überzeugung  auS,  bafj  bie  Union 
nacb,  ben  3lnfia)ten  ^riebrieb,  SBtl^elmS  III.  Weber  ben  Übergang  ber  einen  ^onfeffion  gur 
anbern,  noeb,  biel  Weniger  bie  SBtlbung  eines  neuen  brttten  23etenntniffeS  herbeiführen  follte. 
@r  billigte,  baf?  ber  ebangelifcfye  Dberfircfjenrat  bie  35erpflicfytung  ber  SÜrcbenbefyörben  in 
Senkung  auf  Union  unb  ^onfeffion  im  ©inn  unb  (Seifte  ber  JöefenntniStreue  aufgefaßt  30 
b,abe,  unb  fäb/rt  bann  fort:  gdj  l)alte  bafür,  ba^  e§  nunmehr  an  ber  $eit  jft,  biefen 
©runbfä|en  in  ber  (Seftaltung  ber  ^ird^enbe^örben  einen  befttmmten  unb  für  bie  le|teren 
felbft  majjgebenben  3lu§brud  §u  befleißen  unb  baburd)  bie  Sürgfd^aft  ju  geben,  bafs  in 
bem  Stegimente  ber  ebangelifeben  2anbei§!ird;e  ebenfofeb,r  bie  mit  (Sottet  (Snabe  in  ber 
Union  gefnüpfte  ©ememfebaft  ber  beiben  eoangeltfcfjen  ^onfeffionen  aufregt  erhalten  wie  35 
aua)  bie  ©elbftftänbigfeit  jebeg  ber  beiben  Selenntniffe  gefiebert  Werben  foll.  ©emgemä^ 
tourbe  auägefbrod^en,  ba|  ber  ebangeüfcfye  Dber!ird)enrat  Verpflichtet  fei,  ebenfoWof;!  bie 
ebangelifd;e  £anbesftrd)e  in  iljrer  ©efamtbeit  gu  bertreten,  aU  ba<§  JEec^t  ber  berfcb,iebenen 
^onfeffionen  unb  bie  auf  bem  (Srunbe  beSfelben  rub,enben  Einrichtungen  ju  fd)ü|en  unb 
ju  pflegen,  unb  berfügt,  ba|  in  2lngelegenl)eiten,  bie  nur  auf  (Srunb  eine^  ber  beiben  Söe=  40 
lenntniffe  befcb,ieben  Werben  tonnten,  bie  tonfeffionelle  Vorfrage  nid)t  nad)  ben  ©timmen 
ber  fämtlid^en  9JUtglieber,  fonbern  allein  nact;  ben  ©timmen  be3  betreffenben  33efennt= 
niffeg  entfdbjeben  Werbe. 

©iefer  @rla§  bejeicb,net  ben  §öb,epuntt  beffen,  toa§  bie  fonfeffionelle  Stid^tung  inner= 
balb  ber  unierten  $ird)e  erreichte.  @»  ift  begreifttd),  ba^  er  bei  ben  (Segnem  biefer  Partei  45 
bie  größten  Sebenfen  erregte,  jumal  ba  man  afe  ib,r  legtet  &\d  bie  2tufr/ebung  ber  Union 
betrachtete,  ©aburdb,  fat>  fid;  ber  dortig  beranlafjt,  in  einem  Weiteren  @rla^  bom  12.  Qult 
1853  auf  baö  beftimmtefte  au§jufpred;en,  bafe  er  nict/t  baran  beule,  bie  Union  ju  ftören 
ober  aufjub,eben,  unb  jugleicb,  bem  2Beitergeb,en  ber  £utf)erifcl)en  ein  fel»r  berftänblicb,e^ 
§alt  ju  gebieten.  $n  ber^E^at  fjatte  bie  HabtnettSorbre  bon  1852  aueb,  nict;t  bie  erwarteten  50 
folgen.  Sie  itio  in  partes  War  fo  Wenig  geeignet,  bie  Union  ju  jerftören,  bafe  fie  fid; 
überhaupt  nidjt  al§  anwenbbar  bewies. 

Sie  (SntWicfelung  ber  Serfaffung  ber  preu|ifd;en  £anbe§firdje   feit   1873   l)at   bireft 
einen  ©influ^  auf  bie  Union  nidjt   auggeübt,  inbem  prinjipieK   erllärt  Würbe,  bafj  33e= 
fenntniöftanb  unb  Union  bureb,  biefelbc  nicb,t  berührt  Werben  foKten.    @§  ift  aber  nid;t  gu  55 
bejhjeifeln,  ba|  inbireft  bie  Union  babureb,  gefeftigt  Worben  ift:   fie  nimmt   an   bem  ©e= 
toinne  teil,  Welcher  ber  Sanbeöfircfje  au§  ib,rer  Drganifatton  erWäd;ft. 

^cj)  i)abi  im  Borftebenben  bcrfucb,t,  bie  tb,atfäd)licb,e  ©ntwidelung  ber  Union  ju  geidmen, 
o^ne  bie  SarfteEung  bureb;  @inmengung  ber  grage  nacb,  9?ed)t  ober  Unrecht  berfelben  gu 
bertoirren.    Socb,  mögen  ein  paar  i-kinerfungen  hierüber  noeb,  erlaubt  fein.  eo 


1  -  + 


260  Union,  ftr^Hdjc 

Ijiftorifcb,  angefefyen,  beantwortet  ftcb,  biefe  grage  leicht,  ©ie  3JJänner,  Wetcf/e  bie 
Union  einführten,  begingen  lein  Unrecht:  fie  r/anbelten  in  ber  aufrichtigen  Überzeugung, 
baS  SÖefte  ber  fftrdje  ju  förbern;  bie  ©emeinben,  Welcfje  zur  2tnnaljmte  ber  Union  beftimmt 
Würben,  erlitten  fein  Unrecht:  benn  fie  Waren  ebenfo  Wie  bie  Führer  bon  bem  Redjte  ber 
5  Union  überzeugt,  ober  ließen  ficf;  babon  überzeugen.  ©aS  Unrecht  begann  erft,  als  ben= 
jenigen,  welche  anberS  bauten,  berWefyrt  Würbe,  bemgemäß  ju  l)anbeln.  ©enn  auf  reli= 
giöfem  ©ebiete  giebt  eS  nur  ein  bobbelteS  Unrecht:  Verleugnung  ber  eigenen  unb  $Wang 
gegen  frembe  Überzeugung,  hierüber  Wirb  eine  SRetnungSberfcfyiebenljett  faum  möglich 
fein.    StnberS  ift  eS,  Wenn  man  bie  FraSe  nacb,  Recfjt  ober  Unrecr/t  ber  Union  ber  brote= 

10  ftantifdjen  $trcr)en  allgemein  faßt,  ©eit  300  Igafyren  Wirb  btefe  Frage  berfcfyieben  beant= 
Wertet;  eS  ift  mefyr  als  lüafy rfcfjeinlicf;,  baß  man  nie  zu  einer  einbettigen  2lntWort  gelangen 
Wirb,  ©ucfyt  man  bie  Urfacfye  tnerbon  nur  in  ber  ©treitfud^t  unb  ÜRecfytijaberei  ber  2;t>eo= 
logen,  in  ben  „fcfynbben  Unbitben  ber  fog.  ÄonfeffioneEen"  ober  in  ber  33erfcf)WommenI)eü 
ber  Unioniften,  fo  begnügt  man  ftcb,  mit  einer  fefyr  oberflächlichen  Stnfid^t.    ©ie  Urfadje 

15  liegt  bielmet)r  barin,  baß  "jene  grage  mct;t  auf  ©runb  objeftiber  X^atfac^en  beantwortet 
werben  lann,  fonbern  nur  auf  ©runb  eines  Urteils  über  ben  2öert  ber  @inf/ett  unb  33e= 
ftimmttjeit  ber  fircfjticfjen  £et)re  unb  ber  ©leicfyr/eit  ber  fircfjltctjen  Drbnungen.  ©iefeS 
Urteil  aber  ift  naturgemäß  ftetS  fcfyWanfenb.  ©enn  fo  gewiß  eS  ift,  baß  für  jebe  fittlictje 
©emeinfcfjaft  ein  geWiffeS  9Jtaß  gemeinfamer  Überzeugung  notWenbig  ift,  ebenfo  gewiß  ift 

20  eS  aucfy,  baß  eine  ©emeinfcfjaft  nid^t  möglieb,  ift,  wenn  man  forbert,  baß  it>re  ©lieber  in 
altem  unb  jebem  gleich  benlen  unb  füllen.  SBie  groß  aber  jenes  notwenbige  Wlafy  ge= 
tneinfamer  Überzeugung  fein  muß,  an  welkem  ^ßunft  eS  überfdjritten  Wirb,  fo  baß  baS, 
Was  33anb  ber  dinigung  fein  foll,  (Element  ber  SJtuflöfung  Wirb:  hierfür  giebt  eS  feinen 
objeftiben  SDcaßfiab.    ©eSfyalb  Wirb  als  notWenbig  für  bie  ftrctjticfje  ©emeinfcfyaft  ftetS  bon 

25  ben  einen  me|r,  bon  ben  anberen  Weniger  geforbert  Werben.  ©arauS  ergiebt  fta),  baß 
foWobJ  bie  greunbe  als  bie  ©egner  ber  Union  einen  ©tanbbunft  bertreten,  ber  relatib 
berechtigt  ift.  Qene  f™*3  bie  3eu9en  fur  ^ie  ©emeinfamfeit  beS  broteftantifcfyen  33obenS, 
bie  zu  bergeffen  man  lange  .ßeit  in  ©efafyr  War ;  biefe  bie  $eugen  für  bk  Berechtigung 
ber  lutfyerifcfyen,  beztetmngSWeife  reformierten  2luSbrägung  beS  $roteftantiSmuS,  bie  zu  über= 

30  feb,en  man  je|t  in  S3erfud)ung  ift.  Überwogen  im  16.  unb  17.  ^ab,rb,unbert  bie  ©egner 
ber  Union,  fo  War  baS  ^otge  ber  33ert)ältniffe:  man  arbeitete  unter  lebhaftem  ©treite 
gegen  abweicfyenbe  Überzeugungen  an  ber  genauen  Formulierung  ber  Sefyre.  2öie  b,ätte 
man  nicfyt  bem  (Ertrag  biefer  Slrbeit  ben  größten  2ßert  zutreiben  fotten.  ©ie  jüngftc  33er= 
gangenf)eit  bagegen  gehörte  ben  greunben  ber  Union,   unb  aucf)  bie  näd^fte  ßutunft  Wirb 

35  iljmen  WoI)l  gehören.  $ü)  meine  baS  nicfyt  in  bem  ©inne,  als  fei  eine  2luSbeb,nung  ber 
Union  auf  biejenigen  beutfct;en  SanbeSiircfyen  zu  erwarten,  Welche  biefelbe  nidjt  angenommen 
l^aben.  ©aju  fel)It  ber  Stntaß;  aucf;  Würbe  ber  äkrfucf;  bie  leb^aftefte  Db^ofitton  ^erbor= 
rufen  unb  ^u  neuen  ©ebarationen  führen.  2tber  unbeftreitbar  fcb,eint  mir,  baß  bie greunbe 
ber  Union  bie  atigemeine  guftimmung  me^r  für  ficb,  t)aben,  als  ib,re  ©egner.    ©aS  tritt 

40  gerabe  auf  bem  fonfeffionelten  ©ebiete  an  ben  %üq  :  feine  fonfeffioneß  Iut^ertfct)e  SanbeS= 
firdje  fann  fic^  fd^roff  gegen  Reformierte  abfc^tießen :  beinahe  überall  ift  bie  fog.  gaftweife 
3ulaffung  Reformierter  jum  fy.  älbenbmal^le  in  Übung.  Unb  Wo  fie  abgelehnt  Wirb,  ge= 
fc^iet)t  eS  ntdt)t,  Weit  bie  ©emeinben  baran  Slnftoß  nehmen,  fonbern  Weil  fie  gegen  bie 
Ueberjeugung  beS  Pfarrers  berftößt.    2lucf;  bieS  ift  burct;  allgemeine  SSerf^ältniffe  bebingt. 

45  ©er  moberne  Verfefyr  b,at  eine  biel  häufigere  Berührung  ber  berfcb,iebcnen  jtonfeffionS= 
berWanbten  herbeigeführt,  als  früher:  eS  tonnte  ntcfyt  ausbleiben,  baß  zum  33ewußtfein 
fam,  in  Wie  bielen  fünften  man  einig  ift.  ©azu  fommt,  baß  ber  ©egenfa^,  in  Welchen 
baS  Gtmftentum  gegenwärtig  geftellt  ift,  Weit  abliegt  bon  ben  fünften,  über  Welche  ber 
^5roteftantiSmuS  beS  16.  3ScibjImnbertS  fidt)  trennte:    bie  naturgemäße  golge  ift,  baß  ib,re 

so  SBebeutung  anberS  beurteilt  Wirb,  als  bamalS.  ©nbticb,  b,at  bie  Strbeit  ber  ^eotogie  — 
einfc^ließlicb,  ber  fonfeffioneß  gerichteten  —  zu  cem  Refuttate  geführt,  baß  niemanb  bie 
Formulierung,  Welche  baS  ©ogma  im  16.  ^ab, rb,unbert  fanb,  für  fcfylecfjtfnn  gutreffenb 
b^ätt;  auctj  ber  überzeugtefte  £utl>eraner  giebt  ju,  baß  bie  lutfyerifcfyen  33efenntniSfct)riften 
feine  Überzeugung  nidjt  in  bemfelben  ©inne  auSfbrecb,en,  Wie  bie  Überzeugung    ib,rer  35er= 

55  faffer  unb  beren  .geitgenoffen.  ©ie  b,  erfömmlic^e  Untertreibung  zwif^en  ber  ©ubftanz 
unb  ber  $orm  beS  SefenntniffeS  ift  nichts  anbereS  als  baS  ^ugeftänbniS  biefer  ^b^atfactje. 
^t)re  gotge  aber  ift,  baß  man  ben  Söert  ber  trennenben  Formel  anberS  beurteilt,  als 
borbem.  3)}it  einem  2öorte:  ebenfofeb,r  Wie  baS  beiben  broteftantifc^en  lonfeffionen  ©e= 
meinfame  für  baS  allgemeine  SeWußtfein  an  ©eWicb,t  gewonnen  b,at,    i)at  baS  Xrennenbe 

60  an  ©eWicfjt  berloren.    gotgt  nun  aus  biefem  3SanbeI,  baß  bie  lutb,  erifa)e  unb  reformierte 


Union,  lirdjfidjc  UnttartSmuö  261 

Eigenart  —  bic  ja  borbanben  (inb,  aud)  abgefeben  bon  bem,  maS  beibc  Strien  über  ba3 
ij[.  Slbenbmafyl  x.  lehren  —  ju  berfebminben  traben,  ober  febon  berfcbitmnben  finbc1  ®aft 
ba§  letztere  aud)  auf  bem  ©ebiete  ber  Union  nid)t  bet  gaH  ift,  brängt  fid)  jebem  93e= 
obad)ter  auf.  Unb  toer  möcbtc  im  ©rnfte  ba§  bötttge  33erfcb>inben  beiber  SEr/ben  hninfeben: 
ein  folget  Söunfd)  märe  nichts  anbereö,  aU  jene  Don  ©d;Ieiermad)er  getabelte  Uniformi=  5 
tät*fud)t,  bie  Sertoirflicbung  eine§  folgen  2Bunfd)e§  aber  ift,  tuie  bie  SDinge  je|t  nod) 
liegen,  unmögltcb.  #aurf. 

Umtart§mu8(ber  neuere,  engtifd)=amerifanifd) e). —  3.®an.9{upp,77/7.l.iYi 

/•;A'A'.  1 HIIA .     An  original  History  of  the  relig.  Denominations  at  present  existing  in  the 
U   St.  etc.,  $fiilabelpf)ia  1844.     %  9t  23earb,    Unitarism,  exhibiteel   in  its  actual  condition,  10 
l'nnbon  1840.  O.  ftoef,  %.  ©ociniant§mu§,  fiel  1847  (I,  ©.  263—287).    gatrbatrn,   Append. 
ju  WleranberS  u.  ©imonS  engl.  \'(u§g.  oon  3. 91.  SornerS  „©nttoiefet.  b.  S.  o.  b.^nj.  (St)riftt 
(Hist.  of  the  Developement  etc.,  (£btn&.  1861  ff.)  II,   3,  p.  347  ff.     3.  £.  23hmt,    Dictionary 
of  Sects,  Heresies  etc.  (Sonbon  1874),  Slrt.  Unitarians.     $.  Sftartineau,  Unitarian  Christia- 
nity.    Ten  Lectures  on  the  positive  aspects    of  Unitarian   thought  and  doctrine  (mit  23ei=  15 
trügen  auef)  Don  ?lrmftrong,  23inn,  ^jerfon  jc),  Sonbon  1881.     ©.  23onet=2ftaurt),  Desorigenes 
du   Ckristianisme    unitaire    chez    les   Anglais,    SßcmS 1882    (aud)    engtif d£) :    Sonbon    1884). 
Cv  3tougbton,    Religion    in    England   from  1800    to  1850,  I   (Sonbon  1884),   p.  23.    211  ff. 
hoblet  b'Jdlueda,    L'eVolution    contemp.    chez  les   Anglais,    les  Americains    et  1.  Hindous, 
v^aris  1884  (aud)  engl.:  Eelig.  Thought  in  Engl.,  Am.  and  India,  Sonbon  1885).  31.  Stuer=  20 
more,  9(rt.  „Unitarianism"   in  ©diaff=£)er$og   Relig.   Encycl.   III,    2419 — 2422.      ®rti§bate, 
History  of  the  Presbyterians  in  England,  their  Rise,  Decline  and  Revival,    Sonbon  1889, 
I,  p.  522  ff.  622  ff.    9Iug.  23enter,  ®et  ältere  unb  ber  neuere  Unttariämu§:  3)eutfd)=eoang.  231. 
1891,  ©.  610  ff.  —  SSefentlicb    übertreffen   ftnb  btefe  3)arfteÜungen   burefj   3of.  |)enrt)  Men, 
A  History  of  the  Unitarians  in  the  United  States,  in  vol.  X  Don  ©d)aff§  American  Church  25 
Hist.  Series  (9?ero=?>rf  1894),  p.  121—249  (S)er  Sßanb  entplt  aufeerbem  in  f.  fetten  £cilfte 
eine  Hist.  of  the  Universalists  uon  9tidi.  (Sbbrj.  —  SSgl-  aud)  $.  &•  ©ntttf},  9Irt.  „Unitarism" 
in  b.  Encycl.  Brit.  XXIII,  725  f. 

Sgl.  ben  6ef.  Shttfel  über  Sinbfel),  ^Srtftlet)  (ju  btefem  auef)  bie  ergänjenben  Sitteratur= 
angaben  unten  jum  Sterj)  ©banntng  (23b  III,  788,  reo  ju  ben  Sitteraturangaben  nadj^utragen  30 
ift:  ©.  gildjer,  Channingas  preacher  and  theologian  (in  ben  Discussions  in  Hist.  and  Theol. 
X.  York  1880,  p.  253—284  unb  3.  SB.  etjabrotcf,  W.  Ellery  Channing,  minister  of  religion, 
SJofton  1903.  Sertgt.  b.  2(rt.  ,,^^eob.  ^arfer",  93b  XIV,  696  ff.  (reo  jur  Sitt.  beizufügen  ift : 
?[ftf)err,  Zt).  harter  in  f.  Seben  unb  SBirfen  [@t.  ©allen  1894]  unb  21.  23.  SSruce,  Apologetics 
[gbtnb.  1892),  p.  136—145].  —  SBegen  9?.  23.  (£merfon§  f.  D.  23.  grottnngbam,  History  of  35 
Transscendentalism  in  New-England/  9>}ett>=g)orf  1876.  g.  23.  ©anborn,  Genius  and  Character 
of  R.  W  Emerson,  23ofton  1885.  g.  ©•  ßabot,  Memoir  of  R.  W.  E.,  2  vols,  Sonbon  1887. 
Sid)arb  ©arnett,  Life  of  R.  W  E.  (in  ber  Sammlung  :  „Great  Writers"),  Sonbon  1888.  — 
Sgl.  Slüibone,  Dict.  of  Engl,  and  Amer.  Wr.  etc,  Suppl.  I,  556 f.;  lleberreeg^einje,  (#efd). 
b.  WH'.  IV,  496  f.  40 

Ue6er  SameS  ÜKartineau  i>anbdri:  2(.  2S.  Sa^fon,  J.  M.,  a  biographyand  study,  23ofton 
1900.  33.  TOandjot :  $rot.  a^onatSbefte,  1900,  8.65  ff.  ■£>.  ^Sfletberer,  gntreidelung  ber  prot. 
Geologie  feit  Kant  2c.  (1891),  ©.434  ff.;  £>.  3.  «jjrtce,  «ötartineauS  9ffeIigton§^iIofop6ie(®tff.), 
Setpäig  1902.  3.  Srummonb  u.  ©.  23.  llpton,  The  Life  and  Letters  of  J.  M.,  and  a  Survey 
of  his  Philosophical  Works,  2  vols.,  yteto-tyort  1902  (f.  b.  auSf.  Slnjetge  in  b.  Princeton  45 
Rev.  1908,  655  ff.).     2?gl.  Dict.  of  National  Biogr.  Suppl.  III  (1901),  p.  146—150. 

Ue6er  ©topforb  23vöofe  f.  u.  a.  (£.  2B.  Sölctljer  im  3:ti323  1898,  ©.477  unb  bef.  ©teube: 
Sero.  b.  ©I.  1899,  ©.  195—210. 

3n  ©nglanb  fanben  antitrinitarifd)e  ^been  fd)on  unter  ^einrieb;  VIII.  ©ingang  unb 
mandie  Se!enner,   tro^  harter  Verfolgungen  fetteng  ber  Staatsgewalt.    Unter  ©lifabetb;  50 
tourben  1575  jtoei  SBiebertäufer  wegen  „arianifcfyer"  ©efinnung  unb  2ef;rtoeife  berbrannt; 
be^gleidE)en  1583   ber  §äretifer  ^ob^n  £etoe§   in  formier;    „for  denying  the  godhead 
of  Christ"  (2lEen,   p.  122).     9?od)  unter  ^a!ob  I.   erlitten  1612  Sartfyolometo  Segate 
in  Smitbfielb  unb  ©bmarb  Sßigt)tman   in  Sicbfielb  ben  geuertob   —   beibe  als  „Ana- 
baptists  and  Arianizers"  (ebb.  123).     @in  »on  ben  ©ojimanern  ^olenä  an  %atoh  1. 55 
SefanbteS  ©jemplar    beS  ing    £ateinifcb>  überfetjten    3tafauer  Äatediiginuä    tourbe  auf 
?arlament3befd)luf3    1014    burd)  §enfer§f)anb    berbrannt.    —    SErot^   bem    altem,   unb 
«o£  be§   @r^bifd)of§  Saub  ^anoneö   bom  ^atjrc  1640,   bie   ben  2lntitrtnitari<3mu3   afö 
„a  damnable   and   cursed   heresy"    berboten  (bgl.  XI,  313, 1  ff.),   berbreiteten   fid) 
befonber§  jur  ßeit  ber  großen  9?ebolution,  bon  §ofianb  au§  ©ebriften   ber  ©ocinianer  ü0 
i"   beträd)tücber    gabt    in   ©nglanb.     3)ie    in   ettwaS   mobifijierte    £ef)rioeife   beä   ©o= 
cinianiömuS   fanb   einen  gelehrten  ©ebu^rebner   (ober   menigftenS   fd)onenben   Beurteiler) 
fln  bem    Iatitubinavifd)en   Theologen   2«.  (5(nßingroortb;    (geft.   1614),    fotnic   einen   mit 


262  ttmtari§ntttS 

wieberfyolten  garten  Verfolgungen  fyctmgefudjten  ^onfeffor  an  bem  1662  geftorbenen 
3ol)n  Nibble  (f.  ben  2trt.  III,  201  ff.).  Woü)  unter  SBilfyelm  IIL  *»utbe  baS  foct= 
nianifd)e  VefenniniS  bon  ben  Soleran^aften  bon  1689  auSgefd)Ioffen  unb  mit  ferneren 
©irafgefeijen  belegt.   2lber  baS  Sluffommen  beS  ®eiSmuS  foWie  beS  ßlatfefcfjen  National: 

5  ©ubranaturaltSmuS  —  mit  feiner  fabellianifd)en  gaffung  baS  SrinitätSbegriffS,  an  meiere 
befanntlid)  aud)  Sfaac  Newton  ©ef  allen  fanb  (»gl.  bei  6larfe  IV,  103, 39 ff.)  —  fieberte 
einem  in  focinianifd)er  Söeife  abgefd)Wäd)ten  ©reieinigfeitsbegriff  eine  Weite  Verbreitung 
als  bribatim  gehegter  Set)rmeinung  foWob,!  in  ftaatsfirdjlkfyen  Wie  in  ©iffenterfreifen. 
SDte  Bewegung  trat  offen  t)erbor  unb  gebiet  jjum  Vrud)   mit  ber  englid)en  ©taatSt:ird)e, 

10  als  Sfyeobr/tf  Sinbfeb,  1773  —  wegen  ber  im  borl)erg.  %at)x  feitenS  bei  Parlaments 
erfolgten  Slbleljmung  ber  Petition  um  2luft)ebung  ber  Verpflichtung  auf  bie  39  Slrtüel  — 
feinen  Slugtritt  auS  berfelben  erllärte  unb  bemnäcbji  eine  freie  ©emeinbe  auf  antitrini= 
tarifd)er  VafiS  in  ber  (Sfferjtrafje  in  Sonbon  grünbete.  Sinbfeb,  leitete  biefe  ©emeinbe 
bis  gegen  bie  SJcitte  ber  90er  %ai)xz  beS  18.  3<*I)rr;unbertS,  worauf  er  ftd)   ins  Vribat* 

15  leben  jurüdjog  (geft.  1808),  übrigens  aber  als  abologetifcfyer  ©djriftfteller  für  feine  ©act)e 
t^ättg  blieb  (^aubtWerfe :  Conversations  upon  Christian  Idololatry,  1790,  Worin  er 
aud)  ben  ©lauben  an  bieSErmität  als  „götjenbienerifd)"  befämbft,  unb  „Conversations 
on  the  Divine  Government  1802,  Worin  er  eine  2lrt  Don  ©fyftem  feiner  religiöfen 
^been  giebt  (bgl.  ben  2Irt.  bon  ©cfyoeE:  XI,  503  f.). 

20  ©leicr^eitig  mit  biefer  2Birffamfeit  beS  Sonboner  VrebigerS,  bie  ben  ©runb  jum 
füb=englifd)en  UnitariSmuS  legte,  Wirfte  !yofebt)  Vrieftler;  für  biefelbe  ©act)e  im  mittleren 
©nglanb  (»gl.  ben  2trt.  in  Vb  XVI,  53, 1—32,  $u  bem  Wir  t)ier  einiges  (Srgän^enbe 
nachtragen).  2öäb,renb  feiner  Sefyrtfxitigfeit  als  Vrofeffor  ber  Siiteratur  an  ber  £)iffenter= 
atabemie  gu  SBarrington  (c.  1756— 1761)  Würbe  er  infolge  feines  ©tubiumS  ber  ©driften 

25  beS  üftaturbt)ilofobI)en  SDabib  £>arilet)  fowie  berjenigen  beS  r)eteroborm  antibeiftifdjen  2tpo= 
logeten  !>Ratt).  Sarbner  (f.  b.  2t.  XI,  288  f.)  irre  am  calbinifdjen  jlird)englauben,  bem  er 
urfbrünglid)  mit  @mtfd)iebenr/eit  angefangen  l)atte.  @r  Würbe  llnitarier  unb  obenbrein 
2lnb/änger  ber  faft  materialiftifd)  üingenben,  übrigens  bod)  nict)t  emftlid)  in  biefem©inne 
gemeinten  Sefyre  §ariIer/S,  Wonad)  bie  Vibrationen  ber  £)irnnerben  als  bie   med)anifd)en 

30  Urfad)en  beS  ©mbfmbenS  unb  ©enlenS  ju  betrauten  feien  (211b.  Sänge,  ©efcfyidjte  beS 
SftaterialiSmuS,  %  295  ff.).  2lnbererfeitS  ful)r  er  boct;  aueb,  barmt  fort,  in  Sarbnerfdjer 
SQöetfe  gegen  rtaturaliftifct)en  Unglauben  (inSbefonbere  gegen  baS  berüchtigte  Systeme  de 
la  Nature)  unb  gegen  §umefd;en  ©febticiSmuS  ju  gelbe  gu  jieljen,  unb  $War  als  Ver= 
teibiger  mancher  entfc|ieben  fubranaturalifüfd)er  Sefyren,  u.  a.  beS  ©laubenS  an  ein  berfön= 

35  Iid)eS  fortleben  beS  3Jcenfd)en  im^enfeitS.  (Sr  Wirkte  hierauf  jWölf  Qaljre  lang  (1768—  80) 
als  Vrebiger  einer,  gleici)  il)m,  unitarifet)  gefinnten  ©emeinbe  ju  Seebs,  foWie  Weiterhin 
an  einer  ebenfold)en  in  Virmingb, am  (1780—91).  ^n  bie  geit  feines  SöirlenS  am  erfteren 
Drte  fallen  feine  bebeutenbften  arbeiten  auf  bfyfyfifalifct) :cl)emifd)em  ©ebiete,  befonberS  feine 
©ntbectung  beS  ©auerftoffs  1774,   ben   er  —  Weil  bamalS  nod)  in  ben  Vorurteilen  ber 

40  irrigen  Vbjogiftontr/eorie  ©.  @.  ©tab,ls  befangen  —  als  „bebt)Iogifierte  £uft"  bezeichnete. 
SBä^renb  ber  Virmingt)amer  3«it  fügte  er  jur  bisherigen,  teils  naiurWiffenfcfyaftliajen, 
teils  tt)eologifd)en  ©d)rtftftellcrtt)ätigleit  Verfuge  aud)  auf  bem  ©ebiete  ber  Volitil  b,inju. 
©in  föffat)  über  bie  rebublifanifcfyc  9?egierungSform,  Worin  er  biefe  bebingterWeife  ber= 
teibtgte,  ^og  ib^m  bie  Slnflage  ju,   er  ft;mbatt)ifiere  mit  ben  SJebolutionSmännern  ^ran!= 

45  reid)S.  Dbgleid)  biefer  Vorwurf  nid)t  in  bollern  Umfang  begrünbet  War,  brad)  boä;  bon 
feiten  beS  ftrengmonarcfnfd)  gefinnten  Virmingb,amer  VollS  ein  erbitterter  älufrul)r  gegen 
it)n  loS,  Wobei  feine  2Bol)nung,  famt  feinen  Vüd)ern  unb  einer  ©ammlung  Wertboßer 
bt)r/fifalifä)er  Qnftrumente,  in  flammen  aufging  (14.  ^uli  1791).  ©iefe  J?ataftrobb,e  ber= 
leibete  ifjm  ben  2lufentl)alt  in  ©nglanb.    SJacb.bem   er  noeb,    einige  Seit  ju  ^adfnet;  bei 

50  Sonbon  in  jiemlid)  !ümmerlid)er  Sage  jugebrad)t,  fiebelte  er  1794  mit  feiner  gamilie 
nacb,  Vennfr/lbanien  über  unb  Wibmete  baS  le^te  $abjgef;nt  feines  raftloS  tl)ätigen  SebenS 
ber  görberung  beS  norbamerilanifd)en  UnitariSmuS  (f.  u.).  —  gür  Sllt-@nglanb  Würben 
Wät)renb  ber  näcljftfolgenben  ^at)rset)nte  bie  unitarifd)en  Qn^reffen  r)aubtfäd)Iict)  gebflegt 
unb  geförbert  burd)  bie  Vrebiger  XfyomaS  SelSb,am  (geft.  1829  —  §uerft  ^JrieftIet>S  5Raci)= 

55  folger  in  Sirmingb,  am ;  fbäter  in  Sonbon  Sinbfe^S  SZacbJoIger  unb  beffen  Viograpb, ;  f.u.) 
unb  Sant  (Sarbenter  (^rebiger  in  Vriftol,  geft.  1840).  S55ät)renb  tt)reS  SBirlenS  erreichte 
bie  bis  in  bie  erften  $ab,re  beS  19.  QafyrfmnberiS  t)inein  immer  nod)  gebrüdte  Sage  beS 
britijd)en  UnitariertumS,, attgemad)  it)r  @nbe.  ©d)on  1813  Würbe  baS  it)re  Seb^rfreib,eit 
befd)ränfenbe  unb  beS  Öfteren  fie  mit  t)arten  ©elbbufeen   belaftenbe  ©efeij  aufgehoben; 

60  1825  fonnten  fie  fid)  §u  einem  über  ©nglanbS  ©renken  ^inauSreid)enben  religiöfen  Vunb 


UuttariSnmS  2(VA 

(British  and  Foreign  Unitarian  Association)  jufammenfcfyliefjcn,  itnb  balb  nad; 
garpenterS  2ob  tourbe  burd;  ©rlajj  ber  fog.  Dissenters'  Chapels  Act  (1844)  ber  leiste 
SReft  »on  93efd;ränfungen  i^rer  religiöfen  greifyeit  beseitigt  (f.  Stilen,  p.  152  f.). 

^n  9leu=@ngtanb  fanb  Vrieftler;  bei   feiner  ©intoanberung  bafetbfi  einen  für  untta= 
rifdje  Seiten   empfänglichen  33oben,   für  beffen  Bereitung  —  befonbetö   in  Vofton  unb  5 
beffen  näherer  Umgebung  —  liberal  gerichtete  fongregationaliftifd)e  ^rebiger  toie  ^onattjan 
Hiatifjeto  (geft.  1766),  @I>.  ßfyauncel;  (geft.  1787),  ©imeon  £otoarb  (geft.  1804),  Bornas 
Öarnarb  (geft.  1812)  u.  a.  mit  ©rfolg  tf)ätig  toaren  (Sitten,  p.  170  ff.).     5ßrieftlet)  felbft 
(geft.  4.  gebr.  1804)  t>at  toäfyrenb  ber  §el)n  Qa^re,  bie  er  noeb,  in  Slmerita  (juerft  in  bem 
pennfülüanifdjen  ©täbteben    -Jtortljumberlanb)    »erlebte,    Weniger    burd;    Vrebigten    ober  10 
fonftigcS  perfönlid;e§  Sötrfen  als  burd;   fd;riftfteltertfd;e  £f)ätigfett  bie  unttarifcr)e  ©ctcfye 
;u  förbem  gefugt,    ©r  fcfyrteb  t)ier  u.  a.  feine  parallele   jtoifd;en  £jefu3  unb   ©ofrate§ 
(Jesus  andSocrates  compared,  1803)  fotoie  bie  »terbänbige  2Iu3legung  ber  fyt.  ©d)rift 
(Notes  on  all  the  Books  of  Scripture,  1802—04),  bie  er  feinen  früheren  tbeotogifcfyen 
Werfen  größeren  Umfangt,  namentlich  ber  ,,©efd;id;te  ber  gälfdmngen  be3  6I;riftentum3"  15 
unb  ber  jtoeibänbigen  „ungemeinen  iircfyengefdjtdjte"   folgen   liefe   unb  tooburd;  bie  auf 
141  dummem  ftd;   belaufenbe  ©efamtfyeit   feiner  ©driften   »olljäpg  tourbe.     $u   be= 
fonberem  Stnfefyen  ober  ©influffe  ift  feinS  feiner  tbeologifcf)en  SBerfe  gelangt.    ®a§  ban!= 
bare  Slnbenfen,   ba§  feine  Selenntniggenoffen  ifym  toibmen,  gilt  toeniger  feinen  33eftre= 
bungen  auf  biefem  ©ebiete  al<5  feiner  d;arafter»oEen  religiöfen  ^$erfönlid;feit  unb  fetner  20 
Beteiligung  an  jenem  eifrigen  unb  erfolgreichen  naturtotffenfd;aftlid;en  $orfd;en,  tooburd; 
bie  Saöoifter,  Söatt,  23.  granllin,  9t  guiton  unb  anbere  feiner  ßeitgenoffen  9xubm  erlangten 
(»gl.  Rödler,  ©otteg  beugen  im  9teid}  ber  Statur,  2.  21.  1906,  ©.  333  ff.  fotoie  bie  ba= 
felbft  benutzte   SDarftellung   »on  SR.  ^ßattifon  9JMr,   Heroes   of  Science ;    Chemists 
[Sonbon  1883],  52 — 79).  —   2)te  bem  unitartfcfyen  ©tanbpunft  juftrebenbe  Vetoegung  25 
getoann  feit  bem  Seginn  be3  19.  IgafyrbunbertS  befonberS  in  9Jcaffad;ufett§  unb  bennäd;ft= 
benachbarten  -Jceuenglanbftaaten  eine  »on  %afyx  ju  %af)x  toacl)fenbe  2lu3befmung.  VoftonS 
^rebiger  fielen  ber  neuen  9ttd;tung  —  bie   fid)   bamals>   mit  Vorliebe   nod;  „liberale" 
@a)ule  nannte  —  nad;  unb  nad;  faft  alte  ju.    SDurd)  33efe|ung  »on  fünf  ber   einfluf$= 
reichten  ^rofeffuren   am  §ar»arb   ßoltege   mit  Vertretern   ber   liberalen  Qbeen   tourbe  30 
toäfyrenb  ber  %afyxt  1806—08  biefe  ,£od;fd;ule  für  ben  Unitari§mu<§  erobert  (um   eben 
bie  geit,  too  bie  fird;lid;=fonfer»atiö  gerichteten  Greife  ber  Äongregationaliften  »on  sD?affa= 
d}ufettl  il)r  Xt)eoI.  ©eminar  ju  2tnbo»er  grünbeten).     $ur  Vilbung   eigentlicher  unita= 
rtftt}er  ©emeinben  in  größerer  Qafyl  tarn   e§  erft  feit  bem   §toeiten  $ab^efmt  be<§  %afo 
bunbertö.  SlHerlei  .ßeitunggpolemif  jtoifd}en  ben  Organen  be§  Softoner  Siberaliömu§  (3.  SB.  35 
ber  Monthly  Anthology  unb   bem    Christian   Disciple  [feit  1813])   unb   benen   ber 
ort^obojen  ^Jücbtung  beförberte  ba§  feinbfelige  2lu§einanbertreten  ber  Parteien;   auf  ber 
letzteren  Seite  toar  e§  namentlicb  ber  Panoplist  (ein  todbrenb  ber  Jgafyre  1805—20  er= 
ftt)einenbe§  ftreng  caftnmfttfdjeg  Statt),  beffen  fd;arfe  2trtilel  (feit  1815)  jur  2tuff)ebung 
ber  Äird)engemeinfcf)aft  mit  ben  3tnt)ängern  ber  mobernen  §ärefie  mahnten,     ©afe  biefe  40 
§ärefie  feine  anbere   fei  al3  bie  $Denf=  unb  Set)rtoeife  ber  altengltfdjen  llnitarier,    tourbe 
ben  Drt^obojcn  befonberS  infolge  ber  Verbreitung  »on  33et§t)amö  Memoirs  of  Theoph. 
Lindsey  (Sonbon  1812)   im  amerilanifd;en  23ud)t>anbel  Har.    ®a§  »om  „Unttariämuö 
in  Stmerila"  ^anbelnbe  ^a^itet   biefer  Siogra^bie   öffnete  ben  ftrengiirdjtid;  ©erid;teten 
bie  Slugen  über  bag,  toa§  fie  »or  altem  »on  it)ren  ©egnern  fdjneb.  Qn  immer  bringenberer  45 
Seife  ergingen  nun  bie  SJta^nungen  an  biefelben,    augjufd;eiben   unb   auf  ©runb   i^rer 
Sonberte|ren  fidj  al<3  neue  !ird>tic|e  ®emeinfd;aft  51t   fonftituieren,   —   toogegen  freilidj 
jene  nod)  längere  ^iü  fid;  fträubten.    Stuf  entfcfjeibenbe  SEBetfe  trug  bie  ^rebigt,  toetd;e 
ber  Softoner  liberale  Vaftor  (SEerr;  ßbanning  (geb.  ^u91eto^ort,  9ty.*3. 1780)  am  5.  Wai 
1819  ju  Sattimore  antäfelid;  ber  Drbination  beg  unitarifd;   gerichteten  ©eiftlid^en  ^areb  50 
S^arfä  f)iett,  baju  bei,   ba<B  offene  §er»ortreten  ber   ebenfo  gefinnten  ^rebiger  unb  ©e= 
meinben  —  bamalö  ettoa   120  im  <5taaU  2Raffad;ufett§   fotoie  9—10  in   ben  9cacf)bar= 
ftaaten  —mit  ifjrem Vefenntniö  311m ÜmtatiSmuS  ju  beförbern (Stilen,  195 ff.),  ßbanning 
tourbe  »on  ba  an  §auptfüf)rer  ber  rafcb,  fid)  ausbreiteten  neuen  Denomination,  ju  bereit 
Sejeicbnung  al3  „unitarifd)"    er   freiließ   nur  ungern   fid;   f  evbeiliefe.     ©eine   ibealiftifcfje  55 
©eifteärid;tung  blieb  alter  fdjärferen  befenntnigmäfeigen  Stu^rägung  fotoo^I  feinet  eigenen 
Xenfeng  unb  £ef)reng,   toie  beö  il)n   umgebenben  ilird;entoefenio  ftets  abgeneigt,    „(sine 
etablierte  Äird;e/;,  meinte  er,   „tft  ba§  ©rab  be§  ^ntelleftä"     Sieber  ate  einen  Unitarier 
pflegte  er  fid;  einen  „liberalen  (Stiften"  gu  nennen,  toomit  er  einen  folgen  meinte,  „ber 
geneigt   ift,   aU  S3ruber   in   6f;rifto   2111c  aufzunehmen,   bie   nad;    bem  Urteil   ber  Siebe  60 


264  ltmtori§mu§ 

^efum  ©fyriftum  als  ifyren  §erren  unb  2Reifter  annehmen"  !gn  biefem  ^ralttfd£>=^>^tlan= 
tfyrobifcfyen  (Seifte  fyat  er  bis  gu  feinem  STobe  (2.  Dlt.  1842)  als  eifriger  ©egner  ber 
©flaberei,  foWie  als  görberer  ber  SftäfugüeitSbeWegung  unb  ber  ©efängniSreform  getoirft 
(bgl.  ©cfyaffS  Strttfel:  III,  788).  —  (SfyanningS  5Jiad)f olger  als  tyaubtfäcpd)  einflußreicher 

5  Vorlämbfer  beS  amerüamfdjen  UnitartSmuS  Würbe  Sfyeobore  harter  (geb.  1810,  geft. 
1860),  buret)  Weidjen  bie  nodj  berfyältniSmäfjig  fonferbatibere  ©eftalt  ber  älteren  uni= 
tartfcfyen  ©clmle  gur  mef)r  Mtifd}  unb  fubjettibiftifd)  gearteten  beS  mobernen  llnitaris= 
muS  fortgebilbet  Würbe.  SDie  bon  ber  älteren  ©clmle  noeb,  feftgetjaliene  Stutorität  ber 
Vtbel  Würbe  unter  Dariers  ©influf?  preisgegeben   unb   in  Verbindung  bamit  eine  fbefu= 

10  latibe  ^ortbilbung  beS  ©otteSbegriffS  gur  ©eftalt  eines  „reinen"  (richtiger  eines  meljr 
ober  Weniger  ftarl  bantfyeifierenben)  ifyeiSmuS  angeftrebt,  überhaupt  alfo  eine  Slnnäfyerung 
an  ben  mobernen  fbeMatib=triiifd)en  Rationalismus  ^ollanbs  unb  ©eutfd;IanbS  bollgogen 
(RäfyereS  f.  in  bem  3lrt.  bon  Süb,rS:  XIV,  696  ff.).  —  ©ine  nad^altig  Wirffame  @r= 
gängung  erfubr  bie  ^ätigleit  biefer  berüfymtefien  Vertreter  ameritanifd)=umtarifd;er  Mangel* 

15  berebfamfeit  burd)  baS  fdjiriftfteßerifcr/e  SBtrfen  beS  SMcf/terbEnlofopfyen  ÜMbfy  Söalbo 
©merfon  (geb.  1803  gu  Vofton,  geft.  1882).  SDem  Vrebigerberufe  blatte  aud)  biefer  reid)= 
begabte  ©eniuS  ftd)  urfbrünglid)  geWtbmet,  gab  aber,  nactjbem  er  brei  ^aE>re  lang  Vaftor 
an  ber  fongregationaliftifcfyen  „Reiten  ^ircfye"  gu  Vofton  geWefen,  1832  foWofyl  biefeS 
Slmt  Wie  feine  Sftitgliebfcfyaft  in  ber  inbebenb.  $ird)en=  unb  SlbenbmafylSgemeinfdjaft  auf, 

20  fiebelte  nacb,  bem  ©täbtd)en  ©oncorb(9Jcaff.)  über  unb  roirfte  bon  Bier  aus  fdmftftellerifd; 
foWie  burd)  in  Soften  gehaltene  öffentliche  Sefyrborträge  für  bie  <B>afyt  beS  llnitariSmuS. 
Sftiiteltounft  feines  mit  ungemeinem  ©rfolge  betriebenen  2öir!enS  für  ein  bogmen=  unb 
formenfreieS  inbibibualiftifcfyeS  ©fyriftentum  mürbe  ber  auf  feine  Anregung  in  Soften  ent= 
ftanbene  „tranSfcenbentate  $lub"    SDurdj)  Mitarbeit  an  mehreren  btelgelefenen  3eitfd)riften 

25  (guerft  an  The  Dial,  bann  feit  1844  an  The  Atlantic  Monthly),  burd)  Veröffent= 
Hebung  feiner  Vortragsferien  unb  nid)t  am  Wenigften  burd)  feine  ^icfytungen  (Wie  „Na- 
ture"  1836)  trug  er  gur  Verbreitung  feiner  „tranSfcenbentalifiifd;en"  2luffIärungSibeen 
in  weitem  llmrraS  bei  (bgl.  bie  ©efamtauSgaben  feiner  Works  bon  9Jcorler/  [Sonbon 
1883,  6  Vbe]  unb  bon  Riberfibe  [Softon  1883—84;    12  Vbe]).    ©runbfäpdje  ©#em= 

30  lofigfeit  ift  ein  £aubtd>arafteriftitum  bon  ©merfonS  bantb,eifierenb=mr/ftifd)er  unb  ejtrem= 
inbibibualiftifd}er  SBeiSfyeit,  bie  weit  über  bie  ©renken  ber  unitarifd)en  ©eite  l)inauSSieb= 
b/aber  gewonnen  I)at.  Qn  oer  neuen  w'e  i"  "bec  alten  SGBelt  ergö|en  ftd;  biete  |mnberte 
fd;öngeiftig  beranlagter  Sefer,  befonberS  aud)  in  greimaurerlreifen,  an  berartigen  !ed  b,in= 
geworfener  ©entengen   Wie:    „9iatur,  Sitteratur,   ©efd)id)te  finb   nur  fubjeftibe  @rfc|ei= 

35  nungen" ;  ,,©ott  erbaut  feinen  ^embel  im  §erjen,  auf  ben  Krümmern  bon  ^irdjen  unb 
Religionen" ;  „ttnfere  Vernunft  barf  nid;t  bom  göttlichen  ©ein  unterfebieben  Werben" ; 
„®ie  reine  ©bmbat^te  mit  ben  .gtoeden  bes  SßeltaHS  ift  eine  unenblidpe  J^raft  unb  lann 
Weber  beftod)en  nodi  abgelenkt  Werben"  jc.  (bgl.  bie  bon  §.  R.  §aWeiS  herausgegebenen 
„Gems  of  Emerson"  [Sonbon  1886]),   foWte  bie  SBlütenlefen  ©merfonfdjer  ©ebanlen= 

40  bli|e,  Womit  ber  beutfd;e  maurerifd)e  ©d)riftfteller  "Diebrid;  33ifcl)off  feine  2i5erle  gu  ber= 
gieren  bflegt  (g.  93.  in  ben  Slnmerfungen  gu  ,,©ie  Sogenarbeit  unb  baS  Reid;  ©otteS", 
Seibgig  1904,  ©.  53  ff.).  —  sJ?od;  bei  Sebgeiten  SmerfonS  grünbete  einer  feiner  begetftertften 
2lnb,änger,  31.  Sronfon  Sllcott  in  ßoncorb,  3JIaff.,  eine  fbcgielt  gur  Pflege  tranSfcenben= 
taliftifd)er  2öeiSl^eit  beftimmte  „Coneord    School   of  Philosophy"  (1879),   bie  er  faft 

45  ein  gafrge^nt  liinburd)  leitete,  bie  aber  naefc,  feinem  ^Eobe  (1888)  fid;  auflöfte  (bgl.  Über= 
Weg=|>einge  a.  a.  D.  497). 

3u  bauernbem  Seftanb  finb  einige  fd)on  ältere  Vereinigungen  gur  görberung  ber 
amerifanifd;=unitarifd;en  ^ntereffen  gelangt,  ©o  bie  1825  gu  Vofton  unter  6b,anningS 
Slufbigien   gegrünbete  American  Ünitarian  Association  (bagu   beftimmt   „to  diffuse 

50  the  Knowledge  and  promote  the  interests  of  pure  Christianity")  foWie  mehrere 
fbäter  entftanbene  Vereine  (fo  bie  Western  Conference  of  Unitarians  feit  1852  unb 
bie  1865  gu  9JeW=?)orl  im?  Seben  getretene  National  ünitarian  Conference,  geftiftet 
gur  „promotion  of  the  cause  of  Christian  faith  and  work)  Wibmen  fieb,  mit 
Wadjfenbem  ©rfolge  ber  Vflege  ber  unitarifc^en  Qntereffen.    Von  ben  beiben  tfyeologifdjen 

55  VilbungSanftalten  beS  amerilanifd)en  UnitariertumS  trägt  bie  gu  SKeabbiHe  in  Vennft)I= 
bania  (geftiftet  1844)  auSfdjIiepd)  unitartfd)en  6bara!ter,  Wäb,renb  bie  mit  ber  ^barb* 
Uniberfität  berbunbene  tBeoI.  galultät  ober  Divinity  School  fieb,  feit  1878  für  „unde- 
nominational"  erllärt  fyat,  b.  i).  aufy  mcb>unitarifc£)e  ©tubierenbe  gulä^t.  ©ine  ftarfe 
Slbneigung   gegen   beftimmte   bogmatifd^e   2lu§brägung    unb   ftjmbolifc&e  gi^ierung  if)reS 

60  Seb,rbegriffS   ift   nad)   Wie   bor  djaratterifiifd;   für   bie   amerilartifd)=unitarifcb;e  ''Ideologie. 


UnUrtrtStnuS  265 

Ticfclbc  bermeibet  in  bieten  tEjrer  Vertreter  e!  gerabejut,  fid)  all  „unitarifd;"  ju  bcgetdjnen, 
bct»orjugt  bielmefir  tarnen  toie  ettoa  „linier  $Iügel  ber  $ongregationaltften"  ober  „rntifd;= 
liberale  Ökologie"  ober  „©dmle  be!  unbogmatifcfyen  Gfn*iftentum!"  u.  bgl.  2lud)  toirb 
wn  nidd  toenigen  unitarifd;  gerichteten  unb  mit  unitarifcfyer  ^ßrebtgt  bebienten  ©e= 
meinben  boef;  ber  Warnt  „  unitarifd) "  gemieben  —  fo  baß  ätotfdjien  ber  ©efamtfyeit  ber  5 
üfnbänger  biefe!  Vefenntniffel  unb  ben  ifmen  sunäcbjt  bertoanbten  Denominationen  (in!= 
befonbere  ber  fongrcgationalifiifcfyen)  leine  fd^arfe  ©renjtinie  gebogen  werben  lann  unb 
eine  genaue  ftatiftifcfye  ©rmittehmg  bei  bermaligen  Sbnfeffionlftanb!  ber  Partei  unmöglich 
ift.  3u  ben  betr.  Angaben  bei  darroll  (Am.  Church  Hist.  Ser.  I,  367),  toonad;  bie 
Unitarier  Stmerifal  im  ^abre  1893  fid)  auf  420  ©emeinben  mit  444  iürd^gebäuben,  10 
gegen  510  ©eiftlicfyen  unb  68000  „Scitgliebern"  beliefen,  bemerlt  ber  £ifiorüer  bei 
Unitarilmu!  (Stilen,  p.  243)  ganj  offen:  biefe  $at)hn  feien  §u  ftanbe gebraut  bureb,  §in= 
umaftme  bon  giemlidb,  Dielen,  „nur  ber  ©atfje,  nid)t  bem  Tanten  nad)  unitarifcfyen  ©e= 
meinben" ;  unter  ben  144  Surfen  befänben  fid»  laum  197,  bie  fieb,  aulbrüdlicb,  felbft  all 
unitarifd;  begetdineten,  unb  bei  ben  510  ©eifilid)en  feien  einerfeitl  gegen  20  brebigenbe  15 
grauen,  anbererfeit!  minbeften!  100  übertäubt  nur  liberal  gerichtete  aber  nicfjt  etgentlid; 
unitarifefte  2f;eoIogen  mit  inbegriffen.  Den  Sfyarafter  einer  freifinnigen  2lllertoelt!fird)e, 
mit  ftarl  entfeffeltem  ©ubjeftibilmu!  ifyrer  Vertreter  unb  mit  entfbredtenber  ©leid;giltig= 
feit  gegen  fefte  lirdjlidie  Drganifation,  belunbet  in  ber  %fyat  bie  unitarifdjte Denomination 
in  mebr  all  nur  einer  Ve;üebung.  Diefe  „£ircb,e  ber  ^ntefleltueßen"  (tote  fie  fid;  aud)  20 
toofyl  nennen  läßt),  befiijt  ib,r  einigenbe!  Vanb  nidjt  fotoobl  an  ben  ©aijungen  irgenb= 
tüelcfyer  Sfffojtation  ober  an  fonftigen  ftrm  religiö!=fird;lid;en  Überlieferungen,  fonbern 
t)orneb,mIid)  an  ber  gemeinfamen  antibogmattfeben  ^enben§  ifyrer  3?ebner  unb  ber  toefent= 
lief)  übereinftimmenben  2lrt,  toie  if;re  lyournaliften  (in  mehreren  gefefudt  rebigierten  unb 
einflußreichen  Organen  toie  je|t  befonberl  ber  Christian  Examiner  unb  bie  Unitarian  25 
Review)  fid;  über  religiöfe  Probleme  unb  geitfragen  bemefymen  faffen.  „Unitarilmu!" 
bebeutet  ifyren  2lnb,ängern  rtidf)t  ba!  gehalten  an  einem  bogmatifd;  beftimmten  ©ottel= 
begriff,  fonbern  übertäubt  nur  f.  b.  a.  freie  unb  fortfdjtrittlicfye  religiöfe  Denftoeife  (bgl. 
gretbingbam  bei  Sitten,  p.  244:  The  new  Unitarism  is  neither  sentimental  nor 
transcendental  nor  traditional;  it  calls  itself  „unitarian"  simply  because  30 
that  name  suggests  freedom  and  breadth  and  progress  and  elasticity  and 
joy",  etc.). 

©eit  bem  ©afnnfterben  ber  oben  genannten  tbeologtfcfyen  $ort)tof)äen  be!  amerifanifcfyen 
Unitarilmu!  fyaben  jum  S^etl  toieber  altenglifd>e  litterar ifd;e  ©rößen  bie  geiftige  güfyrung 
bei  Unitarilmu!  übernommen,  Diefdben  gießen  %ux  Verftärfung  ib,rer  $ofition  auef;  35 
Vertreter  bei  eurobäifd)=feftlänbifd;en  tf;eologifd;en  Siberalilmul  gerne  I)eran  unb  fyaben 
befonberl  buret)  Veranftaltung  öffentlicher  Vorträge  u.  bgl.  einen  nieftt  unbeträchtlichen 
ßinfluß  auf  bie  Greife  ber  toiffenfdjaftlid;  ©ebilbeten  getoonnen.  $ur  SSefeftigung  if;rel 
2fnfeb,enl  unb  jur  Verbreitung  tfjrer  2Infd}auungen  trägt  namentlid)  ba§  ^nftitut  berHibbert- 
Leetures  2Sid)tigel  bei,  ein  feit  1873  in  regelmäßiger  ^fyätigfeit  getretener  Vortragt  40 
c^flul  (gegrünbet  bureb,  ein  Segat  bei  reichen  ^maicabflanjerl  9?ob.  §ibbert  [geft.  1849] 
jum  gtoecl  ber  Vertretung  „antitrinitarifefter  Seftren"  unb  mit  ber  aulbrücfficfyen  33e= 
ftimmung,  baß  „nur  §eteroboje"  an  ifnn  mittoirfen  bürften).  StRaj  DJJüffer,  2lbr.  ^uenen, 
C.  ^ßfleiberer  u.  a.  b,aben  ^ur  görberung  biefel  Unternehmen!  bureb,  mef;r  ober  toeniger 
toicfytig  getoorbene  Vorträge  bilb^er  beigetragen.  —  $u  ben  erfofgreid;ften  einl^eimifdien  45 
SSorfämbfem  für  bie  unitarifd;e  <&afye  gehört  ber  nod;  gegentoärtig  in  englifcfyen  toie 
außerenglifd;en  fdjöngeiftigen  Greifen  —  toegen  feiner  eleganten  päbofyerl  für  ein 
tounberfreiel,  ber  mobernen  ©nttoidelungllebre  angepaßtel  unb  ganj  auf!  braftifdje  rebu= 
äiertel  6f)riftentum  —  bielgefeierte  ©totoeforb  31.  Vroofe  (Verfaffer  bon  Dteben  über 
„©laube  unb  2Biffenfd)aft",  toeld)e  an  6f;arlotte  Vroid;er  [Oöttingen  1898]  eine  Über=  50 
fe|erin  fanben,  bon  geiftreid)en  ©ffafyl  über  „Religion  in  Literature  and  Religion 
in  Life"  [2onbon  1901]  u.  f.  to.).  ®e!gleid)en  ber  feit  Slnfang  1900  au§  bem  geben 
gefdjiebene  ^amel  9JJartineau,  Vroole!  f)ob,el  Vorbilb  unb  geififid)er  Vater,  ber  naefibem 
«r  1836  mit  ben  juSiberbool  gehaltenen  feef;!  Vorträgen  über  „®a!  Nationale  ber  relU 
giöfen  gorfcb,ung"  feine  Saufba^n  auf  glän^enbe  SBeife  eröffnet,  faft  burd)  jtoei  9Jcenfd)en=  65 
alter  binburd)  ted!  in  Vorlefungen  am  Manchester  New  College,  ber  tfyeol.  ftocftfcfmlc 
^•1  altenglifd)en  tlnitariertuml,  teil!  in  Sieben  unb  ©griffen  fonftiger  Strt  fein  berebte! 
S^gnil  für  ein  gemäß  mobern=unitarifd;er  ©oftrin  ibealifiertcß  unb  fublimiertc!  (Sbriftentum 
abgelegt  f)at.  Drei  2ßerfe  bon  internationaler  Verbreitung  entftammen  ber  ^eit  feiner 
Bereifteren  ungemein  erfo!greid;en  ©d)riftftcflertf)ätigleit:  bie  Types  of  Ethical  Theory  bo 


266  IttttiariSmuS  ltnttocrfttätcn 

(2  vols.,  Sonbon  1885),  eine  jtoeibänbige  Steltgtongblnlofobljnc,  betitelt  A  Study  of 
Religion,  its  Sources  and  Contents  (Dsforb  1887)  unb  ein  genialer  Settrag  §ur 
tljeologtfdien  ^ßrinjibienlefn-e :  The  Seat  of  Authority  in  Religion  (Sonbon  1890). 
©a  in  btefen  Sffierfen  neben  glängenber  Button  aua)  eine  fyerborragenbe  fbelulatibe  33e= 
b  gabung  ju  %aQt  tritt,  eignen  fte  ftd;  bor  allen  ba^u,  einem  einbringenberen  ©tubium  ber 
©otte§-  unb  2öeltanftd)t  bes>  Ünttart<omu<3  ber  ©egentoart  ju  ©runbe  gelegt  gu  toerben. 
2lm  mobernen  9JJaterialt§mu<§  unb  bem  ^3ofittüt§mu§  ßomteS  unb  SRiEg,  ja  felbft  am 
©bencerfdien  2tgnoftici3muS  toirb  bon  tf>rem  SSerfaffer  fdjarfe  $rttif  geübt;  feine  eigne 
religiöfe  ©enftoeife  ift  eine  toefentltd)  bantl)etfiifd)e,  getragen  bon  r/ob/em  fittlid;em  (Srnft, 

10  aber  berbunben  mit  roeitge^enber  Neigung  ju  fubjeftibiftifc^er  ^ritif  unb  §r/berlrittf  be= 
äüglid)  ber  gefc£)id£>tltct>en  ©runblagen  be§  ßfyriftentumS  —  in  toeld)  leiderer  £>mfid)t  er 
einerfeitS  franjöfifd)en  liberalen  9Migion§forfd)era  tote  21.  unb  3-  Stebilte  jc,  anbererfeitS 
ben  jüngeren  9lus>läufem  bon  SaurS  Iritifd)er  ©dmle  rta^eftel) enb  erfd)eint  (bgl.  $fleiberer§ 
bielfad)    juftimmenbe   Söürbigung    ber  9Jcartineaufd)en  Geologie    in   ben  &$%$  1889, 

15  ©.  41  ff.,  fotoie  bie  meb/r  fritifcf;  gehaltenen  9lu3fül)rungen  bon  SibftuS  im  %^^8  1888, 
©.  323 f.  unb  1890,  ©.  349 ff.).  $m  !Berr/äItm§  ju  manchen  feiner  33efenntni§genoffen, 
namentlid)  ju  bem  rabilaler  gerichteten  parier  (bgl.  über  biefen :  SüfyrS,  in  $b  XIV, 
697  f.)  ftel)t  5Rartineau  al§  ber  tiefere  reItgtöS=etE>tfc£j  gefyaltbollere  ©enler  ba.  ©od)  teilt 
er  mit  allen  ©ogmatifern   beS  neueren  UnitartSmug   bie  ablefmenbe  Haltung   gegenüber 

20  jenen  Überreften  fubranaturalifiifcr/er  ©en^  unb  Sefyrtoetfe,  toelcb,e  ba<§  focimanifd)e  !He= 
Iigion<8fbftem  nod)  %u  fonferbteren  gefugt  r)atte,  imSbefonbere  alfo  ben  lonfequenteren  9tatio= 
nali<3mu§  rnnfiddltd»  ber  Sefyren  bom  SBunber,  bon  ßbrtfii  ^3erfon  unb  bon  ben  le|ten 
Singen.  (£ergog  f)  SMht  f 

Universalismus  hypotheticus  f.  b.  91.  Reibet  tfd)e  ^onfenSformel  33b  VII 

25  ©.  G47,  52. 

Ittttöcrfttötcn.  —  Sittercttur:  Sentfle,  Untberfitäten  be§  9Ktttefalter§,  1885;  jRaf&balf, 
Univei'.*ities  of  Europe  in  the  Middle  Ages,  1895;  Kaufmann,  ©efcfjidjte  ber  beutfdjen  lhti= 
oerfitäten,  1888/96;  $aulfett,  Sie  beutfd)ett  Untoerfitäten,  1902;  SerjS,  Sie  Untüerfttftten  im 
Seutfcfien  SReirf),   1904;    Xtiolud,   Sa§  atab.  Seben  be§  17.  3af)r&§.,  '1853/54;    gtter,  De  ho- 

30  noribus  sive  gradibus  academicis  über,  1685;  ©tetn,  Sie  nfetb.  ©eridjtSbarfeit  in  Seutfd)= 
lanb,  1891;  fcont,  f  otleg  it.  fionovar,  1897;  «Uabemifdie  fyret^ett,  1905;  3ur@efcf).  b.  <ßriüat= 
bojenten  =  äRitteil.  b.  ©efellfd).  f.  beutle  ©rjieljung§=  tt.  ©cf)ttlgefct)td)te,  1901,  £xft  1;  Solcfj, 
®efd)id)te  be§  beutfdjen  SinbententumS,  1858;  «Bltneroa,  Sotubud)  ber  geteerten  SSeit,  1892 ff.; 
(Svman  u.  £imn,  S3ib(tograpf)te  ber  beutfdjert  Uniuerfttfiten,  3  93be,  1904. 

35  Sie  llntberfitäten  ftnb  ein  (Erzeugnis  beS  cb,riftlid)en  ©eifte3leben<8  be§  SRtttelalterS. 
„SDie  Kird)e  toar  bie  Trägerin  aller  ^been  geiftigen  unb  gefellfcfyaftlicfyen  gortfd)rittes,  unb 
inbem  fie  nid)t  mübe  toarb,  biefe  Qbeen  ju  bertoirHicfien,  ftanb  fie  toeit  über  aHen  anbern 
menfd)Iid)en  Einrichtungen  ber  geit"  (2ambred)t).  ®anad)  erfd)eint  ber  ©treit,  ob  bie  Uni= 
berfitäten  fircr/lidje  ober  toeltlid)e  Slnftalten  toaren,  müj$ig:  fie  toaren  betbe^,  entfbred)enb  öem 

40  ßb,ara!ter  be§  d)riftlid)en  2tbenblanbe3,  beffen  ©efd)id}te  bie  brei  SSorte :  sacerdotium, 
imperium,  Studium  auSbrüden. 

S^re  (Sntfteb.ung  faßt  in  ba§  12./13.  ^a^unbert.  ®er  %Wu$  mu^te  erft  ba= 
fein,  bebor  nad)  ib,m  llntberfitäten  gegrünbet  toerben  fonnten.  Studium  generale 
toar  ber  sJfame,   ben  biefe   frei  entftanbenen  Seb/ranftalten  gegen  bie  5DJttte  be§  13.  2jab,r= 

45  bunbertö  E)m  annahmen.  3Jian  gelangte  ju  bem  Segriff,  nad)bem  bie  ©nttoidelung  bon 
^iart§  unb  Bologna  biefe  2lrt  scolae  ober  studia  unterfd)iebltd)  mad)te  bon  anberen 
bie  bann  scolae  speciales,  studia  particularia  Reiften  mochten,  ©te  entfd)eibenben 
2b,atfad)en  toaren  folgenbe.  ©rfteng:  e£  toaren  llnterricb,t§anftalten  für  all  unb  jeben, 
ber  lernen  b.  b,.  ftubteren  tooßte.     ©amit  Ejing  jtoeiteng  jufammen,   ba^   bie  £et)re  (doc- 

ßo  trina,  scientia)  eine  diseiplina  generalis,  eine  allgemein  gütige,  in  ber  ganzen  (51;rtften= 
f)eit  brauchbare  toar.  Unb  baju  lam  britteng,  ba§  biejenigen,  bte  ben  burd)  bie  ^rajiä 
tt^bifd)  getoorbenen  unb  für  nottoenbig  erfannten  ©tubtenlurfuö  abfolbtert  Ratten,  nad) 
einer  Prüfung  für  befähigt  erflärt  tourben,  bie  gelernte  28tffenfd)aft  ju  brobagteren  unb 
überall  als  anerkannte  Se^rer  aufzutreten. 

55  ©rfnelt  jufolge  biefer  brei  Momente  ber  Strcfyettto,  nadjbem  er  ftd)  befeftigt  b/atre,  ben 
Scamen  studium  generale,  fo  gehörte  boeb,  jur  gortbauer  beS  2bb§  noc)  ettoa§,  toaS 
ba§  SSort  universitas  auSbrüdt.  ®enn  erft  bon  ber  gext  an,  too  bte  ©cb.uten  bon  ^ariS 
unb  Bologna  universitates  b.  b,.  juriftifd;e  ^örberfcb.aften  einfd)Ioffen,  fann  man  ben 
Seftanb  biefer  beiben  .giocbjdmlen  batieren.     ©oldie   organifierten  Serbänbe   bon  Sefyrern 


ttittoerfttiUcn  267 

unb  ©cfyülem  entftanbcn  um  bie  9Benbe  bes  12.  Sfl^unbertS,  fic  brücftcn  ben  ©cfyulcn 
ein  bleibcnbes  (Siegel  auf,  fd^ufcn  tfyre  3Serfaffung,  erlangten  Privilegien  unb  fonfoltbierten 
fo  ben  Styto,  ber  fcitbem  als  ein  Studium  generale  privilegiatum  in  ber  ©efcbjdjte 
feine  9toHe  fbielt. 

Sie  Föt^erfd^aftltc^e  SBerfaffung  gehörte  alfo  mit  jum  Segriff  bes  ©eneralfiubiums.  5 
Ter  ©efamtberbanb  „universitas  magistrorum  et  scholarium"  fcfylojj  in  fia)  noa)llnter= 
berbänbe  einerfetts  ber  Sefyrer,  anbererfeits  ber  ©polaren,  teiltoeife  au<|  beiber  gufammen, 
tote  fie  bie  tarnen  „gafultäten"  unb  „Stationen"  anbeuten.  %m  £aufc  bzx  ^ett  tourbe 
bie  33ejet$mmg  ber  ©efamtforboration  jur  Segnung  ber  Sef/ranftalt,  unb  gerabe  in 
£eutfa)lanb  ift  bon  Anfang  an  Studium  generale  unb  universitas  promiscue  ge=  10 
brauet  toorben.  Niemals  aber  fyat  man  barunter  bie  ©efamtfyeit  ber  2Siffenfd£iaften  ber= 
ftanben:  ber  Ausbruc?  universitas  litterarum  gehört  ber  üfteufteit  an.  — 

25er  Arcfyenib  ber  Uniberfitäten  tourbe  in  ^}aris  unb  Bologna  gefunben.  5Der 
©runb  lag  barin,  bafj  um  biefelbe  geit  (^u  Anfang  bes  12.  ^aljrfy.s)  eine  beftimmte 
iiMffenfdjaft  —  in  $ßaris  bie  SEt/eoIogie,  in  Bologna  bie  Surtsbruben^  —  nad)  einer  15 
neuen  301  e t^ob e  bon  fyerborragenben  £el)rem  (Abälarb,  ^merius)  befyanbelt  unb  ba= 
fcurcb,  eine  neue  Ära  bes  gelehrten  ©tubiums  begrünbet  tourbe.  ®ie  9Jietb,obe  beftanb 
in  ber  btaleftifdjen  (Erörterung  bes  (Begebenen,  bort  ber  $irct)enlefyre,  l)ter  ber  Sftecb,  tslefyre : 
bas  überlieferte  Stecht  toar  ©efe|,  ber  überlieferte  ©laube  toar  ©efe| ;  bie  Aufgabe  beftanb 
barin,  bie  SBiberfbrüdje  jtoifcfyen  ben  Autoritäten,  ben  JRircrjenbätem  toie  ben  ©loffatoren,  20 
bialeftifcb,  ju  entfernen,  b.  i).  bas  Pro  et  Contra  ju  bisbutieren  unb  ben  ©cbjufjentfcfyeib, 
bie  Sentenj  ju  §tet)en. 

$n  biefer  bialeftifcrjen  SfJiet^obe  fteclte  Seben,  fie  toecfte  Seben,  fie  erzeugte  eine  $on= 
tinuität  ber  gelehrten  Arbeit  unb  fieberte  ben  ©d)ulen  gu  $aris  unb  Bologna,  toofnn  aus 
aßen  ©egenben  bes  Abenblanbes  bie  ©djüler   ftrömten,  bie  SDauer,   bie   anbern  gleich  25 
jeitig  berühmten  ©cfyulen,  toie  Mofter  35ec,  Saon,  £ours,  Sabenna,  ntd^t  ju  teil  toarb. 

üDiefe  neue  äRetfyobe  tourbe  gur  ©cfyolaftif,  bon  ber  ^trcfye  anerlannt  unb  ber= 
breitet  -atr  SBeförberung  unb  Söetoafyrung  ber  ©infyeit  ber  Sefyre  auf  fircf/licb^religtöfen,  tote 
auf  fircbji$=rect)tticfyem  ©ebiet.  SDas  römtfeb,  e  Stecfjt  !am  nur  fubfibiär  in  33etrad)t,  fotoeit 
fein  ©tubium  für  bas  33erftänbnis  bes  fanonifcfyen  nötig  toar.  ©ntfbrecfyenb  ber  mittel*  30 
elterlichen  ^bee  bon  Uniberfalmonardjie  unb  ttmberfalfircfye  ftanben  Geologie  unb$uris= 
prubenj  im  33orbergrunbe  geiftigen  3>ntereffes.  ®ies  «ber  ift  ber  Urfbrung  bes  connu- 
bium  academicum  ^toifo^en  beiben.  — 

-^ribilegien  lamen  ber  Uniberfitäisbilbung  gu  gute.  ®as  erfte  toar  bie  fog. 
Authentica  Habita  Äatfer  $mW\<fy§  I.,  in  $orm  eines  9teia;sgefet;es  gu  Sfoncaliass 
1158  erlaffen  unb  in  bas  Corpus  J.  C.  aufgenommen.  (&§  befagt,  bafj  biejenigen,  toeld^e 
©tubien  falber  an  frembe  Drte  reifen,  ben  faiferlkfyen  ©cbu|  genießen  unb,  bon  ber 
örtlichen  ©eri^barleit  befreit,  enttoeber  bor  ifyrem  Seb.rer  ober  bem  93ifd)of  9ted)t  nehmen 
foHen.  ©alt  bieg  ^3ribtleg  aueb,  nicft.t  au§fcblie^lic§  für  Bologna,  fo  tourbe  e§  boeb,  ge= 
mäjj  ber  Sebeutung,  bie  bie  9ftedj)tfa)ule  bon  Bologna  bamafö  fcb.on  &efafs,  bon  ib,r  bor=  40 
jüglicb,  geltenb  gemalt  unb  trug  ju  iljrer  toeiteren  @nttoi(felung  toefentlicb,  bei.  SfBeiterfytn 
tourbe  e§  bie  ©runblage  für  äße  5ßribilegienbriefe,  toeldje  $aifer  unb  Sanbe^b,erren  ben 
fräteren  Uniberfitäten  erteilten. 

©in  äb^nlic§e§  ^Sribilegium  erlangten  bie  ©cbulen  bon  tyaxtä,  inbem  au$  befonberer 
Seranlaffung   im   ^afyre  1200  ^önt0  ^P^ilitob  Sluguft  ben  ©polaren   berfönlicb,e  ©icb,er=45 
^eit  unb  Unantaftbar!eit   tf)rer  feabt  getoäl)rte   unb   fie  ber  ©erid)tsbar!eit  beä  Stfcftofg 
unterfteHte. 

SDiefe  ^ribilegien  begünftigten  ob,ne  ßtoeifel  bie  Silbung  bon  üorborationen,  bie  fid; 
ja  boeb,  nur  unter  bem  ©ct)u|e  ber  fyödbjten  geiftlicb,en  unb  toeltlic^en  Autoritäten  fefttgen 
lonnten.    S3alb   tarnen  anbere,  bom  Sßabft   erteilte  baju :   baS  ^ßromotiongrecb,  t  unb  ba€  50 
fogen.  ^efibenjbribilegiitm.  — 

2)ie  Uniberfität  $ari3   fonftttuterte   fiel)   am  @nbe  be§   12.  ^al^unbertä    au§   ber 
Bereinigung  ber  Se^rer  ber  bier  ©i^iblinen:   Geologie,   ^u^,  SDlebt^in  unb  2lrte3,   unb 
jtoar  toaren  es  bie,  toelcfye  auf  ber  ©eineinfel  im  Sejirte  bon  3^otre  ®ame  ibre £eb,rtf)ätig= 
feit  ausübten,  nacb,bem  fie  bom  Äanjler  ber  5?atb,ebrale  in  b,er!ömmlicb. er  iikife   bie  @r=  55 
laubnis  ba§u  erhalten  Ratten. 

$>ie  ?ßarifer  Uniberfität  toar  alfo  eine  lUtagifteruniberfität :  bas  Regiment  ber  öebr= 
anftalt  lag  in  ben  §änben  ber  Sichrer,  unb  toas  fie  regierten  quoad  Studium,  bas  ging 
bie  ©efamtbeit,  bie  universitas  magistrorum  et  scholarium  an. 

■Kacb,  unb   nacb.   fcb.loffen   bie  £el)rer  bcsfelben  gacb,es   nod;   engere  iserbänbe.     25en  «0 


268  Umtoerfttäten 

Slnlaf?  baju  gab  bie  ^romotiongfrage,  bie  ftatutartfcb,  geregelt  merben  muffte,  ma§  im 
jmeiten  ^a^rje|nt  be§  13.  ^abrlrnnbertS  gefdjab-  Um  biefe  3«tt  erlernt  aucb,  ba3  SBort 
„facultas"  gunäcbjt  für  bte  betreffenbe  SDiägi^ttn ;  feit  ber  üJJitte  be§  ^alE)rr;unbert§  über= 
trägt  e§  ftcb,  aber  auf  ba§  ÄoHegtum  oer  2ef>rer  be§felben  %a<b,e§,  unb  bte  universitas 
5  magistrorum  et  scholarium  erfd)eint  nun  in  toter  gafultäten  gegltebert.  21I§  gemeinfameg 
Dberfyaubt  beä  ©tubium§  galt  big  (Snbe  be§  13.  Qabrfyunberr»  ber  Kanter  bon  9?otre 
©ante,  ber  ba§  ^rüfunggroefen  beauffid)tigte  unb  bie  Stgertg  erteilte. 

Unter  ben  gaiultäten  nafym  bie  arttftifdje  gmar  als  SSorftufe  ju  ben  oberen  bret  ben 
unterften  9kng  ein,  jebodE)  mar  fie  an  Stftitgltebergab,!  bei  meitem  bie  ftärffte.    ©ie  lehrte 

io  bie  F>ergebrad)ten  artes  (septem  liberales)  unb  berbanb  bamit  borgügttd^  ba§  ©tubium 
ber  2lriftoteIifd)en  ©djriften.  ^i)t  lag  befonberS  bie  Pflege  ber  ©ialeftif  ob,  bie  mteberum 
nur  ber  Geologie  ben  2Seg  bereitete:  bienten  bocb,  nad)  ©regor  IX.  alle  2Stffenfd)aften 
einzig  ber  Geologie,  ©ie  juriftifdEie  galultät  traftierte  ba3  fanonifdje  9iecr;t,  ba§  al§  ein 
2lnf>ängfel  ber  Geologie  gelten  fonnte.     ©ie  Sftebijin,   bielfacf»   noa)  gu   ben  artes  ge= 

15  recf/net,  r/arte  ib,re  £>aubtbflegeftätte  aßerbingS  meniger  in  $art§,  al§  in  SKontbeUter  unb 
©alerno.  IJn  ty&tä  übermog  burd)au§  ba§  bbjlofobr/tfcf^tfyeologtfclje  ©cfyulftubtum,  unb 
bie  Slrtiften  bilbeten  ben  ©runbftocf  ber  Uniberfttät. 

(Sbenfalfö  in  ben  erften  ^afyrgefmten  be§  13.  Qab/rlmnbertg  mürben  für  bie  gmecfe 
ber  93ermaltung  unb  ber  ©t^iblin  bie  ©polaren  in  bier  Nationen  eingeteilt.    @§  ift 

20  mofyl  lein  gmetfel,  ^afe  bamit  eine  -Jlacfiabmung  ber  in  3tflKsn  boraufgegangenen  freien 
9kttonenbtIbung  beabficf/tigt  mürbe,  um  Drbnung  in  ba3  ßfyaoS  ber  ftubierenben  lyugenb 
ju  bringen.  2ln  ber©bit$e  jeber  Nation  ftanb  ein  bon  tl)r  gemähter  ^3roIurator,  mäfyrenb 
alle  bier  ftcft,  unter  einem  gemeinfcbaftlicfyen  Sfteltor  bereinigten. 

©omit   umfaßte  ba3  ©eneralftubium   in  $ariS   eine  bobbelte  $orboration§biIbung : 

25  einmal  rücfficf/tltcf;  be3  Se^rjlüedä  bie  3Jtagifter=  unb  ©cfyolarenuniberfttät  mit  ifyren  bier 
gatultäten,  fobann  bte  unter  einem  gemeinsamen  ©d)olarenreftor  bereinigte,  in  bier  9la= 
tionen  gegliederte  ©tubentenfcfyaft.  ©a  nun  bie  artiftifdjen  SRagifter  gugleid;  nod)  ©d)o= 
laren  in  ben  oberen  gafultäten  maren,  fo  ergab  \\<fy  für  fie  eine  gtoiefad^e  üorboration3= 
jugef)örig!eit:   al§  Hombonenten  tt)rer  gafultät  gehörten  fie  gum  corpus  magistrorum, 

30  al§  ©polaren  ber  oberen  galultäten  aber  äugleid)  gu  ben  Nationen,  ©rroägt  man  nun, 
baf$  bie  Sfter/rgaftl  ber  ©cfmler  übertäubt  2lrtiften  waren,  fo  ift  erftcfytlicf/,  ba£  bie  gange 
bfyilofobfytfcfye  gafultät  in  ben  Nationen  enthalten  mar  unb  bafj  auj$erb,alb  berfelben  nur 
bte  Sefjrer  ber  oberen  gafultäten  ftanben.  2luf  biefe  Söeife  belamen  bie  Slrtiften  balb  ba§ 
Ubergemid)t  an  ber  Uniberfttät.    3unä(^ft  (um  1274)  maa^te  ftcb,  ber  9^ationenre!tor  auc^ 

35  jum  §aubt  ber  3lrtiftenfalultät,  bie  mit  ben  bier  Nationen  quaft  ibentifcb,  mürbe.  Um 
btefelbe  3«t  mögen  ficb,  bann  aua)  bie  anbern  galultäten  je  einen  SSorfte^er  (©efan)  ge= 
geben  b,aben.  ©obann  untermarf  ficb  bvc  Sieltor  ber  2lrtiftenfalultät  bte  3J?ebijiner  unb 
©efretiften  unb  nad)  längerem  SSiberftreben  enblicf)  aud)  bie  Xb,eologen,  fo  ba^  bon 
1341  ab  ber  urfürünglicfye  artiftifd)e  ?Jationenreftor  ate  §aubt  ber  gangen  Uniberfttät 

40  auftritt. 

©iefe  ©ntitncMung  gelangte  gum  3lbfcb,lu^,  furg  bebor  bie  erfte  beutfcb,e  Uniberfttät 
(iprag  1347)  gegrünbet  rourbe.  — 

©er  Solognefer  %^y  entmicfelte  fiel)  in  anberer ^orm,  roeil  liier  ber  ©cb.ulunterri^t 
anbere  Slrt  Batte  afe  jenfeit  ber  Silben,     ^n  granlretd)  mar  er  feit  larl  b.  ©r.  unlö§= 

45  ü<i)  berbunben  mit  ben  Softem  unb  $ird)en,  fo  bafe  fieser  mie  ©cfyüler  ipso  facto  gum 
geiftlitt^en  ©tanbe  gälten. 

^n  Italien  bagegen  fwtten  fidj  bon  ber  JRömergett  f)er  Satenfd)ulen  erhalten,  unb 
menn  baneben  aueb  Kirdjenfdjulen  ejiftierten,  fo  befafjen  fie  boeb,  feine§megg  baö  9JJonobol. 
33efonber§  gab  eg  Saienlefjrer  in  ben  Iombarbifd)en  greiftaaten,   roo  bie   ftäbtifdjc  ^olttif 

50  ehrgeizigen  Seilten  2lufftieg  berfbracb,.  2lud)  in  Italien  toaren  bie  fteben  freien  fünfte  bie 
©runblage  ber  geiftigen  Silbung.  2lber  mäb,renb  im  Sorben  ba§  ^aubtgetoicb.t  auf  bie 
©ialeftil  gelegt  mürbe  in  ib,rer  Slnmenbung  auf  SJietabr/bJtf  unb  'Sfoeolügte,  trieb  man 
bier  borjügltcf)  ©rammatif  unb  Stfyetoril  in  Slntoenoung  auf  bie  3tecb,t€lunbe,  b.  b,.  gur 
Slbfaffung  juribifdjer  ^nftrumente  als  Vorbereitung  auf  ben  Seruf  be§  ©acb,malterg  unb 

55  9totar§.  3iom,  ^ßabia,  ^abenna,  Bologna  roaren  Drte,  mo  bag  ^ecfjt  im  3f{a^men  ber 
artes  gelehrt  mürbe,  ©eit  ben  Reiten  be§  ^rneriug  nun  (1100—1130)  b,örte  in  Bologna 
ba§  SHec^t  auf  ein  gmeig  ber  Vifyetoxxi  unb  ©lement  ber  liberalen  @rjieb,ung  gu  fein,  e§ 
mürbe  eine  felbftftänbige  ©oltrin  unb  erzeugte  eine  neue  Haffe  bon  ©tubierenben,  reifer 
an  llter  unb  felbftftänbiger   al§  bie  fonftigen  ©polaren   be§   frühen  9Jlittelalter§.    §ier 

60  liegt  ber  ©runb  für  bie  ©ntftetmng  ber  (juriftifeben)  ©tubentenuniberfität  in  Bologna. 


Umtoerfttäten  269 

£er  2luffd;mung  be<3  9tecr)tgftubium§  in  3*a^en  if1  an  benSiamen  be3  3rnertu3  ge= 
fnübft.  S8alb  nacb,  tf?m  erhielt  e<§  einen  neuen  2lnftofj  in  anberer  Stiftung.  Um  1142, 
um  biefelbe  ßeit  als  betrug  £ombarbu§  in$ari3  feine  Sentenzen  Verausgab,  ersten 
in  Bologna  ba§  ©efretum  ©ratianS,  bie  „concordantia  distantium  canonum" 
SBeibe  Werfe  finb  Slnmenbungen  ber  bialeftifd;en  5Qlet^obe  bon  StbälarbS  „Sic  et  Non",  5 
betbe  luurben  bie  bon  ber  5\ird^e  anerkannten  SLe£tbüd^er  fotoob,!  für  ba3  ©rubrum  ber 
aijeologte  al<§  be§  Äirdjenrecrjt^.  Unb  ebenfo  toie  Srneriuö  ba3  ©tubtum  be<§  meltlidien 
ober  faiferlidjen  9tecr)t§  bon  ben  artes  gefcfyieben  I)atte,  fo  machte  ©ratian  ba<B  fanonifc^e 
ober  bäpftlidje  Stecht  ju  einer  ©onbermiffenfdjaft  neben  ber  Geologie. 

©urd;  ©ratianS  Stuftreten  erhielt  nun  Bologna  al§  Kecfjtsfdjwle  bobbelteS  ©einigt :  10 
^aten  unb  Älcrüer  bon  ©üb  unb  -Korb  jogen  tjerbei.  SDie  fpefttlatibe  Slr/eologie  fam 
bagegen  nict)t  auf,  if)r  §aubtfr§  mar  unb  blieb  $ari§.  ^n  Bologna  fyerrfcfyte  braftifdje 
Wiffenfd&aft,  ber  ©eift  be§  2)ie3feitg,  bie  fragen  ber  ^nbeftitur,  beS  33err;ältniffe3  jmifd;en 
ßaifer  unb  $abft,  bon  geubalftaat  unb  bürgerlicher  §reib,eit  mürben  erörtert,  mäT;renb  in 
fatö  tr/eoretifd;e  Söiffenfdjaft,  ber  ©eift  be<§  ^enfeitg  übermog,  fragen  über  bie  @inb,eit  15 
ber  Vernunft,  über  5£ran<§fubftantiation,  über  bie  Realität  ber  Uniberfalien  auf  ber  2age3= 
orbnung  ftanben. 

2lÖe  biefe  Umftänbe  bemirlten,  bafj  Bologna  unb  nacb,  ifyr  bie  übrigen  füblicb,  en  §oct)= 
fcfmlen  ben   laienhaften,    bemofratifcr;en  ßfyarafter  bon   ©tubentenuniberfitäten   erhielten, 
ipäbrenb  $ari3  unb  Drjorb  nebft  tfyren  älbfömmlmgen  {uerardrifd)  regierte  9Jiagifterfdmlen  20 
tourben. 

3n  Bologna  maren  eS  bie  ftubierenben  gremben,  bie  fid)  jur  2Bab,rner;mung  ib,rer  ge= 
meinfamen  ^ntereffen  in  „Nationen"  äufammenfdjloffen,  mafyrfcfyetnlicr;  um  biefelbe  geit,  ate 
in  $ari3  bie  ÜJJagifteruniberfttät  anfmb.  ©a£  dufter  ifyrer  Vereine  gaben  bie  ftäbtifdjen 
fünfte  ab ;  mie  biefe  mahlten  fie  fidt)  einen  Steftor,  bem  consiliarii  jur  ©eite  ftanben,  25 
fcb>uren  if)tn  ©efmrfam  unb  unterteilten  fid)  feinem  ©ericfyt.  ^nfofern  mobifijierten  fie 
bes  9totbart§  ^ribileg,  bas>  fie  $mar  bom  örtlichen  ©ericfyte  ejimierte,  itmen  aber  nur  bie 
©abl  lief?  §rüifct)en  bem  gorum  bei  23ifct)of<§  ober  tt)reg  9Jieifter§.  2)ie  Sßrofefforen  mürben 
alfo  au§gefd)altet,  unb  ba§  bifctjöflidje  ©eridjt  blieb  einzig  für  bie  Klerifer  unter  ben 
Stubenten.  30 

■Jcod)  bor  ber  9)citte  be§  13.  $al)rr/unbert§  berfdjmobjen  bie  Korporationen  ju  jmei 
großen  (juriftifdjen)  Uniberfitäten  ber  ßitramontani  unb  Ultramontani,  innerhalb  beren 
bie  berfef/iebenen  ^Rationen  mit  ir/ren  fretgerr)ät)lten  consiliarii  nod;  ein  felbftftänbigeS 
Seben  lebten ;  fie  erhielten  fid)  mit  ifyren  beiben  SKeftoren  big  §um  16.  $cit)rfmribert  fym, 
roät;renb  auf  anberen  bon  Bologna  abgeleiteten  §od) faulen  bie  Sftebujierung  auf  eine  35 
Uniberfität  (seil,  scholarium)  mit  einem  9tcftor  fd)on  früher  eintrat. 

2)ie  ^ecfytslebjer  ftanben  junäa)ft  aufeerf)alb  ber  Uniberfität.  3Bob,l  motten  fie,  ba 
bie  Seitung  be§  ©tubiumg  bod;  in  ifyrer  §anb  lag,  ju  Sßrüfung^toecien,  befonberö  feit 
Öonoriug  III.  1219  ben  Slrdjibiafon  mit  ber  33erleil)ung  ber  Sijenj  beauftragt  blatte,  ein 
collegium  doctorum  borfteÖen,  jur  Drganifation  eines  folgen  fam  e§  jeboc|  erft  in  ber  40 
leiten  §älfte  be§  13.  3abrl)unbert§,  al§  e§  notmenbig  erfcb,ien,  ber  erftarlten  ©c£)oIaren= 
uniberfität  ein  forboratibe§  ©egengemicr)t  ber  £et;rer  ^u  geben.  2lHmäb,licb,  gerieten  fie 
aber,  ba  bie  ©tubenten  fie  mäbjten  unb  in  3Serbinbung  mit  bem  ©tabtmagiftrat  befolbeten, 
berart  in  Slbliängigfeit,  ba^  ber  rector  scholarium  aueb,  rector  studii  mürbe  unb  felbft 
bie  $rofefforen  feiner  ©erief^tsbarfeit  untermarf.  ©eitbem  mochte  aueb,  bal  Solognaer  45 
©eneralftubium  einer  universitas  magistrorum  et  scholarium  gleicben.  @rft  Slnfang 
be§  U.  galjr^unbertg  traten  bie  3lrtiften  (infl.  Sftebijiner)  ju  einer  (britten)  Uniberfität 
jufammen;  unb  al§  1360  ^nnocenj  VI.  ein  Studium  generale  in  theologia  be= 
billigte,  ba  berbanben  fidt)  bie  -üJtagifter  ber  Geologie  ju  einer  ©enoffenfcb,aft,  mäb,renb 
i§re  Stubierenben  ber  Uniberfität  ber  3lrtiften  beitraten.  50 

©obiel  über  ben  Solognaer  2lrcb,et^b  be§  ©eneralftubium^ :  I) ter  bie  ©cljolarenuniber; 
fität,  in  $ari3  bie  3Dcagifteruniberfität.  ^^re  beiberfeitigen  2lblömmlinge  unter  ben  bri= 
mären,  frei  entftanbenen  Uniberfitäten  trugen   natürlicf)  ben  6b,ara£ter  beö  23orbilbe§.  — 

parallel  mit  ^ßariö  unb  in  offenbarer  5Kacb,at)mung,  menn  aud;  fonft  felbftftänbig, 
enttoidelte  fidt)  bom  12.  Qafyrlmnbert  b,er  ba§  ©eneralftubium  in  Djforb.  ©eine  S3e=  55 
fonberlieit  liegt  in  ber  Stellung  be^  Kanälerg,  ber  abS  Vertreter  be§  33ifcb,ofö,  b.  b,.  ber 
fccfje  bem  ^arifer  Kanzler  bergleid)bar  mar,  barüber  b^inauö  aber  aud;  bie  ©teßung  be^ 
9wor3  innehatte.  ®ie  Urfad)en  für  biefe  ©igentümlidjfeit  ber  englifd)en  Uniberfitäten 
fwb  bei  ^af^batt  nad}julefen. 

Site  brimäre,  big  jur  3Jiitte  beg  13.  3sab/rb,unbert§  entftanbene  ©eneralftubien  finb  &> 


270  Itnitierfttäten 

in  platten  5teggio,  Mobena,  SSicenja,  ^ßabua,  33ercetli,  in'granfreid)  Orleans 
unb  SlngerS  ^u  nennen.  (§S  ift  bejetdmenb,  baf?  fie  alle  junäd^ft  nur  9ted;tSfd;ulen 
toaren,  alfo  blofj  eine  gafultät  befaften:  bte  9ted;tStotffenfd;aft  toar  eben  baS  £iebIingS= 
[tubium  ber  Meriler  beS  13.  3(a^uitf>ert§,  bie  Jlircbe  felbft  ein  grojjeS  SfadrtStnftitut. 
sGambribge  bagegen,  ein  Stbleger  Don  Drjorb,  befaft  toie  biefeS  alle  bier  gafultäten. 
3Jtebi§imfdje  ©eneralftubien  enttoidelten  fid;  in  ©aterno  unb  Montbellter.  ^n 
Montpellier  gefeilten  fid;  bagu  im  13.  ^afyrtmnbert  artiftifdje  unb  juriftifcfye  gatuliäten, 
unb  mit  Stüdfidjt  auf  biefe  erteilte  9fal;olauS  IV-  1289  für  Montbellter  nod;  einen 
©ttftungSbrief,    obwohl    liier    baS    ©eneralftubium    „ex    consuetudine"    fdjon    längft 

io  beftanb. 

SttS  felunbäre  Uniberfitäten  mögen  nun  biejenigen  betrachtet  werben,  bie  nad; 
einem  ber  Strcfyetfybe  abftdjtlid)  bon  ber  £anbeSf)errfd;aft  ober  bom  Äaifer  ober  bom  ^ßabft 
ober  bon  iljmen  jufammen  gegrünbet  tourben  unter  Verleib, ung  eines  ©tifibriefeS 
mit  eben  ben  ^Sribilegien,  bie  für  baS  23eftet)en  eines  ©eneralftubiumS  als  nottoenbig  er= 

15  fannt  toaren.  §ie^en  jene  erften  fo  ex  consuetudine,  fo  tourben  eS  biefe  ex  privilegio. 
SDen  Steigen  eröffneten  nad)  53olognaer  5Et)b  bie  ,£od;fd)ulen  ber  bfyrenäifcfyen  £»alb= 
infel  (Valencia,  ©alamanca,  £iffabon=6oimbra),  wo  fid}  juerft  baS  S3ebürfniS  fühlbar 
machte,  ben  @inb;eimifd;en  baS  Reifen  auf  auSlänbifd;e  §od;fd;uIen  $u  erfbaren.  @S  toaren 
©eneralftubien  „respectu  regni",  alfo  nidit  fotoofyl  internationale,  als  bielmefyr  £anbeS= 

20  uniberfitäten.     ^b,re  Stnga^I  betrug  am  ©nbe  beS  Mittelalters  13. 

Stilen  Sänbern  boran  eilte  Italien  mit  ber  @rrid;tung  bon  ©eneralftubien.  2lb= 
gefefyen  bon  9t  e  ab  et,  too  Sfoifer  griebrid;  II.  1224  ein  foldjes  mit  allen  bier  gatultäten 
begrünbete,  unb  bon  9t  om,  too  ^mtocen^  IV  1244/5  baS ©eneralftubium  ber  röm.  ®urie 
für  Geologie  unb  9ted;t§toiffenfd;aft  ins  Seben  rief,    berbanften   bie  übrigen  ibje  @nt= 

25  ftet)ung  ber  ^nitiatibe  ftäbtifdjer  Muni-|ibien,  bie  fid)  hierbei  bon  ftStalifd)=boIitifd;en  S8e= 
toeggrünben  leiten  tieften.  Sin  ifynen  behaupteten  baS  9ted)tSftubium  unb  näd)ft  itmt  baS 
mebtjimfdje  ben  Vorrang.  3m  S^en  befaft  Italien  toät)renb  beS  Mittelalters  fcfyon  an 
20  ©eneralftubien. 

^n  granfreid;  tourbe  Soutoufe   bie   erfte   nad;   'jßarifer  Mufter  geftiftete  Uni= 

so  berfität  (1229).  $fyr  Urheber  toar  ber  ^Sapft,  unb  if)re  Stiftung  ift  gefdncfytlid;  infofern 
bebeutfam  getoorben,  als  fie  ber  SSorfteltung  9taum  gab,  ber  $apft  fönne  auf  Sitten 
eines  Sanbesberrn  ober  einer  ©tabt  ©eneralftubien  grünben.  Unb  bon  biefer  23or= 
fteHung  toar  eS  nur  ein  Heiner  ©d)ritt  bis  gur  (Snttoidetung  ber  %i)toxk,  bafj  eine  Uni= 
berfität  übertäubt  ntd)t  ins  Seben   treten   tonne  of)ne  einen  ©tiftbrief  beS  $abfteS  ober 

35  toenigftenS  feines  Mitregenten  im  mittelalterlichen  Söettftaat,  beS§etligen9tömifd;en$aiferS. 
Stuf  £ouloufe  folgten  im  14.  ^afyrljmnbert  nod)  bier  neue  ©eneralftubien:  Slbignon, 
GafjorS,  ©renoble,  Crange,  bobbelt  fo  biele  aber  im  15.  Stuf  ifyre  SSerfaffung 
getoann  neben  bem  ^arifer  aud;  ber  löolognaer  %t))p  einigen  (Sinfluft,  infofern  als  bie 
Vertreter  ber  Stationen,  bie  ^roluratoren   ober  Äonfiliarier,   neben  bem  S^eltor  unb  ber 

io  Magifterforboration  an  ber  Seitung  beS  ©tubiumS  teilnahmen.  Stuf  bie  9Ba^l  ber£el;rer 
Ratten  inbeS  bie  ©tubenten  feinen  (Sinftuft.  SBemerlcnStoert  ift  ferner,  bafs  mitStuSna^me 
bon  ^ariS  ber  33ifdjof  burcb,  einen  Äan^ler  ober  ©cfjolaftifuS  faft  überalt  bebeutenben  (Sin* 
flujj  behauptete.  Stuf  biefen  franjöfifd)en  ^bug  ging  aber  bie  SSerfaffung  ber  beutfcb,en 
Uniberfitäten  jurüd. 

45  3n  ®eutfd)Ianb  b,ebt  bie  UniberfitätSgefcb,id)te  erft  um  bie  Mitte  beS  14.  ^ab,r= 
tmnbertS  an,  inbem  $axl  IV  1348  in  feinem  Ifrontanb  33öf)men  mit  bäbfilicfyer  33etoitti= 
gung  ju  $rag  ein  ©eneralftubium  eröffnete  unb  bamit  getoiff ermaßen  ben  ©d;tuftftein 
legte  v  für  bie  beutfd;e  Sefiebelung ;  benn  bon  nun  an  beginnt  bie  nationale  ©egentoirfung 
ber  Gedjen,  toelc^enad;  60$atjren  ben%obuS  ber®eutfd;en  er^toang.  Man  toirb  übrigens 

50  bei  jeber  UnibcrfitätSfd;öbfung  befonbere  Setoeggrünbe  aufjubeden  b,aben.  3n  to= 
furrenj  mit  $rag  erb,  ob  fid)  1365  bie  Uniberfität  Söten.  @S  folgten  fobann,  als  in  ber 
3eit  beS  ©djiSmaS  bie  Uniberfität  ^jariS  fid;  jerftreut  blatte,  §eibelberg  1386,  Äöln 
1388,  @rfurtl392.  ^m  näd)ften  ^ab,rb,unbert  berfud;ie  juetft  Sifcb, of  ^ol).  b. ©gloffftein 
1402  §u  SBür^burg  bie©rünbung  einer  Uniberfität,  fie  überlebte  iijren  Urheber  nicb^t  unb 

55  tourbe  1582  bom  prftbifd;of  ^idiuS  mit  §ilfe  ber  Qefuiten  gum  jtoeiten  Male  geftiftet. 
dagegen  gebiet  ba§  totubium  in  Seibjig,  too  bie  Sanbgrafen  bon  SMnrangen  1409 
bie  aus  $rag  betriebenen  beutfd;en  Magifter  unb  ©polaren  feftl>aft  matten.  3e^n  3a^re 
jbäter  begrünbeten  medlenburgifd;e  §erjöge  in  Serbinbung  mit  ber  §anfeftabt  3t  oft  od 
bie  erfte  §od)fcb.ule   in  bem  neuen  Äolonialgebiet  jenjeit  ber  @lbe.   £>termit  toar  bie  erfte 

co  ^eriobe  beutfd;er  Uniberfitätengrünbung   abgefd;Ioffen.    33efe|t  toar :    ber   ©übtoeften  mit 


Untocrfüntctt  271 

£cibelberg,  ber  heften  mit  Äbln,  baS  ßcntrum  mit  ©rfurt  unb  Seidig,  ber  Sorben  mit 
JRoftocf,  ber  Dften  mit  $rag,  ber  ©üboften  mit  SGSten. 

Mod)  im  14.  3jßW"nbert  griff  bie  UniberfttätSbilbung  über  bie  Dftgrenje  beS  JRetc^e^ 
bjnauS:  $rag  unb  Söien  erroedten  9cad;eiferung  bei  ben  Königen  bon  s}>oIen  unb  Ungarn, 
bie  in  Ärafau,  bejro.  in  %ün flirren  unb  Dfen  =  $eftb,  §od)fcfmlen  errichteten,  frei--  5 
lief)  ofme  bafj  biefe  Stiftungen  in  jenen  nod;  etroaS  jroeifelfyaften  ßulturlänbern  ju  rechtem 
©ebenen  famen. 

Stuf  ber  entgegengefetjten  Seite  beS  9teid^ö   erhielt  £öroen   1425   bie   erfte   nieber= 
länbifcfye  Uniberfität. 

%n  ber  girierten  §älfte  beS  15.  Qa^unbertS  b/ob  in  35eutfd)Ianb  eine  groeite  ^eriobe  10 
eifriger  Uniberfttätengrünbung  an.     ®ie  Urfacfyen  roaren   jroeifelloS    mel)r  bolitifdje,   als 
roiffenfcr/aftlidje,    är^nlidt;  tote  bei  ber  (Srridjtung  ber  Uniberfitäten   in   ben  ttalifcfyen  grei= 
floaten  beS  13.  3flfyrijunbert§.      ©aS  rbmifdjc  Stecht   Inelt  burd)   bie  Pforten   ber  neuen 
Uniberfitäten  feinen  ©injug  in  35eutfd)tanb  gur  Unterbrüdung   ber  f)eimifd)en  -Weckte  unb 
äur  ©tärfung   abfoluter  gürfiengeroalt.    ©retfSroalb,   bie  ©cfyötofung  3ftubenort>S  unb  15 
Stiftung  bommerfdjer  §erjöge,  roar  1456  bie  erfte  ber  neuen  Uniberfitäten  biefer  ^eriobe. 
(*S  folgten  g-reiburg  im  23reiSgau  1 457,  S8afell460,  ^ngolftabt  unb  Srier  1472, 
Tübingen   unb   StRaing  1477,    alle    mit  bäbftlidjen  ©tiftungsbriefen.     (Sberfyarb  bon 
2ßürttemberg  erbat  ftd)  1484  bon  feinem  Verroanbten  ^aifer  ^riebrid;  III.,  ber  3.  $.  als 
§lücb,tling  bor  ÜDcattbiaS  ßorbinuS  im  9teid)e  umherirrte,  nod;  einen  groeiten  ©tiftungSbrief  20 
für  Tübingen,    in  reellem    befonberS   baS   ©tubium   beS    „laif erliefen"  9red;teS   betont 
tourbe  jur  Sänbigung  ber  „effrenes  subditorum  animi".    §ieran  fnübfien  antibabate 
fünften  unb  33orrdmbfer  ber  ©taatSgeroalt  bie  tenben^iöfe  Sefyre,  bafj  bie  ^ribilegierung 
einer  gafultät  beS  römifdjen  sJted;tS  $eferbatred)t  beS  KaiferS  fei. 

2lm  6nbe  beS  15.  $ar;rr)unbert3  roaren  alfo  alle  größeren  Territorien  35eutfd)IanbS  20 
mit  2IuSnar/me  bon  ^urfacbjen  unb  53ranbenburg  im  33efi§  einer  Uniberfität.  33ranben= 
bürg  trug  fidt)  aderbingS  älnfang  ber  90er^a^re  mit  bem  $Iane  einer  UmberfttätSgrün= 
bung,  jebod)  lam  tt)m  ^urfad;fen,  baS  bei  ber  Leitung  ber  fäd;fifd;ett  Sanbe  im  3>ar/re 
1486  feine  Seibjiger  Uniberfität  abgegeben  I)atte,  nod;  jubor  mit  ber  ©rünbung  bon 
Sittenberg  1502;  bie Sranbenburgifdje §od;fd)uIe  trat  bann  erft  1506  gu^ran!furt  30 
an  ber  Ober  anS  £id)t.  Seibe  Uniberfitäten  befafjen  foroof)!  bäbftlid;e  als  faiferltdje  ©tift= 
briefe;  fie  maren  bie  legten   mittelalterlichen  ©rünbungen  in  ®eutfd)Ianb. 

2lufjerl;alb  ©eutfcfylanbS  rourben  nod;  errietet:  in  ben  norbifdjen  Sänbern  bie  Uni= 
berfitäten  bon  Ubfala,  1477  auf  betreiben  beS  Klerus,  unb  lobenb,  agen,  1478  unter 
ttönig  @r/riftian  I.,  beibe  nad)  beutfd^em  SRufter,  natürlid;  mit  bäbftlid;er  Konfirmation.  35 
3n  ©djottlanb  roaren  e§  bie  93ifd}öfe,  bie  roäfyrenb  beö  15.  ^ab,rr;unbert§  brei  Uniberfitäten 
in§  geben  riefen:  ©t.  2lnbreroS  1413,  ©laSgorö  1450,  2lberbeen  1494.  Stuf  biefe 
SSeife  bebedten  bi§  jum  @nbe  beS  SKittelalterS  faft  brei  33iertellmnbert  ©erieralftubien  bie 
cfyriftlicfye  Söelt.  35 tc  SSerfaffung  aEer  füb,rt  jurüd  auf  bie  beiben  2lrcr)etr;toe  ^SariS  unb 
Bologna  mit  benjenigen  2lbtoeicb,ungen,  roie  fie  bie  geograbfyifcfyen,  boIitifcb,en  unb  jeitlicb,en  40 
SSerfyältmffe  mit  ftdj  brauten. 

9Bir  betrachten  nun  bie  ©runbjüge  ber  3Serfaffung  ber  beutfd}en  Uniber= 
fitäten.  3ie  finb  ade  gegrünbet:  bie  älteften  nad)  Sßarifer  3SorbiIb,  bie  fbäteren  mit 
Senu^ung  ber  ©tatuten  ifyrer  Vorgängerinnen  rote  SBien,  Äöln,  (Srfurt,  Seib^ig.  ^Regiert 
tcurbe  bie  £eb,ranftalt  bon  ben  3)iagiftern  ber  bier  gafultäten,  bie  jum  concilium  plenum  45 
jufammentraten.  ©a^  in  SBten  ber  b^umaniftifd)  gefinnte  S?aifer  SDfar,  I.  1501  eine  31rt 
fünfter  gafultät  in  bem  collegium  poetaruin  et  mathematicorum  mit  bem  3ted;t  ber 
Sid^terfrönung  fcb,uf,  blieb  ein  bereinjelter  gaß.  3eDer  Sanität  ftefyt  ein  S5elan  bor,  ber 
ganjen  Uniberfität  ber  $fte!tor,  früher  geroär;tt  bon  unb  auS  ber  ©efamtfyeit  ber  SDiagifter 
unb  Scholaren,  fbäter  blo^  nod)  bon  unb  aus>  ben  magistri  regentes.  ®ie  Slemter  50 
h>ecb,felten  ^albjä^rlicb/.  ^ebe  galultät  (unb  Nation)  bereite  ib,ren  ©d)u^f)ei[igen  unb 
feierte  fein  ^atiregfeft.  25te  Uniberfität  felbft  beging  bie  fircf;Ud)en  gefitage,  eine  ©itte, 
bie  fieb,  jur  Selunbung  beS  geiftlid;en  Sb,ara!terä  ber  Uniberfität  bis  inS  18.  Scifyrrmnbert 
erhielt. 

^ie^ationeneintedung  ^aben  nur  Uniberfitäten  beS  14.  ^a^rtmnbertS,  fie  umfaßte  aber  55 
neben  ben  ©polaren  aueb,  bie  Stftagifter.   Streit  bei  ber  mit  ber  3)tet)rung  ber  Uniberfitäten 
fieb,  minbernben  grequenj  ein  natürlid;eS  SebürfniS  baju  nidj)t  borlag,   fo  berfdiroanben  fie 
•w  15.  ^ab,rb,unbert.    25a|  fie  granffurt  1506  mit  ber  ©efamtberfaffung  nod;  bon  Seidig 
H'ierte,  tft  belanglos,    gormell  beftanben  fie  in  öeibjig  bis  1830. 

Äeine  UniberfitätSgrünbung   roar   müglid;   ofme   eine  luSftattung   mit  dienten   unb  <;o 


272  ttnfoerfttätett 

Skgenfcbaften :  geiftlicbe  unb  toeltlicfee  ©etoalten  gingen  babei  §anb  in  §anb.  ©etoöljmlid) 
toar  bie  $nf Odorierung  einer  SMegiatftrcfee;  aucfe  ganje  ^farrbörfer  tourben  übertoiefen. 
3n  erfter  Stnie  mufjte  für  bie  ©uBfifteng  ber  ^rofefforen  unb  für  ©ebäube  geforgt  toerben. 
Geologen   unb   3ur'flm  toaren   getoöbnlicl)   fircbiicfee   ^frünbner,    benen   baS   Sieftben^ 

5  bribilegium  ju  gute  tarn,  fonft  salariati.  Ser  Sebarf  an  Sebmn  toar  nidjt  er= 
fyeblicb:  2— 4  Geologen,  3 — 6  ^urtften,  2  3Jlebi^iner  (ein  „theoricus",  ein  „practi- 
cus")  genügten,  ©röfjer  toar,  entfbrecbenb  ber  ©Gütermenge,  bie  Slnjabl  ber  artifttfcfyen 
2eferer,  toot)I  20—30;  ber  ©tamm  berfelben  toar  befolbet,  eingetotefen  in  baS  fog. 
collegium. 

io  Collegia  fyiefjen  bie  ber  Uniberfität  überlaffenen  ©ebäube,  in  benen  bie  Sertoaltung 
bomi^ilierte,  actus  unb  lectiones  gehalten  tourben,  too  aucb  £el)rer  unb  ©djüler  SBolmung 
unb  $oft  Ratten,  ©otoeit  bie  Kollegien  (bie  nod)  bleute  befteftenben  englifcben  Colleges) 
nicbt  $la$  boten,  tourben  bie  ©polaren  in  ^ontubernien  ober  Surfen  untergebracht, 
^ßribatbenfionen  einzelner  SDiagifter  unter  2lufftcfyt  ber  Uniberfität.    SDaS  Sltleintoolmen  in 

15  ber  ©tabt  toar  im  allgemeinen  »erboten. 

Qu  ben  befolbeten  2el)rem  unb  HoHegiaten,  benen  in  erfter  Stnie  ber  öffentliche 
Unterricht  oblag  unb  bie  actu  regentes  (seil,  cathedram)  fueften,  lamen  unbefolbete 
äftagifter,  bie  teils  als  §ilfSlefyrer  in  ber  Slrtiftenfafultät  il)r  „biennium  Jomblierten" 
(eine  Sefyrberbflicfytung,  bie  ilmen  bei  ber  Promotion  auferlegt  tourbe),   teils  als  33affa= 

20  lare  in  ben  oberen  gaMtäten  bie  für  bie  toeitere  Promotion  erforberlicbe  SEl)ätigleit  als 
^robefanbibaten  ausübten,  teils  aucb,  foldje,  bie  freitoiUig  in  2lntoartfd)aft  auf  eine  befolbete 
Seftur  bienten. 

©er  Unterricht  felbft  toar  banaefy  bon  jtoeierlei  2trt.  ®er  orbentltdjie,  öffentliche 
Unterricht  tourbe  Don  ben  befolbeten  ^rofefforen   als  fog.   lectio  im  Slubitorium  erteilt; 

25  baneben  beftanb  ber  aufjerorbentlicbe,  bribate  ,<nilfSunterria)t  in  ben  Kollegien  unb  Surfen, 
an  bem  ftcfy  fotoofyl  bie  orbentlicben  toie  bie  Hilfslehrer  beteiligten,  hierbei  b^anbelte  eS 
fid)  einerfeitS  um  Vorbereitung  ber  jungen  ©cfolaren  für  bie  lectiones  ((Einübung  ber 
lateimfdjen  ©bracfye),  anbererfeitS  um  ä£teberl)oIungen  (repetitio,  resumptio)  ber  öffent= 
lidjen  £e!tionen. 

30  ©en  Sorlefungen  tourben  fanonifdje  Sücfcer  gu  ©runbe  gelegt:  in  ber  Geologie  bie 
©entenjen  beS  ^JetruS  SombarbuS,  in  ber  9Jed)tSlebre  baS  Corpus  juris,  in  ber  3Jlebtgtn 
§ibbo!rateS,  ©alen  unb  Slbicenna,  bei  ben  Prüften  befonberS  bie  bbjlofobfyifcfycn  unb 
naturtoiffenfcfyaftlicfyen  ©Triften  beS  2lriftoteleS.  $n  ber  ^nterbretation  befolgte  man  im 
allgemeinen  ben  mos  italicus: 

35  Praemitto,  scindo,  summo  casumque  figuro, 

Perlego,  do  causas,  connoto  et  objicio ; 
man  nannte  baS  „magistraliter  legere"    (Sine  gute  (Srflärung  giebt  Sfyorbede (®efd).  b. 
Untb.  §eibelberg  1886).  3um  tfyeoretifcben  Unterricht  ber  lectiones,  b.  t>.  ber  Überlieferung 
beS  toiffenfcfyaftltdjien  ©toffeS,  fam  ber  braftifcfye  ber  disputationes,   b.  I).  ber  Übung  im 

40  bialeftifctjen  ©ebrauefe,  in  ber  9tebrobuftion  beS  ©toffeS.  2lu<^>  bie  ©iSbutationen  toaren 
öffentliche  unb  bribate.  SefonberS  bie  2lrtiften  Ratten  fie  ju  üben:  einen  Sag  in  ber 
SBodje  biSbutierten  bie  9)iagtfterr  am  ©onntag  bie  Saffalare.  2lud)  bie  Seigrer  ber  oberen 
gafultäten  toaren  ju  folgen  offiziellen  9ttufterbiSbutattonen  berbunben,  bie  als  fog. 
girlularbtSbutationen  retf>eum  gingen.    Öffentlich  toaren  aucb  bie  3>nauguralbiSbuiationen 

45  ber  ^3romobenben.  ®ie  pribaten,  fyäuSlid)en  ÜbungSbiSbutattonen  fanben  in  ben  JMegien 
unb  Surfen  ftatt,  befonberS  abenbS  (disputationes  serotinae).  Slßjäferlid)  füllte  bie 
geiftlicfye  Sfttterfcfyaft  ein  mehrtägiges  geftturnier  begeben  in  ber  fog.  Disputatio  quod= 
libetica.  3um  Sei^r  tourbe  ein  befonberS  gefcfyicfter  Magister  quodlibetarius  getoä^lt. 
(Sin  folcfyer  toar  aber  nieb^t  immer  jur  §anb,  bafjer  fiel  biefe  ©lanjleiftung  ber  Uniberfität 

60  oft  aus  unb  trotte  im  16.  ^afyrfmnbert  ganj  auf-  — 

®er  ganje  Unterricb;tSlurfuS  toar  jugefcfjnitten  auf  bie  ©rlangung  ber  SOZeifterfd^aft 
im  Seljren.  ©ab^er  ber  Xitel  magister  unb  doctor,  biefer  in  3*^^  iener  mi^x  ^,n 
granfreic^  beliebt,  bod)  toar  magister  aud)  ffynonr/m  mit  bem  fbäteren  professor.  ®ie 
beutfe^en  Uniberfitäten  übernahmen  beibe,  auSfcpef&lid)  berblieb  ber  „magister"  am  ©nbe  ben 

66  2lrtiften.  $uv  Sejeid)nung  biente  baS  gro^e  M  unb  D  bor  ober  feintet  bem  tarnen  beS 
SnfeaberS,  mit  ober  ob.  ne  §injufügung  ber  galultätslettern.  ©eit  ber  bumaniftifeben  5ßeriobe 
berbinbet  fieb.  ber  magister  artium  mit  bem  doctor  philosophiae,  um  im  18.  %afa 
b;unbert  gang  ju  berfebtoinben.  Se|t  toirb  eS  auä)  ühlxä),  baS  D.  bureb  Dr.  ju  erfe|en. 
01ur  bie  brot.=tb,eoI.  galultät  berb^arrt  beim  alten  Sraucfy,  tool)l  aus  rein  äu^erlicber  Ser= 

60  anlaffung,  bie  bei  ben  Jfatfyolitm  nid^t  gegeben  toar.    @S  toar,   ba|  bie  Kanbibaten  ber 


Uniucrfttätett  273 

Ideologie,  bie  meift  bcn  9J?agiftergrab  in  bcr  bfyilof.  ^afultät  erwarben,  anfingen,  fid) 
£oftoren  ju  nennen  mit  bem  üblichen  Dr.  bor  bem  9camen.  Von  tfynen  Imben  ficb, 
nun,  um  VeribecfySlungen  borjubeugen,  bie  mitfliegen  ©oftoren  bcr  Geologie  mit  bem 
alten  D.  ab. 

3um  90cagifter  unb  ©oltor  gelangte  man  in  älterer  $eit  nur  gradatim  unb  rite,  5 
b.  i).  nacb,  (Erwerbung  ber  nieberen  ©rabe  beS  SSaffalati  unb  Stgentiaten ;  promotio  per 
saltum  mürbe  erft  in  ber  Jieujeit  übltcf).  Übrigens  mar  bie  Sijentiatur  urfbrünglicb,  lein 
befonberer  ©rab:  fie  bezeichnete  blofj  baS  gmifcfyenftabMm  ber  licentia  assumendi 
insignia  doctoralia.  $ur  ©ifrctrung  ber  VromotionSfoften  begnügten  ficb,  Diele  mit  ber 
Sijenj.  ßrft  bom  17.  gafyrbmnbert  an  finbet  fid),  wie  bei  %ttex  nacb^ulefen  ift,  juerft  10 
in  Strasburg  bie  Licentiatura  als  befonberer  ©rab.  %n  ber  Slrttftenfatultät  l)at  er  nie 
Sebeutung  gewonnen,  ©er  Vaffalar  (irrigertoetfe  mit  bacca  unb  laurus  gufammen= 
gebracht,  aber  wol)l  bon  bachelier  —  bas  Chevalier  abzuleiten)  berfcfyWanb  im  18.  ^afyx-- 
bunbert  bon  ben  meiften  beutjdjen  Uniberfitäten,  Setbjig  lennt  ibn  noäj  im  19.  (Er  warb 
evfeiit  burd)  baS  ^reife^eugniS  ber  ©r/mnafien.  15 

"  ^m  tfyeologifcfyen  $urfuS  beS  SRittelalterS  fyatte  ber  Valtalar  grofje  Vebeutung.  ©aS 
Stubium  umfaßte  Vibel  unb  beS  Sombarben  ©enteren,  ©emgemäfj  beftanben  jmei 
Stufen  beS  ^3af  falariats :  auf  ber  erften  las  ber  b.  biblicus  ober  Cursor  unter  Seitung 
feinet  2eI)rerS  über  einige  biblifd)e  Vücfyer,  auf  ber  ^weiten  ber  b.  sententiarius  ober 
formatus  bie  Sentenzen.  Dfync  biefe  Se^rt^ätigfeit  ber  Vaffalare  ift  ber  mittelalterliche  20 
Unterricht  gar  nid)t  benlbar. 

©em  VromotionSaft  ging  nod)  bie  disputatio  aularis,  solennis  ober  inauguralis 
borauS,  gewiffermafjen  eine  öffentliche  Prüfung,  in  ber  ber  Hanbibat  bor  bem  ganzen 
afabemifd)en  (EoetuS  fein  können  ju  betoeifen  Ejatte.  ©em  itanjler  waren  bie  ^anbibaten 
ju  bräfentieren,  er  blatte  als  Slufficb.töinftanj  bie  (Erlaubnis  jur  Promotion  p  geben.  25 
$nbeS  fyinberte  baS  nidjt,  baf$  fd)  on  gu  geltr,  VlatterS  Reiten  tctngft  baS  Sßort  galt : 
Sumimus  peeuniam  et  mittimus  asinum  in  patriam  —  bie  ©öfteren  in  9Jtont= 
bellier  jagten:  in  Germaniam.  ©er  Actus  doctoralis  fanb  geWöfmlid)  in  ber  $irct/e 
ftatt  unter  (Entfaltung  großen  (EeremoniellS:  feierliche  Vro^effton,  ©lodengeläut,  SDfufif, 
Serjen,  Überreichung  ber  symbola  doctoralia,  als  birretum,  liber  apertus  et  clausus,  30 
anulus  doctoralis,  epomis,  osculum,  rtad)bem  ber  $anbibat  nod)  eine  quaestio  gelöft 
unb  auf  bie  Siebter  ber  Uniberfität  ben  ©oltoreib  geleiftet.  Slm  (Enbe  eine  gratiarum 
actio  beS  Doctor  novellus,  barauf  Verteilung  bon  „chirotecis"  unb  feierlicher  2lbgug. 
las  convivium  doctorale,  bom  ©efan  ber  galultät  auf  Soften  bei  ©oftorS  auS= 
gerietet,  befcbjojs  ben  211t.  35 

©ie  Impositio  birreti  bebeutete  bie  Verletzung  ber  facultas  hie  et  ubique  do- 
cendi ;  jeber  Vromobierte  mar  alfo  eo  ipso  habilitiert  für  baS  afabemifcb, e  Sefyramt.  ^nbeS 
jdjon  früb, jeittg  fan!  bie  Sßürbe  ju  einem  bloßen  (Ehrentitel  berab,  ber  gemiffe  Vrärogatiben 
im  lircf)Iict)en  unb  bürgerlichen  Seben  nu^bar  machte,  ©eit  bem  2lu§gange  bei  30Zittel= 
altera  fdmfen  fogar  faiferliclje  Vfalägrafen  nidjt  blo^  gelrönte  ©ic^ter,  fonbern  aueb,  40 
^öfteren,  bie  man  aber  als  fog.  Doctores  bullati  auf  Uniberfitäten  ntd)t  honorierte. 
3^ie  golge  mar:  baft  ber  ^itel  für  ©elb  §u  l)aben  mar  unb  im  äßerte  fan!  unb  ba|  bie 
§abilttation  noeb,  bejonbere  Seiftungen  erforberte. 

©aS  Vromotion§recb;t    mar    jugleicb,    ba§   aus    bem    ^orboration§brinjib    flie^enbe 
SoobtationSrecljt  ber  3CRagt|ter.    Urfbrünglicb,  auf  eine  Uniberfität  belogen  mürbe  eS  45 
im  13.  ^afyrfmnbert  bureb,  bäbftliclje  Vribtlegierung,  fbäter  getooEjnJjeitäred^tttc^  al§  facul- 
tas ubique   docendi    allgemein    anerlannt,    bi§  ^JJi^braucb,    unb  @iferfucb,t   bie   fog. 
„9Joftrifi!ation"  erb^eifc^ten. 

3U  ben  integrierenben  Vribilegien  ber  Uniberfität,  für  beren  Slufredjter^altung  fog. 
fionferbatoren  gugleirf)  mit  bem  Äanjler  bomVabfte  beftellt  mürben,  gehörte  baS Stecb, t,  50 
fi^  Statuten  ju  geben  unb  über  alle  Supposita  bie  al'abemifc^e  ©ericljtSbarfeit  au§ju= 
üben,  ©iefe,  bom  Leiter  entmeber  allein  ge^anbb^abt  ober  in  ©emeinfe^aft  mit  ber  ©e= 
famtbeit  ober  einem  2lu§fct)u^  ber  £eb,rer  (concilium  plenum,  consistorium,  ©enat), 
umfaßte  bie  jtotle,  einfcljliefelicb,  9Jlatrimonialfacb,en,  unb  frimineße;  boeb,  lagen  bie  3Ser= 
l)ältniffe  in  biefer  §inficb,t  tjier  unb  ba  berfctjieben.  55 

2lu§  bem  ^orborationSbrinjib  flo^  brittenS  ba§  ©elbflbermaltungSrec^t  über  bie  ben 
Uniberfitäten  berliefyenen  Sertürner,  greilieb,  ermiefen  fic|)  bie  ©elefyrten  babei  bielfad; 
ate  fcb,lecbte  §auSl>alter. 

3_u  biefen  §aubtbribilegien  lamen  noct)  einige  fonberlic^e  minoris  momenti,  bie 
teil»  bie  ©infünfte  ber  Sefyrer  erb,öb,en,   teils  ilmen  (£l;renborrcd;tc  gemäßen  foHten.    ©0  60 

iRear=®nc5Hot)äbie  für  Ideologie  unb  Äit«e.    3.  H.  XX.  18 


274  Itttttierftiäten 

genoffen  fie  greibeit  bon  bürgerlichen  Saften  unb  ©teuern,  Ratten  für  ifyren  §aus^alt 
freien  33ier  unb  Sßeinfcfyanl,  als  bromobierte  ©ottoren  ftanben  fie  im  StbelSrang,  ma3 
it>D^>t  bie  $uriften  burcbje|ten,  aU  fie  nad)  ©infüt/rung  be§  römifdjen  9>iecr;te§  bie  ©taatg* 
bermaltung  in  il)re  §änbe  befamen  unb  aucft,  ba§  Sitelmefen  in  ©ctymung  brachten.  33e= 
5  fonberS  geehrt  mar  bie  ©tetfung  be§  DeltorS.  2Rit  bem  ^ßräbilat  „Magnificus"  begrüßte 
Zuerft  (mie  ©Treiber  in  ber  ©efcfyicfyte  ber  Uniberfität  gteiburg  berietet)  ber  Karbinal 
9ttf.  (SufanuS  ben  erften  Deftor  ber  Safeler  |>ocf)fcr;uIe.  Stfynücfye  fbezififc^e  $räbilate 
nahmen  bie  ©elane  („Spectabilis")  unb  bie  §alultäten  ober  —  mie  fie  fi<^>  f  bäter  in 
befferem  Satein  bezeichneten  —  Ordines  felbft  an.  — 

10  Slbgefefyen  bon  ben  brimären  Uniberfitäten,  mo  gleichzeitig  Saufenbe  bon  ©polaren 
anmefenb  gemefen  fein  mögen,  fyat  ber  gubrang  ju  ben  ©tubien  in  feiner  früheren 
Cßeriobe  folcfye  §öb,e  erreicht  rote  heutzutage,  gumeift  ftubierten  Slnge^brige  be3  geiftlicf/en 
©tanbeS ;  erft  gegen  @nbe  be§  9JiittelaIter§,  als  baS  DeicfySfürftentum  eine  zentrale  Sanbe3= 
bermaltung  fdmf  unb  baS  Slltenf ^reiben  ber  Quriften  anfing,  fucfjte  audj  ber  Sürgerftanb 

15  UniberfitätSbilbung.  ©ie  meiften  beutfcfyen  Uniberfitäten  werben  mit  einigen  ^unberten 
©tubierenber  jufrieben  getoefen  fein,  roä'fyrenb  bie  21  Uniberfitäten  beS  heutigen  ©eutfcfyen 
SHetd^g  im  SBinter  1905/6  zufanrmen  41 938  immatrilulierte  ©tubenten,  burcfyfdmittlicb, 
alfo  je  2000  zählten,  ©ie  Slrtiftenfalultät  mar  naturgemäß  bie  ftärffte;  bie  ifyeologifcfye 
galultät  mag  anfänglich,   bie  juriftifcfye   an  Frequenz  übertroffen  fyaben,   bom   15.  ^at)r= 

20  fyunbert  ab  aber  lehrte  fid)  ba§  33erf)ältni§  um;  bie  mebijinifd^e  galultät  lam  in©eutfd)= 
lanb  laum  in  Setradjit,  il)r  Sluffct/mung  erfolgte  erft  im  19.  ^afyrr/unbert.  §eute  bilbet 
bie  bbjlofoblufclje  galultät  bie  eigentliche  universitas  litterarum,  neben  melier  bie  brei 
anberen  nur  gact)fct;ulen  finb. 

$ur  Qmmatrifulation  mar  im  Sftittelalter   eine  befonbere  SSorbilbung  nicf;t  erforber= 

25  lief),  baS  SBiffen  ber  ^Eribialfcfyule  genügte.  Sftit  15  £jal)ren  unb  barunter  unb  mit  febj 
ungleichen  Senntniffen  bezogen  bie  beani  („©elbfdmäbel")  bie  Uniberfität,  beren  nädjfte 
Slufgabe  bie  guticfytung  biefer  ungleichartigen  SRaffe  für  bie  beeren  ©tubien  mar.  ©er 
Qjmmatcilulation  ging  boran  ober  folgte  aucfj  nact)  bie  abenteuerliche  Seremonie  ber  ©e= 
bofition  (seil,  cornuum).    ©ie  ©polaren  trugen  mie  bie  StRagifter  flerifale  Straft ;  fie 

30  Ratten  e§  mit  geiftigen,  nid)t  meltlicfjeri  ©ingen  zu  tljmn,  unb  ztoifc^en  geiftig  unb  geiftlia) 
unterfd)ieb  baS  ÜKittefalter  nod)  nicfyt.  ©eiftlid),  Ilöfterlidb,  mar  auefy  il)r  Seben  in  ben 
Kollegien,  Surfen  unb  ^äbagogten,  geregelt  bureb,  eine  ftrenge  §au§orbnung.  Seitionen 
r/örten  fie  2—3  be§  £ageS,  bazu  lamen  bie  I)äu3licf)en  Defumbtionen,  bie  exercitia  unb 
disputationes.    £onorarzaI)lung  im  heutigen  ©inne   lannte   man  mcfyt.    ©ie  Seitionen 

36  ber  oberen  galultäten  mürben  bon  ben  bazu  angeftellten  bejolbeten  Sßrofefforen  gratis  er= 
teilt;  nur  in  ber  Slrtiftenfalultät  mar  big  zum  Anfang  beS  16.  2jafyrfyunbertS  eine  ben 
einzelnen  SBorlefungen  unb  Übungen  angebaute  %ait  (collecta,  pastus,  minervale)  zu 
entrichten. 

%m  übrigen   ftanb   z^^  ba§  ganze   alabemifc^e  Seben    gufotge   ber  Horboration§= 

40  bribilegierung  im  ^t\d)^n  ber  libertas  scolastica,  aber  bon  einer  „alabemifdjen  grei= 
l)eit",  mie  fie  bie  neuere  $eit  bem  ©taate  gegenüber  beanfbrud)t,  lonnte  leine  Siebe  fein. 
©ie  Uniberfitäten  maren  „gefreute  ©ct;ulen"  nad)  außen  I)in,  im  5n«^n  aöer  ^urc^ 
Iirct)licf)e  ©itte,  ©tatuten  unb  @ibesleiftungen  aller  l'lrt  ftreng  gebunben  in  Sebje,  Semen 
unb  Seben.  ©aS  berfyinberte  ztoar  nid)t  Übertretungen,  im  ©egenteil  —  ba3  ©efe^  ftt^afft 

45  erft  ben  3Serbrea)er  — ,  aber  niemanb  geftanb  alabemifcfyer  Sizenj  ein  Stecht  z«  an  ©teile 
ber  Iird;lict)=llöfterlicl;en  unb  zünftigen  3ucb,t.  — 

©obiel  bon  ben  mittelalterlichen  Uniberfitäten.  $I)r  fcb,olaftifcb,e§  ©efüge  erfc^ütterten 
Zuerft  bie  Singriffe  ber  §umaniften,  bie  Deformation  marf  fie  über  ben  Raufen,  $er\t'6xte 
fie  gerabezu,  unb  e3  galt  einen  SfBieberaufbau,  ben  auf  brotefiantifcfyer  ©eite  5Relancr)tr;on, 

so  auf  latfmlifcfyer  bie  ^efuiten  beforgten,  bie  nacf>  bem  2!rienter  Konzil  erlannt  Ratten,  moran 
e§  fehlte.  3ur  Deformation  maren  übergetreten:  2Bittenberg,  ©rfurt,  Tübingen,  §eibel= 
berg,  Safel,  Seidig,  granlfurt,  ©reif§malb,  Doftocl;  ferner  ISobenfyagen,  Ubfala.  Defor= 
mation  unb  (Segenreformation  riefen  neue  Uniberfitäten  in<§  Seben.  ©ie  i)roteftantiftt^= 
lutl>erifa)en  SanbeSf>errfct/aften   errichteten,    natürlicf)  nun  o^ne  bäbftücfyen  ^onfenS,    toofy 

55  aber  mit  faiferlicfyem  ?ßrtbileg :  Harburg  1527,  Königsberg  1544,  ^ena  1558, 
©traßburg  1566  (zuerft  al§  ©turmf^e  Sllabemie  mit  bPofob^en  ©raben,  feit  1621 
Uniberfität),  §elmftebt  1576,  Slltborf  1578  (mie  ©traßburg  erft  2llabemie,  feit  1623 
Uniberfität).  Äatfyolifcfye Deugrünbungen  maren:  ©illingen  1554,  SraunSber g  1565, 
Dlmü|  1574,  Söürzburg  1582,  ©raz  1586. 

eo         3luf  reformierter  ©eite ' entftanb  1580  bie  Daffauiftt^e  Sanbesf)oc£)fc^uIe  in  §erborn, 


Itntticrfttätcn  275 

für  bie  ber   fatferlicbe  23eftätigung§brief  aber    bcr  fyoben  Moftcn    toegert    nidt)t    eingelöst 
tourbe. 

©er  ,\>aubtfi£  ber  reformierten  $ircf)e  maren  näcbjt  ber  ©cbmeij  bie  9Jteberlanbe. 
Tort  galten  feit  1536  ©enf  unb  Saufanne  aU  calbintftifcfye  £ocr;fcf)ulen,  fyier  Serben, 
gegr.  1575,  unb  granecter,  gegr.  1585.  5 

^n  ©ct/ottlanb  tarn  ju  ben  brei  alten  Uniberfitäten  noct;  eine  inerte  in  ©bin  bau  gl? 
1583,  mäbrenb  ^rlanb  1591  enblid)  bie  fcfjon  im  14.  ^afnlmnbert  geplante  (ratbolifcfye) 
UntoerfUät  ®ub  lin  entfielen  fafy. 

%n  ^tafien  fdmfen  bie  ^efuiten  ^u  31  om  unter  ben  2Iugen  be§  ^abfteS  bie  berühmte 
©rcgorianifcbe  Uniberfuat  im  Collegium  Romanum  1582.  io 

T>ie  erfte,  natürlich  fatfyolifcfye  Uniberfität  auf  ameriranifcfyem  23oben  errichteten  bie 
Spanier  1551  in  ßtma  ($em). 

©er  religiöfe  ©ifer  ber  Uniberfitätengrünbung  rul)te  aud)  im  17 .  $abrl)unbert  nicfyt. 
ßg  entftanb  ©iefjen  1607  al<§  (Stiftung  lutfyerifcben  33e!enntniffe§  gegenüber  bem  refor= 
miert  geworbenen  Harburg,  be§gleicb,en  Rinteln  1621.  9luf  latboltfcfyer  ©eite:  bie  15 
SSenebiftineruniberfität  in  ©aljburg  1622,  bie  ^efuitenafabemien  (mit  bf)tlof.=tf>eoIog. 
ßurfuö)  in  $aberbom  1615,  üölolefyetm  1618,  DSnabrücf  1630  (fcb,on  1633  Don 
ben  Sdjmeben  jerftreut),  Bamberg  1648;  baju  1635  bie  ungarifa)e  -ftattonaluniberfität 
in  Ibrnau  (1777/83  nacf)  Dfen=$eft  berlegt,  bie  heutige  ©taatluniberfttät  Subabeftb). 

^n  Siblanb  errichtete  ber ©ct)mebenromg0 1632   bie  Uniberfität  3)orbat;    eine  groette  20 
fa)tv>ebifcr/e   ©rünbung    folgte    1640    ju    Abo  in  ginnlanb  (fyeute  §elfingfor§).    $Die 
nieber!änbifcb=reformierten  Uniberfitäten  bermel)rten  ftcf;  um  ©roningen  161 1 ,  Utredjt 
1636,  §arbertoij!  1648. 

9?orbamerifa  fal)  im  Jgabre  1636  bie  Slnfänge  feiner  erften  nacb,  englifct)em  3Sorbilb 
gegrünbeten  Uniberfität  im  §arbarb=SoKege  ju  Sambribge.  25 

-)JJtt  bem  30jäl)rigen  Äriege  mar  bie  ©rünbungsberiobe  !onfeffioneHer  Uniberfitäten 
jit  @nbe  gegangen.  3113  ^cad^ügler  tonnen  nod)  gelten  auf  broteftantifcber  ©eite:  ®ui§  = 
bürg  (reform.)  1655,  ftiel  1665  unb  Sunb  1666;  auf  fatbolifcfyer :  QnnSbruc!  1672. 

Tte  SSerfaffung  ber  Uniberfitäten  blieb  tute  fie  mar;  ibje  forporatibe  ©elbftftänbigfeit 
ging  freilieb  bem  Sanbe^errn  gegenüber  in  bie  33rüd)e,  ber  ^rojefs  ber  35erftaatlict;ung  30 
liatte  begonnen.  3lucb  bie  £el;rmeife  blieb  biefelbe  mit  Seittonen  unb  Simulationen,  nur 
ber  SSorbereitung^  unb  §ilf3unterrtcr;t  mürbe  auf  anbern  gufj  geftellt.  ®er  Qn^alt  ber 
Seiire  änberte  fieb  bloß  infofern,  als  erftenS  neben  ber  ätriftotelifcfyen  ^fyilofobbie  bem 
Öumani§mu§  Svaum  gegeben  unb  jmeitenö  bie  fcfyolaftifcbe  X^eofogte  auf  ben  SRefc-rma= 
ttonSuniberfttätert  buref)  bie  2utb^rifcb=3DMancb^l)onfcr/e  bejm.  Salbinfcfye  erfetjt  mürbe:  35 
Gregefe,  loci  communes  unb  controversiae  maren  bie  brei  ^rüfungSfädjer  ber  !ünf= 
tigen  Ätrdjenbiener.  „9MancbtI)on§  ©Aftern  lutfyerifcfyer  Sogmatif  unb  angepaßter  2Irifto= 
telijcfyer  qs^ttofo^p^te  mürben  ©emeingut  ber  Uniberfitäten  beS  16.  unb  17  3<*brf>unbert3" 

Ten  Unterriebt  erteilten  je|t  allgemein  befolbete  Sefyrer  aucb  m  ber  Slrtifienfatultät. 
Sie  Mittel  jur  Sefolbung  mie  überbauet  jur  @rricf)tung  ber  neuen  Uniöerfitäten  mürben  4e 
bielfacb,  fäfularifiertem  ^ircfyengut  entnommen.  %&a  professor  publicus  tyatte  ettoa 
brei=  big  biermal  möt^entlicb  ju  lefen,  ma§  bem  bamaligen  ©tanbe  ber  „SBiffenfcb,  aft"  ent= 
foracb,.  ©aju  fam  aber  bie  älrbeit  ber  ®i§putationen,  ©eflamationen,  Prüfungen  ber 
^romobenben  unb  ©tipenbiaten  unb  mancherlei  ^ßrioatunterriebt.  ©a§  Qnternat^leben  in 
Kollegien  unb  Surfen  batte  aufgebort,  für  SanbeSfinber  forgten  ©tipenbiatenanftalten.  45 
2Bo  nicb,t  ein  aHabemifcbe^  ©^mnafium  ober  ^äbagogium  mit  ber  Uniberfität  berbunben 
toar,  beftanb  bie  3Sorfcb^rift,  bafj  ber  junge  ©tubent  fic§  einen  „privatus  praeeeptor" 
ju  loä^len  bitte,  ber  ib,n  ad  studia  anleitete  unb  quoad  mores  beaufficb,ttgte.  2lu§ 
btefen  ^ribatbräjebtoren  gingen  bie  beutigen  ^ribatbo^enten  ^erbor. 

^nbe§  fungierten  bie  s}>rofefforen  aucb,  felbft  afe  $ribatlef)rer,  ba  fie  ©tubenten  50 
3ßob,nung  unb  Hoft  gaben;  fie  erfe^ten  bamit  bie  früberen  Stefumbtionen.  (Sine  neue 
Einrichtung  entftanb  in  ber  jmeiten  §älfte  beö  16.  ^«^bu"bert§  in  fogenattnten  ^3ribat= 
toQegien.  ßunäcbjt  maren  e§  freie  ©igp utierf retnge^ ert  in  ber  juriftifc^en  galultät,  unter 
Settung  eineö  älteren  ©tubenten  ober  auc§  eine§  nid)t  angefteHten  ®o£tor3,  b^borgegangen 
äug  braltifcbcm  Sebürfni§,  bem  bie  langen  unb  breiten,  unmetbobifeben  unb  jiellofen  55 
öffentlichen  Seftionen  nieb^t  genügten.  @ö  fam  bal)in,  baß  bie  ^ßrofefforen  felbft  folcfye 
collegia,  junäcbft  al§  disputatoria  unb  examinatoria  einrichteten ;  im  17  ^df)x- 
^unbert  mürben  barau§  c.  lectoria,  bie  bann  aUmäblicb,  bie  lectiones  publieae  über= 
f'üijig  matten.  ®amit  50g  fieb,  ber  alabemifcbe  Unterriebt  auä  bem  2lubitorium  in  bie 
i!ribatbäufer   jurüd  unb  mürbe   nun   nidjt   mebr   gratis    erteilt,    fonbetn   gegen  (Entgelt,  go 

18* 


276  Uniöcrfttätett 

®ie§  ber  Urfbrung  ber  ^J3ribatborIefungen  unb  be§  SMegienb/onorar§.  STcan  tann  bie 
©ntmidelung  an  ben  gebrudten  SSorlefungsberseidmiffen  verfolgen,  bte  feit  bem  @nbe  bes 
16.  2>alj)rlj)imbert<§  mefyr  ober  meniger  regelmäßig  erfdnenen. 

©ie  Üniberfitäten  berloren  in  bieferßbodje  ifyren  allgemeinen  internationalen  (D)araiter: 
5  ftatt  bes  Damens  Studium  generale  tourbe  bie  I)umaniftifd)e  Se^eidmung  academia 
gebräuchlich  Unb  ifyre  Aufgabe  mar  bie  2lu3bilbung  bon  Kird;en=  unb  ©taatsbtenem, 
toobet  bie  lanbesfirtpdjen  3>ntereffen  fo  überwogen,  baß  fämtlicfye  Seb,rer  auf  bie  $e= 
fenntnisfcbjiften  berbflicf/tet  Würben,  ©iefe  ©ntwidelung  bolljog  fid)  sufammen  mit  ber  bes 
abfoluten  üEerritorialfürfteniums'.     2lu§  politifcfyen,  JonfeffioneÜen  unb  ftslalifdjen  ©rünben 

10  gerieten  bie  üniberfitäten  unter  bie  £anb  ber  dürften,  be§  ©taateg :  baß  man  ifmen  bas 
Korborations>=  unb  ©elbftberWaltungstecfyt  beließ,  gefcfyab,  aus  £kquemlid)feit  unb  mit  }eber= 
zeitiger  Did}tbeacl)tung. 

2Mf)renb  bie  broteftantifdien  $a!ultäten  als  $adjfd)ulen  für  bie  ©eiftlidjen  galten 
unb  bemnacb,  bie  33orbtlbung   jum  $  rebig  tarnt  §aubtfad)e  Würbe,  richtete  bie  @egen= 

15  reformation  jur  braftifdien  2lusbilbung  t^reg  Klerus  im  fircfylicr/en  Kultus"  nad)  ben  3k= 
fdjlüffen  be§  "iEribentmums  ©emtnare  ein  unb  überlief;  it)ren  gaMtäten  bie  fdjolaftifdje 
SSerteibigung  bes  alten  ©laubens»  unb  bie  33erambfung  ber  Deformation.  ©ie  Düdmirfung 
auf  ben  ^roteftantts'mus  mar  bie,  baß  bas  Sibelftubium  Wieber  jurüdtrat  hinter  ber 
©ogmenfdjolafiif  unb  baß  bie  jtoeite  $älfte  be<S  16.  ^afyrljmnberts»  bte  eine  große  Kird)en= 

20  Haltung  erweiterte  §u  einer  vielfältigen  gerllüftung.  2lm  bogmatifdjen  (Segänl  ber  Uni= 
berfitätstr/eologte  fcfyeiterte  fdjließlicb,  bie  Deformation,  nad)bem  fie  ben  Keim  bes  3Ser= 
berbenS  fd>on  mit  ifyrer  römifcVred)tlid)en  33erftaatlidmng  in  fidj  aufgenommen.  Sie 
notWenbtge,  unbeilbolle  $o!ge  mar  ber  30jä^rtge  Krieg. 

©er  Dutjm  28ittenberg3   erblaßte  nad)   SMandjtfyons  SLobe.    %ixt  bie  Pflege   ber 

25  2öiffenfd;aften  gewannen  bie  i)on  £ef)rftreitigfeiten  Weniger  aufgewühlten  calbiniftifdien 
§ocf)fd;ulen  ^etbelberg  unb  ©traßburg  SBebeutung,  infonberEjett  aber  bie  nieberlänbifcfyen 
Üniberfitäten,  bie  feit  1580  ettoa  bie  ganje  geiftige  Kultur  ©eutfcblanbs'  auf  ein  baar 
SRenfdjenalter  fyin  beeinflußten.  Über  ©traßburg  unb  ^eibelberg,  Wo  bielfad)  granjofen 
lebten  unb  Wirkten,  brang  franjöfifcber  ©influß  ein,  befonbers  aud)  ber  Damismu§,  um 

30  ben  ^fyron  bes  „alten  fyeibnifcfyen  ©bijen  SlriftoteleS"  ju  erfdjüttem.  — 

Dact)  bem  30jäf)rigen  Kriege  Ijanbelte  es  fid)  abermals,  wie  nad)  ben  ©türmen  ber 
Deformation,  um  einen  SBteberaufbau  ber  Üniberfitäten.  2öie  ©eutfcfylanb  fia)  bon  ben 
Wirtfdjaftltcfyen  3Sermüftungen  erholen  mußte,  fo  galt  es1  auc^,  fio)  ber  geiftigen  Sertürner 
mieber  betoußt  ju  werben,  Umf4>au  ju  galten,  ju  ficfyten  unter  ben  alten  Qnbentarftütfen 

35  fcf)olaftifc^=ariftotelifd)en  gabri!at§  unb  Deue^  ju  mäf)len.  2ln  t^eologifc^en  ©treitigleiten 
jjatte  man  ben  ©efdjmad  berloren:  ©bener  unb  grancfe  Ien!ten  bie  llniberfitätstbeologie 
jum  Sibelftubium  unb  braftifc^en  ßfyriftentum  jurücf.  Deben  bem  römifd^en  Deckte  begann 
man  bie  ^eimifc^en  pi  ftubieren,  fo  baß  2;^omafiu§  ben  Doctor  juris  utriusque  jetjt 
in  biefcm  ©inne  beuten  moKte.    ©urcfc,  ©rotiu^,  ^pufenborf,  ^b,omaftu§  !am  baS  Datur= 

40  unb  ©taat§red;t  baju.  ®ie  neuere  ^^ilofob^ie  cineg  ßartefiuS,  ©binoja,  Seibntg,  ber  3luf= 
gang  ber  naturtoiffenfct)aftlic§en  gorfd;ung,  bie  (Srfinbung  eineö  neuen  matl>emattfd}en  M= 
füls"  —  alles  bie§  bockte  an  bie  Store  ber  Üniberfitäten,  ©inlaß  begefyrenb.  9Jid)t  minber 
bie  beutfdje  ©brache,  bie  juerft  ^omafiug  ^um  @ntfe|en  ber  Seibjiger  3obfgete^rten  ftatt 
ber  lateinifc^en  Unterrid;tsfbracl)e  eingeführt  fyatte.  @g  ift  ba§  3eita^ter  *>e3  ^ol^l;iftori§mus. 

45  ©elebrte  3eitfd}riften  entfielen,  bie  Jritifa)  referieren;  faft  jebe  Uniberfität  fd)uf  fia)  nad; 
unb  nad)  ein  foltt)e§  Drgan,  in  toelcfyem  jugleid)  unter  bem  %itd  „©eierte  Dad}rid;ten/; 
Kenntnis  gegeben  mirb  bon  bem  toiffenfd;aftlid)en  Seben  ber  Üniberfitäten.  Seist  erft 
fangen  fie  an,  eine  Stebeutung  für  ba§  allgemeine  litterarifd)e  Seben  ju  getoinnen,  bie 
i^nen  bisher  fremb  mar.    ©ie  felbft  traten  baburcb,  in  näheren  33erfeb,r,  bie  S3ejeid)nung 

50  ber  ,,©eIebrten=Debubli!"  fam  auf,  unb  ein  gunftgeifi  be§  ©ele^rtenftanbes  ertoacfyte. 
greilid;  trat  ba§  fat^olifdie  2)eutfd)lanb,  in  toeld^em  bie  Ratio  studiorum  ber  Sefuiten 
nod;  lange  maßgebenb  blieb,  babei  jurüd,  befonbers  ifolierte  fid)  Dfterreid;  feit  1648  geiftig 
unb  litterarifd).  3mm^in  S^ang  bie  geiftige  Degeneration  ©eutfcfyianbs'  rafdier  afö  bie 
toirtfd)aftlid}e.    granjöfifd)er  ©influß  ift  babei  im  ©biel:  ber  £>of  Subtoigs  XIV.  lieferte 

55  ein  neues  Silbungöibeal,  baS  bes  bollenbeten  §ofmanne§,  bem  bor  allem  fonfeffioneße 
^nbifferenj  eigentümlid)  mar.  aSorgügltc^  für  bie  ^^tf^«-  ©erjett  entftanb  aua)  bas 
©brid^mort :  ^uriften  finb  fd)led}te  6t)riften.  §atte  noc§  im  Zeitalter  be§  Konfeffionaliömus 
bie  ©eiftlicfyleit  bie  ©taatögefcbäfte  beeinflußt,  fo  bilbeten  fie  jetjt  allein  bie  regierenbe  Kafte. 
demgemäß  ftanb  bas    juriftifd^e  ©tubium    bura)au§  im  Sorbergrunbe,  bie  Geologie  trat 

60  bagegen  prüd,  befonbers  feitbem  ber  ^ietiSmuo  jum  DationaltömuS  bertoäffert  morben  mar. 


Umberfitfiten  277 

2bomafiu§  War  ber  33afynbred)er  ber  neuen  geit.  @r  unb  grancfe,  bcibc  alö  teuerer 
aus  Seidig  bertrieben,  gaben  ber  neuen  branbenburgjfcb^n  Uniberfität  £  alle  (1693)  if;ren 
Gbarafter,  unb  fie  behielt  ^abrjelmte  lang  bie  güfyrung,  big  fie  mit  bem  Sobe  biefer 
fceiben  Männer  unb  burcb,  bie  Vertreibung  be§  Ißtnlofobfyen  äöolff  il>ren  guten  SJluf  als 
toiffenfcfyaftlicfje  greiftatt  berlor  unb  bon  ber  1734  in  ©öttingen  errichteten  Uniberfität  6 
überholt  Würbe.  £>alle  featte  ben  broteftanttfdjen  ßfyarafter  ftatutenmä^tg  nocfy  feftge&alten, 
eS  foHte  eben,  ba  granffurt  mit  bem  lurfürftlidjen  §aufe  reformiert  geworben  mar,  bie 
Sebranftalt  ber  lutberifcfjen  ©eifilidjfett  fein;  ©öttingen  bagegen,  bon  ©nglanb  aus  be= 
griinbet,  bermieb  bon  bomfyerein  alle  ©ngfyerjigfeit,  fcfylof}  baS  fonft  übliche  ßenfurrecfyt 
ber  tbeologifcfyen  gafultät  über  bie  „Weltlichen"  gafultäten  auS  unb  bromobierte  fogar  io 
glcicb/ju  Anfang  einen  $uben  jum  Dr.  med. 

^n  biefe  $eriobe  beS  fcfyeibenben  ÄonfefftonaliSmuS  unb   beS  Übergangen  jur  2tuf= 
flärung   fiel   auf   broteftantifcfyer  ©eite  nocb,   bie  ©rünbung   ber  Uniberfität  @r langen 
(1743).    ^n  SreSlau  Ratten  1702  bie  Qefuiten  bie  Ie£te  ifyrer  2lfabemien  auf  beutfdjem 
$oben  errietet;    fie  ftanb  natürlich   ebenfo  Wie  bie  bom  33ifc&,of  2lbolf  1734  in  gulbaiö 
eröffnete  §ocb,fd(tuIe  abfeitS  bon  ben  Neuerungen  ber  gelt. 

2luf  ber  Weftlidjien  §alblugel  waren  1701  im  Yale  College  gu  New  §aben  bie 
Junbamente  ber  gtoeitälteften  unb  näcfyft  §arbarb  bebeutenbften  norbamerifanifeben  Uni= 
berfttät  gelegt  toorben,  Wäfyrenb  im  fbanifcfyen  SRittelamerila  bie  Sominilaner  1721  eine 
;u  £jabafia  mit  bäbftlicfyer  Bewilligung  aufmalten.  20 

$aS  Zeitalter  griebricfyS  b.  ©r.  ift  baS  ber  Stufflärung.  3Me  Söolfffd^e  matbematifcb, 
bemonftrierenbe  ^ßbjlofobfne  Batte  bie  Üniberfitäten  erobert  unb  beeinflußte  ben  Sefyrbetrieb 
aller  gatultäten.  ©ie  War  eS,  bie  bie  „atabemifcfye  gretyfyeit  ber  Sefyren,  bie  nicfyt  Wiber 
©ott  unb  ben  Staat  finb",  bürdete  unb  bie  Vernunft  §ur  Slbbeßinftanj  machte  für  äße 
tt)ifjenfcb,aftlicb,e  Slrbeit.  ®ie  Üniberfitäten  borten  auf,  bie  2Biffenfcb.aften  im  ©inne  ber  20 
Stilen  ju  trabieren,  fie  gelangten  bielmefyr  %m  ©rfenntniS,  bafj  fie  2ßiffenfd)  aft  ju  erzeugen 
Ratten.  SSon  §aHe  War  bie  libertas  philosophandi  ausgegangen,  in  §alle  begann  auef) 
bie  Sftationalifierung  beS  ®ogmaS,  bie  ^ritif  ber  SSibel  unb  ber  SBefenntniSfcfyriften  unb 
bamit  bie  ^reiSgebung  beS  lonfeffionellen  SßrinjibS.  ®aS  @rbe  ber  Deformation:  bie  @nt= 
toicfelung  beS  inbibibualiftifcfyen  'SenfenS  fam  ju  @b,ren;  eS  galt  ©emlerS  ©a|,  bafj  baS  30 
2ßefen  unb  ber  ©nbjWecf  ber  Religion  lebiglict)  bie  -JJcoral,  mithin  bie  2luSbilbung  ber 
eigenen  freien  ^ßerfbnlicb,!eit  fei.  SDurcfy  biefe  innere  UmWanblung  War  ber  firct)li<|=fon= 
Tcjftonelle  ßfyarafter  ber  üniberfitäten  fcfyon  bretSgegeben,  fie  b,örten  auf  Qnftitute  jur  33c= 
auffi^tigung  unb  gortbflanjung  bes  SanbeSftrdjentumS  ju  fein,  ber  Deligion§reber§  ber 
„H>eltlia)en/y  Se^rer  mürbe  enblid)  offiziell  abgefc^afft  (in  ©ie^en  j.  35.  am  31.  Dft.  1777),  35 
nacfybem  man  fid)  mit  ifym  fcb,on  längere  Qi\t  b,inburcb,  burefy  rationaliftifcb,e  Deutung  ah- 
gefunben  b,atte.  2lm  @nbe  beS  ^ab,rljunbertS  lonnte  ba§  ^reu^ifcb,e  Sanbrecb,t  ©d;ulen 
unb  Üniberfitäten  al§  Sßeranftaltungen  be§  ©taateS  broflamieren,  nacb,bem  ber  ©taat  felbft 
befonberS  infolge  ber  @intbir!ungen,  bie  bon  ber  ©djöbfung  ber  norbamerifanifcfyen  Union 
ausgingen,  fon'feffionsloS  unb  baritättfeb,  geworben  War.  40 

3)ie  norbbeutfdje  broteftantifdie  Slufflärung  fct)lug  i^re  Söellen  aueb,  nacb,  ©üben  in 
bie  fatf)olifd)en  Sänber.  Wan  machte  ben  ^efuiten  jum  SSorWurf,  ba^  fie  b,inter  ber  3^ 
jurürfblieben.  Äurfürft  SERajimilian  %o\?pt}  bon  Satjern  ernannte  bal^er  ben  gret^errn 
öon  ^efftatt  1746  pm  ©ireftor  unb  1.  ^rofeffor  juris  in  ^ngolftabt  mit  ber  Slufgabe, 
baS  Ünterrid;t§Wefen  ju  reformieren.  @leicb,5eitig  gefc§ab,  in  SBien  unter  bem  bon  5Raria  45 
Ifyerefia  berufenen  greib,errn  ban  ©mieten  eine  Reformatio  studiorum,  beren  Söirfung 
ein  fatmfd;e§  ©ebidjt  „Gemitus  Barbariei  exterminatae"  1752  bert)errIicBte.  ®ie  geift= 
liefen  Stifter  mit  it)ren  Üniberfitäten  Söürgburg,  Syrier,  SRainj  unb  ©rfurt  folgten  nad;. 
3?ur  baS  alte  Mn  behielt  feinen  character  indelebilis.  2Bäb,renb  bie  faft  erftorbenen 
Üniberfitäten  (Srfurt,  9Jtainj  unb  'ürier  in  ber  ^Weiten  §älfte  be§  18.  Safyrfy.S  eine  2lrt  50 
bon  äüieberauferfiebung  feierten,  mu|te  jtc^S  Mn  gefallen  laffen,  ba|  i^m  feit  1777  in 
Sonn  eine  neue  furlölmfcfye  Uniberfität  aufllärerifd)en  2öefenS  jur  ©eite  gefegt  Würbe. 
55orficb,ttger  berful>r  unb  in  2lnleb,nung  an  bie  $ir<f)e  ber  Äoabjutor  bon  prftenberg,  ber 
in  fünfter  1773  nacb,  2lufb,ebung  beS  ^efuitenorbenS  mit  bä^ftlicb.er  ©enebmigung  eine 
tatEjoIifd^e  Uniberfität  ausbaute,  bie  fiel)  ben  gorberungen  ber  Neuheit  niebt  berfcfjlofe,  ahex  55 
oott)  nia)t  bem  SHuminati§mu§  unb  gebroniämuS  mit  ib,ren  (Sjtrabaganjcn  berfiel.  2ln 
wr  Oftgrenje  feines  Steicbeö  errichtete  Äaifer  ^ofe^b  II.  1784  in  Semberg  eine  beutle 
Uniberfität,  ofme  bejeicbnenberWeife  bie  bäbftlicbe  33cftätigung  nacb;3ufucb,en.  ©rWälmt  fei 
enblia)  noef)  bie  mit  !aiferlicf)er  33eWißigung  1781  erfolgte  ©rfyebung  ber  Ijcrjogl.  sHiilitär= 
alabemie  in  Stuttgart  jur  £oben  SlarlSfd)uIe.  '  eo 


278  Uittoerfttttten 

©ie  Seränberungcn,  bie  ba3  18.  $ar/rl)unbert  bem  Uniberfttätöbetrieb .  bewerte,  Waren 
f'urj  folgenbe. 

©ie  SGötffenfd^aften  grünben  ficb,  auf  bie  ÜHutonomie  ber  menfcblid)en  Sernunft  unb 
befreien  ficb,  bon  ^rabitton  unb  fircfylicfyer  Sebormunbung.    2IrtftoteIe§  tritt  ab  unb  madjt 

5  ber  neueren  ^fyilofoblrie  $Ia£,  bie  in  $ant  tt>ren  §öl)ebunft  erreichte.  ©ie  Ijmmaniftifcfyen 
©tubien,  befonberi  be§  ©riecfyifcfyen,  Würben  burdj  ©rnefti  unb  ©einer  neubelebt  unb 
führten  jur  Ätiologie  unb  ätltertumSWiffenfcijaft.  ©eitbem  erfcbien  bie  blnlofotofnfdje  gafultät 
ben  brei  „oberen"  mebr  aU  gleichwertig. 

^anonifdje  Xejte  Werben  ben  „33orlefungen"  nicfyt  mefyr  ju  ©runbe  gelegt,  fonbem 

10  fr/ftematifcfye  Vorträge  ber  einzelnen  2Biffenfcbaften  in  ätnlelmung  an  mobeme  £ef)rbüd)er 
gehalten.  §ibbofrate§  unb  ©alen  Weisen  bem  SRif'roffop,  bem  anatomifcfyen  Realer, 
botanifcfyen  ©arten.  ©ie  lateimfcbe  Unterricfytgfbracfye  Wirb  feit  SE1)omafut§  unb  3SoIff 
mefyr  unb  mefyr  burd)  bie  SRutterfbracfye  erfe^t.  ©amit  unb  mit  ber  fdjIolafiifcl>=btaIelti= 
fd)en  ©cfmlung  um  ber  Geologie  Willen  berfiel  aucb,  ba§  ©i»butation3Wefen.    ©ie  alten 

15  ftatutarifcben  lectiones  publicae  Würben  berbrängt  burcb,  bie  collegia  privata,  bier 
früher  blofj  gebulbet,  je|t  fogar  unter  geftfe|ung  bon  §onorartar,en  borgefct/rieben  Würben. 
3Son  atabemifcfyen  ©raben  erhielt  fid)  nur  nod)  ber  be<§  ©ol:tor§  unb  in  ber  brotefi.=iI)eol. 
gafultät  ber  be§  Sijenttaten.  §ier  War  bie  SBerletfmng  ber  ©oftorwürbc  bon  jefyer  an  eine 
feierliche  lirc^Iic^e  §anblung  mit  ^Brebigt  be§  ©oftoranben  ge!nübft  geWefen.  ©iefer  Sraucb, 

20  berfiel  mit  manchem  anbern  afabemifcfyen  geremoniell,  ber  Actus  doctoralis  unterblieb, 
unb  e§  !am  bafün,  bafj  bie  ifyeologifdje  ©oftor  Würbe  —  benn  al§  fold)e  galt  fie,  bie 
nicfit  um  ©elb  feil  War  —  faft  nur  nocb,  honoris  causa  berliefyen  Würbe. 

©ie  ^orborationlberfaffung  blieb  im  allgemeinen  erhalten,  ifyre  3^ed)te  mürben  freilieft, 
immer  bebeutung§lcfer,  nadjbem  bie  Uniberfitäten  bem  Drgani§mu3  be<§  mobernen  ©taateg, 

25  ber  ilmen  bie  ©elbftberWaltung  abnahm,  eingefügt  Waren.  Sei  ©bttingen  behielt  ber  ©taat 
bie  33efe|ung  ber  ^ßrofeffuren  bon  bornfyerein  in  feiner  §anb,  unb  wenn  anberWärtS  unb 
hx§  in  bie  neuefie  $eit  fynzw  bon  ben  gafultäten  SSorfc^läge  entgegengenommen  Werben, 
fo  gefdjiefyt  e§  au§  3toe^mö|tg!eit§grünben,  Weil  fonft  „vix  constare  poterit  Patrono 
de  eruditione  et  qualitatibus  personarum,  quibus  professio  deferatur  (Carpzov, 

30  Jurisprud.  eccles.  II,  tit.  XXV). 

Um  bie  Söenbe  be§  18.  $al)ri)unbert§  ftanb  e§  fo,  ba|3  bie  beutfeben  Uniberfitäten 
ficb  au§  bem  guftanbe  ber  Serfumpfung  unb  Seract/tung,  bem  fie  erlegen  Waren,  b,erau§= 
gearbeitet  Ratten  unb  bie  geiftige  güfyrung  ber  Nation  antraten.  Qu  beaebten  ift  jeboeb, 
bafc  fie  Wäfyrenb  be§   18.  IJafyrlmnbertö   immer  nocb,    ofme    eigentliche    eigene  $mttattoe 

35  lebiglid)  ©efäfje  ber  neuen  ©eifte^ftrömung  Waren. 

^n  ben  Weftlidjjen  Sänbern  blatte  bie  neuere  $IjnlofobI)ie  unb  Slufflärung  leinen  @in= 
flu|  auf  bie  Uniberfitäten  gewonnen.  5Die  tfjeologifcfjen  ga!ultäten  §ranfreicb§  Waren  burd) 
bie  Xribentinifcb,en  ©eminarc  lahmgelegt  Worben,  bie  2lrtiftenfa!ultäten  aber,  auo  bem 
ßufammenb^ang  mit  ber  Sinologie  gelöft,  ju  Colleges  geworben  im  ©inne  unferer  ©^m= 

40  nafien,  fo  baf$  bon  ber  Uniberfität  eigentlich  nur  noeb,  jurifttfcfie  unb  mebijinifcfye  gacb,= 
faulen  übrig  Waren.  ®ie  ^ebolution  boUjog  bann  bie  2luflöfung  noeb,  formell  bureb, 
2lufl)ebung  aller  Uniberfitäten.  Qm  fonferbatiben  ©nglanb  blieben  bie  alten  gut  fwv 
bierten  §ocb,fcb,ulen  bei  if)rer  mittelalter lieben  College-Serfaffung,  unb  b^ier  Wie  in  %xanh 
reieb,  befanben  ficb  bie  füfyrenben  ©eifter,  bie  ben  gortfctmtt  ber  Söiffenfcb^aften  herbeiführten, 

45  aufjerfyalb  ber  Uniberfitäten. 

^m  Dften  bon  ©eutfcfylanb  Ijerrfcb,  te  noeb,  tiefet  ©unfel  tro^  ?peter  bem  ©ro|en  unb 
feinen  energifcfyen  9tacb,foIgerinnen.  2lHcrbing§  War  febon  1755  in  5Woö!au  bie  erfte 
rujfifcfye  Uniberfität  begrünbet  Worben,  aber  ©orbat  fjatte  ein  gan^eä  3a^un^ert  Vm* 
burd?  geruht  unb  erb/ob  ficb  erft  Wieber  ju  Slnfang  beg  19.  Qab,r|unbert§. 

50  $n  2lmerila  entftanben  feit  ber  Stftitte  bei  3°^""^^^  ^h  College-Uniberfitäten 
in  ^ßrtneeton  1746,  ^ßb,  tlabelbb,ia  1749  (auf  Anregung  §B.  granflini),  bie  6o= 
lumbia=Uniberfität  in  9JeW  5)or!  1754  unb  bie  ©taatsBuntberfität  gu  Sllbanb,  5R.  3). 
1784,  beren  Drganifation  ficb,  sJJaboleon  I.  jum  SSorbilb  ber  Universite  de  France  ge= 
nommen  b,aben  foll. 

55  ©a§  19.  ^ab,rb,unbert  leitete  ficb,  ein  mit  ben  golgeWirlungen  ber  franjbfifcfyen  3fiebo= 
lution.  ©ebon  b,atte  bie  Uniberfität  Strasburg  Wie  bie  übrigen  fran§ö[ifdjen  §ocb,fd;ulen 
ib,r  @nbe  gefunben,  bie  franjöfifdje  Siöafion  ferner  Syrier,  9J(ainj,  Sonn  unb  üöln  auf= 
gelöft.  Stuttgart  War  1791  ju  ©unften  Tübingens  Wieber  eingebogen  Worben.  25er 
Steige  nacb,  berfd)Wanben  fobann,  g.  %.  infolge  ber  ©äfularifation,  bie  Uniberfitäten  gulba 

eo  1802,  Bamberg  1803,  ©uieburg  1806,  2lltborf  unb  ©Illingen  1809,  ©algburg,  Rinteln  unb 


Umberfttätcu  279 

pclmftcbt  1810,  ßrfurt  181(5,  fünfter  unb  ^aberborn  1818.  granffurt  unb  bitten» 
berg  mürben,  jeneg  1811  mit  Sreölau,  biefeS  1815  mit  §alle  bereinigt,  ^ngolftabt  mar 
fcfyon  1800  unter  bert  SEBirfungen  ber  Slufflärung  nacb,  2anbSl)ut  beilegt  iborben  unb  tarn 
1826  in  bie  batyerifdje  $aubtftabt. 

hingegen  entftanben  in  ^ßreufjen  bie  neuen  Uniberfitäten  p  Berlin  1809/10  unb  5 
Sonn  1818.    33onn  ioie  SreSlau   geigen  ben  ©egenfa|  beS  $e$t  jum  @inft  befonberS 
beutlid^  in  bem  frieblicben  9?ebeneinanber  jroeier  berfef/ieben  fonfefftoneHer  t^eologtfd^er  gaful= 
täten.    Slucb,  Tübingen  erhielt  1817  eine  fatboI.=tr)eologifcl)e  galultät  p  fetner  broteftan« 
tifa)en.    Statt   ber  aufgehobenen  bifcb/öflidjien  Uniberfität   in  SRünfter    fcfmf   ber   breufj. 
6taat  jur  SluSbilbung  be§  rl;dnifd)=tueftfälifcr)en  tatr)oltfcr)en  Klerus  eine  tr)eologifcr/=bbilo=  u> 
fopbtfd;c  ülfabemie,  bie  neuerbingS  burd)  §tnjufügung  einer  jurtftifcfyen  gafultät  jum  ^ange 
einer  Uniberfität  erhoben  mürbe.  (Sine  älmlicbe  2lnftalt  mie  in  fünfter  errichtete  ber  ©taat 
gleichzeitig  in  SraunSberg  für  bie  ermlänbifd)e  ©etftlicfyfett  an  ©teHe  be§  bergangenen 
Collegium    Hosianum.    9?eu    entftanb   als  ©rünbung    beS  neuen  ©eutfe^en   3leicbeS 
1872  bte  Uniberfität  Strasburg,   bie  feit  turpem,  mie  SreSlau,  Sonn  unb  Tübingen,  15 
2  u)eologifd;e  gahtltäten  befi|t. 

$n  Defterreicb,  mürben  einige  unter  ben  Igofebfyvmfc^en  Reformen  in  St^een  berroan= 
belte  Uniberfitäten,  tüte  ©ra^  unb  $nnSbrucf  mieberbergefteßt.  ©ine  Sfteugrünbung  erfolgte 
1S75  in  (Sjernomitj,  mäfyrenb  bie  ^rager  Uniberfität  1882  in   eine  beutfcr)e  unb  eine 
cjecfttfcfye   gefbalten  rourbe.    Ungarn    erhielt    1872   in  ^laufenburg    feine  2.  2anbeS=  20 
uniberfität. 

$n  ber  ©djmeij  b/atte  bte  Uniberfität  Safel  buret)  mect/felbolle  Reiten  ibr  ®afein  be= 
Raubtet.    Qfn-  traten  als  beutfebe  ©djmeftern  feit  1832  unb  1834  an  bie  ©eite  bie  alten 
l)oF>en  ©dnden  bon  ,3 und;  u"^1  Sern,   mäb/renb   in  ber  fran^öfifef/en  ©cb,h)eij  bie  cal= 
biniftifdjen  2tfabemien  bon  ©enf  unb  Saufanne  1873   Begto.  1891   ju  Uniberfitäten  20 
auSgeftaltet  mürben. 

!gn  grantreieb  fyatU  SJaboleon  I.  ba§  gefamte  UnterrtcfytStoefen  ju  einem  großen  Dx- 
ganiSmuS  ber  Universite  de  France  jufammengefafst,  in  meinem  bie  einzelnen  juriftifcb,  en 
unb  mebiäinifcfyen  gacbjdmlen  aufgehoben  maren.  ®ie  brüte  9tebublif  b,at  feit  1896  bie 
2Bieberb,erfteHung  ber  einzelnen  Uniberfitäten  naefe,  beutfeb, em  SSorbilb  betrieben.  (©taatS=  an 
uniberfitäten  in:  2ltj,  Sefangon,  Sorbeaur,,  Säen,  6lermont=gerranb,  Dtjon,  ©renoble, 
Stile,  £r/on,  SJcarfeiße,  9JiontbelIier,  -Jknct),  ^ßari§,  9ßottterS,  9tenneS,  Souloufe.). 

^n  ©nglanb  iburbe  1832  bie  Durham  University  gegrünbet,  ferner  1836  bie 
University  of  London,  junäcbft  als  ^>rüfungS=  Uniberfität,  im  ^ab,re  1903  reorganifiert 
übt  fie  je|t  aud)  eine  £e|rtbätig!eit  auS,  toie  fett  1893  bte  University  of  Wales.  35 

Spanien  befitjt  folgenbe  Uniberfitäten,  bie  äße  auf  ein  mebrfyunbertjäbrigeS  gnter 
jurüdbliden:  Barcelona,  ©ranaba,  9J?abrib,  Dbiebo,  ©alamanca,  Santiago,  ©ebißa,  2Sa= 
lencia,  SßaHabolib,  ßaxaQOba. 

Italien  t)at  teils  ftaatlidje,  teils  fog.  freie  Uniberfitäten  in:  ^Bologna,  ßagliari,  ßa= 
merino,  (Satania,  gerrara,  (Sxtnua,  sIRacerata,  3Reffina,  StRobena,  3Reabel,  $abua,  Palermo,  40 
^arrna,  ^Sabta,  Perugia,  ^ßtfa,  9tom,  ©affari,  ©iena,  2iurin,  Urbino  —  offenbar  mebr  al§ 
genug. 

3n  9Jorh)egen  entftanb  1811  bie  Uniberfität  üriftiania;  in  ^Belgien  ©anb 
1816,  Sütticb,  1817  unb  1834  bie  freie  Uniberfität  in  Srüffel;  in  §oßanb  1870  bie 
ftäbttfdt)e  §Ddt)fdt)uIe  bon  2lmfterbam.  45 

%m  übrigen  berbreiteten  fieb  roäl>renb  beS  19.,  beS  roiffenfcb/aftlicb,en  ^a^rbunbertS 
bie  Uniberfitäten  über  bie  ganje  2öelt.  ^n  Stu^lanb  rourben  errichtet  @ba^otr>,  ^afan, 
©arfdjau,  Petersburg,  Äieto,  Dbeffa,  XomSl;  auf  ber  Saüanbalbinfel  1837 
2Uben  unb  in  ber  jtoeiten  §älfte  beS  ^ab,rbunberts  ^aff^,  Sufareft,  Seigrab, 
Sofia.   Slud)  bie  Surfet  befi^t  feit  1900  in  Äonftantinobel  eine  2lrt  bon  Uniberfität.     50 

Snbien  ert)telt  §od)fct)ulen  gu  Sombab.  unb  3)tabraS  (1857)  unb  Sabore  (1882). 
Stuf  ben  ^üibtoinen  rourbe  bie  fdjon  feit  ^af)rbunberten  beftebenbe  ®omini!lanerfct)ule  in 
l'cantla  1857  Uniberfität.  ^aban  i)at  feit  1868  eine  Uniberfität  in  £ofio  unb  feit 
l«!iö  eine  groeite  in  Wtjöto,  3luftralien  feit  1850  in  ©r;bnet>,  feit  1853  in  WieU 
oourne.  55 

^n  3iorbamerifa  entftanben  gal)Iretd^e  neue  Uniberfitäten,  bie  aber  nid)t  aKe  ben 
tarnen  berbienen.  ^u  ertoäbnen  finb:  bie  2lnn  2lrbor  U.  in  aJiidjtgan,  bie  Uniberfitäten 
öon  ^ofton  unb  ©bicago,  bie  ^obnS  §ob!inS  U-  in  Baltimore,  bie  33erfelet;=  unb  bie 
-danb  Stanforb  U.  in  California,  bie  6ornell=U.  in  ^tfyafa;  bap  in  Sanaba  bie  Uni= 
öerfitäten  Montreal  unb  Toronto.  60 


280  Itntöerfttätctt 

%n  ©übamerifa  entwidelte  fid)  feit  1849  in  2)contebibeo  eine  Untt>er[ität,  2lrgen= 
tinien  l>at  eine  in  33uenoS  SlireS. 

gür  Stfrifa  ift  ju  erWäfmen  außer  ber  franäöftfdjen  2lfabemic  ju  Algier  (1879)  bie 
mufelmännifdje  §odjfdmIe  @l  9I^ar  in  Kairo  (©tatut  bon  1896)  unb  etwa  nocfe,  bie  1873 

5  gegrünbete  Ünitoerfität  in  Kabftabt,  an  ber  tnbe§  feine  SSorlefungen,  fonbern  Wie  in  ^nbien 
nur  Prüfungen  abgehalten  Werben. 

Ttan  Wirb  nidjt  fef)Igeb,en  in  ber  2tnnafyme,  baß  biefe  SluSftreuung  bon  Kulturzentren 
über  bie  gange  @rbe  bornefymlicf;  bem  Rufym  gu  berbanfen  tft,  ben  ftd)  bie  beulen 
llniberfitäten  im   19.  gafyrfyunbert   erworben   I)aben.    S)ie  3eit  beS   banaufifcfyen  $5rot= 

10  gelehrten,  ben  ©filier  nocb,  in  feiner  berühmten  Jenaer  2lntrittSrebe  fenngeidmete,  War 
burt|  Kant  gu  @nbe  gegangen.  ®ie  Kantfdje  ^tlofotofyte  braute  bie  SlufflärungSberiobe 
jum  toiffenfdjaftlidjen  2lbfd)luß,  unb  fein  „Sapere  aude!"  Würbe  gum  Seitmotib  ber 
Wiffenfdjaftlidjen  Arbeit,  Wie  fie  fid)  bon  nun  an  in  ben  llniberfitäten  fongentrierte.  ®er 
berliner  Uniberfttät  Würbe  bie  ^aI)rI)eitSforfcf)ung  als  belebenbeS  unb  tretbenbeS  ©lement 

15  in  bie  Söiege  gelegt,  unb  fie  trug  borgüglicfo,  bei  gu  bem  großartigen  Sluffdjtoung  ber 
©eifteSWiffenfdjiaften,  ber  b^ftorifcr;=fritifa)en  33eb,anblung  ber  Geologie  unb  3«^i§brubenj 
in  ber  erften  §älfte  beS  ^ar;rr;unbert§.  2Me  jroeite  §älfte  gehört  meb,r  ber  naturtoiffen= 
fd)aftlicl>en  gorfd)ung  an:  WaS  fie  geleiftet,  liegt  bor  unfern  2Iugen.  tiefer  rege  ©ifer 
f>at  gu  einer  ©begialifierung  ber  3BiffenSgebiete,  gu  einer  ©etailfrämerei  geführt,  ob  beren 

20  bem  ©tngelnen  ber  gufammenljang  mit  bem©anjen  berloren  gefyt.  ©ie  r/iftorifd)e  gorfcfyung 
fcfylebbt  ein  ungeheures  Material  gufammen,  unb  jeber  Kärrner  füfylt  ficb,  als  ©elefyrter 
unb  im  £>ienfte  ber  „SBiffenfdjaft"  2öir  fielen  f<|on  bor  ber  $rage:  cui  bono?  unb 
man  erfennt  bie  RotWenbigfeit,  wie  bor  200  $afyren  Wieber  einmal  ^nbentur  gu  machen, 
ben  ©eWinn  ju  fixten  unb  fid)  ju  überlegen,  ob  eS  fo  weiter  gefeit  fann.  ' 

25  SDie  (Einheit  bon  $orfdjung  unb  Seigre  foH  ben  eigentümlichen  6b,arafter  ber 
beutfd)en  llniberfitäten  ausmachen,  unb  jtoar  fo,  baß  biefe  foWofyl  auS  jener  entfbringt, 
al§  auet;  ju  ib,r  r/infüfyrt.  ©teb, t  aber  bie  g-orfdjmng,  Wie  eS  betont  Wirb,  im  SSorbergrunb, 
fo  folgt,  baß  baS  2ßaS  unb  2Bie  ber  £el)re  bem  forfd;enben  Sefjrer  ju  überlaffen  fei,  baß 
alfo  mit  bem  ^ßrinjib  ber  freien  Söiffenfc^aft  —  unb  eine  anbere  giebt  eS  nia)t  —  aud) 

30  bie  £eb,rfreib,eit  gegeben  ift.  SKan  lann  nun  aber  finben,  baß  bamit  bie  llniberfitäten 
einen  bobbelten  ßl)arafter  angenommen  fjaben,  ber  mit  fid?  felbft  uneinS  ift.  ©ie  finb 
bod;  aueb,  ftaatlid;e  llnterricbtSanftalten  jur  2tuSbiIbung  bon  Beamten  aller  2lrt,  befonberS 
im  $uf%  unb  „©djultoefen;  ban eben  galten  fie  in  tfyrer  gafultätSberfaffung  an  ber 
mittelalterlichen  Überlieferung  feft,  aud^  älrjte  unb  Kircb,  enbiener  au^ubilben,  obwohl  einer= 

35  feitö  bie  SluMbung  ber  §eil!unbe  unb  jtoar  mit  9ied)t  ein  freies  ©eWerbe  ift,  ba  ber 
©taat  Weber  2Biffenfd)aft  nod;  Kunft,  alfo  aud)  feine  §ei!funft  batentieren  fann  unb  barf, 
anbererfeits  ber  Kirche  felbft  als  einem  auf  fid)  berultenben  SRec^tgtnftttute  außerhalb  beS 
fonfeffionSlofen  ©taateS  bie  §eranjieb,ung  beS  MleruS  ef)er  obliegen  möchte  als  bem  ©taate. 
Sßenn  man  nun  jugiebt,  baß  bie  Wiffenfdjaftlicfje  gorfeftung  jur  SluSbilbung  ber  „^afy 

40  leute",  Wie  eS  Triften,  2tr§te  unb  ©eiftltcfye  finb,  nur  in  fef)r  lofer  Sejie^ung  fteb,e, 
fo  madjt  man  jur  Rechtfertigung  ber  fcb,einbaren  Unftimmigfeit  geltenb,  baß  aud;  biefe 
■jßraftifer  eine  möglicb,ft  bertiefte  wiffertfcljaftlicfje  Silbung  b,aben  unb  toenigftenS  mit  ben 
Problemen  ber  äöiffenfd;aft  befannt  fein  müßten.  3lm  ift  aber  flar,  baß  bie  bloße  23e= 
fanntfdjaft  mit  ben  Problemen   feine  Sefriebigung  gewährt,   bielmeb^r  Überbruß  erzeugt 

15  unb  bem@erebe  bom  Sanferott  ber  9Biffenfdjaft  Rab,rung  giebt;  befriebigenb  ift  für$raf= 
tifer  nur  ber  georbnete  SBeft%  eines  fixeren  SBiffenS.  SlutoritätSlofe  SBiffenfdjaft  ift  nichts 
fertiges,  2Biffenfct;aft  fann  man  nic^t  lernen,  nur  bie  SUcetfjobe,  wiffenfdjaftltcr)  p 
forfcf)en,  fann  gelehrt  Werben,  ©aran  ift  aber  ben  s^raftifern  nic^t  gelegen,  ©ie  ^urifttf 
ift  Wefentlidj  Sßraftif   unb   fo    lange  feine  Sffiiffenfdwft,   als   ber  ©taat   um  feines  $e= 

5oftef;enS  WiKen  eine  bofitibe  Red)tS=  unb  Staatslehre  borfdjreibt.  ®ie  §etl  fünft,  auf  "bie 
eS  bodj  Wob,I  anfommt,  ift  ebenfalls  reine  ^3raftif;  foWeit  aber  bie  SJlebtgin  2Biffen= 
fcf;aft  ift,  gehört  fie  feit  ^ofyanneS  Füller,  bem  5ßb,t)fifer  unb  ^fybjiologen,  gang  unb 
gar  jUr  RaturWiffenfcbaft.  2öaS  aber  bie  Geologie  für  eine  SBiffenfcbaft  fei,  ift  b,eut= 
jutage  noef)  ftrittig.    S)e  Sagarbe  erflärt  fie  für  eine  Inftorifcfje  $DiSjiblin,  für   ein  Söiffen 

55  um  bie  Religion  übertäubt,  nicf)t  ein  aisiffen  um  ben  ^3roteftantiSmuS  ober  Katbo= 
UciSmuS.  SDa^u  bebürfe  eS  aber  feiner  befonberen  tr;eologifcben  gafultäten.  21nbererfeit§ 
muffe  man  fid)  flar  barüber  fein,  baß,  Wenn  bie  2öiffenfc|aft  bie  ©runbanfdjauungen  ber 
d;riftlid)en  ^beologie  als  irrig  bejeidme,  jebe  Sefdjäftigung  mit  ber  2öiffenfd)aft  bie  cb,rift= 
lidje  Geologie  auflöfe.    ©oÖten  bemnad;  bie  ftaatlidjen  tbeologifd;en  gafultäten  nad;  Wie 

60  bor  bie  ©eiftlicfyen  auSbilben,   fo   fönne  baS  nur  gum  ©d)aben  ber  Kirche  gefd}el)en.    Qn 


Utttoerfttttten  281 

ber  %f}at   fyat  aucb   „bie  Unremltdbjett  ber  Überzeugungen  auf  brotcftantifd;cm  ©ebiete" 
Bereite  ju  euiem  Bebenlltd^en  ^eologenmangel  geführt. 

Bon  ber  Steformbebürftigfeit  unferer  Uniberfitäten  ift  fett  langem  bie  9?ebe;  ange= 
fochten  Wirb  namentlich  auify  bie  Sefyrtoeife,  bie  ifyr  ©d>WergeWtd)t  immer  noefy  in  ben 
großen  afroamatifden  Vorträgen  bat,  ba  an  ben  fog.  ©eminarübungen  unb  BracticiS  bodj  5 
nur  eine  fefyr  befcfyränfte  Qaty  bon  ©tubenten  teilnehmen  fann.  Darum  wirb,  Was  big^er  als 
ifyr  Bor&ug  galt,  bon  manchen  als  ib,r  ©runbfebjer  betrachtet,  bafs  fie  ein  ©emifd)  feien 
bon  2lfabemie,  Üniberfität  unb  §act)f$ule,  Woburcf?  fie  ju  jenen  unförmlichen,  unüberftcb> 
liefen  ©ebilben  geworben,  bie  man  universitates  litterarum  nennt,  bie  an  grequenj 
ben  brimären,  aber  auf  fel)r  einfachen  ©tubienberfyältniffen  berubenben  ©eneralftubien  10 
nicbtS  nachgeben,  aud;  wie  biefe  Wieber  „Sebranftalten  für  alle"  f)etf$en  tonnen,  fid)  aber 
bon  ifynen  babureb  unterfebeiben,  baf?  fie  —  leinen  ßlmralter,  Weil  fein  (StfyoS,  fyaben. 
Sie  wollen  alles  fein,  unb  barum  ftebt  $u  befürchten,  bafs  fie  mole  ruunt  sua.  Die 
Reform  fönnte  in  ber  9iicb,tung  ber  Befdiränfung  liegen,  ftatt  in  ber  fortfd)reitenben  @r= 
Weiterung,  barin  bafj  alles  gacfyfdmlmäfjige  unb  Braftifcb^edmifde  auSgefcbjeben  Wirb  15 
unb  bajj  fie  oljme  galultätenfonberung  einfad}  UnterricfytSanftalten  für  ©eifteS=  unb  9latur= 
loiffenfdiaften  werben,  in  benen  —  mit  De  SagarbeS  Porten  —  baS  üffiiffen  um  baS 
Riffen,  b.  f).  bie  ßrgebniffe  ber  2Biffenfd)aft  benen  mitgeteilt  Werben,  bie  nacb.  folgern 
Riffen  berlangen. 

•öcit  ber  je^igen  $orm  ber  £efyrfreil)eit  fyängt  natürlich  bie  ber  Semfreifyeit  unb  bie  20 
ganje  fog.  afabemifd)e  greif) et t  ber  ©tubierenben  eng  jufammen. 

Der  ©d)olar  beS  Mittelalters  War  ©djüler;  ber  ©tubent  ift  ein  ©eWäd)S  ber  neuen 
3eit.  ©eit  ber  ©rünbung  ber  9Jcelancb,tb,onfc^en  unb  ber  $efuiten=©t)mnafien  Würbe  bie 
früber  laum  ficfytbare  ©renje  jWifd)en  ©djule  unb  Üniberfität  beutlicfyer:  ber  ©tubent 
unterfcfyieb  fieb.  bom  „Bennal",  er  Warb  fict)  feiner  beeren  Stürbe  fo  beWufst,  baf?  bie  25 
2lufnabjne  beS  jur  Üniberfität  gelangenben  ^ennälerl  (Bad)cmten  ober  geuj)  in  ben  bor= 
nehmen  ©tanb  ber  „Burfdjen"  eine  gülle  ber  gröbften  9Jüf$anblungen  feitenS  ber  ,,©d)o= 
riften"  mit  fid;  führte.  Der  BennaliSmuS,  ber  feit  beginn  beS  17  ^jab,  rfyunberts  auf  ben 
brotefiantifcfyen  §ocbfd)ulen  graffierte,  bilbet  Wobj  baS  bunlelfte  SBIatt  in  ber  ©efcbjcfyte  ber 
Uniberfitäten.  @r  Warb  1661  abgefcfyafft  burefy  Vereinbarung  jWtfcfyen  ben  einzelnen  Unt=  30 
berfüaten,  nacfybem  fd^on  ber  NegenSburger  NeidjStag  1654  bagegen  ©tellung  genommen. 
^jnbeS  bauerte  baS  treiben  unter  bem  tarnen  be§  Nationalismus  fort.  Die  ©tubenten, 
einer  offiziellen  Drganifation  im  Nahmen  ber  Üniberfität  ermangelnb,  bilbeten  IanbSmann= 
fdjaftlicfye  Berbänbe,  bie,  fofern  fie  lanbSmänmfcfyen  gufammenfcfylufj  unb  gegenfeitige  §ilfe= 
leiftung  bejWedten,  ib,re  Berechtigung  Ratten,  ja  1677  in  Königsberg  fogar  jWangSWeife  35 
eingerichtet  Würben;  inbeS  arteten  fie  unter  ber  nunmehr  9ttobe  Werbenben  Berufung  auf 
bie  „a!abemifcf)e  greib.eit"  au§  in  ©efeßfdwften,  beren  ^ßrinjib  ©aufen,  llnjud;t,  ©d)läge= 
reien  unb  3Serb,öb,nung  aller  guten  ©Uten  ju  fein  febjen.  ®er  fog.  „Komment"  Warb  ifyr 
©efe^bueb,,  ber  „b,onorige  Burfd)"  in  bfyantaftifdjem  Koftüm  mit  bem  SRaufbegen  an  ber 
Seite  terrorifierte  bie  3Jiufettftabt.  3U  ^nen  gefeilten  fict>  feit  ber  SDtitte  be§  18.  2>abr=  40 
^unbertS,  al§  mit  ber  Freimaurerei  bie  ©eb^eimbünbelei  übertäubt  in  2)eutfcf)lanb  einbog, 
bie  nidjt  biel  befferen  „©tubentenorben".  S)iefe  juditlofen  „Sanbämannfc^aften  (bie  mit 
ben  mittelalterlichen  Nationen  Weber  3ufammenb.ang  noc^  Sibnlicbjeit  f>aben)  übertrugen 
fieb  in§  19.  $al)rfmnbert.  gid)te  eiferte  gegen  fie  in  feiner  Berliner  NeltoratSrebe  „über 
bie  einzig  möglieb, e  Störung  ber  afab.  greib,eit"  %n  Berlin  entftanb  bab,er  auä)  bie  erfte  45 
föeaftion,  inbem  ^ier  ein  Kreis  bon  ©tubierenben  eine  neue  Berbinbung  unter  bem  Namen 
„Öurfcftenfc^aft"  einging.  Sie  ©egnerfcfyaft  gegen  baS  alte  Wüfte  treiben  organifierte  fieb 
nacfi  ben  greibeitSfriegen  in  ^ena  1815  gur  aügemeinen  beutfcb,en  Burfd^enfcbaft,  unb  jWar 
auf  bemofratifd>4onftitutioneIler  ©runblage,  Wä^renb  bie  SanbSmannfc^aften  im  ©egenfa^ 
baju  „ßorbS"  bilbeten  auf  monard>ifcb=abfoluter.  £)ie  Sßirfungen  ber  Karlsbaber  Be=  so 
fölüffe  berfd)ärften  biefen  bolitifcb,en  ©egenfa^,  ber  fiel)  bis  auf  bie  blutige  ßeit  übertragen 
bat.  ©eit  ben  40er  ^afyren  ^erfblitterte  fieb,  bie  beutfcfye  ©tubentenfdjaft  immer  mebr. 
hieben  Burfdjcnf haften  unb  „6orbS"  entftanb  eine  Unmenge  neuer  Berbinbungen,  mit 
„$rin3ibien"  unb  „Gouleuren",  beren  Bariierung  unb  Differenzierung  admäE)Itct)  fd)Wierig 
geworben,  einanber  befefybenb  ober  ignorierenb,  ribalifierenb  in  NidE)tigfeUen  unb  äufeerem  55 
Schein,  aber  gelegentlicb  bodjenb  auf  bie  „afabemifdie  greil)eit",  bie  fie  als  Burfd;ent>err= 
üd)feit,  als  bie  Üngebunbenbeit  unb  ©elbftberrlid)!eit  beS  ftubentifdjen  2ebenS  bcrel)ren. 
5)aS  ßouleurftubententum  umfafjt  inbeS  boef)  blof;  bie  3Jcinberbeit  ber  ©tubierenben,  bie 
gwfee  gjiebr^abl  ftef)t  au^erbalb  ber  „Berbinbungen"  ©eit  jwei  ^a^rje^nten  geigt  fid) 
baber  baS  Beftreben,    an  ben   einzelnen  Uniberfitäten  ©tubentenauSfd;üffc   ju   bilben   jur  uo 


282  Uttibcrfttätctt  ltttfterblicljfett 

©efamtbertretung  ber  ftubentifdjen  ^rttereffert.  ©o  lange  freilieb,  bie  p arttf u lartfttf d^j ert 
Neigungen  ber  äierbinbungen,  bie  man  fd^ie4)terbing§  au<§  bem  llnibetfitätSralpen  ber= 
roeifen  unb  unter  baS  ^olijeigefeij  freuen  foltte,  borr/errfd)en  unb  bie  afabemifctjen  33e= 
fyörben  felbfi  ben  ftubentifcfjen  äBufs,  Äomment  unb  JbmmerS  goutteren,  t)at  eine  ernft= 
5 i)afte  Drganifation  ber  ©tubentenfct)aft  nur  geringe  2Iu§fid)ten. 

£>te  afabemtfdje  ©erid)tSbarJeit  ift  aufgehoben,  baS  Sanb  3itrifd)en  Uniberfität  unb 
©tubent  gtemlxd^  loder  geworben,  bie  freie  2ötffenfct;aft  unb  gorfcrmng  t)at  eS  nic^t  fefter 
getnübft.  ®er  ©tubent  befuctjt  nad)  belieben  bie  Vorträge  einzelner  2et)rer,  benen  er  ber= 
fortließ  fremb  bleibt,  er  befugt  fie  aud)  nid)t,  trenn  er  ftct)  nur  burd)  SorauSbeja^lung  beS 

10  §onorar§  auf  ber  feit  bem  brüten  ^a^rje^nt  beS  19.  ^afyrlmnbertS  gu  biefem  gmede  ein= 
gerichteten  UniberfitätSquäftur  bie  für  bie  Staatsprüfungen  erforberlid)e  Xeftierfäfügfeit 
berfd)afft  t)at.  @3  ift  bat)er  »of)I  fein  gmeifel,  bafj  unfere  mit  ^nftttuten  unb  ©amm= 
lungen  aller  2lrt  g.  %.  überreid)  auSgeftatteten  Uniberfitäten  gtoar  ausgezeichnete  2lnftalten 
für  bie  Wiffenfcfyafilicfye  §orfcb,ung  finb,  bafj  aber  ber  Unterrid)t3ertrag  an  aUgemein= 

15  toiffenfct)aftlid)er,  tüte  an  $aci)fct)ulbilbung  bei  ber  3ftel)rgabl  ber  ©tubierenben  nid)t  im 
rechten  23ert)ältntS  ftel)t  ju  bem  2htfmanbe  an  Mitteln.  ®arauf  müfjte  geachtet  werben, 
toenn  einmal  ber  Einfang  gefd^efjen  foltte  gu  llniberfttätSreformen.  @.  £orn. 

Uttmnljeit  f.  b.  21.  Reinigungen  33b  XVI  ©.  564,42. 

Httfdjulbtge  Sttnber,  $eft  berfelben.  —  9lugufti,  Senfitnirbigfeiten  I,  @.  304 ff.;  ugl. 

20  aucE)  ©ueranger,  L'anne  liturgique,  I6,  1880,  &.  366  ff. 

®as>  g-eft  ber  Unfd)ulbigen  ^inber  (Festum  Innocentum;  aud)  Natale  Infantum, 
Necatio  Infantum,  fj/uega  rcöv  aylcov  iö'  %diad<x>v  vi]7i(cov)  feiert  bie  grted^ifd^e  unb 
bie  röm.  $ird)e  jum  Stnbenfen  an  bie  £bfer  bes  33eit)let)emttifcf)en  ^inbermorbS.  ®ie= 
felben  mürben   fefyr  früb, jettig  aU  d)riftlid)e  ?Cßärtr/rer  betrachtet;    fo   fd)on   bei  ^renäuS, 

■2b  Adv.  omn.  haer.  III,  16,  -1,  Tert.  adv.  Valent.  2  unb  ß^rian,  Ep.  58,  6  unb 
bielen  ©bä'teren.  Söann  bie  geier  it)rcS  ©ebenftagS  üblicfy  würbe,  läfjt  ftd)  nur  an= 
nät)ernb  beftimmen.  ®ie  röm.  Depositio  martyrum  bon  354  f>at  ben  ^ag  nod)  nid)t 
(f.  SftommfenS  2tu§gabe  in  ben  21©©  I,  ©.  631).  3m  5-  3a^unoert  gebaute  man 
ber  unfdjmlbtgen  Äinber  lebiglid)   bei   ber  Sefbredmng   ber  Anbetung    ber  Magier   am 

30  @bibr)anienfefte  (f.  ^ßrubent.  Cath.  XII  de  Epiph. ;  2luguftin  Serm.  199,  373  unb 
375  in  Epiph.;  £eo  M.  Serm.  31,  32,  33,  35,  38  in  Epiph.;  gulgentiuS  9lu3b. 
Homil.  de  Epiph.  deque  Innocentum  nece  etc.).  ^Dagegen  t)at  baS  Äalenbarium 
bon  ®aru)ago,  baS  sDcabiHon  aus  einer  §anbfd)rift  beS  7.  ^afyrfmnbertS  herausgegeben 
t)at  (Vet.  Anal.  1723  ©.  167),   beim   28.  SDejember  ben  ©intrag:    s.  infantum  quos 

35  Herodes  occidit.  liefen  'üEag  t)at  bie  römifctje  $ird)e  fcftger/alten,  wogegen  bie  gried)ifd)e 
$ird)e  ben  29.  ®ejember  feiert,  ©eit  bem  SBeginn  beS  9Jc2l.  gehört  baS  geft  ju  ben 
attgemein  gefeierten  §aubtfeften,  f.  Caroli  Cap.  81,  19  bon  810—813,  ©.  179.  @3 
erhielt  im  Verlauf  eine  Dftabe;  über  @igentümlic^)Ieiten  beS  9UtualS  f.  Microlog.  36, 
MSL  151,  ©.  1005.  (3ötf(er  f)  ^o«*- 

40  Unfter&Hcf)i'ett.    —    I.  teuere  SBerfe   ^ur  Dvientierung:    1.  SSoIfg.  TOenjel,    ®ie  bor= 

d)viftlid)e  Unfterbtid)feit§le6re,  2  S3be,  1870  (A.  ®te  Si)m6oüt  be§  teonnenia^rä  al§  Unter= 
läge  ber  Jjeibnifctjen  Unfterb(icI)Feit§Iefiren,  B.  ®ie  orientaItfd)e,  altgriediifdie,  altbeutfdie  Un= 
fterblid)f"ett§let)re).  2.  gbm.  Spiefj,  Enttütdetung§gefd)id)te  ber  SSorfteKimgen  üom  3uftai1&e 
nad)  bem  Stöbe  auf  ©runb  nergieidjenbev  3?eItgion§forfc^ung,  1877  (juerft   ©ad}orbttimg:  3?ur= 

15  fteüungen  über  SBefen,  Urfprung,  33eftimmung,  ©d^icffnt  ber  ©ee(e;  SEob,  SBeftattung,  ©rnber= 
fljmbolif;  ttjeoret.  ©runbe  bei  Unfterbücbfett§gIaubenS.  ©obann  bie  etnjelnen  SSölfevgruppen : 
Siaturbölter,  9(egt)).iter,  CSbtnefen,  Si^ier,  Werfer,  ©rtedtjen,  Körner,  Selten,  ©ermanen,  ©lauen, 
Silben,  g§Iam.  ®ie  diviftUd)e  Se^re  bient  als  SOlafjftob.  Sttteratur  reichhaltig  unb  überftdjtlid) 
georbnet,   aber    nidjt  gleicbmäfjig   üerarbettet).    3.  §erm.  @d)ul|,   ®ie    SSoranSfe^ungen   ber 

50  d)riftltd)en  Sefyre  oon  ber  llnfterblid)feit,  1861.  4.  ,£.  Sremer,  lieber  bem  3"ftanbe  nad)  bem 
Stöbe  (btbüfcb=tbe0tDgifd),  populär),  5.  Stuft.  1898.  5.  3.  28.  SRinf,  Som  3uftanbe  ber  Seele 
nad)  bem  Stöbe,  3.  Stuft.  1878  (barin  bie  SSriefe  SabaterS  an  bie  Saiferin  W.  geoborolnna,  au§ 
benen  bie  „SSriefe  au§  ber  §5tte"  (1884)  enttebnt  ju  fein  fd)einen).  6.  Seonb.  ©djneiber 
(tatbot.),    ®ie  Unfterblid)fettgibee    im  ©tauben    unb    in   ber  ^Ijilofopljte    ber  SSölter,  7.  Stuft. 

55  1883  (reid)e§  ^iftorifdjeS  unb  litterarifdjeS  9!JcateviaI,  beffen  Slnalüfe  unb  Verarbeitung  ?,toar 
ntd)t  burdiweg  auf  ber  §öbe  ber  g-orfdiung  ftebt,  aber  bodi  bie  §i(f§mtttet  ber  proteftantifdjen 
^bitofopbie  (nid)t  Stbeotogie)  u.  mand)e  ßrqebniffe  b.  $fi)d)o(ogie  gefd)ic!t  bermertet  (I.  Sßfvjdjol. 
SSorau§fe|ungen.  II.  %icbtd)riftt.  SSbtfer.  III.  dbriftt.  Se^re;' a)  bibt.  (Sädiatologie;  b)  djriftt. 
^rjilofo^tjie;  c)  neuere  ^5^iIofopEjen  u.  Ätafftfer  [non  fttopftod  bi§  Stiebge;  fernex-  ©t;afefpeare, 


UttfterMidjfeü  283 

fliilton,  finnig,  GalberonJ).  7.  3$om  ^^ilofov^ifcf)en  Stanb|Htnft:  3fcd)iter,  33üd)(em  tum 
bem  Seben  nad)  bein  Höbe,  1836,  2.  «uff.  1866;  8enb=91öefta,  1851.  g_  ^  jjid)te>  3bee  ber 
<|Seiii.inlid)fett  unb  ber  inbitübuellen  gortbauer,  1855;  Steicbmüffer,  llnfterbtidjfeit  ber  (Seele, 
IST1.)  (im  9(nfdilufj  an  Seibnis  unb  £erbart) ;  28itmar§fjof,  2)a§  genfeitS,  ein  »iffenfd)aftltd)er 
Serfud)  jur  Söfung  ber  Unft.frage,  1863—66;  (£\  ^aiülle,  La  vie  eternelle,  4.  ?(uf(.  1884.  5 
SeadjtenSmert :  <Sd)obenfiauer,  SSelt  al§  3BiHe  unb  SSorft.  II,  4,  cp.  41:  lieber  bie  llnjerftör= 
borfeit  unfereS  Sßefenö  an  fid) ;  bgl.  nudj  SJJarevga  I,  137.  —  ©ine  fjiftorifdi=fntifd)e  SDar= 
fteflung  ber  pljilofobtjtfdjen  llnfterblid)feitäberoeife  mit  CUteHenbelegen  gießt  5).  %x.  ©traufe, 
©faubenSlefjre,  1840,  II,  106—110.  8.  2Bid)tige  l)tftorifd)e  (ginjelbarfteüungen :  ©rroin  föotjbe, 
<Ufl)d)e,  8eelenhilt  unb  Unfterblid)feit3g(aube  bei  ben  ©riedjen,  2.  9(uf(.  1898 ;  ©cfjrantü),  Sns  10 
Seben  nad)  beut  £obe  nad)  ben  SSorfteüimgen  be§  alten  3§rael  unb  beä  gubentumg,  181)2; 
Jrei),  2ob,  ©eelengtaube  unb  ©eelenfult  im  alten  görael,  1898  ;  SBiebemann,  Sie  Soten  unb 
ifjre  9Jeicl)e  im  ©1.  ber  alten  ?(egl)bter  (Ser  alte  Orient,  II,  1).  —  ©nblid)  9.  Ueberfid)t  über 
bie  ältere  Sitteratur  unb  ©efdndjte  ber  Sefjre:  flügge,  ©efd).  b.  fielen  Dorn  3ufta«be  ber 
SRenfdjen  nad)  bem  33obe,  1799—1800.  15 

II.  £ie  Sefyre  bes  %%§.  £)er  guftanb  rtad^  bem  Tobe  Wirb  ^ßf  88,  11—13 
(„2Birft  $u  an  Toten  Söunber  üben?  ©rftefyen  ©Ratten,  $)id)  gu  greifen?"),  $f  19, 
15—20,  im  £>tobbud)e,  als  broblematifd),  Wo  nid)t  als  Negation  bes  Seben§,  gefdnlbert. 
£er  S^bismus  far,b  im  a^im  35rael  bi£  Sorftellung  bon  einem  ©d)atienretd)  (©d)eoI) 
als  ßlement  bes  aHgemein=femitifd)en  2H)nenfuIts  unb  ©eelenglaubens  bor  (bgl.  ©rün=  20 
eifen,  ©er  Slfynenlultus  unb  bie  Ürreligton  QsraebS,  1900;  ^obertfon  ©mitt),  2)te  9Wi= 
gion  ber  ©emiten,  1899).  Stber  Weber  in  bie  Sßerfyeiftungen,  beren  ftd)  bie  $atriard)en 
getröften  burften,  nod)  in  bie  ÜDtotibierung  ber  mofaifd)en  ©efet$esborfd)riften  fließen  un= 
mif3berftänblid)e  2tnbeutungen  einer  mbibibueKen  gortbauer  ein.  2lud)  @lia<§  giebt  fid) 
mit  bem  ©dricffal  be§  allgemeinen  Tobes  ber  Qnbibibuen  gufrieben  (1  %  18,4;  bgl.  mit  25 
©en  25,  8).  3)ie  @rgäi)lung  bon  feinem  (Sntrücftroerben  ift  unbeftimmt  Wie  bie  2lnbeutung 
bom  Sebenöenbe  beö  £jenoc£)  unb  bie  ©age  bom  §eimgang  be3  SRofe.  SSeretngelt  i(t  bie 
5bce  bes  9SerIufte§  urfbrünglid)er  Unfterblid)feit  infolge  ber  ©ünbe  (®en  2,  17;  3,  22; 
6,  3;  2Bei  1,  13;  2,  24).  ©onftige  Slnllänge  an  bofitiben  Unfterblid)leit§glauben  tragen, 
jumal  bi§  pm  @nbe  be§  @pte,  ben  ©tembel  bid)terifcber  ober  rebnertfd)er  3lu§brud§=  30 
toetfe.  „®ie  (Errettung  aus>  ber  ©d^eol"  ober  „bor  bem'Sobe"  ift  Seroa^rung  borSobeg= 
gefab,r  («jjf  33,  19;  103,  4;  bgl.  73,  23 ff.;  ©br  10,  2.  17.  28);  ba§  „eitrige  Seben"  ift 
„Sänge  ber  (trbtfd&en)  2;age"  (^f  21,  7;  22,  27;  30,  4;  37,  28;  41,  13.  Sgl.  nocb,  SRe^ 
2,  3;  23ar  1,  11;  «ßf  72,  7;  91,  16;  21,  5).  freilief/  ben  frommen  errettet  ©Ott  bom 
$ad)en  ber  Unterwelt  in  ba§  Sanb  ber  Sebenbigen ;  bie  2Bege  be§  SebenS  fielen  it)m  35 
offen  unb  ing  Sebenäbucb,  ift  er  gejetd^net  ($fl6,  10;  27,13;  36, 9f.;  69,29; 
^on  2,  3.  7 ;  25a  12,  1).  2lber  ber  ©inn  folcfyer  Söenbungen  gleit  auf  bie  Sejielnmg 
bes  frommen  ju  ©Ott,  in  beffen  ©emeinfd)aft  er  Seben  unb  ©enüge  t)at,  bem  gegenüber 
nid)t  ^immel  unb  @rbe,  nic^t  2;ob  unb  2SergängIicb!eit  t£>n  belümmern  (5ßf  73, 23— 26); 
©ott  felbft  ift  „ba§  Seben"  be§  frommen  (®t  30,  20).  ©ofern  nun  ber  £ob  nid)t  blofj  40 
bas  natürliche  Seben^enbe,  fonbern  jugleict)  ©träfe  für  bie  ©ünbe  ift  (®en  3 ;  $jßf  90), 
fo  berbanben  fid)  nad)  unb  nad)  mit  jenen  burd)  ben  allgemeinen  ©eifterglauben  unter= 
ftü^ten  2In!Iängen  beftimmtere  SSorfteltungen  bon  ber  2tufbebung  biefer  allgemeinen  ©träfe, 
b.  §.  bon  einer  Überminbung  be3  ^obe§  im  ©inne  einer  2tuferftefmng.  ©d)on  früher 
^atte  fid)  au§  ben  Sorftellungen  bom  ^otenreid)  (©d)eol),  bem  „Unterften  ber  @rbe",  45 
bom  „Sanbe  ber  ©taubberoobner",  bom  „33erfammelttt>erben  Su  ben  35ätern"  —  ber©e= 
banfe  einer  felbftftänbigen  jenfeitigen  ©Etfteng  (etroa  im  ©inne  ber  b,omerifd)en  §abeä= 
fd)atten)  b,erau§gebilbet.  ®a§  geigt  bie  ©rjä|lung  bon  ber  ©amuelerfd)einung  (I,  28), 
fotoie  bas  Söort  ^alob§  ©en  37,  35.  31ud}  an  biefer  £)offnungglofen  ©tätte  ber  5Kega= 
tion  atte§  Seben?  ift  ©ott  attgegenlüärtig  mirlfam  <$f  139,  8),  aber  2Bunber  ir-irft  er  so 
nid)t  mel)r  (88,  11.  13).  $Dte  bort  t)errfcf)enben  Söegieb,ungen  ber  3JJenfd)en  untereinanber 
bleiben  unbeftimmt.  ®ie  9tang=  unb  2öertunterfd)iebe  quie^cieren  (§i  3),  fie  alle  finb 
-"nt~  („©d)laffe",  b.  i.  Iraftlofe  ©d)attenbilber) ;  aber  aud)  bort  werben  bie  l'cute  bon 
Sang  erfennbar  fein,  bie  Könige  auf  fronen  fi^en  (^ef  14,  4 ff.).  Sftan  fann,  auf 
©runb  fo!d)er  2lnbeutungen,  bas  altt.  Sotenreid)  foiwor/I  al§  ein  fortleben,  Wie  als1  ein  55 
3Jid)tfein  bejeiebnen:  aber  gegen  beibeSegriffsformeln  bleibt  neutral  bas1 33unbe§berb,  ältnts" 
SU  ©ott.  ©erabe  bie  entfd}tebene  grömmiglett  rechnet  öftere  mit  bem  Tobe  als  einem 
Uebergang  in  bas  Wd&tfein  (^f73;  102,  25 ff.;  .017,8—10;  11,7—12;  16,22).  Sa= 
neben  Wäre  es  naturgemäß,  Wenn  fid)  aud)  bie  Hoffnung  auf  eine  neue,  boUJommencre 
@pftengform  jenfeits  bes  ©rabes,  gu  Weld)er  bie  biesfeitige  fid;  als  s^orftufe  ober  Prüfung  uo 
berbält,  frübjcitig  ausgebilbet  f)ätte.     2lber  fbärlid)  unb   unbeftimmt   finb   bie  3ufunfts= 


284  Itnfterbltc^ett 

gebauten,  Weld)e  in  ber  bormaffabäifcfyen  gett  bon  foId;er  §eilSb,offnung  moiriert  Würben. 
©ie  §aubtftelle  £>i  19,  25ff.  gef)t  nacb,  (Iwalb,  ©tttmann,  £>.  ©d)ul|  auf  bie  boftljatme 
(Ehrenrettung  §iobS  burd)  ©otteS  ©ad)Waltung.  SBtelletd^t  liegt  eine  ^ejrtberberbnis  bor. 
©ic  ©teile  lautet:  „SRein  ©rlöfer  lebt  unb  ber  nacb,  mir  nod)  fein  Wirb,  wirb  auftreten 
5  über  meinem  ©rabeSfiaub.  Unb  nact)bem  meine  §aut,  biefe  ba !  bafrin  ift  unb  id)  meines 
gleifd)eS  bar  bin,  werbe  id)  (Sott  flauen  (ober  „fcfyaue  icb/'  ~\X\^)'-  ben  id)  flauen 
werbe  mir  jum  §eit  unb  meine  2tugen  fel)en  werben  unb  nid)t  eines  gremben  (£afjm 
unb  ©dimltj:  „ntc^t  mefyr  als  f einbüßen") ;  fdwn  ber^ebren  fic^>  [aus  ©el)nfuct)t  banad)] 
meine  Vieren  in  meinem  Sufen"     ©er  Wortlaut  läfü  beibe  ©eutungen  ju:   ©Ott  Wirb 

10  bem  £oten  nact/träglicb,  3fted)t  berfcb/affen  (§.  ©cfmltj)  unb:  ©Ott  wirb  itm  im  ^enfeits 
entfdjäbigen  (©itlmann).  @ine  brüte  Sluffaffung:  „id;  felbft  Werbe  eS  nod)  Inenieben 
fTar  burd)fd)auen,  bafj  unb  Wie  ©ott  nad)  meinem  %obe  als  mein  SCnWalt  auftreten 
Wirb",  fyabe  icb,  in  „$fr;d)oIogie  beS  Unfterblid)teitSgtaubenS"  (©tub.  5.  bergt.  3ftetigionS= 
Wiffenfd).  II,  1894,   ©.  199—203)    eEegettfd)  begrünbet  (bgl.  ^attenbufcf,,  %f)2$  1894, 

15 12).  ©aneben  eine  bierte,  bem  Segriff  beS  „©ottfdSauenS"  entfbrect/enb :  troij  ber  fd)einbar 
fixeren  9cat)e  beS  ^TobeS  Wirb  tl)m  ©ott  bocfr,  noct)  einmal  „fein  3lntti|  geigen"  (Sf  30, 
4—10),  itm  nod)  einmal  auS  ber  SEobeSgefafyr  retten.  —  Sei  ber  allmählichen  2luSbil= 
bung  beftimmterer  $enfeitSl)offnungen  tiat  bie  brobl)etifd)e  SluSbrucfSWeife  unb  bie  Über= 
tragung  beS  $beal§  nationaler  Sßiebergeburt  auf  bie  inbibibueUe  (Erneuerung  einen  Slnteil, 

20  ber  teils  mit  ber  @tr/tfierung  beS  ^erfönlicfyfeitSbertmltniffeS  ju  ©ott  (2>er  31)  jufammen= 
bangt,  teils  fbracfylicf)  bebingt  ift.  2luSfbrüd)e  Wie§of  13,  14;  Qef  25,  8;  26,  19,  boetifdje 
SBenbungen  Wie  1  ©a  2,  6  unb  ©leidmiffe  Wie  baS  bon  bem  oben  Xotenfetbe,  Welches 
burd)  ben  belebenben  §aucf)  ©otteS  ju  neuem  ©afein  gerufen  Würbe  (@j  37)  —  führten 
ju  ber  beftimmten  2et)re  bon  einer  „2luferfiel)ung  bieler  (©a  12,  2)  fei  eS,  baf?  mit  biefen 

25  „Steten"  eine  SluSWaf)!  ber  ©erect)ten  ober  eine  tntenfibe  Sejeictmung  ber  ©efamtfyeit 
(Wie  Sftö  5,  15  im  Sergleid)  ju  S.  12)  gemeint  fei.  hierbei  ift  nidjt  bie  fbäiere  rabbi= 
nifd)e  Segrünbung  ber  llnfterbticfyfeit  als  SRafjfiab  anzulegen,  ba  biefe  in  2lnatogiefcfyIüffen 
unb  gewagter  SUlegorefe  auf  anbere  ©teilen  jurücfjugreifen  bflegte,  3.  S.  auf  35t  22,  7 ; 
33,  6,  —  freilid)  aud)  auf  @r.  3,  6  (bgl.  28ünfcf/e,  ©"ie  Sorftellungen  bom  ßuftanbe  nad) 

30  bem  ^obe  nad)  2lbofri?bf>en,  Salmub  unb  $irct/enbätern,  ^brSt)  1880,  ©.  366).  Siel= 
mel)r  fe|en  bie  allegorifdjen  ©eutefünfte  fcfyon  auf  anberem  2öege  eingebürgerte  Sorftellungen 
boraus.  ©ie  2lbleb,nung  ber  Sluferfteb.ungSl^offnung  im  ^ob,eletl)  ift  lein  SeWeiS  gegen 
eine  gleichzeitig  fjerrfcb.enbe  entgegengefe^te  Strömung,  greilid),  baS  ©ericbi,  an  Wela^cS 
^ob.eletb,  ben  ^ugenbmut  mab,nt  (11,  9f.  3,  22),  ift  lein  jenfeitigeS  (bgl.  inbeffen  S.$lei= 

35  nert,  2).  Srebiger  ©alomo,  Srogr.  1864,  ©.31  ff.);  ber  SebenSgeift,  Welcher,  im  ©egenfa^ 
^um  irbifd]en,  ber  @rbe  berfallenbcn  Scibe,  im  iobe  ©ott  ^urücfgegeben  Wirb,  ift  ber  baS 
Slfl  burd)Wa!tenbe  fd)öbferifcb,e  ©ottesobcm.  2{ber  fd)Werlid;  bed't  biefeS  Sud)  bie  geit= 
genöffifd)en  ©efamtanfci^auungen  eines  SolIeS,  in  Welchem  bie  Srobl)etie  unb  2tbo!aI^btif 
bon  §ofea  bis  ©aniel  baS  ^enfeitSibeal  entWicfelt  l)at.    3)tit   bem  SReffiaSbilbe   gewann 

40  aud)  bie  ^enfeitsfjoffnung  feftere  llmriffe ;  freilid)  nicf)t  olme  mfytfyologifcfye  Slnfä^e  ju  be= 
günftigen,j.  S.  bie  Ülaffifijierung  ber  ©ngel  (®a  10,  13;  12,  1  ff.  8,  16;  9,  21;  10, 
13.  21).  Über  ben  3ufmrimOTfycmg  biefer  'nad)ejilifcb,en  2(uferftel)ungSlel)re  mit  ber  alt= 
berfifcb,en  Religion  ift  baS  3)unfel  nod)  nid^t  böllig  gelichtet  (bgl.  Wlmftl  ©.  238—244; 
©bieget,  ©tub.  üb.  b.  gwtaüefta  [II.  3ur  berfifdien  @Sd)atologie] ;    21.  ®ob,ut,  Qübtfd^e 

■15  Slngelologie  u.  ©ämonologie  in  it;rer  Slbl).  bom  SarfiSmuS,  1866 ;  3i5aS  f)at  bie  tal= 
mubifd)e  ©Sdjatotogte  auS  b.  Sm^uS  aufgenommen?  3bm©  XXI,  1867,  ©.  552 ff.; 
$übfd>mann,  ©ie  berftfd)e  £eb,re  b.  ^enfettö  u.  jüngften  ©erid)t,  %px%fy  1879;  Södlin, 
ScrWanbtfd).  b.  jüb.=d;riftl.  mit  b.  berfifdjen  ©Scljatologie;  @.  ©tabe,  ©influ^  beS  SarfiSmuS 
auf  baS  :3ubentum,    1898).     ©ie  trefflicften  arbeiten  bon  §übfcr/mann,   2öünfd;e  (f.  0.) 

50  unb  S.  ©röbler  (©ie  3lnfid)ten  über  Unfterbticl)!eit  unb  Sluferfteftung  in  ber  jüb.  Sitt. 
ber  beiben  legten  Qafirf).  bor  6tir.,  "ilb,©m  1879,  ©.  651  ff.)  geben  einen  umfaffenben 
©inblid'  a)  in  bie  berfifd}e,  b)  in  bie  bord)riftlid)=iübifd)er  (abofrfybfyifcfye  unb  bfeubebigra= 
bf)ifdie),  c)  in  bie  talmub.  Unfterblid)feitSlef)re.  ©ie  älfynlicbjetten  finb  auffallenb,  ber 
t)iftorifd)e  ^ufammenfyang  ntcr)t   fidler,    ^o^ut   meint,   ber  SarfiSmuS    ^abz  meb,r   bom 

55  ^ubentum  entlehnt,  als  umgelegt;  ju  erfterem  gehöre  bie  Se^re  bon  ben  7  Sarabiefen 
unb  ber  §btle,  ferner  bafe  „am  @nbe  ber  2öelt  bor  bem  Eintreffen  beS  §eiterS  fd)Were 
Slagen  eintreten  Werben;  ya.  le|terem  bie  anftö^igen  Sartien,  berentWegen  fdion  3)(ai= 
monibeS  gegen  einzelne  ^almubiften  botemifierte,  5.  S.  „bie  für  bie  frommen  beftimmten 
fetten  9JtabIäeiten"     ©ie  ©elbftftänbigleit  jübifd)en  ©cnlenS  erb,eße  aus  ©teilen  beS  fyag= 

60  gabifd; en  ieilS  beS  Salmub   unb  SJJibrafd),   wie :  ,,©ie  SBeifen   b,  aben   feine  9M;e   t;ier 


Unftevblicrjfeit  285 

Wie  bort,  ba  fie  bon  ©eifteäentwidelung  31t  ©eiftc^cntwidclung  fdjreiten"  ,,^n  ber  ju= 
fünftigen  &>elt  firtbet  fein  ©ffen,  lein  £rinfcn  ftatt;  bielmebj  erfreuen  fidb,  bie  frommen 
am  Sicfytglans  ber  göttlichen  9}jajeftät"  „2lIIe  t^raelttifc^en  ^ro_bf)eten  iueisfagten  blofj 
bon  ber  ge-it  ber  ©rlöfung;  ba§  eigentliche  Senfetts  aber  b,at  fein  Stuge  erfdjaut  aufjer 
©ott"  (23erad;ot  34b).  ©oweit  £t"oI)ut.  ^fyatfädjlid)  liegen  au3  bem  bordjriftlidjen  ^ubentum  -, 
£cnfmäler  einer  breifacfyen  Stellung  jur  Unfterblicfyfeitgleljire  bor,  ungefähr  entfbred;enb 
ben  Slnfcbauungen  ber  ^^arifäer,  ©abbucäer,  ©ffäer;  aber  nur  bie  banielifcf^bttarifäifdje 
fann  alö  Sluäbrud  ber  fyerrfcijenben  iSraclitifdjen  grbmmigfett  gelten,  ©in  Ergebnis  biefer 
©nttoidelungSlinte  ift  ba§  2.  SJiaffabäerbud),  tt>o  ber  ©taube  an  bie  Sluferftetmng  alter 
Israeliten  aU  moralifcfye  ^ßflid^t  angefefjen  Wirb  (12,  43—45) :  gerabe  Weil  ber  STob  10 
Strafe  für  bie  ©ünbe  ift  (7,  18.  32.  38)  unb  tfyatfäcfylicf;  alle,  bie  ©uten  Wie  bie  Söfen, 
fterben,  fo  Wirb  ©ott  bie  Seiber  ber  frommen  auferWeden.  Wod)  in  biefem  Sud)  (um 
100  b.  S^r.'C)  ift  bie  Reinigung  ber  grebler  faum  ein  -Jiebenmotto  ber  3luferftel)ungg= 
ertoartung  (7,  17 ff.  33.  31  ff.);  hingegen  fdjeint  biefe  Sorftellung  fcfyon  im  ^xtbit^  (2. 3ab/r= 
^unbert  b.  Chr.?)  al§  ^rtftallifation  geläufiger  9iebeWeife  ausgeprägt  ju  fein  (16,  20f.  15 
nad)  Qef  66,  24);  im  4.  @§ra  (unter  ©omitian)  tritt  fie  ftarf  l)erbor.  2öäl)renb  nun 
im  Sarud),  ©iracb,,  S£obit,  1.  SDtaf  feine  2tbWeid)ungen  bon  ber  älteren  mofaifdjen  ©dieoI= 
lettre  borliegen,  fo  ift  bie  Qenfeiistwffnung  ber  brobfyetifd^abofalr/btifdjen  3lid}tung  in 
eingelnen  ^ßfeubebigrabfyen  (£>enod;,  ^ßfalmen  ©alomoS,  4.  (&$va,  Slbof.  Sarucb,)  weiter 
aulgeftaltet  Worben.  Von  ben  djronologifd)  getrennten  ©rubben  ber  §enod)Wei§fagungen  20 
Iefyrt  nur  c.  37—71  (bor  64  b.  6b,r.)  eine  fdrtecfyttnn  allgemeine  Sluferftetmng,  Wäfyrenb 
bie  älteren  capp.  1—36  unb  72 — 105  (um  110  b.  @I)r.)  ebenfo  Wie  bie  ^falmen  ©a= 
lomo§  (um  60  b.  (5l)r.)  nur  eine  äluferftetmng  ber  frommen  ermähnen;  hingegen  lefyrt 
ba3  2.  -IMfabäerbucr)  im  SDanieljcf) en  ©inne  bie  Stuferfteb,  ung  aller  Jjsweliten,  ber  SSöfen 
toie  ber  ©uten  (6,  26;  7,  4.  14;  bgl.  11,  29;  14,  37 ff.).  £>a3  ©ejamtergebniS  au§  ber  25 
abofrt/btnfcfyen  unb  bfeubebigrabtnfct/en  Sitteratur  ift  bie  fucceffibe  2lu§bilbung  ber  Sel;re 
bon  einer  allgemeinen  unb  f  onfreten  Stuferftel)ung :  ein  felbftbeWujjteS  Seben  im  $W  ifd)en= 
juftanb,  ein  feligeS  im  lichten  ^ßarabiefe,  ein  unfeligeS  im  finftern  §abe§;  2öieberfeb,en 
nad)  bem  SEobe  unb  ©emeinfd;aft  mit  ben  frommen  aller  Reiten.  2lu§erWär)Ite  fromme, 
tüte  §enod)  unb  @Iia§,  genießen  fdwn  bor  bem  ©erid)i§tage  bolllommene  ©otte<?gemein=  30 
fcfyaft,  anbere  geringere  ©rabe  beWufjten  ®afein§;  bem  ©ericfyt  gefyt  eine  allgemeine  2luf= 
erftefyung  boran;  e3  enbigt  mit  ber  Vernietung  ber  ©ottlofen;  bie  Vergeltung  Wirb 
ftnnlid)  gebadet.  3)a§  SBieberbelebiWerben  Wie  ba§  ©eridit  ift  unentrinnbar  (£>enocr)  61,  5). 
Sie  StuSbrüde  „eWige3  Seben",  „5ßarabie§",  „2tuferftel)ung",  „35er!Iärung"  fangen  an, 
ftcb,  aU  fefte  Segriffe  au3  ber  §ülle  bilblid;er  ©inlleibung^form  §u  löfen.  ©djarf  beftimm=  35 
Bare  2Benbebun!te  in  biefem  ^roje^  treten  nid)t  b,erbor.  SBie  ba§  Silb  be'§  meffianifcb,en 
9teitt)eg  übertäubt,  fo  fdntlert  junäd;ft  and)  bie  2luferfteb,ung§ibee  jWifd;en  $Dieöfeit§  unb 
^enfeitö,  blö|lid}er  ©otteätljat  unb  allmäl)licb,er  ©ntwidelung.  $n  ben  ^ßfalmen  ©alom. 
bräbaliert  nod)  bie  bilblicb;e  SebeWeife :  bie  ©elig!eit  ift  nid)t  berfd;ieben  bor  unb  nad)  ber 
2luferftel)ung,  bie^eiligen  finb  felbft  ba^^arabieg  unb  ba§  ewige  Seben,  fogar  bie ,„3luf=  40 
erfteb,ung"  fann  al§  QWzvhd  gefaxt  Werben  (14,  6  unb  3,  16,  v  5  v.  19).  3tfmlid) 
berfd[)toommen  bie  (alejanbrinifdie)  jübifd£>e  ©ibr/tle  (b.  Qfyx.)  unb  bie  (baläftin.=bl>arif.) 
Jubiläen  (1.  ^al)rt>.  n.  SI)r.).  2lnber§  unb  beftimmter  im  §enocb,bud).  'Jlad)  bem  mitt= 
leren  §enocb,  ift  ba§  ^ßarabieä  (im  Dften  jWifd)en  §immel  unb  @rbe)  ©ammelort  aller 
Seligen  (61,  12),  nad)  ben  anberen  Slbfdjnitten  nur  für  §enocb,  unb  @lia§  beftimmt.  45 
2er  §abe<§  liegt  im  Söeften.  SSon  einer  Serflärung  rebet  erft  ber  noad)itifa)e  ,3ufa^ 
cp.  108.  yiad)  ber  jübifd}en  2lbofalt)bfe  @gra§  (4.  @^ra)  giebt  e§  für  einige  ein  birefteg 
hinübergehen  au§  biefem  Seben  in  jene§  erwartete :  fo  neben  £enod)  unb  (Slia  SCRofe,  @§ra 
unb  ber  SReffiaS.  Sludj  fonft  erfd)eint  ber  Übergang  in§  Q«nfeilg  unbermittelt.  7  läge 
toirb  bie  ßrbe  menfdjenleer  fein,  bann  finbet  Sluferftef)ung,  ©erid;t,  Serbammni^  ber  50 
SKel^rjal)!  ftatt,  unter  2lu3fd)Iuf;  aller  ^ürbitte ;  bem  Drt  ber  9?uf>e,  ba  bie  ©eligen  7fad)e 
S«ube  genießen,  fteb,t  gegenüber  ber  Drt  ber  7facb,en  Dual  für  bie  anberen.  ^m  ganzen 
entfbrid)t  bieg  ber  bf)arifäifd)en  2tnfid;t.  ®ie  ©abbucäer  leugneten  bie  2luferfteb,ung  unb 
and]  bie  ©auer  ber  ©eele  im  bfyarifäifcfyen  ©inne,  b.  b,.  in  Serbinbung  mit  einem  Setbc 
{owarpaviZu  nad)  Jos.  Ant.  XVIII,  1,  4;  bgl.  Bell.  Jud.  II,  12;  Tic  12,18;  2t©  ss 
23,  8),  barum  aber  nidjt  gerabe  bie  ®auer  fdE)led£)t^m,  bie  fie  bie(leicb,t  nur  broblematifd» 
beliehen  (Wie  Äotieletb,)  ober  ignorierten  (bgl.  2öünfd)e  ©.  370).  2ludj  bie  talmubifcbe 
Sefire  unterfcb,eibet  bie  blofee  gortejiftenj  ber  ©eele  bon  bem  Söunber  ber  3luferftel»ung, 
toelcb,e  Seib  unb  ©eele  Wieberum  bauernb  bereinige,  unb  jWar  buret)  eine  ©otteötljat,  bie 
ttidjt  minber  unbegreifltd)  fei  alö  bie  ßeugung  unb  bie  @ntfteb,ung  beS  ^iegenö  (2Bünfd;c  m 


286  ttnfterblidjfett 

a.  a.  D.  ©.  374.  377).  ®ie  ©ffäer  fcf/einen  eine  natürliche  ©eelenunfterblicfyfeit  gelehrt 
ju  I)aben  {a&avaxiQovoi  rag  ipvydg,  Jos.  Ant.  XVIII,  1,  5;  Bell.  jud.  II,  18,  11; 
bgl.  3Jit  10,  28).  Slucb,  ^3fyiIo  Inelt  bie  ©eele  für  roefentlicb,  unbergänglicb,  unb  nur  jeit= 
weife  in  ben  Werfer  (©arg,  ©rube)  be§  £eibe§  eingefcfyloffen.  SDurcb,  fbiritualiftifer/e  $fr/cfyo= 
5  logie  unterfct)etbet  fieb,  bie  aleranbrinifcfye  (Sgcfyatologie  bon  ber  bb^rtfäifcb^baläftinenftfclett ; 
fo  im  bfeubofalomonifcfyen  SCöet§^ett§buc^e  (jWifcfyen  150  unb  50  b.  6b,r.),  welches  bie 
natürliche  llnfterblicbjeit,  big  jur  Stnbeutung  einer  ^räerjftenj  (8,  19  f.),  mit  ber  bfyarif. 
Hoffnung  auf  eine  mit  Söieberbelebung  unb  ©nbgericfyt  berbunbene  ^eugeftaltung  ber 
2)inge  lombiniert.    ®er  %ob  ift  $o!ge  ber  ©ünbe,   bureb,   be§  SEeufefö  9ieib   entftanben, 

10  bem  -Dienfctjen  an  fiel)  unnatürlich ;  Wer  aber  fromm  unb  gerecht,  bem  ift  er  (&abt  ©otte3 
unb  ein  ©lücf.  SDenn  ber  ©eftorbene  feb/rt  ju  feiner  Wahren  ©jiftenjform  jurücl;  ein 
„^arabojon"  boH^te^t  fiefy  (5,2):  nur  bie  äcpgoveg  meinten,  be§  %obe3  ©cfyrecfen  feien 
mer)r  al§  bloßer  Schein  (3,  2),  Wäfyrenb  bod)  ba§  ©terben  ein  Übergeben  in  ,,©otte§ 
§anb",  in  bie  siQrjvrj  ber  Wafyrljiaften,  forberlofen  ©rjftenj  ift  (4,  7).    S'Jacb,  talmubifdjer 

15  Slnftdjt  fyabm  bie  3lbgefd)iebenen  fcfyon  bor  bem  ©nbgericfjt  bon  ben  Vorgängen  auf 
(Srben  Kenntnis;  unb  aucfynacf;  bem©erid)t  unb  buref;  balfelbe  bleibt  für  eine  klaffe  ber 
©eridjrteien  ein  ßtoifcfyenjuftanb  mit  Gelegenheit  jur  Sefferung  unb  Säuterung  (9teini= 
gungSfeuer  nad)  ©ad)  13,  9;  bgl.  1  ©a  2,  6);  bie  erfte  klaffe  bilben  (nacb,  ©c^ammai) 
bie  bolKommenen  frommen,   meiere  nie  fünbigten  (nidjt  blofj  im  ©inne  bon  ©i  49,  5) 

20  unb  in3  Seben^bucb,  berftegelt  werben,  toäfirenb  bie  brüte  ©rubbe,  bie  bollenbeten  grebler, 
in  ba§  93uct)  ber  33erbammni3  eingezeichnet  unb  bem  Ort  ber  Qual,  ber  ©efyenna,  über= 
liefert  werben  (Söünfcfye  ©.  377—381;  2t.  ©ber^eim,  Life  and  time  of  Jesus  the 
Messiah,  1884,  II,  792).  21u§füf>rlicr;er  (al§  Söünfdje)  fyanbelt  über  ben  Unterfcfyieb 
§totfc^en   ber  Seigre  §ülel3  bon  ber  ©d)ammate  @ber§t>eim  II,   791—796,    On  eternal 

25  punishment,  aecording  to  the  rabbis  and  the  new  Testament).  Slucfj  bie  ©djule 
§iHeIs>,  obwohl  fie  bie  Qafyl  ber  abfolut  Verworfenen  emfdjränne,  lehrte  bodj,  baf$  bie 
©eelen  ber  ferneren  ©ünber  unter  ben  ^graeliten  unb  ©ojim  nad)  ^monatlicher  Dual  im 
©ef)innom  burdj)  $euer  bemicfyiet,  il)re  Selber  bon  ben  ©ered)ten  gu  ©taub  gertreten 
»erben  (bgl.  2Ral  4,  3)  unb  aud)  bie  begnabigten  klaffen  ber  Übertreter  werben  bort  geftraft 

30  unb  §War  einftWeilen  „bon  ©Wigfeit  ju  dtoigfeit"  —  ^n  ben  nacfycfmfilidjen  Qab,r= 
t/unberten  fdjiWanft  bie  borfyerrfctjenbe  SDoftrm  jwifcfyen  1.  ©roigleit  ber  §ößenftrafen, 
2.  abfoluter  Vernichtung  (a)  äußere,  b)  innere  Verbrennung).  3.  2lnfä|en  jur  Sefyre  bon 
ber  SBieberbrtngung  unb  4.  2lnfäi$en  jur  Sefyre  bon  einer  allmählichen,  ftufenmeifen  Säute= 
rung,    Umfcb^meljung,    SSerflärung.    3U  Sefu  3e't  h)ar   bk  bor^errfc^enbe  3lnficb,t  ber 

35  „Stoigleit  ber  ©trafen"  jugeneigl ;  aueb,  b,at  3eTu^  berfelben  nid^t  toiberfbroc^en,  Worauf 
noeb,  nicfyt  folgt,  bafe  er  fieb,  nieb,  t  in  brinjibieller  ©ifferenj  mit  einzelnen  §aubtbunften  ge= 
roufet  fyabt  (f.  III;  gegen  (Sber^eim  ©.  792.  796). 

Sitte ratur:  1.  $ur  Orientierung:  ®ie  gefd)id?tlicf)en  SBerfe  über  bie  DMtcuon  3§rael8, 
6ef.  (aufeer  ©ut^e,  Stabe  unb  ^olgmann)  sFcarti  (1897)  unb  SSubbe  (1900);  ferner  «Robertfon 

40  ©mitö,  Religion  ber  Semiten  (beutfd)  1899);  Üf)ei)ne,  -Die  ^Religion  be§  nad)ej;ilifd)en  ^uben= 
tumS  (beutfd)  1898);  §erm.  <Zd)uVa,  SUtteft.  Geologie,  2,  1878,  ©.  345  ff.  653  ff.  807  ff. 
S>orait3fe£ungen  ber  ctjrtftt.  Se()re  ö.  b.  Unfterbltd)feit,  1861,  bef.  IV,  §  8—14,  @.  206 ff.; 
©rünetfen,  <Set)roa(Tt),  ®ünfcb,e  a.  a.  0.  2.  ©pe^ieüeS :  M'öfttin,  De  immortalitatis  spe,  quae 
in  libro  Jobe  app.  die,  1S46;     iRebSlob,   ®er  ©runbcf)ara!ter  ber  ©dieol   bei  ben  Hebräern, 

45  3(genä  ffiZfy  VIII,  1838;  Crtel,  §abe§  (ei-eget.=bogntat.),  1863;  91.  SSafjI,  Unfterblid)feit§= 
unb  SSergettungäte^re  beä  altteft.  §eßi'aigmu§,  1871;  Sibber,  lieber  SoljeletS  Stellung  jum 
ltnfterblid)feit§glauben,  1875.  3.  l»lu§  ber  älteren  Sitteratur:  Dealer,  Veteris  Test,  seritentia 
de  rebus  post  mortem  tut.,  1846;  .'parm,  De  spe  immort.  sub  veteri  Test,  gradatim  exculta, 
1845;  S3öttd)er,  De  inferis  rebusque  post  mortem  futuris,  I,  1,  1846. 

50  III.  £>a§  9ceue  ^eftament.  —  3n  i3en  ^ambf  jroifcb/en  fabbucäifcb,er  Negation  unb 
b^arifäifcb.er  ©gd^atologie  greift  ^efu^  ^ie  ^3aulu§  ju  ©unften  ber  lederen  ein  (3)ct  22, 
23 ff.;  31©  23,  6 ff.),  ^n  bem  entfebetbenben  äßort  gefit  3Rt  22,  32  roirb  bie  religiöfe 
Sebeutung  ber  Unfterblicb.leitöle^re  bureb,  birefte  83e^ier;ung  auf  ba$  ©otteS&etoufjtfem  be= 
Iräftigt  unb  bertieft.    ®er  ©eeten^uftanb,  roelcb/er  bem  @rtbgertct)t  folgen  wirb,  richtet  fieb, 

55  nacb,  bem  et^ifcfjen  Unterfcfiiebe  grotfeben  ©erecf;ten  unb  Ungerechten ;  ber  letzteren  b,arrt 
etbige  xoXaois,  jener  einige  'Qoiiq  (3)tt  25,  46).  £)er  Segriff  'Cool]  alwviog  fluktuiert 
jroifcb^en  „everlasting"  unb  „eternal"  b.  b,.  ber  ejtenfiben  ©nblofigfeit  eine§  glücffeligen 
SDafeinä  in  einem  jenfeitigen  fortleben  unb  ber  bergeiftigten  ©jiftenjform  einer  imma= 
nenten  ©eligfeit,  beren  Qntenfität  jebeg  93eben!en§  über  baö  geitlid^ünftige  überbebt  Qo 

60  5,  24).  SDafs  ber  Segriff  Qcor)  aicbvtog  im  ©inne  be3  4.  ©bangeliumS  aueb,  bem  ©eift 
ber  frmobtifcfyen  ©leicljniffe  nic|tt  fremb  ift,  folgt  fdjon  au$  folgen  SluSfbrücb.en,  roie  3JJt 


Uttfterblic^ett  287 

22,  32;  9)cc  12,  29 ff.;  in  ifmen  fbricfyt  fid;  ba£  @rr/abenfein  über  bie  blof?  embiriftifcfycn 
©lauben3=   unb  ^offnungSibeale  au3.    SDaju   fitmmt  bie  ©egenfäl$lid;feit,    mit   Welcher 
^efuö  ben  Vr)artfäem  begegnet.  ®ie  QenfettSlefyre  ber  Vfyarifäer,  fo  reifer  Silberfülle  fie 
fid)  bebiente  unb  fo  unlösbare  ^ontrafte  bie  Wörtliche  äluffafjung  barbot,  War  beS  Unter= 
jcfuebeS  jWifd;en  33ilb  unb  %b?e  fid;  nid;t  betonet;  bie  §eiföi)offnung  berfd)mol3  entWeber  5 
($f.  ©alom.)   mit  bem  3teij  ber  SDicfytung,   ober  fie  lüfte  au<§  biefer  Ira^-fitw^^e  $u= 
hmftögebanfen  au§  (tüte  in  ber  ©diwle  ©cfyammaig),  unb  ber  Vb,arifäi!?mu$>  blieb  be<SI;alb 
ungeeignet,  bie  33oIf3gemeinbe  Jlar  über  ba3  ju  orientieren,  totö  im  Qwfeitö  tf)rer  fyarre. 
2)arum   unterfcfyetbet  fid;  ^efu  Qenfettötbeal  bon  bem  tor/arif.  ä)  burd;  bie  Vergeiftigung 
unb  (ftlnfierung  be€  Sluferftefyung^Wed'eS  unb  bemgemäJ3  aud;  ber  SRittel  (9ERt  16,  25 f.); 10 
b)  burd)   bie   bemühte  llnterfd)eibung    gtütfc^en   bilblicfyer  ©infleibung   unb    intelligiblem 
©etyalt  (bgl.  3JZt  11,  14 f.   mit  13,  9—13);    baju    lommt  c)  ein  §inauSgeI;en  über   bie 
ccfyranfen  ber  Volfögemeinbe  ^u  einem  bie  9)lenfd)^eit  umfbannenben  ^beal  (9Jct  8,  11; 
21,13;  21,  31  ff.),   moburd)   aud;   baS  tranfcenbente  gufunffcSbilb   ein  uniberfalereS  ©e= 
präge  erhält:  an  bie  ©teile  be§  fummarifd;=^eremptorifd;en  ©ertd)t§  ber  frommen  Q^aelitcn  15 
über  bie  Reiben   tritt  ber  moiibierte  llrteilSfbrud;   be§  5ftenfd;enfol;ne3   auf  ©runb   be3 
berantWortlicfyen  ©elbftjeugniffeö  ber  Slngellagten  (25,  31—46;  12,  37;  bgl.  %o  12, 47  f.). 
■lieben  biefer  etl)ifd;en  Vertiefung  unb  bogmatifcfyen  Klärung  finben  fid;  3ln!länge  an  bie 
^bee   einer  $Retembfr>d;ofe    (9Jct  11,  14;    17,  12).    SDte  Sefyre    bon    ber   Reinfarnation 
früherer  $robr)eten  alö  §ero!be  ber  meffianifd;en  (Snbjeit  mar  aßmäfylid;   fo  tief  in  bas  20 
Solfgbetoufetfein  eingewurzelt,   bafs   felbft  §erobe§  2lntiba<§  bie  ^bentität  $efu   mit   bem 
bon  iltm  ermorbeten  Stäufer  für  möglid;  r/ielt  (14,  2;  Sc  9,  7—9).  ©eele  unb  Seib  Werben 
fct)arf  unterfdneben  (9Jct  10,  28),   aber  fo,   bafj  über  ber  natürlichen  33ergänglid)leit  be3 
Leibes  unb  ber  Unbergänglicfyfeit  ber  ©eele  als  f)öberes>  ber  2lllmad;t3Wille  ©otte§  ftel)t. 
las  SBort  an  ben  ©d;äd;er  bon  ber  VarabtefeSau§fid;t  (aijjueQov  Sc  23,  43),  bie  ©d;il=  25 
berung  be§  @nbgericf/t3  unb  bie  Enfbielung  auf  bie  beborftefyenbe  2lufrid;tung  be§  9JceffiaS= 
reid)e<o  (9Jit  16,  27)  finb  bieHeicfjt  äfmlicf;  Wie  ba£  £abeSgletd;rti<§  Sc  16  bilbüd;  ju  berftel)en. 
Sin  neuer  gaJtor,  burd;  ben  bie  IJenfeit^offnung  beftimmt  Würbe,   War  ber  ©laube  an 
bie  fafttfdje  2luferftel)ung  Gi)rifti.    2lber  bie  Reflexionen,   Welche   fid;   im  4.  ©bangelium 
an  bie  Terminologie  ävdoraoig,  Ccorj,  iyeiQeo'&ai  Inübfen,  Wiberfbred)en  bem  bon  $efu§  30 
gegebenen  ^beengel;alt  nicfyt,  unb  aud)  bei  $auluö  finb  eS  nur  Vfyantafie  unb  Reflexion, 
toeld;e  ba§  fonft    ibentifdie  ^enfeit^ibeal  um   mehrere  güge   bereichern.    2lud)  bei  t^m 
toedjfelt  ber  2öieberbelebungögeban!e  1  ito  15,20  balb  mit  ber  ^bee  eine§  einfachen  Über= 
gang3  in  ba§  ^enfeit§  $b,i  1,  23,  balb  mit  ber  beftimmten  SSorfteßung  eine<§  23erWanbeIt= 
toerbeng  1  ^0  15,  51.    2lber  ob  ber  erneuerte,  berÜärte,  geiftige  9Jcenfd;,  Welcher  tro|  ber  35 
SSertoefung  feiner  äufeerlid;en  §üHe  feiig   in  ba§  ^enfeitg  hinübergeht,  im  ©inne  ^auli 
richtiger  begetcr;net  Werbe  als  Wafyrfyafte  9catur  unb  eigentlid;eg  ©elbft  (2  ^0  4, 16),   al§ 
neue  ^flangung  über  ben  Krümmern  be§  alten  3Jcenid)en  (1  $0  15,  35—55)  ober  (bgl. 
M  11)  al§  ein  ^Pfrobfret§  an  biefem  le|teren:   biefe  grage  ift  ebenfoWenig  beantwortbar 
toie  jene,  ob  ba3  „hinübergehen"  ber  ©eele,  um  „bal)eim  ju  fein  bei  bem  §errn"  (2  $0  40 
5, 8),    ein  §inüberfd)lummern,    ein  §inüberträumen   ober   ein   Wacfyes?  (Singe^en   in    bie 
anbere  ©eingfbb,äre  fei  (bgl.  Iner^u  2BeijeI,  Urd;riftl.  Unfterbli^feitgle^re,  ^©tÄ  1836; 
©tähelin,  %b%t)  1871;  Üöftlin,  ebenbaf.  1877).    £>en  ^beenlreiS  geläufiger  Silber,  3. 33. 
bon  bem  „33ud;  beä  Sebenö"  (tyfy  4,  3),   bem  ,,©tad;el  be§  %ob&'   unb   feinem  „(Sin= 
gefa;lürftto erben  in  ben  ©teg"  1  ^0  15,  54  f.  §at  ^aulu§,  Wenn  aud;  bieHeid)t  nief/t  mit  45 
eigenen  ^ut^aten,   fo   bod;    mit   eigentümlichen  ©Wattierungen  bereichert,  bie  im  ^ontegt 
ber  ©efamtbarfteHung  ju  bem  SebenöWa^rften  unb  ©rgreifenbften  pb,Ien,  toaä  je  gefbrod;en 
toorben:   fo   ba§  33ilb  be§  ©efäetwerbenö  in  ©c^Wadjljeit  unb  t)ürftig!eit  unb  be3  3luf= 
geM  in  ßraft  unb  ©lang  (bgl.  S.  Sanhedrin  fol.  90b,  nad;  3Bünfd;e  a.a.£.©.  368), 
—  be3   ÜberlleibetWerbenS  mit  neuer  Seb,aufung,  ber   aEmad;töWeifen  Serl'lärung   beä  50 
^'etbe§,  beS  blö^Iid;en  SerWanbeltWerbenS  nad;  bem  Klange  ber  ^ßofaune,   beä  @ntrüdt= 
teerbeng  in  be§  §immelS  Söollen.  —  2lud;   ift  jWeifeßog,   bafj  ^5.  feine  33ilber  teilWeife 
in  ftrengerem,   bem   bb,arifäifd;en  Realismus   fid;   när/ernbem  ©inne   gefaxt  Wiffcn  Will. 
316er  e§  Wäre  berfeb.It,   Wollte  man  au§  bem  (med;anifd;en)  33ilbe   ber  grabueüen  §eHig= 
teitsbifferen^  ber  ©eftirne  1  $0  15,  41    fcfyliefcen,   bafj  ^.  ben  2luferftef>ung3leib   al§   ein  55 
nid)t  fbesififd;  berfd;iebene§,   fonbern   blofe   in   fetner  Vitalität  gefteigerteS  Slnalogon  beö 
itbifd;en  Seibeö  angefeb,en  Wiffen  Wolle;    ober   au§  bem  (organifd;en)  33ilbe  be£  2ßcijen= 
(orne§  33.  37,   ba£   er   ben  2tuferftef)ung§leib  nid)t  als    ein  neugefd;affene<§  3)ublilat  beu 
bertoefenben  SeibeS,   fonbern  als  bie   naturgefe^mäfsig  au§  jenem  l)erbDrIcimenbe  ©elbft= 
erneuerung  gebacf)t  Ijabe.  —  ®ie  neuteftamentlid)c  Unfterblid;leitglcfnc  liegt  biesfeitS  fold'er  60 


288  ltnflerbIicf)fGtt 

WeitauSfct)auenben  SegriptTaffifijierung,  unb  foWeii  Paulus  2tbgren$ungen  giebi,   fyat  er 

ftd)  gelegentlich  berieb,  tigt  (2  0#  2,  2 f.,  bgl.  1  £f)  4,  15 f.;  1  Sb  15,  51).    ®er  nämlichen 

©cbjanfe  bilblicf/er  SluSbrucifö  Weife  ift  baS  eSd)atologifdj)e  33ucr)  x.  £.,  bie  an  blaftifdjien  Silbern 

reiche  %ofy.MpoMyip\t  unterworfen,    ©ie  ftellt  a)  ein  mef)r  als  taufenb  ^jar/re  WäfyrenbeS 

5  SluSrulien  ber  9Jle$rjafyl  ber  ©eligen  bon  aller  ^^ättgleit  14, 13   bis   jur  Reiten  3luf= 

erfteljmng  20,  5  ff.,  bon  bem  nur  Wenige  aufgenommen  finb  SS.  4,  wäb/renb  einzelne  einer 

nocb,  früheren  9BieberbeIebung  11,11  entgegeneilen,  b)  bie  unmittelbar  beborfteb)enbe  33er= 

Wirfltdjmng  ber   enbgiltigen  Sefeligung   für  alle  frommen  £>ulber  (bgl.  3,  11—21  mit 

12,  10—12)  unvermittelt  nebenemanber.    $e  ^eiliger  unb   ernfter   l)ier  bie  23eranfcr)au= 

10  Hebungen  für  baS  lünftige  Seben  geftaltet  finb,   um  fo  weniger  eignet  fieb)  foleb,  Silben 

fdjmuct  ju  gacf)Werfen  für  logifcfye  Klaf fifijierung ;  bielmel)r  entfbriclSt  eS  bem  @rfenntnis= 

%toed  biefer  guiunftsbilber,  wenn  fie  als  poetifcfyer  Slbbruc?  ^eiligen  ©mbfinbenS  Wieberum 

baju  berWenbet  Werben,  ben  'Xiefgefyalt  ber  geweiften  -Webe  $u  Würben.    SDer  bogmatifcr)e 

SBert  ber  abofal.  tfnfterblicb/feitslebre  liegt  in   bem   (bureb)  eine  möglicf)ft  getreue,  b.  I). 

15  gefdjiicfefreie  Überfettung  Wieberjugebenben)  ©efamtcfyarafter  ber  ©arftellung,  Welche  ben 

^öfyebunfo   beS  ©mfteS   cb,riftlic^er  3uft*nftSt)offnung   lebenswahr  auSftoricr/t.    ©elbft  bie 

finterf djeibung  ber  erften  unb  ^Weiten  2tuferftet)ung  c.  20,  beS  erften  unb  ^Wetten  SEobeS 

2,  11;  20,  14,   foWie  ^Wifcfyen   ber   jeitlic^en  ^errfcfyaft  ber  auferWecften  9Jfärtr/rer  auf 

©rben  (ßfnliaSmuS)  unb  bem  jenfeitigen  unbergänglicfyen  Seben  —  änbert  an  biefer  Seur= 

20  teilung  nichts.  —  ©oWeit  jene  Unterfdjeibungen  nicfyt  fliejjenbe  Silber  finb,  fonbern,  Wie 

20,  3—7,  auf  auSbrücflicf)er  geitbifferenjiierung  berufen,  b/aben  fie  ib,r  Sßorbilb,  ja  ifjren 

Urfbrung  in  ben  borcfyriftlicrjen  9JcefftaSerWartungen  (SDaniel,  ©ibt;Ue,  ^enoeb, ;  bgl.  4.  @Sra 

unb  Sarucb,),  Wo  ebenfalls  naefy  6pod)en  unterfcljieben  Wirb;  baS  (tfyriftticb^jtbofalr/btifdjie 

liegt  aufterfwlb  jener  jeitlic^en  Seredmung,  beren  Söert  nur  arcfyäologifcfyeS  unb  Mtur= 

25  f>iftorifcr)eS  Qntereffe  b,at.    gliefsenb  finb   auet)   bie  Sorftellungen  „Stuferftefwng  ber  ©e= 

regten"  Sc  14,  14  unb  2luferfter/ung  ber  ©uten  jum  Seben,  ber  Söfen  jum  ©ertd^t,  SJtt 

25,46;    %o  5,  29;    baS  Serb/ältniS   bon  £abeS   unb  ©eb/enna   3Jtt  11,  23;    3Hc  9,  43. 

ginfterniS  9Jtat  8,  12  unb  geuerb,  olle  13,  42 ;    5,  22.     ©iefer  Wecb/felnben  StuSbrucfStoeife 

Würbe  man  mcf>t  geregt,   Wollte  man  barüber  enifd)eiben,   ob  &\u$  oag  ^acfyleben  ber 

30  SerbammungSWürbigen  Weniger  förberfyaft  aufgefaßt  Wiffen   Wolle  als   baS  ber   engel= 

gleichen  ©eligen:  ein  fcfyarfer Segriff  eines  nicrjtiorberb/aften  SebenS  liegt  ber  urcfyriftliclen 

SlnfdjauungSWeife  fern.  $m  ganjen  ift  bie  35erfd£>tebertE>ett  in  ben  Unfterblicf/feitSibeen  ber 

einzelnen  Seb/rtroben  beS  91%$  berfcf/Winbenb  gegenüber  ber  ^bentität.  S)ie  mannigfachen 

Silbformen,  in  benen  bie  gufunftSfyoffnung  realifttfef)  ausgemalt  Wirb,  Werben  faft  burcb,= 

35  gängig  in  berfelben  Söeifc  auefy   auf  bie  geiftig=fittlicb,e  ?Jeufd)öj5fung,   Wie  fie  fdjon  in 

biefer  Söelt  »oUjogen  Werben  foll,  angeWenbet:  nahyyevsoia,  xatvi]  xxLois,  äväoraoig, 

'QcüOJioirjaig,  ivdvoaofiai,  öioQ&tooig,  ävaveovofiat,  av^dveiv,    nh]Qovo$ai,  dot;䣣- 

o§ai.    33gl.  9Jit  19,  28  unb  31©  3,  21  mit  TA  3,  5;  ferner  2  %t  3,  13  unb  Styl  21, 1 

mit  @pb,  4,  24;  2  £o  5,  17;  fobann  1  l^o  15,  21  mit  M  2,  12  f.  S^ö  6,  4f.;  aueb,  1  ^o 

40  15,55  mit  §br  2,  14f.    Slucf)  bie  Silber  gehören  bab,in,  Welche  an  ben  gefcr/id?ilicf/en 

3u!unfiSfieg  beS  ßf)riftentumS  ober  an  bie  fcb,on  bureb,   baSfelbe  boEjogene  ^Jeufcftööfung 

anfnübfen  unb  bon  b,ier  aus  (ber  fog.  ^Weiten  ©cf)öbfung)  einen  SfuSblic!  auf  baS  %m* 

feitS,  als  britte  ©cf)öbfung  ^ef  65,  17;    2lbl  21,  1;  2  ^3t  3,  13,   eröffnen;    fo  baS  okyj- 

rovv  ©otteS  in  ber  ^enfcl)|eit;  bgl.  ^ob,  1,  14  mit  3lbf  21,  3  unb  beibe  mit  2  lo  6,  16. 

«  @rfcf/eint  nad)  biefem  SSergletct;  baS  „(SinWolmen  ©otteS  in  ben  ^enfe^en"  (h  unb  /xstö.) 

als  ebenfo  julünftig  Wie  gegenwärtig,  Werbenb  Wie  feienb,  tranfeenbent  erwartet  Wie  im= 

manent  geworben,  —  als  ebenfo  auf  bie  $Weite  Wie  auf  bie  britte  ©a)öbfung  bejüglicb,, 

fo  erhellt  ber  bilbfjafte  ßf)arafter  biefer  entfcfyiebenften  (unb  bemgemä^  jeber  anbern)  ^n= 

^altScf)ara!teriftif  beS  unfterblicb,en  SebenS ;  jumal  Wenn  Wir  ber  altteftamentl.  Seb^re  bom 

BoSöob.nen  ©otteS  unter  feinem  33oIfe  Se  26,  11  f.  unb  feinem  ©efebenWerben  bon  ©meinen 

3Ru  12,  8;  ©j  24,  10,  guerft  35ct  5,  8  unb  Qo  1,  18,  fobann  1  %i  6,  16  gegenüberftellen. 

Slucf)  ba§  33ilb  bon  bem  guten  §irten  unb   einigen  §üter  ber  einen  ^»erbe,   Welches  bie 

SlnWenbung  auf  bie  1.,  2.  unb  3.  ©cfyöbfung  juläfet,  bient,  Wie  fdjon  $f  80,  im  ©eutero* 

jefaja,  ©gefiel,  ^  ©alom.,  fo  nacb^  ber  2lnfc|auungSWeife  beS  9JSIS  gunäd^ft  ber  33eran= 

55  fcb/aulidmng  ber  geiftig  fittlic^en  Seitung,  beren  immanenter  2Bert  aber  mit  bem  tranfeen* 

benten  ^u!unftSibeal  eines  gotterfüllten  Unfterblicr/feinS  lombiniert  Wirb  (bgl.  3o  10,  16 

mit  14,  2 ;  £ebr  13,  20). 

Sitteratur:  ?ruBer  ben  „S3ibl.  ^eo(."  mm  SBeife,  33eV)fct)fag,  §ol|mtann,  unb  ben  feijon 

ertoätinten  Slb^anbl.,  fomie  ber  bei  Domer,  ©lauben§Ie^re  II,  §  151  ff.  unb  Sfttnt,   SSom  8u= 

60  ftanbe  nad)  bem  SCobe,  1878,  ertuä^nten  Sitteratur  finb  6ead)ten§iuert:  geüex,  Sie  Setjre  be§ 


Unfterbltdjfeit  289 

-)il  00111  Suftaube  und)  beut  lobe,  Sljeol.  ftaljrb.  1847;  SWolbemar  Sdjmibl,  De  statu  ani- 
marum,  lSül;  Sßfleiberer,  ^aulmtämuv  I,  3  unb  7;  Eetdjmann,  $aulmifcf)e  SJorft.  üon  l>tuf= 
erftefjimg  u.  ©endtf  in  Sßer£).  j.  jiib.  «botaltotottf,  1897. 

VI.  23or  =  unb    aufjercfyriftl.    llnfterblid^fettälc^re.    ®ie  33or[tetIung   bort 
ber  Unbergänglid;fett  rourbe  bon  ben  $ulturbölfern  bei  älliertumi  in  mannigfacher  SSeife  5 
auf  bie  9Kenfd)enfeeIe  Belogen.    Db  bie  Unenblid)feitSibee  früf)  (5R.  ÜDtütter)   ober  fpät 
fid)  enttüidfelt  b/at  (Öubbod,  Siele),   unb  auf  roelcfyem  Söege  fie  bem  ©eifte  ber  Urbölfer 
geläufig  mürbe,  fyängt  bon  (Sb/araiter  unb  ©brad)e  ber  einzelnen  SSößer  ab.  Söar  erft  bie 
2tner!ennung  einer  beeren  fflafyt  lebenbig,  artete  man  ftaunenb  auf  ben  Sauf  ber  ©e= 
ftirne  unb  bie  ^afyreijetten,    fo  mar  bie  9flöglicb/feit  gegeben,    bie  llnenblicPeitiibee   ju  10 
fonjibteren  unb  auf  bai  menfcfylicfye  Seben   ju  übertragen:   aber  bieg  gefcfyaf)   in  berfcfyie= 
bener  SSetfe,  in  ungleichem  SDiafje.  SDem  ßfyaralter  ber  ^nber  entfbrad)  jene  ^beenentmicfe= 
hing  mefyr  ali  bem   ber  femitifc^en  SSölfer  unb   felbft  ber  Slgfybter.    SDie  ^öm^ter  in 
ifyrem  weltlichen  ©inn  matten,,  faum   einen  2lnfaij   über   bie  ©d)ranfen  bei  £)ieifeiti 
ij'inauSguIaufdjen,   roäfyrenb  bie  Signier,  obwohl  aud)  ifyr  ^enfeitö  nur  eine  mumienhafte  15 
gortfetjung  bei  bolfitümlid;  befcfyränften  SDieifeiti  mar,   bod^  bem  @rnft  bei  Sobei  unb 
ber  Unfterblict/ifett  mel)r  Rechnung  trugen.    5Dic  Werfer,  in  ifjrem  ©inn  für  @f)re,  $ambf, 
Xugenb  betrachteten  bai  irbifd)e  £eben  als  9JcitteI  jur  ©rreidmng  einei  fittlicfyen  gmeefei, 
toelcr)er  über  ben  SLob  lj>inauSreid)t  unb   erft  im  ^enfeitS  ganj   erfüllt  toirb;    bie  $nber 
hingegen  lenften   bai  Sluge  bei  ©eiftei   bon  bem  ©djeinbafein  biefer  2öelt  ijunweg  auf  20 
bai  toafyre,  nicfyt  rorberfyafte,  nicfyt  enblicfye,  fonbern  roanbelloje  ©ein,  bem  gegenüber  biefe 
irbtfcfye  geitmtrflicftfeit  mit  ifyrem  SBecfyfel  unb  ib/rer  23ergänglid)feit  nur  ein  Sraum   ift. 
■Kefyr  realiftifd»   backten   über   bai  23erl)ältnig  bon  ßeit  unb  ©roigfeit  bie  33011er  bei 
2lbenblanbei:  ©rieben,  Römer,  ©ermanen;  aber  fie  gaben  ben  ©öttern,  mai  ber  ©ötter 
ift,  unb  ber  reiche  $rang  ifyrer  9Jlr/tI)en  barg   b)unbertfacfye  2tfmungen  unb  Slnfbielungen  25 
auf  bie  SJtöglidjteit  einer  anberen  SlnfdjauungSmeife,  tbonacfy  ber  mal)re  groed  bei  Sebeni 
nid)t  bem  ©ieifeiti  angehört,    ©anj  ablefmenb  jum  UnfterblicfyteitSglauben  behält  fid? 
aud)  bie  altcfymefifcfye  Reicfyireligion  nid)t,  obwohl  (Songfutfe,  ber  bietätibotle  Reformator 
biefer  Religion,  ftd)  ftets  weigerte,  über  bas>  ©c^idfal  ber  ©eelen  nad)  bem  SEobe  ein  be= 
ftimmte§  Urteil  ^u  fällen.    ®ie  ältefte  3Inficb^t  feb^eint  getoefen  ju  fein,  ba^  bon  ben  ^mei  30 
Seelen,  bie  jeber  9Jlenfd)  b^at,  eine  in  bie  @rbe,  bie  anbere  in  ben  §immel  toanbert.  Die 
©eelen  ber  3Sorfab;ren  backte  man  beim  Dbfer  anmefenb.    hingegen   leb^rt  ber  SEaoteling 
bei  Saotfe   eine  überzeitliche  ©eingform,   welche  bem   göttlichen  ^rinjib  (Tao  =  Söeg, 
2Bort,  Xoyog)  unb  bem  „fy.  9JJenfd;en"  gulommt.    („®er  fy.  3Jienfc§  bauert  mie  §immel 
unb  @rbe ;  mie  biefe  lebt  er  nic^t  fidj)  felbft.    SßetI  er  nidjt§  ©elbftifdb,  e§  §at,  fo  tann  er  35 
fein  ©elbft  boEenben".)    Sgl.  SStct.  b.  ©traufc,  Saotfeg  ^aotefing,   I,   6.  7   21;    Wr 
maier,  ©ie  ^aoleb^re  bon  ben  roafyren  3Jfenfd)en  unb  ben  llnfterblid)en  (©2Ö31  63  u.  64). 
—  ®ie  altägt)btifd»e  Unfterblicb^feit§le§re  grünbet  fid)   auf  ben  ^ainüf  be§  ©onnenlicfjtg 
mit  ber  ginfternis  unb  ben  ©ieg  be<§  erfteren.   JDftriS,  bom  Sruber  ©et  getötet,  mirb  bon 
Öorol,  feinem  ©ob^n  gerächt  unb  lebt  im  ^otenreieb^  fort  roie  fein  ©ob^n  in  ber  Dbernxlt.  40 
Sterben  ift  b/ier  SSerflärung  ^um  Siebet,  nacb^bem   be§  %ob?$  Dunlel  übertounben.    ®er 
3onnenmt)tf)u§  toirb  1.  mit  bem  SOßiebererroacfyen  bei  Raturleben§  fombiniert,  2.  als  33ilb 
bei  einzelnen  9Jlenfc^enleben§  angefefyen.    ®ie  Sidjtfeelen   nehmen  teil  am  Kampfe  unb 
erfreuen  fidj  in  iftrer  33er!Iärung  ber  Räb^e  bei  fiegreieb/en  Urltd^te§.  ©bäter  erft  tritt  ber 
SSergeltungigebanle,  bai  ^otengericb;t  unb  ber  inbib.  Unfterblicbjeit^  unb  Reinfarnationi=  45 
glaube  in  ben  33orbergrunb.    an  feine  ©teile   tritt  in   ber  $eriobe  bei   einbrtngenben 
MenentumS  bie  troftlofe  ^otenflage  unb  baju  bie  Seforgnü,  ber  33ergeffenl>eit  ali  bem 
jbeiten  'Jobe  ju  berfatten.   2lu§  ber  gab^lreicb^en  Sitteratur:    SR.   Setofiui,  SEotenbucb;  ber 
3leg^bter,  1842 ;  Ubylemann,  %)a$  SEotengeric^t  b.  b.  alten  Ig^btern,  1854 ;  »rugfd?,  Sie 
äfflpt.  ©räbermelt,  1868;  Religion  unb  SBtyiljoI.  ber  alten  tg^bter,   1891 ;     Söiebemann,  50 
Sei.  b.  Sieg.,  1890.  —  gur  älteren  Unfterblicfytettilefyre  ber  femitiftt)en  Söller,  welche  aüen 
^enfet^en  bai  gleite  2oi  bei  ©ingangi  in   bie  llntertoelt  ^umiei,   aber  nur  göttlichen 
2Befen  aftuelle  ©eiftejiftenj   jufct;rieb   (jeboeb;  nad)  altarabifeber  S^^e  rub^t  bie  ©eele  ber 
Unbegrabenen  ntdjt):    Ärebl,  £)ie  Religion  ber  boriilamit.  2lraber,  1863;    SöeHtjaufen, 
Keftc  arab.  §eibentumi,   3.  2lufl.;     @b.  ©d;raber,   ®ie    Höllenfahrt   ber  Qftar,    1874;  55 
£jtyert,  L'immortalite  de  l'äme  chez  les  Chaldeens,  1874;  21.  Qeremiai,  £öttc  unb 
i^arabiei  bei  b.  Sabtylonicrn,  1903.    Über  bie  an  altarab.  unb  djriftt.  Sorftellungen  fid^ 
anlefmenbe  Unfterblicbleitilebre  bei  ^ilam   bgl.  ©brenger,  3Jcof)amm.  2ebre  unb  Seben, 
1861-1865,  ßab.  6.  7.  11  ff.;  Sßolff,  Wut) ammeban. @icb; atologie ;  21.  b.  Sremer,  ©efd;. 
k«  b^errfd)enben  ^been  bei  ^ilam,  1868.  Über  bie  altarifdjen  Unfterblid)feitianfd)auuitgeit,  w> 

WeaUftncoflopnbic  für  Ideologie  unb  Sitidje.    :s  M.  XX.  19 


290  UnfterBKdjfcit 

bert  Unfterblicf)feitStrani  (soma)  unb  bie  ©eifterlefyre  (devas,  asuras),  bgl.  Wlaic  DJlüHer, 
ürfbrung  unb  @ntft>.  ber  Religion,  1880,  ©.258—266;  ©ffa^S,  I,  ©.68 ff.;  2G.©eiger, 
®ie  9Jtt>tb,en  bom  S£ob  unb  bom  ^enfeits  bei  ben  ^nbogerm.  (-Korb  unb  ©üb,  9fr.  32). 
Über  bie  ältere  bebtfcfye  Sefyre,  in  ber  $roar  bie  UnfterbltcttfeitSljoffnung  fyerbortritt  unb 
5  bie  SkrgeltungStbee  fd£)on  anflingt,  bon  ©eelentoanberung  aber  leine  ©bur  ift:  §.  ©raf$= 
mann,  Sfttgtoeba  überfe|t,  mit  Irit.  u.  erl.  Slnm.,  1876,  bef.  II,  Sieb  X,  129.  118.  126; 
St.  Subtoig,  Sie  bbjlof.  unb  relig.  Slnfcfy.  ber  äkba  in  ifyren  @ntrc.,  1875.  ftux  brat> 
manifct)en  äknbantalelp  (SratnnanaS,  UbanifcfwbS,  ©ütraS),  in  toeldjer  bie  Qbeen  ber 
irbifd)en  unb  nad^ettlidjen  Söiebergeburt  unb  ber  ©eelenmanberung  jum  gmecf  ber  Säute* 

10  rung,  ©träfe  unb  (Srlöfung  auSgebilbet  borliegen,  bgl.  Soffen,  Qnb.  SlltertumSfunbe,  2, 
1875;  Söeber,  £nb.  ©tub.  II,  206—229;  Seuffen,  2)aS  ©r,ftem  ber  Skbanta,  einßomb. 
ber  ®ogm.  be§  Srafym.,  1883;„2öuttie,  ©efd).  beS  £eibentumS,  II,  ©.  393  ff.;  DIben* 
berg,  SBubbfya,  1881,  ©.  44.  Über  ben  SubbljnSmuS,  im  Kampfe  mit  bem  Srafym.,  unb 
feine  meljir  neutrale  als  abmeicfyenbe  ©tellung  $ur  Unfterblicfyieit,  „auf  ber  9)tefferfd)neibe 

isütotfd&en  ©ein  unb  3«(^t8",  bgl.  DIbenberg,  Subbal),  ©.  273ff.  291;  Shuttle  ©.  569; 
9)1  ÜMTer,  (SffatyS  I,  254  (Über  bie  Seb.  beS  9cirmäna)  277  (Über  ben  bubbb,.  9?if>i= 
ItSmuS).  Über  ben  ^arfiSmuS  unb  feine  2el)re  bon  ben  als  ©dmtjgeifter  fortlebenben 
©eelen  (grabafdnS)  unb  ifyrer  ^ßräerjftenji,  fomie  bon  ben  berfonifijierten  Ormu^bfunltionen, 
ben    „^eiligen   Unfterblicfyen"    (amescha  <jpenta)    g.  33.  Steinzeit,    SöeiSfyeit,  ameretat 

20  (=  „langet  Seben"  [®armefteter]  ober  „ünfterblicbjeit"  [SEiele]):  ©biegel,  @ranifd)e 
älltertumSfunbe,  II,  1873;  9Jt  9JMtter,  (SffabS  I,  62 ff.;  Siele,  Godsdienst  van 
Zarathustra,  §aarlem  1864;  SDarmefteter,  Haurvetät  et  Ameretat,  ess.  sur  la 
mythol.  de  l'Aveste,  ^ariä  1875;  ^übfdmtann,  %pv%i)  1879  (fucf>t  nacfejuwetfen,  baf$ 
bie  UnfterbIid)feiiS*  urtb  9Bteberbr.tel)re  beS  SunbetSefct)   in   ben  .öaubtbunften   auf   bie 

25  älteren  SBefianbteile  beS  Stbefta  jurütfge^en.  Av.  XIX,  89  unb  92f. :  „Sföemt  alle  Soten 
auferfteb,en,  Unfterblidj)  alles  Seben  wirb,  äöenn  fid)  nad)  2öunfa)  bie  SSBelt  erneut  k."). 
20.  Sranbt,  ©aS  ©dncffal  ber  ©eelen  nad)  bem  %obe  nacf)  manbäifcfyen  unb  barfifdjen 
SLtorft.,  ^br^b,  1892.  —  Über  bie  altgermanifcfye  2el>re:  $arob  ©rimm,  ®eutf^e  SDfytfyo* 
logie,  2,  1844;    3lb.  äöuttfe,   ®eutfcb,er  SBoIföabergL,  1860;    2B.  ©d)war£,  ®er  gütige 

so  23oIfSabergt.  unb  baS  alte  §eibentum,  1862;  3S?iertgel  a.a.O.  $ux  gried;ifd;=römifcf)en 
9Jtytl)oIogie,  ber  Se&re  ber  Drbf)iter,  ^r/tfyagoreer,  PatonS  (im  $ßI)äbon),  pnbarS,  ber 
©totler,  fomie  ben  eleufinifd)en  9JcbJterien:  1.  ®ie  größeren  Söerle  bon  Söelcfer,  greller, 
©d}öman,  Seob.  ©cb,mtbt,  unb  bef.  (Srrain  Sio^be,  $f^d)e  (2.  SlufL);  2.  @rnft  (SurtiuS, 
®ie  SBebeutung  be§  Unfterblid;!eitSglau6cn§  bei  ben  ©rieben  unb  bem  ganzen  inbogcrma= 

35  ntfdjen  SBöIIerfreife  (©eljerS  9Jlonat§bI.  1861);  Xeuffel,  ©ie  b,omerifd)en  SorfteHungen 
bon  ben  ©öttern  unb  bom  Seben  nad)  bem  ^Xobe,  1848;  SiägelSbad),  9Jad) tjomerifdje 
Geologie  be§  gried)ifd^cn  S5oII§gIauben§  bis  211er..,  1857;  33Jaa^,  Drbl^euS  (Unter* 
fud^ungen  jur  gried).,  röm.,  altdjriftl.  ^enfettSbicb,tung  unb  Sveligion);  ^^iemann,  Sic 
j)Iatonifd)e  ©Scfeatologie  in  ifirer  genetifdjen  (Sntro.,  1892;    SJunje,   ^f^ologie  beS  Un= 

40  fterblid)leit§glaubens,  1894,  ©.  124—131;  SB.  33oigt,  ©efd;.  ber  Unfterblid}feitöibee  in 
ber  ©toa,  1900  (bie  bobbeltc  ©tellung  ber  ©toa  beruht  teils  auf  bert  jwei  (Elementen 
ib,rer  $ft)d)ologie,  bem  göttlichen  Urfbrung  ber  ©eele  unb  ifyrem  Sieforbiertiüerben  in  bie 
SBeltfeele  bei  ber  Söelterneuerung  mittels  sxjtvqcoois  [Cicero  —  diu  mansuros  esse 
aiunt  animos,  semper,  negant],   teils   auf   inlonfequenter  2lnleb,nung  an  ben  ^ßolU- 

45  glauben;  ©.  22 ff.).  —  Wartung,  sJteIigion  ber  SRömer,  1836;  @.  ©erfjarb,  ®ie  Unter* 
melt;  ctruSl.  SCotenlifte  im  tönigl.  «Kufeum  ^u  Berlin  (2lrd)äot.  ^eitg.  1845);  Silben* 
fyoben,  Quae  fuerint  Romanorum  de  condit.  post  obitum  fut.  op.  vulg.,  1855. 
—  2öäb,renb  bie  griect).=röm.  Religion  auf  Slnbaffung  femitifd)er  Slnfdjauungen  an  bie 
arifdje  Ürüberlieferung  beruht,   fo   finb  bie  QenfeitSanfcb,auungen  ber  Ietto*flatoif<f)en,  fei* 

50  tifd)en,  beruanifcfyen,  meEifanifc^en  Religionen  betten  ber  9IaturböIIer  äb,nlid)  unb  roie  biefe 
für  bie  genetifd^bf^ologifdje  SDarfteEung  ber  9JJotibe  beS  Unfterblicb,!eitSglaubenS  ge* 
eignet  (f.  VII).  —  3SgI.  nod)  Sb,r.  §.  2öei|e,  ©efcb,icf)te  beS  UnfterbIid;!eitSglaubenS  unter 
ben  23öl!ern  beS  SlltertumS,  3.  f.  ^t^ilof.  1836. 

V.  ©ie  bogmatifcb,  en  ^b,eorien.  33ei  oberflächlicher  Formulierung  beS  Problems 

55  fragt  fid),  1.  ob  bie  ©eele  beS  SRenfc^en  unfterblicb,  ober  fterblict;  fei.  ©ine  runbmeg  bejalienbe 
Slntmort  auf  biefe  grage  erteilen  bie  bogmatifdjien  Slnl)änger  ber  meiften  9t eligionSf Aftern e 
unb  auf  bb,ilof.  9tefIeEionSftanbbttn!t  a)  manche  griecbifc^e  $b,ilofobb,en,  inSbefonbere  bie 
Drbb,  üer,  ^^t^agoreer  unb  einzelne  ©toifer ;  b)  bie  antt^robol.  Sualiften  im  2lnfcf)Iu^  an 
ßartefiuS,  Seibnij,  Sßjolff,  Äant;  fo  9JtaIebrand)e,  9Jt.  9JlenbelSfot>,  §.a3rougt)am  (1835); 

00  c)  bie  ^erfönlidtfeitsblnlofobfyeit,  meiere,  obmob^l  met^r  an  $id)te  un^>  §eget  als  an  §er= 


Unftertltdjlett  291 

hart  anfnübfenb,  im  ©egenfa£  gu  jenen  ba§  ''Perfönlicfye  aU  un^erftörbare  Realität  be= 
trauten;  fo  ®p.  §.  3öetfee,  3.  §.  gid;te,  ©öfcbd,  ©etiler,  ^ofenfranj,  UM«.  -  9Jcit 
s)ietn  ftimmen  (Sbit'ur,  Sucres  $ombonatiu<§,  ©junoga,  ba3  Systeme  de  la  nature, 
£ume,  SBielanb,  £egel,  ©cbleiermacljer,  geuerbacf),  SDüfyring,  ©traufe,  bie  9JiateriaIiften; 
aucf)  $lanct  (SEeftament  eine§  $Deutfcf)en,  1881).  ©cfytoanfenb  bleiben  Soltaire,  £a2Jiettrie,  5 
$rie»,  ©arroin,  Wlafy,  Sertt-ow.  ^nbeffen  anfechtbar  ift  tuie  bie  ^roblemftellung,  fo 
biefe  fummarifcbe  Seanitoortung  unb  bie  Zitierung  bcr  beugen.  ©ct)on  bafe  ^laton  hnrfticfy 
bie  Unfterblicfyleit  Iel)re,  bezweifelt  £eict)müller.  Sgl.  bagegen  g.  Sertram,  Sie  Unfterb= 
ItcltfeitSlebre  «piatong,  3.  f.  Sf>iIof.  1878.  gerner  Ä.  gr.  §ermann,  De  partibus  ani- 
mae  immortalibus  sec.  Platonem,  1850;  St.  Sußinger,  SDeS  2triftotele§  @rr/abenfyeit  10 
über  allen  2)uali<§mu3  unb  bie  bermeintl.  ©ct)mierigfeiten  feiner  (Betfteö=  unb  Unfterblicb= 
fettSleljre,  1878.  ©cbjottmann,  Sergängl.  unb  Unttergänglicr/eg  in  ber©eele  nad?2trifto= 
teleS,  1873).  ©ntfbrecfeen  ntcbt  ©cfylciermacfyerg,  $.  ©.  %\d>k§,  §egelS  unb  ©cfyobenfyauerS 
^been  über  bie  ©toigfeit  be§  ©eifteS  bem  nacb,  „Unfterblicfyfeit"  bürftenben  ©mbfinben 
mebr  aU  bie  enblofe  gortbauer  be3  3nbibibuum§  im  ©til  be§  borfanttfcben  9tationalt3=  15 
mus?  Äaum  irgenb  ein  ?ßbtIofo^t;  beraubtet  abfolute  Vernichtung  (nicfyt  einmal  Wlaxn-- 
länber),  unb  felbft  2)emoIrit,  ©birur  unb  ^ttrrbo  laffen  bie  ©timme  ber  Hoffnung  nidjt 
fd)lea)ttr>eg  berftummen.  Umgefefyrt  wirb  fcfyledbtbmtge  Unfierblid)feit,  welche  ben  ©a$, 
„ber  9Jcenfcb,  ift  fterblicb/',  aufhöbe,  Don  niemanb  behauptet.  gieljit  man  a&er  hü  $been 
ber  5ReubIatonifer,  be<5  %of).  ©c.  ©rigena,  3.  ©.  gierte,  ©Delling,  St.  Qfyc.  %x.  Traufe,  %x.  20 
b.  Saaber,  ©.  %fy.  getaner  I)eran,  fo  geigt  fieb,  bie  fummarifcfye  grageftettung  als  bölltg 
berfeljlt.  ®ab,er  2.  wie  toirb  ba§  fortleben  be£  an  ber  SDcenfctienfeele  Unbergänglicben 
gebaut?  ®er  natürlichen  Unfterbüctjfeit,  welche  einer  anfang^lofen  Sräerjftenj  entfbricfyt 
ober  tr>enigftem§  abS  Korrelat  ber  natürlichen  Sererbbarfeit  bureb,  geugung  (Strabucianfe 
muS)  gebaut  wirb,  ftebt  gegenüber  ba§  fortleben  nacb,  ©otteg  Söillen  troij  natürlicher  25 
©terblicfyf eit ;  alfo  ba<§  übernatürliche  ©efc^enl  einer  geiftigen  (ober  &ugleicr)  leiblichen) 
Sßieberbelebung,  toobei  bauembeä  Slb^ängigfein  Don  göttlict/er  ©nabe  borau§gefe£t  toirb. 
2luc6  in  letzterem  gälte  fann  ba§  ©intreten  in  ben  guftanb  ber  ©eligleit  entroeber  für 
ade  (Gtybrtan)  ober  boc^  für  bie  Patriarchen,  5ßrDbb,eten,  3J(ärt^rer  (^renäuS,  ^ertuHian) 
fogtetdb  mit  bem  SCobe  ftattftnben ;  nacb,  anberen  Äircb^enbätern  ift  grotfeben  'Jiob  unb  3luf=  30 
ertoechmg  ein  ^wifcljenjuftanb  an^une^men  (^uftinuS,  §ilariu§,  Qfyx'xü.  bon  ällej.),  ber 
entteeber  berfc^toinbenb  !urg  (§ilar.  in  5Pj  65.  22 :  menigftenS  bie  SJcärt.  werben  fogleicb, 
ber  eroigen  ©eligfeit  teilb^aft)  ober  anbauernb  ift  unb  mä^renb  beffen  entweber  ein  ©eelen= 
fcfilaf  ($ft)c^Dpann^ie:  §en0<^  100,  5;  91,  10;  92,  3;  bgl.  ®a  12,  2.  13;  2Ibt  14,  13; 
Sutber:  „verisimile  exceptis  paucis  omnes  dormire  insensibiles",  Srief  an  3lmg=  35 
borf  13.  ^an.  1522;  (Ealbin  bagegen)  ober  —für  bie  minber  ©ereilen  —  eine  Säuterung, 
fei  e<8  burc^  jenfeitige  Reinigung  (^urgatorium,  gegefeuer  nacb^  ©aefy  13,  9;  1  Uo  3,  13; 
^ub  23),  fei  e§  burd)  ©eelenwanberung  ClRetembf^ofe,  9te!urrenjib,eorie)  ober  boefy 
2eibe§toanblung  CüJcetamorbb^ofe,  Transmutation,  Transformation,  ÜBerHärung)  ftattbaben 
teirb.  @ine  roeitere  SRannigfaltigleit  ber  SSorftellungen  über  ba§  3enfe^  ergiebt  fieb,  (bei  40 
§ilariu§,  2tmbrofiuS,  Sluguftin,  ©regor  b.  5Raj.,  (Eb,rt)foft.,  §ieron.)  au§  ber  Kombination 
bon  „^arabieS"  unb  „älbrafjamS  ©$oj$",  SBieberbelebung  ber©eele  unb  Söiebererftattung 
beS  SeibeS,  Sßarten  unb  Slnfc^auen  ©otteS.  (Sgl.  2öünfcb,e  ©.  517—523.)  hieben  bie 
3bee  ber  allgemeinen  Sluferfte^ung  tritt  bie  Sorftellung  einer  bartießen  (Srmecfung  (ßftr. 
§.  2Bei|e  bgl.  2Bei  ©al.  5,  15)  ober  boef)  einer  @infcb,ränlung  ber  leiblichen  Erneuerung  45 
auf  bie  frommen  (2öeijj,  Sibl.  ^fjeol.).  ^Dogmengefcr^tcbtlicb  fbielt  in  biefe  grage  bie 
Äontroberfe  jibifc^en  ben  ^b^tb^artolat^ren  unb  2l^btt)artobo!eten,  git>tfcben  ßreatianiömuS, 
3;rabucianiSmu§,  ©eneratianiSmuS  unb  ^räeEiftenjianilmuS  fotoie  über  bie  ©wigfeit  ber 
§öHenftrafen  ein  (bgl.  bie  „©cb,u£fct)riften"  „für  bie  ßtbigfeit  ber  £>ötlenftrafen"  um  bie 
ÜWitte  be§  18.  QabjlnmbertS).  ©egen  bie  Meinung,  bafj  ©ebet  unb  Sllmofen  ben  Soten  50 
nü^en  (2  5Rf  12,  44  f.),  finb  fet/on  früb  einzelne,  wie  ber  5ßreSbb,ter  SleriuS  in  ©ebafte, 
aufgetreten;  feit  Slnerlennung  ber  fiebere  bom  ^3urgatorium  1439  nahmen  3;otenmeffen 
unb  ©jequien  überb,anb.  Scibnij  getraute  fieb,  rtiebt  ,,^u  febifören,  ba|  eS  ntebt  irgenb 
ein  Slnalogon  gebe  ^u  einem  $urgatorium"  (Ep.  34.  37  f.  an  gabriciuS).  ®afe  ba§ 
t)öH.  geuer  ein  f)r/lifc|e3  fei,  galt  nacb,  bem  geugntö  be§  Sactanj  unb  Sluguftin  als  atlg.  55 
^rabition,  melier  nur  Slug.,  ©reg.  b.  9?r/ffa  unb  SlmbrofiuS  tniberfbrac^en  (3Bünfd)e 
S.  522).  —  3um  ©trett  über  ben  ©eelenfcljlaf  bgl.  (aufeer  ber  bei  ©biejj  angef.  £itte= 
tatur):  %\m.  ©eibel  (2lbt  in  £>alberftabt),  Som  ©cfjlafe  ber©eele  nacb,  bem  £obe,  1754, 
Senjfr;,  2Biberlegung  beS  ©eelenfcblafeS,  1755;  (Sb^träuä,  De  morte  et  vita  aeterna, 
1591.1,  II,  -lfi  ff.  —  unb  für  bie  ©celentuanberung:  üeffing,  @rj.  beS  SRenfcb,  engefcb,  led;tS ;  w 

19* 


292  Itnfterblidjfcit 

gerbet,  ©ialog  über  ^3altngenefie  unb  ©eelenWanberung  (gerftreute  Slätter) ;  lyof).  %x. 
V.  9Jiet;er,  SBIätter  f.  I)ö^ere  2Bafyrt).,  1830,  I,  244 ff.;  ßfyr.  gourier,  Passions  de  l'äme. 
gu  bem  33eften,  toa§  bie  SSiffenfcfyaft  für  3lufr)euung  ber  Slrt  unb  Söetfe  beS  geiftigen 
gortbefteljienS  geleiftet  fyat,  gehört  bie  ^ufawmenftellung  ber  lonlreten  Silber,  Weld)e  uns 
5  ben  ©egenfatj  §Wifd)en  bem  33Ieibenben  unb  bem  33eränberlid)en  Veranfdjiaulicfyen  unb  jur 
^teflerjon  anregen.  33gl.  ©cfyovenb/auer  a.  a.  D. ;  ^3ertt>,  ®ie  mVftifd)  en  ©rfcfyeinungen  in 
ber  menfc^I.  3tatur;  ©u  $rel,  ^tlofovfyie  ber  9Ji#il,  1884.  Seliger  für  ba3©runb= 
Problem  ift  bie  teleologif d)e  (Erörterung :  3.  Wo^u  bie©eWif$ett  eines  unVergängl,  ©afeinS 
notWenbig  fei?    a)  bem  inbiVibuat=eubämoniftifd)en  2Sunfd)e,   baS   liebe  $d)   ju  lonfer= 

in  vieren,  b,at  ©cfyleiermacfyer  (bem  Söorte  be3£>erm9Jtt  16,  %o  12  gemäfs)  ben  ©a£  entgegen 
gefteßt:  „SSer  nictyt  gelernt  Ijiat,  mel)r  ju  fein  als  er  felbft,  ber  Verliert  Wenig,  wenn  er 
ficr)  felbft  verliert"  Slber  bem  vftycr/ifcijen  SebenSburft,  welker  möglichenfalls  egoiftifd) 
ift,  fielen  $ur©eite  b)  bie  ©fymvatfyien  ber  greunbfc^aft  unb  gamilienliebe,  bie  Hoffnung 
auf  SßieberVeretnigung  mit  ben  Heimgegangenen,  bie  ©etmfucfyt  nad)  unvergänglichem  ©e= 

15  nuffe  beS  $bealen,  wie  eS  bie  Kulturarbeit  ber  ^enfcbJettSgefdjicf)te  in  Kunft,  2öiffenfd)aft, 
©emeinWefen,  KuliuS  gefefyaffen  fyat.  2luS  jenem  gefeiligen  ©inn  für  felbftlofeS  ©emcin= 
fct/aftSleben  unb  auS  biefer  äfifyetifcfyen  ©etmfucfyt  nad)  unvergänglicher  S£eilnal)me  an  bem 
$bealen  entwickelt  fid)  c)  ber  etfyifcfye  SBille,  bauernb  mitzuarbeiten  an  ber  9tealifierung 
ber  Qbee,  unb  ber  ©taube  an  bie  gtelftrebigfeit  unb  gWedWafyrlmt  aUeS  fittlid)en  XfyunS 

20  unb  SeibenS.  $Diefe  Söafyrfyeit  fcfyeint  in  grage  gefteßt,  falls  eine  3Sernicb,tung  beS  etb,i= 
fcfyen  Kulturlebens  beVorftünbe,  Wo  „alle  lebenben  unb  Vernünftigen  SBefen  nebft  alten 
ib,ren  Seiftungen,  ben  ©taatenbilbungen,  ben  Söerlen  ber  Kunft  unb  2öiffenfd;aft,  nid)t 
blofj  aus  ber  2öirllid)leit  föurloS  VerfdjWunben  fein,  fonbern  aud)  lein  SInbenlen  in  irgenb 
einem  ©eifte  ^urücfgelaffen  b,aben  Werben,  ba  mit  ber  ©rbe  natürlich  aud)  il)re  ©efd)id)te 

25  ju  ©runbe  geb,en  mufj"  (©traujs,  V.  §eHWalb  u.  a.).  33or  allem  nötigt  d)  ber  ©ebanle 
ber  aUg.  Söeltb,  armonie,  baS  SBunber  beS  ©afeinS  im  gangen,  $u  ber  religiofen  33eWunbe= 
rung  ©otteS  als  be§  SBeifen  unb  ©ütigen;  foWofyl  biefe  beWunbernbe  ©otteSgeWififyett 
als  beren  Kefyrfeite,  ber  Surft  ber  9Jcenfd)enfeeIe  nad)  bem  lebenbigen  ©Ott,  Würbe  bei 
2lnnab,me   ber  33ergänglid)leit  betrogen   Werben:   bafyer  um   ber  2Bafyrb,eit  be§  ©otte§= 

30  gebanlenS  Willen  ber  SüCuSblicf  auf  unvergänglich  Seben  unentbeb,rlict;  ift.  —  Slud)  mit 
biefer  teleologifd;en  ©rläuterung  ber  SRotiVe  beä  Unfterblid;glauben§  ift  bas>  Problem 
nid;t  erfd)övft,  ba  ba3  33ebürfni§  nad)  ewigem  Seben  Weber  Von  allen  in  gleicher  Skife 
em^funben  Wirb,  nod;,  Wenn  bieg  annä^ernb  ber  %aU  Wäre,  bie  2ftöglid)feit  au§fcb,löffe, 
ba^  ber  3Renfcb,engeift  gerabe  bei  Volllommener  9leife  fein  etb,ifd)eS  unb  religiöfeg  ©enüge 

35  in  ber  immanenten  Mitarbeit  an  ben  ewigen  ^^^en  fud)c  unb  finbe.  ®a^  abgefeb,en  Von 
biefer,  Von  %.  ©.  gtcfjte,  §egel,  %vk§,  ©c^leiermacb.er  betonten  immanenten  unb  inten= 
fiVen  „©Wigfeit  be<§  ©eifte§"  noc|  eine  tranfcenbente  unb  ejtenfive  „llnfterblitt)!eit  ber 
©eele"  ju  erwarten  fei,  fud)en  ju  begrünben  bie  4.  nad;  bem  SBarum  fragenben 

VI.  SeWeife  für  bie  Unfterblid; !eit,    Welche  faft  burd;Weg  ben  93eWeifen  für 

40  ©otte§  ®afein  analog  finb.  1.  ®er  S3eWei§  e  consensu  gentium  (Vgl.  mit  ßicero: 
a)  3fioäloff,  ©a§  SMtgionäWefen  ber  ro^eften  5RaturVöIIer,  1880,  ©.  23—34,  b)  ^efd)el 
©.  147;  [Subbocfö  33erid)t  über  bie  SlntWort  beS  2lrafuru  (©.  175):  „@§  ift  nod;  nie 
ein  2lrafum  nad)  feinem  Sobe  §u  un§  jurüdgefe^rt"  beruht  auf  ungefdiiclter  $rage= 
ftellung  unb  mangelhafter  S3eoba(|tung;  2lnfä|e  jum  llnfterblic^leitgglauben  finb  fo  all= 

45  gemein,  Wie  gur  Religion  überbautet] ;  c)  Saftian,  Beiträge  jur  Vergl.  ^f^)d)ologie  1868, 
©.  2 72  ff.)  fc|eitert  §.  33.  an  ber  negativen  (Stellung  ber  $fyönij(ier  unb  be§  33ubbf)iSmu§ 
unb  b,at  faum  ben  ©eltung§bereid)  beS  entfvredjenben  ©otte§beWeife§.  @benfo  2.  ©ie 
SeWeife  ab  utili  unb  a  tutiori.  $ener  empfiehlt  bie  Stufred^ter^attung  be§  Unfterb= 
Itc^IeitgbogmaS  im  ^ntereffe  ber  öffentlichen  9Jtoral(§obbe§);  biefer  fud)t  ber  tfyeoretifcfyen 

so  UngeWiPeit  ein  ©egengeWic§t  gu  geben  in  einem  berartigen  Vraftifcfyen  S^er^alten,  „al§ 
ob"  ein  jenfeitigeg  fortleben  befte|e:  biefe  feb,r  VoVuläre  ©enfWeife  (au§  einem  nad)= 
gelaffenen  Briefe  S.  Si^ronS  [1821  von  einem  ©etftlidjien  in  §afting§  gefunben,  brigeg. 
1869] :  „Unzweifelhaft  b,aben  biejenigen,  Weld)e  feften  ©lauben  in  ba§  Evangelium  fe^en, 
einen  Vorteil   Vor  allen  übrigen  vorauf,   Weil,  Wenn  ba£  (Evangelium  Wab,r  ift,   fie  im 

55  fünftigen  Seben  ibjen  Sob,n  erhalten,  unb,  giebt  e§  lein  fünftigeö  Seben,  bann  teilen  fie 
nur  mit  ben  Ungläubigen  ben  ewigen  ©dbjaf,  nacfybem  fie  bie  ©tü|e  einer  erhabenen 
Hoffnung  t^r  Seben  lang  gehabt  unb  leine  nachträgliche  ©nttäufd^ung  erfahren  |aben") 
entfvringt  bem  Qntereffe,  bejüglicb,  beS  Qertfeitg  fidler  ju  geb,en,  Hingt  aber  felbft  in  ber 
Beweisführung  Kants   (3t.  33.  £artft.  III,   332,   Vgl.  403  f.  453  ff.)  an.    ©er   9cerV   ber 

60  Kantfctjen  Unfterblidjlettslebre  (^5r.  33.)  liegt  in  einer  33erbinbung  beS  moralifcb,en  33eWeifcS 


Unflcrilidjleü  293 

|f.  u.  6J  mit  beut  :!.  tclcologifcfyen  33etoeiS,  toelcfyer  bon  ber  Scftimmung  bes  bcrfönlid)en  Qnbi= 
bibuumS  jur  23oHfommenI)eit  ben  ©cfylufj  mad)t  auf  eine  ©rgänjung  beS  bjenieben  nur  ±eil= 
toeifc  erreichbaren  ©nb^telS  in  einer  jettfettigen  3L\>elt.  ®iefer -JReinung  bon  3.  £.  gierte  (^bee 
bcr^erfönlidE)!eitunbber  inbib.  gortbauer,  1855),  ^ul.  Butler  (1835),  ©öfd>el  (1836)  unb 
Ulvici  („toeil  bie  toalienbe  ©eele  fid)  felber  ßtoeef  unb  giel  iljireS  ©trebenS  fe|t,  ift  an=  5 
juneb,men,  bafe  fie  im  ewigen  ©ein  baS  giel  Su  erreichen  beftimmt  fei")  fyat  fdpn  SBIafcfye 
C}>biiof.  UnfterblidtfeitSlefyre)   ben  Unterfcfneb   jtoifc^en   ber  ©nblicfyfeit  beS  ©in^elroefeng 
unb  ber  Unenblic^feit   ber  ©attung   entgegengefteßt.    Umgelegt   finben  auf  ©runb   beS 
.Uonftanjgefe^c§  bie  mobernen  Sltomiften  unb  felbft  bie  ^anbfbcfyiften  (#ädel,  ^erigenefiS 
c.  37),  *>a$  beg  2ttomS  „Waffe"  tote  „©eele"  „etotg  unb  unfterblicb/'  fei,  bie  3Kenfd)en=  10 
feele  hingegen  fterblicb,  unb  bie  ©attungSibeen  blofje  ätbftraf tionen !    2lnbere  erfennen  bie 
Scrgänglicbjett  beS  ^nbibibuellen  an,   fefyen  aber   in  ber  menfd)lid)en  ^perfönlidtfett   eine 
Smttbcje  Don  JJnbibibuellem  unb  allgemeinem,  fo  bajs  t^r  bie  ©toigfett  ber  blatonifdjien 
$b'ee  julomme  (Stofenfran^,  Söeifje,  aueb,  ©djaller  unb  felbft  ©d)oben|auer).  4.  SDer  ana= 
logücbe  SetoeiS:   bie  Analogie  ber  bljibjiologifdien  5ftetamorbf)ofe  (33erbupbung,  2öinter=  15 
fcfylaf  u.  f.  f.)  gelte  in  birefter  Übertragung  aueb  für  bie  menfdjlidje  ©eele :   fo   bei   ben 
ifiabbinen  bie  ©i'em^Iifijterung  auf  baS  aöetjenforn,  eine  ©dmedenart,  eine  ägtybt.  5Räufe= 
gattung  (2öünfd)e  ©.  368);    bei  ben  $irdjenbätem  %aa,  unb  Sfacfyt,   ©ame  unb  $rud)t, 
^ogel  ^öniE,    Sonfcfyeibe    [©regor  b.  9tyffa];    ber  ben  ÄoSmoS   burd)bringenbe  £tcb> 
ftra&I  (Gt>rill;    ebenb.  ©.  519 ff.;    bgl  Söeifse,  2#Siß  1836,  ©.  323).    demgegenüber  20 
a)  negatib:    %x.  9iid)ter,  ®te  £el)re  bon  ben   legten  ©ingen,  I,  1883;    b)  bofitib   (als 
richtige  SSertoertung  ber  Analogie)  %x.  b.  Skaber  (Über  ben  Segriff  ber  3eit) :  „Übrigeng 
giebt   eS  leinen   anberen  SBeg,    bem  SRenfcfyen  bie  Unfterblid)feit  feinet  SDafeinS  %u  be= 
föeifen,  als  ifm  ju  bermögen,  baS  toafyre  Seben  ju  enttoideln.  Senn  bon  bem  2tugenblid 
an,  ba  biefeS  Seben  ^riebfraft  in  if)m  getoänne,  toürbe  eS  aud)  ebenfo  unmöglich   fein,  25 
ib,m  einen  Zweifel  ein  feiner  toa^ren  Unfterblicfyfett,  b.  b,.  an  ber  toafyren  33ertoirllidmng 
feinet  SebenS  beizubringen,   als  eS  unmbglid)  toäre,   eine  jufammengebrüdte  ©bannfeber, 
falls  fie  Setoufjtfetn  fwtte,   an   i^rer  elafttfcfyen  -Katar  jtoeifeln  ju   machen"   (2öerle  II, 
2.  75).    2Bo  nun  bie  leleologte  bon  tbeeßen  Sinologien  ah\at)  unb   an   ben  ÜRealner.u<§ 
ber  ©rfdieinunggtoelt  abbellierte,  führte  fte  jum  5.  aftronomifc^en  Setoetfe",  toelcb,er  feine  30 
Scbtüffe  aufbaut  a)  auf  bem  ®afein  ber   fo  umfangreichen,   aber    anbernfaÜS   jtoedlofen 
@riftenäfbb,ären  anberer  §immetelörber,  unb  b)  auf  ber  Söa^rfc^ einlief eit,  bafe  aueb,  ba§ 
detail  beS  aftralen  ©onberIeben§  ber  ©eftirne  beftimmt  fei,  bem  menfcfyüdjen  Söiffen  gur 
Vereiterung  ju  btenen.    ©trettb^orft,  ©rünbe  für  unfere  gortbauer   au$  ber  3lftronomte 
1792;   ^ona§,   2)te  ©eele  unfterblicb/;    au$  ben  SBunbertoerfen  be§  ©cb,öbfer§,  bem  ©e=  35 
biet  ber  Slftronomie  ic,  1884;  33retfd;neiber,  ®ogm.  II,  367;  3)orner,  ß^rtftl.  ©lauben^I. 
a.  a.  C.  ©agegen  jtoetfelnb  ^.  ®.  3Jcict)aeIig,  ®ogm.  ©.  719  ff. ;  ableb^nenb  £>aumer,  ln= 
beutung  etne§  ©bftem§  fbefulattber  «ß^tlof.  ©.51.  —  SSgl.  %ofy.  $uber,  3ur  ^b^ilof.  ber 
Slftronomie,  1858,  u.  Äletn,  Stftronom.  2Kbenbe,  1884,  Üab.29.  —  2öä^renb  bei  ber  teleolog. 
Betrachtung  3JcitteIjtoec!  unb  ©elbftjtoec!,  äftb,.  unb  et^tfdje  (Snttoicfelung  tneinanber  berf(ocb,ten  40 
teerben,  tritt  bie  Qbee  be§  ftttlicb^en  ©eifte^IebenS   als   fbe^ififc^en  ©elbftjtoedeS  in   ben     , 
i^orbergrunb  6.  im  moraltfc^en  Setoeife  im  ©tnne  ^antS.   gtüid  beS  SebenS  ift  btegor= 
berung  ber  £>eiltgfeit  al§   bi3ßiger  Slngemeffenfjeit  an  ba§   moraltfc^e  ©efe|:   eine  SoIl= 
fommenfyeit,  beren  !ein  ©innentoefen  als  folcb>3  fällig  tft,  unb  bie  bafyer,  um  annäljernb 
erreicht  ju  toerben,  baS  s$oftulat   eines   unenblicb,en  ^rogreffuS  borauSfe|t :    bab^er   bie  45 
tröftenbe  Hoffnung  ber  2luSftcb,t  in  eine  feiige  3u^unft  fittltd)  begrünbet  fei  ($rtt.  ber  br. 
Sern.  V,  128  ff.).    3Son  biefem  berfetneben  unb  bem  ©otteSbetoeiS  ^antS  entfbred;enb  ift 
7.  ber  SetoeiS  auS  ber  ©erec^tigfeitSibee,  beren  Negation  jur  moralifcb^en  SaScibität  führen 
toürbe.  Xugenb  mu^  belohnt,  ©ünbe  beftraft  toerben:  beibeS  gefcfriefyt  Ijienieben  nur  un= 
bollfommen ;    baber  ber  SluSblicf  auf   eine  aufeernatürlicb,e  SebenSfb^äre  erforberlicb,,    too  50 
bie  auSgleicb,enbe  '©erecfytigfeit  boöfommen  bolljogen  toerbe.    Db^ne  ben  ^mbulS,   toelcb^er 
aus  biefer  ^bee  beS  jüngften  ©erieb^ts  ertoäd;ft,  toäre  felbft  ber  fromme  feinen  Aufgaben 
nieftt  getoacb,fen;    bie  33öfen  toürben  triumbb,ieren,  mit  Stecht,  benn  „b,offen  toir  allein  in 
biefem  geben  auf  Gfyriftum,   fo  finb   toir  bie  elenbeften  unter  allen  9J!enf$en".    ©0  mit 
2ltf)enagoraS  unb  ^uftinuS  bie  ©ocinianer,  Slrminianer,  Stationaliften,  aud)  ßalbin,  Seibnij,  65 
©•  £.  b.  ©Hubert ;  fd;on  ^latonS  ?pb;äbon  ertoäb^nt  biefen  ©ebanfengang.  (Sr  liegt  5lantS 
©otteSbetoeiS  ju  ©runbe  (^5r.  SSern.  V,  130  ff.)  uub   fönnte  mit  bemfelben  SRedjt  in  ben 
Hantfd^en  Unfterblid)tcitSbetoeiS  bertooben  toerben,  toie  beffen  ^beengang  gelegentlich  bon  ^ant 
fel6er  in  bie  Segrünbung  beS  ©otteSglaubenS  aufgenommen  toirb  (;v  33.  VI,  jum  etoigen 
^rieben  ©.  429,  3lnm.).    demgegenüber  E)at  bie  ©toa  unb  nad)  tb,r  6lem.  i'Uer.  (©trom.  60 


294  ttttfterbltd)feit 

IV,  6.  22)  bie  immanente  ©erecbjigfeit  betont,  meiere  fcfyon  fyiernieben  grebler  unb  Un= 
gläubige  treffe  (r>gl.  So  3,  18);   felbft  Salbin  ftnbet  Inst.  rel.  ehr.  (im  llnterfcbjebe  Don 

1.  5, 10)  mit  ÜDfofeg,  $aulu§,  Slnfelm,  ©cfart,  Sutfyer  einen  frommen  Skrjicfyt  auf  bte 
<ßarabiefe3freuben  nidjt  unbenlbar  (III,  16,2;    2,26);    unb  ©pino^a  »erlangt,  baß  ber 

5  iugenbfyafte  nic^t  burdj  bie  ^bee  eines  feiigen  (Snbjtoec!§  fid?  beftimmen  laffe,  fonbern 
bie  ^ugenb  foll  naturgemäße  33etf)ätigung  ber  ©eelenliarmonie  fein,  beren  unenblicr)er 
3nl)alt,  bie  ©otte§Iiebe,  feineätuegg  einer  ebenfalls  unenblic^en  ©jtftenjform  al<§  Unter= 
läge  bebürfe  (Ep.  34,  Eth.  V,  41  sq.).  SDiefe  Slblefynung  be§  33ergeltung§beweife§,  unb 
jtoar  im  ©inne  ber  ©pino3.=©cf;leterm.  (ntc^t  fabbucäifcfyen)  ©enftoeife  ift  faft  ©emeingut 

10  be§  gebilbeten  SDenfenS  geworben.  Sßgl.  SSielanb,  ©ut^anafie  ©.  303 ;  ferner  ©fyafte§= 
burt),  Sefftng,  $i$te,  ©<|ellmg,  $xk§,  SDaumer;  togl.  9Jtaaß,  2öie  backte  ©cfyleiermact/er 
über  bag  fortleben?  %px%fy  1891.  hingegen  fyat  ber  aftoralbetoeig  in  ^antfe^er  gaffung, 
fombimert  mit  ber  c|riftli$en  2öertfcb;ä|ung  be§  £eben3,  an  ©eltung  nid)t  toerloren 
(£.  ©ct,ul§,  1861;  mt\fy,  Unterr.  in  b.  c^r.  Selig.  §  76;    Äattenbufcb,,  (Sfyriftl.  Unfterb= 

15  lid&feÜSgl.,  1881).  9Jcan  fann  aber  biefem  SBerfaj^ren  nod)  eine  metapt).  ©ubftruftion 
geben;  ntcfyt  im  ©inne  be§  fonft  fog.  8.  meta^^tjfifc^en  23ei»eife3,  weiter  au§  ber  @in= 
facb^ett  ber  ©eele  ober  ber  ^mmaterialität  be§  ©eifte<8  ■ —  im  tinterfcfyiebe  bon  ber  aK= 
gemeinen  materieE=atomifttfcb/en  indestruetibilitas  (Seibnij)  —  bie  linjerftörbarleit  be§ 
menfdjlicfyen  2Befen<§  herleitet  (9Rarfiliu<o  f^teirtug,  Söolff,  SRenbelSfolm,  ©öfcfyel,  ©Ioa£  in 

20  3tf4>r-  f-  tyW-  un^  ^Päb.  1895  über  mein  unten  citierte<§  33ud)).  ®enn  au§  ber  bloßen 
§eterogeneität  be§  ©eifteg  fö'nnte  man  »ielmefyr  a)  mit  ©pifur  bie  ©leicfygiltigfeit  gegen 
©ein  ober  ÜRicfytfem  ableiten  (Diog.  Laert.  X,  27:  oxav  jusv  fj/nEis  d)/biev,  6  §dvaxog  ov 
ndgeoxiv '  oxav  de  6  ftdvaxog  Tiaofj,  rörs  rj/ueig  ovx  io/uev) ;  ober  aber  man  müßte  b)  bie 
Unfterblicfyfett  (mit  Seibnig  unb  tonnet)   aud)   auf  bie  ^ierfeelen  auäbefmen.   —   SSgL 

25Äant§  $aralogi§mu3  in  ber  Ärit.  b.  r.  33.  III,  310  ff.  unb  $rie3,  Seligtongpbjlofopfne 
©.  105.  hingegen  fann  bie  9.  ontologifcfje  gufammenfaffung  auf  ©iunb  genetifd)= 
fprad)pfr/cfyologifcI;er  ©nttoicfelung  fidj  einer  metapl)r;ftfd)ett  ©cbjußfolgerung  bebienen,  toelcfye 
au§  bem  Segriff  ber  immanenten  llnenblicfyteit  be3  ©eifteS,  foie  er  in  ber  fittlicl)=religtöfen 
^EobeSüberminbung  fi<^>  betoäfyrt,   aud)   bie  ©etoißljeit  bei  @nbtriumpl)e3  ber   ejtenfiöen 

30  Sebensbauer  über  ben  %ob  herleiten  unb  al§  ber  Totalität  bernünftiger  2ßeltbetrad)tung 
entfbredjenb  nadjroeifen  mürbe,  ©in  afmenb=taftenber  23erfud)  ju  biefer  33efyanbIung<otoeife 
(IX)   ift  $Iaton§  2Bortf^ieI    im  ^^äbon  (bie  ©eete    1.  Seben,   alfo  5Ricb>£ob,   folgliü) 

2.  nic^ttot  ä-&ävaxog) ;  ebenfo  bie  Unterfcb,eibung  amritatvam  (unfterblicb,)  unb  vya- 
tireka  (fortlebenb)   in  ber  93ebantabogmatil  (®euffen  ©.  309);  auefy,  baß  ©eele  et^mo= 

35  logtfcfe,  mit  ©oma,  bem  unfterblicb,  macf)enben  ^ranl,  jufammenb,ängt  (©.  6urtiu§, 
©riea^.  ©t^mol.  375.  397).  2Sorau§fe|ung  ^u  folgern  33eh)ei§berfaf)ren  ift  eine  @nt= 
mictelung  ber  em^irifc^en  ©ntfteb^ungömeifen  bes  Unfterblid|feit§glauben§  (VII.  VIII). 

VII.  ©ie  urfprüngli<f)en  5&Jotibe   beö  Unfterblicfyr'eitgglauben3   entf^reeb^en  ben 
natürlichen  Urfacb^en  ber  ©otteäibee.     ®a§  @rmacf)en  beö  ©otteäglaubenS   läßt  fieb, 

40  ^f^ologifcb,  auf  bie  trierfacfye  2öurjel  jurüdfüb^ren:  1.  ®ie  fubjeltiben  3Jtotbe  beg 
SBunfcb^eä:   gurcfyt  unb  Hoffnung;   2.  ber  bon  ber  ^3b,antafie  boll^ogene  3lnaIogiefa)luß; 

3.  ba3  objeltibe  3Serftanbe§rätfel,  meinem  ber  ^aufaltrieb,  ber  ©ubfumtionS=  unb  @in= 
b^eitstrieb  ju  §ilfe  lommt;  4.  ber  ©inn  für  Secfyt  unb  ©Ute,  meiner  jur  ^bez  ber 
Humanität  unb  ber  moralifcb^en  Söeltorbnung  fü^rt.   demgemäß  entfielt  ber  Unterbliebe 

45  leit^glaube,  ber  nacb,  3Jlt  22,  32  auf  bem  ©ottesglauben  bafiert:  1.  au§  bem  SBunfc^ 
(SEobe§furc|t  unb  2eben§burft);  2.  au§  ber  Qbeenaffociation,  namentlich  be§  Traumlebens; 

3.  au§  bem  unheimlichen,   für  ben  Serftanb   unfaßlic^en  SRätfel  ber  2ebenSbernicb,tung; 

4.  au$  bem  bie  SSergeltung^offnung  erjeugenben  ©inn  für  ©erecf)tigfeit,  2ob,n,  ©träfe, 
unb  bem  allgemeinen  SSerboHlommnung^ftreben.  (^)a^u   5.  ©elegenlmtSurfadjen,  nament= 

so  l\ä)  (VIII,  IX)  fyracfylicfye:   StReta^ber,  §^erbel,  ©ßi^fe,  £omonr/mie,  3SoI!§ett)mologie.) 

1.  Quod  volumus,  credimus  ;  $aui)tbertreter  biefer  Ableitung  ift  geuerbacr) •_:  „©er 

^nb^alt  be§  ^enfeitS    ift  bie   etoige  ©eligleit  ber  Qnbibibualität,   bie  l)ier  bie^feitö  nur 

bureb,    bie  9catur   befeb^ränft    ejiftieren    fann.    ©iefe  ©eligleit   ift  ba§  §immelreicl)   beS 

5!Jcenfcf)en  unb  biefer  £rimmel  toieberum  ift  bie  ^nb^altbeftimmt^eit  feinet  ©otteg:  toie  ber 

55  gjeenfer)  feinen  §immel  benft,  fo  feinen  ©Ott"  ,,©ott  unb  Unfterblicfjfeit  finb  ibentifdj. 
S3eibe  entgingen  aug  bem  Sßunfc^."  Sigbeba  X,  14,  8 ;  9tot&,  ßbm©  II,  225,  IV, 
427:  „2Bo  unbergänglic^e§  Siebet  ift,  too  ber  ©onnenglanj  toolmt,  bab^in  bring  m'vfy, 
o  ©oma,  in  bie  unfterblicb,  e,  untoerlepcfye  Söelt;  .  .  too  man  ftcb,  regt  unb  lebt  nac^ 
Suft,  wo  Söunfcb,  unb  ©eb,nfucb,t  »ertoeilen,  too  bie  ftra^Ienbe  ©onne  ftef)t,  mo  ©eligleit 

60  unb  ©enüge  Ijerrfcfyt,    mo  alle  2öünfcb,e  erfüllt  finb,    o  bort  laß  mief)  unfterblicb,  fein" 


UnfiicrMtdjIcü  295 

Tiad)  tatmubifd)cr  3lnfid)t  ift  baS  SarabicS   eine  ©tättc  ber  äöonne,   toeldje  bie  greuben 
ber  ÜKeffia^ett  überbietet.    „®ie  frommen  fättigen  fid)  bon  bem  gleifd)  (beS  Sebiatban), 
baö  feit  bem  erften  ©d)öbfungStage  ju  biefem  £Wed  eingefallen  Würbe,  unb  trinfen  Sßein, 
ju  Welchem  feit  Slnbeginn  ber  Söelt  bie  Xrauben  bereit  liegen"  (SBünfdje  a.a.O.  ©.410). 
gnbeffen  fd>etnt  biefe  bofitibe  SluSmalung  ber  SarabtefeSfreuben  erft  einer  reiferen  $ultur=  5 
ftufe  anzugehören;   aud)  bie  ©rnntome  ber  £obeSfurd)t  laffen   eine  anbere  Deutung   ju. 
2)ie  ©itte  ber  ^otenfbeifung,  tüelc^e  man  auf  ben  Sßunfd)  nad)  SebenSberlängerung  beuten 
iuitt  (bgl.  Stylor  a.  a.  £).),   fe|en  in  unb  mit  ber  £f)atfad)e  beS  berfönlid)en  £rennungS= 
fdjmerjcö  bereits  eine  tiefere  Sluffaffung  bom  £obe  foWte  bie  gäi)igfeit,   bon  ber  eigenen 
ScbenSberlängerung  ju  ©unften  beS  Eingeriebenen  abjufefyen,  borauS  (9?ub.  9iotI),  Sie  10 
lotcnbeftattung  im  inb.  3llt.,  ßbm©  1854;  Wt.  TOütler,  ebenb.  55;  Slnbreä,  ®ie  2oten= 
gebraute  ber  Söller  ber  93or=  unb  Set^eit,  1846;  SBafjmannSborff,  9)Jottbe  ber£oten= 
beftattung.   Srogr.   $ötln.  ©r/tnn.  1884).     SDer  ^rauergefang   beS   ®r/eriaS,   unter   ben 
inbifcfyen  ÄfyolS  lautet:  „2öir  fd)alten  biet;  nie,  mir  fränften  btd)  nie,  fefyre  gu  uns  jurüd! 
Cjy  naben  bie  ftürmifcfyen  Slage,  —  Weile  nid)t  in  ber  ^älte  —  fomm  Wieber  ju  uns ;  15 
cS  ift  gefegt  unb  gereinigt  für  btd):  10mm  fyeim,  jurüd  ju  uns,  bie  bid)  immer  geliebt" 
(Über  bie  Stellungnahme  ber  alten  (Stiften  jur  ©itte  ber  ^otenmab^eiten  bgl.  Sluguftin, 
De  cura  pro  mortuis  gerenda ;  ^JrubentiuS,  Peristeph.  V  unb  VI ;  Stugufti,  ®en!= 
ftmrbigfeiten  auS  ber  d)v.  2(rd)äoI.,  1828,  I,  526;  Srogr.  b.  3oad)imStf).  ©irnrn.,  1877.) 
2tnbrerfettg  Weicht  ber  SBunfd)  nad)  SBieberbereinigung   öfters  ber  %uxd]t  bor  ben  "üoten  20 
unb  bem  SBunfd),  bon  ifynen  nid)t  beunruhigt  pi  werben  (bieS  nad)  SöafjmannSborff  ©.  5 
ba3  erfte  Diotib).  93gl.  bie  SBorte  bei  ber  £eid)enfeierlid)!eit  ber  Sobo  in  5Rorboftinbien: 
„ü?imm  unb  ifj;   bormalS  I)aft  bu  mit  uns  gegeffen  unb  getrunten,  jetjt  lannft   bu   eS 
nid)t  mel)r;  bu  Warft  einer  bon  uns,  bu  bift  eS  nid)t  mefjr;  Wir  fommen  ntcr)t  mel)r  gu 
bir,  fomm  bu  aud)  nid)t  fürber  ju  unS!"     ©aSfelbe  ergäbet  bon  ben  'SfcfyuWafdjen  unb  25 
Ifcfjeremiffen  ßaftren  (ginnifdje  9Jh)tf)ologie,  ©.  120  ff.)  unb  bon  ben  9varatonga=^olt)- 
nefiem  3ßait5=©erlanb   (VI,  310).    ®ie  ^otenmafylgeiten   bebeuten  oft  Wie   bie  £eid)en= 
berbrennung  blofj  bie  'JrennungSfeier  als   finnbilblid)e  2lbfinbung  mit  bem  ©eftorbenen. 
^at.  ©rimm,  ©aS  Verbrennen  ber  Seiten,  (SB.  b.2B.)  1849;  SB.  ©onntag,  Sie  2oten= 
beftattung,  SotenfultuS  alter  unb  neuer  $eit,  SegräbniSfrage  1878.   [ßnbltd)  bgl.  6I)a=  30 
teaubrianb  (3lttala  unb  3^ene):    „SSenn  einmal  ein  Sftenfd)  aud)  nur  einige  3><^e  nad) 
feinem  iobe  Wieber  an  baS  £id)t  ber  SBelt  jurüdläme,  fo  jWeifle  id),  ob  tl)n  felbft  biejenigen, 
bie  feinem  Slnbenren  bie  meiften  ^Ebränen  geWeil)t,  mit  Wirllid)er  greube  Wteber  begrüben 
icürben"     2ib,nlid)  5Raeterlind,  2)er  1)1.  2lntoniuS,  eine  fatirifd)e  Segenbe]. 

2.  Xer  ©influ^  auffaßenber  Slraumerlebniffe  auf  ^antafte  unb  ©efamtWelt=  35 
anfefjauung  ift  nid)t  blo|  auf  nieberer  Äulturftufe  erb^eblid),  fonbern  im  SSebänta 
unb  in  ber  ^abbala,  bei  fbefulatiben  SDenfern  Wie  §ier.  SarbanuS  unb  unb  ©d)oben= 
blauer  Werben  bem  Seben  beS  XraumeS  über  baS  finnlid)e  ©ebiet  b,inauSgeb,enbe  2luf= 
ftt)lüffe  jugefd)rteben ;  felbft  3lriftoteleS  unb  Seibnig  Wollen  baS  Traumleben  beachtet 
lfiffen.  ©a^  aud]  ber  UnfterbIid)!eitSgIaube  befonberS  auf  nieberer  ^ulturftufe  bem  40 
Traumleben  mäd)tige  Slnregungen  berbanft,  b;at  neben  SSaftian  (f.  0.  VI,  l,c)  be= 
fonberS  SEr/lor  (3tnfänge  ber  Kultur  I)  burd)  ©ammlung  bon  33eifbielen  erhärtet.  ®ie 
3Serftorbenen  erfd)einen  uns  lebenbig;  Wir  leben  mit  ibnen,  unter  ilmen;  ber  Moment 
beS  @rWad)enS  büntt  uns  ein  §erau§treten  aus  einer  2Belt  in  eine  anbere.  S)er  $Rei§ 
biefer  2tbWed)felung  E>at  fogar '  jur  Iünftlid)en  ©r^eugung  bon  SEraumjuftänben  geführt :  45 
bei  bem  grönlänbifdjen  Slngelof  unb  bem  turanifd)en  ©d)amanen,  Wie  in  ber  antifen 
ÜDtontif.  Sie  9ZeufeeIänber  meinten,  bie  träumenbe  ©eele  entferne  fid)  au§  bem  Seibe 
unb  febje  wieber  jurüd,  nad)bem  fie  ins  Sotenreid)  geWanbert,  um  fid)  mit  il)ren 
greunben  ju  unterbalten.  £>iefe  gä§ig!eit,  bie  an  fid)  jebem  julommt,  Wirb  alsS3erufS= 
legitimation  bom  ^ßriefter  ober  tauberer  berlangt:  er  folt  feine  ©eele  in  baS  QenfeitS  50 
toanbern  laffen,  um  bon  ben  2lbWefenben,  ben  2:oten,  ^unbe  ju  bringen.  Ser  Äarene 
foannt  (nad)  Saftian)  in  feinen  birmefifcfjen  2BäIbern  gäben  über  bie  ©een,  bamit  bie 
©eifter,  mit  benen  er  im  %raum  berlet)rt,  ben  SüdWeg  nid)t  berfel)len.  ®iefelbe  §bee 
fprid)t  fiel)  in  bem  93oIISbraud)e  aus,  einen  ©d)Iafenben  nid)t  umjubrel)en,  foWie  in  ber 
Sage  bon  ®önig  ©untf)ram  ber  Wir!lid)e  ^raum  als  geträumte  9Birllid)reit  aufgefaßt  55 
li'irb.  5Rit  bem  traumbaften  (Sinbrud  bon  bem  fortleben  beS  Stbgefdnebenen  lan«  fid) 
ber  lebhafte  SBunfd)  berbinben,  ibn  ber  Sernid)tung  entriffen  ^u  fef)en.  2lber  biefeS 
bobbelte  SORotib,  fo  Wirtfam  eS  genetifd)  geWefen  fein  mag,  ift  bod)  nad)  fad)lid)er  äBert= 
fa)ä|ung  nur  ein  untcrgcorbneteS.  2)ie  ©eele  fief)t  im  'Xraum  nur  baS  ©biegelbilb  beS 
«genen  ^nnern.    Tie  Kombinationen,  ioeldjc  bie  Sb^antafic  auS  ben  bon  ber  3luf$cnWelt  üo 


Ü96  ltnfterftlicfjfcit 

entlehnten  2Baf)rnc£)mungSreflej:en  btlbet,  belegen  ftd?  innerhalb  beS  geläufigen  33orftelIungS= 
freifeS;  bemgemäß  ift  baS  Sanb  ber  ©eligen  burct;  bie  33oIfSibeale  beftimmt.  35er 
^nbianer  befugt  im  %xaum  feine  ^agbgrünbe,  ber  Hellene  fdjaut  bie  elfyfäifcfyen  ©efilbe, 
ber  ©ermane  backte  ficb,  baS  Seben  in  SiBalljalla  mit  blutigen  ©d)lacf/ten  öerbunben.  Um 

5  biefe  bolfstümlicfyett  ^enfeitöibeale  ju  bilben,  baju  beburfte  eS  fcfyon  einer  umfaffenberen 
^antafietfyatigfeit,  einer  Qbeenaffojiation,  toeldje  audj)  bann  in  ßraft  bleibt,  Wenn  bie 
am  5£raum  fyaftenbe  Qßufion  als  folcfye  erlannt  ift.  Ungleich  fachgemäßer  als  ber  2lna= 
logiefcfyluß,  Welcher  auf  baS  Traumleben  bie  Attribute  beS  Wirflictjen  SebenS  überträgt, 
finb  bie  ^beenaffociationen,  burd)  meiere  bem  irbtfcfyen  Seben  ber  ßfyarafter  beSSEraumeS 

10  beigelegt  Wirb ;  bie  ben  ^nbiern  geläufige,  t>on  Güalberon  bramatifierte  $bee,  „baS  Seben 
ein  SEraum";  ber  fog.  SEraum  ein  Slbbilb  beS  irbifdjien  SebenS,  aber  im  irbifetjen  SEobe 
ber  SRoment  beä  ©rWadjenS  aus  bem  SebenStraum  gur  Wahren  Söirflidpeit.  3>ie  ©e= 
ftfnd)te  ber  SEraumborftellungen  im  3151  geigt  eine  fortfcfyreitenbe  (Entwertung  beS  2BeiS= 
fagungStraumS  (r>gl.  35t  13;  3er  23;  Solj  5,  2—6);  aber  biefe  Entwertung  Itfnbert  md&t, 

15  baß  eine  lebhaft  erwartete  Sßenbung  beS  irbifcfyen  SebenS,  btefeS  fog.  Wirfltcfyen  3)afeinS 
ber  ©egenWart,  als  ein  „©ein  Wie  bie  5£räumenben"  gegenüber  bem  Eingeben  ju  ^ö^erer 
35afeinSform  bezeichnet  wirb  ($f  126).  Nur  bei  23ergleictmng  beS  gangen  SebenS  mit 
einem  ^raumjuftanbe  Wirb  ber  Einwurf  gegenftanbSloS,  baß  Wie  im  einzelnen  SEraum 
ein   Wirflict)eS  ©terben  geträumt   Werben  fann,    fo   aufy  baS  traumhafte  Erbenbafem 

20  übertäubt  ein  ©biel  ber  bernictjtenben  SEobeSmactjt  fei:  benn  biefe  93orftellung  beS 
aktuellen  ©terbenS  gehört  eben  felbft  bem  traumlj)aft=irbifcr;en  SDafein  an.  35er  toafyre 
SEraum=tob  ift  baS  ErWadjen.  Slber  freilieb,  ber  juftänblic^e  SEob  als  ©eftorbenfein  (b.  i. 
feienbeS  Nicf)tfein)  bleibt  ein  nod)  mächtigerem  Nätf  ei,  baS  rttdt) t  bloß  bie  5ßb,  antafie,  fonbern 
ben  Sßerftartb  befcfmftigt. 

25  3.  3)aS  intetteftuetle  Nätfel  beS  SEobeS  füfyrt  auf  nieberer  ^ulturftufe  jur  SSor= 
fteüung  einer  furzen  Erweiterung  beS  SebenS  über  baS  ©rab  InnauS.  Nacb,  bem  irbifdEjen 
SEobe  ftefyt  für  aÜe  eine  Entfcfjeibung  bebor,  beren  StuSfall  fei  eS  ben  SEob  boEenbet,  fei 
eS  eine  fernere  SebenSfrift  in  anberen  Stegionen  anbafmt ;  fo  bei  ben  §ibfcf/i,  ben  ©umea= 
Negern,  ben  ©rönlänbern.    Dber  eS  leben  überhaupt  nur  bie  ©eelen  ber  Häuptlinge  fort 

so  (fo  bei  ben  SEonga^ufuIanern)  0fox  nur  bie  ©eelen  ber  ©uten  (bei  ben  Nicaraguanem; 
Wie  nact)  ber  umfaffenberen  SEejigrubbe  beö  §enocb,bucb,e§  nur  £>enod)  unb  ©liag  baö 
SSorred^t  f;aben,  im  ^ßarabiefe  ju  leben).  Sßielfacf)  ift  bie  Beobachtung  ber  5£rauerfeier= 
Umleiten  unb  33eftattung§maßregeln  feiten§  ber  Hinterbliebenen  bie  33ebingung  für  ein 
ferneres  Seben  ber  ©eftorbenen;   bal)er  bie  ©ebräucfye  unb  3SorfteKungen,  Welche  fid)  auf 

35  bie  bleibenbe  33erbinbung  jWifdjen  ©eele  unb  Körper  begießen ;  \pv%ay<oyia,  ^enota^ien, 
©inbalfamierung,  3JJitgabe  öon  Nahrungsmitteln  unb  1)1.  ^3apt)ruSrollen,  9ieliquienfult. 
SSgl.  Db^ff.  XI,  51  ff.  73;  31.  XXIII,  71  ff.;  Vergil.  Aen.  VI,  325 ff.  362 ff.;  §i 
14,  22  (bfll.  ©tCmann);  Qef  66,  24  (bgl.  ßt|ig);  14,  19;  35t  28,  26;  ^er  16,  4;  ©i 
38,16.    Stylor,  Slnf.  b.  Üultur,  II,  21;  Saftian,  SSerbleibSorte  ber  abgefcfyiebenen  ©eelen, 

40 1893.  3>ie  ©efal)r  eines  SEobeS  im  ^enfeits  ift  für  bie  ©eele  leineSWegS  aulgefd^loffen; 
aber  junäc^ft  finb  bie  SEoten  nur  geftorben  für  baS  ^e|t  unb  §ier,  um  WenigftenS  §ett= 
Weife  ober  WenigftenS  in  einigen  au§erWäl)Iten  Häuptern  fortzuleben  in  einem  3)ort  unb 
3)ann.  SOöie  fann  benn  bie  ©eele  fogleicr;  tot  fein,  Wenn  ber  Körper  boeb,  noeb,  ntd^t 
bößig  bemicfytet  ift  ^    Unb  Warum  foKte,   Wie  alles  in  ber  Natur  bie  formen  Wed)felt, 

45  ofme  barum  feb^on  bie  SebenSlraft  einzubüßen,  —  baS  atmenbe  Seben  beS  9Jienfcr)en  unter= 
gegangen  fein,  Wenn  eben  ba§  lörperlid^e  Sltmen  aufgehört  blatte?  —  Slber  umgelegt 
fcfyleicfyt  fia)  auef)  in  bie  ^enfeitSborftellung  bie  9JJöglicl)leit  beS  Unterganges  ein:  jener 
„zweite  Sob"  ift  baS  größere  Übel.  3DRan  fann  bie  Wanbellofe  gortejiftenz  ebenfoWenig 
borftellen  Wie  bie  abfolute  2Sernicf;tung  (gerabe  Wie  bie  SlnfangSlofigfeit  fo  Wenig  Wie  ein 

50  SBeltanfang  borftellbar  ift) ;  aber  unfaßlicfyer  unb  ftörenber  ift  ber  Skmicf/tungSgebanfe, 
Weil  er  a)  bie  nacljfinnenbe  Steflejion  berftummen  machen  Will,  —  ben  SBunfcf;,  über  baS 
QenfeitS  aufgeftärt  gu  Werben,  im  teime  erftieft,  unb  b)  ber  ^l^antafie  bie  erfclmtternbe 
3lnfd)auung  aufnötigt,  baß  ber  unvergleichliche  SBert  eines  5Renfcf;enlebenS  in  einem 
SJcoment   in§  Nichts  berfinfen   fonne.    ©o  unerträglich    ift  ber  ©ebanfe   ber  tolöpc^en 

56  Vernichtung  eines  ©eiftWefenS,  baß  Wenn  er  einmal  auf  f)ot)erer  NeligionSftufe  flar  t>oH= 
Zogen  Wirb,  fofort  an  bie  gorberung  ber  3Sergtc^>tIetftung  fia)  bie  entgegengesetzte  gorbe= 
rung  fnübft,  aueb,  ben  aftuetlen  %oh  als  9tid)tfein,  baS  ©terben  als  ©ct)em  zu  betrauten 
unb  einen  3"fiani>  Zu  erbenfen,  Wo  ©terben  unb  Nicfytfterben,  %oi  unb  Unfterblicf;feit, 
fei   eS  ibentifet),   fei    eS  nieb^t  finb,   ober  (mobern  auSgebrüdt)   Wo   aueb,    baS  Nichts  als 

eo  bloße  aSorftellung   erfannt  Werbe.    Rig  Veda  X,  129:    „Nicl)t  Xob  unb  nid;t  Unfterb= 


ItnfkrbltdifcU  2\)1 

lidjfeit  War  bamalS  :c."  Vubbl;a  (bei  Dlbenberg  ©.278—91):  „3ft  ba§  bev  Vreiä,  ju 
imffen,  ob  bie  Sßelt  ewig  ober  nid)teWig,  ob  ©eelc  ober  Hörber  ibentifd)  ober  betrieben 
—  ob  ber  boßenbtte  Vubbfyajimger  nadj  bem  ^obe  fortlebt  ober  nict/t,  ober  ob  er  ju= 
gleid)  fortlebt  unb  nidjt  fortlebt,  ober  ob  er  Weber  fortlebt,  noct;  rticf/t  fortlebt :  ift  baS 
ber  $rei3,  fo  lannft  bu  nid)t  mein  jünger  fein!"  «20er  nctd?  ber  ©eelen  ©eligfeit  ftrebt,  5 
bcr  fyat  beffere3  gu  tf)un  al§  gu  forden  nad?  bem  ©ein  ober  -Jttd&tfem"  $>aS  Sftätfel 
bei  Sebemoabfdmitteg  wirb  eben  auf  fyöfyerer  Hulturftufe  als  intelteftuclleg  Problem  bem 
burcfygängigen  3"fömmenf;ang  fud)enben  Haufaltrieb  beg  VerftanbeS  jugeWiefen  unb  ab- 
gefonbert  bon  ber  religiöfen  ^enfeit^offnung ;  nur  auf  bem  ©tanbpunft  ber  finblidjcn 
^Ijantafic,  wo  ©enfen  unb  SBoIIen  nod)  in  feimr/after  @inr)eit  fid)  entwickelten,  War  ba§  10 
hälfet  ein  HJlotib  be§  Unfterblia;leitgglaubeng.  —  $ene  primitive  Qbee  be£  „^Weiten 
lobe!"  f)at  nun  (fdjon  bei  ben  ÜJlaturbölfem)  meift  fittlidje  Rebenmottbe,  befonberS 

±.  bie  VergeltungSborfteHung,  meiere  fyerborgefyt  aus>  bem  ©inn  für  ben  ,3ujammen= 
Ijang  jtoifttjen  ©elbftgefüfyl  unb  fokaler  ßWectmäftigfeit,  unb  augmünbet  in  ben  fittlic^en 
©lauben  an  eine  fyöd)fte  ©eredjtigfeit  unb  auSgleicfjenbe  ©üte.  SDie  berfyängntebolle  15 
£rifi3,  Weld)e  nad)  bem  ©lauben  ber  $tbfd)t  bie  ©eelen  ber  eben  Verftorbenen  erwartet, 
trifft  befonberä  bie  befjarrlict;  @t/eIofen  mit  Vernichtung:  bielleicl)t  ein  §inWei3  auf  bie  natür= 
lid>e  Unfterblidjf  eit  burefy  geugung,  jebenfallS  eine  Veurtetlung  ber  bfyfyfifajen  Söeltorbnung 
nad)  ber  moralifdjen  $bee  ber  ©erecfytigfeit.  %üx  biefe  etljifdje  Vegrünbung  ber  llnfterblia)= 
feitSborfteüxmg  bieten  bie  Religionen  foWofyl  ber  9taiur=  Wie  ber  ÄuIturböÜer  jafjlreict/e  20 
Belege:  ba3  ^ntereffe  an  ber  in  biefemSeben  oft  unbolllommenen  2lu§gleid)ung  jWifc^cn 
■jugenb  unb  ©d)icffal  fdjafft  ben  ©ebanfen  einer  nacb^eitltcfyen  Vergeltung;  unb  biefe3 
^ntereffe  fann  ein  objeftib=fittIkfye<§  fein,  loggelöft  bon  bem  inbibibuellen  SBunfd)  naef) 
Sefeligung.  ®afj  an  fiel)  bie  VergeltungSibee  au§  anberer  2Burjet  ftammt  aU  ber  Un= 
jerftörbarfeitlglaube,  erbeut  au3  ber  $bee  jenes  „^Weiten  SobeS"  (bei  Negern  unb  %\h-  25 
Japanern),  Welche  ber  Vergeltung  bie  Ungerftörbarlett  opfert  (fiat  justitia,  pereat  mun- 
dus),  Wie  auef)  aus  ber  2Iblelmung  be§  tranfeenbenten  Vergeltung§motib<§  bon  feiten 
jo!d)er,  bie  an  ber  llnfierblicfyfeit  faum  zweifelten  (manche  ©toiler,  Seffing,  Voltaire). 
£ic  Dbbofition  ber  ©abbueäer  gegen  bie  tofyarifcttfdje  2luferfte§ung§Ief)re  richtete  fiel)  biel= 
leidet  gegen  bie  fyeteronome  gorm  bes>  Vergeltung§mottb3  (»gl.  ©röbler  a.  a.  D.  ©.  667 ;  30 
2Bünfa;e  370;  Seusben  ^u  P.  Aboth.  I,  3;  ätmücfyer  ©ebanlengang  ©<f)Ieierm.,  Sf>r.  ©I. 
§  158, 1).  2>er  Vergeltunggibee  ift  ber  3Rofai<§mu<§  günftig,  um  bie  2lu§bübung  ber 
Unfterblic^feitä^offnung  b^at  er  lein  Verbienft.  Slucf)  bie  griec^.  3Jl^tf)oIogie  unterfer/eibet  bie 
ber  Vergeltung  geWibmeten  ©efübe,  über  Welche  2Rino§  unb  2Ieacu§  regieren,  »on  bem 
fcfiatten^aften  2IufbeWafyrung§ort  für  bie  unjerftörbaren  ©lemente  feelifdjen  Sebeng.  §erafle§'  35 
Seele  friftet  brunten  jene  ©d^atteneEiftenj,  Wäl)renb  bie  leibhafte,  Wa^r^afte  (»gl.  %l.  1, 4) 
©rjftenj  im  Greife  ber  ©eligen  thront.  2luc^  bie  cfyriftüctje  fiebere  bon  ber  §ölle  I)at 
jtoei  heterogene  SRotibe;  ©djeol  unb  ©erinnern  (£ut|er  überfe^t  adrig  unb  yeswa  mit 
„§ötfe").  %m  talmubifc|en  Vegriff  ©el)innom  berbinben  ftc^  beibe' Momente:  ©cfyatten= 
reio^)  unb  Vranbftätte,  ginfternig  unb  geuer  [SSünfc^e  ©.  382f.  495ff.].  ©0  im  Vud)e  40 
Öenod)  (103,  8;  100,  9):  „Veim  großen  ©erid)t  Wirb  iE>r  ©eift  eingeben  in  bie  ginfter= 
tii§  unb  in  bie  llmftrictung  unb  in  bie  brennenbe  glamme",  bgl.  ©röbler  ©.  678.  Stucb 
im  ®eutfd)en  bebeutete  bag  SBort  §öüe  urfbrünglia)  ben  bunfeln  Drt  [helta,  helle  ju= 
fammen^.  mit  helan,  heln  (b^eb^Ien^  celare),  aud)  mit  cella  unb  (litt.)  kletis,  feitlicfyeä 
Sorratggebäube,  lurl.  „ülete"],  Würbe  aber  aßmäfylicr;  mit  ber  Vorfteltung  beä  §ellen,  45 
Rurigen  bermifc^t  unb  ging  bolfötümüd)  in  bie  2lnfd?auung  ber  „büfterroten  ©lut" 
[©Ritter],  be<§  „ginfterfeuerS"  ßatob  Voet)me]  über.  —  lllfila§  braucht  gaiainna  neben 
halja.  —  (Vgl.  b.  ^etabb,ern  9J?t  8,  12;  13,  42.)  ©a^  ba3  %al  ©e^innom  als  ©tätte 
bei  göttlichen  ©trafgerid^t^  gugteiefe  mit  ber  Vorfteßung  beö  geuertobeö  berfnüpft  War, 
M  einen  jufäaigen  ©runb:  ber  ©d;au^Ia|  be§  5Rolod;obfer§  (^er  8,  31)  War  bie  brä=  50 
fumtibe  ©tätte  be§  göttlichen  3orngerid)tg  (19,  2.  6 ;  7,31—33;  2  Hg  23,  10;  2  6b,r 
33,  6)  unb  be3  ewigen  VerberbenS  (SDJt  10,  28,  bgl.  23,  33  unb  V.  15).  2lber  biefem 
Wtorifo)  bebingten  SBecfyfel  in  bem  2lnfd;auunggbilbc  (©chatten  —  Vranbftätte)  entfbrac^ 
eine  fad)lid)e  Umgeftaltung,  fofern  feit  bem  ©rü  im  3ufamment;ang  mit  ben  lonfreten 
SKejfiaäerWartungen  bie  Vergeltunggibec  in  ben  Vorbergrunb  trat :  ba<§  gegenwärtige  Seben  65 
tourbe  alg  Vorhatte  für  baö  3enfeit§,  al§  §erberge  ober  Vilgerreife  aufgefaßt  (2Sünfcbc 
S.  3G3— 367),  unb  erft  baä  @nbgertd;t  Wirb  ben  angeincffenen  3"ftano  bauernben 
©leid)mafeeö  in  ber  fittlicben  2ßelt  fd;affen.  ©a^  an  bie  3°ce  ber  jenfeitigen  Vergeltung 
aud)  finnlicfye,  felbftfüd;tige  9)iotibc,  ja  ©diabenfreube  anfe^en  fönnen,  jeigt  ,s>enod>  9n, 
26;  27,  2f. ;  fowie  bie  Tb;atfad)e,  ba^  gerabc  ber  SDiangel  an  ^bealiginug,  bcr  Unglaube  60 


298  UnßcrMidjfctt 

unb  £>albglaube,  bem  äjergeltunggmotib  mefyr  jugängltd;  i(t  alg  ber  ©laubengtbealigmug 
unb  ftd)  oft  burd»  ben  auf  bie  9CRetf)obe  ab  utili  reftringierten  23ergeltunggbetoeig  uxa- 
ftimmen  läjjt.  ©leicb>ol)I  ift  bag  bortoiegenbe  ©ebräge  beg  33ergeltunggaugblideg  bie 
Überzeugung  bon  bem  SBalten  einer  fittlicfyen  Söeltorbnung;  aud;  im  31%  toirb  bag 
5  Strafgericht  in  93erbinbung  gefegt  mit  bem  fortleben  ber  Abgefdjnebenen.  SRerftoürbig 
bleibt,  bafc  bie  nämlichen  tofr/d)oIogifct;en  9J}otibe,  meiere  aufjerfmlb  beg  biblifdjen  Qbeen= 
Ireifeg  fcfyon  früfy  zur  Jkrgeltungglefyre  geführt  Reiben,  gerabe  in  ber  Religion  ber„§eim= 
fud;ung  ber  SSäterfünben  an  ben  ®inbern"  zunäcfyft  !aum  baju  beigetragen  |aben,  aug  bem 
fdjattenf/aften  Sotenreid)   einen  ©cf>autolat$   moralifdjer  Auggleicfyung   ju  Silben,   fonbern 

io  erft  bann,  als  neue  ÜJtotibe  (3Jleffioötbee,  grembfyerrfdjaft,  ©inflüffe  beg  ^ßarfigmug  f)inzu 
traten.  Aber  eben  b/ieraug  erhellt,  toie  unguläfjig  eg  ijt,  burd)  abfct)Iief$enbe  ©ogmati= 
fierung  ben  altteft.  2et>ren  ein  normatibeg  ©ebräge  gu  geben  (toie  bei  ©blittgerber,  %oi, 
fortleben  unb  Auferftelmng ;  Gremcr  unb  3linf  f.  o.).  93ielmef)r  fteHt  ung  toie  bag  A% 
fo  bag  31%  mit  feinen  egdjatologifdjen  Anbeutungen  Aufgaben  an  unfer  eigeneg  ©enlen ; 

is  tüir  brausen  ung  bei  Söfung  biefer  Aufgaben  bon  bem  93oben  d^rtftltd^er  £ebenf<f)äi$ung, 
fo  toeit  biefelbe  ©acfye  ber  @mbfinbung  unb  beg  Söolleng  ift,  nidjt  §u  entfernen,  olme 
barum  ben  Anfbrud)  auf  freie  SBiffenfa)aftIid}!eit  aufzugeben:  toofern  toir  nur  anerkennen, 
bafj  bie  SBorftellungggebilbe,  mittel  beren  toir  bem  fingen  nad)  Marfyeit  über  ben  ^n= 
fyalt  jener  ©mbftnbungen  ©eftalt  ju  geben  fudjen,  toanbelbar  unb  bon  bem  ©bradjgebraua) 

20  beg  3 e^^ eh>u^tf etng  abhängig  finb.    £)ag  geigen 

VIII.  bie  £>aubtmomente  beg  djrtftlicfyen  llnfterblidjüeitgibealg.  %üx  bag 
gebilbete  S)en!en  unferer  geit  gilt  in  weiten  Greifen  $ant  alg  Interpret  d?riftlid)er  £ebeng= 
fd}ät$ung.  $ants  Unfterblidjfettgbetoeig  beruht  gtoar  mel)r  auf  bem  (Snblofigfeit  r/etfd)en= 
ben  Sugenbftreben  alg  auf  ber  33ergeltunggibee ;   aber  bag  ©runbmotib  ift  bagfelbe  toie 

25  in  feinem  ©ottegbetoeig :  ber  ©inn  für  bag  unbebingte  ©einfüllen  ber  fittlidjen  2öelt= 
Harmonie.  Aud?  in  bie  cfyriftlidje  Auferfteljmnggibee  fliegt  bag  33ergeltunggmotib  ein. 
Aber  eg  erfdjöbft  ben  $nr/alt  ber  cfyriftlicfyen  £ebengfd)ä|ung  nicfyt.  ®iefe  örbnet  alle 
SRotibe  ber  UnfterbIid)feitgf)offmmg  bem  ©ottegglauben  unter :  aug  bem  ©efamtrefler.  beg 
©ottegibealg  ergiebt  ftd)  (tro£  1  %i  6, 16)  bie  ©etoij$f)eit  über  bag  etoige  Seben,  toelcfye  bem 

so  djriftlidjen  Sebengtoerte  entf^rid^t.  3)egl)alb  bilben  bie3ftomente,  toeldje  bem  Gfyrtften  bagSöefen 
©otteg  fonftituieren,  aud}  Anregungen  zur  girjerung  beg  Unfterblidjfeitgglaubeng ;  benn  eg 
ift  toafyr,  ba^  ©ott  „nid)t  ber  ^Eoten,  fonbern  ber  Sebenbigen  ©ott"  ift.  ®ie  a^o!oge= 
tifd)e  (Srbärtung  beg  Unfterblid)!eitgglaubeng  b^at  bem  ©ang  ber  ©ottegbetoeife  ju  folgen; 
ingbefonbere  ift   auf  bie  Siebe  ©otteg   gur  einzelnen  Kreatur  jurüdjugreifen.    33orbebin= 

35  gungen  für  richtige  SDebuftion  finb:  1.  negatib:  bie  Slblefmung  ber  SBetoeigfüfyrung  aug 
ber  rationalen  ^3fr/d)ologie.  ©er  2Iuftoanb  an  ©djarffinn,  ber  auf  biefeg  ©d;ofelinb  ber 
pf)ilofopr/ifd)en  Drtb^obojie  bertoenbet  toorben,  erliegt  bem  Änfturm  jeber  ©rfenntnigtb^eorie, 
toeld}e  bie  raum^eitlicfje  Slpriorität  unferer  ®enlorgane  aud;  nur  ^roblematifd;  berüd= 
fid)tigt  (%m$,  ^ralt.  ^b^ilof.  II,  ©.  101).    ©o  toenig  toie  toir  ben  ©ebanfen  eineg  3lb= 

40  fd)luffeg  befinitib  augbenlen  !öunen,  finb  toir  im  ftanbe,  ben  ©ebanlen  ber  toirllid)en 
@nblofig!eit  ober  beg  9iicf)t=2Jbfd;luffeg  gu  bollzie^en.  2lHeg  SDenfen  berfiert  in  bem 
siyed;fel  beg  fraftfammelnben  2lugrul)eng  (inbem  toir,  um  toeiter  gu  benlen,  ^robiforifd) 
ein  räumlidjeg  @nbe  fe^en),  unb  beg  ^ortfyinneng  im  jälilenben  3«ii^tl)mug  (Äantg 
3tntitl)etil  b.  r.  SS.).  ©al>er  ift  eg  jtoar  richtig,  bafc  „fein  2Sefen  !ann  gu  nid)tg  verfallen", 

45  aber  auä)  „Sllleg  mu^  ju  nidjtg  jerfaHen,  toenn  eg  im  ©ein  beharren  toiH"  (©oetb^e). 
Unb  minbefteng  mü|te,  toenn  bie  ©eele  beg  Söienfdjen  begfyalb  unfterblid}  toäre,  toeil  fie 
etnfad)  unb  immateriell  fei,  aud;  bon  ber  ©eele  beg  ^iereg,  ber  ^ßflange  bagfelbe  gelten, 
ba  fie  nicfyt  minber  toie  bie  beg  Sftenfcfyen  sub  specie  aeternitatis  angefeuert  toerben 
lann  unb   fo  gut  toie   jene  ein  „trangfcenbentaler"  JMleftibbegriff  ift.    Aber  fogar  bie 

50  Atome,  obtoo^l  gerabe  fie  toanbellog,  toeil  fd)Ied)tf)in  einfad},  bleiben  fid;  felbft  nur 
infofern  gleid),  alg  bie  33erf)ältniffe  beg  ©leid;getoid)tg  jtoifdjen  ib^ren  erfd^einenben 
Munitionen  lonftant  toieberf eb^ren :  biefen  toal)rne^mbaren  Munitionen  gegenüber  gilt  bag 
Atom  felbft  nur  alg  begriffliche  gufcmimenfaffung  ber  $f)änomene  pr  ^bee  (Sineg  ©ub= 
ftratg.    ^Jlun  toerben  gtoar  bie  unter  bem   foHeltiben  ©ubftrat  ber  LXierfeele  jufammen= 

55  gefaxten  „(Elemente"  b.  i).  „ßmpfinbungen"  alg  „93etoufetfeingborgänge"  bezeichnet;  barin 
unterfd)eibet  fie  fid}  bon  bem  Atom;  aber  ift  fie  begfyalb  toeniger  ober  me|r  ber= 
gänglid}  alg  biefeg?  Alg  Stftenfd)  fenne  id}  nur  bie  SRenfcf/enfeele,  meine  innere  unb 
äufsere  ©rfab^rung:  unb  äf)nlid}e  tofr/cblfdje  ©efe^e,  toie  bie,  toeld;e  meine  animalifd)e 
©mbfinbung,   ettoa  beg  ©urfteg  ober  ber  $la<i)e  bebingen,  liegen  aufy  bem  33etoufetfein§= 

60  oorgang  ju  ©runbe,    bermöge  beffen  id;   mittelg   ber  äußeren  ©inne    ,,äu|ere"  Dbjefte 


llnftcrbltifyfctt  299 

auffaffc.  33ctbc  CSxicbniffc  werben  im  ©cbjafe  latent,  bcibc  fc|en  entwickelte  bft;d;ifd)e 
Segfamfeit  boraug.  2lucb,  ber  Unftcrblicbfettägebanfe  entwickelt  ficb,  au§  einfachen  bff/= 
cbjfcr/en  ©rlebniffen.  -Hicfyt  blof$  ber  ©eele  ba§  $inbe3,  be§  SBilben  ift  ber  ©ebanfe  an 
eine  fernere  3«^"^  ferner  faßbar,  fonbern  übertäubt  tft  bie  Unterfc^eibung  jwifcfyen 
Vergangenheit,  ©egenWart,  guiunft  nur  nafy  SRafjgabe  be<§  SebürfniffeS  möglief).  SDa<§  5 
ttinb  ben!t  faum  an  morgen  unb  geftern;  ber  Segriff  borgeftern,  übermorgen  ift  fcr)on 
ein  großer  gortfdmtt.  SDaä  $inb  lebt  in  ber  greube  ber  inneren  Unenblicbjett  bcS 
2lugenblicfe3.  -äftancfye  äöilbe  b/aben  nur  ba3  Sebürfnig,  auf  %afyxe,  auf  9Jionate  bor= 
ioä'rtS  su  benfen:  bie  abftrafte  UnfterblicfyfeitSibee  reift  erft  mit  bem  9)ionotf)ei3mu3. 
3(ber  aud)  bem  reiferen  SDenfen  bleibt  biefe  „abfolute  Unenblidtfeit"  ein  nur  £>albber=  10 
l'hinblidjeS  Problem,  ^ßarabieä  unb  ©elnnnom  werben  balb  als  „meßbar  groß"  balb 
ati  „gerabgu  unenblicf)"  be^eidjnet  (Söünfcfye  ©.  495).  SDa£  fromme  SDenfen  fyat  nur  ein 
anfdjaulicfr,  übcrfeb/bareS  (Bebtet  möglichen  gortlebenS  im  2Iuge;  bie  grage  nad)  ber  Un= 
fterblicf/feit  tritt  ifjm  fogar  in  ben  §intergrunb  gegenüber  bem  etb/tfdjen,  fojialen  ^ntereffe 
unb  bem  ©otteSglauben,  in  bem  bie  Wafyre  Unenblicb/feit  embfunben  Wirb  (*ßf  73).  2lucb,  15 
toer  mit  Srnft  bem  Unfterblic^feitSgebanfen  nadjtmngt,  roirb  baju  weniger  iura)  bie^bee 
ber  „Unenbücf/feit"  ober  be§  im  Söedjfel  Sefyarrenben  beranlaßt  al§  bureb,  Reflexionen, 
bie  an  bie  moraltfdje  Sßertfcfyätjung  be§  SebenS  anfnübfen.  ?Jur  unterftütjenb  wirft  ba= 
bei  ber  ©ebanfe,  baß  infofern,  ab§  bie  Sorftellung  nietjt  bloß  (Erzeugnis!,  fonbern  @r= 
jeugerin  be§  2BeItganjen,  mit  @infcf)luß  ber  .ßeit  unb  be3  Räumet,  ift  (Berfeler;,  $idjte,  20 
Sdjobenfyauer,  ©ctmbjpe,  Wtaify,  SerWorn),  ba§  benfenbe  ©ubjeft  felber  al§  benfenbe<§ 
ntdt)t  bureb,  fein  felbfterjeugte§  Dbjelt,  bie  $e\t,  getötet  Werben  fann.  2Iber  aueb,  bie 
Segriffe  ©ubjeft,  Dbjelt,  Sorftellung,  geit,  Unenblidjfeit  u.  f.  f.  finb  nict/t  ba3  Urfbrüng= 
lidie;  elementarer  ift  bie  (alle  ÄuIturWerte  mit  erjeugenbe)  ©brache,  beren  ©ntftebung 
praftifcfye  SEriebfebern  b/at ;  unb  erft  au<§  ber  tofr/cfyologifcf/en  Slnalfyfe  ber  fbracb;Itd;en  3lu3=  25 
brudStoeife  für  Unjerftörbarfeit  unb  ©eele  gewinnen  Wir  mit  geftftetlung  ber  ©d)ranie 
be£  Problems  aueb  2.  tooftttb:  bie  fbrad)licl)e  3>orbebingung  $ur  Söfung  be§  $robIem§. 
a)  ©eele  ift  ber  30fenfcb,  als»  (Sinbeit,  £eib  ak  Drgani3mu§  bieler  ga!toren;  ©eele  al§ 
Srftt^einung  jarterer,  bergeiftigter  Munitionen,  Seib  aU  @rfcf)einung  ber  gröberen  ®afein^= 
elemente.  ©a§  Söort  ©eele  mit  feinem  mr/ftifcfyen  ^^uber,  befonberS  in  boI!§tümIic^en  30 
Kombinationen  (3.  93.  im  SDeutfcfyett  mit  „feiig")  fnübft  gleic^Wob,!  an  bie  förberb,afte 
SorfteUung  ber  bewegten  !0?eereöfIäct)e  an  (got.  saivala,  ahd.  seula,  bielleicf/t  au§  su 
„enegen",  jufammenb.ängenb  mit  ©ee).  „©eele  be§  SDtenfc^en,  Wie  gleicht  bu  bem 
9Saffer!  3Som  §immel  fommt  e§,  jum  §immel  fteigt  e§,  ewig  Wec^felnb"  2Bie  bie 
©ee,  „bom  ©türm  gebeitfcb,t,  eine  ©tätte  beWegenber  Gräfte  ift",  fo  Wirb  bie  ©eele  bon  35 
i'abenfcr/aften  burdj)Wür/lt;  aueb  fie  bat  regelmäßige  @bbe  unb  glut:  „§immelb,o(^  jaucf)jenb, 
jum  iobe  betrübt";  ba§  2luf=  unb  9tieberWogen  erf)ebenber  unb  bebreffiber  2lffe!te  ent= 
\f>x\ä)t  ber  SBellenbeWegung  (6are§,  ^oefie  unb  SJloral).  ^m  Segriff  ber  ©eele  liegt 
toie  ba§  2eben  fo  aueb  ber  2ßedt)fel,  ba§  ^ic^tbeftänbigfein,  ber  %oh.  ®a§  SBefen  ber 
fv/ji  ift  Sergänglidjieit;  bag  „unruhige,  besagte  ®ing"  ift  bem  Stöbe  geWeifyt  (mb,b.  40 
„veige").  SDer  §öt)ebunft  beg  irbifcfyen  £eben§  ift,  in  meb,rfac^em  ©inn,  feine  25ernei= 
nung;  im  Stöbe  bollenbet  fid^  baö  Seben.  2Ser  um  feine  \pv$]  ängftlic^  bemüht  ift,  ber 
„toirb  fie  berlieren".  2tuc£)  ba§  ©rlennen  fcb,ü|t  nief/t  bor  bem  Untergang:  mit  bem 
^erluft  ber  Hnfcr)ulb  Wirft  ber  ©enuß  bon  ©rfenntni^baum  bie  2tu§treibung  au§  ber 
Stätte,  ba  ber  Saum  ber  Unfterblidjifeit  ftanb.  SDer  Seben§bro^eß,  einfc^liellicb,  berjenigen  45 
Unenblicbieit,  Welche  im  ©ebanfen  liegt,  enbigt  im  Stöbe.  Unb  boeb,  ift  bie  ©eele  ilpm 
Segriff  nacb,  Wefentlicb,  Seben.  b)  SDie  negatiben  ^been  beö  Unbergängltcb,en,  Unenblicf)en 
entstammen  bem  Vermögen  ber  Slbftraftion  unb  Negation ;  bie  bofitiben  l;aben  fonfrete 
Slnlnübfungsbunfte.  SDie  Unterwelt  %.  S.  ift  bei  Stgtjbtern  unb  5Reufeelänbern,  im  ^enoeb, 
unb  bei  ben  ©ffäern,  bei  ben  Seltenen  unb  im  3Jc2l.  ibentifcf)  mit  bem  Drt  be3  TOeber=  50 
gangeä  ber  ©onne  im  SBeften  (Procop.  bell.  Goth.  IV,  20;  SDillmann,  Menocb,,  ©.217; 
®röb(er  ©.670.  696 f.;  St^Ior,  2lnf.  b.  Kultur  II,  64).  SDer  Stote  gef)t  „bureb;  baS 
3jor  ber  untergeb/enben  ©onne",  um  „bie  28ege  ber  §infterni§  %w  burdjiWanberrt"  unb  ben 
l>ater  Dfiriä  ju  fc^auen.  §ier  Wie  bort  bie  bilblicf)en  2Benbungen  bom  „Serfcbroinben", 
„^inabfinfen  in  bie  ©ruft",  §inabfteigen  in  bie  Stiefe,  in  ben  2lbgrunb,  bem  Slu^Iöfcbcn  55 
bf»  Sebenölicb^teö,  bem  ©c^eiben  au§  bem  Sanbe  ber  Sebenbigen.  infolge  folcfier  f»racf;= 
fia)  gleichartigen  Benennungen  Wirb  bann  aueb;  bie  fernere  SDauer  be3  fterblirfien  ÜJtenfcben 
in  Analogie  gefegt  mit  ber  „unbergänglicben"  ©onne.  3?acf)  ^sf  72,  17  (llo,  4)  foll 
ber  9Jame  beg  ÄönigS  bleiben,  fo  lange  bie  ©onne  Wäb/rt.  sJfad;  SDa  1 2,  3  foCC  baS 
-cua)ten   ber    ©cf)riftgelebrten    ewig  bauern.    SDafj   baö  Sfönigrcid;   be»  ©efalbten    ewig  eo 


300  ItufterblidjMt 

bleibt,  ftcfyt  ber  ^kobfyet  SDa  7,  14.  Dbtoob,!  nocl)  in  ben  ^f  ©alom.  (3,  16)  ävaorfj- 
vai  ek  t,<x>r)v  alcbviov  bgl.  mit  ninxEiv,  nxcöfia  33.  5.  13  auf  bilblicf)e  Raffung  beutet, 
fo  toürbe  bod)  allmäfylicb,,  feitbem  fid)  mit  §ilfe  be3  „jtoeiten  ©cfyriftfinneiS"  awa  5tebe= 
trogen  fefte  Kategorien  r/erau3bilbeten,  bie  §errfc^aft  be3  9fteffia§  al§  „ewige,  ber  $eit 
b  enthobene"  beftimmt  (§.  ©cf;ul£,  ätltt.  £f)eoI.  831).  c)  2öie  —  bef.  nad)  ä^r/btifdjem 
unb  affabifd^babr/Ionifcfyem  3Rt;tf>ug  —  bie  ©onne,  fo  ift  ba3  ©amenf  orn  ©rjcugnig  unb 
©rjeuger  §ugleicf/,  unb  befonber§-  biefeg  ©innbilb  ber  12nbergänglid)feit  f)at  jur  ©djöbfung 
ber  UnfterblicfjfeitSterminologie  beigetragen  (a)  ber  ^3erfebb,onefuItu<§,  ß)  1  Ko  15,  y)  ipoet. 
SBenbungen,  toie  ©cfnllerg  „üftod)  föftlid)eren  ©amen  bergen  — ").    33on  biefer  burd)  bie 

io  fyomontmien  33ejeid)nungen  ber  ©braclje  aufgenötigten  33etracf>tung§toeife  ift  jur  Qbee  ber 
Sftetempffycfyofe  nur  nocb,  ein  ©d)ritt  (©egrabation  unb  ©lebation ;  ©träfe  unb  Säuterung). 
(Gegenüber  ber  realiftifd)en  33ertoeriung  be§  ©amen!ornbtIbe§  (Beugung,  ^ellenteilung) 
ftefyt  bie  ibeatiftifcfje,  toonacf;  bie  ©eele  ben  Kerler  bes>  £eibe§  berietet,  um  in  anberen 
©eftaltungen  eine  neue  £>ülle  ju  fucfyen,   big  fie  bereinft  9ieforbtion  in  ba§  9tid)tfein  er= 

15  ringt  (33ubbb,i§m.).  !Migiö3  bollenbet  ift  erft  bie  dfmftliclje  2lnficf)t,  toonad)  bie  ©eele 
als  ©ubftanj  beö  2eibe<§  burd)  ba3  Sicfyt  ber  fd)öbferifd;en  ©otte§fonne  gu  neuer  inbibi= 
bueller  Seiblidjfeit  fyerborgelocft  toirb  Qo  12  ;  1  Ko  15).  ®ie  ©eele  rub,t  „in  ©ott"  (2Sei 
3,  1;  Eot  3,  3;  2lbf  14,  13)  al§  ©eifttoefen  tetlnefymenb  an  ber  ©eligfeit  ©otte§;  aber 
burd)  fcfyaffenbe  ©otte§tb,at  empfängt  fie  einen  neuen,  berflärten  Seib,  beffen  ©runbjüge 

20  fd)on  auf  (Srben  burd?  ftttlid)e§  2Bad)3tum,  Seiben,  Übertoinben  gebilbet  toerben  unb  b,er= 
au3ftraf)Ien  füllen;  toäfyrenb  bie  33erbielfältigung  biefeö  ©amenf  orn§  ntd^t  mefyr  aU  bl)t)= 
fiologtfcfye  gebad)t  toerben  barf  (9Jit  22,  30).  2öie  folcfye  3keen  fr«r$  frrad;Iid)e  3fteta= 
morbfyofe  ju  ftanbe  fommen,  bafür  bietet  21©  2,  31  f.  als  llmbilbung  bon  ^3f  16  ein 
Seifbiel;   gletdjtoofyl  ift   in  ben  bon  ber  dmftlidjen  ^ßfyantafie    gefcb,affenen  33ilbern   ein 

25  bollenbeter  2lu3brucf  für  ben  §öcf)ftgrab  ber  £eben3fd)ä|ung  erreicht.  (33gl.  Slbf  21,  4 
au§  ^ef  25,  8.)  3)em  fann  toeber  ber  %ob  nocb,  bie  Unfät)ig!eit,  un§  bon  enblofer  gu= 
fünft  eine  flare  33orfteHung  ju  machen,  Slbbrucb,  t^un  (9iö  8).    Unb  barin  liegt 

IX.  bie  3Sat)rt)eit  ber  2lu§brmf€formen   für  ba§   emige  Seben.     ^n  bem  ©rabe 
tote  bie  naturtoa^re,   fittlid}   begrünbete  ©mbfinbung  fid)  entfbred)enben  2lu3brucl  fd)afft, 

30  fann  bie  2öafyri)eit  i^rer  2tu§fagen  bem  ^^^f6'  enthoben  toerben.  2Bed)fe(n  bie  2ßort= 
formen  für  ben  gefcfyaffenen  ©ebanfen,  fo  bleibt  bie  5ftad)t  be§  fd)affenben  ©ebanfeng 
unb  toürbe,  felbft  toenn  bie  gefamte  e§d)atoIogifd)e  Terminologie  au§  bem  ©brad)fd)a| 
be§  Kulturberfeb,rs  getilgt  toürbe,  immer  »on  neuem  analoge  2tnfd)auungs>bUber  zeitigen. 
©a§  geigen  fd)on  bie  ©urrogate,   toeld)e  ßomte,   ©traufj,  ©umring,  @.  ».  ^artmann  an 

35  bie  ©teile  cfyriftlidjer  Hoffnung  fe^en.  ®er  rabifalfte  Reformer  £5.  Jobber  (®a§  Kec^t 
ju  leben,  1878)  »erlangt  folgerichtig  Sluömerjung  aller  fbracr/licfyen  ätnläffe  jur  Qbeali= 
fierung,  fogar  be§  toeiblicf;en  ©ef4>Iec£)t§  in  bem  äßorte  „bie  ^iatur".  ®ie  25urd)füb,rung 
biefeö  5Ri^iIigmu§  toärejugleicl)  ber  Xob  ber  sJJaturtoiffenfd)aft,  beren  ^Begriffe  ((Energie,  ©e= 
fe^,  gunftion,  2ltom,  ätquibalent,  2luölöfung)  ebenfalls  ^fälligen  UrfbrungS,  finnbilblid) en 

40  ßfarafterg  finb.  3n  ie^em  ®«nfen  ift  bie  treibenbe  .straft  ba3  fingen  nad)  Klarheit, 
ber  SBitte,  nid;t  blo^  „ju  einem  gegebenen  33egriff  feinen  ©egenftanb  ^u  fudjen"  (Kant), 
fonbern  ju  einem  gegebenen  SSort  feinen  33egriff,  unb  ju  bem  begriffenen  ©egenftanb 
fein  SBort,  feinen  Haren  fbrad)Iidj)en  älugbrud".  ©otool)l  ba§  gegebene  98ort  toie  ba§ 
gefunbene  toirb  aber   irgenbtoie   aU  fegenbergenbe§  ©efd;enf  (afe  befreienbe  (3abi)  em= 

45  bfunben,  unb  fold)e§  ©mbfinben,  bem  religiöfen  ©efüfyl  eng  bertoanbt,  berbürgt  ber 
©brache  ba,  too  ntdjt  mü^ige^  ©biel  ber  ^^antafie,  abergläubifdje  ©inbilbung,  fonbern 
ernfte§  ©innen  unb  SEracfyten  toaltet,  i^r  Stecht  unb  ib,re  Kraft  ju  fd)öbferifd)er  Urteilt 
bilbung ;  fo  aud)  in  33e^ug  auf  bie  Unfterblid)feit.  ©erabe  bie  Religion  ber  93ernid)tung, 
ber  33ubb|->i3mu§  betoeift  ba§.   „33erfenften  ©eifteg,  bie  llnenttoegten,  bie  getoaltig  ringen 

60  immerbar,  fie  ergreifen  ba§  Sförtoäna,  ben  ©etoinn,  über  toeld)en  fein  anberer  ©etoinn" 
9?irtoäna,  obtoob,l  man  toeber  fagen  barf,  ba^  bort  bie  ©eele  ift,  nod)  bafs  fie  nid)t  ift, 
toirb  bennod?  bejeid)net  al§  ba§  „£anb  be3  griebenö,  too  bie  33ergänglid;feit  9tub,  e  finbet", 
alg  baö  „unerme|Iid)e,  unergrünblicfye  5)ieer  ber  ©toigfeit",  bie  ©d)ranfenlofigfeit,  too 
fein  @ntfteb,en  unb  33ergeb,en  meb,r  ift  (©brücke  beg  SDfyammababa).    ©old}e  fbrad)lid)en 

55  3tu§brücfe  jtoingen  aud)  bem  ^ßljilofob^en  ben  ©ebanfen  an  ein  bofitibeS  ^beal  ber  Un= 
bergänglid)feit  auf.  3)täcl)tiger  aber  als  bei  bem  33ubbfyiften  ift  bie  ©elmfud)t  beg  ßfiriften 
naa)  bem  abfolut  33efreienben  unb  33efeligenben ;  benn  erft  baS  t^ätige  ©treben  unb 
©Raffen  im  ©ienft  be§  ©otte§reid)e§  entbtnbet  bie  33oEfraft  motorifcfjer  Seben§inner= 
bation,    ob,ne  beren  9Jtittoirfung  bie  ©enfibilität   be§  @mbfinben§  unb  33orfteften§  quie§= 

60  jierenb  bliebe,    ©arum  fallen   in  ben  dmftlictjen  ©ebanfenfreiö  biejenigen  Sßortftimbole, 


UnftcrbHdjrctt  Itntemdjt,  tf)col.  301 

ir>eld)c  bag  irbtftf>e  Sebcn  alg  2trbeitgfclb  unb  9?üfttag  für  ein  t)öt)ereg  ©ein  cljarafterifieren. 
Sie  Julie  ber  ©ottegltebe,  Wie  fte  bag  im  9?eidj>  ©otteg  tätige  ßbriftenberj  erfüllt,  ift 
unmittelbare  Unenblict/feit.  $n  bem  SJtafje,  wie  bie  reale  Safig  lebengtoabren  (Smbfinbeng 
gegeben  ift,  mu|  bic  pofittbe  greube  an  ben  Silbern  cbriftlidiier  Serflärunggr/offnung  be= 
jabt  werben:  birefte  Verneinung  märe  eine  Verlegung  ber  Kulturbflicf)t,  bem  innerlich  5 
erfaßten  $bcal  angemeffene  äußere  gaffung  ju  geben,  $ebe  Slnbeutung  befinitiber  £roft= 
lofigleit,  jebe  Verfügung  ber  naturgemäßen  ©ct)Iuf$folgerung  Don  ber  intenfiben  Unenb= 
Itcfjfeil  auf  eine  entfyrecbenbe  äußere  SDafeingfülte  Jjtefse  ben  gefunben  geiftigen  £eben§= 
trieb  unterbinben  mit  §ilfe  bon  ungefunben  33oraugfet}ungen,  bie  ber  abftraften  SDenEweife 
erborgt  mürben,  obWofyl  biefe  erft  jenem  ibren  Urfbrung  berbanlt.  SDarum  mirb  ber  10 
blofj  tfyeoreiifcrje  ©treu  um  bie  Kategorien  ber  (Swigfeit,  Unenblicfyrett,  Unfterblic^Ieit  fo 
refultatlog  berlaufen  mie  jene  Kontroberfe  jmifd^en  2Iberrotften  unb  Slleranbriften :  alg 
fiegenb  erfaßten  fdjliefelicf)  bie  Partei,  meiere,  obWof)!  ibr  t^eoretifd^eg  ©ogma  negatib 
lautete,  boeb,  bie  etlufcfyen  ©runblagen  beg  mittelalterlichen  (Sfyrtftentumg  mebr  alg  bie 
©egner  ju  Wahren  geeignet  war:  bie  Slberroiften.  (3>iefe  leugneten  bie  Unfterblidjfeit,  15 
bertraten  aber  bie  bluraliftifebe  ^ffycfcologte  gegenüber  bem  $antt)eigmug  ber  älleranbrtften, 
meiere  infofern  bie  Unbergänglictjfeit  lehrten,  alg  bie  ©injelfeelen  ifrrem  Söefen  naef)  mit 
ber  JMtfeele  ibentifd)  unb  fomit  nur  (Sine  ©eele  feien).—  (Srgebnig:  SDie  ©tellung  jur 
Unftevblic^feit  Wirb  eine  bofitibe  fein,  fallg  1.  bie  ©otteggeWifcbeit  alg  böefefier  fonfreter 
Qnfjalt  beg  (etfjifcf)  beftimmten)  SeWufjtfeing  borauggefetjt  Wirb ;  2.  bag  (Sine  Söunber,  20 
t»eldt;eö  in  bem  ©ein  beg  2Beltganjen  liegt,  unter  bem  forrelten  Silbe  einer  fcfyöbferifctjen 
©ottcgtfyat  angefdwut  Wirb,  unb  bemgemäjj  auet)  3.  bie  guumftgfyoffnung,  Welcfce  ber 
cf/riftlicr)en  9Bertfcf)ä|ung  beg  Sebeng  entfbriift,  in  birelte  Segier/ung  gu  ber  Qbee  jener 
jauibfcrtfcljen  ©oitegtr)at  gefegt  mirb.  Unb  bieg  ift  nietjt  nur  mbglicb,  fonbern  unerläpcf). 
fmx  bag  reine  §erj  fdf>aut  ©ort;  fo  Weit  bieg  §erj  ein  enblofeg  ©ein  ju  Wünf(f)en  ber=  25 
mag,  barf  eg  beffen  SerWirflicbung  auef)  erwarten.  SDie  beiben  ^nbalte  beg  dmftlut) 
beftimmten  ©emütglebeng,  a)  bie  ^bee  beg  Satergotteg  alg  ber  freien,  fcfyöbferifcben  Siebe 
unb  b)  bie  Hoffnung,  ba£  bon  bem  „unenblict/en"  Söert  ber  Siebe  ©otteg  niefetg  gufünf; 
tigeg  febetben  lann  unb  baf?  bem  „unenbHcfeen"  (Srnft  ber  Sebengaufgabe  feine  gernftcfyt 
2fbbrudb  tbun  barf,  fommen  in  fo  gleichartiger  SBeife  gu  ftanbe,  baft  eing  otme  bag  30 
anbere  !aum  gebaut  Werben  fann.  ©inb  nun  bie  9realgrünbe  beiber  $been  uner= 
fdjöbflidf),  fo  Werben  auef;  bie  Verfuge  ju  formeller  ©eftattung  beg  ©otteg=  unb  TInfterb= 
lic^leitgglaubeng  ebenfo  untilgbar  fein  Wie  bie  Kraft  ber  ©brache  übertäubt.  ®ie  ©brache 
alz  Softer  ber  febaffenben  (Smbfinbung  ift  gugleicb  beg  jeugenben  (Srfenntnigwilteng 
@efär)rtin  unb  bureb,  ibn  Butter  beg  gefebaffenen  ©ebanleng;  ibr  lommt  eg  ju,  in  ©e=  35 
mäpeit  jener  lebengWafyren  (Smbfinbung  beren  3öefenggeb,alt  ^u  bejaben. 

Slugfü^rlictje  (Srörterung  unb  Segrünbung  biefer  Sfyefen  f.  in  meiner  ©ebrift  „®ie 
^ü)oIogie  beg  Unfterblid^feitgglaubeng  unb  ber  Unfterblic^feitgleugnung"  (©tub.  3.  bgl. 
SieligiongWiffenf^aft  II),  1894.  ©.  «Runse. 

Utttcrrt(^tS=  unb  35Ubung§Wcfctt,  t^cologtf(^e§.  —   Quellen    unb    Sittevatuv:  40 
S-  3RöHer,  Se^rbucf)  b.  Ätrcbengefcbicbte,  1.  S3b,   neu  bearbeitet  üon  §.  b.  ©djubert;    3.  33b, 
Bearbeitet  üon  ©.  Saiuerou,  Tübingen  unb  Seipjtg,  1902  besro.  1899;    £.  91.  §afe,   Äird)en= 
flejd)id)te,  11.  9(uf(.,  Seidig  1886; 'ä.  3JJüüer,  ®ird)engefcf)icl)te,  1.  93b,  g-reiburg  i.  S3r.  1892; 
2.  33b,  Tübingen  unb  Seipjig  1902;  9(.  .^arnad,  ®ie  SQttffion  unb  9tuäbrettung  beS  E^riften- 
tumS  in   ben  'erften  brei  ^abv^unberten,    Seipjig  1902;     berf.,    Sie  Seftre   ber    jiuölf  ?(pofteI  45 
ne6[t  Unterfudjungen  jitv   älteften  ©efdjtdjte  ber  tirdjenuerfaffung  unb  beS  Sircijenred)tö  {%U 
II,  2);  berf.,  Sie  Quellen  ber  fog.  apoftolifcrjen  Sivdienorbnuug  nebft  einer  Unterfucfjung  über 
&en  Urfprung   beS  Settoratä   unb   ber   anbeten   nteberen  SESet^en  (SU  II,  5),    Seipjig  1886 ; 
SR.  ©iebengartner,  ©Triften  unb  ©tnri^tungen  jur  SBtlbung  ber  ©eiftlidjen,  gretburg  i.  S3r. 
1902;  (£.  Oadjffe,  SieSefjre  üon  ber  tivd)lid)en  ©rgiebung,  SSerlin  1897;  £).  gering,  Sie  Sebre  50 
»on  ber  ^vebigt,    33erlinl905;     D.  SRitfdjf,    Sijpvian  üon  Sartljago   unb   bie  Sßerfaffung  ber 
Strebe,  ©öttingen  1885;  gr.  X.  ©ggerSborfer,  Ser  fjl.  9luguftinu§  al§  ^äbagoge,  gretb.  t.  Sßr. 
]907.  —  91.  £aud,  .ftirdjengefcrjidite  Seutfd)Ianb§,  1.— 4.  SSb,  1.  6e§ro.  2.  9lufl.  Seidig  1896 
die  1903;     gr.  ^aulfen,    ©efdndte  beS  gelehrten  UnterridjtS,   2.  9Iuf(.,  2  S3be,  Seip^ig  lWMi 
b'5  97;  9(.  y.  9{id)ter,  Sebrbud)  be§  fatbolifdjen  unb  ebangeltfdjen  Sird)enved)t8,  8.  9luf(.,  be=  55 
arbeitet  üon  Soüe  unb  gat)f,  «eiüjig  1877;  ®.  3.  .g>efelc,  Konäiliengefd)icbte,  2.  9lufL,  4  S3be, 
iyreiburg  i.  33r.  1873—79;     ^r.  9(.  ©petf)t,    ©efd)id)te    beS  llnterrid)t§roefen§   in  Seutfd)ianb 
«on  ben  älteften  ßeiten  biö  51a  «öittte  beö  13.  3ubrr)unbert3,  ©tuttg.  1885;  ©.  Sßlülkx,  SSer= 
Ht"ung§=  unb  5ßerraaltung§gefd)idbte    ber   fäd)fifd)en   SanbeStirdje    (=  Seiträge  ,yir  fäcbft[cben 
Sivd)engefd)id)te,  IX  unb'X),  ßeipjig  1894  u.  95.  —  91.  $1.  SRtdjter,  Sie  eüan'gelifd)en  Äird)en=  60 
wbnungeit  beö  16.  %ax)xx);  2  S3be,  Weimar  1845—46;  ®.  ©ef)Iittg,  Sie  eüangelifdjen  Äird)en= 


302  ttntemcfrt,  tljeol. 

orbnungen  be§  16.  Saljvf).,  1.  S3b,  1.  u.  2.  ?lbt.,  Seidig  1902—04;  91.  fi.  «Ritter,  ©efd)id)te 
ber  eüangetifdjen  Äirdjeituerfaffung  in  ®eutfd)lanb,  Setpjig  1851;  D.  2Rejer,  S)aS  9tecf)t§leben 
ber  beutfd)ert  ebangeltfcfjen  £anbe3nrd)en,  £annouer  1889;  Ä.  Söller,  Seljrbud)  be§  beutfd)en 
eüangetifd)en  SirdjenredjtS,  Serlin  1895;  $.  2)rera§,  ®er  eüangelifd)e  ©eiftiicbe  («Dconograpl)ien 
öpr  beutfdien  Shilturgefdjtctjte,  XII),  Sena  1905;  £ß.  ®otbe,  «JJcartin  Suttjer,  2  «Bbe,  ©ot£)a 
1884—93;  3-  föftlin,  Martin  Suttjer,  5.  Stuft.  Bearbeitet  uon  ©.  Äaroerau,  2  «Bbe,  »erlin 
1903;  ©.  9*tetfd)el,  2utt)er  unb  bie  Drbination,  2.  9lu§g.,  «SMttenberg  1889;  «Bürttembergifcbe 
Sird)engefd)id)te,  tj§geg.  üom  Saliner  33erlag§üerein,  Satro  unb  Stuttgart  1893;  ($.  SSlöfcf), 
©efcfjicfjte  ber  id)K>etjerifdjen  reformierten  Sirdien,  2  «Bbe,  Sern  1898 — 99;  9t.  ©ttttjelirt,  fmlbr. 

io  Sroingli,  fein  Seben  u.  SSirfen,  2  S3be,  Safel  1895—97;  fr  28.  ©affencamp,  &effifd)e  Strdjen= 
gefd)id)te  feit  bem  Bettalter  ber  «Reformation,  2  «Bbe,  2.  9tu§g.,  frranff.  a.  2K.  1864;  «83.  Siefjl, 
®ie  Sdjutorbnungen  be§  ©ro^erjogtumS  Reffen,  3.  S3b  (Monum.  Germ.  Paedagog.  XXXIII), 
Berlin  1905;  ©.  (£geIt)aof  unb  SB.  SDiel,  Vorträge,  gehalten  auf  ber  VII.  ©eneraloerfammtung 
be§  Vereint  für  9teformation§gefd)id)te  ((Schriften  b.  Vereins  für  9teformation§gefd).,  ©djrift  83), 

15  £>alte  a.  ©.  1904;  &.  SSrunner,  ®ie  babifdjen  Sd)u(orbnungen,  1.  93b  (Mon.  Germ.  Paed. 
XXIV),  «Berlin  1902;  «ßfjit.  gaf.  Spener§  §auptfcf)riften/ bearbeitet  üon  «ßaul  ©rünberg 
(«Bibt.  ttjeot.  Slaffifer,  XXI),  ©otfja  1889 ;  «ßfj.  fr  Spener,  Xtjeologifdie  Vebenten  unb  anbere 
briefliche  antworten,  4.  «8b,  £atte,  SBaifenbauS,  1709;  SB.  ^ofebad),  «ßt).  fr  ©pener  «.  feine 
Seit,  2  «Bbe,  «Berlin  1828;  «ß.  ©rünberg,  ©pener,  3  «Bbe,  ©öttingen  1893—1906;  Seit  Subtn. 

20  öon  ©ecfenborff,  ßr)riften=@taat,  Seipjig  bei  S£f)om.  frttfdien,  1706;  ©.  Sramer,  91.  £>.  franrfe§ 
päbagogifclje  Sd)riften,  2.  Stuft.,  Sangenfalsa  1885;  91Hgemeine3  ®ird)enbtatt  für  ba%  euange= 
tifdje  ®eutfd)Ianb,  im  «auftrage  ber  eoanget.  Sirdjenbefjörben,  Stuttgart,  ©rüninger,  mehrere 
fratjrgänge  (citiert:  91.^.);  «ßrotofotfe  ber  beutfdjen  eoangetifcfjen  Äird)enfonferenä  öom  8.  bi§ 
14.  Suni  1882;  bief.  Dorn  12.— 18.  Sunt  1884,  Stuttgart  1882  bejm.  1884;  ßtjr.  £>.  gbtjarbt, 

25  ©efege,  Verordnungen  unb  9lu§fd)reiben  für  ben  «Bewirf  be§  Sättigt.  Sonfiftorium§  p  §an= 
noüer,  1.  Vb,  §ann.  1845;  ©.  lU)H)orn,  3)te  praftifd)e  Vorbereitung  ber  Sanbibaten  ber!J£)eo= 
(ogie  für  baZ  Vfarr=  unb  Sd)utinfpeEtorat§amt,  2.  Stuft.,  Stuttgart  1887;  ©.  Sdjmibt,  ®ie 
«Jfotroenbigfeit  u.  «Dcöglidifeit  einer  praftifdjen  Vorbilbung  ber  eüangelifdjen  ©eifttidjen,  «-Berlin 
1893.  —  S.  Venber,   ©efdjidjte   ber   pt)ttofopt)ifcf)en   unb    ttjeotogifctjen  Stubien  in  ©rmfanb, 

30  Sraun§berg  1868;  S.  SSraun,  ©efd)id)te  ber  ^eranbilbung  beS  SteruS  in  ber  S)ii3cefe  SBürj: 
bürg,  2  S3be,  SBür^burg  1889—97;  [©injel],  ®ie  tbeotogifd)en  Stubien  in  Defterreid)  unb 
ttjre  «Jteform,  SBien  1872.  —  Sie  übrige  Öitteratur,  namentlid)  bie  über  bie  einzelnen  eöan* 
gelifdjen  «ßrebigerfeminare,  f.  im  Slrtifel  fetbft;  oieifad)  berufen  bie  «Angaben  aucb,  auf  brief= 
iidjen  «Dcitteitungen  ber  Seiter  ber  betreffenben  9lnftatten,   bie  alle   bereitWiHigft  9lu§funft  ge= 

35  geben  t)aben. 

©iieberung  be8  s2lrtifel§:  I.  2>te  Anfänge;  IL  3)ie  Ulofter=  unb  Äatßebralfd)ulen  unb 
Uniuerfitäten  be§  «UeittelafterS;  III.  Sf)eotogifd)eg  ltnterrid}tS=  unb  «5ilbung§raefen  feit  ber  9te= 
formation  (bef.  in  ®eutfd)lanb) :  1.  in  ber  enangeüfdjen  Strebe:  a)  «Prüfungen  unb  Stubiutn; 
b)  Äanbibaten,  SSitarie  unb  «Prebigerfeminar;  2.  in  ber  römifd)=fatf)otifd)en  ^ird)e. 

40         2)e*  9(vtitet  „Uniuerfitäten"  ift  OorauSgefe^t. 

I.  ®  te  Anfänge.  ©§  £>at  lange  gebauert,  et>e  fdbft  bie  erften  ©^uren  einer  Sorge 
um  bie  SSorbtlbung  unb  2Sorbereüung  ber  £et>rer  ber  ©emetnben  in  ber  d)rtftlid)en  ^ird)e 
ftd)  geigten,  ©o  lange  ba^  (S^ari^ma  bie  Präger  ber  ©emetnbeämter  befttmmte,  toar  ber= 
artiges  ja  überhaupt  au^gefd^Ioffen,  unb  gerqbe  ba§  9ted)t  ju  lehren  §at  man  nod)  toeit^in 

45  d)ari§matifd;  begabten  juerfannt,  al§  bie  Stmter  ber  Sßerlnaltung  unb  be<§  ^ultu§  fd)on 
me^r  unb  mebj  nad)  menfd)Ud)em  ©rmefjen  befe^t  rourben.  „93iö  gegen  @nbe  be§  2.  %afo 
b,unbertä  gab  e§  toafyrfcfyetnlid)  überaß  nod)  freie  £eb,rer,  Saien,  bie  im  ©otte^btenft  reben 
unb  aud)  fonft  eine  2ebrtb,ätigfeit  ausüben  burften"  (%U  II,  5  ©.  88).  2tm  näd)ften 
b,ätte  e§  gelegen,  ruentgften^  bei  bem^öorlefer  (ävayvcooryg,  Lector),  ber  fd;on  früt)  all 

50  befonbere  gDtteSbienftUd^e  ^erfon  erfcfyemt,  »on  öorneb,erein  nad)  einer  getoiffen  33orbübung 
ju  fragen,  unb  fyäteftenS  au§  bem  erften  ©rittet  beS  3.  ^abrb|unbert§  ftammt  aud)  roofyl 
bie  in  ber  fog.  2tyoftojifd)en  ^ird)enorbnung  (f.  Sb  I   ©.  730  ff.)  Stap.  19  fid)  finbenbe 
33eftimmung:    ävayvcoorrjg  xa&iOTavea'&a)    tiqcötov    doxi/ufj    dedoxijuao/J.evog 
Evrjxoog,  diriyrjxiKog,  aber  junäd)ft  rourbe  aud;  bie  ^unft  beS  SefenS  gur  ©rbauung  ber 

5ö©emeinbe  al§  eine  ®ahe  beS  ty.  ©eifteä  angefe^en  (SU  II,  2  ©.  234;  II,  5   ©.  86). 

@ine  9lacr/tt)trfung   biefe§  entl)ufiafttfd)en  Vertrauens,   bafe  ©Ott  burd)   feinen  ©eift 

ben  ©einen  allezeit  bie  redeten  ÜKänner   ertoecfen  unb  fie  aud)   mit  ben   redeten  ©aben 

unb  ^enntmffen  auSftatten  roürbe,  ift  e§  bann  roob,!,  bafe  man  nod)  lange  bie  Setter  ber 

©emeinbe  meb,r  roerben,  al§  bilben  Iäf$t.  2tnberS  inäre  e§  t>ielleid)t  getoefen,  b,  ätte  man  öon 

eo  Vorneherein  im  S3ifd)of  aud)  ben  eigentlichen  unb  nottoenbigen  Präger  be<§  £eb,ramte§  ge= 
feb,en;  aber  roenn  er  aud)  ber  Siegel  nad)  bafür  galt  (g.  33.  bei  ^uftin,  2fyol.  I,  67), 
altgemein  ift  er  e3  boa)  erft  im  3.  ^a^rb^unbert  geroorben  (Völler,  ^irc^engefd).  I,  ©.  749). 
©o  toar  e§  freiließ  aud)  früher  fc^on  roünfd)en§roert,  ba^  er  naideiag  fi,h:o%og,  dvvd- 
/uevog  xäg  yQacpäg  eQfxrjvsveiv  fei,    aber  e§  toirb  aud)  ber  gall  in§  «Äuge  gefaxt,  bafe 


Untmidjt,  tljeol.  303 

er  dyga/iuarog  ift,  unb  Widriger,  als  gelehrte,  ift  §erzcn3bilbung  (2lboft.  ^irc£>ert= 
orbmtng,  kap.  16);  bielfad;  febeint  ber  Hefter  neben  ber  SSorlefung  aud;  gleid)  bie  2lug= 
legung  beS  %0e3  beforgt  ju  fwben  (Sil  II,  5  ©.  88),  unb  Wo  aud;  er  berfagte,  f  onnten 
jebcrjeit  bie  freien  Sefyrer  eintreten. 

2Bof)I  begegnen  Wir  fd;on  bom  @nbe  be§  2.  $jaf)rl)unbert3  an  gelehrten  cr/riftlid)en  5 
cduilen,  unter  benen  bie  fog.  Slleranbrinifcbe  $ated)etenfd;ule  (f.  33b  I  ©.  350  ff.)  bie 
berüfyintefte  ift.  2lber  fie  finb  ntd;t  au$  bem  (Sebanfen  krborgegangen,  für  bie  33tlbung 
beu  beranWad)fenben  $Ieru3  zu  forgen,  fyaben  bielmel)r  Waljrfcfyeinlid;  junädift  lebtglidi 
apologetifebem  ^ntereffe  gebient.  SDennod)  finb  fie  im  (Srfolg  geWifj  bielfad)  ju  einem 
§attbtnüttel  für  bie  2lu3bilbung  cbriftlicfyer  Seb^rer  geworben  (Stabiler  a.  a.  D.  ©.  253 f.)  10 
unb  fyaben,  ben  fycibnifdjen  ^31t)iIofDp^ett=  unb  ^ktorenfdmlen  nacfygebtlbet  unb  bie  d)rift= 
lidje  2Bal)rf)eit  mit  ben  Rütteln  kibnifd;er  Söiffenfcfyaft  berarbeitenb,  biet  baju  beigetragen, 
ben  fyeibnifcben  ä\>iffens>ftoff  in  bie  d)riftlid)e  (Semeinbe  einzuführen.  Md)t  im  entfernteften 
barf  man  aber  an  irgenb  eine  Strt  bflicb>  ober  geWofmkitömäfsigen  Sefud}§  biefer 
Sdmlen  benfen.  ib 

£ie  erften  Anfänge  zur  bemühten  §eranbilbung  geiftltckn  ^acfyWucbfeg  fallen  mit 
ber  ©ntftebung  ber  Ordines  (f.  33b  XIV  ©.  425 f.)  im  3.  ^G^un^rt  gufammen.  ©ic 
finb  aui  ben  33ebürfniffenpkr  ftrd;lickn  SrajiS  fjerborgegangen,  bod)  werben  bann  ganz 
öort  felbft  bie  nieberen  2(mter  ju  einer  Sorfdmle  für  bie  fyöfyeren.  33alb  Wirb  e§  aU 
ettoaS  (ümbfefylen^  unb  9}acfeaf)men3toerte§  angefekn,  baf*  jemanb  alle  Ordines  nacb=  20 
einanber  befletkt  unb  zum  fyökren  nur  bom  nieberen  auffteigt.  -Küfmienb  fyebt  Gt)brian 
(Ep.  55,  8)  bon  Gornelius>  bon  9tom  berbor:  non  ad  episcopatum  subito  pervenit, 
sed  per  omnia  ecclesiastica  officia  promotus  ad  sacerdotii    sublime  fasti- 

gium  eunetis  religionis  gradibus  ascendit;  unb  goftmuS  (Ep.  11)  l;at  fbäier  bie 
Reiten  für  bie  einzelnen  ©tufen  forgfältig  abgegrenzt :  er  forbert  fünf  $;ake  für  bie  25 
nieberen  SBeibert,  bier  Qatjre  für  ben  ©ubbiafonat  unb  abermals  fünf  ^a^re  SDienft  al§ 
Jiafon.  $jn  ber  afrifanifdjen  ^irct)e  erfekint  bann  bie  gorkrung,  bafj  niemanb  ofme 
Prüfung  bon  einem  Ordo  zum  anberen  gugelaffen  Werbe;  ßtibrian  (Ep.  29)  f)at  fie 
juerft  geftetlt  (bgl.  9titfcb,l,  Gfybrian  bon  tartfyago,  ©.  170  f.),  unb  ba§  Konzil  zu  §itojpo 
(393)  i)at  fie  fid)  zu  eigen  gemalt  (£>efele,  ^on§tttengefcr>ic^te,  II,  ©.  57).  30 

SSor  allem  Werben  e3  braftifck  gertigleiten  geWefen  fein,  bie  man  zum  £-nbalt  einer 
folgen  Prüfung  machte,  ©ie  lernten  fid}  am  beften  burd;  ba§  33eifbtel  unb  bie  Übung, 
unb  fie  fid)  anzueignen  genügte  ein  amtltcb^btenftltcber  3ßerlel)r.  Sielfad)  blatte  fid)  aber 
aud)  febon  ein  engerer  berfön(id)er  3Ser!ef)r,  eine  3lrt  §au^genoffenfd;aft  be§  33tfd;of<§  mit 
ben  jüngeren  ^lerüern  jum  fttoeä  ibrer  UnterWeifung  krau^gebilbet,  bie  fog.  ©iatribe  30 
(ciebengartner,  ©djriften  unb  @inrid;tungen,  ©.10  f.).  ©inb  au§  älterer  3e^  bie5Rad)= 
nebten  über  fie  unflar  unb  unbeftimmt,  fo  finb  au$  bem  @nbe  be3  4.  ^a^rb^unbert§  un§ 
bie  erften  beftimmteren  Angaben  über  eine  berartige  ©inridjtung  erhalten.  2Bieber  ift  c<o 
äfrüa,  Wo  Wir  fie  am  meiften  auggebilbet  finben.  §ier  berbanb  Sluguftinug  mit  if>r 
gönnen  beg  9Jcönd)tumg  unb  geftaltete  fie  baburd)  gerabeju  ju  einer  2Xrt  Älertferfdmle,  40 
lcenn  man  barunter  niebt  ein  Unternehmen  jur  §eranbilbung  werbenber,  fonbern  nur  jur 
älusbilbung  fdion  im  ©ienfte  beftnblid;er  Vertier  berfteb,en  barf  (f.  Sb  II  ©.  274, u  ff.). 
3luguftinu§'  „De  doctrina  christiana",  namentlid)  ba§  4.  Sud;,  eine  SCrt  §omiletif 
(Öcring,  fiebere  bon  ber  ^rebigt,  ©.  28  ff.),  unb  bie  Heine  ©djrift  „De  cateehizandis 
rudibus"  fönnen  ung  zeigen,  \va§  etwa  in  biefer  ©dmle  getrieben  Würbe.  3Jad)Weialid;  45 
finb  mebrere  ejegetifd;e  ©Triften  be§  3luguftinu§  au§  ben  mit  ben  jungen  Hlerifern  be= 
triebenen  ©tubien  erWacbfen.  Über  bie  in§altreid}en  beleb^renben  SLifcbgefbrädje  b^at  un§ 
^ojfibiul  (f.  Sb  XV  ©.  574  ff.),  felbft  ein  ©cbüler  be§  2luguftinu§,  in  ber  Vita  feines 
Sebrerg  Wertbolle  ^adn-td}ten  binterlaffen. 

^ablretcbe  Sifd;öfe  finb  au<?  jener  ©d;ule  bamate  berborgegangen,  bie  nun  ib^rerfeitS  50 
toofyl  wieber  in  äf?nlic^er  SBeife  erziel)li<b  auf  tb^ren  üleruS  einwirken,  fo  ba^  Wir  überall, 
too  fie  im  3lmte  ftanben,  berartige  ©djulen  annehmen  bürfen.  %n  älfrila  begegnen  un§ 
3ll^iu§  bon  iEagafte,  @bobiu3  bon  lljalig,  5ßrofuturuS  bon  Girta,  ©eberuS  bon  9)Jilebc 
unb  UrbanuS  bon  ©icca  (@gger§borfer,  ©er  f)l.  2luguftinu3,  ©.  130  ff.).  2lber  aud;  über 
Wiia  b^inau§  wirb  2tuguftinuö  9<lad;foIger  gefunben  t>aben.  3Baö  Wir  im  5.  unb  6.  Qabr=  55 
bunbert  an  äb,nlid)en  @inrid)tungen  in  ©übgallien  unb  ©banien  finben  —  j.  33.  Serinum 
«i-33b  XI  ©.  .100  ff.)  unb  fein  berühmter  ©cbüler  Säfariuä  bon  Slrleg  (f.  33b  III  ©.  022  ff.)  — , 
— ,  toirb  auf  feinen  ©influfj  zurüdgeb^en. 

Xod)  muffen  Wir  bor  übereilten  Serallgemeinerungen  gerabc   in   biefer  älteften  $eit 
uns  brüten,    ©er  Silbung^zuftanb  unb  bie  @inrid;tungen  finb  in  ben  einzelnen  ©cbicten  co 


304  Untemdjt,  tfjeol. 

ber  $ir$e  fe^r  berfcbjeben  geWefen.  Unfere  9?acf)rtdj)ten  aber  finb  um  fo  unfidjerer,  al3 
Wir  bei  ben  Wenigen  Duetten,  bie  Wir  fyaben,  nocb,  nicfyt  einmal  überall  mit  ©ict)erl)ett 
ben  Drt  ifyrer  ©ntftetmng  angeben  tonnen.  — 

IL  ®ie  &Iofter  =  unb  ®at{;ebralf$ulert  unb  Uniberfitäten  be§  9JtitteI= 

6  altera.  2Ba§  bt3b,er  fiel)  fyerauggebitbet  fyatte,  ift  burct;  bie ©türme  ber  33öIferWanberung 
bielfacb,  wieber  bemid)tet  Worben.  2öa§  aber  an  gürforge  für  bie  33ilbung  be§  $Ieru3 
ficb,  firtbet,  ftettt  sunäcfyft  al3  diMhfyx  ju  ben  ehemaligen  @inrict)tungen  fic^>  bar.  ©o  be= 
ftimmte  ba§  ^onjil  §u  33aifon  (529)  unter  au^brücflicfyem  §intoei§  auf  ältere  italifcfye 
33erfyältniffe,  baß  bie  ^ßre§bt)ter  bie  jüngeren  Vertier  in  ib,r  $au§  aufnehmen  unb  fie  im 

10  ^falmengefang,  in  firdjltcfyen  Seitionen  unb  im  göttlichen  ©efe£  unterrichten  füllten 
(§au<f,  ®ird)engef4  £>eutfcf>l.  I,  ©.219).  ®a3  Äonjtl  ^u  33racara  (569)  befdjloß,  bamit 
auct)  alte  33eftimmungen  erneuernb,  baß  niemanb  5ßriefter  Werben  fülle,  ber  nid^t  Wenig* 
ftens>  ein  %ai)x  lang  ba§  2Imt  be3  £eftor§  ober  be§  ©iafonen  berWaltet  unb  fo  bie  Jira)= 
liefen  Drbnungen  lernten  gelernt  fjabe  (MSL  33b  CXXX,  ©.  566).    Unb  auefe,    ba§, 

15  "maS  bie  nacb,  33enebift3  bon  S^urfia  (f.  33b  II  ©.  577  ff.)  SSorbilb  neu  gegrünbeten 
Möfter  auf  unferem  ©ebiete  leiften,  unterfcfyeibet  ficb;  nicfyt  Wefentlid)  bon  bem,  »a§  et)e= 
mafö  fd)on  2luguftinus>  unb  feine  ©djüler  eingerichtet  Ratten. 

^Otogen  bie  33enebiftinerflöfter  bon  2lnfang  an  ben  Setrieb  ber  2Siffenfdj)aften  in  t^re 
Siegel  aufgenommen  (a.  a.  D.  ©.  582, 22  ff.),  ober  mag  erft  ßaffioboriuä  (f .  SBb  III  ©.  749  f .) 

20  Wiffenfdpaftlicfyer  Arbeit  in  ben  ^löftern  ba§  rechte  Stnfefyen  berfdjafft  fyaben,  etWa3  ^Jceueg 
gegenüber  2luguftinu3'  33eftrebungen  wirb  bod)  erft  baburefy  gefcfyaffen,  baß  bewußtermaßen 
bie  §eranbilbung  ber  $ugenb  jum  fircbjicfyen  £)ienft  al§  Slufgabe  ber  Softer  erlannt 
wirb  unb  $lofterfc£mIen  für  Knaben  begrünbet  werben.  -iDcbglicb,,  baß  berartigeS  b,ier  unb 
ba  in  mannen  Softem  fcfyon  früher  gefct)el)en  ift,  inbem  bie  fog.  Oblati,  bie  ben  Softem 

25  fcfyon  im  früf>eften  Sllter  (im  7.  ober  fdjwn  im  5.  %at}xe)  zugebrachten  Knaben,  bon  felbft 
auf  Unterricht  ber  ^ugenb  führten  (©becl)t,  ©efc|.  be3  Unterrt<l)t<§Wefen§,  ©.  9  f.),  bie 
erften  fixeren  ©buren  planmäßiger  ^lofterfc^ult^ätigleit  finben  fieb,  in  ber  angelfäc^fifd^en 
3?tr$e.  23on  t>ier  I)aben  foWo^I  33onifaciu3  (f.  33b  III  ©.  301  ff.),  Wie  3llfuin  (f.  33b  I 
©.  365 ff.)   bie  ©a$e  nacb,  ©eutfcfylanb  unb  in  ba3  granfenreieb,  getragen,  unb  in  ifyrer 

30  9^adt)foIge  Ijat  Äarl  ber  ©roße  feine  berühmte  „Constitutio  de  scholis  per  singula 
episcopia  et  monasteria  instituendis"  (um  790)  erlaffen  (§auc!,  Ätrd^engefd).  ©eutfd)= 
Ianb§  II,  ©.  186 ff.).  ßb^robegangS  (f.  33b  IV  ©.82 f.)  Reformen  b^aben  Wofyl  bon 
bornfyerein  unter  bem  (ginfluß  foIdt)er  33eftrebungen  geftanben,  fo  baß  er  bei  feiner  Drgani= 
fierung  ber  SSeltgeiftücfyfeit  gleich  bie  bon   ben  ^anonifern  ju   leitenben  ^atb^ebralfcb^ulen 

35  ben  ülofterfclmlen  an  bie  ©eite  ftellte  (©toeeb^t  a.  a.  D.  ©.  12). 

2tu§  katl§  be§  ©rofjen  unb  3lKuin§  33eftimmungen  gewinnen  nur  einen  beutltcb^en 
©inblicf  in  ba§  tl>eologifd)e  Unterricb^tgtüefen  il)rer  3e^t.  'sDer  Unterricht  begann  mit  bem 
^ßfalmenunterricb^t.  ©er  ^falter,  ha§  tägliche  ©ebetbud)  ber  Älerifer,  biente  außer  ben 
elementarften  ^atecf)i§mugftüc!en  (©laube  unb  SSaterunfer)  fomob^l  al§  erfter  £ern=  wie  al§ 

40  erfter  Sefeftoff ;  er  Würbe  ganj  auöWenbig  gelernt.  3>l)m  folgten  bie  Wicb^tigften  religiöfen 
gormein,  ba§  ältbanafianum,  ber  @Eorci§mu§,  ia§  ?ßönitentiale  u.  bgl.,  Weiterhin  ba§  @ban= 
gelium  ober  bie  2eItionen  be§  Somes  unb  bie  .vSomilien  für  bie  ©onn=  unb  gefttage. 
3um  Unterricht  im  Sefen  trat  balb  ber  Unterricht  im  ©einreiben  unb  im  lircb,licb,en  ©e= 
fang;    außerbem  ba^  53erecf)nen  ber  t'xxfy liefen  gefttage  unb  bie   lateinifcfye  ©rammatü. 

45  ©eförbertere  ftubierten  bie  „Regula  pastoralis"  ©regorä  be§  ©roßen  (f.  33b  VII 
©.  87, 7  ff.),  3fibor§  „De  offieiis  ecclesiasticis"  (f.  33b  IX  ©.  449, 36 ff.)  unb  ben 
^aftoralbrief  be§  ©elafiug  (f.  33b  VI  ©.  473),  W03U  für  bie  Hanoniler  noef?  bie  „Re- 
gula de  vita  canonica",  für  bie  SRöncb^e  bie  „Regula  S.  Benedicti"  lam  (©beeb^t 
a.a.O.  ©.58 ff.  bef.  62 f.). 

50  ®amit  War  bie  Wic^tigfte  geiftlicb^e  2lu§bilbung,  bie  fieb^  jemanb  jur  9^ot  aueb,  Wo|)I 
in  ben  ^farrfcfyulen  aneignen  lonnte,  Wie  fie  eigentlich  bei  jeber  Pfarre  borfyanben  fein 
füllten  (©beeb^t  a.  a.  D.  ©.  26),  erfcb^öbft.  2Ber  Weitere  ^iele  berfolgte,  ber  trat  nunmehr 
in  ba§  ©tubium  ber  fieben  freien  fünfte  ein,  ba§  minbeften§  feit  2luguftinu§'  fttit,  feit= 
bem  9Jtartianu§  9Jcineu§  gelij  Gabella   bie  Septem   artes   liberales   unter   bem  33ilbe 

55  ber  §o%it  SRerlurg  mit  ber  ^|ilologie  in  neun  33ü$em  bargeftellt  blatte  (31.  ©bert, 
©efa^icb^te  ber  Siteratur  be§  Mittelalter^,  I,  2.  Slufl.,  ©.  482 ff.),  mel>r  unb  meb^r  bie 
©runblage  b^o^erer  33ilbung  geworben  War  unb  e§  ba§  ganjc  Mittelalter  b,inburc|i,  ja 
bi§  in  bie  3fteformation§jeit  hinein  geblieben  ift.  $n  bie  ©rammatif,  ben  erften  'Seil  be3 
Xribiumg  (ber  erften  brei  ©tücfe  ber  Artes  liberales),  Waren  bie  ©djüler  feb,  on  notbürftig 

60  eingeführt ;  ju  ib^r  gehörte  nun  aber  aud)  bie  Seftüre  ber  Iateinifct;en  ©cb^riftfteller ;  @ato<§ 


ttnterridjt,  tljcol.  305 

£iftid;en  (gerb.  Qaufyal,  Catonis  philosophi  über,  23erlin  1869)  matten  ^>ter  ben 
2Infang,  SLsirgil  unb  Dbib  waren  bie  Wid)tigftcn  flaffifd)en  2lutoren,  bie  freilid;  b/äuftg  burd) 
bie  d;rifilid;en  2)id;tcr  3uöencug  un^  ©ebuliul  erfeist  Würben.  2luf  bie  ©rammatif 
folgten  afö  fernere  Seile  be3  S£ribium§  bie  9Ü)etorif  unb  SDialeftif,  erftere  namentlich  an 
giceroS  „De  inventione"  ftubiert  unb  bielf  ad;  unmittelbar  mit  bem  9ted)t§ftubium  ber=  5 
bunben,  im  übrigen  aber  feltfamerWeife  gering  geartet,  ba  e§  nad)  ^fiborö  Söort  gur 
SSerfünbigung  beS  SßorteS  ©otteS  „be§  älsortgebrängeS  eine3  S^etorä"  nicfyt  bebürfe ;  bie 
£ialeftif  in  ^Deputationen  geübt  unb  meb,r  unb  mefyr  im  'sDienfte  ber  ©d)oIaftif  als 
„Königin  be§  ©d>ulunterrid)t§"  fid;  I)erau3bilbenb.  2Bot)I  galt  bag  Sribium,  ba<§  fpradt)= 
lid)e  ©tubium,  al3  ba3  gunbament,  auf  bem  bie  gefamte  tfyeologifcfye  ©eleb)rfamfeit  fid)  10 
aufbauen  lonnte;  bennod)  begnügte  in  ber  Siegel  aud)  ber  gelehrte  Geologe  fid)  md)t 
mit  ben  ftorad)licl)en  gackern,  fonbern  fd^ritt  jum  Quabribtum  ober  jur  3Ratb,ematil  fort, 
bie  in  Slritfymetif,  ©eometrie,  SJtufif  unb  Slftronomie  fid;  teilte,  unb  bie  infolge  biefer 
Sultibierung  burd;  bie  Geologen  mefyrfact;  rein  tfyeologifcf)  beftimmt  War.  33ei  ber  2lritl)= 
metif  mar  ber  $ombutu§,  bie  fircbjicfye  geitrect/nung,  keren  ©runbjüge  ja  fd)on  bem  ele=  15 
mentarften  Unterricht  angehörten,  ein  §aubtgegenftanb  be3  ©tubiumg;  aftronomifdje 
ilcnntniffe  bilbeten  baju  bie  notWenbige  ©rgänjung ;  Dielfad;  würbe  aber  aud)  bie  mt)ftifd;e 
Sebcutung  ber  3afolen  im  bi;tf)agoräifd;en  ©inne  befyanbelt,  unb  bie  ©cfyüler  in  bie  tieferen 
©ebeimniffe  ber  3aI)Ienlef)re  eingeführt.  ®a§  grünblid)e  ©tubium  ber  3Jtufif  erforberte 
aua)  tfieoretifcfye  ^euntniffe,  Orientierung  über  Tonart  unb  9>il)r/tt)mug,  über  &lang=  20 
gefcl)Iecr)ter  unb  33ermifd)ung;  e3  Würbe  bes>I)alb  juweilen  bire!t  mit  bem  ©tubium  ber 
2lritb,metif  berbunben.  ®a§  ©tubium  ber  ©eometrie  aber  Würbe  man  f)eute  als  ©eo= 
grabine  bezeichnen. 

Sieben  ben  freien  fünften,  bie  einzelnen  aud)  Wob,l,  fo  weit  fie  nid)t  bireft  ber  %foo> 
logie  bienten,  als  ungeiftlid)  unb  und)rtftltd)  erfcb,ienen  (bgl.  3fü>Dr/  Mon-  reS-  caP- IX)? 25 
liefen  aber  batriftifd)e,  lanonifttfcr/e  unb  bor  allem  er,egetifd)e  ©tubien  felbftftänbig  6er. 
■Jiamentlid)  2luguftinus>  mürbe  eifrigft  gelefen ;  bie  bieten  mit  beutfd)en  ©loffen  berfet)enen 
.vtanbfcfyriften  ber  „Canones  Conciliorum"  unb  ber  „Decreta  Pontificum"  geigen, 
bajj  man  fid;  ötel  mit  ib,  nen  befaßt  l)at ;  unb  baf?  er.egettfd;e  ©tubien  al3  f  elbftberftänblid) 
erachtet  Würben,  l)örett  mir  toon  9fabanu§,  ber  (De  clericorum  institutione,  III,  30 
Äab.  1)  fagt,  bafj  fein  SUerifer  auf  iI)eoIogifd)e  23ilbung  irgenb  einen  Stnfbrud)  ergeben 
fönne,  menn  er  nid)t  r/inreicfyenbe  33ibelfenntni§  befäfce  (©beeret  a.  a.  £).,   bef.  ©.  81  ff.). 

3n  baä  12./13.  ^ab,rl)unbert  fällt  bie  @ntfteb,ung  ber  Uniberfitäten  (f.  ben  Slrt). 
Sun  je|t  an  mirb  e^  meb/r  unb  meb/r  ©Ute,  ba^  bie,  bie  b,bf)ere  tl^eologifd^e  33ilbung  be= 
geb,ren,  biefe  auf  bem  Studium  generale  fid;  fud;en.  SSor  allem  metteifern  bie  Drben  35 
barin,  ftetg  mehrere  il>rer  ©lieber  ftubieren  unb  afabemtfer} e  ©rabe  fid)  ertoerben  ju  laffen. 
3lber  aud;  gürften  unb  ©täbte  machen  ben  ©rtoerb  befiimmter  ^ßfarrftellen  öon  bem  33efi| 
a!abemifcber  ©rabe  abhängig  (Seiträge  gur  fädjf.  ^ird;engefd;.  X,  ©.  157  f.).  ©0  erfe|en 
biefe  bielfad;  bie  burct)meg  bernacfjläffigten  unb  beräu^erlicb,ten  Slmt^rüfungen,  unb  immer 
fteb,t  eine  grofce  $at)l  gelehrter  Sb.eologen  au(f}  im  brafüfdjen  3lmte;  freilid;  niebt  gerabe  40 
in  ben  fyöcfyften  ©teilen,  ba  e§  meb,r  unb  meljr  möglid;  getoorben  ift,  biefe  bureb,  ©unft 
unb  ©elb  ju  ermerben  (§afe,  ^ir^engefcfji^te,  ©.322 f.);  bod;  finb  bie  b, öcb,ften Beamten 
unb  Berater  ber  33ifd;öfe  unb  anberer  b/ob/er  ©eiftlidjen  meift  miffenfdjaftlicf)  gebilbete 
Seute  unb  au^er  in  ber  Geologie  bor  allem  im  iird;Iid;en  $Redb,t  bemanbert. 

^m  allgemeinen   werben   bei  bem  tb,eoretifcb,en,  fd;oIaftifd)cn  (f.  oben)  betrieb   be§  45 
StubiumS  bie  ©rforberniffe  beä  geiftlicb.en  2lmte3  bernac^läffigt.    ©ie  ^3rebigten  ber  $eü 
tragen  bielfacb,  ben  ©tembel  ber  ©ct/olaftü,  ben  aud;  bie  3Jit)ftif  nic^t  immer  §u  Verbergen 
öermag  (gering  a.  a.  D.  ©.  71  ff.). 

SJlancfye  litterarifd;e  @rfd;einungen  au§  ber  ^Weiten  §älfte  beä  SJcittelalterS,  bie  nadb 
Srfinbung  ber  33ucb,bruder!unft  fid)  Raufen,  geigen,  ba^  man  jenen  Mangel  emtofanb  unb  50 
ifm  abjuftellen  fud)te.  Sieben  b,omiletifd)en  Hilfsmitteln,  bie  freilid;  nid)t  immer  aU  cin= 
toanbsfreie  güf^rer  fid)  ertoeifen  (f.  33b  XV,  ©.  652  ff.),  unb  Suchern,  bie  bem  Witf;tig= 
ften  lircb,Iid;en  ^nftitut,  ber  33eid)te,  ju  bienen  beftimmt  finb  (f.  bor  allein  ©effden,  £>cr 
Silber!atecf)i§mu§  be§  fünfzehnten  3af)rl;unbert§,  I,  Seidig  1855,  ©.  28  ff.),  finben  fid; 
aud;  ©rfd)einungen  baftoraltb^eologifd;er  Slrt,  fo  bor  aßent  ber  fd;on  1330  gefd;riebene,  55 
aber  erft  im  15.  ^ab,rl)unbert  berbreitete  „Manipulus  curatorum"  beS  ©uibo  be  9Ronte 
3!otb,erii,  unb  bie  ©Triften  be§  Sanier  Pfarrers  Ulrid;  ©urgant  (um  1500). 

S1"  15.  unb  16.  gab,rl;unbert  bringen  in  bie  gelehrten  Greife  ber  ©eiftlicf)en  buma= 
niftifd;e  ^been  ein.  3)aburd;  Wirb  bielfacb,  bie  tl)eologifd;e  Silbung  neu  befruchtet  unb 
bor  allem  aud;  Sibelftubium  Wieber  meljr  an  bie  ©teile  ber  ©djolaftit  gefegt ;   bod;  giebt  (.0 

Weol=ffinc^Hopäbie  für  Sljeologte  unb  Kir«e.    3.  21.  XX.  20 


306  Itnterridjt,  tJjeoI. 

e3  aud]  ©eifilicfje,  bie  anftatt  tfyeologifcb,  lebiglid)  l;umaniftifcf/  gebtlbet  jinb  unb  mit 
ber  i$ereb,rung  für  bie  Sffierle  berÄlaffifer  bielfad)  aud)  tf>re  2öeltanfd)auung  angenommen 
I)aben.  — 

III.  ^fyeologifcfyeg  Unterrid)t<§=  unb  Silbunggtoefen  feit  ber  9tefor= 

5  matten    (bef.  in    £>eutfcf)Ianb);    1.   in    ber   ebangelifäjen  ^ircfye;    a)  $ßrü  = 

fungen  unb  ©tubium.    ©obalb  au§  ber  reformatorifcfyen  Setoegung  be§   16.  ^ai]x- 

i)unbert§  ein  neues  ^irdjentoefen  ftcb,    ju  bilben  begann,    fyat  man   bedangt,   baf$  bie 

©iener  am  2öort  einer  Prüfung   fieb,  unterbieten  unb  ib,re  33efäb,igung  betoeifen  füllten. 

2öa3  gunäd^ft  ba§  2Bittenberger  3fteformation3gebiet   betrifft,  fo  Reifet  e3  fd)on  im 

10  „Unterricht  ber  Sifitaioren"  (1527),  ber  ©runblage  ^freier/er  ebangelifdjer  Sürdb,enorb= 
nungen,  bafj,  bebor  jemanb  jum  $farrl)errn  ober  ^ßrebiger  angenommen  mürbe,  er  §ubor 
bem  ©uberattenbenten  folle  borgeftellt  toerben;  ber  folle  iljm  »erhören  unb  examinieren, 
toie  er  in  £ef>re  unb  Seben  getieft,  unb  ob  ba§  3SoII  mit  U)m  genugfam  berfefyen  fei, 
auf  bafj  fein   Ungeklärter  ober  Ungefcfyicfter  jur  S3erfüb,rung    be3    armen  33oIIe§   auf= 

15  genommen  mürbe  (Sßeber,  SMancfytfong  Hird)en=  unb  ©djulorbmmg,  ©cfjlücfytern  1844, 
©.  104  f.).  £>ie  ©uberintenbenten  mit  biefer  Prüfung  ju  betrauen,  mar  nur  ein  bor= 
läufiger  akrfud);  balb  Reifet  eS  (ßurfädtfifctie  «ßifttationSarttfel  1529  unb  1533:  Stifter, 
©bangel.  ®ircb,enorbnungen,  I,  ©.  103,  226),  bafj  ein  jum  ^farrfyerm  2Iu§erfeb,ener  jum 
23erb,ör  an  ben  £jof  folle  getieft  toerben;  burdj)  bie  Reformatio  Wittebergensis  (1545) 

20  toirb  bie  Prüfung  ber  tfyeologifdjen  gafultät  übertragen,  bi§  enblicb,  bureb,  bie  furfäcbjifcfye 
$irct)enorbnung  bon  1580  bie  oberfte  geiftlidje  33el)örbe  bamit  betraut  mirb  (Sudler  a. a.  D., 
©.  83,  90;  ©efyling,  JÜrctjenorbmmgen,  I,  1,  ©.  377  ff.).  ®a§  ift  bann  in  ben  meiften 
ebangelifd)en  £anbe§fird)en  borläufig  Dtecfyt  getoorben,  immer  junäc^ft  aber  fo,  bafj  bie 
beborftefyenbe  Slnfteßung  jur  Prüfung  erft  ben  Slnlajj  bietet. 

25  @§  liegt  auf  ber  §anb,  bafj  Sutfyer  unb  sJJMand)tbon,  felbft  bureb,  gelehrtes  ©tubium 
fyerangebilbet  unb  felbft  £eb,rer  an  ber  Uniberfität,  feinen  anberen  als  ben  afabemifcfyen 
33tlbung3gang  für  ben  ebangelifcfyen  ©eiftlidjen  toünfcfyen  tonnten,  ©o  mad)t  benn  auo) 
bon  borne^erein  ber  „Unterricht  ber  33ifitatoren"  neben  ber  ©efcfncflicPett  bie  ©eleb,rfam= 
feit  ^um  ©egenftanb  ber  Prüfung,    ©emtod)  fyaben  bie  ©ramina  ber   erften  ^afyxifyniz 

30  oft  genug  gänjlicb,  babon  abfegen  muffen,  toeil  toiffenfcttaftlicb,  gebilbete  (Sraminanben 
md]t  jur  Verfügung  ftanben.  ®a3  Sötttenberger  Drbiniertenbucb,  1537—60  (b,erau§gegeben 
bon  33ud)toalb,  Seibjig  1894),  ba§  —  ba  anfangt  üffiittenberg  für  faft  alle  ebangelifcfyen 
£anbe<oftrct)en  orbinierte  —  einen  großen  £eil  ber  erften  ebangelifeljen  ©eiftlicfyen  umfafjt, 
nennt  neben  647  au§  ber  Söittenberger  Uniberfität  ^erborgegangenen  unb  125  fonftigen 

35  ©elebjten  aucr)  425  ©cfyulmeifter,  81  Kantoren  unb  211  Lüfter,  bei  benen  gelehrte  33il= 
bung  j.  T.  minbeften§  f)öd)ft  jtoeifelfyaft  ift,  unb  aufjerbem  161  Drbinierte,  bie  jtoeifeKoS 
feine  gelehrte  Silbung  befeffen  ^aben,  3.  %.  Aanbmerfer,  ^uc^mac^er  ober  auef;  furjtoeg 
aU  Bürger  S3egetcr)nete.  ^ro^Seonfjarb^utterl^roteft  gegen  jefuiiifdje  ^Bortoürfe  (®rünbt= 
lieber  3Sericf)t  bom  orbentlicf;en  unb  rechten  Slboftolifc^en  Seruf  unb  Drbination  ber  Sutb,  e= 

40  rifcb,en  @bangelifcf;en  5ßrebiger=  Söittenberg  1608)  läfst  e§  fieb,  alfo  boeb,  nicf;t  beftreiten, 
ba^  bei  ben  £utb,erifd)en  aueb,  „gemeine  Saien  ju  ^rebigern  berufen  unb  aufgeteilt" 
toorben  finb  (bgl.  aud)  SDremg,  ®er  ebangelifcb,e  ©eiftlic^e,  ©.20  unb  22 f.).  SBirb  aueb, 
übertrieben  fein  ober  ju  ben  berfd)minbenben  2lu3nal)men  gehört  fyabm,  toaö  bie  ^efutten 
aud]  beraubtet  b,aben,  ba^  manche  noef;  nid;t  einmal  b,ätten   lefen  ober  fcbjeiben  fönnen 

45  —  ba  bie,  bie  nidjtt  felbftftänbig  eine  ^rebigt  abjufaffen  im  ftanbe  toaren,  bod)  minbe= 
ften§  eine  mußten  borlefen  fönnen  — ,  fo  b,at  bielfatf;  bod)  mob,!  bie  elementarfte  SSor= 
bilbung  ^ur  33erfeb,ung  eineö  geiftlicb^en  2lmteS  ausreißen  muffen,  ©te  Prüfung  toirb  in 
ber  älteften  ßeit  bielfacb,  toefentlid)  in  ber  2lbnal)me  beä  3Serfbred)en§  beftanben  b,aben, 
bie  reine  ebangelifd^e  £eb,re  ^u  brebigen,  toie  folcfje  äkrbfticfytung  bor  aßem  bie  ©o^Iarer 

50  Äircfyenorbnung  ung  aufbehalten  b,at  (9ttcf)ter  a.  a.  D.  ©.  154 ff.). 

®oct)  f)at  man  n\d)t  abgelaffen  auf  gelehrte  33orbilbung  ju  bringen.  3m  3a^r  154:4 
toirb  in  £eibjig  augbrücflicl;  feftgefe^t,  bafe  feiner  folle  angeftellt  toerben,  ber  nia;t  eine 
Seit  lang  auf  einer  Uniberfität  getoefen  fei;  toerbe  ein  -ftic^tftubierter  für  ein  Slmt  bor= 
gefcr)Iagen,   fo  folle  er  erft  einige  3«tt  ftubieren;   nur  ganj  au§nab,m§toeife  follte  e§  ge= 

55  nügen,  toenn  er  bei  einem  ©uberintenbenten  ober  Pfarrer  in  praxi  ben  &ird)enbienft 
fennen  gelernt  l^abe  (©retoö  a.  a.  D.  ©.  16).  ©0  tourbe  eine  getoiffe  gelehrte  Silbung 
jebenfalls  balb  bie  Siegel.  9Jtinbeften3  bürfen  toir  bie  23ilbung,  toie  eine  £ateinfcb,ule  fie 
barbot,  balb  aU  bie  ®urdb,fcb,nittsbilbung  be§  geiftlid)en  ©tanbeg  borau§fe|en.  Unb  um 
fo  mel)r  fonnten  bie  £ateinfd)ulen   al§   geeignete  SilbungSftätten   angefeb,en  toerben,  afö 

ro  religiöfer  unb  bireft  tl;eoIogifcl;er  Unterricht  eine  breite  ©teile  in  il)nen  einnahm.    £eb,rer 


Unterrtdjt,  tljcol.  307 

an  biefen  ©cfyulen  Werben  gerabeju  als  ^rofefforcn  ber  Geologie  bcjcicfjnet  (Setträge  jur 
fäcbj.  iircfyengefcr/.,  X,  ©.  137),  unb  bte  in  ben  Seligtonöftunben  befwnbelten  lateimfcfyen 
$ate$i3mu3au§Iegungen  Warfen  mefyr  unb  mcl)r  ju  ^ombenbien  ber  ©ogmatif  ftd^  au§ 
(cgi.  3.  93.  Conr.  Dieterici  Institutiones  Catecheticae,  neu  herausgegeben  bon  2t.  ©. 
<£iecffyoff,  Berlin  1864);  ja  bielfacb;  Waren  in  ben  Sateinfdjmlen  gerabeju  9JceIancr/tfyon§  b 
„Examen  Ordinandorum"  (CR  XXIII,  ©.  1  ff.),  um  1552  bon  tf)m  zufammengefteltt, 
unb  fbäter  ©elneder^Explicatio  Examinis  Ordinandorum"  (f. 33b  XVIII  ©.  189,Eoff.), 
bte  meiftgebraucfjten  $om|penbiert  ber  lutfyerifcfyen  Geologen  im  16.  unb  17.  Jjafyrtmnbert, 
ak  Schulbücher  im  ©ebrauef?. 

©ie  jeigen  un§,  bafj  bie  Dogmatil  §temltc^  uneingefcr/ränt't  in  ber  bamaligen  tfyeologt*  10 
fcfycn  23ilbung  bie  §errfcf)aft  führte,  ^n  ber  furfäd)fifc£)en  förcfyenorbnung  bon  1580,  bie 
neben  jenen  $ombenbien  über  bie  an  bie  jungen  Geologen  geftellten  ätnforberungen  mit 
am  einge^enbften  uns  unterrichtet,  Wirb  freilieft,  aueb,  auf  bie  33e!anntfcfe,aft  mit  ber  ©cfyrift 
befonbere§  ©eWicfyt  gelegt;  au3brücflicb,  wirb  geforbert,  bajj  feftgefieltt  Werbe,  ob  bie  @i-a= 
minanben  aueb,  „felbft  in  ber  33ibel  nad)gefc£)Iagen  unb  fiefy  be3  eigentlichen  33erftanbe3  15 
bort  erholet  fyätten"  SDennocb,  fommt  bie  ©dpft  nur  al<§  ©bruct/fammlung  für  bie  bog= 
matifcfyen  Slrtifel  in  93etracb,t;  all  felbftftänbiger  Sßrüfungggegenftanb  erfef/eint  fie  nicfjt. 
£a3  anfängliche  ernftlicfye  93eftreben,  bie  lutfyerifcfyen  Ideologen  bor  allem  %u  ©c§rifi= 
Geologen  ju  erstehen  (»gl.  ^Beiträge  jur  fäcfyf.  ^ireb,  engefcf).,  X,  ©.  132  f.),  war  alfo  balb 
berfannt  ober  mijjberftanben  Worben.  ^Dagegen  ift  e§  bebeutfam,  bafj  in  ber  Iurfäc£)fifdE>ert  20 
ßircfyenorbnung  bie  Slblegung  einer  ^robebrebigt  gum  33eftef)en  be<>  @jamen§  erforberltcf) 
ift;  bal  ift  ein  berfyeifjungSbolter  2lnfa£.  ©inline  aufbehaltene  Prüfungen  (befonberS 
ÜJieIanct)t^on§ :  f.  ®reW§  a.  a.  D.  ©.  41;  bgl.  aud)  geüfcfyrtft  für  nieberfäcbj.  ^ircb,en= 
gefäkr/te,  VIII  [1904],  ©.  121,  167  ff.,  196  ff.  u.  ö.)  berraten  un§,  inwieweit  im  all= 
gemeinen  bie  ©jaminanben  ben  geftellten  ätnforberungen  entfbracfjen.  2B 

6ine  gan§  befonbere  Stellung  nimmt  in  ben  tutfyerifcfyen  ©ebieten  Söürttemberg  ein. 
§ier  ftiftete  £>er§og  Ulrich  gur  §eranbilbung  bon  Staate  unb  $trct)enbienern  ba§  fog. 
©tibenbium  an  ber  SanbeSuniberfität  unb  überwies  tt)m  am  6. 2luguft  1547  ba3  Tübinger 
2luguftinerflofter.  §erjog  SI)rifiobI)  forgte  aud)  für  ben  jüngeren  tbeologifcfyen  SRacfyWucfys, 
inbem  er  13  Softer  in  ebangelifcfye  ^lofterfctmlen  umfefmf,  bon  benen  freiließ  4  fefyr  balb  30 
toieber  eingingen.  Sanbegfinber  im  Sllter  bon  14  ober  15  $al)ren,  bie  bie  2lufnar/me= 
Prüfung  in  ©tuttgart  beftanben  Ratten,  fanben  in  iljmen  älufnafyme  unb  würben  bann 
aujjer  in  ben  gewöhnlichen  gackern  ber  £ateinfd)ule  unb  in  ben  Slnfang§grünben  be§ 
©riecf)ifct;en  and)  fcfyon  unter  gang  fbejieller  SRücffidjt  auf  ib^ren  fbäteren  33eruf  unter= 
rietet;  fie  Würben  eingebe enb  mit  bem  3fJeuen  SEeftament  in  Iatemifd> er  Überfettung  befannt  35 
gemalt,  tourben  in  ben  ^ßfalter  unb  bie  5ßeriloben  eingeführt  unb  im  Sb^orgefang  geübt. 
2lu§  ben  nieberen,  grammatifcfjen  famen  fie  bann  in  eine  ber  4  beeren  älofterfdmlen, 
Sebenb^aufen,  ^errenalb,  §trfcb,au  unb  ÜHauIbronn,  too  ju  ben  genannten  gackern  bor 
allem  bag  3llte  SEeftament,  ©ialeftif  unb  ÜRb/etorif  hinzutraten.  16  ^ab,re  alt  fonnten 
fte  in  ba§  Tübinger  ©tibenbium  ober  ©tift  aufgenommen  Werben.  §ier  bereiteten  fie  40 
ftcb,  jmei  %cfyxz  auf  ba§  33accalaureat  ober  5Uiagifterium  bor,  inbem  fte  ben  $urfu§  ber 
S(rtiften=galultät  abfolbierten  (f.  b.  3t.  „llniberfitäten") ;  nur  nebenbei  Wibmeten  fie  fieb, 
%ologifc|en  ©tubien,  inbem  fie  33orlefungen  über  ein  tfyeologifcfyei  S^ombenbium  unb 
über  bie  ^ßaftoralbriefe  hörten.  @rft  im  brüten  Safyre  Wanbten  fie  ftd)  ganj  bem  33eruf§= 
ftubium  ju.  ^m  Wesentlichen  ift  bie  Stnlage  beg  ©tubium§  bx§  bleute  bie  gleite  geblieben  45 
(2Bürttembergi|cl)e  Slircb^ngefcincf/te,  ©.  365,  401  f.,  444  f.  u.  b.).  — 

yiiä)t  minber  fyat  man  auf  reformierter  ©eite  bon  2tnfang  an  bie  gehörige  2tu§= 
bilbung  ber  ©eiftlidb,en  betont.  33on  früf)  an  b,at  ßwingli  buref  bie  Umgeftaltung  beä 
©ro|münfterftiftg  in  eine  tl)eologifd)e  £el)ranftalt  unb  bureb,  bie  (Einrichtung  ber  fog. 
„^ßrobfyeäei"  if>r  5Recb,nung  getragen.  5Rit  letzterer  glaubte  er  ba§  Wieber  in3  Sebcn  ju  bo 
rufen,  was  1  $0  14  bon  ber  gegenfeitigen  brobfyetifcfyen  33elel;rung  ber  erften  6l;riften= 
gemeinben  berietet  ift  (bgl.  StntWort  an  33al.  6ombar:  ©cfmler  unb  ©cb,ultb,e|,  3wingli§ 
3Ker!e,  II,  1,  ©.  15  f.).  %a\t  täglicb,  fanb  fie  unter  ßWingli^  Seitung  bormittagS  in  ber 
©rofemünfter!ircf)e,  unter  3Jcr/loniu<§'  33orfi^  nacfjmtttagä  in  ber  grauenmünfterürcfje  ftatt; 
fte  foEte  nacb,  ^WingliS  SBunfcb,  an  bie  ©teile  be§  biä  bab^in  ben  6b,orb,erren  obliegenben  bb 
^wengefangö  getreten  fein ;  boefy  nahmen  au^er  biefen  bie  ©tubierenben,  bie  fiel)  auf  ben 
getftlic|en  33eruf  borbereiteten,  unb  alle  ($eiftlict)en  ber  ©tabt  nebft  ifyren  Fabianen  barau 
teil;  getrieben  aber  Würbe  auäfcbjiepcb,  bie  @r!lärung  ber  ^eiligen  ©cb^rift,  bormittagö 
bei  3tlten,  nachmittags  beg  3Reuen  Xeftamentg  (©täfjelin,  .^ulbreicb,  ^Wingli,  II,  ©.  84  ff.). 

^Balb  Würben  für  2lu3bilbung   unb  Stnftellung   ber  @ciftttd()cn   fefte  Drbnungen   in  ." 

2(V|: 


308  ltntem<f)t,  tt)eol. 

ßüridt;  gefcbaffen,  bie  bann  im  ganzen  für  bie  berWanbten  lir^Ud^en  ©ebiete  öorbtlbltd; 
geworben  finb.  Unter  2lufficbt  bes"  9late§  Waltet  bon  1532  an  eine  befttmmte  $rüfung<o= 
bewerbe,  befte^enb  aus1  bem  2Xnttfte§  als  Vräfibenten,  bter  Sfatsfyerren,  ben  ^rofefforen 
ber  Geologie  unb  jtoei  Pfarrern,  i^reS  2lmte§.  Vorgenommen  aber  Wirb  bie  Prüfung 
5  alfo,  baß  „man  für  ba§  erft  Locos  communes  an^üdje,  bemnacb,  erfahre,  Wie  beläfen 
unb  geübt  bie  gürgefteEten  in  beiben  Steftamenten  ffyenb;  toa§  fie  für  ein  ^ubicium  in 
Scripturis  fyabinb,  tote  fie  bie  bruebinb,  läfinb  unb  bem  3SoIfe  erilärinb"  (Vlöfcfy,  ©e= 
fcbjcfyte  ber  fclwei^ertfcb^reformterten  Surfen,  I,  ©.  91). 

2BäI)renb  alfo  im  lutl)erifd)en  ^irdjengebiet  junäcbjt  in  einfeitigfter  2Beife  bie  Sog= 

io  matil  betont  wirb,  Wirb  b,ier  iton  Vorneherein  neben  ib,r  ber  Vibelfenntnt<§  unb  ber  braf= 
tifcfyen  Vefäfyigung  bei  ber  Prüfung  eine  ©teile  eingeräumt.  2tußerbem  bat  man  injuria; 
unb  banacb,  übertäubt  auf  reformierter  ©eite  bon  2lnfang  an  nad)  ber  Vefäljiigung  für 
ben  geiftlicf)en  ©tanb  übertäubt  gefragt,  ofyne  erft  bie  Berufung  für  ein  beftimmteg  2lmt 
abzuwarten  unb  bat  babura)  bie  gange  Sßeife  bon  bornelierein  braftifcfyer  geftaltet.  3Jief>r 

15  unb  mef)r  bilbet  fid)  bann  in  beiben  ^trcfyengebieten  ba§  gleite  Verfahren  heraus. 

gunäcbft  bleibt  Wäfyrenb  beä  17.  $afyrb/unberis'  ber  3uftank  *m  Vrinjib  gtemltd^  un= 
beränbert.    gn  äöirllicbjeit  löft  ber  30jäfpge  $rteg  bielfacb,  alle  Drbnung  auf.  — 

2113  man  naef)  bem  Kriege  barauf  finnt,  bie  Söunben  ju  feilen,  bie  er  gefebjagen, 
ba  Wenbet  man  aueb,  gerabe  unferer  grage  eine  ganj  befonbere  Stufmerlfamfeit  ju.    Vor 

2n  allem  ift  es  ber  VietiSmusi,  ber  auf  beffere  Vorbilbung  ber  ©eiftlicben  bringt,  ©cfyon 
in  ben  „Pia  desideria"  regt  ©bener  bie  $rage  an;  in  feiner  Vorrebe  ju  ©ann^auers 
„Tabulae  hodosophicae"  (1690),  bie  ben  befonberen  %itel  füfyrt:  „De  impedimentis 
studii  theologici"  be^anbelt  er  fie  ausführlich  unb  fommt  in  ben  „Sllieologifcfyen  Ve= 
benfen"  wieberbolt  auf  fie  jurücf.    2lud)  ©roßgebauer  unb  ©eefenborf  (f.  unten)  Weifen 

25  auf  fie  fein;  am  boUftänbigften  aber  faßt  bielleicbt  21.  §.  grand'e  alle  ©ebanfen  in  feiner 
„Idea  Studiosi  Theologiae"  (1712)  jufammen.  95ejeid)nenbertüeife  trennt  er  niebt  bie 
innere  gurüftung  bon  ber  äußerlichen  2lusbilbung  unb  ftettt  besb,alb  obenan  bie  $orbe= 
rung,  baß  „man  juerft  unb  cor  aHen  Singen  an  einem  Studioso  Theologiae  fudje, 
baß  fein  §erg  rec^tfebaffen  fei  bor  ©ott".    gur  ©runblage  bes"  tfeeologtfd^en  ©tubiums 

30  aber  mad)t  er  je£t  mit  VeWußtfein  bie  b,l.  ©djrift,  bie  redjt  ju  berfiefyen  ein  jeber  ©rie= 
dnfcb  unb  §ebräifd)  lernen  muffe,  hieben  bie  ©ogmati!  aber  unb  bie  Controversiae 
theologicae  tritt  in  bebeutfamer  Söeife  bas"  ©tubium  ber  ffymbolifdjen  Vücber.  Unb 
enblid)  Wirb  auef)  bie  $ird;engefd)id)te,  jtoar  junäcbft  nur,  Weil  fie  „ad  aecuratiorem 
exegesin  Scripturae  erforbert  wirb,  näcbjtbem  aber  im  Studio  controversiarum  am 

35  Wenigften  entraten  werben  !ann",  jum  ©tubium  embfofylen.  2öa3  aber  noeft,  mistiger 
ift,  bas  ©tubium  foH  ber  Vrarjs  bienen.  „2öenn  bes^alb  ber  junge  Geologe  einen  fo= 
liben  ©runb  in  ber  ©rfenntnis  ber  göttlichen  SBafcrbeit  geleget,  injmifcben  autf)  ju  guter 
Übung  unb  (Erfahrung  in  ben  Söegen  ©otte§  fommen  ift,  fo  richtet  er  aueb  bafnn  fein 
©emüt  näber,  toie  er  gefcfyicft  Werben  möge,  bes  guten  ©cb,a|e§,  fo  ©ott  in  feine  ©eele 

40  geleget,  aueb,  anbere  burd)  öffentlichen  Vortrag  teilhaftig  ju  machen"  2lufgabe  feines 
ferneren  ©tubiums  ift  alfo,  fieb,  aueb,  torafttfd)  auf  fein  fbäteres  2tmt  borjubereiten  (Gramer, 
granefes  toäbagogifc^e  ©Triften,  ©.  407  ff.). 

©ine  golge  biefer  2lnregungen  ift   e3,   baß  in  berfefnebenen  Sanbesürcben  um  biefe 
ßeit  neue  5ßrüfunggorbnungen  entfielen,  3.  V.  fc^on  1718  in  Preußen  (3)c^lius,  Corpus 

45  Constitutionum  Marchicarum,  I,  %lx.  118),  1732  in  turfacb,fen  (Schräge  ^ur  fätt;f. 
^trebengefd).,  X,  ©.  161),  1735  im  <Rurfürftentum  §annober  (©bbarbt,  ©efe^e,  Verorb= 
nungen  unb  2lusfcbreiben,  I,  ©.583  ff.).  3unäcl)ft  Wirb  je|t  allgemein  ba§  ©jamen  als 
QualififationsbeWeiS  für  ben  geiftlicben  Veruf  überbautet  angefeb,en  unb  Wirb,  inbem  je^t 
afabemifeb^es  ©tubium  al§  unumgängliche  Vorbebingung  gilt,  burcb,Weg  an  ba§  @nbe  ber 

50  Uniberfität^eit  gelegt.  ®abei  ift  bie  Vebörbe,  bie  bas  ©ramen  abnimmt,  nicb,t  überall 
biefelbe;  balb  Wirb  es  bor  ber  galultät,  balb  bor  bem  ^onfiftorium,  balb  bor  einer  ju= 
fammengefe|ten  ^ommiffion  abgelegt  (bgl.  bie  Verbindungen  gerabe  über  biefe  gtage  in 
ßIebe=3)Jarf  in:  gri^  ÜRefa,  Slb,eologifrf)es  ©tubium  unb  bfarramtlic^es  Gramen  in  6lebe= 
Tiaxl,  Vonn  1905).    Vielfacb,  behält  man  aber  neben  biefem  ba§  ©tubium  abfcb,ließenben 

55  ©ramen  bas  ©jamen  beim  2lmtsantritt  bei,  unb  e§  Werben  fortbin  in  mehreren  £anbe§= 
lireben  $Wei  Prüfungen  geforbert ;  bie  gtoeite  Vrüfung  bleibt  meift  unangefochten  ©acbe  ber 
oberften  Äircbenbefyörbe. 

®ie  bermeb^rten  2lnforberungen  unb  beränberten  ©eficb,t§bun!te  geben  beutlicbjt  au§ 
ber  breußifcb,en  Vrüfung§orbnung  6,erbor.    2ßie  feb,r  je|t  ber  braltifcbe  ©eficb,t§bunft  ber 

go  beftimmenbe  geworben  ift,  getgt  fieb,  gleicb,  baran,  baß  fc|on  bor  ber  Prüfung  eine  Vrobe= 


Uutcmd)i,  tljeol.  309 

bvcbigt  einzureiben  ift,  „baf?  fie  Don  einem  jeben  ©raminatore  gelefen  unb  jenftert  loerbc", 
unb  bafc  ib;r  bann  gleid)  im  Sittfang  ber  Prüfung  „eine  mit  etlichen  üinbern  anjufteßenbc 
fatecJ)etifcr)e  Übung"  folgt,  eine  beutlicb>  golge  ber  großen  3öertfd;äkung,  ber  fict;  banf 
ben  prberungen  burdf)  ben  petiämuS  feit  einigen  ^afyxftfynUn  bie  tatccfyetifcfje  SLb/ätigfeit 
ber  öeiftlidien  erfreute.  $)ie  Partes  Theologiae,  in  benen  fobann  bag  eigentliche  5 
(framen  angefteUt  werben  foll,  finb  Theologia  thetica  unb  polemica,  exegetica  unb 
moralis,  casuistica,  pastoralis,  Historia  ecclesiastica  unb  „mag  jur  erbaulichen 
ceelcnforge  gehöret"  .ginficfjtlkr/  le|terer  merben  für  ba3  ©ramen  ganj  befonberg  fbe= 
jiette  Söeftimmungen  gegeben,  ein  3etcr)ett,  ^>K  \$x  man  f*e  betont  ju  fefyen  münfcfjtc. 
So  Jollen  bie  Sraminatoren  fragen,  „mie  ber  ©saminanb  ftet)  im  93eicr)tftul^l  ju  »erhalten  10 
habe,  mie  er  mit  Angefochtenen  unb  ©terbenben,  mie  mit  Hranfen  ju  berfafyren  unb  mie 
er  fiel)  bei  ber  "Saufe  unb  bem  ^eiligen  2lbenbmat)l  ju  »erhalten  fyabt,  baf?  fein  2lmt 
jebertnann  erbaultcr)  fein  möge"  2lber  auefy  in  ben  ^unäer/ft  tfyeoretifcfyen  gackern  tritt 
bie  Betonung  bei  prafttfcfyert  ©eftcfytäbunfteiS  tjerbor.  ©0  foll  ber  ©pminanb,  um  gu 
betoeifen,  „bafe  er  im  Studio  biblico  mofyl  berfieret  fei",  ntcr)t  nur  bie  Summam  unb  15 
Scopum  jebcl  biblifetjen  Sucres»  miffen,  er  foll  auef;,  menn  tr)m  ein  £ert  borgegeben 
loirb,  „folgen  ex  tempore  analbfieren,  biäbonieren,  ba<5  ^ürne^mfte  notbürftig  erflären 
unb  bie  Ufuö  fyerau^iefyen"  tonnen.  Unb  felbft  bie  Prüfung  „Don  ben  fürnefymfien  2lr= 
tifulen  ber  cfyriftlidjen  fiebere"  foll  befonber<§  auf  bie  ^ra£ttfcr)en  Materien  gerietet  merben, 
auf  „(E'rleucfytung,  33erefyrung,  Söiebergeburt,  Rechtfertigung,  Erneuerung,  Heiligung"  20 
labet  foll  ber  (framirtanb  „feine  SEfyefm  mit  ben  ,§aubtfbrücf;en  bei  Uten  unb  Reuen 
icftamenr»,  bie  er  im  ©runbtejt  anführen  unb  berftefyen  mufs,  bemeifen,  foll  ben  ©runb 
bey  SemeifeS  au$  ben  ©brücken  felbft  geigen,  ben  in  ber  §aubtfbracr)e  liegenben  Racf)= 
bruef  eruieren  unb  bie  gebüfyrenbe  Slttmenbung  finben  tonnen;  imgletc^en  foH  er  miffen, 
ir>o  in  benen  regierten  fbmbolifcfjen  Supern  babon  ge^anbelt  merbe"  ©an^  bem  bon  25 
ebener  borangeftetlten  ^rinjib  entfbrect;enb  aber  follen  baneben  bie  (Sraminatoren,  ein 
jcber  bribatiffime,  ben  ©ruminanben  naef)  feinem  tnmenbigen  guftanbe  prüfen,  „ob  er  in 
ber  33ujje  unb  lebenbigem  ©lauben  ftefye,  unb  ma§  er  tjierbon  für  Äennjeicb^en  bon  fict) 
geben  tonne;  mie  er  fein  Seben  bon  ^ugenb  auf  gefül)ret,  mie  er  zu©ott  belehret  morben, 
toelcfye  Speeimina  Providentia  diviniae  er  an  fiefy  erfahren,  unb  ob  er  feinet  £eben3  30 
falber  Anfechtungen  embfinbe?"  (3Jtr;liu3  a.  a.  D.  ©.  230  ff.).  Rtct;t  überall  E)at  ber 
$ieti§mu§  ben  ^rüfungSorbnungen  fo  beutlicf)  feinen  ßtmrafter  aufgeprägt. 

2lud)  aus>  ber  rattonaliftifcfyen  geit  fennen  mir  23emül)ungen  um  bie  SSorbilbung  ber 
fotogen.    9Jtanctje3  Reue   bringt  bie  „^ßfarrlanbibaten=^ßrüfung§=Drbnung  für  33aben= 
Surfacf)"  1756  (Srunner,    SDie  babifct)en  ©ctmlorbnungen,   I,   ©.  107  ff.).    Slufjer   ber  35 
^robebrebigt  forbert  fie  auef)  eine  miffenfcfjafiltcfje  fcfjriftlicr/e  Arbeit :   „fobalb   fic|   einer 
um  ba§  ©ramen  mefbet,  ift  il)me  eine  9Jlaterie  in  einer  $u  beftimmenben  geit  lateinifcf; 
ju  elaborieren  aufzugeben,   %um  ©jembel  ein  Dictum  Sacrae  Scripturae,    melcfje£>   er 
grammatice,  rhetorice,  polemice  et  practice  abl)attbeln  foße"    Äircb^engefcfjic^te  mirb 
mefir  um  i^rer  felbft  millen  geprüft ;  neben  bie  Geologie  tritt  aU  fefbftftänbigei  ^rüfung§=  40 
faefy  bie  $l;ilofobl)te,  unb  ^mar  Sogt!,  in  ber  ber  ©raminanb   „bie  nötigften  terminos 
ju  erflären  im  ftanbe  fein"  foll,  „?Retabl)t)fi!,  in  ber  er  „bie  Definitiones  ber  Ontologia 
unb  bie  bomefymften  fieberen  aui  ber  Theologia  naturali  unb  Psyehologia  empyrica" 
toiffen  mufe,  unb  SJforal,  in  ber  er  „ba§  Principium  generale  ber  ganzen  9ftorat  unb 
ba§  Speciale  be§  Juris  naturalis  nebft  benen  bomefmiften  Definitionen,  bie  bei  benen  45 
ty'ttctiien  gegen  ©ott,  fiefj  felbften  unb  anberen  borlommen,   §.  @.  ma3  eultus  Dei  ex- 
ternus,  internus  etc.  moderamen  inculpatae  tutelae,  pactum,  laesio  etc.  feien,  f;er= 
lagen  unb  bie  ©rünbe  foß  anführen  lönnen,  marum  füld£>e  ©tücfe  nact;  ber  Ratur  geboten, 
»erboten  ober  erlaubt  feien"     Heine  geringe  Slnforberungen  merben  auef;  an  bie  ©braa> 
fenntniffe  be§  ©jaminanben,  aud;   im  §ebräifcr)en,  geftellt.    3"^  begegnen  fücr  3Sor=  50 
icliriften  über  berfefnebene  ^enfuren. 

Sei  berartigen  forgfältigen  Seftimmungen  ift  e§  bobbelt  auffallenb,  bafc  —  auf  ba§ 
öanje  gefe&en  —  bie  jmeite  §älfte  be§  18.  ^a^rfjunberti  einen  Riebergang  auf  unferem 
©ebiet  barftellt.  ®arf  man  auef;  ntcr)t  febe  Mlage  bcrallgemeinern,  fo  mieberb^olen  fid) 
bie  3lu3laffungen  über  mangelhafte  ißorbilbung  ber  Geologen  beer)  immer  mieber,  unb  55 
eine_  Serb^öbnung  bei  getftlictien  ©tanbe§,  mie  bie  in  ber  ^obfiabe  bon  Hortum  (5Deutfcf;e 
RattonaI=2ttteratur,  fyerauggeg.  bon  3°fe^  Hürfc^ner,  93b  140),  ober  eine  ©atire,  mie 
bje  junäa)ft  auf  nieberlänbifcf)c  Ser^ältniffe  fiel;  bejtefyenbe  bon  ^etrui  $offtebe  (f.  33b  VIII 
2. 242, 49  ff.),  mären  niebt  möglich  gemefen,  menn  fie  tttd^t  in  meitem  Umfange  begrünbet 
9«tüefen  mären  (bgl.  auch,  SDretbS  a.  a.  D.  ©.  132  ff.).    §at  bei  biefem  Riebergang  jeben=  60 


310  Utttcrrid)*,  if)coL 

falls  bie  Sieal'tion  be§  Nationalismus  gegen  ben  ^ietiSmuS  crfyebltd»  mitgeWirlt,  fo  fyat 
bann  ber  Nationalismus  in  ernfter  2lrbeit  audj  Wieber  an  ber  £ebung  beS  geiftlicfyen 
©tanbeS   gearbeitet  (f.  unten). 

£ö$ft  bebeutfam  für  bie  §eranbilbung  eines  Wohlunterrichteten  XfyeologenftanbeS  ift 
5  audj  bie  ©inriduung  beS  2lbiturienteneramen§  geworben,  mit  ber  ^ßreufjen  1788  boranging, 
unb  bie  bann  allmäfyltcf;  in  anberen  Sänbem  burcfygefüfyrt  Würbe  (^aulfen,  ©efd).  b.  gelehrten 
Unterricht»,  II,  ©.  92  ff.,  354  u.ö.).  ®amit  War  eine  fixere  ©runblage  gelegt,  auf  ber  nun  bie 
bon  ba  an  enifter)enben  neuen  t^eologifc^en  ^rüfungSorbnungen  fid?  aufbauen  tonnten, 
bie  immer  mefyr  ju  beffern  man  fort  unb  fort  bebaut  gewefen  ift.    ©ie  finb  jufammen= 

io  gcftellt  bei  Stifter,  ^ird)enred;t,  8. 2tufl.,  ©.  708  unb  bej.  in  ben  ^rotolollen  ber  beutfdjen 
ebangeIifa)en5?ird)en=5?onferenä,  8.— 14.  ^uni  1882,  ©.88  ff.,  bod)  fyaben  feitbem  mehrere 
SanbeSttrcfyen  neue  Drbnungen  erhalten :  5?oburg=©otfya  burdj  Verfügung  bom  15.  9io= 
bember  1887  (2lUgemeineS 5?ird)enblatt  1888,  ©.214 ff.);  ©ad;fen=2Seimar,  ©d)Waräburg= 
©onberSb/aufen  unb  ÖraunfcfyWeig  im  ^afyr  1889  (21.5?.  1889,  ©.257,  265,  585 ff.);  ber 

15  Äonfiftortalbegirf  taffei  im  ^ab,re  1891  (21.1.1891,  ©.180);  baS  ©ropergogtum  Dlben= 
bürg  unb  ber  5?onfiftorialbe§iri  SöieSbaben  im  Qa^re  1892  (2t JL  1892,  ©.677  u.293); 
©a<|fen=2lltenburg  burcb,  Verfügung  bom  8.  ^uni  1893  (31.51  1893,  ©.  473 ff.);  ber 
ebangelifd>e  Dberfircfyenrat  fyat  unter  bem  2.  9M  1894  genaue  Slnorbnungen  wegen  ber 
.ganbrjabung  ber  ^Weiten  Prüfung  getroffen  (21.11.  1894,  ©.  537 ff.),  unb  Hamburg  fyat 

20  burcb,  Verfügung  bom  12.  DI  tober  1893  bie  jtoeite  Prüfung  eingerichtet  (21.5?.  1894, 
©.  10 ff.) ;  im  Königreich  ©acfyfen  finb  bie  äkrfyältniffe  für  bie  jWeite  ^rüfung  im  $af>re 
1895,  für  bie  bor  ber  tfyeologifcfyen  galultät  in  Seidig  (unter  bem  23orfit$  eines  SftitgliebeS 
beS  SanbeSfonfiftoriumS)  abzulegende  erfte  Prüfung  im  $al)re  1902  neu  georbnet  (31.5?. 
1895,  ©.  33;   1902,    ©.  531);    ©djaumburg=Sibbe  befi^t  eine  neue  Drbnung  feit  bem 

25  17.  Slbril  1895;  ©d)IeSWig=§oIftein  feit  bem  28.  DIt.  1898;  Söalbed  feit  bem  14.  3JJärj 
1899  (21.5?.  1899,  ©.  449,  273);  für  ben  Konfiftorialbeairl  ©beider  ift  eine  neue  Drb= 
nung  im  $jal)re  1900,  für  ba§  ©rofsfyer^ogtum  Sßaben  am  11.  gebruar  1906  erlaffen 
toorben  (21.5?.  1900,  ©.  146;  1906,  ©.  185  ff.). 

$m  allgemeinen  gilt  in  ben  beutfcfyen  ebangelifcfyen  SanbeSltrcfyen  f)inftd>tlid)  ber  23or= 

so  bilbung  ber  Ökologen  bleute  fotgenbeS.  $Durd)Weg  finb  jWei  %ologifd)e  Prüfungen  in 
Übung;  bie  erfte,  pro  licentia  concionandi  ober  pro  candidatura,  bilbet  ben  2lb= 
fcfylufs  beS©tubiumS;  bie  ^Weite,  pro  ministerio,  pro  ordinatione  ober  pro  munere, 
ift  bie  3Sorbebingung  ber  2lnftellung,  bocb,  wirb  auüt)  fie  fcfjon  feit  Qab^ren  oljme  Nüdftdjt 
auf   eine   borliegenbe  ^Berufung,    meiftenS   minbeftenS   1  big  2  Jjßll«   na<§    ber    erften 

35  Prüfung  abgelegt.  9cur  in  wenigen  SanbeSlirct/en,  j.  33.  in  2lnl)alt,  lennt  man  noa) 
eine  ber  2lnfteßung  unmittelbar  borangefyenbe  Prüfung  in  ber  alten  2öeife,  bie  nun  alfo 
eine  britte  Prüfung  barfteßt.  ®od;  Wirb  fie  nur  abgehalten,  Wenn  jroifdjen  ber  ^Weiten 
Prüfung  unb  ber  2lnftellung  längere  geit  berfloffen  ift.  3Dtebxfacb  ift  fie  in  eine  bor  ber 
SBebbrbe    ju    ftaltertbe  ^robebrebigt   umgeWanbclt.    Sie  ^orauSfetjungen    für  bie   erfte 

40  ^rüfung  finb  überall  bie  beftanbene  -IRaturitätSbrüfung  unb  ein  minbeftenS  brei= 
jäbrtgeg  UniberfttätSftubium.  Nur  Söürttemberg,  33at;ern  unb  Strasburg  fyaben  ein 
bierjär/rigeS  ©tubium,  unb  23aben  begnügt  fid)  bor  bem  erften  ©ramen  mit  fünf  ©eme= 
ftern.  §infid;tlid}  ber  ^rüfungSbefyörbe  ift  bie  Sage  im  gangen  fo  geblieben,  wie  Wir  fie 
fcfyon  für  ben  Slnfang  beS  18.  QafyrfyunbertS  feftfteHten ;  mein;  unb  mefyr  &at  ber^uftanb 

45  fid;  b^erau^gebilbet,  ba^  beim  erften  (gramen  Vertreter  ber  galultäten  mittoirlen,  beim 
^Weiten  nur  SJcitglieber  ber  5?onfiftorien  ober  im  braltifdjen  2lmte  fteöenbe  ©eiftltd;e 
prüfen,  bie  nid)t  immer  bom  5?ird)enregimcnt  ernannt  finb,  fonbern  Bier  unb  ba  auty 
ffmobale  5?örtoerfd;aften  bertreten.  Sic  ^rüfungggegenftänbe  finb  meift  fo  berteilt,  bafs 
bie  erfte  Prüfung  mel)r  Wiffenfd)aftltd},  bie  jWeite  mel)r  braftifer)  fid;  geftaltet,  bod)  Werben 

so  aud;  bei  ber  erften  Prüfung  braltifd;e  Seiftungen,  eine  ^ßrobebrebigt  unb  eine  5?atecfjefe, 
bleute  allgemein  geforbert.  SBeim  ^Weiten  ©jamen  treten  baju  au^er  einer  Prüfung  in 
ber  braltifcfyen  Geologie  (§omiletii,  5?atecb^etil,  Siturgil  u.  a.)  nod)  gefanglid;4iturgifcb,e 
unb  auä)  Wob,l  mufifalifdje  Seiftungen,  fnnficfytlid;  berer  namentlicb,  5]3reu^en  neuerbingö 
ausführliche  Seftimmungen   erlaffen   fyat  (21.5?.  1891,   ©.  499;    1901,   ©.  654;    1903, 

55  ©.  47).  ©urd)  @infül)rung  bon  braftifc^en  Übungen  in  ^rebigt,  5?ated»efe  unb  Siturgie 
(in  ben  fog.  fyomiletifcfyen,  Iated}etifd>en  unb  Itturgifd>en  ©eminaren;  bgl.  ©.  %t.  ©eiler, 
SSon  ber  frühen  93ilbung  ber  ^rebiger  einige  ©ebanlen,  gefdjrieben  aU  baS  ^3rebiger= 
©eminarium  auf  ber  §riebrid)=2llejanber^2lfabemie  errichtet  Würbe,  ©rlangen  1773; 
§einr.  tyfyl.  ©ejtrob,,  Über  braltifcfye  23orbereitungöanftalten  gum  ^rebigtamt,  nebft  einer 

60  3fJac6ricfet  bom  5?bniglid;en  ^afioralinftttut  in  ©ötttngen,  ©öttmgen  1783;    5?öfter,  ©e= 


Uutemdjt,  tljcol.  311 

fcfyiduc  bc3  ©tubiumg  bcr  braltifdjcn  Geologie  auf  bcr  Unttoerfttät  ju  $tcf,  Stltona  1 825 ; 
Seiträge  ?ur  fäcbj.  Äirct/engcfcf/.,  X,  ©.  140  ff.),  fo»te  burd;  bie  burd;  ©d)leiermad;er 
(f.  93b  XVII  ©.  596, 47  ff.)  »iffenfdjaftlicb/'  begrünbete  Aufnahme  ber  braftifcfyen  £r)eo= 
Iogie  unter  bie  tI;eologifd;cn  ©i^iblmen  fyaben  bte  Uniberfitäten  bem  ©rängen  auf  braf= 
tifdjc  2lu3bilbung  ber  Sttjeologen  mebr  unb  mebr  nachgegeben.  2tnbererfeit<o  fyat  bie  5 
tbcologifcfyc  ©nttoidelung  aud;  auf  bie  an  bie  jungen  Geologen  pi  ftellenben  2tnforbe= 
rungen  eingetotrft.  (Einmal  ift  bie  Jlircfyengefdndjte  au§  tb,rer  bienenben  ©teHung  f>erau§= 
getreten  unb  längft  felbftftänbiger  VrüfungSgegenfianb  neben  ben  anberen  getoorben. 
2)ann  bat  bie  b;iftorifd;e  33efyanblungg»etfe  ber  ©cfyrift,  ber  ©lauben3=  unb  ber  ©itten= 
lehre  eine  Sieifye  neuer  ©i^ibltnen  hervorgerufen.  $u  ber  ©jegcfe  finb  bie  biblifdjte  @in=  10 
Icitung  unb  bie  biblifdje  Geologie,  ^ur  Dogmati!  bie  2)ogmengefd)id;te,  jur  @tb,if  bie 
©efdncbte  ber  djriftlid^en  ©itte  getreten,  bie  alte  aud;  in  ben  Prüfungen  ju  ifyrem  Siedete 
lonimen. 

(Sine  breite  ©teile  nimmt  in  ben  neuen  Drbnungen  ba§  fcfyriftltdje  93erfab;ren  ein. 
hieben  ber  Vrobebrebigt  »irb  faft  atigemein  ein  fated)etifd)er  @nt»urf  eingereiht  unb  15 
neben  toiffenfd;aftlid;en  arbeiten,  bie  bor  ber  Prüfung  ju  fertigen  finb,  »erben  bei  ber 
Prüfung  IMaufurarbeiten  geliefert,  beren  gab,  l  in  einigen  SanbeSlirdjen  bt§  auf  5  (93raun= 
fd;tocig),  6  (©djtoarjburg^ubolftabt),  ja  auf  12  (©d)Ie3»ig=.g)oIftein)  fteigt.  9cur  ganj 
bercingelt,  3.  33.  in  93aben  (2l.ß.  1906,  ©.  185  ff.),  befter/t  abgefefyen  bon  ber  ^rebigt 
unb  bem  fateefyettjdjen  ©ntrourf  i>a§  lebigltd;  münblid)e  Verfahren  $u  Secfyt.  20 

istelfad;  fct>reiben  bie  Drbnungen  neben  ber  fbe^iell  tfyeologifdjen  Prüfung  aucb,  eine 
33crüdfid}tigung  allgemeinerer  3ötffen§gebiete  bor  unb  legen  2Bert  auf  93etanntfd;aft  mit 
ben  altflafftfdjen  ©brachen  an  ftd),  mit  allgemeiner  ©efcf)id;te,  ^bjlofobfne  unb  Väbagogtf, 
bamit  ben  2lnforberungen  allgemeiner  93ilbung  9ted;nung  tragenb.  ©agegen  ift  bie  in 
^reufjen  burd;  ©efe£  bom  11.  9M  1878  geforberte  ,,»iffenfd;afilid;e  Staatsprüfung",  25 
bie  bon  ben  ebangeltfdjen  Geologen  nod;  einen  befonberen  9cacf)»ei$>  allgemeiner  93il= 
bung  forberte  (ba§  fog.  „^ultureramen")  burcb,  ©efe|  öom  21.  9M  1886  wieber  ab* 
geföafft. 

b)  Äanbibaten.  Filarie  unb  Vrebigerf  eminar.  2)en  ^anbibaten,  bie  um 
^farrfteßen  fid)  betoerbenb  auf  tt)re  Aufteilung  »arten  mußten,  fyat  bie  ebangelifcfye  $ird)e  30 
bor  bem  Sluflommen  ber  bereiten  Prüfung  (f.  oben)  faum  93ead;tung  gefet/enft;  erft 
bon  ba  an  er»ad)t  bie  ©orge  um  ifyre  befonbere  2lu3bttbung  ober  Söeiterbilbung,  unb 
eigentlich,  erft  neuerbingö  ift  biefer  Angelegenheit  in  gefe£geberifcr)en  SJJafjregeln  bie  ge= 
büh,renbe  93ead)umg  gefcfyenft  »orben  (f.  bie  Überfielt  über  bie  bamaho  giltigen  $anbi= 
batenorbnungen,  bon  benen  mehrere  feitbem  burd;  neue  erfetjt  »orben  finb,  bei:  Üb, lf)orn,  35 
Sie  braftifd;e  Vorbereitung  ber  $anbibaten  ber  Sfyeologte  für  ba§  Vfarr=  unb  ©d;ul= 
injtoettoratiSamt,  Stuttgart  1887,  ©.  7). 

3la<f)  £utb^er§  Urteil  »ar  bie  befte  Vorübung  für   bie  !ünftigen  Vfarrer  bie  ©d;ul= 
tb,ätigfeit;  ift  e§  nad)  xi)m  bod;  „aßejeit  fo  getoeft,  bafe  bie  ©d;ulmeifter  bie  beften$farr= 
Ferren  geben"  (3)e  2öette,   2utb,erä  Briefe,  IV,  ©.  372).    tiefem  Urteil   ftimmte   man  m 
^unädift  unbebingt  ju.    Sänge  $t\t  finben  »ir  burcb,»eg  bte  fbäteren  Vfarrer  »orb,er  al§ 
6cb,ulleb,rer  befdmftigt  (ögl.  3.  93.  Hatoerau,  2lgricoIa,  ©.  57 ff.;    SKt  ber  ©efellfd)aft  für 
beutfdje  (Sr^ieb,ungg=  unb  ©crjulgefd;.,   VII  [1897],   ©.  366 ff.),   unb   ber  Übergang  toon 
einem  2lmt  jum  anbern  »ar  ein  fo  getobr/nlidjer,   ba%  bielfad}  Vfarrer,  toenn  ftd)  tb,nen 
eine  beffer  befolbete  ©dmlftelle  bot,  jum  ©cb,ulbtenft  prüd!ef)rten ;  manntgfad)  »aren  aud;  45 
©cfiul:  unb  llird^enamt  miteinanber  berbunben  (f.  j.  93.  93b  IV  ©.  344, 7  f.).    $n  §eften 
tDurbe  ber  ©c£)ulbienft,  »ie  in  ben  ©täbten,  fo  auf  bem  Sanbe,  afö  unerläpcfyeS  ®urd;= 
gangöftabium    jum  ^ßfarramte  betrachtet  (5Dteb,I,  ®ie  ©djulorbnungen  be§  ©ro^b,erjog= 
tumä  öeffen,  III,   ©.  10).    2113  bie  2lnf)3rüd)e  an   ben  ^farrerftanb  »ud;fen   unb  all= 
mäblitt)  ein  9SoI!gfd;ulleb,rerftanb  fid;  ^u  btlben   begann,  tonnte  berartigeö  niebt  befielen  60 
Bleiben,    ©odi   fjat    ^inficfytlicr;    ber  £eb,rämter  an   ^ö^eren  ©cb,ulen  erft  Dorn  18.  ^ai)x-- 
^iinbert  an,  namentltcl)   burd)   ben   ©utfluft  griebr.  2lug.  2BoIfg  (Vaulfen  a.  a.  D.  II, 
S.  222  ff.),   fid}  bie  £o3löfung  eme3   befonberen  ©tanbeS  ber  ©t)mnafialleb,rer   bon   ben 
Geologen  bolljogen.    ©ine  enge  3Ser»anbtfd;aft  be§  £eb,ramt§  mit   bem  Pfarramt  aber 
bauert  nocb;  ^eute  fort,   unb   bie  bon  alter!  b«v  f on  ben  jungen  Geologen  geübte  3n= 55 
ftrultorentliätigfeit  b^at  in  ibrer  heutigen  S3efct;äftigung  al$  §auöleb,rer  ober  aU  £eb,rer  an 
^ribatfcr/ulen  ilire  unmittelbare  ^ortfe^ung. 

Sin  erfteS  ©^mbtom  bcr  ®rlenntni§,  ba^  bie  geit  be^  Übergang^  bont  ©tubium 
}um  3lmt  bor  allem  nocb  ber  bra!tifcb,en  9Sorbilbung  auf  Ie£tere§  gemibmet  fein  muffe, 
U'igt  bie  Jlurfäd;ftfd;e  Kird;enorbnung  bon  1580,    bie   nid;t   glcicb,    felbftftänbige  Vfarvcr  00 


312  ltutemdjt,  tycol. 

feljen,  fonbern  alle  burcb,  ein  üDiafonat  r/inburcfygeljen  laffen  teilt,  bamit  fie  „burcb,  ben 
Pfarrer,  al§  im  ^ircfyenamt  geübten  unb  erfahrenen,  beibe  in  ifyrem  Srebtgen  unb  3Ser= 
ricr/tung  if)re§  2tmte3  bei  ©efunben  unb  Uranien,  toie  aucb,  benen  ©efangenen,  not= 
bürftigltcb,  unterrichtet  unb  alfo  erft  recfyt  ju  folgern  Slmt  abgerichtet  toerben  fönnten" 
5  (©ebjtng  a.  a.  D.  Sb  I,  1,  ©.  381).  2Iuc^  fog.  SrebigergefeEfcf)aften  ober  Srebiger= 
follegien,  beren  @ntfter/en  toir  bom  Stnfang  be§  17.  $at»rl)unbert3  an  beobachten  fönnen 
(Seitrage  jur  fäd^f-  ®@,  X,  ©.  147  ff.),  geigen  ba§  Seftreben,  bie  Hanbibatenjeit  nu£= 
bringenb  für  ba3  fbätere  2tmt  ju  geftalten.  Ilber  erft  bom  Stnfang  be§  18.  ^al^unberts 
an  toerben  ernftlidjere  Seranftaltungen  im  ^ntereffe  ber  $anbibaten  getroffen,  ©o  orbnet 

10  ba§  ^onfiftorium  in  §annober  im  $al)re  1735  fog.  Seminaria  ber  Ä'anbibaten  ber 
Geologie  an,  „bie  ba§  erfte  ©ramen  auSgeftanben".  ©ie  füllen  „nacb,  ber  Gelegenheit 
eines  jeben  Dri§  unter  ber  ©ireltion  bes  ©uberintenbenten  ober  be£  ©tabt=9Jcinifierii 
jum  Srebigen,  Äatect/ifteren,  Sefudjmng  ber  ^ranfen  in  benen  publiquen  Sagaretten, 
2lrmenr/äufern,   £>ofbitälem  unb  Hlöftern,    aucb,  barin  mit  benen  2lrmen  gu  ijmltenben 

15  2Rorgen=  unb  2lbenb=Setftunben,  nicfyt  toeniger  jur  Sefuct/ung  ber  ©efangenen  angefüt)ret 
unb  in  eine  beftänbige  Übung  gebraut  toerben"  (©bfyarbt  a.  a.  D.  ©.  587).  ©ttoag 
Sertoanbteg  ift  e§,  toenn  ba<§  ^onftftorium  in  ©re§ben  1788  ben  ©uberintenbenten  eine 
eifrigere  gürforge  für  bie  ^anbibaten  an§  §erg  legt  unb  ilmen  aufgiebt,  „ib,nen  biätoeilen 
burct;  er.egetifcf)e  ober  Saftoralborlefungen  ober  aifetifcfye  unb   äb,nlid;e  mit   iljmen  anju= 

20  ftellenbe  Übungen  gu  mehrerer  Steife  Gelegenheit  ju  geben"  (Seiträge  j.  fäcfyf.  $©,  X, 
©.  149 f.).  2lu§  legerer  Serfügung  ift  im  Qafyre  1844  ba§  Stegulatib  über  bie  tb,eo= 
logifct/en  ^anbibatenbereine,  eine  fbegtell  fäd)fifcf;e  ©inricfytung,  ertoarfjfen,  ba§  bann  burcb, 
bie  fäct/ftfcfye  ^anbibatenorbnung  bom  16.  $ebruar  1892  auf  3  neue  beftätigt  toorben  ift. 
SDanacb,  toerben  bie  Hanbibaten  einer  @bI)orie   unter  bem  Sorfitj  bes>  ©uberintenbenten 

25  ju  einer  Sereinigung  gufammengefd^loffen,  bie  bon  geit  ju  geit  Serfammlungen  ju  gegen= 
fettiger  görberung  unb  Seleb/rung  abhält.  Son  ben  einzelnen  Sftitgliebern  finb  arbeiten 
au§  bem  ©ebiete  ber  toiffenfcfjaftlicfyett  unb  braftifdjen  Geologie  anzufertigen,  bie  bann 
in  ben  Serfammlungen  Iritifiert  unb  betjanbelt  toerben  (a.  a.  D.  ©.  151  ff.).  2Iud;  in 
anberen  £anbes>ürcr;en  (bgl.  g.  S.  bie  Seftimmungen  be§  ^onfifioriumg  in  ©befyer  bom 

so  3.  9JJai  1882 :  Uf)Ir)om  a.  a.  D.  ©.  8,  unb  ba3  Jtircr;engefe|,  betr.  bie  2lnftellung§fäb,ig= 
feit  unb  Sorbilbung  ber  ©eiftlicr)ert  in  ber  eb.4utr/.  $trtf)e  ber  ^robinj  §annober  bom 
16.  £uli  1906,  §  13:  ®ird)I.  2tmt3blatt  für  ben  Segirr  be*§  Hgl.  £anbe§ronfiftorium§  in 
§annober,  1906,  ©.  109  f.)  fyat  man  berarttge  @inrid)tungen  getroffen  ober  bocb,  in^2luge 
gefaxt.  — 

35  ©ine  anbere  2lrt  ber  gürforge  für  bie  gortbilbung  ber  Äanbibaten  ift  ba§  Sifariat. 
©eine  Söiege  ift  Söürttemberg,  für  bie  2lugbilbung  eine§  folgen  3nfW"^  bvc  geeignete 
Soben,  toeil  bort  bie  Äirc^enregierung  infolge  be§  Unterrichts  ber  ^^eologen  auf  öffent= 
lic^e  Soften  in  ben  ^lofterfc^ulen  unb  im  ©tift  (f.  oben)  in  weit  b^erem  Sftafje,  al§ 
anberStoo,  ein  Serfügung§rec|>t  über  bie  jungen  Geologen  befi|t.    ©leicb,  nacb,  bem  Se= 

40  ftcfyen  ber  erften  Prüfung  toerben  bort  bie  l^anbibaten  im  ^ircb^enbienft  bertoenbet  unb  ju 
bem  gtotä  nacb,  boraufgegangener  Serbflicfytung  feit  1855  aucb,  orbiniert.  ©ie  b,ei^en 
bann  Sirare  unb  toerben  gunäct)ft  al§  Sfarrgeb/üfen  einem  beftimmten  ©eiftlic^en  gur 
§ilfeleiftung,  aber  aucb,  gu  ib,rer  toetteren  Slu^bilbung  jugeteilt;  fic  leben  mit  ib,m  in 
r)äuglict;er  ©emetnfcb,aft  unb  fielen  unter  feiner  unmittelbaren  Stuffidjit,  erhalten  bon  ib,m 

45  bie  nötigen  Erinnerungen  über  it)re  Srebigten  unb  ^atecb,efen  unb  toerben  in  alle  bfarr= 
amtlichen  Serricb,tungen  in  föircfye  unb  ©eelforge  bon  ib,m  eingeführt,  darauf  erhalten 
fie  enttoeber  eine  Sfarre  gur  bi!arifcb,en  Serfefmng  ober  toerben  §ilflgeiftlicb,e  in©täbten 
unb  großen  Sanbgemeinben  (©tabt=  ober  Sarotfrialbüare)  mit  relatiber  ©elbftftänbigleit, 
bocb,  fo,   ba|  über  fie  bis  gu  it)rer  befinitiben  SlnfteUung  bon  bem  borgefe^ten  2)e!an 

50  regelmäßig  an  bie  geiftlicb,e  Seb,örbe  berietet  toerben  mufe. 

Unter  biefen  Einrichtungen  b,at  bie  ©teHung  ber  Sfarrgeb,ilfen,  ber  Seb,rbilare,  tote 
fie  bann  meiftenS  genannt  toerben,  in  anberen  SanbeSrHrd-icn  me§r  unb  meb,r  ?cacb,ab, mung 
gefunben,  früber  fc|on  in  Saben,  im  ©rofjfyergogtum  §effen  unb  in  ©cb,toargburg=©onberS= 
Raufen,  neuerbingS  aucb,  in  ^3reu^en  (2tUg.  Hircb,enbl.  1899,  ©.  370)   unb   in   ber  §an= 

55  noberfc^en Sanbe§!ircb,e  (2lmt§blatt  a.  a.D.  ©.  155 ff.).  ®urcr)toeg  bauert  ba§  Sitariai  ein 
^ab,r  unb  liegt  bielfacb,  erft  nacb,  bem  gtoeiten  (Spanien,  ^b^ätigleit  unb  Sflicb,ten  be§ 
Sitar<§  finb  burcb,  genaue  Sorfcb,riften  ber  Sefwrben  georbnet;  b^ier  unb  ba  forgt  eine 
2öanberbibIiotb,e!  für  bie  2lu§rüftung  mit  ber  nötigen  Sitteratur.  — 

Soeben  biefen  3Jca^nab,men  aber,  bie  in  bie  befteb,enben  lircbjicr/en  Serb,ältniffe  ob,ne 

60  gro|e  ©cb,toierigleit  ficb,  eingliebern  laffen,   b,at  man  nun   aucb,    auf  befonbere  2lnftalten 


Uiitemdjt,  tfjcol.  313 

jur  vetteren  silugbilbung  ber  .flanbibatcn  SBebacfyt  genommen   unb   in   mehreren  £anbcg= 
firmen  ^rebigerfeminare  gegrünbet. 

$bre  erften  ©buren   faden  in  bic  geü  beg  ^ietigmug.    @g  ift  fraglich,   06   man 
ba$  Soccumcr  §ofptj,  bag  im  %a1)x  1677  burd?  ben  2lbt  ©erwarb  9Manug  (f.  33b  XIII 
6.  253  ff.)  bie  erften  Leges  erhielt,   um  biefe  geit   fdjon  alg  ^rebigerfeminar  begeidmen  5 
barf.    ©enn  ber  eigentliche  ©runb,   megfjalb  man  in  Soccum  mehreren  Jknbibaten  2Iuf= 
enthalt  unb  Unterhalt  gemäbjte,  mar  ber,    bei  bem  in  einer  gemiffen  Umgeftaltung  bei= 
behaltenen  ^orenbienft  unb  beim  Unterricht  in  ber  Sllofterfdmle  —  fyier  unb  ba  aud)  beim 
v}>iebigen  —  ©efyilfen  gu  I)aben  (GI)r.  ©rieb,  Sßeibemann,  ©efdncfyte  beg  Sllofterg  Soccum, 
©ott.  1822;  gr.Süfterbied,  ®ag§of^ig  im&Iofter  Soccum,  ©ött.  1863,  ©.  12  ff.).  Äel=  10 
bar  mufete  ja  freutet;  biefe  Xb^ätigfeit   ben   angefyenben  ©eiftlicfyen  eine  fyöcbjt  crwünfd)te 
Vorbereitung  auf  it)tert  33eruf  fein.    Unb  jebenfaUg  ift  biefe  (Sinricfytung '  mit  ber  2Mafe 
getoefen  jur  ©rünbung   beS   älteften  mtrllicfyen   ebangelifdjen  ^ßrebigerfeminarg,  bag  mir 
bisber   lennen,    beg  ©eminarg    in   •■Ribbaggljaufen    bei  Skaunfcfymeig.     Dbgleid)    feine 
Statuten  com  27  ©ebtember  1690  bon  bietiftifdjen  ©onberlid)  feiten  fid)  frei  galten,   fo  15 
Iaffcn  bod)  bie  engen  Schiebungen,    bie  ber  bamalige  §er3°9  bDn  Sraunfcfymeig  Stubolf 
:)luguft  gu  ©bener  unterhielt,  o|ne  meitereg  Vermuten,  bafe  bag  ©eminar  pietiftifct)en  2ln= 
regungen   feine  ©ntftelfmng  berbanft.    'Saju    fommen    liiterarifdjie  Semeife.    $n  feinem 
1C85  erfdnmenen  „Sfyriftenftaat"  macfyt  Seit  Subm.  b.  ©edenborf  (f.  Sb  XVIII  ©.  113, 20  ff.) 
ben  üßorfdjlag,   Seminaria  ober  Colloquia  ju  ftiften,  „bie  fmubtfäcfylid)  mit  ad  praxin  20 
gerietet  unb  in  benen  biejenigen,   fo  fdjmn  Dörfer  in  ber  theoria  bag  9Rötigftc  begriffen 
fyaben  müßten,  bornefymlict)   in  ben  ©lüden,    jur  ©eelforge  gehörig,    mie  aud;  im  ein= 
ijcjogenen,  ejemblarifcb^en  unb  mäßigen  Seben  unterrichtet  unb  geübet  mürben"  (2(ugg.  b. 
1706,  ©.  524).    $Rit  biefen  ©ebanfen  befdjäftigt  fid}  ©bener  in  bem  freilieb,  erft  1702 
crfcfjienenen  IV.  %eil  feiner  „SEl)eoIogifd;en  Sebenfen"  eingefyenb  (2Iugg.  b.  1709,  ©.  526ff.) ;  25 
aber  eg  ift  anjunefymen,    bafe  fie  tfyn  bom  ©rfdieinen  beg  „ßbjiftenfbiegelg"  an  bemegt 
unb  ju  entfbredtenben  Anregungen  beranket  fyaben.    2(uggefübrt  aber  fyat  ben  ^ßlan  in 
Snbbaggfyaufen  ber  bamalige   ©eneraliffimug  bon  Söolfenbüttel,  ^ol).  Suf.  5ßeftorf,   ein 
ehemaliger  Soccumer  §>ofbeg.     @r  toirb   auf  ben  ©ebanfen  gefommen   fein,    nad)  bem 
Sorbilb  Soccumg  gerabe  bag   alte  Subbaggfyaufen  §um  ©i|  eineg  foldben  ©emtnariumg  30 
ju  wählen.  gmölf  Sfanbibaten  füllten  nad)  ben  Statuta  (abgebrudt:  .ßeitfdjr.  f-  nieberfäcfyf. 
£©  X  [1905],  ©.  203  ff.)  in  bem  ©eminar  bereinigt  fein,    unb   jtoar  follten  bie  bagu 
auggetoäljlt  toerben,   „bie  fid;  in  bem  Examine  fyerborgetfyan".     gunäcfyft  follte  jeber 
ein  ^robejaln-   burd;mad)en   unb,   „menn  fobann   nad;   beffen  2tblauf  mürbe  befunben 
toerben,  bafe   er   eineg  ftiHen  Sebeng   unb  dmftlicfyen  SBanbelg  fid;  befliffen,   auc^   ba§  35 
Studium  theologicum  unabläffig  mit  gutem  ©uccejj  traftiert,  fo  baft  er  bie  Qdt  über 
unfträflid}  befunben,   nod)  jmei  unb   alfo  brei  boUe  3al)r"   im  ©eminar  fid)   aufhalten 
bürfen.    Stegelmäfeig  follten  bie  horae  canonicae  gehalten  werben;    um  9  Ul)r  follte 
man  täglid)  gemeinfam  in  ber  ©rflärung  ber  ^1.  ©djrtft  fid}  üben,  S)ienftag§  um  8  Ufir 
aber  follte  allwöcljenilid}  eine  ©tebutierübung  ftattftnben,  „unb  gmar  alfo  unb  bergeftalt,  40 
bajj  biejenigen,  meldte  bafür  capables  feien,    nad;  ©utbefinben  bes>  3lbt§  refbonbieren, 
anbere  aber,  meldte  bie  ^Reifte  träfe,  opponendo  il)re  dubia  borbringen"  füllten,  5)3rebigtcn 
unb  Kated)ifationen  foEten  alternieren.    ®a§  ©eminar  fyat  unter  allerlei  Seränberungen 
—  jule^t  blante  2lbt  Sarteig  bie  Ummanblung   ber  mit  i^m  berbunbenen  Sf)orfnabcn= 
fcfiule  in  ein  Seb^rerfeminar  —  big  1809  beftanben;   unter   ber  franjöfifdjen  grembb,err=  45 
fcfKtft  tourbe  eg  aufgehoben. 

Sal.  (Srnft  Softer,  ber  ©egner  be§  $tett§mu§,  liefe  bod)  burd;  feine  Slnrcgungen 
M  beftimmen;  fo  grünbete  er  1718  in  ®re§ben  ein  Consortium  theologicum  mit 
ber  Aufgabe,  bie  Hanbibaten  burd;  ^3rebigt,  ©eelforge  unb  5kted>efen  in  ben  2lrmen= 
faulen  ^u  üben  unb  §u  förbern;  im  fiebenjäfyrigen  Kriege  ift  e§  mieber  eingegangen.        so 

©n  anbereS  ©eminar  bietiftifd)en  ©ebrägeö  beftanb  feit  1735  in  granffurt  a.  -W. 
§ier  follte  ber  jcbeSmalige  ©enior  be§  3)(inifteriumg  ivanbibaten  ju  „einer  redrtfcfyaffenen 
t^eologifdien  ©rubition,  magrer  ©ottfeligfeit  unb  mag  fie  in  ber  isermaltung  ib^rcS  fünf= 
%n  Slmteg  ju  t§un  unb  ju  tuiffen  bon  nbten  hätten  Slnleitung  geben."  2Son  1743 
an  bat  gol).  «ß^il.  grefeniug  (f.  Sb  VI  ©.265  f.)  biefer  Inftalt  borgeftanben.  Gr  E>at  55 
in  feinen  „^aftoral.  ©ammlungen"  1748  auef)  ben  ^ßlan  eineg  meit  umfaffenberen  Semi- 
narium  theologicum  entmorfen,  ber  fid>  aber  nid)t  bermir!lid;t  l;at  (®rem-5  a.  a.  C. 
2.  115  ff.). 

infolge  feineg  auf  bag  ^raltifc^e  gerichteten  ©inneg  bat  bann  ber  3{ationaIigmug 
ber  ^rebigerfeminare   fieb,    angenommen.    sl\on   feinem  ©eift   becinflufet   geigt   ftd;   fdmn  eo 


314  Unterricht,  tfjcol. 

ba§  Slcffribt  $arl  g-riebricb/S'  bort  Saben  bom  %afyxt  1769,  burd;  baß  er  bie  (Srricfytung 
eines  ^ßfarrfeminariums  anorbrtet.  @s  ift  im  toefentlid;en  basüßkrf  ber  Unterträte  2BaI§ 
unb  5ftauritii.  SSor  allem  bureb,  ^ßrebigen,  Sktftunben  unb  Äatedjifteren  fottert  Ijier  bte 
^artbtbatert  geübt  toerben.  ©ie  foHen  auef)  rtad)  furzer  Vorbereitung  brebigen  lernen. 
5  ©urd)  bie  SBetftunben  füllen  fie  in  bie  SSibel  eingeführt  toerben,  unb  „bamit  biefes  befto 
getoiffer  gefcf;ef;e,  muffen  fie  jebes  bt6Itfdr)e  Sßucb,  in  eine  Tabelle  bringen  unb  bie  @r= 
flärung  ber  fdjtoeren  ©teilen  unb,  toaS  aus"  ben  Slltertümern  ober  ber  ^ircEjengefcfncfyte 
Zu  beren  ©rläuterung  gehöret,  ebenfo  toie  bie  sJtu|anroenbung  über  einzelne  SSerfe  ober 
S£eile  bes  $abitels>  in  margine  betfügen"     ©ie  raiionaliftifdje  SBefiimmtfyeit  ber  2Inorb= 

10  nung  tritt  befonberl  in  „bem  ntdjt  2Befentlicf;en"  zu  ^age,  „baio  aber  jur  gierbe  ge= 
reibet  unb  manchen  zufälligen  9?u|en  ftiften  fann"  Sieben  ben  altflaffifdjen  ©brauen 
unb  ber  babifcfyen  Sanbe§gefcr)tcr)te  toerben  r)ier  auef)  Sßatbeft^  unb  ^tojif  ben  ©emina= 
riften  jum  ©tubium  embfof/len,  „beren  fein  Pfarrer  entbehren  lönne",  unb  aufjerbem 
bfonomifcfje  Söiffenfdjaften",    unb  zwar  1.  beffen,   toas  jur  3Serbefferung  bes  2tder=  unb 

15  $elbbaues,  toie  aud;  ber  9?ab,rung  ber  Untertanen  gehöre ;  unb  2.  Kenntnis  ber  ?ßflanjen 
unb  Säume."  %üx  bie  9Jcuf$eftunben  totrb  bie  ©eibenjud;t  embfol)Ien  (Srunner  a.  a.  D. 
©.  LXXV  unb  199  ff.). 

2Iud)  bon  §erber  befi|en  toir  ben  ©nttourf  eine3  $rebigerfeminariums\  2lllerbings 
tft  es  zweifelhaft,  ob  bas  bon  ir)m  Seabftd)tigte  ntdr)t  mebr  ben  oben  beb,anbelten  ®anbi= 

20  batenbereinen  anjugliebern  märe,  ba  im  toefentltct)en  Sirfularbrebigten  unb  jeittoeife  3Ser= 
fammlungen  ins  2luge  gefaxt  toerben.  Unter  ben  ju  befyanbelnben  9Jcaterien  tft  aber 
auef)  f)ier  ein  Oeconomicum  für  bie  fünftigen  Sanbbrebiger  borgefet)  en,  ba  „ber  (Smflufj, 
ben  in  folct;en  ©ingen  ein  ©eiftlicf)er  auf  feine  ©emeinbe  fyaben  fönne,  febr  beträdjtlicb, 
fei"     3ur  2Iusfüf;rung  fd)eint  fterberä  ^ßlan   nict)t  gefommen  z"  fein  (§erbers  Söerfe, 

25  berausg.  b.  ©ubfyan,  Sb  XXXI,'©.  782  ff.). 

©ie  Umbifbung  be<S  Soccumer  §ofbizes  zu  einem  toirflicf)en  ^ßrebigerfeminar  unb  bie 
©rünbung  bes  ^ßrebigerfeminars  in  §annober  geboren  auef;  ber  rationaliftifdjen  $eit  an. 
©cr)on  ber  2lbt  6b,abbü§eau  r)atte  1789  in  feiner  JRebaftion  ber  Leges  bes  SJtoIamts 
„©tubien  unb  braftifct)e  Übungen  als  ben  eigentlichen  gtoed  be§  Slufentfalteä  ber  £>ofbites 

30  im  Softer"  bezeichnet;  2lbt  ©alfelb  regelte  1800  bie  gemeinfame  Sr/ätigfeit  buref  einen 
„©tubienblan",  ftellte  einen  „©tubienbireftor"  an  unb  organifierte  bie  $ritif  ber  braf= 
tifcfien  Übungen  teils  buref;  ben  ©tubienbireftor,  teilä  burd)  bie  §oftoites  felbft;  auf  ben 
bon  if/m  getroffenen  ©inricfytungen  beruht  im  mefentlicf;en  bie  im  Igafyre  1820  feftgeftettte 
©tubienorbnung,   bon  ber  an  bie  neuere  ©ntroidelung  be§  ©eminari  batiert  (©üfterbied 

35  a.  a.  D.  ©.  22  ff. ;  ©alfelb,  Beiträge  jur  S?enntni§  unb  Süerbefferung  be§  ®ircr)en=  unb 
©d^ulroefen^  I,  §ann.  1800,  ©.  4(35 ff.;  2öaltb,er,  ^eol.  9?admct;ten  1821,  ©.364 ff.; 
1823,  ©.393 ff.;  Vierteijäfyrl.  5Rad)rid;ten  bon  l^ird)en=  unb  ©dmlfad/en,  §ann.  1829, 
©.  24  ff. ;  ©dntfter,  S)ie  2Iu§bilbung  ber  Geologen  im  ^ßrebigerfeminar  be§  ^lofterS 
Soccum,  §ann.  1876). 

40  ©a§  ^ßrebigerfeminar  in  öannober  ift  nacr)  längeren  3Sorberbanblttngen  im  3a^'e 
1816  in§  Seben  getreten.  Dtad)  Soccumer  SJcufter  eingerichtet  mar  c§  bod;  roeit  geringeren 
Umfangt,  Bat  fcöcbften§  fünf  sUfttglieber  gejault  unb  nur  ganj  furje  3«it  einen  ©tubien= 
bireftor  gehabt.  1854  rourbe  e§  einer  Umgeftaltung  unterzogen,  inbem  man  bie  Qafy 
ber  eigentlichen  ©eminariften    noeb,    berringerte,    bagegen   mit  bem  ©eminar  ein  $oobe= 

45  ratoreninftitut  berbanb  (3iierteljäf)rl.  sJcacb,ricb,ten,  §ann.  1824,  ©.  1  ff.) ;  1891  ift  e§  nacr) 
(Sridjsburg  bei  9JcarfoIbenborf  berlegt  toorben  (f.  unten).  — 

33ielleid)t  roeil  bielfad;  ber  9tationali§mu§  fo  eifrig  für  bie  ©rünbung  bon  $ßvebtger= 
feminaren  eintrat,  mürben  bon  entgegengefe^ter  ©eite  ©timmen  laut,  bie  bringenb  babon  ab- 
rieten,  ©o  manbte  ®lau§  §atm8  («paftoraM&eoIoflte,  3.  Sucb,,  2.  2lbt.:  St6I.  tbeoL  Äöafftler, 

60  VI,  ©.  166  ff.)  fid)  namentlid)  gegen  bie  übung§mei§  getriebene  ©eelforge,  bie  er  gerabeju 
afö  5Ri^b,anbIung  ber  ©eelen  bezeichnete.  SDennoct;  fanben  aueb,  auf  fonferbatiber  ©eite  fieft, 
Segünftiger  ber  ©eminare.  ^n  einer  befonberen  ^abinett^orbre  bom  27.  3!Jtai  1816  mieö 
^riebrieb,  SKtIBelm  III.  auf  bie  9Zotroenbigfeit  bon  ^3rebigerfeminaren  b^in:  „@8  mufj  auf 
bie  Äanbibaten  ber  Geologie,   roenn   fie  bie  Uniberfität  berlaffen,   meb,r  2tufmerffamfeit 

55  bermanbt  werben.  ^4>  ^K  ba%  zu  biefem  mistigen  QtiKä  geiftlid;e  ©eminarien  er= 
richtet  toerben,  in  toelcb,en  bie  Kanbibaten,  nacb,bem  fie  bie  Uniberfität  berlaffen  l)aben, 
unter  ber  Seitung  mürbiger  ©eiftlicfjen  ju  borzüglicb,en  ©eelforgern  auägebilbet  toerben 
foßen."  ©er  einzige  —  freilief;  nict/t  z"  unterfetw^enbe  —  ©rfolg  toar  bamals  bie  @r= 
riebtung  beg  ^rebigerfeminar§  zu  Söittenberg,  ba§  zuS^e^  e'nen  @*fa£  für  bie  ber  ©tabt 

fio  berlorene  Uniberfität  barftellen   follte.    @§  tourbe  1817    am  1.  Siobember  in  ©egentoart 


itttteiridjt,  if)col.  315 

beä  ÄönigS  cingcmeil)t;  am  10.  9iobembcr  nahmen  bic  JMcgicn  ifjrcn  Einfang  (.vu'inv. 
iSb.  ©cfymieber,  SDaS  %I.  ^rebigerfeminar  ju  Wittenberg  in  feinen  erften  Anfängen,  3luf= 
jciefmungen  auS  bem  Igafyre  1818,  SBittenberg  1892 ;  Stattet  ^ur  Erinnerung  an  baS 
©tiftungSfeft  beS  $rebigerfeminartumS  ju  SSittenberg,  gefeiert  am  29.  unb  30.  ©etotember 
1812,  ÜJlffr.  für  trüber  unb  greunbe;  3Ser§etct)ntg  ber  Seiter  unb  SRitglteber  beS  ®gt.  6 
$reb.=©em.  gufEBtttenB.  für  bie  «Jett  bom  1.  Juli  1817  bis  1.  ©etotember  1883,  2Btttenb. 
1883;  ^a^regberic^te  ber  ©eminargemeinfcfyaft  bon  1877  an).  Erft  in  ben  Diesiger 
Sauren  lam  bie  ©acfye  in  ^reufeen  aufs  neue  in  glufj,  unb  ba§  9lefultat  mar  bamalS 
bie  ©rünbung  beS  ®gl.  SDomlanbibatenftiftS  in  Berlin  im  Jafjre  1854  (£>aS  %I.  ©om= 
fanbibatenftift  1854—1904,  geftfcfyrift  jum  öOjä'r/rtgen  ©tiftSjubiläum  bon  Dr.  ßonrab,  10 
Berlin  1904)  unb  beS  jur  2luSbiIbung  bon  SteligtonSlefyrem  an  b,  oberen  ©cfyulen  be= 
ftimmten  $anbibaten!onbift§  beim  Softer  llnfer  lieben  grauen  in  SJcagbeburg  1857 
(^abrbueb,  bei  ^äbagogiumS  ^um  Stlofter  U.  2.  %.  in  SJcagbeb.,  1907).  Jn  ber  golge 
fmb  bann  in  2llttoreu|en  noeb,  bie  ^rebigerfeminare  in  ©oeft  (1892),  Naumburg  a.  b. 
DueiS  (1898)  unb  ©embomalonta  (1899),  neuerbingS  SBittenburg  genannt,  entftanben,  15 
unb  eS  mirb  angeftrebt,  bafj  menigftenS  jebe  ^ßrobinj  it)r  ©eminar  befüjen  fott. 

^njtoifcfjen  finb  and)  in  mannen  anberen  2anbe§lirct)en  ©eminare  ins  2ebenS  ge= 
rufen.  ©cfyon  1818  begrünbete  in  ÜUnlnübfung  an  feine  alte  Uniberfität  baS  Herzogtum 
■Haffau  fein  53rebigerfeminar  §erborn  (f.  bie  SDenlf Triften  beS  ©eminarS,  namentlich  bie 
»on  %x.  gimmer  herausgegebenen  für  bie  Qafyre  1873—90  unb  1891—93,  £erbom  1890  20 
bejto.  1893),  baS  urftorünglicb,  beftimmt  mar,  baS  lebiglicb,  tfyeorettfcfye  ©tubium  ber 
■ftaffauifcfyen  Geologen  nacb,  ber  toraltifcfyen  ©eite  tun  ju  ergänzen,  ^acfybem  fcfyon 
toieberljioli  auf  bie  9?otmenbtgfeit  einer  berartigen  2lnftalt  fyingemiefen  mar  (bgl.  Über  bie 
Diotroenbigleit  unb  jmecfmäfsigfte  Einrichtung  eines  tfyeol.  ©eminarS  für  lünftige  ©eift= 
Iid)e  ber  eb.  Äircfye  SabemS,  ©uljbacb/  1824),  mürbe  1833  baS  ©eminar  in  SRüncfyen  25 
eröffnet  ($eftfct)rift  jum  Slnbenfen  an  bie  50jäb,rige  Jubelfeier  beS  et).  93rebigerfeminar§ 
ju  SRündjen  am  16.  ©etotember  1884,  9flünc$en  1884).  2luS  bem  Jafyre  1836  ftammt 
baS  ©eminar  in  SSolfenbüttel  für  bie  braunfcfym.  2anbeSlircI)e,  eine  Erneuerung  unb  gort= 
fetjung  be§  ©eminarS  in  iföibbagSfyaufen  (%.  SB.  §.  San!  u.  E.  2.  %.  $enle,  SDaS  5ßrebiger= 
feminar  ju  SBolfenbüttel,  Sraunfd)meig  1837);  auS  bem  $al)re  1837  baS  §effifcr)=©arm=  30 
fiäbtifdje  ©eminar  in  griebberg  (ß.  SB.  $öt/Ier,  £anbbucr)  ber  lirctjlicfyen  ©efe^gebung  beS 
©rofef)ergogtum§  Reffen,  2  Sbe,  ©arrnft.  1847  u.  48,  I,  ©.  36,  325  ff.,  336  ff.,  341  ff. 
367 f.;  II,  ©.  365 ff.;  ®arl  Höbjer,  Slircfyenrecfyt  ber  et),  ^ircfye  beS ©ro^. Reffen,  SDarmft. 
1884,  ©.189 ff.;  «ß^.  «p.  Grbfcmann,  ®enffc^rift  be§  ©eminarf  für  baS  Qa^r  1838, 
3.  34 ff.).  $m  Jab,re  1838  entftanb  bon  %$.  SB.  ©ittenberger  (Über  ^3rebigerfeminarien,  35 
mit  SerüdEfic^tigung  ber  ju  §erborn,  Soccum  unb  SBittenberg  borb,anbenen  unb  in  Se^ug 
auf  bie  @rric|tung  eines  folc|en  im  ©ro^erjogtum  Saben,  §eibelberg  1835)  embfo^Ien, 
Dom  di\ä).  3^otb,e  (SBarum  füt)lt  bie  beutfcr^ebangelifcfye^irdjie  gerabe  in  unfern  ^agen  ba§ 
SebürfniS  bon  ^rebigerfeminarien ?  ®enlfcb,rift  ber  Eröffnung  beS  ©ro^b,.  Sabifc^en  eb.= 
bjot.  ^rebigerfeminariumS,  §eibelberg  1838)  gemeint,  baS  ©eminar  in  §eibelberg  (©an.  <w 
Scb,en!el,  ®ie  Silbung  ber  eb.  Geologen  für  ben  toralt.  ^ircb,enbienft,  eine  ®enlfcb,rift 
jur  25jäb,r.  Stiftungsfeier  beS  ^3rebigerfeminarS  in  £>eibelberg,  §eibetb.  1863;  §.  SBaffer= 
mann,  9Kd&.  9lot^e  als  toraltifa^er  Xb,eoIoge,  greiburg  i.  S.  1899,  ©.  89 ff.;  ©efe|eS=  unb 
SSerorbnungSblatt  für  bie  33erein.  eto.=torot.  förc^e  beS  ©rof#.  Saben,  1895,  5Rr.  IV, 
S.  10 ff.);  1862  baS  ^rebigerMegium  ju  ©t.  ^auli  inSeito^ig  (33r.  Srüdner,  ©aS  5)Sreb.=  45 
M.  ju  ©t.  «Pauli,  33ericb,t  über  baS  erfte  Jab,r  feines  SeftefyenS,  Seitojigl863;  ©.Sauer 
u.  Sr.  Wartung,  geftfe^rift  jur  25jät)r.  ©tiftungSfeier  beS  5ßrebtger=woH.  ju  ©t.  $auli, 
Seibjig  1887 ;  SBiffenfü).  Seilage  ber  £eitojiger  Leitung,  1904,  3Rr.  88).  1883  ^at  man 
in  Slltenburg  ein  ^ßrebigerf eminar  eröffnet,  nact/bem  fd)on  feit  1834  bort  ein  braltifcb, 
t^eologiftt^er  ÄurfuS  für  ^anbibaten  beftanben  b,atte.  lim  biefe  geit  tolante  man  aueb  fcb,on  00 
bie  Einrichtung  eines  ©eminarS  in  §effen=Äaffel ;  im  SanbtagSabfcfyiebe  bom  31.  Dltober 
1^33  mürbe  bie  92otmenbigleit  eines  folgen  anerlannt  unb  feine  ErridEjtung  genehmigt, 
aber  erft  im  Jafyre  1891  ift  eS  in  Hofgeismar  begrünbet  morben  (31.  Jilingenber,  ©aS 
^rebiger=©eminar  p  Hofgeismar,  1891—96,  Gaffel  1897;  Slätter  auS  bem  $rebiger= 
3cminar  ju  .'Hofgeismar,  9tr.  1,  ©ommer  1903).  Jm  Jab^re  1896  erhielt  bic  2anbeS=  65 
firebe  ©cf)IeSmig=§olfteinS  ein  ©eminar  in  «)3ree£ ;  fett  1870  (bgl.  SfyalbbäuS,  ©d;Iem.= 
Mft  ®3i  II,  ©.  223)  beftanb  eine  berartige  Slnftalt  in  £>ciberSlcben  m{t  bem  TpoycUcn 
B^ecf  ftanbibaten  für  bie  Sertoaltung  beS  ^3rebigtamtS  an  ©emeinben  mit  bänifcb,  er  ©pracbe 
ju  befähigen.  SDaS  jüngftc  «Prebigerfeminar,  baS  ber  mecllenb.  2anbcSftrd;e  in  ©cb,  merin,  ftammt 
aus  bem  3. 1901  (©a^ung  b.  16.  älbril  b.  Js.;  2eb,rtolan  b.  ^rcb.=©em.  ju  ©a)merin  i.93i.).—  go 


316  Untemdjt,  tfjeol. 

©ie  (Sinrid;tung  biefer  ©eminare  ift  öerfd^teben.  %m  allgemeinen  laffen  fid>  brei 
©rubben  unterfcfyeiben:  1.  Dbligatorifc^e  Slnftalten  alter  SCrt :  Herborn,  griebberg  unb 
Heibelberg;  2.  gafultatibe  2lnftalten:  bie  fämtlicfyen  altbreujstfdjen  ©eminare,  bie  ©emi= 
nare  ber  H<wnoberfcr;en  SanbeSfircfye,  5Ründ;en,  baS  ^ßrebigerfollegium  gu  ©i.  ^Pauli  in 
5  Seidig  unb  bie  ©eminare  in  2lltenburg,  Hofgeismar  unb  in  Söolfenbüttel  nact)  feiner 
?ceorganifation  im  %afyvz  I906  (t*gl-  2lmtSbrüberI.  Mitteilungen  beS  SanbeSbrebiger= 
bereinS  im  §erjogt.  SraunfdsWeig,  XIII  [1904],  %lv.  3) ;  3.  Dbltgatortfdje  2lnftalten  neuer 
2trt:  $ree|  mit  §aber§Ieben  unb  ©d)Werm.  ©ie  erfte  unb  britte  ©rubbe  gleiten  fid^ 
barin,  ba$  if>r  SBefucb,  unerläßliche  33ebingung   für  bie  gulaffung   gum   gWetten  ©ramen 

10  ift.  ©ie  werben  alfo  alle  bon  ^anbibaten  befugt,  bie  gwifcfyen  bem  erften  unb  gWeiten 
@pmen  fteljen.  ©ennod)  trägt  jene  33eftimmung  bei  ber  erfien  ©rubbe  einen  anberen  (Efyaralter. 
©ie  betreffenben  ©eminare  behalten  nocb,  im  Wefentlidjen  bie  Sel)rWeife  ber  Uniberfität 
bei,  unb  wenn  fie  aucb,  tl)re  Hauptaufgabe  barin  fef)en,  bie  ©eminariften  in  braftifdjer, 
bfarramtltcfjer  St^ätigfeit,    namentlich  in  ^rebigt  unb  S?ated)efe,  auSgubilben,    fo  bleiben 

15  biefe  bocb,  nocb,  im  Wefentlidjen  lebiglid;  Sernenbe.  2lnberS  bie  ©eminare  ber  brüten 
©rubbe.  ©tefe  I)aben  fid)  in  ber  SefyrWeife  gang  ben  ©eminaren  ber  gtoeiten  ©rubbe 
angefcfyloffen,  bie,  Wie  fie  ben  (Eintritt  bon  bem  freien  SSillen*  ber  einzelnen  —  mefyr 
ober  Weniger  —  abhängig  machen,  fo  aud)  ben  gangen  Unterricht  freier  gu  geftalten 
fudjen,  bie  beSfyalb  nidjt  nur  bei  brafttfdjien  Seiftungen,  fonbern  awfy  in  geeigneten  3tefe= 

20  raten  bie  eigene  2lrbeit  ber  ©eminarmitglieber  anregen  unb  an  bie  ©teile  ber  iöorlefungen 
fonberfatorifdje  Sefbredmngen  fe|en.  infolge  biefer  breiteren  Slnlage  brauchen  bie  ©e= 
minore  ber  gWeiten  ©rubbe  fid;  aucf)  nicfyt  auf  ^anbibaten  ber  Geologie  gu  befcfyränfen, 
fonbern  fbnnen  aud)  ^anbibaten  aufnehmen,  bie  fcfyon  il)r  gWeiteS  (Iramen  beftanben 
fiaben.     $War  ift  eS  für  bie  meiften  aucfy  biefer  ©eminare  neuerbmgS  ©itte  ober  2Sor= 

25  fdjmft  geworben,  aud)  nur  bor  bem  groeiten  ©ramen  ftef)enbe  Geologen  gu  9Jiitgtiebern 
gu  I)aben,  bod)  ift  eS  in  Söittenberg  unb  Hofgeismar  burcfyauS  bie  Siegel,  baf?  aud) 
ilanbibaten  beS  ^rebigtamteS  unter  ben  SRitgltebem  finb,  unb  baS  ©omfanbibatenftift  in 
Serlin  unb  baS  ^ßrebigerfollegium  gu  ©t.  ^auli  nehmen  im  gangen,  baS  ©eminar  in 
SBolfenbüttel  fogar  bringibieß  nur  gur  Slnftellung  ftel)enbe  Geologen  auf.  ©abet  machen 

30  aber  bie  meiften  als  fog.  ©liteanftalten  in  allen  gälten  bie  2IufnaI)me  bon  guten  ©ramenS= 
leiftungen  abhängig. 

©emcinfam  berfolgen  alle  ©eminare  baS  ^ringib,  Wtffenfcfyaftlicfye  mit  braftifd)er 
2luSbilbung  gu  berbinben.  Unb  wenn  fie  tt)r  Haubtintereffe  aud)  ber  toraftifd)en  "£l)eo= 
logie  im  Weiteften  Umfange  guWenben,  fo   betreiben  fie  bod)   einmal  bie  fyier  in  ^rage 

35  lommenben  ©iSgiblinen  bom  n>iffenfd)aftlid;en  unb  f)iftorifd;en  ©eficfyiSbunfte  aus,  laffen 
baneben  aber  aufy  feinS  ber  übrigen  t^eologifdien  gädjer  au^er  ad}t.  ^e  nad)  fetner 
fbegietlen  33eftimmtl)eit  ober  aud;  nad)  ber  ^id^tung  unb  Begabung  feines  SeiterS  bebor= 
gugt  baS  eine  ©eminar  mefyr  bie  fbftematifd;en,  baS  anbere  mcl)r  bie  l)iftorifd;en  ©iS= 
giblinen. 

io  2lud)  f»eute  nocb,  rennen  mand)e  ©eminare  Übungen  in  ber  ©eelforge  unter  il)re 
2lufgabe;  inbem  if)r  Seiter,  Wie  in  H°fae^mar  D^er  Naumburg  a.  Qu.,  gugleicb,  ein 
Pfarramt  berWaltet,  fmt  er  Gelegenheit,  ben  ©eminariften  beftimmte  feelforgerlicfye  3luf= 
träge  gu  geben,  ©ang  befonberS  betont  biefeS  SJcoment  baS  berliner  ©omfanbibaten= 
ftift;    aud)  baS  Seibgiger  ^rebiger!ollegium   b^ält  eS  für  lr>id)tig.    ©aS  ^ßrebigerfemtnar 

45  in  Wittenberg  t)at,  ben  Aufgaben  ber  3eit  folgenb,  gur  Übung  in  ber  ^ugenbbflege 
einen  „^ugenbberein"  in§  Seben  gerufen  (Serid^t  beS  eb.  ^ugenbbereinS  gu  SBittenberg 
über  baS  ^a^rl906).  S«  ©d}leStüig=Holftein  muffen  feit  1906  alle  f anbibaten,  nad)= 
bem  fie  baS  ©eminar  in  ^3ree|  abfolbiert  §aben,  —  fofern  fie  nicr/t  nad;  ^aiix^khm 
gelten  (f.  oben)  —  ein  ^afyr  33i!ar  Werben. 

50         Slnbere  sJiad}rid;ten  Werben  am  Seften  in  tabellarifcfyer  gorm  gegeben,  f.  ©.317. 

2.  ©aS    tl>eologifd)e   Unterricb,tSWefen    in    ber    rbmifcb/  =  latb/olifcb/en 

üird^e  erhält  im  16.  ^afyrfmnbert  einen  neuen  Eintrieb  burdj  ben  Sefdjlu^  beS  SLriben= 

tiner  ^ongils,  ben  b,eranWad;fenben  Klerus  in  Itrd^licr)en  2lnftalten   gu   ergießen    unb  gu 

unterrichten,  unb   gu  bem  gtozü  ^ßriefterfeminare   gu  grünben  (Sess.  XXIII,  Gap.  18, 

55  De  reform.).  33om  gWölften  3a|re  an  füllten  biefen  bie  zünftigen  Ülerüer  angehören; 
©lementarbilbung  feilten  fie  mitbringen,  ber  fog.  niebere  grammatifcfye  Unterricht  aber  fo= 
Wol)I  Wie  möglicbjt  ber  gefamte  tb.eologifcb.e  ^ö^ere  füllte  ilmen  bann  im  ©eminar  gu 
teil  Werben,  ©ie  ©rünbung  ber  ©eminare  Würbe  bor  allem  ben  Sifdjöfen  gur  ^ßflid;t 
gemacht. 

60         SKancfye  berartige  3lnftalten  traten  balb  ins  Seben;  ber  Äarbinal  Slmulio  bon  9xieti 


Utticmdjt,  tljcol. 


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318  Itntemdjt,  tfjeol.  Utban  IL,  ^o^ft 

unb  33ifd)of  Martin  bon  ©cfwumberg  in  ©tcfyftätt,  bie  fcfyon  1564  ©eminarien  eröffnen, 
finb  wofyl  bie  erften,  bie  ba§  ©efret  bertoirllictjen.  33alb  folgen  ©eminare  in  33enebent, 
Verona,  Sarino  in  ©Milien,  in  33rirm,  in  Dfimo.  23telfacr;  gewährt  ber  $abft  Mittel  ju 
ibjer  ©rünbung,  unb  e3  entfielen  fog.  ^äpftltd^e  ©eminare;  fo  grünbete  ©regor  XIII. 
5  in  9ftom  fectjS  ©eminare  für  bie  orientalifcfye  $trcr)e,  ferner  baS  f)elbetifct)e  ©eminar  in 
sJftaiIanb  unb  gm  ei  ©eminare  in  23enebtg;  bem  bäbftlicfyen  2Ilumnat  in  SDittingen  geroäljrte 
er  einen  jäl)rlicf)en  Bufc&ujj  öon  1380  ©lubt.  3>m  meiteften  Umfange  aber  nimmt  ber 
Qefuitenorben  ben  fircblicr)en  Organen  bie  ©orge  aud)  für  ba§  flerifale  Unterrid)t§tt>efen 
ab  (f.  b.  21.  Sefuitenorben,  33b  VIII   ©.  757, 23  ff.).    @rft  naef)   feiner  2Iuflöfung   Ijat 

10  man  mit  ber  Sluäfüfyrung  beS  £ribentiner  33efcfyluffe§  regten  (Srnft  mact/en  muffen.  ©a= 
bei  f/at  man  ber  Dberaufftct)t  be§  ©iaateS  fid^>  jebocfy  meift  rttc^t  erwehren  fömten. 

3ju  ©eutfdjlanb  ift  fyeute  ba§  aSer^ältnig  burdjweg  fo,  bafj  bie  jungen  Bleuler  ent= 
toeber  Don  früt)  an  in  bifc^öflic^en  ©eminaren  —  guerft  in  ben  Änaben=  bann  in  ben 
^ßriefterfeminaren  —   ifyre  33ilbung  erhalten    unb    bt<§    jur  ^3riefterroeil)e   barin    bleiben 

Kolonnen,  ober  bafj  fie  gunäd^ft  ein  öffentliches  ©r/mnafium  unb  bann  baS  ^riennium  an 
einer  ftaatlicfyen  Slnftalt  abfolbieren  unb  bann  bor  ber  ^riefterweifye  noer;  einen  $urfu§ 
in  ben  ©eminarien  burdjmacfyen,  bie  übrigens  in  allen  micr/ttgen  ©tücfen  bon  ftaatlicr)er 
Genehmigung  abhängig  finb.  Über  ifyre  innere  (Einrichtungen  orientieren  3.  33.  bie  bei 
©iebengartner,  ©cr)riften  unb  (Einrichtungen,  ©.479  ff.  bejm.  485  ff.   abgebrühten  ,,©ta= 

20  tuten  beS  erjbifcfyöflicfyen  ^nabenfeminarS  Dttonianum  in  Bamberg"  t>om  $afyre  1880 

unb  bie  „©tatuten  beS  ©eorgianifcfyen  ^lerilalfeminarS  in  ÜJfüncfjen  bom  28.  Sunt  1893. 

@§  befielen  bleute  in  ^ßreufjen  ^riefterfeminare  in  SErier,  £ulm,  ©nefen,  ©rmlanb, 

^»ilbe^eim,  DSnabrücf,  $ulba  unb  Simburg;    je  jtoei  ©eminare  Ijiaben  $öln,  fünfter, 

$aberbom  unb  33re3lau.  ^eologifcfye  §af  ultäten  beftefyen  in  33onn,  ^ßaberborn  unb  33re§Iau, 

25  Stjceen  in  33raunSberg,  $ulba  unb  ©nefen,  bagu  bie  Slfabemie  in  fünfter,  ©adjjen  fyat 
ein  ^Sriefterfeminar  in  ^rag  (toenbifcfyeS  ©eminar).  Sie  oberrb^einifc^e  ®ircr)ettbrobing  unb 
@lfaf$=£otr/ringen  befitjen  in  ^Wainj,  Strasburg  unb  sIRe£  je  eins,  in  greiburg  unb  9totten= 
bürg  je  jtoei  ^riefterfeminare.  £f)eoIogifcr)e  gafultäten  befielen  in  greiburg  unb  9totten= 
bürg.    SDie  baberifcfyen  ®iöcefen  befitjen  übrigens  je  eins,  9Jcüncb^en=greifing  ^mei  $riefter= 

so  feminare ;  %I.  Styceen  befteb;  en  in  greifing,  2)tHmgen,  StegenSburg,  ^affau,  Bamberg  unb 
@itf)ftätt,  tfyeologifcfye  gafultäten  in  9)£ündjen  unb  Sßürjburg.  ©aju  fommen  §af)lreic^e 
^nabenfeminare,  bie  meift  aueb^  an  ben  ©itjen  ber  ^Sriefterfeminare  fiefy  befinben. 

„gür  bie  ©ntmiöelung  beS  tf)eoIogifcb^en  ©tubiumS  ift  namentltcf)  bie  ©tubienreform 
in  Dfterrretct)  im  18.  ^afyrfmnbert  bebeutfam  geworben.    2)urcb^   fie   finb  namentlich  bie 

35  firet; engefcf)ict)tlic§en  gäd)er  unb  bie  biblifcfyen  §ilfsmiffenfcb^aften  in  ba§  tb^eologifc^e  ©tubium 
eingeführt  toorben,  bie  ^3aftoraltf)eoIogie  ift  bon  ber  SRoral  unb  bem  ^ird^enrec^t  ge= 
trennt,  unb  e§  finb  ft)ftematif(^e  Sorlefungen  über  ^Dogmatil  unb  Woxal  eingerichtet 
morben.  SDer  auf  brei  ^ab^re  bemeffene  öfterreicfyifcfye  ©tubienblan  ift  in  SDeutfct)tanb 
burcb>eg  angenommen  ioorben  unb  fteb^t  noefy  I;eute  in  ©eltung  (©iebengartner  a.  a.  D. 

40©.  151  ff.).  gerbinonb  So^rS. 

Untcrf<^ett>ung0j[al)r  f.  SDiSlretionSjab;  r  33b  IV  ©.  708. 

Mr  f.  b.  21.  2Ibrab;am  33b  I  106,  8. 

Itrban  I.,  ^abft,  mar  nacr;  ©ufebiuS  unb  ben  5pabft!ataIogen  9?acb>Iger  be§ 
lalUftuS   auf   bem   römifcfyen  ©tub^Ie,   ben   er   8  ^afyre    inne   blatte,    222—230   (Eus. 

45  h.  e.  VI,  21,  2;  23,3  natft  ber  Gbjonü  9  ^ab^re).  ©ufebiuS  berietet  nur  feinen  tarnen; 
bie  fbäteren  ^acb^ridjten  über  ib^n  finb  unglaubtbürbig.  T)a^u  gehört  feb^on  bie  3^otij  beS 
Lib.  pont.  ©.  22  ber  2lu3gabe  bon  5Diommfen,  er  fei  ^onfeffor  getoefen,  unb  bie  @r= 
Säf)Iungen  in  ben  jungen  Sftärtipraften  AS  5[Rai  VI  ©.  11  ff.  unb  Anal.  Boll.  VIII 
©.  164f.    3Ricf)t  einmal  über  feinen  STobeStag  giebt  eS  eine  einheitliche  Überlieferung;  im 

50  Lib.  pont.  ift  als  SEag  ber  33eife£ung  ber  19.  5Rai  genannt,  baS  fog.  SSKartbrologium 
^ieron^m.  bagegen  ertoäfmt  ben  ^ob  jum  25.  3M.  U.  fc^eint  in  bem  coemeterium 
Callisti  beigefe^t  morben  ju  fein;  benn  eine  bort  gefunbene  ^nfcfyrift  OYPBANOC  E. 
toirb  am  einfaßten  auf  ib^n  belogen,  ©oeb^  läfjt  i§n  ber  Lib.  pont.  im  Ooemet. 
Praetextati  begraben  fein.  ^nuif. 

55  Itrban  II.,    ^3abft,    1088—1099.    —   ltvban§  Briefe  unb  Uvftmben   finb  uerSeic£)net 

ßei  S^ffe  <S.  Gö7ff.    ®ie  6erid)tenben  üuelten    äufammengeftedt    bei  SBattericl),  Poutif.  ßom. 


Urin»  II.,  ^atft  319 

Vitac  I,  57J  ff.  ®ie  tt'on.ylienbefdjluffe  bei  ^Jtanfi,  Coli.  conc.  XX.  ©miorobims,  ©efdj.  b. 
tot.  9iom  im  «W  IV4,  ßtuttg.  1890;  Sieumont,  ©efdj.  b.  @t.  3{om  II,  Berlin  1867;  Wa\-- 
ttn-i,  3>ie  Sefejjung  be§  ba'pftlicfjen  ©tuljl-j,  greiburg  1887  ©.  255 ;  ©iefebredjt,  Sl\3  III,  1; 
gelier  uon  Jtitonau,  Satjrb.  b.  beutfdjen  !Keid}8  unter  §etnrid)  IV  u.  V.,  Seidig  1890  ff. 
53b  4 f.  1903 f.;  9Jidjter,  9lnnalen  be§  beutfdjen  9teicl)§  im  Zeitalter  ber  Dttonen  unb  5 
Salier,  üalie  1898;  ©ljbet,  ©efdj.  beä  erften  SreujäugeS,  2.  9luf(.,'  Seipjtg  1881;  Stent,  3ur 
Siograpfjte  beä  Sßapfteö  Urban  II.,  23er(in  83;  SBattenbadj,  ©efdj.  beä  röm.  ^apfttum«, 
SBeviiu  1876;  Sangen,  ©efdjidjte  ber  röm.  ®irdje  Don  ©regor  VII.  biä  gnnocenj  III.,  33onn 
1893;  £efele,  GonctIiengefdötd)te  V2,  bearb.  ü.  Stnöpfler,  greiöurg  1886;  §aucf,  il©  ®eutfü> 
Innbä  IIP,  Seipjig  1906,  «gl.  audj  bie  Sitteraturangaben  bei  bem  ?lrt.  Äreu^üge.  10 

Urban  II.  War  Don  ©eburt  ein  granjofe  aus!  ritterlichem  ©efd)led)te,  Dbo  Don 
Sagnb.  au$  ©fjatillon  f.  9JJarne.  grübjeitig  trat  er  in  ben  geiftlicfyen  ©tanb ;  bie  für  fein 
£ebcn  aus>fct)laggebenben  ©inbrüde  erhielt  er  in  ber  Umgebung  Brunos!  bon  Köln,  bes> 
©rünbers!  bes!  Harifjäuferorbens!.  (Sr  Würbe  2lrd>ibiafonus!  in  ÜRfyeims!;  bann  aber  ent= 
fdjiofe  er  ftd)  jum  Eintritt  in  bas>  Hlofter,  er  ging  nad)  Sluni);  unter  ber  Seüung  bes!  is 
2Ibte3  §ugo,  bem  er  audj  als!  5ßa^jft  nod)  banfbare  33erefjrung  Wibmete,  burcr)brang  er 
fid)  mit  ben  %bwn  ber  9teformmöncr)e.  $m  HIofter  erfannte  man  ben  Söert  be<§  jungen 
SJtonneS:  er  Würbe  ^3rior,  ©regor  VII.  berief  iijn  nadj  Statten  "nb  «nannte  if)n  1078 
jum  Äarbinalbifdjof  bon  Dftia.  2tls!  foldjer  bewies  er  ftd)  als!  treuer  unb  tüchtiger  9)Zit= 
arbeiter  bes!  tapfres!,  befonberä  burdj  §ül)rung  feiner  Segatiott  in  SDeutfdjIanb  im  $.  1084;  20 
bie  ©egner  fbotteten,  er  fei  ber  33ebiente  ©regors>,  biefer  aber  bezeichnete  tfjn  fterbenb 
neben  Sinfelm  Don  Succa  unb  §ugo  bon  Stjon  als  geeignet  fein  5ftad)foIger  ju  fein. 
Keiner  t>on  ben  dreien  jebod)  rourbe  gewählt,  fonbern  ber  2lbt  ®efiberius!  bon  SRonte 
Gaffino,  ber  ftd)  als  ^Saipft  SSiftor  III.  nannte.  (§3  gelang  bem  trefflichen  SKanne  md)t, 
bie  !ird)lid)e  Sage  gu  beffern:  fie  War,  als!  er  am  16.  ©ebtember  1087  ftarb,  Weit  fd)Iimmer  25 
ab3  bei  bem  Sobe  ©regors!  VII.  @rft  im  SJJärj  bes!  nädjften  $al)res!  bereinigte  ftd)  eine 
Slnjafyl  ftarbtnäle  mit  21  (?  16)  Sifcfyöfen  unb  etlichen  Slbten  gur  23omar;me  einer  9Jeu= 
h>a|l  in  ^erracina.  Sie  SBab/I  Dbo§  War  längft  zweifellos»:  fo  Würbe  er  benn  am 
12.  SOJärj  in  ber  Kircfye  bes>  b,l.  ^ßetru§  unb  ßäfariusi  einftimmig  gewählt  unb  fofort 
fonfefriert.  %üx  bie  ©ebanfen,  mit  benen  er  fein  2lmt  antrat,  ift  ber  23rief  bejeic^nenb,  30 
ben  er  am  Ztage  nacb)  ber  2öab)I  an  bie  beutfdjen  ©regorianer  richtete.  De  me,  fcfyrieb 
er  an  fie,  porro  ita  in  omnibus  confidite  et  credite  sieut  de  beatissimo  p.  n. 
Gregorio;  cujus  ex  toto  sequi  vestigia  cupiens  omnia  quae  respuit  respuo, 
quae  damnavit  damno,  quae  dilexit  prorsus  amplector,  quae  vero  rata  et 
catholica  duxerit  eonfirmo  et  approbo  et  ad  postremum  in  utramque  partern  35 
qualiter  ipse  sentit  in  omnibus  omnino  sentio  atque  eonsentio.  ®a3  War  bie 
Stbficfyt ;  aber  Urban  II.  War  eine  ganj  anbere  üftatur  al§  ©regor  VII.,  e<§  fehlte  ib,  m  bie 
ritdfidjtälofe  Seibenfc^aftlic^leit,  welche  ber  letztere  bei  ber  ©urcfyfüfyrung  feiner  ©eban!en 
entioicfelte  unb  bie  feinen  ©egnern  ÜJBaffen  Wiber  il)n  bot:  Urban  War  gefcfymeibiger, 
flüger ;  ba§  Wir!te  auf  bie  2lu3füb,rung  ber  Slbficb.t.  SBenn  er  be^alb  aueb,  ben  Kambf  *o 
mit  bem  Kaifer  fortfe|te,  fo  bermieb  et  boeb  burd)  fo  fd)arfe  Betonung  ber  bäbftlidjen 
Oberberrfd)aft,  Wie  man  fie  bei  ©regor  geWöfmt  War,  bie  Dbbofition  ber  übrigen  euro= 
t)ätfd)en  gürften  ju  brobo^ieren;  rman  möchte  bermuten,  ba^  jWar  nicb,t  auf  feine  2tn= 
fdjauungen,  aber  bofy  auf  feine  Stufjerungen  ba§  Seifbiel  feines!  23orgänger3  ntc^t  or)ne 
Crinflu^  geblieben  ift.  @S  gelang  bem  ^3abfte  auf  biefe  Söeife  ©rfolge  ju  erzielen,  bie  45 
©regor  berfagt  Waren;  in  granlreicb,,  ©jsanien,  ©nglanb  Würbe  ber  bäbftliclje  (Stnflufe 
mächtiger  al§  er  feit  lange  geWefen  War. 

3unäd)ft  freutet)   War  bie  Sage  Urbansi  nicr)t  glänjenb.    $m  ©bätjab,r  1088  begab 
er  fieb,  nad)  9tom;   aber  ber  2lnfjang  Siemens'  III.,   be§  einftmaligen  ©rjbifcfyofS  SBibert 
toon  jlabenna,  ben  ^einrieb,  IV    auf  ber  ©tjnobe  bon   Srirm  1080   jum   ©egenbabfte  50 
^atte  Wählen  laffen,  War  in  ber  ©tabt  Weit  gröfjer  als!  ber  feine.    Qn  einem  ©riefe  an 
93ifdt>of  ©ebbarb  bon  Konftan^,  ben   er  1089   jum   ©eljilfen  Slltmanng   bon  ^ßaffau  im 
beutfdjen  ^ifariat  ernannte,  erflärte  Urban,  bafs  SBibcrt,  famt  Honig  ^einrieb,  unb  aßen, 
bie  bon  ibnen  t irdjlicf) e  SfBürben  embfangen  blatten,  ejlommunijtert  blieben ;  aber  Siemens!  III. 
fonnte  eine  ©^inobe  in  ber  $eters!fircr)e  berfammeln  (Waljrfdjeinlict;  im  $.  10S9)  unb  fjier  56 
bie  Grfommunitation  §einrid;g  für  nidjtig  erflären;  Urban  bagegen  fab,  fidj  im  ©ommer 
1089  genötigt,  9iom  Wieber  ju  berlaffen;  er  ging  nad)  ©übitalien,  in  3Mfi  fjielt  er  am 
10.  ©ebtember  eine  ©tynobe,  bie  bon  70,  nacb,  anberen  bon  115  Sifdjjöfen  befudn1  War; 
fte  faßte  Sefdjlüffe  gegen  bie  ©imonie,  Saieninbeftitur,   (Sfjen   ber  Mlerifer  u.  bgl.    ^n 
Sari  Weihte  er  am  1.  Oktober  bie  ju  @bren  be§  -Jftfol.  b.  Tl\)xa  erbaute  Hird)e.    ©eine  go 
Mücffeb^r  nad)  9{om  führte   nidjt   ^um   bauernben  Sefi^e   ber  ©tabt;   im  ©ommer  1090 


320  Urban  II.,  %ap\t 

toar  er  toieber  auf  normannifc^em  ©ebiet,  unb  toäfyrenb  ßlemenS  III.  im  grübjafyr  1091 
in  9iom  einbog,  fab  Urban  bie  ©tabt  erft  im  9>iobember  1093  toieber.  @r  mar  toäfyrenb 
biefer  $afyre  ntd^t  untätig;  er  ^>iel±  ©tmoben  in  SBenebent  (28.— 31.  SDtärj  1091)  unb 
%xoia  (11.  unb  12.  SDiärj  1093),  fyaubtfäcbiid)  aber  galt  feine  3tufmerffam!eit  ben  33er= 
5  fyältmffen  ©eutfd)lanbs :  liier  totrlte  bie  i>irfd)auer  Kongregation  im  bäbftlidjen  ^ntereffe 
auf  baS  33olI;  mit  ben  ©regorianern  unter  ben  dürften  unb  33ifd)öfen  war  Urban  fofort 
in  bie  engfte  Serbinbung  getreten.  @ine  ,3eit  lang  fcfnen  eS,  als  fei  ber  griebe  mit  bem 
Kaifer  möglid);  bie  ©acfye  fd)eiterte  jebocb,  baran,  bafj  ^einrieb,  Siemens  III.  nidjt  fallen 
laffen  lonnte  unb  wollte,  toäljirenb  UrbanS  $xd  bie  Sefeitigung  SSibertS  unb  baburd)  bie 

10  Seenbigung  beS  ©d)iSmaS  toar ;  ber  Kambf  l)atte  alfo  feinen  gortgang.  Unb  Urban 
bewies  fidj  nun  als  ein  ^Mittler,  bem  febeS  9JtitteI  red)t  mar,  toenn  eS  nur  jum  ^icle 
führte:  burd)  bie  Sermittelung  ber  @f?e  jtoifdjen  ber  9Jtarlgräfin  SDtatfnlbe,  biefer  fidjerften 
©tüfce  beg  ^abfitumS  in  Italien,  unb  bem  jüngeren  Söelf  bon  33aiem  (1089)  wuftte  er 
nid^t  nur  baS  Welfifd;e  §auS  in  feiner  2tnl)änglid)feit  an  9tom  p  feftigen,  fonbern  aud) 

15  bie  Serbinbung  feiner  ttalienifd)en  unb  beutfd)en  SunbeSgenoffen  ju  berfiärfen.  2öar 
aber  fd)on  bie  Stiftung  ber  @b,e  stoifcfyen  einem  lTjäfyrtgett  Jüngling  unb  einer  ungefähr 
breimal  fo  alten  $rau  fittlid)  nicfyt  ju  rechtfertigen,  fo  nod)  Weniger,  bafj  Urban  bie  @m= 
börung  König  KonrabS  gegen  feinen  3Sater  (1093)  toenn  nicfyt  beranla^te,  fo  bod)  förberte, 
unb  gerabegu  fdjmacfyboil  toar,   bafj  er  ben  33errat  ber  fdjamlofen  Kaiferin  Slbelljieib  an 

20  ifyrem  ©emafyle  (1094)  billigte  unb  benü^te.  ®ocb,  bie  grud)t  biefer  SDtafjregeln  toar  für 
bie  ©ad)e  beS  $abfteS  feb,r  günftig :  bie  5Racb,t  §einrid)S  jerbrödelte,  bie  ber  ©regortaner 
fonfolibierte  fiefy:  eS  !am  für  Urban  bie  geit  ber  SLriumbfye. 

^m  ©ommer  1094  bracb.  er  toieber  bon  9fom  auf,  Wie  ein  ©ieger  burcfyjog  er  baS 
mittlere   unb   obere  Italien;    bom   1.— 7.  SRär^  1095   fyielt   er   eine  grofje  ©fynobe  ju 

25  ^iacenja.  ^taltentfc^e,  burgunbifcfje,  fran^öftfdje  23ifd)öfe  fammelten  fid)  in  großer  Qaty 
um  ben  ^Sabft;  aud;  bie  §üb,rer  ber  beutfd)en  ©regorianer  fehlten  nid)t,  ©ebb,arb  bon 
Konftanj,  ben  Urban  einftmalS  als  Segat  $um  23tfd)of  getoeifyt  blatte,  Ubalricb,  bon  $affau 
unb  ©iemo  bon  ©aljburg;  bor  allem  aber  umgeben  ib,n  bie  ©cfyaren  ber  -JJcöncfye  unb 
feine  Kirche  bermod)te  bie  l)erbeiftrömenbe  Sftenge  ber  Saien  ju  faffen,    man  fbrad)  bon 

30  4000  Kterifem  unb  mef)r  als  30  000  Saien,  bie  3eugm  ber  ©t;nobe  toaren;  bie  öffent= 
lid^e  SJteinung  trug  ben  ^ßatoft.  Sie  ©t^nobe  erneuerte  bie  Sefcfylüffe  gegen  bie  ?ßtriefter= 
eb,e  unb  bie  ©imonie,  erflärte  bie  bon  Giemen^  III.  unb  feinen  2lnt)ängern  erteilten 
Drbinationen  für  nichtig  unb  fbracb.  bon  neuem  ben  glucb.  über  ben  ©egenbabft  unb  bie 
©einen  au§ ;  bie  bon  ber  Kaiferin  gegen  Kaifer  §einric|  erhobenen  2lnMagen  tourben  o§ne 

35  Unterfud;ung  als  glaubtoürbig  angenommen,  toäfrenb  fie  bod)  augenfd)einlid)  ben  ©tembel 
ber  Süge  trugen,  unb  ber  Kaiferin  bolle  Slbfolution  getoäb,rt.  ®an$  anber§  berfub^r  ber 
^abft  unb  bie  ©imobe  mit  König  $I)tlibb  bon  granlreid),  obgleid)  e§  fieb,  bei  i§m  um 
ein  notorifcfyeg  Serbred^en  fianbelte.  ^b,ilibb  ^atte  feine  ®emal)Iin  Sertf)a  berfto^en  unb 
lebte  in  e£)ebred)erifd;em  3Serb,ältnig  mit  Sertraba,  ber  bon  ib,m  entführten  ©ernannt  be§ 

40  ©rafen  gulco  bon  Slnjou.  Deshalb  b,atte  ib,n  ©r^bifebof  §ugo  bon  2t>on  auf  einer 
©fynobe  ju  3lutun  ejlommunijiert;  aber  nid)t  alle  franjöfifd^en  33ifd;öfe  f>atten  fo  biel 
5Rut  toie  er;  nadjtbem  53ertb,a  geftorben  toar,  toaren  fie  bereit,  bie  SBerbinbung  be§  Königs 
mit  Sertraba  anjuerfennen.  Urban  fyatte  ben  König  unb  ben  ©rjbifcfyof  bor  bie  ©^nobe 
äu  ^Siacenja  gelaben;  betbe  erfcb,ienen  nid)t;  bie  ©tmobe  aber  gewährte  bem  Könige  eine 

45  neue  $rift  jur  Rechtfertigung,  fuSbenbierte  bagegen  §ugo  bon  Styon  bon  feinem  Slmte. 
2lm  folgenreicb,ften  tourbe  ber  le|te  Vorgang,  ber  ju  ertoäb,nen  ift:  ber  gried)ifd)e  Kaifer 
SllepuS  b,atte  eine  ©efanbtfd)aft  an  ben  ^5aj)ft  gefd)icft,  um  bie  §ilfe  be§  SlbenblanbeS 
^um  Kambfe  gegen  bie  Ungläubigen  ju  erbitten.  Urban  embfing  bie  ©efanbten  bor  ber 
©^nobe  unb  förberte  jur  Unterftü^ung  ber  ©ried)en  auf;   feine  SBorte  toaren  nidjt  ber= 

so  geblid;  gerebet,  fofort  gelobten  nid)t  toenige  ber  Slntoefenben  eiblicb  ben  3«9  w$  3Rorgen= 
lanb,  ben  Kam^f  gegen  bie  Ungläubigen,  ©o  tourbe  eine  Setoegung  in  glufs  gebrad)t, 
bie  länger  als  jtoei  ^al)rb,unberte  nid)t  toieber  jur  9iub,e  lommen  foHte.  ©d)on  längft 
b.atte  man  im  Slbenblanbe  mit  bem  ©ebanlen  eines  3u9eg  nac^  ^em  Often  gefbielt:  ber 
©eift  ber  geit  mar  für  ein  foldjeS  Unternehmen  bereit,  eS  fehlte  nur  an  bem  SJtanne,  ber 

55  bie  borl)anbenen  Kräfte  entfeffeln,  ib,nen  bie  Richtung  ju  geben  bermod^te.    Tlan  barf  eS 
als  bie  toicfytigfte  ^anblung  UrbanS  bejeic^nen,  ba^   er  fiel;   entfcblof?,   bem   gried^ifc^en 
§ilferuf  33eac£)tung  ju  berfd)affen.    SDer  beginn  ber  Kreu^üge  ift  fein  SBeri 
2BaS  in  ^iacen^a  begonnen  toar,  lam  in  ßlermont  gu  boller  Entfaltung. 
3m  §erbfte  1095  berliefe  Urban  Italien,   audb,    bieSfeitS   ber  Silben  fottte  fid)  bie 

60  neue  ^Oiacfyt  beS  ^abfttumS  feigen.    3n  Glermont  gebaebte  er  eine  allgemeine  ©fynobe  ju 


Urban  II.,  ^tipft  Itvfiatt  III.,  ^ajjft  321 

galten;  in  ber  Ibat  toaren  bte  curotoäifd;en  Sänber,  toenn  aueb,  nid;t  gleichmäßig  auf 
biefer  ©tmobe  (18.— 28.  5iobember  1095)  Vertreten;  neben  ben  Romanen,  bie  in  großer 
$at)i  erfdnenen  toaren,  bcrfcfytoanben  bie  toenigen  3)eutfcr)en,  aus  ©nglanb  bollenbS  mar 
nur  ein  SBifdpf,  Slnfelm  bon  Santerburty,  antoefenb.  Stuf  franjöfifdiem  Soben  beringte 
Urban  ben  33ann  über  ben  frartgöfifd^en  ®önig,  ba  er  fein  $err/ältnis  ju  Sertraba  ju  5 
löfen  fid}  Weigerte;  b/ier  in  ben  ©egenben,  too  ber  ©otteSf riebe  juerft  eingeführt  toorben 
toar,  fbrad)  er  bie  ^llgemeingiltigfeit  beSfelben  als  fircfylicfyeS  @efe£  aus  (f.  33b  VII  ©.  21). 
^ie  Seftimmungen  gegen  bie  ©imonie  unb  bie  Saieninbeftitur  tourben  erneuert  unb  ber= 
fdjärft  (can.  15  f.  18).  ©elbft  bie  Setftung  beS  Se^ensietbeg  tourbe  ben  ©eifrigen 
unterfagt  (can.  17).  £ocb,  bieg  alles  tritt  an  3öid)tigfeit  gurüd  gegenüber  ber  93egetfte=  10 
vung,  toelcfye  Urban  b/ter  für  ben  Ureu^ug  ju  ertoeden  toußte.  SCaufenbe  toaren  b/erbei= 
geftrömt,  um  ben  ^ialpft  reben  ju  fyören,  toieber  toar  man  genötigt,  aus  ber  $ird;e  unter 
ben  freien  Fimmel  §inau^ujiet)en.  Unb  jbjer  fbracb,  bann  Urban  für  ben  gug  jum 
heiligen  ©rab,  er  begieß  allen  benen,  bie  in  biefem  Kampfe  fallen  würben,  bie  $rone 
beS  9JJartr/riumS.  -Wie  machte  eine  Siebe  größeren  ©inbruef  als  biefe.  21I§  ber  $abft  15 
geenbet,  bracb,  bie  3Dfenge  in  ben  oft  toteberb/olten  9tuf  auS:  ©ott  toill  eS,  ©Ott  toill  eS. 
^aufenbe  bezeichneten  fieb,  mit  bem  Dom  ^ßabfte  beftimmten  ßetc^en,  bem  roten  $reuj.  ©ie 
Setoegung  ergriff  ganj  granfreieb;,  teilte  fid;  bon  bort  ben  benachbarten  Sänbern  mit; 
nid)t  nur  bie  Stitterfcfyaft  fab,  b,ier  ein  giel,  baS  fie  begeifterte,  fonbern  aueb,  baS  niebere 
isolf  tourbe  bureb,  SJcänner  toie  $eter  bon  2tmienS  entflammt.  20 

%üx  bie  ©teßung  beS  ^ßabfteS  toar  biefer  ©rfolg  auSfd)laggebenb,  er  toar  nun  in  ber 
Ibat  ber  Rubrer  ber  abenblänbifd)en  3ßelt.  SDie  9Kacf;t  dortig  ^fülibbS  berfcb,toanb 
gleicb/fam  neben  ber  beS  ^3abfteS,  er  trennte  ftcb,  bon  23ertraba  unb  tourbe  bureb,  Urban 
Born  Sänne  loSgefbrocfyen.  %n  SLourS  unb  3fämeS  bjelt  ber  ?ßap\t  toeitere  ^onjilien 
(grübjafyr  1096).  ®ann  lehrte  er  nacb,  Stalten  äurüd;  ^er  toar  bk  9)cad)t  §einrid)S  25 
unb  GlemenS'  III.  böllig  gebrochen,  ©er  $abft,  ber  gegen  @nbe  beS  ^ab/reS  1096  feinen 
2h)  toieber  in  Stom  nab/m,  !onnte  nun  (Januar  1097)  eine  ©fynobe  im  Sateran  galten; 
im  3luguft  1098  gelangte  er  enblicf)  —  toa^rfcf/einlicb,  burd;  3ßerrat  —  in  ben  Sefitj  ber 
btefter  bom  2lnb/ang  6Iemen§'  III.  befehlen  ©ngeföburg.  @r  felbft  befanb  fid)  in  biefer 
ßeit  in  Unteritalien;  er  b,ielt  baf elbft  am  3.  Dftober  1098  eine  ©tmobe  in  SSari,  bie  30 
buref)  bie  2Serb,anblungen  über  ben  2lu§gang  be§  1)1.  ©eiftees  eine  allgemeinere  33ebeutung 
bat.  (Sine  jtocite  römifc^e  ©^nobe  fanb  bom  24.— 30.  2tbril  1099  in  ber  $eter§fird)e 
ftatt.  ^id^t  lange  banacb,  ftarb  Urban  (29.  Quli  1099).  2ln  geiftiger  Sebeutung  ftef)t 
er  toeit  unter  ©regor  VII.,  aber  feine  Klugheit  erntete  größere  ©rfolge  ai§  ber  !üb,ne 
3Jut  @regor§.  5Dte  Sage  ber  ^irdje  roar  für  ba§  ^abfttum  bei  feinem  STobe  toeit  35 
künftiger  ab§  im  Qa^e  1085.  §aud. 

Urban  III.,  ^ßabft,  1185—1187.  —  Sie  «riefe  unb  Itrhmben  llrbanS  üerjeid)net  Bei 
Saffe,  II,  @.  854.  Sie  onnalifttfdien  nueüen  bei  SBatterictj,  Pontif.  ßom.  Vit.  II,  ©.663 ff.; 
MG  CI  I  <B.  441  ff.  9?r.  314—317;  @regoroüiu§,  ©efefj.  b.  ©tabt  Mom  im  90^91,  IV;  9{eu= 
mont,  ©efd).  b.  ©tabt  3?om,  II;  SSattenbacf),  ©efet).  b.  röm.  5j3a^fttum§;  ©ctjeffer=S3oictjorft,  40 
Mfer  gfriebrtd)§  I.  Ie|ter  (Streit  mit  ber  Surie,  SSerlin  1866;  ^ruß,  fatfer  grtebrief)  I., 
S3b  III,  Sanjig  1873;  ©tefebred)t,  ©efd).  b.  b.  tatferjeit,  Sb  VI,  Setpjig  1895,  ©.  114 ff.; 
Sangen,  ©efrf).  b.  röm.  Sirene  Hon  ©regor  VII.  bi§  ^nnocenä  III.,  93onn  1893,  ©.  564 ff.; 
•tioucf,  m  Seutfrf)[anb§  IV,  Seipjig  1903  ©.  304  ff. 

§ubert  (Sribelli  gehörte   einer  3JtaiIänber  gamilie  an;  £uciu§  III.  nab^m  tt)n  in  baS  45 
tarbinalglotlegium  auf;   feit  1185  toar  er  ©rjbifdjof  bon  SDtailanb.    2lm  25.  9lobember 
besfel&en  $af)re3   beftieg  er  al§  Urban  III.   ben  ipäbftlicfyen  ©tub,I.    ®al  SBer^ältnig  ju 
Saifer  griebrid}  I.  toar  fd)on  unter  2uciu§  III.  mancfyfad)  geftört:  bie  matl)ilbifd;e  @rb= 
fäaft,  bie  Slrierfd;e  Sifdjofötoab/l,   bie  Sfoifertrönung  §einrid;ä  VI.  toaren  fragen,  über 
bie  fid}  sßapft  unb   l^aifer  ntc^t  berftänbigen  !onnten   (f.  b.  3Irt.  Suciuä  III.  Sb  XI,  B0 
£•  669  f.).  Sßie  fid;  ber  neue  Sßapft  ftellen  toürbe,  lonnte  laum  fraglicb,  fein.  Urban  III. 
fear  nicr;t  nur  burd)  bas  iserf>alten  feinet  3Sorgänger^  gebunben,  er  blatte  aud;  bcrfönlid;e 
©rünbe   jur  geinbfcb,aft   gegen   ben  Mfer:   bei   ber  ^erftörung  9JiaiIanb§  im  3.  1162 
batte  griebridi  mehrere  ©lieber  ber  gamilie  Sribelli  teils  ifyreS  Vermögens  beraubt,  teils 
graufam  mißb^anbeln  laffen.   ®er  ^ßabft  geigte  benn  aueb,  balb,  baß  er  nid)t  gefonnen  fei,  55 
bem  Maifer  entgegcnjufommen.    ©c§on  baß  er  baS  sIRaiIänber  33iStum   aud)   als  s$abft 
behielt,   toar  eine  §anblung  ber  geinbfeligfeit  gegen  ^riebrieb,;    fobann    erneuerte   er  bie 
^orberung  ber  3urüdgabe  ber  matb,ilbifd)en  ©ütcr;    enblid)  er^ob  er   neue  klagen  gegen 
ben  Äaifer.    tiefer  nab;m  baS  ©bolien*  unb  ?Regalienrecf)t   in  2lnfbrud>  unb  50g  barauf 

iHeol=®nc^fIot>äbte  für  Geologie  unb  Jftlr«e.  3.  «.  XX.  21 


322  Urban  III.,  $a*>ft  Itrbon  IV.f  ^apft 

geftüijt  bte  §tnterlaffenfd)aft  ber  33ifd)öfe  unb  bie  ©infünfte  ber  Bistümer  mäfyrenb  ber 
©ebiSbafanj  ein.  SeibeS  fianb  in  3Btberfprud)  mit  ftrajlicfyen  Seftimmungen,  bie  bon 
alter§  f)er  galten:  bet  $apft  erflärte  eS  für  unrecht;  er  forberte  bon  bem  ®aifer  ben 
33erjic^t  auf  feine  bermeintlicfyen  9tecfjte.  ©einerfeitS  bermetgerte  er  bem  ^aifer  bie  bon 
5  ibjn  lebhaft  gemünfcfyte  Krönung  §einricl)S ,  ja  er  fud)te  bie  beutfcfyen  SBtfd^öfe  in  ifyrer 
SEreue  gegen  ben  $aifer  manfenb  ju  madjen,  unb  menigftenS  bei  ^fnlibb  bon  ^öln  blatte 
er  ©rfolg.  SBenn  er  in  ber  %rierfd)cn  2öab/Ifrage  berfbrad),  niemals  bem  SlrcfyibiafonuS 
golmar  bie  SBeifye  ju  erteilen,  fo  mar  biefeS  gugeftänbnis  nur  "n  Mittel,  um  feine 
wahren  2Ibftct;ten  ju  berl/üHen.    SDer  offene  SBrucf/   liefs   benn  aucr)  nict/t  lange  auf  fidj 

10  märten.  Urban  unterftü^te  baS  aufftänbige  ßremona;  als  griebricb  ftegte,  mar  ifym  ber 
^Rüdtjug  rtict)t  meb,r  möglich,  er  mufete  bortoärtS;  unter  offenem  33rucr)  feiner  gufage 
meiste  er  am  1.  $um  1186  golmar  jum  @rjbifcb,of  bon  SErier.  ®er  ^aifer  räd)te  fia), 
inbem  er  burd)  feinen  ©olm  ^einrieb,  ben  ^irdjenftaat  bermüften  liefe,  ben  $ßabft  aber 
cernierte  er  in  Verona  unb   fd)nitt  \i)m   jeben  SBerfefyr  mit  ber  2tuf5enmelt,   jumal  mit 

15  ®eutfcf;Ianb  ah.  SDort  mar  ^IrilibpS  Haltung  unter  ben  S3tfd)öfen  ntdjt  ofyne  ;Kacr)folge 
geblieben.  Um  bie  bäbftlicfye  Partei  ju  feftigen,  ernannte  Urban  $r/ilibb  jum  bäbftlia)en 
Segaten.  ©od)  bie  Hoffnungen,  bie  er  auf  bie  bä'bftlid)e  gartet  in  ©eutfdilanb  feiste,  er= 
toiefen  fieb,  als  trügertfet) ,  auf  bem  %age  §u  ©einkaufen  (28.  ^obember  1186)  mufjte 
griebrid)  bie  dürften  unb  Sifdmfe  jur  3lnerlennung   feines  SfiecfyteS  im  (Streite  mit  bem 

20  $abfte  gu  bemegen.  Um  fo  fd)roffer  mürbe  biefer;  er  lub  ben  ®aifer  bor  fein  ©ericfyt  in 
Verona.  @S  mar  bergeblid),  bafj  griebrid)  eine  ©efanbtfcfyaft  an  xi/n  fanbte,  um  $u  einer 
SBerftänbigung  ju  gelangen;  ber  $a!b[t  bermetgerte  U)m  ben  ^rieben,  er  brofyte  mit  bem 
Sann.  (Sfye  er  tnbeS  biefe  2Ibfid)t  ausführen  tonnte,  ereilte  ilm  ber  %ob.  @r  ftarb  ju 
$errara,  mof)m  er  fieb  bon  SSerona  begeben  b)atte,  am  19.  Dftober  1187.  §aud. 

25  Urban  IV.,  «ßabft  1261—1264.  —    Les    Registres  d'Urbain  IV     p.   J.  Guiraud, 

Eeg.  ordin.,  2  93be,  SßariS  1901  u.  1904;  Reg.  camöral,  S$ai~.  1901;  ^otttjaff.  Regest.  II, 
1474  ff.;  MG  Ep.  s.  XIII.  e  reg.  pont.  Rom.  selectae  ed.  g.  9vobenberg,  93b  3  ©.  474  ff., 
SSerlin  1894;  qjoffe,  Analecta  Vaticana,  3nn§br.  1878,  ©.  15  ff.,  128 ff.;  SSaumgarten, 
»D3  III,    <3.  42  ff.;    3    SBiocjrnpbjen    UrbanS    bei   SKuratori    Scr.   III,    1   @.  593,    HI,  2 

30©.  404 ff.,  ugf.  SRCS  XII,  @.  152 ff.;  «Reumont,  Öiefcfa.  ber  ©tabt  SJorn  II,  Berlin  1867; 
©vegoniütu§,  ©efd).  ber  Stabt  Korn  im  'UM  V2,  ©tuttq.  1871;  g.  «.  Räumer,  ©efet).  ber  ^o^en= 
ftaufen  u.  ifjrer  geit,  2.  ?(uf(.  4.  93b,  Seipsig  1S41,  S.  422  ff.;  (L  be  ferner,  Histoire  de  la 
lutte  des  papes  et  des  empereurs  de  la  maison  de  Souabe,  2.  ?Jufl.  3.  93b,  93ari§  1858, 
©.  113  ff. ;  ©c[)irrmacfjer,  S)ie  legten  £)oßenftaufen,  ©öttingen  1871;  ©ternfelb,  Sari  b.  ?ltijoit 

35  a(§  ©raf  üon  b.  s$ronence,  9?erliu  1888;  STencftjoff ,  ®er  Sarn^f  ber  ^nfienftnufert  um  bie 
Wart  ?(ncorta,  ^aberborn  1S93;  S.  §nmpe,  Urban  IV-  u.  Wanfreb,  §etbelb.  1905;  9i!. 
Steuert  in  b.  3?£L©  X,  ©.  451  ff.  XII  ©.  127 ff.;  TOagifrer,  Vie  du  pape  Urbain  IV., 
5Evot)e§  1854  (mir  unjugönglicl)) ;  ©eorgeS,  Histoire  du  pape  Urbain  IV-  et  de  son  temps, 
$ari§  1865. 

40  Urban  IV  ^tefe  bor  feinem  ^ontififate  $afob  ^antaleon.  ©ein  ©eburt§jab,r  ift 
unfid)er;  er  mar  ber  ©ob,n  eines  ©crjufymacfyerS  ju  SEro^eS,  erhielt  feine  33ilbung  in  Saon 
(^3.  18337)  unb  ^ktriS,  mürbe  ^anoniluS  gu  Saon,  ®omf)err  unb  2Ircb,ibialon  ju  Süttid), 
1247  bäbfüicber  9JuntiuS  in  ©d)Ieften,  ^ßolen,  ^reu^en  unb  Sommern,  1249  3lrd)ibialon 
in  Saon,  im  ©ejember  1253  Sifcfycf  bon  3Serbun.    ®er  gelehrte,   energifcfye  unb  talent= 

45  bolle  9J?ann  mürbe  balb  in  ^om  bemerft  unb  benü^t.  ^nnocenj  IV  fanbte  ifyn  1247 
mie  bemerlt  als  bäbftlic^en  S3eboßmäd)tigten  nacb,  bem  9brboften ;  21lejanber  IV.  ernannte 
ilm  1255  jum  Patriarchen  bon  ^erufalem.  ®ie  SebrängniS  ber  ßf)riften  im  Orient 
bemog  ib,n,  fieb,  nacb,  Italien  ju  begeben,  um  bie  §ilfe  beS  $abfteS  ju  fucfjen:  er  befanb 
fieb,  in  3Siterbo,   als  StleEanber   ftarb.    §ier  mürbe  er  nacb,  einem  Dreimonatlichen  ^on= 

so  Habe  am  29.  Sluguft  1261  jum  ^abfte  gemault  unb  am  4.  ©ebtember  fonfefriert.  Sie 
aSerf)ältniffe  lagen  äu^erft  fcfyroierig.  9iom  mar  fo  gut  mie  unabhängig ;  in  Italien  r)atte 
Äönig  SRanfreb  bie  Dberf)anb ;  in  SDeutfcfylanb  ftanben  fieb,  bie  Parteien  unberföb,nt  gegen= 
über:  es  gab  mof)l  jmei  gemäb,lte  Könige,  aber  feinen  allgemein  anerfannten  £>errfd)er. 
Urban  fuebte  tb,atlräftig  unb  burcfjgreifenb   baS  bäbftlicb,e  ^ntereffe  gu  magren,    ©r  er= 

55  gänjte  alSbalb  nad)  feiner  ^ntb,ronifation  beS  ÄarbinalSloHegium  bureb,  bie  Ernennung 
bon  bierjefm  Äarbinälen,  acf)t  Italienern  unb  fecbS  granpfen;  er  ftellte  in  9xom  unb  ber 
Umgebung,  fo  meit  eS  möglitt)  mar,  bte  bäbftlicbe  Dberl)errfd)aft  mieber  b,er.  dagegen 
fucb,te  er  bie  beutfd)en  3Serf)äItniffe  in  ber  Zerrüttung  ju  erhalten,  in  ber  fie  fieb,  befanben. 
SDa  ber  $lan  aufgetaucht  toar,  J^onrabin,  bem  legten  §obenftaufen,   bie  Ärone  ju  über= 

60  tragen,  fo  erliefe  er  (3.  ^uni  1262)  ©^reiben  an  bie  ^urfürften  bon  Wiain^  J^öln  unb 


ltrtnti  IV.,  fap^t  Urfion  V.,  $ctyft  323 

Ivter,  in  Weidjen  er  unter  SDrofyung  mit  bem  Joanne  beffen  SÜ>aE>l  bcrbot.  Siicfyarb  bon 
ßomWatl  unb  2llbb,on<§  bon  ©aftilien,  bie  beibe  geWäb/lt  Waren,  forberte  er  gur  ©nt= 
Reibung  bor  ben  toäbftlid)en  ©tub/I.  ^toar  gelang  e§  ifnn  1263  fie  jur  Anerkennung 
feinet  ©erid)t3  ju  beftimmen,  $.  18  634;  bod)  mufete  er  am  27.  2luguft  1264  bie  @nt= 
Reibung  Wieber  bertagen,  $.  18931.  @r  fottte  fie  nid)t  mel)r  erleben,  ©eine  £aubt=  5 
Jorge  bitbete  bie  5Racr/t  9JJanfreb<g.  SDiefer  fud)te  ben  ^rieben:  er  erbot  fid)  gur  3af)lung 
einer  fef>r  bebeutenben  ©umme,  um  bie  Anerkennung  be£  bäbftlicfyen  §ofe<B  ju  erlangen; 
aber  bergeblicr/;  er  beWog  Äönig  Qafob  bon  Aragon  ju  griebenSbermittlungen,  aucb,  fie 
fdjeiterten ;  nidjt  minber  bie  Semüb,ungen  23albuin3  bon  ^ntfalem.  ©enn  ber  $abft 
iDoßte  leinen  Rieben:  er  Wollte  ben  Untergang  be§  r/or/cnftaufifcfyen  dürften.  ©e3fyalb  10 
lub  er  ben  .tönig  bor  feinen  9tid)terftub,l,  bannte  tt>n  unb  übertrug  1263  bie  Ärone  bon 
9?eabel  unb  ©ijilien  unter  Abfefyen  bon  bem  älteren  ^ßlane,  ©bmunb,  ben  ©ob,n 
<5einrid)3  III.  bon  ©nglanb  auf  ben  fi^ilifcr/en  %i)xon  %u  ergeben,  bem  ©rafen  Slarl  bon 
Änjou,  ben  er  aud)  in  ber  SBürbe  eine<§  Senator^  bon  Sforn  anerlannte.  ©od)  eb,e  Äart 
in  Italien  eintraf,  ftarb  ber  ^ßabft  in  Perugia  am  2.  DItober  1264.  $ßon  lirc^)Iid)en  ib 
§anblungcn  UrbanS  IV.  ift  nur  bie  allgemeine  @infül)rung  beö  $ronleidmams>fefte<8 
(%.  18 998 f.,  19016)  unb  bie  (Einleitung  jur  Union  mit  ber  gried)ifcf)en  £ird)e  0)3 .  186n.jff. 
18951)  *u  erwähnen.  £aurf. 

Wvian  V.,  ^ßabft,  1362—1370.  —  Bullarium  Romanum,  Taurin.  edit.  33b  4,  1859, 
S.  519  ff. ;    Sfjemev,    Codex  dipl.  dorn,  terap.  s.  sedis,  2.  33b,  9tom  1S62,  @.  403  ff. ;  $offe,  20 
Analecta  Vaticana,  lyttnäbr.  1878,  @.  190f. ;  Lettres  des  papes  d'Avignon  se  rapportant  ä 
la  France,  5.  Urbain  V.    p.  M.  Lecacheux.     1.  Lieferung,    $aiiä  1906;    28ürttembergifd)e 
(4)e|d)id)tCMiueIIen  2.33b,  ©tuttg.  1895,  ©.448 ff.;  4  iöiogvaptjien  bei  ßaluzius,  Vitae  paparum 
Avenionensium  I,  ©.  363 — 423;   ©lasfdjröber  9tQ@  III,  ©.  299;  9tibaneg,    Actes  anciens 
et  documents  concernant  Urbain  V.  pape,  3^ari§  1897;  Mansi  XXVI;  Raynaldus,  Annal.  25 
occles.  t.  XVI;  TOagnan,  Histoire  d'Urbain  V.,  2.  Infi.,  33ari§  1863;  «Reumont,  ©efd).  bei- 
gabt  9tom  II,    Berlin  1867,    @.  937;    ©regoromuä,    ©efd).   ber  ©tabt  9t om  im  "331%  VI4, 
3tuitg.  1893  ©.  398;   ©attenbad),  ©efd).  be§  römtfdjen  $apfttum§;    33aftor,    ®efd)id)te   bei- 
mpfte P,  g-reiburg  1901,  ©.96  ff.;  'ißrou,  Relations  polit.  du  pape  Urbain  V.  avec  les  rois 
•de  France,    93ari§  1888;    ©oud)on,    ®ie    s^Qpftroaf)len    Dort    33onifa^  VIII.    6iö  Urban  VI.,  30 
33nuinfd)roeig  1888,   ©.  66 ff.;  3Benm§£t),  ©efd)id)te  .fönig  farlö  IV.  3.  33b,  gnnäbr.  1892, 
3.  266 ff.;  firfd),  Sie  9?üclte£)r  ber  «ßttpfte  Urban  V.  unb  ©regor  XL,  «ßaberborn  1898. 

Urban  V  war  ber  ©olm  eine«  Sfttteri  ©rimoarbu«,  ber  t)od;betagt  ben  17.Dttober 
1366  ftarb,  unb  Würbe  geboren  ju  ©rifac  in  ©ebauban,  ©iöcefe  Sftenbe.  2Il§  Jüngling 
trat  er  in  ben  Senebiltinerorben,  er  machte  fobann  gelehrte  ©tubien,  rourbe  doctor  35 
decretorum  unb  lefyrte  längere  ßeit  in  SRontbellier  unb  2Ibignon.  ©bäter  würbe  er 
3lbt  im  ©ermanugflofter  ju'SIujerre,  bann  in  ©.  Victor  gu  sJJtarfeille.  6lemen§  VI. 
unb  ^nnocenjVI.  benü^ten  il>n  mel>rfad)  al$  bäbftlid}en  Segaten;  er  befanb  fid;  auf  ber 
9iüdreife  bon  Neapel  al§  er  am  27-  ©ebtember  1362  in  3lbignon  jum  ^3abfte  erh)äl;lt 
tourbe;  am  28.  Dftober  mürbe  bie  3Bab;l  publiziert,  nod;  am  gleiten  %ag,e  erfolgte  bie  40 
3ntb,ronifation,  am  6.  9iobember  bie  Krönung  be§  neuen  ^ßabfteS.  Urban  tbar  ber  bor= 
le^te  ^Jajpft,  roelc^er  in  2lbignon  refibierte,  einer  ber  legten,  ber  fid;  mit  Äreujjutg^ 
gebanfen  trug:  ^peter  bon  Sufignan,  J^önig  bon  Gebern,  follte  bie  abenblänbifdjen  gürften 
ju  einem  föreu^uge  entflammen,  ^ob,ann  bon  granfreid}  güfyrer  be§  3u3eg  derben. 
2)od)  ber  ledere  ftarb  1364  in  englifc|er  ©efangenfd;aft;  $eter  eroberte  jtoar  Sllepnbrten  45 
(11.  Oftober  1365),  aber  ba  er  fid}  nicb,t  berbarg,  ba^  e^  i^»m  unmöglid}  fein  werbe,  bie 
©tabt  ju  r/alten,  gab  er  fie  aläbalb  Wieber  auf;  er  Würbe  1369  ermorbet.  ©en  ^abft 
nahmen  anbere  unb  bringenbere  ©orgen.  aU  bie  um  ba§  9)torgenIanb  in  älnfbrud;.  3n 
Oberitalien  arbeitete  ber  gewalttätige  Sernabo  Visconti  an  ber  Stitöbrettung  feiner  vIRaa)t. 
S§  War  eine  ber  erften  §anblungen  Urban«,  ba^  er  ib,n  am  30.  sJJobember  1362  bor  so 
feinen  3tid)terftuf>l  citierte.  2ll<§  Sernabo  nid;t  erfdjien,  belegte  er  ilm  am  3.  9)£ärj  1363 
mit  bem  33anne  unb  rief  bie  ©laubigen  jum  ^reujjug  Wieber  ben  Räuber  beä  ftrd)licb,en 
©ut3.  2lber  Sernabo  War  nid)t  ber  Sftann  fid)  babureb,  fd)reden  ju  laffen  unb  Urban 
^atte  nidjt  bie  3Rad)t  ib,n  ju  überwinben;  fd)on  im  ^uli  begannen  griebcnäunterfyanb; 
lungen,  bie  noeb,  bor  Ablauf  be§  ^ab.re«  jum  ^rieben  führten.  Urban  erhielt  burd)  ben=  55 
felben  bie  bon  Semabo  befehlen  Staftelle  in  ben  ©iftriften  bon  Bologna  unb  s3)iobena 
unb  in  ber  SRomagna  jurüd,  aber  er  mufete  fiel;  ^ur  2luf Hebung  beS  Sanncs  unb  jur 
S^lung  ber  ungeheuren  ©umme  bon  50i)(jiio  ©olbgulben  berfteb,en.  ©er  ^xkhc  mit 
Semabo  führte  nid}t  jur  Scrufjigung  bc<8  italienifd;cn  Sanbeö;  ©ölbnerbanben  unter 
Sprung    bon    Abenteurern    berfd;icbener   Stationen   plünbertcn   unb   branbfd)al^tcn    bie  60 

21* 


324  Urban  V.,  $n))ft  Urfian  VI.,  ^apft 

ttaltenifc£>en  ©täbte;  ber  ^3a£ft  erlief  am  13.  2fyril  1366  eine  Bannbulle  gegen  fie;  er 
oerfucfyte  eine  Siga  ber  bebrofyten  ©täbte  unb  ©taaten  ju  bilben;  bocb,  olme  biel  (Srfolg: 
e§  mufjte  aud)  fyierburcb  bie  ©inftcbt  ftd?  it/m  aufbrängen,  bafj  bie  Stüäfefyr  nad)  Italien 
geboten  mar.  Sängft  Ratten  bte  Corner  biefelbe  gefordert;  patriotifdje  Italiener  tote 
5  Petrarca  Ratten  bringenb  baju  gemannt,  aud)  ®aifer  &axl  IV  münfcfyte  fie;  fo  entfcfyloft 
fid)  Urban  im  2>ab/re  1366  bte  Sücffef/r  beftimmt  jujufagen.  %vo%  be§  heftigen  2öiber= 
\pxufy§  ber  franjöftfcf/en  Äarbinäle  unb  ber  SBorftettungen  be§  franjöftfcfyen  £>ofe§  t/ielt  er 
fein  33erfyred)en :  am  30.  2lpril  1367  Verliefe  er  Slbignon,  am  19.  9M  fcfjiffte  er  ficb,  in 
SRarfeitte  ein,  am  4.  3"™  fanbete  er  bei  ßorneto;   ^ter  lam  ib,m  ber  SJiann  entgegen, 

10  ber  feit  beinahe  14  ^ten  als  päpftlid)er  Segat  im  ^irdjenftaate  mit  unermüblicber  2lu3= 
bauer  an  ber  SSieberr/erfiettung  ber  pä^ftltcfyen  SJcadjt  gearbeitet  l)atte  unb  bem  aKeS  ge= 
lungen  mar,  maS  unter  ben  augenblicklichen  SSerfyättniffen  ermartet  toerben  lonnte,  ber 
^arbinal  $gtbiu§  Sllbornoj;  getftlicr/e  unb  weltliche  ©rofje  begleiteten  ben  Segaten.  2tm 
Ufer  fyatte  man  einen  2Iltar  errietet,  an  meinem  Urban  abSbalb  nacb,  ber  Sanbung  eine 

15  SEfteffe  lag.  2)a3  ^fingftfeft  feierte  er  in  ßorneto ;  borten  famen  ©efanbte  ber  3tömer, 
um  bem  ^apfte  als  bem  §errn  ber  ©tabt  bie  ©cfylüffel  ber  ©ngelSburg  ^u  überbringen. 
9lur  langfam  näherte  er  ftcb,  9tom,  am  9.  Qunt  lam  er  nad)  Siierbo,  erft  am  16.  Dftober 
§og  er  in  S^oin  ein.  3lm  30.  Dftober  würbe  jum  erftenmale  mieber  feit  bem  £obe 
SBomfaj'  VIII.  „am  Ijocbaltar  ber  $eter3fird)e  9)teffe  gelefen.    ©cfyon  efye  Urban  in  9tom 

20  eintraf,  mar  StgibiuS  Sübornos  geftorben  (24.  2luguft),  für  ben  Sßapft  ein  unerfe£= 
lieber  SSerluft.  @S  gelang  tfym  benn  aud)  ntd)t,  bie  Angelegenheiten  Italiens  ju  orbnen. 
3)a3  33erb,ältmS  §u  Sernabo  blieb  unficfyer;  bie  ©tabt  Perugia  empörte  ftcb,  (1369), 
mufjte  mit  bem  tarnte  belegt  unb  fonnte  nur  burd)  ©emalt  bedungen  merben.  ©ie 
glänjenben  Slufjüge,  bie  ftd)  an  ben  Skfucb,  ber,  Königin  S^arrna  öon  Neapel  in  9}om, 

25  mie  an  ben  ^aifer  kaxU  IV.,  boEenbS  an  ben  Übertritt  beS  orientalifd)en  ÄaiferS  3°^nn 
^SaläoIoguS  gur  römifcfyen  $ird)e  (18.  Dftober  1369)  fnüpften,  fonnten  faum  barüber 
tauften,  bafs  ber  gmeef  ber  9tücffebr  toerfeb/lt  mar;  Urban  bebeutete  in  9lom  nia)t  mel)r 
als  in  2tbignon.  SRan  begreift,  bafj  ber  ©ebanfe  nad)  2lbignon  jurüctjufeb.ren  in  ber 
©eele  be<§  $a|3fte§  auftauchte,  unter  bem  ^Drängen   ber  fran^bfifcb.en  ^arbinäle  reifte  ber 

so  ©ebanle  jum  (SntfdEjIujß.  Sergeblicl;  toarnte  bie  b,l.  Sirgitta:  fie  tooHte  eine  Offenbarung 
empfangen  fyaben,  Urban  merbe  fterben,  menn  er  fio)  mieber  nacb,  Stoignon  begebe; 
bergeblicb,  befcf)tooren  bie  Körner  ben  ^apft  ju  bleiben;  am  5.  ©eptember  1370  fc|iffte 
er  ftcb,  mieber  in  ßorneto  ein,  am  16.  lanbete  er  in  SDkrfeide,  bereits  am  24.  befanb  er 
fid?  mieber  im  pctyftücf/en  ^alafte  ju  Slbignon.    Slber  feine  3e^   ^^  abgelaufen,    am 

35  19.  ©e^ember  1370  ift  er  geftorben;  feinem  SBiUen  gemä^  mürbe  fein  £eio)nam  naa) 
©.  aSictor  in  SRarfeiHe  gebracht. 

Urban  fyatte  ein  ©efüb,l  für  bie  s$flicb,ten  be§  päpftlid)en  3lmte§,  baS  geigt  feine 
Siücffebj  naa)  9iom,  aueb,  feine  mieberb,oIten  ©rflärungen  gegen  fircr/Iicfye  SRifebräuc^e,  bte 
©intonie,  bie  Bereinigung  ja^Ireid^er  ^Pfrünben  in  einer  §anb  u.  bgl.    2lber  er  mar  fein 

40  bebeutenber  SRann,  er  t>ermodE)te  mob.1  nad)  3f{om  jurücfjufe^ren,  aber  er  »ermocb,te  nic^t 
biefen  ©cfyritt  ju  einem  epocb,emac|)enben  ©retgnis  ju  machen;  beäb,alb  mar  er  im  ftanbe 
i^n  jurücfjut^un  unb  babureb,  feine  eigene  mertboHe  %I)at  felbft  au^jutilgen.  Urban  t)<xt 
biel  gebaut,  in  91  om  am  Sateran,  in  ©.  ^3eter  unb  ©.  'jßaul,  in  3l»ignon  befonberS  am 
päpftlicfyen   ^3alaft.     ^n   3[Rontpeßier  grünbete  er    ein   Kollegium    für  gVüölf  3Jtebigin= 

45  ftubierenbe.  ^autf. 

Urban  VI.,  $apft  1378—1389.  —  Bullar.  Eoman.,  ed.  Taurinens.  Sb  IV,  1859, 
©,  580 — 601;  Theodorici  de  Nyem,  De  schismate  libri  III,  rec.  ©.  ©rler,  ßeipjtg  1890; 
Vitae  Gregorii  XI  et  Clementis  VII  bei  Baluzius,  Vit.  pap.  Avenion.;  Mansi,  Coli, 
conc.    XXVI;     ißaftor ,    Urtgebrucfte    Sllten,    fjreiburg    1904,    @.  6;    Kaynaldus,    Annal. 

soeccles.  XVII;  ^fteumont,  ®efd).  ber  ©tabt  SRom  II,  SBerltn  1867,  <B.  1015;  ©regoro»iu§, 
®efd).  ber  ©tobt  «Rom  im  «UM  VI4,  ©tuttg.  1893,  ©.  481;  SSattenbacf),  ©efd).  be§  rötn. 
$apfttum§;  «ßaftor,  ®efd).  ber  ^öpfte  P,  gretburg  1901,  @.  115 ff.;  Stnbner,  8S®  III, 
©.  409 ff.;  $efele,  S®.  VI2,  g-reib.  1890,  ©.  728 ff.;  Creighton,  A  History  of  the  Papacy  I, 
Sonbon  1882,  ©.  55 ff.;  Gayet,  Le  grand  schisme  d'Occident  I,  Berlin  1889;    Valois,    La 

55  France  et  le  grand  schisme  I,  ißari§  1896;  ©omfjon,  ®ie  Sßaöfitoafjlen  üon  Sonifag  VIII.  6i§ 
Urban  VI.,  «Braunf d)it)etg  1888,  ©.81  ff.;  3af)r,  ®ie  SSa^I  UrbanS  VI.,  §aUe  1892;  Sltemefc* 
rieber,  ®a§  ©eneralfongif,  spaberb.  1904,  @.  1  ff. 

■iftacr;  bem  2;obe  ©regor§  XI.  entfianb  in  9?om  bie  ntd)t  unbegrünbete  Seforgnte,  e§ 

möge  %u  einer  3tücft>erlegung   be§  päpftltdjcn  ©t|e§  nacb,  2Ibignon  fommen.    ®a§  Sßolf 

60  mar  entfct/loffen ,    baö    ju    üerb,tnbern   unb   bie  2Sab,I   eines  9tömer§   ober   menigftenS 


ltrtion  VI.,  $atft  325 

Italieners  ju  erjtomgcn.  SMc  ^arbinälc  aber,  jum  größten  2eile  gran^ofen,  toaren  un= 
einig :  bic  Simufiner  toünfcfyten  einen  ber  ^^ren,  bem  hnberfirebten  bie  übrigen  franjöfifd&en 
tote  bie  nic^tfranäöfifd^en  ßarbinäle.  SttS  bie  Söäfyler  am  2lbenb  beS  7  2Ibril  1378  ficr) 
jur  Üöab)l  berfammelten,  festen  eS,  ba|  ein  langet  5bnflabe  %u  ermarten  fei:  9ciemanb 
tonnte  nocf>  abfegen,  toen  bie  üöaljl  fcr)Iiepcr)  treffen  toerbe.  ©erabe  bie  Unficr)erf?eit  beS  s 
siuSgangS  aber  fteigerte  bie  Aufregung  in  ber  ©tabt;  fct)on  am  Slbenb  beS  7.,  bann  im 
Saufe  beS  8.  2lbril  lam  eS  jju  tumultarifct)en  ©cenen:  man  forberte  ftürmifer),  bafj  ein 
Italiener  getoäfylt  toerbe;  bie  Harbinäle  fal)en,  bafj  Söiberftanb  gegen  ben  Sßilten  beS 
Golfes  gum  ©cfjlimmften  führen  mürbe,  ©o  entfdjloffen  fie  fid)  benn,  ifjre  ©timmen 
einem  Italiener  %u  geben,  Bartholomäus  ^rignano,  @r;;bifcr)of  bon  Sari;  er  nafym  ben  w 
tarnen  Urban  VI.  an.  @r  mar  in  -Jceabel  um  1318  geboren;  feiner  fanoniftifer/en 
Selefyrfamfeit  berbanlte  er  fein  ©mborlommen  am  £ofe  ju  2lbignon,  ©regor  XI.  gab 
Wjm  baS  unbebeutenbe  ©rjbiStum  Stcerenja,  1377  er|ielt  er  baS  reifere  bon  23ari;  er 
tourbe  gerühmt  als  geinb  ber  ©imonie,  als  bebaut  auf  $eufct)I)eit  unb  ©erecljtigfeü;  aber 
er  toar  fyeifjblütig  unb  jäb^ornig,  ftarrfinnig  bis  jum  2öab,nfinn  unb  bodb,  ju  beeinfluffen  15 
bon  Seuten,  bie  ifym  fdjmeid^elten,  ofyne,  jeben  gunfen  Don  Sllugr/eit  unb  jugleicb,  über= 
jeugt,  bafj  er  allein  alte§  berfter)e;  fein  2tuf$ereS  tt>ar  toenig  imbonierenb,  er  toirb  ge= 
Gilbert  als  ein  unterfe|ter,  ettoaS  beleibter  9Jknn,  bon  gelbbrauner  ©eftct)tSfarbe.  ©eine 
Sage  forberte  Mugfyeit;  benn  bie  ©iltigfeit  feiner  2öab)l  fonnte  angefochten  toerben;  mar 
fie  boa)  erfolgt  unter  bem  ©inbrucE  ber  35ror)ungen  be§  SSoIfeS.  ßunäcfyft  jeboer)  fdnen  20 
aßeS  fiel)  ju  fügen;  Urban  mürbe  am  9.  2IbriI  intbronifiert,  am  18.  gelrönt,  ofyne  bafj 
einer  ber  Äarbinäle  bie  9?ecf)tmäf5igfeit  ber  2Sal)I  in  gtoeifel  gebogen  I)ätte,  aud)  baS 
römtfcfye  SSoll  mar  befriebigt.  2tKein  Urban  blatte  baS  Talent  jebermann  ju  beriefen 
unb  bon  ficr)  ju  flogen;  ber  -Kann,  ber  eben  noef)  ein  Heiner  drjbifdmf  getoefen  toar, 
trat  ben  ^arbinälen  l)errifct)  unb  fcfyroff  gegenüber;  er  tabelte  offenbare  20ttf$bräucr)e,  aber  25 
er  tb,at  eS  in  einer  Söeife,  bie  tränten  follte;  toie  fein  Stuftreten,  fo  erregten  feine  2lb= 
fielen  Söiberfbruc^:  er  tooßte  reformieren,  baS  $abfttum  aus  ber  2lbl)ängigteit  bon  granl= 
reiä)  befreien,  im  ^arbinalstoltegium  baS  Übergetoictjt  ber  granjofen  befeitigen;  bie 
$olgc  toar,  bafj  baS  35er^ältni§  gtoifct)en  Urban  unb  ben  ^arbinälen  balb  fo  fct)Iect)t 
tourbe  aU  möglieb,,  fie  fbracfyen  bon  il)m  aU  einem  35errü<ften  unb  er  fufyr  fie  an  al§  so 
9JJemeibige  unb  Verräter.   ©0  ftanben  bie  SDinge  bereits  toenige  äöoe^en  naef)  ber  SSab^L 

Um  bie  §i^e  ber  ©tabt  ju  bermeiben,  berliefjen  bie  äarbinäle  bei  beginn  be<§ 
Sommert  S^om;  bie  frangöftfe^en  begaben  fict;  nacb,  2lnagni,  f)ier  tourbe  bie  ©mbörung 
gegen  Urban  befcfyloffen.  ^n  einer  am  9.  Stuguft  an  alle  <5brtftgläu6igert  erlaffenen 
Defloration  erllärten  fie  ben  aboftolifc^en  ©tubj  für  erlebigt,  bie  Social  UrbanS  für  35 
erjtoungen  unb  ungiltig,  iljm  felbft  für  einen  ©inbrtngling  unb  Slnttc^rift.  Urban  fcanbelte 
einmal  in  feinem  Seben  berftänbig,  inbem  er  fic§  erbot,  bie  iWecbtmäfjigfeit  feiner  9Bab,I 
ber  Prüfung  buref)  ein  ^onjil  gu  unterfteKen ;  feine  ©egner  lehnten  e§  ab.  3Son 
3lnagni  begaben  fie  fid^  naef  gonbi  unb  §ier  tourbe  bon  iljmen  am  20.  ©ebtember 
1378  ber  äarbinal  Stöbert  bon  ©enf  jum  ^3abfte  getoä^It.  ®amit  begann  baS  gro^e  40 
ScbiSma. 

Sßßer  ficr)  im  9tect)te  befanb,  lann  faum  eine  $rage  fein-  ®ie  Sebenlen,  toelc^e  gegen 
Urbans  2BabI  borlagen,  toaren  buref;  bie  Äarbinäle  felbft  entkräftet,  inbem  fie  ibn  ein 
isterteljaf)r  lang  als  recbtmäfjigen  ^ßabft  anerkannten,  ^b^r  SlbfaH  fann  nur  als  @m= 
Körung  gegen  ben  rechtmäßigen  $atoft  angefeb^en  toerben;  t^r  $abft,  er  nannte  fiel;  45 
ElemenS  VII.,  toar  ein  ©inbringling.  ©oefe  toar  bie  Sage  für  iljm  §unäcbjt  toeit  günftiger 
als  für  Urban ;  er  toar  ein  9ttann  in  ben  beften  $al)ren,  geborte  einer  reichen  unb  mächtigen 
Familie  an,  toar  talentboll  unb  berebt,  burcr;  ben  33ergleicb  mit  UrbanS  toenig  an^ieb^enber 
$erfönlid;feit  !onnte  er  nur  getoinnen,  auf  feiner  ©eite  ftanben  bie  üarbinäle  mit  2tuSnaI)me 
öon  bier  Italienern,  aufy  ^jofyanna  bon  9ieabel,  bie  bon  Urban  gefränft  toar,  erfannte  50 
ibn  fofort  an,  baS  gleiche  gefct/al)  bon  granlreid;  unb  naef;  unb  naef;  bon  ©cf)ottlanb, 
Sabo^en,  Gafiilien,  Slragon,  sJiabarra,  £otb ringen.  2lber  Urban  toid)  rttebt;  ba  alle 
ßarbinäle  ibn  berlaffen  Ratten  —  bie  Italiener  bietten  fieb  neutral  — ,  fo  ernannte  er  eine 
9rofec  3abl  neuer  £arbinäle;  in  Italien  ftü^ten  ib^n  bie  ^eilige  beS  SSoIleS,  ^atfjartna  bon 
Stena,  unb  bie  Xoct;ter  ber  fcf/toebifcr)en  Sirgitta,  gleichfalls  üatb^arina  gebeten ;  $arl  IV  bs 
unb  ber  größte  Xcil  S)eutfcf)IanbS,  ©nglanb  unb  bie  nörblicbert  unb  bie  öftli^en  Sänber 
fingen  ib^m  an. 

Ter  ftambf  ber  beiben  ©egner  berührte  junäd;ft  9ieabel;  borten  batte  ftd)  (Siemens  VII. 
begeben,  nadjbem  eS  Urban  gelungen  toar,  fiel;  ber  ©ngelsburg  ju  bemächtigen  unb  ba= 
burü)   boEftänbig   §crr   in  9(om   ju   toerben.     Slber  baS   neabolitanifd'c  i^olf  toar  bem  60 


326  ltrban  VI.,  ^atft  Urban  VIII.,  ^apft 

fremben  Vatofte  menig  geneigt;  fo  entfcfylofe  er  fid),  aus  Italien  ju  meieren,  im  9M 
fd;iffte  er  fid)  ein,  um  feinen  ©uj  in  2lbignon  auf juf plagen,  am  10.  ^uni  lanbete  er  in 
SRarfeillc,  mit  greuben  empfingen  tyn  bie  einft  in  2lbignon  jurüdgebltebenen  Äarbinäle. 
2Bäf>renb  beffen  fuct/te  Königin  $of;anna  ifyren  ^rieben  mit  llrban  ju  machen,  biefer  aber 
6  mottle  nicf/t  Untermerfung ,  fonbern  Vernichtung  ber  Königin,  er  belegte  fie  mit  bem 
Sßanne,  erflärte  fie  bes  Steiclts  bcrluftig,  auf  feinen  2lnla|  erlmb  ber  §erjog  Äarl  bon 
©urajjo,  ber  @rbe  3Rea^eIö,  bie  galme  ber  ©mbbrung;  in  Korn  empfing  er  bie  ürone 
bon  ^erufalem  unb  ©i§ilten  aus  ber  §anb  bes  Vabftes,  als  Üreu^ug  füllte  fein  gug 
gegen  Neapel   betrachtet  werben.    ®as  Unternehmen   gelang:    &arl   mar  fiegreid;,    bie 

io  Königin  felbft  geriet  in  feine  ©eroalt,  er  freute  ftd)  nicfyt  fie  ermorben  %u  laffen.  Slua) 
ber  bon  (Siemens  VII.  unterführte  §erjog  Subroig  bon  Slnjou,  ben  g^anna  §unt  @rben 
ernannt  blatte,  bermocfyte  leine  Söenbung  fyerbeigufüfyren ;  bas  ftarle  §eer,  mit  bem  er  in 
Italien  erfdnen,  löfte  fid;  auf,  ofme  bafe  es  ^u  einer  entfd;eibenben  ©d;laa;t  gefomtnen 
märe;  Subroig  felbft  ftarb  im  £>erbfie  1384.    ®ie  Verbinbung  Urbans  unb  &arls  fcb,ien 

i5  bem  Vabfte  ben  größten  Vorteil  ju  bringen.  ©od;  rourbe  gerabe  fie  ilmt  berberblicfy. 
©er  $ajjfi,  ber  ftd;  nad;  9?eabel  begeben  blatte,  entzweite  ftd;  mit  bem  $önig ;  mit  9ied;t 
ober  Unrecht  mar  er  ber  Überzeugung,  bafe  eine  Slnjaf)!  Äarbinäle  mit  bem  Könige  fid; 
berbunben  Ratten,  um  feine  2lbfe|ung  fyerbei^ufür/ren;  er  liefe  fie  gefangenfe^en  unb 
foltern,    oljme  bod;  ein  ©eftänbnis   bon    ilmen   erbreffen   gu   fönnen.    ©as  gefdjal;  in 

2u  9iocera,  roo  Urban  fid;  auffielt,  bon  l)ier  aus  berfyängte  er  ben  SBann  über  $arl,  bas 
Qnterbift  über  9ieabel;  l)ier  liefe  il)n  ®arl  belagern,  er  fettfe  einen  Vreis  auf  ben  $obf 
bes  Vabftes.  Slber  ber  ©tarrftnn  tlrbans  rourbe  baburd;  nid)t  gebeugt,  Stag  für  1Eag 
bertunbigte  er  bon  einem  genfier  bes  S?afteUs  E>era6  ben  glucb,  über  bas  feinblicfye  §eer. 
(Snblid;  im  3>uli  mürbe  er  befreit;   er  begab  fid;  nad;  ©enua,  unterwegs  mar  er  in  ©e= 

26  faf)r,  bon  feinen  ^Befreiern  gefangen  genommen  unb  an  (Siemens  VII.  ausgeliefert  ^u 
merben.  3n  ©enua  l)ielt  er  fid;  bis  jum  ©ejember  1386  auf ;  el>e  er  bie  ©tabt  berliefe, 
liefe  er  fünf  bon  ben  bellagten  äarbinälen  umbringen,  man  er^lte  fid;,  fie  feien  im 
©efängnis  erbroffelt,  bie  Seidjmame  in  einem  ^ferbeftaü  berfcfyarrt  roorben.  ®em  Volle 
graute   bor   bem   blutigen  Vabft,  bie  $aljl   feiner  Anhänger  aber  fcfmiol^  infolge  foldjer 

30  2;i>aten  mein-  unb  meb/r  jufammen.  Von  ©enua  begab  er  fid;  naä}  Succa;  bann  nad; 
Perugia.  (Sr  mar  mieber  ganj  bon  ben  neabolttanifd;en  Angelegenheiten  erfüllt.  Äarl 
bon  ©ura^o  mar  1386  in  Ungarn  ermorbet  morben;  für  gruet  Knaben,  ^arls  ©olm 
Sabislaus,  unb  jenes  Subroig  bon  2lnjou  ©ol)n  Submig,  fämpften  bie  Parteien,  Urban 
aber  meinte  bie  $eit  gefommen,  bie  ^)äbftlid;e  3Rad;t  in  Neapel  für  immer  ju  feftigen, 

36  er  blante  einen  3^9  ™fy  bem  Äönigreid; ;  bie  <5a<$)e  fd;eiterte  baran,  bafe  er  rttct)t  ber= 
mochte,  fein  §eer  jufammenjuf)alten.  Qm  Df tober  io88  mufete  er  nad;  5Rom  jurüd= 
teuren.  2luf  b^od;fliegenbe  ^iläne  b^at  er  feitbem  beratet,  man  meife  nur  bon  etlichen 
Iird)lid;en  Vorfd;riften,  bie  er  erliefe:  bafe  er  je  bas  33.  %at)v  jutn  ^ubeljab^r  beftimmte, 
bas   geft    33iartä   §eimfudmng    anorbnete.      2lm    15.  Dltober   1389    ift    er    geftorben. 

40  Urban  VI.  ift  nid;t  olme  5Ritfd;ulb  am  3lusbrud;  bes  ©d)ismas,  obwohl  er  ben  Starbi= 
nälen  gegenüber  im  Steckte  mar;  benn  feine  ©emaltfamfeit  brängte  fie  ^ur  @mbörung; 
fie  machte  aud;  fein  fbäteres  ^ontififat  fo  unl^eilboll,  mie  bie  Regierung  laum  eines 
^meiten  ^atoftes;  bod;  ift  fie  bielleid;t  cntfdndbbar :  man  fann  fid;  bes  ©inbruds  nia)t 
ermef;ren,  bafe  ber  ©tarrfinn  unb  bie  £eibenfd;aftlid;Ieit  bes  bon  §aufe  aus  tüchtigen 

45  3Jiannes  Iranfb^aft  ausgeartet  maren.  $aud. 

Hrftan  VII.,  jum  ^ßabfte  gemäht  ben  15.  ©ebtember  1590,  ftarb  fd;on  am  12.  ^Eage 
natyfcx.    @r  t)iefe  Qol).  33apt.  Saftagna  unb  mar  1521  in  Sfom  geboren;   feine  gamilie 
flammte  aus  ©enua.    Ideo  raptus  est,   fagt  ©arbi  bon   ib^m,    ne   malitia   mutaret 
intellectum  ejus.     9Zäl)eres  f.  bei  9Jioroni,  Dizionario,  vol.  86,  p.  36—41. 
eo  Sentotf). 

Itrbon  VIII.,  ^abft  bon  1623—1644.  —  Sitteratur:  SOJoroni,  Dizionario, 
vol.  S6,  p.  41—73;  ÜJicoletti,  Vita  di  Papa  Uibano  VIII.  e  storia  del  suo  Poritificato, 
banbfcbriftüd)  in  ber  a3ibüot^e£  Sarbenni  in  9iom,  8  sBöe,  „fovmlog  unb  fd)Ied)t  gefciirieben", 
aber  öon  SSSert,  weil  tnefentltdi  cuiv  einer  Sompilation  Bon  9?untiQiuvbepefd)en  befteljenb,  ufll. 
55  flionfe,  mm.  $äpfte  III,  9lnaleften  ©•  158;  für  bie  geh  biö  1623  ug(.  ben  4.  (grgänäung8=) 
Seil  ^u  ^latinaä  ^apftleben,  ital.,  Venezia  1705,  ©.  329 ff.;  Siaconiuä,  Vitae  Pontt.  Rom., 
ab  Oldonio  rec.  t.  III,  ßomae  1677;  SavoäjuSSerdjet,  Eelazione  I,  Venezia  1877;  SBrnfd), 
©efd).  b.  firdienftcwte  I,  1880.  Sie  grage  nad)  ll.ö  Stellung  im  :J()jäf)v.  Sriege  bebanbelt 
auf  ©runb  t)anbfct)riftl.  WaterialS:    föreguroinuä,    U-  III.   im  SSiberfprud)   ju  (Spanien  unb 


Urion  VIII.,  ^ovft  327 

',um  ttoifer,  1N7Ü;  baju  og(.  <|äieyer,  £>ift.  Mit.  ÜU.  94,  471  ff.;  $alf,  ebb.  120,  23Sff.;  (£l)fee, 
$apft  11.  VIII.  unb  ©uftci»  Slbolf  (£3(45(4)  XI,  1895,  336  ff.);  £>.  Mopp,  3)er  30jftf)r.  Krieg  III, 
1  u.  2  (IS!).") f.);  Wuntiaturfierr.  cmS  ®eutfd)Iaitb  IV,  1,  2,  ed.  tietmüng  (1895,  97). 

Urban  VIII.,  9Jcaffeo  33arberini  au3  ^lorenj,  geboren  1568,  trat  unter  Seitung 
feinet  Dr/eimS,  roefcfyer  Ißrotonotar  an  ber  iturie  mar,  früfje  in  bie  lird}lid)e  Saufbalm  5 
ein.  ©irhisV  machte  tfjrt  mit  19  %at)xm  gum  9teferenbario  betla  ©iufttjta,  ©regor  XIV 
bann  311m  ©obernatore  bon  $ano,  roo  er  rüä'fidjitSloS  unb  erfolgreich  bemüht  mar,  bie 
Crbnung  b^ufteßen  unb  ju  erb/alten.  ®en  jum  ^rotonotar  ©mannten  fanbte  ©lernend  VIII. 
al»  9luntiu§  an  ben  franjöfifdjen  §of,  roo  er  bei  ber  Saufe  be§  ^ringen  Subtotg  (XIII.) 
©etoatter  ftanb  unb  jum  fetten  9Me  in  gleicher  ©igenfcfyaft  bon  ^ßaul  V  gefanbt  er=  10 
fd)ien,  um  bann  1605  bie  SlarbinalSroürbe  ju  erlangen  unb  bie  Segation  bon  Bologna 
nt  übernehmen.  Unter  Seitung  jefuitifcfjer  £e|rer  im  Collegio  Romano,  befonberS  burd) 
ÜlureliuS  UrfuS,  borgebilbet,  geigte  er  ftets  Vorliebe  für  bie  Sitteratur,  berfafete  aud; 
fclber  lateinifcfye  ©ebid)te,  jum  Seil  in  ©eftalt  bon  ^arapfyrafen  ju  ^falmen  unb  biblifcfyen 
Sbrücfyen  in  fyoragifdjen  SJietren,  jum  Seil  aud)  felbfiftänbige  Rinnen  auf  9Jcaria,  15 
(S^riftuö  u.  a.  ©iefe  ©ebidjte  finb  mefyrfact;  gebrueft.  ,ßu  Anfang  feinet  ^ontifiraieS 
ftiftete  er  ben  Drben  bon  ber  unbefleckten  9JJaria,  boKjog  bie  ^anonifation  beS  Qgnatiu^ 
bon  Sobola,  granciScu«?  Xaberiu§,  211.  ©onjaga  unb  be<§  $tlibbo  9ieri,  foroie  einiger 
tfyeattner.  33alb  aber  mürbe  fein  ^ntereffe  gänjlicr)  bon  ber  großen  ^ßoliti!  abforbiert. 
Scfyon  baburebj,  baf?  bie  21  $ai)re  feines  ^ontifilate§  jroei  drittel  beS  „großen  ftriegeS"  20 
beden,  ift  e£  gegeben,  bafs  bas>  r)autotfäcr)ltcr)fte  fird)engefd)id)tlid)e  ^ntereffe,  roeldjeS  biefer 
$abft  erregt,  ftd)  auf  feine  ©tettung  in  unb  jum  30jäl)rtgen  Kriege  begießt.  Unb  biefe 
Stellung  toar  merfroürbtg  genug.  2öäl)renb  „bie  beiben  Sßätofte,  toeldje  bie  erften  fünf 
3ab,re  be§  Krieges  erlebten,  $aul  V  unb  ©regor  XV.,  ib)n  burdjaus»  als»  eine  2Ingelegen= 
beit  ber  eurobätfd)en  tatr/olifcfyen  9teftauration  aufgefaßt  unb  ben  $aifer  bereitroißtg  mit  25 
gciftlicfyen  unb  toeltlicf)en  Mitteln  unterftü|t  fjatten,  mar  bie  Haltung  UrbanS  bieje,  bafj 
er  ba§  latfyolifcfje  $rinjib  jenes>  Krieges  berleugnete  unb  fallen  lief?  unb  nur  bie  bolitifcfye 
9Jlad;tfrage  aU  beffen  Seroeggrunb  anerlennen  wollte"  (©regorobiuS,  Urban  VIII.,  ©.  7). 
9Uit  @ntfcr)iebenr)  eit  trat  übrigens  biefe  ©teltung  be§  ^ßabfteS,  roeldje  t^n  in  fteter  ©egner= 
fcfiaft  ju  ©banien  unb  jum  Haifer  l)ielt,  erft  bei  Gelegenheit  ber  mantuanifcb,en  ©bifobe  30 
beg  ©rofeen  Krieges  ju  Sage.  Urban  VIII.  begünftigte  nämlid),  nad^bem  er  1626  bag 
§erjogtum  Urbino  al§  anfaUenbe§  fielen  annektiert  f)atte,  bei  bem  2Iu§fterben  ber  ©onjaga 
ih?Kantua  1627  bie  33efi|nafyme  biefe§  §erjogtum§  burd)  ben  erbberechtigten  franjöfifd^en 
3ir>eig  ber  gamilie  (Gebers)  au§  bem  ©runbe,  um  ben  Iaiferlid)=fbanifd}en  o^neb^in  in 
?Jeabel  lonfolibierten  ©influfs  nid)t  ju  abfoluter  §errfct;aft  in  ganj  Italien  fid)  ermeitern  35 
ju  feb,en.  ^aiferlid^e  Srubben  befehlen  barauf^in  5[Rantua  gemaltfam  unb  bertrieben  bie 
Gebers;  ja  e§  fcfyien  faft,  als  ob  aud)  ein  Reiter  „saeco  di  Roma"  burd)  biefe  Srubben 
erfolgen  toerbe.  @rft  im  Slegengburger  ^rieben  (1630),  roo  gerbinanb  II.,  bem  ©rängen 
ber  einen  fyab^burgifcr^militärtfcrjen  2IbfolutiSmu§  befürd)tenben  fat^olifcb.en  gürften  ©eutfeb,; 
lanb§  naebgebenb,  SBaHenftein  abfetjte,  toarb  aud)  bie  2Biebereinfe|ung  ber  92eber§  be=  40 
fdiloffen.  2öenn  bon  biefem  ^rieben  an  ber  Stücfgang  ber  Iaiferlid)en  2Rad)t  unb  im 
©runbe  aud)  ber  ber  tatb^olifcfyen  Steftauration  batiert,  fo  ift  bieg  ju  nid)t  geringem  Seile 
eben  ber  ^olitil,  meldte  Urban  VIII.  einfd)lug,  jujufd^reiben.  ®ie  ©orge,  bajj  bei  bem 
Btoiefbalt  jmifd)en  ben  großen  fat^olifdjen  ?Öiäcr;ten  bie  ©ct/meben  unb  mit  ib,nen  ber 
$roteftantigmu<8  in  ®eutfd)Ianb  eine  altju  günftige  ©teßung  geroinnen  möchte,  festen  ib,n  45 
toeniger  ju  brücfen  aU  bie  ^uxdjt,  ben  Äaifer  jum  abfoluten  §errfcb,er  bie§feit§  unb  bann 
aueb,  jenfeitg  ber  2llbcn  merben  ju  fet)en.  ©egen  jene  lonnte  er,  roo  e§  ©rfolg  berfbrad),  immer 
tbieber  ^ranfreidjg  ©etoid)t  in  bie  2öagfd)ale  bringen  unb  b,ai  bieg  aueb,  meb^rfaef)  getb,an 
—  gegen  bie  Übermalt  be§  ßaiferS  roürbe  aueb,  ber  5ßabft  unb  Italien  fd)u^lo§  gemefen 
fein,  gafet  man  biefe  Momente  ins  2Iuge,  fo  ioirb  Urbanä  feb^manfenbe  ^olitif  erllär=  so 
lieb,  ©afe  fie  ib/n  brinjibicll  an  ber  allerfcfyärfften  ©egenfteüung  gegen  bie  ^roteftanten 
unb  ibje  <Baty  ntdjt  ge|inbert  t/at,  bemeift  fein  burd)  Sßrof.  Dbel  in  $alle  auä  bem 
Sßiener  ©taat§ard;ib  an  ben  Sag  gebrachtes  Srebe  an  gerbinanb  II.  bom  28.  ^uni  1631, 
in  toeldjem  er  über  bie  ^erftörung  SDiagbeburgS  burd)  Sill^  frob^lodt  unb  bem  ßaifer 
®lüd  münfd}t  (abgebrueft  im  „®eutfcl)en  3Jcerlur"  1884  9ir.  29).  Safe  ber  ^5abft  bann  65 
Gnbe  K333,  als  er  bie  9cad)rid)t  bon  bem  Sobe  ©uftab  SlbolfS  erhielt,  laut  jubelte,  ift 
erllärlid)  unb  mirb  bon  SJicoletti  V,  c.  5  (f.  unten)  burdj  Mitteilung  eineS  Briefes  bcö 
fiarbmalö  S3arbcrini  an  ben  9tuntius  33id)i  beftättgt,  ioo  eS  Reifet:  „SlUr  l)aben  fixere 
N)?ad)rtdjt  über  ©uftabS  Sob ;  mit  roeldjem  ^ubcl  ©e.  ,fjcilig!eit  biefelbe  entgegengenommen 
bat,  fönnen  fie  fid)  benfen  —  ift  bod;  jc^t  bie  tod;lange  bcrnid;tet,  bie   mit  ibrem  ©ift  »< 


328  Urion  V11I.,  ^utft  Urim 

bie  ganje  Sßelt  ju  berberben  fucfyte"  (bei  ©regorobiuS  a.  a.  D.  ©.  155).  SlngeficfytS 
biefer  Betben  ®aten  Wirb  man  nid)t  im  $WeifeI  barüber  fein,  inwieweit  bie  SBefdmIbigungen 
beS  $rimaS  bon  Ungarn,  ^ßagmanr/,  ber  als  fatferlid)er  ©efanbter  fruchtlos  mit  Urban 
unterfyanbelt  blatte,  begrünbet  Waren:  ber  $abft  fei  f  eiber  auf  ©eite  ber  $e£er,  freue  fidj 
5  über  ifyre  gortfcr/ritte  unb  benutze  fie  gern  für  feine  ©cfyauielbolitil  (bgl.  2H.  6ontarini, 
Rel.  della  Corte  di  Roma  bei  33aro^i=33erd}et  I,  376).  $DaS  legiere  blatte  freilid; 
guten  ©runb  unb  mürbe  aufs  neue  baburd)  beftätigt,  bafj,  als  nacr)  bem  Sobe  2Saßen= 
fteinS  baS  ©lud  ficr)  Wieber  ben  fatferlicr/en  SBaffen  jujuneigen  unb  9tid)elieu  nun  ben 
Pan  ins  SBerl  %a  feiert  begann,  mittete  ber  fcfywebifcf/sfranjöfifcr/en  Slllianjs  SDeutfdrtanb 
io  nieberju^alten  unb  bie  ©panier  aus  ben  9fteberlanben   foWte  aus  9Jcailanb  ju  bertreiben 

—  bafj  ba  Urban  fioax  ntd^t  ber  2lHianj   beitrat,   aber  in  ber  öffentlichen  Meinung  als 
Segünftiger  berfelben  unb  als  ©egner  bon  £abSburg=©banien  weiter  galt. 

©eine  ^fyätigfeit  in  ben  engeren  ©renken  feinet  ©taateS  mar  eine  lebhafte.  @r  ift 
ber  Ie|ie  $abft  gemefen,   melier  ben  ®ird;enftaat  nod)  fyat   erweitern  lönnen  unb  jtoar 

15  burd)  bie  ©inberleibung  bon  Urbino.  ®ann  f>at  er  für  bie  Sefeftigung  ber  Weitgeftredten 
Sänber  grofje  ©ummen  ausgegeben,  freilief;  ofme  feinen  3^ed  gu  erreichen.  3ln  ber 
nörblicfyen  ©ren^e  ber  Segation  ^Bologna  erbaute  er  baS  grof$e  gort  Urbano  (ßaftelfranco) 
gegen  ben  §erjog  bon  SDcantua,  bielleicr)t  aud)  als  Zwingburg  gegen  bie  unruhigen 
iöolognefen  felbft.    $n  Stom  befeftigte  er  baS  £afteü  ©.  2lngeIo  unb   jog  neue  sJJiauer= 

20  ftreden  mit  Söafiionen ,  legte  audj  unter  ber  batif anifcr/en  iöibliotfyel  ein  umfangreiches 
2Baffenbebot  an,  für  Welcf/eS  in  £iboli  eine  befonbere  Söaffenfcfymiebe  errichtet  würbe; 
jum  ©tefcen  bon  Kanonen  berWanbte  man  baS  bem  ^antljeon  geraubte  SCRetaft;  um  iföom 
gegen  einen  §anbftreid)  bon  ber  ©eefeite  r/er  ju  fdnttjen,  mürbe  aud)  ber  §afen  bon 
ßtöitabecct)ta  eingerichtet  unb  befeftigt.   $n  allem  bflegte  Urban  autolratifd;  ju  berfafjren; 

25  bie  ÄarbinalSfongregationen  jog  er  feiten  ju  9tat,  ^onfiftorien  t/ielt  er  faum.  Um  ben 
if)tn  läftigen  fbanifcf/en  ©efanbten  Äarbmal  SBorgia  loSguWerben,  erlief  er  einft  blötjlid) 
ben  ftriften  23efel)l,  baf?  alle  33ifdE)öfe  fofort  Stefibenj  ju  galten  Ratten  —  fo  jmang  er 
biefen  nact;  üttabrib  gurüdjufef)ren.  greilid)  blatte  33orgia  fid)  erlaubt,  Was  unerhört  mar: 
er  War  offen  im  $onfifiorium  aufgetreten,  um  gegen  UrbanS  antifbanifcf)e  unb  anti!aifer= 

30  Iid)e  ^5oliti!  ju  broteftieren,  unb  ber  ^ßabft,  überrumbelt,  blatte  il>m  jWar  ba§  Sßort  ab= 
gefcb^nitten,  ficb^  aber  ben  fcfyriftlicfyen  ^roteft  in  bie  §anb  brüden  laffen.  —  ©in  $ät= 
genoffe  t)at  Urban  befd)ulbigt,  bafj  er  bie  übergro|en  ©ummen  für  Sefeftigungen, 
Lüftungen  unb  ^riegSbereitfd^aft  nur  belfyalb  erhoben  unb  berWenbet  b^abe,  bamit  um  fo 
meb^r  für  feine  gamilie  babon  abfiele.    Ob  bieS  begrünbet  ift,  ftel)t  bafiin  —  jebenfaßg 

35  ift  er  berjemge  geWefen,  Welker  ben  9Zeboti3muS  sum  le^tenmal  im  großen  ©til  betrieben 
fyat.  Srofd^  fd;Iiefet  (©.  402)  au§  SluSfagen  beS  benetianifd;en  Sotfd)afterS,  bafe  Urban 
fogar  beabfid}tigt   fyabt,  bie  Sarberini  —  Wie  bie§  einft  mit  ben  garnefe  gefd;e^en  war 

—  jum  Stange  eines  ®b^aftengefdjIecf>t<B  ju  ergeben.    SDiefer  ^3Ian,   Wenn   ernftlia)  ins 
2tuge    gefaxt,  fd^eiterte;    aber   mit  ©elb   unb  33efi^tümern   Würben  bie  -"Reffen  gerabeju 

40  überfd^üttet,  fo  bafj  fie  3.  33.  in  ber  römifcb,en  (Sampagne  balb  bie  reichten  ©runbbefi^er 
Waren.  %h]x  ^ab^reSeinlommen  ftieg  bon  12000  auf  300000  ©cubi.  ©cfylimmer  nod) 
als  ib^re  Vereiterung  auf  öffentliche  Soften  War  ber  Umftanb,  bafe  bie  Geboten  !urj  bor 
bem  Ausgange  UrbanS  ben  ^ircfyenftaat  nod)  in  einen  ürieg  mit  bem  §erjog  bon  $arma 
berWidelten,   ba   er  fid}  bie  berbfänbetcn  §errfd}aften  ßaftro  unb  9tonciglione  im  bäbft= 

45  liefen  (Siebtet  nicr)t  burd;  jener  Sift  unb  ©eWalt  Wolle  entreißen  laffen.  ©er  ^rieg  Würbe 
beiberfeits  fc^Iecfet  geführt,  fcfilebbte  fid)  burd;  jwei  ^afyre  b^in,  enbete  aber  (31.  Tiäx^  1644) 
mit  einem  burd)  granfreid)  herbeigeführten  S5ergleid;e  faft  gan-^  gu  ©unften  beS  garnefe 
bon  $arma.  ®ie  loftfbielige  „2lrmee"  beS  ^3abfteS  blatte  fid;  jämmerlid)  benommen,  baS 
beugte  biefen  tief;   bor  Aufregung  Würbe  er  franf  unb  ftarb  im  ^uni  beSfelben  ^atixtZ. 

50  sJlidjtS  ift  bejeic|menber  bafür,  bafj  bie  ©orge  um  bie  Weltliche  §errfct/aft  beS  ^ßabfttumS 
ber  eigentlich  tretbenbe  ©eban!e  in  att  feinem  bielgeftaltigen  äußeren  %b]un  War,  als  ber 
Umftanb,  bafj  er,  bon  I)öd)fter  3Serel)rung  für  bie  ©räfin  aRatlnlbe  erfüllt,  Weidjen  einft 
ben  ©runb  ba^u  gelegt,  beren  2Ifd)e  aus  ©.  Senebetto  bei  SSftantua  entWenben  unb  nad) 
Sfiom   bringen   lie|   (bgl.  Avvisi  di  Roma,    9.  ^uli   1633,   bei   ©regorobiuS  a.  a.  D. 

55©.  160  f.),  Wo  er  iftrem  2lnbenlen  in  ber  ^eterSftrcfye  felbft  ein  großartiges  unb  fd}öneS 
©enlmal  errichtet  fyat.  SSenrat^. 

Urtut  ttttb  Stttttmtm.  —  teuere  Sit tera tut:  1.  ©pejialfdjriften:  Ealbetttetjer,  U. 
unb  £.  in  ,,^3b^"  III  (1893),  ©.  107  ff. ;  SB.  SKufj  ?lrnoIt,  The1  U.  and  Thummim  in 
„Amer.  Journ.  of  Sem.  Languages  and  Literatures  XVI  (1900),  p.  193  ff.;   g.  .^ummelnuer, 


ltrim  329 

„Seitrnjie  änm  ©ebvaud)  bc'ö  yoüfC'S  bei  ben  Hebräern"  in  83$  19<>4,  ©.254  ff. ;  ©.  8SiIbc= 
boer,  Ü.  en  Th.  in  de  Pricstcrwet  in  „Theol.  Studien"  1905,  3,  ©.  1  OD  ff.  —  2.  %m  $11= 
famnienljana,  mit  öerivanbten  ltnterfud)ungen:  $.  23en,ynger,  £jebr.  ?lrd)äoiogte,  Jyreib.  1894, 
5. 407 f.;  8S.9Jc.macf,  Sebrb.  bev  Ijebr.  9lrd)äoL,  greib.  1894,  II,  93 f.  119 f.;  3.  SBeMjaufen, 
SRefte  avob.  £>eibentmn§-  (SBevlin  1897),  ©.132  ff.;  £.  28.  3Muie§  Magic,  Divination  and  5 
Demonologv  etc.  (Sonbon  1898),  p.  75 ;  5JJ.  |mupt,  Babylonian  Elements  in  the  levitical 
Ritual,  in  'journ.  of  bibl.  Liter.  XIX  (1900),  p.  58.  70  (bgl.  nud)  %  $aupt  in  SBOT, 
Proverbs  [1901],  p.  33) ;  2.  S.  goote,  The  Ephod,  in  Journ.  of  bibl.  Liter.  XXI  (1902), 
j>.  30  ff. ;  ?l.  SeremiaS,  ®a3  ?l£  im  Siebte  be§  alten  Drient§,  2.  ?lufl.  (ßei^j.  1906),  ©.192; 
m.  etnmf,  5Me  Ijoljenprtefterltdje  £b>orte  im  91  £  (§aUe  1906),  ©.  53.  —  3.  $n  biblifdjen  10 
Ideologien:  9i  ©menb,  Seljrbud)  ber  altteft.  9ieIigion§gefd)id)te,  2. 9luf(.  (grab.  1899), 
3.319.  414;  £.  2Rarti,  ©efd).  ber  i§r.  9vel.,  4.  9tuff.  (©trafeb.  1903),  ©.45;  83.  ©tabe, 
SJiM.  £f)eoI.  be*3  9IS  (Süb.  1905),  ©.  129.  —  4.  Kommentare  p  Er  28,  30:  ®iümann=9}l)ffel 
(1S97),  ©.  340f.;  Ringer  (1900),  ©.  138;  83äntfd)  (1903),  ©.243.  —  5.  Strtifel  in  Gncr,= 
flopäbien  :c. :  £.  9iieb,m,  „2id)t  unb  9red|t"  in  beffen  -öbroörterb.  be§  bibl.  9(ltertum§2  (1893),  15 
I,  1)29  ff. ;  3.  83enäinger,  ßo§  bei  bett  Hebräern,  oben  83b  XI  (1902),  642  ff. ;  tetmebl)  in 
£afting3  Dictionary  of  the  Bible  IV  (1902),  838 ff.;  ©iegfrieb,  „8oo§"  in  ©utf)e§  83ibe(= 
Wörterbuch,  (1903),  ©.  397;  ©.  SKoore  in  ber  Encyclopaedia  biblica  IV  (1903),  5235  ff.  — 
lie  ältere  Sitteratnr  f.  in  ber  gefd)id)tlid)en  Ueberfidit  am  ©djlufj  biefeg  9lrtifel§. 

:-■:---  c^w^  (t,gL  @E  28,  30;  £e  8,  8;  ofyneArtilel  nur  @3r  2,  63  (9cet>  7,  65);  20 
in  umgelegter  Reihenfolge  $Dt  33,  8:  „beute  U.  unb  beine  X."  in  ber  Stnrebe  an  ©ort; 
Tm  27,  21.    1  ©a  28,  6  nur  O"1^^   aber  gtt)etfeIIo§  nid)t  at3  bie   ältere  Benennung, 
fonbern  nur  Abfür^ung  für  „bte  IX.  unb  bie£."),  beiSutfyer  „Sidjt  unb  Stecht",  erfd)einen 
in  alten  ben  ©teilen,  reo  fie  erroäbnt  toerben,  aU  SJcebia  ber  göttlichen  Drafelerteilung. 
Über  bie  nähere  33efd)affenl)eit  biefer  Sttebta  unb   bie  2Irt  ij)rer  2tnroenbung  gebrid)t  e<§  25 
jcbod),  loie  bei  fo  mannen  anberen  fingen,   roelcfye  bie   {»eiligen  ©d)riftftefier   als  aH= 
gemein  befannt  borauäfefeen  burften,  faft  an  jeber  2tnbeutung.     2lucr)  bie  ^rabition  toer= 
mod)te,  tote  fid)  geigen  wirb,  fd)on  frül)geitig  leine  2lu§funft   mebr  gu   geben,   unb   fo 
fonnte  fid)  bon  ben  Reiten  be£  SßfyUo   unb  ^ofetobuS   an   eine  gütle  bon  Vermutungen 
unb  immer  neuen  Kombinationen  anhäufen,  oI)ne  baß  man  ju  einer  atifettig  befriebigenben  30 
Söfung  be§  RätfelS  gelangt  märe.   2öie  bei  fo  bieten  anberen  Streitfragen  ber  f)ebräifd)en 
2lrd)äoIogie  l)at  e§  fid;  babei  bitter  gerächt,   baß  man  fid)  niebt  entfd)ließen  mochte,   bie 
Slugfagen  unb  33orau§fet5ungen  be§  fog.   ^ßriefterfober.   einerfeitg   unb   bie  ber  übrigen 
©efd)id)tlbüd)er  anbererfeitg   junädjft  ftreng   gefonbert  ju   betrachten   unb  ejegetifd)   ju 
ihrem  3ted)te  fommen  ju  taffen,   anftatt  beibe  bon  born^erein  gu  bermifd)en  unb  e§  ate  35 
fetbftberftänblid)  anjufe|en,  ba^  fie  bon  benfetben  33orau§fe|ungen  befjerrfcfyt  fein  müßten. 

??atürlid)  grünbete  fid)  ba§  Urteil  bi§  in§  19.  Qa^&unbert  fo  gut  tote  au3fcf)Iiepcft 
auf  bie  Stuöfagen  be§  $riefterf obej.  Wad)  biefem  toirb  @j  28,  30  bem  SJtofe  geboten :  „unb 
bu  follft  in  bie  Drafeltafd)e  (^^^  "®~  eig.  SEafd)e  be§  9ied)t§,  be§  rid)tertid)en  @ntf<freib<§) 
bineint^un  bie  Urim  unb  bie  'jlummim,  bamit  fie  auf  bem  §ergen  3taron§  feien,   toenn  40 
er  t)ineinget)t  bor  3a^e/  unb   fo  fott  Staron  bag  Drafet  für  bie  Kinber  ^^rael  attejeit 
bor  ^aftbe  auf  feinem  §erjen  tragen"      3)tn  fid)  fönnte  bie  SBenbung  ^  'ü'-   aufy   be= 
beuten  „baran  ober  barauf  tljmn,  fe|en  ober  ftreid)en"  (iüie  j.  33.  @j  45,  19   ba^  ©ünb= 
o^ferblut  an  bie  $fofte  u.  f.  to.) ,  ba^er  LXX  @j  28,  26  entfyred)enb  bem  b»  r;nn:T  beä 
iamar. :  xai  Ijud-rjoeig  sm  to  Xoyiov  xrjg  xqIoecoq  xr/v  dfjXaxsiv  xal  xr\v  äkrj'&eiav'  45 
ebenfo,  nur  Xoyelov  ftatt  Xöyiov,   im  S£er.te  be§  Sucian  (ed.  be  Sag.  I,  79).     5Die  33e= 
beutung  „Ijineinttmn  in"  roirb  jeboc^  gefordert  burd)  bie  jtoeifellofen  ©teilen  @r.25, 16.  21; 
5Ruö,  17;    19,  17  (fämttid)   im  ^riefterlobej;   bgt.    aufeerbem   ©t  23,  25;    ^er  29,  26; 
5Jef)  2,  12),  roäfyrenb  bie  begriffe  „legen  auf,  befeftigen  ober  ftreid;en  an  etma§"  in  ber= 
felben  Cuette   regelmäßig   burc^  by -,n;  miebergegeben   ioerben;   bgt.  @j  28,  14.  23.  25;  so 
8e  2,  1 ;  4,  7  u.  a.    Übrigen^  roirb   bie  gaffung  ber  LXX  (unb   bamit   alle   bie  £i#o= 
tiefen,  welche  bie  11.  unb  1.  mit  ben  (Sbelfteinen  auf  ber  Drafeltafd)e  ibentifijieren)  fdjon 
burd;  ben  Kontejt  bon  @j  28,  15  ff.  au^gefd)Ioffen.  %lafy  ber  Slntoeifung  jur  Anfertigung 
ber  £afd)e,  ber  Sefe^ung  berfetben   mit   toter  Reihen  ©teinen    unb  ber  Sefeftigung   am 
Öpbob  fann  in  33.30   ntd)t   nod)maI§  über  23.  22  ff.   auf  33.  17  ff.    jurücfgegriffen   fein.  55 
'•MenbS  unmöglid)  roirb  bieg   burd)   ben  33erid)t   über   bie  ^nbeftitur  2taron§  Se  8,  8 : 
unb.  er  befeftigte  barauf  (""?"  sc.  auf  ben  (Sb^ob ;   fo  richtig  LXX)  bie  lafcfye  unb  ifyat 
w  (:N>,   ©am.  ioieberum  br ;  LXX  M  to  Xöyiov)    bie  Xafd;e  bie  U.  unb  %.  u.  f.  to. 
Söären  bie  lederen  mit  ben  ©belfteinen  auf  ber  2afd)e  ibenttfd),  fo  bätte  ifyre  Anbringung 
nid)t  erft  erfolgen  fönnen,  naebbem  ber  @bf)ob  (93.  7)  unb  bie  Safere  bem  3Iaron  bereite  »1 
angelegt  mar. 

3icf;en  ioir  nun  ba§  Rcfuttat,  fo  ift  erftlid)  gu  fonftaticren,  baß  in  beiben  Steilen  bie  U.  unb 


330  Urira 

X.  nid)t  nur  als  greifbare  ©cgenftänbc,  fonbern  als  etmas  bereite  Setanntes  unb  33orb,anbenes 
borausgefetjt  merben:  fie  merben  meber  irgenbmie  näfyer  bef djrieben,  noeb,  mirb  il^re  3ln= 
fertigung  geboten,  ©er  3ufa£  bes  ©amar.  bor  -nn:i :  „unb  bu  foUft  bie  Urim  unb 
bie  %.  machen"  bemeift  nur,  bajj  bas  gänjlicfye  gefylen  einer  Sfotij  über  bte  ü.  unb  ü£. 
5  fd; on  frühzeitig  al§  etmas 33efremblid»es  emtofunben  mürbe.  %n  ©r.  39,  20 ff.,  bem  parallel: 
beridjt  ju  ©r.  28,  22  ff.,  mirb  tfjrer  überfyaubt  niebt  gebaut.  3$re  Sebeutung  aber  lönnte 
nad)  ©r.  28,  30  als  eine  rein  fr/mbolifdje  erfcfyeinen.  9öie  bas  golbene  ©tirnblatt  bes 
§of)enbriefters  mit  ber  3luffd)rift  '"b  uhip  ibeeß  bie  gottgewollte  §eiltgfett  bes  23unbes= 
boltes  barfteßt,  fo  ibnnten  bie  lt.  unb  %.,   bie  2laron  auf  bem  §er$en  trägt,  menn  er 

10  bor  ^afybe  'ns  Heiligtum  eingebt,  fdmn  bureb,  tfyr  blofjes  üßorfyanbenfein  eine  S3ürgfrf;aft 
barfteßen,  baf?  ftcb,  biefes  3SoI!  göttlicher  „©ntfdjeibe"  rühmen  barf,  jugleid;  aber  aueb, 
eine  33erpflid;tung,  bafj  es"  ftcf)  benfelben  aEegett  unterwerfen  motte.  ©aJ3  eine  berartige 
Sebeutung  ber  Ü.  unb  %.  in  ber  ^n^ntion  bes  33erfaffers  bon  ©r.  28,  30  Hegt,  mufj 
im  §inblid  auf  bie  Stnalogie  bon  28,  38  mmbeftens  als  mafyrfcr/einlicr;  be^ief/net  merben. 

15  ®iefe  2Innafyme  mirb  auä)  baburet;  nief/t  hinfällig,  bafj  5lu  27,  21  (gleichfalls  im  33ereid;e 
be<§  ^ßriefterfober.)  neben  ber  fr/mbolifef/en  äugleicfy  aufy  auf  eine  braftifcfye  Skbeutung  ber 
IL  Ijingemiefen  mirb :  „unb  er  (^ofua)  foll  bor  ©I  cajar  ben  ^priefter  treten  unb  er  (ber 
^rtefter)  foll  für  tljm  bas  Urimorafel  (ü-n-iNn  EEÖ23)  bor  ^af)be  befragen  u.  f.  m.  (LXX : 
„xal  ijiEQanrjoovoiv  avxov  xrjv  xgioiv  xcbv  drjlojv;  bgl.  gu  dijlot,,  manifesti,  clari, 

20  mo-w  fyöc&Jt  ibal)rfd)etnlicr/  XL&oi  ju  ergänzen,  als  Überfettung  bon  Q^in  nod)  ©t  33,  8 ; 
1  ©a  14,  41;  28,  6;  ©i  45,  10:  Xoystco  xgioecog,  drjloig  akrj&dag  (too&I  ©obbeIüber= 
fetmng  bes  urrc-:  -pn  im  i) ebr.  ©iraef/)  unb  36  (33),  3  :  cbg  igcoxfjjua  dr/icov,  nad)  rid;tiger 
Sesart  für  dixaioiv).  £$n  ben  I) ebr.  ©iracfyfragmenten  ift  33.  3  fyinter  -imm  berftümmelt ; 
aber  ftatt  bes  gu  ertoartenben  cmxz  ~:;:n;   finben  fid)  ©buren  (^),    bie    auf    eine 

25  ©rmälmung  ben  totaphöth  führen.  Tiafy  ©menb  (£fy23  1903,  5Rr.  22,  ©b.  586) 
fd)ämte  fid;  ber  @n!el  ©irad)g  ber  totaphöth  unb  feijte  bafür  ba§  ^o^enbriefterlid^e  Dralel. 
Dbige  fyebräifcfye  Söorte  in  9tu  27,  21  bebeuten  entmeber  „bermittelft  be£  @ntfa)eibe§  ber 
U."  ober  lurjtoeg  „bermittelft,  burd;  Stntoenbung"  (zz'diz  Serfafyren,  älrt;  f.  bie  Sej.). 
^n   jebem  %aüe   mirb    bamit   auf    eine  Sermenbung  ber  U.  (unb  %.)   jum   Seb,uf   ber 

30  Dralelertetlung  fjingemiefen,  unb  mir  bürfen  barau§  folgern,  ba^  aueb,  @r,  28,  30;  £e 
8,  8  nid)t  blo^  eine  fbtnbolifdje  Sebeutung  ber  U.  unb  %.  borauägefetjt  ioirb. 

2tu^erb,alb  beä  ^riefterfobej  begegnen  mir  ben  U.  unb  %.  ®t  33,  8 ;  (&>r  2,  63  unb 
bamit  baraßel  9^eb,  7,  65,  ferner  in  bem  (au$  ben  LXX  ju  eruierenben)  urfbrünglid}en 
Sejt  bon  1  ©a  14,  41,  fomie  (bte  U.  attein)  28,  6. 

35  Se^üglid;  ber  ©teile  3)t  33,  8  (in  ber  gaffung:  „beine  %.  unb  beine  U.  gehören" 
ober  „foßen  gehören  beinern  frommen"  u.  f.  m.)  bflegte  man  früher  als  felbftberftänblia) 
an^ufeb^en,  baf?  teuere  53ejeid)nung  auf  Slaron  geb|e,  ba  nad;  @E  28,  30  nur  biejer  jur 
güf>rung  ber  11.  unb  %.  berechtigt  gemefen  fei.  ©egenüber  btefer  petitio  prineipii  be= 
gnügen  mir  uns  ju  lonftatieren :    1.  bafe   bem  ©brücke  felbft  bie  ätnfünbigung  borb,er= 

40  gebt  „unb  in  Se^ug  auf  Sebi  fbracb,  er",  bat)er  bie  LXX  ben  ©brueb,  felbft  mit  dors 
Aevl  örjlovg  avxov  xal  älrj&siav  avxov  anheben;  eine 33efcb,ränlung  auf  äfaron  ift  in 
ber  Ti) at  nur  burd;  eine  Iünftlid)e  ©intragung  ju  geminnen ;  2.  bon  einem  33erfud)tu>erben 
Slarons  ift  meber  (Sj  17  nod)  9iu  20  bie  9Jebe;  3.  im  meiteren  ^ontejt  bes  2ebifbrud;es 
(9].  9  ff.)  ift  ganj  ausbrüdlid)  bon  ber  ©efamtb^eit  ber  Sebitenbriefter  unb   ben  allen  ge= 

45  meinfamen  gunltionen  bie  3tebe.  ©cb,on  aus  biefen  (Brünben  ift  baran  feftgufyalten,  bafe 
®t  33,  8  bie  güfyrung  ber  %.  unb  U.  (meiere  aueb,  bier  alg  etmas  allgemein  Sefanntes 
borau§gefe^t  merben)  bem  ^jjriefterftamm  als  folgern,  fomit  ofyne  Sefd;ränfung  auf  ben 
§ob,enbriefter,  jugemiefen  mirb.  Um  fo  ma^rfd^einlidjer  ift  ber  2lnfang  bes  Sebifbrud^es 
ju  überfein :  „beine  1.  unb  11.  gehören  ben  Seuten  beines  betreuen",  moburd;  bie  S3e= 

50  sielmng  auf  fämtlictje  ©lieber  bes  9)Jofeftammes,  alfo  bie  Sebiten,  nod)  beutltd)er  berbor= 
tritt,  ©rmäb^nung  berbient  babei  bie  gan^  eigentümliche,  fcb,arffinntge  ©eutung,  bie  (Sb. 
SSJJeber  CDJfofefagen  [1905],  ©.  4,  unb  befonbers'  in  „®ie  Israeliten  unb  t&re  3lad)hax-- 
ftämme  [§alle  1906],  ©.  56,  bem  33er3  gegeben  b,at.  Wafy  ibm  banbelte  es  fia)  ur= 
fbrünglid),  ganj  mie  bei  bem  ^atobsranibf,  um  einen  Mambf  ^a^es  mit  SRofe  (nrü^n 

55  =  „mit  bem  bu  geftritten  baft'O-  ©iefer  ©treit  3Jtofes  mit  ^afybe  ift  fein  böcbftet 
9tub, mestitel ;  ber  ftambfbrcis  aber  maren  bie  II.  unb  %.;  „im  lambf  mit  ^ab,be  b,at  er 
ibm  bas  ©efyeimnis  ber  DraJelleb^re,  burd}  bie  ^aljbe  fortan  feinen  SBillen  lunb  giebt, 
abgemonnen" 

Über  SBefen  unb  2Inmcnbung  ber  11.  unb  %.  erfahren  mir  aueb,  aus  ®t  33  nichts. 

eo  ©benfo  ergiebt  fieb,  aus  1  ©a  28,  6  nur,   bafj  man  s^ifre  (LXX  h  xolg  d^oig)  eine 


Hrim  331 

Antwort,  einen  bireften  Ü3efd)cib  auf  eine  an  ©Ott  gerichtete  gragc  erhalten  fonnte,  Wie 
anbcrerfeitS  burd)  Slräume  ober  burd;  bie  ^3robf;eten.  Leiter  fül)rt  uns  bagegen  1  ©a 
14,  41,  fobalb  man  fid;  ju  ber  Slnerfcnnung  entfdjliefst,  bafj  Ijier  bieLXX  benurfbrüng= 
liefen  1er.t  bewahrt  fyaben.  ©ie  brücfen  aus  (nad;  bem  Serte  SucianS,  ed.  be  Sag.  I, 
•275):  „unb  ©aut  fyrad;:  o  QafWe,  ©ott  ^SraelS,  Warum  l;aft  bu  beinern  &ned;t  fyeutc  5 
nic&t  geantwortet?  SSenn  an  mir  ober  meinem  ©ofme  ^natfyan  bie  23erfd)ulbung 
| haftet],  fo  gieb  Urim  (dög  diqlovg);  unb  falls  bu  fo  f^red;en  follteft:  am  23olfe  haftet 
bie  2>erfct)ulbung,  fo  gieb  Stuminim  (dög  öoiörrjTa)"  ©egen  bie  Wefentlicfye  llrtyrüng= 
Iicf/feit  biefeS  S£er.ieS  fann  nid)t  bie  23erftümmelung  beweiben  im  Cod.  Vat.  (xal  iav 
räde  e(h>],  dög  örj  reo  Äacö  oov  IoQarjX,  dög  drj  6oi6xr]ra)  unb  Alex,  (emr/g  rw  10 
).a(ö  oov  I.)  ins  gelb  geführt  Werben.  33eibe  berufen  auf  ber  irrtümlichen  äluSlaffung 
bcS  h1  bor  reo  law  unb  Werben  burd)  baS  Zeugnis  ber  23ulgata  (genauer  einer  auS 
bem  toirflidjen  LXX^ejt  gefloffenen  Interpolation  in  ben  %v&  beS  §ieronr/tnuS  reicfylid; 
aufgewogen;  biefeS  geugniS  lautet:  quid  est,  quod  non  responderis  servo  tuo 
hodie?  Si  in  me,  aut  in  Jonatha  filio  meo  est  iniquitas  haec,  da  ostensionem:  15 
aut  si  haec  iniquitas  est  in  populo  tuo,  da  sanetitatem. 

©egen  biefe  für  fid;  felbft  rebenbe  unb  bereite  1842  (in  ber  1.  2tufL  beS  ^ommen= 
tarS  über  bie  23üd)er  ©am.)  bon  'iSfjemuS  borgetragene  Sßieberfyerfiellung  beS  urfbrüng= 
Iidjcn  Wertes  (accebtiert  u.  a.  bon  ©Walb  in  ber  ©efd;.  QSr.  III,  51 ;  be  Segarbe  in 
„bie  rebibierte  £utt;erbibel"  [©.=21.  aus  ben  ©gSt  1885,  ©t.  2],  ©.  19;  ftuenen,  2öet(=  20 
baufen,  23ubbe,  ®riber,  91oWad)  f>at  man  in  bem  üblichen  unb  cum  grano  salis  be= 
recf)tigten  SJUfctrauen  gegen  boreilige  ^orrefturen  beg  maforetl).  %vct?§  auS  ben  LXX 
9JHerei  eingeWenbet.  ®eil  finbet  (im  Kommentar  $u  1  ©a  14,  41)  im  obigen  %?it 
„nichts  Weiter  als  eine  fubjeftibe  unb  jWar  irrtümliche  Deutung  ber  LXX,  bie  nur  auS 
ber  unrichtigen  Sluffaffung  beS  tr':n  als  t^n  entftanben  unb  „barum  gan§  Wertlos  ift" ;  25 
nad)  Äloftermann  (Äomm.  ju  ©a  unb  ^g  1887,  ©.  53)  ift  ben  LXX  bie  feufef/e  furje 
SrääF)Iung  [beS  mafor.  SegteS]  ju  nadt  geWefen.  %ro|  biefer  SJJadjtftorüdjc  geben  Wir 
ju  bebenfen:  1.  baS  e-1?;"  ^v1  beS  jetzigen  bebr.  SEerJeS  giebt  übertäubt  leinen  ©inn; 
bielmef)r  ift  ^?n  in  l;obem  ©rabe  berbäcfytig,  entWeber  eine  bogmatifdje  ^orreftur  (bod; 
f.  u.)  ober  ein  SRotbefyelf  ber  ^unftatoren  ju  fein,  gu  bem  fie  fid)  entfc^Ue^en  mußten,  30 
■M  burd}  ben  SBegfatl  be3  3]orf)erge^)enben  ber  ©egenfa^  bon  11.  unb  %.  unb  bamit 
übertäubt  ber  ©inn  be§  Serid;t§  berloren  gegangen  war;  2.  ba  bie  LXX  bon  berlbirf= 
liefen  Sefdjaffenfyeit  ber  II.  unb  %.  offenbar  feine  Slnfd;auung  meljr  Ratten,  fie  bielmebr 
au^en  an  ber  SEafcfye  angebracht  badeten,  fo  ift  nid>t  abjufeb^en,  tbie  fie  eine  (Erweiterung 
bes  b^ebräifd;en  %?tf.z§  Ratten  erfinnen  foßen,  meiere  ftd^tlid;  bon  einer  anberen  2Iuf=  35 
faffung  ber  11.  unb  %.  augge^t,  nämltcr)  ber  als  b^l.  Sofe,  roelcf)e  getoorfen  iberben  unb 
fid}  fomit  borfyer  in  einem  33el)älter  befunben  f)aben  muffen.  SDenn  roie  ber  I)ebr.  %nct, 
fahren  and)  bie  LXX  fort:  „ba  rourben  ^onatf)an  unb  ©aul  [bom  Sofe]  getroffen  unb 
ba§  3SoI!  ging  frei  au§.  llnb  ©aul  fbrad;:  werft  (ba§  2oS)  jWifctien  mir  unb  jWifd;en 
^onatfian"  u.  f.  W. ;  3.  ber  jetzige  'jCer.t  fann  (Wie  bieg  j.  33.  be  Sagarbe  annimmt)  in  40 
bogmattfcfyem  ^ntereffe  berfürjt  fein,  <ti\va  Weil  bie  SlnWenbung  beg  1)1.  £ofe§  nicf)t  aus= 
brüdlid;  genug  bem  §or;enbriefter  pgefd;rieben  ober  ber  letztere  burd)  baS  i-'?~  33.  42 
fogar  auSgefd)Ioffen  fd)ien.  ©infamer  Wirb  man  jebod)  mit  ben  meiften  bie  SSerfürjung 
au^  einem  Stbirren  bom  erften  auf  ba§  ^Weite  ^~  (LXX  beibemale  dög)  erflären. 

Sft  nad;  aHebem  bie  2Bieberl)erftellung  bon  1  ©a  14,  41  nad}  ben  LXX  berechtigt,  45 
fo  giebt  btefe  ©teile  in  ber  %l)at  über  ba§  SSefen  ber  11.  unb  %.  einen  Wichtigen  2tnf= 
frf)lufe.  2öir  erfahren  au§  il)r,  bafe  es  fid;  um  minbeftenS  gWei  jumSoSWerfen  beftimmte 
©egenftänbe  f)anbelte;  ba§  §erauSfommen  be§  einen  bebeutete  ein  „ja",  bas"  beS  anberen 
ein  „nein",  fei  es1  ein  für  allemal  ober  fei  eS  (Wie  man  au3  1  ©a  14,  41  fd;liefeen  fönntc) 
je  naef)  ber  borr/er  getroffenen  Seftimmung.  üam  feines  bon  beiben  fyerauS,  fo  War  bieS  60 
ein  3eid)en  be§  göttlichen  Unwillens,  Weld;er  übertäubt  eine  Antwort  berWeigcrtc  (bgt. 
1  Sa  14,  37 ;  28,  6).  ®ie  StnWefenfyeit  eines  5priefterS  ift  babei  borauSgefe^t,  benn  auf 
feine  älufforberung  finbet  33.  30  f.  bie  erfte  Befragung  ftatt,  burd;  Welche  (23.  38  ff.)  bie 
jtoeite  beranlafet  Wirb.  ®abei  fdjeint  eS  jebod)  nid)t,  als  ob  bie  £janbf;abung  ber  1)1.  Sofe 
9ait}  auSfd}licilid)  bem  5j3riefter  jugcfdjrieben  Würbe.  55 

3iel)t  man  nun  in  Erwägung,  ba|  aud)  bie  fonftigen  93erid)te  über  baS  äßerfen 
be§  Sofes  baS  letztere  Wiebcrf)oit  %u  s4.srieftern  unb  ^u  bem  (Sbl;ob  in  5lk'sielnmg  fe£en,  fo 
töirb  man  eS  minbcftenS  als  ^öcb,ft  Waf)rfd;cinlid)  bcjicid)nen  muffen,  bafe  eS  fid)  in  allen 
biefen  fällen  gleichfalls  um  bie  SluWenbung  ber  U.  unb  %.  l;anbelt ;  bgl.  1  ©a  23,  6.  9, 
too  2)abib  bem  Gbjatl;ar,  bem  ©ol;n  bcS  Slcfyimelcfb,    gebietet,  ben  auc  9cob  geflüchteten  &> 


332  Itrim 

(Sbfyob  fyerbetäubringcn,  unb  bermittelft  beSfelben  ©ott  befragt ;  cbenfo  30,  7  ff.  2Iud; 
1  ©a  14,  18  ift  mit  ben  LXX  "ra^y  für  '«*  T^s  ju  lefen,  jumal  ftcf,  bie  Sabe  nad) 
bem  auSbrüdlicfyen  geugniS  bon  2  ©a  6,  2  »gl.  mit  1  ©a  7,  1  f.,  bamalS  nid)t  in  ber  9lä^e 
©aulS  befanb.  ©af$  in  ben  genannten  ©teilen  ber  ~ns$  „fein  eigentliches  ^riefterfleib" 
5  fein  fbnne,  mürbe  bon  %x.  SB.  ©dmltj  in  ber  2.  Slufl.  biefer  @ncr/fl.  IV,  254  menigftenS 
für  ben  bon  ©ibeon  „aufgeteilten"  1700  ©olbfefel  ferneren  ©bfyob,  fomie  für  ben  beS 
9Jcicf)a  (9U  17,  5  ff.)  anerlannt,  bagegen  bon  Soij  (o.  V,  404)  mieberum  geleugnet.  grei= 
lieb,  barf  naefr,  ©d)ult5  ebenfomemg  ein  33ilb  unter  biefem  @bl)ob  berftanben  »erben.  Slber 
mie  oft  mirb  nod)  mieberfyolt  merben  muffen,  bafj  ein  ©ebilbe  bon  1700  ©efeln  ©olbeS, 

10  baS  man  aufftedt  unb  mit  bem  man  nad)  ber  Sluffaffung  beS  ©r^lerS  9?i  8,  27  ©ötjenbienft 
treibt,  eben  nur  ein  ©otteSbilb  fein  fann;  bafc  audj  ÜRi  17  unb  18  ber  ganje  $onter.t 
feine  anbere  Sluffaffung  juläfet;  bafc  9til7,  5;  18,14.  18.  20;  §o  3,  4  @bf)ob  unb 
£erabl)im  mie  etmaS  eng  3ufammengeI)brigeS  genannt  finb;  bafj  1  ©a  21,  10  baS 
©cfynxrt  ©oliatljS  in  ein  ©emanb  gemicfelt  hinter  bem  ©bfyob   fyängt,  ber    fomit  etwas 

15  greiftefyenbeS  fein  mujj ;  bafj  berfelbe  ©bfyob  1  ©a  23,  6  mit  (Sbjatfyar  nad;  ^egila  fytnab; 
tarn  (ii^  "H?)  unb  33.  9,  fomie  30,  7  bon  ©bjatfyar  bem  ®abtb  b, erbeigebract/t  (ntcr)t 
ettoa  angezogen)  mirb;  enblicb,  bafj  ber  @bl;ob,  ber  als  ©emanb  bient,  1  ©a  2,  18; 
22,  18 ;  2  ©a  6,  14  —  offenbar  jur  Unterfdjeibung  bon  jenem  anberen,  Dom  9Jktat(= 
Überzug  C"1^  %tf  30,  22)  über  ein  §olj=  ober  Stonbilb   benannten  ©bfyob  —  15  ^sn 

20  Reifet?  9Jimmt  man  nun  noa)  baju,  bafj  Qafy  10,  2  unb  @g  21,  26  (bgl.  aueb,  bie  3ln= 
fbielung  §ab  2,  19)  bie  £erabl)im  auSbrüdlid)  als  Draf elf^ertber  ermähnt  merben,  fo  mirb 
man  fieb,  bereinft  boeb,  nod)  ju  ber  Slnerfennung  enifcfyliefjen  muffen,  bafs  ber  fo  gefliffent= 
lieb,  mit  ben  SEerablnm  jufammengeftettte  unb  gleichfalls  jum  Draf  elerieilen  bermenbete  @pr)ob 
eben  aud)  nur,  tote  bie  (ober   bielleidrt  richtiger  ber)  %eratol)im,  ein  S3ilb   gemefen  fein 

25  fann.  9Bie  fidf)  beibe  boneinanber  unterfdneben,  mie  bie  U.  unb  %.,  bie  nur  mit  bem 
@bl)ob  in  33erbtnbung  gebraut  merben,  an  ober  in  biefem  angebracht  maren,  barüber 
miffen  mir  fct)Iect)terbing§  nichts;  bie  alten  Gürtler  fdjmeigen  barüber,  meil  fie  eine  beut= 
lieble  2lnfd?auung  babon  bei  ibren  Sefern  borauSfe|eu  fonnten,  bie  nadjerdifcfyen  beS= 
fyalb,  meil  fie  biefe  SDinge  gern   ber  SSergeffenfyeit  übergeben  falten.    2)aft  ber  $rtefter= 

30  fober.  bie  II.  unb  %.  nic^t  ju  einem  ®btter=  ober  ©otteSbilbe  in  33ejiel)ung  fe|t,  fonbern 
ben  @bb,ob  nur  als  ein  ©tücf  ber  ^riefterfleibung  einführt,  fomit  an  bie  ©teHe  bon 
f)iftorifcf)en  ^lac^ricljten  über  baS  altteft.  SoSorafel  ©befulationen  über  eine  beabfieb^tigte 
SBiebereinfüb^rung  in  ben  ICult  ber  ©emeinbe  fe^t"  (©tabe,  23ibl.  SLr)eoI.  129),  mirb  bon 
niemanbem,    ber  bie  Probleme  ber  5ßentateucr)friüf   fennt,   als   ein  ©egenbeioeiS  gegen 

35  obige  ^Darlegung  angefeb^en  merben.  —  Dirne  @rtoäb,nung  beS  ©bfyob  ober  briefterlia^er 
33ermittelung  feljeint  boeb,  gleichfalls  bie  Slnmenbung  ber  II.  unb  1.  bor^uliegen:  bon 
feiten  SDabibS  2  ©a  2,  1;  5,  19.  32,  bon  feiten  ©amuelS  1  ©a  10,  20 ff.;  bgl.  3.1  19 
baS  ©teilen  ber  Israeliten  bor  ^fl^be  unb  ben  Terminus  i?^l  bom  ©etroffentoerben 
burcl;  baS  2oS,  ganj  mie  1  ©a  14,  41  f.  (f.  o.)  unb  mie  Qof  7,  16  bei  ber  2tuSlofung  beS 

40  Stefan  bureb^  ^ofua.  Ülucr)  §o  4,  12  („mein  33oIf  befragt  fein  ©tücf  §o!j  unb  fein 
©tab  giebt  iljmt  Sefcfyeib")  unb  SSJlt  3,  11  ift  bieUeicf/t  ber  noeb,  fortbauernbe  ©ebrauef; 
ber  11.  unb  %.  borauSgefe|t. 

2öaS  ben  SRobuS  ber  Slntmort  anbelangt,  fo  fcf;eint  biefelbe  (mie  1  ©a  14,  41)  in 
mehreren  ber  oben  angeführten  ©teilen  auf  einfache  33ejal)ung  b, inauSjulauf en ;  fo  beutlicb, 

45  1  ©a  23,  11  f.;  2  ©a  2,  la;  5,  19  unb  mit  einer  unbebeutenben  (Srmeiterung  SHt  20,  27 
unb  1  ©a  30,  7  ff. ;  eine  berneinenbe  2lntmort  mit  meiterer  9Jcotibierung  erfolgt  2  ©a 
5,  23  (f.  u.).  2lber  auef)  in  ben  gäßen,  too  beftimmte  tarnen  in  ber  2lntmort  erfreuten 
(fo  m  1,  1;  20,  18;  2  ©a  2,  lb  unb  bei  ber  ^erauSlofung  2ld)anS  unb  ©aulS  Qof  7, 
16;  1  ©a  10,  20  ff.),  fann  man  baS  93erfat>ren  fo  benfen,  bafj  bie  2lntmort  buref;  immer 

50  mieberb^olte  biSjunftibe  fragen  erhielt  mürbe  (fo  auef)  ^önig,  DffenbarungSbegriff  II, 
258;  ©tabe,  ©efef).  ^SraelS  I,  472).  ©o  blieben  bon  ausführlicheren  2lntmorten,  bie 
nicf)t  auf  „\a"  ober  „nein"  berufen  fönnen,  nur  1  ©a  10,  22b  unb  2  ©a  5,  23  f.  ®iefe 
merben  jeboeb,  bon  ben  Driginalerjäb^Iern  fcr;merlicf)  als  ein  Seftanbteil  beS  SluSfbrucbi 
ber  11.  unb  %.,  fonbern  e£>er  als  briefterlicfje  ober  brobfy etifcfje  ©rläuterungen  beS  lederen 

55  gemeint  fein. 

©ie  Ie|te  (Srmälmung  ber  U.  unb  %.  finbet  fieb,  @Sr  2,  63  (parallel  ^  7,  65). 
yiafy  biefer  ©teile  ertüartete  man  bamalS  baS  SSiebererfteljen  eines  ^riefterS,  ber  bie  U. 
unb  %.  f;anbl)aben  (unb  bann  u.  a.  aud?  über  bie  2Xnftorücf)e  gemiffer,  nicf)t  ^inlänglid) 
legitimierter  ^riefterfamilien  entfcb;eiben)  fönne.    £>ie  meitere  S£rabition   mei^  jeboef;  bon 

eo  einem  3Bieberauf leben   be§    'iß..  DrafelS  nid;tS;   ficljerlicf)  nid;t  beSbalb,   meil  bie  3lrt  ber 


ltrim  333 

£anbr;abung  fcfyon  im  5. ^akfyunbert  nid)t  mek  befannt  ßciucfen  Wäre.  Bielmek  „toagte 
man  fie  offenbar  rttc^t  toieberkr^uftellen,  Weil  bie  SBakfagung  bom  ©efetj  übertäubt  be= 
jettigt  War"  (©menb  a.  a.  D.  6.  319).  ©o  begreift  fid),  bafe  1  3RaI  4,  46.  14,  41 
bielmek  auf  ba3  ©rftekn  eine§  glaubhaften  Brobb/eten  gewartet  Wirb,  unb  bafc  bie  U. 
unb  %.  bon  ber  ©r/nagoge  ju  ben  fünf  fingen  geregnet  Werben,  bie  ber  jtweite  Tempel  5 
nidjt  mek  befeffen  l^abe.  £>ie  SRifcfma  (©ota  9,  12)  erflärt  au3brüdlid>,  bafj  mit  bem 
aobe  ber  nebi'im  rischonim  (b.  fy.  r)ter:  ber  borerjltfdjen  $robkten)  aucb,  bieU.  unb  X. 
aufhörten.  £>em  entfbrick  ba§  ©c^Weigen  über  fie  @i'39,  8  ff.  unb  1  6k  24,  13,  foWie 
ber  Mangel  einer  feften  SLrabition  über  fie  bei  ben  LXX,  bei  Bfyilo  unb  3ofebb,u3. 

gießen  mir   nun   ba§  9tefultat  aus   ber   gefonberten  (Erörterung  ber  StuSfagen  be3  10 
^viefterfober.  (P.)  einerfeitS  unb  ber  fonftigen  Erwähnungen  anbererfeitS,  fo  ergiebt  fid): 
mi)  P  finb  bie  U.  unb  %.  ©egenftänbe,  bie  fid)  in  einer  am  Ijioknbriefterlickn  (Stoljob 
ober  ©dmlterfleib  befeftigten  %a]d)t  befinben  unb,  abgefefjen  Don  iker  fr/mbolifckn  33e= 
beutung,  bom  §>oknbriefter  jur  Ermittelung   be3   göttlichen  2öiden§  berWenbet  werben. 
fiad)  ben  fonftigen  SluSfagen  finb  e§  ©egenftänbe,  mit  benen   man  ba§  2oZ  wirft  unb  15 
je  nad)  ben  Ümftänben   ein  $a  ober  üftein   ober  aud)   gar  leine  Antwort   erhält,    ©er 
ßbfyob,  ber  aucb,  fner  bei  ber  Slnroenbung  ber  bi.  £ofe  —  unb  ^War  entWeber  alz  S3e= 
Fjälter  berfelben  ober  als  $euge  uno  Beetnfluffer  be§  SoSWerfenä  —  eine  Violh  ftoielt,  ift 
ntdEjt  ein  ©djutterfleib,   fonbern   ein  metaüüberjogeneS  ober  and)  mit  einem  ©cf/ulterfleib 
angetfyaneg  ©ottesSbüb.     2lb§  §üter   beäfelben  Wirb   mekfad)   ein  ^riefter  borau<ogefe|t ;  20 
bod)  fdjeint  baburd)   nid^t   auggefddoffen,   bafj   gelegentlich,    aud)   anbere  ^krfonen,   ober 
toenigftenS  bie  Slnfüker   einer  BoHsmenge  (©aul,  ©abib)    bie  Befragung  felbftftänbig 
bomefymen.    $Die  bi§  ku*e   immer  Wieberfyolte  Beb,autotung,  ba|  berartige  Befragungen 
SotteS  immer  nur  im  ^ntereffe  be<§  Bolfgganjen   ober   bod;   Wichtiger    öffentlicher  3ln= 
gelegent>eiten   ftattgefunben   Ratten,   lann  im  £inblid  auf  ben  Britoatebb,ob   be§   9Jiid)a  25 
(öfll.  9ti  18,  5 f.),  foWie  auf  1  ©a  22,  10.  15;  23,  11  f.;  30,  7 f.,  nick  aufreck  erhalten 
toerben. 

Sei  einer  Bergteidjung  bes>  (enteren  Stefultatä  mit  ben  Sluifagen  be3  P.  fekn  Wir 
mZ,  wie  in  fo  bielen  anberen  Streitfragen,  bor  bie  Stlternatibe  geftettt:  entWeber  enthält 
Gr  28,  30  ba£  Urfbrünglick  unb  allein  Segitime  in  Setreff  ber  IX  unb  %.  SDann  beruk  30 
bie  in  ben  anberen  Berichten  borau3gefe£te  $ßrarj§  auf  ben  gröbften  -Stifsberftcmbniffen 
(bef.  fyinfid)tlicr)  be§  @bb,ob)  unb  Überfckeitungen  ber  legitimen  ©a|ungen  —  freiließ 
■Bcifjberftänbniffen  unb  Überfckeitungen,  an  benen  ftd)  aud)  angefekne  Briefter  unb  ber 
Dciditbriefter  ©amuel  in  ber  unbefangenften  SBeife  mitfdmlbig  machen.  Dber:  bie  unter 
aßen  Ümftänben  fek  alten  Berichte  $i  17  f.,  1  ©a  14,  23  u.  f.  W.  bieten  bar,  toa§  in  35 
alter  3«t  aflgemein  geübter,  für  jebermann  unberfänglicf)er,  nod)  nicb,t  bur^i  ein  ge= 
fdjrtebene§  ©efe|  befämbfter  religiöfer  Sraucb,  War.  ®ann  rebräfentiert  P  eine  ©tufe 
ber  ©ntwidelung,  auf  ber  man  jWar  (fd)on  Wegen  SDt  33,  8)  bie  Wichtige  3totte,  bie  i>a§ 
|l.  Sog  einft  gezielt  t;atte,  nid}t  bößig  ignorierte,  aber  boeb,  —  im  3tnfcfyluf$  an  bie 
ja^unbertelangen  Bemühungen  ber  ^3robkten  —  jeben  abergläubifd;en  ober  gar  göt$en=  40 
bienerifcb,en  33eigefcb,mad  fernzuhalten  trachtete.  ©0  ift  e§  bann  gu  berftekn,  bafe  ber 
S^ob  lebiglia)  al§  ©eWanb  in  Betraft  fommt,  ba^  bie  11.  unb  %.  alz  bie  5Rebräfcn= 
tanten  beg  in  ^grael  allein  geltenben  ®ottegrecr;t3  bor  allem  eine  reIigiö§=fbmboltfd)e 
Sebeutung  fjaben  (f.  0.)  unb  ba^  ju  il^rer  §anbl)abung  allein  ber  §ok^rtefter  fombetent 
ift.  Stafj  aber  bie  gorberung  @j  28,  30  nur  al§  eine  ibeeEe,  alz  eine  finnige  ^korie  45 
gemeint  ift,  bürfte  boeb,  ^ur  ©enüge  baburd^  erhärtet  fein,  baj$  fie  in  nad)eEtIifd)er  geh 
eine  toraftifck  aSerWir!Iic|ung  nid)t  meb,r  erfahren  r)at.  SSie  Wäre  bieg  benlbar,  Wenn 
über  bie  §anbb,abung  ber  U.  unb  %.  bureb,  ben  §oknbriefter  eine  borejilifdie  gefepek 
Seftimmung  ober  bod)  eine  jWeifetlofe  ^rabition  bor^anben  geWefen  Wäre! 

Sßenn  Wir  bi§kr  eine  SDeutung  ber  tarnen  U.  unb  %.  unterlaffen  b,aben,  fo  ßefdjat;  50 
bie§  in  ber  Überzeugung,  ba^  ade  berartigen  Berfuck  nur  ben  äßert  bon  fek  f ragWürbigen 
•^bot^efen  baben.  gjiag  eg  aueb,  Wa^rfd^einlid)  fein,  bafj  beibe  5piurale  eigentlid)  al§ 
Slbftrafta  (Wie  £"""  u.  a.)  gemeint  finb,  fo  ift  bod)  bamit  für  bie  Bebeutung  nicb,t§  ge= 
Tonnen.  §ätte  man  eS  lebiglid)  mit  1  ©a  14,  41  (f.  0.)  ju  tb,un,  fo  Wäre  bie  5ßer= 
mutung  guläffig,  ba^  U.  „Slufköung"  [ber  ©d)ulb],  %.  bagegen  „9Jicb,tfd}uIb"  (nacf;  55 
Ga(bemer/er  „§eil",  nad)  Zimmern  „Unfträflic^feit")  bebeuteten.  ®a  ©aul  unb  ^onatfyan 
getroffen  Würben,  müßten  alfo  t^atfäd)lid)  LI.  erfcb,ienen  fein.  3lber  nad)  bem  Borgang 
ber  LXX  (d^coaig  xal  äXrj&eia,  Wonad)  Vulg. :  doctrina  et  veritas)  toflegt  man  ^u 
überfein:  Grleud)tung  unb  3Bakr;eü.  &)?n  wäre  jeboeb,  nid)t  Sßakkit,  fonbern  BoH* 
ftänbigleit   ober  Unfträf[id)Ieit  (bab^er   bon  ben  LXX  felbft  1  ©a  14,  tl   bureb,   ooiÖTt^  eo 


334  ltrtm 

toiebergegeben).  Stuf  erfierer  93ebeutung  bort  'n  beruht  bie  gaffung  at§  |jenbtabr/oin: 
boßftänbige  @rleucf)tung  (f.  u.).  2lnbere  wollen  roenigfien3  baran  feftJjalten,  ba|  beibe  2Ui£>= 
brücfe  junädbjt  ba3  Drafel  felbft  unb  erft  übertragener  Sßeife  bie  Söerf^euge  bejetd^nen, 
mit  benen  e3  gewonnen  tourbe  (fo  j.  93.  (Stoalb,  2lltertf).3,  ©.  390  f.,  ber  „§elligfeit  unb 
5  Dftcfytigt'eit"  überfe|t).  ©afe  bie  LXX  über  leine  fiebere  ^rabition  mei)r  Verfügten,  geb,t 
au§  bem  ©cfyioanfen  ber  Überlegung  in  ben  Verriebenen  Supern  fjerbor.  5Jceben  drjXmaig 
ftnbet  fiel)  für  Q^in  auef)  (5??2o{  (f.  o.),  bei  ben  übrigen  griecfyifcfyen  Überfeinem  bagegen 
cpcoTiajuoi  rote  für  'n  xeXeioxrjxsg  ;  ät)nltc^  @3r  2,  63  LXX  Vat.  ea>g  ävaaxfj  iegevg 
xölg  qpcoTi£ovöt,  xal  xölg   xeXeioig'    Luc.    ed.    be  Sag.    ewg  av  oxf\  l.  x.  cp.  xal  xalg 

10  xsXeiwosoiV  bagegen  9Rer)  7,  65  Vat.  legsvg  qocoxlocov,  Luc.  leQsvg  xölg  (pwxia/xölg 
xal  xalg  xeXeiwoeoiv,  aber  in  @3r  ß  5,  40  (be  Sagarbe  I,  495)  eojg  av  ävaaxfj 
ag%iEQEvg  ivdedvjusvog  xr\v  drjXaiöLv  xal  xr\v  äXrj'&eiav  (alfo  roie  (Er.  28,  30).  2lEe 
biefe  lleberfe|ungen  finb  jeboeb,  laum  etroaS  anbereä,  al3  eine  med)amfct/e  9tebrobuftion 
ber  r)ebr.  SBörter  ofyne  eine  beftimmte  93orfteHung  bon  ifyrem  wirflicfyen  ©inn.  ©elbft  bie 

15  Slcöglicf/feit  ift  nid)t  auggefctjloffen,  baf?  in  ben  formen  'N  unb  'n  eine  fbätere  3urecb> 
macfyung  uralter,  in  if>rer  eigentlichen  93ebeutung  nicb,t  meb,r  berftanbener  Söörter  borltegt 
(fo  tüieber  §otjinger,  @e  ©.  138).  $n  93esug  auf  bie  n  badeten  Söettfyaufen  Oßroleg.3 
©.412,  SRote),  ©cfjtoaltb,  (SatSB  XI,  172),  6albemer/er  („unb/eilbringenber  §lud)"), 
^3.  faaupt  („ungünftige,  berurteilenbe  2lnttoort")  u.  a.  an  einen  gufammenr/ang  mit  *nm, 

20  berflucfyen.  §öct)ft  itnrDat)rfc^etnItd^  ift  bie  neuerliche  ^uffl^^enftettung  (gimmem,  93ei= 
träge  jur  babr/lon.  SReL  [Seidig  1899],  ©.  91,  3fc.  2;  3Jtofc  Slmolt,  Hennebr,)  mit  affbx 
ürtu  =  tertu  (bgl.  törä),  93efel)l,  @ntfd)eibung. 

3um  ©cf)luf3  geben  toir  eine  !urje  Überfielt  über  bie  ©efct/tcfyte  ber  2luffaffung  ber 
U.  unb  %.  unb  berbinben  bamit  bie  Stngabe   ber  roicfytigften  älteren  Sitteratur.    3Senn 

25  bereits  bie  LXX  bureb,  tt)re  Überfettung  bon  @j  28,  30  ben  Untergang  ber  richtigen 
S'rabttion  he^ü^m,  fo  »erben  roir  eine  foId)e  nod)  Weniger  bei  ^f)i!o,  ^ofebfyuS  unb  im 
;Ialmub  fucfyen.  9iad)  $fyüo  (de  vita  Mosis  III,  11)  ftellte  ba§  Xoyelov  (fo  ober 
Xoyiov  LXX  @j  28,  30  für  "pn)  jrnei  SLugenben,  bie  dr/layoig  unb  äXiq-&eia,  bilblkf/ 
bar  (äyaljuaxocpoQst,   lt)orau§   man   nief/t    entnehmen   lann,  ba^  ^b,iIo    bie  11.  unb  %. 

30  felbft  für  §toei  äydXjuaxa  erflärt  I)abe,  jumal  biefe  2lnficb,t  aua)  bureb,  bie  ©teße  de 
monarch.  II,  auSgefcb, (offen  toirb).  Qofebb,^  (Archaeol.  III,  8,  9  [9iiefe  §  2 15 ff.])  be= 
rietet  feinen  Sefern  —  ob^ne  au§brüc!licb,e  (Ermahnung  ber  ü.  unb  %.  —,  baf}  ©Ott 
bureb,  bie  12  ©belfteine,  bie  ber  ^o^ebriefter  auf  bem  93ruftfcf;ilb  trug,  ben  ©treuem  ben 
©ieg  borfyerberfünbigte.    ©enn   eb,e   fieb,   nod)  ba§  §eer  in  93eroegung  fe|te,  ftrab,Ite  ein 

35  folcfyer  ©lanj  au§  ib,nen,  ba^  ber  ganzen  SRenge  lunb  tourbe,  bafj  ©Ott  ju  it)rer  §ilfe 
bereit  fei.  ^n  ätnerfennung  biefer  'Sb.atfad^e  Ratten  aud^  bie  ©riechen  bas>  93ruftfd)ilb 
Xoytov  (Drafel)  benannt.  ®ocb,  l^abe  bie  Söirlfamleit  biefeS  DrafelS  bereite  200  3ab,re 
bor  ber  2Ibfaffung  ber  2lrcb,äoIogie  aufgehört,  ba  ©ott  megen  ber  ©efe|e^übertretungen 
jürntc.    SRan   fieb,t,  bafe  3°fe^lu^   auc^   ^^r  (abtoeicb,enb   bon   ber  fonftigen  jübifcfyen 

40  3;rabition,  f.  o.)  feine  Chronologie  fo  einrichtet,  bafj  ib,n  rixdjt  leicht  ein  Sefer  beim  Söorte 
neb,mcn  fonnte. 

©iefelbe  ^abel  bon  ber  ^unbgebung  be§  ©otteöfbrucf)§  burd^  ba§  ©längen  ber 
(Sbclfteine  auf  bem  93ruftfcb,  Üb  fet)rt  in  berfctiiebenen  Variationen  in  ber  jübifef/en  ^rabition 
roieber.  ©abei  fuct)te  man  jeboeb,  bie  U.  unb  %.  felbft  (mit  Stecht)  in  ber  93rufttafcb,e  be§ 

45  §ob,enbriefter§,  fei  e§  in  ©eftalt  bes>  b,l.  9?amen§  (rn^;  fo  ^ßfeubojonatr/an  (Sj  28,  30) 
ober  mehrerer  ©e^eimnamen  ©otteS,  beren  StnblidE  ben  ^riefter  begeifterte  unb  bie  auf 
ben  ©belfteinen  beS  93ruftfcb,ilbä  berborglänjenben  93ucf)ftaben  richtig  berbinben  unb  beuten 
lehrte  (nacb,  anberer  ainna^me  glänzten  fie  ber  9ieib,e  naef)  r)erbor,  um  SBörter  unb  ©ä^e 
ju  bilben;    f.   bie  93elege  in  93u£torf§  historia  U.  et  Th.   cap.  4  in  beffen  Exercitt. 

so  p.  267  sq.  [Basil.  1659];  aueb,  in  Ugol.  Thes.  XII).  $Die  ©eutung  ber  ü.  unb  %. 
bon  ben  ©teinen  (als  ben  „leutfjtenben  unb  fe^Kofen",  alfo  'N  unb  r,  nacb,  bem  3Sor= 
gang  beg  Salmub  abjeltibifcb,  gefaxt,  bertritt  noeb,  Hamburger  in  feiner  5Real=@ncr;fl. 
(unter  U.);  aueb,  Heil  (2trd}äol.2,  ©.  179 f.  u.  ju  @r.28;  naa)  ib,m  aueb,  9Jolc!  ju  SDt  33,  8) 
erblicft  in  ben  U.  unb  %.  ein  3JJebium,  roelcb,e§  erglänjenb  ober  nicf)t  erglän^enb  Qaf)be§ 

55  ^a  ober  9tfein  ju  erfennen  gab. 

@in  neuer  ©efidjtSbunr't  für  bie  3luffaffung  ber  ü.  unb  %.  iüurbe  im  17.  ^ab,r= 
b^unbert  unb  jroar  roof)l  juerft  burd)  ©rotiu§  (fo  ©ieftel  in  ber  1.  3lufl.  biefer  ©nc^fl.) 
eröffnet,  nämlicf)  burd?  ben  SSerlüeig  auf  bie  gjotijen  bei  ©iob.  ©ic.  I,  48.  75  unb  3lelian 
var.  hist.  14,  34,    nacb,  foeldjen  ber  ägr/btifcfye  ^ßriefter,   ber   al§  Dberricfyter   fungierte, 

eo  ein  93ilb  ber  2Bat>rr)ett  (©tob.  ©.  1,  75  Reifst  e§  Qdidiov,   bei  3lelian   ein  äyaX/j,a  bon 


«rtm  335 

Sa^fürftetn)  am  £>alfe  getragen  imb  fd>Iief$Iicr)  bem  im  ^rojeffe  obfiegenben  umgehängt 
t)abt  (Sin  gufammenfyang  ber  U.  unb  %.  mit  biefem  äyal/ia  ift  feitbem  überaus 
häufig  mieber  geltenb  gemacht  Worben  (fo  bon  .gengftenberg,  35ie  3333.  sJRofcS  unb  2tgt;bten, 
g. 154;  Dealer,  Sibl.  afjeol  I,  §97;  ©teiner  in  ©cbenMS  SBibeUej.  V,  581  ff.),  ju= 
mal  feit  man  burd;  Sloffelini  belehrt  mar,  bafj  baS  fragliche  äyak/ua  baS  33ilb  ber  Tme,  5 
ber  ©öttin  ber  ©eredjtigfeit,  barftetfte,  unb  feit  burdj)  SBüfmfon  in  ben  Manners  and 
customs  of  the  ancient  Egyptians,  II,  26sq.  unb  2. ©er. II,  28  ff.  berartige2lbbi(bungen, 
aud)  mit  ben  einanber  gegenüberfujenben  ©eftalten  beS  ©onnengotteS  Re  unb  ber  Tme 
(f.  bie  2lbbübung  in  MebmS  ^anbrnörterbud)  ©.  916;  2.  SlufL  931)  belannt  geworben 
toaren.  -JJacb.  Knobel  (ju  ©r.  28,  30)  mären  fogar  bie  tarnen  Ü.  unb  1,  aus  ägr/btifeben  10 
Wörtern  ^ebraifiert,  nacb,  ©teiner  WenigftenS  ibre  .ßufammenftettung  burd)  baS  ägfybtifcbe 
ra  unb  tme  beranlafjt.  35ie  ganje  Kombination  ertoeift  fid)  jebod;  bei  näherer  (£rmä= 
gung  als  eine  fo  fünftlicfye,  bafe  fie  mit  Stecht  bon  35illman  (@r.  unb  £e  ©.  307 ;  2.  2lufl. 
:U1)  tooHftänbig  berWorfen  Worben  ift. 

(Sine  grünblicbe  Erörterung  beS  Problems  berfuebte  nad;  23ur.torf  mieberum  ©bencer  15 
in  „de  legibus  Hebraeorum  ritual.  III,    diss.  7  (1685  u.  ö.).      @r  gelangt  fcbltefc 
lieb,    ju  bem  Sxefultat,  11.   fei   (analog   ben    ober   bem   teraphim)    ein   tleineS   @ötter= 
bilbtt)en  getoefen,  Welches,  bom  £>oI)enbriefter  an  baS  Dbr  gehalten,  bemfelben  bie  Slntmort 
jugeflüftert  fyabz.  (35ie  §rage,  ob  nid^t  bie  11.  wegen  £>o  3,  4  als  jmei  fletne,  jum  Sofen 
oertvertoete  SEerabfnmbilber  gu  beuten  feien,  ift  neuerbingS  aud)  bon  ©tabe  aufgeworfen  20 
toorben;   bgl.  jebod)   unten   über   baS  23erbältmS   ber  £ofe  ^um  lerabbim.    %n   f  teine 
Silber  benft  aud)  $oote,  ©bbob,  ©.  31.)   SDie  ortbobor.=broteftantifcbe  Stuffaffung  beftanb 
bem  gegenüber  auf  bem  gufianbefommen  beS  DrafelS  burd)   rein   innerliche  @rleud)tung 
beS  §o'benbriefterS  unb  erblidte   in  ben  11.  unb  %.  (im  ©inn  bon  ©r.  28,  30  nicfyt  o^ne 
aßen  ©runb)  nur  ©tymbole  ber  göttlichen  ©egenwart ;  fo  bef.  $.  ©.  (Earbjob  in  feinem  25 
Appar.  histor.-crit.  etc.  (1748),  p.  76,  Wie  fdwn  $.  23raun,  Devestitu  sacerdotum 
Hebr.  II,  20,  p.  588  sq.    SDiefelbe  Stnfcbauung    Wirb   im   Wefentlicben   nodj   bertreten 
bon  mh,x  (©bmbol.  beS  mof.  ßultuS  II,   i08ff.  unb  134 ff.),     3M>   U)m   fragte,  b.  b- 
betete  ber  |>obcnbriefter   um  göttliche  (Erleuchtung.    3BaS  ibm  barauf  ins  £>erj   gegeben 
toarb,  baS  tourbe  als  göttliche  Antwort  betrachtet;   bafür  trug  er  in  ben  U.  unb  %.  bie  30 
SBürgfdbaft  auf  bem  §erjen. 

SDie  Qbentifi^ierung  ber  11.  unb  %.  mit  ©egenftänben  jum  2öerfen  beS  SofeS  finbet 
ftd>  auSbrüdlid)  fd)on  bei  3.  35.  9Jcid;aeIiS  (SOtof.  Stecbt,  I,  §  52),  ber  an  brei  ©ieincfyen 
benft,  bon  benen  eines  „ja",  bag  anbere  „nein",  ba§  britte  leine  2tntmort  bebeutet  babe. 
liefe  Stnftcbt  ift  feitbem  in  berfd)iebenen  2)cobififationen  berrfd)enb  geblieben,  ©ie  f)at  35 
ibre  §aubtftü|e  in  bem  ©brad)gebraucf),  monacb.  man  ba§  £o§  (^fi'-o)  warf  (";  ober 
-1~);  ba§  £o§  felbft  fiel  (^)  ober  „fam  beraub"  (N^^).  9Rur  barüber  fcbtoanlte  man, 
ob  U.  unb  %.  ba§  Dralel  übertäubt  (al§  „untrügliche  6ntfd;eibung"  nacb  beSöette, 
revelatio  vera  nacb,  ©efen.  im  SLb!efauru§,  „Hare  unb  boEftänbige  @ntfd)eibung;/  nad» 
Mmann  u.  f.  m.)  ober  bie  9JtitteI  jum  Sofen  felbft,  etwa  'N  burd)ficbtige,  t  unburd>=  *o 
[tätige,  ober  gefd)Iiffene  unb  robe  ©teine  begetc^ne.  S^ad»  Qüüxd)  (im  2.  @r.fur§  ^u 
„^obanneS  eScbcrtoIog.  ©efi(f)te",  ©tuttg.  1834,  unb  jWar  ju  ber  yjfj<pog  Xevxif]  Dffertb. 
2, 17,  toaren  bie  U.  unb  %.  eine  §anb  boß  teils  gefd)Iiffener,  teils  rober  35iamant= 
toütfel ;  ber  §obebriefter  fombinierte  bie  33erbältniffe  beS  SCßurfs  nad)  einer  boI)en^>rtefter= 
Itcben  ßrbtbeorie.  9Jcit  ber  Slnnabme  bon  ©teind;en  jum  Sofen  begnügen  fieb  @malb  45 
C2üteru).3,  ©.392:  jtoei  ©teine  bon  begebener  garbe),  ©cbul^  (2lltteft.  SLbeor.%  ©199), 
Siefym,  ©iegfrieb,  35abieS  (groei  mit  ja  unb  nein  befdmebene  ©teine),  ^olginger  (mit  bet- 
rage, ob  niebt  bie  beiben  ©d>of)amfteine  ßi  28,  9  urfbrünglid)  in  bie  Xafcfye  geborten), 
Senneb^>  (jtoei  ©teine  in  SSürfelform).  Übrigens  aber  fann  man  bie  Vermutung  sIBelI= 
NfenS  ju  1  ©a  31,  3,  ba|  baS  SSerb  ~y~,  »obon  rnin,  eigentlich  baS  SBerfen  ber  50 
Socpfeile  bebeute,  febr  tüot)I  aud)  auf  bie  11.  unb  %.  begeben.  35afür  fbridjt  nid)t  nur 
•Öo  1,  12  (f.  0.),  fonbern  bor  allem  @j  21,  26  f. :  „SDcr  König  bon  33abd  ftebt  am  ©d)eibe= 
h>ege  .  er  fdiüttelt  bie  Pfeile,  befragt  ben  SEerabbim,  befdjaut  bie  Seber.  ^n  feiner 
Seiten  ift  baS  SoS  ^erufalem"  35aS  bei|t  mobl  einfad) :  er  fd}üttelt  bie  SoSbfeile  bor  bem 
®ottesbiIb  (bem  SEerabbim),  Wie  man  ebebem  bie  lt.  unb  %.  im  2Ingefict)t  beS  (5bbob,  ^ 
nacbmals  in  SUelfa  bie  SoSbfede  bor  bem  §ubal  fdmttelte  (bgl.  Ül>eQbaufen,  ©fi.^en 
HP,  ©.  132,  ber  an  «Pfeile  obne  ©bi^en  benft ;  aud;  Dtobertfon  ©mit!;,  35aS  211  jc, 
übetfe^t  bon  3totbftein,  ©.  273  f.,  berfte|t  bie  U.  unb  %.  bon  einem  ^feilorafel).  SDafj 
63  21,  26 f.  ber  betreffenbe  SoSbfeil  mit  bem  tarnen  ^erufalem  beschrieben  ju  benfen 
Hi  läfet  fieb  niebt  bemeifen;    boeb  ift  bie  3Jcögtid;fcit  ntebt  auSgefd;loffen.      ^ür  bie  ^e=  60 


33(i  Utrtm  Url^erger,  %  2t. 

fd)reibung  fbricf/t  eine  bemerien§toerie  9Iotij  bei  ©brenger,  ®a3  Seben  unb  bie  Seb/re  beg 
3RoI)ammeb  I.,  259 f.,  auf  Welche  be  Sagarbe  (bie  rebib.  Sutt/erbibel,  ©.  19)  berWeift.  $n 
ber  &aaba  ju  9Mfa  befembert  fid)  fteben  ©täbe  bort  berfdnebener  $arbe,  bereit  jeber  ein 
2Bort  trug  (ja,  nein  u.  f.  W.,  aud)  caql,  23lutgetb,  um  in  ftreitigen  gälten  einem  ber  bag 
5  Sog  2ßerfenben  bie  Seja^lung  ber  ©üfyne  gu  überweisen).  Qe  nad)  Übereinkunft  entfdjieb 
bann  beim  Sogwerfen  bag  §erborfommen  beftimmter  Wörter,  Wäfyrenb  bie  anberen  un= 
berüdfid)tigt  blieben.  SCud^  bie  berfefnebene  $arbe  ber  ©täbe  gab  bigweilen  ben  2tugfd)lag. 
2lud)  bon  brei  Pfeilen,  Don  benen  jmei  befd)rieben,  einer  btanf  war,  ift  anberWärtg  bie 
Stebe.    £>ag  §eraugfommen  beg   Manien  bebeutete  bie  Verweigerung  ber  Antwort  (bgt. 

io  jum  ^feitorafel  bei  ben  Arabern  übertäubt  9tobertfon  ©mitb,  im  Journ.  of  Phil. 
XIII,  277  ff.). 

SDie  jüngfte  ^ß^afe  in  ber  Deutung  ber  U.  unb  %.  ift  ifyre  Verleitung  (unb  jWar 
nid)t  blofj  bie  ber  -Warnen,  f.  oben  ©.  334, 20)  aug  babr/Ionifd)en  33orbilbem  (bgt.  baju 
gimmern,  £>aubt,  9Jcuf$  2trnolt  a.  a.  D.  unb  befonberg  21.  ^eremiag,  ©ag  2t£  im  Sid)te 

15  beg  alten  Orient,  2.  2luft.  (Seidig  1906),  ©.  192,  21.  3.  5Radj  ib,m  entfbredjen  bie  XL. 
unb  %.  inmitten  ber  12  (Sbetfteine  (ben  SEierfreiggeidjen)  ben  ©egenfä^en  „Seben  unb 
%obf  ja  unb  nein,  Sid)t  unb  ginftemig"  Übrigeng  ftnb  bie  auf  ber  SBruft  getragenen 
lt.  unb  %.  2tnatoga  §u  ben  babr/Ionifd)en  ©d)idfatgtafeln,  bie  gteid)faltg  auf  ber  Stuft 
getragen  werben  (ibid.  ©.  450).  9Rad)  bem  babblonifd)en  ©cfyöbfunggepog  legt  bie  Siamat 

20  bem  ^ingu  bie  ©d)idfalgtafeln  auf  bie  23ruft;  aber  SRarbuf,  ber  Sefieger  ber  5£iamat, 
nimmt  fie  il)m  ab  unb  legt  fie  fid)  felbft  an.  2Bir  laffen  hierbei  ganj  aufser  23etrad)t,  bafj 
eine  ©ntlelmung  ber  II.  unb  %.  aug  bem  23abr;lomfd)en  jur  $eit  ©amuetg  unb  ©abibg 
ferner  benlbar  ift,  unb  baf$  beibe  bei  bem  ©ebraud)  beg  Sofeg  jebenfallg  rttdE>t  an  bie 
SlierlreiSbilber  unb   bie  ©egenfäije  bon  Seben  unb  %oh  jc.  gebadet   r/aben.    2tber  aud) 

25  Wenn  man  fid)  bamit  begnügt,  erft  bem  ^ßriefterfobej  eine  abfid)tlid)e  SCntefmung  an  bag 
babbtonifd)e  SSorbitb  jujufcb, reiben,  fd)rumbft  bie  2lnalogie  auf  einen  fümmerlidjen  9ieft 
jufammen:  ber  §or/eprtefter  trägt  bie  Dralettafd)e  mit  ben  H.  Sofen  auf  ber  Sruft,  wie 
bag  babt)tonifd)e  ©ottegbilb  bie  ©d)tdfalgtafeln.  SDiefe  ©teidjung  läfjt  u.  @.  eine  birefte 
Entlehnung  (ju  Weld)em  gWecf  aud)?)  laum  begrünbet  erfreuten.  Sauljftlj. 

30  ttrlSperger,  $or;.  21  ug.,  Dr.  theol.,  SDogmatüer  unb  ©rünber  ber  beutfd)en  6bjiften= 
tumggefellfcfyaft,  geft.  1806.  —  Quellen  jur  ©efd)t^te  fehte§  SebenS:  .turjeS  fetbft= 
oerfa^te§  Curriculum  au§  §(nlafe  feiner  Orbinatton.  (Mebrudt  mit  ber  DrbinationSrebe  feines 
SBaterS  unb  anberen  ©eleaen^eitäreben,  ?(ug§burg  1757;  ©rabmann,  S)a§  gelehrte  ©c^iuaben, 
SRat>en§burg  1802,    @.  694-704;    3o£>.  ©eorg  Teufel,    3)a§   gelehrte  Sewtfd)Ianb,    10.  93b, 

35  Semgo  1803,  @.  759—761.  gür  feine  t{)eolügifd)e  Qcntancfetung  uergleictje  man  bie  (£in= 
(eitung  p  feinem  „Äurjgefa^ten  ©tjftern  beS  SSortvageS  Hon  ©otted  S)reietnigteit"  lieber  feine 
Semüfjungen  jur  ©rünbung  ber  ©rjviftentumSgefeUfdjaft  geben  beren  gefa^rtebene  ^ßrotofolle 
foteie  feine  gatjtreidjen  SSriefe  an  bie  ©efeüfdjaft  ?tuffa^(u^;  für  feine  fpätere  Seben§äeit  finb 
ebenfalls  bie  teueren  bie  §au^tquette.  ^votofoHe  unb  93rtefe  befinben  fiel)  im  2Xrcr)ib  ber  beut= 

40  fd)en  e^riftentumSgefeüfcbaft  im  50liffion§^au§  ju  SBafel.  —  Sitteratur:  8tb93  33b  39,  ©.355 
big  361.  ?trt.  üon  Eb.  Jacobs. 

©ie  gamilie  11.  War  um  bie  SBenbe  be§  16.  3>ar/rb,unbert3  in  ©übbeutfcb,Ianb  ein= 
gewanbert,  nadjibem  fie  um  i^reS  ei>angelijd)en  ©laubeng  Willen  aus  ib,rer  früheren  $eimat 
in  Dfterreidb,    War  Vertrieben   Worben.    ^ofiann  2luguft  11.  War  ber  ©olm  be§  ©enior§ 

45  ©amuel  U.§  in  2lug€burg  (f.  b.  2t.),  be§  früheren  §of!prebigerg  §erjog  @berb,arb  SubWigg 
Don  Württemberg.  @r  Würbe  in  2tug§burg  am  25.  Sfobember  1728  geboren  unb  b\§ 
in  fein  §eb,nte§  Qab;r  burd)  feine  ©Item  unb  Sßribatte^rer  unterrichtet,  ^m  §erbft  1738 
bejog  er  bie  §ürftenfd)ule  ju  5Reuftabt  an  ber  2tifd),  beren  9ieftor  Ortete  er  ein  bant= 
bareg  2tnbenfen  bewahrte. 

50  3Son  1743  an  befud)te  er  ba§  ©^mnaftum  ju  ©t.  2tnna  in  2tug§burg  unb  fd)Io| 
im  ^ab,re  1747  jeine  ©^mnafialftubien  ab  mit  ber  ©iffertation  De  praestantia  Colo- 
niae  Georgiensis  prae  Coloniis  aliis.  ©arin  befd)äftigte  er  fid)  mit  ber  2tnfiebetung  ber= 
triebener  et>angelifd)er  ©al^burger  in  ÜRorbamerifa,  bie  burd)  SSermitttung  feinet  3Sater§ 
in  @ben  @ger  fübtid)  bon  ©abanna^)  eine   jWeite  £eimat   gefunben   Ratten.    @r  giebt  in 

65  biefer  feiner  @rfttinglfd)rift  u-  a.  feiner  greube  barüber  2tu<§bruct,  ba§  bie  Emigranten 
in  ifyrer  neuen  §eimat  nun  if>reg  ©laubeng  frei  leben  lönnten  unb  Ijofft,  ba|  fie  tt)n 
aud)  unter  ben  ^nbianern  augjubreiten  ©elegen^eit  fänben.  ^ene  ©atjburger  ib,rerfeitl 
batten  fid)  p  gemeinfamer  gürbitte  für  il)n,  ben  ©ob^n  tt)reg  9Bob,ltb,äterg  berbunben, 
„bafi  ^efu  9ieid;  burd;   itm  möchte  ausgebreitet  Werben".    $Dag  Söerf  ber  gürforge  für 

t;o  biefe  ©taubenggenoffen  unb  Sanbgteute  feiner  bfterreid}ifd)en  Sorfab^ren  führte  er  nad) 


ttdspcrget,  &  A.  33? 

bcm  lobe  feines  SaterS  Weiter,  tote  er  aud)  fonft  für  @bangelif$e  in  ber  .gerftreuung 
zeitlebens  ein  WarmeS  §erj  b,atte  unb  auf  jebe  Süeife  für  fie  eintrat.  Son  1747—1750 
ftubiertc  er  in  Tübingen  fyaubtfäcfyltcb,  bfyilofobfyifcfye  gäcfyer.  Stadlern  er  ben  Söinter 
1750  Wegen  Unbäjjlicfyfeit  im  elterlichen  §aufe  jugebrac^t  fyatte,  bejog  er  1751  bie  Unt= 
berfität  £aEe,  um  fiter  mit  bem  bollen  ©tubium  ber  STfyeoIogte  ein^ufe^en,  ftd;  aueb,  fcfyon  6 
im  ^rebigen  ju  üben  unb  an  öffentlichen  3)iSbutationen  teilzunehmen,  ^m  £aufe  beS 
$rofefforS  ©igm.  %at.  Saumgarten  fanb  er  liebebolle  Aufnahme,  -ytadjbem  er  1753  nacb, 
abgelegtem  (gramen  bietOkgtfterWürbe  erlangt  b,atte,  fcb/Iofj  er  feine  afabemifcfyen  Stubten 
im  Sabre  1754  mit  einer  ©iffertation  De  mysteriprum  christianae  fidei  vera  in- 
dole,  et  adversus  recentissimas  oppugnationes  vindieiis.  SDarin  brachte  IX.  10 
eigentlich  nicb,t  gang  baS  jum  AuSbrucf,  WaS  i|n  fcfyon  bamalS  bewegte  unb  beffen  weiterer 
Darlegung  faft  feine  gange  SebenSarbeit  geWtbmet  mar,  nämlicb,  ben  ÜRacfyWeiS,  bafc  im 
SßerftänbniS  beS  SBefenS  ber  SDreiemigfett  ©otteS  ber  ©cfylüffel  gum  SerftänbniS  ber 
gangen  cfyriftlicfyen  Religion  liege.  35a  er  im  erften  (SntWurf  $u  jener  Arbeit  bie  bureb, 
äßolf  Vertretern  geitgenöffifd^e  ^Inlofobljne  angegriffen  fyatte,  fytelt  tfyn  Saumgarten,  bem  15 
er  feine  SCrbeit  borlegte,  babon  ah,  fie  in  §aße,  Wo  SSoIf  bamalS  noeb,  lebte  unb  Rangier 
ber  Uniberfität  mar,  px  publizieren,  riet  tfym  aber  an,  fie  in  feiner  §eimat  als  befonbere 
©cfyrift  bruefen  ju  laffen.  2öaS  nun  in  §aüe  erfetnen,  mar  eine  allgemein  gehaltene 
Slbfyanblung  über  ben  djriftlicfyen  ©lauben,  bie  feinen  Slnftofs  erregte. 

yiafy  beftanbenem  tarnen  trat  er  in  feiner  Heimat  öfters  als  $rebiger  auf  unb  20 
unternahm  im  barauffolgenben  $ab,re  bom  3Jiai  bis  gum  9?obember  1755  eine  längere  Steife, 
auf  ber  er  u.  a.  aueb,  (Stuttgart,  granlfurt  a./Sffi.,  Hamburg,  $obenb,agen,  SSernigerobe 
unb  Berlin  berührte.  (SS  lag  ü)m  bamalS  fcfyon  bor  allem  baran,  berfönlicfye  Sejiefyungen 
ju  ©leidjgefinnten  anjufnübfen,  WaS  3.  %.  Wettgeljienbe  folgen  blatte.  ©0  fütterte  er 
in  granffurt  ^u  Seginn  jener  ÜReife  im  §aufe  beS  Seniors  D.  gtefeniuS  nadb,  S3e=  25 
fbredSung  mit  biefem  ben  „©runbrijs,  Wie  eine  ©efetlfcfyaft  jur  Seförberung  cfyriftlicfyer 
Siebe  tonne  errichtet  Werben;  gu  bem  (Snbe  entworfen,  bamit  anberen  llugen  unb  er= 
fafyrenen  ^ßerfonen  ©elegenl)eit  gegeben  Werbe,  noeb,  mehrere  Sorfcfyläge  gu  tfyun  unb  ba= 
irnrd)  bie  ©acfe,e  ju  befferer  Steife  gu  bringen". 

@S  ift  Wofyl  laum  bloßer  ftvtfaü,  ba|  ftd)  fct)on  im  Anfang  beS  folgenben  $al)reS  in  30 
Safel  eine  „©efellfdjiaft  bon  guten  greunben"  jufamment^at,  ganj  unabhängig  bon  ber 
1740  in  Safel  gegrünbeten  ©octetät  ber  Srübergemeine,  „in  ber  Abfielt,  nacb,  atigemeiner 
(Sf)riftenbflid)t,  ©otteS  ©fyre  unb  ber  Sftebenmenfdjen  §eil  ju  beförbern  unb  fufy  untereinanber 
ju  erbauen"  3Me  Statuten  biefer  ©efeEfcb,  aft  ^atte  eigenb,  änbig  Pfarrer  §ieron^muS  b'Slnnone 
in  ?3tuttenj  bei  Safel,  ber  SSater  beS  SSaSler  ^ietiSmuS,  ein  ^acfyfomme  oberitaltenifcb.er  35 
Sefugianten,  entworfen,  ber  feit  bem  ^ab^re  1736  mit  Samuel  Ü.  berfönlicb,  befreunbet 
War  unb  beffen  SiebeSarbeit  unter  ben  ebangelifd)en  Dfterreitt^ern  unterftü^te.  3)te  $reunb= 
fd^aft  mit  bem  3Sater  U.  War  aueb,  auf  ben  Soljm  übergegangen.  3)'2lnnone  forrefbon= 
bierte,  Wie  bisher  bribatim,  fo  bon  1756  an  im  tarnen  jener  ©efettfcb,aft  mit  ben  beiben 
U.  unb  grünbete  eine  ©efeÜfdjaftSbibliotfye!,  Worin  Schriften  Samuel  U.§  unb  ifjnen  40 
geifteSberWanbte  33üd)er  3luffteIIung  fanben.  35ie  ©efeUfdjaft  machte  fid)  jur  ^ßflic^t,  bie 
Verbreitung  cfiriftlic^ er  Schriften  an  bie  £>anb  ju  nehmen,  eine  cfyriftlid) e  2eib,bibIiotb, el  einju= 
ridjten,  bebrängte  ebangelifd^e  ©laubenSgenoffen  ju  unterftütjen,  §eiben=,  ^uben=  unb 
SKo^ammebanermiffion  ju  förbern,  ein  Wacb,fameS  äluge  auf  fyerumreifenbe  äoEeltanten 
ju  I^aben,  baf$  fie  nid^t  ^rrlef)ren  berbreiteten,  unb  auf  bie  geilen  ber  $«t  ju  merlen.  45 
Sie  erften  greifbaren  grüßte  biefer  ©efellfd)aft  War  bie  Sammlung  bon  ©eibern  für  bie 
ßbangelifdpen  in  Öfterreicb,  unb  bie  Aufteilung  eines  3)tafonen  jur  Pflege  bebürftiger 
Sranler  in  Safel.  @S  liegen  !eine  SRa^rid^ten  barüber  bor,  Wie  lange  btefe  ©efeHfcb,aft 
in  Safel  beftanb.  3)ie  ^3roto!oUe  über  it)re  SSerb^anblungen  reichen  nur  bis  gum  Qafjre 
1760.  2lber  gan?  beutlid)  fielet  man  in  ber  ,,©efeßfd)aft  ber  guten  greunbe"  eine  3Sor=  so 
läuferin  ber  fbäter  burd)  ^ob,.  2lug.  U.  ins  Seben  gerufenen  Sb,riftentumSgefeEfcf)aft,  bie 
in  Safel  ib,ren  ^entralfi^  fanb.  @S  ift  ^öc^ft  Wafjrfc^einlid),  bafj  fd)on  jene  erfte  SaSler  ©e= 
feUftt^aft  auS  bem  ^af)re  1756  für  innere  unb  äußere  TOiffton,  Wie  Wir  je§t  fagen  würben, 
auf  bie  Anregungen  beS  jungen  U.S  jurüöcgeb,en,  bie  er  bon  granffurt  auS  im  ^afyxt 
jubor  gleicl)gefinnten  greunben  f>atte  jugeb,  en  laffen  unb  bajj  Wir  in  iftren  Statuten  bie  65 
§aubtgebanfen  jenes  „©runbriffeS"  beffen,  ben  U.  mit^refeniuS  in  granlfurt  entworfen 
fiatte,  beffen  2BortIaut  Wir  aber  nid)t  lennen.  ^m  ©ntWurf  unb  in  ber  Ausführung 
fold^er  WeitauSfcl>auenben  päne  b,atte  %ofy.  Aug.  U.  an  feinem  Sater,  Sam.  U.,  einen 
Vorgänger,  beffen  ^been  ntdjt  ofyne  ©trtflujs  auf  ib,n  geblieben  Waren,  unb  ber  feinerfeits 
birelt  bon  Auguft  |>ermann  granfe  Qmpulfe  embfangen  l;atte.  60 

9ieaI«ffiitcö«opäbte  für  Sljeoloflte  unb  mt«e.    3.  M.  xx.  oo 


338  UrlSpergcr,  g.  21. 

%la<$)  SlugSburg  3urüdgefef)rt,  würbe  IL  bon  feinem  SSater  jum  ©ef)ilfen  beS  ^rebigt- 
amteS  mit  bem  'Jitel  eine§  „^eftilenäiarS"  eingesegnet  unb  erhielt  im  %at)v  1757  bie 
©teile  eines  inerten  ©iafonen  an  ber  SSarfüfeergemeinbe.  infolge  mehrerer  rafct)  auf= 
einanber  folgenber  SEobeSfälle  unter  ber  ©emeinbegeiftlidjleit  burcfylief  er  bis  1760  fämt= 
5  lid;e  SialonatSfiellen  bis  jur  erften.  gWtfcfyenlnnem  würbe  er  1761  beauftragt,  in  SEiroI 
bie  friegSgefangenen  breufetfdjen  Offiziere  feelforgerlid;  ju  bebienen.  9>iad)bem  er  1762 
burd;  Übernahme  beS  SDialonateS  an  ber  §aubtbfarrurd;e  ju  ©t.  2lnna  (Gelegenheit  ge= 
funben  ^atte,  feinem  SSater  in  beffen  letzter  SlmtSgett  jur  ©eite  ftefyen  ju  bürfen,  blieb  er 
gern  noch;  bis  1770  3)iafon,  obWof)!  ifym  fd;on  1765   nad)   bem  9iüdtritt   feines  23aterS 

10  bon  ben  öffentlichen  Ämtern  bie  erfte  ^ßfarrfteße  War  angeboten  Worben.  %la<fy  jtoei= 
jährigem  Pfarramt  an  ber  l>(.  $reujurd;e  gelangte  er  im  ^afyre  1772  furj  nact;  bem 
SEobe  feines  87jä^rigen  33aterS  ^um  ©eniorat,  meiere  Stürbe  er  aber  blofe  toter  ^afyre 
lang  belleibete,  ba  er  fid;  fcf)on  1776  infolge  anfjaltenber  $ränflid;leit  erft  48jäfyrig  ge= 
nötigt  fal),  feine  fämtlidjen  bis  babin  berWalteten  öffentlichen  Slmter  meberjulegen. 

15  ^njWifcfyen  aber  f/atte  er  fid^>  neben  geWiffenfmfter  Erfüllung  feiner  2lmtStofIid)ten, 
ja  £>anb  in  §anb  bamit,  Weiter  mit  jenen  fragen  befd£)äftigt,  bie  fcfyon  feiner  afabemifd)en 
SDiffertation  %u  ©runbe  lagen.  ®ie  Anfänge  biefer  ©tubien  gel)en  bis  in  feine  früfjefte 
$eit  jurücf.  @r  füllte  bon  ^ugenb  auf  einen  „beinahe  unaufhaltbaren  Srieb"  in  fid;, 
ber  2öa^rbeit  felbftfiänbig   nacb^ubenfen.    %et>e   auf  biefe  SBeife  gewonnene  SrlenntniS 

20  fudjte  er  in  origineller  Söeife  Wiffenfd;aftlicf)  $u  »erarbeiten  unb  fic^>  fo  t>on  früb  an 
fein  eigenes  ©bftem  ju  bilben.  $Dabei  berfolgte  er  ben  ©runbfa|,  niemals  eine  gut 
bezeugte  Ijtftorifc^e  5tl)atfad;e  nur  beSfmlb  ju  berWerfen,  Weil  fie  feinem  SSerftänbntS 
©cfywierigfeiten  bot,  fonbern  bie  Urfacfye  ber  mangelhaften  ©rlenntniS  jmnäcfyft  bei 
fidt^   felbft   pi  fua)en.     ©obann    galt    iljmi    bie   SBtbel    als   unmittelbare   Offenbarung 

25  ©otteS  nidt)t  nur  als  ©rfenntniSqueße,  fonbern  aud)  als  „^ßrobierftein  ber  3Baf)rf)eit'' 
2Jat  beginn  feiner  2lmtStf)ätigleit  machte  er  eS  fiel)  fogleid)  jur  Siegel,  burd)  feine 
jal)lreid;en  Sßrebigten  (120—150  jäfyrltd;)  nid)t  nur  feine  .ßufyörer  %u  erbauen,  fonbern 
aud)  fid;  felbft  Wiffenfd)aftlid)  gu  förbern.  @r  brebigte  gan^e  33üd>er  ber  ^eiligen  ©cfyrift 
31  unb  %l%ä  nad;  einer  eigenen  SJJetfyobe  burcjE),   beftänbig  auf  ben  ©d^riftjufammenb^ang 

30  InnWeifenb.  Unb  bei  ber  Vorbereitung  auf  feine  ^rebtgten  gab  er  fid)  bei  jebem  %?& 
über  äße  einfdjlägigen  Wiffenfcfyaftlicfyert  fragen  9ied)enfd)aft,  fo  bafe  er  nad;  feiner  eigenen 
SluSfage  oljme  Weiteres  barüber  gelehrte  Slbfyanblungen  Bätte  liefern  lönnen.  33ei  biefen 
©tubien  liefe  itm  im  ^afyre  1767  bie  ©teile  M  2,  2  unb  3  (Dorn  ©efyetmniS  ©otteS  beS 
3SaterS  unb  ßb^rifti,  in  tr>elcf>em  »erborgen  liegen  alle  ©d)ä|e  ber  2öeiSl)eit  unb  ber  @rfennt= 

35  niS)  nicfjt  mel)r  loS,  unb  er  fab  in  tbr  ben  ©d)lüffel  aller  (SrlenntniS.  SSon  biefer  $eit  an 
galt  fein  gangeS  ©tubium  nod)  intenfiber  als  bisher  ber  ©rgrünbung  biefeS  ©eb^eimniffeS 
unb  eS  erfcfyienen  innerhalb  ber  3>al)re  1769  bis  1777  fieben  meift  umfangreiche  2lbb^anb= 
lungen  über  baS  SBefen  ©otteS,  roorin  er  eine  felbftftänbige  ®reieinig!eitSle^re  barlegt. 
3)arin  null   er,   auf  bem  SBoben   ber  ©etyrift  unb  beS  lutbertfeben  93e!enntniffeS  ftebenb, 

40  bie  reine  fiebere  »ertreten  unb  boeb  gugleicb  bie  ber  atb^anafianifd>en  3luffaffung  ber  ^rinität 
anfiaftenben  3JJängel  (§üermifc^ung  ber  SBefenSbreicinigfeit  ©otteS  mit  feiner  Dffen= 
barungSbreieinigleit)  ju  überminben  fucf)en  ob^ne  bod)  bem  ©abeEianiSmuS  ju  Verfallen. 
(35ier  3>erfud)e  einer  genaueren  S3eftimmung  beS  ©efjeimniffeS  ©otteS  unb  beS  SSaterS 
unb  ßljrifti  1769—1774;  ^ur^gefafeteS  ©Aftern  meines  Vortrages  »on  ©otteS  $Dreieinig= 

45  feit,  1777;  bajmifd;en  jroei  ©treitfdjriften  über  benfelben  ©cgenftanb  pr  Slbiüebt  bon 
Singriffen).  U.  unterfcfjeibet  bor  aUem  eine  *iefenS=  unb  eine  DffenbarungS=5Dreieinigfeit. 
3ur  öfonomifd;en  SErinität  gehören  Segriffe  wie  3eu9m  un^  2t"§8^en.  S)aS  gehört 
ntebt  jum  ffiefen  ©otteS,  läfet  aber  auf  feine  innere  S3efcbaffenbett  fefliefeen,  ba  fid)  ©ott 
nur  fo  offenbaren  lann,  Wie  er  toirfltd)  ift.    äluS  ber  Xb^atfadje  ber  Offenbarung  alfo  ift 

so  erfennbar,  bafe  in  ©otteS  Sßefen  innere  Unterfd;iebe  borb^anben  finb,  ob>e  bie  er  nio)t 
aus  fid;  herausgeben  nod;  fid;  babei  bifferen^ieren  lönnte.  3m  breieinigen  2Sefen  ©otteS 
fann  eS  an  fid;  feine  erfte  unb  leine  letjte  Werfen  geben,  alfo  aud;  nid;t  bie  eine,  etwa 
ber  3Sater,  jum  prineipium  et  fons  deitatis  gemalt  werben,  ©anj  anberS  aber,  Wo 
gar  nid)t  bom  Söefen  ©otteS,  fonbern  nur  bon  ber  Offenbarung  feines  SkfenS  bie  Sfobe  ift. 

55  £>a  erfebeint  ber  ©o^n  unb  ber  ©eift  bem  3Sater  als  ber  SebenSquelle  untergeorbnet.  Sie 
9Babrt)eit,  bafe  ber  einige  ©ott  nad;  feinem  Söefen  felbft  breieinig  ift,  ob>e  jeboeb  naef; 
biefem  notWenbigen  SSerbältniS  betrachtet,  33ater,  ©ob>  unb  ©eift  ju  fein,  ift  baS  @e= 
l)eimnis  ©otteS  ober  baS  Söefen  ©otteS  an  fid). 

2)er  SluSgang  ©otteS  bon  fid;  in  bie  Offenbarung  Wirb   bon  U.  als  ber  Übergang 

eo  auS  bem  Unenblid;en  ins  @nblid;e  aufgefafet.    11.  fragt:   SBie   fommt  ©ott,   bie   unenb= 


UrlSpcrgcr,  &  3t.  339 

(idjc  llrfacfye,  ju  einer  cnblicfyen  SBirtung,  tote  fie  bei  ber ©d^ö^fung  bettelt  ftattfinbetV 
Unb  tote  macfyt  ©Ott  aus  ber  ©cfyötofung  ber  3Mt,  bie  bod)  enblid)  bleibt,  ein  unenb= 
licfyeS  Üßerf?  Unb  tote  greift  eS  ©ott  an,  bafj  baS  ©nbltcfye  unb  Unenblidje  miteinanber 
IjinS  Werben?  Sie  Antwort  lautet:  $m  ©ob,n  ift  baS  (Snblicfye  unb  ba§  Unenblid;e  jur 
(Soweit  berbunben,  fo  bafj  er  fieb,  felbft  in  feinem  StuSgang  burdb,  unenbltctje  $raft  ju  5 
enblidEjert  Söirtungen  beftimmt,  burd?  enblid;e  2öirfungen  mit  enblicfyen  Gräften  ftd>  ber- 
einigt unb  baburefy  enblicfje  Söefen  in  feine  unenblicfye  Sereinigung  aufnimmt.  SDie  tieffte 
Stufe  feiner  ©rniebrigung  in  ber  2öelt  gefdjiafy  in  feinem  £obe,  benn  in  feinem  im 
Örabe  rufyenben  Seibe  lie|  er  fieb,  big  jum  fcfyeinbar  Seblofen  t)erab,  Woburd;  er  mögltcf) 
machte,  baft  aueb,  bie  fleinfien  ber  einfachen  Gräfte  ber  ^Bereinigung  mit  ib.  m  unb  ber  barauS  i° 
fliefjenben  folgen  teilhaftig  Werben  tonnen.  ®iefer  freiwilligen  ©infeb^ränfung  feines 
ii>efenS  folgt  bie  6rr;bl)ung,  bie  im  ©egenfat?  baju  eine  2tuSbreitung  feiner  £>errlid)fett 
barftettt  bis  alte  .groeefe  feines  föommenS  in  bie  2Mt  erreicht  finb  unb  feine  unb  feines 
SaterS  £errlicf)feit  md)t  metjr  im  SluSgang  boneinanber  unterfcfyieben  fein  Werben.  Sann 
bort  bie  gange  Ökonomie  auf,  ba  fie  ib,ren  fttozü  erreicht  b,at.  ®er  ©oljm  unterwirft  fieb,  1-, 
bem  Sater  unb  fyört  auf,  ©ofyn  gu  fein,  bleibt  aber  wie  bor  feinem  SluSgang  eine  göttliche 
"^erfon.  ©er  {»eilige  ©eift  begleitet  ben  ©otm  auf  feinem  gangen  Söege  ber  ©rniebrigung  unb 
(iTböbung.  Stuct;  er  gef;t  aus  bon  bem  Sater,  um  bei  bem  ©ob,n  ju  fein.  „@r.  ift  bie 
in  ©ott  gebärenbe  b.  i.  ben  SluSgang  unb  SDarftellung  eines  göttlichen  ©otmeS  burd) 
©eburt  bewirfenbe  $raft"  (Serfu<|e,  ©tüd  IV,  ©.  323).  %m  Stnfddufj  an  bie  Xrini=  20 
tätslefyre  unb  im  gufammenfmng  bamit  lief?  U.  im  %ab,vz  1775  bie  ©ct)rift  „bom  gött= 
liefen  ©benbilb"  erfcfyeinen. 

U.  mar  fid)  beffen  beWufjt,  bafj  feine  tieffinnige  (Srfaffung  ber  SErinitätSlebje  üfteueS  bot, 
unb  erwartete  mit  3facr)t,  bafj  fie  beamtet  Werbe  unb  WenigftenS  bei  ©efinnungSgenoffen  3tn= 
Hang  finbe.  2lber  er  Würbe  feb. Wer  enttäufcb,  t.  Sie  tonangebenben  Organe  jener  geit,  Wie  u.  a.  25 
bie  Slllgemeine  beutfcb,e  Sibtiotbet  bert/ötmten  feine  3tuSfüb,rungen  unb  bon  ber  anbern 
Seite  b,er  Würbe  er  Wegen  feiner  2lbtoeicf)ung  bon  ber  atfyanaftanifcfyen  Stuffaffung  als  $rr= 
leerer  berbäd)tigt,  ja  fogar  bor  ®aifer  unb  ^eieb,  angetlagt.  ®a  ibjn  in  abologetifcfyem 
^ntereffe  alles  baran  lag,  bureb,  fein  ©Aftern  baS  alte  SDogma  neu  gu  begrünben  unb  ju 
feftigen  gegenüber  ben  fribolen  Angriffen  ber  fog.  Geologen  berlangte  er  bon  ber  Uni=  30 
berfttät  Tübingen  Srüfung  feiner  XrinitätStefyre  unb  entWeber  beren  2BtberIegung  mit 
biblifcr/en  ©rünben  ober  Slnerfennung  feiner  Stufftellungen  als  febjiftgemäfj.  5Die  StntWort 
Tübingens  War  bie  Serteifyung  ber  tfyeologifefyen  SDoftorWürbe  im  ^afyxt  1775.  —  U. 
loarf  ben  Geologen  feiner  ßeit  3)entfaulb,eit  bor,  Weil  fie  fieb  nid^t  mit  ben  ib,m  fo 
tüid£)ttgen  fragen  befaffen  Woßten  unb  erhoffte  bon  ber  3^""^  ei"e  beffere  SBürbigung  35 
feiner  arbeiten.  ®iefe  Erwartung  erfüßte  fid).  ©enn  im  borigen  ^a^r^unbert  liefjen 
i§m  j.  S.  Säur  unb  SDorner  alte  3tnerlennung  Wiberfab,ren.  Seacf;tenSWert  ift  aud},  ba^ 
fieb,  in  ber  ©egenWart  Tl.  £äb,IerS  ©arftellung  ber  ^rinität  in  feiner  „2öiffenfcf)aft  ber 
cf)riftlict;en  Sel)re"  (2.  Stuft.  ©.  315—318)  nab,e  mit  berjenigen  VL3  berührt.  —  Ter 
©runb  ber  Ignorierung  Ü.S  bureb,  feine  ßeitgenoffen  mag  b,aubtfäd;lid;  in  feiner  feb, Wer=  40 
fälligen  unb  unftyftematifcfyen  $DarfteHungSWeife  gelegen  fyabm.  SefonberS  fein  „@rfter 
^erfueb,"  leibet  an  bieten  Sftängeln,  WeSt>atb  er  fbäter  fetber  babor  Warnte,  mit  beffen 
Setture  baS  ©tubium  feines  ©fyftemS  ^u  beginnen. 

2)a  er  fict)  in  feiner  t^eologifc^en  ©teüung  fo  bereinfamt  fab,  fucb,te  er  mit  ben 
wenigen  ©leictigefinnten  güb^lung  ju  gewinnen  unb  fie  jum  3"fcmimmfcbJuJ3  ju  beran=  45 
laffen.  ßr  blatte  noeb,  WeitauSfdjauenbe  fd^riftftetterifctie  Släne,  WoHte  biefe  aber  nicb,t 
ausführen,  ob,ne  ber  Seacf)tung  unb  %eilnar)me  WenigftenS  feiner  ©efinnungSgenoffen  fid; 
berftd^ert  ju  b,aben.  ®arum  War  er  feit  bem  $at)re  1777  buref)  umfaffenbe  Äorrefbon= 
benj  in  biefer  9ttd;tung  eifrig  tf)ätig,  jeboeb,  oljme  (Erfolg.  ®a  befd;lo^  er  burd)  2Bieber= 
Belebung  alter  unb  Slnfnübfung  neuer  berfönlicb,er  Sejieb,ungen  eine  Sereinigung  jur  bo 
Serteibigung  ber  cr)rtfttict)en  2Saf)rb.eit  gu  grünben  nad;  bem  Sorbilb  ber  feit  1698  in 
ßnglanb  beftefjenben  „Soc.  for  promoting  Christian  knowdledge",  beren  forrefbon= 
bierenbeS  5Ritglieb  er  feit  1765  War,  unb  ber  fdjwebifdjien  ©efellfd)aft  „de  fide  et 
christianisnio"  ^m  Stuguft  1779  begann  er  jene  Wichtige  16monatlid;e  3Reife,  bie  bie 
©rünbung  ber  ®eutfcb,en  6b,riftentumSgefeltfct;aft  (f.  b.  2t.)  jur  golge  r)atte.  SiSb^er  batte  bs 
man  angenommen,  U.  fei  über  3?orbbeutfcb,lanb  nad;  ©nglanb  gereift  unb  fjabe  gulefet 
noeb,  bie  ©djWeij  berührt,  Wo  er  enblid)  mit  feinem  Slan  Slnflang  gefunben  l)ab(.  ©aran 
ift  richtig,  ba^  er  nad)  feiner  9tüdfeb,r  auS  (Snglanb  burd)  bie  $unbe  bon  ber  ©rünbung 
einer  „Sieutfdjen  ©efellfd)aft  ebler,  ttjätiger  Seförberer  reiner  £cbjc  unb  Wahrer  ©ott= 
fdigfeit"  in  Safet  über  ben  9ttif$crfoIg   in   feinem    eigenen  §cimatlanbe   getröftet  »ourbc.  ro 


340  ürl^erger,  3.  9t. 

%fyat\äd)l\<fy  begann  II.,  Wie  aus  ben  fyanbfcfmftlicDen  2lften  bei  erft  für&ücfy  bollftänbtg 
äugänglicb)  geworbenen  2trcf;ibS  ber  beutfcfyen  ©fyriftentumSgefellfcr/aft  in  Safel  nun  un= 
zweifelhaft  fyerborgefyt,  jene  Keife  mit  bem  33efuct)  ber  ©djWeij.  SBabrfdjeinlicr;  berührte 
er  ©t.  ©aHen,  ©tein  a.  Kfyein,  ©tfjaffb/aufen  unb  Söintertfyur,  ganj  fidler  pürier;,  Wo  er 

6  Sabater  auffucljen  Wollte,  aber  nicfyt  antraf,  unb  Safel,  Wo  er  bei  Pfarrer  Qob.  Kub. 
Surcffyarbt  ju  ©t.  $eter,  bem  geiftlidjen  ©oljm  b'2tnnoneS,  unb  bei  anberen  $erfönlicr;= 
feiten  fofort  SerftänbniS  für  fein  anliegen  fanb.  SDie  Briefe  auS  33afel  Waren  ib,m  auf 
feiner  ganzen  weiteren  Keife  eine  fortmäfyrenbe  Quelle  beS  SlrofteS  bei  ben  unerwarteten 
©nttäufdjmngen,  bie  er  befonberS  in  SDeutfcbJanb  erlebte.   3>n  SDarmftabt  fanb  er  fo  wenig 

10  21nflang,  bafj  er  fyeimgefefyrt  Wäre,  Ratten  il>m  nict/t  Briefe  auS  Berlin  Don  Dber= 
fonfiftortalrat  ©überfrag,  mit  bem  er  bereits  in  Slorrefbonbens  ftanb,  unb  aus  SBafel 
SJiut  gugejprod^en.  ©ein  9Jlifserfolg  in  granffurt  beWog  tbm,  ©eutfd)Ianb  borerft  über= 
fyaubt  ben  Kücfen  gu  fel)ren  unb  eS  in  ©nglanb  mit  ber  SBerWirflicfyung  feines  planes 
ju  berfud;en,   Woran   er  Dörfer  gar  nie  gebaut  b,atte.    $)aS  berftänbniSboIIe  @ntgegen= 

15  fommen  beS  beutfdjen  Pfarrers  Lambert  in  Sonbon  entfcb,  äbigte  ifm  für  feine  bisherigen 
2Ktf$erfoIge.  21m  2Beifmact)tStage  1779  berfünbete  Sambert  Don  ber  ^anjel  b^erab  zur 
freubigften  Überrafdmng  beS  antoefenben  U.  bie  ©rünbung  einer  ©efeEfcljaft  nad)  beffen 
©inn,  fo  bafs  11.  kotier  greube  nact>  SBafel  berieten  lonnte:  ©ottlob!  iä)  fann  ^fynen 
jum^rofte  fagen:  bie  ©efellfdjaft  ift  ba!  ,3unäcl>ft  W^  U-  nur  an  eine  beutfcfye  ©efell= 

20  fcr)aft  gebaut,  bie  allerbingS  aucf;  bie  SDeutfcfyen  im  SluSlanb  umfaffen  foEte,  um  biefe  nicfyt 
nur  ber  reinen  Sefyre,  fonbern  aua)  bem  SDeutfcfytum  ju  erhalten,  ^n  ©nglanb  !)offte  er 
einen  englifcb.en  gweig  grünben  ju  lönnen  unb  baburcr)  eine  große  internationale  Sßer= 
einigung  an^uba^nen.  SDurcf;  biefen  ^3Ian  mürbe  er  gu  einem  ber  erften  Vertreter  beS 
2lEian^geban!enS.  @r  fcfyrieb  jubemgwecfe  inßonbon  eine  englifcfjeScljrift:  An  address 

25  to  all  sincere  promoters  of  the  kingdom  of  God,  resident  in  England  etc. 
Slußerbem  gehörte  aud)  bie  §eranjiefmng  lebenbiger  ©lieber  ber  römiftfjen,  griecjnfcfjen 
unb  ruffifcfyen  $ird)e  mit  ju  feinem  $lan.  Slußerorbentliclj  merfwürbig  erfd)ien  ifym  in 
©nglanb  bie  'J^atfac^e,  baß  tl)m  bis  $u  jenem  .ßettbunlt  nur  auS  reformierten  £änbern 
Vertrauen  unb  Unterftü|ung  ju  teil  geworben  mar.    @r  freute  fidj  ungemein  über  biefe 

30  ungeahnte  Ausbreitung  feiner  £jbeen  aucb,  in  ber  Hoffnung,  baß  baburcl;  feine  näheren 
©laubenSgenoffen  in  ©eutfcljlanb  jum  SSetteifer  angefbomt  Würben. 

Stuf  ber  Kücfreife  l)ielt  er  ficb,  längere  3^it  in  §ollanb  auf  unb  fanb  bei  feiner  Kücf= 
Ieb,r  nac§  SlugSburg  im  Kooember  1780  bie  fctjon  erwähnte  SRelbung  ber  @ntfteb,ung 
einer  ©efeUfcfyaft  in  SBafel,   ber  erften  auf  bem  kontinent.    ®iefe  Äunbe  f)ielt  ib,n  auf= 

35  red^t,  ba  er  gleicb.jeitig  bie  Kadjricb, t  Dom  iobe  SambertS  borfanb  unb  er  ben  gortbeftanb 
ber  Sonboner  ©efellfdjiaft  gefäb^rbet  fab,,  bie  benn  aucb,  balb  barauf  einging.  3JUt  ber 
SaSler  ©efeßf^aft,  bie  ber  SRittelbunlt  ber  in  ben  folgenben  ^a^ren  in  ber  ©d^Weij  unb 
in  $Deutfc6,lanb  jab^Ireict;  entftef)enben  ^ßartiMargefeUfcr/aften  Würbe,  blieb  U.  bis  in  feine 
leijten  Qfl^re  in  jeitenWeife  au^erorbentlicb,  lebhafter  ^orrefbonbenj  unb  liefe  fidj  burcb,  fein 

40  „geliebtes  Safel",  baS  er  für  bie  Übernahme  ber  ßentralleitung  ber  ©efellfcbaft  immer  aufs 
neue  feiner  SDanfbarfeit  berfic^erte,  bie  Sendete  ber  anberen  ©efeEfcb,aften  jufenben.  (Sr 
fbracf)  eS  fofort  bei  ber  Äonftituierung  ber  ©efellfcbaft  aus,  bafe  er  nicfyt  baran  ben!e, 
t£?r  §aubt  fein  ju  Wollen.  @S  genüge  ib,m,  regelmäßig  über  ib,re  ^E^ätigleit  unterrichtet 
ju  Werben.    Kocb,  meb^r  als  feine  ^JreieintgfeitSle^re  trug  ib,m  bie  ©rünbung  feiner  ©e= 

45  feHfcfyaft  ^o^n  unb  ©bott  ein.  $a  er  Würbe,  Weil  man  geheime  2lbficb,ten  ba^inter 
Witterte,  beS  ^efuitiSmuS  unb  ber  Freimaurerei  berbäc^tigt,  unb  ein  ^Weiter  ©emetriuS 
genannt,  ber  mit  feinem  ©efcljrei  ber  Slufllärung  einen  ®amm  entgegen  fe^en  möchte. 

©ern  ^ätte  fid^>  11.  Wieber  nacb,  Sonbon  geWanbt,  um  ba  ein  ©rjieb,ungSinftitut  für 
beutfct;e  ®inber  nafy   bem  33orbilb   ber  2lnftalten  bon  2lug.  §erm.  granle   in  §alle  ju 

50  grünben.  @S  foßte  baju  bienen,  bie  Kacljfommen  ber  in  ©nglanb  niebergelaffenen  ©eut= 
fcljen  foWob,!  ber  reinen  2eb,re  als  ib,rer  Nationalität  gu  erhalten  unb  jugleic^  ben  @ng= 
länbern  2lnfcb,auungSunterricj)t  über  grünblicb.eS,  beutfcfjeS  ©rjie^ungSWefen  ju  geben.  @S 
fam  aber  nicfjt  gu  jener  Keife  nacb,  ©nglanb,  WaS  H.  nic§t  nur  um  feines  planes,  als 
aucb,  um  feiner  felbft  Willen  bebauerte,    ba   ib,m  baS  bortige  Mima  beffer  jugefagt  ^ätte, 

55  als  baS  heimatliche. 

2lud;  bie  ©efeUfd)aftSfacl;e  nab^m  eine  anbere  Söenbung,  als  11.  eS  erwartet  blatte, 
ba  feine  greunbe  in  Safel  unb  anberSWo  Weniger  eine  tb/eoretifcfje  3Serteibigung  ber  reinen 
fiebere,  als  bielmeljr  ^raltijc^e  SiebeStb^ätigfeit  anftrebten.  Qn  feiner  legten  größeren 
©cf)rift,  ben  „ßeugniffen  ber  Söafjrbeit",  bie  1786  erfdjüen,  fbricb^t  er   ficb,    barüber  auS 

60  unb  bebauert  eS,   ba|  fogar  ber  Käme  ber  bon  ifym  gestifteten  „S)eutfc|)en  ©efellfcbaft 


UrlSperflcr,  3.  3t.  341 

tätiger   Seförberer  reiner    Scr)re    unb    Wahrer    ©ottfeligfeit"    abgeänbert   Würbe    (in 
„25eutfcb>  ©efeltfcfyaft  jur  Seförberung  cb>iftltcr;er  2ßar)rl}eit  unb  ©ottfeligfeit",  fbäter  furj 
„$eutfcr;e  ßr/riftentumSgefellfcfyaft"  genannt).    £>ie  neue  ©eftalt  ber  ©efeßfcfyaft  fei  feinem 
urfbrünglicfyen  $lan  etgerttlid^  botlfommen  entgegen.  Slber  er  tröftet  fict)  bamit,  „bafj  ©ott 
baS  Unternehmen,   Wenn   e§  nacb)  feinem  ©inn  fei,   erhalten  unb  Weiter  führen  werbe"    5 
%a  e§  fei  ju  koffert,  baj?  burd)  2lnftalten  —  er  meint  Wot/I  in   erfter  Sinie  @rjie^ung§= 
anftalten  — ,   ber   urftorünglicb/e  gWecf  ber  ©efeUfcfyaft  nitfjt  nur  erreicht,   fonbern  nod) 
übertreffen  Werbe.    @lf  ^afyxe   fbäter  fbricfjt  er  in  einem  Briefe  fogar  in  afynunglboller 
ÜUeife  bon   einer  „2lnftaIten=$eriobe",    bie    burcfy   göttliche  Seitung   bei  ber  ©efettfdjaft 
einmal  eintreten  lönnte.    ©ie  93erWirflicr/ung  feiner  Sieblingltbee,   bie  ©rünbung   einer  10 
bortoiegenb  Iitterarifä)en  ©efettfcfyaft   ^ur  33ertetbigung  ber   geoffenbarten  Religion   blieb 
il)m  berfagt.    SDafür  entwickelte  ftct)  bie  ©eutfcfye  6Ij>riftentum3gefellfcf;aft  immer  mefyr  ju 
bem,  roaö  er  felbft  als  Äanbibat  im  %at)te  1755   in  granffurt  geplant  fyatte,  ju   einer 
®efeHfd)aft  jur  Seforberung   cfyriftlicfyer  Siebe,  beren    erfter  33erfucf)  bie  „©efetlfcfyaft  ber 
guten  greunbe"  in  Safel  im  ftofyct  1756  geWefen  mar.    Über  alle  @nttäufcr)ungen   fyob  15 
ibn  immer  Wieber  fein  glauben£frol)er  2Jcut  unb   fein  faft  brobfyetifcfyer  33Itcf  l)inWeg  unb 
liefe  ifm  ©ro|e§  bon  ©ott  boffen.    ©0  fctjreibt  er  in  feinen  „geugniffen  ber  -Jöabrfyeit" 
u.  a.:   „2öir  eilen   einer  ber   größten  ijaubtebocfyen  entgegen,  bie  je  bie  23eroof)ner  be§ 
Srbbobenl  gefeljen  unb  bie  allen  Singen   auf  bemfelben  eine  neue  ©eftalt  geben  Wirb" 
£er  §aubtfturm  Werbe  bie  fat!j>olifcr)e  $ircr;e  treffen,  bie  ifyren  ©influfs   auf  bie  SSölfer  20 
berlieren  werbe,    ©ogar  im  ©cfyofj   ber  fatf)olifcr)en  $irä)e  toerbe   e§   tiefgreifenbe  £>iffe= 
renjen  geben,    „©elbft  Stom  unb  ^ßapft  Werben  auf  lurje  $eit  all  offenbare  geinbe  unter 
fic^>  erfahrnen"     Slucfj  broteftantifdje  Sänber  mürben  in  bie  aEgemeine  ^Bewegung  blnein= 
gejogen  Werben.    2Benn  aber  tt)re  Dbrigf  eiten  ba§  3luff ommen  freier  Slnftalten  all  ^ßflang= 
ftätten  d^rtftltct)er  ,3ucr;t  begünftigten,  mürben  tbje  Staaten  bor  bem  ©d)limmften  bewahrt  25 
bleiben.    U.  fal)  boraul,  bafj  fict;  bie  religiöfen  ©egenfätje  in   ber  ^ufunft  immer  met)r 
berfd)ärfen  werben,  mar  aber  geWtfj,  bafj  ber  $err  fetner  ©emeinbe  Werbe  jum  ©iege 
bereifen. 

$n   ben    beiben    legten  ^afyrjefmten   feines  SebenS  mar  U.§  STf)ätigfeit   burti)   ju= 
nefjmenbe  förderliche  ©cb>äcf/e  unb  burri)  bie  ^ränflidjfett  feiner  ©attin  (grau  2lnna  geb.  30 
Ducr/terlonb)  auf  allen  ©eitert  gehemmt.    Stuct)  lafteten  öfonomifdje  ©orgen  auf  ifym,  ba 
er  bei  feinen  sab^Ireia^en  ^ßublifationen  (©rabmann  füb^rt  im  „(Meierten  ©cfjmaben"  32 
größere  unb  Heinere  ©djriften  Don  ib^m  auf)  unb  auf  feiner  grofjen  Steife  jur  ©rünbung 
ber  (E^riftentum^gefeßfc^aft  einen  beträchtlichen  Sleil  feinet  SSermögenS  aufgebraust  blatte 
unb  nun  aU  @meritu§  in  bügelt  übler  Sage  War.    ©0  toerbracfyte  er  bie  golgejeit  trot3  35 
feinen  weithin  reict;enben  SBejiefyungen  meift  in  ftißer  gwücfgejogen^eit.     ©eine  toieber= 
leiten  fc^laganfaHä^nlicljen  ^lö^ltd^en  ©rfranlungen  b^inberten  i|n  oft  gänjlicb^  an  geiftiger 
Arbeit.    3Jtit  Wunberbarer  Energie  raffte  er  fic^  nad)  jebem  Strant^eitSfaö  immer  Wieber 
auf,  um  bur$  litterarifcb^e  Beiträge  in  gettfcr/riften  unb  unermüblicb^e  ^ßrtbatforref^onbenj 
feine  tfyeologifdjett  Slnfc^auungen  unb  bie  ©efellfSaftSfac^e  ju  oerteibigen    foWie  für    be=  40 
brängte  eoangeltfcfye  ©laubenggenoffen  einjuftel^en. 

©ein  brennenbe§  Serlangen,  all  „Stad^Iomme  öfterrei^ifc^er  Emigranten  etwa!  für 
bie  ebangelif^en  ©lauben§genoffen  in  Dfterretct),  33öl)men  unb  Ungarn  ju  tt)un,  trieb  if»n 
bqu,  bem  ^aifer  granj  I.  (II.)  au§  2lnla§  eine!  S8efud)e§  belfelben  in  2luglburg  im 
Sabre  1792  eine  £>enffcb>ift  ju  überreifen,  bie  ber  leutfelige  gürft  b,ulbt)oltft  entgegen  45 
nab,m,  obfcb^on  er  jubor  ftrengen  SBefet)!  an  feine  ^Begleitung  erteilt  blatte,  !eine  SittfteHer 
jujulaffen.  @ine  merlwürbige  Verfettung  günftiger  Umftänbe,  infolge  beren  e§  U.  bamall 
gelang,  berfönticb,  jum  Äaifer  51t  gelangen,  far)  er  all  eine  freunblicfye  gügung  ©ottef.  unb 
(Störung  feiner  ©ebete  an.  ®iefe  Erfahrung  ermutigte  i^n,  auf  einer  Steife  nacb,  Öfter= 
teid^  im^ab,re  1797  in  S3aben  bei2Bien  eine  förmliche  2lubtenj  beim  ^aifer  naa)äufucb;en,  50 
bie  il)m  gnäbigft  gewährt  Würbe  unb  Wobei  er  bie  geWünfcfyte  Gelegenheit  fanb,  ficb,  mit 
bem  sJKonarcben  über  ben  ©rnft  ber  ^eitlage  au^ufbrecfyen.  Slucb,  für  bie  ©aljburger 
Volonte  in  Slmerifa,  über  beren  ßuftanb  er  nocb,  1787  eine  ©cfyrift  Verausgab,  War  er 
tfiätig,  folange  es  ib^m  feine  abnebmenben  Gräfte  erlaubten. 

6rft  Wenige  ^af)re  bor  feinem  Sobe  ging  fein  Söunfcb,  in  ©rfültung,  an  einem  füllen  65 
Crt  (Cttingen  im  Sliefe)  feinen  Suchern  unb  feiner  ßorrcfbonbenj  leben  ju  fönnen.  ®ie 
Seifen,  bie  er  jtoifcfyenlnnein  unternahm,  jWeimal  nacf)  Öftcrretct;  unb  einmal  nacb,  §ermbut, 
au(f)  „nadb,  SBernigerobe,  Wo  er  befonberö  nab,e  greunbe  blatte,  erfolgten  meift  auf  Slnraten 
ber  3trjte  unb  bienten  ib;m  jur  Pflege  berfönlidjer  Sejie^ungen.  %xo§  feine*  fyob,  en  3IIter> 
unternahm  er  nod)  im  Qab,re  1805  eine  9Jeife  nacb,  (£nglanb,   Walirfcfjeinlicf)   aua;   feiner  60 


342  ttrlSperger,  g.-  3t.  Urt^erger,  ©am. 

©efunbfyeit  toegen,  fanb  aber  nid;t  ben  getoünfcfyten  Erfolg  unb  ftarb  auf  ber  ÜHüdreife 
im  greimaurer|oftntaI  §u  Hamburg  am  1.  S^ember  1806  finberlog  in  einem  3Uter  bon 
78  %afycm. 

gor).  Slug.  U.  toar  feiner  3^  tt>et±  boraulgeeilt  unb  f/at  barum  für  bie  ©egentoart 
5  meb,r  al<§  blofs  fyiftorifcfye  23ebeutung.  @r  mar  einer  ber  erften,  ber  bei  ber  bamal<§  in 
©eutfcfylanb  fyerrfcfjenben  93erad)tung  ber  eigenen  Nationalität  gegen  aße£  llnbeutfd^e  im 
beuifdjen  SSolfötum  toroteftierte.  @r  fyätte  es  gern  gefefyen,  wenn  feine  „Seutfct/e  ©efe£l= 
fcfyaft"  burd)  il)re  3lu<§breitung  auf  aufjerbeutfcfye  Sänber  (toie  ©nglanb,  §ollanb  unb 
©cfytoeben)  aud)  ba<§  Nattonalbetoufstfein  ber  bortigen  SDeutfdjen  geftärft  t/ätte.  33or  allem 

10  aber  gehört  er  mit  ju  ben  öafmbrecfyern  für  bie  freie  Drganifation  jur  Pflege  religiöfen 
Sebeng  unb  djriftlicfyer  2iebe3tl)ätigleit  innerhalb  be<§  befte^enben  $ird)entum§.  @r  b^ielt 
beim  ©inbringen  bon  grembförbern  in  bie  d)riftlid;e  $ird)e,  toie  ®ei§mu§  unb  9xationa= 
Ii§mu§,  freitoiöige  Bereinigungen  lebenbiger  Efyriften  al§  ba§  jtoedmäfjigfte  Mittel,  bie 
cfyriftlicrje  ©emeinfdjaft  aufregt  ju  erhalten.    SDafj  er  barin  ricr/tig  fab,,  fyat  bie  golge^eit 

15  betoiefen.  Sei  ber  Verfolgung  biefe§  $toede€  fannte  «r  leine  ©cfyranfen  ber  Nationalität 
ober  ber  $onf effion  mefyr ;  ba  mar  tb/m  aHein  bie  ©tellung  ju  (Sfyriftug  ba§  ©ntfcfyetbenbe. 
Stucb,  barin  toirb  er  Stecht  behalten,  bajj  ber  SöafyrljeiiSgefyalt  ber  alten  SBelenntniffe  nidjt 
berloren  geb/t,  toenn  er  biblifc|  neu  begrünbet  toirb,  fonbern  nur  um  fo  geller  an<§  2ic$t 
tritt  unb  bafj  bie  Geologie  nie  bon  einem  $unft  ber  ^ßeribfyerie  au§  ba£  Zentrum  finben 

20  lann,  fonbern  bafj  in  ber  göttlichen  ©elbftoffenbarung  ber  SRittelpunÜ  gegeben  ift,  Don 
too  au§  bann  bie  beribfyertfcfyen  fragen  iljre  £öfung  finben  toerben.  4?-  9tnfteiit. 

ltrläjjerger,   ©amuel,    §ofbrebiger    in   Stuttgart,   bann    ©eniof    in   2lug§burg, 
geft.  1772.  —  2i tt er a t ur :  5Boi)I»erbiente§  (SljrengebäcfytniS  be§  |)errn  ©amuel  llrläfcerger 
gefammelt    unb   herausgegeben    oon    S0^-    ^u9-   UrlSperger,    2lug§6urg    1773;    (Sammlung 

25  Url§öergerfcr;er  3ubelfd)riften,  lugäburg  1764;  3.  ©.  TOeufefg  Sejifon  1815,  XIV.  ©.  213 
Bi§  215;  Sotf),  (S)efc£)ict)te  be§  tircf)entieb§  II,  166—173,  9(bS3  91.  üon  Jacobs ;  populäre 
S)arfteHungen:  Dr.  £.  Sftenner,  Sebenäbüber  au§  ber  ^ietiftenjeit,  ^Bremen  unb  Seidig  1886, 
@.  332  ff.,  bort  audj  Belege  ©.  VII— IX;  2traxin  Stein,  Samuel  tlrl§t>erger,  ®er  ^atriarcl) 
be§  fübbeutfdjen  peti§mu§,  £mHe  1899,   mit  93enütwng  uon  Quellen,  botf)  otjne  Angabe  bet> 

30  felben.  —  S)er  r)anbfcr;vtftlicf|e  Sßriefinectjfel  ©.  ll.§  mit  St.  ip.  5™"*  befinbet  ftd)  in  ber  'itaHenfer 
SBatfen^augbibliotfiet,  mit  ben  ©rafen  ©totberg=Sßernigerobe  u.  a.  im  fürftl.  *äxdii\)  ju 
SSernigerobe  a.  §.,  mit  bem  Pfarrer  b'Slnnone  nun  3Rutten|  bei  SSafel  im  ^riuatbefi|.  — 
Weitere  Quellen  finb  oermenbet  unb  genannt  in:  SSernfjarb  Soc^,  ©am.  UrlSperger  unb  feine 
SiebeSarbeit   an    ben   ©laubenSgenoffen,    SSilber   au§   2lug§burg§    firct)IictjeT    Vergangenheit 

35  ©.  97—140.    9tug§burg,  ©d)Iofjer  1906. 

©amuel  Urlg|3erger,  ber  23ater  be§  be!annteren  ^o^nn  3luguft  11.  (f.  St.),  be§ 
©tifter§  ber  beutfcfyen  (St)rtftentum§gefeHfct)aft  (f.  31.)  intereffiert  burcr)  fein  ©c^icffal  am 
£>ofe  ©bewarb  SubroigS  bon  SBürttemberg  toie  burd)  feine  gürforge  für  bie  ©al^burger 
unb  bö^mifc^en  Emigranten.    @r   tourbe   geboren   am    31.  Stuguft  1685  al§  ©o^n  be§ 

40  fjerjoglicfyen  ©tab§bertoalter^  ^u  Ätrct)E)etm  unter  £ecf,  al§  Nac^fomme  eine§  efyemalS  in 
Ungarn  unb  ©teiermarl  begüterten,  in  ber  ©egenreformation  aber  um  be€  SBefenntniffe^ 
toillen  auögetoanberten  @efct;led)t3.  ©ein  Silbungögang  toar  bcr  junger  begabter 
©ctjtoaben:  ©tabtfcb,ule,  Jtlofter  unb  Tübinger  ©tift.  3JJit  20  Sal)ren  tourbe  er  3Jtagifter 
ber  ^fyilofopr/ie,  bie  ©i^utation  b,anbelte  bon  ber  laterna  magica !    Stuf  ©runb  feinet 

45  t^eologifc^en  @jamen§  tourbe  er  nochmals  in  ba€  ©tift,  aufgenommen  (1707),  too  er  je$t 
bie  greunbfc^aft  ber  ©tubiengenoffen  31.  33engel  unb  Ötinger  genofe.  ®a3  2öof)IgefalIen 
be§  §erjog§  anlä^Iict)  einer  öffentlichen  Di^utation  über  eine  ^olemil  be§  Äanjlerg 
^äger  gegen  Sode  unb  $oiret  berfdjaffte  ib^m  ein  grofje§  3?etfefti^enbium,  ba§  ü)n  auf 
faft  5  Qafyre  burcf)  £)eutfcr;Ianb,  §oßanb  unb  ©nglanb  führte,  eine  &\t  beftimmenber  unb 

so  nachhaltiger  @inbrüc!e. 

Über  ©rlangen,  too  er  in  ber  5£odi>ter  beö  9tittera!abemiebire!tor§  bon  ^äger^berg, 
^a!obine  ©ob^ie,  feine  nachmalige  ©attin  lennen  lernte,  eilte  er  nacb,  §alle  ju  31.  §. 
grande.  ©iefer  übergab  tt)n  feinem  eben  nac^  ©nglänb  ^urücHel)renbeh  greunb,  bem 
§ofbrebiger  be§  ^rinjgemabjä  ©eorg,   31.  22.  Sö^me,   beffen  fromme,  originale  $erfön= 

55  ItcPeit  (Sb,aratteriftil  bei  Gramer,  grancfe  II,  58 ff.)  auf  ben  Jüngling  entfctjeibenben 
(Sinflu^  getoann.  3toar  trennte  ein  heftiger  ©eefturm,  ber  bag  ©cfnff  an  bie  fjoHänbifc^e 
^üfte  surücftoarf  unb  U.  gugleicb,  mit  ber  ^obegnot  ben  ßrnft  aufrichtiger  Sefefyrung 
bördelt,  bie  beiben  auf  ein  b,albe§  Qab.r,  toäb,renb  beffen  IL  §o!lanb  befugte  unb  in 
Utrecht   bei   ^5ontanug   unb   Se^befer  93orIefungen   über  6occeianifcb,e   unb  6artefianifcb,e 

60  ©treitigfeiten  fyörte;    al§  bann  33öi;mc  ifm  nad;  Sonbon  rief,   um   an  ©teße   be3   beur= 


ltvlö^errtcr,  ©am.  343 

laubtcn  2.  ,s>ofbrebigerS  9iubcrti  fein  Mitarbeiter  an  ber  ^offabeöe  unb  ber  bcutfcfycn 
3abot;ftrcr/e  ju  Werben,  folgte  U.  mit  greuben.  2US  £>au§genoffe  SöfymeS  lernte  er  in 
faft  awetjäb/rigem  2tufent^alt  nicb/t  nur  Sonbon  unb  bie  Uniberfitäten  Drjorb  unb  (Sambribge 
fennen,  fonbern  mürbe  aucb,  ju  tfyätiger  2TnteiInab;me  an  bem  eben  je|t  —  e§  mar  bie 
^cit  !urj  bor  2BI)itefielb  unb  SßeSleb,  —  aufblüfyenben  braftifcfyen  „englifcfyen"  6fc,riften=  5 
tum  mit  ber  Stüfyrigleit  feiner  religious  societies  herangezogen.  Von  nidjt  geringer 
Tragweite  foltte  e§  für  feine  güEunft  Serben,  bafe  bie  feit  1698  beftefyenbe  angefefyene 
societas  de  promovenda  cognitione  Christi  il)n  bei  feinem  2lbfd}ieb  jum  auswärtigen 
forrefbonbterenben  ÜJittglteb  erb/ob.  9JJit  ertoeitertem  S3ttcf  unb  angeregt  für  tb/ätigeS 
gbriftentum  fdneb  11.  aus  biefer  geit  „tebenbig  unb  frä'ftig  siefyenber  ©nabe"  9Jftt  10 
mehreren  jungen  ©nglänbern  lehrte  er  im  $uü  1712  nadb,  §aße  ju  $rancfe  jurüd,  ber 
it>rt  jet$t  in  fein  £>auS  aufnahm,  tfym  aucb,  Wieberfyolt  feine  Mangel  jur  Verfügung  [teilte; 
als  33orfteb,er  beS  englifcfyen  §aufeS  fyielt  er  Sorlefungen  über  engUfcb.e  ©efcfyicfyte.  ^n 
bertrautem  Umgang  mit  bem  3J?eifter  fnübfie  er  eine  3Serbinbung  für§  Seben,  noeb,  im 
boben  2llter  rüjmt  er,  bafj  er  mit  biefem  teuren  -Kanne  auf  befonbere  SBeife  berbunben  15 
geblieben  fei.  Über  §annober,  too  er  am  $of  ßutritt  b/atte,  Hamburg,  ©tenbal,  2öolfen= 
büttel,  -Ttfagbeburg,  ipalberftabt,  Berlin,  too  er  bie  alten  greunbe  ©toenerS  befugte,  unb 
^'eibjig  lehrte  er  im  9JZärg  1713  in  bie  £>eimat  jurüd,  um  in  ©tetten  im  9tamStal  feine 
erfte  Pfarrei  ju  finben. 

©cfyWere  innere  unb  äußere  Äämbfe  Warteten  auf  ib,n.   SDer  junge  ^er^og  ©bewarb  20 
Subwig,  ber  in  Treue  gegen  feine  fromme  (Srjiefyung   fieb)  9ßietiften    Wie  §ebmger  unb 
jnoeb/ftetter  ju  §ofbrebtgem   gemäht  fyatte,  „um  mit  ib/nen  in  ben  §immel  ^u  tommen", 
war  feit  bem  Tobe  ber  SOiutter  SRagbalena  ©ibr/Ke  immer  meb,r  auf  franjöfifdje  2IbWege 
geraten;  auf  beren  eb/rWürbigen  SöitWenfi^e  in  ©tetten  trieb  baS  ^räulem  bon  ©räbenitj, 
bie  9Mtreffe  beS   ^erjogS   il)r  b/errifdjeS  ©biet.    2IIS  nun  1714  £jocb,ftetter  fein  2lmt  20 
nieberlegte,  Würbe  mit  ib/rer  auSbrücflicfyen  3uf^mmun9  U-  hnm  $ofbiafonuS  unb  balb 
jum  §ofbrebiger  unb  ^onfiftorialrat  in  Stuttgart  berufen.     3Son   bem  WeltgeWanbten, 
jungen  ^rebiger  erwartete  fie  mefyr  ÜRacbJicfyt.    3n  bvc  Tfyat   fcfyeint  II.,  fo   fefyr  er  bie 
innere  Saft  biefeS  2lmteS  embfanb,   nicfjt  ben  9Jt"ut  jum  fräftigen  ©lia^eugniS  gegen  bie 
„Sanbberberberm"   unb    bie   Übbigfeit  beS  §ofeS  gefunben  ju  b)aben.    Vergebens  fueb/te  30 
er  burd)  eifrige!.  SBerben  für  bie  neue  SRalabarmiffion  and)  am  §of  geiftlicfyeS  Seben  %a 
Wedren.    $War  gelang   eS   ib,m  ben  §erjog  gu   intereffieren  unb  eine  SanbeSfollefte  für 
■Üftffion  burcbjufe^en,   für  beren  SJurcfyfüfyrung  eine  Sbmmiffion  unter  bem  SSorfi^  eines 
ScbtoagerS  ber  ©räbeni|   eingefe^t  Würbe,   unb  äftiffionar  ^iegenbalg  fdb,rieb  ifjm  feb,r 
erfreut  über  ben  reichen   ©rtrag    bon   6000  fl. ,    aber  ba§  2lrgerniS   am   §ofe    blieb  35 
befielen. 

ßinen  Sßenbebunft  in  UrläbergerS  gSerr)aIten  bebeutete  —  ba§  ift  b,eute  gegen= 
über  ben  Siebenten  Gramer!  unb  be§  bon  ib/tn  abhängigen  SHttfd^I  (©efd^ict/te  be3  $ietiS= 
muä  III,  12  f.)  fo  gut  Wie  ficfyer  —  grancfeS  14tägiger  Sefudt)  im  §aufe  be§  ^reunbeS 
ju  Stuttgart  im  sJiobember  1717.  ®er  innerlich)  unglüdlid^e  §ofbrebiger  feb/nte  fieb,  felbft  io 
nad)  StuSfbracb/e,  Wenn  er  lurj  borfyer  fd)rieb :  „©lauben  @uer  §0$ Würben  nur,  ba§  ©ie 
einen  göttlichen  Seruf  b}ieber  ^u  reifen  fyaben.  ^cb;  Weife  eS  unb  bin'g  geWife."  5}afe 
bie  beiben  greunbe  im  Saufe  eine!  äWeiWödjentücfyen  intimen  ^Berle^rS  eine  2Ju§fbracb,e  über 
IU  ©tettung  ju  bem  Treiben  beS  §ofe§  bermieben  Ratten,  ift  bei  bem  ßfyarafter  ber 
beiben  ein  unboltjie^barer  ©ebanfe,  bag  ©cb^Weigen  beS  granefefeben  Tagebuchs,  ba§  nur  45 
eine  Unterrebung  über  ben  £>ofbrebiger  mit  bem  ^Sräfibenten  Dfianber  erwähnt,  ftedt 
einer  tieferen  bfr/djologifcfyen  Betrachtung  eb,er  ein  argumentum  ex  silentio  füx  bie 
3lu§fbracbe  unb  ibje  fegen§reict)e  SBirfung  bar  als  ba§  ©egenteil;  gerabe  einem  Tagebucb, 
jener  ^eit  enthielt  man  bie  ^ntima  mit  bewußter  2lbficb;t  bor,  jumal  Wenn  fie  bie  $öfe 
betrafen.  @ntfcf)eibenb  ift  (abgefefjen  bon  bem  ßeugniS  ber  bon  mir  ©.  103  angebogenen  so 
^orrebe,  in  ber  11.  noeb)  nad)  36  ^afyren  bem  greunbe  für  bie  ©laubenSftärfung  „in 
ben  bunfelften  Reiten  feines  bamaligen  2lmtlaufeS"  aus  boCem  §e^en  banlt),  ba|  bie 
Briefe,  bie  U.  bem  „§er£enSbaba"  nac§  Ulm,  2lugSburg  unb  ^cörblingen  nacf)fenbet, 
(»2)aS  ift  wafjr,  ber  ©ieg  ift  über  mein  Vermuten  .,  midt)  b)at  eS  gewattig  gefiärfet", 
Weitere  ©täte  f.  m.  Seitrag !)  fo  beutlicb;  bon  einem  inneren  unb  äujjeren  Umfcb; Wung,  55 
bon  U.s  fräftigem  Zeugnis  foWofyl  Wie  bon  Wacb,fenber  Verfolgung  feitenS  beS  AofeS  unb 
i>«  -öofbartei  reben,  bafe  eS  beS  geugniffeS  beS  jungen  ^-ranefe  gar  nicf)t  einmal  bebürfte, 
ber  an  feine  SRutter  fd^reibt,  11.  fei  burd)  ben  Umgang  mit  bem  Sater  baju  ermutigt 
Sorben  „bon  ber  2öat)rr;eit  Zeugnis  p  geben"  Db  freüicb,  bie  auS  üoeb,  ßircbenlieb 
(f-  oben)  in  bie  meiften  2)arftellungen  b;erübergenommenen  @injelb,citen,   Wie   bie  'iprebigt  60 


344  Urlgpcrger,  ©am. 

am  Karfreitag,  bie  barauffolgenbe  SDrofyung  beS  §er$og§,  er  r/ättc  U.  am  Itebften  bon  ber 
Kantet  fyeruntergefdmffen,  bte  (Sinlerferung,  bie  I)elbenfyafte  @ntfd;eibung  ber  ©attin,  lieber 
bte  Söitroe  eines  9)cärtr;rerS  als  bie  grau  eines  33erIeugnerS  ßfmfti  ju  fein,  güge,  bte 
offenbar  auf  eine  münblidje  Überlieferung  zurüdgefyen,  fnftorifd)  ober  legenbenfyafte*  2IuS= 
6  fcfymüdung  ftnb,  baS  §u  entfdjieiben  mu|  ber  mobjl  $u  erroartenben  Vereiterung  ber  biS= 
fyer  recfyt  lügenhaften  Duellen  überlaffen  bleiben.  211S  X^atfacb.e  fielet  feft,  mie  £>err  Dber= 
fyofbrebiger  Kolb  auf  ©runb  ber  Stuttgarter  Konftftorialalten  beftätigt,  bafj  U.  ©dritte 
gegen  bie  ©räbeni|  unternommen  b,at,  moju  er  fid)  in  feinem  ©emiffen  als  23etcf;tbater 
beS  §erjog§  berbfltcfytet  füllte,   baft  barauffnn  ein  KommiffionSberfafyren  gegen  ib,n  ein= 

10  geleitet  mürbe,  beffen  (Ergebnis  bie  2ImtSentfe|ung  mar.  (Sin  partes  ©efcfyid  mar  eS  für 
ib,n,  bafj  er  2  ^aljre  lang  auS  eignen  ÜJlitteln  unb  orme  2Imt  in  ber  ©tabt  bleiben 
mufjte,  tro|  mteberr)olter  ^nterceffion  beS  KonftftortumS  für  fein  geachtetes  unb  gefaxtes 
SRttglieb.  2)aS  il)m  angetane  Unrecht  l)at  U.  als  SJcann  unb  Sbnft  ofyne  Erbitterung 
gegen  feinen  dürften  getragen.    @rft  im  ^afjre  1720   miüigte  ber  $erjog  in  feine  SBe= 

15  rufung  gum  ©tabtbfarrer  unb  ©bejialfuberintenbenten  bon  §errenberg.  ©cfyon  nacfy 
2  ^jatyren  Iräftigen  2öirIenS  mürbe  er  bor  bie  eb,renbolle  2öaJ?l  gefteHt,  ber  9?acb>Iger 
feines  greunbeS,  beS  §ofbrebigerS  33öfnne  in  Sonbon  ober  ©enior  an  ber  $aubtfircr)e 
bei  ©t.  2lnna  in  SlugSburg,  $u  merben.  @r  entfdneb  fid)  rafcb,  für  SlugSburg,  mo  ein 
Kreis  frommer  2lriftoIraten  %fyoma$  bon  Sauner,   bon  ©tetten,   bon  §öSlin,  ©uHmamt 

20  fid^>  um  ben  befdjeibenen  grandefd)üler  unb  ^äbagogen  9Ji.  Stenbe,  ben  Sefyrer  SiScobiuS', 
gebilbet  blatte.  ®od)  bem  grembling  unb  ^tetiften  U.  tourbe  ber  Eingang  in  StugSburg 
burd)  bie  Qnfr'Suen  eines  eiferfüd)tigen  SDtafonuS  ©djneiber  embfinbltcr;  erfcr)roert;  no$ 
e^e  er  einbog,  toarb  er  auf  ©runb  einiger  bon  £>ebinger  übernommener  ©ätje  auS  feinem 
ErbauungSbucb.    „£)er  Kranfen  ©efunbfyeit  unb  ber  ©terbenben  Seben"  über  baS  Seben 

25  ber  ©eligen  nadj  ben  %ob  bei  bem  ebangelifcfyen  SRinifterium  beS  ^BabiSmuS  unb 
©icf)teIianiSmuS  angellagt.  2tuS  ben  umftänblicfyen  Unterfudnmgen,  bie  1725  ficb,  burd) 
einen  erneuten  Sorftoj?  beS  $feubonr/muS  fieberest  $eträuS  mieberb,o!ten,  ging  er  glänjenb 
gerechtfertigt  fyerbor.  @r  befafj  Söeite  beS  ©eifteS  genug,  um  %a  ©unften  einer  libertas 
evangelica  in  non  necessariis  nachzugeben.    ®ie  fettere  ©elaffenfyeit  beS  efyrmürbigen 

30  SRanneS,  ber  übrigens  feinen  ©tanbjntnft  auS  6r/emnit5,  ©erwarb  unb  Srenj  grünblia) 
barjulegen  mufjte,  gemann  tf>m  fogar  bie  Zuneigung  faft  beS  gefamten  SateS.  $DerfeIbe 
griff  energtfd)  ein,  ber  Intrigant  ©c^neiber  mürbe  entlarbt  unb  auS  ber  ©tabt  gemiefen. 
SllS  menige  ^afyxt  barauf  gegen  eine  2lrt  Konbentifel,  bie  im  gufammenfyang  mit  U.S 
(SrbauungSftunben  jum  ^eil  mit  geiftlicfjer  Seitung,  jum  ^eil  ob,ne  fic  fid)  gebilbet  Ratten, 

35  im  9tot  unb  bon  ben  Kanzeln  borgegangen  mürbe,  genügte  faft  aEein  baS  ©eit>icr;t  ber 
^ßerfönlic^Ieit  beS  ©eniorS  bon  ©t.  Stnna,  um  bie  neue  @rfcr/einung  als  ber  Kirche  un= 
gefäb,rlto)  gu  bulben,  ja  als  ein  geid^n  neuermacb.enben  geiftlicb, en  SebenS  fogar  ju  bflegen. 
^n  ruhiger,  jäb,er,  tiefgrabenber  Slrbeit  fud)te  nun  U.  feine  ©emeinbe  im  ^rieben  ju 
bauen.    3Son  feinen  förnigen  auf  Selefirung  bringenben,  bod;   bon  ber  ©d)ab!one  freien 

40  ^rebigten  ging  eine  tiefe  2Biriung  auS;  bie  ©rmedten  fammelte  er  in  fonntäglidjen 
SebetttionSftunben;  bie  SlmtSgenoffen  berbanb  er  \xä)  in  brüberltdjen  ©emeinfd;aftS= 
lonferen^en,  mit  Vorliebe  ging  er  ben  manbernben  Kaufleuten  unb  ber  ermadjfetten  3"SWD 
nad;,  mit  ^nfbeltor  Senbe  teilte  er  ficb,  in  2öaifen=  unb  Slrmenfürforge.  9öaS  ber  biel= 
feitige  Sflann  in  42jär)ttger  §irtentreue  jur  §ebung  beS  geiftlid;en  unb  fittlicfjen  SebenS 

45  ber  ©tabt  tfyat,  roirb  iHuftriert  burd;  baS  Urteil  eines  fürftlid)en  Sefud;erS,  StugSburg 
erfd^eine  if>m  mie  ein  mol)lgebflegter  ©arten,  ber  ©ärtner  barinnen  aber  fei  U. ;  ber 
Nürnberger  Kubferfted) er  (Sfyriftian  bon  9fted)el  ruft  aus :  D  glüdfelig  2lugSburg,  baS  einen 
folgen  ©amuel  b,at! 

Slud;  bie  gefamte  ebangeltfd^e  Söelt  foKte  biefem  Spanne  berbflio^tet  merben.    ©cb^on 

bo  feit  feiner  Sonboner  $z\t  lebte  in  il)m  bie  greube  am  §anbeln  für  meitgreifenbe  9ieicb,= 
gotteSauf  gaben.  SIlS  nun  im  20  tnter  1731  ber  Salzburg  er  ©rjbifc^of  Seobolb  Stnton 
bon  girmian  feine  ebangelifc^en  Untertanen  burd?  baS  gefe^mibrtge  SmigrationSbatent 
bertrieb,  ba  gab  11.  burcb.  feine  energifcfie,  merltb^ätige  Siebe  baS  rechte  Seifbiel,  mie  man 
ficb,  ju  biefen  bebrängten  ©laubenSgenoffen  ju  fteßen  fyabe.    21IS  mit  bem  31.  ©egember 

55  1731  bie  ®urd)äüge  burd;  StugSburg  begannen  unb  bie  latfjjolifdje  Dbbofition  fogleid; 
mit  ber  Sorfberre  einfette,  mad)te  er  nicb,t  nur  bie  fyetmifcfye  Siebe  in  $rebigt,  Koßeften, 
glugfd;riften  unb  meitberjmetgter  Korrefbonbenj  mobil,  fonbern  manbte  fi(|  lurj  entfdjloffen 
aucb,  an  feine  englifdjen  greunbe.  ®ie  fofort  gefanbten  20000  fl.  ber  societas  de 
prom.  cogn.  Chr.  bilbeten  ben  ©runbftod   ju   ber  auS  aßer  Söelt  gefbeiften  §ilfs!affe 

60  U.S  für  bie  ©migrantennöte   jeber  Slrt.     ^unberttaufenbe   gingen  für   bie   bertriebenen 


UdSpergcv,  ©am.  345 

galjburger,  Sbljmcn,  ^polen,  für  bte  2tnfiebler  in  Sittauen  unb  9Jorbamerifa  burd;  feine 
•öanb.  2lud)  für  bie  bäntfd^=£>alliyd^e  9Jtiffion  unb  ©d&ulfcS  Slrbeit  unter  ben  ^uben 
fammelte  er.  $n  Dielen  ©täbten  2)eutfd)Ianb§  I)atte  er  Vertraute  Agenten,  bie  JoHeftierten 
unb  ba§  ^ntereffe  an  ben  Emigranten  toacb,  erhielten,  tote  Sftefcb,  in  Sinbau,  b'2tnnone 
in  SKutten^  bei  SBafel,  f^reycmug  in  $ranffurt,  außerbem  greunbe  in  Nürnberg,  Wo  er  5 
ut  feiner  großen  greube  ben  alten  $ob,.  ©djaitberger  Wieber  entbedte  unb  burd;  eine  ©d)rift 
auf  ben  ©d)ilb  f)ob,  in  §annober,  Stuttgart,  Berlin,  2öernigerobe,  Wo  fid;  burdj  einen 
Sctoager  mit  bem  ©räflidjen  §aufe  auf  ©runb  ber  gemeinfamen  ^ntereffen  balb  ein 
inniges  unb  für  U.§  $eicf)$gotte<^toede  nü|Iid)eä  greunbfcfyaftSbanb  fttübfte.  9Jiit  biblo= 
matifdjem  ©efdjid  benutzte  er  feine  Weitreic|enben  33ejiel)ungen  ju  ben  £>öfen  bon  ©tutt=  10 
gart,  £>annober,  SJledlenburg,  bor  altem  SBernigerobe  unb  Kopenhagen,  um,  meift  in 
perfönltdjer  Korrefbonbeng  mit  ^rinjeffinnen,  Vorteile  für  bie  Emigranten  burcbjufe^en ; 
gelang  e§  it)m  bodj,  nid)t  nur  auf  bie  Könige  bon  SDänemarf  unb  Preußen  bureb,  ben 
©rafen  Sfyriftian  Ernft  bon  Söernigerobe  Einfluß  ju  gewinnen,  aud)  in  Söien  beim 
Äaifer  mürben  mit  §itfe  ber  ©eneralftaaten  23orftettungen  gemalt,  bie  nid>t  ofyne  3Btr=  15 
fung  blieben.  (Sine  Steigerung  feiner  Emigrantenfürforge  bebeutete  e§,  baß  bie  bt;ilan= 
tropifde  ©efeltfcfyaft  ber  trustees  itm  ju  ifyrem  23ertrauen3mann  unb  Agenten  berief, 
aß  e3  fieb,  barum  fjanbelte,  „gefunbe,  fromme,  arbeitfame"  ©aljburger  in  ber  bom  ©eneral 
Dgletfyorbe  geleiteten  Kolonie  ©t.  ©eorgien  in  ^ennfbjbanten  anjufiebeln.  U.  beforgte 
bie  ©etoinnung  unb  2tu£rüftung  ber  Seute  h\ä  ins  einseifte ;  er  felbft  ftetlte  mehrere  20 
;£ran3borte  jufammen  unb  gab  üjmen  jebe§ma(  einen  erfahrenen  Geologen  gur  güfyrung 
unb  geiftUcfyen  Seitung  mit.  Übertäubt  lag  ifym  atteS  an  ber  redeten  9Jliffion§arbeit  an 
jenen  biebern,  in  ifyren  ebangelifcfyen  Stnfcfyauungen  oft  red)t  bertoitberten  neuen  ©Iauben3= 
genoffen.  Er  felbft  brebigte  tfmen,  fo  oft  fid)  (Gelegenheit  bot,  richtete  für  bie  3)urd;= 
jieljenben  unb  gurüdbleibenben  *mm  regelmäßigen  Katedjetenbienft  ein ,  mit  großer  25 
©etoiffenl)aftigfeit  mahlte  er  ben  amerifanifdjen  Koloniften  il)re  frommen  unb  braftifdjen 
^rebiger  95oI^tu§,  ©ronau  unb  Semfe  au§  §aEe,  unb  blieb  bureb,  eine  rege  Korrefbon= 
benj  mit  biefen  unb  bieten  einzelnen  ©aljburgern,  bie  bureb,  fein  §au§  gegangen  Waren, 
in  beftänbiger  §üt)lung.  ©0  gebiet  unter  feiner  Oberleitung  Ebenerer,  Wie  er  bie  ©rün= 
bung  nannte,  ju  einer  ^ßflanjftätte  ebangetifcfyen  ©tauben^  unb  beutfd;en  gleißet  unb  30 
mürbe  ein  Widriger  galtor  im  religiöfen  unb  fulturetten  Seben  ber  neuen  2Mt  (fiefye 
#r.  Stxnolb,  ®ie  ©qljburger  in  2lmerifa,  $al)rbud;  ber  ©efettfefjaft  für  bie  ©efcfyidjte  be§ 
$roteftanti§mu£  in  Dfterreid)  XXV.  9Bien  1904).  %u§  feinem  ftarfen  feelforgerifd^en 
Qntereffe  an  feinen  ©algburgern  b,erau§  fam  er  in  einen  rüdb,aItIo§  fdjarfen  ©egenfa| 
su  bem  ©rafen  .ßin^nborf,  ber  in  jener  3eit  nadjbrüdlicfjft  fid}  ber  Emigranten  annahm  35 
unb  nid>t  menige  3tnftrengungen  mad)te,  in  SBernigerobe,  ^o|ienb,agen  unb  Sonbon  fid) 
unb  feine  <&a<fye  in  ©unft  ju  bringen.  U.,  ber  einen  milben  allem  ©jtrabaganten  ab- 
polten  5pietigmu§  bertrat  unb  ber  $ird)e  bienen  toollte,  fie^t  im  §errnb,utertum  nur  einen 
läftigen  unlauteren  Konkurrenten,  gaft  fein  93rtef  geb,t  nad»  Söernigerobe  ober  ju 
bJJlnnone  nad;  33afel  ob,ne  eine  efyrlidje  ^otneSaufmaHung  gegen  bie  „neue  SRobe",  bie  40 
celtiererei,  bie  bie  arme  Kirche  jerftören  toerbe,  gegen  biefeS  „Übel,  bem  man  auf  eine 
etocmgelifdje  SSeife  fteuern"  muffe.  $u  feinem  tiefen  ©d;merj  lann  U.  e§  nid;t  b,inbern, 
baß  bie  §erml)uter  in  ©eorgien  bie  -Jtacfybara  feiner  ©aljburger  ©benejergemeinbe  werben 
unb  bort,  mie  er  e§  auffaßte,  große  Konfufion  anrichteten.  ®ie  ©orge  um  Ebenerer, 
über  ba3  fieb,  fo  manche  Söettertoolfen  Wie  ber  englifcb=franjöfifd;e  Krieg,  bie  ©Ilabenfrage  45 
jufammenjogen,  toarf  einen  ©chatten  auf  bie  legten  2eben§jal)re  be§  berbienten  9Jlanneg, 
toenn  ib,m  aud?  ber  ©d)merj  über  ben  faft  böÖigen  sJiiebergang  beö  SBerleS,  ben  ber 
Sobn  erleben  mußte,  erfbart  blieb,  ©ein  2llter  Warb  frieblicfy  berflärt  burd)  bie  aH= 
gemeine  Siebe  unb  Sßerefyrung,  bie  er  in  feinen  beiben  ©emeinben  in  Slug^burg  unb  in 
Slmerifa,  wo  man  ifjn  Wie  einen  Sßater  fd)ä|tc,  in  reifem  9Kaße  genoß,  Wa3  bei  feinem  60 
60jäf)rigen  2lmt§=  unb  Ehejubiläum  in  über^eugenber  SSeife  jum  2Iu§brud  fam.  ®a§ 
^äu^liclje  ©lud  Würbe  getrübt  burd)  ben  frühen  SSerluft  bon  bier  Knaben  unb  ben  frühen 
Job  breier  ^ocfytermänner,  bod;  War  ber  einige  überlebenbe  ©ob,n  ^ob,ann  2luguft  fein 
in  be§  3Sater§  ©eift  Wirfenber  3Racf)foIger  in  ber  A'ürforge  für  Ebenerer,  feine  2lugen= 
toeibe  in  ben  %aq,tn  be§  2Hter§,  ate  ba§  Einbringen  beö  englifcfyen  ©eiSmu§  in  bie  65 
beutfa>  Ideologie  unb  bie  ^errfdiaft  be3  9{ationatigmug  auf  ben  Kanzln  ben  el)rWürbigen 
3,e"gen  au§  ©benerö  unb  ^randeg  ßeit  mit  trüben  ©ebanfen  erfüllte.  ^ad)bem  er  1764 
Kitie  ÜÜmter  niebergelegt,  beenbete  er  nad)  einem  fcb,önen  otium  cum  dignitate  am 
Cfterfonntag  1772  ^u  Slugöburg  fein  arbeitlreicbeg  Seben. 

©tt^riftftellerifd)   f>at   fid)   Ü.    außer   in   feinen  „au§fül;rlid;cn  9laa)rid;ten"  über  bie  60 


346  UrlSpergcr,  ©am.  UrftnuS,  ©egen^apft 

Kolonie  (Ebenerer  unb  bem  jäteten  „amerifanifcf/en  SWerroert1",  bie  jufammen  über 
6000  Cuartfeiten  umfaffen  unb  b/eute  noeb,  ein  fulturbtftorifdjeg  SDenfmal  finb,  nur  in 
agletifcfyer  5Rid^>tung  betätigt,  ©ein  obengenanntes,  ju  ben  „alten  Sröftern"  geljörenbeg 
©rbauunggbud)  fyat  eine  roeite  Verbreitung  gefunben,  eg  enthält  bftyctrologifd)  tiefe  93e= 
5  tracr/tungen  unb  fraftbotte  ©ebete  bon  großer  ©cfyonbeit.  ©eine  btelfacb,  gebrudten 
^ßrebigten  berraten  ein  orginaleg  ©djötofen  aug  ber  ©d)rtft,  babei  eine  bon  ber  ©djablone 
beg  norbbeutfeben  Vieiigmug  freie  SBeife,  ben  (grnft  ber  33e!eb,rung  unb  bie  §errlid)leit 
ber  ©aben  ©otteg  an  bie  $erjen  heranzubringen  (groben  bei  Dtenner,  ©.  361  ff.). 
(Einige  feiner  geiftlid)en  Sieber  f/aben  in  Stmppä  Sieberfcfyaij  2lufnal)me  gefunben. 

10  ©amuel  U.  ift  eine  batriardjalifcb  milbe,  babei  fraftbotte  ©eftalt  beg  fübbeutfd)en 
Vtettgmug,  tote  fie  ftd)  aug  einer  glüdlid;en  9ERifcb,ung  ©benerfdp  -Kilbe,  I)aIIenfifc|er 
@ntfd>tebenl)eit  unb  englifd)er  5EI)atfraft  ergab,  bei  tiefer  Qnnerlicfyfeit  mit  einer  toobJ= 
tfwenben  2öeite  beg  Vlideg  für  bie  ©elegenb/eiten,  bie  ©ott  barreidjte,  in  einer  geit,  reo 
man  in  ber  @nge  fieb  befyaglicb,  füllte.    SDurcb,   feine  ba^nmac^enbe  Slrbeit  an  ben  @mi= 

15  granten  b,at  er  Slnteil  an  allen  fegengretdjen  ^ulturfolgen  biefer  Sßeroegung,  bureb,  feinen 
bag  gefamte  Seben  feiner  ©emeinbe  in  Stuggburg  burcfybringenben  unb  bflegenben  |>irten= 
bienft  ift  er  ein  SBegroeifer  audb,  für  heutige  Aufgaben  in  ber  föirdje  geworben,  tote  ftd) 
in  ber  %fyat  nict)t  toenige  2lnfä£e  ju  ben  berfdjtebenen  .ßroetgen  ber  unter  ung  geübten 
fird)ltd)en  Siebegtr/ätigfeit,  roie  ©uftab  2lboIf=Vereingarbeit,  ^ugenbfürforge,  ©emeinfd)aftg= 

20  pflege  u.  bgl.  bei  tr)m  ftnben.  @g  ift  rool)I  nidjt  guüiel  gefagt,  roenn  ber  ©oljm  bon  bem 
Vater  rüb,mt:  2ln  il)m  ftarb  ein  wahrer  großer  9ftann,  man  mag  bieg  2öort  im  natür= 
liefen,  bolittfd)en  ober  getftlid)en  Verftanbe  nehmen.  äSernJjarb  ®ocfj. 

ttrfaciuS,  S3tfd)of  f.  b.  3t.  Slrianigmug  Vb  II  ©.  33,24. 

ttrftnuS  (fälfd)ltcb,  and)  Urftcinug  genannt),  ©egenbabft  »on  ©amafugl., 
25  geft.  nadb,  385.  —  Sie  tt)icf)ttgften  Sofumente  gefammelt  in  Collectio  Avellana  N.  1—13  ed. 
©üntfjer,  CSEL35,  1,  aufjerbetn  Mansi  III,  621  f.  624—629;  Hieronymus  chronicon  ad  a. 
Abr.  2382;  Eufinus  hist.  eccl.  XI  (II),  10;  Liber  Pontific.  ed.  SudjeSne  I,  212 ff.;  Am- 
mianus  Marcell.  XXVII,  3,  ll— 13,  9,9.  teuere  Sttteratur  f.  Bei  b.  3lrt.  3)amafu§  (IV, 
429),  ber  auef)  fonft  ju  üergieid)en  ift. 

30  9cad)  bem  %obe  beg  römifd)en  Vifdjiofg  Siberiug  (24.  ©ebt.  366)  rourbe  ber  römifd)e 
©iur)l  ©egenftanb  heftiger  kämpfe.  Sie  eine  Partei  h>äl)Ite  ben  SDtalon  Urfinug,  bie 
anbere  ben  SDamafug,  ebenfalls  einen  ®ia!onen  beg  SiberiuS.  Veibe  Parteien  beraubten, 
bafj  if)r  ^anbibat  ber  früher  geroäb/lte  fei;  aber  bie  jroeifellofe  'jEfyatfacfye,  baf$  bie  Drbi= 
nation  beg  Urftnug  nur  bon   einem  Vtfd/of,  Vaulug  bon  %\büx,  boßjogen  toorben  ift, 

35  roäfyrenb  bem  ®amafu£   fold)   ein   3Serfto^   gegen  bie  ®anone€  nic^t  nacb,gefagt   roirb, 

fbriebt  bafür,  bafe  UrfinuS  eb,er  auf  bem  $Ia£e  mar.    STßir  bürfen  für  ib,n  al$  SEag  ber 

2öeif)e  ben  24.  ©ebtember  annehmen,  für  3)amafu§  ben  näcb,ften  ©onntag,  1.  Dltober  366. 

Urftnug  bai*e  bie  basilica  Julii  (bas.  Sicinini  bei  §ieront;mug,  3^uftn  unb  Slmmian) 

jenfeits  be§  Stiber  befe^t;   bei  einem  Serfud)  be§  ©arnafug,  ib,n  gemaltfam  bon  bort  ju 

40  bertreiben,  lam  e§  ju  blutigen  ©trafsenfambfen.  %tyt  griffen  bie  ^ßräfeften  ein;  als 
Vertreter  ber  Majorität  rourbe  ©amafuS  beborjugt  unb  Urftnu§  mit  jmei  ©ialonen  in§ 
@EtI  gefdnett.  Slber  feine  Sln^änger  blieben  jurüd";  fieben  t^m  getreue  $re§b^ter  breiten 
in  ber  basilica  Liberii  i^re  ©otte^bienfte  ab.  $Da  erftürmten  am  26.  Dftober  366  bie 
bamafianifeben  Motten  bie  Vafilifa,  e§  gab  ein  furchtbares  Vlutbergiefeen,  bon  137  Seiten 

45  toeife  Slmmian.  ©leicfymob,!  rourbe  ber  griebe  nid) t  tjergefteftt  unb  bie  Urfinu^Ieute  fuhren 
fort  in  ber  basilica  Liberii  um  ib,r  Sfted) t  gxt  beten ;  fie  berlangten,  ba|  ber  Äaifer  eine 
©^nobe  jur  ©ntfcfyeibung  einberiefe.  2llä  Valentinian  eine  Serufyigung  eingetreten  glaubte, 
geftattete  er  (Coli.  Avell.  5Rr.  5)  bie  ^ücHe^r  be§  Urfinu§  nacb,  9bm,  aber  nur  bom 
15.  ©ebtember  big  16.  9iobember  367  bauerte  biefer  Slufentl) alt ;  toeil  bieDrbnung  in  ber 

so  ©tabt  emfiüdf)  gefäb,rbet  mar,  rourbe  er  mit  feinen  ^lerifern  roieberum  berbannt  unb  bie 
basilica  Sicinini  auf  latf erliefe  Verfügung  (Coli.  Avell.  6)  bem  ©amafug  auggeliefert; 
fein  Slnfyang  fyielt  fortan  in  ben  Gbmeterien  feine  ©ottegbienfte  ob,ne  ©eiftlid)e  ah.  @g 
roar  bag  Verbienft  beg  neuen  ©tabtbräfeften  ^raetejtatug,  roenn  fo  für  eine  2öetle 
iöenigfteng  nacb,  aufeen  „tiefe  9lul)e"  bur^gefe|t  friert.    Unter  bem  12.  ^amtar  368  legt 

55  ber  ^aifer  fein  frü^ereg  @bift  babin  aug  (Coli.  Avell.  7),  baf?  bie  Urfinugfleriler  ftd)  it)ren 
Stufentb^altgort  frei  roäblen  bürften,  nur  9iom  ju  meiben  bitten;  roieber  einige  9Ronate 
fbäter  roirb  aueb,  bie  Umgegenb  bon  9iom  big  ^um  20.  SSJJeilenftein  ben  Unrub,eftiftern 
berfcfiloffen;  feine  religiöfe  Verfammlung  beg  populus  dissentiens  barf  in  biefem  Umlreife 


UrfinuS,  ©egcit^ft  347 

gebulbet  werben  (Coli.  Avell.  8.  9).  ®er  ©rfolg  beS  ^räfeften  DItybriuS  (10)  in  ber 
Untcrbrücfung  ber  Tumultuanten  mar  borübergefyenb ;  feinem  sJtacbfolger  2(mbeliuS  mtrb, 
jtjo^I  im  3abre  371,  bie  $fltd)t,  diom  unb  bie  fuburbifartfcfyen  ©ebiete  bon  UrfinuS 
unb  ben  „©enoffen  feinet  $rrtumS"  —  act)t  Don  ifmen  lernen  mir  f)ier  mit  tarnen  fennen 
—  freizuhalten,  ftreng  eingefd)ärft,  nebenbei  freiließ  mitgeteilt,  baf?  UrfinuS  nict)t  mefyr  an  5 
bem  einen  $Ia£  in  ©aHien,  mobin  man  ib,n  juerft  gefebieft  f>abe,  ftill  ju  fitjen  brauche 
(11.  12).  Offenbar  liegt  ber  Regierung  ungemein  biet  baran,  jebe  entbebrlicbe  Strenge 
gegen  einen  angefeb,enen  $irct)enmann  ju  bermeiben.  greilicb.  eine  römifcfje  ©imobe  Don 
378  (Mansi  III,  625 f.)  banft  jmar  ben  ^aifern  bafür,  baf?  bem  legitimen  S3ifct)of  bon 
9iom,  ©amafuS,  bie  ©ntfdjeibung  über  bie  ©tltigleit  ber  Ordination  in  feinem  ©brengel  10 
übertoiefen  fei,  geigt  fieb,  aber  feb/r  beunruhigt  bureb,  bie  immer  erneuten  2Jerfud)e  ber  bon 
UrfinuS  gemeinten  ©eiftlicfyen,  fiel)  einjubrängen ;  einer  bon  ber  Partei,  Sfaac,  ein  be= 
febrter  unb  roieber  rückfälliger  Qube,  t)at  ben  ©arnafuS  eines  $abitalberbrect)enS  befclmlbigt. 
3toar  ift  ©amafuS  freigefbroefien  unb  ^faac  gebüfyrenb  beftraft  morben,  aber  bie  ©orge 
bor  neuen  Slänfen  mirb  man  in  9tom  nict)t  log.  £)er  föaifer  (13)  antmortet  noeb.  bor  15 
Cjnbe  378,  baß  bon  $faac  fieser  niemanb  met)r  etmaS  ju  fürchten  b,abe;  UrfinuS  fei 
längft  in  $öln  interniert,  unb  feine  Sitten,  freikommen,  mürben  niebt  gebort  merben; 
innerhalb  beS  100.  9fteitenfteinS  um  9fom  mürbe  feine  ,3ufammenfunft  ber  griebenS= 
ftörcr  gebulbet.  Quietum  nihil  esse  patitur,  Hagt  aufS  neue  bie  ©fynobe  bon  2lquileja 
Sebtember  381  über  UrfinuS  unb  meifj  ben  $aifern  bon  Söüfylereten  ju  berieten,  bie  er  20 
bureb  Briefe  unb  ifym  ergebene  ^ßerfonen  in  SRom  anftifte.  ©elbft  als  im  'sDejember  384 
"JamafuS  ftirbt,  fürchtet  man  am  §of  einen  neuen  SBorftofj  beS  Verbannten ;  um  fo  leb= 
baftere  greube  bezeugt  man  barüber  (Coli.  Avell.  4),  bafs  bei  ber  2öal)l  beS  ©iriciuS 
baS  römifetje  SSolf  bem  UrfinuS  eine  unjmetbeutige  Slbfage  erteilt  f)at.  Serblet  fyai 
atfo  UrfinuS  auf  ben  römifeben  ©biffobat  niemals ;  er  mirb  mobj  balb  nacb  385  geftorben  25 
fein;  bie  9cad)ricbt  beS  Liber  pontificalis,  er  f)abe  jur  @ntfct)äbigung  für  9iom  ben 
Stuhl  bon  9ceabel  erhalten,  ift  offenbar  ber  ©efcrjtcbte  beS  ©egenbabfteS  SaurentiuS  nacl)= 
gebilbet. 

SBenn  ber  libellus  preeum,  ben  bie  $riefter  gauftinuS  unb  SftarcellinuS  etroa  ju 
Anfang  384  bem  ;XI)eobofiuS  überreizten,  ©timmen  auS  bem  urftnifdjien  Sager  mieber=  30 
gäbe,  fo  befäfjen  mir   eine  tiefere   fachliche   @rllärung   für  bieS  ©cbiSma.    ®ann  märe 
£amafuS  ber  Äanbibat  ber  griebenSpartei  gemefen,  bie  buret)  bie  Slufnafyme  aller  ^lerüer 
beg  gelir.  ju  gleichen  Stecbtcn  mit  benen  beS  SiberiuS  in  9iom  fiel;  bereits  ju  CSnbe  365 
als  bie  mäcbiigfte  ertüiefen  fyatte:  UrfinuS  mürbe  bie  SDtinberbeit  rebräfentieren,  bie  gegen 
folcbe  ^onjeffion  an.StreuIofe  unb  §äretiler  unbebingten ^ßroteft  erl>ob.   2lber  jene  §tybo=  35 
tfiefe  eines  fonft  unbelannten  5RebaltorS  bon  ®ofumenten  gur  ^abftgefebic^te,   mie  fie  in 
bem  Scbluf^fatj   binier  %lv.  1  ber  Coli.  Avell.  (p.  5,  1—6)   ausgebrochen  ift,   entbehrt 
jebeS  2lnf>altS  in  bem  libellus.    ©eine  23erfaffer  finb  ftrengeSuciferianer;  unb  5[Ränner, 
bie  felbft  baS  35erbaltcn  beS  §i!ariuS  bon  ^oitierS  febroff  tabeln,  rönnen  nicf)t  bie  eebten 
3Jacr)folger  beS  SiberiuS  fein  mollen,  beS  33ifct)ofS,  bon  bem  bocr)  fogar  bie  ib,m  fo  günftig  40 
gefinnten  gesta  (Coli.  Avell.  p.  2,  7)   nocl)   einräumen :    manus   perfidiae  dederat. 
^ene  gesta   ftellen  UrfinuS  als   ben  ^anbibaten  ber  SibcriuStreuen,  SDamafuS   als  ben 
ber  Äleriler  bin,    bie  erft  bem  SiberiuS  bei  feiner  Verbannung   emige  breite  gefct)moren, 
alsbalb  aber  ^elij  für  ibn  jum  33ifct)of  gemäblt  Ratten;   ®amafuS  fei  einer  bon  biefen 
Weineibigen  gemefen.    3lun  braucht  man  mobl  bie  2!t)atfacr)e  niebt   ju  bejmeifeln,   ba^  45 
UrfinuS  nie  mit  gelir.  balliert  batte  unb  barauf  feine  b.ö^)eren  2lnfbrüd)e  grünbete.  2lbcr 
einen  ^rieben,  ben  SiberiuS  gutgeheißen  batte,  im  Flamen  beS  SiberiuS  gu   brechen,   ift 
auet)  eine  fonberbare  ^reue:    ber  UrfinuS  als  9tacr)foIger  beS  SiberiuS   ift  cbenfo   eine 
tenbenjiöfe   giltion  mie  ber  £)amafuS    als  ?iacb,foIger   beS  gelir.  (Coli.  Avell.  1  p.  2, 
21—23).    ^n  fragen   ber  9tec£)tgläubigieit  merben  bie  beiben   gteidt)    geftanben   l)aben;60 
benn  obfebon  bie  ©tonobe  ju  Slquileja  (Mansi  III,  621)  ben  UrfinuS  beS  SiebeSmerbenS 
um  bie   g-reunbfebaft   beS   2lrianerS   SSalenS  (bon  SJJurfa)   bejiebtigt   (bgl.  Hieron.  ep. 
lö,  4),  giebt  fie  ,^u,  baß  er  fiel)  offen  in  bie  Sßerfammlungen  ber  Slrianer  niebt   babe  bc= 
geben  bürfen,   alfo  ftreng  auf  feine  nieäntfebe  Drtbobojie  gebalten  t)at.    ®er  §cibe  2lm= 
mianuS  9JJarc.  mirb  9?ecbt  bebalten,  toenn  er  jenes  ©dnSma  mit  feinen  ©reuein  auf  ßbr=  65 
geij  unb  äbnltcbc  Seibenfcbaften   gurüdfübrt.    ©ct)lagmorte,   bie  bei  ber  9)lenge  erbi^enb 
mirlen,  finb  nad)  ^n^  Se'r/   ^h  bie  ber  3ieligionSfämbfe  unter  ^onftantiuS,  leiebt  ge= 
funben. 

©ennabiuS  vir.  111.  27  nennt  einen  UrfinuS  unter  ben  ©cbriftftellern  beS  4.  $abr= 
bunberts.     (i-r  b^be  gegen  bie  §äretifer  gefebrieben,   bie  eine  Mebcrtaufe  bcrlangen,  mo  wj 


348  ItrfimtS,  ©egenWft  ItrfumS,  £acf;ar. 

bie  §anbauflegung  be§  latfyotifdjen  $ßriefter<§  nad)  einem  Ilaren  33elenntni§  ju  ßfyriftug 
unb  ber  t)I.  %x\nität  genüge.  $d)  be^toeifle  nicfyt,  bafc  ©ennabiug  an  unfern  UrftnuS 
benft,  fcfyon  toeil  er  ir)m  ben  $la|  hinter  bem  guben  Sfaac  antoeift,  unb  »Denn  gar  ftatt 
be§  33eitoorte§  homo  Romanus  ba§  monachus  ber  älteren  2lu§gaben  ju  9tecr)t  beftänbe, 
5  fo  tourbe  ber  ©egenfa£  jtotf^en  UrfinnS  unb  ©amafuS  leicht  »erftänblid) :  Urftnuä 
Sßortfüfyrer  ber  neuen  ^bncf/Sfrömmigfeit,  ®amafu3  be§  toeltfb'rmigen  ^irdjentumg.  ^n= 
be§  ^ieronfymuS  unb  9tufinu3,  biefe  Slfcoftel  ber  Söüftenfyeiligfeit,  finb  bem  llrfmuS  fo 
übel  gefinnt  tote  möglicr)!  ®er  JDtöncr)  UrfinuS  berbanlt  feine  ©jiften^  bb^fttoal>rfcfyem= 
lieb,  einer  fd)lecr)ten  üonjeftur.    Siliere  ©eleb/rte,  barunter   ein  ©tetol).  Salute,    b)aben  bie 

10  ©treitfct)rift  unfer§  Urfinu§  in  bem  bfeuboctyfcrianifcfyett  STraftat  de  rebaptismate  toieber= 
erfannt,  ben  bie  3ftobernen  einmütig  tn§  3.  ^afyrfyunbert  »erlegen.  2)a3  geugniä  »on 
brei  §anbfct)riften  (ober  blofj  einer?),  bie  einen  UrfinuS  als  Slutor  bejeidmet  r)aben,  fällt 
nicfyt  in§  ©etoicb;:,  toeil  ba  toar)rfct;einlicr;  eine  gelehrte  3lanbnotij  au£  ©emtabiu<§  »orliegt ; 
icb,  bejtoeifle  nietjt,  bafc  ©ennabiug  jenen  Straftat,  ben  toir  unter  (Styfcriang  ©Triften  lefen, 

15  gemeint  r)at.  ©elbft  toenn  t)ter  eine  grobe  33ertoecf/felung  aufjer  allem  gtoeifel  ftänbe, 
würbe  ©enn.  c.  27  boct)  nod)  nicfyt  toertlo§,  benn  ba  toir  einen  Suciferianer  lennen,  ben 
©ialonen  §üariu§,  ber  in  5ftom  jur  fttit  be§  llrfinuS  bie  gorberung  ber  SBiebertaufe 
für  alle  Don  Strianern  ©etauften  fteHte  (f.  b.  31.  §ilariu§,  röm.  SDtaf.  VIII,  67),  fo  fann 
©ennabiuo   boeb,  tooblunterricfytet  getoefen  fein,  toenn  er  ben  Urfinu§  gegen  bie  !grrler)re 

20  ber  Söiebertäufer  fdjreiben  läfjt;  unb  e§  ift  bann  eine  eigentümliche  Qronie  be§  ©cfyicffal<o, 
bie  über  ben  faiferlidjen  93rtef  oon  @nbe  378  (Coli.  Avell.  Sffc.  13,  p.  54, 15)  bie  Über= 
fct)rift  De  rebaptizatoribus  gefe|t  b,at.  ®enn  bierbureb,  toirb  UrfinuS,  bon  bem  ba§ 
Sbift  in  erfter  Sinie  b,anbelt,  mit  bem  Slfrilaner  6Iaubianu§,  ber  aHerbing§  jenen  tarnen 
berbiente,  bei  einer  §ärefie  untergebracht,  bie  er  btelmeb/r  nact)  Gräften  befämbft  b)at. 

25  9tb.  Sülidjer. 

UrjtttUS,  gact/ariaS,  geft.  1583.    —    SR.  Slbam,    Vitae   German.   Theol.  Heidelb. 

1620,  p.  529—542;  ft.  ©ubljoff,  f .  DIeüianuS  unb  ß.  Urfinug,  (Stberfelb  1857;  ©tuet,  ©rato 
oon  (Srafftbeim  unb  feine  greunbe,  granffurt  a.  m.  1860,  2  S3be;  berf.  in  ber  1.  Stuft.  biefeS 
3Berte§;   £>ang  9tott,    SSriefe    beg  £>eibelberger  SCIjeoIogen  3ncb-  tirfütug   aug  £jeibetberg  unb 

30  ^euftabt  a.  £.  in  ben  §eibeI6.  9Jeuen  3a^r6üd)ern  3o^rg.  14,  §eft  I,  39—172,  §eibeI6erg 
1905.  9tuc()  in  ben  „Sfyeologtfcfjett  Sirbetten  au§  bem  rtjetnifc^en  eoanget.  $rebiger=3Serein", 
§eft  8/9  unb  12  teerben  oerfrfjtebene  SSriefe  lt.§  mitgeteilt.  —  Sürjere  S3iograp£)ten  Ijaben 
1862  W.  ©obel  in  feiner  ©efetj.  be§  cbriftl.  Sebeng  je.  I,  393  ff.,  1863  £unbeSl)agen  in  5)5iper§ 
(Süanget.  Äatenber  unb  1880  Q.  Serie  in  ben  üun  bem  eu.  SSeretu  ber  ?ßfatg  herausgegebenen 

35  „pfölsifdjen  ^Reformatoren"  unb  Stnbere  gefctjrieben.  Stufjerbem  finb  bie  betannten  2Ber!e  jur 
pfätgifcfcjeu  3?eformation§gefrf)icl)te  oon  9Uttng,  (Struoe,  SSunbt,  (Seifen,  Ätuctbobn  ?c.  ju  üer= 
gteieben.  Stucb  einige  fjanbfdjrtftlicfje  SJoti^en  finb  in  naebftebenbem  Strtitet  tierlcertet.  —  ©einen 
litteravifctjen  ÜRacblafi  empfahl  lt.  feinem  ©ctjüler  «nb  greunbe  3ob-  Sungnig,  weteber  juerft 
feine  lateinifdjen  ©ctjriften  b^rauggab.   5)er  erfte  33anb  berfeiben  erfrf)ien  1581  in9?euftabta.§. 

40  Bei  ^arnifcb  unb  in  neuer  Stuggabe  1587    (Zach.  Ursini  volumen  Tractationum  Theo- 

logicarum.  Neostad.  Pal.  1587,  701  ©.  got.).  (Sin  gföeiter  Sonb  folgte  1589  (ebenba 
652  <B.  got).  Söeibe  S3cinbe  mürben  im  tarnen  beg  binterlaffeneu  {(einen  ©obneg  11.3,  3o= 
banneg,  bem  ^3fat§grafeu  gob-  Saftmir  gemibmet.  3"ngnt^  beforgte  aud)  eine  üortreffliebe 
Sluggabe  beg  fieibetberger  ^atecbi§mu§,   tneltbe  mit  einigen  beutfeben  ©cbrtften  ll.g  1584  unb 

45  1592  in  9ceuftabt  erfdjien,  foioie  1586  eine  fold)e  feiner  SSortefungen  über  2lrtftoteIe§  Drgonon 
unb  1585  unb  1590  neue  Stuftagen  beg  „©rünbtieben  S3erid)tg".  S)te  oon  lt.  in  ber  ©apieng 
mit  ben  ©cbülera  angeftettten  Hebungen  würben  1589  unb  1590  unter  bem  Sitet:  „Medita- 
tiones  in  materiis  theologiae  scholasticae"  in  gtuei  SSönben  neu  berauggegeben.  Stug  It.g 
bintertaffenen  ©ctjriften  ftedte  fein  ©d)üler  ®aoib  ^areug  mit  grofjer  Sorgfalt  einen  Kommentar 

50  ju  bem  ^eibelberger  Satedjigmug  t)er,  ber  unter  bem  Sitet:  „Explicationes  catecheticae" 
juerft  1591  erfcfjien  unb  feit  1598  atg  „Corpus  doctrinae  christ."  gacjtretcrje  neue  Stuflagen 
erfuhr  (ogt.  ben  St.  $areu§  S3b  XIV  @.  688).  gtne  ©efamtauggabe  ber  SSerte  ll.g  oeran= 
ftattete  uon  1612  an  fein  ©d)üter  Quirinug  9?euter  in  brei  gotiobänben. 

U.  tourbe  ben    18.  ^uli   1534   in  Sreglau   geboren,    ©ein  SSater,  £a§toar  (ntdjt 

55  SCnbrea3)  Seer,  ftammte  au§  S^euftabt  in  Öfterreict;,  blatte  in  SBien  ftubiert  unb  toar 
1528  nacb^  33re§lau  gelommen,  too  er  Informator  mebrerer  junger  ^atrijier  tourbe,  fia) 
ba<3  Vertrauen  ftertoorragenber  gamilien  ertoarb,  fbäter  al§  ®ialon  ober  „Sluöteiler  be§ 
gemeinen  3llmofen§"  in  ben  ©ienft  ber  ©tabt  trat  unb  Don  3Roibanu§  auc^  ju  ^ßrebigten 
|erangejogen  tourbe.    ^m  ^af>re   1533   »erheiratete  fieb,   ^aöbar,  ber  feinen  gamilien= 

60  namen  in  llrfinuä  umgetoanbelt  blatte,  mit  Slnna  3*rotb^e,  ber  i:od;ter  einer  angefebenen 
Sre§Iauer  gamilie,  blieb  aber  bi§  ju  feinem  £obe  in  bürftigen,  ja  brücfenben  3Serbält= 
niffen.    5?rän!Iict)leit  unb  anbere  bäu^licfye  5£rübfal,  fotoie  ein  §ang  jur  ©c^toermut,  ber 


UrftniiS,  Madjar.  349 

bei  bem  Leiter  fid)  geigte,  madjte  aufy  bte  ^jugenb  beS  ©ol)neS  gu  einer  fvcublofert  unb 
erjeugte  bei  ,3<*<Wa§  ftü^>e  einen  ©ruft  ber  SebenSauffaffung,  ber  iljn  in  feinem  gangen 
2eben  nicfyt  »erliefe  unb  in  fbäteren  ^ab,ren  gu  ausgekrochener  SJMancrjolte  tourbe.  — 
3tuf  ber  unter  ber  Seitung  SlnbrcaS  SGStnlterö  ftefyenben  (Slifabetfyfdmle  grünblid)  bor= 
gebilbet,  fomtte  gadjariaS  bereits  in  feinem  16.  SebenSjaljire  bie  Uniberfität  begießen.  @r  5 
ging  nacb,  9Bittenberg  unb  tourbe  t/ier  am  30.  Slbril  1550  immatriMtert.  23on  feinem 
SanbSmanne  3°^-  älurifaber  tourbe  er  Wdanfyfyon  borgeftettt  unb  bon  biefem,  nacfybem 
er  einen  bon  U.  angefertigten  lateimfcfyen  2luffa£  befriebtgenb  befunben  blatte,  für  reif 
jum  Sefudje  feiner  Sßorlefungen  erllärt.  SDte  SRittel  gu  feinem  Unterhalte,  toelc^e  fein 
SSater  nid^t  ju  befcfyaffen  bermocfyte,  gewährten  ifym  ftäbtifdje  ©tibenbten  unb  Unter=  10 
friujungen  toob/Igefinnter  ©ömter.  Unter  btefen  befanb  fieb,  aud)  Qob,ann  JRrafft  (ßrato  bon 
Grafftfyeim ;  f.  b.  21.  33b  XI  ©.  57  f.),  toelcfyer  bamalS  feinen  jungen  ©djmpng  nod;  niebi 
berfönlicb,  lannte.  (Sin  $>anfbrief  bei  jungen  ©tubenten  an  tfm  bom  17.  Dftober  1551  eröffnet 
bie  uns  großenteils  noa)  erhaltene,  toäfyrenb  eines  SDienfcfyenalterS  fortgefettfe  ^orrefbonbeng 
mit  $rafft,  ber  ib/tn  im  Saufe  ber  $ab,re  aus  einem  fyocfyberefyrten  ©onner  jum  bertrauten  15 
greunbe  tourbe.  2SaS  immer  i^r  §erj  in  greube  unb  Seib  betoegte,  tourbe  in  btefen  Briefen 
niebergelegt,  bie  bon  bem  bie  beiben  trefflichen  Männer  berbinbenben  engen  23anbe  eljrenbolIeS 
^eugniS  geben.  SWS  jtoei  ^ab/re  fbäter  bie  Uniberfität  toegen  StuSbrudjS  ber  ^3eft  borüber= 
gefyenb  nacb,  ^orgau  berlegt  tourbe,  begab  ftcb,  U.,  bon  9JleIand)tr;on  mit  einem  embfeb,= 
lenben  £eugniffe  (25.  Quli  1552,  CR  VII,  1059  f.)  berfeJ>en,  in  feine  SSaterftabt  jurücf,  20 
too  er  nun  auch,  strafft  befugte.  (Sin  reifer  ^Bürger,  QuirinuS  ©cb,Iab,er,  nabm  tt)n  bjer 
wm  §ofmeifter  feines  ©ob,neS  (SIeafar  an,  mit  bem  U.  balb  nacb,  Söittenberg  gurüdfefyrte. 
^m  grübjafyre  1554  tourbe  U.  bureb,  einen  gieberanfall,  bon  bem  er  unb  (SIeafar  be= 
troffen  tourben,  beranlafet,  fid)  mit  biefem  auf  einige  3Jtonate  nacb,  6I)emm|  ju  begeben, 
too  beibe  balb  genafen.  Waty  il)rer  ^Rüdfe^r  liefe  fieb,  U.S  ^ögling  immer  mel>r  in  baS  25 
rol)e  unb  gügellofe  treiben  b;ineinjieb,en,  toelct/eS  bamalS  unter  bielcn  Sßittenberger  ©tu= 
benten  fyerrfcfyte,  unb  bereitete  feinem  jungen  Informator,  toeldjer  attmäblicb,  jebe  2tutorität 
über  ibn  berlor,  fo  biel  3Serbrufe,  bafe  biefer  enblidt)  flefyentlid)  bat,  ifm  aus  feiner  ©teßung 
ju  entlaffen.  (Snbe  ^uli  1555  braute  U.  tb)n  nacb,  Breslau  jurüd,  too  einige  9Jconate 
öorfier  U.S  3Sater  geftorben  toar.  2lm  21.  ©ebtember  1555  traf  U.  toieber  in  3ßitten=  30 
berg  ein  unb  fe|te  Ijier,  nur  mit  toenigen  gleidjgeftnnten  greunben  berleb/renb,  feine 
Stubien  mit  neuem  ©ifer  fort.  $u  3Jie(and;tf)on,  an  bem  er  mit  tiefer  23erer;rung  b^ing, 
trat  er  nun  in  ein  noeb,  engeres  ^erljtältniS  unb  fat)  mit  SBibertoiUen  bie  geb^äffigen  3tn= 
feinbungen,  benen  ber  Praeceptor  Germaniae  ausgefegt  toar,  unb  bie  bie  junge  eban= 
gelifdje  ^ircb,e  gefäb,rbenbe  §änbelfud;t  bieler  Geologen  jener  $tit  35 

2tlS  fieb,  9)leIand;tb,on  1557  anfcb,idte,  ju  bem  3fleIigionSgefbräd;e  nacb;  SßormS  ju 
geb,en,  befcb,Iofe  U.,  nunmehr  eine  gröfeere  toiffenfcb,afttid;e  Steife  anzutreten,  &u  ber  ib,m 
bie  Srüber  feiner  berftorbenen  Butter  unb  anbere  ©önner  bie  SRittel  getoäb,rten.  ®er 
fd)arf  benfenbe  23jäb/rige  Jüngling  b,atte  fieb,  bereits  eine  fetbftftänbige  toiffenfd>aftlid;e 
Ueberjeugung  angeeignet.  @S  brängte  ib,n,  bie  grofeen  ©djtoeijer  Geologen  lernten  ju  40 
lernen,  mit  beren  Slnfdjauungen  er,  ob,ne  auf  eines  SReifterS  SBorte  ju  fdjtoören,  überein= 
ftimmte.  (giner  Slufforberung  ^ßeucerS  folgenb,  begab  er  fieb,  junädjft  nad;  SBormS,  too 
er  am  31.  äluguft,  brei  SCage  nad;  3Jlelandjtb^on,  anfam.  SBä^renb  beS  ganzen  Monats 
September  blieb  er  b,ier  unb  toar  3euSe  oer  fd;mad;boßen  (Streitigkeiten,  mit  benen  fieb, 
bie  ßbangelifcfyen  jur  greube  ber  römifd;en  ©egner  beiämbften,  blatte  aber  aud)  ©e=  45 
legenfyeit,  bie  bebeutenbften  Geologen  unb  Söortfüfjrer  ber  berfd)iebenen  Parteien 
jener  3eit  fennen  ju  lernen.  SDann  ging  er,  mit  einem  glänjenben  3eug"tffe  3JieIancb,= 
tym  (d.  d.  2ßormS,  1.  Dil  1557)  auSgerüftet,  über  ©trafeburg,  Safel  unb  Saufanne 
nacb,  ©enf,  too  ib,n  ßalbin  mit  2So|ltoollen  aufnahm.  3Son  ba  toanbte  er  fid;  über  Sr/on 
unb  Orleans  nacb,  ^ßaris  unb  nab,m  b^ier  längeren  2tufentb,alt,  teils  um  fid)  in  ber  franjöfifd;en  so 
S^rac^e  ju  berbolllommnen,  teils  um  feine  in  Söittenberg  begonnenen  b,ebräifd;en  ©tubien 
unter  ^ean  SjJcercier  ju  bertiefen.  ^m  ©ommer  1558  trat  er  bie  3tüdreife  an,  befugte 
Äunärfjft  ^ürieb,  unb  fnübfte  mit  ben  bortigen  2!b,eologen  Regierungen  an.  ®ann  feb,rte 
et  über  Tübingen,  Ulm  unb  Nürnberg  nad)  2öittenberg  %uxM.  §ier  traf  ifm  im  ©eb= 
tember  1558  eine  Berufung  beS  SreSlauer  9tatS  gum  bierten  Seb,rer  ber  @Iifabetb,fcb,ule,  55 
ber  er  alsbalb  golge  leiftete.  ©eine  2tntrittSrebe  (Oratio  exhortatoria  ad  doctrinae 
christianae  studium,  gebrudt  3.  33.  in  Ursini  Opp.  I,  20  ff.)  malmt  jum  ©tubium 
ber  Ideologie  unb  giebt  ebenfo  bon  ber  gebiegenen  toiffenfcfyaftlidjen  S3ilbung,  toie  bon 
ber  ernften,  aueb,  ber  berfolgten  ©laubenSgenoffen  im  SluSlanbc  in  Siebe  gebenfenben, 
t^riftlidt)en  ©efinnung  beS  jungen  ©eleb,rten  3«ugniS.  •» 


350  ltrftmtS,  Sad&ar. 

Söäbrenb  11.3  2lbtoefenl;eit  toar  aucf)  in  23re3lau  ber  ©aframentsftrett  ausgebrochen, 
ber  bamate  in  ganz  3)eutfd;lanb  bie  ©emüter  erregte.  U.  mar  fid)  auf  feiner  Steife  böllig 
flar  geworben,  bafj  er  in  biefer  grage  nidjt  neutral  Bleiben,  fonbern  nur  auf  @albin§ 
©eite  fielen  fönne.  ©o  toenig  e§  iim  gelüftete,  an  biefen  unerquidlicfyen  kämpfen  tetlgu= 
5  nehmen,  fo  luelt  er  fidj  boa)  berbflicfytet,  feine  Überzeugung  offen  ju  befennen,  unb  gab 
ibj,  als  er  bei  ber  ifmi  obliegenben  ©rllärung  be§  examen  ordinandorum  2ReIand;= 
ti)on§  jur  Sefyre  Dom  l;I.  Stbenbmab,!  tarn,  offenen  2tu3brud.  ©e§l)alb  als  ©aframentierer 
angefeinbet,  lief?  er  jur  Rechtfertigung  feines  ©tanbbunfts  1559  eine  eigene  ©cfyrift  er= 
fcb,einen,  in  ber  er  mit  ber  atte  feine  arbeiten  auSzctdmenben  ^larb,eit  feine  £eb,re  bon  ben 

10  ©aframenten  unb  inSbefonbere  bom  bl.  Slbenbmafyle  barlegte  (Theses  complectentes 
breviter  et  perspicue  summam  verae  doctrinae  de  sacramentis,  Vratisl.  1559 ; 
»gl.  Urs.  Opp.  I,  761  ff.).  5Da  Ü.3  23orgefet$te  baran  älnftofs  nahmen,  tourbe  bie©d;rift 
berboten.  U.  aber,  ber  an  bem  immer  lebhafter  entbrennenben  ©treite  feine  gteube  fyatte, 
hat  um  feine  (Sntlaffung  unb  erhielt  biefelbe  am  26.  Slbril  1560  mit   einem  rüfmilicfyen 

15  geugniffe  beS  Rats  unb  unter  ber  33ebingung,  baf$  er  ber  ©tabt  auf  Verlangen  mieber 
ju  bienen  bereit  fei.  3Son  Jfrafft  mit  Reifegelb  berfefyen,  »erlief  ü.  am  25.  ^uni  1560 
Breslau  unb  ging  nad)  2Bittenberg,  too  groei  2Jconate  borfjer  5ReIand;t£)0tt  geftorben  mar, 
b,ielt  fid;  bjer  einige  geit  auf  un°  reWe  oanrt  uoer  Sranffurt,  §eibelberg  unb 23afel  nad; 
3ürid),  toobjn  ü)n  SuEinger  unb  betrug  3!Hartt?r  zogen.   2lm  3.  Dftober  fam  er  fyier  an. 

20  9Jiartr/r  mürbe  ilmt  in  3ürid),  TOag  ^m  2Mcmd;tl)on  in  Söittenberg  getoefen  mar.  @r 
brieS  fid;  glüdlid;,  ben  „göttlichen  Unterricht"  btefeS  9Jianne§  genießen  ju  bürfen,  unb 
befeftigte  fid;  nod;  meb,r  in  feiner  fd;on  borb,er  gemonnenen  tf)eoIogifd;en  Überzeugung, 
bie  ifym  ben  $la|  an  ber  ©eite  ber  ßalbiniften  antoieS  unb  i()n  für  biefe  offen  unb  ent= 
fcbjeben  Partei  ergreifen  liefe,    ©o  gern   er   feiner  3Saterftabt    bon  neuem   feine  ©ienfte 

25  getoibmet  I)ätte,  toie  feine  bortigen  greunbe  toünfd;ten,  fo  fyätte  er,  mie  er  fcf/on  am 
6.  Dftober  an  Ärafft  fd;rieb,  einer  gurüdberufung  ba§ in  nur  unter  ber  SBebingung  folgen 
fönnen,  baf?  eS  i^m  geftattet  mürbe,  bie  Sebje  ber  ©d;toeizer  ®ird;en  über  bie  ©afra= 
mente,  bie  3Sorfeb,ung  unb  ©nabentoafyl,  ben  freien  Sßitlen,  bie  menfd;Iid;en  Überliefe* 
rungen  unb  über  bie  d;riftlid;e  $ircf)enjud;t  öffentlich  z"  befennen. 

30  2Säf)renb  Ü.S  2IufentI;alt  in  Qüxxfy  b,atte  ^urfürft  griebrid;  HI.  bon  ber  $falj 
(f.  ben  31.  33b  VI  ©.  275 ff.)  ben  legten  Sutb,eraner  in  ber  §eibelberger  tb,eologifa;en 
^afultät  entlaffen  unb  toünfcfyte  biefelbe  ganz  mit  reformierten  2eb,rern  ^u  befeuert  unb 
namentlid;  für  bie  Seitung  be§  furj  borfjer  in  eine  2lrt  ^rebigerfeminar  bertoanbelten 
©apiengfollegiurmg  eine  geeignete  ^raft  ju  getoinnen.    ®a  'üJcarttjr  ben  gunädjft  an  dm 

35  ergangenen  Ruf  ablehnte,  fnüj)fte  man  a3e4anblungen  mit  bem  Don  ifym  empfohlenen  11. 
an,  ber  aber  ernftlid;  Sebenfen  trug,  ob  er  ben  Ruf  annehmen  fönne,  ba  er  fiep  in  feiner 
ängftlid)en  33efd;eibenb,eit  bie  $raft  nid;t  zutraute,  ben  ib,m  angetragenen  ^often  auiju= 
füllen.  SDod;  er  überroanb  feine  3TOeife^  uno  fonnte  enbltct)  am  27.  Quli  1561  ^rafft 
fd;reiben,  bafe  er  nacb,  ^eibelberg  ge^en  toerbe.  Racf)bem  er  nod;  ba§  33erb,ältni§  zu  feiner 

40  SSaterftabt  georbnet  b[atte,  reifte  U.  über  ©trafjburg  nad;  §eibelberg,  too  er  am  9.  Sep- 
tember eintraf  unb  am  13.  Dftober  immatrifuliert  rourbe.  §ier  toar  il)m  junäd;ft  bie 
fo)toierigc  Aufgabe  ber  borljer  öon  Dlebian  geführten  toiffenfc|aftlid;en  unb  öfonomifd;en 
Seitung  ber  genannten  Slnftalt  gefteßt.  §ierju  fam,  nad)bem  Dlebian  in  ben  braftifd;en 
Äird;enbienft  übergetreten  unb  11.  am  25.  Sluguft  1562  jum  Dr.  theol.  bromobiert  roorben 

45  toar,  nod;  ber  £efyrftul)l  ber  ©ogmatif.  2lm  1.  ©ebtember  1562  begann  er  feine  23or= 
lefungen  über  bie  loci  theologici  unb  fe|te  fie  fort,  hx§  er  fie  enblid;  1568  in  bie  £änbe 
be3  zu  feiner  @ntlaftung  berufenen  §ieront)mu^  3anc^iug  te3m  fonnte.  älufeerbem  f)atte 
er  nod;  feit  1563  an  jebem  ©onntag  nachmittags  bie  üatedjiSmuSbrebigt  zu  galten  unb 
bei  ben  Beratungen  über  eine  neue  bfälzifd;e  Äird;enorbnung  mitzutoirfen.  ©er  toefentlid;e 

so  Slnteil,  ben  ü.  an  ber  Slbfaffung  beö  |>eibelberger  ^ated;i§mug  blatte,  ift  in  33b  X 
©.  164  ff.  biefeS  SSerfeg  näb^er  bargelegt,  ßtoei  bon  ib,m  al§  Seitfäben  für  bie  ©abienz 
aufgearbeitete  Äated;i§men,  bie  größere  Summa  theologiae  unb  ber  Catechismus 
minor  fönnen  als  33orarbeiten  bazu  betrachtet  toerben  unb  bie  fr/ftemaiifa;e  ©eftaltung 
beweiben  ift  ob^ne  3toetfel  auf  ilm  zurüdzufüb,ren.  ©o  großen  unb  toof)lberbienten  S3eifaß 

55  aber  biefer  $ated;i3mu§  nad;  feinem  ©rfcfyeinen  (anfangt  1563)  bei  ben  @efinnung§= 
genoffen  in  unb  aufeer  SDeutfdjIanb  fanb,  fo  großen  Slnftofe  nafym  man  auf  Iutb,eriftt)er 
©eite  an  ifym.  ©d;on  im  Slbril  machten  Herzog  (Sb.riftobb^  bon  Sßürttemberg,  ^falzgraf 
SBoIfgang  unb  9)carfgraf  Äarl  bon  33aben  bem  ^urfürften  ernfte  33orftellungen  unb  ber= 
ftärften  fie  im  SDtai  unter  Seigabe  eine§  toaf)rfd;einlid;   bon  33renz   berfafeten  33erzeitt)= 

eo  niffeS  ber  Mängel  be§  neuen  $atecf;i§mu3.  ®ie  Aufgabe,  beffen  toiffenfd;aftlid;e  33erteibi= 


ltrfmuS,  gadjar.  351 

gung  ju  führen,  fiel  II.  ^u,  Welcher  baburd;  ^u  immer  neuen  tfyeologifcf/en  $ef)ben  ge= 
nötigt  Würbe.  3n  jafylreiclen,  meift  im  tarnen  ber  §eibelberger  Geologen  getriebenen, 
©treitfet/riften  trat  er  mit  Klarheit  unb©d)ärfe  für  baS  angefochtene  33üd)Iem  ein.  ©egen 
eine  bon  Srenj  unb  Bibenbad)  toerfa^te,  im  §erbft  1563  burd;  ^erjog  Gfyriftobl)  bem 
ßurfürften  überfanbte  Äriti!  richtet  fid£>  feine  im  SRärj  1564  erfdjienene  (Schrift:  „2tnt=  5 
toort  auf  etlicher  Geologen  $enfur  u&er  bie  am  3ianb  bc§  £eibelb.  ®at.  angebogenen 
geugniffe"  2luS  bemfelbcn  ^ab,re  ftammt  bie  „Verantwortung  Wiber  bie  neugegrünbten 
Auflagen,  mit  meldten  ber  ßatecf)i3mu§  .  bon  etlichen  unbilliger  2Bei§  befdjWeret  ift. 
©einrieben  burd)  bie  Geologen  ber  Untb.  §eib."  %m  Auftrag  be§  Jhirfürften  berfaftte 
er  ferner  all  Antwort  auf  bie  fed)S  bon  beffen  ©d)WiegerfoI)n  $ol)ann  griebrief/  bem  10 
s))iittleren  überfanbten  fragen  über  ba3  2lbenbmaf)l  1564  bie  Heine,  aber  infyaltreidje 
Sdn-ift:  „StntWort  unb  ©egenfrag  auf  fedjS  fragen  bon  bei  £>erm  9c"acr;tmal)l".  gm 
ÜKäi'3 15G4  erfcfyien  bann  au$  feiner  geber  bie  bebeutenbfte  biefer  ©treitfd)riften :  ,,©rünb= 
lieber  33erid)t  bom  1)1.  Watymaty  .,  geftellt  burd)  ber  Uniberfität  §eibelberg  %i)io- 
logen"  Sei  bem  jur  Beilegung  biefer  (Streitigfeiten  bom  10.  bi§  15.  Stbril  1564 15 
abgehaltenen  ergebnillofen  9JcauIbronner  ^teligionSgefbräd)  (f.  b.  21.  Bb  XII  442  f.)  mar 
tl.  neben  Dlebian  ber  fcfylagfertigfte  2Sortfüb,rer  gegen  Slnbreä.  SDaran  fct/Ioffen  fiefy  er= 
bitterte  litterarifcfye  Kämbfe,  bei  benen  U.  bie  Vertretung  be§  ©tanbtounfts  ber  ^fäljer 
übernahm.  2Iuf  ben  1564  ju  granlfurt  bon  Brenj  herausgegebenen  „Wahrhaftigen  unb 
grünblicb,en  Bericht"  über  ba§  ©efbräd)  antwortete  er  mit  einem  ,,©egenberid)t",  melier  20 
ben  1565  ju  §eibelberg  gebrudten  ^rotofoHen  über  balfelbe  angehängt  würbe.  @r  er= 
toäbnte  barin  bie  befannte,  biel  beftrittene,  Slufjerung,  Welche  £utl)er  bor  feiner  legten 
Seife  nad)  ©kleben  über  ben  2lbenbmal)l§i)anbel  ju  ^elandjtt/on  getfyan  fyaben  foÖte: 
„i'iebcr  ^fyilibp,  icb,  be!enne  e§,  bafj  ber  (Bad)  bom  ©aframent  ju  biel  gefcr)e^en  ift"  k., 
unb  Würbe  beSfjalb  alsbalb  (im  gebruar  1565)  bon  Qoad)im  SJlorlin  in  ber  ©d)rift:25 
„SÖiber  Sanblügen  ber  §eibelberger  Geologen"  (©trieben  1565)  aufg  fyeftigfte  angegriffen. 
11  antwortete  barauf  in  einer  unter  bem  tarnen  be§  ^ofua  £agu3  berauSgegebenen  beut= 
jtfien  ©cfyrift,  in  ber  er  jugleid)  3ftarbad)§  Singriffe  auf  ben  „grünblicfyen  Bericht"  $urüd= 
toiel.  2113  man  1566  um  bie  ßeit  bei  Sluglburger  ^Reid^tagg  baran  badjte,  bie  $fälger 
toegen  StbfaHg  bon  ber  SlugSburger  Konfeffion  bom  9Migion3fvteben  au^ufcbjieften,  fuepte  30 
U.  auf  Krafftg  Slnraten  biefen  BorWurf  burd)  bie  in  biefem  %af)xt  erfd)ienene  Heine 
Schrift  gu  Wiberlegen:  „SlugSburger  ^onfeffion,  berfelben  Sinologie  2c,  mit  ib,ren  eigenen 
ffiorten  in  gragftüd  gefteCt"  (Urs.  Opp.  II,  1419  ff.),  ©emfelben  ßmede  foüte  ein  am 
4  Februar  1566  b,erau§gegebene§  toeiterel  ©d^riftc^en  bienen:  „Strticul,  in  benen  bie 
eöangelifcf/en  ^ircfien  im  §anbel  be§  ätbenbma^fe  einig  ober  ftoänig  finb"  (©ub=  35 
^off  640  ff.). 

9iur  mit  iiUberroiCen  roar  11.,  ben  feine  Neigung  biel  mefyr  ju  ftiKer  frieblic^er 
©elefirtenarbeit  fyinjog,  %am  3Sorlämbfer  in  einem  gefyäffigen,  mit  menig  lauteren  3Baffen 
geführten  ©treite  geroorben.  %l§  if>n  @nbe  1566  ber  Ülurfürft  nadi  2lmberg  berief,  um 
ba§  im  Sfobember  unterbrod;ene  Kolloquium  mit  ben  bortigen  Iutf>erifd)en  Geologen  an  w 
ClebianS  ©eite  fortjufe^en,  !am  er  jtoar,  lehnte  aber  jebe  Beteiligung  an  bem  2Bort= 
gefegte  ab,  bon  bem  er  fid)  leine  grud)t  berflpracb,.  Salb  barauf  (am  19.  gebruar  1567) 
fcb,rieb  er  feinem  greunbe  Ärafft:  „Sum  pertaesus  istorum  certaminum,  quorum 
esse  laborem  puto  majorem  quam  fruetum",  unb  lünbigte  iljmt  feine  2lbfid)t  an, 
folgen  ©trettigleiten  fern  ^u  bleiben,  fobalb  er  einmal  bon  bem  ®ambfblat$e  abgetreten  45 
fei.  Sie  aufjerorbentlicfye  2trbeit§laft,  roeld^e  auf  if)m  ruf)te,  trug  gerotfß  nicb,t  menig  baju 
bei,  ib,n  in  biefem  ©ntfcfylufj  ju  beftärfen.  ©tetl  bon  bem  ©efüf)l  gequält,  ba^  er  ben 
ifym  obliegenben  Aufgaben  nid;t  genügen  !önne,  ^atte  er  Krafft  fcb,on  im  3luguft  1563 
geltagt,  bajj  er  fo  bielerlei  SDinge  $u  treiben  fyaht,  unb  beigefügt:  „Vitam  in  cruciatu 
consumo,  dum  video  me,  qui  rem  unam  ago  male,  plures  agere  pessime"  50 
(Sott  59).  SDic  au§gebef)nte  litterarifdje  ^b,ätigleit,  bie  er  1564  entfaltete,  roar  ilmt  nur 
baburd)  möglieb,  geroorben,  baf}  bamal§  bie  Uniberfität  roegen  2(uöbrud)ö  ber  5|3eft  eine 
3«t  lang  gefcf)loffen  roar.  ©onft  mufcte  er  bie  9Zäd;te  baju  ^u  §ilfe  nehmen,  infolge 
beffen  würben  feine  Slugen  gefcf)Wäcr;t  unb  er  litt  an  ©cfylaflofigfeit.  3mmer  fd)Werer 
ipurbe  e§  i^m,  bie  it/m  obliegenben  Utrbetten  fo  ju  bewältigen,  Wie  er  e§  in  feiner  bein=  r,:, 
Hm  ©eWiffenfyaftigfeit  für  feine  ^flid)t  b^ielt.  9ftd)f  feiten  fehlte  in  ber  ©abienj  ber 
Jjceite  £eb;rer  unb  IL  blatte  bann  ben  Unterricht  ber  70  Böglingc  allein  ju  beforgen. 
£anfbar  begrüßte  er  e§,  aU  ifym  enblid)  burd;  bie  Berufung  bon  3ftndH  einige  6nt= 
laftung  berfd;afft  Würbe,  unb  fd;Iofe  am  10.  gebruar  1568  feine  bogmatifcfyen  s^or= 
lefungcn,  Welche  $anfy\  fofort  übernahm,     älbcr  ba   nad)  Wie  bor    in  ber  ©abienj  alles,  go 


352  ttrftttu§,  gac^ar. 

Unterricht,  ©r^ielrnng  unb  Verwaltung  an  U.  fying,  blieb  feine  Überladung  fo  grofj,  bafs 
er  am  19.  ©ebtember  1569  $raffi  flagte,  er  i)abe  in  biefem  ganzen  %ai)vt  nicfyt  fo  btel 
geit  gehabt,  um  aud)  nur  einmal  aus  ber  ©tabt  ins  greie  ^u  gel)en.  AIS  btefer  1570 
Wäfyrenb  beS  9leicf;§tagS  in  bem  naiven  ©beier  Weilte,  fonnte  er  nicfyt  bie  geit  erübrigen, 

5  U)n  bort  ju  befugen,  unb  fd)rieb  (am  25.  %mi)  bem  $reunbe:  „Si  pater  meus  ve- 
nisset  atque  istic  esset,  non  liceret  mihi  eum  visere"  @r  lönne  ftd)  burdjauS 
nidjt  au§  feiner  „SLretmür/le"  (pistrina)  entfernen.  @r  märe  barum,  als  it}m  imAuguft 
1571  au§  Sern  unter  fefyr  Vorteilhaften  Bedingungen  eine  tfyeologifctje  ^ßrofeffur  in  £au= 
fanne  angetragen  würbe,  fel)r  gern  biefem  9?uf  gefolgt.    Stber  ber  ^urfürft  liefj  ü)n  nicfyt 

10  gießen.  U.  erhielt  nur  bie  (Meicfjterung,  bafj  tt)m  nacb,  einiger  geit  fein  ©djiüler  $afob 
Kimebonl  als  ©et)ilfe  in  ber  ©a()ienj  beigegeben  Würbe.  Aueb,  baS  förberliclje  Befmben 
U.3,  ba§  fcb,on  früher  biel  ju  Wünfdjen  übrig  lief},  berfcljlimmerte  fid)  um  biefe  geit. 
I^ScfyiaS  unb  ein  quälenbeS  ©teinleiben  fteHten  fieb,  ein  unb  berminberten  feine  Arbeits 
fraft.  Unter  biefen  Umftänben  nat)m  feine  IJtybodjonbrie  immer  mebjr  ju.  @r  gog  fieb,  bon 

15  jebem  Umgang  jurücf  unb  tröftete  fieb,  ber  Hoffnung,  bafc  ifyn  ©Ott  balb  ju  ftd^>  rufen 
Werbe. 

§ierju  famen  neue  ^ämbfe,  Welche  bieSmal  innerhalb  ber  bfäljtfcljen  $ircf;e  felbft 
entbrannten,  ©ction  bie  $irct)enorbnung  bon  1563  b,  atte  bie  9cotWenbigfeit  einer  $ircben= 
5ud)t  betont,  Wie  fie  in  ben   calbinifcfyen  föirdjen  beS  AuSlanbS  beftanb.    Aber  gu  H.g 

20  lebhaftem  Bebauern  mar  fie  in  ber  ^3falg  noeb,  nicf)t  gur  (Smfültrung  gelangt,  $n  Briefen 
auä  jener  geit  gab  er  mefyrfacb,  feinem  ©etymerj  über  bie  b,errf(^enbe  gucfytloftgfett  AuS= 
bruef.  Am  26.  9Jcai  1568  lief}  er  bem  ^urfürften  eine  SDenffctjrift  aufteilen,  in  ber  er 
freimütig  $lage  barüber  erfyob,  baft  man  fieb,  unberufen  in  bie  franjöfifd^en  Kriege  ein= 
mifd^e  unb  barüber  bie  inneren  Angelegenheiten  unb  namentlich  bie  dinridjtung  ber©i3= 

25  jiblin  berfäume  (Monita  D.  D.  Ursini  Friederico  III  proposita  etc.  bei  $lucfl>or;tt, 
Briefe  II,  1053  ff.).  -JJlag  aueb,  H.§  ©emütSberfaffung  ju  feiner  beffimiftifcfyen  Beurteilung 
ber  ftrebjicljen  unb  fittlicfjen  guftänbe  in  ber  $falj  etwas  beigetragen  fyaben,  fo  läfjt  fiel) 
feinen  klagen  boeb,  nicr/t  jebe  Berechtigung  abfbrecfyen.  DIebian,  gandji  u.  a.  teilten  feine 
Anfcfyauung,  Wäl)renb  fid$  ber  furfürftlicfye  Seibargt  Stomas  (Sraft   unb   anbere  einflufj= 

30  reiche  SJtänner  fc^arf  gegen  bie  ^irefyenjucfjt  auSfipradjen.  3llg  bann  im  ^uni  1568  ber 
(Snglänber  ©eorg  SBitfyer  bei  feiner  Promotion  gum  Dr.  theol.  bie  £f)efe  berteibigte,  bafj 
bie  Pfarrer  mit  ben  ^reSbfyterien  9Jcact)t  fmben  foUten,  jeben  ©ünber,  aueb,  bie  dürften, 
gu  ermalmen,  gu  ftrafen  unb  ju  erlommunijieren,  gab  bieö  2lnla|  gu  einem  ärgerlichen, 
in  SBort  unb  ©cb,rift,   auf  Mangel   unb  l^atfjeber,  immer  heftiger  entbrennenben  ©treite, 

35  an  bem  aueb,  U.  fic^  beteiligte.  9J?it  ©ntfe^teben^ett  trat  er  für  bie  -ftotroenbigfeit  einer 
bureb,  bie  $re<§bi;terien  gu  übenben  Äirc^engud^t  ein,  gog  fiel)  aber  balb  bon  bem  ©treite 
äurücf,  roeil  er  fieb,  bei  ben  in  ber  ^ßfalg  unb  übertäubt  in  ®eutfcb,Ianb  fyerrfcfyenben  3Ser= 
lältniffen  leine  braftifcb,en  grüßte  bon  ib,rer  6infüb,rung  berfbracl).  ©cfyon  am  26. 5Rärg 
1570  fdjrieb  er  an  BuQinger,  er  gebenfe  in  ber  ©ad)e  fein  2Bort  meb,r   gu  reben,  unb 

40  felbft  nicb,t  gu  antmorten,  menn  er  gefragt  Werbe.  SDenn  bie  Qtxt  fei  ge!ommen,  bon  ber 
e<§  Reifst :  „Prudens  tempore  illo  tacebit". 

©in  unertoarteteö  @reigni§  bereitete  biefen  Jlämbfen  ein  borläuftgeS  @nbe.  Unter  ben  ©eg= 
nern  ber  ^ircf;engucr;t  Ratten  fieb,  Slbam  5Reufer,  Pfarrer  an  ber  $eter3fircr;e  in  §eibelberg,  unb 
^oljann  ©ilbanuS,  früher  latfjolifcb.er  ©ombrebiger  in  Sßürjburg,  feit  1560  lutb^erifdjer  Pfarrer 

45  in  6alm,  bann  1565  ©uberintenbent  in  ^aiferölautern,  feit  1567  ^nfbeltor  in  Sabenburg, 
befunben.  Beibe  glaubten  fict;  bon  DIebian  jurücfgefe^t  unb  traten  bem  ilmen  übergeorbneten 
^irdjenrat  mit  SBiberfbenftigteit  entgegen.  2tl§  bann  SReufer  auf  ber  Mangel  i) eftig  gegen  bie 
^irc^enguc^t  eiferte  unb  beä^alb  fein  Pfarramt  mit  ber  grüljbrebigerftelle  an  ber  \)\.  @eiftlircl;e 
bertaufc^en  mu|te,  berlor  er  allen  §alt.    §atte  er  borfyer  feb^on  bie  göttliche  ©reieinigleit 

so  unb  bie  ©ottfyeit  6§rifti  geleugnet,  fo  backte  er  je^t  an  böüigen  Slbfatt  bon  bem  cb,rift= 
liefen  ©lauben  unb  fucr;te  nicfyt  blo^  mit  ben  Slntitrinitariern  in  Siebenbürgen,  fonbern 
fogar  mit  bem  türfifcfyen  ©ultan  Berbinbung.  älucb,  ©ilban  beteiligte  fieb,  an  ^m  3In= 
griffen  auf  bie  3;rinität§leb^re  unb  fcfyrieb  §.  B.  eine  Slbfyanblung  „miber  ben  breiberfön= 
liefen  Abgott   unb  ben  3toei=^aturen=©ß^en/'     Auf  bem   bamals    in  ©beier   tagenben 

55  3tacfyStag  famen  bie  BeWeife  bafür  in  bie  §änbe  beg  üurfürften,  toelcb,er,  bureb,  biefe  @nt= 
beefung  aufs  fct;mergli(^fte  berührt,  aföbalb  bureb,  ein  (Sbift  bom  13.  ^uli  1570  bie  @in= 
füb,rung  ber  $re3bt>terien  unb  ber  Äircb,enjucf;t  in  ber  bfäl^en  Hirdje  berfügte.  ©ilban 
mürbe  auf  BefebJ  be§  ^urfürften  behaftet,  toäb,renb  5Reufer  entfam  unb  al§  ?[Rub,amme« 
baner  in  ber  Sürfei  ftarb.    ©a§  ©utad^ten  ber  §eibelberger  Geologen,  Welker  ?u  bem 

60  beklagenswerten,  am  23.  ©ejember   1572   ertbltd)   bolljogenen  SobeSurteil  über  ©ilban 


ItrftmtS,  $>a$ax.  Urftanb  355) 

führte,  trägt  leiber  aua)  bie  Unterfct/rift  ll.S,  tüeldjer  Sterin  gleich  Dlebian  ganj  ben  alt= 
teftamentlict/en  ©tanbbunft  bertrat  (f.  fyierju  befonberS  SBunbt,  9Jlag.  für  bie  $ird)en= 
gefegte  b.  «Pfalj  I,  88  ff.  SDaS  ©uralten  bei  ©trübe  217  ff.  »gl.  b.  2121.  griebricf,  III. 
23b  VI  ©.  278  unb  Dlebian  33b  XIV  ©.  362).  —  2)iefer  beinlid>e  gtoiföenfaa  gab 
ben  ©egnern  ber  bfälgifcfyen  ßtrcfye  ni^tt  unmtllfommenen  2tnlaft  ^u  bem  1573  bon  2Inbreä  5 
in  9Jlemmingen  offen  ausgekrochenen  23ormurf,  bie  2eb,re  ber  £>eibelberger  Geologen 
füfyre  jum  ^Slam.  ®i£fe  fonnten  ben23ormurf  nicfyt  auf  fiel)  fitjen  laffen  unb  beröffent= 
listen  1574  im  2luftrage  beS  ßurfürften  bie  ©djrift:  „23efanntnuft  ber  Xfyeologen  unb 
ßiret/enbiener  ju  £etbelberg  bon  bem  einigen  roab/ren  ©Ott  in  bretyen  ^3erfonen,  ben  jmoen 
Naturen  in  ber  einigen  $erfon  ßl)rifti"  jc.  @S  unterliegt  feinem  .ßmeifel,  baft  U.,  ber  10 
bereite  1563  ber  antttrinitarifcfyen  Partei  in  einem  ©utaebten  (Opp.  III  795  ff.)  ent= 
gegengetreten  mar,  an  ber  2Ibfaffung  biefer  ©ct)rift  einen  mefentlicfjen  2lnteil  I)atte,  menn 
er  niajt  ifyr  alleiniger  23erfaffer  mar. 

©er  2ob  fjriebrtc^g  III.  (26.  Dl  tober  1576)  machte  bem  2Birfen  U.S  in  §eibelberg 
ein  ßnbe.    @r  fyätte  biefe  (Srlöfung  aus  feiner  „'Sretmüble"  freubig  begrüftt,  menn  er  bie  15 
Mittel  befeffen  fjätte,  um  or)ne  2tmt  feinen  Unterhalt  gu  beftreiten.    %m  ©ommer  157-1 
batte  er  fieb,  auf  gureben  feiner  greunbe  mit  einer  einfachen  ^ßfätjerin,  SJiargareta  2raut= 
tuein,  berfyeiratet,  meiere  ir)m,  ob,ne  if)m  roegen  ib)reS  SftangelS   an  23ilbung   geiftige  2In= 
regung  geben  ju  fönnen,   eine  tüchtige  §auSfrau  unb  treue  Pflegerin   mürbe  unb   einen 
©ofyn  fünfte.    2lber  im  Vertrauen  auf  ©ott  bemafyrte  U.  feinen  guten  sIRut,  unb  fonnte  20 
am  12.  ©ejember  1576  an  SBeja  fd)reiben:  „Vivendi  cum  familiola  diu  sine  labore, 
quo  victum  quaeram,    sumtus    non  habeo.     Sum  autem    dei  beneficio    magis 
alacri  animo,  quod  ad  me  attinet,  quam  unquam"  (f.  Siott  140).   ©eine  (Enthebung 
liefe  jeboeb,  länger  auf  fieb.  märten,  als  bie  ber  übrigen  §eibelberger  Geologen.    (Snblicb, 
am  3.  Dftober  1577  mürbe  baS  ©abienjIoHegium  aufgelöft  unb,   nacfybem   63  ßöglinge  25 
beweiben,  meil  fie  ben  flehten  lutr)erifd)en  ÄatectnSmuS  nicfyt  annehmen  wollten,  entlaffen 
toorben  maren,  am  11.  Df  tober  aud)  IX.  feine  23erabfd)iebung   angefünbigt.    günf  %age 
fbäter  50g  er  mit  feinem  Meinen  §auSrat  auS  bem  2InftaltSgebäube  ju  greunben,  bie  ibm 
gaftlicr)  aufnahmen   (bgl.  U.S  SSrtef   an  6b,r.  §erbefian  Dom  28.  Dftober  1577  bei  $Rott 
144).    (Einen  auä  Sern  an  il)n  ergetyenben  9vuf  jur  Seitung  einer  äfynlicfyen  2inftalt  mie  30 
bie  ©abieng  lehnte  er   ah,   meil   er   fieb.    bie  nötige  $raft  baju  ntcfyt  mebr  zutraute  unb 
aueb,  ^faljgraf  ^ob,ann  ^afimir,  griebricf/3  gleicfygeftnnter  jüngerer  ©otm,  ib,n  nietjt  §ieb,en 
laffen  moflte.    ^m  ©ebiete  biefe§  dürften  fanb   bann  U.  mit  ®aniel  SEoffanuS,  ftanfyi 
unb  anberen  an  bem  am  28.  3Rärj  1578  bon  ib,m  gegrünbeten  collegium  Casimiria- 
num  in  -Jleuftabt  a.  Sq.  einen  neuen  Söirfunggfretö  unb  eröffnete  b,ier  am  26.  SRai  feine  35 
^ättßfeit  mit  SSorlefungen  über  ben  ^ßrob^eten  3efaia  (OPP-  HI,  1  ff-)-    ©eine  förber= 
lid^e  Äraft  mar  bei  feiner  Überfiebelung  nacb,  3Reuftabt  bereits  faft  böllig  gebrochen.  23on 
Sarmgicfyt  unb  anberen  fcb,merälicb.en  Seiben  gebeinigt,   mar   er  aufteilen   lange   an   ba§ 
S3ett  gefeffelt  unb  feine  3Serftiinmung   unb  SRenfcjienfc^eu   berliefe  ib,n   aueb,    in  9Zeuftabt 
ntcb,t.    lieber  ber  Xüre  feines  ©tubiergimmerS   lieft   er  tner   bie  befannte  3>nf$rift  an=  40 
bringen:  „Amice,    quisquis    huc  venis,    aut  agito  paucis  aut  abi  aut  me  labo- 
rantem  adjuva."    2Iber  tro^  feines  leibenben  ^uftflnbeS  fe|te  er  aueb,  in  5fteuftabt  feine 
angeftrengte  miffenfcfyaftUcfye  2f)ätigfeit  fort,    »eranlaftt  burd)   bie  Untergcicbnung  ber 
Konforbienformel,  feb^rieb  er  jur  23erteibigung  beS  reformierten  Sefyrbegrip  im  Hainen  ber 
5Jeuftäbter  Geologen  1581  fein  le^teS  gröftereS  2Berf:  „De  libro  Concordiae        ad-  45 
monitio  Christiana"    (f.  ben  2Irt.  Neostad.  admonitio  33b  XIII  ©.  708 f.)  unb    lieft 
biefer  bebeutenben  ©cfyrift  nod)    in    bemfelben  3>al)re   eine  beutftb^e  Bearbeitung   in   er^ 
teeiterter  ©eftalt  folgen  (6b,riftlicb.e  (Erinnerung  bom  ßonforbienbucbj.    Wü  grt>et  fleineren 
SerteibigungSfdbjiften  gegen  91if.  ©elnecfer  (Examen  recitationum  D.  N.  Selnecceri  etc. 
1583)  unb  £)abib  6b,^träuS  (Commonefactio  D.  Chytraei  etc.,  1583)  fcb>ft  11.  feine  so 
litterarifcb^en  2Irbeiten  ah.    @nbe  1582  traten  U.s  Seiben   mit  neuer  ^eftigfeit  auf.    (Sr 
«lag  benfelben  am  6.  3Jtarj  1583.   ®er  ^b^ilolog  Sambert  Subolf  «pitl)oböuS,  ber  fbäter 
Ui  SBitme   heiratete,  ftanb  mit  3ungni|  an  feinem  ©terbebette.    3"  f«n^  ©ebäci)tniS= 
tebe  xüi)mt  U.S  2ImtSgenoffe  ^ranj  ^uniuS   mit  begeifterten  ^Sorten   ben  ^rieben  unb 
bie  ©laubenSjuberficbt,   mit   ber   U.  auS   biefem   Seben   feb^ieb.    ®ie  beutfcf;e  reformierte  55 
Sirene  ebrt  if;n  mit  Stecht  als  einen  ifjrer  Ijerborragenbften  unb  fcf)arffinnigften  SEiieologen. 

vJieij. 

Urftanb  f.  bie  2121.  ©ereeb^tigf eit,  urfbrünglicf)e  23b  VI  ©.  546  unb  @ben  = 
Mb  ©otteS  23b  V  ©.  113ff. 

i»£a[=®ncöHopäbie  für  X^eoloflie  unb  fttrdje.    3.  81.  xx.  •_>;; 


354  Itrfula 

Xlrfitla,  bie  I)eilige  unb  bie  elftaufenb  Jungfrauen.  —  $>ie  auSgebilbete 
üegenbe  liegt  in  boppetter  ©eftalt  üor  a(8  Historia  s.  Ursulae  et  sociarum  eius  (Fuit  tem- 
pore pervetusto)  in  ben  Anal.  Bolland.  III,  ©.  7  ff.  unb  al§  Passio  s.  Ursulae  et  ss.  unde- 
eim  millium  virginum  (Eegnante  domino)  in  ber  AS  Oct.  IX,  ©.  157  ff.  unb  Stornier 
5  3af)r6üd)er  93,  1892,  ©.  154 ff.;  bie  GtematicinifcEie  3nfd)vift  bei  trauS,  Sie  ä)r.  Snfdjriften 
bev  Sftljeintanbe  9tr.  294;  Sermo  in  natali  sanet.  Colon,  virginum  in  ben  Stornier  gS8.  89, 
1890,  ®.  118.  —  ßrotnbad),  Ursula  vindicata,  Sölnl647;  SSinteriin,  Kalendarium  ecclesiae 
Germ.  Colon,  s.  IX.,  Söht  1824;  «Reüberg,  S©  ®eutfd)L  I,  ©öttingen  1846,  ©.111  ff.;  g-riebrid), 
S©  2)eutfd)(anb§  I,  SBantberg  1867,  ©.  141  ff.;  Stein,  ®ie  1,1  Urfula,  Söln  1879;  Hinten = 
toberg  in  ben  SSonner  3abrbücr,ern  1889—93;  SBatteubad),  ©efd).  Q,.  F,  @.  47.  ®ie  ältere 
Sitteratur  bei  $ottf)afi,  Bibl.  II,  <S.  1616. 

%la<fy  bei;  auSgebilbeten  Segenbe  mar  bie  1)1.  Urfula  bie  einige  Softer  beS  d)rift= 
Ud)en  Königs  SeonotuS  ober  SDiognetuS  in  Britannien.  JI)r  ÜRame  fußte  fie  als  bie 
©treiterin  toiber  ben  Bären,  b.  t).  ben  Teufel,  ben  ©rbfeinb  beS  Menfcb,engefd;Ied)tS  (nad) 

15 1  ©a  17,  34)  bejeid)nen.  Bon  einem  l)eibnifd)en  ^ßrinjen  jur  @I)e  begehrt,  behielt  fie 
fid),  aufjer  ber  gorberung  feinet  Übertritte  jum  ßfmftentum,  nod)  eine  grift  bon  brei 
Jahren  als  Bebingung  bor,  um,  wie  man  annehmen  mufe,  roäbjenb  berfelben  mit  iljren 
^el)n  ©efbielinnen  eine  2BallfaI)rtSreife  $ur©ee  $u  machen.  2luf  elfSDreiruberem,  bie  ebenfo 
biele  SLaufenb  Jungfrauen  als  if)re  unb  il)rer  greunbinnen  ©efoIgSleute  trugen,   tarn  fie 

20  nad)  bem  §afen  %üa  an  ber  Stifte  ©aHienS,  bann  ben  Sifyeinftrom  hinauf  nad)  Äöln, 
bon  ba,  nacb  gaftlid)er  2lufnal)me  unb  Beroirtung  burd)  bie  Bürger  biefer  ©tabt,  weiter 
ftromaufroärtS  bis  Bafel,  roo  bie  flotte  jurücfgelaffen  unb  bie  weitere  2öaHfaI)rt  ju  Sanbe 
nad)  fHom  gemad)t  rourbe.  2luf  ber  Siücfreife,  welche  ben  nämlid)en  SSeg  einfielt, 
fcfyloffen  fid)  bon  ffiom  aus  ber  Sßatoft  ßr/riatuS  mit   einem  ©efolge  bon  Merifem,  bon 

25  Bafel  aus  ber  bortige  Bifdjof  ^ßauluS  ober  5ßantuIuS  ber  Ungeheuern  $ilgerfd)ar  an. 
Jn  $öln  iüieber  angelangt,  würbe  biefelbe  beim  Sanben  unb  SluSfteigen  bon  Wilben 
J)eibnifd)en  Barbarenl)orben,  Welche  als  §unnen  bejetefmet  Werben  unb  beren  Äönig  be= 
reits  in  -öagenS  9?eimd;roni!  „@&$el"  fyeift,  überfallen  unb  fämtlid)  niebergemeijelt,  teils 
am  Ufer,   teils   in  ben  ©dnffen,   Wo  fie  fid)   teilweife  (wie  j.  B.  bie  1)1.  ©orbula)  ber= 

30  borgen  Ratten.  £>ie  bX  Urfula  felbft  follte  anfangs  t£>rer  ©c|önl)eit  Wegen  als  ©attin 
für  $önig  (Sg§el  berfcfyont  Werben,  Weigerte  fid)  aber  biefer  @l)re  unb  fiel  nun  ebenfalls, 
bon  einem  Pfeile  burd)boI)rt,  ber  feitbem  il;r  fter/enbeS  Attribut  in  ben  ©arftetlungen  ber 
d)rifttid)en  ^unft  geioorben  ift.  ätlSbalb  nad}  ber  blutigen  Slb^at  mürben  bie  §unnen 
bon  b,immlifd)en  |>eerfd)aren,    bie  man  ^jlö|ltd),  ben   gemorbeten  Jungfrauen  gletd)  an 

35  3ar)l,  erfd^einen  fa§,  in  bie  $Iud)t  getrieben  unb  fo  jur  Sluf^ebung  ib^rer  Belagerung  ber 
©tabt  &bln  genötigt.  ®ie  befreiten  Kölner  beftatteten  nun  bie  @rfd)lagenen  auf  einem 
großen  Begräbnis|3la|e  am^h^ein,  inbem  fie  einer  jeben  ber  Märtyrerinnen  eine  fteinerne 
^afel  mit  i^rem  tarnen  barauf  beigaben,  ©iefe  tarnen  I)atte  ber  ioä^renb  beS  Blut= 
babeS  in  eine  §öb>  geflüchtete  Bifd)of  Ja!ob,   einer  bon  ben  fie   begleitenben  ^lerilern, 

40  angegeben.  Jnmitten  ber  SLaufenbe  bon  9Jtärti}rergräbern  erbaute  balb  barauf,  burd) 
mieberf)oIte  Xraumgefid)te  baju  aufgeforbert,  ber  aus  ©ried)enlanb  gebmmene  Pilger 
(SIematiuS  eine  $ird)e  gu  ©bren  ber  1)1.  Urfula  unb  ü)rer  elftaufenb  ©efä^rtinnen.  3Sie 
grofe  bie  §eiligleit  biefeS  BegräbniSpIatjeS  ift,  läfet  fiel)  baraus  erfel)en,  baf5  berfelbe  bie 
Beife^ung  feiner  einigen  metteren  Öeid;e,  nid)t  einmal  biejenige  eben  getaufter  Einber,  in 

45  feinem  Boben  bulbet. 

©egen  bie  ©laubmürbigfeit  ber  Segenbe  in  biefer  gorm  erhoben  bereits  mittelalter= 
Iid)e  ©d)riftftel(er,  mie  JalobuS  a  Boragine  in  ber  Legenda  aurea  unb  ©obelinuS 
^erfona,  ©efan  bon  Btelefclb  um  1418,  in  feinem  Cosmodromium,  Sect.  VI,  c.  14 
bei  Meibom   Scr.  rer.  Germ.   I,    ©.  199  (bgl.    aud)    Joad).  BabianS   Orat.  de  XI 

50  milibus  Virginum,  Vienn.  1510)  (Sintoänbe.  gar/Ireicfye  ©injeljüge,  bie  in  bie  Segenbe 
berflod)ten  finb:  ber  «ßapft  ßt)riaiuS,  ben  baS  c^riftlicbe  Altertum  nid)t  fennt,  baS  Äbnigreid) 
©ijilien  unb  bie  ©tabt  Ibnftantinopel  in  ber  3eit  ber  (5I)riftenberfoIgungen,  bie  §unnen,  bie 
Sßaßfafyrten  aus  Britannien  nafy'Siom  unb  ber  pä>ftlid)e  31blafj  erregten  Beben!en.  3lud) 
BaroniuS  (Martyrolog.  Rom.  21.  Oct.  unb  Annal.  ad  an.  B83  nr.  4)  gab  bie  Segenbe 

55  roenigftens  in  ibjer  in  Hbln  unb  überhaupt  in  ®eutfd)Ianb  lanbläufigen  ©eftalt  auf,  fud)te 
aber  ber  abroeicfyenben  englifdjen  Raffung  2DBa^r£>ett  abjugetninnen,  bie  bie  Historia  re- 
gum  Britan.  ©ottfribS  bon  3Jtonmout^)  um  1170  barbietet.  ®od)  ift  fie  ebenfo  un= 
möglid}  toie  bie  ©eutfeb,  e  —  §unnen  am  9tteberrt)em  um  380  unb  giften  auf  bem  geft= 
lanbe  geben  bem  üönigretd)e  ©ijilien  unb  bem  ^ßapft  St)rialuS  nid)tS  nad). 

60  %üx  bie  ^iftorifd^e  feitif  b,anbelt  eS  fid)  einer  an  fieb,  unmöglichen  ©efd;id)te  gegen= 
über  rttcr)t  um  bie  grage  tfjrer  ^ftatfäc^Ud^fett,   fonbern   nur  um  bie  nad)  ber  3e^  un^ 


Urfulrt  355 

bcr  &rt  if>rcr  ©ntftcfmng.  ®ic  crfie  grage  läfjt  fid)  ^einlief/  fieser  beantworten.  SBcbcr 
©regor  fort  louxä  nod;  bie  bem  7  —9.  Qafyrljwnbert  angefangen  ^Jiartfyrologten,  bie  bie 
tarnen  bc§  £terontymu§,  Seba,  2Kbo  bon  Stenne,  §rabanu3  9Jiauru3  unb  ^otfer  tragen, 
fennen  bie  Segenbe.  ©ie  begegnet  $um  erften  Sftale  in  bem  um  848  in  üöln  berfafjten 
gjjartbrologium  be<§  Söanbalbert  bon  $rüm  v.  671  ff.  MG  PL  II,  ©.  507:  5 

Tunc  numerosa  simul  Rheni  per  litora  t'ulgent 

Christo  virgines  ereeta  trophaea  maniplis 

Agrippinae  urbi,  quarum  furor  impius  olim 

Milia  maetavit  duetrieibus  inclita  sanetis. 
Ungefähr   gleichzeitig    ift    bie  $rebigt  In  natali,   Wenn  biefe  Wtrflicb,   in  bie  $a=  10 
rolingerjeit  gehört.     ®ie  Segenbe  ift    ctlfo   fidler  md)t   älter  al§  ba§    9.  Jafyrbunbert; 
aud)  fd)eint  fie  Wäfyrenb  ber  näcbjten  ,3ett  nicfyt  über  il)r  Urfbrungggebiet  binaulgebrungen 
5«  fein. 

i\>a§  bie  2lrt  ifyrer  ßntftetnmg   anlangt,  fo  Iä|t  fiefe,    aud)  biefe  grage   beftimmter 
aU  bei  bieten  anberen  Segenben  beantworten,    ©ie  ift   au§  ber  clematianifdjen  ^nfc^rift  10 
ertoad)fen.    Dtefe  gehört  bem  3lu3gang  be§  4.  ober  bem  5.  $at)rl)unbert  an.  ©ie  lautet: 
Divinis  flammeis  visionibus  frequenter  admonitus  et  virtutis  magnae  maiesta- 
tis  martyrii  caelestium  virginum  imminentium  ex   partibus   orientis  exsibitus 
pro  voto  Clematius   V  C.  de  proprio    in   loco  suo  hanc  basilicam  voto  quod 
debebat  a  f undamentis  restituit.  Si  quis  autem  super  tantam  maiiestatem  huiius  20 
basilicae  ubi   sanetae    virgines   pro   nomine   XPI  sänguinem  suum  fuderunt 
corpus  alicuiius   deposuerit    exceptis  virginibus    sciat   se    sempiternis  tartari 
ignibus  puniendum.   SDurct/  bie  3jnfd)rift  erfahren  mir  bemnacb,  bon  ©efid)ten,  bie  bem 
GlematiuS,   einem  9)tann   fenatorifcfyen  3tange§,  würben.     @§   erfd)ienen   il)m  bimmlifdjc 
Jungfrauen,  bie  ib,m  in  Sejug  auf  xfyc  Sftartr/rium  eine  9J}afmung  erteilten.    §ier  fragt  25 
fid):  bat  er  bon  ifyrem  -Dkrtr/rium  fcfyon  borl)er  gemußt,    ober  fwben  fie  e<§  tl)m  erft  ge= 
offenbart?    ®ie  Jnfcbjift  fagt  bireit  Weber  bag   eine  nod)  ba§  anbere.     ©rWägt  man 
aber,  bafj  Slematiu3  im  folgenben  ©a^  ben  Kölnern  mitteilt,  bafe  an  biefer  ©tätte  ^eilige 
Jungfrauen  für  ben  tarnen  6f)rtfti  ibr  93Iut  bergoffen,   fo  Wirb  man  geneigt  fein,  ba3 
leitete  anzunehmen.  ®afj  biefe  2lnnar/me  richtig  ift,  Wirb  baburd)  beftätigt,  baf?  im  ^al»re  30 
386  bem  2lmbrofvu<§  bon  SSRailanb  ftd)  ©erbafiuS  unb  ^SrotafiuS  al£  9Mrif/rer  offenbarten, 
unb   bafs    um    biefelbe    ,ßeit  fid)   bie    9ftärtr/rer   bon  Slgaunum  bem    33ifd)of  SLb,eobor 
bon  Dctoburum   funb   traten.    Sie  brei  ©rfcfyeinungen   finb  parallelen,   bie  gletdb   be= 
urteilt  werben  muffen.     $eine  bon   itmen   gtebt  bon   einem   Wirllicfyen  @reigni3  ^unbe, 
aber   alle  fyaben    zur  33orau3fe£ung    bie  Überzeugung,    baf*    am   Drte   ber  ©rfdjeinung  35 
9Diartr/rien  ftattgefunben  Ratten.     $>iefe  2lnfct)auung  Wirb  für  $öln  ebenfo  begrünbet  ge= 
toefen  fein  Wie  für  9Jlailanb,   Wenn  e§  aueb,    tuer  Wie  bort   an   einer  beftimmten  Über: 
lieferung  fehlte.     ®ie  SSifionen  be§  Glematiuo   gaben   alfo   einer  berfd)Wommenen  33or= 
ftellung  ©eftalt  unbgarbe,  freilid)  nod)  in  gtemltcb  unbeftimmterSöeife:  ßlemattuS  erfuhr 
nidpt  Wie  3lmbrofiu§  bie  tarnen  feiner  ^eiligen :  er  mufete  fid)  bamit  begnügen,  bafs  fie  40 
Jungfrauen  Waren.   @r  glaubte  ber  @rfc|emung  unb  gelobte,  bie  auf  feinem  ©runb  unb 
Soben  befinblicf/e  berfallene  S3afilifa,  bie  ben  Ort   be3  50lart^riumg  bezeichnete,   Wieber 
berjufteßen.    ©^  bleibt  aud)  ^ier  mancfyeS  unfid^er:  man  !önnte  bei  ber  Safilita  an  eine 
alte  -JJiemoria  ben!en;  aber  bann  Würbe  ber  9?ame  ber  3Rärtt)rer  ntebt  berloren  gegangen 
fein.    ®ie  Sejie^ung  ^wifc^en  bem  Sflartfyrium  unb  ber  ^ird^e  ift  alfo  Wafyrfcfyeinlicf;  erft  45 
bura)  bie  3Sifion  ^ergeftellt.    2lud)  bie  33ebeutung  ber  2öorte  in   loco  suo   ift  fraglid); 
Slinfenberg  berftebt  fie:   auf   iljrem  urfbrünglid)en  ^3Ia^.    2lber  biefe  ©eutung   fd^eitert 
baran,  bafj  niemanb  eine  baufällige  $ird)e  an  einem  neuen  Drt  bon  ©runb  au<§  Wieber= 
f)erftellen  fann.    £>ie  Söorte  in  loco  suo  fagen  alfo   bei  ibj  etwag  böKig  Überflüffige^. 
temgemäfe  fjat  man  fie  in  bem  oljmefyin   näcb.ftliegenben  ©inn  ^u  berfteben :  auf  feinem  50 
0mnb  unb  33oben. 

2lu§  ber  clematiamfd)en  ^nfd)rift  ergiebt  fid)  fomit,  bafc  e§  im  4.  ^abjlmnbert  eine 
^rabition  über  bag  3J{artr/rium  einer  größeren  ober  Heineren  Stn^abl  bon  Jungfrauen  in 
ftöln  ntdbt  gab.  ©er  ©laube  an  bie  ^atfäcr/licftfeit  beöfelben  beruht  augfcb,liefelid)  auf 
ber  3uberläffig!eit  ber  SStfionen  beö  6lematiu3.  Stber  biefer  ©laube  War  in  Mn  ebenfo  55 
borbanben,  wie  in  -äMlanb  ber  ©laube  an  ©erbafiuö  unb  ^rotafiu€  unb  im  9tl)one= 
tbal  ber  ©laube  an  bie  9ftärtr/rer  bon  Slgaunum.  @r  Würbe  geftü^t  burd;  bie  bon 
6lematiu§  erneuerte  Üird)e ;  fie  ober  ein  fbäterer  Sau  behielt  ben  tarnen  ecclesia  sanc- 
tarum  virginum  Jafyrbunberte  lang  (llrf.  $BSi<$frtb8  bon  927  Wtt)  US  I,  ©.19, 
3Jr.  88).  60 


356  Itrfitla 

©er  ©laube  an  ba§  Martbrium  einer  unbeftimmten  gafyl  namenlofer  Märtyrerinnen, 
bie  gu  unbekannter  geit  auf  unbefannte  äßeife  ben  Sob  erlitten,  tft  ber  AuSgangSbunft 
für  bie  Silbung  ber  Urfulalegenbe.  Man  lann  »erfolgen,  mie  biefer  S'cebelflecf  ficfy  aU- 
mäfylidj  berbicfytete.  ©er  erfte  gortfdjritt  mar,  bafj  bie  9?amenIojen  tarnen  erhielten: 
5  ytod)  in  bem  Sermo  in  natali  virginum  fyerrfcfyt  bie  allgemeine  Segeicfynung ;  nur  ber= 
fiebert  ber  Sfobner,  bafj  ju  ben  Jungfrauen  bie  1)1.  Söinnofa  ober  Sßmnofa  gehört  Ijabe 
(c.  11).  Jn  bem  Martfyrologium  UfuarbS  (875)  lieft  man  gum  20.  Dftober:  Civitate 
Colonia  passio  sanctarum  virginum  Marthae  et  Sanctae  cum  aliis  pluribus, 
AS  Juni  23b  VII,  ©.  613.    ©ie  Meinung  bes  ©ermo  mar  alfo   fetneSroegS  allgemein 

10  anerfannt ;  aucb,  faßt  auf,  bafj  bei  ber  9camengebung  biblifcfye  tarnen  benutzt  mürben, 
eine  Seftätigung  bafür,  bafj  e3  an  jeber  Überlieferung  mangelte.  ©ie  plures  aliae 
»erlangten  nadj  weiteren  tarnen,  ©o  finbet  man  benn  in  bem  Kölner  Kalenber  bon 
873—891,  ben  Sinterim  befannt  gemacht  f)at,  11  tarnen:  Urfula,  ©ancia,  ©regorta, 
5ßinofa,  Martha,  ©aula,  Sertula,  öantina,  9tabacia,  ©aturia,  ^aHabia.    ©obann  firtert 

15  fidj  bie  Qafyl.  ©afc  man  au§  ber  ßlematianifcfyen  Jnfcfyrift  biele  Märtyrerinnen  l)erau£= 
las»,  geigen  ber  ©ermo  unb  Ufuarb ;  fcfyon  im  erfteren  unb  bei  Sßanbalbert  finb  bie  bielen 
SLaufenbe  geworben  unb  au§  biefen  werben  in  ben  gufä^en  gu  ben  Martfyrologien  Seba§ 
(ASMärg  II,  ©.25)  unbAbo§(MSL  123  ©.431)  u.a.  bie  11000.  ©ie  erlernen als 
öffentlich  anerfannt  in  ber  llr!unbe  §ermann3  bon  Köln  Dom  11.  Auguft  922,  Annalen 

20  beS  b,ift.  Vereins  für  b.  3R^ein,  26—27,  ©.  334.  Sei  ber  Art  ber  Silbung  ber 
Segenbe  ift  e£  Wenig  Wafyrfdjeinlidj),  bafj  biefe  ^tffer  burcb,  irgenb  einen  Sefefeljiler  ent= 
ftanben  ift.  @3  Wäre  efyer  ju  bermuten,  bafj  fie  auf  ber  Kombination  ber  11  tarnen 
mit  ben  Xaufenben  bon  Märtyrerinnen  beruht,  ©od)  f)ängt  fie  mit  ber  notoeßtftifct)en 
AuSgeftaltung  ber  Segenbe  jufammen.     ©iefe   aber   entftammt,  Wie  Klinfenberg   gezeigt 

25  i)at,  ber  Serfd)melgung  ber  -Jlacfyricfyt  bon  ben  jungfräulichen  Märtyrerinnen,  bie  bei  Köln 
ben  %ob  fanben,  mit  ber  Wälifdj)=bretonifdj)en  ©age  bon  ber  grauenWanberung  au$  33rt= 
tannien  nad)  Armorifa  unter  Kaifer  MajimuS,  bie  ©ottfrieb  bon  Monmoutlj)  in  feiner 
Hist.  reg.  Brit.  V,  15  f.  aufbewahrt  Ijat.  AuS  biefer  ©age  ftammen  bie  SRacfyricfyten 
bon  ber  ©eefafyrt  ber  Jungfrauen  unb   il)rer  §inme^elung,   alfo   ber   eigentliche  Jnfjialt 

30  ber  Segenbe.  ©ie  Historia  s.  Ursulae  geigt  fie  fc|on  in  böttig  abgerunbeter  ©eftalt. 
©a  fie  bem  ©rjbifdjof  ©ero  (969—975)  geWibmet  ift,  fo  Wirb  man  bie  Serfd)melgung 
ber  Kölner  ^ad)rid)t  mit  ber  britifdjien  ©age  in  bie  erfte  §älfte  beS  10.  JafyrfmnbertS 
gu  berlegen  Ijaben.  Jm  12.  Jafyrlmnbert  gefyt  bie  Segenbe  in  bie  ©ef$id)t3toerfe  über; 
man  finbet  fie  bei  ©igibert  bon  ©emblouj;,    Chron.    j.   453  MG  SS  VI,  ©.  310,  bei 

35  Dtto  bon  greifing,  Chron.  IV,  28  ©.211,  unb  in  ben  jüngeren  Kölner  Quellen,  ber 
Sfteimcfyronit'  ©otfrib  Jagens  (um  1280)  S.  152—396,  6fyroniten  b.  b.  ©täbte  XII, 
©.  26  unb  ber  Cronica  van  der  hilliger  stat  van  Coellen  (1499). 

2tber  gur  $Rub,e  mar  bie  ©age  nod)  mcfyt  gefommen.     Jm  12.  Jab,rb,unbert  fanben 
auf  bem  ager  Ursulanus,  b.  I).  nicfyt   in  ber  Umgebung  ber  llrfulalirc^e,  fonbern  bei 

40  ber  Kirche  ber  Macb,abäer  (f.  Klinfenberg,  Sonner  JS  93  ©.  171  ff.)  Ausgrabungen 
ftatt,  mobei  man  au^er  bielen  meiblicfyen  aucb^  auffaHenb  biele  männliche  ©ebeine  fanb, 
unb  unter  biefen  biele,  bie  burcb,  in  ben  ©argen  befinbücfye  fteinerne  Stäfelcf)en  atö 
Karbinäle,  @rgbifc^öfe,  Sifcfjöfe  jc.  —  babei  aucfy  jener  ^abft  gfyriafuS  begeia^net  maren. 
®iefe  guno«  erregten  bei   bem  2tbte  ©erlac§  bon  $)eui$  ben  Serbacb^t,  e§  fyaix  b^ier  eine 

46  gälfcf)ung  ftattgefunben,  meöfyalb  er  bie  ib^m  befreundete  (Slifabetb,  gu  ©c|)önau  um  2luf= 
fcfylufe  bat  unb  fo  jene  merfrcürbige  rüdEtoärtl  fcb^auenbe  5ßrobf)etie  über  Urfula  unb  bie 
©Iftaufenb  beranlafjie,  meiere  bon  ©Ufabetb^g  Sruber,  (Egbert,  in  lateinifcfyer  ©brache 
niebergefc^rieben,  für  längere  geit  aU  juberläffige  ©efcf)i$te  geglaubt  morben  ift.  3lßein 
bie  in  ifyr  enthaltenen  Sluffc^lüffe  über  bie  (Smgelfyeiten  ber  Märt^rergefd()icb,te  finb   boß 

so  ber  gröbften  Anachronismen  unb  ber  Iäbbifcb,ften  Angaben  über  bie  beteiligten  ^3erfonen. 
^abft  6fyrtafu§  g.  S.  foH  ein  Srite  bon  Nation  getoefen  fein,  ber  auf  befonberen  göttlichen 
Söefef)!  feine  bäbftücfye  SBürbe  nieberlegte,  um  ben  Jungfrauen  nad)  Köln  gu  folgen,  ©ie  über 
feine  Abbanfung  erzürnten  Karbinäle  Ratten  ebenbeSb^alb  fein  Anbenlen  in  ben  Aften  ber 
i>ätoftlttt>n  ©efc|ic|te  gu  tilgen  gefugt,  unb  fo  erftäre  ftd;  ba§  ©cfyroeigen  aKer  römifd)en 

55  Quellen  in  Setreff  be<§  ^SabfteS  6^ria!uS.  Aucfy  ein  König  bon  ©riec^enlanb  unb  eine 
Königin  bon  ©ijilien  feien  unter  ben  im  ©efolge  ber  fyl.  Urfula  Umgefommenen  gemefen. 
©ie  Möglichkeit  ber  Senlung  ber  glotte  ber  Jungfrauen  gur  ©ee  unb  auf  bem  Steine 
erlläre  fid)  barau§,  ba^  UrfulaS  Sater,  bon  ib^rem  ^eifeblane  benachrichtigt,  b^eimlicb,  fee= 
lunbige  Männer  in  bie  ©cfyiffe  beorbert  fyabe  u.  f.  f.  ©cb.on  ^3abebrocb,  (in  feinem  Co- 
ro natus  chronico-histor.  ad  Catal.  Rom.  Pontiff.  p.  31)  f>at  ba§  Märchenhafte  biefer 


ltrfnla  Itrfultnertnncn  357 

Slngabcn  erfannt  unb  be6i)alb  ben  auf  bic  f>I.  Urfula  bezüglichen  SBiftoncn  (£Iifabetr)3  bic 
©laubnriirbigfeit  abgefbrocfyen.  2)ie  1183—1187  aufgezeichneten  Offenbarungen  be§  eng= 
lifcfyen  $rämonftratenferabt<§  9ftct)arb,  ber  fid^  zu  erneuerter  llnterfud)ung  ber  ©acfye  in  bie 
2l6tet  2lrn3berg  begab  unb  bort  jtoei  Sucher  de  passione  ss.  undeeim  millium  vir- 
ginum  verfertigte,  ergänzen  unb  erweitern  bie  ©efid)te  ©lifabetb/g  unb  finb  bemgemäft  5 
nad)  abenteuerlicher  unb  fabelhafter  al§  biefe.  9Jcan  finbet  fie  in  (Srombad)!  Ursula 
vindicata,  Äöln  1647.  (SöcHer  f )  £autf. 

Urfttltltcrinttcn.  —  Gu  eilen  unb  Sitte  rat  uv:  3.  33.  5Rajari,  Seben  ber  fjl.  Slngela 
Dierici,   beutfet)  bearbeitet  XlugSburg  1811  unb  öon  W.  Sinket,  9tegen§burg  1843    (über  bie 
alteren  Siogropbien  ber  fjl.  §lnge(a    f.  |>etni&udjer  I,    ©.  511);    Chroniques   de   l'ordre    des  10 
Ursulines  recueillies  pour  l'usage  des  religieuses  du  meme  ordre   par  M.  D.  P.  V    (^aula 
be  ^omereu,  Urfuüne  geft.  1699)  SßariS  1673 ff.  3  Vol.;  Journal  des  illustres  religieuses  de 
l'ordre  de  St.  Ursule  avec    leurs  maximes    et    pratiques    spirituelles,    *ßari§  1684,  5  Vol., 
bentfet)   2  33änbe   SanbSljut  1720;    SDt.  £>amel,   L'annee    spirituelle  historique    et   chronolo- 
gique  des  religieuses  Ursulines,  ^citiS  1689   ed.  ßlermont^-errunb  1891 ;  gfjarleg  (St.^oij,  15 
Anüales    de    l'ordre    de  Ste-Ursule    depuis    la  revolution  francaise  jusqu'ä  dos  jours,    ed. 
Elermont=gerranb  1858,  5  Vol.,  Elermont=gerranb,  Vie  des  premieres  Ursulines  de  France, 
|?cui§  1856,  2  Vol.;  £etöot,  ©eftf)td]te  ber  ftlöfter  unb  SRttterorben,  Seip^ig  1754,  IV,  178 ff.; 
\ieimbud)er,  Orben  unb  Kongregationen  ber  fafdot.  Sirdje,  $aberborn  1896,  I,  511—519  (bort 
weitere  Sitteratur) ;  bie  erften  ©djroeftera  ber  llrfultnerinnen,   nad)  ben  £)rben§annalen  bear=  20 
beitet   unb    au§   bem  g-ran^öfifd)en    überfe$t    uon   einer  Urfultne,    mit   einem  Sßorroort   üon 
5ß.  Slitg.  Sebmfut)!  S.  J.,  ^nberborn  1897. 

Sie  nad)  ber  1)1.  llrfula  benannte  grauengenoffenfcfyaft  gebort  zu  ben  bebeutenbften 
Stiftungen,  roelclje  au$  ber  -Jceubelebung  be§  italienifd)en  $atfyoIict3mu3  in  ben  40er 
^a^ren  be§  16.  ^a^unbertg  I)erborgegangen  finb.  ©ie  finbet  ifyren  §aubtzwed;  im  Unter=  -0 
ricfyt  unb  (Erziehung  ber  weiblichen  Jugenb,  um  eine  ftreng  fircfyltdje  ©efinnung  ju 
erjeugen  unb  fo  inbireft  ber  Deformation  entgegenzuarbeiten,  5#re  ©tiftertn  ift  bie  t>on 
ßlemenS  XIII.  im  %afyx  1768  feiig  unb  5ßiu8  VII.  im  Jafyr  1807  fettig  gefbrocfyene 
21ngela  SOierici.  Slngela  Würbe  am  21.  SRärj  1470  (ober  1474)  in  SDefenjano  am 
©arbafee  geboren.  %xixi}  berWaift  toueb^i  fie  mit  i))rer  älteren  ©d)toefter  im  §aufe  eines  so 
OfyeimS  in  ©alo  auf.  Jlvre  Steigung  zu  erxentrifcfyen  formen  ber  grömmigfeit  betätigte 
fie  bereit!  frül)  in  einer  I)etmlid)en  gluckt  auS  bem  §aufe  be<§  O^eimS,  um  einfam  in 
einer  §öl)le  berborgen  zu  leben.  9?ad)  bem  %obe  it)rer  ©d)Wefter  fcljtofs  fie  fieb,  ben 
5ranzi§Ianer=(ober  ^abuziner^ertiarierinnen  an.  $n  ir)rem  ©eburtSort  SDefenzano 
begann  fie  mit  einigen  OrbenSgenoffinnen  eine  ^leinfinberfcfwle  ju  t)alten,  in  ber  bie  35 
Sinber  in  ben  StnfangSgrünben  ber  Religion  unb  ben  ©lementargegenftänben  unterrichtet 
tourben.  ©eit  1516  fe|te  fie  biefe  SC^>ätigIett  in  SBreScia  fort.  ÜRacr)  berfd)iebenen  3BaE= 
fahren  unter  anberen  nacb,  2;erufalem,  an  bie  fieb,  bie  ©rzäbjung  »on  i^rer  rounberbaren 
Teilung  nad)  zeitweiliger  ©rblinbung  Inübft,  t^at  fie  fieb,  mit  einer  Deib^e  gleicb,gefinnter 
©efäb,rtinnen  zufammen,  um  eine  unter  bem  ©cfmije  ber  fy.  Urfula  fteb^enbe  Bereinigung  w 
öon  3teligiofinnen  or)ne  befonbere§  ©elübbe  am  25.  9iobember  1535  in  ber  ©t.  2lfra= 
fireb^e  ju  Srelcia  z"  begrünben.  ^b,re  angeblid)  auf  göttlid)e  Offenbarung  zurüdgeb,enbe, 
bem  ^Briefter  ©abriel  Sozzano  butterte  Siegel  umfafet  25  ßatottel.  ^acb,  ber  Slbficb.t  ber 
Stifterin  folTte  bie.  ©enoffenfe^aft  feine  gemeinfam  lebenbe  flöfterlid)e ,  fonbern  eine  nacb, 
2lrt  ber  Xertiarierinnen  berfa^te  freie  ©c^toefterfeb/aft  %ux  Übung  ber  d)riftlid)en  Siebe  45 
buref)  ^ranlenbflege  unb  3«geni)unterrid)t  foroie  zur  eignen  Silbung  unb  Heiligung  bilben. 
©ine  befonbere  Orbengüeibung  h)ar  ebenfo  wenig  wie  ba§  gemeinfame  Seben  in  einem 
£aufe  borgefd)rieben.  ®ie  Jungfrauen  behielten  t^te  3öob,nung  bei  ben  ©Itern  ober 
Sertoanbten.  Sie  gaftenbi§ztylirt  mar  feine  ftrenge,  bie  2tnbad)t3übungen  nicb,t  fe^r  §ett= 
raubenb,  nur  ber  täglid)e  Sefucb,  ber  9Jieffe  unb  monatlicb,  einmalige  gemeinfame  $om=  50 
munion  tr-urbe  geforbert.  @in  ^eufc^b/eit^gelübbe  rourbe  nic^t  abgelegt,  fonbern  nur  ©e= 
f'orfam,  Sleufcb^ett,  2lrmut  al§  ebangelifd)er  Statfcb.lag  empfohlen.  $m  Oberleitung  ber 
©efellfcb,aft  foHte  eine  „Butter"  auf  Seben^zeit  gewählt  Werben.  Unter  biefer  follten 
•web,  ben  ad)t  SDiftriften  ber  ©tabt  Sreöcia  ad)t  3Ratronen  ate  23orftefyerinnen,  unter 
biefen  atyt  Sefjrerinnen  unb  unter  ben  festeren  ebenfo  Diele  2luffeb,erinnen  (ßolonetli)  55 
tym.  Sie  ©efellfcfyaft  unterfteCte  \\ty  bem  Sifcfyof  »on  Sre^cia,  ber  einen  ^riefter  als 
^ater  ber  ©efellfcljaft  mit  ber  väterlichen  ^irtenforge  betraute,  gür  bie  2luffe^erinnen 
"erfaßte  Slngela  nod)  befonbere  Admonitiones  in  neun  ^abiteln,  in  benen  fie  ib,nen  unter 
anberem  auöbrücllicf)  anS  $erz  legte,  il)re  'Jöc^ter  bor  ber  Jrrlefyre  zu  bewahren.  @ine 
Weitere  Slusfüljrung  if)rer  in'ber  Degel  gegebenen  SSorfdvriftcn  finbet  fid)  in  bem  an  ifvrc  9cacf;=  60 


358  Urfuliitcrimtcn 

fülgerin,  bie  ©räfin  Sucre^ia  bon  Sobrone,  gerichteten  SEefiamcnt  in  elf  Kapiteln.  Stadlern  bie 
Siegel  üom  Sifdmf  t>on  SreScia,  Karbinal  ^ranj  ßornaro,  am  8.  Sluguft  1536  genehmigt 
mar,  mürbe  am  18.  9Jläx%  1537  bte  ©tifterin  Angela  jur  Dberin  ermaßt,  meinem  Amte 
fie  bi§  ju  ifyrem  am  27.  Januar  1540  erfolgten  £obe  borftanb. 

5  ©te  elaftifdjien  formen  ber  urftorünglicfyen  ©emeinfdjaft  manbelten  ficb,  in  ber 
^olgejeit,  unb  bie  Urfulinerinnen  mürben  in  ben  meiften  Sänbern  ju  einem  förmlichen 
Drben  mit  gemeinfamer  SebenSroeife,  Klaufur  unb  feierlichen  ©elübben  nacr)  ber  Auguftiner= 
regel.  Sie  SBeftätigungSbulle  i>om  9.  Juni  1544  '»ßafcftS  $aul  III.  bezeichnete  ben 
erften  ©cfyritt  in  biefer  Stiftung,  inbem  fie  einen  befonberen  Ablafj  für  jene  Jungfrauen 

10  gemährte,  meiere  eine  befonbere  K leibung  tragen,  unb  ^ugleicb,  ben  Oberen  ber  ©efetlfdjaft 
bie  (MaubniS  einräumte,  aueb,  Anberungen  an  ber  urfbrünglicfyen  Siegel  nacb,  $ett  unb 
Uniftänben  ttorjune^men.  ©araufljnn  legten  bie  fämtlicf>en  Urfulinerinnen  einen  lebernen 
©ürtel  als  Beiden  ber  Jungfräulid)feit  an.  Jbje  Ausbreitung  in  Italien  t>erbanfen  bie 
Urfulinerinnen  bor  altem  ber  tfyatfräftigen  ^roteltton  beS  Karbinal  SBorromeo,  ber  1581 

15  eine  neue  Seftätigung  ber  ©tiftung  buref»  ©regor  XIII.  ermirfte  unb  fie  in  feinem 
SJietrobolitanfprengel  aufs  nacf)brücflic&Jte  emtofafyl,  fo  bafe  im  Jal)re  1584  bie  Kongregation 
bereits  600  Jungfrauen  umfaßte,  bie  jum  größten  %e\L  bem  SBunfdje  beS  KarbinalS  nac£)= 
gebenb  als  regulierte  ©enoffenfcfyaft  mit  befonberer  Kleibung  in  einem  §aufe  ^ufammen= 
lebten  (£elr,ot  IV,  197  ff.). 

20  5Die  bisher  auf  Dberitalien  befdjränfte  ©enoffenfdmft  fanb  1574  burefy  granjiSfa 
i>on  SBermonb  aueb,  in  granfreieb,  (Eingang,  inbem  fie  nacb,  Söeife  ber  bj.  Angela  in  Abignon 
f leine  SJläbcfyen  $u  unterrichten  begann.  1594  begannen  bie  fran^öfifeb^en  Urfulinerinnen 
auf  Slat  beS  ©tifters  ber  SDoftrinarier  6äfar  bon  33uS  (f.  21.  33b  IV,  765)  ein  «öfter* 
licfyeS  Seben.    33on  ©übfranfreieb,  lamen  1608  bie  Urfulinerinnen  nacb,  $ariS  in  bie  5Bor= 

25  ftabt  ©t.  JacqueS,  tr>o  bie  bomefyme  2öttroe  grau  bon  ©t.  SBeube  (#.  be  Sefymont, 
Mme  de  St.-Beuve  et  les  Ursulines  de  Paris,  Sfyon  1889)  16li  ein  jroeiteS 
größeres  Klofter  erbaute.  ®ie  Urfulinerinnen  biefeS  KlofterS  legten  auf  ©runb  ber  33uHe 
^ßabftS  ^ßaul  V  am  12.  ©ebiember  1612  bie  feierlichen  ©elübbe  ah  unb  nahmen  bie 
Klaufur  an.    Jfyre  Satzungen   (Constitutions  des  Religieuses  de  Ste-Ursule  de  la 

30  congregation  de  Paris,  ^3artS  1640)  ftammen  Don  bem  löetcfytbater  ber  SJlme  ©t.  Skube 
^3.  ©onterr/,  ber  fie  im  3Serein  mit  anberen  Jefuiten  auf  ©runblage  ber  Auguftinerregel 
entworfen  blatte,  ©ie  mürben  baS  SJlufter  für  alle  regulierten  Urfulinerinnenllöfter.  SDen 
brei  SJlöncfySgelübben  mar  t/ier  nacb,  Art  ber  Konftitution  ber  Jefuiten  ein  bierteS  ^in^u* 
gefügt,  baS  ben  Drben  jum  Unterricht  ber  roeiblicfyen  Jugenb.  berbfltcfytete.    AIS  DrbenS= 

35  tracfyt  Ratten  fie  ein  fc^marjeS  Kleib  mit  Sebergürtel,  auf  bem  Kopfe  einen  fcfymarjen,  mit 
meiner  £einmanb  gefütterten  ©dreier,  barüber  einen  größeren  ©Fleier  »on  bünnem 
fcfytuargem  3eu9e/  ro°5u  ™  ^er  Kird;e  noeb,  ein  fcb,marjer  s3Jcantel  ob,ne  Ärmel  !am. 
©trenge  Süfjungen  gebot  bie  Siegel  nic^t,  aufser  ben  gemöl)nlicb,en  fircf)Iicb,en  gaften  mürbe 
am  SJlittmocb,,  an  ben  SSorabenben  ber  SJcarienfefte,  ben  geften  beS  b^l.  Sluguftin  unb  ber 

lo  i)l  Urfula  gefaftet.  ^äglid)  mar  toon  ber  Komplet  bis  um  7  UI)r  frü^)  ©tillfd)meigen 
geboten.  £>ie  ©eif^el  fam  nur  als  Mittel  ju  getoiffen  b,armlofen  Sftortififationen  j.  S. 
ben  ©is^iplinen  auf  bie  flache  $anb,  bie  man  fieb,  bei  beftimmten  ißergeb^en  auS^ubitten 
blatte,  rtic^t  als  SBerfjeug  eigentlicher  Seftrafung  in  Slnmenbung.  2luS  bem  Drben  auS= 
jutreten,  um  eine  anbere  religiöfe  ©enoffenfe^aft   ju  grünben   ober   ju  reformieren  ober 

45  eine  I)bf)ere  3Bürbe  in  einem  anberen  Drben  ju  erhalten,  mar  ftreng  »erboten.  Kein 
Klofter  füllte  mebj  als  60  Sliorfrauen  unb  20  £aienfcf)roeftem  enthalten.  —  Sieben  ber 
^3arifer  Kongregation  beS  DrbenS  ber  Urfulinerinnen  bilbeten  fieb,  eine  Steige  anberer 
^um  Steil  umfaffenber  Kongregationen  mit  ben  9Jlutterb,äufern  gu  Slouloufe  1615, 
Sorbeauj  1618,  £r,on  1619,  ®ijon  1619,  %ulk  1621,  SIrleS  1624  unb  Slmgnon  1627 

so  (§eIr/ot  IV,  178 ff.).  9Son  gran!reid)  berbreitete  fidE>  ber  Drben  nacb,  ber  ©cb,toeij  unb 
©eutfebjanb.  @in  Klofter  ber  Urfulinerinnen  oon  SDijort  mürbe  1659  in  Supern  unb  bon 
f)ier  aus  1695  in  greiburg  i.  S.  begrünbet.  Sefonbere  Sebeutung  für  ©eutfcb,Ianb  b.atte 
bie  Kongregation  i)on  Sorbeauj,  r>on  ber  baS  ganje  latb,olifd^e  ©eutfcbjanb  mit  Klöftern 
überwogen  mürbe,  beren  roicfytigfie  bie  Klofter  ju  Köln  1639,  ju  ^rag  1635,  p  SKepra) 

55  in  Saben  1660,  ?u  3Sien  1660,  ju  Erfurt  1667  unb  gu  ©üffelborf  1685  maren. 

Jn  ber  jmeiten  £älfte  beS  18.  Jab,rb,unbertS  lamen  fie  nacb,  Portugal  (^ßeretra)  unb 
Jrlanb  (6or!).  bereits  1670  mar  auf  SlajoS  in  ©ried;enlanb  ein  Urfulinerinnenllöfter 
errietet.  Slacb,  Slmerila  gelangte  ber  Drben  1639,  in  meinem  Jab,re  ju  Quebec  in 
Kanaba   baS   erfte  Klofter   erftanb,    in    ben  bereinigten  ©taaten    mürbe  1727   in  SJero* 

60  Orleans,  in  Srafilien  1751   baS   erfte  Klofter  gegrünbet.    ßur  ßeit  feiner  größten  2luS= 


llrfuliiicrimtcn  359 

bcbmmg  um  ben  Stnfang  be§  18.  3«b,rfyunbert3  umfaßte  ber  Drben  20  boneinanbcr  un= 
abhängige  Kongregationen  mit  350  Klaftern  unb  c.  15—20000  Tonnen.  Sieben  btefert 
regulierten  Urfulinerinnen  gab  e§  in  Italien  unb  ber  ©c^roeij  nod;  ntd;t  regulierte  ober 
fongregierte  unb  Peruanerinnen  ber  bjf.  Urfula,  bie,  obroobl  fie  leine  ©elübbe  ablegten, 
ben  ^ugenbunterrtc^t  betrieben.  Sei  ifynen  ift  eine  Seeinflufjung  burd;  ben  jefuttifd;en  5 
©eift  nod;  [tarier  nachweisbar,  ©ie  trieben  aKjä^rltc^  ad)t  SLage  tnnburd;  bie  geiftlicfyen 
Grerjitten  SofyolaS,  unterrichteten  täglid;  Heine  SiJtäbcfjen,  fatednfierten  an  ©onntagen  aud; 
ertoaebfene  ^erfonen,  befugten  Kranfe,  fbenbeten  2Ilmofen  unb  gelten  alle  greitage  eine 
Sonferenj  unter  ftcfy.  ©ie  trugen  feinen  ©Bieter,  Jonbern  nur  ein  fctyroarjeS  ©eroanb 
tüte  bie  übrigen  Urfulinen.  10 

2Bie  aßen  5Rönd;3=  unb  üftonnenorben  braute  aud)  ben  Urfulinen  bie  franflöfifdje 
jRcbolutton  unb  bie  ©äfularifation  in  £)eutfd;lattb  eine  ftarfe  ©d)mälerung  ifyrer  Klöfter. 
^n  granfreid;  gingen  fämtlidje  Klöfter  ju  ©runbe.  @rft  unter  ÜKaboIeon  I.  mürben  bie 
Urfulinen  jroar  niebt  als  Drben,  aber  al§  Unterrid)t3gefellfcf;aft  burd;  SDelret  bom  %at)xe 
1806  jugelaffen.  @§  entftanben  nun  roieber  in  gtanfreid;  eine  SRetlfje  bon  Kongregationen  15 
üon  irotyeS  1806,  bie  balb  27  Filialen,  barunter  ein  Klöfter  in  $art3  gä^Tte,  ferner  bie 
bon  ber  fäfularifierten  Urfuline  ©ibonltn  für  ben  Qugenbunterricfyt  gegrünbeten  Soeurs 
de  St.-Roch  mit  bem  Futterraufe  ju  gellettn  (Gut).  %$,  Notices  historiques  sur  les 
congregations  et  communautes  religieuses  du  XIX.  siecle,  Louvain  1892)  unb 
enblicb,  bie  burd;  tb,re  Seiftungen  im  ©ebiete  ber  2Irmenfd;ule  unb  ber  Kranfenbflege  20 
berborragenbe  Kongregation  bon  6I;abagne3  in  ber  SSenbee,  bie  fog.  Urfulinerinnen  bon 
3efu§  mit  400  ©cfyroeftern  unb  mef>r  al§  50  giHalflöftcrn. 

%n  ©eutfd;lanb  roaren  ber  ©äfularifation  bie  barjrifcfyen  Klöfter  jum  Dbfer  gefallen, 
Don  benen  fbäter  Sanb^ut,    Straubing  unb  2öür^burg  roieber  erftanben.    3n  ^teufsen, 
roo  ber  7jäbrige  Krieg,   bie  naboleonifcfyen  Kriege   unb    bie  ©älularifation   bie  m elften  25 
klöfter  bernid;tet  Ratten,  erftanben  bor  allem  buret)  bie  eifrige  ^ätigteit  ber  Dberin  bei 
SreSlauer  KlofterS  Urfula  ^ermann  um  bie  -"Kitte  be<o  19.  %at) xf) unb ert§  ja^lreid^e  5Reu= 
grünbungen,    bon  benen    §tad;en   1848,    £>erfel    bei  Sonn  18.52,  Syrier  1853,  Serlin 
1854,  9tatibor  1863,  Sobbarb  1867  nod)  befielen.    2öät)renb  be<§  Kulturfambfe<§  in  ben 
70er  unb  80er  ^ab,ren  be§  19.  $at)rf)unbert<§  Ratten  bie  Urfulinerinnen  ib,re  Klöfter  ber=  30 
laffen  muffen,  feit  1887  aber  mürbe  ilmen  bie  9ttidfefyr  nad;  ^ireu^en  berftattet  unb  9ieu= 
grünbungen    entftanben  ju   ©utin    1888,    %a  Königgftein   im   %aunu§   1891    unb    ju 
2t.  %ob,ann  1895.    ^m  ganzen   befielen  in  ®eutfd}Ianb   nod;  36  Urfulinerinnenflöfter, 
unter  benen  aufjer  ben   bereite  genannten  Sreifad;  unb  Sillingen  in  Saben,  Süffeiborf, 
©eilenfird;en,    Köln,    9Jtüb,If)eim   an   ber  Vivfyx,    Kalbartenberg,    D^nabrüd,   §afelünne, 35 
SreSlau,  £iebetb,al  unb   ©d)roeibm£   ^u  nennen  finb.    %n  Öfterreid}=Ungarn    finb   bie 
Urfulinerinnen    bie   ftärffte    grauenf ongregation ,    fie    befitjen    bort    28    Klöfter.     ®ie 
134  Urfulinerinnenflöfter  in  granfreid)  finb  burd)  bag  Kongreganiftengefe|  bom  ^a^re  1904 
aufgeboben.    ®er  Drben  ift  nod;  in  ber  ©d)toeij  mit  2,  in  Belgien  mit  24,  in  £>otlanb 
mit  15,  in  ©rofebritannien  mit  8,   in  ©banien  mit  2,   in  Portugal  mit  3,   in  Italien  40 
mit  17  Klöftern  bertreten. 

^n  Italien  giebt  e§  nod;  nid;t  fongregierte  Urfulinerinnen.  1864  mürbe  mit  ©e= 
nefjmtgung  5ßabft  ^3iug  IX.  bon  ber  ©räftn  ©lifabetb,  ©ribeßi  baä  urfbrünglid;e  ^nftitut 
ber  Angela  SUlerici  roieber  errietet.  ®ie  9JiitgIieber  ber  Kongregation  bon  Sreicia  unb 
bie  bes  frommen  SereinS  bon  ber  unbefleften  @mbfängni§  leben  al§  weltliche  Urfulinen  45 
in  i^ren  gamilien.  ©ie  legen  nur  ba§  ©elübbe  ber  Keufdjfyeit  ab  unb  toirfen  als  @r= 
gerinnen  in  bornefjmen  gamilien. 

3n  SZorbamertfa  baben  bie  Urfulinerinnen  24  Klöfter,  in  ©übamerifa  5,   in  2lfien 
unb  %aüa  3,  in  2lfrifa  2  ^enej  in  Algier  unb  Sarberton  in  Srangbaal,  in  Sluftralien  1 
ju  Slrmibale,  bai  mä^renb  bei  beutfd;en  Kulturfam^feS  bon  au§  3)uberftabt  in  §annober  50 
Vertriebenen    Urfulinerinnen    gegrünbet   rourbe.     Sie    ©efamtjabl   ber  ©d;meftern   giebt 
§eimbuct)er  (1,519)  auf  etma  4500  an. 

$abft  Seo  XIII.  b,at,    äb,nlid;   mie  bei  ben  Senebiftinerorben,  aud;  bei  biefer  lofe 
äufammengefügten  ©enoffenfd;aft  burd;  ein  ©d;reiben  bom  21.  ^ult  1899  an  alte  SBtfdjöfe, 
in  beren  Siöcefen  ftd>  Urfulinen  finben,    berfud;t,   einen  fefteren  3ufammenbang   b«bei=  65 
jufübren.    Sie  bereinigte  Kongregation  follte  in  3iom  ibren  ßentralfi^  erhalten. 

^ie  Sebeutung  be§  Drben§  beftebt  b«nte  bor  allem  in  bem  Unterricht,  ben  bie 
Urfulinen  roeniger  tn  ber  aJJäbd}enbolf§fd)ule,  al§  in  ber  böseren  Xöcb,terfd)ule  ausüben. 
^ie  ©rjiebung  bon  9Mbd;en  in  ^enfionaten,  bie  mit  ^nbuftrie=  unb  Kunftfcbulen  ber= 
bunben  finb,  bie  §eranbilbung  bon  2e(;rerinnen  unb  (Srjie^crinnen  l;abcn  fie  fid;  jur  2luf=  6u 


360  UrfuHnertmten  ttffJjer 

gäbe  gemalt.  SDabei  ift  bic  ©rgiefmng  natürücb.  ftreng  Iird£>üdE>  abgegroedt  unb  foH  jum 
fleißigen  ©mbfang  ber  )?l.  ©aframente,  jum  täglichen  S3efud^>  ber  bJL  9Jceffe,  jur  Seftüre 
ber  fyl.  Segenbe,  jur  Kontemplation  unb  ©etoiffenerforfd;ung ,  enblid)  jur  Pflege  ber 
religiöfen  Kongregationen,  bor  allem  be<§  23unbe§  ber  JRarienfinber  unb  be3  2lboftoIat3 
b  ber  cfyriftlict)en  Softer  ober  ber  ©rgbruberfdjaft  ber  fyl.  2lngela  anleiten. 

©.  ©rii^nta^ei;. 

Untgunt).    —  SHtteratur:    Dr.  Straüjo,    Geogr.  nacional   de   la  Eepublica  Oriental 

del  Uruguay,  2.  Slufl.   1895;   %.  ß.  ©arofon,  The  South- American  Eepublics,  1.  33b  1903; 

(£.  W.  Sftaefo,    Desr.  general    de    la  Eepublica  Oriental  del  Uruguay  1900;    ^nnbbuct)  be§ 

iü  SeutfdjtumS    im   SluSIcmbe    1906;     Encyclopedia  Britannica;     SSriefl.  Witt.    üon   Sänjiger, 

Sßaftor  in  9ftonteütbeo. 

©ie  Sftebublit5  tourbe  1828  ein  felbftftänbiger  ©taat.  infolge  be§  Unab6ängigleitg= 
friegeS  be§  heutigen  Argentinien  gegen  ©banien  mar  ba§  h\§  babin  fbanifd)e  ©ebiet  am 
Uruguay,  „Banda  Oriental"  genannt,  bon  23rafilien  befetjt  »orben,   roaS  aber  2trgen= 

15  tinien  Don  1825 — 1828  mit  ben  Sßaffen  erfolgreich  rüdgängig  machte.  3um  ftieblicfyen 
2lu3gleid)  fcbuf  gleicbmob,  l  (Snglanbg  Vermittlung  aus  bem  umftrittenen  Sanbe  ben  neuen 
©taat,  meld)er  1830  feine  SBerfaffung  erhielt,  $n  biefer  ift  jroar  bie  römtfcb^fatfyolifcfye 
Religion  ab»  bie  be<§  ©taateS  anerfannt,  aber  aucr)  aßen  anberen  Kulten  ©ulbung  ju= 
gefiebert. 

20  ®ie  Sebölferung,  im  ganzen  über  700  000  ©eelen  (1900:  683  000)  auf  186920  qkm, 
befielt  ber  2lbftammung  naefy  jum  größten  SCetI  au§  3)ieftijen,  abgef eben  bon  ben  ©inmanberern 
unb  2lnf äffigen  be§  19.  ^abrbunbert§,  feien  e§  ©urobäer  ober  SBrafilianer  unb  3trgen= 
tinier.  ©ie  finb  faft  burdjtoeg  latb,  olifd),  toie  ja  fd)on  bie  erfte  toirflid)e  Kolonifation  be§ 
2anbe3   burd)  SRiffionät^ätigleit   ber  ^efuiten   unter  ^Slnltbb  III.   borgenommen   tourbe, 

25  beren  Drben  atlerbingg  bem  ©efe|e  nad)  bie  Sebublil  ju  meiben  b,at.  ©e^r  fbät  aber 
tourbe  ba§  ©ebiet  ju  einer  felbftft'änbtgen  ©iöcefe,  nämlicb,  am  15.  %uli  1878,  natürlid) 
mit  bem  33ifd)offi|e  in  ber  £aubtftabt.  ©ie  umfafjt  40  Pfarreien  mit  18  Filialen,  Don 
130  ^rieftem  bebient. 

®en  broteftantifdjen  Konfeffionen   gehören  etwa  5500  Sewobner  an.    Unter  ilmen 

30  finb  bie  $Deutfd)en  infolge  ber  ftarlen  ©inmanberung  bon  ©d)meiäern  am  jab,Ireid)ften. 
©ie  befi|en  jebod)  nur  gtüet  organifierte  ©emeinben,  bie  eine  (feit  1857)  in  9Jcontebibeo, 
roelcfee  ein  toürbige§  ©otte^b, aug  %u  bauen  im  Segriffe  ftebt,  bie  anbere  in  9cueba§elbetia; 
bie  erftere  beftebt  %.  3-  a"3  150  gamilien  unb  fyat  an  einer  gehobenen  33oIf8fd)ule  eine 
©tü^e  für  bie  2Beiterenth)ideIung.    2lud)    bie   biel   jab,lreid)ere   jtoeite   ©emeinbe   befitjt 

35  eine  ©dmle.  33eibe  fd)loffen  fid;  ber  „@t>angeUfd)en  Sa  ^Iata=©^nobe"  an  unb  unter= 
ftellten  fid)  bem  berliner  Dberfird)enrat.  —  Älter  unb  »ermögenber  ift  bie  2lnglilanifd)e 
©emeinbe  mit  ©dmle  unb  etma  1800  ©eelen.  ©aju  beftebt  eine  beträd)tlid)e  5Retbobiften= 
gemeinbe,  i>on  ben  bereinigten  ©taaten  ^Rorbamerifaö  au§  gegrünbet.  —  SDer  franjöfifd)en 
©brache   in  Kird)e   unb  ©dmle  bebient  fid;    eine  2öalbenfer=©emeinbe,    auö   $iemont 

40  größerenteils  eingemanbert.  —  ®a§  llnterrid)tämefen  beg  ©taateS  ift  berb,ältni§mäiig  feb,r 
geförbert.    @3  finbet  obligatorifd)er  unb  unentgeltlicher  33efud)  ber  3Solfefcbule  ftatt  unb  x 
man  gä^It  nabe^u  900  ©d}ulen  (500  öffentliche  unb  400  toribate),  bon  melden  in  Söionte« 
bibeo  620  fid;  befinben,   53  in  ©alto.    ^ebenfalls  meift  Uruguay   unter  ben  ©taaten 
©üb=  unb  3JcittelamerüaS  ben  regften  ©d)ulbefud>  auf.    ©eine  Uniberfität  in  ber  §aubt= 

45  ftabt  Beftfct  brei  gafultätm  (Stefyt,  3Jiebijin,  gjJatb,ematil).  SB.  ©ö^. 

Ufia  f.  Israel,  ©efeb.  bibl.,  33b  IX  ©.  475, -i. 

ltffljer  (aueb,  Ufb,er),  ^aiob,  @rjbifc^of  bon  Sirmagb, ,  geft.  1656.  —  Sittevatur: 
Vernarb,  Life  of  U.  mit  ber  ©robrebe,  1656 ;  mit  ©rwetterunaen  abgebr.  üon  ßlarte  in  Lives  of 
thirty  two    English  Divines    1677,    @.  277 ff.;    3f.    «ßarr,    Life  of  U.    1686     (oitggeäeicfjnet 

50  butcf)  Slbbvucf  ber  torrefponbenj  U.§);  SS.  ^tüingbom,  Vita  U.  1700;  St),  ©mitt),  Vita  1707; 
S-  SUfin  in  ber  Biographia  Britannica  (ugl.  b.  Strtilel)  1812;  berf.,  Life  of  U.  1812;  glring= 
ton,  Life  1848  (mit  neuen  »riefen);  SS.  33au\  Usher-Memorials  1889;  ferner  33oob§  Fasti 
Oxon.  (tjeraugg.  ü.  S3Iife);  $arrt§,  Ware  1739,  vol.  I;  ©rnnger,  Biograph.  Hist.  of  England 
1779,  II  162;    ^ant,    Hist.    of  the  Church    of  Ireland  1S40,  vol.  I;    «Reib,    Hist.  of  the 

55  Presbyterian  Church  in  Ireland  (tieraueg.  ö.  ®ißen)  1867,  vol.  I;  9DJitd)ea  u.  ©trut^erS, 
Minutes  of  Westminster  Assembly  1874;'  Softer,  Westminster  Abbey  Kegisters  1876,  ©.126; 
©tubbg,  Hist  of  the  University  of  Dublin  1889;  gofter,  Alumni  Oxon.  1892,  IV  1532; 
©ibnel)  See,  Dict.  of.  Nat.  Biogr.   LVIII,  64;  Encj-cl.  Britan.  vol.  XIX. 


Ufftcr  361 

SDen  gefcfyicfrtlicfKn  Manien  berbanft  11.  feinen  ttriffenfcfyaftlicljien  Stiftungen  auf  bent 
©cbiete  beS  ftrcbjicfyen  2IItertumS,  beten  2lnfä£e  jum  %eü  nocb,  in  Slnfefm  ftefyen,  nt<f>t 
aber  feinem  Anteile  an  ben  fircfyenbolitifdjen  2luSemanberfet3ungen  ber  geit,  $ur  2)urd)= 
fe$ung  feiner  ürdjliöpen  ^beale  in  ben  kämpfen,  bie  in  einer  bie  Volffeele  tief  unb  folgen* 
fa)toer  beroegenben  (Sbocfye  gtotfd^en  Vrälatur  unb  Vuritanertum  ausgetragen  mürben  unb  5 
eine  neue  $fyafe  beS  englifcfyen  ÄircfyentumS  be^eic^nen,  fehlte  bem  ^trcfyenmanne  ber 
SBagemut  unb  ber  rüdfid^tglofe  ©igenrotlle,  ber  mit  parier  gauft  bie  ©äfce  tro$ig  unb 
fantig  unb  um  ben  2luSgang  unbekümmert  auf  ben  %xfä  ber  geit  roirft.  3lber  als 
ifyeologifcfyer  ©djriftfteller  ift  er  burefy  bie  glüäcliöge  Bereinigung  Don  ©elefyrtengaben,  raft= 
Iofen  Sammeleifer,  fritifdje  $raft,  gefunbeS  Urteil,  Vertrautheit  mit  ben  SebenSbroblemen  10 
ber  Vergangenheit  unb  2)arftellungSgabe  auägegeicljnct.  —  Von  $rlanb  auSgefyenb  ift 
feine  SebenSarbeit  gmifetjen  feinem  Vaterlanbe  unb  dnglanb  burdb,  3  ^ab^elmte  fyinburcf) 
geteilt  geblieben,  um  gulefct  auSfcbJiefslicb,  biefem  an  einer  bebeutungSbollen  Sßenbung 
feiner  fircfylicfyen  unb  bolitifcfyen  ©efcfyiäe  ju  bienen.  — 

2luS  bem  angefefyenen  ©efdjlecfyte  ber  noeb,  jetjt  blüb,  enben  9iebilleS  entfbroffen  —  ein  15 
3Jebiße  fyatte  1185    ben   ifym  Don  $ob,n  Vlantagenet  Verliehenen  SlmiStitel    ostiarius 
(usher)    mit  Vereinigung    beS  Königs    als   Familiennamen    angenommen,   —    tourbe 
11.  als  ©ofm  beS  ^afob  U.,  ber  am  ÄönigSgericfyte  in  ^Dublin  eine  fyöfjere  Stellung  ein= 
nafym,  am  4.  Januar  1580  in  ber  ©t.  -KkfyoIa^Varodjrie  bon  ©ublin  geboren,    $n  ber 
bamalS  blüfyenben  ©cfyule  ber  beiben  ©Rotten  gullerton  unb  Hamilton,  zweier  bolitifcfyer  20 
Agenten  $afobS  VI.  öon  ©cfyottlanb,  bie  unter  ber  SDecfung  toäbagogifcfyer  2lbfid)ten  po!i= 
ttfcfye  gfoeefe,    Verbinbung   be§  irif^^roteftantifd^en  2lbeIS  mit  ifyrem  £>erm  »erfolgten, 
übrigen^  ftarl  religiös  intereffierter  unb  miffenfcfjaftlicb,  fyerborragenber  SRänner,  borgebilbet, 
trat  U.  auf  Veranlaffung  feines  DfyeimS,  beS  nacfymalS  (1595—1613)  jum  ©rjbtfdjof  bon 
2lrmagf)  erhobenen  §enrb.  U.  im  Januar  1593/94  in  baS  SErimtr;  ßollege,  Dublin  ein.  25 
Seine  ©tubien  umfaßten  f)ier  bie  gried>ifd^e  ©bracr)e,  bie  Slriftotelifcfye  Vljilofobbje,   ©e= 
fa)icf)te  unb  §ebräifcr;,  mobet  ein  frü^>  fieb,  entnndcelnber  ©inn  für  tfyeologifcfye  unb  d§rono= 
logifcfye  Vrobleme,  berbunben  mit  eifernem  gleifje,  ifm  jum  ft)ftemattfcr)en  ©tubium  aller 
ilp  bamalS   erreichbaren  Sßerfe   über  biefe  2öiffenSgebiete  trieb.    $n  ben  Qafyren  1597 
bis  1600  nafym   er  bie  üblichen  ©rabe,   würbe  geüoto  bon  SErinitt)  (Soll,  unb  liefe  fiefy,  30 
naa^bem  er  feinem  bäuerlichen  Vermögen  §u  ©unften  feiner  Vermanbten  entfagt,  bon  feinem 
CBeim  1601  bie  geiftlidjen  2öett)en  erteilen,   obrool)!   er  baS  fanonifcfye  Stlter  nod)  nicfyt 
erreicht  fyatte  unb  ben  SieblingSmunfdb,  feines  VaterS,  ber  ifyn  für  baS  Stecfytftubium   be= 
ftimmt  b,atte,  bamit  burcb.Ireujte.    ©cf)on  1605  tourbe  er  jum  §aubtbfarrer  bon  ^inglaS, 
um  biefelbe  $eit  jum  ^'an^ler  ber  ©t.  Vatriäc'S  ^atb,ebrale  in  Dublin  unb  1607,  nac£)bem  35 
er  einen  tfyeologifa>en  ©rab  ermorben,  §um  Seftor  ber  Geologie  ernannt. 

Sitte  biefe  ©fyren  fielen  ib,m  in  ben  ©cfjofj,  toeil  er  aus  einem  lebenbigen  (Smbfinben 
für  bie  bie  geit  bemegenben  religiöfen  SRädbte  b,erauS  unb  um  bie  ©rftbjiefjung  geiftiger 
33ilbungSmögIicf;Ieiten    bemüht,   frü^   bie  ©cptoingen    feines  ©eifteS    geregt    unb    buret) 
glücflitt^eS  (Singreifen  in  bie  bamalS  bon  ber  römifc^en  Äontroberfe  beb,errfcb,ten  ©trebungen  40 
unb  ©timmungen  feinem  jungen  tarnen  Sichtung  ju  berfc^affen  gewußt  ^atte. 

©cb,on  1599   ^atte   er  burd§   eine   b^ilofob^ifd^e  ©iSbutatton,  bie   bemerfenStberten 
Scb,arffinn  unb  eine  niöpt  getoö^nlidb.e  Velefenb,eit  in  ben  Vätern  berriet,  bie  2lugen  auf 
fieb,  gejogen;    als  ib,n   hierauf  ber  gelehrte  ^efuit  §.  ^.  gi^fimonS  mit  Vettarminfcb.en 
liefen  öffentlid)  angriff,  braute  ber  faum  20jä^rige  11.  feinen  ©egner  nict)t  nur  jur  fo=  45 
fortigen   Slufgabe    ber    litterar ifc§en    A-eb^be,  fonbern  aueb;   ju  bem  3eu9n^ •   ^-  fe^  e'n 
iuvenis  praecocis  sapientiae,  non  malae  indolis,  „unter  ben  Sfäcfytfatfyolilen  ber  &\t 
ber  geleljrtefte  SRann."  —  ®iefe  ©aö§e  b,atte  jur  golge,  bafe   er  bon  ba  ab  ber  Söfung 
ber  irifd^römifcfyen   grage  als  bem   j.  3.  alle   anbern  Qntereffen   in   ben  §intergrunb 
brängenben  Probleme  feine  Gräfte   unb   Neigungen    ^utoanbte.    SDie  SSaffe  jum  ©treit  50 
fudEtfe  unb  fanb   er  in  ben  ©Triften  ber  Äirc^enbäter,  beren  ©tubium  er  in  täglicher 
lectio    continua,    18   ^ab,re    b^inbureb,,   bis    er    „fie   alte  burdciftubiert   b,atte",    betrieb, 
liefen  batrtftifcfjen  ©tubien  blatte   er,   als  er  in  ben  nun  folgenben  ^ab,ren,   bie  in  bem 
bon  bolitifct/en  unb  lonfeffionetlen  Äämbfen  jerriffenen  Sanbe  eine  3flenge  alter  Vinbungen 
Iöften,  mit  immer  ftarfer,  je  unb  bann  entfdpeibenber  §anb  in  baS  lircl)Iicb,e  Serben  unb  55 
©eftalten  eingreifen  burfte,  in  erfter  Sinie  feine  ©rfolge  ju  berbanlen.  — 

Slucb,  bie  Verüb,  rungen  mit  bem  ©eifteSleben  ©nglanbS,  bie  um  biefe  3e't  6°'  '^m 
einfe^en,  mürben  für  ib,n  in  biefer  ^icb^tung  bebeutungSboll.  SllS  im  ©ejember  1601  bie 
©nglänber  in  ber  blutigen  ©c^Iac^t  bei  Äinfale  ben  irifcf)en  Slufftanb  niebergebroeb/en 
Ratten,  luar  bon  ben  Offizieren  ber  fiegreicb,en  Slrmcc,  in  ber  2lbfid;t,  bie  geiftige  Hebung  60 


362  ltpcr 

beS  triften  SSoIfeS  in  bie  SBegc  ju  leiten,  aus  ber  Seute  eine  Summe  Den  £  700  jur 
©rünbung  einer  UmberfitfaSbibliotfyef'  jur  Verfügung  geftellt  roorben.  ®a  in  $rlanb 
mtffenfcfyaftlicfye  Kultur  bis  babin  noeb,  leine  ©tätte  gefunben,  rourbe  II.,  ber  burd)  feine 
auSgebetmten  2lltertumftubien  für  bie  3JUffion  am  meifien  fid)  empfahl,  mit  feinem 
5  greunbe  Sufe  Gfyaloner  1603  jur  ©rmerbung  geeigneter  SBücfyer  unb  ipanbfdjriften  naefy 
(Snglanb  gefdndt.  SDiefe  Reifen,  bon  ba  ab  in  Jurten  gmifetjenräumen  mieberfyolt  (bis  jum 
Qafyre  1640),  brachten  it}n  auf  bie  33afm,  bie  ifyn  auf  bie  §öb,e  feines  rotffenfcfyaftlidjen 
£ftul>meS  führen  füllte,  unb  fyaben  bem  gmede,  ber  fie  beranlafjte,  im  roefentlidjen  ent= 
fprocfyen.    SBiel  größerer  ©eroinn  inbeS  erwuchs  U.  perfönlid)  aus  innert  burefy  bie  freunb= 

io  fdiaftlicfyen  Schiebungen,  in  bie  er  ju  ben  englifdjen  ^Bibliophilen  unb  Sibltot^eJSs 
grünbern  ©ir  %h,oma§  Soblefy,  ©ir  Robert  Sotton,  Samben,  ©elben  unb  ©pelman  trat, 
liefen  Scannern  berbanfte  er  ftarle  Hilfen  jur  Söfung  feiner  9Jtiffion  in  ©nglanb. 

2lber  er  mar  nid)t  allein  ber  ©mpfangenbe.    ßamben  nafym   in  bie  neue  2luSgabe 
feiner  Britannia  einen  2tuffa|  über  bie  ältefte  ©efcf)id)te  ©ublinS  bon  ber  §anb  U.S  auf, 

15  qui,  mie  er  in  ben  einfübjenben  Söorten  bemerlt,  annos  varia  doctrina  et  iudicio 
longe  superat;  ©pelman  lieferte  U.  für  fein  Glossary  eine  gelehrte  Slbfyanblung  über 
baS  altirifcfye  ^irdjengutSrecb,:,  bie  bureb,  bie  gelehrte  unb  fd)arffinnige  ^larfteßung  obfoleter 
SegiSlaturfragen  ifym  bon  bem  Herausgeber  ben  ©fyrennamen:  literarum  insignis 
pharus  einbrachte.  —  5Racr;  ^rlanb  jurüdgef et)rt ,    erhielt   er   ben  Sefyrauftrag,  an  ber 

20  Uniberfität  bie  tfyeologifcfye  kontroberfe  jmifc^en  9fomaniSmuS  unb  2tngliIaniSmuS  ju  ber= 
treten  (bie  SfiegiuSprofeffur  mürbe  erft  1674  eingerichtet),  promobierte  1612  jum  Dr.  ber 
Geologie  unb  mürbe  1614  SSt§efan§Ier  ber  Uniberfttät. 

infolge  jenes  Auftrags  griff  11,  megen  feines  grünblictjen  2BiffenS  auf  tfyeologifdjem 
unb  antiquarischem  ©ebiete   nun   als   einer  ber   erften  9Jcänner  gefdjä^t  unb  burd)  bie 

25  $raft  einer  innerlich  Karen  ^erfönlicbleit  ju  einer  Höfye  beS  SebenS  gelangt,  bie  greunb 
unb  geinb  nötigte,  mit  ifym  ju  rennen,  um  biefe  geit  in  bie  gereiften  Jircr/lid;ert 
kämpfe  jmifc^en  ben  beiben  um  bie  §errfd)aft  in  $rlanb  ringenben  Parteien  ein. 

®ie  irtfcb^roteftantifcfye  $ird)e,  bamalS   ein  ©pielbatl   englifdjer  S3eget)rltc^fett,   mar 
in  l)offnungSlofer  Sage,    ©ie  berfügte  roeber  über  ein  anerfannteS  ßrebo  noeb,  über  eine 

30  innere  Drgamfatton.  1560  fyatte  eine  ^ubliner  ©imobe  baS  ßommon  ^}rat)er  Soor 
jrcar  formell  angenommen,  aber  bie  39  3lrtifel,  meiere  biefeS  borauSfe|te,  Ratten  bei  bem 
ftreng  calbinifd)  gerichteten  $leruS,  ber  in  bem  englifcfjen  Import  jubem  eine  SBebrolmng 
ber  irifcfyen  greib/eiten  argmöfmte,  niemals  21nerlennung  gefunben.  Um  Älarfjeit  in  bie 
Sage  ju  bringen,  berief  bie  (englifcfye)  Regierung  1615   eine  ©fynobe  nacb,   ®ublin,  bie 

35  nac^  englifdjein  35orbilb  bie  SBilbung  einer  (geiftUcfyen)  ^onbolation  jur  Beratung  inner= 
Iird)licb,er  fragen,  eines  !ircb/Itcb/en  33efenntniffeS  unb  ber  ©elbftbefteuerung  beS  ÄleruS,  in 
bie  üföege  leiten  foHte.  lt.,  ber  als  eins  ber  b/erborragenbften  SJUtglteber  ber  3Serfgmm= 
lung,  noeb,  unbelümmert  um  bie  dornen  beS  $fabeS  unb  mit  gefcb,loffenen  Über= 
jeugungen,    feine  gorberungen   auf  ben  'üLifcb,    roarf,    fe^te  nacb,   längeren  ^ätmpfen  bie 

40  j(>S-  »3rWen  2lrtilel"  buret),  bie  im  mefentlicfyen  fein  Söerl  roaren.  Slntirömifcb,  unb 
j)uritanifcr;  jugleicb,,  galten  fie  jmar  bie  ©runbftimmung  ber  Conf.  Anglicana  bon 
1559  feft,  meinen  aber  im  einzelnen  nicb,t  nur  naefy  gorm  mie  ^nfycdt  bon  ib,r  aht 
fonbern  nehmen  einerfeitS  aueb,  bie  bon  bem  angti!anif4)en  ©taaiSitrcf/entum  abgelehnten 
ftreng  calbinifcb.en  Sambetliartüel  (bon  1595)   herüber    unb   rieten    fieb,    anberfettS   in 

«  fc^arfen  ^Beübungen  gegen  baS  römifcb,  e  ©Aftern :  ber  $apft  fei  ber  2Renfd)  ber  ©ünbe, 
bie  „lat^olifc^e  $ircf;e  ttic£>t  bie  römifc|)e,  fonbern  bie  unficfytbare",  baS  D^fer  ber  SDteffe 
„b,öc§ft  fünb^aft",  „religiöfe  Silber  jeber  3lrt  ungefe^lia)"  unb  untertaffen  bemufjt  bie 
Seb,re  bon  ber  Ordination  unb  bon  ber  b^ierarcb.ifclien  9tangorbnung  beS  ÄleruS.  —  Slber  bie 
an  biefen  SKittelroeg  ge!nü!pften  Hoffnungen  bermirflicb,ten  fic^  rtic^t.    ®ie  Puritaner  im 

50  9brben  ber  ^nfel  lehnten  biefe  104  2trtifel  tro£  it)rer  antirömifc^en  ©cb,ärfe  ab,  baS  irifcfe.e 
Parlament  tt>at,  obgleich  bie  ©tmobe  unb  ber  irifcb,e  $rimaS  fie  angenommen  unb  ber 
33igefönig  fie  im  9tamen  beS  Königs  unterjeicb.net  b,atte,  baS  ©leiere,  unb  bie  Äatfyolifen, 
bureb,  bie  butitanifcfyen  §erauSforberungen  aufs  b,öc§fte  erbittert,  fdjürten  bie  ©timmung 
gegen  bie  2lrtilel  unb  ibren  35erfaffer  buref)  SSerbäc^tigungen  in  bem  5Ra^e,  bafe  %aiob  I. 

55  balb  barauf  ablehnte,  li.  als  „einen  berla^ten  Puritaner"  bei  §ofe  ju  empfangen  (1619). 
@rft  ein  ©^reiben  beS  ^rifcb,  en  an  baS  (Snglifcf/e  ^5ribt)  Council  roanbelte  ben  Unroillen  beS 
MönigS,  ber  an  bem  ©eleb,rten  julettf  fo  großes  ißo^IgefaUen  fanb,  bafe  er  ib,m  baS  eben 
erlebigte  SiStum  gjceatb,  in  ©naben  übertrug  (1621).—  5Racb,  Qrlanb  gurüdgele^rt,  fe£te 
U.,  obgleid)  bie  nun  eintretenbe  Stnberung   beS   ipolitifctien  Programms   feitenS   ber   eng= 

60  lifcb,en  Regierung  bie  Stücffic^tna^me  auf  bie  Matfyoltfen  jur  5JßfItd£)t   machte,   feine    ganje 


Ufffjev  .%3 

Mraft  an  bie  ÜbcrWinbung  bezw.  Skrför/nung  ber  3tömifdE>crt  unb  fyatte,  bon  bcn  Männern 
bcr  milberen  Xonart  afe  $rieben§ftbrer  bei  ©eite  gefdwben,  zulegt  bie  ©enugtfmung,  bafe 
Sorb  galflanb,  ber  neue  (Statthalter,  in  feinen  StRa^na^men  gegen  bie  Verweigerer  beS 
©ubrematScibeS  (SMufanten)  ju  it)m  feine  3uflud)t  nehmen  mufjte. 

©iefem  ffiegierungSbtenfte  r)atte  11.  ee  Wob,l  ju  bcrbanten,  baf$,  als  er  bon  lfj2o — 2(j  5 
mit  unbeftimmtem  Urlaub  auf  ber  ©ud)e  nad)  alten  SDruden  unb  .fjanbfdjriften  abermals  in  @ng= 
lanb  War  unb  in  biefer  geit  ba§  irifebe  (SrzbiStum  2lrmagb,  burd)  ben  lob  Dr.  §ambtonS 
hei  Würbe,   gafob  I.  Wenige  'Sage  bor  feinem  Xobe  11.  jum  ^rimaS    bon   S**0110 
(22.  9Rärz  1624/25)  bureb,  Übertragung  beS  ©rzbiStumS  berief. 

tiefer  ^bmgSbanf  für  geleiftete  ®ienfte  _b,at   ifym   in   ber  golgejeit   eine  Saft  auf=  10 
gebürbet,  beren  SDriuf  unb  Stnfbrucb,  ju  überWinben   er,  ba   feine   innere  2lrt  auf  grof$= 
jügige  SifdwfSarbeit  ntcf>t  angelegt  roar,  bie  ^raft  nid)t  befafe.    3)ie  $ird)enbrobinz  or)ne 
georbneten  ©ienft,  Pfarreien,  ®ird)en  unb  Spulen  in  flägltcf/em  ©tanbe,  baS  ^irdjengut 
an  ©ünftlinge  ber  Regierung   berfebjeubert    unb   unter  ben   mit   ben  9Jtaf$nar)men  beS 
^ijefonig§  unjufriebenen  Siatfyoltfen  eine  gefährliche  ©ärung.    21IS  galflanb  einzulenken  15 
begann,   erfjob  U.  als  %üi)xa  ber  broteftantifcfyen  Partei  ©infbrueb,  gegen  „bie  red)ilid)e 
2lnerfennung  einer  abergläubtfctjen  unb  gö|enbienerifcb,en  ©eüe"   unb   leimte  jebeS   @nt= 
gegenfommen    gegen  bie   fatfyolifdjen  üffiünfdje   ab.    ®ie  Jyolge  roar,  baf$  bie  Regierung 
mtnmefyr  eine  feftere  unb  Ilarere  Haltung   (unter    bem  rüdfict/tSlofen  ^Radgfolger  %ali= 
lanbS,   Sorb  SBentroortb,,    bem   nachmaligen  @arl  ©trafforb)    annahm  unb  nunmehr  ber  20 
ernfte  Verfucb,  gemalt  werben  lonnte,  ber  alles  innere  Seben  erftiefenben  fircfylicljen  Un= 
orbnung  ein  @nbe  ju  feiert.    (Srgbifc^of  Saub  tfyat  gemeinfam  mit  33ifdwf  Vramljall  bon 
Sonbon  aus  bie  einleitenben  Schritte,  unb  am  14.  Qult  1634  Würbe  eine  SSerfammlung 
(Parlament  unb  ^onbofation)  berufen,  ber  ü.  ein  ®ird)enbrogramm  borlegte,    baS  „ofme 
Särm"  ben  @rfa|  ber  104  ^rtfd^en  Slrtilel,    alfo    feiner    eigenen  ©djöbfung,   bureb,   bie  25 
39  Slnglilanifdjen  Slrtilel  anftrebte,  ein  Dbfer  feiner  berfbnlidjen  Überzeugungen  in  ber 
ßird/enfrage,  baS   er  mit  ber  füllen  Hoffnung    zu   rechtfertigen  fudjite,  ber  ©tanb   ber 
irifcfyen  Ätidjie  werbe,  ba  bie  104  unb  bie  39  Slrtüel  Wefentlia)  am  gleiten  Sefyrgut  feft= 
gelten,  mdc)t  gefef/äbigt  werben.    SSentroortl),  ber   auf  3rlan^   ^n^>   auf  bk  Regierung 
kaxlz  I.  feb,r  bringenbe  Siüdfidjten  zu  nehmen  fyatte,  »erlangte  lurjer  £>anb  bie  2lnnal)me  30 
ber  Conf .  Angl.  unb  fe|te  feinen  Söillen  gegen  U.S  fyalty erjige,  auf  bie  irifcr)e  ©elbftftänbigleit 
gerichtete  Sftettungöberfucfie  bureb,.  ^Jlur  bei  ber  ^Beratung  ber  englifef/en  Canons  (33eftim= 
mungen  über  ^ultfragen  unb  9Beir)en)  blieb  ber  ^$rima§  auf  feinen  gorberungen  inforoeit 
feft,  al§  er  bie  Umarbeitung  be3  23ramr)altfcr)en  @ntrourf§   erjroang   unb   it/m  in  einigen 
3lrtifeln  (Drbnung  be§  (SotteSbienfteg,  ^irct)enfc^muc!,  ©rteilung  ber  SBeifyen  u.  a.)  einen  35 
milb  buritanifc^en  3«g  gab.    §atte  er  bamit  bem  anglifanifdjen  §ocr;brucl,  ber  unter  ben 
g-orberungen  ber  reltgiö^bolitifcf/en  ^ettlage  aEe  Mittel,  3flecb,t§brucb  unb  23ergeroaltigung 
ber  ©eroiffen,  für  erlaubt  lüelt,  nachgegeben,  fo   rourbe  biefe  gefällige  Beugung  Oor  ber 
Saubfdjen  UniformierungSbolitil  in  ber  ^olge  ber  2lnlaf$  bitterer  älnfeinbungen,    bie  ber 
broteftantifdje  §aubtftamm    ber  ^nfelbeoöllerung,  bie    entfct)ieben    buritanifet;    gefinnten  10 
fcf)ottifcb,en  2lnfiebler  im  Sorben,  gegen  ifyren  ,,^bflicr)en  unb  fäufliclien"  ^rima§  richteten. 

©nblicb,  »erfucb,te  er,  nad^bem  SBentroortb,  bie  berüchtigte  High-Commission  in  %x= 
lanb  burcb,gefe|t  unb  U.  beren  Seitung  übertragen  Ijatte,  an  feinem  Xeile  beren  b^arte 
Seftimmungen  inforoeit  ju  milbern,  al§  er  Mnen  Äatb,olifen  Wegen  feiner  religiöfen  Ueber= 
jeugungen  Verfölgen  Iie§ ;  ib,re  rect) tltdt)e  3lner!ennung  inbe§  £> at  er  fein  ganjeS  Seben  b, in=  45 
buro^  mit  allen  Rechtsmitteln,  beren  er  r)abl)aft  Werben  lonnte,  ebenfo  energifd)  befambft, 
toie  er  bie  Vergewaltigung  2lnberSgläubiger  in  ©eWiffenfao)en  berWarf.  — 

2lucb.  in  ben  ftaatSmännifc^en  ©efcb.äften,  in  bie  bom  ^af)re  1640  ab  ibn  feine  eng= 
lifebe  SebenSebifobe  jog,  fehlte  ib,m  bie  burd;greifenbe  unb  glücHic^e  §anb.  SDen  3tuf= 
gaben  einer  ^eit,  bie  troij  aller  35erirrungen  unb  SRa^lofigleiten  an  grofjen,  tf)araltcr=  50 
Dollen  Männern  tretet;  War,  War  er  nid;t  geworfen,  ©elbft  nacb,  ben  irifcfjen  ©rfabvungen 
bermocljte  er  nicb,t,  bie  3Jlenfd;en  unb  bie  ©inge  nad;  bem  inneren  SSerte  ibrcS  dh3)t$ 
unb  ibrer  2Sab,rr)eit  ju  meffen;  inbem  er  auf  bie  ®ingc  faf>  in  ib,ren  S3ejieb,ungen  ju 
ben  5)Jenfd)en,  geriet  er  in  ©ct)WierigIeiten  unb  SSerWidelungen, ,  an  benen  nicb,t  immer 
feine  fd)limme  ßeit,   fonbern   er  felbft  mit  feinen  gebrochenen  Überzeugungen  fd;ulb  War.  55 

3n  %xlanv  b,atte  bie  llnmöglidjleit,  Drbnung  in  bie  fircf>ttdt>c  Sage  ju  bringen,  bie 
BrüSlen  3ftüd'fid)tölofigleiten  beS  (Statthalter^,  ber  ©roll  unb  StrgWolm  ber  mit  buritanifd)cn 
Sroden  bürftig  abgefbeiften  ^roteftanten  unb  ber  berbitterte  Wrimm  ber  «atbolifen 
it)m  bie  greube  an  ber  älrbcit  berborben,  bielleid;t  aud;  bie  Un^tlänglicb,feit  ber  eigenen 
toaÜ  gejeigt.  eo 


364  ltfffjer 

2l(g  er  mit  einem  neuen  Urlaube  im  9Rärj  1640  Strmagfy  berließ,  um  in  (Snglanb 
feiner  lüterarifcfyen  fiufee  ju  leben,  afynte  er  nicfyt,  baß  er  in  ein  Sanb  ber  ©türme 
ging.  ^m  9tot>ember  Würbe  ba§  Sänge  Parlament  eröffnet,  in  bem  ba§  SofungSWort 
ber  ©roßen  Siebellion  fiel,  mit  ber  bort  aufgeworfenen  §rage  nad)  bem  göttlichen  9tecr)te 

5  be§  @biffobal=  ober  $re3bbterialftoftem§,  bie  bamal§  bie  Parteien  ju  maßlofen  2tu<o= 
fcfyreitungen  trieb.  SDie  englifdjen  unb  fdjwtttfcfyen  Puritaner  unb  bie  eben  auflommenben 
Qjnbetoenbenten,  bom  rafet;  auffteigenben  ©influß  im  Parlament  trunlen  gemalt,  bebeuteten 
bon  ©iijung  %u  ©i|ung  eine  immer  brob/enbere  ©efa^r  für  Bistum  unb  ^rälatur.  35a 
friert  U.3  ©tunbe  gelommen  ju  fein,  ber,  als  ein  SRann  in  ber  ©unft  beS  Königs  unb 

io  bon  1634  fyer  aud>  als  ein  ben  Qntereffen  ber  Puritaner  Wohlgeneigter  $rälat,  nad) 
beiben  ©etten  p  Vermitteln  unb  bie  berbinbenben  gäben  in  ber  £>anb  ju  galten  rote  fein 
anberer  geeignet  War.  SDurct)  häufige  ^Srebigten  bor  ben  Lariam entSf üb,  rem  unb  in  feinem 
Berlefyr  mit  ben  buritanifdjen  Prangern  fucfyte  er  bie  ©bannung  jWifdjien  ben  Parteien 
abguminbern,  entwarf,  um  ben  ^ntranfigenten  ben  Söinb  auS  ben  ©egeln  ju  nehmen  unb 

15  um  ju  retten,  WaS  noeb,  %u  retten  War,  über  bie  im  ©inne  eines  gemäßigten  @biflobal= 
fr/fiemS  anjuftrebenbe  ÜReuorbnung  ber  firdjlidjen  Angelegenheiten,  fonberlict/  ber  Ber= 
faffungSfragen,  eine  SDenlfdjrift,  bie,  unbollenbet  unb  für  bie  Öffentlichkeit  noef;  nidjt  be= 
ftimmt,  entWenbet  unb  oljme  fein  BorWiffen  unter  bem  %\td  Directions  of  the 
Archbishop  of  Armagh  concerning  the  Liturgy  and  Episcopal  Government  gc= 

20  brueft  Würbe,  ©ie  itmrbe  bon  il)m  felbft  mit  §ilfe  einiger  einflußreicher  Parlamentarier 
berfolgt  unb  unterbrüdt,  fo  baß  gWeifel  auf  ^  ^Etedjtfyeit  eines  ber  bebeutfamften 
ttrc^Ii^en  ©olumente  jener  gett  gefallen  finb;  aber  am  12.  9Jlärj  nal)m  ein  geiftlidjer 
2luSfd)uß  unb  lurj  barauf  bie  buritanifdjen  güfyrer  ben  (Entwurf,  ber  an  bie  ©teile  ber 
Btfcfyöfe  ©uberintenbenten  gefegt  Wiffen  Wüßte,  an,  unb  Karl  I.  griff  fttäter,  um  aus  feinen 

25  legten  9föten  einen  ÜKuSWeg  ju  finben,  (lurj  bor  feinem  Slobe  1648)  barauf  bergeblid; 
jurüd;  fein  ©ob/n  Karl  II.  inbeS  legte  il)n  bei  feiner  ÜRücffefyr  $um  %i)tom  (1660)  feiner 
Declaration  ju  ©runbe. 

2ludj  im  ^ocr/berratSbro^eß  gegen  ©trafforb  blieb  U.S  Haltung  nid/t  ganj  ein= 
Wanbfrei.    Bon  Karl  in  ben  engern  2IuSfct/uß  gebogen,  Warnte  er  ^War,   als  ber  einige 

30  SJlann,  ben  König,  baS  ^EobeSurteil  ju  unterzeichnen,  tbenn  er  „nid/t  bon  ©trafforbS 
§od/berrat  bößig  überzeugt  fei",  bergoß  aber  %i)xänm  nad)  ber  Unterzeichnung  unb  wagte 
auet)  einige  abfällige  SKorte  bor  bem  Könige,  aber  bod)  nid^tg  mef)r  als  biefe.  — 

%n  ^rlanb  waren  injWifd/en  infolge  beS  bort  aufgebrochenen  blutigen  2IufftanbS 
(1641)  gefe|Iofe  .ßuftanbe  eingetreten,   bie  U.  buref;  ben  Serluft  feiner  Qabt  jum  armen 

35  3JJanne  gemalt  Ratten;  nur  feine  große  SBibliotfyef  in  ©rogb^eba,  bie  fbäter  nacb,  Sonbon 
fam,  war  au$  bem  Untergang  gerettet  worben.  ©a§  blatte  ben  $önig  beranlaßt,  il)m 
ba§  englifdje  SiStum  Sarli^Ie  ju  überWeifen,  ba§  if>m  jwar,  infolge  ber  Irtegerifct)en 
äöirren  im  englifd)en  Sorben,  (Sinfünfte  nid)t  brachte,  aber  in  ber  golge  infofern  bebeut= 
fam  für  ifm  Würbe,    al§  feine  Berufung  j$u  ber  SBeftminfterberfammlung  bura)  bie  eng= 

40  lieble  ^ßrälatur  jum  ^Eeil  mit  beranlaßt  Würbe.  $ier  Würbe  in  ben  Beratungen  bielfaa) 
auf  U.3  3rifct;e  2lrti!el  jurüd'gegriff en ;  in  ber  ©c|lußreba!tion  b,at  bie  ^onfeffion  bie  3ln= 
läge,  2lufeinanberfoIge  unb  bie  Überfdjiriften  ber  U.fc^en  Vorlage  I)erübergenommen  — 
nur  jWei  neue  2lrtilel,  bon  ber  ©eWiffen^freib,eit  unb  ber  ©l)e,  finb  baju  gelommen,  — 
aber   fein  in  ben  Directions  borgetragener  Sorfcbjag   eine§    jur  ©uberintenbentur  er= 

45  niebrigten  @bif!obat§,  an  bem  bie  Puritaner  freiließ  ifyr  2Bof)lgefallen  Ratten,  fiel  burc^  ben 
©infbrud)  beg  5?önigg.  ^nfolgebeg  jog  U.  fid?  üon  ben  Beratungen  gurüd  unb  fdjleuberte 
nun  olmmäcfytige  unb  b,  efttge  Vorwürfe  gegen  „bie  gefetjlofe  unb  fd)i§matifd;e  SSerfammlung". 
£>a3  Unterb,au§  ließ  feinen  tarnen  au§  ber  3)iitglieberlifte  ftreid)en,  feine  ^ßribatbibliot^e! 
Ionfi§jieren  unb   t^n    berfönlid;   bebrofyen.    ©o  berbradjte  er  bie  nädjften  ^ab^re  rub,elo§ 

so  auf  ber  glud)t  bei  rot;aliftifd;en  greunben  bis  jum  ^ab,re  1646,  Wo  er,  bor  bem  Court 
of  Examiners  Wegen  feiner  Bedienungen  jum  Könige  in  Unterfuc^ung  genommen,  aber 
Wegen  mangelnber  BeWeife  freigegeben,  in  Sonbon  feine  antiquarifcfyen  ©tubien  Wieber 
aufnehmen  lonnte.  §ier  Wägten  ib,n  feine  toolitifdjen  greunbe,  bie  b,odjangefeb,ene 
Quriftengilbe  bon  Sincoln'S  Qnn,  (1647)    ju  il>rem  ^rebiger;    aud;   in  feinem  Bistum 

55  ßarlisle  fd;eint  er  um  biefe  3eü  m  *>en  Sejug  bon  ©inlünften  gelommen  ^u  fein ,  fo 
baß  er  in  feinen  legten  Seben§jab,ren  bor  äußerem  SRangel  gefct)ü^t  blieb.  — 

Um  fo  tiefer  berührte  ib,n  ber  2lu§gang  ber  roba!iftifd;en  ^ragöbie.  21I§  ^arl  feine 
legten  Berfyanblungen  mit  bem  Parlament,  gegen  beffen  unberföf)nlidje  3Jiaßnab,men  U. 
bom  5Robember  1648  an  in  feinen  ^ßrebigten  bon  Sincoln'S  Qnn  gebonnert  fyatte,  Wicber 

60  aufnahm,  berief  er  neben  anberen  Bifdjöfen  aud)  U.  ju  fid;,  ber  ib,n  ^War  in  ber  Bifd;ofS= 


ltfff»er  365 

frage  auf  ble  oben  angebeutete  9JcitteIlmic  z«  brängen  fudjte,  anberfeits  aber  in  ben 
Sßerfyanblungen  mit  ben  jur  legten  ©ntfcfyetbung  entfcfyloffenen  SDiffenterS  mit  feinen  ror;a= 
liftifcfien  Überzeugungen  rüdfyaltSloS  fyerauSging.  9Zac6,  bem  jäfyen  2tbbrud)  ber  Berr)anb= 
lungen  lehrte  er  bon  GariSbroof  ßaftle,  iuo  er  in  ber  Umgebung  beS  gefangenen  Königs 
ausgebaut  blatte,  nact)  Sonbon  als  ©aft  ju  ber  üjmt  befreunbeten  ©räfin  b.  Veterborougb/  5 
jurüd  unb  mujjte  Don  beren  £>aufe  aus  „mit  aufgehobenen  §änben  im  ©ebete  ringenb 
unb  unter  Kummer,  ©cfyroadj)f>eit  unb  Stlter  zufcimmenbred)enb",  ben  Vorbereitungen  zur 
§inrid)tung  beS  bon  ifym  fo  fel)r  geliebten  Königs  jufeb,n.  — 

(Sine  ©inlabung  9ttcf)eIieuS,  ber  ifym  nact)  bem  %aU  beS  Königs  eine  Venfton  unb 
freie  SWigionSübung  in  granlreicb,  angeboten  Ijaben  foll,  entfbrad;  er  nicfyt.  Vielleicht  10 
aus  ©rroägungen  fyerauS,  bie  infolge  ber  anfangs  roofylroollenben  §altung  beS  2orb 
-}>roteftorS  ben  faft  gebrochenen  ©reis  auf  eine  Rettung  eines  XeilS  feiner  firdjlicfyen 
^beale  nodE)  r)offen  liefj.  @iner  SSitte  um  freie  3ieIigionSübung,  roenigftenS  in  bribaten 
Greifen,  bie  er  als  güfyrer  ber  Sonboner  e^tgJo^alen  ©eiftlidjen  an  ßromroeH  richtete, 
rourbe  anfangs  entfbrocfyen ;  als  U.  inbeS  um  fcr)riftltd}e  gufage  bat,  fut)r  Sromroett  ge=  15 
fränft  auf  unb  lehnte  fdjroff  ab. 

©iefe  2lbmeifung  mar  ber  lefcte  ©cfylag,  ber  ilm  traf  unb  feine  legten  lircb/lidjen 
Hoffnungen  jerbracb,.  %a\t  erblinbet  30g  er  fieb,  gu  feinen  roiffenfd)aftlid)en  arbeiten  zu= 
rüd  unb  erlag  einer  Sungenentjünbung,  bie  feine  legten  Gräfte  rafd)  berjetyrte.  „Vergib 
mir,  £err,  meine  ©ünben,  infonberfyeit  meine  Unterlaffungfünben",  baS  füllen  feine  20 
legten  2öorte  geroefen  fein.  21m  21.  9Jiärz  1656  entfdjlief  er,  böltig  gebrochen  im 
76.  $af)re  feines  SebenS.  —  ®ie  reichhaltige  Bibliotfyel,  bie  er  bei  feinem  2lbfd;eiben  nod) 
befafe,  mürbe  Dorn  Vroteltor  $oI)n  Droen  zur  Prüfung  überroiefen,  fobann  für  22  000  £ 
angefauft  unb  nacb,  bem  üfteto  GoUege  bon  Dublin  übergeführt,  enblid)  nacb,  $arlS  II. 
9ftidfel)r  nacb,  üffifntefyall  bon  btefem  bem  Srinitr/  College  in  ©ublin,  mit  bem  U.  fein  25 
ganzes  Seben  tyinburdj  in  enger  Verbinbung  geblieben  mar,  als  $önigSgefd>enf  über= 
triefen.  — 

©in  erfreulicheres  unb  einheitlicheres  Bilb  als  U.S  orgamfatorifcfye  unb  bolitifdje  Slrbeit 
bietet  bie  Betrachtung  feiner  lirdjlicfyen  unb  miffenfd;aftlid;en  Setftungen.  2luS= 
gejeic^net  burd)  ein  trefflicbeS  ©ebäd)tniS,  ein  ©eteb/rter  Don  reifem  Söiffen  unb  großem  30 
©cfyarffmn,  b,at  er  bie  ttyeologifdje  28iffenfd)aft  feiner  ©bocfye  in  tyerborragenber  Söeife  be= 
einflufst  unb  ifyr  in  einigen  ^DiSjiblinen  baS  ©ebräge  feines  ©eifteS  gegeben.  ©elbenS 
QeugniS,  er  fei  vir  summa  pietate  et  integritate,  iudicio  singulari,  usque  ad 
miraculum  doctus  et  literis  severioribus  promovendis  natus,  fbricfyt,  roenn  aueb, 
nicb,t  o^ne  ben  banegtyrifcfyen  3"0  bzv  ©boc^e,  baS  allgemeine  Urteil  ber  gätgenoffen  aus.  35 
®afe  er,  ein  überzeugter  Berater  ^arlS  I.  unb  jugteieb,  bon  Sromroeü  b,ocb/geb/aIten,  in  ben 
ttrajlicfyen  Äämbfen  ber  $e\t  bon  ben  beiben  um  bie  9Jlacr)t  ringenben  Parteien,  ben  9ior;a= 
liften  unb  ben  ^5reSbt)terianern,  geehrt  unb  roieberfyolt  als  ©clb.iebSriditer  in  ben  fcfyroies 
rigen,  bureb,  berfönltcb^e  2eibenfct)aft  bertoirrten  fragen  in  Slnfbrucb,  genommen  rourbe, 
betoeift,  ba^  beibe  ©eiten  feine  geiftige  Überlegenheit  unb  bie  ©fyrluPeit  feines  SBoüenS  40 
anerfannten.  SDiit  Saub,  beffen  ^od^ürd^Iic^eS  Igbeal  bem  feinen  nicb,t  entfbraef),  ftanb  er 
bon  1628—40  in  angeregtem  Vriefroecf)fel;  beibe  berbanb  baS  3nt^r«f^  an  ^cr  SB'fff"1 
ft^oft,  bie  Siebe  jum  2lltertum  unb  ber  ©egenfaij  gegen  3lom,  über  beffen  t£>eoIogifd)= 
^olitifdje  ftkk  freilieb,  tt)re  Slnfcb.auungen  auSeinanber  gingen;  auef)  bie  Uni= 
formierungStenbenzen  SaubS  teilte  U.  nict)t,  bertrat  aber  mit  il)m  __  bie  gorberung  beS  45 
unbebingten  ©et;orfamS  gegen  bie  rechtmäßige  Autorität.  2luS  biefer  Überzeugung  fyerauS 
betonte  er  bie  5ßfltc^t  beS  baffiben  ©eb^orfamS,  bie  er  in  ber  Bibel  begrünbet  fanb,  mar 
infolgebeS  überzeugter  Sfotyalift,  ©egner  ber  rechtlichen  Slnerlennung  beS  ^atb^oliciSmuS, 
ben  er  als  unbtblifcfyeS  unb  grunbberberblicfyeS  ©t)ftem  belämbfte,  mäb/renb  er  bie  gegen 
bie  Äatfyolifen  gerichteten  ©eroaltmafjregeln  berurtetlte  unb  ben  nid)t  ftaatStircb^idien  50 
btoteftantifeb^en  ©emeinfcb,aften  roeit  entgegenlam.  —  2lud)  bogmatifcf)  mar  er  freier  gerichtet 
unb  b^ielt  bie  ftrenge  Sinie  beS  ftaatSlirc|licl)en  (ürebo  tttct)t  inne;  über  bie  $räbeftination 
backte  er  ftreng  calbinifcf),  mäl/renb  er  im  Slbenbmab,!  über  bie  39  2lrtifel  hinaus  6b,rifti 
©egenroart  als  „roirllicb^e  unb  mab,rb,afte"  fafjte.  ^n  ben  erbitterten  ^ämbfen  enblidj  um  bie 
Stellung  beS  Bifcf>ofS  bertrat  er  bie  2lnfid^i,  ba|  ^3reSb^ter  unb  Bifcb^of  bon  gleicher  55 
SBürbe,  boneinanber  nur  bem  ©rabe,  nicfyt  ber  Drbnung  (ober  2Bcu)e)  nacb,  berfcb,ieben 
f«ien,  ber  ©btffobat  alfo  nur  als  eine  b, obrere  firdjlicfye  ©tufe  ju  gelten  fyabt;  baS  biblifebe 
^t  ber  fontmentalen  9ieformationSfircb,en  erlannte  er  an,  fanb  aber  im  Bistum  bie  boH= 
fcmunenfte,  bem  Iirct)Iic^ert  3mede  bien(id)fte  gorm  f>ierarcr)if(i)er  Drbnung.  —  2lud)  bie 
Sonnen  feiner   berfönlid)en  Atömmigleit   trugen   ben   !ircb,lid)en  $US-     211S  ein  „Bifd)of «» 


366  ttfftet 

nad)  a^oftoltfc^em  23orbiIb"  bielt  er  auf  bte  Übung  geregelten  ©ebetö  unb  tägliche  £au& 
gotteSbienfte.  2113  bte  trotte  feinet  33ifct;of3amt§  rühmte  er  bte  ^ßrebtgt.  Vae  mihi,  si 
non  evangelizavero !  War  bte  ^nfdjrtft  feineg  bifa;öfUd)en  ©tegel§,  unb  bon  feinen 
fircfylidjen  Anfängen  an  bte  ju  feinem  STobe  fud^te  er,  Wo  immer  \id)  bte  (Gelegenheit 
5  bot,  bie  ^rebtgt,  bte,  abWeidjenb  Don  ber  üblichen  gelehrten  gorm  einen  au£gefbroc|en 
ebangetifcfjen  $ug  aufwies,  ©te  War  immer,  rühmen  feine  geitgenoffen,  ifyrer  SBirfung 
geWifj,  weil  fie  bolfMimlicb,  unb  btblifa)  ^ugieicb.  War. 

3n  biel  geringerem  SJlafje  fyat  11,  ber  SBifdwf  unb  $trd)enmann,  ben  gorberungen 
ber  geit,  bie  alle  bezaubern  $raft  an  bie  33ertoirfUdmng  eines  Jircbjidjen  ^beal§  fe£te, 

10  entfbroct;ett.  Söeber  bie  ÜberWinbung  ber  üftotftänbe  feiner  triften  $trd)enbrobinä,  nocb. 
bie  'sDurcfyfe^ung  feiner  firdjenbolittfcfyen  3^Ie  gegen  bie  burttanifcfyen  unb  fyocpircfylicfyett 
SBiberftänbe  tft  tb,m  befdjieben  geWefen.  @r  War  leine  §errfcr)eraatur,  bie  über  bte  2öaffe 
golbncr  3flüdfi$t3lofig!eiten  berfügte.  $Da^u  fehlte  iljm  in  jener  an  Reiben  ntcfyt  armen 
$eit  ber  furcfytlofc  Söagemut  unb  bie  eiferne  S&aft,   bte  im  Kampfe  um  ©runbfatj  unb 

15  ©eWiffen  big  ju  ben  legten  @ntfd)eibungen  burd^ält.  — 

©einen  9tad)rubm  unb  ben  $Ia£  an  biefer  ©teile  berbanft  er  feiner  umfaffenben 
©eletyrfamfeit,  ber  2l!rtbie  feiner  Ünterfudmngen,  feiner  grünblicr/en  Kenntnis  ber  britifcfyen 
§anbfa^riften  unb  ifyrer  gunborte  in  ben  Iöniglia)en  2trdj>iben  unb  SifcfyofSregiftem,  enblid)  bem 
raftlofen  @ifer  in  ber  §erbeifcbaffung  neuen  unb  Wertbollen  Materials  jur  ©rfyeuung  unauf= 

20  gellärter  gefd)td;tlid)er  Probleme.  @r  b,at  berfönlid)  unb  burd)  feine  §elfer  ein  un= 
geI)eureS  ütterartfcfyeS  SDtaterial  jufammengebradjt,  Jritifcb,  georbnet  unb  burcb,  bie  ifym 
eigne  2lrt,  unter  Sergid^t  auf  bie  §erau§arbeitung  ber  oft  unter  d)aotifd)em  23rud)geftein 
begraben  liegenben  religiöfen  SBerte,  bie  au§  ben  Quellen  unmittelbar  auffteigenben 
9Jläd)te  einer  fd;bbferifd;en  Vergangenheit  auf  bie  jur  SDtSfuffion  geftetlten  ©egentoart§= 

25  torobleme  Wirten  ju  (äffen,  ber  gefcfytcfytSWiffenfcfyaftltctjen  @rfenntniStI)eorie  auf  bamalS 
noo)  bunfeln  ©ebieten  ber  Geologie  unb  2lrct;aoIogte  bemerkenswerte  ®ienfte  geleiftet 
unb  burcb,  feine  Unterfudmngen,  bie  eine  Weitgefyenbe  Vertrautheit  mit  ben  2ßirlli^)leiten 
ber  alten  unb  mittleren  geit  Verraten  unb  feinen  ©ebanfenftug  btelfad)  über  bie 
©renken  ber  jeitgenöffifcfyen  2lnfcr)auungen   btnauStrugen,  fid)   ein  bletbenbeS  ©ebädjitnis 

30  gefio^ert. 

9flit  feinem  im  ^af)re  1613  gebrudten  2Berfe  Gravissimae  Quaestionis  de 
Christianarum  Ecclesiarum  in  Occidentis  praesertim  partibus  ab  Apostolicis 
temporibus  ad  nostram  usque  aetatem  continua  Successione  et  Statu  historica 
Explicatio  (9leubrud  Sonbon  1663  unb  Hanoviae  1688),  —  baS,  als  $ortfe|ung  ber 

35  Apologia  QeWelS  gebaut,  bie  angltrantfcr/e  SDoftrm  nid)t  nur  als  bie  £eb,re  ber  fecfyS 
erften  ^afyrljunberte,  tote  ^etoel  eS  getan,  in  2lnfbrud)  nafym,  fonbern  tyv  Stecht  aud) 
aus  ber.  Eird)Iicr/en  ©ntwidelung  ber  nad)folgenben  neun  ^ab,rb,unberte  nac^toieS,  h)äb,renb 
bie  römifa;en  ©onberlel'ren  als>  2Bud>erungen  am  ©tamme  ber  Wahren  $ixd)t  nad^getoiefen 
werben,  —  trat  er  mit  einem  ©d)Iage  in  bie  9teib,e  ber  beften  jettgenoffifdjen  2lbologeten  be§ 

40  Stnglilantgmui.  5Den  gleichen  ©ebanfen  berfolgt  fein  fange  ,3^*  als  ein  SDteifterWerf 
anttrömifcfyer    ^otemi!    gebriefene§   Sud)   An  Answer  to  a  Challenge  wherein 

the  Judgement  of  Antiquity  is  truly    delivered    and    the  Novelty  of   the 

now  Romish  Doctrine  plainly  diseovered  1625,  ba§  bie  Übereinftimmung  ber  angli= 
fantftt)en  2lrtilel   mit  ber  £eb,re  ber  brimittben  £ird)e  barlegt   unb  bie   römifo^en  2lb= 

45  irrungen  nad^Wetft,  übrigens  in  freier  ©teßung  jum  römtfö^en  SLrabition^  unb  3lbenbmab,te= 
begriff.  3lud>  feine  Praelectiones  theologicae  unb  ber  au§  feinem  3Zad)Ia^  gebrudte 
Tractatus  de  Controversiis  pontificiis  gehören  b^ier^er.  $n  feiner  Unterfuc^ung  The 
original  Bishops  and  Metropolitans  briefly  laid  down  1641  berfudjt  er  bagegen 
ben  anglifamfdjen  S3tftt}öfen  bie  aboftolifd^e  ©ucceffion  gegen  bie  Angriffe  ber  $re3bfyteri= 

so  aner  gu  binbtjieren.  —  21I§  er  in  bemfelben  ^afyre,  um  gWifd;en  ben  fir^lid^en  ©egen= 
fä^en  ju  bermitteln,  mit  feiner  Reduction  of  Episcopacy  unto  the  form  of  Syno- 
dical  Government,  received  in  the  Ancient  Church  (bon  Sernarb  1647  b.erauög.) 
b,etbortrat,  Würbe  er  be§  33rua)ä  mit  feinen  Überzeugungen  befc^ulbigt.  33ifa;of  unb 
$re§br/ter  finb  nad)  ib,m  eine  aboftoliftt^e  Qnftitutton,  bem  3tange,  nxdjt  bem  üöefen  naa) 

55  unierfa^ieben;  ber  Äixdje  bon  @bb,efu§  ^at  nad)  21©  20, 17—28  ein  IMegium  bon  ^rel= 
b^tern  borgeftanben,  beffen  Settung  in  ber  §anb  eines  SSorfi^enben  (be§  „@ngel§  ber 
©emeine")  lag.  Sluf  ben  Sinien  biefel  Vorgang^  fei  bie  S^euorbnung  ber  anglilanifa;en 
Sßerb,ältniffe  ju  fucfyen,  bie  ^3riefter  (unb  ^irdjenborfte^er)  mit  ber  2tufficb,t  über  bie  $ud)t, 
Unterbifa^öfe   mit  älbl^altung    monatlia^er   ©smoben    über   Se^r=   unb    ®i§jiblinfragen, 

60  Sifcfyöfe   (ober  ©uberintenbenten)   mit  bem  23orft£  in  ben  aßiäb,rlid)en  SDiöcefanftmoben 


Uffter  367 

(ber  Pfarrer  unb  ©uffraganc),  enblicb,  bie  ©rjbifcböfe  mit  ber  £eitung  ber  VrobinziaI= 
fimoben,  bte  alle  brei  ^afyre  bm  gefamten  ®lerug  bereinigen  unb  gegebenen  gad§  ju  einer 
9totionalftmobe  zufammentreten,  zu  betrauen.  2Hfo  X^efen,  bie  nur  als  ein  Verfucb  jur 
ÜberWinbung  ber  bie  $zit  beWegenben  ©egenfäise  Vebeutung  erlangten;  boeb  würbe  fbäter 
in  ben  Unterfyanblungen  mit  ben  £)iffenterg  auf  |ie  jurüdfgegriffen  unb  bie  Vorfcbläge  5 
U.g  ben  2Ibmadmngen  in  einer  Steige  bon  fünften  ju  ©rmtbe  gelegt.  — 

©eine  arcfyäologifcr/en  ©tubien  b/aben  ficr)  in  erfter  Sinie  mit  ber  geftfteHung  beä 
gefdbict/tlicben  ©tanbeg  ber  alteften  irifcfyen  unb  englifeben  Kirdje  befebäfttgt;  im  einzelnen 
gingen  fie  auf  ben  ;ftacbWeig,  bafj  bie  irif$=fcb;ottifd;=englifcbe  $ird;e  bor  ber  rbmifeben 
ÜJfiffion  eine  reinere  §orm  beg  biblifcfyen,  am  ©bangelium  orientierten  Gfyriftentumg  bar=  10 
ftelle,  beren  ©runbjüge  in  ber  unter  ©lifabetb,  Wieber  fyergeftellten  Steformationgfircbe  fieb, 
toieberfänben.  2tuf  ©runb  ber  Vorarbeiten  £elanbg,  ßambeng,  ©belmang  unb,  ßottong 
um  ©Reibung  unb  ©äuberung  beg  firdjengefcbicbtlicfyen  ©utg  bon  fagenfyaften  Überliefe* 
rungen  bemüht,  Wieg  er  in  feinem  Discours  of  the  Religion  anciently  professed 
by  the  Irish  and  British  1631  bie  §od)fd;ä^ung  ber  bl.  ©cfrrift  alg  religiöfer  9iorm  15 
ber  altbritifeben  ®ird;e,  bie  ©runbjüge  ber  ^tedjtfertigunggleljire,  bag  3lbenbmab,l  in  beiber= 
lei  ©eftalt,  bie  bon  ber  römifcfyen  Vrarjg  abwetebenbe  Dfterfeier  unb  bie  üftidjitigfeit  beg 
furialen  9Äacbianfbrud;g  über  bie  beiben  ^nfelftrcfyen  nacb.  ®ie  im  gleiten  JJafyre  er= 
febienene  Veterum  Epistolarum  Hibernicarum  Sylloge  (50  Vabftbrtefe  bom  @nbe  beg 
6.  big  jum  13.  Sa^r^-)  erbringt  im  Wefentlicben  bag  gefdnd;tlid)e  SRatertal  für  biefe  Sfc^efe.  20 
Unb  in  feinem  auf  grünblicben  Dueßenftubien  fufjenben  unb  bureb  eine  fcr)üd)teme  fyiftortfdjie 
ßriti!  auggezeiebneten  §aubttoerle  Britann.  Ecclesiarum  Antiquitates  (1639  unb,  bureb, 
neues*  Material  bermefyrt,  1677  unb  1687)  Werben  unter  Slugfcbeibung  alter  überlieferten 
fagenfyaften  Slnfä^e  bie  gefdncbtlicfyen  Anfänge  ber  $trd)en  feftgefteHt,bie@runb^ügeber  britifeben 
gnttoidehmg  big  9Jlitte  beg  7.  ^jabrlmnbertg  bargelegt  unb  bie  Verpflanzung  ber  Kircfye  25 
unter  bie  nörblicf/en  ©ämme  ber  Viften  unb  ©coten,  enbltct)  bie  triften  guftänbe  emgefyenb 
bebanbelt.  2tudb,  feine  ältere  ©cfyrift  Gottescalchi  et  praedestinatianae  controversiae  ab 
eo  motae  Historia  1613,  beren  Sftaterial  einer  1628  in  Venebig  bom  @arl  Vembrofe  für 
Djforb  erworbenen  £>anbfd)rift  ber  Varoccifcben  Vibliotbef  entnommen  ift  unb  bie  eine  big  bairitt 
unbefannte  ^Recenfion  ber  Confessiones  ©ottfdjtalfg  enthält,  Wie  bie  Dissertatio  non  de  30 
Ignatii  solum  et  Polycarpi  scriptis,  sed  etiam  de  Apostolorum  Constitutionibus  et 
Canonibus  Clementi  attributis  1644;  ferner  bie  Praefatio  in  Ignatium,  bieStuggabe 
ber  ^gnatianifeben  Korrefbonbenz,  Ignatii  Epistolae  genuinae  1647,  fobann  bie  editio 
prineeps  bon  Ignatii  Martyrium  a  Philone  descriptum,  bie  Annotationes  ju  Volt)= 
larbg  Briefen,  bie  bureb  bie  fcfyarf finnige  2lugfcbetbung  ber  umfangreichen  3>nterboIationen  unb  35 
bie  3lnnat)me  bon  bem  Vorfyanbenfein  einer  bon  ibm  bergeblicb,  gefugten,  erft  200  ^ab,re 
nach,  feinem  STobe  aufgefunbenen  ffyrifcb/en  Verfion  ber  Briefe  feiner  Kombinationggabe 
ein  glänjenbe§  3euÖn^  augftetten,  —  finb  fritifcfye  ©änge  auf  bem  ©ebiete  ber  allgemeinen 
ßircfyengefdndjte ,  zugleich,  bie  Vorarbeiten  §u  einer  bon  ifym  borbereiteten  unb  grofj  an= 
gelegten  bogmengefd;id}tlid}en  Theologica  Bibliotheca ,  ju  beren  Slugfü^rung  inbe§  er  40 
felbft  infolge  ber  ftürmifer/en  fetten  nid;t  lam.  Waty  feinem  ^obe  Würbe  baraug  eine 
9Jconograbbie,  bie  Historia  dogmat.  controversiae  de  Scripturis  et  Sacris  vernaculis, 
bie  für  bie  erften  fed)§  ^a^rlmnberte  ben  9?ad)Wei3  bom  ©ebraud}  ber  £anbe£fbrad)e  im 
©ottegbienft  ber  britifcfyen  Äird^e  bringt,  beröffentltdjt.  —  Von  feinen  jar/Ireidjen  Heineren 
Unterf uc^ungen  au<§  bem  ©ebiete  ber  biblifcben  unb  brofanen  6b,ronologie,  ber  biblifd)en  45 
leEtfritif  unb  ber  fird)lid;en  9ted)tggefd)id;te  nenne  icb,  bie  Annales  Veteris  et  Novi 
Test.  1650—54  (ber  Ann.  Vet.  Test,  erfter  ®rud  erfet/ien  in  Sonbon  1650,  bie  Ann. 
Nov.  Test,  una  cum  rerum  Asiaticarum  et  Aegyptiacarum  chronico  ebenba  1650, 
ein  -fteubrud  beiber Genevae  1722),  beren  cfyronologifcfye  3lnfä^e  big  in  bie  neuefte  $eit  in  ben 
Druden  ber  englifd)en  VibelberWenbet  Würben  (Schöpfung:  4004  b.  6f)r.,  ©inbflut:  2348,  50 
3lu§pg:  1491,  sJ{üdf eb,r  aug  @jil :  536);  bie  aug  feinem  5Rad)Iaj$  b,erauggegebene  (unboll= 
ftänbige)  Chronologia  Sacra;  ferner  The  Principles  of  Christian  Rel.  1654;  The 
Method  of  the  Doctr.  of  Christian  Religion ;  De  Graeca  LXX  Versione  syntagma ; 
Epistola  de  variis  textus  Hebr.  lectionibus  1652 ;  The  power  communicated 
by  God  to  the  Prince  and  the  obedience  required  by  the  subjeet  1660;  The  55 
hrst  establishment  of  the  English  Laws  and  Parliament  in  Ireland  unb 
A  Discourse  showing  why  and  how  far  the  Imperial  Laws  were  reeeived  by 
the  old  Irish.  —  9t.  Varr,  fein  Hablan,  bat  zugleich  mit  einem  Life  U.g,  auf  bag 
«He  fbäteren  Viograbben  jurücfge^en,  ben  fefyr  umfangreid^en  VriefWeclbfel  U.g  mit  ben 
ttften  ©eleb,  rten  in  ßnglanb   unb  auf   bem  Kontinent  berauggegeben ;    eine   (Ergänzung  60 


368  ttfffjer  ltftcri 

ba^u  bieten  bie  aSeröffentlicfmngen  bon  $arr§  3Sorgcmger,  Dr.  Semarb  (borficfytig  ju  be= 
nu^en,  ba  93.  ben  breSbr/terianifcfyen  ^ug  in  11.  ungebüfyrlicb,  unterftreicfyt).  —  ©ine  ©e= 
famtauögabe  ber  ll.fcfyen  ©Triften  (mit  Siograbfne)  r)at  Gfy.  3?.  (Slrington,  Regius  Prof. 
of  Divinity,  unter  bem  SDitel:  The  whole  Works  of  the  Most  Rev  James  Usher, 
5  D.  D.,  with  a  Life  of  the  Author  and  an  Account  of  his  writings  1847  in 
16  Sänben  beröffentlidjit.  —  SRubolf  SSubbenfteg. 

Mftert,  £eonI)arb,  ge(t.  1833.  2.  Ufteri  mar  ber  ©ofyn  be§  gleichnamigen  6fyor= 
l)erm  unb  ^rofeffor!»  ber  ^ebräifct)en  ©bracfje  am  ßarolinum  ju  güricfy.  ©er  ältere  V- 
gab  jur  9teformation3feier  1819   in  3Serbinbung   mit  ©al.  SSögelin,   einen   immer  nocb, 

10  brauchbaren,  fr;ftematifcp  georbneten  2lu^ug  an§  3mingli<B  fämtlici)en  ©Triften  in  jmet 
33änben  fyerau3,  bearbettete  auc&,  ben  b,iftorifd)=Iitterartfcr;en  2In^ang  p  gminglil  £e&en 
bon  $.  6.  Ijefj.  2)er  jüngere  11.  mürbe  ju  Süric^  ben  22.  Dftober  1799  geboren. 
2Bäb,renb  ber  $nabe  in  ber  23ürgerfcr/ule  feiner  SSaterftabt  menig  ©efc^icf  an  ben  SEag 
legte  unb  nichts    tr)n  ju  feffeln  bermocfyte,  ma3  ba  gelehrt  mürbe,   entwickelten  ficb,  bie 

ib  5Mme  be§  miffenfcfyaftlict/en  Striebeö  auf  ber  fog.  ©elefyrtenfcfyule  unb  im  Collegium 
humanitatis  in  rafdjem  Verlauf.  25er  innere  SBilbungSbrojef}  begann  mit  bem  ermacf;en= 
ben  ©efüb,!  für  bie  ©d&önfyeit  ber  Älaffifer.  93eranlafjt  gunäcfyft  burcb,  ein  egegetifd^eg 
Kollegium  bei  ^rofeffor  %  ©djultfyefj,  gerieten  etma<§  fbäter  bie  religiöfen  Überzeugungen 
in  bie  @ffe  be§  Iritifierenben  23erftanbes\    Abneigung  gegen  bie  trabttioneHe  ©jegetif  be§ 

20  yi%8,  gegen  bie  Drtfyobope  überhaupt,  mieberfyolte  aber  immer  Vergebliche  33erfucfye,  eine 
SCfJittelftefiung  ju  geminnen  jmifc^en  ber  fircfyUdjen  Se^ranfc^auung  unb  ben  ©rgebniffen 
ber  fubjeftiben  ©enftl)ätigteit,  förmliches  ©tubium  ber  Älaffifer  unter  SBremig  Anleitung, 
befonberS  be§  ©obfyo!Ie§,  nacfyfyer  be§  ^ßlaton,  SSetanntfcfyaft  mit  ber  Iritifcfyen  $ßl)tfofobr;ie, 
Segeifterung  für  gicf/te  unb  9iot)aIi§,  bollenbeter  ^beaü^ums1,  33efd)äftigung  mit  ©cb,Ieier= 

25  macfyerg  @tb,if  unb  SDialeftif,  —  baS  waren  nunmehr  bie  ^b,afen,  melclje  bie  mächtig  er= 
regte  ^jünglinggfeele  burcfylief.  5Die  gärenbe  ©ebanlentoelt  burcfybracb,  enblicfc,  bie  geffeln 
beg  in  ficb,  gelehrten  5RatureE§,  ba§  big  in§  19.  3jab,r  leine  greunbfcfyaft  blatte  auffommen 
laffen,  unb  nötigte  jur  Mitteilung  an  anbere.  ©elegenfyeit  baju  bot  ein  Keiner  Iitie= 
rarifc^er  SSerein,  bie  ßfyorfyerrengefellfcfyaft  genannt,   in  ber  ficb,  bie  tücfytigften  Jünglinge, 

30  mie  £.  9cüfcf,eler,  Q.  II.  Senler,  gerb.  9Ker,er,  ®ab.  ©cf/ultb/efj,  3.  Vi.  pft  unb  33orn= 
I)aufer  jufammenfanben,  unb  bie  burcb,  bie  miffenfcfyaftlicfye  9tegfam!eit,  ben  fittlicfyen  (Srnft 
unb  ben  baterlänbifdjen  ©inn  ü)rer  ©lieber  aucb,  auf  bie  übrigen  ©tubierenben  einen 
mof)ltl)ätigen  ©influ^  ausübte.  (3SgI.  14.  9feujab,r§blatt  jum  heften  beö  2Baifenb,aufe§, 
güricf;  1851,  ©.  12,  unb:  (Erinnerung  an  ^-  Vi.  Senler,  Sieftor  ber  t^urgauifc^en ^anton§= 

35  fct)ule,  grauenfelb  1860,  ©.  17  ff.)  Slber  balb  gewährte  bie  b,eimifcb,e  £eb,ranftalt  bem 
ftrebfamen  ©eifte  nicb,t  meb^r  bie  Sefriebigung ,  nad)  ber  if)n  »erlangte.  SRacfybem  U.  bie 
tb^eologifcb.en  Prüfungen  beftanben  unb  bie  Drbination  empfangen  fyatte,  bejog  er  im 
grübjafyre  1820  bie  llnißerfität  Berlin,  Wo  er  h)äb,renb  na^eju  brei  ^afyren  mit  großem 
Jleifee  feine  pfnlologifc^en,    pb.ilofo^ifc^en   unb  t^eologifcb^en  ©tubien  fortfe|te.    SSocfljä 

40  ^orlefungen  nahmen  fein  »oKes'  3ntereffe  ^n  Slnfprucb,.  Sßor  aUem  aber  mar  eS  ©d)leier= 
macljer,  ber  auf  bie  religiöfe  ©timmung  unb  tb,eolDgifcb,e  ©cnftoeife  UJ  beftimmenb  ein= 
toirlte.  @r  fjörte  bei  ib,m  ©bangelium  ^ol)annig,  2ftoofteIgefci)icr;te,  ^orintb^erbriefe,  Seben 
^efu,  ©ogmatü,  braftifdje  iljeologie,  ©efc^ic^te  ber  mobernen  ^ilofobfyie  unb  ©ialeftif. 
ilucb,  an  §egel  mürbe  nicb,t   borübergegangen,  miemo^l  mit  ©icfyerfyeit  beraubtet  merben 

45  barf ,  bafj  ficb,  bamal§  11.  ju  beffen  fy ilofoflpb,  ie  nocb,  in  fein  anbereg  Sßerfy ältni§  gefe|t 
b,at,  als  ba§jenige  mar,  meines  ©4)Ieiermacb,er  ju  ib,r  einnahm. 

2lu§gerüftet  mit  einer  miffenfc^aftlic^en  SDurcb/bilbung  bon  feltener  ©rünblicb,feit  !eb,rte 
ber  junge  2Jcann  nacb,  Qüxify  pixM,  um  bon  je^t  an  bie  gemonnenen  ©infic^ten  mit  un= 
bermüftlidjer   3lrbeit§Iuft   ^u   bermerten.    ©cb,on  im  2lbril  1823   erfaßten  feine  burdj  bie 

so  Sretfcljneiberfc^en  ^ßrobabilien  beranlafcte  Commentatio  critica,  in  qua  evangelium 
Joannis  genuinum  esse  ex  comparatis  IV  Evangeliorum  narrationibus  de 
coena  ultima  et  passione  Jesu  Christi  ostenditur.  Qn  biefer  ©ct/rift,  bereu  größere 
§älfte  ber  9tocb,meig  ber  ©ifferenj,  b,inficb,tlicf)  ber  ^ßaffab.feier  unb  ber  Slngabe  über  ben 
SobeStag  ^efu  einnimmt,  mirb  mit  ©efcbjcf,  freilieb,  auf  Unfoften  ber  tynobtifc|en  ^rabition, 

65  bem  SSerfaffer  bes-  bierten  ©bangeliumg  bie  2lugen^eugenfcb,aft  binbi^iert.  ^Jocb,  im  näm= 
liefen  ^ab,re  eröffnete  U.  auf  Anregung  beä  ib^m  befreunbeten  %.  Sagbar  bon  Dreßi  ein 
^ßribatfollegium  über  bie  baulinifcfyen  Briefe  für  jüngere  greunbe,  mobei  fein  2lbfeb,en  ber 
Slnlünbigung  jufolge  übermiegenb  auf  bie  Darlegung  beä  inneren  geiftigen  3"fflmmett:: 
fyangS  ber   ganzen   tb,eologifcb,en  2lnficb,t   beö  2lbofteli  unb   ib,re§  5ßerb,ältniffeg   ^u  bem 


Ufteri  369 

Sefyrbegriffe  beS  ^ofyanneS  unb  betrug  gerietet  War.  SDiefc  Vorträge  nun  finb  eS  ge= 
lüefcn,  in  Welcben  ber  ©runb  gelegt  Würbe  ju  bem  Söerfe,  baS  feinem  ÜBerfaffer  fofort 
einen  gefeierten  tarnen  in  ber  tfyeologifiben  2öelt  fieberte  unb  unter  bem  Sitel:  „@nt= 
toicMung  beS  baulinifcben  SebjbegriffeS  mit  §mftc6i  auf  bie  übrigen  Schriften  beS  $euen 
leftamenteS",  fieb.  in  bier,  jebeSmal  forgfältig  überarbeiteten,  WaS  bie  33enu$ung  neuerer  & 
©Triften  betrifft,  teilweife  nur  ju  feb/r  erweiterten  ausgaben  (1824.  1829.  1830.  1832) 
Slnerfennung  in  ganj  $Deutfcr/lanb  erwarb.  (gWei  Weitere  Sluflagen  erfebjenen  nafy  bem 
£obe  be§  33erfafferS  1834  unb  1851.) 

Sei  bem  bolleren  ©inblicfe,  ben  bie  heutige  Geologie  in  bie  SefyrWetfe  beS  2lboftelS 
unb  beren  DrgamSmuS  befi^t,  ift  eS  ein  Seid) teS,  an  ber  2)arftellung  U.S  erfyeblicbe  Mängel  io 
aufjubedEen.    Söenn  er  j.  23.  als  einen  ,§aubtgeficf;tSbunft,   unter  Welkem  bie  fiebere  ent= 
toicfelt  Werben   Wolle,    bie  ©ntgegenfe^ung   ber  borcfyriftlicb/en  gett  unb  beS  ßbrtftentumS 
betrachtet,  fo  bürfte  barin  fcr/toerlicb,  jemanb  baS  ^ringib  ernennen,  aus  bem  fidE)  eine  px- 
treffenbe  Dtefonftruftion  beS  baulinifcben  ©ebanfenfbJtemS  gewinnen  läfst.    2lucr/  giebt  er 
niebt  foWofyl  eine  „(Entwicklung"  beS  eigenartigen,   in  fid^t  gefebjoffenen  SefyrbegriffS,   als  is 
biclmefn-  eine  ^Bearbeitung   ber   einzelnen  Sefyrftüäe   nad)  einem  mitgebrachten  ©cfyema  in 
mitunter  giemlid)  flelettartiger  gorm.     Ufteri  t/at    fic&,  bieS  felber  nict)t   ganj  Verbergen 
fönnen,  Wie  er  benn  (33orWort  jur  4.  2tuSgabe)  offen  gefter/t,    in   ben   erften  2luSgaben 
fjabe  er  bie  baulinifcfye  SEt)eologte,  namentlich  bie  (SrlöfungSlefyre,  ^u  fefyr  aus  bem  ©tanb= 
fünfte  ber  ©cbjeiermacberfcljien  SDogmatif  aufgefaßt  unb   in  beren  $orm  gegoffen.    2lber  20 
wenn  er  fieb,  fcfymeigelt,  in  ber  legten  ber  bon  tfym  beforgten  2luSgaben  biefen  gefyler  be= 
feitigt  gu  b,aben,  fo  ift  bie  3Öab,rb,eit  btelmebr  bie,  baf;  nunmehr  bie  Stuffaffung  neben  ben 
©cbjeiermacfoerfcfyen  ©runbibeen  nodj  überbem  bureb,  bie  ^rinjibien  ber  §egelfd>en  <Sc&uIe 
befyerrfcfyt  Wirb.   U.  maibt  bie  groet  fef)r  richtigen,  feitbem  bon  anbern  ju  (Efyren  gezogenen 
Semerhmgen,  bafj  ber  nacb,  ber  eigenen  ©erect/tigt eit  ringenbe  ^ßauluS  nacb,  feiner  2ki et) rung  bie  25 
©ereebtigfeit  einzig  in  ber  ©nabe  ©otteS  unb  in  ber  ©emeinfdbaft  mit  6b,rifto  gefueb, t  fyabe,  unb 
baf}  bon  einem  fünfte  auS,  bem  ber  (ErfenntniS  ^efu  ßf)rifti  als  beS  ©otmeS  ©otteS  unb 
beS  (ErlöferS,  fieb,  foWofyl  ber  ©efubtSfreiS,   als  bie  ©bbäre  ber  SBirffamteit  beS  2IboftelS 
aHmäbJicr;  erweitert  babe  (4.  2luSg.  ©.  9  unb  10).    2Mre  bie  erftere  SLfyatfacbe  in  ber 
gangen  ©ctjärfe  it)rer  33eftimmtbeit  erfaßt  unb  »erfolgt,   bie   jWeite  bamit  in  SSerbinbung  30 
gebracht  unb  beren  notwenbige  ^onfequenj   für  bie  ©eftaltung  ber  Seb.  ranfefjauung ,   Wie 
fie  fieb  in  ben  ©ebriften  be£  3ltooftel§  niebergelegt  finbet,  in  forgfälige  (Erwägung  gebogen 
toorben,  bann  bätte  foWob,!  bie  Slnlage  ber  ©djrift  im  ganjen,  al§  aueb,  bie  Slbfolge  be§ 
©top  im  einzelnen,   namentlich    im  ^Weiten  SEeile,  eine  anbere  Werben  muffen.    9^icb,tg= 
beftoWeniger  ift  bie  ©ebrift  fcb,on  balb  nacb,  il>rem  @rfcb,einen  mit  5Recbt  al§  eine  feb,r  be=  35 
beutenbe  Seiftung  begrübt  Worben.   Db,ne  nennenswerten  Vorgang  bat  fie  für  ein  erneutes 
unb  bertiefteS  3SerftänbniS   beS  großen  §eibenaboftelS  bab^nbredpenb  gewirrt;  fie  6at  ntct;t 
äum  Wenigften  beigetragen,   baS  33eWu|tfein   um   bie  Slufgabe  ju  Wedcen,   Welche  fieb,  bie 
^Bearbeitung  ber  biblifcb^en  SLbeologie  ju  fteßen  bat,  uno  ift  biefe  feitbem  über  Ü.  b^inauS= 
gefeilten,  f 0  barf  nitt)t  bergeffen  Werben,  ba^  aueb,  ib,  m  fneran  ein  ^eil  beS  SerbienfteS  40 
gebührt. 

@S  War  eben  um  bie  fttit,  ba  ber  toauünifcbe  Seljrbegriff  bie  treffe  berliefe,  baf; 
Sern  ben  bielberfbrecljenben  ©eleb^rten  an  bie  «Stelle  bon  £u^  (93b  XII  ©.  19)  jum 
^ßrofeffor  unb  ®ire!tor  Gymnasii  berief,  ^n  biefer  ©tellung  Wirfte  er  bom  ©ebtember 
1824  bis  an  fein  frühes  @nbe  als  Seb^rer  ber  flaffifcbm  ©brachen  unb  beS  §ebräifcben  45 
—  auSfjelfenb  eine  SBeile  auefy  als  ®ojent  an  ber  bamaligen  3Xlabemie  —  mit  Un= 
berbroffenbeit  unb  gutem  ©rfolg.  ©in  unbeholfener  ^einb  aller  §albbeit,  gehörten 
©enauigleit  beS  SöiffenS,  treue  (Erinnerung  unb  gertigfeit  in  ber  SßerWenbung  ber  er= 
toorbenen  ^enntniffe  ju  ben  ©runbforberungen,  bie  er  feinen  ©cf/ülern  gegenüber  mit 
unenttoeglic^er  ^ä^igfeit,  mitunter  mit  beifjenber  ©cb.ärfe,  geltenb  machte.  Slber  aufy  bor  so 
ben  95ebörbert  unb  bem  ^3ublilum,  in  feinen  öffentlichen  ©dpulreben  unb  Wo  fieb,  fonft 
Gelegenheit  fanb,  Würben  bie  Hemmungen  beleucbtet,  Welche  einer  r/öderen  ©eifteSbilbung 
ber  ^ugenb  im  2öege  ftanben.  9Zicbt  Weniger  lag  LI.  bie  §ebung  beS  ^ürcfyerifcfyen  ©c^ul= 
lcefenS  an,  für  beffen  Gfjorberrenftift  er  jum  Sßerbruffe  feines  33aterS  in  einer  anonymen 
^lugfa)rift  eine  gän§Itcr;e  Umgeftaltung  berlangte.  SöaS  fobann  neben  ben  Dbliegenbeiten  50 
be$  2ei>rberufS  an  ^eit  noeb.  jurücfblteb,  Wibmete  er  raftloS  ber  wiffenfcfyaftltcfyen  gorf(bung 
unb  ber  fcbriftftederifcl)en  ^ätigleit,  Welche  [id^  feiner  berfönlicb,en  Neigung  zufolge,  unter 
fteter  33erücfficbtigung  ber  biblifcf)en  Xb,eologie,  überWiegenb  ber  neuteftamentlicben  Äritif 
unb  ©gegefe  juWanbte.  ©0  Würbe  ib,m  möglieb,  nidjt  nur  bie  Wieberbolten  2luSgaben 
feines  §aubtWerfeS,   beS  baulintfeben  SebrbegrtffS,   ju  beforgen  unb  eine  wertbollc  v^ear=  uo 

8»«at=®nc^Ho()äbie  für  St^eoloflie  unb  SHr<i>e.    3.  Sl.  xx.  24 


370  Uftert  lltenlpim 

bettung  ber  äßolfifdjen  Borlefungen  ^u  ben  toter  erften  ©efängen  be§  IJIiaS  (2  93änbe 
1830),  foroie  eine  gute,  frttifdje  StuSgabe  toon  ^ßlutarcb^  Consolatio  ad  Apollonium 
(1830)  ju  liefern,  ©onbern  wir  befitjen  noct;  überbem  toon  U)m  ^mei  lürjere  2lbfyanb= 
lungen  über  ben  Käufer  ^o^nneg,  bie  Staufe  unb  Berfucfyung  ßfyrifti  (£b©t&  1829 
5  unb  1832),  unb  einen  „Sommentar  über  ben  Brief  ^auli  an  bie  ©alater"  (1833). 
äßenn  jeboer)  in  ber  Sorrebe  ju  biefem  »erlangt  mtrb,  baf?  ber  Slusleger  ba§  Btlb  feines* 
©cfyriftftellers',  tote  es"  fict)  in  ber  ©ct)rtft  abriegelt,  ftoracfylicb,  unb  facfylicr;  beleuchtet  bor 
ben  Slugen  ber  Sefer  emtoorfieigen  lafje  unb  be§r)alb  bezüglichen  $k\%  auf  bie  @nt= 
midelung  beö  3ufammenl)ange§  ber  ©ebanlen  bermenbe,  fo  ift  11.  biefem  $iele  nidjt  naa)= 

10  gekommen.  ®enn  bei  aller  ©enauigfeit  in  ber  grammatifd;=I)iftorifd;en  ^nterbretation  beg 
@injelnen  unb  toieler  5ßräjtJion  im  2lus"brud  ift  nur  menig  getb/an  für  bag,  was'  einen 
tr)eologtfcr)en  Kommentar  über  ben  Sfyaralter  gewöhnlicher  ©diolien  ergebt,  ©em  ©alater= 
briefe  foUte  —  fofern  il)m  ©Ott  Seben  unb  Gräfte  fdjenfe  —  aHmäpdj  bie  Bearbeitung 
ber   übrigen  ©Triften   „beS  Slboftels"    be£  ©eiftes"   unb   nidjt  be3  Sud)ftaben§"   folgen. 

15  Stilein  ©ott  b/atte  anber§  befdjloffen.  Dadjbem  11.  einen  9tuf  an  bie  neugegrünbete  §ocr)= 
fdmle  feiner  Baterftabt  abgelehnt  t)atie,  im  Slugenblide,  als  bie  Berfyanblungen  über  bie 
Umgeftaltung  ber  Serner  Slfabemie  in  eine  ^ocbjdmle  il)rem  Slbfcbjuffe  entgegenreiften 
unb  ein  tr)eoIogifcr;er  £e^)rftut)I  tt)m  in  fixerer  2lusjtd;t  ftanb,  rijj  ib/n,  noct)  nid) t  34  $ab,re 
alt,  ben  18.  ©etotember  1833  ein  jät/er  %oh  aus  ber  Weitgeöffneten  Balm  eme§  fteigen= 

20  ben  Dufymeg  unb  mitten  au§  feinem  E)äu§Itd£>en  ©lud". 

U.  mar  eine  etroas'  nüchterne  Datur,  feiner  ganzen  2lnlage  nacb,  nidjt  foWob}!  jum 
Willensmädjtigen  5Ranne  ber  %fyatr  als  jum  ©elefyrten  gefcfyaffen.  9Jcit  febarfem  Ser= 
ftanbe  unb  Haffifdjem  ©efd;made  toerbanb  er  einen  $bealiSmu§,  ber  e§,  im  fingen  nacb; 
gufammen^ängenber  @rlenntni§,  unter  gurüdftellung  ber  ©rfcb,  einung,   toor  allem  auf  bie 

25  ^bee  abfa^  unb,  belogen  auf  bie  ebangelifct/e  Überlieferung,  bie  Iritifcfye  ©timmung  ^u 
feiner  notWenbigen  Äefyrfeite  t/atte.  £>ie  Söeife,  wie  er  fid>  über  ben  Segriff  be§  SRfytfms 
in  feiner  Slnmenbbarfevt  auf  bie  ©bangelientrabition  auSfbricfyt  (£1?©*®  1832),  madjt  ifm 
jum  unmittelbarften  Vorgänger  toon  ©traufj,  toobei  jeboer)  fet/r  fraglicb,  bleibt,  ob  bie 
lonfequente  SDurdjfübjung  ber  3Jlr;tr/entI)eorie  je  feine  Billigung  erhalten  bätte.     93egeid>= 

30  nenb  für  U.s-  tb/eologifdjen  ©tanbpunft  ift  aufy  feine  „im  brüten  ©äfularjar/re  ber  Ser= 
nifef/en  Deformation"  bor  ber  ftubierenben  ^ugenb  gehaltene  Debe  (3üricb,  1828).  Dfyne 
bafe  be§  etb,ifd>en  galtor§  nur  mit  einem  2öorte  gebad;t  toäre,  gilt  if)m  bie  Deformation 
toomefymüd;  a\§  eine  grud;t  be§  mieberermacfyten  rotffenfdjaftltc^en  ©eifte§,  alö  ein  ©ieg 
ber  Vernunft  über  bie  ©innenwelt.    Si^nlid)   fe|t   er  ba§  urfbrünglidje  SKefen  ber  toon 

35  6r;riftu§  geftifteten,  fittlicb,:re[igiöfen  ©emeinfd;aft  in  bie  Begeiferung  für  2Bab,rb,eit  unb 
gegenfeitige  Siebe.  —  £jm  ^3ribatumgange  mar  IL  nad)  bem  geußniffe  feinet  toon  i^m 
lodibere^rten  Seid;enrebnerö,  be3  bamaligen  ?ßfarrerg  unb  nadj^erigen  ^ßrofeffors'  £u^  — 
beffen  „2;rauerrebe"  mir  bas1  golgenbe  entnehmen  —  ftets-  beft^eiben,  aud)  roenn  er  bie 
$ßalme  trug,  bon  großer  ©ienftfertig!eit,   immer  tooran  in  neuer  Äunbe  toon  ben  @rfd;ei= 

40  nungen  unb  ben  ©dritten  ber  2öiffenfd;aft.  „©eine  ©eifte^art  mar  eine  folcfje,  bie  nacb, 
Dben  fid;  richtete,  bie  SBa^r^eit  ju  flauen,  ber  SBabjfyeÜ  rein  ju  bienen.^  (Stf>öl;t  unb  ber^ 
flärt  b^at  fid)  bieg  auf  feinem  Totenbette  ermiefen.  @r  ftarb  mit  bem  fyeUften  Belnu^t= 
fein  unb  unter  ben  fünften  2tuf$erungen  be§  erb^öb,ten  geiftigen  Sebenl,  ben  Blid  mit 
^Iarb,eit  auf  ba§  Bergangene  unb  Betoorfteb/enbe  gerietet,    ©eine  Söorte  maren  Siebe  unb 

45  ^eilnaf)me.  ©einen  greunben  liefe  er  jtim  3lbfd;iebe  fagen,  er  ad;te  nad;  ber  ©d;rift  ben 
Borangegangenen  für  ben  ©lüdlidjeren"  ©über  f. 


llfuari»u§  f.  b.  21.  Acta  martyrum  Bb  I  ©.  14 


<,1'.! 


Utcn^ctm,  (Sfjriftobb;  toon,  Bifcb,of  toon  Bafel,  geft.  1527-  —  3.  3.  ^er^og, 
etjrtfiopf)  bun  Utentjetm  in  ben  Setträgen  jur  ©eictjidjte  33afel§,  <8ofe(  1839,  @.  33  ff.  9M>en 

50  ben  bort  ertofitjnten  dueüen  ftnb  oor  ädern  ju  nennen  bie  ingtotfcfien  üon  ber  f)iftortfd)en  unb 
ontiquarifdien  ©efeflfdjaft  in  S3afel  f)erau8gegebenen  SSaSier  ßfirontfen,  Setpjig  1872—1902, 
ferner  baS  e^roniton  be§  Äonrab  ^ettifan,  f)er.  üon  Serntmrb  ^tggenbad),  SSafel  1877.  Ue6er 
ben  greunbe§frei§  lltentietmä  ögl.  bef.  ßt)arle§  Sd}tnibt,  Histoire  'li'tteraire  de  FAlsace,  $art3 
1879,    unb  fnepper,    Safob  SBimpfettng,    gretßurg  i.  SSr.   1902.     Ue6er  baS  Sßerpftni§    beS 

55  S8ifcf)ofS  pr  ©tobt  fie|e  §eu§ter,  Sßerfaffung§gefd&ict|te  ber  ©tabt  Safel  int  ffltittetatter.  3)te 
Iird)lid)en  ßuftänbe  im  Sistum  unmittetöar  vor  ber  Deformation  fdjitbert  mit  üoHftänbiger 
S3e^errfct)ung  be§  ard)iüalifd|en  sKateriaIe§  Dub.  SSadernagel  in  ber  S3a§ter  ßeitfdirift  für 
©efd)id)te  unb  9(ltertum8tnnbe,  II,  @.  171  ff.,  S3afel  1903  (Mitteilungen  über  DtabmunbnS 
geraubt  unb  fird}(.  ßuftänbe  feiner  ßeit  in  Söafel). 


lttcnlpetm  371 

2>cr  kassier  33ifdjof  ßtmftobl)  bon  Utenfyeim,  ber  greunb  ©eilerS  unb  äBimpfelirxge 
unb  Öemunberer  unb©önner  be£  ©raSmuS,  gehört  ju  ben  gafylreicfyen  Scannern,  bie  be= 
fümmert  über  bie  mannigfachen  ©cfjäben  ber  $ird)e  unb  boll  reblidjen  28iHen3,  tljmen 
abhelfen,  bie  erften  ©dritte  SutfyerS  mit  Seifall  begrüßten,  allmäfylidj  aber  in  beutlicfyen 
©egenfa§  311  tfym  traten,  unb  gegenüber  beren  Seftrebungen  ^ur  Serbefferung  ber  reli=  5 
giöfen  unb  fittlicfyen  guftänbe  ba3  -fteue  unb  ©igenartige  ber  Deformation  befonberS 
beutlid)  fyerbortritt. 

©r  entflammte  einem  clfäffifdjen  2lbel§gefcf)lecf)te  unb  inuf$  um  bie  SDtitte  beS  15.  3ab,r= 
IntnbertS  geboren  ioorben  fein,  gtoax  nennt  tfyn  ^kffifan  fdjon  1507  grandaevus 
(@I)ron.  ©.  37),  unb  cbenfo  fyebt  ©raSmuS  in  einem  Briefe  1513  bie  ©t>rfurd)t  fyerbor,  10 
bie  fein  Sitter  einflöße.  2tber  nad)  bem  geugniS  beS  $artr)äufer§  ©eorg  ift  er  1527 
geftorben,  cum  fere  octogesimum  attigisset  annum  (33a3l.  ©fyron.  I,  ©.  414).  ©eine 
ßltern  maren  §amg  bon  il.  unb  ©ufanna  bon  SJcülnfyeim.  $m  $al)re  1473  befleibete 
er  ba§  2lmt  be3  DeftorS  an  ber  !urj  borget  geftifteten  Uniberfität  in  23afel  unb  mirb  in 
bem  ^JJatrifelbudje  atö  Artium  liberal,  magister,  juris  pontif.  scholaris  unb  prae-  15 
positus  et  canonicus  eccles.  S.  Thomae  Argent.  begetcfmet.  gugleicb/  finben  mir 
bie  9(0%  bafj  er  am  18.  SDegember  beSfelben  ^at)re§  al§  magister  Erfurtensis  auf= 
genommen  mürbe.  §ier  in  Safel  traf  U.  einen  $rei3  bebeutenber  3JJänner,  bie  an  ber 
Uniberfität  lehrten  ober  litterarifcb,  tfyätig  maren,  unb  beren  geiftiger  SJiittelbunlt  ber 
•rmmanift  unb  entfdnebene  Vertreter  be«  9}eali3mus>  Qo^anncg  |>etynlin  bon  ©tein  (de  20 
Lapide)  mar.  SRit  biefen  Scannern,  gu  benen  unter  anberm  fein  SanbSmann  ©eiler 
bon  $aifer§berg  geborte,  fet)en  mir  U.  balb  eng  berbunben,  tro^bem  bafe  er  im  neuen  2Bege 
b.  b,.  als  Dominalift  unter  bie  magistri  regiert  morben  mar.  (©.  33ifcb,er,  ©efd^td^te  ber 
Uniberfität  Safel  ©.  165.)  gum  ^P^obft  bon  ©t.  Stomas  in  ©trafeburg  mar  U.  er= 
nannt  morben,  nacfybem  fein  Vorgänger  im  Stmte,  Surfart  ©d)ön,  am  10.  ©ebt.  1473  25 
geftorben  mar  (©cfymibt,  Histoire  du  chapitre  de  Saint  Thomas  de  Strasbourg 
p.  272).  2tl§  ^Srobft  besS  SEb/omagfiifteS  gehörte  er  mit  ©eiler  bon  $aifer3berg  gu  ben 
Männern,  bie  ber  SBifdjof  2Ubrecf)t  bon  ©irafeburg  nad)  feinem  StmtSantrttte  im  ^af^re 
1478  mit  einer  ^nf^eftion  feiner  ©iöcefe  betraute  (©d)mibt,  Hist.  lit.  I,  p.  349). 
SSBürbe  unb  $frünbe  am  ©traftburger  XfmmaSfiifte  behielt  U.  junädjft  aucf)  bann  bei,  30 
afö  er  in  ba3  SaSler  SDomtabitel  eingetreten  mar,  unb  liefe  fta),  als  er  1486  mit  ber 
custodia  betraut  mürbe,  burd)  ben  $abft  ^nnocenj  VIII.  ben  nötigen  SDiSbenS  megen 
be§  SefitjeS  praeter  infombatibeln  Senefi^ien  erteilen.  2lm  27  3>uni  1494  jeboa)  ber^id}tete 
er  auf  ba§  jtanonifat  unb  bie  ^robftei  ju  ©unften  feine§  Steffen  SMcfyior  bon  Saben. 
Dtod;  in  bemfelben  ^ai)vi  mürbe  er  burd}  einen  (Srlafj  be§  Slbteö  bon  Gslunr;,  Qacqueö  35 
b'2lmboife,  jum  vicarius  generalis  in  spiritualibus  et  temporalibus  über  ben  Drben  in 
partibus  Alemanniae  ernannt  unb  fbejiell  mit  ber  Slufficfyt  unb  SSermaltung  be3  ^tofterö 
ju  3t.  Sllban  bis>  jur  SefteKung  eineö  Stbminiftrator^  betraut  unb  im  3-  1499  enblid; 
(f.  bie  Urfunbe  bom  30.  ®ej.  1499,  burcf)  bie  fidf)  ber  SSifd^of  (Safbar  ju  D^etn  feine 
Sed)te  borbe^ält)  juerft  jum  3Sermefer  be§  Sanier  Si^tumg  unb  1502  nacb,  bem  iobe  40 
GafbarS  ju  9Jb,ein  gum  Sifcfyof  gemäht,  ©aburcf;  mürbe  bie  2lugfüfyrung  eine§  $Ianeg 
berbinbert,  mit  bem  fid)  ß^riftob^  mehrere  ^a^re  lang  getragen  fyatte.  @r  mar  entfc^loffen 
getoefen,  fid}  gemeinfam  mit  feinen  elfäffifdjen  Sanb^leuten  ©eiler,  SBimbfeling  unb  bem 
3)ominifaner  Xf)omag  Sambarter  in  bie  ©infamfeit  bei  ©djmar^malbeö  jurüdjujieben  unb 
bort  fern  bon  bem  treiben  ber  2öelt  ein  ftitler  Sefcfyaulicfyfett  gemibmetel  Seben  ju  führen.  45 
pit  ^reube  maren  bie  greunbe  auf  biefen  ©ebanfen  eingegangen,  unb  SBimbfeling  I?atte 
ficf)  bereite  in  bem  Mofter  3Jiarientf>al  bei  9Jtatng  bie  nötigen  2tnmeifungen  über  „Schlafen 
unb  2Bad)en,  über  bie  9^af)rung,  über  ©ottesbienft  unb  Arbeit,  über  bie  ^eilige  Sefung 
unb  bergleidjen  £>inge"  geben  laffen.  2111  jebod;  ein  ©cfyreiben  ß^riftobb,!  eintraf,  in 
bem  er  melbete,  bafe  er  ab§  SBifd;of  bon  Safel  in  3lu3fid;t  genommen  fei,  mar  2öimbfe=  50 
ling  burd;au§  ber  2tnficf)t,  bafe  fid;  U.  biefem  Slmte  nid)t  entgie&en  bürfe.  (©.  ben  örief 
23tmbfeling§  an  6b,rift.  in  ber  aSierteljabjgfcfirtft  f.  ^unft  u.  Sitter.  ber  Denaiffance  I, 
p.  233  ff.)  2lnber3  ©eiler,  ber  an  ber  5SJlöglidE)feit  einer  Deformation  ber^meifelte  unb 
aucf)  bann  bon  ber  Übernahme  eines  23i3tum3  abriet,  menn  cS  of;ne  Umtriebe  unb  33e= 
ftea>ng  erlangt  merben  fonnte.  ©elinge  es,  bie  zerrütteten  finanziellen  ikrf)ältniffe  mieber  55 
ju  orbnen,  fo  merbe  baburcb  lebiglid)  bem  3^acf)folger  bie  2Röglicf;feit  berfcfjafft,  befto 
gröfeern  SujuS  ju  treiben.  2Bimbfeling  jebocf)  embfab,l  ntct)t  nur  6f)riftobf),  bem  Dufe 
ju  folgen,  obmobt  feine  eigenen  päne  baburcb  burdjfreujt  mürben,  fonbern  erteilte  if)m 
aud)  fofort  Datfcbläge  für  bie  güb,rung  be§  2lmteS  unb  betonte  babei  befonberl  bie  sJ?ü§= 
'i*feit  jäl)rlid}er  ©iöcefanf^noben,  mic  fie  j.  33.  in  ©beber,  2öorm3  unb  SKains  gehalten  eo 

24* 


372  Utcnfietm 

Würben,  Wieg  aud)  barauf  f)in,  bafj  e§  nicr)t  an  bortrefflid/en  Männern  fef)Ie,  btc  ßkifiobl) 
mit  ber  Erfüllung  ber  einzelnen  Wict/tigen  Slufgaben  betrauen  fönne.  3um  ^e^  biefelben 
©ebanfen  f^ric^t  er  in  ber  ©ebifation  ber  Concordia  curatorum  et  fratrum  mendi- 
cantium  (dd.  Arg.  13.  Febr.  1503)  an  U.  au§  unb  kbt  aud;  l)ier  befonberg  lieber 
5  bie  Vebeutung  ber  ©fynoben  unb  bifdE)bfItcE>en  Vifttationen  krbor.  ©o  fann  e§  ntcf/t  über= 
raffen,  baft  SBim^feling  nod)  in  bemfelben  ^at)re  bon  6r)riftobt)  nad;  Vafel  berufen  unb 
1/ier  mit  ber  5Rebaftion  ber  ©bnobalftatuten  betraut  Würbe,  bie  ber  neue  33ifd;of  auf  einer 
©tynobe  feiner  ©etftltdifeit  borjulegen  unb  fie  baburd;  an  ike  Vflict/ten  ju  erinnern  be= 
abfid;tigte.    ©oWobl  bie  brieflichen  Slufjerungen  SÜßimbfelings»  (colligimus  statuta  syno 

10  dalia,  facio  epitomata  in  eadem,  facio  prologum),  Wie  biefer  prologus  in  statuta 
synodalia  felber  (curavimus  antiquis  synodalibus  statutis  nova  quaedam  addere) 
betätigen,  bajs  e§  fid;  mel;r  um  bie  Sammlung  unb  bie  Stebaftion  ber  befteknben  ©ta= 
tuten  al§  um  ein  neues?  felbftftänbige§  2Berf  t)anbelte.  „3Rit  bieler  5ftük  unb  in  frommem 
Eifer"  macke  ftd;  SSimbfeling  an   biefe  2trbeit,   bie  burcr)au3  ben  bon   ii)m   betretenen 

15  9teformationsborfd;lägen  entfbrad/,  unb  fd)on  am  23.  Dfiober  1503  berfammelte  fid;  bie 
©r/nobe,  auf  ber  bie  ©eiftlid;feit  be3  S3te:tumg  jur  SBeobad/tung  ber  ©tatuten  berjpflid;tet 
Würbe.  SBimbfeling  Wünfcke,  Wie  er  Vrant  fdmeb  (f.  b.  23rief  bei  ^nebber  ©.  360 f.), 
bafj  ber  SBifdwf  felber  in  einer  9tebc  ben  Stlerug  ermahne,  lonnte  ibn  jebodt)  nick  baju 
bewegen.    ©iefer  überliefe  bielmek  au§  SSergagt^ett,  Wie  er  felber  geftanb  (quod  ait  se 

20  pusillanimum  esse)  biefe  Slufgabe  feinem  2SeiI;bifcf)of  unb  berfbrad),  beffen  Siebe  eine 
lur^e  2lnfbrad)e  beizufügen.  ©iefe  SBorie  finb  ben  ©tatuten  beigegeben,  unb  e§  Wirb 
au§brüdlict)  ^erborge^oben,  baf?  fie  ber  33ifd/of  aud)  felber  borgetragen  fyabe.  ©ie  Weifen 
auf  bas>  2lrgerni3  r/in,  bas>  bie  ©eifilickn  mit  ifyrem  ungeiftlickn  SBanbel  bem  33oIfe 
geben,  unb  mahnen  jur  Umfek.    ©abei  berfickrt  fie  ber  SBtfd)of,  bafs  er  feines>Weg3  am 

25  ©trafen  eine  greube  fyabt,  unb  bafj  er  nick  nad)  it)rem  ©elbe  Verlangen  trage,  fonbern 
nad;  ikem  unb  iker  Untergebenen  ©eelenl/eile  bon  ganzen  £>er$en  fhrebe.  Sf)arafteriftifd) 
ift,  roie  bie  93erberbm§  ber  Üird;e  bor  allem  auf  ba£  2Iufr/ören  ber  ©tmoben  unb  ba§ 
TOcf/tbeacfyten  ber  ©tatuten  jurüdgefükt  unb  bon  ©bnoben,  bie  jäEjrltc^  zweimal  nad; 
ben  alten,  bon  bem  Sanier  $onjil   erneuerten  Seftimmungen   abgehalten  werben,  33effe= 

30  rung  erwartet  wirb.  2Ingefid)t3  be<§  ^nb,alteö  biefer  2tnfbrad/e  ober  oratiuncula,  Wie 
fie  2BimbfeIing  nennt,  ift  ber  Eifer,  mit  bem  biefer  iken  ©rud  betreibt,  unb  bie  Hoffnung, 
bie  er  auf  ifyre  Verbreitung  fe|t,  ntcf/t  reck  begreiflid).  üffieil  bie  ©tatuten,  benen  bie 
Siebe  beigegeben  werben  foll,  nod;  geänbert  unb  bermet/rt  werben  muffen,  unb  i^re  $ubli= 
fation  baburd)  berjögert  Wirb,   Wünfd/t  er,   bie  2tnfbrad)e,   fo   lange  fie  nocf/  in  frifa)er 

35  Erinnerung  ftef)t,  allein  gebrudt  ju  b,aben.  Qa  er  ift,  Wie  er  bem  Sudjbruder  Slmerbad) 
fdpreibt  (f.  b.  Srief  bei  Änebber  352),  bereit,  felber  ein  ©olbftüd  an  bie,  Wie  er  glaubt, 
nicf/t  beträd/tlidjen  Soften  beisufteuern.  ©ic  Diebe  bruden  ju  laffen,  fd/eint  i^m  um  fo 
nötiger,  al<§  fie  nur  bon  Wenigen  berftanben  Worben  ift.  Unb  er  iwfft,  bafe  fie  über  bie 
©renken  be§  S3iötum§  b,inauö  bon  ben  ^3rieftern  gelefen  unb   be^ergtgt  Werbe   unb   aud; 

4o  anbern  93ifd/öfen  $um  SSorbilbe  biene.  SBieHeict;t  barf  man  aud)  in  bem  ©efange, 
mit  bem  ber  -Keud;lm  unb  Sßimbfeling  befreunbete  Siftercicnfer  ^onrab  Seontoriuö  bie 
©tjnobe  befingt,  einen  33eWei3  feb^en,  Wie  feb,r  man  in  geWiffen  Greifen  auf  benSifd)of 
unb  ben  bon  ir/m  eingefd/lagenen  2öeg  b,ob,e  Hoffnungen  für  bie  ®irct)e  fe^te.  @in  Süd 
auf  bie  ©tatuten  jebod)  §eigt,  bafe  man  fid;  babor  brüten  mufe,  ba§  SSorget) en  be§ Sifdjof^ 

45  ^u  überfdiä^en  unb  ib,n  beiWegen  afö  einen  greunb  unb  Vorläufer  ber  balb  beginnenben 
Deformation  in  Slnfbrud;  ju  nehmen.  2ßir  f)aben  bielmeb^r  einen  ber  bielen  Verfudje  bor 
ung,  ba§  !ircblid;e  2eben  burct;  2Sorfd;riften  ju  b,eben,  bie  bie  Sfyätigfeit  bes  ©eiftlid>en 
bil  in  alle  ©in^elj^eiten  hinein  regeln,  ©ie  ©tatuten  enthalten  eine  güüe  bon  aud) 
gleid/giltige  2iufeerlid;feiten  regelnben  Sßeifungen  ol)ne   einen   jufammenb,altenben  @runb= 

so  gebanlen,  unb  bon  einer  Dbbofition  gegen  bie  fatb,olifd;e  Sluffaffung  bei  6§riftentum§ 
ober  ba§  ^ierard/ifd/e  ©i)ftem  finbet  fid; '  feine  ©bur,  fo  f et)r  ba§  Veftreben  jum  Slulbrud 
lommt,  bie  bifct/öflid/en  Dedjte  and)  gegenüber  Übergriffen  be§  bäbftlid;en  ©tiu^Ieg  ju 
waken.  ©ie  Slbfidjt,  ba§  erfd;ütterte  bifd)öflid;e  3lnfekn  Wieber  ju  kben,  tritt  freilieb, 
aUentfyalben  J>erbor.    Unb  Wenn  man  nad)   einem  ©runbgebanlen  fud;t,   fo  fann  man 

55  tbrt  in  ber  Überzeugung  finben,  bafe  bie  Verftärfung  ber  bifcf)öflid;en  ©eWalt  unb  it/rcr 
Verteibigung  gegenüber  ben  \i)x  bon  allen  ©eitert  bror)enben  SCngriffen  ba<§  befte,  ja 
einige  Mittel  fei,  bie  §ud)tfofe  ©eiftHd;fett  ju  beffern  unb  bamit  aud;  ba3  fird;Iid;e  Seben 
inggefamt  ju  erneuern.  %m  bie  @rfenntni<3  be§  ©eifteg,  in  bem  biefer  9teformation3= 
berfud;  unternommen  Wirb,  ift  e§  Wichtig,  barauf  gu  ad)ten,  Welche  Süd;er  jum  ©cr/Iitffe 

60  ben  Pfarrern  ju  eifriger  Seftüre  embfof)len  Werben.     @l  finb  bie  ©ckiften  gob^ann  ©er= 


Utcnljeiiu  373 

Jona,  inSbefonberc  fein  Vucb,  de  arte  audiendi  confessiones,  unb  tf)tn  in  ifyrcn  2ln= 
fixten  nafye  fteb)enber  SJtänner,  barunter  Joannes  be  SabibeS  Resolutorium  dubiorum 
missae,  momit  fie  ficfy  befonberS  bertraut  machen  foUen. 

9)lit  ja^Ireictjen,  äb,nlid)en  Verfucfyen,  bie  lircrjlidjen  guftänbe  unb  in  erftcr  Sinie 
baS  Seben  ber  ©eiftlicbcn  $u  beffem,  blatte  ber,  mit  bem  ßfyriftobb,  feine  SEIjättgfett  be=  5 
gann,  aud)  baS  gememfam,  bafe  er  erfolglos  blieb.  £>ie  Slbfic^t,  regelmäßig  ©tmoben 
abjubalten,  liefe  fid)  nicfyt  bermirlltdjen.  35te  Vriefter  beS  ViStumS  moHten  fid^>,  mie  ber 
Öifcbof  bem  Seitor  ber  ^eologie  im  Varfüfeerllofter,  Vellifan,  fagte,  nid)t  reformieren 
laffen,  unb  mäf>renb  fie  im  elfäffifdjen  'Seile  beS  ViStumS  an  bem  2lbel  einen  Stüdfyalt 
batten,  mürbe  eS  bem  Vifcfyof  in  bem  fö^meijerifd^en  Seile  bei  bem  ftüdmeifen  Verlufte  lo 
feiner  bolitifdjen  Vefugniffe  immer  fcfymieriger,  aud)  in  rein  fircr/Iicfyen  fingen  bie  ^üget 
in  ben  §änben  ju  behalten.  SDie  ®omb,erren  aber  machten  geltenb,  bafe  fie  bon  ber 
bifd)öflic|en  Autorität  erjmiert  feien  unb  lebtglid)  unter  bem  $abfie  unb  ifyrem  ©efane 
ftänben.  Unb  bergebenS  maren  bie  ©rjmterten  unb  ifyre  ©jemtion  SRifebraucfyenben  in  ber 
isorrebe  ju  ben  Statuten  auf  ben  Scfylufe  beS  42.  VrtefeS  beS  1)1.  Vemfyarb  r/tngemiefen  15 
tcorben.  ®a  feine  meiiern  Simoben  meb,r  abgehalten  mürben,  fonnte  ber  Vifdjof  aucb, 
nicbt,  mie  er  beabfid)tigt  fyatte,  bie  brevis  summa  catholicae  doctrinae,  bie  ^kllilan 
auf  feinen  SBunfcb,  im  2tnfd;lufe  an  fyerborragenbe  Sebrer  ber  Veitelorben  berfafet  batte, 
feinen  ©eiftlicr)en  als  ©runblage  für  il)re  Vrebigten  empfehlen.   (©f)ron.  b.  Vell.  S.  36.) 

Jn  ben  Statuten  finben  fid)  u.  a.  aud;  Vorfcbjiften  barüber  (Fol.  V)  mie  bem  $u=  20 
fammenlaufen  beS  Volles  -m  gemiffen  Silbern  unb  anbern  angeblichen  üffiunberorten  auf 
Sergen  unb  in  SSälbern  non  tarn  ex  veris   visionibus,    quam   ex  falsis  somniis 
laesae  fantasiae   illusionibus  et  sensuum  praestigiis  fobiel    als   möglief;   gefteuert 
toerben  folle.  Slud)  biefe  Vorfcfyrift  mürbe  man  boUftänbtg  mifeberftefyen,   moUte  man  fie 
als  einen,  ioenn  aucb,  nur  fd}üd}tern  gemalten  Verfud;,  bie  9Wiquien=  unb  $etligenbereb,rung  25 
einmfd/ränlen,  beuten,    ©in  b,albeS  2>ab,r,   nadjbem  bie  Stmobe  abgehalten  unb  bie  Sta= 
tuten  bem  Klerus  borgelegt  morben  mar,  tarn  ber  Slarbinal  sJiar/munbuS  Veraubi  nad)  Vafel. 
Gr  mar  bon  2tleranber  VI.  als  2lblafelommiffär   nad;  ®eutfd;lanb   gefd}idt  morben  unb 
Eebrte  nun  nad;  9tom  gurüd.    Qn  S3afel  bermeilte  er  ein  bolleS  Vierteljahr,   teils   bureb 
bie  §i|e,  teils  bureb,    ©elbberlegenfyeit   gelungen.    Unter   ben   mannigfachen  ®naben=  30 
erruetfen,  bie  er  mäbjenb  biefer  ^ext  b,o!)en  unb  niebern  Vittftellem  aller  2lrt  erteilte,   tft 
bie  ßlebation   ber  ©ebeine   ber  brei   ^eiligen  Jungfrauen  ^unegunbiS,  $Red;tunbiS  unb 
SßibranbiS  in  (Siebtel  fierborjufjeben,   moburd)   biefem  SBaEfabrtöorte  bie  alte,  attmä^ltcb 
berminberte  gugfraft  toieber   jurüdgegeben  mürbe.    ®er  SBtfdbof  ßb^riftobl)   beteiligte  fid; 
nicfjt  nur  mit  feinem  Sßeiljibifdmf  unb   gablretcben  ©eiftlic^en  an  biefem   feierlichen  2l!te,  35 
fonbern  liefe  fid;  bon  Sk^munbuS  aud}  jur  ©lebatton  unb  Translation  ber  ©ebeine  ber 
^eiligen  ©ermanuS   unb  StanboalbuS  im  Stifte  fünfter  in  ©ranfelb  ermäd;tigen,  unb 
entnahm  biefe  Reliquien  im  Jafyre  1505  bem  §od>altare  ber  Iftrdje  unb  transferierte  fie 
an  einen  ber  öffentlichen  Verehrung  zugänglicheren  Ort. 

Jn  bem  Briefe,  ber  Gfyrifiobb,  riet,  fieb,  als  SBtfcbof  mahlen  %u  laffen,  blatte  ibn  10 
ffiimbfeling  auf  bie  güHe  fyerborragenber  Männer  ^ingemiefen,  bie  er  bei  ber  Verwaltung 
beS  SiStumS  ju  feiner  Unterftü^ung  beransiefien  lönne.  £>etn  Stufe,  ben  er  felber  fofort 
erbalten  batte,  nacfjbem  U.  mirflid)  gemäht  morben  mar,  folgten  flpäter  meitere,  fo  bie 
2(ufforberung,  in  einem  bon  bem  23ifi|of  reformierten  9tonnenflofter  menigftenS  für  einige 
3«t  bie  Leitung  ,^u  übernehmen.  (Sin  anberer  elfäffifd;cr  SanbSmann,  auf  ben  ber  Sifdjof  45 
feine  SBIide  richtete,  mar  ßabito.  @r  trat  1515  fein  2lmt  als  Vrebiger  am  fünfter  an 
unb  mar  gugleicb  auä)  als  Se^rer  in  ber  tfyeologifcfyen  galultät  tb;ätig.  ©ine  eigene 
3Jlunfterbräbifatur  mar  fd>on  jur  3eit  beS  Sifd;ofS  2lrnolb  bon$Rotberg  (1451—58)  ge= 
Raffen  morben  gemäfe  einem  betrete  beS  VaSler  $on§ilS  bom  Jab,re  1438,  baS  be= 
ftimmte,  bafe  fortan  jebe  ©omfirdje  einen  Xbeologen  unb  Vrebiger  für  bie  Silbung  ber  so 
liöcefangeiftlicbjeit  unb  bie  Untermeifung  beS  Volles  anstellen  i)aht  (SaSler  Ja^rbudb, 
1895,  S.  154).  ©ureb,  Vermittlung  ßabitoS  lam  nod)  in  bemfelben  ^«^e  aueb,  De!o= 
lambab  nad)  Vafel,  ma^rfdjeinlid)  als  Seutbriefter  am  fünfter,  jog  jeboeb  fd;on  im  fol= 
genben  Jab,re  mieber  fort,  mäf)renb  (Sabito  ein  baar  Jab,re  länger  blieb.  2)ie  Verufung 
bieier  2Jcänner  geigt,  bafe  ber  Vifct)of  bemüht  mar,  burcl)  miffenfcb.aftlid^eS  Streben  unb  55 
Sücfytigr'eit  auSgejeidjnete  Seute  berbeijujieben.  2)od)  barf  man  auS  ibrer  fbätern  Stellung 
jur  Deformation  leine  Scf/Iüffe  auf  feine  eigene  ©efinnung  gieben.  @S  genügt,  baran 
w  erinnern,  bafe  Ccfolombab,  ber  1518  ein  jireiteSmal  nad)  Vafel  lam,  1520  in  baS 
Ötigiüenflofter  bei  SlugSburg  trat  unb  nod)  feineSmegS  ben  Stanbbunlt  einnabm,  auf 
tom  er  ipäter  bie  Sieformation  in  Safel  burd;fül;ren  balf-     1518  mar  Delolambab  einem  «o 


374  tttenfyettn 

Stufe  beS  ©raSmuS  nad;  ©afel  gefolgt,  ben  biefcr  nod)  bon  £öWen  au§  an  tftn  gerichtet 
r)atte.  Unb  ju  ©raSmuS,  ber  1521  nad;  ©afel  überftebelte,  fd;on  borget  aber  öfters  toegen 
beS  ©erfefyreS  mit  feinem  Verleger  groben  in  biefer  ©tabt  »eilte,  füllte  fid)  ber  t)uma= 
niftifd)  gefinnte  ©ifdwf  befonberS  Enngejogen  unb   gab   u)m   ga^Iretdje  93eroeife  ber  ©er= 

5  et)rung,  bie  er  Wie  alle  ©ebilbeten  ber  $eit  für  ben  großen- ©eler)rten  embfanb. 

©oWob,!  ßabito  als  aud;  ©eatuS  9it;enamtS,  ber  b,  äufig  bon  ©fmftobl;  an  feine  %a\d 
gebogen  Würbe,  fd;reiben  ©raSmuS,  Wie  fejfyr  ib,n  ber  ©ifcl;of  fd)ä|e  unb  fid)  nad)  ib,m 
felme.  2tud)  ift  nod;  ein  ©rief  erhalten,  in  bem  u)m  biefer  felber  feine  greube  über  bie 
guten  3Rad)rid)ten  auSfbricl;t,  ilm  ju  einer  balbigen  2öieberr)olung  beS  ©efud)eS  aufforbert 

10  unb  it)m  fein  §auS,  ja  fid;  felbft  unb  aKeä,  Was  er  fein  eigen  nennt,  anbietet,  lud; 
(SraSmuS  fann  nid)t  genug  l)erborl;eben,  mit  welker  ©üte  it)n  ber  ebenfo  burd;  bie 9tein= 
t)eit  feinet  £ebenS  tote  burd;  feltene  ©elefyrfamteit  ausgezeichnete  9Jcann  beljanbelt  l;abe. 
$n  nid;t  weniger  als  brei  bon  ben  uns  erhaltenen  ©riefen  an  feine  englifdjen  greunbe 
erjäbjt  er  bon  bem  Sßferbe,  baS  tr;m  ber  fonft  feineSWegS  als  freigebig  belannte  ©ifd)of 

15  gefd)en!t,  unb  baS  er  felber,  faum  jum  'Sore  InnauSgeritten,  um  ben  ^reiS  bon  50  ©ulben 
belauft  I)abe.  SDaS  Encheiridion  trage  ber  ©ifd)of  fortwäfyrenb  mit  fid;  t)erum,  unb 
er  felber  l)abe  gefefjen,  Wie  ber  9fanb  in  feinem  @r.emblare  botl  Zotigen  bon  feiner  §>anb 
fei.  Unb  in  einem  fbätern  ©riefe  I)ebt  er  fyerbor,  bafe  bie  SluSgabe  beS  9Zeuen  ^eftaments 
burd)auS  mit  ber  guftimmung  beS  ©ifcbofS  erfolgt   fei.    ©iS  in  bie  legten  ^ab,re  feines 

20  SebenS  ftanb  ber  ©ifd;of  mit  SraSmuS  in  brieflichem  ©erfeljre.  Unb  nod;  in  bem  legten 
uns  erhaltenen  ©riefe  beS  ©elefrrten  an  6b,riftobb,  aus  bem  $al)re  1524  finben  Wir  bie 
@mbfel)Iung  eines  ©ucfyeS  £uiI)erS,  De  quatuordecim  spectris,  freilief)  mit  ber  ©e= 
merfung,  Wenn  aud;  in  biefer  ©d)rift  etwas  ©öfeS  fteefe,  fo  Werbe  bie  @infid)t  beS  SeferS 
baS  ©olb  aus  bem  9Jtifte  fyerauSjunebmen  im  ftanbe  fein. 

25  SDafj  ber  ©ifd)of,  ber  bie  ©d;äben  ber  $ird;e  tief  beflagte  unb  bis  gleist  einer  9ie= 
formation  geneigt  War,  bie  erften  ©Triften  £utb,erS,  bie  in  ©afel  eifrig  nadjgebrudt 
rourben,  gerne  las  unb  mit  froren  Hoffnungen  fein  auftreten  begrüßte,  gefyt  aus  ber= 
fd)iebenen  .ßeugniffen  fyerbor.  Lutheri  quidem  scriptis,  flagt  ber  $artt)äufer  ©eorg, 
in  prineipio  multum  favere    videbatur   imprudens,    donec   tandem    serpentem 

30  viridi  in  gramine  latitantem  et  se  et  suam  metropolim  ac  diocesim  graviter 
laesisse  deprehenderet,  sed  nimis  sero  (©aSl.  Gfyron.  I,  p.  415).  ©arf  man  eine 
©teile  auS  einem  ©riefe  EabttoS  an  £utl)er  auf  ßbjiftopb,  begeben  (episcopus 
quidam  eruditus  ac  primae  honestatis),  fo  roar  er  nod;  1519  bereit,  fid;  für 
£u;I)er  gu  berWenben  (f.  ben  ©rief  bei  Scultet.,    Annal.  p.  44).    SDod)   ift   biefe  ®eu= 

35  tung  zweifelhaft.  2lber  nod;  1520  tonnte  Söimbfeling  feinem  alten  ©önner  fcfvreiben: 
„9ftöd)ten  bod)  alle  beutfd)en  ©ifdjöfe  unb  bie  übrigen  ©rofjen  gugleicr;  mit  ben  ©d;Wei= 
jern  barauf  bebacfyt  fein,  ben  ^ßabft  £eo  jur  SRilbe  ju  ftimmen,  bamit  er  nidjt  £utb,er 
ganj  ju  ©runbe  gelten  laffe,  einen  5Rann,  ber  nid;t  nur  in  feiner  £et)re  fid;  als  ebange= 
Iifd;en  Sljriften  beroät;rt,  fonbern  aud)  in  feinem  ganzen  £eben"   SDod;  gleicb,  Wie  2ßimbfe= 

40  ling  felbft,  fo  Wanbte  fid;  aud)  ber  ©ifdjof  mit  ©ntfi^ieben^eit  bon  £utb,er  ab,  als  bie 
5^onfequenjen  bon  beffen  ©orge^en  beutlid)  ju  Stage  traten.  Unb  bie  ©reigniffe,  bie  aud) 
in  ©afel  bie  !fteugeftaltung  ber  !ird;lid)en  ©erbältniffe  herbeiführten,  baben  fid;  olme  unb 
gegen  feinen  ÜJBiUen  bolljogen.  ©r  War  jebod;  um  fo  Weniger  im  ftanbe,  fie  ju  ber= 
|inbern,  als  fid;  bie  ©tabt,  bie  1501  ber  fcr)Weiäerifd;en  @ibgenoffenfd)aft  beigetreten  War, 

45  bem  ©influffe  beS  ©tfa^ofS  immer  met;r  entzog.  2öol)I  Ejatte  ß^rifto^l)  bei  ber  Über= 
nab;me  feines  SlmteS  eine  ©eWanbtljeit  in  ben  ©efd;äften  beWiefen,  bie  il;m  felbft  fein 
©ereb,rer  Sßimbfeling  n\d)t  gugetraut  hatte,  unb  fid;  beim  ©erfud;e,  bie  zerrütteten  finan= 
gellen  ©erbältniffe  beS  ©iStumS  ju  orbnen,  einer  ©barfamleit  befliffen,  bie  il)m  manage 
als  ©ei$  anzurechnen  geneigt  Waren.    2lber  bem  fingen   ber  aufblüb,enben  ©tabt  nad) 

50  Unab^ängigleit  unb  ber  fortfd)reitenben  3lbbröd'elung  ber  bifcf)öflid;en  ^Red;te  J^ätte  aud; 
ein  tl)atlräftigerer  2Rann  als  ber  greife  ©ifd;of  mit  feiner  ju  ftiller  ©efd;aulid;lett  neigen* 
ben  ©eleb,rtennatur  nid;t  §alt  ju  gebieten  bermod;t.  ©on  2lIterSbefc^Werben  unb  $ranf= 
l)eit  b^eimgefuc^t  erhielt  er  1519  in  bem  SDombelan  TOflauS  bon®ie§bad;  einen  Hoabjutor. 
2lber  nun  erflärte  ber  9tat  ber  ©taat,  bamit  fei  aud;  bie  burd;  ßftrifto^f)  1506  gegebene 

55  £>anbbefie  aufgehoben,  unb  Weigerte  fid;,  fie  aufs  9?eue  ju  befd; Wbren.  Unb  als  ber  ener= 
gifd)e  toabjutor  ben  ©aslern  baS  bon  ib,nen  nad;  bem  ^obe  beS  ©rafen  ^b,ierftein  be- 
fehle ©d;lo|  ©fäffingen  nidjt  überlaffen  Wollte,  befct)Io^  ber  erbitterte  diät  1521,  in  3U= 
tunft  feinem  ©ifd)of  meb,r  ^u  fdjwören. 

^atte   fo  ber  dtat  ben  entfdjeibenben  ©d)ritt   gettian,    um    bie  ©tabt    gänjlid;   ber 

60  £>errfd;aft  beS  ©ifcfiofS  ju  entheben,   fo  jeigte  er  fid;  bereit,   itmt  entgegenjufommen,  als 


Utenfyctin  375 

fidb,  biefer  im  folgenbcn  %abu  an  ihn  Wanbte  Wegen  beS  atrgernifjeä,  *baS  einige  £uma= 
niften  burcb,  einen  ©banferfelfcfymauS  am  s$almfonntag  gegeben  Ratten.  9ftd;t  nur  mürbe 
ben  Teilnehmern  ftrenge  ©träfe  angebrob/t  für  ben  galt,  baf?  ficb,  bergleicfyen  Wieberfyolen 
fotttc,  fonbern  bei  biefem  2lnlaffe  aufy  ben  ^ßrebigern  »erboten,  ber  33erfünbigung  beS 
(SbangeliumS  nadj  althergebrachtem  SSerftänbniffe  neue  fielen  beigutmfcfyen.  gerner  mujjte  5 
ber  l'eutbriefter  gu  ©t.  2Uban  2ßilf>elm  9teublin,  ber  unter  großem  Zulaufe  heftig  gegen 
bie  §ierard)ie  unb  ^nftitutionen  ber  I'ircfye  brebigte  unb  bei  ber  $rofmlet(f;namSbrogeffion 
an  ©teile  ber  Reliquien  eine  Sibel  getragen  b, atte,  auf  anbringen  beS  33ifd^of§  bie  ©tabt 
berlaffen,  tro^bem  bafj  ein  l)a!beS  §unbert  grauen  aller  ©tänbe  aus  feiner  ©emeinbe  bor 
baS  9tatbauS  famen  unb  für  ilm  gürfbradje  einlegten  (9tyff,  33aSl.  Gfyron.  I,  ©.  32 f.  10 
3.  ferner  ben  Srief  beS  SBaf.  Stmerb.  bei  S3urdf)arbt=23iebermann,  SonifatiuS  Stmerbacb, 
3.  156 f.).  $ie  ©d)rift  De  interdicto  esu  carnium,  bie  ©raSmuS,  beranlaftt  bureb, 
ben  SpanferfelfdnnauS,  an  ben  Sifdwf  richtete,  unb  in  ber  er  für  bie  2tbfd)affung  einiger 
geiertage  unb  bie  Slufbebung  beS  ßölibatSgWangeS  eintrat,  ficb,  gugleicb,  aber  nacfybrüdlicb 
gegen  jebeS  eigenmächtige  $orgefyen  auSfbracl),  geigt,  inwiefern  ber  33tfdE)of  aueb,  je|t  noeb,  15 
al§  greunb  einer  Deformation  betrachtet  Werben  fonnte.  9Jcit  SDeutlicbJeit  gefyt  bieg  bor 
allem  aueb,  auS  bem  Schreiben  fyerbor,  mit  bem  er  am  22.  Dftober  1523  bie  ©inlabung 
ber  3ürct/er,  am  gWeiten  DeligionSgefbräcb,  teilzunehmen,  beantwortet.  9cad;bem  er  guerft 
auSetnanberfetjt,  baf$  bie  Silber  unb  bie  SSJceffe  Weber  ber  b,l.  ©cbjift  Wiberfbräcf/en,  noer;  ben 
d)riftlid)en  £ergen  gum  Ärgernis  gereichten,  fonbern  gu  f>erglid)er  2lnbad)t  beitrügen,  betont  er  20 
naa)brücflicr/,  bajj  eS  niemanb  guftefye,  bon  ftcb,  aus  in  biefen  Dingen  eine  Slnberung  borgu= 
nehmen,  fonbern  bafc  bieS  lebiglicb,  burcb,  eine  allgemeine  23erfammlung  unb  eine  (Srftärung 
ber  $ircf)e  felber  gefct;et)en.  !önne,  unb  bafj  ein  eigenmächtiges  33orgef)en  gur  Trennung  unb 
bamit  gu  fernerem  3irgerniffe  führen  muffe.  SllS  bie  gürdjer  entgegen  feinem  State  b,an= 
bellen,  feftfofs  er  fidt)  ben  33ifd)öfen  bon  Äonftang  unb  Saufanne  an  unb  ermalmte  mit  25 
ifjnen  gemeinfam  bie  ©ibgenoffen,  bei  ber  alten  Religion  gu  beharren,  borbef)a(tlicf)  bie 
3lbfd;affung  einzelner  9J}tf$bräud)e  gu  gelegentlicher  geit.  Sluct)  in  Safel  fudjte  er,  fobiel 
in  feiner  $raft  ftanb,  gu  berr/inbern,  bafj  bie  neue  Bewegung,  bie  immer  meb/r  bie  ©runb= 
lagen  ber  bisherigen  ^ird)e  in  grage  ftellte,  weiter  um  fict)  griff.  211S  Defolamtoab  1522 
nun  brüten  9Rale  nacb,  SBafel  lam  unb  nun  mit  grofjem  ©rfolge  im  ©inne  SuifjerS  bre=  so 
bigte  unb  lehrte,  berbot  ber  33ifdt)of  ben  ^rieftern  bei  Serluft  tt;rer  Sfrünben  unb  ebenfo 
ben  ©liebern  ber  §ocbfdmIe,  ib,n  gu  beeren  (9tr/ff,  SaSl.  ßfyron.  I,  ©.  36).  2öemt  Cefo= 
lambab  trofcbem  bie  §omilien  über  ben  1.  QofyanneSbrief,  bie  1524  im  ©ruef  erfcb,ienen, 
bem  53ifcf)of  unb  feinem  ^oabjutor  roibmete,  fo  tb,at  er  eS  weniger,  Weil  er  fie  baburd) 
ju  gewinnen  b,offte,  als  Weil  er  geigen  Wollte,  bafj  feine  ^rebigten  baS  Sic^t  beS  SageS  35 
nid)t  ju  freuen  bitten.  ®r  Wu^te,  Wie  bie  Söibmung  geigt,  baf}  bie  bergen  ber  Sifcfyöfe 
ib,m  unb  feinen  Srübern,  bie  baS  ©bangelium  lauter  berlünbigten,  bereits  entfrembet 
toaren.  2lber  aueb,  aus  bem  bereits  früher  erwähnten  legten  uns  erhaltenen  Sriefe  beS 
GraSmuS  an  6b,riftobb,  get)t  b,erbor,  bafj  fieb,  biefer  immer  noeb,  gerne  mit  feinem  gelehrten 
^reunbe  über  eine  Deformation  ber  Äircb,  e  unterhielt,  freilieb,  eine,  Welche  bie  ©runblagen  40 
ber  fatt)oItfct)en  ^irclje  unangetaftet  lief}  unb  bon  ben  23ifct)öfen  ausging.  SGBir  feb^en  ben 
greifen  S8ifcr)of  mit  ber  Seitüre  bon  ©djriften  befeb^äftigt,  bie  SBefferungSborfcb^läge  machen, 
aUerbingS  mit  ©c^riften,  bon  benen  fieb,  ©raSmuS  feine  grofee  äöirlung  auf  bie  ^eitgenoffen 
berfbrid)t,  Weil  bie  eine  nimis  sapit  jura  pontificia  unb  eine  anbere  mit  ilpn  retd;= 
liefen  ©taten  aus  ben  Sifionen  ber  b;l.  33rigitta  bie  Seute  jum  Sachen  reiben  Wirb.  45 
öeflieb  Iel)nt  er  barum  aueb^  bie  S3itte,  einer  biefer  ©Triften  eine  SSorrebe  mitzugeben, 
ab.  itUe  über  ben  ilkrt  biefer  Sücber,  fo  barf  er  fiel)  feinem  alten  ©önner  gegen= 
über  jeboef)  auc^)  barüber  leife  ^Weifel  erlauben,  ob  bie  $Berfud)e  beS  neuen  ^ßabfteS 
§abrian,  bie  lirdbjicfyen  ßuftänbe  ju  beffern,  Wirflict)  ber  grömmigfeit  gu  ®uti  lommen 
Serben.  50 

2Üir  i)abm  fein  Stecht,  gb^riftotol)  bon  U.,  Wie  bieS  fmufig,  g.  33.  aud)  Sb  III  ©.  715, 51 
gefcbjebt,  einen  ebangelifcfy  gefinnten  Sifcb,  of  ju  nennen,  WenigftenS  Wenn  biefeS  Sßort  einen 
@egenfa£  gegen  bie  fatb,  olifc^e  3luffaffung  beS  GbjiftentumS  unb  eine  Hinneigung  gu  ben 
neuen  bon  Sutber  betretenen  33eftrebungen,  bie  S?ircf;e  gu  erneuern,  begeiefmen  foH.  2Iucf) 
baS  SBefenntniS  Spes  mea  crux  Christi,  gratiam  non  opera  quaero,  baS  auf  ber  55 
bonßbjiftobfy  in  baS3Jcagbalenflofter  gu  Söafel  geftifteten  ©d)eibe  unter  ber  gu  bengüfeen 
i>es  ©efreugigten  flagenben  9ftaria  3JIagbaIena  ftcb,t,  bereinigt  nicf)t  bagu.  ®ic  Söorte 
iprerf>en  nichts  auS,  WaS  ntcf>t  ein  frommer  Äatbolif  gu  allen  Reiten  als  feine  Uber= 
>euc^ung  blatte  befennen  fönnen.  ©ie  geben  aueb  lebiglicb,  Wieber,  wa§  (St>rtfto^r)  bei  bem 
"on  ib,m  unb   feinen  Arcunbeu  ©cilcr  unb  ÄUmbfeltng   b,od)  bereiten  ©erfon  gefunben  gu 


376  lttentjetnt  SBäter  bc§  guten  ©terben§ 

t/atte,  beffen  testamentum  Peregrini  metricum  mit  ben  äöorten  fdjliefjt :  Spes  mea 
tu  Jesus  est:  gracia  non  opera. 

$m  gebruar  be§  %at)xe§  1527  fanbte  6b,riftotob,  bon  ^runtrut  auf,  mo  fd)on  feine 
Vorgänger  metft  ju  reftbteren  pflegten,  33oten  an  ba3  SDomfabitel  mit  ber  Sitte,  ifyn 
5  feiner  3Bürbe  ju  entheben,  entfcf/Iief  aber,  nod)  bebor  ein  neuer  33ifd)of  gemäfylt  werben 
mar,  am  16.  Sftärj  be§felben  ^jabreS  in  feinem  ©d)loffe  §u  SDelSberg  unb  mürbe  aud) 
in  ber  bortigen  $ird;e  bor  bem  §aubtaltare  begraben  (Basilae  sacra  p.  358  s.).  2lu§ 
bielen  guten  ©rünben  r)aite  er,  wie  ber  $artl)äufer  ©eorg  berietet,  ben  Söunfcb,  aus= 
gefbrod)en,  nid)t  in  33afel  beftattet  ju  werben  (23a<§I.  (SI)ron.  I,  ©.  414).  Qn  ber  Tfyat 
io  mürbe  in  biefer  ©tabt  bie  Deformation  nad)  jmei  ^afyren  enbgüttg  burd>gefül)rt. 

@feerl|ari>  3Hftf|er. 

Ittraqmftcn  f.  b.  31.  £u£  33b  VIII  ©.  487,22. 

Uljtenbogaeri  f.  Sötenbogaert. 


V. 

1«,         Fabian  f.  SBSatt. 

Wättv,  2Iboftolifd;e  f.  33b  I  ©.  711. 

SSärer  ber  djrtftl.  Sdjre  f.  Soltrinarier  33b  IV  ©.  765. 

SBäter  be§  guten  ©rerfcettS.  —  Cuelten  u.  Sitteratur:  <San^io  ßicateüi,  Vita  del 

P.  Camillo  de  Lellis,  Viterbo  1615;    $eU)ot,  ©efd}icf)te  ber  Ätöfter  imb  3fttterorben,  Seidig 

20  1754,  IV,  310—323;  SS.  Säumfer,  Ser  61.  gatniHuS  uon  SeHiS  unb  fein  örben,  granffurter 

äeitgemäfee  SSrofcbüren  5R&  IX.  *jb  2.  §eft,  granffurt  1887;   §eitnbucber,   Drben  unb  ®on= 

gregattonen  ber  fattj-  Strebe,  ^aberborn  1897,  II,  264—269  (Ijter  roeitere  Sitteratur). 

©te  SSätet  be§  guten  ©terbenS  ober  be§  guten  Xobe§,  Stgonijanten,  clerici  regu- 
läres ministrantes  infirmis,  finb  mie  biele  anbere  Drben  ein  ^ßrobuft  ber  fatfyoHfdjen 

2ö  DeftaurationSbemegung  in  Stalten  mäfyrenb  be§  16.  3a^untortg-  9")r  ©ttfter  tft  ber 
bon  ^Sabft  33enebilt  XIV.  im  Qafyre  1746  heilig  gefbrocfyene  (Samittug  be  Seliiö  (bie 
ältefte  33iograbI)ie  f.  oben  bon  ßicatelli).  Gamillug  be  £elii§  ober  £eHi§  mürbe  1550 
ju  33ud)ianico  im  Deabolitanifcfyen  geboren.  Tyrüf)  bertoaift  führte  er  al3  ©ölbner  in 
benetianifcfyen  SDienften  im  Kriege  gegen  bie  Stürfei   ein   itülbes»,    bor   allem  ber  ©biel= 

30  leibenfef/aft  ergebenes  Seben,  bi€  er  fid)  burd)  eine  offene  Söunbe  am  ©d)enfel  genötigt 
fat),  im  ©t.  Qafob'ofyofyital  ju  Dom  ein  llnterlommen  &u  fud)en.  ®ie  Erfahrungen  ber 
Dad^äffigteit  unb  ©leidjgiltigfeit  ber  Slranlenbfleger  führten  ifyn  1582  ju  bem  @ntfd)Iu|, 
eine  ©enoffenfcfyaft  jum  gtoeef  forgfältiger  ^ranfenbflege  gu  ftiften.  2tl§  32jäb,riger  b,olte 
er  mie  2or)oIa  bie  mangelnbe  ©dmlbilbung   auf  bem  ^jefuttenfoHeg   in  Dom  nad)   unb 

35  trat  l)ier  in  enge  Regierungen  ju  bem  bJL  ^ßr/ilibbuS  Deri.  $n  Dom  erhielt  er  1584  bie 
^rieftermeifye  unb  mürbe  Fabian  an  ber  ^ircf)e  La  madonna  dei  miracoli.  1584  be= 
grünbete  er  b/ier  bie  ©enoffenfd)aft  ber  SSäter  be§  guten  ©terbeng,  bie  fid;  bie  $ranfen= 
bflege  unb  namentlich  ben  feelforgerifd^en  33eiftanb  in  ber  'jXobeäftunbe,  befonberS  ber 
^eftfranfen  gur  Aufgabe  machte.    ®urct)  ©i£tu<§  V    erhielten  fie  1586  ifyre  33eftätigung. 

40  3ln  ber  ©bi|e  ftanb  ein  auf  brei  3afyre  geiüär)Iter  ©uberior,  ber  ^Priefter  fein  mufste. 
Qux  tlnterfd)eibung  toon  anberen  regulierten  ^lerüern  trugen  fie  auf  bem  fd;marjen  %alat 
ein  lob/farbeneS  ^reuj  auf  ber  linfen  ©eite.  ©regor  XIV.  erb,ob  bie  ©enoffenfdjaft  ju 
einem  förmlichen  Drben  mit  ber  Sluguftinerregel,  nad)bem  fie  in  ber  ^ßeftepibemie  1590 
ib,re  fyingebenbe  Dj)fermttIigMt  bemiefen  r)atte.    ®ie  ministri  infirmorum  legten  neben 

45  ben  brei  3)Jöncb,§geIübben  als  öierteS  ba<§  be§  ^ranfenbienfte§  aueb,  gur  ßeit  ber  ?ßeft  ab. 
^n  ben  neunziger  ^ab,ren  be§  16.  ^afyrr/unbertS  oerbreitete  fid)  ber  Drben  in  $taton/  fo  ba| 
ib,n  ^ßaul  V  1605  in  bie  fünf  ^rotoin^en,  Dom,  SJJailanb,  Dea^el,  Bologna,  ©i^ilien  teilte. 
1607  legte  SamiH  fein  a3orfte^eramt  nieber,  geklagt  bi§  ju  feinem  %ohe  bon  ber  eitern* 
ben  SBunbe  am  ©cb,enfel.    1613  toob,nte  er  nod)  bem  fünften  ©eneralfatoitel  feinet  Drben§ 

50  bei,  am  14.  ^uü  1614  ftarb  er.  23ereit<§  1613  blatte  ber  Drben  bureb,  aufobfernbe  Pflege 
200  9)litgliebcr  oerloren.    SBcnn   aud)   bie  ftafyl  ber  Drbensf)äufer   nad)   bem  lobe  bcö 


bitter  bc§  guten  Sterbens  Söter  bc§  SobcS  3? 7 

Stifters  gunatmi,  fo  mürbe  ber  Drben  bureb,  bie  Veftepibemien,  in  benen  feine  ©lieber 
Ijelbenmütig  pflegten,  immer  mieber  ftarf  be^imiert.  ©o  blieben  3.  V.  in  Neapel  1657 
bei  einer  folgen  ßpibemie  bon  100  Tätern  nur  toter  unb  bon  ben  %afy freieren  Vrübern 
nur  einer  am  £eben.  Stufeer  Italien  bat  er  fid)  noeb,  nacb,  Portugal,  ©panien  unb  bon 
bort  nacb,  2lmerifa  Verbreitet,  $n  neuerer  ßeit  b)aben  bte  Später  beS  guten  SEobeS  bei  5 
Gboleraepibemien  unb  auf  bem  ©cr)lacr)tfelbe  eine  fegenSreict)e  ^E^ättgfeit  ausgeübt,  %n 
Spanien  mürben  bie  DrbenSfyäufer  unter  ber  .Königinmutter  6f>riftine  in  ben  40er  $ab/ren 
beS  19.  ^ab,rf)unbert§  aufgehoben,  aueb,  bie  toter  erft  in  neuerer  $e\t  in  granlreicb,  ge= 
grünbeten  -ftiebetlaffungen  finb  mieber  berfeb/munben.  9cur  in  9toermunb  in  §oltänbifcr;= 
Limburg  mürbe  1884  ein  neues  DrbenSfyauS  begrünbet.  Qn  Stalten  befi£t  ber  Drben  noeb,  eine  10 
ßafyl  §äufer,  beren  ©triften^  aber  bebrob/t  ift.  ©aS  §auptl)au§  ift  baS  toon  Samill  1586 
in  9fom  begrünbete  §auS  bei  ber  Kircbe  la  Maddelena,  in  bem  ber  auf  fed)S  Qafyre 
getoäblte  ©eneral  refibiert.  Sie  9Jtitglieber  beS  DrbenS  befteben  aus  ^ßrieftern  unb 
iörübern,  bon  benen  bie  lederen  bie  Kranfenpflege  beforgen.  3U  ^^fen  Aminen  noeb) 
Cblaten,  benen  bie  Verrichtung  ber  r/ä'uSlidjen  arbeiten  obliegt.  Stufjer  ben  toter  ©elübben  io 
legen  bie  üJUtglieber  noct)  bier  einfache  ©elübbe  ah,  in  bem  bom  t)I.  ßamiHuS  bor= 
getriebenen  Kranlenbienft  feine  2tnberung  borgunefymen,  lein  (Eigentum,  baS  ben  Käufern 
gehört,  5U  beanfprucfyen,  nacb,  leiner  Söürbe  innerhalb  unb  aufjerb/alb  beS  DrbenS  ju 
ftreben,  unb  fogar  Slnjetge  gegen  Vrüber,  bie  folcfye  Söürben  erftreben,  ju  erftatten.  9?ur 
ben  ÜJtobijiaten  unb  Kranlenfyäufem  finb  fixere  ©innafymen  geftattet,  bie  Vrofefjfyäufer  20 
finb  auf  2tImofen  angemiefen.  Wie  Pflege  ber  Kranlen  foll  olnte  9tücfficf)t  auf  bie  Kon= 
feffion,  aber  mit  befonberer  Sorgfalt  für  baS  ©eelenfyeit  ber  Uranien  ftattfinben.  SDurcb, 
bie  ©ttftungSbulle  ift  auSbrücflicb,  berboten,  Kranle  ju  bewegen  ein  Seftament  ju  ©unften 
beg  DrbenS  ju  machen.  %n  2lnerlennung  ber  Seiftungen  beS  DrbenS  ernannte  £eo  XIII. 
1883  ben  ©tifter  beS  DrbenS,  ben  hl.  ßamtß  unb  ^ofiann  toon  ©ott  ju  Patronen  alter  20 
epitäler  unb  Kranfenr)äufer  unb  toerfügte  bie  Einreibung  ibrer  tarnen  in  bie  Sitanei 
ber  ©terbenben.  SDer  meiblicfye  3toe'Ö  bz$  DrbenS,  bte  Wienerinnen  ber  Uranien,  bie 
1764  ju  Sima  geftiftet  mürben,  fyaben  eS  ju  leiner  größeren  Vebeutung  gebracht. 

©.  ©rüifmadjer. 

95öter  (95räber)  bcS  £obe§.  —  Quellen  w.  ßitteratut:   ©ggerer,  Fragmen  pari is  30 
Corvi  protoeremitici  sive    reliquiae   annalium    ordinis    fratris    eremitarum    S.  Pauli,    primi 
eremitae,  Vindobonae  1663;    §eh)ot,    ©efcrjtrfjte    ber  fölöftev  unb  SRitterorben,    Setöjtg  1754, 
III,  385—401;  ^etraburfjer,  Orben  unb  Kongregationen  ber  fattj.  SHrcfje,  5ßaberborn  1896,  I, 
4.7—79  (f.  bort  tteitere  Sitteratur). 

Väter  (Vrüber)  beS  SCobeg  ober  ©infiebler  toom  b,l.  ^3aulug,  bem  (Sinfiebler,  ift  ber  35 
9Jame  eineg  9Jlönct)§Drbeng,  ber  je  nacb,  ben  berfefnebenen  Sänbern,  Ungarn,  Portugal  unb 
granlreicb;,  in  benen  er  lebte,  in  ©rupben  ^erfaßt  unb  einen  berfdjiebenen  lirfprung  b,at. 

Sie  ungarifd)en  ^ßauliner    entftanben  im  ßettalter  ber  (Sntftefmng   ber  Settelorben 
1250  bureb,  Vereinigung  ber  ©infiebler  bon  Vatad)  unb  ^ifilia.    S3erettg  1215  b,atte  ber 
8ifcb,of  Bartholomäus  bon  günfliretjen  bie  ©inftebler  feines  ©prengels  jum  gemeinfamen  ü» 
Seben  im   Softer    beS    b,I.   Qalob   bon  ^aiacb,    bereinigt.     1246  jog  fid)  ber  £)omr)err 
ßufebiuö  bon  ©ran  als  @remit  mit  mehreren  ©enoffen  in  bie  ©inb'be  bon  ^Sifilia  jurücf, 
unb  1250  erbaute  er  ib,nen  ein  Älofter  in  ^ifilia.    $n  bemfelben  Qatjrc  bereinigten  fieb, 
bie  Gremiten  bon  ^atad)  mit  benen  bon  5ßiftlia  ju  einer  Kongregation,  bie  1252  bie  23e= 
ftätigung  beS  S3ifcb,ofS  SabiSlauS  bon  günflircb,en  erhielt.    ?Racb,  bem  2;obe  beS  ©ufebtuS  4-, 
1270  nahmen  bie  ungarifdjen  ^ßautiner  1308   bie  Sluguftinerregel   an   unb   b^ie^en   nun 
9Migiofen  bom  Drben  beS  b,I.  ^aul  beS  ©infieblerS.   ^n  Ungarn  berbreitete  fieb,  ber  bon 
ben  Königen  protegierte  Drben  fo  ftarf,  baft  er  170  Klöfter  jäb,lte,  bcfonberS  feitbem  1381 
bte  Reliquien  feines  ©d)u|patronS,  beS  b,I.  $aulu§  bon  Xfyeben,  bon  Venebig  nacb,  Ungarn 
in  ba§  SaurentiuSflofter  überführt  roorben  maren.    Von  Ungarn  lamen  bie  Vauliner  nacb,  r,u 
Xeutfcb,lanb,  mo  bis  1786  ein  Konbent  ^u  9lob,rb,aIben  in  Söürttemberg  beftanb,  nacb,  Kroatien, 
vl*olen,  ^ftrien  unb  ©darneben.    SDer  Drben   machte  fieb,  in  Ungarn  bor  allem  burd)  bie 
Anlage  trefflicher  Klofterfd)uIen   feit  1676   berbient.    Qn   ben  ITürfenfriegen   gingen  bie 
ungarifdEjen  Klöfter   ^u  ©runbe.     @S   e^iftieren   nur   noef)   in  9?ujfifcb,=VoIen   baS  Klofter 
5jenftocb,au  (ßlairmont),   ein  berühmter  2öaEfab,rtSort   mit  bem   angebltcb,  bon  SucaS  ge=  r« 
malten  HJiartenbtlbe,  unb  ^mei  Klöfter  in  ber  ©iöcefe  Kralau,  9iupella  unb  SeSniom. 

Tie  portugtefifcb,en  ^auliner  finb  bon  StRenbo  ©ome^  bon  ©imbria  um  1420  ju 
Sctubal  (3IJenboliba)  geftiftet.  ©ie  mürben  1578  mit  ber  3luguftinerrcgel  bureb,  ©regor  XIII. 
beftdttgt.    Tiefer  3meig  ift  ^u  ©runbe  gegangen,    ohne  größere  Vebeutung  ju  erlangen. 


378  Leiter  be§  £obc§  Vaganten 

3Me  franjöftfcr/en  Vauliner,  bie  ben  tarnen  SSätcr  ober  trüber  be§  %oiiS  führten, 
fcfyeinen  erft  aul  bem  älnfang  be§  17.  3saf)rr/unbert§  ju  ftammen.  $r;re  bon  2öillielm 
Gallier  berfaßten  ©tatuten  mürben  bom  Vabft  ^3aul  V.  1620  abbrobiert,  roorauf  innert 
üönig  Subroig  XIII.  bie  ©rricfytung  bon  Ülbftem  geftattete.     $u  ben  Obliegenheiten  beg 

5  Drben3  gehörte,  Ärante  ju  bcfudien,  ©efangene  ju  tröften,  Verbrecher  jur  3tt<fytftätte  ju 
begleiten,  ^ote  $u  beerbigen.  Qfjr  ganzes  Seben  foule  fie  mit  bem  ©ebanfen  an  ben  %ob 
bertraut  machen,  besifyalb  grüßten  fie  fid)  gegenfeitig  mit  bem  Memento  mori,  fußten 
bei  ben  9Jial)l3eiten  einen  ^oteniobf  unb  trugen  ein  jetymarjes  mit  einem  Sotenfobf  ber= 
fefyeneS  ©fabulier.    Verehr  burd)  Urban  VIII.  mürbe  ber  fransöfifetje  Qtozia,  btS  Drben3 

io  unterbracht.  &.  ©rütjmatfier. 

SJogantctt.  —  lieber  bas  SSagantenroefen  ftanbeln  Söingtjamll,  p.  387  ff. ;  $fanct,  @e(dj. 

b.  tfriftl.  ©efeflfdjaftSüerfaffung  I,  375;  II,  100 ff.:  SReanber, .  g©  (©otfia  1856)11,  58.  164 ff. ; 

$ffugf=§arttimg,  Diplomat  =fjtfi.  g-orfebungen,  ©otfja  1879,  @.  50  ff.  —    lieber    bie  ©oliarben 

uitö  fatjrenben  ©cfjüier  beS  fpäteren  sMttefatter§  f.  befonberS  Q.  ©rimm,  kleinere  ©ctirtften, 
15  III,  Sjetfin  1866,    ©  lff. ;   SS.  ©iefe&rec&t,   Sie  Vaganten   ober  ©oliarben   unb    ifjre  Sieber, 

in  ber  9111g.  5ötonat§fct)rift    für  SSiffenfcf).    u.  Sitt,  S3raunfd)iti.  1853,   @.  10—43.    344—381 ; 

SS.  ©djerer,  ©efet).  b.  beutfd)en  ®icf)tung  im  11.  u.  12.  gabvfj.,  (Straßburg  1875;  0.  .£mbatfd), 

Sie  tat.  SSagantentieber  be§  2R9I.,    ®örli£1870;    $.  Siberg,   $3  SSb  64,   1889,  ©.544;    Stb. 

SSartoli,  Storia  della  letteratura  Italiana,  t.  I,  Firenze  1878;  Sßattenbacf),  ©efd)id)t§queflen 
20  II6,  ©.472.     (Sammlungen:   Carmina  Burana    §.  0.  3.  91.  ©dimeüer,  ©tuttg.  1847,  2.  Stuft., 

SSreStau  1883 ;    38.  SRener,    Fragmenta  Buraüa   in   ber  geftfdjrift    ber  ©öttinaer  ©efetffd).  b. 

SStffenfcfj.  1901.    Ile6erfe|uug:  i?.  Satftner,  ©olia§.    ©tubentenlieber  b.  9M.,  ©tuttg.  1879. 

Vaganten,  Clerici  vagantes  s.  vagi,  finb  in  ber  Terminologie  be3  älteren 
$ird)enred>i§  foldje  ©eiftlid)e,   bie    otme   feften  ©i|  unftät  um^er^ief)en,   fei   e3   roeil   fie 

25  eine§  beftimmten  Drbinationgiitebl,  b.  b/.  eme§  ftänbigen  ^ircfyenamtesi  als  Duelle  xt)xtS 
Sebensiunterfyaltesi,  entbehren  ober  toeil  fie  bie  $ird)e,  bei  ber  fie  angefteHt  roaren,  ber= 
laffen  t)aben.  ©djion  im  5.  unb  6.  Jyafyrlmnbert  tourben  b/ie  unb  ba  Äirdjengefetje  t;ie= 
gegen  erlaffen.  ®as>  d)aIcebomfd)e  Uonjil  unterfagte  im  6.  feiner  Canones  iaS  %ei- 
qozovsiv  ämdehv/uevcog,    bie  fbäter  fog.  ordinatio  absoluta  s.  vaga  b.  h.  bie  Drbi= 

30  nation  ofme  gleidjjeitige  guroeifung  bes>  Drbinierten  gu  einer  beftimmten  Äirdje.  ®ie 
fbanifdje  ©fynobe  bon  Valencia  (524?)  bebror/te  ben  umfyerfdiroetfenben  Merifer  mit  ber 
©rjfommumfation  (c.  5  Mansi  VIII,  ©.  622) ;  bie  gleite  ©ro^ung  fbrad)  bie  arelatenfifcb,e 
©r/nobe  bon  524  gegen  benjenigen  aus?,  ber  einen  clericus  evagatus  aufnimmt  (c.  4 
MG  CC  I,  ©.  37).    SttcfytSbeftoroemger  tauchten   immer  bon   neuem  bagierenbe  Jlleriter 

35  in  größerer  ober  geringerer  3a^  auf,  namentlich  in  folgen  Sänbern,  an  beren  Se= 
!ef»rung  jum  6b;riftentum  noef)  gearbeitet  mürbe,  ober  in  ben  ^ac^barlänbern  folc^er 
3Jcifftonlgebiete.  ©enn  ben  als  SRiffionaren  auggefanbten  ©eiftlid)en  liefe  fieb,  in  bieten 
gälten  ein  beftimmter  ©brengel  bon  borneb,erein  nic£>t  anmeifen,  unb  oft  genug  brängten 
tfeibnifcfye  Verfolgungen,  oft  aud;  blofee  gurefit  bor  benfelben,  dergleichen  3)äffionlbifc|öfe 

40  ober  =^ßriefter  in  toeniger  unfiöpere  ©ebiete  ber  'Kircfye  jurüc!,  mo  fie  fieb,  bann,  ob,ne  bie 
^uri^biftion  eines»  beftimmten  beeren  ©eiftlic^en  anjuerfennen,  als  fog.  axscpaloi  ober 
clerici  regionarii  (3Banbergeiftlid}e)  herumtrieben.  Ratten  fie  obenbrein  burd)  ©imonie 
ober  bureb,  irgenb  melctjeö  anbere  unerlaubte  Mittel  il)re  Drbination  erfcb;licb,en,  fo  lag 
bie  ©efal)r  nur  um  fo  näfyer,    bafe   fie   alöbalb   auf   bie  ©tufe    gemör/nlicfyer  Vaganten 

15  fyerabfanfen,  bafe  fie  S3ifdt)öfen,  ^rieftern  unb  anberen  tntitulierten  ober  feft  ange= 
ftcllten,  be^frünbeten  ©etftltdjen  gegen  (Selb  ober  ^aturalberbflegung  if)re  Slu^ilfe  in 
ib,ren  3lmt§berrid)tungen  antrugen;  bafe  fie  bei  roeltlicb/en  ©rofeen  in  ben  germanifo)en 
Sreicfien,  namentlicf)  in  ben  ©cbjöfjem  ber  ©rafen  unb  Siitter,  t)tenfte  al§  §au^geiftlicb,e 
(Fabiane)  annahmen   unb   fiel)   babei  toob,l   aud)   jur  ©titbef orgung  unmürbiger  unb  er= 

50  niebrigenber  ©efeb^äfte  ungeiftlic^er  2Irt  mißbrauchen  ließen;  furj,  baß  fie  auS  i^rem 
geiftlic^en  2lmte  ein  ©etoerbe  matten  unb  auf  bie  ftörenbfte  SBeife  in  bie  georbneten 
Verfyältniffe  unb  Verrichtungen  be§  regulären  Klerus?  eingriffen.  Äarl  b.  ©r.  fucb,te  bem 
Untoefen  ju  fteuern,  inbem  er  bie  cfyalcebonenfifcfye  Sßorfd;rtft  erneuerte,  ut  nullus  ab- 
solute ordinetur    sine   pronuntiatione    et   stabilitate    loci    ad    quem    ordinatur 

55  (Cap.  22,  25  bon  789  ©.  55,  bgl.  bem  Vefcf,tuß  ber  fjfranff.  ©rmobe  bon  794  Cap.28  c.  28 
©.  76);  ebenfo  berbot  er  bie  Slufnal^me  bon  fremben  sterilem,  bie  fid)  ntdjt  burd)  Vriefe 
il)rer  SBifdjöfe  au§meifen  lonnten  (Cap.  22,  3  ©.54;  bgl.  bie  Sefdjlüffe  ber  9teform= 
ft;noben  bon  813  gegen  bie  clerici  vagi,  SOZaing  c.  22  ©.  267 ;  Strien  23  ©.  253). 
3lber  ber  ©rfolg  toar  nid}t  bauernb.   SRocb  im  9.  3ab,rb,unbert  mußten  mehrere  Hon^ilien 

60  Verorbnungen    gegen  Clerici  vagantes,    s.  vagabundi  (aud)    mob,l   cl.  ambulantes) 


SJngnntcn  379 

inSbefonbere  gegen  beren  Sjerfucfye,  fid;  auf  betrügertfebem  SBegc  in  bereits  anberWcitig 
bergebene  33eneficien  etngufcfjleic^en,  erlaffen;  j.  33.  2Rainjer  ©tmobe  bon  847  c.  12 
©.  179,  ©bnobe  t>on  $abia  845—50  c.  3  ©.  81,  ©tmobe  bon$abia850  e.  18  ©.  121. 
2ludj  einzelne  $ird>enfürften  eiferten  r)eftig  gegen  baS  treiben  ber  Vaganten,  3.  33.  2lgo= 
barb  bon  St)on,  in  feiner  ©cfyrift  De  privilegio  et  iure  sacerdotii,  unb  ©obefyarb  bon  5 
•öilbeSfyeim,  bon  bem  eS  in  fetner  Vita  c.  IV,  §  26  fyeifjt:  „Illos  (sc.  clericos),  qui 
vel  monachico,  vel  canonico,  vel  etiam  Graeco  habitu  per  regiones  et  regna 
discurrunt,  prorsus  execrabatur"  —  $m  12.  ^abrfyunbert  lehren  är)nltd>e  klagen 
bei  ©erhob  bon  ^leicfyerSberg  Wieber;  befonberS  in  feinem  Liber  de  simon.  (MG  Lib. 
deute  III,  ©.249,  bef.  252  f.).  2lm  fd)limmften  fd)eint  bie  ©ad)  e  im  13.  %afyr-  10 
bunbert  geworben  ju  fein.  ÜRun  brängten  fid)  bie  33aganten  als  SSifare  auf  geit  gegen 
yungerlölme  in  bie  geiftlidjen  ©teilen  ein,  jum  ©d)aben  ber  ©eelforge  Wie  beS  geiftlidjen 
StanbeS.  ©ie  ©tmoben  tambften,  Wie  eS  fd)etnt,  oljme  biel  ©rfoig  gegen  biefen  Wi^- 
ftanb  (f.  9D?ainx  1261  c.  24  £ar^eim  III,  ©.  608;  3Ifd>affenburg  1292  c.  6,  £>at% 
beim  IV,  ©.9;  Trier  1310  c.  22,  ©.  134).  £)ie  fd>roffften  33efd)Iüffe  fafßte  bie  Junger  15 
Stmobe  toon  1261;  fie  berbot,  ben  93aganten  Verberge  ober  3lImofen  ju  gewähren, 
iöfan  erfährt  babei,  bafc  baS  93oIf  fie  als  ©berfyarbmer  bqeidmete,  ein  üftame,  beffen  Ur= 
fprung  nidjt  aufgeflärt  ift  (c.  17,  ©.  600).  2lucb,  bie  ^affauer  ©iöcefanffynobe  in 
<5t.  gölten  1284  fafjte  einen  gegen  ibre  ^Aufteilung  gerichteten  33efcr)lufj  (c.  6,  ©.  671). 
$n  33aiern  erllärte  man  fie  „bie  Soiterbfaffen  mit  langem  £>aar"  rote  bie  ©bielleute  für  20 
aufeerljalb  beS  SanbfriebenS  (Sgr.  b.  1244,  1281,  1300  in  Duetten  u.  @rört.  V,  ©.  87, 
348,  VI,  ©.  122). 

@ine  eigentümliche  klaffe  flerüaler  ober  Ijalbllerifaler  Vaganten  bilbeten  bie  feit 
bem  12.  Qctljrfyunbert  juerft  in  granfreid),  bann  aueft  in  ©eutfcfylanb  unb  ©nglanb  auf= 
tretenben  fat)renben  ©änger,  gumeift  berborbene  ©tubenten  ober  unftäte  Merüer.  5Jcan  25 
bezeichnete  fie  bemgemäfj  anfangt  freilieb,  als  clerici  vagantes,  aber  aud)  als  ribaldi 
(b.  i.  ©Reimen),  feit  2Xnfang  beS  13.  SabjfyunbertS  fcorjugSWeife  als  Goliardi  ober  Go- 
liardenses  (altfran^öfifd)  goliarts  ober  gouliarts,  aud;  gouliardois,  altenglifd) 
goliardeis).  2)a  bie  letztere  Benennung  öfters  burd;  pueri  s.  diseipuli  Goliae 
gebeutet  Wirb  (fo  j.  33.  in  einer  ©fynobe  ^u  Stouen  1231,  SJcanfi  XXIII,  ©.  215,  unb  30 
ju  ©enS  ©.  512),  fo  fd)eint  fie  bon  Golias  =  Goliath  hergeleitet  werben  &u  muffen, 
©oliarben  finb  bemnad;  f.  b.  a.  jünger  beS  ©oliatfy,  gleidjfam  l^iefenfölme.  ©ie  waren 
unberbefferlicfye  gteunbe  beS  SBeinS,  beS©bielS  unb  ber  grauengunft;  aber  fie  bewährten 
in  ifyren  ©ebbten  eine  unbergleid)Ii^e  gormfierjerr/eit  unb  fie  berfügten  über  alle  Töne, 
bie  ber  $oefie  gegeben  finb :  garte  Sieber  auf  Waxxa  unb  bie  ^eiligen,  ernfte  unb  fbottenbe  35 
9toge=  unb  SfRar/ngebicfyte  gegen  bie  ©ebredjen  ber  2öelt  unb  beS  MeruS,  übermütige 
unb  lieberlidje  ^neib=  unb  ©bielgefänge,  einfacb,  fcfiöne  StebeS=  unb  grüfylingSlieber 
unb  lede  SSerfe,  bie  aller  ©Ute  §ol)n  fpreeben,  bagit  mancf)e§  kräftige  bclitifcb.e  ©ebtci)t 
—  ba§  alles  gelang  tl)nen.  ©in  berühmter  ©oliarb  im  12.  Qß^rljunbert  mar  SBalter 
bon  Sitte  (Gualterus  ab  Insula)  ober  bon  Gfyätitton,  ber  ©änger  ber  Sllejanbre'iS,  40 
ber  fog.  2lbofalt)bfe  beS  33ifcf)ofS  ©oliaS  unb  anberer  latemtfeber  ©ic^tungen.  33on  ifjm 
lüoltl  berfcb,ieben;  ift  ber  „SIrctnboeta",  ben  man  1164  unb  1165  in  ber  Umgebung  beS 
grofjen  ©rjbif et) ofS  9toinalb  bon  ßöln  finbet,  ein  ungewöhnliches  Talent,  aber  bon  ebenfo 
ungeroöfmlid)er  Sieberlid;leit.  @r  fottte  in  einem  §elbengebid)te  bie  Traten  griebriebs  I. 
feiern;  aber  baS  ©ebtebt  ift  nie  begonnen,  gefd)weige  benn  bottenbet  Worben.  ßincS  45 
flerifalen  archipoeta  ^UolauS,  als  ju  feiner  3ät  in  ben  $Rb^"9^Ö^ben  berühmten 
T)icbterfürften,  gebenft  (SäfariuS  bon  ^etfterbad) ;  berfelbe  ^ahi  einft  (um  1220)  in  biefem 
ßlofter,  als  eine  fernere  Äranll)eit  feinen  roeltltcbert  ©inn  niebergebeugt,  bie  ^utte  ge= 
nommen,  um  3)iönd)  ju  Werben,  fei  aber  nacb,  Wiebererlangter  ©enefung  alSbalb  unter 
Sachen  ju  feiner  umb^erfcl)Weifenben  33erufSart  jurüdgeleb,rt  (^5.  ©rimm,  ©.  14 f.).  —  50 
34lretcfje  ^onjilien  beS  13.  unb  14.  ^afyrlmnbertS  erliefen  Verbote  unb  ©trafmaferegeln 
toiber  baS  Weitbin  ausgebreitete  Unwefen  ber  ©oliarben  unb  ibre  bielfadien  (Srjeffe.  ©0 
befcfjloffen  1231  unb  1239  übereinftimmenb  bie  ^robinjialfbnoben  bon  3rouen,  ©bäteau 
©ontier,  2).  TourS,,  unb  ©enS,  eS  fotte  ben  clerici  ribaldi,  unb  gang  befonberS  ben  ©oliarben, 
foroeit  bieS  ob^ne  Ärgernis  gefebeljen  fönne,  bie  baS  Qnfigne  beS  geiftlidjen  ©tanbeS  bilbenbe  5:. 
Sonfur  wieber  genommen  Werben  (Wanfi  XXIII,  c.  8  ©.215;  c.  21  (&■.  237,  c.  13 
2.  512).  ^m  3af)re  1289  Würben  ©imobalftatutcn  für  bie  ©iöcefen  (SaboiS,  3t^obcj 
unb  Tülle  erlaffen,  Woburcb,  ben  Mlerüern,  bei  Serluft  aller  üsorred^tc  tr;res  ©tanbeS, 
unterfagt  Würbe,  baS  entebrenbe  ©eWerbe  bon  Modulatoren,  SBuffoncn  ober  ©oliarben  $u 
betreiben  (lOianfi  XXIV,  ©.  1 0l  7).     ^-ür  ^ranfreid)  febeinen   biefe   unb    ä^nlidje  i'iafV  <*> 


380  Vaganten  SBalbeö,  bc 

regeln  big  gegen  ©eblufs  beS  13.  Qafyrbunbertg  ein  böttige§  ober  faft  bötttgeS  Serfcbnnnben 
ber  ©oliarben  betoirft  ju  baben;  roenigften3  ift  bon  ibnen  in  franjöfifcrjen  Duetten  feit 
etwa  1300  niebt  länger  bie  SFtebe.  Slber  nod)  Sonifaj  VIII.  nabm  in  feine  ©efretalen 
eine  Seftimmung  gegen  bie  ^lerifer  auf,  qui  se  ioculatores  seu  goliardos  faciunt 
6  aut  bufones  (c.  1  in  VI.  3,  1)  unb  bie  ©aljburger  ©tmobe  bon  1310  bielt  e<§  (naebbem 
febon  bie  ©tmoben  ju  £rier  1227  c.  9,  ©aljburg  1274,  c.  16,  ©t.  gölten  1284  c.  29, 
^Bremen  1292  gegen  bie  ©oliarben  eingefebritten  waren)  für  nötig,  eine  eigene  SJtabnung 
an  bie  in  ber  ©aljb.  ©rjbiöcefe  BefittbltdEjcrt  ©oliarben  ju  richten,  ftd)  banad)  ju  galten 
(c.  3  £art$.  IV,  ©.  167).     Um   biefelbe  $eit   nabm  §ugo   bon  SErimberg    in   feinem 

10  „Sftenner"  ein  befonbere§  Kapitel  „bon  9übalben  unb  ungezogenen  Seuten"  auf,  unb  nodj 
bt§  tief  in§  15.  Qabrbunbert  binem  gefebiebt  ber  fab,renben  ©Eitler  unb  bagierenben 
Merüer  unter  berfebiebenen  tarnen  (vagatores,  ©bielleute,  ©bred)er  jc.)  (Srroäbnung. 
ätljmlicr)  in  ©nglanb,  roo  beifbieteroeife  noeb,  Sfyaucer  (geft.  1400)  bon  ©oliarben  rebet, 
bie  er  als  bon  geroöbnlid)en  ©bielleuten  ober  Sänfelfängern  faum  berfebieben  betreibt. 

15  (£ötfler  f)  §anä. 

SSalbeS,  ^uan  unb  2IIfonfo  be  (geft.  1541  bejtb.  1532).  —  Sttterotut: 
Sf).  ©cf)tnibt,  Ueber  Suan'S  unb  Süfonfo'S  Seben  unb  ©diriften,  3rj£r)  1837;  (Sb.  33oef)mer, 
Cenni  biografici  aui  fratelli  G.  e.  A.  di  V.,  angehängt  ber  SluSgabe  ber  CX  Considerazioni, 
§aüe  1860  (©.  477—598);    berf.,   Ueber   bie  3roiüing§brüber  3.  u.  21.  be  SS.  (2lnr,cmg   *ur 

20  beutfd)en  Ueberf.  ber  110  93etrad)tungen,  |mtte  1870).  Snjwifdien  war  erfefrierten  93.  SBiffen, 
Life  and  Writings  of  J.  de  V.,  üonbon  1869.  33oeb,mer,  Lives  of  Spanish  Eeformers: 
Juan  and  Alf.  de  V  in  33b  I  ber  Bibliotheca  Wiffeniana  (Strasburg  unb  Sonbon  1874), 
@.  63—81.  SSgl.  auet)  93b  II,  Preface  (1883);  SS.  Voller  tjanbelt  über  bie  relig.  Stellung 
be*  Suan  be  SS.  in  ben  Sinnigen  ber  Considerazioni    unb   ber  Trattatelli    (f.  u.)    in  5£lj©tS 

25  1866  unb  1871;  @ug.  ©tern,  Alfonse  et  Juan  de  V.,  These  (©trafjburg  1869);  berf.,  9lrt. 
SSalböS  in  SicfjtenbergerS  Encyclop.  des  Sciences  rel.  XII  Charte  1882) ;  Manuel  SarraSco, 
A.  et  J.  de  V.,  leur  vie  et  leurs  ecrits  rel.  (Geneve  1880);  ©plattet,  Sie  S3rüber  2(tf.  unb 
Suan  be  SßatbeS,  33afel  1901.  —  SSgl.  ft.  Eaballero,  Conquenses  ilustres,  t.  IV,  A.  y  J. 
de  V,  noticias  biogräficas  y  literarias,  SKabrib  1875;  Jy.  SDcenenbe^  Sßelaüo,  Historia  de  los 

30  Heterodoxos  espafioles,  t.  II  (SÖtabrib  1880);  sJcad)träge  bapt  in  t.  III  (ebb.  1882);  93enraü), 
Slrt.  „Stalten,  reformatortferje  93ewegungen"  oben  33b  IX,  bef.  S.  535  ff. 

Ueber  bk  ©ifjrtften  ber  33rüber  33.  f.  33b  I  ber  Bibliotheca  Wiffeniana  ©.  82—130; 
bie  Driginalbrude  finb  äufjerft  feiten,  einiges  ift  nur  r)anbfd)riftltcl)  auf  unS  gekommen.  9feu= 
bruet  eineS  üCeileS  ber  Söerfe  ^rmnS  Bietet  bie  „Reformistas  antiguos  Espanoles"  in  93b  IV, 

36  IX,  X— XI,  XV,  XVI— XVII,  XXI.  ®urd)  SBöbmer  würbe  ebiert:  Le  cento  e  dieci 
Divine  considerazioni  (f.  o.);  Dialogo  de  la  Lengua  (SRomau.  ©tub.  VI,  339  —  420);  Dia- 
logo de  Mercurio  y  Caron  (ebb.):  El  Salterio  traduzido  Diit  9(nt)ang  (93onn  1880); 
Sul  Principio  della  dottrina  Cristiana,  Cinque  trattatelli  evangelici,  §aüe  1870;  baSf.  beutfet), 
tbb.;    Trataditos  de  J.  de  Valdes,  93onn  1880;  Instrucion  cristiana  para  los   ninos,    93onn 

40  unb  Bonbon  1883;  baSf.  ital.  in  Bibliotheca  della  Rif.  Ital.  IV  (glovens  1884);  El  Evan- 
gelio  segun  San  Mateo  (grftbruef),  SRabrib  1880).  S)urcf)  Sdberoerj  rourbe  ebiert;  Lac  spiri- 
tuale  (2.  ?IuSg.  mit  ber  richtigen  Angabe  be§  ?lutor§),  öeilbronn  [1870].  ®urdi  3ob,n  33ettS 
würbe  englifd)  publiziert:  93a(beS'  Kommentar  jum  «jjfatt^äuS  (1882)  unb  su  bem  erftest  93ud) 
ber  33falmen  (1894);     ferner:    „XVII  Opuscules";     „Spiritual  Milk";  „Three  opuscules" ; 

45  .,Commentary  upon  the  Epistle  to  the  Romans";  „Commentary  upon  the  first  Epistle  to 
the  Corinthians"  93gl.  SBilfenS  in  8®®  IX<  ©■  108 ff-/  341  ff.,  XII,  30 ff.  (Sine  ?(u§war,i 
ber  CX  Considerazioni  (im  ganjen  36)  gab  beutfef)  Otto  Singer,  Setpjtg  1875. 

SSon  aHgem.  fiitt.  ügl. :  Slmabile,  II  Santo  Offizio  della  Inquisizione  in  Napoli  vol.  II 
(1892) ;  Agostino,  Pietro  Carnesecchi  e  il  movimento  Valdesiano,    Firenze  1899  ;     Estratto 

B0  del  Processo  di  Pietro  Carnesecchi  (t.  X  ber  Miscellanea  di  Storia  Italiana,  Surin  1870) ; 
33enratt),  SSernarbino  Dcfjino,  2.  9htf(.  1892;  berf.,  Sulia  ©onjaga,  passim  (1900);  Keufd), 
Snbej  I  (1883),  p.  375  f. 

33riefe  ber  SSrüber  finb,  abgefetjen  iwn  bem  waS  Sabaüero  im  Slnfjang  barbietet,  in  größerer 
8ab^  neuerbingS    aufgefunben  werben:    itjrcr   55  bon  91lfonfo    würben    burd)  £>.  SSalg  1881 

65  pfammengebradit,  üon  benen  einer  üom  8.  Sluguft  1532  in  %®@>  IV,  629  f.,  40  aber  burdi 
33ö£)mer  in  Homenaje  ä  Menendez  Pelayo,  Estudios  de  erudicion  espaiiola,  ^Jtabrtb  1899 
gebrndt  würben.  93öb,mer  rjat  aud)  1882  einen  bon  guan  am  12.  San.  1532  an  ®anti§cu8 
gerichteten  93rief  tn  ber  Riv.  Cristiana  (Jv(orenj  1882,  ©.95  f.)  oeröffentUd)t.  Ueber  40  S3riefe 
3uan§    im  Slrd)iu    ju  'äJcantua,    binnen  1536    unb    37   an  ben  Sarbinal  (Srcole  ©onjaga  ge= 

60  richtet,  f.  93enratf|,  S.  ©onjaga  ©.  113,  3(.  6.  7;  einer  biefer  33riefe  ift  in  ber  Riv.  Crist. 
S-lorenj  1900,  in  alter  itat.  Uebertraguug  ©.  87  abgebruett;  bie  übrigen  bereitet  Sßrofeffor 
Dr.  §ei!igbrobt  jur  Sructtegung  uor. 

^uan  unb  3lIfonfo  be  3SaIbe§  tburben  aU  ßmittinge  ^u  @nbe  be§  15.  ^at)rbunbertö 
in  6uenca  in  ©aftilien  geboren,   too  ibr  SSater  erblid)er  9tegibor  toax.    ätlfonfo,   meieren 


Vctlbeä,  be  381 

SJicter  SRartbr  Don  2lngf)icra,  ein  9JiaiIänber,  ber  alte  3tat  AerbinanbS  be§  ftatfyolifdicn 
unb  abofiolifeljer  Vrotonotar,  aU  einen  Jüngling,  ber  gu  grofjen  Hoffnungen  berechtige, 
anfat),  begleitete  ben  jungen  Jlönig  $arl  im  $af;re  1520  gur  Krönung  nad)  Slawen  unb 
toeiter  nad)  2öorm3,  too  er  bie  £utl)erfd;en  ©Triften  berbrennen  fafy.  „Jiux  toenige"  — 
jdireibt  %x.  b.  Mautner  (©efcfyidjte  @uroba3  feit  bem  @nbe  be§  15.  ^ß^unbertS)  —  5 
„toaren  fo  fdt)arffid;ttg  tote  ber  ©panier  2llfon<§  Valbeä,  toelcfyer  bon  2Borm<»  au3  feinem 
greunbe  VetruS  SJiarttir  über  alle<§  2Ju3runft  giebt  unb  mit  ben  2Borten  fdjliefjt :  fo  ift, 
toie  man  meint,  ba§  @nbe,  toie  idj  aber  glaube,  ber  Anfang  biefer  ^ragöbie."  ®er 
$abft,  ber  mit  bieHeicfit  frommem  (Sifer  nact)  Sutfyerö  Verbammung  unb  Verbrennung 
ftrebe,  fd£>retbt  SUfonfo,  fyange  ju  gab,  an  feinem  Stecht  unb  berfdjmäfye  ba§  einige  Sftet=  io 
tungömittel  ber  ßfyrtftenfyeit,  ein  allgemeines  ^onjil.  Söenige  ^ab,re  barauf  tourbe  Sllfonfo 
faifcrlicfyer  ©efretär  unter  bem  ©ro|fangler  3Jtercurino  Strborio  ba  ©attinara,  einem  pe= 
montefen,  ber  ein  IJafyrgefynt  lang  bie  ©eele  ber  laiferlicfyen  ^olitif  toar.  @3  gab  bamals 
toter  ©rofjmäcfyte:  Sutfyer,  ber  $abft,  (SraSmuS  unb  ber  ftaifer.  Verbünbet  mit  bem 
©elebrten  bon  33afel,  fucfyte  ®arl  bie  §änbel  ber  beiben  erften  ju  beb,errfcb,en  unb  ju  15 
fd)litt)ten.  2ll<B  ftcfy  in  ©banien  in  ber  SCftitte  ber  20er  %afyxe  ein  getoaltiger  ©türm  ber 
")3iönd)e  gegen  ben  großen  §umaniften  ert)ob,  berfod)t  Sllfonfo  fo  toarm  bie  ©ad;e  be3= 
felben,  bafj  ein  $reunb  fcigte,  er  fei  erq3mifd)er  als  @ra§mus>.  ®er  ©rofeinquifitor, 
toela)er  audt)  bie  3Bibmung  einer  fbanifcfyen  Überfettung  be£  Enchiridion  militis  Christiani 
annahm,  gebot  ben  ©freiem  ju  fd;toeigen.  ©d)on  1521  toar  „Sutfyer  fbanifcb/'  ge=  20 
brudt,  in  Slnttoerben,  toie  Slleanber  im  gebruar  berichtet.  (Sin  greunb  bon  Sllfonfo 
halbes,  ber  bolnifcfye  ©efanbte  SDantigcuS,  fdt)reibt  an  feinen  $önig  am  18.  sDejember 
1524  aus  5Rabrib :  §ier  barf  man  über  Sutfyer  ntct)t  einmal  reben:  unb  aus>  ©ranaba 
12.  Cftober  1526:  fein  eigener  Wiener  unb  jtoei  galtoren  guggerS  feien  als  Sutb,eraner 
behaftet  toorben  unb  nur  mit  3Rüb,e  freigefommen  (Acta  Tomiciana  VII,  138;  25 
VIII,  348,  »gl.  362  f.  unb  VmbfeilS  ©ubblement  jur  SJJeland^tb,  onsforrefbonbenj  p.  506). 
3m  9Jlai  1527  ereignete  fidt)  bie  (Srftürmung  unb  Vlünberung  9?om<8  burd)  ein 
faiferlid;e3  |>eer,  nicfyt  auf  ©e!t)eife  beS  ®aifer§.  SDer  ^ßatoft  felbft  tourbe  gefangen  ge= 
nommen.  ällfonfo  Salbei  gab  ber  ©ttmmung  bei  §ofe  2tu3brucf  in  einem  ®ia!og,  in 
toeld;em  fidj  Sactanj,  ein  ^abalier  be<§  $aifer§,  unb  ein  SlrcfyibiafonuS,  ber  eben  bon  9tom  30 
fommt,  in  Vallaboltb,  too  $arl  bie  9iad;rid)t  erhielt,  über  jene  Äataftrobfye  unterreben. 
Sactanj  enttoidelt  bie  2lnfid)t,  bafj  bie  ©cfyulb  ber  Vertoüftung  Stoma  ber  $abft  trage, 
ber,  all  griebenlftörer  unb  krieglanftifter  unb  all  felbft  toortbrüd)iger  Verführer  gum 
ßibbruet),  feinen  Seruf  gröblieb,  b^intangefe^t  I)abe.  „ph  e§  nü^Iidt)  unb  Vorteilhaft  ift, 
bafe  bie  §ob,  enbriefter  toeltlicb,  e  §errfd;aft  §aben  ober  nid;t,  bas  mögen  fie  felbft  bebenden ;  35 
fia)er  toürben  fie,  meines  ©racfyienS,  freier  für  bie  geiftlidjen  ®inge  forgen  !önnen,  toenn 
fie  mit  ben  toeltlidjen  fict)  nicf)t  befaßten"  33om  ^irdjenftaat,  ben  unlängft  nod;  9Jlac= 
dt)iabeE  al§  ben  ÜKufterftaat  gebriefen  blatte,  urteilt  Sactanj,  in  ber  gangen  6b,riftenb,eit 
toerbe  lein  einiger  ©taat  fdjlecfyter  regiert.  2)aä  SSol!  tourbe  beffer  fahren,  toenn  ber 
5ßabft  feine  Sänber  frettoißig  bem  ^aifer  abträte.  Sactang  berteibigt  aud;  bie  geftnefymung  40 
be§  gegen  feine  eigenen  ^inber  toütenben  b,I.  Saterl.  @r  toeift  b^tn  auf  bie  9Jiiffion  beS 
ßraömug,  ber  mit  grofjer  Serebtfamleit,  Itlug^eit  unb  33efo}eibenf)eit  bie  geiler  unb 
Jäufd)ungen  bei  römifd;en  §ofeö  unb  aller  äird;enbeamten  bargelegt  fyaht.  „Unb  ba 
btel",  fährt  er  bem  2lrcb;ibiaIonuS  gegenüber  fort,  „in  feiner  SBeife  bei  eudt)  anfo)lug,  im 
©egenteil'  bie  Safter  unö  böfen  ©itten  täglicb,  gunafymen,  fo  tooHte  ©ott  auf  anberc  45 
3lrt  berfucb,en,  eud)  gu  be!eb,ren,  unb  erlaubte,  ba|  jener  äRöncb,  Martin  2utb,er  auffiele, 
ber  nid)t  nur  alle  ©cb,eu  bor  jenen  ablege,  tnbem  er  oi)ne  irgenbtoeld;e  3?üdfid;t  alle  ibre 
Safter  funb  machte,  fonbern  aufy  biele  ©emeinben  bom  ©eljorfam  gegen  ibre  Prälaten 
entfrembe,  bamit  ib^r,  ba  ifjr  au§  ©d)am  m<fy  nid)t  hattet  belehren  toollen,  eud;  biellcicb,t 
belehrtet  aul  §abfud)t,  um  nidjt  ben  Vorteil  ju  berlieren,  ben  ib,r  bon  ©eutfcb,lanb  fyatttt,  so 
ober  aus  @b,rgeiä,  um  eure  £errfd;aft  nicfyt  fo  fel)r  ju  formalem,  toenn  ©eutfd;Ianb,  toie  e§ 
jeßt  ber  gad  ift,  faft  aufeer  eurem  ©eb,orfam  berb,arrte.  ®a  man  aber  toeber  auf  bie  eb, r= 
erbietigen  Vortoürfe  beä  @ra§mu§,  nod}  auf  bie  unebjerbietigen  Seleibigungen  Sutb,  erl  gehört 
i)abz,  fo  b^abe  ©Ott  gu  anberen  33eleb,rungSmitteln  greifen  unb  ^riegönot  über  5Rom  julaffen 
muffen.  T-ie  ^l.  ^Seterl!ird)e  toar  gum  VferbeftaU  getoorben.  §aft  bierjig  STage  lang  55 
fear  in  ber  §aubtftabt  beS  ß^riftentumg  feine  DJieffe  gelefen,  fogar  bie  ©ebeine  ber 
älpoftel  toaren  umt)ergetoorfen.  ®ag  aud)  toill  Sactanj  niefet  gcbiHigt  f)aben;  bie  Reliquien, 
toeld;e  toirflid)  fold)e  feien  (unb  ben  ©laubigen  nidjt  in  ein  Dilemma  bringen,  toie  bas, 
fcafe  bie  Butter  ber  9Jtaria  jtoei  JSöbfe  gehabt  f>aben  muffe,  ober  Waxxa  jtoei  s3Jiütter), 
bie  möge  man  in  Gfyren  galten,   aber  baS  i^olf  belehren,   bafe   fie   alle   ntcbtg   feien  im  60 


382  »alte«,  bc 

aSevgletd;  mit  bem  b,l.  ©aframent,  ba§  jeber  tägüd)  empfangen  fönne.  ©er  2trd;i= 
bmlomiS  felbft  fbricfyt  fcfyliejslid)  feine  §offnung  au£,  bafj  ber  ftaifer  nun  bie  Deformation 
ber  Äird;e  in  bie  £>anb  nehmen  iuerbe,  fo  bafj  man  bi§  an§  @nbe  ber  STage  rühmen 
fönne:  SefuS  6f)riftu§  grünbete  bie  $ird;e  unb  Harl  V  reftaurterte  fie.  —  ©er  bäbftlicfye 
5  ^Runttu^,  ber  berühmte  ©raf  Salbaffare  ßafttglione,  unb  im  @inberftänbni<8  mit  il)m  ein 
College  t>on  2tIfon<§  im  faiferl.  ©efretariat,  %uan  Slleman,  boten  alleg  auf,  bamit  biefer 
„ultralutl)erifd)e"  ©ialog  ben  flammen  übergeben  werbe.  2lber  beim  Hatfer  richtete 
man  nichts  au§,  ber  @rjbifc^of=©rofeinquifitor  erflärte :  e<§  fei  nid;t  fyäretifct/,  etWa§  gegen 
bie  ©Uten  eine§  Vabfteg  unb   ber  Vriefterfd)aft  ju  fagen,   unb   ber  oberfte  Dieter  beä 

10  DeicfyS  entfcfyieb:  bie  ©d)rift  fei  leine  berleumberifcfje.  Slleman  Würbe  bom  §of  entfernt, 
ber  Duntiu§  ftarb  einige  SLage  barauf  gegen  9Jtitte  gebruar  1529. 

IgnjWifdjen  r/atte,  Wobl  im  ©ejember  1528,  ^uan  be  23albes>  einen  nidjt  minber 
fdjarfen  ©ialog  beenbet:  9Kerfur  unb  Sharon,  @ntfd;eibenb  bafür,  bafj  ^uan,  nid)t 
Sllfong,  ben  ©talog  9Jcerfur  unb  Sharon  getrieben  r)at,  ift  eine  Slnfbielung  in  %uan§ 

15  ©ialog  „Von  ber  ©brache",  %.  75 :  ,,©a  %fyx  bie  SRöndje  berteibigt",  fagt  einer  ber 
Unterrebner  gu  $uan,  „fo  tüttt  id)  bon  bleute  an  bie  ©acb^e  beä  Königs  bon  granfreid) 
gegen  ben  Haifer  berteibigen"  ©ie  Slnnafyme,  baf?  ©anttlcus»,  ber  bolnifdje  ©efanbte 
in  ©banien,  in  einem  Vriefe  au?  VaUabolib  bom  1.  gebruar  1529  an  SllfonS  biefen  aU 
Verfaffer  ober  SJlitberfaffer  be3  ©ialogg  Sfterfur  unb  (Sharon  anfe^e,  geigt  fid)  burd)  bie 

20  Briefe  bon  2llfon§  an  ifm  al§  irrig  (bgl.  bie  Vriefe  im  Homenaje  an  9Jtenenbeg). 
(Sharon  läfjt  fid;  bon  9Jlerfur  erjagen,  Wie  Haifer  $arl  unb  Honig  granj  bon  %xani- 
reid)  übereinfommen,  ib>en  @I)renfireit  burd;  ein  ©uell  auggufedjten,  Wag  aber  fd)lief3lid) 
burd)  bie  franjöfifdjen  ffiinfeljüge  nicfyt  ju  ftanbe  !ommt.  ©ie  ©rjäfylung  Wirb  bon 
$eit  ju  3e^  unterbrochen  burclj  ba§  Stuftreten  jüngft  beworbener  ©eelen,   fdjled)ter  unb 

25  guter,  mit  benen  fid;  ber  gäfyrmann  ber  Unterwelt  unb  ber  £>immeb3bote  in  ©efbräd; 
einlaffen.  ©o  jiel)t  fid;  burd;  ben  Dialog  ein  bolitifd;er  unb  ein  religiöfer  gaben.  ©egen= 
über  bem  tumultuarifd;  bewegten  ©eutfd;lanb,  Wo  au3  ber  lutfyerifcf/en  ©e!te  Wieberum 
neue  ©baltungen  entfiprungen  feien,  Wirb  ©banien  glüdlid;  gebriefen,  beffen  ©eneral= 
inquifitor  burd;  Hlugfyeit  unb  ©üte   au<§   ben  Särm   gegen  ©raSmuS   ju  befd;Wid;tigen 

30  geWufjt  l;abe.  ©er  Wahren  Triften  freilid;  finb  gar  Wenige,  unb  fie  Wagen  fid;  nicfyt 
in  bie  Dffentlid;feit.  2Ingefict)tg  ber  Verfommenfyeit  berer,  bie  fid;  nad;  ßf;rifti  tarnen 
nennen,  äufjert  SRerfur,  er  Würbe  fid;  für  arg  befd;imbft  galten,  Wenn  fidj  biefe  Seute 
ÜJterlurianer  nennen  Wollten.  @r  bat  fid;  einmal,  al§  er  mehrere  jum  ©mbfange  be§ 
fy.  £eibe§  ^efu  6§rifti  bem  Stltare  nab^en   faf),   ifmen  in  gleicher  frommer  2lbficb,t  ange= 

35  fdjloffen,  unb  ift  nur,  Weil  er  nidjt  bejahen  Wollte,  jurüd'geWiefen  Worben.  ©em  9Jterfur 
jagt  Sfktrug  im  geblünberten  Dom :  bie&eute  Werben  nun  merfen,  Wie  biel  t/öfyer  fie  ein  Söort 
au§  ben  Briefen  be§  bl.  ^aulu^  ober  axiS  ben  meinigen  galten  füllen,  alä  unfere  Selber,  ba  fie 
biefe  fo  mipanbelt  feiert ;  unb  bie  @t)re,  bie  fie  unferen  (Meinen  antraten,  b^aben  fie  bon  je|t 
an  unferm  ©eift  ju  erWeifen,  ben  Wir  ju  ib^rem  9iu|en  in  unferen  Briefen  b^interlaffen  l)aben. 

40  SEftertur  Will  fid;  „totlachen",  al3  er  fieb^t,  Wie  geredete  Vergeltung  6l>riftu§  an  Dom  übt, 
Wie  bie  Verfäufer  berfauft,  bie  Däuber  beraubt,  bie  aKiPanbelnben  mife§anbelt  Werben. 
@!§  muffe  noa)  fd;Iimmer  fommen,  fagt  betrug.  3lud;  bie  ©tattf)alter  4l)rifti,  bemerlt 
(Sharon  gelegentlid;,  bergeffen  alfo,  il)r  3Bort  ju  galten.  ®a^  eine  Deformation  ber 
Htrcfye  burd)au§  notWenbig  fei,  fagt  ber  Verfaffer  ein  baarmal.     @r  läfet   eine  b^I.  ©eele 

45  au^fbredjen,  ba^  fie  ftet§  ©ott  um  feine  ©nabe  gebeten  unb  nid;t  auf  eigene  Vernunft 
noo)  Hraft  bertraut  fyabt  ©iefelbe  b^at  übrigeng  nichts  bagegen,  Wenn  man  juWeilen 
bie  Swns^a"  9JJaria  al§  Qnterceffora  anrufe,  nur  muffe  man  nid)t  bergeffen,  ba|  allein 
©ott  bie  ©nabe  geben  lönne,  unb  muffe  fie  au§  biefem  Urquell  erbitten.  2lud)  bie  üffleffe 
ju  l)ören,  ift  gan^  gut.    ©eWaltfame  33efeln-ung<Bberfud;e  billigt  ^uan   nio)t  einmal  ben 

50  dürfen  gegenüber,  ©einen  Gablern  gilt  bie  SlntWort:  Vrüber,  gefyt  bie  Söege,  bie  eud; 
beffer  fdjeinen,  unb  la^t  mid;  meinen  geb>n,  benn  feb^t,  er  ift  nid)t  fd;led;t.  ßiner  SLb;eo= 
logenfeele,  bie  berbammt  Worben,  l)ält  Sharon  bor:  Wenn  bu  in  SBabjb/eit  2il)eolog 
Wäreft,  fo  Wüfeteft  bu,  frag  ©ott  ift,  unb  Wenn  bu  e3  Wü^teft,  fo  Wäre  e3  bir  unmöglio), 
il)n  nid;t  gu  lieben ;  unb  liebteft  bu  ifm,  fo  Würbeft  bu  bicfy  fo  berb/alten,  ba^  bu  in  ben 

55  §immel  fämeft.  ©er  ftreng  römifd;e  Sitteraturljiftorifer  SOienenbej  Vela^o  erllärt  biefe 
£e^erfd;rift  nad)  ©bra^e  unb  ©arftellung  für  ba§  befte  DriginalWerl  in  fbanifa)er  $rofa 
au$  ber  3eit  Harlg  V  ©a§  erfte  Vud;  Würbe  jufammen  mit  bem  ^Weiten  Wob^l  1529 
gebrudt.  $n  gan^  gleicher  2lu§geftattung  erfc£)ien  eben  bamalä  ber  Sactanj  bon  llfonfo. 
Veibe  anonym.    @<§  folgten  balb  WenigftenS  bier  anbere  ©rüde  be3  Sactan^  unb   be3 

eo  ?}Jer!ur.    ^ener  allein  erfcbjen  au^erbem  1586  in  tyaxtä.    1850  brudte  Uföj  i  Dio  beibe 


Salbeä,  bc  38.'5 

als  33b  IV  ber  Reformistas  antiguos  espanoles,  1881  f;abe  icb,  itm  als  A>eft  19 
metner  Doinanifcfyen  ©tubien  herausgegeben.  Tue  italienifcf/c  Überfe|ung  Würbe  big  um 
1600  WenigftenS  fiebenmal  gebrucft,  £actang  engltfcb,  1590,  SRcrlur  beutfct)  biennal  1609 
bis  1643  unb  barauS  befonberS  bie  Siebe  beS  fterbenben  ^önig§  1711. 

Sei  ßaftiglioneS  Sobe  fagte  bcr  ®aifer   gu   feinem  §ofe:    eS   ift   einer   ber   beften  s 
labaliere  ber  SBelt  geftorben;   aber  Sllfonfo  ValbeS  nal)m   er  in   bemfelben  %at)xz   wtt 
nacb,   3ta^en   uni)   ®eutfcf/lanb.     ^rt  Bologna   mar   er  bei  ber  Krönung  JiarlS   burdE) 
(Siemens  VII.  gugegen.    Ter  Vabft  ließ  ib,m  bort  ein  23rebe  aufteilen,   Welches  feinem 
Vater  unb  feinen  ©efcbwiftem  (2lnbreaS,  TibacuS,  %uan  unb  3Raria  nebft  bcren  ©atten 
Subobtco  be  ©alagar)  erlaubt,  fid)  il)ren  Veicljtbater  gu  Wählen  unb  biefem  getoiffe  §aful=  10 
täten  gufbricr/t  (abgebrucft  bei  gontana,   Renata  di  Francia  I,  p.  456f.,  ebenbort  and) 
je  ein  bäbftltdp  ©albofonbuft  für  Sllfonfo  unb  ^uan  auS  ben  2>ab,ren  1530  unb  1532). 
TaS  ©efamtbilb,   Wie  bie   jetjt  borliegenben  Briefe  bon   unb   an  Sltfonfo   fowie  unferc 
Kenntnis  feiner  amtlichen  unb  fonftigen  SI)ätigfeit  eS  gu  entmerfen  geftatten,  „räumt  ifym 
unter  ben  religiös  angeregten  unb  fircfyüd)  lebhaft  intereffierten  §umaniften  auS  (SraSmuS'  15 
2rf)ule  einen  ©fyrenblat}  ein"  (©glatter,   21.  unb  Q.  V.,  ©.  10) ;   aber  baß   er  Sutf>er§ 
9)totibe  aucb,  nocb,  nach,  bem  SBormfcr  Sage  nicfyt  berftanb,  geigen  brci  Briefe  an  Slngfytera 
(ebb.  ©.  19—22);    feine  Stellung  gur  Deformation  ift  bie  beS  VolitiferS.    2öie  in  $ia= 
cenga  ben  ©efanbten  ber  broteftierenben  ©tänbe,  fo  geigte  ftcb,  ValbeS  aucb,  in  SlugSburg 
friebfertig  unb  entgegenlommenb.   @r  marb  nicfjt  mübe,  gWifcfyen  ben  brei  §äubtern,  bem  20 
$aifer,  bem  Segaten  unb  9J}elancfjtI)on,   als  taftbolter  Ünterfyänbler  gu  bienen,   unb  trug 
bafür  ©orge,  bafj  ber  Äaifer   über  baS  cr)riftlicf;e  VefenntniS  ber  ^roteftanten  münblict) 
unb  fcr/riftlicf)  gut  berietet  würbe.    3öenn  ValbeS  über n bie  Seifetreterin,  wie  Sutt)er  bie 
SlugSburger  ^onfeffion  nannte,  \d)t>n  bor  ber  feierlichen  Übergabe  urteilte,  fie  fei  gu  bitter, 
als  baß  bie  ©egner  fie  r)innel)men  fönnten,  fo  fbracb,  er  ntcfjt  fotoor/I  als  ©egner,  fonbern  25 
bielmefn-  als  Vermittler;    als  foldjer  biente   er  aud)   nad)   ber  Übergabe.     $m  Oftober 
1531  fcfjrieb  er  aus  Trüffel  ben  ©ratulationSbrief   beS  ®aiferS    an   bie   fatf).  ©ctjWeiger 
nacb,  bem  Äabbeler  ©iege    über    bie  gnnnglianer.     9Jiit    biefen    r)atte  befanntlicf;  felbft 
3Relancr)tl)Dn  ntd^t  gemeinfame  ©act)e  machen  wollen,    greilid),    ber  ^aifer  bertröftet  in 
biefem  Vrief  für  Weitere  $ämbfe   auf   bie  bäbftlicfye  §ilfe.    Aber  anbererfeitS  hoffte  er,  30 
unb  mit  il)m  ValbeS,  ben  ^5abft  burcfj  ein  $ongil  gu  mäßigen.    Am  30.  Tegember  beS= 
felben  %af)xt§  1531  fd)reibt,  ebenfalls  auS  Trüffel  (Wo  SSalbeS  nod)  am  20.  unterzeichnet), 
ber  Nuntius  Slleanber  an  ben  bäbftlicfyen  ©efretär  nacl^  9tom,  er  babe  bon  einem  t)od)- 
geborenen,  toiffenftfjaftlicr;  burc^gcbilbeten  ^ofmanne  gehört,  bafc  eS  bei  §ofe  Seute  gebe, 
aucb,  Autoritäten,    bie  an  nichts  anbereS  bähten,    als  baran,   biefe  lut^erifcf)e  ©e!te,    fo  35 
feb,r  fie  biefelbe  in  i^ren  Sieben  berWürfen,  bocb  burcb,  bie  %ifat  ju  förbern,  unb  Weil  fie 
fid)  über  2utf)er,  ba  ber  berbammt  fei,  nic^t  frei  äußern  bürften,  fo  ^öben  fie  ben  @raS= 
muS  in  ben  §immel  unb  berbreiteten  beffen  5ßeref)rung  in  ©banien  unb  feien  je|t  Wegen 
beffen  Verurteilung  gu  ^ßariS  gang  närrifc^.    Wlan  fann  nic^t  gWeifeln,  ba^  ber  eifrigfte 
unb  einflußreiche  6raSmobl)iIe  nocl;  bamalS  3llfonfo  3SaIbeS  war,    Wie  i|n  im  %afyte  w 
jubor  ber  laiferlic^e  ©efretär  ©cfyeipber  in   einem  Srief  an  ©raSmuS  felbft  als  folgen 
^ingeftellt.    1532  trug  ValbeS  bagu  bei,  baß  ber  ffaifer  ben  ^3roteftanten,  um  ibre^ilfc 
gegen  bie  Surfen   gu  erlangen,   ben  borb,anbenen  33efü}ftanb   bis   gur  näd)ften  Äirc|en= 
berfammlung  gugeftanb.    Anfang  Dftober  ftarb   er  in  äßien.    Über  Sllfonfo  ift  gu  bem 
in  Soeb,  merS  berfcljiebenen  ©figgen  ^ufammengetragenen  nocb,  manches  Inngugefommen :  eine  « 
lngaf)I  bon  SDofumenten  bei  ßaballero,   meift  auS  bem  ber  Sftabriber  Academia  de  la 
Historia   gefybrenben  gaScifel,    auS    bem    B.  Cenni  485.  487    nur    bie  Mitteilungen 
$elffericb,S  benu^en  fonnte;    ferner  bie  ©efanbtfcb.aftsberic^te  bon  ©antiScuS,   Acta  To- 
miciana  t.  7 sq.;   ein  Sörief  bon  Süfonfo  an  SantiScuS  bom  8.  2luguft  1532,  beröffent= 
lic^t  bon  D.  2öal^  in  3Ä©  IV,  629f.  40  Briefe  bon  if)m  finb  gebrucft  im  „Homenaje"  50 
(1899);  19  blieben  „propter  temporis  angustias"  ungebrucft  (f.  0.) 

^uan  blieb  in  ©banien,  als  fein  Vruber  mit  bem  ^aifer  eS  berliefe.  ©raSmuS 
fcfirieb  an  ^uan  am  13.  Januar  1530:  ^uan  trete  il)m  nun  bort  an  bie  ©teile  bon 
2llfonS.  ^n  ben  ^aljren  1531  unb  1532  ftnben  Wir  %uan  in  unb  bei  Dom.  'SJort 
jeigte  er  bamalS  im  Verfefyre  mit  bem  berühmten  unb  gelehrten  faiferlid;en  §iftoriograbb,  en  55 
Scbülbeba,  einem  greunbe  feines  SruberS  Alfonfo,  ^ntereffe  für  naturWiffenfcl;aftlic|)e^ro= 
Werne.  Dacfybem  er  ben  größten  Seil  beS  %ai)x&  1532  in  Deabel  gugebracfjt  b,atte,  War 
er  im  §erbft  Wieber  in  Dom.  ©ort  Würbe  er  „Cameriere  di  spada  e  cappa"  am 
^äbftlicfjen  ^öofe.  ^n  Briefen  bom  16.  unb  20.  Dftober  1532  an  ben  Comendador  mayor 
bon  Seon   embfieb;lt   bcr  fbanifcf/e  ©efanbte  in  Dom,   bem  ebenba   berWeilenbcn  33ruber  60 


384  kaltes,  be 

beS  faiferlic^ert  ©efretärS  2llfonfo  ©albeS,  einem  gelehrten  unb  gefcfyeiten  -Scann,  bon  bem 
©uteS  tu  koffert  fei,  ein  ©inlommen  ju^utoenben,  bamit  er  feine  ©tubien  Verfolgen  fbnne 
(ßabaHero  468).  Dirne  Sltmung  bon  bem  gerabe  ju  jener  3eit  eingetretenen  "£obe  feines 
©ruberS  ließ  %uan  W  einen  ©eleitSbrief  für  bie  Steife  ju  biefem,    alfo   an  ben   faifer= 

6  Hct/en  §of,  auSfteKen,  ben  gontana  (Renata  di  Ferrrara  I,  9tom  1889,  ©.  476)  mitteilt. 
$n  Bologna  traf  ifm  bie  ^rauerlunbe.  ©o  lange  2llfonfo  lebte,  fcfjetnt  biefer  für  ben 
©ruber  geforgt  ju  fyaben.  2lm  12.  Januar  1533  fcbjeibt  ^uan  auS©ologna  an  feines  ber= 
ftorbenen  ©ruberS  greunb ©anttScuS,  ©ifcfyof  bon  ßulm,  unb  melbet,  ©riefe  Werben  tb, n  beim 
^ßabfi  treffen,  bei  bem  er  ifym  gern  ju  ©ienften  fein  Werbe  (Riv.  Crist.  1882  ©.  95  f.).  $abft 

10  unb  Maifer  Waren  bamalS  in  ©ologna,  reo  fte  am  24.$ebruar  ein  ©ünbmS  fcfyloff en.  ©er?ßatoft 
berfbracb!  fein  ©efteS,  um  bie  cfyriftltcfyen  gürften  für  bie  Berufung  eines  allgemeinen 
MonjilS  ju  gewinnen  unb  bie  ©ntfctjeibung  ber  grage  über  bie  @b,e  ber  SEante  beS  MaiferS 
mit  ^einrieb,  VIII.  bon  ©nglanb,  ber  fie  berftoßen  Iwtte,  ju  befdjleunigen.  SDie  @nt= 
fdjeibung,    auf  bie  Marl  im  9Jcai  1533  Wieber  brang,    bie  aber  erft  am  23.  SJiärg  1534 

15  erfolgte,  War  jugunften  ber  unglücklichen  Königin,  bie  ©albeS  in  feinem  SDialog  jmifcb,en 
DJierfur  unb  @r)aron  fräftig  berteibigt  blatte.  ®aß  ber  $abft  ben  ©erfaffer  jenes  SialogS, 
in  welchem  er  felbft  ftreng  beurteilt  Worben  mar,  an  feinen  §of  nal)m,  War  ein  3lft  ber 
©elbftberleugnung,  mit  bem  er  bem  Maifer  feine  ©erfbbjtlidjfeit  ju  beWeifen  Wünfdjte. 
®ie  Stellung  $uanS  am   bäbftlidjen  £ofe  mar   ein  ©fyrenamt   ofme  regelmäßige  Db- 

20  liegenfyeiten.  ©iS  ju  bem  am  25.  ©ebtember  1534  erfolgten  2:obe  btefeS  ^abfteS  lebte 
er  in  9tom.  Dann  lehrte  er  nacb,  9?eabel  jurüd  unb  jWar  in  SDienften  beS  MarbinalS 
(Srcole  ©onjaga  unb  in  unb  bei  biefer  ©tabt  blieb  er  bis  ju  feinem  SEobe.  ©aß  er 
nacb,  zweijähriger  2tbWefenl)eit  nacb)  Neapel  jurücffe^rte,  fteb,t  aus  feinem  Dialogo  de  la 
lengua  feft.    2)afür,   baß  er  1534  jurüclgefeb^rt  fei,   entfcfyeibet  nief/t,  baß  im  Dialogo 

25  de  la  lengua  bie  fbanifc|e  Überfettung  beS  Cortigiano  bejbrocfyen  Wirb,  beren  ©ruef  im 
2lbrtl  1534  beenbet  Würbe,  benn  fte  Wirb  fcfyon  abfdjriftlicr)  im  Umlauf  geWefen  unb 
buref/  ©arcilafo  in  üfteatoel  belannt  geworben  fein;  ÜngebrudteS  wirb  im  Dialogo  de 
la  lengua  auet)  fonft  mitberüfyrt.  Über  bie  2luflöfung  eines  §auSb,altS  eines  beworbenen 
^ßabfteS  fonnte  ©albeS    in    ber  jebenfalls  burd)   ben  %ob  ßlemenS'  VII.   beranlaßten 

30  51.  Äonfiberation  aueb,  bann  fo  fbrecfyen,  wenn  er  bei  biefem  "^obeSfatt  nid)t  meb,r  in 
5tom  mar.  Slber  bie  2lmtal)me,  baß  er  im  §erbft  1534  jurüclgelefyrt  fei,  fetjeint  beffer 
baju  ju  ftimmen,  baß  feine  greunbe  in  9ieabel  fagen,  feine  ©riefe  b,ätten  ib,nen  btel  3Ser= 
gnügen  gemacht  unb  ju  lachen  gegeben ;  im  erften  ^al)re  nacb^  feines  ©ruberS  SEob,  bureb, 
ben  er  aufs  tieffte  erfcfyüttert  roar,   wie  Wir  auS  bem  ©rief  an  SDantiScuS  bom  Januar 

35  1533  feb,en,  fc^rieb  er  gewiß  nict)t  fo  b,eiter.  Um  baS  @nbe  beS  ^ab,reS  1534  fcb,rieb  er 
bort  ben  Dialogo  de  la  lengua  (herausgegeben  sJftabrib  1737.  1860.  1873),  ein  in 
©toanien  nacb,  gorm  unb  ^n^alt  als  llaffifcr;  anerfannteS  Söerf  über  Urfbrung,  3fiecb> 
feb^reibung,  SSortWa^I,  ©til  feiner  2Jhitterft)racr;e  foWie  über  gut  getriebene  ©üd)er  ber= 
felben.    Diefe  2trbeit  ließ   er  ficr)  bon  greunben   abbringen,   fortan  galt    feine   fcb,rtft= 

40  fteHerifcfye  SE^ätigleit  ber  Religion. 

@ine  ber  bebeutenbften  grauen  Italiens  bertraute  ftcb,  feiner  geiftlicb^en  güb,rung  an, 
©iulia  ©onjaga,  bie  finberlofe  SSitWe  beS  ©eSbafiano  ßolonna,  §erjogS  bon  SErajetto. 
©on  t^r  b,atte  Slrioft  (im  Orlando  furioso)  gefungen:  il)r  gegenüber  ber-^ic^te  nid;t 
nur  jebe  anbere  auf  ben  ^ßreiS  ber  ©cfy önE>eit,  fonbern  beWunbere  fie  Wie  eine  bom  §immel 

45  geftiegene  ©öttin ;  SJcarcantonio  SJiagno,  if>r  ^rolurator,  fc^reibt,  er  Ijabe  in  ^talien, 
granlreicb,,  ©eutfcb,Ianb,  ©banien  feine  ©cf)önere  unb  ©rajiöfere  gefefyen  (Slffö,  Tre 
prineip.  della  Famiglia  Gonzaga,  Parma  1787,  ©.  33);  6arnefecd;i  fagt  bor  ben 
^nquifitoren :  ben  9luf  ib^rer  ©cb,önb,eit  unb  "^ugenb  fei  fo  groß  geWefen,  baß  jeber 
Galantuomo  gefugt   fyabe   fie  lennen   ju  lernen.     ®er   afrilanifcb^e  Sorfar  ©arbaroffa 

50  macfjte  1534  einen  Überfall  in  $onbi,  um  fie  für  ben  ©ultan  ju  rauben,  ein  ©efcb,icl, 
bem  fie  nur  mit  genauer  9tot  ertrann.  2lls  ber  üaifer,  bon  feinem  MriegSgug  gegen 
©arbaroffa  fiegreieb;  jurücfgelef)rt,  in  9Jeabel  Weilte,  War  aud?  ©iulia  bort.  Sie  ©efeierte 
War  aber  je|t  tief  unglücflkfy,  nicf)t  nur  auS  Trauer  unb  Jhtmmer  über  gamilienereig= 
niffe,  fonbern  Weit  mefyr  noef),   Weil  fie  nidjt  grieben  fanb  mit  ©ott.    (SineS  SEageS,  in 

55  ber  gaftenjeit  1536,  als  ©albeS  fie  auS  einer  Sßrebigt  Dc^inoS  (f.  b.  2Irt.),  nacb,  $aufe 
geleitet  blatte,  fluttete  fie  ib,m  ibj  überbolleS  §erj  auS  unb  ließ  ftcb,  tröften  unb  Weifen. 
SDaS  ©efbräa)  mußte  ©albeS  ib,r  nteberfcbjeiben;  er  nannte  eS  Alfabeto  Cristiano 
(f>erauSgeg.  in  ital.  Überfe^ung  jenes  3)cagno,  ©enebigl546;  bgl.  Bibl.Wiff.  I,  118f.). 
©aS  b,ier  ©eratene  gelte  nur  ib,r  unb  benen,  bie  eS  gerabe  brausen  lönnten,  bemerft  er 

60  babei  für  bie,  Welchen  eS  ju  ftreng  ober  ju  nachgiebig  fcf)einen  Werbe.    Unbanfbar!eit  gegen 


«ntbeS,  be  385 

©ott,  jagt  er  tl)r,  fei  für  fie  um  fo  fcfymäfylicfyer,  ba  fie  tuelleicfyt  mefyr  ©otteSgaben,  fo 
am  Setb  tote  in  ber  (Seele  empfangen  b]abz,  als  fyeut^utage  fonft  irgenb  jemanb  in  ber  2öelt. 
3^r  Söanbel  fei  untabeltg,  ber  Deformation  bebürfe  fie  für  i^re  ©efübje  unb  Neigungen. 
25ie  cbjiftlicfye  Vottfommenfyeit  befiele  barin,  ©Ott  ju  lieben  über  äße  Singe,  unb  feinen 
-Matten  tote  fid)  felbft.  „®aS  nimmt  mid;  Wunber",  bemerlt  ©iulia,  „benn  mein  5 
Sebenlang  b,abe  id)  fagen  fyören,  bafj  bie  SRönd^e  unb  Tonnen  ben  ©tanb  ber  VolI= 
fommenfjeit  I)aben  burd)  bie  ©elübbe,  falls  fie  fie  galten"  ©laubt  mir,  antwortet  VaIbe"S, 
bafj  SJcbndje  unb  ^idjtmönclje  fo  toiel  oon  djriftlicfyer  VolHommenr/eit  fyaben  Werben,  als 
fie  ©lauben  unb  Siebe  ©otteS  b,aben  werben,  unb  nicr)t  ein  Äarat  meb/r.  @r  ftoridjt  t^r 
oon  ©efeij  unb  ©oangelium:  wenn  fie  9teue  füfyle  unb  gebeichtet  unb  Sttbfolution  er=  10 
galten  I)abe,  fo  foHe  fie  ganj  fidler  fein,  bafs  ifyr  alle  ©ünbe  »ergeben  ift.  (tr/riftuS  b,at 
genug  getljan  für  bie  ©ünben  alter  9Jtenfd)en  ber  Vergangenheit,  ©egenWart  unb  Qu- 
fünft,  unb  uns  in  ben  ©tanb  gefegt,  ^inber  ©otteS  ju  fein.  2lHmäfyIt$  werbe  fie,  mag 
fie  jetjt,  ben  Verftanb  unterWerfenb,  aus  ©er/orfam  betenne,  aus  (Erfahrung  benennen, 
^nbem  er  baS  a^oftotifdt)e  ©laubenSbefenntniS  burcfynimmt,  fagt  er,  ber  i)l  ©eift  Werbe  15 
ibr  bie  2lugen  öffnen  unb  mit  ©infid)t  Werbe  fie  aud)  glauben  an  bie  I)eilige  Iatr)olifd)e 
Stirere  unb  bie  geiftltcb,e  ©emeinfcr)aft  ber  ^eiligen  Verfonen,  bie  in  ifyr  finb;  Werbe  er= 
fennen,  bafj  SfyrtftuS  fester  in  ber  9Mt  eine  allgemeine,  bureb,  bie  ieilnafyme  an  ber 
§eiligteit  ßfyrifti  l)eilige  $ird)e  fyat,  Welche  ©ute  unb  33öfe  umfaßt,  unb  bafj  er  eine  geift= 
licfye  Vereinigung  oon  ^eiligen  5ßerfonen  b/at,  Weld)e,  erhalten  bureb,  bie  ©nabe  beS  20 
fil.  ©eifteS,  in  ©tauben,  Hoffnung  unb  Siebe  leben,  ©ie  $bee  unb  baS  Vtlb  ber  d;rift= 
ticken  Vottfommenfyeit  gegenüber  ber  eigenen  Un»ottlommenb,eit  fei  baS  Vudb,,  in  Welchem 
fie  beftänbig  lefen  fotfe,  unb  baS  in  einem  'jEage  fie  Weiter  bringen  Werbe,  als  alte  Sucher 
ber  9Mt  in  jeb,n  ^afjren.  lud)  bie  f>(.  ©cfyrift  ift  ©ift  für  ben,  ber  mdt)t  biefen  bemü= 
tigen  ©inn  I)at.  2llS  S3üd;er,  bie  tfyr  ben  üffiitlen  entflammen  Werben,  empfiehlt  er  baS  25 
De  imitatione  Christi,  unb  bie  Vitae  patrum  oon  Saffian  unb  §ieronr/muS;  eS 
gebe,  glaube  er,  Überfe^ungen  (jene  Vitae,  erfdn'enen  1544  repurgatae  mit  Vorrebe 
oon  Sutfier).  ©er  6f>rift  fei  bem  ©eifte  nacb,  frei,  otme  einen  anberen  Dbern  aufter 
©ott  anzuerkennen,  unb  bem  Seibe  nacb,  allen  unterworfen,  um  ßfyrifti  Willen  (»gl. 
Senrat^,  3.  ©onjaga,  &ap.  III,  ©.  39  ff.).  30 

(Sin  paar  Söoctjen  bor  ber  gaftenjeit,  in  Welker  biefeS  ©efbräcb,  ftattfanb,  fyatte  ber 
ßaifer  ju  Neapel  ein  ©bitt  erlaffen,  bafe  bei  S£obeSftrafe  unb  Verluft  beS  (Eigentums 
niemanb  mit  ^erfonen  t>erfef)ren  fotte,  bie  oon  ber  lutfyerifdjen  §ärefte  infiziert  ober 
berfelben  berbädjtig  feien.  ÜRad)bem  ber  Äaifer  am  22.  9flär^  abgereift  War,  inhibierte  ber 
SSijefönig  fogar  bie  gortfe|ung  ber  Vrebigten  Dc^inog,  bie  fict)  aueb,  beg  faifertid;en  sr, 
35efucf;g  unb  VeifattS  erfreut  |atten,  unb  WoUte  nur,  Wenn  Dc|ino  fieb,  über  bie  ifym 
jum  Vorwurf  gemachten  Vunfte  genügenb  erflärt  fyaben  Werbe,  bie  ^ortfetjung  geftatten. 
@l  gelang  biefem,  ben  Verbadjt  ju  befeitigen,  fo  ba^  er  feinen  ^urfu§  bon  Vrebigten  ju 
6nbe  bringen  burfte.  @§  War  Wob,I  noeb,  in  bemfelben  ^afyxe,  bafi  ©iulia,  für  ib,re 
3)ienerftt)aft  ein  §au£  in  ber  ©tabt  beb,altenb,  in  ba§  granjigtanerinnentlofter  ©.  (5b,iara  40 
30g.  Dbgleicb,  nicb,t  jur  Drben^regel  berbflic^tet,  »erlief  fie  ba^felbe  bod;  nur  feiten,  fcb,to§ 
fiel;  aber  nicfyt  ganj  gegen  Vefud;e  ab. 

2öaf)rfd;einlicb,  nod}  oor  ©d)lufe  beS  ^a^reä  1536  fanbte  ValbeS  an  ©iulia  feine 
Ü6erfei$ung  be§  VfalterS  au§  bem  §ebräifd;en  mit  einer  an  fie  gerichteten  Einleitung 
unb  Wot>l  gugteid)  feine  2tu§legung  beweiben  (bie  Überf.  b,erau§geg.  Vonn  1881,  ber  45 
Kommentar  ju  ben  erften  41  ^falmen  —  meb,r  ift  big  je|t  nic|t  aufgefunben  —  in 
Revista  Cristiana,  SJfabrib  1882—84,  bie  (Einleitung  englifd;  in  ben  Opuscules  1882). 
3m  ^ab,re  nad;  bemjenigen,  in  Welchem  fie  bie  Vfalmen  erhalten  b,atte,  alfo  Wob,(  @nbe 
1537,  Wibmete  er  ifyr,  gleichfalls  mit  befonberem  (ginleitungSfcf;reiben,  feinen  Kommentar 
über  ben  3fömerbrief  unb  ben  erften  ^orintfyerbrief  (b,erauSgeg.  ©enf  1556.  57,  9Jlabrib  50 
1856,  als  T.  10  unb  11  ber  Reform,  ant.  esp.;  englifd)  oon  VettS,  Sonbon  1883). 
3eine  Überfe|ung  unb  ©rflärung  ber  übrigen  VauluSbriefe  (jum  §ebräerbrief  ift  er  nict)t 
getommen)  unb  anberen,  Worauf  er  fid;  im  SftattfyäuSfommentar  begießt,  b,at  fieb,  ntebt 
auffinben  laffen.  aßab, rfcb,einlid;  ift  er  fbäteftenS  um  Dftern  1539  bamit  fertig  geWefen, 
borauSgefe^t,  bafj  er  mit  berfelben  ©dmeltigteit,  mit  ber  er  jene  erften  beiben  baulinifdb,en  55 
Briefe  beb^anbelt  fyatte,  Weiter  arbeitete,  unb  ba  bie  Strbeit  natürtic^erweife  mit  ber  $eit 
leidster  Würbe.  Von  biefen  Vriefen  Wanbte  er  ftd>  ju  ben  ©oangelien.  @ine  (Einleitung 
ju  ib,nen,  an  ©iulia  gerichtet,  ift  bem  SJcattfyäuS  OorauSgefcl)ic!t,  ber  Wob,t  1540  ab- 
gefcb,  (offen  Würbe  (b,erauSgeg.  SKabrib  1880,  englifcb,  toon  SettS,  Sonbon  1882,  barauS 
befonberS  ber  Sermon  on  the  mount  1882).    Über   bie  anberen  ©Oangelien   ift  nid;tS  eo 

mtaU&ntWop&blt  für  Ideologie  unb  «tr«e.    8.  81.  XX.  25 


386  Salbe§,  be 

bon  Balbes>  ju  STage  gekommen.  @r  toar  ber  erfte,  ber  es«  unternahm,  ba§  v)c3;  au$  bcm 
©rtecf/ifcfyen  inö  ©banifd)e  ju  überfein,  ©eine  Kommentare  finb  2Serfe  treuefter  $or= 
fcfyung,  bie  fid)  ju  beweiben  toeifj,  bon  toiffenfcf;aftlicr/em  tote  Don  erbaulichem  SBert,  in 
licfytboller  fd)ltd;ter  ©arftellung. 
5  hieben  biefer  fortlaufenben  ©ctyrifiauälegung  befyanbelte  er  in  fleinen  2luffä$en  eine 
SJianmgfaltigfeit  bon  einzelnen  reltgiöfen  fragen,  bie  tf)m  f eiber  auftauchten  ober  bon 
anbern  ir/tn  borgelegt  tourben.  (§r  felbft  citiert  folcfye  Stuffätje  al§  Consideraciones, 
Discursos,  Epistolas  (ober  Letras),  Respuestas.  110  Konfiberationen  finb  1550  in 
Bafel  in  italtenifcfyer  Überfe^ung  gebrudt  toorben  (ugI.Bibl.Wif f.  I,  ©.  124  ff.),  39babon 

10  im  Original  (Sonn  1880,  in  ben  Trataditos).  ©inen  SDi§Iuri,  ben  er  citiert:  ob  ber  6f)rift 
feiner  Rechtfertigung  unb  Berl)errlid)ung  getoif?  fein  foll,  befüjen  toir  ttaliemfd;  (al3  fünften 
ber  Trattatelli,  aucr;  ber  bterte  mag  ju  ben  Discursos  gehören),  bon  jtoei  anberen  toiffen 
toir  bie  Xitel.  @s>  gab  neben  ber  ©ammlung  ber  110  Betrachtungen  eine  ©ammlung 
bon  minbefteng  30  feiner  Briefe  unb  eine  bon  minbeften3  33  feiner  Slnttoorten  auf  fragen; 

15  au§  allen  brei  ©ammlungen  toerben  in  ben  9ianbbemerfungen  jum  9Jcattfyäu3Jommentar 
Hummern  citiert  (nicb,t  bon  Balbe§  felbft).  2Bir  befi|en  nur  eine  biefer  2Inttoortcn  unb 
nur  italienifa):  ,,^n  toeldjer  SBeife  ber  ßfyrift  ftubieren  foll  in  feinem  eigenen  Bucb/', 
feinem  ©eift,  in  toelcfyem  er  alles  finbet,  toas>  er  ©cf/led^teä  unb  burd)  ©otte§  ©nabe 
©ute3  Ijat,   „unb  wie  bie  r)I.  ©djrift  ifym  afe  Qnterbret  unb  Kommentar  bient"    (bem 

20  Alfabeto  angebrudt  1546.  1860,  englifcb,  befonbers»  in  einer  geitfcf/rift  1852,  englifd) 
unb  fbanifdt)  mit  bem  Alf.  1861).  Bon  ben  tr/eologifcfyen  Briefen  ^aben  toir  fieben  im 
Original  (in  ben  Trataditos,  englifd)  in  ben  XVII  Opuscules),  jtoei  anbere,  über 
©lauben  unb  Söerfe,  in  ital.  Überfettung  (in  ben  Trattatelli). 

2Ba3  bon  biefen  fleinen  2tuffä|en  im  Original  ju  finben  toar,  ift  au3  £>anbfcf/riften 

25  be3  16.  ^ab,rb,unbertö  gebrückt  in  Trataditos  de  J.  de  V.,  Bonn  1880,  nämlicf;  39  ber 
HOKonfib.,  7  @bifteln  unb  De  la  penitencia  cristiana,  de  la  fe  crist.  y  del  bivir 
crist.  ^jtalienifcb,  ift  aufjer  ben  110  Konfib.  unb  einer  hinter  bem  Alfabeto  gebrückten 
risposta  nur  borljanben  ba3  Büchlein:  Modo  che  si  dee  tenere  ne  l'insegnare  & 
predicare  il  principio  della  religione  Crist.  Roma  1545.    92eue  2tu3g.  §aUe  1870: 

so  Sul  principio  della  dottrina  Crist.  Cinque  trattatelli  di  Giov.  Valdesso.  ©Ieidj= 
jeitig  beutfd)  ebenba.  SZacfybrud  ber  §alleftt)en  2lu3g.  ber  trattatelli:  Roma-Firenze 
1872.  ®ag  erfte  ber  fünf  ©tücfe:  Della  penitenza  Cr.  (um  1545  nod)  einmal  gebrudt) 
ift  ba§  in  ben  Trataditos,  beffen  Xitel  fo  anfängt.  @S  folgen  Della  giustificazione. 
Della    medesima    giustific.     Che    la    vita    eterna    e    dono    di    Dio    per  G.  Cr. 

35  fünftens :  Se  al  Cristiano  conviene  dubitare  ch'egli  sia  in  grazia  di  Dio,  e  se 
ha  da  temere  il  di  del  giudizio,  e  se  e  bene  essere  certo  dell'  uno  e  amare  l'altro. 
®ie  XVII  opuscules  by  J.  de  V.,  überfeijt  bon  Bett§,  Sonbon  1882  enthalten  bie 
Einleitungen  gu  5ßfalmen,  ^Römerbrief,  1.  Korintfyer,  ©bangelien;  bie  7  Sefyrbriefe,  Äon= 
fiberation  109,   bie   5  Trattatelli;    nebft  bem  Titelblatt  be§  Modo  che  si  dee  u.  f.  to. 

40  9fom  1515  mit  Bilb,  nad)  einer  1870  für  micb,  gemachten  $ßf)otograbI)ie.  2lu3  biefen 
XVII:  Three  opuscules,  ^toei  SDrude  1881,  nämlich,  Consid.  109  unb  ber  erfte  unb 
ber  fünfte  ber  Trattatelli.  gtoei  ber  Briefe,  überfeist  bon  Bettä,  On  sickness  unb  On 
temptations,  fd)on  1880  in  The  Friends'  Quarterly  Examiner. 

$n  ben  in  ben  Trataditos  Veröffentlichten  fban.  §anbfd)riften  einer  ©ammlung  bon 

45  46  2luffä|en  bon  B.  finb  bon  ben  39,  bie  ftd)  in  ben  110  Betrachtungen  finben,  16  mit 
Epistola  begeicbnet,  obgleich  fie  leinerlei  Briefform  fyaben.  SDie  54.  ift  aud)  in  Brief= 
form  borfyanben,  bgl.  £>ter  ©.  288.  B.  toirb  mitunter  Betrachtungen,  bie  er  fdjon  nieber= 
gefcfjrieben  blatte,  ju  Briefen  gemacht,  unb  bon  Briefen  2tbfcf;rift  behalten  b^aben,  in  ber 
er  toegliefj,   toa§  nio^t  Betrachtung   toar.   —   ®ie   Bezeichnung   discorso  im    brüten 

so  Trattatello  btnbert  nicb,t,  ir)n  aU  epistola  anjufeb^en,  ba  ja  aucb,  in  ben  Konfiberationen 
questo  discorso  borlommt  (p.  263.  334.  339:  353.  256.  403.  422,  discorrere  133). 
—  Game|ecdn'  fagt  (Processo  391),  Balbe§  I)abe  ein  Butt}  discorsi  e  considerazioni 
berfa^t. 

Sie  ©runbtoab^r^eiten  giebt  er  am  gaben  ber  £>eil3gefd)icr;te  au§  ber  Bibel  in  feiner 

55  cbjtfilidjen  Kinberle^re  (Bonn  unb  Sonbon  1883):  „®ie  Überfe^ungen  be§  16.  3a^= 
b,unbert§  ing  Stalienifc^e,  Sateinifcfye,  ^olnifcb,e,  unb  neue  au§  bem  ^taliemfcfyen  inö 
©eutfcbe,  ©nglifcb^e,  granjöfifc^e,  @ngabinifa)e,  nebft  9lü(füberfe|ung  in§  ©banifcbV'  3" 
ber  ©inleitung  ber^eicb,ne  \<fy  17  biefer  Dftaglotte  borangegangene  ®rucfe:  ttal.,  lat., 
beutfcb,,   boln.,  engl.    9Jtein  ebenbaf.   in  2lu^fia)t   geftellter   ital.  ©rud  ift  im  4.  Bb  ber 

60  Biblioteca  d.  Riforma  ital.,   glorenj  1884   erfcfjienen.    ^n   bemfelben  Banbe  babe  ia) 


iWbeS,  be  38? 

auf  50  Dftabfeiten  au*  ben  alten  italienifd)en  Überlegungen  Verriebener  ©Triften  bon 
halbes  ©leid;niffe  unb  fonftige  3krgleid;ungen  gufammengeftellt.  Diefelben,  bermer/rt, 
fbanifd;  in  Revista  Cristiana,  9M>rib  1885,  ©.  117  f.  2öenn,  fagt  S3aIW8,  bie  d;rift= 
liefen  Altern  felbft  ober  burd)  geeignete  Sefjrer  it)re  kleinen  in  biefen  Dingen  unterric|ten, 
fo  Wirb  bie  falfd)e  Religion  gu  ©runbe  gefyen  unb  bie  toafyre  auffommen.  Sie  Äinber  r, 
foEen  wiffen,  bafs  ©ott  ir)r  Sater  ift  burd)  bie  menfd;tid)e  ©eburt  unb  burd)  bie  d)ri(t= 
lid)e  Sßiebergeburt;  bafj  S^riftuS  ber  §err  ift,  ber  fie  bon  ©ünbe,  STob  unb  §öEe  erlöft 
unb  freigemacht  I)at.  ®a§  mofaifcr)e  ©efe|  Warb  gegeben,  bamit  ba§  au§erWäI)Ite  Volt 
erfenne,  bafj  ber  -DZenfd)  bon  üRatur  unfähig  ift,  ber  gorberung  ber  Siebe  ju  genügen. 
Da3  SBort  ©otteS,  ber  ©of/n  ©otte§,  nafym  gleifd)  an  in  ber  Jungfrau  SJiaria  (bgl.  ju  i» 
5Jct  1);  ©Ott  WoEte  burd)  fein  SGBort  aEe  Dinge  lieber  b,  erfreuen,  Wie  er  alle  burd)  ba<§= 
felbe  gemacht  t/atte.  %$m,  bem  fünblofen  (bgl.  $onfib.  109)  legte  ©Ott  bie  ©ünben  aller 
auf  unb  ftrafte  fie  an  il)m,  als  ob  er  fie  begangen  b,ätte,  bann  r)at  er  ifyn  auferWedt  unb 
berr)errltd^t  unb  tr)m  unumfcOränfie  ©eWalt  im  §immel  unb  auf  @rben  gegeben.  9iad) 
feiner  Himmelfahrt  fanbte  ßt)riftu§  ben  1)1.  ©eift,  burd)  Weld)en  ©Ott  ju  erfüllen  begann,  15 
wag  er  2lbrat)am  berl/eifeen  f)at.  Die  Slboftel  ber!ünbeten  allgemeine  ©traferlaffung  unb 
Vergebung,  ba<§  @bangeüum.  Die  eS  annahmen  finb  ®inber  2(brar;am§,  Wie  er  glauben 
fie,  oI)ne  nad)  menfd)Iid)er  $lugl)eit  ju  fet)en,  Worauf  fie  il)ren  ©lauben  grünben  foEen. 
Die  Bereinigung  in  (Sinem  ©eifte  aller  berer,  bie  bieg  @bangelium  angenommen  I)aben 
unb  getauft  finb  mit  SBaffer  im  9camen  bei  3Sater€  unb  be§  ©ofyneg  unb  be£  r)l.  ©eifte<o,  20 
ift  bie  Sird)e.  Die  Stiften  lieben  einanber  mit  einer  innigen  Siebe,  bie  fel)r  berfd)ieben 
ift  bon  jeber  anberen  Siebe,  bergeftalt,  bafj  bie  Siebe  ba§  $ennäeid;en  be3  ßl)riften  ift. 
28ie  nid;t  ©onne  ift,  roaS  nid)t  leuchtet  unb  Wärmt,  fo  ift  ber  fein  d)riftlidjer  ©laube, 
ber  nidjt  Siebe  ju  ©ott  unb  ju  Sl)riftu3  fd)afft,  ber  bem  ©eroiffen  nid)t  ^rieben  giebt, 
ber  nid)t  2öerle  ber  Siebe  Wirft  unb  ber  md)t  bie  SBegierbe  jur  ©ünbe  ertötet.  Die  §off=  25 
nung  bei  ewigen  Sebenl  mad)t  un3  bie  $tlgerfd)aft  burd;  ba§  gegenwärtige  fnnburd) 
leidster.  Da<8  Seben  bei  @f)riften  fott  ein  beftänbigel  ©ebet  fein,  ein  beftänbigeS  gaften, 
ein  beftänbigel  geft,  ber  dc)rtftlid^e  ©abbatl).  De3  ßl)riften  geWbb,nlid)e3  ©ebet  foE  ba3 
Saterunfer  fein.  (Sr  bete  mit  ©lauben,  aber  nid)t  um  etWa<§,  ba§  in  ber  bJL  ©d)rift 
nicb,t  berb,  eifjen  ift,  benn  roa§  fid)  nicfyt  auf  33erb,  eifeung  grünbet ,  ba§  ift  nid)t  ©laube.  30 
Die  Sllmofen  bei  @f)riften  foKen  immer  auf  ben  9tuf)m  ©ott'eg  unb  6f)rtfti  angelegt  fein, 
unb  bal  finb  fie,  roenn  toir  benjenigen,  bie  auf  bie  Serr/eiftungen  ©otte§  unb  Sfjrifti 
bertrauen,  Reifen,  bamit  fie  nod)  mel)r  bertrauen.  S^riftum  foKen  mir  nad)al)men  in 
bemjenigen,  roorin  er  nad)geal)mt  toerben  roiK,  in  ©anftmut,  ®emut,  A-einbelliebe,  ©e= 
b,orfam ;  tfjun,  ma§  er  tb, at,  unb  nid; t<§  ü) un,  Wa§  er  nidc)t  getl)an  fyahm  roürbe,  ba<o  ift  35 
bie  9iid;tfd;nur  für  ba3  d;riftlid)e  Seben  .  6I)riftu<§  roirb  lommen  ju  richten  bie 
Sebenbigen  unb  bie  ^Eoten;  bie  ba§  @bangelium  nid;t  in  foldp  SSeife  angenommen 
b,aben,  ba$  ber  ©laube  in  it/nen  roirlfam  ift,  werben  in  ewige  $em  geb,en,  Wer  aber  baö 
©bangelium  angenommen,  unb  fid;  bie  Slaufe  ba§  b,at  fein  laffen,  roa§  für  -Jioal)  bie 
2lrd;e  war,  ber  Wirb  eWigei  Seben  b,aben.  Sitte  biefe  2Baf)rI)eiten  fielen  in  ber  1)1.  ©d)rift,  40 
h)eld;er  ber  (5f)rift,  weil  fie  bom  i)t  ©eift  unb  bon  ^erfonen,  bie  ben  1)1.  ©eift  b,atten, 
gefcfyrieben  ift,  ebenfobiel  ©lauben  fd)enlen  foß,  all  ©otte  felbft,  überzeugt,  baf$,  fo  oft  er 
etwas  au§  ber  1)1.  ©djrift  lieft  ober  lefen  l)ört,  ©ott  mit  if)m  rebet.  2Benn  bie  Itnber 
I)eranWad)fen,  follen  fie,  ib^rem  2llter  entfbrecfyenb,  über  anbere  Seb,rftüde  unterrichtet 
toerben,  „wie  über  bie  Seid)te,  über  bie  1)1.  Kommunion  unb  über  bie  anberen  d)riftlid;en  45 
Dinge,  unb  Wie  aud)  über  bie  aKerb,eüigfte  2)reieinigfeit" 

2Bag   bie  Srinität   betrifft,   fo   ift   il)m  ©r)riftu§  Wahrer  ©Ott  unb  Wahrer  DJcenfd;, 
3obn  ©otte§  ab  initio  et  ante  saecula,    eWig   Wie   fein  SSater   unb    ir/m   gleicb,    unb 
tonfubftantial  (f.  m.  @inl.  jur  Äinberleb^re  ©.  XVI) ;  unb  bom  1)1.  ©eift  fagt  er,  bafj  er 
bom  33ater  unb   bom  ©ob,n   ausgebe   (Mateo  p.  10).    6b,riftu§  ift  ©ob,n  ©otte§  bureb,  50 
©eneration,  bie  Gbriften  finb  ©öbne  ©otte§  bureb,  Degeneration  (Consid.  CIX). 

Über  bie  33eid)te  unb  bie  Würbige  Vorbereitung  bei  33eid)tenben  fbrid)t  er  aulfüb,r= 
Htt;  im  Alfabeto  (60  f.).  Der  ©ünber  erf/ält  ©otte§  Vergebung  nicf)t  Weil  er  beiztet, 
fonbern  Weil  er  an  6f>riftu§  glaubt. 

2ebb,aft  berurteilt  er  ju  1  Ko  11  bie  in  ber  Strebe  feiner  Bett  fjerrfdjenbe  Debrabation  bb 
in  ber  2lbenbmaf)lfeier,  bie  2lbWeid)ung  bon  ber  @infe|ung  unb  ber  a^ofto!ifcf)en  3lnorb= 
nung.  Paulus  fyabe  gebeten  ^u  tb,un  Wie  GfyrtftuS  getb,an,  ber  33rot  unb  SBein  an  atte 
9ab-  Durd)  bie  Umf Reibung :  bie§  Srot,  ba§,  Wie  i|r  feb,t,  gebrochen  ift,  bamit  ibj  ba= 
bon  effet,  ift  mein  Seib,  f)ebt  Valbe^  b,erbor,  ba|  bag  33rot  nicb,t  berWanbelt  Worben  Wax 
in   ben    Seib   ^efu,     ber    e#    lebenb    mit    eigenen   £anben   aufteilte.      3m   Alfabeto  60 


388  halbes,  be 

Christiano,  mo  er  fid),  mie  er  felbft  fagt,  ©iulia  affomobiert,  bemerft  er:  bei  ber  SReffe 
fönne  man  grucfyt  gießen  auS  allen  brei  £>aubtftücfen :  ber  3lboration  beS  f)od^£>eiItgen 
©aframentS,  ber  @biftel=  unb  ©bangeltenlefre,  ben  ©ebeten ;  aus  ber  Slboration  ein  neues 
unb  inbrünftigeS  Verlangen  nact;  (Sinberleibung  in  baS  Seiben  ßfyrifti  burdj  ©lauben  unb 
5  Siebe,  nad)  ©rtötung  beS  alten  5SJ?enfd)en  burd)  ßljriftuS ,  nad)  Slufermecfung  beS  neuen 
mit  St)rtftu§.  @r  rät  ©iulia,  an  allen  gefttagen  SJieffe  ju  r)ören,  menn  möglid) ;  an 
anberen  'Jagen  eS  nur  bann  aufzugeben,  tr>enn  fie  fonft  irgenb  ein  SiebeSmerf,  bei  bem 
fie  fei,  berlaffen  müfste. 

lieber  bie  r)I.  ©cfyrift  fbridjt  er  fidj>  mieberfyolt  fo   au§  mie  am  ©cfylufc  ber  $inber= 

10  lettre.  @r  nennt  fie  58erid)t  beS  BJL  ©eifteS  über  göttliche  ©inge  (Sonfib.  37.  98).  ®en 
SBorten  ©otteS  unb  Gfyrtfti  aud)  nur  ein  SEite(d)en  ju  nehmen  ober  f)injujutf)un,  ift 
©afrilegium  ober  ^ßrofanation  (1  Äo  11  ©d)luf$).  2llleS,  maS  in  ber  1)1.  ©c§rift  fter/t, 
t)ält  ber  ©laube  für  fidjer  unb  feft,  inbem  er  auf  bie  Serfyeifjungen  bertraut,  bie  fie  giebt 
(f.  ju  1  $o  13),   unb   burd)   ben  Jroft  ber  ©cfyrift  erhalten  wir  uns  in  ber  Hoffnung, 

15  inbem  bie  Sefung  ber  Verkeilungen  unfere  ©ebulb  ftärft  bei  ber  Verzögerung  ber  3Bieber= 
fünft  ß^rifti  (ßonjib.  33).  £>ie  ©cbjift  felbft  aber  meift  über  fid)  InnauS  auf  ben  ©eift, 
aus  bem  fie  berborgegangen  ift  unb  ber  @l)rifti  ©laubige  in  alle  2Bat>rI)eit  leitet.  -Bcid), 
fagt  ValbeS,  mürbe  eS  mefyr  ftören,  menn  ber  SRangel  an  Übereinftimmung  ber  @ban= 
gelten  in  einigen  fingen,  ber,  tüte  eS  fd)eint,  borliegt,  nid)t  borb/anben   märe,   benn   icb, 

20  freue  micfy,  bafj  bemnacfy  mein  ©laube  nid^t  bon  ©Triften  abfängt,  fonbern  bon  ©eifteS* 
einmtrfungen  (^nfbirationen)  unb  Erfahrungen,  toie  ber  ©laube  berer  bon  ©amaria 
3>o  4  (bgl.  $onfib.  3),  unb  icb,  erfenne,  bafj  ©ott  fo  biel  Sicfyt  geben  mollte  mie  nötig  ift 
für  bie,  meldte  bie  inneren  ©eifteSeinmirfungen  Ijaben,  unb  nicf)t  fo  biel,  um  ben  9Kenfc|en= 
berftanb  olme  biefe  ju  erleuchten  (Proemio  ju  ben  ©bang.).   9Ber  baS  Sid)t  ber  bJL  ©cfyrift 

25  unb  baS  Veifbiel  ber  ^eiligen  f)at,  nid)t  aber  fyl.  ©eift,  ber  manbelt  mie  jemanb  mit 
einer  $erje  in  ber  9Zad)t,  nid)t  ganj  im  ginftern,  aber  ntcfyt  fidler  unb  ofme  gurdjt 
(ßonfib.  46).  ©em  (Stiften  (babm  liefce  ftcr,  ßonfib.  32  jufammenfaffen)  ift  bie  t;l.  ©cbjift 
juerft  feine  gibel,  bann  feine  33ibel,  baS  33ud)  ber  Sudler,  baS  ü)m  bon  bem  ©eifte  jeugt, 
ben  er  felbft  in  ficfy  l)at  unb  um  beSmiHen   er  alle  mit  menfdjlid^em  ©eift  gef<f)riebenen 

so  Sucher  bei  feite  läjjt.  $Die  b,I.  ©ct;rift  allein  pa$t  fid)  ber  ^abajität  ber  Sefenben  berart 
an,  bafe  fie  nid}t  nur  5RiId)  für  ben  Anfänger,  fonbern  aud)  ©beife  ben  33oIIIommenen 
bietet  (Alf.  3).  Sie  beften  2lu§leger  ber  |l.  ©cfyrift  finb  ©ebet  unb  Betrachtung,  ge= 
tragen  burd;  i)l  ©eift,  ©rfafyrung,  tägliche  Sefung  (^onfib.  54,  9tö  304),  unb  anberer= 
feit§  ift  bie  1)1.  ©d;rift  2tu§(eger  ober  Kommentar    für  baS   fo^ufagen   eigene  S3ud)   be§ 

35  (Stiften,  für  ba§,  toa§  in  feinem '  eigenen  ^nnern  fd}(ect;teg  unb  göttliches  ju  lefen  ift. 
®ie  DI.  ©d)rift  ift  jugleict;  ©rquidfung  unb  SBegmeifer,  unb  mit  ber  $e\t  fommen  mir 
baf)in,  mit  ib,r  gu  bergleid;en  unb  burd)  fie  al<§  mab^r  ju  bemeifen,  maS  ©ott  uns  in  unferem 
eigenen  $jmtmt  gelehrt  fyat  (Epist.  1  ber  Trataditos,  bgl.  ^onfib.  32.  23  unb  ju 
^f  19,  11).    SDurd)  baS  geiftlid)e  Sid)t,  baS  unS  erleuchtet,  lernen  mir  aud;  bie  fy.  ©cb^rift 

40  berfteb^en,  bie  mit  ib,m  gefcfmeben  ift  (^onfib.  68,  9tö  304).  ®a  bie  ©eifteSgaben  ber= 
fdjieben  finb,  fo  berfteb,t  ber  eine  bie  b,I.  ©cb^rift  in  ©inem  ©tüd",  ein  anberer  in  einem 
anbern;  bleuer  aber  als  bie  1)1.  ©d;rift  ftrab,It  ber  1)1.  ©eift  in  ben  (Stiften  (tonfib.  68, 
bgl.  meinen  2luffa^  ©eift  unb  ©ctjrift,  im  Slnb^ang  jur  beutfcb^en  Überfe|ung  ber  Setracb,= 
tungen;  englifd)  bon  SettS:  The  Holy  Spirit  and  Holy  Scripture  1881,  mit  einem 

45  ,ßufa£  bon  mir).  Übt  eud?,  fagt  halbes,  in  ber  ©rlenntniS  ©otteS  burcf)  bie  ©c^öbfung, 
galtet  ftetS  im  ©ebäcfytniS  bie  burcb,  bie  fyl.  ©d)rift,  unb  brägt  eurer  ©eele  bie  burd) 
S^riftuS  ein  (Epist.  2  in  ben  Trataditos).  Dbgleid)  @I)riftuS  unS  feinen  eigenen  ©eift 
mitteilt,  fo  gefcf;iel)t  eS  megen  unferer  UnembfänglicDfeit  bod)  nid)t  in  bem  Sftafje,  bafe 
mir  Gfyrifti  ©ebanfen  unb  ©efüb^Ie,  bie  mir  in  ben  ©bangelien   lefen,   alle   auS  eigener 

so  Erfahrung  recfyt  berfteb^en  !önnen  (Proemio  ju  ben  ©bangetien). 

3lufeerf)alb  ber  oben  genannten  ©rubben  ber  Heinen  Sluffä^e  fteE>t,  mie  bie  ^inber= 
Iet)re,  fo  aud)  baS  ©cr;riftc|en  über  SBufee,  ©laube  unb  Seben  (fbanifd;  in  meiner  Tra- 
taditos 1880).  $n  if)r  entmitfelt  er  nic^t  nur,  maS  er  über  ben  §aubtinfyalt  ber  ^rebigt, 
fonbern  aucb,  maS  er  für  bie  ^ird)en§ucr)t  anorbnen  mürbe,  menn  eS  feine  Aufgabe  märe,  in  Sejug 

56  auf  biefe  Singe  Slnorbnungen  §u  treffen.  ©Etommunigiert  merben  müßten  nacb,  breimaliger 
Sßarnung  bie  §abfüc^tigen,  @|rgeijigen,  Säfterer,  Übbigen,  bie  in  geinbfct;aften  unb  £aber 
leben,  in  ©c^melgereien  unb  @itelfeiten,  bie  fd;anbbaren  ©rmerb  treiben  unb  um  ©eminn 
fbielen,  ebenfo  bie,  meld)e  an  eiteln  Zeremonien  unb  abergläubifcfyen  Dbferbanjen  fangen, 
inbem  fie  ben  ©efd)öbfen  unb  ben  geiten  ober  ben  SBorten  beimeffen,  maS  ib^nen  meber 

60  jufommt   nocfy   bon  ber   1)1.  ©cfyrift  ober  ber  ctyriftlid)en  ^ircr)e  beigemeffen  mirb.    ®ann 


33nlbe8,  bc  389 

würben  wir  eine  ßird)e  feben,  bie  ber  ber  Stbofteljeit  fefyr  äf>nltd^  unb  wie  ein  33ilb  beg 
ewigen  i'ebeng  toeyre.  $m  Kommentar  ju  1  $o  7,  37.  :J8  Will  er  ntdEjt  unterlagen  ju 
jagen,  ber  gröfete  Verfaß  beg  Gb,riftentumg  fei  bafyer  gekommen,  bafc  man  e§  ^»abe  ju 
einer  ©acbe  bieler  machen  Wolfen,  Wäfyrenb  eg  eine  ©ad*e  weniger  fei,  ja  fefyr  Weniger, 
©ott  Wolle,  bafe  eg  berer  fei,  bie  er  rufe,  unb  inbem  bie  SRenfcfjen  Wollen,  bafe  eg  für  b 
bie  fei,  bie  fie  rufen,  rieten  fie  eg  ju  ©runbe.  $)ocb,  eg  ift  md)t  meine  Aufgabe,  fagt 
er,  bieö  surecfyt  ju  bringen,  SDemgemäfj  enthält  er  fieb,  ftetg  jeber  Siufjerung  über  bie 
iserfaffung  ber  römifcfyen  $ird)e.  Dfme  3vt>etfel  War  er,  Wie  1536  9Mancf;tI)on,  ber  2ln= 
fiebt,  bafe  man,  Wenn  ber  $abft  bal  ©bangeltum  julaffe,  ben  ^rimat  beg  ^abfteg  über 
biejenigen  Stfcböfe,  bie  fid?  ju  il)m  galten  Wollten,  nad)  menfd)lid)em  9lecr)te  gelten  (äffen  io 
fotle.  Slud;  burfte  33a(b6g  nod}  nidjt  äße  Hoffnung  aufgeben,  bafe  bie  römifcfye  Kirche 
nid)t  Werbe  ifyren  $aulug  »erWerfen.  @ine  ftarle  Strömung  ging  aud)  in  3;^^"  3" 
©unften  beg  ©bangeliumg;  ein  atlgemeineg  föongil  ftanb  nab,e  bebor;  Salbei  fyatte  bäbft= 
UdK  Stf;eoIogen  unb  33ifcb,öfe  unb  @r-$bifcf)öfe  ju  ©laubenggenoffen  unb  33eWunberem; 
bag  Consilium  de  emendända  ecclesia,  bag  1537  bie  bom  ^3abft  eingefettfe  $om=  15 
miffion  bon  Prälaten  angab,  geigte  einfidjtigen  gteimut;  ber  5ßabft  fanbte  1541  jum 
9tegengburger  Steligionggefbräd)  einen  ßontarini,  ber  gern  auefy  glaminio  unb  SSermtglt 
mitgenommen  fyätte. 

$eter  SfKart^r  23ermigli  aus  3'fDre%  $r'Dr  bvc  3luguftiner  ju  S.  Pietro  ad  aram 
in  Neapel,  fd)lofj  fid)  an  23albeg  an  unb  legte  in  ben  legten  30er  Qafyren  unter  größtem  20 
3ulauf  bie  ^aulinifdjen  ^Briefe  aug  (f.  b.  Slrt.).   SRarcantonio  glaminio  aug  ^mola,  ber 
liebliche  Siebter,  lebte  feit  @nbe  1538  brittefyalb  ^ab,re  mit  tfynen  als  ©Ieid)gefinnter,  unb 
er  War  eg,  ber  bem  im  Greife  bon  2Mbeg  entftanbenen  33üct)Iem  bon  ber  9Bob,ltat  ß^rtftt 
bie  $orm   gab,   in  ber   eg  algbalb   in   Wieberfyolten  £)ruden  eine  aufjerorbentlicfye  35er= 
breitung  fanb.   Dd)ino  aug  ©iena  (f.  33b  XIV,  256),  alg  ©eneral  ber  ^abujiner  naefe,  Neapel  25 
jurüdgefefjrt,  War  fo  eng  berbunben  mit  23albeg,  bafj   er  fid)  oft  bon  biefem  St^ema  ju 
feiner  ^rebigt  geben  liefe;   er  übte  eine  folcfye  SSirfung   auf   bag  2Mt,  bafe,  Wie  ein  ba= 
maliger  §iftori!er  fagt,  felbft  ©erber  fieb  fyeraugnafymen,  über  feb,  Wierige  ©teilen  ber  SSrtefe 
^au(i  ju  bigfurrieren.    1540    fam    ebenbabin  ber  Florentiner   ©arnefecd)t    (f.  33b  IX 
S.  539  f.),  ber  fcfyon  in  9bm  alg  ^rotonotar  Giemen^'  VII.   mit  23albeg  befannt  ge=  30 
roorben,  jefet  in  geiftlid)e  ©emeinfd)aft  mit  ib,m  trat. 

3m  ©ommer  1541  ftarb  33albe§.  ^m  näd)ften  %afyxe  begann  bie  rbmifd)e  ^n= 
quifition  ib,re  Slfyätigleit.  33ermigli  unb  Dd)ino  »erliefen  Italien  für  immer.  Dd)ino, 
nacb,  9iom  citiert,  »erftanb  einen  Wutf  be§  fterbenben  ßontarini,  unb  flo^;  er  fdjreibt  am 
31.  2(uguft  1542:  „Wäre  id)  nad)  5Rom  gegangen,  fo  b,atte  id)  nid)t  mefyr  brebigen  lönnen,  35 
ober  nur  6b,riftu§  in  9Jfa§fe  brebigen  unb  2SirrWarr  reben  lönnen,  et  satis  superque 
datum  est  hypoerisi  et  superstitionibus;  bielmefyr  id}  b,ätte  muffen  entWeber  Gfyriftum 
berleugnen  unb  ib,n  berfolgen,  ober  ba§  Seben  laffen;  jene§  War  ©ottlofigfeit,  ba§  anbere 
■Jfyorbeit,  ba  id}  rttd^t  ba§u  infbiriert  toax;  Wenn  ©ott  mid;  WUT,  Wirb  er  mtd)  überall 
finben";  ßb^riftuö  felbft  l)abz  fid}  Verfolgern  entsogen,  unb  fage,  Wo  fie  un§  nid)t  auf=  40 
nebmen,  foßen  Wir  ben  ©taub  bon  ben  güfeen  fd;ütteln  (93enrat|,  Dd;ino  2.  Slufl.  ©.  283). 
9i!id;t§  War  jeitgemäfeer,  al§  bieg  Satis  superque.  1543  Würben  in  ^Reabel  ba§  Bene- 
fizio  di  Cristo  unb  anbere  !e^erifd)e  33üd;er  öffentlid)  berbrannt.  glaminio,  1550  im 
§aufe  beg  Äarbinalö  ^ßole  in  3ffom  geftorben,  Würbe  al$  §äreti!er  begeidimet.  3n  ^em= 
felben  ^af>re  1550  Würbe  in  gerrara  ganino  au§  gaen^a  fjmgericbtet,  ber  erfte  Slutjeuge  45 
bes  erneuerten  @bangelium§  in  Italien,  ber  im  Werfer  unermüblid)  feinen  Mitgefangenen 
bie  „2öor)ltt)at  6brifti"  brie§.  S)rei  ^abre  fbäter  erlitt  in  9tom  ein  SJtöncb,  aus  Montal* 
cino,  ber  aud;  in  9Ieabel  bie  ©d;rift  aufgelegt  blatte,  ben  Märt^rertob.  3m  ^eaf olt^ 
tanifeben  Waren,  Wie  ein  ©egner  im  16.  ^afyrlmnbert  er§äf>It,  burd)  33albe§  unb  feine 
©enoffen  3000  ^ßerfonen,  barunter  biele  ©d)ulmeifter,  berbeftet,  Wa§  man  erfannt  Ejabe,  so 
aß  fie  retraftierten.  33albe§  ^atte  gefagt  (ju  5Rö  10,  10):  „@3  Wirb  folebe  geben,  Wetcbe 
*>on  Gbriftug  unb  bem  ©bangelium  glauben,  toa$  man  foll,  jebod)  Weit  fie  Wabjnebmen, 
bafe  e§  ein  gefäbrlid)  ©ing  ift  unb  berad)tet  unb  für  fd;led)t  gehalten  bei  ben  Seuten,  eg 
niebf  ?u  belennen  Wagen,  um  nid)t  jene  @efal)r  unb  jene  ©djanbe  ju  erleiben,  unb  werben 
fo,  inbem  fie  ibren  ©lauben  berborgen  galten,  benfelben  aßmäblid;  berlieren ;  aber  Wenn  55 
fie  Gljrifti  unb  beg  ©bangeliumg  fid)'  ntct)t  febämen,  fonbern  mit  bem  50?unbe  ben  OHauben 
oefennen,  ben  fie  im  §erjen  tragen,  fo  Wirb  eg  gefd}eben,  bafe  ib,r  ©laube  um  fo  me^r 
Vüäd;ft,  je  inbrünftiger,  mutiger  unb  Wirlfamer  ilt>r  33efenntnig  ift"  (bgl.  5?onfib.  24).  $m 
3-  1560  rottete  man  in  Salabrien  burd)  fürd)terltd)eg  33lutbab  bie  2öalbenfer  aug,  bei 
benen  aueb  ber  neue  ebangelifd)c  "Antrieb,  ber  bon  9teabel  gefommen  War,   freubnie  2luf=  eo 


390  2?albe§,  U  Wahns,  SBtfrf»of 

naljme  gefunben  fyatte.  3m  S-  1564  mürben  in  Reatoel  jtoei  ©belleute,  ©ianfrancefco 
2lIoi§  au§  Gaferta  unb  ©argano  b'SCöerfa  toegen  Sutfyertumg  auf  öffentlichem  9Jcarft  ent= 
Raubtet.  ®er  erftere,  einer  ber  rüfyrigften  Valbeftaner,  fyatte  aucb,  feinen  Vermanbten,  ben 
Sftardjefe  ©alea^o  ßaraccioli  (f.  b.  2lrt.  Vb  I  ©.723 ff.),  gewonnen,  ber  jefct  längft  in 
5  ©enf  in  ©icfyerlieit  mar ;  aug  Safertaä  2tu3fagen  ergab  fid),  baft  ad^t  Vifd)öfe  unb  brei 
©rgbtfd^ofe  in  ©übitalten  über  bie  Rechtfertigung  mie  Sutfyer  unb  SSalbeg  bauten. 

Safe  ©iulia  ©onjaga,  bon  meldjer  gomari  in  feiner  @r.bofiiion  be3  Strioft  1549 
rühmte,  fie  mibme  aUe  ifyre  geh  ^eiligen  ©ebanfen  unb  lefe  mit  reinem  unb  fdjlicfytem 
§erjen  bie  fy.  ©djrift,  bie§  im  ©eifte  bon  ValbeS  ttjat,  mar  unberborgen,  man  fyielt  e§ 

io  aber  nodj)  tttd^t  für  geraten,  bie  Rücffidjten  gegen  bie  gürftin  bei  feite  ju  fe|en.  1553  am 
25.  SJcarj  fcfyreibt  fie  an  il)ren  SSetter  gerrante  in  Ve^ug  auf  2Iu$>fagen,  bie  über  fie  bor 
ben  ^nquifitoren  gemalt  toaren:  fo  biel  fie  feiert  fönne,  fyanble  eg  ficb,  um  ifyren  Ver= 
fefyr  mit  Valbeg  unb  beffen  ©Triften.  3Benn  fie  über  religiöfe  ©tage  gefbrocfyen  l;abe, 
fo  fei  e§   gefa)el)en,  um   biefe  ju  berfte^en,    nicfyt   um   bon  bem  abjutoeia^en,   ma§  bie 

15  fatfyoltfdje  JUrdje  fefifyalte.  greilicb,,  bei  bergleidjen  fyeijje  e§,  jeber  ©Ratten  fei  biet.  !$a.bz 
man  bon  ValbeS  ©Triften  eine  fd^Ied^te  Sfteinung,  fo  fyätte  man  fie  berbieten  foUen  unb 
foKe  fie  je|t  berbieten;  wenn  fte  einmal  berboten  fein  mürben,  fo  merbe  fie  geb,orfam 
fein.  Übrigen^  befttje  fie  biefelben  gegenwärtig  nidjt  (Reumont,  Vitt.  Colonna  [1881] 
©.  275 ff.).   Sllfo  ©iulia  fyatte  bie  ©Triften  bereite  in  anbere  §änbe  gegeben.  5Der  ©eift 

20  ib,re§  greunbe§  mar  ifyr  unberlierbar,  unb  bon  tarn  l>atte  fie  aucb,  ba§  gelernt,  bie 
Religion  fo  im  §er^en  $a  tragen,  baf?  fie  tb,r  bleiben  mufete,  toenn  felbft  bie  b,I.  ©a)rift 
ifyr  genommen  mürbe.  SRefyrere  ©Triften  bon  Valbeg  ftanben  übrigens  längft  in  bem 
Veneiianifcfyen  Katalog  berbotener  Sucher,  aber  erft  ein  bar  2>at)re  nacb,  biefem  Vrief 
©iuliag  mürbe  Joannes  Valdesius   burd)  ben   erften  ^uhyc  ber  ^nquifition  bon  Rom 

26  unter  bie  Tutoren  ber  erften  Älaffe  aufgenommen,  bon  benen  alles  unb  jebeS  ju  lefen 
unterfagt  ift.  ©iulia  aufwerte  fid)  mifjbilligenb  über  ben  römifcfyen  ^nbej  (Processo 
Carnesecchi  171),  unb  am  29.  Jguli  1559  fcfyrieb  fie  (baf.  386 f.):  fie  fyöre,  baf$  morgen 
in  Rom  ein  Sluto  fein  foHe,  in  meinem  aud)  ba§  Vilb  be§  SRarcfyefe  bi  Dira  erfcfyetaen 
merbe  (gemift  ber  b'Dria,  ber  als  $lüdjtling  in  ©anjig  ftarb,  f.  Cenni  564  unb  2lnb,ang 

30  ju  ben  beutfdjen  $onftb.  ©.  361);  „menn  etma  Samefecdn  in  ber©cene  erfdjeinen  foltte, 
mie  ba§  aud)  mit  35albe§  ber  %aü  fein  tonnte,  fo  fagt  ifym  bon  mir,  er  foU  auf  bie 
©d)mad)  flauen,  bie  fein  älterer  Sruber  burd;mad)te",  ^efu§,  ber  erftgeborene  bieler 
Srüber.  Rod;  nad;  jenen  Einrichtungen  bon  1564  fteb,t  fie  gu  9Jtario  ©aleota,  bem 
neabolitanifdjen    33aron,    ber    in    Rom     im    ^nquifitionSlerler     fa^    (bgl.    Senratb,, 

35  9JI  ©aleota,  §iftorifd;eg  ^Eafcb,  enbud)  VI,  4  [1885],  ©.  169—196).  $n  einem  Srief  bom 
17.  gebruar  1565  an  6arnefecd)i,  ber  ib,r  berichtet  blatte,  man  fybre,  ber  ©efangene  merbe 
fd;ulbig  befunben,  tritt  fie  lebhaft  für  biefen  ein  unb  erinnert  baran,  mie  biele<§,  ba§  ficj^i 
nadj^er  al<§  gabel  b^erauggefteEt  ^ahz,  gegen  Äarbinal  3Dtorone  au^gefbrengt  morben  fei, 
um  bon  ber  Skrteibigung  abgufd;reden  unb  ba§  tSrftaunen  über  eine  Verurteilung  ju  ber= 

40  ^inbern  (Processo  Carnesecchi  387 f.).  2lHein  am  12.  %\m\  1567  mürbe  ©aleota, 
bamal§  mob,!  balb  70jä^rtg,  ^u  fünf  I^afyren  ©efängni§  unb  jur  2lbfd)toörung  berurteilt, 
bor  allem,  meil  er  ©djriften  bon  ^uan  Salbei  befeffen,  gelefen,  überfetjt  unb  gelobt 
fyatte,  nämlid;  ben  Kommentar  über  9JJattf)äu<S,  ben  über  bie  ^Pfalmen,  bie  fragen  [unb 
2lnttoorten],    Briefe  (epistolette),  baS  Alfabeto  Cristiano;    in  33e$ug  auf  baö  Verbot 

45  ber  Valbe^fcb,  en  ©Triften  b,  atte  er  geäußert :  mir  ift§  gleicb, ,  id)  l^aht  fie  inne.  Unb  er 
b,at  abgefa^boren ,  benn  er  ift  in  greifyeit  geftorben.  ©iulia  erlebte  biefe  Retraltation 
nidjt.  ViuS  V.,  ber  am  8.  ^aniutt  1566  jur  Regierung  fam,  mürbe  fie  „lebenbig  ber= 
brannt  b^aben"  (Senratb,,  %  ©onjaga  ©.  99)  —  aber  fie  mar  fd)on  im  Softer  ber 
granji§!anerinnen  in  Reabel  am  19. 2lbril  1566  geftorben.  $n  ib^rem  ieftament  fagt  fie:  icb, 

50  befehle  meine  ©eele  ©ott,  bem  allmächtigen  §errn  unb  gütigften  Vater,  unb  ^efu  ßljrifto, 
feinem  ©ob.n,  meinem  ©rlöfer.  ©in  baar  5!Jconate  nac§  ib,rem  ^obe  mürbe  ßarnefecdji  ge= 
fangen  genommen,  am  1.  Dftober  1567  mürbe  er  in  Rom  entlaubtet.  2lonio  Valeario 
(f.  33b  XIV,  601)  ftarb  bort  1570  am  ©algen.  £>ie  ebangelifcfyeVemegung  in  Italien  mar 
erftidt.    216er  in  ben  ©Triften  be§  ^uan  be  Valbeä   bemalte  fie  bis  auf   unfere  3^ 

55  ib,re  größten  litterarifcb, en  ©cb,ä|e.  2ln  ben  um  bie  Verbreitung  berfelben  in  bem  mobernen 
(Snglanb  feb,r  berbienten  3ob,n  33ett§  fcb,rieb  ber  berühmte  ^anjelrebner  ©burgeon  unter 
bem  1.  3suni  1882:  ,,©ie  b,aben  ein  gutes  SBerf  getfjan,  inbem  ©ie  biefen  ^eiligen 
bem  ©rabe  ber  Vergeffenb,eit  entriffen"  m.  SSoe^mer  f  (SBenrat^). 

®okn§,  Söifdjof  f.  b.  31.  3lrtantgmu8  Sb  II  ©.  33, 21. 


Ülalenö,  ftaifer  391 

Valens,  römifcfyer  Äaifer  364  —  878.  —  Sie  loidjttgereu  Quellen:  IHmmianu* 
-litavceHtnu-J,  Sfiemiftiu*,  ©ofrateS,  ©ojontenoS,  Stjeoboret,  ©regor  Uon  9Jajianj,  ©ober. 
Itjeoboftcmu*.  3"  *$■  SiHemont,  Histoire  des  emp.  V,  ©.  35 ff.;  ,§emv.  3Jid)ter,  3)a§  tt>eft= 
riiiiiifctje  SReid),  bef.  unter  ben  ffaifern  ©vattan  u.  f.  m.,  SSerlin  18G5;  £erm.  ©djtüer,  ©efdjtdjte 
ber  röm.  Äotferäett  2.33b,  ©otfjci  1887,  ©.  :U8ff.;  Sicto^<5diu(0e,  ©efd)id)te  be§  Unterganges  5 
beS  gned)ifd)=viimifd)en  .ftetbentums  1.  93b,  3™<*  1887,  to.  186  ff.  unb  fonft. 

SBalcnS,  ber  jüngere  Vruber  be3  $aifer§  aSalerttmiartu^,  ift  um  328  al§  ©ofyn  eines 
au$  nieberem  ©tanbe  ju  £wl)em  milttärifct;en  Stange,  julefct  jum  Dberfommanbierenben 
ber  britifdjen  Strumen  aufgeftiegenen  $annonier§,  ©ratianug,  geboren.  ®ie  Vrüber 
Wulfen  im  Sager  auf.  gut  ßett  Sultan^  fanben  fie  als  Offiziere  ©elegenr/eit,  ein  mann=  io 
bafteS  SefenntniS  ib,re§  djriftlicrjen  ©Iauben§  abzulegen  (©otrat.  IV,  1;  ©030m.  VI,  6). 
iilS  SSatentinian  nacb,  bem  furzen  Regiment  ^otoiang  bon  ben  Srubben  mit  ber  &aifer= 
Würbe  befleibet  Würbe,  berief  er  balb  barauf  (28.  3Rärj  364)  ben  33ruber  jum  WiU 
regenten  unb  überwies  if)m  ben  Often  be3  3fteid;eg.  SDaö  SSer£)äItnt§  mar  aU  ©Ietd^= 
fteEung  gebaut,  in  SBirilicbJett  nai) m  Sklentinian  ben  9iang  be3  Dberlaiferg  ein.  Valens  15 
jab,  fidji  fofort  bor  großen  ©d)Wierigieiten.  2tn  ber  SDonau  ftanben  brofyenb  bie  ©oten, 
ben  günftigen  Slugenblicf  erWarienb,  um  ir/re  Waffen  in  ba§  Sieicb,  ju  ergießen.  %n  ben 
Vorbereitungen  gut  StbWefyr  biefer  ©efal)r  erftob  fieb,  im  £>erbft  365  ein  gefährlicher  Ufur= 
bator,  ber  gelbfyerr  ^rofojnug,  ein  VerWanbter  Julian«?,  nicfjt  im  tarnen  be§  §etfem<omug 
—  benn  feine  5Rünjen  trugen  ba§  Gfyriftu^eicfyen,  unb  (Sljriften  waren  ebenfo  Wie  Reiben  20 
feine  Parteigänger  —  fonbern  als  ber  Präger  unbergeffener  fortftantiniferjer  Erinnerungen 
im  §eere  unb  im  Steige;  barum  fd)mücfte  ibm  bie  SöitWe  be§  ^onftantiuS,  gauftina  felbft 
mit  bem  Vurbur.  sJ2acf;  anfänglichen  Erfolgen  be£  UfurbatorS  überwältigte  ifyn  in  einer 
©djlacfyt  ber  ergraute  fonftantinifcfye  gelbfyerr  2trbetio  unb  lieferte  ib,n  bem  Kaifer  jur 
Öinricfylung  au§.  ©eine  2tnb,änger  berfielen  graufamen  ©trafen,  unb  für  bie  golge^eit  25 
blieb  in  Valens  ein  ftarleS  boIitifcfyeS  2Riferrauen  fyaften,  bem  immer  Wieber  Unfcb,ulbige 
geopfert  Würben,  unb  ba§  fid)  bor  altem  in  ben  bureb,  baS  DratelWort  AEOA  f>erbor= 
gerufenen  umfaffenben  Vrojeffen  blutig  auSWirfte  (Victor  ©d)ul|e  I,  ©.  202  ff.). 

$n  fernere  Verwickelungen  rourbe  Valens  bureb;  feine  Parteinahme    an   ben    ftrcr;= 
Iid)en  unb  t^eologifdjen  ^ämbfen  geführt.    ®ie  Sage  b,atte  fid)  im  Dften  in  ben  legten  30 
3ab,ren  infofern  für   bie  ^Ricäner  gebeffert,    al§  §omoufianer  unb  §omoiufianer  fid)  in 
fteigenbem    SRafse  näherten,   unb  bamit  eine  grofee  Koalition  gegen  ben  2triani§mu§  fidt) 
anbahnte  unb  fd)lk$\d)   burcb,fe|te  (f.  b.  2t.  2lrtam8mu8  Sb  II  ©.39 ff.).    3lt^anaftu8f 
Safiliu€  b.  @r.,  ©ufebiug  bon  ©mefa,  2lmbb,ilocb,iu8  bon  ^lonium,  @regor  bon  9?ajianä, 
um  nur  biefe  ^u  nennen,  fter)en   in   biefer  dnttoicfelung  im  SSorbergrunbe.    S5alen§  ber=  35 
trat  mit   boHer  ©ntfe^teben^eit  bie  anbere  ©eite.    ®§  läfet  fidt)  a(lerbing§  au§  unferen 
Lueßen  nid)t  ermitteln,  ob  er  bon  älnfang  an  bem  2triani§mu§   angebörte  ober  erft  ba= 
mala  unter  bem  ©influffe  feiner  ©emablin  Stlbia  Dominica   unb   be§  33ifd)ofg  ©ubo£iu§ 
bon  Äonftantinobel   (f.  b.  3t.  Sb  V  ©.  577)   fieb,   bortbin   Wanbte   (bgl  ©ofr.  IV,  1; 
3050m.  VI,  6;  ausgemalt  ^eobor.  IV,  12).    Se^tereS   ift   Wab/rfcb/einlicb,er.    ^ebenfallg  40 
bat  ibm  (Subojiuö  getauft  unb  ftanb  in  I)of;em  2tnfet)en  bei  ib,m  (5ßr)Hofi.  IX,  3).    Stuf 
feinen  (Sinflufc  gebt  ein  Iaiferlicb,e§  @bift  jurüc!  @mb,iar)r  365),  toeld)e§  bie  erneute  316= 
feimng  aller  bon  &onftantiu§  abgefegten,    aber  unter  Julian  jurüdgefe^rten  33ifcr;öfe  an= 
orbnete  (Hist.  aeeph.  15).    Unter  anbern  Würben  babon  9Jteletiu3  bon  2tntiocb,ien  unb 
2Ub,anafvu3  betroffen,   bod}  fonnte  biefer  fd)on  nacb,  Wenigen  SRonaten    jurücffer/ren  unb  45 
ift  in  ruhigem  SBefi^c  feinet  33i§tumg  geftorben  (373). 

Seitbem  erfolgten  jjWar  immer  Wieber  Sorftbfce  gegen  ortb,oboEe  ^ircb.enfjäubter  unb 
©emeinben,  aber  e§  fe^It  bem  93erfab,ren  ^3Ianmä|igfeit  unb  Jlonfequeng.  2BäI?renb  an 
ber  einen  ©teile  rücfftcf/t§lo§  ^gegriffen  Würbe,  liefe  man  an  ber  anberen  ben  Singen 
ib,ren  Sauf.  Zufällige  berfönlicb^e  unb  örtliche  Serfjältniffe  f^einen  in  ben  meiften  'ftäüen  so 
bie  6ntfcf)eibung  be'ftimmt  ju  b,aben.  SSietfacb,  finb  aud;  bie  Beamten  felbftftänbig  bor= 
gegangen;  unter  ilmen  fab,en  bie  Drtfyoborm  mit  3Recb,t  in  bem  brätorianifcfyen  ^räfeften 
-^omitiui  9Jiobeftu§  ib,ren  erbittertften  ©egner  unb  Verfolger  (©regor  b.  ^la^.  In  laud. 
Basil.  c.  48  MSG  XXXVI  p.  557).  #u  einer  einbeitlicfyen,  bon  Ilaren  ©eficf)t3buniten 
geleiteten  Mircb.  enboliti!  fehlten  bei  SSalenö  au§reid;enbe  @infid)t  unb  @ntfd)Ioffenb,  eit.  2tnberer=  55 
feitö  nabmen  Wirtfcb,aftlid)c  unb  bolitijclie  ©orgen  unb  fragen  in  Wacf)fenbem  3Jiafee  fein 
§anbeln  in  3tnfbrud).  5Die  3iebreffionen  beftanben  neben  Heineren  ©trafen  in  ber  Sieget 
in  2tbfe|ung,  2Iu§Weifung  unb  Honfi§fatton  beä  Vermögens  (©regor  b.  sJiaj.  a.  a.£.  c.  46). 
X>ie  Segenbe  ift  früh  tb,ätig  geWefen,  biefe  S^aferegetn' in  breite  unb  ©cf>ärfe  umjubilben; 
id'on  Safiliu^  rebet  bon  einem  awenxdg  7j.nkF.fi0g  unb  meint,  eine  fd;Werere  Verfolgung  öo 


392  Valens,  Stuifer 

Ijabe  bie  Äircfye  übertäubt  nid&t  erlebt  (Ep.  242  MSG  XXXII  p.  900).  %n  bemfelben 
©inne  gilt  bem  ©regor  bon  Seetang  SSalertg  dl  6  xe^ro/udxog  (a.  a.  D.  c.  44  p.  553). 
^mmertnn  bleibt  nacb,  Slbjug  erfennbarer  Übertreibungen  allerbingl  genug  übrig,  um 
bie  antinicänifdje  $irc§enboIitif  bei  Äaiferl  all   eine  gewalttätige,   oft  awfy   brutale  gu 

6  fenngeiclmen.  ®af$  fie  bereinjelt  bil  $ur  Rötung  fortgefcf;ritten  fei,  Wirb  bon  ben  ©egnern 
behauptet,  ift  aber  fyöcbjt  unWafyrfcf;  einlief ,  ober  el  fyaben  in  folgen  gälten  nod)  anbere 
9Jlotibe  mitgeWirft.  $)te  Wieberfyolt  berichtete  Verbrennung  einel  ©cfnffel  mit  80  Jllerifern 
bor  TOlomebien  (©regor  b.  S^ag.  a.  a.  D.  c.  46;  ©ofr.  IV,  16;  ©o^om.  VI,  14; 
Stfyeobor.  IV,  24)  fann  meinet  @racf)tenl  nid^t  fo  bor  fid?  gegangen  fein,   tüte  fie  über= 

\o  liefert  Wirb;  eine  foldje  Untfyat  ift  aud?  bem  Vräfeften  9Jcobeftul  nid;t  zuzutrauen.  @l 
muß  fyier  ztmaä  fyineinfbielen,  bal  Wir  nicfjt  lennen,  unb  ©ibbon  fyat  mit  feinem  „un= 
glücken  £ufaU"  bielleidjt  bod)  9ted>t. 

2Benn  bie  Verfolgung  in  ben  ©emeinben  ©cfyreden  unb  $urd)t  iüecfte  (Vafiliul 
a.  a.  D.  p.  901),    fo  begegnete  fie  bod)  aud)  mutooKem  Söiberftanbc,  unb  leucfjtenb  fteljit 

15  fyter  ber  ?lame  Vafiliul  bei  ©roßen ,  fo  Wenig  aueb,  möglich  ift,  bie  immer  mefyr  inl 
Segenbarifdje  getoacb,fenen  Vorgänge  genau  in  il)rem  gefcbjdjtlidjen  $erne  ju  erlennen 
(©regor  b.  9taj.  a.  a.  D.  c.  4 ff.,  ©ofr.  IV,  26;  ©ojom.  VI,  16;  £r,eobor.  IV,  19; 
©bfyraem,  Sobrebe  auf  Vafil.  opera  I,  Eom.  1743,  p.  293  ff.).  %n  biefel  Verfahren 
Würben  anfangt  aueb,  bie  Jcobatianer  hineingezogen  Wegen  tfyrer  d)riftoIogifd;cn  3ugef)örig= 

20  Jett  ju  ben  Jiicänern,  aber  unter  bem  ©influß  einel  geWiffen  üJcarcianul,  ber  früher  ju 
ben  ©olbaten  bei  Valaftel  gehörte,  bann  Vrelbtyter  bei  ben  9Zobatianem  War  unb  nun 
bie  %öä)t?v  bei  ^atferl  unterrichtete,  erhielten  fie  Smlbung  (©ofr.  IV,  9).  ©aß  ber 
©inbruef  einer  gur  -Dcilbe  ma!)nenben  3Rebe  bei  'ülfyemiftiul  ben  J^aifer  jule^t  übertäubt 
ju  einem  maßbotleren  Verhalten  beftimmt  Ijabe,   barf  nacb,  bem  Söortlaute  bei  35ertdt)te§ 

25  barüber  (©ofr.  IV,  32)   nidjt  wob,!  bezweifelt  Werben  (bgl.  Victor  ©dnxl|e  I  ©.  181). 

2113  eine  reine  VerWaltunglmaßregel ,   bie  mit  ber  fircfyltcfyen    ©ituation  f einerlei 

gufammenb/ang  Ijat,  ift  ein  @bift  bom  $.  370  ober  373  zu  beurteilen,   Welct/el  bie  ge= 

Waltfame  gurücffüfyrung  berjenigen   befielt,  bie,   um   ben  Verpflichtungen  ber  $urie  ju 

entgegen,    ftd)   in  bie   ©infamfeit   geflüchtet  unb  ben  ©remiten   gugefeEt    Ratten    (Cod. 

30  Theod.  XII,  1,  63).  Sie  ©egner  bei  $aiferl  fyaben  biefen  bureb,  bal  ©iaatlintereffe 
geforberten  Slit  (bgl.  b.  31.  Sfyeobofiul  b.  ©r.  Vb  XIX  ©.  619)  mit  Unrecht  zu  einer 
SJcöncfylberfoIgung  geftembelt  (Sfyeobor  IV,  19;  Hieron.  Chron.  ad  379).  (Sine  zweite 
Verordnung  gleicher  SLenbenj  fafjt  äb,nlid)e  Vorgänge  im  ^leru§  in!  Sluge  (Cod. 
Theod.  XVI,  2,  19  a.  370). 

35  £)a§  Verhalten  bei  Itaiferl  jur  Drtb,obo£ie  Würbe  bon  biefer  um  fo  härter  embfunben, 
all  feine  Haltung  ben  ©öttergläubigen  gegenüber  all  eine  auffallenb  nad)ficb,tige  erfcljien. 
Xb,eoboret  WiU  Wiffen,  bafe  Valenl  Wäb,renb  feincl  Stufenifyaltel  in  Slntiocb,iett  im 
SBinter  373/74  allgemeine  ®ulbung  broflamiert  fjabe  unb  ba^  infolge  babon  jn  biefer 
©tabt  bie  aulgelaffenen  Umzüge  ^u  @b,ren  b,eibnifd}er  ©ottlieiten  Wieber  in  bie  Öffentlich 

40  feit  getreten  feien  (IV,  24).  2Ingeficf)tl  ber  ^atfad)c,  bafe  bamall  bie  Vebölferung 
2lntiod)ienl  bil  auf  einen  fleinen  9teft  djriftlicf)  War,  fann  bie  Mitteilung  in  biefer  gorm 
nid}t  richtig  fein,  aber  ficfyer  ift,  bafe  bie  SJeligionlboIitif  ber  beiben  £>errfd)er  ben  §eße= 
nilmul  mit  großer  ©d)onung  bemäntelte  unb  nur  bei  befonberen  2lnläffen  eingriff  (Victor 
©cfyul^e  I,  ©.  204);  fo  Würben  bie  blutigen  Dbfer  unterfagt  (©.  207).    £>iefe  Haltung 

45  Wurzelt  jeboeb,  nid)t  in  religiöfem  ^noifferentilmul,  fonbern  in  ber  fieberen  Überzeugung, 
ba|  bie  alte  Religion  fid}  im  legten  ©tabium  ber  ätuflöfung  befinbe. 

3njWifcf)en  War  bie  ©otengefafyr  immer  größer  geworben,  ^reulofigfeit  unb  §ab= 
fuct)t  ber  rbmifcljen  Veamten  trieben  bie  Varbaren  enblicb,  in  einen  bezweifelten  älufftanb 
hinein,  ber  in  ber  ©djilacfyt  bei  Slbrianobel   am   9.  3luguft    378   jum   Untergänge  bei 

so  römifdjien  §eerel  unb  bei  Äaiferl  führte,  ©ie  ©egner  fallen  barin  ein  ©otte!gerid)t 
(SLf)eobor.  IV,  36). 

Dirne  3*b«f^  erfaßte  Valenl  feine  faiferlicfyen  Stufgaben  mit  großer  ©eWiffenb,aftig= 
feit  unb  befajs  ein  lebenbigel  VeWu^tfein  feiner  Vflid?ten.  3um  3a^Drn  S^^S1  un^ 
embfinblicb,  in  allem,    \va§  fein  £>errfd)ertum  berührte,  War  er  im  ©runbe  gutmütig  unb 

55  unermüblidj,  bie  2Bob,Ifab,rt  ber  Vebölferung  ju  b,eben  unb  übertjaubt  Drbnung  ju  fo)affen. 
©ein  Regiment  Würbe  in  feiner  ©an^eit  all  ein  bäterlicfye!  embfunben.  3Uli|griffe  unb 
gärten  faßen  nicb,t  foWob,l  üp  all  fd}lecb,ten  Ratgebern  unb  einflußreichen  Verfonen 
feinel  Vertrauenl  ^nr  Saft,  ©eine  £ebenlfül;rung  bewegte  fiel)  ganj  in  ber  9Jcoral  bei 
Gbriftentuml    unb    ber  Kirche,    ©tetigfeit,   @ntfcb>ffenfyeit    unb    große    ©eficb,tlbunfte 

60  gingen  u)m  ab.   ©eine  Vilbung  War,  entfbrcd;enb  feinem  i'ebcnlgangc,  gering;  er  berftanb 


Südens,  Shifcr  »alcntimanuS  I.  393 

fein  ©riedufd;.  ©od)  geigte  er  VerftänbniS  für  SStlbungöftrebcn.  3Me  gcfct/icfytlicfye  Über= 
lieferung  ber  Äircjjc  fafy  in  ilmt  nur  einen  djrtftuSf  einbüßen  Verfolger  unb  t/at  banad) 
fein  33ilb  roettab  bon  ber  Sffiafyrt/eit  geformt.  SHictot  ©d)uli?c. 

SyalcnttntanuS  I.,  römifdjer  Äaifer  364-375.  —  öuellen  unb  Sittemtur 
j.  unter  5Bdcn<?.     ®aju  9tnbe,  3)amafu§  SBifcfjof  Hon  SRom,  g-veib.  11.  £üb.  1882.  5 

Valcntinianu3  —  über  bie  £>ertunft  unb  frühere  2eben3gefcf)ict/tc  f.  b.  21.  Valens»  — 
geboren  321  gu  Gibalä  in  ^annonien,  it)urbe  nad)  bem  blöt$lid)en  iobe  ^obianä  bon 
ber  2lrmee  in  Ricäa  int  Februar  364  jum  $aifer  geWät/lt.  @S  toar  unter  ben  bamaligen 
•^crbältniffen  eine  glüd'Iid}e  @ntfd)etbung.  SDer  neue  2luguftu§,  ber  furj  nad)  ber  9BaI)l 
feinen  tfym  in  unWanbelbarer  breite  ergebenen  jüngeren  trüber  93atenö  jum  sJRitI)errfd)er  io 
für  ben  Dften  beS  Retcf/eS  erfyob,  allerbingS  mit  bem  tt;atfäd)Iicf)en  Vorbehalt  ber  Dber= 
leitung,  War  eine  fraftboHe  ©olbatennatur,  Weld)er  bie  berWidelten  friegerifcfyen  Aufgaben, 
befonberö  an  ben  germanifdjen  ©renken,  nid^t  nur  mit  ber  @ntfd;Ioffenb,eit  eines  mutigen 
©olbaten,  fonbern  aud)  mit  ber  Überlegenheit  eines»  ttugen  «Strategen  aufnahm.  2luf  bie 
9Bob,lfab,rt  be3  5Reidje^  feiste  er  alleg.  ®at/er  befyanbelte  er  bie  Beamten  mit  ©trenge;  15 
bie  ntilitärifcfye  SMe^iblin  übertrug  er  auf  ben  ßibilbienft.  Vor  allem  in  ber  @eI)orfams>= 
forberung  roar  er  unerbittlich  $n  feinem  Söefen  lag  eine  geroiffe  §erbigteit;  feine  £eiben= 
fcfjaftlictjieit  tonnte  furchtbar  fyerborbredjen.  ©eine  Vilbung  roar  mäfug,  bod)  fud)te  er 
ben  Sertebj  gelehrter  9JJänner  unb  berfud)te  fict)  felbft  in  bilbenber  J^unft  unb  Sprung. 
2SMe  er  im  ©lauben  ber  ^ircfye  ftanb,  fo  lebte  er  beinlict)  nad)  ben  etl)ifct)en  formen  be§  20 
ßl)riftentum§  unb  bulbete  ntct)t<§  ©emeine§  um  fict;  (Amm.  Marc.  XXX,  9,  2:  omni 
pudicitiae  eultu  domi  castus  et  foris,  nullo  contagio  conscientiae  violatus 
obscenae,  nihil  incestura). 

$m  ©egenfatj  ju  feinen  dmftücfyett  Vorgängern  geigte  er  eine  grofje  2lbneigung  gegen 
ftaatltcr)e§  Eingreifen  in  bie  religiöfen  unb  £trct)Itc^en  ^ämtofe  unb  $artetungen  (Amm.  20 
Marc.  XXX,  9,  5:  inter  religionum  diversitates  medius  stetit).  @r  Inelt  al§ 
Säte  fict)  nidtf  für  befugt,  in  biefer  Richtung  einen  ®rud  auszuüben  (fein  2Iu§fbrucr)  bei 
Slmbroftusl  Ep.  I,  21  MSL  XVI  p.  1004:  non  est  meum  judicare  inter  episcopos). 
9?ur  roo  bringenbe  Rot  feine  Verantwortung  als  ©taatSoberljaubt  berührte,  unb  griebe 
unb  Crbnung  gefät)rbet  Würben,  trat  er  au§  fetner  3u*ücft;altung  t/erau<§;  fo  in  ben  30 
SKirren,  bie  auf  bie  jrötef^ältige  VifctjofSWafyl  nact)  bem  Slobe  be§  Siberius  folgten  (Rabe 
2.  15ff.;  bap  bie  3131.  ®amafu§  unb  llrfinu§),  unb  in  ber  Stusfertigung  be3  btel= 
befbrocfyenen  RefcribtS,  Weldjesi  bie  getftltdje  ©ericfytiSbarteit  unabhängig  Don  ber  Weltlichen 
fteüte  (Rabe  ©.  23  ff. ;  über  bie  berfdnebenen  2lu§Iegungen  §aud  im  21.  SDamafusi  Vb  IV 
6.  429).  ©0  wenig  ferner  ber  auf  ber  ©eite  ber  Rtcäner  ftefyenbe  ^aifer  irgenbwie  bie  35 
förct;enipolitif  be§  Vruberg  ju  beeinfluffen  unternahm,  ebenfo  roenig  berfuet/te  er  in  feinen 
eigenen  Sänbern  ba§  ©nbe  beg  2lrianigmug  gu  befd)leunigen  (©o!r.  IV,  1 :  röig  dgsia- 
vQovoi  ovdajucög  rjv  öyh]Qog,  ©ojom.  VI,  6).  SBie  frei  er  fncrin  ftanb,  bezeugt  bie 
£|atfacr)e,  ba^  feine  jroette  ©emab,Iin  Suf^««  tm  entfe^iebene  2lrianerin  roar.  2lud;  ben 
^onatiften  gegenüber  entfd)lof$  fict)  Valentinian  erft  373  §u  einem  bert)ältnigmä^ig  milben  40 
Gbüt,  roelct;eg  it;ren  ^rteftern  unter  2lnbrol>ung  ber  3lbfe|ung  bie  SSÖiebertaufe  berbot 
(Cod.  Theod.  XVI,  6,  1).  9cur  bie  3JJantd}äer,  in  benen  bie  Regierung  immer  auef) 
ben  berfifd)en  ©rbfeinb  roitterte,  rourben  fcfyärfer  angefaßt  (XVI,  5,  3  a.  372).  Offen 
£>at  er  fiel)  jum  ©runbfa^  ber  Xoleranj  allen  Religionen  gegenüber  befannt  (IX,  16,  9 
a.  371:  testes  sunt  leges  a  me  in  exordio  imperii  mei  datae,   quibus  uni- 45 

cuique,  quod  animo  imbibisset,  colendi  libera  facultas  tributa  est). 

S)ie  biefem  Verhalten  ju  ©runbe  liegenbe  ©timmung  roar  nicfyt  religiöfer  3nbiffe= 
rentigmus,  fonbern  eine  faft  mobeme  2luffaffung  be§  ©taateö  in  feiner  ©tellung  ju  ben 
Religionen,  ©ie  bilbete  auf  ber  anbeten  ©eite  teilt  §inberni§,  beftimmte  2öünfd)e  ber 
tbatfäcfilict;  ftaatlicr/ en Religion  unb  ^ircb,e,  beren  Erfüllung  eine  Steigerung  ber  2tuttorität  60 
be^  ßb,riftentumg  bebeutete,  jur  SluSfü^rung  ju  bringen.  ©0  inurbe  bom  ©onntag  oie 
©teuereintreibung  entfernt  (XI,  7,  10)  unb  ber  23erbraud)  Verurteilter  d)rtftlid)en  33e= 
lenntniffeä  im  3irtu§  unterfagt  (IX,  10,  8  a.  365).  ^ür  23eit>acfwng  ber  Penibel  füllten 
ßbriften  ntdjt  meb,r  in  2lnfbrucl)  genommen  Werben  (XVI,  1,  1  a.  365).  ©ct;aufbicler 
unb  ©cfyaufyielerinnen,  bie  auf  bem  Sterbebette  fict;  taufen  laffen,  bann  aber  Wiebcr  ge--  55 
iunb  Werben,  gewinnen  bamit  Befreiung  aug  ber  clenben  Äafte  (XV,  7,  1  a.  367'^  371V). 
Jet  ftmfer  ^erfönlicb,  brachte  in  2lmncfttecrlaffen  am  Dfterfefte  fein  cfyriftlidicS  Embfinbeit 
offentlict;  jum  2lugbrud"  (IX,  38,  3;  \).  ®iefcg  ^oblWollen  gegen  bie  Äirdjc  bat  ibtt 
nit^t  gebinbert,  ber  5tiid;t  au$  bem  .Uurten^Wange   in  ben  Älencs  mit  aller  ÜHeftinimtbeit 


394  2$alentimanu8  I.  Sitalenttmanitg  II. 

entgegenzutreten  (XVI,  2,  21  a.  372)  imb  nicfyt  minber  au§  ftaatltd^=it>irtfd^aftltd)em  ^n= 
tereffe  in  einem  berühmten  ©bilte  an  ben  23ifcf;of  SDamafuS  bon  9tom  bom  30.  Quli  370 
ber  (Srbfcfyleidjerei  ber  ©eiftlicfyen  unb  ber  SRöncfye  mit  fd)arfem  Söort  unb  ©trafanbrob/ung 
entgegenzutreten  (XVI,  2,  20,  baju  9tabe,  SamafuS  50 f.),  eine  SSerfügung,  bie  am 
5  1.  Sejember  372  aud)  auf  23ifd;öfe  unb  Tonnen  auSgebefmt  mürbe.  Über  biefe  be= 
fcfyämenbe  Sftafjregel  f/at  lein  (Geringerer  als  §ieronr/tnuS  geurteilt:  nee  de  lege  con- 
queror,  sed  doleo,  cur  meruerimus  hanc  legem  (Ep.  52,  6). 

2tucb,  bem  §eibentume  gegenüber  mürbe  bie  Toleranz  aufrecht  erhalten;  mer/rfad)  r)at 
ber  $aifer    gleich,   nacb,  23eginn   feiner   Regierung   ftd)   in   biefem   ©inne   öffentlich   auS= 

10  gefprocfyen  (IX,  16,  9 ;  ba^u  Amm.  Marc.  XXX,  9).  iDen  5ßrieftertümern  mürbe  bie 
gortbauer  t^rer  alten  Siebte  neu  beftätigt,  mobei  freiließ  ntd)t  zu  überfein  ift,  bafj  fie 
aud)  ftaatlicfye  unb  fommunale  Saften  f eb, r  mef  entließ  mittrugen ;  aueb,  bie  ^arufbicin  blieb 
unbehelligt,  nur  bie  näcfyiltdje  DJJantif  mürbe  firengftenS  Verboten,  aber  nur,  meil  t!t)re 
gufunftSerforfdmng  fieb,  bolitifcf)  lombromittiert  blatte.    ®ocb,  ermirfte  ber  $ßrofonful  bon 

15  2ld)aja  für  bie  eleufinifcfyen  2Jcr;fterien  SDtSbenS.  2) er  2lltar  ber  33ictoria  berblteb  an 
feiner  ©teile  in  ber  ®urie,  zu  melier  er  unter  Julian  jurüctger'efyrt  mar.  dagegen  trugen 
bie  beiben  §errfcf)er  fein  53ebenfen,  baS  gefamte  Semipelgut  ju  9cu|en  beS  faiferlicfyen 
$ribatbermögenS  einzuziehen.  @S  mar  eine  Finanzoperation,  meiere  bem  febj  b/auS= 
fyätterifcljen  ©inn  ber  2lugufti  nai)e  liegen  mufcte  (baS  5RäE>ere  3Siftor  ©ct)ul$«  I,  ©.  196 ff.). 

20  ©iefe  33eb,anblung  beS  §el!eniSmuS  läjjt  fid)  nur  aus  ber  ^atfadje  erllären,  baf$  bem 
$aifer  ber  Verlauf  ber  ^ulianifd)en  3f{eftauration  bie  Unfäb/igfeit  unb  ^ufunftslofigfeit 
beS  §eibentumS  zweifellos  gemacht  blatte,  unb  eS  bolitifcf)  erfd)etnen  mufjte,  in  ben  or)ne= 
bin  bemegten  gehen  mit  großen  unb  fcfymterigen  Aufgaben  einen  Srucf/teil  ber  23ebölfe= 
rung  nid)t  in  Unruhe  vtnb  Dbbofition  zu  berfe^en. 

25  3U  ben  Familienberr/ciltniffen  beS  $aiferS  fei  nod)  bemerkt,  bafj  er  fid;  Don  feiner 
erften  ©attin  3Saleria  ©ebera,  bie  ib,m  ©ratian  geboren  blatte,  fcfyeiben  liefs,  meil  fie  ib,re 
faiferlicfye  ©teHung  eigennützig  mißbrauchte,  unb  fid)  barauf  mit  ^uftina,  ber  SRutter 
SBalentinianö  IL,  bermär/lte.  (Sine  fonberbare  93ermirrung  fyat  bie  Meinung  auffommen 
laffen,  bafj  er  bie  beiben  ©attinnen  z"  gleicher  ßeit  recfytmäfsig   befaf$,   ja  bie  £)obbeleI)e 

30  bureb,  ein  ©efe|  freigegeben  j^abe  (©ofr.). 

Qn  ber  Erregung  angefid)ts  einer  armfeligen  ©efanbtfcfyaft  ber  Quaben  im  Sager  ju 
33regetio  erlitt  Sßalentinian  am  17.  Sfobember  375  einen  löblichen  ©d)Iaganfall.  Sie 
Seidje  mürbe  nacb  ^onftantinobel  gebracht  unb  in  ber  2tbofteIfircr;e  beigefetjt. 

SBictor  ©cfjultje. 

35  SSalenttntamtS  II.,  römifef/er  Äatfer  375  —  383.  —  .^etnrtd)  SRidjter,  ®ae  weft= 

röintfd^e  3teid],  befonberö  unter  ben  Äatfern  ©ratian,  SSalenthucm  II.  unb  2Kajitnu§,  Berlin 
1865;  Hermann  @cl)iüer,  ©efd)tdite  ber  römtfcfjen  Äatfergett,  2.  33b  ©ot^n  1887,  ©.  389 ff.; 
SStctor  ©d)ul^e,  ©efcf|irf)te  be§  Untevgangeä  be§  griecfttfct)=röniifctjen  £>eibentum§  1.  93b,  ^ena 
1887,   <B.  227 ff.;   ®n%  9taufdien,  3aJ)r6üd)er  ber  d)riftlid)en  Sirdie  unter  bem  Satfer  %tyo-- 

40  boftuS  b.  ©r.,  ^reiburg  1897;  Jyörfter,  9tmbroftu§  Sifcbof  uon  SRailanb,  .fialle  1884. 

Sßalentinian  II.  ift  371  aui  ber  zweiten  @l)e  SBalentintanS  I.  mit  ber  3lrianerin 
^uftina  geboren.  9?acf)  bem  %tkz  be§  SSaterg  mürbe  er,  erft  tnerjäfyrig,  im  Sager  zu  23re= 
getio  burd)  rafcfyes  Eingreifen  be§  germanifd)en  ©eneralS  9J}erobaube<§  burcl)  bie  Slrmee 
Zum  2Iuguftu3  erhoben  (375),  obtoo^I  ber  ältere  Sruber  ©ratian  (f.  b.  SC.  23b  VII  ©.  62) 

45  ber  legitime  £r/ronerbe  mar.  ^n  ber  %\joX  \ai  auä)  ©ratian  big  zu  feinem  S£obe  im 
SBeften  bie  2ICIetnt)errfcr)aft  geführt.  @r  mar  eS,  ber  nad)  bem  Untergänge  be§  SalenS 
378  ^eoboftuS  (f.  b.  21. 33b  XIX,  615)  zum  SWüregenten  berief,  unb  atte  bis  zum  ^ab,re  383 
für  ba<§  aSeftreicf)  erlaffenen  ©efe|e  geben  bon  i^m  au§.  %iaty  feiner  ©rmorbung  am 
25.  Sluguft  383  übergab  ^eoboftuS   bem  33alentinian  bie  bon  jenem  befeffenen  £anbeS= 

50  teile,  aber  aUe  midjtigen  @ntfcb,eibungen  gingen  in  ber  golge  bod;  bureb,  feine  §anb. 

Unter  bem  ©influffe  feiner  Butter  nafmt  ber  ^aifer  anfangs  bie  Slrianer  unter  feinen 
<&§u§.  HJlailanb  erhielt  in  ber  ^ßerfon  beS  2lujentiuS  einen  arianifcb,en  33ifcb,of,  gegen 
ben  SCmbrofiuS  alSbalb  ben  ^ambf  aufnahm;  ein  ©efe|  bom  23.  Januar  386  fieberte 
ben  3lnb,ängern  ber  ©rmobe  bon  Slrtminum  ®ulbung  (Cod.  Theod.  XVI,  1,  4),  anbere 

55  SSerfügungen  fd;ärferen  Qnl)alteS  follten  ben  Slrianern  baS  berlorene  Terrain  mieber  er= 
obern  Reifen,  fo  burcl)  SluSlieferung  ber  ^ird;en  (Slmbr.  Ep.  31  MSL  XVI,  p.  1002; 
contra  Auxentium  c.  23  ebenb.  p.  1014;  bazu  ^aufdjen  ©.  232 ff.;  ©.  242 ff.  unb 
b.  21.  2CmbrofiuS  33b  I  ©.  444).  SDocb,  gelang  eS  ^eobofiuS,  bei  beginn  beS  $elbzuge§ 
gegen  ben  Ufurbator  ^JcagimuS    nidjt   nur   biefer   l?ird;enbolitif   ©tißftanb    zu   gebieten, 


2?oIenrtnta«uS  II.  $alenttnu8,  dhtoftifer  895 

fonbern  auä)  ben  auf  feine  $ilfc  angeroiefenen  Äaifer  in  entgegengefeijte  9iicr)tung  ju 
führen.  Semei§  bafür  ift  ein  ©efe£  bom  14.  3>uni  388  beö  ^nr/alteS,  bafj  unter  ferneren 
Strafen  allen  §äreti!em  23crfammhmg<§=  unb  ^ultuSrecfyt  genommen  mtrb  (Cod. 
Theod.  XVI,  5,  15).  Um  biefe  3eit  ftarb  Suftina  (9taufcfyen  ©.  284),  unb  bamtt  mar 
ber  neuen  $olitif  aueb,  bie  3uftmft  gefiebert.  5 

Unter  ÜBalentinian  machte  ba<§  §eibentum  einen  neuen  äkrfucb;,  einen  Seil  feiner 
unter  ©ratian  berloren  gegangenen  Sterte  mieber  ju  geminnen.  2Ug  güfyrer  traten 
■SiimmadM  unb  ?$rätertatu3  in  9tom  r/erbor,  jroei  meit  über  ben  ürei§  ifyrer  9foligion3= 
gertoffen  angefefyene  unb  au§  bem  Bulgaren  ©ötterglauben  fyerauägemacfyfene  9Ränner.  Sie 
grage  ber  Söieberr/erfteHung  be<§  3lltar3  ber  SStctoria  tritt  roieber  in  bie  Dffentltcfyleit.  10 
^n  einem  bon  ©tymmacr;u<§  in  glä'njenber  -iRtjetorif  berfafjten  ©djrtftftüä  —  bie  fog. 
brüte  Delation  —  mürben  384  bem  $aifer  bie  2öünfd^e  %ux  Kenntnis  gebraut.  2)a<§ 
Äonfiftorium  neigte  angeficfytS  ber  allgemeinen  boIitifcr)en  Sage  jur  5Rad)giebigfeit,  boef) 
ba<S  rafcfye  unb  energifdie  Eingreifen  be§  SlmbrofiuS  gab  ben  SluSfcfylag  gegen  bie  Delation 
(bau  9föl>ere  Victor  ©cr;ul|e  I,  ©.  227 ff.).  2lucr;  ein  ^roeiier  SBerfucf;  im  ^ab^re  392, 15 
bie  sJteftitution  beS  2lltar§  ber  3Sictoria  ju  erlangen,  blieb  erfolglos  (©.  280;  ^Raufcfyen 
2.  361).  $n  bemfelben  ^afyxe  mürbe  ber  erft  20jäb,rige  gürft  in  SSienne  auf  33eran= 
laffung  be§  ©eneralS  Strbogaft  ermorbet;  bie  näheren  Umftänbe  feinet  SobeS  finb  bun!el 
(töauföen  ©.  360  ff.).  @r  ftarb  ungetauft  (Slmbr.  Ep.  53,  2  a.  a.  D.  p.  1166).  ©ie 
2etdt)e  mürbe  in  SRailanb  betgefeist ;  2tmbrofiu§  bjelt  bie  9tebe  (de  obitu  Valentiniani  20 
a.  a.  C.  p.  1557). 

2lmbrofiu§  b,at  für  ben  Soten,  auf  ben  er  in  ben  legten  $ar)ren  einen  macfyfenben 
(Stnfluf?  gemonnen  t)atte,  ba<§  ^>öct)fte  Sob.  ^n  ber  %f)at  ift  ber  ©inbruef  ber  5ßerfönlicr;= 
feit  ein  fr/mbatfnfctjer ,  unb  man  mirb  über  bie  Unfelbfiftänbigfeit  unb  Unficfyerb/eit  be£ 
jungen  dürften  billig  urteilen  in  ^üefficr/t  barauf,  bafj  er  all  bierjäf)riger  Änabe  ba§  abenb=  25 
Icmbifct/e  Äaifertum  erlangte  unb  fo  bon  bornr/erein  fict)  baran  gewöhnte,  bon  anberen 
—  ^uftina,  2lmbrofiu§,  £!r)eobofttt§  —  fieb,  führen  ju  laffen.  SDocb,  mar  ib,m  aueb,  bon 
latur  eine  gemiffe  2öeicr)l)eit  unb  infolge  babon  Unluft  $u  ernfter  2lrbeit  eigen.  $m 
allgemeinen  mar  er  nur  bas>  IJnftrument  in  ber  §anb  berer,  unter  beren  (Sinflufj  er  ge= 
rabe  ftanb.  ®ie  Beurteilung  buref;  3lmbrofiu§  ift  ftarl  rJ>etortfdt)  unb  überfcfymängltcf).  30 
ßrft  lurj  bor  feinem  SEobe  trat  er  in  bie  @6e.  Sßictor  ©diuUje. 

Sßolentintonu§  III.,  meftrbmifd^er  Äaifer  4  2  5  —  455.  —  §erfc6erg,  ®efcfjttf)te 
be§  röniifcr)en  Sotferrcid|§,  SSerlin  1880;  ®.  b.  SBteterSljetnt,  ©efd)td)te  ber  SSöüerroanberung, 
2.  3Iuf(.  2.  58b,  Seidig  1881;  ©am.  S)iH,  Eoman  society  in  the  last  Century  of  the  Western 
empire,  Sonbon  1898.  35 

Unter  £onoriuä  (f.  b.  31.  33b  VIII  ©.  332)  ging  ba§  meftrömifdje  9teic^  unauf= 
baltfam  feinem  Untergange  entgegen,  ©ermanen  unb  |junnen  überfluteten  bie  ©renken, 
in  ben  ^ßrobinjen  erhoben  fic§  Ufurbatoren.  3n  liefert  ©türmen  tritt  bie  fluge  unb  ent= 
fc^Ioffene  SEocfyter  be§  großen  SEb,eobofiug,  ©alla  ^ßlacibia  einflußreich  b,erbor.  ^onoriuö 
bermäb,lte  bie  nact;  ber  ©rmorbung  2ltl)aulfg  bermitmete  ©c^mefter  mit  bem  ©eneral  unb  10 
fbäteren  SRitregenten  ßonftantiu^,  bem  fie  419  ben  ^Iabiu§  ^Iacibu3  S^alentinianug  ge= 
bar.  tiefer  erlangte  425  nacb,  bem  Xobe  beg  §onoriu§  huxd)  bie  ^ilfe  Sb,eobofiu€'  II. 
bon  Cftrom,  ber  einen  ^rätenbenten  berniclitete,  bie  abenblänbifcfee  ^aiferlrone.  33i§  ^u 
ibrem  Slbleben  450  führte  bie  SRutter  für  ben  Knaben  anfangt  ba§  bormunbfc^aftIicr;e, 
bann  traft  ifjrer  berfönlict;en  Überlegenheit  ba§  Regiment,  ^n  biefer  3«ü,  nämlicf)  bureb,  « 
©efe^  bom  6.  ^,uni  445  erlangt  £eo  I.  (f.  b.  21.  Sb  XI  ©.  370)  bureb,  3Sermittelung  be3 
2letiuä  für  ben  römifc^en  ©tub/l  bie  berühmte  9tec^t§anerfennung ,  bie  in  bem  ©aije 
gibfeit:  sed  hoc  illis  omnibusque  pro  lege  sit  quiequid  sanxit  vel  sanxerit 
apostolicae  sedis  auetoritas  (SRirbt,  Quellen  gur  ©efcljic^te  be^  ^abfttumg,  2.  2lufl., 
lübingen  1901,  ©.  65).  ©benfo  mar  bie  Regierung  burc^  ijilfc  in  ber  Sefämbfung  beö  00 
^RamdjäiSmuß  entgegenfommenb.  dagegen  mar  ber  ®ambf  gegen  ben  ©ötterglauben  faft 
9<>nj  jur  3iub,e  gefommen,  offenbar  meil  eine  mirllic^e  Nötigung  baju  nicb,t  meb;r  ba  mar 
(Victor  ©cf)ul|e,  ©efcf>icb,te  be§  Unterganges  beg  griecb.=röm.  ^etbentumg  1.  Sb,  %ena  1887, 
S.  387  f.). 

SDer  baltlofe,   in   fcb,limme  Safter   geratene  unb  in  berberblicfycr  ©ünftlingömirtfcl^aft  & 
gefangene  §errfct)er,  mürbe  455  ermorbet.    3Rit  ib,m  erlofc^)  unrü^mlid)  bie  abenblänbifer/e 
Sinie  beg  l:b,eobofianifcbcn  §aufeg.  Victor  Sd)ii«?e. 

SSalentinuS,  ©noftüer,  unb  feine  ©cb,ule.  —  SJitteratiiv:  s.'(.  ^'eanber,  ©enetifcfie 
^ntmidelung  ber  nornefitnften  gnoft.  S\)ftemc,    SBevlin  1H1D,    <B.  !)'J-222;    xv  "Bintter,   kxh. 


396  SnlentimtS,  ©nofttfer 

©efd).  beä  ©noftkiömuS,  beutfct)  0.  Sörner,  .gieitbronn  1844  II,  ©.  66—121;  g.  gt)r.  Sßauv, 
®.  djriftl.  ©nofis,  Tübingen  1835,  @.  124—170;  berf.,  ©efd).  ber  dEjrtftl.  firdje  in  ben  brei 
erften  3abrf).3,  Sübingen  1863,  ©.  196—204;  berf.,  S3ortefungen  über  b.  cbjiftl.  ®ogmen= 
gefcf).  I,  Tübingen  1865,  ©.  190—197;  §.  Dritter,  ©efd).  b.  <J36tlofoi#e  V  [=  ©efd).  b.  djvtftl. 
5  jßrjUof.  IJ,  Hamburg  1841,  @.  191—283;  SB.  «Kotier,  ©efd).  b.  ÄoSmologie  in  b.  griecr,. 
Äircfje,  £alle  1860,  ©.  407—442;  ©.  §einrici,  S.  lialentinianifdie  ©noftS  u.  b.  t}l.  ©d)rift, 
Serlm  1871;  91.  £avnacf,  Sogmengefd).  I2,  200—226;  berf.,  9trt.  Valentinus  and  the  Valen- 
tinians  in  Enc.  Brit.  XXIV,  37— 40;  berf.,  ©efcfj.  b.  altct)r.  Sitt.  I,  174—184.  II,  1,  291—296. 
540 f.;  berf.,  ©S391  1898,  ©   516—520;    3t  9t.  Sipftuä  Slrt.  ©noftici§mu§  i.  9IE9B®  I  ©eh. 

10  33.  71  (aud)  feparat  Seip*.  1860);  berf.,  9lrt  Valentinus  in  DchrB  IV,  p.  1076—1099 
(beutfdie  Bearbeitung  SprSEtj  1887,  ©.  586—658;  nad)  tiefer  ift  citiert);  91.  ,£>ilgenfelb, 
3tu£b,  1880,  @.  280-300;  1883,  @.  355 ff.;  1890,  ©.  1—63;  berf.,  tefcergefd).  b.  Urd)rtften= 
tum®,  Setpj.  1884,  ©.  283—316.  461—472;  0.  SBarbenfjeroer,  ©efd).  b.  altfird)!.  Sitt.  I 
(1901),  ©.  331—337;   ££».  gafjn,    ©efd).  b.  ntl.  tanon§  I,  718—763.  II,  953 ff.;   fr  £orm, 

15  Valentinianismens  Historie  og  Laere,  Sopenbjagen  1901;  (S.  be  fral)e,  Introduction  ä  l'etude 
du  Gnosticisme  au  II.  et  III.  siecle  (<ßari§  1903),  p.  81  ss.;  (£.  £.  ©cfjmitt,  ®.  ©nofiS  I 
(Seipj.  1903).  ®aju  bie  Unterfud)ungen  üon  f.  ffejjler,  lieber  ©nofiä  unb  aItbabt)Ionifd)e 
Religion  (SSerfianbl.  b.  5.  internal.  CrientaliftenfongreffeS  II,  1  [Serl.  1882],  ©.  288—305); 
ß.  ©djmibt,    ©nofttfdje  ©diriften    in    fopt.  ©pradje   (ZU  VIII,    1.  2,   Seipj.    1892)    passim 

20  (f.  SRegifter) ;  £.  9lnj,  3ur  frrage  nad]  bem  llrfprung  b.  @noftici§mu§  (£11  XV,  4.  Seidig  1897). 
3teid)e§  religionggefd)id)ttid)eS  Material  bietet  9t  3tei|enftein,  ^oimanbreS,  Seipj  1905; 
ty.  SBenblanb,  S.  beHenifttfd);römifd)e  Sultur  in  irjren  Begebungen  ju  ^ubent.  u.  Erjrtftent. 
(§anbbud)  j.  925:  ^eraxiSg.  ü.  Siefcmann  I,  2.  Tübingen  1907)  ©.  161  ff. 

Sie  3tefte  ber  ©djriften  SSalenttnS  finb  gefammelt  uon  ©.  ©rabe,    Spicilegium    SS. 

25  Patrum  II  (Oxon.  1699),  p.  43  sqq.  ^n  ber  9Iu§gabe  ber  SBerfe  b.  3frenfiu§  0-  91-  Stieren  I 
(Lips.  1853),  p.  909 sqq.  9tm  öottftänbigfren  bei  9t-  £ügenfe(b,  Kejjergefd).  b.  Itrcfjriftent. 
1884,  ©.292  ff.  Einen  neuen  Sitet,  ber  in  einem  frragment  tion  Element  911er-,  de  Providentia 
erhalten  ift,  bat  @.  9Jcercati  r>eröffentlid)t  (Rendiconti  del  E.  Istituto  Lombard.  Ser.  II,  vol.  31 
[1898],  p.  1034  nad]  Cod.  Ambr.  H  257  inf.). 

30  Quellen:   S3ef.  bie  SBerfe  be§   EtemenS  2Iieranbrinu§,    bem  mir  audi  bie  (Srrjaltung  ber 

midjtigften  frvagmente  nerbanfen;  baneben  3irenäu§,  &er  öon  £ertuHtan  (adv.  Valent.),  |>ip= 
poltjt  (Philos.  VI,  3 — 5.  21 — 55)  unb  Spiptjaning  (haeres.  XXXI  sqq.)  au§gefd)rieben  luorben 
ift.  S)od)  baben  ^»ippolvjt  unb  (£piprjantu§  baneben  aud)  rtocfj  felbftftiinbig  ©djriften  au§  ber 
üatentinianifdien  ©d)u(e  benutst.    DrigeneS    rjat  Valentin    r)ciufig    genannt   (f.    bie   aUerbingS 

35  nid)t  uoHfränbige  3itfarnnienftetlung  5ej  |jaVna<£  9(ltd)r.  Sitteraturgefd).  I,  193),  nod)  häufiger 
o^ne  Namensnennung  befämpft. 

3)ie  Sitteratur  ju  $tolemctu§,  ^erafleon  unb  SOJarfu§  f.  u.  üor  ben  betr.  9tbfcb,nitten. 
Snljait  b.  9lrt.:  1.  Seben.    2.  ®ie  fd)riftfteaerifd)e  ^ätigfeit  93alentin«.   3.  ®a§  ©t)ftem 
93alenttn3.  4.  ©efd)id)te  ber  rmlentiniatüfdjett  ©djitle.  5.  ©ecunbuS.  6.  $toIemäu§.  7.  §eratleon. 

40  8.  9Jcartu§.    9.  i?o!orbafu§.     10   Duetten  unb  SSebeutung  be>3  natentinianifdjen  ©i)ftem§. 

1.  Seben.  Über  bie  ©cr/tcffale  be§  bebeutenbften  unter  ben  gno[ttfd)en  Sehern  finb 
roir  nur  fefyr  ungenügenb  unterrichtet.  2lu§  einer  alten  Quelle,  tt>or)l  einer  offiziellen  2tuf= 
jeid)nung  au§  ber  romifd)en  ©emeinbe,  r)at  ^renäu§  bie  9iotij  mitgeteilt,  bajs  Valentin 
unter  bem  33ifd)of  §t)ginuö  nad)  3tom   gelommen   fei,   bafj   er  unter  $iuS  feine  ^aupt- 

45  mirlfamfeit  entfaltet'  fya.b?  unb  bafe  er  bi§  ju  Slnifet  bort  geblieben  fei  (OuakevTivog  juev 
ydg  tjl'&ev  elg  ^Pco/ur/v  em  cYy(vov,  rjxjuaoev  de  im  Tliov  xal  jiage/ueivev  k'cog 
'Avixrjxov  III,  4,  3;  ber  gried)ifd)e  %?%t  ift  bei  (Sufeb.  h.  e.  IV,  11,  1  erhalten).  ©a= 
nad)  fällt  ber  römifd)e  3lufentb,alt  35alentin§  in  bie  3eit  ca.  136—165.  ©amit  läfet  fia) 
allerbingg  bieSlngabe  be§  2;ertuHian  fd)roer  bereinigen,    tiefer  berietet  (adv.  Valent.  4; 

so  t>gl.  de  praescr.  30),  Valentin  fyabt  fid)  §offnung  auf  ben  römtfcr)en  Siftt^ofSftul)!  ge= 
mad)t,  eö  fei  ib,m  aber  ein  9Mrti)rer  (b.  b,.  Ä'onfeffor)  borge^ogen  morben  (speraverat 
episcopatum  Valentinus,  quia  et  ingenio  poterat  et  eloquio.  sed  alium  ex 
martyrii  praerogativa  loci  potitum  indignatus  de  ecclesia  authenticae  regulae 
abrupit).   33on  ben  Vorgängern  be§  3lnifet  ift  nad)  ber  römifd)en  Sifte  nur  SEelegfcr/oruS 

55  Monfeffor  geroefen  (^ren.  III,  3,  3),  unter  bem  aber  Valentin  nod)  nid)t  in  Dforn  getoirft 
^at.  §arnac!  fud)t  biefen  Söiberfbrud)  baburcf)  auszugleichen,  ba^  er  annimmt,  S£ele^ 
pb,oru^  fei  ein  gleichzeitiger,  alterbing§  älterer  ^oKege  be3  §t;ginui  geroefen,  beffen 
Slegierunggjeit  aber  im  ^ntereffe  be§  monard)ifd)en  @bl§fobate3  ju  früt)  angefe^t  roorben 
fei  (6b,ronologie  II,  1,  179).    ^ertuüian  r)at  fid)  in  feiner  ©treitfd)rift  fonft  faft  nur  auf 

60  eine  Steprobuftion  ber  Slngaben  be§  ^renäuö  befd)rän!t.  Söo^er  er  bie  fyiftorifc^e  D'cad^ridjt 
f)at,  läf^t  fid)  nid)t  mel)r  auimad)en.  ©tänbe  fie  bei  einem  ©d)riftfteller,  ber  in  i)iftorifd)en 
©ingen  genau  roäre,  fo  bürfte  man  ib;r  bod)  ©lauben  fd)enlen.  9Jun  geb,t  aber  ütertulTian 
jeber  l)iftorifd)e  ©inn  ah  (f.  %.  tyapman,  Rev.  bened.  1902,  156ss.  JThSt  1907, 
597  ff.),   fo    bajj   man  aud)  in  biefem  gallc  baö  äuf5erfte  93ci^trauen  für  berechtigt  balten 


ätaleiitmuS,  ©nofttfer  397 

barf  unb  mit  ber  9}cöglidjfeit  rennen  mufj,  bafj  bie  ganje  Slngabe  eine  boshafte  (Srfinbung 
SCertuHianS  ober  eines  ©eWäfjrSmanneS  Don  ifjm  barftellt.  9Jiit  ber  2lngabe  beS  ^renäuS 
ftimmt  im  Wefentlicfyen  auct)  ßlemenS  Sllej.  (Strom.  VII,  17,  106 f.)  überein,  beffen 
SSorte  allerbingS  burcb,  eine  unfinnige  ^ßaragrabr/enteilung  in  ben  2tuSgaben  bon  fflofy 
unb  ©inborf  boHfommen  unberftänblicb  geworben  finb.  @r  berteilt  bie  cfyriftlicfje  2ebje  5 
auf  brei  Venoben:  1.  bie  gett  ber  Sßirffamfeit  $efu  bon  ber  Regierung  beS  SluguftuS  bis 
mitten  in  bie  $eit  beS  Xtberiuö ;  2.  bie  ßeit  ber  2lboftel,  bie  mit  bem  £obe  beS  ^auluS 
unter  ÜRero  tfyr  @nbe  finbet;  3.  bie  2Birffamfeit  ber  £>äretirer,  bie  unter  §abrian  t/erbor= 
getreten  finb  unb  bis  ju  2lntoninuS  $tuS  getütrJt  b)aben  (fj  /uev  yäg  xov  xvgiov  xaxä 
tijv  nugovoiav  bibaaxaXia  and  Avyovoxov  Kaioagog  äg£a/uev>]  jueoovvxwv  xcöv  io 
Tißegiov  xqovcov  xeXeiovxaC  fj  de  xcöv  änoaxoXcov  avxov  fxe%gi  ye  xfjg  TlavXov 
Xeixovgyiag  inl  Nigcovog  xeXeiovxaC  xdxco  de  jieqI  xovg  'Aögiavov  xov  ßaaiXeojg 
ygovovg  ol  xdg  algeoeig  inivofjoavxeg  yeyovaoi  xal  fleugt  ye  xfjg  Avxcovivov  xov 
ngeoßvxegov  diheivav  fjXixlag  xa&dneg  6  Baadeldrjg,  xdv  rXavxiav  iniygdcptjxai 
diödoxaXov,  (hg  avypvow  avxol,  xov  Üexgov  egjuqvea'  —  woavxcog  de  xal  Ovaler-  15 
tTvov  Qevöä  diaxtjxoevai  cpegovoiv  yvcögi/xog  d'ovxog  yeyövei  UavXoV  Magxicor 
yäg  xaxä  xfjv  avxrjv  avxoig  fjXixiav  yevö/uevog  d)g  ngeoßvxegog  vecoxegotg  ovve- 
yevexo'  —  /ueft'  ov  (b.  fy.  rXavxiav)  2ijucov  in'  öXlyov  xi]gvooovxog  xov  üexgov  infj- 
xovoev).  SIemenS  bemerft,  WaS  ficfy  mit  ben  Angaben  bei  ^renäuS  becft,  bafj  bie  großen 
gnoftifctyen  2eb,rer,  bon  benen  er  23afilibeS,  Valentin  unb  -Jftarcion  namhaft  ma$t,  in  ber  20 
$eit  bon  ca.  120—160  getbirft  b/aben.  Um  aber  für  ib,re  £eb,re  ein  fyöfyereS  2Uter  ju  ge= 
toinnen,  leiteten  fie  biefe  bon  9Jtännern  ab,  bie  mit  ben  2tyofteln  noct)  eine  93erüb,rung 
gehabt  fyaben;  fo  33afilibeS  bon  ©laufiaS,  bem  ©ragoman  beS  $etruS,  Valentin  bon 
SfyeobaS,  einem  ©cfyüler  beS  ^auluS.  3)af$  bamit  eine  ©ucceffton  fyergeftellt  werben  foHte, 
ift  h>at)rfct)einltc^ ,  wenn  aucfy  nic^t  fieser.  SDie  ^eitgtenjen,  bie  SlemenS  $kx  für  bie  2öirf=  25 
famfeit  ber  großen  ©eftenftifter  angiebt,  beftätigen  bie  S^atfacb,  e,  bo^  bie  2Ritte  beS  2.  ^afyx- 
^unbertS  bie  geit  if)rer  SSirffamleit  gemefen  ift. 

3Jiit  biefen  Slac^ric^ten  ift  erfc^öbft,  renS  mir  an  juberläfftgen  9Jotijen  über  bie  £eben£= 
Seit  beS  Valentin  befi^en.  2BaS  ^e'rtußian  adv.  Valent.  4  mitteilt,  ift  berbädjtig  unb 
toaS  er  de  praescr.  30  über  Valentin  berietet,  bon  einem  fo  ferneren  3Serfeb,en  gebrücft,  30 
bafj  aueb,  biefer  Jiotij  feine  befonbere  ©laubtoürbigfeit  beigemeffen  werben  barf.  Gr  fcb,reibt 
^ier:  (constat)  in  catholicam  primo  doctrinam  credidisse  apud  ecclesiam  Roma- 
nensem sub  episcopatu  Eleutheri  benedicti,  donee  ob  inquietam  semper  curiosi- 
tatem,  qua  fratres  quoque  vitiabat,  semel  et  iterum  eiectus  novissime  in 
perpetuum  diseidium  relegatus  venena  doctrinae  suae  disseminavit.  SOtan  35 
t^ut  bem  cfyronologifcfyen  S^eil  ber  3Rac^rict)t  ?,ubiel  @t)re  an,  Wenn  man  mit  §arnacf 
(6b,ronol.  II,  1,  178 f.  292)  einen  ÜberlieferungSfeljler  annimmt  unb  ftatt  Eleutheri: 
Telesphori  forrigiert.  3Ber  mit  ben  ^aiferregierungen  fo  umgebt,  Wie  SfcertuHtan  eS  in 
adv.  Jud.  8  tfmt  (f.  S-  ß^brnan,  JThSt  1907,  598),  bem  barf  man  aueb,  eine  arge 
ßonfufton  unter  ben  römifeben  33ifcb,ofSnamen  jutrauen  (SibfiuS,  DchrB  IV,  1078a).  40 
3luc$  toaS  @bibb,aniuS  über  bie  §er!unft  unb  Sßirffamfeit  Valentins  berietet,  lä|t  fia)  in 
feiner  ßuberläjfigfeit  nicf;t  mel)r  fontroßieren.  3?aterlanb  unb  SIbftammung  War,  Wie  er 
felbft  fagt  (h.  31,  2),  ben  meiften  unbefannt.  2lu3  münblicb, er  Überlieferung,  bie  er  mob,l 
in  Slg^bten  aus  bem  ÜJiunbe  bortiger  3Salentinianer  embfangen  b,at,  ftammt  bie  Äunbe, 
bie  @bibb,aniuS  felbft  mit  aUem  3Sorbeb,alt  miebergiebt,  ba|  Valentin  in  2lg^ten,  im  45 
$b,rebonitifcb,en  üüftenbejirf  ju  §aufe  getoefen  fei  unb  ba^  er  in  2lleranbrien  feine  2lu§-- 
bilbung  embfangen  fjabe  {eyaoav  avxov  xiveg  yeyevfjoftai  ^geßoiv'miv  xfjg  Atyvnxov 
nagaXi(bxr\v ,  ev  'AXe^avögeiq  nenaidevo'&ai  xi]v  ^EXXrjvo)v  naideiav).  2tn  anberer 
Stelle  (h.  31,  7)  fügt  @bibb,aniuö  noeb,  bie  ^Racbjicfyt  ^inju,  bafe  Valentin,  nacb,bem  er  in 
Slgbbten  gemirft  §aht,  nacb,  9tom  gekommen  fei,  um  bort  feine  Sebje  ju  brebigen.  darauf  50 
b,abe  er  fieb  nacb,  @r/bem  begeben  unb  bort  am  ©lauben  ©cbiffbrudb  gelitten.  ®a  @bi= 
bbaniuS  felbft  Syrier  ift,  mag  er  babon  roobl  in  feiner  §eimat  bernommen  b,aben.  ©ie 
Slngabe,  bafj  ber  2lbfaß  bom  ©lauben  in  6t/bem  ftattgefunben  i^abc,  lä^t  fieb,  niebt  mit 
ber  bon  ^ertuUian  berichteten  ^atfadie,  bie  inbireft  aueb,  bon  ^renä"^  beftätigt  wirb, 
bereinigen,  Wonacb,  Valentin  fcb,on  in  Stom  bie  ^irebe  berlaffen  fyabt.  SibfiuS  (Duellen  ber  55 
älteften  ße|ergefcf/.  259  ff.,  bgl.  ^brSb,  1887,  589  f.)  unb  nacb  ib,m  ^ilgenfelb  (Äe^ergefcb,. 
284  ff.)  unb  ßab.n  (®efc^.  b.  ntl.  .UanonS  I,  455)  fe£en  ben  2lufentb,alt  auf  ß^bern  bor 
ben  römifdjen  unb  nehmen  als  Duelle  biefer  Angabe  baS  ©r;ntagma  §ibbol^)tS  (f.  bagegen 
•öarnaef,  6b.ronoI.  II,  1,  292  2lnm.  2).  ®er  Slufentb^alt  Valentins  auf  6r,bern  mufe  ba= 
öer  fraglicb,    bleiben,    Wenn   er   aueb,    ntebt  ofyne  Weiteres  als  unwabjfd)einlicr;   bejetebnet  60 


398  »alenttnuS,  ©nofttfer 

Werben  fann.  ©agegen  ift  bie  bon  (SbibfyaniuS  mitgeteilte  Überlieferung  Woljl  bamit  im 
Sfted^t,  Wenn  fie  Valentin  als  einen  Signier  bezeichnet,  ©enn  fein  ©Aftern  ift  Wohl  nur 
auf  bem  33oben  beS  ägt)btifcb=bellemftifcben  ©tmfretiSmuS  berftänblicf;. 

211S  brobefyaltig  ergiebt  fid^  bemnacb.  folgenbeS:  Valentin  ftammte  aus  2tgr/bten,  Wo 
5  er  erlogen  Würbe  unb  guerft  lehrte,  %n  ben  Sauren  ca.  136—165  hielt  er  ficb.  in  3tom 
auf  unb  toirfte  bort  mit  binreifjenber  SSerebfamfeit  für  feine  Sefyre.  Unter  bem  SbtSfobat 
beS  Slnüet  berliej?  er  bie  ©tabt,  bielleicbt  um  ftcb  nach  bem  Dften  p  Wmben,  Wo  er  einer 
fbäteren  Überlieferung  zufolge  auf  6r/bern  eine  SöirfungSftätte  fanb.  Über  feine  weiteren 
©djicffale  unb  über  bie  3eit  feines  iobeS  ift  nichts  befannt. 

io  2.  ©ie  fcbrif  tftellerifcbe  ^bätigfeit  Valentins,  ©oweit  ftcb  aus  ben  2In= 
gaben  ber  Seftreiter  Valentins  ernennen  läjjt,  ift  er  nur  mit  ©elegenfyeitSfdbriften  berbor- 
getreten.  ©ie  einige  ©iftrift,  bie  ihrem  äitel  nach  bogmatifcben  $nl>aIteS  geWefen  fein 
tonnte,  trug  bie  2tuff(hrift  „bon  ben  brei  Naturen"  (Ovalevrtvos  6  aiQeoidQxtjg  tiqcö- 
rog  ETievorjaev  iv  reo   ßißXiop  reo  ejiiyeyQajujusvcp   tieqI  t&v  xqicöv  (pvoscov  SlemenS 

15  211er..  $ragm.  de  Providentia  beröff  entließt  Don  9Jcercatt,  Ren  die.  del  R.  Istituto 
Lomb.  ser.  II,  v.  31  p.  1034;  baS  Don  §arnad,  2lltcbr.  Sitteraturgefcb.  I,  183  bem 
4.  ^a^bunbert  jugeWiefene  Fragment,  baS  Eulog.  Alex,  [bei  ^SI)otiuS  bibl.  c.  230 
p.  273]  aufbewahrt  bat,  fönnte  Wohl  biefem  Söerf  entftammen.  @in  ©runb,  bie  Stieb,  tig= 
feit  ber  Überlieferung  in  bem  bon  SJcercati  benutzten  Cod.  Ambros.  H  257  inf.  §u  be= 

20  zweifeln,  liegt  Vr»obl  faum  bor).  2SaS  Wir  fonft  bon  ©Triften  Valentins  fennen,  ift  oljme 
2luSnabme  braftifeben  QnbalteS.  @3  fwb  ^3tebtgten,  §t)tnnen  unb  Briefe.  Fragmente 
auS  ben  ^rebigten  bat  ßlemenS  211er..  aufbewahrt  (Strom.  IV,  13,  89  sq;  VI,  6,  52). 
SSon  SBrieffragmenten  finben  ftcb,  ebenfalls  bei  ßlemenS  211er..  (Strom.  II,  8,  36;  11,20, 
114;  III,  7,  59)  brei  erhalten;  nur  bei  einem  wirb  ber  2lbreffat  (2tgatl>obuS)  hinzugefügt. 

25  ülöober  bie  in  ben  ^>bjlofobbumena  (VI,  42)  mitgeteilte  SSifion  ftammt,  bie  Valentin  er= 
Zäf/It  bat,  läfjt  ficb.  nicfyt  mehr  ausmachen.  @S  liegt  nafye  an  eine  ^3rebigt  ju  benten. 
©afj  Valentin  auch,  als  ©icfyter  tfyätig  gewefen  ift,  berichtet  ^ertuHian  (de  carne  Christi 
17  20;  Origenes  in  Job  21,  11  f.  bei  ^ßitra,  Analecta  sacr.  II,  368.  Kurator, 
gragm.  Q.  81).    (ginige  geilen  auS  einem  biefer  Jahnen  bat  §tbbotfet  (Philos.  VI,  37 

so  p.  290,  80sq.  ©.=©cbn.)  gittert.  ©afj  Valentin  auch,  ein  (Sbangeltum  berfafjt  fyahe,  ift 
irrtümIicf)crWeife  auS  ^ßfeutotertuUian,  adv.  haeres.  12  (bgl.  %xm.  III,  11,  9)  gefolgert 
Worben.  (Sbenfo  Wenig  ift  bie  Vermutung  ©rabeS  fticbfyaltig  (Spicil.  II,  49),  bafj  %zx= 
tußian  (adv.  Valent.  2)  ein  2öerf  mit  bem  Sitel  Sophia  citiere.  3Jian  glaubte  früher 
fogar,  baS  3Serf  in  ber  fobtifeb.  erhaltenen  ©d)rift  Pistis  Sophia  noeb;  ju  befi^en.    ©benfo 

35  Wenig  ift  man  berechtigt,  baS  ©tücf  mit  ber  Überfdjmft  xo  döy/ua  Ovahvtivov,  baS  2lbamentiuS 
in  bem  Dialog,  de  reeta  in  deum  fide  IV,  2  (©.  136,  25  ff.  b.  b.  ©anbe=33a!I).)  mit= 
teilt,  mit  Valentin  in  gitfcunmmfyans  ^u  {,ringen.  D&  bie  bon  (Sbibf)aniuS  (h.  31,5sq.) 
benutzte  balentinianifa)e  Urlunbe,  nacb.  ^arnact  (Slltcbj.  Sitteraturgefa).  I,  178)  „eine  2lrt 
Sef>rbrief",  bie  ftcb  „als  folc^er  ju  ben  Briefen  93alentinS  fügt",  bon  ber  £>anb  23alentinS 

40  ftammt,  ober,  WaS  Wal)rfcb.einlia}er  ift,  aus  ben  Greifen  feiner  2lnl)änger,  Wirb  fia)  nicht 
meb,r  feftfteßen  laffen. 

®iefer  Überblicf  über  bie  fa)riftfteHerifa)e  ^atig!eit  Valentins  geigt,  bafj  irm  bie  braf= 
tifeb^en  2lufgaben  in  2lnfbrucb,  nahmen  unb  bafj  er  nia)t  ben  @b,rgeig  hatte,  ©djriftfteller 
ju  fein,    ©eine  ^rebigten  b,at  er  Wof)l  nicht  felbft  herausgegeben,  fonbern  fie  mögen  bon 

45  feinen  ©cbülern  aufgejeicb.net  unb  bann  beröffentlicbt  Worben  fein.  SDafj  fie  baS  Sieb,  t  ber 
Deffentlicbfeit  nicht  ju  fcheuen  brausten,  beWeifen  bie  baar  bürftigen  Fragmente,  bie  Wir 
leiber  bon  ilmen  allein  befugen,  ©benfo  Wirb  eS  auch,  mit  feinen  Briefen  fteben,  bie  fdjtoer- 
licb.  für  bie  Öffentlichkeit  gef eh. rieben  Waren,  ©ie  ^Pfalmen  foKten  ohne  ft'mtfd  bem  gotteS= 
bienftlichen  SebürfniS  bienen  unb  Werben  baS  auch  get^an  haben,   ©onft  hätte  fie  SEertuHian 

50  fchwerlia)  mit  ben  ^Sfalmen  ©abibS  in  eine  Sffeifye  geftellt  (de  carne  Chr.  20). 

3.  2)aS  ©Aftern  Valentins,  ©ie  3öeltanfcbauung  eines  Cannes  ju  entwickeln, 
bon  beffen  eignen  ilufeerungen  Wir  nur  armfelige  krümmer  heften  unb  für  beffen  3Jcei= 
nungen  Wir  nur  auf  bie  Berichte  übelWollenber  ©egner  angeWiefen  finb,  bie  fich  noch,  baju 
nicht  bemüht  haben  ober  nicht  in  ber  Sage  Waren,  überall  jWifcb.en  ben  2tnfa)auungen  beS 

55  gjceifterS  unb  feiner  ©cbüler  reinlich  p  Reiben,  baS  gehört  ju  ben  unmöglichen  ©ingert. 
@S  Wäre  auch  im  2lltertum  nur  ben  berfönlicben  ©cbülern  möglich  geWefen.  ©enn  wie 
^renäuS  berfichert  (I,  11,  1),  ftimmte  bie  Seh.re  Valentins  in  bielen  fünften  nicht  mit 
ber  feiner  ©cbüler  überein,  fo  ba|  bon  einem  balentinifcben  ©ogma  gar  feine  Sfobe  fein 
fonnte  unb  bie  aufjerfyalb  ber  ©chule  fte^enben  Serichterftatter  häufig  als  balentinifcb  an= 

eo  gefehen  h.aben  Werben,  WaS  ©onbergut  beS  ^tolemäuS,  5RarfuS  ober  §erafleon  War.  ©aS 


StalentimtS,  ©nofttfer  399 

gilt  bor  allem  für  ben  23erid)t  be<S  $renäu§,  beffen  £)arftellung  geigt,  tote  ratlos1  er  im 
©runbe  ber  Sßielfyeit  abit>eid)enber  Stnfic^ten  unb  Rainungen  innerhalb  ber  balenttniamfd)en 
©d)ule  gegenüberftanb.  Gs ,  gilt  aber  aud)  für  bie  ^olemtf  be§  GlemenS  bon  Sllejanbrien, 
obgleich  biefer  autl)enttfd)e  ätuftemngen  be§  RtafterS  felbft,  wenn  aud)  nur  aus"  Reiter 
£anb,  jur  Verfügung  Ijatte.  5 

®en  Räbrboben  für  SMentinS  £efyre  bilbet  ber  fyelleniftifd)e  ©tyntretiämug,  ben  un§ 
erft  je£t  bie  gorfd)ung  ju  erfcbltefjen  beginnt  (bgl.  bie  ausgezeichnete  ©fi^e  Don  Söenblanb 
in  SiefmannS  £anbbud)  j.  RS  I,  2,  161—179).  SDie  berfd)iebenften  Religionen  r)aben 
in  if)tn  mit  bb,tlofobl)ifd;er  ©befulation  unb  tbeofobb,ifd)er  Rtyftif  einen  33unb  geschloffen, 
in  bem  toiffenfcb,aftlidj)e§  SDenfen  unb  ratlbe  $f)antaftif  um  religiöfe  Sefriebigung  rangen.  10 
Segriffe  rourben  barin  ju  ©öttern  unb  ©ötter  ju  Segriffen,  in  $ab,l  unb  33ud)ftabe  fbrad) 
ficb,  baS  tieffte,  religiöfe  ©el)eimni3  aus1,  ba§  geit  unb  ©efd)id)te  übetf^ringenb  bie  Gtoig= 
feit  beS  SEeltbroaeffeg  umnannte,  SaS  „ganje  SDrama  ber  ©eelengefd)id)te"  (Söenblanb 
6.  177)  rourbe  aufgerollt,  aftrologifd)er  gatali3mu§  unb  ber  ©ebanfe  an  ba3  finftere 
Söalten  beS  ©dbjdfafe  lieferten  ben  Ginjd)lag  unb  bie  befreienbc  Sfyatfacfye  ber  Grlöfung  15 
bitbete  ben  gefugten  unb  gefunDenen  ©cfylufe  be§  SDramaS.  3Ba§  fyier  in  biefem  roilben 
gaubertanj  roirbelte,  mag  bie  ©cele  beg  £>enfer<§  unb  ba3  §er&  be3  fd^Iid^ten  frommen 
in  feinem  tiefften  inneren  erfcfyütterte,  raar  eine  gewaltige,  religiöfe  IrifiS,  an  beren  Söfung 
mitzuarbeiten  auch,  Valentin  bemüht  raar. 

©runblegenb  für  Valentin  ift  ber  blatonifcf)e  ^Dualismus»,  ber  bie  geiftige,  göttliche,  20 
bimmlifcfje  ^beatioelt  Don  ber  materiellen  GrfcfyeinungStbelt  trennt.  2113  ein  ©ebilbe,  ba§ 
teil  fjat  an  jener  rate  an  biefer  ftefyt  ber  Rtenfd)  mitten  §toifct)eninne  unb  fo  entfielt  i>a$ 
Problem,  raie  ber  geiftige  Rienfd)  bie  Srücfe  zu  feiner  b)öl)eren  Heimat  toieber  finbe  unb 
ficb,  bon  ber  materiellen  Söelt,  in  bie  er  burcr)  feinen  Seib  gebannt  ift,  rateber  löfe.  „©0-- 
biel  ba3  23tlb  bürftiger  ift  als1  ba§  lebenbige  2lntli|",  fagt  Valentin  in  einer  $rebigt  25 
(bei  GlemenS  2llej:.,  Strom.  IV,  13,  89),  „fo  biel  bürftiger  ift  aud)  bie  2SeIt  als  ber 
lebenbige  2ton".  SDiefer  Ston  ift  ba<§  ibeale  Urbilb,  ber  ^oSmoS  ba§  unboßfommene  2lbbtlb. 
©djöjjfer  be§  Äo§mo§  ift  ber  2)emiurg,  ber  nad)  ber  3lngabe  beS  Giemen!  (Strom.  IV, 
13,  90  p.  603  %),  ber  ©ott  unb  33ater  genannt  unb  als  ba§  älbbilb  be!  magren  ©otteS 
unb  als  ^robbet  bezeichnet  rairb.  2113  „Rtaler",  b.  I).  alö  ben  etoff  geftaltenben  ^ünftler  30 
bezeichnete  Valentin  bie  ©ob^ia;  fo  toenigften§  beutet  Giemen^  bie  S5orte  ber  ^rebigt: 
„9Ba3  mar  ber  Inlafe  für  bie  Slnfertigung  be§  SBUbeä?  SDie  §errlicr;fett  beö  2lntli|e§, 
ba§  bem  2ftaler  bie  3üg«  tot,  bamit  fie  burcb,  feinen  tarnen  geehrt  raürben.  2)enn  bie 
©eftalt  tourbe  nicpt  aut^entifcb,  erfunben,  fonbern  ber  ^ame  bectte  bie  SRängel  ber  9la<fy'~ 
btlbung.  ©0  btlft  aucb,  ba§  unftc^tbare  SSBefen  ©otte?  mit  jum  ©lauben  be§  ©efcb,öbfe§"  35 
(r<'i  ovv  fj  ahia  rfjg  elxövos ;  jueyaXcoovvr/  xov  tzqoocojzov  naQeo%if]fievov  reo  t,(x>- 
ygäcpo)  zbv  rimov,  Iva  rifxri&fj  dl  övojucnog  avxov'  ov  yäg  av&svTixöjg  svQS&rj 
f^OQ(prj,  äXXä  xo  övofxa  InhqQcaoHV  xb  voxeQfjoav  h>  TiXäasi.  owegyei  de  xal  xö 
xov  §eov  äogaxov  elg  moxiv  xov  jisJikaojusvov).  ®te  Söorte  finb  toof)l  nid^t  obne 
2lbfidb,  t  etroa§  bunlel  gewählt  unb  ebenfo  mag  e§  bem  groeef  ber  ^rebigt  entfbroc^en  40 
baben,  it;nen  einen  !ira)licb,en  Mang  ju  berlei^en.  Ob  fie  bon  GlemenS  richtig  gebeutet 
finb,  ift  fra glitt).  GS  läge  näb,er,  ftatt  ber  ©obfyia  ben  ®emiurgen  al§  „9Mer"  an= 
jufeb,en,  ber  bie  $üge  t,e§  maieftätifd)en  ©otte§  nad)pbilben  berfud)t  fyahe,  aber,  raeil  biefe 
3Zacb,bilbung  bod)  nur  unboßfommen  tbar,  burd)  ben  „tarnen",  b.  f).  bie  geiftige  Dffen= 
barung,  bie  üöcängel  be§  2öer!eä  au^ufüHen  fueb, te ,  fo  mie  bie  SJlaler  bem  Porträt  ben  45 
tarnen  be§  ©argeftellten  beifügten,  bamit  ber  33efd)auer  be§  33ilbe§  beffen  Mängel  felbft 
ausgleiten  fönnte  (bgl.  §ilgenfelb,  ^etjergefd).  300).  3JJan  !ann  aud)  ben  9Serbad)t  nid)t 
abtoeifen,  ba|  Giemen^  fein  Gitat  einer  balentinianifd)en  ©d)rift  berbanft,  in  ber  bie  ©ebanfen 
Valentins  toeitergebilbet  raaren.  ®ie  Auslegung,  bie  Giemen^  bem  Gitat  giebt,  ift  biefe: 
2)er  2Beltfcb,öbfer  ift  baS  Slbbilb  beg  raab, ren  ©otteS;  bieg  3lbbilb  ift  ein  2öerf  ber  ©ob^ia,  so 
gefd^affen  $ur  @b,re  beg  Unfid)tbaren,  benn  ma§  au§  ber  ©i)^ßie  ftammt,  finb  bie  jibjoco- 
fiaxa,  toa§  bon  bem  einen,  bie  Slbbilber.  ®a  aber  bie  au§  bem  StRittelreitt)  (nid)t  au$  bem 
nlfjQojjua)  ftammenbe  ©eele  nid)t  bie  göttliche  Realität  (xö  qjmvonisvov)  barftellt,  fam 
ba3  Slbfolute  (xö  öiacpögov)  unb  bie§  ift  ber  2lnb,aud)  be§  abfoluten  ©eifteS.  Rad)  ber 
Seb.aubtung  ber  SSalentinianer  (Myovqi;  eg  ift  bemerfengfoert,  ba|  er  ^ier  ben  Pural  55 
braucht,  obroobl  er  e§  bod)  mit  einer  Slufeerung  SSalentinö  p  $m  ^aöen  toiK;  äfmlid) 
toecb,feln  in  ben  Exe.  ex  Theodoto  bie  Rumeri)  ift  bie  Gr^äl)lung  ber  ©enefi§  bon  ber 
3ftenfd)enfd)öbfung,  bie  bon  einem  finnlid)  mafjrnebmbaren  2lbbilb  (aloih]T>)  eixwv) 
frric^t,  ein  brobbetifd)er  ^inmeiö  auf  bie  b,öl)ere,  gnoftifd)e  2ßabrb«it.  5Der  ©eblufj  biefer 
©tläuterurtg    mad)t    cö    wafyrjcbeinlid),    ba^    Giemen!    au§  einem  balenttnianifd)en  Mom=  go 


400  $denttmt§,  ©nofttfer 

mentar  ju  ©en  ],27  fct/öbft,  in  bem  aucfy  bie  2öorte  au§  ber  ?ßrebtgt  33alentin3  citiert 
Waren. 

SDie  ©ebanfen,  bie  S3alentm  in  bem  *)3rebigtfragment  au3fbrict)t,  feinen  btel  Weniger 
fornbli^iert,  al§  bie  ©rläuterung,  bie  ifynen  in  feinet  ©d)ule  gegeben  Wirb.  @r  be^anbelt 
5  ben  ©egenfa|  Don  ©ott  unb  2Mt.  SDiefe  ift  ebenfo  unboßfommen  im  äkrljä'ltnis  ju 
jenem,  wie  ein  Porträt  unbotlfommen  ift  im  aSer^ältni§  ju  feinem  Original.  ®ann  ent= 
ftefyt  aber  bie  grage:  2Barum  Würbe  übertäubt  eine  fo  unboHfommene  SBelt  gef Raffen? 
Valentin  bleibt  im  33ilb:  ein  Porträt  Wirb  nur  bon  einem  bebeutenben  2lntlt|  gefc^affen; 
ber  ÜMer  fe£t  ben  Flamen  be§  ©argefteltten  jum  Porträt,  unb  fo  b,at  biefer  felbft  @b,re 

10  burcr)  bie  ©arftellung,  aucfy  Wenn  fie  ba§  Original  nur  unbollfommen  Wiebergiebt.  $$n= 
lief;  ift  e§  mit  ber  9Beltfd)öbfung.  ©ie  ift  aucfy  ein  33ilb  be§  mietbaren  ©otteS,  aber 
unbotlfommen  Wie  jebe3  S3ilb.  ©ennod;  bient  fie  bagu,  ben  unfid^tbaren  ©ott  ju  efyren, 
beffen  ^JJame  it;r  beigefügt  ift.  $nbem  bie  Timern  bie  mit  ©otteä  5Rame  gefcf;mücfte 
©cfyöbfung  anfcf)auen,  bient  il)nen  biefe  baju,  baft  fie  jum  ©lauben  an  ©ott  gelangen. 

15  SSon  ber  ©d;b>fung  be§  9Jcenfct;en  t;anbelt  ein  äkucfyftüct'  auS  Valentins  Briefen 
((Element  211er..  II,  8,  36):  „Unb  Wie  jene  ©djöbfung  (nämlicr;  bie  be§  9Jcenfcf)en)  ben 
@ngeln  gurct;t  einflößte,  afe  er  @rt;abenere3  rebete  ak  ein  ©efcf)b>f  erwarten  liefe,  weil  er 
(ber  ©cfyöbfer)  unfict;tbar  in  ifm  ben  ©amen  be3  beeren  2öefen§  legte  unb  bieg  aucb, 
offen  erklärte,  fo  finb  aucb,  unter  ben  ©efcbjecfytem  ber  SRenfcfyen  in  ber  2Mt  bie  9Jcenfct;en= 

20  Werfe  benen  furchtbar ,  bie  fie  fcfyaffen,  Wie  ©tatuen  unb  Silber  unb  alles ,  wag  bie 
9Jtenfc^en  auf  ben  tarnen  ©otteS  »erfertigen.  £)enn  Slbam,  ber  auf  ben  tarnen  be§ 
3Jienfc^en  b,in  gef Raffen  mar,  rief  bie  gurcfyt  bor  bem  bräerjftenten  9Kenfcf;en  t;erbor,  als 
ob  biefer  in  u;m  latent  märe,  unb  fie  (b.  f).  bie  ©ngel)  entfetten  fta;  unb  entftetlten  baS 
22erf."    £)ie  Meinung  33alenttn3  ift  aucb,   bjer  beutlid;.    SDie  ©ötterbilber   finb   für  bie 

25  9Jcenfcf;en  ein  ©egenftanb  fcfyeuer  gurcfyt,  tro|bem  fie  ein  ©ebilbe  ber  9Jtenfdjenf)anb  finb. 
5Denn  in  ilmen  benft  man  ficb,  bie  ©ottt;eit  wolmen  unb  biefe  SorfteHung  fdjafft  in  ben 
Sftenfcfyen  bie  gurcb.t.  ©benfo  t;aben  fid)  bie  (Sngel  bor  bem  erfcb/affenen  50ienfcb,en  ge= 
fürchtet,  Weil  in  i§m  ein  ©ame  ber  ^öfteren  5Ratur  {xfjg  ävco&ev  ovo(ag)  lag,  ben  ifym 
ber  ©cf;öbfer  gegeben  blatte  unb  beffen  33orb,anbenfein  er  aucb,  offen  erftä'rt  fyatte.   Söie  bie 

30  iöcenfdjen  fid^  bor  ben  ©btterftatuen  fcfjeuen,  fo  bie  Sngel  bor  bem  9Jtenfcb,en,  in  bem  fie 
ben  ipräerjftenten  „SRenfc^en"  (d  jiqoojv  ^'Av&gcojiog)  b.  b,.  ©ott  felbft  ioo^nen  benfen. 
Um  biefer  gurd^t  lebig  ju  Werben,  berberben  fie  ba§  Söerf  beg  ©cb,öbfer§,  inbem  fie  e3 
jur  ©ünbe  berleiten.  Sie  bjer  benu|ten  3SorfteHungen  bewegen  fid)  burc^auS  auf  bem 
33oben,  au£  bem  auc^  bie  mancherlei  jübifcfyen  2lbam§fagen  entfbroffen  finb  (Souffet,  9M. 

35b.  ^ubent."-  ©.  404  ff.  557  ff.). 

Sluc^  b^ier  fcb^eint  ßlemeng  nicfyt  auö  Valentin  felbft  gefcljbbft  ju  ^aben,  fonbern  au§ 
einer  balentinianifa)en  2lu§legung  bon  ©br.  1,  7,  Wo  aU  ©rläuterung  ju  cpoßog  xvgiov  bie 
©teile  au3  bem  33rief  Jßalentinö  mitgeteilt  War.  ®iefe  3lu§legung  geigt  mit  ber  an  ba3 
oben  befbrocbjene  ^rebigtfragnient  angefc^loffenen   fobiel   berWanbte  3üge,   bafe  e§  feinem 

40  ßweifel  unterliegen  fann,  fie  fei  berfelben  ©c^rift  entnommen.  ^m  3olt9enDm  (*•  c-  §  38) 
ift  bon  bem  @ntfe|en  bie  3tebe,  baö  ben  2lrc|)onten  erfaßte,  ein  didxovog,  bon  bem  im 
gragment  feine  &ebe  ift,  Wirb  all  üßrtnger  ber  2;aufe  unb  ^rebiger  eingeführt  —  gebaut 
ift  toofyl  an  ^o^annei  b.  %.  (bgf.  ^Jreufc^en,  jWei  gnoft.  §bmnen  3.  53  f.)  — ,  unb  ber 
2lrcfyon  gewinnt  aul  ber  gurd^t  ben  3lnfang  ber  Sßei^eit,  bie  ifyn  jur  ©Reibung  jWifcljen 

45  ben  SluSerWätjlten  unb  ben  3i5eltlicljen  fü^rt.  Sßon  alle  bem  läfet  fiel;  in  bem  Fragment 
felbft  nichts  entbed'en.  @l  jetjetnt  bab^er  auet;  an  biefer  ©teile  eine  Sßeiterbilbung  bei  ur» 
fbrünglicb,en  ©bfteml  in  einer  balentinianifcr)en  ©d^rift  borjuliegen. 

•JJttt  biefer  Sluffaffung  bon  ber  §errlid)feit  be§  ^rotoblaften  ftimmt  ein  $rebigt= 
fragment  überein,  beffen  (Spaltung  Wir  ebenfalls  (SlemenS  berbanfen  (Strom.  IV,  13,  89): 

50  „SBon  Infang  an  feib  ifjr  unfterblicl)  unb  feib  l?inber  be§  ewigen  2eben§  unb  Wolltet  ben 
%oi  auf  eucl;  nehmen,  bamit  il>r  ib,n  berbraudjt  unb  bernicljtet  unb  ber  SEob  in  eucl;  unb 
buret;  eucl;  fterbe.  ©enn  Wenn  if)r  bie  2öelt  auflbft  ofyne  bafe  it»r  felbft  aufgelöft  Werbet, 
fo  fyerrfcfyt  ib,r  über  bie  ©cfybbfung  unb  über  aße  33ergänglidj>feit."  3lucl)  an  biefer  ©teile 
ift  ber  ©ebrauet;  biblifc^er  3öenbungen  bemerkenswert,    ©afe  aucl;  bie  Klangfarbe  ber   in 

55  3legbbten  gefunbenen  Sogia  äljmlicr)  ift,  mag  nebenbei  bemerft  fein.  SBon  Slnfang  an  finb 
bie  SSJcenfdjen  Äinber  beö  ewigen  £eben§;  Wenn  fie  ben  %ob  als  i^ren  3lnteil  auf  fid) 
nehmen,  fo  t)aben  fie  ib;n  babura)  aufgebraust,  fo  bafe  er  in  iljmen  erftorben  ift,  alfo  feine 
SUcactjt  meb^r  über  fie  §at.  ©er  2lu§brucf  rdv  xoa/xov  Xveiv  bebeutet  bie  älbfe^r  bon 
allem  ©innlidjen,  feine  ©rtötung;  bamit  Wirb  ber  9Jcenfcb.  §err  über  bie  bergänglicfye  2öelt 

60  (bgl.  ba3  Sogion:    eäv  jurj  vrjorEVorjrs  zbv  xoojuov  ov  /ur]  evqyjte  xr\v  ßaodeiav  xov 


$alcntiituS,  ©noftilcr  401 

tizov).  SBenn  aud)  r)ier  ßlemeng  §ur  (Erläuterung  fjufügt,  bafs  Valentin  ä&nltc^  tüte 
SafiltbeS  annehme,  bafj  ber  SDlenfd^  Don  SRatur  jum  §eil  beftimmt  fei,  bajj  aber  ber  £ob, 
ein  SBerf  beg  äöelt^ö^fer»,  ftd)  baureiferen  eingebrängt  I)abe  unb  bafj  erft  biefe  bon  ben 
unfern  berfdjtebene  Strt  (rovto  to  öidupogov  yevog,  nämlid)  6r)riftug)  l/abt  bon  oben 
r/erablommen  muffen,  um  ben  %oi  ju  bernidjten,  fo  roiberfbricljt  bag  j.  3).  bireft  ben  0 
üffiorten  33alenting,  ftimmt  bagegen  mit  ben  Se^ren  ber  ©d)ule  überein. 

Über  ben  Urfbrung  ber  ©ünbe  unb  beg  33öfen  im  SRenfctjen  belehrt  bag  umfang= 
reichte  bon  aßen  23ruct)fiüden,  bag  aug  einem  ^Briefe  ftammt  unb  folgenb  ermaßen  lautet 
(Glemeng  2Iler.,  Strom.  II,  20,  114):  ,,@iner  ift  gut,  beffen  Mitteilung  bie  Offenbarung 
burd)  ben  ©otm  ift,  unb  allein  burd)  ir)n  bermag  bag  §erj  rein  ju  roerben,  roenn  jcber  10 
böfe  ©eift  aug  bem  §erjm  aufgetrieben  roirb.  ©enn  biel  böfe  ©eifier  roofmen  in  ir)m 
unb  laffen  eg  nid)t  rein  roerben,  jeber  bon  ifynen  tl;ut  feine  2Serle,  inbem  fie  alle  biel= 
faltig  burd)  unjiemlidje  33cgierben  plagen.  Unb  bag  §erj  fo)eint  etroag  älmlidjeg  ju  er= 
fahren  roie  bie  ^arabanferat.  ©enn  biefe  roirb  angebohrt  unb  angegraben  unb  oft  mit 
$ot  bcfd)mu§t,  roenn  Seute  olme  2lnftanb  barin  logieren  unb  auf  ben  Ort  lein  2td)t  I)aben,  15 
roeil  er  ifmen  nid)t  gehört.  ©0  gel/t  eg  aud)  mit  bem§erjen;  fo  lange  eg  feine  gürforge 
erfährt,  ift  eg  unrein,  bieler  ©ämonen  33efyaufung.  2ßenn  eg  aber  ber  einige  gute  Steter 
in  Cbfntt  nimmt,  fo  ift  eg  geheiligt  unb  erftral)lt  bon  2id)t  unb  fo  wirb  ber  feiig  gebriefen, 
ber  ein  fold)eg  §erj  befiel,  roeil  er  ©Ott  flauen  wirb."  SSalentin  bergleidjt  bag  §er§  mit 
einer  Verberge,  "bie  bon  unanftänbigen  ©äften  befd)mu$t  unb  bemoliert  roirb.  töeil  bie  20 
©äfte  an  bem  fremben  Eigentum  lein  ^ntereffe  fyahm,  bohren  fie  2öcf)er  in  bie  SBänbe, 
lieben  bie  @rbe  aug  unb  laffen  aßen  Unrat  barin  liegen.  ©ieg  jebem  antuen  Sleifenben 
geläufige  Silb,  für  bag  aud]  bleute  nod)  ber  Orient  $tluftrationen  bietet,  foll  bie  X^ättg= 
feit  ber  ©ämonen,  ber  ©rreger  ber  2eibenfd)aften,  im  §er$en  erläutern,  ©ie  finb  barin 
eingebrungen,  t)aben  fiel)  bort  eingeniftet  unb  berberben  nun  ifyre  Seljaufung,  big  ber  „gute  25 
SSater"  fief;  biefer  annimmt,  bie  ©ämonen  auftreibt  unb  bag  §erj  nun  rein  unb  heilig 
bon  2\d)t  erftrafylt.  Söer  ein  fo  bon  ben  böfen  Dämonen  unb  ben  bon  ir/nen  r)erbor= 
gerufenen  SBegierben  gereinigte^  §erj  r/at,  ift  feiig,  weil  er  ©Ott  flauen  wirb.  Sie  25e= 
nutwng  bon  Söorten  %tfu  (9Jit  19,  17  12,  45  f.  5,  8)  ift  ebenfo  bemerfengroert,  roie  bie 
©infacfyr;  eit  beg  ©ebantengangeg  (bgl.  baju  @.  ©a)toar|,  §erme§  XXXVIII,  96  f.). J5lemen§  30 
bat  gegen  bie  2lnfcr)auung  polemiftert,  mag  tyn  jeboa)  ntc^t  ^inbert,  an  anberer  '-stelle  bie 
Slßegorie  §u  übernehmen  (f.  ©d)toar^  a.  a.  D.  95 ;  bie  fbätere  gönn  biefeo  ©ebanf eng  bei 
ben  SSalentinianern  f.  bei  §ippoI^t,  Philos.  VI,  34). 

$on  Sefug  l>anbelt  ein  gragment,  ba§  au$  einem  23rief  an  einen  geioiffen  3lgatt)opug 
ftammt,  beffen  %vct  aber  berborben  ift,   fo  bafj  er  fic§  nic£)t  mit  ©ic^er^eit   erklären   lä^t  35 
(Siemens  aller,.,    Strom.  III,  6,  59;   SSerbefferungsborfcfyläge   teilt  ©tät/lm   im  äfybarat 
mit).    ®er  berberbte  ©ingang  bes  33rua)ftüc!es  entbält  bie  SBer/auptung ,    ba^  ^efug   ent= 
Ijaltfam  gelebt  fyabz  unb  —  roie  eg  fa)eint  — ,  bafj   er  baburc^  feine  Sergottung  ertoirlt 
ijaht.    ,,@r  a^  unb  trän!,  or)ne  bie  ©Reifen  roieber  befonberg  bon  fid^  ju  geben.   ©0  grofj 
roar  bei  ib,m  bie  $raft  ber  ©ntl)altfamfeit,  ba|  bie  ^aljrung  in  i|>m  nxdjt  berbarb,  ba  eg  40 
in  if>m  !ein  5?erberben  gab."    2eiber  lä&t  \id)  n\d)t  mef>r  er!ennen,  st>ie  fiel)  Valentin  bie 
SSergottung  badete  unb  roie  er  fic^  bie  Seiblidjleit  Qefu  oorftellte.    Slber  roelaje  Sebeutung 
er  ber  eyxQäjeia  beimaß,   roirb   l;ieraug  beutlicf).    ®er  ©ebanfe  erinnert  an  ben  in  bem 
gnoftifcr)en  §r;mnu§   „bon  ber  ©eele",    roonacr;    bie   irbifa)e  ©peife   ben    pneumatifcfyeit 
SSJlenfa)en  berbirbt  (^reufd^en,   gwei  gnoft.  §r)mncn  54f.    ^ertußian,  de    anima  23).  10 
§ier  roirb   burd^  bie  Uraft   ber  ©ntfyaltfamfeit  bie   berberblict;e  Söirfung  ber  ©peife  auf= 
gehoben:  eg  ift  beutlid),  roie  bei  Valentin  cdlz$  ftnritualiftert  ift. 

3öid)tig  für  bie  ^Beurteilung  oon  Salenting  ©emeinbebegriff  ift  ein  HeineS  ©tüd  aug 
einer  §omilie  jieqI  cpäcov,  beffen  %e&  freilief)  ebenfalls  nid)t  intaft  ift  (Slemeng  2llej., 
Strom.  VI,  6,  52):  „3Sieleg  bon  bem,  toag  in  ben  allgemein  gugänglidjen  ©Triften  ge=  50 
fa)rieben  ift,  finbet  fid§  in  ber  ©emeinbe  ©otteg  gefd;rieben.  ®enn  bag  ©emetnfame,  bag 
finb  bie  Söortc  aug  bem  §erjen,  bag  ©efe^,  bag  im  gerben  gefo)ricbcn  ift.  ®ieg  ift  bag 
Soll  beg  ©eliebten,  bag  geliebt  roirb  unb  ilm  liebt."  ®er  3ufammenl;ang  bleibt  im 
einzelnen  bunfel;  aber  ba^  bon  einer  geiftigen  ©emeinfd)aft,  nia)t  bon  einer  äufjerlictjen 
Drganifation  bie  ^iebe  ift,  ergiebt  fiel;  mit  genügenber  3Deutltcr)fett  ©er  kabg  xov  >)ya-  55 
mjjuevov  roirb  mit  ben  grjjuaza  änb  xaQÖiag,  bem  vo/uog  yganrög  sv  xagdia  (9lö  2,  15) 
in  ben  engften  ^"fflwmen^ang  gefegt. 

3U8  Oueße  feiner  £eb^re  ^at  Valentin  (nad)  ^^ol^t,  Philos.  VI,  42)  eine  33ifion 
bejeid;net.  C£r  fab,  ein  neugeborenes  Htnb,  bag  fid)  auf  feine  grage  alg  Sogog  gu  erfennen 
gab.    ©er  bon  i^m  borgebract;te  „tragifd^e  3Jl^t^uS"  fei  bie  Quelle  feiner  Sebje.    2Sifio=  go 

SReal^ncgriopäMe  für  I^eoloflte  «n*>  «irefte.    3.  «.  xx.  o(; 


402  $alentütu§,  ©nofttfcr 

nären  dfyarafter   trägt   aucb,  baS  23rud)ftüd   cineS   ^|a!mS,    baS   ebenfalls    bon   §ibbolt;t 
(Philos.  VI,  37)  aufbewahrt  toorben  ift. 

(SS  ift  eine  unlösbare  Stufgabe,  aus  biefen  33rud;ftüd"en  eine  jufammenfyängenbe  SDar= 
ftellung  i)on  SSalentinS  Sefyre  ju  geben.  @S  roar  ein  befonbereS  ©ct/idfal,  baß  gerabe 
5  biefe  Sleußerungen  nicf/t  ebenfo,  tote  bie  SJJaffe  feiner  ©Triften  bem  Untergänge  Verfallen 
finb,  orme  baß  bamit  betotefen  toerben  tonnte,  gerabe  fie  feien  für  Valentin  in  fyerbor= 
ragenbem  9)iaße  djarafterifiifcf).  gubem  toirb  bie  3tnalr/fe  babura)  crfcr/toert,  baß  ficb,  bie 
@r,egefe  ber  balentiniantfd/en  ©dmle  bereits  biefer  Äußerungen  bemächtigt  unb  fie  in  $u- 
fammenljiänge  tymeingefteßt  fyat,  bie  itmen  urfprünglicb,  fremb  toaren.   3e^e  Statfteßuna,  ber 

10  2ef>re  üBalentinS  fjat  aber  bon  einer  ftrengen,  burdj)  ntct/ts  beeinflußten  2lnalr/fe  ber  nod) 
erhaltenen  Söorte  auskugelten.  $n  ifynen  nur  ein  unbcIlfommeneS  Zeugnis  btx  ©ebanfen 
beS  SefyrerS  ju  fer)en  (£>emrici,  Talent.  ©nofiS  '2.  65 f.),  ift  ein  burct)  nid)tS  gerechtfertigtes 
2JJißtrauen.  @S  erflärt  ficb,  nur  aus  ber  2§atfadje,  baß  man  biel  ju  toenig  Stüdfidjt  auf 
bie  ©nttoidelung  ber  ©r/fieme  genommen   hat,   bie   gerabe   bei   ber  Sebje  Valentins  eine 

15  befonberS  intenfibe  getoefen  fein  muß. 

Über  allem  Sein  thront  ber  „lebenbige  2lon"  (d  £wv  alcbv)  ober  tt>ie  er  an  anberer 
©teile  genannt  toirb,  ber  „bräerjftente  Sftenfcb/'  (d  jiqoojv  'Av&qoojios),  ber  „einjige  gute 
33ater"  (d  /uovog  äya-ßög  TiaxfjQ).  £eibmfcr;e  unb  c^riftlic^e  Segcidntungen  laufen  baraßel. 
©ein  unbolKommeneS  Slbbilb  ift  bie  SGelt.    SfBer  fie  gefdjaffen  r)at,   fagt  Valentin  nidjt, 

20  Vielleicht  ber  SDemiurg,  Vielleicht  bie  ^öt)ere  ©otofyia.  ®ie  ©cfyöbfung  mar  mangelhaft,  fo 
baß  ber  fcfyaffenbe  ^ünftler  ben  tarnen  beS  lebenbtgen  2lon  beifügen  mußte,  um  eS  ^u 
ermöglichen,  baß  man  biefen  aus  bem  ©efcfyaffenen  erfenne.  SDenn  bie  §errlidj)feit  biefeS 
$on  ift  fo  groß,  baß  fie  feine  üftacfybilbung  »erträgt,  obtool)l  fie  $ur  5Rad)bilbung  retgt. 
©emeint  ift  aber  nidjt  bie  materielle  2Selt;   fie  rann  nid)t  bie  $üge   beS  lebenbtgen  2ton 

25  tragen,  ba  fie  ja  tot  ift.  @S  ift  bie  il'elt  ber  ©eifter,  an  ber  aud)  ber  -JJienfcfy  burct; 
feine  ©eele  Anteil  r)at.  2Bie  Valentin  bie  @ntftei)ung  ber  materiellen  ÜBelt  erklärte,  läßt 
ficb,  au§  ben  SBrucbJiüden  feiner  ©ct)riften  rttdEjt  meljr  nad;toeifen.  %n  ben  SRenfdjen  legte 
ber  ©djöbfer,  orme  baß  bie  (Sngeltoefen  ettoaS  babon  metften,  ben  ©amen  ber  beeren 
üftatur  (<j7i£Q[xa  zfjg  ävco'&ev  ovoiag),   fo   baß  er  burd}  feine  Sieben  ©ntfe^en  unter  ben 

30  (Engeln  Verbreitete,  ba  fie  meinten,  ber  „bräerjftente  SJienfd)"  b.  b.  ©Ott  fei  felbft  in  iftm 
borl^anben.  ©ie  entfteüten  bal)er  baS  5ffier!,  inbem  bie  Segierben  als  ©ämonen  in  i^n 
einbrangen  unb  bie  Seltaufung  befd;mu|tcn.  33on  2lnfang  an  für  baS  Seben  beftimmt  unb 
beS  eroigen  SebenS  teilhaftig  ift  biefer  ©ame  ber  beeren  dlatux  unberle^lid;.  ^n  ^er 
Überroinbung  ber  £eibenfd}aften   roirb  aucb,   ber  ^ob   in  ben  'äTtenfcfyen   überrounben;    fie 

35  löfen  bie  2öelt,  olme  in  tf)r  aufzugellen  unb  trium!pb,ieren  baburd)  über  bie  33ergänglid)leit. 

2)ie  3toHe,  bie  $efuS  in  biefem  ©rlöfungSbrojeß  gefbielt  b,at,   fcb^eint  baburcb,  gegeben 

ju  fein,  baß  ib,m  eine  öoHfommene  ©ntfyaltfamfcit  gugefdjrieben  roirb.    ®ie  toft  ber  @nt= 

|altfam!eit  ging  fo  roeit,  baß  fogar  bie  ©beifen  unberbaut  burd)  ib,n  b,inburdigingen.    ^n 

ber  Slbroenbung  bom  ©innlid;en  unb  ben  Slambf   gegen  bie  Seibenfdiaften  liegt  bab,er  ber 

40  35>eg,  ber  jur  ©rlöfung  füb^rt.  ©inb  bie  böfen  ©eifter,  bie  Seibenfcb,aften,  aus  bem  §erjen 
ausgetrieben,  fo  l)errfd}t  in  ir;m  ber  2>ater,  ber  allein  gut  ift,  unb  an  bem  9Jccnfd)ert  erfüllt 
ficb,  bie  2Serb,etßung,  baß  er  ©ott  flauen  toirb. 

5Die  Quellen  biefer  SEbeologie  finb  bie  blatonifc^e  ^r/ilofob^ie,  3Borte  ^efu  unb 
baulinifd)e  ©ä|e.    ©aß  SSatenttn   ficb^   in   feinen   fdjriftlicfyen  Äußerungen    jurüd^altenber 

45  gezeigt  fyahc,  ift  eine  unftattr;afte  Slnnafjme.  @r  fteb^t  in  ber  ^b,at  ben  fird}lid)en  Üreifen 
unb  ib,ren  Slnfdjauungen  nod;  unenblid)  biel  näf)er,  unb  er  b,at  in  bem  frmfretifüfcfyen  ©e= 
menge  ben  feften  Soben  noct;  toeniger  unter  ben  güßen  berloren  als  ein  ietl  feiner 
©ct)üler. 

4.  ©efd^idite  ber  balentinianifcb,en  ©cb,ule.    @S  roirb   toob,l  faum    ein  ju= 

so  treffenbeS  23ilb  ber  Seb,re  Valentins  felbft  fein,  baS  S^enäuS  (I,  11,  1)  entwirft;  toenigftenS 
ftimmt  baS,  toaS  mir  fner  als  balentinianifa^eS  ©Aftern  erhalten,  in  toiditigen  fünften 
nid;t  mit  ben  autb,entifd)en  Äußerungen  Valentins.  Waty  ib,m  toäre  baS  ©r/ftem  eine 
Stonengenealogie  geroefen,  roie  fie  uns  bon  ben  Slntignoftifern  jum  Überbruß  aufgetijd;t 
toerben.    Sin  ber  ©bi|e  foE  banacb,   eine  unnennbare  gmeir/eit  fielen,  beren  eines  ©lieb 

55  ber  "AQQ-qrog,  baS  anbere  bie  Siyrj_  ift.  25iefe  3^eib,eit  emaniert  eine  ^toeite  3toeib,eit,  ben 
IlaTrjQ  unb  bie  'Akrj&sta.  2luS  biefer  33ierf)eit  geb,t  abermals  ein  bo^belteS  Segripbaar 
t;erbor:  Aoyog  unb  Zcor'j  einerfeitS,  unb  "Av&Qoaicog  unb  'ExxXrjoia  anbcrerfeitS.  ©iefe 
bier  SegriffSbaare  bilben  bie  erfte  2ld)tl)eit.  Aoyog  unb  Zojrj  emanieren  geb,n  Iräfte 
(övvd^eig),  "Av&gamog  unb  ' 'ExxXrjoia  jtoölf.    ®aß  biefe  SR^fti!   auf    eine    ©bielerei 

60  mit  ber  ^ab,l  breißig,  ber  ^ab,l  ber  SEage   im   ägtybtifdjen  SJionat,   hinausläuft,   ift  olme 


ÜMenttttuS,  ®itofttfer  403 

weiteres  bcutltd^  (bgl.  baju  sJ{et£enftein,  s}3oimanbre3  271  ff.).  (Sine  bon  ben  jtoölf  legten 
Emanationen  fiel  ab,  unb  bon  ifyr  ging  ba§  weitere  ©cfyöbfunggtoerfi  auS.  ©ie  trennte 
bura)  ©renken  ben  BbJI)o3,  b.  i).  ben  oberften  Söeltgrunb,  bon  betn  Peroma;  in  biefem 
waren  bie  erzeugten  Üonen,  in  jenem  ber  ungebeugte  SSater.  ®ie  ^Weite  ©renje  trennt  bie 
„ÜJhitter"  bon  bcm  ^leroma.  ßfyriftul  ift  feine  ©manation  bon  ben  innerhalb  beS  5 
$leroma  befinblicfyen  Slonen,  fonbern  bie  „Butter"  fyat  tyn  au§  ber  Berbmbung  mit  einem 
©Ratten,  ber  beeren  Söelt  (b.  fy.  be§  Bleroma)  fic|  erinnernb,  geboren.  £>a  er  männlich 
\oax,  Warf  er  ben  ©Ratten  bon  fidb,  unb  lehrte  in  ba§  ^leroma  jurüct.  ©ie  SDtutter,  bie 
ber  geiftigen  $otenj  beraubt  War,  blieb  mit  bem  ©chatten  allein  aurüd  unb  braute  nun 
ben  üDemiurgen  berbor,  ber  aucb,  jiavxoxgdxcoQ  genannt  Wirb.  9Jtit  biefem  jufammen  10 
Würbe  ber  „linfe  Strcfyon"  (ägiozegog  "Aq%cov)  emaniert.  3eM  ßift  halb  a^  ©manatton 
beS  OeXr^xog,  balb  als  eine  folcfye  be£  GfjriftuS,  balb  als  eine  ber  ©folgte  "Av&qwtco;- 
'ExxArjola.  £>en  ^eiligen  ©eift  betrauten  fie  als  eine  Emanation  ber  'AXij&sia  (fo 
bat  ber  Sateiner;  ©btbf).  lieft  xfjg 'ExxXrjoiag) ;  fein  ^Wecr"  fei  bie  Prüfung  unb  Befruc§= 
tung  ber  2tonen,  in  bie  er  unficfytbar  eingebe.  ®al)er  brauten  bie  $onen  bie  grüßte  ber  15 
2ßal>rt)ett.  ^renäug  b,at  biefer  ©ftjje  be§  balentinianifd^en  ©bftemS  bie  SBorte  zugefügt: 
haec  quidem  ille;  fie  fehlen  gtoar  bei  ©bibljantuS,  finb  aber  fcfytoerlidj),  wie  ©tieren 
5.  b.  St.  meint,  eine  guthat  beS  Überfe§er3.  ©ennod)  wirb  man  ein  JRecfyt  l)aben  %a 
bejttteifeln,  bafD  bie  ©arftellung,  auö  Welcher  Quelle  fie  aucb,  ftammen  möge,  ein  Bilb 
ber  2lnfd>auungen  BalentinS  gewährt.  $aft  nichts  erinnert  an  bie  2el)re,  wie  fie  fid;  auS  20 
einer  2lnalt)fe  ber  Fragmente  BalentinS  ergiebt.  ©er  Scfylufj  Wirb  baf)er  nidjt  ab^uWeifen 
fein,  bafi  man  eine  ©cfyulleftre  mit  ber  BalentinS  felbft  identifiziert  f)at. 

üttit  ber  ©arfteHung  beS  JJrenäuS  ftimmt  in  Wefentlicfyen  fünften  baS  ©Aftern  etneS  in 
bem  mbjüfcfyen  Jargon  gefcfyrtebenen  Briefes  überein,  ben  ©bibfianiuS  feinem  Banarion  ein= 
berleibt  bat  (h.  31,  5  f.).  2öol)er  er  if)n  bat,  fagt  er  ebenfo  Wenig,  Wie  er  etwas  über  ben  25 
Berfaffer  bemerkt,    ©r  berietet  nur,  bafi  man  bie  ©cfyrift   in  ben  Greifen  ber  ©efte  lefe 
(jrgög  'dnog  xal  xuxä    Xs^iv  xr\v  Jiagd&eoiv  xfjg   xax'avxäv  dvayvcboscog,    Xsyco  dfj 
xijg  avxcbv  ßißXov,   evxavfta  txoüjoo/ucu);   offenbar  I)at  ©bibfyaniuS  angenommen,   baft 
fie  eine  geWiffe  Slutorität  befi^e.  3ln  Valentin  al§  SSerfaffer  ju  benlen,  berbietet  ber©til; 
aber  beffen  einfacherem  ©Aftern  unb  feine  Terminologie  flimmern   nocb,   beutltcb,   f)inburc^.  30 
2lm  Anfang  biefe§  ©^)ftem§  fteb,t  ber  AvxonäxoiQ  tim"AxQenxog,  ber.aÖeS  in  fid^  um= 
fafjt,  ben  einige  ben  nie  alternben,  ftetg   jugenblicb, en ,   mannmeiblic^en  2lon  nennen,   ber 
ftets  alle§  umfaßt,  o^ne  umfaßt  ju  Serben,    ©ein  ©elbftbemufstfein  {fj  iv  avxcp  kvvoia) 
tooEte  bie  Ziyrj  (bon  anbern  "Ewoia,  Xdgig  genannt),    ^n  ber  Bereinigung  mit  bem 
Urbater  fteßt  bie  Ziyv\  ben  „25ater  ber  SBa^r^eit"  b,erau§,   bon  ben  3Sotlfommenen  'Av-  35 
&Qcojiog  genannt,  bag  ©egenbilb  be§  bräejiftenten  Ayhvyxog.   2lu§  ber  SSerbinbung  bon 
Siyrj  unb  "Av&Qcoixog  gel)t  bie  'Ahföeia  ^erbor.    Qu  ber  erften,  ber  bräejiftenten  S8ier= 
beit  (Bv&og,  Ziyr],  IlaxriQ,  'AXrj'&eid),  tritt  au§  ber  SSerbinbung  ber  erften  ©tojfygie  ent= 
ftammenb  bie  ^roeite  SSierb^eit:   'Av&Qcojiog,   'ExxXrjoia,   Aoyog,    Zcorj.    2luS  ber  SSer= 
iunbung  bon  "Av&gajjiog   unb  'ExxXtjoia    entfbringen   jmölf   Gräfte,    bon   benen  fecf)§  40 
männlich,   fec^S  tceiblicb,  finb;    ferner   ftfyn  Äräfte   auö   ber  SSerbinbung  bon  Aoyog  unb 
Zoiiq,  bie  tnieberum  gur  §älfte  männlid),  jur  §älfte  meiblio)  finb.    ©0  entftet)t  bie  erfte 
2)rei^igjabl.    £)er  ^ßro^efe  tüieberb.olt  ficb  bann  nocb,  einmal;  e§  entfte^t  eine  jtoeite  2lo)t= 
b^eit,  bie  fid§  mit  ben  2id;tlräften  berbinbet  unb   fo   eine  jtoeite  ©rei^igjab,!,  berborbringt. 
Sie  »eitere  ©nttoicfelung  fe^lt,  namentlich  wirb  nicfyt   beutlicf),    toie   biefe  2lonenroelt  mit  45 
ber  ©rlöfung  ber  Seele  in  33ejief)ung   gefegt   roorben   ift.     @§   ift  nur  ba§  Borfbiel  be§ 
2)rama§  gef Gilbert;  ber  tragifc|e  50i^tl)u§  felbft  ift  berloren. 

£afj  biefe  3tuögeftaltung    beö  ©t)ftem§    alt    ift,    betoeift  S"n«u^-    ®enn   bie  2t&: 
toeid)ungen  be§  Sriefeö  bon  feiner  SDarfteHung  finb  fo  geringfügig,  bafj  fie  au|er  Setrac^t 
bleiben  lönnen.    ®iefe Seb^re  auf  Valentin  felbft  jurü(fjufüb,ren,  fe^lt  jeber  2lnlaj$.  ®a  fid;  baä  50 
©tojtem  auf  bie  ftaty  breiig  aufbaut,   mirb  man  in  %a\fttm  feinen  Urfbrung   ju  fud;en 
liaben,  too  fid?  offenbar  fe^r  früf)  felbftftänbige  Honbentüel  äufammenfanöen. 

2lbmeid)enb  ift  bie  SDarfteüung  ber  2el>re,  tüte  fie  §ibboli;t  (Philos.  VI,  29  sqq.)  auf 
©runb  einer  eigentümlichen  Quelle  gegeben  f)at.  Bon  Sienäug  finD  nur  einSeIne  33e= 
merfungen  übernommen.  2luf  bie  ftarlen  ©ifferenjen  unter  ben  einzelnen  Sehern  ber  B5 
Schule  b,at  §ibbol^t  mieberl>oIt  bjngetoiefen.  3ln  bie  ©bi^e  fteEt  £ibbolfyt  bie  /uovdg, 
aua)  naxrjQ  genannt;  fie  ift  ungebeugt,  unbergänglicb,  unfaßbar,  unbegreifbar,  le|te  UrfadEje 
aUeö  ©eienben;  baju  gefcbtecfytäloS  obne  Berbinbung  mit  einer  weiblichen  Äraft.  2)iefe 
fiovdg  mar  urjbrünglid)  allein  in  felbftgenügfamer  ^)iul>e.  ®a  fie  aber  bie  (Stnfamleit 
nia)t  liebte  unb  bie  ^eugungöfraft  in  it>r  borbanbcn  bar,  fo  rourbe  fie  burdb,  bie  Siebe  ge=  60 

26* 


404  »nlentimtS,  ©nofltfer 

jungen,  ein  Dbjeft  für  biefe  $u  fcfyaffen.  ©o  emanterteber  33ater  bmNovg  unb  bie  AXrj§Eia; 
biefe  Ijtoeifyeit  tourbe  Herrin,  Anfang  unb  9Jcutter  ber2lonen  im  TikrjQWjua.  ©iefe  erftegtoetbeit 
emanierte  Aöyog  unb  Za>rj,  btefe  toieberum'^r^coTros-  \xnVExxXrjoia.  Novgvxfo  Alri&eia 
bringen  barauf  gutn^anl  für  bte  jeugung§Iräfttgen  (Emanationen  bte  boHfommene  gafyl, 
5  bie  ßebn,  in  jefm  Slonen  bar.  ©ies>  afymt  toieber  bte  gtoeite  ©r/aS  nad)  unb  emaniert 
gttjölf  rr  2tonen,  bte  bem  Novg  'Akrj'&eia  bargebracfyt  toerben,  fo  bajj  nun  im  gangen 
28  Slonen  borfyanben  finb  —  bie  ftafyl  ber  Sage  be<§  SRonbmonatS.  ©ie  gafyl  28  toeift 
auf  orientalifcfyen  Urfprung  biefer  ©eftalt  be§  ©r/ftem3  tun.  ©er  jtoölfte  unb  jüngfte  ber 
gtoetten  2tonenretfye  ift  toeiblicb. ;  e3  ift  bie  Socpia.    ©te  ftieg  ju  bem  Urbater  embor  unb 

10  ernannte,  baf$  er  allein  ungebeugt  ift  unb  bafj  er  ungegart  ba§  erfte  Slonenbaar  emaniert 
fyabe.  3#n  fuc&te  fte  nacb^uafymen  unb  braute  eine  ©manation  I)erbor :  e§  toar  bie  geftalt= 
lofe  unb  ungeformte  2Raterie.  ©ureb,  biefe  ©manation  entftanb  im  $Ieroma  eine  23er= 
totrrung;  man  befürchtete,  ba|  aueb.  baS  bon  ben  2tonen  ©ejeugte  in  ät)nltd^cr  Sßeife  ge= 
ftaltloö  unb  unboWommen  toerben  möge  unb  bie  ©obb/ta  felbft  begann  boll  @ntfe|en  über 

15  biefe  ge^Igeburt  ju  jammern.  2luf  Sitten  ber  $onen  fanbte  ber  llrbater  btefe  jur  Unter= 
ftütjung.  Novg  unb  'AXrj&eia  emanieren  6B,riftu§  unb  ben  f/eiligen  ©eift.  2lucb.  I)ier 
toirb  ber  orientalifdje  Urfbrung  beutltd);  benn  eine  ©%t)gie  entfielt  nur  bann,  wenn  man 
bie  femttifdjen  Slquibalente  Nrpd/:-Np-"p  smi  einfetjt.  ©ureb,  biefe  neue  ©t)^gie  toirb 
bie  gefylgeburt  ber  ©obbia  bon  ben  2tonen  getrennt  unb  bamit  bie  Urfacfye  ber  SSertoirrung 

20  befettigt.  2tucb,  ber  llrbater  emaniert  noeb,  einen  Slon,  ben  Sxavoog,  ber  bte  ©renje  ber 
Slonen  begegnet,  bafyer  aueb.  "Ogog  ober  Mejoxevg  genannt.  Slufeerfyalb  biefeS  "Ogog  ift 
bie  Sldjitfyeit,.,  bie  aufjerljalb  be§  Peroma  befinbltcfye  ©obfyia,  bie  Sl>riftu§  ju  einem  boU= 
fommenen  Ston  geftaltete. 

©ie  breiig  Stonen  befebjoffen  nun  eine  gemeinfame  grudjt  be3  ^ßleroma  gu  emanieren 

25  unb  biefe  bem  llrbater  Darzubringen,  ©o  tourbe  3e!u^  emaniert.  Sie  untere  ©obfyia 
fud^te  angftboK  ttjre  (Erzeuger,  6l)riftu3  unb  ben  ^eiligen  ©eift.  ©ie  $onen  fanben  mtt= 
leibig  ^u§,  ber  mit  ber  unteren  ©obfyia  eine  ©b^tygie  einging  unb  fie  bon  ben  Seiben 
r)etfte,  bie  fie  in  ifyrer  ©efynfucfyt  nacb.  6E;rtfiu§  auSfianb.  ©a3  gelang  ifym;  er  befreite 
bie  ©oblua  bon  ben  Seiben,  inbem  er  biefe  ju  §r/boftafen  machte.  3Son  ber  gurebt,  bon  ber 

30  ovaia  %pv%ixiq  ftammte  ber  ©emiurg,  au$  ber  Trauer  bie  3Jiaterie,  airö  ber  $Ratlofig!eit 
bie  ©ämonen,  au§  ber  §ilflbebürftigfeit  bie  Sujje  unb  ber  2tuffcf)toung  ber  ©eele.  ©iefe 
gebort  p  ber  9JtittelfbI) äre :  fie  fteb,  t  unter  ber  öydodg  unb  über  ber  3Jtaterie.  9Btrb  fie 
ber  öydodg  äljmlicf;,  fo  fteigt  fie  embor  unb  geb,  t  in  bie  öydodg,  ba3  r/tmmlifc^e  ^erufalem, 
ein;    toirb  fie  aber  ber  9Jcaterie  älmltd),  fo   geb,t  fie  ju  ©runbe.    $on   bem   ©emiurgen 

35  ftammen  bie  ©eelen,  benen  er  au3  ber  bämonif(|en  SRaterie  Seiber  gab,  toie  er  aueb, ,  o|ne 
ju  toiffen,  ba^  bie  Äraft  baju  bon  ber  unteren  ©ob^ia  ftamme,  bie  2öelt  fc^uf.  ^>robb,eten 
unb  ©efe|  finb  bon  bem  ©emiurgen  ausgegangen.  Sllle  ^f^djtfer  tragen  eine  §ülle  auf 
bem  §er^en,  bie  ifynen  bie  ^ö^ere  ©eiftertoelt  berbirgt.  2U3  biefe  §üüe  roeggenommen 
toerben  foHte,  tourbe  %t\u§  (b.  §.  ber  ^iftorifc^e)  bon  ber  Jungfrau  SOiaria  geboren,  inbem 

40  bie  untere  ©obbja  in  biefe  einging  unb  ber  ®emiurg  fie  überfcfyattcte.  @r  feilte  bie  Seiben 
ber  ©eele,  toie  6brtftu§  bie  Seiben  ber  unteren  ©obf)ia  geseilt  r/atte. 

9Jtit  biefer  ©arfteHung  beeft  fid)  im  toefentlic^en  aueb  ber  3lufrifj  beg  balentintanifcb,en 
©t)ftem§,  ben  ©lernend  Slle£.  in  ben  Exe.  exTheodoto  §  29—42  au%  einer  ©cfyrift  ber 
Salentinianer  mitgeteilt  t>at.    $n  manchen  ©injelbeiten  toeicb,t  bie  ©li^e  freilieb,  ab,  allein 

45  ber  £r/bu3  ift  berfelbe  (bgl.  bie  eingel)enbe  ©arftellung  bei  Sibfiu§,  %px%t)  1887,  629ff.). 

2öie  §tbbol^t  (Philos.  IV,  35;  bgl.  Sertull.,  adv.  Valent.  11)  berietet,  verfiel  bie 

©dmle  fbäter  in  einen  orientalifdjen  unb  einen  italienifdjen  3toe'8-  8U  biefem  rechnet  §ibbolt)t 

ben  poIemäu§  unb  §eralleon,  ju  jenem  2lEionilu§   unb  33arbefane§   [f.  b.  Slrt.  33b  II 

©.  400 ff.],    ©er  ah enblärtbtfcr)e  Btoeig   blatte  fidj  bor  allem   in  Stalten  unb  ©übgattien 

soberbreitet  unb  jtoar  in  folgern  5Ra|ef  ba^  Srenäuä  fein  grofjeS  fe|erbeftreitenbe§  2ßer! 
urfbrüngltcb,  allein  gegen  bie  balentimanifc|e  ©d;ule  gu  rieten  befc|lo|  (I,  praef.  2). 
©er  orientaliftfje  ^toeig  blatte  fein  Sßefen  in  2lgt)bten,  too  noeb,  ©bibfyaniu§  feine  2lnb,änger 
in  einigen  S3e^ir!en  fanb,  unb  in  ©^rien.  ßu  biefem  3toeig  gehört  aurf;  -IftartuS,  über 
ben  ^renäuä  befonberg  ausführliche  Mitteilungen  gemalt  l)at.   Über  bie  toicfytigften  ©cb^üler 

55  Valentins,  ©ecunbuS,  $tolemäu§,  §eralleon,  üolorbafu§,  Wlaxluä  f.  u.  ©ie  noeb,  be= 
fannten  tarnen  bon  äln^ängern  SSalentinS  finb  nad)  §arnacl,  2lltcbr.  Sitteraturgefc^.  I, 
174:  ©ecunbuö,  ^tolemäuä  (bie  glora),  £eraf(eon  (tolorbafuS  ?),  ^b«oti>n«^  ällejanber, 
SUJarfuS,  2lrjonilu3,  Sb^eobotuS,  porinuS,  SucuS,  SarbefaneS,  2lmbrofiu§,  6anbibu§,  ©ro= 
feriuS,  33alen§.    ©afe  bie  ©e!te  bi§  in  bie  2.  §älfte  beS  4.„3ab,rbunbertg  hinein  beftanb, 

60  tourbe  feb,  on  botfyer  bemerlt ;    boeb,    fcb.  eint   fie  bamal§  auf  3lg^bten  befc^ränft  getoefen  ju 


9SttIcnitmt§,  ©noftifer  405 

fein.  2lnbertoärt§  hxrben  il)re  9icfte  bon  bem  ÜDcanicfyäigmug  aufgefogen  morben  fein.  Über 
ib/r  @rlöfd>en  finb  Vütr  mcr;t  unterrichtet.  %üx  Sl)eoboret  (haeret.  fab.  praef.)  ift  bie 
balentinianifcrje  ©nofisi  eine  abgetane  ©acfye,  bie  bereite  ber  ©efducfyte  angehört. 

5.  ©ccunbuS.     Über  if;n  befiijen  mir    an    felbfifiänbigen  ^adjridjten    nur    ma3 
^renäuS  (I,  11,  2)   mitgeteilt  fyat.     $bilaftrtu§   (div.  haer.  lib.  40)    fdjreibt   il)m   eine  5 
bofetifd;e  (Sbjiftologie  ju,  bie  in  feiner  Duelle,  bem  ©fyntagma  §ibbolr;tg,   ben  3}alenttni= 
anern  beigelegt  mar  (bgl.  SLertuö.,  adv   haeres.  11  sq.).  2Ba3  SÜuguftin  (de  haeres.  12) 
unb  *]ßräbeftinatu§  (c.  12),  ber  ifyn  aufreibt,  berieten,  ift  mertloiS,  ebenfo  be§  letzteren 
Semcrftmg,  ©iobor  bon  Greta  fyahe  bie  2lnb,änger  be§  ©ecunbu3   miberlegt.     9cad)  Qre= 
näuS  teilte  ©ecunbuS  bie  erfte  'Öydoäg  in  ^mei  Setraben,  beren  eine  männlid;,  bie  anbere  10 
toeiblicb,  mar;  jene  mar  ba§  Sidjtt,  biefe  bie  ginfterniö.   ®ie  abgefallene  Slraft  liefe  er  nid;t 
eine  ber  breifeig  klonen  fein,   fonbern  regnete  fie  gu  ib/ren  grüdjten.    @<§  ift   nicfyt  ganj 
beutlicb;,  mie  biefe  Söorte  $u  berfiebcn  finb    (xrjv    de   anooxäoäv   xs   xal   voxegrjaaoav 
övva/uv  fxrj  slvai  anb  xcov    X'  Alcbvcov    aXXä    [äno    xcov  xagncov    avxcöv]).     9Jcan 
mufe  mobj  bie  bon  ,§ibbolt)t  aufgewogene  ©cfjrift  ju  £ilfe  nehmen ,    um  ben  ©inn  richtig  15 
ju  erfaffen.    2)ann  märe  bie  abgefallene,  $raft  bie  obere  ©obI)ia ,   bie  I) ier    nicb,  t  in  bie 
Steige  ber  bem  5>leroma  angefyörenben  2lonen  gefteEt  mar.    ©0    erflärt    fidj   bie    fbätere 
Aorm  beö  ©tyftemg,  bie  eine  obere  unb  eine  niebere  JEocpta  lennt. 

6.  $tolemäu§.  23on  iljm  ift  einer  ber  foftbarffen  9tefte  ber  gnoftifcrjen  Sttterotur 
erhalten,  ber  SSrtef  an  bie  5'lora  (©ptpfian.,  h.  33,  5sqq.);  er  ift  oerfd)iebentlid)  abgebructt,  x, 
5.  23.  bei  SU.  §ilgenfelb,  QvoZt)  1881,  215—230.  9Jeue  Stecenfion  auf  ö'runb  neuer  Kollationen 
bei  5(.  §arnacf,  ®S32l  1902,  536  ff.  3)erfelbe  Jjat  ben  Sejt  mit  Jritifdtjein  Kommentar  aud)  in 
SiejjmannS  tleineren  Seiten  9h\  9  ueröjrentticfjt  (Sonn  1904).  lieber  $toIemciu§  ogf.  nocf) 
9t.  (Stieren,  De  Ptolemaei  Valentimani  ad  Floram  epist.  I,  1843  [null  ben  SSrief  in  jmei, 
Don  oerfd)iebenen  SBerfaffern  ^errüfjrenbe  Sßerfe  teilen  unb  feine  Sluthenticität  beftreiten ;  bie  25 
Arbeit  ift  gänjltd)  uerfetjlt].  ®.  §einrici,  ®.  oalent.  ©nofi§  1871,  75  ff.;  ?I.  £ilgenfetb,  Ke|er= 
flefditdjte  346 ff.;  Dt.  91.  Sipftu§,  DchrB  IV,  515 ff.;  tieftet,  @efct).  b.  9l£  in  b.  dniftt.  Kirctie 
1869,  £.  66 ff.  Quellen:  Slufeer  bem  33rief  an  glora  Sren.  I,  1—8.  :yrenäu§  bilbet  aud) 
bie  GueHe  für  £)ippoIt)t  unb  ©t>tp£)aniu3;  tt)ot)er  le|terer  ben  S5rief  an  glora  erhalten  tjat, 
läfst  fid)  nid)t  augmadjen.  30 

Über  bie  ^erfon  unb  bie  £eben§jeit  be<§  5ptoIemäu§  finb  iüir  nur  äufeerft  mangelhaft 
unterrichtet.  @g  läfet  ficr)  nur  fobiel  fagen,  bafe  er  noct)  am  Seben  gemefen  ju  fein  fcb.eint, 
afö  3renaug  fei"  ä^  9eS^n  bie  ©noftifer  fcljrieb  (c.  180).  (Sr  fagt  in  bem  SSormort 
(^  2):  xal  xa&cbs  dvva/uig  fj/Mv  xr\v  re  yvdj/urjv  avxcöv  rolv  vvv  Tiagadidaoxövxwv, 
tiyto  r.)]v  xdjv  nsol  IlxoXsjuaiov,  anävdiGfia  ovaav  rfjg  OvaXevxlvov  o%oXfjg,  ovv-  35 
xouo)g  xal  oacpojg  äjiayyEXovjusv  xal  äcpoQjuäg  dcooojusv  xaxa  xr\v  fjfxöiv  /uexgiö- 
xr\xa  ngög  xö  avaxgimiv  avxrjv  xxX.  ®afe  biefe  ^rrle^re  ju  feiner  ßeit  »erbreitet 
tourbe,  fagt  er  bamit  beutlicb,;  nic^t  aber  ift  fid)er,  mennfc^on  mafjrfc^einli^,  bafe  $tole= 
mäu§  bamit  felbft  noc^  ju  ben  Sebenben  geregnet  morben  fein  mufe.  ?cacb,  §i^olt)t 
(Philos.  VI,  35)  mar  ^tolemcmJ  einer  ber  gür/rer  ber  abenblänbifcb^en  SSalentinianer.  40 
Tod)  erf ab, ren  mir  nicb,t,  mo  er  gelebt  unb  mann  er  gemirft  r/ai.  ©elbft[tänbige  Äunbe 
^at  aud)  §tyfmlr/t  nid>t  über  ib,n  befeffen;  mal  er  über  ifm  berichtet  (Philos.  VI,  38), 
ift  au!  £jrenäu§  entnommen. 

35on  ©Triften  ift  aufeer  bem  33rief  an  glora  nur  ein  SBru^ftüc!  au§  einer  ej:egetifcr)en 
Schrift  erhalten  (^ren.  I,  8,  5).  ®a  Qrenäu§,  ber  e§  erhalten  t)at,  »erfid^ert  (praef.  2  45 
ivxvxcov  xölg  vjio/uvy'jjuaoi  x(3v,  cbg  avxol  Xeyovoiv,  OvaXevxlvov  ixad-rjxaZv),  er  fyabe 
3lufjeicl)nungen  con  ©cpülern  33alentin§  benu^t,  fo  mirb  man  barunter  ein  ejegetifcbe! 
2Berf  be§  $tolemäu§  ju  berftefeen  f?aben,  ba§  u.  a.  eine  2lu§legung  beg  ioltanneifc^en 
$ro!oge§  enthielt.  SBon  biefen  SBrucbftücfen  b,at  bie  S)arftetlung  ber  2;^eologie  beä  s^toIe= 
mäu§  augäugeb^en;  ber  33ericbt  be§  $renäu§  ift  baneben  felunbär,  ba  nicf/t  meb^r  feft=  50 
juftetten  ift,  miebiet  au&  münblicb,en  ^ac^ricb.ten  flammt,  bie  ^renäuS  jugeftanbenermafeen 
ebenfalls  benu^t  I)at  (praef.  2  ivioig  de  avxcöv  ovjußaXow  xal  xaxaXaßo/ievog  xr\v 
yt'o')/.u]v  avxcöv). 

Ter  Srief  an  glora,  eine  fonft  unbekannte  (S^riftin,  ift  »eranlafet  bureb,  eine  grage 
nad)  bem  Urfbrung  be§  altteftamentlic^en  ©efe£e§.  3Ract;  ber  2lnficb,t  ber  tircbjicrjen  Seb^rer  55 
ift  eö  bon  ©ott  bem  SSater  gegeben;  bie  anberen  beraubten,  e§  flamme  bom  Teufel. 
Reine  ber  beiben  2lnficbien  ift  berechtigt,  fonbern  ein  £eil  be§  ©efe^eö  geb,t  auf  ©ott,  ein 
-teil  auf  3Jcofe§  unb  ein  Seil  auf  bie  2llteften  be3  jübifeb^en  SSolfeö  jurücf,  mie  fid;  au3 
ben  Porten  beg  §eilanb§  nod)  erfd;Iiefeen  läfet.  2tud>  ber  bon  ©ott  ftammenbe  leil  beö 
©efe|e§  verfällt  in  brei  Seile:  1.  bie  reine,  mit  bem  SBöfen  nid)t  berquidte  ©efe^gebung  es 
(>/  xa&agä  vouoihma,  f]  üov/unXoxog  x<o  xax<f>  C.  3,    1).     £>iefc  fyat  ber  §eilanb  er= 


406  »alenttimS,  ©nofttfer 

füllt,  mtyt  aufgelbft  (2Rt  5,  17);  2.  ba3  mit  bem  Söfen  berquidte  ©efe£,  ba§  bom  |>eilanb 
aufgehoben  Würbe,  ba  e§  mit  feiner  üftaiur  unbereinbar  mar;  3.  bie  britte  ©rubbe  ift 
tr/bifcb  unb  ftmibolifcb,  al§  Slbbilb  ber  beeren,  pneumatifdjen  SBelt  ben  9Jlenfd)en  gegeben. 
©iefe  ©rubbe  ift  bon  bem  §eilanb,  Don  bem  Sinnlichen   auf   ba§  ©eifrige  surücfgefüfyrt 

5  Worben.  Sie  reine  ©efe^gebung  Wirb  rebräfentiert  burcb,  ben  ©efalog,  ber  geigt,  ma<o  man 
gu  faffert  unb  ju  tb,un  bat.  ©a  tb,m  ba§  33oHfommene  (xo  xeXeiov)  fet)lt,  mufjte  er  bon 
bem  §eilanb  erfüllt  Werben,  ©ie  jWeite  ©rubbe  umfaßt  ©ebote  Wie  bie  bem  jus  talionis 
entnommenen;  folcfye  finb  bon  bem  £>etlanb  aufgehoben  Worben.  $u  ben  tr/bifdjen  finb 
biejenigen  über  ben  ©abbatb),   bie  23efdmeibung,  baS  5af*en»  bk  gefie  u.  ä.  gu  rennen. 

10  %i)xe  wörtliche,  finnenfällige  Erfüllung  ift  aufgehoben  unb  fie  muffen  geiftig  berftanben 
Werben  aU  Eixövsg  xal  avfxßoXa  xcöv  TivEVftaxixcbv  xal  dia<p£Qovxu)v.  Sin  bie  ©teile 
ber  blutigen  Dbfer  treten  biejenigen  diä  tcvev/uo.tixcöv  aivcov  xal  dofcöv  xal  ev%a- 
oiaxiag  xal  did  xv\g  elg  xovg  nXrjoiov  xoivwviag  xal  simoilag,  cä§  geiftlicfye  Sobobfer 
unb  33arm^erjigfeit  am  9cacbjten. 

15  %n  Dem  Stoetten,  ruberen  2lbfdmitt  be§  SBriefeg  (c.  5)  erörtert  $toIemäu§  bie  $rage, 
Wer  ber  ©ott  fei,  ber  ba§  ©efetj  gegeben  t)at.  33on  bem  t/öcbjten,  boßfommenert  ©ott, 
bem  xüeiog  -&sög,  lann  e§  nid)t  ftammen,  ba  e§  unbolllommene,  bom  §eilanb  befeitigte 
©tüde  enthält;  ebenfo  Wenig  bom  Teufel,  gfofglid^  mufj  ber  ©efeijgeber  bon  beiben  ber= 
fcbjeberi  fein.    @3  ift  ber  ©emiurg,  ber  SSeltfdjöbfer,  ber  bon  jenen  beiben  Wefenljaft  ber= 

20  fd^tebert  ift.  @r  ftefyt  mitten  giütfd^en  beiben;  er  ift  Weber  gut,  rote  jener,  nod)  böfe  Wie 
ber  SCeufel,  unb  Wirb  bafyer  baffenb  al§  geregt  bejeic^net.  @r  ift  niebriger  al§  ber  boK= 
fommene  ©ott,  unb  beffen  ©erecfytigfeit  ift  botifommener  al§  bie  feine;  benn  er  ift  er= 
jeugt.  2lnbererfett<§  ift  er  b;blj>er  al<§  ber  Teufel,  beffen  SBefen  SergänglicfyJeit,  ©untel  ift, 
ba  er  materiell  unb  bielgeftaltig  ift.    ©a§  2ßefen  be<§  ungebeugten  2lUbater§,  bes>  naxr\Q 

25  xcöv  oloiv,  bagegen  ift  UnbergänglicbjEeit,  abfo!ute§  £id)t.  ©ein  SBefen  r)at  jwet  ^ßoten§en 
fyerborgebracfyt  —  reelle,  fönnen  Wir  leiber  ntcr)t  mefyr  erfennen,  ba  gerabe  fyier  eine  £üde 
im  %tp,  ift,  bie  fieb.  au§  bem  golgenben  nid£>t  mer)r  mit  ©idjert/eit  auffüllen  läfjt.  ©ie 
$rage,  roie  bon  bem  einen  Urbrinjib,  ba§  ein  einziges  ift  unb  bon  un§  al§  eine§  belannt 
unb  geglaubt  roirb,  ba§  ungebeugt  unb  unbergänglid)  unb  gut  ift,  aueb,  bie  Naturen  ^erbor= 

30  gegangen  finb,  ba§  bergänglit|e  (b.  b,.  ber  Teufel)  unb  ba§  mittlere  (b.  I).  ber  ®emturg), 
bie  boer)  jenem  boKfommenen  ^rinji^p  unä^nlid)  finb,  ba  biefeg  bod)  nur  irmt  ät)rtlid)eö 
unb  roefenlgleic^e^  f>erborbringen  unb  jeugen  !ann  —  btefe  grage  beanttcortet  ^3tolemäu§ 
niiJjt,  fonbern  berfcbjebt  bie  33eleb,rung  barüber  auf  eine  fbätere  $e\t. 

©er  33rtef  ift  au3gejeidmet  burc^  bie  ruhige,  flare  33etoei3füb,rung,  beren  gunbament 

35  religiöl=füiüdje  SfRa^ftäbe  finb.  ®^  giebt  au§  ber  alten  ^irebe  nur  wenig  SDotumente,  bie 
fid;  hierin  bem  SSrief  an  bie  ©eite  fteHen  taffen.  SSir  finben  nichts  bon  ben  abftrufen 
2leonenreib,en,  bie  man  naef)  bem  SBertd^t  ber  ^ärefiologen  erwarten  lönnte  unb  bie  an= 
jubringen  ber  jroeite  %t\l  be§  93rtefeS  reid;lic^  ©elegenl)eit  geboten  Ijätte.  ©agegen  ift 
eine  einfache  Geologie  mitgeteilt,   bie    ftd^>  mit  berjenigen  be£  33alentinu§  na^e  berührt. 

40  ©er  letzte  Söeltgrunb  ift  ba§  „eine,  ungebeugte,  unbergänglicb,e,  gute  ^rinjib",  baö  feinem 
SBefen  nad;  ä<p&aQOia  unb  <po5g  avxoov,  änXovv  xal  juovoeideg  ift,  ber  &eög  xsXeiog, 
ber  allein  gute  ©ott,  ben  ber  §eilanb  alä  feinen  33ater  bejeit^net  b,at  (eVa  xal  fiovov 
eivai  aya&ov  deov  xbv  tavxov  JiaxEqa  6  aaixtjQ  äjiecprjvaxo  c.  5).  @r  ift  3Sater 
{naxrjQ,   naxrjQ  xiöv  olo)v,    o  7iaxi]Q  i£  ov  xä  ndvxa,    idiwg    xiöv    Tiävxaiv    fjQxrj- 

46  uevojv  ari  avxov),  SSater  beö  ©ol)ne§.  35on  ibm  finb  gtoei  ^cten^en  ^erborgebrad)t,  ber 
©emturg  unb  ber  Teufel.  Slud;  ber  ©emiurg  ift  ©ott;  aber  ibm  eignen  geringere  $räbi= 
täte.  @r  ift  nict/t  gut,  nid;t  boßfommen,  nid;t  ungebeugt,  fonbern  gerecht,  ba§  S3öfe 
b,affenb  (dixaiog  xal  juioojiövtjQog  c.  1,  6).  Slber  biefe  ©ered;tig!eit  ift  nid;t  abfolut; 
e§  ift  bie  burcb  i^n  felbft  normierte  ©bfyäre  (fj  xax'  avxov  öixaioovvtj  c.  5,  4).    3Rieb= 

so  riger  al§  ber  S3ater  ift  er  fyör)er  alg  ber  Teufel,  bie  SJZitte  ift  fein  S^etdc),  er  ift  felbft  f\ 
fXEooxrjg  (c.  5,  4).  ©od;  ift  er  ba§  2lbbilb  be§  boEfommenen  ©otte§.  @r  b,at  bie  2öelt 
gefdjaffen  unb  Waltet  mit  feiner  SSorforge  in  il>r.  @r  l^at  aueb,  ba§  ©efe|,  fotoeit  eö  niebt 
9Jienfd)enWer!  ift,  gegeben.  ©ab,er  bebarf  baö  ©efe|  ber  SSolIenbung  unb  Erfüllung,  bie 
ib^m  burcb  ^m  §eilanb  ju  teil  geworben  ift. 

55  SCucr)  ber  Teufel  ift  „©Ott"  Slber  er  barf  mit  bem  ©emiurgen  nicb,t  ibentifijiert 
Werben.  (Sr  ift  ber  SÖtberfadjer,  ber  ba§  5]erberben  febafft  (d  ävxixsi/uEvog  cp§oQonoibg 
diäßoXog  c.  1,  2).  ©eine  ©binäre  ift  bie  Ungerechtigkeit ;  er  ift  fcblec^t,  fein  2öefen  3Ser= 
berben  unb  ginfterniS,  materieE  unb  bielgeftaltig. 

©a§  Problem,  Wie  ber  boltfommene,  gute,  unbergänglicr)e  ©Ott,   ber  fcböbferifd»  ber= 

60  anlagt   nur  ©Iei<l)artige§  fdjaffen    fann,    bennod)    biefe   fo    bolllommen    ungleichartigen 


aSnlenttmtS,  ©ttoftifcr  407 

ü&efen  gefdjaffen  babcn  lönne,  löfi  $tolemäue>  in  bem  SBriefc  nicbt.  (5r  beutet  an,  bafj 
er  eine  Söfung  renne,  berfdjiebt  aber  bie  ©rörterung  biefer  Söfung  auf  eine  fbätere  gett. 
(So  liegt  nab,e,  bier  an  bie  Äonenretben  gu  benfen,  bureb,  bie  [tc|  eine  „©ebotenjierung 
be§  fiöc^ften  ©ottc§  bofrjogen"  £>at  (£arna<f,  ©9321  1902,  S.  525).  Aber  eS  i[t  au$ 
müglicf),  bafc  bie  Söfung  auf  anberem  Söege  gefugt  morben  ift.  dagegen  ift  bie  ©ote=  5 
riologie  be§  poIemäuS  au§  bem  SSrtefe  böHig  beutlidj.  ®ie  ©rlöfung  ift  in  bem  §eilanb 
gegeben.  @r  allein  fennt  ben  Ällbater  (d  ßövog  eidcbg  rov  rcov  öXcov  jiareoa  c.  1,  8), 
baber  ift  ber  boHfommene  ©Ott  in  ftoejififcb.em  ©inne  fein  23ater.  ©eine  Aufgabe  mar, 
unS  ben  SSater  funb  ju  tbun.  $nbem  er  un§  bie  ©otte^erfenntnis  »ermittelte,  I;at  er 
un3  allein  in  ben  ©tanb  gefegt,  bie  SRätfel  ber  2SeIt  ju  begreifen  (diä  rcov  rov  ocorfjgog  10 
fjii(!)v  Xoyiov  juovov  eonv  äjiraiorcog  im  rrjv  xardXtjipiv  rcöv  ovrcov  ödtjyeiodai 
c.  1,  9).  &  ift  belieb, nenb  für  ben  ©ang  ber  ©ntmicfelung  be<3  cfyriftlicben  £>ogma§,  bafe 
bie  cfyriftologifcbe  gormel  Sjuoovoiog  reo  naxQi,  bie  in  3^icäa  jum  ©ieg  gefommen  ift, 
bem  ©nofitfer  $tolemäu§  ifyren  Urfbrung  berbanft  (§arnacf  a.  a.  D.  ©.  526 f.). 

®ic  Autoritäten,  auf  bie  $ßtolemäu§  feine  JMttf"  am  %%  grünbet,  finb  bie  Äuäfagen  15 
^efu  unb  ber  Äboftel.  @r  fennt  eine  aboftoüfdje  SErabition,  bie  bureb,  ©ucceffton  ber  ©e= 
meinbe  jugelommen  ift  (änooroXixrj  naoddomg,  r)v  ex  diado%fjs  xal  fj/ueig  naoei- 
bjcpa/uEv  c.  5,  10).  Sftan  Jann  an  bie  Berufung  Salenting"  auf  ben  ^ßaululfcfyüler 
SfyeobaS  benfen,  bon  bem  er  feine  Sebje  ableitete  (f.  0.  ©.  397, 21).  3)ie  £errenmorte 
finb  bon  $toIemäu§  jiemlicb.  toörtlidb,  citiert  unb  jmar  nacb,  2ftt  mit  geringfügigen  Ab=  20 
iDetdjmngen  (f.  §amacf  a.  a.  D.  ©.  529  f.).  ®a<§  Qo^annegebangeltum  ift  ebenfaEtö  be= 
nuijt,  aber  ob,ne  befonbere  ©infübjung;  ein  ©tat  au§  1,  3  wirb  mit  Xeyei  6  änooroXog 
eingeführt. 

©er  btolemäifcfyen  ©$ullebre  b,at  $renäus  einen  längeren  Abfc^nitt  gehribmet  (1, 1—8). 
6r  b,at  bafür  tmo/biv^juara  befeffen ,  ob  bon  ^3toIemäu3  felbft  ober  bon  einem  feiner  25 
©cfyüler,  gefyt  au§  feinen  Söorten  nicfyt  b,erbor.  ^Differenzen  in  ben  einzelnen  Auäfagen 
bat  er  betborgefyoben  unb  wenn  er  bebaubtet  (I,  4,  3),  bafj  einzelne  £eb,rer  ifyr  ©Aftern 
nicbt  öffentlich  bortrugen,  fonbern  ficö,  für  bie  (Sinmeifmng  in  bie  SDttyfterien  ©elb  geben 
liefen,  fo  geigt  bie§,  ba^  fie  ib,re  3Sortefungen  niebt  anber§  befyanbelten  al§  bie,  ^eibnifetjen 
^bilofobb^en  if)rer  'jfyM.  Qn  ber  oberen  2ßelt,  bem  ^3Ieroma,  ^errfcb.en  30  Äonen.  Sin  30 
ibrer  ©bi^e  fteb,t  al§  Urgrunb  atteg  ©eienben  ber  Uranfang  (TlQoaQyr\,  ügondrcog, 
Bv&og).  $n  ib,m  ift  immanent  bie  "Ewoia,  aueb,  Xägig  unb  2iyrj  genannt,  ©en 
©ebanfen,  einen  Anfang  be§  3111  ^erbortreten  ju  taffen,  legt  ber  Bv&og  toie  einen  ©amen 
in  bie  2iyij,  bie  barauf  ben  Novg  (Movoyevrjg,  UarrjQ,  aueb,  'Aq^tj  tcov  ndvzcov  ge= 
nannt)  gebiert.  (Sr  aHein  bermag  ben  SSater  §u  erfaffen.  3Jiit  i^m  pgleicb,  tourbe  bie  35 
'Abjfteia  emaniert.  SDiefe  bier:  Bv§6g-2iyiq,  Novg-AXrj&eia  bilbeten  bie  erfte  3Sier= 
beit,  bie  2öurjel  be§  2MI.  9Son  bem  Movoyevijg  mürbe  Aöyog  unb  Zcor\  aU  Slnfang 
beg  ^lerorna  emaniert  unb  bon  biefen  "Av&Qcojrog  unb  'ExxXrjoia.  ©0  entfielt  bie  erfte 
'Oyöoäg,  bie  jugleicb,  al§  93iert)eit  aufgefaßt  toirb,  ba  fiefy,  bie  einzelnen  33egriff^baare  aU 
manntoeiblicb;  jufammenfc^lie^en  „laffen.  Qefyn  toeitere  Äonen  ober  fünf  ©b^gien  ge^en  40 
au3  Aoyog-Zcoi]  b,erbor,  jtbölf  Äonen  aus  AvvxQcojiog-ExxXrjola,  fo  bajj  bie  ßaty  ber 
30  Äonen  erfüllt  mirb,  beren  te|ter  bie  Zocpia  ift.  2)ie  ©rfenntniä  be§  UrbaterS  mar 
nur  ber  erften  ©manation,  bem  Movoyevrjg  ju  teil  gefaorben,  ber  fie  aueb  ben  anberen 
Äonen  bermitteln  tooHte,  bamit  aueb  fie  an  ber  ^»errlicbfeit  be§  3Sater»  teil  Ratten.  ®er 
30.  Äon,  bie  ©obfyia,  mürbe  bon  leibenfebaftlicbem  Verlangen  ergriffen ,  btö  SBefen  be§  45 
SSater§  ju  erfaffen.  3Son  beffen  ©ü|ig!eit  märe  fie  böHig  aufgefogen  toorben,  menn  fie 
nicb,t  auf  eine  Sßoteng,  ben  "Ogog,  ber  aße^  aufeerbalb  ber  unbefcbreiblicb^en  ©rö^e  ©otte^ 
betoaebt,  geftofeen  märe,  ©iefer  §orog  führte  fie  mieber  ju  fieb  felbft  ^urüc!  unb  überzeugt 
fie,  bafe  ber  35ater  unfapar  ift.  '  ©ie  liefe  nun  bie  frühere  Abfielt  famt  ber  Seibenfd^aft 
fahren,  bie  aug  jenem  3lnfcb,auen  be§  göttlicben  ©ebeimniffe§  entftanben  mar.  50 

Um  bie  aSieberbolung  eine§  fo  bermeffenen  ©trebenö  ju  bermeiben,  emaniert  ber 
Movoyevrjg  nacb  ^er  SSorfebung  beg  3Sater§  noeb  eine  anbere  ©t;jbgie,  Xotorog  unb  ba§ 
Ilvevjua  äyiov,  meldte  bie  ftefyl  ber  Äonen  abfc^ttefjt.  6b,riftuS  belebte  nun  bie  Äonen 
über  ba3  2Befen  ber  ©bjtigie  unb  über  bie  Unfafjbarfeit  beg  SßaterS;  biefe  Unfafebarfeit 
fei  für  fie  ber  ©runb  be§  'SSeb,arren«,  toäbrcnb  feine  ©rfafjbarleit  ber  ©runb  ber  3^u9unS  &5 
unb  ©eftaltung  in  bem  ©obne  ift.  ®er  beilige  ©eift  aber  lebrte  fie,  nacb,bem  fie  über 
ibr  unbemegteS  33ebarren  aufgellärt  toaren,  banffagen  unb  berfd^affte  ibnen  fo  bie  toabre 
"Hube.  2ll§  §rud)t  ber  ®anfbar!eit  befd^loffen  alle  Äonen,  baS  ©cbönfte  jufammen= 
^bringen  unb  fo  entftanb  %e\u$f  ber  aud?  Ham'jQ,  Xotorog,  Aoyog  unb  rä  Tlnvra 
genannt  mirb.  "  w> 


408  Salenthntg,  ©noftifer 

©amit  ifi  baS  fyimmlifdje  ©rama  btö  an  ben  Spunft  geführt,  an  bem  bie  ©efdncbte 
beS  gafleS  einfe|t.  poIemäuS  fyat  —  Wenn  anberS  bte  ©arfteßung  beS  3>rena"3  tt»trt= 
lid;  fein  ©Aftern  enthält  —  ntd^t  einfach  bte  ©ebanfen  beS  älteren  SBalentinianiSmuS 
re^robugtcrt.  (SmerfeitS  ift  bte  ©teßung  ber  ©obfyia  unb  bte  SRoße,  bte  fie  im  Peroma 
6  fbielt,  anberSartig,  anbererfeitS  ift  nur  ein  "Ogog  angenommen  unb  bie  ©teßung  beS 
2,(üvy]q  fdjärfer  brä^iftert. 

©er  weitere  ©ang  be§  ©ramaS  nimmt  feinen  llrfbrung  bon  ber  an  ber  ©obfyia 
ausgetriebenen  iv&vjurjoig,  ber  je£t  §ur  £r;boftafe  geworbenen  2lbfid)t,  in  bte  £tefe  bei 
Sßaterö  einzubringen.    ©iefe  "Ev&vjurjoig,    audj  'Axatud)&  (rtenri)   genannt,    War    mit 

10  bem  nd&og,  baS  fie  in  ber  ©oblria  hervorgerufen  f)atte,  auS  bem  ^leroma  in  bie  Seere, 
baS  xevoojua,  fyerabgefunfen.  ©efialtloS,  Wie  eine  geblgeburt,  bietet  fie  einen  traurigen 
2lnblicf.  35a  erbarmt  ftd)  il>rer  ber  obere  (SfyrifiuS  unb  berieft  it>r  WenigftenS  nad)  ibjer 
©ubfianj  eine  ©eftalt,  wenn  fie  audj  nid)t  nad;  ber  ©rfenntnis  geftaltet  Wirb.  $n  i^r 
ift  nod)  baS  ©efmen  nad;  bem  ^leroma  geblieben  unb  fie  fyat  nod;  einen  $au<§  ber  Un= 

15  bergcmglidjfeit  (öd/ui]  äcf&agoiag)  behalten,  ©o  fet)nt  fie  fid)  nad;  bem  2id)t  bei  Aoyog 
unb  fud)t  eS  ju  erreichen,  Wirb  aber  baran  bon  bem  "Ooog  gel;inbert,  ber  il;r  baS  SBort 
"ladt  ^uruft,  bamit  fie  nidjt  $u  Weit  bürgere.  ©a  Wirb  fie,  weil  fie  ben  §oroS  nid;t 
überfcfyreiten  fann,  bon  8eibenfc|aft  ergriffen;  fie  erfährt  Trauer,  gurd;t  unb  ^Ratlofigfeit. 
2luS  i^rer  guWenbung  ju  il?rem  ©d;öbfer  erftefyt  bie  Sföelt  in  tf;rer  gefetjmäjjigen  Drbnung 

20  unb  il;rem  materiellen  SBeftanb.  ©er  guWenbung  entftammen  bie  ©eelen,  bie  ber  SKklt 
unb  biejenige  ber  ©emiurgen,  ben  freuten  bie  feinfte  ©ubftang,  bem  £ad)en  bie  leidtte, 
ber  $uxä)t  unb  Trauer  bie  ferneren  ©toffe.  2luS  bem  ©eelenftoff  geftaltet  bie  Sldjamotfy 
ben  ©emiurgen,  ber  nun  feinerfeits  in  ber  Äraft  ber  iv&vjuqotg  ©benbilber  ber  2tonen 
fd;afft.    ©o  entfteb,en  fieben  §immel  ober  @ngel,  über  benen  ber  ©emiurg    thront,   über 

25  ib,m,  im  mittleren  9veid),  bie  2ld;amoif),  fo  ba|  !)ter  ein  Slbbilb  ber  tytmmlifcfyen  "Oydodg 
entfielt.  SluS  ber  Trauer  ftammt  baS  33öfe,  baS  jum  Teufel  ober  Koo/uoxQdzcoQ  unb 
feinen  böfen  Gmgeln,  ben  ©ämonen,  geftaltet  Wirb,    ©ein  9tod;  ift  bie  materielle  2Belt. 

SSon  bem  ©emiurgen  ftammt  ber  Menfd),  ber  junäcfyft  auS  rein  materiellem  ©toff 
gebilbet  wirb  unb  bem  ber  ©djöbfer  fobann   ben  bftycl;tfd;en  ©toff  einfyaudjt.    gule^t  er= 

30  |ält  er  bie  fleifd;lid)e  §üße,  ben  deg/uduvog  %itwv.  ©od;  fyat  bie  Sldjamotb/  bem 
Menfd;en  gugleid)  aucb,  ben  öneumatifd;en  3Jlenfd;en  eingefät,  oljme  ba^  ber  ©emiurg  batoon 
etwa§  merfte.  ©o  fam  man  §u  einer  itoHfommencn  'jridiotomie:  ber  rein  materielle 
^eil,  ber  fcergängltd)  ift;  ba§  mit  2BiHenSfrei§eit  begabte  ^fttdjifcfye,  baS  fid)  für  red}ts 
unb  linfS,  für  ©eifiigeS  unb  Materielles  entfdjeiben  !ann,   unb  enblid)  baS  $neumatifd;e, 

35  baS  ©alj  unb  Sicfyt  ber  Söelt  ift.  ©aS  $neumaiifd)e  blieb  aber  ntd)t  in  aßen  9JJenfd)en 
borb,anben;  in  manchen  überwucherte  baS  b^fifdje,  in  anberen  baS  materielle  ©lement. 
©o  entfielen  brei  ©efd}Ied}ter,  bon  benen  baS  erfte  ber  23oHfommenI)eit  geWürbigt  Wirb 
unb  teil  an  bem  ^ßleroma  gewinnen  fann,  Wäfjrenb  baS  jWeite,  baS  bft)d;ifd;e  jWifdjcn 
gut   unb  bbfe   b,in   unb   fax   gebogen   in   ben  Drt  ber  SRitte  gelangt,  Wenn  eS  fid;  jum 

40  ©uten  Wenbet.    ©aS  ©efa)ted}t  ber  Materiellen  aber  ge^t  ins  SBerberben. 

©er  ©rlöfung  bebürftig  finb  nur  bie  $fyd)tfer;  »oß^ogen  Wirb  fie  burd;  ben  6b,riftuS, 
über  ben  bie  SluSfagen  ber  einzelnen  ©ru^ben  in  ber  ©d;ule  ftart  abweisen.  Iflaä) 
einigen  ift  er  bon  bem  ©emiurgen  nad}  ber  bfr/dnfdjen  unb  materiellen  ©eite  gefcfyaffen 
unb    baju   fam   ber  ©ame   beS  ^neumattfdien  bon  ber  Sldjamoif).    Sei  ber  SLaufe  ging 

45  ber  aus  bem  ^Sleroma  l>erabgefommene  ©oter  in  ib,n  ein,  fo  bafj  er  ein  Slbbilb  ber  ur= 
fbrünglid}en  Sßter^eit  barftetlt.  %lad)  anberen  nab,m  er  bon  aßen,  ju  bereit  ©rlöfung  er 
gefanbt  War,  bie  ©rftlinge  an:  ^neumatifdieS  bon  ber  Sl^amot^  ^3fbd;ifd;eS  bon  bem 
©emiurgen,  einen  jpfr/d)ifd;en  —  ntdjt  materießen  —  Seib  bon  ber  Dfonomie.  3^ur  ber 
le^tere  litt;  5ßneumatifd;eS  unb  ^pj^tfdjeg  Waren  unfidjtbar  unb  fonnten  bab,er  au<$)  nia)t 

60  leiben.  Qn  ber  $ird)e  als  einer  ©emeinfdaft  in  erfter  Stute  ber  ^ffydüfer  b,errfcl)t  ber 
©emiurg;  bab,er  fe^It  f>ier  bie  boßfommene  ©nofiS,  bie  nur  ben  5pneumatifern  gu  %e\l 
geworben  ift.  ©iefe  bebürfen  bab,er  ifyrer  9fatur  nad;  feiner  ©rlöfung,  fonbern  finb  beS 
©ingangS  in  baS  ^leroma  geWt^.  ©ie  SSoßenbung  Wirb  bann  eintreten,  Wenn  aßeS 
$neumatifd}e   jur    boßfommenen  ©nofiS    gelangt  unb  banad;  geftaltet   fein   Wirb,    b.  f). 

55  Wenn  aße  }meumatifd;en  9Jlenfd;en  bie  boßfommene  ©rfenntniS  bon  ©ott  unb  ber  2ld;a= 
motb,  befi^en.  ©ann  Wirb  bie  2ld;amotb,  als  33raut  beS  ©oter  in  baS  ^lerorna  eingeben 
unb  bieS  Wirb  bie  §ocbjeit  feiner  $rud;t,  beS  S^riftuS  mit  ber  erlöfien  Sodjter  beS  Siebtes 
feiern.  Mit  ü)r  jugleid)  gel)en  bie  ^neumatifer  als  Stdjtengel  in  baS  $Ieroma  ein.  ©er 
©emiurg  ge^t  an  ben  Drt  ber  Mitte,   an  bem  fid)  bis  baltfn  bte  Sldiamotlb,  auffielt,  unb 

eo  Iner  finben  bie  5ßft)d}ifer  3lub,e.    ©ie  materielle  2ßelt  Wirb  im  geuer  bernid)tct. 


»alenttmtS,  GJnoftifer  409 

SieS  ©Aftern  »erfolgt  ein  bereites  £iel.  ®a3  eine  ift  fbeMatiber  2lrt.  (Sä  Will 
geigen,  inwiefern  ©Ott  in  2öirflid;feit  SWbater  {naxriQ  xä>v  oXcov)  fein  fonne,  inWiefeme 
er  tbatfädjlicb,  ber  tlrgrunb  Don  allem,  toaö  ba  erjftiert,  ift.  ®ie  ju  fetbftftcinbigen  SBefert, 
ju  ©Ottern  gemalten  göttlichen  Gräfte  unb  ©igenfdjaften  follen  bie  (Entfaltung  be§  gött= 
liefen  SöefenS  beutlid;  machen,  foHen  geigen,  Wie  in  biefe  2Selt  einer  friebenSbollen,  ruhigen  5 
unb  feiigen  (Entfaltung  ba§  SBegefyren  unb  bamit  ba§  Seiben  eintrat,  unb  Wie  mit  biefem 
Seiben  ba§  $erabftnfen  auS  bem  Peroma,  ber  ©bfyäre,  in  ber  ©ott  boOfornmen  alles  in 
allem  ift,  gegeben  war.  ©0  nähert  fiel)  biefe  feiige  ©eifterWelt  ber  Materie  unb  je  näfyer 
fie  biefer  fommt,  um  fo  mebr  berliert  fie  güf)Iung  mit  ber  reinen  ©eiftigfeit  be§  Peroma. 
Ta3  anbere  ^ntereffe  ift  rein  religib3=fittlidi)er  3lrt.  SDa§  Problem,  Wie  ber  2Renfc£>,  ber  10 
mitten  jroifcb,en  ben  feinbtieben  ©egenfä^en  ftefyt,  gur  ©ottb/eit  jurüdfeb/ren  fann.  Unb  Ijier 
ift  e§  bejeidmenb,  mit  welcher  (Energie  bie  prfon  be3  £>eilanbs>  in  ben  SRittefbunft  be§ 
(Erlöfungebrojeffeä  gefteHt  Wirb.  2tud^  ber  getftlicbe  äRenfd;,  bem  feine  Statur  bie  5Eeil= 
normte  an  ber  (Erlofung  in  Peroma  garantiert,  fann  be§  £>eilanbe<§  nieb/t  entbehren,  burd) 
ben  ber  in  tbn  gelegte  bneumatifcfye  ©ame  erft  gur  (Entfaltung  fommt.  ©0  läuft  aud;  10 
biefe  unenbliö)  Diel  fomblijicrtere  gorm  be§  ©r/ftemg  bod)  im  Wefentlid;en  auf  bie  ©ebanfen= 
reiben  binau£,  bie  polemäul  felbft  in  fd;Iid)ter  unb  flarer  $orm  in  bem  23rief  an  bie 
glora  entwidelt  t/at. 

2Bie  ftcb,  bie  (Ejegefe  unter  bem  (Einfluß  biefeg  ©r/fteme§  geftaltete,  geigt  ein  grag= 
ment  bei  Qrenäu?  (I,  8,  5),  ba§  nad)  ber  ©cfjluPemerfung  be§  ^renäu§:  et  Ptolemaeus  20 
quidem  ita  bon  biefem  felbft  fyer^urüfyren  fdieini.  Qt§  bebanbelt  ben  2lnfang  bes>  Qob,  anne§= 
ebangeliutm§.  3°^anneg  toitt  bflrw  bk  (Entftelmng  bc§  31Ö  erklären;  gunäcbjt  ba§  pinjib, 
bal  juerft  bon  ©ott  erjeugt  Wirb  unb  Don  bem  alle§  emaniert:  doxy-  ®^  ^"fe*  auc^ 
Xovg  (fo  ber  Sateiner;  bei  (Ebibftaniug  fefylt  bie  9^ott§),  ©ofyrt,  Movoyevrjg  unb  Oeög 
(filium  et  unigenitum  domini  ber  Sateiner),  üöon  biefem  würbe  ber  Aoyog  emaniert  25 
unb  in  'ü)m  ba§  3öefen  ber  Slonen,  bie  fbäter  bom  Sogo§  ib/re  ©eftalt  empfingen.  3uerft 
bifferenjiert  alfo^ofyanneg  ©ott,  hk'Agx^  unb  ben  Aoyog,  bann  bereinigt  er  fie  wieber. 
2lHe  folgenben  Stonen  f)aben  burd;  ben  Sogoö  ©eftalt  gewonnen  unb  finb  burd}  ifm  ent= 
ftanben.  Wü  ben  Söorten:  toa§  in  ibm  Würbe,  ift  Seben,  beutet  ^or/anneä  bie  ©%r/gie 
an,  benn  bon  ben  anberen  beifjt  e§,  e§  fei  burd)  dm  geworben,  nur  ba<3  Seben  ift  in  il>m  so 
geworben,  ©urd;  ben  SogoS  Wirb  ba§  Seben  fruchtbar  unb  bringt  ba§  „Sid;t  ber  Wenfcfyen" 
|erbor:  bie  ©^^gie  bon  "Av&qcojios  unb  'Exxlrjoia.  ®iefe  Reifet  <pä>g,  Weil  bie 
3JJenfd)en  burd;  fie  ©eftalt  gewinnen  unb  in  bie  @rfd;einung  treten.  ©0  ergiebt  fid)  alfo 
au§  biefen  brei  erften  SSerfen  be^  ^ob,anne§ebangelium§  bie  erfte  3Sierb,eit.  Qnbem  eg  bon 
bem  Zooxvjq  fbridjt  unb  fagt ,  bafj  aKe§  au^erb,  alb  be§  Peroma  burd;  ilm  ©eftalt  ge=  35 
toonnen  §abt,  bejeidjnet  e§  iljm  alg  bie  grudjt  be§  Peroma.  SSenn  man  bie  bon  $ob,anne§ 
genannten  Segriffe  jufammenjälilt,  fo  ergiebt  fid),  bafs  er  bie  erfte  'Oydodg  aufgefübrt 
bat;  er  nennt  nämlid):  IlaxrjQ,  Xdgig,  Movoysv/]g,  AXt'j&sia,  Aoyog,  Zcoi),  "Av&qco- 
nog,  'ExxXrjoia. 

2)ie  ^ünftlicb,feit  biefer  ©jegefe    fier/t  in  einem  beutlid)en  ©egenfa|  gu  ber  einfachen  40 
Setoeisfübrung  unb  ber  berftänbigen  ©d;riftbenu|ung,  Wie  Wir  fie  im  33rief  an  bie  glora 
finben.    %xo%  ber  ©djlujjworte  be^  3r«nflu^,   bie   bem  $tolemäu§  biefe  2tu§legung   ju= 
auftreiben  fdjeinen,  ift  e§  bab^er  fraglid;,  ob  fie  Wirflicb,  bon  ib,m  r/errül)rt. 

7.  §erafleon.  S)ie  Fragmente  finb  gefamnielt  Bei  (£.  ©roöe,  Spicileg.  II,  80sqq.  236; 
?(.  Jptlgenfetb,  Äe|ergef^id)te  472  ff.  ^n  neuer  forgffilttger  JRecenfion  üon  E.  ?(.  SSroofe,  The  15 
fragments  of  Heracleon  (TSt  I,  4),  ßcmtbribge  1891.  [§ier  auc^  eine  ®arfteHnng  feineä 
2i)ftem§;  nad)  S3roofe§  Sammlung  finb  bie  gragmente  im  folgenben  ctttert.]  91.  9Jeanber, 
entioiefehmg  b.  uornefjmfien  gnoft.  ©ijfteme  1819,'  143 ff.;  ©.  ^einvict,  ®ie  oalent.  ©noffe 
1S71,  127 ff.;  91.  ^tigenfelb,  Se|ergefct).  1884,  498 ff.;  ©.  (Salmon,  DchrB  II,  897 ff.  lieber 
bie  TOetfiobe  feiner  SdjriftauSlegung  f.  ©.  ^Jreufc^en  in  b.  Sinfeitung  p  b.  9fi:Sgabe  tum  50 
Crigeneä'  Kommentar  ju  3o^.,  Seip^ig  1903,  Cllff. 

2lud)  über  bie  prfon  unb  ©d)idfale  beg  §eraf!eon  Wiffen  Wir  feb/r  Wenig,  tro^bem 
gerabe  bon  ib;m  banf  bem  DrigeneS  gablreid;erelBrucb,ftüde  erhalten  finb,  al§  bon  irgenb 
einem  feiner  ©djulgenoffen.  Giemen^  ällej;.  nennt  ibn  ben  Stngefebenften  au§  ber  ©d^ule 
Sßalenttn§  (d  xfjg  Ovahrxlvov  oxo?ifjg  öoxifmnnxog,  Strom.  IV,  9,  71).  Drigene§  55 
hmfjte  über  feine  $erfönlid}feit  nid>r»  Weiter  gu  fagen,  aU  bafs  er  für  einen  bertrauten 
Sdnilcr  beö  Valentin  gegolten  ^ahc  (xov  OvaXevrtvov  Xeyojuevo)'  slvai  yrcogiiiov, 
Somm.  in  ^o  II,  1 1,  100).  Srenäuö  b,at  ib,n  neben  $tolcmäu§  geftcHt  (II,  4,  1 ; 
ob  er  mit  bem  ungenannten  clarus  magister  I,  1 1 ,  o  ibentifcb  ift ,  Wie  .'oarnad, 
C.uellenfrit.  j.  ©efdj.'b.  ©noft.  187:;,  62  f.  2lltd;r.  Sitteraturgefd;.  I,  17".  annahm,  bleibt  00 


410  SBaleitttuuS,  ©noftifer 

jWeifelbaft),  aber  auf  i!)n  Weiter  feine  Stüd'fidrt  genommen,  bermuilid;  Weil  er  Don  ifnu 
nichts  weiter  Wuftie.  Ob  Sertußian,  ber  if)tn  adv.  Val.  4  eine  Söeiterentwidelung  beS 
btolemäifd;en  ©fyftemS  gufd;reibt,  mefyr  Don  ibm  Wuftie,  als  WaS  bei  ^jrenäuS  gu  lefen 
fteb,t,  ift  fc^r  fraglich.  ©ie  fbäteren  Ketjerbeftreiter  fwben  jebenfallS  leine  felbftftänbige 
5  Kunbe  mef)r  bon  ibm  befeffen ;  aua;  §ibboIr;t ,  ber  ifyn  neben  ^ßtolemäuS  als  §aubt  beS 
abenblänbifdjen  3w^ige§  ber  üßalenttnianer  bejeidmet  (VI,  35,  bgl.  29),  fd;eint  fiel;  nur 
auf  bie  yioti%  beS  ^renäu§  geftütti  ju  r;aben,  ba  er  über  feine  Sefjre  nidtiS  mitgeteilt  fyat 
2ßoi)er  ^3^otiu§  (ep.  134  ad  Protospath.  Johannem  p.  24b  Amphiloch.  %x.  51  bei 
33roofe)  feine  Kunbe  bon  ib,  m  erhalten  i)aben  mag,  ftelti  bal;in ;  eS  liegt  am  nücbjten,  eine 

io  SfeminiSgeng  aus  DrigeneS'  IgofjanneSfommentar  in  feinen  üffiorten  ju  fefjen.  2öaS  ber 
lib.  Praedestinatus  c.  16  berichtet,  ift  reiner  ©d;Winbel. 

AuS  ben  Anführungen  ergiebt  fiel;,  bafs  ^erafleonS  2ßir!famleit  um  baS  3>af;r  200 
angufetjen  ift.  StWaS  ©enauereS  läfti  fieb,  Weber  über  feine  SebenSumftänbe  nod;  über  ben 
Drt  feine§  äöirfenS   au§macb,en.      9Jtancr)e   eigentümlichen  StebeWenbungen   fd;einen   als 

15  SatiniSmen  gebeutet  »erben  gu  muffen,  fo  bafj  eS  Wafyrfdjeinltcb,  genannt  werben  barf,  baf$ 
er  in  9fom  gelebt  unb  gefcb,rieben  fyat.  ©amit  mürbe  bie  Angabe  §ibbolr/tS,  alfo  eines 
Römers,  im  ©inflang  fielen,  ber  ilm  ju  ben  $ül)rera  ber  italifdjen  23alentinianer  macfyt 
(VI,  35).  DrigeneS  befafj  unb  benutzte  imojuvijjuam  bon  ifnn,  in  benen  ©teilen  beS 
3>ol)anneSebangeliumS  !urg  erllärt  Waren.   Sine  Auslegung  bon  Sc  12, 8—11,  bießlemenS 

20  Aler..  citiert  fyat  (Strom.  IV,  9,  71),  mag  bemfelben  Slkrf  entnommen  fein.  Über  ben 
Stiel  unb  fonfiigen  Qnfyalt  biefer  ©d;rift  ift  unS  nichts  befannt. 

Sie  §au^)tbun!te  feines  ©fyftemS  laffen  fieb,  auS  ben  Fragmenten  noct)  genügenb  beut= 
lieb,  barfteflen.  ©ott  ift  feiner  Statur  nad;  ©eifi,  flecfenloS,  rein  unb  unfidjtbar  unb  fann 
bafjer  aud;  nur  jivevjuaux&g,  nid;t  aoifxaxixcbg  berel;rfr  werben  (%x  24).   Sein  ©egen= 

25  bart  ift  baS  materielle,  teuflifcfye  ^ringib,  baS  feinen  Söitten,  fonbern  nur  Stegierben  lennt, 
unb  baS  nur  berberbenfcfyaffenb  Wirft  (%x.  46).  gwifdjen  Reiben  ©bl)ären,  ber  rein 
geiftigen  ©otteS  unb  ber  materiellen  beS  SeufelS,  ftefyt  bie  ©eele,  bie  nicfyt  unfterblid;, 
fonbern  nur  be§  £jeileS  fällig  ift  (imrfjdeicog  k'xovoa  ngog  ocozrjQtav,  %x.  40  $.  17).  ©ie 
flammt  bon  bem  ©emiurgen  unb  iftunterfebieben  bon  bem  göttlichen  ©amen,  bem  geiftigen  Seil 

30  beS  9JJenfd;en.  ©ie  nvEv^axmoi  finb  baf;er  tfyrer  Statur  nad;  mit  ©Ott  bertoanbt,  für  baS 
§eil  beftimmt;  fie  finb  bie  AuSerWäfylten,  eylenroi  (gr.  37).  ©ie  werben  burcr)  ben  SogoS 
j'ur  fyöcfyften  ©rfenntniS  geführt;  bie  ^Sf^ifer  finb  nur  buref»  bie  finnlid)e  Sßafyrneljmung, 
burc^  2öunbertb,aten  ju  überzeugen  ((V  egycov  cpvow  e,yov  xal  di'  aicr&rjoecos  TieiftEoftm, 
%x.  40).    ©iefe  gelangen  bab,er  nur  gur  evmoTia,  bem  recb,tfd;affenen  ©lauben,  tbäfirenb 

35  bie  ^ßneumatifer  !raft  ib,rer  auf   baS   ewige  Seben  gerichteten  ®iSboftiion  bon  ber  Dffen= 

barung  beS  göttlichen  ©eifteS  erfafet  toerben  (§r.  27).  ®ie  SDcateriellen,  bie  §^lifer  fyahtn 

bie  Serbinbung  mit  ©ott  berloren,  Weil  fie  tief  in  ber  SJiaterie  berfunfen    finb    (%x.  23). 

SDie  für  |?neumatifer  unb  ^jfr/djuiEer  notroenbige  ©rlöfung  ift  burd)  ben  Zcottjq  üoü-- 

gogen  morben.    @r  ift  baS  (Sbenbilb  beS  bem  $Ieroma  angef)örigen  Xgcazög;  aßeS,  b.  b,. 

40  ber  xoojuog  unb  maS  in  ib,m  ift,  nicfyt  aber  ber  Äon  unb  roaS  barinnen  ift,  ift  burcr;  tlm 
geworben  (gr.  1).  £ic  9tolle,  bie  bon  ^erctileon  bem  SogoS  jugetotefen  Wirb,  entfbria)t 
berjenigen  ber  ©obl)ia  in  ben  anberen  ©bjtemen.  Über  bie  9catur  beS  §eilanbeS  bieten 
bie  erhaltenen  33ruc£)ftüde  feine  jufammenl)ängenben  AuSfagen.  @r  ift  ausgegangen  bon 
ber  SJcajeftät  (rd  /ueye&og)  unb  |at  gleifd;  angenommen,  Wie  man  ein  ÄleibungSftüd  an= 

45  legt  (gr.  8).  ©urd;  ^oljanneS  b.  %.,  ben  Vertreter  beS  ©emiurgen,  t;at  biefer  bie  Über= 
legenf)eit  beS  .'oetlanbeS  offen  funb  machen  laffen.  2)iefer  begab  fid;  bis  gu  ben  äujjerften 
materiellen  Seilen  beS  ÄoSmoS,  otme  bod;  bort  etWaS  ju  Wirfen  ober  gu  reben  (%x.  11). 
3Son  ba  ging  er  an  ben  Drt  ber  ?ßft)cb,ifer;  mit  ber  ©eifjel  b.  b,.  ber  Äraft  beS  Zeitigen 
©eifteS  trieb  er  baS  SBöfe  aus  unb   brachte  burd;  baS  ^reuj  bie  ©d;led)tigi;eit  gum  25er= 

so  fd;Winben  {%x.  13). 

©er  ©emiurg  ift  ein  Seilfürft  {fxixgbg  ßaodevg),  ber  bon  bem  ©rofsfönig  eingefetjt  ift. 
@r  I;errfd;t  über  baS  3tcid;  ber  SJcitte,  b.  b, .  bie  Legion  beS  ^3f^d;ifcb,  en,  bie  an  baS  9JtaterielIe 
grenzt ;_  feine  §errfd)aft  ift  bab,er  nur  tlein  unb  borübergeb^enb.  Qn  bieS  3teid;  fommt 
ber  §eilanb,  nimmt  fid;  ber  9Jienfd;en  an,  bie  in  einem  ü)rer  9tatur  Wiberfbred;enben  Qu- 

55  ftanb  ber  UnWiffenb,eit  unb  ©ünben  leben,  bergiebt  ib,nen  bie  ©ünben  unb  berfd)afft  timen 
fo  baS  Seben  (%x.  40).  2öer  fid;  bon  bem  £eilanb  nid;t  gur  ©emeinfd;aft  mit  ©ott 
führen  lä'^t,  berfäüt  bem  ©erid;t  beS  ©emiurgen,  ber  ber  Solljie^er  ber  ©trafgered)tigfeit 
beS  Königs,  b.  i).  ©otteS  ift  (%x.  48).  ©ie  Art  ber  3Birffamfeit  beS  ©oter  in  biefem 
9teid;e  beS  ©emiurgen  ftellt  ^erafleon  fo  bar,   baf$  bon  bem  vldg  'Avßgebjiov,  ber  bem 

6o  ^leroma  angehört,  ber  ©ame  ftammt,  Wäb;renb  ber  Zcort'jQ,  ber  ebenfalls  vldg  'Av&qü)- 


»alettttmtg,  ©nofttfer  411 

nov,  Reifet,  erntet  unb  bie  (Sngel  fenbet,  bon  benen  jebem  eine  ©eele  angetoiefen  i[t,  in 
bie  er  eingebt  (%x.  35).  ©o  iülben  bie  ©eelen  mit  bert  ©ngeln  ©ragten  unb  erlangen 
baburd)  bte  gäfngfeit  mit  bem  £eilanb  bie  Serbinbung  einjuge^en  (§r.  18).  2llg  £iel 
fcfytoebt  ü)m  bie  Bereinigung  aller  cpvoeig  Tivev/uaTixai  ober  ber  ä<p&aQTog  rfjg  lxloyf\q 
yvot±,  bie  eine  ©infyeit  barftellt,  jur  Ixxhqoia  TivEv/ucmxi]  bor,  bie  mit  bem  §eilanb  & 
jufammen  eine  ©b^r/gie  bilbet  (gr.  37). 

SDie  Stellung  ju  ben  fonfreten  religiöfen  ©rfdjeinungen  toar  bamit  gegeben.  SDag 
.öeibentum  toirb  £erafleon  nur  unter  bem,  ©eficfytgtounft  beg  ,§r/lifd)en  betrachtet  fyaben; 
boef?  bieten  bie  Fragmente  barüber  feine  3luf$erung.  ®a§  ^ubentum  ift  toie  bie  Sßelt  ein 
SBerf  beg  ©emiurgen.  @g  ift  mangelhaft,  ba  e§  toeber  bie  ©rfenntnig  ber  beeren  geiftigen  io 
ll>elt  bermitteln  nod;  aueb,  bie  Kraft  jur  Übertombung  beg  Sbfen  ju  geben  bermodjte. 
£ag  £eben,  bag  eg  erzeugte,  toar  nur  fcfjtoacb,  unb  bergänglicb,  unb  ebenfo  feine  §err!icr/= 
feit ;  benn  eg  toar  eine  ttjorj  xoofuxr}.  ®a§  Seben,  bag  ber  §eitanb  Vermittelt,  ftammt 
aug  bem  ©eift  unb  feiner  Kraft  unb  ift  bafyer  etoig,  unbergänglicb,  (gr.  17).  2lucb,  bag 
©efe§  ftammt  bon  bem  ©emiurgen;  aud)  eg  toirft  ben  'Job,  ba  eg  wegen  ber  ©ünben  15 
Vernichtung  bringt  {%t.  40).  ©ennod)  fehlen  ber  jübtfdjen  Religion  nief/t  bie  Keime  beg 
beeren  geiftigen  £ebcng.  ®enn  bie  Offenbarung  fyat  ftcb,  fiufentoeife  bon  ber  bunflen 
3(nbeutung  big  ju  ber  bewußten  ©rfenntnig  bolljogen,  toag  §eraf!eon  bureb,  bag  23ilb  bon 
©djall,  Jon  unb  2Bort  beutlicb,  gu  machen  judjt.  @in  unbeftimmter  ©cb,ad  {r}%os)  toar 
bag  $robf;etentum  (^  TiQocprjTMrj  xd^ig);  m  3°^"neg  toürbe  ber  ©cfyaH  jum  Jon  20 
{(poivrj),  im  £eilanb  ift  erft  bag  2Sort  erjcf/ienen  (gr.  5).  3)en  2ßeg,  auf  bem  ftcb,  ber 
©laube  an  ben  Sogog  beg  §eilanbe§  enttoidett,  I)at  er  fo  befdjrieben  (gr.  39):  „®ie 
2)Ienfcb,en  glauben  juerft,  bon  StRenfcfjen  geleitet,  bem  §etlanb.  Söenn  fie  aber  felbft  an 
feine  2Borte  fommen,  fo  glauben  fie  nicr)t  mel)r  toegen  beS  menfcpdjen  ßeugniffeg,  fonbem 
toegen  ber  2ßaf)rl>eit  felbft."  25 

£)ie  Fragmente  £>erafteong  finb  barum  befonberg  toidjtig,  toeil  fte  aufä  beutlicb^fte 
jeigen,  eine  tüte  nebenfäcr/liclje  9toHe  bie  Stonenfbefulationen  braftifcb;  in  bem  ®enfen  ber 
Sdmlfyä'ubter  gefbielt  f)aben.  ©te  finb  freilief)  bie  33orau3fei5ung  für  tb^re  "-Betrachtung 
biefe§  £eben§  unb  ber  Gräfte,  bie  eg  jur  ©rlöfung  bon  bem  Materiellen  bringen,  unb  bie 
ben  in  ü) m  liegenben  keimen  ber  f;öl;eren ,  geiftigen  Statur  jur  (Entfaltung  bereifen.  30 
Öerafleon  lä^t  gelegentlid)  auef;  biefe  ©befulationen  einmal  burd)flingen.  Söenn  e§  bom 
Jembel  f)ei^t,  ba^  er  in  4G  gafyren  gebaut  fei  (Qo  2,  20),  fo  ift  er  ilmt  bamit  ein  93tlb 
für  ben  §eilanb;  benn  bie  Qafyl  6  meift  auf  bie  3)taterte,  bie  $afy  40  aber,  bie  mit  ber 
oberen,  in  bie  9Jcaterie  nid)t  berflod;tenen  SSierfyeit  ibentifd;  ift,  auf  ben  2lnb,aud)  bes 
©eifte§  unb  ben  barin  liegenben  ©amen  @r.  16).  3öa§  ^erafleon  in  feiner  S(u§Iegung  35 
bor  allem  tntereffiert,  ba§  ift  ber  92eg,  auf  bem  bie  ©eele  teil  an  bem  ^pleroma,  teil 
an  ©ott  gewinnt,  mie  fie  be§  33öfen  §err  toirb  unb  toie  fte  bem  fjeiligen  ©eift  eine 
©tätte  beretten  fann.  9Jtan  erfennt  barauö,  toa§  man  aud;  au$  bem  Srief  beS  ^ßtote= 
mäu^  an  glora  $u  erfennen  bermag,  ba^  biefe  ©noftifer  in  erfter  Sinie  burd;au§  religiös 
ftttlid)  tntereffiert  toaren.  Um  ba3  recfjt  ju  toürbigen,  ift  e3  freilieb,  nötig,  ftcf;  über  bie  40 
Sefonberb,eiten  ib,rer  ©cb,ulfbracb,e  r/mtoeg-jufetsen.  Slber  man  toürbe  ib,nen  bitter  Unrecht 
tb,un,  trenn  man  ib,re  ©noft§  nur  inteHeftualiftifcb  unb  fbefulatib  berfteb,en  tooUte. 

8.  9Jiarfu§.  Cueüe:  Sren.  I,  1H— 21;  iüaWd)emticr)  emtf)  I,  11,  .1  9luf  ;bm  6e= 
mfien  §tpvo(i)t,  Philos.  VI,  39— 55  [für  ben  £e;rt  beä  3reniut§  wicl)tigj  unb  epipfianiuS 
h.  34.  S)ie  Stngaben  ber  fpeiteren  .fiäreftotogen  finb  ü^ue  Sßert.  .öieronljmuä  ^at  'iöi.  su  45 
einem  Sln^änger  be§  33afiltbe§  gemadjt  (ep.  74;  I,  14!)  SSaHarft).  ffigT.  3.  Üi^enferb,  De 
redemtione  Marcosior.  et  Heracleonit.  Opera  phil.  194 sqq.;  91.  92eanber,  ©enet.  (£nttt>tcfe= 
lung  b.  üornetimften  gnoft.  ©nftetne  KJSff.;  ©.  Oalmon,  DchrB  III,  «27 ff.;  5R.  3tei$enftein, 
SßoimanbreS  220 ff.  260  f.  lieber  bie  Saufe  f.  %.  TOünter,  !?.  gotteSbienftt.  ?Utertunter  ber 
önofttfer,  ?lnfpad)  1790,  'S.  120  ff.  50 

5Rarfug  fcf)etnt  ein  ^citgenoffe  be^  ^renäug  getoefen  ju  fein,  ber,  too  er  bon  if)tn 
fbricb,t,  rebet  toie  bon  einem  Sebenben.  ©eine  Sßirffamfcit  entfaltete  er  in  .sUctnafien 
Qxm.  I,  13,  5),  boeb,  famen  feine  ©datier  nacb,  Söeften  unb  breiteten  feine  Sebje  big 
nacb,  ©aflien  b,in  aug.  @nge  33erüb,rung  mit  ber  orientalifef/en  ©nofig  toürbe  auf  femi= 
tifdje  2lbfunft  feb, liefen  laffe'n,  toenn  ntdjt  bie  gnoftifcb,en  ©ebanfenreiben  bamalg  überall  55 
in  ber  Suft  gelegen  b,ätten.  §'erDl^1Tlu^»  bem  eine  2lufserung  beg  Drigeneg  borgelegen 
(laben  tonnte,  begeidjnet  SJcarfug  alg  $gr/bter  (Komm,  ju  Qef  64,  4;  IV,  7H1  5PaH.). 
3lber  eg  fcb,eint  eine  Sßertoecb, feiung  ju  fein  (©almon,  DchrB  III,  829). 

©driften  beg  3Dtarfug  fyat  ^renäug  benufet,  leiber  ob,ne  ib,re  Jitel  ju  nennen,    i'lucb, 
<ilemeng    iMler..    fd;eint    foldje    gefannt    unb    gelegentlid)    ausgebeutet    51t    b,abcn    (,v  Nix  uo 


412  Sälen«»«*,  ©noftifcr 

Strom.  VI,  16,  140  f.  »gl.  ©almon,  DchrB  II,  161).  SDafc  bie  ©efte  eine  Menge 
abofrtobr/er  ©Triften  benutze,  beraubtet  $renäu3  auSbrüdfltd^,  inbem  er  fytnjufügt,  fie 
feiert  bon  ben  5Rarlo[iern  felbft  fabriziert  toorben,  um  bie  Unberftänbigen  p  tauften 
(jigbg  xovxoig  äjuvß-rjxov  7iXf]'&og  dnoxgvcpoiv  xal  vodcov  ygacpmv,  äg  avzol  enka- 
5  oav,  nageiacpegovoiv  elg  xaxdjrlfj^iv  xcöv  ävorjrcov  I,  20,  1).  Db  baju  and)  ia§ 
S^omalebangelium  gehörte,  ift  nxd)t  mit  ©id)err)ett  au^umac^en. 

©a§  ©Aftern  be§  9ftarfu§  im  einzelnen  gu  entwickeln,  ift  I)ier  überflüffig,  ba  e§  ficb, 
nicfyt  foroeit  bon  bem  ber  ganzen  ©cfyule  entfernt,  bafj  e§  eine  ausführliche  ©arftellung  er= 
forberte.    ©igentümlicf)  fd^einen  bem  9Karfu§  ,3ar;lenfbtelereien  S^toefen   ju   fein,    mie   fie 

io  bamals  in  ber  5Robe  toaren.  ©er  (Sinflufj  ber  Dfcubrjtfyagoreer  läjjt  ftd^  bei  ib,m  befonberg 
beutlicf;  nad)meifen.  2Iud&  eine  anbere  9Jiobetl)ort)eit,  bie  SSerbinbung  bon  33ud)ftaben= 
fbielerei  mit  ben  Qafykn  finbet  ficb,  bei  itma  au§gebilbet.  9Jtit  ben  12  ©obbelftunben 
be<§  %aa.z§  roerben  bie  24  SBucfejtaben  be§  griecbjfcfyen  2llbfyabete3  berartig  in  S3e§ter)ung 
gefe|t,  bafs  ba§  3llbbabet  in  jroei  Sleile  geteilt  unb  biefe  ieile  gegenläufig  nebeneinanber 

15  gefteßt  »erben,  alfo  A  unb  ü,  ß  unb  W  u.  f.  f.  (ögl.  ba^u  Sftei^enftein,  *)3oimanbreS 
©.  260 f.).  9JJarfu§  i)at  bie  bucfyftabenfbielenbe  33efd?reibung  be§  'Avftgamog  ober  irgenb 
einer  anbern  ©ottt)eit  auf  bie  'Aitf&eta  übertragen  (Qren.  I,  14,  r2).  SStcfytiger  als  bie 
©eifenblafen  aritfymetifcber  ©e^eimle^ren,  mit  benen  9Jiarfu§  bie  älonenlefyre  feiner  ©cfyule 
umgeben  i)at,  finb  bie  Mitteilungen  au§  ber  Siturgie  ber  Marlofier,   burcb,    bie  un§  3re= 

20  näuö  einen  SBIid  in  bie  ©a!rament3lebje  biefer  ©efte  tf)un  läfst  (I,  21). 

©al  ©efjeimnig  ber  ©rlbfung  führten  fie  nad)  Igrenäu3  auf  eine  unfkf/ibare  unb  un= 
begreifliche  Überlieferung  jurütf.  ®al;er  fei  e§  nicfyt  feft  umfcf;rieben  unb  laffe  ficb,  nict)t 
in  ein  Sßort  f äffen,  ©obiel  9D<ft)fiagogen  e3  bei  ibnen  gicbt,  fobtel  (Mbfungen,  fügt  3*e- 
näu§  fböttifd)  fjinju  (oooi  ydg  eloi  xavxrjg  xfjg  yvd)jui]g    juvoxayooyoi,    xooavxai    xal 

25  äjioh'xgcooeig  I,  21,  1).  ®ie  Söaffertaufe  fyat  nad)  i^rer  Meinung  nur  toffycfjifcfye  Äraft; 
um  boÜfommen  ju  fein,  bebarf  fie  ber  Srgänjung  burd)  bie  änoXvxgoioig.  "Tcur  fo  giebt 
fie  bie  Möglicfyfeit,  in  ba3  Peroma  einzugeben.  Sine  Sinologie  bietet  bie  SEaufc  $efu, 
bie  in  jroei  Slfte  gerfällt,  bie  SBaffertaufe,  bie  Qo^anne§  b.  %.  fbenbete  unb  bie  anokb- 
xgcooig,   bie  tooHgogen  mürbe,   al§   ber  GfyriftuS   in  %tfuä   einging.    3ene  toflr  ^PWW- 

30  biefe  bneumattfdj.  33ei  manchen  9Jcar!ofiern  beftanb  ber  33raui|  (I,  21,  3),  ein  93raut= 
gematf)  b,  erjurid()tcn ,  in  bem  bie  mfyftifcr/e  §ocl)jeit  ber  ©eele  ftattfanb.  So  füllten  bie 
|immlifd)en  ©^tjgien  nad)gebilbet  unb  bie  ^»od)3eit  ber  ©eele  mit  bem  §eilanb  bargefteßt 
roerben.  2lnbere  boUjogen  bie  ^Eaufe  am  Söaffer  mit  ben  Söorten:  Stuf  ben  9iamen  be§ 
unerlennbaren  2lUbater§,  in  ber  ®al)rf)eit  ber  2lHmutter,  in  ben,  ber  berabfam  auf  %tfu§, 

35  in  bie  Bereinigung  unb  ©rlöfung  unb  (Semeinfc^aft  ber  Gräfte  (eis  övo/ua  äyvoaorov 
TJaxgog  xä)v  ökcov,  slg  'Ahj&siav  firjxega  jiclvxcov,  slg  xov  xaxsX'Dovxa  elg  'Iyjoovv, 
slg  evaioiv  xal  anolvxgojoiv  xal  xotrojviav  xcov  dvräfif.ajv).  33ei  anberen  i»ar  eine 
aramäifct;e  gormel  in  (Sebraud),  bie  nacb,  ©.  Aoffmann  (3nt2B  IV  [1903],  298)  fo  ju 
lefen  ift:  ^r  ^rpicn  N^cipi  Nn^  N^rr^;:  «-■-:  N^n  3"^^  murn  naa  b.  ^.  Qm  %lamm 

40  ber  Stdjamott;,  tauche  unter!  ®a§  £eben,  ba§  £id)t,  toelcb.eS  au^geftrab,lt  roirb,  ber  ©eift 
ber  2öat;rt)eit  möge  bei  beiner  ©rlöfung  fein!  (ober:  [35u]  Sebenber,  [®u]  Sicb,t,  meines 
au§geftraf)It  roirb  u.  f.  ro.).  ©ine  britte  gormel  lautet:  3)er  5Rame,  ber  aßer  ©ottt)eit  unb 
£>errfd&aft  unb  3Baf)rl)eit  »erborgen  ift,  ben  3efu§  ber  ^ajarener  anlegte  in  ben  2id)tjonen, 
db,riftu§,  ber  £err   beffen,    ber   burdj   ben  ^eiligen  ©eift  lebt,    jur  engelhaften  (Srlbfung! 

45  {Tb  övojua  xb  äjioxexgvß/isvov  änb  Jidorjg  -dsöx^xog  xal  xvgioxijxog  xal  oArjfieiag, 
o  evsdvoaxo  'Irjoovg  6  Na^agt]vbg  er  xaig  £d>vaig  xov  (paixog,  Xgioxbg  xvgtog 
xov  t,wvxog  biä  Uvevfxaxog  äytov,  elg  Ivxgoioir  äyyehxrjv).  (Sine  anbere  ebenfalls 
aramäifdje  gormel  ift  au§  ber  aud)  l)ier  »erberbten  gried}ifd;en  SLranSfrifction  beg  ^renäu§, 
beffen  Überfe^ung  roie  bei  ber  oben  mitgeteilten    burcfyauS   falfcb,    ift,    »on  ©tiäet   (bei 

so  ©tieren  I,  229  Slnm.  h)  fo  relonftruiert  roorben:  üc  vj"  t^-hn  -iz  ^'ztz  "p"si  Nn^w5: 
n^s:  yra->  n^  not:  !t-,esn'-^  b.  i).  9Keffia§  unb  ©rlöfer  meiner  ©eele  »on  ben 
Slonen  burcb  bie  Straft  be§  Samens  %ao$,  bei  feine  ©eele  ©rlöfenben,  er  ift  $efu3  ber 
9Jagarener.  (Slnberä  interpretiert  bie  Söorte  20.  9B.  färbet;  j.  b.  ©t. :  n;n  -p-izw  n-rnün 
■rr^x:  ^-c-<  \n  n"Cl;:  p-r  -^  s?:oi  n^"  bs  -jw-i  ncs:  -u  *>•  ^-  ©efalbt  unb  erlöft  bin  id) 

55  oon  ber  ©eele  unb  b'on  allem  ©erid)t  im  tarnen  %ao§ ;  erlbfe  bie  ©eele,  o  ^tfu,  bu 
9cajarener!)  2luf  biefe  aBeib^eformeln  anttoortet  ber  SJcr/fte:  ^d)  bin  gefefiigt  unb  erlöft  unb 
xd)  löfe  meine  ©eele  bon  biefem  Slon  unb  bon  aHem,  roa§  auö  ib,m  flammt,  im  tarnen 
3ao§,  ber  feine  ©eele  erlöfte  jur  ©rlöfung  in  6b,riftu§  bem  Sebenbigen!  {eox^giyjuai  xal 
XeXvxgajjuai  xal  kwQovjuai    xr\v  yjvxrjv  jliov  änb  xov   alwvog   xovxov    xal  ndvxcov 

60  x(öv  nag  avxov  ev  xcp  övöjuaxi  xov  'laoj,    dg   eXvxgwoaxo    xijv    yjv%r]v    avxov    elg 


2>aIeitttmtS,  ©ttofitfcr  413 

uttoXl'tqcooiv  ir  Xqiotco  t<ö  tcbvn).  Sie  Umftefyenben  fbrecf/en  baju:  Jrtebc  fei  allen, 
auf  benm  biefer  sJJame  rufyt  (Eigr/vy  näoiv,  ecp'  ovg  xb  övojua  xovxo  snavaTravexai). 
Sarauf  folgt  bann  eine  ©albung  mit  33alfamöl  (bgl.  Drtgene§,  c.  Cels.  VI,  27).  $u= 
toeilen  mürbe  ba<§  Saudjbab  unterlaffen  unb  man  begnügte  ftd)  bamit,  unter  älmlid)en 
©ptllefen  ben  Täufling  mit  Söaffer  unb  C(  ^ufammen  %\x  falben,  ©ine  ©albung  mit  5 
Salfambt  allein  folgte  aud?  barauf.  Sßteber  anbere  bermarfen  ade  fatalen  §anblungen 
mit  ber  33egrünbung,  bafe  man  ba§  2Rr/fterium  ber  unauSfbrecfylicfyen  unb  unbegreiflichen 
Sraft  nicfyt  burd)  fid)tbare  unb  Vergängliche  ©toffe  boß^en  bürfe.  Sie  bollfommene  @r= 
löfung  fei  bie  (SrfenntniS  ber  unau3fbrect;ltcr;en  Stftajeftät  (xr;v  imyvcooiv  xov  äjioogrjxou 
ueye&ovg  I,  21,  4).  $n  ber  ©nofi3  erblicften  fie  bie  geiftige  (Möfung;  toeber  Selb  nocf)  10 
©eele  fonne  baran  teil  nehmen,  benn  jener  fei  materiell,  biefe  ftammen  au<§  ber  unteren, 
unöoElommenen  2öelt  (ex  xov  voxegr\piaxog  b.  I).  bem  xonog  xfjg  jueoöxrjxog,  ber 
3toifd)enroelt,  bie  ftd)  jtoifc^en  bem  $leroma  unb  ber  SRaterie  befinbet).  Sie  ©rlöfung 
erftrecft  fid;  aber  nur  auf  ben  geiftlidjen  9J?enfct/en  (xbv  eam  äv&gwjiov  xbv  jtvev- 
uaxixöv).  15 

2luc§  eine  (Möfung  für  bie  SLoten  ift  ben  9Jtarroftem  befannt  getoefen.  9Jcan  falbte 
unter  (SbifTefen  ba3  §aubt  be3  33erftorbenen  mit  Söaffer  unb  Dl  ober  and)  nur  mit 
Salfamöl,  bamit  er  ben  bämonifdjen  3SJiädE)ten  unficfytbar  werbe  (ut  incomprehensibiles 
et  invisibiles  principibus  et  potestatibus  fiant  I,  21,  5)  unb  bamit  ber  innere 
Wm\dj  auffteige  unb  bie  ©eele  gum  Semiurgen  gelange.  Sie  formet,  mit  ber  ber  Surd)=  20 
gang  burd;  bie  Sftetdbe  biefer  @ngelmäd)te  errungen  rourbe,  lautete:  3dj  bin  ein  ©olm 
be§  23ater§,  be§  bräerjftenten  33ater<§,  ein  ©olm  in  bem  ^räe^iftenten.  %<fy  tarn,  um  alles 
m  fe&en,  ba§  grembe  unb  ba§  (Sigene;  nidjt  ba§  überhaupt  grembe,  benn  es>  ift  ber 
3(d;amotf),  bie  t>a§  2öeiblid;e  ift  unb  fie  bat  fidjS  gemalt;  benn  id)  leite  mein  ©efct;led)t 
ber  bon  bem  ^3räerjftenten,  unb  id;  gel)e  toieberum  in  ba3  üDteinige,  toober  id;  gekommen  25 
bin  (iyoj  vlbg  änb  Tlaxgög,  Uaxgbg  Jigoovxog,  vlbg  de  ev  xco  Ugoövxi  [fo  nad)  bem 
2atetntfct)en ;  @bibl)antu3  fyat  Tiagovzi].  fjX&ov  ndvxa  ideiv  xd  dXXoxgta  xal  xd  l'dia' 
xal  ovx  äXXoxgia  de  7iavxeXä>g,  äXXd  xfjg  ,A%aixwvx,  iJTtg  iaxl  d"fjXeia  xal  ravia 
eavzfj  enoirjoe.  xaräyco  de  xb  yevog  ex  tov  ÜgoSviog  xal  7iogevojuai  JiäXiv  eig  ra 
löia,  o&ev  eXrjXvda).  Sen  3)urd;gang  burd}  ba§  3f{eid)  be§  Semiurgen  berfd;afft  folgenbe  30 
^ormel:  ^d}  bin  ein  foftbareö  ©efäjg,  mel)r  aU  ba3  SSeib,  ba§  eud;  gemacht  tiat.  S5enn 
eure  SDtutter  ib^ren  Urf^rung  ntcbt  fennt,  fo  fenne  icfy  bagegen  mid;  felbft  unb  roeifj,  U)o= 
ber  id)  bin,  unb  id;  rufe  bie  unbergänglid;e  ©o£l)ia  an,  bie  im  S3ater  ift,  bie  Butter  eurer 
3Jlutter,  bie  feinen  SSater  b^at,  unb  feinen  ©emafjl:  manntoetblid;  »om  SBetbe  geboren 
machte  fie  eucb. ,  olme  t$re  StRutter  ju  fennen  unb  inbem  fie  fid)  für  allein  erjftierenb  35 
l)ielt.  3^  tön  rufe  ibje  SRutter  an  (axevög  ei/M  evu/j,ov  fxäXXov  nagä  xr]v  d"iqXeiav 
zt]v  noujoaoav  vfxäg'  el  fj  /uijxrjQ  vjucöv  äyvoel  xr\v  iavxfjg  @i£av,  iyä)  de  olda 
iuavrbv  xal  yivcboxco,  öftev  ei/ui,  xal  ImxaXov [xai  xfyv  äcp&agxov  2ocpiav,  fjxig 
eoxlv  ev  xm  riaxQL,  juijxrjg  de  xfjg  jj,rjxQbg  v/ucöv  xfjg  jurj  Ejpvor\g  /uijxeQa,  äXX'  ovds 
ov£vyov'  aQQ£vo,d"fjXsia  de  vjio  flrjXeiag  yevo/uevf]  enoirjoev  v/uäg,  äyvoovoa  xal  40 
xl]v  fxtjxeqa  avxfjg  xal  doxovoa  savxrjv  elvai  ßövrjv'  iycb  de  emxaXov/uat  avxfjg 
Tt]v  firjxeQa).  Siefe  gormel  berfe^e  ba§  Sftetc^  beä  Semiurgen  in  Aufregung,  ber  ©eift 
beg  3Jerftorbenen  gebe  in  fein  ©igentum,  inbem  er  feine  ^effeln,  b.  r).  feine  ©eele,  abftretfe. 
^as  an  bie  obere  ©o^fyia,  bie  ben  geiftlicfyen  9)tenfd;en  bem  5Rid;ter  b.  fy.  bem  ©emiurgen 
entjiebt,  ju  ridjtenbe  ©ebet  lautet  folgenberma^en  (I,  13,  6) :  Sie  bu  toofjneft  bei  ©ott  43 
unb  ber  mr/ftifcf/en  öorgettttd^en  ©ige,  beren  ficb  bie  ftetä  bag  Slngefidjt  be§  3Sater§  fd}auen= 
ben  ÜTiajeftäten  al§  Seiterin  unb  güb^rerin  bebienen  unb  auftoärtö  jieljen  ibre  ©eftalten, 
toeldie  jene  Übermütige  (b.  \.  bie  2ld)amotb;)  ftd}  borfteHte  unb  un3  bie  Slbbilber  burd; 
bie  ©üte  be§  Urbaterö  emanierte,  inbem  fie  bie  £uft  nad)  bem  ^oberen  tote  einen  3;raum 
blatte:  fiebe  ber  Siebter  (b.  b^.  ber  Semiurg)  ift  nal>e  unb  ber§erolb  gebietet  mir,  mid)  gu  berant=  50 
toorten.  Su  aber,  bie  bu  un3  beibe  fenneft,  lege  eine  3tec|enfd)aft  für  un^  beibe  ab  bor  bem 
Sticfeter !  (Jj  jiaQsdoE  Oeov  xal  /ivoxixfjg  tiqo  alüivaiv  JEiyfjg,  i)v  xä  Meye&i]  did 
."rairoc  ßXenovxa  xb  jiqoooitiov  xov  HaxQÖg  ödrjyeT  001  xal  jigooaywyeT  %o(b/ieva 
avaojicöoiv  äveo  xdg  avxcbv  fWQcpdg,  äg  fj  fieyaXozoXfiog  exeivtq  cpavxaoiao&eloa 
owl  xb  äya&bv  xov  IIoojidxoQog  TigoeßdXexo  fjfjiäg  xdg  eixovag,  xoxe  ev&v/uiov  xebr  55 
<wo)  dbg  Evvjiviov  eyovaa'  Ibov  6  Koixrjg  iyyvg  xal  6  xf]Qvg~  fie  xeXevei  dnoXoyEio- 
iiur  0!'  de  cbg  emoxa/bievrj  rd  äjuipoxEoaiv  xbv  iijieQ  d/uyioxego»'  fj /uö)r  Xoyov  cog 
eva  byxa  xo>  xgafj  Tiagdozrjoov). 

Über  ben  2lbenbmabliritu§  Ijaben  mir  nur  eine  furje  ©cfyilberung  (I,  13,  2),  au$  ber 
fi^  aber  ba§  SBefentlidjfte  nid)t  entnebmen  lä^t,  meil  ^renäu^  fein  Slbfefyen  nur  auf  baö  üu 


414  StalentmuS,  ©uoftifer 

magifcfye  SeiWcrf  richtete  unb  gefttffentltd^  ben  (Sinbrud  b,erborjurufen  fucfyt,  bafj  eg  fid; 
babei  um  einen  jur  Sutoierung  ber  Einfältigen  beranftalteten  ©cfywinbel  gefyanbelt  fyabe. 
§at  er  mcfyt  übertrieben  ober  gefärbt,  fo  lief  eg  bei  btefen  2lbenbmafyl§gebräud)en  atlerbingg 
auf  Stafdjenfbielercien  btnaug.  £$nbem  ber  3ftr/ftagog  über  ben  Q3ecb,er  boll  SRifdiWein  bag 
5  ©aufgebet  faracb,  unb  bie  ©biflefe  Weit  augbefynte,  bertoanbelte  fid)  ber  geroö£>nItd)e  Söein 
in  roten.  SDag  Würbe  fo  gebeutet,  bafs  bie  fyöfyere  Gfyarig  {fj  vtieq  xä  oXa  Xagig)  auf 
bie  ©biflefe  tun  i^r  SSIut  in  ben  Sedier  geträufelt  f)<xbe,  batntt  bie  S£eilneb,mer  aug  betn 
Sedier  ju  trinlen  unb  baburcb,  aucb,  jener  ©Ijarig  teilhaftig  ju  Werben  begehren  motten: 
alfo   bie  richtige  SRagie.    ©in   anbereg  Shmftftüd  beftanb  barin,   bafj  3Jiarlu§  ben  affi= 

10  ftierenben  *Probfyetinnen  33ed;er  mit  SftifdjWem  ju  galten  gab  unb  fte  bag  ©anfgebet 
fbredjen  tief?.  ®ann  nal)m  er  felbft  einen  Diel  größeren  SBecfyer,  in  ben  er  ben  ^nfyalt 
beg  kleineren  eingießen  lief;,  ©arauf  fbracb,  er  folgenbeg  ©ebet:  Qene  ©I)arig,  bie  bor 
allem  ift,  bie  unauibenfbare  unb  unaugfbred)Iid)e,  fie  erfülle  beinen  inneren  SRenfdjen  unb 
meiere  in  bir  bie  ©rfenntnig  bon  ftd),  inbem  fic  bag  ©enfforn  in  guteg  Sanb  einfät  (fi  tzqö 

15  xä>v  öXcov  f]  ävevvorjxog  xal  äggrjxog  X.a.Qig  7iXt]Qcooai  oov  xbv  l'oco  av&Qamov, 
xal  Tiltj'&vvai  iv  ooT  rrjv  yvcöoiv  avxfjg  iyxaxaojisiQovoa  xbv  xoxxov  xov  oLvänecog 
dg  xi]v  äya&ijv  yrjv  I,  13,  2).  Sluf  bieg  2öeif)egebet  füllte  ficb,  ber  größere  SSedjer  fo 
mit  2öein,  ba|  er  überlief.  Sie  quantitative  SSermefyrung  würbe  bem  (Sinftrömen  ber 
Gfyarig  gugefct)rteben.    Dh  f)ier  $renäug  boshaften  Älatfd)  bertrieben  ober  bie  ©Uten   ber 

20  3Kar!ofter  jutreffenb  gefdrilbert  bat,  entgleit  jtcr)  ber  53eurteilnng.  9<ieanber  (genet.  @nt= 
Widelung  ©.  183)  ift  geneigt,  ben  Sericfyt  beg  $renäug  auf  ein  SJitfjberftänbmg  jurüd= 
jufüfyren. 

9Jtarrug  felbft  t)at  ficb,  alg  5ßrobb,et  gefügt  unb  ftcfy  bie  $raft  zugetraut,  bie  ^]robt)eten= 
Wetfye  aucb,    anbern  mitzuteilen.    ®a§  Ritual   ift  bei  $renäug  I,  13,  3  erhalten.    ®er 

25  Sericfyterftatter  bemerlt  baju,  SRartug  fyahz  fid)  mit  Vorliebe  an  angefefyene  unb  begüterte 
grauen  f)erangemad)t  unb  biefe  burdj  Mitteilung  ber  $robI)etenWeu)en  für  feine  ©efte  ju 
gewinnen  geWufjt.  @r  bat  babei  nur  überfeben,  ba£  feit  ttn  Weigfagenben  Softem  bei 
Sßlulibbug,  beren  SRuf  iijim  bon  Sfteinaften  l)er  bocb,  belannt  fein  mufjte,  ^3robb,etinnen  in 
ber  älteften  Äird;e  nichts  unerfwrteö  Waren.   S)a§  3Seib,egebet  lautete:  ^cb.  Will  bir  Slnteil 

30  an  meiner  ©nabengabe  gewähren,  ba  ber  SlUbater  beinen  @ngel  beftänbig  bor  feinem 
2lntlits  fieb,t.  2)te  ©tätte  beiner  SRajeftät  ift  in  un<§ ;  Wir  muffen  äufammenfteb,en.  9ftmm 
juerft  bon  mir  unb  burd)  mid;  bie  ©nabe.  Süfte  bid;,  inbem  bu  Wie  eine  Sraut  ben 
Bräutigam  erWarteft,  bamit  bu  Wirft,  tt>a§  id;  bin  unb  id),  Waä  bu.  ^Bereite  in  beinern 
33rautgemad)e  bem  ©amen  be§  Siebtel  eine  ©tätte.    5Jimm  bon  mir  ben  ^Bräutigam,,  unb 

35  faffe  il?n  unb  fei  in  il)m  befaßt,  ©ieb,  e,  bie  ©nabe  ift  auf  bitt)  ^erabgelommen !  Öffne 
beinen  SRunb  unb  Weilfage!  ®ie  grau  antwortet  barauf:  %ä)  fyahe  nod;  niemals  geWeil= 
fagt  unb  berftefye  nia)t  ju  Wetefagen.  ©arauf  fbvtd)t  ber  9Beib,enbe:  Öffne  beinen  9Jhtnb 
unb  fbrid)  irgenb  etwas  unb  bu  Wirft  Weilfagen!,  Worauf  jene  ju  Weilfagen  beginnt.  Sie 
Semerfungen,  bie  S^enäul  baran  fnübft,   bafj  fold}e  ^ßrobljetinnen  ben  9)iar!uS  nid)t  nur 

40  mit  if)rem  9teid)tum  unterftüfet,  fonbern  aud;  bie  ©unft  ib/re§  Seibeö  Ratten  ju  teil  Werben 
laffen,  Wirb  nteberträcfytige  Skrleumbung  fein,  bie  an  ben  gewagten,  aber  burd;au3  nid;t 
unerhörten  Silbern  bon  bem  Srautgemad)  ib^re  ^aftrung  Wie  il>ren  Urfbrung  b,aben 
motten. 

2lud}  bei  HJJarfus,  beffen  ©befulattonen  im  übrigen  bie  toHfte  ^fyantaftif  offenbaren, 

45  ift  bod;  ber  religiöfe  ©runbgeb,alt  nid)t  gu  benennen.  3)Zag  e§  mit  ben  ^afdjenfbielereien 
fteb,en,  wie  e§  WoHe  —  eg  lä|t  fid}  barüber  nid}tö  met)r  ausmachen  —  jebenfaßS  äei3en 
bie  ©ebete,  ba^  bie  (Srfyebung  bei  inneren  3!JJenfd;en  jum  $leroma  ben  ^ern  aller  biefer 
bunten  $f)anta§magorien  btlbete.  Slber  nid)t  eine  mr/ftifd)e  33erfenfung  in  bie  nur  bem 
7iv£v/j,a  burd;  bie  ©nofi<3  äugänglia)en  liefen  ber   unaugfbred}Iid}en  unb  unbegreiflichen 

50  ©eb,eimniffe,  fonbern  bie  2tbJet>r  bon  ber  2Belt  be3  Materiellen,  ber  2öelt  beä  SBöfen,  bem 
3teicb,  bei  in  ber  ginfternig  be§  ©d)lecb,ten  berfunfenen  Teufels,  ©ie  ßunge  rebet  bie 
©brache  ber  ßett;  aber  in  bem  §er^en  tönt  baö  alte  Menfd^eitSlieb  bon  gaU  unb  @r= 
löfung.    ®a§  ift  meb,r  Wie  Sftagie  unb  ©buf. 

9.  ^olorbaful.    ®ie  ©efd)id}tlid)feit  ber  ^erfon  be§  MorbafuS  unterliegt  geWia)= 

55  tigen  Sebenfen.  2Baö  @bibl)aniu§  bon  ib,m  berietet  (h.  35),  ift  bie  3Biebergabe  bon 
©injelbemerlungen,  mit  benen  $renäu3  feinen  Seria)t  über  bie  SJkrfoftaner  auSgeftattet 
b,at,  ob;ne  bafe  er  babei  ben  tarnen  be§  3Weige<S  ber  ©d)ule  nannte,  bon  bem  bie  33e= 
merfungen  gelten  (SBoHmar,  ®.  Holorbafug=©noftl,  3^  1855,  614f.;  2ibfiu§,  3.  Duellen* 
Iritif  b.  @bibfyanio§  167 f.).    3Son  bem  fo  entftanbenen  Strtilel  beg  @bibb|aniu§  fyat  £b,eo= 

go  boret  (haeret.  fab.  I,  12)  ein  (geerbt  geliefert.     ^ßb,ilafter   begnügt   fid?  mit   ber  5Ro% 


$nlenttmt$,  ©nofttfer  415 

bafe  Molorbafug  similiter  in  litteris  et  numero  elementorum  astrorumque  Septem 
vitam  omnium  hominum  et  generationem  consistere  adserebat  (h.  43):  2lud) 
£ibtoolt;t  bat  offenbar  nid;rS  rec^teg  geteuft;  ma<§  er  bon  tt)m  bemerft,  ift  fo  allgemein 
ober  fo'  offenfidjtlicb,  SScrlegenbeitSauSfunft,  ba|  auf  eine  befonbere  Überlieferung  ntcfjt  ge= 
fdjloffen  merben  famt  (Philos.  IV,  12.  VI,  5.  55).  Slertutlian,  adv.  haer.  15  tyat  5 
ebenfo  menig  au3  bem  ©tmtagma  §ibbolr/t!ö  ju  entnehmen  bermoct)t.  ©ic  ©teile  adv. 
Valent.  4,  an  ber  man  eine  ©rmä|mmg  be§  3Ranneö  fanb,  bietet  in  it)rer  f;anbfd^rift= 
liefen  Überlieferung  ^mar  einen  berberbten  %yct;  aber  bie  ©menbation  be3  SattmuS,  ber 
bjer  ben  MolorbafuS  einfette,  ift  fdjmerlid;  im  Sterte  ($ror/tnann  lieft  in  ber  SluSgabe  be3 
Sßiener  (5orbu§  II,  181,  3 ff.:  ad  expugnandam  conuersus  ueritatem  et  cuiusdam  10 
ueteris  opinionis  semen  nactus  colubro  suo  uiam  delineauit ;  überliefert  ift  in 
ben  brei  .gmnbfcfyrtften  colubroso.  @ngelbred)t  fcf)lägt  colubrosum,  Didier  [astu]  colu- 
broso  bor),  üuellc  aller  -ftadjridjten  fct)eint  bie  rätfelt/afte  ©teile  ^renäu«?  I,  14,  1  ju 
bilben,  bie  im  Satetnifct)en  fo  lautet:  hie  igitur  Marcus  vulvam  et  suseeptorium 
Colorbasi  Silentii  semet  solum  i'uisse  dicens  quippe  unigenitus  existens  semen,  15 
quod  depositum  est  in  eum  sie  enixus  est.  ®er  2lu§brud  Colorbasi  Silentii 
berettet  ob,ne  §xage  ©djmierigfeiien,  ha  bon  einem  Ütolorbafug  bei  JgrenäuS  fonft  feine 
3xebe  ift  unb  er  bab,er  jebem  Sefer  unberftänblidt)  bleiben  muf^.  ÜRun  tonnten  bie  beiben 
legten  Sudjftaben  eine  SDittograbbte  fein,  fo  baf$  ber  'iEer.t  urfbrüngltd)  gelautet  tiätte 
Colorba  Silentii,  menn  nietet  tSbtbfyaniug  ba§  KoXoQßäoov  bezeugte,  älber  mag  ift  20 
fii'/Toa  xal  ixdoxeiov  ttjs  KokoQßä  Ziyrjq?  @§  fönnte  nur  ein  Äunftauäbrud  ber 
Scbule  fein,  ber  jebod)  fonft  nirgenbs>  ermähnt  mirb.  ©er  SBerfud)  ^eumanng  (Hamburg, 
bermifdjte  Sibliotb.  1743,  I,  145),  ein  t)ebräifcfye3  älquibalent  in  5'5pN  Vz  ^u  fonftruieren 
unb  barunter  bie  llrbierfyeit  in  ifyrer  ©efamtfyeit  ju  begreifen  („alle  SSter  jufammen") 
liefert  feinen  baffenben  ©inn,  menn  man  ntd)t  eben  berftetjt:  „bie  ber  SEetraftfyg  an=  25 
gehörige  ©ige"  ^mmerfyin  ift  biefe  Söfung  noeb,  berjentgen  bon  23aur  (S?ird;engcfd).  ber 
3  erften  ^dfyxi).  204,  2lnm.  1)  borjujieben,  ber  bag  2Bort  auf  ^5"^  :>ip  jurüdfüfyrt  unb 
bie  „©timme  ber  SSter"  b.  t).  ber  oberften  betrag  im  ©egenfais  §u  ber  Ziyr\  berftel)t. 
Senn  ein  foldbeö  SBortfbiel  märe  ben  Sefern  bes>  £$renau§  unberftänblict)  geblieben  unb 
jubem  mar  $renäu§  gar  nid;t  in  ber  Sage  es>  %w  machen,  ba  er  fein  ^ebräifd;  berftanb.  30 
Öort  l)at  aber  jubem  mit  Stecht  geltenb  gemalt,  bafj  ber  ©inn  Verlange:  bie  ^olarba  ber 
©ige  unb  borgefdjlagen,  ben  S£er.t,  be<S  ^renäu?  §u  änbern:  rfjs  Kolagßä  ex  Ziyr\g 
(DchrB  II,  595a).  ®ocb,  eine  Slnberung  be§  %vpxä  ift  bebenfltd),  ba  bie  ©unfelfyeit  ja 
fefyr  roof>I  bereite  burd)  bie  Duelle  berurfadjt  fein  fönnte,  ber  $renäu3  in  biefem  2lb= 
fdjnitt  folgte.  35 

Sluffallenb  unb  unerflärt  bleibt  aber  immer  ber  unerwartete  2tu3brud  für  bie  oberfte 
betrag,  ber  an  btefer  einen  Stelle  auftaucht  unb  nad)t)er  nid)t  mieber  gum  33orfd;ein 
fommt.  §ilgenfelb  l>at  barauf  l)ingemiefcn,  baf?  ber  5Rame  KoloQßäoiog  fid;  auet)  bei 
3Mu8  (ep.  III,  52)  finbe,  ebenfo  afö  KoXoQßamog  CIGr  6585  (gwXl)  1880,  241. 
£e|ergefd).  288).  S)ie  3JJöglid;feit  ber  ©pftenj  eineä  3Salentinianer§  ift  bamit  ungtüeifel=  40 
Ht  bemiefen,  aber  ebenfo  fönnte  bamit,  toie  Sibfiu§  miß  (^torXb,  1887,  593)  ber  Söeg 
gegeigt  fein,  mie  §ibboIbt  §u  feinem  SRi^berftänbnig  fam,  ba$  bann  alle  fbäteren  §örefio= 
logen  nachgemacht  baben.  Sa§  bollfommene  ©cljmeigen  be§  ^renäu§  über  eine  ©efte  be3 
Solorbafuö  ift  ferner  berftänblid;  unb  fönnte  nur  jur  5Rot  au§  ber  ©ürftigfeit  fetner 
Üuellen  erflärt  merben.  Slber  gerabe  über  SftarfuS  ftanben  ib,m  befonber§  reid)lid;e  Tiaä)-  45 
richten  ju  ©ebot,  fo  baf3  biefe  ©rflärung  menig  roa^rfcbeinlid;  ift. 

©in  fixeres  Urteil  über  bie  grage  läfst  fieb,  bei  ber  SBefcfyaffenfycit  be§  QueHenmaterialö 
nid^t  abgeben.  SSielleid^t  fc^afft  bie  Kenntnis  ber  b,anbfd)riftlicf)en  Überlieferung  beg  @bt= 
^aniug  unb  ber  lateintfcb,en  Überfettung  be§  S^näu^  nod;  bie  9Jiöglid;feit,  bem  3Serftänb= 
ni§  ber  ©teile  nät;er  ju  fommen  ober  bie  $tf)kxqueüt  %u  entbeden.  50 

10.  Quellen  unb  S3ebeutung  be§  balentinianifcb,en  ©^ftem§.  Überbltdt 
man  bie  ©runbgebanfen  be§  ©t;ftem§,  baö  im  einzelnen  unenbltcb,  toariiert  bei  ben  ©tt)ülern 
toteberfebrt,  fo  ergiebt  fid),  bafj  e§  jum  guten  %e\l  in  bem  patomSmuS,  mie  ib,n  bie 
fpätere  3eit  tierftanb,  murselte.  @€  ift  ba§  Sieb  bom  gatl,  ber  ©eljnfud^t  unb  ber  @r= 
löfung  ber  ©eele,  baä  Valentin,  mie  im  ©runbe  alle  ©noftifer,  gefungen  t)at.  ®er  55 
unenblidK  ©eift,  auf  beffen  Dieter)  baö  nvev/na  ein  unberäu^erlid;e§  3tecb,t  b,at,  ,^ieb,t  bie 
5Kenfcb,engeifter  mieber  ju  fid),  ioeil  in  ib^nen  nie  bie  ©elmfucfyt  nad;  ber  beeren  SBelt 
erlofdjen  ift  unb  med  fie  auä  ber  35ergänglicf;feit  be§  ^rbifd;en  mie  au§  einem  ©efängniS 
Beraulftreben.  Söie  ber  blatonifdje  @ro§  gmifd^en  bem  ©terblid;en  unb  Unterblieben  ber= 
mittelt  unb  in  ber  ©eele  ben  Xricb    natb,    ber   emtgen  ©cbönbeit   ber   ibealen  iffielt  triebt  60 


416  $nleitthm3,  ©noftifer 

$ur  S^ul^e  fommen  läßt,  fo  bei  Valentin  bie  ©otobia^ctjamott;.  Sie  2tonert,  biefe  £)Stoofta= 
fierten  begriffe,  finb  im  ©runbe  nichts  anbereS  als  bie  blatonifcfyen  %bwn,  toie  fcfyon 
■£ertutlian  mit  Stecht  fyerborgefyoben  fyat  (de  anima  18).  SlllerbingS  ift  eS  fein  reiner 
$IatoniSmuS,  ber  in  Valentin  unb  feiner  ©dmle  ^erbortntt.  Saß  pfytfyagoreifcije  ©mflüffe 
5  in  allerlei  3af)Ienft)tnbolif  unb  2lntitf;efen  fyerbortritt,  ift  bereite  bon^renäuS  bemerkt  toorben 
(quod  autem  velint  in  numeros  transferre  Universum  hoc  a  Pythagoricis  ac- 
ceperunt  II,  14,  6 ;  bgl.  .gibpolbt,  Philos.  VI,  24  u.  ö.).  ©benfo  ift  ber  ©influß  ber 
©toa  unberfennbar,  bon  ber  beftimmte  SieblmgSauSbrücfe  toie  ötäfisoig,  ngoxornfj,  xard- 
Arjyjig,   ÖQjurj,    ovoia,  xaraoxevi]  u.  a.    entlehnt  finb  unb  ber  ©ebanfengänge,  toie  bie 

10  9folle  beS  oniqixa  unb  Jiä&og,  bie  33orftellung  einer  Söeltberbrennung  nacfygebilbet  toorben 
finb.  33erfiänblict;  toirb  biefeS  ©t)ftem  nur  auf  bem  33oben  eines  bfyilofobfnfdjen  ©rmfretiS= 
muS,  toie  er  bie  3eit  ber)errfd)te. 

Slber  eS  fußte  nxdjt  ${)iIofobt)ie  fonbern  Religion  fein,  toaS  bie  ©nofttler  berfünbeten. 
2lucf)  fyier  finb  fie  bon  bem  ©tmfretiSmuS  ibjer  geit  auf   baS   ftärlfte  beeinflußt  toorben. 

15  2Bie  tief  biefer  ©influß  reifte,  läßt  fid)  gur  geit  nod;  nidjt  überfd)auen,  ba  bie  Quellen 
jeijt  erft  erfdjiloffen  toerben,  manche  nodj  ju  erfdjließen  finb.  2Bie  ftarl  ber  b/etbnifcEje 
©tmfretiSmuS  beS  femitifcfyen  Orients  eingetoirft  i)at,  läßt  fiel)  ebenfalls  nocb,  nid)t  bötlig 
ermeffen,  ba  eine  ©efcfyicfyte  bei  femitifcfyen  §eibentumS  nod;  nic^t  getrieben  ift.  Surcb,  3Ser= 
mtttelung  ber  Dbfyiten  mag  l)ier  mancher  ©ame  aufgegangen  fein,   ber  bem  orientalifdjen 

20  Soben  entftammt.  Sie  ägr#tifd)e  Religion,  bie  SBolfSreiigton  ber  ©rieben  unb  Körner 
—  fie  äße  t)abm  beigetragen,  baS  religiöfe  StnfcljauungSmatertal  ^u  fcfyaffen,  mit  bem  biefe 
©noftS  operiert,  ©o  ift  bann  biefe  ©umme  bertoirrenber  Silber  unb  fraufer  3Sorfteßungen 
entftanben,  innerhalb  beren  eS  fctjtoer  ift,  einen  leitenben  gaben  in  ber  §anb  ju  behalten. 
Sennocfj  fcfyeint  toenigftenS  ein  %e\l  ber  ©clwlfiäubter  burc§   bie  güße  ber  ©eficljte  triebt 

25  bertoirrt  toorben  ?u  fein,  ©ie  toollten,  toenn  man  fie  nad)  ben  heften  il)rer  autfyenttfctjen 
SluSfagen  beurteilen  barf,  ben  bon  willigen  Sorfieüungen  religiöfer  Strt  bertoirrten 
Reiben  einen  einfacheren  unb  jubcrläffigeren  2öeg  ju  ©Ott  geigen,  unb  biefer  äöeg  ging 
burd)  bie  ^erfon  $efu  Sbrifti. 

Sie  3lutoritäten,  unter  bie  fie   ficb,    freuen,  finb  bie  SBorte  Qefu  unb  feiner  2lbofteI. 

so  3ln  ib/rer  §anb  fritifierte  ^toIemäuS  baS  jübifdje  @efe§,  in  fie  läßt  Valentin  feine  Sar= 
legungen  auSflingen,  auS  itmen  fucfyte  §era!leon  fein  ©Aftern  ju  enttotcfeln,  wobei  eS  ifym 
freilieb,  baffieren  mag,  baß  er  bie  Söorte  ber  ©bangelien  mefyr  in  baS  ©d)ema  feiner  £et)re 
preßt,  ate  bie§  nad)  innert  möbelt.  Valentin  beruft  fiel)  nid)t  auf  irgenb  einen  obffuren 
ißeifen  ober  ^rotofyeten,   fonbern   auf   bett  ^auIuSfcfyüler  Sfjeobag,   an  beffen  (Sjifteng  ju 

35  jtoeifeln  nur  bann  berechtigt  toäre,  toenn  feine  ©egner  beffen  9cid)ter.iften^  betoiefen  Ratten. 
SfJJarluö  rüb,mt  fiep  freiließ  brobbetifcfjer  Begabung  unb  einer  befonberen  inneren  ©rleud)= 
tung  burefy  bie  l)b1;ere  S55eisl)eit,  bie  ifnn  bie  ©eb^eimniffe  einer  beeren  3Belt  offenbart 
l)abe.  2lber  bamit  tl^at  er  nichtig  außergetoöl)nlicl)e§.  älucb,  Reiben  unb  bie  rfjrifttid^en 
©emeinben  rühmten  fiel;  ibrer  ^roblieten  unb  $robf)etinnen  unb  räumten  il>nen  befonbere 

40  Sorrec^te  ein.    beurteilt  man  baS  ßb^riftentum  nur  nacb,  ben  toenigen  fircb,Iid;en  ©Triften, 

bie  aus  ber  älteften  Qnt  übrig  geblieben  finb,  fo  fd)eint  ber  2lbftanb   groß  genug.    2lber 

'toir  toürben  bie  ®iftanj  beffer  unb  richtiger    fdtjä^en,    toenn   toir   bie   litterarifef/en  ©enf= 

mäler  jener  ^\t  noeb,  bottftänbig  befäßen.  2)ann  toürben  toir  and)  ein  jutreffenberei  Urteil 

über  ba§  abgeben  !önnen,  toag  bamafe  „cb^riftlicl)"  toar,    ate  un§  ba<5  bei  unferen  lüc!en= 

45  haften  Kenntniffen  je^t  möglid}  ift.  Qu  jebem  §aße  l^aben  biefe  ©noftifer  nicfyr»  anberei 
fein  toollen,  als  cljriftlicfye  £el)rer,  ^5rebiger  ober  ^rofcl;eten. 

®ie  Mircb^c  l)at  fie  freilief)  fbäter  anberi  beurteilt.  SDaß  fie  ba3  ßfjriftentum  in  ber 
gebilbeten  SBelt  erft  möglich  mad;en  Ralfen,  blatte  man  balb  bergeffen.  ©ie  2lboIogeten 
Ratten  ben  Sänften  nidit  jum  ©iege  berb^olfen,  benn  fie  flutteten  baä  Äinb  mit  bem  Sabe 

so  aug  unb  man  b|at  mit  3iett)t  il?r  Sfjriftentum  „beinlid)  bürftig"  nennen  fbnnen  (^ülicfyer, 
©ie  djriftl.  Religion  [®.  Hultur  ber  ©egentoart  I,  4,  Seidig  1905]  ©.  100).  Sie  alte 
Religion,  bie  fie  nur  in 'ben  SRfytfyen  §u  finben  meinten,  erfc^ien  ib^nen  als  ölöbfinn,  bie 
alte  ^l^ilofob^ie  %\)oxfytit  unb  2rug  ober  im  beften  %aüe  ein  fümmerlid)e§  Plagiat  ber 
biblifcb^en  SßeiSb^eit.    Unb   baneben   foßte   nun  bennod)  jugleicfy  ba§  ßl)riftentum  al§  bie 

55  boElommenfte  $f)ilofobl)ie  ertoiefen  unb  fein  9ted)t  burc|  einen  3Sergleic|)  bbllig  tnlon= 
gruenter  ©rößen  beljauptet  toerben.  Sem  gegenüber  fyahm  bie  ©noftifer  ben  dfyarafter 
beS  S^riftentumS  als  einer  ©rlöfungSreligion  auf  baS  energifc&Jie  feftgeljalten.  2SaS  fie 
fua)en  unb  bermitteln  ju  fbnnen  meinen,  ift  bie  Übertoinbung  ber  SBelt,  biefeS  Inbegriffs 
bon  ©ünbe,  3:ob  unb  Teufel,  unb  bie  ©emeinfcb,aft  mit  ©Ott. 

eo         Sie  ©efabj,  bie  tro^bem  in  biefer  ©nofiS  tag,   ift  bon  ber  Sftrd;e  inftinftib  erfannt 


SolcntimtS,  ©nofHfer  SJalenttn,  b.  fjetltge  417 

worben.  ®er  Dualismus,  ber  burd;  fie  öeretütgt  Würbe  unb  ber  bem  SDenfen  jener  3eit 
burdjauS  nidjt  anftöfjig  erfdnen,  brofyte  ben  SDionotfyeiSmuS  gu  gerftbren  unb  einen  SDitl)eiS= 
muS  an  bie  ©teile  gu  feiert,  beffert  Konfeguengen  an  ber  Sefyre  9JtarcionS  beutlia)  Werben. 
Unb  bie  2luflöfung  aCfeS  ©efcbjd;tlid;en,  feine  Verflüchtigung  gum  bloßen  SBUb  unb  ©leicr;= 
nis,  gu  einem  rein  zufälligen  gaftor  in  bem  großen  unb  ewigen  geiftigen  EmanationS=  5 
unb  ErlbfungSbrama  brad;te  bie  ©efafyr,  ba|  baS  Efyriftentum  ben  feften  Boben  ber  2Birf= 
lid}feit  unter  ben  güfjen  berlor.  ES  mag  fein,  bafj  noct)  Valentin  biefe  ©efaljir  abguWenben 
bermodjt  fyat,  aber  SRänner  Wie  SJkrfuS  geigen,  bafj  fie  früher  ober  fbäter  unabWenbbar 
War.  2>on  ©belulationen,  berfonifigierien  Gegriffen  unb  fünftlid;  lonftruierten  5ßerfonen 
aber  fann  feine  Religion  auf  bie  SDauer  leben.  10 

©0  berechtigt  bafyer  ber  Kambf  gegen  biefe  ©nofiS  mar,  fo  läfjt  ftcr)  bocr)  bei  rüd= 
fdjauenber  Beurteilung  nidjit  berfennen,  wie  biel  fegenSreid>er  Keime  bie  Bewegung  in  ftd) 
fd)lofj,  bie  fbäter  in  ber  Kirche  gur  Entfaltung  gekommen  finb.  Sßietoeit  Valentin  für  bie 
fird;Iid?e  Drganifation  borbtlblid;  geworben  ift,  läßt  fid)  nid)t  mebj  ernennen,  ba  Wir  über 
bie  Drganifation  feiner  ©emeinben  gu  Wenig  Wtffen.  $mmerb,in  Hingt  feine  ©Reibung  15 
jtrifdien  ben  ^neumatifern  unb  ^ftydjtfern  nocfy  in  ber  fbäteren  2lnfa)auung  bon  einer 
bobbelten  ©ittlicbjeit  in  ber  Kird;e  Wieber.  ©aS  ©ebiet,  auf  bem  bie  folgen  ber  £fyätig= 
leit  Valentins  unb  feiner  ©cb,ule  am  beutlicbjten  Wab,rgunel)men  finb,  ift  bie  Wiffenfo)aft= 
liebe  unb  erbauliche  Sitteratur.  ©erabe  hierin  fdjeint  feine  ©dmle  mit  befonberem  Eifer 
tfyätig  geWefen  gu  fein.  2tbofrf/bfye  Ebangelienergäfylungen  unb  Slboftelfafyrten  befriebigten  20 
in  romanhafter  §orm  baS  SefebebürfniS  beS  ©urcfyfdmtttSgebilbeten.  gur  bie  litterarifo)en 
^ntereffen  ber  fyöfyer  ©ebilbeten  forgten  Dben;  ber  Erbauung  bienten  Vrebigten  unb  bie 
toiffenfcfyaftlicfye  Sitteratur  Vertraten  umfangreiche  SBerfe  e^egetifd^en  unb  fr/ftematifd;en  $n= 
t)altc§.  ES  War  fein  Söunber,  baß  biefe  intenfibc  litterarifaje  £I)ätigfeit  ber  ©d}ule  einen 
Sufym  berfcr)affte,  ber  um  fo  bemlicljier  für  bie  Kircfyc  fein  muffte,  <dS  fie  nichts  ©leid;=  25 
artiges  befaß.    ^Derartiges  gu  fd)affen  War  bie  bringenbe  Aufgabe  ber  näcfyften  .ßeit. 

$n  Welchem  SKaße  aber  bie  fird;ltcr)e  Sitteratur,  bie  guerft  berbiente,  eine  Wiffenfct)aft= 
lidje  genannt  gu  Werben,  bon  Valentin  unb  feiner  ©dmle  beeinflußt  Worben  ift,  geigen 
SlemenS  unb  DrigeneS  noeb,  auf  baS  beutlicbjte.  5Rid)t  nur,  baß  bie  Befämbfung  ber 
balentinianifcr)en  Sefyren  offen  ober  berftedt  bie  SBerfe  ElemenS'  Wie  ein  roter  gaben  burct>  30 
jieb,t,  er  t)at  aueb)  in  md)t  Wenigen  gälten  Silber,  2Wegorien  unb  ©ebanfengänge  feinem 
©egner  abgelaufd;t,  um  fie  gegebenenfalls  ju  berWerten.  Sie  Kommentare  beS  DrigeneS 
finb  olme  3weifel  tote  berjenige  gum  ^ofyanneSebangelium  geigt,  u.  a.  aud;  gu  bem  ^toed 
getrieben,  bie  gnoftifcfye  ©d)riftauSlegung  gu  berbrängen.  Ünb  Wenn  bon  ib,m,  in  feinem 
fpäteren  2tlter  WenigftenS,  maffenb,aft  ^5rebigten  aufgegeid)net  unb  herausgegeben  Worben  35 
finb,  fo  Wirb  aueb,  babei  ber  ©egenfa|  gegen  bie  feelenmörberifc|)en  §omilien  ber  balen= 
tiniarttfct)en  ©d;ule  mitgeWirlt  b,aben.  3ln  r^etorifdjer  Kraft,  an  entern  ^ßatljoS  War 
Valentin  freilieb,  bem  DrigeneS  überlegen.  2lber  beffen  Hare,  in  it)rer  nüchternen  S3eWeiS= 
füb,rung  einbrudSboüen  Erörterungen,  bie  nie  bie  überlegene  Einfielt  beS  Wahren  ©elefjrten 
Verleugnen,  Werben  gerabe  in  ben  Greifen  nid;t  WirfungSloS  geblieben  fein,  für  bie  jene  *° 
balentmianifcfyen  ^rebigten  eine  ©efab^r  bilbeten.  ®aß  man  auet;  baS  9JiitteI  ber  ®id;= 
tung  nid^t  berfcfymäfyte,  beWeift  ber  §^»mnuS  beS  ElemenS  211er,.,  auf  beffen  Bilberreicb.tum 
bielleicr)t  aud;  balentinianifd;e  ^ßoefie  befrud>tenb  eingewirkt  b,at. 

Stuf  biefe  3Beife  r)at  bie  Kirche  bie  Sßaffen  ber  geinbe  umgefd)miebet  unb  mit  ib,nen 
bie  ©egner  überWunben.    3lber  bie  Erinnerung  blieb   noct)  lange   lebenbtg  unb  als  ftt)on  45 
längft  bie  legten  9tefte  berfc^Wunben  Waren,  b,at  fid;  bie  ©efe^gebung  noc|  mit  if>nen  be= 
faßt  (Cod.  Theod.  X,  5,  65  §  2).  (Srttin  <Prcuf(^en. 

SSalentin,    b.  ^eilige,    5.  ^afyrfy.    —    AS  j.  7.  3an.    Sbl   ©.368;    SRettkvg,   m 
3)eutf^tanb§  I,  <S.  220  f.  II,  @.  133;  ©aud,  $®  Sewtfc^Ianb§  I3,  @.  360. 

ES  giebt  eine  Stngafyl  bon  3Jiännern  beS  Samens  Valentin,  bie  in  ber  alten  Kirche  so 
unb  im  9JM.  als  Wläxtyxa  bereit  Würben.  Qn  Dei:  ^fo  9tomS,  an  ber  Via  Flaminia, 
liegt  baS  Eömeterium  beS  ^l.  Valentin,  eines  römtfcfyen  ^ßriefterS,  f.  Kraus,  Roma  sott. 
S.  533  f.  ©er  rbmifdjen  Depositio  martyrum  ift  fein  ^lame  nod;  fremb ;  bagegen 
finbet  er  fidt)  gum  14.  gebruar  in  mittelalterlichen  3Kartt)rologien,  g.  33.  im  Breviar. 
Einsidl.  beS  12.  ^ab,rb^unbertS :  Romae  Valentini  presbyteri,  Spoliti  Vitaliani  55 
item  Valentini  episcopi,  AS  Nov.  II,  1  ©.  20.  2ftit  ibm  gufammengefloffen,  biel= 
leicht  urfbrünglicb;  ibentifet)  ift  nidjt  nur  ber  b,ier  genannte  Bifdjof  Valentin  bon  ©boleto, 
fonbern  aueb,  ber  33tfd;of  Valentin  bon  Xerni;  im  Martyr.  Sangall.  beS  10.  ^afo 
b,unbertS  lautet  ber  Eintrag:  Romae  Valentini  epi.,  Interannis  civitate  Valentini 
«eaI=encBHopäMe  für  Iljeologte  unb  Äir^e.    3.  a.  xx.  27 


418  Valentin,  b.  Ijeüige  SSalcrtau  öon  ©emeltunt 

epi.,  a.  a.  D.  SDert  Valentin  bon  Xerni  fennt  audb,  ber  Cod.  Bern.  beS  Martyro- 
logium  Hieronymianum,  aber  jum  14.  Slbril  unb  nicfyt  cü§  Sifdmf.  Söcan  befinbet  fid^> 
bier  alfo  auf  fet/r  unserem  33oben.  ©ie  2lften  be£  ^ßriefterS  tote  be§  23ifd)of§  finb  jung 
unb  unglaubmürbig.  Qm  3CR31.  feierte  man  ben  3SaIentin§tag  aud)  in  ©eutfcfylanb,  f.  j.  §8. 
5  bag  unter  SBifd^of  Söolfgang  gefcfmebene  Stegensburger  ^alenbarium  bei  9JceI)Ier,  ©er  bl. 
SBoIfgang  ©.  172.  ,,©t.  Gelten"  galt  als  ©einbettiger  gegen  bie  faßenbe  ©ucfyt.  gum 
13.  Slobember  fyat  ba<§  ältefte  fartfyaginienftfcfie  9Jiartt)roIogium  ben  ©intrag  s.  Valentini, 
©ött.  älbb.  31%  III,  3  ©.  21.  Stber  bon  biefem,  rcab^fcfjeinlicb,  afrifanifd^en,  9JWrtr/rer 
miffen  mir  nict/t3   als*   ben  tarnen;    er  crfdjeint   auct;    im   Cod.  Bern.  be§  Martyrol. 

10  Hieron.,  aber  am  14.  gebruar  (AS  ;J?ob.  II,  1  ©.29:  In  Africa  natale  s.  Va- 
lentini). 

©idjerere  $unbe  al§  über  biefe  unb  anbere  altfircfylicfye  SDtärt^rer  be3  Samens 
SBalentin  b)aben  mir  über  einen  gleid^namigen  93if(^of,  ber  in  ber  auSgefyenben  alittrcfylidjen  3eit 
in  9täiien  tfyättg  mar.    $reilicb  ift  au<fy  fte  dürftig  genug.    (Sine  sJ^ott§  über  ifm  giebt 

15  @ugibiu3(f.  33b  V  ©.  590, 3i)  im  41.  Äabitel  feiner  SebenSbefcr/reibung  ©eberin§.  ©anacb, 
mar  er  Slbt  unb  53tfd)of  ber  datier  unb  ift  er  am  6.  Januar  eine»  nicfyt  ju  beftimmenben 
3afyre<3  geftorben.  23on  ber  nachhaltigen  93eret)rung,  meiere  ü)m  in  einem  nicf)t  altju 
befcfyränften  Greife  ju  teil  mürbe,  giebt  isenantiuS  gortunatuS,  V.  Mart.  IV  v.  647  f.,  Äunbe. 
@r  meifj  bon  SalentinSfircfyen  in  Sforicum.   ©nblict)  I)ören  mir  in  Stribog  V.  Corbin.  17 

20  2I3M  XVIII,  ©.  262  bon  93aknttn§  ©rab  in  maxi  bei  3Jteran,  alfo  auf  rätifdjem 
23oben.  ,£>iemad)  mirb  man  Valentin  ab§  einen  in  Stätien  unb  bem  benachbarten 
9?oricum  für  bie  StuSbreitung  beS  61)riftentum§  obne  feften  ©i|  tätigen  Sifdrnf  ju  be= 
trauten  t)aben.  ©ie  geit  feinet  2ßir!en§  ergiebt  ficr)  barau§,  ba|  nacb,  V.  Sever.  41 
fein  ©cfjüter  SuciltuS  um  480  ein  ©rei§  mar:    er  mirb   alfo   in  ber  erften  §älfte  bes> 

25  5.  Igaftt^unbertiS  geteirft  fmben.  ©ie  Reliquien  35alentin§  mürben  bon  §erjog  SEaffilo 
bon  Skiern  768  nacb,  $affau  gebracht,  V  Corbin.  35  ©.  270.  ©eitbem  nahmen  $irct)e 
unb  Sistum  bon  ^affau  ben  1)1.  Valentin  als  einen  ifyrer  früfyeften  Qnljiaber  unb  SRe= 
bräfentanten  in  Stnfbrud).  ©ie  etma  bem  Stnfange  beS  11.  %ab,  rtmnbertS  entftammenben 
Slften  fct/ilbern  Valentin  als  einen  bon  Dften  fyer  in  bie  ©egenb  bon  ^affau  gekommenen 

30  grembling,  ber  eine  $?\t  lang  al<§  9Jliffon§btfc|of  in  biefer  ©egenb  gemirft  \)abe.  ©oeb, 
\jabe  feine  ^Srebigt  b,ier  menig  genug  ausgerichtet,  unb  er  fei  be§b,alb  bei  ^abft  £eo  I. 
barum  eingefommen,  feinen  SBifcfyofSfuj  in  eine  anbere  ©egenb  berlegen  ju  bürfen.  $\ve'u 
mal  b,abe  ib,m  2eo  biefe  Sitte  abgefc|lagen.  31IS  er  ^um  brüten  9Me  enblicb,  burc^= 
gebrungen,   t)abe   er  fieb,  fübmärt§  in  bie  Serglänber  (montana),  „  b.  t).   in  bie  SEt;roler 

35  Silben  jurüdgejogen,  unb  fei  fiier  balb  barauf  geftorben.  —  St^nlicb,  lauten  bie  2tn= 
gaben  einer  bleiernen  ^afel,  bie  man  im  ^afyre  1020  neben  feinen  ©ebeinen  gefunben 
r/aben  moüte,  unb  bie  angeblicb,  im  5.  Qa^^unbert,  fur^  nacb,  be3  ^eiligen  5£obe, 
berfertigt  mürbe,  in  äöafyrfyeit  aber  fcb^merlict;  bor  bem  12.  ^af>rb,unbert  entftauben  ift. 

(Bötffer  t)  ^o«tf- 

40  $aIettthtH§,  ^?abft  827,  mar  ber  5Racb, folger  @ugen§  II.  unb  Vorgänger  ©regorS  IV.; 
er  regierte  laum  einen  5Ronat;  fo  berichten  bie  fog.  2innalen  @inb,arbg,  mäb^renb  bie 
33iograb!)ie  3>.g  im  lib.  pontif.  bon  bierjig  2agen  fbricfjt.  9Jad;  berfelben  mar  er  ein 
geborener  Körner  de  regione  via  lata,  $abft  ^3afct)aIiS  meiste  ib,n  ^um  ©ialon  unb 
ert)o&  ibn  fbäter  jum  2Irct)tbiafon.  ^ouef. 

45  2?oIerian  tum  Kemcltum,  geft.  um  460.  —  &  ®uc^e§ne,  Fastes  öpiscopaux  de 
rancienne  Gaule  I2,  <J5ari§  1907,  p.  290.  296.  —  Gallia  christiana  III2  (1876),  <B.  1268.  — 
Hist.  litt.  II,  328  f.  —  StHemont,  M^m.  eccl.  XV,  125.  —  2Ratnorfi,  Saint  Cesaire  eveque 
d'Arles  ^ariS  1894,  43.  70.  251.  —  ®ie  editio  prineeps  üon  Sac.  6irmonb:  Sancti  Vale- 
riani    episcopi  Cemeliensis  homiliae   XX.     Item    epistola    ad    monachos,    de  virtutibus   et 

50  ordine  doctrinae  apostolicae.  Omnia  nunc  primum  praeter  unicam  homeliam,  post  annos 
plus  minus  mille  ducentos  in  lucem  edita.  Lutetiae  Parisior.  1612,  8°  (238  (Seiten  £ejt). 
—  S8eräeict)nt§  ber  festeren  SluSgaBen  bei  MSL  52,  783  ff.  au§  ©aßonb  X  u.  ©cfjoenemcmn  II. 
®er  Slbbruc!  691—758  ift  naef)  ©aflanb  genommen.  —  Theophili  Eaynaudi  S.  J.  Apologia 
pro  S.  Valeriano  (MSL  52,  757—836)    gegen  ben  Sßorraurf  be§  <£emipe(agtani8mu§  (1633); 

55  9J.  ©diac!,  De  Valeriano  seculi  quinti  honiileta  Christiano,  Havniae  1814.  —  RQH  1892, 
@.  259;  1905,  ©.  77. 

_®ie  in  ber  ©übofteefe  ©aßiens>  gelegene  civitas  ber  35ebantier,  meiere  bie  erfie 
©tation  in  ber  Sanbfdjaft  Alpes  maritimae  für  ben  au§  Sigurien  !ommenben  Reifen; 
ben  mar,  efye  er  ben  eigentlichen  ©renjflu^  Saru§  baffierte,  überragte  an  Sebeutung  be§ 


$alerian  bon  ©emeltum  419 

um  s3Hecr  gelegene  taftell  9ftcca  OJli^a),  b/attc  2tmbf)itf)eater,  2lquäbutt,  Hermen  unb 
ftanb  unter  einem  ^iräfeften.  £eute  ift  fie  bii  auf  einen  $ügel  (Gimiej),  ber  eine  Äird;e 
unb  eine  2Ibtei  trägt,  berfcfjWunben ;  ber  alte  sJiame  War  tt>ot)I  demenelion.  (giner  ber 
beiben  einigen  bortigen  SBtfd^öfe,  bereit  tarnen  uni  befannt  finb,  War  23alerianui.  33iel= 
leicht  ift  er  ber  23erWanbte  bei  ©ucfyeriui  bon  Styon,  an  ben  biefer  feinen  berühmten  23e=  5 
febjungibrief  richtete  (MSL  50,  711;  bgl.  XiHemont  1.  c).  Von  feiner  Slmtitfyätigfeit 
ioeife  man  nur,  bafe  er  439  an  bem  $onjiI  ju  'Siiq,  452  an  bem  ju  Sßaifon  teilnahm 
(ftefele,  ©onctliengefc^.  II2,  289.  296),  mit  18  anberen  gallifd>en  23ifcb;öfen  £eo  b.  ©r. 
gegenüber  für  ben  Primat  Don  2Irlei  eintrat  (f.  b.  21.  33b  II,  58, 22)  unb  fid)  gegen  bie 
2lnfbrüd)e  bei  Sljeobor  bon  grejui  erllärte  (f.  b.  2t.  gauftui  bon  9tejt  33b  V,  783, 10).  10 
l*r  ift  alfo  2tnf)änger  bei  £ilariui  bon  2lrlei  unb  bei  $auftui  getoefen.  2Ba3  tfym 
23ebeutung  giebt,  finb  aber  feine  §omilien.  23ü  1612  War  nur  bie  unter  2luguftini 
Hainen  gefyenbe  de  bono  disciplinae  befannt,  bie  1601  Don  9Md)tor  ©olbaft  ju  ©enf 
ali  bem  23alerian  gehörig  erWiefen  unb  ebiert  war  (MSL  52,  687).  ©irmonb  fanb  in 
einer  ßorbejenfer  §anbfd)rift  19  anbere,  bie  er  bemfelben  23alerian  jufdjrieb.  Sie  15 
äußeren  ©rünbe  bafür  finb  nicfjt  fo  fcfyWacf/,  tote  ©d)acf  ©.15  angiebt.  2Werbingi 
ioerben  fie  aber  baburd;  berftärft,  bafj,  Wie  <5<fyaä  juerft  bemerft  i)at,  in  ben  Flores 
doctorum  bei  %b,oma§  £>ibemicui  (geft.  1289,  bgl.  ßaf.  Dubin,  Commentar.  de  scr. 
eccl.  III  [1722],  611  f.)  ©entenjen  aui  unferen  .'oomilien  einem  episcopus  Valerius 
jugefcbrieben  Werben,  unter  bem  unfer  23alerian  ju  öerfteben  fein  Wirb  (bgl.  Flores  20 
doctor.,  Antv.  1558,  p.  132.  453.  732).  Seiber  berfäfyrt  ©d)ad  in  biefer  Unterfud)ung 
ntd£»t  forgfältig  genug.  —  'Sie  inneren  ©rünbe  für  bie  gufammengefyörigfeit  ber  jWanjig 
§omilien  (unb  bei  23riefei  an  bie  9Jtönd)e)  erhalten  einen  bebeutenben  3uWad)g  burd; 
bie  gleichartige  2lnWenbung  bei  ^urfui,  bei  Sfr/r/tfymui.  23alerian  fyat  feine  £omilien 
mit  aßen  Ihmftmitteln  ber  gallifdjen  3ll)etorenfd)ulen  auigeftattet,  feine  ©iltion  Weift  25 
überrafd)enbe  tecr/nifcfje  ^einbetten  auf.  2lud)  bie  2tllüteration  Weift  er  WirrungiboH  ju 
berwerten  (bgl.  5.  33.  MSL  52,  698  B).  ®abei  fefylt  bter  nod)  bie  big  jur  lächerlichen 
Unnatur  überlabene  Drnamenti!  ber  abfterbenben  9lr/etorenfd)ule  bei  6.  gafyrfmnberti 
(2lbitui  b.  23ienne).  23.  ermübet  nid)t  burd)  gehäufte  D^r/mora,  Wie  *J3etrui  ßbjr/fologui. 
©eine  ©iibofition  ift  fteti  flar  (bgl.  bai  ©runbfct/ema  bei  ©d)acf  ©.  48  ff.),  Wie  bei  30 
Seo  b.  ©r.;  aber  er  ift  biel  farbenreicher  ali  biefer.  2lm  glänjenbften  ift  er  in  ©d)ilbe= 
rungen;  fner  erliegt  er  bisweilen  ber  23erfud)ung,  burd)  2luimalung  länger  ju  feffeln, 
ali  bai  ©benmajj  ber  Siebe  berträgt.  ©ein  3Bortfcba^  ift  bebeutenb,  2lbWeid)ungen  bon 
ben  flaffifcfyen  2öortbebeutungen  finb  ä^nlid)  Wie  bei  ©altoian  unb  6t;rt)fDlogug  (©cb,ad 
2.  56).  @r  citiert  fonfequent  nur  bie93ibe(  unb  jWar  burd)gel^enb§  nid;t  nad?  ber  23ulgata  35 
(Bfyad  ©.  29  ift  grunbfalfcb).  ©en©eneca  benu^t  er  ot)ne  it)n  ju  nennen  (bgl.  Hom.  II 
mit  de  Providentia  c.  1  ff!),  Wie  aud)  fein  ©til  bem  bei  ©eneca  nacfygebübet  ift.  ®ie 
öorliegenben  ^omilien  finb  al§  ©ammlung  aufgearbeitet  unb  t>erau§gegeben:  ber  ©d}Iufe 
einer  $ebe  bilbet  oft  bie  Vorbereitung  auf  ba§  %i)ma  ber  näd)ften  (»gl.  j.  23.  ben  ©ebluf 
bon  Hom.  VI  mit  bem  %i)ima  bonHom.  VII,  aud)  Hom.  I  am  ©cfylufj  mit  Hom.  II  40 
init),  unb  eine  fbätere  9tebe  Weift  me^rfad»  auf  eine  frühere  jurüd  (5. 93.  MSL  52, 
711  B  auf  708  B).  —  SDajj  23alerian  bon  ©ennabiuS  nic^t  erwähnt  Wirb,  b>t  toteKcicbt 
in  bem  geringen  Umfang  ber  ©ammlung  feinen  ©runb.  —  2tl§  ©efdjicr/tiquelle  finb 
bie  §omilien  toertbotl,  Weil  fie  bie  @infeitig!eit  ©albian«  in  ber  ßeitbeurteilung  ergänzen ; 
bon  ben  23arbarenlriegen  Würbe  ßemenelion  bamalö  rttefet  birelt  berührt ;  aber  3üge  bon  45 
Kriegsgefangenen  baffierten  oft  bie  ©tabt,  unb  ber  So^auf  fbielt  in  ben  Sieben  eine 
grofee  Stolle.  —  Über  bie  Geologie  be§  23.  ift  biel  geftritten  Worben,  mit  geringem  @r= 
folg,  ba  er  bogmatifd)en  üontroberfen  abfid;tlid}  au§  bem  2Bege  gebt.  ©ieS  ergiebt  fief; 
befonberg  au§  ber  12.  £>omilie  de  bono  conservandae  pacis.  ^m  3ufammen^anÖ 
mit  «ßf  133  Warnt  er  babor,  fid)  bon  ber  Strebe  ju  trennen  unb  legt  ein  lur^eS  trinitarifd^el  so 
SelenntniS  ah,  ba€  giemlicb  mobalifttfeb  lautet  (bgl.  Hom.  III  MSL  52,  702  B),  aber 
ohne  ben  geringften  §inWei3  auf  9lom  ober  ein  J?onjil  ober  bei  ^rabitionibrinjib  bei 
2jincentiui  bon  Serinum;  unb  unmittelbar  barauf  Warnt  er  bor  ©treitluft.  Hom.  VII 
MSL  715  B  C  Wirb  $ef  58,  7  auf  notleibenbe  ^uben,  .sjärettfer,  Reiben  unb  23arbaren, 
tote  auf  6f)riften,  belogen,  ^n  ber  ©nabenleb^re  getgt  bie  biel  erörterte  Hom.  XI  ben  55 
&  als;  2lnf)änger  bei  gauftui  bon  3liej,  aber  oljne  alle  ^olemif  gegen  ben  $räbefti= 
natianiimui  unb  o^ne  2lblel)nung  ber  innerlich  Wirfenben  ©nabe.  ©ein  ©tanbbunft  ift 
bon  bem  bei  ßäfariui  bon  2lrelate  Wenig  berfd)ieben  (bgl.  Rev.  ben.  XXIII  [1906], 
-67)  nur  bafe  jeber  (ginflufe  2lugufttni  feb,lt.  23.  ift  bor  allem  3Rordift,  fein  ßieblingi= 
gebanfe  ift  bie  gorberung  ber  ©iijiblin,   ber  2lrbeit  an  fid;  felbft,  im  2lufblicf  ju  ©Ott,  eo 


420  Salcrton  tum  ©cmeltum  2Salertamt§,  ®atfer 

ßfyrifiuS  unb  bert  9Jiärit>rem.  Hom.  XV— XVII  nennen  bie  Dreiteiligen  bc<8  Vifcbof<8= 
fi£e<§  (5ßonttu§,  9iajariu§,  Selfus:  bgl.  AS  14.  Ttax  III,  p.  274—279.  Hist.  literaire 
II,  332 ;  Gall.  Christ.  1.  c.)  nicfyt  mit  tarnen,  toeift  aber  745  B  beutlicb.  auf  jie  I)in. 
Sfyarafteriftifcb.  ift  ber  ©a|:  quamvis  fides  probata  sanctificet,  opus  tarnen 
5  est,  ut  sit  qui  ipsam  fidem  Domino  supplici  intereessione  commendet.  —  ©er 
Vrief  Valeriana  an  bie  3Rönd)e  (MSL  52,  755  ss.)  toirb  bon  einigen  al§  2Ibt3fcr/reiben 
aufgefaßt,  baS  nad)  Serinum  gerietet  getoefen  toäre  (gabriciuS,  Bibl.  VI  (1746),  782; 
©dErnd  ©.  8);  aber  Valertan  mar  getoifj  nid)t  2lbt  bon  Serinum,  fonbern  er  fyat  nur 
bie  bortigen  consuetudines  auf  bie 'Softer  feines»  ©ebteteS  übertragen,  tote  biele  anbere 

10  gaUifcfye  SBtfd^ofe  (9Mnorfy  251).  ®er  33rief  foU  biefe  ©etoolmfyeiten  als  aboftolifdje 
rechtfertigen.  —  ®a<§  ■jEobeSjatjr  Valeriana  ift  unbefannt;  (Eemenelium  tourbe  mit  TO^a 
bereinigt  unb  ift  burd)  Songobarben  unb  ©aracenen  böHig  jerftört  toorben.  ©a§  rafdje 
©infen  feinet  S3ifc§ofgfi|e§  ift  toofyl  eine  .gaubturfacrje  getoefen,  bafj  manche  §omilien 
Valeriana  früb,   unberbienter  Vergeffenljeit  anheimfielen  ober  unter  fremben  tarnen  ber= 

15  breitet  tourben,  j.  V.  bielteicftt  be§  5ßetru3  (Sbjfyfologul  (hist.  litt.  II,  332)  ober  ettoa  be§ 
©ua^eriuS.  Slrttolb. 

SBalertflttUS,  rbmtfcT/er  ^aifer  253—260.  —  Prosopographia  imperii  Romani  ed. 
3)effau  II,  p.  286;  £ittemont,  Histoire  des  empereurs  t.  III;  Xfj.  S3ernl)arbt,  ©efdiicf)te  9Jom§ 
üon  SSaterian  bi§  ju  2)tofletian§  £obe,  SSerlin  1867 ;  ©.  @d)iHer,  ©efdridjte  ber  römifdieit 
20  Satjevseit  I,  2  ©otf)a  1883,  <B.  811  ff.  —  3>ie  auf  bie  DWigionSpoIttif  6ejüglict)en  OueHen 
finb  bürftig;  bie  totd)ttgften  finb  ber  Sericftt  be§  S)iont)ftu§  üon  ?tlejanbrten  (Euseb.  VII, 
10.  11),  bie  Acta  proconsularia  ßt)prian§  (©artet  III,  p.  CX)  unb  ber  über  baS  Dteffript 
Dom  Safjre  258  referierenbe  80.  Srief  (©avtefll,  p.  839). 

Vubliu§  SiciniuS  Valeriana  entflammte  einer  bomefymen  gamtlie  unb  batte  ftd)  in 

25  militärifd)en  unb  bürgerlichen  Ämtern  betoäfyrt. .  $n  ber  blutigen  Äataftrobb/e,  mit  toeldjer 
bie  Ufurbation  be§  StmilianuS  gegen  ©aHu3  abfdjlofj,  getoann  er  253  ben  "ißurbur,  inbem 
in  Stätten  bie  2trmee  ifm  aU  2Iuguftu§  aufrief,  ©en  troftlofen  guftänben  im  Steige 
unb  ben  trtegerifdjen  Vertoidelungen  an  ben  ©renken  bemühte  er  fid)  nacb.  Gräften  ju 
begegnen,  aber  ber  gute  2öille  be3  ©ed^igjä()rigen  fanb  ju  bolter  2lu§toirfung  nid)t  mefyr 

30  bie  nottoenbtge  ©nergie.  ®ie  golge  toar  eine  unficfyere  Haltung  unb  -Jiadjgiebigfett  gegen 
frembe  ©inflüffe.  ©ein  ©ofm  unb  SJcitregent  ©allienug,  ber  ben  Söeften  be§  5Reid}e§ 
übernahm,  toar  feinerfeitS  aucb.  nid)t  geartet,  biefen  SRangel  ausgleichen. 

$n  ber  ßfyriftenfrage   batte  Valertan  unter  ®eciu§  eine  §altung  eingenommen  unb 
mit  2tuftoenbung  feinet  (SinfluffeS  fo  erfolgreich  bertreten,  bafj  bie  cb,riftltd)e  Überlieferung 

35  ntcbt  mit  Unrecht  in  ifym  ben  eigentlichen  Urheber  ber  becianifa^en  Verfolgung  fab,  (f.  b.  21. 
Sb  IV  ©.  526 ff.).  3KU  biefer  ^olitil  bricht  er  je|t  ntcbt.,  nur,  fonbern  toenbet  ben 
Stiften  fein  2Bo6,ItooHen  in  gan^  befonberem  9Jca|e  ju.  Dffentlicb,  erfahren  fie  feine 
©unft.  ^n  feiner  näd)ften  Umgebung  unter  feinem  §ofgeftnbe  toaren  bie  Selenner  ber 
neuen  Religion   fo  ga^Iretcb   ju  finben,  ba^   man  batoon  ben  ©inbrucf  einer  ixxlf]oia 

40  fcov  batte  (®iont)fiu§  bon  Sllepnbrien  bei  Eus.  H.  E.  VII,  10,  3).  2öir  finb  nicbt 
in  ber  Sage,  bie  SRotibe  biefer  Umftimmung  ju  ernennen;  ntcbt  einmal  Vermutungen 
finb  geftattet.  ®ie  Situation  ift  ettoa  biefelbe  toie  in  ben  Anfängen  ber  Regierung 
©iolletiang.  Stucb,  ber  toeitere  Verlauf  ber  ®inge  bietet  infofern  eine  Vctraßele,  al§  in 
beiben  gäUen  eine  cbrtftenfeinbUcbe  Vartei  auf  ben  ^aifer  ©tnflujß  getoinnt  unb  ib,n  ju 

« ©etoaltma^regeln  beranla^t.  SDer  gü^rer  berfetben  ift  b^ter  ber  bem  ^errfc^er  nab,e= 
ftebenbe  angefeb,ene  ©eneral  30^.  gulbiug  5Dkcrianu§,  ein  9Jiann  bon  geringer  ^erlunft, 
tro£  eines  förberlicb,en  geb,IerS  —  er  binfte  —  bon  glänjenber  militärifcber  Vergangen; 
b,eit.  ®ie  ^atfac|e,  bafe  er  ben  äg^btifcb.en  ©acra  borftanb  (Eus.  VII,  10,  4),  läjjt 
feine  betoufjte  religiöfe  ©teßung  auf  ber   entgegengefe^ten  ©eite   erlennen.    ©er  ^ambf 

so  gegen  baS  am  £ofe  mit  greunblic^feit  beb.anbelte  gfyriftentum  toar  bamit  bon  bornberein 
gegeben.  2Benn  febod)  unfere  Queßen  biefen  ©eficb,t^un!t  augfcbtte^Iid)  betonen,  fo  ift 
bieg  eine  unjureic|enbe  Veurteüung.  3toeife^D^ne  ^a^en  bei  SRacrianuS,  ben  bamals 
fcb,on  bocbfltegenbe,  auf  Hfurbation  jielenbe  Vlane  erfüllten,  aucb,  bolitif(f)e  @rtoägungen 
mitgefbtelt,  fei  e§,  ba^  er  in  ben  Triften  ein  §inbemi§  tbrer  Vertoirllic|ung  fanb  ober 

55  bafj  er  burc$  ©rregung  innerer  Unruhen  bem  Äaifer  ©cb, toierigleiten  ju  bereiten  fucb,te. 
Se^tereS  ift  roabrfcbetnltcber ;  ber  ©eneral  VoftumuS  ging  bamalS  im  äBeften  benfelben 
SBeg  fnnterliftiger  Vraltilen  ©aEienuS  gegenüber. 

@§  gelang  bem  Ilugen  unb   energifd)en  3JJanne,    ben  ^aifer  bon  ber  cf)riftenfreunb= 
liefen  Volitil  ju  Ibfen.    $m  ^a^re  257  erfolgte  ein  Dfteffribt,   toeIcb.eS  ben  Stiften  bie 


SBalcriaimS,  fiaifer  2So(efiu§  421 

religiösen  Verfammlungcn  foWie  baS  ^Betreten  ber  untertrbifd^en  VegräbniSftätten  unter= 
jagte  unb  ben  Klerus  in  bie  Verbannung  Riefte  (Eus.  VII,  11,  1—17;  Cypr.  Acta 
procons.  I).  SDarauS  läjji  ftd)  entnehmen,  bafj  -JJtacrianuS  baS  bolitifcfye  Moment,  bie 
£rganifatton  ber  ßfyriftengenoffenfcfyaft  mit  ©rfolg  auSgefbielt  fyatte ;  ber  faijerlicfye  Vefefyl 
jielte  bemgemäfe  bafyin,  ben  feften,  unfontrollierbaren  Verbanb  ber  ©laubigen  ju  jer=  5 
trümmem,  inbem  baS  Sftücfgrat  beweiben,  ber  Hierum,  herausgenommen  unb  sugleicb,  bie 
iÖlöglicftfeit  öffentlicher  ober  f)eimlicijer  ßufammenfünfte  ber  ©lieber  befeitigt  Würbe.  @S 
lcäre  wertboll  ju  Wiffen,  Wie  bie  fyeibnifcfye  Partei  ben  cf/rtftenfreunblict/en  Kaifer  bon  ber 
©taatSgcfäbjItdtfeit  beS  Sb/riftentumS  überzeugt  f>at.  $n  ber  milben  gaffung  beS  9?effribtS 
wirft  ficl/erlicf)  noeb,  baS  frühere  SBofylWoIIen  ValerianS  gegen  bie  ßljriften  nact).  10 

^nbeS  fd)on  258  folgt  ein  neues  9teffribt,  ba§  ganj  in  3lnleb,nung  an  bie  9leIigionS= 
bolitif  beS  SDeciuS  jebe  9tücffi<f)t  fahren  läjjt.  Vifct/öfe,  VreSbfyter  unb  SDiafonen  follen 
fofort  Eingerichtet  Werben,  Verfonen  beS  ©enatoren=  unb  9fttterftanbeS  ^unäc^ft  buref) 
Icgrabation  unb  Konfination  beftraft,  bann  im  gälte  anbauernben  Unge|orfamS  gegen 
baS  Dbfergebot  gleichfalls  getötet  werben.  ®en  grauen  Wirb  ©injiefyung  beS  Vermögeng  15 
unb  Verbannung  angebrofyt.  ®ie  Gfyriften  enblicb,  im  faiferlict/en  |>ofgefinbe  (Caesariani) 
foUcn  ingeff  ein  ju  Zwangsarbeit  auf  bie  f aiferlicb,  en  ^Domänen  berfd)  teft  Werben (Cypr.  Ep.  80). 
tiefes  @bift  ftettt  bie  Unausführbar!  ett  unb  ©rfolglofigfeit  be§  borjäbjigen  fieser ;  bab,  er  Wirb 
jettf  ein  anbereS  Verfahren  berfud/t,  mit  bem  unter  SDeciuS  ein  geWiffer  (Srfolg  erreicht 
Werben  War.  2öie  ernft  man  eS  bamit  nab)m,  bezeugt  bie  ^atfacfje,  baft  bie  beiben  20 
größten  ©emeinben  im  Söeften,  9tom  unb  Karthago  i|re  Häupter  berloren.  3n  e'ner 
Matafombe,  Wofyin  er  ftcb)  geflüchtet,  Würbe  ber  Vifdwf  ©ir.tuS  bon  9tom  ergriffen  unb  an 
Ort  unb  ©teile  am  6.  2Iuguft  258  getötet  (f.  b.  21.  33b  XVIII  ©.  410);  baSfelbe  ©e= 
fcbjcf  ereilte  ßtybrian  am  14.  ©eptember  (Acta  procons.).  ^Daneben  jäfylt  &om  als 
einen  berühmten  9Jiärtr/rer  ben  SDiafonen  SaurentiuS  (10.  2luguft).  3)ie  fbanifcfje  Kirche  25 
nennt  als  Vlutjeugen  biefer  $eit  ben  Vifcfwf  gructuofuS  bon  ^arragona  unb  feine  beiben 
2>iafonen.  Über  ©jelutionen  im  Dften  berietet  ©ufebiuS  VII,  12.  ©anacb,  griff  bie 
Verfolgung  aud)  in  ben  SleicfySteil  beS  ©aßienuS  ein,  mar  alfo  als  eine  allgemeine  gebaut. 
3n  2öirllicb,!eit  famen  bie  ÜRebreffionen  nur  an  einzelnen  fünften  jur  Slntoenbung,  unb 
aua)  Ejter  b,aben  fie  ben  Seftanb  ber  ©emeinben  nicfyt  ju  erfeb/üttem  bermodjt.  Übertäubt  30 
machen  fie,  bon  Wenigen  gällen  abgefefyen,  einen  fc^toädjlicfyen  ©inbruet.  ®ie  9iöte  beS 
9ieia)eS  nahmen  bie  Regierung  berart  in  Slnfbrucb,,  bafe  if>r  für  eine  IraftboKe  3teIigionS= 
jjolttif  toeber  fttit  noeb,  SRittel  blieben.  3tuc§  tft  fraglich,  ob  Valerian  mit  ganzer  Über= 
jeugung  f)inter  ben  9tefMbten  ftanb.  ®ie  ©c^onung,  meiere  fein  ^riftlic^eS  §ofgefinbe 
im  i^ergleicb,  ju  ben  Senatoren  unb  Slriftofraten  im  gtoeiten  3tef!ri^t  erfährt,  giebt  ju  35 
benfen.  5D?an  muf?  jeboeb,  befennen,  ba^  feine  ber  fog.  Sbjiftenberfolgungen  fo  biele  un= 
beantwortete  gragen  in  fiel)  trägt  als  biefe. 

©ureb,  Verrat  geriet  ber  Haifer  in  bie  £mnb  beS  5ßerferfönigS,  ber  ib,n  bis  ju  feinem 
^obe  in  fcb,imbflid)er  ©efangenfcb)aft  ^ielt.  S3alb  barauf  liefe  SKacrianuS  feine  beiben 
Söb,ne  im  Dften  als  iRaifer  ausrufen,  ba  ib,m  felbft  fein  lörberlid^eS  Seiben  bie  2lnnaf)me  40 
biefer  SBürbe  berfagte.  ^n  ben  babureb,  b/erborgerufenen  Jlämbfen  gingen  alle  brei  unter. 
£er  5iact)foIger  ValerianS,  ©allienuS,  r/ob  fämtlicl)e  cb,riftenfeinblic|e  Verfügungen  feines 
SaterS,  bie  jugleicb,  unter  feinem  tarnen  gegangen  Waren  (Cypr.  Acta  proc.  1,  4; 
Eus.  VII,  11,  8),  fogleicb;  auf  (f.  b.  2t.  Vb  VI  ©.  354f.).  SBictor  ©^ul^e. 

SSaleftuS,  §etnr.  (Henri  de  Valois,  Seigneur  d'Orce),  $iftoriograbb,  beS  Königs,  45 
bebeutenber  franj.  ©elel)rter  beS  17.  ^ab/rlmnbertS,   geb.  gu  ^ariS  10.  ©ebtember  1603, 
geft.  ebenba  7.  9JM  1676.  —  Sitteratur:  Hadrianus  Valesius,  De  vita  Henrici  Valesii 
über,  Par.  1677,  tnteber^olt  1740  in  H.  Valesii  Emendationum  libri  V  (f.  u.);    D.  S3arben= 
ferner,  <PatvoIogie2,  §62,  7.  79,  2.  103,  1;  £>.  gurtet,  Nomenciator  II2,  170—73. 

3"  ber  ©d)ule  ber  ^efuiten  ju  Verbun,  banacb,  Wie  fein  Sruber  jgabrian  ValefiuS  50 
in  beren  „(Slermonter  gollegium"  in  VariS  erlogen,  b/attc  V.  u.  a.  ben  ^etabiuS  (f.  0. 
Sb  XV,  166)  jum  Sebrer  ber  9tb,etorif  unb  trat  mit  biefem  Wie  mit  %al  ©irmonb  (f.  0. 
Sb  XVIII,  396)  in  freunbfd)aftlicf)e  33esieb,ung  (f.  ©tanonif,  ®ion.  5ßetabiuS  ©.  29  u. 
HO);  beiben  bjelt  er  ©ebäcb^tniSreben,  VariS  1651  unb  1653.—  %m  ^ab/re  1622  ging 
~i;.  nacb,  33ourgeS,  um  QuriSbruben^  ju  ftubieren,  lebte  bann  fieben  ^afyre  als  Parlaments*  55 
abbolat  in^JariS,  gab  aber  1630  bie  juriftifcfye  Saufbalm  auf,  um  fieb,  ganj  ben  gelehrten 
©tubien  unb  Wiffenfd)aftlicb,cn  2lrbeiten  ju  Wibmen.  2llS  grucb,t  berfelben  erfcf)icn  ju= 
"äcbft  feine  mit  lateinifd)er  Überfe^ung  unb  !ritifd;en  älnmerfungen  berfebenc,  auS  bem 
cod.  Peirescianus  herausgegebene  editio  prineeps  beS  SucfycS  jtf.(>i  üofTfjs  xal  x<c/.ia; 


422  »ttlcfms  SBaflit 

ber  2tu^üge  aus  gried)ifd)en  £iftoriiera,  toeldje  Äatfer  ßonftantimis  «Porbfyfyrogemtetus 
im  10.  ^abjljunbert  ^atte  anfertigen  [äffen:  Polybii,  Diodori  Siculi,  Nicolai  Da- 
masceni  .  Excerpta  ex  Collectaneis  Constantini  Aug.  Porphyrogenetae, 
$artsl634  (f.  ßrumbadjer,  93^.2itt.=©efc^.2,  258—260;  «ßaul^SBiffotoa  SR®.  IV,  1038). 

5  33erbient  machte  er  ftd)  audj  iura)  feine  fntifcfye  Ausgabe  best  2lmmianus  -äRarceHinus, 
Ißaris  1636,  jtoeite  berbefferte  2htsgabe  bon  feinem  33ruber  £abrtan  33.,  $aris  1681. 
©einer  2lusgabe  blatte  33.  jmei  ©tücfe  unbe!annten  Urfbrungs  hinzugefügt,  beten  erftes 
bie  gelt  bon  293—337,  bas  ahmte  bie  ^afyre  474— 526  umfaßte,  welche  als  Excerpta 
Valesiana  ober  Anonymus  Valesii   nod)    bleute   aßen  ©bitionen   bes  2lmmianus   bei= 

10  gegeben  werben  (f.  3B.  Dfyneforge,  Der  Anonymus  Valesii  de  Constantino,  ®tel  1885, 
unb  SD.  $.  21.  2öefterl)uis,  Origo  Constantini  Imperatoris,  Campis  1906). 

©eine  Sebensaufgabe  aber  mürbe  eine  neue  Mtifd)e  2lusgabe  ber  griednfdjen  ®ird)en= 
fyiftorüer,  mit  ber  er  bon  bem  @rgbifd)of  9Jiontd)aI  bon  £ouloufe  im  tarnen  bes  franjöfif^en 
Klerus  1650   beauftragt  mürbe;    in  brei  23änben    erfcfyienen  Eusebii  Pamphili  eccle- 

15  siastica  historia,  libri  de  vita  Constantini,  Constantini  oratio  ad  Sanctos, 
graece  et  latine  cum  annotationibus  (Par.  1659;  f.  o.  33b  V,  605),  Socratis 
Scholastici  et  Hermiae  Sozomeni  Hist.  eccles.  (1668;  f.  o.  33b  XVIII,  481), 
Theodoreti  et  Evagrii  Hist.  eccles.  item  Excerpta  Philostorgii  et  Theodori 
Leetoris  (1673),  alle  brei  33änbe  bereinigt  2Imfterb.  1695,  neu  berbeffert  r/erausgegeben 

20  bon  3B.  9teabing,  Sambrtbge  1720  u.  ö.  ©er  $önig  blatte  bie  treffliche  2lusgabc  bes 
®ufebius  mit  einer  S^^benfton  bon  1200  Sibres  belohnt;  bie  ^enfion  bom  franjoftfcften 
Merus  betrug  600,  fbäter  800  Stbres.  2In  ber  beabficfytigten  21usgabe  ber  latemifd^en 
^ircfyenr/iftoriler  (©uljncius  ©eberus,  -ftufinus  u.  f.  it>.)  mürbe  33.  burd)  ben  %ob  gefyinbert. 
©eine  lleinen  ©driften,  barunter  mehrere  unebierte,  publizierte  *$.  33urman  jun.  u.  b.  ^itel: 

25  H.  Valesii  Emendationum  libri  V  et  de  critica  libri  II  (angefügt  finb  feine  Ora- 
tiones,  borausgefdjndt  bie  1677  in  $aris  erfcfyienene  Vita  Henrici  Valesii  bon  feinem 
33ruber  §abrian)  Slmft.  1740.  65.  Scmbmnutt. 

SSafla,  Saurentius,  itaüenifdjer  §umanift,  geft.  1457-  —  Sitteratuv: 
Bon  Ballag  (Schriften    finb  ätuei,    jeborf)    nitfjt    noüftänbige,  2lu§gaben   erfcljienen:   Bafel  bei 

30  #.  q5etrt  1540  (1543)  unb  Benebig  1592  fol.  Sine  (Sammlung  fetner  SSvtefe  bat  Balten 
(f.  u.)  in  §luSftd)t  gefteHt.  „Tria  Opuscula"  bat  bevf.  28ien  1869  neu  herausgegeben.  Sälono- 
grapbtftfje  Bearbeitungen  feines  Se6en§  unb  feiner  ©djriften  finb  §al)lreict)  üortjanben:  ältere 
öon  ©rtftof.  «ßoggtalt  («Piaccnsa  1790);  SSilbfdiut  (Setben  1830);  ©laufen  (Kopenhagen  1861). 
Sobann:   SSatjten,  Säur.  SSafla  (SSten  1864;    Berlin  1870);    berf.,   S.  SS.   über  %$oma%  üon 

35  Slquino  (Biertelj.  ©djr.  für  Kultur  sc.  I,  Seidig  1886);  6.  ©.  Bumpt,  Seben  unb  Berbtenfte 
be§  S.  SS.  (©tf)mibt§  fteitfdir.  f.  ©efct).  SSiff.  IV,  ©.397 ff.);  9Konrab,  SDte  erfte  Sontro= 
tierfe  über  b.  apoft.  ©Iauben3befenntni§.  S.  33.  unb  bn§  Sonjil  p^Iorens  (au§  bem  Sänifdjen, 
©otba  1881);  «Ötancmi,  Vita  di  L.  V.  (girenje  1892);  «DJ.  ».  23olff,  fi.  SS.,  fein  Seben  u.  f. 
SSerfe  (Seidig  1893) ;  ©dittmbn,  S.  SS.    gm  Beitrag  *ur  @eftf).  b.  £>umani§mu§  (JD),  Berlin 

40  1896.  —  Bgl.  £irabo§rf)i,  Storia  della  Lett.  ital.  VI,  3;  «Ritter,  ©eftf).  b.  d)r.  «ßfiitof.  V, 
©.243  ff. ;  lleberffleg,  ©runbrifi  III,  11;  grbmann,  ©runbrife  239,  1;  «Reufrf),  Snber.  I  (Bonn 
1882),  ©.227;  Burct£)arbt,  Kultur  ber  «Rettaiffance;  Baftor,  ®efd)icf)te  ber  Bäpfte  Bbll; 
SSoigt,  $.  SSieberbelebung  be«  tlaff.  Siliert.  (Berlin  1859),  ©.  222  ff.  311  ff.  3,  2luft.  (1893), 
I,  ©.460 ff. ;  3anitfd)ef,    ©ef.  ber  «Renaiffance  (Stuttgart  1879),    ©.10 ff.;    üKancint,  Vitadi 

45  L.  V.,  3-irenje  1891.  —  lieber  biejentge  2lu8g.  b.  „Donatio",  meldie  uon  §utten  beforgt 
luurbe,  ogt.  Epist.  Huttenii  ed.  Boecftng  I,  Ind.  bibl.  18;  5ßlitt,  ginlettung  in  bie 
9luguftana  I,  181;  über  BaHa§  Sonflüt  mit  ber  gnquifition  f.  Slmabile,  Inquis.  di  Napoli 
Bbl  (1892),  ©.73  ff.   3m  a%:  ©aäparli,  ©efdtj.  ber  ital.  Sitteratur  II.   Bb  (1888). 

SaurentiuS  33alla    ift   geboren   ju    3tom    1405    (ntdjt    1415,    f.  SJiancini    ©.  4). 

50  ©eine  gamüie  ftammte  au§  ber  SRät)e  bon  ^ßiacenja ;  fein  33ater,  Suca  beßa  93aße, 
roar  Dr.  juris  utr.  unb  ^onfiftorialabbofat  beim  bäbftlid)en  ©tul)Ie.  S^ad)  be§  33ater§ 
frühem  %ob  übernahm  ein  Dfyeim  feine  ®r^ief)ung.  @r  lernte  Satein  unb  @riea)ifd) 
bei  ben  au§gejeid;netften  Se^rern  (Seonarbo  33runt  au§  Slre^o,  Sturiäba)  mürbe  1431 
jum  ^riefter  gemeint  unb  betoarb  fid)  bei  $abft  9JJartin  V    (geft.  1431)   bergeblid)  um 

55  bie  ©teße  eines  abofto!ifd)en  ©efretärs.  ©arauf  gog  er  fid)  auf  einige  geit  nad)  pa= 
cenja  jurüd  unb  bublijierte  b/ier  feine  erfte  ©d)rift,  meldte  1483  inSömen,  1519  unb  1540 
in33afel  unter  bem'Jitel  Devoluptate  ac  deverobono  erfd)ien  (bgl.  ÜDtancini,  ©.46  ff.). 
9cod)  in  bemfelben  ^ab^r  erhielt  er  eine  SeljtfteEe  ber  ©loquenj  an  ber  Uniberfität  $abia, 
fd)rieb  i)kx  feine  bab;nbred)enben  ©diriften  Quaestiones  dialecticae,  De  libero  arbitrio 

60  unb  De  elegantiis  latini  sermonis,  bie  offene  ÄriegSetflärung  be§  §umani§muS  gegen 
bie  boetb^ianifd)e  ©djullogü  mie  gegen  bie  33arbarei  be§  bisherigen  Sateins.  ®iefer  mutige 


?Mln  423 

Singriff  gegen  bic  geheiligte  Srabition  braute  nicfyt  blof;  ^fnlofobfyen  unb  Geologen  in 
älufrubj,  fonbem  aud)  mit  ben  ^urtften  befam  33.  ©treit,  Weil  er  fie  Wegen  tyreS 
fd)lect)ten  SatetnS  berl)ör;nie.  @r  berliefj  bafyer  qSabta  unb  führte  mehrere  3ab>e  lang 
ein  Jöanberleben  in  ÜJtailanb,  ©enua,  glorenj,  trat  1435  ober  1436  in  ben  ©ienft  bcS 
befannten  £umamftenfreunbeg  Sllfonä  V.,  Königs  bon  2lragonien,  begleitete  biefen  auf  5 
feinen  Kricge^ügen,  Würbe  1437  Don  d)m  jum  ©efretär  ernannt,  mit  bem  '35td)terbtplDm 
beehrt  unb  mit  litterarifd)en  arbeiten  beauftragt.  %m  S5ienft  h)ie  unter  bem  ©d)u£  be§ 
McnigS,  ber  bamalS  ju  ben  2InI)ängera  beS  SSaäler  Konnte  unb  ju  ben  ©egnern 
(Jugend  IV  gehörte,  berfafjte  33.  um  biefe  geit  (c.  1440)  baäjemge  SBerf,  an  ba§  fid) 
in  ber  g-olgejeit  am  meiften  für  ib>  3tul)m  unb  glud)  geheftet  f)at,  bie  Declamatio  de  iu 
falso  credita  et  ementita  Constantini  donatione.  2lt<§  bann  2Ufon<o  1442  nact) 
in clirj adrigen  Kämpfen  bas*  ^önigretet)  beiber  ©Milien  gewann,  30g  Äs.  mit  if)in  in9?eabel 
ein,'  mürbe  bon  tlmi  mit  ©unftbejeugungen  überhäuft  unb  Wiber  feine  ©egner  in  ©d)ut$ 
genommen.  9iod)  bor  ber  Publikation  jener  ©cfyrift  nämlid)  Ratten  fid)  bunfle  ©crüd)te 
über  f)äretifdje  2Jnftd)ten  33alla§  Verbreitet;  er  blatte  cä  gewagt,  bie  Uncd)tl)eit  be§  33rief=  10 
Icect/felS  (5 E>rtfti  mit  2Ibgaru2>  (f.  33b  I,  98),  wie  ber  fog.  epistola  Lentuli  ju  beraubten, 
bie  ^bentität  beS  ®iont)fiu§  bon  Stilen  mit  bem  33erfaffer  ber  areobagitifcfyen  ©Triften 
Sil  bezweifeln,  ja  fogar  bie  aboftolifd)e  2lbfaffung  be§  fog.  Symbolum  apostolicum  ju 
leugnen.  ©in  granäigfaner  %xa  Antonio  ba  33itonto  fal)  hierin  einen  Stngriff  auf  ba3 
rtunbament  be<§  ©Iauben§  unb  bonnerte  in  ^rebigten  gegen  ibm.  2Iud)  griffen  bie  ©egner  20 
33.s  ©djrift  De  voluptate  an:  er  i)abe  bie  2el)re  @bifur£  berteibigt,  bie  ^ugenben  für 
blofje  Wienerinnen  ber  Suft  erllärt,  er  lettre  nur  brei  Elemente,  nur  brei  innere  ©inne, 
nur  ad)t  ©b/Hogi3men,  leugne  bie  33erbienftlid)feit  ber  33irginität  unb  be§  möndJHfct/en 
Sebenö  jc.  2Ran  regte  ba§  33olf  gegen  ifm  auf,  beranftaltete  £>i3butationen  gegen  ibm, 
belangte  il)n  bor  bem  erjbifcf)öflicf)en  SBüariat  unb  berlangte  bon  ifym  einen  förmlichen  25 
3£iberruf.  33.  beftreitet  bie  Kombeten^  bes>  ©erid)tes>:  feine  $einbe  feien  zugleid)  feine 
ätnfläger,  3euSm  uno  9ttd)ter;  ftatt  eines*  2öiberruf§  gab  er  nur  bie  I)albironifcr)e  ©r= 
flärung  ab,  er  glaube  Wie  bie  ÜRutter  Kird)e.  2113  man  if>n  Wegen  eines*  bialeftifd)en 
©a^es*  angriff,  erllärte  er:  „bie  -Fiutter  Kird)e  Wiffe  ^War  nict/tg  tnerbon,  aber  bennod) 
glaube  er  aud)  in  biefen  SDingen  ganz  Wie  bie  Kircfye"  3a  er  freute  fiel)  nicfyt,  öffentlich  30 
über  bie  ^"ouifitoren  zu  fbotten,  unb  Wanbte  fid)  mit  einer  Klage  an  ben  König.  SDiefer 
gab  ben  3snquifitoren  feinen  Unwillen  z_u  ernennen,  nannte  fie  falfd)e  2Inlläger  unb  un= 
gerechte  3fttcf)ter.  ®er  ^ro^efe  Würbe  eingeftellt,  ben  9Jcöncfyen  3ftub^e  geboten  (f.  bie  33e= 
richte  i\5  in  feiner  Apol.  ad  Eugenium  Opp.  p.  795;  Antidoton  c.  Poggium  Opp. 
p.  356).  33.3  33ud)  gegen  bie  fonftantinifcfye  ©ctjenlung  Würbe  nun  ,erft  reeb^t  belannt,  35 
feit  fieb,  König  2Xlfong  offen  als  beffen  ^ßroteftor  erflärt  blatte.  3um2trSer  feiner  geinbe 
befcfiäftigte  fic|  33.  je^t  auef)  mit  bem  5Reuen  'Jeftament,  tabelte  bie  Überfet$ung§fef)Ier  ber 
^ulgata,  führte  ein  9tegifter  über  bie  ^rrtümer  be§  fyl  §ieron^muö,  befcb^ulbigte  ben 
bl.  2(uguftin  fe^erifefter  2tnftcf)ten  über  bie  s^3räbeftination  (f.  Poggio  Epp.  im  Spicil. 
Rom.  IX,  642).  Unterbeffen  f;atte  dortig  2tlfon§  mit  S|3abft  ©ttgenlV  feinen  ^rieben  40 
gemacb/t,  Balte  bon  ib^m  bie  33elef)nung  mit  bem  Königreich  beiber  ©ijilien  erhalten  unb 
ber  qßa^pft  War  ben  28.  ©ebtember  1443  Wieber  in  ÜRom  eingebogen.  33.  Wünfcbje  in 
Familienangelegenheiten  nad)  9?om  ju  fommen,  Wanbte  fict)  ba^er  brieflich  nacb^  $Rom  an 
einen  bäbftlicfjen  Kämmerer  SubWig  1444,  fct)rieb  aud;  an  ben  s^3abft  felbft,  entfcb)ulbigte 
feine  ©d)rift,  iebocB  ol)ne  biefelbe  jurüdjune^men,  unb  bat  um  einen  Salvus  conduetus.  45 
@r  reifte  barauf  felbft  nact;  9iom,  aber  bie  ©egner  Waren  noct)  ju  mächtig,  man  regt  ben 
?öbel  gegen  ib^n  auf,  nur  buref)  rafdpe  glucfet  bermag  er  fein  Seben  ju  retten.  @r  foH 
bamal§  in  3_ser!leibung  über  Dftia  nacb^  Barcelona  geflogen  fein;  bon  ba  feb/rte  er  nad; 
^eabel  jurüd  unb  richtete  bon  fyier  auö  eine  3lbologie  an  ben  $abft  (f.  ^Kancini, 
'£•  188  ff.),  ba  aud)  feine  greunbe  ifym  rieten,  bie  Pfaffen  nicb;t  ferner  ju  reiben,  namque  bo 
sacerdotum  furor  est  insanus  et  ingens.  ©0  Würbe  ?JeabeI  jum  zweitenmal  fein 
ilufentfjalt  1445  ff.  2)er  König  nab)m  fid)  aud)  je|t  Wieber  feiner  an,  liefe  fid)  felbft 
toon  if)m  im  Sateinifcb^en  unterrichten  unb  beauftragte  ilm  mit  Überfe^ung  griec^ifc^er 
Tutoren.  2luct)  eröffnete  er  je^t  in  sJleabel  eine  ©cBuIe  ber  Iatctntfc6en  unb  grtec^ifdicn 
Gloquenj,  berfammelte  um  fieb^  gaBIretcbe  ©d;üler  unb  entfaltete  eine  reiche  litterarifdie  bö 
ll)ätig!eit.  3Iber  auet;  £)ier  fehlte  e«  bem  reizbaren  unb  ftreitfüd;tigen  ©ele^rten  nicBt  an 
©egnern;  fo  belam  er  ©treit  mit  bem  ©enuefen  33.  gaciuS,  mit  feinem  frühem  ^reunb 
Antonio  33eccabelli,  genannt  '•ßanormita,  unb  anberen.  ®ie§  berleibete  ibm  jule^t  ben 
Stufcnt&alt  in  3Reabel.  Unb  aB  nad)  (gugenä  IV.  ^ob  ©ebruar  1147)  ber  gelehrte 
•'oumanift  Iboma§  bon  ©arjana    att-  TOfolau^  V   (1417— 1 '155)   ben   bäbftliden  3tul)l  60 


424  Watla 

beftieg,  fo  eröffnete  fid)  für  93.  bie  5Jtöglid)feit,  nad)  3tom  jurücfjule^ren.  211g  er  bem 
£umaniftenbapft  ben  erfien  SEeil  einer  lateinifcfyen  $Iia§überfe|ung  al§  ©bjengefcfyenf  bar= 
braute,  fanb  er  bei  tb,m  freunblicfye  unb  eb,renbolle  2lufnab,me,  1447  unb  1448  eine  2Jn= 
ftcttung  aU  scriptor  apostolicus.  Stfeue  ©rfolge,  aber  aucb,  neue  ^ämbfe  marteten 
5  feiner  in  SRom.  ßuerft  belam  er  ©treit  mit  ©eorg  bon  SErabejunt,  mit  bem  er  feit 
1450  al§  Sebjer  ber  Stfyetorif  lonlurrierte,  bocb,  blieb  für  bieSmal  ber  $ambf  in  ben 
©renken  be§  litterarifct/en  2lnftanb3.  Um  fo  leibenfdjaftlictyer  aber  mürbe  fein  ©treit  mit 
bem  geroanbteften,  aber  aucb,  fnffigften  unb  bogfyafteften  unter  ben  italienifdjen  §umaniften, 
§ranj  ^Boggio  93raccioIini,  ber  fid)  Don  93.  burcb,  angeblid)  bon  if)tn  fyerrüb/renben  3knb= 

10  gloffen  in  feiner  litterarifcfyen  @r/re  gelränft  glaubte.  *ßoggio§  Invectivae  in  Vallam 
unb  93.§  Antidoti  in  Poggium  libri  IV  gehören  befanntlid)  ju  bem  ©röfcften,  toag 
je  bon  litterarifdjer  ^ßolemif  borgefommen,  ba  tnsbefonbere  $oggio  feinen  ©egner  nicfjt 
blof?  al3  ©elefyrten  unb  ©tiltften  angreift,  fonbern  and)  fein  Privatleben  unb  feinen  fitt= 
liefen  @I)arafter  mit  ben   mafjlofefien  Vorwürfen    überhäuft,    ib,n  als  Betrüger,   Sieb, 

15  gä'lfcfyer,  ©äufer,  $ungfrauenberfül)rer,  ^ßäberaften,  inSbefonbere  and)  all  gefährlichen 
Me|er  benunjiert.  Unb  ba3  Söunberbarfte  babei  ift,  baft  n\d)t  bloft  gWei  „§umaniften" 
e§  maren,  bie  ftcb,  alfo  traftierten,  fonbern  bafe  and)  biefe  litterartfcfye  93algeret  unter  ben 
2lugen  be§  $abfte§  borging,  bem  fogar  93.  feine  ©egenfcfjrtft  bebi§ierte  unb  ber  ftd) 
nid)t   bewogen    fanb  bamiber    eingufdjireiten.     @in  93erfbfmung§berfucr)    bei  §umaniften 

20  ${nlelbbu§  blieb  erfolglog;  beibe  ©egner  nahmen  iljren  §a^  mit  m§  ©rab,  ja  ber  überlebenbe 
$oggio  fcfyämte  fid)  nicfyt,  feinen  toten  geinb  nod)  burefy  biffige  ©rabfet/riften  ju  fyöfynen. 
3n  ber  ©unft  be§  ^abfteS  aber  —  9ttfolau§  V.  foWot)!  all  feine§  9cacb>Igerg  (Salijt  III. 
(1455  ff.),  ber  tf>m  bon  9ceabel  J)er  berfönltcf)  befreunbet  mar  —  blatte  fid;  93.  in  feinen 
legten  £eben§jar/ren  immer  mein:  befeftigt,  befonberS  burd)  Überfe^ung  griecfyifdjer  Tutoren, 

25  g.  93.  bei  SEfyucr/bibeS.  $u  bem  2lmt  eine§  Secretarius  apostolicus  berlieb,  ifym  @alir.t 
and)  nod;  eine  SDomljiermftelle  ju  ©t.  ©iobanni  in  Saterano  (©ebt.  1455):  t)ier,  in  ber 
$farrürc|e  be§  $Babfte§,  fanb  er  benn  and)  feine  ©rabftätte,  nad)bem  er  im  51.  £ebens>= 
\ai)x  ben  1.  Stuguft  1457  geftorben  mar  (nict)t  1465,  wie  früher  angenommen  tourbe  f. 
gumbt  a.  a.  £>.  ©.  402  ff.).  —  93.  befaf?  einen   lebhaften  unb   beweglichen  ©eift,   einen 

30  febjagfertigen  3Bi^  unb  gefunben  3Renfcfyenberftanb,  getbanbte  ®arfteöung§gabe,  au§= 
gebreitete  ^enntniffe,  eine  unermüblid)e  2lrbeit§!raft.  $Durd)  feine  erfolgreiche  Se£)rtl^ättg= 
leit,  toie  bureb,  feine  litterarifd;e  grud)tbar!eit  b,at  er  ju  bem  italienifdjien  Rinascimento, 
ju  bem  „SBieberertoacb.en  ber  SBiffenfd^aften",  ^ur  9ZeubeIebung  be§  b^iIoIogifd)en,  bb,ilo= 
fobr)ifd)en,  mittelbar  aud;  be§  t^eologifc^en  ©tubiumS,  jur  2lufbec!ung  jatjlreid^er  Irrtümer 

35  unb  93orurteiIe,  jur  93egrünbung  einer  befferen  Satinität  unb  bor  aCem  ber  fyiftorifcfyen 
^ritif  nid)t  wenig  beigetragen.  £>en  religiöfen  unb  fircfylicfyen  fragen  fteb,t  er  ebenfo 
fremb  gegenüber  tüte  bie  SDler/r^al)!  ber  italienifd)en  §umaniften ;  aber  boeb,  ift  fein  ^nter= 
effe  toeber  ein  blo^  äftb,etifcb,e§  nod)  ein  bloft  antiquarifd)e§  mie  bei  ben  anbeut,  fonbern 
ein  Iritifd^el:  ba§  $\d,  ba§  er  mitten  in  einer  tief  im  Stutoritätlgtauben  fieefenben  Qzit 

40  berfolgt,  mar,  bie  9Siffenfd)aft  Io§jurei|en  bon  ben  geffeln  ^emmenber  ©d)u(trabitionen, 
bon  bem  £)rucf  infaEibler  Autorität.  (Sr  ift  einer  ber  erften  Vertreter  bei  9tecb,t§ 
freier  gorfd)ung  auf  aKen  ©ebieten,  einer  ber  93äter  ber  biblifdjen  unb  b.iftorifdien 
^ritü,  ein  Vorläufer  unb  SBabnbrec^er  moberner  ©eifte§freib,eit,  —  unb  infofern 
immerhin,    mie    93eßarmin    ib,n    nennt,    ein    praecursor    Lutheri.     ©ein    fittlicb,er 

45  9BanbeI  mar  nid)t  smeniger  al§  malelloS,  aber  bod)  meit  nid)t  fo  fd)Iimm  als  ^3oggio 
ib,n  mad;t;  fein  6b, arafter  litt  an  benfelben  ©cb,mäd)en,  mie  bie  meiften  feiner  tmmamftifcfyen 
greunbe  unb  ©egner:  er  mar  eitel,  ftreitfücfytig,  neibifd)  unb  biffig  gegen  feine§gleicb,en, 
fd)meid)Ierifd;  unb  unterwürfig  gegen  bie  ©rofjen,  ein  bielfeitigeS  Talent,  aber  fein  großer 
©^arafter. 

so  ©eine  ©cfjriften  finb  feb,r  ja^Ireid),  unb  Wenngleich  erft  mehrere  ^afyxe  nad)  feinem 
Stob  ba§  erfte  ?ßud)  in  S^om  gebrueft  mürbe,  fo  ift  er  bod)  einer  ber  erften  3tal^n,er/ 
benen  bie  neue  beutfd)e  (Srfinbung  $u  gut  lam:  mehrere  feiner  ©d)riften  b,aben  noeb,  im 
Sauf  be<o  15.  ^a^unbertS  eine  9teib,e  bon  Auflagen  erlebt,  ©o  bor  aßem  fein  bb,iIo= 
Iogifcb,e§  ^aubtmerf  De  elegantiis  latinae  linguae  libri  VI,    bie  feit  1471  in  $ari§, 

55  93enebig,  9lom  unb  fonft  wieberb^olt  gebrueft  Würben ;  man  jäljlt  ^Wölf  2lu§gaben  au$ 
bem  15.  ^afyrfyunbert ;  über  bie  eimcfjemadjenbe  93ebeutung  be§  SBerleg  f.  ^ttibt  ©•  418; 
93oigt  ©.  430.  9Sir  übergeben  bie  übrigen  rein  bt/ilologifcfyen  unb  ^iftorifcb,  en  ©djriften.  33on 
tb,  eologifcb^  er  unb  üreb,  enl)iftorifd) er  93ebeutung  aber  ift  bor  allem  bie  Declamatio  de  falso 
credita  et  ementita  Constantini  donatione,  gefcfyrieben  1440,  fed)^3a^re  nfld)  ber^lud^t  be§ 

eo  ^3abfte*  @ua.en  IV.  au*  9tom  (Quni  1433),  furj  nacb,  bem  SEobe  bei  Skrbinali  93itelle§d;i 


(gcft.  1.  2lbril  1440),  ben  bie©$rift  als  blutbürftigeS  Ungeheuer  bejeic^nct,  qui  gladium 
Petri  in  Christiänorum  sanguine  lassavit,  quo  gladio  et  ipse  periit.  (§terburcb, 
entfd^etben  fid)  bie  berf  ergebenen  Angaben  über  bie  SlbfaffungSgeit.)  ®ie  ©cbjift  ift 
freilief)  mefyr  eine  declamatio,  tote  ber  Verf.  felbft  fie  nennt,  eine  ftarf  oratorifcf)  gehaltene 
politifcfye  Senbenjfcfmft,  als  eine  bjftorifcf)4rittfcl;e  Unterfucljung ;  bte  gelehrte  $orfcbung  5 
ift  nicfyt  $toed,  fonbern  Kambfmittel;  meb,r  als  bte  falfcfye  ©cfyenfungSurtunbe  intereffiert 
il)n  baS  moberne  Sßabfttum  mit  feinen  toeltlicben  Sftacfrtanfbrücfyen,  benen  er  ben  förm= 
liefen  Krieg  anlünbigt.  ^nbem  er  bte  Unecljtfyeit  ber  Urfunbe,  tote  bte  Ungefcbjcbjlicfyfeit, 
ja  Unbenlbarfeit  ber  ©ct/entung  felbft  mit  unerbittlicher  Kritif  ertoeift,  forbert  er  ju= 
gleich,  feine  $eit=  mb  VolfSgenoffen  auf  junt  offenen  Singriff  auf  ben  toeltltcfyen  Vefttj  10 
beS  ^ßa^fteg,  bamit  ber  tomtfe^e  Vifdjof  burcr;  Sßergtd^t  auf  benfelben  toieberum  toerben 
fömte,  toaS  er  fein  fott:  ^actjfolger  ßlirifii  unb  SSater  ber  Kirclje,  vicarius  Christi  non 
Caesaris,  pater  sanetus,  pater  omnium,  pater  ecclesiae.  —  ©ebrudt  tourbe  bie 
Schrift  juerft  s.  1.  et  a.  ©röfjere  Verbreitung  aber  erhielt  fie  erft  im  16.  Qabjfyunbert 
buref)  bie  bon  Ulricb,  bon  §utten  im  $jafyre  1517  beranftaltete,  mit  einer  (tronifcr;en)  15 
isorrebe  an  $abft  Seo  X.  berfefyene  2IuSgabe  (bie  Vorrebe  batiert  aus  ©tecfelberg  bei 
gulba  Dom  1.  ©ejember  1517,  bgl.  ©traujj,  £utten,  2.  2tufl.,  ©.  215ff.;  Hutteni  Opp. 
ed.  Sodtng  I,  18).  „  Über  ben  ^n^alt  bgl.  St  V.  (=  Venratbj  in  ©eljerS  9JconatSbl. 
1866,  ©.  408  ff.  Über  ben  ©inbruef,  ben  btefe  ©cbjift  auf  £utl)er  gemacht  fyat,  als  fie 
ihm  im  gebruar  1520  burd)  einen  greunb  jufam,  bgl.  bie  SluSgabe  feiner  ©cfjrift  „2ln  20 
benäbel"  Don  Venratfy,  £allel883,  ©.Vllf.;  £utfyerS  Urteil  über  V.  bomSÖcärj  1520 
in  ber  Resp.  ad  Lovan.  theol.,  ©21  IV,  189:  cui  nee  Italia  nee  universa  ecclesia 
multis  seculis  similem  habuit  etc.  Über  eine  ©cfjrtft  „2lnti=Valla"  bon  Antonio 
ßoriefe  »gl.  $aftor  a.  a.  D.  ©.  26  (1901). 

©benfo  bebeutenb  aber  toie  btefe  ©tfmft  3S.§  für  bie  fnftorifdje  Kritif,  tourbe  für  25 
bie  ©ef$uf)te  ber  ©r.egefe  feine  Collatio  Novi  Testamenti,  eine  Vergletdmng  ber  9Sul= 
gata  mit  bem  Originaltext  beS  bleuen  'iEeftamentS  unb  Sierfud;  jur  Berichtigung  ber 
latemifcfyen  Überfe^ung  aus  bem  ©runbtejt,  1444  berfafjt,  aber  erft  50$cu;re  fbäter  bon 
©raSmuS  herausgegeben  u.  b.  %.  Annotationes  in  latinam  N.  T.  interpr.  ex  col- 
latione  gr.  exemplarium,  VartS  1505,  fbäter  bon  3tebiuS,  Stmfterbam  1630  unb  in  30 
ben  Critici  sacri  —  „bte  erfte  grucfyt  ber  neuertoacfyten  blnlologifcben  ©tubten  für  bie 
©jegefe"  (f.  barüber  gftancini,  ©.  238ff.). 

gür  bte  ©efdjicb,te  ber  ©tl)tf,  ber  bfyilofobtnfdjien  gunät^ft,  mittelbar  aber  aueb,  für 
bie  t^eolügifcbe,  tft  bon  Vebeutung  V.S  erfte  ©cfyrtft  De  voluptate,  libri  III,  ge= 
fdirieben  1431,  bann  in  ertoeiterter  Umarbeitung  u.  b.  %.  De  vero  bono  1433,  eine  35 
©egenüberfteßung  ber  ftoifcfyen,  ebifuretfeben  unb  d^rtftltc^en  SRoral  naef)  bem  Vorbtlb 
bon  ßiceroS  De  finibus:  bom  trbifefeen  ©tanbbunft  betrachtet  fyä'tte  ©pifur  rect)t;  in 
SBabrbeit  aber  feien  beibe  Slnficfyten,  bte  ftoifclje  *£ugenb=  toie  bie  ebilureifc^e  @enu|Ieb,re, 
gleic^  mangelhaft,  toetl  fie  betbe  ba§  Seben  nacl;  bem  SEobe  bergeffen;  bie  allein  richtige 
ifnficfyi  fei  bie  d^riftliclje,  ba§  $iel  beS  irbifcb,en  £eben§  ber  ©etoinn  ber  etotgen  ©elig=  40 
fett.  —  ©nen  2ln|ang  ober  gortfe^ung  ^ierju  btlbet  ba§  1438—1442  getriebene  ©e-- 
fbräcb  De  libero  arbitrio,  über  ba§  SSerbältntS  ber  menfcblicb^en  2BtltenSfret^ett  jur 
göttlichen  SlHtoiffenbeit,  gerietet  gegen  ba§  fünfte  Suc^  bon  23oetbiu§  De  consol.  phil., 
gebrueft  1482,  toieberb,olt  herausgegeben,  bon  3.  Fabian,  Safel  1518 ;  biefe  ©djirift  ift 
ef ,  auf  toelcb,e  £utb,er  in  feinem  ©treit  mit  ©raSmuS  fieb  beruft  unb  auf  toelcfie  feine  45 
2lu|erung  in  ben  SLifdjreben  fieb  be^ie^t:  „isalla  ift  ber  befte  Söal,  de  libero  arbitrio 
bene  disputat" ;  biefelbe ©cb^rift  ift  eS  aber  aucl;,  bie  3)telancb, tb^on  in  ben  fbäteren  2luS= 
gaben  ber  loci  beftreitet  als  eine  Stoica  opinio. 

Von  toeiteren  ©Triften  V.S,  bie  ein  tbeologifdjeS  ^ntereffe  bieten,  toären  noeb   ju 
ertoäbnen   ein    Sermo   de  mysterio   eucharistiae,    eine   Sobrebe   auf    ^bomaS   bon  bo 
2lquino    unb    ber    bon    Valien     ebierte    Dialogus    de    professione    religiosorum 
(Sßien  1869);  bgl.  baju  Vaftor  a.  a.  D.  ©.  21  (1901). 

2)er  neuefte  Viograbb,  9)tancmi,  giebt  baS  folgenbe  jufammenfaffenbe  Urteil  über 
i(alla :  ©in  Unbeil  für  ifm  toar  eS,  bafe  er  mit  5ßoggio  ^ufammenftiefe,  ber  ibn  nun  obne 
SHube  unb  9taft  über  ben  Xoh  binauS  berfolgtc.  ©0  batte  er  beffen  3lnbänger  neben  55 
allen,  toelct;e  im  ©inne  ber  Kurie  febrieben,  gegen  fiel)  —  toaS  b,alf  eS,  bafj  er  cbrift= 
liebe  ©runbfätje  berfoebt  unb  ber  SBabrbeit  biente?  @r  als  Vater  ber  mobernen  .Uritif  bat 
beren  bornenbolleS  2lmt  geführt  triebt  um  eS  perfönlicbcrt  ^ntereffen  bienftbar  ju  macbert, 
fonbern  um  bie  SRenfcbbeU  fyofyvc  ju  bringen.  ®abei  bat  cr  freilieb  in  ber  eigenen 
Vertetbigung  niebt   immer   baS  reebte  sJJia^    etngebalten,   ijat  in   bcleibigenber  Steife  gc=  bo 


426  Katia  «ottbalen 

antwortet,  Wo  er  bie  ©egner  burd)  bie  jtcingenbc  Uraft  unb  ©diärfe  ber  Scroeisfübrung 
bättc  jum  ©ebroeigen  bringen  !önnen.  ©o  bat  er,  eine  glänjenbe  SSertorberung  italienifcben 
©etfte«;,  ju  feiner  3^it  bie  ib/m  gebü!)renbe  2lnerfennung  niebt  gefunben  —  aber  je£t 
nad)  bier  ^a^rbunberten  räumt  man  ibm  mit  9recbt  eine  ©teile  ein  unter  ben  ©rofjen, 
5  beren  Setzungen  in  reifem  9)caf$e  bie  menfd)lid)e  Kultur  geförbert  f)aben. 

äSagcnmattn  f  (SBenratlj). 

«aüomkofo,  Drticn  Don  f.  b.  21.  ©ualbert  Sb  VII  ©.  221. 

SSanbalen,  gumal  ibre  ^ircfrenbolitil.  —  £aie(fen  unb  neuereßitteratur. 

I.  Victoris  .       Vitensis  historia  persecutionis  Africanae  provinciae,  rec.  C.  Halm,  Berolini 
io  1878  in  MG,  auet.  ant.  III,  1.,  rec.  M.  Petschenig  (1881)  im  SBiener  Corpus  VII  (jniet  öor= 

treff  liebe  9lu3gaben  biefer  £auptqueUe  ber  ©efd)id)te  @eiferid)3  u.  |juneridi§);  Procopius,  debello 
Vandalico,  jumal  I  c.  1 — 9  incl.,  ed.  Jac.  Haury,  Procopii  opp.  I,  Lipsiae  1905,  ©.  307 ff.;  bie 
roenigfteng  njatjrfcr)einüct)  bonVict.Vit.berrübrenbe  „Passio  ...  martyrum,quiapud  Carthaginem 
passi    sunt     sub     rege    Hunirico    VI    Nonas",    ed.    Halm,    ©.   59 — 62 ;    ed.    Petschenig, 

15  ©.108—114  (fjinter  iljren  9lu§gaben  be§  SSttenfer§) ;  vita  s.  Fulgentii  Ruspensis,  ed  MPL, 
vol.  65,  ©.  117 — 150;  Prosperi  Tironis  epitoma  chronica,  ed.  Th.  Mommsen,  MG.  auet. 
ant  IX,  Hydatii  (ntdjt  Idatii !)  continuatio  chronicorum  Hieronymianorum  ed.  Th.  Mommsen, 
MG.  auet.  ant.  XI,  pars  I,  ^riScug  unb  $Dtalcbu§,  5Sonner  Corpus  hist.  Byz. ;  Suidas, 
Lexicon  s.  y.  xmqICw  es  Candidi  Hist.,  33ormer  Corpus  p.  477;   bie  „Notitia  provinciarum 

20  et  civitatum  Africae,  ed.  Halm,  @.  63 — 71;  ed.  Petschenig,  ©.  115 — 134  (fjtnter  ttjren  9tu§= 
qaben  beS  Vict.  Vit.);  Victor  Tonnennensis,  chron.,  ed.  Th.  Mommsen,  MG,  auet.  ant.  XI 
(1893),  ©.  184  ff.,  bie  Elften  ber  Saterantynobe  Com  13.  SKärj  487  bei  Mansi  VII,  ©.1171 
unb  ^efele,  Ecmc.=@efd).  II2,  ©.  614—616.  ®ie  Sßünjen  ber  SSanbalen,  plumpe  9cad)= 
abmungen  be§  br^antimfcrien  STijpuS,  in  bem  gleichnamigen  SSüdjIem  »on  Quliu§  grieblo'nber, 

25  Seipjig  1849,  68  ©.  nebft  jroet  itupfertafeln  (@üd)e§  banon  bei  Saljn,  ttrgefd).  I2)  —  biet" 
uürb  auf  ber  ©runblage  Uon  7  ©itber=  unb  18  Kupfermünzen  ber  tgl.  Sammlung  bon  SSerlin 
bie  SRumiSmatif  ber  norbafrtfanifeben  Könige,  abgefeben  non  ©eifertet),  uon  bem  ftdj  ed)te 
©tücfe  nid)t  naebtneifen  laffen,  befebrieben  —  bieten  mit  bieHeicbt  einer  einzigen  im  9lrt  fefbft 
ju  berüdfiebttgenben  9lu§nabme  teinerlei  biftorijcbe  bejtt).  tircbengefcbicbtlicbe  ausbeute. 

30  II.  3%  <J5apencorbt,  ©eferj.  ber  nanbat.  £errfd]aft  in  9lfrifa,  Berlin  1837;  gelir.  ®arjn, 
Könige  I,  2.  9lbteil.,  ©.  146 — 265  unb  ©erman.=ruman.  llrge[d)id)te  I2,  93erlin  1899,  jumal 
©.147—222;  9t.  Ebert,  G6rifr.=lat.  Sitteratur  I2,  ©.  455 ff.  unb  fonft;  Seuffel=©cbttmbe, 
©efd).  ber  röm.  Sitt.  II5,  ©.1176.  1206  f.  1238.  1254 f.;  585.  ^öfefd),  Sßtetor  üon  Sita,  Söbeln 
1887;   «Stabler  b.  SMfferSgrün,  ®ie  Sanbalen    .    406—77,  @b;mn.=$rogr.,  SSojen  1883/84; 

35  91-  ©cbmavse,  .  .  äußere  ßntoictlung  ber  afrif.  Äirdje,  ©öttingen  1892,  jttmal  ©.  153—183; 
3.  gerrere,  De  Victoris  Vitensis  libro  etc.  [Thesis  Tolosana!],  «ßetriä  1898,  191©.;  9Ub. 
©djönfelber,    De  Victore  Vitensi     [SSreöIauer    ®iffert.    1899]  51  @.    (imfritifd),    lueil 

fircblid)  befangen!);  o.  $ffugf=£mrttung,  SelifarS  SSanbalenfrteg,  £>8,  61.  93b,  ^abrg.  1889, 
©.  69—96;  Subioig  ©cbmibt,  ©efeb-  ber  SBanbalen,  Seipjiq  1901,  203  ©.;    ©erb-  giefer,   Qur 

40  SSürbtgung  ber  Vita  Fulgentii,  SBrieger§  Bf©  XXI  =  1901,  ©.9-42;  585.  ff  rafft  [geft.],  9lrt. 
SSanbalen  in  btefer  $3t©2;  ben  bemnädift  ebenba,  3.  9t.  erfdjeinenben  9(rt.  Vict.  Vit. ;  entlief) 
bie  Vandalica  öon  granj  ©örre§.  I.  9lbbanblungen:  1.  9lrt.  Ebriftenüerfolgungen,  g-.  X. 
«rauäfebe  9t@.  I,  ©.  215—288,  jumal  258—282 ;  2.  tird)e  unb  Staat  im  SSanbalenretd) 
420—534,  ®3®2S  X=  1893,  ©.  14—70;   3.  gur  ff  ©  beä  58anbalenreid)ee,  Qn)2b  XXXVI, 

45  ©•  494-511;  4.  ®er  ed)te  u.  b.  falfd)e  SStctor  üon  Cartenna,  ßm^b  IL  =  1906,  ©.484—494; 

II.  9lnäeiqen:l.  non  ©cbönfelber,  3roS:bXLII  =  1899,  ©.635—639;  2.  üon  ®abn,  Urgefd). 
I2,  BroSb  XLIII,  ©.112—148;  3.  öon  gerrere,  XLIII,  ©.308—313;  4.  uon  2ubro.©d)mibt, 
©g9l  1902,  9er.  10,  ©.  816—826. 

3)ie  3Sanbalen  (eigentlid)  3Banbalen)  finb  nad)  ber  berübmten  ©teile  ^rofopg  (De 
so  bello  Vand.  1, 2)  Dftgermanen  ober  bielmebr  ©oten  im  roeiteren  ©inne.  Qn  i^rer  ÜDr' 
gefd)icbtlid)en  meift  nod)  roobanifc^en  $t\t  (bt§  etroa  370)  bel^errfd)en  fie  bag  ^ntereffe 
burd)  bie  felbft  in  ben  Slagen  ber  großen  93blferrr>anberung  merftoürbigen  aulgebebnten 
©iebelungen  Don  s3iorboften  nad)  ©üben  unb  bann  nad)  bem  äufjerften  ©übtoeften  ber 
römifd)en  Sffielt.  SBeld)  eine  Überböllerung,  roelcben  Raummangel,  meld;  eine  £eute=  unb 
55  .£>uttger3not  berraten  un^  biefe  raftlofen  Äreu§=  unb  Querjüge !  ©päier  (im  5.  unb 
6.  3»ar)v^-)  bilbet  bann  baä  SSanbalenreicb^  einen  ber  römifd)=germanifcb,  en  5RitteImeer=©taaten, 
auf  ben  %$.  3Jfommfen§  2tu§brud  bom  Sabintoellen  ber  Slüten  ebne  grücbte  gan^  be= 
fonber§  toafjt. 

©er  ältere  ^piiniu§  unb  XacituS  mad)en  unö  mit  ben  nörblid)ftcn  ©i|en  be§  SSoIEeö 

so  jtoifcf/en  @Ibe  unb  SBeicbfel  belannt.  ^ur  ßeit  be§  großen  ^arfomannenfriegeS  (166  bi§ 

181)   finb   fie   nad)  Saffiug  ®io   bereits  im   beutigen  ©d)lefien   angefiebelt.    ^aum  ein 

^abrbunbert  f bäter   mufe  Slatfer  31urelianu§  um  271  (nad)  ®erjbbu3)  fcb,on  bie  mittlere 


»tttibolctt  427 

£cnau  bor  ben  norbifcf/cn  (Sinbringlingen  fd^ü^cn.  Um  330  bon  tEjrcrt  itorbifd)en  s)iacb= 
barn  fyart  bebrängt,  erhalten  fie  bort  Äonftanttn  bem  ©rojjen  fd)üt$enbe  2tufnal)me  auf  beut 
regten  SDonauufer  in  ^annonien,  muffen  aber  bie  römifd)e  Dberr/of)eit  anerfennen  unb 
ein  9teiterfontingent  fteÜen.  Um  407  berlaffen  Üsanbalen,  Sllanen,  ein  mit  erftern  eng 
berbünbeteS  nod?  immer  rätfelfyafteS,  nad)  2luSwetS  ber  tarnen  fidler  nicfytgermanifcfyeS  b 
Solf,  baS  urfbrüngltcf/  an  ben  2lbl)ängctt  beS  $aufafuS  anfäffig  mar,  unb  ein  fuebifcfyer 
Stamm  biefe  §eimat  unb  fuef/en  nad)  furchtbarer  i<erb/eerung  ©aHienS  neue  28olmfti$e 
in  ©banien.  §ier  fiebeln  fid)  bie  Sanbalen  an,  juerft  (409—423)  borjugSroeife  im 
Sorben,  in  ©alläcien,  bann  (423—429)  im  ©üben,  in33ätica,  bem  heutigen  2tnbalufien. 
2)aS  bisher  roobanifdje  ^oll  erhielt  fein  arianifd)eS  ßlmftentum  burd)  Äaifer  Valens  i« 
(364— 378),  ber  ja  aud)  ben  Surgunbem,  foroie  ben  2ßeft=  unb  Dftgoten  (im  engeren 
Sinne)  feine  £ärefie  übermittelt  I)at  (bgl.  ©afyn,  Urgefdricfyte  I2,  ©.  208).  @S  gab  aber 
aud)  bereinjelte  ortr/obor.e  Sanbalen,  unb  mit  Stecht  tritt  Subroig  ©d)mtbt  (Söanbalen 
a.  a.  £>.  ©.  20  2tnm.  5)  ber  unbegrünbeten  Meinung  ©tablerS  bon  SöolfferSgrün  (a.  a.  D. 
Sojen  1 884),  ©ttlidm  fei  §eibe  geroefen,  entgegen.  $Der  mächtige  SRinifter  beS  ÄaiferS  15 
MonoriuS  (395—408),  toenngleitf)  banbalifdjer  Slbrunft,  mar  roeber  £>eibe  nod)  2trianer, 
fonbern  Äatfjolif.  ©inem  2öobaniftcn,  nimmt  ©d)tn.  richtig  an,  mürbe  ber  grofje  Xb,eo= 
bofiuS  roor/l  laum  feine  3^tc£)te  (©erena)  bermäb/lt  fyaben.  %<fy  füge  fyin^u:  ber  fromme 
2)id)ter  ^rubentiuS  fagt  bon  ©ttlicfyo  unb  £>onoriuS  im  ©egenfatj  jum  3trianer  2tlarid?: 
„Deus  Christus  utrique  "  (c.  Symmachum  oratio,  opp.,  Parmae  1788,  II,  20 
v.  695— 744  incl.  [p.  196—198];  v  708 ff.;  v.  742— 744,  ibid.  ©.  198),  ftellt  alfo 
bie  föonfeffton  SBeiber  bblltg  gleid). 

Über  bie  religiöfen  Anfänge  ©eiferidiS  jutreffenb  2.  ©cfymibt  a.  a.  D.  ©.  31 :  „©afj 
er  urfbrüngltd)  ^atb,olif  geroefen  unb  nun  [428]  gum  arianifd)en  ©lauben  übergetreten 
fei,  ift,  roie  ber  einjige  ©eroäfyrSmann,  §r/batiuS,  felbft  borfid;ttg  bemerlt,  nid)t  fidler  25 
bejeugt  (a.  a.  D.  c.  89 :  ut  aliquorum  relatio  habuit) ;  aud)  an  fiel)  aber  fcfyeint  biefe 
biefleidjt  erft  aus  fbäter  geü  ftammenbe,  tr>oI)l  nur  auf  böswilliger  ©rfinbung  berul)enbe 
^erfion  mentg  glaublich" 

429  lanbete  ©eiferieb,  ($önig  feit  427)  mit  nur  etma  80  000  ^erfonen,  barunter  50000 
Kriegern,  an  ber  norbafrifanifcr)en  ^üfte ;    ob  bom  9JliIitärftattI)alter  33onifatiuS  infolge  30 
ber  angeblichen  Siänle  beS  2IetiuS  eingelaben,   ober  ntcb,t,   ift  ftreitig.    ©aS  33anbalen= 
reief;  batiert  eigentlich  erft  feit  bem  19.  Dftober  439 ;  benn  aisbann  überfiel  ©eifertet;  mitten 
im  ^rieben  iti  erfidjtlicfyer  33erf>ör/nung  beS  Vertrages  bon  Hippo  regius  (in  -Jcumibten) 
bom  11.  gebruar  435  $artI)ago,  blünberte  biefe  2RetroboIe  grünblid}  au§  unb  erb,  ob  fie 
ju  feiner  9tefiben^.    ^m  ^uni  455  machte  ber  TOeerfönig  —  feit  440  bi§  faft  475  ftad)  35 
er  nämlict)  faft  aßjä^rlicb,    mit   feiner  au<§  überaus  gar)lreic^en  ^reujern  befteb^enben  ge= 
fürchteten  glotte  in  ©ee  unb  berljeerte  bie  lüften  beiber  ^aiferreid;e  —  aud)  ber  alten 
Königin  ber  2öelt  einen  r/öd)ft  unmittfommenen  33efud)  unb  blünberte  fie  14  ^£age  lang 
aus.    ©eitbem  erfdjeint  ber  9te<fe  all  ©ebieter  bon  ganj  ^orbafrila,  bon  Mauretanien 
bil  jur  ^ttrenaüa,   fomie  ber  ^nfeln  Äorfifa  unb  ©arbtnien,   eine§  Teiles  bon  ©ijilien,  40 
enbltdt)  ber  33alearen  unb  ^itttyufen.    SDie  bekannte  Überlieferung,  toonad)  ©eiferid)  bon 
ber  ^aifertn  @uboria  jur  9tomfal)rt   eingelaben  roorben   fei,   um  fie  bon  ber  berfyafjten 
ef>elidt)en  SSerbinbung   mit  bem  ^aifer  ^etroniuel  3Rarjmu§,  bem  3J?örber  il)reä  ©emafylS 
Salentinian  III.,  ju  befreien,  bejeiefmet  ®alm  „als  nidjt  au§reicb,enb  berbürgt",  2.  ©cb^mibt, 
jutreffenber    als    „eine  gabel"      %la<fy    einer   meitberbreiteten  2lnnal)me    embfing  ^abft  45 
Seo  I.  ber  ©ro^e  am  2.  ^uni  455    ben   barbarifd)en  ©ieger  unb  bewog  tlt)n  buref)  feine 
Sitten,  roenigftenS  bon  3Jlorb  unb  Sranb  a6gufet)en  unb  fid)  mit  blofjer  ?piünberung  ju 
begnügen.    ®iefe  Überlieferung  ift  inbeS  tro^  tbrer  fdjeinbav  fo  autfcentifdpen  Sejeugung 
bureb,  ben  6b,roniften  ^5rofber  %\xo  leineSmegS  unantaftbar :  „£mben  roir  aud)  leinen  ©runb, 
meint  2.  ©d)tnibt,  bie  ©efanbtfcfyaft  beS  ^abfteS  ju  leugnen,  fo  ftortdjt  bod;  manches  ba=  50 
gegen,  bafe  beffen  ©influfj  es  beijumeffen  getoefen,  bafe  9tom  bon  größeren  ©reuein  ber= 
fdjont  blieb,    ^n  ber  ^ßrebigt  roenigftenS,  bie  Seo  am  6.  iyuli  nadj  öffentlicher,  anläßlid; 
beS  SlbjugeS  ber  33anbalen  abgehaltener  ®an!feier  gehalten  b,at,  ift  nichts  babon  gejagt. 
£ie  ^anbalen  trachteten,   roie   bie  ©oten  3llaricb,S,   in  ber  §aubtfac[)c   nur  naef)  5vriegS= 
beute;  bie  ^erftörung  ^on  Käufern  unb  ^enlmälcrn  mären  bafyer  meift  ^mecfloS  geroefen ;  55 
baju  fam  als  roicljtigeS  3)coment   bie  @b,rfurd)t  bor  ber  ©röfjc  unb  ,g>eiligfeit  3tomS,  bie 
allen  ©ermanenfürften  eigen  mar." 

2)aS  afrifanifd)e  35anbalcnreidj  bei  feiner  beifbiellofen  ^foIiertb;cit  im  äufeerften  dübelt 
ber  antifen  SBelt  franlte  am  meiften  bon  allen  cjermantfd)=artanifdjen  Wittelmeerftaatcn  an 
bem  bobbeltcn  inneren  ©egenfa|,  bem  nationalen  unb  jumal  bem  religiöfen;  benn  nirgenbs  b<< 


428  SSanboIc« 

Waren  bie  93egieE>ungen  jur  romanifcben  Vebölferung  fo  fd^roff.  ©eiferieb  ftteß  in  fetner 
neuen  §eimat  auf  ^Wei  borberrfcbenbe  ©tänbe,  ben  geiftlicben  2lbel,  bte  S3tfd|>öfe,  unb  ben 
Weltltcben,  bte  £atifunbien=Vefii5er,  bte  fog.  possessores.  Veibe  Würben  als  |)aubtftü|e 
beS  fatbolifcben  ^mberiumS  Don  ben  Vanbalen  fr/ftematifcb  unterbotet!,  erftere  mit  3lb= 
5  fe|ung,  Verbannung,  ja  fogar  gutüetlert  mit  bem  %obe  beftraft,  le^tere  gelungen,  auf  ifyren 
©runbbefitj  ganj  ober  boeb  großenteils  ju  ©unften  ber  ©ieger  ju  beliebten.  £)aS  Waren 
bie  sortes  Vandalorum,  bie  banbalifcben  ©iebelungen,  auS  ©eblaubeit  mit  fHücfftd^t 
auf  bie  geringe  ^obfeabl  ber  (Sinbringlinge  jumeift  auf  bie  Vrofonfularbrobing  mit  ber 
.gaufetftabt  ^artfyago  Befdjrärtlt.    Söenn  nun  ©eiferieb  als  ©fymbol  loyaler  Unterwerfung 

10  unter  baS  Varbarenjocb  bie  arianifebe  SSiebertaufe  !E>etfd^te  unb  überjeugungSfefte  $atbo= 
Wen  maßregelte,  fo  Ijanbelt  eS  fiel)  ba  Weniger  um  religiöfe  als  um  bolitifcbe  Verfol= 
gungen.  Übrigens  fronte  er  feine  ortfyoborm  Untertanen,  Wenn  er  ju  beiben  $aifer= 
ftaaten  bejro.  naeb,  Untergang  beS  Weftrömifcben  SfaicbeS  $u  Vr^an^  allein  in  befferen 
Regierungen  ftanb,  fo  454—457   auf   bie  gürbitte   beS  ^aiferS  Valentinian  III.  —  ba= 

15  malS  geftattete  er  ber  biete  $abre  lang  berWaiften  bßubtftäbtifcben  ^atbolifengemeinbe 
fogar  bie  2öafyt  beS  ©eogratiaS  jutn  Vtfcbof  (24.  Oft.  454)  —  (bgl.  Vict.  Vit.  I,  c.  8  bejto. 
I,  c.  24  mit  App.  ad  Prosp.  Tir.  Chron.  unb  ber  vita  s.  Fulgentii  Ruspensis 
c.  I,  9fa.  4,  ed.  MPL,  vol.  65,  ©.  119),  fo  475  bejto.  476— 477  in  3ufammenb,ang  mit 
bem  mit  ^aifer  $eno  abgefcbloffenen  fog.  ewigen  grtebenSbertrag,  ber  bis  jur  ®ataftrobbe 

20  bon  533/34  bie  ©runblage  beS Verbältniff eS  ber  Vanbalen  juDftrom  bilbete,  ob,ne  inbeS 
btefeSmal  aueb  in  bie  Söafyl  eines  t)autotftäbtifcb^en  Dbetfnrten  %a  willigen  (bgl.  Vict.  Vit. 
I,  c.  17  bejW.  I,  c.  51,  Excerpta  ex  Malchihist.  c.  3,  ed.  Bonn.,  ©.  260f.,  VriScuS, 
p.  216  ff.,  e.  7,  Grocott,  a.  a.  D.  I,  c.  4.  7).  S^enfaUS  in  einer  biefer  beiben  griebenS= 
perioben,  Wabrfcbeinlicb  in  ber  früheren,  ließ  ber  Vifcbof  Victor  b.  ßartenna  (in  ber  Maure- 

25  tania  Caesariensis)  naeb  ©ennabiuS,  De  vir.  ill.  c.  77  ed.  Vernouttt  bem  SReerfönig  eine 
(letber  berloren  gegangene)  gefyamifcfyte  Sßiberlegung  beS  StrianiSmuS  überreifen,  obne 
im  minbeften  besfalb  beläftigt  §u  Werben!  476  überließ  ber  ®öntg  fobann  in  einem 
Vertrage  bem  tbatfäcfylicfyen  S9e^errfd)er  Italiens,  Dbobafar,  ben  größten  Steil  ©ijilienS 
gegen  einen  Qab^reSjinS  (f.  Vict.  Vit.  I,  c.  4  bq\ü.  I,  c.  14),   unb  fo    ftarb  ber  geWa(= 

30  tige  ©ermanenfürft  bocfybetagt  am  25.  Januar  477,  berföbnt  mit  allen  ©egnern,  bie  er 
Wä^renb  feiner  langen  fturmbeWegten  £aufbal)n  fo  bitter  befämbft  fyatte,  im  ^rieben  mit 
beiben  ^aiferreieben,  Wie  mit  ben  ®atb>Itfen  (f.  Vict.  Vit.  I,  c.  17  he$m.  51;  II,  c.  1). 
Vacfenb  ift  bie  (Sbarafteriftif  unb  ber  Vergleich  mit  Xf>eoboric^  b.  ©r.  bei  SDabjt  (Urgefcf;. 
I2,  ©.  159).  „©eiferieb  ift  eine  ber  geWaltigften  ©eftalten  ber  VöIferWanberung  .    .  35em 

35  großen  ^^eoboridE)  ftefyt  ber  Vanbale  gegenüber  Wie  bem  mtlben  Sag  bie  blutige  9?acr)t 
SBenn  fein  (©eifericbS)  gefürcbteteS  Siaubfctnff  in  ©ee  ftidjt,   bejeiebnet  er  bem  fragenben 
©teuermann  fein  bestimmtes  ßiel,  fonbern  läßt  fieb  bon  Söinb  unb  Söetlen  gegen  folcfye 
SJlenfd^en  tragen,  benen  ©ott  jürnet  (bgl.  5Procob.  a.  a.  D.  I,  c.  5)  —  ein  e$t  fagenbafter 
^ug,  ber  bie  2luffaffung  ber  3«it  ^ier  Wieberfbiegelt ;  Wie  fein  fd)rectlicber  VunbeSgenoffe, 

40  ber  ^unne  2lttila,  auf  bem  geftlanbe,  fo  Warb  ber  banbalifebe  ©eelönig  ein  ©Freden 
ber  Völler,  eine  ©eißel  für  bie  SfReere."  §'erSu  bemerft  2.  ©d)mibt  a.  a.  D.  ©.  70 
2lnm.  2  nid^t  un^utreffenb :  „®ie  3lne!bote  mag  richtig  fein,  bat  aber  jebenfatls  ibren 
©runb  barin,  baß  ©eiferieb  baS  $iel  feiner  (Sjtoebition  forgfältig  gebeim  bitft-"  ^en 
Qfyaxaita  beS  großen  Vanbalen  fa^ilbert  Victor  bon  Vita  mit  VeWußtfein  als  ben  eines 

45  Unmenfcben,  ber  mit  ber  Varität  eines  St^annen  gegen  feine  romanifeben  unb  germanifd^en 
Untertbanen  mit  gleicher  ©raufamleit  Wütet!  2lber  bie  ^oc)e  ftaatSmännifd^e  Vebeutung 
beS  3Jteer!önigS,  abgefeiert  bon  feinen  SxeligionSberfoIgungen,  bie  man  mit  ©afm  (Könige 
I,  ©.  244  f.)  als  fitttid;  unb  bolitifcb  gleirf)  berWerflicb  anjufeben  fyat,  ift  bureb  S0^0"^ 
unb  bie  Wacferen  Vtijantiner  ?|3riScuS,  9)iaIcbuS  unb  VrocobiuS  unb  fogar  bureb  gelegent= 

50  liebe  ^ugeftänbniffe  beSVitenferS  felber  (j.  V.  I,  c.  4.  8.  17  h^W.  I,  c.  13.  14.  24.  51), 
bezeugt.  3tber  aueb  fittlicbe  Vorzüge  beS  VanbalenfönigS  laffen  fieb  quellenmäßig  belegen. 
SDaß  er  bie  altgermantfebe  Vorliebe  für  bie  Xugenb  ber  Äeufcbbeit  in  feiner  Sßeife  ber= 
leugnet,  beWeift  baS  begeifterte  £ob  beS  „^eremiaS"  jenes  3«talterS,  ©albianuS,  Wo  eS 
(De  gubern.    Dei  1.  VII,    c.  20-22,    §  84—100,    ed.    §alm,   MG-2luSgabe  auet. 

55  ant.  I,  1  [1877],  p.  99—102)  u.  a.  beißt:  „Vei  ben  ©oten  finb  nur  bie  Körner  un= 
feufcb,  bei  ben  Vanbalen  niebt  einmal  bie  Körner!"  SlnberfeitS  fyanbdt  eS  fieb  Iebig= 
lieb  um  eine  römifebe  Verleumbung,  Wenn  ©ibon.  2lbollin.  (Carm.,  Panegyricus  V, 
y.  327  ff.,  ed.  Suetpbann  [MG-2luSgabe],  ©.  195 f.)  febon  gu  458  bon  ©eiferieb  be= 
riebtet,  baß  er  träge  unb  forbulent  geworben  fei,  bureb  Vublerinnen  ju  ©runbe  gerichtet. 

so  ©enn  erftenS  Wtberfbricbt  bem  angeblichen  9JlaraSmuS  beS  Vanbalen  ber  gefcbicbtlicbe  3U= 


aSnnbalen  429 

fammcnfyang:  Sftocr)  467  entfallet  ber  „fd)toerfällig  geworbene"  Monarcb,  eine  ungetoöbn= 
Itdje,  an  einen  nocb,  jugenblicfyen  sJMen  gemafynenbc  ^atfraft  (f.  ^rocob.  a.  a.  D.  I, 
c.  6),  unb  minbeftenS  big  474  leitet  er  mit  alter  Äraft  alle  SWbjüge  berfönltd).  ©o= 
bann  rüfirt  btefe  Sefcfyulbigung  bon  einen  2Iutor  I)er,  ber  nacb,  2luStoeiS  feines  S3rtef= 
toecf>felS  einen  gerabeju  fanattfcf)en  £aß  gegen  alles  ©ermanentum  förmlich  gucktet.  ®afj  5 
ferner  ©eifericb,  toafyre  iugenb  aucb,  an  Stomanen  ju  fd)ät$en  toußte,  erhellt  auS  ber 
großen  StuSjeicr/nung  unb  2ld)tung,  mit  ber  er  ben  I)odj>I?ergigen  grtebenSbermittler  bei 
jlaiferS  $eno,  Dm  Sßatrhier  ©eberuS,  beljianbelt,  einen  toafyrl)aften  ©fjrenmann,  ber  eS 
fogar  berfdwtäfyt,  bom  Mönig  bie  ben  ©efanbten  nad)  bamaliger  ©itte  jufommenben 
©efd)enfe  anjune^men  unb  als  einzige  ©unft  ftd)  bie  unentgeltliche  greilaffung  ber  ®riegS=  10 
gefangenen  abbittet  unb  aud)  erhält,  ©iefer  toacfere  ©bigone  beS  9>iömertumS  ift  biS= 
t)tx  leiber  nur  burd)  9Md)uS,  Hist.,  ©.  260  f.,  c.  3  bezeugt.  (Snbltd)  erinnert  Subto. 
©cfymibt  a.  a.  D.  ©.  100  mit  gug  an  „bie  ©efinnung,  bie  er  [©eif.]  [laut  bem  SSitenfer] 
gegen  feine  ©efolgSgenoffen  an  ben  *£ag  legte,  inbem  er  biefelben  auf  bem  Totenbette  feinem 
^ac&folger  embfafjl"  15 

§unericr),  bei  großen  ©eiferid)  unfähiger  untoürbiger  ©ofjm  (reg.  bom  25.  Januar 
477  bi§  ©ejember  484),  ber  arianifcfye  „'ÜEorquemaba",  fronte  anfangs  aus  $urc£)t 
bor  S^anj  bie  ^ailjoliien,  genehmigte  (481)  fogar  bie  Söafyl  beS  ©ugeniuS  jum  33ifd)of 
Don  Itartfyago,  »erfolgte  fie  aber  feit  482,  nod)  mel)r  in  ben  ^jafjren  483  unb  484  auf 
unerhört  graufame  SBeife ;  ben  größten  ©rab  erreichte  biefer  ©türm  freilieft,  erft  feit  9)Jitte  20 
484.  ßönig  ©untamunb(reg.484— 496)  fd)onte  bie  Drtboborm  toteber,  unb  beffen^iacfyf  olger, 
ber  geiftbofie,  für  feine  geit  f)od)gebiIbete  £I)rafamunb  (reg.  496—523),  tote  Seobigilb,  ein 
arianifcfyer  „Julian",  begnügte  fteft,  toenigftenS  mit  unblutigen  Maßregelungen,  wie  3Ser= 
bannung  ber  fyerborragenbften  33tfd)öfe.  §ilbericb,  (reg.  523—530,  geft.  533),  £unerid)S 
unb  ber  toefirömifd)en  ^atfertocfyter  ©ubofia  fd)on  betagter  (geb.  toafjrfdjetnlicb,  456)  25 
fanfter  latfyolitenfreunblidOer  ©ob,n,  getoäb^rte  unbebingte  9MigionSfretl)eit  (bgl.  ^rocob. 
I,  c.  9,  vita  s.  Fulg.  c.  XXVIII,  §  59,  c.  XIX,  §  60  unb  Vict.  Tonnenn, 
ed.  %fy.  SOiommfen,  p.  196 f.).  %tyt  fanben  aud)  toieber  fattyoltfdje  ©rmoben  auf  afri= 
!anifd)ein  33oben  ftatt,  unb  gtoar  gletcb  anfangs  (523/24)  in  ber  br^acemfcfyen  ^robinj 
jtoei,  ju  $unca  unb  ©ufeS,  unb  525  ein  größeres  ^onjil  in  ber  geugitana,  ju  ^artfyago  30 
felbft  unter  bem  33orfi£  beS  5Bifd)ofS  SonifatiuS  (f.  £efele,  eonc.=©efcr,.  IP,  ©.710—715). 
3Rand)e  Prälaten  fd)einen  auf  ben  ertoäfynten  ©tmoben  eine  untoürbtge,  Iäd)erlid)e  9Me 
gefbielt  %a  b,aben:  ,,^aum  toaren  bie  afrilanifcb^en  33ifd)öfe  aus  bem  @rjl  ^urücfgefefyrt 
unb  bon  ber  Verfolgung  befreit,  fo  brachen  9tangftreitigfeiten  unter  ifynen  auS"  (§efele 
II'2,  ©.  703  unb  711  2tnm.  5).  §ilberid)S  griebenSbolittf  ift  fd)toerlid;  aud^  eptgra^bifet)  35 
bezeugt,  tote  ©d)toarje  a.  a.  D.  ©.  172  annimmt  [f.  ^ranj  ©örreS,  ^ird)e  unb  ©taat  im 
SSanbalenreicb,,  ©.67  3lnm.  3],  aber  bieUeidjt  numiSmatifd)  [f.  bie  Münje  mit  ber  2luf= 
fdjrift  „Hildirix  Rex  |  Felix  Kart(hago)]"  bei  3-  Sr^e^anDer/  ©•  30  unD  ^*e  ^u^f^; 
tafel  I  [faft  9JUtte  rechts]).  §tlberid)S,  ftd)  an  baS  bereits  t»on  einem  ^uftinian  (feit 
518)  geleitete  S^anj  anleljmenbe,  fid?  nod?  baju  mit  ben  Dftgoten,  ben  natürlichen  SSer=  40 
bünbeten  ber  3Sanbalen,  »erfeinbenbe  ^3olitil,  beförberte  im  Sunbe  mit  ber  feit  ©eiferid)S 
Xob  ftetS  ^uneb,menben  3Sertoeid)Iid)ung  beS  23olfeS  bie  Slataftro^e.  ©ein  gleichfalls  fef)r 
bejahrter  3Setter  ©elimer  (©eilamir),  ber  baS  Spanier  beS  nationalen  SlrianiSmuS  b,  od)b,  ielt, 
liefe  ifm  abfe|en  unb  f^äter  ermorben  (530  be^to.  533,  »gl.  $roco^.  I,  c.  9  unb  Vict. 
Tonn.,  ed.  3)commfen,  ©.  196  f.).  2lber  er  felbft  unterlag  fcfjon  533/34  in  ben  ©drtadjten  45 
bei  ©eeimum  unb  iricameron  ber  genialen  ^riegSfüfyrung  beS  gelben  23elifar.  ^Rorbafrila 
nebft  ben  ^nfeln  tourbe  als  „@jarcb,at  ^artb,ago"  eine  b^anttnifd)e  ^robinj,  bis  eS  (709) 
bem  ©iegeSlauf  beS  jugenblicfyen  %$lam  unterlag.  SDer  le^te  3Sanbalenfönig,  ein  feltfam 
befaiteter,  romantifd)  Veranlagter,  fd)on  an  baS  biel  fbätere  Rittertum  erinnernber  ßb,  arafter, 
bom  ©ieger  ftanbeSgemäfc  bebanbelt,  erhielt  reid)lid?en  ©runbbeft^  in  ©alatien.  Stuf  bie  50 
if>m  gleicb,faßs  angebotene  b^öc^fte  ©b^rung,  bie  S^anj  getoäb^ren  fonnte,  ben  ^atriciat, 
mußte  er  freiließ  infolge  feiner  ehrenhaften  SBeigerung,  ben  3lrianiSmuS  abjufcb^toören,  ber= 
jid}ten  (bgl.  ^rocob.,  Bell.  Vand.  I,  c.  9—25,  II,  c.  1—9,  App.  Prosp.  Tir.  p.  312. 
329;  Vict.  Tonn.  ed.  9Kommfen,  p.  198,  SoribbuS,  Johannidos  seu  de  bellis  Libycis 
1.  I,  v.  381  ff.;  1.  III,  v.  17 ff.,  198—264,  rec.  ^of.  ^artfet)  1879,  MG-3luSg.  auet.  55 
ant.  nebft  ^fIug!=§arttungS  lebiglid)  in  mtlitärifcb=tecr>rtifcber  §infid;t  berbtenftlicfjen  6r= 
läuterungen,  „SelifarS  3Sanbalenfrieg"  a.  a.  D.). 

©eifericf)S  fog.  Xeftament  ift  baS  bon  ib,m  ben  benachbarten  SJcaurenftämmen  ent= 
lehnte  Xf)ronfoIge=©efe^,  ber  fog.  ©eniorat,  toonacb,  in  feiner  (ber  aSbingtfdjen)  ©bnaftie 
nid)t  regelmäßig  bem  SSater  ber  ©ofm  folgen,  fonbern  ftetS  ber  ältefte  2)efcenbent  in  birefter  60 


430  nßonbatcn  $artatton8retf)t 

Stbftammung  bon  il)m  (©etfertdE))  felbft  bie  Krone  erben  follte.  gwed  biefer  Verfügung  War, 
Wie  in  bem  bamit  übereinftimmenben  o§mamfcr;4ürfifd)en  §au3gefe£,  ber  ÜRaffenberWeid>= 
lidmng  borjubeugen  (bgl.  Vict.  Vit.  II,  c.  5  begho.  II,  13  unb  ^ßrocob.  I,  c.  7);  er 
Würbe  in  betben  ©taatenbilbungen  nicfyt  erreicht- 
5  £.  ©djmibt  a.  a.  D.  ©.  151  f.  ertebigt  in  befriebtgenber  SBetfe  eine  intereffante,  mit 
bem  Untergang  be<§  a>anbalenreid; e3  jufammen^ängenbe  antb^oboIogifd;=tofycr;ologifd)e  ©treit= 
frage:  ,,©a|  in  ben  ben  S^antinern  unzugänglichen  SanbeSteilen  einzelne  ©blitter  [ber 
tsanbalen]  ficb,  erhielten,  ift  nid)t  au3gefd)Ioffen,  aber  Don  größerer  ftafyl  waren  biejelben 
fi^er  ntd^t.    Sfyatfacfye  ift  aHerbing§,    bafj  ein  großer  ^rojentfal   ber  heutigen  33erber= 

10  bebölferung  in  Stftaroffo,  am  9tif,  in  ben  ©ebirgen  2lure§  unb  ©rofcfabfyliemS,  fotoie 
auf  ben  Kanarifcfyen  ^nfeln  blonbe§  §aar  unb  blaue  Stugen  fyat  (S£iffot,  ©eogr.  I,  403); 
aber  bie  Wieberfyolt,  jute|t  bon  Söfyer  (®a3  Kanarierbucf),  9Dlünd;en  1895)  Vertretene 
2lnfid)t,  bafj  bie<§  auf  germamfdje,  fbejieft  banbaltfcfye  SRifcb/ung  jurücfjufü^ren  fei  — 
nad>  £öl)er  foltert  bie  Sßanbfcfyen   auf  ben  Kanarifdjen  unfein  ^acbJEommen  ber  borten 

15  geflogenen  33anbalen  fein,  —  muf?  al3  unbegrünbet  berWorfen  Werben".  %n  Der  ^atr 
bie  norbafrilanifdjen  33anbalen  Waren  niemals  jabjreid;,  unb  ba§  ©batuationöffyftem  ber 
btyjantinifdjen  Regierung  Würbe  nad)  'ißrofob  grünblicb,  burd;gefüb,rt  (bgl.  2.  ©cfymtbt, 
©.  148 ff.).  (2BU1).  trofft  f)  %van  ©öm§. 

tian  XU  f.  ail  33b  XIX  ©.  775: 

2o     »ariata  f.  b.  21.  3Utg§b.  23efenntni3  33b  II  ©.  249,  io. 

95ariattOtt§rcd^t.  —  ©cljlefingev,  3)te  $aviationsbefugni§  be§  ®trd)etH.iatron§  in  ber 
3SSR  XIX,  91;  ©tlberftetn  in  9Ivd)t»  für  f.  SM.  61,  3  ff. 

3kriation§red)t  (jus  variandi)  nennt  man  ba§  SttedE>t  bei  £aienbatron!§  nacr)  einer 
bereits  erfolgten  ^räfentation,   innerhalb  ber  ifym   gefe^ltcb,  juftefyenben  ^räfentationgfrift 

25  nod)  einen  anberen  Kanbibaten  bem  jur  23eftättgung  berechtigten  getftücf/en  Oberen  in 
33orfd)lag  §u  bringen  (c.  5.  24.  29  X.  de  iure  patronatus  [III,  38].  Argum.  c.  4 
X.  de  officio  iudicis  ordinarii  [I,  31].  2)em  geiftltcfyen  Patron  ift  biefe  33efugni§ 
abgebrochen  unb  nur  in  beinhalte,  bafj  er  in  entfcfyulbbarer 2öeife  ein  unfähiges ©ubjeft 
präventiert   I)at,    eine   neue   ^räfentation   geftattet  (c.  20.   25    X.   de  electione  [I,  6] 

30  c.  18.  26.  cod.  in  VI0  [I,  6]).  Über  ben  ©runb  biefer  iserfdjnebenfyeit  ift  man  nidjt 
einig.  @r  liegt  Wofyl  Weniger  barin,  baft  ba§  bom  ©eiftlidjen  geübte  ^räfentation§recb,t 
aus  bem  ©efid)t§bmrtte  einer  Kollation  aufgefaßt  Wirb,  als  Weil  ben  ©eiftlidjen  meljr 
©inficfyt  jugetraut  Wirb,  tfmen  jur  2öal)l  aud)  eine  größere  grift  (fect)§  SRonate)  al§ 
ben  £aien  (bier  SJionate)  bewilligt  ift  unb   eine  Wedjfelnbe  SReinung  für  fie  Weniger  ge= 

35  jiemenb  ift. 

2Ba§  nun  bie  93efugni§  be<§  £aienbatron3  betrifft,  fo  fyängt  e§  bon  feinem  freien 
@rmeffen  ab,  ob  er  t>on  berfelben  ©ebrauct)  machen  Will  ober  nicbt.  ®abei  entfielt  bie 
grage,  ob  ber  Patron  berechtigt  ift,  burc^  folgen  2^orfd)Iag  ben  juerft  ^räfentierten  au§= 
^ufc^lie^en,  fo  ba|  berfelbe  oom  geiftlidjen  Oberen  nicf)t  meb,r  bei  ber  ^rtfütution  berüd= 

40  fkfytigt  Werben  bürfte  (fog.  brtbatibe  Variation),  ober  ob  e§  bem  Oberen  frei  ftefyt,  au§ 
fänttlidjert  ^räfentierten  benjenigen  ju  beftätigen,  Welchen  er  für  ben  geeigneten  b,ält 
(fog.  lumulatibe  3>ariation).  Über  btefen  %aU  fd>eint  fidt?>  fc^on  jeitig  eine  entgegen 
gefegte  äluffaffung  gebübet  ju  fiaben,  ba  bie  ©ad)e  nidit  böllig  !(ar  ift :  benn,  inbem  bie 
©Joffe  jum  c.  24  X.  de  iure  patronatus  ad  v.  alium  bellariert :  „Dando  secundum 

45  videtur  recedere  a  priori,  sicut  ille,  qui  plures  constituit  procuratores  diversis 
temporibus"  fdjeint  bamit  bie  bribatibe  Variation  berteibigt  ju  fein,  obgleich  bieg  bocb, 
ntc^t  unbebingt  ber  galt  ift,  inbem  bie  ©loffe  nid)t  au§fbric|t,  bafe  ber  Sifc^of  gebunben 
fei,  bem  SBiÜen  beg  ^atron§  ju  folgen,  ©agegen  entfcfjeibet  beftimmt  bie  ©loffe  jum 
c.  un.   de  iure  patronatus  in  VI0.  Nota  3:  „Laicus  potest   unum  praesentare, 

50  postea  alium  accumulative,  et  sie  potest  variare  et  Dioecesanus  potest  ac- 
ceptare,  quem  voluerit"  für  bie  Jumulatibe  33ariatton.  ©iefer  lederen  2tnftct)t 
fd)Iiefet  fid)  bie  fbätere  ©oltrin  unb  ^3raji§  fdjledjtfym  an  (bie  Kommentatoren  jum  Sitel 
de  iure  patronatus,  bon  benen  gagnanuS  jum  cap.  24  X,  cit.  mit  33ejugnab,me  auf 
£ambertinu§   e§   al§  communis   opinio  canonistarum  et  legistarum  bezeugt,    berb. 

55  gerrariS,  Bibliotheca  canonica  s.  v.  ius  patronatus.  Art.  IV,  nro.  45 ;  ban  (Sfben, 
Ius  eccles.  universale  P.  II.  sect.  III.  lit.  VIII.  cap.  V 

33eftritten  ift  aueb,,  ob  bem  Patron  eine  mef)rfad)e  Variation  geftattet  ift.    ©ine  be= 


i*ttncittou$rcd)t  Hatermtfer  431 

ftiminte  (£ntfd;eibung  barüber  enthält  baS  gemeine  Stecht  nidit,  ba  bie  Clem.  2  de  iure 
patronatus  (III,  iL')  bon  biefer  grage  niebt  tjanbett.  $)em  ftrd^üdjen  ^ntereffe  iDtber= 
fbrtcbt  eS  aber  gar  niebt,  im  ©egenteil,  eS  entfbriebt  bemfelben  bielmebr,  bajj  bem  23ifcbofe 
eine  größere  2tuSWabl  Don  ^erfonen  geftattet  Wirb  unb  bafyer  erklären  fid;  bie  Äanoniften 
aud)  mefyr  für,  als  Wiber  bie  Wteberbolte  Variation.  (,§.  $.  ^acobfoit  t)  Setjling.       5 

Vasa  sacra  f.  b.  31.  ©efafce,  gotteSbienftltcbe  33b  VI  ©.  412—415. 

SBaiabfaS,  granj,  gefi.  16.  Wäv^  1547.  —  2Iug.  Mahnet,  Bibliotheque  saeiee  IV,  1; 
g^öc^er,  ©eIef)rten=2eriIon  IV,  1466;  Biographie  universelle  LXVII,  569 f.;  Nouvelle 
biographie  generale  XLV,  989. 

grangoiS  2BatebIeb  (aueb,  ©aftebleb  unb  Duateble)  ift  geboren  in  bem  ©täbteben  io 
©amacbeS  0ßicarbte,  SDebart.  ©omme),  War  bann  Pfarrer  ju  Sramet  im  23aloiS.  ^rang  I. 
ernannte  ibn  jum  $rofeffor  beS  ^ebräifeben  am  College  de  France,  bann  aud)  jum 
2lbt  t>on  SMojane.  93.  felbft  b,at  nid)ts  Veröffentlicht ;  feine  Überfettung  ber  Parva 
Naturalia  beS  2lrifioteIeS  ift  erft  72  ^af)re  nad)  feinem  SEobe  in  ©ubalS  2IuSgabe  beS 
SlriftoteleS  gebrudt  werben;  Aristotelis  meteorologicorum  libri  quattuor  erfdjnen  in  v, 
2i;on  1548.  SDie  23ebeutung  beS  35.  liegt  in  feiner  afabemifeben  SiHrffamfett.  @r  bat 
fid;  um  baS  Stufblüben  beS  ©tubiumS  beS  .^ebräifeben  in  granfreid;  berbient  gemacht. 
SDa  er  aufser  grünblicben  ^enntniffen  aud;  bie  ®abz  guter  unb  lehrhafter  ®arfteEung 
befaf;,  b,atte  er  einen  grofjen  $reiS  bon  gittern.  ,§aubtfäd;Iid;  aus  ben  9iad;fd;riften 
biefer  ßufyörer  (33ertin  le  Somte  wirb  namentlich  erWäbnt)  nabm  Stöbert  ©tebl)anuS  baS  20 
Material  gu  ben  älnmerlungen,  Welcbe  er  feiner  im  Qabre  1545  (^ßaris  8°)  erfebienenen 
93ibeIauSgabe  beifügte,  (©iefer  febr  feltene  SDrud  enthält  aufjer  ber  23ulgata  auö)  bie 
1513  in^ürid;  beröffentlicbic  lateinifcbe  23ibelüberfetsung  bon  Seo  $ub,  %b.  33iblianber  u.a.). 
3öte  weit  ©tebbanuS  in  bie  Slnmertungen  aud;  eigenen  ober  anberWärtSfyer  entlehnten 
•Stoff  aufgenommen  bat,  ift  ungewiß.  §ier  fei  nur  bewerft,  bafj  ber  Qnbalt  ber  bon  25 
9t.  ©tebfyanuS  12  ^ab^re  fbä'ter  beranftalteten  33ibelauSgabe  ,,([©enf]  1557,  §ol.)  ein 
mefentlid)  anberer  ift:  fie  bietet  neben  ber  33ulgata  niebt  bie  Überfettung  beS  Seo  $ub 
unb  ber  anberen  3ürid;er,  fonbern  bie  beS  ©ancteS  *}3agninuS,  unb  bie  älnmerlungen 
ftnb,  wie  auS  ber  ißorrebe  erhellt,  geiftigeS  Eigentum  niebt  nur  beS  23atabluS,  fonbern 
aud;  beS  ^agninuS  unb  anberer  »om  Herausgeber  benu^ter  Slutoren.  ^n  bem  Critici  30 
sacri  betitelten  ejegetifd;en  ©ammelwerle  finb  bie  ^Rotert  biefer  SluSgabe  mit  llnred;t  ob^ne 
weiteres  al§  t>on  ^BatabluS  berrül)renb  bejeidmet.  3lofy  anbere  3uf^e,  namentlid;  aus 
ßalbin,  jeigt  be§  ©teb^anuS  toom  ^abre  1556  batierter,  in  Söirflicbfett  (f.  am  (Snbe  beS 
33ud;e§)  erft  am  Slnfang  beS  3a^re§  I557  bollenbeter  Liber  Psalmorum  Davidis, 
Wellen  ©.  $5.  £.  Sßogel  jufammen  mit  ben  9Joten  rwn  §ugo  ©rotiuS  Wieber  abgebrudt  35 
b,at  (Francisci  Vatabli  annotationes  in  Psalmos  etc.,  §alle  1767,  8°).  —  3ln  ben 
^arifer  ©rud  Inübfte  fid;  eine  heftige  gefybe  ber  SLbeologen  ber  ©orbonne  gegen 
Robert  ©tebb,anuS,  über  Welche  ber  grofje  33ucb,bruder  unb  gelehrte  30iann  felbft  in 
Iateinifd;er  (Ad  censuras  Theologorum  Parisiensium,  quibus  Biblia  ä  Roberto 
Stephano  excusa     calumniose    notarunt,     eiusdem     Roberti     Stephanie 

responsio  1552,  ,8°,  255  p.)  unb  franjbfifdjer  (Les  censures  des  Theologiens 
de  Paris  .  .  1552,  8°,  156  Slatt;  gacfimile=9ceubrud  ©enf  1866)  ©brad-e 
intereffanten  93erid;t  erftattet  b,at.  ®ie  ^3arifer  'Xb,eDlogen  b,atten  bie  SInmerfungen  als 
an  nid;t  Wenigen  ©teilen  le^erifd)  unb  bem  £utf?ertum  günftig  bejetebnet  unb  be^balS 
tbre  Unterbrüdung  embfol)len;  bie  ©elebrten  bon  ©alamanfa  aber  fd;ä|ten  baS  9Berf  im  45 
übrigen  fo  febr,  baf?  fie  eine  burifijierte  2IuSgabe  beranftalteten  (juerft  in  ber  1584  er= 
fa)ienenen  fatein.  Sibel).  3Son  biefen  Slnmerfungen  urteilt  2).  33.  b.  £>aneberg  (©efdjidjte 
ber  Offenbarung4  1876,  ©.  849,  bafe  fie  „bielfältig  fieberer  jum  iöerftänbniS  fübren  als 
9tiefener.blifationen  Slnberer"     33.  ift  im  fatbolifeben  ©tauben  geftorben. 

§ernt.  £.  Stvnrf.      50 

üßaterunfer.  —  (Sitten  Heilten  Slnfang,  ba§  SSefentüdie  au§  ber  unää^Ugen  l'itteratnv 
t)eruorp^e6en,  tjat  9lug.  IKubolf  ®ebfer  gemad}t  in  bem  .tönigS&erger  Programm  De  oratione 
dominica,  part.  I  (1830)  p.  2—5;  er  (jembette  bann  de  discrepantia  Matthaoi  et  Lucae  etc. 
unb  in  part  II  de  fontibus  e  quibus  Christus  haue  formiüam  hauserit  (mit  Miiiif  be§ 
25erfuc()§  §evber§,  ^avaüelen  au§  bem  3enb=?luefta  ,^ur  ©fftärung  beizubringen).  Sin  ber  55 
Spt0e  ftetjen  bie  patrifti[d)en  9(u§(egungen:  Tertulliani  liber  de,  oratione  c.  1-  10;  Cypriani 
de  dominica  oratione  c.  1 — 27  (üSMener  Sluägabe  üüu  Partei  I,  2(17 — 287),  Augustini  de 
sermoiK;  Domini  in  monte  seeundum  Matlhaciiin   libri  duo  —   um  :>93     -  (A1SI,  XXXI\r. 


432  SSateriittfer 

1229-1308);  üott  ben  ©rtedjen  Origenis  .W  evyjs  c.  22—30  (Serltner  9luggabeII,  346—395), 
Gregorii  Nysseni  sig  xrjv  jiqoosvx^v  (MSG  XLIV,  1120 — 1193).  —  ©ine  jufammenfaffenbe 
Sarftellung  ber  Auslegung  ber  tirdjenüäter  finbet  fid)  römifcfjerfettg  Bei  ©erb.  iiHmann,  Sa3 
©ebet,  nacb  ber  Sefjre  ber  ^eiligen  bargeftettt,  II.  Sb:  Som  ©ebet  im  Sefonberen,  1877, 
5  ©.  18—141. 

SutfjerS  9lu§Iegimgen  beg  Saterunferg  fittb  attjjer  ben  befannten  in  beu  beiben  Sated)ig= 
men  äufjerft  §at)freicf).  3dj  notiere  aug  ben  biSfjer  erfd)ienenen  Sänben  ber  Sßetmarer  9lug= 
gäbe:  II,  74—130  2lugtegung  beutfcf)  beg  Saterunferg  für  bie  einfältigen  öaien  1519  (»gl. 
baju  IX,  122—159);    VI,  9 — 19  ©ine   !urje  gorm,    bag  $ßaterno[ter   §u   uerfteljert   unb   ju 

10  beten  1519;  VI,  20—22  ©ine  furje  unb  gute  9lu§legung  beg  Saterunferg  üor  fid)  unb  hinter 
fidj  1519;  VII,  220—229  (Sine  fur§e  gorm  (ber  jeljn  ©ebote,  beg  ©taubeng  unb)  beg  Sater= 
unferg  1520;  X,  gleite  9lbt.,  im  „Setbüdjlein  1522"  eine  furje  gorm  beg  Saterunferg 
©.  395-407;  XI,  55—59  jtrei  <ßrebigten  über  bag  Saterunfer  am  9.  u.  10.  Ttüri  1523; 
31  Äatedngmugprebigten   im  3-  1528    (fie   fotten   im   XXVI.  Sb    erfdjeinen);    ©rofjer   unb 

15  kleiner  £ated)igmug    1529;    XXXII,   416—422    in    ben   28od)enprebtgten    über   9Kt  5— 7, 

1530/32;  ©in  einfältige  SBeife  ju  beten,  für  einen  guten  tJreunb,  SOceifter  Sßeter,  Salbier  1534; 

bag  £teb  „Saterunfer  im  Inmmelreid)"  (juerfi  in  ber  9caumburger  Sirdjenorbnung  1537  ermähnt). 

Sn  ben  ^aljren  1530—1600  ift  in  Seutfd)lanb  eine  Unjafit  Don  Satectjtgmugauglegungen 

erfdjtenen.    Sag  Sftaterial   ift   gefammett    uon   $rof.  3-  W.  9teu  in  Subuque  (^ottm);    ügl. 

20  Quellen  jur  ©efd)id)te  beg  ®ated)igmugunterrtd)teg,  I.  Sb:  ©übbeutfdje  ülated)tgmen, 
1904.  Ser  jtoette  Sanb,  ber  in  jwei  Slbteitungen  bie  Satedugmen  üon  9Ktttel=  unb  9<iorb= 
beutfcfjlanb  bringen  foH,  fann  nur  erfdjeinen,  wenn  genügenbe  ©ubffriptionen  erfolgen.  Sie 
tlnterftüjjung  biefeg  5E3erfeg  ift  ftufgerft  ju  empfehlen. 

Slufjer  ben  9Jcattl)äug=  unb  Sufagfommentoren,  bie  fjier  nid)t  fämtlid)  nufgejäblt  werben 

25  tonnen,  ftnb  ju  Dergleichen :  Slbotf  §erm.  §einr.  $amp£)aufen,  Sag  ©ebet  beg  §ernt,  1866; 
9lug.  Sljotucf,  Sie  Sergrebe  ©briftt,  5.  Slufl.,  1872;  ©rnft  Sldjelig,  Sie  Sergprebigt  nad) 
9Jcattt)äug  unb  Sutag,  1875;  Frederic  Henry  Chase,  The  Lord's  Prayer  in  the  early  Church, 
Cambridge  1891  (Texts  and  Studies  vol.  I,  9cr.  3);  ©uftao  Satman,  Sie  SSorte  Sefu,  mit 
Serüdfidjtigung  beg  nacrjfanontfdjen  ©cfjrifttumg  unb  ber  aramäifdEien  Sprache  erörtert,  93b  I, 

30  1898;  ©b.  greirjerr  tion  ber  @oI|,  Sag  ©ebet  in  ber  ätteften  ©bjiftenljett,  1901;  ©bewarb 
9Jeft(e,  Lords  Prayer  in  Encyclopaedia  Biblica,  vol.  III,  Sp.  2816—2823,  1902;  Stjeobor 
Satjn,  Sag  ©uangelium  beg  SJtattfjäuS  auggetegt,  (1903),  jroeite  Auflage  1905;  Dtto  Sibeltug, 
Sag  Saterunfer,  tlmriffe  ju  einer  ©efd)id)te  beg  ©ebetg,  1903  (enthält  I.  Sie  Sorftellungen 
üom  ©ebet  in  ber  alten  griecbjfcfjen  Sircfje,  II.  Sie  Stuffaffung  beg  SSaterunferg  bei  grieccjifchen 

35  @ct)rtftfteflern,  III.  Sag  SSerpItnig  üon  £utt)er§  Sßaterunferertlärung  im  Steinen  fatecb,igmug 
ju  ben  altfjocijbeutfcfjen  Stuglegungen  beg  9.  big  11.  S^rf)-'»  9lnb,ang:  ungebrucfte  SSaterunfer= 
ertlärungen,  oornefimltcb,  aug  §artbfd)riften  ber  ®.  S3ibIiot^ef  ju  SSertin) ;  ©rieb  S3ifd)off,  ^efug 
unb  bie  3tabbinen,  ^efu  SSergprebigt  unb  „^immelreict)"  in  i|rer  Unabpngigfett  «om  SRabbi= 
nigmug  bargeftettt,  1905 ;  Lic.  Dr.  ©uftaü  .gönnid e,   teuere  gorfcb,ungen  put  SSaterunfer  bei 

40  «Kattb.äug  unb  Sufag,  5Rf3  XVII,  1906,  <S.  57—67,  <B.  106—120,  ©.  169—180. 

Sn  ben  ©339t  1904  I,  S.  195—208  bat  Ib.  £>arnad  nadjäumeifen  öerfud)t,  baf?  bag  ur= 
fprünglid)e  §errngebet  fo  gelautet  Ijabe :  „SSater,  bag  Srot  für  ben  fommenben  Sag  gieb  ung 
^eute,  unb  öergieb  ung  unfre  Sdjulben,  nne  aud]  mir  Uergeben  baben  unfern  ©cftulbigern, 
unb  fütjre  ung  nid)t  in  SSerfud)ung  funein".    S3ei  9Kattb,äuS  fei  ung  biefeg  ©ebet  in  bereieberter 

45  unb  Itturgtfd)  ftilifierter  gorm  alg  ©emeinbegebet  erhalten,  unter  9lntnüpfung  an  bie  jübifdje 
©ebetgübung  unb  an  bie  ^-Berfünbigung  ^efu;  bei  ßufag  liege  e§  ung  üermebrt  um  eine  etn= 
leitenbe  SBitte  öor  („eg  tomme  bein  ^eiliger  ©eift  auf  ung  unb  reinige  ung"),  wetdje  bie  ©fs 
fab,rung  ber  djriftlicfjen  ©emeinbe  im  apoftoüfd)en  ßettalter  enthalte,  im  Unterfdjieb  üon  allen 
anbern  religiöfen  ©emeinfdjaften,  junftd)ft  üon  ber  ber  ^otjannegjünger.   ©g  ift  rjier  nid)t  ber 

50  Ort,  in  bie  Sebatte  einzutreten,  an  ber  ftdj  unter  anbern,  üormiegenb  in  ableb,nenbem  Sinn, 
»on  ©oben  (©fjriftttd)e  «Seit  XVIII.  1904,  ©p.  218—224),  ftriebrid)  ©pitta  («öconatfebrift 
für  ©ottegbienft  unb  ftrdjltd^e  Sunft  IX,  1904,  ©.  333—345),  Joggen  (©0augelifd)e  S?trd)en= 
äeitung  1904,  ©p.  389—398,  417—426)  beteiligt  fiaben.  Sn  ber  @d)rift  „©prüdie  unb  Seben 
3efu,  bie  ^meiie  Quette  beg  3)cattb,äug  unb  Sufag"    (Setträge  jur  ©tnlettung  in  bag  9cS  II) 

55  1907,  ©.  48  fjält  §arnad  baran  feft,  bajj  bie  Urform  beg  £>errngebeteg  aug  ber  9lnrebe 
jiärsQ  unb  ber  4.-6.  Sitte  beftanben  f)abt:  nid)t§  fpred)e  bagegen,  bafj  fie  in  Q  ge= 
ftanben  fjabe. 

^)a§  33aterunfer  nimmt  in  bem  Seoen  ber  ^riftUd)en  ©emeinbe  eine  fo  be= 
&errfd)enbe  Stellung  ein,   bafj   eine  boUftänbige  ®arfte((ung   bei  allen  tfoeologifcfoen  ©i§= 

60  stylinen  3lnleiben  machen  mü^te.  @§  ift  aber  eine  2lufga6e  für  fid),  öon  ber  mir  bier 
abfeben,  etroa  bie  ©efd)id)te  ber  33aterunfer4ßrebigten  ju  febreiben  ober  bie  2tu3legungert 
beg  SSaterunferg  im  ^ated)umenenunterrid)t  unb  in  ber  !ird)Iid)en  Sebruntertoeifung  über= 
bauf)t  gu  be^anbeln  ober  aud)  ben  ©ebraud)  biefei  ©ebeteä  im  ©emeinbegottegbienft  feft= 
jufteßen.    Sie  Aufgabe  biefeg  Slrtifelg  befd)ränlt  fid)  auf  bag  bibIifd)4beoIogifd)e  ©ebiet. 

65  28ir  gerben  bierbei  aug  bon  ber  Überlieferung,  tüte  fie  in  bem  erften  unb  in  bem  brüten 
©bangelium  borliegt. 


SSntcrunfce  433 

I.  ©ie  Überlieferung,  ©er  %<&  bes  Saterunfers  ftef)t  sJJct  6,  9  -13  unb  in 
etmas  abtr>eia)enber  gorm  (mit  ber  einfachen  2lnrebe  ndreQ  unb  ofyne  bie  britte  unb 
fiebente  Sitte)  Sc  11,  2— 4.  $m  SUlarfusebangeltum  erinnert  in  bem  ©bruef)  11,  25: 
„Unb  luenn  if;r  ftefyt  unb  betet,  fo  bergebet,  juenn  ifjr  etwas  gegen  jemanb  b,abt,  bamit 
aueb,  euer  Sater  in  ben  Fimmeln  euer)  eure  Übertretungen  »ergebe"  bie  Segeicfynung  bes  5 
Saters  an  9)ct  6,  9  unb  bie  9Jiab,nung  gu  bergeben  an  3Jit  6,  14  unb  15.  ©ine  beacf)tens= 
teerte  ©acfybarallele  bietet  bas  ^ofyannesebangelium  in  bem  ©efbräcf)  $efu  mit  ber  ©ama= 
riterin  am  gafobsbrunnen.  ^efus  begeietmet  bie  Anrufung  beä  Saters  im  (Seift  unb  in 
ber  2öab,rl)eit  als  bas  (Sebet  ber  wahrhaftigen  Slnrufer  ©ottes.  (Sott  ift  (Seift,  baraus 
folgt  bie  geiftige  gorm  ber  Anbetung ;  unb  ©ott  ift  Sater,  bas  ift  bie  2öal)rr)eit,  bie  io 
^eftts  offenbart,  unb  bie  in  ib)m  ergriffen  it)irb. 

5RattI)äus  bringt  bas  Saterunfer  als  Seftanbteil  ber  Sergbrebigt;  Sufas  in  gang 
anberer  Umgebung  in  bemjenigen  Slbfcfynitte  feines  ©bangeüums,  in  bem  er  Seifbiele  ber 
Seb/rtoeife  Qefu  olnie  seitlichen  gufammenr/ang  toeber  unter  fid;  nod)  mit  bem  Sorr/er= 
gefyenben  ober  -ftacfyfolgenben  mitteilt.  3e^  uno  ^rt  finb  bötltg  unbeftimmt  gelaffen.  15 
Sffieil  ber  Sefucb)  ^efu  bei  2Raria  unb  sJJcartr/a  unmittelbar  borl/ergeb/t  (Sc  10,  38—42), 
ber  naefy  3°  U/  1  nac^  Setfyanien  in  bie  9läb,e  £jerufalems  ju  berlegen  ift,  f>at  bie 
Jrabition  eine  benachbarte  Sofalität,  ettoa  ben  Dlberg  ober  ben  ©arten  ©ett/femane,  an= 
genommen  (bgl.  $.  21.  9tobinfon  bei  (SI)afe  ©.  123—125);  aber  biefe  2tnnab,me  ift  in 
bem  Äontejrt  ntcfyt  begrünbet.  2Bas  Sufas  tb,  atfäcf)licfy  mitteilt,  ift  folgenbes :  „tlnb  er  20 
(Sefus)  mar  im  ©ebet  an  einem  Drte,  unb  als  er  aufhörte,  fagte  einer  feiner  jünger  ju 
ü)m:  §err,  lefyre  uns  beten,  toie  aueb,  $ol)annes  feine  jünger  gelehrt  b/at.  @r  fagte  aber 
ju  ilmen:  SBenn  if>r  betet,  fo  fbrecr)et:  33ater,  gefyeiliget  roerbe  bein  5Rame  u.  f.  ib."  ©ie 
näcbjte  Seranlaffung  ber  ^üngerbitte  h)ar  ber  2lnblicf  bes  betenben  SReifters.  ©as  Sufas= 
ebangelium  b, ebt  bas  Seien  ^efu  befonbers  b)erbor ;  fo  ift  ib, m  bie  ©rtoäljmung  bes  ©e=  25 
betes  3efu  &«  ber  ^orbantaufe  (3,21),  feiner  $lucr)t  in  bie  ©infamfeit  jum  ©ebet  (5,  16,  bgl. 
bagegen  Mc  1, 45  am  ©tfjlufj  unb  -Dtc  1, 35),  feiner  ©ebete  bor  ber  2tboftelroal)l  (6, 12),  bor  ber 
9Jiefftasfrage  an  bie  jünger  bei  ßäfarea  $f)ilibbi  (9,  18),  bor  ber  Serflärung  auf  bem  Serge 
(9,  28)  eigentümlich,  wie  er  aueb,  allein  bie  gürbitte  $efu  für  ben  burd)  fein  falfcfyes  ©elbft= 
bertrauen  gefäb/rbeten  jünger  Setrus  in  ber  Saffionsnacfyt  ermähnt  (22,  32).  gu  ben  30 
angeführten  ©teüen  tritt  nun  11, 1  b,inju.  ©ie  jünger  rannten  ^efum  alä  einen  SReifter 
bei  ©ebetei,  ber,  um  ©ott  bie  anliegen  feinei  §erjen§  borjutragen,  nict)t  auf  bie  fonft 
gebräuchlichen  jübifc^en  ©ebete  angemiefen  mar  (bgl.  3Jtt  11,  25 ff.;  Sc  10,  21).  2Ser  fo 
beten  tonnte  roie  er,  ber  lonnte  aueb,  feine  jünger  ein  ©ebet  lebjen,  bai  über  bie  üb= 
liefen  ©ebetiformeln  f)inauifüb,rte.  ©a§  toar  um  fo  meb^r  ju  ertoarten,  a(§  auef)  ber  35 
Käufer  feinen  Jüngern  ein  ©ebet  fonberlidjen  3n^a"tg  gegeben  blatte.  ©a§  ©ebet,  ba€ 
ber  Käufer  lebjte,  mirb  ber  Sotfc^aft  entjbrocl)en  fyaben,  bie  er  berlünbigte.  Man  §at 
fpäter  ba§  ©ebet  in  Söorte  gefaxt;  in  einer  f^rifct)en  §anbfct)rift  ber  Sobleiana  lautet 
es  fo:  „©ott  mad)e  uns  (ober  miebj  n>ert  beines  Königreiches  unb  ber  greube  barin; 
©ott,  geige  mir  bie  Saufe  beines  ©o^nes"  (bgl  SRcftle  a.  a.  D.  ©b.  2817  SInm.  6).  40 
Som  Seten  ber  ^ob^annesjünger  b,at  Sufas  fct)on  5,  33  gerebet;  mäfyrenb  3)tatt§äus  unb 
Partus  in  ben  ^araHelbericfyten  nur  i^r  gaften  ertüäfynen  (ÜKt  9,  14;  3Jcc  2,  18),  fügt 
Sufas  fytngu:  xal  derjoeig  noiovvxai.  ©ie  Sitte  bes  Jüngers,  bie  fid;  an  bem  ben 
^ofyannesjüngern  bon  if)rem  3Jteifier  gegebenen  ©ebet  orientierte,  erfüllte  ^efus  anbers,  als 
fie  gemeint  mar.  6r  gab  ntct)t  eine  ©ebetsformel,  fonbern  fagte  ben  Jüngern,  welches  ifjres  45 
Setens  ^nfjalt  unb  Strt  fein  fotte.  2Benn  fie  beteten,  fotte  ibr  ©ebet  in  ber  2Seife  bes 
bon  it)tn  mitgeteilten  ©ebetes  berlaufen.  ^ieb^t  als  ob  es  auf  ben  Sucbjtaben  unb  ben 
9Bortlaut  an!äme;  man  fielet  leicht,  toie  jeber  Seftanbteil  bes  bon  ^efus  mitgeteilten  ©e= 
betes  ber  ©rmeiterung  fäb^ig  ift.  Slber  bie  entfeb^eibenben  ©runbgeban!en  treten  flar 
b^erbor.  ©ie  jünger  ^eju  follen  ©ott  als  Sater  anrufen,  roenn  fie  beten,  unb  es  fott  50 
if>nen  bor  allem  am  §ergen  liegen,  ba^  ©ott  bie  @l)re  merbe,  bie  ifym  gebührt,  ©ottes 
©ad;en  flehen  im  ©ebete  ^efu  boran;  ber  jünger  Qefu  benft  guerft  an  bas,  mas  ©ottes 
ift,  unb  bann  erft  an  fiel)  unb  bas  ©eine. 

fflenn  man  fiel)  bon  ber  Überlieferung  bei  Sufas  gu  ber  bei  SRattfyäus  menbet,  fo 
erhält  man  junäcbjt  ben  ©inbruef,  als  ob  bas  gleite,  nur  um  gtoei  Sitten  erroeiterte  65 
©ebet  bon  ^efus  ben  Jüngern  als  Seftanbteil  ber  gunäcbjt  ib,nen  geltenben,  aber  gugleid) 
bor  einer  größeren  Solfsmenge  gehaltenen  Sergbrebigt  mitgeteilt  morben  fei,  beren  3eit, 
fofern  man  ben  lufanifdjen  Sarallelbericl;t  beijicl)t  (6,  20—49),  nicf)t  lange  nad;  ber  2lus= 
toa^I  ber  jtoölf  2lboftel  anjufe^en  ift.  ©iefer  ©inbruef  füb,rt  bei  ben  <rjarmoniften  ftrenger 
Dbferbang,    als   bereu   entfcbjebenfter  Sertreter  Stnbreas  Dfianber   mit  feiner  1537   er=  60 

9feat=»ncl>fIßt>äMe  für  SC^eoIoflie  unb  Sircöc    3.  a.  xx.  28 


434  $aterwnfer 

f dienerten  @bangelienl)armonic  gelten  barf  (bgl.  barüber  33b  V  659, 32— 660, 32),  ju  ber 
notwenbigen  33ef)aubtung ,  bafj  QefuS  bas>  ©ebet  ju  jtoeten  berfd)tebenen  SMen  feinen 
Jüngern  gegeben  fyahe.  ©obalb  man  aber  näl)er  jufiefyt,  fa)Winbet  biefer  ©inbrucJ,  unb 
bte  baraug  gezogene  Folgerung  nm|  Innfälttg  Werben.  ®enn  lote  bte  33ergbrebigt  über= 
5  b,aubt  ntdjt  bie  Sföiebergabe  einer  einigen  SKebe  $efu  ift,  fonbern  ba<§  £eb,ren  ^efu  in  ©aliläa 
burd)  ein  33eifbiel  beranfcbaulicfyt,  ba<3  ber  ©bangelift  baburef)  gewonnen  bat,  bafc  er  mit 
einer  beftimmten  Siebe  3efu  berWanbte  Stebeftoffe  berbanb  (bgl.  barüber  %$.  gafynS 
9JJattb,äus=5lommentar  1905  ©.  322  ff.),  fo  giebt  ftd;  infonber^eit  ber  ganje  Slbfdmitt  6, 
7 — 15,  ber  in  ben  mittleren  Werfen  9— 13  ba<8  23aterunfer  enthält,  als»  eine  (Sinfcfyaltung 

10  ju  erlennen,  bte  bie  auffällige  ©Symmetrie  ber  brei  ©tücfe  bom  SUmofengeben  (6,  2—4), 
bom  Seien  (6,  5—6)  unb  bom  gaften  (6,  16—18)  beutlid)  -unterbricht.  SDie  SBortc 
^efu  bom  ©ebet  im  Kämmerlein  fyaben  ben  Gbangeliften  an  älmlidje  2Borte  erinnert,  bie 
^ejuö  gebraucht  b,at,  um  bor  bem  ^labbern  ber  i&vixoi  (=  E-^on,  bie  bf)arifäifdj)en 
©enoffen,    bgL  @6.  SReftle,    Philologica   sacra,    Berlin  1896,    ©.  34—36)    ober   ber 

15  vnoxQixai  (cod.  Vaticanus)  ju  Warnen,  unb  fo  fügt  er  ben  2tbfdmitt  in  bie  33erg= 
brebigt  ein,  ber  in  feinem  weiteren  Verlauf  bie  SJcitteilung  bc§  33aterunfer3  bringt.  @r 
fteltt  bamit  bas>  §errengebet  in  einen  ©ebanfenfrei<§  hinein,  ber  borjüglicb,  geeignet  ift, 
feinen  ^nb,alt  §u  erläutern.  Slber  £rt  unb  geit  ber  Übergabe  biefeä  ©ebeteä  an  bie 
jünger  ift  bureb,  bie  erficfytlicb,  bom  ©bangeliften  f)ergefteUte  Sjerbinbung   mit    ber  33erg= 

20  brebigt  nid;t  feftgelegt.  Unb  ebenfoWentg  wirb  bie  ©efc&Jcbtltcbreit  ber  lufanifcfyen  Über= 
lieferung  baburd;  in  $rage  gefteUt,  baj3  bei  3Jtatt^äu§  bie  ©ebetäunterWeifung,  bte  $efu§ 
feinen  Jüngern  giebt,  unter  einen  ©egenfatj  gefteEt  ift,  rote  er  bem  ganzen  Aufbau  unb 
©ebanfengang  ber  93ergbrebigt  (bgl.  5,  20)  entfbrtdjt. 

$n   beutltcf>er  2lbb,ängig!eit   bon  9)iatil)äu3   ftefyt  ber   ^ßaterunfer^ejt   in   ber   fog. 

25  2lboftetIeb,re  (bgl.  33b  I,  712, 50).  9?eu  ift  bie  §injufügung  einer  SDoroIogie.  33eaa)tene= 
Wert  ift  bie  ©infübrung.  SBie  ba3  $aftcn,  foU  aud)  ba§  33eten  ber  Sfyrifien  anberS  be= 
fdjaffen  fein  al3  ba3  ber  §eud)ler  b.  f).  ber  ^uben.  ®a<3  SBort  ol  i&vixoi  5Rt  6,  7  ift 
alfo  nid}t  im  ©inne  bon  zä  e&vrj  berftanben  Worben.  $Der  Xejrt  lautet  ®ab.  VIII,  2 
(bgl.  g.  33.  bie  allgemein  jugänglidje  Heine  3lu§gabe  ber  $Dibad)e  bon  Lic.  §an3  £te£mann, 

30  33onn  1903) :  Mi]dh  Jiooo£v%eod'£  cbg  oi  imoxQizal,  all'  d)$  ixslavoev  6  xvoiog  iv 
zep  evayyelko  avzov,  ovzco  jzqooev%£o$£'  IMzeq  fj/ueöv  ö  iv  xw  ovgavcp,  äyta- 
o&rjTa)  rö  ovoud  oov,  elfierco  •!)  ßaodela  oov,  yevij&rjra)  rö  $elr]{/.d  oov  cbg  iv 
ovgavcö  xal  im  yrjg'  tbv  ägrov  rjjucov  zov  imovoiov  dög  fjfuv  orjjueQOV,  xal  äcpsg 
fj/uv  Tjyr  ocpedrjv  rjfxcov,    cbg   xal    tjjueTg    äcpie/uev  zdlg  öcpsderatg   rj/xeov,    xal  juij 

35  elaeveyxijg  fjLiäg  slg  TzsiQao/uöv,  ällä  Qvoai  rj/näg  änb  rov  tiovtjqov'  ort  oov  ionv 
f]  dvvaiug  xal  1)  do^a  eig  rovg  alcovag.  zglg  zrjg  fj/uegag  ovzco  JiQooevxso&e. 

II.  ©ic  ©rläuterung.  33ebor  Wir  un<§  ben  einzelnen  3Sorten  jutbenben,  mufj 
ber  allgemeine  ©tanbbunft  feftgeftellt  Werben,  bon  bem  au<§  bie  (Srflärung  be§  ©injelnen 
^u  erfolgen  fyat.    ®a§  SSaterunfcr  ift  lein  neue§  ©ebet  in  bem  ©inn,  als>  ob  feine  Sitten 

40  aufjerfyalb  be§  ©efidjtslretfeg  jübifdjer  grbmmigfeit  gelegen  l;ätten,  ober  al§  ob  e3  ib,nen 
an  beutlid;en  Slnllängen  an  bie  (Sxbdt  ber  jübtfdf>en  ©tmagoge  fehlte.  ©0  beginnt  ba^ 
„Äabbifd)  be§  ©ottegbienftes"  mit  ben  2üorten:  „3Serl)errlid)t  unb  geheiligt  Werbe  fein 
großer  5Jame  in  ber  Söelt,  bie  er  nad)  feinem  SBillen  gefd;affen  fyat,  unb  er  laffe  fyerrfdjen 
feine  König^errfdjaft  (unb  laffe  fbroffen  feine  ©rlöfung  unb  bringe  fyerbei  feinen  SDteffiaö 

45  unb  erlbfe  fein  Solf)  311  euren  Sebjetten  unb  in  euren  £agcn  unb  gu  Sebjetten  be§ 
ganzen  §aufeö  &xad,  in  33älbe  unb  in  nab,er  geit!  unb  fbrecb,et:  Slmen"  (ber  aramäifd;e 
Hiid  bei  ©alman  a.  a.  D.  ©.  305 ;  bie  cingellammerten  SBorte  finb  Wo^)I  f^äterer  3ufa^)- 
©0  bietet  aud)  ba§  Wortreiche  jübifdje  §aubtgebet,  ba§  ©d)mone=@§re  ober  ba§  2ld}t3eb,n= 
gebet,  Weld}e§  jeber  ^Sraelit  täglid)  breimal    ju    beten   bat,    unb   noct)   meb^r   bie   furje 

50©umme  biefe§  ©ebeteg,  ba§  §abinenu,  beutlicb,e  parallelen  (bie  Sejte  bei  ®alman 
©.  299  ff.,  ©.  304).  2Ran  barf  inbe<S  nic^t  bergeffen,  bafe  e<ä  fiel)  bei  bem  §abinenu  um 
eine  Slbfürjung  be§  Slc^tjebngebetg  nacb,  ber  Sorfc^rift  ©d;emuel§  (geft.  254!)  in  33abt)= 
lonien  ^»anbelt,  unb  baf;  aud)  ba§  Kabbifcb,  be§  ©otte^bienfteg  fiel)  tbatfäc^lic^)  erft  im 
2.  3ab,rbunbert  n.  <§fyc.  erwähnt  finbet  (Srtcb  93ifd)off  a.  a.  D.  ©.  76).  Slber  felbft  Wenn 

55  bie  älnllänge  in  ben  un§  unbelannten  früheren  Vorlagen  ber  je^igen  3lecenfionen,  alfo 
in  ben  fimagogalen  ©ebeten  jur  3«it  3«fu  W  fänben,  fo  bleibt  ba3  Saterunfer  bod; 
um  beffentwillen,  ber  e§  juerft  gefbrod;en  t)at,  ein  böEig  neueö  ©ebet.  |>ier  gilt  im 
bollften  ©inne  ba3  2Bort:  Si  duo  idem  dieunt,  non  est  idem.  %e\u§  berWaltete 
bie  Heiligtümer   feinet  33oIfe§,    bie  geugniffe  jjer  ^_  ©d;rift  unb  ben  ÜReidjtum  ber  ©e= 

60  bete  ^aete,    Wie   ber  ©olm   beg  §aufel,   ber   über  ba3  §aul    gefe|t    ift    (§br  3,  6). 


üotcrunfer  435 

2Bäbrenb  bem  rabbinifcb,  gefeilten  ^öraeliten  bag  ©efclj  ©otteg  in  eine  Unfumme  bon 
einjelnen  ©eboten  gerfiel,  bie  bann  nod;  burd;  bie  „Sluffä^e  ber  Sllteften"  bewiest 
Würben,  (tanb  bor  bem  SIi<fe  ^efu  ber  2Bilte  feineg  Saterg  in  bem  einen  ©ebot  ba: 
2)u  follft  lieben  ©ott,  beinen  §errn,  bon  gangem  §ergen,  bon  ganger  «Seele  unb  bon 
gangem  ©emüte  (Sftt  22,  37),  unb  neben  bieg  £aubtgebot  (teilte  er  bag  anbere,  bag  er  5 
au§  feinem  berborgenen  Serfiecf  Se  19,  18  fyerborgog:  2)u  follft  beinen  Jcäcb/ften  lieben 
wie  bid)  felbft.  Ober  3>efu  §anb  griff  in  bie  brobr/etifdjen  ©dmften  hinein,  bie  für  bag 
gemeine  Serftänbnig  in  tiefem  ©unfel  lagen,  unb  r/olte  aug  §o  6,  6  bag  2öort  fyerbor, 
bag  tüte  ein  IjeHeg  Sid)t  bie  ©efinnung  ©otteg  unb  feine  gorberung  an  bie  9)cenfcr/en 
beleuchtet:  Sarmfyergigt'eit  will  ify  unb  nicfyt  Dbfer  (9Jct  9,  13;  12,  7).  ©o  mar  boef,  io 
eine  neue  ©tunbe  beg  ©ebeteg  auf  @rben  angebrochen,  alg  £jefug  ben  Söalb  bon  Sob= 
unb  ©fyrentoräbifaten  burdpbrad;,  mit  benen  ^graelg  ©ebete  ©Ott  umgaben  unb  berl)ütlten, 
unb  feine  jünger  lehrte,  fie  foHten  ©Ott  alg  Sater  anrufen.  $>ag  tfyat  ber  SDtann,  ber 
bon  fid)  fagen  fonnte,  bafj  niemanb  ben  Sater  fenne  benn  nur  ber  ©ofm,  unb  »ein  eg 
ber  ©ofm  miß  offenbaren  (Wlt  11,  27).  ©o  ift  bag  Saterunfer  ein  ©ebet,  bag  gWar  an  io 
fid;  r/eute  nod)  jeber  $ube  fbred)en  fann,  ber  bon  ^efug  Gfyriftug  nicfytg  Weife  ober  nidttg 
Wiffen  Will,  bag  aber  bod)  nur  redit  gebetet  Wirb  bon  bem  Sun9er/  ^er  e^  *m  tarnen 
^efu  betet,  unb  ber  bon  bem  ©eift,  ber  ben  ©efreugigten  berllärt,  eg  immer  aufg  neue 
lernt,  Wag  bag  fyetfet,  im  tarnen  %e\u  &eten. 

1.  Sie  Slnrebe.    Iläxeg  Sc,  tkxxsq  ?]ju<x>v  6  ev  xoTg  ovQavölg  3Jct.   Sgl.  'Aßßä  20 
6  7iat7]Q  9Jk  14,  36;  ©a  4,  6;  9tö  8,  15.    ®ag  gange  (Sbangelium  liegt  in  biefer  2ln= 
rebc,  bie  bem  SSortlaute  naef)   nicfyt  neu   War  unb  gubor  fcfyon  —  freiließ  in  anberem 
Sinne  —  bon  Reiben  unb  Iguben  gebraust  Worben  mar.   3n  *>en  Iwmerifcfyen  ©ebict/ten 
beten  bie  ©rieben  gum  „Sater  ,3eu§'';    er  tft  naxrjQ  avdgcöv  xe  &eolv  xe.    2lber  Wie 
oft  geigt  fid)  biefer  „Sater  ber  ^Jcenfcfyen  unb  ©ötter"  fct/Wad),   furgfid)tig,   Wanfelmütig,  25 
betbört  unb  überliftet!    @g  fel)lt  tr)m  bie  §ob,ett  beg  ^eiligen  ©otteg   (bgl.  Dr.  3'"?°*/ 
„Zevg  naxriQ  unb  ©eög    TtaxiJQ,    eine   religionggefct)ict)tltcr/e  parallele"    in  Sutl)arbtg 
3fSÖ2  III,  1882,  ©.  189—224).  9J}it  gang  anberer  @f)rfurd)t  flaute  ^grael  gu  feinem 
©ott  embor,  gu  bem  eg  fid)  in  ein  I?inbesberl)ältni3  geftedt  tou^te.    ©ott  ift  ber  3Sater 
bei  33olfe§,  ba§  er  fid;  erlüäf)It  unb  gefdjaffen  I>at,  bem  er  feine  Skrfyeifjungen  gegeben,  30 
beffen  guüinftige  SoKenbung  er  herbeiführt.    ®te  ^eitegefc^id^tlic^e  Sebeutung  bei  5Öater= 
namen§  tritt  gu  SCage ,  fotoo^l  toenn  bag  SSoll   auf  bie  3Saterfd)aft   ©otteg    (g.  33.  im 
Siebe  9)cofe§  5Dt  32,  6),    al$   aud;   wenn   e§  auf  fein  ^inbegber^ältnig  gu  ©ott  (g.  33. 
2)tl4,  lff.)  f)ingemiefen  wirb.    Qn    bem   brangbollen  fingen   um  ©rlöfung   bridjt  ber 
ÜJame  „SSater"  aU  SInrebe  b,erbor  —  ein  §inmei£  auf  bie  §eilggulunft,    in   ber   biefer  35 
9tome  feine  ©rfüßung  finben  Wirb:  3»ef  63,  16;  64,  7:   „9cun   aber,   '^afy'mz,  bu  bift  ja 
unfer  SSater:  mir  finb  ber^on  unb  bu  unfer  Silbner  .        3ürne,  ^aty1»)?,  nid)t  gar  gu 
feb,r  unb  gebenfe  nicb.t  für  immer  ber  Serfdmtbung!"  SDie  §eit§gulunft  Wirb  ©egenmart 
burd;  bie  (Srfcfyeinung  ^efu.    31I§  ber,  beffen  ©ein  unb  Seben,  Sieben  unb  SSirlen  aug 
bem  1)1.  ©eifte  ©otteS  flammt  unb  bon  ib,m  beftimmt  Wirb,  ftel)t  er  in  einem  eingigartigen  40 
Serfiältnig  beS  ©ofme§  gum  Sater  (3)tt  1,  20;  3, 16.  17;  4,  1;  7,  21  xov  naxgög  fxov 
xov  iv  xolg  ovQavölg  u.  f.  W.;  Sc  1,  35;  3,  22;  4,  1.  14  u.  f.  ro.).    ®ie  ©ingigartigfeit 
biefei  SertjältniffeS  geigt  fieb,  barin,  bafe  2>efu§,  Wenn  er  ©ott  feinen  93ater  nennt,  feine 
jünger  nid;t  unmittelbar  in  bieg  23erb,ältnig  mit  einfet) liefet ;  er  unterfdjeibet  gmifcfyen  ber 
33egeid)nung  „mein  Sater"    unb    „euer  Sater"    (bgl  9JU  7,21  mit  5,  16;  6,8  u.  a.),  45 
ob,ne  jemals  bie  gufammenfaffenbe  Segeicfjnung  „unfer  Sater"  gu  gebrauchen,  bie  auef)  im 
§errngebet,    Wie  ofmc  meitereg  erfidjtlid;  ift,  nic§t  ^efug  mit  ben  Jüngern,   fonbern   bie 
jünger,  benen  bieg  ©ebet  gegeben  Wirb,  untereinander  gufainmenfd^liefet.   Siber  eben  biefe 
eingigartige  Stellung  gu  ©ott,  über  bie  ber  Sobbreig  $efu  5Dit  11,  25—27  näheren  2luf= 
fd;lu|  giebt,  ermächtigt  ilm,  ben  Jüngern,  bie  fid)  an  ilm  alg  ben  bon  ©ott  gefanbten  SJceffiag  so 
angeftt)loffen  l>aben,  ein  ©ebet  mitzuteilen,  gu  beffen  Seginn  fie  ©ott  in  neuer  2öeife  alg  Sater 
anreben  unb  in  beffen  Serlauf  fie  gu  ifym  alg  Sater  beten  follten  —  nicfyt  alg  ©lieber 
beg  Solleg,   bag  ©Ott  feinen  erftgeborenen  ©o^n   genannt  f)at  (@e  4,  22),   fonbern^  eben 
alg  jünger  ^efu,   ber   fie   alg    eingelne  Serfonen   gum  ^önigreieb,  ©otteg   feineg  Saterg 
berufen  blatte,  unb  ber  in  tfynen  bie  erften  ©lieber  feiner  ©emeinbe,  feiner  exxXrjoia  er=  55 
lannte.    ©en  ebangelifd;en  ©eb,alt  ber  Stnrebe  b,at  Sutb,er   in   ber  bem  Keinen  $ated;ig= 
mug    einberleibten   Sluglegung    bortrefflicb,    gum   2lugbrucl    gebracht.     ®ie  jünger  %t\u 
bürfen  unb  follen  ©ott  getroft  unb   mit  aller  guberficr/t   bitten  „Wie  bie   lieben  ßinber 
tbren  lieben  Sater" 

Safe  bag  Saterunfer  ntct)t  ein  ©ebet  beg  ©ingclncn,  fonbern  ber  gläubigen  3>ünger=  60 

28* 


436  $aterunfer 

gemeinbe  ift,  tritt  bei  SufaS  erft  Don  ber  bierten  Sitte  an,  bei  IRattfyäuS  fcfyon  in  betn 
Qu\afy  $ur  2lnrebe  ju  ^age:  SSater  unfer,  ber  bu  bift  in  ben  §immeln!  2öie  bie  ©e= 
bete  ber  ©bnagoge  burcfyWeg  als  ©emeinbegebete  geftaltet  finb,  fo  Ijat  StfuZ  baS  ©ebet, 
baS  er  feinen  Jüngern  gab,  ju  einem  gemeinfamen  gemalt,  baS  ber  ©inline  nicfyt  ifo= 
5  liert  für  ficfy,  als  fyätte  er  befonberen  SInfbrucb,  auf  ©Ott,  fonbern  als  ©lieb  ber  ©emeinbe, 
al§  Sftitjünger  ber  anbern  fbred)en  foK.  SfÖenn  nun  aber  ber  Sater  als  6  ev  roTg 
ovgavoTg  be^eicr/net  Wirb,  Wofür  fonft  6  oigänog  (9Jit  5,  48;  6,  14.  26.  32;  15,  13; 
18,  35;  23,  9)  ober  aucb,  bie  Variante  6  inovgdviog  ftefyt,  fo  Wirb  bamit  ntd^tt  eine  bifferente 
Sejeicr/nung  eingeführt,  als  ob  im  llnterfcfyieb  bon  bem  Satemamen,  ber  uns  ergebt,  nun 

10  bie  Sejeiclmung  folge,  bie  uns  bemütigt,  bamit  Wir  uns  nic§t  an  ©ott  berfünbigen  (fo 
j.  S.  ©glatter,  £)aS  ©bangeltum  beS  9J?attb,äuS,  ausgelegt  für  Sibellefer,  1895,  ©.  98). 
^Dagegen  fbricfyt  erftenS  ber  jübifcr)e  ©bracfygebraucr;.  „®er  fyimmlifdEje  Sater  ift  ber, 
Welker  QSraelS  ©ebet  erhört.  SBenn  alle  anbere  ^uflucfyt  un°  Hoffnung  berfd)toinbet, 
bleibt  QSrael  nur  ber^Ruf:  Stuf  wen  füllen  Wir  uns  berlaffen?    Stuf  unfern  fyimmlifcfyen 

15  Sater.  3m  Kabbtfd)  b,etf$t  eS:  angenommen  Werbe  baS  ©ebet  unb  gießen  beS  ganzen 
^Srael  bor  ibjem  fyimmlifcfyen  Sater"  (bg(.  ©alman  a.  a.  D.  ©.  153).  gWeitenS  frri^t 
bagegen  ber  Kontejt  bei  9Jtattb,äuS,  ber  jur  ©rläuterung  bient.  ©er  bjmmlifclje  SSater 
ift  ber  ©ott,  ber,  ungehemmt  burd)  tibifd)e  ©ö^ranlen,  alles  Weift,  atteS  fieb,t,  aUeS  ber= 
mag  unb  baruin  aßen  jugänglicr;  ift;  er  ift  ber  Sater,  ber  „im  Verborgenen  fielet"  unb 

20  baS  ©ebet  im  Kämmerlein  er|ört  (3Jit  6,  4.  6.  18).  ©iefe  9Jtacr)t  l)at  ber  etbig  ^ronenbe, 
beffen  9came  ^eiliger  ift  (3ef.  57,  15).  5Rit  anbern  Söorten,  ber  fyimmlifclje  Sater  ift  ber 
©ott,  ber  ©eift  unb  Seben  ift  Qo  4,  24;  5,  26),  ber  bon  ber  unfid)tbaren  r/immlifcfyen 
SBelt  beS  ©eifteS  auS  alles  burcfyWaltet.  2)er  5Rattf)äuSjufa|  beWeift,  bafj  in  ber  älteften 
3ubend)riftenb,ett,  auS  ber  fyerauS  unb  für  bie  baS  erfte  ©bangelium  gefd)rieben   ift,    baS 

25  §ermgebet  nid^tt  als  eine  ©ebetSformel  mit  unberänberlid)em  2öortlaut  aufgefaßt  Worben  ift, 

fonbern  als  eine  ®abs  gefu,  bie  red?t  WoI)l  burcb,  SÖorte,  bie  QefuS  felber  fonft  brauste, 

erweitert   unb   erläutert  Werben   fonnte.    SBenn  &\u$  fonft  bom  „tnmmlifcfyen"  Sater 

rebete,  fo  lonnte  man  ifm  aucfy  in  bem  bon  ib,m  ftammenben  ©ebet  fo  reben  laffen. 

2öäl)renb  £utb,er   in   ber  Sibelüberfetjung   bie  neuf)od)beutfcf;e  2Bortftellung   „unfer 

30  Sßater"  anWanbte,  b,at  er  in  ben  Katechismen  unb  für  ben  liiurgifdjen  ©ebraud)  an  ber 
burd)  baS  §erlommen  ber  mittelalterlichen  Kirche  (Pater  noster)  unb  früheren  beutfd)en 
©brad) gebraut  empfohlenen  ©tellung  „Sater  unfer"  feftgeb/alten  (gotfy.  atta  unsar, 
ab,b.  fatar  unsar;  „unfer"  ift  pronomen  possessivum,  nic^t  etwa  ©enetib  beS 
^erfonalbronomenS,  bgl.  ©rimm,  ^afob  unb  2BiIf)elm,  ©eutfdjeS  Söörterbudj  II,  1860, 

35  ©b.  992).  ®er  §eibelberger  Katecb,  iSmuS  überfe^t  bie  Slnrebe :  Unfer  SSatter,  ber  bu  bift 
in  §immcln.  ©ie  ©tellung  blieb  übrigens  im  ^eformationSjafyrljmnbert  in  freiem  glufe. 
©o  I)at  3to'n3^  m  feiner  „3Htton  ober  Sraucf)  beS  ^Rac^tma^lS"  bie  Überfe^ung 
„5ßater  unfer"  (bgl.  §.  21.  ^Daniel,  Codex  liturgicus  III,  152),  unb  bie  Serner 
Siturgie  fyat  nocb,  bis  ins  17  3a§r^unoert  hinein  biefe  2SortfteKung  beibehalten,  toä^renb 

40  umge!ef)rt  nieberbeutfdje  Iutb,erifd)e  Katechismen  „Unfe  Saber"  bargeboten   b,aben   (§am= 

bürg  1584,  1586,    1599;    bgl.  (5.  SERöncfeberg,  ®ie  erfte  SCuSgabe  bon  2utb,erS  lleinem 

Katechismus,  Hamburg  1851,  ©.  14  2lnm.  2  unb  Kambb,aufen  a.  a.  D.  ©.  31  u.  32). 

2.  SDie  erfte  Sitte   ober   bie    erfte  ©tufe    beS    ©ebetS:    'Ayiaoftrjtco   tö 

ovo/ud  oov  SufaS  unb  5Rattb,äuS.    ©er)eiligct  iperbe  bein  3Rame! 

45  @S  ift  ju  beachten,  bafe  bie  grierf)ifcb,en  llberfe|er  beS  aramäifcb.en  SSortlauteS  im 
ganzen  Saterunfer  ^mberatibe  Slorifti  gewählt  b,aben;  bie  einige  SluSnab.me  bilbet  baS 
lufanifcfye  didov  in  ber  bierten  Sitte.  @S  fjanbelt  ficb,  um  ben  ©ebraucb,  beS  3lorift§, 
toobei  jufammenfaffenb  baS  Serratien  bis  ju  einem  @nbe  beseia^net,  alfo  baS  $iel  ins 
3luge  gefaxt  mirb,  baS   erreicht  Werben   foÖ    (bgl.   %x.  SIa§,   ©rammati!   beS  neuteft. 

so  ©riecr,ifcf,,  2.  2lufl.  1902,  §  58,  2,  ©.  199).  SefonberS  le^rreict)  hierfür  finb  bie  3m» 
beraube  im  erften  ^3etrusbrief  (bgl  1,  13  xeMcog  ttmoare  behaltet  bie  bößige  Hoffnung 
bis  ans  @nbe).  ®er  jünger  ^u,  ber  betet,  bafs  ©otteS  5Rame  geheiligt  Werbe,  glaubt 
unb  Wei^,  ba|  bieS  $kl  erreicht  Werben  Wirb.  S^un  ift  aber  Weiter  gu  beachten,  ba^ 
baS  ©ebet  nicfjt  a!tib  lautet:   jiäzeQ,   äyiaoov  tö  övojud  oov,  ba  ja  ber  ÜRame  ©otteS 

55  an  fid)  b,eilig  ift.  5Die  baffibe  gorm  beS  2luSbrucES  (baS  einige  Wirflicb,e  5ßaffibum  im 
©ebet)  Ien!t  ben  Slicf  mit  9lottoenbigleit  auf  bie  Sßerfonen,  bon  benen  baS  ^eiligen  ge= 
übt  Werben  foll;  eS  foH  alfo  bon  ben  9Jlenfd£)en,  inSbefonbere  bon  ber  3üngerfd?aft  gefu 
ber  an  fid?  ^eilige  ©ott  beftänbig  unb  in  ftets  fteigenbem,  jur  Sollenbung  b,inbrängenbem 
aJlafee  burd)  SSort  unb  %fyat  als  ber  ^eilige  befannt  unb  babura)  fein  $ame  berb,errlid)i 

eo  Werben  (bgl.  befonberS  $ef  29,  23).    £)aS   ift   ber  3nb,alt   ber  erften  Sitte.     Deus  est 


Snteruufcr  437 

sanctus  id  est  deus:    sanctificatur  ergo,    quando   ita,    ut   est,    agnoscitur    et 
colitur  et  celebratur  (SengelS  ©nomon  ju  Soft  6,  9). 

©ie  £>eiligfett  ©otteS  ift  bie  gufamntenfaffenbe  Sejetclmung  für  ben  ©efamtgebalt 
beS  göttlichen  SßefcnS  in  feiner  Offenbarung  (bgl.  33b  VII,  573,  38).  Sin  ben  ttybifcfjen 
©teilen,  Wie  $ef  6  ober  neuteft.  Sc  5, 1—1 1  treten  brei  SegriffSmomente  fyerbor.  ©er  fid)  5 
offenbarere  fyeilige  ©ott  überführt  ben  9Jtenfd)en  Don  feiner  fünbtgen,  fein  ganjeS  2öefen 
erfüHenben  Unreinheit  unb  UnWürbigfeit;  baburd)  beugt  unb  bemütigt  ©ott  ben  9JJenfd)en 
unb  ftcHt  ifyn  in  bie  gurcfyt  bor  ifym.  2lbcr  eben  ber  ^eilige  ©ott  ergebt  ben  ©ebeugten, 
entfünbigt  ifyn  unb  fteEt  il)n  in  ben  ^rieben  ber  burcfj  bie  ©ünbenbergebung  fyergefteHten 
©otteSgemeinfdjaft.  Unb  bann  nimmt  ©ott  ben  burd)  gurdjt  unb  Vertrauen  t)tnburd)=  n> 
gegangenen,  gebeugten  unb  erhobenen  9Jfenfcr)en  in  feinen  ©ienft  unb  maö^t  ifm  jum 
SBerfjeug  ber  2tuSricb,tung  feinet  SKUllenS. 

®aS  füllten  alfo  bie  3un9er>  ^mm  gefuS  biefe  Sitte  gab,  glauben,  bafj  fie  toirflidj 
trofc  tt)res  UntoerteS  ©otteS  Äinber  feien,  bie  bie  Sotlmactjt  fyaben,    ifm   als  Sater  an= 
jurufen,  unb  bie  feinen  Satewamen  entheiligen  Würben,  wenn  fie  ftd)  folcfyeS  Vertrauens  15 
Weigerten,    ©en    tarnen  ©otteS    ^eiligen   ijeifet  bie   itinbeSftellung  feftl)alten,    bie  ber 
Sater  ben  betenben  Jüngern  $efu  giebt  unb  berietet;  eS  Reifet,  ein  $inb  ©otteS  fein  unb 
bleiben  Wollen  —  ein  $inb,  baS  ben  geiftigen  gufammenfyang  mit  bem  Sater  burd)  ben 
©ienft  ber  Siebe  beWeift.   ®aju  bebarf  eS  aber  ber  beftänbigen  Sitte,  eS  möge  gefd)el)en, 
b.  f).  burcb,  ©ott  gefeiert,  ber  eS  allein  feb, äffen  fann,   baf$  ber  -Warne  beS  SaterS  im  20 
©lauben  unb  im  Seben  ber  $inber  ju   ber  feiner  §eiligleit  entfbredjenben  tätigen  2tn= 
erfenntmS  gelange.    2tuf  ©otteS  Sßirlung  ge^)t  jurücf,    Wenn  fein  9?ame  gebeiligt  wirb; 
feinen  Seiftanb  erbaten  bie  3un0er  bamalS  fcfyon,  als  ^efuS  i^nen  bie  alte  unb  nun  bod; 
fo  neue  Sitte    gab;   fie  fbrad)en   aber   bie   Sitte   mit  bollerer  (MenntniS,   als   fie  fie 
im  tarnen  beS  erbeten  £>errn   in  $raft  beS  ©eifteS,   ber  ben  ©elreujigten  berflärt,   gu  25 
fbred)en  begannen. 

3.  Sie  jWeite  unb  brüte  Sitte  ober  bie  jtoeite  ©tufe  beS  ©ebet|S. 

'EX&kco  (eXMxm  N  D  bei  W.,  N  C  bei  Sc)  f\  ßaodeia  oov.   ©aju  bei  3Jit :  yevrj- 
■&>'}tco  t6  §e?if]/ud  oov  obg  (cos  fefylt  bei  D*abck,  %txt.  unb  @bbr.)  iv  ovgavqj  xal  im 
yijg  (DrigeneS  laS  in  feinem  %qct  ot  xfjg  yfjg,  de  oratione  c.  18,  2,  fo  aud)  cod.  D  30 
unb  anbere  Uncialfyanbfcfjriften).    @S  fomme  bein  Sieicb,;  eS  gefcfyebe  bein  SBitle,  Wie  im 
§immel,  aud)  auf  ber  @rbe! 

@S  gilt,  junädjft  bie  SeWegung  beS  ©ebeteS  ju  erlernten.  9öenn  man  bie  güHe 
ber  erften  Sitte  erwägt,  fann  man  fagen,  baf;  aUeS  erreicht  ift,  trenn  ©otteS  Sater=9iame 
bon  ben  2Renfd)en  geheiligt  Wirb.  @S  giebt  fein  bö^ eres  Qid  als  biefeS ;  toobl  aber  35 
ftefyen  §inbemiffe  ber  böKigen  ©rreidjmng  beS  QkUZ  entgegen,  bie  nicfjt  eb,er  berfd)n)inben, 
als  bis  ©otteS  §errfd)aft  in  §errlicl;leit  in  bie  ©rfcfjeimmg  tritt,  bis  bie  unficfytbare  unb 
bie  fict)tbare  SBelt,  §immel  unb  @rbe  böllig  eins  geworben  finb,  ber  Sater  fcfyaubar  unter 
ben  ^inbern  ibob,nt  unb  bie  ^inber  bor  ben  3lugen  beS  SaterS  toanbeln  (bgl.  Slbf  21,3; 
22,  3.  4).  ®arum  richtet  %t\u§  ben  Süd  ber  betenben  ^üngergemeinbe  binauS  in  bie  40 
3uiunft,  mo  bie  @rbe  mit  ber  fyimmlifdjen  Söelt  geeint  fein  wirb,  unb  fügt  ju  ber  Sitte 
um  Heiligung  beS  9?amenS  ©otteS  b.  b,.  um  ben  redeten  ©lauben  unb  Se»äb,rung  beS 
©IaubenS  im  ©tenft  ber  Siebe  bie  auf  bie  Erfüllung  bliefenbe  Sitte  ber  Hoffnung.  ®ie 
jtoeite  unb  brüte  Sitte  finb  eSd^atologifd)  ju  berfteb,en;  fie  fielen  unter  fid)  in  alters 
engftem  3ufamment)ang.  9fteicb,  ©otteS  unb  SöiKe  ©otteS  gehören  jufammen.  Regnum  45 
dei,  quod  ut  adueniat  oramus,  ad  consummationem  saeculi  tendit  (Tert.  de 
or.  c.  5).  ©aS  SfJeicf;  ©otteS  tritt  in  bie  @rfd)einung  als  bie  jur  bollen  ©urebfü^rung 
gelangte  <r>errfcf;aft  ©otteS  über  bie  3Belt.  (SS  ift  ber  ^uftanb  ber  SSelt  unb  bie  Drb= 
nung  ber  ©inge  gemeint,  tt)o  ©otteS  2Bitte  ber  allein  beftimmenbe  auf  @rben  geworben 
ift,  ober  (Wie  §ofmann  Sc  11,  2  ausgelegt  b,at,  bgl.  bie  i)l  ©d;rift  9t  iS  VIII,  1  bo 
1878,  ©.  284)  „bie  Crbnung  ber  ©inge,  in  Welcher  eS  leinen  anbern  toirffamen  SiUffen 
giebt  als  ben  SöiHen  ©otteS  unb  ber  äöille  ©otteS  ju  feiner  bollen  Sertoirllicbung  ge= 
langt  ift"  ^m  SoltenbungSjuftanb  finb  bie  ©nabengüter  ber  ©rtöfung  ju  boller  2luS= 
tüirlung  gelommen;  bie  @rbe  ift  bann  aus  einer  ©tätte  ber  ©ünbe  unb  beS  TobeS  in 
ein  Sanb  beS  griebenS  unb  beS  SebenS  bertoanbelt,  unb  bie  bollenbete  ©emeinbe  breift  55 
itiren  ^önig,  beffen  2öillen  ju  boHbringen  il)re  Suft  ift.  ©0  ift  eS  jetjt  fd)on  „im 
§immel"  ©d)on  DrigeneS  b^t  bie  grage  aufgetoorfen  (de  orat.  26,  1),  ob  ber  Ser= 
gleicbungSfa^  „Wie  im  ^tmmel,  aueb,  auf  ber  @rbc"  nicb,t  ben  brei  erften  Sitten  gemein= 
fam  fei;  fbracblid)  ift  boef)  nur  bie  Schiebung  auf  bie  britte  Sitte  möglieb,  inbem  auS 
bem  IJmbcratib  yEvt]dr\TOi  ber  l^nbifatib  yeyhnjTm,  yryovrv  ober  aud;  yivFTm   ergänzt  60 


438  ÜSatermtfer 

tütrb.  ®er  SBecfyfel  beS  S'Jumerug:  iv  xoTg  ovgavoTg  in  ber  2Inrebe,  iv  ovQavco  in  ber 
brüten  Sitte,  ift  bom  Überfetjer  eingeführt ;  er  I)at  am  aramäifcben  ©runbter.t  fernen  3ln= 
fyalt.  Qm  §immel,  in  ber  9Mt  ©otte§  unb  feiner  ßngel,  bie  totHtg  feine  Sefefyle  au<§= 
rieten  (5ßf  103,  20.  21),  giebt  e§  leinen  Söiberfbrud)  unb  SBiberftanb  toiber  ©otte§ 
5  2Bitten.  2luf  ber  @rbe  bagegen  ift,  roie  Sutl)er  bibltfd)  auflegt,  böfer  SRat  unb  SSiUe 
borbanben,  bie  un§  ben  tarnen  ©otte3  nid)t  ^eiligen  unb  fein  Sieid)  nicfü  fommen  laffen 
Wollen.  @3  ift  „be§  Teufels,  ber  SBelt  unb  unfrei  gleifcbeg  SOßiHe"  £)ae  ©ebet  gebt 
babin,  bafe  bie  t>on  ©otteö  ©ebulb  ber  2Ju§tr>irfung  biefeä  SBitteng  gefegte  griff  gu  @nbe 
gefyen  unb  ©otte§  SöiHe   aucfj  auf  @rben  &u  alleiniger  ©eltung   fommen  möge,   womit 

io  bann  aud)  „bie  ftönig^errfcfyaft  über  bie  SBelt  ©otte  unb  feinem  ©efalbten  jugefatten 
ift"  (Styl  11,  15.  17;  12,10). 

35te  britte  Sitte  bient,  tüte  fid)  gezeigt  I)at,  ber  jtoeiten  gur  (Erläuterung;  fie  fonnte 
bei  ber  erften  Mitteilung  be3  §errngebete§  (Sc)  fehlen,  entftammt  aber  fonftigem  £et)r= 
Wort  %tfu,  tät  W°n  h\t  Sergbrebigt  geigt,  wenn  Wlt  7,  21  ba§  %l)un  be§  3BiHen§  be§ 

15  I)immlifd)en  Saterä  als>  SUierfmal  ber  ^eicb^angefyörigen  |ingefteßt  wirb,  ^m  ©etl)femane= 
fambf  I)at  $efu3  felbft  ftd)  biefe  Sitte  angeeignet  unb  mit  if)r  bie  ©efoifjfyeit  über  bie 
SRotmenbigfeÜ  be§  Seibenätoegeg  errungen  (Mt  26,  42  yevrj&rjxco  xb  §ürjjud  oov). 
Stertußian  I)at  —  au3  toeld)em  ©runbe,  ift  nid;t  erfidjilicb,  —  bie  zweite  Sitte  jur  brüten 
unb  bie  britte  gur  gmeüen  gemacht.    2luguftinu§  War  ber  Meinung,  bajj  bie  britte  Sitte 

20  getüiffermafjen  eine  2SieberI)oIung  ber  beiben  erften  fei.  ©eine  2öorte  lauten  (Enchiri- 
dion  ad  Laurentium,  ed.  Sruber,  Lipsiae  1883,  c.  116):  Euangelista  uero  Lucas 
in  oratione  dominica  petitiones  non  Septem  sed  quinque  complexus  est;  nee 
ab  isto  (=  Matthaeo)  utique  discrepauit,  sed  quomodo  istae  Septem  sint  in- 
tellegendae,  ipsa  sua  breuitate  commonuit.     Nomen   quippe   Dei   sanctificatur 

25  in  spiritu  (ba§  fyetfjt  nad)  c.  115  in  caelo);  Dei  autem  regnum  in  carnis  resur- 
rectione  (=  in  terra)  uenturum  est.  Ostendens  ergo  Lucas  tertiam  petitionem 
duarum  superiorum  esse  quodam  modo  repetitionem,  magis  eam  praeter- 
mittendo  fecit  intellegi. 

©af$  ba£  egd)atoIogifd;e  Serftänbni§  ber  ^Weiten  unb  brüten  Sitte  tE)re  2fntoenbbar= 

30  feit  auf  ben  gegenwärtigen  geülauf  nid)t  ausliefst,  t)at  £I)eobor  Qafyn,  ber,  Worin  id) 
il)m  nid)t  folgen  fann,  aucf;  bie  erfte  Sitte  in  e3d)atoIogtfcI)em  ©inne  fafü,  treffenb  nad)= 
geWiefen  (a.  a.  D.  ©.  274).  ®ag  @gd^atoIogtfcr)e  ift  eben  nid)t  lebiglid)  jufünftig,  fonbern 
fter/t  fd)on  jefct  tl)atf äd)Itd)  mitten  in  ber  (Erfüllung.  £)enn  atte3,  Wag  bie  $ufunft  an 
©eridü  unb  ©nabe  offenbar  machen  Wirb  unb  in  bie  @rfd)einung  treten  läfjt,  ba$  ift  ber 

35  ©adjje  nad)  jetjt  fcfyon  borf)anben  —  nur  nod)  nicfyt  gefdjieben  unb  getrennt,  nicf;t  in 
ber  entfprecfyenben  äußeren  ©eftalt,  fonbern  gemifcfyt,  berbüllt,  in  Serborgenb,eit  be§  inneren 
aSefeng.  S)a  aber  ba3  9ieid)  ©otte^  in  ber  ©egentoart  ficf;  ba  offenbart,  roo  ber  ©eift 
©otte§  fein  Söefen  b,at  (bgl.  Wo  14,  17),  fo  ift  bie  jioeite  Sitte,  auf  bie  ©egentoart  be= 
jogen,  bie  Sitte  um   ben   1)1.  ©eift.    SDarin  rul)t  nid)t  nur   ba§  Stecht  ber  2lu§Iegung 

40  £utl)er§,  fonbern  aucb,  ber  9?eij  einer  alten,  in  ber  bon  £>arttac?  angeregten  ©ebatte  biel 
beftorod?encn  unb  bon  ib,m  al§  urfbrünglidjer  2ufa§tejt  in  Slnfbrud^  genommenen  Sariante 
ju  Sc  11,  2,  bie  ©regor  bon  9Jt)ffa  in  ber  brüten  Siebe  über  ba£  ©ebet  borbringt,  unb 
bie  aucb,  bon  jtoei  9JttnugfelI)anbftf)riften  bargeboten  Wirb.  @§  ift  bie  ^anbfcfyrtft  5Rr.  700  (bon 
©oben  e  133),  Sonbon,  Brit.  Mus.Egerton  2610  (2601  bei  §arnacf  a.a.  D.  ©.  196  ift  ein 

45  SDrucffefyler),  au§  bem  ll.Qatjr^unbert  „mit  borjüglitt^enSe^arten",  unb  bie  §anbfcb,rift  Tit.  162 
(bon  ©oben  s  214),  3tom,  Barb.  IV  31,  im  ^afyr  1153  bon  ber  §anb  bei  ^ßregbr;ter§ 
Manuel  gefcferieben  (bgt.  6.  ©.  ©regorb,  Xejtfritif  be§  $1%,  erfter  Sanb,  1900,  ©.  213 
unb  214  unb  ©.  161).  ©regorg  Söorte  lauten  (MSG  XLIV  1157  C):  fj  xa&tbs  fjßuv 
vnö  tov  Aovxä  xb  amo  vorj/ua  aacpeaxEQov  EQjxrjVEvexai,    6  xrjv    ßaodeiav  ik&eiv 

so  ä£icöv  xrjv  xov  äyiov  Tivsvfxaxog  ovjujuayjav  EJiißoäxai;  ovxco  ydg  iv  ixeivco  svay- 
ysMco  <prjölv'  ävxl  xov'  eX&exoj  f\  ßaaiksia  oov'  ilfifrco,  cpfjol,  xb  äyiov  nvEVfxd 
oov  £<p  tjjuäg  nai  xa&agiodxoi  fuxäg  (in  ber  9ftinu3felt)anbfcr;rift  3lx.  700  ber  gleiche 
%qct,  nur  mit  ber  ©tellung:  xb  Tivevßd  oov  xb  äyiov;  in  ber  .ganbfcfjrift  3Rr.  162 
lauten  bie  3öorte:   eI&exco  oov  xb   nvEVfia  xb  äyiov  xai  xa.'&aoiodxco  rjfiäg).     ©iefe 

55  Sariante  „e§  fomme  bein  Zeitiger  ©eift  auf  un§  unb  reinige  uns"  fd^eint  fcb,on  bor 
Marcionl  %ti.t,  alfo  bor  150  ftd;  in  SufaSfyanbfdmften  gefunben  gu  baben.  ®enn  als 
Marcion  fein  febangelium  ^erfteüte,  ba§  er  l^aubtfädEjIicb,  bem  Sufaö  entnahm,  tilgte  er 
bie  il)m  unerträgliche  erfte  Sitte  unb  bereinigte  bie  beiben  Sarianten  be§  SufaStejte§,  bie 
er  borfanb,  gu  folgenber  gorm  beö  Saterunferä :  IldxsQ,  iMixco  xb  äyiov  nvev/nd  oov  eqf 

eo  f)[xäs  xai  xad-aQiodxoi  fjjuäg'  ilMroi  v\  ßaoilda  oov  (bgl.  %fy.  Qafyn,  £)a§  Saterunjer 


58ateruufer  439 

eine«  ßritifcrS  in  9cf3  II,  1891,  ©.  108-416,  ©.  414).  3Jton  toirb  bic  (Sntfic&ung 
ber  fefyr  alten  Variante  ntcfyt  mit  2BeUfyaufen  (©a§  ©bangelium  2ucae,  überfe^t  unb  er= 
Hart,  1904,  ©.  56)  barauS  ableiten  bürfen,  bafe  „einer  fbätcren  ßeit  ber  ©etft  genügte 
unb  bie  ^arufie  ibj  entbehrlich  War",  fonbern  man  Wirb  ben  hontest  ber  ©teile  bafür 
in  Stnfbrucb,  ju  nehmen  b,abcn.  Qn  2c  11,  13  folgt  ba§  Söort:  „SSenn  alfo  iljr,  bie  ifjr  5 
arg  feib,  euren  Äinbern  gute  ©aben  ju  geben  Wifjt,  Wie  Diel  mefyr  wirb  ber  Sater  bom 
§immel  ^eiligen  ©etft  geben  benen,  bie  tyn  bitten"  ©a§,  worauf  Qefu  3tebe  bom  ©cbet 
fdjliepd)  bjnau3gef)t,  trug  man  in  ba<§  bon  ifmt  mitgeteilte  ©ebet  felbft  Innern  (fo  febon 
§ofmann  ju  ber  ©teile,  bgl.  a.  a.  D.  ©.  291).  2Sie  fei)r  ba§  Urteil  über  bie  ©ntftelmng 
ber  Variante  noeb,  fcfyWanft,  mag  man  barauS  erfeben,  baf3  b.  ©oben  (a.  a.  D.  ©b.  222  10 
unb  223)  geneigt  ift,  bie  Sitte  um  ba§  kommen  be§  reinigenben  1)1.  ©etfte3  als  ein  au$ 
ber  £äuferfd)ule  ftammenbeö  ©ebet  au^ufaffen,  ba3  jemanb  gu  ber  Jcotij  2c  11,  1  „wie 
^oljanneg  feine  3>un0er  beten  lehrte"  an  ben  9fanb  feiner  2ula§b,anbfc^rift  gefcb,  rieben 
habe;  bie  Stanbnotij  fei  bann  fyäter  an  unrechter  ©teile  in  ben  Sulagtejt  felbft  ein= 
gebrungen.  15 

4.  ©ie  bierte  bi§  fiebente  Sitte  ober  bie  britte  ©tufe  be<3  ©ebetS. 
ßs  ift  im  ©ebet  ein  innerer  gortfcbjttt  borl;anben,  ben  e§  b,erau§juftellen  gilt.  Sie 
jünger  ^efu,  bie  ben  Sater  um  bie  Heiligung  feinet  ÜNamenS  anflehen,  erbitten  ftcb,  bie 
Ä'raft,  aU  ©otte3  J^inber  im  ©lauben  unb  in  ber  Siebe  ju  leben  unb  fo  ben  tarnen  be3 
SSatcrg  ju  b,  eiligen.  ©ieö  giel  Wirb  allem  Sßiberftanb  gegenüber  böllig  erreicht  Werben  20 
bureb  ba§  kommen  be§  9ieicb,e§,  nad)  beffen  b,errlicb;er  Soüenbung  fie  ftcb,  betenb  fefmen. 
©er  lag  ber  §errlid)feit  ift  aber  noeb,  nict)t  erfebjenen;  es»  tb,ut  ftd;  eine  gWifdKnjeit  auf 
ätoifcfyen  bem  berborgenen  ©afein  bes>  SRetd^eö  (im  ©eift)  unb  feiner  b,errlicben  Sollenbung 
—  eine  3toifcb,enjeit,  beren  2änge  unb  ©auer  ©ott  allein  befttmmt.  ©iefer  gwifc^enseit 
gelten  bie  folgenben  Sitten.  Qefu§  richtet  ben  Slid  ber  jünger  auf  ibje  Sebürfniffe  in  25 
biefer  2Bartejeit  uno  fcfyenft  itmen  mit  ben  Sitten  gttgletd^  ba§  Sertrauen,  baj$  bem,  ber 
nad)  ©otte§  ÜReicb,  trachtet  unb  fein  kommen  I)erbeiflel)t,  aße§  anbere  jugelegt  Werben 
Wirb  (SDct  6,  33).  @<§  I)anbelt  W  um  hm  ©rüde:  „$rift  unfer  2eben,  Wollft  bie  ©d}ulb 
bergeben,  erlös  un§"  (au§  bem  Slbenblieb  ber  bot) mifcljen  Srüber:  ©te  9cadj)t  ift  lommen). 

a)  ©ie  bierte  Sitte.  au 

rp\     „  c    ~       \      3       /         f  diöov  -fjuiv  xb  xa&'  fiueoav  2c, 

1  ov  aoTOv  ri/ucov  xov  emovoiov      «>      c    'S      ,  rm'f  c  ' 

w         /r  ( 00g  rjßiv  orjjueQov  vJit. 

Unfer  Srot  für  bie  fommenbe  ^eit  gieb  m§  l  f^JÜX  2fl0! 

Srot  ift  9kbrung  be<§  2eibe§,  „allc§,  'mtö  jur  2eibe3  5Rab,rung  unb  9Zotburft  gehört,"  35 
toie  2utb,er  auflegt.  2Rit  ber  einen  Sitte,  bie  ^u  bem  Wortreichen  ©eblabber  bei  ben 
mancherlei  9cöten  be§  2eben§  einen  bemerlen^Werten  ©egenfa^  bilbet,  Wirb  für  ben  ganzen 
Umfang  ber  leiblichen  Sebürfniffe  ©orge  getragen,  ©erabe  2ulag  Weift  barauf  b,in,  Wie 
bie  jünger  in  ber  ^adjfolge  Qefu  if)r  täglicfjeg  Srot  gefunben  b,aben.  Qn  ber  ^ßaffion§= 
nad;t  richtete  3£fu^  °i£  SraSe  an  f^e:  2li&  icb;  eueb,  au^fanbte  ob,ne  Seutel  unb  ^afcb,e  40 
unb  ©c§ul)e,  b,abt  ibr  aueb,  je  Mangel  gehabt?  ©ie  fbrad)en:  TOe  leinen  (2c  22,  35). 
Sie  Ratten  Stag  für  %a$  bekommen,  Weffen  fie  beburften. 

©er  $onter.t  bei  2Rattb,äu§,  in  bem  fo  emftlicb,  bor  bem  b,eibnifc§en  ©orgen  um 
■JJafyrung  unb  Äteibung  gewarnt  Wirb  (6,  25—34),  ergebt  bie  Segieb,ung  ber  Sitte  auf 
baä  irbifcb,  e  Srot  ju  böEiger  ©eWi^eit.  ©er  2ufa§ter.t  inbeffen ,  in  Welchem  al§  befte  45 
ber  ©aben  unb  b,öcb,fte§  3iel  beö  Sitteng  ber  1)1.  ©eift  genannt  Wirb  (2c  11,  13),  tonnte 
umgebeutet  Werben.  ©0  gab  fd)on  9Jiarcion  ber  Srotbitte  bie  gorm:  xbv  aqxov  00  v 
rbv  emovoiov  diöov  fj[uv  xb  xaß'  ^juegav.  ©ureb,  Sertaufd^ung  be§  ^ronomenS  Würbe 
au§  bem  Srote  ber  9JRenfcb,en  ba§  Srot  ©otte§,  alfo  ba§  Srot,  bon  bem  %tfu§  %o  6,  32 
rebet,  unb  ba3  er  im  ©egenfatj  jur  natürlid^en,  bergänglicfyen  ©beife  ba§  bom  Sater  ge=  so 
gebene  §immeIöbrot  nennt,  ©ie  geiftlid^e  Ümbeutung  ber  Srotbitte  b,at  in  ber  alten 
Äircb,e  breiten  9toum  gewonnen,  iertußian  unb  Gbbrian  ftellen  fie  in  ben  Sorbergrunb 
(Christus  panis  noster  est  —  Tert.  de  oratione,  c.  6,  Cypr.  c.  18),  geben  aber  ju,  bafe  bie 
Sitte  aueb,  carnaliter  berftanben  Werben  bürfe.  ©agegen  b,ält  Drigene§  (jisqI  evy/]^ 
c.  27,  1  ff.)  e€  für  eine  unWürbigc  2luffaffung,  bie  bierte  Sitte  auf  irbifdje  ©inge  ju  begeben;  65 
ba§  gleifd)  Gbjifti,  be§  bom  §immel  berabgefommenen  2ogo3,  ift  bie  Waf)re  ©beife,  bie 
Su  effen  unb  um  bie  ju  beten  ift.  ^ieront)inu§  bat  bann  bureb,  bie  Überfe^ung  beS 
l-iiovoiog  mit  supersubstantialis  0Rt  G,  11)  bie  geiftlicbe  ©eutung  erzwingen  Wollen, 
blieb  aber  auf  b,atbem  Söcge  fielen,  inbem  er  2c  11,  3  bie  alte  lateinifdjc  Überfettung 
quotidianum  unberänbert  fteben  liefe ;  fie  ift  bon  ba  auS  in  eine  grofjc  S^eib,  e  ber  §anb=  60 


440  SBaterimfer 

fd^rtftert    be§   Iateimfd;en  IRaitijiäug    eingebrungen   (ixjl.   ben  Styparat   in  9Borb<§wort&i  = 
2Bbjte'<§  2iu§gabe  beS  lateimfdtjen  %l%,  33b  I  p.  60). 

25aft  imovoiog  mit  supersubstantialis  falfcb,  überfefet  ift,  ftefjt  feft;  aber  ü>eld;e3 
ift  bie  richtige  Überfe^ung  unb  ©eutung?  ©d;on  Drigenei  bemerlte,  bafs  ba<§  2öort 
5  roebcr  bei  einem  griec|ifd)en  ©d)riftfieller  ooriomme,  noi|  in  ber  gemöfynlidjen  Umgang^ 
fpraaje  gebraust  werbe,  fonbern  »on  ben  ©oangeliften  gebilbet  toorben  ju  fein  fcfyeine; 
er  fteKt  bann  imovoiog  unb  negiovoiog  (3.  33.  LXX  @r.  19,  5  =  %xt  2,  14)_3ufammen 
unb  giebt  bie  ©eutung:  xbv  im  xr\v  ovoiav  ovfxßaXXöfievov  agxov.  ©ine  getoiffe 
Aufregung  rief  eine  Don  ©.  21.  35ei|mann  (9Jeue  33ibelftubien  1897,  ©.  42)   erneuerte 

10  5JJotij  S.  S.  2B.  ©rimm§  fyeroor,  ber  im  4.  %eil  be§  ejegetifcfyen  £>anbbud;e§  %\x  ben  3tyo= 
fri^fyen  be§  2l£  (1857,  ©.  35)  bei  2  2M  1,  8  bie  33emerfung  machte:  „2SiWürIid;er,  aber 
wegen  9)tt  6,  11  unb  Sc  11,  3  merfwürbiger  ßufatj  in  brei  Codd.  Sergii:  xovg  imov- 
oiovg" ©oßte  alfo  ba<§  Söort  imovoiog  bocb,  fonft  nod;  »oriommen?  2SeUI)aufen 
fdjreibt  (1904)  gu  ÜJtt  6,  11:   „^n  2  S3M  1,  8   fyaben    ein    paar    obffure  £anbfd;riften 

15  rovg  ägxovg  xovg  imovoiovg  für  ^"l'?P'j  "?  sftu  4;  rj/  foofür  bie  LXX  ot  ägxoi  61  did 
jiavxög  fagen"  @§  I)anbelt  fia;  !)ier  aber  gar  ntd^t  um  griednfcfye  §anbfd;riften,  fonbern 
um  bie  WiHfürlidje  33erfion  eine§  SßergleicfyerS  armenifdjter  §anbfcb,riften.  ©rimm  fd)öpfte 
feine  (ungenaue)  33emerfung  au§  ber  LXX=2lu3gabe  toon  .golme^arfong  (tom.  V, 
Oxonii  1827),    ibo  %u  2  3Jial  1,  8  bie  Variante  fte!)t:    xal  ngoe^xa/bisv  rj/Aeis  xovg 

20  ägxovg  Imovoiovg  Kvgico  3  Codices  Sergii.  2Steberb,oIt  Werben  bann  ju  anbern 
©teilen  9  ober  10  Codd.' Sergii  angeführt.  2lu<§  ber  23orrebe  §um  erften  Xeil  (1798, 
33ogen  m2b)  erfährt  man,  bafj  bie  Varianten  »on  15  armenifdjen  §anbfd)riften  benü^t 
feien,  bie  im  %  1773  t>on  ©ergiu§  9Mea,  ©iWerior  eine!  ^lofierg  in  ^erufalem,  toer= 
glitten  Worben  feien;   tue  Kollation   fei  bann  in  bie  33ibliotf)ef  einer  armenifd;en  d^rift= 

25  liefen  ©enoffenfdjaft  in  ^onftanttnopel  gekommen  (bgl.  aud)  33b  III,  96, 28).  ®en  $u= 
fat},  ben  ©ergiu§  in  brei,  feiner  armenif d) en  §anbfd)riften  f anb,  überfeine  er  mit  imovoiovg, 
umgelegt  Wie  ffyrifdje  Überfettungen  (Syrus  Sinaiticus  unb  Curetonianus  ju  Sc  11,  3, 
letzterer  aud;  ju  Sftt  6,  11)  ba§  Söort  imovoiog  be§  §errngebet§  mit  „beftänbig" 
(=  fahr.  T1'??!)  miebergegeben  fyaben.    G£§  bleibt  alfo  babei,    bafs   imovoiog    ein    äna^ 

30  Isyö/uEvov  im  ftrengften  ©inne  ift.  35a  bie  griedüfdjie  Überfettung  be§  urfprünglid)  ara= 
mäifd)en  ^CRatt^äuSeoangeliumg  hinter  bie  $?ü  be§  2uia§  gu  fallen  fcfyeint,  ^at  ber  Über= 
fe^er  ba§  SBort  too^I  au$  Su!a§  genommen,  Sulaö  felbft  aber  toerbanft  eg  ber  gried)ifd;en 
(münblid}en)  Quelle,  aus>  ber  er  bie  @rjäl)Iung  11,  lff.  fd;b>fte. 

Über  §erlunft  unb  33ebeutung  bon  imovoiog  l)at  Seo  -Kefyer  im  7  33b  Don  $ub,n§ 

35  3«ttfd)rift  für  bergleid;enbe  ©^rad^forfdjung  (1858)  ©.  401—430  eine  um  ber  bortreff= 
liefen  Orientierung  mißen  bleute  nod;  lefen<§merte  2lbb,anblung  gefd^rieben.  ©r  fam  ju 
bem  Ergebnis,  bafe  analog  ber  33ilbung  moiovoiog  ba§  25?ort  imovoiog  an§  im  unb 
ovx  mit  bem  ©ufjtr.  10  gebilbet  fei,  mobei  auf  bem  im  ein  befonbere§  ©etoid^t  lag; 
ägxog  imovoiog  ift  ba§  33rot,  ba§  für  ben  Seben<Sunterb,alt  nötig  ift,  tt>a§  ben  33ebürf= 

40  niffen  enttyridjt,  für  fie  au§reid)t,  alfo  bas>  „notbürftige  33rot"  im  ©inne  Don  $r  30,  8 
("jPt1  cOrD-  Sn  oer  ^«t  überfe|te  granj  35eli|fd}  in  feinem  b,ebräifd}en  %l%  ben  Sluö= 
brud  mit  'fipn  ö^.  ®iefe  Deutung  ift  gegenmärtig  aufgegeben.  S5enn  man  fieb,t  nid;t 
ein,  tooju  für  eine  foldje  Vorlage  bie  f^rad)Iid)e  SZeubilbung  nötig  mar.  @§  ftanben 
gute  alte  2Börter   mie   dicov   ober  avraQxrjg   (beibe§  in  LXX  ju  $r  30,  8  =  24,  31), 

45  foofyl  aud;  Ixavog  ober  ävayxaiog  jur  35erfügung.  Ttan  fcfytoanft  gegenwärtig  nur 
1.  jtDtfd;en  ber  Verleitung  auö  bem  (fubftantibierten)  r/  imovoa  (§.  33.  31©  16,  11; 
20,  15;  21,  18)  —  analog  ^juegiog,  sonegiog  au§  fj/uega,  eojiega  —  fo  bafs  bann  ber 
©inn  ift:  „Unfer  33rot  für  morgen  gieb  un§  §eute"  (möglid}ertoeife  aud;  „unfer  33rot 
für  ben  ^eranlommenben  %aa,  ober  für  ben  je|t  anbred;enben  S£ag",    je  nad;bem   man 

so  ba§  3Saterunfer  al§  Slbenbgebet  ober  al§  9Jtorgengebet  auffaßt;  ba§  „|eute"  fteb,t  bann 
freilid;  tautologifd;),  ober  2.  jtotfd)en  ber  Ableitung  bon  imd>v,  fo  ba^  ba§  Ilaffifd;e 
6  imcbv  xgovog  ober  ba§  fubftantibierte  xb  imov  „bie  ßulunft"  ber  33ilbung  ju  ©runbe 
liegt,  toobei  bie  älnalogie  Don  exovoiog,  aus>  excßv  ober  ii%lovoiog  au§  iMXwv  ju  oer= 
gleiten  ift.    @§  ergiebt  fid)  bann  bie  Überfettung:  „unfer  33rot  für  bie  lommenbe  3e't" 

55  (bgl.  %i).  3a$n  a.  a.  D.  ©.  277  2lnm.  84).  2Bä^renb  biele  Sluäleger  (fo  aufy  Qaf)n) 
für  bie  erfte  Deutung  („unfer  33rot  für  morgen")  ftd)  erllären,  fcb,eint  mir  bie  jmeite 
nötiger  ju  fein.    (&§  fommen  folgenbe  ©rtoägungen  in  33etrad;t. 

1.  S5a^  in  imovoiog  ein  geitbegriff  ^e^   ^j^   ^,urc^  ^ag  ©^tüergemidjt  be§  au§ 
bem  aramäifcfyen  9Jiatt^äu§  abgeleiteten  §ebräerebangelium^  feftgeftellt.    §ieron^muö  be= 

60  merft  in  feinem  50tattf)äugfommentar  ju  6,11  (MSLXXVI,  43  C):  In  euangelio  quod 


Statcrunfer  441 

appellatur  secundum  Hebraeos  pro  supersubstantiali  pane  reperi  mahar, 
quod  dicitur  crastinum,  ut  sit  sensus:  panem  nostrum  crastinum,  id  est 
futurum,  da  nobis  hodie.  ©aju  i(t  neuerbingg  eine  jmeite  33elegfteIIe  getreten,  $n 
einer  Sluglegung  beg  135.  ^ßfalmg  bemerft  §ieronr/mug  (Anecdota  Maredsolana  ed. 
©.  3florin,  vol.  III,  2,  1897,  p.  262  —  162  bei  ga^n  ift  SDrucffel)ler):  In  hebraico  5 
euangelio  secundum  Matthaeum  ita  habet:  Panem  nostrum  crastinum  da 
nobis  hodie,  hoc  est  —  nun  folgt  beg  |jteronr/mug  Umbeutung  —  panem,  quem 
daturus  es  nobis  in  regno  tuo,  da  nobis  hodie. 

2.  mahar  t;at  tote  bag  r/e&räifcfye  ^9  jroei  33ebeutungen:  a)  morgen,  3. 33.  @r.  8, 25, 
LXX  avQiov,  b)  fünftig,  3.  33.  @r,  13,  14,  LXX  /uexä  xavxa  (menn  bicf)  bein  ©ofttt  10 
fünftig  fragen  roirb).  SDcr  tonangebenbe  Überfeiner  beg  |jermgebeteg  aug  bem  2Iramäifctjen 
ing  ©riecfjifcf;e  »erftanb  mahar  nicf)t  im  ©inn  »on  „morgen",  fonft  l)ätte  er  fief)  frag= 
log  ber  Überfe^ung  mit  avgiov  ober  bem  häufigen  inavgiov  (3.  33.  LXX  ©en  19,  34) 
bebient  unb  xbv  xfjg  Inavqiov  (»gl.  5ftt  27,  62)  ober  äfynltd)  gefcfmeben,  fonbern  er  naf>m 
bag  Sßort  im  ©inne  »on  „fünftig"  Um  biefen  ©inn  augjubrücfen,  griff  er  311  ber  9?eu=  15 
bilbung. 

3.  £>ugo  ©rotiug  f;at  bie  (Srflärung  »orgetragen  (Criticorum  sacrorum  tom.  VI 
Amstelodami  1689,  p.  270):  Est  imovaa  (ober  richtiger  to  otw)  omne  id  spatium 
uitäe  quod  nobis  emetiendum  restat,  incognitum  nobis,  Deo  cognitum;  imov- 
oiov  id  quod  ei  spatio  sufficit  Vult  Christus  nos  Deo  hanc  curam  com-  20 
mittere,  ut  quantum  uitae  superest  tantum  nobis  suppeditet  alimentorum: 
neque  ita  tarnen,  ut  poscamus  id  omne  nobis  repraesentari  Est  ergo  hie 
otf/iegov  positum  pro  eo  quod  pleniore  Hebraismo  diceretur  orj/nsgov  a^/uegov 
{=  tv  St),  id  est  Luca  interprete  xo  xa$'  fj/uEQav.  Slljmlicf;  33engel  im  ©nomon 
ju  5Rt  6,  11:  Panis  quasi  totum  quiddam  per  uniuersos  nobis  dies  est  desti-  25 
natus,  sed  datio  in  singulos  dies  distribuitur.  Utrumque  exprimit  xo  „imovoiog" 

4.  £>ie23itte,  bafc  ©Ott  ung  Sag  für  %%,  fo  lange  bie  Sßartejeit  big  ^um  kommen 
beg  9teicf;eg  in  §errlicbleit  bauert,  ung  unfern  Sebengunterfyalt  barreid)en  möge,  fügt  fid) 
aufg  befte  in  ben  ©ebanfengang  ein,  ber  fief;  beim  Übergang  »on  ber  Reiten  jur  brüten 
(Stufe  beg  ©ebeteg  alg  innerer  $ortfcf)ritt  fjerauggefteßt  f;at.  SDie  ^^if^enjeit,  bie  fyer=  30 
anrütft  Sag  für  Sag,  fo  lang  eg  ©Ott  gefällt,  erhält  bie  SDecfung  beg  leiblichen  33ebürf= 
niffeg  buref;  bie  33itte:  Unfer  33rot  für  bie  fommenbe  gett  gib  ung  Sag  für  Sag! 

?Racr)  biefem  ©rgebnig  ift  bie  Segart  beg  Sufag :  xö  xa&}  fjiusQav  „täglich"  (»gl.  2c 
19,47  unb  31©  17,11;   fonft  nirgenbg  im  31%)   ber  9Jkttf)äugfegart  oijjueQov  »orju= 
jieb^en.    $Die   präfentifcfye  gorm  beg  $mperattt>g  öidov   ift    mit  2Ibficf;t  gewählt;  benn  35 
Sufag  ift  nicfyt  tttoa  ber  gorm  dog  aug  bem  2öeg  gegangen  (»gl.  3.  33.  14,  9 ;  15, 12). 
Sag  ^räfeng  ift  eben  bureb  bie  Söenbung  xö  xa&'  fjjusQav  bebingt. 

b)  ®ie  fünfte  33itte:  Kai  äcpeg  fjfXlv   tag   äjuagxiag  fj/ueöv,    xal  yäg  avxol 
äcpiojusv  Tiavxl  ocpeiXovxi  fjfMv  Sc,    xal  ä<peg  fjfuv  xä   ö<pei,Xrjfxaxa  fjjjiübv,    d>g   xal 
fj/ueig  ä<p^xa/j,Ev  xoig  öcpedexaig  fjfx&v  Sftt.  Unb  »ergieb  ung  unfre  ©ünben  (©Bulben) ;  40 
beim  autf)t»ir  »ergeben  jebem,  ber  ung  fa)ulbig  ift  (wie  auef;  mir  »ergeben  f)aben  unfern 
©cfmlbigern) ! 

©ie  Anliegen,  bie  bie  3>ün3er  3efu  ifyrem  l)tmmlifcf)en  SSater  in  ber  ßmtfcfjenjeit  big 
jur  Aufrichtung  beg  ÜRetcfyeg  in  £>errlid)feit  »ortragen,  begießen  ftcf;  ntdjt  nur  auf  bie  leibliche 
JJafirung,  fonbern  auef;  auf  ben  bauernben  ^rieben  ber  ©eele.  ®enn  ber  SJfenfcfj  lebt  45 
nia)t  »om  33rot  allein  (SDit  4,  4),  unb  ber  fünbige  9)Zenfcfj  erft  rec^t  ntd^t.  ©0  folgt  auf 
bie  feierte  33itte  bie  fünfte,  beren  ©igentümlicbleit  in  beiben  Delationen  barin  befte^t,  ba^ 
bag  erbetene  Vergeben  bon  feiten  beg  Ü>ater§  m  bem  eigenen  Vergeben  ber  33etenben  in 
Segiebung  gebracht  wirb,  unb  jmar  bei  Sufag  in  ber  gorm  eineg  präfentifeben  33egrünbungg= 
fa^eg  (neben  ber  gorm  äcpiojusv  begegnet  auef)  äcpie/uer,  mie  in  ber  ©ibacbe),  bei  9Jiattf)äug  60 
in  ber  gorm  eineg  aoriftifcf;en  3sergleicf)unggfa|eg  (»gl.  bie  2lorifte  trt  9JZt  19,  27:  ä<p)']xajuev 
ndvxa  xal  jjxoXovdrjoa/iev  001).  £>iefe  SSejtebung  betoeift,  baf?  eg  fief;  im  §ermgebet 
mi)t  um  bie  erftmalige  Vergebung  ber  ©ünben  banbelt,  mie  fie  mit  bem  eintritt  in  ben 
^üngerftanb  »erbunben  ift,  fonbern  um  bie  tägliche  Reinigung  »on  ©ünben,  beren  auef) 
bie  jünger  bebürfen.  @g  gilt  auef)  »on  if>nen,  bafe  fie  im  Sjergleicf)  mit  ©ott  nicfyt  gut,  bs 
fonbern  böfe  finb  (»gl.  Wlt  7,  11:  vjueig  jiovtjqoI  iW;);  ber  ©eift  ift  miliig,  aber  bag 
gleifcf)  ift  fcb>acf)  (3Jtt  26,  11).  @g  märe  ein  geicfyen  mangelnbcr  ©elbftfritif  unb  ge= 
fäbrlicf)er  ©icf)erf;eit,  alfo  bag  ^cicfjen  eineg  ^uftanbeg,  »or  bem  ^efug  9)it  7,  1  ff.  cin= 
bringlicf)  marnt,  menn  fie  fief)  eine  ©ünblofigfeit  gufcbrteben,  bei  ber  fie  bag  33etcn  biefer 
93ittc  für  überflüffig  b'^ten.     ©ine  folcfje  ©elbftbeurteilung  iüärc    ein  ©elbftbetrug  (»gl.  eo 


442  aSntevunfer 

1  $o  1,  8).  2öer  ficf)  bagegen  nacb,  bem  9Jcaf$ftab  9Jct  5,  48  beurteilt,  ber  Votlfommcn= 
b,eit  ber  Siebe  bedangt,  ift  fid^  ber  „Verfehlungen"  (Sc)  ober  „Verfdmlbungen"  (9Jct) 
roofyl  beWufjt,  bie  mit  bem  %fyun  unb  Saffen  fünbiger  SJJenfc^en  berbunben  finb.  ®ie 
jünger  ^efu  fielen  bor  ©ort  in  bemütiger  Beugung ;  fie  unterfdjeiben  ficb.  barin  Wefent= 
5  lieb,  bon  bem  ©elbftgefübj  fyeibnifdjen  £>odmiut§,  Wie  e§  fiel)  in  bem  ©ebet  be§  2lbolIomo<§ 
bon  %'qana  in  Äabbabocten  au<§fbrid)t,  ba§  ifym  im  Romane  be§ $I)iIoftrato§  jugefcfyrieben 
Wirb:  d>  &sol,  doirjti  juond  09?£dd1a£j'a(vitaApolIonii,ed.  6.  S.Äatyfer,  1870,  lib.  I,  c.  11, 
p.  10).  SDer  Segriff  be§  bcpä\r\na  ober  ber  oepedri  (bgl.  SRt  18,  32  unb  bie  Delation 
ber  fünften  Sitte  in  ber  ©ibacfye),   womit  an  fidj  jebe  Seiftung  begetd^rtet  Werben   fann, 

10  gu  ber  einer  berbflid)tet  ift,  t/afteie,  Wie  j.  V.  bie  Vabfyrt  au3  bem  Faijüm  auSWeifen 
(bgl.  Slbolf  SDeifemann,  9?eue  Vibelftubien,  1897,  ©.  48)  befonber§  an  ©elbgafylungen, 
ju  benen  einer  burd)  Slufnafyme  einer  2lnleil)e  ficb,  berbflid)tet  fyat  „Sie  Übertragung 
be§  2lu§brud3  für  bie  ©elbfcfyulb,  bie  einer  nod)  nid)t  jurücfbe^afjlt  fyat  ober  übertäubt 
nief/t  gu  ^len  imftanbe  ift  (9Jct  18,  25),  auf  bie  Verfünbigungen  (—  xä  naQajizcojuaTa 

15  9Jtt  6,  15  ober  =  rag  ä/uagriag  Sc  11,  4;  öcpedhtjg  Sc  13,  4  =  äfi,agxa>X6g  Sc  13,2) 
fe|t  bie  Vorftellung  borau§,  bafc  jebe  Verfünbigung  Nichterfüllung  einer  ©Ott  gegenüber 
übernommenen  ober  t>on  bornfyerein  beftefjenben  Verpflichtung  fei"  (»gl.  %$.  Qafyn  a.  a.  D. 
©.  280  3tnm.  88).  9tur  bafj  nad;  bem  ganzen  gufammenfjang  bes>  ©ebeteä  e€  ftcb,  nicfyt 
foWobJ  um  bie  Verpflichtungen  ber  $ned)te  gegen  tEjren  £>errn  (Sc  17,  10),   fonbern  um 

20  bie  ber  föinber  gegen  ifyren  Vater  b,anbe(t  (bgl.  ba<§  ©leidmis  9Jit  21,  28—31).  SDie 
jünger  ^efu  toiffen  ftd)  al3  ^tnber  ©otie<§  ifyrem  r)immlifct;en  Vater  gegenüber  berfd)ulbet, 
fofern  fie  bie  fdmlbige  Vflidjt  bollfommener  Siebe^gefinnung  unb  Siebeöübung  gegen  ©Ott 
unb  ben  ^cäcbjten  ntd)t  leiften,  unb  b^aben  bafyer  täglid)  ben  Vater  um  „@r(af$  ber 
©d)ulben"  ober  um  „Vergebung  ber  (©dmlb  ber)  ©ünben"  anjuflef»en. 

25  ©0  Wenig  fid)  bie  jünger  Qefu  einer  VoHfommenb^eit  berüfymen  fönnen,  bie  ba3 
©brechen  ber  fünften  Vitte  auSfcbJöffe,  fo  fel)r  bürfen  fie  anbererfeitg,  wenn  fie  bor  bem 
Vater  ifyre  Verfehlungen  belennen  unb  um  beren  Vergebung  bitten,  ba§  VeWufjtfein  fjaben 
unb  auSfbrecfyen,  bafs  ber  ©eift  be§  bergebenben  Vaters  in  ifynen  fein  2öer!  treibt,  unb 
ba|  fie  fid)  ^u  ben  Vrübern   fo   behalten,   roie  fie  beten,   bajj  ber  Vater  fieb,    ju  ifmen 

30  fteÖen  möge.  SDer  jünger  ^efu  bejaht  ben  bem  natürlichen  ©inn  unberftänblid;en  unb 
anftöfeigen  ©ai$,  ba|  bem  fünbigenben  Vruber,  bem  fein  Unrecht  leib  tb^ut,  nid)t  nur 
fiebenmalige,  fonbern  fiebjigmal  fiebenmalige,  alfo  ungegarte  unb  ungemeffene  Vergebung 
juerteilt  Werben  foß  (2Jct  18,  22 ;  Sc  17,  4),  unb  er  f)anbelt  naä)  biefem  ©a^.  ©0  Wirb 
ba§  bem  ©cb^ulbner  gegenüber  geübte  Vergeben,  Wie  e§  ber  Sufa^tejt  au^fbrieb^t  („benn  aueb, 

35  wir  bergeben  jebem,  ber  um§  fcb^ulbig  ift")  jum  ©rlenntni^grunb  für  bie  ©emeinfdjaft 
be§  ©eifte§,  in  ber  bie  betenbe  unb  bergebenbe  ^üngergemeinbe  mit  bem  b^immlifc^en 
Vater  ftebt.  ©cm  ^äcb^ften  gu  bergeben  ift  um  fo  mef)r  ©acr)e  be§  ^ünger§  ^efu,  al§ 
ber  -Jcäcfyfte  nie  in  bem  bollen  unb  ftar!en  ©inn  fein  ©cfyulbner  ift,  Wie  er  felbft  ©otteS 
©d^ulbner  ift;   bie  Verfcb;ulbung  ift  bielmefyr  immer  Bio  ju  einem  geWiffen  ©rab  gcgen= 

40  feitig.  ®er  @rnft  ber  berföf)nlicb,en  ©efinnung  ^eigt  fid}  aber  in  ber  botlbracr;ten  Slb^at 
be§  Vcrgebenb^abenS.  darauf  Weift  ber  aoriftifeb^e  3Jcattb,äu^tejt  Bin :  „Wie  auef)  Wir  bergeben 
fyaben  unferen  ©cf)u(bigern"  2öie  ^efu§  feb^on  9Jct  5,  23.  24  bem  mit  einer  Dbfergabe  bor 
©ott  tretenben  jünger  bie  9cotWenbigfeit  ftrenger  ©elbftbrüfung  eingefeb^ärft  unb  ü)n  ber= 
bfticb,tet  bat,  jubor,  fo  biel  eä  an  if)m  liegt,  ba3  geftörte  Vcrf)ältniä  gum  Vruber  Wieber= 

45  fjerjufteUen,  fo  fe|t  er  ftter  borau§,  bafe  feine  jünger  „^eilige  §änbe  aufgeben,  frei  bon 
3orn  unb  3an!"  (1  Xi  2,  8)  b.  Ij.,  bafe  fie  e§  nid;t  Wagen  Werben,  mit  einem  bon  ©roll 
unb  §af$  erfüllten  §erjen  jum  Vater  ju  beten,  fonbern  bafj  fie  jubor  Eingegangen  finb 
unb  benen,  bie  fid)  ib^nen  gegenüber  berfdmlbet  b^aben,  bie  ©d;ulb  erlaffen  l)aben.  ©^ 
finbet  im  Vergeben   ein  Iorrefbonbierenbe§  Verhältnis   jWifd;en    bem  f)immlifd;en  Vater 

50  unb  feinen  Äinbern  auf  ©rben  ftatt.  SDiefer  ©eban!e  finbet  einen  felbftftänbigen  3lu3= 
brud  in  ben  beiben  bem  §errngebet  angehängten,  fieb,  aber  auf  bie  fünfte  Vitte  BegieBen= 
ben  Verfen  3«t  6,  14.  15  (bgl.  SOtc  11,  25):  „äiknn  tr)r  nämlid)  ben  3Jcenfd}en  (aßge= 
mein,  alfo  ben  nädjfien  Angehörigen  Wie  ben  gremben)  tbre  geb^Itritte  (TTagdmco/ua 
ber  geb^Itritt,  infolge  beffen  ber  Vetreffenbe  ju  Voben  liegt,  bgl.  ©a  6, 1)  bergebet,  fo 

55  wirb  aud)  eud}  euer  r;immlifd;er  Vater  bergeben ;  Wenn  tBr  aber  ben  2Renfd)en  nid;t  ber= 
gebet,  fo  wirb  auef)  euer  Vater  eure  $el)ltritte  nid}t  bergeben".  2)ie  Unerbittlid}leit  be§ 
©ericl)teg,  ba§über  ben  feart&er^igen  SRenfd^en  ergebt,  ber,  uneingebenl  ber  in  überreichem 
Wa$  erfahrenen  Vergebung,  bon  feinem  ©dimlbner  unbarmb^erjig  bie  Vesabjung  einer 
üeinen  ©d}ulb  einforbert,   f>at  ^efu§  in  bem  ©leidmte  Wtt  18,  23—35  bargetban.    Un= 

60  barmfierjigleit  fd)Iicfet  bie  %i)üxt  jum  Vaterb^erjen  ©ottel  ju. 


^atermtfcr  443 

©o  biel  cnifter,  Weil  auf  ftrenge  © etotf Jensprüfung  I)inbrängenb,  ift  biefe  Sitte  abS 
bie  jum  ißergleict;  fid;  barbieienbe  6.  Sitte  im  ©d}mone=@3re :  „Sergieb  un§,  unfer  3Sater, 
benn  Wir  b)aben  gefünbigt;   berjeibe  un§,   unfer  dortig,   benn  Wir  I)aben  gefrebelt.    2)u 
bergiebft  unb  berjet^eft  ja  gerne,  ©ebbet  feift  bu  §err,  ©näbiger,  ber  bu  biel  bergetfyeft" 
^n  Erinnerung  an  ben  ßrnft  ber  Sitte   fdjretbt  ^olbiarb  an  bie  $f)ilibber  VI,  2:    et  5 
ovr  ÖEOfxe&a  rov  y.vgiov,   Iva  r/jutv  ä(pfj,    öcpeilojuev   xal  fjjuelg   äcptevai    anhavci 
yag  tcjv  rov  xvqiov  iojukv  öy&ak/ucöv.  Seibes»  aber,  ben  ©rnft  unb  ben  Slroft  ber  Sitte 
jufammenfaffenb,  fbridjt  fid^>  Sutfyer  im  ©rofjen  ®ated?i3mu3  fo  au3  (III.   pars  §  94): 
„Scrgiebft  bu  nun  nicfyt,  fo  benfe  aud)  ntct)t,  bafj  bir  ©ott  Vergebe;   bergiebft  bu  aber, 
fo  I)aft  bu  ben  2!roft  unb  ©icfyerb, eit,  bafj  bir  im  §immel  »ergeben  Wirb,  nict)t  um  beineö  10 
Sergebeng  Willen;   benn  er  tfyut  e<§  frei  umfonft,  au§  lauter  ©nabe,  Weil  er§  »erteilen 
bat,  loie  ba§  ©bangelium  lehret,   fonbern  baf?  er  un§  foIc^e§  jur  ©tärfe  unb  ©icfyerfjeit 
als  jum  2öat)r5eicr)en  fe|e,  neben  ber  Serr)eif$ung,  bie  mit  biefem  ©ebete  ftimmt"     3)em 
bon  Sutfyer  abgewehrten  9Jcif$berftänbm<§  bon  ber  Serbienftlicfyfeit  be§  Sergeben§  ift   ein 
leil  ber  rattonaliftifdjen  SDogmati!  erlegen.    ©0  meinte  $ul.  2lug.  Sub.  2öegfd)eiber  in  15 
feinen  institutiones  theol.  Christ,  dogm.,  juerft  §alle  1815,  §  137,  p.  251:  Gratiam 
Dei    remissionemque    peccatorum    Mt  6,  12.    14  sqq.    animo    placabili    preci- 
busque         obtineri  edocemur. 

SJiit  ben  gWei  teilen  ber  fünften  Sitte  ift  für  immer  ©laube  unb  Siebe  ober  aucfy 
Religion  unb  ©ittlidifeit  jufammengebunben.  ©ie  3unSer  3efu  können  ntct)t  gläubige  20 
Äinber  ©ottei  fein  unb  bleiben  unb  babei  ein  fyafjerfüHteS,  unberfölmlidKg  §erj  gegen 
ben  3Räct)ften  liegen.  SöoKten  fie  ba§  Unvereinbare  »ereinigen,  fo  ftünben  fie  fdjon 
mitten  in  ber  Serfudmng,  bon  ber  fie  bod)  bitten,  bafs  ber  Sater  fie  ntcr)t  in  fie  £>tnem= 
führen  möge. 

c)  ®ie   fec^fte  Sitte:    Kai  jurj  Eioeveyntjg  tj^iäg  eis   Tieigao/udv  £c=2Rt.     Unb  25 
füt)re  un3  nid)t  in  Serfucfyung  hinein! 

2)er  gufammenfyang  mit  ber  fünften  Sitte  ift  leidjt  ju  erfennen.  3öie  bie  3un9er 
^efu  in  ber  Bwifdjenjeit  big  jur  SCufrtc&tung  be3  9fteid>e§  in  .gerrlicbjeit  im  SeWufjtfein 
begangener  ©ünben  bie  fünfte  Sitte  fbrecfyen,  fo  im  SeWufttfein  fünbltdjer  ©d)Wad)I)ett 
bie  fechte  Sitte,  b.  6,.  bie  Sitte  um  SeWafyrung  bor  ber  ©efafyr  ju  fünbigen.  Qn  anberer  30 
gaffung  fefyrt  bie  Sitte  Wieber,  al§  %e\u§  ju  ben  brei  Jüngern,  bie  er  gu  3eu0en  fe'neg 
©etl)femaneJambfe<S  machen  wollte,  fbrad;:  „2öa<f)et  unb  betet,  bafj  iE>r  ntct)t  in  Ser= 
fucfyung  hineingeratet;  ber  ©eift  ift  Willig,  aber  ba<§  gleifd)  tft  fd)Wacb/'  (3Rt  26,  41).  @§ 
I)anbelt  ftd)  hierbei  um  ba§  hineingeraten  in  £eben§lagen,  bie  mefyr  ab§  anbere  bie  ©efab,r 
in  fünbigen  mit  ficb,  bringen,  mag  nun  biefe  ©efafyr  im  »erfüb,rerifc^en  Steige  ber  £uft  ober  35 
im  ferneren  ©rucf  be§  Übel§  befielen,  unb  mag  fie  au§  ber  eigenen  3Ratur  be§  ^ERenfcb.en 
emtoorfteigen  ober  »on  ber  2Iu^enroelt  herbeigeführt  roerben,  Wobei  immer  ber  geinb  ber 
3Jlenfct)en  feine  §anb  im  ©fciel  b,at,  ber  „bie  2>üttg^  ju  fixten  begehrt  Wie  ben  SBeijen" 
(Sc  22,  31).  SDer  ©ebanle  an  $rüfung§Ieiben,  unter  benen  ber  ©laube  ber  3unSer  M 
ftanbt)aft  bewährt,  unb  für  bie  fie  bafyer  ban!en  lönnen  (»gl.  3a  1/  2),  liegt  r)ter  fern.  4f» 
®enn  eben  SBadjifamteit,  bie  bie  ©icfjerleit  be§  Seid)tfinne§  unb  ber  Übergebung,  aber 
audj  bie  geigb^eit  ber  gab,nenflucb,t  meibet,  unb  ©ebet,  ba§  bie  SeWafyrung  bor  bem  %aü 
unb  allem,  \va§  fäHen  fann,  ing  Sluge  fafet,  erfcb,einen  al§  Mittel,  bie  berb,inbern,  ba^ 
jünger  ^efu  in  bie  Serfucfmng  hineingeraten,  ober  bafj  ©ott  fie  bineinfübrt  —  ein  §in= 
einführen,  ba§,  Wenn  e§  ftattfinbet,  nic|t  foWob,l  unter  ben  ©eficfyräbunft  ber  ©rbrobung  45 
be§  ©Iauben§,  al§  unter  ben  be§  anfjebenben  ©ericb.teg  faßt,  fofern  baS  ©eric^t  „am 
§aufe  ©otte§,  alfo  eben  an  ben  Jüngern  ^efu,  anfängt"  (1  ^3t  4,  17).  Um  2lbWenbung 
folgen  ©ericb^teS  Iet)rt  ^efu^  feine  jünger  beten,  bamit  fie  nicb,t  in  ben  Sannfreig  bon 
Serfuc^ungen  hineingeraten,  benen  fie  erliegen,  fonbern  bamit  ftcb,  Söorte  Wie  2  $t  2,  9 
ober  2lbf  3,  10  in  erfyöfytem  ©rabe  an  ib,nen  erfüllen.  2Benn  fie  aber  bie  Sitte  mit  w 
ßrnft  fbrecb^en,  feben  fie  ficb,  Wie  bei  ber  fünften  Sitte  mit  einer  eine  Aufgabe  in  ficb, 
fcf/liefjenben  ®ahi  betraut.  Söie  ber  ©eift  be<§  bergebenben  Sater§  in  ben  Jüngern  bie 
Hraft  ber  Serföb,nlicbleit  Wirlt,  fo  äußert  fiel)  bie  bom  Sater  erbetene  SeWafyrung  bor 
bem  %aü  in  ber  glucf)t  ber  3unS^  b"r  ber  ©ünbe,  fo  baf?  fie  bie  ©elegenb,eit  jum 
©ünbigen  nicr)t  auffucfjen,  fonbern  fie  Wie  ein  ©ift  meiben.  iRafmungen  Wie :  93er-  55 
yeze  xr\v  noqväav  unb  änö  t;)c  ädwXoXaTQdas ,  bie  ^auluS  ben  ^orintbern  zuruft 
(1  Ito  6,  18;  10, 14),  folgen  au§  ber  red)t  berftanbenen  feebften  Sitte,  aber  aud)  bie  .straft, 
folgen  3Jcab,nungen  golge  ju  leiften.  ©0  Wirb  unter  ben  ©efabren  be§  gegenwärtiger^ Slonä 
bon  ben  Jüngern  ^efu,  bie  it)rer  Serfud)licf)!eit  eingeben!  bleiben  unb  mit  Wad)en  binnen 
ficb,    ber  2Baffe   beä  ©ebete^   bebienen,    ber  9(ame   bc3  Saterö   geheiligt.  —  Unter   ben  g» 


444  SBoterunfev 

patrifttfcfyen  2lu§Iegungen  mag  an  bie  äljmlicfye  be§  DrtgeneS  erinnert  toerben  (tieqi  ei>xfjs 
c.  29,  16):  EV%<x>[JL£&a  /urjdev  a^iov  noifjaai  xov  vnö  xrjs  dixaias  xqioeoos  xov  fteov 
ElöEvzyßrjvai  eis  xov  Jisigao/nov.  9öa§  e3  mit  biefem  §ineingefüfyrttoerben  in  bte 
Serfuo)ung  für  eine  Setoanbtnü>  fyat,  erläutert  Drigene<§  burd)  ben  ^jintoeiS  auf  bag  brei= 
6  malige  nagedoixE,  mit  bem  ©ott  bie  2lbfaH§ftufen  ber  §eibenbölfer  beftrafte:  9tö  1,24. 
26.  28.  ©ine  Itturgiftfje  2tu§geftaltung  ber  Sitte  ift  ber  mit  1  ®o  10,  13  ficb,  berüfyrenbe 
3ufa§  gu  TieiQaojuoV.  ov  vneveyxEiv  ov  övvdjue'&a,  latetmfcr):  tentationem  quam 
ferre  (ober  sufferre)  non  possumus.  @<§  ftnbet  fidj)  in  ber  alesanbrinifcfyen  Siturgie,  in 
ber  ft/rifdjen  ^afobu^liturgie,   bann  bei  §icront)mu§  (gu  9Jct  26,  41   unb  gu  @g  48,  16; 

10  »gl.  MSL  XXVI  198  C  unb  XXV  483  C),  bei  £ilariu§,  in  ben  pfeubo=auguftimftt;en 
©ermonen,  bei  (Sr)romatiu3  u.  f.  tr>.  (»gl.  Sllfreb  9tefc|,  2lgrapr/a,  2.  Stuflage,  1906,  ©.  85 
unb  bie  ©teilen  in  ©abatierä  Bibliorum  sacrorum  latinae  versiones  antiquae, 
tom.  III,  gu  Sott  6,  13). 

d)  ®ie  fiebente  Sitte:  'Alka  gvoaifj/uäg  anb  xov  TiovrjQovTlt,  fel)It  beiße. 

15  ©onbem  erlöfe  un£  »om  Söfen. 

©ie  Sitte  wirb  »ielfacfy  barauf  eingefc^ränlt,  bajj  fie  bie  pofitioe  ©rgängung  ber 
fechten  Sitte  fei.  ©o  fct)reibt  Stuguftin  im  Enchiridion  ad  Laurentium  in  ber  gort= 
fetjung  be§  ©.  438,20—28  citierten Kapitels  116:  Deinde  tres  alias  adiungit:  depane 
quotidiano,  de  remissione  peccatorum,    de   tentatione  uitanda.     At  vero  quod 

20  ille  (=  Matthäeus)  in  ultimo  posuit:  sed  libera  nos  a  malo,  iste  (=  Lucas) 
non  posuit,  ut  intellegeremus  ad  illud  superius,  quod  de  tentatione  dictum 
est,  pertinere.  Ideo  quippe  ait:  sed  libera,  non  ait:  et  libera,  tamquam  unam 
petitionem  esse  demonstrans:  noli  hoc,  sed  hoc,  ut  sciat  unusquisque  in  eo 
se  liberari  a  malo,  quod  non  infertur  in  tentationem. 

25  SBir  »erfter)en  bie  Sitte  au3  ber  gangen  Stnlage  be§  Saterunfer§.  SDie  britte  ©tufe 
erreicht  fyter  toieber  ba§  ßtel,  gu  bem  bie  gtoeite  t;trtgefüt)rt  r)atte:  ber  Sltd  ber  betenben 
jünger  toirb  auf  bie  lommenbe  SoHenbung  be§  Steictjeg  fytnauägericfytet.  SSenn  „ber 
■£ob  nitfjt  mel)r  fein  toirb  noajfieib,  nod)  @efcr)rei,  noeb^dmtergen"  (ätyf  21,  4),  toenn  feine 
StRacfyt  ber  Serfür)rung  mefyr  ben  Sollenbeten  nab)en  fann  unb  nafyen  barf,  bann  ift  bie  gänglidjie 

30  ©efcf)tebenr)eit  »on  bem  Söfen  »ertoirflicfyt,  um  bie  Ijner  gebetet  toirb.  $m  llnterfdjteb  »on 
Qveo&m  ex  xtvog,  toobet  bie  Sorau^fe^ung  befteb,t,  baf$  man  fic^>  in  bem  StRacfytbereüt) 
befinbet,  au§  bem  i)erau3  man  gerettet  toirb  (g.  S.  Sc  1,  74),  betont  gveoftai  ano  xivog  bie 
©Reibung,  Trennung,  bas>  $erngerücfttoerben  »on  bem  Sereicfye  ber  bebrofyenben  S!Kacr)t, 
bie  einem  nun  nicr)t§  mefyr  angaben  fann.    ©er  2lu3brucf  toirb  balb   fo   gebraucht,  bafj 

35  an  SJkrfonen  (g.  S.  9fö  15,  31 ;  2  2$  3,  2),  balb  fo,  bafc  an  ©acb.en  (g.  S.  2  %\  4, 18) 
gebaut  toirb.  ©cf)on  bie  KircV)en»äter  toaren  »erfet/tebener  Meinung,  ob  xov  novrjgov 
maSfulinifcr)  »om  ©atan  (fo  SLertulltan  unb  feit  Drtgene§  bie  ©rieben)  ober  neutrifcb, 
(fo  ©tortan  unb  bie  meiften  2lbenblänber)  gu  »erftefyen  fei.  2lber  ber  ©a£  2  %x  4,  18 : 
Qvoexai  jus    ö  xvQiog  äjiö    Jiavxog    egyov    tiovtjqov  xal  ocßosi  eis  iv]v    ßaoikeiav 

40  amov  xyjv  ejiovgdviov  lieft  ficb,  boä^  toie  eine  uralte  2lntoenbung  ber  fiebenten  Sitte, 
unb  toenn  man  bie  gortfetjung  berfolgt:  cß  fj  dotja  eis  tovs  atcövas  xcbv  alcovcov, 
afxrjv  fieb,t  man,  toie  leicht  eine  2)ojologie  fic|  anfcb,Io|.  @§  fc^eint  am  ©d)lu^  beS  ©ebete3 
eine  umfaffenbe  Sejeic^nung  nieb,  t  nur  be3  Übelö,  fonbern  be§  Söfen  (neutrifc|)  am  %\a%  ju 
fein,   beffen  Urheber  ja  ber  geinb  ber  SJtenfc^en  ift,  beffen  ganger  Umfang  aber  mit  aß 

45  feiner  Saft  unb  feinem  ®rucf  für)  bem  begierig  nact)  ber  sBoßenbung  au^auenben  jünger 
f^mergltd)  aufbrängt.  ©0  fct)reibt  ß^rian  (de  dominica  oratione  c.  27):  in  nouis- 
simo  ponimus:  sed  libera  nos  a  malo,  conprehendentes  aduersa  euneta, 
quae  contra  nos  in  hoc  mundo  molitur  inimicus  (ober,  tote  e3  nachher  fyeifjt,  dia- 
bolus  et  mundus).    9?ocb,  ift  ba§  Söfe,  fofern   e§  aU  fct)äbtgenbe  9Eftacr)t  feinblicb,  auf 

50  bie  jünger  einbringt,  unb  fofern  e§  al§  berlocfenbe  $Slatyt  auf  fie  etnjutoirfen  unb  ficb, 
in  ir)r  inneres  einjufcb,Ieia)en  trachtet,  ein  in  btefer  2öelt  ftettg  toirfenbeg  @Ie.ment,  ba§ 
erft  bann  au§  if»r  berfcfytoinbert  toirb,  toenn  ©otte§  Steter;  in  bie  tootte  ©rfeb^einung  tritt 
unb  ©ott  ir/atfäcfylicr;  ber  aEein  Ijierrfcfyenbe  5löntg  ber  2öe(t  getoorben  ift  (»gl.  Qafyn 
a.  a.  D.  ©.  283  u.  284).    ®afj  biefe  ^eit  balb   !ommen   möge,  ba§  toar  feb^on   in  ber 

56  jtoeiten  unb  brüten  Sitte  ©egenftanb  be§  ^le^enS,  unb  ba§  toirb  in  ber  fiebenten  Sitte 
„al§  in  ber  Summa"  mit  anberer  Sßenbung  abfcf)Iie|enb  jum  2tu3brucf  gebraut. 

5.  $Der  liturgifcb;  e  3ufa^  ber®ojologic  mit  2Imen.  Sie S(btoetcr)ungen  be§ 
Saterunfertejte§  bei  Sufa§  unb  9Jkttb,äu§  b^aben  gegeigt,  ba^  bie  betenbe  ©emeinbe  fict)  ba§ 
§errngebet  mcb,t  in  Inecbtifcbev  ©ebunbenb,eit  an  ben  Sucbjtaben,  fonbern  ingreib^eit  unb 

so  Kraft  bei  ©eifte§  angeeignet   b,at.     @§   mag  bte  britte  unb   fiebente  Sitte  toon  gefuS 


SBatcruttfcr  SSattlnnifrfjcS  Stoiiftil  445 

bei  ber  ßc  11  ergäfylten  23eranlaffung  nidjt  geftorocfyen  morben  fein;  ifyre  §inju= 
fügung  bei  9Jtatttyäug  unb  in  bem  ÄreiS  d)riftlic|er  ©emeinben,  au§  bem  b,erau£  unb 
für  ben  baS  ©bangelium  getrieben  ifi,  |at  baS  ©ebet  nicfyt  beränbert,  fonbem  in 
einem  ©inn  aulgeftaltet,  tüte  er  SBorten  ^efu  entfbrad),  bie  er  bei  anberen  ©elegen= 
Reiten  gefbrod)en  bat.  ©aS  gleite  Urteil  gilt  bon  ber  §ingufügung  ber  ©ojologie  unb  be3  5 
befräftigenben  2Borte3  2lmen.  23eibe3  ift  bem  urfbrünglid)en  %qt  bei  £ufa§  unb  SJcattfyäug 
fremb.  2lber  ber  3ufa£  einer  ®0£Dlogie  unb  be3  2tmen3  manberte  in  fefyr  früher  $eit 
au3  bem  ©ebetSbraucb,  ber  ©imagoge  in  bie  ©otteöbienfte  ber  Stiften  hinüber  (bgl. 
ben  2lrt.  Iiturgifd>e  gormein  33b  XI,  545  u.  547).  £>er  ältefte  geuge  für  bie  £>oeo= 
logie  am  ©djlufc  be3  23aterunfer<§  (ofyne  „2lmen")  ift  bie  2lboftellefyre.  3Jian  mcrlt  an  10 
ber  gorberung  c.  8,  3:  xglg  xrjg  fjjuegag  ovxoo  Tigooevxeo&e  ben  ©inffufj  ber  jübifcfyen 
©ebet§fitte,  in  ber  baS  täglid)  breimalige  Stecitieren  be3  ©d)mone=@gre  $flid;t  mar. 
SDte  ©Ökologie  ift  groetgltebertg :  oxi  oov  ioxiv  fj  dvvapig  xal  fj  dotja  eig  xovg 
aiwvag  (ögl.  ©.  434,  35—36).  9fcod)  ift  in  bem  SobbreiS  ba§  „^Reicb,"  ntd)t  genannt; 
boa)  ftefyt  an  ein  paar  anbern  ©teilen  ber  2lboftelIeI)re  (in  ben  eud)artftifd;en  ©ebeten  15 
c.  9,  4  unb  10,  5)  bie  ßaodela  bor  ben  ^b/oren  ber  SDordogie.  2ludj)  in  bem  3ufa£ 
be§  Syrus  Curetonianus  gu  9Kt  6,  13  ift  bie  SDojologie  groeiglieberig :  oxi  oov  iortv  fj 
ßaodela  xal  fj  dot-a  eig  xovg  almvag  xcöv  alcbvcov  äfxfjv.  2ludb,  einglieberige  formen 
finben  ficb,  mit  fj  döfa  (fo  ein  cfyrtftlicfyeg  Stmulet  be<B  6.  2>afytl)unbert2>,  berliner  ägr/btifd)e 
Urfunben  9cr.  954)  ober  mit  fj  övvajuig  (=  uirtus,  fo  in  bem  mit  k  bezeichneten  :u 
Iateinifd)en  Zvci,  Surin,  Wal  ©.  VII.  15,  früher  in  Sobbto,  5.  ober  6.  Satyr!?.).  3ab,r= 
b,unberte  lang  fcfymanfte  bie  $orm  ber  2)or,oIogie.  ©ie  alten  griecf/ifd)en  Siturgien  geigen 
ba3  |»errngebet  unb  bie  SDojologie,  bie  in  ein<§  gufammenmacfyfen  foUten,  nod)  getrennt, 
^ad)  ber  !gatobu§Iiturgie  (äf)nlid)  aud)  naa)  ber  aleranbrinifdjen  ober  2Jiarcusliturgie) 
folgte  bei  ber  $eier  ber  ©udjariftie  auf  ba£  bom  2Solf  gefbrod;ene  Skterunfer  ein  an  bie  25 
legten  Sitten  fid)  anfd)lief$enbes  leife§  ©ebet  be§  $riefter<§  (Unb  füljre  uni  nicfyt  in  3Ser= 
fudmng,  §err  —  §err  ber  Gräfte,  ber  bu  fennft  unfere  ©cfymad^eit  —  fonbern  erlöfe 
uns  bon  bem  33öfen  unb  feinen  3Ber!en,  bon  aß  feiner  ®rof)ung  unb  2lrglift  um  beineg 
1)1.  9Jamen§  mißen,  ber  angerufen  ift  über  unfre  -Kiebrtgfeit).  5Run  erft,  nad;  biefer 
@infcb,altung,  fbraa)  ber  ^3riefter  mit  lauter  ©timme  bie  (auct)  anbere  ©ebete  abfdjliefcenbe)  30 
©ojologie,  tborauf  ba<§  3Solf  naa)  altem,  fdjon  bon  Quftin  (erfte  Slbologie  c.  65)  be= 
jeugtem  ©ebraud;e  mit  2lmen  antmortete  (bgl.  ben  näheren  -ftadjmeig  in  meiner  ©d;rift : 
3ur  23orgefd;icb,te  be§  aboftolifd>en  ©laubenöbelenntniffe§,  3Künd;en  1893,  ©.  11  ff.).  $ur 
§errfcb,aft  fommen  fotlte  bie  ©eftalt  ber  ®ojologie,  bie  fte  in  ben  abofto!ifd;en  ^onftitu= 
tionen  annahm,  in  beren  fiebenteg  SBucb,  bie  Slboftelle^re  aufgenommen  mürbe.  §ter  geigt  35 
bie  ©ojologie  bie  breiglieberige  §orm :  özi  oov  ioxiv  f\  ßaodela  xal  fj  dvvajuig  xal  fj 
(5o|a  eig  xovg  almvag'  afxfjv  „®enn  bein  ift  ba§  9teid;  unb  bie  ^raft  unb  bie  §err= 
licb,feit  in  ©roigfeit,  2lmen"  (Constitutiones  apostolorum  VII,  24,  ed.  Sagarbe  1862, 
©.208;  ber  gleite  Ste^t  be§  äkterunferä  liegt  III,  18,  ©.111  bor). 

2113  längft  ©Ökologie  unb  2tmen  jufammen  mit  bem  ^errngebet  gefbrodjen  mürben,  40 
bauerte  eg  bodb,  noa)  (ein  gute^  3e^^n  für  bie  @ntt/altfamfeit  ber  ©d;reiber)  ^abjbunberte 
lang,  bi§  ber  gutoacbg  enblid)  in  gried}ifd;e  @bangelienb,anbfd}riften  einbrang ;  bie  älteften, 
in   benen   er   fid)   finbet,    gehören   bem    8.  ^af^rfjunbert  an  (E  b.  i.  Basileensis  A.  N. 
III.  12  unb   L  b.  i.  Parisiensis  n.  62).     2)ie  33ulgata  §at  bie  2)ojoIogie  in  ben  SerJ 
beg  SSaterunfer§  nid)t  aufgenommen;  ba§©ebet  fo)Iief t  mit  ben SBorten :  Sed  libera  nos  45 
a  malo.  ®ie  !ritifd)e  2lu§gabe  ber  editio  S.  Hieronymi  bon  SBorbSmortb/Iöfnte  (pars 
prior,  Drforb  1889—98)  tilgt  aud)  ba§  in  bie  Süulgatabrude  eingebrungene  Amen,  ^m 
lutb,erifd;en  ©otte^bienft  erinnert  ba<§  SBeglaffen  ber  ©ojologie  in  ber  2tbenbgmab,lgliturgie 
an  ben  urfbrünglid)en  ©adjberr/alt.    2(nf)ang§toeife    fei  bemerlt,   ba^   bie  Seifügung  ber 
3)or,ologie  im  12.  unb  13.  ^a^unbert  ein  UnterfdjetbungSjetdjen  ber  Hat^arer  bon  ben  50 
Äatb,olilen  mar.  tiefer  Unterfo)ieb  gab  fogar  gum  gegenfeitigen  isormurf  ber  ^erfälfdmng 
ber  Sibelmorte  Slnlafe  (bgl.  bie  Selegftellen  in  meiner  ©djrift  a.  a.  D.  ©.  13).  ©0  bringt 
bie  ©efdndtfe  ber  ©Ökologie  ben  ©a|  be§  2tboftel3  2  l^o  3,  6  (©d;lu§)  in  nad;brüdlid;e 
(Erinnerung.  3ol)<nme3  ^oußteiter. 

Sattfonif(J)e§  StonjU.  —  ®ie  üunftänbtgfte  ©atttmlung  ber  öueüen  juv  ®efcf)id)te  i>e<5  B5 
Sjatifamfdjen  ftonji(§    enthält   bie  Collectio  Lacensis,   tom.  VII.     (Acta    et   decreta   sacro- 
sancti   oecumenici   coneilii    Vaticani.      Acceduot   permulta   alia   documenta    ad    concilium 
eiusque  historiam    spectaatia,  Friburgi   Brisgoviae  1890,    <B.  1752,  cjr.  4°,    aud)  Ss2t.  1892) 
toivb    im    fnlgenben    *?lrtifel  jitiert :    *'oü.  L.      Ue6ev    bie  S3orgefd)id)te    f ü£)rt    nid^t    fiinnuö 


446  $atifantfd)eg  ^ot^U 

(£.  ßecconi,  Storia  del  Concilio  Ecumenico  Vaticano  scritta  sui  documenti  originali,  4  93be, 
«Rom  1873—1879  (33b  I  überfegt  üon  28.  Molitor  it.  b.  Eitel:  (Sitgen  ßecconi,  ©efd)td)te  ber 
allgemeinen  Strctjenüerfanimlung  im  SSattcan,  «JJegengburg  1873,  353  ©.  u.  144  ©.  llrrunben). 
Surd)  bie  Ueberfidjten  über  bte  auf  bag  Songü  bejitgtidje  Sttteratur  bat  befonberen  28ert: 
5  ß.  5r'ebberg,  Sammlung  ber  Siftenftücfe  5x1m  erften  üatifanifdjen  Sonjil,  mit  einem  ©runbrtfj 
ber  ©efcbidjte  begfelben,  Sübingen  1872(954©.).  Stnbere  Sammlungen :  S-  griebriclj,  Documenta 
ad  illustrandum  Concilium  Vaticanum  anni  1870,  2  Slbt,  Nörblingen  1871  (©.316  u.  437); 
ß.  Martin,  Omnium  concilii  Vaticani,  quae  ad  doctrinam  et  disciplinam  pertinent,  docu- 
mentorum  collectio,  «ßaberöorn  1873  (©.  266);  Slrdjto  für  fatf»-  £ird)enred)t  XXII— XXXIII, 

in  XXXVIII  ©.  150 ff.  XXXIX  @.  80 f.  »gl.  ©eneralregifter  ju  I— XXVII  ©.  19 ff.  156 ff.; 
St.  ü.  «Jtogfoüäni),  Romanus  pontifex,  tom.  7—16,  Suppl.  7—10,  Nitriae  1871—1879; 
@.  ©djneemann,  Satetntfd)=beutfd)e  |>anbauggabe  ber  betrete  unb  ber  l)auptfcid)ltd)en  Sitten 
be§  Sßatifa«.  ^onjüS,  2.  Sluff.  1895  (307  ©.),  grei&urg  i.  SSr. ;  St),  ©ranberattj,  Constitutiones 
dogmaticae  sacrosancti  oecunienici  concilii  Vaticani  ex  ipsis  eius  actis  explicatae,  FriburgiBr. 

15  1892(243  ©.);  bie  bogmattfctjen  Sefd)Iüffe  aud)  abgebrnät:  ß.  «Wirbt,  Duellen  pr  ©efd).  b.  «ßapft= 
tumS  unb  be§  römifdjen  ^attjottjismuS,  2.  Slufi.,  Sübingen  1901,  ©.371—382;  £.  üon®remer= 
Slxtenrobe,  Slftenftücfe  jur  ©efd)id)te  bee  93erljältnt|fe3  üon  Ätrcfje  unb  ©taat  im  19.  3a£)r= 
l)unbert  II  (©taatgard)iü  XXIV),  Seipjig  1876. 

^n  ber  publi§iftifrf)en  Sttteratur  üor  Eröffnung  be§  Sonjilg  nimmt  einen  fferüorragenben 

20  «ßlag  ein:  3anu§,  Ser  «^apft  unb  bag  $onjil.  (Sine  Neubearbeitung  ber  in  ber  Slugg'burger 
SlHgemeinen  3eiiun9  erfdjtenenen  Slrtifel:  Sag  Äonjil  unb  bie  ßiuiltä,  Seidig  1869(451©.), 
fpdter  burd)  £5.  griebrid)  u.  b.  Sitel:  „3- »•  SöHtnger,  Sag  «ßapfttum"  al§  Neubearbeitung  nun 
SanuS  üeröffentlidtf,  Mündjen  1892  (519  ©.;  nad)  bem  Sonnort  ftammt  ber  größte  Seil  be§ 
33ud)eg  Hon  SöHinger,   aufjerbem  war  3.  £mber  Mitarbeiter,   aud)  3-  griebrid)    l)at  Matertal 

25  betgefteuert) ;  feine  SStberlegung  üerfudjte:  3>.  £iergenrötljer,  9(nti=3>anug,  greiburg  i.  33r.  1870 
(188  ©.).  i)eroorl)eben§toert  finb  ferner  bie  Sammlungen  üon  Slbbnnblungen  „Sag  öfume= 
nifcije  ßoncil."  ©timmen  au§  Marta--Saad).  Ng.  Unter  SSenu&ung  röm.  Mitteilungen  unb  ber 
Strbetten  ber  ßiuiltä,  Ijeraugg.  üon  gl.  «Riefe  unb  Ä.  ü.  SSeber,  grab,  i.  SSr.  1869—1871, 12  £>efte; 
„Sag  öfumenifcfje  ßoncil   üom  Saljre  1869."     «ßeriobtfdje  SSlötter   jur  Mitteilung   unb"  SSe= 

30  fpredjung  ber  ©egenftänbe,  weld)e  fid)  auf  bie  neuefte  atigemeine  ®ird)enüerfammlung  bejietjen, 
3  «Bbe  (2.  u.  3.  i)eraugg.  üon  «JR.  3-  ©d)eeben),  «Regengburg  1870.  1871 ;  unb  üon  ber  ©egen= 
feite  bie  „©timmen  aul  ber  fatfjolifcfjen  ®ird)e  über  bie  ®trd)enfragen  ber  ©egenwart",  2  33be, 
Mündjen  1870,  an  benen  u.  a.  £mber,  ®i3Hinger,  grtebtid),  3fleinFen8  mitgearbeitet  l)aben.  3ol). 
gr.  ü.  Sdjulte,  ®ie  Madjt  b;r  röm.  Raufte  über  dürften,  Sänber,  «Otter,  Snbiüibuen.  2.  Shtfl., 

35  $rag  1871  (151  ©.);  berf.,  Sie  Stellung  ber  Sonctlten,  ?ßcip)te  unb  S3ifd)öfe  unb  bte  üäpft= 
lictje  (Sonftitution  üom  18.  guti  1870,  $rag  1871  (339  u.  286  ©.);  3-  Sangen,  ®aS  S3ati= 
canifd)e  S)ogma  üon  bem  liniüerfal=(£piftoüat  unb  ber  ltnfet)tbarfeit  be8  s$apfte§  in  feinem 
SSerl)ältni§  jum  Neuen  Steftatnent  unb  ber  ftvdiltctjen  Ueberlieferung,  4  Sie,  Sonn  1876; 
S3.  (i.  ©tabftone,   Sie   uatifanijcfjen  Setrete  nad)   i^rer  iöebeutung   für    bie   Itntertanentreue. 

40  Ueberfetsung  (üon  Sßl.  Soffen),  Nörbltngen  1875  (92  ©.). 

(Sine  |>auütquelle  für  ben  SSerlauf  be§  ÄonjtlS  bilben  bte  in  ber  SlugSb.  SlHgem.  ßtg, 
erfd)icnenen  anonymen  ft'orrefponbenjen,  bie  bann  al§  33 ud)  üeröffentlid)t  morben  finb:  OuirtnuS. 
iRöntifdje  33rtefe  üom  Eonctl,  Mündieu  1870  (710®.).  Stefe  69  «Briefe,  üom  Sejember  1869 
bi§  jum  19.  Sult  1870,  enthüllten  mit  fd)onuug8(ofer  Offenheit  bte  intime  ©efd)id)te  be§  SoitäitS, 

45  ba%  nad)  bem  ?Sunfd)  feiner  Seiter  au§  natjeltegenben  Urfad)en  bie  tl)m  geftetlten  «Aufgaben 
im  Verborgenen  löfen  füllte,  unb  tjaben  gegenüber  allen  Eingriffen  ben  3?uf  grofjer  $uüer= 
läffigteit  behauptet.  Sll§  ber  «Jtebafteur  ber  StugSburger  5ßofeeituug  fid)  jum  ftweä  xijxn 
SSiberlegung  um  Material  an  33ifct)of  Sinfel  uon  SlugSburg  manbte,  fdjrieb  biefer  jurüd: 
„man  möge  fdjtoetgen,    bie  «Briefe   in  ber  «Mgemetnen  .geüung   feien   ganj  ma^r,   unb  roenn 

50  man  einige  etma  in  «Jcebenumftänben  üorfommenbe  Unrid)tigteiten  beftreiten  ober  beridjtigen 
mottle,  fo  txiürbe  bamit  bie  SBa^rbeit  in  ben  übrigen,  toid) tigeren  Singen  erft  red)t  beträfttgt 
werben"  ügl.  g.  grtebrid),  «Jtömtfd)e  SSriefe  über  ba§  Soncit,  Revue  internationale  de  Theo- 
loge 1903  («Bern),  §eft  44,  ®.  622,  Stnm.  1.  3n  biefetn  9tuffa|  ift  enblid)  bie  üielüer- 
^anbelle  grage  nad)  ber  §ertunft  ber  «-Berichte  üon  bem    legten  Ueberlebenben    ber    an    ttjrer 

55  6ntftel)ung  33eteiügten  beantwortet  toorben.  Stl§  JRebatteur  fungierte  Sölttnger,  ba§  il)m 
äxtftrömenbe  Material  maren  33riefe  3-riebrictjS,  üor  ädern  aber  33erid)te  beö  in  «Jiom  roeiten= 
ben  Sorb  Stcton,  unb,  at§  biefer  üor  Sct)Iuf3  beS  ®onjil§  abreifte,  33erid)te  beä  ©rafen  Soui§ 
Strco,  be§  bai)ertfd)en  ©efanbtfd)aft§attact)eS,  aud)  bie  Sepefctjetx  beS  ©efanbteu  ©rafen  Sauff= 
ftrd)en  maren  Söllinger  äugänglidj,  enblid)  jafilreidie  SSriefe  üon  33ifd)öfen  urtb  anberen  $er= 

60  fönen.  Set  bem  petnltd)en  Sluffe^en,  baZ  bie  «Römifd)en  Sriefe  in  ganj  (Suropa  erregten,  bat 
bte  tömtfd)e  «Polizei  e§  an  ©tfer  in  ber  Stuffpürung  ber  gefjetmnigüolten  Sorrefponbentett  ntd)t 
fet)len  laffen,  aber  fie  üermod)te  ba§  «Jtätfet  ntebt  ju  löfen,  ba  fetner  biefer  S3ertd)te  ber  römifd)en 
«45oft  anüertraut  rourbe,  beren  geringe  Sldjtung  üor  bem  SSrtefgel)etntniS  befannt  war.  Sifdjof 
Strofjmarjer  üon  Sirmtum  l)at  bte  „«Römtfdjen  «Sriefe"  in  bem  an  Söllinger  gertd)teten  33rief 

65  üom  4.  9Jcärj  1871  „bie  getreuefte  unb  befte  ©efcl)id)te  beg  Uon^ilg"  genannt  (gr.  üon  Sdjulte, 
Ser  ?tltfatl)oltcigmu§,  ©iefjen  1887,  S.  254).  —  «Bomponio  Seto,  Otto  mesi  a  Roma  durante 
il  Concilio  Vaticano,  g-trenje  1873  (fotl  nid)t  üon  bem  Sarbiual  ©alüator  9SiteHe§ct)t,  fonbern 


aSattfamfdjeä  atonal  447 

oon    beffen    33ruber  frranceoco  il>itcHc?dii    nevfnfjt   fein    «gl.    ©ranberait)  [f.  n.J   II,  ®.  517, 
9(nm.  1);  S.  SSeuiUot,  ßome  pendant  le  concile,  33ari§  1872,  2  vols. 

(Sine  weitere  loictjtige  Quelle  fiub  bie  von  fr  frrtebrid),    ber    als  Sfceofoge  beS  ffnrbinalS 
A^obralofje  nacli  9lom  ging,   nom  5.  Se^embet'  1869  bis  jum  21.  frtü  1870    tögltdi    über   ba§ 
gonjil   gemachten   Slitfjeicliniingen:   Sagebud).     SBäfjrenb   beä  SSatifanifdjen  ffonsüä    geführt,    5 
9cürblingen  1871,    2.  oermefyrte  Auflage  1873  (488  ©.).     Surtf)   bie  uafjen  Sejiefyungen   ber 
Sßerfaffer  ;,u  ben  Vorgängen  in  9iom  finb  oon  SSebeutung  :  Sorb  Dicton,  $ur  ©efd)id)te  be§-33atica= 
nifdjen  lioncileS,  2Hündjen  1871  (114  ©.),  ü6er  ben  9lutor  ogl.  LordActon  and  his  circle  edited 
bv  Abbot  Gasquet,  Sonbon  1906,  ©.  358  ff.    Letters    of  Lord  Acton  to  'Mary,  daughter  of 
W  E.  Gladstone  ed.  by  Herbert  Paul,  Sonbon  1904;  fr  gefeter  (33ifd)of  oon  ©t.  gölten  unb  10 
Sehctär  beS  ffonjüö),  Sa§  oaticanifdje  Soncüium,  beffen  ciufjere  SSebeutung  unb  innerer  Verlauf, 
Sien  1S71  (112  ©.);  ff.  SKorlin  (33ifd)of  0.  33aberborn),  bie  9trbeiten  be§  SSatifantfcfjen  Eoncit«, 
33aberbom  1873  (266©.);    ffarbinnl  SJcanning,    The    true    Story   of  the    Vatican   Council, 
Sonbon  1877,  beutfdi  oon  33.  33enber.    Sie  roafjre  @efd]id)te  be§  Oatiianifdien  ffonjil§,  ©erlin 
1877  (166®.);  Emile  Ollivier,  L'eglise  et  l'e"tat  au  concil  du  Vatican,  $uri§  1879,  2  vols;  15 
fr  o-  Süfliuger,    ©riefe  unb  ©rrlärungen  über   bie  SSatifanifdjen  Sefrete  1879—1887,   IjrSg. 
oon  fr  ©•  fjkufd),  9)cünd)en  1890. 

9(ud)    bie  SSiograpfnen    einzelner  äJJitglieber  beS  ÄonjinS   bieten    einiges  9Jcaterial,  5.  33. 
fr  Sagrange,    Vie    de  Mgr.    Dupanloup,    eveque    d'Orlöans,    33ari3  1883     1884,    3  vols. ; 
91.  33aumgartner,  Erinnerungen  an  Dr.  ff.fr  ©rcttfj,  frreiburg  i.  33r.  1884;  ff.  «Uleinbl,  Sebeu  20 
unb  Wirten  be3  33ifd)of3  fr  fr  9Jubigier,  11.33b.  Sinjl892;  frv.  ».Der,  frürftbtfdjof  $ioerger, 
©vaj  1897;  fr  ©uülermin,  Vie  de  Darboy,  1889;  SBolfgruber,  ffarbinal  9vaufd)er,  frreiburq 
1888;  fr3obl,  33 incen^  ©affer,  frürffbifdjof  0.  33rij:en,  S3rijen  1883.  —  gür  bie  Slufnatjme  unb 
Surd)füf)rutig    ber   33efd)(ü||e:   fr  Tl.  3teinfen3,   frofepf,  £ubert  9teinfen§,    ©otfja  1906;    H\- 
innerungen  an  ?imalie  non  Safaulj,  ©ottja  1878;    fr  45-  SReinfenS,   9lmalie  0.  Safaulj,   33onn  25 
1878;  frr.  ffaufmann,  Seop.  ffaufmann,  fföln  1903,  ®."l53ff.;  fr  frriebrid),  Sgnaj  0.  Söflinger, 
3.33b,  Wunden  1901;    S.  ff.  ©oet^,  frr.  §.  fjreufd),  ©otfja  1901;    (£.  ©§.  33urcett,   Life  of  Car- 
dinal Manning,  archbishop  of  Westminster,    vol.  II,  Sonbon  1896;    D.  33fülf,    33ifd)of   oon 
Setteler  (1811—1877),  3.33b,  SOcainj  1899.  —  9tu3  ber  9JiemoirenIitteratur  fei  fjeroorgefjoben : 
Senfioürbigfeiten   be§  frürften  ßfotobimg  511  ©o^en(oC)e=@d)iHingsfürft,  2  33be,  Stuttgart  1906.  30 
Sgl.  ferner  bie  Shteratnr  bei  ben  ?lrti!eln  9Utfatljoltst3muS,  SötUnger,  33iu§  IX. 

Sie  größte  jufammenfaffenbe  frittfctje  Sarffeffuttg  be§  ffonjilä  bietet:  fr  frriebrid),  ®e= 
fd)id)te  beS  33atifantfd)en  ffon^ilS  I,  33onn  1877  (840®.),  II,  1883  (458©.),  III,  1887 
(1258  ©.).  Sfj.  ©ranberatf),  S.  J.,  ©efcfjidjte  be§  33atifanifd)en  ffonjilS  üon  feiner  erften 
?(nfiinbigung  bis  ju  feiner  Vertagung,  ^r§g.  non  ff.  ffird),  S.  J.,  I,  gretburg  i.  33r.  1903  35 
(533  ©.),  II,  1903  (758  ©.),  III,  1906  (748  S.)  fjat  jum  erften  SJcaie  bie  uoüftänbigen 
Sonjilöaften  benü|en  fönnen  unb  ift  baburcfj  in  ber  Sage,  in  mandjen  ©injelfieiten  tfjat= 
fad)lid)e  33erid)tigungen  ber  3-riebrid)fd)en  Sarftedungen  ju  liefern.  Sie  ©efamttjaltung 
beS  2BerfeS  aber  ift  burcb,  ben  iefuitifd)=furialen  ©tanbpuntt  be-3  35erfafferS  nadjteiüg  bt- 
einflufet.  40 

frür  bie  gefd)id)tlid)en  SSovanSfe^ungen  be§  ffonstlS  unb  bie  33eurtei(ung  feiner  33efd)(üffe 
ift  (jeranju^ieijen:  %%  grommann,  ©efdjidite  unb  ffrttif  be§  3Saticanifcf)en  Konctl§  non  1869 
unb  1870,  ©otfia  1872(529©.);  ff.  ©eil,  Sic  ©ntuncffung  ber  fatfj.  ffirdje  im  19.  frdirfntnbert, 
Seipjig  1898(112  @.);  gr.  9cippo(b,  |mnbbud)  ber  neneften  ffirdiengefd)id)te  33b  2,  ©16er-- 
felb  1893 ;  3.  9Jc.  91.  SSacant,  Etudes  thöologiques  sur  les  constitutions  du  concile  du  Va-  45 
tican,  «}5arig  1895,  2  vols. ;  $of)le,  9lrt.  „llnfeljlbarfeit",  3Beger  unb  SBelte'S  ffird]entejifon, 
2.9lufl.,  greiburg  i.  33r.  1901,  ®p.  240—268;  gr.3E.gunf,  ffatfjolifdjeS  Sfniftentunt  unb 
fiirdje  in  ber  9Jeiueit,  in:  ffultur  ber  ©egenloart  I,  4,  33er(in  u.  Seip^ig  1906,  ©.244 f.; 
frSoofS,  gtjmboiit  I,  Stt6ingen  1902;  %x.  ^tieljen,  The  history  of  the  papacy  in  the  XIX  th 
Century  translated  by  A.  J.'Mason  vol.  II,  Sonbon  1906,  ©.  290—374;  £>.  33rüd,  ©efd)id)te  50 
ber  fattj.  Slirdje  im  neunzehnten  fraf)rl)unbert  4.  33b,  2.  9luf(-  non  3.  33.  ffifsüng,  fünfter  i.  33. 
1907,  ®.  1—66. 

9(uf3erbem  bie  33e^anblung  be§  ffonjilS  im  ff trd)enred)t :  9v.  0.  ©djerer,  ^anbbud^  beS 
tird)enred)t§  I,  ©raj  1886,  §80,  5.  453 ff.;  II,  1898,  §100,  ©.3 ff.;  33.  Cinfd)iu3,  ffird)en  = 
redit  ber  ffattjolifen  unb  33roteftanten  in  Seutfcfjlanb,  III,  33erlin  1883,  ©.332.  451-473.  65 
603,  IV,  1888,  ©.433.436;  9t.  S.  Siebter,  Sefjrbud)  beä  fatbolifdien  unb  enangelifd)en 
ttrdienred)t§,  8.  9tufl.,  bearb.  u.  Dt.Sooe  unb  3B.ffab/(,  Seipjig^l886,  ©.202  ff.  381  ff.  488 ff.; 
§r.  kleiner,  Ue&cr  bie  @ntmidetung  beS  fatfjolifdjeu  ffird)enred]tg  im  19.  friEjrfjunbert  (jRebe), 
Tübingen  1902,  ©.  16  f. 

I.  9Sorgefd)id)te.  2)te  erfte  nad)it)etäbare  ätufjerurtg  ^apft  ^ßtul  IX.  über  feine  60 
2l6fid)t,  ein  ö!umenifd)e€  Honjil  ju  berufen,  ift  am  6.  2)ejember  1864,  jtüet  STage  »or 
ber  3SeröffentIid)ung  be§  ©t?llabu§,  in  einer  ©il3ung  ber  Äarbinäle  ber  SfttuSfongregation 
erfolgt.  @r  erteilte  ir/nen  ben  Auftrag,  ber  balb  auf  aße  in  9lom  refibierenben  Äarbinäle 
auggebe^nt  tourbe,  über  biefen  ^ßlan  fid)  in  fd)riftlid)en  @utad)ten  au^ufpreihen.  3ur 
Prüfung  biefer  ©utad)ten,  unter  benett  ba3  beö  l^arbinalg  3ieifad)  ben  größten  Umfang  65 
fyatte,  rourbe  Slnfang  9Jtärj  1865  eine  ^arbinalsfomimffion  eingefetit.    ®ie  9)ießrbeit  bor 


448  $ntiJanifcf)e§  Son^l 

Karbinäle  bejahte  bie  grage  nacb,  ber  9?otWenbigfett  eines?  Konzils,  bie  übrigen,  toelcfyc 
ftct)  gegen  bte  (Einberufung  erklärten,  traten  bieS  aus  tnnerfircr)licr;en  tüte  aus  bolitifcfyen 
©rünben,  nur  Karbinal  Venttm  dotierte,  bafj  für  ein  allgemeines  Konzil  fein  2lnIaJ3  bor= 
liege  (©ranberatf)  I,  ©.  34f.).    %üx  ben  %aü  ber  (Einberufung  beS  Konzils  Würben  aucr) 

s  bereits  bie  Don  ifym  ju  berfyanbelnben  ©egenftänbe  erörtert  unb  babei  ga£>Iretc^e  ficfy  jum 
Seil  Wtberfbredjienbe  Söünfcfye  geäußert;  SDiffenfuS  fyerrfdjte  j.  V.  barüber,  ob  bie  9^ot= 
roenbtgfeit  ber  geitltdjen  ^errfcfyaft  beS  VabfteS  erflärt  Werben  fodte.  gWei  Karbinäle 
fbracfyen  ficb,  für  bie  Definition  ber  bäbftlicfyen  Unfebjbarfett  aus,  Karbinal  Ugolint  mit 
ber  bejeidjmenben  Vemerhmg,  bafj   bann  „in  ^u!unft  jeber  %lot  gefteuert  werben  fönne, 

10  aucf>  ob,ne  bafs  ein  neues  Konzil  berufen  §u  Werben  brause"  (ebenb.  ©.  44).  Vom 
gjiärg  b.  $.  1865  an  mar  bie  (Einberufung  beS  Konzils  befcfyloffene  ©adje.  2tuf  ben 
Sftat  beS  KarbmalSfoHegtumS  (ebenb.  ©.  26)  erging  im  Saufe  beS  2lbril  unb  SJtai  burcf) 
ben  ^räfeften  ber  Vrobaganba,  Karbinal  ßaterini  (Coli.  L.  p.  1017  f.)  an  36  Vifcfyöfe 
berfcbjebener  Nationen   „sub   arctissima  secreti  lege"   bie  2tufforberung,  bte  ©egen= 

15  ftänbe  namfyaft  ju  machen,  bie  ifynen  mit  9tücffidj>t  auf  bie  guftänbe  ifyrer  SDtöcefen  gur 
Verfyanblung  auf  bem  Konjil  WünfcfyenStoert  fcfytenen.  $iuS  IX.  t)atte  bie  Stfte  biefer 
Vertrauensmänner  felbft  entworfen.  Von  beutfdjen  Vifcfyöfen  befanben  ftcb,  barauf  bie 
tarnen  beS  VtfcfyofS  Söeifj  bon  ©befyer  unb  beS  VtfcfyofS  ©eneftreb,  bon  DfrgenSburg,  ber 
eS  für  angemeffen  luelt,   in   feinem  Slntmortfdjreiben   bie  SRüntfjener  SEfyeoIogenfcfyuIe  ju 

20  benungteren.  Unter  ben  befragten  Vifcf;öfen  t/at  „eine  gan^e  SRetfye"  bie  ©eftnition  ber 
bäbftlicfyen  Unfehlbarkeit  „aucr;"  embfofylen  (©ranberatf)  I,  ©.  48).  —  £>te  erfte  öffent= 
ltdpe  SInfünbtgung  beS  geblauten  KonjilS  boll^og  ber  ^Jkbft  am  26.  ^unt  1867  in  fetner 
SHIofution  an  bie  jur  ßentennarfeier  beS  2lboftelfürften  in  9tom  berfammelten  Kircf;en= 
fürften  (Coli.  L.  p.  1029 ff.;  ubi  primum  optata  nobis  opportunitas  aderit,  1032  b) 

25  unb  machte  in  feiner  Slnttoort  auf  bte  ©lücfWunfcfyabreffe  ber  Vifcfyöfe  (ib.  p.  1033  ff.), 

in  ber  biefe  2lnfünbtgung  freubig  begrübt  Würbe,  am  1.  ^uli  bie  beftimmtere  SDcittetlung, 

bafj   baS  fünftige  Konjtl,  Wann   eS«  immer    jufammentrete    am   fjfeft    ber    unbefleckten 

(Empfängnis  ber  Jungfrau  5Raria  (8.  SDejember)  Werbe  eröffnet  Werben  (ib.  p.  1042  f.). 

Sie  Vorbereitung  beS  Konzils  lag  in  ber  §anb  einer  aufjerorbentlicfyen  Kongregation 

30  beS  KarbinalfollegtumS,  in  bie  jener  erfte  SluSfcfyufs  umgeWanbelt  Würbe,  als  bie  Ve= 
rufung  beS  KonjtlS  feftftanb.  ©te  füt)rte  ben  Xitel  „SDie  fbejielle  birigierenbe  &ongre= 
gation  für  bte  3tngelegenb,etten  beS  jufünftigen  allgemeinen  KonjtlS",  Würbe  aber  furj 
„gentralfommiffton"  genannt ;  tfjr  gehörten  bte  Karbtnäle  Vatriji,  ÜReifactj,  ^ßanebianco, 
Vijarro,  ßaterini,  fbäter  aucb,  Varnabo,  Silto,  ßaballi  unb  be  Suca  (©ranberat§  I,  ©.  62  f.)  an. 

35  3#re  elften  Vorarbeiten  fallen  bereits  in  baS  $ar)r  1865  unb  galten  ber  ©eWinnung 
ausgezeichneter  Ideologen  unb  Kanoniften  als  facf)berftänbtger  Verater  (Äonfultoren)  beS 
KonjilS.  2luf  ©runb  ber  bon  ben  Nuntien,  unb  bann  aucb,  bon  berfcfyiebenen  Vifc|öfen 
eingeforberten  Vorfcfyläge  (Coli.  L.  p.  1024  ff.)  erfolgten  bte  Berufungen  unb  babei  Würbe 
anfangs  bie  ultramontane  Sftcfytung   fo   einfeitig   beborjugt  —  beifbielSWeife  Waren  bie 

40  Uniberfttäten  3Rünc§en,  Vonn,  Tübingen,  greiburg,  VreSlau  boßftänbig  übergangen,  ba= 
gegen  auS  Sföürgburg  ^Wei  Xb^eologen  unb  jWar  beibe  gelinge  jjeg  Collegium  Germa- 
nicum  (§ergenrötb,er  unb  ^ettinger)  berufen  Worben  —  bafj  bie  getroffene  2luSWa§I 
nacf)  beren  VefanntWerben  fa)arfen  2Btberfbrucb,  fanb.  Mit  nichtigen  Söorten  b,at  fbäter 
SlntoneUt  bie  5Jitd)tberufung  ®öEingerS  ju  rechtfertigen  berfucb,t  (©ranberatb,  I,  ©.  69  f.). 

45  -Jceben  ber  ^entralfommiffion  Würben  folgenbe  ilommtffionen  gcbilbet:  1.  eine  bogmatifc^e, 
2.  fürbie^ircljenbtSjiblin,  3.  für  baS  DrbenSWefen,  4.  für  bie  orientaltfd)en  Kirnen  unb  bie 
aJctffumen,  5.  für  bie  $ir<$ enbolitif ;  tbre  Qnftruftionen:  Coli.  L.  p.  1102  ff.  ©ie  arbeiten 
biefer  einzelnen  Kommiffionen  unterlagen  ber  Prüfung  ber  gentralfommtffion,  ^ie  fc^on 
babura)   mit  ifynen  in  engfter   güfjlung  ftanb,  bafc  ber  Vorfir^  in  btefen  Kommiffionen 

so  ?[RitgIiebern  ber  ^eutralfommiffion  übertragen  Würbe.  S^Sefamt  waren  96  Konfultoren 
in  Sb,ätigfeit,  bon  benen  24  bem  DrbenSfleruS  angehörten,  barunter  8  bem  3>efuüen= 
orben.  3U  ben  genannten  Kommtffionen  trat  bann  fbäter  nocb,  b,inju  als  fecf;fte:  bie 
Kommiffton  ber  Zeremonien.  —  Sänge  Unterfucfyungen  bereitete  bie  grage,  Wer  ju  bem 
Konjil  ju  berufen  fei  (©ranberatfy  I,  ©.  83—132).  Über  baS  SRec^t  ber  Karbinäle,  aua; 

55  berer,  bie  ntcr)t  33ifc§öfe  Waren,  unb  ber  S)töcefanbtfc§öfe  beftanb  fein  Z^e'fet-  dagegen 
begannen  bie  Vebenfen  bei  ben  Xttularbifcfyöfen,  welche  Wob,l  im  SBefi^  ber  btfcfyöflicfjen  5ß5ei&e 
finb,  aber  feine  9legierungSgeWalt  ausüben ;  eS  Würbe  ju  ib,ren  ©unften  entfcb,ieben.  Von 
ben  Slbten  foHten  nur  bie  berufen  toerben,  Welche  unabhängig  bon  ben  Vifcfyöfen  bie 
StegierungSgeWalt  über  ein  Territorium  ausüben  (abbates  nullius),  unb  bte,  Welche  an 

60  ber  ©bi£e   einer   aus   mehreren  Klöftern    gebilbeten  Kongregation  fteben  (©eneraläbte), 


$attfatttfd|eS  ßon-jil  449 

ferner  bie  ©eneraloberen  religiöfer  Drben.  2)en  ^ßrofuratoren  ber  an  bem  ©rfcfyeinen 
auf  bem  ^onjil  berfyinberten  33ifd^öfe  Würbe  in  2lbänberung  ber  früheren  Übung  ba3 
JRed^t  auf  ©i£  unb  ©timme  in  ber  ©tmobe  berfagt,  aufy  bie  Ü'abitelSbifare  Würben  nicf>t 
jugelafjen.    Bon  ber  (Sinlabung  ber  fatfyolifcfyen  dürften  würbe  Slbftanb  genommen. 

2lm  29.  ^uni  1868  Würbe  bie  Sülle  Aeterni  patris  (Coli.  L.  p.  1  ff.)  publiziert,  bie,  bon  6 
$iu3  IX.  unb  ben  in  9iom  anWefenben  Äarbinälen  unterzeichnet,  auf  ben  8.  ©e^ember 
1869  ba3  Äonjil  narf)  9rom  einberief.  S)a  e3  ein  öfumenifcbeä  fein  follte,  mürben  auet; 
bie  Sifcfyöfe  ber  $ird)en  beö  orientalifcfyen  9Utu<§  eingelaben  (baS  Schreiben  Arcano  di- 
vinae  providentiae  consilio  bom  8.  ©ebtember  1868  ib.  p.  7 f.)  unb  in  einer  weiteren 
Suffe  (Jam  vos  omnes  Dorn'  13.  ©ebtember  1868,  ib.  p.  8 f.)  aueb,  alle  Vroteftanten  10 
unb  bie  anberen  2tfatl)oIifen  aufgefordert,  bei  (Gelegenheit  be£  Äonjilg  fiel)  ber  fatfyo= 
Iifdjen  $ird)e  Wieber  anrufet/Heften  (obsecramus,  ut  ad  unicum  Christi  ovile  redire 
festinent). 

2öa§  junä'cf/ft  bie  nid^t  unierten  Orientalen  betrifft,  fo  erhielt  ber  römifef/e  2lbge= 
fanbte  2lbbate  Sefta  jmar  eine  2lubienj  bei  bem  grtec^ifd^en  Patriarchen  bon  &onftan=  15 
tinobel,  aber  ba3  bäbftlicfye  ©inlabunggfctyretben  Würbe  niebt  angenommen.  ®iefe  2tb= 
leimung  mar  entfdjeibenb  für  bie  bem  Patriarchen  untergebenen  Sifc^öfe.  ©er  armenifef/e 
^atriareb.  bon  Ibnftantinobel  nal)m  jWar  au§  ber  §anb  SEeftag  bie  ©inlabung  entgegen, 
erflarte  aber,  bafj  ber  &atr/olifo6  bon  ©tfcl/miabfin  ^u  entfeb,  eiben  l)abe,  biefer  War  jeboct/ 
gegen  bie  Beteiligung  an  bem  Uonjil.  (Sbenfo  behielten  fieb,  bie  grtec^tfebert  Patriarchen  20 
in  2lleranbrien,  2lntiocbien  unb  ^erufalem,  auef)  bie  Berbanblung  mit  bem  fobtifer/en 
Patriarchen  in  $airo  r/atte  lein  bofttibe§  ©rgebni§,  ebenfomenig  bie  mit  bem  Patriarchen 
ber  ^afobiten  geführte  unb  bie  llnterrebung  mit  bem  neftorianifer/en  Patriarchen.  ©ie 
Sinlabung  Würbe  alfo  au§naf/m3lo<!>  abgelehnt. 

Bon  broteftantifet/er  ©eite  fyat  fie  feine  roefentlicr)  anbere  2tufnabme  gefunben.    ©ie  25 
mr/fteriöfen  Briefe   ber   angeblichen  bter   ebangelifct/en  ©eiftlidjen,  bie  „im  tarnen  bieler 
@bangeltfcf/er  ber  ^robinj  ©acf)fen"  am   18.  unb  28.  2tuguft  1869  bemBifcf/of  SJtartinbon 
^aberborn  bieBitte  au3fbracf/en  (Coli.  L.  p.  1137  ff.  1142 ff.),  jur  Befeitigung  ber  ßtrcr)en= 
fbaltung  bei  bem  ^3abfte  auf  bie  Slbfcr/affung  be§  $ßrieftercölibat»  unb  ber  $eld) entheb, ung 
anzutragen,   finb   trot5   angeftellter  Unterfuc^ungen   niebt   aufgellärt  Worben  unb   t/aben  30 
jebenfaffS  leine  braftifd/en  2tu§Wirfungen  ausgeübt,    ©a   e<§  bem  gefamten  ^ßroteftantfe 
mul  an  einer  Vertretung  fehlte,  ja  fogar  bem  VroteftantiSmuS  ©eutfct)lanb3,   muftte  e3 
ben  einzelnen  Sanbeeiftrcfjen  überlaffen  bleiben,  bie  ©inlabung   ju  ignorieren  ober  ju  be= 
antworten,    ©er  ©bangeltfd/e  Dberfircb/enrat  in  Berlin  Wie<§  bie  gumutung,  jjen  ebange= 
lifef/en  ©lauben   ju  berlaffen,   in  einem  energifet/en  ^ßroteft   bom  9.  Oftober  1868  jurüd;  35 
unb  forberte  zugleicfj  ^uftoHeften  für  ben  ©uftab  2IboIf=Serein  auf  (Coli.  L.  p.  1123  ff.). 
Slucb.  ber  XV  beutfcb^ebangelifcfye  $ircf)entag  gab  eine  ©rflärung  ab;    bie  ©eneralffynobe 
ber  batjerifcb.en   broteftantifef/en  £anbe^lircb,e  nab,m   nur   au§  formellen  Bebenlen  babon 
älbftanb. 

^nnerf)alb  ber  anglifanifcb,en  ^ircb,e  ^at  bie  bäbftlict/e  ©inlabung  freilieb,  einigen  40 
3ßiberf)alt  gefunben,  aber  ber  Söiberfbrud;  überwog  boct)  aueb,  biw  unb  ber  2öunfd)  be§ 
Dr.  ßumming,  eine§  fdjottifcb^en  $re^br;terianer§,  ju  bem  ^onjil  gelaben  ju  Werben,  ift 
nur  erwähnenswert  wegen  ber  babureb,  angeregten  Berfyanblungen  (Coli.  L.  p.  1144  ff.). — 
£ie  Hoffnung  ber  Hurie,  ben  fcbiämatifcben  Orient  unb  bie  Söelt  ber  proteftanttfeben  ite^erei 
ju  einer  2lneri'ennung  ber  bon  ibr  geplanten  Beranftaltung  ju  beranlaffen,  War  mithin  45 
gevettert,  faQS  fie  übertäubt  beftanben  bat.  ®a  ein  anberer  21u3gang  laum  ju  er= 
toarten  War,  liegt  bie  Vermutung  nabe,  bafe  bie  ©inlabungen  an  bie  aufjerfyalb  ber 
römifcb=!atboltfcben  Strebe  lebenben  ßb^iften  lebiglicf)  auf  ©runb  unb  ^ur  llnterftü^ung 
ber  giltion  ergangen  finb,  ba^  alle  ©etauften  ber  römifcb,en  £trcf)e  angehören. 

©ie  3lufnabme,  bie  ba§  beborftef)enbe  Äon^il  in  ben  Greifen  ber  römifdj=fatbolif<$en  so 
Äircbe  fanb,  War  ntdbt  überall  gleich  unb  unterlag  großen  ©cb^Wanfungen.  Über  bie 
bon  ibm  ju  löfenben  Slufgaben  War  au§  bem  2lu§fcbreiben  freiließ  Wenig  %u  entnehmen, 
benn  bie  allgemein  gehaltenen  iRebeWenbungen  über  bie  Rettung  ber  ^irc^e  bon  ben 
ibr  brofyenben  (Gefahren  u.  f.  W.  umfbannten  baö  gefamte  ©ebiet  ber  ^ntereffen  beö 
Gfiriftentumg.  5Der  (grfolg  £)at  aber  biefe  Unbeftimmtb,eit  be§  Programms  legitimiert,  55 
benn  baburet;  Würbe  ber  äurie  boöe  2lttiongfrei§eit  gewahrt.  ®a  feit  300  ^al)xm  fein 
öfumemfcfyeiS  Äon^il  getagt  batte,  War  ber  $ßlan  ferner  bon  bem  -JümbuS  beö  2lufeer= 
getoör;nlicl)en  umgeben  unb  ber  Jtefbeft  bor  bem  Urteil  beS  Ober§aubte#  ber  föirdje,  ber 
eö  al§  Heilmittel  für  alle  9^bte  ber  fttit  anbriet,  fonnte  fiel)  mit  ben  Hoffnungen  auf 
rounberbare  Sßirfungen   einer  bon   bem  bJL  ©eift   erleuchteten  Verfammlung  ber  Btjcf)bfc  60 

KeaI=(Snc^flDpäMe  für  Ideologie  unb  ffiir<6e.    8.  H.  xx.  29 


450  BatifemifdjcS  ^ottstt 

aller  Sauber  ber  @rbe  bereinigen.  SDtefe  Umftänbe  fieberten  bem  Äonjileprojeft  $unäd;ft 
eine  freunblid;e  Beurteilung  unb  regten  ju  allerfyanb  Dbationen  an.  ätber  eine 
fräftige,  halb  mächtig  anfd;WelIenbe  ©egenbeWegung  fetjtc  unter  ben  liberalen  ^atfyolifen 
fofort  ein,  fobalb  fid)  bie  9iebel  ju  jerftreuen  begannen,  bie  über  bie  bei  ber  Berufung 
5  beS  ®on£ilS  mafjgebenben  9JJotibe  anfangt  ausgebreitet  Waren.  2tufflärenb  b,at  bor  allem 
ein  berühmt  geworbener  Slrtüel  in  ber  bon  Qefuiten  geleiteten  geitfdjrift  „Civiltä  Cattolica" 
geWirft  (Coli.  L.  p.  1157  ff.),  ber  in  ber  gorm  einer  bom  6.  gebruar  1869  batierten 
jlorrefbonbeng  aus  granfreid)  eS  als  bie  2lnfid;t  bieler  ®atr)o!ifen  in  granfreid)  lunftellte, 
bafe  baS  ^onjil  nur   feb/r  furj  bauern  Werbe,  ba   feine  9)ler;rl)eit  einig  fei.    2IIS  ©egen= 

lo  ftänbe  ber  Berbanblungen  Waren  genannt :  ®ie  Definition  beS  ©fyllabuS,  bie  Berfünbigung 
ber  Unfehlbarkeit  ber  '^ßabfteS,  bie  Dogmatifierung  ber  Sef;re  bon  ber  leiblichen  £>immel= 
far)rt  ber  Maria.  Über  biefen  2Irtifel,  beffen  Borgefd;id;te  audj  einen  intereffanten  @in= 
blid  in  bie  Bedienungen  ber  ^urie  unb  ber  Nuntien  jur  treffe  gewährt  bgl.  grtebrid), 
©efef,.  b.  Bat.  ÄonjilS  II,  ©.  7 ff.;  ©ranberatb;  I,  ©.  183 ff. 

15  Der  ©inbrud  btefeS  2IrtifelS  Würbe  baburd)  nod;  gefteigert,  bafj  @rjbifd}of  Ded;ambS 
bon  SRedjeln  für  feine  Brofd)üre  L'infaillibilite  et  le  concile  general,  in  ber  er  ib/re 
Definition  berlangte,  burd;  ein  bäbftlid;eS  Brebe  bom  26.  ^unt  1869  (Coli.  L.  p.  1261  f.) 
Warm  belobt  rourbe.  fortan  War  eS  nid)t  mefyr  nötig,  nad;  fonfreten  Aufgaben  für  baß 
^onjil  Umfd;au  ju  galten,   benn  mel)r  unb  meb,r  fe^te  fid;  in  Weiten  Greifen  bie  Über= 

20  jeugung  burd;,  baft  an  leitenber  ©teile  bie  2lbftd)t  beftanb,  bie  bätoftlicfye  Unfefjlbarfeit 
jiroflamierett  %a  laffen.  Die  Befd;toid;tigungSberfud;e  blatten  feinen  ©rfolg ;  eS  erljob  fid; 
bielmef)r  gegen  bie  Dogmatifierung  biefer  bon  ultramontaner  ©eite  längft  bertretenen  fiebere 
eine  Dpbofition,  beren  Umfang  unb  (Energie  fd;WerIicf)  borauSgefefyen  roorben  War.  Daß  bie 
fatt)olifd)e  6f)riftenr)eit  fid)  nad;  biefem  Dogma  gefeint  fjat,  ift  eine  Behauptung,  bie  mit 

25  offenfunbigen  ^atfadjen  in  SSiberfbrud;  ftefyt  unb  aud)  burd)  ben  §inWeiS  barauf,  bafj 
bie  boßjogene  Definition  fid;  fbäter  burcfygefetjt  l)at,  nid)t  an  2öar/rl)eit  gewinnt.  (Sine 
gewaltige  (Erregung  fyat  bamalS  baS  fatfyolifdje  ©uroba  burd)bebt  unb  für  Monate  rüdte 
bie  religiöfe  $rage  in  ben  Mittelbunft  beS  öffentlichen  $ntereffeS. 

^n  Deutfd;Icmb  begann  bie  Bewegung  burd;  bie  DöHingerfcfyen  2lrtifel  „DaS  ßon= 

30  eiltum  unb  bie  ßibtliä"  (in  ber  allgemeinen  ßeitung  bDm  10-  bi3  15.  StRärj  1869),  bie 
„gleid;  einem  mächtigen  BIi|ftraf)I  nieberfufiren  unb  überall  jünbeten"  (griebrid;  II,  ©.21). 
@§  bilbeten  fid;  Bereine  jur  Slbroeb^r  ultramontaner  Beftrebungen.  %n  ^oblenj  traten 
rl)einifd;e  Saien  jufammen  unb  richteten  an  ben  Bifdjiof  bon  Syrier  eine  Slbreffe  (Coll.L. 
p.  1175  ff.),   in   ber   gegen   bie  in   jenem  2lrti!el   ber  Sibiltä  bertretenen  2lnfd;auungen 

35  ©tellung  genommen  unb  bie  gorberung  erhoben  rourbe,  ba^  ba<8  beborftebenbe  Äonjil 
barüber  feinen  groeifel  laffe,  ba^  bie  5!ird;e  mit  bem  3öunfd;e  gebrochen  fyatie,  bie  tf)eo= 
fratifd;en  ©taatsformen  be§  Mittelalters  roieberb^erjuftellen,  ba^  bie  (irgter)ung  beS  ÄleruS 
fid;  nid;t  gegen  bie  allgemeine  Bilbung  ablefmenb  bereite,  bafj  eine  allgemeinere  organifd; 
geregelte  Beteiligung  ber  Saien   am   dt)rtftltd>=fogtaIen  Seben   ber  ^farrgemeinbc    l>erbei= 

40  geführt  unb  enblid;,  ba^  ber  Index  librorum  prohibitorum  aufgehoben  ioerbe.  2lud; 
fatb^olifd;e  SRitglieber  beS  .3°ßpar,fan,cntg/  3-  23-  ^Peter  9leid;enfberger,  Söinbtb^orft  unb 
^örg,  entwarfen  eine  Äunbgebung  (Coli.  L.  p.  1185 ff.),  bie  fid;  u.a.  gegen  baS  Be= 
bürfniS  einer  ©ntfcfjeibung  ber  ftrittigen  $ragc  ber  bäbftlid;en  Unfeljlbarfeit  erllärte,  t)aben 
fid;  bann  aber   barauf  befd;ränft,   fie   ben   beutfdjen  Bifdjöfen  borplegen.     2lnbererfeitS 

45  nab^m  bie  ©eneralberfammlung  ber  fatfjolifdien  Bereine  ®eutfd)lanbS  am  8.  ©ebtember 
in  ©üffelborf  eine  Dtefolution  (Coli.  L.  p.  1197  f.)  an,  in  ber  bem  Hongil  baS  bolle 
Bertrauen  unb  pgleid;  bie  Erwartung  auSgefbrod;en  Würbe,  bajj  bie  dürften  fid;  aller 
bie  greib^eit  feiner  Beratungen  unb  Befd;Iufjfaffungen  beeinträd)tigenben  ©d;ritte  enthalten 
Würben. 

60  3H§  ber  beutfd;e  @biffobat  am  1.  ©ebtember  1869  in  gulba  ju  Beratungen  jufammen= 
trat  (Coll.L.  p.  1187ff.)  Würbe  bon  if)m  ein  gemeinfamer  Hirtenbrief  (p.  1191ff.)  erlaffen,  ber 
berub^igenb  Wirfen  foEte :  baS  %njil  f önne  feine  neue  fiebere  berfünbigen,  bie  nid;t  in  ber 
1)1.  ©d;rift  unb  ber  aboftolifd;en  Überlieferung  enthalten  fei,  unb  ber  Berbad;t,  bafj  auf  i^)m 
bie  greib^eit  ber  Beratung  beeinträchtigt  fein  fönne,  fei  ebenfo  unbegrünbet  Wie  bie  Ünter= 

65  fteHung,  bafe  ber  Babft  baS  SBerf jeug  einer  Battei  fei,  für  il)n  beleibigenb.  Slber  neben  biefem 
für  bie  breite  Dffentlicfjfeit  beftimmten  ©c£;reiben  Würbe  nod;  ein  anbereS  an  ben  ^3abft 
gerichtetes  befd;loffen  (Coli.  L.  p.  1196  f.),  baS  auf  einen  anberen  SLon  geftimmt  War. 
©ie  ftunbe  babon,  ba^  für  baS  beborftebenbe  Äon^il  bon  mannen  ©eiten  eine  Borlage 
über  bie  Unfeljlbarfeit  beS  BabfteS  geWünfd;t  Werbe,  b^abe  grofee  Aufregung  unter  ^b^eo^ 

eo  logen  unb  Saien  Ijerborgerufen  unb  jWar  unter  Scannern  bon  bewährter  Streue  gegen  bie 


$attfantfdjc8  ßonjtl  451 

ßird;c.  Aud;  bie  Verfaffcr  teilten  biejc  93efürd)tungen :  fateamur  necesse  est,  nos 
ipsos,  in  quantum  res  ad  Germaniam  spectat,  praesens  tempus  minus  oppor- 
tunum  existimare  ad  definiendam  summi  pontificis  infallibilitatem.  2)iefe«  bon 
14  33ifd;bfen  unterzeichnete  ©cfyriftftüd  —  bie  23ifd)öfe  bon  Söürjburg,  @id;ftätt,  Vaber* 
born,  ber  Vertreter  be«  35tfd;of«  bon  ©beier  unb  ber  aboftolifcfyer  Vifor  bon  Sujemburg  5 
fcfyloffen  fid;  au«  —  fanb  bei  Viu«  IX.  eine  fefyr  ungünftige  Aufnahme. 

©in  heftiger  Äambf  entbrannte  aud;  in  gtanfreid;,  ber  §eimat  be«  mobernen  Ultra* 
montani«mu«.  2)a«  2öerf  be«  33ifd;of«  SRaret,  ®efan«  ber  tl)eologifd;en  $afultät  bon 
$ari«  gegen  bie  Unfehlbarkeit  (Du  Concile  general  et  de  la  paix  religieuse,  2  23be, 
$ari«  1869,  beutfet)  Regen«burg)  unb  bie  in  gleichem  ©eift  gehaltenen  Schreiben  be«  10 
23ifd;of«  Subanloub  bon  Orleans  fanben  jal;lreid;e  (SrWtberungen  nid;t  nur  au«  ber 
93iitte  be«  franzöftfcfyen  Äleru«,  fonbern  aud?  bon  (Srjbifd^of  SRanning  bon  Sßeftminfter 
unb  @rjbifd)of  ©edjamb«  bon  9Kecb,eln.  $n  ^  R£rt>e  *>er  ©egner  [teilte  fid;  aud;  ©raf 
ÜJJontalambert,  ber  bie  Sloblenjer  Abreffe  al«  einen  2id;tftraI;I,  ber  bie  gegenwärtige 
■Jinftemi«  burdjbrodicn  l;abe,  unb  al«  ein  männliche«  unb  d;riftlid;e«  2öort  inmitten  15 
betaubenber  ©eflamaiionen  unb  ©d;ineid;eleien  (Coli.  L.  p.  1181)  begrüßte.  Sn  Öfter* 
reid;*Ungam  fjerrfdjte  im  Vergleid;  ju  SDeutfcfylanb  eine  für  ben  ^uftanb  beä  borttgen 
<»Ueru«  bejeidmenbe  'Seilnafymlofigfeit  (griebrid;  II,  ©.  91).  3n  Statten  bemühte  fid; 
©raf  Ricctarbi  barum,  bem  batifanifd;en  Konzil  ein  öfumenifcfye«  Konzil  ber  greibenler 
gegenüberstellen (Coli.  L.  p.  1254 ff.);  e«  fyat  aud;  im  ^Dezember  1869  inReabel  getagt,  20 
war  aber  nur  eine  fcfyWadjie  SDemonftration.  ©dwn  bor  bem  gufammentritt  be«  Konzil« 
war  bemnad;  bie  Wicfytigfte  ber  fbäter  feiner  Sßefdjlufefaffung  unterbreiteten  angelegen* 
fetten  ©egenftanb  tiefgreifenber  Kämtofe  unb  bie  3lu§fid)ten  auf  eine  glatte  Annahme 
bei  brojeftierten  SDogma«  berminberten  fid;  bon  9Jconat  ju  9Ronat. 

©a«  beborftefyenbe  Konzil  fyat  aud;  bie  eurobäifcfyen  ©taat«regierungen  befdjäftigt.  25 
£er  bai;erifd;e  9Jtinifterbräftbent  $ürft  Sfylobtoig  zu  §o^enlobe*©d;ilttng§fürft  richtete  am 
9.  Abril  1869  eine  bon  Döllinger  berfafcte  (§ob,enlob,e,  ®en!mürbigfeiten  I,  ©.  351) 
ßirfularbebefcfye  an  bie  bito!omatifd;en  Vertreter  3ki;ern«  (Coli.  L.  p.  1199  ff.),  fid;  über 
bie  Abfielen  ber  Regierungen,  bei  benen  fie  affrebitiert  Waren,  in  Sejug  auf  ba«  Konzil 
Zu  informieren  unb  iljmen  bie  grage  borjulegen,  ob  e«  nicfyt  zWedmäfjig  Wäre,  im  borau«  30 
gemeinfame  ober  ibentifdje  9JZafcregeln  ju  ergreifen,  um  ben  i/l.  ©tub,l  über  bie  bon  ib,nen 
gegenüber  bem  bfumenifeben  Konzil  beabficfytigte  Haltung  aufzuklären,  für  ben  %aü  iE?rer  33e= 
jatnmg  würbe  bie  Veranftaltung  bon  Konferenzen  ber  intereffierten  3Jcäd;te  borgefd;lagen. 
Segrünbet  würbe  biefe  Anregung  bamit,  baft  baö  Konjil  borau^fid;tIid;  feine  Slrbeit  ntd;t 
auf  ba§  t^eologifc^e  ©ebiet  befd;ränlen  Würbe,  benn  bie  einige  bogmatifd;e  5£b,efe,  für  beren  30 
2lnnab,me  fid;  Rom  intereffiere  unb  bie  ben  ©egenftanb  ber  Agitation  be<§  S^uitenorben€ 
in  Italien  unb  ®eutfd)Ianb  bilbe,  fei  bie  grage  ber  Unfeb,lbarfeit  be§  ^abfteg.  £>ie 
@rb,ebung  biefel  2tnfbrud;§  (pretention)  jum  ©lauben§fa|  Würbe  aber  über  bie  ©b^äre 
ber  rein  geiftlid;en  Angelegenheiten  b,inau§greifen  unb  eine  ©ntfebeibung  bon  eminenter  bott* 
tifd;er  Sebeutung  fein,  ba  fie  bie  ©ewalt  be3  $abfte§  felbft  in  jeitlid;en  Singen  über  alle  40 
dürften  unb  SSölfer  ber  S^riftenb,eit  auöbe^ne.  ®er  ©rnft  ber  ©ituation  Werbe  baburd; 
nod;  gefteigert,  bafe  fid;  unter  ben  bie  Arbeit  be§  HonjiI§  borbereitenben  Kommiffionen 
eine  befinbe,  bie  fid;  allein  mit  ben  Materien  befd)äftige,  bie  ebenfofeb,r  ba§  öffentliche 
9ied;t  unb  bie  «ßoltttl  betreffen  Wie  ba§  !anonifd;e  Red;t.  ®iefe  Vorbereitungen  bered;* 
tigten  ju  ber  Annahme,  ba^  ber  1)1.  ©tufyl  ober  Wenigftenö  eine  augenblidlid;  in  Rom  45 
mächtige  gartet  beabfid;tige,  burd;  bal  Konjil  eine  Reifye  bon  betreten  über  fragen 
promulgieren  ju  laffen,  bie  meb,r  bolitifdjer  aU  fird;lid;er  Ratur  finb.  ®ie  Rote  berWie« 
fcf)ttefelid;  auf  jenen  Artifel  ber  offijiöfen  Civiltä  Cattolica.  —  £>ie  Anregung  ^o^enlofjeä 
fanb  wenig  SBiberfyall ;  bie  Antworten  lauteten  teil«  ablefmenb  teil«  au«Wetd;enb.  (Ueber  bie 
bon  Sößinger  baju  gemalten  „Semerfungen"  bgl.  §ob, enlob, e«  ©ent'roürbigfeiten  I,  ©.  359  f.).  so 
§ob,enlob,e  felbft  fiat  ben  Verfolg  Wcfentlid;  auf  bie  Haltung  ber  öfterreid;ifd;en  Regie* 
rung  jurüdgefül)rt,  bie  in  bem  ©djreiben  be«  ©rafen  SBeuft  an  ben  öfterreid;ifd;en  ©e= 
fanbten  in  sIRünd;en  bom  15.  9Rai  1869  (Coli.  L.  p.  1211  ff.)  feine  3Sorfd;Iäge  jurüd* 
Wie«,  Weil  fie  jur  ^eit  ba«  Vorfyanbenfein  einer  ©efab,r  leugnete  unb  bon  bem  ©d;ein 
einer  S3efd)rän!ung  ber  grei^eit  ber  Iatl)olifd;en  £ircb,c  eine  Vermehrung  ber  ©bannung  65 
ber  ©emüter  befürchtete.  @r  replizierte  in  einem  Artifel  ber  Aug«burger  Abenbjeitung 
(2!en!würbigleiten  I,  ©.  363  ff.).  $reufjen  ^ielt  tfoav  Vräbentibma^regeln  für  nid;t  ange* 
bracht  unb  erflärte,  gegenüber  etwaigen  in  ba«  ftaatlid;e  ©ebiet  übergreifenben  Sefd)Iüffen 
bie  Red;te  be«  ©taate«  Wahren  ju  Wollen  (®ebefd)e  33i«mard«  an  ben  breufeifcfyen  ©e= 
fanbten  in  Sern,  ©eneral  bon  Roeber,  bom  23.  Wäxi  1869,  Coli.  L.  p.  1202  f.  unb  feine  eo 

29* 


452  Batitamfd)e§  kon^il 

2IntWort  auf  bm  Borfdjfag  be§  ©efanbten  bon  2Imim  in  3Rom  bom  26.  Sftai  b.  3-/ 
bafj  ju  ben  Beratungen  be3  Konjilio  ein  beutfdjer  Botfdjafter  abgeorbnet  Werbe,  ib. 
p.  1206ff.  bgl.  1203ff.),  aber  bie  batyerifcfyen  Borfcbjäge  finb  für  ©eutfcbjanb  bodj  nicfyt  ganj 
bebeutung§Io§  geblieben,  ©ie  berfönlictjen  Berfyanblungen  aWifcfyen  BiSmarcf  unb  §ob,en= 
5  lob,  e  9Jcitte  $uni  1869  (©enfwürbigfeiten  I,  ©.  374ff.)  fyaben  ^u  „Befbrecfmngen  ber  beutfcfyen 
Regierungen  untereinanber"  geführt,  bon  benen  Bi^mard  am  11.  SCuguft  an  §ot;enIoI)e 
fd)reiben  fonnte  (Coli.  L.  p.  1208),  bajj  fie  „in  ÜRom  im  ©inne  ber  3Sorfid;t  unb  be3 
griebeng  nid)t  olme  Söirfung  geblieben  finb"     9?äb,ere§  ift  nicfjt  befannt  geworben. 

granfreicfy  ftanb  ate  bie  Wafyt,  bon   ber  ber  gortbeftanb  be§  $ircb,enftaate§  abging, 

10  ber  Kurie  anberS  gegenüber  al§  alle  anberen  ©taaien  @uroba§.  Unter  bem  ©influfj  feiner 
2tßianäberf)anblungen  mit  Öfterreicb,  unb  3ta^en  (griebrid;  II,  ©.  339  ff.)  War  feine 
«Stellung  unfidjer,  aber  e§  entfdneb  ficb,  für  bie  gortbauer  ber  Dffubation  unb  erllärte 
fta)  fogar  in  ber  Qnftruftion  an  ben  frangoftfcr)en  ©efanbten  Bannebille  in  9iom  bom 
19.  ©ebtember  1869  (Coli.  L.  p.  1233  ff.,  bie  girtularbebefcfje  bom  8.  ©ebtember  Coli.  L. 

15  p.  1231  ff.)  für  bie  beborfter/enbe  ^Definition  ber  Sefyre  be§  ex  cathedra  fbrecfyenben 
Babfte<o,  nurbaf?  e€  für  tfjre  Raffung  bie  äufjerfte  Klugheit  embfafyl  (griebricf)  II,  ©.  345 ff.). 
2Iuct)  ob/ne  biefeä  Borbilb  g-ranfreicb/S  Wäre  bon  Belgien,  ©banien,Bortugal  fein  SBtberftanb 
gegen  bie  Kurialbolitif  ju  erwarten  geWefen  (if)re  älntWorten  finben  ficf; :  Coli.  L.  p.  1239. 
1245  ff.  1248).    ©te  Regierungen  berichteten  alfo  barauf,  auf  ben  rbmifcfyen  §of  in  ber 

20  bon  §ob, enlob, e  empfohlenen  Stiftung  einjuWirfen  unb  t/aben  mit  2lu§nab,me  bon  9iuf$lanb, 
ba§  feinen  Prälaten  berbot,  nad)  Rom  ju  reifen  (Coli.  L.  p.  1253  f.),  bem  Befucb,  be§ 
KonjilS  leine  §inberniffe  in  ben  2Beg  gelegt.  ©en  breufjtfcfyen  Bifdjöfen  aber  lieft  ber 
KultuSminifter  b.  SRüf/ler  ein  am  8.  Dftober  1869  an  @rjbifcf)of  2ReIct)etg  bon  Köln  gerichtetem 
©djreiben  (ib.  p.  1208  f.)  mitteilen,   in  bem  au$>gefbroct;en  war,  baf?  bie  ©iaatdregierung 

25  bas>  Vertrauen  fyege,  ba|  fie  aucb,  aufjertwlb  bes>  £eimatlanbes>  ber  SRecfyte  unb  ^flictjten 
fict;  betou^t  bleiben  Würben,  Weld)e  iljmen  al§  Bürgern  be3  ißeicfye«»  unb  Untertanen 
©r.  9Jcajeftät  be3  Honigs  julämen. 

IL  ©ie  Berfyanblungen  be§  Konzils.  1.  Bon  ber  Eröffnung  bi§  ^ur 
Einbringung    ber  Borlage    über    bie   Unfeb/Ibarf  ett    am    6.  9Jcär&  1870. 

30  Über  bie  Slufgaben  be§  Konzils  I)atte  bie  Kurie  gefctjWiegen.  ©aft  bon  tt)r  bie  Bromul= 
gation  ber  ^mfatlibilität  bon  lange  ber  borbereitet  Werben  War  unb  bie  Erreichung  biefeS 
giele§  ber  §aubtgWe<f  be3  gangen  Konjil§  geWefen  ift,  bat  griebrid)  in  feiner  ©efcfyicfyte  be§ 
Kon^ilio  nacfygeWiefcn.  ©a3  ift  gegenwärtig  befonber3  nacbbrücfltc^  ju  betonen,  ba  ©ranbe= 
ratb^  in  feinem  ©egenWerf  mit  großer  ©ictjerfjeit  baö  ©egenteil  beraubtet  unb  baö  richtige 

35  BerftänbniS  be§  Berlaufe§  ber  ©bnobe  babon  abfängt,  ba^  er  al£  ba§  Ergebnis  ber  ©efcl)icj)te 
be§  UItramontani§mu§  (3efuiti§mue)  im  19.  ^af)rf)unbert  aufgefaßt  Wirb.  Bom  Beginn 
be§  $onjil3  an  ftanb  bie  Qnfattibilitätöfrage  im  3)tittelbun!t  be^  Qntereffeg  unb  Wirlte 
grubbenbilbenb.  ®a^  bie  SJcajorität  fie  ju  bejahen  entfcb,Ioffen  War,  unterlag  feinem 
ßtoeifel,  ungewiß  aber  War,   ob  ber  SBiberfbrud)  ficb,  fyerborWagen   unb  Welchen  Umfang 

40  er  annehmen  würbe.  (Sr  War  ftärfer,  a!3  man  erwartet  fjatte  unb  b,at  berb,inbert,  ba^  bie 
©tmobe  ben  bon  jenem  6ibiltä=2lrtifel  tbr  borge^eid)neten  raffen  Bcrlauf  naf)m. 

2tm  2.  ©ejember  1869  Würben  bie  bereits  in  Rom  eingetroffenett  Prälaten  ju  einer 
^3räj^nobalberfammlung  in  bie  ©irUnifcfye  Itabelle  berfammelt,  s$iu§  IX.  f/ielt  eine  2ln= 
fbrad)e,   bie   tarnen   ber  ÄonäilSbeamten  Würben   berfünbigt   unb   biefe   felbft   bereibigt, 

45  barauf  gelangte  bie  ©efdjäftäorbnung  „Multiplices  inter",  bom  27.  Robember  1869 
battert  (Coli.  L.  p.  17 ff.),  jur  Berteilung.  ßu  Bräfibenten  Würben  bie  Harbinäle  bon 3teifacb,, 
be  Suca,  Bi^arri,  Bilio,  ßabalti  ernannt,  ju  ituftoben  bie  gürften  ^ob,ann  ßolonna 
unb  SDominicu§  Drfini,  au^erbem  jWei  B^0™0*0*611/  ^n  ©efretär  (Bifcb,of  ^efeler  bon 
©t.  Bblten),    ein   ©ubfefretär   unb   ©et) ilfen,   Notare,  it  ^eremonienmeifter,  StnWeifer   ber 

60  Blä^e,  ©timmenfammler,  ©tenograbfjen,  ©olmetfdjer,  Slrgte  (Ordo  agendorum  officia- 
libus  concilii  Vaticani:  Coli.  L.  p.  1069  ff.). 

©ureb,  bie  ©efd) äftäorbnung,  bie  er  bon  fid;  au§  ob,ne  jebe  SRitWtrfung  be§ 
ÄonjilS  erliefe,  ^at  tyxtä  IX.  fiel)  bon  bomr/erein  einen  beftimmenben  ©influf?  auf  bie 
©^nobe  gefiebert,    ©ie  Wicb,tigften  Beftimmungen  Waren  folgenbe.  3n  §  2  „De  iure  et 

55  modo  proponendi"  nab,m  ber  Babft  eS  afe  fein  attgfcr)Ite^Itcbe§  5Red)t  in  Slnfbrud;,  bie 
©egenftänbe  ber  Berljanblungen  be§  J?on^il§  ju  beftimmen.  ®ie  ©t;nobalen  bürfen  allerbingö 
Anträge  [teilen,  aber  mit  ber  Befdn-änfung,  bafj  fie  1.  einer  bom  Babft  ju  biefem  fttozä 
ernannten  Kongregation  bon  Karbinälen  unb  Bätern  ber  ©imobe  „bribatim"  in  fa)rift= 
licfjer  gorm    eingereicht   Werben;     2.   bafe  fie    ba§   2Bob,l   ber  gangen   6f/riftenb,eit    be= 

60  treffen,    niebt    etwa    nur    ba§    einer    einzelnen  ©iöcefe;    3.  bafe   iljre    ^cütjlicfjfeit    unb 


BatifamfcfjcS  Shm-jil  453 

ßtoedmä^igfeit  begrünbct  mirb;  4.  bafj  fie  nid)t§  gegen  bic  £el)rc  ber  $ird;e  ent= 
galten.  Die  Prüfung  ber  Slnträge  botljaebt  bie  Kongregation,  bie  ©ntfdjeibung,  ob  fie 
bem  Konzil  borgelegt  merben,  trifft  ber  Sßa^ft.  §  3  legte  ben  SRitgliebern  beä  KongilS 
bie  35etbfltd^tung  jum  ©tiHftfjmeigcn  über  alle  Berbanblungen  auf.  Die  §§  7  unb  8 
fyanbelten  Don  ben  Berfammlungen  ber  ©tmobalen,  ben  ©eneralfongregationen  unb  ben  5 
öffentlichen  ©it$ungen.  ^n  ben  ©eneralfongregationen,  beren  Seiter  bom  ^abft  ernannt 
mürben,  füllten  bie  ber  ©bnobe  borgelegten  (Sntmürfe  bon  Defreten  burcfyberaien  merben, 
aud;  foHtc  über  fie  eine  atterbing3  nur  brobiforifcfye  Slbftimmung  ftattfinben.  ^n  ben  öffent= 
liefen  ©jungen  fanben  feine  Beratungen  mefyr  ftatt,  fonbern  nur  bie  befintiben  3X6= 
ftimmungen,  beren  @rgebni3  bureb,  ben  anmefenben  Babft  fonftatiert  unb  al<§  feine  Gnt=  10 
Reibung  „sacro  approbante  concilio"  berfünbtgt  merben  fotlte.  Die  Stbftimmungen 
foEten  mit  ben  Sßorten  „Placet"  ober  „Non  placet"  erfolgen.  Der  ©djroerbunft  ber 
fonjiliaren  arbeiten  rubte  alfo  in  ben  ©eneralfongregationen.  Die  bjer  jur  Berf)anblung 
gelangenben  Vorlagen  füllten  einige  £age  jubor  ben  ©tynobalen  überliefen  merben  unb 
mer  bon  ifynen  barüber  $u  reben  berlangte,  fottte  bte§  fbäteftenä  am  Sage  jubor  bei  bem  15 
^ßräfibenten  anzeigen,  gür  ben  gaK,  bafe  in  ber  Debatte  feine  ©inigung  erhielt  mürbe 
—  bon  ber  KonsilSleitung  mürbe  bieg  offenbar  als  ein  9Iu§nal)mefatt  betrachtet  —  follte 
ber  beanftanbete  (Sntitmrf  famt  ben  gegen  ifm  erhobenen  (Sinmenbungen  an  befonbere 
ftänbigc  Kommifftonen  (1.  de  rebus  ad  fidem  pertinentibus ;  2.  de  rebus  dis- 
ciplinae  ecclesiasticae;  3.  de  rebus  ordinum  regularium ;  4.  de  rebus  ritus  20 
orientalis)  bermiefen  merben.  Diefe  bier  Kommtffionen  (congregationes  speciales  seu 
deputationes)  füllten  bon  bem  Konzil  burd)  fdmftlidje  2lbftimmung  gen>äl)lt  werben; 
jebe  fottte  au3  bierunbjtoanjig  Berfonen  befteljen  unb  unter  bom  Babft  ernannten 
Borfiijenben  tagen.  §  9  berbot  ben  Bätern,  ba§  Konzil  bor  beffen  Beendigung  ob,ne 
©rlaubniS  ^u  berlaffen.  25 

2lbo  KonjilSauIa,  unb  jmar  fomobjl  für  bie  ©eneralfongregationen  mie  für  bie  öffentlichen 
2i|ungen,  mürbe  ber  rechte  KreuäeSarm  ber  ^eter^Iircbe  benu|t,  ber  burd)  eine  b,  of)e  ^oljtoanb 
abgefebjoffen  mar.  Bom  erften  Stage  an  aber  bat  fiefy  biefer  9kum  feiner  fcbled&ten  Slfufttf 
wegen  al3 unbrauchbar  ermiefen.  Die  erfte  öffentlid;e©it$ung  begann  am  8.  Dezember 
1869  9  Ubr  morgend  mit  einem  feierlichen  ©otteSbienft.  ©rgbifd^of  ^ßuec^er^affabatli  30 
au§  bem  ^abujinerorben  fnelt  bie  ^ßrebigt  (Coli.  L.  p.  764 ff.),  barauf  folgte  eine  für  bie 
(Stellung  ber  ©tynobe  ju  bem  tyapjt  bejeicb,nenbe  §ulbigung  —  „bte  Karbinäle  fügten  ftet)ertb 
bie  £>anb  be<8  ?ßabfte§,  bie  Patriarchen,  Primaten,  ©rjbifcf)öfe  unb  Bifcfyöfe  nacb,  tiefer 
Verbeugung  fein  recbte§  Knie,  bie  %bU  unb  DrbenSoberen  fnienb  feinen  gufj"  (©ranberatb, 
II,  ©.  22)  —  eg  folgten  ©ebete  (Coli.  L.  p.  694 ff.),  bann  fyielt  puS  IX.  eine  Slnfbracfye  35 
(ib.  p.  29  ff.),  ba3  ©röffnunggbefret  (ib.  p.  32  ff.)  mürbe  beriefen,  bie  jmeite  öffentliche 
©itmng  auf  ben  6.  Januar  1870  angefagt  unb  mit  bem  Te  Deum  um  3  llbj  nad;mit= 
tagl  bie  geier  gefebjoffen. 

$n  ber  erften  ©eneralfongregation  am  10.  Dezember  unter  bem  Bräftbium  be§ 
£arbinal§  be  Suca  mürben  bie  ÜJtamen  ber  bon  bem  ^3abft  für  bie  2lntrag§fommtffion  40 
ernannten  Bäter  (Coli.  L.  p.  7 10  f.)  mitgeteilt  unb  bon  ber  ©tmobe  bie  iudices  ex- 
cusationum  unb  bie  iudices  querelarum  et  controversiarum  gemäbjt  (ib.  p.  712). 
ferner  gelangte  gur  Berteilung  an  bie  ©fynobalen  bie  bon  Biu^  IX.  für  ben  %aü  bes 
Eintritts  einer  Bafanj  be^  aboftolifeben  ©tub,leg  mäb,renb  ber  Tagung  beö  KonjilS  er= 
laffene  Bulle  Cum  Romanis  pontifieibus  am  4.  ®ej.  1869  (ib.  p.  45  ff.),  ber^ufolge  45 
bal  Konzil  fofort  fu^benbiert  fei  unb  eine  Söiebereinberufung  be^  neuermäljlten  $abfte§ 
bebürfe,  um  meiterjuarbeiten,  unb  ba3  Schema  constitutionis  dogmaticae  de  doctrina 
catholica  contra  multiplices  errores  ex  rationalismo  derivatos  (ib.  p.  507  ff.).  3n  oer 
jmeiten,  britten  unb  bierten  Kongregation  am  14.,  20.  unb  28.  ©e^ember  mürben  bie  bon 
ber  Bulle  multiplices  borgefebenen  Konäilgfommiffionen  für  bie  ©laubenSfacfjen,  für  bie  bo 
ftrcfjlic^e  ©i^iblin,  für  bie  Drben§facb,en  unb  bie  Stngelegenfyeiten  ber  orientalifcb,en  Kirnen 
(ib.  p.  711  ff.  716)  gemäbjt.  ^n  meinem  ©rabe  fc&on  bamal§  bie  ^nfattibilitätSfrage 
bal  ^onjil  befeerrfd&t  b,at,  bemieS  bie  SSorgefcbtd^te  biefer  3Sab,Ien.  ©ie  §aubtfüb,rer  ber 
für  bie  "Definition  mirfenben  SRajorität  trafen  in  bribaten  Konferenzen  jufammen  unb 
bereinigten  fieb,  barauf,  ba^  feiner  gemäb,lt  »erben  bürfe,  bon  bem  man  miffe,  bajj  er  56 
gegen  bie  Definition  ber  bäbftlicb,en  Unfel^lbarfeit  fei.  Darauf  mürben  Siften  ber  51t 
2BäbJenben  angefertigt,  unb  nacl;  erfolgter  Billigung  bureb,  einen  ber  Bräfibenten  beö 
Äortjil^,  beg  KarbinalS  be  2lngeli3,  litb,ograbbiert.  Diefe  Borfcb,läge  fanben  Annahme 
bura)  ba§  Konjil  (©ranberatb,  II,  ©.  69  f.).  Sorb  2lcton  mirb  Stecht  baben,  menn  er 
(a.  a.£).  2.  66)  biefc  2lu3nüt}ung  ber  Majorität    für   einen   taftifcf)en  geiler  ber  töurie  60 


454  9Satifa«ifcf)cö  gottjil 

erflärt,  bcnn  biefe§  sBerfalpn  t)at  mefentlicb,  baju  beigetragen,  bie  obbofitioneU  ©eftimmten 
ju  einer  DbbofttionStoartei  sufammenjufü^ren. 

©ie  Dftror/ierung  ber  ©efcfyäftgorbnung  Ijat  fieb,  bom  !urialen  ©tanbbunft  au§  be= 
mäfyrt,  benn  ber  SStrrung  ber  fertigen  ^fjatfacfye  lonnte  fieb,    niemanb  ent^ie^en  unb  ba§ 

5  *]ßräfibium  berfyinberte  jebe  Kritif,  gegebenenfalls  bureb,  Sßortent^ie^ung.  2(ber  bie  Unju= 
friebenfyeit  ber  ©tynobalen  mucf)§  unb  mufste  machen,  fobalb  ba3  ^onjtl  in  bie  mirtlidje 
Durcharbeitung  bon  Vorlagen  eintrat.  Bereits  am  12.  SDejember  reiften  jman^ig  ©fynobale, 
bormiegenb  franjöftfcfye  SBifcfyöfe,  bei  bem  $abft  2tbänberung§borfcb,Iäge  ein  (Coli.  L. 
p.  915  ff.),  in  benen  u.  a.  barum  gebeten  mürbe,  ba$  jene  2lntragsfommiffton  mit  einem 

io  ablelmenben  33efcl)eib  aueb,  bie  ©rünbe  ber  21bleljmung  angeben  follte,  baf?  bie  2lntrag= 
ftetter  ba§  9iec§t  Ratten,  iljre  Anträge  bor  biefer  Stommiffton  felbft  $u  bertreten  unb  bafj 
biefe  Kommiffion  bureb,  bon  ber  ©fynobe  gemähte  -Kitglieber  berftärlt  mürbe.  SDer^abft 
lehnte  ab,  e§  foHten  erft  Erfahrungen  gefammelt  merben.  (Sine  ^mette  SSorfteüung  (ib. 
p.  91 7 f.)  mürbe  unter  bem  2.  Januar  1870  bei  ^3iu§  IX.  eingereicht,  in  ber  unter  ber 

15  güfyrung  be§  KarbinalS  ©d^toarjenberg  fec^gunb^manjtg  9JtttgIieber,  meift  beutfcfye  unb 
öfterreicfyifdje  Bifcfyöfe  $um  5Eeil  bie  gleichen  Sebenfen  äußerten,  bann  aber,  atterbingg 
in  fcfyonenber  gorm,  bagegen  SBermafyrung  einlegten,  bafj  §  2  ber  ©efcfjäfrsorbnung  fo  ju 
berfter)en  fei :  quasi  non  agnosceretur  ius  patrum  libere  ea  in  concilio  pro- 
ponendi,  quae  quis  ad  publicam  utilitatem  conferre  posse  existimaverit,  verum 

20  nonnisi  exceptionis  et  gratiae  instar  concedatur.  ©er  $abft  lehnte  bie  SSorfdbtäge 
ab.  3tt  ei"em  bitten  ©einreiben  (ib.  p.  918 ff.)  bon  bem  gleiten  SEag  beantragten  bier= 
unbacb^ig  ©tmobale,  au§  ®eutfc§Ianb,  granfreieb,  unb  ^orbamerifa,  bafj  alle  auf  ben 
©lauben  unb  bie  ©iSjiblm  fieb,  bejiefyenben  SSorlagen  fobalb  als  möglieb,  bem  Konzil  bor= 
gelegt  mürben,  bafj  bie  9Jcitglieber  beS  Konzils  naef)  ©brache  unb  Sänbern  in  fecfys  ©rubben 

25  geteilt  tl)re  Beratungen  galten  foHten,  bafc  bie  ftenograpfyifd)  aufgenommenen  Sieben  ber 
©eneralf  ongregationen  gebrueft  borgelegt  mürben  unb  eS  erlaubt  fei,  ben  Konftynobalen  bie 
eigene  2lnftcr;t  über  bie  jur  23err/anblung  ftetjenben  Vorlagen  fdmftlicb,  borjulegen.  ®er 
^ßabft  lehnte  bie  3Sorfcb,läge  ah. 

©ie  Debatten  beg  Konzils  fyaben  —  ba  bie  in  ber  jtoetten  Kongregation  aufgeteilte 

30  Konftitution  „Apostolicae  sedis  moderationi  convenit"  über  bie  genfuren  latae  sen- 
tentiae  bom  4.  Dftober  1869  (griebberg,  2Iftenftücfe  XL)  nid^t  ©egenftanb  bort  2?er= 
fyanblungen  mürbe  (über  bie  3lufnab,me  bgl.  griebrid)  III,  ©.  185 ff.)  —  erft  in  ber 
bierten  ©eneraltongregation  am  28.  ©ejember  begonnen,  unb  jmar  über  ba§  ©ct)ema 
de  fide.    ©ie  SDiSfuffion  nab,m   einen  unermarteten  Verlauf,    ©djon  ber  erfte  9iebner 

35  ßarbinal  Stoufcfyer,  @rjbifcb,of  bon  2öien,  übte  an  bem  (Sntmurf  eine  fdjarfe  Kritü,  ©rjbifcb, of 
SonnoU^i  bon  £>alifar.  erllärte,  man  fotte  ben  (Sntmurf  nid)t  bearbeiten,  fonbern  mit  ©fyren 
begraben.  3lll  SBif^of  ©tro^matier  bon  Bosnien  unb  ©irmium  in  ber  fünften  ©eneral= 
fongregatiort  am  30.  SDejember  ben  ^ttcl  beö  ©cfyemciS  fritifterte,  lam  e§  ju  bem  erften 
3ufammenfto^  jmifeb^en  biefem  rebegemanbten  unb  unerfcb,roc!enen  33ifcb,of  unb  bem  $rä= 

40  fibium  be§  ÄonjiR  SRocb,  ungünftiger  mürbe  ba§  ©djierna  buref)  ben  Sifc^of  ©inou!b,iac 
bon  ©renoble  beurteilt,  ©elbft  ÜJJartin  bon  ^aberborn  mu^te  SJcängel  jugeben.  5Rit 
ber  fiebenten  ©enerallongregation  mar  ber  4.  Januar  l)erange!ommen  unb  man  ftanb 
noeb,  mitten  in  ben  erften  Erörterungen.  ®iefe  ©ntmiifelung  mar  offenbar  nidjt  borauö= 
gefeb,en  morben,  al§  auf  ben  6.  Januar  bie  jmeite   öffentliche  ©i|ung  angefeilt  morben 

45  mar ;  bie  berfrüfyte  3lnfage  bereitete  je^t  ben  Seitern  be§  Konzils  eine  nieb, t  geringe 
aSerlegenb,eit.  ®enn  eine  3Serabfcb,iebung  be§  ©cb,ema§  ate  KonjiI§be!ret  mar  für  biefen 
^ag  unmöglieb,.  3lber  aueb,  bie  Hoffnung,  in  biefer  ©itmng  bie  ^nfallibilität  unter 
Sermeibung  aller  ©igfuffion  auf  bem  Söege  ber  3lfflamation  bur$  ba§  Konjil  an= 
genommen  ju   feb,en,  mufete  aufgegeben  merben,  ba  ©rjbifcb/Of  ©arbob.  bon  5ßari§  bem 

60  Äarbinal  beßuea  am  27.  ©e^ember  erüärte,  ba^  für  ben  galt  einer  folgen  Überrumbelung 
fmnbert  SBifcfyöfe  fofort  Stom  berlaffen  unb  ba§  Äonjil  „in  ben  ©ob^len  ib,re  ©cb,u^)e  mit 
fortnehmen"  mürben  (2tcton  a.a.D.  ©.  73,  griebrieb,  III,  ©.  320).  £>ie  gtoette  5  f  f  ent  = 
Itd^e  ©i^ung  am  6.  Januar  1870  mu^te  bab,er  anber§  aufgefüllt  merben;  eg  ge= 
fcfyab,  burc|  bie  2lblegung  be§  tribentinifd^en  ©lauben^belenntniffe§  feiten§  ber  ©tjnobalen. 

55  SDie  Sebeutungölofigfeit  biefer  ©i|ung  err/eltt  barauö,  bafe  fie  in  feiner  33e^ieb,ung  einen 
Söenbebunlt,  ja  nicb,t  einmal  einen  ©infcfjnitt  in  ber  ©efcbjcfyte  beg  KonäilS  barfteßt. 
©elbft  ber  Söedjfel  be§  $räfibium§  —  nacb,  bem  Sobe  5Reifacb,§,  ber  feiner  $ranfb,eit 
megert  gar  ntcr)t  feine§  2lmte§  b,atte  märten  fönnen,  mar  Äarbinal  be  Slngeliö  am 
30.  ©cjember  jum  erften  ^räfibenten  ernannt  morben  —  fällt  rtic^t  mit  biefer  ©i^ung 
60  jufammen,  für  bie  3Serb,anbIungcn  über  ba§  ©cf;ema  de  fide   aber  bebeutet   fie  lebiglia) 


a$attfamfd)cS  Stimjil  455 

eine  Unterbrechung.  2lm  8.  Januar  1870  mürben  fie  in  ber  adjten  ©encralfongrcgation 
mieber  aufgenommen  unb  am  10. 3anu<w  in  ber  neunten  ©eneralfongregation  jum  Sfbfdjlufi 
gebraut.  Unter  ben  legten  Siebnem  ragte  ©rjbifcfyof  §atynalb  bon  Kalocfa  fyerbor,  ber 
fiel?  mit  ber  frühem  Siebe  be3  33tfd^of  bon  ^3aberborn  unb  bem  SSunfcb.  be§  SifdjofS  Siäfe 
bon  (Strasburg  nacb,  fdjärferer  Kontrolle  ber  Sieben  auSeinanberfetjte.  Uneingefdjränfte  5 
guftimmung  fd;eint  ba3  ©cfyema  bei  feinem  ber  fünfunbbreifjig  Siebner  gefunben  ^u  fyaben, 
aber  in  S3ejug  auf  ben  ©rab  feiner  Sieformbebürftigfeit  b,errfct)te  grofjer  SDiffenfuS.  ©a3 
Siefuliat  ber  SBerfyanblungen  in  fect)g  ©eneralfongregationen  mar,  bafj  eS  am  10.  Januar 
mit  ben  erhobenen  (Einmenbungen  ber  ©laubensbebutation  überroiefen  mürbe. 

$n  ben  folgenben  2Boct/en  (10.  Januar  bi<§  22.  Februar)  b,at  ba3  Konzil  in  neungefyn  io 
©eneralfongregationen  (Sir.  11—29)  über  ©i^iblinarfcb/emata  unb  fragen  be3 
fircbjicf/en  Sebeng  beraten.  ®iefe  33erf)anblungen  bilben  jmar  in  ber  ©efdjicfyte  be§ 
Konzils  nur  eine  (Ebifobe,  fie  fyaben  aueb,  ^u  feinen  braftifdjen  (Ergebniffen  geführt,  aber 
fie  gewähren  einen  (Einblid  in  bie  Stimmungen  ber  SBifdt)öfe,  ber  um  fo  mistiger  ift,  al3 
in  biefen  (Erörterungen  bie  §aubtftreitfrage  be<§  Konjilä  jroar  nidjt  ganj  auSgefcfyaltet  mürbe,  15 
aber  boeb,  gurüdftrat.  2öir  entnehmen  i^nen  bie  mistige  ^Beobachtung,  bafj  bei  manchen 
ber  ©tmobalen  ein  meitgel)enbe§  SSerftänbniä  für  bie  Siotmenbigfeit  bon  Sieformen 
geb,errfd)t  b,at  unb  e3  finb  fritifdje  2luf$erungen  laut  gemorben,  bie  bon  ber  Kurie 
fc^merlicb,  erroartet  roorben  finb.  Seiber  ift  ©ranberatl)  (II,  157  ff.)  in  bem  Steferat  über 
biefe  SSerfyanblungen  überaus  genügfam.  3n  Der  ©iijung  am  14.  Januar  mürben  ju=  20 
näcbjt  bie  ©fynobalen  auf§  neue  an  bie$flicf/t  ber  ©efyetmb, altung  aüer  ^onjil^angelegenb, eiten 
erinnert  unb  jur  mögUct/ften  Kürje  in  ben  Sieben  ermahnt  (Coli.  L.  p.  718),  bann  begann 
bie  ©ilfuffion  ber  am  8.  Januar  berteilten  beiben  ©i^iblinarfdjemata,  beS  Schema  de 
episcopis,  de  synodis  et  de  vicariis  generalibus  (ib.  p.  641  ff.)  unb  be§  Schema 
de  sede  episcopali  vacante  (ib.  p.  651  ff.).  SJier/rfad)  mürbe  beanftanbet,  bafj  in  ber  25 
Vorlage  nur  bon  ben  ^3flid) ten  ber  Sifdjöfe  bie  Siebe  fei,  aber  nidjt  bon  ber  notmenbigen 
Sieform  be§  KarbinalMegiumg  unb  ber  Kurie.  ©trof$mat)er  (griebrieb,  III,  ©.  461  ff. ; 
©ranberatl)  II,  ©.  166  f.)  fam  barauf  ju  fbrecfyen,  baß  ber  tyapat  ju  uniberfalifieren  b.  i/ 
aueb,  Siicb.t^talienern  gugänglicb,  gu  machen  fei,  unb  berlangte  aueb,  eine  Uniberfalifierung 
ber  römifcb,en  Kongregationen.  SMdjerg  bon  Köln  fanb  bier  SÜßorte  fd;arfer  Kritif  an  ber  30 
$entraIifation  ber  firdjlicfyen  SSerroaltung  in  Siom  unb  forberte  beren  ©e^entralifation 
(griebrieb  III,  ©.  451  f.;  ©ranberatb II,  ©.  170),  manbte  ftd)  aueb,  gegen  bie  S3eb,anblung 
ber  (Efyclunbemiffe,  ©iSbcnfe  unb  SLarm.  ©er  33ifct)of  bon  Sbarbonneß  rügte  bie  ambitio 
cleri  unb  geißelte  bie  römifcfye  ©tellenjägerei  (griebrict;  III,  ©.  452  f.).  Sei  ber  (Erörterung 
ber  ^robinftialfr/noben  tarnen  fel)r  merfmürbige  3Se4äItniffe  an  ber  Kurie  jur  ©brache.  35 
Unter  ben  ©rünben  it)xer  feltenen  (Einberufung  mürbe  bon  93ifd)of  ©utoanloub  bon  Orleans 
angeführt,  bajj  bie  bäbftlicfye  2tbbrobation  ü;rer  33efd)lüffe  big  px  fünf  ^afyren  auf  fid; 
toarien  laffe.  3uS^i^  befc^merte  er  fid)  barüber,  bg§  bie  Congregatio  concilii  in  Siom 
an  folgen  bem  bl.  ©tuf>(  ^ugefanbten  33efd»Iüffen  Stnberungen  bornimmt,  fo  bafe  „ba^ 
^robinjialfonjil  ba§  befdjloffen  ju  b^aben  fcfyeint,  ma§  e§  tb,atfäd;Ii(J)  nid)t  befdjloffen  bat,  40 
fo  ba|  bte  Unterfcfortftert  ber  33ifd)öfe  unecht  finb"  (©ranberatr;  II,  ©.  179).  j)iefelbe 
Älage  finbet  fieb,  in  ben  bem  ^atoft  unb  bem  Konzil  eingereichten  Postulata  frangöfifcr)er 
SBtfcb öfc  (Coli.  L.  p.  839  c).  2lucb,  @rjbifcb,of  9)ield;erö  fbracb,  über  biefe  SJiiMtänbe.  ©elbft 
ba§  Verlangen  nad;  Siationalftjnoben  unb  regelmäßig  toieberfeb,renben  öfumenifcb, en  ©^noben 
tourbe  laut  (©ranberatb.  II,  ©.181).  Siad)bem  inögefamt  fiebenunbbreifeig  Siebner  ju  biefen  « 
Schemata  gefbrodjen  b,atten,  mürben  fie  in  ber  fecb^efynten  ©eneralfongregation  am  25. Januar 
ber  ©i§jibIinarbej)utation  „pro  examine"  übermiefen(Coll.  L.  p.  721  d).  S)a§  ©cb.  ema  De 
episcopis  ift  nidjt  mef)r  ©egenftanb  bon  ^erb^anblungen  begKonjilg  getoorben.  ®a§  ©cb.ema 
De  sede  episcopali  vacante  tourbe  in  rebibierter  ©eftalt  (ib.  p.  655  ff.)  nodmtaI§  am 
23.  Stuguft  erörtert  (ib.  p.  764),  aber  eö  iftnicb.t  meb,r barüber  abgeftimmt  morben  (©ranberatb,  60 
III,  ©.  522  ff.).  —  9Som  25.  Januar  bi§  jum  8.  gebruar  mürbe  bon  ad)tunbbreif$ig  Siebnern 
baä©cb,ema  Devitaethonestate  clericorum  (Coll.L.  p.  659  ff.)biöfutiert(ib.p.  722—726). 
Üiacb,  ben  borb,anbenen  S3erict)ten  mürben  bie  geiftlicb,en  Übungen,  ba€  gemeinfame  Seben 
ber  ^riefter,  ber  Sölibat  (SRifeftänbe  in  granfreieb,,  ©ranberatb.  II,  ©.  198),  bie  gebier 
be3  römifcfyen  33rebier§,  ba€  Sarttragen  ber  Klertfer  unb  anbere  fragen  berührt,  aber  55 
bie  Debatte  ftanb  auf  feinem  t)oben  S^ibeau.  3)ie  Vorlage  mürbe  an  bie  SDt§5ibünar= 
bebutation  jurüdbermiefen  unb  ift  nid)t  mef;r  an  baö  Konzil  jurüdgelangt.  —  3Som 
10.  big  22.  gebruar  (21.— 29.  ©cneralfongrcgation)  mürbe  ba§  Konjü  mit  bem  ©cr;ema 
De  parvo  catechismo  (Coll.L.  p.  663 f.)  bcfdjäftigt,  inbem  ber^abft  bie  3(bficb,t  auS= 
fbrad),  einen  fleincn  Katcd;iginu§  nad;  sitrt  bc§  iöe(tarminfd;cn  aufarbeiten  ju  laffen,  ba=  a> 


456  gSattfonifcfjcS  Sons« 

mit  bie  iserfctnebenfyeit  in  ber  UnterWeifung  ber  ©lemente  beg  ©laubeng  ein  @nbe  fyabe. 
2)iefer  Äatecrjigmug  follte  bann  in  bie  betriebenen  Sanbegfbracfyen  überfe^t  Werben,  Wäl)renb 
bie  Sifdjiöfe  bie  greitjeit  behielten,  unabhängig  babon  Jatedjettfc^e  UnterWeifungen  fyeraug= 
Zugeben.  2lber  ber  ©ebanfe  ber  tlnifijierung  beg  llnterricfyig  fanb  neben  ftarfer  SBefür= 
5  Woriung  aud)  heftige  Dbbofition,  au§  mannigfachen  9J?otiben.  2ludj>  biefeg  ©djema  mürbe 
an  bie  ©igztylinarbebutation  zurücfberWtefen.  Qn  berbefferter  ©eftalt  (Coli.  L.  p.  664  ff.) 
tourbe  eg  am  24.  2ltoril  ber  ©fynobe  aufg  neue  borgelegt.  Sei  ber  SÜbftimmung  in  ber 
neununbbierjigften  ©eneralfongregation  Dotierten  bon  591  2Intoefenben  491  mit  placet 
(ib.  p.  742).  ®a  über  bag  ©c^ema  aber  ntcfyt  in  ber  bierten  öffentlichen  ©itjung  befinitib 

10  abgeftimmt  Worben  ift,  gehört  eg  ju  ber  großen  ©rubbe  ber  unerlebigten  Vorlagen. 

©inen  mistigen  ©infdmitt  in  ber  ©efdncfyte  beg  Sfonzilg  bezeichnet  bie  in  ber  neununb= 
gtoangigften  ©eneralfongregation  am  22.  Februar  erfolgte  ^kibliration  (Coli.  L.  p.  728) 
beg  bäbfilicfyen  ©efretg  bom  20.  gebruar  (ib.  p.  67  ff.),  bag  angeblich  nur  jur  leichteren 
SSerWirfltdmng   ber   bon  bem   aboftolifdjen  ©djreiben    Multipliers  inter   bom    27.  9?o= 

15  bember  borigen  ^afyreg  berfolgten  gtoeefe  einige  formen  für  bie  23err)anblungen  auf= 
[teilen  Wollte.  SDiefeg  2>efret  [teilte  aber  gum  %eil  ganz  neue  ©runbfätse  auf  unb  mufj 
bafyer  alg  eine  neue  ©efcfyäftgorbnung  bezeichnet  Werben.  SDie  Wtct)tigften  ifyrer 
bierzeljm  ^unlte  umfaffenben  33eftimmungen  waren:  21ugftellungen  (animadversiones) 
an   einem   ©cfyema   ftnb    fortan    nic^t    mein-    münblid),    fonbern    fcfyrtftlicfy    zu    machen 

20  unb  tfvax  innerhalb  eineg  bei  feiner  Vorlegung  bon  ben  $räftbenten  ju  beftimmen= 
ben  geitraumg  (§  1) ;  mit  ben  Slugfteffungen  ftnb  23erbefferunggborfct)läge  ju  berbinben 
(§  3) ;  biefe  2lu§fteßungen  ftnb  bei  bem  ©elretär  beg  flonzilg  einzureiben,  ber  fie 
ben  juftänbigen  £)ebutationen  überweift  (§  4) ;  barauf  gelangt  mit  einem  fummarifcfyen 
33eritf)t  über  bie  eingelaufenen  2lugfteHungen  bag  bon  ber  ^Deputation  berbefferte  ©d)ema 

25  an  bag  ^onjil  gur  münblicfyen  23err)anblung  (§  5) ;  bon  ber  borliegenben  grage  ab-- 
fdjtoeifenbe  ^Rebner  ftnb  burd)  bie  ^ßräfibenten  %ax  ©acb,e  ju  rufen  (§  10);  Wenn  ber 
©egenftanb  ber  ^Debatte  erfdjöpft  ift,  fo  tonnen  bie  ^räftbenten  auf  fdjriftlidjen  Eintrag 
bon  jeb,n  ©rmobalen  an  bie  ©eneraltongregation  bie  grage  [teilen,  ob  bie  ÜJigfotffton 
noef)  fortgefe^t  werben  foH,  bie  Majorität   entfd)eibet  (§  11);   über  bie  Stnna^me   einer 

30  SSorlage  entfcfyetbet  bie  ©timmenmefyrljieit  (§  13);  bie  Slbftimmung  erfolgt  münblid)  mit 
mit  placet  ober  non  placet,  bod)  ift  aueb  ein  bebingteg  placet  ^uläffig,  aber  biefe  SBe= 
bingung  ift  bann  fcfyriftlicfy  einzureichen  (§  14).  —  ®er  2Majj  z"  biefer  Slbänberung  ber 
©efcfyäftgorbnung  War  bag  langfame  ^ortfcfyreiten  ber  ^onzilgberfmnblungen,  bie  im  Saufe 
bon  brei  SOtonaten   ntd^t   ein    einzigeg  ©d)ema   gum  2tbfd£>Iu^    gebracht  Ratten.    ®iefe§ 

35  negatibe  ©rgebnig  Würbe  aueb  inmitten  ber  ©tmobe  embfunben,  Wie  berfetnebene  Petitionen 
um  2lb!ürjung  ber  Debatten  (Coli.  L.  p.  957  f.)  beWeifen,  aber  ber  ©runb  ber  9)cif$crfoIge 
lag  bod)  nicfyt  barin,  bafj  ben  Entwürfen  bag  „Wafyre  SföofylWollen"  berfagt  Würbe  ((fo  ©ranbe= 
ratb,  II,  ©.  224 f.)  unb  aueb,  nicfyt  barin,  bafe  bie  Sftitglieber  nicf)t  „bon  beTn  Verlangen  befeelt" 
Waren,  „bie  Beratungen  nad)  3)iöglicb,f'eit  ju  förbern"   ®ie  3Se4anbIungen  rücften  btelmeb^r 

40  belf)alb  nief/t  bon  ber  ©teile,  Weil  bie  ©tmobe  ber  Überzeugung  War,  bafs  bie  if)r  borgelegten 
©cb^emata  nad)  gorm  unb  ^nb^alt  ben  2Infbrüd)en  an  ein  unter  if)rer  Verantwortung  zu  ftanbe 
Iommenbe§©elret nid)t  genügten.  ®afj  biefe  neue©efcb,äft§orbnung  geeignetwar,  eineiöefcfyleu= 
nigung  ber  ©efd^äftgfübrung  herbeizuführen,  leuchtet  alferbingö  fofort  ein,  aberftelonntebod) 
nur  unter  ber  S8orau3fet$ung  al§  ein  gortfcfjritt  gelten,  bafe  ba§  Konzil  biefe  ^erfürjung  feiner 

45  Skrfyanblungen  nieb^t  mit  SJacb^teilen  anberer  Slrt  bejahten  mufete.  Dh  biefer  %aü  borlag 
ober  nicf)t,  |ing  aber  babon  ab,  ob  bie  Seitung  be3  kon^xl§  fo  gro^eg  Vertrauen  befafe, 
ba^  ib^r  ob^ne  Sebenlen  eine  faft  unbegrenzte  SJcac^tfülle  überWiefen  Werben  tonnte,  ob 
ferner  ber  Majorität  ber  ©tmobalen  bie  (linfid)t,  bre  ©  er  ec^ttgf  ettäftnn  unb  bie  geinfüfyligteit 
Zugetraut  Werben  burfte,  bie  einen  SRifebraud;   ber  Qafylm  au§fd)üef$en,   ob   enblicb,   ber 

so  Slbftimmunglmobug  annehmbar  War  ober  nieb^t.  2luf  biefe  fragen  geben  bie  $rotefte  gegen 
bie  beränberte  ©efeb^äftgorbung  bon  fünfzig  93ifcf/bfen  unter  ber  güfyrung  beg  ©r§btfdt;of§ 
SDarbo^  bon  $ari§  am  1.  ÜJiärg  (Coli.  L.  p.  958  ff.),  bon  zweiunbjWanzig  anberen 
$ifcf;öfen  (ib.  p.  963  ff.)  mit  larbinal  ©cb, Warzenberg  an  ber  ©bi|e  am  4.  9Jcärz,  bon 
bierzeb^n  borWiegenb   beutfd)en  S3tfct)öfen    am    2.  SRärz  (ib.  p.  967)    eine   beutlid)e  3lnt= 

55  Wort.  Slber  fie  b^aben  nic^tö  erreicht,  nid}t  einmal  eine  fdpftltd&e  2lntWort  (©ranberatt; 
II,  ©.  242).  ®enn  ber  einzige  2Beg,  ber  bießeieb^t  jum  ^iel  gefübtt  fyätU,  nämlich  bie 
SRitarbeit  an  ben  ÜBerlmnblungen  big  zu  einer  S^erftänbigung  über  bie  aufgeworfenen 
fragen  einzuftellen  (griebrieb,  III,  ©.  672)  ift  bon  ber  3Jcinorität  nic^t  eingefeb^iagen 
Werben.    3n^em   fie   ftdb   aber   ben  neuen  Seftimmungen   tfyatfäcrjlicr;  unerWarf,  b^at  fie 

60  fie  anerlannt. 


SatifamftfjeS  ®onß  457 

Der  i]\vcd  ber  2tbänberung  ber  ©efc£)äftSorbnung  War  aber  nidjt  nur  bcr,  übertäubt 
ein  rafcfyereS  lembo  ber  arbeiten  beS  ^Ron^IS  berbeijufüfyren,  fonbem  beftanb  bor  ädern 
barin,  nadb,  bem  (Scheitern  ber  Hoffnungen  auf  eine SCnnafyme  ber  Qnfalltbilität  burcb 
OTflamation  beren  Definition  auf  bem  SSege  ber  Befcfylußfaffung  31t  fiebern,  Denn 
barauf  ftrebte  baS  ®onjtI  bjn,  motten  audb,  im  Qanua*  unb  gebruar,  tote  mir  faben,  bie  5 
Sifcungen  mit  ber  Bebanblung  anberer  ©toffe  aufgefüllt  werben.  Bier^n  Sage  nacb, 
Eröffnung  beS  Mon^IS  waren  bereits  bie  Befreiungen  eines  Hebten  Greifes  bon  Defini= 
tionefreunben  über  bie  2lrt  iI)reS  Borgeb)enS  im  ©ange  (©ranberatb,  II,  ©.  136  ff.).  Die 
erfte  Berfammlung  fanb  im  §aufe  beS  BifdwfS  ©eneftreb,  bon  9tegenSburg  ftatt,  bie 
jtoeite  am  23.  Dezember  in  ber  Billa  Saferta,  bie  britte  Wieber  bei  Bifcfyof  ©eneftreb,  10 
am  28.  Dejember.  2luS  tfyren  Beratungen  ging  ber  2tntrag  an  baS  Konzil,  bie  Unfeb> 
barfeit  beS  ?ßa^fte§  auSgutyrecften ,  fyerbor,  ber  jWar  ntebt  ber  erfte  mar  —  benn  fcfyon 
unter  bem  25.  Dezember  fyatte  ©rjbifdwf  DecfyambS  bon  3Jled>eIn  einen  gleiten  Slntrag  ein* 
gereift  (Coli.  L.  p.  921  ff.)  —  aber  boeb,  bie  große  2Iftion  eingeleitet  bat.  Ttit  einem  urfbrüng= 
lieb,  bon  fünf^elm  Bifcböfen  unterzeichneten  Begleitfdpiben  bom  30.  Dezember  (ib.  p.  1703)  15 
Würbe  biefe  Petition  (ib.  p.  924)  um  Sieujafyr  in  Umlauf  gefegt  unb  fanb  balb  an 
380  Unterfcf/riften  (©ranberatb,  II,  @.  141).  @irte  2lbreffe  ber  Bifcfybfe  beiber  ©ijtlien 
toieS  69  tarnen  auf  (Coli.  L.  p.  934),  baju  famen  bie  Slbreffen  einzelner  ©rmobalen 
(ib.  p.  935 ff.),  ^nggefantt  Waren  eS  an  480  Bifcfyöfe,  bie  auf  fcfyriftlicfyem  2ßeg  bei  bem 
Äonjtl  auf  bie  Definition  antrugen.  @rft  auf  bie  Munbe  bon  biefen  Beranftaltungen  20 
I)aben  bie  Definitionsgegner  ftcb  jufammengefcbloffen,  am  8.  Januar  begannen  tb)re  Be= 
ratungen  unb  in  fünf  ©egenabreffen  (ib.  p.  944  ff.),  bie  bon  136  Bifcfyöfen  unterzeichnet 
waren,  Würbe  ber  Babft  angegangen,  bem  Äon^I  über  bie  ^nfatlibilität  feine  Vorlage 
ju  machen.  Über  biefe  Eingaben  I)at  bie  SlntragSfommiffton  am  9.  5^ruar  berfyanbelt 
(©ranberatf)  II,  ©.  151  ff.).  Bis  auf  jWei  93iitglieber  War  fie  bottjäblig  berfammelt  unb  be=  25 
fcfyloß,  inbem  nur  Äarbinat  9taufct)er  bagegen  ftimmte,  bem  Babft  bie  3lnnabme  ber 
Definition  %u  embfefylen.  —  Durcb,  biefe  3tbreffen  für  unb  Wiber  bie  QnfaHibilität  War 
baS  Borfyanbenfein  bon  $Wei  Parteien  auf  bem  ^onjil  offenfunbig  geworben,  beren  Be= 
jiefmngen  fieb,  naturgemäß  babureb  berfdwften,  baß  beibe  ©rubben  ftarf  agitierten  unb 
eS  an  feinen  Slnftrengungen  fehlen  ließen,  Unterfcbriften  ju  fammeln.  ©efyr  überrafcfyenb  30 
Wirfte  baS  ©rößenberl)ältmS  ber  beiben  ©rubbert.  Die  Ultramontanifterung  ber  römifcf)= 
fatfyolifcfjen  Äirife  War  biel  ju  Weit  fortgefcfyritten  unb  bie  3ufammenfetmng  ^  ^onjtlS 
ber  ultramontanen  SRtct)tung  biel  ju  günftig,  als  baß  eS  zweifelhaft  fein  f onnte,  ob  bon  feiten  ber 
9Jlel)rb, eit  bie  $rage  einer  bogmatifet/en  ©ntfcfyetbung  über  bie  Unfefylbarfeit  bejaht  Werben  Würbe. 
GS  War  bielmefyr  bie  ©tärfe  ber  Minorität,  bie  fenfationell  Wirfte !  Unb  ber  ©inbruef  35 
ibrer  Dbbofttion  Würbe  noeb  berftärft  burcb,  baS  ©eWtcfyt  mancher  ber  it)r  angefcbloffenen 
$erfönlicf)feiten  unb  burcl;  bie  nationale  ©rubbierung  ber  Parteien.  3?on  ben  beutfcb,en 
SifdE)öfen  Waren  breijeilm  ©egner  ber  Definition,  barunter  ©rgbifc^of  ©cb,err  bon  5)Zünct;en, 
©rjbifcb,  of  9Mcf;erS  bon  Äöln,  gürftbifc^of  görfter  bon  Breslau,  Bifcfjof  üetteler  bon  9Jcainj, 
33ifct/of  §efele  bon  Stottenburg,  unb  nur  bier  traten  für  fie  ein,  barunter  23ifcf)of  ÜDcartin  40 
bon  5ßaberborn  unb  Bifcfyof  ©eneftret)  bon  9tegenSburg.  Unter  ben  öfterreicb^fct)=ungarifcf;en 
Sifcf)öfen  war  ebenfaHS  bie  9J}er/rf>eit  in  ber  Steige  t&rer  ©egner  ju  finben  unb  t^r  ge= 
borten  an  SJtänner  Wie  ^arbinal  ©tb^Warjenberg  aus  $rag,  SCarbinal  S^aufcber  aus  2Bien, 
@r§bifdt>of  ©imor  auS  ©ran,  ©rgBtfd^of  §at)nalb  auS  Mocfa,  33ifcf)of  ©troßmat)er  auS 
Stafobär.  Bon  ben  franjöfifcfjen  Bifcf;öfen  ftanb  ein  Drittel  auf  feiten  ber  Dbbofttion  45 
(©ranberatl)  II,  ©.  268  ff.),  barunter  ©rjbifcbof  Darbob,  bon  ^ariS,  Bifdjof  Dubanloub 
bon  Orleans,  Bifcfyof  gjearet  in  ^ariS.  Unter  ben  SJitgliebern  beS  Hon^ilS,  bie 
tocu)renb  beffen  Sagung  Wie  in  ben  borangegangenen  3eiten  &efonberen  Cftfer  in 
ber  5probaganba  für  bie  ^nfallibilität  entfalteten,  ragten  ber  J^onbertit  Gr,ibifcbof 
3Kanning  bon  Söeftminfter  unb  Bifd)of  ©eneftre^  bon  D^egenSburg  befonberS  b,erbor.  50 
Öftre  ©tärfe  War  bie  3uberficb,tlicf)feit  beS  ©laubenS  an  bie  9JotWenbigfeit  ber  Defi= 
nition  biefer  £eb,re,  bie  ©tärfe  ber  Minorität  ib,re  tb,eoIogtfcbc  ©rubition  unb  intelligent. 
GS  War  fein  gufaH,  baß  bie  fbanifeben  Bifcböfe  ausnahmslos  ber  Majorität  an= 
gehörten  unb  breibtertel  beS  beutfcb,en  ©biffobatS  bcr  Minorität,  benn  biefe  Haltung 
War  bureb  baS  9Jibeau  ber  tbeologifeben  Bilbung  beS  IleruS  in  beiben  ^änbertt  55 
bebingt.  Durcf)  eine  füb,ne  ©a)eibung  gioifdben  ^iftorie  unb  Dogmatil  berfuebt  fretlicb 
ber  ^efuit  ©ranberatb  unter  §inWeiS  auf  eben  biefe  berfcbjebene  Haltung  beS  fbanifeben 
unb  beutfeben  ©biffobatS  ben  Sefer  bon  ber  Überlegenheit  ber  bogmatifcb,cn  Bilbung  ber 
Sifcb,öfe  ©banienS  $u  überzeugen.  „2luf  bem  Äonjile,  Wo  man  ©elegenbeit  batte,  ben 
Stanb  ber  tb, eologifeben  22iffenfcb,aft  bei  ben  einzelnen  Nationen  s»  bergleicfjen  (!),  bilbete  eo 


458  SSatifamfdjcS  Stongtl 

ftd)  unter  bcn  Vätern  ba§  ©djer^mort :  bie  ©panier  b>ben  i^re  ^eologie  aus  Folianten, 
bie  Italiener  au<3  Quart*,  bte  granjofen  au$  Dftabbänben  unb  bie  ©eutfdjen  au§  33ro= 
fdjüren  ftubiert"  (©ranberatb  II,  ©.  271).  ©ine  grofee  ©djmiertgfeit  lag  für  bie  9}Jino= 
rität  barin,  bafj  Sßabft  $iu3  IX.  offen  gegen  bie  bon  ifyr  bertretene  ^ofition  gartet  ergriff, 
5  inbem  er  bie  Slutoren  bon  ©dmften  ju  ©unften  ber  Unfefylbarfeit  unb  bte,  meldte  älbreffcn 
biefeS  Sn^altS  einreihten,  öffentlich)  belobte,  auf  ber  anberen  ©eite  bie  9Jiinorität§= 
bifdjöfe  feine  llnjufrieben^eit  nacfjbrüdlicb)  füllen  lief?.  Unter  biefen  Umftänben,  bie 
aud)  bon  ©ranberatb)  nicfyt  geleugnet  merben,  toirit  beffen  ©rflärung  (II,  ©.  294),  baft 
ber  $a»ft  auf  ia§  ^onjil  feinen  £)rud  aulübte  unb  „e§  ganj  ber  Seitung  bei  bd.  ©eifte£ 

10  überlief",  burcb)  iJ?re  ^ür)n(jett  überrafdjenb.  ätber  mochte  aucb)  bieltetd)t  biefe  3Be!unbung  ber 
berfönlicfyen  Slntitoatb^ien  be§  VabfteS  auf  ben  ©ebanfengang  tr)eoIogtfc^  gering  Veranlagter 
unb  ber  2Biffenfc§aft  entmöljmter  SRänrter  bermirrenb  eintoirfen  ober  btefletdrt  aucfy  bie  @nt= 
fd)luf$fälj)igfeit  ftrebfamer  ober  abhängiger  ©tmobalen  abfdjmäcfyen,  bie  @ntf Reibung  über  ben 
2lu3gang  bei  Kampfes  mürbe  rttc^t  burcb  berartige  Veeinfluffungen  einzelner  SRitglieber 

15  beftimmt,  f onbern  bing  babon  ab ,  ob  bie  SfttnoriiätSpartei  in  ficb;  f elbft  bie  föraft  unb 
bas  Vertrauen  auf  ibje  ©ad)e  befafs,  um  ficb)  ju  behaupten  unb  burcbjufetsen.  @ben 
biefe  innere  geftigfeit  aber  I)at  tJ>r  gefehlt.  2öa§  bie  ftattltdje  ©d)ar  jufammen= 
blelt,  toar  lebiglicb)  bie  Verneinung  ber  grage  nad)  ber  3^ecfmä^ig!eit  ber  ^Definition  ber 
Unfehlbarkeit  bei  $ßapfte<3,  nicfyt  bie  2tblel)nung  ber  Sefyre  felbft.    SBoljI  b,aben  manche  in 

20  il)rer  SSJcitte  biefen  ©tanbpunft  eingenommen  unb  bietteidjt  mar  in  nicfyt  wenigen  gäEen 
bie  Seftrettung  ber  Opportunität  ifyrer  geftlegung  bie  gormel,  hinter  ber  fid)  bie  (Sinfidjt 
in  fdjtoere  SBebenfen  gegen  bie  fiebere  felbft  berbarg.  Stber  ba3  bie  ganje  Partei,  bie 
ifyeologifd),  national  unb  ürcbenpolitifcb)  fefyr  berfduebert  intereffierte  Elemente  in  fid)  barg, 
umfcfjliefjenbe  Sanb  mar  eben  bod)  lebiglid)  bie  33eftrettung  ber  Opportunität  ber  in  2IuS= 

25  fidjt  ftefyenben  £ebrfeftfe£ung.  S)ie  ©runblage  ber  Partei  mar  bemnacb)  nur  eine  9cega= 
tion.  $Daburcb)  mar  ba3  $elb  tf>rer  2tftion  febj  befcfyränft  unb  e§  fehlte  ifyr  bie  fort= 
reiftenbe  Slraft  be§  Eintretend  für  pofitibe  ,3iele.  Von  bem  gemaltigen  SRatertal,  bas>  bie 
2Siffenfd)aft,  jumal  bie  beutfcfye,  für  ben  ®ampf  gegen  bie  2eb>e  felbft  herausarbeitete, 
!onnte  bie  Partei  al§  ganje  nur  einen  Slusfcbnitt   benutzen  unb  fte  mufjte  in  ficb)  ju= 

30  fammenbredjen,  fobalb  Situationen  eintraten,  in  benen  gmedmäfjtgfeitSermägungen  unb 
taltifc^e  Sftüdficfyten  tEjrert  3öert  berloren  ober  bößig  berfagten.  3Iud)  barunter  frnt  bie 
SRinorität  gelitten,  bafs  ib)r  eine  einzelne  füb)renbc  ^$erfönlicf)feit  gefehlt  b)at. 

2)ie  2lbfaffung  unb  Verbreitung  ber  2lbreffen  betrep  ber  ^nfaHibilitätSfrage  mürbe 
bon  au§gebeb)nten  bublijtftifcr; en  Erörterungen  begleitet,  an  benen  ficb)  2RitgIieber  beiber 

35  5Ricb)tungen  auf  bem  Äonjil  beteiligten  (griebberg  a.  a.  D.  ©.  38).  ^n  granlreicb)  maren 
es  bor  allem  bie  2Iu3einanberfe|ungen  bei  sIRitgIieb§  ber  franjöfifcb)en  SKabemie  unb 
früheren  DratorianerS  ©ratr^  mit  @r^btfd;of  ®ed;ambS,  juerft  über  bie  $onorius>frage, 
bie  2luffeb)en  erregten  unb  bem  Angreifer  biel  3"[tt«iinunflr  <*&cr  aucb  fc|atfen  3Biber= 
fbrucb),   j.  33.  bon  Sifdmf  9täfs  bon  ©trafjburg,  eintrugen   (über  bte  ©ratrr/=^ontroberfe 

40bgl.  Coli.  L.  p.  1396 ff.;  1871  b)at  er  ftdj  bann  ben  ®elreten  beS  ^onjilS  untermorfen, 
ib.  p.  1405).  Unter  bcn  bie  Vorgänge  auf  bem  ^onjil  Iritifierenben  ©Triften  nab^m  bie 
im  SRai  erfd)einenbe,  burd)  ibre  ©acb)!enntni§  au§gejcid)nete  §örofcb)üre  „Ce  qui  se  passe 
au  concile"  (bcutfdi  u.  b.  mittel:  „9Sie  eä  auf  bem  ^onjil  i)ergeb)t",  9Jiüncb!en  1870) 
einen  betborragenbcn  ^31a|  ein,  ©rjbifdmf  ©arbol;  bon  ^ßaris  embfab)!  fie  Sfoboleon  (Coli. 

45  L.  p.  1568,  bgl.  ©ranberatb)  II,  ©.  554  ff.)  unb  baS  ^onjil  bjelt  e§  für  notmenbig,  gegen 
fie  ju  broteftieren.  ©a  ber  franjöfifcb)e  ^leruS  für  bie  ^nfaKibtlitätSerllärung  intereffiert 
mar,  ma§  er  burd)  jabireicfye  Slbreffen  be!unbete  (Coli.  L.  p.  144 1  ff.)  —  nad)  ©ranbe= 
ratb,  II,  ©.  566  fd)ämte  fid}  ber  ÄleruS  be§  ©aüafani<3mu<§  (!)  unb  münfd)te  bab)er,  bafs 
ein  Äonjilsbefdjlujj  beffen  Übcrbleibfel  befeitige,  möl>renb  eS  bod;  bielmeb)r  ber  ©egenfatj  gegen 

50  bie  33ifc|öfe  mar,  gegen  bie  bon  ber  @rb)öb)ung  ber  Sliacbt  be§  VabfteS  ein  ©d)u^  ermartet 
mürbe,  ebenb.  ©.  273  — ,  tarn  e3  mefjrfad;  su  üonflüten  jmifd;en  33ifd)öfen  unb  ib^ren 
®iöcefanen  (3)larfeitle,  ©t.  Srieuc).  5Dtontalembert  aber  f)at  e§  nad}  feinem  Xobe  (12.  SJcärj 
1870)  büfeen  muffen,  bafe  er  in  feinem  nid)t  nur  für  bie  bamalige  ©ituation  mistigen 
Srief  bom  12.  gebruar  (Coli.  L.  p.  1385)  bagegen  broteftierte,  bafs  bie  ©erecb)tigleit  unb 

65  bie  3öab)rb)eit,  bie  Vernunft  unb  bie  ©efd)id>te  bem  bon  ben  Ultramontanen  im  Vatilan 
aufgerichteten  ^bol  geopfert  mürben. 

9iocb  ftärfer  aber  mar  bie  burd)  ba§  ^onjil  entfachte  33ei»egung  in  ©eutfcb)Ianb. 
S)ie  miffenfd)aftlid;e  Vilbung  bei  ^Ieru€  mar  bjer  ju  grofe,  al§  ba|  er  fambfloS  bor  bem 
neuen  ®ogma  bie  SSaffen   ftredte,  unb  ber   9came  ©öllinger   gehörte   px   ben    in   ber 

60  ÄonäilSlitteratur  am  meiften  genannten,    ^n  SKüncfien  erfebjenen  jene  ,,^ömifd;cn  Briefe 


«BnttfnmfdjcS  $011511  459 

bont  tfonjü"  (bgl.  oben),  bercn  eminenter  ©influf?  auf  bie  öffentliche  sIftcinung  un= 
beftritten  ift,  fo  berfcfyieben  and)  ba§  Urteil  über  il)ren  Söert  lauten  mag.  Unter  bem 
19.  Januar  bcröffenilid)te  ©öEtngcr  mit  Ramensunterfcfyrift  „©inige  Söorte  über  bie 
Unfe|lbar!eit3abreffe"  in  ber  „2Iug3burger  allgemeinen  Leitung"  (Coli.  L.  p.  147:!  ff.) 
unb  erregte  burdj  biefen  2lrtifel  ba§  gröfde  2luffefyen.  2lus>  33re§lau,  33raun§berg,  33onn,  5 
Äöln,  $rag,  Sftünfter  mürben  bem  23erfaffer  ßuftimmunggabreffen  (ib.  p.  1482  ff.) 
gefanbt,  er  hnirbe  ber  3Rann  be§  ^ages»,  aber  aueb,  ber  größten  Sinfeinbungen.  ©cfyon  ba= 
mal?  offenbarte  fid?  übrigen?  ber  Unterfdneb  gir>ifd)en  bem  ©tanbtounft  2)öttinger§  unb  bem  ber 
Äonjilömtnorität  in  einer  für  beren  2(u§ftd)ten  berfyängmgbotlen  2Beife,  benn  @rjbifcb,of 
©d;err  bon  ÜJiüncfyen,  ©rgbifdmf  9JMd)er§  bon  $öln,  33ifd)of  föetteler  bon  StRainj,  10 
33ifdmf  Bremen*}  bon  ©rmlanb  legten  ©etoicfyt  barauf,  öffentlich)  ibre  'äftifsbiHigung  ber 
©öttingerfeben  2lu3füf>rungen  au^ufbredjen  (Coli.  L.  p.  1489  ff.,  1485  f.).  2tm  9.  5Rär^ 
erfebjen  SDöHinger?  Slrtifel  gegen  bie  beränberte  @efd)äfts>orbnung  (ib.  p.  1499  ff.).  2Ba<§ 
in  biefem  grübjabj  ber  9Jcun<|ener  Runtiuä  SReglia  an  ^arbinal  Sintonellt  ju  berichten 
fyaite  (©ranberatfy  II,  ©.  649  u.  a.),  maren  feine  günftigen  (Sinbrüde.  —  ^n  ©nglanb  15 
fyat  ber  Söiberfbrucr)  Remmanm§  gegen  bie  ^Definition  (Coli.  L.  p.  1513  f.)  leine  kämpfe 
hervorgerufen,  bie  an  bie  auf  bem  kontinent  geführten  heranreichten. 

$n  ber  breijefynten  ©eneralfongregation  am  21.  Januar  mar  unter  bie  SJiitgüeber  ber 
©bnobe  berteilt  morben   (Coli.  L.    p.  720)   ba3  ©d)ema  Constitutionis  dogmaticae 
de  ecclesia  Christi   (ib.  p.  567—641).     SMefe  Äonftitution   gerfiel  in  brei  Steile:  20 
ber  erfte  beb,  anbelte  in  15  Kapiteln  bie  Sebre  bon  ber$ird)e,  ber  -^meiie  fafete  in  21  canones 
bie  $embun!te  jufammen  unter  gleichzeitiger  Stnatbematifierung  entgegengefetjter  2lnftd)ten, 
ber  britte  unb  größte  gab  unter  bem  SLitel  „Adnotationes"  eingefyenbe  Segrünbungen 
ber  in  ben  beiben  erften  teilen  bargelegten  Sebre.    Sßon   biefer  $ird)e  mürbe  auSgefagt, 
bafj  fie  ber  mr/ftifd)e  Seib  ßbjifti  ift  (cap.  1),  baf$  nur  in  ibr  bie  cf)riftlid)e  Religion  au3=  25 
geübt  merben  fann  (cap.  2),  baf$  fie  bie  bollfommene  ©efettfdwft  ift  (cap.  3),  bafs  bon 
ifir  getrennte  ©emeinfetjaften  ntebt  al§  ifyr  ^etl  begeidmet  merben   fönnen  (cap.  5),  baf$ 
nur  bureb,  fie  unb  nur  in  ifyr  bie    ©eligfeit  erreicht  merben   fann  (cap.  6.  7),   baf$  fie 
unbergänglicb,    unb  unfehlbar  ift  (cap.  9.  10),  bafj   fie   eine    befonbere  potestas   befi|t 
(cap.  10),  bafj  (5^riftu§  in  if)r  ben  Primat  be§  römifdjien  33ifd;of<§  eingefe^t  t/at(cap.  11)  30 
unb  biefe  bafyer  aud)  jettltd)e  §errfd)aft  befitjt  (cap.  12).    Söirb  jmifd^en  ber  ^ircfye  unb 
bem  ©taat  bie  ©intraefd  geftört,  bann  ift  e<§  bie  ©dmlb  be<§  ©taate§,  ber  bie  Red)te  unb 
$flid)ten  ber  $ird)e   nicr)t  refbeftiert  (cap.  13).    2htcb,  bie  Regenten  finb   an    ba§  ©efe| 
©otteg  gebunben,  ba§  Urteil  aber,  tote  e<§  ju  banbfyaben  ift,  gebort  ju  bem  supremum 
magisterium   ecclesiae    (cap.  14).     $Da3  ©cblufcfabitel   Verlangte   für  bie  Ätrdjie   ben  35 
3ugenbunterrid)i,  bie  greifyeit  in  ber  2tu3bilbung  be§  l?Ierug  unb   beffen  Befreiung  bon 
ber  militärifdjen  ©ienftbfüd^t,  bie  Unbefd}rän!tb,eit  ber  Drben  u.  a.    Unter  ben  canones 
toar  ju  lefen  (9?r.  XX):   Si  quis  dixerit,   in  lege  status   politici,  vel  in   publica 
hominum   opinione   constitutam   esse    pro    publicis    ac    socialibus    actionibus 
supremam  conscientiae  normam ;  aut  ad  easdem  non  extendi  ecclesiae  iudicia,  40 
quibus  ea   de  licito   et  illicito   pronuntiat;    aut   vi   iuris   civilis    fieri   licitum, 
quod  iure  divino  vel  ecclesiastico  est  illicitum:  anathema  sit  (ib.  p.  578).     3ll§ 
biefe?  ©cb,ema  tro^  beg  ©ebotö  ber  ©e^eim^altung  erft  teilmeife,  bann  bodftänbig  belannt 
mürbe,  am  10.  gebruar  in  ber  „©übbeutfdjen  treffe"  (©ranberatb,  II,  ©.  688),  mar  ber 
©inbrud  gerabeju  berblüffenb.    „5Ran  ^meifelte  juerft  an  ber  Slut^entijität  biefer  ®ofu=  45 
mente,_  boeb,  mürbe  fie  balb  beftätigt,  befonberg  bureb,  bie  Unjufriebenbeit,  meldte  bie  3Ser= 
öffentltcbung  am  römifd)en  §of  b,erborrief.    ©obalb  bie  ©d^eit  biefer  ©cb,riftftüde  aufeer 
$rage  mar,  er^ob  fict)   ein  ©cfyrei  ber  aRipilligung   in   ber  treffe  bon   ganj  ©uroba; 
man  mahnte  bie  Regierungen,  aufjumerlen  unb  bie  bürgerlid;e  ©efedfdjaft  ju  bertetbigen, 
roekfje  bureb,  Seb.ren  einel  bergangenen  .ßettaforä  bebrofyt  feien"  (Ollivier,  L'eglise  et  50 
l'etat  II,  p.  190 ff.).     SDie  21nnab,me  biefeg  ©cb,emag  mar  rttcbtS  anbereg  al§  bie  £og= 
matifierung  ber  £ef)ren  unb  ©runbfä^e  be§  ©t,)llabu§  unb  feine  Vorlage  in  ber  2at  ein 
Unternehmen,  ba?  um  feiner  üonfequenjen  mitten  bie  Regierungen,  mie  e§  fdnen,  mobil  machen 
mu^te,  menn  fie  aueb,  big  baf)in  fid)  bon  jebem  ©ingriff  in  bag  $on?,U  gurüdge^ alten  unb  eine 
beobad)tenbc  unb  abmartenbc   §altung  eingenommen  b.attcn.    ®te  @ntfd;eibung  barüber,  55 
ob  biefe  ^olitif  aud]  je|t  nod)  fortjufe^en  mar,  rub,  te  nad;  Sage  ber  SDinge  bei  gran!reid;.  ^>tcr 
mar  feit  bem  2.  Januar  ba§  9Jcinifterium  Cfübier  am  Ruber  (©ranberatb,  II,  ©.  (iSlff. ; 
griebrid)  III,  ©.  619  ff. ),  unter  bem  ©raf  ®aru  ba<S  9)iimftcrium  bcö  2(u3märtigcn  ^attc. 
3Bic  DKibier  bie  franjöfifd;c  ^olitif  gegenüber  bem  ^on^il  aufgefaßt  I;at  refb.  aufgefaßt 
feben  moßte,   f)at  er  in  feinem  3l<crt'  über  Äird)e  unb  ©taat   niebcrgelegt.    2)ant  unter--  &> 


460  2Satifatttfcf)eS  Sottä« 

fclneb  ftc§  bort  iljm  barin,  baf$  er  auf  bem  ©oben  ber  2lnerlennung  ber  ^reifyeit  bcg 
konjilss,  tüte  autf)  anbere  sDcitglieber  be£  ^abinettg,  lein  greunb  ber  Definition  ber  $n= 
faflibilität  mar. 

gunäcfyft  mar  e§  aber  bas>  ©d)ema  de  ecclesia,  bag  allarmierenb  roirfie.  ©raf 
5  SSeuft  mieg  am  10.  gebruar  (Coli.  L.  p.  1570  f.)  ben  öfterreid)ifcr/en  33otfd)after  ©raf 
Srautmannsftorf  an,  bem  $arbinal=©taai3fe!retär  zu  erflären,  baf;  bie  33eröffentltd^ung 
folcfyer  bie  Sichtung  bor  bem  ©efe£  berle^enber  23efttmmungen  in  Öfterreicb,  unterfagt  unb 
bie  Übertretung  biefes>  93erbote§  mit  gerichtlicher  Skftrafung  geafmbet  merben  mürbe  (ber 
23ericr;t  bei  ©efanbten  über  bie  ünterrebung  mit  Slntonelli  bom  17.gebruar  ib.  p.  157  6  ff.). 

10  2öeit  mistiger  aber  mar,  baf;  aucb,  ^ranfreid)  jetjt  ba§  Söort  ergriff.  $n  ^ner  au<^  ^e" 
anberen  ffiäfytm  mitgeteilten  Debefcfye  bom  20.  gebruar  (ib.  p.  1553  ff. ;  ©ranberatb,  II, 
©.  692  ff.)  roieg  ©raf  Daru  bie  in  bem  ©db,ema  enthaltenen  Übergriffe  in  ba3  ftaatlicfye 
©ebiet  jurücf  unb  »erlangte,  bajj  ber  ^eilige  ©tufyl  ber  frangöfifdt)en  Regierung  bor  ber 
Sefcfylufjfaffung  bei  ^ongilg  über  fragen,  bie  bie  ^Soliti!  beträfen,  ©elegenljeit  gebe,  bem 

15  ^onjif  ifyre  Sluffaffung  ju  übermitteln ;  Daru  fyat  babei  an  bie  2lbfenbung  eineä  ©e= 
fanbten  gebadet.  3lntoneßi  aber  erteilte  in  feinem  33rtef  an  ben  S^urtttug  Gfjngi  bom 
19.  Sßärz  (Coli.  L.  p.  1555 ff.)  eine  ablefmenbe  2lntmort.  Diefer  SBefcfyeib  mar  fürgrant= 
reidE)  eine  Überrafcfyung  unb  rourbe  begreiflidfjermeife  unangenehm  embfunben.  Die  fran= 
göfifdt)e  Regierung  fyat  barauf^in  in  einer  zweiten  Denlfct/rift,  bom  5.  2lbril  (ib.  p.  1563 ff.), 

20  bie  gorberungen  ber  erften  5Rote  fäax  fallen  gelaffen,  fyielt  aber  ben  gegenüber  bem  ©ct/ema 
eingenommenen  ©tanbbunft  bollftänbig  feft,  unb  »erlangte  bie  Entfernung  ber  gefäfyrlict/en 
©teilen.  Diefe3  Sorgefyen  ber  franjöfifc^en  Regierung  fanb  bie  .guftimmung  audf;  anberer 
9Jlä$te,  bor  allem  Dfterreicr)§  (Debefcfye  SeuftS  bom  10.  Slbril,  ib.  p.  1585 f.).  2lber  e§ 
ift  baburcb,   ntcfjtg  erreicht  morben,  ba   hinter  biefen  ^roteften  nicfyt  ber  Söilte  ju  ent= 

25  fpredjenbem  §anbeln  ftanb.  Strttonellt  bielt  fogar  bie  $eit  für  geeignet,  bem  öfterreicfyifcrjen 
9fteicfy§fanzler  am  20.  2tbril  in  einer  auffaßenben  SBeife  ju  antmorten  (ib.  p.  1588 ff. ; 
©ranberatb,  II.  ©.  709  ff.)  unb  in  granfreicb,  tourbe  nacb,  bem  ©turj  bes>  ©rafen  Daru 
DHibier  am  18.  Slbril  aud)  9Jiinifter  bei  Wurmartigen.  Damit  mar  bie  ©efab,r  enbgiltig 
befeitigt,   bafs  etroa  bon  franjöfifc^er  ©eite  auf  ba<§  Konzil   ein  Drudf  ausgeübt  mürbe; 

30  mag  audb,  immer  @rgbtfc§of  Darboto.  burcb,  feine  33orfteHungen  bei  9teboleon  berfucr)t  I)at. 
Dtefelben  bolttifcfyen  Erwägungen  bie  tt>n  ju  großer  9teferbe  beftimmten,  maren  aucb,  für 
33i3marcf  ma^gebenb  (Coli.  L.  p.  1601  ff.),  ©benfomenig  gab  ©nglanb  feine  ßurücffyaltung 
auf,  benn  ben  ©inflüffert  £orb  2lcton§  auf  ©labftone  mürbe  burdb,  bie  33erid)te  be§  eng= 
lifcfyen   ©efd^äftgträger§  in   9tom,   Dbo  3tuffeU,  an    ben  3JJinifter  bes  älufjeren,  £orb 

35  ßlarenbon,  bie  SBage  gehalten  (über  bie  ©inmirlung  SJknningS  auf  sJtuffeH  bgl.  ^ßurcell, 
Life  of  Manning  II,  ©.  433  ff.). 

3lm  22.  ^ebruar  trat  in  ben  33erf>anblungen  bei  ^onjifö  eine  $aufe  ein,  erft  am 
18.  5Rärj  folgte  bie  brei^igfte  ©eneralfongregation.  3U  ^iefer  Unterbrechung  ^mang  bie 
9cotmenbigleit  einer  llmgeftaltung  ber  ^ongiföaula.    ®te  Deputationen  erhielten  baburcb, 

40  3«it,  bie  an  fie  ^urücfbermiefenen  ©d£)emata  umzuarbeiten,  mäb,renb  bie  ©tmobalen  auf= 
geforbert  mürben,  nac§  ber  fofort  in  ^raft  tretenben  neuen  ©efcb,äftäorbnung  ib,re  Se= 
merfungen  ju  ben  erften  gebn  ^abiteln  be§  ©db,ema§  De  ecclesia  binnen  jefyn  ^agen 
bei  bem  ©etretär  be§  ^onjilö  einjureiclten  (Coli.  L.  p.  729ff.).  2lm  6.  SSJJär^  erfolgte 
enblicb,  ber  gro^e  ©c^lag:  ben  SJJitgliebern  bei  ^onjilS  mürbe  ju  ^abitel  11  beäM©cb,ema§ 

45  De  ecclesia  (De  Romani  pontificis  primatu)  ein  ^wf^a^i^t  ^er  bk  Überfc^rift 
führte:  „Romanum  Pontificem  in  rebus  fidei  et  morum  definiendis  errare  non 
posse"  (ib.  p.  641)  jugefanbt.  ®a§  beigefügte  Aconitum  bei  ©elretariati  be§  lonjilS 
bezeichnete  biefe  Vorlage  als  bie  (Erfüllung  bei  2Bunfcfye§  zahlreicher  SRiiglieber  (cum 
plurimi  episcopi    petierint    a   SSmo   domino   nostro,    ut    concilio    proponatur 

50  thema  de  infallibilitate  Romani  pontificis)  unb  forberte  baju  auf,  etmaige  93emer= 
fungen  ju  bem  elften  ^abitel  famt  biefem  3ufa£  binnen  geön  Sagen  einzureichen;  bie 
grift  mürbe  bann  big  zum  25.  SERärg  berlängert  (ib.  p.  1697  bgl.  729).  ©o  mar  benn 
bie  (Sntfcb^eibung  gefallen  unb  zwar  in  bem  längft  borauggefagten  ©inne,  bie  3e^  ^ 
Skrftecf'fbietenS  ber  ^urie  mar  zu  @"be  unb  baö  Konzil  ftanb  bor  einer  Ilaren  ©ituation. 

56  2.  Die  3lnnab,me  ber  Constitutio  de  fide  catholica  in  ber  britten 
©i|ung  am  24.  2lbril  1870.  Die  ©eneralfongregationen  Ratten  nocb,  nic§t  mieber 
begonnen,  al§  bereite  aus  ber  SDtitte  ber  Majorität,  bie  e§  nid;t  ermarten  lonnte, 
bie  Definition  ber  QnfaHibilität  unter  Dadb,  unb  %aä)  gebradbt  ^u  fefyen,  3Serfuc^e  unter= 
nommen  mürben,  bie  Eröffnung  ber  33err/anblungen  barüber  zu  befc^leunigen.  %n  biefem 

60  ©inn  fbradjen  fic|  u.  a.  am  10.  Sftärz  breiunbneunzig  SSäter  in  einer  an  bie  ^räfibenten  bei 


SBattfnnifdjeS  SLontf.i  461 

.ston^tlö  genuteten  (Eingabe  au3,  ebenso  fed^unbbreifcig  93ifd)öfe  in  einer  Petition  an  bie  2ln= 
tragsiommiffion  (ColLL.  p.  969  ff.)  Stuf  ber  anberen  (Seite  verlangten  fed)3  ungarifdjie  Sifdtofe 
in  einem  ^oftulat  an  ben  Äarbinal  be  Stngeliä  (ib.  p.  973  f.),  bafj  biefe  fdjtoierige 
jftaterie  erft  bann  auf  bie  Sagcäorbnung  gefegt  toürbe,  toenn  fie  forgfältig  burcb,  bie 
3)iitglieber  beS  JRonjilä  geprüft  toäre,  unb  am  20.  2Ibril  baten  bierjefm  33ifd)öfe  berfdnebener  5 
2änber  (ib.  p.  975  ff.),  bafc  ber  SSerfyanbhmg  über  ba§  elfte  Kapitel  be3  ©djemag  de 
ecclesia  bie  (Erörterung  be3  13.  unb  14.  Äabitel3  über  ba§  33erf)äUni§  Don  $ird)e 
unb  (Staat,  fbejiell  über  bie  23ulle  33onifaciu§'  VIII.  Unam  sanctam,  borangefyen  foäe 
(griebrid)  III,  ©.  857  ff.).  Waty  bem  Sagebucb,  etne<§  2Ritglieb§  ber  ©r/nobe  —  ob 
el  ben  bon  ©ranberatb,  III,  ©.  9  ff.  ir/tn  jugefdpebenen  Söert  beft|t,  mufe  balnngeftetlt  io 
bleiben  — ,  waren  unter  ben  ÄongtBpräfibenten  bie  Äarbinäle  SBilio,  be  Suca,  be  Singeiis 
geneigt,  biefen  Söünfcfyen  ber  SDiinorität  entgegenkommen,  ©ine  Heine  überaus  betrieb^ 
fame  ©rubbe  Don  ^rälaten,  bie  fid)  um  ©rjbifcfyof  SJfanning  unb  33tfd>of  ©eneftret)  bon 
:){egen§burg,  ben  beiben  §aubtagitaioren  ju  ©unften  ber  llnfeblbarfett,  fdjarte,  trat  jebocr) 
biefen  23erfucr/en  einer  |unau3fd)iebung  ber  SDtefuffion  mit  großer  ©nergie  entgegen.  15 
infolge  beffen  tourbe  ber  $abft  felbft,  in  einer  3lubienj  unb  bann  burd;  eine  bon  b,  unbert= 
unbfünfjig  SBifdjöfen  unterzeichnete  Petition  (Coli.  L.  p.  977  ff.)  bom  22.  2lbrtl  angegangen 
unb  auf  biefem  äöege  erreicht,  bafc  bie  bon  ifynen  erfelmte  33erl)anblung  ntd)t  toeiter  b,inaug= 
gcfcfyoben  mürbe. 

©ie  ©eneralfongregationen  bom  18. 9Jlärj  bi3  19.  2tbril,  b.  f).  bie  breifcigfte  bis»  fed;€unb=  20 
üierjigfie  (Coli.  L.  p.  730—739),  b/aben  fidc)  mit  ber23eratungbe<§  am  10. Januar  ber  ©lauben3= 
bebutation  übertotefenen  unb  bon  biefer  rebibierten  ©d)ema§  De  doctrina  catholica 
befd^äftigt.  $n  biefer  SDebutation  toar  eine  ©ubfommiffion  bon  brei  ?[RitgIiebem  gebilbet 
toorben,  bie  ib/rerfeitS  toieberum  bie  £jaubtarbeit  an  S3ifd)of  Martin  bon  ^aberbom  über= 
trug,  ber  fid)  babei  ber  Unterftütjung  be3  ^efutten  ^leutgen  bebiente.  £)ie  23ert)anblungen  25 
ber  ©ebutation  (©ranberatb,  II,  ©.  363  ff.)  führten  fcbjiefjlid)  baju,  baf?  nur  ber  erfte 
Seil  be3  ©d)emas>  (Coli.  L.  p.  69  ff.),  unb  jtoar  unter  bem  Sitel  de  fide  catholica, 
ben  ©eneralfongregationen  übertoiefen  tourbe,  toäbjenb  ber  jtoeite  Seil  be§  ©djemaS  (ib. 
p.  1632  ff.)  überhaupt  ntct;t  jur  23erf)anblung  im  Plenum  gelangt  ift.  %n  ber  am 
18. 9Jiärj  beginnenben  ©eneralbebatte,  bie  burd)  ben  S3ericf/t  be§  ©rjbifcbofg  ©tmor  bon  ©ran  30 
(ib.  p.  80  ff.)  eingeleitet  mürbe,  fanb  ber  ©nttourf  neben  mannigfacher  Slnerlennung  bod) 
aucfy  berfdjiebentlidjen  Säbel.  23tfcr/of  ©tnoulbtac  bon  ©renoble  feiste  au3,  bafe  bie  ©ebu= 
tation  bon  fid;  au$  3ufat5e  ju  bem  ©djema  gemacht  l)abe,  bie  in  bem  ^onjil  nict/t  bean= 
tragt  toorben  toären.  ^arbinal  ©djtoarjenberg  gab  biefem  Säbel  fogar  eine  nocf)  fcfeärfere 
Formulierung,  inbem  er  bie  2lrbeit  ber  ^ommiffion  ntcf/t  cd§  bie  grudjt  ber  lonjiliarifdjen  35 
Beratung  anerlannte.  2113  er  fid;  aber  beilegte,  bafj  bie  33äter  ju  ben  ftenograblnfcf/en  33e= 
richten  leinen  antritt  litten,  tourbe  er  bon  bem  ^Jräfibenten  unterbrochen,  @rjbifd)of  ft'enrid 
bon  ©t.  Souü  tabelte  u.  a.  bie  bielen  Slnat^ematiömen.  Unter  ben  in  ber  ©jjejialbebatte 
gehaltenen  9?eben  ift  bie  beg  S3ifd) of3  ©tro^mat)er  am  22. 5Rärj  §u  großer  Serü^mt^eit  gelangt, 
toeil  fie  ju  einer  ftürmifd;en  ©jene  geführt  b,at,  bie  für  bie  ^Beurteilung  ber  ^ebefreifjeit  40 
ber  ©tmobalen  einen  toicf)tigen  Seitrag  liefert,  ©trofjmatyer  beanftanbete  gunäcbft  auf 
©runb  ber  früheren  ^ßraji^  ber  ö!umenifd;en  ^onjile  bie  ©db,Iufetoorte  ber  ©inleitung 
(Cum  itaque  nos  etc.  Coli.  L.  p.  71c),  naef;  benen  nidjt  ha§>  konjil,  fonbetn  ber  ^pabft 
bag  ©ubjett  ber  ^Definition  fein  foHte.  SDann  aber  toanbte  er  fid)  gegen  bie  ©ä|e  beä 
^ßrooemium^  (ib.  p.  70),  in  benen  au3  ben  proscriptae  a  Tridentinis  patribus  45 
haereses  abgeleitet  tourben  opinionum  et  philosophicorum  systematum  monstra, 
mythismi,  rationalismi,  indifferentismi  nomine  designata,  quae  in  unam  demum 
coalescentes  errorum  congeriem,  naturalismum  ediderunt  unb  gefagt  mar,  bafj 
impia  huiusmodi  peste  impune  grassante  auef)  manche  ©bl;ne  ber  Äircfye  angeftedt 
toorben  feien,  ©trofemar/er  „tabelte  bie  33erfeb,rtl)eit  unb  Ungerecfytigfeit  biefer  ^Borte,  50 
inbem  er  auf  bie  religiöfe  ©leicb,giltigleit,  toelcfye  im  ^at^olijiömug  ber  Deformation  bor= 
ausging,  fjintoie^,  unb  an  bie  ©reuel  ber  Debolution  erinnerte,  toelcfye  bie  ©ottlofigleit 
unter  ben  ®atr/olilen,  nid;t  unter  ben  ^3roteftanten  berurfaef/t  b,ab<t.  2Ran  foEe  nid;t  bie 
tüchtigen  3Serteibiger  djriftlidjer  £eb,re  unter  ben  5ßroteftanten  bergeffen,  bon  benen  biele  ba3  i\5ort 
Sluguftins  berbienten:  errant,  sed  bona  fide  errant;  eä  gebe  bon  feiten  ber  ®atf)oltien  feine  66 
befferen  SSiberlegungen  ber  im  ©djema  aufgeführten  Irrtümer,  aU  bie,  toelcf)e  ^roteftanten 
gefcf)rieben ;  alle  6b,riften  feien  SRännern  toie  Seibnij  unb  ©uijot  ju  SDanf  berbflicfytet" 
(puirinu§  ©.296 f.;  2lcton  ©.90;  griebrieb,  III,  ©.773).  ®afe  bie  ^roteftanten  in 
2d;u|  genommen  tourben,  führte  ju  einer  bramatifdjen  ©jene,  beren  ftenograbr/ifef/er  Se= 
riefit   je|t   bon    ©ranberatb,  II,  ©.  395  ff.   abgebrudt   ift.     Db   biefer  Script    bejügltrf;  co 


462  2SatiJnnifrf|e§  Sottet 

einer  ^öc^ft  grabterenben  ©teile  (©.  394  2tnm.  1)  bollftänbig  ift,  mufe  bei  ber  mangelnbcn 
Kontrolle  ber  ftenograbfnfdjen  aiufjeidmungen  burcb,  bte  9tebner  balnngeftellt  bleiben, 
©trofjmar/er  mürbe  bon  bem  ^arbtnal  be  2lngeli§  unterbrochen,  bon  6a)palti  $ured)t= 
gemiefen  unb  burcb,  bie  tumultuarifdjen  9?ufe  ber  aufgeregten  Bäier  jum  Berlaffen  ber 
5  Tribüne  gelungen  (Indignabundi  patres  e  subselliis  egrediuntur,  singuli  pro  se 
varia  obmurmurantes.  Alii  dicebant:  Et  isti  nolunt  infallibilitatem  papae, 
istene  est  infallibilis ?  Alii:  Lueifer  est  iste,  anathema,  anathema !  Alii  vero: 
Alter  Lutherus  est  iste,  eiiciatur  foras.  Omnes  autem  clamabant:  Descende, 
descende !).   21m  näd)ften  %a$  fmt  er  in  einem  fcfyriftlicb,  eingereihten  ^ßroteft  gegen  bie 

10  Unterbrechung  feiner  9tebe  Befcfymerbe  erhoben  unb  „für  ba§  ifym  öffentlich  ^gefügte  Unrecht 
eine  öffentliche  ©enugtfyuung"  berlcmgt  (©ranberatl)  II,  ©.  403),  mie  e§  fdjetnt  bergeblid). 
©egen  bie  Bejetdmung  beg  ^5roteftanti§mu§  al§  pestis  foll  bon  Berlin  au§  eine  fefyr 
energtfdje  ©rflärung  (griebrid;  III,  ©.  789)  erfolgt  fein;  ba  ©ranberatb,  (II,  ©.  393 
2lnm.  1)  fie  ntct)t  beftreitet,  rotrb  bte  9cadirid;t  als  jutreffenb  anjufer/en  fein.    SDafc  ftc^ 

15  ftarle  ©inflüffe  gegen  bie  ^Definition  ber  angeführten  Beurteilung  be<§  $roteftanti§mu§ 
geltenb  gemalt  b/aben,  ergibt  ficb,  barau§,  bajj  ba§  ^rooemium  burcb,  bie  (glaubend 
bebutation  in  bem  bon  ©trofsmafyer  betretenen  ©inne  tatfädE>ttcE)  abgeänbert  roorben  ift. 
S)er  neue  £er.t  (Coli.  L.  p.  96  f.)  leitete  ntct)t  mefyr  au3  bem  ^rotefianti§mu3  benüftatura= 
Ii§mu<o  u.  f.  ro.  ah,  aucb,  mar  ber  2lu3brucf  pestis  burcb,  impietas  erfe|t.  Wad)  biefen  2tbänbe= 

20  rungen  gelangte  bie  Umleitung  $ur  2lnnar;me.  —  ^n  ber  ©be^iafbebatte  über  ha§  erfte 
Sabtiel  „De  Deo"  traten  ^etnungSberfcbJebenfyetten  barüber  I)erbor,  ob  bie  Slnfanggmorte 
lauten  fottten  „Sancta  romana  catholica  ecclesia"  ober  „Sancta  catholica  aposto- 
liea  romana  ecclesia",  bte  jmeite  Raffung  Drcm9  ^urc^-  ®*e  Bebenren  gegen  bie  bor= 
gefcf/lagenen  canones  unb  2tnatl)emati3men  mürben  nur  bon  einer  SRinberf/eit  bertreten, 

25  aucb,  ber  Borfd)Iag  be3  Btfcfyofg  §efele  bon  Stottenburg,  ntct)t  bie  ^rrenben,  fonbern  bte 
Irrtümer  ju  berurteilen,  fanb  leine  3lnnal)me  (©ranberatb,  II,  ©.  41 7  f.).  ®a§  jtneite 
$abttel,  bas>  u.  a.  über  bte  ©rflärung  ber  ^eiligen  ©cbjtft  fwnbelte,  übernahm  jroar  bie 
trtbentinifdjen  Beftimmungen,  aber  ftridt)  barauS  bejeidjmenbermetfe  bie  unanimis  con- 
sensio  (ib.  p.  439).     ®ie  (Erörterungen  über  ba§  bierte  Äabttel  De  fide  et  ratione 

30  beranlafjten  ben  Btfdmf  ©tnoulr)tac  bon  Orenoble  ju  einer  nacb/brüöclicb/en  Berteibtgung 
ber  greir/eit  ber  2ßiffenfd)aft  (ib.  p.  449  f.),  aber  er  brang  mit  feinem  Borfct/Iag,  ^u  er= 
Hären,  bafj  einige  SBiffenfcb/aften  bon  ber  Offenbarung  ganj  unabhängig  feien,  nidjt  burcr/. 
SDag  ©djema  enthielt  bann  nocb,  jroei  ©cfylufsermafmungen  (Coli.  L.  p.  77  f.),  beren  jmeite 
bafyin  ging,  baj?  aucb,  bie  J^onftttutionen  unb  ©efrete  beobachtet  roerben  follen,  burcb,  bie 

35  pravae  opiniones,  bie  nid; t  in  ber  borliegenben  Itonftitutton  aufgeführt  feien,  bon  bem  abofto= 
lifcfyen  ©tufyl  berurtetlt  mürben  (über  biefe  bebeutung§bolle  Beftimmung  unb  i!)re  Bel)anb= 
lung :  griebrid)  III, ©.  827  ff. ;  ©ranberatf)  II,  ©.  454  f.).  —  $n  ber  fünfunbbiergigften  ©eneral= 
longregation  am  12.  Slbril  gelangte  ba<§  gan^e  ©d)ema  jur  2lbftimmung  unb  tourbe  mit 
515©ttmmen  angenommen,  mit  placet  iuxta  modum  botierten  breiunbadjtjig  ©tjnobale; 

40  über  bie  bon  biefen  fdpftlid)  eingereichten  Sebingungen  (Coli.  L.  p.  219  ff.)  erftattete 
33ifd}of  ©affer  bon  33rij;en  am  19.  2tbril  ben  33erid)t  (ib.  p.  232  ff.).  3lngefid)t§  ber  be= 
borfteb^enben  beftnitiben  ©efamtabfttmmung  befanb  fid)  bte  Minorität  in  fdjiüieriger  Sage, 
benn  fie  befürchtete,  burd;  t&re  Beteiligung  bie  bisher  befämbfte  ©efcb,äft6orbnung  anju= 
erfennen;  aud}  gegen  bie  ©djlufjfätje  beftanben  in  tbrer  5Dcitte  ernfte  Bebenfen.   drft  am 

45  23.  2lbril  entfd^ieb  man  fid;  roefentlid)  auf  ia§  Betreiben  ber  ^arbinäle  3{aufd;er  unb 
©d)roar§enberg  für  bie  Slbftimmung  mit  placet.  „SDer  §aubtgrunb  be§  9cad;geben^  mar, 
baft  bie  beiben  It'arbinäle  injir>ifd;en  ©id)erl;eit  barüber  erbalten  Ratten,  e3  mürbe  un= 
mittelbar  nacb,  ber  öffentlichen  ©i^ung  bie  ^nfallibilttät  auf  bie  S£age3orbnung  gefegt 
toerben,  unb  ba  muffe  man  burd)  bie  morgige  Unanimität  ben  ^ontraft  ber  mangelnben 

so  ©inftimmigleit  bei  ber  Dotierung  ber  llnfel;lbarlett  fo  grell  als  möglid;  b^erbortreten  laffen" 
(grtebricb,  III,  ©.  836).  3n  *>er  am  24-  ^Px^  ftattftnbenben  brüten  öffentlichen  ©i^ung, 
bei  ber  667  Bäter  anroefenb  roaren,  mürbe  bie  Constitutio  de  fide  catholica 
einftimmtg  angenommen  unb  bie geftftellung  biefe§  Stefultateg  fofort  bon  bem  5Pabft 
„beftätigt"  (Coli.  L.  p.  247  ff.). 

65  3.  Sie  Berijanblungen  über  bie  3nf allibilität^borlage  unb  bie  2ln= 
nab^rne  ber  Constitutio  De  ecclesia  Christi  in  ber  bierten  ©itjung 
am  18.  Qult  1870. 

@in  Borfbtel  beg  je^t  beginnenben  großen  Siebelambfeö  um  bte  ^nfallibilität  roaren 
bie  Berfud;e  einiger  bebeutenber  Btfdjöfe  ber  SUltnorität,  auf  Ittterarifdjem  SSege  ib^re  ^on= 

60  ft)nobalen  über  bte  großen,  tt)rer  Definition  im  Söege  ftel)enben  ©cb^mierigfeiten  aufju= 


^attfamfefjeS  ®on5tl  463 

Hären,  bocb,  nutzten  fie  Wegen  ber  $enfur  tfyre  ©Triften  aufeerfyalb  ))iom$  crfd;cinen  laffen. 
Äarbinal  Skufcfycr  fcfyrieb  Observationes  quaedam  de  infallibilitatis  ecclesiae  sub- 
iecto,  von  33tfdE>of  §efele  ersten:  Causa  Honorii  papae,  $arbinal  ©cfiWar^enberg  ber= 
anlafete  bie  bon  feinem  t^eologtfdjen  Berater  ößrof.  ©.  9Jto;er  in  Vrag)  berfafetc  ©ebrift  De 
sumrai  pontificis  infallibilitate  personali  unb  Sifcf/of  £etteler  liefe  eine  in  ©olotfjurn  5 
gebrudte  ®enffd)rift  „Quaestio"  berteilen,  bie  bei  ifyrem  ©tntreffen  in  9iom  auf  ber  Voft 
fonftgaiert  unb  erft  nad)  energifdjer  9leuamation  freigegeben  Würbe,  ©er  ©inbruef  biefer 
©Triften  War  nidit  gering  (über  ©egenfcbjiften  bgl.  ©ranberatb,  III,  ©.  44  ff.),  aber  bei 
ber  gufammenfe^ung  beg  ^ottjttö  ofyne  entfd)eibenbe  SBirfung. 

©djon    in    ber    erften    auf   bie    britte    öffentliche    ©itjung    folgenben    ©eneral=  10 
fongregation    am    29.  Stbril    Würbe   bie  Vorlage   eineg  Schema   de  Romano  ponti- 
fice  angetunbtgt  (Coli.  L.    p.  740).     2lug   ben   Greifen  ber  Majorität   Würbe  biefer 
©cfyritt  mit  greuben  begrübt  (ib.  p.  979  f.),  jugleid;  aber  broteftierten  einunbfiebjig  Väter 
mit    cnergifcfyen    Söorten    bagegen,    bafe   ofyne    borangegangene    geftfteüung   ber  £eb,re 
bon  ber  äixdje   bie  bon  ber  Unfehlbarkeit   beg   Vabfteg  bebanbelt  werbe  (ib.  p.  980  ff.),  15 
freiließ    bergeblicb.     ®ie    ©laubengbebutation,  bei  ber  bie    big    jum   25.  3)iärj   abju= 
liefernben  ©utaebten  ber   Väter   über  bag  ©cfyema   De  ecclesia   in   großer  3ab,I   ein= 
gelaufen  Waren   (Synopsis   analytica  observationum  quae  a   patribus  in  caput 
et  canones   de  romani   pontificis   primatu  faetae   fuerunt,  abgebrudt:   griebriefy, 
Documenta  II,  p.  179 — 289)  batte  am  27.  2lbril  mit   ben  Verljanblungen   über   ben  20 
(Entwurf  beg  burefy  bie  Veränberung  beg  2trbeitgbrogrammg  noiWenbig  geworbenen  neuen 
©djemag  begonnen  unb  War  bamit,   nidbt  ofme  bafe  in   it)rer   eigenen  Sftitte  ®ifferenjen 
aufgetaucht  waren,  big  jum  8.  Sftai  jum  2lbfd)Iufe  gelangt  (©ranberatb,  III,  ©.  121  ff.). 
Unter  bie  ©tmobalen  Würbe  bag  neue  ©cfyema  jufammen  mit  bem  Veridjt  ber  ©laubeng= 
bebutation  (Coli.  L.  p.  2 74 ff.)    am   9.  3Jiai   übergeben.     £>ag  ©cbema   (ib.  p.  269 ff.)  25 
führte  ben  2itel  Constitutio  dogmatica  prima  de  ecclesia  Christi  unb  beftanb  aug 
einer  (Einleitung  unb  bier  Kapiteln :   1.  De  apostolici  primatus  in  beato  Petro  in- 
stitutione,  2.  De  perpetuitate  primatus  Petri  in  romanis  pontifieibus,  3.  De  vi 
et  ratione  primatus   romani  pontificis,    4.  De   romani    pontificis   infallibilitate 
nebft  brei  canones.     $I)m  lag  bag  elfte  ^abitel  jeneg   erften  ©djemag   De  ecclesia  30 
Christi  unb  bag  Caput  addendum  bom  6.  Wläv%  ju  ©runbe. 

2lm  13.  9J£ai  begann  bie  ©eneralbebatte  in  ber  fünfjtgften  ©enerallongregation,  ein= 
geleitet  bureb,  ben  33eridt)t  beg  Vifcfyofg  Vte  bon  Vottierg  (Coli.  L.  p.  290  ff.),  ^n  ben  toteren 
©eneralfongregationen,  bie  fie  auggefüllt  §at,  Würben  bterunbfec^gtg  Sieben  gehalten  (©ranbe= 
ratt)  III,  ©.  285),  bie  jum  5£eil  ben  (5b,arafter  bon  2lbl)anblungen  trugen  unb  begreiflicfyerWeife  33 
biele  SBieberbolungen  aufwiefen.  2llg  einen  Verftofe  gegen  bie  Sogt!  bezeichnete  Vifdwf 
£abib  bon  ©aint  Vrieuc  bag  Verfahren,  über  ben  Vabft  (Sruärungen  abzugeben,  bebor 
bie  Sefyre  bon  ber  ^ird^e  feftgeftellt  fei,  ^arbinal  ©djWarjenberg  unterftüijte  biefen  Angriff 
auf  bie  beränberte  ^agegorbnung,  unb  ja^lreic^e  anbere  9tebner  folgten  ibm  barin.  SStfc^of 
©reitb,  bon  ©t.  ©allen  fbrad)  eg  offen  aug,  bafe  ber  ^Definition  ber  bäbftlicfyen  Unfebl=  40 
barfeit  nicfyt  nur  gWedmäfeigteitggrünbe  im  2Bege  ftünben,  fonbern  aueb,  Sebenfen  gegen 
bie  2eb,re  felbft.  Sifc^of  §efele  bon  SJottenburg,  ber  Wol;l  alle  ©^nobalen  an  @efcbid)t<s= 
fenntni§  überragte  unb  auf  bem  ©ebiet  feiner  fipejiellen  gorfcfyung,  in  ber  ©efd;id;te  ber 
lonjilien,  eine  anerfannte  Stutorität^fteHung  bel^aubtete,  fbrad;  al3  §iftoriler  unb  führte 
ba3  firc^lic^e  Altertum  in§  ^e^/  ^ox  allem  bie  Verurteilung  be§  $abfte§  §onoriul  I.  bureb,  45 
ba£  fedb,fte  öfumenifdje  J^onjil.  Sifcfjof  ^etteler  bon  s3Jcainj  führte  au§,  bafj  bureb,  bie  ©rb, ebung 
ber  bisher  nur  als  ©c^ulmeinung  bertretenen  £efyre  bon  ber  bäbftlicljen  Unfeb,lbarfeit  jur 
Söürbe  eineg  ©ogma§  „bie  göttliche  ^onftitution  ber  Äirdb,e  beränbert  unb  bemid)tet  ju 
toerben  fcb,eint".  2113  33ifd)of  Verot  bon  ©t.  2luguftin  feine  ben  ©egnern  offenbar  recfyt 
embfinblid)en  ^iftorifc^en  2lu3füb,rungen  in  bie  ©rtlärung  au^münben  liefe,  bafe  ei  ib/m  öo 
aU  ein  ©afrileg  erfcb,einen  Würbe,  biefer  Seb,re  feine  ©timme  ju  geben,  Würbe  er  bon 
bem  ^ßräfibenten  (Sa^alti  febjoff  unterbrodjen  unb  be  2Ingeli3  entzog  ib,  m  ba3  2Bort.  Sifcb,  of 
be  lag  Safeg  bolemifierte  gegen  bie  Vorlage,  Weil  babureb,  bie  Verfaffung  ber  Rhdjz  bcr= 
änbert;unb  aug  einer  ariftotratifd)en  in  eine  abfolut  monarcbjfcb,  e  umgeWanbelt  Würbe.  Qn  ber 
bon  ©trofema^er  gehaltenen  9tebe  Würbe  aug  bem  ^e^ertaufftreit  nacb,geWiefen,  bafe  bao  55 
britte  3ab,rb,unbert  nidjtg  bon  einer  Unfef)lbarfeit  beg  römifdien  93ifcb.ofg  Wufete.  33ifd)of 
9Jcaret  führte  aug,  bafe  ber  llnfefylbarfeitgcfyarafter  einer  bäbftlid;en  Se^rentfdjeibung  bon 
ber  3uftimmung  ber  Vifd)öfe  abhängig  fei.  gür  Sifd^of  ©infcl  bon  X'fuggburg  War  ber 
Mangel  eineg  ".fynWeifeg  auf  bie  Unfe^lbarfeit  in  Wt  16,  18  f.  ber  augreidb,enbe 
SdjriftbcWeig  gegen  biefe  2eb,re.  —  ®a  nad)  allgemeiner  2lnfc^auung  für  bie  Togmatifie=  60 


464  SattfantfdjeS  ftons« 

rung  einer  £e£>re  nicfyt  nur  für  notmenbig  erachtet  mirb,  baf$  fie  in  ber  göttlichen  Dffen= 
barung  enthalten  tft,  fonbern  aufy,  baf?  baö  2Bot)l  ber  $ira)e  ib/re  geftlegung  bedangt 
(©ranberatb;  III,  ©.  213),  fo  taufte  bie  $rage  ifyrer  Opportunität  in  ber  ^Debatte  immer 
toieber  auf  unb  mar  aud?  g<*t  nict;t  ju  umgeben.  S3ifct)of  9libet  bon  SDijon  fe$te  b/ier 
s  ein  unb  geigte,  bafs  fie  für  nicfyt  menige  unerträglich  fei,  bem  SBofyl  ber  $irc|e  fdjabe  unb 
für  bie  Regierung  ber  Üirct/e  unnü|  fei.  (Ebenfo  berneinte  ^arbinal  ©djmaräenberg  ifyre 
23egrünbung  au§  ben  33ebürfniffen  ber  ©egenmart  unb  ^arbinal  Steufcfyer  beftritt,  bafj  bie 
adjt^n  ^abjlmnberte  gcltenbe  Überzeugung  bon  ber  Unfefylbarfeit  ber  ©e!rete  allgemeiner 
SJonjüe  unb  ber  bon  ber  liretje  angenommenen  ®elrete  ber  ^äpfte  nicfyt  mefjr  genügenb  fei. 

io  3u  ben  micfytigften  Sieben  gehört  bie  beä  (Ergbifcfyofg  SDarbob.  bon  $ari§  (ebenb.  ©.  233 
big  240),  ber  bie  33orgefcf)icf)te  be§  ©d)emas  fritifierte,  bie  borgefcfylagene  ^Definition  an 
ben  für  eine  folcfye  geltenben  (Erforberniffen  prüfte  unb  bie  praftifcfyen  SBirfungen  tbrer 
2lnnal)me  unterfucfjte.  —  33on  infaßtbiliftifcfyer  ©eite  mürbe  natürlich,  berfud)t,  aHe  biefe 
Argumente  ju  entkräften  unb  bie  ^ftotmenbigfeit  bes>  ®ogma3  ju  ermeifen,  bor  aUem  aucr) 

15  au<§  ber  bamaligen  $eitlage  ju  rechtfertigen,  (Ergbifdmf  Seafyp  bon  6afr)el  fanb  bie  Sefyre 
unmittelbar  in  ber  ©cf/rift  mitgeteilt,  ©rgbtfcfoof  ©palbing  bon  ^Baltimore  lieferte  nad) 
©ranberaify  „feb/r  grünblicb/'  ben  Xrabitionsbemeis,  ber  $atrtard)  3Salerga  [teilte  feine 
©egner  mit  ben  9J{onott)eleten  in  parallele.  S)a|  gange  Sänber  bie  ^Definition  t/erbei= 
feinten,  mürbe  bielfact;  berfiebert  unb  tbre  ßmedmäfsigfett  meb/rfacb,  aus  bem  angeblichen 

20  Verfall  ber  afatbolifeben  #tNird)en  begrünbet.  ^arbinal  50tanning  bemühte  fiel;  um  biefen 
^Jtac^meig  für  (Englanb,  (Ergbtfdmf  ©cr/aepmamt  bon  Utrecht  für  §oßanb,  ©r§bifdE)of  5ftabba= 
lena  bon  (Eorfu  für  bie  fcbtömattfcben  ©rieben.  3lber  roeber  bie  Sieben  ber  einen  nod) 
bie  ber  anbeten  Partei  Itaben  auf  ben  ©egner  überjeugenb  gemirlt;  bie  ©ebatte  mogte 
r/in  unb  fyer,  man  bätte  nod)  SRonate  lang  in  biefer  9Beife  meiter  bigfutteren  lönnen  ofme 

25  bafs  bie  3lu€ficbt  auf  SSerftänbigung  gemacf)fen  märe.  —  3lm  3.  ^$uni  gelangte  ein  bon 
meb/r  aI<B  b/unbertunbfünfgig  Tätern  unterjeiclmeter  Slntrag  auf  ©cf/Iuf$  ber  ©eneralbebatte 
(Coli.  L.  p.  984)  §ur  2InnaI)me  (ib.  p.  748),  moburef)  biergig  noeb;  eingefd/riebenen  9?ebnern 
bas>  SKort  entzogen  mürbe  (griebriel)  III,  ©.  1849).  SDer  bon  einunbacb^tjig  ©pnobalen 
gegen  biefe  33erleljung  be§  jebem  bon  iljmen  jufteltenben  SRecbteä,  bie  ©rünbe  feiner  2lb= 

30  ftimmung  borjutragen,  eingelegte  ^roteft  (Coli.  L.  p.  986  ff.)  mürbe  unter  ■'pinmeü  auf 
ba§  päpfilid)e  SDefret  bom  20.  Februar  bon  bem  ^räfibenten  ntebt  angenommen. 

$Die  am  6.  Quni  beginnende  ©pegialbebatte  bat  fiel)  nur  Iurg  bei  ber  (Einleitung 
(Coli.  L.  p.  269)  aufgehalten.  2113  33ifd)of  «ßerot  erllärte,  ba£  bie  Borred/te  beö  $apfte§ 
nieb/t  nad)  bem  alten  ©lauben  ber  Sttrcfye,  fonbern  nad)  ber  3tuffaffung  ber  Ultramontanen 

35  bargelegt  mürben,  mürbe  er  §ur  ©acfye  gerufen  (©ranberatl)  III,  ©.  296).  Sifcb^of  Söierb. 
bon  ©url  toanbte  fid)  bagegen,  bajj  ber  ^apft  perpetuum  prineipium  ac  visibile 
fundamentum  ber  ©inf;eit  ber  Äird)e  genannt  mürbe.  2Inbere  münfd}ten  eine  gang  neue 
(Einleitung,  ison  ben  eingereichten  35erbefferungäborfcf)Iägen  fanb  bie  ©laubenSbebutation 
nur  menig  brauchbar,  ber  bon  ibr  rebibierte  £er.t  mürbe  am  2.  Quü  faft  einftimmig  an= 

40  genommen  (Coli.  L.  p.  756).  —  Stucb  bie  3Serf)anblung  über  ba§  erfte  unb  jmeite  Äabitel 
über  bie  (Einfettung  be§  ^rimatö  unb  feine  gortbauer  in  ben  römifeb^en  23ifd)bfen  (ib. 
p.  270ff.)  mürbe  rafd)  erlebigt.  ©ie  gelangten  mit  geringen  Slbänberungen  an  bem 
gleichen  Sage  5m  3lnnaf)me  (ib.  p.  756).  3>on  ^ntereffe  ift,  ba^  bie  ©lauben§beputation 
ben  bon  @rjbifd)of  iRon-jon  bon  ©ranaba  geftellten  Slntrag,  ba3  göttliche  SHccbt  ber  Bereinigung 

45  be<§  ^ßrimat§  mit  bem  römifd)en  ©tub,l  au^ufpred^en,  abgelehnt  b^at.  —  ©röfjere  ©d;miertg= 
leiten  geigten  fiel)  bei  ben  SSerfyanblungen  über  ba<8  brüte  Hapitel,  in  bem  ba3  SBefen 
unb  bie  Sebeutung  be§  ^ßrimat^  feftgeftellt  mürbe  (ib.  p.  271  f.).  £ier  probojierte  ju= 
näcbjt  bie  2Benbung,  ba^  bem  ^3apft  eine  plena  potestas  pascendi,  regendi  ac  guber- 
nandi  universalem  ecclesiam  gufomme,  ba§  Verlangen  nacb,  §injufügung  irgenb  melier 

50  33egrenjungen.  33ifdbof  3Serot  gab  feiner  S?ritil  ber  bon  ber  ultramontanen  ©dwle  ber= 
tretenen  Stuffaffung  ber  päpftlicb,en  ©emalt  bie  fd;arfe  Formulierung,  ba|  er  einen  $anon 
borftt)Iug  (Si  quis  dixerit,  tarn  plenam  esse  Romani  pontificis  auetoritatem  in 
ecclesia,  ut  omnia  pro  nutu  suo  disponere  valeat,  anathema  sit),  ber  ifym  eine 
überaus  febatfe  ßurüd'meifung  be§  ^räfibenten  ßapalti  eintrug  (©ranberatl)  III,  ©.  316). 

55  gerner  beftanben  3)ifferen§en  über  bie  ©ä|e  beS  (Entmurfs,  bie  ben  ^Sapft  für  ben 
supremus  iudex  in  bem  ©inn  erklärten,  ba^  eine  Appellation  bon  feiner  (Sntftt)eibung 
an  ba§  öfumenifd)e  l^onjil  au§gefd)Ioffen  mürbe,  ba  ibre  2lnerlennung  eine  S3inbung 
in  33e^ug  auf  bie  ^nfallibilitätöfrage  enthielt.  (Enblid)  erregte  eg  Seben!en,  baf 
bie   potestas   iurisdictionis  be§   ^ßapfte<3,    ber    alle   §irten   unb   ©laubigen   auf  ber 

60  gangen  SBelt  ©eborfam  fcfjulben,   all  episcopalis,  ordinaria  et  immediata  begetcfynet 


SBattfantfrfjcS  ®onpl  465 

mürbe  (Coli.  L.  p.  271).  %ion  berfd/iebenen  ©etten  mürbe  bie  (Streichung  biefer  2lu3= 
brüde  geamnfd;t,  bon  SBifdmf  ©ola  Don  SKi^a  mit  ber  ÜJiotibierung,  bafs  bei  ü)rer  2ln= 
naljme  bcr  ^3abft  ber  einzige  58tfd;of  in  ber  ganzen  $trd;e  fein  würbe,  mäfyrenb  alle 
übrigen  SBifcfyöfe  nur  nocb,  bie  ©eneralbüare  be3  ^kbjtesi  genannt  merben  bürften  (®ranbe= 
ratb,  III,  ©.  333).  2113  fbäter  über  bie  eingereihten  SefferungSborfdjläge  (Coli.  L.  5 
p.  332  ff.)  am  5.  Qult  bon  ber  ©laubenäbebutation  33ertct;t  erftattet  mürbe,  tarn  e3  nocb,  über  ben 
britten  $anon,  ber  eine  beränberte,  nicb,  t  borgefdjlagene  gaffung  erhalten  I)atte,  ju  fdjarfen 
2tu3etnanberfe£ungen  (grtebricb,  III,  ©.  1163 f.;  ©ranberatb,  III,  ©.  370 ff.).  $ie  3ln* 
nafyme  be£  britten  ÄapitelS  famt  beS  zugehörigen  Kanons  erfolgte  am  11.  ^uli  (Coli. 
L.  p.  758).  10 

2Jcit  ungefdjmäcf)ter  ®raft  trat  bie  ©imobe  am  15.  ^uni  in  bie  ©be^talbebatte  über 
ba3  bierte  Kapitel  ein.  2lu3  ben.  Seben  greifen  mir  nur  bie  bes>  ©ominifanerS  Äarbinal 
©uibi  @rjbtfcb,Df  Don  ^Bologna  ^erau§,  meit  fie  befonbere<§  2IuffeI)en  erregt  I)at.  @r  beftritt 
nicfyt  bie  tlnfet)lbarfeit  be§  ^papfteg,  aber  fbracb,  fie  nur  ben  @ntfd)eibungen  beg  ^apfte<§ 
ju,  nicfyt  beffen  ^erfon,  unb  erklärte,  bafs  ber  $abft  an  ben  borfjer  eingeholten  "Rat  ber  15 
ÜBtfcfybfe  gebunben  fei,  meiere  bie  ^rabition  ber  Äircfye  bezeugen.  33on  feiten  ber  9Jtefyr= 
b/it  30g  er  fkf)  ftarfe  Stufjerungen  bei  5Rtf3falIem§  %u  (griebrict)  III,  ©.  1110  ff.,  @ranbe= 
ratb,  III,  ©.  395  ff.)  unb  mürbe  fofort  naefy  ber  ©i£ung  in  ben  SSatifan  gitiert,  um  fieb, 
ju  berantmorten.  ^}iu3  IX.  liefe  iljm  t)art  an  unb  fd)Iug  bie  Berufung  auf  bie  Srabition 
ber  Äirdje  bureb,  ba§  berühmt  gemorbene  SBort  nieber :  „bie  Srabttion  bin  idj."  Slnfang  20 
$uli  brang  in  ber  ©bnobe  bie  Überzeugung  burd),  bafj  mal  für  unb  gegen  bie  Vorlage 
gefagt  merben  lonnte,  gefagt  morben  mar,  aueb,  bie  33ifd;bfe  ber  3Jttnbert)ett  berfbracfyen 
fieb,  feinen  Vorteil  bon  ber  3Seiterfü§rung  ber  ©ilfuffton.  $Daju  fam,  bafj  bie  §i|e 
immer  unerträglicher  mürbe  unb  ^a^Iretc^e  Dbfer  forberte  (2.  SOeuillot  fcfyrieb  bamall: 
„Et  si  la  definition  ne  peut  mürir  qu'au  soleil,  eh  bien,  on  grillera"  bgl.  Quirinul  2s 
©.  571).  ^nfolgebeffen  mud;§  bie  Qaty  ber  auf  ba3  2ßort  ber$id)tenben  angemel= 
beten  3iebner  bon  SEag  ^u  ^ag,  fo  bafs  am  4.  Quli  in  ber  jmeiunbac^tjigften  ©eneral= 
longregation  bie  ©bejialbebatte  gefdjloffen  merben  tonnte,  nact/bem  ju  biefem  feierten  ^abitel 
fiebenunbfünfjig  $äter  gefbrocfyen  unb  einunbfecbjig  auf  Dag  2ö°rt  beratet  blatten. 
3Jun  gelangte  ber  grofje  $ambf  rafet)  gu  feinem  @nbe,  boeb,  md)t  otme  unerwartete  ^ 
3mifcf)enfäEe.  9cad;bem  bie  ©laubenSbebutation  in  ber  ©enerallongregation  Dom 
11.  3u"i  über  bie  bon  ben  Tätern  eingereichten  23erbefferungs>borfd;läge  (Coli.  L. 
p.  372  ff.)  bureb,  Sifcfyof  ©affer  bon  Srijen  33ericb,t  (ib.  p.  382  ff.)  erftattet  unb  eine 
neue  Sefinitionsformel  borgefcfjlagen  blatte,  mürbe  in  ber  fünfunbad)tjigften  ©eneral!ongre= 
gation  am  13.  ^uli  ba§  bierte  Äabitel  angenommen  unb  barauf  ba§  ganje  ©djema  jur  35 
älbftimmung  gebraut.  SDa§  @rgebni§  erregte  grofjeä  2luffeb,en,  nicf>t  meil  bie  SSorlage 
angenommen  mürbe  —  barüber  beftanb  fein  ^wäfd  —  fonbern  meil  bon  ben  anmefen= 
ben  601  3Sätern  nur  451  mit  placet  ftimmten,  bagegen  88  mit  non  placet  unb  62  mit 
placet  iuxta  modum  (ib.  p.  760).  $u  ben  mit  non  placet  Slbftimmenben  gehörten 
u.  a.  (Duirinul  ©.  609  ff. ;  griebrkr),  Documenta  II,  p.426ff.):  ©ie ^arbinäle  ©cljtoarjen;  ^ 
berg  (^jßrag),  sIRattneu  (Sefangon),  9iaufct)er  (2Bien),  bie  Patriarchen  3uffuf  (2lntiocf)ta) 
unb  älubu  (Sabtylonien),  bie  ©rjbifcljöfe  unb  §8ifdE)öfe  a)  au§  granf'reicf)  ©inoulb^iac 
(S^on),  darbot;  (^ßarig),  gjfarguer^e  (lutun),  3iibet  (SDtjon),  ©ubont  be§  Sogeg  (sKe^), 
Subanloub  (Orleans), ,  Warat  (©ura  i.  p.  i.),  ©abtb  (©t.  Srieuc),  ^lace  (3JiarfetHe) ; 
b)  ©eutfd;lanb  unb  Öfterreid)=Ungarn :  ©imor  (©ran),  gürftenberg  (Dlmü§),  ©cb,err  45 
(9Jiünct)en),  ©einlein  (Bamberg),  Sßter^ei^fto,  (Semberg),  §at;nalb  (Äallocfa),  Mtekv 
(^Oiainj),  ©trofema^er  (Bosnien  unb  ©tirmtum),  görfter  (Srellau),  gormerf  (ab oft.  ißtfar 
bon  ©ad)fen),  SDinlel  (2lug§burg),  2Biert)  (®urf),  @berf)arb  (SErier),  SBedmann  (Oönabrücf), 
6remen|  (©rmlanb),  5Ramf janoiböft  (^3robft  ber  breufe.  älrmee  in  Serlin),  ^efele  (5Rotten= 
bur9) ;  c)  Italien :  ^ajari  bi  ßalabiana  (TOailanb),  Sofanna  (Stella) ;  d)  ©rofebrttannien  50 
unb  bereinigte  ©taaten  bon  -Korbamerifa :  6onollb  (§alifaj),  gi^geralb  (Sittle^Rocf), 
Kenrid'  (Souilbille),  Sourget  (Montreal).  In  ber  Slbftimmung  l>aben  fiel;,  obmofil  in 
9tom  anmefenb,  nict;t  beteiligt  bie  Harbinäle:  hattet,  Drfei,  Quaglia,  §ob,enlof;e,  Sernarbi, 
älntoneEi,  ©raffelini.  $u  ben  bebingt  ^uftimmenben  gehörten:  ^arbinal  ©uibi  bon 
Bologna,  Sannocjt)  (©aljburg),  3Jielcf)er§  (^öln),  Sanbrtot  (9ftf>etm§),  Siccio  ((Sajasjo).      65 

2lngefid)tä  ber  beborftefyenben  @ntfc£;etbung  mürbe  bon  ben  ©egnern  ber  ®efimtton 
nod;  ein  le|ter  SSerfud)  gemacht,  fie  in  i£>rem  ©inne  ju  beetnfluffen.  @rjbtfd;of  ®arbob 
richtete  in  ber  ©enlfdjrtft  „La  derniere  heure  du  concile"  einen  2tbbeH  an  bie  W\U 
glieber  ber  ©rmobe  (^rtebrtct)  III,  ©.  1177  ff.),  beren  für  bie  Majorität  unb  bie  Seiter 
be3  ^onjilg  beinlidje  geftftetlungen  fo  grope  (Srregung  l>erborriefen,  bafe  ein  ^]roteft  gegen  60 

iRea[=^nc«flopäbie  für  I^eoloaie  unb  Ätr*e.    3.  a.  xx.  30 


466  $aiifamfd)cg  Stonpl 

biefc  Vrofcfjüre  in  ber  fedj<3unbad)tzigften  ©eneralfongregation  am  16.  ^uli  für  nötig  er= 
achtet  Worben  ift.  3lm  ätbenb  be£  15.  JJuIi  Würbe  eine  Deputation  bon  fecfyg  Vtfd)öfen  ber 
üftinberfyeit  (©imor,  ©moulfyiac,  Darbob,  ©djerr,  Ketteier  unb  SRtüet)  bon  Viu<§  IX.  em= 
bfangen.  2Bag  fie  erbat,  blieb  hinter  ben  b'xtyet  bon  U)r  erhobenen  gorberungen  Weit  jurüd, 
6  benn  fie  befcfyränfte  ftdj  auf  bie  jtoei  Sffiünfdje,  bafj  bie  SBorte  Don  ber  plenitudo  potestatis 
im  brüten  Kabitel  gefiria)en  unb  im  bierten  Kabitel  ber  älusfage  über  bie  bäbftltcfye  Un= 
fefylbarfeit  bie  2Borte  hinzugefügt  mürben,  baf?  er  fid^>  bei  il)rer  Vetfyätigung  auf  ba# 
geugnis  ber  Kirdje  ftüije.  Ketteier  marf  ficfy  bor  bem  Vabft  ju  Voben  unb  flehte  dm 
an,  „ber  Vater  ber  fatljolifdjen  Söelt  möge  ber  Kirche  unb  bem  ©biffobat  burd;   etWa§ 

io  9?ad}giebigfeit  ^rieben  unb  bie  berlorene  ©inigteit  wiebergeben"  (QuirinuS  ©.  625). 
ViuälX.  gab  tfmax  feine  beftimmte  $ufage,  a&er  fein  Verhalten  Wedte  neue  Hoffnungen; 
bafe  fie  trügerifd)  Waren,  betoie§  bereite  ber  näcfyfte  %ag>.  Die  SBirfung  alter  bicfer  95e= 
mü^ungen  mar  jebocr)  eine  nocfy  Weitere  SScrfd^ärfung  bc§  Defretg.  Denn  bie  ©laubcn§= 
bebutation  beantragte,  ben  ©cfylufeWorten  „Huiusmodi  definitiones  romani  pontificis 

15  ex  sese  irreformabiles  esse"  ben  Qu\afy  ju  geben  „non  autem  ex  consensu 
ecclesiae"  unb  bie  fecf)3unbad;tzigften  ©eneralfongregation  fyat  ifm  am  16.  $ult  angenommen, 
ofme  über  biefe  bebeutung§boßen  2öorte  übertäubt  notf)  in  eine  Beratung  einzutreten 
(griebrid;  III,  ©.  1185). 

Durd;  bie  Sfnfetjung  ber  bierten  öffentlichen  ©itiung  auf  ben  18.  $uli  für  befinitibe 

20  Slbftimmung  trat  ber  Kambf  um  bie  Unfehlbarkeit  in  fein  le^teS  ©tabium.  Sie  9JIino= 
rität  befanb  fidj  in  einer  bezweifelten  Sage.  Die  fefte  Drganifation  einer  Partei  befajj 
fie  nicf)t  unb  blatte  fie  fid;  nid)t  fdjaffen  fönncn,  ba  bie  fe^r  berfdjnebenen  Elemente  in 
tbjer  -Kitte  nur  burd)  bie  Verneinung  ber  gWedinäfjigfeit  oer  Definition  ber  3nfa^= 
bilttät  zusammengehalten    Würben,    nid)t  burd;   bie   Stbleljmung  ber  fiebere  felbft.    2Bar 

25  infolge  biefer  ©abläge  fd;on  in  ben  bergangenen  9JJonaten  ein  einfyeitlidjeö  Vorgehen 
fefyr  erfcfywert  Worben,  fo  War  ein  fotd;e3  bon  bem  SJJoment  an  übertäubt  nid;t  mefyr  er= 
reizbar,  feit  mit  ber  Verfünbigung  beö  Dogmas  alg  mit  einer  unmittelbar  beborfteljenben 
5Eatfad;e  geregnet  Werben  muftte.  Denn  ber  Ausübung  be<§  9ted;te3,  aud;  bei  ber  ent= 
fd)eibenben    ©cblufjabfiimmung   baö    ablel)nenbe    Votum    feftzufyalten ,   fteHten   fid;    (Sr= 

30  wägungen  ber  ^ßietät  in  ben  2Beg,  bor  allem  gegen  bie  Verfon  bes>  ^3abfte3,  ber  feinen 
Zweifel  barüber  gelaffen  blatte,  bafs  er  auf  bie  2tnnaf>me  bes  Dogmas  ba$  größte  ©eWid;t 
legte,  unb  bie  gura)t  bor  einer  ^Benachteiligung  bes>  SlnfefyemS  ber  Kirche  burd)  eine 
obbofitionefle  Kunbgebung  bor  ber  grofjen  Öffentlicfyfett.  Unter  biefen  Umftänben  blieb 
ifynen  fein  anberer  2lu§Weg,   aU  fid;  bon  ber  ©iijung  fernzuhalten.     Durd;  bie  $urie 

35  felbft  Würbe  er  empfohlen  unb  nahegelegt.  Söäbrenb  nämlid;  big  gu  biefem  ^eitbunft  ben 
©imobalen  unterfagt  geWefen  War,  diom  ju  berlaffen,  War  am  16.  $uli  ben  J?ongiI^= 
bätern  allgemein  bie  ®rlaubni<g  erteilt  Worben,  Urlaub  zu  nehmen  (vel  ratione  valetudinis 
vel  ratione  negotiorum  in  dioecesi  peragendorum,  Coli.  L.  p.  761).  21m  17.  ^uli 
überfanbten  barauffnn  fünfunbfünfjig  Sifd; öfe  ber  Minorität  ein  Schreiben  an  ben  $abft  (ib. 

40  p.  994 f.;  griebrid)  III,  ©.  1194 ff.),  in  bem  fie  fid)  aufö  neue  z"  i^rer  Slbftimmung 
bom  13.  2>uli  befannten  unb  bie  ©rflärung  abgaben,  au£  3flüdfid;t  auf  if)n  ber  ©i^ung 
fern  bleiben   z"  Wollen   (Pietas  fidelis  et    reverentia  non  patiuntur  nos  in 

causa  personam  sanctitatis  vestrae  adeo  proxime  concernente  palam  et  in  facie 
patris  dicere:  non  placet).    Daf?  fie  burd;  ibje  Greife  ben  Äambfpla^  räumten,  War 

45  i£)ncn  in  biefem  3lugenbltd,  Wie  e§  fcfyeint,  nicb^t  flar,  unb  bie  äkrabrcbung,  bafe  „für 
ben  %aü  be§  2tnfinncnS,  ba§  Dogma  anjuerfennen  unb  zu  berfünbigen,  feiner  borfdmcll 
für  fid;  f)anbeln  foEe,  fonbern  bie  33ifd)öfe  ber  einzelnen  Sänber  zubor  nod)  eine  Qu- 
fammenfunft  b,aben  unb  jebe  Nation  mit  ber  anberen  fonfericren  foßen"  (§efele  an 
DöUmger   10.  Sluguft  1870;   ^riebridi   III,  ©.  1198;  ©ranberatb;  III,   ©.  557 f.),   ift 

so  ntd)t  gehalten  Worben.  Die  ©efab;r,  bafe  eine  gröjjere  3a^I  bon  Vifcf;öfen  fid)  bem 
fommenben  Dogma  nid^t  unterwerfen  Würbe,  War  mithin  befeitigt,  bebor  e3  befiniert  War. 
6rzbifd)of  9JMd)erS  unb  S3tfc6of  b.  Äetteler  erflärten  fdjriftlid;  t^re  Unterwerfung,  ef;e  fie 
ÜRom  berliefeen.  —  ^n  ber  öffentlichen  ©i^ung  am  18.  ^uli  (Coli.  L.  p.  481  ff.)  Waren 
fünfl)unbertfünfunbbreif3ig   Väter  anWefenb.     Slufjer    33ifd;of  Sticcio   bon   &a\aföo   unb 

55  Vifd)of  gi^geralb  bon  Sittle  Nod  ftimmten  alle  mit  placet,  ber  Vabft  berfünbtgte  barauf 
bie  Definition  unb  bie  Veftätigung  ber  Sefcfylüffe.  grjodp  in  berfelben  ©i|ung  unterwarfen 
fid;  bie   beiben   genannten  biffentierenben  Vifcb,öfe  (©ranberatb^  III,  ©.  502  f.) 

4.  Die  Vertagung  be§  $onzil3.    %lod)  brei  ©eneralfongregationen  b^aben  nad; 
ber  bierten  ©i£ung  ftattgefunben,  aber  eg  Waren  unbebeutenbe  2lngelegenf)eiten,  mit  benen 

60  ba<§  Konzil  nod;  einige  3Bod;en   befeb^äftigt   unb  feftgeb^alten   Worben   ift.    3lm  26.  ^uti 


BattfunifdjeS  iton^ti  46? 

würbe  bert  ©fynobalcn  ba3  Schema  super  apostolicis  missionibus  (Coli.  L.  p.  682  ff.) 
mit  ber  Beftimmung,  bie  BerbefferungSborfdjIäge  big  jum  20.  Sluguft  borjulegen,  überreicht 
(ib.  p.  762);  eS  ift  nicb/t  mefyr  jur  Berb/anblung  gelangt.  Sie  ftebcnunbad;t§igfte  ©enerat= 
fongregation  am  13.  2luguft  befcfyräntte  fid)  barauf,  bie  sufammengef^moljene  Si<^iblinar= 
bebutation  ju  ergänzen  (ib.  p.  763).  Sa3  rebibierte  Schema  de  sede  episcopali  vacante  toar  5 
ber  ©egenftanb  einer  furjen  Sebatte  in  ber  adjitunbad^igften  ©eneralfongregation  am 
23. Sluguft  (p.  764)  unb  rourbe  in  ber  neununbacb^igften  ©eneralfongregation  nad!  ben  Bor= 
fernlägen  ber  ©laubenöbebutation  am  1.  ©ebtember  angenommen.  —  Sic  gafjl  ber  ©fynobalen 
batte  fieb,  injroifdjen  fortbauernb  berminbert.  Sie  Berechtigung  jur  Setfnab,  me  an  bem  ^onjil 
Ratten  gegen  1050  Prälaten  befeffen  (©ranberatf)  II,  ©.  27),  bon  benen  aber  nur  774  Bäter  10 
erfebienen  unb  aud)  nieb t  bauernb  berfammelt  waren,  $n  ber  brüten  öffentlichen  ©iijung  am 
24. 2lbrit  r/atten  667  ©tmobale  abgeftimmt,  in  ber  vierten  am  18.  $uli  noeb,  535,  bann  aber 
fanfen  rafdt;  bie  gtffern  bev  2lnt»efenben:  am  13.  Sluguft  roaren  e§  136,  am  23.  2luguft  127, 
am  1.  ©ebtember  nur  nod)  104.  @3  ift  eine  muffige  grage,  ob  ba§  ^onjil  audj)  ofyne 
ben  gufammenbrud;  be§  JtircbenftaateS  noct;  einige  geit  feine  Beratungen  bätte  fortfetjen  15 
muffen,  ber  Ijaubtjtoed  feiner  Berufung  War  erreicht,  ber  großen  ©bannung  mar  eine 
atigemeine  ©rmattung  gefolgt  unb  ba§  ^ntereffc  für  bie  Äirdjenberfammlung  roar  er= 
lofdjien ;  aueb,  bie  Soften  fielen  auf  bie  'Sauer  ins»  ©etoicfyt  (QuirinuS  ©.  187  berechnete 
in  bem  Brief  bom  8.  gebruar,  alfo  in  ber  Qdt  ber  größten  grequenj,  ben  täglichen 
Slufmanb  für  bie  bon  bem  Babft  unterhaltenen  Prälaten  auf  25000  grancS).  Sa  er=  20 
folgte  bie  2tufb/ebung  be3  ^ircfyenftaateg  unb  bamit  roar  ein  auSretcfyenber  Slnlafe 
gegeben,  bie  nur  noeb,  begetierenbe  Berfammlung  aufjulöfen  unb  jugleict)  mit  biefer  2luf= 
Iöfung  gegen  bie  italienifcfye  Regierung  einen  ©d)lag  ju  fübren.  Qn  ber  Bulle  „Post- 
quäm  Dei  munere"  bom  20.  Dftober  1870  (Coli.  L.  p.  497  ff.)  erklärte  $iu§  IX., 
bafj  infolge  ber  sacrilega  invasio  ber  ©tabt  sJ?om  guftänbe  eingetreten  feien,  toeldje  bie  25 
für  bie  Beratungen  be§  ^on^ls»  noüoenbige  greib/eit,  ©icfyerljeit  unb  9iuf;e  bermiffen 
laffen.  2lu3  biefem  ©runbe  rote  mit  ^Hücffic^t  barauf,  bafc  bie  bureb,  bie  grofeen  @r= 
Fütterungen  @uroba§  gefebaffene  Sage  bie  2tnroefenf)eit  ber  Bifcfyöfe  in  ibren  Siöcefen 
berlange,  berfügte  er  bie  Vertagung  be§  ^onjil§  (Vaticani  oecumenici  concilii  cele- 
brationem  usque  ad  aliud  opportunius  et  commodius  tempus  suspendimus).  30 
©egen  bie  bter  aufgeftellte  Behauptung,  bafs  bie  neue  Drbnung  ber  Singe  in  9tom  bie 
greif/eit  be3  ^onjitg  beeinträchtigen  Würbe,  bertoabjte  fieb;  jebod)  bie  italienifcfye  Regierung 
fofort  ("sDepefcbe  be§  3Rinifter§  be<8  auswärtigen  Bi3conti=Benofta  an  bie  italiemfcben  ©e= 
fanbtfcb/aften  bom  22.  Dftober,  ib.  p.  1738,  beutfeb :  b.  £remer=2tuenrobe,  2litenftüde 
©.  321).  Ser  Borfct/lag  be§  ©rgbifcbof  ©balbing  bon  Baltimore,  ba3  $on§ü  in  ber  35 
belgifdjen  ©tabt  SRedteln  fortjufe^en  (©ranberatb,  III,  ©.  539),  bat  leine  braltifcb,e 
Bebeutung  erlangt. 

III.  Sie  Befd>lüffe  be§  ^on§t Ig.  1.  ©ntwürfe  unb  Anträge.  Bon  ben 
oben©.  453, 50 ff.  genannten  ^ommtffionen,  benen  bie  Borbereitung  ber  bem  Slonjil  ^u  unter* 
breitenben  Borlagen  übertrafen  mar,  Würbe  eine  grofee  Qaty  bon  (Entwürfen  für  2el>r=  40 
unb  Si^iblinarbefrete  aufgearbeitet,  bie  in  bem  Index  schematum  quae  a  theologis 
et  ecclesiastici  iuris  consultis  praeparata  fuerunt  (Coli.  L.  p.  505  f.)  berjeiebnet 
finb.  @tne  erfte  ©rubbe  bilbeten  bie  bogmatifcfyen  ©c^emata  (circa  fidem) :  I.  de  doc- 
trina  catholica  contra  multiplices  errores  ex  rationalismo  derivatos,  II.  de  ec- 
clesia  Christi,  III.  de  matrimonio  christiano  (bon  bem  SBefen  ber  cfyrtftltdjen  @b,e,  45 
bon  ber  ©emalt  ber  ^irebe  in  Bejug  auf  fie,  bon  ben  9Jiifct)eI)en) ;  eine  ^toeite  ©rubbe 
aa^tunbjtoanjig  ©cfyemata  circa  diseiplinam  ecclesiasticam;  eine  brittc  ©rubbe 
adjtgebn  ©d)emata  circa  ordines  reguläres;  eine  bierte  ©rubbe  jmei  ©cl)emata  circa 
res  ritus  orientalis  et  apostolicas  missiones. 

Bon  ib/rem,  aueb;  burc|  bie  Bulle  Multiplices  inter  (§  2,  Coli.  L.  p.  18)  an=  50 
ernannten  3ted}t,  in  Bejug  auf  bie  bon  ber  ©fynobe  gu  ber|anbetnben  ©egenftänbe  2ln= 
träge  ju  ftetlen,  b,aben  gablretcbe  Bifcb,öfe  ©ebraua)  gemalt  (©ranberatb,  III,  ©.  434 ff.). 
©ine  grofce  gülle  bon  Borfc^Iägen  bogmatifcfjer ,  etl^ifcb.er  unb  biäjiblinarer  2Irt  liefen 
fiebenunbbrei^ig  neabolitanifc^e  ©rjbifc^öfe  unb  Bifctjöfe  buref)  ben  (Srjbtfc^of  bon  sJJeabel, 
Äarbinal  ©forja  einreiben  (ib.  p.  768—832).  @lf  frartgöfifebe  Bifd;öfe  unterbreiteten  55 
(ib.  p.  832—849)  feb,r  toeitgreifenbe  unb  burd;  bie  fieb,  barauö  auf  baö  |irct;ltdtjte  Seben 
ergebenben  9^üdfd}lüffe  rotebttge  Borfcfyläge.  ©ie  berlangten  u.  a.  bie  ©rricfytung  bon  5?lerifal= 
feminaren  in  jeber  Siöcefe,  bie  §ebung  be§  ©tubiumg  ber  b,ebräifd;en  unb  gricebifeben 
©brache  in  ib,nen,  3lnir»eifungen  über  bie  ^rebigttoeife,  forgfältige  Regelung  be§  Drben§= 
toefeng,  Befd)ränfung  ber  ©remtionen.     Slbbellationen  an  ben  ^eiligen  ©tuf)l   mit  Über=  60 

30* 


468  «BattfantföeS  ®onpl 

gefmng  bcS  SJietroboüten  follten  nicfjt  juläfftg  fein,  in  ba3  Karbinaltollegium  unb  in  bie 
rbmif<$en  Kongregationen  unb  Tribunale  follten  neben  ©elefyrten  auch,  im  brafttfcfyen 
Seben  beWä'r/rie  Männer  berufen  Werben  unb  gWar  au§  allen  Stationen.  Verlangt  Würbe 
eine  häufigere  unb  regelmäßige  2tbf)altung  ber  berftfnebenen  Strien  bon  ©bnoben,  eine 
5  neue  Bearbeitung  be§  corpus  iuris  canonici,  bie  ^erabminberung  ber  $enfuren  unb  ber 
bem  $abft  referbierten  $äße,  eine  Stebifion  beS  ©fyerecfytl,  eine  (Erweiterung  ber  SDi3ben= 
fationSfaMtäten  ber  Sifcfyöfe,  eine  fcfmellere  ©rlebigung  ber  £)i3benfation§gefudj)e  in  "Stom, 
eine  33erbefferung  unb  SJiobernifierung  ber  Sefttmmungen  über  bie  Süc^erjenfur,  eine 
Reform  be£  SBrebierS,    eine  Befcfyränhmg  in  ber  ©eWäfyrung  neuer  SIbläffe,   eine  5Rtlbe= 

10  rung  ber  gaftengebote,  eine  genaue  Überwachung  ber  Verbreitung  religiöfer  Silber,  ber 
2lnfünbigung  bon  SBunbern  unb  ber  ©infübjung  neuer  Slnbacfytigübungen,  ein  energifcfjeS 
Sorgefjen  gegen  bas  b,e|erifd)e,  gucfytlofe  unb  ba3  ^ntereffe  ber  Kirche  ferner  fcfyäbigenbe 
treiben  ber  fatfyoltfdjen  Sagesbrefje.  —  2lu3  ber  3)Utte  ber  beutfcfyen  Bifcfjöfe  finb  gum 
SCeil  bie  gleiten  Sßünfcfye  laut  geworben   (ib.  p.  873  ff.),   3-  B.   betreff«   ber   @r/egefet5= 

15  gebung,  ber  ©iSbenfationen,  ber  9foferbatfäIIe,  be§  ^nbej:.  —  $n  ber  gleichen  Kicfytung 
bewegten  ficb.  aud)  bie  33orfc^Iäge  beS  KarbinalS  ©ctjwargenberg,  ber  aber  aucb,  für  bie 
SanbeSfbracbe  in  bem  ©otteSbienft  3ffaum  fcr)affen  Wollte  (©ranberatb.  III,  ©.  445); 
ebenfo  bie  ber  belgtfcfyen  Bifdjöfe  (Coli.  L.  p.  876  ff.),  ber  unter  ber  güfyrung  be§ 
SifcfyofS  SBinbi  bon  ^ßtftoja  beiitionterenben  Stfcfyöfe  3ftittelttalien3  (ib.  p.  881  f.),  unb  ber 

20  Bifdjiöfe  bon  Duebec  unb  §alifar,  (p.  879  f.).  9?icf)t  weniger  als  neun  Anträge,  bie  bon  faft 
jroett;unbert  SSätern  unterzeichnet  waren  (ib.  p.  868  ff.),  berlangten,  baß  bie  leibliche  2luf= 
nat)me  2Rarias>  in  ben  §immel  (corporea  virginis  assumptio  in  coelum)  jum  ©ogma 
erflärt  Werbe.  %üt  eine  @rf)öl)ung  ber  bem  1)1.  ^ofebb,  in  ber  Stturgie  erWiefenen  @b,re  traten 
brei  Sßoftulate  ein,  bie  bon  breit) unbertunbbier §et> n  23ätem  unterftü^t  Würben  (ib.  p.  895  ff.). 

25  2Reb,rfacb,  würbe  aucb.  bie  ©mbfefylung  einzelner  Vereine  unb  SiebeSWerfe  burd)  bie  ©tmobe 
erbeten.  ©d)on  biefe  SluSlefe  geigt,  baß  aucf)  bie  ©tmobalen  ifyrerfeits  bem  Konzil  ein 
gewaltiges  2trbeifc§brogramm  gugebac^t  b,aben.  2luf  bem  Konzil  ift  jebocb,  fetner  biefer 
Einträge  jur  33err;anblung  gelangt,  freilief;  aucf;  bon  ben  furialerfeitg  borbereiteten  ©nt= 
Würfen  nur  eine  Keine  STnjabl.     2lber  felbft  bie  Wenigen  auf  ber  ©tmobe  burcfyberatenen 

30  Vorlagen  finb,  wie  bie  obige  SDarftellung  gezeigt  b,at,  ntd>t  fämtlict;  ^ongtlöbefrete  ge= 
Worben,  fonbern  nur  jWei  unb  aucf;  fie  nur  in  einem  fleinen  9lu§fct)nitt. 

2.  Ignfyalt  Ux\b  SBebeutung  ber  93 ef dblüf f e  be3  Konzils,  ©ie  beiben  Wicf/= 
ttgften  @ntfc|etbungen  bom  18.  IJuli  f;aben  folgenben  Sßortlaut.  ^n  cap.  3  Reifet  eS  am 
©nbe :  Si  quis  itaque  dixerit,  Romanum  pontificem  habere  tantummodo  officium 

35  inspectionis  vel  directionis,  non  autem  plenara  et  supremam  potestatem  iuris- 
dictionis  in  universamecclesiam,  non  solum  in  rebus,  quae  ad  fidem  et  mores,  sed 
etiam  in  iis,  quae  ad  disciplinam  et  regimen  ecclesiae  per  totum  orbem  diffusae 
pertinent;  aut  eum  habere  tantum  potiores  partes,  non  vero  totam  plenitudinem 
huius  supremae  potestatis;  aut  hanc  eius  potestatem  non  esse  ordinariam  et  imme- 

40  diatam  sive  in  omnes  ac  singulas  ecclesias  sive  in  omnes  et  singulos  pastores 
et  fideles:  anathema  sit.  —  ®er  ©ct;Iuß  beS  4.  KabitelS  lautet:  Sacro  approbante 
concilio  docemus  et  divinitus  revelatum  dogma  esse  definimus:  Romanum 
pontificem,  cum  ex  cathedra  loquitur,  id  est,  cum  omnium  christianorum 
pastoris  et  doctoris  munere  fungens   pro  suprema   sua   apostolica  auctoritate 

45  doctrinam  de  fide  vel  moribus  ab  universa  ecclesia  tenendam  definit,  per 
assistentiam  divinam,  ipsi  in  beato  Petro  promissam,  ea  infallibilitate  pollere, 
qua  divinus  redemptor  ecclesiam  suam  in  definienda  doctrina  de  fide  vel 
moribus  instructam  esse  voluit;  ideoque  eiusmodi  Romani  pontificis  defi- 
nitiones  ex  sese,  non  autem  ex  consensu  ecclesiae  irreformabiles  esse.    Si  quis 

5u  autem  huic  nostrae  definitioni  contradicere,  quod  deus  avertat,  praesumpserit : 
anathema  sit  (m.  Quellen2  ©.380,15—23,  381,43—382,9). 

Sie  erfte  ©ntfdjeibung  betrifft  ba3  33erl)ältm3  ber  bifdjöflicfyen  unb  ber  bäbfiltcr)en 
©eWalt.  ©cfyon  im  Saufe  beS  Mittelalters  bitten  bie  Sifcfyöfe  gu  ©unften  be§  $abft= 
tumg  manche  3ftecf;te  aufgeben  muffen,  aber  nocfe,  ba3  tribentinifcfje  Monjil  fyatte  Sess.  XXIII, 

55  c.  4  ibnen  bas>  regere  ecclesiam  dei  (ebenb.  ©.  243, 12)  gugefcfyrieben.  2luc^>  baS 
Vaticanum  beftreitet  nun  jWar,  baß  bie  ^ßroflamation  ber  ordinaria  et  immediata 
potestas  iurisdictionis  beS  römifc^en  Sifct/ofg  über  bie  ganje  Kirche  ber  bifcf/bflidjen 
©eWalt  ©intrag  tb,ut,  aber  baS  regere  ecclesiam  ift  ju  einem  regere  assignatos  sibi 
greges  gufammengefcfyrumbft  (ebenb.  ©.  379, 3ß)  unb  au$  ben  33erb,anblungen  be§  ÄonjilS 

00  ergiebt  ficb,  ganj  flar,  baß  aEe  SSerfud)e,   bie  ©elbftftänbigfeit  beg   ©biflobatS   in   biefem 


3$attfatttfdje§  ßonjtl  469 

©efrct  zum  2tu3brud  gu  bringen,  gefächert  ftnb.  %ribm  bem  $abft  Iner  ein  Uniberfal= 
e^tffo^>at  jugef^roc^en  Wirb,  ber  eS  ifym  ermöglicht,  in  jeber  £)iöcefe,  zu  aßen  Reiten, 
unter  aßen  Umftänben  mit  bem  Siechte  bei  orbentlidjen  SSifd^ofg  einzugreifen,  i[t  bie 
Stellung  be§  betreffenben  £>iöcefanbifd>of<§  stuetfeIIo§  bebotenziert,  benn  er  fyat  nidjt  nur  in 
bem  ^Sa^ft  einen  Sifcfyof  neben  fid),  fonbern  einen  folgen,  ber  jjugletc^  al§  ^nb,aber  bei  0 
Primates  bie  Duette  aller  ber  ÜRedjte  bar[tellt,  bie  tf)m  bon  SlmtS  Wegen  julommen. 

®ie  jtüeite  Seftimmung  fbrid)t  bie  QrrtumSlofigfeit  ber  £ef>rentfd;eibungen  bei 
$abfte3  aus  unb  nimmt  bafyer  für  fie  in  Slnfbrucfy,  baf$  fie  für  jeben  fatfyolifcfyen  Sfyriften 
berbinbltd)  finb  unb  bauernbe  ©eltung  b,aben.  Sei  ber  geftftettung  ber  Sebingungen, 
bie  erfüllt  fein  muffen,  um  einer  bäbftlicfyen  Stunbgebung  ben  6b,ara!ter  ber  Qnfattibilität  m 
ju  fiebern,  ift  au§  ben  2lu§fübrungen  bei  Satitanumi,  bie  ben  biefe  Itnfefylbarfeit  befi= 
nierenben  SBorten  borangeljen,  bie  @r!lärung  J)eranzuziel)en,  bafj  bie  9?ad)foIger  bei  9ßetru<§ 
nia^t  bie  Aufgabe  fjaben,  eine  neue  fiebere  ju  entb,ütten,  fonbern  unter  bem  Seiftanb  bei 
t)l  ©eiftei  bie  burd)  bie  2Ibofiel  überlieferte  Offenbarung  ober  ©laubenifyinterlage  heilig 
ju  bewahren  unb  treu  auflegen.  @i  gehört  baju  ferner,  bafe  bie  ©ntfebeibung  ex  15 
cathedra  erfolgt  fein  mufs  b.  t).  in  Stuiübung  bei  munus  pastoris  et  doctoris  om- 
nium  christianorum,  bafj  fie  eine  doctrina  de  fide  vel  moribus  enthält  unb  ali 
eine  ab  universa  ecclesia  tenenda  befiniert  Wirb,  ©tefe  Sorauife^ungen  einer  infalliblen 
©ntfdjeibung  fyaben  aber  nid) t  bie  Sebeutung  bon  ©r/mbtomen,  aui  benen  ficfyer  erfannt  werben 
fann,  ob  im  fonlreten  einzelnen  %aü  eine  folcfye  borliegt  ober  nicfyt,  benn  bai  Sorl)anbenfein  20 
biefer  Sorauifetjungen  ift  ntdjt  an  beftimmte  bon  anberen  erfennbare  9tterlmale  gefnübft.  ©ie 
I)aben  aud)  nur  in  fcb,r  befdjränftem  9Jcafje  ben  ßfyaratter  bon  ^Begrenzungen  ber  bäbft- 
liefen  ©eWalt,  benn  ob  eine  Gsntfcfyeibung  bem  depositum  fidei  angehört,  ob  fie  in  ben 
Sereid;  ber  fides  ober  ber  mores  fällt,  ob  fie  fatfyebratifcb,  ift,  melier  ©eltungifreü  if>r 
julommen  fott,  barüber  b,at  eben  nur  ber  $abft  felbft  zu  befinben,  feine  SnftanS  aufjer  25 
ibm.  ©ine  Sinbung  bei  ^ßabftei  liegt  jebod;  infofern  bor,  ali  burdj  bie  $roftamation 
feiner  Unfehlbarkeit  auä)  alle  päbftlidjen  £elpntfd)eibungen  bergangener  ^a^unberte  in 
ben  9tang  bon  infalliblen  ^unbgebungen  eingerüdt  finb  unb  ba'fyer  nid)t  umgeflogen 
Werben  tonnen.  3>n  *>iefe  ^ubri!  gehören  bor  allem  bie  @ntfd>eibungen,  beren  Seftreitung 
mit  bem  SInatbema  bebrofyt,  beren  Stnerfennung  ali  SeWeü  bei  ©laubeni  bedangt  ober  30 
wie  in  ber  Sülle  unam  sanetam  Sonifaziui'  VIII.  gar  ali  Sebingung  ber  ©eligfeit  f)in= 
geftellt  mürbe.  Db  alle  biefe  bäbftlicfyen  Sefyrentfcfyeibungen  unter  ftd)  bie,  bom  ©tanbbunlt 
bei  ^nfattibilitätibogmai  aui  geurteilt,  unentbehrliche  innere  Übereinftimmung  befi^en,  ift 
b,ier  nicfyt  zu  unterfucfyen;  aber  fie  wirb  bräfumiert.  SDabei  ift  ei  feb,r  bezeid;nenb,  ba^ 
bie  ©ammlung  ber  al§  unfehlbar  ju  beurteilenben  bäbftlidjen  ©ntfdieibungen  fäax  bon  35 
bribater  ©eite  unternommen  Worbett  ift  (Analecta  iuris  pontificii  XXII  p.  897—946, 
©euerer  Ä91  §  100  2tnm.  6  nennt  bie  l)ier  gegebene  Sifte  ber  actes  dogmatiques  „Wobl 
biel  ju  grofe")  unb  nacb,  £co  X.  (sanetos  Romanos  pontifices  praedecessores  nostros 
in  suis  canonibus  seu  constitutionibus  numquam  errasse,  m.  Quellen2  ©.  185,  isff.) 
Wie  bem  ©r/llabu3  $ßius>'  IX.  (9Zr.  23  berurteilt  ben©a|:  Rom ani  pontifices  in  rebus  10 
fidei  et  morum  definiendis  errarunt,  ib.  ©.  367, 35 ff.)  mbglid)  fein  müfjte,  aber  bon  ber 
für  biefe  Arbeit  im  legten  ©runbe  allein  juftänbigen  ©teile  b.  f).  bon  bem  5|3abft  felbft  nic&t  in 
Singriff  genommen  Worben  ift  unb,  bürfen  mir  hinzufügen,  fd) Werlicb,  unternommen  Werben 
wirb.  $)enn  eine  foldjie  autoritatib  feftgeftellte  Sifte  unfehlbarer  @ntfcb,eibungen  Würbe 
eine  Seengung  unb  Selaftung  bei  ^ßa^fttumö  bebeuten,  auf  bie  e§  begreiflid;erweife  gern  45 
beratet.  @g  befielt  mithin  über  ben  infalliblen  ßfyarafter  bätoftlid;er  ©ntfcfyeibungen 
grofee  llnllarb,eit  —  tro|  IßiuS  IX.,  ber  erllärt  b,at:  „SSer  ba§  ®e!ret  mit  aufrichtiger 
©efinnung  lieft,  bem  liegt  fein  Wahrer  ©inn  leicht  gu  ^age"  (m.  Duetten2  ©.  382  2tnm.  1) 
—  unb  zwar  foWof)l  bejüglicf»  ber  nacb,  al%  ber  bor  bem  üßatifanum  ergangenen  unb  e§ 
ift  nid;t  ju  erwarten,  bafs  fie  gehoben  Werben  Wirb.  5Da§  ^ßabfttum  b,at  bielmel>r  ein  so 
fein-  ftarlei  ^ntereffe  an  ber  @rf>altung  biefei  3uftan^eg-  ®enn  fca  f"r  ^'tglieber  ber 
fatbolifd;en  Ätrcfye  bie  Serbflid;tung  ber  Unterorbnung  unter  feine  latfjebratifdjen  £ebr= 
entfd;eibungen  nid;t  zweifelhaft  fein  lann,  fo  bat  bie  Unfidjierfyeit  barüber,  Wo  eine  foldje 
borliegt,  einerfeiti  jur  fjolge,  ba^  alle  bäbftlidjen  @ntfd;eibungen  über  ©egenftänbe  be§ 
©laubeng  ober  ber  cfyriftlicben  ©Ute  bon  bem  9iimbu§  ber  ^rrtum^Iofigfeit  umgeben  finb  55 
unb  bafyer  aU  infallible  refbeltiert  Werben,  anbererfeitg  aber  Wirb  freie  £>anb  behalten, 
eine  getroffene  ©ntfcfyeibung  gegebenenfalls  nad)träglid;  aU  nid;t  Iatl)ebratifcf>  brei^ugeben. 
2)arauö  erWäd;ft  bie  eigenartige  ©ituation,  bafj  eä  bäbftlid;e  ©ntfcfyeibungen  de  fide  unb 
de  moribus  giebt,  bie  abS  bom  aboftoüfdjen  ©tu^I  erlaffen  für  ben  fatf)olifdien  (ibriften 
ob^ne  Weitere^  berbflicb^tenbe  ®raft  l>aben,  aber  bod)  nid;t  in  SluSübung  bei  b]öa)ften  ^cf;r=  60 


470  aSattfanifdje§  ^ottgtl 

amteS  erlaffen  morben  finb,  fo  baf?  für  fte  Unfel)lbarfeit  nid)i  in  2lnfbrucb,  genommen 
merben  fann,  unb  mieber  anbete  bäbftlidjie  ©ntfdjeibungen  de  fide  unb  de  moribus, 
bie  ebenfo  aufzunehmen  finb,  aber  auf  ©runb  bcS  SefyramtS  getroffen  mürben  unb  bal)er 
ben  Sßorjug  ber  llnfelparfeit  befitjen.  Da  ferner  ber  einzelne  ^3abft  nid)t  bagegen  ge= 
5  fid)ert  ift,  als  ^ribatmann  bem  ^rrtum  ober  fogar  ber  ©ünbe  ber  £>ärefie  ju  berfatten 
(tyf).  £>ergenrött)erS  Seljrbud)  beS  fait).  ®ird)enrecf;tS  2.  Stufl.  I)erauSgeg.  Don  %  ^oÜtoecf, 
greiburg  i.  33.  1905,  ©.  267),  eS  aber  an  einem  Drgan  ber  $ird)e  fel)lt,  einen  folgen 
Defeft  feftjuftellen  ober  ben  betreffenben  Sßaibft  roiber  feinen  SOßiHen  gu  entfernen,  fo  fann 
ber  %aU  eintreten,  bafs  ber  als  Qnbibibuum  in  ©laubenSfacfjen  irrenbe  $abft  unter  bem 

10  ©influfs  biefeS  QrrtumS  ftd)  bei  ^öd^ften  2eI)ramtS  bebienen  miß,  aber  in  beffen  §anb= 
I)abung  tro|bem  ntct)t  bem  Irrtum  berfatlen  !ann,  b.  I).  eS  ift  anzunehmen,  bafj  in 
einem  folgen  %aU  —  unb  bie  ©efd)id)te  (j.  23.  §onoriuS  I.)  geigt  bte  23ered)= 
tigung,  itm  als  möglid)  zu  fe|en  —  bie  Ausübung  beS  £eb,ramiS  in  3Bar/rb,eit  n'tcfyt 
ftattfinbet.    Diefer  ©cfylufj   ift   ju   gießen,    meil   eben  baS  £ef>ramt   bie  Sßerfyeifmng  ber 

15  Qrrtumslofigfeit  f»at.  Daraus  ergiebt  fid)  aber,  baft  ber  als  ^ßribatmann  irrenbe  Sßatoft 
aud]  in  feiner  amtlichen  SClwtigfeit  bem  IJrrtum  unterlag,  als  er  glaubte,  baS  £el)ramt 
ausüben  zu  fonnen.  Die  2et;re  bon  ber  Unfehlbarkeit  bei  ^SabfteS  eröffnet  bemnaef;  ben 
2TuSbIicf  auf  red^t  fomblizierte  Skrljältniffe,  bor  benen  man  ftd)  nur  retten  fann  burd) 
ben  —  ©lauben,  baf$  tl)atfää)Itd)  ^päbfte  nidjt  geirrt  fyaben  unb  ntd)t  irren  fbnnen. 

20  @ine  micfjiige  Jbnfequenz  ber  Dogmatifierung  ber  £el)re  bon  ber  QnfaUibilität  beS 
SßabfteS  ift  bie  grunbfäpcfye  Seränberung  ber  ©teßung  ber  öfumenifcfyen  Äongile. 
ÜKHerbingS  J)atte  fitf;  bie  in  ^onftanj  (Sess.  V.,  m.  Duellen2  ©.  155,  ißff.)  erhobene 
gorberung,  baS  concilium  generale  als  bie  Siebräfentation  ber  fatr/olifd)en  $ird?e  an= 
Zufel)en,  nid)t  burcfygefeijt,  moI)I   aber  bie  3lnfd)auung,    bafc   biefer  Söert  bem  in  Serbin* 

25  bung  mit  bem  ^ajrft  tagenben  Konzil  jufomme.  Diefe  ©ad)Iage  ift  burd?  baS  33atifanum 
mef  entlieft,  beränbert  morben.  3Son  ben  ötumenifdjen  Konzilen  I)eif$t  eS  luer,  bafj  fie 
bon  ben  ^äbften  benu|t  morben  finb,  um  burd)  fie  Definitionen  borneI)men  ju  laffen, 
aber  fie  maren  bafür  nid)t  baS  einige  9)Jebium  (Romani  pontifices ,  prout 
temporum    et    rerum  conditio    suadebat,    nunc    convocatis    oecumenicis    con- 

30  ciliis  aut  explorata  ecclesiae  per  orbem  dispersae  sententia ,  nunc  per 
synodos  particulares ,  nunc  aliis,  quae  divin a  suppeditabat  Providentia, 
adhibitis  auxiliis  ea  tenenda  definiverunt,  quae  sacris  scripturis  et  apostolicis 
traditionibus  consentanea,  deo  adiutore  cognoverant  (ebenb.  ©.  381,  lßff.). 
©iefeä    fyiftorifcfye  Urteil  finbet  feine  ©rgänjung   be^m.  Segrünbung  barin,  bafe  in  ber 

35  fid)  anfd)Iie^enben  Definition  bei  Dogmas  bie  Unfefylbarfeit  lebiglicb,  bem  ^ßabft  ju= 
gefd;rieben  wirb.  Qebem  Serfucf),  babei  bie  SKittoirfung  be§  ofumenifd)en  ^onji(§  al§ 
unau3gejbrod)ene  33orau§fe|ung  ju  bef;anbeln,  fteb,en  bie  ©djlufjmorte  non  autem  ex 
consensu  ecclesiae  irreformabiles  esse  (ebenb.  ©.  382, 7)  fyemmenb  im  Söege.  %üv 
bie  geftfteEung  bon  ©laubenSbefreten  ift  baS  öfumenifd)e  £onjiI  bemnad)  überflüffig  ge= 

40  morben,  e§  b,at  feine  fonftitutibe  Sebeutung  berloren  unb  ift  ein  fonfuItatibeS  Drgan  ber 
$ird)e  getoorben,  ba§  aud}  in  3"^nft  herangezogen  merben  fann,  aber  mdj)t  herangezogen 
Zu  merben  braucht.  (Sine  felbftftänbige  Sebeutung  befi|t  eS  nicf)t  meb,r,  mag  e§  bielleid^t 
and)  einmal  mieber  berufen  roerben,  um  buref)  feinen  bloßen  ßufanmiOTtritt  bie  Dfu= 
menizität  be§  römifcfjen  Äatf)oIiciSmuS  glanzbotl  unb  finnenfällig  zum  2lu§brucf  zu  bringen, 

45  um  bie  überlegene  9)Jad)tftellung  be§  $abfttumS  bor  allen  33ölfern  zu  bezeugen  ober  um 

ib,m  bie  3Seranttoortung   für  ernfte  ©ntfcljeibungen  abzunehmen   ober  tragen   zu   geifert. 

©efyr  berfd)iebenartige  SBiberftanbe  Ejatte  baS  ^ßabfttum  nieberfämbfen  muffen,  eb,e  e§ 

ben  18.  Suli  1870   erlebt  b,at,  aud)  noef)  auf  bem  Äonj«  felbft.    2Iber  ^iuS  IX.  i)at 

an  biefem  %üq  toeit  rnebj  erreicht  als  bie  Deflaration  feiner  llnfefylbarfeit.    Denn  eS  ift 

50  i^m  gelungen,  im  ßufa'u^^^ug  mit  ber  Dogmatifierung  biefer  Sefyre  aud)  bie  in  ber 
Serfaffung  ber  ftirdje  liegenben  älnfnübfungSbunfte  für  ©elbftftänbigfeitSbeftrebungen  anti= 
furialer  2lrt  zu  befeitigen.  3Zad)bem  baS  Äarbinalsfollegium  bie  9Me  einer  eigene  ^3oIitif 
treibenben  Eorboration  ausgcfbielt  b,atte,  toar  ba§  ^abfttum  nur  nod)  burd;  ben  @biffo= 
bat,  ber  an  ber  bon  ib,m  im  Slltertum  eingenommenen  ©teEung  feft^ielt,  unb  bureb,  baS 

55  öfumenifcfye  Konzil  beengt.  Durd)  bie  £ei)re  beS  SatifanumS  bon  bem  Uniberfalebiffobat 
beS  römifd;en  33ifd)ojS  mürbe  ber  ©biffobat  ungefäl;rlid),  bureb,  bie  bem  $abft  aHein  Z"= 
gefd)riebene  ^nfallibilität  tourbe  baS  öfumenifc^e  Konzil  enttoertet,  bie  ©ntmicfelung  beS 
^abfttumS  zur  abfoluten  3Ronard)ie  b,atte  ib,re  te^te  $b,afe  burd)Iaufen. 

3.  Die  2lufnab,me  ber  Sefctjlüffe.    5Rur   bezüglid?   ber  Sifd)öfe   ber  tonzife 

60  minorität  fonnte  es  fraglid)  fein,  ob  bie  2lnerfennung  beS  neuen  Dogmas  auf  ©ctjwierigfeiten 


aSattfantfdjcS  Son^ü  471 

flößen  Würbe,  ©ie  Ratten  in  Stom  tapfer  ifyre  Bebenden  geäußert,  an  ber  ©ef<f)äft3= 
orbnung  Ärttif  geübt  unb  ftc&,  auct)  baburd)  nict)t  einflüstern  laffen,  baß  bie  ^3räfibenten 
ibre  Sieben  gern  unterbrachen.  2luct;  bie  2lrt,  Wie  ber  cfyalbäifd)e  ^atriarcb  2lubu  unb 
(jrjbifdjof  Gafangian  befyanbelt  Würben  (über  bie  a^ologettfc^ert  Bemühungen  ©ranberatljs, 
biefe  feE>r  fonberbaren  Vorgänge  bon  ber  $ongtlggefcfytc|te  loSjulöfen,  bgl.  II,  ©.325  ff.),  5 
unb  bann  fbäter  nocfy  Äarbinal  ©utbt  (ebenb.  III,  ©.  395  ff.),  b,at  ib,nen  nicfyt  ben  fflunb 
gefcbjoffen.  ©ie  ftärffte  Sebrofyung  ber  greifet  beS  Konzils  aber  erfolgte  freiließ  bon 
außen  b,er,  jeboeb  nicfjt  bon  feiten  ber  ©taatSregierungen,  fonbern  bureb,  bie  ultramontanen 
Treibereien.  ,,©te  Slgitation  (ju  ©unften  ber  $nfallibilität)  Würbe  —  erflärte  ©rjbifa^of 
©arbob.  in  feiner  SRebe  bom  20.  9Jc"at  —  burd)  bemagogifcfye  fünfte  foWett  betrieben,  baß  io 
btele  i^äter  beS  HonjilS  im  ©eWiffen  beängftigt  unb  mit  ber  gurdEjt  erfüllt  mürben,  fie 
tonnten  in  ib,re  ©iöcefen  nidjt  ^urüc!!eb,ren  unb  biejelben  ntdjt  ob,ne  bie  größten  ©d)Wierig= 
feiten  leiten,  Wenn  fie  Söiberftanb  gegen  bie  ^Definition  letfteten.  ©o  ift  e£  gefeiten, 
baß  biefe  23äter,  obgleich  geWiffenfjaft  ifyrer  $flid)t  folgenb,  bem  fyeftigen  ©rängen  bon 
außen  b, er  unb  ber  tunftlicr)  gemalten  SReinung  ju  Weit  nachgaben  unb  bie  $rage  ber  bäbftlict/en  is 
Unfehlbarkeit  bem  Äonjil  borjulegen  beantragten.  ©uret)  ben  fojufagen  bor  ben  SEoren  beS 
Sonjite  erhobenen  £ärm  ift  unfere  greifyeit  unb  unfere  2Bürbe  einigermaßen  beeinträchtigt 
worben,  toaä  feb)r  beflagt  Werben  muß"  (ebenb.  ©.  234,  bgl.  ©.  281).  2lutf)  ©rjbifclwf 
©djwarsenberg  beflagte  fid)  in  fetjarfen  äBorten  über  bie  maßlofe  Stnfeinbung  ber 
SftinoritätSbifcljöfe  in  ber  ultramontanen  treffe  (ebenb.  ©.  279),  fer/r  mit  ÜRecfyt.  ©enn  20 
eS  f)at  ifmen  fefyr  fern  gelegen,  eine  rabüale  Dbbofition  ju  treiben.  Sarin  lag  gerabe 
tljre  ©cfywäcfye,  baß  fie  obbomerten,  aber  tfyrem  -Jöiberfbrucb,  baburef)  felbft  bie  ©bi$e  ab= 
brauen,  baß  fie  auf  fyalbem  2Bege  fielen  blieben,  ftefyen  bleiben  mußten,  wenn  fie  ib,rer 
tfyeologifcfien  Überzeugung  nict)t  untreu  werben  wollten,  ©ie  fyaben  bom  Boben  ber  b,eiligen 
©cfyrift  aus ,  burdb,  bie  Verwertung  ber  ©efcr)id? te  ber  Kirct/e  (u.  a.  ber  Verurteilung  beS  25 
^abfteS  §onoriu§  I.  Wegen  §ärefie  bgl.  b.  2lrt.  33b  VIII  ©.  314)  unb  mit  logifa^er 
Beweisführung  ifyren  ©egnern  fdjarf  jugefetjt.  ^ebe  Äriti!  beS  batifanifcb,en  ©ogmaS  — 
bon  einer  folgen  ift  b,ier  abpfefyen  —  Wirb  bie  ©d)riften  unb  Sieben  ber  Minorität 
banfbar  benutzen,  benn  fie  finb  eine  gunbgrube  gelehrten  3Biffen§,  fie  bieten  manche 
fcb,arffinnige  Erörterung  unb  ft>a§  ein  borbatifanifa^er  Geologe  ber  römifcb,en  Äirc^e  gegen  30 
ba§  25ogma  borbringen  lonnte,  ift  bon  ilmen  gefagt  toorben.  3lber  e§  feb,lt  ib,rcn  2lu§= 
füb,rungen  bie  burcf)fcb,lagenbe  kraft,  unb  jtoar  nicfyt  ettoa  nur,  weil  ba§  ^onjil  bei  ber 
3lrt  feiner  gufamnierifefjung  für  Belehrungen  un^ugänglicf)  war,  fonbern  Weil  fie  mit  ber 
Majorität  in  ber  ©runbauffaffung  be3  3öefen§  ber  ^trd^e  unb  be§  römifdjen  ^rimat§ 
eing  mar;  auf  biefer  33afi3  !onnte  aber  ber  $ambf  gegen  bie  Unfeb,lbar!eit  be§  ^5abfte§  35 
nur  mit  falber  $raft  geführt  Werben.  (Sr  War  um  fo  fdjWieriger,  Wenn  jugleicf)  in  ;Kecr)= 
nung  gebogen  toirb,  baß  in  bem  ^Weiten  ©rittel  be£  19.  3ab,rb,"no^§  ber  lXItra= 
montani§mu§  unb  mit  ib,in  bie  bi§  jum  ^jßabftlultug  fidb,  fteigernbe  ©ct)ät3ung  be§  ^ßabfte§ 
große  gortfe^ritte  gemacht  ^atte.  Unter  ben  S3ifcb,öfen  ber  älteren  ©eneration  regten  fidj 
jtoar  noeb,  ©egenftrömungen,  aber  er  War  bie  bon  9iom  offen  begünftigte  Stiftung.  40 
ferner  toar  bie  Definition  ber  Seb^re  bon  ber  immaculata  coneeptio  ber  SRaria  buret) 
5ßiu§  IX.  i.  3.  1854  (m.  Quellen2  ©.  362)  bereite  unter  ber  33orau§fe£ung  erfolgt,  baß  ib,m 
bag  Stecht  jur  geftfe|ung  eines  ©laubenäfa^eS  juftanb.  ®a  biefeä  ©ogma  bem  bamaligen 
fat^olifc^en  ©mbftnben  entfbracb,  unb  nid)t  gleichzeitig  bie  grunbfäpcr)e  grage  nao^  ber 
Äombetenj  be€  ^ßatofte§  zu  tiefem  Vorgehen  gefteÜt  Würbe,  War  biefe  ©ntfcfyeibung  freilieb,  45 
nicb,t  nur  ntdjt  angefochten,  fonbern  fogar  mit  greuben  begrüßt  Werben,  ^n  ifjrer  3ln= 
erlennung  aber  lag  ein  ^räjubij  für  bie  3Serb,anblungen  beS  SSatifanumg.  Denn  bie  $u= 
ftimmung  ju  bem  b,ier  eingefcb,lagenen  Verfahren  be§  ^5abfte§  War  nur  unter  ber  Sebingung 
juläffig  gewefen,  baß  er  al<8  ein  juberläffige§  Drgan  ber  in  ©laubenSfragen  irrtum^frei 
urteilenben  $ircf)e  geb,anbelt  b,atte.  SBar  i|m  aber  biefe  Qualität  in  biefem  einzelnen  50 
gaU  ftiafcb,Weigenb  ^uerlannt  Worben,  bann  War  eg  fa^Wer,  ib,r  aSorb.anbenfein  grunbfä^= 
lieb,  ju  beftreiten.  ©er  Weitaus  größte  £eil  ber  3ftinoritätSbifcf)öfe  t)at  aufy  nieb^t  gewagt, 
biefen  2öeg  ju  betreten,  ©ie  fcfyrecften  babor  ^urücf,  bie  Sebje  bon  ber  Unfeb,lbarleit  beS 
$abfte§  matertea  ju  belämbfen.  Wlan  Wollte  fie  Wof)I  als  ©cb,ulmeinung  gelten  laffen 
unb  beanftanbete  nur  ifyre  ©ogmatifierung.  @S  b^anbelte  fiel)  alfo  um  eine  in  if>rer  55 
SlftionSlraft  ftarf  befebränfte  Dbbofttion,  beren  Stebner  eS  nod)  ba^u  ntct}t  unterließen,  bei 
ben  berfeb^iebenften  ©elegenfyeiten  auSbrücflicf)  if)re  berfönlicb,e  Ergebenheit  gegen  ben  ^Sabft 
p  betonen.  $f>re  2BiberftanbSfäbigfeit  ift  bon  ber  Kurie  richtig  eingefebä^t  Worben.  ©er 
bwteftierenbe  ©biflobat  l)ielt  ftanb  gegenüber  ben  3Serfucf/en  ber  einfe^üc^terung,  aber 
angeficfjts  ber  bro^enben  Sllternatibe:   Unterwerfung  ober  ©c£)i3ma  fjat   er   fidt)   gebeugt.  60 


472  »nttfamfdjeS  ^ongtl 

©ie  fatlj>oltfc£>e  ßircfye  erlebte  einen  ifyrer  glänjenbften  ^riumbfye,  nicfyt  einen  einigen  33ifd)of 
Ijat  fie  berloren.  9?ur  fyabm  nicfyt  aUe  bie  gleite  ©ctmelligfeit  be3  UmbenfenS  beWiefen. 
(Sie  ©aten  ber  3#immunS  ^ex  SölinorttätSBifd^öfe  burcfy  ifyre  fog.  SCbfyafionSerflärungen 
finb  ber^eicfmet  Coli.  L.  p.  995  ff.). 
5  ©a  ©eutfcbjanb  in  ber  Dbbofition  bie  güfyrung  gehabt  fyatte  unb  bie  beutfdje 
Söifjenfdjaft  für  ben  ^arnbf  gegen  ba§  ©ogma  bie  fdjärfften  SBaffen  geliefert  fyatte,  War 
bie  Haltung  be<3  beutfcfyen  ©biffobatö  bon  befonberer  Söicfytigfeit.  ©d^on  ber  Hirtenbrief 
ber  (Inbe  2tuguft  in  gulba  berfammelten  33ifd?öfe  (ib.  p.  1733  ff.)  beWie»  ben  großen 
UmfcfyWung,  ber  ficfy  überrafcfyenb   fdpett  in  feiner  SRitte  bottjogen  Ijatte.    Stuct)  bie  ju= 

10  näcbjt  nocfy  jurücffyaltenben  SBtfdEjöfe  finb  bann  balb  nachgefolgt,  als  letzter  SBifct/of  £>efele, 
ber  nad)  langen,  fd)Weren  ^ämbfen  am  10.  2lbril  1871  bie  Üon§iI<Sbefrete  beröffent'Iic^te, 
Weil  er  bon  feinem  ÄferuS  im  ©ttd)  gelaffen  Würbe  (©ranberatb,  III,  ©.  559  ff.).  — 
©afe  $arbinal  9taufcr)er  ftcr)  fdjon  bor  feiner  Slbreife  bon  3tom  n  unterworfen  fyatte,  ber= 
fehlte  nid)t  feine  Söiriung  auf  bie  übrigen  ^inorität6bifcr)öfe  Öfterreict/=Ungarn§.    älud) 

15  ^arbinal  ©ö^toarjenberg  tfyat  biefen  ©ct)rüt,  ba  ilm  „bie  SBemerlung,  gleicfyfam  einzig  unb 
aHein  nod)  ber  SBiberfbenfiige  ju  fein,  in  bie  größte  Unruhe  berfe|te"  (33rief  an  ©uban= 
loub  bom  25.  Januar  1871,  ©ranberau)  III,  ©.  574).  ©rjbifc^of  £>a_rmalb  fyat  mit 
feiner  guftimmung  jurücf gehalten,  big  u)m  bon  Äarbinal  2lntoneIli  „ein  ziemlich  fräftigeS 
©^reiben'7  juging  (ebenb.  ©.  577).    $n  feiner  SlniWort   bom  15.  ©ebtember  1871  er= 

20  flärte  er  mit  großer  Unerfcljrocfenfyeit,  baft  er  ben  2Biberftanb  gegen  ba§  bon  ifym  be= 
lämbfie  ©ogma  aud)  je|t  nocfy  fortfetjen  Würbe,  Wenn  bie  anberen  SBifdjöfe  ifyre  auf  bem 
^onjil  eingenommene  Haltung  feftgefyalten  B,ätten.  ©a  fie  nun  aber  big  auf  Wenige  ifyre 
3uftimmung  erflärt  Ratten,  fo  fei  für  bie  ^Definition  bie  ifyr  bi§f)er  febjenbe  aber  not= 
ibenbige  moralifcfye  ©inmütigleit  nunmehr  bortjanben,   fo  bafs  er  als*  ^at^olif  ficb.  unter= 

25  Werfe  unb  ba§  ©ogma  anerkenne,  ©effen  amtliche  SBelanntmactmng  aber  lehnte  er  ah 
unb  berWafyrte  fidj  gegen  ben  SEabel  be£  ©taatäfef retard,  bafe  fein  SBerb, alten  auf  bem 
^ortgil  „Wenig  lobenswert"  geWefen  fei.  SSifc^of  ©trofcmafyer  bon  ©irmium  fcfyrieb  nodj 
am  23.  Januar  1871  an  ©ubanloub  (©dmlte,  ©er  2Htfatfyolici3mu§  ©.  258 f.): 
Concilium  Vaticanum  manifestissime  liberum   non  fuit   nee    proinde  iure   in- 

30  struetum  dogmata  condendi,  quibus  universi  orbis  eonscientia  obligaretur. 
Concilium  Vaticanum  apertissima  prineipii  petitione  et  circuli  vitiosi  errore 
illud  tandem  definivit,  quod  ab  anni  initio  definitum  stabilitumque  praesup- 
posuit.  Pontifex  semet  personaliter  infallibilem  ab  initio  usque  ad  finem 
gessit,    ut  semet  personaliter  infallibilem  tandem  definiat :  hoc  modo  tota  con- 

35  cilii  oeconomia  et  activitas  in  quandam  ludibrii  speciem,  venia  sit  verbo, 
degeneravit.  Legitimus  proinde  concilii  huius  character  sine  gravissimis, 
funestissimis  sequelis  nullo  modo  agnosci  potest.  gugleid)  erllärte  er  bie  2lbfid)t 
ber  rörmfdjen  ®urie,  bureb,  @ntjieb,ung  ber  ©i^benfe  bie  Sifdjöfe  jur  Unterwerfung  ju 
fingen  für  einen  Sftijjbraucr; ,  ber  ben  tarnen  Sl^rannei  berbiene.    2lm  26.  ©ejember 

40  1872  aber  h,at  aueb,  ©tro^ma^er  bie  ^onjiI§be!rete  in  feinem  ©iöcefanblatt  beriiinbigt.  — 
3tud)  33ifdj)of  ©reit|  bon  ©t.  ©aHen  ging  biefen  2Beg,  obtoob,!  er  ficb,  gunäcbft  ju  einem 
referbierten  SSerfyalten  entfcb^Io^  unb  feine  Hoffnungen  barauf  fe|te,  ba^  ber  nädjfte  $abft 
„burc^  eine  !ommentierenbe  Constitutio  apostolica  bie  cooperatio  episcoporum  bei 
©laubemSentfcfyeibungen  feftfe^en"  Werbe,   „fraS   möglieb,   Wäre,    otme  bie  ©ubftanj  be§ 

45  neuen  ©ogmag  änbern  ju  muffen"  (©ranberatt;  III,  ©.  587).  —  2ln  bem  S3erfucb,,  ba§ 
fommenbe  ©ogma  abpWel)ren,  blatte  fict)  ein  beträ^tücb^er  Xtxl  ber  frangöfifefcen  Sifcfybfe 
mit  großem  (gifer  beteiligt,  je^t  lag  e§  if>nen  offenbar  fefyr  am  §erjen,  bie  Erinnerung 
baran  bergeffen  ju  machen  (©ranberatb,  III,  ©.  590  ff.).  SSet  ^arbinal  Sftatljiieu  boH^og 
j\<$)  ber  llmfcb^Wung  fo  rafd;,  bafe  er  fc^on  am  8.  2tuguft  bie  fc^riftlic^e  ©rllärung  abgab, 

so  „toto  corde  et  animo"  bem  33efd)Iu^  ju^uftimmen.  2Icfyt  2:age  fbäter  folgte  ib^m  @rj= 
bifdpof  ©inoul^iac  bon  S^on,  balb  auc|  ber  befonber§  Wegen  feiner  antiinfaUibiltftifc^en, 
fd^riftfteEerifc^en  SC^ätigleit  bielgenannte  Sifcb^of  Sparet,  ©ubanloub,  ben  l^arbinal 
§of>enlofye  all  einen  geheimen  ^efuiten  bezeichnete  (©enlWürbigleiten  be§  dürften 
6f)IobWig  I,  ©.  394  f.),  |at  e§  offenbar  feine  inneren  lämbfe  gefoftet,  ©elbftberleugnung 

55  ju  üben.  (Sr^bifcb^of  ©arbor;  erllärte  noeb  bor  feinem  ifym  burc|>  bie  Commune  bereiteten  ge= 
Waltfamen  @nbe  feine  ausbrücHicfje  3"ftimmung,  aucf)  spere  ©ratr^i  beugte  fiefy  unter  ben 
berfönlicb^en  unb  bigjiblinaren  ©inWirfungen  be§  @rjbifcb,ofg ©ec^)amb§.  3lud?  bie  italienifc^en, 
englifd)en  unb  norbamerifanifcfyen  SRinoritätöbifcfiöfe  blieben  nic|t  jurücf.  93emerlen§Wert  ift, 
ba|  ©r^bifctiof  Äenricf  bon  ©t.  £oui<§  in  einem  33rief  an  Sorb  2tcton  bom  29.  3Jcärj  1871 

eo  (Schulte  ©.  267  ff.,  ©ranberatf)  III,  ©.  606ff.)   feine  Unterwerfung    lebiglicf)  al^   einen 


$attfamfd)e8  ^on^tl  473 

3lft  beS  ©efyorfamS  gegen  bie  Autorität  ber  $ird)e  barftettte  unb  fünjufügte,  „bafj  fie 
ntdjt  auS  ber  23efeitigung  ber  ©rünbe  fyerborgegangen  War,  bie  feine  Dbbofition  gegen 
bie  betrete  beranlafjten".  —  ®te  meiften  93ifcb,öfe  feinen  bie  ^on^ilsbefcllüffe  in  tfyren 
©iöcefen  publiziert  ju  I)aben,  beren  retfjtlicfye  SBerbinbltc^feit  War  jeborf)  nacb,  ber  2tuf= 
faffung  ber  ®urie  (ÜRunbfcfyreiben  2lntoneHiS  an  bie  Nuntien  bom  11.  Stuguft  1870,  5 
Coli.  L.  p.  1715;  ©ranberatb,  III,  ©.  592)  bereits  burd)  bie  bäbfilidje  23eftättgung  unb 
SBerlünbigung  in  ber  britten  unb  feierten  öffentlichen  ©itjung  fid)ergeftettt. 

©urd)  biefe  nachträgliche  guftimmung  bw  3Rinorität3btfc&/öfe  311  bem  battfanifd)en 
©ogma  ift  bie  grofje  ®riftS,  bie  eS  für  bie  römifcb^fatfwlifdie  Hircfye  fyeraufbefcfyWoren 
Jjatte,  überWunben  Worben.  2Iber  eS  lonnte  nid)t  berb,inbert  Werben,  bafj  ber  ^ßroteft  io 
gegen  ben  batilamfdjien  „sJieufatf)oIiciSmuS"  %ux  33ilbung  ber  altfatfyolifdjen  ßircfye  (bgl. 
b.  2lrt.  33b  I  ©.  415  ff.)  geführt  b,at,  beren  33ebeutung  ju  feiner  $ät  in  ber  3afyl  tljrer 
Hcitglieber  bell  gum  StuSbruct  gefommen  ift,  btelmefyr  na<|  ifyrem  (gintreten  für  bie  großen  ifyr 
einft  bon  ®ötttnger  borgeseidmeten  Aufgaben  (23rief  Dom  18.  Dftoberl874,  m.  Duetten2 
%lx.  484  ©.  423)  bemeffen  Serben  mu|.  r> 

©aS  SSatifanifcfye  ^on^il  bejeidmet  in  ber  ©efd)id)te  ber  römifd^fatfyolifdjen  Sltrd^e 
ben  Anfang  einer  neuen  ^ertobe.  ®ie  9Kad;t  beS  ^3abfttumS  ift  gefteigert  Worben, 
unb  bie  gentralifierung  ber  fircbjicfyen  Verwaltung  in  9tom  I)at  Weitere  gort= 
f dritte  gemacht,  ©ine  für  baS  ^alpfttum  befonberS  glüdlicfye  gügung  War  eS, 
bafj  unmittelbar  nacb,  ben  entfd)eibenben  33efd)lüffen  burd)  bie  italienifdie  @inl)eits=  20 
betoegung  baS  ©nbe  beS  JlircfyenftaatS  herbeigeführt  Würbe.  SDenn  baburd)  trat 
$abft  $iuS  IX.  in  ben  ©enuf?  ber  $ribilegien  beS  SRärtfyrerS  Wie  früher  ^3tu§  VII., 
unb  für  feine  beiben  9?ad)folger  Würbe  bie  „römifd)e  $rage"  ein  SlgttationSmittel  erften 
langes  unb  eine  unerfdjbpfltcfye  Duette  bon  Äunbgebungen  ber  ^ietät.  33or  attem  aber 
tourbe  baS  $abfttum  baburd)  bon  einer  Stufgabe  befreit,  ber  es  notorifd)  nid)t  geWad)fen  25 
toar,  burd)  bie  eS  in  ben  engen  $reiS  territorialer  $ntereffen  Innabge^ogen  tourbe,  bie 
^afyrfmnberte  b,inburd)  bie  33eb,aubtung  feiner  internationalen  ^ofttion  erfcfyWert  I)atte. 
£ie  bon  bem  unfehlbaren  $abft  regierte  Äird)e  l)at  an  geftigfeit,  an  ©infyeit ,  an  ©e= 
fa)Ioffent)eit  gewonnen,  bie  ©urd)füfrung  ber  Stomanifierung  beS  inner!ird)licb,en  SebenS 
tourbe  erleichtert,  aud)  bie  §anbb,abung  ber  SDiS^iblin,  furj  ber  bolitifcfye  $atl)oltciSmuS  l)at  so 
eine  SSerftärfung  feinet  Unterbaut  erfahren.  ®aju  lommt  ferner,  bafj  baS  ^abfttum  fieb, 
flugertoeife  bisher  babor  gehütet  l)at,  in  einzelnen  lon!reten  Ratten  feine  ©ntfe^eibungen 
al§  tatb,ebratifd()e  ^u  fennjeid^nen  b.  fy.  e§  b,at  bie  SBirfungen  beS  aner!annten  33efi^e# 
ber  Unfeb,Ibar!eit  für  feine  gefamte  S£t)ätigfeit  in  Stnfbrud)  genommen.  31I§  einen  Sieflej 
biefer  «Sachlage  b.aben  toir  eS  anjufefyen,  toenn  ©b,r^arb  (2)er  ^at^oliciSmuS  unb  ba§ 35 
jtoanjigfte  ^ab,rb,unbert,  Stuttgart  1902,  <S.  275)  bon  einer  „befreienben  Söirfung  ber 
Unfe^lbar!eitSer!lärung"  fbricfyt  ober  ©molfa  (Erinnerung  an  Seo  XIII.,  greiburg  1906, 
6.  23  f.)  bie  Eröffnung  be§  23atifanifcb,en  2trd)ib§  au§  ber  burd)  biefeS  ©ogma  gefj$affenen 
©ic^er^eit  ableitet,  ©erartige,  auf  ben  erften  33lic?  barabo^  erfd)einenbe  Urteile  finb  nic^t 
fo  leidjt  ju  teerten  toie  e§  oft  gefcfyefyen  ift.  SJlber  gerabe  biefeS  ©^rbarbfe^e  S3ucb,  liefert  auf  ber  ^ 
anberen  ©eite  ben  33eit>ei<§,  bafe  innerhalb  ber  bureb,  baS  SSatilanum  beftimmten  römifcb.en  ^ird>e 
baS  b,errfcb,enbe  ©Aftern  fieb,  burcb,au§  leiner  bebingungSlofen  ^uftimmung  ju  erfreuen  b,at. 
2lu§  ^a^Ireicb^en  ©^mbtomen  ge|t  ferner  fyerbor,  ba|  bie  Saien  auf  eine  ftärfere  3DRit= 
arbeit  an  bem  fircfylidjen  Seben  b^inbrängen,  baf?  bie  Überfbannung  beS  SlutoritätSbrinjibS 
ftt)toer  embfunben  toirb,  bafe  bie  JHerifaltfierung  ber  JPolitil  auf  Söiberfbrucb,  ftöfjt,  bafe  45 
ba§  nationale  ©mbfinben  erftarlt  unb  fiel)  gegen  baS  Übergewicht  beS  romanifc^en  (Elements 
in  ber  Äircfye  auflehnt,  bafe  bie  Slnerlennung  beS  mobernen  ©taatSgebanlenS  in  ibjer 
eigenen  ?OJitte  an  S3oben  getoinnt,  ba^  ba§  Verlangen,  ju  ber  mobernen  Kultur  ein  bofi= 
tibeS  Ser^ältniS  ^u  gewinnen,  junimmt,  bafj  ber  ©eift  ernfter  toiffenfcb,aftlid)er  gorfd)ung 
aueb,  in  ber  römifc^en  föircfye  feine  befreienben  SBirfungen  ausübt.  9J2ag  in  ben  33e=  50 
ftrebungen  beS  fog.  9teform!atb,oliciSmuS  fieb,  aud)  biel  UnllareS,  SBiberfbrudiSbotteS,  Un= 
fertiges  finben,  bie  93etoegung  ift  ba  unb  eS  gelingt  nid)t,  fie  burd;  Slbleugnung  auS  ber 
2Belt  ju  fd^affen.  ©benfo  jeigt  bie  internationale  £oS=bon=3ftombetoegung,  bafe  in  ber  fatf)o= 
Iifcb,en  ßb^riften^eit  fid)  biel  Unmut  angefammelt  b,at  unb  bie  3«it  !riti!lofer  Untertoerfung 
für  Weite  Greife  ber  Vergangenheit  angehört.  2öir  beobachten  bemnacb,  innerhalb  ber  55 
latf)olifcb,en  Äird)e  baS  2Bir!famWerben  bon  ^altoren,  bie  bem  3Serfud)  einer  Weiteren 
SluSgeftaltung    ber  batilanifd)en  ©runbfätje  quer  in  ben  2Beg  treten. 

3Rad»  ber  rein  bolttifdjen  ©eite  blatte  baS^on^il  gunäct)ft  nur  bie  9Birf ung,  bafe  öfterreteb,  mit 
ber  Segrünbung,  bafe  „ber  Äombagif^ent  ein  anberer  geworben  fei"  (Coli.  L.  p.  1719)  am 
30.  $uli  1870  baS  ßonforbat  bon  1855  (ebenb.  p.  1721  ff.)  funbigte  (über  baSSBerb, alten  ber  so 


474  SBattfumfdjeS  ^on^U  SSccfcnmc^er 

©taatäregierungen  gegenüber  ben  ^onzilsbefcfrtüffen  togl.ßkanberatfylll, ©.  663 ff.;  griebberg, 
Slftenftücfe  ©.  53  ff.).  Stber  aucfy  bei  bem  Sluäbrucf)  be<o  breufjifcfyen  5Mturtamj)f§  War  „^um 
Seil  Wenigften§  ber  ©inbruct  beftimmenb,  ben  ber  ©ang  be§  ^on^tlg  auf  bie  ©taat§= 
regierungen  machte"  (%.  3£.  gunf,  Kultur  ber  ©egenWart  I,  4,  Seidig  1906,  ©.  245). 
5  Qn  ber  jüngfien  Vergangenheit  enblidj»  f)at  ba§  fatfyolifcfye  granfreid)  bie  Trennung  be3 
Staates  bon  ber  Äirdje  boEgogen,  nacfybem  ficb,  bie  Unmöglicfyfeit  berauggefteEt  fyatte, 
auf  bem  33oben  ber  burcb,  ba§  Äontorbat  bon  1801  gefcfyaffenen  Slecfytgberr/ältmffe  fid^ 
be§  2lnfturm<§  ber  in  ir)r  burcb,  bas  SSatifanum  jum  ©iege  gelangten  ultramontanen  9tid)= 
tung  ju  erWefyren. 

10  ®ie  ©eftnition  be§  ®ogma§  bon  bem  Uniberfalebijfobat  unb  ber  ^nfalltbtlität  bei 
römifcfyen  93tfct)ofS  t)at  bie  ©efcbjdjte  ber  Sntftefmng  biefe<8  ©ogma§  jum  älbfcfylufe  ge= 
bracht,  ©iefe  Sebjen  gehören  feitbem  ju  bem  $rei§  geoffenbarter  ©laubenöWafyrfyeiten  unb 
Werben  bon  biefer  ®ircl)e  niemals  aufgehoben  Werben,  toob,l  efyer  nodj  eine  Steigerung  er= 
fahren  (Stebe  bon  @.  Sommer,  ^rofeffor  ber  Geologie  an  ber  Söiener  Uniberfität  „De 

15  maiestate  pontificis  romani"  ju  @b,ren  be£  25jäb,rigen  ^ßatoftjubtläumg  £eo§  XIII. 
u.  a. :  affirmamus,  ecclesiae  esse  unum  caput  in  duabus  personis  distinetis, 
Christo  scilicet  et  Petro.  —  Sicut  humanitas  Christi  est  quasi  instrumentum 
animatum  coniunctumque  divinitatis,  quae  propria  filii  est,  simili  quoque 
modo  pontifex  m.  dici  potest  primarium   instrumentum  humanum  animatum- 

20  que  ipsius  verbi  incarnati  ac  divinitatis,  quacum  coniunctus  est  auctoritate 
vicarii  universa.  Recte  igitur  papa  a  s.  Catharina  virgine  Senensi  alter 
Christus  appellabatur.  JJafrbucf)  f-  Wlofotofyie  u.  fbelulatibe  Geologie,  fyerauSgeg. 
bon  @.  (Sommer,  ^aberborn  1903,  ©.  497  502).  Slber  aucfy  bon  biefem  £)ogma  gilt, 
bafj  feine  offizielle  Ste^ebtion  ifym  nocb,  nidjt  bie  ©arantte  berieft,  bafj  ei  tfyatfäcbjid)  in 

25  bem  bon  bem  befcfyliejjenben  ^on^il  geWoEten  Umfang  für  aüe  Qtitm  refbeftiert  unb 
Wirffam  fein  Wirb.  SDte  ®ogmengefcf;icf/te  liefert  ntd)t  wenige  33cifbiele  bon  Umwertungen 
unb  (Entwertungen  einzelner  ^Dogmen,  ob,ne  bafs  bie  innere  SlbWenbung  bon  ilmen  bie 
^onfequenj  erzwingt,  bafi  fie  formeE  aufgehoben  ober  abgeänbert  Werben.  ©oEten  Reiten 
Wiebertefyren   Wie   bie  bei  18.  3sar/rl)unbert3,  fo   Würbe   aucfy  bie  @infd)ä£ung  be§  bati= 

30  Janifcfyen  ®ogma§  babon  nid^t  unberührt  bleiben.  Slber  bie  römifö^e  Äird>e  Wirb  bei 
ifyrer  großen  2tnbaffung3fäf)igfeit  unb  ©laftijität  aucf)  folgen  ©bentualitäten  geWacfyfen 
fein,  benn  fie  f>at  ficb,  ben  2Beg  ber  autfyentifcfyen  ^rtter^retattort  be§  ®ogma3  nid)t  ber= 
fcfyloffen  unb  befiijt  in  ber  9ftetfyobe  bei  ®iffimulieren§  gegenüber  unabänberüdjen  ©ingen 
ein  biel  bewährtes  Slugfunftimittel.  6ort  mivbt. 

35  SSeefenmetyer,  ©eorg,  geft.  1832,  Würbe  am  20.9?obember  1760  ju  Ulm  geboren  unb 
entftammte  einer  früher  in  StugSburg  angefeffenen  gamilie,  beren  ebangelifcfye  ©lieber  fbäter 
nad)  SDonauWbrtb,  unb  nacfy  beffen  Sefetjung  burcb,  Sägern  nacf)  Ulm  belogen  Waren.  DbWor/l 
er  Wie  fein  SSater  ein  SeinWeber  Werben  foEte,  befugte  er  bod)  bie  unteren  klaffen  be3 
ftäbtifd^en  ©t>mnafium§.    9Jur  Wenige  SBodjien  batte  er  aU  Seb,rling  im  bäterlid^en  §aufe 

40  gearbeitet,  als  einer  feiner  2eb,rer,  ber  bie  f>crborragenbe  Begabung  bei  Knaben  erlannte, 
bie  ©Item  beftimmte,  tbn  Wteber  auf  ba§  ©t)mnafium  ju  fd^iden.  SD^it  17  ^afyxen  trat 
er  in  ba§  Ulmer  Collegium  academicum  ein  unb  Würbe  in  ben  numerum  studiosorum 
philosophiae,  bie  in  Tübingen  beboniert  Würben,  aufgenommen,  -ftocb,  Wäb,renb  biefer 
Ulmer  ©tubiengett  entwickelte  fiel)  feine  Eigenart,  bie  9iid)tung  auf  bie  ^iftortfdbert  ©tubien 

45  unb  bie  Siebe  $ur  ^leinf orfcb,  ung ,  befonberl  auf  bem  ©ebiete  ber  9ieformation§gefd)idjte. 
^n  feinem  Wot)l  erften,  mir  lianbfc^riftlicb,  borliegenben  ©cfyriftcfyen  (e§  War  ein,  Wie 
febeint,  bon  Qtit  ju  3«'t  geforberte<§  „speeimen  in  inquisitione") :  „33on  @itelb,ann§ 
Sangenmantel,  einem  heftigen  SBtberfacber  Sutl>er§",  bag  er,  noeb  nidjt  20  %afyxt  alt,  im 
Slbril  1780  nieberfd^rieb,   entfd)ulbigt  er  fd)on  bie  „litterarifd)=b,tftorifd^e  ©riEe",  bie  fein 

50  bebeutenbfte§  SSerbienft  Werben  foEte,  „au§  §anbfd)riften  noc^  nid^t  ans  Sid^t  gefteEte 
©ad)en  ^u  gieben",  unb  ber  ©efd)id)te  foleber  Seute  nacfr^ugefyen,  „bie  in  tiefer  2$ergeffen= 
b,eit  fteefen".  ©te  Anregung  baju  berbanfte  er  ob.ne  ßtoeifel  bor  aEem  bem  trefflichen 
©d^eIb,orn  (f.  b.  21.  Sb  XVII,  551  ff.),  mit  bem  er.  Wie  mit  2lm  @nbe,  bem  §erau§geber 
be§  ©leiban,  in  regftem  SßerJebre  ftanb,  unb  ber  ifym  feine  reichen  Sammlungen  öffnete. 

55  3lber  ber  junge  ©tubent  felbft  fammelte  fdwn  Wo  er  lonnte  alte  SDrude  unb  b,anbfd)rift= 
Ucbeg  9)iaterial  unb  jWar  au§  ben  berfc^iebenften  ©ebieten,  \va§  tbn  allein  in  ben  ©tanb 
fe^te,  feine  umfänglicfjen  ©bejialftubien  ju  machen.  SRatürltcb  Wanbte  er  ficb,  gunäd)ft 
ber  Solalgefcbicbte  ju  unb  fteEte  e§  ficb,  jur  Aufgabe,  Wie  er  in  einer  (b^nbfcfyriftlicfyert, 
fbäter  in  anberer  gorm  Veröffentlichten)  Slbb,  anbiung  bom  ^ab,re  1781  „£eben§befd)reibung 


Bcefenmetyer  475 

Ulrich  $rafft<§,  beiber  9ted;ten  £)ocior3,  ©tabt^fatrerö  ju  Ulm  unb  geugen  ber  3Ba^r^eit" 
e3  au§ftorid;t,  nad;  unb  nad;  bie  ©efd)id;te  aller  ber  HJiänner,  bie  in  ber  9teformation§= 
gefd)id;te  Ulm?  eine  9toHe  gezielt  tmben,  ju  bearbeiten,  liefern  fttotüe  bienten  mehrere 
©pejümina  aus  jenen  Sauren,  bie  eine  ganj  ungewölmltdje  Kenntnis  ber  &ird;en=  unb 
2itteraturgefd)id)te  ber  $eformation3geit  befunben,  unb  bte,  fo  Weit  fie  bie  £>eimat  fbejiell  b 
angingen,  ber  SteformationSgejcfyicfyte  Ulmg  ju  ©runbe  liegen,  bie  Beefenmer/er  für  ^ofy. 
£erful.  ^>etbg  Betreibung  »on  Ulm  mit  feinem  ©ebiete  (Ulm  1786,  ©.  157—196) 
lieferte.  ©a§  merlwürbigfte  au3  jenen  Ulmer  ©tubentenjafyren  ift  aber  eine  Debe  Beefen= 
metyerS  auf  ben  SOOjä^rigen  ©eburtätag  £utb,er§,  ber  einige  SSerfuct),  2utb,er3  ©eburt<§= 
tag  im  ^atyre  1783  in  biefer  Sßeife  ju  feiern,  ber  mir  bi§  jeijt  befannt  geworben  ift.  io 
©ic  ift  ein  beutlidjeö  geidjen  bafür,  Wie  ba<§  BeWufctfein  Don  Sutfyerg  ©röfje  jener  geit 
faft  abfyanben  gefommen  mar  unb  if>r  erft  nad)  unb  nad;  Wieber  jurüderobert  Werben 
mufjte.  ©laubt  bod;  ber  Berfaffer  ftd;  entfdmlbigen  ju  muffen,  Wenn  er  e3  Wage,  Sutl)er 
ju  feiern,  ba  er  ja  jugeben  muffe,  „bafs  berfelbe  lein  fo  großer  ©eift  geWefen  al§  2eib= 
nit$,  Sode,  Newton  unb  einige  anbere  bergleid;en  unb  baj$  er  einige  widrige  geiler  an  15 
fid;  fyatte"  Unb  e3  ift  ganj  im  ©inne  ber  3eit,  wenn  er  geigen  Will,  „Wie  grojje  Ber= 
bienfte  Sutl;er  um  bie  Äirdjenberbefferung  unb  übertäubt  baburd;  um  bie  2lufflärung 
habt"  2lber  in  feiner  §od)fd;ä£ung  SutfyerS  unb  feiner  Begeifterung  für  ilm  ging  er 
feinen  Sanböleuten  Wofyl  ^u  weit,  jebenfalls  Würbe  feine  Slbftdjt,  biefe  JRebe  am 
10.  9?obember  1783  ju  galten,  px  feinem  Bebauen:  Vereitelt.  20 

(Erft  im  %ax)xz  1786  bejog  er  bie  Uniberfität  2Iltborf,  um  5£b,eoIogie  unb  Bfülologie 
ju  ftubieren.  $Dort  Waren  ©abier,  Säger,  ©ieben!ee3,  2Bill  unb  ©cfyWarj  feine  l)aubt= 
fäü)Iid)ften  Sel;rer.  Sftefyrere  Heinere  Slrbeiten  au§  jener  geit,  ©elegenb,eit3fd;riften,  bie 
er  im  auftrage  ber  societas  latina  Altorfina  fjerau^gab,  laffen  erlennen,  Wie  bielfeitig 
feine  ©tubien  Waren,  Wie  aber  ba3  litterarifd)e  unb  fyiftorifcfye  ^ntereffe  ba<3  eigentlich  25 
tfjeologifcfye  bei  Weitem  überwog.  2lm  19.  Dltober  1789  erwarb  er  fid;  bie  btnlofobb,ifd;e 
ÜÖtogtfterWürbe  buref;  Berteibigung  ber  ©d;rift  Vicissitudines  doctrinae  de  sacra  coena 
in  ecelesia  Ulmensi,  einer  fefyr  gelehrten  2trbeit,  beren  I)anbfd;riftlid;e  Quellen  je£t 
nur  jum  lleinften  ^eile  nod)  borfyanben  fein  bürften,  unb  am  20.  gebruar  1790  Würbe 
er  Magister  legens.  $u  biefem  $\vtäe  tmite  er  eine  2lbb,anblung  De  recto  et  vario  30 
historiae  reformationis  saerorum  usu  Vorgelegt  unb  bertetbtgt,  bie,  Wenn  fie  aud; 
bie  ßWedmäftigleit  befonbers»  betont,  bod;  ben  Weiten  Blid  ifyres»  Berfaffer§  unb  feine 
Begabung,  aud;  größere  fyiftorifd;e  Aufgaben  ju  erfaffen,  bezeugt,  ©eine  alabemifdje 
£I)ätigleit  —  er  Ia§  bom  W<xx%  1790  an  über  ©cfyrödt)>§  ^om^enbium  ber  d)riftlid)en 
tird)engefd)id}te  öon  ber  Deformation  an  —  War  nur  oon  !urjer  $Dauer.  Bereite  im  35 
Dltober  1791  feierte  er  in  feine  Baterftabt  jurüd,  um  fidj  in  bie  ^anbibatenlifte  auf= 
nehmen  ju  laffen.  2lm  13.  ÜJiärj  1792  Würbe  er  gum  Sßräjeptor  ber  5.  klaffe,  am 
28.  Dooember  beSfelben  ^ab,re§  §um  2eb,rer  ber  6.  klaffe  unb  enblid)  im  gebruar  1793 
jum  ^rofeffor  ber  Dljetori!  beförbert,  Womit  aud;  ba§  2lmt  eine§  ^rogrammatariu^  t>er= 
bunben  War,  'mtö  i^n  jur  2luägabe  toon  jWei,  f^äter  öier  jäf)rlid)en  Programmen  ber=  40 
pflichtete.  ^n  ^^efer  ©teUung,  b,ier  unb  ba  aueb,  al$  ^rebiger  auty elf enb,  berblieb  er, 
unermüblicb,  tb^ätig  unb  fdjriftfteUernb  unter  ben  WedjfelboHen  ©c^idfalen  feiner  Bater= 
ftabt,  bie  in  fein  Seben  fielen  unb  bie  aud)  in  bie  Berfyäliniffe  be3  ©tjmnafiumö,  an 
bem  er  lehrte,  zeitweilig  tief  einfdmitten  unb  ib,m  felbft  manche  gwüdfeijung  eintrugen. 
Sa§  b,ing  oielfad)  bamit  jufammen,  ba^  er,  ber  an  ber  alten  §errlid)feit  Ulm^  fid)  er=  45 
freute  unb  ba§  BeWufetfein  beg  9f{eid;§ftäbter§  in  fid)  trug,  fid;  nur  fd^Wer  in  bie  neuen 
unb  jWar  befonberg  fdjliefelid;  in  bie  Württemb.  Berljältniffe  finben  lonnte.  ^m  ^5.  1826 
Würbe  er  in  ben  5RuI)eftanb  toerfetjt,  biente  aber  feiner  Baterftabt  nod;  Weiter  afö  ©tabt= 
bibliotfyelar.  Qm  ^uni  1830  erhielt  er  in  Slnerfennung  feiner  Berbienfte  um  ben  Slnbau 
ber  Äirdjengefc^idjte  »on  ber  t^eologifd;en  gafultät  in  Qena  bie  Wol)lt)erbiente  tfjeologifdie  50 
^oftorwürbe.  DbWol;l  er  ein  ^]oIt)b,iftor  War  Wie  Wenige  unter  feinen  ^eitgenoffen,  ge= 
b,örte  feine  Neigung  bod)  immer  ber  Iird;engefd)id)tlid;en  gorfcb,ung.  ©ein  Seben  War  ba§ 
eine§  emfig  unb  in  aller  ©tille  forfd>enben  ©elel)rtcn,  ber  nur  fad^Iicjie  ^ntereffen  !annte, 
unbefümmert  um  ba§  Sob  ober  ben  ^abel  ber  geitgenoffen.  Bon  feiner  Sugenb  an  War 
er  ein  ©ammler ;  ba£  blieb  er,  aber  nid)t  um  feine  ©d>ä£e  ^u  bergraben  ober  in  ftider  bö 
©elbftgenügfamleit  fid;  allein  an  ilmen  ju  erfreuen,  fonbern  um  fie  ju  nüljen  unb  nu^= 
bar  zu  machen,  nad;  Söeife  ber  2lltborfer  ©ctmle  gleid)giltig  gegen  bie  gorm,  in  ber  er 
bie  Stefultate  feiner  ©tubien  lunbgab.  2ln  ben  tl)eologifd;en  Jtämpfen  feiner  3eit  unb 
ber  allmäb,lid;en  ÜberWinbung  ber  Slufltärung  blatte  er  feinen  Slnteil.  ©eine  Betrad)tung 
ber  tl)eologifd;en  ©egenfä^e  feiner  ßeit   War  eine   ^iftorifd^,    j.  B.  in  ber  ©i;mbolfrage,  60 


476  SSeefenmetyer 

töte  man  u.  a.  au<§  feinen  Skmerfungen  in  ber  oben  ermähnten  ©d)rift  De  recto  usu  etc. 
eiferen  fann.  ^rre  id)  nicfyt,  fo  bertrat  er  je  ntefyr  unb  mefyr  einen  toarmen  ^ße!toraIi§= 
mu§  unb  t>oß  ©lauben^uberftcfyt  fab,  er  unter  ben  ©ebrecfyen  be§  Stlterg  bcm  ^obe  ent= 
gegen,  ©erabe  ein  Igafyr  bor  feinem  2obe  fctmeb  er  an  einen  Nürnberger  greunb  in 
5  einem  mir  borltegenben  ^Briefe:  „Stile  SRorgen  benle  icb,  an  ?ßf  71  t>.  9,  unb  bann  ift 
mir,  aU  fage  ©Ott  &u  mir  $ef  46,  b.  4,  unb  bann  gefye  icb,  getroft  unb  rufng  in  meiner 
Saufbaljm  unb  an  meine  Strbeit"  Slm  6.  Stbril  1832  mürbe  er  bon  feiner  Sirbett  unb 
au§  bem  Greife  feiner  gamilie,  jtoei  ©öfmen,  bie  ib,m  feine  (erft  im  ^ab,re  1881  im 
Sllter  bon  94  %afyctn  berftorbene)    zweite  grau,   $atfy.  @Uf.  3(ul.  8eb-  SÖMer,    geboren 

io  blatte,  abgerufen. 

©ie  gafy  feiner  ©cfyriften  unb  2luffä£e,  bie  meiftenS  rttd^t  umfangreich  finb,  ift  fefyr 
grofj.  SLrotj  ber  lolalen  gärbung  finb*  fie  ob  ber  Sebeutung  UIm§  im  Deformation^ 
jeitalter  für  ben  gorfcfyer  nocf)  fyeute,  tr-ie  mancf/e§  aud)  überholt  fein  mag,  eine  unfcfyä£= 
bare  gunbgrube,   meldte  bie   Ie|te  ©eneraiion  faft  gan$  bergeffen  ju  b,aben  fdjeint,  mag 

i5  jum  %6l  baran  liegt,  bafj  fie  fo  btelfacb,  gerftreut  finb.  2Ber  mit  mir  gu  feinem  S3e= 
bauern  zuweilen  nachträglich  bemerft  ijat,  baf?  if>m,  wenn  er  23eefenmer/er3  Sirbetten  ge= 
rannt,  mancfye<§  mübjame  ©ucfyen  erfbart  toorben  märe,  roirb  es>  bielleidjt  begrüben,  menn 
fyier  ber  Serfuct)  gemalt  toirb,  abgefefyen  bon  gang  lurjen  Degenftonen  unb  Dotijen 
(namentlich  im  „Sltfgemetnen   Iitterartfct)ert   Sinniger"),    eine    möglicbjt  boßftänbige  $u= 

20  fammenftellung  feiner  Slrbeiten  ju  geben. 

©eine  mir  befannt  geworbenen  ©Triften  unb  Stuffäije  finb  folgenbe: 
Carmen  maximam    partem    ineditum  etc.,    Slttborf  1788,   4.  —  Particulam 
Annalium  Manusscriptorum  ineditam  etc.   (ein   ben  S3auernfrieg  betreffenbe£  ©tue! 
au§  DMancr;tr/on<§  Slnnalen),  Stltborf  1788,  4.  —  Leibnitii  epp.  ad  J.  A.  Schmidium 

25  Theol.  Heimst,  ex  autogr.  Norimb.  1788,  8.  —  ©ttbenbien  bor  ber  Deformation 
in  SReufelö  SJcagagm  1788,  II  ©t.,  ©.  113.  —  De  vicissitudinibus  doctrinae  de 
sacra  Coena  in  eeclesia  Ulmensi,  Stltborf  1789,  4.  —  De  recto  et  vario  Histo- 
riae  reformationis  sacrorum  usu,  Stltborf  1790,  4.  —  Beiträge  jur  ©efcfndjrte  ber 
Sitteratur  unb  Deformation  (betrifft  meiften§  DeformatiottSgefcfytcfyte,  tjanbelt  aber  rau«r) 

30  bon  ben  ^eftamenten  ber  jtoölf  Patriarchen  unb  einer  ^anbfcfyrift  ber  lateinifd^en  Über= 
fe^ung  berf.),  Ulm  1792,  8.  —  33erfucf)  einer  ©efdjücfyte  ber  Seichte  in  ber  Ulmifdjen 
^ircfye,  1792,  8.  —  Über  jwei  fefyr  feltene  23rieffammhmgen  (©cfymebel  unb  §edfel) 
Dceufete  gJiaga^in,  1792,  6.  ©t.,  ©.  137  f.  —  Dad)rid)t  bon  be§  Martin  Salticuö  ef>e= 
mattgen   Ulmtfdjen  Deftorä  geben  je,    1.  Slbfcfm.,    Ulm  1793,    2.  Slbfd).  1794,  4.  — 

35  Comment.  hist.  litteraria,  Ulmenses  bene  de  re  Literaria  orientali  meritos 
sistens,  Ulmae  1793,  4.  —  De  codice  manuscripto  Juvenalis  Satiras  complec- 
tente,  Ulmae  1793,  4.  —  De  Academia  Veneta,  Ulm.  1794,  4.  —  Dadjricfyt  bon 
§anö  ^acob  2öe^,  erftem  ebangeltfcfyen  Pfarrer  in  Seibfyeim,  Ulm  1794,  8.  —  De 
Ulmensium  in  Litteras  Graecas  meritis  ibid.  1794.  1795.  —  De  Ulmensium  in 

40  Arithmeticam  meritis,  ibid.  1794,  4.  —  Dacbjict/t  bon  Sonr.  ©am§,  be§  erften 
orbentlid)  berufenen  Ulmifcb,en  ^Reformator«?,  Seben,  35erbienften  unb  ©Triften,  ebenb. 
1795,  4.  —  Serfucf)  einer  ©efdncfytc  be§  ©c^loffe^  ^elfenftein,  ebenb.  1796,  4.  — 
Spec.  obss.  miscell.  in  Com.  Nepotem,  ebenb.  1796,  4  (barin  auef)  über  bie  erfte 
beutfef/e  3lu§g.  be3f.).  —  6oHectaneen  bon  ÜOklancfjtfjonS  SSerfyältntffen,   in    melden   er 

45  mit  ben  Ulmern  ftanb,  ebenb.  1797,  4.  —  33on  bem  ehemaligen  Slufent^alte  ber  ^uben 
in  Ulm,  ebenb.  1797,  4.  —  De  Marco  Beumlers  Philologo  Eamista,  ibid.  1797,  4. 

—  De  Ulmensibus  Erasmi  amicis,  ibid.  1797,  1798,  4.  —  kleine  Seiträge  ^ur 
Kulturgefcf).  b.  beuten  ©brache,  1.  Slbfdm.Ulm  1798,  2.  Stbfcb,.  1802, 3.  Stbfctm.  1804, 4  (betr. 
33al.  ^drelfamer,   ©eb.  granf  jc).   —  SSerfucb  einer  ©efef).  be§  beutfeben  ^ird^engefangeg 

so  in  ber  Ulmifcf)en  Äirc^e,  ebenb.  1798,  4.  —  Pentas  epp.  cl.  vir.  hactenus  nondum 
editarum,  ibid.  1798,  4.  —  Slnalelta  ju  £af.  Dtterg  Seben,  Stag.  Sitt.  Sinniger  1798 
Dr.  97  ©.  977.  —  Über  ^riftian  ©ntfelber  in  ©ablerö  Deuft.  ^eol.  Journal  1800, 
IV,  4.  309.  —  ®ttoa$   über  Saj.  ©benglerö  ©Triften,   SlUg.  Sitt.  Slnj.  1800,  Dr.  25. 

—  Son   ber   erften  Sranbenburgtfcfyen  £ircb,enorbnung   in   ©abter§  Journal  für  tl;eo". 
55  Sttteratur,    1801,    2.  33b,    ©.  525  ff.   (bgl.  3lEq.  Sitt.  Sing.  1800,    Dr.  182).   —  33on 

3ol)ann  SlauffenS  in  teutfdbe  35erfe  gebrautem  $falter,  ebenb.  ©.  530 f.  —  AI.  (^ronil 
bon  Ulm  (ßeitgenöffifc^e^)  ebenb.  1801.  —  De  Minerva  a  Domitiano  superstitiose 
eulta,  ibid.  1802,  4.  —  Darfst  bon  Ulr.  ®raft§  Seben  jc,  ebenb.  1802,  4.  — 
Hexas  epist.  cl.  vir.,  ibid.  1802,  4.  —  Sefcfjreibung  ber  ©tabt  Slmberg,  Sitt.  Hättet, 
so  Dürnberg  1802,  ©.  398.  —  23erfucf>  einer  ©efeb^te  be3  Ulmifo)en  ^atecl)igmu§,  I.  1803, 


23ecfcnmei)er  477 

II.  1804,  III.  1805,  4.  —  De  Pauli  Salichii  vita  etc.,  ibid.  1803,  4.  —  23erfua) 
einer  ©efcfyicfyte  beS  er/em.  ©ommifanerllofterö  in  Ulm,  ebenb.  1803,  4.  —  Über  %oi). 
Gaftner  unb  SKartm  Äloftermair  in  Sitt.  Slätter  1803,  3lx.  22.  —  ©ef.  9?aa)r.  bon 
$acob  9xa$,  ebenb.  5Rr.  1.  —  Gotfectaneen  bon  SEranquißug  ^artr/eniuö  2Inbronicu§  au§ 
SDalmatien,  ebenb.  9fo  2.  (2ln  gleicher  ©teile  nod)  eine  ÜRetfye  fleinerer  Sflilcetten.)  —  5 
kleine  9cacl)lefe  ^u  be§  feiigen  2lm  Gnbe  bon  'Sr/omaS  -Jcaogcorgug,  ebenb.  ©.  194. 
219f.  —  De  antiquo  numo  Syracusano,  ibid.  1803,  4.  —  Dactylefe  311  3jO&.9Jtojer3 
Seben,  Sitt.  glätter  1803,  228 ff.  —  23on  ©ebafttan  SJiurrfyo  au3  Golmar,  ebenb. 
e.  323  ff.  —  De  consilio  edendorum  qui  progymnasmata  Graece  scripserunt, 
Hermogenis,  Aphthonii  atque  Theonis,  tentamen,  ibid.  1804,  4.  —  De  non  neg-  10 
ligendis  vett.  codd.  Fragmentis  etc.,  ibid.  1805,  4.  —  9tad)iicf/t  bon  Sorenj 
JBalter  ^ücbel  2c,  ebenb.  1806,  4.  —  De  Joanne  Boemo  Aubano  etc.,  ibid.  1806,  4. 

—  SBerfud)  bon  SJnnalen  be£  er/em.  granpgJanetflofterg  in  Ulm,  ebenb.  1807,  4.  — 
Wricb  3toingli  als  ^äbagog,  *H.  Sitt.  2lnj.,  9Jfüncf/en  1806,  ©.  199.  —  ^of).  Sang, 
ein  berbienter  Sftrcf;en=  unb  ©djmllefyrer  in  9Jtemmmgen  im  16.  ^afyrfyunbert,  ebenb.  242. 15 
Über  Sutr/er3  Sud)  bon  ben  Gigennamen  ber  SEeutfcf/en,  ebenb.  ©.  295  (bgl.  ebenb. 
g.  206 ff.  unb  1807,  ©.  154 ff.).  —  3o&.  ^catoriuö  ebenb.  1807,  ©.  15f.  —  Gol= 
leetaneen,  bie  ©efef).  be§  ^roteftantigmug  in  Göln  betreffenb  (©erb,.  Söefterburg),  ebenb. 
1807,  ©.  146.  —  ©ef.  Dacfmcrjten  bon  %ot).  33ünberlin  bon  Sin£,  ebenb.  ©.  513  ff.  — 
§ift.  9J?i§cellen  bon  Ueberlingen,  ebenb.  1808,  4.  —  Sieber  be§  15.  ^af)r^unbert§  auS  20 
|>anbfcr/riften.    ^n  Beiträge  j.  ©efefy.  altb.  ©^ract)e  bon  gerb,  äkcffyerlin,  ©tuttg.  1811. 

—  Hermogenis  progymnasmata  graece  recensuit,  Norimb.  1812,  8.  — 
Reellen  litterartfef/en  unb  I)iftorifcf/en  3nfyalt3,  ebenb.  1812,  8.  —  De  illa  Homeri 
formula:  Tavza  ftecöv  iv  yovvaoi  xeitat,  Ulm.  1813,  4.  —  De  schola  latina 
Ulmana  ante  et  sub  Reformationis  sacrorum  tempus,  Ulm.  1817,  4.  —  Sitte=  25 
rctrtfcfye  9facf/ricr/t  bon  Sutfyer§  ©cf/riften,  bie  Gmbfel)lung  be§  ©cr/uIröefenS  betreffenb, 
Stuttgart  1819,  8.  —  JJluguftin  23aber,  ein  ©cfyroärmer,  in  bie  ®enlmät)ler,  §eft  1, 
Stuguft  1819.  —  Hurje  9?acf;ricr;t  bon  3.  ^oljabfel  unb  §.  Setter,  Gehören  ber  lat. 
Scf/ulen  in  Ulm  im  15.  Qab/rlmnbert,  Uhu  1821,  8.  —  Sitterargefcfjicr/te  ber  23rief= 
fammlungen  unb  einiger  ©Triften  bon  Dr.  9Jcartin  Sutfyer.  9Jiit  einer  33orrebe  bon  30 
be  SBette,  ^Berlin  1821,  8.  —  Commentatio  critica  qua  illud  Arcadis  cuiusdam 
somnium  expendit.  Ulm.  1821,  4.  —  $ricfs>  33efd)rcibung  be3  SCRünfterg  in  Ulm. 
9ieue  berb.  2lufl.  bon  23.,  ebenb.  1821.  —  Gin  23rief  be§  9ciioIau§  £>rabiä  in  ©täublin§ 
unb  ^fdnmerS  Slrd^tb  für  alte  unb  neue  ®ircf/engefcf,icr;te  33b  V  (1822)  ©.  380.  — 
Aliquot  Codicum  Manuscriptorum  quos  possidet  indicem,  Ulm.  1822,  8.  —  35 
33on  ^ofyann  Sanbtsberger  unb  beffen  ©cf/rtften  in  ©täubling  ^trajenl).  SIrdiib  1823, 
Öeft  4,  ©.  45 ff.  —  Sutr/er3  beutfdje  Stbelüberfeijung  in  23retfcr;neiber§  Journal  für 
$reb.  1823.  —  Über  be§  ©ojinuä  3lufentb/alt  in  Sßittenberg,  ©täublmS  Ätrd&en&ift. 
2Irc^.  1824,  §eft  3,  ©.  79  ff.  —  ©inb  bie  23efcf/roerben  ber  beutfef/en  «Ret^Sftänbe  gegen 
ben  römifcfien  ©tufyl  auf  bem  9teicfy3tag  ju  Nürnberg  1522/23  bem  bäbftlicfyen  Segaten  40 
felbft  übergeben  ober  ifym  nur  nacfrjgefcfyicft  toorben?  ©täublin3  Äirdjenr/ift.  2Ircfy.  1824, 
©.  87  ff.  —  ®ie  93erl)anblungen  auf  bem  Sfteic&ftage  %a  ©beier  1526,  bie  Religion  be= 
treffenb,  ebenb.  1825,  1.  §eft,  ©.  72  ff.  —  Über  einige  gleicb^etitge  ©Triften  gegen 
Sutberö  Verheiratung  mit  ^at^arina  bon  33ora,  ebenb.  2.  Jpeft,  ©.  167.  —  9iacf/Iefe 
jur  ©efcfyicfyte  be§  Slblafetoefenö  lur^  bor  ber  Deformation,  ebenb.  §eft  4,  ©.  461.  —  45 
9tacf/ricf/t  bon  ^onrab  Äöllin,  ©onünüanerbriorl  in  fööln  unb  heftigen  ©egner  Sutb^erä, 
Seben  unb  ©Triften  auö  gebrückten  unb  ungebrud'ten  Duetten,  ebenb.  ©.  471  ff.  — 
Über  $an$  (5ad)§,  Seförberer  ber  9ief.,  ebenb.  1826,  3.  .fteft.  —  kleiner  Seitrag  jur 
33ibelgejd)tc^te  mit  ^ufä^en  ^u  !ÖJogfyetm3  SRac^ricbten  bon  SDlic^ael  ©erbet  unb  ju  2lm 
ßnbeö  9?ac§rid)t  bon  ©.  %xöl)tid),  ebenb.  —  3Jon  Wifyad  ©attler,  einem  ju  ÜRottenburg  50 
am  ^Recfar  1527  Eingerichteten  2öiebertäufer,  ebenb.  1826,  4.  £>eft.  —  33ibIiograbb,ifcb,e 
unb  biograbr/ifc^e  SInaleften  ju  ber  Sttteratur  ber  alten  griecfyifcf/eh  unb  römifc^en  ©d)rift= 
ftetter,  Ulm  1826.  —  ©ammlung  bon  2tuffäfcen  jur  Grläuterung  ber  5?ircbenlttteratur=, 
Wün^  unb  ©ittengefc^id)te  befonberg  be§  16.  ^al)rf)unbertg  mit  einer  ©tetnbrucftafcl, 
Ulm  1827.  —  %lad)nd)t  bon  SEfyomanS  Gb^roni!  im  6ar;ertfcben  littcr.  unb  merfanttl.  55 
3lnj.,  1828,  9fr.  18.  19.  —  Über  bie  erften  1519  unb  1520  erfef/ienenen  latetnifcfyen 
unb  beutfeben  Sammlungen  bon  Sutfyerä  ©Triften,  %i)BtR  I,  828,  II,  361  (bgl.  baju 
goerftemann,  2f)StÄ  II,  77(iff.).  —  33on  ^ob^ann  bon  2)raenborf,  einem  teutfeben 
§uffiten,  ebenb.  1828,  ©.  399.  —  Über  2lbam  ^eufer,  ebenb.  1829,  ©.  553.  —  Sitte» 
rarifd)=btbliograbl;ijct)e  sJlaa>rtct)ten  bon   einigen   ebangclifcfyen   latccbetifc^en  ©cf;riften  unb  00 


478  SSeefenmctyer  Segfye 

^ateck^men  bor  unb  nact)  £utl^er§  üatedjt^meti  je,  Ulm  1830.  —  kleine  ^Beitrage  jur 
©efcbjcke  be3  Stetd^tagS  ^u  Stugsburg  1530  unb  ber  2tug3burgifckn  Konfeffion.  2lu<§ 
gretd;jeittgen  §anb=  unb  ®ruc?fckiften ,  Nürnberg  1830.  —  3Ser  i/at  juerft  unter 
ben  ebang.  Ökologen  eine  ©ammlung  bon  fernen  über  bie  ^3erifoben  auf  bie  ©onn= 
5  unb  gefttage  herausgegeben?  (53ugen|agen)  %fj&m  III,  1830,  ©.  869.  —  Über  be§ 
Sart^olom.  33emf)arbi  2l^Dlogie  ber  Slerogamie,  £b,©tß  33b  IV,  1831,  ©.  125.  — 
©enlrnal  ber  emfyetmtfcfyen  unb  fremben  Geologen,  toeld)e  in  Ulm  ju  ber  toirflidjen  @in= 
fü^rung  ber  Deformation  bor  300  Igaken  gebraucht  mürben,  Ulm  1831.  —  Über  ben 
SScrfaffcr  be3  Siebet:  ßommt  ber  gu  mir,  fbxicfyt  ©otteS  ©o^n,  ffi%i)  1832,  I,  1,319 f. 

10  —  De  diis  paciferis  etc.  ebenb.  I,  2,  55  ff.  —  3um  2lnbenlen  an  bie  2lu§manberung 
ber  ebangelifcfyen  ©aljburger  im  ^ake  1732  unb  Don  ben  Söiebertäufem  im  ©algburgifckn, 
ebenb.  II,  2,  ©.  243.  —  S)e§  ebangelifcfyen  -KZärtr/rerä  QofyanneS  ©iajiug  SDebitation 
bon  ben  ^faljgrafen  Dtto  ^einrieb,  k.,  $%f)  1837,  ©.  157  —  ®ie  fek  feiten  ge= 
Worbenen  Programme  33eefenmer;e*3    befitjt    bie  Ulmer  ©tabtbibliotkf,    ebenfo  bie  tk 

15  b,interlaffene  Urlunbenfammlung  jur  ©efdjtcke  ber  ©tabt  Ulm ,  roäfyrenb  bie  loftbare 
33ibliotk!  unb  feine  übrige  §anbfd)riftenfammlung ,  bas>  Defultat  mek  al§  50jäkigen 
Sammeleifers,  um  feinen  ©öfmen  ba§  ©tubium  ju  ermöglichen,  butc^  33erf'auf  jerftreut 
werben  mußte.  S^eobor  Solbe. 

35eg^er  ^o^anneS,  als  ^Jrebiger  befannter  ^raterkrr  ju  fünfter  geft.  1504.  — 
20  Quellen:  Skonif  be§  ®lofierg  9Jiefin£   bei  fünfter;    9Fcemortenbud)    be§    5raterl)au|e3   ju 

fünfter;  Sübum  ber  SIrtiftenfat ultöt  ju  Eoin;  SSeräetctjntS  ber  5ESot)ltt)äter  be§  9ctefinMlofier§; 

9JcecfIenburgtfct)e<§  Urhmbenbutf);  Slnnalen  unb  9(ften  be§  öilbeSfjeimer  33rubert)aufe3,  tjeranägeg. 

Bon  ®ö6ner  (©annooer  unb  Seipjig  1903),  ©.  268,87,  269,  270,  272;  Cornelius,  ©efct)td)t§= 

quellen  beä  33t§tum§  fünfter,  bef.  S3b  II.  —  Sitteratur:  3m  Qaljre  1883  ueröffenttictjte 
25  Dr.  gfranj  3L1fteä  bie  erften  Bon  il)m  in  fünfter  nufgefunbenen  24  ^rebigten  unb  glnei  beutfetje 

©ebidjte,  3°b-  SSegfte,  ein  beutfc£)er  ^rebiger  be§  15.  3<*kb-  (©aüe),  ju  «gl.  6b.  ©darüber  in 

@g?(  1883,    ©.  1329 ff-    unb    «{Stjü.  ©trauet),     Sinniger    für   beutfd)e§  filtert.  1884,    202 ff.; 

ferner  Softe*  in  £3®  SSb  VI  1885,  ©.  345  f. :  „®rei  unbetannte  beutfetje  ©djrtften  Bon  3of). 

S8egt)e";  berf.  in  bem  SJlünfterfc^en  Slnjetger  1904  juni  ©ebäditnie  SSegbeä;  &ubto.  ©ctjutje 
30  in  ber  311F  XVIII.  1888  über  3-  93egtje;  berf.  in  ber  3®@  1890,  ©.  577—619,  £ur  ©eftf). 

ber  SSrüber  Born  gem.  Seben,    9er.  3,    bt§tjer  unbet.  ©crjrtften    be§  3.  3<egt)e;   Sraufe,   SRoft. 

gettung  1885,  9Jr.  296;  .gerat.  Strieloff,  5)ie  SEraftate  unb  ^rebigten  2}egt)e8,    unterfutfit  auf 

®runb  be3  lectulus  floridus  ber  SSerl.  §onbfcb,rift    jur  (Einleitung    in    baZ  ©tubium  58egtje§, 

©alle  1904,  ?(b93  oon  ^t)tl.  ©trauet). 

35  I.  SebenSumftänbe.  ^Da  33. 1504 geftorben  ift  unb  53  ^abre  ber  Sruberfc^aft  bom 
gem.  Seben  angebört  b,at  CDtemorienbud)  be3  2Rünftcrfct)en  §aufeö),  fo  ift  er  1451  in  ba3= 
felbe  eingetreten,  alfo  in  ber  erften  §älfte  be<§  15.  ^ak^unbertS  geboren  unb  §war  ju 
fünfter,  mo  fein  33ater  (W\d).  Gfyx.)  ^ol)anne§  33egk  al§  Hefter  unb  Mette  syn  echte 
huysfrouwe   mie  e§   fckint   ate   fromme,   rooI;It!;ätige  33ürger§leute    in  guten  93erl)ält= 

40  niffen  gelebt  i)abm,  mie  fieb,  ba§  au£  bem  3Remorienbucf)  ergiebt,  mo  fie  unmittelbar  nacb, 
bem  ©tifter  aU  befonber<3  berbiente  2BoI)ltf>äter  genannt  werben.  ®erfelben  gamilie 
mirb  aueb,  bie  bafetbft  ermähnte  ©t)efeJe  2Begkr  angehört  l;aben.  ?Ract)  bem  Xitel 
Sftefter  war  ber  Sßater  ein  bermögenber  ,§anbmer!er  ober  2lrgt  (bielleicf)t  Gfnrurg). 
©eine  Slu^bilbung  b,at  er  fic^erlicb,   in  feiner  33aterftabt  erhalten,   mo   ber  §umam§mu§ 

45  bie  ©cbulen  übertäubt  beeinflußte ,  bef.  aber  bie  Untermeifung  ber  33rüber ,  bie  für 
ifyre  ©lieber  ba§  Stecht  befaßen,  je  fünf  ^u  ©eifttic^en  au^jubilben.  Db  er  bei  ilmen 
auigebilbet  ift,  ift  nick  fieser.  ^ebenfaßS  geigt  ber  9xeicl)tum  ber  Ilajfifcb,en  ßitate  in 
feinen  ^prebigten  eine  umfaffenbe  allgemeine  33ilbung.  ©bäter,  als  er  fcb,on  in§  grater= 
f)auö  eingetreten  mar  (1451),  b,at  er  nod)  auf  ber  Uniberfität  gu  (Söln  ftubiert,  wo  ba§ 

50  Sllbum  ber  2lrtiftenfa!ultät  ib,n  al§  Johannes  ten  Loe,  dictus  Veghe ,  clericus 
Monasteriensis  nennt.  @r  fükt  alfo,  nad)  bielfacb,er  ©itte,  einen  SDobbelnamen,  machte 
aber  nur  feiten  babon  ©ebraud). 

2Bie  fcb,on  erwähnt,  trat  er  1451  in  ba§  graterb,au§  jum  ©bringborn  (ad   fontem 
salientem)  in  fünfter.    §ier  mu|  er  fieb,  ba§  Vertrauen  be§  3te!tor  9}{ad)ariug  SöeltndE 

55  erworben  i)abm,  fo  baß  man  ifm  nacb,  ÜRoftod  fanbte,  Wo  feit  mek^en  $al)ren  eine  neue 
SZieberlaffung  ber  33rüber  im  ©ntftekn  toar.  ©cb,on  1462  b,atte  man  brei  33rüber  au3 
fünfter  gefenbet  (bgl.  SRedt.  Urfunbenbucf).  Um  biefe  Srüber  gu  einem  Äonbent  ju 
bereinigen,  fdjtdte  man  33.  bafym.  @r  War  pro  tempore  rector  bei  §aufe§  viridis 
horti,    al§    Welcher   er  in    einer  noctj   borl)anbenen  Urfunbe  bon  1470  am  13.  Januar 

60  erwähnt  ift.    ©oeb,  lann  er  fict)  nict)t  längere  3^it  bort  aufgehalten  ^aben,  benn  bie  bon 


»eglje  479 

©irtoS  IV  auSgeftctlte,  unb  an  ir)n  gerichtete  33eftätigungSurfunbe  beg  SfloftodEcr  §aufeS 
bom  8.  September  1471  ift  an  irm  naa)  9Jcunfter  gerietet,  ©benfo  befagt  bie  bom 
1.  Januar  1472  auSgeftetlte  Urfunbe  gu  SRünftcr,  bafj  er  aueb,  faiferlidjer  3lotar  (clericus 
mon.  publicus  imperiali  auetoritate  notarius)  mar.  S)ret  Qafjre  fbäter,  1475,  mar 
er  jur  33ifttation  in  ÜRoftocf,  unb  gmar  als  9ieftor  beS  9Jiünfterfct)en  £aufeS,  rooju  er  als  5 
9}aä)foIger  SMincfS  1475  geroäf)lt  mar.  @r  mar  ber  fechte  ber  bortigen  Steftoren. 
©rofje  Aufgaben  maren  tl)m  bort  geftellt,  teils  für  baS  feb/r  bebeutfame  33rüberf)auS 
bortfelbft,  teils  für  bie  fcfion  bureb,  ben  ©tifter  ^einrieb,  bon  2lr/auS  errichtete  Union  ber 
beutfe^en  graterfyäufcr  ju  Söln  unb  Söefel.  ©0  erflärt  ftet),  bafe  er  balb  nacb,  feiner 
2öal)l  fieb,  nacb,  Stoftocf  begiebt,  begleitet  bon  $ofy.  ©btüermann  auS  §erforb.  §ier  in  10 
$oftod  fetjte  er  an  ©teile  beS  torberlicb,  fci)roacr;en  ^ob,.  b.  Qferlofm  als  neuen  5te!tor 
ben  ÜftfolauS  bon  SDeer  ein,  unb  gab  bem  §aufe  eine  Siegel,  meldje  ber  33ifcr/of 
33altf>afar  bon  ©cf)merm  beftätigte.  ©einen  (gifer  bezeugt,  bafj  er  fcfyon  im  folgenben 
^afjre  1476  bie  länger  unterbliebenen  SMoquien  naef;  SRünfter  einberief,  §ur  ^ubilatemocfye 
famen  bie  Slbgefanbten  ber  Käufer  6öln,  äBefel,  §erforb,  £ilbeSr;eim  unb  Gaffel.  £>ie  15 
noeb,  auf  ber  berliner  SBibliot^ef  befinblicfyen  5ßrotofoHe  geigen,  bafj  mistige  33efcf)Iüffe 
über  bie  Aufgaben  ber  33ifitatoren,  bie  $flic£)ten  unb  Stellung  ber  Konfefforen  in  ben 
Scfyroefterfyäufem  unb  betr.  ba§  neue  33ruberr;auS  gu  Harburg  gefaxt  mürben.  SDa  bie 
v]iacr;rict)ten  über  letzteres  günftig  maren,  mürben  auf  bon  bort  ausgekrochene  Sßünfcfye 
brei  33rüber  gefenbet.  2>n  oer  ^'efe  neue  ©tiftung  ad  rivum  leonis  betr.  Urfunbe  mirb  20 
er  ebenfo  mie  in  ber  oben  ermähnten  ÜRoftocfer  aueb,  als  laif.  ÜRotar  genannt  (abgebr. 
bei  Gb,r.  gr.  3lr/rmann,  §ift.  beS  KugelfyaufcS  %u  Harburg,  in  Kucfyenbecfer  ann. 
Hass.  VII,  1).  ^n  ben  §ilbeSl)eimer  ^rotoMen  ber  unierten  §äufer  mirb  1478 
(ed.  ©öbner  ©.  268)  ermähnt,  bafj  fie  feine  @ntfcb,eibung  in  berfdnebenen  Streitigkeiten 
ber  §UbeSb,eimer  33rüber  erbaten.  25 

vDa  er  bie  bielen  Reifen  gu  33ifitationen  unb  Kolloquien  mit  ben  bielen  arbeiten 
als  3teltor  „burd)  Kranfb/eit  nict)t  mochte  bulboieren",  fo  nal)m  er  1481  bie  ©teile  eines 
SeicfytbaterS  unb  5teftorS  am  ©cfymefternfyaufe  gu  9ciefinf  bei  SRünfter  an,  rooju  iljm  bie 
bier  alteften  ©ct/toeftern  nacb,  ben  ©tatuten  roäb/lten,  mie  eS  in  ber  Urfunbe  lieijjt:  ein 
toiS  unb  matgeleert  9Rann.  (&v  mar  ib,r  jmeiter  33eid)tbater.  2lucb,  bie  §UbeSb,eimer  30  , 
^ßrotofoHe  a.  a.  D.  ©.  269  ermähnen,  bafj  er  finito  colloquio  ju  fünfter  resignavit. 
©ein  5RadE)foIger  mürbe  SEfyfymanbuS  (SEt^mann  SrabanbuS  bon  ßoesfelb).  ^n  Sciefinf 
toob,nte  33.  im  §errenb,aufe,  ber  fbäteren  ©d)ule  am  ©erbatiiitrcr/fyof,  rao  er  ein  Xb,or 
nafy  bem  Kircb,b,of  bauen  liefe  (bgl.  ben  noct;  erhaltenen  9teberS).  Unter  feiner  Seitung 
ift  baS  ©cfymefternfyauS  ju  b^o^er  93Iüte  gebieten;  über  100  ©cb^meftern  lebten  bafelbft;35 
mehrere  ^riefter  ftanben  ib,m  in  ber  ©eelforge  gur  ©eite.  SDie  ß^ronif  fagt:  be  uns 
bele  fuberlifer  leer  unbe  f(|rift  fyeft  na  gelaten  ((SorneliuS,  ©efd)id)tSquetlen  beS  33iStumS 
fünfter  II). 

33.  lebte  in  ber  erften  geiftigen  33Iüte^eit  SJfünfterS.    Unter  bem   bie  getftlicfyen  mie 
toiffenfcb^aftlicb,  b^umaniftifd^en  93eftrebungen  förbernben  33ifd^of  ^einrieb,  bon  ©cb^marjburg  40 
(1454—1494),  mie   unter  bem  feingebilbeten  ßonrab  bon  3üetberg   (1497—1502),    mar 
fünfter  für  ©eutfcb,Ianb,  befonberS  für  2BeftfaIen,  bie  §aubtbflanjftätte  beS  Humanismus. 
DaS  §aubtbcrbienft  gebührte   bem  SDombrobft  S^ubolf   bon  Sangen,   einem  geitgenoffen 
33.S  (geb.  1438,  geft.  1518).     ©iefer  ^atte  nacb,    feiner  ©tubienjeit  Italien   befugt    unb 
reiche  ©cf/äfce  an  33ücb,ern  bon  bort  mitgebracht,  fieb,  bann,  befonberS  als  ©ombrobft,  ber  45 
Spulen  angenommen,   unb  tüchtige  Kräfte   für   biefelben    $u   getoinnen   gemußt,    beren 
9Jcittelbunft  er  mar;   mir  nennen  2tymann  Kemener,  ben  5Re!tor  ber  Iateinifcf)en  ©cfyule, 
8ernb,arb  ©meringiuS,    %ofy.  33ering,    ^unifen,    (EäfariuS,   §crrmann  bon   bem  33ufcbe, 
§orIeniuS,   bef.  %ofy.  9JcurmetliuS.    ^rt  mie  b,o^)em  2lnfeb,en   noeb,  ber  alte  31  bei  biefen 
§umaniften  ftanb,  geigen  bie  i^m  met/rfaef;  gemibmeten  33ere^)rungen  in  33erfen,  3.  33.  bon  50 
letzterem  in  feiner  Dbe  auf  fünfter,   in   roelcfyer  er   mit  überfc^mängUc^en  2Borten  feine 
saneta  probitas  unb  feine  ©cb,rifterllärungen  rüb,mt;    ebenfo    b,at    ifm  ^acobuS  9Jion= 
tanuS,  ber  fbätcre  9teltor  beS  33ruberb,aufeS  in  §erforb,  ber  greunb  2utb,erS  unb  9Mancf;= 
t^onS,   als  einen,  ber  nullas  artes  beracb,tet   fyahz,   bereit;    aud)  §errmann   bon   bem 
33ufcbe  fyat  i^n  befungen    (domino  Veghio  de  angustia    humanae  vitae),    mobei    er  55 
fein  ©tubium  religiöfer  ©Triften  rüb,mt,  unb  in  einem  anberen  @ebicb,t  ju  ben  5Rünfter= 
fäen  ©intern  rennet.    (^Jcä^ereS  bei  ^ofteS  a.  a.  D.  XXVI  f.) 

33on  33.S  33elefenb,eit  unb  ©tubien,  fomobj  bon  tb,eologifcb,en  mie  fmmaniftifcfyen, 
geben  einen  ungefähren  SRafeftab  bie  Sitate  in  feinen  ^rebigten.  Söir  finben  bon 
^lafftfern  citiert:    2triftoteleS    (©.  258,  309),    ben   Nullius    (©.  39  unb  144),    ©encca  go 


480  SBeglje 

(©.  53,  92  u.  a.).  33on  ben  ßtrd&entoätern  DrigeneS  (59,  336),  SbrbfoftomuS  (52),  ben 
^itligEjen  Raumes  Seo  (155,  162),  am  meiften  ben  Sluguftin,  unjeren  ^eiligen  Sßater  unb 
Patron  (124  u.  a.),  SlmbrofiuS  (20,  37),  §ieront)tnuS  (68,  126),  SoetbiuS  (129),  33eba 
(68,  139),  fobann  2lnfelmuS  (35),  Serabarb  (231,  234),  £ugo  (351),  $etruS  Slefcnft« 
5  (bon  SlotS  162),  Stomas  3lquin  (140),  Sonabentura  (27,  104);  bann  bie  bem  33rüber= 
freife  befonberS  nabe  frebenben  9lutySbroef  (42),  9Jcefter  @^eert  be  ©rote  (387),  ben  ]joc§= 
angefebenen  SSerteibiger  t^rer  ©enoffenfc^aft:  ben  cancelerer  van  parijs,  ©erfon,  (11, 
28,  29,  146,  153,  235  u.  a.);  ferner  ben  btelgelefenen  SlfymacbuS,  b.  fy.  ben  ftnattifd&en 
Slsfeten  ^obanneS  ©dboIaftituS  (geft.  606),    ber   toegen   fetner  aSfetifcb=mbJiifcben  ©cbrift 

10  xkijuai  rov  jiagaöeioov,  scala  coeli  biefen  -Kamen  fübrt  (©.  230) ;  aufserbem  werben 
nod)  allgemein  citiert:  ein  ^3oet  (243),  ber  vader  boik  (50,  174),  de  hillighe  doctores 
(200,  330),  de  hillighe  lerers  (371). 

II.  ©Triften.    23on  feinen  bieten  unb  f  ebenen  ©Triften,  meldte  bte  9cief.  ©bronif 
a.  a.  D.  ermähnt,  ebenfo  bon  feinen  SDicbtungen,   toelcbe  33.,  ftets  obne  feinen  tarnen  ju 

15  nennen,  niebergefd)rieben,  finb  erft  in  neufter  ßett  eine  2lnjabl  aufgefunben  unb  burcb 
eingebenbe  Unterfucbungen  als  Don  ibm  ^errübrenb  ertoiefen  toorben.  ©o  b,at  §ölfcber 
gtüei  religiöfe  beutfct)e  Sieber  ibm  jugefcbrieben,  abgebrucft  in  beffen  $ftieberbeutfcben 
Siebern  ©.  132  f.  unb  bei  %o\U$  ©.  392.  SKujserbem  finb  erbalten  a)  bte  bon  ben 
©cbmeftern  nacbgefcbriebenen  ^ßrebigten. 

20  SDaS  ^nbaltSber^eicbniS  ber  Slbfctyrift  fagt  in  ber  Überf  cbrift:  „§ijr  5egr)int  be  tafel 
üb  beffe  nabolgbenben  coEacien,  be  uns  ^>efft  gbebaen  unfe  bater  ber  joI)an  begbe"  @S 
finb  ibrer  23;  bann  folgt  ein  2Ibfcbnitt:  „fomfygbe  mercflife  bunte  be  unfe  bater  uns 
oicf  gbefecbt  befft  in  coüacien"  unb  jule^t  nocb  ^mei  coßacien  bon  unbekannten  SSer= 
faffern. 

25  2IuS  ber  Überf  cbrift  „unfe  bater",  toie  aus  ber  Slnrebe,  inbem  mit  ber  altberfömm= 
Itcben  „jutoer  leefte"  (eure  Siebe  185.  3)  abtoecbfelt:  Äinber,  toie  befonberS  aus  bem 
ganzen  ßbarafter  ber  ^rebigttoeife,  toie  auS  einzelnen  ©teilen  (©.  195.  29),  ergiebt  ficb 
mit  Seftimmtbeit,  bajj  fie  bor  ben  ©cbtoeftern  beS  §aufeS,  in  meinem  er  ^3ater,  ©eel= 
forger  toar,   gehalten  finb;    fie    ftammen   baber  auS  ber  3eit  bon  1481  —  1504,  unb  ba 

•30  mir  leine  ©ammlung  aus  berfdtnebenen  $abren,  fonbern  eine  2lufjeicbnung  aus  bemfelben 
^a^rgang  toegen  ber  ^Beziehungen  ber  ^rebigten  aufeinanber  (4  auf  3,  82  auf  3,  9 
auf  82,  13  auf  12,  15  auf  14)  baben,  unb  in  biefem  2>al)re  ber  21.  ©onntag  nacb  bem 
gefte  SWerfeelen  gefallen,  toaS  nur  möglieb  ift,  wenn  Dftern  gtoifcben  ben  21.  unb 
25.  2lbril  fällt,  fo  folgt,  ba  biefeS  nur  1481  ober  1492  ber  gatt  mar,  bafe  bie  ^ßrebigten 

35  toobl  in  bem  lederen  Igabre  gebalten  finb,  unb  nicfyt  gleich  aus  bem  erften  ^ßbre  feines 
SlmtSantritteS  gefammelt  mürben  (bg(.  bie  eingebcnben  Unterfucbungen  bei  Slrieloff  über 
ben  Sefer=  unb  $brerfreiS  ©.  202  ff.). 

@S  finb  IJkebigten   gehalten  am  Dftertage,   am   gronleicbnamStage,   am  4.,  6.,  11., 
15.,  21.  unb  23.  ©onntag  nacb.  ^fingften,   ferner  am  Slagc  ber  5Raria  3Jcagbalena,  beS 

io  QacobuS,  ber  bl.  2lnna,  beS  \j[.  2luguftin,  ber  ßircbtoeibe,  beS  ©imon  unb  $ubaS,  2Wer= 
beiligen,  2lllerfeelen,  ^ob-  beS  ©bangeliften,  unb  auf  ben  funbacb  atg  men  alleluia  Ied)t 
(©ebtuag.);  bon  mannen  ^agen:  ©t.  ^nna,  11.  nacb  $f-,  (Berftörung  ^^ufalemS), 
£ircf)tbeibe  (unb  feine  Dftabe),  2lllerfeelen  unb  21.  nacb,  $f.  (bom  J?odE>geitItc^en  bleibe) 
toerben  je  groci  geboten,   toie  eS  aus  ber  ©itte  ber  Srüberfreife   ju   erflären    ift,   meldte 

45  meift  am  ©onntage  jtoei  ^rebigten  borten. 

®er  ©egenftanb  ber  ^ßrebigten   ift  meift  bem  ©bangelium   beS  ^ageS   entnommen 
ober  baran  angelnübft. 

SDiefe  ©cbriften  toarcn  unbe!annt  geblieben;    (SorneliuS  unb  §blfcber  in  i^ren  geift= 
lieben  Siebern  unb  ©brücben  auS  bem  SCRünfterlanbe  (Serlin  1854)  bitten  auf  ben  ftatt= 

so  licfjen  Sanb,  meldten  bie  ©ebtoeftern  naa)f4)rieben  unb  gefammelt  Ratten ,  ^tngett>iefen ; 
aber  erft  ^ofteS  bat  fie  äufäütg  in  ber  Sibliotbef  beS  SlltertumSbereinS  ju  SKünfter  ge= 
funben  unb  berauSgegeben. 

®ie  ^ßrebigten  5ß.S  fübren  in  bem  3Serjeid)niS  ben  tarnen  ^ollatien.    @S  toar  bieS 
eine  ©igentümlicbfeit  ber  Srüber,   baber    man   fie  aueb  babon   an    berfebiebenen  Drten 

55  ÄoUatienbrüber,  Fratres  collationarii  vulgo  vocantur  (Erasm.  ad  Lamb.  Grun- 
nium,  op.  omn.  III,  2,  1822,  ep.  442,  Lugd.  Bat.  1703),  unb  ü)r  §auS  baS 
^oEatienbauS  bezeichnete,  ©o  nannten  fie  felbft  ibre  2Jrt  gu  ^rebigen  im  llrtterfcbtebe 
bon  ber  b^fömmlicben  3Seife,  inbem  fie  niebt  sermones  ober  conciones  nacb  ber  Sßeife 
ber  borgefebriebenen  fcbolaftifcben  ^rebigtmetbobe,  lunftreicb  gebaute,  ein  SLbema  bureb 
60  ^eile  unb  Unterteile  bebanbelnbe  Sieben  hielten,  fonbern  frei,  aus  bem  inneren  Seben  ber 


S8cgl)c  481 

gctftlid)en  (Erfahrung  gefcfyöbfte  2lnfbra$en  mit  errtften  (Srmaljmungen,  bie  je  nacfy  2lrt 
unb  33eranlaffung  halt  fürger,  balb  länger  toaren;  biefe  2lnfbraa)en  Würben,  fttnn  fie 
öffentlich  toaren,  in  ber  93olfSfbrad)e  gehalten.  ®a  bie  boI?StümIid)e  2trt  ber  SJtenge 
nidjt  bloß  gefiel,  fonbern  aud?  einbringltdjier  baS  §er^  traf,  fo  tourben  fie  fleißig  befugt 
unb  gerne  gehört.  SDiefe  Unterrebungen,  toelcfye  nid^t  bloß  jur  görberung  ber  d?riftlid;en  5 
ßrfenntniS  bicnen  füllten,  fonbern  bor  allem  jur  Heiligung  beS  SebenS  in  ber  @emein= 
fcfyaft  mit  ©ott  unb  in  ber  33ruberliebe,  fanben  an  ben  ©onn=  unb  geiertagen  ftatt, 
nad)  bem  grüfymaljl  (prandium),  aber  Dielfadc)  aucl)  nocb,  SlbenbS  nacb,  bem  ©bätmabj 
(cena);  fie  tourben  gehalten  unb  geleitet  Don  einem  bamit  beauftragten  23ruber,  bem 
custos  collationis ;  eS  fanben  ftd)  baju  ifyre  scholares  unb  audp  anbere  homines  10 
bonae  voluntatis  ein.  SBenn  bann  ein  Slbfcfmitt  auS  ber  1)1.  ©cfyrift  ober  anberen  er= 
baulichen  ©cfyriften  in  beutfd)er  ©bracfye  gelefen,  eine  JMation  barüber  in  einfachster  2Irt 
gehalten  war,  wobei  eS  nidEjt  auf  gefctjmücfte  hieben  unb  großartige  Gitate  abgefeben  mar, 
um  bie  Dfyren  ber  ßufyörer  ^u  beluftigen,  fonbern  im  (Eifer  um  bie  ©eelen  mit  betoeg= 
lieben  SBorten  §erj  unb  SGBitte  3U  betoegen  unb  ju  treffen  (non  ornatis  locutionibus  15 
et  magnalibus  allegationibus,  sed  motivis  et  compunetivis  verbis),  tourben  auet) 
bie  .ßubörer  aufgeforbert,  nacb,  ber  (^aht,  toelcfye  ifjnen  gegeben,  barüber  ju  fbrecfjen  (ju 
Dergleichen  bie  §erforber  ©tatuten  unb  baS  Reform,  vitae). 

^e  nacb,  ber  Begabung  ber  ^ollatienbrebiger  toaren  bie  2lnfbradjien  berfdjiieben.  93.S 
finb  bor  ber  ©cfytoefterfcfyaft  gebalten,    unb  finb,   wie  bieS  aud)  SLfyomaS  a  ^embis  als  20 
übliche  ©Ute  bekämet,  gtemlid^  lang,  boct)  rttebt  nacl)  SIrt  ber  3)tenbi!anten,  toelcfye  fünf 
bis  fed)S  ©tunben  ju  prebigen  pflegten  (Wimpheling,  vita  Geileri,  p.  120). 

25ie  9lebetoeife  ift  befonberS  in  f^radbltdber  §tnftd)t  eingefyenb  bon  S£rieloff  in  feiner 
©djrift  nacb,  allen  ©eiten  unterfudjt  unb  burd)  ga^Iretdbe  Belege  bargefteßt.  @S  finb 
leine  fbitjfinbigen  BegripenttoicMungen,  aucl)  nid)t  troefene  Slbb,  anbiungen ,  fdjolafttfcfye  25 
®ebuftionen,  fonbern  im  ebelften  ©inne  bolfStümlid;,  aber  ntdbt  toie  ettoa  ©eiler  ju  feiner 
3eit  unb  anbere  eS  liebten,  berb,  toofyl  gar  rofy,  in  gefcfymacflofen  dergleichen.  23.  fnübft 
an  bie  ^eilige  ©efdn'cfyte  ber  Bibel,  feltener  an  ©efdjtcfyten  auS  bem  Seben  ber  ^eiligen 
(5.  B.  bom  Xobe  beS  2lbofteIS  SofyanneS,  ober  bom  feJL  Martin)  an,  noct)  toeniger  bietet 
er  3)?ärcf)en,  ©djitoänfe,  2lne!boten  (toie  bei  feinem  SanbSmann  ©ottjdjalf  Rollen);  bie  30 
geiftlicfyen  ©inge  toeiß  er  burd)  bie  näfyer  liegenben  SDinge  ber  SRatur  unb  @rfaf>rungS= 
roelt  flar  $u  machen;  fo  j.  B.  an  bem  9Bacf)fen  ber  Bäume  unb  tt)rer  Kultur  (75,  80, 
91,  190,  280);  ober  er  begießt  fid)  auf  bie  §eimat  mit  ifyren  ©djmlen  unb  Sefjrern  für 
brei  klaffen  (274.  17),  baS  §ofbttal  (211.  8),  beren  eS  in  Söeftfalen  toeniger  gäbe  als 
anberStoo,  ober  auf  baS  Berufsleben  ber  ©cfytoeftem,  U)r  Soeben  (185,  23  ff.,  237),  35 
©binnen,  Scalen  (128.  1.  133.  18),  aud)  bie  Arbeit  ber  SRaurer,  ^immerleute  (154, 
219),  ©olbfcfymiebe,  ^inngießer,  ^otmefer  (125.  4 ff.),  ^öbfer  (73),  ober  auf  fonftige 
Erfahrungen  auS  bem  Seben:  bie  ©ebräucfye  bei  ber  §ocb,jeit  (86.  30),  bei  einem  %vmh 
gelage  (71.  24),  Begräbnis  (123.  15). 

9teid)lid)  ift  bie  Bertoenbung  bon  ©leidjmiffen,  bie  oft  fe^r  finnig  ausgeführt  toerben  40 
unb  ben  üßergleiclmngSbunft  !Iar   f)erauSftelIen   (j.  33.  bie  §eimatlofig!eit  beS  aus  bem 
$arabieS    bertriebenen  2Renfcb,en    160.  9,    ober  bie  SSergleicfmng    beS  2BeiI)raucf)S    mit 
Äattengolb  (80.  39),    ber  ©ünbe  mit  ber  Ha|e   unb   bem  ©forbion  (43),    beS   toiber= 
ftrebenben  5Öienfdjen   mit  bem  übermütigen  $ferb  (121);    beS  2öanlelmütigen    mit  ber 
SBetterfabne  (66.  23);  beS  $egfeuerS  mit  bem  §ofbitaI  (211),  eines  £offärtigen  mit  bem  45 
$laumfiffen  (367)  u.  a.    ©benfo   jief)t  er  b^eran  bie  9?ed)t§gebräud)e  (Verurteilung  ?um 
©trange,   toas  fd)rectlicb,er  fei  als  bie  ©ntb^aubtung)  (197.  12),    einem   Berbredjer   baS 
Sifen  auf  bie  SBange  fe^en  (37.  6).    2lud)  mebijinifcb,e  ilenntniffe,    toie  er  fie   bei   ben 
Äranfen  bflegenben  ©dijtoeftern  borauSfe^en  fonnte:  über  ben  Söeibjaucf)  (81),   2lfcf>e  beS 
SBeinftoclS  (92.  2),   bom  2Surm!raut  (72,  37),    Sabenbet  (368.  11),   SJcofdmS,  ber  bom  50 
$an%r  flamme  (82.  4);    132,  28    ift   bon   einem  $raut  bie  Siebe,   baS  bie  Reiben  ju 
fengen  pflegen,  bamit  eS  nict)t  b,ier  ju  Sanbe  toacb^fe  (toeld)eS  gemeint,  ift  fraglid)).    2lucb, 
Allegorien  bertoenbet  er,  3.  33.  baß  acfyt  Jungfrauen  baS  b,od;jeitlid;e  ®teib  arbeiten,  jebe 
an  il)rem  Xetle,   toomit   er  bie   ad)t  d)riftlic$en  ^Eugenben   bergleid)t    (in  ber  18.  $reb. 
©.  222)    oitmobicr)ett  (SDemut),   ret;ntcbett,    fteibic^eit  (©tetigleit),  boerficb,tid)eit  unb  be=  55 
fcb,eibenb^eit,  rechte  anbaut  of  men^nge,  berbulbid)eit,  gb,etemberertf>eit,  goblile  lebe. 

3ur  eckten  33otfStümlicf)feit  gebort  aud)  ein  liebenStoürbiger  Junior,  toobei  33.  aber 
nie  bie  ©renje  beS  ©cf)ic!Iid)en  überfd)reitet,  fo  3.  33.  baß  bie  Juben  für  leinen  ^rebiger 
geforgt  Ratten,  unb  baber  ^efuS  ibnen  am  geft  ber  Xembeltoeib^e  brebigen  mußte  (159. 
32),  befonberS  läßt  er  ibn  am  ^etruS  auS  (35.  11,  46.  35,  70.  29,  341.  2),  ober  toenn  eo 

Meot=ßncl)Hopäbic  füt  S^eologtc  unb  Stt^e.    8.  81.  XX.  ;)1 


482  $egl)e 

er  bie  Untugenben  ber  grauen,  ibre  S^eugierbe,  ©efd/mätjigfeit  geißelt.  Überaß  getgt  fid/ 
33.  aU  ein  buref/  bie  geiftige  Silbung  ber  ßeit,  befonberä  be§  Humanismus  r/inburd/= 
gegangene  geiftlicfye  ^erfönlicfyfeit  bon  guter  ©ttte  unb  Haltung  (95.  38),  toelcr/e  mit  ber 
©rfabjeung  bei  ©eelforgersS  bie  §etl3toal/rr/eit  au<§  bem  inneren  eignen  Seben  anberen  an§ 
5  §erj  legt,  um  innere**,  geiftlicr/eio  Seben  %u  toeefen,  ber  ba§  menfct)Iicf)e  §er^  in  feinen 
gef/Iem,  Serfud/barfeit,  ba£  treiben  ber  SBelt,  if)re  ©efaf/ren  unb  ©ebred/en  rennt  unb 
aufbecJt,  ber  aber  aud;  bie  gange  Kraft  be§  ©laubeng  unb  bei  SLrofteS  ber  &ird/e  in  ber 
©emeinfd/aft  mit  Stjrtfto  erfahren  l/at,  unb  bafür  gewinnen  roiß. 

©ein  fird/Iid/er  ©tanbbunft,  meldten  feine  ^rebtgten  aufzeigen,  ift  ber  bon  ©.  ©root 

10  in  ben  Greifen  ber  Srüber  Dom  gem.  Seben  begrünbete;  e£  ift  bas>  fird/lict/e  bra!tifd/e 
Seben  ber  mobernen  SDebotion,  toie  fie  fcf/on  in  ben  biet  citierten  Tätern :  Gr/rt)fofiomu3, 
bef.  2tuguftin,  fyl.  33emb/arb,  S£t)oma<3  bon  2lquin,  tüte  in  bem  großen  $arifer  6an= 
celer  (©erfon),  ferner  in  ©.  ©root,  bem  ©tifter,  bertreten  roar;  e§  mar  nidjt  bie  berftanbe<§= 
mäßige  ©d/olaftif,  fonbern  bie  braftifd/e  9JJr/ftif ;  nid/t  toie  fie  in  9tu^broeI,  SEauIer,  @d= 

15  t/art  ben  fbetulatiben  St/arafter  an  ftet)  trägt,  fonbern  toie  fie  bom  I/l.  23ernf/arb  t/er  buref/ 
©roote  alle  bantb/ etftifcf/e  Slnflänge  abgeftreift,  aber  in  ber  „^nnigfeit"  (devocie  =  devotio 
161.  32),  ber  buref)  ben  b/l.  ©eift  im  §erjen  getoirften  (Erfahrung  befiel/t.  $jn  brei 
©tufen  (©tänben)  ift  biefe  gu  erreichen,  aber  nur  bon  bem  red^t  gu  befer/reiben ,  ber 
„felbeg  eerften  mal  i/nne  gfjeoffent  l/ebbe  unbe  bat  id  bat   felben   eerften   mal   gf/efmafet 

20  unbe  gf/eboelt  t/at",  toa§  er  (12.  8)  bon  ftd)  nod)  nid/t  bbßig  ju  fagen  toagt.  ®er  ftrcf)= 
lid/e  ©tanbbunft  ift  baf/er  berfetbe,  mie  er  aud/  in  ber  -Kad/folge  ßb,rifti  bon  %tjoma§  a 
Kembi3  un<3  begegnet.  SDie  ^rebigten  Inübfen  eng  an  bie  b/I.  ©d/riftgebanfen  an,  fetten 
an  bie  abofri/br/ifd/en  ©cf/riften  (82  unb  10);  bielfacf)  an  ba3  boiek  eghener  under- 
vyndinge  (8.  10),  eghener  consciencien  (306.  8,  381.  2  unb  11),  auefr,  ba3  boiek 

25  des  levens  genannt;  unb  bewegen  fid)  burcf/au§  im  ©eift,  ja  in  ben  2lusbrüden  ber 
©d/rift;  bod/  ber  Gr/arafter  ber  römifef/en  Slird/enler/re  brägt  fict/  beutlicf/  genug  in  ben 
angeführten  ^«^Itlangaben  ber  ^rebigten  au<§.  $\vax  ift  %$•  toe^  entfernt,  jener  in 
äufeeren  Skrricf/tungen  fid/  ergeb/enben  grömmigfeit  ba€  2öort  ju  reben,  al3:  jur  Kird/e 
gef/en,  „ecn  frenfefen  to  lefene,  ober  er/n  folt  baternofter  to  bebene",   es>  !ommt  biclmef/r 

30  auf  bie  innere  ©efinnung  be3  §ergen3  an,  ba§  ftd/  bbßig  in  ©ottes>  SBitten  ergiebt,  unb 
er  erroeift  e§  au§  bem  Sud)  „ber  eghener  unberb^nbinge"  ((Erfahrung),  bajj  e§  nicb,t  leidet 
ift,  „fo  to  feggene  al  fbelenbe  I)eflig  merben";  er  fennt  bie  menfcfylict/e  9Jatur  mit  ib,rer 
©d)lt)adj)b,eit  unb  ib,ren  ©ebred)en:  „icf  fyebb?  anjt,  bat  unfer  nicf)t  bete  en  fr/,  be  gebe 
fo  leef  r/ebn  unb  fo  beftc  in  ber  leefte  unbe  brentfcfjab  gobeS  ftaen,  rot)  en  folben  cer  ben 

35  r/unt  bindren  taten  (nief/t  ftanb  galten)  unb  folben  etme  boetlife  fünbe  boen,  ban  mb,  bair 
gicb,t  bete  umme  laben";  aber  bei  allebem  ift  e§  bod)  bie  iserbienftlid/leit  be§  eigenen 
2bung  in  ber  9Jacr/foIge  ßtirifti,  bon  ber  fo  oft  gerebet  mirb,  roenn  er  fbrid)t  bon  ber 
Äraft,  au§  bem  gegfeuer  ju  befreien,  bom  SBirfen  ber  ^ugenben,  meldte  ba§  fjod^jeitlicfie 
^leib  arbeiten,    ^toar  fbrid^t  er  (175)  bon  ber  $raft  be§  SBortcö  ©otte§,  roetcb.eg,  roenn 

40  e§  ein  SJtenfd)  in  fieb,  behalten  könnte,  ib,n  reinigen  mürbe,  aber  er  gleicht  einem  unreinen 
Korbe;  roenn  ein  9CRenfct)  eS  fo  anbäct)tig  t)örte,  ba^  er  barau§  eine  Urfact)e  ber  Sefferung 
nät>me,  bann  mürbe  er  ©ott  banfbar  roerben  unb  atteö  ba§  bon  fid)  abtb^un,  toaä  eine 
Urfact/  ber  ©ünbe  an  fid)  bat,  —  jmar  roagt  er  fogar  in  betreff  bc§  31blaffe§  (217.49) 
baö  fyötyt  auffällige  2i5ort  ju  fagen,   ba^  man  für  bie  abgefet/iebenen  ©eeten  leinen  2lb= 

45  lafe  geroinnen  lönne.  „SRer  boen  be  jelen  foHe  gr/  nt)n  ablait  roi9nnen,  beg  en  foße  gr/ 
nid)t  boen,  roant  bat  en  macb,  in  nicf)t  gelben,  mant  fe  ft/nt  aßene  gobe  berballen,  fe  f^nt 
aßene  in  ber  SJlacbt  unb  in  ber  orbel  gobj  gfjat.  ©e  bifd^obe,  be  carbinale,  nod)  be 
baroeS  felben  en  mad)  ben  jelen  nt)n  aflaet  gtjeben  noct/  en  maef)  od;  n^n  aflaet  gb,eben, 
bat  men  boer  be  gelen  mannen  lenne,  battet  er  to  I/ulbe  Jemen  mogl)e;  mer  un§  mogl)en 

so  fe  aflaet  gl/eben,  manef  tot)  nod/  unber  erer  macfjt  f^n  unb  unber  eren  gb,ebetbe  unbe 
regimente  unbe  tob  fr/n  er  mebelebe,  bar  umme  megl)en  fe  uni  aflaet  gl)eben,  an  erer 
gutgünftid)eit,  fo  beer  unbe  fo  bete  aU  en  bat  gfyelebet  unb  gfyenogfyet",  —  aber  ben 
©lauben,  ber  ba3  aßeingenugfame  SSerbiertft  ßb^rifti  ergreift,  bem  basfelbe  jur  ©erecf/tig= 
feit  zugerechnet  toirb,    finben  toir  nief/t  betont;    !ann  aud^i  ber  2tblafs  ben  armen  ©eelen 

55  nicr/t  Reifen,  fo  bod)  bietet  anbere ;  bie  33arml/erjigfeit  ift  baö  aßergrö|te  unb  berbienft= 
lief/fte  SBerf,  unb  mit  ben  2öer!en  bei  ©ebetö,  ber  penytencien,  mit  2Umr/ffen,  ber 
3Keffe,  !ann  man  ber  armen  ©eele  im  gegefeuer  ju  §ilfe  fommen  (16.  unb  17.  $reb.); 
of)ne  §ilfe  unb  23eiftanb  ber  ©rajien  unb  ©nabe  ©otte§  lann  ber  SJlenfct)  nieb^t  feiig 
roerben ;  ber  Sfienfcb,  mufj  ba§  ©eine  bagu  tb,  un,  foß  U/m  ©ott  ©ragte  unb  ©nabe  geben. 

60  3tm  SRaria  SUiagbalenentage  brebigte  er  über  bie  SSorte :  tl)r  ftnb  biet  ©ünben  bergeben, 


benn  (want)  fie  fyat  biel  Siebe  gehabt;  mit  2InWenbung  beö  ^aultnifd^ert  (foß  f>ctfeen : 
petrmtfdjen)  ©brudjeS:  bie  Siebe  bedet  ber  ©ünben  Sftanmgfaltigleit.  3Bie  ber  'Dtenfcfyen 
iitebe  bie  9tacften  fleibet,  fo  berjefyrt  unb  berbrennt  bie  göttliche  Siebe  unfere  ©ünbe. 
J\>enn  bu  bafyer  bid)  alfo  ganj  unb  boltfommen  ju  mir  gefegt  fyaft,  unb  l)aft  reine 
Siebe,  reinen  Sroft  unb  reine  3uberfid)t  fo  bößig  in  mid)  gefe|t,  bann  follft  bu  bon  5 
mir  ©nabe  empfangen;  benn  wenn  bie  ©ünbe  mächtig  getoefen,  ift  bie  ©nabe  nod) 
mächtiger  (overvlodich)  geworben.  ©ed)S  fünfte  finbet  er  in  ber  ©cfyrift,  meiere  ein 
Wenfcf)  an  fid)  l)aben  mu|,  melier  bie  Vergebung  feiner  ©ünben  erhalten  Will:  baS 
ÖcfenntniS  ber  ©ünbe,  bie  gurd)t  bor  ©otteS  93erbammniSurteil,  baS  SefenntniS  beS 
grofjen  ©cfyabenS,  ber  Don  ber  ©ünbe  fommt,  bie  ©cfyam  über  bie  ©ünbe,  SefenntniS  10 
(9?eue  =  droifheit)  unb  boßeS  Vertrauen  unb  guberftcfyt,  baf?  ©Ott  bie  ©ünben  bergeben 
roitl;  -jtoar  nid)t  in  ber  Meinung,  baf*  er  Vergebung  möge  berfrigfyen  mfyt  ftmeS  felbeS 
berbienfte;  aber  wer  ein  gut,  fyeilig  Seben  begonnen  fyat,  barin  bleibt  unb  fianbfyaftig  im 
$ambf  gegen  gleifcf)  unb  33lut  big  an  baS  ©nbe  berfyarret,  ber  tfyut  ein  SBerf,  bon  mefyr 
Serbienft,  als  um  ©otteS  Söitlen  fiel)  martern  ju  laffen.  —  ©0  fefyr  aud>  fyter  bie  ©nabe  15 
betont  Wirb,  es  ift  bod^)  eben  nur  eine  §ilfe,  n>eld>e  b,in^u!ommt  ju  bem  eignen  freien 
Ibun,  Welches  berbienftUcb,  ift  bor  ©Ott;  fretltd^  ift  eS  bie  Siebe  ©otteS,  meldte  (220.15) 
unferen  guten  SSerfen  bie  $orm  unb  garbe  giebt  unb  fie  berbienftUcb,  mad)t  unb  ^um 
SSerbienft  lommen  läfjt,  unb  baS  gefdnefyt  burd;  bie  fieben  ©aframente,  bon  welken  baS 
berbienftlid)fte  unb  gröfjefte  baS  beS  i)l.  SeicfynamS  ift;  aber  er  fügt  jugleid)  fytnju:  fo  beer  20 
alj  tob  bat  unfe  bar  to  boen  (221.  1),  —  bamit  ber  ^ßriefter  bor  bem  2lltar  all  ein 
„ntobbeler  unb  en  bertoeerber  (werf  =  gefcfyäftl.  Auftrag)  tufcfyen  gobe  unb  al  ber  gfyener 
fafe,  be  fytyr  teg^entoorbtd)  ftm"  ^anbele. 

2Sir  fcpefjen  uns  bem  Urteil  $ofteS'  über  biefe  ^rebigten  bölltg  an  (©.  XLVII): 
„9Jcit  wirfltcfiem  Vergnügen  laffen  fid)  biefe  ^ßrebigten  noefy  jeijt  lefen;  eS  liegt  etwas  in  25 
ifmen,  baS  einen  ungemeinen  9teij  auf  uns  ausübt  unb  uns*  immer  bon  neuem  ioteber 
311  ifmen  E>m§te^t.  ©iefeS  fcfylicfyte,  finnige  unb  innige  ©emüt,  boH  %iefe  ber  ©mbfinbung 
unb  §ob,eit  ber  ©eftnnung,  mufs  untotlliürlid;  feffeln,  unb  je  Weiter  man  lieft,  befto  lieber 
gewinnt  man  ben  ^rebiger" 

b)  2ln  biefe  33.fd)en  ^rebigten    fcfyliefU  bie   §anbfd)rift   Wie  ber  2Ibbrud  berfelben  30 
burdj  IJofteS  bon  ©.  399  noeb,  1.  bie  $rebigt  eines  unbefannten  $riorS  bon  2öinbSfyeim 
über  triebe,  @intrad)t  unb  brüberlidje  Siebe,  im  2lnfd)luf3  an  bie  Söorte:  ein  neu  ©ebot 
gebe  ia)  eud),  bielleidjt  bei  ©elegenfyeit  einer  Hlofterbifttation,  Worauf  ber  lynljalt,  befon= 
berS  bie  33efpred)ung  ber  brei  ©elübbe,   Wie  namentlich  ber  ©cfyluf?  l)injuweifen  fcfyeint; 

2.  eine  ßollacie  am  ©t.  GlemenStage  (24.  9Jobember),    bon    einem   Ungenannten ;    unb  35 

3.  bon  ©.  425  an  nod)  fuberlife  bunete,  be  m§  font)gb,e  beeren  in  coKacien  gfyefecfyt 
f)ebben.  ^n  allen  breien  ift  bie  2tnrebe  susteren,  susterken,  Welche  SS.  nid)t  bat; 
Berufungen  auf  bie  nämlichen  ®eWäb,r§männer  unb  I)illigben  lerere,  Wie  bei  is. 

c)  2lu|er  biefen  ^rebigten  glaubt  Softes"  in  einer  Slbbanblung  ber  fnftorifdjen  ^ab^r^ 
büd;er  bon  1885  noeb,  brei  in  §anbfd;riften  borliegenbe  SLraltate,  Welche  teils  er,  teils  40 
bie  Sibliotlje!  beS  3lItertumSbereinS  ju  5Rünfter  befi^t,  bemfelben  93erfaffer  jufdjreiben  ju 
muffen:  wyngarden  der  zele,  Marientrost  unb  geistlike  jagd.  SDie  Xitel  beuten 
auf  ben  ^M*,  btx  bielfad;  faft  Wörtlich  untereinanber  unb  mit  ©teHen  ber  ^ßrebigten 
übereinftimmt.    dlad)  ben  auS  allen  breien  gegebenen  SDtitteilungen  ber  Wicfytigften  ©teilen 

ift  bie  erfte  ©cfyrift  bie  bebeutenbfte  (bie  §anbfcb,rift  bom  ^afyre  1502),  bie  originellfte  45 
bie  brüte,  einem  jungen  dürften  geWibmet,"  ber  bemnäd)ft  jur  Regierung  berufen  ift,  als 
toelcb.er  ber  §erjog  Magnus  II.  bon  9ftec!lenburg  bermutet  Wirb,  fo  bafe  bie  ©cbjift 
toäf)renb  beS  2tufentt)alteS  33.S  jur  Drganifation  beS  §8ruberb,aufeS  in  3toftod  gefebrieben 
fein  lönnte.  %üx  bie  9tad)Weife  im  einzelnen  berWeifen  Wir  auf  bie  genannte  2lbb,anb= 
lung  unb  auf  ÄraufeS  Vermutung  in  ber  JRoftoder  Leitung  1885,  9lr.  296.  50 

SBeitere  Unterteilungen  über  33.S  ©Triften  machte  ber  Unterzeichnete  belannt  in 
feiner  3lbb,anblung  1890  in  ber  35?©  ©.  577  ff.,  Worin  mitgeteilt  Wirb,  bafj  auf  ber 
berliner  Sibliotf)ef  eine  §anbfcfyrift  über  ben  Wingarten  der  zeele,  über  ben  lectulus 
floridus  „Slumenbettdben",  bor^anben  ift.  Söcibe  finb  fcf)on  148(i  bollenbet;  über  biefe 
■'oanbfcbrift  unb  biefe  Xraltate  banbelt  bie  ©ctjrift  bon  Xrieloff  (f.  oben).  äluS  fbracb,=  55 
liefen  9iergleicb,ungen  b,at  er  bie  @ntftebungSjeit  biefer  Xraftate  nacf)juWeifen  gefugt: 
(c.  237  unb  245)  juerft  bie  geiftlic|)e  ^agb,  bann  3ötarientroft,  baS  Slumenbettdien  unb 
jule|t  ben  Wingarten ;  alS^eit  giebt  bie  berliner  ^anbfcb,rift  1486,  bor  bem  ©onntag  beS 
%ubi,  bie^agb  fe^t  er  1469  (nid)t  1475  bei  bem  jweiten  Slufentbalt  "!<.  in9toftod),  fbäter 
für  geiftliclje  Seute  bearbeitet,  ben  9Jfaricntroft  äWifctjen  Qagb  unb  Settcb,en.     2.  Srljulse.     60 


484  «eltlttt 

SSeltlttt,  Deformation  unb  ©egenreformation.  —  ®ie  nodi  ungebrucften 
Quellenfd)riften  ftnben  fid)  iiau^tjäc^Iid)  in  ber  Ambrosiana  in  SKaflanb,  in'bet  Biblio- 
theca  Vaticana  in  9Jom,  in  ber  Bibliotheca  Nazionale  in  JJeapel,  beren  Urfunben  jc.  foweit 
fie  fidj  auf  fdjiueijerifdje  (unb  früher  einmal  etbgenbf ftfd)e)  ©ebiete  Bejie^en,  in  Kopien  im  eibgen. 
b  SunbeSardnn  in  93ern  liegen.  9Bertr>ofleS  Urfunbenmaterial  wirb  aurf)  ba§  fpanifdie  ©taat§= 
ardjiö  ju  ©imancaS  tiefern,  beffen  maitä'nbifaVfdjwetäertfdje  Slften  baS  33unbeSard)tr>  in  Sern 
ju  forderen  beabficfjtigt.  gerner  uerweifen  wir  auf  bie  ©taatSardjioe  unb  93ibItott)efen  in  ßfjur, 
Supern,  ßürid)  unb  ba§  gräfl.  SaliSfdie  gamilienarcfjiü  in  3'äer§-  publizierte  Quellen: 
ßibgenöffifdje  9tbfd)iebe,  33b  IV1  unb  IV2;  bie  oenetian.  ©efanbtfd)aftSberid)te  Hon  @irot=  unb 

10  ©iac.  ©oranjo  (9ltberi,  Serie  II  93b  4);  ®ie  franjöf.  91ftenfamtnlungen  bieten  wenig,  ß.  Slott), 
Mery  de  Vic  et  Padavino  in  ben  Quellen  jur  Sdjweiäergefd).  V.  33b.  S)a3  SSelttin  fpegieH 
betreffen:  Gioachimo  Alberti:  Antichitä  di  Bormio  unb  F.  Feliciano  Ninguarda,  vescovo 
di  Como:  Atti  della  visita  pastorale  diocesana,  beibe  in  ben  ^5ubl.  ber  Societä  storica 
comense  (ßomo  1890,  1892/94).   9lud)  in  ben  fpciter  erfdjienenen  SSänben  finbet  fid)  mandjeS 

15  auf  baS  SBeltlin  ßegügltcrje.  gf.  Steffens  unb  §.  9veinf)arbt,  9iuntiaturberid}te  au§  ber  ©djweiä, 
I.  33b  (©olotburn,  Union  1906);  9Bir§,  Slften  ber  rötn.  ßurie  (Quellen  jur  ©djweij.  ©efd). 
33b.  XVI);  135  päpfrlidje  ©djreiben  au§  bem  16.  Saljrtrunbert  (9lrd)tt>  für  ©djtuetj.  3tef.= 
©efd).  ed.  ^iuSUerein,  33b  II);  Fra  Paolo  Sarpi,  Breve  relatione  di  Valtellina,  pubt.  im 
IL  vol.  dell'Appendice   alle  Opere   di  fra  P.  S.    (ed.  Veronese  1758)  unb    bei  Dott.  Ulr, 

20  Martinelli,  La  Campagna  del  marchese  di  Coeuvres  etc.  (Cittä  di  Castello  1898) ;  Pietro 
Soave  («ßao'fo  ©arpt),  Historia  del  Concilio  Tridentino  (Londra  1619),  f.  2lrt.  ©arm'  93b  XVII 
©.  486 — 488);  Pallavicino  storia  del  concilio  di  Trento.  ßum  9?erfjältm§  biefer  ftwei 
SonsitSbarftellungen  unb  tljrem  Quellenwert  f.  Kante,  ^äpfre,  33b  III,  §{nf)ang.  2)aS  93er= 
fjättniS    beS  Äarbinaler^bifdiofS    ß.  33orromeo   pm  93e(tlin  betjanbeht   bie  Biographien    beS 

25  Zeitigen:  Gio.  Pietro  Giussano,  Vita  di  8.  Carlo  Borromeo  (Roma  1679  unb  r>on  £)ltrocd)i 
1751  tateinifd)  herausgegeben);  Sala,  Documenti  (Milano  1861)  unb  Sala,  Biografia  di  S. 
Carlo  (Mil.  1858);  Sylvain,  Histoire  de  St.  Charles  Borromee  (Sitte  1884),  bie  aud)  niete 
Urfunben  enthalten,  aber  nicfyt  niel  jur  Klärung  fetner  SSirffamfett  für§  93eltlin  beitragen. 
3)ie  widjtigften  Quellen  auf  bünbner.  Seite  finb :  Campell  Ulr.,  Historia  raetica  (IX.  33b  ber 

30  Quellen  jur  <Sd)roeij.  ©efd].);  Petrus  Dom.  Rosius  de  Porta,  Historia  Reformationis  (Curiae 
Raetorum  et  Lindaviae  1771  unb  1777);  §anS  2(rbüferS  (ß()ur  1877)  unb  gortunat  ©predierS 
(ßtjur  1672)  3tätifd)e  ßfrronifen.  Bearbeitungen:  @.  ben  9lrtifet  Stauen  33b  IX  ©.524 
unb  bie  bort  üerseidinete  Sitt.;  ben  9lrtifel  BorromäuS  93b  III  S.  333;  Slrt.  Somanber 
93b  X   S.  653   unb  9cad)trüge   in  33b  XVI.     Slufeer   anberen    größeren    ©diweijer    ©efd).: 

36  S.  BuHiemin  (gortf.  Sof).  u.  SKüderS  Sd)W.  ©.,  33b  9);  Sof).  3af.  §ottinger,  feinet. 
£ird)en=@efd).  (3ürid)  1707);  ß.  3.  Sinb,  2>te  9?ef.  in  ben  Bistümern  ßf)ur  unb  ßomo  (ßfuir 
1858);  Bartl)ol.  9lnf,orn,  §1.  SSiebergeburt  ber  eu.  Sirdje  in  ben  III  33ünben  (ßt)ur  1860); 
3-  ©•  SJtatjer,  ®aS  Sonjit  Don  Orient  unb  bie  ©egenreformatton  in  ber  ©ditueij  (©tanS 
1901/03);  Cesare  Cantü,  Rivoluzione  della  Valtellina  (Como  1831);  berf ,  II  sacro  macello 

40  di  Valtellina  (Milano  1885) ;  P.  Ä.  Lavizari,  Memorie  della  Valtellina  (Coira  1716) ;  F.  S. 
Quadrio,  Dissertationi  etc.  (Milano  1755);  G.  Romegialli,  Storia  della  Valtellina  (Sondrio 
1834);  ß.  ^affter,  ©eorg  Scnatfd),  93eitr.  jur  ©efd).  ber  93ünbner  SBirren  (®auoS  1894). 
Sr.  ©d)iefj,  33uHingerS  Äorrefponbenj  mit  ben  ©raubünbnern.  3»n  ben  Oueften  jur  @d)ioeiäer= 
gefd)id)te  93b  XXIII,  XXIV,  XXV;   3.  Sterauev,  ©efd)id)te  ber  ©djwetä.  ßibgenoffenfdiaft. 

45  III.  93b  1516—1648  (©otöa)  &.  9t.  $ertb,eS  1907-  SSeitere  'Sitteratur  tft  angegeben  unb 
djarafterifiert  bei  ß.  ßamenifdj:  Earto  93orromeo  unb  bie  ©egenreformatton  im  SSettlin  mit 
befonberer  93erüdfid)tigung  ber  SanbeSfdjute  in  ©onbrio  (ß^ur,  $i§  1901). 

$Da§  %fyal  ber  3lbba  roar  al<§  ^ommunüattongineg  gh)ifd}en  bem  33tn[tgau  unb  5Rai= 
lanb  etner=,  bem  frel»ettfcr)=rätifd)en  ©ebtete  unb  3Senebtg  anberfeitö  fcfcon  früfc   ein  t)iel= 

50  umworbenes  ©tücf  2anb.  Anno  774  fd)en!te  e§  Harl  ber  ©rofee,  toobt  alä  ©anlo^fer 
für  ben  glüc!lid)en  gelbjug  gegen  bie  Sangobarben,  bem  Älofter  beö  bl.  ®ion^fiu§  ju 
^arte  unb  fieberte  biefem  aud)  bie  Immunität  barüber  ju  (9Jtobr,  Codex  diplom.  I,  8). 
Salb  mürbe  eg  aber  jum  gcmfapfel  ber  beiben  geiftlid^en  §erren,  beren  ©ebiete  b,ier  ju= 
fammenftie^en,  beö  93ifd)of§  »on  ßomo   unb  beS  S3ifd)of§  bon  ßbur.    Söabrfcbeinlid)  bie 

55  bem  ©Ijmrer  Si^tum  fe^r  gewogenen  Dttonen  batten  ib^rn  bie  ^erritorialfyerrfcfyaft  über 
Sormio  berfc^afft,  bie  e§  ^ernad}  meifteng  burd)  bie  gamilie  »on  Wlat\fy  al§  feine  SBögtc 
ausüben  liefe.  1190  erbob  aber  aud)  ber  33ifd)of  t>on  6omo,  ber  fd)on  au§  ber  $eit 
^arl§  beS  ©rofeen  berftammenben  ©runbbefi^  im  SSettlin  innehatte  unb  bem  1006 
^einrieb  IL  bie  £älfte  ber  ©raffd)aft  Sßeltlin  gefd)enft  b,atte,  3lnftorud)  auf  bie  territorial 

so  berrfcb.aft  unb  unterwarf  1205  Sßormio,  ba§  aber  1336  fid)  roieber  unter  ben  ©d)irm  t>on 
Sbur  ftetlte,  jebod)  fd)on  1350  in  bie  ©eroalt  ber  33v»contf  lam  unb  bis  1512  matlänbifd) 
blieb,  tote  aud)  bie  ©raffd)aft  ßläoen  (ßttiabenna,  ßlabenna,  ber  ©d)lüffel  jum  ©blügen= 
unb  ©eptimeripafe),  bie  —  ein  %t\l  be§  §erjogtum§  ©ebtoaben  —  juerft  unter  eigenen 
©rafen,  bann  unter  bem  33ifd)of  bon  6b;ur,  bernaa)  unter  bem  33i§tum  6omo  geftanben 
65  fyatte,  aber  1335  mit  biefem  §ufammen  unter  bie  SSilconti  gefommen  toar  unb  (feit  1450 


$eltlin  485 

unter  ben  ©forja)  blieb,  trotjbem  1404  ber  flüchtige  9Jcaftino  Sßigconti  Stäben  unb  baS 
SSeltlm  bem  33iStum  6l?ur  gefcfyenft  unb  biefeS  aucb,  1486/87  bie  „Söormfer^üge"  (bgl. 
g.  ^ecftin,  XXVI.  ^abjeSber.  ber  fyiftor.  antiquar.  ©ef.  ©raubünbenS,  6I)ur  1897)  unter= 
nommen  blatte.  (gum  gangen  bergleicfye:  $.  6.  Planta,  $)ie  currätifcfyen  §errfd)aften  in 
ber  geubaljeit,  Sern  &  3.  SStyfe  1881.)  ^n  ben  kämpfen  um  baS  ^erjogtum  SKailanb  5 
Vertrieben  1512  bie  brei  33ünbe  in  „alt  frt)  Dätta"  bie  grangofen  auS  bem  33eltlin  unb 
behaupteten  fid^  bort  —  abgeben  bon  ber  furzen  geit,  bie  auf  ben  „SSeltlinermorb" 
folgte  —  bi3  1797,  inbem  fie  bie  @inmol)ner,  bie  fie  1512  mit  Qubel  empfangen  blatten, 
als  Untertanen  befyanbelten,  unb  bura)  neun  SlmtSleute  regieren  liefen,  bon  melden  bie 
in  ©onbrio  refibierenben  SanbeSfyauptmann  unb  33ifariuS  (immer  ein  DecfytSgelefyrter),  ber  10 
ju  Stäben  ^ommiffariuS,  bie  su33ormio  (2öormS),  SCirano,  ^eglio,  SRorbegno,  irab,ona 
unb  ^ßiuro  ($IurS)  ^obefta  fyiefjen  unb  jeber  in  feinem  2lmtSbe^irf  bie  I)ofye  unb  niebere 
©eridjtSbarfeit  ausübte,  jebodj  an  bie  ©tatuia  ber  Untertl)anenlanbe  gebunben  mar.  (Sine 
2lrt  ©efcfyäftSprüfungSfommiffton  unb  2tppelIationSlammer  bilbeten  bie  neun  ©bnbilatoren, 
bie  über  bie  Beamten  bie  2tuffia)t  führten.  35te  Untertanen  mähten  auS  ifyrer  -Kitte  einen  15 
£l)alrat  (consiglio  della  Valle),  beffen  Sterte  aber  immer  mefyr  unb  mefyr  befdjmitten  mürben. 

Äircbjicb,  blieb  baS  SMtlin  (im  metteren  ©inne  immer  mit  ©laben  jufammen  ge= 
nommen)  bon  Italien  abhängig,  nämlicb,  bom  33iStum  (Somo  (baS  urfprüngltcb,  unter 
Slquileja,  fpäter  unter  bem  (Erzbistum  9Jiailanb  ftanb),  fo  bafj  baS  33iStum  Sfyur  (baS  843 
Dom  9)cetropoIitanberbanbe  bon  SRailanb  loSgelöft  unb  bem  ©rjbistum  SMn^  zugeteilt  20 
toorben  mar),  bort  menig  mefyr  ju  fagen  fyatte,  nacfybem  bie  brei  33ünbe  eS  aucb,  um  ben 
ungeftörten  33eft|  ber  „SRaftinfdjen  ©cfyenfung"  (beren  ©iltigfeit  aßerbingS  fel)r  angegriffen 
unb  be^meifelt  mürbe),  gebraut  unb  ifym  bafür  auf  ©runb  beS  „SÄblifdjen  ©prucfyeS" 
1530  eine  jäfyrlidje  @ntfct)äbigungSfumme  jugefbrodjen  Ratten  (bie  eS  jeboa)  fpäter  aucb, 
nod)  berlor),  maS  ber  SBifdjof  allerbingS  burcfy  feine  mangelhafte  33unbeStreue  felbft  ber=  25 
fa)ulbet  fyatte. 

Sie  Deformation  tnelt  im  jtoeiten  ©ejennium  beS   16.  IJafyrljmnbertS  üon  -Sürid; 
Ijier  it)ren  friebticfyen  (Sinjug   in   bie   nörblid^en  Xäler  ©raubünbenS,  bie  füblicfyen  (baS 
romanifd)e  ©ngabin  unb  9MnftertI)al  unb  bie  italienifd^en  S£tjalfa;aften  33ergeH,  Sßufcfylab 
unb  9Jlifor.  beS  fyerrfcfyenben  SanbeS  unb  baS  ebenfalls  ttalienifcb,  fpredjenbe  Untertanen*  30 
lanb  SMtlin)  empfingen  bie  „neue  Sefyre",  mie  bie  Deformation  allgemein  genannt  mürbe, 
fjauptfäcbjicb,  (j.  33.  baS  ©ngabin)  ober  auSfd)Iieftlid)  bon  ©üben  b,er,  mofyin  tfyre  ^b,äler 
fid£>  öffnen,  ober  metl  fie,  mie  baS  ©ngabin,  leidster  bon  ©üben  als  bon  Sorben  §er  ju= 
gänglicb,  maren.  ®iefer  Ümftanb  bebingte  aucb,  bie  ganj  anbere  ©ntmicMung  ber  9iefor= 
mation  in  ben  romanifcfyen  unb  italienifd^en  ^^älern.  ®er  unter  bem  ©influfe  ber  güricjjer  35 
Deformation  fid)  boff^ie^enbe  SlbfaH  bon  Dom   mar  jugleiö^  ein  ©ermanifierungSproje^, 
benn  manche  X^alfc^aften,  in  benen  bisher  romanifd)  gefprod^en  mürbe,  belamen  bon  Qüxid) 
unb  anbern  beutfcfyen  ©egenben  b,er  burd)  bie  beutfcfyen  ^räbilanten,  Sibeln  unb  refor= 
mierten  ©Triften  aud)  bie  beutfcfye  ©prad)e  (j.  33.  baS  5ßrätigau,  mo  man,  naä)  ßampett 
um  1570  nur  nod)  ba  romanifd)  fprad),  mo  fid)  ber  ^at^oIiciSmuS  länger  erhalten  blatte,  40 
in  ©emiS  unb  ©erneuS). 

Sn  ©raubünben  boEjog  fid^>  bie  religiöfe  unb  fokale  Deform  unter  bem  ©influft  ber 
^langer  Strtüelbriefe  b.  3.  1524  unb  1526  (vide  33b  X  S.  653 f.  Slrtüel  „^omanber"). 
^■er  1526  ju  SDaboS  gefaxte  SBefcfylujj  beS  33unbeStageS  ftellte  jebem  ©inmoljner,  ben 
Degierenben  mie  ben  Untertanen  bie  2öab,l  beS  33efenntniffeS  frei.  Sie  2öiebertäufer,  45 
tt»elct)e  bereits  Unruhe  ins  Sanb  gebraut  Ratten,  mürben  allerbingS  bon  ber  DeIigtonS= 
freib,eit  auSgefdj)loffen,  bie  latb^olifd^e  unb  reformierte  Honfeffion  aber  als  gleichberechtigt 
anerfannt.  §ierbon  matten  nun  aucb  bie  burcb,  bie  beginnenbe  ©egenreformation  auS 
Italien  bertriebenen  2Inb^änger  ber  Deformation  ausgiebigen  ©ebraudb,  unb  tieften  ficb,  in 
gwfeer  3ab,l  in  ßljiabenna,  im  2:b^ale  ber  2tbba,  im  ^ufcb,Iab  unb  33ergeK  nieber;  benn  50 
bei  ben  proteftantifcfyen  ©c^mei^ern  unb  ®eutfd)en  fanben  fie  mofyl  ©d^u^,  aber  nicb,t  ge= 
nügenbeS  SluSlommen,  meil  bie  tlnlenntniS  ber  ©pracfye  ibnen  bort  im  2Bege  ftanb, 
wäb,renb  fie  b,ier  in  ibjer  Sprache  unterrichten  unb  fc^reiben  lonnten.  3Jtancbe  benu^ten 
%  2lfol  aucb,  als  DperationSbafiS,  um  nab^e  ber  italienifcfjen  ©renje,  aucb,  fernerbin  in 
it'rcr  §eimat  bie  römifcbe  ^ircb,e  ju  befämpfen.  ßu  biefem  3mecte  errichteten  fie  33ucb,=  65 
brucfereien,  bon  benen  bie  ju  ^3ofc£)iabo  bie  probultibfte  unb,  unb  ba  fie  ficb,  balb  faft 
ganj  in  ben  ©ienft  ber  ^ßolemif  (j.  33.  23ergerioS)  gegen  Dom  fteßte,  bon  bort  auS  am 
beftigften  betampfte  mar.  (Vide:  bie  Offizin  ber  Sanbolfi  in  ^ofcfyiabo  1549—1650  bon 
3-  21-  bon  ©predjer  in  ber  Bibliographie  unb  litterar.  6f)roni!  ber  ©djmeis.  1879.  ©.  83  ff. 
Bolletino  storico  della  Svizzera  italiana,  Bellinzona  1890.  ©.  33  f.)  60 


486  SMtltn 

^n  9J?aüanb,  mo  e<§  trotj  ben  Verfolgungen  immer  nod)  jerfprengte  Defte  ber 
2Mbenfer  gab,  Ratten  aueb,  reformierte  fielen  ©ingang  gefunben.  Dadjbem  aber  1522 
granj  ©forja  bort  eingebogen  mar,  lonnte  er  feine  Sanfbarleit  gegen  ben  ^ßabft  unb 
$arl  V.  nicfyt  beffer  betoeifen,   aU  burcb,    ein  ftrenge§  Verbot   aller  $ei$erei,   ba§   unter 

6  £rombetenfd)all  am  23.  SRärj  1523  bertünbet  mürbe  (Archivio  storico  Lombardo 
1876,  ©.  568).  SDen  flüchtigen  „He|em"  folgte  ein  ^nquifitor,  gra  5Dcobefto  ©crofeo 
bon  Vicenja  in3  äkltlin  nacfy,  macr/ie  ficb,  aber  I)aubtfäcblicb  megen  feiner  §abgier,  „ficb) 
feinen  Gklbbeutel  ju  füllen",  fo  belaßt,  baß  ifyn  bie  III  Sünbe  auf  Söunfcb,  ber  %f)aU 
bebölferung  be3  £anbe3  bermiefen  (GfSronif  beä  ©tefano  SJierlo,  DomegiaHi  II,  ©.  85, 

10  ßantu,  Somo  jc  S.  100). 

Qm  SSeltlm  folgten  ftd)  Deformation  unb  Gegenreformation  auf  bem  guße.  2Bo§I 
^atte  fcfyon  1525  ein  DrbenSbruber  be§  2luguftiner!onbente§  gu  6omo,  (Sgibio  a  Sßorta, 
ficb,  in  einem  ^Briefe  an  gmingli  um  ^at  fur  fe'ne  Vebenfen  unb  .ßtoeifel  an  ber  be= 
ftefyenben  Religion  geroenbet  (be  ^Sorta,  Hist.  ref.  II,  5),  eine  33oU3trabition  erjagt  fogar, 

15  Sutfyer  felbft  f)abe  bei  2lnlaß  feiner  Domreife  am  Somerfee  reform  atorifcb,  gemirft  (Cantü 
Rivoluzione  della  Valtellina  ©.  6),  ftd)er  gab  e<§  fdjion  im  Reiten  SDejennium  im  Sßeltlin 
reformatorifcb,  gefinnte  2lmt3leuie  au§  ben  III  Vünben  (2lnb,orn,  #eil.  2Biebergeburt  k. 
6f)ur  1630.  ©.  43),  eine  größere  Vemegung  machte  fic^  aber  bort  erft  nacb,  bem  S3efannt= 
merben  ber  ^nquifitionsbuße  „licet  ab  initio"  1542  unb  ibjen  Vegleiterfcfyeinungen  be= 

20  merfbar,  moburcb,  aßen  bon  ben  ßanoneg  ber  röm.  £ird;e  2lbmeid}enben  ber  ^rieg  erllärt 
mürbe,  Datürltcb,  braute  ber  ©trom  ber  Flüchtlinge,  ber  in  bie  gaftlidjen  rätifct)ert  S^ä'Ier 
ficb,  ergoß,  aueb,  manche  unruhige  $öbfe  in§  Sanb,  meiere  nidjt  nur  ben  ängftlicfyett  Gütern 
ber  rättfcfyen  Drtfyoborje,  fonbern  aud)  ben  bolitifcfyen  Vebörben  bielfacb,  Unruhe  berur= 
faxten.    GüambeH  (hist.  raet.  II,  ©.  311)  ift  mit  ben  b/eteroborm  2tnftd)ten  mancher 

25  Flüchtlinge  natürlich  nidjt  emberfianben,  be£l)alb  ift  fein  Urteil  über  bie  „unruhigen  fööbfe, 
bie  nur  $u  $anf  unb  ©trat  geboren  feierten",  mobjt  mefyr  Dom  Varteimanne  ber  Drif)o= 
borje  al3  bom  unbarteiifdjen  §iftorifer,  aU  ben  er  ficb,  fonft  au^meift,  beeinflußt,  ©ie 
§äubter  ber  Deformation  in  ben  III  Vünben  Ratten  fdjon  1529  einen  italtenifcfyen  ^ßrebiger 
au<§  bem  SSeltltn  nacb,  %lan%  fommen  laffen,  um  ilm.  einem  ©Iauben§eramen  ju  unter* 

30  merfen  ((Somanber  an  Vabian  12.  2tbril  1529).  ©ebr  große  Aufregung  berurfacfyten  bie 
miebertäuferifd)en  Sefyren  ber  beiben  falabrefifdjen  3Dtönc^e,  Francesco  unb  §ieronimo,  bie 
1543  nacb,  bem  ©ngabin  gefommen  maren,  aber  fcb,on  im  folgenben  ^afyxe  auf  ber  ®i^= 
butation  ju  ©ü§  „toiberlegt"  unb  be§  SanbeS  bermiefen  mürben,  ^n  6b,iabenna  lebte 
aU  5|3ribatleb,rer  ßamillo  Sienato  au§  3ieabel,  ber  bureb,   feine  antitrinitarifcfjen  fieberen 

35  großen  Slnftoß  erregte  unb  ferner  Selio  ©ocino,  ber  53egrünber  be§  ©ocinianigmuä.  Stuf 
©runb  einer  bon  ©aßitiuS  für  ßfüabenna  aufgefteHten  ^irc^enorbnung  mürbe  ben 
SCnfyängem  b,eterobojer  Sebren  ber  2lufentl)alt  unmögliii)  gemalt.  ®a  ficb,  ßamiHo 
Denato  miberfe^te,  mürbe  er  bon  ber  rätifdjen  ©^»nobe  e^ommuni^iert,  2:ijiano  (über  tbn 
vide  Comba,   I   nostri    Protestanti,   Firenze  1897,  II,  ©.  479 ff.),    ber  auf   feiner 

40  gluckt  au§  Italien  nad?  (Eb,ur  gefommen  mar,  mürbe  auf  eine  ®enunäiation  be§  ©attitiuö 
bin  bom  9tot  jum  ©bießrutenlaufen  berurtcilt  unb  be§  £anbe§  bermiefen,  trotjbem  er,  in 
bie  @nge  getrieben,  feine  aniitrinitariftfien  £eb,ren  miberrufen  Batte  (be  Vorta,  Hist.  ref. 
lib.  II,  ©.  80 ;  Gomba,  1.  c.  ©.  488).  (Somba  (1.  c.  ©.  299  ff.)  bringt  aueb,  ben  über= 
getretenen  SRonct)  §ranci§cug Diger  au§  Vaffano  in  Sb,iabenna  in  3«fcimmenb,ang  mit  ben 

45  Slntitrinitariern,  mäb,renb  %.  ©cb,ieß  (Rhetia,  eine  ®icb,tung  au§  bem  16.  %at)xfy.  bon 
%v.  9iiger  au§  33affano.  Überfe^t,  mit  erllär.  2lnmerf.  unb  einer  Einleitung  über  Seben 
unb  Sffierle  be3  2Iutor§  berfeb,en  bon  %.  ©cfneß,  6b,ur,  Äantongfcbulbrogramm  1896/97) 
ib,n  einen  2lnb,änger  be^  granciäcug  ©tancaruS  au$  SJJantua  in  S^iabenna  nennt,  beffen 
abmeicb,enbe  £eb,ren  in  Sejug  auf  ba3  2:auffa!rament  er  anfangt  teilte,  fbäter  aber  mieber 

50  aufgab.  Übrigeng  mieten  beibe  !aum  bon  ben  2lnftct)ten  ber  3ürcb,er  ah,  fo  baß  ßomanber 
nid)t  anftanb,  fie  anjuerlennen.  SOJainarbo,  ber  feit  1539  an  ber  ©bi£e  ber  broteftan= 
tifeben  ©emeinbe  ju  @b,iabenna  ftanb,  mar  ftreng  ortb,obo£  unb  nur  ju  leidet  geneigt, 
anbere  ber  §eteroborje  ju  jeib,en.  (3SgL  aueb,  be  Vort,  1.  c.  lib.  II;  Srecfyfel,  ®ie  brot. 
Slntitrinitarier  bor  %.  ©ocinuS,  II.  33b.)    2öenn  eö  mirllicb  $.  Diger  gemefen  fein  foltte, 

55  ber  unter  bem  Damen  „il  Dero"  alg  Seilneb^mer  be§  SffiiebertäuferfonjilS  in  Venebtg  1550 
genannt  mirb,  bann  —  meint  ©cb,ieß  1.  c.  ©.  22  —  nabm  er  baran  nur  afö  ©egner 
teil,  ba  er  aueb,  fortan  ficb,  eng  an  bie  güricfyer  fyielt  unb  unbehelligt  in  ben  III  Vünben 
blieb,  ^m  ©egenfaij  ju  ben  genannten  „unruhigen  Höbfen"  erfreuten  ficb,  unter  ben 
flüchtigen  Italienern   namentlicb  Sluguftin  9)iainarbo  au§  ^Siemont,   §ieron.  ßancbi  bon 

60  Vergamo  (geft.  1590  als  Vrofeffor  in  ^eibelberg),  S3artb,ol.  3JJaturo  bon  ©remona,  ber 


Seltlitt  487 

benetianifcbc  ©raf-  Uliffeä  bon  SJcartinengo,  ©iulio  belle  Dobere  bon  9JcaiIanb,  ©citoio 
Galanbrino  au£  Succa,  ©citoio  Sentulo  aus  Deatoet  unb  S_.  S.  Sergerio,  gem.  Sifcfyof 
bon  ßabo  b'^ftria  (ber  bett  Übereifer  ber  Vertreter  bcr  rätifd)en  Drtlioborje  gelegentlich 
in  feine  ©cfyranfcn  mieS)  großen  2tnjeben3  beim:Solf,  bei  ben  Beamten  unb  ben  .s}äutotem 
ber  rätifcben  Deformation.  5 

SDen  italienifcfyen  Flüchtlingen  im  SSeltltn  Ratten  bie  III  Sünbe  anfänglid)  ba§ 
Srebigen  unterfagt  unb  blof?  ben  Stuf  enthalt  geftattet.  1538  erlaubte  aber  ber  Sunbe3= 
tag  auf  Sermenben  be§  §ercule§  ©alis  unb  Saulu§  9JcaScranicu3  fyin  ifmen  unb  allen 
©laubenSgenoffen  in  ßfyiabenna  bie  freie  Srebigt  be§  @toangelium3.  (£)ie  genaue  Dueßen= 
angäbe  ber  Urfunben  :c.  in  6.  ßamemfd),  ßarlo  Sorromeo  unb  bie  ©egenref.  im  Seltltn  tc.  10 
ßfmr  1901,  worauf  aud)  für  bie  folg.  SDaten  toermiefen  fei.)  1544  erfolgte  ein  neuer 
©rlafe  ju  ©unften  ber  toroteftantifcben  2el)rer  unb  Sräbifanten,  meld)e  aber  auf  toritoatem 
SBege  bejafylt  werben  mußten.  SDie  Flüchtlinge  mürben  neuerbingg  be§  ©cljm|es>  toer= 
fid)ert,  mufeten  aber  megen  altfäHtger  Sergefyen  unb  ^rrlefyren  ben  2lmt§leuten  eine 
Kaution  leiften  (äbnlicfye  torotofyr/laftifcfye  Serorbnungen  betr.  ber  Unruhigen  maren  fdwn  15 
1537  erlaffen  morben).  SDie  III  Sünbe,  in  ber  9Jcebjb,ett  toroteftantifcr;,  unterftü|ten 
fortan  audb,  au§  toolttifd)en  ©rünben  bie  Deformation  im  Seltlm,  um  bort  ben  ftoamfcf;= 
öfterreidErifcben  ©influfe  ju  minbern  unb  bie  Seltliner  befto  enger  an  ftd)  ju  fetten.  ©0 
mürben  aud)  für  bie  Sünbner  bie  Untertfyanenlänber  §um  Slnlafj  be3  religiöfen  Sruber= 
jtoifteö,  mie  bei  ben  ©ibgenoffen  (^abbelerfriege),  mäl)renb  big  baljrirt  ber  ©laubcnSfyajs  20 
in  ©raubünben  unbekannt  gemefen  toar.  gu  ©unften  be<§  „alten  ©laubenS"  im  Seltlüt 
toerbinben  ftdj  jetjt  bie  fatfyoUfcb,  gebliebenen  ober  unter  bem  ©influjj  ber  gefuttert,  SorromeoS 
u.  a.  mieber  fatr/olifd)  gemorbenen  Sünbner  (I)aubtfäcbl.  im  obern  Sunb)  mit  ben  fatfyo= 
Uferen  Drten  ber  ©cr/met^  unb  bureb  biefe  mit  Dfterreicb/SDatlanb. 

2)ie  bolttifcfyen  unb  religiöfen  ©egenfä'^e  jh)ifcl)en  ben  Sünben  unb  ben  Seltlinern  25 
mürben  jubem  immer  größer.   ®ie  Segeifterung,  mit  ber  bie  Seltliner  1512  bie  III  Sünbe 
empfangen  Ratten,  mar  .bureb,  mannigfacbe  Seamtenmillfür,  Sluffyebung  bon  mirflid)en  ober 
bermeintlidjen  Deuten,  ^ot;e  Suf$en  u.  f.  m.  bei  ben  Seltlinern  ber  llnjufrtebent)eit  ge= 
mieten  unb  in  ben   fatfyolifd)  gebliebenen   ober  burd)    bie  ©egenreformation  mieber  ge= 
toonnenen  mürbe  namentlich   bon  9Jcailanb  au3  ber  £>af$  gegen  bie  fetjerifd)en  „§erren"  30 
gefdiürt,   „bie   ibnen   ifyre  Religion   nehmen  mollten".    ©cfymer   emtofanben  fie  bie  Se= 
ftimmung   bom  14.  Sttoril  1545,  bafj   „bie  Satoiften  leine  au§länbifcf;en  Srebiger   Ewben 
burften";  benn  ifyre  eignen  Sriefter  ftanben  auf  einer  bebenftieb,  niebern  ©tufe  unb  maren 
äubem  menig   ^ablreicb  (DomegiaHi  1.  c.  vol.  II,  ©.  84).    Siele  ^frünben  mürben  nicfjt 
einmal  bureb  ^ilare  beforgt  (ber  ©r^riefter  ©ali€  in  ©onbrio  3.  33.  genofc  toter  ^5frünben,  35 
b,atte  aber  feinen  Sifar)  unb  fo  fanben  bie  eifrigen  ^ßräbifanten  balb  biele  ^ui)'6xzx.   1547 
erfolgte  ber  erfte  ernfte  ^ufammenfto^  jmifcfjen  ^at^olifen  unb  ^3roteftanten,  meil  in  ber 
ßircb,e  ju  ©a^toano  §eiligenbilber  (mafrfd^einlicb,   bon  einem  jungen  ^arrabicini,  ber  in 
3üria)  ftubierte)  gerftört  morben  toaren.  ®ie^  benu^ten  bie  Hat^olifen,  um  bom  Sunbe^tag 
ju  bedangen,  ba|  fein  flüchtiger  ^roteftant  länger  all  brei  SEage  ficb,    im  SSeltlin  auf=  40 
balten  bürfe,  mürben  aber  abgemiefen.   Srotjbem  bedienen  bamal§  biele  ^ßroteftanten  ba§ 
i^eltlin  unb  fugten  ^uflucb^t  in  ©enf.    1550  fam  ber  ^nquifitor  ©btölerio  (ber  fbätere 
$m$  V.)  naef)  9Jcorbegno,  fonfi^^ierte  broteftantifcl;e  ©Triften  unb  magte  fogar  ben  Saurer 
SBifcb^of  bor  fein  Tribunal  ju  citieren,   morauf  biefer  Jelbft  feine  Söegmeifung  beranla^te. 

1551  blante  —  nad)  einem  ©erüd)te  —  aueb  Dfterreid)=©banien,   begünftigt   bureb  « 
bie  Sage  ber  SDinge  in  ®eutfd)lanb,  einen  (ginfall  ing  Seltlin,  bie  Sage  ber  bortigen  ^ro= 
teftanten  ftfuen  ganj  böfe  ju  fein,  ba  mürbe  -)Jcori£   bon  ©aebfen  aud)   ibr  Detter;   toter 
3)lonate  nad)  bem  $affauer  Sertrage  erhielten  fie  ein  neues  ^Eoleranjebift,  ba§  trotj  bäbft= 
lieber  unb  ftoanifcfjer  Ißrotefte  in  i?raft  blieb. 

Salb  machten  mieber  „unruhige  ^ötofe"  burd)  tJjre  Seb^ren  unb  Sergerio  burd;  fein  50 
felbftberrlicbeS  auftreten,  (£infe|en  unb  2lbfe£en  toon  Sfarrern  obne  Segrüfeung  ber 
©tjnobe,  biefer  mieber  grofte  ©orgen.  Um  ben  bogmatifd)en  Uontrotoerfen  fortan  ben 
Siegel  ju  fd}ieben,  fe^te  1552  bie  ©to^nobe  bie  Confessio  raetica  auf,  meldte  1553, 
nacb>m  Sergerio,  ber  fie  befämbfte,  ba§  Sanb  berlaffen  blatte,  aud)  bon  ben  Italienern 
angenommen  mürbe.  Dun  folgten  biblomatifcbe  ^etbgüge  beS  Satoftel  unb  öfterreid;=  55 
©banieng  in  bie  III  Sünbe,  um  bon  biefen  balb  bureb,  ®roI)ungen  balb  mit  £ilfe  bon 
fteunblicben  Söorten  unb  §anbefötoergünftigungen  im  Sßettftreit  mit  Franfreid)  ein  SünbniS 
(ber  Söffe  unb  ©ölbner  megen)  unb  bie  Erlaubnis  jur  @infüf)rung  ber  ^nquifition  im 
Seltlin  in  erbalten.  3113  bie§  mi|lang,  fanbte  Dom  bie  ^abujiner,  bie  benn  aud)  al§-- 
balb  ben  5lreu^ug  gegen  bie  fetjerifcfyen  Sanbeöb,erren  brebigten  unb  1556  einen  blutigen  60 


488  Sßeltlin 

Überfall  ber  $roteftanten  gU  £egIio  bemirften.  2ln  ber  SanbeSgrenje  lauerten  Seauf= 
fragte  ber  ^nquifition  auf  'präbtlanten  unb  fe^erifcbe  Säten,  bie  fidj  bem  mailänbifcr)en 
©ebiete  nagten,  überfielen  fie  unb  fdjlebbten  fie  nacb,  Sftailanb  unb  9tom.  sßroteftaniifd)en 
$aufleuten  aus  ben  III  33ünben  unb  bem  23eltlin  nafym  bie  ^nqutfition  bie  Sßaren  meg. 
5  1557  mürbe  baS  5£oIerangebift  erneuert  unb  auSbrücflid)  bie  böUige  ©leicrjberecfjtigung 
beiber  ^onfeffionen  beftätigt.  SDajs  man  broteftantifcfyerfeits  aucb,  gemißt  mar,  bieje  p 
reflektieren,  bemteS  1558  bie  rätifcfye  ©tynobe,  an  bie  bie  ^räbifanten  im  Seltlin  baS 
Slnfucben  geftellt  Ratten,  fie  möchte  fiel)  beim  SunbeStag  für  2lbfct)affung  ber  SReffe  im 
SSeltlin  bermenben,  maS  fie  aber  jurücfmieS.    Slucr)  ^ßaolo  ©arbi  (Breve  Relazione  di 

10  Valtellina,  Verona  1758)  rüfymt  bie  Unbarteilicfyfeit  ber  broieftantifcfyen  2lmtSleute:  ©er 
$roteftant  2lnton  ©aliS  —  erjagte  er  —  fyahe  bie  ^atljolifdjen  fogar  gelungen,  bei 
iljrem  $riefter  $a  beizten  unb  biefem  p  gef)orcr)en.  ©egen  (Snbe  beS  fünften  ^abjjelmtS 
feiert  fid)  im  33eltlin  aud)  bie  Seiten  feft.  SobabiKa  fam  mit  gmölf  ©enoffen  nacb, 
5ßonte,  mo  ib,nen  ber  bitter  Duabrio  ein  §eim  bot.  Dft  auSgemiefen,  finb  fie  bod?  immer 

15  mieber  ba  unb  finben  fortan  einen  feften  §interf)alt  an  ben  fatfyolifcfyen  Sünbner  Dber= 
länbern. 

Stße  aber,  meiere  bisher  ber  Unterbrücfung  beS  ^ßroteftantiSmuS  im  23eltlm  fieb,  ge= 
meifyt  Ratten,  überragt  toeit  ber  „§elb  ber  ©egenreformation",  ber  9JtatIänber  ®arbinal= 
ergbifcfyof  ßarlo  Sorromeo,  beffen  ©influfs  mit  feiner  ^nt^ronifierung  als  ©rjbifdmf  bon 

20  9Jcaüanb  (1560)  ftet)  aucb,  im  3Seltlin  bon  %üq  gu  Sag  fteigenb   geltenb   machte,    9facb, 

ßantü  (Rivoluzione,  ©.  28)  mar  fcfyon  bie  @infü|rung  ber  ^efuiten  im  SSeltlin  fein  Söerf. 

2ßät)renb  bie  Deformation  bon  aujjen  immer  meb/r  bebrofyt  mürbe,  begannen  in  ib,rem 

Innern   neuerbingS  ©laubenSftreitigleiten,  an  benen  ber  au§  Tübingen  auf  furge  geit 

nacb,  ©raubünben  jurücfgefefyrte  Sergerio  nid)t  unbeteiligt  mar,  ber  fid)  ingmifcljen   jum 

25  lutfyerifd)en  2lnroalt  in  ber  ©d)metä  gemalt  fyatte  unb  bureb,  feine  2lgitation  ben  grieben 
ftörte.    2Iuc£)  ©cfymenffelbifd)e  Seigren  brangen  ins  Sanb  ein. 

®ie  Qafyl  ber  ^roieftanten  r)atte  bisher  im  Sßeltlin  beftänbig  ^genommen,  aber  aud) 
ber  Sifer  9fomS,  fie  gu  bernid)ten,  ber  namentlid)  bon  SRailanb  auS  entflammt  mürbe ; 
1564  berlangte  Äönig  Sßtyilttop  II.  bon  ben  III  Sünben  bie  2luSlieferung  ber  ,,^e|er", 

30  mürbe  aber  abgemiefen,  morauf  mieberum  tyanbeltreibenbe  Sünbner  bon  ber  Qnquifttion 
in  Stalten  ergriffen  unb  beraubt  mürben,  ©in  eifriger  Parteigänger  beS  ^ßabfteS  mar  in 
©raubünben  ^ofyann  bon  Planta,  §err  gu  DägünS,  ber  fieb,  aber  burd)  feinen  „93ullen= 
fyanbel"  aud)  bei  ben  fatfyoltfdjen  Sünbnern  berb,afjt  machte  unb  feinen  „Sanbe§berrat" 
mit  bem  £obe  bü^te.    (5ßgl.  9JL  Salaer,  ^oljann  bon  ^lanta  k.  Büricb,,  ©d^ult^efe  1888.) 

35  $Da3  1579  geftiftete  Kollegium  «'oelbeticum  in  5Railanb,  ein  25erl  33orromeo§,  fyatte 
nid)t  am  menigften  gum  gmeefe,  bag  i'eltlin  mit  jungen  ^rieftern  gu  berfe^en.  ®ie 
III  Sünbe  erneuerten  aber  ba§  Verbot  ber  fremben  Sßriefter  unb  fo  blieb  iljmen  borber= 
b,anb  noeb,  ba3  SBeltlin  berfd)Ioffen. 

31I§  ein  mirffameS  2Rittel  fab,en  aud)  bie  SRänner  ber  9?eorganifation  ber  römifd)en 

40  ^irdje  bie  geiftlid^en  33ifitationcn  an.  ©eit  1532  I)atte  baS  Seltlin  feinen  3Sifitator  meb,r 
gefeb^en.  Sei  bem  2öiberftanb  ber  III  Sünbe  gegen  ba§  ^ongil  gu  Orient  unb  feine  S3e= 
fcb,lüffe  tonnte  ber  SBifd^of  bon  ©omo  im  !8eltlin  nichts  ausrichten,  ©iobanni  granceSco 
Son^omini  (Suonomi),  bom  ^5abfte  gum  35ifitator  be§  Siltumg  ßomo  ernannt,  brang 
1578  mit  Sift  in§  Jseltlin  ein,  inbem  er  bie  Sünbner  bat,   ib,m   feinet  $obagra   megen 

45  eine  J^ur  in  ben  mannen  Säbern  ju  Sormio  ju  geftatten.  33on  ben  2lmts>leuten  aU 
„©aft"  freunblicb,  aufgenommen,  begnügte  er  fid)  perft  bamit,  bie  SDinge  lennen  ju 
lernen  unb  barüber  an  Sorromeo  gu  fcfjreiben.  Sluf  ber  Stüd'reife  lie|  er  alle  9}ücffid;ten 
fallen,  brebigte,  firmte  unb  bi§benfierte,  Ia§  SReffe  unb  examinierte  bie  ^ßriefter,  bie  er 
anfangs  am  meiften  fürchtete,  meil  er  ib^ren  Seben^manbel  tabeln  unb  ftrafen  mufjte.  Sn 

60  Segug  auf  bie  ile^er  b,at  er  leine  großen  Hoffnungen.  (®ie  fet)r  intereffanten  Sifitation§= 
berichte  finb  in  ber  Ambrosiana  in  9MIanb  unb  9fom.  ©enaue  QueEenangaben  fief)e 
bei  ©teffenS  u.  Stein^arbt,  5Runtiaturberid)te,  ©olotfmm  1906,  I,  ©.  133  ff.). 

1580  betrat  Sorromeo  felbft  unter  bem  ©d)eine  einer  Pilgerfahrt  ba§  Seltlin  unb 
mürbe  nacb,  eigener  2lu§fage  aueb  bon  ben  broteftantifcf)en  3lmt§Ieuten  e^renboK  embfangen, 

55  fonnte  aber  r)ier  birelt  nicf)tg  ausrichten;  hingegen  erreichte  er  um  fo  meb,r  auf  feinen 
Reifen  nacb,  33ifenti<§  (2luguft  1581)  unb  in<§  M\oi  (§erbft  1583),  mo  er  „$e£er  bureb, 
feinen  bloßen  Stnblid  belebte"  unb  anbere  als  „§ejen"  auf  ben  ©Weiterlaufen  braute 
(alles  ^äfyere  hierüber  fier)e  bei  ßamemfcb,  Sarlo  Sorromeo  1.  c,  ©.  124—139). 

(Sine  meitere  SifitationSreife  im  Skltltn  unternabm  1589  geliciano  ^inguarba,  S3ifd)of 

60  bon  ©omo,  bem,  als  einem  SanbeSÜnbe,  bie  Sünbe  bie  baftorale  SBirlfamleit  im  Slbbatale 


SBeltlin  SßenatoriuS  489 

nicf)t  berbieten  fonnten.  (©eine  SBericfyte  finb  ^ubltjiert  in  ben  Atti  della  visita  pastorale 
Diocesana  pubbl.  per  cura  della  societä  storica  comense,  domo  1892—94). 
2)a§  SUcailänber  ®abttulat  bon  1639  berfcfyaffte  bann  bem  33ifd)of  ^u  domo  bie  unbebingte 
SBoHmacfyt  ju  geifilid;en  33ifitationert  unb  jut  ^Boßäieljmng  ^ä^fttid^er  SSulIen. 

ÜJiit  ber  Deformation   unb  ©egenreformation   im  SSettlm   eng   Dermalen  ift   baS  5 
©cbjclfal   ber  Sanbegfcfyule   ju  ©onbrio,   meldte  bie  III  SBünbe  nacb,   bem  9Jiufter  ber 
güret/er  ©d)ulorbnung  einrichteten,   mit  ber  fie   emerfeitö  eine  2lnnäb,erung   ber  3fcegie= 
renben  unb  ber  Untertanen  bejmeclten  unb  anberfeitg  ba§  SilbungSnibeau  I)eben  unb  ber 
fcfyolaftifcrfllerilalen  @r?ieb,ung  eine  meb,r  r/umaniftifcfye  entgegenfe^en  moHten.   £)iefe  ©cfmle 
ift  raafyrfcfyeinlicb,  bie  erfte  ©imultanfcfyule,  bie  errietet  Würbe ;  benn  fie  follte  bon  fatb,  o=  10 
lifcfyen  unb  broteftantifcl/en  Einbern  ber  Sünbner  unb  33eltliner  äugleicf)  befugt  unb  nur 
ber  Religionsunterricht   follte    febarat   erteilt  werben,    yiad)   mehreren  Anläufen   mürbe 
1582  bom  93unbe3tage  ju  ®abo3  befcfyloffen,  baf?  bie  ©infünfte  ber  fälularifierten  ^rotoftei 
ju  £eglio  bafür  bermenbet  Werben  füllten;  allein  bon  9MIanb  au§  Würbe  ba£  Söert  fo 
lange  befämbft,  b\§  bie  ©cfyule  1585  nad)  ßfyur  berlegt  mürbe,    ©in  geplanter  bewaffneter  15 
(Einfall  in<3  3SeltIin  (1584)  jur  Unterbrücfung  ber  „St'etjer  unb  ber  ^etjerfcfyule"  bon  9Jlat= 
lanb  au§,  an  beffen  guftanbelommen  ßarlo  SBorromeo  (geft.  3. Rob.  1584)  nicr/t  unfcfmlbig 
getoefen  mar,  mürbe  berraten  unb  l)atte  nidjt  ba3  erWünfcfyte  blutige  Refultat.     ©bäter 
erfdjeint  in  ben  33ünbner  SHtert  jWar  noef)  oft  eine  „©cfyul  gu  ©onber§"  (©onbrio),  allein 
ber  ©infaH,  ben  bie  ©banier  1621   in3  SSeltlin  matten   unb  ber  600  ^ßroteftanten  ba§  20 
Seben  rofiete  (SMtlinermorb),  bernidjitete  mit  ber  33 ünbrt er l> err f d) af t  aueb,  ib,re  ©djule.  (SDie 
Quellen  gu  biefer  intereffanten  ©$ulgefcf>icr/te,  jum   Slufru^r  jc.  finb  angegeben   in  6. 
Gamenifcl),  6.  SBorromeo   unb  bie  ©egenreformation   im  SSeltlin  mit  befonberer  23erücf= 
ficfytigung  ber  Sanbeäfcfyule  ^u  ©onbrio,  ©.  141 — 233  unb  ^Beilagen.) 

3)ie  $ämbfe  ber  „SBünbnerWirren",  bie  ftcb,  meift  um  ben  23efi|  beS  ^eltltnS  breiten,  25 
gehören  ber  bolttifdjien  ©efcfncfyte  an  unb  lönnen  nur  im  Stammen  ber  ©efer/ict/te  be§ 
30jär)rigcn  Krieges  betrachtet  merben.  2IHerbings>  ift  ber  gortfcfyritt  ober  SRüäfcfyrttt  ber 
Reformation  im  SSeltlin,  ib,r  ©ein  ober  Ricfytfein  eng  bamit  berfnübft.  SDiefe  enblofen, 
balb  offenen  Balb  geheimen  $ämbfe  unb  Qntriguen  lönnen  l)ier  aber  leinen  Pa£  finben; 
hingegen  fei  auf  bie  Wid)itgfien  Söenbebunlte  nod)  Jurg  Inngebeutet.  30 

Radjbem  bieSünbner  naef)  bem  „SMtlinermorb"  it)re  Untertfyanenlänber  19  ^a^re  lang 
mit  ben  2Baffen  in  ber  §anb  ober  mit  §ilfe  ber  $£>iblomatie  ofyne  ©rfolg  äurücfjuerfyalten  ge= 
ftrebt  Ratten,  braute  fie  bag  SMIänber  ^abitulat  1639  mieber  in  beren  33efi|,  allein  bie 
2lu3ftbung  ber  reformierten  Religion  mürbe  allen  ©inmoljmem  berboten.  ®te  bünbnerifc^en 
2lmt§Ieute,  bie  nicfyt  fat^olifc^  maren,  burften  fieb,  bort  ^mar  mäb.renb  ib,rer  2lmt§bauer  3& 
unb  biejenigen  broteftantifcb.en  Sünbner,  meiere  ©üter  im  33eltlin  Ratten,  jur  3e^  ^er 
ßrnte  brei  SDionate  aufhalten,  aber  leine  ^rebiger  galten.  SSurben  biefen  allein  gebulbeten 
^roteftanten  im  33eltltrt  ^inber  geboren,  fo  mufjten  fie  latl^oltfct)  getauft,  ober  bie  %aufe 
mu^te  aufjerfyalb  beg  3SeItlin§  bottjogen  Werben. 

2)a§  jus  circa  sacra   ber  23ünbner  im  SSeltlin  mar  bamit  berloren  unb  alle  2ln=  *o 
ftrengungen,  mit  §ilfe  @nglanb§  unb  $ßreuf$en§  fbäter   günftigere  Seftimmungen   bon 
Defterreicf)=©banien  ju  erreichen,  Waren  bergebeng.    SJcancfymal  lie^  bie  §ärte  in  ber  2tu3= 
Übung  ber  Slrtifel  nad),  aßetn  immer  mieberum  ftbren   Wir  bon  2tuStreibung   ber  ^5ro= 
teftanten   unb   bie  ^ßarteifämbfe  unb   gamilienjWifte,   meiere  bie  SSünbnergefcbicbte   be§ 
18.  ^a^rf)unbert§  füllen,  maren  and)  nicfyt  baju  angetan,  fie  gegenüber  ben  j|ircr)enfürften  & 
in  30tailanb  unb  ßomo  ^u  fcb,ü^en.   ©ingig  ba§  2:oIeranjebift  Sofebb.S  II.  braute  ifmen 
borübergel)enbe  ©ulbung,   ob,ne  aber  biefe  unb  bie  ifyr   bermanbte  ©migrantenfrage,  bie 
feit  längerer  Qtxt   bie  ©emüter  erregte,   ^u  Ibfen.     ©erabe  jur  $e\t,  ba   ber  ^aifer  in 
SBien,  als  ©c|ieb§ricf)ter  in  ber  2tu3meifungöfrage  ber  ^ßroteftanten  im  i<eltlm  biefen  be= 
ruf)igenbe  guficfyerungen  glommen  lie^,  rüclte  Raboleon  in  SDcailanb  ein  unb  im  folgenben  ßo 
3_a^re  1797  fd)Iug  er  ba§  a>eltltn  jur  Gtgalbinifc^en  Rebublü.    ®ie  33ünbner  Ratten  bort 
nict)t<S  meb^r  pi  fagen,  ba§  SSeltlin  teilte  fortan  bie  ©efc^icle  Dberitalieng.    6.  ßontcnif^. 

2Senontüt§  ^ortunatu0  f.  gortunatuS  5Bb  VI  ©.131. 

3SetttttortMg,  SEfyomaä,  geft.  1551.  —  SGBiiff=9?t>^ttf(^,  9Jiirn&ei-gifd)eS  ©elefjrtenle^tfon ; 

8.  (S.  (i.  (Bdiroar^    2{ionia§  SSenatoriuS   unb    bie  Slnfflnge    ber  ^roteftnntifdjen  ©ttjif,   SCt)©tJi  65 
1850,  6.  79 ff.;  2t).  golbe,  21).  23enatortu§,  fein  Seben  unb  feine  Itttevavifdjc  2t)ätigteit.  Söeitr- 
ivx  baöer.  ft©  XIII,  97  ff.  157  ff. 

£b,oma§  33enatorius   (eigentlich   ©ecfjauf,   baneben   Wirb   er   aueb,   Qäger   genannt), 
tourbc  ca.  1488  in  Nürnberg  geboren,  ©eine  Weitgefjenbe  bumaniftifebe  33ilbung  mirb  er 


490  ÜknatoriitiS 

l)aubtfäd?licb,  in  Valien,  mabjfcfyeinlicb,  in  $abua  ertoorben  fyaben  (bgl.  %f).  $o!be  a.a.O. 
©.  176  Slnm.  5).  SDie  immer  mieberfyolte  Sefyaufctung,  bafs  er  ®om  intranet  gemefen  fei, 
beruht  auf  falfcb,  gelegnen  SBrieffiellen  (ebb.  ©.  98  ff),  Qm  ^al)re  1519,  in  bem  er  als 
$rüf)meffer  in  Homburg  bei  Nürnberg  ermähnt  mirb,  galt  er  fdmn  als  angefefyener 
s  £>umanift  unb  mar  ein  begeifterter  SSercJ>rer  Neucbjing,  balb  aucb,  Sutfyerl.  Sm  ©ommcr 
1522  mürbe  er  als*  ^rebtger  an  ba§  Neue  ©pital  nacb,  Nürnberg  berufen,  ©ort  ift  er, 
bon  1533  an  al§  ^rebiger  an  ber  Satobslircfye,  abgefefyen  »on  einem  balbjä^rigen  2tuf= 
enthalte  in  Notfyenburg  o.  b.  Zauber,  mo  er  im  ©ommer  1544  bie  ^Reformation  bei 
bortigen  $ircfyenwefen§  einleitete,  fein  Seben  lang  geblieben,  ©eine  miffenfc^aftlicfyen  Qnter= 

io  effen  maren  fefyr  bielfeitige.  ©ie  erftrecften  fiel)  aucb,  unter  bem  ©influfe  bei  Slftronomen 
$o!j).  ©d)öner  auf  bie  9JcatI)ematif,  aber  in  erfter  Sinie  mar  er  nacb,  Nidjtung  unb  jeit= 
meife  aucb,  2eben3fül>rung  (ebb.  177-  193f.)  tro|  feiner  äafylreicfjen  unb  mertboUen  t|eo= 
logtfdjen  arbeiten  §umanift.  Qm  bertrauteften  2Ser!eb,r  ftanb  er  mit  SBiltbalb  ^3irrf= 
Reimer,   aucb,    bann  noeb,,   all  btefer  mit  2lnbrea§  Dfianber,  SBenjellaul  Sin!  unb  ben 

15  anberen  ebangelifcfyen  ©eiftlicfyen  verfallen  mar,  ja  ib,m  tourbe  bieDrbnung  bei  Nadjlaffel 
bei  großen  (Belehrten  übertragen.  2öir  fennen  bon  SSenatoriul  nidjt  menige  lateinifcfye 
©ebicfyte  unb  SSerfe,  mit  benen  er  bie  SBerfe  ber  greunbe  ©obanul  |jeffe,  ^oacb,.  @ame= 
rariul,  ätnbreal  2lltb,amer,  33incentius'  Dbfoboeul  unb  anberer  gierte,  aucb,  mehrere 
b,umaniftifcb,e   ©elegenb,eitsfcb,riften,    feinen  Draco   mysticus   sive  venatio,    Nürnberg 

20  1530,  feine  Querela  Ditis  (1532)  unb  ben  aucb,  b,ierb,er  gefyörenben  Catechismus  minor. 
Hoc  est  de  instituenda  iuventute  in  fide  Christiana,  Nürnberg  1535,  eine  für 
bie  Nürnberger  fateinifcfje  ©cfyule  gebaute  b,umaniftifcb,e  ^atedjismusbearbeitung,  bie  ba= 
bureb,  »eranlafjt  fein  mirb,  bafs  il)m  im  ^ab,re  1534  bal  ftäbtifcfye  ©cfmlmefen  unterteilt 
morben  mar  (%i).  Sblbe  a.  a.  D.  ©.  173),  mertooßer  finb   jeboeb,    feine  (Sbittonsarbeiten. 

25  ©o  gab  er  aul  bem  Nachäffe  ^ircfljeimers'  beffen  lateinifcfje  Überfe^ung  bon  3£eno^b,on§ 
^eHenifa  (1532)  unb  felbftftänbig  AgioTocpdvovs  TlXovxog.  Aristophanis  facetissimi 
Comici  Plutos  interprete  Thoma  Venatorio.  1531  I)erau3,  unb  bal  gröfete  SSerbienft 
nacb,  biefer  ©eite  b,at  er  fieb,  bießeicfyt  bureb,  bie  erfte  ©rucfaulgabe  ber  3Berfe  bei  Streb, i= 
mebel  mit  ber  Überfettung  bei  ^acob  bon  (Sremona  unb  bem  Kommentar  bei  (Sutofios' 

30  bon  2lf!aIon  ermorben  (ebb.  ©.  178). 

©eine  erfte  felbftftänbige  tf>eoIogifcr)e  ©cb,rift  finb  feine  Axiomata  quaedara  rerum 
christianarum  (1526),  eine  für  einen  ^ßriefter  aul  ber  ©iöcefe  33rirm  jufammengefteUte, 
treffliche  2lnemanberreifyung  ber  §aubtfä|e  ebangclifdjer  £eb,re.  $n  fynw  bertritt  er  fcb,on 
ganj  im  ©inne  Sutfyerl,  nur  prägnanter  in  ber  $orm,  einen  ©ebanfen,  ber  unl  bann  in 

35  aßen  feinen  tb, eologifcb,en  ©cf>riften  mieber  begegnet,  nätnlid)  bie  bleibenbe  SBebeutung  ber 
2iaufe,   bei    divini   erga    nos    favoris    testimonium  quasi  ancora  (ad  quam 

divinae  misericordiae  promissiones  expeetantes)  securi  et  laeti  confugimus. 
2113  erfter  unter  ben  Nürnberger  @eiftlicb,en  meift  er  barin  aucb,  alle  bon  £ut|er  ah 
meicfyenben   ©rflärunglberfucfye  ber   2lbenbmaI)Ismorte   bon  Sarlftabt,   Delolampab   unb 

40  Bwingli  mit  großer  Seftimmtb,eit  %uxüä.  ©egen  bie  SSBiebertäufer,  fpegteltt  gegen  bie  S3e= 
b,au^tung,  ba^  ber  ©laube  nicb,t  in  ben  $inbern  fei,  fd)rieb  er  feine  5pircfb, eimer  getoibmete 
©cb,rift  Pro  baptismo  et  fide  parvulorum  1527  (Sine  rein  erbauliche  ©$rift,  bie 
ben  Semeis  liefert,  wie  einfacb,  unb  ünblicb,  fromm  ber  gelehrte  £mmantft  reben  fonnte,  ift 
„@in  fur§  Unterricht  ben  fterbenben  3)tenfcb,en  ganj  tröftlic|"  (1527).  2ln  i^r  fanb  £utb,er,  ber 

45  ben  93erf.  bamalö  noeb,  gar  nicb,t  gefannt  ju  b,aben  fcb,eint,  fo  großes  ©efaßen,  ba^  er  fie  mit 
einer  lob^reifenben  33orrebe  (2.  2S.  @2l  63,  284)  neu  b,  crau§gab,  unb  fie  ift  aucb,  fpäter  noeb, 
meljrfacb,  herausgegeben  unb  in  äl)nlicfye'!£roftbücl)lein  aufgenommen  morben  (>Lb,.^olbe  a.a.  D. 
©.118  f.).  ®af?  3Senatoriug  aber  noefy  b, eute  in  ber  ©efcb,icb,te  ber  Geologie  mit  @b,ren  genannt 
mirb,   »erbanft  er  feinem   großen  SBer!e   De  virtute  Christiana  libri  tres.     Norin- 

60  bergae  XXIX.  58on  bem  ©runbgebanlen  aulgeb,enb,  Christianorum  virtus  est  fides 
unb  bem  barauä  gefolgerten  ©a|e  proprium  Christianae  philosophiae  credere  (voco 
autem  summam  philosophiae  Christi,  virtutem  fidei,  hoc  est,  fidem  quae 
operatur  per  dilectionem,  ut  ait  Apostolus.  Quae  virtus,  quid  est  aliud  quam 
quidem  impellentis  Spiritus  saneti  impetus    ad    recte   sentiendum    primum    de 

65  deo  ipso,  deinde  et  ad  recte  agendum  cum  proximo.)  p.  7b  giebt  er  eine  um= 
faffenbe  £ugenb=  unb  ^3flicb,tenleb,re  (bgl.  baju  ©cb,marj  a.  a.  £>.  ©.  79  ff.  u.  @.  Sutb^arbt, 
©efcb;icb,te  ber  ctmftlkb, en  @tb,il,  Seidig  1893  II,  88  ff.)  Woburcb,  er  ber  eigentliche  Slnfänger 
ber  ^roteftantifc^en  @tb,it  mürbe  (bgl.  aucb,  ben  Slrt.  @tb,if  33b  V,  548, 53  mo  aber  ber  @in= 
fluf?  ber  ©cb,ule  9J?elancb, tb, onf  überfcb,ä^t  mirb).  ©a|  biefe§ Suc|)  feinen  @influ|  aulgeübt 

60  l)at,  lag  faum  in  ber  bon  ©päteren  (j.  S.  ©cb,marg,  banacb^  bon  ©ieffert  im  Slrt.  @ib,il)  barin 


ilenatortuS  SBenema  491 

gefunbenen  Hinneigung  jum  DfianbriSmuä,  bon  bem  man  bornalS  nocb,  nichts"  mufjte,  fonbern 
bielmebr  barin,  baf?  neben  bem,  ma3  bon  SBittenbcrg  ausging,  gelehrte  tfyeologifcbe 
arbeiten  namentlid)  Don  Sutberanem  überhaupt  recbt  menig  33ead)tung  fanben.  —  £b,nc 
eigentliche  ^olemif,  unter  SBermeibung  aller  ,„3anftel;re  —  benn  mo  man  ötet  ganlt, 
berleurt  man  oft  bie  Söa^r^eit"  — ,  aber  bocb  um  ben  bieten  Irrtümern  über  staufe  6 
unb  Slbenbmabt  entgegen  gu  treten,  befmnbelt  Sßenatorius'  bie  ©aframentstel)re,  ober  roa3 
bon  beiben  ©aframenten  yu,  Reffen  fei,  in  ber  ©djrift.  „@m  furije  bnterricfytung  bon 
ber/ben  facramenten,  bem  Sauff  bnb  Nadjtmal  ßfyrtfti:"  Nürnberg  1530  (bgl.  %i).  Mbe 
a.a.D.  ©.  161  ff.).  Stuf  berfelben  ©rufe  mie  bie  feböne  Xroftfdpft  bom  %ai)xe  1527 
fte^t  feine  „©rmanung  jum  ßreutj  in  ber  gebt  ber  berfolgung",  bie  er  @nbe  ©ebtember  10 
1530  mor/I  im  £>inblid  auf  bie  beborftefyenbe,  ben  ©bangelifeben  brobenbe  ©ntfe^eibung 
be3  2tug§burger  Neid)slag§  ausgeben  liefe  (ebb.  ©.  165 f.).  2tu§  einer  3trt  bon  er.egetifd)en 
Vorträgen,  mie  fie  bamafä  in  ©übbeutfd/Ianb  öfter  bortamen,  mirb  eine  ©djrift  ermaebfen 
fein,  bie  im  ©ebtember  1533  fyerauslam :  In  divi  Pauli  apostoli  priorem  ad  Ti- 
motheum  epistolam  distributiones  XX  (Basilae  1533).  @3  finb  fidj  tofe  an  ben  15 
lejt  anfcblie|enbe  2luslaffungen  mef>r  bogmatifeber  atö  eregetifeber  Natur,  bie  feiner  CSt^if 
an  bie  ©eite  treten,  Nacfe,  2Bill=Nobtitfcb  Nürnberger  ©eIebrten=2erjfon  fotl  er  noeb  jmei, 
toie  es"  fcb,eint,  fyeute  berfc|oIIene  ejegetifebe  ©ebriften  berfaftt  f/aben,  eine  bem  Notbenburger 
3iat  gemibmete  In  Psalrnum  CHI  et  CIV  brevis  enarratio  1548  unb  eine  fotd)e 
In  Psalrnum  LXXXIX  au§  bemfelben  %afyxe,  bie  bem  §eil§bronner  Slbt  ^ol).  SBirfing  20 
jugeeignet  morben  märe.  — 

■äRefyrfad)  finben  mir  feinen  Namen  unter  offiziellen  Veröffentlichungen  ber  Nüm= 
berger  ©eiftlicfyfeit,  fo  unter  bem  Nürnberger  Natfdjtag  bon  1524,  unter  ber  ©cfyrift  gegen 
ben  ^affauer  SDomfyerrn  Nubbrecfyt  bon  3Ros1)am  1539  u.  f.  ».,  unb  in  bem  bonDfianber 
angeregten  ©treite  über  bie  offene  ©djmlb  wollte  er  gegen  biefen  bureb  Propositiones  25 
auftreten,  bie  jeboeb,  auf  Suibers"  33eranlaffung  ungebrudt  blieben  (%fy.  $o!be  a.  a.  D. 
©.  170 f.),  aber  obroob,!  er  bie  anberen  ©eiftlid)en  ber  ©tabt,  aueb,  Dfianber  an  ©elebr= 
famfeit  weit  überragte,  t)at  er  eine  füb,renbe  ©teile  im  Seben  ber  Nürnberger  strebe  nie 
eingenommen.  @r  mar  unb  blieb  ber  ©elebrte,  ber  aud)  an  ber  $olemit  leine  $reube 
batte.  Nur  eine  regelrechte  ©treitfcfyrift  l>at  er  gefebrieben.  211s"  fein  SanbSmann  ^°b-  30 
§aner  (f.  b.  2t.  Sb  VII  ©.  400  ff.)  feine  gegen  bie  ebangelifcfye  Ned)tfertigungslebre  ge= 
richtete  ©cfyrift  Prophetia  vetus  ac  nova,  hoc  est  vera  scripturae  interpretatio. 
De  syncera  cognitione.  Lipsiae  1534  batte  aus"ger/en  taffen,  in  ber  23enatorius"  aueb 
eine  ©cbmätmng  feiner  Skterftabt  unb  ibres"  ^ircfyenmefens  fat),  fd/rieb  er  De  sola  fide 
iustificante  nos  in  oculis  Dei,  ad  Joh.  Hanerum  epistola  apologetica.  Norim-  85 
bergae  1534.  ©eine  legten  ^al)re  fielen  in  bie  $e\t  btä  Interims;  bem  er  anfangt 
mit  ben  übrigen  ©eifilicb/cn  miberfbroeben  fyatte,  mäb/renb  er  bei  ben  fbäteren  23erl)anb= 
lungen  ntebt  meb,r  ermäbnt  mirb.  @r  ftarb  al£  ber  Ie|te  toir!licb,e  §umamft  unter  ber 
Nürnberger  ©eiftltcbleit  am  4.  $ebruar  1551.  Sfieobor  fiolbe. 

Sßenetna,  §ermannu§,  geft.  1787.  —  £.  Sannegieter,  Programma  fun.  Herrn.  40 
Venema,  grau.  1787;  ^.  |).  35erfd)uir,  Elogium  Herrn.  Venema,  ftran.  1787  (öuü.  lieber; 
fejjung  mit  Slnmerhingen  UDn  ^-  Sßaffer,  „Lofrede  op  Herman  Venema",  2lmft.  1801); 
Xa§  neue  gelehrte  Europa,  XIX,  535—565;  33.  ©lafiu«,  Godgeleerd  Nederland,  III, 
489—496;  gi)\:  @epb,  Joh.  ötinstraen  zijn  tijd,  ?(mft.  1865passim;  355.  S3.  @.  23oeIe§,  Fries- 
lands  Hoogeschool  en  het  Rijks  Athenaeum  te  Franeker,    Leeuwardeu  1889,  II,  399 — 40,    45 

£>arm  ober  §ermannu§  SBenema  mürbe  1697  gu  Sötlberbant'  (^rob.  ©roningen)  bon 
roo^lb,abenben  ©Itern  geboren.  3n  ©roningen  genofe  er  ben  Unterriebt,  ber  i£)n  für  bie 
Uniberfität  borbereitete,  unb  bon  1711—1714  mar  er  bort  afö  ©tubent  eingefdirieben. 
Ser  Niebergang  ber  ©roninger  Stlabemie  trieb  ibn  nad)  graneler,  mo  er  am  12.  ©eb= 
tember  1714  eingef(b,rieben  mürbe  unb  ben  Unterriebt  unter  anberen  bon  2tlb.  ©cbulten§,  so 
ben  33itringag  33ater  unb  ©obn  unb  ^ob-  bon  ber  Söaeijen  bem  ©obn  genofe.  Sefonberö 
bie  beiben  VitringaS  b^ben  fomob,!  auf  feine  tbeologifcfje  Silbung  mie  auf  feine  in 
maneber  §infid)t  freiere  ©eifteSricbtung  großen  (Sinflufe  ausgeübt.  Unter  bem  jüngeren 
iUtringa  ^>ielt  er  in  ben  ^aforn  1717  unb  1718  jmei  ©föbutationen.  ©ebtember  1718 
beftanb  er  fein  SDottoreramen  in  ""Ideologie  unb  balb  barauf  bor  ber  Classis  bon  es 
^ranefer  fein  ^ßrobonentgeEamen,  morauf  er  am  12.  gebruar  1719  ^rebiger  gu  Tronrijb 
bei  granefer  mürbe.  Nad)  bem  Xobe  bon  Vitringa  bem  Qüng.  mürbe  er  als  beffen 
Nacbfofger  gum  ?ßrofeffor  in  graneter  ernannt,  mäf;renb  er  balb  barauf  aud)  beffen  SBittme 
beiratete.  2tm  22.  5Rärj  1724  bat  er  fein  ^rofefforat  mit  einer  Nebe  Dezelo  veritatis  et 


492  »eitema 

pietatis  genuino  et  charitatis  pleno  ($xan.  1724)  angetreten.  2ln  bemfelben  läge 
Würbe  er  aud)  jum  Doct.theol.  bromobiert.  —  Sündig  %afyvt  lang  War  er  eine  gierbe 
ber  granefer  2tfabemie.  Stuf  toiele  feiner  ©d)üler  übte  er  großen  ©influft  aus.  2IuS  bem 
2luSlanb  gog  er  biele  ©tubenten  ju  feinen  SÖorlefungen.  SBefonberS  Ungarn  tarnen,  um 
5  il)n  $u  I)ören,  unb  felbft  9ftd;ttI)eologen  Wohnten  feinen  23orlefungen  bei.  $m  Qafjre  1774 
Würbe  er  auf  fein  eigenes  @rfud)en  bom  Kuratorium  emeritiert.  2IuS  freiem  2lntrieb 
berltel)  es  ifym  ben  ^Rang  unb  %xtd  eines  Prof.  honor.  unb  lieft  ifyn  in  bem  ©enuft 
feines  bollen  ©eI)alteS.  @r  lieft  fid)  juSeeumarben  nieber,  Wo  er  am  25.  9M  1787  ftarb. 
©eine  grau  2lnna  ©obi)ia  ©r/b;$eS  (Sixti)  mar  fd)on  1767  geftorben,  mäl)renb  aud)  ber= 

10  fd)iebene  Kinber  il)m  im  SLobe  borauSgegangen  waren.  sJ2ur  eine  £od)ter  überlebte  ir)n. 
%n  graneler  in  ber  ©roften  Kird)e  mürbe  er  begraben. 

Unter  ben  nieberlänbifd)en  Geologen  nimmt  3Senema  einen  ber  erften  ^lä^e  ein. 
@r)r.  ©ebb  nennt  ilm  felbft  „ben  gröftten  (Belehrten  beS  18.  $al) rl)unbertS".  @r  mar 
äufterft  fd)arffinnig ;  ein  tüchtiger  Kenner  ber  orientalifd)en  ©brauen  unb  beS  ®ried)tfd)en, 

ib  auftergemöl)nlid;  belefen  unb  bor  allem  mit  einer  ungewöhnlichen  Kenntnis  ber  Kird)en= 
bäter  unb  ber  Söerfe  ber  ©d)olafttfer  auSgerüftet.  SDabet  unterftüttfe  tfyn  ein  borjüglicfyeS 
©ebädjtniS.  SCI§  ©geget,  befonberS  beS  2IIten  ^eftamentS,  machte  er  fid)  einen  groften 
tarnen  unb  blieb  er  hinter  3Sitringa  b.  ätlt.  nid)t  jurücf.  ©eine  er.egetifd)en  Söerle 
geid)nen  fid)  burd)  Klarheit,  unbefangenes  Urteil,  felbftftänbige  Unterfud)ung,  grofte  2BaI)r= 

20  fyeitSliebe  unb  befonberS  burcb,  ©pradjfenntniS  unb  baS  ©inbringen  in  ©ang  unb  SSerbanb 
ber  ©ebanfen  beS  ©cfyreiberS  aus.  ©ein  ejregetifcfyeS  ^aubttoer!  ift  fein  Commentarius 
in  Psalmos,  6  vol.  (1762—66).  Über  brobI)etifd)e  ©d)riften  gab  er  u.a.  auS:  Disser- 
tationes  ad  vaticinia  Danielis  emblematica  (1745),  Commentarius  ad  librum 
prophetiarum  Jeremiae,  2  vol.  (1765),    Sermones  vice  Commentarii  ad  librum 

25  prophet.  Zachariae  (1787),  Lectiones  academicae  ad  Ezechielem  (cura  J.  K. 
Verschuir  1790),  Commentarius  in  prophet.  Maliachiae  (ed.  Ia,  1788).  —  2tlS 
Kanjelrebner  jeid)nete  er,  ber  1729  aud)  jum  UniberfitätSbrebiger  ernannt  Worben  toar, 
fid)  nid)t  auS.  ©ein  ©til  War,  foWol)l  im  Satein  als  im  §oÖänbifd)en,  alles  Weniger 
Wie  gefällig,  el)er  raub,,  bann  unb  mann  fogar  nad)läffig.    %ebo<fy   l)at   er   als  ^3rebiger 

30  fid)  baS  3Serbienft  erworben,  baft  er  burd)  feine  einfache  unb  beutlid)e  Ster.terflärung  in 
bie  ^SrebigtWeife  feiner  £age,  bie  fel)r  langweilig  unb  aEegorifierenb  War,  eine  25er= 
befferung  braute.  —  %üx  feine  Qeit  berbienftlid)  War  and),  WaS  3Senema  in  feinen 
Institutiones  hist.  ecclesiasticae  V  ac  N.  Testamenti  (7  tom.  Lugd.  Bat.  et 
Leov.  1777—1783)  lieferte,     ^n  biefem  Söerfe  geigte   er  fid)   als   ein  felbftftänbiger, 

35  wal)rr/eitsliebenber  ©elel)rter,  ber  mit  Vorliebe  Buellenftubien  trieb,  fid)  bor  ber  Krttif 
ntd)t  freute  unb  burd)  fein  Vorurteil  leiten  lieft,  unb  ber  fid)  befonberS  burd)  grürtblid)e 
©elei)rtr/ett,  Klarheit  beS  Urteils  unb  tiefe  ©tnftdjt  auszeichnete.  ®en  Unterricht  in  ber 
Kird^ngefd)id)te  gab  er  fid)ilid)  mit  groftem  ^ntereffe,  unb,  Wie  er  felbft  in  ber  25or= 
rebe  feiner  Institutiones  (bortfelbft  I,  p.  5)  fagt,    „non    sine  aliquo   adplausu   et 

io  fruetu." 

3Senema  mürbe  ju  ben  ßoecejanem  gerechnet,  ging  jebod)  feinen  eigenen  2Beg.  ©eine 
Geologie  baute  er  auf  gWet  ^rinjibien  auf :  bie  Vernunft  unb  bie  1)1.  ©d)rift.  @r  brang 
jebod;  feine  SReimmg  niemanb  auf  unb  War  in  feinem  Urteil  über  anbere  fefyr  milbe  unb 
berträglid),  foWie  er  fid;  im  Umgang  mit  anbern  ftetS  liebenSWürbig  unb  einfad)  erWieS. 

45  @r  Würbe  als  baS  £>aubt  ber  toleranten  angefel) en  unb  einige  feiner  ©d)üler  unb  ©eifteS= 
berWanbten  gingen  in  il)rer  SEoleranj  fo  Weit,  baft  fie  gegenüber  allen  bertragfam  maren, 
abgefel)en  bon  ber  Iird)lid;en  Drtfyobojte.  @r  War  ber  einzige  nieberlänbifcfye  ^3rofeffor, 
ber  für  ben  focianifd)er  S^rfe^en  befd)ulbigten  SJlennonitenbrebiger  %ot).  ©tinftra  $artei 
ju  nehmen  Wagte.    Kein  Söunber,  baft  aud)  S^enema  felbft  ber  ^rrleb^re  befd)ulbigt  Würbe. 

50  Sßirflid)  War  er  u.  a.  fyinftcfjtüd)  ber  fiebere  bon  ber  menfd)Iid)en  Df)nmad;t  unb  ber  gött= 
lid)en  ^räbeftination  aud;  ntebt  burcfyauS  in  Übereinftimmung  mit  ber  fiebere  ber  Kirche, 
©egen  ben  ©roninger  ^rofeffor  Strtt.  ©rieffen,  bon  bem  eS  übrigens  belannt  ift,  baft  er 
überall  Ketzereien  fud)te  unb  fanb,  unb  ber  bon  ftreitfücfytigem  Sb^arafter  War,  muftte  er 
fid;  fd)on  früb  berteibigen,   ba  biefer  ibn  ber  §eterobojie  befd;ulbigt   unb   felbft   bei  ber 

55  ©tmobe  bon  ©röntngen  angellagt  blatte.  Stuf  Würbige  SBeife  antwortete  er  in  „Körte 
Verdediging  van  syne  Eere  en  Leere"  (Leeuwarden  unb  Harlingen  1735), 
Worin  er  feine  2lnfid)ten  über  ben  Sunb  ber  SBerfe,  bie  ßured)nung  bon  SlbamS  ©ünbe, 
ben  altiben  unb  baffiben  ©eI)orfam  bon  ^efuS  ©IjriftuS  unb  bie  Sßräbeftination  auSein= 
anberfe^te.    ®rieffen  I)ielt   feine  S3efd}ulbigung   aufrecht   unb   Sßenema  fd;rieb  barauf: 

60  „Justa  cum  viro  clar.  Ant.  Driessenio  expostulatio  (%xan.  1736).   £)aS  Vertrauen 


SSettemo  ätobefferitttgSpunfte  493 

ber  Drtfyoborm  genofj  äsenema  jebocr;  mcbt  unb  fyat  er  niemals  gebinnen  tonnen.  6r 
fanb  iebod)  einen  mächtigen  33efcf)ü§er  in  bein  (Statthalter  ^rtnj  9Ml)eIm  IV.  9iact) 
beffen  Sobe  befonberS  fufyr  man  fort,  $enema  beS  ©octaniSmuS  unb  2trminianiSmuS  ^u 
befcfmlbigen.  Snf°l0e  kabon  fab,  er  ficb,  genötigt,  fi<h  in  feinen  Exercitationes  de 
Christi  vera  divinitate  (Leov.  1755)  ju  berteibigen.  £)iefc  ©cbrift,  aber  bor  aßem  5 
ber  ftetS  junefymenbe  ®rang  Vieler  ficfy  bon  ben  SBanben  ber  reformierten  Sefyre  ju  löfen, 
betoirfte,  bafj  3Senema  fernerhin  feine  Strbeit  ungeftört  fortfe|en  lonnte,  aud)  mäfyrenb 
feinet  SebenSabenbS  bis  ju  feinem  £obe  fyn  tfyätig.  <3.  <$>.  »an  SBcen. 

^cnejUCla.  —  Sttterotur.  £.  ß.  Saiofon,  The  South-Amer.  ßepublics,  2.  93b;  Sofe" 
©it  <yortoul,  Hist.  constit.  de  Venezuela  (1907);  2S.  ©ieberä,  SSenejuela  (1888);  berf.,  ©üb=  10 
amerifa,  1903. 

®ie  Unabbängigleit  beS  SanbeS  bon  ©banien   tourbe  tfyatfäcbticf)   im  $abre  1823 
errungen;  aber  eS  blieb  baSfelbe  längere  3 ett  ein  befonberer  %t\l  ber  bereinigten  9lebubli!, 
toeicfye  aucfy  ßolumbia  unb  ©cuabor  umfaßte.    @rft  (1829)  1830   fam   eS   burcb,    3tuf= 
bebung  biefer  Union   p  bem  felbftftänbigen  ©taate  35enejuela,   toelcber  aßerbingS  burd)  10 
eine  grofee  Qabl  bon  ^Bürgerkriegen  in  feinen  Äulturfortfdmtten   immer   aufs  neue  ge= 
benimt  tourbe.    ©0  gelangte  er  benn  aucb,  —  feit  1864   bie  „bereinigten  ©taaten  bon 
Isenejuela"  —  bei  einer  SHaumfläcbe  bon  1  533  000  qkm  nur  ju  einer  Setoobnerjab,!  bon 
2,6  Millionen  (um  1830  aßerbingS  nur  ettoa  750  000).    £>er  Slbftammung  nad)  bilben 
aucf)  bkr  bie  9Jcif<hlmge  (SReftijen,  Mulatten,  .ßamboS)  bie  grofje  ^Dtebr^eit,   toofyl  über  20 
65n;0,  mäbrenb  bie  rein  toeifje  SBebölferung  ju  faum  10°/0  gefcbäfct  toirb.   Sieger  erhielten 
ftdj  auS  ber  $eit  ber  ©Ilaberei  (aufgehoben  imSa&re  1833)  wob,!  120000,  toäbrenb  man 
nod)  325000  ^nbianer  annimmt,   bon  melden  aber  ettoa  270000  gibilifiert  finb.    %a\t 
bie  gefamte  Sßetoofynerfcbaft   gebort  ber  faifyolifcben   ®ird)e  an,  beren  ^Religion   in   ber 
SSerfaffung  SSenejuelaS  bon  1831  als  bie  beS©taateS  erflärt  ift,  jebocf)  unter  ©etoäbrung  25 
freier  ^ultuSauSübung  für  SlnberSgläubige. 

©ie  römifcb=latf)oIifcbe  ^ircbe  tourbe  fner  giemlicr)  fbät  organifiert.  SDenn  erft  1637 
tourbe  6aräcaS  ber  ©it$  beS  SBiStumS  (©ti.  ^afobi  be  33enejuela)  für  baS  ganje  Sanb, 
nact)bem  biefeS  bis  babin  bon  ©oro  aus  (am  ©olf  bon  9Jcaracaibo)  geiftltcfy  bertoaltet 
toar.  3m  Sal^re  1803  mürbe  GaräcaS  §aubtftabt  ber  neu  georbneten  Ätrcbenbrobinj  30 
(3JcetroboIitanfi|),  melier  bier  ©uffraganbiStümer  unterftefjen :  @S  finb  SBarqutfimeto,  im 
^afyre  1847  als  SDiöcefe  gegrünbet  unb  1868  mit  einem  33ifcbof  befe^t;  ealabo^o,  feit 
1863  ©iöcefe,  in  toelcbe  1881  ein  Sifd^of  eingeführt  mürbe;  ©to.  XomaS  be  ©utyana 
in  ßiubab  SBolibar,  bereits  1791  errichtet  mit  febr  auSgebeb^ntem  ©brengel  nac§  ©üben; 
5Keriba  be  3)iaracaibo,  feit  1777  35iöcefe,  meiere  eine  bebeutenbere  9tngat;I  bon  ^farreien  35 
beauffiebtigt  als  ber  @rjbifcboffi|,  in  toelcber  §inficbt  bie  Bistümer  febr  berfebieben  er= 
feinen  (118,  104,  94,  60,  52  $f.).  ^n  ib^rem  SSerr>äItntg  jum  ©taate  batte  bie  latb. 
^irebe  manche  neuzeitliche  Slnorbnung  b,injuneb,men;  fo  1839  bie  2hrfl)ebung  ber  Älöfter, 
1873  bie  Bibüebe  famt  ^ibilftanbSregifter,  ja  1874  auf  einige  3ett  bie  3lufrtcbtung  einer 
„^Rationalnrcb^e".  40 

©uret)  bie  ©ulbung  ntcbtlatbolifd^er  ©emeinf haften  !am  eS  jwar  giemltc^  balb  §ur 
§erfteßung  einer  angli!anifcf;en  ©emeinbe,  fbäter  ju  jtoei  ^reSb^terianergemeinben  unb 
einer  metbobiftifcfyen,  baju  einer  §oßänbifd()=reformierten.  @rft  1894  aber  bilbete  fidj  eine 
beutfetje  ebangetifd;e  ©emeinbe,  meiere  fiel;  1902  ber  breufjifihen  £anbeSfirct)e  anfcblofe. 
"sebod)  !onnte  fie  fief)  nicht  Iräftig  meiterentmicfeln,  ba  um  bie  ^abrfmnbertmenbe  bie  45 
ftaty  ber  bortigen  ©eutfeben  jurüifging;  fie  befi^en  eine  ©cfyule,  meiere  gebeizt.  3m 
ganzen  toerben  etma  7000  ^ßroteftanten  im  Sanbe  fein. 

©er  Unterricht  ber  aSoIfSfihuIe  ift  jtoar  gefefelict;  obligatorifcb;  unb  unentgeltlicb; ;  boct; 
ift  bie  grofje  SERebrb^eit  ber  SBetoofyner  beS  SefenS  unb  ©cbreibenS  unlunbig.    ^mmerbin 
gab  eS  1891  bereits  faft  2000  2MfS=  unb  59  3Rittelftfmlen,  aucb,  5  Sebrerfeminare  unb  50 
eine  Uniberfität  neben   3  anberen  toenig   entmidelten  §ocb,fcb,u!en.    ©ie  Hlerüer  erhalten 
natürlich  in  ben  5  ^riefterfeminarien  ber  SDiöcefen  ibre  StuSbilbung.  SS-  ©ö^. 

SSerbefferung^mtftc,  bie  feeffifefien.  —  S£)r.  ü.  Hummel,  ©efcbidjte  öon  Reffen 
33b  6  u.  7,  Gaffel  1837.  1839;  $.  &eppe,  3Me  einfütirung  ber  SSerbefferungäpunfte  in  Reifen 
uon  1604— 1610  unb  bie  (Sntfte^ung  ber  t)effifd)en  ttrdjenorbnunq  Don  1657,  Raffet  1849;  berf.,  65 
ßird)engefcbid)tebeiber£efjen,  2  33be,  Warburg  1876;  91.  §-.  ß.  SSilmar,  ©efdiidjte  b.  ßonfeffionl= 
ftanbeS  ber  eo.  Stiriie  in  $e))m,  bef.  in  |)effen=.^affei,  2.  Vlu§g-,  ftranff.  a.  W.  1868,  S.  164  ff., 
tjier  finbet  ftd)  bie  fe6r  auögebe^nte  jeitgenbffifd)e  Siteratur  über  bie  SSerbefferungäpunfte  6.  306 


494  SerfceffermtgSpmtfte 

Bis  335  jufannnengeftellt;  über  bie  ^erfönlicfifett  be§  Sanbgrafen  9Jiori£  unb  feine  $olitif 
ugl.  ben  2(rt.  oon  ßenj  9lbS3  22,  1885,  ©.  268-283.  Suleljt  erfdjien  ®.  SBautnann,  ®ie 
Einführung  ber  S3er6efferung§punfte  in  Reffen:  Slffgem.  @öangelifcfj=Sutl3erifcfje  Sircfjenäeitung 
1906,  9?r.  1.  2.  Eine  neue  Bearbeitung  be§  S£(jema3  unter  emgetjenber  33eriicEftcf)tigung  ber 
5  poltttfcfjen  ©efdjtdjte  ift  erttumfdjt. 

Qn  ber  ^effifc^ert  ^ircbe  ruaren  im  ReformationSjettalter  neben  ber  2lugufiana  bon 
1540  als  Sefyrnormen  in  ©iltigiett  bie  Söittenberger  $oniorbie  (Concordia  Buceri, 
1536),  ber  granffurter  SFEejefe  (1558),  bie  Raumburger  fßräfatto  (1561),  unb  baS  corpus 
doctrinae  Philippicum.    £)ie  Pfarrer  mürben  auf  letzteres  „beftellt  unb  angenommen" 

10  (feit  1561),  bie  SDottoren  ber  Geologie  auf  bie  2Iuguftana  bon  1540  beipflichtet,  $m 
Qa^re  1566  mürbe  bie  bon  2lnbreaS  £r/periuS  aufgearbeitete  $ird)enorbnung  publiziert. 
Racb>em  Sanbgraf  $l)ilipp  ber  ©rofsmütige  im  ^al)re  1567  geftorben,  mürbe  Reffen 
unter  feine  ©öb,ne  geteilt:  Sanbgraf  SBU^elm  (geft.  1591)  empfing  bie^älfte  beS  SanbeS 
(Rieberbeffen,  Gaffel),    Submig  (geft.  1604)  ein  Vierteil  (Dberbeffen,  Harburg),    SßPty> 

15  (geft.  1583)  bie  Riebergraffd)aft  $a|enetnbogen  (©t.  ©oar),  unb  ©eorg  (geft.  1596)  Die 
Dbergraffcfyaft  $ai$enelnbogen  (®armftabt).  Saut  beS  ^efiamentS  (§.  Qfyx.  ©a)minle, 
Monimenta  Hassiaca  IV,  Gaffel  1765,  ©.  577 ff.)  füllte  eine  gerotffe  ©infyeit  beS  po!i= 
tifcfyen  Regimentes  aufregt  erhalten  merben  (begügltdE)  beS  SanbtageS,  ber  12niberfitätS= 
bermaltung,  ber  golterbebung  u.  f.  m.)   unb   in  fircblictjer  £>infid)t  bei  ber  hergebrachten 

20  Serfaffung  unb  ber  hergebrachten  Sebre,  bei  bem  2lugSburgifcr/en  SefenntniS  unb  ber 
SSittenberger  Jtonforbie,  berr/arrt  merben. 

%xo^  ber  SSerfdjiebenr/eit  ber  6f;araltere  unb  ber  fircfylidjien  Richtung  ber  bier  Srüber 
mürbe  anfangt  ber  triebe  unb  bie  ©inigieit  nicfjt  mefentlicb,  geftört.  (SS  botumentierte 
fiel)   ibje  ©inigleit    namentlich,   in   ber  $iegenbainer  ©rbberbrüberung  (1568),   mo   unter 

25  anberem  über  bie  Slbfjaltung  ber  ©eneralfpnoben  genauere  Seftimmungen  berabrebet 
rourben,  bem  ©rlaffen  einer  neuen  auf  ber  ©runblage  ber  Slgenbe  bon  1566  auS= 
gearbeiteten  botlftänbigeren  Slgenbe  (1574)  unb  in  ber  Stellung,  bie  bie  Sanbgrafen 
unb  bie  bon  ilmen  im  $ar/re  1576  in  Gaffel  berfammelte  ©eneralftmobe  bem  %ox= 
gautfcfyen   Sucfye   gegenüber   einnahmen.    SDiefe  ©fynobe,   an  ben  l)effifd)en  'jErabitionen 

30  entfdjueben  fefti/altenb,  erklärte  fid)  —  abgefefyen  bon  §unniuS  —  einftimmig  gegen  bie 
in  biefem  Sucbe  bertretene  neue  Stiftung,  gegen  bie  angeftrebte  Serbrängung  beS  corpus 
doctrinae  Philippicum,  gegen  bie  ©r/tnbolifterung  ber  Ißribatfcfyriften  SutberS,  gegen 
bie  23erbäct)tigung  ber  Sluguftana  bon  1540  als  variata  unb  befonberS  gegen  bie  ubi= 
quitiftifcbe  ©brifiologie  unb  beren  Serbinbung  mit  ber  2(benbmal)lSlebre. 

35  2lnberS  gestalteten  fid)  bie  Serbältniffc,  als  ber  auf  Setreiben  ber  ©emaf)Iin  SubmigS, 
einer  mürttembergifcben  ^Brinseffin,  1575  berufene  ^ßrofeffor  5tgibiuS  ^unniuS,  ein  ebenfo 
gelehrter  unb  fcfyarffmniger  als  ftreitbarer  ^beologe,  mebr  unb  mefr,  unb  namentlich 
auf  Submig  unb  bie  Dberbeffen  ©influfs  geioann.  2tuf  ben  ben  ©eneralfonbent  ju  Xrepfa 
am  24.  Robember  1577  borbereitenben  ^onbenten  unb  bann  aud?  auf  biefem  felbft  geigte 

40  eS  fiel),  baf$  neben  ber  altbeffifd)en  Richtung  eine  neue  ultralutberifcfye  toeite  SBerbreitung 
unb  Slnertennung  gefimben  blatte,  (gegenüber  bem  33ergifc£)en  S3ud)e,  baS  jur  Beratung 
borlag,  einigte  man  fid)  jroar  nacb  langen  ©treitberfyanblungen  barüber,  ba^  bis  ju  beren 
befinitiben  ©rlebigung  ber  ©ebrauef)  ber  neuen  Rebemeife  in  Setreff  ber  Sefyre  bon  ben 
beiben  Naturen  %z\u  ©f)rifti  cingefteßt,  bafs  nur  über  il)re  perfönlicb^e  ©intgung  in  con- 

45  creto  gefproeben,  ba^  bie  £el)re  bon  ber  communicatio  idiomatum  nidt)t  borgetragen  unb 
alles  Sßolemifieren  berboten  fein  foUe  (ber  SErefyfaer  2lbftt)ieb  abgebrudt:  £>.  §eppe,  ©efeb- 
beS  beulten  ^roteftantiSmuS  in  ben  %afcm  1555— 1581  3.33b,  Harburg  1857,  ©.283 
2lnm.  1),  aber  bie  befinitibe  ©ntfe^eibung,  bie  einer  jufünftigen  ©eneralf^nobe  borbeb^alten 
mürbe,  ift  mcf)t  erfolgt.     Sie  1578   in  Harburg  abgebaltene  ©eneralf^nobe  berfefjob  fie 

50  aber  nicf;t  blojs,  fonbern  erlannte  ben  consensus  auej)  nur  an  „unabbrücb,  lieb,  allen  teilen 
an  ibren  in  biefem  synodo  getbanen  (meit  auSeinanber  geb,enben)  confessionibus"  unb 
über  bie  Stiragmeite  biefer  Reftriftion  felbft  erboben  fia)  bann  auf  ben  folgenben  ©eneral= 
fpnoben  neue  ©treitigleiten  (§eppe,  ^©  1  ©.  387  ff.),  ^m  Qabre  1582  mürbe  bie  le£te 
©eneralft)nobe  gebalten;   bie  gortfübrung    eines   lircb,Iid)en  ©emeinfcbaftSlebenS  mar   jur 

55  Unmöglicbfeit  gemorben.  Siele  oberbeffifdje  S£b«ologen  unter^eiebneten  bie  Jlonlorbien= 
formel.  Sanbgraf  SBilbelm  bon  £effel=^affel  unb  fein  Sruber  Submig  bon  Dberb,effen 
bertraten  fortan  unb  jmar  beibe  mit  boller  (Sntfcbiebenbeit,  entgegengefetjte  Riebtungen. 
5Der  mäcbtige  fegenSreicbe  ©influf?,  ben  baS  im  ^ntrum  SDeutfcbJanb  gelegene  unb  nacb 
Äurfacbfen  größte  proteftantifebe  Sanb   bis  babin  ausgeübt  batte,   mar  jum  ©cbaben  beS 

60  ^roteftantiSmuS  infolge  biefeS  gftnefpdtS  gebrochen.    Sanbgraf  SSilbelm  feinerfeitS  fcblofj 


BcrbcffermtgSpunfie  495 

fid)  jeljt  immer  enger  an  bie  reformierten  Ideologen  unb  ^ircr/engemeinfcfyaften  an,  berief 
biele  ber  in  ©acfyfen  Vertriebenen  $b,  ilibbiften  in  ijofye  $ircf/enämter  unb  führte  bie  silgenbe 
bon  1574  aucb,  in  ber  ifmi  im  ^af>rc  1583  größtenteils  jugefaßenen  Diebcrgraffcfwft 
Äa|cnelnbogen  ein. 

■Warf)  bem  lobe  biefeS  dürften  begann  eine  neue  ^Sfyafe  ber  ürcr/licfyen  (Snttoicfelung  6 
in  §effen.  Sanbgraf  SDtoritj,  ber  ibm  im  Qafyre  1592  nachfolgte,  tourbe  angeekelt  bon 
ben  unfruchtbaren  bogmatif(|en  ©treitigleiten  feiner  geit  unb  mar  ber  Überzeugung,  baß, 
um  bie  ebangelifd;e  ftircfye  ju  beleben,  ba3  Söort  ©otteg  ganz  anber§  al§  bisher  unb  zu- 
mal  nacb,  feiner  foteriologifcfjen  unb  übertäubt  feiner  unmittelbar  auf  ba3  Seben  toir!en= 
ben  ©eite  bertocrtet  werben  muffe  unb  bie  ^ircfye  felbft  einer  neuen  Reform  bebürfe.  io 
ison  biefem  ©tanbbunftc  au3  ift  er  bann  aber  ju  DealtionSbeftrebungen  gelangt,  bie  ifm 
über  bie  bis  bal)in  in  Reffen  eingehaltenen  ©renken  toeit  InnauSfüfyrten  unb  betoirften, 
baß  er  bie  ©ulbung  bcs  SutfyertumS  in  §effen  ebenfo  einfeitig  auszufließen  bemüht 
toar,  toie  man  in  ©acfyfen  ben  BfyilibbiSmuS  einfeitig  auSgefcfyloffen  |atte.  SDcoritj  mar 
ein  b,od)begabter  unb  energifdjier  9Jcann.  ©el)r  forgfältig,  namentlich  bon  Tobias  §om=  15 
bergl  unb  ItaSbar  ßruciger  erlogen,  fyatte  er  ftcb,  in  jungen  Qafyren  eine  über  alle  ©e= 
biete  ber  2Biffenfcb,aft,  aucf)  auf  baS  tfyeologifdje  fid)  erftrecfenbe  ©eler/rfamfeit  angeeignet 
unb  fonnte  mit  15  ^af)ren  in  einer  bon  ber  tr/eologifcfyen  unb  b^ilofobljifc^en  gafultät 
mit  ifym  borgenommenen  Prüfung  glänjenb  befielen,  aud)  befaß  er  eine  nicfyt  geringe 
Serebfamfeit.  20 

©eine  eigene  Berechtigung  zu  einem  reformatorifc^en  Borgern  toar  ifjmt  nicf)t  im 
geringften  zweifelhaft,  er  l)attc  eine  fyor/e  Sluffaffung  bon  ben  Deckten  unb  Bflicfyten,  bie 
ifym  aU  Ritter  beiber  tafeln  unb  als  oberftem  Bifcfyof  be§  £anbe§  julämen  unb  fie  toar, 
toie  burd)  bie  ganze  ©trömung  ber  $eit,  fo  burd)  bie  Berfyältniffe,  toie  fie  bamals  in 
Reffen  borlagen,  nod)  genährt  toorben.  ©eit  1582,  alSbie  ©eneralftmoben  aufhörten,  toaren  bie  25 
toid)tigften  ^irdjenfadjen  ftatt  an  biefe,  an  bie  fürftlid;e  langtet  unb  bamit  an  ben  £anbe§= 
fyerrn  gebraut  toorben.  älucb,  bie  ebiffobale  Stellung  ber  ©uberintenbenten  toar  in  ber 
legten  |$eit  »telfad)  beeinträchtigt  toorben,  fie  toaren  in  mancher  §inficf)t  zu  bloßen  De= 
ferenten  b,erabgefunlen.  Um  feinen  (Einfluß  nocr)  zu  berftärfen,  errichtete  9ftorit>  1599 
ein  mit  ber  ^anjlei  in  Gaffel  berbunbeneä  ®onfifiorium,  bem  er  bie  Prüfung,  Slnftellung  30 
unb  S3eauffict)ttgung  ber  Pfarrer  übertrug  unb  bann  1610  an  beffen  ©teile  einen  mit 
allen  ebiflobalen  Deckten  auSgerüfteten  „abgefonberten  (b.  I).  bon  ber  ^anjlei  getrennten) 
ßircfyenrat  unb  Honfiftorium"  in  SRarburg. 

Sftandjerlei  llmftänbe  r)aben  bie  beabficr/tigte  Deformation  erfcfjtoert.  Bor  allem 
fiel  in  ba<B  ©etoidjt,  baß  ber  größte  Seil  beS  BolfeS  ein  ebangelijd)e§  Betoußtfein  nod)  35 
niefit  befaß  unb  unfunbig  be§  £efen<§,  ntdjt  leidet  ju  einer  r)öt)eren  ©tufe  ber  <f)riftlicr;en 
©rfenntnig  emborjub,eben  toar.  gn  ber  Slntaftung  feinet  $ultu§  unb  namentlich  ber 
aus  ben  Reiten  °^  borreformatorifdjien  J&rcfye  r/erübergenommenen  geremonien  unb 
ber  nod)  bielfadj  borf)anbenen  unb  bon  nicf/t  toenigen  beref)rten  Silber,  fafj»  e§  eine 
toefentlic^e  Beeinträchtigung  feiner  Religion.  ®er  Slbel  neigte  um  fo  mel)r  jum  Söiberftanbe,  40 
ba  er  mit  bem  Sanbgrafen  toegen  be§  $atronatgrecl)te§  unb  beö  Umfanget  ber  ebiffobalen 
Steckte  im  ©treite  lag.  3"  Dberb,effen  aber  toar  bon  ber  früheren  Regierung  eine  anbere 
5iid)tung  gebflegt  toorben  unb  tourbe  bon  bieten  mit  ganzer  Überzeugung  bertreten. 

Sanbgraf  2Jiori£  ift,  fo  lange  fein  Dr/eim  Subtoig  bon  Harburg  lebte,  nur  langfam 
unb  borfirf)tig  borgegangen.  Bor  allem  fucf)te  er  in  biefer  geit  Seute  feiner  Stiftung  45 
für  bie  oberen  $ird)enämter  ju  getoinnen.  @r  berief  unter  anberen  ben  1591  au§ 
Saufen  betriebenen  ©reg.  ©cb,önfelbt  jum  ©uberintenbenten  in  Gaffel,  ben  ©eorg  Dei= 
mann,  einen  ©d)üler  be€  2lnbrea§  £>r/bertu§,  jum  ©uberintenbenten  in  2lHenborf.  ®er 
erfte  Berfucb,  einer  Deform  aber,  ben  er  1603  in  ber  ganj  unter  fäcfyfifcfyen  (Sinfluß 
fteb,enben  ©tabt  ©d)mallalben  unternahm,  inbem  er  fyier  ben  Iateinifcb,en  ©efang,  bie  50 
Silber,  bie  ßonfefration  unb  ©lebation  beim  Slbenbmal)!  unb  anbereS  abgufcr;affen  fud^te, 
mißglücke  ganj  unb  gar. 

Slnberö  fteate  er  fidj,  aU  im  DEtobcr  1604  Sanbgraf  Subtoig  in  Harburg  geftorben 
toar,  nach,  beffen  SEeftament  ba§  Dberfürftentum  Reffen  jur  §älfte  (bie  9Jlarburger)  tr>in, 
jur  anberen  Hälfte  (bie  ©ießener)  feinem  Better  Subtoig  II.  bon  ©armftabt  jufiel.  ^toar  55 
latte  ber  Xeftator  berorbnet,  baß  bie  @rben  bei  Berluft  ifyreS  @rbe€  bei  ber  bem  ftaifer 
Äarl  V  1530  ju  2tug3burg  übcrgebenen  l^onfeffion  unb  beren  Stbologie  berbleiben 
feilten,  aber  Wloxify  f)ielt  bafür,  baß  bie  bon  if>m  beabficb,tigten  Deformen  biefer  Be= 
ftimmung  ntrf>t  jutoiberliefen.  9luct>  bie  2luguftana  bon  1540  toar  ja  bon  jeb,er  in  folcf)er 
SBeife  bezeichnet  toorben  unb  fie  aßein  bie  in  Reffen  offiziell  eingeführte.    Beftimmungen  60 


496  aSerBcffcrung^unltc 

jum  Vorteile  be§  neuen  Sutljiertumg  unb  etma  gar  be§  llbiquiti3mu§  roaren  aber  in  ba§ 
Seftament  nic^t  aufgenommen  morben. 

$m  ^afyre  1605  liefe  9flori£  einen  furzen  cr}riftltcb,en  Segriff  über  ba§  Srotbredien 
Veröffentlichen  unb  führte  eg  bann  fofort  in  Gaffel  unb  ben  ©raffdjaften  giegenfjain  unb 

5  ^ieberfatjenelnbogen  unb  tfvav  faft  oljme  SSiberfbrucb,  ein.  $n  erfter  Sinie  glaubte  er 
nun  aber  feine  Deformation  in  Harburg,  bem  §auptbollmerf  be§  Sutr/ertutmS,  unb  im 
übrigen  Dberljeffen  jur  ©urd^füfyrung  bringen  ju  muffen,  tinter  bem  16.  Sunt  1605 
liefe  er  ben  9Jcarburger  Geologen,  unter  benen  al§  eifrige  unb  cfyarafterbolle  Sutfyeraner 
bie  5profefforen  %oi).  SBinfelmann  (feit  1592),  Saltb, afar  9Jcen$er  (feit  1592,  aud)@bfyoru§ 

10  ber  ©ttyenbiaten),  ber  ©uberinienbent  ^einrieb,  £eud)ter  unb  ber  2lrd)ibialonu§  ^onrab 
©ietrieb,  hervorragten,  befehlen,  bie  2el)re  bon  ber  llbiquität  nicfyt  ferner  borjuiragen  unb 
bon  allem  janffüdtjtigen  Söefen  abjufte^en.  2113  hiergegen  bon  biefen  Geologen  ein 
$roteft  eingelegt  mürbe,  lief?  er  ifynen  einige  2lrtifel  jur  ftrifteften  9?ad}ad)tung  mitteilen  unb 
fie  jur  Sefolgung  ber  Sefcfylüffe  be3  'jErefyfaer  ©eneralfonbenr»   unb   ber  nacf)folgenben 

15  ©eneraiftynoben  ermahnen. 

$Diefe  fog.  Serbefferungsbunfte,  bie  eine  meütragenbe  Sebeutung  erlangt 
r)aben,  beftimmten:  1.  „bafe  bie  gefährlichen  unb  unerbauUdjen  $Dis>butatione§  unb  ©treit 
Von  ber  ^erfon  ßfjrifti  eingebogen  unb  Von  ber  SlHentfyalbenfyeit  ßfyrifti  unb  mag  berfelben 
anhängig  ift  in  concreto,  al<8  „ßt)riftu§  ift  allenthalben",  unb  ntd)t  in  abstracto  „bie 

20  ajfenfcfyf/eit  6f>rifti  ift  allenthalben"  gelehrt;  —  2.  bafe  bie  gefjn  ©ebote  ©otte3,  mie  fie 
ber  £>err  felbft  gerebet  .  gelehrt  unb  gelernt,  unb  bie  nod)  bom  ^abfttum  an  etlichen 
Drten  überbliebenen  Silber  abgetfjan ;  —  3.  bafe  in  ber  2lbminiftration  unb  ©ebraud)  be§ 
1)1.  2lbenbmab,I§  ba§  gefegnete  Srot  nacb,  ber  @infe|ung  be§  §erm  foUe  gebrochen  merben" 
(§ebbe,  Serbefferungsbunfte  ©.  15).  —  ©tatt  biefer  brei  gäflen  einzelne  Slftenftüde,  in= 

25  bem  fie  ben  Reiten  SlrtiM  in  jroei  (de  abolitione  imaginum  unb  de  redintegratione 
decalogi)  gerlegen,  toter  Serbefferungsbunfte  auf. 

©afe  eS  fieb,  in  Söirflicbjeit  nicfyt  blofe  um  biefe  brei  refb.  toter  Slrtifel,  fonbern  um 
eine  biel  ioeiter  greifenbe  Deformation,  mofür  biefe  2lrtifel  bie  2lnfnübfung3bunfte  fein 
follten,  feanbelte,    fonnte  ben  @inftd)t3bolleren   ntdjt  Verborgen   bleiben.    ®ie  SJtarburger 

30  Geologen  legten  atebalb  einen  motivierten  ^ßroteft  ein  unb  machten  geltenb,  bafe  fie  bei 
ifjrer  Stnnafyme  auf  bie  ©tmobalabfcfyiebe  nict/t  berbflid)tet  morben  unb  biefe  überfjaubt 
ntebt  giltig  feien,  bafe  bie  anbefohlene  (Einteilung  be3  £)efalog§  bem  $ated)i3mu<o  SutfyerS 
jumiberlaufe  unb  ba3  Srotbrecfyen  ber  StbenbmaljlSlefyre  6albin3  Sorfdmb  leifte.  ©er 
Sanbgraf  mar  aber   feft   entfct/loffen  biefen  SBiberftanb   ju   brechen.    ^acfybem  er  jubor 

35  mit  ben  toier  genannten  Geologen  berfönlid)  aber  bergeblid)  unterfyanbelt  fyatte,  befretierte 
er  beren  Slbfetjung.  —  2lber  nun  erl)ob  fieb,  eine  immer  ftürmtfcfyer  merbenbe  Seroegung. 
®ie  Sürgerfctjaft  f d)arte  ftet)  um  bie  ifyr  teuren  ©eiftlidjen,  bie  ©tibenbiaten  forberten  il)re 
©ntlaffung.  Sergeblid;  bemühten  fieb,  bie  ©uberintenbenten  ©cfyönfelb  bon  Gaffel  unb 
©cf/oner  bon  3^g^^flin>  bie  SJioriij  nad;  Harburg  berufen  Batte,  bergeblid)  aud»  9)lori^ 

40  felbft,  ber  an  bie  ^Bürger  unb  ©tubenten  2tnfbrad)en  b,telt,  bie  ©emüter  ju  befd)tr>id;tigen. 
yiaä)  ber  Slbreife  beä  Sanbgrafen  lam  e§  am  6.  2tuguft  ju  einem  3lufruf)r.  ®a§  Soll 
brang  belnaffnet  in  bie  ®ird)e,  in  ber  ©djoner  über  bie  SerbefferungSbunlte  brebigen 
follte,  mipanbelte  i^n,  ©d;önfelb  unb  anbere  ©eiftlid;e  auf  greuli^e  2Beife  unb  rüftete 
fiel),  ebentuell  auä)  bem  Sanbgrafen  felbft  Söiberftanb  gu  leiften.  2tber  fcb,on  in  ber  nädjften 

45  Dadjt  rüdte  biefer  r/eran,  befehle  ba§  ©d)Io^  unb  gog  bon  allen  ©eiten  Srubtoen  b,  erbei, 
bie  Sürgerfd)aft  rourbe  gelungen,  fieb,  ju  untermerfen,  unb  mürbe  entwaffnet.  3lm 
9.  Sluguft  mürben  aHe  Sürger  jum  ©otte^bienfte  befohlen,  nad)  beffen  ©cb,luffe  ber  £anb= 
graf  eine  Ijerjbemeglic^e  Slnrcbe  b^ielt  unb  fofort  aHe  Silber  au§  berHird;e  entfernen  liefe. 
2lm  folgenben  ©onntage  mürbe  ba§   fjl.  Slbenbrnaf»!  nad;  reformiertem  Diru?   gefeiert, 

50  ber  Sanbgraf  nab,m  baran  teil,  ©d^liefelicb,  mürben  auf  Sitten  ©ct)bnfelb§  biejenigen, 
bie  al§  2lufrüb,rer  gefangen  gefe|t  maren,  begnabigt,  aber  nur  äufeerlicb,  mar  baburd)  bie 
Dufie  mieberb,ergefteUt.  —  2tuc§  in  anberen  teilen  Dberf)effen<§  unb  felbft  in  5JJieberb,effen 
erfyob  fieb,  je|t  ftarler  SBiberfbrucb,  gegen  bie  @infüf>rung  ber  Serbefferungöbunlte.  Söeber 
Unter^anblungen  nod;  Serfjöre  unb  ©rofwngen  moHten  fruchten. 

55  lim  burdjgreifenbere  TOaferegeln  borjubereiten,  berief  nunmehr  9Jtori£  im  ©ejember 
1605  bie  ©uberintenbenten  unb  Sanbbögte  ju  einem  ^onbente  nad;  Gaffel.  ®iefer  fd;lug 
bor:  1.  bie  ©rlaffung  eine§  9Jtanbate<§,  burd;  ba§  bie  ©uberintenbenten  unb  meltlicfyen 
Seamten  jur  ©infü^rung  ber  SerbefferungSbunfte  autorifiert  mürben;  2.  bie  gulaffung 
jum  1)1.  3lbenbma^Ie  aud)  fo!ct)er,  meiere  bie  ^effifd^e  Slbenbmaipiefyre  nicb.t  accebtierten, 

go  gu  geftatten;  3.  bie  ©infüf)rung  einer  nod;  ju  beranftaltenben  ©ammlung  bon  ©ebeten  unb 


2krf>efferung&|mnfte  497 

©efängen  in  allen  ©emeinben  unb  eines  auf  ber  ©runblage  ber  alten  agenbarifd)en 
Statte  unb  beS  lutfyerifdjen  $ated;iSmuS  auS^uarbeitenben  SanbeSratednSmuS ;  4.  jur  §ör= 
berung  ber  ®onfolibation  ber  Reformen  bie  @inrid;tung  eines  ÄonfiftoriumS  in  Harburg, 
©ie  DJtonbate  Würben  alSbalb  erlaffen,  bie  Ausarbeitung  beg  J!ated;tSmuS  unb  ©efangbud)eS 
in  Angriff  genommen  (£>ebfce  ebenb.  ©.  41  ff.).  —  211S  aber  ber  äBiberftanb,  unter  5 
anberem  namentlich  ber  beS  2lbelS  an  ber  SBerra,  fortbauerte,  aud;  bie  (Entfettung  bon 
jeljm  oberf)effifd;en  ©eiftltcfyen  nid;t  abfcfyredte,  unb  in  ben  ©emeinben  immer  größerer 
©treit  mit  i^ren  Pfarrern  ficr)  erfyob,  überhaupt  bie  SerWtrrung  fid;  nur  fteigerte,  ent= 
jcr/lof}  ficb,  ber  Sanbgraf,  bie  fr/nobale  Debräfentation  ju  §i(fe  ju  nehmen,  bon  ber  er 
bi§  bar/in  ganzer;  abgelesen  blatte.  @r  berief  juerft  auf  ben  17.  Januar  1607  S)iöcefan=  io 
fimoben  nad;  Gaffel,  @fd;Wege,  SRarburg  unb  ©t.  ©oar,  auf  benen  eine  ftarfe  Majorität 
ficf;  für  bie  Serbefferungsinmfte  erwarte,  unb  bann  auf  ben  12. 2fyril  beSfelben  Igal;reS  eine 
©eneralfr/nobe  nad)  Gaffel.  SDiefe  entfaltete  im  ^ntereffe  ber  Reformen  unb  ber  §erftetlung 
einer  ©infyeHigfeit  in  SMtuS  unb  £el)re  eine  reiche  ^Ijätigfeit  unb  fajjte  ben  Sefd;luf}, 
bafj  ber  1605  fd;on  Vorbereitete  unb  bom  Sanbgrafen  nad;malS  bereite  rebigierte  ltate=  15 
dnSmuS  allgemein  in  Reffen  eingeführt  werbe.  ®er  Sanbgraf  liefe  tr)n,  nacfybem  er  nocf; 
einmal  nad;  ber  ©tynobe  rebibiert  Worben  War,  1607  unter  bem  %\kl  „®inberlel)re  für 
cfyriftlicf/e  ©ctmlen  unb  Hircfjen  in  Reffen"  brucfen  unb  publizieren.  ®ie  ©fynobe  ber= 
fügte  ferner  bie  Verausgabe  eines  ©efangbud;eS  unb  infolge  bicfeS  Sefd)luffeS  erfcfnenen 
unter  ber  Autorität  beS  Sanbgrafen  1607  bie  ^falmen  SobWafferS  unb  bann  1612  baS  20 
erfte  twUftänbige  4)effifd;e  ©efangbud),  in  bem  neben  ben  ^falmen  aud;  bie  bisher  bom 
Volle  gefungenen  Sieber  Aufnahme  fanben.  Sie  ©imobe  berfafete  ferner  ein  SefenntniS 
in  fecfyS  21rtifeln,  burd;  baS  bie  r/effifd;e  Htrc^e  öffentlid)  ifyren  2lnfd;Iufe  an  bie  refor= 
mierte  &ird;e  bofumentierte.  @S  b/anbelte  über  bie  alleinige  Autorität  ber  1)1.  ©cr/rift,  bie 
(Einteilung  beS  SDelalogS,  baS  Silberberbot  (3lbfcr)affung  ber  Silber),  bie  Seb/re  bon  ber  25 
^erfon  ßbjifti,  bon  ber  ^ßräbeftination  unb  bem  1)1.  3tbenbmaf)I.  -Jcacfjbem  btefeS  Se= 
fenntniS  bom  Sanbgrafen  genehmigt  Werben,  erfd)ien  eS  nod;  1607  unter  bem  Slitel: 
„Sfyriftlict/eS  unb  richtiges  ©laubenSbefenntniS  beS  jüngft  in  anno  1607  ju  Gaffel  in 
§effen  gehaltenen  synodi  generalis"  2lufeerbem  traf  bie  ©r/nobe  2lnorbnungen  über 
dmfüfyrung  bon  ^atednSmuSbrebigten  u.  f.  it>.  (£ebbe  ebenb.  ©.  64  ff.).  30 

Unmittelbar  nad;  ber  ©eneralf  r/nobe  begab  fid;  Sftorit*,  bon  ©d)önfelb  unb  mehreren 
Späten  begleitet,  nad;  SlKenborf  unb  (Efcf/Wege  unb  berfyanbelte  mit  ben  renitenten  ©eift= 
liefen  unb  bem  renitenten  Slbel  ber  Söerragegenb.  Silber  er  War,  geftüijt  auf  ein  ©ut= 
achten  mehrerer  tb/eologifct/er  gafultäten,  nur  jur  Slnerlennung  be§  jroeiten  93erbefferungS= 
fünftes,  unb  jroar  aud)  nur  bebingungSroeife,  gu  bringen.  ©d)Iie^lid}  rourbe  eine  Slnjaf»!  35 
bon  Pfarrern  entfe|t  unb  etliche  gefangen  genommen  unb  feftgefyalten  bi§  fid;  ber  SCbel 
unterwarf.  —  Stijmlicfyem  SOßiberftanbe  begegnete  Wloxxfy  im  ©tiftslanbe  §erSfelb.  —  ®cr 
bartefte  ^am|>f  erbob  fid;  in  ber  £>errfcfyaft  ©d;malfalben  unb  §at  ^e^>n  ^ab^re  fid; 
fjingejogen.  $n  ber  ©tabt  ©d;mallalben  felbft  lam  e3  ju  einer  3SolfSer§ebung,  bie  mit 
Sßaffengetoalt  niebergemorfen  werben  mufste;  bie  Silber  lonnten  au$  ben  üiref/en  nur  40 
unter  bem  <5d)u%t  ber  9JluSfetiere  entfernt  werben.  —  2tud)  nad)  folgen  SRa^regelungen 
regte  fid)  in  ben  eben  genannten  ©egenben  unb  in  Dberl)effen  namentlich  in  ben  ©täbten 
granfenberg,  Äird^ain,  %xfy\a  unb  Harburg  immer  aufs  neue  D^ofition.  (Sine 
Unterjud^ung  in  Marburg  ftellte  feft,  ba^  bafelbft  nod)  264  Renitente  Waren.  ®ie 
Verwirrung  War  gro^  unb  ba§  ürdjlidie  Seben  für  lange  3«it  tief  gefd)äbigt.  Siele  & 
blieben  bem  2tbenbmal)l§tifcf/e  fern  ober  lommunijierten,  Wenn  fie  an  ber  ©renje  Wohnten, 
augwärtä.  —  ©er  Sanbgraf  b>t  in  ben  näd^ftfolgenben  Sauren,  unb  jWar  gerabe  aud;  im 
^ntereffe  ber  Sefeftigung  feiner  Deformation,  bem  ©d;ulWefen  gro^e  2lufmerffamfeit  ju= 
getoanbt.  ©aS  bon  ib^m  (1599)  errichtete  collegium  Mauritianum  in  Gaffel  ber= 
ioanbelte  er  1618  in  eine  9Utterafabemie,  in  ber  aud)  über  Geologie  gelefen  Würbe.  50 
Unter  bem  6.  Januar  1618  erliefe  er  ein  neues  Degulatib,  ba§  auf  ben  ©runbfä^en  bee 
SBolfgang  Datid)iuS  unb  ^o^anneS  ©türm  bafierte,  für  bie  ©tabtfdwlen.  Wad}  Gräften 
trug  er  aud;  für  ben  Unterricht  in  ben  ©örfern  ©orge.  ©eine  Sefdjidung  ber  ®orb= 
rechter  ©tmobe  aber,  Wo  ber  §eibelberger  ßated;tgmu§  als  SelenntniSbud)  ber  gefamten 
reformierten  ^irdje  anerlannt  würbe,  bewirfte,  bafe  biefer  ^ated;iSmuS  in  ben  r/öderen  bö 
Spulen  unb  in  bielen  ©tabtfd;ulen  in  ©ebraud)  genommen  Würbe. 

§anb  in  §anb  mit  biefen  Iirc^lid;en  Itäm^fen  gingen  nun  aber  aud;  politifdie  unb 
bann  auefr;  frieg'erifd;e  unb  biefe  gefäfyrbeten  nict)t  nur  bie  gortejiftenj  beS  Äaffeler  gürften= 
tums,  fonbern  führten  aud;  in  bielen  ©ebieten  §effenS,  namentlid;  Dberb^  effenS,  eincsJteaf= 
tion  ju  ©unften  be§  Sutl)ertum§  Jjerbei.    SubWig  V   bon  SDarmftabt  (1596—1626),  ber  60 

8Jcat=®tici)(lopäMe  für  ttieotofllc  unb  Stivd)e.    'A.  %■  XX.  :;o 


498  SßerBeffcrMttg^wnftc  SSerbantmtuS 

2ftiterbe  DberfyeffenS,  mar  eifrig  bemüht,  bte  ©tellung  fetner  Sinie,  bie  nacb,  bem 
%eftament  $f)ilibi>S  beS  ©rofjmütigen  nidjt  berechtigt  toar,  bei  ber  oberften  Seitung  ber 
fyeffifcfyen  Sanbe  in  jeber  §tnftcf)t  mitjutüirlen,  ju  rieben,  gunädjft  toroteftierte  er  gegen 
baS  ^eftament  SubmigS  bon  9Jcarburg  unb  forberte,  eine  Teilung  DberfyeffenS  nacb, 
5  köpfen  berlangenb,  einen  größeren  Sintert  als  bie  ^raffte.  3tlS  bann  ein  3tufträgal= 
gerieft  gegen  feine  Slnfbrücfye  entfcfyteb,  fucfyte  er  bte  bureb,  bie  Reformen  beS  Sanbgrafen 
SJJcorttj  gefdjaffene  Honfteßation  ^u  feinen  ©unften  auszubeuten.  @r  erlannte  nun  bte 
teftamentarifdjen  33eftimmungen  beS  ©rblafferS  an,  aber  nur  um  jettf  baS  ganje  Dberfürften= 
tum  für  ftcb,  in  2lnfbrucf;  $u  nehmen,  ba  9florit5  bie  33efttmmungen  auf  fircbjicfyem  ©ebtete 

10  berieft  I?abe.  @r  fcfylofj  fiep  enger  unb  enger  an  bte  Iutfyerifd)en  RetcfySftänbe  unb  an  ben 
römtfcfyen  $atjer  an  unb  lämbfte  im  SOjä^rigen  Kriege  auf  beffen  ©eite.  —  Sie  erften 
SRafjregeln,  bie  Submtg,  abgefeb,en  bon  einer  Slntlage  bei  bem  9teicr/Sl)ofrate,  ergriff,  be= 
ftanben  bartn,  bafj  er  bie  in  Harburg  auSgemiefenen  ^ßrofefforen  beranlajjte,  ftcb,  nacb, 
©armftabt  ju  begeben  unb  feinen  ©rfm|  für  ftcb,  unb  ifyr  33efenntntS  anzurufen,  unb  in 

16  ©iefjen,  erft  ein  ©r/mnafium  (Oft.  1605),  an  beffen  ©£i£e  er  $or/.  Sötnfelmann  fteHte 
unb  (7  Dft.  1607)  bann  eine  httfyertfcfye  ©egenumberfttät,  an  bie  er  unter  anberen 
§.  £eucf)ter  unb  33.  3Ren|er  berief,  eröffnete.  SBeiter  bestimmte  er  bureb,  eine  1607  er= 
laffene  ©eftnitorialorbnung,  ba$  fortan  alte  ©eifilict/e  auf  bte  unberänberte  SlugSburg. 
^onfeffion,  bie  ©cljmalfalbifcfyen  Strtifel  u.  f.  m.  berbflid;tet  merben  follten.  —  $m  gafyre 

20  1623  erflärte  ber  9tetd;Slj)ofrat  ben  Sanbgrafen  3Rori|  feinet  (SrbeS  für  berluftig.  ©ie 
^urfürften  bon  $öln  unb©ac§fen,  bie  mit  ber  ©rdutton  beS  Urteilt  beauftragt  mürben, 
befehlen  in  ©emeinfdjaft  mit  liguifttfdjen  STrubben  unter  %iüt)  Dberfyeffen  unb  3rttebcr= 
treffen,  ©ie  reformierten  ^3rofefforen  unb  Pfarrer  mürben  abgefegt  unb  groet  ^afyre 
fbäter   bte    lutfyerifdre    Uniberfttät  bon   ©iefjen  nacb,    5Rarburg   berlegt.     9cieberfyeffen, 

25  mit  StuSnafyme  bon  Äaffel  unb  llmgegenb,  mürbe  als  ^ßfanb  für  bte  @ntfcfyäbigungS= 
gelber,  gu  beren  gafylung  ^Rotty  berurteilt  mar,  mit  ^rublpen  belegt,  Dberb,effen 
aber  jum  lutfyerifdren  33efenntniS  gurüdfgefü^rt.  3Jcorit5,  bureb,  all  baS  Unheil, 
baS  über  baS  Sanb  unb  ilm  gefommen  mar,  gang  gebrochen,  entfagte  1627  ju 
©unften  feines  ©ofmeS  Söilfrelm    ber  Regierung.     SDiefer,    2Btlf)eIm  V.,    fab,    ftcb,    ge= 

30  nötigt,  noeb,  1627  mit  2.  ©eorg  II.  bon  SDarmftabt  (1626—1661),  SubmigS  V.  %lafy 
folger,  einen  Vertrag  abgufd)Iief$en,  bureb,  ben  er  auf  Übertreffen,  ©drmalialben  unb 
bie  9Jiebergraffcfyaft  &a|ene!nbogen  berjtdrteie.  Stucb,  in  biefen  beiben  SanbeStetlen  mürben 
nun  bie  reformierten  $rebiger  berbrängt  unb  ber  lutfyerifdje  ÄultuS  unb  baS  lutl)erifd;e 
33e!enntniS  eingeführt. 

35  (Sine  beffere  $eit  febjen  für  §effcn=$affel  auf jugeb,en,  als  ©uftab  2lboIf  bon  ©cb>eben, 
an  ben  fieb,  2ötlb,elm  V.  mit  ganzer  Gntf^iebenb^ett  anftt)Io|,  in  2)eutfcb,Ianb  erfcb,ten.  31IS 
bann  aber  nacb,  beffen  %ob  alSbalb  mieber  eine  unglückliche  äöenbung  für  bie  ©acb,e  beS 
^3roteftantiSmuS  eintrat,  mürbe  in  erfter  Stnie  aueb,  baS  reformierte  Reffen  in  ?OZitIetben= 
fcfjaft  gefegt.    ?cieberb,effen  mürbe  unter  bie  2lbminiftration  ©eorg  II.  gefteHt.    Söilfyelm 

40  ftarb  geächtet  unb  als  ^"$^"0  'n  £eer-  —  SlnberS  unb  glücflicb^er  geftalteten  ftcb,  bie 
SSerfyältniffe  unter  ber  äßttme  SffiilklmS  V.,  ber  Sanbgräfin  Slmalte  ©lifabetb,,  bie  als 
SSormünbertn  ib,reS  ©ob,neS  2BiIb,etm  bie  Regierung  übernahm,  ©ie  befiegte  in  mehreren 
treffen  ©eorg  II.  3) er  Siertrag  bon  1627  mürbe  aufgehoben  unb  bagegen  (14.  Slbril  1646)  ein 
@inigreitS=  unb  %UgungSbertrag,  ber  im  DSnabrücfer  ^rieben  beftätigt  unb  bmfy  einen  9tejej$ 

45  ergänzt  mürbe,  abgefcb, loff en ;  §effen=Iaffel  mürbe  mieber  in  ben  33efi£  ber  3)iarburger  §älfte 
Dberb,effenS,  ©cb, malfalbenS  unb  ber  9ciebergraffcb,aft  gefegt.  ®er  gri^enSfcb^lu^  garantierte 
in  firrf)licb,er  §inftcb,t  ben  status  quo,  b.  b,.  bie  genannten  SanbeSteile  blieben  lutb,erifcb,. 
3u  ©unften  ber  menigen  Reformierten,  bie  fieb,  bort  noeb,  fanben,  mürbe  nur  baS  auS= 
bebungen,  ba^  fte  ftä)  ju  ©emeinben  äufammentb,un  bürften  unb   gemiffe  ßircb,en  refb. 

so  tbjen  3)iitgebraud;  unb  b,ier  unb  bort  gemiffe  ©tnlünfte  §u  beanfbrua)en  Ratten,  ©emäfe 
eines  Vertrages  bom  19.  gebruar  mürbe  baS  UniberfttätSbermögen  geteilt.  Slm  5.  9JJat 
1650  mürbe  in  ©iefjen  eine  Iutb,erifcb,e  unb  im  ^uni  1653  in  Harburg  eine  reformierte 
Uniberfttät  errietet.  3lm  27.  ©ejember  1657  mürbe  bon  Sanbgraf  Sßilfyelm  VI.  eine 
auf  ber  ©runblage  ber  alten  fyefftfcfyen  Jlircfjenorbnungen   im  mefentlicb,en  reformiert  ge= 

65  b,altene,  aber  mit  Rücfftcfit  auf  bie  lutb, erifcb,en  SanbeSbemofmer  aueb,  biefer  ©eite  möglic^ft 
Rechnung  tragenbe  ßirc^enorbnung  für  bie  ©efamtlanbe  §effen=ÄaffelS  bublijiert,  aber  in 
übertreffen  fam  allgemeiner  als  biefe  bte  ©armftäbter  ^ircb,enorbnung  bon  1562  in  ©e= 
braud).  (g.  gs.  #affeitc<mtt>)  S.  Wirbt. 

»eri>amntm§  f.  b.  3t.  §öllenftrafen  33b  VIII  ©.  199. 


Serben,  StStum  499 

Serben,  Si§tum.  —  Chron.  ep.  Verdens.  (Don  786— 1482)  bei  Seifcnij,  Script,  rer. 
ßrunsv.  II  ©.211  ff.;  Ser.  episc.  MG  SO  XIII  <5.  343;  £cutct,  ®©  2>eutfcfjlanbs  II  6.  390 f.; 
3f.  "SMdjmann,  Unterfudjungert  j.  älteren  ©efdj.  be§  93i§tum§  Serben,  ©ött.  2>tffert.  1904. 

@§  giebt  feine  ^uberläffige  -iRacfyrtdjt  über  bert  Urftorung  beg  SiStums  Serben.  groar 
ift  eine  Urhmbe  Raxlä  b.  ©r.  bom  19.  ^uni  786  erhalten,  nad)  melcfyer  er  ju  Serben  5 
ein  SiStum  grünbet  unb  e£  auf  SBefel^t  be§  Sabftel  ^abrian,  be§  @S.  Sul  unb  ber 
übrigen  Sifd)öfe  unb  auf  ben  9tat  2llfumS  einem  ^ßrtefter  3^amen§  ©uitbert  übertragen, 
feine  ©renken  beftimmt  unb  e£  3Jtain^  untergeorbnet  I)at  (Dipl.  Karl.  I  ©.  333  ff. 
jlx.  240).  2tber  biefe  Urfunbe  ift  eine  gtoetfellofe  gälfct/ung,  angefertigt  erft  1155—1157 
(f.  Xangl  in  ben  «Witt.  be3  gnft.  f.  Dfterr.  ©efd).  XVIII  ©.  53  ff).  £>a  e3  unmöglich  10 
ift,  ed)te  Seftanbteile  au^ufonbern,  wie  §üffer,  Äorbefyer  ©tubien  ©.  154 ff.  unter= 
nommen  t)at,  fo  ger)t  il)r  für  bie  @ntfter/ung  beg  Si§tum§  jeber  Söert  ab;  fie  r)at  nur 
33ebeutung  für  bie  Seftrebimgen  ber  Serbener  S3tfct)öfe  im  12.  ^afyrr/unbert.  SRit  ber 
Urfunbe  fällt  ber  angebliche  erfte  SBifd^of  ©uitbert ;  er  ift  lebiglid)  eine  Serbobbelung  be§ 
(Stifters  bon  ÄaiferSroert.  ^Dagegen  ift  bielleid)t  ber  jtuette  9tome  ber  33tfcr)of§reifye  15 
bjftorifd).  @r  lautet  t)ter,  Wie  in  ber  Chron.  ep.  Verd.  ©batto;  ©batto  Wirb  in  ber 
ßfyronif  als  abbas  Amarbaracensis  ober  Amarbacensis  bejetdmet.  SDaS  Softer 
fann  nur  in  bem  frcinfifcfjen  Softer  älmorbacb,  Wiebergefunben  Werben.  sJlun  fyaben  bie 
Ann.  necr.  Fuldens.  j.  2.  Quni  788  eine  9ioti^  über  ben  SEob  beS  93tfdt)of^  SacificuS 
(SS  XIII  ©.  168).  Son  einem  Sifdpf  biefeS  5ftamen<§  ift  ntct)t§  befannt.  SDiefe  ber=  20 
fdnebenen  3^otijen  r)at  juerft  3-  ®-  D-  ©cfart  in  feinen  Comment.  de  reb.  Franc. 
Orient.  I,  1729  ©.  698  fombiniert.  @r  lofte  ©batto  auf  in  s.  Patto,  erflärte  Satto 
für  Stbfürjung  bon  SacificuS,  gewann  baburd)  einen  2Ibt  bon  2tmorbad),  ber  §ugleid>  Stfd/of 
toar,  beffen  2lufnar)me  in  baS  gulbifd)e  SEobtenbud)  mcfytS  Unmögliches  I)atte.  ©ine  ge= 
toiffe  ©tü$e  erhalten  biefe  Vermutungen  babureb,,  bafj  ber  näcbfte  9iame  ber  Serbener  25 
33ifd;ofSlifte  Sagfo,  ^fyanco,  in  ben  Ann.  necr.  Fuld.  ju  808  in  ber  gorm  ^Eanud/o 
ober  ®anud)o  ftcb,  finbet  (©.  470).  Dftmmt  man  fie  an,  fo  gewinnt  man  bie  Sorftellung, 
bajj  bie  ©egenb  um  Serben  bem  lüofter  2tmorbad)  jur  -üftifftonSarbeit  überWiefen  mar 
unb  bajj  $arl  nad)  einiger  $eit  bem  2lbt  bei  ÄlofterS  als  bem  Seiter  ber  9Jftffion  bie 
©teEung  eines  SifcfyofS  übertrug.  30 

©od)  ift  auef)  ber  urfbrünglidje  ©i|  beS  SiStumS  nid)t  fid)er.  ©td)er  bezeugt  ift 
SSerben  gegen  bie  SDtttte  be<§  9.  ^ab,r^unbert§  burd;  9timbert  Vita  Ansk.  22  ©.  47  unb 
burd;  bie  Urfunbe  SubwigS  b.  35.  t>om  14.  ^uni  849,  33.  3R.  1353.  jüngere  fäd)ftfd)e  Quellen 
feit  bem  13.  ^ar/rfmnbert  roiffen  bagegen  bon  einer  urfprüngüd)en  ©rünbung  bei  33i§= 
tum§  in  Sarboroief  unb  ber  Verlegung  nad)  Serben  i.  $•  814  (De  fundat.  quar.  Sax.  35 
eccl.  bei  Seibnij  I  ©.  260,  5Rieberbeutfd)e  ß^ronif  bon  Sarberoief  bei  Seibnig  III  ©.  216). 
Gine  ©tü|e  für  biefe  9?acf;rid)t  glaubt  man  barin  ju  finben,  baf$  im  Liber  censuum 
ber  römifc|en  ^ird)e  botn  @nbe  be§  12.  $ab,rl)unbert!§  Sarbotoief  all  ©uffraganbiStum 
bon  Bremen  genannt  ift  (2lulgabe  r>.  ^abre  I  ©.  166).  SXber  ba^  man  in  9tom  um 
1190  annahm,  e§  befteb,e  bamalä  in  Sarbotoief  ein  Stetum,  giebt  fein  iföecr/t  gu  ber  40 
Vermutung,  el  ttabt  ftdt)  in  JRom  bie  ^unbe  bon  ber  urf^rüngtidjen  ©rünbung  be§ 
33i§tum§  in  Serben  erhalten.  SDie  fäd}fifd)en  ^ao^ricfjten  au§  bem  13.  Qa^rfiunbert  aber 
finb  ju  jung,  aU  bafs  fie  für  eine  X§atfad)e  be§  8.  irgenb  in  Setradjt  fommen  fönnten. 
®ag  ©Ieid;e  gilt  t-on  ber  9iad)rid)t  ber  ©äd^f.  2öeItd)ronif  c.  137  (MG  ©eutfd;e  6b,ron.  II 
6.  152),  bafe  ba§  SiStum  in  S?Dt)enbe  b.  i.  Äufyfelbe  im  ^r.  ©alätoebel  gegrünbet  toorben  45 
fei.  ©afj  bie  gefälfdjte  ©tiftung§urfunbe  Serben  al§  ©i£  be§  33iötumg  nennt,  mad;t 
jiemlicr)  fid)er,  bafj  e§  in  ber  SJcitte  be§  12.  ^a^rf)unbert§  feine  ^rabition  über  bie 
©rürtbung  in  Sarbotoief  gab.  ®ie  barauf  bezüglichen  9Zad)rid)ten  finb  erft  nad;  1157 
entftanben.  3Jian  mirb  banacb,  bie  ©rünbung  in  Serben  al§  ba§  3öat)rfdt;etnlidt)fte  be= 
trauten  muffen.  m 

3u  ber  Serbener  ©iöcefe  gehörten  bie  ©aue  9Jlofibi,  Sarbengau,  ©rebani,  Dfter= 
toalbc.  ©ie  maren  jum  %til  bon  SOBenben  bemo^nt.  Unter  biefen  b,ielt  ftdt)  ba§  §eiben= 
tum  big  ing  13.  ^afyrfyunbert  (f.  ben  Sf.  ^onoriuö'  III.  an  ^onrab  bon  Sorto,  Söefif. 
U53.  V  ©.  153  9lr.  324),  roä^renb  el  bei  ben  ®eutfcb,en  im  Saufe  be§  neunten  ber= 
fdjtnunben  fein  toirb.  es 

SiföofSltfte.  «ßatto,  geft.  2.  ^uni  788;  2;agfo,  geft.  808;  ?  ?;  ^arutt),  geft.  82'.); 
§elmgaub  831  unb  838  erroedmt;  2Balbgar  847  unb  849  erro.;  ©erolf  868  unb  873 
ttto.;  Söigbert  874  unb  895  erro.;  Sernar  I.  — ;  Slbalmarb,  geft.  933;  3lmo(ong,  geft. 
962;  Srunl.  962— 976;  @rb  976— 994  ;  Sernar  II.  991-1014;  3Bid)er  1014— 1031 ; 
Ibtetmar  I.    1031—1031;    Srun  II.   103-1  —  1049;    ©igebert    1049—1060;    3?icr,bert  eo 


500  Serben,  «Bistum  Scrbtenfl 

1060-?;  £artbicb ?•— 1097;  ÜRago  1097—1117  (sie),  Dietmar  IL  1116—1148; 
^ermann  1148—1167;  §ugo  1167—1180;  %ammo  1180— V;  3?ubolf  ?  — 1205;  3fo 
1205—1231;  Suber  1231—1251;  ©erwarb  b.  £o»a  1251—1269;  Slonrab  b.  Sraun* 
fcb>etg  1275—1300;  griebriefe.  b.  £onftebt  1300—1312;  «RifoIauS  Äettetyobt  1312—1331; 
b  ^o^ann  b.  ©Ölungen  1331—1341;  Daniel  b.  Söidjtricb.  1342—1364;  ©erwarb  b.  Serg 
1364;  «Rubolf  9tiu)Ie  1365—1368;  ^einrieb,  b.  Sangein  1369—1381;  ^obann 
b.  BefterfletE)  1381—1388;  Otto  b.  Sraunfdfctoeig  1389—1395;  SDietricb,  b.  9Ke$m 
1395—1399;  ßonrab  b.  ©oltau  1399—1407;  Ulrtd;  b.  Sllberf  1407—1409;  ^einrieb; 
b.£otoa  1409—1426;  3o$ann  b.  Styl  1426—1470;  Sartfyolb  b.SanbSberg  1470—1502; 
10  Gbnftobfy  b.  Sraunfcb>eig  1503—1558.  #auif. 

SScrbicttft.  —  S.  §•  S3irtf),  2>er  SBegriff  be§  meritum  bei  Xertuüicm  (2)iff.),  Setyjtg 
1892;  berf.,  ®er  SSerbienftbegriff  in  bet  djriftüdjen  ®ird]e  nad)  feiner  gefd)id)tlid)en  (£ntwtcfe= 
lung  bargefteüt,  II.  $er  SSerbienftbegriff  bei  Sopran,  Seipjig  1901 ;  £>erm.  ©djulfc,  3>er  fittlictje 
SSegriff   be§   SerbienfteS    unb   feine   ?lntuenbung   auf   baZ  SSerftänbni§   beä   SBerfeä    Eljrifti, 

iBXb@tK  67  (1894),  (3.1—50.  245—314;  S.  ©tange,  Einleitung  in  bie  Stf)if  II,  Seidig  1901; 
^aulfen,  Softem  ber  St£)if,  2.  ?lufl.  1891,  S3ud)  II,  5,  12;  2Beger=38elte,  ttrdjenlerifon,  9lrt. 
«erbienft  öou  tirfdjfamp  XIP,  690— 694 ;  grüner,  £e£)rbud)  ber  fatt)olifdjett  9Jioraltt)eologie 
2.  Stuft.  1883:  Mgm.  Woraltbeologie  5  £ptft.  §2:  2krbienftlid)fett  (3.  «uff.  1902 f.).  Rur 
Ergänzung    »gl.  9t.    ©nabe   93b  VI,  717  ff.,    Sotjn   S3b  XI,  605  ff.   unb    Consilia    evangelica 

20  83b  IV  274 ff.' 

1.  2)er  begriff  SSerbienft  (ba§),  im  religiö^etb/ifcfyen  ©inne  genommen  bejeicfynet 
einen  funbamentalen  ©egenfatj  ber  Jlonfeffionen,  infofern  er  im  5tat|oIici§mus  ba<§  Sßer= 
f)ältni§  be§  SRenfdjen  ju  ©Ott  recfyt  eigentlich  benennt,  mä^renb  er  im  ^ßrotefianti§mu3 
für  ba§felbe  fd)Ied)tl>in  abgelehnt   roirb.    9tacb   latr/olifcfyer  Stnfcfyauung  fyanbelt  e§  ftdj 

25  nämlid)  in  ber  Religion  barum,  bafj  ber  5Renfd;  nad;  bem  ^obe  bie  etoige  ©eligfett  bon 
©ott  al§  Sofyn  für  feine  SSerbtenfte  empfange.  Unter  Serbienft  finb  b>r  allgemein  ju 
berfteb/en:  2Serre,  burd)  bie  ber  3Jcenfcb.  freiwillig  im  SDienfte  ©otteS  eiWag  geleiftet  unb 
einen  2lnfbrudj)  auf  Sofm  erworben  fyat.  Son  biefer  Setrad?tung3Weife  au§  ergiebt  ftcfy 
aber  notwenbtg  nod)   ein  anberer  unb  engerer  Segriff  bon  Serbienft,  nämlict;  ber  eines 

30  2ßerfe§,  meines  über  ba§  erforberltdjie  Jcormalmajs  b.  I).  auf  fittlicfyem  ©ebiete  über_  ba§ 
^flidumäfjige  fymausgeb/t.  2Bo  bal)er  biefe  Sorfteüung  begegnet,  ba  ift  jener  allgemeinere 
SBegriff  bon  Serbienft  borauSgefeijt  unb  miteingefdjloffen.  ©emäjj  bem  aber,  bafe  faifyolifcfye 
unb  ebangelifcfye  ©ittlicfyfett  unb  SWigiofität  fid)  aU  bie  bon  SRenfcfyen  gemachte  unb  erbaute 
unb  bie  göttlid)  gewollte  boneinanber  unterfdjeiben,  finben  mir  jenen  SBegriff  bon  Serbienft 

35  auä)  in  ber  bon  ber  dmftlidjen  Offenbarung  fid)  Ibfenben  @tb,il  roieber.  Samit  ift  jugleic|) 
angebeutet,  ba^  ber  ganje  33orftelIung^IreiS,  ber  ficf>  um  ben  Segriff  „Serbienft"  cjru^ptert, 
legten  SnbeS  au^ercb.riftlic^er  §erlunft  ift.  21bgeleiteterweife  erft  ergiebt  fi^  ba§  Problem, 
ob  unb  wie  ber  Segriff  Serbienft  auf  ßfyrifti  Seiftung  angetoenbet  toorben  ift  unb  ange= 
roenbet  Werben  lann. 

40  2.  ®ie  SBurjeln  be§  religiöfen  Serbienftgebanfenö  liegen  in  ber  jübifcfyen  3f?eIigiofität. 
SSät)renb  bei  ben  flaffifcfyen  3eu3en  oer  i^raelittfcfycn  §-römmig!eit  jeber  ©eban£e  an 
menfcblicbeS  SSerbienft  burd;  ben  ©tauben  an  Israels  ©rmäb^tung  au^gefcbloffen  unb  nur 
bie  SRögüdjfeit  offen  gelaffen  ift,  bafc  ein  großer  ^etl  be§  Solfeö  burd;  eigene  ©cb,ulb 
ba§  ibm  bon  ^afoeZ  ©nabe  jugebad)te  $eil  berfeberje  unb  bem  ©eridjte  berfade,  fo  tritt 

45  im  nadjerjlifcben  3"oentume  immer  beutüdjer  ber  ©ebanle  eine<§  9te(f)t#beri)ältniffe§ 
jWifdien  ©ott  unb  ben  "üJtenfcfyen  b^erbor,  in  roeldjem  jtbar  ©otteö  freie  ©nabe  md)t  böÜig 
auSgefc^altet,  aber  botf)  auf  bie  3ufid;erung  bon  Sofm  an  bie  ©uten  unb  frommen  be= 
fcb,ränft  ift.  3noem  gugletd^  bie  ©nbboffnung  meb!r  unb  mebj  auf  ba§  ^enfeitS  geb^t, 
Wirb  bie  bobbelfettige  Sergeltung  nad;  bem  iEobe    ertoartet  (®a  12,  2;  4.  6§r  7,  32  ff.). 

50  ©a§  Sud)  %obht)  ift  ein  tbbifd)e§  ^eugniä  für  biefe  jübifd)e  3lnfid;t  bon  bem  religiöfen 
Serljältniffe  unb  Serb! alten;  benn  alle  feine  Ermahnungen  finb  auf  ben  S£on  geftimmt: 
idv  dovfavorjg  xcp  §ec5,  änoöo&rjoezai  aoi  4,  14;  jene3  ©ott  bienen  erfolgt  aber 
b>ubtfäd;Iicr/  burd;  Seten,  gaften  unb  2tlm ofengeben.  Sorau§fe^ung  bafür  ift  ber  ©e= 
banfe  ber   menfdjlicfyen  2öillen§freif)eit,  Wie  ib^n  ^falm.  ©alom.  9,  4  f.   au§jbred)en.    Se= 

55  fonberg  eingeb^enb  unb  folgerichtig  finb  biefe  %bem  in  ber  talmubijd)=mibrafifd;en  %tyo-- 
logie  auögefübrt  (2Beber=©d)nebermann,  ^übifc^e  5£^)eoIogie  2.  Stufl.  1897,  §  59—66). 
S)a§  ©runbfe^ema  für  ba§  religiöfe  Ser^alten  be§  SÖtenfcben  ift  bie<S,  bafe  er  erftenS  burd; 
©rfüEung  ber  ©ebote,  jWeitenS  burd)  gute2Berle  (sc.  afö  überbflic^tige  freie  Seiftungen), 
bie  rrß|  t>or  bem   göttlichen  9tid)ter   getoinne.    3"  biefem  Segriffe   finb   aber  bie   ?toei 


üBerbtenft  501 

Momente  enthalten,  baf?  ber  göttlichen  $orberung  ©enüge  geleiftet  toorben  fei,  unb  bafe 
man  infolge  beffen  ein  meritum,  2lnfbrud)  auf  Sol)n  l)abe  (SGöeber  ©.  277.  79).  Gt)aral= 
teriftifd;  ift  Inerbei  ba§  atomtftifdje  gälten  unb  2Sägen  ber  einzelnen  Seiftungen,  ber 
guten  tüte  ber  böfen,  ber  menfd;Hd)en  toie  ber  göttlichen.  2Bie  fid)  bie  Seiftung  meffen 
unb  toägen  läfjt,  fo  aucr;  ber  Solm  0=?).  „$n  biefem  ©eben  unb  (Empfangen,  Seiften  5 
unb  ©egenleiften  boßjieb,t  fid)  ba§  ©emeinfdjaftSberfyältniS  gtoifd)en  ©ott  unb  ^Srael" 
(1.  c.  ©.  304).  Sefonberg  touf/tig  unb  folgenreich,  finb  nod)  bie  gtoei  ©ebanfen,  einmal, 
bafj  aud)  für  bie  grunblegenben  £eil3tfyaten  ©otteS  menfd)Itd)e!§  Skrbienft  bie  Vorauf 
fe£ung  bilbet  —  um  be<o  23erbienfte§  2lbral)am3  toißen  t)at  ber  ^eilige  feine  SBelt  ge= 
Raffen  Pesikta  200  b  —  fobann  bafj  ba§  Verbienft  ber  (gerechten,  3.  23.  ber  Sßäter,  10 
anberen  ju  gute  gerechnet  toerben  fann.  ©eutlid)  erlennen  wir  in  bem  aßen  bie  be= 
f;errfd)enben  ©ebanfen  ber  bfyarifäifdjen  grömmigleit.  ®en  ©runbgügen  nad)  finbet  fid) 
biefer  9Jlorali§mu3  aud?  bei  5ßI)ilo  bon  2Heranbria,  fo  jebod;,  baf}  ein  r)eßenifcf;=bl)Uo= 
fobbifd)er  ©infcfylag  bertoortritt  (bgl.  23b  XV,  361),  fotool)l  im  ©ualiSmuö,  als  in  ber 
rein  inbibibualifttfd)en  S3etracbtung§h)etfe.  §ierin  ift  $lato  fein  Vorgänger,  ber  in  mehreren  15 
©ef^räcben  ben  ©ebanlen  ausführt,  bafj  nad)  bem  ^Eobe  ein  ©ertcbt  über  aße  (Seelen 
ftattfinbe,  bei  bem  fie  xaxä  %r\v  ä£iav  (Phaedon  113  E)  ebenfo  ben  SoI)n  tbrer  guten, 
toie  bie  ©träfe  für  it)re  böfen  %fyatm  babontragen  (Rep.  X,  6 1 4 ff . ;  Gorg.  523 ff.; 
Phaedon  113  f.).  ®abet  toirb  aßerbmgS  ber  blofje  Verbienftgebanfe  überboten  burd)  ben 
anbern,  bafj  ber  nad)  ©ered)tigieit  unb  SLugenb  ©trebenbe  nad)  2ftöglid)feit  fucfye  ö/uoiovo^ai  20 
■&s(ö  unb  bal)er  bon  ©Ott  getoifj  ntcbt  toemacbtäffigt  toerbe  (Rep.  X,  613  A  B).  ©old)e 
©ebanlen,  um  bie  S£ria£  ©Ott,  SEugenb,  llnfterblid)ieit  grubbiert,  fteßen  bie  religiös 
fittlid)e  ©ebanfentoelt  beS  gebilbeten  ibealiftifcb,en  £>eibentum§  bar,  als  baS  ©fyriftentum 
auftrat. 

3.  ©d)on  burd)  feine  i3raelitifd)e  gunbamentierung  ift  e£  bebingt,  bafi  bem  ©bangelium  25 
urfbrünglid)  ber  23erbienftgebanfe  fremb  ift.  9c"acf/  urd)riftltd)er  3tnfd)auung  gebt  aßeS 
£eil  bei  2Renfd)en  auf  ©ott  unb  feine  in  (Sbrtfto  ertoä'I)Ienbe  ©nabe  jurüd.  SDiefe  @r= 
fenntniS  toirb  nur  burd;  ben  Umftanb  erfd)toert,  baf}  SefuS  in  feinen  2Iu3einanberfet$ungen 
mit  bem  $ubentume  gerabe  gern  bom  SoI)ne  rebet.  2lber  bei  näherem  gufeben  it>irb 
beutlid),  baf}  iyefuS  &alb  in  ^ßarabojien  fbrid)t,  bie  gerabe  ein  toiriltdjeS  Verbienft  au3=  30 
föltefeen  (3.  8.  ÜJtt  10,  41  f.  bgl.  mit  3Rt  25,  37—40),  balb  toieber  ben  ©lauben  an  ©ott 
üben  toiß,  bem,  toie  überaß,  bie  3Birilid)ieit  ju  toiberfbrecfyen  fd^eint  (bgl.  9JJt  6,  1  ff.), 
©eine  fdjönften  ©leic^niffe  fielen  gerabe  barauf,  jeben  ©eban!en  an  ein  SBerbienft  bei 
2Kenfcb,en  bei  ©ott  abjutelmen  (üRt  20,  lff.;  Sc  15,  17  ff.);  bag  ^immelreid;  ift  mdjt 
auf  ein  Stecbt  ber  2Renfd)en,  fonbern  auf  ©otte§  ©nabe  aufgebaut  (2Rt  18,  23  ff.).  33e=  35 
berrfcbt  biefer  ©runbfa^  bie  gefamte  aboftoUfcfye  Sitteratur,  fo  ift  e§  bor  aßem  $aulu§ 
getoefen,  ber  iljm  gegen  bb^arifäifd;  gefinnte  ^ubend)riften  mit  großem  ?Jad;brud  unb  fieg= 
|aftem  ©rfolge  bertreten  |at,  einge-uge  ber  ©nabe  nicb^t  blo^  mit  Sßorten,  fonbern  aud; 
burcb.  bie  ^atfadjen  feines  SebenS.  ®arum  b,at  er  bor  aßem  audj  an  Stbrafyam  nad;ju= 
toeifen  gefugt,  baf$  i§m  nid}t  für  SBerfe  ein  SoI)n  nad)  3Serbienft  (d  [xio&og  xaxä  6<peärj/ia)  40 
bon  ©ott  gejault  toorben  fei  (Sftb  4),  fonbern  au$  freier  ©nabe  eine  SSerfyeifjung  für  ib,n 
unb  feine  -ftacbfommen  gegeben  (®a  3).  Unmöglich  fönne  bab,  er  ba§  fbäter  gegebene  ©efe| 
ben  ©inn  b^aben,  bafj  el  ben  9Jienfd)en  ju  berbienftlic^en  2Ser!en  aufrufe.  2Bie  fc^einbar 
totberfbredjenbe  2lu§fagen  bei  ^ßaulu§  gu  biefen  Haren  ©runbgebanfen  feiner  Seb^re  fict) 
behalten,  barüber  bgl.  Sb  XI,  610  f.  45 

4.  ^ft  nun  aber  jtoeifellog,  ba§  jenes  bfyarifäifdjie  3ubend)riftentum,  toelcb,  e§  ^3aulu§ 
ju  befämpfen  blatte,  bie  ©runbibee  be§  @bangelium§  berlannte  unb  berfeb^rte,  fo  geigt 
une  aud)  bie  ältefte  i) eibend)riftlid;e  Sitteratur  ber  aboftolifd)en  SSäter  unb  ber  2lbologeten, 
bafe  bter  alSbalb  unb  toie  untoißlürlid;  ba§  ©bangelium  in  ba§  ©d)ema  bei  SSerbienft= 
geban!enS  eingefbannt  tourbe.  S5ie  bäufige  2lnfüb,rung  ber  in  ber  Septuaginta  mitge=  50 
führten  Slbolr^bb^en  fogleid;  bei  ben  aboftolifcb, en  Tätern  ift  bierfür  bebeutfam  (bgl.  33b  I, 
625  f.).  ®ie  fyerrfcfyenben  ©ebanlen  finb  biefe:  %n  ber  SEaufe  toerben  bie  ©ünben  be§ 
borangegangenen  SebenS  bergeben  (Herrn,  mand.  IV,  3,  1;  Justin,  apol.  I,  61,  94  C; 
Tert.  de  bapt.  1).  SDarin  unb  in  ber  J8err)eifjung  julünftiger  ©üter  erfd)öbft  fid) 
eigentlid)  bie  ©nabe  ©otteä  (bgl.  1  dem.  7,  4).  SDenn  ber  ©etaufte  6at  nunmehr  bie  55 
Aufgabe,  fid)  bor  ©ünben  ju  b"ten   unb   bie  ©ebote  ©otteS,  ba§  „neue  ©efe^"  ßr)rifti 

ju  galten,  bamit  er  in  ber  Vergeltung,  bie  bei  ber  Sluferfteburtg  ftattfinbet,  baö  etoige 
wben  ererbe  (Herrn,  vis.  I,  3,  4a;  2  Clem.  8,  4).  3?orau3fc£ung  bafür  ift  bie  aner= 
fcbaffene  §reit)eit  be§  Sßlißeng,  !raft  beren  ber  3Jienfd)  baö  ©ute  toäb^len  unb  ©otteg 
©efetj  erfüßen   fann  (Herrn,  mand.  12,3,  5—5,  1;    Justin  apol.  II,  7    14;   Tert.  go 


502  Serbienft 

de  aniraa  21).  Sei  Vermag  erfcfyeint  auty  Bereits  ber  begriff  beö  SSerbienfteg  alg  einer 
über  ba<§  ©eboterte  fnnauSgefyenben  guten  ^anblung:  sim.  V,  3,  3  iäv  de  xi  äya-fröv 
TioirjorjQ  sxxög  xfjg  IvxoXrjg  xov  fteov,  oeavxco  Tiegmoirjor)  do£av  tzeqioooxeqciv 
aal  eorj  evdog~6xsQog  Jiaqä  xcö  ftscS  ov  EfiElXsg  elvai,  ein  ©runbfa|,  ber  mand.  IV, 
5  4,2  auf  ben  bertoittoeten  (Regatten, 'ber  nidjt  toieber  heiratet,  angeroenbet  toirb. 

5.  3SäI)renb  ohtx  bei  ben  älteren  unb  fbegieft  ben  griedjüfdjen  Sefyrern  ber  2olm= 
gebanfe  in  blatonifdjier  Söeife  mit  ber  Sercüjmlicfyung  an  ©Ott  berfnübft  unb  fo  ermäßigt 
roirb,  giebt  ib,m  perft  ber  2tbenblänber  SEertuttian  bie  ftreng  redjtltdje  2tuStorägung,  bie 
in   bem  Segriffe  meritum  borliegt.    Sie  gange  bamit  jufammen^ängenbe  2öortfamiIie 

10  begegnet  pufig  in  feinen  ©djriften  (Sßirti)  ©.  13—17;  £>.  ©d)ul$  ©.24).  SKferbingS 
braucht  er  ba§  SÜBort  meritum  meift  in  bem  fd)on  bei  §erma§  angebeuteten  ©inne,  bafj 
e§  eine  freie  überbflidjitige  Seiftung  bebeutet  (SöirtB,  ©.  17—22).  Siegt  aber  bem  fd)on 
bie  allgemeinere  SorfteÖung  bom  „Serbienen"  gu  ©runbe,  fo  fbridjt  e§  aud)  StertuHtan 
oft  au$,  bafj   e§  übertäubt   barauf  ankomme,   deum  promereri  ober  demereri,  b.  t). 

15  ©ott  ficb,  %u  beruflichen  burd)  gute  Söerfe,  inSbefonbere  aud)  burd)  satisfactiones  für 
nod)  borfattenbe  ©ünben  (Söirtb,  ©.  25  ff.),  bamit  man  auf  biefem  ÜBege  im  ©eridjte 
Sob,n  bon  bem  geredeten  Sergelter  empfange  »gl.  apol.  18 :  viros  a  primordio  in  sae- 
culum  emisit  (sc.  deus)  spiritu  divino  inundatos,  quo  praedicarent  deum  uni- 
cum  esse  —  quas  demerendo  sibi  disciplinas  determinaverit,  quae  ignoratis  et 

20  desertis  et  observatis  his  praemia  destinarit,  ut  qui  producto  aevo  isto  iudi- 
caturus  sit  suos  cultores  in  vitae  aeternaeretributionem,  profanos  in  ignem — , 
suscitatis  Omnibus  ab  initio  defunctis  et  reformatis  et  recensitis  ad  utriusque 
meriti  dispunctionem.  ©o  fyat  'üEertuIIian  ba3  gange  GI)riftentum  unter  ba§  ©cfyema 
opera  unb   merces,   pericula   unb   praemium   befaßt  (bgl.   bef.   de   resurr.   carn. 

25  8.  15.  21)  unb  ift  baburd)  tonangebend  für  ben  abenblänbifcfyen  ÄatfyoIiciSmuS  geworben. 
Gr/brian  Wanbelt  burd)au§  in  ben  Sahnen  feines  SebjerS  SLertuHian  unb  fteHt  befonberS 
in  feinen  ©Triften  de  eccl.  unit.  unb  de  opere  et  eleemos.  bie  Serbienftlefyre  als 
lat£)oItfd)e§  ©emeingut  bar  bgl.  de  unit.  15 :  iustitia  opus  est,  ut  promereri  quis 
possit  deum  iudicem;    praeceptis  eius  et  monitis  obtemperandum  est,    ut  ac- 

30  cipiant  merita  nostra  mercedem;  de  op.  et  el.  26:  quae  illa  erit  —  operan- 
tium  gloria,  quam  grandis  et  summa  laetitia,  cum  populum  suum  dominus 
coeperit  recensere  et  meritis  atque  operibus  nostris  praemia  contribuens,  pro 
terrenis  coelestia,  pro  temporalibus  sempiterna,  pro  modicis  magna  praestare  etc. 
Praeclara  et  divina  res  —  salutaris   operatio,  —  res  posita    in    potestate   fa- 

35  cientis  —  verum  dei  munus  et  maximum,  infirmis  necessarium,  fortibus 
gloriosum,  quo  christianus  adiutus  perfert  gratiam  spiritalem,  promeretur 
Christum  iudicem,  deum  computät  debitorem  —  nusquam  dominus  meritis 
nostris  ad  praemium  deerit.  Sor  allem  erwerben  bie  befonberen  üb  erbf listigen 
2öerfe  ber  (E^riften  fold?  Serbienft,  lote  Stlmofen,  haften,  ©fyelofigfeit  unb  befonberS  ba£ 

40  9flartfyrtum  (togl.  ©dml£  ©.  33).  ©aneben  febjt  atterbingS  bei  ben  Slbenblänbew, 
fbegteß  aud)  ßfybrian,  nid)t  ber  SreiS  ber  ©nabe,  bie  als  Äraft  beS  ty.  ©eifteS  gur  vita 
virtutum  befähigt:  dei  est  inquam,  dei  est  omne,  quod  possumus  (de  gratia 
dei  4.  5),  bgl.  aud)  fbäter  SlmbrofiuS  (©ctmltj  ©.  34 f.),  bod;  ift  gerabe  berfelbe  2lm= 
brofiuS  (im  Unterfd;iebe  bon  Gtybrian,  de  laps.  17 f.)  für  bie  Übertragbarfett  ber  Ser= 

45  bienfte  eingetreten,  ©o  ermahnt  er  bie  Altern,  ibje  £öd)ter  gur  3ungfräulid)feit  gu 
ergieben,  ut  habere  possitis,  quarum  meritis  vestra  delicta  redimantur  (de 
virg.  I,  7). 

6.  @rft  Sluguftin  r)at  eine  Slnfct/auung  bon  ber  ©nabe  folgerichtig  burd)gefül)rt,  bie 
gunädjft  bie  gange  abenblänbifdie  Serbienftlefyre  gu  befeitigen  fcfyien.    ©od;  ift  gu  bebor= 

50  morten,  ba^  biefe  nid)t  gerabe  an  SelagiuS  einen  Sertreter  blatte,  ber  bielmeb^r  ganj  an 
ben  alten  griednfdjen  SRoraligmuS  erinnert  (bgl.  ep.  ad  Demetr.  Sb  XV,  757,  4  a).  ^m 
gufammenfyange  mit  feiner  Seb^re  bon  ber  ©ünbe  unb  ber  fittlid)en  Unfreiheit  be§  ge= 
faUenen  5Renfd)en  leb^nt  Sluguftin  eS  ah,  bafj  ba§  meritum  im  liberum  arbitrium 
yoluntatis  tburjele  (enchir.  ad  Laur.  32);  bielmeb^r  muf?  erft©otte§  fd)öbferifd)e  ©nabe 

65  im  Sftenfdjen  einen  guten  3©iHen  b^erborrufen,  alfo  ob,ne  borangeb^enbe  berbienfilia)e  3Ber!e 
(de  grat.  Chr.  24;  de  nat.  et  grat.  4).  Nolentem  praevenit,  ut  velit,  volentem 
subsequitur  ne  frustra  velit  (enchir.  1.  c).  $Da<o  wirft  ©Ott  burd;  ben  b,I.  ©eift  b.  fy. 
burd)  inspiratio  caritatis,  unb  baä  ift  bie  eigentliche  „©nabe"  im  ©inne  2luguftin§  (bgl. 
Sb  XV,  756).   ©iefer  bebarf  e3  aber  nid)t  nur  einmal  für  ben  2tnfang  be§  neuen  SebenS 

60  (gr.  operans),  fonbern  in  singulis  nostris  actibus  est  necessaria  (de  gestis  Pel.  56 ; 


aScrbicnft  503 

gr.  cooperans,  de  gr.  et  lib.  arbitr.  33).  ©en  bollen  ©mft  ber  freien  göttlichen 
©nabentfyat  behauptete  2luguftin  b«rt^  feine  fielen  bon  ber  abfoluten  Vräbeftinatton, 
bon  ber  Unmiberftel)Iicr)feit  ber  innerlichen  ©otteömirfung  unb  bon  bcr  Mitteilung  eines 
donum  perseverantiae  an  bie  jum  §eile  Vräbeftinierten.  SEro|bem  faßt  er  nid)t  gang 
auS  bem  ©d)ema  ber  Sßerbienftlefyre  Ij>erau§,  fonbern  ernennt  e§  an,  bafj  ©Ott  in  ber  5 
2f;at  bie  menfcfylidjen  merita  frone.  2lber:  non  deus  coronat  merita  tua  tanquam 
merita  tua,  sed  tanquam  dona  sua  (de  grat.  et  lib.  arb.  15);  per  hoc  et  ipsum 
hominis  meritum  donum  est  gratuitum  (ep.  186,  10) ;  etiam  ipsa  hominis  bona 
merita  esse  dei  munera  (enchir.  107)  bgl.  noch,  serm.  297,  6;  de  gest.  Pelag.  35. 
©0  bielt  bocfy  aucb.  2tuguftin,  obgleich  er  auf  bie  neue  Stiftung  be§  befreiten  2BilIen3  10 
ben  ^acfybrud  legt,  baran  feft,  bafj  ber  ©rlöfte  fid)  Verbienfie  ertoerben  muffe  unb  fönne, 
ebenfo  tote  ba§  ber  Sflenfcr)  im  Urftanbe  füllte  (enchir.  106).  (Sine  btrefte  Übertragung 
ber  merita  lefyrt  er  nic&t,  um  fo  bebeutfamer  ift  e§,  bafj  er  bod)  SRefjobfer  unb  2llmofen 
ben  SSerftorbenen  ju  gute  fommen  läfjt,  folgen  nämltct)  qui  cum  viverent,  ut  haec 
sibi  postea  possint  prodesse  meruerunt  (enchir.  110).  15 

7.  Von  |ier  au§  ift  bie  Weitere  ©ntitncMung,  bie  bie  Verbienftlefyre  im  Äatb,  oltciSmuS 
gehabt  b,at,  ya  begreifen.  SWmäljlicb,  ift  e<S  gelungen,  ba3  ebangelifcfye  SJcomcnt  ber 
Sluguftinifd^en  Sebje  auSjufcfyeiben  unb  „bie  ©nabe"  ber  SMigiofität  beS  VerbienfteS  ein= 
jugliebern  unb  bienftbar  px  machen.  Vorbereitet  rourbe  bies  baburd),  bafj  man  ben 
tragenben  Unterbau  ber  3luguftinifd)en  2eb,re,  bie  abfolute^räbeftinationfamtbengolgefä^en,  20 
befeitigte  unb  im  mefentlicfyen  gu  ber  älteren  2ei)re  einer  bebingten  Sßräbeftinatton  (quorum 
merita  praescivit,  eorum  praemia  praedestinavit,  Ambrosius  de  fide  V,  6,  83) 
äurücllenlte.  ©regor  b.  ©r.  (geft.  604)  fc^eint  aUerbingS  bie  2luguftinifd)e  $räbefimation§= 
lefyre  feftjub, alten  (moral.  33,  21,  38)  betont,  bafj  bie  gratia  praeveniens  nidjt  ante- 
cedentibus  meritis  gu  teil  werbe  (in  Hi  18,  40,  63),  aber  füfyrt  bod;  biel  ftärler  ab§  25 
2luguftin  bie  gange  Betrachtung  auf  bie  merita  r)inau3.  SBirft  bie  ©nabe  guerft 
ofyne  un§,  fo  mufj  bocb,  alSbalb  unfer  freier  2BiIIe  gefyord/enb  unb  gufttmmenb  mitmirfen 
(mor.  33,  21,  38;  24,  10,  24).  Praeveniente  ergo  gratia  et  bona  voluntate 
subsequente  hoc  quod  omnipotentis  dei  est,  fit  meritum  nostrum  (in  Ez.  hom. 

I,  9,  2).  Um  ber  borgefyenbm  ©nabe  mitten  banlen  mir,  roeil  aber  unfer  freier  SöiEe  30 
ifyr  gefolgt  ift,  nobis  retribui  praemia  speramus  (mor.  33,  21,  40),  unb  gmar  per 
impensam  gratiam  in  extremo  iudicio  ita  remunerat  nobis,  ac  si  solis  pro- 
cessisset  ex  nobis  (mor.  16,  24,  30).  §ier  unb  anbermärtS  (g.  33.  in  Ez.  I,  9,  2) 
erläutert  er  feine  ©ebanfen  an  1  $0  15,  10,  nur  bafj  er  betont:  ict)  I)abe  mit  ber  ©nabe 
gufammengetoirf t.  ©0  ift  fd;on  bjer  bie  Umbiegung  ber  2tuguftinifcr)ett  ©ebanfen  beutlicb, :  35 
bie  ©nabe  felbft  ftellt  nod)  nidjt  ba<§  §eil  ber,  fonbern  macfjt  e3  nur  möglicb,  fie  befcr/afft 
bie  unumgänglichen  Vorau§fe|ungen  für  ein  erfolgreich  SSirfen  be§  freien  2BilIen3. 
2)te  Verurteilung  ©ottfdjalfs  (853)  beförberte  ba§  Vorbringen  biefer  femi=auguftinifa)en 
^enftoeife. 

8.  SDie  großen  ©cfyolaftiier  be§  9M.§  fyaben  mit  ftrengerer  ©r/ftematif  bie  Verbienft=  40 
lebre  unb  bie  ©nabenlefyre  gufammengearbeitet.  ©runblegenb  ift  ^3etru§  SombarbuS 
(bgl.  33b  XI,  638,  28  ff.),  gur  ©rgängung  be§  bort  ©efagten  fei  hinzugefügt,  bafj  ber 
Sombarbe  mit  Berufung  auf  2luguftin  beraubtet,  ber  SRenfct)  fyabz  auch,  bor  ber  ©ünbe 
ber  fbegtfifcfyen  ©nabe  b.  i.  ber  gr.  operans  unb  cooperans  beburft,  um  merita  gu 
ertoerben  unb  ba§  etoige  Seben  gu  berbtenen  (II,  dist.  24,  1 ;  29,  1).  ©er  gefallene  45 
■Dcenfd)  braucf/t  fie  aufjer  gum  adiuvare  aud)  nodj  jum  sanare.  5Da€  Sßefen  ber 
©nabe  beftefjt  aber  in  fittüdjen  Gräften  (virtutes).  2lu§  bem  ßufammentoirfen  biefer 
unb  beä  freien  2öiHen§  geb^en  bie  2llte  b.  fy.  bie  SBißen^regungen  (motus  animi)  unb 
bie  äußeren  bona  opera  i)erbor.  @rft  biefe  inneren  unb  äußeren  2Wte  finb  merttorifcr), 
benn  nullum  meritum  est  in  homine,  quod  non  sit  per  liberum  arbitrium.  50 
ffienn  e§  ba^er  b.ei^t,  bag  emige  2(hm  toerbe  gratis  gegeben,  fo  befage  bag  nid;t  quia 
non  meritis  datur,  sed  quia  (mit  9?üdfid)t  auf  ben  Anteil  ber  gr.  oper.)  data 
sunt  per  gratiam  et  ipsa  merita,  quibus  datur  (II,  dist.  27).  Sffielcbe  ©eftalt  bie 
§eilggemi|b,eit  auf  biefe  2öeife  getoinnt,  geigt  bie  bon  Sut^er  oft  frittfierte  Definition 
ber  §offnung :  est  certa  exspectatio  futurae  beatitudinis  veniens  ex  dei  gratia  ob 
et  meritis  praecedentibus  vel  ipsam  spem  —  vel  rem  speratam.  Sine  meritis 
enim  aliquid  sperare,  non  spes,  sed  praesumptio  dici  potest  (lib.  IV,  dist.  2(i,  1). 
$on  grofjem  (Sinfluffe  auf  bie  golgejeit  mürbe  bie  gefcb,Ioffene  ©eftalt,  bie  übornaS 
2lquina§  ber  2ebje  gab.  §ier  ift  bie  gange  Religion  auf  ba3  meritum  aU  ^idbunft 
«ingeftellt,   unb  bod;  fctjeint   e§,   al§  fei  bie  bolle  3luguftinifcb,e  ©nabenlefire  feftgefyalten  eo 


504  Scrbicnft 

(bgl.  bef.  Summa  Th.  II,  1  qu.  109—114).  gnbeffen  mufj,  um  mit  letzterem  ju  be= 
ginnen,  Bei  %f)oma$  eine  gtciefad^e  ©nabe  untergeben  werben,  bon  ber  nur  bie  eine, 
bie  fyabituale,  bem  Teilgebiete  fbegtfifcb,  angehört,  Wäfyrenb  bagegen  bie  anbere,  meift 
auxilium  dei  moventis,  auxilium  gratiae  ober  ät/nlicb,  genannt,  über  bal  gefamte 
5  ©ebiet  bei  göttlichen  2Birtenl  fic^t  erftrecft  unb  jeber  Kreatur  bagu  bereift,  bafj  fte  in 
bem  empfangenen  ©uten  erhalten  Werbe  unb  mittelft  belfelben  ftcr)  betätige.  ®enn 
nulla  res  ereata  potest  in  quemcunque  actum  prodire  nisi  virtute  motionis 
divinae  (qu.  109,  9  concl.  cf.  1).  3)iefe  göttliche  Beseitigung  ift  freilief)  berfcbjeben 
je  nad)  ber  2Irt  ber  Kreatur,  berfetneben  aud)  bei  bem  urfjprüngltc|en  unb  bem  fünbigen 

io  3ftenfd)en,  unb  belb/alb  fd)eint  el  manchmal  fo,  all  b,anble  el  §ier  fieb,  um  eine  neufdjöbferifdje 
©nabe;  im^rinjib  aber  ift  fie  überaß  fid)  gleicb,  all  bie  ^aufalität  bei  primum  movens 
simpliciter  (qu.  109,  1).  SDafj  il)r  ßfyarafter  lein  fbeäiftfct;  ijieilmäjjiger  ift,  geljit  ent= 
fcfyeibenb  baraul  l)erbor,  bafj  bieje  2lrt  ber  ©nabe  ntc^t  r;inreid)t,  um  ben  Werfen  bei 
3Jienfcb,en   ben  meritorifd)en  ßfyarafter  ju  »erleiden,   Wenn   er  aud)   im  Urftanbe   blofj 

15  mittelft  jene!  auxilium  dei  moventis  ©ott  über  allel  lieben  fonnte  (qu.  109,  2.  3; 
112,  2  f.  u.).  Sa  alfo  biefe  fojufagen  natürliche  ©nabe  all  ein  ftetl  gleicher  gaitor 
in  allen  ©ä|en  bei  5TI)omal  mit  enthalten  ift,  fo  lann  man  gleid)fam  um  il)n  bie  ganje 
9tedmung  fürten,  unb  behält  bann  nur  bie  gratia  habitualis,  ober  virtus  gratuita 
all  bal  religiöl  entfcfyeibenbe  übrig,    ©o  ergiebt   ftcb,    folgenbe  ©efamtanfd)auung.    ©er 

20  SJlenfd)  foE  fieb,  burd)  merita  bal  ewige  Seben,  bie  visio  dei  berbienen.  2lber  biefel 
$iel  liegt  über  bie  gefcb,affene  menfd)Iid)e  SRatur  r/inaul.  Ideo  homo  per  sua  na- 
turalia  non  potest  produeere  opera  meritoria  proportionata  vitae  aeternae, 
sed  ad  hoc  requiritur  altior  virtus  quae  est  virtus  gratiae  (qu.  109,  5).  SDiefe 
virtus  infulsa  ober  gratia  habitualis  ober  gratia  gratum  faciens  brauchte  aud)  ber 

25  SDtenfcb,  in  statu  naturae  integrae,  nämlicb,  ad  operandum  et  volendum  bonum 
supernaturale  —  quod  est  meritorium,  mäfyrenb  er  fie  in  statu  naturae  cor- 
ruptae  überbiel  baju  braucht,  bafj  bie  Statur  geseilt  werbe  (1.  c.  2).  ^Wed  uno  Söffen 
ber  ©nabe  mufj  aber  an  bem  Sßerfyältnil  jur  natura  integra  Har  Werben.  3n  biefer 
rann  ber  SDfenfd)  ©ott  super  omnik  diligere,    aber   nid)t   ex  caritate.    tbaftv.  bebarf 

30  er  ber  ©nabe,  benn  Caritas  diligit  deum  super  omnia  eminentius  quam  natura 
(1.  c).  2tIfo  ad  implendum  mandäta  legis  —  nicb,t  fcF;led)tIj>in,  fonbern  —  seeun- 
dum  debitum  modum,  per  quem  eorum  impletio  est  meritoria,  requiritur 
gratia  (1.  c.  art.  5).  ©iefe  gr.  |eif?t  einelteill  operans,  in  quantum  animam  sanat 
vel  iustificat,  anbemteil!  cooperans  in  quantum  est  prineipium  operis  meritorii, 

35  quod  ex  libero  arbitrio  procedit  (qu.  111,  2  bgl.  109,  6  concl.).  ^)a§  erfte  burdj 
bie  gr.  operans  gewirrte  SSerbtenft  ift  ber  motus  liberi  arbitrii,  traft  beffen  Wir 
ber  ©ereef/tigfett  bei  unl  gered)t  mad)enben  ©ottel  juftimmen  (qu.  111,  ad  2).  SDenn 
natürlid)  gilt:  homo  sua  voluntate  facit  opera  meritoria  vitae  aeternae,  Wenn 
aueb,  fein  2ßiHe  burefy  bie  ©nabe   bräbariert  Werben   muj3  (qu.  109,  5  ad  1).     ©treng 

40  genommen  bürfte  freilief;  bon  einem  mereri  bei  SJtenfdjen  bei  ©ott  nid)t  gerebet  Werben, 
toot)I  aber  seeundum  praesuppositionem  divinae  ordinationis,  ita  scilicet  ut  id 
homo  consequatur  a  deo  per  suam  operationem  quasi  mercedem,  ad  quod 
deus  ei  virtutem  operandi  deputavit  (quaest.  114,  1).  ©ofem  man  bab,er  auf  ben 
Anteil  bei  menfcfylidjen  liberum  arbitrium   an   jebem  meritorifcfyen  9öerfe  fieb/t,   lann 

45  man  nur  bon  einem  meritum  e  congruo  b.  i.  nad)  StHigfeit  reben ;  fofern  el  aber  ju= 
gleicb,  procedit  ex  gratia  spiritus  saneti,  sie  est  meritorium  vitae  aeternae  ex 
condigno  (quaest.  114,  3).  @benfo  berbient  fid)  ber  ©erecfyte  9Ket)rung  ber  ©nabe 
ober  ber  Siebe  (114,  8).  ÜRod)  entftefyt  bie  grage,  Wie  behält  fid>  bei  2Renfd)en  $Ber= 
bienft  jum  erften  ©mbfang  ber  ©nabe.    ©treng  Wirb   abgelehnt,   bajj  ber  SJcenfcb,  ftcb, 

50  biefe  berbienen  tonne  (quaest.  114,  5),  ebenfo  Wie,  bajj  er  bie  reparatio  post  lap- 
sum  berbienen  lönne  (1.  c.  7).  2lber  eine  praeparatio  bei  3Jienfcb,en  auf  bie  ©nabe, 
eine  facere  quod  in  se  est  Wirb  geforbert  (quaest.  109,  6;  112,  3).  ©iefe  lönne 
unb  muffe  ber  -äftenfcf;  mit  feinem  liberum  arbitrium  —  natürlich  non  sine  auxilio 
dei  moventis  —  leiften.      ©ie   ift  ^War   imperfecta  bergltcfyen   mit  berjenigen  prae- 

55  paratio,  bie  jugleid)  mit  ber  infusio  gratiae  ftattfinbet,  aber  auf  fie  folge,  infofern  fie 
jugleicb,  a  movente  deo  flamme,  necessario  sive  infallibiliter  infusio  gratiae 
(112,  3).  $)x>ax  nid)t  an  biefer,  Wof)l  aber  an  anberer  ©teHe  Wenbet  ^omal  auf  bie 
opera  extra  caritatem  facta  ben  Segriff  einel  meritum  congrui  an,  burefy  Welche 
bor  allem  bie  dispositio  ad  gratiam  berbient  Werbe  (suppl.  quaest.  14,  4).     ©cb,on 

eo  Swnabentura  aber  brücf't  fiel)  bireft  fo  aul,  bafj  bie  gratia  gratum  faciens  jWar  nicb,t 


SBer&tewfi  505 

merito  condigni,  aber  bocb.  merito  congrui  berbient  toerbe  (breviloqu.  V,  2).  2)unS 
©cotuS  aber  unb  bie  9fJominaltften  fc^einen  einerseits  ben  SSerbienftgebanfert  ju  Iritifieren, 
inbem  aHeS  an  ber  freien  acceptatio  ©otteS  I)ängt,  aber  tbie  auf  allen  ©ebieten,  fo 
enbet  aucb,  f)ier  biefe  „mobeme"  Kritif  in  fircfylicfyem  ^ofüibiSmuS,  ja  in  bem  -JJcaße  als 
eigentlich  alles  33erbienft  nur  de  congruo  ift,  „berfcf/h>inben  bie  Unterfduebe,  burcf)  5 
bie  bei  ben  S£l>omtftcn  baS  Vertrauen  auf  bie  eigne  Seiftung  nocb,  eingefcfyränft  toirb" 
(©d)ul$  ©.  296).  ®ie  fyabituale  ©nabe  aber  als  33ebingung  berbienftlicfyen  SBerfeS  Ijat 
nur  nodj  ben  ©inn,  baß  nacb,  ©otteS  SInorbnung  bie  berbienftlid;en  SBerfe  ben  ©tembel 
ber  Kircr/Iicbjeit  tragen  muffen,  benn  bie  Kircbe  teilt  als  SSertoalterin  ber  ©aframente 
ben  erforberlidjen  ©naben=habitus  mit.  ©0  berläuft  ber  ^eilSbrojeß  bie  ©tabien  beS  10 
meritum  de  congruo,  inbem  ber  Sftenfcb,  facit,  quod  in  se  est,  ber  baburcb,  bebingten 
Mitteilung  ber  prima  gratia  unb  ber  burcb,  baS  gufammentoirfen  fc*0"  gratia  unb 
liberum  arbitrium  geleifteten  merita  de  condigno,  belebe  -Bcefyrung  ber  ©nabe  unb 
bie  etoige  ©etig!eit  berbienen  (bgl.  ©eeberg,  SDogmengefcfytdjte  II,  186  f.).  ^nforoeit  biefer 
gerablinige  ^rc^eß  burcb,  bie  ©ünbe  unterbrochen  wirb,  treten  am  anfange  bie  Saufe  unb  15 
bann  baS  ©ußfatrament  unterftü^enb  ein,  aber  bie  bamit  berbunbene  ©ünbenbergebung  ift  nur 
§üfSfa!tor;  benn  baS  ©ntfcbeibenbe  bleiben  bie  merita.  $Die  ©djolaftif  bat  gugletd;  ben 
©ebanlen  bon  überfdjüfftgen  merita  ber  ^eiligen  (bgl.  2Irt.  consilia  evangelica)  unb  bon 
ber  Übertragbarfeit  berfelben  auSgebtlbet,  roofür  SLfyomaS  bie  ©infyeit  beS  corpus 
mysticum  ber  Kirdje  als  9ted)tStitel  fanb,  roäfyrenb  bie  Hircbe  in  ben  Slbläffen  barauS  20 
Vorteil  jog.  3lud)  baS  3Ber!  (Efyrifti  wirb  bon  ber  ©cfyolaftif  unter  bem  ©efict/tSbunft 
beö  meritum  betrautet.  2llS  beffen  eigentliches  ©ubjeft  erfd^eint  naturgemäß  berüRenfcb, 
SefuS.  Unb  jtoar  ift  feine  Seiftung  baS  SRufterbetfbiel  für  ein  meritum  im  befonberen 
©inne  b.  b, .  für  eine  fcjjlecfytb,  in  überbflicbiige  Seiftung.  ©0  berfteb,  t  eS  SInfelm  bon  6anter= 
burr;  (bgl.  33b  I,  569  f.).  2)ie  gleiten  Kategorien  febjen  bei  %i)oma§  roieber  (Summa  25 
III,  quaest.  48,  1 ;  bgl.  ©eeberg,  SDogmengejcbidite  II,  96).  ®ie  näheren  Seftimmungen 
unb  ^Differenzen  ber  einzelnen  ©cfyolaftifer  fonnen  als  bloße  Sfteologumena  außer  Setradjt 
bleiben,  ba  baS  SBerl  6I)rifti  bjer,  anberS  als  im  ^ßroteftantiSmuS,  nur  bie  entferntere 
33orauSfet5ung,  nid)t  bie  bletbenbe  ©runblage  beS  £>eilSftanbeS  bilbet. 

8.  3m  ©egenfaije  gur  Reformation  l)at  bie  fat|olifd)e  SSerbienftle^re  U)re  abfcf/ließenbe  30 
©eftalt  empfangen,  unb  bie  üircfr/e  b,at  fie  gegen  auguftmifdbe  Reaktionen,  bie  ben  b,erge= 
brauten  gormein  toieber  i^ren  alten  tieferen  £jnl)alt  geben  rooüten,  nact/brücfltcb,  beraubtet. 
Sefyrreicb,  ift  fyier  fcfyon  bie  römifcfye  Confutatio,  toenn  fie  gegen  ben  bierten  Slrtilel 
ber  Conf.  Aug.  eS  nötig  finbet,  für  bie  merita  hominum,  quae  per  assistentiam 
divinam  fiunt,  einzutreten.  ®enn  freilieb,  opera  nostra  ex  se  nullius  esse  meriti;  35 
sed  gratia  dei  facit  illadigna  esse  vita  aeterna  ;  aber  jugleicb,  gilt:  ubi  est  merces, 
ibi  meritum.  ^a  gegen  art.  XX  Sbirb  nocb,  auSbrücflicb,  feftgefyalten,  baß  gute  Slkrfe 
mereantur  remissionem  peccatorum.  2Son  bem  3Ron(|tum  Ijtetßt  eS  (art.  27), 
monasticam  vitam  mereri  vitam  aeternam  et  multo  auctiorem.  parallelen  bei  gleici)= 
jeitigen  X^eologen  bringt  ^.Särnmer,  ®ie  toDrtrtbentirtifcf)=!at^oItfc^e^:r)eoIo0iel858,  ©.  161  ff.  40 
Unter  bem  ©inbrucfe  ber  reformatorifc^en  Dbbofitton,  bie  fid)  auf  2luguftin  berufen  tonnte, 
ift  bie  Sebje  beS  Tridentinum  sess.  VI  borficfytiger  abgefaßt,  otme  baß  fac^Iid;  etioaS  ge= 
änbert  ift.  6r/riftuS  b,at  burcb,  feine  ©erecfytigfeit  allen  bie  ©nabe  ber  Rechtfertigung 
berbient  (n.  7).  SDiefe  mirb  ben  einzelnen  %u  teil,  inbem  fie  gurtädbft  burcb,  bie  gratia  prae- 
veniens  nullis  eorum  exsistentibus  meritis  vocantur(n.  5.  8).  2lber  mit  ibjer  ©erec^)t=  45 
ma_cf)ung,  bie  burd)  baS  ©alrament  gefcb,ieb, t,  ift  eS  auf  bie  guten  Söerfe  abgefeb, en  unb  mit 
btefen  auf  bie  vita  aeterna  a)  et  tanquam  gratia  filiis  dei  per  Christum  Jesum 
misericorditer  promissa  b)  et  tanquam  merces  ex  ipsius  dei  promissione 
bonis  ipsorum  operibus  et  meritis  fideliter  reddenda.  SDurct;  ifyre  auS  ber  virtus 
ber  ©nabe  ftammenben  Söerfe  Ratten  fie  baS  eibige  Seben  vere  promerisse.  ®enn  bie  üu 
©üte  beS  §errn  gegen  bie  SCRenfc^en  ift  fo  groß,  ut  eorum  velit  esse  merita,  quae 
sunt  ipsius  dona  (n.  16).  2tber  fie  finb  bod)  eigentliche  merita,  benn  si  quis  dixerit, 
hominis  iustificati  bona  opera  ita  esse  dona  dei,  ut  non  sint  etiam  bona 
ipsius  iustificati  merita,  aut  ipsum  iustificatum  bonis  operibus  —  non  vere 
mereri  augmentum  gratiae,  vitam  aeternam,  et  ipsius  vitae  aeternae,  si  tarnen  55 
in  gratia  decesserit,  consecutionem,  atque  etiam  gloriae  augmentum,  a.  s. 
(can.  32).  infolge  beffen  barf  aucb,  bie  Reflexion  auf  ben  eroigen  Solm  baS  §anbeln 
beS  iustificatus  beftimtnen,  ofyne  ib^rn  ben  Cbarafter  als  bonum  opus  ju  benehmen 
(n.  11  can.  ;J1).  ©erabe  biefer  ©a$  ift  aud;  fbäter  gegen  SRtyftilcr  unb  Csanfcniften 
bertreten  roorben  (bgl.  ©cn^inger,  Enchiridion   symbolorum   etc.   n.   1167     1170).  60 


506  Sßerbtcnp 

greilicb/  befielt  bie  grofje  ©djtoierigfeit  biefer  35erbtenftlel^re  barm,  baf$  ber  üflenfdj)  niäpt 
mit  ©icfyertjeit  föß  roiffen  fönnen,  ob  er  bte  ©nabe  fyabe  unb  alfo  fein  %b,un  berbtenftlicb, 
fei  (n.  9  bgl.  12).  Dted^t  unberfyüEt  fyat  33etlarmin  disput.  de  iustific.  V  bte  römifdje 
Se^re  entroiäelt  V,  1,  6:  habet  communis  catholicorum  omnium  sententia:  opera 
5  bona  iustorum  vere  ac  proprie  esse  merita,  et  merita  non  cuiuscunque  praemii, 
sed  ipsius  vitae  aeternae.  20,  4  nos  existimamus  vitam  aet.,  tum  quoad  primum 
gradum,  tum  quoad  ceteros,  reddi  bonis  meritis  filiorum  dei.  SDie  Ijeute 
ferrfcfyenbe  Sefyrform  (bgl.  bert  rttdjt  gan-$  jutreffenben  2trti!el  in  Sß.=2ö.  fotoie  bte  ®og= 
mcttifen  unb  SJcoraltfyeologien  f.  £itt.)  ift  biefe:  33orau3fe£ung  ift,  baf*  bie  ©eligfeit  burcb, 

10  SBerbienfte  b.  lj>.  freigetoollte  menfd)Itc£)e  §anblungen  erworben  Werben  mufs,  nidjt  mtnber  aber, 
bafj  es  ber  ©nabe  bebarf,  um  folcfye  meritorifdOe  2Berfe  ju  boHbringen.  SDocfo,  beftefyt 
mit  33ejug  auf  ben  Beitrag,  ben  bie  ©nabe  tnerju  liefert,  eine  gemiffe  Unllarfyeit.  Sie 
übliche  £el)re  unterfcfyeibet  nä'mlicb,  bie  beiftefyenbe  ober  altuale  ©nabe  unb  bie  b,eilig= 
madjenbe,  I^abituale  ©nabe.   ^ene  roirb  bem  SJJenfcfyen  immer  nur  borübergefyenb  ju  teil, 

15  ift  aber  ju  jebem  guten  SBerfe  notwenbig ;  biefe  toirb  bem  -Dlenfcljen  burcb,  bie  ©alra= 
mente  „ber  Soten",  SEaufe  unb  Bufje  ju  bleibenbem  33efÜ3  gegeben;  aber  er  berliert  fie 
roieber  burcr)  SEobfünben.  Run  wirb  für  ein  berbienftüdjeS  2Berl  fotoobj  bie  9JUttoirtung 
ber  a!tualen  aU  ber  23efit$  ber  fyabttualen  ©nabe  erforbert.  ^nbeffen  ift  bod)  bie  b,abi= 
tuale  ©nabe  baS  @ntfcr)eibenbe.    3)enn  bie   juborfommenbe  ©nabe  beS  23eiftanbe3  Wirft 

20  fcb,on  auf  ben  im  ©tanbe  ber  Sobfünbe  befinblicfyen,  beffen  gute  2Berfe  boa)  ntdjt  ben 
§tmmel  berbienen  follen,  ja  allgemein  roirb  gelehrt,  bafe  ©Ott  jebem  SJcenfdjen  bie  (bei= 
ftebenbe)  ©nabe  gemährt,  bie  er  braucht,  um  feiig  ju  werben.  2Iber  erft  mufj  ein  Sftenfcr; 
bie  fyeiligmadjjenbe  ©nabe  burcfy  bie  genannten  ©aframente  erlangen,  el)e  feine  Söerle 
meritorifcfye  finb.  ®ie  im  ©tanbe  ber  ©nabe  Verrichteten  guten  2Berfe,  unter  betten  noct) 

25  bleute  23eten,  gaften  unb  2Ilmofengeben  fyerborgefwben  roerben,  berbienen  aber  auty  Wirf= 
licfy  bie  eroige  ©eligfeit  unb  jubor  SRefyrung  ber  fyeiligmacfyenben  ©nabe.  greilid)  gefyen 
babon  ah  biejenigen  guten  Söerfe,  bie  ber  SRenfcb,  als  ©atiSfaftionen  für  bie  gettltcfyen 
©ünbenftrafen  leiften  mufc.  Unb  fobalb  ber  Sftenfcr)  eine  ^obfünbe  begebt,  „nimmt  biefe 
ber  ©eele  bie  ertoorbenen  SSerbienfte  unb  maa)t  fie  unfähig,  neue  93erbtenfte  ju  erwerben" 

30  (Römifdjer  @inb,etefate^igmu§,  beutfd)  SRünc^en  1906,  ©.  242).  ®ocfy  ftellt  baS  23uf$= 
faframent,  inbem  eS  bie  b,  eiligmaa^enbe  ©nabe  roiebergiebt,  aucb,  „bie  33erbienfte  ber  guten 
2öerle,  bie  bor  berSEobfünbe  gefdjeben  finb,  Wieber  b,er"  (1.  c.  ©.  193.  ©r.  Öfterr.  $ated). 
%x.  638,  4).  Slber  ber  93erbienftbegriff  erftrecft  fid^)  noa)  toeiter  jurüct.  ©er  im  ©tanbe 
ber  SLobfünbe  befinblicfje  SJJenfo)   fann   ficb,  nämlid)  bie  fyeiligmacfyenbe  ©nabe  bura)  ein 

35  meritum  de  congruo  berbienen ;  nur  bie  erfte  altuale  ©nabe  nid) t.  ®a  biefe  aber 
allen  9JJenfcr/en  ju  teil  roirb  (f.  o.),  fo  fieb.t  ftcb;  jeber  an  einen  §eil§roeg  getoiefen, 
auf  bem,  unter  33orauöfe^ung  be§  erften  ©nabenanftofeeg,  fort  unb  fort  menfcfylicfyen 
Serbienften  göttlicher  £o()n,  bis  fyin  jum  eroigen  Seben,  folgt,  beffen  ©rabe  roieber  je 
nacb.  SSerbienften  berfcb,ieben  finb.    2)ie  fyabituale  ©nabe   b,at  babei  nur  nocb,    bie  33e= 

40  beutung,  bafj  mit  bem  freien  SBillen  bie  tirdjlicfye  §eiföanftalt  jufammentoirfen  mu^,  um 
bem  Sftenfcfyen  bag  §eil  ju  fiebern  (bgl.  bie  91ominaliften).  2Bob,  l  !ann  bie  9lefle£ion  auf 
altuale  ©nabe,  bie  §u  jebem  guten  SBerfe  immer  aufg  neue  erforberlicb,  ift,  religiöfe 
©mbfinbungen  au^löfen;  aber  bie  SLenbenj  ift  babei  toafyrer  grömmig!eit  entgegengefe^t, 
infofern  ©otte§  Äraft  bafür   begehrt  roirb,  um   bor  ib,m  mit  33erbtenften  ju  erfahrnen. 

45  Sabber  barf  bie  Betonung  ber  ©nabe  im  £atb,olict§mu§  nicb.t  barüber  ^inroegtäufdjien, 
ba^  er  boeb.  nur  eine  Religion  ber  Sßerfgeredjtigr'eit,  be§  33erbienfte§  bflegt.  2öie  freilieb. 
e3  möglia)  ift,  ba^  SRenfcfyen  genug  merita  aufjuroeifen  b,aben,  um  bas  etoige  Seben  ju 
berbienen,  aber  nicfyt  genug  satisfactiones  für  iljre  ©ünben,  um  bem  ^egfeuer  ju 
entgegen,    ba§  bleibt  ein  @el;eimni<§.    2öie    fd^on  bie  Reformatoren   erlannten,    ift   bie 

50  Äonfequenj  ber  SSerbtenftlebre,  ba^  6b,riftu§  in  ben  ^intergrunb  tritt,  ©enn  ber  ©rfolg 
feines  9Ber!e§  befteb,t  blof?  barin,  ba^  er  für  alle  bie  3)cenfcb,en  bie  ©nabe  berbient, 
bamit  ilmen  aber  nur  bie  SJlöglid^leit  ^u  berbienftlicb.en  guten  Söerfen  eröffnet  ^at.  Sine 
unmittelbare  33ebeutung  für  ba§  religiöfe  33erb,ältniS  I)at  fein  ©rlöfungötoer!  nicb,t  meb,r. 
Über  bie  etbjfdjie  Beurteilung  ber  23erbienftlefyre  f.  u. 

55  9.  ®ie  Reformation  mar  tecr)t  eigentlich  ein  $ambf  gegen  bie  33erbienftleb^re. 
greilicb,  lommt  £utb,er  and)  f)ier,  roie  in  anberen  fragen,  ber  ©egenfaij  erft  atlmäb,= 
lia)  boE  §um  Serou^tfein.  3una^ft  geftatteten  i^m  bie  üblichen  gormein  (f.  o.) 
boa)  nod^),  fie  im  ©inne  be§  SluguftiniSmuS  auszulegen.  ®ab,er  rebet  er  rool)I  in 
feinen  Slnmerlungen  jum  Sombarben  nocb,  bon  einem  meritum  de  congruo  (2S2X  9,  72), 

60  betont  aber  fcfyon  in  einer  Rebe  1512,  bafj  bie  ©eburt  au§  ©Ott  gemä|  $a  !/ 18  9es 


2Sert>tenft  507 

fcfyefye:  gratuito  liberoque  beneplacito,  non  nostro  merito  neque  dignitate  (2B2t 
1,  10;  @2l  var.  arg.  1,  30).  ^n  ben  "ißfalmenborlefungen  beutet  er  ben  23erbienft= 
begriff  um,  auf  eine  getoiffe  praeparatio  unb  dispositio  für  ba§  bie§feitige,  tote  ba§ 
jenfeitige  £eil  (ju  5ßf  113  [114],  1  35521  4,  126  f.),  aber  ftt>n  in  jiuei  ^rebigten  1516 
fritifiert  er  bie  Definition,  bie  ber  Sombarbe,  Don  ber  Hoffnung  gab  (f.  o.),  fo,  bafj  6 
jebeS  Vertrauen  auf  SBerbienfte  befeitigt  rnirb  (2M  1,  70  ff.  81  ff.  var.  arg.  1,  106  f. 
126  f.)  unb  in  ber  33ern^arbifcb,en  SDiSbutation  be3  gleichen  $ab,re3  de  viribus  et  vo- 
luntate  hominis  sine  gratia  toirb  bie  borangefteKte  $rage  an  homo  naturalibus 
suis  viribus  dei  creatoris  praecepta  servare  aut  boni  quippiam  facere  atque 
cum  gratia  mereri  meritaque  cognoscere  possit?  in  aßen  i|ren  teilen  berneint.  10 
©eine  neue  ^eiMIefyre  jerftört  alle  23orau3fe|ungen  ber  93erbienfilebre,  befämbft  in§be= 
fonbere  bie  obttmtftifcfye  Beurteilung  be§  natürlichen  9BiKen§,  bie  93orfteEung  bon  bem 
gufammentoirfen  be3  menfcfylicfyen  2ßiHen3  mit  bem  göttlichen,  legt  ben  £on  nicfjt 
auf  bie  einzelnen  9Berfe,  fonbern  auf  bie  innere  ©erecfyttgfeit  be£  §erjen§,  bie  bor 
ben  SBerfen  borfyanben  fein  mufy  unb  fyeifjt  auf  ©ott,  nicfyt  aber  auf  33erbienfte,  aucb,  is 
nia)t  fofem  fie  feine  ©aben  finb,  bertrauen  (bgl.  befonber3  operat.  in  Psalmos 
ju  $f  5,  2021  5,  163  ff.  exeg.  lat.  14,  240  ff.),  ©o  iuirb  too^l  nocb,  bog  Sßort 
„ÜBerbienft"  beibehalten,  aber  bie  ©adje  aufgehoben:  sunt  itaque  merita,  et  nulla 
merita  in  nobis,  sunt,  quia  dona  dei  sunt  et  opera  ipsius  solius,  nulla  sunt, 
quia  non  plus  de  illis  possumus  praesumere,  quam  nullus  novissimus  pecca-  20 
tor,  in  quo  nondum  aliquid  operatur  deus  (1.  c.  ©.  169  bejw.  ©.250,  bgl.  $om= 
mentar  ju  ©a  mit  feiner  ^Bolemi!  gegen  eine  Rechtfertigung  au<§  Söerfen  be3  ©efetK§ 
ju  5,  2 :  at  nunc  —  indoctorum  scripturae  interpretum  et  concionatorum  in 
merita  nostra  trudimur,  ex  nobis  satisfacimus  peccatis  —  cumulamus  ea  (sc. 
opera  nostra),  velut  frumentum  in  horreum,  quibus  deum  debitorem  faciamus,  25 
et  in  coelo,  nescio  quanta  altitudine  sedeamus.  Caeci,  caeci,  caeci,  his  Omni- 
bus Christus  nihil  prodest,  alio  consilio  iustificant  se  ipsos.  $n  aßebem  tritt 
aber  mefyr  untoitllürlicb,  ab§  birelt  ausgebrochen  bie  bom  ÄatfyoIiciämuS  berfdjtebene 
Orientierung  ber  grömmigfeit  berbor,  inbem  e§  ficb.  für  Sut^er  barum  fyanbelt,  baj?  er 
aU  ©ünber  bie  Vergebung  ©otte3  unb  bie  berfönlia)e  ©emeinfcfyaft  mit  il)m  felbft  ge=  30 
tomne.  infolge  beffen  ift  ifym  aucb.  bie  ©nabe  nicfyt  mef)r  etma§  im  -Dcenfctien,  nicb,t  eine 
qualitas  animi,  um  benjßert  menfcbjicfyer  2Ber!e  ju  ftetgern,  fonbern  favor  dei —  ut 
omnis  qui  credit  in  Christum,  habeat  deum  propitium  (Confut.  rat.  Latom. 
1521  25531  8,  6  opp.  var.  arg.  5,  489).  £>iefe  ©nabe  toirb  burcb,  ben  ©lauben,  ber 
toieberum  donum  dei  ift,  abbergtyiert  unb  fie  nimmt  ben  SJcenfdjen  ganj  unb  gar  auf  35 
in  bie  §ulbe  (SSorrebe  ju  SHö),  toenngleicb.  er  mittelft  be3  donum  ober  be3  ©Iauben§ 
nur  erft  anhebt,  bie  ©ünbe  ju  töten.  $Da  aber  bieje§  ©nabenberfyälini§  bauernb  bie 
©runblage  alter  grömmigleit  bilbet  unb  bilben  mufj,  ift  für  merita  !ein  Raum  meb,r. 
^nfotoett  eine  ©erecf)tigieit  borfyanben  ift,  gilt:  aliena  iustifia  (sc.  Christi)  omnes 
fiunt  iusti  (ju  ©a  2,  16).  33on  ben  guten  Sßerren  aber  gilt:  „bieSBerle  berbienen  nicfyt  40 
ben  §immel,  fonbern  ttneberumb  ber  Fimmel,  au$  lauter  ©naben  gegeben,  tb,ut  bie  guten 
Sßerle  bal)in,  olm  ©efucb,  be§  33erbienfte<3,  nur  bem  Rieften  ju  Ru£  unb  ©ott  ju 
Gieren,  big  baft  ber  Setctmam  aucb.  bon©ünben,  %ob  unb  §öHe  erlöfet  merbe"  (@2l  7-, 
174).  ©ine  jufammenfjängenbe  SDarftellung  unb  föritif  ber  fcfyolaftifcfyen  SBerbtenftlefyre 
giebt  ber  grofee  Kommentar  ju  ©a  (@2t  I,  183  ff.).  & 

<&§  ift  3JieIand)tt) on  trefflieb,  gelungen,  fotoofyl  Sutb, er§  ^ritif  ber  römifcb,en  3Serbienft= 
leb,re,  toie  feine  bofitibe  2lnficbt  in  ber  Conf.  Aug.  unb  2lbologie  au§jufbrecb, en  unb  gegen  bie 
Confut.  §u  berteibigen.  Sie  §aubtfteUe  ift  Apol.  p.  62,  17  ff.,  too  er  bor  allem  aufbeeft,  mie 
im  fatbolifcfyen  ©t)fteme  Sb,rifti  Seiftung  nur  für  ben  ©mbfang  ber  prima  gratia  in  Betraft 
fomme(bgI.  nod)  90,41),  mie  nicf)t6fagenb  bie  Untertreibung  eines  meritum  congrui  50 
unb  condigni  fei,  unb  meldte  Folgerungen  ficb.  barauS  ergeben,  bafe  man  über  ben  Befi§ 
be§  ©naben=habitus  leine  ©etoipeit  §ahe.  SSgL  140,  260 f.,  tt>o  er  bie  gratia  aU 
misericordia  dei  erga  nos  erllärt  unb  enblicb.  art.  4  ber  C.  A.,  l»o  bie  reforma= 
torifcb,e  Recb.tfertigungoleb.re  in  if;rem  ©egenfa|e  jum  23erbienftgeban!en  au§gefbrocf)en  ift 
(ebenfo  Art.  Smalc.  II,  1  bon  £utb.er  felbft).  2öo  bie  Reinheit  biefeS  2lrti!efö  bon  55 
ber  Rechtfertigung  berfef)rt  lt)irb,  ba  finbet  ftet§  eine  2lnnäb.erung  an  bie  römifebe  vi^er= 
bienftleb,re  ftatt  (bgl.  bie  Dualer  93b  XVI  ©.  376).  Sefte^t  lein  3JZenfcb.  bor  ©Ott  auf 
©runb  feiner  merita,  fo  tonnen  erft  recfyt  rtic&t  bie  merita  eines  SRenfcfien  (^eiligen) 
anberen  ju  gute  lommen  unb  für  fie  ein  ©runb  ibrcS  ©ottbertrauenö  toerben.  SDieö 
füb,rt  5)celan(|tb.on  Apol.  225,  Uff.  auS,   um  art.  2i  ber  C.  A.  gegen  bie  Confutatio  go 


508  SBerbtettft  Serfaffnng 

ju  berteibigen.  ^n  biefem  gufammenfyange  unb  ©egenfaije  wirb  fyier  tüte  an  anbeten 
©teilen  ber  Segriff  meritum,  berbunben  mit  satisfacere,  auf  ©bjiftt  Serfölmung3toerf 
angetoenbet  unb  bie  Rechtfertigung  al3  gurecljnung  feiner  Serbienfte  beftimmt,  befonberS 
n.  19:  Christi  merita  nobis  donantur,  ut  iusti  reputemur  fiducia  meritorum 
5  Christi,  quum  in  eum  credimus,  tanquam  propria  merita  haberemus.  (Sbenfo 
brücft  ficb  Sutber  felbft  au§  (bgl.  Äöftlin,  £utr,er§  Geologie  II2,  ©.  160  f.).  @3  bare 
aber  ein  SDtißberftänbniä  ju  meinen,  baß  hiermit  aueb,  ba§  im  Serbienftbegrtffe  auggebrücfte 
RecfytSberfyältniä  jmtfcb.en  bem  9Jtenfcfren  unb  ©ott  borauggefettf  Werbe.  Slllerbingö  ift  e§ 
bie  SReinung  ber  Reformatoren,   baß   bie  Serföljmung  ber  28elt  nic6,t  ob,ne  jWifct)en  ein= 

io  tretenbe  satisfactio  ftattfinbe.  Stber  e§  ift  bocb,  eben  ©ott,  ber  fte  in  (Sljriftug  befdjafft 
unb  bamit  am  b,errücr)ften  feine  ©nabe  unb  Siebe  offenbart.  Unb  barum  ift  e§  eineSara= 
bojie,  Wenn  es>  I)eißt,  baß  Wir  gleichkam  mit  eigenem  Serbienfte  bor  ©ott  treten,  eine 
ebenfolcr)e  ^arabope,  al3  Wenn  $aulu§  ben  ©ünber  gerechtfertigt  werben  läfst.  ®ie 
Terminologie  erflärt  ficb,  au§  ber  Solennf  gegen  ben  Äatf)olici3mu§,  unb   ift   bar)er  nur 

15  für  fie  brauchbar.  SDie  broteftanttfcfye  Drtr)oborje  b,at  aber  ben  Segriff  in  bie  SDogmatif 
aufgenommen.  S£t)bifcb,  §oßa^  (examen  p.  836) :  satisfactio  antecedit,  meritum 
consequitur.  —  Satisfactio  Christi  est  exsolutio  nostrorum  debitorum  —  me- 
ritum autem  oritur  ex  impletione  legis  et  passione  indebita.  —  Merito  autem 
suo  nobis  iustitiam  et  salutem  aeternam  acquisivit.   Sßofyl  mag  bei  biefer  Sfteorie 

20  ba3  ©nabenbeWußtfein  unoerlürjt  befielen  bleiben,  aber  e§  bat  mit  tb,r  fein  eigene^ 
Recfyt  jWeifelfyaft  gemalt.  3)enn  e§  fcfjeint  nun  bocb,  fo,  al§  befiele  ba§  Söefen  ber  ÜReIi= 
gion  im  „Serbienen",  nur  baß  ihm  6r)riftu3  bertretunglweife  bie  nötigen  merita  für 
bie  9Jienfcr}en  befclwfft  b,at.  SDaljer  foHte  berSegriff  meritum  aud)  an  biefer  ©teile  aus 
ber  ebangelifcfyen  SDogmatif  berfcfywinben,  Wäfjrenb   e§  fid)  mit  bem  Segriffe  ber  satis- 

25  f actio,  ber  bie  ©ünbe  boraugfetjt,  anberg  berfy  alt. 

10.  2lud)  in  ber  neueren  @tbjl  ift  ber  Segriff  Serbienft  meb,rfac^  befbrocr) en  Worben. 
$ant  fiel)t  in  bem  „Serbienft"  einen  unrechtmäßigen  5Rebenbub,ler  ber  Sßflicfyt,  bie  bie 
einige  ^riebfeber  be§  fittlicben  §anbeln§  fein  foll,  bgl.  $ritif  ber  bralt.  Sernunft  ed. 
^ebjbacb,  ©.  103 f.  ©.  186 ff.:  „2Benn  mir  irgenb  etWa§ ©d)metd>el&afteg  bom  Serbienft* 

30  liefert  in  unfere  ^anblung  bringen  lönnen,  bann  ift  bie  Sriebfeber  fcfyon  mit  Eigenliebe 
etroa§  bermifcr)t,  t)at  alfo  einige  Seiljmlfe  bon  ber  ©eite  ber  ©innlicb,feit"  (©.  190). 
Sßäfyrenb  bagegen  ^ßaulfen  für  bie  bulgäre  @tb,  il  bon  bflieb,  tmäßigen  §anblungen  berbienft= 
Iid)e  unterfcfyetbet  unb  barin  ftet;  ber  fatf)oltfcr) en  ©tfyif  bewußt  annähert,  finbet  ©tange,  baß 
biefe  Untertreibung  nur  für  eine  t>eteronomifd)e  @tb,il  juläffig  fei,  infofern  ba  ber  ©efe^geber 

35  ©ebote  unb  Ratfcbjäge  nacb.  ©utbünfen  abftufe.  ©r  beutet  ben  SLfyatbeftanb,  auf  meinem  bie 
bulgäre  Unterfcfyeibung  einer  geWölmlicr)en  unb  außergewöhnlichen  ©ittlidjleit  beruht,  mitüRetf)t 
bab,in,  baß  rtiebt  eine  bon  ber  5ßflicf)t  berfdjiebene  Rorrn  gefyanbfyabt,  fonbern  bie  in  bem 
befonberen  ?yatle  I)erbortretenbe  fittlidje  £etftung3fäl)igfeit  be§  §anbelnben  mit  feinem 
fonftigen  §anbeln  ober  mit  bem  anberer  berglicfyen  roerbe  (@inl.  in  bie  @tb,il  II,  90—98). 

40  greilieb,  müßte  bann  aueb,  ber  Sluöbrucf  be§  Serbienftlicb.en  Einfallen,  ber  ftet§  auf  eine 
etb,ifc|e  Seurteilung  fübjt,  bie  über  bie  Sflic^t  b,inau3  ein  ^öljeref  lennt.  .ganbelt  e§ 
fid)  b,ier  um  Serbienft  im  engeren  ©inne,  fo  liegt  bod?  ber  gefamten  Serbienftlefyre,  befonber^ 
in  ber  !atb,olifd;en  ©eftalt,  ber  etl)ifcr/e Mangel  ^u  ©runbe,  baß  baS  SBefen  bei  ©ittlicb,en 
in  bie  einzelne  ^anblung  gefegt,  bagegen  bie  Sebeutung  ber  ©efinnung  al§  ber  ftetigen 

45  Richtung  be§  berfönlicfyen  ®illen§  bollftänbig  berlannt  mirb.  Senn  aueb.  bie  eingegoffenen 
SEugenben  bejeic^nen  im  latbolifdbert  ©^fteme  nur  Gräfte,  bie  ber  freie  2BiHe  be§  9Jcenfcb,  en 
ftcb,  bienftbar  unb  nu^bar  machen  muß,  unb  nid;t  eine  ©inneäroeife.  ©o  treten  gerabe 
am  Serbienftbegriffe  bie  religiöfen  unb  etf)ifcb,en  Mängel  ber  Eat^olifc^en  Denltoeife  offen 
3U  Xage.  So^anneS  Simse. 

so  Serehte,  Itrdjltdje,  f.  bie  2131.  9Jciffion,  innere,  3JJiffion  unter  ben  Reiben, 
gjciffion  unter  ben  ^uben  Sb  XIII  ©.  90ff.,  Sruberfcb,  af  ten  Sb  III  ©.  434, 
SiuSbereine  Sb  XV  ©.  464ff. 

^erfoffung,  lireb,  licfie,  unb  rucbjidjeg  Recb,t  im  1.  unb  2.^abr^unbert. — 
Sitteratur:  ©.  Q.^iancf,  ©efd).  b.  <f)rift.  fircöl. ©efeCffct)aftSöerfaffung,  5  S3be,  1803 ff.;  9?.3{otl)e, 
55  S)ie  Anfänge  b.  djriftl.  Ätrctie,  1837;  ^.  33.  ßtgfjtfoot,  „The  Christian  ministry",  in  feinem  Somm. 
ptn  q3£)iltpperbrief,  1873;  31.  £arnacf,  ®ie  ßt^re  ber  12  Styoftel,  1884;  (£.  §atd),  ©eieHftf|aft§= 
»erfaff.  b.  Sird)e  im  SUtertum  (überf.  ö.  2t.  ^arnac!),  1886,  ba*u  im  Expositor  J887,  'Kai; 
®.  Söning,    Sie  ©emeinbetierfaff.  be§  Urctjrtftent.,    1889;    g.  SBeigfäcter,    ?tpoftoI.  Zeitalter2, 


aScrfaffung  509 

1892;  3t.  ©nbm,  f  irctienved)t  I,  1892;  28.  Sa&J,  2et)rfr;frem  be§  KtrdiettredjtS  unb  ber  Sircf,en= 
poltttC  I,  1894;  g.  JJemUe,  Les  origines  de  l'episcopat,  1894;  S)unin=33orfottȤft,  HJ.,  S)ie 
neueren  gforfdjuncjen  über  bte  Anfänge  beS  (SpiffopatS,  1900  [t)ter  eine  Bollftänbige  Ueberfid)t 
Ü6er  bie  neuere  ©pejidlitteratuv] ;  £.  SSruberS,  ®ie  SSerfaff.  b.  Sirdje  bi§  j.  3.  175  n.  kt)\\, 
1904;  Jl.  Sübecf,  3ieid)Seintethmg  unb  tird)lid)e  £ierard)ie  bee  Orients  bis  jttm  9lu§gang  beS  5 
4.  Safjrt).,  1901;  9(.  £mrnacf,  ®ie  SMiffion  unb  9luSbreitung  beS  ©IjriftentumS  in  ben  brei 
erften  ^1%,  2.  9lufl.,  1906;  3i.  Änopf,  ®a§  nad)apoftolifd)e  geitalter,  1905;  $.  31.  Seber, 
3)ie  Siafonen  ber  33ifd)öfe  unb  $reSbrjter,  1905.  Saju  bte  Slrtifet  „OrbineS",  „©eiftlidje", 
„^riefter",  „©trnoben"  u.  a.  in  tiefer  (£ncl)flopäbie,  ferner  bie  einfd)Iagenben  SSerfe  öon 
$>infd)tu§,  grtebberg,  $robft  u.  f.  ro.  '  10 

2luf  feinem  anberen  ©ebiete  ber  $ircb>ngefcf;icf;te  ift  ber  ©egenfafci  ber  fonfeffioneHen 
unb  ber  gefd)id)tltdjen  Betrachtung  fo  grofj,  rote  auf  bem  ber  älteften  Berfaffungsgefcfjicfyte 
ber  £ircf>e  unb  bes  fird)lid)en  9ted)ts\  9kd)  fatfyolifdjer  2ef)re  b>t  gfjriftus  bte  Äirdt>e  ge= 
ftiftet,  if/r  betrug  jum  £autot  gefegt,  an  betrug  einen  regterenben  2tboftoIat  angefd)loffen, 
ber  fid;  in  bem  (Sptffobat  ebenfo  fortfe^en  feilte,  Wie  ber  Primat  in  ben  Nachfolgern  bes  15 
$etrus,  unb  ben  Unterfcf/ieb  bon  Hierum  unb  Saien  ab§  funbamental  angeorbnet.  2lud) 
bie  ganje  übrige  Äirdjenberfaffung,  rote  fie  fyeute  beftebt,  Wirb  auf  (Sb>iftu3  felbft  jurücfgefüfjrt, 
unb  nur  barüber  giebt  es  eine  untergeorbnete  £ontroberfe,  Wie  biel  er  babon  bireft  unb 
toäfyrenb  feiner  irbifdjen  Sebens^eit  befohlen,  wie  biel  er  al<§  ©rr)ö^ter  in  ben  40  klagen 
feinet  33erfel)rs  mit  ben  Jüngern  angeorbnet  i)at,  unb  Was  bie  Stpoftel  bann  noa),  bon  20 
feinem  ©eifte  geleitet,  hinzugefügt  fyaben.  ^ebenfalls  fyat  er  bie  $ird)e  als  regnum 
externum,  auggerüftet  mit  einer  ungeheuren  3ted;tsgeWaIt,  bie  ifyre  SBurjel  am  ü8tnbe= 
unb  £öfefcblüffel  b>t,  geftiftet,  unb  bie  flerifalen  ^ombeten^en  gelten  auf  ifm  prüct.  @r 
fyat  ber  Äirdje  bas  Stecht  unb  bie  $fltd;t  uniberfaler  9Jtiffion  anbertraut  unb  if)r  eben 
bamit  bie  (Snben  ber  @rbe  jum  (Eigentum  übergeben,  unb  er  r)at  if;r  unb  tfyren  23e=  25 
fd)lüffen  in  ber  33erf/eiftung,  bafj  er  buref;  feinen  ©eift  bei  tlr)r  fein  Werbe  alle  SEage,  Un= 
feblbarfeit  berliefyen:  bie  &ircf)e  ift  fo  ben  Weltlichen  9teicb^en  ber  ©egenWart  unb  ber 
3u!unft  jroar  als  ein  regnum  sui  generis,  aber  bod)  als  ein  Sfteitf;  entgegengestellt,  bem 
gegenüber  bie  5Red)te,  bie  ifmen  noeb;  bcrbleiben,  nur  ben  befdjeibenften  Umfang  r/aben 
fönnen.  30 

3lber  aueb^  nao)  altbroteftantifcb^er  fiebere  ift  bie  $ird)e  eine  abficb^tlic^e  unb  birefte 
Stiftung  @I)rifti,  unb,  obgleich  bie  fat()oIifcf;e  3luffaffung  einfr^neibenb  forrigiert  ift,  werben 
bod)  —  im  §aIbini<§mu<B  unb  in  einem  £eile  be§  Sutf)ertumg  —  bebeutenbe  tr/eoiratifcr;e 
unb  flerüale  Elemente,  roenn  auo)  latent,  fonferbiert. 

SBeibe  Betrachtungen  f/aben  bie  ganje  (SntroicfeIung§gefdc;idt)te  be§  aboftolifcb^en  35 
unb  naa)atooftoIifcr;en  3eita^er^  SeSen  täi  uno  fluf^erbem  fielen  unb  fallen  fie  mit 
ber  grage  ber  ©efdjicfytücf/feit  einiger  neuteftamentlicb^er  ©teilen  (namenlicb^  im 
Sbangelium  be§  9Kattfyäu§).  ©ieb^t  man  bon  ib^nen  ab  —  unb  nao)  allen  ^Regeln 
geftt)ic|)tlicb;er  Rx'tixt  ift  man  baju  gejtoungen  — ,  fo  ift  jebeS  birefte  äußere  SSanb 
jtoifcfjen  Qefuä  unb  ber  ,,^ircf;e"  unb  ifyren  toerbenben  Drbnungen  gerfde; nitten.  Übrig  40 
bleibt  ba§  innere  geiftige  Banb,  aud;  wenn  QefuS  bie  ^ircf;e  Weber  geftiftet  noef)  aua) 
gewollt  l;at.  Übrig  bleibt  natürlich  aueb^  bie  ^atfad)e,  bafj  eö  eben  feine  ©dualer  unb 
©laubigen  geWefen  finb,  bie  bie  Äircb/e  gebilbet  f)aben,  unb  baf?  er  3it)ölf  bon  ib^nen  al§ 
Verbreiter  feiner  fiebere  unb  atö  fünftige  Nieter  über  bie  ^Wb'lfftä'mme  eingefe^t  b^at. 
Sllleö  aber,  totö  Wirflicf)  geworben  ift,  ift  md)t  aus  einem  im  boraus  gefaxten  ^ßlane  45 
entftanben,  fonbern  ift  unter  ben  gegebenen  geitoer^ältniffen  automattfef;  b^erausgeWaa^fen 
au§  ber  brüberlicb;en  ©emeinfcfyaft  bon  3Jcenfcfjen,  bie  burd)  ^efus  ©ott  gefunben  Ratten, 
bie  fia)  barum  bom  ©eifte  ©ottes  regiert  Wußten  unb  bie,  in  ber  jübifcfyen  ^b^eofratie 
fteb^enb,  an  bie  BerWirflicljung  berfelben  bureb^  ^efus  glaubten  unb  bafür  ifyr  Seben  ein= 
festen,  ©ott  gefunben  Ratten  —  in  ber  jübifef/en  %t) eofratie  ftanben :  eine  in  fiel)  ber=  50 
jtt)lungene  buale  (SntWicfelung  muffte  bie  golge  fein!  3n  Dem  ©amenforn  ober  biel= 
mefyr  in  ©amenforn  unb  gelb  jufammen  War  boef;  niebt  nur  ein  bie  2Renfd;^eit 
umfbannenber,  in  ber  g-urcfyt  ©ottee  atmenber  Bruberbunb,  fonbern  auef;  fc^on  jene 
Hircjte  borgebilbet,  Wie  fie  fiel)  im  $atr;olicismus  entwickelt  §at  unb  bon  ifym  als  ur= 
fbrünglicfje  borgefteUt  Wirb.  55 

Unter  ben  berfcfyiebenen  fritifcfjen  Sluffaffungen  ber  @ntwicfelungsgefd;icl;te  ber  fircf)= 
lio)en  Berfaffung  unb  bes  fircf)lic()en  9?ecf;ts,  Welche  im  legten  Qa^rbunbert  borgetragen 
toorben  finb,  ragt  bie  bon  ©or)m  bura;  bie  richtige  ffißab^l  beä  2lusgangsbunfts  unb  buref; 
Äonfequenj  b^bor.  ©ie  bezeichnet  gugleicf;  ben  benfbar  fd;ärfften  ©egenfa^  jur  fatf;o= 
lifd^en  Sluffaffung  („bie  ©ntfteb^ung  bes  Äird;enred)ts  unb  ber  üireb/enberfaffung  ift  ber  60 
Slbfatl  bon  bem  bon  ^efus  felbft  gewollten   unb   urfbrünglicf;   berWtrflidjten  ßuftanb"). 


510  aScrfoffttng 

Db  fie  faltbar  ift,   mirb  bie  folgenbe  SDarfteßung,  bie  ftreng  anatytifcb,  berfaljren  mirb, 
geigen. 

1.  ^efuS  Ijat,   na^bem  er   guerft  toter  ©djüler  gemonnen  fyatte,   einen  meiteren  unb 
einen  engeren  $retS  bon  3tnf)ängern  um  ficb,  gebammelt:   „Sie  ©cfyüler"  unb  „bte  gmölf 

5©cbjiüer"  (ober  „bte  gmölf").  ®ie  lederen  (bielleirfyt  aueb,  anbere?  bie  ©iebgig?)  fyat  er 
fcfyon  bei  Sebgeiten  einmal  auSgefanbt,  um  gu  torebigen  unb  gu  feilen  (bocfy  mirb  baS 
bon  einigen  «ritifem  beftritten).  2lber  ben  tarnen  „2lbofter  fyaben  fie  bielleicljt  nocb,  nicfyt 
bon  biefer  2IuSfenbung  erhalten,  bielmebj  mußten  fie  ficb,  felbft  erft  als  2tbofteI  unb 
mürben  als  folcfje  anerfannt,  nacfybem  fie  (guerft  VetruS)  ben  Sef)rer  unb  ©otteSfofyn  als 

10  fyimmlifdjen  £>erm  gefeiert  Ratten  unb  bon  iljm  burcfy  ben  bj(.  ©eift  bie  2lnmeifung  empfangen 
gu  l)aben  fic|  bemußt  mürben,  baS  Söort  bon  il)m  gu  bertünbigen.  üfteben  ib,nen  em= 
^fingen  aber  aueb,  nocb,  anbere  ©djwler  eine  folcfye  2lnmeifung.  @S  gab  alfo,  feitbem  fid^ 
bie  bureb,  bie  ^ßaffion  gerftreuten  2Infyänger  3>efu   mieber  in  3erufalem  gebammelt  Ratten, 

1.  „bie  3toölf"  —  „bie  @lf",  bie  ficb,   burd?  eine  üvtoaty  ergänzen  (21©  1,  15 f.)  — , 
15  bie  al§  ber  ©tamm  ber  2Inf)ängerfd)aft  galten  unb,  ba  fie  bon  &\u§  felbft  als  gufünftige 

Stegierer  im  9JcefftaSreicb,    eingefe^t  maren  (Duette  Q:  9Jct  19,28;  Sc  22,  28.  30),  aueb, 
fdjon  jefct  als  Regenten  ber  ©emeinbe  (unter  ber  gül)rung  beS  $etruS)  betrachtet  mürben, 

2.  bie  „2tboftel",  b.  f}.  bie  Sfttffionare,   gu  benen  aueb,  bie  gmölfe  gehörten  —  erft  aE= 
mäbjicb,  (bie  ^Betrachtung  beS  VauluS  ift  I)ter  mafyrfctjeinlicb,  bon  bebeutenbem  ©influß  ge= 

20  mefen)  entmicfelte  ficb,  ber  ^Begriff  ber  „gmölf  Slboftel"  unb  tilgte  im  Saufe  beS  2.  2>al>r= 
IjmnbertS  baS  ©ebäcljitniS  an  eine  größere  2IngaI)l  bon  2lbofteln  faft  gang  aus,  3.  bie 
übrigen,  b.  Ij>.  bie  „©cfyüler"  unb  „©cfyülerinnen"  (31©  9,  36 ;  @b.  ^etri  50),  borfyerrfdjenb 
©aliläer,  unter  benen  man  balb  „alte  ©d)üler"  befonberS  fjerborI)ob  (21©  21, 16),  unb 
aus  beren  3Jcitte  bon  2lnfang  an  ober  bocb,  fe^r  balb  bie  trüber  $efu  —  an  i^rer  ©biije 

25  ^afobuS  —  Ijierborragten  (21©  1,  14).  ®ie  gmölfe  maren  alfo  ^Regierer  (mefftanifc§) 
unb  SRifftonare  gugleicfy,  aber  ben  SReffiaSgläubigen  gegenüber  fußten  fie  rtid^t  bie 
2lutorität  bon  Sefyrern  geltenb  machen ;  benn  nur  einer  ift  Sefyrer  (9Jct  23,  8). 

2.  SDte  ©efamtbegetdmung  „bie  ©clmler"  fyat  fid)   nicfyt  lange  gehalten;    benn   fie 
lonnte  gegenüber  ber  2lnerlennung  ^efu  als  beS  9JceffiaS  nicb,t  befte^en,  toeil  fie  einerfeitg 

30  ju  menig,  anbererfeit^  jubiel  ju  befagen  festen  (fd)on  in  ber  ^Bejetc^nung  ol  jua&rjjal  xov 
kvq'lov  fyebt  fie  ficb,  felbft  auf),  ©ie  befagte  gu  menig,  meil  ber  2luferftanbene  nic^t 
mel)r  nur  ein  Sel)rer  unb  ^rojj^et,  aueb,  nicfyt  in  jeber^infid^t  nur  Messias  designatus 
mar;  fie  befagte  jubiel,  meil  fie  im  ©inne  berfönlicfyer  Qürtgerfcr)aft  ober  berufsmäßiger 
JJac^a^mung  be§  9)tafier3  berftanben  merben  mußte.    2luf  bie  §eibencfyriften  ift  fie  faum 

35  übergegangen,  unb  bereite  ^ßaulu§  b,at  fie  aU  ©efamtbejeic^nung  aUer  (Ebjiften  nidjt  ge= 
brauet  (mob,I  aber  bie  2lboftelgefcf)icl)te,  mag  bon  SBicfytigiett  ift).  2)er  3tame  „©cb^üler"  rebu= 
gierte  ftc^  aÖmäb,licl)  auf  bie  3roölf  unb  auf  folc^e,  bie  ben  §errn  noeb,  berfönlicb,  gefefyen 
Ratten.  ®a  er  aber  fpejiaUfiert  mürbe,  mürbe  er  feit  ber  gett  ber  Verfolgungen  aueb, 
folgen  erteilt,  bte  —  meil  ficb,  ßb,riftu§  bureb,  if>r  5Befenntni§  öffentlich  gu  ib,nen  belannt 

40  batte  unb  meil  fie  feine  Seiben  fortfe|ten,  alfo  feine  9iacb,af)mer  mürben  —  in  einem  fo 
engen  Verhältnis  ju  6b,riftuS  ftanben  mie  bie  einft  berfönlidb,  berufenen  jünger.  2Benn 
baneben  im  2.  ^a^ljunbert  bie  2lbologeten  ßb^riftum  mieber  ifyren  Seb,rer  unb  ficb,  unb 
bie  6f)riften  überb,au^>t  feine  ©cb;üler  nennen,  fo  ift  bas  für  ben  tecfynifdjen  ©ebraua)  beS 
3Borte§  ofme  jeben  Gelang.    ®a|   bamit  ba§  ältefte  Verhältnis,   mie  eS  ^mifcb,en  S^fuS 

45  unb  ben  früb,eften  Jüngern  beftanben  blatte,  mieber  aufzuleben  fcfjien,  ift  jufäUig  unb  nur 
fcb,einbar,  ba  aueb,  bie  Slbologeten  in  ib,m  bie  @rfcb,einung  eines  b,immlifcb,en  SSefenS  er= 
kannten.  ^Dagegen  finb  bie  bemußten  Verfuge  bon  Sßicpgfeit,  bie  nac|mtal§  gemalt 
morben  finb,  innerhalb  ber  größeren  ©emeinbe  ober  tb,r  gegenüber,  eine  ©rufetoe  bon 
,,©cb,ülern"  ju  fcb,affen,  bie  beSfyalb  bie  ©cb,üter  ^efu  finb,   meil  fie  feine  9Zacb,ab,mer  im 

so  ftrengen  ©inn  finb.  5Reben  ben  Äonfefforen  lommen  |ier  bie  manbewben  unb  brebigen= 
ben  2l§!eten  be§  2.  ^ab,rf)unbertS  unb  fobann  im  3.  bie  5Röncb,e  in  Vetradjt.  2lber  fc^on 
bor  ber  ©ntftebung  beS  ?[Röncb,tumS  b,at  ÜRobatian  feine  Reform  ber  Iatb,olifc^en  6b,riften= 
b^eit  bureb,  2Bieberbelebung  be§  ^Begriffs  beS  ©cb,ülerS  unb  9Jacb,  ab,  m  er  §  ßb,rifti  — freiließ 
in  feb,r  unjureicfyenber,  ja  fcb,mäcb,Iicb,er  SBeife  —  burcbjufe^en  berfucb,t.  Qmmerb,in  tommt 

55  in  bem  niemals  in  ber  ^irdjengefcfyidb, te  gang  er!ofcb,enen  ©ebanlen,  ^efuS  muffe  „©cb^üler" 
b,aben  unb  ber  ©cfmler  muffe  ber  9tacb,a|mer  ^efu  (im  Seben,  im  -ffiirlen  unb  im  Seiben) 
fein,  ein  uraltes  (Element  gum  2tuSbrucf ;  benn  nacb,  ben  ebangelifcb,en  Vericb,ten  fann  ba= 
rüber  fein  ^meifel  fein,  baß  QefuS  feine  ©cb,üler  nicf)t  nur  als  Sernenbe,  fonbern  in  unb 
mit  bem  Semen  als  feine  imitatores  b.  b,.  als  Vergicb,tenbe,  §elfenbe  unb  Seibenbe  ge= 

60  bad;t  b,at,  fo  gemiß  er  baneben  aueb,  einen  „brüten  Drben"  —  benn  granciSfuS  b,at  ib,n 


»erfoffttwg  511 

an  biefem  fünfte  ganj  richtig  berftanben  —  gelten  liefe.  $nbem  bie  ©efamtgemeinbe 
b.  f}.  bte  ßfyriftenbett,  bte  ©clbftbejeicbmmg  „bte  ©cfyüler"  aufgab,  fteigerte  fie  tfyr  reli= 
giöfeS  33etoufjtfein,  biSbenfierte  ftd;  aber  gugletd^  bon  ber  ftrengen  9iacfyal)mimg  ^efu. 
SDiefe  3Crt  ber  ©nttoicfelung  ber  ©efamtgemeinbe  ift  nur  ein  Spezialfall  il)rer  4>arafte= 
rtftifdjen  ©nttoicfelung  auf  allen  Sinien,  unb  eS  ift  fner  tote  überalt  bebeutfam,  bafj  $auluS  5 
an  biefem  ^Srojefe  befonberS  fräftig  beteiligt  ift.  SBenn  baS  Seben  im  ©eift,  toenn  ©laube, 
Siebe  unb  Hoffnung  bie  £aubtfact;e  ift,  fann  bte  generelle  Zumutung  be*  imitatio  nicbj 
mef)r  befielen.  Stamtt  fällt  bie  güngerfctwft  im  eigentlichen  ©inn.  ®en  ©etohm  l>at 
bie  bona  libertas  einerfettig  unb  bte  lircbjicb,  reglementierte  Soweit  anbererfettS. 

3.  3)ie  3toö"f'  b'e  2lt>ofiet  unb  bie  übrigen  (f.  sub  1)  ^ufammen  bilbeten  in  $eru=  10 
falem  bie  meffianifcbe  ©emembe  $efu.  ©ie  toaren  ein  föreiS  bon  $uben,  ber  ftct)  bon 
feinen  SSoIlSgenoffen  gunädbjt  nur  baburd;  ju  unterfcfyetben  fcfyien,  bajj  er  ben  fünftigen 
SDJeffiaS,  ben  alle  als  in  beS  §immelS  SBolfen  fommenb  erfelmten,  bereite  fannte  unb  feine 
balbige  Slntunft  beftimmt  ertoartete.  Slber  eben  biefeS  Moment  barg  eine  güHe  neuer  treibenber 
Gräfte  in  ficb, ;  benn  erftlicb,  entftanb  fo  ber  ©egenfatj  bon  „©laubigen"  unb  „Ungläubigen",  15 
ber  fiel;  nottoenbig  bis  jur  Sluflofung  jebeS  SanbeS  ^toifcfyen  beiben  teilen  fteigern  mufjte, 
jtoeitenS  gab  bte  (Erinnerung  an  „altes  baS,  toaS  ^efu€  geboten  blatte",  ben  ©injelnen 
unb  ber  ©emeinfcfyaft  beftimmte  Richtlinien,  bie  über  bie  bisherige  ©emeinfcfyaft  bjnauS= 
führten,  unb  brittenS  toeclte  „baS  Üntertofanb  beS  ©eifteS"  eine  l)eroifct;e  guberficfyt  unb 
^atfraft  unb  trieb  jur  SDtiffion.  20 

SDaS  ©elbftbetoufjtfein,  toelcbeS  bie  jugenblidjje  ©emeinbe  befafe,  fbiegelt  ftd;  in  ben 
©elbftbejeicbnungen.  Söäbrenb  fie  fiel;  als  „©aliläer",  „Sfaigaräer",  toofyl  aud)  als  „bte 
2lrmen"  bejeid)net  unb  berfbottet  borte,  nannte  fte  fid)  felbft  „baS  Soll  ©otteS",  „ben 
©amen  älbraljamS",  „baS  auSertoäfylte  SSoIl",  „bie  ©rtoäfylten",  „bie  jtoölf  ©tämme", 
„bie  Anette  ©otteS",  „bie  ©laubigen",  „bie  ^eiligen",  „bie  trüber",  „bte  lirebe  ©otteS"  25 
unb  nannte  il)re  ungläubigen  33olfSgenoffen,  toenn  fie  bartnäcftg  ber  ebangeltfcben  33ot= 
fd;aft  SBiberftanb  leifteten  unb  bie  ©laubigen  berfolgten,  „bie  ©bnagoge  beS  ©atan" 
$n  jenen  SSejeic^nungen  bringt  fie  jum  SluSbrucf,  bafj  fte  baS  Soll  im  SMfe  ift,  bem 
allein  alle  3Serb,eifeungen  gebühren;  bann  mar  eS  nur  eine  grage  ber  fttit,  bafj  biefe 
Gljriften  bie  nidjt  cbrtftgläubigen  ©tammeSgenoffen,  alfo  baS  gan^e  übrige  ^ubentum,  als  30 
jeber  $rärogatibe  berluftig,  ja  als  tb,ren  magren  ©egenfatj  anfeb^en  mußten. 

©ie   Sejeicljnungen    „bie  ©laubigen",    „bie  §eiligen",   „bie  trüber",   „bie  Kirche" 
(toob,l  auc^  fc|on  frü^e  „bie  b,eilige  SLirfye")  finb  btejenigen  getoefen,  meldte  an  bie  ©teile 
ber  Sejeic^nung  „bie  ©cfmler"  getreten  finb.    2lße  bier  finb  fct)on  im  ^wbentum  nacb,= 
toei§bar  (ju  „Srüber"  f.  21©  28,  21),   aber   toaren  bort  nur  bon  fefunbärer  Sebeutung  35 
getoefen. 

„^eilige"  nannten  fidj  bie  (Sb,riftgläubigen,  toeil  ^efu§  fieb,  für  fie  geheiligt  f>atte, 
toeil  fie  bureb,  bte  SLaufe  unb  ben  f)f.  ©eift  geheiligt  toaren  unb  fiel;  al§  ^eilige  unb 
^Xeilne^mer  ber  ^ufünftigen  §errlicb,feit  toufeten.  äln  ben  6I)ari$>men,  an  3Bunbern  unb 
3eicf;en  unb  an  ber  3Racb,t,  bie  ^Dämonen  auszutreiben,  befafeen  fte  bie  tl)atfäd;licl;e  unb  40 
finnenfäHige  ©etoä^r  ber  §eiligleit  (biefe  batte  fotoobj  einen  bingltcben  al§  aueb,  einen  perfön= 
Itcben  6b,  aralter ;  jum  erfteren  f.  1  Qto  7,  14  unb  im  allgemeinen  §.  Söeinel,  ®ie  2öir!ungen 
be§  ©eifte§  unb  ber  ©eifter  u.  f.  to.,  1899).  ®ie  Sejeidmung  b,at  fia)  als  ted^tttfd^e  big  jur 
montaniftifcb,en  ^rife  gehalten;  bann  berfcfytoinbet  fie  (aber  nur  aHmäfyücl;),  tauebt  aber 
in  33erfoIgung§jeiten  immer  toieber  auf.  ®afür  entftanben  ^eilige  ©tänbe  (9Jfärtt)rer,  45 
^onfefforen,  SlSfeten,  jule|t  —  im  Saufe  be§  3.  SafyrfyunbertS  —  and)  l)eilige  Sifcb^öfe;  bon 
ben  beiligen  Slbofteln  fpricf;t  fd;on  ber  @bb,eferbrief  3,  5),  unb  bie  {»eiligen  SJJittel 
(©aframente)  feboben  fieb,  immer  me^r  in  ben  3Sorbergrunb,  unter  beren  ftofetoeifem  @in= 
flufe  bie  ber  Heiligung  fefyr  bebürftigen  ©brtftert  immer  toieber  geheiligt  toerben.  5Ran 
toufete  fiel)  niebt  mefjr  als  b,eilig  im  ©inn  bon  berfönlicf)  rein  (33erfuo|>  D^obatianS  eine  50 
Äirc^e  bon  „Steinen"  berjuftetlen),  aber  man  befafe  ^eilige  3)tärtbrer,  beilige  2l§feten, 
^eilige  ^3riefter,  f)etlige  §anblungen,  ^eilige  ©Triften  unb  eine  ^eilige  Se^re. 

Safe  ber  9?ame  „Srüber"  fo  ftar!  in  ben  Sorbergrunb  trat,  ift  bte  golge  ber  3Ser= 
fünbtgung  ^efu  ($flt  23,  8).  @r  tourbe  nod)  geftetgert  bureb,  benSeifa^:  „intern  §errn", 
inxd)  bie  ^"fflfiw^fflfiwttS  °er  ganzen  93erbinbung  unter  ber  33ejeicb,nung:  rj  ädelq?ÖT)jg  55 
(1  $ßt2, 17;  5,9  unb  fonft)  unb  bureb,  baS  bon  Qefug  felbft  erteilte,  aber  boct>  nur 
jögernb  bertoertete  9tecf)t,  ib,n  felbft  unter  ben  trübem  mit  gu  begreifen  (5Rt  12,  4S; 
&Ö  8,  29).  ®er  Dtame  ift  fbäter  b.  t).  im  3.  ^afyrfyunbert  meb,r  unb  meb,r  jurüclgetreten 
(in  ber  ^rebigt  b,ielt  er  fiebj,  teils  toeil  bie  faltifcb,en  Serfyältniffe  ib,m  nic^t  mef)r  ent= 
(brauen  —  man  toar  lein  Sruberbunb   meb,r  — ,   teils  toeil  ber  begriff  fia)  unter  bem  60 


512  SScrfoffung 

©influfs  beS  ftoifcfyen  93ruberbegrtffg  berfladjte  (S£ertull.,  Apol.  39:  „fratres  etiam 
vestri  sumus  iure  naturae  matris  unius"),  teils  meil  er  nunmehr  ebenfo  für  be= 
fonbere  ©tänbe  in  ber  ßljiriftenfyeit  referbiert  mürbe  mie  ber  üftame  ^eilige:  ber  Jllerifer 
nannte  ben  ^lerifer,  ber  ^onfefjor  ben  Honfeffor,  ber  ^onfeffor  ben  Älerifer  „Sruber" 
5  ober  „$err  Sruber" 

©er  9came  „bie  5!ircl)e"  („Kahal")  mar  ber  glücflicbjte  ©riff,  ben  bie  Urgemeinbe 
auf  biefem  ©ebiet  ber  ©elbftbeäeic^nungen  getfyan  l>at  (bafj  er  auf  SgefuS  felbft  ^urücfgeb,t, 
ift  tro|  9Jlt  16,  18;  18,  17  menig  mafyrfcfjemlicl)).  ^auIuS  B,at  ifyn  fcfyon  borgefunben, 
unb  %toax  in  bem  Dreifachen  ©ebraucfye,  forcof)!  als  ©efamtbeseidjnung  ber  SI)riftgläubigen 

io  (31©  5,  11  guerft,  f.  auct)  12,  1:  oi  änd  rfjg  ixxlrjocag),  als  aucfy  im  ©inne  ber  @inje(= 
gemeinbe  (21©  8,  1 ;  ©a  1,  22)  unb  im  ©inne  ber  ^ufammenrunft  ber  ©emeinbe.  ©ie 
Urgemeinbe  b,at  ben  feierlichen  SluSbrucf,  ben  baS  ^ubentum  für  feine  gotteSbienftlidje 
©efamtfyeit  brauste,  übernommen  („Kahal"  —  in  ber  LXX  in  ber  Siegel  mit  exxkrjoia 
überfe|t  —  ift  bie  ©emeinbe  in   ifyrer  Se^iebung  ju  ©ott  unb   ift  bat)er  feierlicher  als 

15  baS  meb,r  profane  „Eda",  meines  bon  ben  LXX  ftetS  mit  owayooyr)  überfe^t  toorben 
ift.  ®ie  Sftejebtion  Don  ExxXrjaia  ift  alfo  ebenfo  gu  berftetjen  mie  bie  bon  „^Srael", 
„©amen  SlbrafyamS"  u.  f.  m.  Qm  praftifcfyen  ©ebraucf)  ber  bamaligen  geit  trat  bei  ben 
$uben  lxxlr\oia  toeit  hinter  ovvaycoyrj  jurüd,  unb  baS  mar  für  bie  GI)riften  fel)r  günftig). 
®er  bielfeitige  ©ebrauct)  jufammen  mit  ber  religiöfen  gärbung  —  bie  bon  ©ott  berufene 

20  ©emeinbe  —  fotoie  bie  Sftöglicbjett  ber  ^erfonifijierung  liefert  ben  Segriff  unb  baS  2Bort 
rafcfy  in  ben  Sorbergrunb  treten,  unb  ber  bermanbte  Segriff:  „6  Xaog"  !onnte  ficb,  ifem 
gegenüber  als  tectmifcfyer  rttd^t  galten,  ©ben  weil  man  bie  Sejeicfmung  „rj  ixxXrjoia" 
befafe,  mar  eS  unnötig,  ben  -Kamen  ,,f)  awaycoyt)"  §u  übernehmen,  ben  man  jmar  ntd)t 
ängftlicfy  freute  (f.  meine  Slnmerfung  gu  £ermaS,  sDknb.  11),  aber  bocf)  feiten  gebrauste. 

25  2öie  man  feine  blofje  ©djmle  war  (ben  Reifen  unb  ben  Slbofteln  gegenüber),  fo  aucb, 
leine  ©imagoge,  mie  bie  ber  Sibertiner  ober  ©ilicier.  9JJan  mar  eine  bon  ©ott  berufene, 
bom  ©eifte  regierte  ©emeinbe  b.  b.  ettoaS  gang  -JteueS,  aber  eben  bamit  bie  Serroirf= 
licfyung  bei  alten  3°ealS.  £>ie  Sefyaubtung  bei  (SbtbfyamuS  (haer.  30,  18),  baf?  getoiffe 
$subend)riften  ben  tarnen  ©bnagoge  auSfcfyüepcf)  (mit  Slbtoeifung  beS  Samens  „©lllefia") 

30  bei  ficb,  angemenbet  Ratten,  ift  entmeber  unrichtig  ober  begießt  fiel;  nur  auf  eine  fbätere 
graltion  bejibierter  unb  ber  großen  Äircfye  befonberS  feinblidjer  Jyubencfyriften. 

©aburd),  bafc  man  bie  Seseicfmung.  „©imagogc"  als  tecbnifcfye  ntd^t  übernahm, 
fjoben  ficb,  bie  ßfyrtften  auef)  terminologifc^  fcfyarf  bom  ^uodtwi"  unb  feinen  religiöfen 
Serfammlungen  (namentlicf)  in  ber  ®iafbora)  ab,  nacf;bem  bie  innere  Trennung  eingetreten 

35  mar.  2ll§  „^ircfye"  unb  als  „Äircfjen"  fjaben  bie  §eibencf)riften  bie  neue  Sieligion  bon 
Slnfang  an  fennen  gelernt.  Unter  biefem  Söort  (toie  unter  bem  Söort  „Srüber"  unb 
„^eilige")  bermocfyten  fie  ficb,  etroaS  ju  benfen,  menn  aucb,  nic^t  baS,  toaS  man  in 
^erufalem  barunter  berftanb.  ©in  autoritatibeS  ©lement  mar  urftorünglicl)  im  Segriff 
ber  Siirc^e  mct)t  gegeben;   aber  jebe  beifüge  ©röjje,  bie  ficb,  als  ibeal=reale  ©emeinfcfyaft 

40  giebt,  birgt  ein  foldjeS  bon  Slnfang  an  in  fic^:  fie  ift  „bor"  bem  ©injelnen;  fie  fyat  ib^re 
Ueberüeferungen  unb  Drbnungen,  ib,re  befonberen  Gräfte  unb  Drganifation.  ©iefe  finb 
autoritatib;  bagu:  fie  trägt  ben  ©injelnen  unb  berfid)ert  ib,m  gugleic^  ben  Sn^a^^  ^en 
fie  bezeugt.  ©<|on  5!JJt  18,  17  erfcb,eint  fogar  bie  ©injelgemeinbe  als  ritterliche  älutorität 
(f.  barüber  unten),  unb   1  %i  3,  15  Ijeifjt  eS :    olxog  fteov,   rjiiq   iazlv  exxirjola  &sov 

45  C&vzog,  ojvlog  xal  idgalco/xa  Tfjg  älrj'&eiag.  „Ecclesia  mater"  finbet  fiep  bann  in 
ber  Sitteratur  beS  2.  ^fl^^unbertS  öfters  (Tertull.  ad  mart.  1:  „domina  ecclesia 
mater").  2lm  mieb^tigften  aber  mürbe  es,  baf?  ^auluS  (mar  er  ber  erfte?)  eine  Sb,riftuS= 
®irtf)enfj)efulation  eröffnete,  ber  ^mar  bie  alte  SorfteHung  bom  @b,ebunbe  ©otteS  mit 
feinem  Solle  ju  ©runbe  liegt,  bie  aber  aucb,  jeitgefcb,icb,tlicb,e  SlonenborfteUungen  benu^en 

so  mufete  (ba  6b,riftuS  nicfyt  ©ott  felbft,  fonbern  ein  göttliches  2Sefen  mar),  gn  biefer  ©befu= 
lation  mürbe  bie  Äirdje  ein  l)immlifd)eS  unb  ein  irbifcb,eS  Sßefen  gugletct)  unb  fonnte  an 
allen  2luSfagen  teil  nehmen,  bie  man  über  ßfyriftuS  machte.  Sie  ^ircb,e  ift  im  §immel; 
fie  ift  bor  ber  Söelt  gefcb, äffen;  fie  ift  bie  @ba  be§  l)immlifcb,en  Stbam;  fie  ift  bie  Sraut 
ßbjifti,  ber  £eib  Sltrifti;  fie  ift  gemiffermafjen  ßb^riftuS  felbft,  mit  ib,m  unb  an  ib,m  bom 

65  §immel  in  biefer  ©nbjeit  erfefnenen.  SöaS  Xertullian  in  bie  SSorte  gefaxt  §at:  „In 
uno  et  altero  Christus  est,  ecclesia  vero  Christus,  ergo  cum  te  ad  fratrum 
genua  protendis,  Christum  contreetas,  Christum  exoras"  (de  paenit.  10),  biefeS 
^neinanber  erb^abenfter  @infacb,l)eit  unb  auSfdjmetfenber  9)ct)ftil,  baS  bat  man  mit  größerer 
ober  geringerer  Älarfyeit  in  ben  meiteften  Greifen  unb  faft  bon  Slnfang  an  fo  borgeftettt. 

60  ©s  mar  tröftlid),  es  mar  eine  ernfte  Serbflicf>tung,  unb  es  mar  ein  überfcfymenglicfyer  ©e= 


Schaffung  513 

banf  e  bolt  f)immlifcr)er  Kraft :  ber  ßfyrift  fyat  aU  2Jfttglieb  ber  Kircfye  nicbj  nur  fein  33ürger= 
red^>t  im  §immel,  fonbern  ifi  aucb,  ein  ©lieb  am  Seibe  Gl)riftt;  aber  aucb,  bie  93erant= 
mortung  mucf)g  bamtt,  unb  bie  ftral)Ienbe  Krone  tonnte  and)  eine  furchtbare  Saft  fein. 

Sie  fonfrete  3Ratur  ber  ©emeinfcf/aft  fam  in  ber  xoivcovia  (tecr/nifd? :  f.  21©  2,42 
unb  ©a  2,  9)  unb  in  ben  gemeinfcfyaftlicfyen  3Ka^tjeiten  §um  2Iugbru<£  £)ie  xoivwvia  s 
muß  ficb,  über  ben  ganjen  Sereicb,  beg  Sebeng  erftrecft  I)aben  unb  machte  bie  Sejeidmung 
„adelcpoi"  jur  SBa|rl)ett;  bie  gemeinfcfyaftlidjicn  TOafyljetten  befiegelten  biefeg  33er^ältni€. 
£araug  aber  folgt  meiter,  baß  unbefd)abet  beg  2tnfefyeng  unb  ber  befonberen  3te^te  ber 
groölf  unb  anberer  ©eiftträger  ibeeU  bei  ber  ixxXrjoia  bie  ©emalt  lag,  unb  eine  gemiffe 
©leid)£>cit  aller  9flitglieber  gefyerrfcfyt  fyaben  muß.  sJZä§ereg  miffen  mir  nicb/t,  aber  aug  io 
31©  15  ergiebt  fiel),  baß  in  großen  Sebengfragen  bei  ber  exxXrjola  (im  herein  mit  ben 
ßtr-ölfen  refp.  ben  2tbofteIn)  bie  ©ntfctjeibung  lag.  2Bte  babei  bie  „©imobe"  b.  i).  bie 
große  ©emetnbeberfammlung  (b.  fy.  eben  bie  exxXtjoia  in  einheitlicher  unb  afttber  SDar= 
fteßung,  fef)r  irrefüfyrenb  „Jfyofteltonzil"  genannt)  gu  beurteilen  ift,  ob  fie  regelmäßig 
jufammentrat,  mie  ficb,  innerhalb  biefer  ,,©r/nobe"  bie  Kompetenzen  ber  2tboftel  (beg  15 
betrug)  bejro.  beg  $afobug  be^ro.  ber  $regbt>ter  abgrenzen,  enblia)  ob  bie  jerufalemifdje 
„oimobe"  all  ftetige  (Sinrictjtuttg  borbüblidb,  geroefen  ift  für  bie  fyeibencfyriftlicfyen 
„Sr/noben"  (b.  i).  urfbrünglicb,  bie  folennen  23erfammtungen  jeber  einzelnen  ©emeinbe), 
toiffen  mir  nid^t  fidler.  Söenn  bie  gormein,  bie  Sufag  brauet  (15,  22:  Böge  xölg 
anooxoXoig  xal  xölg  JiQeaßvxsqoig  ovv  oXr]  zfj  IxxXrjoiq  unb  33.  28 :  edog~ev  reo  nvev-  20 
/uazi  xc5  äyiq)  xal  f]fxiv),  richtig  unb  genau  finb,  fo  fungierte  bie  ©r/nobe  fo, '  baß  fie 
ftcb,  babei  all  Drgan  beg  1)1.  ©eifteg  mußte  (alfo  Ünfefylbarleit!).  SDer  9Jcobu3  mar 
biefer,  baß  bie  Sltooftel  unb  ^3regbr/ter  ficb,  befonberg  äußerten  bejm.  borfcfylugen,  unb  bie 
©emeinbe  (tö  nkrj&os:  21©  4,  32;  6,  2.  5;  15,  12.  30  [in  2Intiod>ia] ;  [21,  22];  feb/lt 
bei  $aulug)  juftimmte  ober  ablehnte.  25 

4.  Sefyrer  unb  ©djüler  (toenn  aucb,  bag  33eroußtfein  um  biefeg  33erb,ältni§  immer 
meljr  abnahm)  —  eine  anfangt  faft  familienfyaft  jufammenlebenbe  ©emeinbe  —  bag 
toabje  &xad,  in  beffen  SJtttte  ber  §err  bemnädbjt  erfreuten  mirb  unb  bem  atte  Steckte 
unb  Drbnungen  beg  23ol!eg  ©otteg  julommen  —  eine  r/tmmlifcr)e  ©emeinfefjaft,  bie  nur 
für  eine  xurje  ©banne  ftzxt  in  biefem  2ion  erfebjenen  ift:  aUeg  bag  mogte  bon  2lnfang  30 
an  ineinanber.  SRetdjer  unb  fomplijierter  auggeftattet  ift  roofyl  nie  in  ber  9?eIigion^= 
gefd)id)te  eine  neue  ©emeinfe^aft  aufgetreten!  2tucb;  bie  9tecb,t§bilbung,  bie  fofort  eintrat, 
geigt  fcfyon  in  tf>ren  embryonalen  ©tabien  bie  fompli^iertefte  2lnlage.  SDie  ältefte  ©emeinbe 
toußte  ficb,  noeb,  ate  jübtfctje  b.  b,.  fie  empfanb  ficb,  an  bie  2tutorität  be§  ©efe^e§  unb  aller 
jeitgefc£)icf)tlicb,er  Drbnungen,  bie  mit  ib,m  jufammenb,ingen,  gebunben;  aber  im  Konflilt^faße  35 
fab,  fie  fid)  genötigt,  fid)  ber  2lutorität  be§  jerufalemifcb,en  ©ericb,täb,of§  ^u  ent^ieb,en 
(31©  5,  29:  TieiS-aQxeTv  dsT  ßecö  fxäXXov  fj  äv&gcoTioig) ;  benn  fie  mußte  ben  Söcifungen 
beg  ,,©eifte§"  unb  ben  ©eboten  ^efu  unbebingten  ©eI)orfam  leiften.  Qn  un^  m^  ^efer 
jtoeiten  unb  brüten  2tutorität  neben  bem  21SE  unb  ben  väterlichen  Drbnungen  mar  ferner 
noeb,  eine  2lutorität  ber  3^blfe  unter  ber  güfyrung  beö  betrug  al§  Selber  unb  5Regiercr  40 
gegeben  (f.  0.  sub  1),  unb  biefe  muß  aueb,  in  bem  9iecr;t  biefer  3WD^fe  auf  folenne 
©ünbenbergebung  —  unbefd)abet  be§  allgemeinen  StedjitS)  unb  ber  allgemeinen  ?fift\d)t  ber 
Sünbent-ergebung  —  hervorgetreten  fein  (9Jct  16,  19;  18,  18;  ^o  20,  23).  ®iefe  ©e= 
toalt,  an  unb  für  ficb,  nid)t  rechtlicher  5Jatur,  mürbe  boa)  ju  einer  förmlichen  richterlichen 
gunhion.  2Iu§  ber  bun!len  ©efdb;i4)te  21©  5,  1  ff.  (2tnama§  unb  ©abbfura)  läßt  ficb,  mit  45 
95ab,rfcb,einlicb,!eit  entnehmen,  baß  betrug  atö  §aubt  ber  3WÖIf  ©trafgemalt  ausgeübt 
bejw.  ben  ©trafboKjug  beg  „©eifteö"  bewirft  $at  („©roße  gurcb,t"  in  ber  ©emeinbe, 
31©  5,  11).  2lber  aueb)  bie  ©emeinbe  felbft  lonnte  ©trafgemalt  ausüben  big  jum  33ann, 
toenn  bie  brüberltdt)e  33ermab,nung  unter  toter  2lugen  unb  bann  bor  ,3euSen  ntc^tl  ge= 
fruchtet  b/itte  (biefer  ^nftan^en^ug  Wt  18,  15ff. ;  er  feb, ließt:  emöv  rfj  ixxXrjolq'  iäv  de  50 
xal  xfjg  sxxXt]aiag  naQaxovorj,  k'oxco  oot  ojojisq  6  l&vixög  xol  6  xeXcovtjg).  Üieben 
biefen  2lutoritäten,  beren  ^ufämmentoirfen  unl  bunlel  ift  unb  unter  benen  @tn3elne 
(betrug,  ^ob^anneä)  noeb,  eine  befonbere  9toHe  fbielten,  gemannen  fd)ließlicb,  noeb,  bie  33er= 
toanbten  ^efu  aU  23ermanbte,  bor  allem  QafobuS,  eine  gemiffe  2lutorttät  (f.  u.). 

©ie  Xrangformation  ber  ^ubenftrcfye  unb  ©^nagoge  in  bie  ©fllefia  ©otteö  belaftete  55 
unb  feftigte  bie  cb/riftlicfje  ©emeinbe  bon  2lnfang  an  unb  gab  ib,r  9tecr/t3orbnungen. 
9tecb,tgorbnungen  ermucljfen  it)r  aber  aueb,  au§  ber  Überzeugung,  bie  meffianifdb,e  ©emeinbe 
ber  ©nbjeit  ju  fein ;  benn  als  foleb,  e  mußte  fie  ficb,  rein  unb  b,  eiltg  erhalten,  mag  le£tlicb, 
nur  bureb,  ©trafen  unb  33ann  gefdj»ef)en  tonnte,  ©nblicb,  mußte  fie  neue  2ebeng=  b.  b,. 
9tecb,tgorbnungen  augbilben,  meil  fie  bag  gefamte  Seben  unb  Renten  ib,rer  ©laubigen  fo=  60 

8teoI=®ncörro|)äble  für  Ideologie  unb  SUrdje.    3.  a.  XX.  ;J3 


514  aSctfoffuttg 

mie  baS  gefeßfcfyaftlicfye  SSerr/ältniS  berfelben  jueinanber  mit  33efd)lag  belegte  urtb  alles 
einer  neuen  unb  feften  Drbnung,  aucb,  in  öfonomifdjer  §inficf;t,  ju  unterwerfen  fuc^te. 
%üx  bie  neuen  £ebettSorbnungen  fotlte  bie  in  ber  gamilte  fyerrfcfyenbe  Srüberlicfyfeit  als 
bie  ber  mefftanifcfyen  geit  am  meifien  entfbrecfyenbe  £ebenSform  borbilblid)  fein;  aber  man 
5  mürbe  fid),  mie  unfre  2tnbeutungen  geigen,  ein  falfcfyeS  SBilb  bon  ben  guftänben  ber  ©e= 
meinbe  Don  Igerufalem  in  ben  erfien  Igafyren  machen,  mcnn  man  fie  ficb,  ettoa  mie  einen 
SSerein  fommuniftifd)er  Dualer  borfteßen  mollte.  (StmaS  babon  unb  bon  einem  fanften 
bneumaiifd)en  2lnarcl)tSmuS  mar  allcrbingS  mof)l  borf)anben;  aber  mit  ü)m  fonfurrierten 
bie  gemaltigen,  recfytSbilbenben  Gräfte   ber  jübifc^en  Drbmmgen,   ferner  baS   in  ber  23er= 

10  roirificfmng  begriffene  meffianifct/e  SieidjiSibeal,  meiter  bie  ^ßrärogatibe  ber  „ßmölf"  unb  bie 
©emalt  ber  unfehlbaren  ©emeinbe.  ©aju :  ju  ber  Stutorität  beS  21SS  trat  bie  älutorität  ber 
§ermmorte,  benen  man  ©ebot  um  ©ebot  entnahm.  ©aS  toaren  aUeS  abfolute  2lutori= 
täten,  bie  bie  freie  23emegung  beS  (Einzelnen  unb  aucb,  bie  ©elbfiftänbigfeit  unb  ,,©Ieio)= 
fyeit"  in  engen  ©renken  gelten. 

15  5.  2lußer  ben  gmölfen  unb  ben  2lbofteIn  gab  eS  aber  an  ber  «Seite  ber  legieren 
bon  früher  Qeit  r)er  in  ber  ©emeinbe  and)  noct)  berufsmäßige  *ßrobl)eten  unb  £eb,rer 
(nid)t  bon  2tnfang  an;  3iefu<§  fagt:  %l)x  foHt  eucf;  nicfyt  fiefyrer  Reißen  laffen).  SBann 
unb  mie  bie  SriaS  entftanben  ift,  miffen  mir  ntcfyt.  Dirne  2lnlefmung  an  Qübtfct)eg  mirb 
fie  ftdt)  nidjt  entmidelt  b,aben  (-JcafyereS  f.  in  meiner  2tuSgabe  ber  „2lboftelleI)re"  unb  in 

20  meiner  SJciffionSgefcfncfyte  P,  ©.  267  ff.).  ^SauIuS  fagt  1  Ro  12,  28:  ovg  juh  e&exo  ö 
fiebg  Iv  xfj  IxxXrjaiq  tiqcöxov  djiooxoXovg,  öevxeqöv  7iQO(prjxag,  xgixov  diöaoxdXovg 
(bgl.  @bf>  4,  11  unb  bie  „2lboftellef)re").  ©iefe  brei  ©tänbe  bilben  eine  @inl)eit,  meil 
fie  alle  mit  bem  XaXslv  xov  Xöyov  xov  ftsov  betraut  finb.  yizbm  ben  2ttoofteIn  als 
SJliffionaren  mit  befonberen  ©tanbeSbflidjten  —  je  jmei  manbern  jufammen,  f.  5Rc  6,  7 ; 

25  £c  10,  1;  ^ßetruS  unb  QofyanneS;  93arnabaS  unb  ^ßauluS;  CJubaS  unb  ©tlaS);  SarnabaS 
unb  ÜJiarfuS;  ^auIuS  unb  ©ilaS;  XimotljeuS  unb  ©ilaS  (2t©  17,  14);  SimotljeuS  unb 
©raft  (19,  22);  baß  ^auluS  mefyr  unb  meb,r  als  ©injelner  miffioniert,  ift  für  feine  ©onber= 
fteüung  cr/arafteriftifd)  —  ftefyen  bie  ^ßrobfyeten.  ©ie  finb  teils  in  einer  einzelnen  ©e= 
meinbe  mtrffam,  teils  ger/en  fie  aucb,  in  anbere  ©emetnben  (3Rt  10,  41;  21©  11,  27ff.; 

30  21,  10)  unb  fyaben  ebenfalls  ib,re  ©tanbeSbflidjten.  ©ie  £ef)rer  fcf/einen  an  einen  Ort 
gebunben  gemefen  gu  fein,  fo  baß  bie  ^3robl)e^en  gmifcljen  ifnien  unb  ben  2lbofteln  eine 
SiJlittelfteEung  einnehmen  (2lboftel  unb  ^robf)eten  in  ber  2lbofteIleb,re  c.  11  unb  fonft; 
^robfyeten  unb  £el)rer  1.  c.  15;  21©  13,  lf.  unb  fonft).  ßb,ariSmatifcr;e  ^erfonen  finb 
fie   alle,    b.  i).  \i)t  Seruf  ruf>t   auf    einer  ©eifteSmitteilung   unb   gilt  ibeeU  ber  ganzen 

35  tircfye.  2lber  ber  d;artSmatifd)e  S^araftcr  fdjließt  nic^t  aus,  baß  i^r  5Ranbat  bon  ber 
©emeinbe  anerfannt  bejm.  erbrobt  fein  muß.  2lud)  ber  2lboftel  fdjeint  für  jeben  9JliffionS= 
gug  einen  befonberen  2luftrag  nötig  gehabt  ju  b,aben.  @rlifd)t  ber  Auftrag,  fo  ift  er 
„£ef)rer"  bejm.  „^ßrobb.et"  —  fo  fd)eint  eS  menigftenS  am  2lnfang  gemefen  gu  fein, 
©treng  genommen  ift  erSlboftel  aud)  nur  für  bie,  für  bie  er  ein  SDtanbat  embfangen  b,at 

40  (f.  1  J^o  9,2;    ©a  2 ;    ?Rö   11,   1:):    änooiolr]    xfjg  jisQnojufjg,    ißvcöv    änooxolog. 
Älaffifclje  ©teile  21©  13,  lf. :   tjoav  er  'Avxtoydq  xaxä    xrjv  ovoav    exxXrioiav   tiqo- 
(pfjxai  xal  diddaxaXoi  (folgen  fünf  tarnen,  unter  ib,nen  SßarnabaS  unb  ©auluS).   Xei- 
xovgyovvxcov  de  avx&v  xcp  xvqico  xal    vrjoxevovxwv    emev    xö    nvev/ua    xb    äyiov 
äcpoQLoaxe  d)']  /uoi  xov  Bagvdßav    xal    JEavXov  eig  xb  Eoyov  o  ?i()ooxsxXf]/uai  av- 

45  xovg '  xoxs  vr]oxsvoavxeg  xal  Jigooev^djuevoi  xal  im&evxeg  xäg  %siQag  avxolg 
änüvaav.  ^m  llnterfdpieb  bon  ber  üblichen  ©jegefe  bin  icb,  geneigt,  als  ©ubjeft  §u 
XeixovQyovvxa>v  etc.  bie  antioc£)enifcr/e  ©emeinbe  ju  fubblieren.  ©d)roffe  ©ubjelts= 
mec^fel  finb  bei  £ufaS  feb,r  häufig,  unb  33amabaS  unb  ^auluS  lönnen  fia)  bocb, 
nid}t  felbft  auSgefonbert  fjaben.    Über  bie  ©ef<fnd)te  ber  2lboftel,  Sßrobfyeten  unb   £eb,rer 

so  f.  unten. 

6.  ©ie  Seftellung  jum  SDienft  an  ber  ©emeinbe  erfolgte  nad)  borb,ergeb,enbem  ©ebet 
unb  gaften  burcf»  ^anbauflegung  (21©  6,  6;  13,  3;  1  SU,  14;  2  %x  1,  6;  1  %\5,  22). 
2öie  man  ju  if)r  fam,  braucht  man  nid)t  ju  fragen,  ba  eS  ficb,  um  bie  Fortführung  eines 
fübifcfyen  ^RituS  ^anbelt.    ©aß  man  in  ber  ^anbauflegung  bie  33erleil)ung  beS  jum  2lmte 

55  nötigen  6b,ariSmaS  faf)  —  nidjt  bloß  einen  fr/mboIifd)en  2lft  — ,  ift  auS  ben  Simotb,euS= 
fteHen  beutlict/,  unb  baß  biefe  erft  eine  fbätere  23orfteUung  auSbrüden,  ift  unmafyrfdjieinlid). 
©ie  ^anbauflegung  mar  alfo  gemiß  „falramental" ;  aber  meldte  beibehaltenen  ober  neu 
gefcfyaffenen  Sitten  maren  in  einer  ©emeinbe  nicfyt  falramental,  bie  ben  fieb,  finnenfällig 
bet^ätigenben  \) eiligen  ©eift  in  ib,rer  9ftitte  ^atte?    ^ur  §anbauflegung  maren  bie  gmölf 

eo  berechtigt  (f.  21©  6,  6,  mo  ber  fd;roffe  ©ubjeftsmecbjel   bemerfensmert),    aber  aua)  bie 


»erfaffung  515 

ginjelgemeinbe,  bie  bie  £anbauflegung  burcb,  ibre  ^reSbr/ter  bottgog  (1  %i  4,  14),  ferner 
bie  2lboftel  unb  berufsmäßigen  9Jüffionare  (1  %i  5,  22 ;  2  %i  1,  6) ;  aud)  formten  2lboftel 
unb  ©emeinbe  jufammenmirfen.  3Bte  alt  bte  33orftellung  bon  ber  Übertragung  ber 
2tmtSgemalt  beS  DrbinatorS  auf  ben  Drbtnanben  unb  ber  ©ebanfe  ber  ©ucceffion  tft, 
toiffen  hur  nid)t.  5 

7.  Über  bie  Stellung  ber  9Jcutterfircr)e  $erufalem  im  Greife  ber  jübifd)en  %'6ä)Ux- 
gemeinben  ift  eS  nicfyt  leidet  ein  Urteil  gu  geminnen,  weil  bte  3<*&Jl  ber  einfebjagenben 
älteften  QueßenfteHen  fbärlicb,  ift,  meil  man  ntcfyt  tt>et§,  ob  man  jüngere  ©teilen  bter 
Ijerbeigieben  barf  unb  meil  man  ferner  unterfdjeiben  fann,  toaS  ber  ©emeinbe  in  ^erufalem 
als  3eruMcm  uno  ^aS  tyx  a^  ©i|  oer  .Stoölfe  (atf°  eigentlich,  nur  biefen)  gebührt.  Vor  10 
Übertreibungen  mufj  man  ftcb,  jebenfaHS  brüten;  benn  an  mehreren  ©teilen,  too  man  bie 
(irmäfmung  ber  ©emeinbe  bon  3>etufalem  ermarten  müfjte,  menn  tt)re  Vebeutung  eine  fo 
burcbjctilagenbe  unb  abforbtibe  getnefen  märe,  finbet  man  ganj  unbefangen  bte  ©emeinben 
bon  Subäa  genannt  (f.  ©a  1,  22;  1  2b,  2,  14;  21©  11,  1.  29;  15,  1).  VauluS  nennt 
baS  „obere"  ^erufalem  „unfere  Sftuiter"  (©a  4,  26),  nicfyt  aber  bie  ©emeinbe  bon  $eru=  15 
falem,  unb  bie  33ebaubtung,  ber  9?ame  ol  äyioi  fyabt  in  fbejiftfdjer  2ßeife  an  biefer  ©e= 
meinbe  gehaftet,  läfjt  fiel;  niebt  galten,  2lnbererfeitS  tft  $erufalem  ben  baläftinenftfeben 
Triften  „bie  Ejetltge  ©tabt"  (9JU4,  5;  27,  53),  unb  eS  lag  in  natürlichen  33erf)ältntffen 
begrünbet,  baf?  bie  ©emeinbe  bafelbft  als  baS  eigentliche  Zentrum  unb  als  2luSgangS= 
bunft  ber  6b,riftenb,eit  angefefyen  mürbe  (aueb  bon  VauluS).  Sie  auffadenbe  Konfirmation  20 
ber  famarttanifef/en  ©emeinben  burcb,  «JktruS  unb  ^ofjanneS  fyat  nichts  mit  ber  Sebeutung 
^erufalemS  ju  tl)un,  fonbern  ift  baS  dnbe  einer  Kontroberfe  über  bte  ©amariterbefebrung, 
beren  Stecht,  mie  bie  ©bangelien  geigen,  juerft  umftritten  mar  unb  bie  aueb  ntcb,t  bon 
einem  ber  3toölfe,  fonbern  bon  einem  bellenifttfcfyen  ©iebenmann  unternommen  morben 
ift.  Sagegen  bleibt  eS  bebeutfam,  bafs  bte  Kirche  bon  ^etufalem  ben  SarnabaS  entfenbet,  25 
um  bie  fyetbencfyrtftlidje  ©cfyöbfung  in  2tntiocr/ia  ju  lontroöieren  (21©  11,  22  f.),  bafs  ©ilaS 
unb  ^ubaS  borten  gefanbt  merben  (2t©  15,  22.  32  f.),  bafc  ipetruS  borten  gellt 
(®a  2,  11)  unb  2lbgefanbte  beS  ^afobuS  (©a  2,  12),  ferner  bafs  aueb,  fonft  jerufalemifcbe 
Triften  (bie  vtieqUolv  cmöoroloi)  bte  ©iafbora  tontrollierten,  unb  enblid),  bafs  auf  bem 
fog.  2lboftel!onjtl  —  eine  fyöcbft  ungenaue  Sejeicbnung  —  bie  ©emeinbe  bon  ^erufalem  30 
augenfcbetnltcb  für  alle  jubäifeben  ©emeinben  bie  3SerbanbIungen  fül)rt.  SDamit  ift  baS 
Serbalten  beS  ^auluS  ^erufalem  gegenüber  ju  bergleicfyen,  niebt  nur  feine  ©orge  für  bie 
SoHelte,  fonbern  aueb,  feine  ©orge,  bie  2lnerfennung  ber  ©emeinbe  gu  erhalten,  ©emifs 
nabm  biefe  ©emeinbe  eine  ©onberfteKung  ein,  aber  bafs  bte  anberen  ©emeinben,  aueb,  bie 
QubäaS,  ibr  gegenüber  gang  unfelbftftänbtg  maren,  barf  man  nicfyt  fcbliefjen.  5Rerfmürbig  tft,  35 
bafs  bte  ßfSriften  in  ©altläa  fo  gang  gurücftreten.  @S  muffen  ftcb;  in  ©rtoartung  beS  (Eintritts 
beS  meffianifcb,en  ^Reic^S  in  ben  50  2agen  nacb,  Dftern  bte  meiften  in  $erufalem  gefammelt 
liaben.  2)ann  ift  bie  Überlieferung,  bafj  eS  120  maren,  ein  33eir>eis,  mie  menig  jablretcb, 
bie  entfebiebenen  2lnb,änger  ^efu  maren.  3U  ^en  S^ofeen  unb  rafer;  fieb,  folgenben  Über= 
gangen  in  ber  Urgefcb,icb, te  ber  ütrcfye,  bie  ftetS  eine  neue  ©bolutton  bebeuteten  unb  in  40 
aller  9teligton§gefcincl)te  einzigartig  finb,  gehört  als  erfter  ber  Übergang  bon  Kabernaum, 
6f)oraäm  unb  Setbfaiba  nacb  ^erufalem.  ©d)on  burc^i  tbn  riffen  2;rabitionen  ab  unb 
hmrben  Segenben  gefcb,gffen ;  benn  baS  tft  bie  unbermeibltct/e  golge  jebeS  9Secb,felS.  Kann 
man  ftcb  eine  JtärJere  Übermalung  benfen  als  bte,  meiere  in  ber  jubätfeben  ®inbbeits= 
gefebic^te  unb  in  ber  Serfetmng  ber  erfien  @rfcb,einungen  beS  @rt)öJ>ten  aus  ©aliläa  nacb,  46 
Qerufalem  gegeben  ift! 

8.  Sie  Slboftelgefcfücfyte  (c.  6)  ergäbt,  ba^  in  Qerufalem  nacb  einer  getoiffen  3eit 
angeblicb  auf  2lntrag  ber  3mölf  bon  ber  ©emeinbe  fieben  SUlänner  gemäblt  unb  bon  ben 
„2lbofteln"  gum  „®ienen  an  ben  ^ifeben"  beftellt  toorben  feien,  um  bie  Ilagen  ber 
§elleniften  (b.  b-  ber  in  ^erufalem  mobnenben  ©iafborajuben)  über  SSernacbläffigung  ibrer  50 
SBtttoen  bei  ben  Unterftü^ungen  p  befeittgen.  $Da  biefe  fieben  Männer  fämtltcb,  grieebifebe 
tarnen  tragen,  fo  gehörten  fie  mabrfc^einlicb,  felbft  gu  ben  ^eöeniften.  Söurben  fie  nur 
jur  Pflege  ber  belleniftifcben  Sßitmen  eingefe^t  ober  aUer  2Bttroen?  Ratten  bie  3mölf 
MSber  felbft  biefe  SL^ätigteit  ausgeübt  (bafe  ibre  Regierung  fieb  aueb,  auf  bie  öfonomifebe 
Sermaltung  bejog,  ift  bie  mabrfcbeinlicb  richtige  Meinung  beS  SufaS;  benn  bie  freimißigen  55 
©aben  merben  „ju  ibren  ^üfeen"  niebergelegt,  f.  21©  4,  35.  37)  ober  maebte  ftcb,  je|t 
erft  ein  befonberer  „Sifcbbtenft"  notmenbtg'^  SDiefe  fragen  bleiben  unbeantmortet ;  aber 
btel  embfinbltcber  als  biefe  Sütfe  ift  eS,  bafs  bie  ©ieben  als  „"Etfcbbiener"  fofort  mieber 
öerfebminben,  bagegen  einer  bon  ibnen,  „©tebbanuS"  als  großer  äBunbertbäter  unb  ^iS= 
butant  berbortritt,  ber   bie  erfte  Verfolgung  entfeffelt  unb  ber  erfte  ^Jtärtbw   mirb,   ein  60 


516  SSerfaffuttg 

cmberer  ebenfalll  all  Sßunbertb/äter  unb  all  Sltooftel  (©bangelift)  bal  ©bangelium  nacb, 
©amaria  unb  Vbjltftäa  trägt,  um  fid)  bann  —  tote  el  jctjemt  befinitiö  —  in  Gäfarea 
nieber^ulaffen  (31©  8,  40;  21,  8.  9).  Unter  foldjen  Umfiänben  i[t  el  ganj  unmöglich,  bie 
toirllicfye  sJJatur  bei  SImtl  biefer  ©leben  feftjufteßen  („SDtafonen"  im  fbäteren  ©inn  toaren 
5  fie  jebenfalll  nidjt ;  benn  ber  ©iafonat  ift  lein  felbftftänbigel  Slmt),  unb  ber  Kombination 
bleibt  ber  toeitefte  ©Kielraum ;  man  fann  „Vifd)bfe"  in  ifmen  feb/en,  aber  aucb,  bie  9Jiög= 
lidjfeit  befielt  unb  liegt  biet  näf)er,  in  ilmen  fyelleniftifcfye  Stibalen  ber  ßtoblfe  ju  erblicfen, 
bie  bie  Autorität  ber  gwölfe  letstlid)  nicfyt  erfd;üttert,  aber  bie  d)riftlid)e  ©acf;e  mächtig 
geförbert  fjaben,    toeil  fie  ficb.  im  (Seifte  %tfu  gegen  ben  Tempel  toanbten  unb  toeil  fie 

10  bie  ©amariter=  unb  ifyre  3lnb,änger  bie  £>eibenmiffton  begannen.  25iefe  Sluffaffung  fiat 
eine  getoiffe  ©tü|e  an  ber  merltoürbigen  Sfyatfadje,  bafj  bie  Don  ©tebfyanul  entfeffelte 
Verfolgung  bie  gtoölf  ™fy  betroffen  (31©  8,  1)  unb  bafj  fotool)!  Vaulul  all  aud;  bie 
jerufalemifdje  SLrabition  über  ©tebfyanul  gefcfytoiegen  t)at.    Non  liquet. 

9.  %lafy  einer  alten  gutbejeugten  Srabitton,  ju  ber  fid)  31©  12  fügt,  finb  bie  gtoölf 

15 12  ^ab,re  in  Q^ufo^m  berblteben;  bann  I)at  fie  bie  Verfolgung  bei  ^jerobel,  in  toelcfyer 
ber  3^ebäibe  Qalobul  fiel,  gerftreut,  unb  fie  finb  nur  nod)  jeittoeilig  nacb,  Qjerufalem 
gurüdgefel)rt.  ©d>on  borfyer  aber  Ratten  fie  bon  ^erufalem  aus»  in  lyubäa  all  -ütRiffionare 
gemalt  be^to.  bie  3)Uffion  anberer  lonfirmiert  (f.  Vetrul  unb  3ob,annel  in  ©amarien, 
sßeirul  in  Vfyilifiäa).    $n  Qerufalem  erfolgte  nun  eine  totale  Veränderung  ber  Verfaffung. 

20  3ln  bie  ©teile  ber  bal  SReffialreidj  im  boraul  barfteüenben  ^Regierung  ber  gtoölf  traten 
^alobul,  ber  Vruber  bei  §errn,  unb  Vrelbr/ter  (bie  Stboftelgefdjricfyte  marfiert  ben  Um= 
fc£)toung  ntd^t,  fe£t  ifm  aber  boraul,  f.  12,  17;  11,  30;  15,  2.  4.  6.  22.  23;  21,  18). 
Sie  Duelle  Q  nimmt  auf  biefen  Umformung  nirgenbl  3ftüdfid)t.  (Sr  bejeidmet  bie  erfte 
©eboten^ierung  bei  Vneumatifcf^SReffiamfcfyen  unb  ift  fcfytoerlid)  oljme  eine  tiefe  förifi!  er= 

25  folgt ;  aber  toir  toiffen  nic£)tl  9?äb,erel.  ©od?  ift  fobiel  getotfj,  baft  jeittoeife  nocb,  in 
Qerufalem  antoefenbe  9JUtgIieber  bei  gtoölferfollegiuml  (Vetrul  unb  3D^nneg) 
ib,re  Autorität  •nidjt  eingebüßt  Ratten  (©a  2;  31©  15;  in  31©  11, 30  ift  nur  bon 
ben  Vrelbtytem,  in  31©  15  bon  ben  Slbofteln  unb  Vrelbtytern,  in  31©  21  bon  ^alobul 
unb   ben  Vrelbr/tem  bie  3tebe).     3)ie    neue    Verfaffung    mufj    in    breifacfyer   $infid)t 

30  getoürbigt  toerben:  1.  läfjt  fie  bie  Vertoanbten  $efu  Ijerbortreten  (nad)  ^alobul'  Xobe 
tourbe  ber  Vetter  Qefu  ©tmeon  in  ^erufalem  getoäfylt  [nad;  Euseb.  II,  11  bon  ben  nocb, 
lebenben  Slbofteln,  ferner  bon  Jüngern  unb  Vertoanbten  2>eM;  au$  anbere  Vertoanbte 
$efu  traten  in  baläfttnenftfdjen  ©emeinben  an  bie  ©bt£e;  bie  Vertoanbten  $efu 
b,ei^en  decmoovvoi;   bie  alte   jubendjriftlidjie,    jerufalemifcl)e  Vifdiofllifte  mit  ib,ren  bielen 

35  tarnen  ift  btelleid)t  aud)  eine  Sifte  bon  Vertoanbten  ^efu ;  ^egefipb,  ^uliul  3lfrif.,  f.  Bafyn, 
gorfd;.  VI,  ©.  225 ff.);  2.  lä^t  fie  bal  bneumatifd)=meffiamfd;e  ©lement  berfd;toinben ; 
3.  fann  fie  nur  all  eine  9iad)bilbung  ber  fyerrfdjenben  jübifcfjen  Verfaffung  berftanben 
toerben  unb  bejetdjnet  alfo  ib,r  gegenüber  eine  fdjarfe  3lbfage.  §ier  ift  bemnacb,  im  Vergleich 
mit  bem  erften ßuftanbe  aü^  neu:  man  richtet  fid;  ein  unb  fucb,t  unb  regiert  natürlicb,= 

40  gefd)id)tlicfe,e  Drbnungen.  ©er  i-Mur!  auf  bie  Vertoanbten  Qefu  bejeid;net  unstoeifell^aft 
(minbeftenl  in  einer  §infid)t)  einen  @rfa|  ber  gtoblf,  mag  ber  ©runb  in  if)rem  allmäl»= 
lid;en  Slbfterben  ober  in  ber  aulfcf/Iiejjlicfyen  3lbofteltb|ätigleit,  ber  fie  fid;  nun  toibmeten, 
mag  er  baneben  nocf)  (ober  lebiglid)?)  in  unl  unbelannten  Vorgängen  unb  ©bannungen 
(man  Jönnte  bie  ©iebenmänner  all  bie  älteren  Slibalen  ber  3roo'f,  bie  Vertoanbten  ^efu 

45  all  bie  jüngeren  i-ftibalen  betrauten ;  aber  ^u  folgen  Vetrad)tungen  reidjen  bie  Quellen 
nid)t  fid>er  aul)  ober  lebiglicb,  in  einem  ftrtften  Verbot,  bal  ben  ßtoölfen  ben  Slufent^alt 
in  ^crufatem  unterfagte,  gelegen  fyaben.  ®afe-  man  aber  grabe  bie  Vertoanbten  $efu  in 
ben  Vorbergrunb  fd)ob,  iann  nid)t  nur  bie  golge  ber  §ocE)fd)ä£ung  bei  S^o^^  dM$ 
©eredjten")  unb  feine!  allgemeinen  3lnfel)enl   getoefen   fein,   fonbern    el   mufj   r)ter   bal 

50  9)Zotib  gefpielt  l)abmf  baj?  bie  natürliche  Vertoanbtfcb,aft  mit  Qeful  biefen  SDabibiben  ein 
3ted;t  auf  bie  Regierung  beriefe.  2öir  b,aben  f)ier  alfo  ben  ©ebanfen  bei  Gtyalifatl  ju 
erlennen ;  angefidit!  belfelben  ift  bie  balb  eintretenbe  ^fotierung  ber  Kircf)e  bon  ^erufalem 
unb  ber  g.  3.  £abrian!  erfolgenbe  Untergang  ber  3u^nlird;e  bafelbft  all  ein  ©lud  ju 
breifen.    ©ie  neue  Verfaffung  in  ^erufalem  mit  ^afobul  an  ber  ©bh)e  unb  Vrelb^tern 

55  —  3toölf?  f.  3al;n  ©.  297  not.  —  mufj  fo  berftanben  toerben,  bafe  Qalobul  bem  J&o^en= 
brkfter  entfbrid;t  (f.  £egefibb  bei  Euseb.  II,  23,  6:  xovrcp  /uovco  i£rjv  ek  ra  äyia 
[tcöv  äyiojv]  rfmevai)  unb  bie  ^3relbt)ter  bem  ©r/nebrium  (f.  ©teurer,  ©efd)icb,te  bei 
jüb.  Volfl  II3,  ©.  189  ff.  176  ff.).  Vielleicht  Ratten  bie  anberen  d;riftlicb,en  ©emeinben 
in  ^aläftina  bie  SUteftenberfaffung  fd;on   früher,   unb  bal  mag  aud;  auf  ^erufalem  ein= 

60  getoirft  l>aben.    Slber  ^afobul  all  Dberfter  ^atte   eine   einzigartige  ©tellung  über  allen. 


2krfaffung  517 

©ein  S^ron  mürbe  nod)  ju  @ufebiu§'  $eit  gegeigt  (h.  e.  VII,  19),  unb  aueb,  bie  f;eiben= 
d^riftltd^e  Überlieferung  (nicfyt  nur  Qubencfyriften)  nennen  if>rt  ben  erften,  Don  @f>riftu3 
felbft  unb  ben  2lbofteln(!)  eingefe^ten  Vifcfjof  bon  ^entfalem  (Euseb.,  I.e.).  Unjn)etfel= 
fiaft  übten  er  unb  feine  Stacfjfotger  eine  monarcfnfcfye  ©emalt  au§,  unb  bafs  er  ftatt  VeiruS 
im  §ebräerebangelium  als»  ber  erfte  erfcfyemt,  ber  ben  äluferftanbenen  gefefyen  b,at,  ift  ein  5 
fieberer  Verneig  bafür,  baf?  eine  Spannung  zmifcfyen  Vetrug  unb  ^afo&ug  beftanben  fyat,  bie 
für  meite  Greife  mit  ber  Überorbnung  beg  lederen  enbete  (fjatte  ftcb,  betrug  bittet  fein  ©intreten 
für  bie§eibenmiffion  bigfrebitiert  ?).  2tber  baf$  %at  obug  ben  £ttel  „Vifdmf "  geführt  ]f>at,  muft  man 
—  ba  ber  S£itel  im  Sereicb,  beg  ^ubentum§  rtict)t  borfommt  —  boc^>  ftarf  bejmeifeln,  obgleich, 
bie  f)eiben=  unb  jubend)riftlicb,e  SLrabition  ib,n  fo  nennen.  3)ie  Überfcf;menglicf)feiten  ber  io 
lederen  in  einer  fbäteren  Veriobe  (Hom.  unb  Recogn.)  finb  mit  Vorfielt  aufzunehmen, 
ftier  erfcfjeint  ^afobug  nicfyt  nur  alg  bon  (Sfyriftug  felbft  eingelegter  Vifcfmf,  fonbern  fein 
(tbiffobat  erftreeft  ftcb.  auef;  über  bie  gange  iübifcfye  ßbjiftenfyeit  unb,  ba  biefer  bie  §eiben= 
Triften  einberleibt  finb,  über  bie  gefamte  ßfyrifteufyeit.  Qafobug  ift  ber  §err  unb  Vifcfmf 
ber  ^eiligen  ßircfye  unb  ber  §err  unb  Vifctmf  ber  Vifcfyöfe  (Recogn.  IV,  35).  „@r  ift  i& 
ber  tyap\t  ber  ebionitifcfyen  $|antafte"  SDiefe  läf$t  bie  gmölfe  unb  betrug  frieblidE)  neben 
ihm  befielen  —  jene  bie  St^oftel  (SJtifftonare),  er  ber  Dberbifd)of  — ,  aber  aueb.  betrug, 
bag  .gaubt  ber  2tboftel,  ift  berbflic|tet,  bem  Dberbifcfyof  „^abjegbericfjte  über  feine  %f)ätig= 
feit  ju  fenben  unb  fiel)  feiner  prüfenben  Dberaufficfyt  ju  unterteilen"  (Recogn.  I,  17.  72; 
IX,  29;  Ep.  Petri  ad  Jacob.  1,  3;  Ep.  Clem.  ad  Jacob.  19;  Diamart.  Jac.  1—4;  20 
Hom.  I,  20;  XI,  35).  SDie  grage,  ob  er  Vifdmf  gefyeifjen  I)at,  ift  eine  relatib  unter= 
georbnete,  menn  eg  feftfteb,  t,  baft  er  alg  regierenber  9SJJonarcb,  gemattet  unb  minbefteng  bie 
Kompetenzen  befeffen  t)at,  bie  nad)malg  ber  monarct;ifcf)e  Vifctmf  auf  fyeibenctjriftlicfyem 
©ebiet  befafj.  ®er  ©ebanfe  unb  bie  VermirtTidjmng  eine?  monarct)ifct;en  2Imtg  ift  alfo 
auf  jubencbjtftlicfyem  ©ebiet  unb  in  S3egug  auf  $afobug  juerft  entftanben  (Sftt  16,  18  ift  25 
bielleidjtt  ein  ^ßroteft  ber  bem  ^afobug  nicfjt  porigen  baläftinenfifcfyen  (Et)riften  gegen  biefen; 
aber  bie  ©teile  fann  aueb,  anberg  berftanben  merben),  unb  eg  !ann  fefyr  mof)l  fein,  ja  eg 
ift  toabjfctjetnlicf),  baf?  bamit  etmag  mie  ein  Uniberfalebtffobat  (menn  aueb.  ofme  biefen 
tarnen)  ing  2luge  gefaxt  mar.  Slber  ob  bieg  auf  bag  f)eibert4>riftttct)e  ©ebiet  bjnüber= 
geroirft  unb  bort  bie  Vtlbung  beg  monarcfnfcfyen  ©toiffobatg  beförbert  I)at ,  ift  frag=  30 
lief)  (f.  u.).  Safe  man  aber  bag  Slmt  be§  3a^Dl&u^  n^t  nur  auf  e'ne  ©infe^ung  burcl; 
bie  2tyofteI,  fonbern  fogar  auf  eine  birefte  @infe|ung  Sf)rifti  gurücfgefübrt  fyat,  ift  ein  S3e= 
teeiö  bafür,  mag  in  jenen  geiten  an  Segenben  möglieb,  gemefen  ift.  ^»egefibp  (bei  Euseb., 
h.  e.  II,  23,  4)  fagt  freilief}  nod):  diab£%exai  %r]v  saxlrjoiav  fxetä  xcbv  änooToXeov 
'Idxcoßog,  aber  (Sufebiug  fcfyreibt  (§  1)  jiqös  rcöv  äjioaroltov,  unb  bie  @infe|ung  mirb  35 
möglicbjt  meit  b,inaufgefcf)oben,  bi§  jur  §immelf ab, rt  3«fw  (urfprünglicf)  ganj  allgemein: 
na$  ber  §immelfaf)rt).  Seiber  bermögen  mir  bie  micf)tige  grage,  ob  unb  in  welchem 
5)ia|e  eine  ^ftejebtion  im  ©inne  einer  förmlichen  Übertragung  ber  altteftamentlicf^en  5ßer= 
faffung§orbnungen  auf  bie  c^riftItdE3te  ©emeinbe  buref)  bie  neue  SBerfaffung  beabficb,tigt  mar, 
nicfyt  ju  beantmorten.  *o 

10.  Sie  SSerfaffung  ber  jubencf)riftlicf;en  ©emeinben  toeiter  noef;  ju  berfolgen,  erübrigt 
fief;  unb  ift  aucl;  bei  ber  ©bärlicbjeit  ber  Quellen  laum  möglid).  %n  ^erufalem  blieb 
ber  monarefnfeibe  „©biffobat"  befielen,  nacf;bem  bie  bortige  ©emeinbe  all  jubencbjiftlicfye 
erlogen  mar  unb  eine  b|eibencb,riftlicb,e  fid)  an  i^re  ©teile  ju  fe^en  begann.^  %n  Sejug 
auf  bie  (Sbioniten,  bie  er  Gilbert,  fagt  @toibfyamu§  (h.  30,  18) :  nQsoßvrsQovg  omoi  45 
eyovai  xal  ägxiovvayobyovg  (baju  ber  oben  befbroc|ene  3ufal:  ovvaycoyrjv  de  ovxoi 
xalovoi  xrjv  eavxcbv  ixxXrjoiav  xal  ovyi  EKxkrjOLav).  ^ntereffant  ift,  bafe  @bibf>aniu3 
fon  einer  jubencf)riftlicl)en  ©efte,  ben  ©Ifefaiten,  erjäljlt,  fie  berede  jtoei  ©cf;meftern,  2tb= 
fömmlinge  be§  ©tifterä  „ävxl  d-eebv",  <x>v  xal  xä  nxvojuaxa  xal  xä  alla  xov  oco/uaxog 
ov7irt  aTCEcpegovro  ngög  äU^rjaiv  voof]judxa)v  (h.  19,  2).  Sllfo  aueb,  i)'m  fbielt  bie  60 
leibliche  9Sertoanbtfcr)aft  eine  micfjtige  Stolle! 

11.  @§  ift  baraboj,  aber  boeb.  eine  2!f;atfacb.e,  bafe  bor  bem  großen  Kriege  nur  ftofc 
teeife  Verfolgungen  feiten§  ber  jübifcfyen  Dbrigfeit  unb  beö  jübifeb^en  VoIfe§  (ber  einzelnen 
Synagogen)  borgefommen  finb  (3Jtt  10  cum  parall.;  ^o  16,  2)  unb  bie  Drganifation 
ber  ©emeinben  fiel;  ju  beraubten  bermocf;te.  ®ie  in  c.  1—5  ber  Iboftelgefcbjcbje  er=  65 
jöftlten  Verfolgungen  ber  3»ölfe  blieben  noef)  of;ne  meitergeb.enbc  2Birfungen.  ®ie 
SteblmnuSberfolgung  galt  ntcljt  ben  2lbofteIn  unb  fann  baf)cr  aud)  nid;t  alle  jerufale= 
mifcf)en  (Stiften  au|er  ifmen  betroffen  fyabm  (gegen  21©  8,  1).  @rft  bie  Verfolgung 
unter  £erobe§  im  %  42  griff  fd)ärfer  ein;  aber  e«  gelang  bem  $afobu§,  beffen  ej;embla= 
rifcf)e  grömmigfeit  unb  ©efe^e^treue  auef;  bon  ben  Quben  bemunbert  mürbe,  bie  ©emeinben  60 


518  »erfoffung 

2serufalemS  unb  ^"^öag  bor  einer  $ataftrobr)e  ju  fcfyüisen  unb  tl)re  Drganifation  ju  er= 
galten.  SBenn  ba§  bäterlidje  ©efetj  treu  beobachtet  unb  ber  Sembel  remitiert  mürbe, 
fiel  ber  £>aubtanlaf3  ju  Verfolgungen  meg.  ©elbft  gegen  5ßaulu§  fcfyritt  man  in  $eru= 
falem  nur  ein,    meil    man   u)n    befajulbigte,   Reiben  in  ben  "Semmel  geführt  ju  ijaben 

5(21©  21,  27  ff.).  @ine  2tgitation  im  großen  ©tu  bon  3iemfalem  au§  0eSen  »k  a)rifi= 
Iicr)e  Vemegung  ift  bi§  ju  ber  geit,  ba  ^3aulu§  bie  ©labt  9iom  betrat,  nicfyt  unternommen 
morben  (21©  28,  21  f.)  —  bielleicr)t  meil  äufjerücb,  aße§  biet  unbebeutenber  mar,  als«  e§ 
un§  erfctjeint  (bafyer  aucfy  bal  ©d)toeigen  be§  3j0f^ug)  un^  bie  jübifdje  Dbrigteit  mit 
®u£enben  bon  ©eften  gu  fd)affen  Ijatte.    SDie  Einrichtung  be§  QatobuS  unb  ber  grofje 

10  förteg  beenbeten  biefen  guftanb.  2U3  Da§  SUDentum  uno  btö  jübifcfye  ßfyriftentum  fidj 
mieber  fammetten,  trat  jene§  biefem  als>  erbitterter  $einb  gegenüber.  3>uftin  er^lt  un3 
(Dialog  17),  bafc  bon  Serufalem  „ermcu)Ite  SUänner"  in  bie  ganje  SDiafbora  gefa)icft 
tborben  feien,  um  bie  ©Triften  al§  2ltb,eiften  unb  grebler  %a  benunjieren.  ©imeon,  ber 
9tod)foIger  be§  ^afobu§,   tourbe  ebenfalls  SRärtfyrer,  unb  23ar!ocb,ba   behängte  über  ba§ 

16  33efenntni<§  ju  gefug  bie  furcfytbarften  ©trafen  ($uftin,  Apol.  I,  31).  SDurcb,  bie  jtoeite 
gerftörung  $erufalem§  unter  §abrian  berlor  ba§  jübifct/e  ßbjtftentum  befinitib  feinen 
gentralfitj  unb  bamit  aller  SBafjrf^einlicfjIeit  nadj  aud)  bie  Centrale  ber  Drganifation. 
@§  gab  nunmehr  nur  nocb,  einzelne  ©emeinben  unb  ©rubben  bon  folgen. 

12.  2luf  ba§  fyeibendjriftlicr/e  ©ebiet  übergefyenb,   muffen   mir   einige  allgemeine  93e= 

20  merlungen  borau§fa)icfen.  A  priori  ift  gu  ermarten,  baf?  bie  ^omblijiertb,  eit  ber  ber= 
faffungibegrünbenben  (Elemente,  bie  fdjon  auf  jubencf)riftlicfyem  ©ebiet  bon  2lnfang  an 
grofj  mar,  I)ter  nod)  gefteigert  erfd) einen  toirb;  benn  birelt  ober  inbireft,  ftärfer  ober 
fdjmäd)er  mirfte  bon  jenem  ©ebiet  ba<§  meifte  auf  biefe3  hinüber,  aber  neue  Vebingungen 
traten  nocb.  tyinju.    5D?an  b,at  alfo  junäcfyft  für  bie  VerfaffungSgefcfyicfyte  ber  ^eibenfirdjen 

25  bai  meifte  bon  bem  in  2lnfa£  ju  bringen,  mag  in  Vejug  auf  bie  ber  $ubenfir$en  er= 
mittelt  toorben  ift.  SDa$u  !ommen  bie  befonberen  Drganifationen  in  bem  Stach, e:  bie  2Irt 
ber  ganülienorganifation,  bie  freien  Vereine,  bie  2Jtbfterien=  unb  ßultbereine,  bie  23er= 
faffung  ber  ©djulen,  bie  ©tabtberfaffung,  bie  ^robinjialberfaffung  unb  bie  Stacb^berfaffung. 
©ie  alle  muffen  bon   einem   beftimmten  fünfte  an  auf  bie  ^ircfyenberfaffung  eingemirft 

3of)aben;  benn  e§  ift  eine  unberbrücbjicfye  Siegel  ber  S3erfaffung§gefct}td)te  jeber  neu  auf= 
ftrebenben  unb  ftcr)  entmicfelnben  größeren  öffentlichen  ©emeinfdjaft ,  baft  fte  nia)t 
nur  ntct)t  inbifferent  bleiben  rann  gegenüber  ben  ©emeinfdjaften,  bie  fie  borfinbet, 
fonbern  bafe  fie  aud),  latent  ober  offen  mit  ifynen  ribalifierenb,  ib,nen  ein  (Element  naa^) 
bem  anberen  naa^bilbet  unb   bamit  jugleid)   ^u  entjiet;en  fudj)t.    2lber  aua)  bamit  finb 

35  bie  Vebingungen  noa)  nid)t  erfcr/öbft,  unter  benen  bie  ^eibenc^riftlic^e  föircfyettberfaffung 
fic^  gebilbet  t)at.  23ie(me^r  ftefyt  bei  bem  großen  Umfang  be§  Materials,  baö  mir  b,ier 
befi|en,  ju  ermarten,  ba^  \iä)  auf  biefem  Voben  ©bannungen  beutlic^)  beobachten  laffen 
merben,  bie  mir  auf  bem  jubencfjriftlicfyen  ntcr)t  ober  fo  gut  mie  nict)t  beobachtet  b,aben, 
meil  bie  GueKen   ju  fbärlicb,    finb.    2)a  ift  erftlic^  bie  ©bannung,  bie  in  ber  ©efcfyicfyte 

40  einer  jeben  größeren  Drganifation  eine  ungeheure  Stoße  f^ielt,  jmifc^en  einer  ©bolution 
bom  ©anjen  ^um  ^Eetl  unb  einer  ©ummation  ber  SEeile  jum  ©anjen.  S)a§  ©anje 
ift  immer  fc^on  borb,anben :  alfo  muffen  bie  "Seile  il)m  gegenüber  unfelbftftänbig  bleiben.  ®a§ 
©an^e  ift  anbererfeit§  VrobuÜ  ber  Seite:  alfo  lann  unb  foü  e§  nia)t  bielmeb,r  aU  eine  „^bee" 
fein.    3mtraI°r9antfation  unb  Solalorganifation   finb    in    ftetem  ©treit  miber  einanber, 

45  eben  meil  beibe  fid)  forbern ,  unb  ber  Sob  ber  einen  aucb,  ben  Verfall  ber  anberen  nacb. 
fict)  gießen  mu^.  9Jtan  !ann  bie  ganje  Verfaffungggefo)id)te  ber  5?irc^e  im  Stammen  be§ 
2öiberftreit§  biefer  beiben  3fRäct)te  jur  ©arftettung  bringen,  ©a  ift  jmeitenS  bie  ©bannung 
bon  „©eift"  unb  2lmt,  bon  g^ari§ma  unb  9ted)t<§orbnung,  bie  ©bannung  ber  ^neumatiler 
unb  ber  Veamten,  ber  toerfönlicfyen  Sräger  unb  Virtuofen  ber  Religion  etnerfeits  unb  ber 

so  berufsmäßigen  Ste^räfentanten  anbercrfeits.  ^ene  !önnen  ©biritualen,  Vrobtjeten,  2llleten, 
9Jlöncb,e,  aucb,  £eb,rer  unb  Sb,eoIogen  jein  unb  fyeifjen,  unb  biefe  Vreöbbter,  93ifd)öfe, 
©uberintenbenten,  ^äbfte.  ®ie  ©bannung  ift  le^tlicb,  immer  bie  gleite,  unb  ebenfo  ift 
e§  biefelbe  ©bannung,  bie  fiel)  in  bem  ©egenfa#  bon  ©eift  unb  Vudjftabe,  religiöfer 
greifet  unb  23efenntni§  augfbrieb.  t.    2lucb,  in  bem  Stammen  beg  2BiberftreitS  jmifd)en  ©eift 

55  unb  21mt  fann  bie  ganje  Verfaffung§gejd()ict)te  ber  SÜrcfye  jur  35arfteIIung  gebracht  merben. 

®a  ift  enblicb,  bie  ©bannung  bon  Saien   unb  &Ieru3,  bon  ©emolratie  unb  2lrifto!ratie 

(3JJonartt}ie),  bie  bielfacb,  mit  ber  borigen  berfd^Iungen,  boeb.  ib.re  befonbere  ©igenart  befi^t. 

2lb§  ©lemente,  bie  bon  2tnfang  an  afe  galtoren  ber  Drganifation  mirlfam  gemefen 

fein  muffen,  lann  man  1.  bie  Stutorität  ber  ©eiftträger  al§  XaXovvzeg  xbv  Xoyov  xov 

60&eov    (2lboftel,   ^ßrobf)eten    unb  Sebrer),    2.   bie  2Iutorität   ber  /,2llten"  gegenüber  ben 


»erfaff»«8  519 

„jungen",  3.  bte  2lbminiftrationS=  unb  ©refutibgetoalt  getoä^Iter  Beamten  unterfd)etben. 
<E)ie  erfien  gehören  bem  religiöfen  ©ebiet  im  eigentlichen  ©inne  an,  bte  ^Weiten  fyaben 
ifyr  gelb  in  ber  fittlid)en  ©r^ie^ung  unb  ber  SDiS^iblin,  bie  britten  in  ber  Sßerfoaltung 
unb  bon  einem  beftimmten  Momente  an  aud)  im  Kultus. 

gerner  ift  bei  Unterfud)ungen  über  ben  Urfbrung  altfird)lid)er  SJerfaffungSformen  5 
baran  ju  erinnern,  baß  eS  auf  jübifcfyem  unb  auf  gried;tfd)em  ©ebiet  einige  mistige 
Elemente  unb  formen  gab,  bie  fid)  fel)r  äJ>nltd^  waren  unb  fogar  im  Stiel  jufammen= 
trafen,  ferner  baß  eine  neue  ©etneinfd)aft  audj  fbontan  Drganifationen  unb  2lmter  I)erbor= 
bringt,  bie  mit  fd)on  bort)anbenen  fid)  beden.  Unter  folgen  Umftänben  ift  eS  tyäuftg 
nicf/t  möglich  mit  ©id)erl)ett  ju  jagen,  woI)er  bie  betreffenbe  6inrtd)tung  ge!ommen  ift,  10 
ob  fie  eine  Slnalogtebilbung  nad)  jübifd)em  ober  nad)  gried)ifd)em  SJtufter  War  ober  ob 
il)r  Originalität  ^ufommt. 

©nblid)  ift  baran  ju  erinnern,  baß  bei  gefd)idter  93el)anblung  bie  Quellen,  feien  fie 
aud)  nod;  fo  fbärlid),  auf  jebe  9tecl)tSfrage  Slnttoort  geben,  bte  man  an  fie  ftellt,  ba  man 
ja  aud)  if>r  ©d)toeigen  benutzen  fann  unb  ba$u  burcf)  formaüftifcfye  Kombinationen  unb  15 
SluSfbinnungen  immer  neues  SJcaterial  gu  gewinnen  bermag.  Slber  eben  biefe  SCftetfyobe, 
bie  Sobfeinbtn  ber  gefd)id>tSfritifd)en,  l)at  bereits  baS  größte  Unheil  auf  ben  ©ebieten  beS 
alten  Kird)enred)tS  unb  ber  urfbrünglicf/en  Ktrd;enberfaffung  angerichtet.  SBetbe  l)aben  burd) 
baS  3"öie(=2öiffen=3BoHen  (bgl.  3.  33.  bie  jüngfte  große  3Ronograbl)ie  bon  Seber,  1905) 
unb  bie  fanoniftifcfye  9JcetI)obe  mefyr  gelitten  als  burd)  oberflächliche  33el)anblung.  2tud)  20 
9tüdfd)lüffe  bon  fbäteren  ^uftänben  unb  Drbnungen  auf  bie  früfyeften  finb  auf  biefem 
©ebiet  nur  mit  großer  23orfid)t  geftattet;  baS  Stecht  ju  il)nen  ift  in  jebem  einzelnen  gaU, 
aud)  Wenn  eS  fid?  um  biefelben  termini  technici  fyanbelt,  erft  &u  erWeifen. 

13.  £>ie  cr)riftlid)en  ©emeinben  in  ber  ©iafbora,   bie  baulinifd)en   unb  bie  anberen, 
Ijaben  fid?  entWeber  burd)  Slbfbaltung  aus  ben  ©tmagogen  entWtdelt  ober  bod)  fo,   baß  25 
jübifd)e  $rofelr;ten  il)ren  urfbrünglid)en  Kern  gebilbet  l)aben.    3>n   Reiben  gälten   mußte 
bie  ©tonagoge  mit  ifyrer  23erfaffung  nad)Wirfen,  mag  biefe  9}ad)Wtrlung   au<|   in   foldjen 
©emeinben  balb  abgenommen  fyaben,  in   benen  bie  „eckten"  Reiben  nad)  lurjer  $eit  bie 
übertotegenbe  SJcet^afyl   bilbeten.    Slber  aud;  bann  War  bie  regelmäßige  33erlefung  beä 
21SLS  nid)t  bie  einige  3^eminigcenj  an  bie  ©tmagoge.   gerner,  folange  bie  neue  ©emeinbe  30 
nod)  Hein  mar  unb  familienl)aft  jufammenfmlten  tonnte,  muß  bie  erfte  Drganifation  nod) 
ganj  bon  ben  befonberen  llmftänben    abhängig    geWefen  fein,    unter  benen  bie  ©emeinbe 
entftanben  mar.    ®ie  Slboftelgefd) id)te  legt  eS  an  mannen  ©teilen  nal)e,  baß  am  Anfang 
aud)  grauen  eine  bebeutenbe  Stolle  in   ber  Drganifation  gefbielt  I)aben,  unb  bie  ^ßaulu<?= 
briefe  beftätigen  bag  (^ßrisciUa  in  Korintb;,  @bl>efu§,  9tom ;  S^bia,  @uobia§  unb  ©rmtfydje  35 
[owrjMrjoäv  poi]  in  ^b^ilibbi,  ^ßt)öbe  in  Kencb^reä  [jiQooTdng]  u.  a.). 

^m  allgemeinen  empfängt  man  au§  ben  ©emeinbebriefen  be§  ^ßauluS  baä  überein= 
ftimmenbe  Silb  einer  gleichmäßigen  ©elbftftänbigfeit  ber  einzelnen  ©emeinbe  (f.  bie  ^ac^= 
toeife  bei  SBeijfäcfer,  Slboft.  3«talter)  unb  getoinnt  gugletct)  ben  fixeren  ©inbrudf,  baß  bie 
loyalen  ©b^renberfonen  unb  2lmt3träger  —  Wer  unb  maö  fie  immer  getoefen  fein  mögen  40 
—  bamal§  nur  eine  befcfyeibene  9ioKe  gefbielt  b^aben  lönnen.  ®ie  ©emeinben  fte|en 
unter  bem  SSorte  ©otteä  (be^m.  be§  §errn)  unb  unter  ber  bäterlicfyen  ftufyt  be§  2tboftel§, 
ber  fie  begrünbet  ^at ;  aber  fofern  ber  ©eift  fie  regiert,  ift  biefer  ©eift  ber  ©emeinbe  als 
ganzer  unb  als  einer  @inb>it  gefcb^en!t,  unb  aud)  bie  2lmtS=  unb  ©fyrenberfonen  fielen 
als  ©lieber  in  biefer  ©infyeit  unb  nicf)t  über  ifyr.  ®aS  folgt  aus  ber  Statur  ber  ©e=  45 
meinben,  bie  nicfyt  nur  ben  tarnen  {ixxlrjaia)  mit  ber  ©efamtgemeinbe  ©otteS  teilen, 
fonbern  bon  benen  jebe  einzelne  aud)  ifyr  gefd)loffeneS  älbbilb  unb  if>re  2luSmirlung  ift 
(baS  ©anje  ift  in  bem  SEeil;  nicf)t  nur  ift  ber  ^Eeil  in  bem  ©anjen).  ^beeQ  giebt  eS 
alfo,  fo  baraboj  baS  flehten  mag,  übertäubt  leinen  Unterfd}ieb  §mifd)en  ©efamtgemeinbe 
unb  ©injelgemetnbe  —  alles,  maS  oben  sub  3  bon  ber  Kirche  gefagt  ift,  gilt  aud)  fjier  — ,  50 
aber  faftifd)  fonnte  natürlicb  biefer  Unterfcfyieb  ntcbt  aufgehoben  Werben,  machte  fiel) 
bielmeljr  immer  ftär!er  geltenb.  ®ie  ibeeHe  ©inbeit  ber  beiben  liegt  in  bem  Söirfen  beS 
©eifteS  unb  fbrid)t  fieb,  j.  33.  noer;  febr  beutlicb  auS,  Wenn  bie  römifcfye  ©emeinbe  bon 
ilirem  nad)  Korintl)  gerichteten  Sriefe  fagt,  er  fei  bon  ifjr  „burd)  ben  ^eiligen  ©eift"  gefd)rteben 
(c  63,  ganj  wie  21©  15)  unb  bon  feinem  ^nbalte  beraubtet,  er  fei  bon  ßb^riftuS  burd)  65 
fie  lunbgetan  (c.  59).  Stucf;  bie  3lrt,  toie  5ßauluS  ben  gall  beS  SBlutfcbänberö  in 
ßorintb;  beb^  anbelt  miffen  Will,  ift  b>r  cbaraEtextftifcb :  bie  mit  bem  2lboftel  bereinigte  ©e= 
tneinbeberfammlung  ift  fombetent  unb  barf  auf  „bie  Kraft  unfercS  .fn-rrn  Scfug"  tedinen 
(bon  befonberen  93efugniffen  lolaler  SlmtSträger  ift  babei  ntebt  bie  Webe),  ©nblid)  fei  als 
auf  einen  befonberS  bebeutfamer  33eleg  für  baS  ibeeHe  2Befen  ber  ©tnjelgemeinbe  auf  bie  1» 


520  SBerfaffung 

Terminologie  ^ingetotefen:  fj  ixxXijoia  xov  d-eov  fj  naooixovoa.  xr\v  noXiv  (f.  I  Sßt  1, 1; 

1,  17;  2,  11;  £br  11,  13;  I  ©lern.  1,  1;  Polyc.  ep.  1,  1;  Smyrn.  ep.  ad  Philom. 
init.,  Dionys.  Cor.  bei  Euseb.  IV,  23;  Ep  Lugd.  1.  c.  V,  1;  II  SIem.  5  Je.  unb 
SigfytfootS  9?ote  %\x  GlemenS,  1.  c),   auS   ber  ftc^>  ber  JermtnuS  „^ßarocbje"    (2lboH.  bei 

5  Euseb.  V,  18:  fj  iöia  jiaQOixia  avxbv  öfter  rjv  ovx  edetjaxo.  Ep.  Smyn.  ad 
Philom. :  Jidoaig  xaig  xaxä  nävxa  xojiov  xfjg  äyiag  [xal  xa&oXixfjg]  exxXrjoiag 
jiaooixiais)  entwidelt  r)at.  Sie  (5&rt(tenBett  in  jeber  einzelnen  ©tabt  ift  nidjt  nur 
ixxXtjola  xov  &eov,  fonbern  fie  gebort  Wie  biefe  eigentlich  in  ben  §immel;  füer  auf 
@rben  ift  fie  nur  in  ber  grembe  unb   tranfitortfd).    ©ie  ift  alfo  eine  Inmmlifcfye  ©röfje 

10  b.  b,.  im  ©runbe  nicr)t  ©injelgemeinbe,  fonbern  ©rfdjeinung  beS  ©an^en  in  bem  Seil. 
3)iefe  Betrachtung,  bie  —  aud)  für  ben  einzelnen  Gtmfien  —  befonberS  einbrudSboß  bei 
§ermaS  (Sim.  I  u.  fonft)  ausgeprägt  ift,  ift  nocb,  bem  ^renäug  (IV,  30,  2  f.)  unb 
namentlich  bem  Siemens  Sller,anbrinuS  unb  DrigeneS  ganj  geläufig.  2)er  Severe  richtet  feine 
Slufmerffamfeit  babei  aucr)  barauf,  baf$   eS  in  ben  ©täbten  ^toei  2lrten  bon  exxXrjoim 

15  giebt,  bie  profanen  unb  bie  cf/riftlicr)en  (ber  9iame  exxXrjoia  für  bie  leiteten  f)at  augen= 
fd)etnlicr)  feinen  Urfbrung  nad)  nicbtS  mit  ben  brofan=ftäbtifd;en  exxXrjoiai  ju  tljmn;  eS 
ift  bicr  einer  ber  §ab,Irei(|en  gäße  jufäHiger,  aber  bann  für  bie  ©ntwidelung  ntebt  be= 
beutungSlofer  Übereinftimmungen  ju  erfennen);  Orig.  c.  Cels.  III,  29:  ai  xov  Xqioxov 
exxXrjoiai,  ovve£exa£6/j,evai  xalg  Sv  naqoixovoi  bfjfxoiv    exxXrjoimg,   &>g  cpaioxfjoeg 

20  eloiv  ev  xoojuo),  ibid.  30 :   exxXrjoiag  xov  ftsov  [man  beachte  ben  ,3ufa|,  ^ie  er  fdjon 

im  1.  SlemenSbrief  ftel)t]    Jiaooixovoag    exxXrjoiag  xä>v  xaffi  ixäoxrjv  tzoXiv  drjjucov. 

2öaS  man  b:e  pneumatifcfye  $Demofratie  innerhalb  ber  ganzen  $ird;e  unb  barum  aueb, 

ber  ©injelgemeinbe  cum  grano  salis  nennen  fann,   tritt    febr  beutltct)  in  ber  Slrt,  Wie 

$au!uS  fic|  in  ben  Briefen  an  bie  ©ememben  richtet,  gu  'Jage.    ^rinjitoieH  fyat  er  jebe 

25  bon  tfynen  als  ein  in  fiel)  gleichartiges  ©anje  bor  2lugen,  fie  felbft  ©ubjeft  unb  Dbjelt 
aller  Betfyättgungen.  Sin  ein  berantWortlicfyeS  lofaleS  2tmt  über  ber  ©emeinbe  beult  unb 
toenbet  er  fic|  junäc^ft  nicfyt,  bielmefyr  ift  bie  ©emeinbe,  überall  als  ganje  berantWortlidj, 
unb  bie  SSerfcbtebenbetten  in  tbr  begrünben  rtiebt  eine  Über=  unb  Unterorbnung,  fonbern 
ein  organifdjeS  ßufammenWirfen,  in  welchem  jeber  SEeil  gleicb,  wichtig  ift.    ©ieS  ift  aueb, 

30  eine  $o!ge  ber  contemplatio  partis  sub  specie  totius,  bie  bei  ^ßauluS  noeb,  burdj  bie 
Betrachtung  jebeS  einzelnen  ©brtften  als  eines  freien  mächtig  unterftüijt  Wirb.  9Jcan 
barf  aud)  fragen,  ob  niebt  bie  @ntfter/ung  ber  fog.  „lat^olifc^en"  33rieflitteratur  bon  l)ier 
aus  ju  begreifen  ift.  ©S  giebt  Briefe  mit  fbejießer  älbreffe,  bie  Jat^olifcb,  gemeint  finb 
(5.  33.  bie  fieben  Briefe  in  ber  2lboMr/bfe) ;   eS  giebt  Briefe  mitfatfyolifcfyer  Slbreffe,  bie 

35  fieb,  bod;  junäcb,ft  an  einen  beftimmten  ^reiS  gerichtet  b,aben  muffen  (^a!obuS=,  ^ubaSbrief); 
eS  giebt  Briefe,  bie  jugleicb,  eine  bartilulare  unb  eine  ratb/olifcfje  2lbreffe  l^aben  (Ep. 
Smyrn.  ad  Philom.);  eS  giebt  enbltcb  abficfytlicb,  abreffenlofe  ober  mit  einer  blofjen 
©cb,einabreffe  auSgeftattete  ©d)riftftücfe,  bie  fieb,  boeb^  junäcl)ft  auf  eine  beftimmte  ©emeinbe 
belieben  (§ermaS;   ep.  Barn.),    ©iefe  ©eltfamfetten  fotoie  ber    fcb,neUe  SluStaufcb,,  bie 

40  ©ammlung  unb  baS  allgemeine  2lnfeb^en  bon  Briefen  tro|  ibrer  lolalen  Slbreffen  bleiben 
unerllärt,  toenn  ntebt  bie  ©inselgemeinbe  bie  ©efamt!ircb,e  bertreten  tonnte  unb  menn 
ntebt,  minbeftenS  ibeeU,  ber  ©emeinbe  als  ©emeinbe  unb  als  einer  in  fiel)  gleichartigen 
©cfybbfung  bie  geiftlicf)e  ©ouberänetät  julam.  ^n  Ie|terer  §inficb,t  ift  u.  a.  aueb,  nod; 
bemerkenswert,  ba^  nocl)  im  2.  ^afyrfmnbert  bie  ©emeinben  Briefe  mecb^feln,  oljme  ba^  in 

45  il)nen  irgenb  ein  2tmt  ermähnt  mirb.  £>ie  ©emeinbe  fd;reibt  an  bie  ©emeinbe,  als  gäbe 
eS  feine  Bifcfybfe  unb  feine  ^reSbfyter. 

14.  1)ie  ©nttoicfelung  gel)t  gunäefeft  bom  ©anjen  jum  SEeil.  ©arum  fbielen  ber 
©eift  unb  ber  Slboftel  (auet)  ber  ^robf)et  unb  Sefjrer)  eine  fo  grofse  9totle;  benn  ber 
Slboftel  gebort  ber  ©efamtfird;e  an.   Bon  bier  aus  gefeiert  war  alles  3Diiffion,  mu^te  alles 

50  in  glufj  bleiben  (bis  baS  na^e  @nbe  fommt),  mu^te  alles,  WaS  fiel;  lofal  geftaltete  unb 
ftabilierte,  eben  nur  in  ben  Äauf  genommen  Werben,  Weil  eS  eigentlich  fdjon  ein  frembeS 
Clement  j^ineinbradjte,  baS  bureb,  bie  gifiion  ber  ^bentität  mit  bem  Uniberfalen  boa)_nitt)t 
ganj  befeitigt  Werben  fonnte.  Bon  fyier  aus  gefeiert,  Wunbert  man  fieb,,  bafe  Wir  in 
ältefter  fttit  nichts  bon  Berfucfyen  b^ören,  bie  Befehlen  auS  ben  lofalen  Berl;ältniffen  unb 

55  aus  ber  bon  ilmen  b, er  brol) enben  BerWeltlic^ung  b^erauSju^ieb, en  unb  irgenbWo  ju  fammeln, 
am  Beften  in  ber  Söüfte.  Sichtet  man  aber  barauf,  ba|  fid;  bie  ßfyriftuSjünger  ganj  ju= 
erft  tb,atfäd;Iid;  in  Qerufalem  gefammelt  l>aben  unb  baf?   Wir   Wieber  feit  ber  9Jcitte  beS 

2.  ^altrfiunbertS  bon  Unternehmungen  biefer  2lrt  —  nun  aber  Wirb  bie  SBüfte  ober  baS 
Sanb  gewählt  —  t/ören  (bgl.  bie  urfbrünglidje  2lbfid;t  ber  bfyrfygifcfyen  ^ßrobb^eten,  ferner 

60  bie  gälte  aus  ^ßontuS  unb  ©tjrien,   Welche  §ibboI^)t  im  ©anielfommentar  erjagt,  bann 


»crfaffnitfl  521 

bie  ©ingelfätte  ber  äoxrjxal  juovd^ovxeg  big  gum  9Jtönd}tum),  jo  fann  barüber  fcbtoerlicf) 
ein  gWeifel  fein,  bafj  in  ber  geit  jWifct)en  35  unb  150  ntcf/t  mangelnber  2lrgWofm 
gegenüber  bem  Sofalen  mit  feiner  unbermeiblicben  2öeltlicf/feit,  aucfy  nid)t  mangelnbe  a& 
fetifcf)=fittltcr)e  $raft  folct/e  Serfucfje  hintertrieben  fyat,  fonbern  bie  Überzeugung,  bafs  bei 
ber  üftäfye  beS  2BeItenbe§  ftd)  bergleid)en  nicfyt  mel)r  loljmt.  ®ie  e3d)atologifcr;e  «Stimmung  5 
ift  ^ier  Wie  anberiWo,  ganj  Wtber  il)re  2lbftcf;ten,  eine  fonferbatib  Wirfenbe  äftacf)t  ge= 
toefen;  tfyr  l>at  eö  bie  lofale  Drganifation  I)aubtfäcf)Iicf)  ju  berbanfen,  baf$  fie  fid)  über= 
baubt  in  ber  6f;riftent)eit  ju  entwicfeln  bermocf;te,  Wobei  borbefyalten  bleiben  mag,  bafj 
$aulu3  aucf)  eine  $öf>e  unb  $nnerlid;fett  ber  Betrachtung  gewonnen  unb  in  ©eltung 
gefe|t  b>t,  bie  ba3  ©egebene,  alfo  aucf)  bie  lofale  guftänblicblett,  als  eine  ©otteSorbnung  "> 
fjinnalmi. 

2öa§  ^auIuS  di§  2tboftel  (fo  ju  fagen  als  SRanbatar  ber  bneumatifcfien  ©efamt= 
gemeinbe)  ber  bon  ifym  geftifteten  ©in^elgemeinbe  gegenüber  in  2Trtf^ruct)  nimmt,  ift  ntcfjt 
tuenig.  @r  ift  ber  ^äbagog  unb  ber  SSater  sugleicr/;  er  berflucf)t  jeben,  ber  feinen  ^inbern 
ein  anbereS  ©bangelium  bringt,  unb  er  fann  bedangen,  baf?  jebe  feiner  ©emeinben  bie  10 
Crbnungen  refbeftiert  unb  aufredet  erhält,  Wie  er  fie  in  allen  ©emeinben  begrünbet  unb 
pflegt.  1  $0  4,  17:  xa&cög  navxa%ov  Iv  Tidor]  exxXqoiq  diddaxco,  7,  17:  ovxcog 
iv  xdig  ixxXr\oiaig  Jidomg  diaxdooojum,  14,  37 :  ijxiyivcoaxexco  u  yqdcpoi  v/mv  oxi 
y.vQiov  ioxlv  ivxoXr)  (ift  es>  äufätlig,  bafs  ^3aulu§  feine  aboftolifcfye  Slutorität  in  ber 
©emeinbe  am  ftärffien  geltenb  mac|t,  bie  ats>  bie  bemofratifcbfte  erfcfyeint'O-  2fnbrerfeit3  20 
unb  unbefcfyabet  beffen  fe|t  er  borauS,  baf?  ber  ©eift  bie  ©emeinbe  leitet.  %n  biefer 
£infid)t  ift  1  $0  12—14  ber  beutlicfyfte  SBetoetS  feiner  2tnfcf;auung  unb  ber  Wirfliefjen 
$uftänbe.    £>te  6I)art3mett  beftimmen  alle<§. 

15.  2)a§  Söenige,  mag  man  baneben  bon  lofalen  ©eWalten  erfährt,  ift  fefyr  ber= 
Rieben.  %n  Segug  auf  bie  Ir/faonifcfyen  ©emeinben  fagt  Sufag  (21©  14,  23),  ^Saulug  25 
unb  Sarnaba§  Ratten  xai  ixxXrjoiav  bort  unter  ©ebet  unb  Raffen  ^3res>br/ter  eingefe^t, 
unb  ebenfo  ergäbt  er  (2t©  20,  17.  28),  ^aulu§  b>be  bie  ^}re§br/ter  ber  ©emeinbe 
bon  (SbljefuS  berufen  unb  fie  ermahnt,  auf  bie  §erbe  acfjt  ju  fyaben,  in  toeldjer  vjuäg 
xo  nvevjua  xo  äyiov  e&sxo  iniaxönovg,  Tioijuaiveiv  xrjv  SKxh^oiav  tov  "&eov,  i)v 
negienoirjoaxo  diu  xov  al'/iaxog  xov  löiov  [man  beachte,  ba§  aucf;  f)ier  bie  (Sinjel=  30 
gemeinbe  ©arfteßung  ber  ©efamtgemeinbe  ift  unb  bafe  ftdt)  2ufa€  baf;er  in  Sejug 
auf  bie  Sofalorganifation  genau  fo  auSbrücft,  mie  ^ßaulu§  1  Üo  12,  28  in  Sejug  auf  bie 
©efamtorganifation].  ^n  oem  1-  ^f)effalonicb]erbrief  bittet  er  bie  ©emeinbe,  §u  erfennen 
xovg  xojiicövxag  iv  v/ulv  xal  TtQoiaxa/uevovg  vjucov  iv  xvgicp  %ai  vov&exovvxag 
v/uäg  unb  fie  um  if)re§  SBerfeS  willen  liebenb  befonber§  f)ocf)  ^u  galten  (c.  5,  12  f.).  35 
£ie  folgenben  SSerfe  fcfjeinen  fid)  bann  an  eben  biefe  SBorfteber  ^u  richten  („@rmaf)nt 
bie  llnorbentücfyen,  tröffet  bie  kleinmütigen",  u.  f.  io.) ;  aber  fieser  ift  ba3  nict)t,  unb  man 
erfennt  audj  nid)t,  bon  welchem  ©a£e  an  ber  Slboftel  fiel)  toieber  an  bie  ©efamtl)eit 
richtet.  $m  ©alaterbrief  ift  ein  lofaleg  2lmt  übertäubt  nid)t  ermähnt  (boef)  f.  ben  aH= 
gemeinen  ©a^  6,  6:  xoivcoveixco  6  %axr\yovpLEvog  xov  Xoyov  xq)  %axr]jpvvxi  iv  ^ 
Tcäoiv  äyadolg),  unb  auef)  nid)t  in  ben  fo  umfangreichen  ^orintl;erbriefen.  §ier  ift  felbft 
bort,  mo  e§  fieb  um  bie  2lufrec^terl)altung  ber  gehörigen  Drbnung  unb  be§  llnftanbeg  in 
ben  3Serfammlungen  l)anbelt,  unb  bei  einem  falben  ©u^enb  ät)nüct)er  ©elegenl)eiten,  too 
man  bie  2lbbeltatton  an  ein  lofale^  2lmt  fict)er  ertoartet,  ein  foldt)eS  nict)t  genannt.  Sieben 
ben  Slbofteln,  ^ßrobbeten  unb  £el)rern  finb  nur  in  ber  ©emeinbe  wirffame  6l;arigmen  *& 
(I,  12,  28 f.)  aufgeführt,  unter  il)nen __  ävxdijjuxpeig  unb  xvßsgvijoeig.  Ql)re  QnE>a&er 
erfd)exrtert  fomtt  nicf)t  in  ber  relatiben  Überorbnung  über  ber  ©emeinbe  toie  jene  Xoyov 
lakovvxeg.  ^mmerl)in  ift  aber  bie  llnterfcfyeibung  einer  l?i[fletftenben ,  alfo  biafonalen 
gunftion  unb  einer  leitenben  bon  2ßid)tigfeit.  ^m  3fömerbrief  ftel)t  e<§  äf)nlid).  Sie 
Drganifierung  be§  £eibe3  ber  ©emeinbe  fommt  lebiglicf)  buref)  ßf)ariSmen  ju  ftanbe ;  &° 
unter  if)nen  mirb  nacf)einanber  genannt  bie  $robl)etie,  bie  ©iafonie,  ber  Sebjenbe,  ber 
Jröftenbe,  ber  SJtttteilenbe,  ber  3Sorftel)enbe  (d  Tigoioxdjuevog,  wie  in  I  '2f)eff.),  ber  in 
Sarml>erjigfeit  Stf)ätige.  $ier  ift  alfo  fogar  ber  ^robb^et  unb  £el;rer  untcrfcf)iebglog  ein= 
georbnet  [auf  ben  2Bed)fel  bon  ber  Stf)ättgfett  unb  ^erfon  ift  fcf)merlict)  ©eWicf)t  ?u  legen]; 
ju  beachten  aber  ift,  baf?  auef)  l)ier  neben  bem  £et)ren  ©iafonie  unb  2?orftel)erfd)aft  unter=  55 
fcfiieben  finb  (12,  6  ff.),  ©onft  Wirb  noef)  in  bem  33rtcf  eine  gemiffe  ^böbe  dtdxovog  xfjg 
ixxkrjolag  xfjg  iv  KevxQ£(üs  genannt,  bie  ba  jigooxdxig  ttoXIcjv  xal  i/xov  avxov  gc= 
toorben  fei  (16,  1),  ferner  Werben  .gaulgemeinben  in  $Rom  unterfd)ieben  (16,  3  ff.)-  3'n 
^olofferbrief  Wirb  ber  ©emeinbe  aufgetragen,  bem  2lrd)ibbu3  ju  fagen:  ßXme  xrjv  dia- 
y.ovtav,    ijv    TiaQeXaßsg    iv    xvq'iw,    Iva    nvxijv    nXrjQoTg.     2lu§    bem   ^pinlcinonbrief 60 


522  Sßerfoffnng 

(23.  2)  fielet  man,  bafj  2lrcbj$5uS,  bem  l;ier  eine  9iote  zu  teil  Wirb,  jur  £auSgemeinbe 
beS  ^fyilemon  gehörte,  bie  man  nicfyt  mit  ber  ganzen  ^oloffergemeinbe  ibentifijieren  barf. 
Slber  feine  diaxovia  fann  fid^>  nur  auf  bie  ganze  ©emeinbe  Begießen,  unb  Wenn  iljm 
$auluS  OBfyilem.  2)  feinen  unb  beS  ^EimotljeuS  owoxgaxKoxrjg  nennt,  fo  mufs  fie  er)j)eb= 
6  lief;  gewefen  fein;  aber  Worin  fie  beftanb,  bleibt  bunfel;  benn  diaxovia  fann  einen  ganz 
allgemeinen  ©inn  Ijmben,  fo  bafj  man  aucb,  bie  SöortberWaltung  barunter  berfteb,  en  fann,  aber 
auty  ben  fpejieKen  ©inn  ber  bienenben  §ilfleiftung.  23emerfenSWert  aber  ift,  bafc  bem  2lrcl)i|tyuS 
bie  diaxovia  in  einem  feierliclj=fultifcfen  2lft  übertragen  werben  ift;  benn  nur  baS  fönnen 
bie  SBorte  f\v  Jiagttaßeg  iv  xvqico  befagen.     @S   ift   alfo  2t©  14,  23    ju   Vergleichen. 

io  $n  bem  fog.  dbtjeferbrief  (einem  'girfularfcfyreiben  nad)  fiaobicea  unb  anberen  IIein= 
afiatifd^en  ©emeinben)  erfcfyeint  bie  ©efamtgemeinbe  auf  bem  ©runbe  ber  2ltoofteI  unb 
^ßrobljieten  auferbaut,  benen  baS  ©efyetmniS  6f>rifti  offenbart  ift  (2,  20;  3,  5).  @S  Wirb  aber 
bei  ber  ©cbjlberung  beS  23efttjeS  ber  ©efamtgemeinbe  (4,  11)  audj>  eines  lofalen  2tmteS 
gebadet  unb  baSfelbe  mit  ben  2lbofieIn,   $robI)eten  unb  Sefyrem  berfnütoft.    SOBie  &u   er= 

io  Warten,  finbet  eS  —  bie  noi^heg  —  feine  ©teile  neben  ben  2eb,rern,  bie  ja  in  ber  Siegel 
einer  ©emeinbe  angehörten.  ©ie  §injufügung  bon  „@bangeliften"  ju  2lbofteln  unb 
^Bropfyeten  erflärt  ftc$  auS  einem  uns  nicf)t  ganz  burcbjicfytigen  2Jlotü>,  WelcfyeS  bie  ©iffe= 
ren^ierung  beS  2lboftoIatS  veranlagt  fyat,  obgleich,  berfelbe  aufy  naa)  $auluS  nid)t  auf  bie 
3toölfe  befctyränft  ift  („@bangeliften"  finben  fid&  im  W%  nocf)  31©  21,  8  [SBtrftüdE]  unb 

20  2  %i  4,  5;  bagu  f.  Euseb.,  h.  e.  III,  37;  ältooft.  ®ircf;enorbnung  c.  19;  Tertull.,  de 
praescr.  4;  de  Corona  9;  Hippol,  de  antichr.  56).  „©bangeliften"  fönnen  nur 
folcfye  9Jtifftonare  fein,  bie  auS  irgenb  Welcljem  ©runbe  auf  ben  (Sfyrentitel  „2lbofter; 
feinen  2Infpru$  Ratten.  ©ie  ©emeinben,  an  Welche  ber  @tot;eferbrief  gerietet  ift,  Waren 
nid)t  bon  ^auütS  gegrünbet,  fonbern  Waijrftfjeiniict;  bon  ©laubenSboten,  bie  bon  if>m  ab- 

25  gängig  Waren,  %n  biefer  ätbljängigfeit  bq'm.  in  ber  blo%  lofalen  SJJiffionSWirffamfeit 
biefer  9Jtänner  mag  eS  begrünbet  fein,  bafe  fie  ben  Sitel  „2lboftel"  nicfjt  erhielten,  ©er 
$l)ilibberbrief  ift  baburc^  ausgezeichnet,  bafs  bjer  ber  2lbreffe  (jxäoiv  xdlg  äyioig  iv  Xq. 
"I.  roig  ovoiv  iv  (ßdinnoig)  bie  3Borte  hinzugefügt  finb :  avv  imoxonoig  xal  diaxovoig. 
Wan  beachte,  bafj  fie  nicfjt  gleichwertig  neben  ber  ©emeinbe  fielen,  bafj  ber  2trtifel  fefylt, 

30  unb  bafj  eine  3Weiteilung  gegeben  ift.  2Ber  fie  finb  unb  Warum  fie  genannt  finb,  fann 
man  mit  ®afyrfcfyeinltcf)feit  auS  bem  ^nfyalt  btä  Sriefe€  ablefen.  ©er  Srief  ift  ein  ©anf= 
fcf;reiben  für  bie  ©^enben,  Welche  bie  ©emeinbe  bem  Slpoftel  Wieberfyolt  unb  foeben  Wieber 
getieft  b,at.  ©ie  3lnnaf)me  liegt  nab^e,  ba£  eben  be§b,alb  „33tfcf;öfe  unb  ©tafonen"  ge= 
nannt  finb.    ©arau§  folgt,  baft  fie  an  ber  Aufbringung  unb  Überfenbung   ber  ©^enben 

35  befonberg  beteiligt  Waren,  unb  bafj  bie§  ju  ib^rem  Slmte  gehörte,  ©ie  3*o«itciIung  unter= 
ftü^t  biefe  2lnnab,me;  benn  „öidxovoi"  an  ^Weiter  ©teße  unb  ob^ne  einen  bie  ©ienft= 
leiftung  nä'b^er  bejeic^nenben  ©enetib  fann  nur  ©ienenbe  im  eigentlichen  ©inne,  alfo  ©iener 
im  3SerWaItungöbienfte  bejeicf)nen.  ©ann  aber  muffen  „imoxojioi"  neben  biefen  3lug= 
fül;renben  füfyrenbe  2lbminiftratibbeamte  fein,    ©ag   9Bort   als   gunftionS=    ober   2lmtö= 

io  bejeidjnung  ift  feinem  Urf^rung  unb  Spalte  naef)  fo  bielbeutig,  Wie  bie  Bezeichnung  ol 
ngsaßvtsQoi.  ,,^]re§bt)ter"  fann  einfad)  ben  2llten  gegenüber  bem  jungen  bezeichnen; 
es  fann  ein  ©b,rentitel  fein  (burcl;  Wellen  foWobJ  perfönlic^e  SSorjüge  als  bie  @igen= 
fcl)aften,  eine  ältere,  autoritative  Sßeriobe  ju  re^räfentieren  [=  SlrabitionSzeuge]  marfiert 
Werben);  es  fann  aber  auet;  baS  gewählte  unb  förmlid;  eingefe^te   9)litglieb  eines  9tateS 

45  [Gerusia]  bezeichnen,  ©er  ©ebrauet;  beS  SßortS  in  feinen  berfd;iebenen  S3ebeutungen  inner= 
|»alb  ber  cf;riftlict;en  ©emeinben  fann  aus  ber  ©imagoge  ober  aus  ben  ftäbtifcf;en  35er= 
faffungen  flammen  ober  fyontan  entftanben  fein.  (Ebenfo  fönnen  bie  ©^iSfopen  aus 
ber  LXX  flammen;  fie  fönnen  ben  ftäbtifef/en  Verwaltungen  nacf;gebilbet ,  fie  fönnen 
aber  aucb.  fjwntan  entftanben   fein.    3mmer  gebeutet  baS  Söort  einen  2luffef>er,  Kurator, 

so  ©u^erintenbenten ;  aber  Worauf  fiel;  bie  2utfficf;t  bezieht,  barüber  enthält  eS  nicfjtS.  @S 
fönnen  ©eelen  fein  (bann  ift  baS  SBort  =  jioi/usveg  [f.  1  $t2,  25:  röv  noijueva 
xal  miaxoTiov  xcbv  yjvx&v  vjucöv,  21©  20,  28  (f.  o.):  emoxonovg  noijuaiveiv  xr\v 
ExxXrjoiav,  I  ©lern.  59,  3 :  xbv  navxbg  nvevfxaxog  xrioxrjv  xal  etxioxotzov]  unb 
gleicfybebeutenb   mit  ngooxdxrjg  xcbv   xpv%wv  fjfMßv,  1.  c.  61,  3);  eS  fönnen  aber  auclj 

55  ©ebäube,  öfonomifcfje  2lngelegenfyeiten  unb  bergl.  fein,  ober  biefeS  unb  jenes  jugleiclj. 
©er  fefylenbe  2lrtifel  an  unferer  ©teile  läfjt  üermuten,  bafe  bie  ^b]ili^ifcf;en  Sifdjöfe  unb 
©iafonen  für  Paulus  nid)t  als  beftimmte  ©injelne,  fonbern  als  ©ruppe  in  58etracf;t 
famen. 

9Jlit  biefen  ©teilen  ift  baS  SRaterial,    Welches  Wir  in  Bezug  auf  bie  ältefte  ^ßeriobe 

eo  ber  §eibenfircf/en    (lofale  2lmter   anlangenb)   befhjen,   erfc§ö|3ft.    30Ran  fönnte  nur  noa) 


Berfnffmtg  523 

^tnjufügen,  bafj  bie  förmige  StrifiS,  Wie  fie  au§  bem  2.  Jbrintfjerbriefe  fyerborgel)t,  ficb, 
als  ein  Berfucb,  ber  ©emeinbe  barfteÜt,  ficb.  ber  Dbebienj  be§  SlpoftelS  ju  entjie^en.  2lber 
eine  «Spannung  ätoifcfyen  ber  lofalen  Drganifation  unb  ber  uniberfaI=apofto!ifcr;ett  ift  bjer 
minbeftenä  ntd)t  ba§  primäre  geWefen,  fonbern  unter  bem  ©influfj  ber  überfyofyen  Slpoftel 
E>at  fict)  innerhalb  ber  burcb,  GliquenWefen  gefäfyrbeten  ©emeinbe  eine  Gliaue  gegen  ben  5 
2tpoftel  erhoben  unb  broljte  bie  game  ©emeinbe  für  ftd^  $u  gewinnen.  2lUe  Sliquen 
gruppierten  ficb,  aber  um  apoftolifdie  9Jcänner  (richtige  2luffaffung  ber  Sage  in  I  Giern.  47), 
b.  I).  bie  nocb,  beftefyenbe  lofale  llnfelbftftänbigfeit  ber  ©emeinbe  tft  ganj  beutlicl;. 

2)a§  äufammengeftettte  Material  ift  Weber  einftimmig  nocf/  erlaubt  eS  birelte  ©djlüffe 
auf  bie  @ntfteb,ung    ber    einheitlichen   ©emeinbeberfaffung,    Wie  Wir  fie   in   ber    nacb,=  10 
b,abrianifd)en  geit  faft  überall  finben.   2Bir  muffen  alfo  gufefyen,  ob  ficb,  au§  ben  Urlunoen 
ber  mittleren  geit  (Beäpafian  big  §abrian)  Beobachtungen  gewinnen   laffen,   welche   ein 
£icf)t  nacb,  rücfWärtS  unb  borWärtg  Werfen. 

16.  ©anj  altertümlich),  als  blatte  e§  $aulu§  gefcbjieben,  lautet  1  $t  4,  10f.:  exaoxog 
xa&cog  k'Xaßsv  %aQiO[Aa,  slg  iavxovg  avxb  öiaxovovvxeg  cbg  xaXol  oixovbjuoi  TioixiXrjg  15 
l&Qaog  fteov  ei  ng  XaXei,  (bg  Xoyia  fieov  ei  ng  öiaxovsT,  cbg  ig~  loyyog  rjg  xoQyyü 
6  öeog.  2ln  ben  GI)ari§men,  bie  bie  Drganifation  begrünben,  nehmen  alle,  jeber  in  be= 
ftimmter  2öeife,  teil;  ba§  ßfyarigma  foH  bei  jebcm  ju  einer  £)ia!onia  Werben;  folcfyeg 
dienen  l)at  feine  Wicfytigfte  SDarfieHung  in  bem  Söortbienft  einerfcits  unb  bem  SDienft  im 
engeren  ©inne  (bem  Reifen)  anbererfeitg  (man  beachte,  bajj  ber  «Spielraum  be§  diaxo-  20 
vovvreg  ein  Wetterer  ift  als»  ber  be§  diaxovei).  Slber  in  bemfelben  Sßrief  Wenbet  ficb, 
ber  Berfaffer,  inbem  er  ficb,  felbft  ©pmpregbfyter  nennt,  an  bie  $re£br/ter  (5,  1  f.).  @iner= 
fettS  fteÜt  er  fie  (B.  5)  ben  jungen  (vecoxeqol)  gegenüber,  b.  b,.  einfact)  ber  jüngeren 
©eneration  in  ber  ©emeinbe  (anber§  31©  5,  6.  10:  fyier  begeidjmen  ol  vecoxeqoi  [ol 
vsavioxot]  eine  ©ruppe  junger  Seute  im  jerufalemtfcfyen  ©emeinbebienft,  bon  ber  Wir  25 
fonft  nichts  Wiffen),  anbererfeits  aber  geigt  er  burcb,  feine  ©rmafmung,  baf$  biefe  $re§= 
btyter  feinegWegg  aUe  Silieren  umfaffen,  fonbern  2lmt§träger  finb,  beren  ftafyl  alfo  aud) 
befd)ränft  fein  mufj.  ©eine  (Ermahnung  lautet:  jioijudvaxE  xb  ev  v/ulv  jioi/uviov  xov 
fteov,  jbif]  ävayxaoxcog  aXXä  ixovoicog,  fxrjöb  alo%QOX£Qdcog  äXXä  Jigo&v/xcog,  lurjd' 
<yg  xaxaxvgiEvovxsg  xcov  xXyjqcov  {xXyjqwv  fann  nur  ©t^nonpm  ju  noi[xviov  fein,  be=  30 
beutet  alfo  bie  ©ebiete  unb  ©ruppen  innerhalb  ber  ©emeinbe)  aXXä  xvnoi  yivößsvoi 
xov  Tiotjuviov  xal  (pavEgw&Evxog  xov  aQyinoifJiEvog  xo/lueio'&e  xov  äfiaQcivxivov  xfjg 
86it]g  oxEcpavov.  $l)r  2lmt  ift  bie  S^ättgfett  eine§  §irten,  ber  bon  ber  ^eerbe  leben 
barf,  ber  fie  gelungen,  eigennü^ig  unb  fyerrifcf)  ober  Willig,  in  fyerglidjer  greubig!eit  unb 
borbilblicb,  regieren  lann,  unb  ber  einft  einen  befonberen  2or)n  erwarten  fann.  ®a^  bei  35 
einem  fo  ftarf  entwickelten  Io!aIen  2lmt  boeb,  noeb,  bie  Betrachtung  c.  4,  10  f.  in  $raft 
bleibt,  ift  befonberl  Wichtig.  ^5re^bt)ter  (ol  jiQEoßvxsQoi  xfjg  ixxXrjolag)  Werben  audj 
Sa  5,  14  genannt;  fie  follen  in  ^ran!b, einfallen  gerufen  Werben  unb  ben  Uranien  mit©ebet 
unb  einer  Dlfalbung  befyanbeln.  Slu^erbem  Werben  in  c.  3,  1  bie  £efer  gewarnt,  ficb, 
ntct)t  ju  bem  berantWortunggooHen  Sefjramt  gu  brängen.  Seiber  Wei§  man  nicf)t,  Wol)in  40 
ber  Brief  gehört,  ^m  §ebräerbrief,  ber  Wabrfcfyeinlicb,  nac§  3fiom  gerietet  ift,  fehlen 
ißregb^ter,  aber  Slmt^träger  fehlen  nicb,t.  ©ie  b^ei^en  in  biefem  Briefe  lonftant  rjyov/xEvoi, 
Wag  nidjt  ein  Stiel,  fonbern  ein  allgemeiner  Slugbrucf:  ift  (bgl.  21©  15,  22,  Wo  bie  $ro= 
pbeten  ©ila§  unb  Quba§  fo  genannt  finb,  unb  Sc  22,  26,  Wo  ber  rjyovjusvog  bem 
diaxovwv  gegenüberftel)t).  Sin  ber  §auptfteße  13,  17  finb  unzweifelhaft  berantWortungg=  45 
boEe  §irten  gemeint  (jiei'&eo'&e  xoig  tjyov/uevoig  vjucov  xal  vtieixexe  avxol  ydo 
äyQvnvovoiv  vjieq  xcov  \pv%cov  v/ueov  cbg  Xoyov  äjiodcboovxEg  Iva  jusxd  %agäg 
xovxo  Ttoicooiv  xal  /ur]  axevdCovxEg) ;  eben  biefelben,  Wenn  aueb,  ein  Weiterer  Äreiö,  finb 
13,  24  ^u  berfteb,en.  dagegen  mu^  eä  fraglicb,  bleiben,  ob  mcr)t  13,  7  unter  ben  ent= 
fcb,lafenen  rjyovjUEvoi.,  beren  bie  Slbreffaten  geben!en  follen,  oXxivEg  lX6.Xr]oav  v/utv  xbv  50 
Xoyov  xov  &eov,  cov  ävaftecoQOVVXEg  xrjv  k'xßaoiv  xfjg  ävaoxgoqryjg  jui/ueio&e  xl]v 
niaxiv  —  Slpoftel  htp).  ^ßetruä  unb  $aulu3  p  berfteb,en  finb.  ^n  ber  unter  bem 
Hainen  be§  ^o^anne§  ftebenben  Sitteratur  erfeljeinen  in  ber  2IpofaIr/pfe  bei  ber  großen 
Sb,ronbifion  ©otte§  (c.  4)  24  ^3regb^ter  neben  i^m  fi^enb  (bießeicfyt  bebeutfam  für  bie  ©e= 
meinbeberfaffung) ;  aber  in  ben  fieben  Briefen  lommt  jWar  eine  $ropb,etin  in  Sb,t>atira  55 
bor  (2,  20),  bon  einem  ©emeinbeamt  jeboc()  ift  nirgenbwo  bie  ^ebe,  unb  bie  @ngel  ber 
©emeinbe  bürfen  nicb,t  al§  Bifcf)öfe  genommen  Werben,  Wofür  fie  auefy  in  ber  älteren  geit 
niemanb  erllärt  b,at.  2öicb,tig  aber  ift  bie  ©teUung  beö  ©cb,reibenben,  beö  3°^anne^-  ^r 
erfct)eint  tatfäcbjicf)  aU  ber  ©uperintenbent  biefer  ©emeinben,  obgleia)  er  fid}  afö  Bruber 
(1,  9)  bezeichnet,    ©onft  fann  man  nur  noeb,  auf  bie  BorfteUung  bon  ben  12  2lpofteln  60 


524  Sßerfaffung 

in  bem  93u(f)e  (21,  14)  als  bm  12  ©runbfteinen,  bon  ben  aC^ofteln  unb  ^ßrobfjeten  (18, 
20),  femer  auf  bie  in  ©bljefuS  eingebrungenen  fallen  2tboftel  (2,  2)  unb  auf  ben  93or= 
lefer  fnntoeifen  (1,  3),  ber  in  jeber  ©emeinbe  borauSgefetjt  toirb  (f.  SRc  13,  14;  9Jct  24, 
15).  ©er  33erfaffer  ber  brei  Briefe,  ber  in  bem  Reiten  unb  britten  fid)  6  ngeaßvxegog 
5  nennt,  erfcfyeint  in  tlmen  ebenfalls  aU  ©uberintenbent.  ®a§  ift  in  I,  2,  12  ff.  erfennbar, 
gang  beütlid)  aber  im  britten  SBrtef  (f.  %VL  XV,  3,  1897).  ®er  Sßerfaffer  toaltet  tote 
ein  $aubt  über  einer  größeren  Slnja^I  bon  ©emeinben  unb  regiert  fie  burct)  feine  2lb= 
gefanbten  unb  burcfy  93riefe ;  gugleid)  aber  leitet  er  burcb,  eben  biefe  Slbgefanbten  eine  £>etben= 
miffion.  Qn  beiben  93ejieimngen  aber  erfährt  er  in  einer  ©emeinbe  einen  ftarfen  Sötberfbrucr;, 

10  ber  ftcr)  bil  jur  2lbtoeifung  ber  93riefe  unb  jener  SRiffionare  unb  bi3  jur  @stommum= 
lation  bei  2lnfyang3,  ben  biefe  in  ber  ©emeinbe  gefunben  t/aben,  gefteigert  fyat.  ©a  ber 
üffiiberfbrucb;  bon  einem  SJianne  au§gef)t,  ber  (III,  9)  als>  6  (pdongcorsvcov  avxcov  [seil, 
ber  ^irdje,  in  ber  er  ftefyt]  bejeidmet  toirb  unb  ber  ben  23ann  ausübt,  fo  fier/t  Ijier  offen= 
bar  ber  totale  §irte  (ober  einer  ber  lofalen  Wirten;   benn  ber  Slbreffat  bei  23riefo  unb 

15  ber  in  bem  (Schreiben  SS.  12  genannte  ®emetrtu3  fcfyeinen  feine  Kollegen  ju  fein)  im  $ambf 
mit  bem  bie  Steckte  eine§  ©eneral=  unb  9Jciffton<§fuberinienbenten  in  2lnfbrucb,  nefymenben 
93erfaffer.  SSir  l)aben  alfo  f)ier  ba§  Seiftet  eines  flagranten  „gufammenftofjeä  b«  burd) 
ben  $re3br;ier  rebräfentierten  bneumatifcfjen  Uniberfal=  unb  3Rtffion§organifation  mit  ber 
lofalen  Drganifation.     (^»ierju   ift  bie  ©cfyilberung   ber  (Stellung   unb   iljätigfeit  bei 

20  QofyanneS  bei  (Sternen^  2IIe£.,  Quis  dives  42  gu  bergleidjen :  ineidr/  juExfjX^ev  ml 
xr]v  "E<peoov,  anfiel  nagaxaXov juevoq  xal  sm  xä  nXi]oi6%cüga  xcöv  e&vcöv,  onov  jukv 
inioxonovg  xaxaoxrjocov,  onov  de  oXag  ixxXfjoiag  ägjuoocov,  onov  ds  xXr\qcp  eva 
ys  nva  xXrjgcbocov  xcöv  vnö  xov  nvevjuazog  orjjumvojuevcov,  gleicf)  barauf  ift  Don  bem 
nw&soTcbg  InLoKonog  einer  ©labt  bie  Siebe).    Qm  3>Dfyanne3ebangeIium  ^nbtid^  toerben 

25  bie  2tboftel  bor  Übergebung  in  if)rem  2tmte  gewarnt  (13,  13  ff.),  aber,  tote  ei  fcfjemt, 
ntdjt  bor  Übergebung  über  bie  ©emeinbe,  fonbern  bor  Übergebung  untereinanber  unb 
gegenüber  ifyrem  DJteifter  6t>riftu3.  ©onft  ift  nur  noefy  bie  ©teile  bemerfen§toert(21, 15  ff.), 
in  ber  bem  ^3etru§  in  feierlicher  Sffieife  ha§  allgemeine  §trtenamt  übertragen  toirb. 
9Jtt  16,  18  ift  baju  ju  Dergleichen. 

30  $n  ben  ^ßaftoralbrtefen  erjdjeinen  S£imotr/eu§  unb  "£itu<§  al§  ©teltbertreter  bei  2Iboftel3 
toäfyrenb  feiner  Slbtoefen^ei^fotoeitSteßbertretung^ier  moglicb,  ift.  ©ie  füllen  auf  bie  redete 
£el)re  feiert  (gegenüber  ^rrlel)ren),  ngoo£%eiv  x.  ävayvcoosi,  x.  nagaxXrjoei,  x.  didaaxaXlq 
(I,  4,  13),  foHen  Beamte  umftcf)tig  einfe^en  unb  bie  ©emeinbe  bejto.  bie  ©emetnben  all 
©uberintenbenten  Pflegen.    JJacb,  II,  2  ff.  foß  2;imot^eug  bie  2eb,re,  bie  er  bom  2lbofteI  über= 

35  liefert  erhalten  f)at  (diä  noXX&v  juagxvocov),  juberläffigen  3Rännern,  bie  getiefte  2eb,rer 
ju  toerben  berfbreeben,  toeiter  überliefern;  er  felbft  foll  fieb,  aber  al§  geiftli(|er  Krieger 
nicb,t  in  toeltlici;e  §änbel  mifeljen,  um  fo  toeniger,  ate  er  berechtigt  ift,  bon  feinem  2lmte  ^u 
leben  (tote  ber  Slboftel  felbft,  f.  1  $o  9,  7).  9cacf)  bem  SEituibrtef  toerben  neben  „2llten" 
(S3ejal)rten,  noeoßvxai)   unb   bejahrten  grauen,   beren   ©tanbe^flicfjten  gegenüber  ben 

40  jungen  Männern  unb  grauen  (al  veat,  oi  veoixeqoi)  faft  toie  Slmtibflid^ten  erfeljeinen 
(2,  2  ff.),  befonbere  ?ßre€b_r;ter  ermähnt,  bie  %itu3  auf  ber  %n\d  xaxä  nohv  einfeuert 
(xaftioxdvai)  foll  (1,  5  ff.).  9cacr;bem  bie  ib,nen  nötigen  Dualitäten  aufge^ä^lt  finb 
(barunter  äveyxXrjxog  unb  juiäg  yvvaixog  avrjQ),  toirb  fortgefahren :  dsi  yäo  xbv  enla- 
xonov  äviyxXi]xov  ehai  <bg  fieov  olxovojuog,   unb   nun   folgt   noeb,    eine  güKe   bon 

45  Qualitäten,  ©o  toie  ber  j.  %.  tautologtfdje  %eict  lautet,  erfcfyemt  ber  Sifc^of  al§  ibentifd) 
mit  bem  ^3re6b^ter,  mu^  alfo  auclj  bluralifc^t  berftanben  toerben;  aber  e<§  fragt  fic^,  ob 
bie  93.  7—9  nid)t  eine  ^nterbolation  finb  (93.  6  fcb,lie|t  mit  ävvnoxaxxa,  unb  93.  10 
beginnt  mit  äwnoxaxxoi).  %n  biefem  gälte  ift  bie  93erorbnung  toabrfcb.einlicb/  auf  einen 
monarcfufcfyen  93ifc£)of  ju  beuten,   ^m  erften  3;imotb,eu§brief  toerben  „2llte"  (93ejal)rte,  b,ier 

50  aber  ngsaßtixegoi),  bejahrte  grauen,  junge  StRänner  unb  junge  grauen,  toie  im  2;itu<o= 
brief,  al<o  befonbere  ©emeinbeftänbe  unterf Rieben  (5,  1  f.),  baju  2Bittoen  unb  foIcb,e  SSittoen, 
benen  eine  ©emeinbefunltion  übertragen  ift  (5,  9  f.)  unb  bie  ifjren  Unterhalt  au§  ber  ©e= 
meinbefaffe  embfangen  (5,  16).  Slu^erbem  fyaben  aber  bie  ©emeinben  eingefe^te  ^ßreS= 
hytex,  unb  in  93e^ug  auf  bie  guten  (xaXcög  ngoeoxcöxeg),  namentlich  aber  auf  bte  leb,r= 

55  fähigen,  toirb  angeorbnet,  ba^  fie  eine  bobbelte  Station  erhalten  foßen  (5,  17).  Slucb,  foß 
eine  $Iage  gegen  fie  nur  angenommen  toerben,  toenn  jtoei  ober  brei  3eu9en  öorb.anben 
finb  (5, 19).  2luf$er  biefen  Slnorbnungen  ftel)t  aber  (3,  1—13)  noefy  ein  langer  Slbfcfmitt, 
ber  bort  ben  Dualitäten  be§  93ifcb,of§  unb  ber  ©iafonen  b,anbelt  unb  mit  ben  Söorten 
eingeleitet  ift :  et'  xig  imoxonfjg  ögeyexcu,  xaXov  egyov  ini'&vjusT  (man  fann  unb  barf 

eo  alfo  ba§  ^öifc^ofgamt  erftreben).    Unter  ben  Dualitäten  bei  SifcfyofS,   bie  mit   ben  im 


»crfoffuwg  525 

SituSbrief  geforberten  faft  ibentifcb,  ftnb,  ift  neben  [Mag  ywatxbg  dvr\g  befonberS 
cpiX6g~£vog,  öiöaxxixög,  d<pddgyvgog,  xov  löiov  olxov  xalmg  Jigoioxdusvog  unb  bie 
gorberung,  aueb,  bei  ben  Reiben  ein  gutes  $eugnis  Su  §aben,  fyerboräufyeben.  35te  Qualt= 
täten  ber  ©iafonen  finb  benen  beS  SßifdjiofS  äfynlicb,  (ob  3,11  auf  bie  grauen  ber  £>iaione 
geb,t  ober  auf  bie  ®iaIoniffenV).  @S  ftefyt  mit  biefem  Stbfdmitt  Wie  mit  bem  parallelen  5 
beS  SituSbriefeS.  Sßar/rfcfyeinlicb,  ift  er  interpoliert  (c.  3,  14  fd£)Iießt  an  2,  15  an);  in 
biefem  %aü  ift  er  auf  einen  monarctnfdjen  33ifcf/of  mit  feinen  ®iafonen  ju  beuten  (23.  2 
6  emoxojiog,  35.  8  didxovoi).  $ft  er  nidjt  interpoliert,  fo  ift  ber  33ifcf)of  =  bie  S3ifd)öfe 
=  bie  eingefe^ten  ^resbpter. 

2tuS  bem  erften  GlemenSbrief  empfangen  mir  enblid)  eine  ntdt)t  nur  beiläufige,  biel=  10 
mef>r  abficfjtlidje,  jufammenfwngenbe  unb  umfangreiche  Hunbe  über  3_serfaffungSberbält= 
niffe.  ®aß  ber  33rief  ein  ©emeinbefcfyreiben  ift,  aus  9tom  ftammt  unb  fieser  batiert 
werben  fann,  macljt  feine  Mitteilungen  um  fo  Wertvoller.  Slber  bie  ^onftatierung  tb,at= 
fäcb/licfier  äjerr/ältniffe  ift  mit  gefdndjtlidjen  Urteilen  unb  einer  %i)ioxk  berbunben,  bie 
ntc|t  gleich  fieser  finb.  Slnlaß  beS  Briefes  ift  bie  ©rfyebung  eines  Seils  ber  forintfyifdjen  15 
©emeinbe  (ber  „jüngeren"),  auf  Stnftiften  Weniger  9MbelSfüb,rer  gegen  bie  anberen;  bie 
©rfyebung  §at  bereits  jur  Slbfefcung  »on  untabeligen  ©emeinbebeamten  geführt,  bie  rwn 
ben  -Körnern  mißbilligt  Wirb.  Sf/ätfäcfylicb,  ift  folgenbeS :  a)  £)te  ©emeinbe  verfällt  in  ^5reS= 
btjtcroi  unb  „Qunge";  jenen  gebührt  (Sfyrerbtetung  (1,  3;  3,  3;  21,  6).  b)  33on  biefen 
^}resbr/tem  (als  33ejab,rten)  finb  „bie  Seitenben"  (rjyovjuevoi,  jigotjyovuevoi:  1,  3;  21,6;  20 
in  ältefter  gett  für  bie  rönüfcfje  ©emeinbe  auet)  fonft  nachweisbare  ©efamtbejeicb^nung 
aller  Seitenben,  f.  oben  §br  u.  £>ermaS,  Vis.  II,  2 ;  III,  9)  ju  unterfdjieiben,  benen 
©efyorfam  gebührt,  c)  Unter  biefen  Seitenben  faßt  ber  33rief  Don  c.  40  an  foId)e 
ins  Sluge,  bie  ben  ©otteSbienft  §u  leiten  Ratten,  fei  eS,  Weil  bem  SSerf.  bieS  als 
baS  2Bid)tigfte  erfdnen,  fei  eS,  Weil  ftcb,  ber  ©treit  um  bie  HultuSorbnung  gebreb/t  25 
fyat.  S)iefe  Seitenben  nennt  ber  33erf.  breimal  „33iftf)öfe  unb  SDiatonen",  ib,r  2Imt 
„imaxojirj"  (42,  4 f. ;  44,  1.  4).  d)  @S  finb  eingefetjte  (xatiioxdveiv  42,  4.  5;  43,  1; 
44,  2  f. ;  54,  2)  Beamte,  bie  als  feit  Dielen  ^ßb^en  bei  allen  Wob^Ibejeugte  (44,  3)  unb 
fcbjießlid)  feierlich  geprüfte  9Jcänner  (44, 2)  toon  erlefenen  SRännern  unter  ber  ßuftimmung  ber 
ganzen  iftreb/e  (44,  3)  eingefe^t  Werben  finb.  e)  3>l)re  gunftion  ber  ernoxonrj  ift  ganj  30 
Wefentlicf)  ober  primär  fultifc^er  SDienft  (jigoocpsgeiv  xä  dcöga  44,  4,  ngoocpogdg  xal 
Xeixovgyiag  EmxeXelo'&ai  40,  2,  7igoo<pogdg  tioieTv  40,  4;  Xsixovgyia  in  e.  44  ab- 
toecb/felnb  mit  Imoxoni]  gebraust),  f)  &iefe  Beamten,  oon  benen  jüngft  ein  Seil  ab= 
gefe|t  Worben  ift,  führen  44,  5  aueb,  ben  Slitel  „^reSbpter"  (bie  ©teile  entfcfyeibet,  Weil 
fie  bie  berftorberten  Vorgänger  ber  abgefegten  33ifcfyöfe  unb  SDiafonen  „jigoodomogrjoavxeg  35 
jiQsoßvzsQoi"  nennt;  nicfyt  entfcfyeibet  47,  6  unb  57,  1,  Weil  Wer  ol  Jigsoßvzsgoi  bie 
Sejafyrten  [Wie  1,  3;  3,  3;  21,  6]  bej eignen  lann),  unb  54,  2  finb  fie  unter  ben 
xa&sorajUEvoi  ngeoßvtegoi  minbeftenS  einbegriffen,  g)  "£rot5  ber  fyofyen  SBebeutung  ber 
2lmtSperfonen  liegt  ibeeß  unb  leerlieft,  bie  ©eWalt  bei  ber  §erbe  felbft  (tö  jioijuviov,  f.  16, 1 ;  44, 
3 ;  54,  2 ;  57,  2),  befö.  bem  JiXfj&og  (54,  1 :  tioicq  xd  Jigooraoadjusva  vnb  xov  Tilrj'&ovg).  40 
h)  Sie  driften^  eines  monard^ifc^en  Sifcb^DfS  für  Horintb,  ift  auSgefd^loffen.  i)  £>er  SSerf. 
beSSriefS  fc^reibt  im  tarnen  ber  römifd)en  ©emeinbe  unbberläßt  biefe  Haltung  niemals; 
bie  römifdjie  ©emeinbe  fenbet  aueb,  nief/t  ^3erfonen  naef)  .florintb,,  bie  fie  als  Älerifer  be= 
jeicb,net,  fonbern  alS  ävögag  moxovg  xal  odxpgovag,  and  vsoxrjxog  ävaoxgacpevxag  Ewg 
yrigovg  djusjLmiojg  iv  rjjuiv  (63,  6).  £>ieS  finb  bie  tl)atfäcb;licben  23erf)ältniffe ;  eS  folgt  45 
aus  ibnen,  baß  bie  Sifcb.öfe  unb  ©iafonen,  bie  ftets  jufammen  genannt  Werben  unb  beren 
gemeinfame  gunftion  imoxojirj  ober  Xsaovgyia  b,eißt,  als  xadsoxa/usvoi  jigsoßvxegoi 
Wab^rfc^einlicb,  px  ben  ^yovjuEvoi  gehören;  aber  feineSWegS  folgt,  baß  biefe  ^ultuSbeamten 
allein  bie  fjyovjUEvoi.  finb,  bielmefyr  lönnen  noeb,  anbere,  nidjt  genannte  ©ruppen  ju 
biefen  geboren  (nic£)t  einmal  baS  ift  fieser,  baß  alle  xadeoxa/xevoL  ngsoßvisgoi  93ifcb,öfe  50 
ober  ©ia!onen  finb).  Slußer  bem  ©argeftellten  bringt  bie  römifcfye  ©emeinbe  in  ib,rcm 
Srief  aber  noeb;  eine  ^^eorie  unb  gefcfncfytlicfye  ^Behauptungen  in  Sejug  auf  baS  ^ultuSamt. 
ßrftlid)  bringt  fie  c.  40ff.  bie  ^l}eorie,  baß  bie  altteftamentlicb/en  HuItuSeinricb.tungen, 
alfo  aueb,  bie  beftimmten  Drbnungen:  §ob,erpriefter,  ^riefter,  Seoiten,  Saien,  borbilblicb, 
für  bie  cfmftlirf)e  ©emeinbe  feien  (Ijob.erpriefter  =  GfyriftuS,  ^riefter  =  Sifcböfe,  Seoiten  55 
=  ®ia!onen)  —  fraglicb,  ift,  ob  im  ©inne  beS  SSerf.  ber  XerminuS  „6  laixog"  bem 
33orbiIb  angehört  ober  bem  cfmftlicfjett  5lacbbilb.  ©a  fieb,  aber  6  Xaixog  in  ber  LXX 
nicr/t  finbet,  fo  ift  le^tereS  Waljrfct; einlicb, ;  JJäbereS  über  Saien  unb  SUeruS  f.  u.  — ;  bamit 
ift  ber  toerb/ängniSbofre  erfte  ©d;ritt  oolljogen,  baS  Sßefen  beS  lird;Iicb,en  SlmtS  nadb,  bem 
jübifcb,en  ju  beuten  (eine  geWiffe  33orbereitung  liegt  in  1  Ho  9,  9  unb  1  1t  5,  18).    5^aS  go 


526  aScrfaffMng 

toar  ettoaS  SfoueS  —  jumal  ba  Ijerborgefyoben  toirb  41,  3,  bafj  bie  23erle|ung  ber  ®ultu§= 
gefetje  im  2££  bcn  %ob  nacb,  fid)  jtefyeü  — ,  unb  bie  römifcfye  ©emeinbe  ift  ficb,  aucb,  mit 
©tolj  betoufjt,  bafe  tf>r  eine  neue  ©rfenntnte  gefdjeuft  fei  (41,  4:  dpäre,  ädeXcpoi,  öoco 
nXeiovog  xaTfjgico&rjjuev  yvcooecog,  rooovtco  /uäXXov  vnoxeijue'&a  mvdvvco).  ,3toeiten§ 
5  beraubtet  fie,  bie  @infe|ung  bon  SBifd^öfen  unb  SDialonen  fei  —  mit  eben  'biefen  2lmt§= 
bejeidjnungen  —  im  %%  getoeiSfagt,  inbem  fie  (42,  5)  bie  jefajamfcljen  SBorte:  dcoaco 
xovg  äg%ovxdg  oov  iv  slgrjvrj  xal  xovg  imoxÖJiovg  aov  ev  dixaioovvrj  alfo  ber= 
fälfcfyt:  xaxaoxrjoa)  [bteä  ift  aucb,  term.  techn.,  f.  o.J  xovg  imoxojiovg  avxcöv  ev 
dixaioovvrj  xal   diaxovovg  avxcöv  ev  moxsi.     *3)ritten3    ergäfjlt   fie,  bie  3lpofteI,   bie 

10  ebenfo  bon  ßfjriftuS  gefanbt  feien  tote  (5I)rifiu3  bon  ©ott,  Ratten  als  Sfttfftonare  überall 
il)re  ©rftbefefyrten  naa;  geiftlid)er  Prüfung  (bgl.  1  %x  3,  10)  aU  23ifd)öfe  unb  25iaionen 
(xcov  jueXXovxcov  moxeveiv)  eingefeijt.  ©nblicb,  behauptet  fie,  „unfere"  Slboftel  (fyier 
btetteicfyt  nicf)t  bie  $toßlf,  fonbern  ^ßetru§  unb  $aulu§,  f.  c.  5)  Ratten  burcb,  Offenbarung 
$efu  ß^rifti  borau§gefeI)en,  bafj  fid)  ©treit  um  ba§  övo/xa  ber  emoxomrj  ergeben  toerbe; 

15  beSfyalb  Ratten  fie  fid)  nidjt  nur  mit  jener  ©infe^ung  begnügt,  fonbern  aud)  bie  2tnorb= 
nung  hinzugefügt,  baf$  nad;  bem  2lbfd)etben  ber  erften  Beamten  anbere  erbrobte  9Jcänner 
ib,ren  2)ienft  übernehmen  feilten.  2Öie  man  fiefyt,  ift  trier  bon  abofiolifcb^bifcfyöflid;er 
©ucceffion  nid)t  bie -Webe  (übertäubt  bon  nicfyt  ©ucceffion);  toot)l  aber  toirb  bie  gortbauer 
be§  Stmfco  —  ber  ©treit  mujj  fid;  alfo  barum  gebrei)t  fyaben,   ob   baS  2Imt  übertäubt 

20  fortbeftefyen  foll ;  eS  toar  alfo  fein  ©treit  um  ben  monardjifcfyen  ©biffobat,  ob  er  fein 
ober  werben  folle;  benn  biefer  ©piffobat  ftanb  übertäubt  nidjt  jur  5ra3e  ~  auf  abofto= 
lifcfye  2lnorbnung  jurüdgefüfyrt.  2öer  bie  ^Beamten  ein^ufe^en  |at,  barüber  toar  ebenfo= 
toenig  ©treit  wie  über  bie  9?atur  be§  2lmt§. 

©er  (SIemenSbrief  lä'fjt  für  bie  römifcf)e  ©emeinbe  (nkfyt  für  bie  forintbjfdK)  immer= 

25  fyin  bie  entfernte  SRögltcftfeit  offen,  bafj  bort  ein  monardnfcfyer  SBtfd^of  erjftierte,  unb  bafj 
eben  ber  ©djreiber  beS  SSriefS  ber  monardnfcfye  S3ifd)of  ift  (in  biefem  gaHe  müfjte  man 
freilieft,  annehmen,  ba^  bie  römifd;e  ©emeinbe  bon  i^ren  eigenen  23erfaffung§berlj)ältniffen 
abfielt  unb  fid;  in  bie  gang  anberäartigen  !orintl)ifd;en  berfe^t,  h>as  natürlid)  gang  un= 
toaf)rfd;einlid;  ift).    2lHein  biefe  50iöglidj!eit  Wirb  burefr,  §erma§  au§gefd;loffen,  ber  eben= 

30  faH§  in  3ftom  gefd;rieben  tyat  unb  beffen  Söerl  fucceffibe  im  Sauf  bc§  erften  25rittel§  be§ 
2.  ^a^rb,unbert§  entftanben  ift.  @3  ift  ntd;t  biel,  toag  §erma§  gur  3]erfaffung§gefd;id;te 
bietet,  unb  bag  Söenige  ift  aud;  nid;t  burd;toeg  beutlia),  aber  einiges  ift  bod;  bon  b,ob,em 
Gelang,  a)  §erma§  ben!t  im  Unterfd;ieb  bon  GlemenS  in  erfter  Sinie  an  bie  ©efamt= 
unb  nid;t  an  bie  Soralgemeinbe.     ©e§b,alb   fd;iebt   er   bie  2tboftel   unb  2el>rer  in  ben 

35  Sorbergrunb,  bie  nad;  Sim.  IX,  15.  16.  17.  25  einer  bergangenen  ©eneration  angehören, 
bon  benen  aber  na<^  Vis.  III,  5  unb  Mand.  IV,  3  noeb,  etliche  leben.  SDie  ^5robb,eten 
ertoälmt  er  bei  biefen  Iird;engrunblegenben  Stetracfytungen  nid;t  (Sim  IX,  15  finb  bie  alt= 
teftamentlid;en  gemeint);  toarum,  ift  fd;toer  ju  fagen  (f.  SJliffion  unb  2lu§breitung  I3, 
©.  284  ff.),  ba  er  fid;  Mand.  XI  fefyr  eingefyenb  mit  ben  toafyren  unb  falfd;en  ^3robb,eten 

40  beschäftigt  unb  felbft  5]3robl)et  ift.  b)  ^n  Vis.  III,  5  berfnübft  er  bie  ©efamtorganifation 
mit  ber  lofalen  (toie  im  (Sb^eferbrief)  unb  bilbet  nun  bie  9?eif)e  änoaxoXoi,  ernoxonoL, 
diddoxaXoi,  didxovoi,  b.  i).  bie  lolale  Drganifation  ift  ib,m  in  ben  33ifd;öfen  unb 
©iafonen  gegeben ;  er  fteHt  jene  aber,  um  fie  ju  ef)ren,  bor  bie  2eb,rer.  Sie  gufanimen* 
ftellung   „Sifd;Dfe  unb  ©ialone"  finbet  fid;  (aug  zufälligem,  aber   erfid)tlid;em  ©runbe 

45  umgefe^rt  georbnet)  noer)  einmal  Sim.  IX,  26.  27.  %t)xe  bornel^mfte  Aufgabe  ift  afö 
uneigennü^ige  9)Jänner,  bie  Söiitoen  unb  Söaifen  ju  bflegen  fotoie  bie  2lrmen ;  ib,r  SDienft 
^»eif3t  öiaxovia  unb  X^aovqyia.  c)  $tt  Vis.  II,  2,  6  toerben  bie  TZQorjyovjuevoi  xrjg 
ixxXfjoiag  ermahnt,  ib,re  2öege  in  ©ered;tigfeit  gu  berichtigen  —  man  fann  unter  ifynen 
(f.  I  Clem.)  nur  jebe  2lrt  bon  Seitenben  berfteljen  — ,  unb  in  Vis.  III,  9,  7   erhalten 

so  fie  nod;  eine  berfdjärfte  9Jiab,  nung ;  guglcid^  aber  toerben  ü) nen  bie  nQcoxoxad-EÖQlxai 
auSbrüdlicb,  hinzugefügt.  2öer  biefe  finb,  ift  leiber  nidjt  angegeben  (nad;  Mand.  XI,  1 
füjt  ber  ^feubobrofib, et  auf  ber  ^atb,ebra,  unb  nad;  Mand.  XI,  12  ftrebt  er  nad;  ber 
jiQcoxoxa'&edQia).  SJtan  toirb  bem  Sluöbrud,  ba  er  neben  bem  fo  allgemeinen  2lu3brud 
ol  TiQoriyovfjLEvoi  fte^t,   eine  toeite  SSebeutung  geben  muffen  (f)öb,nifd;  ift  er  nicb,t):  aUe 

55  finb  gemeint,  bie,  fei  e§  al§  ^3robf)eten  ober  Seb^rer  ober  in  einer  bertoanbten  @igenfcb,aft, 
bem  jtXfj'&og  (Mand.  XI,  9)  al§  Seleb^renbe  gegenüberftefyen.  Db  ber  33erf.  nur  ba§ 
©treben  nacb,  ber  TiQcoxoxa'&edQia  berurteilt  ober  ben  ©ebanfen  einer  jiQ(oxoxa§edQia 
felbft,  ift  nid)t  ganj  Ilar;  inbeffen  ift  erftere§  toab,  rfcb,einlid»er  unb  toirb  aucb,  nicfyt  bureb, 
Sim.  VIII,  7,  4  toiberlegt ;    benn  aucb,    fyier  fbridyt   ber  33erf.  feine  3)Ji|bittigung   nid;t 

60  gegen  bie  TZQooxela  al§  folcfye  au§,  fonbern  gegen  bie,  oT  e'xovoi  t,y\X6v  nva  iv  äXXrjXoig 


«crfoffttttg  527 

jiegl  ngcoTEtcov  xal  zisgl  do^rjg  xivog '  jidvxeg  ovxoi  /ucbgoi  sioiv,  ev  a.}JXr\Xoig  £%ovxeg 
CfjXov  tieqI  tiqcoxeiidv.  $mmerl)in  $  m  S^üdfirfjt  auf  ben  i'ommenben  monarcfyifcfyen 
©btffobat  bie  %l)atfa<fye  be3  £fjXog  jieql  jiqcoxeicdv  tütd^tig  (bgl.  3  $>o  3:  6  cpdojigoj- 
xevcjov),  unb  nic^lö  fnnbert,  bie  ©treitenben  unter  ben  Inioxonoi  %\x  fucfyen.  d)  2ln  gtoet 
©teilen  ift  bon  $re§bfytern  bie  3tebe:  in  Vis.  II,  4,  2  fragt  bie  Ätrcfye  ben  §erma§,  ob  s 
er  ein  getoiffeö  Vücfylein  fcfyon  ben  Vreöbfytern  gegeben  l)abe.  2Iuf  feine  Verneinung  fyin" 
tüirb  ifym  gejagt,  baf$  er  e§  in  biefer  ©tabt  /usxä  xcöv  ngEoßvxEgcov  xcöv  ngo'ioxafxhcov 
xrjg  ixxXrjotag  lefen  fotle,  unb  in  Vis.  III,  1  Wirb  er  in  einem  ftymbolifcfyen  Vorgang 
belehrt,  baft  e§  nod)  toürbigere  ^erfonen  in  ber  streite  gebe  al§  bie  Vre3bfyter,  nämltcf) 
bie  -Btärtfyrer.  Seiber  läfjt  fic^>  nacb,  biefen  lurjen  Söorten  fcbJecfyterbingS  nicfyt  feftftellen,  10 
tüte  fid)  bie  Vregbfyter  ju  ben  Vifcfyb'fen  unb  SDiafonen  bereiten  (bagfelbe  gilt  bon  ben 
einmal  genannten  jioijUEvsg,  bie  für  bie©db,afe  beranttoortlicb,  finb,  Sim.  IX,  31,  6,  wer 
finb  fie?  VreSbtyter  ober  Vifcfyöfe?).  2Bo  bie  ©inen  genannt  finb,  fehlen  bie  anberen. 
2lugenfd)einlicb,  gehören  bie  ngsoß-üxEgoi  ol  ngoioxa/usvoi  xfjg  ixxXrjotag  fo  auSfcfyltefjlid) 
ber  ©injelgemeinbe  an,  bafj  er  fie  bort  nidjt  brauchen  lann,  roo  er  ber  ©efamtfircfye  ober  is 
ber  ©injelgemeinbe  al<§  Vrojeftton  ber  ©efamtfircfye  gebeult.  Slber  mefyr  läfjt  ficb,  nid)t 
fagen.  ®a§  Verhältnis  beiber  ©rubben  bleibt  bunfet.  e)  ©djliefjlicfy  gebenft  §erma§, 
mo  er  bon  ber  Verbreitung  jene§  VücfyleinS  (f.  o.)  fbricfyt,  eines>  ©lernend  unb  einer 
©rabte.  $ener  foll  baö  Vüdjitein  dg  xäg  eg~a>  TioXsig  fcfyicfen;  benn  ba§  fei  fein 
Auftrag  (exeivco  ydg  imxhgajixai),  biefe  foll  au3  bemfelben  bie  iüitmen  unb  2Saifen  20 
ermahnen,  ©e'meint  ift  ibafyrfcb,  eirtlid^  ber  ©cfyreiber  be3  erften  6lemensbriefe§ ;  aber  aucb, 
wenn  man  in  bem  Vegrünbung§fa|  eine  für  ©lernend  nicfyt  nur  ad  hoc  beftefyenbe, 
Jonbern  ftänbige  Beauftragung  erfennt,  iann  man  in  ib,m  fcfylecfyterbingg  nicfyt  einen 
monard?ifd)en  Vifdjof  erfennen,  fonbern  nur  einen  Veamten  (Vreäbfyter  ?  Vifcfyof?)  für  bie 
Äorrefbonbenj.  ®te  ©rjftenj  eine§  monard)ifcf)en  Vifcf)of§  ift  foroof)!  burd)  ben  Vlural  25 
ol  jiQsoßvxEQoi  ol  7iQoioxäjUEvoi  xfjg  ixxXrjoiag  (in  ber  einen  ©emeinbe  9tom)  wie  aud) 
burd)  ben  Vlural  ejiioxojiol  au§gefdb,loffen. 

©ie  „Slboftelle^re"  ^at  e§,  mie  §erma§,  faft  burd^toeg  mit  ber  @efamt!ird)e  unb  mit 
ber  ©injelgemeinbe   als  ifyrer  2lu§toir!ung  ju  tun.    ©ben  be3b,alb  befdjäfttgt  fie  fid)  fo 
eingeb,enb  mit  bem  2Sir!en  ber  2tbofteI,  Vrob^eten  unb  Seb,rer,  beren  Söirfen  fie   nod?  30 
borau§fei$t,   menn  fie  auö)  fd)on  2tnorbnungen  trifft  für  ben  %aü,   bafc  ^ßrob^eten  unb 
2el)rer  ber  ©injelgemeinbe  fehlen  (9  unb  10,  1—6  im  Vergleich   mit  10,  7;    13,  4; 
15,  1).   ®ie  §ocl)fd)ä|ung  biefer  Xoyov  XaXovvxsg  ift  eine  ungeheure  (fie  foEen  toie  ber 
§err  geehrt  merben ;    o&sv  yäg  f\  xvgiöxrjg   XaXslxai,   exeT  xvgiog  loxiv,  4,  1 ;    ben 
fkobfyeten  ju  Iritifieren,  ift  eine  unbergebbare  ©ünbe  11,  7).    Dbgleid?  ber  ©tanb   ber  35 
$roj>I?eten  fcfyon  fernere  2ln^eid)en  bon  Äorrubtion   bietet  (11,  7—12),  fo   änbert  ba§ 
nidjtg   an  ber  ifmen  gebü^renben  §odjfd^ä^ung  unb  an  ben  materiellen  Seiftungen,  bie 
i»ie  ©emeinbe  iimen  (fogar  bor  ben  Slrmen,  11,4)  fd^ulbet ;  benn—  fo  fd)reibt  ber  Verf. 
(13,  3)  —  „bie  Vrobljeten  finb  eure  £of)enbriefter"      ßum  ^weiten  9CRaIe  begegnet  un§ 
liier  ber  9lefurg   auf   ba§   altteftamentliclje  Vriefteramt   (f.  0.  bei  I  SIem.).     ^n  c.  14  40 
fommt  ber  Verf.  auf  ben  ©onntag§gotte§bienft  unb  bie  feierliche  ftvoia.   ^n  biefem  3U= 
fammenl>ang  fagt  er  (15):  %EiQoxovr\oaxE  ovv  iavxoig  mioxojiovg  xal  diaxovovg  ä£iovg 
rov  xvgiov,  ävdgag  ngaslg  xal  äcpiXaQyvqovg  xal  äXr]&Elg  xal  dsdoxijuaojUEVOvg   v/ulv 
ydg  XEixovqyovoL  xal  avxol  xfjv  Xsixovgyiav   xcöv   ngocprjxcbv  xal  öiöaoxdXajv   /ur] 
ovv  vjiEgidrjXE  avxovg   avxol  ydg  eioiv  ol  XExifxrj [aevoi  v/acöv  jusxd  xcöv  Tiqocprjxcov  xal  45 
dtdaoxdXcov.    ®iefe  2öorte  finb  befonber§  loftbar:  1.  gaffen  fie  Vifcfyöfe  unb  ©talonen 
enge  jufammen  —  bon  Vregbtjtern  ift  Weber  (üer  nod)  übertäubt  im  Vucfe,  bie  9iebe  — , 
2.  laffen  fie  burc^)  bie  Verlnübfung  biefer  ?ßerfonen  mit  ber  frvola  i^re  gunltion  brimär 
aH  fultif4)e  erfd)cinen  (f.  I  glem.),   3.  bestimmen  fie  il>re  Dualitäten  fo,   bafe  man  er= 
fennt,  bafe  ib,re  gunftioncn  fid;  aucb,   auf  berfönlicfyeä  SSirlen  unb  auf  ginanjfa^en  be=  50 
jieb,en,  4.  befagen  fie,  bafe  biefe  Veamte  (im  Unterfd;ieb  bon  Slbofteln,  $robb,eten  unb 
Sehern)  bon  ber  ©emeinbe   beftellte  finb,  5.  lehren  fie,   bafj  ba§  Xoyov  XaXslv    an  ficb, 
nid)t  ju   ib,ren  gunftionen  gehört,  bafe  aber  biefe  Xsixovgyla   (bei  bem  SRangel  bon 
$robb,eten  unb  Sebjern)   auf  fie  überzugeben  anfängt,   6.  enblid)  geigen  fie,  bafi  an  fid) 
ein  grofeer  2lbftanb  jtoifd) en  ^ßrobb,  eten  unb  Sehern  eincrfeitä  unb  Vifd)öfen  unb  ®iafonen  55 
anbererfeitö  befielt,  bafe  man  ficb,  aber  bor  Unterfdjä^ung  biefer  (aU  gemähter  Veamter) 
^ütert  foll,  ba  fie  nunmehr  ben  ©ienft  jener,  nämlich  bie  SBortbermaltung,  leiften. 

2>er  Vol^arbbrief  ift  an  bie  ©emeinbe  ju  Vl)ilibbi  abreffiert.  SBelcb^e  Verfaffung 
er  für  ©m^rna  an  bie  §anb  giebt,  barüber  f.  fbäter.  Qn  Vb^ilibbi  fe|t  er  feinen 
monardHfcfyen  ^ifd^of  borauö,  fonbern  eine  fottegiale  Vertoaltung.    ©rmab^nt  Werben  juerft  60 


528  SScrfoffung 

bte  Männer  (4,  1),  bann  bie  SBeiber  (4,  2),  bann  bie  Söittben  (4, 3),  bann  bie  ©iatonen 
(5,  2),  bann  bie  vecoteqoi  (5,  3),  bann  bie  Jungfrauen  (5,  3  c),  bann  bie  TiQeaßvregoi 
(6).  Sei  ben  vecotsqoi  fyeifet  e§,  bafj  fie  ben  ^re3br/tem  unb  ©iafonen  cog  &eco  aal 
Xqiotcö  gefyorfam  fein  follen.  £jier  müfcte  ber  monarctjifcfye  Bifct)of  genannt  fein,  roenn 
5  e3  einen  folgen  in  ^ßfyilibbt  gegeben  I)ätte.  2lber  aud;  bie  an  bie  BreSbfyter  genuteten 
SJJafmungen  fdjliefjen  u)n  au§;  benn  biefe  Serben  al§  eine  Megiale  (Einheit  borgeftellt, 
jugleicf)  aber  in  ben  gorberungen,  bie  an  fie  geftellt  werben,  al<§  ber  ©tanb,  ber  in  faft 
aßen  benf baren  Bedienungen  bie  gürforge  unfc)  Bertoaltung  I)at;  benn  reichhaltiger  unb 
bielfettiger   ift  leine   ber   aucb,    auf  un§  gefommenen  Qualitäten=,3ufammenfiellung   für 

10  ©emeinbebeamte  aU  biefe  (nur  ber  ©oite§bienft,  mcfyt  aber  bie  ginanjbertoaltung  feb.lt). 
§ödjft  auffaüenb  aber  ift,  baj?  fie  nicfyt  „Btfcfyöfe"  fyeifsen,  bejtü.  bafj  ber  9came  „S3tfct)öfe" 
übertäubt  in  bem  ganzen  SSrtef  febjt  (f.  bagegen  ben  Brief  be§  ^aulu3  an  bie  ^fyilibber). 
9Jtan  rennte  berfucfyt  fein  anjunefymen,  bafj  bie  (Ermatmung  an  bie  Bifd)öfe  bor  ber  an 
bie  ©iafonen  aufgefallen  fei,  ba  bie  Boranftellung  biefer  Ijiöcbjt  auffaüenb  ift;  aber  eine 

15  anbere  (Erklärung  liegt  näl)er:  baburct;,  bafj  ^olbfarb  nad;  ben  SDiafonen  »on  ben  vecoteqoi 
geljianbelt  I)at,  ij>at  er  fid;  beranlajjt  gefefyen  (bgl.  1  $ßt.,  I  ßlem.),  äße  (Ermahnungen,  bie 
er  nun  nod)  ben  Seitenben  geben  Will,  unter  ben  ©efamttitel  „ol  Tcosoßvisooi"  ju  fteKen 
(man  beachte  audj,  bafj  er  bie  (Ermahnungen  an  bie  SDiafonen  unb  bie  an  bie  vecoteqoi 
je  mit  öjuoicog  einleitet,   bann  aber  einfad)   mit  xal   ol  jiQsoßmsQoi   fortfährt).    ®a§ 

20  geilen  ber  Bif  d)öf  e  ift  alfo  gufäCtig :  fie  ftecfen,  ^ufammen  mit  ben  Bejahrten  unb  ben 
(Efyrenberfonen  überhaupt,  in  ben  jigsoßmegoi.  ©in  beftimmter  5ßres>br/ier  (Balen§)  wirb 
c.  11  genannt;  er  b,at  einer  aus»  §abfud;t  ftammenben  Berfefylung  wegen  feine  ©teile 
berloren  („qui  presbyter  factus  est  aliquando  apud  vos").  Befiimmtere3  über  bie 
Berfaffung  ergiebt  fid;  baraug  nid;t.    ®od;  ift  es>  nid)t  gletcfygiltig,  bafj  ein  mit  ber  olo= 

25  nomifdjen  Bertoaltung  betrauter  Beamter  —  benn  ba§  mufj  man  nad)  ber  SCrt  feiner 
Berfebjung  annehmen  —  I)ier  „^reäbr/ter"  genannt  wirb. 

hiermit  finb  bie  Wicfytigften  Quedenftetten  au§  ber  ßeit  Don  Befbafian  big  £>abrian, 
mit  3lu§naf>me  ber  $gnatiu3briefe,  erfcfyöpft. 

17.  Unmittelbar  nad;  ber  3eit,  in  Welche  biefe§  bunte  unb  feineämegl   einftimmige 

30  Sftaterial  gehört,  narnlid)  in  ber  fttit  be§  ^ßiug  unb  3JJarIu§,  ift  ber  monard)ifd;e  (Ebiffobat 
famt  ber  beftimmten  Drganifation,  bie  fid)  il)m  anfd)liefjt,  überaß  in  ber  ^ircfye,  fotoeit 
unfere  $unbe  reicht,  gu  fonftatieren,  ja  für  2lntiod)ien  unb  Slfien  ift  er  burd)  bie  $gnatiu§= 
briefe  bereits  für  bie  $eit  um  115  ju  ertoeifen.  ©aS  gefd)td)tlid)e  Problem,  toeld)e<§  fid; 
barau<§  ergiebt,  ift  gro|  unb  fdjtoer  ^u  löfen;   benn  in  bem    oben   mitgeteilten  SRaterial 

35  rceift  laum  ein  3"S  btreJt  auf  bie  monard)ifd;e  SSerfaffung.  53ei  Jö^itiuS  ift  biefe  alfo 
geftaltet:  an  ber  ©pt$e  jeber  ©emeinbe  (mit  3lugnab^me  ber  römifdjen,  an  bie  er  fcfyreibt) 
fte^jt  ein  Sifdjof,  ber  biefen  unb  feinen  anberen  tarnen  füf)rt.  @r  ift  ber  mir!lid)e 
5Ronard)  ber  ©emeinbe,  mie  e3  fd)eint,  in  jeber  benfbaren  33ejieb,ung.  Jn  erfter  Sinie 
aber  ift  er  Seiter  be3  ©ottegbienfteö   unb  ber  33erfammlungen,  unb  erfte  $flid)t   eine! 

40  jeben  Stiften  ift,  fid)  bort  ib,m  anjufd;Iie|en  unb  jeben  SöinfelgotteSbienft  ju  bermeiben. 
•Jticfyt  minber  aber  mu^  man  auf  fein  Söort,  feine  Seb^re,  tjoren.  Überhaupt:  „^id^tg 
miber  ben  Sifdjof,  ntdjtä  of;nc  ben  33ifd)of",  baö  ift  bag  21  unb  D  ber  Briefe.  Unter 
unb  neben  i§m  fte^t  ein  Kollegium  bon  ^5re§b^tern  (ro  jiQEoßvTrjQiov,  ol  jiQsoßvTEQoi) 
al§   ^tatSberfammlung   mit  befonberen  ©bjenfüjen  in  ber  ©emeinbe.    ©ie  fdjeinen  nid)t 

45  a\3  ©injelne,  fonbern  eben  nur  at§  9iat§berfammlung  ju  fungieren  (aber  i^re  ^om))e= 
ten^en  finb  überbautet  faum  geftreift)  unb  führen  leinen  anberen  tarnen  als  „bie  $re§= 
b^ter"  (ib^re  ftaty  ift  nid)t  angegeben),  ©nblid)  folgen  bie  ©ialonen  (unbeftimmte  3a^0, 
bie  lein  Kollegium  bilben,  fonbern  als  ©inline  in  Setracf;t  fommen.  ©ie  finb  bie  au§= 
füf)renben  Organe  be§  SBifdjofä  im  ©otteäbienft  unb   in   ber  ©emeinbebermaltung  unb 

50  fielen  t^m  beöb^alb  befonberö  nafye  (alfo  bie  aud;  fonft  beobachtete  Slffinität  bon  S3ifd)of 
unb  ©talon).  ®ie  ,,S£t)eorie",  bie  Jgnatiug  au§  biefer  Drbnung  mad)t,  fd)eint  ib,r  2öefen 
unb  ib,re  Stürbe  bei  oberflächlicher  Betrachtung  exorbitant  ju  fteigern;  in  Söabjfyeit 
fdjtoädjt  fie  fie  ober  offenbart  bielmefyr,  ba^  bie  ganje  (Einrichtung  tatfäd)Iid)  nidjt  etmaS 
fo  @r^abene§  unb  red)tlid)  geftbegrünbete<8  ift,  lr>ie  er  glauben   machen  mill.    B«11^ 

55  tourjelt  bie  Styeorie  nod)  immer  in  ber  Betrachtung,  nad;  melier  bie  (Einjelgemeinbe  tyxo> 
jeltion  ber  ©efamtgemeinbe  ift.  Bon  b^ier  au§  erllärt  e§  ficf),  ba^  lonftant  broüamiert 
wirb,  ber  Bifd)of  fteb^e  in  ber  ©injelgemeinbe  an  ©teHe  ©otte§,  bejto.  ß^rtftt,  bie  ^3re§= 
b^ter  aber  an  ber  ©teile  ber  SIboftel.  SDiefe  Beb,autotung  befagt  red)tltd)  gar  nidjtS;  fie 
toürbe  ettoaä  —  unb  gtoar  biel  —  befagen,  wenn  e3  bom  Bifcb^of  fyiefce,  er  ftünbe  an 

eo  ©teile  ber  Slboftel  unb  fe|e  ifyr  2lmt  fort.    SlUein  bag  fagt  3gnatiu§  aic^t.     2öa§  er 


SBcrfaffuttg  529 

fagt,  ift  iWax  nicf)t  einfacb,  3tf)etorif  —  benn  e£  liegt  il)m  bie  alte  Konzeption  beS  ^n= 
einanber  bon  ©efamt=  unb  Sofalgemeinbe  ju  ©runbe  — ,  ift  aber  eine  Betrachtung,  au$ 
bev  fieb,  recfytlicfye  Kompetenzen  ntcfyt  ergeben,  ©obann  ift  nicfyt  ficfyer  erftcbtlict),  tote  biet 
bon  biefer  SSerfaffung  Wirflicfy  fcfjon  in  Slfien  eingebürgert  War  unb  Wie  biet  blofs  antiodjenifa) 
ift.  ©ewifj  ift  freilid),  bafe  bie  aftatifcfyen  ©emeinben,  an  bie  39™*^  fcfyreibt,  in  5 
minbeftenS  einer  £>inficfyt  eine  monarcfjifcfye  ©bi|e  Ratten  fomie  ^reSbtyter  unb  SDiafonen, 
ferner  bafj  ber  an  ber  ©bitje  ©tefyenbe  ein  berfyältniSmäfjig  junger  5Diann  fein  fonnte 
(Magn.  3),  alfo  bem  2llter  nact)  nicfyt  zu  ben  $re3br/tern  gu  gehören  brauste.  SlHein 
Wie  fel)r  man  bereite  irren  Würbe,  Wenn  man  auf  ©runb  ber  ^gnatiu^briefe  für  Slfien 
bie  fcfjarfe  terminologifcb)e  ttnterfcfyeibung  „ber  Bifdwf,  bie  'preSbr/ter"  annehmen  wollte,  10 
babon  überfuhren  bie  auf  Stfiert  bezüglichen  Urfunben  bi§  gum  Anfang  beS  3.  ^afyrljmnbertS 
(namentlich  3renaug)-  ©ie  %eWn  *m  SBiberfbrudj  ju  ^gnatiuS,  bajj  bie  monardjifcfyen 
Sifcfyöfe  aucfy  nodj  immer  „$re^bt)ter  ber  Kirche"  genannt  würben.  ®ann  aber  ift  e§ 
aud)  Weiter  fraglich,  ob  SgnatiuS  Wirflief)  in  ben  aftatifcfyen  ©emeinben  bereite  bie 
9Jconarcf)ie  eines  (Einzelnen  in  jeber  Beziehung  burcr)gefül)rt  fanb.  2Sa£  er  ju  fetner  15 
greube  aucf;  bort  burct)gefül)rt  fal),  War,  bafj  einer,  ber  ben  tarnen  „Bifct}of"  führte  [ob 
nur  er?],  ben  ©otteSbienft  leitete.  SDaran  fyat  er  mit  feinen  ©rmabnungen  unb  ©befu(a= 
tionen  angefnübft.  Db  aber  nicfjt  bie  5Pre§bbter  tfyatfäctjlicf;  nocf)  in  ganz  anberer  SBeife 
an  ber  Seitung  ber  ©emeinbe  beteiligt  Waren,  ab§  e§  nad)  feinen  Söorten  erfcfyeint,  barf 
man  mit  gug  fragen.  Über  Wirllic|e  Kompetenzen  rechtlicher  2trt  fd)Weigt  er  ja  boH=  20 
fommen.  ©a§  Problem  ift  alfo  nicfjt  fo  grofs,  Wie  man  bei  ber  erften  Betrachtung  glauben 
muftte.  %üx  2fntiocfjien  freiließ,  Weil  für  ^gnatiuö  felbft,  muffen  Wir  ben  monartfüfcfyen 
©biffobat  im  ftrengen  ©inn  annehmen.  Slber  totö  Wiffen  Wir  bon  ber  ©emeinbe  in 
2lntiodnen  unb  ben  fr/rifcfyen  ©emeinben?  35er  antioc^enifcfye  ©biffobat  fann  eine  9?acf)= 
btlbung  ber  jerufalemifcb.en  9Jconarcb,ie  (2Safobu§,  ©imeon)  fein  (fo  $at)n)r  aber  er  fann  25 
fieb,  aud)  —  \va$  mir  Wal)rfcfyeinlicr)er  ift  —  au$  befonberen  Bebingungen  entwickelt  b,aben, 
bon  benen  Wir  fcf;lecr)terbing3  feine  Kunbe  befiijen.  SDie  alte  antiod)enifd)e  BifcfyofSlifte 
fnübft  an  $etru<§  an  unb  nennt  ab§  Vorgänger  bei  IggnatiuS  ben  @uobiu§  (f.  meine 
ßfyronologie  I,  ©.  70  ff.).  ®a§  Problem,  foWeit  eS  lösbar  ift,  ift  übertäubt  nur  für 
bie  jtoifcb,  en  ^fyrfygien  unb  Som  liegenben  ©ebiete  borb,  anben ;  benn  nur  aus  biefen  30 
ftammt  ba§  oben  zufammengefteflte  Material.  Slucb,  Slg^ten  mu^  au§gefcb,altet  Werben; 
benn  Slngaben  über  bie  ©emeinbeberfaffung  bafelbft  bor  bem  ©nbe  be3  2.  ^a^rfjunbertS 
fehlen  un§. 

2Bie  ift  nun  ba§  Material  au§  ber  &\t  bor  ^tul  im  Sichte  ber  2b,atfacb,e  ju  beur= 
teilen,  bafe  jene  ©ebiete  feit  ber  3^it  ber  Slntonine  monarcbjfcfye  S3ifcb,öfe  befi^en?  (für  35 
9tom  mafyt  e€  bie  ©Etftenj  einer  23ifcf)of<§Iiftc  aul  ber  ßett  be3  ©oter  [f.  6b,ronol.  a.  a.  D.] 
unb  bie  au^brücflicb, e  ^Bezeichnung  bei  Slnicet  all  bei  SifcfyofS  in  einer  faft  zeitgenöffifcb,en 
Ur!unbe  geWi^,  ba^  ber  monarc^ifc^e  ©biffobat  nicb,t  nafy  c.  150  tjerborgetreten  ift;  ber 
SJcuratorifc^e  gragmentift  Wirb  alfo  im  9iecr)te  fein,  Wenn  er  fcb,on  ben  ^ßiu§  all  ben 
33tfd)of  bezeichnet ;  ber  Slbfdjluft  be§  „§irten"  mufe  bann  aber  fbätefteno  um  140  erfolgt  40 
fein,  gür  Korintl)  bezeugt  £egefibb  in  ber  3ett  3lnicet§  ben  Stfc^of  5ßrimu§,  bei  Euseb., 
h.  e.  IV,  22 ;  monard)ifd)e  Sifcb^öfe  in  ben  griecfnfcb, en  unb  afiatifcf)en  ©täbten  foWie  auf 
Greta  Werben  bon  ®ionr/fiu§  6or.,  ^olvfratel  u.  a.  bei  Euseb.  IV,  23  ff.  bezeugt,  tc.  x.). 
Sicher  finb  m.  @.  folgenbe  fünfte:  1.  33i3  über  ben  Slnfang  be§  2.  ^abrfmnbertö  ^inauä 
b,atte  bie  Drganifation  ber  ©inzelgemeinbe  übertäubt  ntctjt  bie  @rl)eblicf;feit,  bie  ib,r  fbäter  45 
jufam.  Wem  füllte  fieb,  al<§  ß^rift  ber  ©efamtlirc^e  angel^örig  unb  embfanb  bie  $w- 
geb,örigleit  zur  @inzelgemeinbe,  ba  fie  etWa§  ©tabilierteS,  ^rbifeb. eg  ift,  faft  alö  etwa<§  9Jicb, t= 
fein=foHenbel,  toa$  man  babureb,  aufbob,  bafe  man  bie  ©inzelgemeinbe  all  „bie  in  biefer 
©tabt  al§  ^ßaröfe  Woljnenbe  exxkrjoia  zov  &sov"  auffaßte.  Sei  biefer  Betrachtung  ftanb 
bie  Regierung  bureb,  ben  ©eift,  ftanb  bie  ganze  ©emeinbe  ber  @rWäl)lten,  ftanben  enbltcb,  50 
bie  ßb,ari§men  im  Borbergrunb,  bie  alles  organifierten,  irbifc^^recb, tltcb, e  Autoritäten  zumeift 
ntdbt  aufkommen  unb  auef)  bie  xvßrjQv^aeig  al§  SluSflufe  be§  ©eifteS  (Wie  bie  ©loffolalie) 
erfahrnen  liefen.  2.  2)te  ©efamtgemeinbe  ift  ftreng  monarcfytfcb  regiert;  benn  fie  bat 
S^riftuS  zum  §irten  unb  Bifdjof ;  fie  baut  fieb,  ferner  auf  bem  untrüglichen  SBorte  ©otteS 
auf,  unb  biefeS  ift  als  Seljre  ber  2lbofteI  in  lebenbigen  Prägern  unb  3euSm  borb.anben,  55 
nämlicb,  in  ben  Slbofteln  (^rob^eten  unb  Seb,rern),  unter  benen  bie  3wö'f  *n  Der  ^Dr= 
fteEung  ber  §eibenfircb,en  eine  Womöglicb,  noeb,  Wacb,fenbe  Bebeutung  erhielten,  Wäb,renb 
ba§  geiftlicb,e  ©etoof)n()eitärecb,t  in  ben  Surfen  auS  ber  ^3rajtS  beS  5ßauluS  unb  ber  Wir!= 
lieben  §eibenmiffionare  entftanb.  3.  Sie  bemofratifcfye  ©leiä)b,ett,  bie  auf  bem  Boben  ber 
GbariSmen  unb  in  einem  engen  Bruberbunbe  gegeben  War,  tonnte  baju  berfüb,ren,  geWiffe  go 

iReal=<SncDflopäble  für  Ueologie  unb  flirebe     3.81.  XX.  34 


530  Sßerfoffung 

freie  formen  ber  profanen  ^ultbereine  ju  rejizieren;  aber  bort  ernftcn  (Stiften  ift  ba§ 
gemifs  nicfyt  gefcfyefyen,  unb  felbft  unreife  formten  fie  nicfyt  abftcfjtlicb,  rejizieren,  fonbern  fie 
maren  nur  me^r  ober  meniger  mefyrloS  gegenüber  iljrem  ©inftrömen.  9Jtan  mufj  alfo  bie 
£r/botfyefen,  alte  cfyriftlicfje  (Einrichtungen  auf  bie  ^ultbereine  jurücfjufür/ren,  mit  fyöcfyfter 
5  Surftest  aufnehmen;  fiteren  guftänben  gegenüber  ift  biefer  SlefurS  mefyr  am  Pa£e. 
4.  Son  2Infang  an  mar  für  ba3  innere  Seben  ber  Sofalgemeinben  ber  natürliche  Unter* 
fcbjeb  bon  ^reöbbteri  unb  Sceotert  maftgebenb ;  gu  erfteren  gehörten  auc&,  alle,  beren  3Ser= 
bienfte  (Ehrerbietung  unb  ©an!  crr)eifcr/ten  (aueb,  SC^oftet  konnten  „$re3br/ter"  ijeifjen).  2Bo 
bie  $err)ältniffe  nidjt  fo  lagen,  bafj  bie  TOifftonare  alle§  SBeitere  ber  ©orge  eines  ^3ater= 

10  familia§  ober  ben  r/erborragenbften  (Erftbefeb/rten  ober  ben  „2llten"  überlaffen  fonnten 
(mie  feiten  mag  ba§  tt)unlid)  gemefen  fein,  jumal  mo  bie  93efeb/rung  mit  relatib  grofjen 
3ab)Ien  einfette!),  ba  mürben  ^Beamte  (in  ber  Siegel  bie  (Srftbef  ebbten)  eingefetjt,  mar)r= 
fdjieinlicb,  immer  unter  ^anbauflegung,  aber  fonft  gemifj  nicfyt  überall  nacb,  bem  gleiten 
9Jlobu3.    £>afj  ber  miffionierenbe  Slboftel  einfette,  mag  bie  Siegel  gemefen  fein;  aber  mie 

15  berfd)ieben  mufjte  fteft,  bie  ©acfye  geftalten,  wenn  ber  ©eift  ben  2lnftofj  gab ;  aueb,  ^3ro= 
bieten,  aueb,  bie  ©emeinbe  fonnte  ilm  erbitten  unb  befragen,  unb  baft  ber  ©emeinbe  nie= 
manb  aufgebrängt  mürbe,  bafür  fbrid)  t  noef)  bie  ^rarte  ber  fbäteren  geit.  Sie  ^Beamten 
—  ftet§  finb  e§  mehrere  —  Ratten  aud)  nic£)t  überaß  ben  gleiten  tarnen  unb  junäcfyft  über= 
I)aubt  ntcfyt  einen  feften.  ©omob,!  bort,  too  bie  ©rmagoge  borbilblicb,  mar,  al§  aueb,  bort, 

20  mo  fid)  bie  neue  Drbnung  nur  al§  ^eftigung  ber  natürlichen  (2tlte  —  Qunge)  barfteHte, 
al§  aud)  bort,  mo  etma  bie  ©tabtberfaffung  borgefcfymebt  fyaben  mag,  bot  fid)  ber  9came 
„$re3bfyter"  bon  feibft.  S)urcb,  §anbauflegung  eingefetjte  „2IIte"  maren  biefe  Sitten  — 
balb  in  ber  Sftenge  ber  2llten  berfcfyminbenb,  balb  au§  ib/r  t/erbortretenb.  3lucf;  „Wirten" 
tieften  fie  (benn  nichts  lag  näl)er  al§  biefeg  33ilb)  unb  SSorfte^er  (ol  nQöioxdfXEvoi),  ein 

25  Slame,  ber  im  ©runbe  lein  2lmt  bejetdmet,  fonbern  eine  tl)atfäd;lidj)e  gunftion.  $$re 
©emalt  foßte  ganj  toef entließ  auf  it/rem  33orbilb  berufen  (1  %i  5),  mar  alfo  nidjt  recbt= 
lieber  Statur.  5.  SDie  gunftionen  biefer  ^re§br;ter  maren,  fo  lange  bie  (Erbauung  buret)  ba§ 
Söort  ber  freien  Setfmtigung  be§  ©eifte<§  überlaffen  merben  fonnte  (in  mannen  ©emeinben 
mag  fid)  aber  ber  ©eift  bon  2lnfang  an  in  biefer  §inficb, t  nur  fefyr  fbärlicb,  gezeigt  b,aben), 

30  biatonaler  9catur.  §ier  aber  ift  eine  ©ialonie  im  meiteren  unb  im  engeren  ©inne  ju  unter= 
fcb,eiben.  %m  »eiteren  ©inn  umfafjt  fie  fd^lec^t^in  aßen  ®ienft,  ber  nict)t  2öortbienft  ift 
(audb,  biefer  fyetfjt  unter  Umftänben  „®ia!onia";  boeb,  fann  babon  Iner  abgefeiert  merben), 
alfo  aHe§,  morauf  fieb^  nur  irgenb  Pflege,  ^\x^i  unb  5ßorfteb,erfcb,aft  begießen  fann;  im 
engeren  ©inn  umfafjt  fie  bie  beiben   nafye   berbunbenen  ©ebiete  ber  gürforge  für   bie 

35  2lrmen  unb  ber  ©ienftleiftung  in  ber  ©emeinbeberfammlung.  ©omol)l  in  biefer  mie  in 
jener  §inficb,t  fommen  früb,e  für  bie  s^reSbt)ter  bie  Sejeicb.nungen  „SBifct/öfe"  unb  „®ia= 
lone"  auf  (mie  für  ben  erbeten  ß^riftuä  in  feinem  Sßirlen  für  ©efamtgemeinbe),  fo 
jeboeb,,  bafe  bie  5ßre§bt»ter  in  ^tnftcfjt  auf  bie  ®iafonie  im  meiteren  ©inn  nur  am  2lnfang 
unb  feiten  SBifcfyöfe  genannt  morben  finb   (aueb,    bilbete  fieb,   auf  bem  ©ebiete  ber  att= 

40  gemeinen  SDiafonie  feine  gmeiteiligfeit  in  t)öt)erer  unb  nieberer  gunftion  au§).  ©agegen 
merben  bie  Sejeiclmungen  meb,r  unb  mel;r  jur  Stege!  für  bie  ^reöbijter,  meiere  für  bie 
3)iafonie  im  engeren  ©inne  beftellt  maren,  b.  f/.  für  bie  2lrmenfürforge  unb  bie  ©ienft= 
leiftung  in  ber  ©emeinbeberfammlung  (man  fottte  bei  bem  Umfang  ber  Segnung 
„imoxoTiog"  baö  Umgefefyrte  ermarten,   aber   bem   ift  nief/t  fo).    ©abei  entmicfelte   fi($ 

45  aber  balb  bie  ^3rarj<§,  bafj  man  bie  Seamten,  bie  auf  biefen  ©ebieten  nur  auöfüb^renbe, 
aber  nieb, t  füb,renbe  maren  (bie  gmeiteilung  ergab  fiel)  i)ter  mit  jmingenber  ?lotroenbigfeit), 
nicb,t  meb,r  ju  ben  „^reöbtitern"  rechnete  (in  I  Giern,  jäfylen  fie,  merfmürbig  genug,  nod) 
ju  ifjnen),  aber  ilmen  ben  Slamen  „didxovog"  lie^.  $Damit  trat  eine  SDebotenjierung 
biefe§  alten  @b,rennamen§  ein  (auf  bie  ein^ßflafter  ju  legen  noeb,  ^gnatiuf  fieb,  bemüht): 

so  ber  „Siafon"  mürbe  mirflid)  nur  ein  SDienenber,  roäfyrenb  er  anfangt  f)öt;er  geftanben 
b,aben  mu|.  @ö  folgt  au§  biefer  Darlegung,  ba^  in  allerfrübefter  geh  b,ier  unb  bort 
$re§b^)ter  unb  ©biffoben  jufammengefallen  finb,  fo  bafc  jeber  beftellte  ^re§b^)ter  aud^ 
(SbtffojmS  fiiefe.  216er  fiegreieb,  unb  rafdj  fe^te  fic^>  ber  ©bracf;gebrauc§  burcl;,  bafj  nur  bie 
in  ber  Slrmenfürforge  unb  in  ber  ©emeinbeberfammlung  tb,  ätigen  unb  fü^renben  ^Beamten 

55  „33ifcb,öfe"  b,ie^en  (ob,ne  ben  Slamen  „$re3br/ter"  unb  ben  ^ßla^  im  iMegium  ju  ber= 
lieren).  ©iefer  ©ieg  —  imaxonog  ift  ein  f)ob,er  9lame  unb  b,at  mob,I  urfbrünglicb, 
mit  bem  brofan=ftäbtifcb/en  imaxonoi  nichts  ju  tltun,  fonbern  nur  mit  bem  ©biffobuS 
(5b,riftu§ ;  fbäter  mag  man  Analogien  gebogen  |aben,  unb  biefe  mögen  Iner  unb  bort  bon 
2Bicf)tigteit  geworben  fein,  boeb,  nacb,jumeifen  ift  e§  nid>t  —  ift  offenbar  ein  33emei§  bon 

60  ber  fteigenben  Sebeutung  ber  SCrmenbflege  unb  be§  ©ienfte§  in   ber  ©emeinbeberfamm- 


«Berfaffuttä  531 

lung,   ber   mefyr   unb  mel;r   jur  Seitung   bei   fid;   ftabilifterenben  ©otteibienftei  tourbe. 
VoHenbS  aber  mufjte  fid;  bie  gunftion  ber  S3tfd>öfe  unb  ©iafonen   (namentlich  aber  ber 
erfteren)  aus  ber  ber  $reibi;ter  übertäubt  fyerauil)eben,__  toenn  beim  geblen  bon  $robI;eten 
unb  Sehern   bie  gunftion   ber  ©rbauung   burcfyS  SBort  (tov  Xoyov  xov  &sov  Xaltiv) 
unb  anberei,  tüa§  jene  ©eiftträger  bül)er  getrau  Ratten,  nunmehr  auf  fie  überging.  gtoar  5 
am  Slnfang  unb  in  mannen  ©emeinben  getoift  längere  Qtxt  fymburd)  fonnte  jeber  $rei= 
bbter  mit  biefer  $unftion  betraut  toerben,  unb  g.  33.  ber  1.  STimotfyeuSbrief  fafjt  le^rfä^tge 
spreöb^ter  ins  2luge.    2Iber  toie   bie   ßeugniffe  btv  ©ibacfye  unb   bei  §ermai  geigen, 
muffen  in  fteigenbem  3Jtaf$e  bie  gunftionen  ber  2lbofteI,  $robI)eten  unb  Sel)rer   auf  bie 
Sifcfyöfe  (unb  SDtafrme)  übergegangen   fein,   ma§  ja  aucfy  bai  -Jcatürltcfye  mar,  ba  fie  bie  10 
©ienftleiftung  in  ber  folennen  ©emeinbeberfammlung  Ratten,  bie  mel)r  unb  mefyr  eine  ®ult= 
berfammlung  tourbe.  SDie  ©ibacfye  fagt,  baft  bie  Bifcfyöfe  unb  ®iafonen  ber  ©emeinbe  ben 
©ienft  ber  $robI)eten  unb  Seigrer  leiften,  unb  £>ermaS  rücft  fie  an  bie  2lboftel  unb  Se^rer 
b^eran;  beibe  aber  fd)toeigen  in  biefem  gufammenfyang  bon  ben  $reSbfytern.  %n  unb  mit 
biefer  ©nttotcfelung  mufjte  aber  nottoenbig  ein  bebeutenber  Seil  ber  fyofyen  2Bertfd)ä|ung  15 
jener  bneumatifcfyen  Sefyrer  auf  bie  Sifcfyöfe  übergeben,    ©ie  ©ibacfye  fagt  bai  mit  bürren 
Söorten:  „fie  finb  eure  ©eefyrten  gufammen   mit   ben  ^robfyeten  unb  Sehern"     2BeId)e 
folgen  bai  für   bie  23ifd;öfe  gehabt  fyat,  nacfybem   fie   monard;ifd;e  93ifd^öfe   getoorben 
toaren  unb  in  23ifd;ofift;nobert  jufammentraten,  toirb  fbäter  ju  geigen  fein.    6.  ©er  fyier 
nacfygetoiefene  ©ang   ber  SDinge   toirb   einem   großen  Seit  bei   oben   jufammengeftellten  20 
Siateriali  geredet  unb  flärt,    toie  nicfyt   erft  gezeigt   ju  toerben   braucht,   ben  fomblerm 
©bracfygebraucfy  bon  ^reibfyter,  Bifdtof,  ©iafon   fotote  bie  Slffinität  bon  33ifct)öfen  unb 
©iafonen  auf.    guerft  im  SIemenibrief  nun  toirb  biefe  getoorbene  Drbnung   ber  £ofal= 
gemeinbe  auf  bai    altteftl.  3Sorbilb   unb   auf  aboftolifcfye  gefet}lid;e  2tnorbnung   gurücf= 
geführt  (2e$terei  l;at  an  ben  Sfyatfacfyen  einen  getoiffen  2lnt)alt,  ift  aber  ali  „©ebbt"  ber  25 
2tyofteI  eine  berfyängniSbolle  gütion).  ©ie  erhält  baburd)  ben  (SfyaraJter  bei  3tec^t§,  bei  geift= 
liefen  unb  fojufagen  bei  profanen  jugleid).  2öaS  ßlemeni  unter  biefen  ßfyaralter  fteßt,  ift  bai 
2lmt  al§  $ultuiamt  (unb  in  feiner  gtoeiteiligfeit),  bamit  gugleid;  bie  5Rottoenbtg!eit  (bafyer 
aud)  bie  nottoenbige  gortfeijung)  bei  2Imti  unb  bie  Unabfeijbarfeit  feiner  ^nfyaber,  toenn 
fie  fid;  tabelloi  führen,  bef>au^tenb.  Db  (Stemeni  aud)  ein  ^ntereffe  baran  gehabt  fyat,  alle  30 
Munitionen  ber  $re§bfyter  —  alfo  aud;  bie,  toeldje  au^erb^alb  bei  ^ultui  liegen  —  ebenfo 
ju  ftabilieren,  läfet  fid)  bireft  nid;t  feftfteden,  aber  inbireft  ergiebt  e§  fid)  mit  ?JDttoenbig= 
feit;    benn  bie  ©emeinbe   £?at   bie  Sllten   ju   eb^ren  unb  ben  „Seitenben"  ju  geb^ord;en; 
aud)  roäfylt  fie  nid;t  bireft,  fonbern  bie  Beamten  toerben  —  toenigfteni  in  5tom  —  befteüt 
{xa§ioxdvai)    Don    eU6yi/uoi   ävögsg  (b.  fy.  eben   bon   ben  Seitenben);    ber  ©emeinbe  35 
fommt  b^ier  nur  bai  awsvdoxsiv  ju.  ©0  getoi^  ei  nun  nicfyt  gleichgültig  ift,  bafj  unferei 
S5tffeni  juerft  bie  römifdje  ©emeinbe  biei  ali  gefe|lid)  aboftolifcfye  älnorbnung   geforbert 
b^at,  fo  loloffal  b^at  f)ier  ©ob^m  übertrieben,  toenn  er  im  ßlemenibrief  ben  großen  ©ünben= 
faß  ber  ©ntfteb^ung  bei  Iird)enred)ti  fieb^t  unb  toon  ber  Verbreitung  bei  Sriefi  bie  33er= 
breitung  ber  neuen  2lnfd}auung  ableitet,    ^n  Äorint^  mu§  bie  Majorität  ber  ©emeinbe  40 
bereits  toefentUd)  äb^nlid)  gebaut   b^aben   unb   für   bie  9iottoenbigleit   bei  2lmti  unb  bie 
Unabfe|barfeit  feiner  ^nb^aber  minbeftenS  biiboniert  getoefen  fein,  unb  ein  einzelner  93rtef 
lann  übertäubt  nicf)t  eine  foldje  Sßirfung  b^aben,  toie  fie  ©ob;m  biefem  ©^reiben  beilegt. 
216er  richtig  ift:  bie  Sofalgemeinbe,  eine  büfier  ber  bneumatifd^en  ©efamtgemeinbe  enb^t)bo= 
ftatifd)  eingefügte  ©rö^e,   toirb  nun  erft  eine  auf  fid)   felber,   ober  bielmefyr  auf    ib^ren  45 
Äultuibeamten  ruf>enbe  ©röfee,   unb  nun  erft  giebt   ei   ein  &ird)cnred)t   im   eigentlichen 
©inne,  toeil  ber  toneumatifdje  %attox  unb  bie  ©efamtefllefia  auigefcfyaltet  ift.    ©er  llm= 
fd;toung  ber  Betrachtung  (Segalität,  2ttooftolicität  ber  Sßerfaffung  ber  ßinjelgemeinbe),  toie 
er  in  3tom  nad;toeübar,   b^at  fid;   um  biefe  3eit   ober   balb  überall  toou>gen   (aber  bei 
Sgnatiui  ift  ber  monard)ifd?e  ©biffobat  früher  ali  biefer  Umfd) toung).  7   %üx  bie  grage  50 
naa)  bem  Urfbrung  bei  monard^ifc^en  2lmtei  ift  toon  b^ob^er  Öebeutung,  ba^  fid;  baSfelbe 
auf  bem  Soben   bei  Drganifationifaftori   enttoitfelt   b;at,    ber   burd;   bie  SMtuSbeamten 
(bie  jugleicb;  bie  öfonomifcfy en  SSerb^ältniffe  unter  fid;  fyatten  unb  bie  2lrmenbflege)  gegeben 
mar,  unb  bafj  biefe  Äultuibeamten  (93ifcf>öfe  unb  ©ialonen)  fd;on  bon  ^>aului  (^f)i)  ge= 
nannt  finb,  Glemeni  nid;t  nur  ib^re  @infe^ung  auf  bie  Slboftel  jurüd'füb,rt,   fonbern  aud;  55 
bon  einer  aboftolifcb^  en  Stnorbnung  in  33e^ug  auf  bie  bleibenbe  -ftottoenbigfeit  einer  folgen 
Inioxonr]  toeif?,  unb  §ermai  fie  mit  ben  Slbofteln  unb  Sehern,  bie  ©ibacfye  fie  mit  ben  ^ßro= 
bieten  unb  Sehern  berbinbet  (bon  bem  2tmt  ber  ^>reibi;ter  toirb  Stfmltcfyci  nid;t  gefagt). 
©a  mir   faft   bon   jeber   bireften  ^unbe,  ben  Urfbrung   ber  ^Jconarcb^ie  bei  SifcfyofS  be= 
treffenb,  berlaffen  finb,   finb  toir  auf  §V;botb^efen  angetoiefen.    Sei  biefen  mufj  man  bei  60 

:34* 


532  SSerfaffung 

2öorte§  bon  ©almon  eingeben!  fein:  ,,2öenn  bie  urftorünglicfye  ^ircbenberfaffung  nicfjt  bie 
gleiche  mar  mie  in  ber  $eit  be3  $renäu<§,  fo  mu|  fie  jum  menigften  einer  inneren  @ni= 
micMung  biSjur  fbäteren  gorm  fäl)ig  gemefen  fein,  unb  jmar  in  ber  $orm  ruhiger, 
allmählicher  Änberungen,  hervorgerufen  burcb,  llrfacfyen  altgemeiner  ^catur"  ©iefe  gorbe= 
5  rung  r)aben  mir  bt§r)er  eingehalten;  e3  ifi  biefelbe,  bie  man  aucb,  in  33ejug  auf  bie  nfy 
tige  ©arftetlung  ber  ©ntftefmng  be<§  9c23  unb  ber  aboftolifdjen  ©laubemSregel  ju 
ftellen  fyat. 

a)  Söaljirfcfyeinlidb,  r/at  e§,  mo  bie  5Ronard)ie  bes  leitenben  Sfyoftelg  Oßrotofyeten  ober 
£er/rer3)  in  einer  Sofalgemeinbe  wegfiel,  bon2lnfang  an  eine  9Irt  bon  formlofer  9Jconartf)ie 

10  gegeben,  b.  fy.  ba§  Kollegium  ber  leitenben  ^Pre3br/ter  beburfte  wie  alle  Kollegien  eine§ 
^orfnjenben  unb  bie  ©emeinbe  beburfte  eines  ©rdutibbeamten.  9caturgemäfs  fiel  biefe 
gunftion  bem  ju,  ber  am  meiften  leiftete,  alfo  nicb,t  einem  gemöfynlicfyen  $reiobr/ter,  fon= 
bem  einem  $reSbr/ter=93ifcfyof.  b)  2113  ber  ©otteSbienft  ftefyenbe  formen  anjunefmien 
anfing  unb  ein  Ritual  fiel)   entmicfelte  unb   feftigte,  mar  e§  natürlich,  bafs  bie  Seitung 

15  mefyr  unb  mefyr  in  bie  §änbe  eines  ©injelnen  fam.  Quftin  unterfcb.eibet  beim  ©otte3= 
bienft  (um  b.  $.  150)  ben  einen  jiqoeoxws  unb  mehrere  didxovoi  (Apol.  I,  65.  67). 
SDaSfelbe  gilt  für  bie  fo  wichtige  ginanjberroaltung ;  aucb,  fie  beburfte,  menn  Drbnung 
fein  füllte,  eines  33orftef)er3  (^ufttrt  I,  67:  xö  ovllsyöjusvov  nagä  xcö  tiqoeoxcöxi 
&7iOTL'&Exai,  xal  avxög  ejiixovqeT  ogcpavoTg  xe  xal  xVQm?        H(*1  an^ibs  näoi  xoig 

20  iv  XQsiq  ovoi  xrjÖE/ucov  yivexai).  3U  Ö"!1"1'3  3e^  mögen  bie  33orftcber  im  ©otte3= 
bienft  nocb,  gemecfyfelt  fyaben,  aber  bajj  man  jebeSmal  einen  brauste,  mar  baS  üffiicfytige. 
c)  2tu(f)  ber  3}erleb,r  nacb,  aufjen  berlangte  einen  iJiebräfentanten  unb  @efct)äftsfüf)rer  ber 
©emeinbe,  mie  e£  in  9tom  fcfyon  am  @nbe  be§  1.  ^afyrlwnbertS  SlemenS  mar,  ber  ntrfjt 
nur  ben  Srief  nacb,  ^orintb,  im  tarnen  ber  römifcfyen  ©emeinbe  berfafjt  t)at,  fonbern  bon 

25  beffen  ^ätigfeit  auswärtigen  ©ememben  gegenüber  aucb,  .§ermaS  er§ät)It.  d)  SRan  mirb 
aber  in  biefem  gufammenfyang  aucb,  nocb,  einen  befonberen  -Jcacfybrucf  auf  bie  £eb,re  unb 
auf  bie  Semafyrung  ber  ©emeinben  bor  ben  gnoftifdjen  $rrlef)rem  burcb,  einen  autorita= 
üben  Sefyrer  legen  bürfen.  2öir  fallen  oben,  bafj  bie  Sefyrfunftion  unb  Sebjautorität  ber 
Slboftel  unb  bneumatifcfyen  £ef)rer  allmär/Iicb,  auf  bie  33ifd)öfe  überging.  Sin  ftcb,  inbolbiert 

30  ba3  nic^t  bie  SJtonard^ie,  unb  aucb,  ben  im  2.  unb  3.  ^afyrfyunbert  fo  häufigen  33e= 
jieb,ungen  auf  bie  xa&eÖQa  unb  bie  nQcoxoxa&sÖQia  !ann  man  fie  nicfyt  entnehmen; 
benn  nocb,  Drigeneö  fa)reibt  (in  Matth.  XVI,  22):  ol  xäg  TiQcoxoxa'&sdQiag  nemoxev- 
juevoi  xov  Xaov  imoxojioi  xal  TzgEoßvxsQoi;  aber  bod)  liegt  e^  in  ber  -Jfatur  ber 
©acb,e,  ba|  bie  cathedra  (aucb,  ngoEÖgia)   meb,r   unb   meb,r   ber  33efi|   eine 3   Se^rerg 

35  mirb.  Teilung  ber  3Seranttoortlid)feit  für)rt  leicht  jur  2luflöfung  berfelben ;  nur  einer 
lann  fie  boll  übernehmen  (bieg  gilt  aua)  bon  ber  23emab,rung  nacb,  aufjen:  man  bgl. 
toa§  ©iontyfiuS  ßor.  bei  Euseb.  IV,  23  bon  ber  Sebeutung  be§  monardnfcfyen  S8tfd^of§ 
in  2Itt)ert  in  einer  SSerfolgung^eit  berichtet).  3uma"  a^er  roenn  °'e  getfttid^e  Seleb^rung 
Ijau^tfäc^licb,  in  ben  ©otteöbienft  fiel,  mu^te  bie  monarcfnfcfye  (Sntmidelung  berfelben  auc| 

40  auf  bie  SRonarcfyie  be§  33ifd)of§  aU  be€  Seb^rerä  einmirfen  (man  bgl.  mie  ^gnatiuö  biefe 
gunttion  be§  53ifcb,ofä  betont),  e)  $)ic  2luffteUung  bon  33ifd^of€ltften  (feit  bem  legten 
Viertel  beg  2.  %ai)xi).:  in  3iom,  2lntiorf)ien,  torintf)  [Euseb.  IV,  23,  3  etc.]  K.)  märe 
eine  frecbe  gälfc^ung,  bie  and)  gar  nicfyt  f)ätte  gelingen  ionnen,  menn  ntcftt  bon  frühen 
Reiten  an  im  ^reöbtjterfollegium  fo  mancher  ©emeinben  @iner  aU  primus  inter  pares 

45  b^erborgetreten  märe  (in  bem  ©inne,  mie  ©lernend  im  römifcfyen  ©abreiben  nacb,  Uorintb; 
als  SSerfaffer  fjerbortrttt).  (Sben  beöt)al&  ift  e3  ganj  unmöglicl)  ju  fagen,  mann  ber  monar= 
d)i]d)c  (Sbiffobat  begonnen  bat.  @r  t)at  ficf;  in  ^Differentialen  entmicfelt  auf  ©runb  eines 
Slnfa^eS,  bem  bie  Qualität  ber  Sftonarcfne  getbife  nocb,  ntct)t  jufam.  @r  ift  natürlich  erft 
mirflicr;    ba,   mo   ntdbt  mehrere   in   einer  ©emeinbe,  fonbern   nur   nocb,   einer  „Sifcfyof" 

50  Reifet,  f)  ®ie  @ntmic!elung  jur  SKonarcb^ie  fonnte  aucb,  barum  niemals  als  ein  Srucfe, 
mit  ber  Vergangenen  erfcbeinen,  meil  in  bielen  Angelegenheiten  ber  S3ifcb,of  nacb,  mie 
bor  al§  ©^mbresb^ter  ^ufammen  mit  bem  ^relbr/terfoHegium  fungierte.  SOBie  eö  bon 
SRarcion  b,ei^t  (Epiphan.  42,  2),  bafs  er  bor  bie  $re3br/ter  in  9fJom  getreten  fei,  fo  Reifet 
e§  bon  5Jcoetu§,  ba|  er   bon  ben  5ßreäbt>tern  in  ©mr/rna  gerichtet  morben  fei  (Hippol. 

55  c.  Noet.  1),  unb  ber  5came  „^re^b^ter"  blieb  ben  Sifcfyöfen  nocb,  eine  fef)r  lange  $eit 
binburcb  (f.  o.)  unb  fonferbierte  ficb,  nocb,  barüber  lnnau3  in  ber  ^3raji§  ber  33ifcb,öfe, 
tbre  ^5regbt)ter  atö  ©^mbreSb^ter  unb  Äoßegen  anjureben.  S5ie  ©ntmictelung  jur  sJDio= 
narcb;ie,  bie  in  biefen  Momenten  enthalten  ift,  mar  ^afyrjefmte  b,inburcb,  burc|  ben  aH= 
gemeinen  follegialen  (5b,arafter  beS  2lmte§  aufgehalten,    ©ie  mu|te  aber  in   bielen  ©e= 

60  meinben  befbrbert   merben  burcb,    bie  ©rinnerung  an  ba§,    ma§   cinft  ber  ©tifter,   ber 


«erfaffung  533 

9)?iffionar  (2IbofteI),  innert  gemefen  mar  unb  mag  man  äfmlid;  feftjufyalten  münfd)en 
mufjte  (aud;  bas>  tarn  nod;  immer  bor,  bafj  ber  SRiffionar  jum  23ifd;of  mürbe;  f.  Orig. 
in  Num.  hom.  XI,  4:  „sicut  in  aliqua  civitate,  ubi  nondum  Christiani  nati 
sunt,  si  accedat  aliquis  et  docere  incipiat,  laboret,  instruat,  adducat  ad  fidem, 
et  ipse  postmodum  iis,  quos  docuit,  princeps  et  episcopus  fiat")  fomie  burd;  bie  6 
erftrebte  Sinologie  mit  ber  ©efamifird)e,  bie  an  6l)riftu§  ü)r  §aubt  unb  il)ren  bifa)öfltd;en 
9Jlonard;en  befafj.  ©olange  aber  bie  $bee  ber  ©efamtftrd)e  burd;  einen  fie  rebräfen= 
tierenben  aboftoltfdjen  9Jiann  nod;  eine  Realität  mar,  I)ielt  biefe  Realität  ben  2lbfd;luf5 
ber  Sofalgemeinbe  jur  botten  ©ouberä'netät  nieber  (toirlte  alfo  bofitib  unb  negattb  ju= 
gleid)) ;  benn  ber  monard)ifd)e  33tfd^of  ift  ber  @r.bonent  ber  in  ftd)  gefd)loffenen  unb  fou=  10 
beränen  ©injelgemeinbe.  ©ie  ®ä'mbfe  in  biefer  #infid;t,  bie  nid;t  gefehlt  I)aben  fönnen 
(f.  fdrnn  $aulu§  unb  bie  foriml)ifd;e  ©emeinbe),  merben  burd)  ben  III.  $oI)annegbrief 
^>eH  beleud)tet.  SDaft  ber  (pdoTzganevcov  AiorQeyris  fogar  ben  Sann  übt  (ix  rfjs  ix- 
xh]öiaq  ixßdXXei),  ift  befonber§  d)araf  terifttfd) ;  benn  [tarier  tonnte  er  feine  2tbfid;t  — 
§err  im  £aufe  gu  fein  unb  äugleid;  fein  §au§  gegen  bie  burd)  „ben  ^relbtyter"  ^ob,anne§  15 
rebräfentierte  ©efamtürcbe  felbftftänbig  $u  ftellen  —  md)t  au3brüden.  3)te  ©egen= 
beftrebungen  aber  be<§  follegialen  2lmte§  gegen  bie  2Ronard)ie  müfjten  mir  lebiglid)  boftu= 
lieren  —  benn  aud)  im  §irten  be3  §erma3  fann  man  fie  nur  unfid)er  fonftatieren  (bie 
gäHe,  mo  man  fitt)  um  ba§  fd)on  beftefyenbe  S3tfd)of§amt  janft,  gehören  natürlid;  nict)t 
bterJ?er :  SEbebutiö,  Valentin)  — ,  fönnten  mir  fie  nid)t  aud;  nod;  in  fbäterer  geit,  nament=  20 
litt)  in  $artI)ago  j.  3.  ©tybriamS,  noc&,  nacfymeifen. 

®ie§  ift,  mag  fid)  über  bie  aUmäl)Itd;e  @ntftel)ung  be<§  monard;ifd;en  (SbiffobatS  ber= 
muten  läfjt;  ©enauereg  bermögen  mir  leiber  nid)t  ju  ermitteln.  2öie  biefe§  2tmt  ge= 
morben  ift,  ift  e<§  eine  originale  ©d)öbfung  —  brimär  moI)I  auf  bem  23oben  ber  fid)  immer 
mefyr  gur  kultberfammlung  entmidelnben  totalen  ©emeinbeberfammlung  — ,  eben  med  e<§  25 
bon  aßen  ©eiten  Gräfte  unb  formen  an  fid)  gebogen  bat.  ®ie  bon  §ieron^mu§,  ^fyeobor 
u.  a.  bertretene  Meinung,  $re§bfyter  unb  23ifd;öfe  feien  urfbrüng(id)  ibenttfcb  gemefen,  ift 
ntcbt  boEfommen  rid)tig.  ®ie  geit,  in  ber  jeber  ^Sre§br;ter  aud;  ein  Sifcbof  mar,  mar  jeben= 
faH§  febr  lurj,  unb  mafyrfcbemltd;  bat  e§  ©emeinben  gegeben,  in  ber  bie  boße  ^bentität 
nie  beftanben  l)at.  ©ine  gang  eigentümliche  £I)eorie  bon  bemllrfbrung  be§  monarcbifcben  30 
@biffobat<§  l)at  £beobor  (bon  SDiobfb.)  in  feinem  Kommentar  §u  1  %i  borgetragen,  SDie 
urfbrünglicbe  Qbentität  bon  23ifd)öfen  unb  ^resb^tern  in  gorm  be<8  !oßegialen  unb  lolalen 
©emeinbeamtg  annebmenb,  fü^rt  er  au§,  bie  Drbinationggemalt  fyabe  urfbrünglid)  ntd)t 
bei  itmen  gelegen,  fonbern  bei  ben  Slbofteln.  ©ieSlboftel  alfo  (bejm.  bie  bon  ib,nen  ein= 
gefegten  Vertreter,  mie  SLimotl^eug)  feien  bon  Slnfang  ba§  für  gange  ^ßrobinjen  gemefen,  35 
mag  je|t  bie  Sifd)öfe  für  eine  einzelne  ©tabt  feien  (nämlid;  bie  Drbinatoren  unb©u)jer= 
intenbenten).  @3  fyaht  alfo  bon2lnfang  an  ein  monarcfyifcfyeg  3lmt  in  ber  Strebe  gegeben, 
an  bem  bie  DrbinationSgemalt  baftete;  aber  ntebt  in  jeber  ©emeinbe  mar  e§  bor^anben, 
fonbern  jebe  ^robing  (be^m.  mehrere  gufammen)  Ratten  einen  SJlonarcben,  nämlid;  einen 
Slboftel,  bejm.  einen  bon  ib,m  eingefe^ten  Vertreter.  311?  aber  bie  Religion  fidb,  immer  40 
meljr  ausbreitete,  bie  Slboftel  geftorben  maren  unb  ibre  Vertreter  fid)  ntebt  ftar!  genug 
füllten,  mie  Stboftel  gu  fungieren  unb  ben  Slboftelnamen  meiter^ufü^ren,  aud;  bie  2Sunber= 
gaben  bermiffen  liefen,  ba  berteilten  fie  bie  Aufgaben  unb  ätmtgnamen:  ben  tarnen 
„^reöbtiter"  überliefen  fie  ben  ^3regb^tern,  ben  „S3tfd)of"  miefen  fie  bem  ju,  ber  ju  or= 
binieren  befugt  fein  follte,  fo  ba|  er  nun  mit  ber  Seitung  be§  ©anjen  betraut  fei.  ©abei  45 
nimmt  aber  %I)eobor  meiter  an,  ba^  fold;e  33ifd)öfe  junäd;ft  nur  menig  galblretc^  gemefen 
feien  —  in  einer  ^robinj  gmei  ober  brei  —  unb  erft  aßmäfyltd)  jeber  ^5Ia|  einen  93ifcf)of 
erhalten  ^aht.  Über  biefe  ledere  33el)aubtung  f.  u.,  fie  fann  nur  fefyr  bebingt  ridjtig  fein ; 
aber  aud;  bie  brimäre  SBefyaubtung,  bie  ©ntfte^ung  be?  itionard;ifd;en  ©biffobats  murale 
ganj  auSfcblte^Ucb  in  ber  DrbinationSgemalt,  fann  niebt  befteb,  en  unb  ift  bom  ©tanbbunft  60 
einer  fbäteren  ^eit  gemonnen.  SSäre  bie  DrbinatiomSgemalt  bie  Äraft,  bie  au§  bem 
bluralen  2lmt  ein  monard)ifd;e3  gemacht  ^at,  fo  müfete  bon  Infang  an  bie  Siegel  ge= 
l^errfdjt  b,aben,  ba^  immer  nur  einer  (unb  jmar  ein  „Ülerifer")  einfe^e  unb  meibe.  ©a? 
ift  aber  nicfjt  ber  gall  gemefen.  2lu€  I  6lem.  44  gel)t  b^erbor,  ba^  iUoyi/ioi  ävögsg 
ber  ©emeinbe  ben  Söablüorfcblag  mad;ten  unb  augenfd)einlid)  aud;  ben  bon  ber  ©emeinbe  55 
Slbbrobierten  einfetten.  ©aSfelbe  geb^t  auö  ber  Stboft.  $£).  ^erbor.  ®ie  „Drbination" 
fann  urfbrünglid;  übertäubt  niebt  eine  fo  mistige  Siolle  gefbielt  ^aben.  älber  al§  fie 
tuiebttger  mürbe,  mag  aud;  fie  jur  @ntmidelung  be§  monard)ifd;en  2lmte§  beigetragen 
b;aben. 

18.  3Jlit  ber  ©ntmidelung  be§  monard;ifd;en  ©biffobats  fommt  auä)   bie  ^enbenj,  oo 


534  SBerfaffuug 

alle  Gfyrtften  an  einem  Drt  ju  einer  ©emeinbe  $u  berbinben,  ju  tyxzm  Slbfcblufe. 
Söaren  früher  noeb,  £auSgemeinben  gebulbet  (ibr  urftorünglicks  SßerbältniS  %ax  örtlickn 
©emeinbe  ift  uns  ganj  bunfel),  fo  bkten  fie  jeijt  auf  (eine  ©onbergemetnfcbaft  fc^eint 
noa)  ber  ^reis>  gemefen   ju  fein,  an  ben  ber  §ekäerkief  gerietet  ift,   f.  Stfdjr.  f.  3l%l. 

6  SBiffenfa).  1,1900  ©.  16  ff.  unb  ©dnele  im  Amer.  Journ.  of  Theol.  1905  p.  290ff.). 
"üluä)  Sßerfuck,  mehrere  felbftftänbige  ftlaooi  in  einer  ©tabt  gu  etablieren,  mögen  nick 
gefehlt  fyaben  (f.  bie  SsnatiuSbriefe),  aber  fie  mürben  nun  unterbrächt.  SRtd^t  gam  gemifj 
ift  eS,  ob  nick  nod)  nacb,  ber  geit  ber  2luSbilbung  bes  monarc^ifc^en  ©biffopatS  $in  unb 
^er  in  einer  ©tabt   gmei  ober  mehrere  S5ifcr/öfe  be^m.  bifdjöflick  ©emeinben  maren;  aber 

io  wenn  baS  aud)  in  einigen  gälten  borgefommen  fein  mag  (üftarciffuS  unb  Slleranber  in 
^erufalem  bei  Euseb.  VI,  11;  übrigens  ein  befonberer  %aü),  fo  mujj  bie  $aty  biefer 
gäHe  fek  gering  gemefen  fein  unb  bermag  bie  allgemeine  ©ignatur  ber  33erfaffungS= 
berfyä'ltniffe  nick  ^u  änbern.  3Rtd£>t  burc^ficb.tig  ift  baS  üßertmltniS  ber  „©cfmlen"  (didaa- 
xaMa)  gu   ber  DrtSgemeinbe  (f.  meine  9JttfftonSgefd;.  F,   ©.  300 ff.  372  f.).    9cacb>m 

iB  baS  bneumatifck  Sekertum  allmä'kicb,  in  baS  profane  übergegangen  mar,  bilbeten  fiefe, 
©cb,ulen,  bie  man  einerfeitS  —  um  bie  SIbologetif  unb  ^5oIemif  fräftig  ju  führen  — 
nick  miffen  lonnte,  unb  bie  boeb,  anbererfeitS  eine  ©efak  (bureb,  ifyre  ©elbftftänbigleit 
unb  burd)  bie  Sßiffenfcfyaft)  baren.  SBaS  mir  miffen  (SufiinS  ©d^ule,  SlatianS,  $ks 
bong,  ^beobotug',  ^rajeaS',  ©bigonuS'  unb  ^leomeneS'  ©cfmlen  in  SRom,  Übergang  ber 

20  tkobotianifcktt  ©cfyule  in  Sftom  in  eine  ©emeinbe  —  baS  ift  ber  intereffantefte  gaH 
biefer  2lrt,  ben  mir  fennen  — ,  bie  $atecfyetenf$ule  in  Slleranbrien ;  ^jibbolfyt  nennt  fök 
nenb  bie  ju  $aHift  in  ÜRom  fyaltenben  ©kiften,  b.  b,.  bie  Sftajorität  ber  ©emeinbe,  eine 
,,©cb,ule",  unb  ebenfo  nennt  SR^obon  &"  Euseb.  V,  13  bie  marcionitifck  ^ircb,e  „öi- 
daoxaMov" ;  bie  berfefnebenen  gnoftifcb,  en  ©cfyulen,  bie  j.  %.  anfangt  geroifj  innerhalb  ber 

25  ©emeinbe  geftanben  b,aben ;  bie  ©cb,ule  SucianS  neben  ber  $irck  in  SKntioctnm),  reicht 
feineSmegS  aus,  um  ein  §8ilb  ju  geminnen;  benn  über  bie  SEfyatfack  ber  ©jiften^  biefer 
©cfyulen  fyinauS  erfahren  mir  fer)r  menig  (-ftacb,  ben  Acta  Justini  fagt  ^uftin,  er  fenne 
feinen  anbern  gufammentunftSort  in  3*lom  als  ben,  mo  er  feine  ©ekle  |alte).  Qemanb 
fönnte  berfuckn   ju   geigen,  baf$   in  ber  2.  £älfte  beS  2.  ^akkinbertS  bk  ©efak  f«r 

30  bie  Äirck  generell  beftanben  fyahe,  ftcb,  überhaupt  in  „©c^ulen"  aufjulöfen.  ©in  anberer 
tonnte  eS  unternebmen  nacb^umetfen,  baf$  liier  unb  bort  abficljtlicl)  aueb,  baö  bulgäre 
Sktftentum  ben  ßfyarafter  toon  f3b,itofo))b,ifc^en  ©cb.ulen  angenommen  I)abe,  um  fo  grei= 
kit  ju  geminnen  unb  fid^)  gegen  ben  ©taat  unb  bie  feinbfelige  ©efeEfckft  3"  fcf;ü|en 
(ba^  ©inline  fo  berfaken  finb,  unterliegt  fcljtoerlicb,  einem  ,3to^fe^  f.  meine  5Riffionögefc^. 

35  P,  ©.307).  Seibe  mürben  33eacken3merte3  anjufük^n  Vermögen,  aber  ju  einem  33emei§ 
mürbe  e§  nia)t  reiben,  ©obiel  ift  inbeö  getoi^,  bafj  bie  ,,©cl;ulen"  eine  gemiffe  ©efak 
für  bie  etnkitlick  bifcbjöflic^e  ©emeinbeorganifation  bebeutet  fyabm  (©emetriug  unb  Dri= 
gene§ !),  ba|  e§  ber  SifdkfSftrck  aber  bereite  am  Slnfang  bei  3.  Sak^unbertö  gelungen 
ift,  bie  §au|)tgefaken  ju  befcb,mören.    2öa§  ftcb,    neben  unb  au|er  ber  33ifct;oflgemetnbe 

40  an  einem  Drt  al§  d^rlftltd^e  ©emeinfe^aft  auftrat  unb  leben  moHte,  mürbe  al§  ai'geoig 
(1  $o  11,  19;  ©a  5,  20;  2  Sßt  2,  1;  algetucdg  fcb,on  %x  3,  10;  bie  Quben  nannten  bie 
©kiftenkit  eine  algsois  f.  21©  24,  5.  14;  28,  22)  gebranbmarlt.  ^n  jeber  ©tabt  nur 
eine  ftrenggefcb,loffene  bifc^öflic^e  ©emeinbe!  ®iefe  fo  einfache  Drbnung  b,at  fid)  als  eine 
Drganifation  bon  au^erorbentlic^er  ©tär!e   bemäkt.    greilict;  nötigte  fie  bie  ©emeinbe 

45  balb,  ike  antikü>nif(|e  ©jflufibität  mit  t-oller  (Schärfe  aueb^  gegen  folck  „Srüber"  gu 
richten,  bie  fiel)  aus  irgenb  einem  ©runbe  bem  Sifa^of  unb  ber  ©emeinbe  nick  unter= 
orbnen  moßten.  ®ie  traurige  Seibenfdjaft  ber  Se|erma4>erei  —  fcfyon  bei  ben  Iircljlia)en 
©kiften  ks  2.  ^ak^unbertg  —  ift  ntdjt  nur  eine  golge  ik^S  Fanatismus  für  bie  toab« 
Seke,  fonbern  ebenfofek  eine  golge  ibrer  gefebjoffenen  Drganifation  unb  ber  ^okn^ßräs 

so  bifate,  mit  benen  fie  ftcb,  felbft  als  „Kirche  ©otteS"  beekten. 

19.  SGBte  in  jeber  ©tabt  nur  eine  ©emeinbe  fein  foßte,  fo  follte,  toenn  irgenb 
möglich,  anbererfeitS  aueb,  jeber  noc6  fo  Heine  Pat$  feine  gefc^loffene  bifcb,  öflic^e  ©emeinbe 
kben.  5Da^  bieS  bie  Siegel  gemefen  ift  —  menn  fie  auc|  anfangs  unb  aueb.  fonft  nick 
immer  burekükbar  mar  unb  fbäter  bureb,  ftäbttfd^e  33ifcf>öfe,  bie  ik  urfkünglic^eS  ©ebiet 

55  auf  bem  Sanbe  ntefet  gefcb,mälert  fekn  tooHten,  fomie  burcl;  anbere  ©rmägungen  burcb,= 
Ireujt  mürbe  — ,  Ijabe  icb  (gegen  ®ucb,eSne)  9JciffionSgef$.  I2,  ©.  3  73  ff.  gezeigt,  ©ine 
Seftätigung  bietet  bie  in  c.  16  ff.  ber  fog.  aboftolifcb,en  Äirc^enorbnung  enthaltene  llr= 
lunbe  (%ü  II,  5  ©.  7  ff.):  „2öenn  menige  SRänner  finb  unb  an  einem  Drt  fieb, 
leine  ^mölf  ^erfonen  befinben,   bie   in  Segug  auf   ein  SBifcbofSmafyl  ftimmfäb,ig  finb,   fo 

öo  foK  man  an  bie  3Racb,bartirc^en,  mo  eine  befeftigte  ift,  ^reiben,  bamit  Don  bort  brei  auS= 


»eifoffung  535 

ertoäl)Ite  SRänner  (bgl.  bie  iXXöyijuoi  ävdgsg  I  6km.  43)  fycrbeifommen  unb  forgfäftig 
ben,  ber  toürbig  ift,  prüfen  u.  f.  to."  Sie  Urfunbe  ift  aud;  fonft  tntereffant,  weil  fie  für 
ben  23ifd;of  ben  guten  Stuf  bei  ben  Reiben  forbert,  bie  ©ijeloftgfeit  Wünfdjt  (Wenn  nicfyt 
eb>loi,  bann  einei  Sßeibei  9Jtann)  unb  ferner  eine  33ilbung  »erlangt,  bie  ifyn  befähigt, 
bie  ©Triften  auszulegen  (natürlid;  mufj  er  autfy  frei  bon  £abfud;t  fein,  tüte  bai  ftänbig  5 
berlangt  Wirb).  $reibi;ter  muffen  ei  mmbefteni  gmei  fein  (alfo  biefe  $af)l  genügte  unter 
Umftänben  fd)on!),  bejahrte  Seute  (für  ben  SBifcfyof  totrb  fyöfyerei  3llter  ntcfyt  berlangt), 
ovfxfivoxm  bei  23ifd;ofi.  ®iafonen  foßen  ei  (minbefteni)  brei  fein  (bafj  man  in  größeren 
©emeinben  bie  ftaty  auf  7  befcfyränfte,  ift  erft  für  bai  3.  ^a^unbert  nad)Weübar  unb  Wof)l 
eine  golge  bei  2lnfd;luffei  an  bie  irrig  auf  ®ia!onen  gebeutete  ©teile  21©  6).  Gfyriften  10 
auf  betn  Sanbe  Werben  im  1.  unb  2.  3»a!)rl;unbert  ermähnt.  3U(%  (Apol.  I,  67)  erjäfylt, 
bafj  fie  ©onntagi  in  bie  ©tabt  gum  §aubtgottesbienft  lamen.  Über  ibje  Drganifation, 
foWeit  fie  nid)t  einfach  SJtitglieber  ber  ©tabtgemeinbe  Waren,  befugen  Wir  erft  aui  bem  3. 
unb  4.  Qafyrlmnbert  urfunblicfye  ^acfyridjiten. 

20.  3m  2.  Qafyrlnmbert  fteHt  fid)  ber  Unterfdrieb   bon  Merui  unb  Säten  atlmäljlid)  15 
feft,  ber  eine  natürliche  golge  ber  (SntWidelung   ift,   aber  ierminologifd;  ben  (Sinfluf?  ber 
jübifcfyen  Unterfdjeibung   bon  ^ßrieftem  unb  Xaög  aufWeift.    'O  Xaixbg  äv&gamog  xoTg 
Xa'ixoXg  jxgooxäy/uaoiv  dsdsxai,   fyeifjt  ei  fd)on  I  SIem.  40,  5.    §iernad)  lieft  man  in 
ber  Stboft.  ÄD.  7:  6  Xaixbg  xolg  Xa'ixoXg   jxgdyjuaot  TieQinsi'&eoßo)    vnotaooöfievog 
xolg  TiaQEÖQEvovoi  xcö  &vmaoxr]gitp .  Clemens  Alex.  Strom.  III,  12 :  xav  TigEoßuxE-  20 
gog  t]  xav  diäxovog  xav  Xaixog,  V,  6 :  Xa'ixfj  anioxia.    Sei  'JertuEian  häufig,  %.  23. 
de  fuga  11 :    „cum  ipsi  auctores,   i.  e.  ipsi  diaconi   et  presbyteri   et  episcopi 
fugiunt,  quomodo  laieus  intellegere  poterit  etc.";  de  bapt.  17;  de  praescr.  41; 
de  exhort.  7 ;  de  monog.  11;  §ibbo!t)t  bei  Euseb.  V,  28,  12:  vnb  xovg  nobag  ov 
fiövov  xeov  hv  xXfjgco,  äXXä  xal  rcov  Xa'ixwv.  Ep.  Clem.  ad  Jacob.  5:  ovxcog  ixdoxco  25 
la'ixco  äjuagxta  laxiv.    SDer  Saie  ift  Saie,  Weil  er  nicfyt  burd;   bie  Drbinatton  aui  bem 
„SJotf"  fjerauigeljoben  ift  (f.  u.). 

9iaa)  21©  1  ift  bie  erfte  Söabl  in  ber©emeinbe  burcijii  £oi  (xXfjgog)  erfolgt.  216er 
bie  (Erzählung  ift  ganz  fingulär  (barum  Wol)I  gefd;icf;tlicf;) ;  bon  Ejier  aui  erllärt  ei  fid) 
alfo  nicfyt,  baj?  „Älerui"  ted;nifd)  geworben  ift.  gerner  nod;  in  1 5ßt  5,  3  ift  xXfjgoi  fo  30 
gebraust,  ba|  man  erfennt,  ba§  Söort  fönne  bamal§  nod)  ntcbt  ted^tttfcb  getoefen  fein 
(ei  bezeichnet  an  b.  ©t.  nicb^t  Älerifer,  mie  einige  2tuileger  tooHen,  fonbern  faft  bai 
©egenteil;  benn  e§  fteljt  frmonfym  ju  jioijuviov,  f.  0.).  ©anj  neutral  ift  aud)  21©  17,4: 
jiQoosxXrjQob&rioav  xqi  IJavXcp.  ®en  Ürfbrung  bei  tedmifcfyen  ($zbxaud)ä  erfennt  man 
in©teßen  roie2I©  1,  17  (xöv  xkfjgov  xfjg  diaxoviag).  KXfjgog  ift  bai  Soi  (im  eigent=  35 
liefen  unb  im  übertragenen  ©inn),  burefy  meld)ei  man  etmai  geminnt,  fobann  bai  ©e= 
toonnene  (ein  Anteil,  ein  Pa£,  ein  2lmt)  felbft,  enblic^  bezeichnet  ei  bie  ©rubbe  berer, 
bie  einen  2lnteil  (ein  2Imt)  erhalten  f)aben.  2)ie  ©infd^ränlung  auf  bie  Jircfylid)en  33e= 
amten  ift  in  ib^rem  Söerben  erft  bureb^  (Slemeni  2lle£.),  (^renäui),  ^ertußian  unb  ^ibbolfyt 
bezeugt ;  noeb^  in  bem  23rief  bon  Sbon  (Euseb.  V,  1)  roirb  meb^rmali  bom  xXfjgog  xcöv  io 
fiagxvQtov  gefbroeb^en.  3mme#n  <&&  le^rt  jene  Bezeugung,  i>a§  fbätefteni  um  180 
bie  Unterfdjetbung  (^lerui  unb  2aien)  fic^  aud)  terminologifcb;  einzubürgern  begann. 
Glemeni,  Quis  dives  42 :  xXijgco  [fyter  nod)  nicfyt  =  ^lerifer]  k'va  ys  xiva  xXyjqcoocov 
xeov  vjxö  xov  jivevjuaxog  or]fA,aivojUEva>v.  ^ren.  I,  27,  1 :  im  'Yyivov  e'vaxov  xXfj- 
qov  xfjg  Emoxojirjg  diaöo%fjg  anb  xeov  änooxoXwv  Eypvxog.  III,  3,  2 :  xi]v  hmaxo-  45 
nrjv  xXrjQovxai  KM\pcY\g.  III,  3,  3:  xbv  xfjg  imoxcmfjg  xXfjgov  e%ei  'EXsvß'SQog. 
§ibboI.  I.e.:  ol  iv  xXfJQCp  .  .  ol  Xa'ixoL  £>ibboI.,  Philos.  IX,  12:  rjgiavxo  im- 
axonoi  xal  TiQeoßvxsQoi  xal  biaxovoi  diya/uoi  xal  xgiyafxoi  xa&iaxao^at  elg  xX>j- 
govg  (aber  nod)  im  allgemeinen  ©inn  c.  Noet.  1:  k'xßXrjxog  yhr\xai  xXfjgov  äyiov). 
Seruut,   de  monog.  12 :    „Unde  enim    episcopi   et  clerus  ?  monogami   in  50 

clerum  .  allectio  in  clerum  .  extollimur  et  inflamur  adversus  clerum" 
Xeftam.  Sebi  8 :  xXfjgog  jueyag  vjieq  avxbv  ov  ysvrjosxai.  ©afe  $lerui  runb  =  Älerdcr 
ift,  läfet  fid;  alfo  guerfi  für  bie  römifdje  ©emeinbe  feftftellen;  benn  $artl>ago  b;at  feinen 
©brac^gebraueb;  bon  5Rom.  SDem  grted^tfc^> en  xXfjgog  entfbrieb;  t  faefe lief)  ber  lateinifd; e  „ordo" 
^ertußian  braucht  bai  2öort  in  einem  weiteren  ©inn  „(ordo  ecclesiae")  an  mehreren  55 
©teilen,  g.  S8.  de  monog.  11,  aber  in  ber  Sebeutung  „clerus"  ftebl  ei  de  idolol.  7 
(adlegantur  in  ordinem  ecclesiasticum),  de  exhortat.  7  („ordo  et  plebs",  „or- 
dinis  consessus",  „ecclesiasticus  ordo"),  de  exhort.  13  („ecclesiastici  ordines"), 
de  monog.  12  („ordo  monogamorum"  [ironifcb]  .  „ecclesiastici  ordines"). 
$er  ^lerui  (ordo)    grünbet    fid;  auf  bie  „Drbination"   (Weiterer  ©ebraud;  im  3JJurat.  eo 


536  «etfoffuttg 

Fragment  [„ordinatio  ecclesiasticae  disciplinae"]  unb  bei  Sertullian) ;  ba§  SBort 
begegnet  in  bem  engeren  ©ebraucb,  guerft  bei  Vertut!.,  de  praescr.  41:  „ordinationes 
haereticorum  temerariae"  %lod)  'itertutlian  toeifs,  bafs  ber  Unterfcfyieb  bon  üleru§ 
unb  Säten  nicbi  auf  ßbjiftug  ober  bie  Slbofiel  jurücfgefyt,  fonbern  eine  (fbätere)  fird)Iicr)e 
5  ©inrictjtung  ift;  de  exhort.  7:  „Differentiam  inter  ordinem  et  plebem  constituit 
ecclesiae  auctoritas  et  honor  per  ordinis  eonsessum  [ba§  auf  befonberen  ^3lä|en 
fi^enbe  ^relbtoterfollegtum]  sanctificatus"  $u  liefern  „honor"  »gl.  ba§  ,,ol  xexijut)- 
jusvoi"  in  ©ibacfjelö,  bie  ömXr\  xi/tirj  in  1  %\  5, 17,  bie  ,,xexi,jur]juevr]  XsixovQyia  I  Giern. 
44,  6  unb  bie  xijurj  f\  xa-&rjxovoa  1.  c.  1,  3;  baju  (Stern.,  Strom.  VI,  14,  107 :  xexifirj- 

10  juevoi  xgtxai  xe  xal  dioixrjxai  (bon  ben  lirctyliä;  en  Beamten),  Ign.  ad  Smyrn.9,  1 :  6 
xijucov  irnoxonov  vnö  fteov  xsxi^xai  etc.  gu  bem  ,,ordo"  gehörten  nid)t  nur  33ifd)öfe, 
$re3br/ter  unb  ©iaionen,  fonbern  alle,  Welche  eine  Drbination  empfingen  (Stertull.,  de 
praescr.  41),  alfo  j.  33.  aufy  bie  Seftoren  unb  bie  angeftellten  SöitWen  (über  bie  nieberen 
ÜJBeifyen  f.  u.).    Sitte  Merüer  fyeifeen  bei  ^Eeriulltan  (de  fuga  11)   aucf)   „auctores"; 

15  bocb,  ift  biefe3  2Bort  fo  Wenig  tecr/nifcb,  geworben  tt>te  „fjyovfisvoi"  (aber  f.  in  SBejietmng 
auf  Ie$tere§  ben  Ilbfterlic^en  ©bracf/gebraucl)  im  Orient). 

21.  SDas>  foIgenfcf/Werfte  ^ßräbifat,  Welches  bie  oberen  ttrc^Iidjen  Beamten  erhielten, 
War  bie  Slmtgbejeicb.nung  „^ßriefter".  £>ie  Anfänge  fallen  nocf)  in  unfere  ^3eriobe.  SBeldjen 
Söert  man  urfbrünglidj)  auf  ba§  allgemeine  ^rieftertum  gelegt  fyat  im  ©egenfaij  zu  einem 

20  briefterlicljen  ©tanb  (bei  $uben  unb  Reiben),  Wie  ftar!  man  e§  noclj  im  2.  ^afyrlJMnbert 
bem  §eibentum  gegenüber  auigefbielt  unb  Wie  I)eftig  e§  2:ertußian  cd§  SJiontanift  ber= 
teibigt  b,at  („nonne  et  laici  sacerdotes  sumus?"),  ift  belannt.  2Iu<§  STertullian  (de 
exhort.  7)  gefyt  aber  aucf;  fyerbor,  bafj  bie  ^onfequenjen  be£  ©ebanlenS  be§  allgemeinen 
$rieftertum§  in  feinen  STagen  j.  %.  nocf/  fortbeftanben  („ubi  ecclesiastici  ordinis  non 

25  est  consessus,  et  offers  et  tinguis  et  sacerdos  es  tibi  solus";  »gl.  de  bapt.  17, 
de  monog.  7).  £)a§  befonbere  ^ßrieftertum  ift  nicf/t  aus»  bem  bireften  ©influft  beä  2123, 
noct)  Weniger  abo  ©ntleljmung  au§  ber  jübifcf/en  ^riefterberfaffung  abzuleiten  (anberö  biel= 
leicht  in  ^erufalem;  f.  o.  über  $afobu$>;  bunfel  ift  bie  üftotiz  be§  5ßolr/frate3  bei  Euseb. 
V,  24,  3   über  ben  fleinaftatifcf/en  ^of/anneg:  dg  iysvrj'&y   kgsvg  xb   nhakov   mcpo- 

30  gsxwg;  mar  er  mcf/i  bon  §aufe  au§  ein  jübifcf/er  ^riefter,  ber  bie  SCracf/t  beibehielt?), 
älucf)  bajj  ber  (Hemenlbrief  bie  23ifcf/öfe  unb  SDiafonen  mit  ben  5ßrieftern  unb  Sebiten 
bergleicl)t  unb  bie  ®ibad)e  bie  ^robb.eten  all  bie  £jol)enbriefter  bezeichnet  (f.  o.),  entfcb.eibet 
noi|  nic^t,  fo  bebeutfam  eg  ift.  ©nblicb,  bie  S^atfacfye,  bafe  in  gnoftifcb,en  ©elten  (f.  u. 
über  bie  SRarcianer)  fct/on  in  ber  ÜJIitte  bei  2.  ^ab, rb, unb ert§  ein  ^3rieftertum  auögebilbet 

35  ift,  ba§  in  feinem  tbeurgtfcben  ßljaralter  beutlicb,  f>eibnifcb,en  (Sinflu^  auftoeift,  ift  für 
bie  lirc^lic^e  (Snttoidelung  irrelebant;  benn  bie  gro^e  Äircfje  folgte  im  2.  ^a^unbert  in 
folgen  ©ingen  meber  ben  ©noftifern  nocb,  ben  Reiben,  ©ie  2öurjel  be§  fbejififcb,en  lircf)= 
liefen  $rieftertum§  ift  bieltnebr  ba§  fbejififcb.e  Dbfer,  wie  e3  fieb,  in  ber  2luffaffung  bom 
3lbenbmaf)I  entt»ic!elte   (fefunbär   finb  aufy   bie  fieb,   friftaHifierenben  SSorftellungen   bon 

40  ©alramenten  ju  beachten),  ©iefe  (Sntmicfelung  beginnt  fcfyon  früb^e  (f.  baö  jigoacpe- 
geiv  xä  deoga  I  ßlem.  44  unb  bor  allem  bie  dvola  in  ®ibacb,e  14;  baju  finb  bann 
bie  einfcblagenben  ©teilen  bei  3*enäuS  ^u  bergleicb.en).  3Son  b,ier  auö  fteßte  fic^j  ber  93e= 
griff  be§  §voiaox^Qiov  ein,  wenn  aucf)  gunädjft  al§  2:robug,  aber  fid;  atlmä^Iicb,  im 
©inne  bom  „lltar"  berfeftigenb  (bgl.  bie   aboft.  J^D.  2.  7  unb  2öielanb,  Mensa   unb 

45  Confessio,  1906).  ©amit  fonbergiert  ber  ©runbfa^,  ben  fcf/on  ^gnatiu§  aulgefbrocjien 
b,at  (ad  Smyrn.  8) :  exeivrj  ßeßaia  ev^agioxia  fjyeio&w  fj  vnb  xöv  etiioxotiov  ovoa 
rj  co  äv  avxbg  imxQeyn].  SDer  Iircl)li(|e  ^ßrtefter  erfd;eint  guerft  bei  STertuEian,  unb 
jtoar  nennt  er  ben  Sifctfof  „summus  sacerdos"  (de  bapt.  17),  tooraul  folgt,  ba^ 
bamals  aucl;  fct)on  bie  ^3re§b^ter  al§  ^ßrtefter  aufgefaßt   tourben,  bgl.  de  exhortat.  7: 

50  ,,sacerdotalis  ordo",  11;  de  pud.  1.  21;  de  monog.  7.  12:  ,,disciplina  sacer- 
dotalis;  aber  fcfyon  früher  de  praescr.  29.  41:  ,,sacerdotalia  munera";  de  virg. 
vel.  9:  „sacerdotale  officium";  Scorp.  7:  „sacerdos").  ©benfo  £ibbol.,  Philos. 
praef:  cbv  rj^ielg  diädo%oi  xvy%ävovx£g  xrjg  xs  avxfjg  %dgixog  ^iexe%ovx£g  äo%i£Qa- 
xdag  xal  didaoxaUag.    SDer  Orient  folgt  ett»a§  fbäter.   ®a^  nun  bie  altteftl.  $riefter= 

55  gefe|gebung  herangezogen  mürbe  unb  bafc  anbererfeit§  auc|  bie  Sinologien  mit  ben 
|eibnifd;en  5ßrieftertümern  für  bie  toeitere  ©nttoicfelung  toicfjtig  Werben  mußten,  ift  felbft= 
berftänbliclj.  SBicfytig  ift,  ba^  auf  bieSDiafonen  ber  briefterlicfye  6b,arafter  ntc^t  übertragen 
Worben  ift  (naef;  I  6Iem.  40  ff.  Ijätte  man  eg  erwarten  lönnen),  Wät;renb  bie  ^3re§bbter 
—  Weil  fie  „baS  Obfer"  leiten  burften  —  ifm  erhielten.  SDamit  traten  bie  $re§bbter  ben 

60  Sifcljöfen  Wieber  (unb  bauernb)  felbr  nafye,  nacljbem  bie  SKonarc^ie  bei  33ifcf)of§  eine  Äluft 


ÜScrfaffmtg  537 

jtotfdjen  ifym  unb  innert  befeftigt  fyatte  unb  ©efafyr  für  fie  beftanb,  fogar  unter  bie  £>ia= 
!onen  ju  fommen.  ®er  ^rieftercfyarawer  bannte  biefe  ©efafyr  für  immer,  wenn  auch,  t/in 
unb  fyer  ©iafonen  ben  faftifcb,  größeren  (Sinfluß,  ben  fie  befaßen,  auf  Soften  ber  *]ßreS= 
bbter  geltenb  ju  machen  fugten  unb  in  ib,re  ©renken  ^urüdgemiefen  werben  mußten.  2lber 
aud)  baburd)  blieben  bie  '»ßreSbr/ter  ben  33ifd)öfen  naf>e,  baß  fie,  toie  bie  ^ßriefterlom^etenj,  5 
fo  bie  biSjiblinäre  unb  ritterliche  .tombetenj  behalten  (f/icr  aber  unter  ber  Oberleitung 
ber  33tfc^öfe  unb  mel)r  unb  mef>r  nur  als  ibje  ^Delegierte).  ®ie  tfyeoretifcf/e  unb  ftatu= 
tarifd/e  StuSbilbung  ber  2lbfolutionSgemaIt  als  einer  !IeriM=ricf)ierItcr/en  ©emalt,  vice 
Christi,  im  ftrengen  Sinn  fällt  erft  ins  3.  I^al/rr/unbert  (Sbbrian)  unb  machte  erft  ba= 
malS  ber  neben  if/r  beftefyenben  toneumatifcb^riclterlicr/en  ©emalt  ber  9)}ärtr/rer,  ßonfefforen,  10 
bieten  unb  SJiftonäre  ein  @nbc.  2lber  fdjon  lange  mar  fie  neben  biefer  einb,ergegangen, 
unb  bie  ^3riefter  fyaben  fie  neben  ben  33ifd)öfen  fteiS  aud)  fefil/alten  tonnen  —  aus  bem 
einfachen  ©runbe,  meil  ein  ©injelner  bttyftfcb,  biefer  Saft  nict/t  gemacfyfen  mar. 

22.  SDie  $eftfietlung  beS  monardnfeben  ©biffobatS  filterte  aud)  bie  flerifcl/en  «Stufen 
unb  ßombetenjen.  2öaS  ber  33ifd£jof,  maS  ber  ^3reSbt)ter,  maS  ber  2)iafon  ift  unb  gu  be=  15 
beuten  b,at,  ftanb  gegen  @nbe  beS  2.  ^abjtmnbertS  feft,  unb  bie  nod)  anbauernbe  33er= 
mifdmng  in  einigen  gnoftifd/en  $trcb,en  mürbe  als  ein  3etct)ert  if)rer  Illegitimität  beurteilt 
(JertuII.,  de  praescr.  41).  SDer  Bifcl/of  ift,  eben  meil  fflonaxä)  in  ber  ©emeinbe,  in 
jeber  Begief/ung  if>r  §aubt  unb  gunftionär.  (Sr  bertritt  bie  ©emeinbe  bor  ©Ott  (beim 
übfer  unb  ©ebet),  bor  ben  ©cr/mefiergemeinben  (burd)  Briefe  unb  burd)  bie  älufnabme  20 
ber  auS  fremben  ©emeinben  ^ommenben)  unb  bor  ber  Slußenmelt,  unb  er  bertritt  ©ott 
unb  GbjifiuS  ber  ©emeinbe  gegenüber,  inbem  er  bie  ©aframente  fbenbet  unb  lefyrt.  @S 
ift  baf)er  überflüffig,  ja  unmöglich,  bie  Steckte  unb  Munitionen  be§  93tfd£)of§  aufjujäb,len, 
ba  fie  gemiffermaßen  fdjranfenloS  finb.  ®ie  mict/tigften  finb  bereits  in  ber  SDarftellung 
umt  2luSbrucf  gelommen.  2lber  ein  Attribut  bon  ganj  befonberem  ©emter/t  lünbigt  fict;  20 
im  2tbenblanb  bereits  am  @nbe  beS  2.  ^afyrlmnbertS  ganj  beutlid)  an,  baS  ift  baS  Attribut 
ber  aboftolifct/en  ©ucceffion  ber  Bifcljöfe.  Borfteltungen  bon  ©ucceffionen  maren  in  jener 
@bod)e  ber  Kultur  etmaS  ganj  geläufiges,  unb  §mar  in  ber  $orm  mbftifd/er  Bestellungen 
unb  als  9ted)tSfiftionen.  @S  liegt  if/nen  aber  aueb,  eine  f/ödjft  reale  Beobachtung  ju 
©runbe,  fofern  eS  laum  etmaS  BerbürgenbereS  unb  geftereS  (für  bie  oberflächliche  Bor=  30 
ftellung)  giebt,  als  bie  $ette  regelmäßiger  sJiacf/foIgerfcr/aftett  in  einem  2lmt  ober  Beruf 
ober  bei  ber  Überlieferung  einer  ©d?ullel)re,  bie  mie  ein  SDebofitum  gilt.  5Rotroenbig 
bilben  fidj  r/ier  ©emofynfieiten,  3roanSe  un^  S^^S^^^^^nS^  au§/  bk  fomob,!  auf 
bie  2tuf5enfter)enben,  als  auc^  auf  bie  Präger  beS  2lmteS,  bejm.  beS  3)ebofitum  einmirlen 
unb  ib,nen  mit  einer  2lrt  bon  character  indelebilis  bie  ©timmung  unb  baS  Slnfeb^en  35 
beriefen,  als  fei  jener  erfte,  bon  bem  bie  ganje  $ette  ausging,  gleic^fam  in  ib^nen  in= 
farniert.  llnb  mo  man  fo  lebbaft  unb  ftrilt  ntajt  embjtnbet  unb  urteilt,  ba  fd)eint  boeb, 
burc^)  bie  ßette  minbeftenS  bie  ©arantie  gegeben  ju  fein  —  freilief)  ein  großer  5^«m, 
benn  bem  umbilbenben  2BirIen  ber  $e\t  bermag  fid)  nid)tS  SebenbigeS  ju  entjieb,en!  — , 
baß  b,ier  aßeS  unberänbert  bemabrt  fei.  2llIeS  2tutoritatibe  fteßte  fia;  bamals  in  ©uc=  40 
ceffionen  bar,  bie  bie  materielle  Prüfung  beS  bon  ber  Autorität  ©emotlten  unnötig 
matten  unb  berboten.  @ben  barauf  fam  eS  aber  an.  ®ie  römifcf)e  3Serfaffung  unb  baS 
9?edE)t  ruhten  auf  ©ucceffionen,  unb  bie  ©d;ulbb,iIofobl)ien  beS  fyxtaltexZ  nid^t  minber. 
3lber  aueb,  baS  ^ubentum  blatte  feine  ©ucceffionen.  Sänge  bebor  ber  ©ebanle  ber  abofto!ifcb,en 
©ucceffion  ber  Bifd^öfe  erfaßt  mar,  fyatte  man  aueb,  fdjon  in  ber  ^ircf)e  ©ucceffionen  nämlicb,  45 
bie  ©ucceffion  ber  diddoxakoi,  bie  einft  ^a&rjrai  älterer  didäonaloL  (bis  hinauf  ju  ben 
3lbofteln)  gemefen  toaren,  unb  bie  ©ucceffion  ber  ^robbeten  (im  montanifttfd;en  ®ambf  fbielt 
ba§  eine  SRoUe,  f.  mein  Sebjbucf)  ber  ©ogmengefcb,.  I3,  ©.  395).  28ie  unbermeiblicb,  ber 
©ebanle  ber  ©ucceffion  beim  33efv§  eines  SefyrbebofitumS  mar,  geigen  aus  ältefter  ftzit  bie 
^Saftoralbriefe  einerfeitS  (f.  g.  33.  2  STi  2,  2  :  a  yjxovoag  nag'  ijuov  dtä  nollmv  juag-  50 
tvocov,  xavxa  naQä'&ov  xiiozoig  av&gamoig,  oiuveg  Ixavol  soovrat  xal  eregovg  di- 
dd^ai),  bie  gnoftifd)en  ©eften  anbererfeitS,  bie  auf  bie  diado%ai  ibrer  Seb,rer  bis  ju  ben 
Ibofteln  b,inauf  baS  größte  ©emicb,t  legten  (jab,Ireicb,e  ©teilen,  f.  bef.  Ptol.  ep.  ad 
Floram  bei  Epiph.  h.  33,  7:  f\  äjioaxoXixrj  nagadooig,  rjv  ix  diadop'jg  xal  f/jusTg 
naQEdrjfpauEv).  Unter  folgen  Umftänben  ift  eS  berit-egen,  bie  aboftolifcbe  ©ucceffion  5:. 
ber  33ifci;öfe  auf  bie  SBeeinfluffung  burd;  römtfdt)=rect)tlicr)e  ©ebanlen  jurüdjufübren  (2fd)irn, 
3tfo)r.  f.  &®.  XII,  ©,220—231),  mögen  fie  immerhin  als  ein  ftarfeS  ^ebenmoment  mit= 
getoirlt  b,aben.  SBar  ber  agdög  Xöyog  -deov  bie ^>aubtfacl;e  in  ber  $ircfye,  auf  ber  fieb  alles 
auferbaute,  unb  maren  bie  monarcfyifcben  Bifdiöfc  ju  beSbotifcb,en  Rubrem  unb  £eb,rern 
(Übergang  ber  Sebrfunftion  auf  fie,  f.  0.)  gemorben,  fo  braucht  man  nicht  erft  gu  fragen,  uo 


538  aSerfaffung 

rooljier  unb  warum  ber  ©ucceffton<sgeban!e  auf  fie  übertragen  toorben  ift.  @r  muftte  ficb, 
bon  felbft  einftellen,  unb  auct)  bie  5£fyatfacr)e,  baf?  er  febj  balb  auäfcfyliefjlicb,  nur  an  ben 
23ifcfyöfen  haftete  unb  alle  anberen  ©ucceffionen  bab^nfcfyroanben,  Verlangt  feine  ©rflärung ; 
benn  fie  ift  nur  ein  Spezialfall  in  ber  allgemeinen  ©ntroicfelung  be3  ©bi)fobate<§,  ber  äße 
5  anberen  SJtibalen  befiegt.  ©ine  ©rflärung  forbert  lebiglicb,  bie  ^Beobachtung,  bafj  ber 
älboftolat  in  ber  gorm  be§  3möIfaboftolat<§  ^er  a^  oa3  $unbament  ^er  ©ucceffion<§= 
leite  eingeführt  ift.  ©iefe  ©infüb/rung  fe|t  ba§  Slbfterben  be§  allgemeinen  3lboftoIat3 
unb  jugleicb,  bie  burcb,  ben  gnoftifcfjen  ^ambf  abgerungene  Nötigung  borauS,  alle3  in 
ber  $ird)e  auf  bie  Stugenjeugen  jurüd^ufür/ren  unb  ben  aboftolifcr)en  SBemeilabbarat  mit 

io  ber  ju  bemeifenben  ©adpe  (bie  Anbetung  be<§  gefreujigten  unb  auferftanbenen  ©ottmenfcfjen) 
ju  berfnübfen  (5Räb,ere§  über  bie  ©ntmicMung  ber  3SorfteEungen  bom  3tbölf=2lboftoIat 
f.  in  meinem  Seljrbucb,  ber  ©ogmengefd)icfyte,  Sb  I).  ©ie  S£f>efe,  bafj  bie  23ifct/öfe  per 
suecessionem  bie  ebangelifcfje  2Bab, rb, eit  al§  ©b, artSma  bon  ben  Slbofteln  empfangen  Ijaben, 
bafj  fie  beSljialb  al§  £el)rer  in  ifyrem  ©efamtjeugnig  ben  Slboftolat  (nämlicb,    ber  S^ölf, 

15  ^Saulu§  läuft  nur  mit)  barfteHen  unb  bafj  nur  auf  biefe  2öeife  bie  veritas  in  ecclesiis 
custoditur,  b,  ätte  ficb,  bielleicfyt  aucb,  ob,  ne  ben  gnoftifcb,  en  $ambf  eingeteilt ;  fie  b,  at  ficf;  aber 
fafttfcb,  infolge  biefeS  ^ambfe§  entmicfelt.  ©ie  begegnet  un3  juerft  bei  Qrenäuä  (III,  2,  2 ; 
III,  3,  1.  4;  III,  4,  1 ;  IV,  26,  2.  5;  IV,  33,  8)  unb  Sertult.  (de  praesc.  etc.).  ©te 
%b,efe  blieb  aber  —  abgefefyen  babon,  bafj  fie  ficb,  auffaltenb  langfam  burdjgefe^t  t)at  — 

20  infofern  nocb,  lange  eine  fcbillembe,  al§  ber  einzelne  93ifct)of  fie  nict)t  otme  weiteres  für 
ficb,  geltenb  machen  tonnte,  ©elbft  bie  bifdjöflicfyen  ^nb^aber  bon  2tboftelftül)Ien,  obgleich 
fie  ein  immer  größeres  ©etoidjt  erhielten,  lonnten  nic|t  ab§  einzelne  fagen:  „lycb,  bin  ein 

y  untrüglicher  aboftolifcr)er  2eb,rer,  roett  ^n^aber  eine3  aboftoltfcfyen  ©tubjtö";  fie  lonnten 
bielmeb,r  ifyre  Stboftolicität  unb  Untrügltd)feit  nur   im  gufammenfyang  unb   in  Überein= 

25  ftimmung  mit  allen  Sifctjöfen  geltenb  machen. 

35orftufen  (über  ba3  bereite  ©ntmicfelte  fjmau3)  t)atte  —  hrie  jebe§  firdjlicb, e,  fdjeinbar 
ganj  neue  DrganifaüonSelement  —  aucb,  biefe  Slboftolicität  ber  Sifcfyöfe.  ©ie  liegen  in 
ber  guorbnung  ber  jioijusvsg  ju  ben  Slbofteln,  ^ßrobfyeten  unb  Sefyrern  im  ©bt)eferbrief, 
in  ber  guorbnung  ber  emaxojioi  %u  ben  änöoxoXoi  im  §erma§,  unb  in  ber  %$aX\aü)t, 

30  bafj  ba3  Sebren,  roelcf/eS  früher  bie  Stboftel  unb  Sebjer  geübt  Ratten,  erft  auf  bie  33ifcf/öfe, 
bann  auf  ben  33ifct)of  überging  (menn  man  bei  bem  aÖen  bag  toeitere  ^aitum  im  2luge 
behält,  bafe  bie  §od)fcr;ci£ung  ber  ganzen  ©rubbe  ber  alten  Xoyov  Xakovvxeg  in  ber 
©rinnerung  aUmäflicf)  auf  bie  ^m'iiV\  allein  übertragen  mürbe).  SDie  Sorftufen  liegen  aber 
aud)  in  ben  ^ßerfönlicfyfeiten  einzelner  S3tfct)öfe,  beren  ^ugenb  unb  £raft  il)nen  ein  abofto= 

35  Iifdpe§  Slnfeb^en  berlieb,,  baö  bann  auf  ben  ganzen  ©tanb  übertragen  rourbe.  ©ie  ©e= 
meinbe  bon  ©mr/rna  befcb^liefet  bie  ßb,aralterifti!  ifyreä  33ifc^of§  5Polt)larb  mit  ben  ban!= 
baren  unb  ftoljen  2Borten:  judgrvg  üolvHagnog,  iv  To7g  xa&'  ^juäg  %govoig  didd- 
oxalog  anooxoXmbg  xal  Jiqocprjxixog  yEvöjuevog,  imoxonog  xrjg  iv  2ju,vQvr]  xafio- 
foxrjg  ixxXf]oiag.    Söie  gro^  fein  2lnfeb,en  bar,  gef)t  barau§  t)erbor,  ba^  bie  Reiben  in 

40  ©mt)rna  meinten,  bie  ©giften  mürben  nun  ben  ©elreu§igten  fahren  laffen  unb  ben  ber= 
brannten  ^ßol^larj)  bereden  (ep.Smyrn.  17).  @r  mar  ib,nen  toie  ein  2lboftel!  Slucb.  Sucian 
in  feiner  ©cbjift  über  ^ßeregrinu§  ^5roteu§  berietet  bon  ber  aufjerorbentlicfyen  SSereb^rung 
ber  ©firiften  in  Sejug  auf  tl)re  Sorftefyer.  SDafe  bie  33ifcb;öfe  aboftolifd^e  Qualitäten  er= 
gelten,  ift  alfo  audj  eine  golge  ib^rer  bor^üglicl)en  Semä^rung. 

45  ©ie  SorfteHung  bon  ber  aboftolifcfyen  Qualität  ber  Sifd^öfe  blatte  bie  notmenbige 
golge,  bafe  bie  alte  unb  3.  %.  richtige  Überlieferung,  bie  Slboftel  blatten  bie  lircpcfyert 
Beamten  eingefe^t,  ficb,  nun  fo  ftoeplifierte,  bie  Slboftel  (bejto.  immer  ein  Slboftel)  Ratten 
in  ben  einzelnen  ©emeinben  bieSifcb^öfe  eingefe^t.  ©ie§  na^m  man  fd^>on  am  ©nbe  be§ 
2.  3« Wunberts  in  2lfien,  "Stom  unb  Stion  an   unb  fafete  bemgemä^   bie  33ifd)of3liften. 

50  Urfbrünglid^  gä^Ite  man  aber  babei  ben  einfetjenben  2tbofteI  nicfyt  aU  ben  erften  Sifcb^of 
(fo  finbet  man  e§  noct;  in  ber  alten  rbmifdjen  S8tfdt)ofSltfte  bei  ^^enäu§  unb  ^m  unb  |er 
aucb,  fbäter  nod)).  Slber  fefyr  balb  (fcb^on  um  220)  fing  man  an,  ben  Slboftel  felbft 
al§  ben  erften  33ifdjof  anjufefyen  unb  ju  jaulen.  ©a§  ift  ein  S3ewei§,  bafe  bie  ©Ieia)ung 
Slboftel  unb  Sifcljof  nunmehr  toerfelt  gemorben  ift   (in  Sejug   auf  ba§  £el)ramt  in  ber 

55  ©emeinbe). 

©er  ©biflobat  erb,ob  ficb,  burcb.  bie  Qualität  be§  Slboftolatg,  bie  feine  SBürbe  Irönte, 
l>ocb,  über  bie  ^ßreSb^ter  unb  brachte  fo  an  überragenbem  Slnfet)en  fofort  toieber  ein,  mal 
ib,m  burcb,  bie  ©leicb,fteHung  mit  ben  ^reSbfytem  al§  ^rieftern  (benn  ber  terminus 
„Öofyerbriefter"  für  ben  Sifcb,  of  f)at  ficb,  nicb,t  burd)gefe|t;  er  blieb  merfmürbigerroeife  für 

60  ©^riftul  referbiert)  berloren  ju   geb,en  brob,te.    ©ie  ^ombetenjen   ber  ^3re§bt)ter  blieben 


2?crfaffung  539 

fyofye,  fofern  fie  aU Kollegium  fungierten;  benn  ^ier  behauptete  fieb,  bie  relattbe ©leidjljieit 
mit  bem  33ifd>of.  Setber  miffen  mir  aber  Don  ber  ^ätigfeit  ber  $re§br/terfoHegien  faft 
nid)t3.  ©ürfen  mir  un§  iljr  Söirlen  nad;  2Irt  ber  ©nergie  benfen,  bie  bag  ^3reSbtyter= 
foffegium  pix  ,3e^  ^ex  ©ebiSbalan^  naä)  bem  ^obe  be§  gabian  in  9tom  entmidelt  b,at, 
jo  gemimten  mir  eine  t)ot)e  SBorfteüung ;  aber  ber  galt  ift  roofyl  nic^t  ju  berattgemeinern.  5 
2113  ©inline  bebeuteten  bie  $re§bt)ter  toa^rfd^emlid^  menig,  mo  e§  nur  eine  gotteäbienfU 
lidje  Skrfammlung  an  einem  Ort  gab,  aber  biet,  reo  e3  mehrere  maren;  benn  bann 
leiteten  fie  im  Auftrag  be§  SifcfyofiS  ben  ©otteöbtenft  ber  SEeilberfammlungen. 

©ie  ©iatonen  —  urfbrünglict/  (nad)  I  %\m.,   I  ©lern.,   $erma§  unb  £>ibacr)e)  bon 
ben  ©biffoben  memg  berfc^ieben  —  bleiben  bem  $ifd)ofe  fo  nafye  ftefyenb  mie  einft  ben  10 
Sifdjöfen ;  il)re  Sljätigleit  unb  Kompetenzen  finb  nun  umfcfyrieben  burcfy  bie  bienenbe  §ilfe= 
leiftung  beim  ©otteSbienft,   bei  ber  SCrmenpflege  unb  ber  ©eelforge.    23on  bi^iplinären 
gunltionen   Ibnnen  ib,nen  nur  bie  nieberen  zugefallen  fein,  mit  ritterlichen   Ratten  fie 
nichts  §u  ti/un.    Jn  SSerfolgung^eiten  mar  ib,r  2Imt  befonberg  ejboniert,  ba  fie  fiel)  bem 
öffentlichen  Söirfen  nietet   ju   entjieljen  bermod;ten.    ©ie  aboftolifcfye  Kirdjenorbnung  c.  6  15 
fagt:   01   xaXcög  öiaxovTqoavxeg  xal    äjuejunrcog   tojiov   iavTolg    neQmoiovvzm  tov 
xoifienxöv  (bgl.  1  %x  3,  13).  -Scan  fonnte  alfo  birelt  Dorn  ©ialonat  jutn  ©biflobat  auf= 
fieigen.    Sie  9?ad)ricbt  ift  in  Sejug  auf  bie  guftänbe  ber  fbäteren  gett  mistig,   mo  in 
einigen  ©emeinben  (Sftom!)  ber  21rct)ibiaIonat  bie  ficfyerfte  üßorftufe  für  ben  ©biflobat  ge= 
toefen  ift  unb  nid^t  ber  ^ßresbtyterrat.     ©ine  nadjmetSbare  23orgefdnd)te  befitjt  ber  2tr$i=20 
biafonat  in  bem   2.  $afyrb,unbert   rttdc)t  (nod)  toeniger  natürlich  im  erften ;   21©  6  gehört 
nid)t  einmal   ibeett  bjerfyer);    benn    bie   einzige    ©teile  (§egefibb    bei    Euseb.  IV,  22: 
'Avixrjxog,  ov  diäxovog  rjv'EXev'&eQog),  bie  man  anführen  fann,  läfjt  berfcfyiebene  2tu§= 
legungen  ju.    ©od?  ift  e§  übermiegenb  mafyrfcfyeinlid),  bafe  eine  befonbere  Slffinität  biefeS 
©iafom»  ju  bem  23ifd)of  lj»erborgel)oben  merben  füllte.    Über  bie  fortmirfenbe  allgemeine  25 
Slffinität  Don  23ifd)of   unb   SDialon,   bie   in   ber  neuen  SSerfaffung   bureb.    bie  §tütfc^)en= 
gefdjobenen  ^reigbr/ter  nur  bebrofjt,  aber  nicfyt  aufgehoben  mar,  füllte  lein  ©treit  fein. 
Dag  93tfcfeof§amt   ijat  bei  feiner  ©ntmidelung   zur  SRonard^ie    fotoob,!  bie  ^3re§br/ter  al§ 
aueb,  bie  ©ia!onen  bepotenjtert.    ^enen  entzog  eg  bie  3Sorfteb,ertoürbe;  fie  finb  nun  nicb,t 
mef>r  oi  TiQeoßvxsgoi  01  jiQoiotdjuevoi.     ©iefe   brücfte   e§   bbKig   auf   bie  ©tufe   »on  30 
Böseren  ©ienern  b,erab. 

©er  ordo  ift  abtt)ärt§  bei  ber  ©tufe  ©iafonen  noeb,  nict)t  abgefcb,loffen.  3toar  $ai 
e§  im  2.  ^a^r^unbert  noc^  feinen  georbneten  clerus  minor  gegeben  (f.  über  ib,n  meine 
3lbl>anblung  über  ben  Ursprung  be§  2eftorat§  unb  ber  anberen  nieberen  2öeiben  i.  b. 
£U  II,  5;  „servus  dei  minoris  loci"  bei  ^ertußian,  de  fug.  11,  begießt  \i<$)  nieb, t  35 
auf  bie  nieberen  3Beif)en),  unb  bie  33eb,aubtung  Slbälarbö  (ep.  ad  Hei.  7),  bie  Kircfye 
^abe,  toie  allgemein  belannt,  bie  ganje  Stufenleiter  be§  geiftlicjien  ©tanbe§  Dom  %'i)üx= 
liüter  bi§  jum  SBifcfyof  bon  ber  ©^nagoge  übernommen,  ift  unrichtig;  aber  al§  bie  neue 
Orbnung  mit  bem  Sifc^of  an  ber  ©toitje  fieb,  entmicfelt  b.atte,  mürben  bem  ordo  bie 
viduae  (bieHeicb,t  auc§  bie  virgines,  bejto.  bie  Jungfrauen  unter  ben  2Bittoen)  fotoie  in  40 
einigen  ^robin^en  bie  SDiafoniffen  (mir  rennen  fie  für  ba§  2.  Jab,rf)unbert  nur  auä  ber 
ep.  Plinii  ad  Traian.)  unb  bie  Seftoren  unb  ©joreiften  b,injugefeHt.  %üx  bie  Seitoren  ift 
ba§  au§  Juftin,  SLertutlian,  de  praescr.  41,  au§  aboft.  Äircijenorbnung  3,  au<§  9lücf= 
jtt)Iüffen  bom  3.  unb  4.  Jab^fmnbert  b^er  unb  au§  ben  2öeil>egebeten  ju  ermeifen,  unb 
ba  ber  ©joreift  lange  geÜ  ^inbureb,  mit  bem  Seitor  guf  am  mengest,  fo  ift  e3  aud)  für  45 
biefen  gemifj.  ©ie  merlmürbige  ^ufammwf^ß^g  b,at  ibjen  ©runb  barin,  ba|  beibe 
utfbrünglicb,  al§  d;ari€matifcb,e  ^erfonen  galten  (bie  Seltorfunltion  bebingte  nämlicb.  eine 
getoiffe  Seb,rfäl^igleit).  ©a  ber  ordo  fie,  bie  noeb.  befte^enben,  niebt  ignorieren  lonnte, 
jo  mujjte  er  fie  in  fieb,  aufnehmen.  @§  mar  eine  2lrt  bon  Kabitulation.  Söie  er  biefe 
Munitionen  fbäter  ju  Herifd)en  Slmtern  umgebilbet  unb  mit  anberen  ©tufen,  bie  im  so 
2.  gab, rb,unbcrt  fcfytoerltcb.  fetjon  ejiftierten,  lunftboll  berlnübft  bat,  gebort  nidt>t  mebj  bter= 
ber.  ^u  ben  Kapitulationen  ift  e<§  aud;  ju  rechnen,  ba|  fiel)  ber  ordo  beranlajjt  fab, 
bie  Konfefforen  in  feine  3Jlitte  aufzunehmen,  bejm.  ib^nen  ein  2lmt  ju  geben.  ®ie  ©ban= 
nung  bon  2lmt§trägern  unb  §eroen  ift  natürlich  uralt  (f.  aud)  bie  Slnbeutungen  bei 
§erma§).  ^ertullian  fagt  de  fuga  11,  ber  geringe  33ruber  foHe  Konfeffor  merben,  „ut  65 
maioris  loci  fieri  possit,  si  quem  gradum  in  persecutionis  tolerantia  as- 
cenderit"  §ieran  reiben  ftdt)  biele  anbere  3aiömjfe  (namentlid)  für  ba^  Slbenblanb). 
£erfelbe  2:ertuHian  erjäblt  aud;,  Valentin  l)abe  33ifd)of  merben  motten,  aber  ein  anbercr 
fei  xi)tn  ex  praerogativa  martyrii  borgejogen  morben  (adv.  Valent.  4).  £)ibboIfyt  (bei 
Euseb.  V,  28)  berichtet,  bafe  ber  Konfeffor  DJataliö  in  9tom  jum  S3ifd)of  gemäblt  morben  60 


540  SBerfaffuttg 

fei.  23ifd)öfe  tonnten  fie  natürlich  nidjt  alle  merben,  aber  bafj  fie,  menn  fic  fett  ber 
ÜJJfttte  beS  ^afyrlmnberts  in  ben  £IeruS  aufgenommen  mürben,  faft  gang  unten  anfangen 
mußten,  ift  für  bie  §ö£)e  bejeidjmenb,  auf  ber  ber  MeruS  bamalS  ftanb. 

©dmn  Siemens  fyat  im  ^orintfyerbrief  bie  ©tufen  beS  2tmtS  mit  ben  militärifcr/en 
5  SJtangftufen  berglicfyen  unb  fo  bie  Äircfje  mit  einer  großen  3lrm.ee.  9?ad)bem  ein  n)ir!= 
lieber  £leruS  gefcfyaffen  mar,  fcfyeint  baS  Sötlb,  bie  SWangftufen  betreffenb,  nidjt  met/r  beliebt 
gemefen  ju  fein  —  btelleicfyt  meil  eS  ju  gutreffenb  mar.  ©eraifj,  bie  ^irdje  mar  leine 
2lrm.ee,  aber  bie  ^lerifer  maren  bie  Ärieger  ©otteS  —  in  biefem  ©inn  blieb  baS  SBilb 
ftets  in  $raft  — unb  maren   ein  DffijierforbS  bon  bemunberungSmürbiger  ©is^iblin  unb 

10  gefttgleit.  ©er  SBifctmf  mar  jeboeb,  nicfyt  nur  dux,  dominus,  iudex  unb  rex,  fonbern 
in  erfter  £inie  pastor,  magister  unb  sacerdos.  Zcottjq  aber  ift  er  m.  20.  triebt  ge= 
nannt  morben,  unb  baS  mill  btel  fagen.    (SS  gab  alfo  noefy  ©renken! 

Sieben  biefer  2trmee  mußten  allmä'fyltcr/  bie  abfterbenben  alten  älboftel,  ^ßrotofyeten 
unb  Seigrer  bollenbs  berfcfyminben.     ©ie  berfcfymanben    in    biefer  Drbnung :    guerft   bie 

15  Stboftel,  aber  bann  aueb,  bie  ©bangeliften;  fie  gingen  5.  %.  in  ben  ©tanb  roanbernber 
bieten  über  unb  l)aben  als  folctje  bielfetdjt  eine  Sebeutung  für  baS  merbenbe  Wlönfy 
tum  gehabt  (f.  namentlich)  bie  bfeubocIemenitnifc|)en  Briefe  de  virginitate).  Sie  ^ßrobfyeten 
folgten  ifmen;  fie  finb  in  ber  großen  montamftifdjen  $rtfe  untergegangen.  2lm  längften 
fyaben  ficr)  bie  Sefyrer  gehalten.    2öir  finben  fie  nod)   am  Slnfang  beS  3.  IJafyrljmnbertS 

20  als  ©emeinbelefyrer  in  ^3f)rt)gien  unb  ^faurien  (j.  SB.  in  Saranba,  IJfonium  unb  ©imnaba, 
f.  Euseb.,  h.  e.  VI,  19,  18)  fomie  in  ägr/btifcfyen  Dörfern,  mo  fie  fogar  mit  ben 
^ßreSbfytem  3ufam.rn.en  bie  Seiter  ber  ©emetnben  maren  (Euseb.  VII,  24,  6). 

23.  ©ie  ©tgenfcfyaften,  bie  man  bon  ben^Ierifem  »erlangte,  finb  beiläufig  fetjon  jur 
©brache  gefommen.  9?ur  naefy  einer  Prüfung  (domju.d£eiv)  lonnten  fie  angefteHt  merben, 

25  unb  baS  ©uffragium  ber  ©emembeberfammlung  barf  aueb,  nod)  ju  biefer  Prüfung  ge= 
rennet  merben.  ©afj  fie  nur  einmal  berfjeiratet  feien  unb  t$r  eigenes  §auSroefen  in 
Drbnung  fyaben,  mürbe  auef)  berlangt.  ©oef;  lann  bie  SRonogamie  im  ©inne  eines  ftrilten 
Verbots  ber  fucceffiben  ^olr/gamie  nicfjt  unberbrücfylidjieS  ©efetj  gemefen  fein;  baS  lehren 
bie  $ämbfe  STertuIltanS  unb  §ibboIr/tS.    23or  ber  Slnfieltung  bon  9ieobI)r)ten  mirb  öftere 

30  gemarnt.  Unter  ben  Slugenben,  mit  benen  bie  $Ieri!er  gefcfjmücft  fein  füllten,  mirb  bie 
©aftfreunbfcfyaft,  llnetgennütjiglett,  ©anftmut  unb  SRücfytetnfyeü  befonberS  fyerborgelmben 
(f.  ju  bem  allen  fcfjon  bie  ^aftoralbriefe).  ©el>r  mistig  ift  ber  ©runbfa|,  ber  fd)on 
im  2.  %imotfyeuSbrief  ausgebrochen  ift,  bafc  fic§  ber  fircfylidje  Beamte  als  ^ricgSmann 
©otteS  ntd)t  in  meltlicfye  §änbel  berflect/ten  foÜ.   ®amit  mürbe  ber  ©runb  ju  jener  2lb= 

35  !e§r  bon  bem  SBettlic^en  gelegt,  ber  bem  $Ieru§  al§  befonberem  ©tanb  einen  feften  §alt 
gab  unb  ib,n  bon  ben  Saien  loStöfte,  f.  meine  „Militia  Christi"  1905.  —  ©ofern  e§ 
aueb,  einen  ©emeinbebienft  ber  grauen  gab,  mar  er  bon  bem  ber  5Ränner  ftreng  getrennt 
(f.  gfcfyamad:,  £>er  ©ienft  ber  grau  in  ben  erften  ^afytfmnberten  ber  cb,riftl.  ^irc^e,  1902 ; 
bon  ber  ©ol£,    ©er  ©ienft  ber  grau  in  ber  d^riftlic|en  ^ireb^e,  1905;    2.  ©tötfer,  ©te 

40  grau  in  ber  alten  SUrcfye,  1907);  eine  merlmürbige  ©teile  barüber  in  ber  aboft.  J?ircb,en= 
orbnung  c.  8. 

2öo  ftcb,  ein  ©tanb  mit  befonberen  ^flicb,ten  entmiclelt,  entmid'eln  fidb,  aueb,  ©tanbeS= 
rechte.  ©a§  oberfte  ©tanbeärecfyt  ber  Älerifer  mar  ber  2lnfbruct)  auf  eine  befonbere  6b,re 
unb  auf  ©efjorfam  (I  Giern.).    ©a§  jmeite  ©tanbeSrecb^t  mar  ba§  SRed^t,  ben  Unterhalt 

45  au3  bem  Slmte  ju  gteben,  b.  t).  bon  ben  ©emeinbegltebern  ju  forbern  (f.  0.,  $aulu§). 
©a§  britte  ©tanbe§recf)t  maren  (Sb^renblä^e  im  ©otte§bienft  (für  ben  Sifcb^of  unb  bie 
^riefter ;  fie  fafjen,  mäf)renb  bie  anberen  ftanben).  ©a§  bierte  ©tanbeörecb, t  mar,  ba^  2ln= 
Uagen  gegen  bie  ülerifer  erfcfymert  maren  (f.  0. 1  %\m.).  ©ie  33ebeutung  be§  Reiten  ©tanbe§= 
reeb^tö  mürbe  baburef)  noeb,  erböt)t,  ba§  bie  ©emeinbelaffe  ganj  unter  ber  ©iäbofition  be§ 

50  33ifct;of§  ftanb  (über  eine  bunlle  ©teile,  ein  lufftcf^recfyt  ber  ^re^ter  betreffenb,  f.  ju 
3lboft.  RD.  c.  2).  9Räb,ere§  über  bie  ©emeinbelaffe  unb  ba§  ©emeinbebermögen  b,ier 
bargulegen,  berbietet  fic^,  meil  bie  fbärlicfyen  ©teilen,  bie  mir  au§  bem  2.  gafyrlntnbert 
befi^en,  nur  im  ^ufammenfyang  mit  ben  Duellenftetlen  be3  3.  ^ab^rb^unbertg  be^anbelt 
merben  fönnen.    gefte  ©ehalte  belogen  bie  einzelnen  ^ircb,enbeamten  fo  menig  mie  ber 

55  Stfdjof.  ^ibbolbt  beurteilt  e§  al§  eine  greuliche  Neuerung,  bafe  bie  f^iömatifcb,e  ^irttje 
ber  %i>eobonaner  in  ^tom  ib^rem  S3ifct)Df  einen  monatlichen  ©el)alt  ausfegte  (bei  Euseb. 
V,  28).  Überfcb^lägt  man  bie  allgemeinen  ürcfjlicfyen  Serb^ältniffe,  fo  erfahrt  biefe  SUla^ 
reget  mirllicb,  als  etmaö  feb^r  Ungehöriges  unb  ÜbleS  (b^at  fic^  ber  Sifc^of,  ber  Dbfer= 
miUig!eit  ber  ©emeinbe  mifjtrauenb,  bie  ©umme  garantieren  laffen?). 

60         24.  ©ie  $irdj)e  als  Transformation  ber  3«oenlirc£)e  unb  ber  ©tynagoge  erhielt  eben 


SBerfaffmtg  541 

baburd)  aucb,  ben  antrieb  gu  gewiffen  9ied>tSbilbungen  fotote  ju  ben  gönnen,  in  bte  fic 
bte  JRccfytSbilbungen  fafete.  @ine  9ted>tSbilbung  War  aber,  tote  fdjon  angebeutet,  aucb,  ba= 
burd)  gegeben,  bafj  bte  $ird>e  33efd)Iag  auf  baS  gefamte  Seben  unb  Genien  ifyrer  ©laubigen 
legte  (fotoie  auf  ifyr  gefel!fd;aftlid>eS  SSerJjältntg  guetnanber)  unb  alles  einer  feften  Drb= 
nung  511  unterwerfen  fucfyte  (bgl.  3.  53.  bie  fog.  „|>auStafeIn"  in  ben  toaultnifcfyen  Briefen),  b 
^nbeffen  finb  bteS  nid)t  bie  ftärfften  SBurjeln  ber  9iecIj)tSbilbung.  ©ie  liegen  auf  einem  anberen 
Soeben  (f.  meine  2lbb,anblung  „®ird)e  unb  ©taat  bis  jur  ©rünbung  ber  ©taatSftrd)e" 
in  ber  „Kultur  ber  ©egenWart"  1905).  2)ie  $ird>e  fab,  fid)  einem  l>od)fultibiertem  ©taate 
gegenüber,  ju  beffen  3fad)te  fie  aber  Dom  Anfang  an  ein  embeutigeS  3krf)ältniS  nidjt  ju  ge= 
tntnnen  bermocfyte.  §ätte  fie  itm  in  jeber  33ejieb,ung  negiert,  fo  Wäre  fic  balb  bon  il)m  10 
jertrüntmert  Worben.  £>ätte  fie  einfad)  auf  il)n  eingeben  lönnen,  fo  Wäre  eS  31t  einer 
eigenen  ÜRecfytSbilbung  nur  in  fefyr  befdjetbenem  Umfang  gekommen.  @ben  Weil  ifyr  3Ser= 
IjältntS  ju  if)tn  ein  lombli^terteS  mar,  »eil  fie  fid)  jugleicb,  tfym  unterorbnete  0iö  13) 
unb  t£>n  befämbfte  (3io=2lbl,  k.),  ifyn  ftcb,  unbewußt  gum  $orbt!b  nafym  unb  if;n 
negierte,  fam  eS  gu  bauemben  5ted)tSbtIbungen  in  il)rer  3JJitte.  ^ßrinjibiell  bat  ©ob,m  15 
9iecf)t:  bie  Negation  ber  2Belt,  bie  ÜberWeltlidtfett,  bie  brüberlicfye  ©letd)l)eit  unb  baS 
Semufjtfein  cbariSmattfcfyer  Seitung  bulbeten  eigentlich;  überlaufet  leine  9fed)tSbilbung. 
2teft  man  j.  33.  £>ermaS,  Simil.  1  f.  unb  berWanbte  ©teilen,  fo  mufj  man  ju  bem  ©lauben 
lommen,  biefe  $ird>e  berWerfe  mit  bem  $ribatbefv|  überhaupt  jebe  StecfytSorbnung ;  aber 
nicfyt  einmal  bei  £>ermaS  ift  eS  fo  gemeint  —  23efi£  plus  2lImofengeben  ergeben  20 
aua)  nacb,  ifym  einen  erlaubten  3u[tano  —  /  uno  °'e  SR^r^ab,!  ber  ßfyriften  erlannte 
bte  getnorbenenen  9ted)te  beS  ©tanbeS  unb  SefitjeS  als  geftattete  ©üter  an  (trotj  aller 
2)etlamattonen  gegen  baS  bon  ber  Idololatria  bürdete  Saeculum)  unb  bemühte  ficb, 
fefyr  balb  um  eine  fcfyrtttWeife  SSerbefferung.  könnte  man  als  graSfreffenbeS  unb  nadteS 
£ier  in  ben  Sergen  leben,  ruft  QjrenäuS  aus  (IV,  30, 3)  —  nur  bann  märe  man  be=  25 
recfytigt,  mit  bem  23efit5  aucb,  aßen  §anbel  unb  Söanbel  unb  bie  ftaatlicfyen  Drb= 
nungen  beS  griebeng,  Welche  baS  Stecht  fdjafft,  als  Unrecht  ju  negieren;  aber  ein  %b?al 
ift  ü)m  baS  nidjt! 

SaS  lird>Iid)e  'tRtfyt  (im  weiteren  ©inn)  entftanb  alfo  fyaubtfäcfylicb,  aus  ber  9?ot= 
toenbigfeit,  für  bie  Steckte  unb  9ted)tSorbnungen,  bie  im  ©taate  galten  unb  bie  man  nid;t  30 
anerfennen  lonnte,  anbere  analoge  ju  fubftituieren  unb  bie,  meldte  man  anerlennen 
fonnte,  ju  »erbeffern.  @§  entftanb  burd;aug  nid)t  alg  ein  ^ringi^ieHeg  Unternehmen, 
fonbern  enttoidelte  ficb,  langfam,  fo  ju  fagen  bon  gaE  ju  gaH.  ^n  ber  erfteren  ^id;: 
tung  ift  fd)on  ^aulug  t^ätig  geroefen,  toenn  er  e§  ben  ß^riften  unterfagt,  bor  ben  melt= 
liefen  ©ericb,ten  3ted)t  ju  fudjen,  unb  fie  anmeift,  fidj  an  befähigte  cbriftlicb,e  trüber  §u  35 
toenben  (1  Äo  6).  2tber  bie  gange  ©cfyöfefung  ber  fird^lic^en  3Serfaffung  mit  ib,ren  Se= 
amten  bi3  jur  ©nttoidelung  be§  monard)ifd;en  ©biffobatä  in  jeber  Solalgemeinbe  ift  al§ 
eine  3f?ecb, t^bilbung  aufjufaffen,  bie  entftanben  ift,  weil  man  bie  beftefjenbe  3Serfaffung  mit 
iBren  Beamten  nur  feb,r  bebingt  unb  in  engen  ©renken  anjuerlennen  bermoc^te.  ©ie 
ßtrd;e,  bon  ber  Drbnung  unb  geftigung  be§  §aufe§  unb  ber  Silbung  Heiner  ©efinnung§=  40 
gemeinfcb,aften  au^gelienb,  febrettet  fo  bis  jur  ftäbtifcfjen  SSerfaffung  bor  unb  fcfyiebt  fid; 
allmäb^ltd;  in  biefe  ein.  ®ie  lolale  Drganifation :  ber  S3ifd)of,  ba§  5ßre§b^ter!oHegium, 
bie  ©iafonen  u.  f.  W.  —  Wirft  fofort  als  9ftbale  ber  ftäbtifd)en  SSerfaffung,  Wenn  fie 
aurf)  Wab,rfd;einlid;  ofjne  biefe  bewußte  2tbfid?t  unb  nid;t  aU  9iad)bilbung  entftanben  ift. 
316er  bafe  fie  ber  ftäbtifd;en  SSerfaffung  fo  äfjnlicb.  Würbe,  ift  bod)  lein  bloßer  gujaü.  45 
2luf  biefer  Sinie  ift  bte  (SntWidelung  fortgefdiritten  jur  ?ßrobinäialberfaffung  (f.  u.)  unb 
toeiter  jur  3f?eicb,§berfaffung,  immer  b^alb  negierenb,  fyalb  guftimmenb,  aber  eben  beöb,alb 
bureb  ^aegaf^mung  ober  5Rejebtion  biefer  gormen  fie  im  unb  am  ©taate  negierenb  — 
bie  fid)erfte  9JtetI)obe,  um  ben  ©taat  gugleicb,  au§juf)öb,len  unb  ju  unterminieren.  Stuf  ber 
anberen  Sinie  aber  (3Serbefferung  ber  ftttlid^recfytlidjen  öffentlichen  Drbnungen)  gebt  bie  bo 
^irebe  bielfad)  ber  ftaatlicben  9tecb,t6entWtdelung  beg  2.-4.  ^afjr^unbertö  (©llabenrecf)t, 
Scf)u|  ber  @be,  33erfcb,ärfung  ber  Sl^nbung  ber  gefd^Ied^tlidjen  ©ünben  unb  üBerbredjen, 
2lrmengefe|gebung,  2luggleid)  ber  ©tänbe  u.  f.  W.)  boran  unb  läfct  ib,n,  feitbem  fie  felbft 
(Witte  be3  3.  %at)xfy.)  als  grofee  öffentliche  3)cac6,t  ficb,  enthüllt  f>at,  als  rüdftänbig  er= 
feinen.  2luct)  bier  bringt  alfo  bie  ©ntmidelung  beä  9ted)tg  in  ber  $ird;e  ben  ©taat  53 
in  eine  Zwangslage,  au$  ber  er  fid)  nur  burd}  Slnerlennung  unb  .^rtbilegierung  ber 
ßird§e  ju  retten  bermag.  ®aS  alles  fiebt  man  fcfyon  im  2.  ^al^rb,unbert  ficb,  anbahnen, 
in  Welkem  bte  Äirdje  bereits  fo  su  fagen  bie  ©tabt  erobert  fyat,  bie  Eroberung  ber  ^robinj 
Beginnt  unb  bem  Matfer  unb  bem  5Reid)  bureb,  iljre  2Kbologeten  mitteilt,  bafe  il>nen  nid;tS 
übrig  bleiben  Wirb,  als  ficb,  bte  geiftlid^e  unb  fittlidje  §ertfcb, aft  bcr^irdje  gefallen  ju  laffen.  co 


542  SJerfaffung 

Qn  bie  Sibilftanb3gefe|gebung  be§  ©taate§  fyat  juerfi  ber  römifd)e  SBtfd^of  SMtft  fd)arf 
eingegriffen  burd)  bie  Söeftimmung,  bie  §tbbo!r;t  (Philos.  IX,  12)  fo  toiebergegeben  fyat : 
Tvvai^lv  EJietQEyjEV,  el  ävavdgoi  ehv  xal  fjhxiq  ye  ixttaioivxo  ävag~lq  f/  savxcöv  ä^iav 
/ui]  ßovXoLvro  xa&aigelv  diä  tö  vojuljucog  yajurj&fjvai  [e§  fyanbelte  ficb,  alfo  um  bornet/me 

5  cfyrtftlicfye  Jungfrauen,  bie  einen  cfyrtftltdjen  sJftamt  gleichen  ©tanbe<§  nicfyt  bekommen 
i onnten,  einen  fyeibnifdjen  nidjit  nehmen,  aber  aucb,  tfyren  ©tanb  ntcfyt  burcb,  eine  SReSaßtance 
Verlieren  füllten],  e%eiv  l'va  ov  av  aiQrjaoovxai  ovyxoixov,  ehe  olxetrjv,  eIxe  eXev- 
&eqov,  xal  xovxov  xqivsiv  ävxl  ävÖQÖg  [Ar)  vofxco  ysyajurj/UEvrjv.  ©er  Sifcfyof 
fcfyafft  alfo  @I)en,  bie  bie  $trcf;e  anerfennt,    toäbjenb  fie  bor  bem  ftaatlicfyen  gorum  un* 

10  gilfig  finb ! 

®a3  fircfylicfye  ÜHecfyt  (im  engeren  ©tnn)  =  ius  ecclesiasticum  (f.  meine  2(br;.  i.  b.  ©i£.= 
33er.  b.  Ä.  $reuß.  SKob.  b.  Söiff.  1903,  26.  gebr.)  gefyt  in  feinen  SInfängen  aucb,  fa>n 
in  baS  2.  J^rb,unbert  gurücf.  Sie  SSorftellung,  baß  bie  fötrcfye  „iura"  bejto.  ein  „ius" 
beft|e,  ift  älter  als  ber  ^ierard^ifct)e  ^trcfyenbegrtff ;    fie  ift  u.  20.   juerft  bon  SfortuEian 

15  auf  berfcfyiebene  Munitionen  ber  ^trdje,  bor  allem  aber  auf  bie  potestas  clavium  ange= 
toenbet  toorben.  SDiefe  ift  ber  $Urd)e  bon  @I)rtftu§  gegeben.  SDie  f^egififd^e  33orftellung 
eine§  „ius  eeclesiae"  ift  an  ber  ©cfylüffelgetoalt  ertoacfyfen,  unb  bie  2lu3bUbung  be§ 
SöußberfafyrenS,  toeldjeS  bem  ^rojeßberfatjren  bertoanbt  ift,  fyat  naturgemäß  biefe  3?or= 
fteEung   gur  ©nttoicfelung    gebracf/t  unb   gefräftigt  (bie  ^ßrtefter  erlernen  als  iudices; 

20  alfo  »erfahren  fie  nad)  einem  „ius").  $n  2lfrifa  fotoof)l  tote  in  9iom  ift  bie  potestas 
ligandi  et  absolvendi  bas>  ius  ber  Äircfje  unb  totrb  aucb,  fo  genannt  (S£ertuHian,  de 
pudic.  21).  2lußerbem  brauet  1£ertullian  ba£  SÖort  „ius"  „iura"  Don  ber  $ircf/e, 
toeil  ifyr  genoffenfcfyaftlicfjer  Gfyaralter  julommt,  fotoie  im  ©inne  beS  33eamtenrecb,tl:  ©er 
33rubername,  ber  „triebe",  bie  ©aftfreunbfcfyaft  finb  „iura"  in  ber  $trcf;e  (de  praescr. 

25  20).  ©ie  ^trdjien  „miscent  (inter  se)  unius  institutionis  iura"  (1.  e.  27).  ®en 
grauen  fommt  baS  ius  docendi  nicfyt  gu  (de  bapt.  1).  £>as>  „ius  baptizandi"  r/aben 
ber  Sßifd^of,  bie  5llerifer  bejto.  aucb,  bie  Saien  (1.  c.  17).  Sie  §äretiler  „nullum  ius 
capiunt  Christianarum  litterarum"  (de  praescr.  32). 

25.  2Xuf  bie  Skrfaffung  f)äretifcf)er  ©emeinfd^aften  unb  ber  9Jtontaniften  muß   ibtcr 

30  nocb,  ein  33liä  getoorfen  toerben,  toenn  es  aucb,  nur  SöenigeS  ift,  toaS  toir  »on  tfynen 
toiffen.  ©otoeit  jene  in  ber  gorm  bon  bloßen  ©deuten  ejiftierten  (SlertuHtan,  de  praescr. 
42 :  „plerique  nee  ecclesias  habent"),  bieten  fie  in  biefem  ßufammenb,  ang  fein  Jntereffe ; 
fie  finb  tote  $t)ilofobI)enfcf;ulen,  manche  mit  einer  faft  abgöttifa)en  SSerefyrung  be§  SQleifterS 
(f.  b.  ^arbofratianer  unb  ©Ilefaiten),  grubbtert.    Slber   anbere  toaren   in  ber  gorm^bon 

35  äircb.en,  anbere  in  ber  gorm  bon  ^fterienbereinen  organifiert  (für  beibe  fbielte  bie  Über= 
lieferung  eine  ebenfo  große  StoEe  toie  in  ber  großen  ^ird^e).  @rftere§  gilt  fieber  bon  ben 
SRarciomten ;  aucb,  bie  ©egner  b^aben  nid^t  geleugnet,  baß  fie  eine  ^irebe  finb  unb  ^irc^en 
fjaben  (^Eertullian,  adv  Marc.  IV,  9:  „faciunt  favos  et  vespae,  faciunt  ecclesias 
et  Marcionitae").    @g  toar  nidbt  ju  leugnen;  benn  fie  Ratten  nid?t  nur  ib^re  gabjreicfyen 

40  3)lärtt)rer  (Euseb.  V,  16,  21  unb  fonft),  fonbern  aud)  if)re  SBifc^öfe  unb  ^re§b^ter  (93ei= 
fbiele  Acta  Pionii  21,  Euseb.,  de  mart.  Pal.  10;  ^3re3br/ter  aucb,  auf  einer  marcio= 
nitifcb,en^ircf)engebäube=3nfcb,rift  au§  ber  3lät) e  bonS)ama§fu§;  ba§©ebäube  ^eißt  auf  ber 
Jnfcb,rift  merttoürbigertoeife  „Zwayrnyi)"),  tf)re  ©laubigen  unb  Äatedjumenen.  5Ratt) 
2lbamantiu§  (p.  1 6)  nannten  bie  SRarcioniten  ben  SJlarcion  if>ren  SBtfdbof.    Slber  obgleich 

45  fte  fomit  bieleö  mit  ber  fircr/Iicfjen  Drganifation  teilten,  toaren  fie  toeniger  ceremonieß  toie 
biefe,  unb  bie  Drbnungen  toaren  abfict)tlic^  niebt  fo  fefte.  ©ie  ©cb,ilberung  ber  fyärettfcfyen 
3Serfaffung  bei  2:ertutttan,  de  praescr.  41  f.  gel)t  nac^)toei§bar  fyaubtfäcpcb,  ober  au& 
fc^lteßltcb,  auf  bie  3Jcarcioniten.  §ier  aber  beißt  e§:  „Non  omittam  ipsius  etiam  con- 
versationis  haereticae  descriptionem,  quam  futilis,  quam  terrena,  quam  humana 

50  sit,  sine  gravitate,    sine  auetoritate,    sine  diseiplina,    ut  fidei  suae  congruens. 
imprimis  quis  catechumenus,  quis  fidelis,  incertumest;  pariter  adeunt,  pariter 
audiunt,  pariter  orant,  etiam  ethnici,  si  supervenerint         simplicitatem  volunt 
esse  prostrationem  diseiplinae,   cuius  penes  nos  curam  lenocinium  vocant. 
ipsäe  mulieres  haereticae  quam  procaces!    quae   audeant  docere,    contendere, 

55  exorcismos  agere,  curationes  repromittere,  forsitan  et  tingere.  ordinationes 
eorum  temerariae,  leves,  inconstantes.  nunc  neophytos  collocant,  nunc  saeculo 
obstrictos,  nunc  apostatas  nostros  itaque  alius  hodie  episcopus,  cras  alius ; 

hodie  diaconus  qui  cras  lector,  hodie  presbyter  qui  cras  laicus ;  nam  et  laicis 
sacerdotalia  munera  iniungunt  ceterum   nee  suis  praesidibus  reverentiam 

60  noverunt"     ©iefe  ©cbjlberung  toirb   bon  @btbf>antu§  unb  £>ieronr;mu<3  %  %.  beftätigt. 


SBcrfaffung  543 

fetter  jagt  (h.  42  p.  304):  fivaxtJQia  nag'  avxco  enireXeirai  xcöv  xaxrjxov/uivmv  oqojv- 
%(ov  (bgl.  305),  unb  biefer  bemerft,  -Karcion  fjabe  ficb,  für  bie  $ermifct)ung  bon  fideles 
unb  catechumeni  auf  @a  6,  6  berufen  (xoivcovshco  6  xaxrjxov/uEvog  xöv  Xoyov  xo~J 
xaxt]%ovvxi  iv  jiäoiv  äya§oXg).  SDie  bun!(e  Angabe  beS  Sedieren  (ep.  133,  4): 
„Marcion  Romam  praemisit  mulierem,  quae  decipiendos  sibi  animos  prae-  5 
pararet")  belräftigt  eS,  bafj  grauen  in  biefer  Kircfye  lehren  burften.  23gl.  EbibfyaniuS 
(p.  305) :  didaioi  xai  inixQ07ir\v  yvvatg~l  ßdnxio/ua  didövai,  ©Snil :  „3ftarcion  'ging  fo 
tocit,  bafs  er  felbft  ben  grauen  fogar  anempfahl  ju  taufen,  WaS  feiner  ber  früheren  £ä= 
retiler  au  tlmn  Wagte  .  leiner  lieft  fonft  bie  grauen  gum  ^rieftertum  gelangen"  ®ie 
ibeale  Kirche  War  für  9Jkrcton  eine  l)oI)e  $oteng  (®a  4, 26  las  er  fjxig  ioxlv  /urjxtjQ  10 
fjucov  ysvvcöoa  slg  f]v  ijrrjyyEiXdjuE&a  ayiav  ixxXtjolav),  aber  ben  ftärler  fid)  ent= 
toicfelnben  JtitualiSmuS  ber  grojjen  Kirdje  berfd)mä!)te  er  CüDocft,  fyatte  er  aua)  feinen 
SRitualiSmuS,  Wenn  er  j.  33.,  Wie  meljrfadb,  bezeugt,  feine  jünger  am  <£>abbafy  faften  liefe,  um 
ben  $;ubengott  ju  trogen),  ^kobfyeten  unb  $robt)eiinnen  gab  eS  bei  -iDtarcion,  Wie  eS  frfjeint, 
nicfit,  Wof)l  aber  bei  2XpeHeö,  ben  Söafilibianem,  äRarcianern  u.  a.  ©aS  ©egenbilb  gur  15 
loderen  SSerfaffung  ber  marcionitifcfyen  Kircfye  btlbeten  bie  als  9)ZbJterienberetne  organifierten 
cr)riftlicf)en  ©elten.  2lm  heften  lennen  Wir  bie  SRarcianer  (Iren.  I,  13  f.).  §ier  f>at 
man  mutatis  mutandis  ben  fbäteren  fatfyolifcfyen  Sifctjof,  ber  im  ftanbe  ift,  baS  ge= 
IjeimniSboHe  Dbfer  ju  bollgiefyen,  an  beffen  Sßerfon  Gräfte  ber  ©nabe  gebunben  finb  — 
bie  ©benbeformel  lautet:  /btsxadovvai  001  -diXa)  xrjg  ijufjg  x&Qixog  Xdjußavs  utt'  20 
i/uov  xai  ÖC  e/aov  %&qiv  ...  laße  jtag'  ijuov  xöv  vvfxcpiov,  bann  bon  ber  Empfängerin : 
evyagioxei  Mdgxco  zw  smdidovxi  xfjg  idiag  yaQixog  avxfj  —  unb  burcfy  beffen  Set1 
miüelung  allein  man  gur  Bereinigung  mit  ©ott  gelangen  lann.  ©ie  äjioXvxQcooig  (I, 
21, 1)  wirb  nur  bom  9Rtoftagogen  erteilt.  2tE>nIid^eg  in  ben  lobtifd^gnoftifcfyen  ©Triften. 
Slber  aucfy  bei  ben  SSalentinianern  verfielen  bie  „/ua'&rjxai"  in  jünger  begebener  ©rabe;  25 
ftufenmäfeig  ftieg  man  gum  Anteil  an  ben  fyöcfyften  Erlenntniffen  auf  (f.  bie  ep.  Ptole- 
maei  ad  Floram).  llmgeleljrt  torollamierte  EbibfyaneS,  ber  ©oljm  beS  ÄarbolrateS, 
über  $Iato  fnnauSgef)enb,  ben  Kommunismus  unb  bie  2lbfdjaffung  jebeS  menfcfylidjen 
©efet$eS  (bei  dlem.,  Strom.  III,  2,  6  f. :  r)  löioxrjg  zcov  vofioov  xyjv  xoivcoviav  xov  fieiov 
v6/j.ov  xaxexsuev  xai  naQaxQdbysi).  Db  in  ber  ©elte  bie  2lnarcb,ie  iüirflicb,  burdjgefüljrt  30 
toar,  roiffen  mir  nicf)t. 

2luS  ber  Drganifation  ber  montaniftifc^en  ©emeinben  in  ?ߣ)rr;gten  auf  alte  ©tufen 
ber  allgemeinen  ftrcfylicfyen  Drganifation  gurücfjufd^lie^en,  ift  nicb,t  mob,l  ftattfyaft.  ®aS 
gilt  aud?  bon  ben  Sterten,  bie  fie  ben  grauen  einräumten ;  benn  fo  roeit  ift  auch,  bie 
ältefte  ^ird^e  nie  gegangen  (Epiphan.  h.  49,2:  Inioxonoi  nag'  avxölg  ywalxEg  xai  35 
iiQEoßvzsQoi  ywalxEg,  xai  xä  akla  dbg  jutjÖev  öia<p£QEtv  <pvaiV  iv  yäg  Xqioxco 
'L]oov  ovxe  üqqev  ovxe  dfjlv,  bgl.  Slmbrofiafter  ju  1  %\  3,  11).  2Bir  b,aben  jmei 
©rubben  bon  ^acfmdjten  über  bie  montaniftifc^e  Drganifation;  bie  eine  begießt  fid^  auf 
bie  aUerfrübJie,  bie  anbere  auf  eine  fbäte  3eit.  ©ort  I)etf$t  eS,  bafe  SKontanuS  —  er 
fcfyaltete  als  SBerljeug  beS  ^ßaralleten  (^ufammen  mit  ben  beiben  $robb,etinnen)  mit  un=  40 
bebingter  Autorität  —  bie  ©täubigen  nacf;  ^ebuga  (in  bieSöüfte)  geführt  t)ab(,  um  ba= 
felbft  ben  mieberfeb,renben  ßfyrtftuS  ju  ertoarten.  Um  bie  ©emeinbe  ber  ^eiligen  gu 
toergröfeern  (unb  ju  ernähren  V),  fteHte  er  3JJänner  an,  bie  bei  feinen  Slnfyängern  ©oben  31t 
jammeln  Ratten  (Euseb.   V,   18,  2  :    6  jigaxxfJQag   xaxaoxrjaag  ö  ett'   övo/xaxog 

nqoacpoQcbv  xyjv  dwQokrjipiav  EJiiXE%v<x>[A,Evog,  f.  18,  7),  bie  auct]  gur  SBefolbung  ber  45 
^robaganbabrebiger  bienten  (d  aaXdgta  xcogrjycöv  xölg  xrjQvxxovoiv  avxov  xöv  Xoyov). 
Sicherlich;  ift  biefe  Drganifation  eine  ganj  borüberget)enbe  gemefen  unb  b,at  aufeerbem  in 
ben  jugebttligten  ©e^ältern  lein  altertümliches  Element,  ©obann  berietet  §ieronbmuS 
(ep.  41,  3):  „apud  nos  apostolorum  locum  episcopi  tenent ;  apud  eos  episcopus 
tertius  est;  habent  enim  primos  de  Pepusa  Phrygiae  patriarchas,  secundos,  50 
quos  appellant  cenonas,  atque  ita  in  tertium  i.  e.  paene  ultimum  locum  epi- 
scopi devolvuntur"  ©iefe  Drganifation  ift  augenfcfyemlicb,  jung  unb  wirb  gu  ber 
■3«t,  ba  ^teron^muS  fdjrieb,  in  ben  montaniftifcb,en  ©emeinben  $B,rtygienS  bcftanben 
fyäbm.  ^ntereffant  ift  fie  bor  allem  baburcfy,  bafe  fie  leine  monarcb,ifcb,e  ©bi^e  b.at  unb 
H  bie  Sifcl)öfe  an  britter  ©teile  ftefyen,  b.  b,.  biefe  Drganifation  beftätigt  eS,  bafe  ur=  55 
frrünglicb,  etmaS  gang  9c"eueS  gefcb,affen  Werben  foßte,  nämlid)  eine  Uniberfalorganifation 
ber  Äircb,e  in  ^ebuja.  ©ab, er  lonnten  bie  lolalen  Sifcb, öfc,  fomeit  fie  bie  neue  ^robt;etie 
anerlannten,  nur  als  älnncje  angeheftet  Werben,  nad)bem  man  Wol)l  ober  übel  gezwungen 
fear,  mit  itmen  gu  rechnen.  ®ie  „Patriarchen"  Werben  Wob^l  bem  StRontanuS  unb  ben 
Beiben  ^ßro^etinnen  entfbrecb,en   füllen  (aber  fd;on  ber  sJJame  befagt,  ba|   fie  fdbh>erlid&  60 


544  aScrfnffung 

urfprünglicb,  fo  genannt  morben  fiitb),  unb  bie  „ßenone<3"  (=  xoivojvoi)  mafyrfcl)einlicf) 
ben  erften  ©enoffen  ber  ^ropljeten,  bte  ja  aucf)  eine  grofee  Siolte  gezielt  Ratten.  9Jlan  fyat 
alfo  roofyl  bie  ältefte  Drganifation  ber  ©efte  lopieren  wollen.  SRätfel^aft  ift  bie  Eingabe  Bei 
©pipfyaniug  (h.  49,  2):  noXkäxig  iv  rfj  avrcöv  ExxXfjaiq  sIoeqxovtcu  XafxnadrjcpoQOvom 
5  EJixd  TLveg  Jiag&svoi  2,ev%£iju,ov£g,  dfj-dev  ig^ö/uevai  iva  jiQoqptjtevocooi  zw  kacö.  (Sine 
ftänbige  ©inricfytung  feinen  biefe  fiebert  Jungfrauen  nid;t  getoefen  %a  fein,  ©pipfyaniuä 
f>at  Wofyl  felbft  nicfyt  gemufjt,  i»a§  bie  abgeriffene  $unbe  bebeuten  follte. 

26.  9codj)  ein  Wichtiger  $unit  in  ber  Drganifation  ber  Äircfyen  in  ber  älteften  geit 
bebarf  ber  2lufmerifamteit.    @3  tft  in  bem  erften  S£eil  biefer  SDarftettung  rcteber^ott  bie 

10  funbamentale  Antinomie  unb  ©panramg  betont  morben,  meldte  bie  ©nttoicfelungsgefd^icb,  te 
ber  SSerfaffung  beb,  errfc^t:  bie  ©emeinbe  al§  3ftiffion3gemembe,  abS  ©djöpfung  eines 
2Ipoftel3,  als  fein  3Ber!  (llniberfalorganifation),  unb  mieberum  bie  ©emeinbe  ab§  in  ficb, 
gefcbJoffeneSofalgemeinbe  (alSfolcfye  aber  aucb  Slbbilb  unb  2lu3toiriung  ber  fyimmlifcfyen  ^ir$e). 
&tö  ©cfyöpfung  eineä  apoftolifcfyen  9Jiiffionar3  ift  bie  ©emeinbe  ifyrem  ©tifter  t)eranttoort= 

15  lid),  ift  bon  il)m  abhängig  unb  tterpflicfytet,  bie  ©runbfätje  einzuhalten,  bie  er  bei 
feiner  gemeinbeftiftenben  %|ättgfeit  überaß  befolgt  unb  bie  in  ber  allgemeinen  $ird)e 
gelten.  2113  gefcbjoffene  Solalgemeinbe  ift  fie  Weniger  unb  mef)r  —  einerfeitS  ettoa3, 
toa§  in  feiner  fonfreten  irbifcfyen  ©rjften^  unb  Vereinzelung  nicf)t  fein  füllte,  anbererfeitS 
aber  SluSWirlung  beä  ©an§en  im  Seil;   in  biefer  £>inficfyt  trägt  fie  bie  Verantwortung 

20  felbft  unb  fyat  niemanben  über  fid^>  als>  ben  §immlifcb,en  $fyrio§.  ©urd)  ifyren  irbifcfyen 
©tifter  ift  bie  ©emeinbe  eine  unter  anberen  ©emeinben;  al§  ixxkrjoia  -&eov  ftefyt  fie 
für  fiel),  unb  jebe  S3e^ieb,ung  ju  anberen  ©emeinben  liegt  in  ber  ©pt)äre  ber  ^retwtlltgi'eit. 
Vaulu§  f)at  SBeibeS  getooßt,  bie  2lbb,ängig!eit  ber  ©emeinbe  unb  Ü)re  ©elbftftänbig!eit 
jugleidj.    ©arin  liegt  bie  älntinomie. 

25  2Iber  in  biefe  ©pannung  unb  jroifc^en  ben  ©egenfa|  ber  llntberfal=  unb  ber  £ofal= 
organifation  fcfyob  ficb,  bon  2tnfang  an  ein  britter  gaitor  ein,  erft  faft  unmerllicb,,  bann 
immer  beutlid^er  —  nur  borübergefyenb  mar  er  in  ber  ©ruppenbilbung  ber  bon  einem 
unb  bemfclben  Slpoftel  gegrünbeten  ©emeinben  gegeben  — :  ba§  mar  ber  innere  unb 
äufjcre  gufammenfyang  ber  in  einer  Vrobinj  liegenben  ©emeinben.  93erett§  bie  paulimfcfyen 

30  33riefe,  bie  Stpoftelgefd^ic^te  unb  bie  2lpotalr;pfe  bieten  bafür  bie  ^Belege.  ©em  2lpoftel 
$aulu3  glieberte  fiel)  fein  9ttiffion§gebiet  ebenfo  nacb,  ^robinjen,  toie  nacb,  ber  2lpoftel= 
gefaxte  $ubäa,  ©amaria,  ©t^rien,  ßilicien  jc.  al§  dE>rtftItd^>e  'jprobinjen  erfc^einen.  ©ein 
Ibllettenrceri  betreibt  ber  Slpoftel,  inbem  er  bie  ©emeinben  je  einer  ^robinj  gufammen= 
fa^t;  er  faf$t  J^orintb,  unb  Sld^aja  jufammen,   bie   galatifcfyen  ©emeinben,  bie  afiatifcl)en 

35  unb  macebonifc^en,  ebenfo  tüte  Jofyanneg  bie  afiatifc^en.  2luc^  toeiter  finben  mir  -e§  fo. 
Jgnatiuä  forgt  nic^t  nur  für  bie  antiocfyenifcfye,  fonbern  mit  i^r  awfy  für  bie  ffyrifcfye 
^ireb^e.  ©ion^fiug  bon  Hortntf)  fc^reibt  an  bie  ©emeinben  auf  ^reta  unb  an  bie  ©e= 
meinben  im  ^3ontu§.  3Son  S^on  au$  fc^reiben  bie  33rüber  an  bie  33rüber  in  2lfien  unb 
^3rpgien,   unb    bie  Älrcfyen  2lfien§  fteben  bem  JtfnäuS  als  eine  gefcfyloffene  ©in^eit  bor 

40  Slugen.  gaft  immer  ift  bte  §auptftabt  ber  beb^errfc^enbe  5Rittelpun!t  audj»  ber  fircb,lic^en 
^robinj  getoefen.  3erufa^m  —  fo  longe  ee  beftanb  —  2lntiod>ien,  üorintl^,  Stom, 
^artfyago  unb  Sde^anbria  greifen  aber  noefy  über  bie  näd^fte  5)3robinj  l^nauS,  fomo^l 
traft  iljrer  Sebeutung  al<3  ©rofeftäbte,  als  aufy  traft  ber  energifcfyen  d^riftlic^en  ^ätigfeit, 
bie  fie  entfalteten,    gür  Jerufalem  unb  3tom  brauet  ba§  rttc^t  erft  ermiefen  ju  toerben. 

45  2lntiocf)ien  griff  nacb^  6ilicien,  9)iefopotamien  unb  ^ierfien  über,  J?art^ago  bi§  nac^  SDtaure= 

tanien,   ällejanbria  in  bie  ^entapoIiS.     @pb,efu§  ift   freiließ  lange  $eit  ^tnburej»  nicb,t  bie 

Iird£)Ud^e  SRetropole  3lfien  allein  gemefen  —  ©mt)rna  unb  anbere  ©tobte  ribalifierten  mit 

ifym  — ,  aber  aueb,  ba<§  toar  nur  bie  natürliche  golge   ber  politifd)en  Verfaffung  2tfien§. 

©in  ^Doppeltes  bar  bie  golge  biefe^  2:i)atbeftanbe<§.   ©rftlid)  getoann  bie  ^3robinjial= 

50  einteilung  be§  9teicb,§  unb  mit  ib,r  ber  probinjiale  ©eift  auf  bie  Äircfye  (Stnflufe.  3ni,em 
fie  buret)  natürliche  Itmftänbe  genötigt  mürbe,  auf  fie  einjugefyen,  entmicfelt  ficb,  nid)t  nur 
ein  probinsialeg  (Sfyriftentum,  fonbern  aueb,  ein  probinjiale^  JUrcfyentum,  b.  fy  bie  ^irc^e 
mujj  i^re  Drganifation,  bie  bom  olxog  gur  jiöhg  aufgeftiegen  mar,  volens  nolens  jur 
enaQiia  entmicteln.    ^mifcfyen  bie  mel^r  ober  meniger  ibeale  ©efamtfircfye  unb  bie  £otal= 

55  tircfye  feb^iebt  fic^  bie  ^rooinjialttrc^e.  (SSorübergeb^enb  unb  am  Slnfang  beefte  ficb,  bie  bureb, 
einen  Slpoftel  öertretene  ©efamtttrd^e  mit  ber  burefy  benfelben  Stpoftel  bertretenen  $rot)injial= 
jircfye,  unb  beibe  gelten  bie  felbftftänbige  2lu§bilbung  ber  Sofalfird^e  nieber,  bgl.  bag 
Söirten  be§  Job,anne§  in  Slfien).  216er  aueb,  bie  5ßrobinjiaIfircjie  meift  faft  fcb,on  im 
Momente  ib^rer  @ntftef)ung  über  ficb;   felbft  fnnau§  auf  bie  ©iöcefan=  ober  $atriar$al= 


aSerfaffuttg  545 

ttrcfye,  Weil  Slntiodnen  nicfyt  nur  bie  fbrifcfye  ©tabt,  fonbern  aud)  bie  orientaltfd)e, 
3ller,anbrten  nid;t  nur  bte  ägr)btifd;e  ©tabt,  fonbern  aua)  bte  libfyfcfye  k.,  9tom  nidjt  nur  bte 
ttalienifcfye  ©tabt,  fonbern  aud;  bte  abenblänbifd)e,  ja  bte  ölumenifdje  ift.  ^WeitenS  a&er 
gewann  ber  Sifcfyof  ber  ^ßroütngtal^auptftabt  einen  junädjft  faftifdjen,  balb  aber  burcfy  recb> 
lid;e  Attribute  fixierten  ©utoremat  in  ber  ^ßrobinj.  ©egen  ©udjeSne  l)aU  iö)  9JiiffionSgefd;.  I2,  5 
S.  373  ff.)  gezeigt,  bafe  er  biefen  ©ubremat  nidjt  als  ber  urfbrünglid)  einzige  ^rouinjiaI= 
bifdjof  gewann  —  als  fyätte  eS  im  Slnfang  nur  je  einen  33ifd)of  in  jeber  ^robinj  ge= 
geben  — ,  fonbern  als  SDcetrotoolit  neben  unb  über  anberen  23ifd)öfen  (borbefyalten  bleibt, 
bafj  fyter  unb  bort  am  2lnfang  nur  ein  23ifd;of  in  einer  ^robin^  War,  Weil  bie  Heine 
$ai)l  bon  Stiften  weitere  ©emembegrünbungen  junäcfyft  nid;t  äultefjen;  Vorbehalten  bleibt  10 
aud;  bie  befonbere  Drgantfation  in  Slgfybten,  Wo  fid^  ber  monardjifdje  ©piffobat  roal)x- 
fcfyeinlid;  überhaupt  erft  fbät  entwidelt  t)at  unb,  nacfybem  er  für  Slleganbrien  gewonnen 
War,  langfam  bon  bort  aus  in  ben  fd;on  berfyältniSmäfjig  großen,  bisher  foltegial  ber= 
halteten  ©emeinben  eingeführt  Würbe;  ber  alejanbrtnifdje  33ifd;of  ift  Wirflid;  eine  3ett= 
lang  ber  53tfd;of  2tgr/btenS,  Weil  ber  einige,  geWefen  unb  f)at  bafyer  aud;  in  ber  §olge=  15 
jeit  als  -äJcetrotoolit  eine  befonberS  grofje  ©eWalt  befeffen ;  umgefefyrt  geigt  baS  fonferbterte 
■Red;t  ber  aleranbrinifdjen  $reSbr/ter,  ben  SBtfcfc/of  ju  Wählen  unb  ju  Weisen,  nod)  immer 
bie  alte  SSerfaffung).  ®ie  9Jcetrobolttanberfaffung  mit  ben  23orred;ten  beS  9JcetroboIiten 
lünbigt  fid;  rttd^t  nur  im  2.  $al)rlmnbert  an,  fonbern  ift  in  beutlidjen  3uSen/  toenn  auc^ 
redjtlid)  nod;  nid;t  firjert,  bereits  borfyanben.  Sie  33orred;te  beS  Metropoliten  Weifen  aber  20 
ebenfo  über  ftd;  felbft  InnauS  auf  ben  umberfalbtfdjof,  ben  episcopus  episcoporum 
(Wie  tf;n  fd)on  SEertuEtan  nennt)  b.  f>.  ben  römifcfyen  23ifd)of,  Wie  bte  fird;lid;e  5Retro= 
politanberfaffung  als  ^robinjialberfaffung  auf  bie  künftige  fird;lid;e  SRetdjSberfaffung 
Weift. 

5Räd)tige  ©tü|en   embftng    bie  2)cetroboIitattberfaffung    burd)   bie  $rarjS,   bafj  bie  25 
SSifdjöfe  ber  ^robinäialfyauptftäbte  ben   brieflichen  SSerle^r  unb  SluStaufd;  ber  ©emeinben 
untereinanber  leiteten,    unb   burd)   bie  (Einrichtung  ber  ©tonoben.    ©afj   biefe  in  Stfien 
(montanifttfd)e  Eämbfe,  Dfterftreit)  aufgelommen  finb,   ift  nicfyt  zufällig,   fonbern  in  ben 
bortigen  politischen  33erl)ältmffen  begrünbet.    ©ben  beSfyalb  ift  eS  aber  aud;  nidjt  Wafyr= 
fd;einlid;,  bafj  fie  ftd;  btreft  auS  ben  alten  unb  fortbeftefyenben  ©emetnbeberfammlungen  30 
entmidelt  fyaben  (©ofym).   216er  ein  3ufammenl;ang  ift  Wofyl  anjunefymen,  ba  bie  ^raji§, 
Slbgefanbte  frember  ©emeinben  jur  ©emeinbeberfammlung  ^eranjujieb^en,  nachweisbar  ift. 
3lud)  ba§  ©elbftbeWu^tfein  unb  ber  Slnfbrua),   bie  ©emeinbeberfammlung  bürfe  be§  Sei= 
ftanbeS  beS  r/l.  ©eifte§  fieser  fein  unb  lönne  in  feinem  tarnen  fbred^en    (f.  0.),    ift  auf 
bie  ©bnoben   übergegangen.    Über  ii)re  Aufgaben  f.  Euseb.  V.  16,  10;    Tertull,  de  35 
ieiun.  13 :    „Aguntur  per  Graecias  illa  certis  in  locis  concilia  ex  universis  ec- 
clesiis,  per  quae  et  altiora  quaeque  in  commune  traetantur,  et  ipsa  repraesen- 
tatio  totius  nominis  Christiani  magna  veneratione  celebratur" ;    de  pudic.  10 : 
„[Pastor  Hermae]  ab  omni  concilio  ecclesiarum  inter  apoerypha  et  falsa  iudi- 
catus"    Urfbrünglicf;  Wal)rfd)einlid)  —  gewifj  ift  baS  nidtt  —  auefy  Saien  ju  tb,ren  9Jcit=  40 
gliebern  gäEjIenb   (f.  Euseb.,  1.  c),  Würben  fie   balb   23ifd)ofsftmoben,   Wenn  aud)    bie 
übrigen  älerifer  nid)t  auSgefd)Ioffen  Waren.    2)en  Sanbtagen  äbnltd?,  aber  biefe  unnü^en 
SBerfammlungen  balb  Weit  hinter  fidj  laffenb,  erhielten  fie  buret)  baS©eWid)t  ber  fragen, 
bte  ber^anbelt  Würben,  bie  Dödjfte  Sebeutung  (nidjt  im  Slbenblanb,  unb   ba§  ift  Wieber 
ein  SeWeiS,  Wie  ftarl  ^ter  aßeS  bon  ber  bolitiftt)en  Drganifation  abhängig  ift;   benn  im  45 
Slbenblanb  fbielte  bag  2anbtag§Wefen  feine  Wichtige  Soße).    $Die  „repraesentatio  totius 
nominis  Christiani"  mufete  ba§  SeWu^tfein,    bie  (Stätte  be§  6,1.  ©eifteS  ju   fein,   nod) 
fteigern.    @S  ift   eine  grablinige  ©ntwidelung,  bie  bon   fjier  ju  ben   ©iöcefanf^noben 
(Orient,  3.  ^aljrfyunbert)    unb    gur  3teic^»ftmobe  für/rt   unb  bie  biefer  bie  Dualität  ber 
Unfehlbarst   berlie^en   ^at.    älber  biefe  @ntwidelung   mufete  mit  ber  ©ntwidelung  ber  50 
SSJJetrobolitanberfaffung  gur  Wlonaxfyk  notWenbig   in  Honflift  geraten,    unb  bie  Unfein 
barfeit  ber   ©tonoben  fe^te   biefer  ©ntWtdelung   gunäct)ft   eine  unüberfteiglid;e  Karriere 
entgegen. 

^n  ber  33erfaffung§gefd)id;te  ber  Hird;e  in  ben  erften  beiben  £al)rlmnberten  finb  be= 
reitö  alle  Elemente  ju  finben,  bie  in  ber  geigelt  eine  3toHe  gefbielt  unb  fid)  auSgeftaltet  66 
l;aben,  ja  fie  finb  bereits  fämtltd;  Wirlfam  geWefen.  älud;  ber  fattifd)e  ^ßrtmat  3iomS  ift 
unberfennbar  (f.  mein  2el)rbud)  ber  ©ogmengefd).  I3,  ©.  439  ff.).  @tne  9?ebolution,  um  baS 
ju  erreichen,  roa$  im  4.  unb  5.,  im  9.  unb  11.,  im  16.  unb  19.  ^afyrfyunbert  gewonnen 
Werben  follte,  War  nie  nötig.  ^mmer  konnte  man  auf  bereits  SorbanbeneS  ^urüdgretfen ; 
man  brauchte  eS  nur  in  ben  93orbergrunb   ju   Rieben,   ju  „entwideln"  unb  recfjtlid;  ju  60 

SReaUiSactjClopaMe  füt  Ideologie  unb  Jfir«e.    8.  81.  XX.  35 


546  Scrfoffung  Scrgcrto 

filteren.  216er  fet/r  berft^tebene  „©ntroicfelurtgen"  maren  möglief;,  diejenige,  roelcfce  ftct) 
burcr)gefei}t  fyat,  fonnte  in  feiner  $ertobe  or/ne  (Entrechtung,  bafyer  aud)  niemals  ofyne 
gtftionen,  um  biefe  (Entrechtungen  ju  berfcbleiem,  burcf)gefe|t  werben.  Som^Iijierter 
ift  nid)r»  geroorben  —  fonrplijiert  toaren  bie  9Ser|>äItntfje  atn,  Anfang  — ,  bielmebr  ift 
6  in  2öabrr/eit  eine  immer  größere  Vereinfachung  eingetreten;  ba§  2iuf$erlicf;e  freiließ  erlernt 
in  größerer  SSielgeftaltung.  (Einen  Srucb.  r/at  nur  bie  Deformation  betrogen,  ©ie  r/at 
an  biefem  fünfte,  ber  Drgamfation,  ber  33erfaffung  unb  be3  ütrctjenrecbtg,  tiefer  in  bie 
©efebter/te  unb  tEjre  §ert>orbringungen  eingegriffen  ab§  an  irgenb  einem  anberen.  ©ie 
Ijat  nicr/t  nur  bie  mittelalterliche  Äircr/enoerfaffung  bei  fiel;  jerftört,  fonbern  fte  befi|t  auef; 
io  feinen  gufammenr/ang  mer/r  mit  ber  ^ircr/enoerfaffung  be§  2.  unb  be§  1.  £;ar/rr/unberr». 
©ie  r)at  fiel;  afö  lutfyerifdje  Deformation  auf  ben  einigen  ($kunbfa|  gurücfgegogen ,  ben 
fie  allerbing§  au§  ben  älteften  llrfunben  ju  begrünben  toermag  unb  mit  bem  fie  ba§ 
SBicf/ttgfte  trifft,  bafj  ba<§  Sßort  ©otteg  oerfünbet  toerben  muffe  unb  bajj  ein  2lmt  für 
biefe  SBeriunbigung  nief/t  fehlen  bürfe.  Slbolf  £arttaif. 

15  SSergerto,  $ietro  $aolo,  geb.  1497/98,  geft.  4.  Oft.  1564.  —  ©eine  ©ebriften: 

2>a§  erfte  iBerjetctmiS  gab  92keron  in  ben  Hommes  Illustres  (t.  38,  p.  69  ff.)  in  55  9?um= 
mern ;  bi§  auf  89  fommt  bann  ©ijt  (f.  u.) ;  barüber  beträd)tlid)  binauS  SSetler  im  Serapeum  XIX 
(1858)  unb  XXVI  (1866).  2113  ttollftcinbig  fann  bie  Ueberfic^t  be^eidjuet  werben,  weldie  §ubert 
(£te   publi^'t.  Stjätigfett  SergerioS,    ©öttingen  1893,    S.  259  ff.)    in    171  Wummern   bietet. 

20  3)ie  Ergänzungen  gegenüber  ©euer  berufen  jumeift  auf  bem  Material  ber  einzigartigen 
Sammlung  in  ber  Guicciardiniana  in  Florenz  (f.  33enratb,  Dcb,ina,  2.  ?luf(.  33orrebe  S.  VII 
[93raunfd]meig  1892]).  Sgl.  teufet),  Snbej  93b  I  nebft  «Regifter  zu  33b  II  (1883-85).  ®ie 
in  Tübingen  bei  SRorbarb  1563  begonnene  SammelauSgabe  ift  nict)t  über  ben  Primus  tomus 
Operum  IjinauSgefommen;  einiget  ift  in  ber  Biblioteca  della  Riforma  neu    gebruett    Würben 

25  (Dodici  Trattatelli,  fotnie  Storia  di  Fr.  Spiera)  Florenz  1883.  lyener  1.  33b  entl)ält :  Secre- 
tarii  Pontif.  Actiones  tres  —  Consilium  quorimdam  Episcoporum  de  Emend.  Eccl.  —  Ad 
sereniss.  Sigismundum  regem       .  Epistola    —  L'ialogi   Quattuor    ad  versus  Hosium  — 

Postremus  Catalogus  Haereticorum  1559  —  De  Idolo  Lauretano;  Lud.  Vergerius  latine 
vertit  —  Scholia  in  binas  Pauli  IV.  literas  (1556)  —  Quod  Papa  celebrans  Concilium 

30  Srrtümlid)  würbe  93.  jugefdirieben  ba%  lyuan  33albe§'  Lac  Spirituale  in  ber  9lu§gabe  üon 
Äolbemett  1864  (ben  nmtjren  33erf.  nennt  bie  2.  9Ut3gabe,  £eilbronn  o.  Q.). 

93riefe:  (80)  SBriefe  an  33uüinger  in  beffen  Korrefponbenz  93b  I  (Duellen  zur  @cb,tüeijer= 
geidncfjte  93b  XXIII);  o.  SauSter  unb  ©tfjott,  93.§  93riefwecbfel  mit  Herzog  Stjriftopt),  ©tutt= 
garter   Sitt.  SSerein    (Tübingen  1875);    (43)    SBriefe   93.§    an   £>erzog  2ltbred)t   üon  «ßreufjen 

35(1556—63)  au§  bem  KönigSberger  2lrcf)iu,  gebrueft  bei  ©ij.t,  33.  (f.  it.);  9hmtiaturberid)te  au§ 
3)eutfcfjlanb  1533  ff.  (ed.  g-riebenSburg  1892);  SBriefe  33. §  unb  an  33.  finben  ftd)  ferner  b<™b= 
fdjriftl.  in  ber  SKarfuSbibliotbet  (S3enebig),  im  ?lrd)in  in  Sßantua,  in  ben  Vadiana  ber  ©t. 
©aller  fowie  in  ber  ©imlerfcljen  Sammlung  in  3ünd),  im  SRarburger  9lrcl]iü  (f.  §ubert 
©.  17  unb  135),  in  ber  ©taatäbiblkübet  in  ^Ründjen    (Camerarius  VIII,  9Jr.  4)  u.  a.     9lud) 

40  gebruclt  finb  fold)e  in  üerfd).  Sammlungen,  5.  93.  in  Lettere  volgari  an  SSittoria  ©alonna 
(97b,  99b,  125b),  vion  CttoneHo  33iba  an' 33.  ebb.  109b,  an  gontarini  126b,  mie  benn  in  ben 
SRegeften  Eontariniö  (f.  Suttrid)  ebb.  9fegifter  s.  n.)  nid)t  roentge.  g-ünf  33riefe  93.§  an  feine 
©diroefter  9lnna  bei  gerrat,  $rojeft,  Arch.  stör.  it.  1S85,  V,  ©.  165—169;  weitere  in: 
Monum.  stör,  pubbl.  della  Deput.  di  Storia  patr.  Scr.  IV,  vol.  V,  33enebig  1887 

45  ©cfjriften  über  33.     I.  allgemeine  ©arftellungen:  ©leibanu«,  De  Statu  Kel   et 

ßeipublicae  (pass.  in  p.  I— III,  f.  Qnbej.-  in  ber  9lu8g.  üon  1786  [grantfurt]);  Sattle, 
Dictionnaire  s.  n.  (nod)  nid)t  in  ber  1.  9(u§gabe);  Salig,  §tft.  ber  Slugeb.  Sonf.  II, 
S.  1148—1200;  Sdielfiorn,  Apologia  pro  P.  P.  V  (gegen  befla  Eafaä  Snoehiue,  bie  bei 
Salig  II,  S.  1184  abgebrueft  iit)  1754  (1760);  9Kei)er,  euang.  ©emetnbe  in  Socarno,  2  93be, 

50  Bund)  1836,  passiru,  f.3?egifter;  Sijt,  93.  %  93,  piipftlidier  «RimtiuS  it.  f.  tu-,  2.  9luäg.  1871; 
§rieben§burg,9hintiaturberr.  aus  ®eutfd)lanb  93b  I  (1533ff.),  ©ottja.1892,  allg.  Einleitung;  33enratb, 
©efd).  ber  «Ref.  in  93enebig  (1887)  ©.  45 ff.;  Eoinba,  i  Nostri  Protestant!  II,  S.  395—476, 
fatbolifdierfettä:  Eantü,  Italiani  illustri  II,  1875;  berf.,  Gli  Eretici  d'Italia,  I— III  (1865  f.) 
passim;  StancüUid),  Biografie  Istrichue,  Capodistria  1888  (2.  ?luft.);    »gl.  bie  Stjarafteriftif 

55  33ergerio§  in  ber  Einleitung  ^tv  Äorrefp.  93utlinger§  (Duette  jur  Sdimeisergefd).  XXIII  [1902]) 
unb  ben  3nbej  ^u  Ealuin?  Opera  im  CR  XXII. 

II.  Spezielles:  Heber  fein  Seben  bi§  1549  giebt  33.  felbft  9Iu§funft  in:  Di  un  libro 
di  fra  Ippolito  Chizzuola  (1563),  bei  §ubert  3Jr.  169,  ögl.  171;  über  feine  Sbätigfeit  al§ 
^untiuä  ngl.  33aumgarten,  Sari  V.,  93b  III  (1892);  über  'bie  Epifobe  bei  ©piera  in  33aboüa 

60  f-  La  Historia  di  M.  Franc.  Spiera  (Hubert,  S?r.  18).  3)en  ^Srogejs  bebanbeln  Eomba  (Riv. 
Crist.  1873,  £>.  8—10)  unb  fterrai  (Arch.  Stör.  Ital.  1885  disp.  2—5);  anbere  ©pegtalia  f. 
bei  93enraü),  SRef.  in  33enebig  ©.  119  f.  ®ie  ©cene  f.  93egegnung  mit  Sutber  ift  auf  ©runb 
ber  93eröffentlid|ung  griebenSburgä  (f.  0.)  mebrfad)  bargeftelit  mörben.  ©embri^tt  bat  feine 
erfte  fReife  nad]  9ßo(en  (unb  Königsberg)  tnftruttto  bebanbelt  (Stltpreufj.  «tonat§fd)rift  1890). 


Sergerto  547 

@3  gtebt  unter  ben  3;tafterIC,;n  "*>&  16.  ^abjb,  unberti,  Weld)e  ju  Vertretern  ber 
Deformation  geworben  finb,  feinen,  über  ben  fdwn  bie  jjeitgenöfftfcfyen  Urteile  jo  fefjr 
auieinanber  gefjen  Wie  über  ben,  beffen  beutfcfye  93iograbb,te  ben  Xitelbermerf  trägt: 
$äbftli$er  Duntiui,  falb,  olifcfyer  Vifcfyof  unb  —  33orlämbfer  bes  ©bangeliumi.  Söenn  bie 
einen  feine  UmWanblung  au§  berleljter  ©itelfeit  ober  unbefriebigtem  @f)rgeij  ober  noeb,  5 
Schlimmerem  ju  erllären  bei  ber  §anb  finb,  fo  berfagen  bie  anberen  feiner  eigenen  SSer= 
fidjerung  nicfyt  ben  ©lauben,  bafj  ein  tiefer  gefyenbei  ©tubium  ber  1)1.  ©cfyrift,  ein  ge= 
nauerer  (Sinblic!  in  ba§  Wiberd)riftlicl)e  Sßefen  ber  römifcfyen  $trd)e,  befonberi  aber  bie  furcb> 
bare  ©rfafyrung  am  ^ranlenbette  ©bierai  (f.  u.  ©.548,27)  ifyn  getrieben  l>abe,  mit  feiner 
Vergangenheit  ju  brechen.  2Iber  aueb,  nadjbem  bieg  erfolgt  mar,  lautet  bai  Urteil  auf  10 
broteft.  ©eite  über  it)n  noeb,  berfdbjeben;  ei  Wirb  erforberlidb,  fein,  aueb,  ba  genauer  auf  bie 
Duellen  jurücJ jugefyen,  um  ib,n  in  ben  fielen  bie  er  fid)  fe|t  unb  ber  2lrt,  wie  er  fie  ber= 
folgt,  ya  Würbigen,  per  ^ßaolo  33ergerio  —  ber  „jüngere"  (f.  §ubert  in  ber  93ibliogr.  3lx.  1), 
weil  ein  gleichnamige^  ©lieb  feiner  gamilie  fd)on  in  ber  Sitteratur  bei  15.  ^afjrfmnberti 
begegnet  —  mar  in  (Sabobiftria  geboren,  ftubierte  in  ^abua,  Wo  er  1518  ben  juriftifcfyen  15 
SDoftorgrab  erworben  I)aben  fotl  unb  wo  mir  ilm  1521  nod)  finben.  Von  bort  aui  lief? 
er  bura)  Vurffyarb  ©d)enf,  bem  er  bei  ber  93eforgung  bon  Reliquien  für  ben  ^urfürften 
griebrid)  bon  ©ad}fen  befnlflicb,  mar,  ©balattn  feinen  2öunfd)  bortragen,  nacb,  SBittenberg 
(nid)t  „äBürttemberg"  Wie  gerrai  meint)  ju  weiteren  ©tubien  ju  fornmen.  Slbcr  ber 
$lan  mürbe  nidjt  realifiert  unb  aui  Vabua  1.  9M  1522  batiert  bei  V.  erfte  Vublt=  20 
lation  (£>ubert,  Vibliograbfyte  Dr.  1),  ber  im  %afyvt  1526  eine  zweite  folgte  —  jenei 
eine  jurtfttfd^e  Vorlefung,  bie  er  „Patavii  in  amplissimi  jurisconsultorum  scholis" 
gehalten  t)at,  biefei  eine  Slbfyanblung  in  ©efbrädjiform  über  bie  benetiamfcfye  ©taati= 
berfaffung  (ebb.  Dr.  2 :  De  Republica  Veneta  über  primus).  $n  braftifcfyer  %fy ätig= 
teit  finben  mir  35.  bann  in  Verona,  Vabua  unb  Venebig  —  bort  fcb,lof$  er  Vejiefmngen  25 
ju  leitenben  Verfönltcbjeiten,  mibefonbere  bem  Patriarchen  bon  Stquileja,  Dtartno  ©rimani, 
unb  trat  mit  ©iana  (Sontarini  1526  in  bie  ©fye.  33et  ber  Veglüdmünfcfyung  bei  jum 
Äarbinal  ernannten  ©rimani  1528  b,ielt  33.  eine  Debe  (ebb.  Dr.  3),  bie  ein  fiarfei  fireb^ 
liebet  ^ntereffe  erfennen  läfjt,  unb  fdwn  im  nädjften  $al)re  folgte  in  „tre  libri  volgari" 
(ebb.  Dr.  4)  an  ben  Äöntg  bon  granfreieb,  gerichtet,  eine  93etambfung  ber  $e|erei.  ©er  30 
93erluft  feiner  ©attin  nacb,  fur^er  @b,e,  bielletcfyt  aueb,  ber  33ltd  auf  feine  fdmell  ju  b,o^en 
Stellungen  in  bem  lira^lic^en  ©tenfte  gelangten  33rüber  —  bei  Vifc^ofg  ©tob.  33attifta 
unb  be§  bäbftlicb,en  ©efretärS  Slurelio  —  lt>at  93.  beftimmt,  felbft  biefe  2aufbab,n  ein= 
jufdjlagen.  @r  t^at  e§  mit  fo  rafcfyem  Erfolge,  bafe  mir  ib,n  fcljon  1533  al§  bäpftlicb.en 
9tuntiu§  bei  ^önig  gerbinanb  in  Angelegenheiten  bei  bom  Äaifer  berlangten  ^onjilg  35 
tb,ätig  fefeen  (bgl.  ©leiban,  Comment.  lib.  VII,  1. 1,  p.395  [$ran!furt  1775]),  unb  ba| 
$aul  III.  tt>rt  alibalb  mieberum  nacb,  ®eutfcf)Ianb  entfanbte.  3Benn  bie  Äurie  mit  ber 
Berufung  be§  $onjil3  jögerte,  fo  ftef)t  33.  nicljt  auf  ib,rem  ©tanbbunfte;  er  brängt  barauf 
unb  er  tbut  aueb,  in  ©eutfcfylanb  toa§  er  lann,  um  ein  ^onjil  borjubereiten.  „@r  meinte 
toobl  einmal"  (§ubert,  ©.  6),  „bie  ^onjilgfadje  fei  in  fetner  geit  bon  folcfjer  SBicb.tigfeit,  40 
baf$  ftdt)  jeber,  ber  ben  ©lauben  an  &fyriftu3  liebe,  immermäljrenb  bamtt  befcl)äftigen 
miiffe"  $Da§  ^onjil  aber  muffe  umfaffenbe  Deformen  borneb,men  (f.  gmkn«^111^ 
©.  393,  396).  9Jlit  biefem  ©eban!en  ging  er  über  ba§  l)inau§,  ma€  bie  Deform= 
lommiffion  unter  $aul  III.  im  $.  1536  in  ib,rem  Consilium  de  Emendanda  Ec- 
clesia  nieberlegte.  ©3  ift  anjuerfennen ,  bqfj  b,  ter  ba§  berf online  ^ntereff e  fyinter  bem  45 
facb,licb;en  gurüdEtrttt  (wie  griebenöburg  ©.  32 ff.  treffenb  au€füb,rt).  ®ie  Dunbreife  bei 
9iuntiu3  Weift  nun  bie  merfwürbige  (Ebifobe  einer  j>erfönlicb,en  Begegnung  mit  £utb,cr 
(ftöftlm,  Sutb,er  5.  Slufl.  II,  370 ff.)  auf  (7.  Dob.  1535),  über  bie  bereits  VaEabicini 
(1.  III,  c.  18)  gegen  ©arbi  (1.  I,  §  74)  geb,anbelt  bat.^  3Ba§  btefer  ledere  mitteilt,  ift 
allerbingS,  Wenn  man  lebiglidb,  ben  je^t  zugänglichen  Vertaten  bei  DunttuS  (bei  Sämmer,  50 
Analecta  Romana  128  ff.  unb  bei  grtebenlburg,  Duntiaturberr.  I,  539  ff.)  ©lauben 
fdjenft,  ntcf)t  ganj  entfbrect>enb,  fofern  33.  Weit  Weniger  bon  etwaiger  Dücfiefyr  Sutb,crö 
jur  fatb,olifcb,en  Strebe  al§  bon  bem  ^onjil  gefbroetjen  fjaben  Witt.  2Berin  aber  V.  mit 
biefem  ©ebanfen  bei  ben  beutfdjen  ^roteftanten  Wenig  erreichte,  fo  ift  bie§  ntdt)t  einem 
Mangel  an  @ifer  ober  an  ©eriebenb,eit  jujufdb,reiben.  ©a§  b,at  aud;  $aul  III.  erfannt,  55 
ber  93.,  nad)bem  er  it)n  bureb,  ÜberWeifung  bei  33t3tum<§  3Hobru§ä  in  Kroatien,  bann  bei 
b,eimatlid)en  ßabobtftria  belohnt  b,atte,  nod;  jWeimal  über  bie  Silben  fanbte.  ©od;  begab 
33.  fid>  ^unäd^ft  in  feinen  ©prengel.  1540  tritt  er  Wieber  fjerbor  —  bei  bem  9teligioni= 
gefpräcb  in  2öormi,  Wo  er  in  fran^bfifd;em  9luftrage  erfebien ,  Wie  er  benn  aud)  in  ber 
33orrebe  ber  ©cf)rift  „Ad    oratores  Principum  Germanorum    qui  Vormatiae    con-  60 

35* 


548  Sergeno 

venerunt"  (f.  §ubert,  93ibIiograbI?ie  %lv.  9)  ftd)  an  ben  ®önig  $ranj  I.  »enbet.  Sknrt 
er  bie  ©d)rtft  betitelt  „De  Unitate  et  pace  Ecclesiae",  fo  ift  e§  ber  ©ebanle  eines 
allgemeinen  Honjils,  ben  er  al§  Heilmittel  befürmortet.  ©emiffe  ^on^effionen  —  bafj 
3>iijßbräud^e  borfyanben  feien  unb  bafs  man  aucfy  in  3tom  an  beren  93efeitigung  ju  gelten 
5  fiel)  anfd)ide  —  gaben  feinen  ©egnern  ©elegenfyeit  jum  Singriff  (bgl.  ©leiban  III,  151). 
@r  felbft  aber,  über  9tegcn3burg  1541  in  bie  §eimat  äurüägetefyrt,  befcfylofs,  nun  burd) 
einbringenbe  ©tubien  ficb,  ju  mahnen.  SDafe  bamit  bie  33rüde  befdjritten  mar,  auf  ber 
ber  Anfang  feines  Übergangen  jur  etoangelifd^en  ^irdje  gu  fud)en  tft,  aljnte  35.  nidjt ;  nod) 
überfcfyritt  er  nidjt  bie  Sinie  ber  innerfircfylicfyen  -Jleformberfudje,  mie  Sontarini  u.  21.  fie 

10  eingehalten  b,aben  (bgl.  Hubert,  ©.  13 f.  fomie  meine  ©efd?.  ber  9ief.  in  SSenebtg,  ©.  47). 
StEein  nad)  bem  ©iege  ber  Igntranftgenten  in  ber  ^urie,  benen  juerft  (lontarini  jmm 
Dbfer  fiel,  mar  audjt  ba§  berbädjtig.  Unb  als  nun  eine  ®enun§iation  (burd)  grä  93ona= 
bentura  au3  3ara  13.  ©ej.  1544,  abgebrudrt  in  Eivista  Crist.  1873,  p.  301  ff.)  Slnlajj 
§um  ^ro^efs  bor  bem  33enetianifd)en  I^nquifitionSgericfyt   gegeben   unb  93.  aHerbing§  frei* 

15  gelaffen,  aber  nod)  nicfyt  in  boller  $orm  abfolbiert  morben  mar,  bebiente  ficfy  ber  ^arbinal 
bon  ©anta  ßroce  ((Serbini)  biefeS  SRittelS,  um  33.  —  fo  lange  bie  ©adje  nicfyt  feitenö 
ber  l)öd)ften  ^nftanj  erlebigt  fei  —  bon  ber  ^eilnab,me  an  bem  ^rienter  Äonjil  ab-- 
galten.  33.  blieb  in  3Uba  abmartenb,  lehrte  bann  aber  ttefgefräntt  jurücf.  3CRit  einem 
Hirtenbriefe  an  feine  ßabobiftrier  bom  ©ebtember  1546,  ber  uns>  nicfyt  mel)r  borliegt  (bei 

20  §ubert  9cr.  12),  beginnt  nun  bie  bubli^iftifd)e  %f)ättgfett,  meldte  ficb,  meb,r  unb  meb,r  gegen 
bie  Slurie  menbet.  33on  feiner  Slbmeifung  bom  konyd  an  fyat  33.  fbäter  feinen  $ßroteftan= 
tilmuö  batiert  (bgl.  Hubert,  5lr.  160  B  7);  einer  ber  näcfjftfolgenben  ©Triften,  ber  oft 
gebrückten  ©efcfncfyte  ©bieraS  (Hubert,  9fr.  18),  fyat  er  ben  fcfyneibenb  fcfyarfen  ©d?eibe= 
brief  an  ben  ©uffraganbifdmf  9tota  bon  SDiantua  beigegeben  (f.  ©üjt  V,  ©.  161 — 170). 

25  9Zod)  el)e  biefer  erfdjiien,  b,atte  fdmn  SJcu^io  in  ben  Vergeriane  (gebr.  33enebig  1550;  ber 
beigefügte  33rief  batiert  bom  13.  Januar  1546)  feinen  SanbSmann  offen  be§  „£utl)er= 
iumS"  angellagt.  ®af$  beffen  Söanblung  aber  erft  burcfy  bie  Erfahrungen  an  ©bieraS 
Sager  (f.  b.  2Irt.  ©biera  33b  XVIII,  ©.  648 f.)  befinitib  geworben,  mirb  bon  33.  felbft 
juberläffig  berficfyert;  bie  12  3lbb,anblungen,  beren  Slbfaffung  mofyl  in  biefe  geit  fiel  unb 

30  bie  er  unter  bem  1.  Januar  1550  bann  in  33afel  erfreuten  liefe  (Hubert,  9ir.  26),  geben 

über  feine  bogmatifcb,e  ©teHung  genaue  2lu§funft  (bgl.  m.  Reform,  in  33enebig  ©.  52  f.). 

^njmifcfyen  maren  nad)  bem   erfolgten  93rucfy   mit  ÜRom  aucfy  nod)  anbere  ©d)riften 

erfdjienen  (Hubert,  9er.  19 — 25),  mäbjenb  bon  feiten  ber  ©egner  ber  ^rojefj  mieber  auf= 

genommen  morben  mar.    ®ag  Material   aucb,    biefe§   jtoeiten  ^rojeffeä   liegt  in  boHem 

35  Umfange  im  Archivio  de'  Frari  in  33enebig  bor ;  ba  aber  ber  2lbf d)lufe  eines  ^ßro^eff eS 
gegen  einen  33ifdj)of  ber  römifc^en  Äurie  borbeb,  alten  bleibt,  fo  ift  aua)  bort  baS  Urteil 
gefbrod)en  morben  unb  jmar  im  Stonfiftorium  bom  3.  ^uli  1549,  in  meinem  bie  3lnllage 
in  34  ^3untte  jufammengefafet  unb  33.  feinet  3lmte§  entfe^t  unb  ber  ^reiljeit  berluftig 
er!lärt   mürbe    (33rebe   bei  9?a^nalb,   Ann.  Eccles.  ad  a.  1549  §  23).    gmei  9JJonate 

40  borljer  mar  93.  aus  Italien  geflüchtet,  bor  bem  15.  2ftai  befanb  er  fiel»  in  ßb^iabenna 
(9)iainarb  an  93uUinger  unter  biefem  ©atum  f.  ^orrefb.  I),  @nbe  ?0tai  in  ßf)ur ;  bort  unb 
in  ^3ofd)tabo  fyat  er  bie  näd)ften  SRonatc  jugebracfjt,  bann  reifte  er  nad)  ©t.  ©allen  unb 
33afel  (®ej.  1549);  im  Januar  1550  folgte  er  einem  3iuf  al§  Pfarrer  in  33icofobrano. 
®ie  legten  grücf)te  bolemifdjer  ©d)rtftftellerei   au^  Italien   brachte  93.  nod)   mit  —  fein 

45  93a3ler  ©aftfreunb  ßurio  gab  fie  IjerauS:  Le  otto  difensioni  etc.  (bei  Hubert,  -Jlr.  31), 
ein  ©egenftücf  ju  ben  „12  trattatelli" , 

®ie  jpolemifdjen  ©Triften  be§  93.  finb  fo  jab^Ireicb,  unb  mannigfaltig,  bafe  aud)  nur 
eine  2lufjäf)lung  berfelben  fiel)  Iner  berbietet.  Qn^em  er  bom  3lu^Ianbe  au§  auf  bie 
görberung  ber  et>angelifct)ert  33emegung  in  Italien  einjumirlen  fucj)t,  berfafete  er  bie  meiften 

50  in  italienifcfyer  ©brache:  ba§  ^abfttum,  fein  Urfbrung,  feine  ^3olitif,  bie  lireb, liefen  33ü^er= 
berbote,  bie  Jubiläen,  ber  Heilig«"'  unb  9Wiqutenbienft  u.  bgl.  bilben  ben  ©egenftanb; 
burd)  au§gebef>nten  93riefmed)fel  mit  flüchtigen  ober  im  93aterlanbe  berfolgten  Italienern, 
burd()  Slnfnübfert  ftet§  neuer  33e3ieb,ungen  bient  93.  bem  gleiten  gtoeä.  5Roc|  einmal, 
1557,  ift  er  bon  ©örj  aus>  menigftenä  bis  an  bie  ©renje  be§  benetianifdpen  ©ebieteS 

55  borgebrungen  —  aber  ben  33oben  Italiens  b,at  er  nta)t  me^r  betreten.  33i§  1553  mirlte 
er  in  93icofobrano,  aud)  in  ^3ontrefina,  Safaccia  unb  ©amaben;  in  ^ofcb,iabo  errichtete 
er  eine  ©ruclerei.  ©oeb,  befriebigte  i^n  bie  befd)eibene  amtliche  'Sfyätigleit  nid)t.  ©ie  ber 
©emeinbe  fieb,  anfdjiliefeenben  Italiener  maren  ob,neb^in  in  fragen  beS  ortb,obojen  33elennt= 
niffeS  nid;t  fid)er  unb  brachten  biel  Stumor  —  33.  b,at  älnftanb   genommen,  boeb,   ntct)t 

eo  au3  bogmatifd^en  ©rünben,  bie  1553  aufgeteilte  rb.ätifc^e  ^onfeffion   ju    unterfeb^reiben ; 


23ergerto  549 

fdjäblid),  ja  unleiblicb  erfaßten  ifmt  bie  Konzentration  ber  gefamten  Stromleitung  in  ber 
einen  §anb  beS  ©imobalborftefyerS.  SRan  berftefyt  eS  aucfy,  baf?  33.  Kräfte  in  fid)  bracb" 
liegen  füllte,  ©o  fyat  er  mit  greuben  einem  Sufe  beS  £erzogS  @I)rtftobl)  bon  2öürttem= 
berg  golge  geleitet  (1553);  je$t  erhielt  er,  in  Tübingen  Wol)nf;aft,  bert  SLitel  eines  SateS 
unb  batte  im  £)ienft  beS  £erzogS  Überfe^ungen  zu  machen,  Korrefbonbenzen  befyufs  ^n=  6 
formationen  ju  führen,  Seifen  zu  unternehmen  unb  aEeg  zur  33efeftigung  unb  SluSbreitung 
ber  ebangelifdjen  2eb>e  ju  tfyun  (©djott  in  ber  2.  2lufl.  ber  ©ncr/flobäbie  33b  XVI, 
©.  354).  ®egt)alb  unterftütjte  dm  ber  Herzog  reidjltcb  aucb"  bei  ber  Verausgabe  fernerer 
jal)lreidKr  ©Triften.  „@in  unftäteS  Söanberleben  führte  33.  aucb"  in  biefem  legten  Xetle 
feinet  SebenS.  33einafye  fein  %ab,x  bergtng,  of)ne  bafj  er  eine  größere  Seife  unternommen  10 
jjätte.  $m  Dftober  1554  befugte  er  in  Strasburg  ©leiban,  bem  er  Wichtige  unb  inter= 
effante  Materialien  für  fei*  ©efd)td)tSWerf  geliefert  fjatte  (»gl.  §ubert,  ©.  150  ff.) ;  im 
sibril  unb  3JJai  1555  War  er  Wieber  in  ©raubünben,  befonberS  um  ben  ausgezeichneten 
^uriften  ©ribalbi  für  Tübingen  zu  gewinnen"  (f.  oben  33b  VII,  159,  49).  ©eit  1556 
toenbete  er  feine  33Iide  nad)  ^3oIen;  bie  erfte  Seife  borten  führte  il)n  junäc^ft  in  berfön=  ib 
lid)e  33ejieb^ungen  zum  §erjog  Sllbredjt  bon  ^reufjen;  am  20.  %ul\  gleich  nacfy  ber  2ln= 
fünft  fcfyreibt  er  an  9Jieland;tfyon  (©iaatSbibl.  in  9Jtündjen,  Camerar.  VIII,  Sr.  4). 
2)em  §erjog  berbanfte  er,  baft  bie  bei^ubert  bezeichneten  ©Triften  Sr.  113  ff.  in  Könige 
berg  gebrudt  Worben  finb.  ©eit  bem  gleiten  I^afyre  batieren  bie  bei  ©ir.t  gebrückten 
33rtefe  an  2Ubred)t.  ®er  eigentliche  gielbunft  ber  Seife  mar  jeboct)  ^3oIen  felbft  unb  bie  20 
görberung  unb  33erteibigung  ber  ebangelifdjen  33eWegung,  bie  big  in  bie  SQtitte  ber 
fünfziger  ^abje  bebeutenbe  ©rfolge  erhielt  batte  (f.  b.  2lrt.  ^olen,  33b  XV,  ©.  519  f.). 
£>aj}  33.  23  $at)re  borfyer  in  Söien  bie  je|t  mit  bem  Könige  ©igiSmunb  II.  in  zweiter 
(Stye  bermäblte  Katharina  bon  Öfterretcr)  auS  ber  SCaufe  gehoben  blatte,  berfcfyaffte  ifym  am 
£>ofe  ßugang,  Wie  er  benn  and)  mit  bem  33efd)üt$er  ber  5ßroteftanten,  bem  dürften  25 
SabziWiß  in  SJBilna,  in  33ezielmng  trat  (bgl.  Duae  Epistolae,  bei  §ubert,  Sr.  114, 
ebb.  115).  ©einen  §aubtztoecf,  ben  ©cfyadjzügen  beS  SuntiuS  Sibomano  zu  begegnen, 
b,at  er  im  ganzen  erreicht  (bgl.  bie  Korrefbonbenz  mit  Herzog  GI)rtftobl)  unb  §ubert, 
33tbIiograbb>  Sr.  124,  124a,  126).  $m  §erbft  1559  reifte  er,  nacfybem  feine  ©treit= 
fcfyrift  gegen  ben  33ifcbof  §ofiuS  bon  ©rmlanb  (§ubert,  Sr.  131,  140)  erfdiienen  War,  30 
Zum  zweitenmal  nad)  $olen.  %n  oer  gWifdjenzeit  War  er  1557  in  Söien,  um  SOlajimilian  II., 
mit  Welkem  Herzog  Gfyriftobl)  in  bertrautem  33riefWed)fel  ftanb,  in  feiner  ebangelifierenben 
Stiftung  zu  beftärfen;  1558  trat  er  mit  (Sltfabetl)  bon  (Snglanb  in  Korrefbonbenz,  bie 
mbeffen  nid)t  zu  bem  bom  Herzog  borgefdjlagenen  ©djut$=  unb  5£rut$büttbniffe  führte. 
33ei  bem  SEobe  $ranz  I.  bon  §ranfretd)  (®ez.  1558)  Würbe  tfmi  bie  33itte  borten  zu  35 
reifen  abgefcfjlagen,  auc§  bem  Seligionggefbräd;  in  ^3oiffV  (f.  oben  33b  XV,  ©.  497) 
burfte  er  nictjt  beiwohnen,  „Wofür  er  fid}  in  fnabenfyafter  2Beife  rächte"  (f.  33aum,  S3ega  II, 
419 ff.);  ,,aucb^  bie  Hoffnung  bei  bem  1560  Wieber  zufammengetretenen  Konzil  in  Orient 
gegenwärtig  fein  zu  'tonnen,  fcfylug  feb^I"  (©cb^ott,  a.  a.  D.  ©.  356 f.).  3n  ©raubünben 
ftnben  Wir  ib^n  Wieber  1561,  1562,  1563,  1564,  teils  fircfylid)  teils  bolittfd)  befdjäftigt.  40 
„Sin  WefentIid;eS  33erbienft  erwarb  fid)  33-  um  baS  3uftanoe^Dmmen  oer  33ibelüberfe^ung 
in  baS  ©übflabifdie  (©lobenifcfye);  im  Dezember  1554  traf  er  mit  ^3rimu§  SEruber  (f.  b. 
31.  oben  ©.136)  zufammen,  überWanb  bie  33ebenflid)teÜen  beS  befd^eibenen  Cannes,  ftellte 
ben  ©cfyu$  unb  bie  SEeilnab^me  §er3°3  ß^riftobb^S  bei  bem  SBerfe  in  2lu3fid)t  unb  ber= 
Iprad;  aud)  fonft  ©elbbeiträge  zu  bef^affen"  (©cb>tt,  ©.  356).  45 

^n  all  biefen  $af?ren  fe^te  33.  mit  (Stfer  feine  bolemifcb^e  ©d;riftftellerei  fort:  bie 
berfcblebenften  fragen  6at  er  Weiter  befyanbelt,  bie  Konzilsfrage  ftefyt  babei  in  erfter  Seib^e. 
9Bie  ein  OriftlidjeS  Konzil  befd;affen  fein  muffe,  baS  legt  er  ben  ^reunben  im  33eltlin  in 
einer  feiner  legten  ©cfjriften  im  ^ab>e  1562  nocfy  bar  (§ubert,  Sr.  168);  Binter  biefer  I;at 
baS  33erzeic£miS  nur  nocl;  bie  SlntWort  auf  ben  Singriff  beS  %xa  Gfyizzuola  in  italienifcb;  bo 
unb  lateinifd)  (Sr.  169,  171),  foWie  ben  erften  (einzigen)  33anb  ber  „Opera"  (f.  0.), 
ju  beffen  Verausgabe  1563  33.  200  ©ulben  bom  Herzog  3llbrecb;t  erhalten  f)atte.  9fltt 
biefen  9SeröffentUcr)ungen  fct)Iie^t  feine  Iitterarifd;e  2:i;ätigleit  ab.  ©eit  grur)j|at)r  156:> 
tränfeite  33.,  am  4.  Dftober  ftarb  er.  ®er  §erzog  Wies  tt)m  feine  le^te  Sub^eftätte  in 
ber  ©eorgenfircfje  an  —  ein  ib>  geWibmeteS  @bitabl;ium  mit  el)renber  llnterfdrift  ift  :»5 
1636  auf  33etreiben  ber  ^efutten  entfernt  worben  unb,  obgleich;  fbäter  Wieber  eingefe^t, 
finbet  eS  fid;  je^t  nicbt  mefyr. 

„(Sine  geredete  3Bürbigung  biefeS  Cannes"  fagt  ©d)ott  a.  a.  D.  ©.  357,  „ift  bei 
fetner  33ielfeitigfeit  unb  feinem  bielbeWegten  Seben  au^erorbentlid)  fcf)Wiertg.  ®a^  Som 
in  bem  übergetretenen  33ifd;of  nur  ben  SIbofttaten  \ai),  ift  begreifltcf) ;  rcblid)  b^at  33.  bie  2ln=  so 


550  Skrgerto  SJermigli 

feinbungen,  roelcbe  er  oon  bortber  erfuhr,  beimgeäablt  —  fein  broteftantifcber  ©laube  ift 
mit  einer  guten  Seigabe  £>ajs  gegen  baS  ^ßabfttum  unb  feine  Vertreter  gemixt.  Über 
feine  mafjlofe  ©itelfeit,  über  feine  unangenehme  SSielgefcbäftigieit  unb  feine  ©ucbt,  fid)  in 
alles  ju  mengen,  Ratten  aucb.  bie  ^jroteftanten  fefyr  ju  flagen,  .offene  ebrlicfee  ©infacbfyeit 

5  barf  man  bei  ibm  nid)t  fucben.  Slber  fein  SSerbienft  bleibt,  ben  Übertritt  ju  einem  anbern 
©tauben,  ju  toelcbem  ibn  ©eroiffen  unb  äufjere  33erb/ältniffe  trieben,  roirflid)  ausgeführt  ju 
b,aben,  bor  bem  33rud)  mit  fetner  ®ircbe  unb  feiner  §etmat  nicbt  jurücfgefcbrecft  p  fein, 
toäbrenb  bie  metften  feiner  SanbSleute  nod)  im  legten  Slugenblid  umfebrten.  £>arin  liegt 
aber  baS  S£ragifcf)e  feines  SebenS,  bafj  er  biefen  ©d)ritt  tr)at  %u  einer  geit,  als  bie  ©acbe 

10  ber  Deformation  in  Italien  f$on  fefa  üM  ftanb,  unb  bafj  31,  ber  biefen  3uftano  to°H 
Jannte,  bod)  burd)  feine  roeltlicben  Vorteile  fiel)  befttmmen  liefe,  ßatfyolif  unb  33ifd)of  ju 
bleiben,  bürfen  toir  il)m  fidler  ju  bober  @bre  anrechnen."  SSetuatlj. 

«erflärung  f.  b.  21.  ©eligleit  33b  XVIII  ©.  179. 

23erlöbm§  1.  bei  ben  Hebräern   f.  b.  21.  gamtlie  bei   b.  §.  33b  V  ©.  741, 21, 
15  2.  bei  ben  (griffen  f.  b.  21.  ©bereebt  33b  V  ©.  218, 38. 

SBermigli,  pietro  SUlartire,  italienifcber  Reformator,  geb.  1500,  geft.  1562.  — 
©eine  ©Triften:  Una  semplice  dichiarazione  sopra  i  dodici  articoli  della  Fede  cristiana 
(1542),  9?eubrud  in :  Biblioteca  della  Eif.  It.  Firenze  1883,  tat.  al§  „Catechismo"  in  ben 
Loci  Communes  (f.  u.).  —  Se  gli  Evangelici  siano  scismatici  per  essersi  separati  dai  Papisti, 

20  ebb.  1884,  ift  eine  ttal.  SSearbeitung  ber  betr.  9-lu§fiif)rungen  in  bem  tat.  Kommentar  ju  ben 
S3üc6evn  ber  Könige  (f.  u.)  unb  ift  unter  bem  Xitel:  Trattato  della  vera  Chiesa  cattolica  e 
della  necessitä  di  vivere  in  essa,  dell'  eccellente  teologo  M.  Pietro  M.  Vermigli  feparat  1573  er= 
fcfjienen.  —  Defensio  doctrinae  veteris  et  apost.  de  sacr.  Eucharistiae  contra  Steph.  Gar- 
diner 0.  D.  u.  3.  —  Defensio  ad  Smythei  libellos  de  coelibatu  et  votis,    33afe(  1559. 

25  —  ®te  Sitten  ber  Djrf orber  ®i§üutation:  Tractatio  de  Sacr.  Euch.,  nebft  Disputatio  de  eodem 
sacr  Londini  1549  (Siiricf,  1552,  1557,  Sonbon  1562),  engliftf)  frj.  1562.  —  Dial.  de 
utraque  persona  in  Christo  (3üric&,  1561  u.  ö.).  —  In  selectissimam  S.  Pauli  priorem  ad 
Cor.  epistulam  (ßbirmrb  VI.  geroibmet),  ßiirid^  1551.  —  In  epist.  8.  Pauli  ad  Romanos, 
ebb.  1561.  —  In  librum  Judicum,  ebb.  1565.  —  In  duos  libros  Samuelis,  ebb.  1564,  1567, 

30  1595.  —  Regum  libri  duo  cum  Commentariis,  ebb.  1571.  —  In  primum  1.  Mosis  qui 
Genesis  dicitus  Commentarii,  gürid)  1569,  1572,  1579,  §etbelberg  1606.  —  Preces  sacrae 
ex  Psalmis  Davidis  desumptae,  ßiirid)  1564;  frj.  1565;  engl.  1599.  —  Comm.  in  Coment. 
Jeremiae,  3ürid)  1562;  1629.  —  Dialogus  de  utraque  Christi  natura,  ßürid)  1562  u.  ö. — 
Loci  Communes  D.  Petri  M.  V-  (ed.  TOoffon),  Sonbon  1576;  2.  SluSg    (ed.  ©ualtfjer)  güritf) 

35  1580,  1587;  §eibei6erg  1593,  1613,  1622;  ©enf  1624;  Stmfterbam  1656;  engl,  1583.  33riefe 
in:  Zürich  Letters,  passim.  —  Sitteratur:  ©imler,  Oratio  de  vita  et  obitu  D.  P  M., 
gürtd)  1562;  ©djloffer,  Seben  be§  ££>.  Seja  unb  be§  %  <33t.  SS.,  £ieibelberg  1807;  ©cbmibt, 
?ß.  SR.  33.,  Seben  unb  au§gett>.  ©diriften,  1858.  Hist.  de  exhumatione  Catharinae  D.  P. 
Martyris  conjugis  (Argentor.  1561).     Sfadi  30Ciäcu§,   De  vita  Oporini    bat    biefer    gebrudt: 

40  De  Catharina  Vermilla  P.  Martyris  uxore  historia.  Ötrype  Annais  of  the  Ref.  I,  1 ; 
SBoob,  Hist.  Univ.  Oxon.  I.     SSgt.  ben  Qnber.  ju  ben  Opera  Calvini  (CR)  XXII. 

„©er  gelebrtefte"  unter  ben  italienifcben  ^roteftanten  beS  16.  $abrbunberts  toarb 
in  $Ioren$  geboren  am  8.  ©ebtember  1500.  frommer  ©inn  fübrte  ben  16jär;rigert 
gegen  beS  33aterS  SßiHen   in   baS    unfern   ber  ©labt  unter  giefole  gelegene  Softer  ber 

45  ßborberren  bom  r)l.  2luguftin.  ©eine  ©tubien  ooHenbete  er  in  $abua;  bort  bat  er  bie 
©ialeftif  tbeoretifcf)  unb  praftifd)  fennen  gelernt  unb  fid)  mit  ber  ariftotelifd)en  ^bilofop^ie 
grünblid)  bertraut  gemacht,  bat  er  boeb,  in  fyäteren  Qabren  nod)  bie  nicomacbifcfje  @t^)if 
feinen  35orlefungen  über  bie  ©ittenlebre  jum  ©runbe  gelegt  unb  felbft  einen  Kommentar 
ju  berfelben  berauSgegeben.   ®aS  ©ried)ifd)e  ftubierte  er  fd)on  in  ^J3abua,  ^ebräifd;  lernte 

so  er  bon  einem  jübifc|en  2lrgte  in  Bologna,  ^ngtütfd^en  Balten  ibn  feit  1525  bie  Oberen 
als  gaftenbrebiger  auSgefanbt,  toäbrenb  er  in  mebreren  ß'löftern  SSorlefungen  über  alte 
Sitteratur  unb  ^ßbilofotobie  bielt.  ^raftifcb  roirffam  finben  toir  ibn  juerft  in  ©boleto, 
t»o  er  als  „Reformator"  beS  DrbenS  in  baS  bertoeltliihte  ^lofter  eine  beffere  3ucbi  ein= 
fübrte  unb  bureb  feine  ^ßrebigten  bie  (Sintraiit  unter  ben  33ürgern   roieber  berfteßte.    33. 

55  febien   ju   ben    böcbften  SBürben   beftimmt.    %la<fy   brei  ^abren   gum  ^ßrior   beS  großen 

^lofterS  S.  Pietro  ad  Aram  in  Reatoel  ernannt,  l)at  fieb  bort  fein  ©dncffal  entf Rieben. 

SDiefer  hochbegabte  5Rann,  ben  ein  ßontarini  niebt  b^oeb  genug  rübmen  lonnte  (bgl. 

Sämmer,  Monun.  Vatic.  [1861]  ©.  301),   trat  bem  um  ^uan  3SaIbeS  (f.  b.  2lrt.  oben 

©.  380  ff.)  fid)  fammelnben  Greife  bei.   ©ie  ebenfo  tieftourjelnbe  toie  abgellärte  3]albeSfd)e 


ÜBcrmiglt  551 

Ideologie  unb  grömmigfeit  traf  in  tfym  ben  regten  23oben  —  aucb.  Ddjino  (f.  b.  2lrt. 
33b  XIV,  ©.  257),  ber  feit  1538  in  92eabcl,  totrfte  unb  bei  bem  ficfy  bort  ber  UmfdjWung 
borbereitete,  f)at  ©influjs  auf  23.  geübt,  2lfynüd}  Wie  biefe  fyat  er  je|t  biblifcb.  gelehrt 
unb  gebrebigt,  ofyne  bod?  in  offene  Dbbofition  ju  bem  hergebrachten  ju  treten,  hrie  ba3 
benn  übertäubt  in  bem  33albe"<§fdj)en  Greife  nic£)t  üblich  War.  9u)d)  1541  übertrug  tl>m  6 
ber  $onbent  ba3  mistige  2lmt  eineg  33ifitator!§  im  Drben,  ba§  ib,n  freilief)  bon  Neapel 
entfernte.  3m  folgenben  3al)re  finben  mir  ifyn  als  ^ßrior  bon  ©an  grebtano  in  Succa. 
§ier  ging  33.  beftimmter  reformatorifcb,  bor,  jWang  bie  6f;orf)erren  jum  Seben  nad)  ber 
$egel  (bgl.  ©tinarb,  Lucques  et  les  Burlamacchi  [1848]  ©.  306)  unb  legte  ben 
größten  -Jiacfybrucf  auf  bie  33orbiIbung  ber  ÜJcobt^en.  ©inen  ßelfo  -JÄartinengo  aus  33re§=  10 
cia,  ^aolo  Sacifio  auö  33erona ,  ©manuele  SEremeHio  (f.  b.  2trt.  oben  ©.  95  ff.)  be= 
rief  er,  bie  f  laffifcfyen  ©brauen  unb  ba§  §ebräifcb,  e  ju  lehren ;  bor  allem  unterftü^te  feine 
Seftrebungen  Selio  ©econbo  ßurione  (f.  b.  2trt.  33b  IV,  ©.  354, 57  ff.);  33.  felbft  «Härte 
ben  Sömerbrief.  ®ie  1542  berfaftte  ©djrtft  „Una  semplice  dichiarazione"  (f.  0.) 
jeigt  feine  ebangelifcfj=tl;eologtfci)en  Sttnftdjten,  )t)ie  er  fie  in  92eabel  unb  auf  ©runb  bon  15 
reformatorifdjen  ©Triften  au§  SDeutfd)lanb  gebilbet  Ijiatte.  ®em  State  ber  ©tabt,  ber 
fdjon  1525  ein  SDelret  gegen  Ie|erifd)e  ©Triften  erlaffen  b,atte  (f.  SLommafini,  Som- 
mario  della  storia  di  Lucca  im  Arch.  stör.  ital.  33b  X  [1847],  Docc.  ©.  162), 
machte  ber  Äarbinal  ©uibiccione,  33ifct)of  bon  Succa,  im  ^uni  1542  SInjeige;  bann 
Würben  acfyt  „lutfyerifcfye"  ©äije  bes>  $J3rebiger3  S5on  Gonftantino  benun^iert,  ber   entflog  20 

—  enblicf)  33.  felbft  angellagt,  ber  bor  ba3  DrbenSfabitel  nad)  ©enua  citiert  würbe.  @r 
jog  e§  bor,  fein  3kterlanb  ju  berlaffen  —  in  ^Sifa  feierte  er  mit  ben  oben  (benannten 
ba3  2lbenbmabJ  nact;  ebangelifcfyer  Söeife;  mit  ib,m  jog  ©iulio  ©anterenjiano ,  ber  big 
jum  (Snbe  fein  treuer  ©efäfyrte  geblieben  ift.  ^n  bem  Reiten  ^nbej  bes>  ©enateS  bon 
Succa  (1545)  befam  bie  SlbfdjnebSfcfyrift  33.3  Cgnfyalt  f.  bei  ©cfymibt,  ©.  37  ff.)  eine  b,  erbor=  25 
ragenbe  ©teile  angewiefen. 

Über  ^lorenj,  Wo  33.  mit  Ddnno  jufammentraf,  33oIogna  unb  gerrara,  Wo  bie 
^erjogin  Renata  ib,n  gütig  aufnahm,  unb  93erona  gelangte  er  nadj  ßüricfy,  33afel,  bann 
(Strasburg;  fyier  übernahm  er  bie  ^Srofeffur  be3  2123.  2ln  bie  ©efinnungSgenoffen  in 
Succa  richtete  er  ein  ©^reiben,  Weld)e<§  lateinifd)  (De  fuga  in  persecutione)  in  ben  30 
Loci  communes  abgebructt  ift.  33ier  Qab,re  lang  b,at  33.  fein  SBiffen  unb  fein  Sel)r= 
talent  mit  großem  ©rfolge  in©traf$burg  bewährt  (Statuts  etc.  [f.u.j  ©.32  f.  u.  passim). 
Waa)  bem  fct/malfalbifcfyen  Kriege  folgte  er  rote  anbere  ber  ©inlabung  Sranmer3  unb 
übernahm  eine  ^rofeffur  in  Djforb  1547  ©eine  33orträge  über  ba§  2lbenbmab,l  führten 
ju  einer  mehrtägigen  3)i§butation  im  SOJai  1549  (f.  0.  bie  Sitten) ;  in  ba§  englifcfye  35 
©lauben§be!enntni§  bon  1552  tourben  bie  §aubtleb,ren  bon  ©rbfünbe,  ©nabentoa^l  unb 
Rechtfertigung  nacb,  feiner  Formulierung  aufgenommen,  unb  bafj  bie  anglilanifc^e  ^irc^e 
bon  Xrangfubftantiation  ntd)tg  toiffen  toiH,  toirb  bem  ©rgebniffe  ber  SDi^butation  mit  ber= 
banlt.  SZad^bem  33.  noct)  mit  33u^er  an  ber  2luffteHung  ber  neuen  Siturgie  (Book  of 
Common  Prayer  bon  1552)  beteiligt  getoefen  War,  erreichte  i^rt,  obi»of)l  Waxbad)  ba=  40 
gegen  toirfte,  eine  ©tnlabung  jur  9tüdfe|r  in  bie  alte  ©trafjburger  ©teße  (bgl.  Statuts 
et  Privileges  des  Univ.  franc.  [Strassbourg]  bon  gournier,  $ari3  1894,  ©.  203  f.) 

—  nacb,  ber  SEfyronbefteigung  ber  blutigen  9Jcaria  1553  gab  er  bem  9toum.    3n3toif^cn 
toar  in  Djforb   feine  ©attin   geftorben,   mie  borf)er  audf?  33u^er  unb  gagiu§.    2ln  tbjer 
aller  Seiten  l)at  bie  grabfcfyänberifdjie  2But  ber  ganatiler  ficf   betätigt  (f.  0.  Historia  45 
vera,    bon   ilonrab  Hubert  berfa^t  unb   meljrfacfy  in  Indices  libr.  proh.  bergeid^net; 
bgl.  9teufd^,  ^nbej  I,  ©.  420). 

2ll§  bie  3laä)xid)t  barüber  lam  (1556),  War  33.  in  feieren  litterarifc^en  ^ambf  ber= 
toidelt  unb  jtoar  über  bie  2lbenbmal)I§Iel>re  gegen  S©eftpt)al  (f.  b.  2lrt.  unb  ©c^mibt,  33ermigli 
S.  178  ff.).  —  @r  batte  ©trafeburg,  wo  bie  alte  2Beitb,erjigfeit  einem  engherzigen  üon=  50 
feffionaliämug  ^3la|  gemalt  batte  (f.  b.  Strt.  2Jcarbacb„  33b  XII,  ©.  245, 64,  246, 18  unb 
©c^mibt  a.a.O.  ©.169  ff.)  Wieber  berlaffen,  um  in  Zuriet)  bie  legten  ^ab^re  imgrieben  unb 
in  gefegnetem  SBirfen  ^u  berbringen.  -ftoct)  bon  ©trafeburg  auö  §atte  33.  an  bie  bon 
ber  ^nquifition  fjart  bebrängten  @bangelifc^gefinnten  in  Succa  ein  ©^reiben  jur  ©tärfung 
gerietet  (lat.  burc^  %.  ®uno,  Loci  com.  p.  llOOsq.,  Slu^ug  bei  ©c^mibt  ©.  160 ff.);  55 
biele  entwichen  feit  1555,  meift  nacb  ©enf,  wo  Wir  bann  33ertreter  ber  gamilien  33albani, 
33urlamaccb,i,  (Salanbrini,  ßattani,  ©iobati,  SDiic^eli,  SOlinutoli,  Xurretini  u.  a.  finben  (bgl. 
©aliffe,  Refuge  ital.  deGeneve  [1881].  2lucb  in  ben  Dften  richtete  er,  beranlafet  bura; 
SiSmanin,  ber  1556  bei  il)m  unb^anc^i  (f.b.  21.)  in  Strasburg  erfebien,  feinen  33lid:  fein 
©^reiben  an  bie  Sßolen,  Welc^eg  bie  bon  ©tancaro  (f.  b.  21. 33b  XVIII,  ©.752)  jur  33e=  eo 


552  SSernttglt  SSerfiJfjttmtg 

fbrecfyung  gebraute  $rage  "«^  bem  23erbienfte  be3  ^obeSletbmS  (SJjriftt  berfyanbelte,  bom 
14.  gebruar  1556  batiert,  finbet  ficr)  in  ben  Loci  communes  ©.  1109  ff.  @§  finb  ba= 
rin  aucb,  beacfyten§merte  2Binfe  für  bie  ®urcf;für)rung  ber  Deformation  unb  bie  @inricfy= 
tung  ebangetifdjen  ^ircfyenmefenS  gegeben. 
5  ©o  finben  mir  benn  35.,  nadpbem  er  Berufungen  nad)  ©enf  unb  nad}  §eibelberg 
abgelehnt  blatte,  mit  Dd)ino  in  gürtcb,  bereinigt ;  mit  einer  bebeutenben  Sefyrtfyätigf  eit  ber= 
banb  fidj  umfangreiche  tb/eologifcbe  ©cfyriftfteßerei  —  abgefefyen  bon  ©uralten  unb  ga^I= 
reiben  jbrrefbonbengen  j.  33.  mit  Wtland)Ü)on,  (Salbin  unb  englifcfyen  Geologen,  b,aben 
mir  bon  ifym  al§  größere  SGBerfe  an§  ber  geit  bie  Defensio  gegen  ©arbiner  (f.  o.)  1559, 

10  fomie  bie  gegen  ©mitt;  (f.  o.) ;  aucb,  einige  in  Drjorb  gehaltene  33orIefungen  gab  er  je|t 
r/erau§.  2lbgefefyen  bon  erneuerter  33ermar;rung  in  ber  2lbenbmaf)I$>frage  finb  il)m,  ber  mit 
ßalbin  entfdEnebener  ^ßräbeftinatianer  mar,  bogmatifcfye  Hämbfe  aucb,  in  Qüx'vfy  ntdjt  er= 
fbart  geblieben  —  bafs  ber  über  ben  freien  SBiflen  lajer  lel)renbe  33iblianber  1560  quie<§= 
giert    mürbe,    mar  burd)    ein   ©utadjten    bon  93.   entf Rieben   morben.    33ei  bem  burcfy 

15  33reng  (f.  b.  21.  33b  III,  ©.  386, 36 ff.)  fyerborgerufenen  ©treit  über  bie  Ubiquität  trat  er 
mit  bem  Dialogus  de  utraque  natura  in  Christo  (f.  o.)  ber  ubtquttiftifdjen  Sefyre 
entgegen,  ofyne  baft  ifym  (unb  33uHinger)  bie  Söfung  ber  fcfymiertgen  $rage  gelungen  märe. 
(Srgebnigreid^er  fdjien  feine  SÜJittoirfung  bei  bem  ©efbräcfye  ju  ^ßoiffb.  1561  (f.  b.  2trt. 
33b  XV,  ©.  498  ff.),  mo  er  als  £anb§mann  ber  Königin  ficf;  r/öd)ft  ebrenbotter  2tufnar)me 

20  erfreute,  ju  merben;  allem  ba3  ©efbräcr)  blatte  ba<§  ©cfyicffal  ber  meiften  —  e§  blieb  of)ne 
$rucr)t,  bie  becfenbe  gormel  mürbe  bon  ber  ©orbonne  bermorfen  (über  93.§  Slnteil  f. 
©cfymibt,  ©.  254ff.).  ©en  mit  einem  anerlennenben  ©^reiben  ber  Königin  nacfy 
3ürid)  $uxM$eUfyxtm  (ÜJcob.  1561)  fanb  fdmn  Qanfyi  bor,  ber  ftcr)  §ilfe  im  ©treit  mit 
9Jtarbacfy  gu  r/olen  fam  —  ba3  ©uralten,  melcfyeS  bie  güricfyer  in  biefem  ^5räbeftination§= 

25  ftreite  auSgefteüt  b,aben,  ber  an  ben  S£ag  braute,  mie  fefyr  bie  lutr/erifcfyen  Geologen 
felbft  bon  ber  ©teÖung,  bie  einft  t^r  SReifter  gegen  @ra§mu§  berfocfyten  I)atte,  abgemuf  en 
maren,  ift  bon  93.  berfajjt  aU  feine  bor!e|te  ©cfyrift;  e§  finbet  fid?  in  ber  Opera  Zanchii 
[1619]  33b  VII,  1,  72  ff.  unb  beutfct,  teilmetfe  bei  ©d)meijer,  Sentralbogmen  I,  454  ff. 
$n  ber  legten  ©cfyrift,  bom  2lbril  1562,   äußerte  er  ficfy  gutadjtenb  über  bie  fetteng  ber 

so  granlfurter  (reformierten  franjöfifd>en)  ©emeinbe  ifym  borgelegte  $rage:  ob  e§  angängig 
fei,  angefid)t»  be§  SSerboteS  eigenen  ©otteSbienft  ju  Ratten,  alfo  in  Ermangelung  eigener 
©eiftlicben,  bie  ®inber  bon  lutfyerifcfyen  ^ßrebigern  taufen  ju  laffen?  —  unb  gmar:  lieber 
gar  ntd^t  al§  bon  biefen,  ba  SLaufe  jur  ©elig!eit  nio)t  notmenbig ;  aber  SHebertaufe  unter 
feinen  Ümftänben!    ©cf;on  fjatte  fic|  33.  ju  einer  neuen  2lntmort  auf  einen  Stngriff  bon 

35  33renä'  ©eiten  angefducft,  im  ©ommer  1562,  ba  ergriff  ib,n  eine  ebibemifd^e  ^ranffyeit; 
baö  @nbe  bor  2lugen,  traf  er  gürforge  für  feine  jmeite  ©attin,  bermad^te  feine  33üo)er 
unb  Sftanuffribte  bem  treuen  ©anterenjiano  unb  ftarb  am  12.  ®ejember  1562  im  feften 
©lauben  an  „$efum  ßb.riftum,  ben  ber  SSater  aU  einzigen  §eilanb  ben  SRenfd^en  gegeben 
Ijat".    ^ofia§  ©imler,  fein  9tad£)foIger,  l)telt  ib,m  bie  afabemifd^e  ©ebäcfytniSrebe  (Oratio 

40  f.  o.),  anbere  ^reunbe  fdjrieben  fein  £ob  in  Iateintfdfc)en  SSerfen  nieber,  eine  filberne  ®en!= 
münje  mit  feinem  33ilbe  mürbe  gebrägt;  feine  einige  2;ocr)ter,  erft  an  einen  Italiener 
berfyeiratet,  mürbe  fbäter  ^Pfarrfrau  in  Stfyalmil.  ©eine  Kommentare  ju  ben  33üd^ern 
©amuelfö  unb  ber  Könige,  fomie  gu  einem  ^eile  ber  ©enefi<§  unb  ben  ^lageliebern  (f.  o.) 
u.  a.  gaben  bie  greunbe  b^rauS  —  fein   bebeutenbfteS   lüterarifdjeg  ®enlmal  bleiben  bie 

«  bon  9Jiaffon  (in  Sonbon  1575,  fbäter  nod)  mel^rfad^)  gebrudten  Loci  communes,  um= 
faffenbe  2Xu^üge  unb  gange  ©Triften  ent^altenb.  SSenrat^. 

Sßcrontca  f.  b.  21.  Sf)riftu§bilber  33b  IV  ©.  71,8.  £ur  Sitteratur  ift  nacbjutragen : 
b.  ®obfd^ü|,  6§riftu§bilber.  Unterfud^ungen  gur  fyx.  Segenbe,  Seibjig  1899;  6.  ©.  31. 
be  23oot)<§,  De  middelnederlandse  Legenden  over  Pilatus,  Veronica  en  Judas. 
60  Tijdschr.  v.  Nederl.  Taal-  en  Letterk.  XX,  1901 ;  be  3öaal,  SDie  antifen  Deliquiare 
ber  ^eterglird^e,  DD©  VII  1893  ©.253;  S.  6uft  u.  b.  ®obfdjü|,  The  Likeness  of 
Christ  in  The  Burlington  Magazine,  1904  ©ebt. 

SBerföIjnttng.  —  %.  (£^r.  S.  ü.  §ofmann,  ®er  ©cfiriftbeweiS,  2.  31.  1857—60  unb  @d)ufe= 
fcE»vtftert  für  eine  neue  SSeife,  alte  agarjrtjeit  p  lehren  I— IV,  1856—59,  b%u  E.  SKeisfäder, 
55  8b2^  1858;  9T.  SRitf^f,  ®ie  djr.  fie^re  Hon  ber  3JecE)tfertigung  u.  SBerföftnung,  3.91.  1888/89; 
®.  SreiBig,  ®ie  Sßcrfö^nungSle^re  auf  ©runb  be§  d)v.  SewufetfeinS,  1878;  ttj.  §äring,  Qum 
begriff  b.  ©ü^ne,  SEI) ©tS  1888  unb  gur  SerföfmungSleEjre,  1893;  «öl.  tarier,  ®ie  SBerfö^nung 
burtf)  S^riftuS,  2.9t.  1907  unb  ®ogmatifcf)e  ßettfragen  II,  1899;  ©.  %  gr.  ©cHin,  ®er^eü§= 
wert  be8  Sobe§  ^efu,  1888   unb  (Srlöfung  unö  SSerföfjnung,  1903 ;   f.  SS.  Siegler,  S)ie  Sßer= 


2$erföl)nuttg  55:3 

föfjnimg  mit  ©ott,  1902;    D.  Äirn,   2ie  53erföl)nung  burd)  (SfjriftuS,   11)02;    £.  SBenfoiu,  2i: 
Üefire  üon  ber  SSerföbnung,  1904 ;    'iß.  SKejger,   2a3  ®reu-$  (Sbrifü  unb  ba§  moberne  2enfen, 
1907.  —  3-rcmj  2eti£fd),  Kommentar  pm  ftebriierbrief,  1857,  ?lnt)ang;  21.  3tirfd)J,  De  ira  Dei, 
1859:  ??.  SSeber,  SSom  Borne  ©ntteS,  1862;  ©.  gitefmt,  2er  SSegriff  ber  <Süb,ne  im  9(2,  1877; 
91.  SdimoHer,    2a§   SBefen   ber  ©iifine   in   ber    altteftamentlidien  Gpfertbora,    2t)Stf  1891 ;    5 
l£.  u.  Crettt,  ßinige  altteftamentlidje  ^ßrämtffen  jur  neuteftamentlidien  33erförmungelef)re,  ßfSBS 
18S4;    S.  .perrmann,   2ie  3bee  ber  ©üfme  im  912,  1905;    @.  tü{)I,  2te  £eit§bebeutung  beö 
lobe*  ßfjrifti,  1890;   21.  (Seeberg,   2er  2ob  ©Ijrifti   in   feiner  33ebeutung  für  bie  Erlo'fung, 
1S95;    ©.  A>ttmann,  2ie  SSebeuturtg  be§  2obe§  3efu,  1901.—  fr  Sfrr.  Säur,  2ie  dir.  Sebje 
nun  ber  SJerföIjnung   in    ifjrer   gefcfjiditlidjen  @nttt>idelung,  1838;    @.  üöuftmann,    Sie  §eü§=  10 
bebeutung  Eljriftt  bei  ben  cipoftolifdien  Tätern,  1905 ;  3-  ©ottfd)icf,  2lugufHn3  9lnfd)auung  »on 
ben  ISrlöferroirfungen   ßbjifti,    32t)S  1901    unb  ©tubien    jur  5Berföfmung3leljre   be§   9M., 
3S©  XXII—  XXIV;  £>.  (Sdjeel,  2ie  9lnfdiauung  9luguftin§  über  Sbriftt  ^erfon  unb  äßevf, 
1901;    £>.  Gremer,    2ie  SBur^eln  beä  9lnfelmfd)en  ©atiSfaftionäbegriffä,  2£)StS  1880;    2er 
gevmanifdje  SatiSfaftionäbegriff  in  ber  33erfüfmung§Iebje,  ebb.  1893;   £.  ©djuljj,  2er  fittlidie  15 
Segriff  be§  SBerbtenfteS  unb  feine  9lnlnenbung  auf  baS  2Berf  (Sf)rifti.  2£)@t&  1894;  91.  Sraufj, 
2a3  9JttttIeramt  nad)  bem  ©d)ema  be§  munus  triplex,  3&2b  93b  17 ;    über  SuttjerS  3Serföfj= 
nungSlebre:    3.  f  öftlht  2.91.  1901,    2£).  &arnacf  1862/86  unb  ©ottfcfjicf,    Propter  Christum, 
3Jf)S  1897    —   2ie  ältere  ßttteratur  finbet  fid)  bei  33aur  u.  3vitfd)I  Uer$eid)net.     9luf3erbem 
bie  bogmatifd)en  2arfteHungen  üon  (sdjleierniadjer,   S.  3.  9ciftfdj,  2fjomafiu§,  pn'tippi,   3-  2.  20 
Secf,  SB.  &r.  ©ef3,  3.  2t.  2orner,   granf,   Sutrjarbt,    3.  Saftan,  2f,-  £anng,    bie  bib!ifd)=t£)eo= . 
logifdien  oon  Dealer,  §.  ©cbuf£,  2iHmcmn,  Sßarti,  ©tabe,   58.  3Bei|,    §ottsmann,  SSerjfctjiag, 
bie  bogmengefd)id)tlid)en  tton  91.  Igamad,  SoofS,  9i  (Seeberg. 

1.  Unter  ben  Gegriffen,  toeld)e  bie  Sluffyebung  ber  ©ünbe  be^eidmen,  I)at  33erföl)nung 
einen  engeren  ©Kielraum  als  ©rlöfung.    ülöäfyrenb  bie   festere  ebenfo   baS  Serfcfyminben  20 
ber  aus  ber  ©ünbe  folgenben  Übel  toie  baS  ber  gotttoibrigen  2Billens>rid)tung  felbft  unb 
ber  mit  ib,r  berbunbenen  ©d^ulb  au§brü(fen  lann,   toirb  33erfDb,nung   nur  bon  ber  2Seg= 
nannte  ber  an   ber  ©ünbe  baftenben  ©cb,ulb   gebraucht.    ®iefer  33erfelbftftänbtgung  be§ 
©d)uIbmomcntg  liegt   bie  @rlenntni§  ju  ©runb,   baf3   bie   ©eftctltung  be§  perfönlid^en 
93erb,ältntfje§  jtoifcfjen  bem  9Henfcr)en  unb  ©ott  bie  eigentliche  £eben^frage  ber  Sreligion  30 
bilbet.    yiifyt  alle  b,öb,eren  Religionen,  bie  ficb,  burcb,  bie  befyerrfcfyenbe  ©tettung  ber  @r= 
lofung  in   ibrem  3fe^en!rei§   al§  ©rlöfung^reltgtonen   cf/arafterifieren  (bgl.  21.  ©rlöfung, 
Sb  V  ©.  461  f.),  teilen  btefe  @r!enntntö.    ©ie   entfielt   nur  ba,   Wo   bie  ©ünbe,   bon 
aller   Hofs   tobtojifcfyen  Unreinheit    unb   natürlichen  Unb0ßfommenb,ett  unterfcf;teben,   alä 
2öittenggegenfa^  gegen  ©ott  gefaxt  unb  ©ott  felbft  als  bie  perfönlicfie  Slutorttät  gebaut  35 
toirb,  bie  ba§  ftttlic|e  ©efe|  gtebt  unb  toa^rt.    2)ann   entfteb,t  nottoenbig   bie  Slufgabe, 
aud)  bie  ©rlöfung   an  einer  etfyifdjen  Jlorm  ^u  orientieren,   alfo  ba§  religiöfe  Verlangen 
natt)  ber  fcfyütjenben  §ulb  ber  ©ottf)ett  mit  ber  ©eltung    einer  fittlic^en  Drbnung    au§= 
einanberjufe^en,  bie  in  ber  ÜRicl)tung   be§  göttlichen  3ßiKen§  begrünbet  ift.    ®iefe  ma|= 
gebenbe  ©teile  pat  ber  ©ebanle  ber  3Serfölmung   nur  in  ber   cbriftlicfyen  Religion ;    aber  40 
er  gewinnt  fie  in  fteigenbem  9Jtaf$e  aud)  fd)on  in  ib,rer  t§raelitifd)en,  fpejiell  brobfyetifcfyen 
SSorftufe,    toorin  bie  gefc^icb.tlid^e  Kontinuität  ber  beiben  biblifcf)en  Religion^ftufen  am 
beutlicbjten  b^erbortritt.    Seibe  erfennen  ba§  tieffte  religiöfe  Problem   in   ber  grage,   tüte 
tro|  ber  in  ifjrer  umfaffenben  3Sir!lid)!eit  anerfannten   unb   als   toillenSmäjjiger  2Biber= 
fprud)  gegen  ©ott  getoerteten  ©ünbe  bie  befeltgenbe  ©emeinfd;aft  mit  ©ott  möglieb,    ift,  4-. 
unb  fie  feb,en  in  feiner  Söfung  burcb,  ©otteS  offenbarere  %t>at  ben  b,öd)ften  (Srioeiö  feiner 
Siebe.    3n  htm  3Serföf)nung§gebanlen  begegnen  fid)  fo  bie  ©el)nfuc^t  beS  nad^  ©ott  ber= 
langenben  ^er^enS  unb  ber  ©rnft  beS  ©enriffenS,  bem  ©otte§  ©egenfa|  gegen  bie  ©ünbe 
mit  fcbmer^licfeer  Klarheit  betou^t  ift.  3ln  ber  5RögIic§Ieit  unb  2Btrutdjfett  ber  33erföl)nung 
^ängt  barum  f)ier  bie  2ftöglicr;ieit  unb  2öirflid)feit  ber  ©rlöfung  überfwubt.  ©iebt  eS  eine  u< 
mit  ber  fittlicf/en  Drbnung  ^ufammenftimmenbe  Stuffyebung  ber  ©cf)ulb,   eine  Vergebung 
ber  ©ünben,  bie  rötrfltd)  atö  ^fwt  beS  ^eiligen  ©otteS  feftftef)t,  fo  ift  aud)  jur  2luf|ebung 
ber  ben  SöiHen  fneeb^tenben  ©ünbenmac^t  unb  be3  Iebenbebrob,enben  Übels  burd)  bie  gött= 
lid)e  Siebe  ber  2öeg  gebahnt.    ®arau§  erhellt,  toie  feb,r  gerabe   im  "iserfölinungSglauben 
bie  @igentümlid)feit  beS  ß^riftentumS  fieb,  auSbrägt.     Qn  ib,m  finbet   bie   a)riftlicf)c  2luf=  55 
faffung  bei  33erl)ältniffeS  bon  Religion  unb  ©ittlicfjfeit,   bon  ©otteS  Söefen   unb  Sb,rifti 
2Birfen,  bon  ber  Sebeutung  ber  ©ünbe  unb  bem  Sßert  ber  ©nabe  ib,ren  beftiinmten  3luS= 
brutf  tüte  il^ren  feften  §alt. 

2lucb,  in  anberen  Religionen  fbielen  bie  Segriffe  ÜGerföfmung  unb  füb,nen  eincRoHe; 
aber  if»r  ©inn  ift  ein  cf)aratteriftifci)   berfcbjebener.     ©ofern   bie  ©ottf;eit   immer   geroiffc  60 
^orberungen  minbeftenS  !ultifcb,er  2lrt   an   ib^re  Sereb,rer   fteüt,    ift   mit   ber  Sftöglicbfeit 
if)rer  abfid)tlid)cn  ober  unabfict)tlid)en  Ü^erle^ung  ju  red;nen,  roelcfje  bie  Ungunft  ber  ©ott= 


554  Serfüfynung 

fyeit  fyerborruft  unb  in  ber  Verfügung  bon  ülßofyltfyaten  ober  Verfyängung  bon  plagen 
fbürbar  Wirb,  ©old^e  Verfehlungen  gilt  eS  bann  ju  füfynen  b.  fy.  burcfy  ein  beftimmt 
borgefcfyriebeneS  Mtifcfy=tecfynifcfyeS,  bielfacfy  recfyt  mecfyanifcfyeS  Verfahren  (gauberfprücfye, 
Steinigungen,  Opfer)  zu  befettigen  ober  auszugleiten.  2luS  ber  auf  baS  Wibrige  Vor= 
6  fommniS  felbft  belogenen  ©üfynung  folgt  bann  bie  Verfolgung  ber  ©ottfyeit,  bie  Um= 
Wanblung  ifyrer  Ungunft  in  neue  ©unft,  beren  2Bert  namentlicfy  in  ber  SSBegnafyme  ifyrer 
plagen  unb  ber  SBieberaufnafyme  ifyreS  SBofyltfyunS  erblicft  Wirb,  ©üfynung  unb  Ver= 
fbfynung  finb  fyier  menfcfylicfye  Veranftaltungen,  ju  benen  ficfy  bie  ©ottfyeit  bafftb,  jebenfallS 
rezebtib  berfyält.    2ßo  man  bie  ©ottfyeit  felbft  um  ©üfynung  angebt  (fo  2lgni  in  ber  in= 

io  bifd^ert  Religion  —  Olbenberg,  Sfteltg.  bes  Veba  291  —  ober  2lbotlo  in  ber  griecfyifcfyen 
—  Sfyantebie  be  la  ©auffafye  II3,  381  — ),  fyängt  bieS  bamit  jufatnmen,  baß  fie  als 
reinigenbe  -Katurmacfyt  ober  als  fyöcfyfte  briefterücfye  ^nftanj  gebaut  ifi  £jm  Unterfcfyieb 
babon  friert  fcfyon  baS  212:  bie  füfynenbe  SSiriung  beS  ObferS  auf  göttlicfye  (Stiftung 
Zurücl  Se  17, 11  unb  baS  31%  Weiß  nur  bon   einer  Verföfynung,    bie  ©ott  felbft   aus 

15  freien  ©tüclen  boßziefyt  unb  barreicfyt  2  Äo  5,  19.  (Sine  Weitere  ©ifferenz  liegt  barin, 
baß  auf  fyeibnifcfyem  Voben  eine  Verföfynung  nur  bon  %aü  zu  %aU  notWenbig  Wirb,  wenn 
befonbere,  baS  menfcfylicfye  2BofyI  beeinträcfytigenbe  ©rfafyrungen  auf  eine  Ungnabe  ber 
©ottfyeit  Anbeuten,  wäfyrenb  fie  nacfy  cfyriftlicfyer  2luffaffung  bie  unerläßliche  unb  beftänbige 
©runblage  alles  Wafyren,  ben  Hemmungen  ber  Söelt  entnommenen  SebenS  bilbet.  ©arum 

20  finbet  fyier  baS  religiöfe  Verlangen  aucfy  nur  in  einer  alle  Veziefyttrtgen  unb  Momente  beS 
menfcfylicfyen  ©afeinS  umfaffenben  Verföfynung  SHu^e.  @nblicfy  gilt  fcfyon  bem  212  feine 
bloß  mecfyanifcfy4ultifcfye  Seiftung  als  fyinreicfyenb,  um  fcfywerere  Verfcfyulbungen  auszugleiten. 
©aS  31%  bodenbet  biefe  Verinnerlkfyung  beS  VerföfynungSgebanfenS,  inbem  eS  nur  baS 
ftttltcfy  boMommene  2fyun  unb  Seiben  beS   fünblofen  ©otteSfofyneS   als  Wiriticfye  ©üfyne 

26  gelten  unb  nur  ben  reuebotlen  ©lauben  an  ifyrer  ©eltung  2TnteiI  gewinnen  läßt. 

©ie  2öorte  Verföfynung  unb  berföfynen  bereinigen  in  unferer  beutfcfyen  Vibel  bie  Ve= 
beutungen  bon  üdoxeo&ai,  eine  Verfehlung  untoirlfam  machen  bezW.  Verzeihung  für  fie 
auSWirlen  unb  xaiaMäooeiv,  entzweite  Varteien  bereinigen,  entfrembete  Verfonen  in  ben 
griebenSfianb   berfetjen   (bgl.  $äfyler,  ©ogm.  geitfragen  II,  3 ff.).    Veibe  VorfteHungen 

30  finb  infofern  berfcfyieben  orientiert,  als  üdaxsa^ai  auf  gefcfyefyene  Verfehlungen  gefyt  unb 
©acfye  beS  menfcfylicfyen  VriefterS  ift,  wenn  fcfyon  auf  ©runb  unb  im  Sfafymen  einer  gött= 
liefen  Drbnung,  Wäfyrenb  bei  xaraUdoosiv  ©Ott  immer  baS  fyanbelnbe  ©ubjelt  ift, 
niemals  baS  Dbjeft,  auf  baS  geWirlt  Wirb.  ©arauS  barf  man  rttct)t  folgern,  baß  bie 
Verformung  im  ©inn  beS  31%  bloß  Umftimmung  ber  fünbigen  Sffcenfcfyen  fei.    ©ie  3loU 

35  Wenbigleit  einer  georbneten  2luSgleicfyung  ber  ©ünbe  für  ©otteS  Urteil  Wirb  fcfyon  ba= 
burd)  im  VeWußtfein  erhalten,  baß  eS  auf  ttaojuos  abgielenbe  §anblungen  giebt,  an  bie 
ber  ©rfolg  ber  KaxakXayrj  gefnübft  ift  (bgl.  9tö  3,  25;  1  ^o  4,  10).  Offenbar  aber  liegt 
baS  unterfa^eibenbe  9teue  ber  cl;riftlict;en  2lnfc§auung  nieb^t  barin,  baß  eS  füljmenbe  2llte 
für  begangene  Verfehlungen  giebt  —  in  biefer  Veziefmng  Wirb  eS  nur  barauf  anfommen, 

40  an  Welche  Vebingungen  man  bort  unb  b/ier  bie  göttliche  Verzeihung  ge!nübft  beult  — 
fonbern  barin,  baß  eS  eine  ©elbftbeWegung  ber  ©ottfyeit  giebt,  bie  barauf  abzielt,  baS 
geftörte  Verhältnis  wieberf)erzuftellen. 

©iimiologifcl)  fcfjeint  füf>nen  —  abb.  fuonen,  ml)b.  füenen  — ,  Wobon  berföfynen  b^er= 
flammt,  fo  biel  Wie  IjerfteUen,  ausgleiten,  fei  eS  buref)  gerichtlichen  ©bruet),  fei  eS  buref) 

45  frieblicfje  ©inigung  über  einen  entfbredjenben  @rfa|  zu  tebeuten  (f.  bie  2BVV.  bon  §er;ne 
unb  Äluge). 

2.  ©er  ©laube  beS  altteftamentlidjen  frommen,  baß  eS  für  ben  ©ünber  einen  2öeg 
Zur  Verfolgung  mit  ©ott  giebt,  Wurzelt  in  ber  ©runbüberzeugung  ber  iSraelitifcfyen  9?eli= 
gion,  Wonacl)  baS  Verhältnis  ©otteS  zu  feinem  VoH  auf  erbarmenber  Siebe  beruht.  2luS 

so  Siebe  b^at  ^ab^We  ^Srael  erwählt  §o  11,  1,  of)ne  baß  beffen  Vorzüge  babei  ins  ©eWicbl 
gefallen  Wären  ©t  7,  7 f.;  9,  4f.  ^n  Siebe  bleibt  er  if)m  barum  auef;  zuget^an  ^«f  49, 
15f.,  benn  er  ift  „barmherzig,  gnäbig,  langfam  zumßonx  unb  reieb^  an|mlb  unb^reue" 
@E  34,  6 f.  SDttt  berfelben  ©ouberänität,  mit  ber  er  ben  Vunb  gefcb^loffen  fy at,  b^ alt  er 
ib^n  aufrecht.    SBenn  er   bergiebt,    tfjut   er   eS   „um  feinetwißen"  gef  43,  25,  auS  freier 

55  eigener  VeWegung.  @S  giebt  barum  b;ier  leine  ©ott  abgerungene  Verfolgung;  fie  lann 
nur  baS  freie  ©efctjenl  feines  SrbarmenS  fein,  ©arauf  grünbet  fiel)  ebenfo  bie  ©emut 
Wie  bie  guberfidjtt  beS  altteftamentlict/en  §eilSg!aubenS.  Unb  ba  fieb;  biefer  6f)arafterzug 
beS  iSraelitifcfyen  ©otteSbegriffS  in  bem  Veftanb  unb  ber  ^eftigfeit  beS  VunbeSberfyält= 
niffeS  auSbrägt,  lann  aucfy  ftatt©otteS  ©rbarmen  bie  SEfyatfacfye  beS  VunbeS  als  ©eWäfyr 

eo  feiner  Vereitfcfyaft  zur  Vergebung  genannt  Werben  Vf  106,  45;  W\  7,  20.  3ft  aber^SraelS 


Ü>erföljmtng  555 

Ü8erbinbung  mit  $a!j)We  fein  Raturberljiältnig,  fonbem  eine  Stiftung  feinet  ©otte§,  fo 
beftimmt  betreibe  äöille,  ber  ben  33unb  aufgerichtet  fyat,  auty  feine  Drbnungen.  SDiefe 
fonnen  nur  ftttlidje  Drbnungen  fein.  ®enn  ^a^toe§  ©mnbeigenfdjaft,  bie  £jeiligfeit,  ift, 
Wenn  audb,  nid)t  bon  Slnfang  an,  fo  jebenfafe  in  brobfyetifcber  ^eit  Wefentlicf)  als  fitt= 
lidje  (Erhabenheit  gebaut,  bie  ba§  S3öfe  ahmfyxt  unb  bemicfytet  (bgl.  31.  §eiligfeit  33b  VII  5 
©.  571  f.).  Säfytoe  bulbet  barunt  leinen  grebel  in  feiner  Räb/e  Vf  15.  (Sin  fünbigeS 
Sßol!  fann  nur  fo  lange  im  23unbesberl)älini3  mit  ifym  fteBcn,  al§  fein  (Eifer  rege  bleibt, 
fittlicfie  ©reuel  auS  feiner  9Kitte  ^u  entfernen  unb  bie  ifym  bureb;  ©ottes  (Erwägung  auf= 
gegebene  ^eiligleit  b.  f).  fittlidjie  ©leicfyartigieit  mit  ©ort  ju  berWirflicfyen.  ^ft  barum 
©ott  bermöge  feiner  Sarm^erjigleit  jur  Vergebung  bereit,  fo  fann  biefe  boef;  nur  im  io 
Ginflang  mit  feiner  §eiligfeit  erfolgen  unb  jebe  3lrt  bon©üfyne  mufj  biefer  fittlicb,  en  33e= 
bingtljeit  ber  göttlichen  §ulb  genügen,  ©egen  abfid)tlicf)e  unb  grunbfä|Iicb,e  3SJit^ad>tung 
ber  33unbe3bfltcf)t  reagiert  ©otte<§  £eiligfeit  als  ^orn,  Se  10,  lff.;  Ru  11,  1;  c.  16;  21, 
5  ff.,  ber  fieb,  aud)  gegen  bie  ©emeinbe  Wenbet,  Wenn  biefe  fid)  bureb,  fcfylaffe  Racfyfiefyt 
mit  bem  ©dmlbigen  feines  grebelS  teilhaftig  mattet  3>of  c.  7  3Bie  anbertoäriö  fo  wirb  15 
auef)  in  %äxad  bie  SSorfteßung  Dom  ßorn  ©otteS  junäctjft  bureb,  auffaüenbe  (Strafgerichte 
erregt,  Stilein  mit  ber  Vertiefung  be§  ©ünbenbetoufetfeinS  erweitert  unb  berfeinert  fid) 
bie  SBorfteEung.  ®er  ©ebraud)  beS  SSortS  in  ben  $falmen  3.  33.  6,  1—8;  38,  2—15; 
102,  10  f.  läfjt  erfennen,  bajj  gule^t  jebe  untergebene  ©ctmlb  als  ©egenftanb  beS  gött= 
liefert  ,3omS  gilt,  ©iefem  SLfyatbeftanb  Wirb  RitfcblS  £l)eorie  (Rechtfertigung  unb  20 
33erjöb,nung  II,  130  ff.)  bon  bem  aümäbjidjien  Verfcfywinben  ber  ßomeSerfafyrung  aus 
bem  aftuetten  Vetoufjtfem  ber  §eilSgemeinbc  unb  bon  ber  auSfdjliefsücfyen  Vcrfnübfung 
beS  gomS  m'li  ^em  @nbgericf)t  nid)t  gerecht,  ©agegen  mufj  anerkannt  Werben,  baf$ 
ben  $robb)eten  unb  Vfalmfängem  IgafyWeS  gom  ni^Jt  als  eine  il)n  bel)errfd)enbe  ©e= 
finnung  gilt,  bie  feine  Siebe  aufgeben  bermöd)te,  fonbem  als  eine  je  unb  je  ju  25 
menfcr)Ucr)er  (Erfahrung  lommenbe  33etf)ätigung  feiner  ^eiligfeit.  £>arum  liegt  aud)  im 
3orn  ©otteS  leine  ©djranfe  ber  Verjeib/ung,  bie  rttcEjt  in  feiner  §eiligfeit  fd)on  enthalten 
toäre.  33ejeid)net  bie  ^peiligleit  bie  fittlicfye  Vollfominenl)eit  ©otteS  naef)  iljrem  bringibtellen 
SBefen  unb  barum  aueb,  in  ib,rem  feb^arfen  ©egenfatj  gegen  ba§  menfc^Iicfje  SSer^alten,  fo 
brücft  bie  ©erecb,tig!eit  t^re  mit  menfcfylidjiem  %fyun  bergteicb,bare  @rfd)cinung  in  ©otte§  30 
^errfc^ermalten  au§.  ©ie  ift  bie  ftdt)  felbft  gleite  Stormgemä^eit  unb  unbebingte  ©acb,= 
gemäfe^eit  be3  göttlichen  Regimentg.  93or  einer  93efcbränfung  be^33egrip  auf  bie§anb= 
babung  ber  ©träfe  mufj  un§  fdjon  bie  (Erinnerung  Warnen,  bafj  ber  Drient  unb  ba§ 
Altertum  übertäubt  leine  abftrafte  ©Reibung  bon  rict)tertber  unb  berWaltenber  SLbätigleit 
fennt.  ©0  b,at  aueb,  ©otte§  ©erecb,ttgfeit  tt)re  9corm  an  bem  ©efamtinb^alt  feineö  2BiUen3,  35 
an  ber  ^eiligleit  Wie  an  ber  erbarmenben  Siebe.  ®em  entfbrecf)enb  erfcb,eint  fie  ebenfo 
ftrafenb  in  feinem  ©eridjt  über  bie  ©cfyulbigen  3ef  5,  16;  10,  22 f.;  28,  17;  «ßf  7,  12, 
toie  Betlfcfeaffenb  in  feiner  Rettung  ber  Unterbrächen  ?Pf  7,  9—11;  9,  5 ff.;  76,  10  unb 
in  ber  ^wberung  ber  i^m  bertrauenben  frommen  $f  31,  2;  71,  2.  15f. ;  103,  17f. ; 
116,  5.  SDe^tjalb  fteb,t  ©otteS  ©erecb,tigfeit,  Weit  entfernt  bie  Vergebung  ju  ^inbern,  bie  40 
in  Reue  bei  i|m  gefugt  Wirb,  in  einer  feb/r  nat)en  S3ejieb,ung  ju  bem  §etl,  ba§  ^Srael 
bon  ib,m  erhofft.  DbWob/l  Wir  nun  ntct)t  erwarten  bürfen,  ba$  bie  beiben  in  ber  alt= 
teftamentlictjen  ©otte^ibee  enthaltenen  93eftimmungen  ber  ber^ei^enben  Siebe  unb  ber  bie 
©ünbe  abwebrenben  §eiligfeit  bon  Slnfang  an  auf  allen  fünften  fiel)  bereinigen,  fo 
ftreben  fie  boeb,  jufammen  unb  in  ber  iprobtjetifdien  gut  Werben  fie  fo  berfnübft,  bafe  45 
bie  ©nabe  bie  beb,errfcb,enbe  ©teßung  gewinnt,  Wäb,renb  bie  §eiligleit,  ol>ne  jene  äu|erlic| 
ju  befcb,rän!en,  5Jcafe  unb  gorm  ber  göttlichen  ©ünbenbergebung  beftimmt,  alfo  bie 
„©dmtjWefyr  ber  Siebe",  richtiger  noeb,  t^re  immanente  fittlidie  Drbnung  ift.  ©ies  tritt 
namentlicb,  in  ber  §eil3brebigt  ©eutero=^efaiag  b,erbor,  bie  ©otte3  ©nabe  §ugletcf>  ate  bie 
ÜKacfyt  fittlid}er  (Erneuerung  ber!ünbigt.  50 

2öie  faft  alle  Religionen,  fo  fennt  aueb,  bie  iöraelitifcl)e  eine  ©ülmung  mcnfcb,lid;er 
33erfel)lungen  bureb,  Dbfer.  93efonber§  berbinbet  fiel)  biefe  3Bir!ung  mit  ben  blutigen 
Cbfern.  Über  ben  urfbrünglid)en  ©inn  biefer  religiöfen  §anblung  unb  bie  mannigfacben 
ÜlbWanblungen  it)rer  S3ebeutung  erlaubt  ber  b)eutige  ©tanb  ber  religionggefd)id)tlid)cn 
§orfc£)ung  faum  ein  Urteil.  2Ba<§  bie  ledere  bigfyer  gegeigt  bat,  ift  bor  aUem,  bafe  55 
fct;Werlicf)  einer  ber  fbejiellcn  ©eficf)töbunftc,  buret)  bie  man  bag  Rätfcl  ju  löfen  berfud;t 
l)at,  ju  feiner  bollen  Sluffycllung  §uretct;t.  ältere,  ftar!  finnlidje  Vorftellungcrt  berfd;meljen 
mit  jüngeren,  geiftigeren  ju  einem  fd)Wer  analt;fierbaren  ©anjen.  ®a§  füf)nenbc  Tbfer 
fbe^iell  ift  Weber  blofj  §ulbigung^gefd)enf,  nod)  au§  ber  £>erftcllung  einer  S3Iute;gemein= 
fcb,aft  mit  ber  ©ottfyeit  ju  erüärcn.     ©ber  bürftett  Vorftcllungen  bon  33efd;Wörung  ober  60 


556  SSerfö^uung 

bon  Sefcfytoicfttigung  ber  ©ottfyeit  bürdet  eine  gef)eimm§bolI=fcr;aurige  ©abe  im  §inter= 
grunb  fielen  (bgl.  SB.  2Sunbt,  SßöIterbtycf,oIogte  II,  2  ©.  334—342).  Stucb,  bie  2In= 
nafyme,  bafj  beim  ©üljmobfer  eine  ©ubftitution  beS  ^lierS  für  ben  ber  ©träfe  ber  ©ott= 
fyeit  berfaßenen  SJienfcfyen  ftattfinbe,  ift  für  eine  früfye  Seriobe  laum  auSjufcfyliefcen  (bgl. 
5  21.  SeremiaS,  £>aS  2l£  im  Sichte  beS  alten  DrientS,  2.  21.,  ©.  368  unb  3.  §errmann, 
Qbee  ber  ©üljme  102).  Ob  ber  le^tere  ©ebanfe  bem  iSraelitifcfyen  Setbufjtfein  in  bibli= 
fcfyer  geil  nocfy  beutlicb,  getoefen  ift,  macfyt  freiließ  baS  rituelle  Verfahren  jtoeif elljaf t ;  für 
bie  b,  errfettenbe  religiöfe  Sorftellung  ift  baS  D^fer  lein  ©trafgerief/t,  fonbern  baS  9Jtittel  jur 
2lbioenbung  eines  folgen.    2tucf)  bie  ©runbbebeutung  be§  SBorteS  '"f  3,  baS  bie  wieber= 

10  fyerftellenbe  Sßirfung  beS  D^ferg  begegnet  (bebeden  ober  abtoifd)en?),  fteb,t  feineStoegS 
fo  feft,  baf$  aus  itir  fiebere  ©cfylüffe  ju  gießen  toären.  %üx  baS  religiöfe  Problem  ber 
SSerföfynung  auf  bem  33oben  ber  iSraelitifcfyen  Religion  finb  aber  bie  fragen  nacb,  ber 
23ebeutung  beS  fultifcfyen  DbferS  nur  bon  untergeorbnetem  Gelang.  ®aS  Dbfer  fmt  fner 
einen  beftimmt  begrenzten  ©Kielraum,    ©inmal  »eil  eS,   toie   fdjon  bemerft,   nicfyt   baju 

15  bient,  bie  göttliche  ©nabe  tjerbor^urufen,  bielmel)r  bon  biefer  geftiftet  ift.  ©obann  toetl 
eS  Dbferfüfme  nur  für  untergeordnete  Verfehlungen  giebt,  benen  baS  -JRerlmal  ber  2tuf= 
lefynung  tüiber  3afytoe  W*  Wu  15,  30;  1  ©a  3,  14.  Gmblicb,  weil  für  bie  brobr/etifd)e 
2lnf$auung  baS  Dbfertoefen  hinter  bie  gorberungen  beS  ftttlicfyen  ©efjorfamS  jurücftritt 
3er  7,  21ff. ;    $ef  1,  17  ;    §06,6.    ®arum   finbet  aucb^otteS  berjeifyenbeS  ©rbarmen 

20  ba,  too  ber  SBtrlungSberetcf)  beS  DbferS  aufhört,  leineStoegS  eine  ©renje.  2lud)  bei 
fcf)tr>eren  SSerfc^ulbungen,  bie  fein  Dbfer  ausgleiten  fönnte,  läjßt  er  Sergeifyung  eintreten 
auf  eine  %f)at  fittlicb,en  (Stferg  9cu  25,  13,  ober  auf  bie  gürbitte  eines  treuen  unechtes 
b,in  @r.  32,  30  ff.  ober  im  Slicf  auf  bie  frommen  Säter  ober  ©lieber  beS  Solls  Se  26,42; 
2)t  9,  27 ;  1  %  11,  12  f.  32;  15,  4f. ;  2  tg  8,  19;  19,  34.  tiefer  ©ebanle  finbet  feinen 

25  frönenben  2lbfcb,luf$  in  ber  SöeiSfagung  Dom  leibenben  ©otteSlnedjt  ^ef  53.  ©ein  fcb,ulb= 
lofeS  unb  gebulbigeS  Seiben  unb  ©terben  fd^afft  bem  Soll  ©üfme  unb  eröffnet  il)m  eine 
neue  gufunft  Deg  .§etls.  §ier  ift  —  gleictjbiel  tote  man  ben  ^necfyt  ^afytoeS  beuten  mag 
—  an  bie  ©teile  ber  fultifi|en  ©üfyne  eine  etfyifcfye  getreten,  bie  ntct)t  im  Setben  als 
folgern  liegt,  fonbern  buret;  bie  religiöfe  $raft  unb  ftttlicfye  Streue  bebingt  ift,  in  ber  eS 

30  getragen  toirb.  ©ofern  nun  aber  biefe  Sftotibe  ber  göttlichen  Vergebung,  inöbefonbere 
ber  SSunb  mit  ^ärael  fortmir!enb  ju  benlen  finb,  giebt  e§  auef)  eine  Verjeib.ung  ber 
©cfiulb  ob,ne  befonbere  füfynenbe  §anblungen,  h)o  man  in  23ebrängni3  unb  Trauer  ©t 
4,  29ff.;  3er  3,  21  f.,  in  @rlenntni§  ber  ©cf)ulb  Qer  14,  20,  mit  jerfnirfc^tem  §erjen  $f 
51,  19;  3cf  57,  15,  in  bemütigem  Vertrauen  §0  6,  1 ;  Qef  63,  16  ju  ©Ott  feine  ßufCud^t 

35  nimmt  unb  ernftlicf)  auf  feine  2öege  um!eb,ren  totH  (£5  18,31;  33,  11.  SDiefe  Um!eb^r 
gilt  aber  ber  $rop|ette  nicb.t  als  eine  menfcb.Iicbe  Seiftung,  fonbern  atö  eine  grucb,t  ber 
@rsieb,ung  ©otteS  unb  feineg  ©eifteg  3er  31,  18;  ®%  11,  19f.;  36,  26 f. 

3.  ®ie  ^rofj^etifc^en  ©ebanlen  über  be§  SJfenfcljen  ©cf)ufb   unb   ba§  ©rbarmen  be§ 
^eiligen  ©otte§  mirlen  aueb,  im  31X  fort.    ®aö  ^eue  ift,   bafe  nun  bie  ©eftnf#eit  ber 

40  göttlichen  23unbe§gnabe  eine  jugleicf)  umfaffenbere  unb  feftere  ©runblage  in  @b,riftug  unb 
feinem  §eil§tobe  empfängt,  ©ie  ©ebanlengänge,  in  benen  fid)  biefe  ©elt)iBb,eit  aufragt, 
folgen  in  meitgeb,enbem  2JJa§  ben  ©puren  be<§  21SI  23unbfcb,Iiefeung  unb  Opfer,  bie  35er= 
tretung  ber  Ungerechten  burc^  ben  ©ott  Wohlgefälligen  ©eredjten,  ber  füb/nenbe  Söert  un= 
fcfmlbigen  Seiben§,  aß  ba§  Ief)rt  in  2tnioenbung  auf  Sb,rifti  $eil§werl  tnieber.   DJcan  b,at 

45  eg  nun  freilieb,  auffaHenb  gefunben,  ba^  in  ben  ftmoptifcfyen  ©oangelien  nur  jmei  SBorte 
3efu  über  bie  berföfmenbe  Äraft  feines  %ob&  überliefert  finb,  fcon  benen  ba§  eine  biefen 
als  Söfegelb  bejeic^net,  bureb,  bas>  bie  5ßielen  fcb,ulb=  unb  ftraffrei  roerben  9Jlc  10,  45,  baS 
anbere  ifn  als  Dbfergabe  jum  ßmec!  einer  neuen  33unbeSfcb,lie^ung  beutet  9Jft  26,  28  (in 
Slnlelmung  an  baS  33unbe§opfer  @e  24,  3—11).    Seibe  SluSfagen   laffen  ber  genaueren 

50  2luSlegung  einen  toeiten  ©toielraum.  ^lar  ift  jeboef),  bafs  ba§  Xvxqov  nicb.t  junäcb,ft  fitt= 
Iicb,e  Erneuerung,  fonbern  ©ctjulbbefreiung  mir«,  a!fo©ünbe  gutmacht  unb  Ungnabe  ab- 
toenbet,  unb  ba|  ^efu  %oh  als  baS  ©emeinfcb.aft  mit  ©ott  erfcbjiefjenbe  unb  oerbürgenbe 
Dbfer  ben  2Bir!ung§freiS  ber  lultifc^en  Dbfer  toeit  überfcb,reitet.  ®em  SBort  bom  Söfegelb 
liegt  ofyne  ßtoeifel  ber  ©ebanfenlreiS  bon  ^ef  53  ju  ©runbe,  t»aS   fcb.on   au§  ber  h>eit= 

55  geb, enben  ©ntfbrecb^ung  ber  leitenben  Segriffe  Xvxqov  =  üt5$f  &VT\  noXXcbv  —  ^  ^^  NPt1 
|erborgeb,t.  ®er  ©runb,  ber  3«f"  ®ienen  bis  jum  2obe  biefe  Söirlung  giebt,  toirb  meb,r 
angebeutet  als  ausgebrochen.  @r  lann  aber  im  ©inllang  mit  3«fu  fonftiger  3Serfünbigung 
nur  barin  gefugt  toerben,  ba^  feine  ^Ereue  bis  in  ben  £ob  bie  fittlicb,e  Sebingung  erfüllt, 
unter  ber  ©otteS   allezeit   bereite   berjeiljenbe  ©nabe   an  ben  „Sielen"  roirlfam   merben 

60  lann.    SDie  fc^einbare  3foIierung  biefer  ©teilen,    bie  ju  33eben!en   gegen  ü)re  ©^eit 


a$erföl)mtng  557 

äfofafe  gegeben  Ijat  (%.  (Sbj.  Vaur),  berfdjminbet,  roenn  man  fieb,  beutlicb,  macfyt,  bafs  aueb, 
bie  fonftige  Verrunbigung  $efu  fein  meffiamfcfyeS  auftreten  als  ben  2lnbrucf)  einer  $eilS= 
3ett  Sc  4,  21;  2Jct  11,  5f.  25ff.;  13,  16f.  unb  bie  Vürgfcb/aft  einer  nafyen  göttlichen 
StettungStfjat  Mt  5,  4 ff.;  16,  27f.;  Sc  18,  7 f.  bejeitfmet.  SDiefe  rettenbe  (Srtoeifung  ber 
göttlichen  Siebe,  bie  mit  feinem  -JBirten  begonnen  §at,  erreicht  tbje  boltenbenbe  ©bi£e  in  .-, 
bem  neuen  Vunb,  ben  fein  %oi  befiegelt.  Slm  roenigften  barf  man  aus  bem  ©leiclmiS 
bom  Verlorenen  ©ofm  Sc  15  bie  ©ntbefyrlicr/feit  einer  ©üfyne  folgern.  @S  fbric£)t  nur  bon 
bem  legten  ©runb  ber  Verjeiljmng,  ber  Vaterliebe  ©otteS,  otme  ben  2ßeg  it)rer  gefct;icb> 
liefen  Vermittlung  mit  befcfyreiben  ju  rooHen.  llnb  fein  Israelit  roufjte  eS  anberS,  als 
bajj  ©otteS  Vergebung  ben  Veftanb  feiner  VunbeSgnabe  borauSfe^e,  bie  hinfällig  roerben  10 
muffe,  toenn  ©otteS  §eüigieit  mifjacfytet  roerbe. 

$DaS  übrige  31%  bezeugt  übereinftimmenb,  bajj  eS  Vergebung  ber  ©ünbe  unb  roab/r= 
b/afte  ©emeinfcfyaft  mit  ©Ott  nur  burefy  Vermittlung  ßljrifti  für  uns  gtebt.  SDie  einzelnen 
Scfyrbegriffe  unterfcfyeiben  ftcfy  aber  barin,  bafj  ^auluS  biefe  §eilStoirfung  auSfcfyltepd)  an 
ßfyrifti  %ob  fnübft,  ber  aber  in  biefer  §tnficr;t  bon  ber  3luferfter/ung  nicfyt  getrennt  roerben  15 
lann  9tö  4,  25,  roä'Ipnb  bei  Sinnes  3efu  ^erfon  als  folcb/e  baS  §eil  berbürgt  1  %o 
2,  2,  olme  ba|  freiließ  ein  befonbereS  Moment  feines  SCobeS  für  bie  |>etlSbermtttIung  bei 
ibm  fehlte  %o  6,  51 ;  12,  24.  ®er  §ebräerbrtef  läfst  baS  SDiittleramt  (tfyriftt,  gu  bem  fein 
Dbfertob  toefentlict)  gehört  9,  15  ff.,  erft  mit  feinem  ©ingang  in  baS  fytmmltfcfye  Heiligtum 
gum  2lbfcf;Iufe  fommen  9,  24.  Darüber  roie  ßf/rtfti  Stob  baS  §etl  befcfyafft  bat,  finben  20 
fieb,  bei  ben  neuteftamentlicfyen  ©cfyriftftellem  im  roef entließen  5  VorfteHungen,  bie  fiel) 
freiltcb,  nicb4  immer  beftimmt  gegeneinanber  abgrenzen  laffen.  1.  ©ie  folgen  ber  2Ina= 
logie  beSDbferS  1  Vt  1,  2;  £br.  9,  14.  26;  10,  10;  1  So  1,  7;  2Ibl  5,  12;  7,  14.  Dabei 
toirb  beffen  fünbentilgenbe  SBirfung  ntcfyt  erficht,  fonbern  borauSgefetjt,  roeSfyalb  mir  ben 
betreffenden  ©teilen  aueb,  roefentlid)  nur  bie  2luSfage  beS  ©rfolgg  entnehmen  fönnen.  20 
^auluS  berroenbet  bie  Dpferborftellung  nur  gelegentlich  1  So  5,  7 ;  (Ebb,  5,  2  unb  olme 
fie  lebhaft  gu  betonen,  wofern  man  nicfyt  üaoriJQiov  9iö  3,  25  als  ©ülmobfer  berfieb/t, 
wogegen  manches  ftoricfyt.  2.  6I)rifti  5£ob  Wirb  als  bie  Erfüllung  ber  gefepcfjen  ©traf= 
forberung  aufgefaßt,  bie  bem  Söalten  ber  ©nabe  im  2öege  ftanb.  DaS  ift  unber!ennbar 
©a  3, 13  ber  galt.  Man  bergifct  aber  ben  5Rab,men,  in  bem  biefe  ©teile  ftcf)  finbet,  toenn  30 
man  fie  jur  ?Jorm  aller  anbern  baulinifdjen  ©rflärungen  ergebt,  ©te  gehört  einer  Slr= 
gumentation  gegen  bie  fortbauernbe  ©ültigleit  beS  altteftamentlic^en  ©efeijeS  für  bie 
^riftengemetnbe  an.  Unb  ber  baulmifcfye  ©ebanfe  bon  ber  blofj  ^eittoeiligen  ©eltung 
be§  ©efetjeS  ©a  3, 19 ;  sJfö  5,  20  mu|  uns  babon  abgalten,  bie  in  ^efu  %oi  befriebigte 
©efe^eSborfc^rift  mit  ber  unberbrücblic^en  fittlicb,en  9lorm  beS  göttlichen  §anbelnS  ju  35 
ibentifijieren.  3.  %t\u  SEob  ift  als  fittlicb.e  %fyat  bon  unbergleic^Iic|er  Steinzeit  unb  ©rö|e 
geeignet,  bie  ©ünbe  beS  3Jcenfcb;engefctjIec^tS  gutzumachen  unb  bie  gegriffene  ©emeinfcfyaft 
mit  ©ott  toieberb/erguftellen  9tö  5,  19;  ^3b,i  2,  8;  l  p  2,  22;  §br  7,  28;  ^o  10,  17. 
'JieS  entfbricfyt  ber  altteftamentlic^en  2tnfc|auung,  ba^  ber  gortbeftanb  beS  VunbeS  ©otteS 
mit  feinem  Volf  bureb,  ben  ©eb,orfam  feiner  treuen  ^necf;te  ermöglicht  roerbe.  Überboten  40 
toirb  biefe  aber  baburclj,  bafs  eS  b,ier  ber  eigene  ©ofm  (?Rö  8,  32)  ift,  öeffen  fel»llofe  S5oH= 
fommenb,eit  unb  Iüc!enIofe  äreue  ben  bon  ifym  mit  Erbarmen  umfaßten  ©ünbern  ju  gute 
fommt.  ©abei  fann  (roie  in  3)cc  10,  45)  ber  SEob  als  §ör;ebuntt  beS  fittlicr/ett  ©e|or= 
famS  mit  beffen  borauSgeb,  enber  Vetbätigung  jufammengefafet  roerben ;  eS  lann  aber  aueb. 
4  ber  Stob  Sfyrifti  unter  ben  befonberen  ©eficb;tsi)unlt  geftellt  toerben,  ba^  er  als  mißigeS  45 
Seiben  beS  ©djwlblofen  baS  Verberben  gum  ©tißftanb  bringt  unb  fo  bie  ©cf/ulbigen  rettet. 
^iefe2tnfa)auung  bom  ©ünbetragen  beS  ©erecfjten,  bie  in  ^ef  53  ib,r  Vorbilb  b,at,  ift  ftct>er 
nief/t  im  3tecb,  tsleben  ju  §aufe.  Viel  et)er  berbinben  fieb,  in  it)r  uralte  religiöfe  VorfteÖungen 
bon  ber  füfmenben  Ätaft  unfcb,ulbigen  VlutS  mit  jüngeren  etfnfcr/en  ©ebanfen  über  bie 
Kraft  ^eiligen  SeibenS,  ©otteS  ©rbarmen  auf  fieb,  ju  §tet;en  unb  menfcbjicfye  ©eroiffen  ju  m 
erfcfmttem.  ^m  31%  begegnet  fie  uns  namentlich  1  Vt  2,  22 f.;  $o  1,  29;  maf)rfcf)einlicb; 
liegt  fie  aber  aueb,  ba  ju  ©runbe,  too  ^efu  ^ob  als  Söfegelb  ober  Kaufpreis  bejeitt;net 
rotrb  ©a  1,  4;  1  Äo  6,  20;  7,  22.  5.  9cocb,  tiefer  greift  ein  anberer  ©ebanfengang,  ben 
namentlich  ^auluS  auSfbric^t.  6b,  riftuö  ift  bon  ©ott  gum  Anfänger  einer  neuen  9){enfcb/= 
l)eit  beftimmt,  ber  groeite  Slbam.  ^nbem  er,  bem  göttlichen  Auftrag  geborfam,  bon  ber  55 
fteinbfcbaft  ber  gottmibrigen  255elt  ben  %ob  erleibet  unb  bureb  ©otteS  9Jiacr;t  aufertoeeft 
tbirb,  jiebt  er  bie  3J}enfd()beit,  bie  fiel)  burd)  ilm  beftimmen  läfet,  in  bie  gleiche  ©rfa^rung 
hinein,  ^n  biefen  großen  2;b,atfac^en  feines  3)UttleramteS  ift  bie  Umler/r  ber  3Jtenfcf)f)eit 
auS  einem  Seben  mtber  ©ott  ju  einem  Seben  für  ©ott  nict)t  nur  abgebilbet,  fonbern  an= 
gebahnt  unb  geroäbjleiftet.     Darum  ift  fein  £ob   ibr  %ob   unb    feine  Stuferfteb/ung   it)re  60 


558  Sßerföfinttttg 

Serfejjung  in  ein  neue§  ©afein:  2  Ho  5,  14 ff.;  9tö  5,  12  ff.;  6,  3—10;  @a  2,  19 f.  unb 
in  befonberer  2lntt>enbung  auf  bie  Sefeitigung  be3  @egenfa£es>  Don  Quben  unb  Reiben 
@bf;  2,  14  ff.  £)a§  Unterfcfyeibenbe  biefer  ©ebanfenreifye  gegenüber  allen  früheren  liegt 
barin,  baf$  fie  nict)t  in  befonberen  altteftamentlicfyen  Sorausfetjungen,  fonbern  ganj  in  ber 
b  2tnfcf;auung  ber  gefcf;icf;tlicf;en  Offenbarung  unb  in  ber  cf;riftlicf;en  ©Iauben3erfaf/rung 
tourgelt,  ätucf;  fie  bebarf  aber  ber  (Ergänzung  burcb,  ben  jofyanneifcfyen  ©ebanfen,  ba| 
ber  9Jienfd)fyeit  neues  Seben  nur  bura)  ben  'Sob  unb  bie  2fuferfief;ung  beffen  lommen 
fonnte,  ber  bon  Anfang  an  ba§  Seben  in  ftcf;  trug  unb  fief;  barum  mit  immer  toacf;fenber 
SDeutIicb,feit    als    ber   Sürge   ber  ©nabengegentoart    ©oiteS    offenbaren   lonnte.    ©iefe 

10  mannigfach,  berfcf)iebenen  2Beifen,  ben  SLob  ßfrifti  auflegen,  treffen  aber  jule|t  bocf;  in 
einem  gemeinfamen  ©ebanfen  jufammen,  bafs  nämlicf;  bie  bergebenbe  ©nabe  ©ottes>  eine 
fyeilige  Drbnung  in  fief;  trägt,  bie  balb  mefyr  äufjerlid;,  fultifcf;  unb  gefeijlicf;,  balb  mef;r 
innerlicf;,  etfnfcf;  unb  religiös  berftanben  toirb.  3mmer  behält  fie  ettoaS  ©efyeimniäbolleg, 
baS  menfcf/licf;e  ©ebanfen  nur  annäfyernb  enträtfeln.  2lm  toenigften  lann  bie§  einer  juri= 

15  fttfcfjen  ©eutung  gelingen.  Slucf;  fcfyon  ber  ©ebanfe  ber  ©tellbertretung,  ben  manage 
©teilen  jtoetfelloS  an  bie  |>anb  geben  2  Ho  5,  15;  1  $t  3,  18  ift  ju  meefjanifcf;  für  ben 
kaufet)  ber  Siebe,  um  ben  e<§  ftd£>  fyanbelt,  unb  für  ben  toei3f;eit<3boIIen  9Beg  ©otteS,  ber 
freiefte  SiebeStfyat  unb  er^ier/enben  (Srnft  berbinbet.  (Eine  Serföljmung  aber,  ber  biefe§ 
9Jcoment  ^eiliger  Drbnung  fehlte,  toäre  mit  bem  ©otteäbegriff  ber  biblifcf;en  Religion  tote 

20  mit  ifyrem  Urteil  über  bie  ©ünbe  unberträglicb,. 

üftur  ^auluS  bertoenbet  für  ben  ©rfolg  be<§  füljmenben  (Eintretens  Gfyriftt  ben  gu= 
fammenfaffenben  Segriff  ber  Serföfmung,  y.axaXkayr]  3?ö  5,  10 f.;  11,15;  2  Ho  5, 18— 20. 
2ln  feinen  ©bracfygebraucf;  f;at  fief;  barum  auef)  bor^ugStoeife  bie  (Erörterung  über  ben 
©tnn  biefeS  Segriff 3  in  ber  bibltfcfyen  Religion  angefct/loffen.  Offenbar  berftefyt  er  barunter 

25  bie  (Einigung  getrennter  Parteien  (1  Ho  7,  11),  bie  §erfteßung  eines»  bleibenden  grtebenS= 
bunbeS  gtoifcfien  ©ort  unb  SJtenfcfy.  SDabei  toaf;rt  er  burcfjauS  ©ott  bie  £$nitiatibe,  inbem 
er  mit  bem  Serbum  xaxaXXdaaeiv  immer  ©Ott  als  ©ubjeft,  ben  9Jtenfa;en  als  Objeft 
berbinbet.  ©otteS  jum  3Seräeit;ert  bereiter  SiebeStoifle  ift  ü)m  SorauSfetjung,  nicfyt  erft  @r= 
folg  ber  Serföfmung.    ©arauS  barf  man  aber  nicfyt  folgern,   bafj  bie  letztere  bei  ^auluS 

30  in  einer  Umftimmung  ber  5CRenfcf;en  aufginge.  2Senn  er  aufy  begreiflicfyertoeife  bie  auf= 
ju^ebenbe  „geinbfcfjaft",  too  er  genau  rebet,  nur  bem  5Renfcf;en  jufdjreibt,  dtö  8,  7 ;  Hol 
1,  21,  fo  ift  bocf)  feine  Meinung  bie,  bafj  auef)  auf  ©otteS  ©eite  ein  £inbemiS  ber  ©e= 
meinfcf;aft  ju  übertbinben  toar.  ®arum  fagt  dtö  3,  25 f.,  baft  e§  nur  unter  (Srweifung 
ber  göttlichen  ©erecf;tigfett  ju  einer  Rechtfertigung   be§  ©ünberS   fommen   fonnte.    3lber 

35  biefe  ©erecf;tigfeit  ift  auef;  f;ier  nid;t  an  feiner  §eiligfeit  attein  fonbern  jugleicf;  an  feiner 
©nabe  orientiert;  nur  unter  biefer  Sebingung  fonnte  ber  2lu§gang  fittlicf)  neufa)affenbeS 
§eil  fein,  ^n  ber  y^erföl;nung  erfcf)eint  ©otteS  Siebe  5tö  5,  8  in  unbebingter  @inf;eit  mit 
fetner  bie  ©ünbe  berurteitenben  §ciligfeit  9tö  8,  3,  beren  fcf)öbferifcf;e  3Racf;t  aber  nicfyt 
auf  bie  blo|e  2ßab,rung  ber  gefeilteren  Orbnung   eingefcf;ränft  merben  barf.    ^n  biefer 

40  (Einheit  bon  Siebe  unb  ©ruft  ift  ©otte§  ©nabe  erjie^enb,  fittlicf;  förbernb  Sit  2,  12 
xägig  Jicudsvovoa.  ©er  Umfang  be§  in  (Ef;rtftu§  gefcf)Ioffenen  grieben^bunbe§  erftreeft 
fief;  ber  göttlichen  2lbficf)t  naef)  auf  ba§  gan^e  SiJfenfcfjengefc^lecfjt  2  Ho  5,  15.  2tber  nur 
bie  ©laubenben  treten  löirflitf;  in  if)n  ein  9tö  3,  25,  ba  er  an  bie  gugefyörigfeit  ju 
6f)riftu§  gebunben  ift  2  Ho  5,  21.    ©te  3Serföf/nung  ift   objeftib,  fofern   fie  in  Slpftuö 

45  gefcl)icf)tli(f;  bolljogen  ift,  unb  bebarf  bocf;  ^ugleicl;  fortgeb,enber  fubjeftiber  3Sertoirflicf;ung 
in  ben  ©liebern  feiner  ©emeinbe  2  Ho  5,  20. 

4.  33on  biefen  btblifcb,en  ©ebanfen  ift  junäcbjt  überrafcfjenb  menig  im  Setou^tfein 
ber  älteften  Hircfje  lebenbig  geblieben,  fotoett  fief;  biefe§  in  ber  Sitteratur  fbiegelt.  S3efort= 
ber§  im  9Jcorgenlanb  tritt  für  lange  3e^  oer  beftimmte  ©ebanfe  ber  2Serföb,nung  fymter 

50  ben  affgemeineren  ber  ©rlöfung  gurücf.  ®ie6  ift  unberfennbar  barin  begrünbet,  bafj  man 
in  ber  ©ünbe  mef;r  bie  iserberben^macf;t  als  bie  ©cfjulb  erfennt  unb  roürbigt.  Sefu^ 
ift  barum  auef;  rttcr)t  fo  fefjr  ber  Befreier  bon  ©cfmlb  al§  ber  3Sieberb,erftefler  be§  bon 
ber  ©ünbe  angerichteten  ©cf;aben§.  ©eine  §eiföbebeutung  liegt  mef)r  in  feiner  3}ienfcf;= 
toerbung  unb  Sefyrmirffamfeit  ai§>  in  feinem  Hreujeötob.    ^"fti"  täfst  fiel;  jtoar  burcf;©a 

55  3,  13  baran  erinnern,  bafs  6l)riftu3  ben  glucf;  aller  auf  fief;  genommen  f;abe  (Dial.  c. 
Tryph.  95);  aber  er  toeifs  biefem  ©ebanfen  feine  betonte  Stellung  in  feiner  ©efamt= 
anfcfiauung  ju  geben,  lieferen  (Einfluß  üben  bie  baulinifcl;en  ©ebanfen  auf  ^enäu§. 
Sei  if;m  toirb  bie  parallele  bon  2lbam  unb  Sf)riftug  toieber  lebenbig;  beibe  finb  33er= 
treter  ber  gefamten  S[Renfcf;f;eit   unb   beftimmen   in   entgegengefe^ter  SBetfe  if;re  2lrt  unb 

60  iljr  Sog.    6f;riftug  bilbet  in  fetner  $erfon  einen  neuen   ^eiligen  2lnfang  ber  3Jlenfcf;f;eit, 


2krfijf)nmtg  559 

er  mad)t  burcb;  feine  geftigfcit  in  ber  Verfügung  ben  llngefyorfam  2lbamS  roieber  gut 
unb  eröffnet  fo  ber  abgeirrten  9Renfd)l)eit  aufs  neue  ben  SBeg  jur  Bereinigung  mit  ©ott 
unb  ju  unbcrgängltcfyem  Seben.  216er  eS  ift  fcb/roer  %u  fagen,  wie  fid)  in  biefer  9terabi= 
tulation  bfyr/ftfcfye  •■Regeneration  unb  SÖanblung  beS  religiöfen  Verb/ältniffeS  ju  ©ott  p* 
einanber  behalten.  Sie  fbätere  griecfyifclje  Geologie  r)at  fie  roefentlid)  als  ^ö^eren  3tatur=  5 
borgang  berftanben,  ber  in  ber  Sftenfctjtoerbung  jum  entfdjeibenben  Vollzug  fommt.  Sie 
©egenmart  beS  SogoS  in  ber  9JZenfd)l)eit  tocrge^rt  alles  ©d;lect)te  unb  fd;ü|t  bor  bem 
Serberben  (©regor  bon  9}r/ffa,  ßtyrilt  bon  2Iler,anbrien).  ©abei  it)atte  man  aber  bod)  baS 
VebürfniS,  für  bie  auffaflenbe  Sr/atfacfye  beS  Sfreu^eStobeS,  bie  in  biefer  ©rlöfungSlebre 
fo  wenig  £id)t  cmbfing,  eine  ©rflärung  ju  geben,  ©ie  fanb  man  lange  gz'it  barin,  b'afj  10 
man  u)n  als  Vefriebigung  eines  2tnfbrud)S  beS  Teufels  beutete.  -JJcarcion  fyatte  juerft  ge= 
meint,  ber  ©ott  ber  ©üte  l)abe  bie  ^reilaffung  bvc  fünbigen  9Jienfd)en  bon  bem  ©emiurgen, 
bem  Vertreter  ber  garten  9}ed)tSorbnung,  nur  burcf)  biefeS  gugeftänbniS  an  fein  ©efetj 
erlangen  tonnen.  $n  biefer  2lnfd)auung  fonnte  barum  etroaS  Veftect/enbeS  liegen,  weil 
fie  ber  Erinnerung  entfbrad),  bafj  ^efu  %oi  bon  ben  gefe^licfyen  Vfmrifäern  ausging ;  fie  15 
entbleit  überbieS,  roenn  aud)  in  unflarer  unb  miberfbrucijSbotler  2Beife,  bie  2ll)nung,  in 
^efu  Job  l)abe  eine  2tuSeinanberfe£ung  mit  einer  bon  ber  ©nabe  ju  unterfcb/eibenben 
Crbnung  ftattgefunben.  ®arauS  erflärt  ftd£>  baS  Vefireben,  fie  unter  möglicfyfter  Tilgung 
tr)re§  bualiftifdien  §intergrunbs  auf  ben  Voben  ber  äirdje  ja  berbflanjen.  ^jrenäuS  tfmt 
bieg,  inbem  er  ein  eigentliches  Sfted^t  beS  SLeufelS  auf  bie  9Jcenfd)en  ablehnt,  bielme^r  in  20 
©otteS  5Rüc!ficr)trta^me  aud)  auf  biefen  fcb/lecf/i  begrünbeten  Slnfbrud)  eine  befonbere  Vißig= 
leit  fiel)t  (adv.  haer.  V,  1,  1)  unb  auS  $efu  baffiber  Eingabe  an  bie  ©emalt  ber  apo- 
stasia  einen  altiben  ®ambf  gegen  fie  mad;t  (V, 21,  3).  DrigeneS  ift  tf)m  barin  gefolgt; 
Spätere  tüte  ©regor  bon  Sibjfa  fyaben  barauS  einen Vctrug  beS  Teufels  gemacht,  ber  fid) 
außer  ftanbe  fal),  ben  fünblofen  ©otteSfobm  feftjufwlten.  ®aS  fittlid;  Slnftöfjige  fucfyt  er  25 
baburd)  5U  befeitigen,  bafe  er  in  biefem  göttlichen  Vetrug  bie  gerechte  Vergeltung  für  ben 
teuflifdjen  Vetrug  fielet,  burcl)  ben  bie  2Renfd)en  um  il)re  ©eligfeit  gelommen  toaren. 

3lud)  im2lbenblanb  berfd)mäf)te  man  biefe  eigentümliche  2el)re  nid)t;  felbft  2luguftin 
fyat  fie  in  mannigfachen  formen  ausgeführt   (bgl.  ©d)eel  ©.  298  ff.)   unb   nocf)  2tnfelm 
mufj  fid)  ben  2öeg  jur  GsntrcicMung  feiner  eigenen  ©ebanfen  bahnen,  inbem  er  il)re  Un=  30 
möglid)Ieit  barlegt,    ©ine  fird)lid)  aner!annte  £I)eorie  über  ben  ©inn  beS  SeibenS  (Efyrifti 
giebt  eS  für  bie  erften  d)riftücr)en  Qa^rljunberte  ntc^t.    ©regor  bon  HRajtang   fbrid;t  bieS 
bireft  auS,    inbem   er   fagt,    man  fönne  in   ber  ©eutung  beSfelben   olme  ©efab^r  irren 
(Orat.  33).     @S  finben  fid)  mob^l  2Infä^e  ju  einer  ^f)eorte,   of>ne  bafe   biefe  iebod)  lon= 
fequent  unb  einheitlich   burd^gefüb^rt  mürben.    ©0   bertoenbet  DrigeneS   ben  Dbferbegriff,  35 
oljme  il)n  freilict)  nä^er  ju  erflären;    SEertullian  unb  6t)brtan  enttoitfeln  im  Slnfcfyluf  an 
bie  2lnfd}auung  bon   ber  Sufee   juriftifc^e  ©ebanlen.    SCÖte   getoiffe  freimiUige  2eiftungen 
für  fiel)  angefel?en  33erbienfte   finb,   gegenüber   begangenen  Verfehlungen   aber   ju  ©atiS= 
faftionen  roerben,  fo  §at  auc§  S^rifti  %oh  bie  J^raft,  ©ott  für  bie  ©ünbe  ber  ajienfc^b^eit 
genugjutf)un.     2JmbroftuS  unb  §ilariuS  folgen  biefer  ©bur,  inbem  fie  in  ßb^rifti  %ob  ein  40 
ju  ©unften  ber  TOenfcfyen  unb   in  Erfüllung   einer  göttlichen  gorberung   übernommenes 
freiroilligeS  ©trafleiben  fefjen. 

3Sie  mannigfach  bie  ©ebanlengänge  fieb^  freuten,  jeigt  bie  intereffante  altfircr/ltd)e 
parallele  ju  2lnfelmS  Cur  Deus  homo,  bie  ©cbjift  beS  2ltf>anafiuS  Ilegi  hav&Qoo- 
xi'joecds  Xoyov.  3§re  £>aubtgebanfen  finb  folgenbe:  sJJacf)bem  burd)  bie  ©ünbc  ber  %cfo  45 
eine  redjtmäfsige  §errfct)aft  über  bie  5Renfd;§eit  erlangt  b^at,  giebt  eS  nur  baburd;  eine 
2luSgleid)ung  ber  göttlichen  2Saf)rf)aftig!eit,  meldte  bie  2tnerlennung  biefeS  3tecb,tS3uftanbS 
forbert,  unb  feiner  @f/re,  meiere  bie  Vereitelung  feines  ©ct/öbfungSblanS  nicf)t  jugeben 
fann,  bafj  ber  %öt)  feine  §errfc£)aft  an  bem  9Jienfcr;enleib  beS  SogoS  auswirft.^  ©iefer 
f)at  bermöge  beS  if>m  einroof)nenben  SogoS  folgen  Üöert,  bafj  er  als  Xvtqov,  xaidUrj^ov,  50 
üv/ua  für  aüe  gelten  fann.  SDamit  ift  bie  ©d)ulb  aller  bejaht,  ber  giucf)  bureb^  ben 
ftlucr/tob  beS  ^reu^eS  getilgt,  ber  Xob  auSgelöfc^t.  Stuf  ben  £ob  beS  SrlöferS  folgt  not-- 
toenbig  feine  3tuferftel)ung,  benn  ber  Seib,  in  meinem  baS  2ßort  2Bob>ung  gemacht  f)atte, 
tonnte  roeber  bertoefen,  noebj  burfte  er  im  ©rabe  bleiben.  @r  follte  bielmeb,r  baju  bienen, 
bie  ©nabe  ber  Unfterblid)teit  ju  offenbaren.  ®iefe  Reflexionen  tommen  bem  ©ebanten  55 
ber  Verfolgung  nab^e  unb  boc|  erreichen  fie  il)n  nid)t  ganj,  ha  aud)  f>icr  nict)t  auf  bie 
Sdmlb  ber  9iad?bruct  fällt.  sJcid)t  ber  §eiligfeit  ©otteS,  fonbern  bem  sJted)tSanfbrucf)  beS 
löbeS  gefd^ieb^t  bureb;  baS  Äreuj  ©enüge.  ©0  biel  barum  aueb  bon  ber  .ßwedmäfeigfeit 
beS  'JobeS  ^efu  unb  feiner  einzelnen  Umftänbe  bie  Rebe  ift,  im  ftrengften  etb.ifd^cn  oinn 
nottwenbig  ift  biefer  Sßeg  bod)   nicfjt.    2ltt)anafiuS    fann   aud;   bon   ber  ©rlöfung   burd;  60 


560  äJerföfjmmg 

ßfyrifti  SefyrWirffamfeit  ober  burcb,  bie  metabfyr/fifcfye  ;Jceufcl)öbfung  ber  9Jcenfd$eit  reben, 
ofme  bafj  in  biefen  ©ebanfengängen  ber  ^reujeätob  eine  notWenbige  ©teile  £>ätte.  2tua) 
er  fielet  auf  bem  Soben  ber  fyerfömmlidjen  ©rlöfungllefyre,  bie  aucb,  für  feine  d)riftologi= 
fcfyen  ©ebanfen  mafjgebenb  ift;  bie  biblifdje  Qbee  ber  23erfölmung  fyat  er  nur  geftreift. 
5  2lucb,  2luguftin3  ©ebanfenarbeit  ift  für  bie  23erföfynung3lef>re  nict/t  fo  förbernb  ge= 
Wefen,  Wie  man,  aix§  feiner  Setonung  beö  ©egenfaljeg  bon  ©ünbe  unb  ©nabe  folgernb, 
erwarten  möchte.  @r  fyat  ^War  bie  ©ünbe  inäbefonbere  im  9fal)men  ber  Sujjlefyre  al§ 
SBeleibigung  ©otte<§  geWürbigt  unb  ntc^t  feiten  bem  ©djmlbgefül)!  tüte  bem  grieben§= 
Verlangen  be§  ÜKenfcfyenfyerjeng  tiefen  2tu3brud;  berliefyen.    9Jian  lann   aucb,    au§   feinen 

10  $uf$erungen  eine  SRet^e  wetterfüfyrenber  ©efid^bunfte  jufammenfteßen,  bie  auf  eine  etb,i= 
fcfye  §eiMeb,re,  Wenn  fdjion  mit  ftarf  juriftifcfyem  (Sinfcfylag  Anbeuten.  (®ie3  tlmt  namentlich, 
©ottfcfyicf  in  3%b,®  1901).  ©otteS  Siebe  ift  ©runb  be<§  SerföfmungSWerfS  unb  brauet 
nicfyt  erft  burcfy  eine  füljmenbe  Seiftung  fyerborgerufen  %u  Werben  (in  Joann.  ev.  110,  6). 
©^riftuS  ift  SRittler  bermöge  feiner   menfdjlicfyen  Statur  (Conf.  X,  43).    2ll§  fünblofer 

15  ^Renfa)  bringt  er  ba§  füljmenbe  D^fer  feinet  2obe§,  er  bejafylt  bie  ©cfyulb,  bulbet  ftett= 
bertretenb  bie  ©träfe  unb  befreit  un§  baburcb,  bon  ©träfe  unb  ©d)ulb  (Serm.  171,  3). 
@r  ergänzt  biefe  Seiftung  burtt)  feinen  aftiben  ©efyorfam  unb  erfeist  bamit  unferen  SRangel 
(Contra  Faust.  19,  7).  $n  aü  bem  ift  er  bas>  §aubt  ber  ©emeinbe,  für  bie  er  twnbelt 
unb  leibet.    2Iber  neben  biefen  an  bie  fbätere  3ÜerföI)nung3lel)re  StnfelmS  unb  ber  3lefor= 

20  matoren  anHingenben  Elementen  ftefyen  ganj  anbere,  bie  fie  berbunfeln  unb  burcfylreujen. 
©ine  ftrenge  ©urd)fül)rung  ber  Skjielmng  bes>  %obe3  6f)rifti  auf  ©otteä  fittlicfye  Drbnung 
fjinbert  fdwn  bie  bon  2tuguftin  feftgefyaltene  SSorftetlung,  baft  biefer  %ob  ein  Söfegelb  an 
ben  Teufel  ift  (de  trin.  XIII,  15,  19).  @r  begießt  ©otteS  ^orn  nid)t  auf  bie  ©djulb, 
fonbern   nur   auf   bie  ©träfe   ber  ©ünbe  (Enchir.  33,  10).     @r  grenzt  ßfyrifti   aftiben 

25  ©efyorfam  rttd^t  gegen  ben  ©ebanfen  be3  23orbüb<§  ab.  @r  nimmt  Weiterinn  aucr;  bie 
griednfcfye  2lnfd)auung  auf,  Wonacfy  fdjon  bie  SRenfcfyWerbung  erlöfenb  ift,  toag  bie  33e= 
beutung  ber  gefcfyidjtlicfyen  Seiftung  6I)rtfti  minbeftenS  einfcbjänft.  tlnb  fdjliefslict;  fcfywädjt 
er  bas>  ©etoicfyt  ber  Skrföljmung  überhaupt  baburcb,  abr  bafj  er  in  ber  ©ünbenbergebung 
nur  bie  Vorbereitung  unb  ben  2tnfang  bes>  §eilö  fief>t,  Wäfyrenb  erft  bie  Mitteilung  ber 

30  Siebe  rea)t  mit  ©ott  bereinigt  (de  fide  et  symb.  9,  19 :  non  reconciliamur  nisi 
per  dilectionem).  ©o  ift  ber  Geologe  Sluguftin  troij  mancher  fruchtbaren  2Infä&e  bocb, 
ber  metab^r/fifdiien  unb  eubämoniftifcfyen  §eil3lel)re  ber  ©rieben  näfyer  geblieben,  al3 
manche  feiner  berfönlia^en  ßeugniffe  erroarten  laffen  (bgl.  namentlich  ba§  SBucb,  i)on  ©d^eel 
unb  beffen  2lbb,anblung  %t)Sm  1904). 

35  5.  9Jcit  2lnfelm  bon  ßanterbur^i  beginnt  nicfyt  nur  ein  neuer  2lbfd?nitt  in  ber  ©e= 
fcb,id9te  ber  äkrföfymmgglefyre,  er  ift  übertäubt  ber  erfte,  ber  fie  in  ftrengem  gitfaNun^ 
jjang  enttüicfelt.  SDtinbertoertige  St^eorien  toie  bte  bon  einem  Söfegelb,  ba§  bem  Teufel 
bqafylt  toorben  märe,  b,at  er  enbgiltig  befeitigt.  ®ie  Slbfidjt  feiner  ©a)rift  Cur  Deus 
homo  ift,  nidjt  blofs  bie  2Ingemeffenb,eit,  fonbern  bie  ftrenge  -Kotmenbigteit  ber  3Jlenfc^= 

40  roerbung  au$  ib,rem  fttoeä,  bem  %ob  be£  ©ottmenfcb,en  barjutb,un.  @r  übernimmt  bie 
grcei^aturenlebje,  aber  er  löft  fie  au$  bem  ^ufflm^w^ang  mit  ber  metabfyr/fifcfyen  §eil^= 
Ieb,re,  in  bem  fie  urfbrünglicb,  fte^t,  ^»erauä,  inbem  er  ben  ^Eob  atö  ben  £öl?ej)unft  beS 
^eilgmerfö,  bie  SJcenfrfjtoerbung  al§  ib,re  blo^e  Sorau§fe|ung  beb,anbelt.  3a  er  ifoltert 
ben  %ob  ßb,rifti  aucb,  gegenüber  ber  boraulge^enben  2Birffamleit  feinet  Sebeng,  inbem  er 

45  biefe  aU  bflic^tmäfeig,  ben  %ob  al§  freiwillig  unb  aufeerfyalb  ber  göttlichen  gorberung 
liegenb  bejeitt)net.  35amtt  fc§afft  er  fio)  bie  9Jtöglitt}!eit,  ib, m  einen  fcb,lecb, tb,in  einzigartigen 
unb  unbergleicf)licf)en  2öert  jujufcr/reiben,  ben  nid)t§  in  ber  Söelt  fonft  b,aben  fann.  2öes= 
b,alb  eine  folct/e  Seiftung  erforberlicb,  mar,  ergiebt  fic^)  au§  ber  Sluffaffung  ber  ©ünbe  unb 
be§  3]erl)ältniffe§  ©otteö  ju  if)r.    ©ie  ©ünbe  ift  23erfagung  be§  ©ott  gefd^ulbeten  ®ienfte§ 

50  unb  —  auf  bie  3öiHenlricl)tung  gefeb,en  —  33erle|ung  feiner  @l)re.  ^m  le|teren  9Jio= 
ment  Wurzelt  borne^mlicf»  if»re  ©d^ulb  (1, 11).  ©oK  fie  aufgehoben  »erben,  fo  genügt 
nia)t  bie  (Srftattung  be§  ©efa)ulbeten,  e§  mufe  baju  al^  @rfa|  für  bie  ^ränlung  eine 
satisfactio  lommen,  bie  ber  Seleibigte  feftfe^t.  S^un  fcb.eint  b,ier  bem  ^Belieben  be§  ©e= 
fränlten  ein  ©bielraum  ju  bleiben,  ber  aud)  ben  gän^lic^en  3Serstct)t  auf  bie  satisfactio 

55  benlbar  macb, t.  3lllein  für  ©ott  ift  ein  foldjer  3Serjic|t  auägefa^loffen.  Söürbe  ©ott  ob,ne 
©enugtb,uung  berjeib,en,  fo  Wäre  bie  Drbnung  feiner  Sßelt  geftört  unb  bie  Ungerechtigkeit 
embfinge  einen  greibrief.  @§  bleibt  nur  bie  Süternatibe :  satisfactio  aut  poena  (1, 12. 
15).  25amit  ftet)t  bie  ^cotWenbigleit  ber  satisfactio  feft,  Wenn  bie  poena,  b.  b,.  bie  3Ser= 
bammnte  be§  Menfcfyengefcbjecfytio  abgetoenbet  Werben  foü.    9lun  gilt  e<S,  i^re  §öb^e   ju 

60  beftimmen.    SDiefe  bemi|t  ficb,  nact)  ber  mensura   peccati.    SRenfd^Iic^e  Seiftungen   Wie 


Serföljnttng  561 

Weue,  (gntfagung,  ©eljorfam,  2öerfe  ber  S3arm^ergtg!eit  lönnen  fdjon  barum  nidjt  in  33e= 
tradjt  fommen,   weil  fie  oljmeljun  geforbert  finb,   alfo  feine  gutmacfyenbe  $raft  für  Unter= 
laffungen  unb  Verfehlungen  fyaben  lönnen.    @3  lann  aber  übertäubt  nur  eine  satisfactio 
genügen,  bie  größer  ift  als    bie  ganje  2öelt.    ©o  gewichtig   ift  bie  ©ünbe  (Nondum 
considerasti,  quanti  ponderis  sit  peccatum  I,  21).   5Zun  Will  aber  ©ott  bergen;     5 
fonft  Würbe  er  bcn  $Wed  aufgeben,  ^u  bem  er  bie  -äRenfdjien  gefcfjaffen   f>at,  unb   bieg 
ftritte  gleichfalls  ioiber  feine  (Sbre.    Samit  ift  eine  satisfactio  geforbert,   bie  größer  ift 
aU  alles,  toaS  außer  ©ott  erjfitert  unb  bie  bod)  bon  ber  9Jcenfdjl)eit  ausgeben  muß,   bie 
ben  @rfa§  fdmlbet.    Siefer  Vebingung  fann  nur  ber  ©ottmenfd)  entfbredjen  (II,  6).  Sie 
®abe,  bie  er  bringt,  mu|  er  felbft  fein,   aber  er  muß  fie  auf  eine  Söeife  barbringen,  bie  „, 
bon  feiner  Vflicfyt  nid)t  umfaßt  Wirb.    sJZun  ift  er  tote  alle  Vernünftige  Kreatur  ©ott  ben 
©efyorfam  feinet  SebenS  fcfyulbig;    ben  ^ob  bagegen  fdjmlbet   er  als  ber  ©ünblofe  nid)t 
(II,  10 f.).    9?ur  in  ber  freiwilligen  SebenSfyingabe   beS  ®ottmenjd)en   lann  barum   bie 
verlangte  satisfactio  gefunben  Werben.    Sie  unvergleichliche  ©d)Were  ber  ©ünbe  berer, 
bie  U)n  töten,   offenbart   ben  unbergleicfylidjen  3>3ert  biefeS  SebenS.    $n  fetner  Eingabe  ]5 
liegt  ein  Verbienft  bon  einzigartiger  ©röße,  baS  ©ott  ntct)t  unbelofynt  laffen  lann  (II,  19). 
Ser  ©ob,n  lann  freilieft,  für  fid)  felbft  leine  Velolmung  empfangen,  ba  er  alle  ©üter  be= 
fi§t  unb  leinet  'JcacfylaffeS  bebarf;   aber  Wenn  er  bittet,  fie  ben  9Jtenfcfyen   juWenben  ju 
bürfen,  bie  er  unbermögenb  fiefyt,  fieft  felbft  ju  befreien,  fo  Wirb  tfym  baS  ber  Vater  nic^t 
abfragen,   ©mbfänger  biefeS  ©efeb  enls  lönnen  freilicb,  nur  biejenigen  fein,  bie  ^efu  Vor=  -_>0 
bilb  nachfolgen,  il)re  ©ünbe  belennen  unb  fid)  beffem  (II,  19  bgl.  16).    ©o  erweift  fict) 
uns  ber  Slob  beS  ©ottmenfdjien  als  bie  einzig  mögliche  aber  aueb,    für  bie  ©ünben   ber 
gefamten  9Jienf<ftt)eit  überfcfymänglicb,   jureicfyenbe  ©atisfaltion  unb   Wir  fel)en  in  biefem 
Verfahren  ber  §eilSftiftung   ben   bellen  ©inllang   ber  33armf)erjigleit  ©otteS   mit  feiner 
©erecfjtigleit  (II,  20).    9ceben  bem  fyier  »erfolgten  ©ebanlen^ug   fbielt   aueb,    bie  macb>  2r, 
boEe  ÜberWinbung  beS  Teufels  eine  nebenfäcf)lid)e,  mebj  ebifobifcfye  9toEe  (1,22.  II,  19). 
§.  Gremer  glaubte  biefe  2tnfelmfd)e  ©attSfaftionSitjeorie  nur  bom  Voben  germanifcfyer 
ffledjtSanfcfyauung  aus  erllären  ju  lönnen.  §amad,  SoofS,  ©ottfdjud  u.  a.  Ijaben  auf  bie  lircb,  = 
licfje Vußlefyre  als  if)r  gunbament  berWiefen.  Saß  l)ter  eine,  btelleicr/t  bie  entfdjeibenbe  2ln= 
Inübfung  liegt,  ift  unbeftreitbar ;  ob  fie  aber  allein  ausreicht,  ift  boct)  fraglich.  Sie  Slrt,  roie  30 
Slnfelm  bie  ©ati^faltion  bon  bem  Urteil  be§  ©elränlten  abhängig  macf)t,  nact)  beffen  ©tetlung 
bemifet  unb  auf  bie  ©ibbe  be§  fie  Seiftenben  befcfiränlt,  fd^eint  boeb,  auf  germanifc^e  5tect) iS-- 
gelrof)nf)eiten  jurüdjutüeifen.   2ßie  man  inbeffen  über  bie  £>erfunft  ber  5£beorie  urteilen  mag, 
beutlicb,  ift,  bafe  2lnfelm  in  6f>rifti  SEob  nid)t  ben  VoEjug  einer  ©träfe  fiet)t ;  biefe  lommt 
bielmebj  in  SBegfall,  inbem  ein  freiwilliger  ©rfa|  für  «Schaben  unb  ^ränlung  angeboten  3-, 
unb  angenommen  wirb.    W.S  folcb^er  ©rfa|  lann  nur  eine  Seiftung  gelten,  bie   an  fieb, 
meriturn  ift,  fofern  fie  bon  bem  Seiftenben  nict/t  geforbert  werben  lann.    2tuf  bie  auf= 
jut)ebenbe  Verfehlung  bejogen  Wirb   fie   jur  satisfactio  (bgl.  §.  ©dmttj,  ^{»©t^  1894, 
205 ff.;  ©ottfd)icl,  £&©  XXII,  389 f.;  3.  Seibolbt,  £&©tÄ  1904,  300ff.).   Sf)rifti  ^ob 
ift  bemnacb,  jWar  eine  fteUbertretenbe  Seiftung,  aber  lein  ©trafleiben.   2Barum  jeboef)  ber  1(1 
SBert  biefeä  2eben^  für  ©ott  gerabe  burd)  feine  Eingabe  in  ben  2ob  jur  ©eltung  lommt, 
Wirb  nid)t  au^brücllicb,  begrünbet.    §ier  fd^roebt  bem  Verfaffer  WobJ  ber  ©ebanle   bor, 
bafe  ber  aSergict)t  auf  irbifelje  ©üter  immer  ebler  unb  berbienftlid)er  ift  al<S  if?r  ©ebraucl), 
ein  ©ebanle,  ben  er  aueb,  ftißfcf)Weigenb  mit  bem  Dbfer  in  Vcrbinbung  gebraut   fyaben 
mag  (bgl.  II,  18  bie  parallele  mit  ber  Verbienftlicb^leit  ber  Virginität).    5Kur  Wenn  man  45 
annimmt,   ba^   bureb,    folcb^e  fyeroifdje  ©ntfagung  immer  ©Ott   geehrt  Wirb,    entfielt    ein 
^toecfjufammen^ang  gWifcb^en  biefer  %l)at  unb  ber  @f»re  ©otteä.    ^e  au§fcb,Uefelict)er  nun 
aber  Slnfelm   einen  einigen  ©eficb^töbunlt   berfolgt,  bie  gmetfmäfjigfeit  be«   freiwilligen 
unb  berbienftlicfien  2;obeg  Sfjrifti   ?ur  ^erftellung  ber  beriefen  ©b^re  ©otte§,  befto  mefyr 
©ewicfjt  fällt  barauf,  ob  er  ben  ©runbgebanlen  ber  cb,riftticb,en  Religion  entfbrid)t.   ®aö  B0 
ift  nad)  nur  einer  ©eite  ber  $atl,  fofern  bie  ©ünbe  ernftlicf)  al<§  ©ct)ulb  geWürbigt  Wirb. 
^Dagegen  bleibt  fein  ©ebanle  bon  ©ott  Wie  bon  Gfjrifti  Söerl  unb  beffen  Söirtung  hinter 
ben  ma^gebenben  ©ebanten  beg  %IX  jurücf.    ©ott  erfcf)eint   in   bem  Vorgang   ber  Ver= 
följnung  birelt  nur  auf  bie  Sßafjrung   feiner  @b,re  bebaetjt.    Sarin   liegt   eine  Veräufjer= 
lid;ung  be«  biblifcf)en  Vegrip  feiner  ^ciligleit  unb  eine  ßurücfftellung  ber  göttlichen  Siebe.  65 
^aulu6  fieb^t  biefe  in  ßbjifti  ^eil^Werf  unmittelbar  Wirlfam,  Wäb^renb  fie  bei  2lnfclm  nur 
ba§  berborgene,  erft  buref)  sJteflejion  ju  ermittelnbe  2lgen§  beö  §eil^werlö  ift,  ja  gleic£)fam 
b\S  ju  beffen  Vollenbung  fu^enbiert  bleibt.    Sie  Trennung,   bie  2lnfelm   jWifd;en   bem 
2öert  be§  'Jobeg  (5t>rtftt  unb  bem  ©eb,alt  feine!  Sebeng  bornimmt,   lann   fid;   jWar  auf 
^3aulu§  einigermaßen   ftü^en,    entftoriciit   aber  leineSWegö   bem  ©anjen  ber  neuteftamcnt=  u„ 

Üf!eot=®nct)rtopäbie  für  Ideologie  unb  Stit«e.  3.  8t.  xx.  ^y 


562  Serfiifynttttg 

lidjen  2lnftf;auung  unb  ber  ©eftcr/tgbunft  be§  a§letifd)en  3Serbienfte§  läfet  aud)  nicfyt  einmal 
ben  etilen  ©elwlt  biefeS  $£obe§  felbft,  bie  in  tfym  bewährte  gembeäliebe,  gur  ©eltung 
lommen.  2lm  aÖerWenigften  aber  macfyt  2Infelm  ben  SSerfucfy,  au§  ber  £>eil<§tij>at  gefu 
neben  t^rer  SBebeutung  für  bie  §erftellung  ber  göttlichen  ©b,re  eine  tiefergreifenbe  SBtrlung 
5  auf  ba§  9Serb,alten  ber  SRenfcf^ett  abzuleiten.  @r  erwartet  jtoar,  baft  bie  SDtenfdjen  ftd) 
an  $efu  33erb,  alten  ein  33orbilb  nehmen  unb  fieb,  beffern  Werben;  allein,  aud)  Wenn  man 
zugeben  Wollte,  bafj  eine  fo  einzigartig  bebingte  Seiftung  Wie  feine  satisfactio  überhaupt 
nac^geabmt  Werben  fann,  fo  berfäumt  er  bodj  ganz  ben  bfr/djologifdjen  antrieb  zu  biefer 
©inne§änberung  aufzuzeigen.    ®iefe  etfyifdje  Unfrucfytbarfeit  ift,  braftifcb,  angefefyen,  bieU 

10  leidet  ber  fcbjimmfie  SOJangel  ber  ^eorie.  ®afc  2lnfelm  gelegentlich  in  feinen  Orationes 
aud;  ben  ©efic^t^unft  be§  fteKbertretenben  ©irafleibenS  aufnimmt  (bgl.  33b  I  ©.  569 
unb  ©ottfdnd  3£l>®  1901,  ©.  186  3lnm.  1),  füll  nicfyt  unerwähnt  bleiben. 

2tlg  birelter  2lntibobe  älnfelmS  bflegt  2lbälarb  z«  gelten.  SDa§  ift  audj  infofern 
richtig,  al§  er  ben  %ob  Sfyrifti  bor   allem  unter  ben  ©eficfytlbunft  ber  fyöcfyften  Siebet 

15  Offenbarung  fteHt,  bie  un§  %uv  ©egenliebe  ertoedi  unb  bamit  bie  ©ünbe  bertreibt.  SDamit 
bringt  er  ben  bei  Slnfelm  zurMgebrängten  religtöfen  ©runbgebanlen  ber  d)rtftlid;en  §eil<§= 
Iel)re  Wteber  zu  fräfiiger  ©eltung.  allein  barüber  barf  nidjt  bergeffen  Werben,  bafj  er 
@fyriftu§  nidjt  blofj  eine  Söirlung  auf  un3,  fonbern  and)  eine  Seiftung  für  un§  an  ©ott 
Zufdjreibt.    6b,riftu§  erfüllt  burd)  bie  Siebe,  bie  er  übt,  ba3  ©efe£  ©otte§  in  boHfommener 

20  Söeife,  er  ergänzt  bamit  unfern  Mangel  unb  fann  bor  ©Ott  unfer  gürfbredjer  fein.  Senlt 
fdjon  biefer  ©ebanlengang  in  bie  gewohnten  auguftinifcfyen  Sahnen  z^üd,  fo  ift  bte<§ 
nod)  mefyr  ber  gaß,  wenn  Slbälarb  bon  ßbjiftuö  fagt,  bafj  er  bie  ©träfe  ber  ©ünbe  un= 
fdjulbig  unb  freiwillig  getragen,  bamit  unfere  ©träfe  in  SSegfall  gebraut  unb  uns  ben 
§immel  geöffnet  §abe  (bgl.  ©ottfdnd,  Qm  XXII,  400— 429).  SBaS  bon  eigentümlichem 

25  bei  Stbälarb  übrig  bleibt,  ift  bemnad)  nur,  bafs  er  ben  %on  auf  bie  göttliche  £iebe<Boffen= 
barung  legt  unb  bafj  er  barüber  bie  auf  ©utmadjung  ber  ©ünbe  zielenbe  ©ebanfenreil>e, 
bie  er  feineSWegä  au§fcpefjen  Will,  gelegentlich,  faft  bergeffen  lann.  ©ine  anbere  Differenz 
bon  SCnfelm,  bie  2lu3bel)nung  ber  §eil<§bebeutung  6I)rifti  auf  fein  gefamte§  Seben,  teilt 
Stbälarb  mit  feinem  ©egner  Sernfyarb  bon  Slatrbaur..    33on  letzterem  ftammt  ba§  fbäter 

30  oft  Wteberfiolte  äSort,  bafj  ßfmftt  Seben  eine  actio  passiva,  fein  Stob  eine  passio  activa 
getoefen  fei  (Sermo  de  pass.  Dom.  MSL  CLXXXIII,  268 f.). 

2)ie  weitere  ©efdncfjte  ber  SBerföfynung^Ieljre  in  ber  mittelalterlichen  Geologie  bebarf 
laum  einer  eingefyenben  ©arfteHung,  fie  ift  im  Wefentlicfyen  ^üdtefyr  ju  ben  unbeftimm= 
teren  unb  lofe  berbunbenen  auguftinifrf;en  SBorftetlungen.  SDer  bon  Slnfelm  au§gefct)Ioffene 

35  ©eficf;t§bunlt  ber  ©trafübernab,me  toirb  feit  betrug  £ombarbu§  toieber  ein  fte^enbe^  @le= 
ment  ber  Sefyre.  2lber  ©ottfdjic!  bürfte  barin  3ted)t  b,aben,  ba^  bie  mittelalterlichen  2:b,eo= 
logen  barunter  ntct)t  eine  9tecl)t§ftrafe  im  ftrengen  ©inn,  fonbern  eine  btefe  abtoenbenbe 
toeinlicfye  Seiftung  ab, nltct)  ben  in  ber  93ufje  übernommenen  berfteb,  en  (bgl.  Sernf) .  b.  ßlairb. 
MSL  CLXXXIII,    389:    Mihi  ineumbit  sustinere  poenam,    poenitentiam  agere 

40  pro  nomine  quem  creavi.  Thom.  Aquin.  in  sent.  3,  20,  qu.  1,  a.  3  ;  Soof§4, 
560).  %t)oma$  bon  2tquino  bringt  biefe  ©ebanf'en  in  eine  2trt  bon  ©^ftem.  hieben 
bem  befyerrfcfyenben  ©efict)töbunlt  be§  meritum  für  ba3  Seiben  6b,rifti  nimmt  er  ben 
(bei  $etr.  Somb.  fe^Ienben)  ^Begriff  ber  satisfactio  mieber  auf.  ©r  berftel)t  tb,n  in  bem 
aEgemeinen  ©inn  einer  freimütigen  Seiftung,  voelcfje  bie  ©ünben  ber  SKenfcb,  t>eit  auftoiegt, 

45  unb  begrünbet  biefen  Sffiert  be§  %ob(§  6brifti  mit  ber  SBürbe  be§  ©ottmenfdjen,  ber 
©rö^e  feiner  Siebe  unb  bem  Umfang  unb  ©rab  ber  bon  il)m  erbulbeten  ©dnnerzen.  ®a= 
neben  befagen  bie  Segriffe  be<3  Dbfer§  unb  be§  SöfegelbS  nid;t§  fbezififcf)  5Reue^.  ©ine 
beutlidje  Unterfc&eibung  ber  SSerfö^nung  aU  ber  SKanblung  be§  berfönlid)en  33erb,ältniffeö 
Zu  ©ott  unb  ber  (Srlöfung  bon  ©ünbenmacf)t  unb  ©ünbenftrafe  bürfen  mir  bei  %fyoma§ 

50  ntdtt  erwarten,  am  menigften  bie  3SoranfteHung  unb  Überorbnung  ber  erfteren.  2llS  erfte 
grucb,t  ber  ^affion  nennt  er  z*»ar  bie  ©ünbenbergebung,  aber  biefe  ift  ifym  an  bie  @r= 
toedung  ber  Siebe  gefnübft  unb  barum  felbft  fcb,on  eine  habituelle  3Seränberung  be§  ©ün= 
ber§,  toäb,renb  bie  S5erfö^)nung  mit  ©ott  erft  an  bie  bierte  ©teHe  zu  fte^en  lommt.  ®ie 
Sßirfung  ber  ©enugtb,uung  Sf)rifti  für  bie  gefamte  SJlenfdjfyeit    begrünbet  2:^oma§   auf 

55  bie  ©tellung  6b,rifti  ab§  i^re§  §aubte§,  ba§  mit  feinen  ©liebern  eine  persona  mystica 
bilbet  (Summa  III,  qu.  48). 

§atte  fcb,on  £fj>oma§  für  biefen  Söeg  ber  §eil^ftiftung  nict)t  me^r  bie  SRottbenbigleit 
beraubtet,  bie  2lnfelm  zu  erWeifen  berfucfyt  b,atte,  fonbern  fieb,  mit  feiner  3lngemeffenf)eit 
begnügt,  fo  geb,t  X>un§  ©cotu§  auf  biefer  33aljm  Weiter.    @r  erüärt  bie  ©ünbe,  bereu 

eo  Unenbltcf)feit  St^omaS  nod^)  bebingungöWeife   gelten   Iie|,    für  enblid),    folgert  auö  bem 


#erföf)ttuttü  563 

auguftinifct/en  ©a£,  baß  ber  ©ottmenfd)  nad)  feiner  menfcr/licb/en  üftatur  Mittler  ift,  bie 
(Snblicfyfett  aud)  feinet  Verbienfteä  unb  läßt  beffen  2lnnabme  bon  fetten  ©otteg  nicfyt 
auf  einer  feften  Rorm,  fonbern  auf  beffen  freier  ©cfyätnmg  berufen.  2Ba§  fomit  bon  ber 
Sßerfbfmungllefyre  übrig  bleibt,  ift  bte  Vorfteßung  Don  einer  berbienftlidjen,  fünbentilgen= 
ben  Seiftung  ßfyriftt,  bte  bon  ber  Eirdje  gelehrt  mirb,  beren  innerer  ©runb  aber  ber  5 
Vernunft  unerfennbar  bleibt  unb  beren  Söirfltcfyfeit  nur  mbireft  aul  ber  Sefäfytgung  ju 
3t!ten  be§  neuen  Seben3  feftgefteßt  Serben  fann.  ®amit  fear  ber  Ijor) e  2lnfbrucb,  2lnfelm3, 
bie  Nationalität  be§  1)ogma3  nacbjumeifen,  grünblid)  aufgegeben,  aber  e<§  mar  aud),  unb 
ba3  ift  bte  erfreulichere  ^efyrfeite,  für  eine  Don  Vorurteilen  freie  SSerfenfung  in  bie  %fyaU 
fac^e  be<§  ^reuje§  ßbrifti  Raum  gefdjafft.  ©ine  foIct)e  fyatte  bie  9Jcr/fti!  immer  geübt,  10 
obne  barum  fretltcb,  bie  gefdjidjtlidje  £>eib§tlj>at  in  il)rem  bie  ©nabe  berbürgenben  SOöerte 
boß  ju  erfaffen. 

6.  $)a§  neue  £eil<§berftänbni<§  ber  Reformatoren  get)t  ntct)t  bon  ber  grage  nacf;  ber 
objelttben  öeilSbegrünbung,  fonbern  nad;  feiner  fubjeftiben  Vermirtltcf/ung  au§.  ©aß 
man  ba3  §eil  nur  im  ©lauben,  in  biefem  aber  ba§  boHe  §eil  empfängt,  ift  tbre  ©runb=  15 
tfyefe.  ®aß  bon  I)ter  au3  aud)  eine  neue  2luffaffung  ber  ©rlöfung  unb  Verfolgung 
felbft  gefordert  mar,  trat  erft  aßmäfjlicf;  tn§  Veroußtfein.  ©arum  erfcfyeint  aud)  in  ben 
Sefenntniffen  bte  Verföf-mung  metft  nur  im  .gufammenfyang  ber  Red;tfertigung§lef)re.  ^n 
jtoei  fünften  mußten  freiltd)  bon  Stnfang  an  bie  ^onfequen^en  ber  Red)tfertigung3lel)re 
|erbortreten.  ®ie  SluSfcbJießlicbJeit  ber  9J?tttlerfd)aft  ßfyriftt  unb  il)re  ba§  ganje  Seben  20 
beö  Gfyriften  umfaffenbe  Vebeutung  mußte  in  ein  I)eßere3  Sid)t  treten,  toenn  e§  fein 
menfcf/Iicfyeg  Verbienen  be§  §etl<§  gab,  unb  e3  aud;  für  bte  ©eltung  be3  (Gerechtfertigten 
bor  ©ott  allezeit  auf  ben  ©lauben  allein  antam.  Unb  fobann  forberte  ber  9^acr;brucf, 
ben  je£t  bie  ©ünbenbergebung  als  3utt,en^un0  ^vc  göttlichen  ©nabengefinnung  (gratia 
=  favor  Dei)  gewann,  eine  Harere  Itnterfcfyeibung  gmifcfyen  bem  (Srlaß  ber  ©dmlb  unb  25 
ber  inneren  llmroanblung,  bie  aus>  ber  ©otte^rmbfcfyaft  unb  bem  ©eifteäbefttj  folgte,  ^jetjt 
erft  toirb  barum  entfd;ieben  bte  Verfolgung  ber  füfyrenbe  begriff,  ber  bie  ©bi|e  be§  @r= 
Iöfung3tberfS  be^eidmet. 

8utl)er§  Sluffaffung  ber  Verfolgung  ift  bor  allem  burcb,  feine  ernfte  SBürbigung  ber 
©ünbe  befttmmt.  SDtefe  ift  in  tl)rem  tiefften  2Sefen  §aß  unb  9Jtißtrauen  gegen  ©ott.  30 
©ie  rietet  ftd)  alfo  in  ib/rer  ©bi|e  gegen  Um  unb  macfyt  bor  il)m  fdjmlbig.  ©ünben= 
bergebung  ift  barum  ba§  große,  in  feinen  ^onfequenjen  aße3  umfaffenbe  ©ut,  ba§  mir 
Gf)riftu§  berbanlen.  darüber,  toie  ficb,  bie  ©etotfjfyeit  unferer  SBerföl^nung  an  6b,rtftug 
fnübft,  trägt  £utb,er  mannigfache  ©ebanlen  bor,  ofme  um  ib,re  Sermittelung  unb  2lu3= 
gleict)ung  alljufeljr  beforgt  gu  fein,  Wenn  fie  nur  in  ifjrem  @rgebni§ :  ßf;rtftu§  ber  Mittler  35 
aller  ©nabe  jufammentreffen.  ^Jcanc^e  ©teilen  lauten  fo,  al§  tbäre  ©otte§  ©nabe  ber 
bon  ©tbigleit  t)er  für  un§  berettliegenbe  ©cba§,  ben  6l)riftu§  nur  ju  erfcfyUefeen  unb  au§= 
^teilen  brauste  (@2t  18,  312 ff.;  50,  76 f.  89f.  op.  exeg.  26,  459).  ©otteS  3öefen 
toirb  fo  ganj  mit  ber  Siebe  ibenttftjiert,  ba^  neben  xi/x  ber  3Drn  feinen  Raum  ju  ^aben 
fcb,eint,  fonbern  %u  einer  blofe  menfcfjlic^en  aSorfteßung  fyerabfinft  (2Ö21  14,  448 ;  @2l  40 
18,  317 f.;  op.  exeg.  5,  179).  2lßein  Iüo  Sutfjer  bte  §inberniffe  ermägt,  bte  biefer 
©etbtfef)eit  ber  ©nabe  entgegenfteb,en,  ba  fbric^t  er  bocb,  regelmäßig  unb  mit  großem  SJacb/ 
brudE  babon,  baß  ßtmftug  aßein  ung  bie  Vergebung  ertoerben,  ttn^  bon  ©otteS  3Drn 
unb  ©träfe,  bon  ©eric^t  unb  2:ob  befreien  fonnte.  SDabei  iann  er  bei  bem  aßgemeinen 
©ebanfen  fteb,en  bleiben,  baß  ßfyrifti  fünblofe  ©erec^tigfeit,  fein  ©ott  roob,lgefäßige<§  Ver=  45 
galten  un§ju  gut  geredmet  Werbe  (©a  2,  164;  op.  lat.  var.  arg.  4,  130.  5,  497  f.).  2lber 
biel  öfter  grünbet  er  bte  §eil§getbtßb,eit  auf  bie  '^b.atfaclje,  baß  &b,riftu<§  in  feinem  Seiben 
unfere  ©ünbe  auf  fiel)  genommen  (@2l  50,  179),  bie  ©träfe  erbulbet,  ben  ^orn  be§ 
Vaters  getragen  unb  berfofynt  b,at  (@2l  7,  310 ff.;  12,  44 ff.  188.  453).  ®abet  bleibt 
GfyriftuS  für  fidt>  felbft  nicfyt  bloß  justus,  fonbern  aud)  beatus ;  aber  feinem  ©efüb,!  ift  50 
biefer  Sefi§  entzogen  (2B21  5,  602  f.  611  f.).  £>tefeS  9Rebeneinanber  bon  ©ered)tigleit  unb 
©träfe,  255ol)lgefaßen  unb  glucb,  ju  benfen,  erleichtert  Sutb,er  ficb,  —  ät)nltdt)  toie  ^5aulu§ 
—  baburef),  baß  er  ba<S  ©träfe  forbernbe  ©efe^  nicfyt  aB  ben  eigentlichen,  boßen  unb 
enbgiltigen  2Bißen  ©otteg  berftel;t.  SDaburd)  bleibt  Raum  für  bie  hinter  bem  ©erieb^t 
ftebenbe  Siebe,  beren  2lbfid)ten  aueb,  bag  opus  alienum  be§  ©efe^e§  bienen  muß  (@2l  66 
op.  exeg.  5,  179).  %a  Sutljer  fann  aueb  gerabe^u  ba«  ©efe^  alö  eine  ©ott  gegenüber 
felbftftänbige  ©röße  barfteßen,  bie  ficb,  an  GfyriftuS,  il)rem  £erm,  bergreift  unb  bamit 
if)r  Red)t  an  tf>n  unb  bie  ©laubigen  berliert  (©a  2,  152).  £>er  b^errfd)enbe  ©cbanfe  ift 
aber  boeb,  ber,  baß  <5E>rifiuö  burd)  fein  eintreten  für  un<S  bie  gorberung  ©otteö  an  un§ 
befriebigt.    Sutl)er  liebt  baö  ffiort  satisfactio  nief/t,    mctl   e§   einer   bon  ibm  ab3  falfd)  eo 

36  : 


564  i*erföl)nuttg 

erlannten  Sufjlelp  angehört  (21©  11,  307);  aber  er  Behält  e<§  bod)  Bei,  Weil  e§  bie  un= 
zweifelhafte  Sefriebigung  her  göttlichen  gorberung  au§brüdt.  ®iefe  ©enugtlmung  ift  fo 
ü&erreid),  bafj  fie  alle  ©rgänjung  burd)  menfd/lidje  ©atiSfatttonen  ausliefet  (©31  11, 
306f.  317.  324).  ^ommt  in  ber  eben  »erfolgten  ©ebanlenreiBe  ber  SJtttiler  nad)  feinem 
5  llnterfcBJeb  bon  ©ott  in  S3etrad;t,  fo  fcf/aut  i^n  Sutfjer  in  feinem  .geilSWerf  aueb,  gerne 
mit  u)m  jufammen,  inbem  er  ifyn  als  ben  Kämpfer  unb  gelben  barfteßt,  ber  alle  geinbe 
unfereS  §eil§,  ©ünbe,  %ob,  §öße  unb  SEeufel  ü&erWinbet  unb  in  feiner  2tuferfier)ung 
ü&er  fie  triumphiert  (©2145,  315);  ja  biefe  23  etrad)iung  fann  er  gerabeju  al§  bte  fyör/ere 
unb  genügenbere  Bejeidmen  (@2l  11,  324).    §ier  fommt  jum  Slusbrud,   bafj  ©ott  tatest 

10  foWoBl  ber  ©mbfänger  ber  Seiftung  ©fyrifti  ift,  fonbern  i^r  SSeranfialter  unb  ©tifter. 
Sringt  man  biefe  2lnfcb/attung  Don  ber  Verfolgung  auf  einen  lurjen  2lu§brud,  fo  lann 
man  fagen:  Sutl)er  orbnet  ©otte§  Siebe  feiner  ©erecfytigleit  über,  er  Befaßt  ©I)rifti  2Birfen 
unb  Seiben  unter  ben  etBifdBen  ©eficfytSbunr't  bes>  ©eBorfamS  unb  ber  SiebeSübung.  ©r 
berftefyt  bas>  Seiben  im  Unterfdjieb  bon  Slnfelm  als  Wirllicfye  Übernahme  ber  ©träfe  unb 

15  biefe  gehört  i£)m  jur  boßgiliigen  gorm  ber  SBerfblmimg,  aBer  fie  ift  bod;  nur  ein  9)coment. 
in  biefer  Veranftaltung  ber  göttlichen  Siebe. 

®ie  erfte  fbjtematifdje  2lusfüBrung  ber  33erföb,nungSleB,re  auf  broteftanitfdjiem  Soben 
enthält  bie  Institutio  GalbinS.  ©ie  Wenbet  juerft  baS  bon  ©ufeBiuS  ($©  1,  3)  ange= 
beutete  ©d)cma  bes>  breifad;en  SlmtS  auf  baS  2Ber!  ©Brifti  an,  olme  bod;  in  ber  ©injel= 

i'o  auefüBrung  babon  maßgebenben  ©ebraueb,  ju  machen.  ^M^  if1  an  ©albinS  2)ar= 
fießung  bemerkenswert,  bafj  er  jeben  ©ebanfen  an  eine  Umftimmung  ©otteS  bom  3om 
$ur  ©nabe  fernhält,  ber  ja  aueb,  fcfyon  burd)  feine  gaffung  ber  Vräbeftinatton  auSgefcfyloffen 
Wirb.  ©otteS  Siebe  ift  nid)t  ©rfolg,  fonbern  ©runb  ber  Verföfmung.  ©Brifti  gefd)id;t= 
Itcr/eS  SBerf  B)at  feine  Vebeutung  barin,    bafj   e£   ein  §>inberni§   für   bie  ©rWeifung    ber 

25  göttlichen  Siebe  befeitigt.  ©3  befielt  in  feinem  ©efyorfam  üBerfyaubt,  bod;  fo,  baß  feinem 
freiwilligen  Seiben  unb  ©terBen,  in  bem  fid)  jener  boßenbet,  eine  Befonbere  ^eilSBebeutung 
jufommt.  ©ein  Stob  erWeift  ftd;  burd;  bie  befonberen  llmfiänbe,  unter  benen  er  erfolgt 
(bie  gericf/ilicBe  Verurteilung  beS  Unfd;ulbigen,  baS  iiylud^olj  be§  Sfre^eS  u.  a.)  all  ein 
fragen  ber  ©träfe  unb  beS  glucp   unferer  ©ünbe.     ©r  ift  barum  bie  satisfactio,    bie 

so  mir  ber  richterlichen  ©ered;tigfcit  ©otteS  fd)ulben.  $Daju  lommt  bie  innerliche  ©erid;t3= 
erfafyrung,  bie  ber  ÜRuf  ber  Verlaffenfyeit  Bezeugt  unb  auf  bie  ©albin  aueb,  ben  des- 
census  ad  inferos  beutet.  ©leid)rooBl  ift  ß^riftu^  nid)t  ©egenftanb  eine^  ib,m  gclten= 
ben  roirflid;en  3orneg  getoefen;  er  Ba^  nur  omnia  irati  et  punientis  Dei  signa 
erfahren  (II,  16,  11);   fein   ©ulben  ift   barum   ein   Seiben   um   frember  ©ünbe  willen, 

it.-,  nicb,t  3Drne®ftrafe  m  bollen  ©inn.  ®ie  grudjt  be€  %ob?§  ©B,rifti  ift  unfere  So^fbrec^ung 
bom  glucB,  bie  ^Befreiung  bon  %ob  unb  ©ünbenmadjt.  ®ie  Uluferftel)ung  madjit  ben  ^eilstoert 
feines  Stobeg  erfennBar  unb  ergänzt  ib,n  burd;  bie  9JcitteiIung  be§  neuen  Sebenö.  33on  einem 
Serbienft  6B,rifti  barf  unb  mu|  in  bem  ©inne  gefbroeben  Werben,  ba§  eS  bem  ©nabenWtllen 
©otteS  nid;t  entgegengefe^t,    fonbern  untergeorbnet  Wirb,     ©ott  felbft  ift  ber  ©tifter  ber 

40  SerföBnung,  aber  ©fyrifti  SBcrbtenft  ift  baä  unerläßliche  Mittel  für  unfere  ©d;ulbbefreiung 
unb  33efeligung  (II,  17).  ^roblematifcB,  bleibt  in  biefer  Äonftruftion,  bie  fieb,  burd)  il)re 
©efd;loffenBeit  auszeichnet,  bor  allem  bie  23ereinBarfeit  ber  ewigen  ©rWäBJung  ber  ©injelnen 
mit  ber  greiwilligleit  unb  Söirlfamfeit  beS  gefcfoid)tlicben  SBerf'S  ©Brifti,  foWte  ber  ©traf= 
d)aralter  feine«  Xobe§,  Wenn  bod;  an  einen  SBiUen  ©otteö,   ifm  ju  ftrafen,  nid^t  gebaut 

t5  Werben  fotl. 

%üx  bie  SluSgeftaltung  bcS  ®ogma§  auf  lutf) erifd) er  ©eite  Würben  bie  Slufftellungen 
2lnbreaS  DfianberS  bon  Sebeutung.  2Bä'Brenb  man  Bisher  baS  gefdjid^tlidje  2Ser!  ber 
Sjerföf)nung  unb  feine  Aneignung  an  ben  ©injelnen  in  ber  9}ed)tfertigung  nid) t  ju  trennen 
bflegte,    forbert    er   beren   genaue  llnterfd;eibung.    ®er  Mittler   berB,anbelt   mit    Beiben 

5o  Parteien  gefonbert ;  feine  VerB,anblung  mit  ©ott  ift  bie  redemtio  ober  propitiatio, 
fein  §anbeln  mit  ben  9Jcenfcb,en  bie  justificatio.  SBeibe  lönnen  nid)t  jufammenfaHen, 
benn  bie  SSerföBnung  ift  bor  1500  Safyren  gefdjel^en,  e^e  bie  ©B,riftenBeit  ber  ©egenwart 
leBte,  bie  Rechtfertigung  lann  nur  an  bem  gefeiten,  ber  glaubt,  alfo  aU  ^nbibibuum 
ej,iftiert.    ®ie  SSerföBnung    Bat  ©Briftu§  boHbracB,t,    inbem  er  bie  ©träfe  trug,    bie  Wir 

55  nacb,  göttlichem  9iecbt  ju  leiben  Blatten  (oboedientia  passiva),  unb  gleid)faߧ  mit  fteK= 
bertretenber  Söirlung  burcB  feine  unenblicfye  Siebe  ba§  ©efe^  erfüllte  (oboedientia  activa). 
S)amit  bat  er  Bei  ©ott  bie  Sereitfdjaft  Begrünbet,  benen  ^u  bergeBen,  bie  an  i&n  glauBen. 
©o  ift  für  baS  aSerBältniS  ber  ©läuBigen  ju  ©ott  ein  neuer  ©runb  gelegt  Worben  unb 
er  gilt  aud)  für  biejenigen,  bie  noeb.  niebt  geboren  finb.  ®ie  RecBtfertigung  bagegen  Wirft 

60  ßb,riftu3  an  ben  ©meinen,  inbem  er  bureb,  33ermittelung   be§   glaubenwedenben  äußeren 


SBerfityrntug  565 

2Bertg  al§  bag  innere  2Bort  in  ifmen  2öofmung  mafyt  (Von  bem  einigen  Mittler,  ^efu 
(5E>riftD  1551.)  Söäfyrenb  Dftanberg  Nedjtfertigungglefyre  lebhaft  befämbft  Würbe,  fjat 
feine  Untertreibung  bon  Verfolgung  unb  Necf/tfertigung  bie  fünftige  Scbjentwicfelung  nad)= 
b,altig  beftimmt,  if>r  freiließ  aueb,  bie  Aufgabe  gefteHt,  toon  ber  berechtigten  begrifflichen 
llnterfcfyeibung  ju  ber  toon  il)m  felbft  berfäumten  lebenbigen  Verfnübfung  biefer  beiben  5 
©röfjen  fortzugeben. 

Vebenfen  erregte  fd)on  frühzeitig  bie  ftellbertretenbe  Vebeutung  beg  aftiben  ©eb,or= 
famg.  ©eorg  ßarg  fanb  eg  Wiberfbrucr/gboll,  bafj  gleichzeitig  bie  ©rfüllung  beg  ©efetjeg 
geleiftet  unb  feine  Nichterfüllung  beftraft  Werbe.  @r  beforgte  überbieg  nachteilige  ftttlicbe 
folgen,  fofern  man  aug  ber  ©tellbertretung  6l)rifti  in  ber  Erfüllung  beg  ©efetseg  bie  in 
eigene  ©ntbinbung  t>on  biefer  Vflicfyt  folgern  f'önnte.  SDie  F.  C.  ftellt  begfyalb  bie  firdtlicfye 
Slnfcfyauung  bafnn  feft,  bafj  allerbingg  ber  ganze  ©efyorfam  6t;riftt,  ben  er  agendo  et 
patiendo,  in  vita  et  morte  sua  geleiftet,  ung  ^ur  ©ered)tigfeit  gerechnet  Werbe,  ©ie 
begrünbet  ben  fiellbertretenben  Söert  beg  aftiben  ©efyorfamg  nod)  fbeziell  buref)  ben  ©e= 
banfen,  bafj  ber  ©ottmenfeb,  für  fieb,  felbft  zur  ©efe^egerfüllung  nicfjt  berbflid>tet  War  15 
(R.  684  f.).  @ine  parallele  baju  bilbet  in  ber  reformierten  Äircfye  bag  auftreten  ^ob,ann 
$igcatorg  unb  bie  —  freiließ  biel  fbätere  —  fircfylicfye  ©ntfdjeibung  in  ber  Form.  Cons. 
Helvet. 

®ie  Iuir)erifd;e  ^trdjenler/re  bon  ber  Verfolgung  ift  bureb,  bie  Vefenntnigfcbriften 
felbft  nur  in  einigen  §aubtbunften  feftgelegt.  SDie  2luggb.  ^onf.  fagt,  bafj  ßfyriftug  20 
fid)  felbft  jum  Dbfer  für  bie  Sünbe  gegeben  unb  babureb,  ben  Sßater  berföfynt  b,at  (a.  3) 
unb  unmittelbar  barauf,  bafj  er  burd)  feinen  Stob  für  unfere  ©ünben  genug  getf/an  r/at  (a.  4). 
Die  Slbologie  beftimmt  bieg  näfyer  alg  fünblofeg  fragen  ber  ©ünbenftrafe  R.  93.  190 
unb  nennt  ßfyrifti  Stob  ein  Dbfer  zur  ©tillung  bes  göttlichen  gomeg  R.  254.  2lucb,  ber 
©r.  $at.  fbridjt  bon  ber  ©tillung  ber  llngnabe  beg  zu*nenben  ©otteg  unb  ber  6r=  25 
Werbung  feiner  ©unft  R.  494.  SDie  F.  C.  enblicb,  bezeichnet  Gfyrifti  ©efyorfam  im  Stfmn 
unb  Setben  (685)  alg  bie  boHfommenfte  ©enugtfyuung  unb  ©üfme  %ux  Vefriebigung  ber 
ewigen  unb  unwanbelbaren  göttlichen  ©eredjtigfeit  R.  696.  SDie  aufgeführte  Seljre  ber 
Dogmatifer  befyanbelt  bie  Verföb/nung  im  Nahmen  bei  breifadjen  2Imteg  (S^rifti  alg  feine 
briefterlidje  gunftion.  SDag  brobfyetifd)e  2lmt  bient  teilg  ber  Vorbereitung  teilg  ber  SDeu=  30 
tung  unb  Verfünbigung  beg  ^eilgWerfg,  bag  föniglicfye  bezeichnet  feinen  bleibenben  ©rtrag, 
obWobl  eg  nicfyt  immer  tnnerbalb  ber  ©renzen  beg  §eilgWerfg  entwicfelt  wirb.  SDer  briefter= 
licfye  Veruf  begreift  in  fieb,  Dbfer  unb  gürbitte;  bem  entfprecfyenb  gelten  satisfactio  unb 
intercessio  alg  bie  beiben  SEetle  beg  munus  sacerdotale.  SDte  satisfactio  fällt  ganz 
in  ben  ©tanb  ber  ©rniebrtgung,  fie  bilbet  ja  beren  eigentlichen  fttozä,  bie  intercessio  35 
reicht  hinüber  in  ben  ©tanb  ber  @rb,ör)ung.  Vergebung  ob,ne  ©atigfaftion  mürbe  ber 
©erecfytigfeit  unb  9Bab,rb,aftigfeit  ©otteg  roiberfbrecb,en,  ber  ein  ©efe^  gegeben  unb  beffen 
Übertretung  mit  ©träfe  bebrob.t  b,at.  SDie  fomit  unumgängliche  ©atigfaftion  mufe  aber 
unenblicb,  fein,  toeil  bie  ©ünbe  gegen  ©otteg  SJcajeftät  gerichtet  ift.  %üx  ben  ÜJcenfcfjen 
ift  fie  barum  unerfc^minglicb,;  nur  61)riftug,  ber  göttliche  unb  menf$Iic6;e  Natur  ber=  40 
binbet,  !ann  fie  leiften.  SDabei  !ommen  zwar  zunäefeft  2lfte  unb  .ßuftänbe  feiner  menfc^= 
liefen  Natur  in  Vetrac^t;  aber  bie  göttliche  ift  an  ib^nen  in  ber  i^r  zu^ommenben  2Beife 
mit  beteiligt  (genus  apotelesmaticum  ber  communicatio  idiomatum)  unb  fie  be= 
ftimmt  ben  ffiert  berfelben.  SDie  ©atigfaftion  erforbert  nämlicb,  ein  ®obbelteg:  1.  @r= 
füllung  ber  ©efe^egforberung,  oboedientia  activa  unb  2.  Verbü^ung  ber  gefe|Iicb,en  45 
©träfe,  oboedientia  passiva.  Veibe  formen  beg  ©eb,orfamg  finb  gleichzeitig  zu  ben!en, 
ba  ßljrifti  Seiben  mit  feinem  (Sintritt  in  menfdjlidje  Niebrigleit  beginnt;  bod)  fällt  auf 
ben  Xob  ein  befonbereg  ©etoicb,t.  Seibe  finb  fteßbertretenb  in  bem  ©inn,  bafe  6b,riftug 
für  fid)  zu  ibrer  Seiftung  nietjt  berbflicb,tet  War.  Vermöge  feiner  ©ottf>eit  ftanb  er  niebt 
unter,  fonbern  über  bem  ©efe£  unb  bermöge  feiner  ©ünblofigfeit  brauchte  er  feinen  glucb,  nieb^t  60 
Zu  tragen.  SDarum  fonnte  er  in  beiben  an  unfere  ©teHe  treten,  üftit  biefem  bobbelten 
©eb,orfam  ift  bie  ©enugtb,uung  im  ftrengften  unb  genaueren  ©inn  geleiftet;  eg  bebarf 
feiner  Nacb.fidjt  ©otteg  mit  irgenb  einem  Mangel  berfelben.  Neben  ber  satisfatio  fteb,t 
bie  satispassio.  2Bollte  man  bie  älquibalenz  ber  lederen  mit  ber  ewigen  ©träfe,  bie 
ber  ©ünbe  gebührt,  Wegen  ber  Stuferftermng  Gfyrifti  am  britten  2ag  beftreiten,  fo  ift  zu  tr, 
entgegnen,  bafe  bie  ©ottb,eit  6b,rtfti  ben  Sßert  beg  bon  feiner  menfd>Iict)en  Natur  bergoffenen 
Slutg  zu  einem  unenblicb,en  macb,t.  2luf  bie  geleiftete  ©atigfaftion  grünbet  ftcb,  6b,rifti 
Serbienft.  SDer  Vegriff  beg  meritum  erfcb,eint  in  ber  altbroteftantifcfjen  ©ogmatif  meift 
ntdt)t  Wie  in  ber  mittelalterlichen  alg  Voraugfe^ung,  fonbern  alg  Ertrag  ber  ©atigfaftion. 
Die   genugtb,uenbe  Seiftung   ßb,rifti  ift  bie  ©runblage  feiner   fortgeb,enben  Qnterceffion.  co 


566  2krföl)tmng 

©iefe  Bat  jWar  fcfyon  auf  @rben  begonnen  in  ^efu  gürbitte  für  feine  geinbe,  fie  ift  aber 
bocb,  t>orjug3Weife  ber  ^jnfyalt  be3  bjmmlifdjen  ^rteftertumJ  be§  @rl)öfyten.  gürbittenb 
beim  33ater  Wenbet  er  ben  einzelnen  9Renfcf)en  fein  33erbienft  ju.  ©ie  alte  Dogmatil 
Will  babei  nicf)t  bloß  an  bie  fortwirfenbe  ^raft  be§  gefcfyicfytlicfyen  $eil§Werf<8  gebaut 
5  Wiffen,  fie  betreibt  bie  intercessio  au^brüctlicr;  al3  eine  berf online  g-unftion  be§;JJcittIer§. 
©er  broteftantifct)en  ^olemil  bient  bie  23erWeifung  auf  fie  al§  entfcfyeibenbe<3  Argument 
gegen  bie  2lnrufung  ber  ^eiligen,  ©urdb,  biefe  Sitte  be€  fyofyebrtefterlicfyen  2Imte§  ift  bie 
33erfölmung  ber  3Belt  boHgogen.  ©ie  ©träfe  ift  gebüßt,  ©otte§  ßoxn  ift  abgeWenbet, 
Vergebung  unb  eWige§  Seben  finb  für  alle  erworben.  @3  bebarf  barum  nur  be<§  ©laubemS, 

10  um  in  ben  33efi|  biefer  ^eüSgüter  einzutreten  (borjug^toeife  nacfy  Buenftebt,  Theol. 
dicl.-polem.). 

©a§  bleibenb  SBertbolle  biefer  bogmatifdjen  ^onftrultion  liegt  in  bem  33eftreben, 
ben  Xroft  ber  ©ünbenbergebung  fo  in  Gfyrifti  Söerf  gu  begrünben,  baß  er  mit  bem 
ernfteften  Urteil  be§  ©eWiffenö  über  ©otte§  ©egenfatj  gegen  bie  ©ünbe  gufammenbeftefyt. 

15  ©ie  3tnfelmfdje  SLfyeorie  ift  barin  fortgebilbct,  baß  neben  bem  Seiben  Gfyrifti  aud)  fein 
§anbeln  in  ba§  SkrfölmunggWerf  mit  aufgenommen  unb  bie  ©atigfaftion  nicfyt  auf 
©oites>  @I)re,  fonbern  auf  feine  fittlidje  §eiligfeit  unb  gerechte  SÜßeltorbnung  belogen  Wirb, 
^nbem  bie  altbroteftantifcf/e  ©ogmatif  nun  aber  ben  93oHgug  ber  ©träfe  in  bie  genug= 
t^uenbe  Seiftung  einrennet,  gerät  fie  auf  bie  23al)n  einer  juufüfcfyen  S3etra^)tung,  meldte 

20  bie  biblifcr)en  ©ebanlen  berlürgt  unb  bei  bem  93erfudj  einer  fonfequenten  ©urcfyfüfyrung 
in  unlösbare  ©d)WierigMten  berWiclelt.  ©ie  faßt  bie  ©ered)tig!eit  ©otteg  einfeitig  als 
2lu§füb,rung  eines  S^ec^tgftatutg,  ibentifijiert  bie  ©nabeninfiüution  beS  D^fex§  mit  ber 
gerichtlichen  ©träfe  unb  erreicht  f o  nur  auf  Umwegen  ben  ©ebanfen  ber  in  Gfyrifti  $eil3= 
tob  offenbaren  Siebe  ©otteS.    ©ie  bermag  ben  fteffberiretenben  Söert  be§  altiben  ©eI)or= 

25  famS  6I)rifti,  nur  burd)  bie  unbiblifcf/e  2lnna£>me  feiner  ejemten  ©teHung  gegenüber  bem 
©efeij,  bie  Stquibalens  feines  %obe§  mit  ber  ewigen  33erbammni3  aller  nur  tunftltcb,  unb 
Wenig  überjeugenb  ju  begrünben.  Slm  Wenigfien  aber  gelingt  e§  ib,r,  jWifd)en  ber  al<§ 
33erföb,nung  ©otteS  berftanbenen  §eil3ftiftung  unb  ber  religiö§=fittlicf)en  (Erneuerung  ber 
9Jcenfcr/f)eii  eine  innere  33erbinbung  fyerjufteKen. 

30  7.  9cod)  efye  bie  Iird)Iicr/e  Sefyre  ifyre  bolle  2lu3bilbung  erreicht  ^atte,  mar  eine  33e= 
ftreitung  ifyrer  ©runbgebanlen  auf  ben  ©d)aubla|  getreten,  ©ie  im  ©ociniani3mu«S  ber= 
förderte  rationaliftifcfye  Sluffaffung  beg  (EfmftentumS  lenlt  im  ©runbe  ganj  in  bie  Sahnen 
ber  elementaren  gried)ifcr/en  ©rlbfungSlefyre  jurüc!.  ©aS  Sebeutfame  in  $efu  gefcfyicfytlicfyer 
©rfd)einung,  bie  fiel)   nur  burd)  ©ünblofigleit  unb  gemiffe  elftatifc^e  @rlebniffe  über  ba3 

35  allgemeine  9Jienfcf)enma^  ergebt,  ift  nicfyt  fein  ^£ob,  fonbern  feine  Sefyrroirffamfeit  unb 
feine  3luferftel)ung.  ©a3  ^riefterlic^e  2lmt  finlt  ju  einem  leeren  %\td  b,erab.  ßb,riftu§ 
offenbart  ©otte§  ^eilgratfd^lu^,  ber  im  ©runbe  nur  ein  neuer  ©efetjeäbunb  ift,  unb  be= 
fiegelt  i^n  burcl)  fein  fünblofeS  Seben,  feine  Söunber  unb  feinen  SEob.  @ine  ©atigfaition 
ift  nicf)t  notoenbig,   ba  ©ott  jeber^eit  bie  greib,eit   b,at,   bie  ©ünbe  ungeftraft  ju  laffen. 

40  9Jtan  barf  bielmeb,r  mit  gutem  biblifc£)em  ©runb  beb,au^ten,  ba|  ©ott  bußfertigen  9Jienfct)ert 
ofjne  ©ati§fa!tion  üerjeifyt.  ga  ob,ne  biefe  2lnnab,me  Verlieren  bie  2Borte  Sarm^erjtgfett 
unb  ©ünbenbergebung  allen  ©inn;  benn  fein  SJiecfyt  einforbern  ift  lein  ©rbarmen  unb 
eine  ©cfyulb,  bie  beja^It  ift,  fann  nicfyt  mel)r  erlaffen  werben,  ©ie  behauptete  ©ati§faf= 
tion  ift  aber  aueb,  unmöglid),  Weil  buret)  bie  33eftrafung  eine§  Unfc^ulbigen  bie  ©erect)tig= 

45  fett  nic§t  befriebigt  mirb,  ©efe|e^erfüllung  unb  ©träfe  nicfyt  ju  gleicher  3ett  geforbert 
fein  lönnen  unb  ©teEbertretung  bei  berfönlic^en  ©trafen  toie  bei  fittlid^en  33erbflidjtungen 
unftattb,aft  ift.  6f)riftug  ^at  tfyatfäcfilicr;  auef)  gar  nid)t  geleiftet,  toa§  er  nad^  biefer 
2;b,eorie  i)ätte  leiften  muffen,  ©ein  iob  ift  Weber  ber  ewige,  noct)  ber^ob  atter  geWefen 
unb  bie  göttliche  ^Katur  lonnte  feinem  Seiben  nidjtö  b,in^ufügen,  ba  fie  ja   nid)t  in  ba§ 

50  Seiben  eingebt,  ß^rifti  altiber  ©eb,orfam  aber  War  für  ifm  felbft  pflia^tmäßig,  lonnte 
alfo  leinen  Überfcfmfs  für  anbere  ergeben,  ©djliepd)  Wirb  ber  33orWurf  erhoben,  bie 
©atföfaItion§lel)re  gefä^rbe  bie  SJtoral,  fofern  fie  bie  aSerbinblicfyfeit  ju  einem  frommen 
unb  recfytfcfyaffenen  SBanbel  auffjebe  ober  boeb,  abfcfyWädje  (D.  %od,  ©er  ©ocinianilmu§  II, 
615 ff.;  33aur  371  ff.;  9titfd)I  I,  320 ff.),    ©iefe  Uritil   l)ält   fid?   nur   an   bie  33egriff§= 

55  form  ber  lürcfyenlefyre,  olme  ib,rem  tieffinnigen  ^nb.alt  gerecht  ju  Werben,  unb  ber  @rfa£, 
ben  fie  für  biefen  bietet,  ift  oberfläcfylicf).  Slber  eine?  muß  man  i^r  boc^  jugefteb,en:  in= 
bem  fie  bie  rechtlichen  ©eficb,tötoun!te  ber  Äircfyenleljre  in  i|re  ^onfequen^en  berfolgt,  geigt 
fie  in  ber  %fyat  beren  ttnburcb,füb,rbarleit. 

2Bäf)renb  bie  lircb,Iicf)en  ©ogmatiler  fic^  meift   auf   eine   biblifcb,  motibierte  2lbWeb,r 

60  biefer  ©inWänbe  befcb.ränlten,   b,at   fieb,  §ugo  ©rotiuS  um  eine  gufammenb^ängenbe  3ted)t= 


»erfiUjmtttg  567 

fertigung  bei  SDogmai  Bemüht.  2Bai  er  bertetbtgt,  ift  freilief)  eine  bort  ber  $ird)enlef)re 
ert)eblid)  berfd)iebene  ^eorte.  Sor  allem  legt  er  @eWid)t  barauf,  bafj  ©ott  im  SBerf 
ber  Serfölmung  nid)t  ali  ber  Seleibigte,  aber  aud)  nid)t  ali  ber  9iid)ter  gebad)t  Werbe, 
fonbern  ali  bai  Dberl)aubt  einer  gamtüe,  einer  ftttlidjen  ©emeinfd)aft.  ©inern  fo!d)en 
ftet)t  ei  ju,  fatfi  bai  allgemeine  ^ntereffe  ei  erforbert,  bie  gefepct)e  Sorfd)rift  ju  er=  5 
mäßigen  unb  tnibefonbere  ©trafbeftimmungen  aufeer  Äraft  gu  fetten.  @r  Wirb  bieg  aber 
im  ^nterefje  ber  Slutorität  bei  ©efetjei  nur  aui  gewichtigen  ©rünben  unb  Womöglid)  fo 
tt)un,  bafj  für  bie  unterbleibenbe  ©efeleiboüftredung  eine  Äommutation  eintritt.  -iTcad) 
biefer  allgemeinen  Siegel  berfät)rt  ©ott.  @r  Iä§t  bie  ©d)ulbigen  ftrafloi,  um  bie  9ftenfct)= 
t)eit  nid)t  ju  »ernteten,  unb  läfjt  äugleid)  eine  ^ombenfation  eintreten.  @r  überträgt  10 
bie  Strafe  auf  feinen  ©ot)n,  inbem  er  t^n  um  unferer  ©ünben  mitten  bie  äujjerften 
dualen  erbulben  läfjt.  ©ine  fold)e  Übertragung  ber  ©träfe  ift  Weber  im  Söiberfbrud) 
mit  ber  ©d)rift,  bie  eine  £>eimfud)ung  ber  ©ünbe  aud)  an  retatib  Unfclmlbigen  fennt, 
noct)  mit  ber  allgemeinen  9ted)tianfct)auung  —  man  benfe  an  bie  Stellung  bon  ©eifeln 
unb  bai  Serfaljren  mit  ifmen  im  %all  bei  Sertragibrud)i  ober  an  bie  SDejtmierung  einei  15 
auffiänbifd)en  Dtegimenti  — ,  noct)  enblid)  mit  bem  Segriff  ber  ©träfe.  3um  lederen 
gehört  nur,  bafc  fie  ein  auf  ©runb  bon  Übertretung  bert)ängtei  Übel  ift.  6t}rifti  @in= 
treten  an  unfere  ©teile  Wirb  burd)  bie  mystica  conjunetio  ermöglicht,  bie  jWifct)en 
it)m  unb  uni  beftef)t.  ©ein  Seiben  unb  ©terben  ift  fo  ali  insigne  exemplum  severi- 
tatis  Dei  ju  berftet)en,  bai  ©ott  im  ^ttf^ffe  ber  ©emeinfd)aftiorbnung  ftatuiert.  @ine  20 
älquibalenj  ber  ©träfe,  bie  Wir  berbient  b,aben,  unb  berjenigen,  bie  6f)riftui  erleibet,  ift 
nict)t  erforberltct) ;  Wie  bai  ©ubjeft,  fo  fann  aud)  bai  Dbjeft  ber  Seiftung  bertaufd)t 
iüerben;  bann  tritt  ber  %aü  ein,  bafj  non  solum  alius  solvit  sed  etiam  aliud. 
SDai  ift  bann  satisfactio  anftatt  ber  im  ©efe|  gunäct)ft  borgefet)enen  solutio.  Sei 
biefer  2Infd)auung  bon  ber  ©atüfaftion  bleibt  bie  ©ünbenbergebung  boll  beftet)en ;  biefe  25 
empfängt  (bm  tfjre  red)tlid)e  9Jcöglid)feit  burd)  bai  Soranget)en  jener.  2)ie  Slutorität 
bei  ©efetjei  ift  aufi  neue  befeftigt,  fofern  bai  ©trafer.embel  bon  fünftigen  Übertretungen 
abfd)redt.  Som  tätigen  ©et)orfam  6t)rifti  ift  nur  gelegentlid)  bie  Rebe,  für  bie  eigent= 
Itd>e  ©atiifaftion  fommt  er  nid)t  in  Setrad)t  (Defensio  fidei  cathol.  de  satisf.  Chr. 
1617,  ed.  $oad).  Sänge  1730).  Son  ber  $ird)enlet)re  entfernt  fiel)  biefe  £t)eorie  bor  30 
aEem  barin,  bafc  in  it)r  bie  ©atüfaftion  nid)t  in  ©ottei  3Befen  begrünbet  unb  notWenbig, 
fonbern  aui  bem  fttotü  ber  ©emeinfd)aft  abgeleitet  unb  barum  aud)  nur  gWedmäjjig  ift. 
2)amit  t)ängt  bai  SBettere  jufammen,  bafj  fie  fielt)  nid)t  auf  bie  begangenen  ©ünben, 
fonbern  auf  bie  Serf)ütung  !ünftiger  begießt.  Sie  eigentlichen  ©d)wierigleiten  ber  ©atii= 
faftionilefyre  Werben  aber  aud)  burd)  biefe  t)albe  $orreftur  nid)t  befeittgt.  $Der  Slnfto^  35 
ber  ©trafübertragung  bleibt  befielen  unb  ein  gemilberte§  Sfteetjtsiberfafyren  ift  nod)  Weniger 
geeignet,  ba<§  fittlid)e  SBeltregiment  ©otte§  gu  rebräfentieren  aU  bie  ftrenge  ®urd)füt)rung 
be§  ©efe^e§.  ^Dagegen  barf  e§  al§  ein  £id)tbunft  ber  ©rotiu§fd)en  5l|eorie  be^eid)net 
roerben,  bafe  er  bie  Sluffaffung  ©otte§  unter  bem  ©d)ema  bei  9f{id)terg  für  ungulänglid) 
erflärt.  ©amit  lenlt  er  juin  bibltfd)en  Segriff  ber  ©erect)tigfeit  jurüd,  Wenn  er  aud)  40 
bie  Äonfcquenjen  biefeS  ©d)rittg  nidt)t  berfolgt. 

©in  neuer  ©egner  entftanb-ber  ^ird)enlet)re  in  ber  2lufflärung  bei  18.  ^at)rt)unbert§. 
$t)r  Dtotimi3mu3  lehnte  bie  d)riftlid)e  ©d)ä|ung  ber  ©ünbe  ab  unb  meinte  einen  biel 
rationelleren  2Beg  gu  ber  getroften  ©timmung  px  Wiffen,  Weld)e  bie  Reformatoren  au§ 
bem  Serföt)nung§glauben  gefd)öbft  t)atten.  3$r  erfter  Angriff  galt  bem  julet^t  feftgefteHten  va 
$unft  be§  'Dogmas,  bem  tt)ätigen  ©et)orfam  6t)rifti.  Zöllner  erllärt  feinen  ftellbertretem 
ben  2öert  für  unmöglid),  ba  6t;riftu§  ©ubjeft  bei  ©efjorfami  nur  al§  9Jeenfd)  fein  fonnte, 
al§  fold)er  aber  ju  allen  it)m  möglichen  guten  ^anblungen  berbflid)tet  War,  alfo  nid)t 
erfet^en  fonnte,  Wa§  anbere  berfäumten.  Die  2tnnat)me  einei  aftiben  ©e|orfam§  cd§ 
berföbnenber  Seiftung  ift  aber  aud)  auf  jWet  ©rünben  entbet)rlid) :  einmal,  Weil  ber  60 
leibenbe  ©et)orfam,  Wenn  er  un§  bon  Übeln  befreit,  aud)  im  ftanbe  ift,  bie  it)nen  ent= 
gegengefe^ten  ©üter  b.  t).  bie  ©eligfeit  $u  bermitteln  unb  fobann,  Weil  ©ott  nid)t  met)r 
bon  uni  forbert,  al§  Wir  leiften  fönnen,  mitt)in  aud)  einen  unbollfommenen,  aber  auf= 
richtigen  ©et)orfam  gelten  läfet.  §infid)tlid)  bei  allein  noct)  übrig  bleibenben  leibenben 
©et)orfam§  6t)rifti  folgt  SLöKner  ber  2:t)eorie  bei  ©rotiui,  inbem  er  annimmt,  bafj  aud)  55 
bie  an  einem  anberen  boll^ogene  ©träfe  abfd)redenb  unb  moralifd)  beffernb  Wirfen  fönne 
(Unterfud)ungen  üb.  b.  tfätigen  ©eb,orfam  6t)r.  1768).  Sin  bie  ©teile  bei  biblifd)cn 
Segriffi  ber  göttlichen  Siebe  unb  ©erecfytigfeit  tritt  t)ier  ein  SOiittlerei  jWifd)en  beiben,  bie 
Siffigfeit,  bie  mit  unboQfommenen  Seiftungen  sJiad)ftd)t  t)at  unb  fid)  begnügt,  bon  ben 
fittlidjen  gorberungen  Wenigftens  einiget  burd)jufet)en.    Sei   biefem  ©otteibegriff   mufjte  00 


568  Scrfö^nmtg 

aber  früher  ober  fbäter  auefe,  ber  nod)  befeaubtete  leibenbe  ©efyorfam  ßfyrifti  feine  9?ot= 
Wenbigfeit  unb  feinen  £>alt  berlieren.  ©er  fbäteren  Slufflärung  Wirb  benn  aud)  bie  93er= 
föimungglefyre  immer  unberftänblicfeer.  ©teinbart  berficfeert,  ifer  feinen  mit  ber  menfcfelicfeen 
©ittlicfefeit   ober  ©lücffeligfeit  Vereinbaren  ©inn  abgewinnen   $u  fönnen.    ®ie  tofytyftfcfyen 

5  folgen  unferer  ^janblungen  fönnen  nicfet  aufgehoben  Werben  unb  t^re  moralifcfee  9lüdE= 
Wirfung  auf  unfer  ©elbftgefüfyl  ift  nur  r)eilfam.  2öa§  Gferiftuä  um§  burcfe,  fein  2Berf 
erworben  l;at,  fönnte  alfo  nur  ber  (Erlafj  Wißfürlicfeer  ©trafen  für  bie©ünbe  fein.  2lßein 
an  folcfye  ju  benfen  ift  ein  jübifcfyer  Saturn.  6feriftu§  feat  un§  barum  aud)  nicfyt  bon 
ifenen  befreit,   Wofyl  aber  bon  bem  SBalm,  als  ob  e§  fold^e  geben  !önnte  (33aur  507 ff. ; 

io  Stitfcfel  I,  405  f.).  Söffler  erflärt  bie  Sluffyebung  ber  begangenen  ©dmlb  für  unmöglich 
unb  berWeift  auf  bie  SBefferung  al§  ben  einzigen  2Beg,  ba§  böfe  ©ewiffen  loa  ju  werben 
(Säur  5 1 5 ff . ;  StitfcfeJ  I,  408f.).  2Iber  aucfy  ber  ©ubranaiuralilmug  Wagte  nur  einzelne 
^3ofitionen  ber  alten  Sefyre  ju  berteibigen,  fo  bie  Scottoenbigfeit  einer  ©ünbenbergebung, 
bie  ber  Sefferung  borangebe;    in   ber  Segrünbung  biefer   fam   er   meift  nid^t   über  bie 

15  Sfyeorie  bon  ©rotiuS  ljinau<§  (»gl.  2trt.  Tübinger  ©dmle,  ©.  153  f.  biefe§  33anbe§). 

8.  @§  ift  ein  Serbienft  $ant§,  bie  2Iufmerffamfeit  Wieber  auf  ben  tiefen  ©efyalt  ber 
ortfyobojen  3krföfenung§Iefere  gelenft  gu  fyaben.  @r  tb,at  bie§  bor  allem  baburd),  bafj  er 
bie  unberbrücfejtcfye  §eilig!eit  bc§  fittlicfeen  ©efe|e§  Wieber  in  ben  ©eficfyt§frei§  rücfte  unb 
bon  b,ter  au$  %u  einem  ernften  Segriff  bon  ©ünbe  unb  ©d^ulb  fam.    Söenn  er  e§  aud) 

20  ablehnt,  in  bem  geregten  ©ottesfofen,  ber  für  bie  ©ünbe  ber  SJienfcb^eit  genugtfyut,  mebj 
als  ein  ibealeS  Silb  ju  fef?en,  fo  fyat  er  bodj  gezeigt,  Wie  Weit  auefe,  eine  SDenfWeife,  ber 
bie  ©efcfyicfete  ctl£  fold^e  nichts  galt,  ficfe,  mit  ben  ©runbibeen  be§  6l>riftentum§  befreunben 
lonnte.  ©acfylidj)  bat  er  freiliefe,  mit  ber  fircr/licfeen  3ßerföb,nungsle£>re  nur  bie  S3rämiffen 
gemein,  bafe  ber  SJcenfdb,  bon  Statur  in  grunbf  ablief)  em  ©egenfatj   ju  feiner  fiitliefyen  33e= 

25  ftimmung  ftefyt  unb  bafe  e§  bor  ©ott  bejto.  bor  jebem  toaferl)aft  moraIifd)en  gorum  auf 
abfolute  fittltcfee  Sauterfeit  anlommt.  £)ie  bl>iIofobf)ifd)e  parallele,  bie  er  ber  $ircfyen= 
Iel)re  an  bie  ©eite  ftellt,  lommt  auf  ben  rationaliftifefeen  ©a£  fnnau§,  bafj  fid)  mit  bem 
—  freiliefe,  unbegreiflichen  —  @ntftefe,en  ber  guten  ©efinnung  and)  bie  Befreiung  bon 
ber  llnfeligfeit  be£  ©cfeulbgefüfylg  berbinbe  (Stetig,  innerfe^.  ber  ©renken  ber  bl.  Sern.  3.  ©tücf). 

so  $Die  tfe,eologifcfe,en  Kantianer  finb  entmeber  mie  2;ieftrun!  bem  cfe,riftlid)en  SDogma  nod; 
näfe,er  gefommen,  toofern  fie  bie  ©trenge  ber  ßantfdjen  SJioral  feftfe,ielten,  ober  mie 
©täublin  ju  ben  relatiben  SRa^ftäben  ber  2lufflärung  5urüdfgeleb,rt. 

gerner  al§  ^ant§  moralifefee  ^nt^toretation  ftefe,t  bem  eigentlichen  ©efe,alt  be§  ©ogma§ 
§egel§  fbe!ulatibe  Deutung  beöfelben.    ©ünbe  ift  nad)  ib,m  ba€  fd)merjlicfe,e  Setoufetfein 

35  be§  enblicfe,en  ©eifte^  bon  fetner  ©nblicfyfeit.  2lber  bicfc§  mürbe  gar  nicfe,t  entfielen 
lönnen,  toenn  ber  SRenfcfe,  nid)t  tro^  feiner  @nblid)leit  ©eift  wäre  unb  be§I)alb  im  ©runb 
feinet  3öefen§  ein§  mit  ©ott.  ©a3  ©ünbenbeWufetfein  ruft  barum  mit  -föottoenbigfeit 
auefe,  biefe  anbere  ©eite  be§  2:b,atbeftanbeg  xn§  SeWu^tfein.  Gt§  folgt  ife,m  bermöge  einer 
inneren  SDialeftif  ba§  Qnnemerben  ber  @infe,eit  mit  ©ott,   bie  3Serföb,nung.    SferiftuS  ift 

40  bie  gefd)icfe,tlicb,e  @rfd)einung  biefer  etoigen  9Baf)rfe,eit;  obmofe,l  biefe  bon  feiner  ^ßerfon  an 
fiefe,  unabhängig  ift,  bient  er  baju,  fie  auefe,  ben  ftum^feren  ©eifiern  anfd^aulicfe  ju  machen, 
©ein  ^ob  fe,at  babei  bie  befonbere  Sebeutung,  bie  ©emeinbe  bon  ber  finnlicfyen  ©rfci^eU 
nung  jur  geiftigen  $bee  emborpfüb,ren  (Sorlefungen  über  bie  $fnl.  b.  Stelig.  II).  Stuf 
biefer  ©runblage  fe,at  nacfemal§  Siebermann  baS  cb,riftlicfec  ®ogma  entmiclelt  unb  bei  aller 

45  Semüfeung,  ber  ^ßerfon  ßfe^rifti  ein  innerlicfeeg  unb  bleibenbeS  Serb,ältni§  ju  unferer  @rlöfung 
unb  äkrföimung  jujufcfe,reiben,  boefe,  nur  ben  ©ebanfen  einer  erlöfenben  ^bee  unb  eines 
fie  beranfd;aulic|enben  unb  ife,re  Aneignung  erleid)ternben  3Sorbilbe§  erreicht  (Sfe,r.  5Dogm. 
II,  §  815—835).  3nMfen  fotl  niefet  geleugnet  Werben,  bafj  ber  erfte  neuere  ©efc^id)t§= 
fd)reiber  unfere€  ©ogma§,  g.  ßb,r.  33aur,  bon  ber  §egelfa)en  5ßfe,iIofobfe,ie  au§geb,enb   bie 

so  auf  bem  ©egenfatj  bon  ©ünbe  unb  ©nabe  berub,enbe  innere  ©ialeltil  be§  ©ogrnaö 
energifefe,  ju  Wahren  bemüht  ift. 

9.  ©ine  Steugeftaltung  be§  ®ogma§  unter  religiöfen  ©efidjtsbunften  fe,at  ©d)Ieiermad;er 
angebahnt  (bgl.  S3b  XVII,  605  f.).  3f*  auefe,  feine  ©arftellung  beö  SßerfS  6fe,rifti  Wefent= 
lid;  nur  eine  33efefe,reibung  ber  (Srlöfung,    Welche   bie    ©emeinbe   erfäfert   unb   in   beren 

55  ^onfequenj  auefe,  ba§  Serfcfywinben  ber  Übel  für  ba^  gelräftigte  ©otteSbeWufjtfein  liegt, 
fo  enthält  fie  boefe,  eine  Steige  metfeobifefe  Wertboßer  unb  fruchtbarer  ©eficfe|t§bun!te. 
S^riftu§,  ber  Präger  be§  fcfe,Iecfetfein  bollfommenen  ©otteäbeWufjtfeinS  teilt  feiner  ©emeinbe 
feine  SoHIommenfeeit  unb  ©eligfeit  mit.  ®iefe  SBirfung  ift  niefet  an  befonbere  SJJomente 
feinet  £eben§  gelnübft,  fie  berufet  auf  bem  allezeit  gleiten  ©efealt  feiner  ^erfon.    Qeber 

co  SJioment,   in  bem  bie   fcfelec^tfe,inige  Kraft   feinet  ©ottesbeWu^tfein§  feerbortritt   unb   be= 


SScrfityttung  569 

fcfyämenb  unb  anrcgenb  auf  anbere  Wirft,  gehört  mit  §u  feinem  (Möferbcruf.  Man  barf 
barum  aud)  bon  feinem  Seiben  unb  %ob  nidjt  befonbere  Söirfungen  ableiten,  bie  nur  bon 
il)nen  Ratten  ausgeben  fönncn.  -Jcur  infofern  ift  ßfyrifti  Seiben  bem  ©lauben  bon  be= 
fonberem  äöert,  als  fidb,  in  ifym  beutlid^er  cd§  fonft  irgenbWo  bie  ©tärfe  feiner  ©eligfeit 
unb  beren  ©runb,  bie  $raft  feinet  ©otteeibeWuJ3tfein<§  offenbart,  ©agegen  ift  ei  unftatt=  5 
fyaft,  Weit  bffydjologifcl;  unwahr  unb  bem  dmftlicfyen  ©otteibegriff  Wiberftreitenb,  bon  einer 
gomeierfatirung  ober  ©traferbulbung  be<§  leibenben  (MöferS  ju  fprecfyen.  ©eine  ©mbfin-- 
bung  gegenüber  ber  ©ünbe  fonnte  nur  bie  bei  -äJiitgefübli  unb  fein  S3ert)ältnti  ju  ben 
©trafübeln  nur  bai  ifyrer  2Segnafyme  fein.  Übertäubt  Will  IJefu  Seiben  nicbt  ali  ?ßaffi= 
toität,  fonbern  al§  aftibei  Strogen  unb  ÜberWinben  berftanben  fein.  Sefonberei  ©eWicfyt  10 
legt  aber  ©d)Ietermad>er  barauf,  baj?  Wir  uni  Gfyrifti  erlöfenbe  Stbätigfeit  als!  Wirffam 
auf  bie  ©emeinbe  benfen.  ©ein  ©ef>orfam  ift  erlöfenb  nur,  fofern  er  ttjaterjeugenb  Wirb 
in  uni  (§  100,  1)  unb  feine  ©eligfeit  ift  berfölmenb  nur,  fofern  fie  un£  befähigt,  in 
feine  ©teUung  ju  ben  Übeln  mit  einzutreten.  ©0  ift  ßbjiftui  ba£  §aubt  einer  neuen 
9)cenfd)beit,  ber  berfönlidje  Mittler  ber  ©inWolmung  ©oitei  in  if?r.  93etradf>tet  man  bie  1.-, 
gefa)id)tlicf;e  Söanblung,  bie  er  herbeiführt,  sub  specieaeternitatis,  fo  fann  man  fagen, 
bafe  ©ott  bie  ©emeinbe  (bie  aber  guletst  bie  gange SJJenfd^^eit  umfaffen  fotl),  nur  in  il)m 
ftebt  unb  il)r  um  beiWillen  bie  Stellung  einräumt,  bie  ib,rem  Raubte  pfommt  (§  104,  3). 
®iei  allei  aber  ift  für  uni  erfaßbar  nur  in  ber  §orm  bei  gefd)id)tlid)en  ^rojeffei,  ber 
bie  ©emeinbe  in  Sfmfii  ©otteibeWufjtfem  btneinWad)fen  läfet  (($t>r.  ©laube  §  100—105).  20 
9Jcan  wirb  an  biefer  2luffaffung  bielei  bermiffen,  bor  altem,  ba|  fie  bie  SSerföfmung  hinter 
bie  ©rlöfung  gurücfftettt,  fie  auf  bie  Übel  ber  9BeIt  begießt  unb  bamit  bai  entfdjeibenbe 
©etoicf)t  ber  ©ünbenbergebung  berfennt,  weiter,  bafj  ei  il)r  nicfyt  gelingt,  ben  neutefta= 
mentlidjen  ©ebanfen  über  ben  ^eiliWert  bei  S£obei  ^efu  geregt  $u  Werben.  SBertboU 
bleibt  aber  immer  bie  ftrenge  dinfyeitlicbfett,  mit  ber  ßfyrifti  ^erfon  unb  2öerf,  SEfyun  25 
unb  Seiben  bei  ©rlöferberufi,  bie  gefd)idjtlid;e  §eilsftiftung  unb  iftre  f origeb, enbe  Sßirfung 
berfnübft  Werben.  SDamtt  l>at  ©djleiermadjer  bie  ifolierenbe  Betrachtung  ber  einzelnen 
©eiten  bei  ^eitiWerfi,  bie  in  ber  SDogmatif  fyerfömmlid)  War,  überWunben  unb  jur  23e= 
grünbung  ber  23erföfjmungilel>re  auf  innere  (Erfahrung  unb  gefd;id)tlid;e  2lnfd)auung  ben 
2lnftofj  gegeben.  30 

2Bar  ©cf)Ieiermacb,er  burd)  Sieflerjon  über  bie  cfyriftlicfye  @rfab,rung  gu  feiner  3luf= 
faffung  gelangt,  fo  War  ei  bebeutfam,  baft  anbere  Geologen  auf  bem  SBeg  biblifdjer 
gorfdmng  ju  ber  ©rfenninü  famen,  bie  ©djriftfebre  bon  ber  23erföfynung  becfe  fid)  nidjt 
mit  bem  überlieferten  SDognia.  ©0  bat  ©.  9Jcenfen  mit  ^Rac^brucE  barauf  b,ingeWiefen, 
bafj  bie  b,I.  ©cb,rift  nicb,t  bon  einer  ^erfblmung  ©otte§  mit  ber  2ßelt,  fonbern  ftetö  bon  35 
ber  33erföb,nung  ber  Söelt  mit  ©ott  fbrecfye,  bafe  fie  ba§  33erföb,nung§Werf  au§  ©otte§ 
Siebe  herleite  unb  in  6f)rifti  ©eb,orfam,  ntct)t  in  einem  ©trafleiben  bollbrac^t  feb,e. 
(Sbenfo  fyat  S^ubolf  ©tier  mit  ejegetifcben  ©rünben  ben  ©trafd;arafter  be§  Seiben€  ßb.rifti 
beftritten.  3-  *£•  See!  Will  jWar  ein-JRecbtsberfa^ren  ©otte§  in  ber  ©übnung  ber  ©ünbe 
feftijalten;  er  orbnet  e§  aber  ber  göttlichen  Siebe  unter  unb  Witt  jWifcfyen  bem  ©traf  =  41 1 
leiben  be§  ©cb,ulbigen  unb  bem  rettenben  Siebe^Ieiben  Sb,rifti  unterfcb,ieben  Wiffen.  (3Sor= 
Iefungen  über  bie  rf^riftl.  ©laubenel  II,  570—589.) 

Seibe  Sinien,  bie  ftrengere  ©ijftematif  ©cfjleiermac^erS  unb  ber  (Ertrag  einer  felbft= 
ftänbigen  ©djriftau§Iegung,  treffen  in  §ofmann§  Serföb,nung§lel)re  gufammen.  ©ie  Will 
ben  biblifcfjen  ©ebanfengängen  folgenb  ba§  ^neinanber  bon  Siebeioffenbarung  unb  45 
§eiIigfeit3erWeifung  im  gefcfüdjtlicfyen  ©ang  unb  Söerf  be§  (Srlöferg  beuten,  ba§  freilieb, 
leichter  in  ber  2lnfcb,auung  al§  in  ber  ©brache  be§  Segrip  Wieberjugeben  ift.  ©ie 
5STienfcb,b,eit  ift,  bureb  ben  ©atan  jur  ©ünbe  berfüb,rt,  ein  ©egenftanb  be§  göttlichen 
3ome§  geworben.  SDiefer  Wirb  al§  ein  bleibenbeö,  in  ber  nunmehr  geworbenen  ©eftalt 
be§  9)cenfcf)b,eitöleben§  au§gebrägteö  33erbängni§  gebaut,  ba§  ber  3Kenfrf)  in  ber  2tu3=  50 
breitung  ber  ©ünbe  felbft,  in  mancherlei  Übeln  unb  in  ber  9Jiacb,tübung  be§  ©atanS  er= 
fäb,rt.  %xo§  biefem  30m  beftebt  aber  bei  ©ott  ber  SiebeSWille,  bie  3D^enfdl)^ett  ju  be= 
feiigen.  ®iefer  SBiltc  ift  bie  fd)Iecb,tbin  übergeorbnete  äsorau§fe|ung  ber  gefcb,icbtlicb,en 
SSerföbnung.  ®a§  SBerf  ber  rettenben  Siebe  beginnt  mit  ber  3Dienfcb,Werbung  bei  ©ob,nei. 
-Durd;  fie  entftef)t  in  ber  9Jienfd)beit  c<»  berfönlicbei  Seben,  an  bem  fid)  ©ottei  Siebei=  ». 
gemeinfcb,aft  berwirflicb,en  fann.  SDamit  ift  innerhalb  ber  abamitifeben  sDcenfcbbeit  ein 
neuer  Slnfang  gefegt.  3ur  (Srftredung  biefer  Siebeigemeinfcbaft  auf  baö  9Jtenfd;en= 
gefcb,Iecbt  fann  e<§  aber  nur  fommen  burd)  baö  SBerf  bei  §eilimittlcx§.  @i  bebarf  baju 
ber  Söfung  eineö  bobbelten  9Biberfbrud)ä;  ©otteö  ^orn  mu|  fieb,  auiWirfen,  obne  bie 
njcenfdjb^eit   ju   bernidjten   unb   fein  ©efe^   mufj   erfüllt   Werben  tro|  ber  bie  'DJienfcf^eit  bc 


570  Sßerföfyttmtg 

fitedjitenben  ©ünbe.  SBeibeg  leiftet  Sf>riftu§  in  feinem  Serufggelwrfam.  3ni:,em  er  W 
inmitten  ber  abamttifcfyen  SJtenfdjifyeit  nidjt  nur  bon  ©ünbe  rein  erfyält,  fonbern  audj  be= 
rufgmäfjige  ©egenWirfung  gegen  bie  ©ünbe  übt,  tritt  er  in  ©egenfa|  $u  feinem  93oI£, 
Wirb  bon  il)m  berWorfen  unb  getötet.  ©iefeS  Seiben,  bas>  xfyn  in  feinem  33eruf  trifft,  ift 
5  gefcbjcbjlidj  angefef>en  ein  SöiberfafyrmS,  if>m  cmgeifmn  bon  ber  geinbfcfyaft  ber  Söelt. 
©er  gefcbjd)tlic|e  Verlauf  entfbricfyt  aber  einer  göttlichen  ÜRotWenbigfeit.  SDie  geinbfdjaft 
ber  2Belt,  in  le^ter  Sinie  ber  §afj  be§  ©atan§  ift  bie  gefcfyidjtlidje  SBermittelung  be§  gött= 
liefen  3orn3,  bem  er  fieb,  mit  feinem  (Eintritt  in  bie  9Kenfcb,b,eit  unterbeut  |at.  Db,ne 
bie  ©rbulbung  be§  Slufeerften,   toag   bie  ©otte§feinbfcl)aft  iljm  antb,un  lonnte,  tonnte  ber 

10  auf  ber  9J{enfcb^eit  laftenbe  3orn  ni$t  äum  @n^e  kommen.  £)abei  ift  aber  eine  sWetfacfye 
©eftalt  be3  göttlichen  ßornS  %u  unterfcfjeiben.  @r  gilt  anberä  ben  ©ünbern,  bie  pim 
#eü  beftimmt  finb,  anberS  benen,  bie  ©otteg  §eil§Werf  berWerfen.  ®er  3orn,  i>en 
(5fyriftu3  erfährt,  lann  nur  ber  gorn  im  erften  ©inne  fein,  ©ein  Seiben  ift  nicfyt  bie 
Übernahme  ber  ©träfe,  meiere  bie  fünbige  SSftenfcb^eit  fyäiie  erleiben  muffen,  fein  Slob  b,at 

15  mit  ber  33erbammni<8  nicf)t<§  ju  tfyun.  ©ein  ÜRuf  ber  3Serlaffenb,eit  fagt  nicfyt,  bafj  tl>m 
ber  Sater  feine  ©emeinfcjjaft,  nur  baft  er  il)m  feine  bjlfreiclje  5Rä^e  entjiefyt.  SDer  ©ob,n 
ift  alfo  nidjit  ©egenfianb  ber  ftrafenben  ©erecfytigteit  be§  3Sater§.  SDa§  £eiI§Werf  ift  biel= 
mefyr  auf  jebem  ^uült  gemeinfame  %fyat  be3  3Sater^  unb  be3  ©ofmeS  §ur  23erWirJiid)ung 
be§  bie  ©ünbe  l>affenben  göttlichen  Siebe§miEen3.     $Darum    fbridjt  man   richtiger   bon 

20  einem  ©rbulben  ber  ©ünbenfolgen,  ba§  Vermöge  ber  $reil)eit,  mit  ber  ftdj  3efu§  ib,m 
unterteilt,  jur  ©üfjme,  jur  ©utmacfyung  Wirb.  Vermöge  biefer  3lltibität  bilbet  ba§ 
Seiben  be§  £>etl3mittler§  jugleic^  ben  Slbfcbjufs  feine§  fiufenmäfjig  fortfdjreitenben  ©efyor= 
fam3,  ber  mit  ber  SRenfc^toerbung  beginnenb  ben  2BiKen  ©otteiS  erfüllt  unb  fo  bem 
9JcenfcijengefcfyIecl)t  ©erecfytigfeit  erwirbt.    S3on  fteßbertretenber  Seiftung  babei  ju  reben,  ift 

25  unangemeffen,  ba  ßfyriftuS  nieb,  t  ein  anberer  ift  neben  ber  Sftenfcfyfyeit,  fonbern  ber  jWeite  2tbam, 
ib,r  ©lieb  unb  Don  ©ott  beftimmte§  £>aubt.  ©o  befcfyafft  fiel)  ©ott  burdj  bie  5ftenfc^= 
Werbung  be§  ©ob,ne§  bie  2ftöglic§!eit,  feinen  §afi  gegen  bie  ©ünbe  ju  erWeifen  unb  bodj» 
jugleicb,  Siebe  gegen  bie  2Renfcf)I)eit  gu  bleiben.  $Da§  3SerI)ältm3  be§  3Sater§  jum  ©olm 
ift  ein  SSerfyältniS  ©otte€  ju  ber  im  ©oI)n   neu  beginnenben  SRenfcfyljeit   geworben,  baö 

30  nicb,t  meb,r  bureb,  bie  ©ünbe,  fonbern  bureb,  bie  ©erecb,tigfeit  beö  ©ob,neg  beftimmt  ift. 
2öer  an  ben  §eil§mittler  glaubt,  ben  fieb,t  ©ott  al§  ©lieb  ber  3)tenfcl)^eit  an,  bie  an 
6l>riftu§  bie  ©ü^nung  if)rer  ©ünbe  unb  ib,re  ©erec^tig!eit  fyat.  (5ßgl.  ©cb.riftbeweig  unb 
©c^ulfc^riften.) 

$I)r  unberlennbarer  biblifcf)er  ©eb,alt  unb  fittücfyer  @rnft   b,at  biefe  Seb,re  nicfyt  »or 

35  lebhafter  Seftreitung  gefd)ü^t.  (Sie  Sitteratur  fieb,e  bei  SBeber  unb  Senfoto.)it  S^re 
2lbmeic^ung  bon  ber  bogmatifc^en  "^rabition  ^at  £>ofmann  nic§t  berl^e^It,  i^re  Überein= 
ftimmung  mit  ber  ©runblefyre  ber  Deformation  unb  mit  bem  religiöfen  ©eljalt  be§  S3e= 
Ienntniffe§  mit  Decfyt  beraubtet.  Qb,r  §aubtberbienft  liegt  barin,  bafj  fie  bie  fruchtbaren 
©ebanlen  ©cbJeiermacfyer'S  bewahrt,    fie  in    ben  ^ufanim.enfyang    einer  h)ir!lic^en  SBer= 

40  föfmungSlebje  einfteHt  unb  mit  reifem  biblifc^em  ©eb^alt  erfüllt.  Über  u)re  innere  ©e= 
fc^loffenf)eit  wirb  man  nicf)t  ebenfo  günftig  urteilen  fömten.  ©ie  Umfe|ung  be§  gott= 
fernblieben  §affe§,  ben  6b,riftu§  erfährt,  in  ben  3^™  ©otte§  über  bie  ©ünbe  ift  eine 
gewagte  3Sertaufc|ung,  bie  nid)t  überzeugt.  Unb  bafj  e§  nicf)t  angebe,  bie  (Srbulbung  be§ 
göttlichen  3om^  nacljbrücüicl)  ju  beraubten,  aber  ba§  ©rleiben  ber  ©träfe  bureb,  6I)riftu3 

45  ju  beftreiten,  fjaben  feb^on  feine  jeitgenöfftfeb^en  ©egner  (3.  33.  granj  $DeIH$f$)  geltenb  ge= 
mac^t.  @g  War  barum  nur  fonfequent,  Wenn  granf,  ber  auf  §ofmannfcb,en  ©runblagen 
Weiterbaut,  bie  ©rbulbung  be§  göttlichen  ©trafberfyängniffe§  ober  be§  ©efe^eöfluc^S  in 
feine  ^fyeorie  Wieber  aufnahm,  Wä^renb  er  aßerbings>  mit  öofinann  bie  Qbentität  ber  bon 
Sl>riftu§  erbulbeten  ©träfe  mit  ber  33erbammni§ftrafe  al§  ein  „fcfyriftlofeä  Stb,eologumenon" 

50  ablehnt  (©bjt.  b.  cb,r.  2öaf>rb,eit  §  35).  ^m  übrigen  fann  gerabe  feine  SBefyanblung  be§ 
©ogma^  geigen,  baf$  eö  ber  einheitlichen  ©eutung  be<8  §eil§Werl§  nicfjt  bienlic^  ift,  Wenn 
bie  ^Dogmatil  alle  neuteftamentlicf)cn  ©ebanfenformen  ((frbulbung  beä  ©efefeegfluc^ö,  So§= 
laufung,  üambf  mit  bem  ©atan,  briefterlidje  ©elbftbarbringung)  o^ne  älbftufung  ber= 
einigen   Witt.    Qn   bie  9läfye  §ofmann§   gehört   aueb,  bie  2lnfc^auung  bon  20.  %x.  ©efe. 

55  2luct)  er  Will  nict)tg  bon  einer  Umftimmung  ©otte§  buxfy  ba§  £>eilgwerf  Wiffen,  betont 
bie  SerWanbtfc^aft  be§  ©ü^nen§  Sfjrifti  mit  feiner  gürbitte  unb  le^nt  ben  ©ebanfen  ber 
©traffati^faltion  ab.  @r  fieb^t  aber  in  (Sbjifti  Seiben  ba§  fragen  be§  ©ünbenfluc^S,  baö 
jWar  bon  leinem  ©djmlbgefül»!  begleitet  War,  aber  bureb,  bie  Slnerlennung  ber  ©ered)tig= 
ieit  be€  göttlichen  ©eric^tg  über  bie  2Renfcf)bieit§fünbe   unb  bureb.  Willige  Beugung  unter 

60  biefe§  ©ericfyt  bie  Sebingung    erfüllte,    an  bie  ©otteS   ^eilige  Drbnung  bie  ©ünben= 


i*erfüf)UHttg  571 

bergcbung  gefnüpft  $at  (Gfmftt  ^erfon  unb  2Berf  III;    gbSty  1857/58;  ZfätR  1889). 
£ie  gletc^faCCä  berWanbte  Slnfcfyauung  3JI.  $äf)lerS  ift  beffer   an   Röterer  ©teEe  gu  be= 

£en  legten,  nachhaltigen  Slnftofj  ju  neuer  Durcharbeitung  ber  ÜBerfölmungSlebje  bat 
bie  brotcftanttfdje  Geologie  bureb  3t.  SRitfd^Iö  SBerl:  „SDie  cbrtftlicfye  Sefyre  Don  berRecb>  5 
fertigung  unb  Sßcrföbnung"  empfangen.  2öenn  er  ber  33erfölmung  tfyre  ©teile  hinter  ber 
Rechtfertigung  anweift,  fo  Und  er  bamit  bor  allem  auSbrücfen,  bafj  er  fie  ntc^t  als  33er= 
föfynung  ©otteö,  fonbem  beS  Sftenfcfyen  berftefyt.  ©te  ift  nad)  ibm  ber  fubjeftibe  ©rtrag 
ber  Rechtfertigung  ober  ©ünbenbergebung,  bie  2lufljebung  beS  aftiben  SöiberfbrudjS  gegen 
©ott.  ©eine  Drbnung  ber  begriffe  erflärt  fid)  aber  noefy  Wetter  barauS,  bajj  er  bie  io 
Rechtfertigung  nicf)t  auf  ben  einzelnen  ©laubigen,  fonbern  auf  bie  ©emeinbe  begießt,  Wo= 
bura)  fie  mit  bem  gefcbjcfytlidjen  §eilSWerf  in  bie  engfte  Verbinbung  tritt  unb  jum  brin= 
gießen  2IuSbrucf  für  bie  Stellung  ju  ©ott  wirb,  in  bie  SfyriftuS  feine  ©emeinbe  ein= 
füfyrt.  ©a  Ritfd)I  aber  aud)  bie  SSorauSfetjungen  ber  Rechtfertigung  in  weitem  Umfang 
erörtert,  gefjt  feine  Unterfucfyung  auf  alle  fragen  ein,  meldte  bie  2el)re  bon  ber  SSerfölmung  is 
(im  hergebrachten  ©inn  beS  SöorteS)  jju  befbrecfjen  pflegte  (©otteSbegriff,  fittlicfjc  2öelt= 
orbnung,  §eilSWerf  Gfyrifti).  £atte  bie  biSfyerige  bogmatifdjte  Strbeit  immer  Wieber  bor 
ber  ©djwiertgfeit  geftanben,  bafj  ber  ©ebanfe  ber  ©traffaiisfaftion  ftcfy  als  unburd)füf)rbar 
ertoieS,  fo  bejeidjnet  Ritfd;!  als  ben  legten  ©runb  biefer  ©d)Wicrigfeit  bie  Unbereinbarfett 
bon  Recfyt  unb  Religion,  ©behielt  mit  ber  (SrfenntniS  bon  ©ott,  bie  wir  GljriftuS  ber= 2" 
banfen,  ift  nur  eine  eil)ifd)e,  nid)t  eine  juriftifcfye  33egrünbung  ber  ©ünbenbergebung  ber= 
einbar.  @S  finb  barum  alle  SSorftellungen  fernzuhalten,  Weldje  auf  gefe^Uct)e  ©enug= 
rbuung  ober  fteöbertretenbeS  Seiben  binauStommen ;  aber  and)  ber  ©ebanfe  beS  gorneS 
©otteS  barf  in  bie  Sel)re  bom  üffierf  ©bjtftt  nic^t  eingemifdjt  Werben.  ©otteS  SKefen,  Wie 
e§  im  Gfyriftentum  offenbar  ift,  Wirb  burd)  ben  begriff  ber  Siebe  erfcböbfenb  auSgebrücft  25 
(III,  260).  ®ie  §eiligfeit  begetd^rtet  bie  Unnafybarfeit  ©otteS  unb  tritt  barum  im  gort-- 
febrttt  feiner  gefcbtc^tlic^en  Offenbarung  bon  felbft  prücf.  ®er  gorn  ©otteS  bat  in  ber 
enbgültigen  2Infcf)auung  beS  %l%  feine  ©teile  im  Rafymen  beS  ©nbgertdjtS;  er  gilt  alfo 
nur  ben  9Jtenfd)en,  bie  ber  ©rlöfung  Wiberftreben.  ®ie  Deutung  ber  biblifd)en  ©eredjtig= 
fett  im  ©inne  einer  bobbelten  Vergeltung  ift  (Eintragung  eines  b  e Hentfcbert  SRafjftabS ; 30 
bie  1)1.  ©cfyrift  fennt  nur  eine  ©eredjtigfeit  im  ©inne  ber  lonfequentcn  güfyrung  jum 
§eil.  @S  bebarf  aber  aueb,  feiner  (Ergänzung  beS  ©a|eS:  ©ott  ift  Siebe  bureb,  Setfügung 
bon  Seftimmungen,  Welche  bie  fittlicfye  Drbnung  feines  §anbe!nS  betonen,  benn  Siebe  ift 
immer  görberung  beS  Bbd^ften,  alfo  be§  fittlicb,en  gtoeefs  bon  ^ßerfonen  unb  ©otte§  Siebe 
ift  unä  offenbar  in  tfjrer  Richtung  auf  bie  ftttlidje  ©ememfcfyaft  beg  Rcid)e§  ©otte€.  ^ 
iap.  fommt  noeb,  ergän^enb,  ba^  RitfdjlS  Seb,re  bon  ber  ©ünbe  borWiegenb  ibre  religiöfe 
Seite,  ben  SRangel  an  Vertrauen  betont  unb  ba<§  Moment  ber  UnWiffenb,eit  für  bie 
üRögltd^Iett  tbrer  Vergebung  in  2lnfcb,Iag  bringt  (bgl.  Sb  XIX,  ©.  148).  @3  ftef)t  barum 
rttebt  fo,  ba^  man  bie  ©ünbenbergebung  in  erfter  Sinie  auö  ©otte§  Siebe  abzuleiten,  ba= 
neben  aber  noef)  anbere  Momente  in  Rechnung  ju  fteHen  b,ätte;  bielmeb,r  ift  bie  ©ünben=  ^o 
bergebung  ganj  unb  au§fd)lte^lid)  ba§  Söerl  ber  göttlichen  Siebe,  bie  bureb,  fein  Red;t3= 
gefe|,  burd;  feine  au§  einem  anbern  ^xin^ib  ftammenbe  fittltdje  Drbnung  befcbrättJt  Wirb. 
2)amit  ift  jeber  ©ebanfe  an  eine  Umftimmung  ©otteS  bom  30m  Sur  ©nabe,  ober  an 
bie  Sefriebigung  einer  bie  ©nabe  fyemmenben  ©erecb,tigfeit  au§gefd)loffen.  S)ie  ^erfö^nung 
ift  burcb,au§  Offenbarung,  b.  f).  gefd^tc^tltcbeg  SBirffamWerben  ber  göttlichen  Siebe.  Run  ^ 
toiU  aber  Ritfclil  eg  boeb,  bermeiben,  ba§  bie  ©ünbenbergebung  al§  etWa§  ©elbftberftänb= 
licf;e§  erfd)eine.  ©ie  gilt  ib,m  alg  ba§  ©ut,  mit  bem  @lmftu§  feine  ©emeinbe  auSftattet 
unb  niemanb  fann  ib,rer  anberS  geWife  Werben  als  bureb,  if)n.  Sb,riftu§  übt  in  bem  ge= 
famten  ©toff  feines  berufsmäßigen  2SirfenS  bie  gunftionen  beS  ^robb,eten,  ber  ©otteS 
Siebe  offenbart,  unb  beS  ^3riefterS,  ber  bie  SJtenfcb^eit  bor  ©ott  bertritt,  ©eine  fönig=  ^ 
Iid)e  SBürbe  brücft  nur  ben  unbergletdjlidjen  Sföert  unb  umfaffenben  (Erfolg  feiner  2Btrf= 
famfeit  in  beiben  Richtungen  auS.  33on  biefen  beiben  ©ebanfen  ber  Offenbarung  ©otteS 
unb  ber  briefterlidjen  Vertretung  ber  9JJenfcb,beit  mufe  ber  erfte  ber  übergeorbnete  fein,  ba 
nur  fo  ber  3luSgang  ber  ©ünbenbergebung  bon  ©otteS  Siebe  ficf)ergeftellt  ift.  Scfuä 
offenbart  alfo  burdb,  fein  berfönltdjeS  ^anbeln,  baS  er  felbft  ein  ©ienen  nennt  unb  beffen  ■">■"» 
3h>ecf  bie  ©tiftung  beS  Reimes  ©otteS  ift,  ©otteS  Siebe  unb  fofern  bieS  Reicb,  ©ünbern 
angeboten  Wirb,  feine  berjeif)enbe  Siebe.  @r  rebräfentiert  aber  aud;  in  all  bem  bie 
SSJcenfcb^eit,  bie  bereit  ift,  ben  ßWecf  ©otteS  ju  if>rem  eigenen  ju  macfjen.  ©ein  S3erufS= 
geb,orfam  ift  baS  Mittel,  bureb,  baS  er  fiel)  felbft  in  ber  Siebe  ©otteS  beraubtet  unb  feiner 
©emeinbe  ben  3u9anS  iu  '^m  erfeb,  liefst.    ®enn  er  leiftet  biefen  ©efyorfam  nicfjt  nur  für  60 


572  3?erföf)tMttg 

ftd;,  fonbern  in  bcr  StbficbJ,  feine  3un9er  uno  bk  3Renfd;I;eit  übertäubt  in  biefetbc 
©tettung  ju  ©ott  fyinemäujieljen.  ©ie  ©bhje  feme§  23eruf§geI)orfam<g  ift  fein  %ob,  in 
bem  barum  aud;  ber  Söert  feiner  ^ßerfon  für  ©Ott  fid)  jufammenfafst.  2Iud)  er  mufs 
unter  ben  bügelten  ©eftcfytSbunft  ber  Offenbarung  unb  Vertretung  geftellt  toerben.  gür 
5  ben  letzteren  bietet  ftd),  ba  red;tlid;e  StuSbrüde  ungeeignet  finb,  ber  religiöfe  Segriff  be§ 
DbferS  als  bie  entf!pred)enbfte  33orfteltung3form  bar.  ©enn  ba§  Dbfer  I)at  in  ber  att= 
teftamenilid;ert  Religion  nid;ts>  mit  Stecht  unb  ©träfe  ju  tl)un,  e3  ift  eine  ^nftitution  ber 
©nabe  jur  Stufrecfyterfyaltung  ber  Sunbelgemeinfdjaft  mit  ©Ott.  Unter  bem  ©efid;t§= 
buntt  be3  Dbfer§  I)at  ßbriftus   fetbft  ben  $eil3toert  feinet  S£obe§  gebeutet  unb-  auty  bie 

10  neuteftamenilicfyen  ©cfyriftfteüer  Ijaben  im  Dbfergebanfen  ti)r  religiös  orientiertes  9Serftänb= 
ni§  be<o  IpetlS  niebergelegt.  @r  befagt,  bafs  GI)riftu§  burd;  feinen  im  £ob  bemalten 
ÜBerufägefyorfam  feine  ©emeinbe  in  bie  ©otte§näI;e  berfeijt  unb  einen  neuen  SBunb  mit 
©ott  für  fte  geftiftet  I)at,  beffen  ©ut  ©ünbenbergebung  ift.  ©abei  ift  aber  bie  gteid;= 
artige  Sebeutung  be§  Seben§  Qefu  "i^1  au§gefd;loffen,  fonbern  borau§gefe£t.    ©o  toenig 

ij  toie  bei  ©d;Ieiermad;er  fott  bei  9fttfd)I  an  einzelne  Slfte  unb  Seiftungen  Gfyriftt  ober  einen 
au3  biefen  fttefjenben  fad)lid)en  3öert,  ein  bon  feiner  ^3erfon  ablösbare^  33erbienft 
gebadet  toerben.  älud;  ^ter  ift  ßfyriftus  bcr  (Möfer  burd)  ben  ©el)alt  feiner  ^ßerfon,  nur 
bafj  SRttfd;!  biefe  im  llnterfdneb  bon  ©d)Ieiermad)er  in  ifyrer  freien  etf)ifd;en  Seben§= 
entfaltung  anfd)aut.    ©ie  ©emeinbe,  bie  biefen  2Sert  @!)rifti  unb  feine§  ©eI)orfam§  ber= 

20  fiel)t,  tbeifj  ftd)  barum  im  ©lauben  gerechtfertigt,  unb  fofern  ber  ©taube  2Bitten3alt  ift, 
ber  bie  bargebotene  ©emeinfd)aft  mit  ©ott  bejaht,  meif?  fte  fid)  jugleid)  im  ©inftang  mit 
©otte§  @nbjtoed  b.  I).  berfbfynt.  (9ied)tf.  u.  53erf.  III;  Unterr.  in  ber  dir.  Religion.) 
©iefe  ^onftruftion  ber  23erföI)nung§IeI)re  fü^rt  in  energifd)er  ©ebanfenarbeit  eine  SLenbenj 
burd;,  bie  feit  bem  @rtoad;en  einer  fetbftftänbigen  ©cfyriftforfdmng   unb   eine§  ftrengeren 

25  ffyftematifcfyen  ©enfen§  in  unferer  $ird>e  immer  toieber  I)erborgetreten  ift.  ©ie  fteHt  ben 
©ebanfen  ber  SiebeSoffenbarung  ©otte3  in  6I)riftu!o  in  ben  Sftittelbunft  unb  erfe^t  bie  in 
ba3  ©ogma  eingebrungenen  9ted;r»borftetlungen  burd;  fitttid)e  ©efid)t§buntte.  ©inen 
©d;ritt  in  biefer  !Jtid;tung  bejeid;nen  im  ©runbe  aud)  bie  arbeiten  bon  ©d)letermad)er 
unb  5Renfen,  SBed  unb  §ofmann,   ©ef$  unb  granf;   altem  9titfd)l  giebt  biefer  Senbenj 

:»  ben  rüdI)altIofeften  unb  fütmften  2tu3brud  unb  berfolgt  bie  ^onfequenjen,  bie  ftd;  au§ 
feinen  2tnfä£en  ergeben,  burd;  bal  gan(^e  bogmatifd)e  ©Aftern  tünburd).  ©arm  liegt  baö 
£ef»rreid;e  feiner  Strbeit.  2lber  bie  äüb^nb^eit  unb  ©efcbloffenfyeit  ift  aud)  b^ier  burd;  eine 
unleugbare  @infeitig!eit  erlauft.  $Ritfd;I  I)at  ba§  religiöfe  Problem  ber  ©ünbenbergebung 
in  einer  SBeife  berlürjt,   bie   toeber  bem  biblifd)en  ©otte^begriff,    nod)   bem   d;riftlid;en 

35  ©ünben=  unb  ^eilsbetoujjtfein  gered)t  iüirb.  ^nbem  er  au$  bem  ©otteöbegiff  ba§  Moment 
ber  |>ei(ig!eit  au^fdjlie^t  unb  bie  ©ered;tig!eit  auf  ©otteä  l^eilfd)affenbeg  XI)utt  befd)rän!t, 
berb^üHt  er  ben  fdmeibenben  SBiberfbrud;  ber  menfd)Ud;en  ©ünbe  mit  ©otteS  et^»ifd;em 
2Befen.  3noent  er  ferner  ben  £ob  ^efu  nur  unter  bem  ©efid)t3bunft  ber  33etoäl)rung 
feine§  SerufSgeb^orfamS  auffaßt,    (ä|t   er   feine  Se^iefyung  auf  bie  @ntl)üttung  unb  35er= 

40  urteilung  ber  ©ünbe  aujjer  ad;t,  bie  im  31%  fo  reid;Iid;  unb  nad)brüdUd)  betont  ift. 
3titfd)I  berfäumt  groar  nid;t  ju  fagen,  ba^  „im  (Sfyriftentum  fid;  mit  ber  ©ünbenbergebung 
bie  gortbauer  be§  früheren  ©d)ulbgefül)l3  in  ber  (Erinnerung  unb  bie  ©d;ärfung  be§ 
©d;ulbgefü^)I§  über  bie  3i»ifd;eneintrctenben  gälte  bon  ©ünbe  berbinbe"  (3ted;tf.  u. 
3Serf.  III,  514),   aber  er  unterläßt  eS,   biefer  ©djärfung  be§  ©d)utbgefüb^tS  in  ber  ©eu= 

45  tung  be§  SobeS  Qefu  eine  fefte  ©runbtage  ju  geben.  ®arum  mu|  man  bezweifeln, 
ob  SRttfd^lS  gaffung  ber  d;riftlid)en  §eilslef)re  bem  (Srnft  ber  ©d)utb  genugtb^ut  unb 
beren  Stufb^ebung  auf  eine  für  ba§  d;riftlid)  gefd)ärfte  ©etbiffen  überjeugenbe  Söeife 
begrünbet. 

@ine  gortarbeit  auf  bem  bon  !JUtfd;t  gelegten  ©runb  ift  borjugStoeife  in  ber  9ttd)= 

so  tung  erfolgt,  bafe  man  ob^ne  bie  Segrünbung  ber  ©ünbenbergebung  in  ©otteS  Siebe  ju 
berbunfetn,  im  ©otteSbegriff  ba<8  SRoment  ber  §eiligfeit  unb  entfbred;enb  in  ber  ©eutung 
beS  %obe§  3efu  °^  Moment  be§  ©erid;t§  über  bie  ©ünbe,  ber  ©ül)ne  in  trgenb  einem 
©inn  jur  ©eltung  brachte,  ^n  biefer  Sinie  betoegen  fid;  namentlid;  bie  arbeiten  bon 
%\).  ^äring  (3ur  S3erföb>ung3leb>  82  ff.;  ©er  d;r.  ©taube  414f.);  aber  aud;  ^-  Loftan 

55(©ogm.  §  56,  3.  4),  333.  £errmann  (Serfe^r  be§  6b;riften  mit  ©ott  4.  21.  112  ff.) 
unb  3Jt.  SReifd^Ie  (ßb^r.  ©lauben§Ieb;re  2.  3t.  §  94—96),  bertreten  in  ber  ©eutung  beS 
$reuje§  Gfyrifti  ©ebanlen,  bie  über  9litfd;I  I;inau<§geb>n. 

ßute^t  t)at  W.  Äät)ter  auf  ©runb  einbringenber  er.egetifd;er  ©rörterung  unb  unter  Se^ug= 
nab; me  auf  bie  neueften  bogmatifdjen  33erb^anbtungen  eine  ©nttoidelung  ber  33erftJ^nung§te^re 

60  gegeben,  bie  aU  eine  gortbilbung  ber  §ofmannfd;en  Stuffaffung  bejeid;net  toerben  barf.  @r  tbitl 


Ükrföljnmtg  573 

cbenfo  bie  falfd^e  Dbjeftibität  ber  überlieferten  SefjrWeife  übertoinben,  tote  bie  falfd^c  ©ubjeftibi= 
tat  ber  mobernen  SLr/eorien  bermeiben  unb  in  betbem  bie  biblifdjen  ©ebanfen  botlftänbiger  zur 
©eltung  bringen.  %n  erfterer  £unfid)t  macfyt  er  geltenb,  bafj  bie  33erföfynung  nad)  bem 
v3ti  in  ©ottcs  unWanbelbarem  Siebeswillen  begrünbet,  barum  leine  ümftimmung  ©ottes, 
fonbern  bie  ©rmöglidmng  eines  neuen  Verhaltens  feiner  Siebe  gegenüber  ben  Sünbern  5 
ift.  ^n  ber  zweiten  §inftd)t  betont  er,  baf?  bie  Verformung  leine  blofje  ümftimmung  ber 
üftenfcfyen,  fonbern  bie  gefd)id)tlid;e  2BanbIung  bei  Verb/ältniffes  ©ottes  ju  ifynen  ift  unb 
baf}  fie  neben  ber  ©rWeifung  ber  ©nabe  aud)  ben  Vollzug  eines  ©eridjts,  ja  einer  ©träfe 
enthält,  ©ie  2tnWenbung  bei  lederen  Vegriffs  auf  Gfyrifti  Seiben  ermöglicht  aber  boct; 
nur  eine  feb,r  Weite  ^Definition  besfelben;  „©träfe  ift  ein  Verfahren  zur  Vefyaubtung  einer  m 
Drbnung  im  Seben  bon  Verfonen"  (Sogm.  ßettfr.  II,  393).  9cimmt  man  ben  boßftänbigen 
Segriff  ber  ©träfe  jum  9Jcaf$ftab,  Wornacb,  fie  bie  3)urd>fe£ung  ber  Autorität  bei  ©efe^es 
an  ber  Verfon  bei  ©cfyulbigen  ift,  fo  würbe  ber  §eilsWert  bei  Stöbet  ^efu  jutreffenber 
burcr)  ben  Segriff  ber  ©ütme  bezeichnet,  bem  ®äbjer  felbft  eine  zentrale  ©teEung  zuweift 
(2ßiff.  b.  #r.  Sebje,  3.  21.  §  411—431,  namentlich  428).  15 

10.  Überblid't  man  bie  neuere  ©efd)icr/te  ber  Verfölmungslebre,  fo  fann  man  fid) 
bem  @inbrud  nicf/t  berfdjliefjen,  bafs  geWiffe  ©runbgebanfen  ju  Weitreicf/enber  älnerlennung 
gelangt  finb.  ©ie  gefyen  borWtegenb  auf  ©d)leiermad)er,  §ofmann  unb  9titfcf/l  jurüd, 
finb  aber  mefyr  nod;  baburd;  einflufjreid)  geworben,  baf?  fie  ftcb  einer  unbefangenen  unb 
metbobiftt^en  ©djriftforfdmng  aud;  ate  bibltfd)  begrünbet  erWiefen  fyaben.  ©ab/in  barf  20 
man  rennen  1.  bie  Überzeugung,  bafj  bie  Verföfynung  nid)t  als  Ümftimmung  ©ottes  ju 
benfen  ift,  fonbern  bon  bem  unWanbelbaren  SiebeswiHen  ©ottes  ausgebt,  ©ie  ift  für 
ben  ©lauben  unerläfdid),  wenn  er  in  ber  göttlichen  Verzeihung  einen  fieberen  3lnfergrunb 
finben  foH.  9ftcf)t  eine  in  ber  geit  entftanbene,  nur  eine  ewige  unb  in  ©ott  felbft  be= 
grünbete  ©nabe  !ann  bie  ©eltung  ber  ©ünbenbergebung  unbebingt  ficfyerftellen.  Unb  25 
menn  Wir  im  Sichte  ber  djriftlicben  Offenbarung  unb  bes  bon  il)r  erleucfyteten  ©etoiffens 
genötigt  finb,  biefe  Siebe  als  ^eilige  ju  ben!en,  fo  fielen  bod)  Siebe  unb  §eiligfeit  nicb,t 
im  ©egenfatj,  fo  baf?  fie  einanber  ausfd)Iief$enbe  9Rotibe  bei  göttlichen  §anbelm>  werben 
fönnten,  fonbern  in  ewiger  ©inr/ett.  2.  Unfere  Verföfynung  beruht  auf  6b,rifti  Verfon 
unb  bollziefyt  fieb,  bureb,  fein  gefamtes  Söerf,  fofern  e§  in  %i)un  unb  Seiben  ©ottes  Siebe  ?,o 
offenbart  unb  bie  bem  Sßillen  ©ottes  entfbrecbenbe  9Jcenfd)f)eit  barfteßt  unb  berftellt.  3lux 
menn  Sbriftus  ber  Präger  göttlichen  Sebens  für  bie  9Jcenfd)I)eit  unb  bamit  ifyr  bollenben= 
beö  §auj)t  ift,  lann  er  ifyr  ©ottes  ©nabe  Verbürgen  unb  fie  al<§  fd)öbferifd)er  Urheber 
i£>rer  gottgemäfeen  Sebenägeftalt  bor  ©ott  bertreten.  3.  SDaS  Xobe^leiben  6b,rifti  Wirb 
jtoar  bon  feinem  altiben  ©eb,orfam  mit  umfafjt  unb  bilbet  bie  ©bi^e  feiner  ©ott  offen=  3.1 
barenben  unb  bie  9Jcenfd)r/eit  bertretenben  SSirffam!eit.  ©3  t)at  aber  bie  befonbere  33e= 
beutung,  ba§  2Roment  ber  §eilig!eit  in  ©otte§  Siebe  einjubrägen,  bamit  ba§  d}riftltd;e 
Urteil  über  ©ünbe  unb  ©cb,ulb  ju  normieren  unb  bie  9teue  ju  Weden,  oljme  welche  ber 
©laube  an  bie  ©ünbenbergebung  falfd;e  ©elbftberubigung  Wäre.  4.  §infid;tlicr;  ber 
fpeuellen  Sluffaffung  biefer  göttlichen  ^>eilig!eitierWeifung  in  6b,rifti  S£ob  befielt  aueb,  in=  40 
fotoeit  Übereinftimmung,  ba|  !einer  ber  neueren  ©ogmatifer  an  Übertragung  ber  ©träfe 
im  boHen  ©inn  mit  dinfcblufe  bei  ©d^ulbgefübfö  auf  bie  $erfon  bei  @rlöfer§  benft. 
©8  botljiebt  fid)  an  il;m  entWeber  ber  |)af3  ber  2öelt  ober  ber  ©brud;  be§  ©efe^ei  ober 
bas  um  ber  ©ünbe  Willen  über  bie  9Jcenfcbr/eit  berbängte  Übel,  ^mmer  aber  Wirb  ein 
birefter  auf  ben  ©olm  belogener  ©trafbefd)lufe  be§  SSateri  abgelehnt  unb  ebenfo  ba<§  @r=  4.-» 
leiben  g^riftt  felbft  bureb,  bie  ©inräumung,  ba^  e§  ol^ne  ©cb,ulbbewu|tfein  War,  bon  ber 
eigentlichen  ©träfe  unterfebieben.  Db  man  für  biefe  Sebeutung  bei  "Sobeä  ßbrifti  bal 
2Bort  ©ü^ne  gebraucht  ober  niebt,  ift  besr)alb  meb,r  eine  grage  ber  Terminologie;  aud) 
too  ber  Segriff  ber  ©traferbulbung  beibehalten  Wirb,  mufe  er  erft  bureb,  eine  genauere 
Umgrenzung  gegen  9Jcif3berftänbni<g  fid)ergeftellt  Werben.  5.  (Snblicb,  b^errfd)t  aud)  barüber  50 
ein  toeitgebenbeS  ©inberftänbni'3,  ba^  e§  gelte,  in  ßl)rifti  §eil§Wer!  nict)t  nur  bie  Grmög= 
licb,ung,  fonbern  ben  Vollzug  ber  Serfölinung  ju  fetjen.  ©iefelbe  Seiftung  6f)rifti,  Weldje 
©ottes  Serjeifjung  auf  fittücbe  Söeife  begrünbet,  gcftaltet  jugleid)  Wirffam  baö  Seben  ber 
iDlenfcbbeit  um.  liefern  ©ebanfen  entfbricb,t  eö,  wenn  ftatt  bon  ©tellbertretung,  bie 
feinen  §inWei§  auf  bie  Äonfequenjen  beö  3;aufd)ö  für  ba§  innere  Seben  ber  sJJcenfcbr/eit  -,.-, 
enthält,  meift  lieber  bon  Vertretung  ober  Sürgfd;aft  gefbroeben  Wirb.  Sarin  liegt,  bafj 
Ebnftu§  al€  bas  £aubt  ber  9Jienfcbbeit  für  biefe  in  einem  ©inne  bcmbelt,  ber  fie  ebenfo 
bon  ibrer  ©d)ulb  entlaftet,  Wie  eine  ^Pflicbt  ju  entfbreebenber  ^iacbfolge  auf  fie  legt. 
J)urd)  biefe  Kombination  ift  zugleich,  ber  Übergang  gefunben  bon  bem  Xroft  ber  ©ünben= 
oergebung  jur  Söfung  ber  neuen  Sebensaufgabe,  bie  bor  bem  Segnabigtcn  ftel)t.  w 


574  $erföljimnij 

SDamtt  tritt  aber  bte  eigentliche  @ntfd)eibung§frage  in  unferen  ©efid;tgfrei3,  bie  im 
legten  ©runbe  bie  ©eftaltung  ber  Serföb,nung3lel)re  beftimmt,  unb  bon  bereit  Seant= 
toortung  aucb.  ber  ©inn  abfängt,  ben  mir  mit  bem  Segriff  ber  ©üt/ne  ju  berbinben 
fyaben.  ©ie  lautet  nicfyt:  Se^ielrt  fieb,  bie  Seiftung  ßfyrtfti  nur  auf  ©Ott  ober  begießt  fie 
5  fid;  nur  auf  bie  9Jienfcf)en v.  —  beibeS  Wäre  nia;t  toirflicfye  Verfolgung,  nid;t  SSftittlerfcfyaft, 
fonbem  eine  ©ienftleiftung  enttoeber  nur  nacb,  ber  einen  ober  nur  nad)  ber  anberen 
©eite  — ,  fie  fyeifjt  bielmeljr:  Qft  ber  Söert  be§  ,£>eiIsWerf€  Gfyrifti  für  ©Ott  olmc  -iRücffidjt 
auf  feine  2öir!ung  innerhalb  ber  9Jtenfd;fyett  ju  begrünben  ober  fönnen  wir  ifm  nur  nad; 
SRajjgabe  ber  letzteren  berftefyen?    2ln  biefer  $rage  fdjeiben  fid;  fyeute  nod;  bie  Söege  ber 

10  bogmaiifcfjen  Konfination. 

gunäcbjt  fbricfyt  ofyne  gtoeifel  bieleS  für  ba3  erfte  ©lieb  ber  2Ilternatibe.  Stuf  feiner 
©eite  ftefyt  nicfjt  nur  bie  übertoiegenbe  gafy  ber  biblifcfyen  unb  fircfylidjien  ^eugntffe,  feine 
Sejalmng  fdjeint  aufy  allein  ben  ©ebanfen  einer  am  Kreu^  gefdjtcfytlicf)  bollenbeten  ©üljme 
unb  bamit  bie  bolle  ©ntlaftung  ber  ©eWiffen  fic^erjufteßen.   Sfäcbtg  it>as>  roir  tfyun  mögen, 

15  ßfyrifti  Sßerf  allem  Verbürgt  ©ottes>  ©nabe  unb  e<§  gilt  für  bie  gefamte  SDcenfdjfjeit,  aud) 
fürbiejenigen,  bie  nod)  nid;ts>  bontI)m  Wiffen  ober  felbft  ntc^tö  bon  i|m  Wiffen  Wollen.  ®urd) 
biefe  unbedingte  Dbjeltibität  ber  Seiftung  SI)rifti  fcfyeint  ber griebe ber  ©eWiffen  allein  Waf)rr)aft 
gefiebert  ju  fein.  5Run  barf  man  fid)  aber  rttd^t  berl)el)len,  ba|  für  biefen  rein  objeftiben  Söert 
be<§  2öerJ§  Sbjifti  ein  etnWanbfreter  2Iu§brucf  ferner  ju  fmben  ift  unb  bon  ber  heutigen 

20  SDogmatif  laum  bargeboten  Wirb.  $Die  altbroteftantifdje  SeI)rform  glaubte  einen  folgen 
ju  befitjen ;  aber  bie  rechtlichen  Kategorien,  bie  fieb,  eben  al3  Sluöbrucf  bollfter  Objeltibität 
embfabjen,  erWiefen  fta)  aU  unburd)fül)rbar.  @3  läfet  fiel)  Weber  beutlid)  machen,  inWie= 
fern  ber  aftibe  ©elwrfam  @I)rtfti,  rein  ab§  berf online  Seiftung  betrachtet ,  bie  ©efe|ei= 
erfütlung  aller  bertreten  fann,  nod;  ift  für  ben  objeftiben  Söert  be§  Seiben3  SI)rtfti  ein 

25  ©efid)t3bunft  gefunben  Worben,  unter  bem  e§  all  boKgenügenbe  2öieberl)erfteüung  ber 
fittlicfyen  Drbnung  ftd)  barftettte.  ®er  ©efid)t§bunft  ber  ©träfe  bermod;te  bieg  in  ber 
ftrengen  Raffung,  bie  tf)m  bie  alte  Dogmatil  gab,  nict)t  ju  leiften;  er  bermag  e§  nod; 
Weniger  in  ber  abgefct)wäd)ten  ©eftalt,  auf  bie  fid;  —  aus>  burd)au<§  anerfennen3Werten 
©rünben  —  bie  teueren  meift   gurücfjiefyen.     Sermeibet    man    aber    ben    Segriff   ber 

30  ©träfe  ganj  unb  fiel)t  man  ben  3Bert  bei  Seibenl  ß^rifti  in  ber  2lnerlennung  ber  ©e= 
recf)ttgfeit  beö  göttlichen  ©ericb.tS  burd;  ben  bulbenben  ©rlöfer,  fo  bleibt  immer  ber  3ln= 
ftofe,  ba^  biefe  3lner!ennung  bon  bem  ©c^ulblofen  geleiftet  fein  foE,  für  ben  bie  @nt= 
fbrecfmng  bon  ©ünbe  unb  Übel  eben  nicfyt  zutrifft,  mä^renb  bie  2lnerfennung  jenei 
3ufammenf)angl  feiten^  ber  ©cfmlbigen,  für  bie  fie  allein  Söafyrfyeit  b,at,    aufeerb,alb  be§ 

35  SerföfmungäbegriffiS  fallen  foß.  @§  fragt  fid;  aber  auef)  meiter,  ob  bie  33orfteßung  bon 
ber  fittlicfjen  SÖeltorbnung,  bie  biefer  rein  objeltiben  X^eorie  ju  ©runbe  liegt,  ber  bib= 
lifeben  Qbee  ber  ©erecb,tigfeit  ©ottel  gemäfe  ift.  ^nbem  biefe,  rote  oben  gezeigt,  ebenfo 
bureb^  ©otte§  ©nabe  mie  bureb,  feine  §eilig!eit  beftimmt  ift,  enthält  fie  eine  ftrenge  33er= 
geltunglorbnung  boeb,  nur  für  bie  Unbufsfertigen,  bie  in  if)rer  ©ünbe  berb,arren,  tbäb,renb 

40  fie  für  bie  jur  llmfefjr  SBilligen  eine  üäterlicfje  (Srjieljunglorbnung  ift.  2tu§  ber  fitt= 
lid)en  2öeltorbnung,  bie  im  (Sbangelium  offenbar  ift,  ergiebt  fid)  barum  laum  eine  anbere 
Sebingung  ber  göttlichen  SSergeibung  als  eine  roab.r^aft  in  bie  Siefe  geb,enbe  2öißen§= 
um!ef)r,  bie  fid)  in  Unterwerfung  unter  bie  göttliche  Slutorität,  9ieue  unb  äLütHigfeit  jum 
©el)orfam  betf)ätigt.    3ln  einer  fo  gearteten  fittlicljen  Drbnung  gemeffen  roürbe  ber  Soß= 

45  jug  einel  ©erictitl,  ba§  aufeerb,alb  bei  ©ettnffenS  ber  ©cf)ulbigen  bleibt,  fid;  toeber  all 
unbebmgt  nottoenbig,  nod;  al§  unbebingt  roertboll  au^meifen  fönnen.  (Snblicb,  läfst  ber 
Segriff  ber  33erföfmung,  gerabe  wenn  er  in  feiner  bobbelfeitigen  Sejieb,ung  alä  grieben§= 
ber|ältniö  ©otteö  jur  SJcenfcfjb.eit  berftanben  toirb  unb  eine  llmfttmmung  ©otte§  au& 
gefci)loffen  bleiben    foll,    feine   foldjie  Dbjeftibität  ju,    bei  toelcfyer  ba§,  roa§  er  befagt, 

so  aud;  o§ne  ba§  @inge|)en  bei  93Zenf<ben  in  ©otteg  §eil§rat  berfeft  tbäre. 

SBerben  mir  fo  barauf  £)ingemiefen,  bie  Umgeftaltung  ber  ^Jcenfcb^eit  in  ben  Segriff 
be§  Serföi;nung3toerf§  mit  aufzunehmen,  fo  toirb  es>  vm§  obliegen,  nunmehr  ba§  jtoeite 
©lieb  unferer  Sllternatibe  auf  feine  Tragweite  unb  grucfjtbarfeit  ju  brüfen.  Qnbem 
mir  ben  SBert  bei  SöerfS  ©f>riftt  bor  ©ott  auf  feine  Sßtifung  innerhalb  ber  3Ucenfcf)l)eit 

r.ö  begrünben,  b,aben  mir  unleugbar  einen  fefteren,  erfab,runggmä|igen  Slulgangöbunft.  ©a= 
mit  berbinben  fieb,  aber  aud;  nid;t  ju  berfennenbe  Sor^üge  für  bie  ©efd;loffenf;eit  ber 
bogmatifcb,en  Konfination.  6l)rifti  Seiftung  gilt  bter  infofern  al<§  Vertretung  ber  9Jcenfd;= 
fyeit  bor  ©ott,  toeil  fie  mit  ber  Söecfung  be§  Vertrauend  auf  ©ottei  ©nabe  gugletcb  bie 
Seugung  unter  feine  §eiligfeit  berbürgt.    6f;riftu3  ftellt  in  feinem  ©eb,orfam  bie  3Kenfcb,= 

eo  l;eit,  bie  fieb,  burd)  ibn  beftimmen  laffen  wirb,   gerecht  bar  bor  ©Ott.    SDal  entfebetbenbe 


SSerfÖJjnung  575 

©eroicfyt  faßt  aber  aud)  fiter  auf  feinen  $reuje3tob.  @r  ift  nid)t  nur  ber  f>öcbfte,  bas 
Vertrauen  unerfdmtterlidb,  begrünbenbe  (SrmeiS  ber  im  (Möfer  fyanbelnben  göttlichen  Siebe; 
er  (liebt  jugfeid^  bic  mit  Gl)riftu3  berbunbene  9Jlenfd;fyeit  in  ba3  ©terben  tbreS  natürlichen 
SffiefenS,  in  bie  tieffte  unb  umfaffenbfte  Buße  hinein.  ®amit  gemäfyrletftet  er  ben  2In= 
brud;  eine!  neuen  23erf)ältmffe<§  jmifcben  ©ott  unb  bem  9Jienfdj)engefct)Ied)t,  in  bem  ©otteS  5 
Siebe  fdjranfenloS  malten  fann  unb  il)r  ber  bertrauenbe  ©efyorfam  einer  neuen  Kreatur 
anttoortet.  £>amit  ift  ber  fittlid)en  Sßeltorbnung  genügt,  bie  ©nabe  unb  §eiügfett  in 
ginem  ift.  2lud)  bebarf  eS  nicbt  erft  ber  2luffud)ung  meiterer  SDUttelglieber,  meldte  bie 
bottjogene  SSerfob,  nung  für  bie  9Jcenfd;b,  eit  in  ßraft  fe|en ;  biefe  ift  an  ficb,  felbft  ber  3tuf= 
gang  eines  neuen  SebenS  für  bie  2Mt.  10 

SDiefe  2tnfd>auung,  bie  in  6f)nftuS  ben  Bürgen  ebenfo  ber  ber^ei^enben  Siebe  ©otte» 
für  bie  ÜJtenfdjIjett,  mie  ber  fortgefyenben  unb  bis  jum  gottgeftedten  giel  ficb,  bollenbenben 
äBiEcnSumfefyr  ber  9Kenfd)f;eit  für  ©ott  _ftef)t,  ift  aucb,  feineStoegS  bon  ben  beftätigenben 
^eugniffen  ber  ©djrift  bcrlaffen.  ©ie  bilbet  bie  ©bitje  ber  altteftamentlicfyen  ^robfyette 
toie  ber  neuteftamentlicfyen  SDeutung  beS  2Berf3  Sbjifii.  £>a<§  Seiben  beS  ©ered)ten  :^ef  53  15 
ift  barum  fübnenb,  meil  e§  bon  ber  fünbigen  ©emeinfdmft  als  ©eridjt  über  ibje  ©ünbe 
berftanben  wirb  unb  fo  bußfertige  Umfefyr  wirft  08.  5).  Unb  bie  baulinifdjen  äluSfagen 
über  baS  §eü3merf  gibfein  in  ber  $bee  beä  2Ritfterben3  unb  9Jtitauferftet)en§,  bie  feinet 
toegS  nur  ber  moralifdjen  Stntoenbung  ber  §eilSgefd)id>ie  angehören,  fonbern  ibje  tieffte 
unb  infyaltbollfte  religiöfe  SDeutung  enthalten.  3ERüßte  fct)on  biefer  Umftanb  bie  borge=  2» 
tragene  2lnfd;auung  bor  bem  SSerbadjt  fc^ü^en,  als  fönnte  fie  bie  brotefiantifdje  ©runb= 
lefyre  bon  ber  Rechtfertigung  gefäfyrben,  fo  mag  in  biefer  Beziehung  nocb,  golgenbeS  be= 
merft  fein.  ®ie  Red)tfertigungSlel)re  forbert  ein  ®obbelieS:  1.  baß  eS  mirflicb  ßfyriftuS 
ift,  um  bcffen  mitten  bie  ©cfyulb  erlaffen  icirb  unb  2.  baß  eS  mirflicb,  ber  ©laube  ift, 
ber  bie  Vergebung  empfängt.  Run  ift  eS  aber  in  ber  borgetragenen  ©ebanfenreifye  meber  20 
unfere  unboHfommene  Reue,  nocb,  unfer  unbollfommener  ©laube,  bie  ©ott  baS  neue, 
feinem  SöiUen  gemäße  Seben  feiner  ®inber  berbürgen,  fonbern  lebiglid)  GfyriftuS,  ber 
biefeS  Seben  fdjafft  unb  fortgefyenb  beftimmt.  ©otteS  Urteil  ber  Red;tfertigung  rufyt 
barum  auf  (Sfyrifii  2öerf  allein,  ©ben  barum  toirb  aud)  ber  gutritt  gu  biefem  öeil  nie= 
manb  berfberrt,  ber  feine  Reue  unboHfommen  unb  feinen  ©efyorfam  mangelhaft  ftefit,  30 
toofem  er  nur  bem  §aubt  ber  neuen  Sftenfcbjeit  im  ©lauben  anfängt. 

2Bie  aber  ber  %ob  Sfyrifti  bei  biefem  BerftänbniS  ber  33erföl)nung  feine  centrale 
Stellung  behält,  fo  geftattet  fie  aucb,  feine  2tuferfiel)ung  in  einheitlichem  gufammenljang 
mit  ib,m  ju  mürbigen.  ®iefe  ift  nicfyt  bloß  ©otte§  3lntmort  auf  bie  bollbracfyte  ©ül>ne, 
fie  ift  ber  letjte  ©cb^ritt  auf  bem  2Beg  ber  §eil^ftiftung  felbft.  Qn  ifyr  giebt  ©ott  ber  35 
3Jienfct)l)eit  ben  jum  lebenbigen  unb  belebenben  £>aubt,  ber  fie  jubor  burc|  fein  ©terben 
in  ben  %ob  ib^reS  gottentfrembeten  ©inneg  hineingeführt  b^at.  Unb  e§  bleibt  bann  nicfyt 
erft  eine  grage,  ob  ba<§  2öerf  ber  SoStaufung,  an  bie  61j>riftu3  fein  93lut  gefegt  l)at, 
aucb  einen  mirflicb^en  ©rfolg  fyaben  mirb,  e§  berbürgt  unb  fcfjafft  felbft  btefen  ©rfolg, 
e§  ift  bie  Segrünbung  einer  neuen  gottgemäßen  2Jienfd)]()eit,  bie  beftimmt  ift,  ba§  ganje  40 
©ef4)lecbt  in  ficb,  aufzunehmen.  ®arin  bemäbrt  ficb,  un§  auf§  neue  bie  grud)tbarfeit  be§ 
t)ier  berfolgten  ©eficb,t^bun!t§. 

Rocl;  mürbe  aber  ein  berechtigter  ©intoanb  gegen  biefe  ^Deutung  be§  2Bcrl€  ßfyrifti 
übrig  bleiben,  menn  fie  un3  nötigte,  bei  einer  bloß  menfcb,  lieb,  =embirifc§en  Betrachtung  be€ 
%ob?$  6f)rifti,  bei  feiner  Verleitung  au§  menfcb,lic^er  geinbfcb,aft  fielen  ju  bleiben.  (&§  v> 
toürbe  bann  jtoar  möglieb,  fein,  an  biefen  b,iftorifcb,en  2lu§gang  beö  SebemS  ^efu  finnige, 
religiös  unb  moralifcb,  fruchtbare  Setracbtungen  anjutnübfen,  aber  mir  bitten  tfjrt  niä»t 
all  ben  innerlid)  notmenbigen  33olljug  beg  göttlichen  §eil§rat§  berftanben.  3lllein  ber  2luSgang 
öon  ber  fubje!tiben  @rfab,rung  be3  Triften  nötigt  ung  nieb, t,  bei  biefer  bloß  blmnomenalen 
Setracbtung  ber  §etlggefcb,iclb,te  ftefjen  ju  bleiben.  2Bir  bürfen  unb  muffen  bon  bjer  auö  r,o 
bietme^r  ju  bem  Urteil  fortgeben:  ©ott  felbft  f)at  e^  fo  georbnet,  baß  bie  in  ber  Äreu= 
jigung  Sbrifti  bollenbete  ©ünbe,  bie  ben  ^eiligen  2)ulber  felbft  \vx  b,öcb,ftcn  ?3etoäb,rung 
feinet  ©eb,orfam§  unb  feiner  Siebe  füb,rt,  als  unberfennbare  ©cb,ulb  auf  baS  §aubt  ber 
©ottentfrembeten  jurücffädt,  fie  jur  (SrfenntniS  beS  mab,ren  SÖefenS  ber  ©ünbe  fübjt 
unb  fo  ben  ftär!ften  unb  tiefften  antrieb  jur  Umfeb^r  barbietet,  ^n  biefem  ©inn  ift  r,-, 
auet)  bie  fubjettib  gebaute  ©übne  ^ugleicb  objeftib,  bon  ©ott  georbnet  unb  boeb,  ift  fie 
ba  mirffam,  too  ber  göttlichen  Drbnung  bie  Slnerlennung  berfagt  morben  mar.  Cb  man 
feie  ©emäf)rleiftung  foldjer  bußfertigen  Umfeb,r  ©üb,ne  nennen  mill,  ift  eine  ^rig^  »on 
untergeorbnetem  Rang.  Slllein  toenn  ber  altteftamentlid;e  ©änger  zerbrochene  Merjen 
ein  Dbfer  genannt  fyat,  baS  ©ott  gefällt  (^]f  51,19),   fo  barf   man  auf  neuteftamcnt=  «> 


576  $erföf)nuttg  $erföl)mmg£iag 

Itd)em  33oben    bie  23erbürgung    ber   33uf$e    aud)   bie  ©übne    nennen,    bie  ©Ott   fyaben 
null  £>.  Sün. 

35erföl)nttng§tag.  —  Sitter atur:  S)er  £raftat  goma  mürbe  mit  Erläuterungen  ^er= 
ausgegeben  üon  ©beringfjam  Sonbon  1648;  neuerbtng§  üon  Hermann  S.  ©trad,  2  9(.  1904 
ö  mit  Sinmertungen  unb  ©loffar);  eine  beutfcfje  tteberfetmng  be§  SEraftatS  mit  9tnmertungen 
oon  $aul  &iebig  1905.  Sie  2£)üfap^ta  ju  biefem  jroftot  ift  abgebruc!t  in  Ugolini  Thes. 
ant.  sacr.  vol.  XVIII,  p.  153  sqq.,  ebenba  bie  jerufatemlfd)e  ©emara  baju.  Sie  ^ßefitta  be§ 
Sab  Stabana  junt  33erfot)nung§tag  f.  in  23ünfd)e3  Biblioth.  Rabbin.  Sfg.  31.  32,  ©.  243  ff. 
3Sead)ten§nierte  9coti$en  enthalten  $f)rtoä  ©d)rift  de  septenario  unb  ba§  neu  gefunbene  ©tüd  ber 
io  ©drriftde  victimis;  f.  «ßaul  SBenblanb,  9ceu  entbedte  Fragmente  ^3i)tluä  1891,  ©.  11  f.,  9(u§g. 
Don  Sofjn  V,  p.  45.  Sen  trabitionetten  3titu§  be§  33erföbnung§tage§  befdjreibt  9Jtatmonibe3, 
hajad  hachasaka,  überfegt  bei  Seti|3fcb,  Hebriievbrief  (1857),  ©.  749  ff.  83on  älteren  dirift= 
lidjen  3Berten  finb  ju  ermähnen:  Stgbtfoot,  Ministerium  Templi  c.  15  (opp.  ed.  II,  vol.  I, 
p.  744 sqq.);  ßarpjoü,  Apparatus  historico-critieus  antiquitatum  sacri  codicis  (1748), 
!5  p.  433  sqq. ;  Sunb,  ^übtfdje  Heiligtümer  (Hamburg  1738),  ©.1161  ff. ;  Sy.  9t.  San^,  Functio 
pontif.  m.  in  adyto  anniversaria  bei  9Keu8d)en,  Nov.  Test,  ex  Talmud,  illustr.  (Lips. 
1736),  p.  912  sqq.;  Seuling,  De  ingressu  summi  pontif.  Observat.  (Lips.  ed.  3,  1737), 
p.  175sqq. ;  Ott)0,  Lexicon  rabbin.  phil.  (Genevae  1675),  p.  182 sqq.;  3>ob-  93cet)er,  De  tem- 
por.  sacr.  Hebr.  in  Ugolini  Thes.  Tom.  I.  —  Son  neuerer  Sitteratur  ift  ^ernorjubeben: 
■20  S5ät)r,  ©nmbolif  be§  mofaifdjen  SultuS,  II,  ©.  664 ff.;  bie  ard)äologifd)en  §anbbüd)er  üon 
be  2Bette=Dtäbiger  (4.9t.,  ©.313 f.);  (Sroatb  (9Utertbümer,  3.91.,  @.  477  ff.);  Seit  (Sibi.  9trtf)äo= 
togie,  2  91.,  ©.420 ff.);  28.  «Rorcad,  £e6r.  9lrd)äol.  II  (1894),  ©.  184 ff.;  3.  «einiger,  |>ebr. 
9trd)äot.  (1894),  ©.477 f.;  g.  £.  ®ur£,  Ser  attteftam.  DpfercultuS  (1862),  ©.355 ff.  unb  bie 
§anbbütf)er  ber  altteftam.  Geologie  oon  H-  @d)ut£,  5  91.  1896,  ©.  256f.  282  ff.;  ©.  fjr.  Deuter, 
05  3  9t.  1891,  ©.498  ff.  522 ff.;  91.  Siümann  1895,  ©.457;  93.  ©tabe,  S3ibl.  2t)eol.  be§  912;  I 
(1905);  üRartt,  ©efd).  b.  tör.  Sftcl.,  5  91.  1907,  ©.256  ff.;  91.  Söljter,  Stbl.  ©efd|.  be§  912  I 
(1875),  ©.445 ff.  —  mit  23epg'auf  bie  frittfaie  grage  fietje  Selitlfd),  3f3BS  1880,  ©.173 ff.; 
S3enjinger,  Sa§  ©efej?  über  ben  großen  SßerföbnungStag,  gaflB  1889,  ©.  65  ff.;  Siümann, 
(£reg.  §bb.  p  ©robu§  «.  Seüit.  3  91.  1897;  £.©trarf,  Sur^gef.  Äoritm.  ju  ©en,  ®£,  £e  u. 
30  9cu  1894;  SJr.  SBäntfd),  Hanbfontm.  ju  (£$,  Se,  9cu  1900;  91.  Serttjokt,  furjer  §anbtomm. 
pm  Se  1901;  9?.  «Jeffef,  Sie  Sompofition  u.  Se  16,  3at98  1907,  ©.  1  ff.  £ur  (Sntftebung 
u.  SSebeutung  beS  93erfö()nung8tag§  ügt.  ©.  9tb(er,  ßat'B  1883,  178  ff.  —  ©iet)e  aud)  bie 
SSörterb iidier  üon  2Btner,  ©dientet  (©tetner),  Mki)m  (Setitifdi),  ©uttje;  Hamburgers  (jnct)= 
tlopäbie  be§  3ubentum§  I  unter  SSerföbnungStag;  Encycl.  Bibl.  unter  Atonement.  lieber 
•-55  ba§  fpätere  gubentum  ügf.  3-  5"-  ©dirb'ber,  ©aßungen  unb  ©ebräucfye  be§  talmubifd)=rabbi« 
nifeben  SubentumS  (1S51),  ©.  130  ff.  —  3u  9l;,aje(  »gl.  nod)  §an§  S)uf)m,  Sie  böfen  ©eifter 
im  9tS  1904,  ©.55  ff.  unb  au8  ben  9JJibrafd)im  2Bünfd)e,  9tu8  3§raet§  Se^rtjaüen  I  (1907), 
©.  7  ff. :  ©cberndjcijat  u.  9ljajel. 

33erjö^nung§tag,  f>ebr.  n^z--  er  £e  23,  27  f.,   im  ^almub  aud)  fd)led)ttt>eg  $'p\ 

40  ber  %a$  o£)ne  ©letzen,  bulgär  bebrätfd)  jöm  kippur,  roirb  ber  gro^e  ©übntag  genannt, 

ber  unter  ben  t3raelittfd)en  geften   eine  befonbere  ©teße  einnimmt.    ®te  gefe|ltd;en  S3e= 

fttmmungen  über  ifm  finben  fid)  £e  16,  1—34  (bgl.  %  30,  10);    23,  20—32;    9Ju  29, 

7—11  (P).  £>a  btefe  2lnorbnungen  tro|  tfpr  relativen  äßettläufigfett  ntd)t  au§reid)en,  um 

ben  bod)ttüd)ttgen  5Ritu§  in  allen  ©tn^elb^eiten  ju  befttmmen,    mufete  b,ter  tüte  in  anberen 

45  ©tücfen  eine  ergänjenbe  2:rabition   befielen.    2öa§    in   biefer  §infid)t   jur   ta(mubifd)en 

3eit  über  ben  9ittu§  be^  feiten  Xempel§  überliefert  tourbe,  gtebt  ber  mifd)ntfd)e  Xrahat 

%oma  (j.  oben),  ber  ganj  bon  biefem  SEage  banbelt.  —  SDa6  §au})tgefe|  über  ben  SSer= 

föb,nung§tag   £e  16,  1  ff.    fniüpft   an   bie  (Irjä'fylung   bom    blö^ltd)en  ^ob    grüeier  ©öb,ne 

3laron§  (2e  10,  lf.)  bte  Slnorbnung,  ber  ?ßvtefter  bürfe  ntd)t  ju  beliebiger  $t\t  in  ba3 

so  ^ßerb^etligfte  gefjen,  fonbern  nur  nad)   ber  erforberlidjen  ceremontellen  Vorbereitung  unb 

in  bejonberer  SluSrüftung.    2lte  fotd)e  totrb  aber  2S3.  4  ff.  nid)t  ein  bei  jeber  Gelegenheit 

ju  befolgenbe^  Ritual,  fonbern  ba3   d)aralteriftifd)e    beö   v^erföb,nungätage§   befdnueben. 

®a§  ©atum  be§  le^tern  toirb  benn  auo)  35^.  29  angegeben,  ift  aber  bier  offenbar  bei  ber 

@infd)ärfung  be§  gaften§  nur  roicberbolt  (bgl.  ©r.  12,  2  f.  u.  13);  biefelbe  ^eitbefümmung 

55  niufj  urfbrünglid)   fd)on  an  ber  ©toi^e   beS  ©efe^e^  geftanben  b,aben.    ©ie   ift   bort   bei 

ber  Slnimitofung  an  jene  Gegebenheit  £e  10,lf.berloren  gegangen,  roeld)e  e^mit  fid)  brad)te, 

bafs  juerft  f)erau§ge$oben  rourbe,  roag  an  biefem  ßeremoniell  jum  ©d)u^  be3  im  Heiligtum 

fungierenben  ^iriefterö  bient.    ©ab,er  rühren  aud)  einige  anbere  Unebenheiten.    ®iefe  @r= 

flärung  bünft  un§  biel  annebmbarer  aU  bie  3tnfid)t,   ba^  33^.  1—28   jroei  boneinanber 

60  ganj  unabbängige  93erorbnungen   jufammengefd)oben   feien,   bon  roeld)en   bie   eine   bom 

©tntritt  ins  Slöerbeiügfte,   bie  anbere  bom  9Jerföb,nung^tag  banble,   roie   nad)  33enjtnger   ' 

mana)e  teuere   (©trad,  33äntfd),  33ertt>olet)   meinen.     9ieueften§  (1907)   berroirft   aud)  ,' 

ÜJteffel  93enjingerö  21nall9fe  bon  33g.  1—28,  unb  nimmt  ebenfatte  ben  2lugfaK  einer  ^eit=  , 


$erföl)mtng§tag  577 

beftimmung  bor  bem  ©efetje  an.  ©od)  erflärt  er  biegen  aus  ber  bloßen  Vermutung, 
e»  bürfte  bort  ber  erfte  ftatt  be§  10.  %i\ä}x\  geftanben  fyaben.  2)ann  fyätte  boa)  mofyl  ber 
Überarbeiter  einfach  bie  gage^afyl  umgefcfyrieben,  ftatt  bte  ganje  Zeitangabe  ju  [treiben. 
Slucf;  bie  weitere  Slnaltyfe  Steffels,  ber  brei  berfdnebene  ©dritten  in  bem  ©efe|  auSftnbig 
macfyt,  rooju  nod;bterten§  ab§2lnfyang  33^.  29 — 34  fäme,  bünft  un§  ju  fubjeftib,  um  eine  s 
ganje  ^ultuSgefdücfyte  be<3  $efte3  barauf  ju  bauen. 

2Il§  3eit  für  biefe  jäbjlio)e  ©ülimfeier  wirb  beertet  ber  10.  Sag  be§  7  9)Zonat3 
(Se  16,  29;  23,  27;  9iu  29,  7).  £>er  7.  9flonat  fc^Iofe  bie  feftlt<$e  ^at;rest)älfte  fotoie  baS 
öfonomifcfye  %at)x  ah ;  er  braute  audj  (bom  15.  Sage  an)  ba§  grofje  £erbftfeft.  liefern 
feeitern  SDanffeft  feilte  ber  ernfte  ©ülmtag  borauSgefyen  ätmlicfy  toie  ber  Übertritt  bem  io 
geft  ber  ungesäuerten  33rote.  ©otool)!  ba<§  Sftoment  be3  bertobifd>en  2tbfd)IuffeS,  ba<8  bem 
7.  sD?onat  eignete,  all  ba<§  ber  beborftefyenben  großen  £>anffeier  legten  nafye,  gerabe  gu 
biefer  3eit  ben  ©üfyneaft  bor^unefmten.  3)ie  .ßelmäafyl  ift  neben  ber  ©ieben  fyier  toie  oft 
in  ber  Stbora  bebeutfam.  2tn  eben  biejem  10.  %ag  foÜte,  toenn  bie  Qobelberiobe  um  mar, 
naä)  Se  25, 9  baS  ^obeljafjr  unter  sßofaunentyatt  angelünbigt  werben.  3Da3  gemeinte  ^af)r  15 
Würbe  burdj  ben  allgemeinen  SSerföfynunggaft  aufg  fd^önfte  eingeleitet.  —  %üx  bie  ©e= 
meinbe  fyatte  ber  33erjöfynung§tag  gu  gelten  al§  $od)fabbatI)  (-pra-:;  red  Se  16,  31), 
an  meinem  jebe  Slrbeit  bei  Slnbrofyung  ber  2lu3roitung(23,27ff.)  berboten  mar  unb  bie 
©emeinbe  fieb  im  Heiligtum  berfammeln  fotlte  (wrp  snp/:  23,  27).  ©benfo  ftreng  aber  ift 
allgemeine^  gaften  für  biefen  %aa,  borgefcfyrieben  —  ber  einige  %aü  biefer  Sirtim  mofaifdjen  20 
©efe£!  ®urd>  biefe^  gaften,  ba3  „Sfteberbeugen  ber  ©eele",  follten  bte  ©emeinbeglieber 
fia)  in  bie  bem  ernften  ©ülmeafte  angemeffene  23uj$fiimmung  berfe|en.  ®er  SLag  Reifet 
bafier  ber  gafttag  fd)Ied)tl)in :  rj  ifjg  vtjareiag  fjjusQa  ($of.  Ant.  14,  4,  3,  wo  aber  toie 
14,  16,  4  ber  „britte  SJZonat"  ©etytoierigfett  mad;t)  ober  rj  vrjoxeiag  eoqxi]  Oßl)ilo,  De 
septen.  p.  296  M ;  anbere  S.  31.  ©ol)n  V,  p.  134,  1)  ober  einfad;  fj  vrjaxeia  (SßEjilo  25 
ebenb.  278  M;  V,  96,  9  C;  2t© 27,  9),  bei  ben  9iabbinen  aud)  n^  ti^  im  Unterfctüeb 
bon  ben  nad)  bem  ©rjl  ^injugefommenen  Safttagen.  ®er  im  Sanbe  anfäfftge  grembling 
mar  gleichfalls  gehalten,  bon  ber  2lrbeit  ju  ru§en,  bagegen  toirb  il)m  baä  haften  nid;t 
jur  «Pflicht  gemalt  (Se  16,  29). 

©er  im  Heiligtum  borjuneb^menbe  briefterlid^e  5ittu<§  ift  Se  16, 3 ff.  betrieben.  Slaron,  30 
bejm.  ber  §o|ebriefter,  foH  juerft  ein  grünblicb,  reinigenbe§  Sab  nehmen,  bann  bie  jum 
©üfmrituS  borgefd)riebene  ganj  toeifje  linnene  Hleibung  anhieb,  en;  z§  ift  bieS  jmar  nid;t 
eine  Süfjertracfyt,  aber  bod;  eine  fold;e,  bie  ftd)  burd;  feb,  mudlofe  (ginfad)^ eit  bon  ber  fonftigen 
3lmtgtrad)t  be§  §ob,enbriefter§  unterfcb,  eibet ;  ba^  fie  bollfommen  roetj}  unb  rein  fein  fod, 
toirb  geforbert  burd;  bie  2tnnäb,erung  an  ben  im  SllterfyeiUgften  mofinenben  ©Ott,  bie  ber  35 
^riefter  gerabe  jetjt  boEjie^ en  f oll.  darauf  folgt  $g.  5  ff.  bie  gwieb, tung  eine§  bobbelten, 
ja  bierfadjen  DbferS,  ba  er  für  ftd;  felbft  unb  für  bie  ©emeinbe  je  ein  ©ünbobfer,  naa)= 
b,er  aber  für  beibc  ^eile  je  ein  Sranbobfer  barjubringen  b,at.  5Die  ©ü^nafte  gel)en 
natürlid;  borau§,  unb  §rcar  b,at  ber  für  ben  ^riefter  unb  fein  §au§  ju  boEjieb.enbe  bem 
ber  ©emeinbe  geltenben  boran^ugeb,  en ;  benn  efye  ber  ^3riefter  biefe  mit  ©ott  berfbfmen  40 
fann,  mu^  erft  feine  eigene  23erfd;ulbung  gefü^nt  fein,  ©ine  befonbere  SSeranftaltung 
erforbert  bie  gitricfytung  ^e§  ©ünbobfer§  für  bie  ©emeinbe,  inbem  biefe  ^roei  ,3^Sen&öde 
ju  ftellen  f)at,  bon  benen  nur  ber  eine  jum  eigentlichen  ©üb,nobfer  für  ben  §errn  bureb,  ba§ 
2o§  bom  ^obenbriefter  begeid^net  mirb,  toä^renb  ber  anbere,  auf  welchen  ba§  So§  „bem 
äljajel"  fällt,'  eine  anbere  SSertoenbung  finbet.  gür  ftd)  felbft  nun  unb  fein  §au§  ^atte  45 
ber  §oI)ebriefier  bor  allem  einen  jungen  garren,  natürlich  auZ  eigenen  Mitteln  (^of.  Ant. 
3,  10,  3)  jum  ©üb^nobfer  barjubringen.  Scacb,  beffen  Stbfcfylacljtung  trug  er  08$.  12)  eine 
Pfanne  mit  ©lut  bom  Sranbobferaltar  ing  2tHerb,eiligfte  b,inein  unb  roarf  bort  9kua)= 
toer!  barauf,  bamit  eine  ifm  fcb,irmenbe  Söeifyraucfymolfe  entfte^e,  getoifferma|en  ber  gött= 
lieben  2öolfe  (33b  VI,  61, 19)  nacfygebilbet,  ba  ©ott  fieb,  nidjt  unberliüllt  fetten  laffen  mill  50 
(9Sg.  2).  ©obann  befbrengte  er  ba§  2IHerb,eiligfte  mit  bem  Slute  beg  garren.  ®ie 
2;rabition  0St.  %oma  5,  1.  3)  ergänzt  bor  SSg.  14,  ba^  er  rüdmärtS  auS  bem  2IKer= 
fyeiligften  tretenb  nad;  turjem  ©ebet  im  ^eiligen,  fid;  jum  Sranbobferaltar  jurüdbegeben  foH, 
um  bag  S3Iut  ju  f)olen,  ba§  unterbeffen  bon  einem  ^ßriefter  gerührt  morben  mar,  bamit 
e§  nic§t  gerinne.  ®ie  SRauc^bfanne  liefe  er  ma^rfc^einlid)  im  3lllerb,eiligften  fteben,  bamit  55 
fieb,  ber  3Raucb,  meiter  berbreite,  big  er  e§  ^ule^t  berltefe,  tbie  aueb  3)c.  3oma  7>  4  bor= 
augfe^t.  SDte  Slutfprengung  gefc^ab,  nacb,  Se  16,  14  mit  bem  ginger,  unb  gtear  einmal 
„über  bie  Äabboretb^  (33b  III  ©.  554)  bornb,in",  b.  b,.  nacb,  beren  bftlidjer  93orberfette, 
unb  barauf  ftebenmal  bor  ibr,  nämlid;  auf  ben  33oben,  fo  bafe  baS  ©eräte  felbft  unb 
inlbefonbere   ber   3taum   babor   berührt   mürbe.     ®arauf   in  ben  3Sorf)of   jurüdgefeb^rt,  60 

mtaUfrmt)tlopübU  für  Ideologie  unb  Sirdje.    3.  81.  XX.  gy 


5?8  äScrfityituttgStoa 

fd^Iad^tete  ber  .gofyebriefter  ben  jum  ©ünbobfcr  für  bag  S3oII  befttmmten  33ocf,  braute 
aud)  beffen  S3Iut  ing  2lHerlj>eiligfte  unb  bolljog  bort  biefelben  (Sprengungen  ju  ©unften 
beg  Sollet  tüte  Dörfer  für  ficb,  unb  fein  £aug  (33g.  15).  ©arauf  folgt  bte  ©ntfünbigung 
„beg  ©tiftgjelteg,  bag  unter  ifynen  too^nt"  (331.  16),  b.  b,.  fner  beg  ^eiligen,  ba  biefeg  ben 
s  |>aubtbeftanb  ber  §ütte  bilbet,  meiere  inmitten  beg  SoHeg  metlenb,  ber  Verunreinigung 
burcb,  bie  fünbigen  SJtenfdjen  auggefetjt  ift.  ©iefe  lurje  33orfct>rift  mirb  in  SSe^ug  auf 
ben  9?äud)eraltar  näb,er  f^ejifijiert  @j  30,  10.  ©nblicb,  fommt  ber  33ranbobferaItar  33g.  18  f. 
an  bie  9?eu)e:  juerft  mirb  bag  33lut  an  feine  §örner  geftricfyen,  bann  fiebenmal  auf  'ii)v 
gef^rengt.    Slugbrücflicb,  mirb  I)ier  gefagt,   ba§  bie  33efbrengung   fomobj   mit  bem  ©tier= 

io  d§  mit  bem  33ocfgblut  erfolgen  foll,  mag  fiel)  aucb,  im  ^eiligen  bon  felbft  berftefyt.  9?ad) 
ber  Sxabition  (3Ji.  Qoma  5,  4,  9Mmon.  3,  5)  füllte  babei  ba§  33lut  beg  ©tiereg  in  bie 
©cfyale  mit  bem  33ocfgbIut  gegoffen  merben;  jebenfatlg  fbricfjt  SS§.  18  bafür,  bafj  bag  33Iut 
gemifcf;:,  nicf)t  tote  im  Merfyeiligften  fucceffibe  appliziert  mürbe.  —  SDie  jübifcfye  unb  dj>rift= 
lidje  £rabition  berftefyt  übrigens  33g.  18  bom  ^äudEjeraltar,  fo  aucb,  ©eli^fcb,  3!2B2  1880, 

15©.  117  f.  unb  ©tratf.  9Kan  lann  ftcb,  bafür  auf  Se  4,  18  berufen,  mo  biefer  2lltar 
fbejieß  Reifet  „ber  bor  bem  SCngeficfyte  beg  §errn",  mogegen  in  unferem  ®ab.  93g.  12 
nicfyt  burdjaug  entfcf)eibct.  2Iber  mafsgebenb  ift  unfereg  ©racfyteng  bie  ^Dreiteilung  33g.  20 
unb  33,  mo  neben  bem  „Heiligtum"  (=  SlHerfyeiligften)  unb  bem  „©tiftgjelt"  (=  ^eiligen) 
ber  „2lltar"  nur  ber  $aubtaltar,   nicfyt  ber  innerhalb   beg  gelteg   befinblicfje  fein  fann. 

20  ©ie  Übergebung  beg  33ranbobferaIiarg  mürbe  ob,nel)m  befremben.  SCucb,  ber  natürliche 
gortfcfmtt  ber  33efd)retbung  mirb  geftört,  menn  man  Nifn  33g.  18  »om  §eraugfommen 
aug  bem  Slller^eiligften  ing  ^eilige  berftel)en  foll. 

•Jiacfybem  an  ben  brei  Abteilungen  beg  £eiligtumg  bie  ©ülmung   in  33ejug   auf  bie 
33erunreinigungen  burcb,  ^J3riefterfcr)aft  unb  ©emeinbe  mar   bot^ogen  morben,   mürbe  ber 

25  $xv  ©ntfenbung  nacb^  ber  SOBüfte  beftimmte  33ocf,  ber  nod)  im  Sßorfyofe  cor  ©ott  ftanb 
(33g.  10),  mit  ben  33erfct;ulbungen  beg  33ol!eg  belaftet,  inbem  ber  $ol)ebriefter  beibe  |)änbe 
auf  fein  §aubt  ftemmte,  über  if)m  alle  jene  33erfd)ulbungen  u.  f.  to.  bekannte  unb  fie  auf 
fein  §aubt  legte,  morauf  ein  in  33ereitfd)aft  ftefyenber  9ftann  iim.  nad?  ber  SBüfte,  unb 
^mar  einem  unzugänglichen  ©trid)  berfelben,  entführte  (33g.  21  f.).    $eneg  ©ünbenbefennt= 

30  nig  giebt  bie  Xrabition  (Wl.  ^oma  6,  2)  nur  in  fummartfdjer  gorm :  „D  ©ott,  gefehlt, 
gefünbigt,  gefrebelt  l^at  bor  bir  bein  33olf,  bag  §aug  3§r««l;  a(^  ®°tt>  f^flff«  i">^ 
©ü^nung  für  bie  33ergeb,ungen,  33erfünbigungen  unb  grebel,  bie  fie  bor  bir  begangen,  ge= 
fünbigt  unb  gefrebelt  |aben,  mie  in  ber  %l)oxa  SJJofeg,  betneg  ^necb.teg,  gefcb,rieben  fielet 
£e  16,  30"     SBCCfetrt  ba^  ein  eingefyenbereg  93e!enntnig  mit  93ejug   auf   bie  ©ünben  beg 

35  ^afjreg  abgelegt  mürbe,  ift  baburcf)  namentlich  für  bie  ältere  ,gät  nicb,t  auggejcbjoffen.  ^n 
meinem  ©inne  aber  ift  bag  SBegtragen  ber  ©ünben  burtf)  biefen  jmeiten  33ocl'  gemeint, 
ba  biefelben  bocb,  fc^on  burcb,  bag  33Iut  beg  erften  gefüb,nt  fein  feilten  ?  2)te  beiben  33bde 
geboren  tb,atfäcb,lic|  jufammen  (bgl.  33g.  5)  unb  fteHen  gu  ftärterer  33erbeutlicl)ung  jtoei 
ÜRomente  bar,  melcfye  fonft  beim  ©ünbobfer  bereinigt  finb,  ber  erftere  bie  fülmenbe  ©eefung 

40  beg  ©ünberg  bor  ©ott  buref)  bag  33lut,  ber  jmeite  bte  gänzliche  SB egf Raffung  ber  ©ünbe 
unb  ber  baburefy  bemir!ten  Unreinigfeit  aug  bem  33ereic^  ber  ©ott  gemeinten  ©emeinbe. 
Sllg  Slnalogie  ju  bergleidjen  finb  bie  beiben  33bgel  beim  Steinigunggrttug  beg  bom  Slugfatj 
geseilten  (33b  II  ©.  298,  30)  unb  aueb,  bie  beiben  33tfionen  ©aef)  5,  bon  benen  bie  erftere 
bie  rtd£)tenbe  9Bir!ung  beg  göttlichen  glud}eg  an  ben  Sdmlbigen  (entjbrecb.enb  ber  ©üljnung, 

45  bie  foldje  2Sirlung  l)inbert),  bte  le^terc  bte  2ßegfd}affung  ber  ©ünbe  ing  ferne  müfte 
§eibenlanb  barfteßt.  9la<fy  bem  ©efagten  ift  bie  33orftellung  nid;t  jutreffenb,  ba^  am 
Zmeiten  33ocf  bie  ©träfe,  meiere  &xad  treffen  foHte,  boUjogen  mürbe;  erft  bie  fbätere 
Üeberlieferung  (9JZ.  ^oma  6,  6)  melbet,  bafj  ber  S3oc!  bon  einem  gelfen  fei  gefc^mettert 
morben;   aßein  menn  an  if)m  ein  folc^eg  §alggericb,t  follte  boßjogen  merben,  mü|te  bieg 

60  im  ©efe£  augbrücf'lic^  gefagt  fein,  ©tatt  beffen  berlangt  eg  nur,  bafc  er  in  bie  äöüfte, 
näb,er  in  rm  -pN  fomme,  mag  mob,l  nicf)t  blof?  eine  öbe,  fonbern  eine  abgefefmütene 
©egenb  bebeutet,  aug  melier  bag  %m  nieb, t  zurüäleb,ren  fonnte  (LXX  yfj  äßaxog).  3)ort, 
im  ©ebiete  beg  unreinen  3Büftenbämong  (3tgagel)  foH  bie  ©ünbe,  ferne  bom  33olfe  ©otteg 
bleiben,   mie  ©acb,  5,  1 1  im  2anbe  ©inear.    Über  2lgagel  fie^e  bie  berfcb,iebenen  2lnficb,ten 

55  33b  II  ©.321  f.  ©er  ^af)be  gegenübergefteßte  Stame  fü^tt  auf  ein  berfönlicb,eg  Sßefen; 
eg  ift  ber  unfaubere  SBüftengeift,  ber  fcb,on  gu  SKofeg  gelt  bem  in  3^aeb§  Sager  malten= 
ben  ©ott  gegenüberftanb.  ©in  Dbfer  an  biefen  Sämon,  ben  oberften  ber  ü-n^iü  (Se 
17,7;  bgl.  ©t  32,17)  mar  ber  33oct  natürlict;  nid)t;  er  ^at  feine  &abi  ju  bringen, 
fonbern  eine  unfelige  Saft  bon  $grael ri  megzufcfyaffen  unb  feine  Unreinigfeit  bon  ttym  abju= 

so  Jonbern,    ^n  fbäterer  Qiit  mar  bie  Örtlufieit,  mol;in  er  gebracht  mürbe,  eine  feftfte^enbe, 


ebenfo  ber  ÜÖeg  bafjin,  an  Welchem  glitten  angebracht  Waren,  um  ben  9Jtann  ju  erfrifd;en ; 
unb  fobalb  ber  23od  ang  $\d  gekommen,  melbete  man  bieg  burd;  §öbenftgnale  nad; 
^erufalem,  bamit  bie  Weiteren  ^ultugfmnblungen  il)ren  Slnfang  nehmen  tonnten  (9Jt.  %oma 
6,4—8).     Sgl.  jum  Ort  ber  §anblung  ©d;id  in  3b$23  III,  214  ff. 

9iun  crft  fonnte  fid;  ber  §ob,ebriefter  anfcfyidcn,  aud;   bag   zwiefache  23ranbobfer  für  r, 
fid)  unb  bag  SSolf  barjubringen.    $u  biefem  ©nbe  Irin  legte  er  im  1)1.  gelte   feine  toeifje 
Hletbung  ab,    bie  bort  aufbewahrt  werben  follte,    unb  reinigte  fid)  burd;  ein  neueg  Sab, 
Worauf  er  feine  2lmtgtrad)t  anlegte  (33g.  23  f.).   ©ann  braute  er  bie  beiben  233.  3  unb  5 
genannten  2Bibber  bar.  2lud)  bei  biefem  23ranbotofer  beg  Sageg  (bgl.  über  ben  allgemeinen 
(^araiter  ber  rkv  23b  XIV  ©.  392)  trat  bag  e£biatorifd;e  Moment  nad;  23s.  24  a.  @.  10 
befonberg  f;erbor;  aud;  Würbe  bamit  jugleid)  baggert  ber  früher  gefd;Iad;teten  ©ünbobfer= 
tiere  auf  bem  2tltar  berbrannt  (23g.  25).    dagegen  bag  Fleifd)    ber   lederen   mit   §aut 
u.  f.  f.  mar  aufjerl)alb   beg  Sagerg  bem  Feuer  %u  übergeben  23s.  27 f.;    bgl.  £e  6,23; 
1,11  f.  20  f.,  Wag  9tiel)m  barauf   beutet,    bafe   an    biefen    l)od)grabigen  ©ünbobfem  ber 
bernid;tenbe  Feuereifer  ©otteg  jum  Slusbrud  fomme  (%f)'&tk  1877,   3.  70  ff.).  —  ©rft  15 
nad)  biefem  Dbferaft  folgten,  Wie  bie  Srabition  I)erbori)ebt,  bie  9tu  29,  7—11  aufgezählten 
Feftobfer,  biefelben,  meldte  am  erften  Sage  beg  7.  StRonats  barzubringen  Waren.  23ierteid)t 
finb  aber  biefe  3u^a^°^fer    eine   faätere  23ereid;eruug  beg  9litug.      fiukfy  tarn  nocb  bag 
gewohnte  täglidje  2lbenbobfer,   bag  bon  ben  Feftoöfern  nicfyt  berbrängt  ju  Werben  pflegte. 
Ueber  bie  früher  biel  benttlierte  Frage,  wie  oft  ber  ^ofy ebriefter  an  biefem  Sage  in<§  sMer=  20 
fieiligfie  hineingegangen  fei,  fiel)e  ©ebling,  De  ingressu  summi  pontif.  in  ben  Obser- 
vat.  II,  p.  183,  unb  ®anj  bei  Sfteuscfyen  ©.  954  ff.  —  £br  9,  7  »erlangt  natürlich,  nid;t 
blofj  einmaliges  23etreten  jenes  Raumes;  bei  5pfnlo  legat.  ad  Caj.  M.  II,  591  bagegen 
fte^t  in  einem  23riefe  bes  §erobeg  Slgripba,  eg  fei  bei  Sobegftrafe  bem  §of;enbriefter  ber= 
boten  gewefen,  an  einem  Sag  breimal  Ijineinjuge^en ;    bod)  ift  bie  ©d)tf)eit  btefer  Quelle  25 
Zweifelhaft,    ©er  biblifcbe  Sßortlaut  mürbe   auf  breimaliges  ©intreten  führen,    unb  nad; 
33t.  $oma  7,  4,  ÜJtatmon.  4,  2  a.  ©.  Wäre   ber  §obebriefter  fogar  nad)  bem  2lbenbobfer 
nod;mals  (jutn  biertenmal),  unb  tfvax   in  ben  Weifjen  Kleibern,   hineingegangen,  um  bie 
5taucfygefäie  jurüdjuf)olen. 

2Bas  bag  Sllter  biefes  %c\U  unb  Faf^a0e^  anlangt,  fo  beftreitet  bie  neuere  Ärtttf  30 
nicfyt  nur  feine  mofaifcfye  Slbfunft,  fonbern  bielfacb  fogar  feine  borerjlifcbe  ©riftenj.  ®ie 
letztere  Wirb  nacfy  bem  23organg  bon  23atfe  (23iblifc§e  ^l)eoIogie  I,  548)  unb  ©eorge  (§efte 
S.  300  ff.)  bon  ©raf,  2Sefif>aufen,  üuenen,  5teu§  u.  a.  geleugnet,  ©abei  beruft  man  fid) 
barauf,  bafe  in  borerdifcfyer  fielt  biefes  geft  au^er  bem  ©efeij  P  nirgenbs  erwähnt  Werbe, 
autt}  ba  nidit,  Wo  man  eS  erwarten  follte.  ^n  ber  Stl^at  ift  auffällig,  ba^  eine  ©rWäf)=  35 
nung  biefeö  bebeutfamen  3^ages  Weber  in  ben  geict)id)tlid)en  nod»  in  ben  brob^etifdien 
■Sdiriften  ber  borejilifdjen  $e\t  fid)  finbet;  bies  gilt  aber  ebenfogut  bon  ben  nad)erdifd;en, 
bie  fbäte  ©bronil  nid}t  ausgenommen,  fo  ba^  bas  argumentum  e  silentio  fid)  als  un= 
juberläjfig  beWeift,  Weldjes  minbeftens  big  ing  2.  ^al)rl)unbert  b.  6b,r.  binabfül)ren  Würbe, 
too  3«fns  ben  ©ira  &.  50  ben  am  23erföbnunggtag  fungierenben  §ol)enbriefter  ©imon  befingt.  40 
2lugbrüdlid)  genannt  ift  bag  geft  erft  bei  $f)i!o,  3ofetof)ug  unb  im  91%  (f.  0.).  2lud;  bie 
(irwägung,  ba^  bag  ^fingftfeft  in  ben  auf$ergefet$tid)en  Xejten  ein  einjigegmal  beiläufig 
genannt  ift  (2  (tf)r  8,  13),  mufs  bor  Überfc^ät^ung  jeneg  2lrgumentg  Warnen.  Man  ber= 
mi^t  freilief)  bie  Nennung  beg  23erjöf)nunggtageg  an  fbejiellen  ©teilen,  Wo  er,  Wie  man 
meint,  unumgänglich  erwähnt  fein  müfjte,  Wenn  er  übertäubt  im  ©ebrauefy  War.  ©0  bei  45 
ber  S£embelWeil?e  ©alomog  1  %  8,  2.  65.  SlHein  bag  neu  geweifte  Heiligtum  beburfte 
nod;  nid)t  ber  reinigenben  ©üb,nung.  ©g  ift  aber  gerabe  bebeutfam,  ba^  ©alomo  bie 
ih>eif;c  in  bem  3JJonat  bornal)m,  Wo  fonft  bie  ©üfjnung  ftatt^atte.  Über  bie  jWei  Fef1= 
U)od)en  ©alomog  bgl.  übrigeng  ©eli^fd;  gßßJS  1880,  ©.  173  ff.  —  ©gr  3,  1—6  begreift  fid; 
bag  ©titlfcfymeigen  über  ben  23erfötmunggtag  leidjt,  ba  bor  ber  §erftellung  beg  ^embelg  50 
feine  geier  ntdjt  möglid;  War.  —  9ie§  8  fann  bagfelbe  eb,er  überrafd^en,  jumal  3teb  9  am 
24.  Sag  beg  7  SRonatg  ein  Sufjtag  angefe|t  Wirb.  2ltlein  btefer  b,attc  einen  über  ben 
gefeilteren  gottegbtenftlidjen  ©ütjntag  I)inauggreifenben  momentanen  ©runb;  aud;  mochte 
bag  geilen  ber  23unbeslabe  bie  reguläre  geier  begfelben  in  FraSe  iu  ^cn  fd?einen. 
Sebenfatlg  ift  gerabe  f)ier  im  ^al)re  444,  Wo  nad;  ber  neueften  Svritif  ©gra  ben  ^3riefter=  55 
fobej  fotl  beröffentlid;t  unb  eingeführt  Ijaben,  bie  Übergebung  beg  23erföl;nunggtageg  biel= 
mebr  ein  geugnig,  bafj  er  nid)t  je^t  erft  eingeführt  Würbe ;  eine  nod;  fbätere  ©tnfd;altung 
begfelben  an3unef)men  (fo  auet;  2ßed;gler  in  ©eigerg  jüb.  gtfcfyr.  1803,  II,  113  ff. ;  fiebe 
bagegen  2).  §offmann  im  3Jig  für  SBft  b.^ubentl).  1876,  ©.  lff.)  gel;t  aber  ebenfowenig 
an,  wenn  man  bebenft,    baf?  jeneg  ^3rieftergefe^  mit  Beziehungen  auf  biefen   Sag   burd)=  eo 

37* 


580  2krföi)ttuttg§tag 

floaten  ift,  inbem  bie  ganje  @tnricr;tung  bes  Heiligtums  barauf  abhielt.  Übertäubt  ftefyt 
mit  ber  btbüfdjett  ©arftetlung  ber  Sfyätigfeit  bes  „©dn-iftgelefyrten"  @sra  bte  Stuffaffung 
in  biametralem  äBiberfbrucl;,  meldje  tf;m  bte  tecfe  ©infüfyrung  neuer,  felbfterfunbener  3titen 
olme  rcetteres  gufd^retbt.  —  83efremben  mag  ferner,  baß  (§gecf)iel  in  feinem  3ufunfts= 
5  gemälbe  t>om  israelitifdjen  ©ottesbienft  ben  jöm  hakippurim  nid)t  berroenbet.  @r  be= 
ftimmt  gtoei  ©ülmtage  45,  18 — 20,  Don  benen  ber  eine  auf  ben  erften  Sag  bes  erften 
SRonats  (-JcHfan),  ber  anbere  auf  ben  7.  bes  SRonats,  beffer  auf  ben  erften  Sag  bes 
7  5Ronats  (LXX)  fällt,  älßein  G^ecbjel  bewegt  ficb,  aucb,  gegenüber  bon  ^eiligen  @in= 
ria^tungen,  bie  nacfytoeisltcb,  §u  feiner  ßeit  längft  befianben,  aHju  frei,  als  baß  feine  Wa- 

io  toeitfmng  Don  einer  „mofaifcfyen"  Drbnung  genügte,  um  biefe  als  nid)t  borfyanben  bar$u= 
tfyun.  3-  33-  ertoäfyni  er  bas  alte  ^fingftfeft  nic^t;  aucb,  rebet  er  ntcfyt  bom  §oI)enbriefter. 
Sinbererfeits  beachte  man,  baß  er  fein  ©eftdjt  bom  künftigen  ©ottesftaat  nacb,  40, 1  am 
Saturn  unferes  geftes  embfing,  an  bem  Sag,  mo  bas  ^obelja^r  mit  bem  SBerfölmungstag 
feinen  Slnfang  nafym  (2e  25,  9)!   —    $m  rtad^e^tltfd^ert  ©acfyarja   berwetft  man  auf  bie 

15  ©rörterung  über  bie  Safttage  aap.  7.  8,  wobei  ber  ©üljmtag  nicfyt  genannt  Werbe.  2lHein 
jene  an  bie  (Einnahme  ^erufalemg  ficb,  fcbjießenben  $aft=  unb  ©ebenftage  finb  ja  ganj 
anberer  2lrt.  Db  ifyre  6tnl)altung  fortjufe^ert  fei,  tonnte  man  im  gWeifel  fein,  nicfyt  aber 
in  Setreff  ber  geier  eines  altmofatfdjen  geftes. 

Sludb,  bie  fonft  gegen  bas  Sllter  bes  Sierfbfmungstages  borgebracfyten  ©rünbe  fönnen 

•je  mir  nicfyt  als  ftidjfyaltig  anerfennen.  @s  ift  ein  Vorurteil,  unb  jWar  ein  irriges,  Wenn  man 
ficb,  bie  alten  gefte  ber  Hebräer  nur  als  Weitere  Sfotionalfefte  benfen  Wiß,  neben  welchen 
ein  fo  ernfter  ©üfyntag  leinen  9taum  gehabt  fyätte.  ©erabe  bie  -JiotWenbigJeit  ber  blutigen 
©üfmung  aller  ©a)ulb  unb  $ef)le  ift  bem  leeren  Altertum  fefyr  bewußt  unb  gehört  bei 
ben  Israeliten  ju  ben  ©runbgebanfen  jener  Drbnung,   bie  man   mit  boHem  Stecht  als 

25  mofaifcb,  be^eicfmet.  $Die  ©imtfyefe  $Wifcr)en  Safere,  bem  ^eiligen  ©ott  unb  3§rael,  bie  ficb, 
burdb,  9ftofe  boll^ogen  l>at,  führte  mit  -JiotWenbigfeit  ju  einem  ©Aftern  bon  ©ül)nungen, 
welches  am  ÜBerföfmungstag  feinen  SRittelbunft  b,at,  Wo  bie  ftufenweife  2InnäI)erung  bes 
fünbigen  Zolles  an  ben  ^eiligen  ©ott  ifyre  E>öd^fte  fultifcfje  S3erWitflidntng  finbet.  ©aß 
aber  bie  gan^e  £>anblung  an  ber  S3unbeslabe  gut  33oftenbung  lommt,  auf  beren  aßfälliges 

30  geilen  !einerlei  5Rücfftd)t  genommen  mirb,  ift  gegen  nacb/er.ilifcf;en  Urfbrung  biefe§  ©efetjes 
betoeifenb.  ©benfo  roeift  ber  Söüftenbämon  2ljajel  (ftatt  beffcn  man  in  fpäterer  $eit  biel= 
meb,r  ©atan  bem  ^afybe  gegenübergefteKt  erwartete)  auf  bie  mofaifcfye  Qdt  bes  2öüften= 
aufent^altes  jurüd  2lud)  ©tabe  (Sibl.  Sb,eoI.  343)  giebt  ju:  „9Zeuja^rstag  unb  3Ser= 
föl)nungstag  gefjen  freilief)  auf  alte  ä3räud)e  jurüd:  unb  finb  fcfyon  bon  ©ged^iel  berüdEftd^tigt 

35  @j  40,  4;  45,  18.  20,  jeboct)  erft  naa)  6sra  in  ben  offiziellen  gefttalenber  aufgenommen 
toorben."  6f)er  läfet  fiefr;  aus  jenem  3«rüc!treten  bes  SSerfbfmungstages  in  ber  Sitteratur 
fdgliefeen,  bafj  berfelbe  in  ber  borejtltfclten  gär  nid^t  fo  ins  SSolfsbemu^tfein  unb  bas 
3Solfsleben  überging,  tbie  bie  brei  großen  g-efte  ^affab,  ^fittgften,  £aubb,ütten.  @s  toar 
ein  geft,  bas  fic^  meb,r  auf  ^riefterfdmft  unb  Heiligtum   bejog  unb  bab,er  mob,l  nur  am 

40  SRittelbunlt  bes  legitimen  ©ottesbienftes  ftrenger  beobachtet  mürbe.  Qn  nact;ejilifcl;er  3e^ 
tourbe  bies  anbers,  too  bas  jerufalemifclje  Sembelleben  bas  SBolf  weit  mefyr  bebierrf$te. 
33eacl)tensiüert  ift  bas  Zeugnis  $l)tIos  über  bie  ^uben  feiner  $eit:  ,,©en  gafttag  am 
10.  bes  Senate!  befleißigen  fiel)  nic^t  nur  foldje  ju  begeben,  bte  ficb,  eifrig  um  grömmig= 
leit  unb  §eilig!eit   bemühen,   fonbern  aucb,   bie,   meiere   ficb,    fonft   im  Seben   ntcljts   aus 

15  religiöfert  §anblungen  maef^en.  Stile  finb  eben  bon  feiner  belügen  2Bürbe  übertoältigt  unb 
betroffen,  unb  bie  minber  g-rommen  Wetteifern  mit  ben  (Srnfteren  roenigftens  ju  biejer  3e^ 
in  ©ntb,altfamf'eit  unb  gutem  betragen"  (Opera  V,  p.  45  C ;  SBcnblanb,  5Reu  entbeclte 
Fragmente  ©.11).  Übrigens  §eigt  ficb,  auc|>  i>a  noeb.,  baß  tro|  ber  borgefcfmcbenen  ©elbft= 
fafteiung  bas  $olf  an   biefem  Sage  für   freubige  Unterhaltung  9taum  ju  fcb,affen  mußte. 

50  3Ji.  Saanttb,  4,  8  b,ören  wir,  baß  am  3Serföb,nungstag  (ob,ne  3^«if^  abenbs,  nacf)bem  ber 
geftalt  boßjogen  unb  ber  §ob,ebriefter  ju  feftlic^er  Setoirtung  in  fein  £>aus  gegangen 
toar,  obtoob,!  ber  Salmub  biefe  Sefc^ränlung  niebt  enthält)  bie  3}iäbcb,en  meiß  gelletbet  in 
bie  Sffieinberge  um  bie  ©tabt  ^ogen  unb  ba  unter  roetteifernbem  ©efange  tankten,  inbem 
fte  bie  gegenüberfteb,enben  Jünglinge   ju  guter  2öal)l   ber  Sräute    aufforberten.    ©ieb,e 

55  folcb,e  Sieber  bei  ©eli|fcb„  3ur  ©efcbjcfjte  ber  jüb.  ^ßoefte,  1836,  ©.  195 f.  Sie  ©emara 
finbet  foldje  greube  ganj  in  Drbnung  an  einem  Sage,  mo  Israel  ©üfmung  ju  teil 
mtrb.  —  ^ftacb,  ber  gerftörung  Qerufalems  mürbe  bie  geier  bes  33erföb,nungstages  fort= 
gefegt,  obtoob,l  bie  legalen  Dbfer  ntefet  meb,r  bargebracb,t,  bte  mefentlicb,en  9ftten  nieftt  meb,r 
boßjogen  roerben  tonnten,    ©as  großartige  geft  Batte  ficb.   mit  feinem  ^eiligen  @rnft  §u 

eo  tief  bem  Setoußtfein  eingebra'gt  unb  fam  einem  ju  ftarf  embfunbenen  SSebürfnis  entgegen, 


SBcrföJjniuigötag  581 

als  bafj  man  feiner  fyätte  entraten  fönnen.  ©iefye  über  bie  fpäteren  ©ebräucbe  Oraoh 
Chajim,  überfe^t  bon  SöWe  ©.  150 ff.;  33ur.torf,  Synagoga  Judaica,  Aap.  25 f.; 
©gröber  ©.  130  ff.  ^m  allgemeinen  finb  in  ber  ©pnagoge  bie  ©üfyngebete  (mrrbo)  an 
bie  ©teile  ber  fülmenben  SCempelopfer  getreten.  $mmerbjn  wirb  an  biefem  S£age  ba3 
2Uiff)ören  be§  Dpferbienfte§  am  meiften  beflagt.  Unb  in  einem  ©ebraud)  b,at  ba§  populäre  5 
23eWufetfetn,  unbefriebigt  burcb,  bie  Unterfdnebung  blofjer  ©ebete  ftatt  fonfreter  §anb= 
Jungen,  fid;  ein  Surrogat  be§  alten  ©üfmopferS  gefcfyaffen:  $n  bieten  Seilen  @uropa§ 
wirb  bon  ben  ortf;obor.en  $uben  am  35orabenb  be§  jöm  kippur  ein  §al;n  geopfert.  SDer 
£au§bater  fd)Wingt  ba3  Stier,  e§  an  ben  Seinen  fyaltenb,  um  ben  Äopf  mit  ben  SBorten: 
„SDieä  ift  mein  «Stellvertreter  bie§  ift  meine  SluSWecfyfelung,  bieg  ift  mein  ©üfmopfer.  10 
tiefer  Halm  gefyt  in  ben  S£ob,  \d)  aber  möge  eingeben  ju  einem  langen  unb  glüdlidjen 
Seben  unb  jum  ^rieben"  (Sbenfo  Wirb  für  bie  grau  eine  Henne  bem  Stöbe  gemeint. 
£iefe  Stiere  foEen  ben  2lrmen  jufallen,  ober  Wenigftem»  il;r  ©eibwert  biefen  gegeben  werben. 
93gl.  and)  21.  SSünfdje,  SDie  Seiben  be§  3Jfeffia§,  1870,  ©.  18  ff. 

SDafj  bem  33erföl)nung£>tage  eine  fyerborragenbe  Sebeutung  jufommt,  ereilt  baraug,  15 
bafs  ber  §ol)epriefter  felbft  ljuer  ber  beftänbige  Siturg  ift  unb  bafj  feine  umftänblidjen  33er= 
ridjtungen  ficfo,  au§na!)m§Weife  aufs  SHJerfyetligfte  erftreden,  ferner  au$  ber  fyoben  23eftim= 
mung  biefer  ^anblungen,  bie  auf  (Sntfünbigung  ber  priefterlidjen  Organe  be§  33ol£e3  fo= 
tüte  ber  ganzen  ©emeinbe  abfielen,  unb  ebenfo  bie  faframentalen  Heiligtümer,  bie  Äapporetb,, 
bie  SBofmung  ©ottesi,  ben  Slltar  bon  ben  SBeflecfungen  reinigen  follen,  bie  ifmen  burcb,  20 
Sdjulb  be3  SSoIfeS  ober  feiner  ^ßrtefter  im  Saufe  be§  ^ab,re§  jugefto^en  fein  mod)ten.  Um 
bie  StragWeite  biefer  allgemeinen  ©ntfünbigung  richtig  ju  fetten,  mujj  bie  $rage  auf= 
geworfen  werben,  auf  welcherlei  ©ünben  fid)  biefelbe  erftrede.  SDa  gilt  nun  im  aUge= 
meinen  natürlid)  ber  ^anon,  ber  überhaupt  l)infid)tlid;  ber  ©ünbopfer  gegeben  ift,  bafj 
nur  ©d)Wad}fyettS=  unb  ^rrtum^fünben  (bgl.  §br  9,  7),  nidjt  foId;e,  bie  mit  erhobener  §anb,  25 
b.  b,.  in  bewußter,  berwegener  Sluflelmung  gegen  ©Ott  begangen  Worben,  burd?  Dpferblut 
fid?  füfynen  laffen  33b  XIV,  395  f.  üftur  finb  in  ber  erfteren  Kategorie  nid)t  blofj  Un= 
h)iffenl)eit§fünben,  fonbern  überhaupt  bie,  Welche  bon  ber  ©d)Wad)l)eit  be§  gleifdjeg  I)er= 
ruberen,  einbegriffen;  and)  ift  md)t  ju  bergeffen,  bafs  biefer  Unterfd}ieb  überhaupt  ein 
relatiber,  bie  llnterfcfyeibung  nicfyt  ein=  für  allemal  gegeben  War  (f.  meine  23emerfungen  30 
£I28£  1884,  ©.  179).  @3  ift  and)  bie  SBirfung  be§  Verföfmung§tage§  Weber  auf  unbe= 
fannt  gebliebene  unb  beSfyalb  nid; t  gefüfynte,  nod)  auf  blo^  lebitifdie  33erftö^e  ^u  befd}rän!en, 
toobei  man  Se  16,  21.  30  nid>t  geredet  Würbe,  unb  auä)  bie  Steigerung  be3  33erföl}nung§: 
ritu§  fid)  nicb,t  erllärte.  33ielmel;r  foß  biefe  ©eneralfülme  überhaupt  bon  ©otte§  3Solf 
toegfdjaffen,  \oa$  an  if)m  unb  mittelbar  an  feinen  Heiligtümern  bon  unreinem,  gott=  35 
toibrigem  §abitu§  fangen  geblieben  War.  3Beniger  bie  einzelnen  S5erfcb,ulbungen  !amen 
b,ier  in  Setradjt,  bie,  Wofern  fte  erfannt  Würben,  anberWeitig  gefülmt  Werben  mußten, 
al§  bie  9)ii^fätligfeit  bor  ©ott  überhaupt,  bon  Welker  tro^  aller  einzelnen  ©ü^nafte  ftet§ 
leidjt  etWa§  prüdblieb  unb  bie  fid)  bor  ©otte3  2lugen  ben  Heiligtümern  mitteilte,  fo  baf; 
bie  Süb,ngeräte,  beren  Integrität  bie  Sorauäfe^ung  ber  einzelnen  ©üfynfyanblungen  War,  40 
felber  ber  ©üfmung  beburften.  tiefem  6bara^er  einer  g*ünblid)ften  ©äuberung  bon 
Sünbe,  ©d}ulb  unb  Unreinig!eit  entfprid)t  benn  and)  ber  aufg  b,öd;fte  gefteigerte  9?ttuä 
an  biefem  SEage.  @§  gipfelt  barin  ber  gefamte  Dpferbienft,  fofern  l)ier  bie  größte  fultifd;e 
Slnnä^erung  be<B  burd}  feinen  §ob,enpriefter  bertretenen  $olre§  an  ben  in  feinem  Hedigtum 
toob,nenben  ©ott  ftd)  bolljte^t.'  ^n  S3ejug  auf  feine  2Sir!ung  aber  bringt  biefer  ©ütmaft  45 
alle  älmlidien  ©ntfünbigungen  beä  ^af)re§,  fie  jufammenfaffenb  unb  boEenbenb  %um  2lb= 
fd}Iui  Über  bie  älrt,  Wie  ber  Segriff  ber  ©ü^ne  ftcfy  an  ba§  blutige  Dpfer  !nüpft,  f.  b. 
3lrt.  £pferlultug  23b  XIV  befonberS  ©.  395.  —  ®in  gefunbe«  Urteil  über  ba§  «Wafe  ber 
SBirfung  bei  aSerföb,nungötage§  unb  beren  et^tfd^e  Sebingung  geigt  nod)  bie  SCrabition 
ÜR.  Soma.  3lm  ©cb,Iuffe  biefeg  S£ra!tate§  finben  ficb  folgenbe  Regeln  in  biefer  Hinfielt:  so 
„3)er  Sob  unb  ber  33erfölmung<3tag  beWirfen  ©üb,nung,  Wenn  Sefefyrung  (•  ^'^~)  ba= 
bei  ift.  ©ie  SBele^rung  bewirft  ©üb,nung  für  leiste  Übertretungen  ber  ©ebote  unb  Ser= 
böte;  unb  bei  ben  fcfyWereren  bewirft  fie  einen  Sluffcfyufe,  b'&  ^tx  aSerföf)nunggtag  fommt 
unb  ©üb,nung  bewirft,  ©agt  @iner:  %d)  Wiß  immerbin  fünbigen  unb  mieb.  bann  be= 
feieren,  bem  Wirb  nidjt  ©elegenfjeit  gegeben  Werben,  feine  Sefeb,rung  ju  boUgte^en.  Dber  55 
fagt  er:  icb,  Will  fünbigen  unb  ber  23erföbnung§tag  Wirb3  gut  machen,  fo  leiftet  ib,m  ber 
SSerföbnungStag  feine  ©übnung.  Sergebungen  beg  9Jtenfd)en  gegen  ©ott  füfmt  ber  Ser= 
föfmungötag ;  bagegen  Vergebungen  be§  3JJenfd»en  gegen  feinen  3ttid)ften  füb,nt  er  nicb,t,  bi§ 
jener  fid;  mit  feinem  9täd)ften  aulgeföbnt  b,at"  —  ^m  bleuen  Steftament  fommt  ber  Ver= 
fölmungStag  als  SE^puS  in  Setrad)t.    2&e  überhaupt  ber  mofaifd;e  DpferfultuS  borbilblid)  so 


582  2Serföf)nHng§tag  Sßerfudmng 

ift  für  eine  boMommene  fünftige  Verfolgung,  fo  inSbefonbere  biefer  %üq,  an  roelcfyem  bie 
fultifcf;en  ©nabenmittel  be§  alten  33unbe§  t^re  bollfte  Vertoenbung  finben,  inbem  ba§  ge= 
meiste  $aubt  ber  Vriefterfcfyaft  ben  allerr/eiligfien  Drt  jur  Vornahme  ber  fyodjr/eiligften 
£anblung  betritt.  S3efonber§  ber  Verfaffer  be§  £ebräerbriefe§  b,at  bte  parallele  gebogen 
5  jnrifdien  bem  mit  Dbferblut  in<§  2lllerr;eiligfte  tretenben  .goftenbriefter  unb  Qefu  ßljrifto, 
bem  SSerfö^ner  be<§  neuen  83unbe§,  freiließ  fo,  bafs  er  fofort  ba§  Ungleichartige  ^erborl^ebt, 
um  ben  überfd)roengIid)en  Vorzug  be§  neuteftamentlicfyen  .gofyenbriefterS  ju  renn^eidmen, 
ber  nicfyt  mit  bem  SBIut  bon  Vöden  unb  Halbem,  fonbern  mit  feinem  eigenen  in§  §eilig= 
tum  gegangen  ift,  unb  jtoar  ntd)t  in  ein  irbifdjeS,  fonbern  in§  f/tmmlifdje,  nid^t  ju  einem 
10  2lfte,  melier  ber  SBieberfyolung  bebürfte,  roa§  eine  Unbollfommenfyeit  in  fid)  fdjlöffe, 
fonbern  ju  einmaliger  enbgilttger  Verfolgung,  toeldje  ben  fünbigen  3Renfd)en  freien  ,ßu= 
tritt  jum  Slller^eiligften  eröffnet,  ©iefye  bef.  |>br  9,  7.  11  ff.  24  ff.  Vgl.  aueb,  Varnaba3= 
brief  Hab.  7  t>.  Oteüu 

«ßerftoefung  f.  b.  21.  SerminiSmuS  Vb  XIX  ©.  524. 

15  Verfilmung.  —    gr.  Softer,   Sie  biblifde  2et>re  tion  ber  SSerfudjung,   1859;    ^otuef, 

Sie  SBergrebe,  5.  9lufl.,  <B.  394;  fatnbfjaufen,  2)a§  ©ebet  be§  öernt,  Slbfcbn.  7;  33ubbet,  In- 
stit.  theologiae  moralis,  1711,  p.  1,  c.  2;  ^mrleß,  Sfjriftltctje  dtljif,  §  26f.;  Hilmar,  S£ijeo= 
logifct)e  SOioral,  §  13.  —  ®ie  9(nfd)auungen,  meldje  ber  fotgenben  3lu§füljning  p  ©runbe 
liegen,  ftnb  pfanintenbängenb  bargelegt  in  metner  SBiffenfdjaft  ber  djriftltdjen  ßeljre,  3.  Sluft. 

20  §  317—327.  334—346.     3.  S.  0.  SSerföfjnung,  <S.  431  f. 

Verfucfyung  ift  }e|t  in  ber  fird)lid)en  Stebetoeife  bie  aUgemeinfte  Vejeicrmung  für  jeben 
2TnIaf3,  melier  ju  einer  @ntfd)eibung  be£  3ftenfd)en,  befonberS  be3  Stiften  in  fünbiger 
Sprung  rei^t;  bgl.  Buddei  institutiones  Theol.  dogm.  1724,  3,  2,  30.  3)iefe  fd)arfe 
2lu§brägung  be§  ©bracfygebraudieS  fyängt  ftoax  mit  ber  biblifdjen  Vertoenbung  be§ 2Borte§ 

25  jufammen,  liegt  inbe§  in  ber  ©djrift  nid>t  fo  beftimmt  bor;  jener  befonbere  ©ebraudj  mufj 
beSI)alb  juerft  mit  bem  biblifd)en  berglid)en  unb  babei  ber  bortiegenbe  2lu§brud  gegen  bie= 
jenigen  anbern  abgegrenzt  foerben,  weldje  berroanbte  Segriffe  bejeid)nen. 

Suifyer  fanb  ba§  2öort  bereite  im  beutfd)en  Vaterunfer  bor  unb  behielt  eS  eben  beS= 
|alb  in  biefer  Vebeutung  bei,  2Serfe  @2t  Vb  21,  ©.  219.    $n  ber  Vibel  braucht  er  e§ 

30  übertoiegenb  1.  jur  Sßtebergabe  bon  ^$-r  jieigd&iv  unb  2.  für  "f?,  §i  7,  18;  23,  10; 
34,  6 ;  9M  3,  5,  reo  in  LXX  berfd)iebene  gried)ifd)e  5ßofabeln  bertoenbet  finb,  unb  ty\ 
26,  2;  66,  10;  81,  8,  roo  man  bei  LXX  doxi/udCetv  lieft;  bieg  überfein  er  2  Ho  8,  8 
ebenfo,  toär/renb  er  fonft  jeneg  fyebrcufdjie  unb  biefeö  gried)ifd}e  äöort  bureft,  „brüfen"  toieber= 
giebt.    33eibe  ©imonr/men=$aare  geben  bon  ber  Sebeutung  „broben"  au§,  unb  fo  erflärt 

35  fid)  ü)re  9?ebeneinanberfteHung  ?p(  26,2;  2  Ho  13,5,  bgl.  Dp.  2,2;  bod)  bleibt  ein 
Unterfd)ieb  unb  bilbet  fid)  in  ber  SSerjjtoeigung  toeiter  au§,  bgl.  ßremer,  33ibl.  tfyeolog. 
Söörterb.  s.  v.  7ieiq6.'Qeiv  unb  doxijuä^etv.  „prüfen"  Reifet  einen  S^atbefianb  feftftellen, 
fei  e§,  inbem  man  i^n  erfennt,  ober  um  ilm  anjuerfennen,  fei  e§  fo,  bafj  feine  teeitere 
S3efeftigung  beranla^t  toirb;  foEte  ber  S£f)atbeftanb  ein  fittlid)  berroerflid}er  fein,  fo  toürbe 

40  boeb,  in  ber  Prüfung  nid)t  ein  Slnreij  nad}  biefer  (Seite  mitgebad)t,  fonbern  lebiglid}  bie 
<gerau§ftellung  ber  ©ad)Iage;  übrigen^,  mie  ba§  ©ubftantib  Prüfung  übertäubt  nid}t  in 
ber  ©dmft  begegnet,  b,at  aud)  ber  Slulbrud  ^rüfung^leiben  (Dealer,  Sr/eol.  b.  21SES  §  247) 
leinen  2lnl)alt  in  il)rer  Stebetoeife,  fyöcbjtemg  ber  anbere:  Seroä^rungSleiben  1  p  1,  7.  8. 
„3Serfucb,en"  bebeutet  einfad;  einen  Serfucb,  machen  unb  ^toar  mit  Sluftoenbung  bonHraft; 

45  bamit  berbinbet  fid)  bann  in  ber  Slntnenbung  auf  berfönlid)e  ©egenftänbe  ber  SRebenbegriff 
be§  g-einblid)en,  roenn  aueb,  mit  mef)r  ober  roeniger  ©d)ärfe,  1  %  10,  1;  ©i  13,  14.  ©0 
toirb  e§  im  WZ  bon  bem  toed)felfeitigen  aSerr)aIten  jtotfd)en  ©Ott  unb  bem  33unbe§bolfe 
gebraucht.  2ln  bie  Vorgänge  bei  SRaffa  unb  Wlaiha  ©e  17  unb  an  -Jiu  14  Jnübft  fid; 
bie  Sorfteaung  bon  bem  „©Ott  berfud)en"  fetteng  ber  3Jlenfd>en,    ®t  6,  16 ;    Sßf  78, 18. 

50  41.  56;  95,  9;  106,  14;  aufeerbem  ^ef  7,  12,  bgl.  9M  3,  5.  ©ie  ftetten  ©Ott  auf  bie 
^ßrobe,  inbem  fie  e£  an  bem  bemütigen  ©lauben  an  iljm  fehlen  laffen,  unb  bamit  forbern 
fie  feine  ©egenmirlung  fyeraug;  bie  (Srbrobung  feines  Hönneng  unb  2BolIen§  gereift  fo 
baju,  feine  ©ebulb  auf  bie  ^robe  ju  ftellen.  ©a§  erfdt)etnt  al§  eine  ©eite  an  ber  ©runb= 
fünbe  3§rael§,  an  feinem  ungläubigen  ©igenfinn,  roe!cb,er  bie  Vergeltung  b, erabruft;    ib/re 

65  borbilblid;e  Sebeutung  roirb  1  Ho  10,  9;  §br  3,  7  f.  in  ©rinnerung  gebracht,  toie  awfy 
21©  15,  10  baran  mafynt.  ^efug  braucht  bie  ©teile  au§  35t,  3Rt  4,  7;  Sc  4,  12;  unb 
21©  5,  9  tritt  für  ^efyobat;  (35.  4)  fein  ©eift  ein.  2lnbererfeit£S  toerben  biefelben  Vorgänge 
als  Mittel  angefeb,en,  burd;  bie  ©Ott  i>a$  Vo«  auf  bie  Vrobe  geftettt  l;at,  «ßf  81,  8;  35t 


S5erfMd)ttt!g  583 

33,  8,  unb  in  biefem  ©inne  ift  öfter  im  ^entateud;  babon  bic  Siebe,  bafj  ©ott  burd) 
feine  $üb>ung  baS  33olf  beifügte,  b.  fy.  prüfte,  @r.  15,26;  16,  4;  20,  20;  $Dt  4,  34; 
7,  19;  8,  2.  16;  13,  3,  bgl.  9«  2,  22.  3)aS  grunblegenbe  Seifpiel  2lbraf)amS  ©en  22,  1, 
bgl.  £br  11,  17f.;  Sub  8,  18.  19;  6h;  44,  21;  1  2M  2,  52  getgt,  ba£  ber  ©eljorfam 
erprobt  werben  foK,  bal)er  bie  Späteren  biefe  Fügungen  mit  Stecht  ben  ©ersten  gegen=  5 
überfallen,  ^ir  4,  19;  2öei  11,  9.  §ier  fann  mithin  bon  geinblicbleit  ©otteS  ntdt)t  bie 
Siebe  fein ;  nur  2  Gfyt  32,  21,  mo  ©ott  §is!ia  berläfjt,  bamit  feine  ©laubenSlofigfeit  ju 
Sage  fomme,  ift  eine  bebingte  Söenbung  nad)  jener  Stiftung  gu  erfennen.  ©iner  berfu<|= 
Iid)en  Sage  olme  eine  berfudjenbe  ^erfon  ermähnt  meinet  SBiffenS  baS  )ä%  mit  biefen 
SBenbungen  nidjt;  bieS  ift  bagegen  im  31%  öfter  Der  %aü,  unb  bemgemäfj  tritt  I)ier  ber  io 
©ebraud;  beS  ©ubfi.  neigaa/xog  entfpredjenb  in  ben  SSorbergrunb.  ®aS  fettf  bann  eben 
bie  beftitnmtere  ^rägung  beS  Begriffes  „Slnreijung  gur  ©ünbe"  borauS,  bie  im  %%  nod; 
mct)t  borliegt;  fie  ift  im  31%  burd;  ben  ©ebraud;  borbereitet,  tbenn  bie  ©egner  ^t\u 
fudjen,  tfyn  in  ben  SBedjfelreben  ju  einer  berberblidjen  2tuf$erung  ju  berleiten. 

geigt  nun  ber  neuteftamentltdje  ©ebraud;  bon  nsigdCsiv  ben   terminus  technicus  15 
in  ber  Silbung  begriffen,   fo   fc&liefjt   bie  beutfdje  Mircfyenfpradje  biefe  ah,  inbem  fie  S5er= 
fudmng  beftimmt  bon  Prüfung  unb  Serfüb^rung  unterfdjeibet.    ®ie   fittlidje  Siid;tung   im 
9Jtenfd;en,  namentlich  ber  ©laube,  roirb  geprüft,  bamit  er  jur  „Skmäfyrung"  gelange,  unb 
baju  bienen  namentlich  Seiben,  befonberS  Seiben  um  beS  ©laubenS  mitten,  %at  1,  12.  2 f.; 
1  tyt  1,  6 f.;  Siö  5,  3 f.;  2  $0  8,  2.  ^Dagegen  ber  bewegliche  SöiCCe  roirb  berfudtf  mit  bem  20 
möglichen  (Erfolge,  baß  er  fid)  bem  Söfen  jutoenbe,  ja,  wenn  bon  2lbficr;t  bie  Siebe  fein 
fann,  mit  bem  2lbfef>en  barauf,  bafj  er  fid;  bem  33öfen  juroenbe.    Söeil  aber  jener  ©rfolg 
nic£)t  notmenbig  ift,  unb  meil  er,  fo  lange  man  ibtn  bon  23erfud)ung  fprid)t,  nicf;t  roirflid; 
toirb,  unterfd;eibet  man  biefe  bon  ber  33erfüt)rung ;   bei   biefer  mag  bann  nod)   befonberS 
bie  erkennbare  ^lanmäfjigfeit  £)erborget;oben  fein;    bgl.  SJit  24,  4.  5.  11.  24;  2  %\  3, 13;  25 
ßpf)  4,  14;  Dffb.  2,  20;  12,  19;  20,  10  unb  bef.  2  Äo  11,  3 ;  1  2t  2,  14. 

^m  33aterunfer  ftellt  ber  §err  baS  gefamte  3Serl)äItnt§  jebeS  SJienfd;en  jur  ©ünbe 
unter  bie  beiben  ©eficfytSpunfte  ber  ©d)ulb  unb  ber  33erfud;ung,  Sf  11,  4;  baburd;  totrb 
ber  legten  eine  umfaffenbe  93ebeutung  jugemiefen.  @rfd;eint  bie  künftige  ©ünbe  buret)  bie 
3Serfuc|ung  Vermittelt,  fo  ift  jene  nid; t  golge  eines  groangeS,  aber  fie  ift  beranlafjt.  Sffiorin  so 
liegt  nun  bieg  35eranlaffenbe?  3ia<fy  bem  31%  nid)t  immer  in  ber  erfennbaren  §anblung 
eine§  berfudjenben  SBefenS,  fonbern  fdjon  in  einer  Sage,  in  roeldje  ber  SJienfd)  hineingerät, 
^a  1,2;  ?Dlt  26,  41 ;  1  ?ßt  4,  12.  SlllerbingS  bemifet  fid;  beren  ©efäb;rlid;leit  nac|  ber 
Sefct)affenr)eit  be§  betroffenen,  unb  fo  ift  guerft  feftjufteEen,  men  SSerfucbung  treffen  !önne. 
3m  31%  ift  felbftberftänblid;  nur  bon  Jüngern  3«ju  bie  Siebe;  aber  fdjon  bie  angeführten  3j 
^uSfprüd;e  be§  3Jieifter§  fe|en  feinenfafis  borau§,  bafj  fie  al§  „Söiebergeborene"  im  bog= 
matifd;en  ©inne  biefeS  2Bortei  &u  faffen  feien.  Unb  toenn  3>arobu§  1,  13—15  fd;ilbert, 
toie  bie  3Serfud;ung,  in  ber  man  ftefyr,  burd;  bie  SSerlodung  ber  eigenen  Regier  jum  böfen 
Sluögange  lommt  (b.  §ofmann,  ©ie  ^1.  ©c^rift  31%$,  7,  3,  ©.  23  f.),  fo  leib/t  er  bem 
Vorgänge  burd;au§  feine  fonberlid;  d;rifüid;en  3üge,  unb  1  ito  10,  1—13  fief)t  ^3.  offenbar  40 
bie  ^uben  als  5Sorbilber  ber  berfucblen  Triften  an.  ©egenüber  biefen  Berufungen  auf 
burd;auS  allgemein  9)ienfd;lid;e§  barf  man  eS  2öiH!ür  nennen,  wenn  Hilmar,  %i)wl  3Jloxal 
©.  162  nur  „ben  Seil  ber  3Jienfd;entoelt,  ber  in  ©ott  feft  ftetjt",  als  ©egenftanb  ber 
3Serfud;ung  anerfennen  miß.  ©eroi^  mad;t  baS  servum  abitrium  ben  SluSgang  ber 
33erfudmngen  im  atigemeinen  ^u  bem  felbftberftänblid;  üblen ;  allein  bod)  niebt  gleichmäßig  45 
bei  bem  Siingenben  mie  bei  bem  Safterb^aften  unb  nid;t  in  allen  einzelnen  fallen,  ßum 
Setoußtfein  toirb  ber  Vorgang  aKerbingS  erft  bei  ertoedtem  fittlid)en  Setoußtfein  lommen; 
bie  33ejeid;nung  tentatio  ertoedt  befonberS  bie  5ßorftelIung  beS  2öiberftanbeS  unb  beSb^alb 
bie  Neigung,  bon  2?erfud;ung  im  ftrengen  ©inne  nur  bei  ben  SßiberftanbSfäfyigen,  eben 
ben  erneuerten  Stiften  ju  reben,  toie  bei  Subbe  a.  a.  D.  3)aS  ©rlebnis  ber  erften  eitern  50 
nennt  bie  SBibel  aud;  nirgenb  eine  3Serfud;ung,  bielme^r  (f.  oben)  33erfüf) rung ;  eS  tritt 
eben  ber  berI;ängniSboKe  drfolg  in  ben  SSorbergrunb.  Unb  bod;  betrautet  man  jiemlid; 
allgemein  unb  geroif}  mit  ©runb  it)ren  gaH  unb  bie  3Serfud;ungSgefd)id;te  ber  fi;noptifd;en 
Überlieferung  als  urbilblid;  für  SSerfucbung  überhaupt.  —  33ergleid;t  man  nun  bie  33er= 
fua;ungen  beS  erften  unb  beS  legten  2lbam  mit  jener  ©d;ilberung  beS  3^obuS,  bann  er=  55 
bebt  fiel)  bie  5ra9e-  °^  »irflid;  allgemein,  ob  aud;  ifynen  gelte:  jeber  wirb  bon  ber  eigenen 
Segierbe  berfud;t ;  mit  anberen  Söorten,  ob  bie  Skrfudmng  nur  bie  ©ünbe  ju  2age  bringe, 
roelcbe  fct)on  bor  ber  ©ünbenl;anblung  ba  ift,  3iö  7?  SBeber  ©en  2,  3,  nod;  Siö  5  12, 
nod;  3Eftt  4  unb  Sc  4  legen  bie  2lnna|me  nab^e,  bafj  eine  bcrfcfyrte  Segierbe  baS  innere 
ber  S3erfud;ten  beftimme  unb  beflede,  unb  jebenfaüs  mirb  für  %e\u  Seben  alles,  maS  ©ünbe  60 


584  Sßcrfurfjung 

Ijetfjett  barf,  berneint,  ©od)  roirb  bie  23orau!fe$ung  ber  Schrift,  bafj  bie  ©ünbe  in  leinem 
©inne  Don  ©Ott  flamme,  folglicb.  aud)  nidjt  nottoenbige  2Birfung  ber  Anlage  bei  enbltcfyen 
2Befen!  fei,  nur  bogmaiifd;  feftgeftellt  werben  fbnnen;  aud;  $efu  ©ünbloftgfeit  ift  ja 
©ogma.  $m  übrigen  ift  bie  aufgeworfene  $rage  eine  muffige,  ba  für  alle  Slbamlftnber 
5  mit  Slulnafyme  bei  einen  bie  ber  SBerfudmng  entfbred;enbe  löbernbe  eigene  33egierbe  unb  bie 
©d;toäd;e  bei  gleifcfyel  borauljufeijen  ift. 

©ie  Regier  entfbridjt  einem  angebotenen  ©ute,  toäfyrenb  bie  9lebe  ^efu  bon  ber 
©djtüätfje  bei  gletfdjel  Sftt  26, 41  ifyrem  2lnlaffe  nad)  an  ba!  berfudjenbe  Seiben  erinnert ; 
bie  berfuct/enbe  5?raft  ber  Seibenllagen  ift  im  31%  befonberl  betont,  Sc  22,  40.  46,  »gl.  28 ; 

10  8,  13,  bgl.  2Rt  13,  21;  21©  20,  19  (©a  4,  14);  1  5ßt  1,  6;  4,  12;  ga  1,  2.  12;  bod; 
geigt  fogleid;  bte  urbilblid;e  SSerfudjung  bei  9Jtefftal,  bafc  bie  anbere  2trt  bei  Steige!  nidjt 
gurüdftritt,  namentlich,  ©innenluft  unb  §abfud)t  berfd^tebener  Stiftung,  »gl.  nod)  l£o7,5; 
10,  6  f. ;  1  %i  6,  9.  ©amit  finb  mir  bei  ben  berfud)enben  Slnläffen,  unb  in  biefen 
fünften  ift  auct)  bie  Stntnübfung  für  ben  berfudjenben  2lnreig   in  folgern  gatle  gu   er^ 

15  lennen,  roo  it)m  leine  fünbltd^e  Anlage  entgegentame.  ©ie  (Einteilung  in  23erfud)ungen 
burd;  Suft  unb  in  foldje  burd;  Seib  ift  alfo  berechtigt;  nidjt  aber,  ioenn  SButfe  (§anbbudj 
ber  d;riftlid;en  Sittenlehre,  §  221)  für  bie  erften  bie  allgemeine  2kgeid;mmg  beibehalten, 
bie  anberen  Anfechtungen  fyeifjen  will,  ©er  biblifdje  ltrter.t  madjt  feinen  folgen  Unter= 
fd;ieb,  unb  Sutfyer  ebenfotoenig  a.  a.  D.  ©.  220—3 ;  übrigeng  »gl.  unten.  —  ©iefyt  man 

20  nun  »on  bem  Übel  unb  ber  Verfügung  burd)  Seiben,  Weldje!  bie  SSirlung  ber  ©traf= 
orbnung  über  „biefe  2BeIt"  ift,  einstweilen  ab,  fo  liegt  geWifj  in  ber  2Röglic|!eit  für  bie 
Aneignung  eine!  ©ute!  unb  in  bem  embfunbenen  Steige  bagu  an  ficb.  leine  Abfdjüffigleit 
gum  Söfen ;  unb  fo  ift  benn  aud;  in  ber  ©d;rift  bie  Verfügung  ber  ©rftgefd^affenert  nid;t 
au!  ber  bloßen  Sage  abgeleitet,    fonbern  als»  Verführung  bargefteHt,   unb  biejenige  bei 

25  anbern  Abarn  fettf  ntdjt  nur  bie  „©ünbe  ber  2Belt"  boraul,  fonbern  fommt  bon  bem 
„Verfucfyer"  §ier  tritt  alfo  gu  ber  anreigenben  ©abläge  nod)  ©inWirfung  ber  pborI)an= 
benen  Unfittlid;!Eeit  bjngu.  ©ag  für)rt  gunäcbjt  auf  bie  biblifd;e  Anfd;auung  bom  Ärgernis. 
■^k.":-  unb  -^  nebft  ben  ©eribaten  finb  in  LXX  abtoetfjfelnb  mit  jiQÖoxojujua  unb 
oxävdakov  überfeist  (bgl.  über  biefe  Sßortfamilien  Gremer  a.  a.  D.  s.  v.);    ebenfo  t»edj= 

30  feit  Sutfyer  gWifdjen  „Anftofe"  (bgl.  Se  19, 14;  $r  4,  12)  unb  bem  häufigeren  „Ärgernis" 
(2  So  6,  3  für  jiqooxoth]).  ©a!  ©);nont)m  nayig  1  %\  6,  9  in  feiner  Weniger  berWifd;ten 
SBilblicfyfeit  geigt,  bafc  ber  SEon  l)ter  burd;aug  auf  bem  (Ergebnis,  auf  bem  %aü,  liegt  (bgl. 
(Sremer  s.  v.  oxavd).  ©a§  212  nennt  fo  bie  berfüfjrenben  Vorgänge,  t»ie  ©ö|enbienft, 
j.  33.  @£  23,  33;  ^f  106,  36.    2öo  Sefuö  ben  2luSbrucf  brauet  ÜJtt  18,  6f.,  bgl.  13,  41, 

35  ba  richtet  er  ben  Slicf  juerft  auf  bie  2Mt  ober  ba§  fünbige  ©efamtleben  ber  ^Jcenfcfyen, 
innerhalb  beffen  bie  berfüf)renben  Slnläffe  nid;t  aulbleiben  fbnnen.  ©aju  ioirb  i^m  felbft 
jener  S^at  bei  ^ßetrul,  ber  ib,n  bon  ber  Seibenlba^n  ablenfen  möchte,  roäb,renb  fie  bocf) 
feine  Seruflaufgabe  bilbet,  9)U  16,  23.  Söenn  bie  ebelften  Seftanbteile  bei  menfcpcfyen 
Sebenl  ju   berfül>renben  Heilmitteln  roerben  !önnen,    9JJt  18,  8  f.,    fo  ift  babei  bie  innere 

40  Sereitb,  eit,  nämlia;  33egierbe  unb  gleifd;  boraulgefe^t,  bgl.  Wlt  5,  28  f.  ^nbel  unter  ber 
SBertotrrung  bei  Urteils  fann  aucl;  an  fid;  berechtigte!  %i)un  einem  anberen  gum  Slnftofe 
werben,  toenn  el  ib,n  gur  9fcadjab,mung  beranla^t,  roäb^renb  el  ib^m  all  bermerflicb.  gilt, 
1  Äo  8,  9—13;  10,  28f.,  ober  i»enn  el  übertäubt  bem  ©lauben  ein  §emmni!  ober  eine 
©ct)t»äd;ung  bringt,    ^a^  33egeicl)nenbe  für  biefe  Slnfcfyauung  ift  mithin,  ntct;t  bie  anlöxr\q 

45  auf  ber  ©eite  bei  ©eärgerten  unb  bte  Hücfficttfllofigfeit  auf  ber  bei  Sirgernben  (^almer, 
1.  2lufl.  biefel  3Ber!el),  bielme^r  neben  bem  atigemeineren  Segriffe  ber  ißeranlaffung  jur 
©ünbe  ber  Umftanb,  bafc  bal  bon  ber  ©ünbe  beftimmte  Seben  bem  unfitfjeren  3Jienfc^en 
überaß  folcfye  ©elegenl)eiten  jum  %aü  entgegenträgt,  man  ficfy  barum  aud;  olme  befonbere 
2Ibfia)t  toec|felfeitig  in  gemeinfame  ©d>ulbberb,aftung  hineinbringt.    Db  „gegebenel"  ober 

60  „genommene!"  Ärgernil,  e!  ift  §intoeil  auf  bie  ©olibarität  be!  menfdjlicb.  en  Söfen ;  bal)in 
gehören  namentlicl)  aud;  bie  gäEe,  roenn  einerfeitl  (Srlebniffe  ober  33erl)alten  bon  Sbjiften 
anberen  gu  ^emmniffen  bei  ©lauben!  roerben,  ©a  4,  14,  fomie  roenn  bie  richtig  beur= 
teilte  ©ünbe  eine!  anbern  boct)  beranlaffenb  auf  unl  roirit,  ©a  6,  1 ;  $ub  23. 

©a!  füfyrt  bann  nod;  roeiter  gurücE  auf   bie   etroaigen  berfönlid;en  Urheber  ber  SSer= 

55  fud)ung.  ©er  anbere  2lbam  ^at  el  in  feiner  grunblegenben  3Serfua)ung  mit  bem  Teufel 
gu  t^)un  gehabt,  roie  aud;  in  feiner  legten  Seibenl^eit,  Sc  4,  13;  %o  14,  30;  £br  2, 14.  15. 
©erfelbe  ftel)t  hinter  ber  berfüfyrenben  ©erlange  im  ^5arabiefe,  2  Ro  11,  3;  Dffb.  12,  9; 
20,  2.  ©er  SSiberfad>r  ober  Anlläger  (Dp.  12,  10)  ift  bie  treibenbe  üfiad;t  bei  ben 
bie  Gbriftenljeit  treffenben  berfud)Iid;en  Verfolgungen,  1  ^t  5,  8.  9,  bgl.  4,  12;  1  %$  3,5; 

60  Dffb. 2, 10;  bgl.3,10;  3Kt24,9f.  21f.;  fein  3)Jad;tmtttel  ift  bie  berfuebenbe  £obe!furd;t,  §br 


Skifurfjung  585 

2,  14.  15.  18,  tüte  bie  ftnnlicfye  Segter,  1  Ko  7,  5;  feinem  Sieidjc  gilt  ber  Sßiberftanb  im 
Kampfe  ber  ©laubenSbeWäbjung,  @bl)  6,  10  f.  §n  a^in  erwähnten  Sieden  ift  aber  nie 
bon  einer  unvermittelten  (SinWirfung  auf  ba§  3nnere/  ü0"  einer  Eingebung  bie  Siebe; 
überall  erfennt  man  bie  auf  bie  ©eele  toirfenben  Sermittelungen  fo  gut  tote  im  Sud;e 
£iob.  Son  %ut>a$  nimmt  ©atan  nid)t  bel)uf3  ber  Serfucfyung,  btelmefyr  nad)  gelungener  5 
itofüfn-ung  burd>  ©eig,  fortfdjreitenb  Sefi|,  %o  12,  6;  Wlt  26,  14f.;  ^o  13,  2.  21f.  2ß0 
biefe  le|te  berfucfyenbe  Wlad)t  ermähnt  Wirb,  ift  bon  bem  ©lauben3=  unb  ©ebetlleben  bie 
ftebe;  ba  treten  bie  tiefften  ©egenfä|e  in  ba§  ©eficfytffelb,  übrigeng  aber  Wirb  bureb,  biefen 
3(u§blid  nur  ber  gufawmenfyang  bex  SSelt  boller  3lrgerniffe  beutlid;er  bor  ben  33ltdE  ge= 
fteßt  unb  bamit  atterbingg  ber  (Srnft  ber  ©abläge  eingeprägt;  benn  in  biefem  3ufammen=  10 
fcange  ber  iHnfedjtung  be§  ßr/riftenleben€  ift  5ßlan  unb  ©efcbjd,  2  Ko  2,  11;  ©tob,  6,  11. 
ireffenb  ift  ba§  für  bie  6tb,i!  I)erauSgef)oben  burd)  b.  Dettingen,  61)riftl.  (Sittenlehre,  §  10. 
£)od;  mürbe  e§  bem  Serfaf/ren  ber  1)1.  ©d)rift  Wiberfbredjen,  Wenn  man  nun  mit  Silmar 
©.161  f orbern  Wollte,  bei  aller  Serfuct/ung  ftcb,  il)ren  fatanifcfjen  llrfbrung  bor jub, alten; 
fie  richtet  ba§  2luge  bodb,  jumeift  unb  mit  5Rad)brud  bielmet/r  auf  bie  bermittelnben  SRetge.  15 

Mein  alle  ©elegenfyeiten  gur  ©ünbe,  and)  btejenigen,  beren  fict)  ber  Serfud)er  be= 
bienen  mag,  fielen  unter  ber  Slßmact/t  bes>  lebenbigen  ©otteg,  unb  gerabe  bem  Sefenner 
liegt  e§  nafye,  ba3  Serfudjenbe  feiner  Sage  auf  bie  Sorfefmng  jurüd^ufüb/ren  unb  baburd) 
bie  SerantWortung  für  ben  etwaigen  %aü  abjufd;ieben,  %a  1,  13.  Sie  altteftamentlidje 
3tebe  bon  ber  Serfucfyung  burd)  ©Ott  fommt  nun  b,ier  nicfyt  mel)r  in  Setradjt,  benn  bort  20 
ift  bon  einem  „prüfen"  bie  S^ebe;  aßerbing§  Wirb  man  nid)t  überfein  bürfen,  bafj  and) 
im  31%  fid)  bie  Segripfdjeibung  noeb,  nicfyt  böHig  gefeftigt  I)at.  ©od;  Wirb  e§  al3  grunb= 
legenbe  ©etoifjfyeit  gelten  bürfen,  bafe  ©ott  nicfyt  Urheber  bes>  Söfen  ift  unb  behalt)  and) 
nidjt  berfucfyt,  Wiefern  bei  Serfudjung  ein  2lbfel;en  auf  guftanbefommcn  be<§  Söfen  ob= 
toaltet.  ©0  ift  ifym  nirgenbä  mefyr  bie  Sfyätigfeit  be§  Serfud)en3  jugefdnueben,  fonbern  25 
nur  ba§  hineinbringen  in  bie  bon  felbft  gegebene  berfudjenbe  Sage,  Sc  11,  4.  Serfudmng 
unb  Ärgernis  finb  nidjt  bon  ©ott  I)er  Qa  1,  13;  „©ott  Reifst  mit  liebeln  unbertoorren,  Weil 
ba§,  toa§  bon  ib,m  fyerfommt,  nicfyt  mit  ©djlimmem  berflocfyten  fein  lann,  ba<S  un<8 
jum  Söfen  reijt"  b.  §ofmann  a.  a.  D.) ;  boeb,  ftnb  fie  in  ber  äöelt,  bie  unter  ©otte§ 
Drbnung  unb  Senfung  befte^t.  @g  ift  nun  ©acb,e  ber  fog.  SEr)eobicee,  barjutb,un,  wie  30 
biefe  2b,atfacb,e  mit  ber  ct/riftlidjen  ©otte§erfenntni§  au§jugleid)en  fei,  unb  bas>  !ann  b,ier 
nidit  nebenbei  abgemalt  Werben.  3noe^  $  oaran  ju  erinnern,  ba§  bie  Sßermittelung  ber 
£ünbe  bureb,  3Serfud;ung  fie  bebingtertoetfe  entfd)ulbbar  macb,t  unb  be§fyalb  bie  @rlö§= 
barfeit  be§  ©ünber§  mitbebingt;  ber  Segriff  ber  33erfudnmg  ertoeift  fiel)  atö  ©renjbegriff 
einerfeitg  gegen  ben  2)etermini§mu§  unb  anbererfeitö  gegen  einen  ^effimi§mu§,  ber  bie  35 
©ünbe  sur  Soweit  unb  $ur  ©rfinbung  be§  5Dtenfcb,en  mad)t.  ^ro^bem  bleibt  bie  ©d)toierig= 
feit,  ba|  3efu§  lefyrt,  bie  unbermeiblid;e  5ßerfud)ung  fieb,  ju  berbitten,  bgl.  ^E^olud,  ®ie 
Sergrebe,  5.  Slufl.,  ©.  398  f.  2Ran  barf  ja  mit  bem  2lboftel  lehren,  jene  Sagen  feien  in 
U)rer  berfud;enben  SBirfung  ntct)t  übermächtige  Fügungen  bon  ©ott  b,er,  bielmel)r  bon  ib,m 
nacb,  menfdjlid;=fittlid)er  $raft  bemeffen,  unb  fie  fielen  bergeftalt  unter  ber  3Sorfeb,ung  40 
©oüe§,  ba^  eben  b,ierburd)  eine  unroiberfteljilidje  Söirfung  in  malam  partem  au^gefdjloffen 
bleibt  unb  im  äufeerften  $a&  e§  bem  6b,riften  nidjt  an  befonberer  2lus>I)ilfe  feb,lt,  1  ko  10, 
13;  2  ^5t  2,  9 ;  §br  4,  16.  Söenn  aber  fo  ber  drfolg  in  ber  33etoäb,rung  befielt,  fo  be= 
greift  fid;  um  fo  Weniger,  Wie  man  unternehmen  bürfe,  ©otte^  ©cb,u|  bagegen  ju  erflehen. 
Slllein  jene  3uberftcb,t  auf  bie  göttliche  gü^rung  barf  bod)  nur  ber  Wacb, fame  Seter  biegen ;  45 
ber  Seidjtfertige  berfäUt  bem  glucke  be§  3u^ammm^an8g  oer  ©"^e,  1  Ko  10,  12 ;  9Jct 
26,  41,  bgl.  Sc  22,  31  f.  Unb  gerabe  ber  Sufjfertige,  Weldjer  feine  ©d)ulb  bor  fict>  [teilt, 
toirb  fieb,  jugleicb,  borb,  alten,  Wie  aueb,  er  eigentlid)  biefem  glud; e  berfallen,  unb  ferner,  Wie 
gering  feine  SöiberftanbSfraft  unter  bem  Sänne  ber  3uftanb3fünbe  fei;  e§  ift  in  ber= 
neinenber  gorm  bie  Sitte  um  SeWabjung  bor  bem,  \va§  in  ber  berfud;enben  Sage  bie  eigent=  50 
lidje  Serfucb,ung  au3inad)t,  bie  ber  @rb,örung  geWiffe  Sitte  barum,  bafj  ©ott  eben  niebt 
julaffe  (1  Ko  10,  12),  baft  bie  Sagen  ju  Serfudmngen  über  ba§  Sermögen  ioerben  (bgl. 
b.  §ofmann  a.  a.  D.  ©.  286 f.;  Kamb^aufen,  ®aö  ©ebet  be3  §errn,  7  2lbfd;n.).  greilieb, 
ift  biefeö  ©ebet  ber  2lu§brud  eineä  fittlicfsen  SeWu|tfein§,  Weld^eg  fieb,  über  ©dmlb=  unb 
Sünbenmacfit  nict)t  furjWeg  f;inau§geboben  Weife,  bem  bielmefyr  bie  ©ünbe  ber  Ser=  55 
gangenfjeit  unb  ber  ^«^"ft  noc^  ?m  *oid;tigfte§  anliegen  in  feinem  Serfebje  mit  ©ott 
bilbet. 

£er  Segriff  ber  iserfudjung  gehört  mithin  guerft  in  bie  Sogmatif,  näfyer  in  bie  ct)rift= 
licfje  fiebere  bon  ber  ©ünbe;  ib^m  fommt  bie  Sebeutung  31t,  bafj  er  bie  CSntfteljung  ber 
©ünbe  innerhalb  ber  StRenfcb.^eit  übertäubt  unb  bann  in   jebem  einzelnen  3)^enfct)en   unb  60 


586  §ßerfnd}mtg  SBcrjütfung 

galTe  fo  erflärt,  bafj  fie  triebt  aU  Sonett  erlernt,  rnelmebj  aU  öergebbare  Verfehlung, 
ofme  bafj  bodj  ifyre  Veranttoorilicrjfeit  aufgehoben  mürbe,  ©iefe  @inficr)t  erflärt  mor;l,  bafc 
bei  $ul.  SDtüßer  biefe  2r)atfacr)e  gang  in  ben  £intergrunb  tritt,  benn  ir)m  faßt  aße§  ©e= 
iüirfjt  auf  bie  unbebingte  Verfcfyulbung.  3)ie  c§riftoIogifdje  ober  foterologifcfye  $rage  fann 
5  nur  in  bem  gufammenfyange  ber  ©ogmatif  (SBiffenfcr;.  §  380.  384)  ober  be§  fog.  Seben 
$cfu  ifyre  Erörterung  finben.  sJttct)t  minber  roictjtig  ift  fobann  bie  @rfenntni3  ber  Ver= 
fucfyung  für  bie  tfyeologifcfye  ©tfyif',  wenn  biefe  fid)  nicfjt  ber  Sftüdftd^t  auf  ba§  mtrflidje 
Seben  für  entbunben  fyält.  SDenn  einerfeitS  fe|t  ber  bolle  @rnft  be§  KamtofeS  eben  2öiber= 
ftanb§fäfytgfeit  »orau3  unb  anbererfeitg  toeifj  ber   fein  Vaterunfer   betenbe  Sfyrift  fid)   am 

10  menigfien  über  ben  ©trett  f)inau§.  3Ran  mag  e<§  einfeitig  bogtnatifd)  gebaut  freiten, 
toenn  §arle|  in  ber  ©tfyif  gar  nid)t  über  bie  |>etlsberoafvrung  f)inau£>fommt  unb  Vilmar 
nur  eine  ©enefung§gefd)ict/te  ju  geben  meifj ;  boct)  eine  ©ntmicfelung  d)riftlict)er  ©tttlicttfeit, 
für  meiere  ber  fortgefyenbe  Äambf  au§  bem  ©efict/tSfreife  fiele,  läge  bon  ber  biblifct)=nü<r)= 
ternen  Betrachtung  ber  2öirHicr)feit  weit  ah ;  mit  gutem  ©runbe  befyanbelt  bal)er  r>.  Dettingen 

15  al§  eine  befonbere  ©eite  be§  4>rtftli4)en  Seben<§  ben  Kampf  be§  neuen  9Jcenfcr)en  mit  bem 
alten,  a.  a.  D.  §  82  f.  ©er  2lnret§  jum  Stücffall  in  ba§  fünbige  treiben  liegt  nun  für 
ben  fiefy  befefyrenben  (Stiften,  —  unb  ein  folcfyer  bleibt  er  nad)  ebangelifcfyer  Raffung  fein 
Seben  lang  —  innerhalb  be3  ganzen  UmJretfe§  feiner  SebenSbejiefyungen,  menn  aueb,  jeber 
je  nad)  feiner  ^nbibibualität  unb  Vilbung  feine   befonber§    gefährlichen  Vereisungen   I)at 

20  unb  fennen  lernen  mufj.  SBenn  bie  (Stfnf  eine  Slobif  ber  ©ünbengattungen  entfaltet,  toie 
3.  V.  Vilmar<§  1.  SEeil  unb  2Buttfe§  2.  SEeil,  fo  bietet  fie  in  berfelben  jugleid)  eine  atl= 
gemeine  Orientierung  für  ben  ßtmftenfambf  unb  »ergegentoärtigt  bie  9cotmenbigfeit  ber 
nüchternen  SBadjfamfeit ;  afö  ©egenmittel  fann  inbeS  allem  bie  jufammengefafjte  Slrbeit 
an  bem  d)riftlid)en  6t)arafter,  bie  ©elbfterjieb,ung  ober  2l3fefe  gelten,   ob,ne   bie   aud)  bie 

25  2Bad)famfeit  nicr,t  oorfyanben  fein  fann  (2öiffenfcf).  §  669f.  681).  Unb  ifyre  ©eele  ift  bie 
Vefeftigung  in  bem  fid)  betfyätigenben  ©lauben.  Unter  biefem  ©efidjtlbunfte  werben  bie 
Verfügungen  im  ttefften  ©runbe  ©laubemianfecfytungen,  unb,  mag  man  infonberfyeit  fo 
genannt  l)at  unb  nennen  mag,  bie  3weifel,  toelc^e  bie  c^riftlid^e  Überzeugung  ober  bie 
Ijeifögewifjfyeit  be§  ©injelnen  in§  SBanfen  bringen,  treten  unter  ben  fittlictjen  ©efid)  Mtounft, 

so  inbem  fie  ben  ©tanbbunft  be§  ©treitenben  untergraben,  ©ben  aud)  bafür  ift  bie  Ver= 
fucfyung  Qefu  tr/bifd),  in  ber  e3  auf  bie  Verleugnung  bemütigen  ©Iauben§  abgefefyen  mar; 
jugleid?  tritt  babei  b^erbor,  ba^  eö  für  bie  ©otte<8rmber  aueb,  in  if)rem  ^inbeöftanbe  befon= 
bere  (Gelegenheiten  jum  Stocffall  in  b,abfüd)tige  .'poffa^rt  giebt.  üDaran  fcb,lie^en  fieb,  bann 
bie  Verfügungen,  bie  au§  ber  ©icb,erf;eit  bes>  ©icger§  ermac^fen,   SDtt  12,  43f.,    bgl.  1  ^0 

35  10,  12.  SDiefeg  innerfte  Kampfgebiet  beS  6b,riftenftanbe§  ift  e§,  beffen  (Srfcfyeinungen  man 
in  befonberem  ©inne  bie  SBejeidmung  „2lnfed;tungen/y  giebt,  ^mar  ofyne  genügenben  2ln= 
b,alt  in  ber  33ibelfürad)e,  auc|  ber  beutfetjen,  unb  bod)  in  Slnle^nung  an  Sutfyer,  ber  bie 
33ejeid)nung  feinen  Seb,rmeiftern  in  ber  Tii)\t\t  entlehnt  b,at,  bgl.  gering,  ®ie  3Jlbftif 
SutberS  1879,  ©.  116f.;  3.  Äöftlin,  Sutb,er^  Geologie,  befonber^  2,  ©.  465 f.,  2.  2lufl. 

40  2,  ©.  108;  boeb,  bleibt  e§  babei,  bafj  eben  jebe  Verfügung  aud)  2lnfecb,tung  toirb,  unb 
b,ier  roirb  nur  fyerborgeboben,  mie  fiel)  tf)re  ©toi|e  gegen  ben  Veftanb  be§  cfyriftlidjen  Seben§ 
richte.  ©egb,alb  ift  aueb,  bei  ben  Verfügungen  bie  ©Iauben3bemäl)rung  i>a§  2Befentlid;e, 
Sa  1,  2f.;  1  «pt  1,  6f.;  5,  12.  13;  £br  2,  18;  4,  15,  bgl.  3,  19;  Sc  8,  13;  22,  31.  32; 
@bl)  6,  16.    Um  fo  berftänblid)er  toirb  bann   ber  9iücfblid;  auf   ben   biabolifa)en  §inter= 

45  grunb,  auf  ben  „bofen  geinb",  beffen  ©inn  auf  bie  ©cfyäbigung  beg  ©otte^reieb^eg  unb 
bie  2lblbfung  feiner  ©lieber  gerietet  ift,  fflt  13,  39.  41;  2  lo  2,  11;  1  %i)  3,  5;  1  5ßt 
5,  8  f.  —  ©a§  ©inline  biefer  Verb,  anbiungen  ift  bie  ©acfye  einer  Kafuiftü,  bie,  auf  einer 
cr>angelifd}en  @tb,if  grünbenb,  bemüht  ift,  fid)  felbft  überflüffig  ju  machen,  roie  bie  alt= 
broteftantifd^e  unb  »ietifttfdje,  ober  ber  lebenbigen  Äafuiftif,  nämlicb,  ber  ©eelenbflege  ober 

50  ber  ebartgelifcfyen  Veicb,tübung.  9Ji.  Ml)fer. 

VerWani»tfd)oft  f.  b.  21.  @^ered?t  Vb  V  ©.  209,9. 

5Bei-manbtf^oft,  getftltdje,  f.  benfelben  21.  ©.  211,33. 

SBcrjütfimg,  @ntf)ufia§mu§,  ©cb,roärmerei.  —   üitteratur:   ®te  319t.  in  ben 

m  VII    ®x257,  I9ff.  genannten  üeiita;    ber  91.  S^eoloqte,  mVjfttfctje   93b  XIX    ©.  631  ff.; 

55  3ffeint)arb,   ©ijftem  b.  etniftl.  SKorat,  I,    51814,    ©.  441  ff.,    mo  aud)  ältere  Sitt.  angegeben; 

91.  ©dilatter,  3Sa§  ift  rettgiöfe  ©d)tüänneret?  93ortrag,  1883;  SS.  SBaUljer,  ®tn  SKerftnat  be§ 

©d)radrmergeifte§,  Sortvag,  1898;  berf.,  ®aä  3eugni§  be§  E»eil.  ©eifte§  naeö,  Suttjer  unb  nad) 


SScvjütfuttfl  587 

ntoberner  ©d)tuärmerei,  Vortrag,  1899;  Mantego^a,  Sic  Gfftafen  beo  lljeiifdien.  9(u5  beut 
Qtaf.  »•  STeufdier,  1888;  ilhirifier,  Les  maladies  du  sentiment  religieux,  21903,  ©.  7  -72: 
L'extaso;  2t).  9ld)eft§,  Sie  ßfftafe  in  i£)rer  fulturellen  SSebeutung,  1902;  SBorbrobt,  3ur;iieU= 
qkm§pfr,cf|otogie:  ^rin.ypien  unb  ^attjologie,  ££)@tS  1906,  ©.  237—303;  33erf,  S)ie  Efftafe. 
Gin  Beitrag  pr  $fl}d)ofogie  u.  SSblferfunbe,  1906;  ffisunbt,  S35Iferpfl)d}o(ogie,  2.  53b :  9Jh)tf)u§  5 
unb  Seligton,  1.  Seü,  1905,  ®.  397—408:  gfftatifd)e  Jnn^e;  2.  Seil,  1906,  ©.  94—109: 
SSifion  unb  ©ffrafe,  SSadpifion  unb  £rtutmr>tfion,  Sie  '•ßropbetie,  Webi^inmann  u.  ©diamane, 
3).  ©ffrafe  at§  ^Befreiung  b.  Seele  oom  Körper.  —  $eli£fdi,  ©ijftem  b.  bibt.  «ßirjdjologie,  21861, 
©285.  354  ff.;  ©tabe,  S3i6L  S£jeo(.  b.  912,  I,  1905,  9Iegifter;  ^ffeiberer,  9teiigion3pf)tk>fop£)ie 
auf  gefd)id)tl.  ©runbtage,  31896,  bef.  ©.679 ff.;  SameS,  ®.  retig.  (Srfatn'img  in  iöver  Mannig*  10 
faltigfett.  3n3  2eutfd)e  übertr.  n.  SBobbermin,  1907;  ©toll,  ©uggeftion  unb  £>t)pnoti*mu§ 
in  ber  S3ölferpft)cf)oIogie,  -1904;  Soft),  $ft)d)ofogic  beteiligen,  lle'berf.  u.  <J5(etI,  1904;  ftenrn 
fflJeige,  Les  Poss£d6es  des  Dieux  dans  l'art  antique.  Nouv.  Iconographie  de  la  Salpetriere, 
1894.  Eine  „@e}tf)id)te  ber  nridjttgeren  religiöfen  SSifiunen"  bei  ?X.  Metjer,  Sue  Stuferftefjung 
Gfjrifti,  1905,  ©.217—272;  bafetbft  ©.272-290  eine  «ßftdfjologie  unb  $atf)oIogie  ber  15 
Sßifionen  unb  ©.  364  f.  ntebt§tnifcf)e  Sttteraturangabe;  2tj.  Sraun,  Sie  retigiöfe  '  9JSaf)n= 
bilbung,  1906. 

3u  9?r.  2:  23aentftf),  $atf)oIogifd)e  3üge  in  8§rael§  ^rop^etentum,  8tt>2&  L,  1907,  52 
bt§  81;  Sßouffet,  Sie  «Religion  beä  gubentumS  int  neuteft.  Zeitalter,  21906;  SSeinel,  ®.  23ir= 
fangen  be§  ©eifteö  unb  ber  ©elfter  im  nad)apoftoüfd)en  geitatter  bi§  auf  3renäu§,  1899;  20 
ftolf,  gntt)ufia§mu§  unb  93ufjgemalt  beim  gried)ifd)en  Münd)tum,  1898;  ©rafj,  2.  ruffifcben 
Seften,  I,  1907;  «Jkeger,  ©efditdjte  b.  beutfdjen  Mttftif  im  Mittelalter,  3  33be,  1874,  81,  93; 
Stöcfl,  ©efdjidite  ber  $f)tfofopt]ie  be§  Mittelalters,  3  S3be,  1864—66;  tropalfdiecf,  ®.  ©d)rift= 
prin^ip  ber  (utt).  ft'irdie,  I,  1904;  ©rüßmadier,  Sßort  unb  ©eift,  1902 ;  Rödler,  .?t§fefe  unb 
9JJönd)tum,  2  Sßbe,  1897;  gletfd),  Sie  moberne  ©emeinfd)aft§beroegung  in  Seutfdjianb,  21906.  25 

1.  2Iu§  ber  ©efcfyidjte  be§  ©brad)gebraud)§.  £utb,er  gebraust  „entjüdt 
toerben"  an  ben  brei  ©teilen  be§  $1%:  2t©  10,  10;  11,  5;  22,  17,  too  sxazaoig  nid)t 
toie  fonft  im  %l%  „@ntfe|en"  (Sutfyer),  fonbern  benjenigen  guftanb  bebeutet,  für  toelct)en 
„Serjüdung"  üblicher  getoorben  ift  al3  „©ntjücfung"  (Vulg.  l)at  excessus  [unb  Stupor] 
mentis).  (Sdart  fagt  an  einer  berühmten  ©teile  (f.  33b  V  ©.  154,17)  „inzuek"  unb  30 
„zuck"  (ed.  Pfeiffer  ©.  553/4)  für  ein  @riebni<§  tote  ba§  Paulus'  2  ®o  12,  2.  4,  too 
«utt)er§  „ent^ücft"  Serben  „entrücft"  toerben  bebeutet  (bgl.  j.  S.  2Ö2B  SB2I  XV,  37,  3), 
alfo  aQjidCeo'&ai  genau  totebergiebt.  2luf  «ßaulu§'  berartige  ©rlebniffe  fd)eint  i^earrjjuev 
2  $0  5,  13  ju  gelten,  toäf)renb  9Rarfu§  bei  egsorr]  3,  21  nicf)t  an  ©erartigeS,  fonbern 
toor/I  an  ejcentrifd)e§  Söefen  gebad)t  toiffen  toiH  (Don  feiner  Queue  toar  btetleid)t  35 
nur  ber  SSortourf  gemeint,  ba§  3efu§  au€  £>eimat,  gamilie,  Seruf  „fortgelaufen"  fei; 
anberS  ©^itta,  ^ur  ©efd).  unb  Sitt.  be§  Urä)riftent.  III,  2,  1907,  130 ff.).  "Exaraoig, 
exorfjvat,  33erpifung  brücken  aug,  bafe  bei  bem  betreffenben  @rlebni§  ein  „heraustreten" 
ftattfinbet.  „®er  im  f^äteren  ©ebrauct)  fef)r  abgefd)toäd)te  unb  abgegriffene  Sluibruct  ift 
urfprünglid),  toie  fia)  bon  felbft  toerftefyt,  eigentlich  gemeint,  um  einen  ,2Iu§tritt'  ber  ,©eele'  40 
aug  tyrem  Seibe  ju  bejeid;nen",  Sterbe,  $fi$e  2II,  192);  603),  toeld)e§  Sßer!  (f.  Gegiftet) 
ben  reIigiDn§gefd)id)tIid)en  §intergrunb  bon  Exazaan;  barfteHt:  ®iont)fo§reIigion  unb  3n= 
fbiration^mantif.  ®er  2Iu§tritt  ber  ©eele  fyat  jum  Hombtement  ib,r  ©tngeb, en  in  bie  ©Dtt= 
t)eit,  it)r  ©in^toerben  mit  biefer.  %üx  ba§  „Slu|erfid)geraten"  im  %l%  gilt  im  allgemeinen 
nicfyt  ettoa  nod)  bie  3SorfteUung  ixxög  xov  oco/uaTog  2  ß'o  12,  2,  fonbern  bie  abgefd)toäa>  45 
tere,  fubtilere,  baf?  bie  ©eele  au§  ifyrem  natürlichen,  ^eilftnnigen  (oaxpgovovfiEv  2  $0 
5,  13)  ^uftanb  in  ben  üneumatifd)en  entrüelt  toirb,  yereofim  lv  nvevjuau  Utb!  1,  10;  4,  2. 
®iefe  gormel,  bag  Jbmtolement  ju  ev  ixordosi  in  ben  ©teilen  ber  21®,  ift  ber  einfacbjte 
Slusbrud  für  bie  ^uftänbe,  auf  bie  ber  $unftau§brucf  ber  gried)ifcf)en  Äultfprad)e  iv&ov- 
otaajuög  (bgl.  Sb  IX  ©.  187, 26  f.)  angetoenbet  toirb,  f.  9?^obe  a.  a.  D.;  ©rubbe,  ©rted;.  50 
•Biologie  unb  3f{eIigionägefc^icf)te,  II,  1906,  3tegifter;  ®ieteric^,  @ine  9)JitI)ragIiturgie, 
1903,  97  f.  @r  bejeicf)net,  ba^  ber  ©ott  in  ben  3Kenfd)en  gefahren,  biefer  „be§  ©otte§ 
boB",  bon  ib,m  „befeffen"  ift.  ^m  tlrcfjriftentum  finbet  fid)  für  ben  ju  fxoTfjvai  unb 
hftovoiuv  S)isbonierten  fieoepogog  (^gnatiuä  init.;  bgl.  d-eocpogoi,  xQLorocpogoi  Eph. 
9,2  unb  Evdeov  Tral.  8,  2  Sigrjtfoot),  Tirsv/uarocpogog  (§erma§  mand.  11,  16)  unb  65 
ju  Äorintb  einfach  nvEVfiaTixog,  „begeiftet"  (Söei^fäcler),  1  $0  12,1;  11,37.  [Tc5\ 
^vEvjuari  gelingt  naä)  1  ,Uo  14,  2.  15  f.  getoiffen  Triften  ba§  3unÖenre^cn  (f-  *>•  ^-)- 
fV  Tivet'/iaTi  -&EOV  treibt  ^efu^  nad^  3Jlt  12,  28  bie  Dämonen  au§.  211^  2Birfungen 
einer  ben  ^ienfdjen  au^er  bem  getoöfmlid)en  Seelenleben  entrüctenben  Segeiftung  gelten 
bie  @rfd)einungen,  für  bie  man  „clftatifd/'  unb  „entJ)ufiafttfd;"  gebraucht.  -Sflan  bertoenbet  wi 
biefe  SLermini  nid)t  nur  für  biejenige  33egeiftung,  toeld)e  ©efidjte  unb  Offenbarungen 
Vermittelt,  toorum  cS  fid;  in   jenen  ©teilen  ber  21©  unb  2  ih  banbclt.     2)e§b,alb  ift  ber 


588  SBeräüÄung 

blofs  fyierbon  abftra^ierten  @renierfd)en  93efttmmung  ber  btbtifrf>cn  ©fftafe  in  33b  IX 
©.  186/7  etwa  bie  £ol|mannS  (@ut^e§  23ibelmörterbucb,  ©.  159)  borzuzieljen:  „9Ser= 
feijung  auS  bem  natürlichen  in  einen  l?i%ren  guftanb  Zum  23elmf  ber  Mitteilung  befon= 
berer  Offenbarung  ober  Vorbereitung  auf  grofje  Seiftungen"  ©enn  eS  gelten  bodj  aucb, 
5  ©eifteSgaben  toie  eben  Z-  93.  baS  ^ranfenfieilen  (f.  ©.  587,5b)  als  efftatifcr;=entfw= 
fiafiifd).  2Benn  fo  befanntlid)  feit  bem  Altertum  aud)  nidjtreligiöfe  ©tfcfyeinungen,  j.  93. 
baS  fünftlerifdje  ©djaffen  (man  bgl.  bef.  9?ie|fd)eS  fefyr  mertboEe  ©djnlberung  ber  @!ftafe, 
in  ber  er  ben  garatfyuftra  fd)uf,  2lutobiograb§ifcf;e  ©fijjen,  §erbft  1888)  ober  r/öcbjt= 
gefteigerte  2lffefte,  bezeichnet  toorben  finb,   fo  muf?  man  ben  religiöfen  §intergrunb  babon 

io  nidjt  überfein :  bie  f  onftante  Neigung  beS  SRenfcb,  en  Don  ben  ©öttern  ober  SDämonen 
bidjrterifcfye  „23egeifterung",  £iebeS„befeffenfyett"  u.  f.  ir>.  herzuleiten  (»gl.  33b  IV  ©.409, 27ff. ; 
2BeHb,aufen,  ÜRefte  arab.  §etbent.2  ©.  156.  163:  »a^nfinnige  Seibenfcfyaft  rüfyrt  bon  ben 
©inn  fyer). 

2luS  bem  fircb,  liefen  ©bracfygebraudj  ift  ju  notieren,  bafj  ber  SftontamSmuS  (f.  3lx.2) 

15  nicr)t  baju  ausgereicht  t)at,  bem  Söort  „dlftafe"  einen  Übeln  ©inn  zu  beriefen ;  erft  neue= 
fienS  mag  eS  einen  folgen  für  bie  fyaben,  benen  fcfyon  bie  grage  $ein  macfyt:  „2Bar^efu6 
(Sfftatüer?"  dagegen  fyeifcen  „©ntfmfiaften"  bie  2JceffaIianer  (f.  33b  XII  ©.  661),  nacb, 
%f) eoboret  (hist.  ecel.  IV,  10,  MSG  82,  1144  A):  „daljuovög  xwog  ivegyeiav  eigde%6- 
/uevoi  xal  jcvsvjuaTog  ayiov  nagovoiav  ravrrjv  vjroXa/ußävovrsg" 

20  ©iefe  (üntb,  ufiaften  berbammt  SCRelanc^t^on  als  fanatiei  spiritus  in  ber  Augustana 
variata  21.  5  unb  Apol.  203,  13.  2lud)  in  ben  ©cfymalMbifcfjen  2121.  (©.  321  f.)  unb 
ber  Äonforbienformel  (21.  2 ;  525,  13 :  „@ntr)ufiaften  fyeifjen,  bie  ofyne  bie  ^ßrebigt  ©otteS 
SöortS  auf  f/immlifcfye  (Erleuchtung  beS  ©eifteS  märten")  ift  ©ntfyuftaften  ein  $e|emame 
(bgl.  WlüM  ©.  879).    23etanntltd>  b,at  Sut&er  a.  a.  D.  (t>gt.  2Ö2B  @2i  op.  lat.  var.  arg. 

25  VII,  176)  gefagt:  „Da§  ^abfttum  aucb,  ein  eitel  @ntr)uftaSmuS  ift"  u.  f.  tr>.  SSgl.  aud; 
2irnolbS  Äircb/en=  unb  $e£erf;tfiorie,  2.  Seil,  SRegiftet  unb  23b  XVI  ©.  357, 4.  ©eit  £ar= 
nacfS  ©ogmengefdjidjte  fbricfyt  man  biel  bon  urc^rtftlic^em  (SntfyufiaSmuS  unb  meint  bamtt 
eima  alles  baS,  maS  mir  in  ÜJlr.  3  zur  „©cfymärmeret"  werben  reimen  muffen. 

©rimmS  Söörterbucr)  unterfcfyeibet  bei  fdjmärmen,  ©cfymärmer,  ©cfymärmerei,  fcr)mär= 

30  mertfd),  im  geiftigen  ©inne,  bom  irgenbmie  ab-,  auSfcb>eifenben  ©ebanlen=  unb  ©emütS= 
leben  gebraust,  brei  23ebeutungen.  ®ie  erfte,  im  16.  $afyrl)unbert  unb  fbäter,  bef.  bei 
Sutfyer  (aber  nirgenbS  in  ber  23tbe0,  ift  immer  bie  religiöfe,  auf  ^rrgläubigfeit  jielenb. 
®er  gtoeite  ©inn  ift  ber  toeltltcfye  unb  allgemeine :  e§  finb  fcb,arfe  SCuSbrüle  für  ungezügeltes, 
unbernünftigeS,  bermirrteS  geiftigeS  ©ebaE)ren.    ®er  britte,  milbere  ©ebraud)  zur  93ezeicb,= 

35  nung  einer  übertoiegenben  |5b,antafie  unb  93egeifterung  ift  erft  feit  bem  legten  ©rittel  beS 
18.  ^a^^unbertö  auSgebtlbet.  23ei  Cutter  mürbe  „©ditoärmer",  ,,©cb,marmgeift"  ein 
gegen  mehrerlei  getoenbeter  23egriff.  $uerft  riebtete  er  fieb,  gegen  ba§  „©türmen  unb 
©c^märmen"  miber  23tlber  unb  ©aframente,  gegen  ben  ungeftümen,  bon  ber  öffentlichen 
Drbnung  abfcfyweifenben,  2lufrub,r  mac^enben  Umfturj  bon  5tultu§=  unb  23erfaffungSeinricb.= 

40  tungen  (bgl.  2B2B  2B21 15,  221,  1;  345,  20;  393,  18 ff.;  395,  7.  @2l  29,  143.  147.  150. 
168).  Sßeiter  meinte  Sutfyer  bamit  ba§  e!ftatifcb,=entb,ufiaftifcb/e2lbfi$meifen  ber  neuen  „b,imm= 
Itdjen  ^robfjeten"  bon  ber  ©cfjrift  auf  ben  ©eift,  ba§  innere  2Bort,  unb  ba§  rational 
fierenbe  2lbfd)meifen  ber  ,,©a!ramentfc^änber"  bom  ©d)riftter.t  in  ber  2lbenbmab/lSlebyre; 
bgl.  ©21  63,  387  gegen  ©ebaftian  granef:  „$)a  b.öreft  bu  mobl,   bafs  er  ben  33uc£)fiaben 

45  ber  ^eiligen  ©cb,rift  (ba§  ift  mein  £eib)  feinb  ift  unb  nicfyt  allein  ein  ©d;märmer  ober 
©aframentfe^änber,  fonbern  mie  gefagt  (©.  386)  ein  ©elfter  unb  ©ntlmftaft  ift,  ber  nid;t 
miß  unter  ©otteS  ÜBort  ober  ber  ^eiligen  ©d)rift,  fonbern  SJic^ter  unb  SDteifter  über  fie 
fein  au§  bem  ©eift"     SBefanntlid)  ^)ie^  £utb,er  aud)  Stoingli  einen  ©c^toärmer. 

2.  flöten  jur  ©efd)id;te  ber  cb;riftlid)en  efftatifcb/=entb;ufiaftifcb/  =  fcb,  toär  = 

so  merifcb,en  @rfd;einungen,  ber  2b,eorien  über  fie  unb  ifyrer  ©eltung.  $u 
ben  gefd)id;tlic^en  23ebingungen  gehört  ba§  5probb,etentum  be§  212:  (f.  b.  21.  23b  XVI,  bef. 
©.  91,20—52)  unb  bie  jübifcb,e  2tbofaIr,bttf  (f.  b.  21.  unb  23b  XVI  ©.  232,  i 7  ff.).  Sie 
2fyotalr;btiter  tonnten  bie  „^neumattfer  be§  SubentumS"  genannt  merben  (23albenfberger, 
33.  ©elbftbeitmfjtf.  ^efu3,  I,  207).     SDafj    bneumatifd)e  @rfcb,einungen    im  ©bätjubentum 

55  nidjt  ganz  festen,  zeigt  23ouffet  a.  a.  D.  ©.  452  ff.  §ier  finbet  fid)  ©.  516  ff.  aud;  baS 
93efte  über  bie  immenfe  ^RoHe  ber  ©{ftafe  bei  ^ßlnlo,  bei  bem  fie  als  ein  bößiger  ©egenfa| 
Zum  betoufjten  ©eifteSleben  (bgl.  3ftob,be  a.  a.  D.  II,  20 ])  unb  23b  IX  ©.  186,  is  ff.)  unb 
als  ber  einzige  2Kkg  zur  abfoluten  2ebenSgemeinfcb,aft  mit  bem  ©inen  toafyrfyaft  ©etenben 
gilt.    Über  bie  bureb,  baS  %l%  bezeugten  bneumatifcb,  en  2Bir!ungen  bgl.  5Rr.  3.  2Bie  Iräftig 

eo  fold)e  im  2.  $ab,rr;unbert  noeb,  maren,  b,at  Sßeinel  a.  a.  D.  bargefteßt.  2lber  bafj  bie  fird;= 


SSer^üdung  589 

liefen  Autoritäten  ©d^rift,  Ambition,  2lmt  (bgl.  j.  33.  33b  XVI  ©.  7/8)  bem  „©eift"  an 
©eltung    borangelommen  roaren,   geigte  bte  Slu^djeibung   be3  SRontantSmug  (f.  b.  2t. 
33b  XIII,  Bef.  ©■  120,  ss  ff.).    Stybifd)  för  „©cBroärmeret"   ift  Bei   iB,  m  baS  Seifammen 
ber  Berufung  auf  neue  Offenbarungen,   ber  gekannten  ©rroartung  unb  2lu3malung   be§ 
nafyen  @nbe<§  unb  ber  antilircBItcBen  33efämbfung  ber  Söeltförmigfeit  burcB  gefe^Itd^eä  93or=  5 
f^reiBen  a§fettf<f)er  unb   ^erotfd^er  Seiftungen.    ÜBer  bte  ©Iftafe  fcBrieBen   bamalä  9Jitl= 
tiabeS  (f.  XIII  ©.  77)  unb  SertuUian  (f.  33b  XIX  ©.  542,  36  ff.).  33emerfengroert  ift  „ßbbrian 
als  ©ntBufiaft"  (hierüber  §arnad  3nt2B  III,  177  ff.  [bgl.  33b  IV  ©.  370, 20],  ©.  186: 
„@.  ift  burcB  feine  SSerBinbung  bon  (SbijfobaliSmuS  unb  (SntBufiaSmuS  fojufagen  ber  erfte 
s}>abft  getoefen").    2lugufttn  Banbelt  oft  üBer  bte  ©tftafe  (f.  2Ö2Ö  ^nber),  Bef.  in  de  ge-  10 
nesi  ad  litteram  lib.  XII  (CSEL  28).    aö2ß  MSL  40,  129  befiniert  er  fie:  „mentis 
alienatio  a  sensibus  corporis  (»gl.  36,  834),  ut  Spiritus  hominis  divino   spiritu 
assumptus  (bgl.  38, 102 ;  37,  1492)  capiendis  atque  intuendis  imaginibus  vacet" 
Sie  roar  feinem  grömmigfeitSibeal  ntc£)t  gänglid)  fremb  —  ein  Csinflujj  beS  -yieublatoni^ 
muS  (f.  b.  21.  33b  XIII,  Bef.  ©.  778, 33  ff.),  in  bem  bte  antife  §od)jcBä|ung  ber  ©fftafe  15 
ben  §öfyebunft  erreicBte.    SDionbfiuS  2lreobagita  (f.  b.  21.)  toagt  ju  fagen,  bafe  fogar  ©ott 
in  fetner  SIllieBe  e£co  eavxov   yivezai  (de  div.  nom.  IV,  13  MSG  3,  712  A).     ©rofj 
ift  bic  33ebeutung,  bie  (SntBuftaSmuS  unb  9)iönd;tum  für   einanber   gehabt  BaBen.    ©er 
©egenfa$  jroijcBen  ©eift  unb  2lmt  (f.  Q.  1)   feBrt  in   ber  föirdjengefcBicBte  immer  roieber 
in  ber  DeiBung  jmifcBen  bem  felBftftänbigen  ©eift  ber  23irtuofen  efftatifdjer  6jtrafrömmig=  20 
feit  unb  -fittlicBIeit  unb  ber  Orbnung   ber  bertueltlicBenben  9ßriefterIircBe.    SJtit  ber  7;-ort= 
bflanjung  be§  (SntBuftaSmuS  burcB   baS  ÜJJöndjtum   im   4.  3j<*B*Bunbert   ^ängt   aud;   ber 
$ri3ciHian3(f.XVI©.59)  gufammen  unb  ber  ber  ©ntBufiaften  (f.-Jir.  1),  Bei  benen  efftatifdje 
Xänje  borfamen.    2ftan  I)at  bermutet,  bafj  Big  auf  fie  bie  ruffifcBe  «Seite  ber  ©ottesleute 
ober  S&Iüften   juTücJaufü&ren   fei,   f.  33b  XVI   ©.  440 f.  unb  ©rafc  a.  a.  D.,  Bef.  ©.264  25 
big  304:    „©ie  ©fftafe".    35iefe   ftetyt   Bei   bielen  ruffifcBen  ©elten  ber  ©egenroart    im 
SJiittelbunft.    äftit  bem  (SntBuftaSmuS,   ber  ficB  ettoa  feit  @nbe  beS  4.  $aBrI)unbert3  ber= 
folgen   lä'fjt,    mag    aucB   nod}   heutige  2Rönd)gfrömmigfeit  in  ber  orientalifd,)en  $ird)e  gu= 
fammenBängen,  f.  33b  XIII  ©.  226,6— so  unb  ben  91.  ©imieon  33b  XIX,  Bef.©.  217/8. 

3öte  bie  ©efdndjte  beS  SRöncBtumS  fo  fünbet  fortgefeijt  einerfetts  bie  S?e|ergefd)icBte,  30 
anbererfeitS  bie  ©efcBicBte  ber  ^eiligen   bon   ben  ©Iftatifern,  93ifionären,  SBunbertBätern, 
$nfbirierten  im  Sbriftentum.  33eifbiel$>roeife  einiget  aus»  bem  12.  Qabrbunbert:  ber2lnfbrud) 
auf  ^nfbiration  Bei  Standern  (f.b.  21.),  Soadnm  (f.  33b  IX  ©.229, 25  ff.),  fbäter  Bei  granj 
(f.$au«f,Ä©  ©eutfdjl.  IV,  368 f.;  üBer  feine  Söunbmale  f.  §ambe  §£  1906,  385 ff.);  ber 
6btrituaIiSmuS  ber  Drtlieber  (f.  b.  21.  33b  XIV   ©.  501,25   unb  §aucf  ©.  873 f.);    bie  35 
SSifionert  §ilbegarb<§  (f.  b.  21.);   bie  eestasis  (SlifaBetBS  bon  ©d)tmau  (f.  b.  21.)  unb  ber 
33eguinen  (j.  33b  II  ©.  518, 10 ff.;  III  ©.  468,25 ff.);  bie  SKunber  33emBarbS  unb  feine 
(f.  33b  II    ©.  636, 40  ff.)   unb    ber    SSiftortner  SEBeoriwi    üBer    bie  ^ontemblation.    2)ie 
3fttc&arbö  (f.  b.  21.)  unb  bie  33onabentura3  (f.  b.  21.)  fü&rt  Stöcfl  a.  a.D.  I,  §  Ulf.  II, 
§  241  bor.    3m  Mittelalter  feien  nocB  B^öorgeBoBen  33irgitta  (f.  b.  2L),    bte  doctores  40 
„ecstatici"  ©ion^fiug  (f.  33b  IV  ©.  699, 7  ff.)  unb  9tur,§BroecE  (f.  33b  XVII  ©.  269,  is), 
bie  23oIf3ebtbemien   ber   Xänjer    (f.  b.  21.  unb  33b  VIII  ©.  418, 54  f.)   unb  ©eitler  (f. 
33b  VI  ©.  435).  2Bie  ba3  (Sfftatifd}=@ntBufiafttfd)e  in  ber  fog.  beutjd;en  «Dtyfitf  bie  äußeren 
2lutorttäten  untergräBt,  jeigt  fidj  j.  33.  Bei  iauler,  f.  33b  XIX  ©.  459, 4  ff. 

33on  ungeheurer  33ebeutung,  bgl.  -Kr.  3,  war  bie  ©Reibung  ber  Deformation  bon  45 
ben  ,,©a)toärmern",  bgl.  Bef.  bie  2121.  SlnaBabtiften,  Senf,  gamiltften,  granef  ©eBaftian, 
Öoffmann  SRelcBior,  ^orig,  Karlftabt,  SRennoniten,  fünfter  SBtebertäufer,  jünger,  ©djroend= 
felb.  23on  ben  33b  XIX  ©.  640—643  aufgellten  SW^ftilem  feien  als  für  biefen  21. 
befonberg  roicBtig  ^erborge^oben  Slerefia,  ^eterfen,  bie  Qnfbirierten  (bgl.  aucB  33b  VII 
S.  600/1  unb  X  ©.  638),  Sabater.  SÜeiter  geBören  Bieter  Maria  2llacoque  (f.  33b  VII  50 
S.  777,29ff.),  bie  ßamifarben  (f.  b.  21.),  bie  Dualer  (f.  b.  21.),  bie  ©Bafer£  (f.  b.  ?(.). 

3Son  ben  Urteilen  füBrenber  ©eifter  im  18.  Qa^rBunbert  über  ©cBtoärmerei  ift  Be= 
fannt  tbre  33erteibigung  in  ©oetbeä  „33rief  be§  ^aftor3"  ^ant§  33egrtpbeftimmungen, 
bte  teBrreicB  ftnb,  aud;  roeil  fie  an  ben  bamaligen  ©brad;geBraucB  anlnübfen,  f.  in  9JtcHin3 
Gncbfl.  SSörterBud;  ber  fritifdjen  ^i)Ho\.  unter  „©d)roärmerei"  unb  „©ntBufiagmug"  55 
SBielanb  bifferenjierte  im  „SeutfcBen  Merlur"  1775  ©d;toärmerei,  ganatiämuS,  @nt^u= 
ftalmug,  33egeifterung  (2ÖS115  ed.  §embel  32,  369  ff.).  1776  fteßte  er  eBenba  bie  grage 
„ÜBirb  burd)  bie  33emüBung  laltBlütiger  ^ßbilofo^ben  unb  £ucianifd)er  ©eifter  gegen  ba§, 
toa§  fie  (SntBufiaämug  unb  ©d;roärmerei  nennen,  meBr  33öfe§  als  ©uteö  geftiftet?"  ©a= 
burd;   roar  §erberg  2Iuffa£  ,,^3^ttofo^»E>et   unb  ©cBroärmerei,    jtoo  ©d)tt>cftern"    beranlafet,  60 


590  SJerpcfung 

2B2B  ed.  ©ubljian  IX,  497  ff.  2lucb,  Seffing  unternahm  eine  frtttfd^e  33eteucr;tung  her 
grage,  2B2Ü  ed.  Sa^mann  3XVI,  293 ff.;  »gl.  aufy  „SDie  (Sräiebung  beS  9Jcenfcl)en= 
gefcfylectytS"  §  90.  9Rit  Sejfing  berührt  ftcj^erber  in  einer  fdjarfen  Recenfton  ber®utten= 
fjoferfcljen  „©efdfj.  ber  ReIigionSfcb>ärmereien  in  ber  dbjiftl.  Äircfye"  (I,  1796),  2B2B  XX, 
5  277  ff. ;  manches  ©tnfcfylägtge  finbet  ficb,  in  „33om  (Steift  be§  ßfyrifientumS",  ebenba,  bef. 
©.  42  ff.  eine  Untcrfcfyeibung  gtoifdjjen  ebler  33egeifterung  ober  ©ntlmfiaSmuS  bei  £|efuS, 
^auIuS  unb  fanattfcfyer  ©cfytoärmerei;  bgl.  aucb,  über  ben  Sßert  ber  ©efüt)le  im  ßfyrtften= 
tum  „^robinjialblätter"  2Ö2Ö  VII,  258  ff.  unb  gegen  9Jcr,fticiSmuS  unb  SDcetfyobiSmuS 
„Briefe,  b.  ©tubium  b.  £b/eoI.  betr."  2S2Ö  X,  357  f. 

io  3m  19.  ^ab, rl)unbert  beeinflußte  bie  Romantif  baS  Urteil  über  ReligionSfcfymärmerei 
in  günftigem  ©inne.  ^m  3.  ^a^rje^nt  würbe  biet  barüber  gefcfyrieben;  bie  bamaligen 
^Definitionen  f.  bei  §afe,  Hutterus  redivivus  §  6,  2lnm.  1.  %üx  bie  §odjfcr;ä|ung 
biefer  ©inge  bei  ben  SLfyeofobljen  ift  tr/bifcb,  §ambergerS  21.  „Skr^üctung"  in  ber  1.  unb 
2.  2lufl.  biefer  R@.    ©aß  in  ber  römifd)en  5lirct)e  bie  ©tigmatifationen  (f.  b.  21.  33b  XIX 

15  ©.  45)  unb  Sffcabonnenbtfionen  (bgl.  33b  XII  ©.  330,  io  ff.)  nicfyt  aufhören,  ift  berannt.  ®ie 
e?ftatt{d^=ent|)ufiaftifc^-fd)lt)ärmerifd^en  @rfd)einungen  auf  broteftantifcb/em $ircr)engebietc  Rängen 
meiftenS  ^ufammen  mit  ben  immer  neuen  „@rWecfungS"=33eWegungen,  bie  in  ben  legten 
jWei  ^a|»rb,unberten  ^SietiSmuS  (f.  b.  21.)  unb  SRetr/obiSmuS  (f.  b.  21.)  fyerborgerufen  fyaben, 
bgl.  j.  53.  33b  V  ©.  727, 18 ff.;  f.  aucb,  33b  XIX  ©.  58,  io  ff.     ©egenWärtig  fommen  in 

20  bielen  Sanben  (SfjriftuSbifionen,  gungenreben,  religiöfe  ^ranfentteilungen  bor.  $m  ©ommer 
1907  t/at   eS  bie  moberne  ©emeinfct)aftSbeWegung  aucb,   in  ®eutfct)lanb    baju    gebraut, 
f.  gfyronif  ber  (Sfyriftl.  SBelt  1907  Rr.  41:  ,,©cr,Warmgeifterei  im  ^onfiftortalbe^ir! flaffel" 
Heber  „träume  unb  ©efid)te  in  ber  SJiiffion"  f.  %.  33üttner,  ©bang.  3Jiiffion§=5Ragagin, 
Rg,  ed.  ©teiner  1900,  ©.  420  ff.  473  ff. 

25  3.  Quv  33egriffSbeftimmung  unb  33eurteilung.  ®ie  ©fftafe  fdjieint  p  allen 
Religionen  ^u  gehören.  33efonberS  in  ber  ReltgionSforfclmng  ber  (Ethnologen  wirb  fie  be= 
rücfficf/tigt.  ©ie  figuriert  ba  meift  gegenüber  ber  SSorfteHungSfette  ber  Religion  mit  33e= 
jungen  gur  brafttfd)en  (Kultus  unb  Räuberei)  auf  ifjrer  ©efüfylSfeite :  als  unmittelbarer 
Skrlefyr  mit  ben  übermenfd)lid)en  S!Jiact)ten  eine  SSorftufe  ber  3Rt)ftif.    5>n  ber  ©tlmologte, 

30  aber  auct)  in  allen  anbern  3Biffenfd)aften,  wirb  bie  33ef>anblung  ber  ©Eftafe  baburd)  beein= 
flußt,  baß  auct)  bie  ^}fr/ct)iatrie  fie  als  ©eifteSftörung  lennt.  hierüber  bgl.  33orbrobt  a.a.O., 
ber  ficb,  aud)  mit  2läpeli3  auSeinanberfetjt.  ©ie  neuefte,  gebanfenreidjie  9Jconograbfyie  33ed;S 
(bie  SRertmale  ber  ©fftafc  feien  baS  geilen  beS  33eWußtfeinS  beS  ©egenfa^eS  bon  Iget) 
unb  Außenwelt,  beS  33eWußtfetnS  bon  $eit  uno  g^auni/  a[(er  33orfteßungen  unb  33egriffe) 

35  fyat  ficb,  ju  einfeitig  am  ©rfrem  ber  SRtyftif  orientiert.  @§  ift  beaö^tengmert,  baß  j.  33.  Ru^= 
broec!  (f.  b.  21.  33b  XVII  ©.  271,  m  ff.)  ©eficfyte  unb  ©fftafen  noa)  unter  ben  b,b#en 
3uftanb  fteEt.  ©a§  aHgemeingiltigere  SUefen  ber  ©fftafe  befd^reibt  2Bunbt§  3}öl!;erbfr/d)0= 
logie.  Reißen  gewiffe  3uft«nbe  abnorm  gefteigerter  ©efamterregung  beö  feelifd^en  SebenS 
bifionär=elftatifd),  fo  gel)t  „efftatifcg"  auf  feinen  ganzen  Umfang,   bon   bem   bie  „23ifion;/ 

40  nur  bie  in  bie  ©^äre  ber  ©innesfunftionen  fallenbe  ©eite  herausgreift,  ©anj  befonber§ 
dparafterifieren  ben  efftatifc^en  3uftanb  feine  emotionalen  33eftanbteile,  bie  ©efüb,le  unb 
2lffefte;  fie  bebingen  es,  baß  er  in  gtoei  entgegengefe^ten  formen  ficb,  äußert,  ber  exaltierten 
unb  ber  apat&ifdjen  @!ftafe.  ^n  bem  *Jort  „@fftafe"  fief)t  3Sunbt  afö  wefentlic^eg  (?) 
SRcrimal  be§  bifionär=efftatifd)en  ßuftanbeS  bie  ©ntrüdung  be§  33etoußtfein§  in  bie  fernen 

45  beä  Räumet  unb  ber  grit  l)erborgeb,oben.  @r  bcnü^t  c§  jur  Unterfd^eibung  ber  elftati= 
fegen  jffiacb.bifion  bon  ber  %raumbifton.  Qene  toirb  auf  iprtmitiben  ©tufen  bur^)  ^ult= 
tänje  (bgl.  33b  XIX  ©.379,  lof.  47  ff.)  unb  erregenbe  unb  betäubenbe  ©ifte  (bgl.  33b  XVI 
©.  101/2)  erzeugt.  2luf  b,  oberen  ©tufen  finb  e<§  rein  innere,  religiöfe  unb  nationale  3Ro- 
tibe,  bie  ben  eJftatifcr)en  Söac^bifionär,  ben  eckten  ^robfyeten  erzeugen,  ber  bon  bem  ©eifte, 

so  ben  er  in  ficb,  wohnen  glaubt,  untoiberftefylicb,  l^ingeriffen  wirb,  fo  t)a^  er  ficb,  in  bem 
»acfyen  §anbeln  unb  Reben  feines"  btfionären  3uftan^^  felbft  afö  ein  anberer  füb,lt,  als 
ber  er  im  getobfmlicfyen  öeben  ift:  er  fbricfyt  unb  l)anbelt  fo,  als  roenn  er  ber  ©eift  felbft 
märe,  ber  bon  feiner  ©eele  33efi|  ergriffen  b,at,  ofyne  baß  baburcb,  bocb,  fein  eigenes  ©elbfi= 
betoußtfein  getrübt  ju  fein  braucht/  ©iefe   entl>ufiafttfcb,e  33orfteHung   bilbe   freilieb,    felbft 

55  einen  33eftanbteil  ber  ^Hufionen  unb  §aßucinationen,  bie  jum  33egriff  beS  bifionär=e!ftati= 
fcb,en  ^uftanbeS  gehören. 

treten  mir  nun  an  baS  @lftatifcb/=@ntb/ufiaftifcb,=©ct)toärmerifd9e  im  Gbjifte.ntum  b,eran, 
fo  ift  bie  erfte  $rage,  ob  eS  im  ©efaintleben  ber  6b,riftenb,eit  ein  b,äufigeS  ober  neben 
anbern  SebenSäußerungen  boeb,  felteneS  ©efcb,eb,en  ift.    3m  allgemeinen  wirb  feine §äufig= 

60  feit  unterfdjätjt.    ©ennoeb,  fann  eS  als  relatib  feiten  unb  untergeorbnet   erroiefen  werben. 


Serjütfuttg  591 

9£>etter  erfennt  man  Don  58öll!erbfr/d)ologie  unb  ^Sfr/cfyiatrie  aus,  baß  and)  cfyriftlidje  @ffta= 
tifer  unb  33iftonäre  Betrüger,  berufsmäßige  SEecrjnirer  fünftltcfyer  (Slftafe,  ©bilebtifer,  £r/fte= 
rifd^e,  (minbeftenS  temporär)  93errücfte  getoefen  finb.  2öo  berartigeS  auSgefcfyloffen,  'giebt 
eS  nod)  folgenbe  (SrflärungStoeifen.  Sie  rein  rengionStoiffenfcfjaftticfje  bleibt  babei  freien, 
baß  bei  gemaltigen  religiösen  ©rlebniffen  aud)  geiftig  ©efunbe  nad)  ^fv^^^fiotogtfd^en  5 
©efe^en  b,atlu^inieren.  £>ie  tfyeologifcfye  bertritt  ben  Offenbarungsglauben,  baß  ein 
größerer  ober  feinerer  Seftanbteil  beS  mit  ber  religiöfen  (Erregung  beginnenben  ^ßro^efje§ 
nid^t  obne  befonbereS  SRitmirfen  ©oiteS  ablaufe.  Söie  bie  ganje  SC(?eoIogte  ober  Offen= 
barungSglaubenStoiffenfdjaft  bon  ©ott  unb  ben  göttlichen  fingen,  fo  toirb  freilieb,  aud; 
ibr  Segriff  „objeftibe  SSifion"  als  mdjt  totffenfcfyaftlicb,  bejeidmet.  ©ine  getoiffe  S8ermitte=  10 
lung  jtoif4)en  biefen  beiben  ©rflärungStoeifen  bebeutet  bie  je|t  fefyr  Verbreitete  (bgl.  3.  23. 
^arneS  a.a.O.  ©.462) (Einführung  beS  unterbewußten  Seelenlebens,  auf  baS  einerfeits  baS 
£inburd)toirfen  einer  metapfyr/fifdKn  2ßeltbotenj,  anbererfeitS  baS  bfbcljologifcb,  3lußerorbent= 
licfye  ber  efftatifd}=bifionären  guftänbe  belogen  toirb. 

£aS  @fftatifcb,  e  im  ßfyriftentum  ftubieren  mit  Vorliebe  bie  religionSgejdncfytltdien  STr)eo=  15 
logen.    Wad)  £>ub,m  (£).  ©ef)eimniS  in  b.  Religion,  1896;  bgl.  aud)  feine  33emerfungen 
über  ©fftafe  in  bem  Vortrag:  2).  ©ottgetoeifyten  in  b.  äföltcfyen  Religion,  1905)  foll  man 
ja  bie  Religion   an   ben  ©efyem,    ben  ©fftatifem    ftubieren.    Qn   ben  Anfängen   ift   bei 
$auluS  ein^ufe|en.     ®ie  Senbenj,  feinen  (SnttmfiaSmuS  (2  $0  5,  13 ;  12,  1  ff. ;   1  $0  14, 
18;  14,  37;  2  £0  13,  3)  gu  übertreiben,  nimmt  fd)on  ab.    3n  \imex  GfyriftuSmr/ftif  toirb  20 
ber  ©eift  „aus  einer  unperfönlidjen  Sfaturfraft  in  ben  gefcfyicf/tlicfyen  (!)  (Einfluß  ber  $erfon 
$efu  umgefe|t";  in  SBegug  aufS  (Slftatifdje  „giebt  er  inbireft  ju  berftefyen,   baß   biefe  ßr= 
Meinungen  nichts  fbejififcf)  ßfyriftlidjeS  finb.     %n  ber  tyat  gehören  fie  faft  mebr  ber  aU= 
gemeinen  3teligionSgefcfnd)te  als  ber  ©efd)id)te  ber  Religion  ,^efu  an"  (SBernle,  Anfänge '', 
©.  189—191).    Wad)  §einrici  (bei  «Dieser,  2  Ro,  1900,  ©.  53)   ift  foggr  in  33ejug  auf  25 
bie  ©emeinben  bie  Sfabe  bom  „(EnttmftaSmuS"  beS  UrcfyriftentumS  eine  Übertreibung. 

2tber  ift  baS  (Efftatifcfye  toirflieb,    ber  Religion  ^efu   eigentlich   fremb?    „2Bar  ^efuS 
(Sfftatifer?"  betitelte  O.  §ol|mann  1903  eine  llnterfucb.ung,  toorin  er  biefe  bon  anberen 
aufgetoorfene  $rage  toeber  boüftänbig  bejafyt,  nod)  bollftänbig  berneint,    ^m  Urdjriftentum 
galten  ©eficfyte  unb  Segeiftung   nid)t   als  $u  menfcbjicb,  für  SejuS,  f.  Tic  1, 10—12.    3,  30 
29 f.;  mt  12,  28;  Sc  4,  14.  18.  10,  18.  21 ;  21©  1,  2;  ^o  1,  51.  3,  34.    SDaS  toirb  jur 
©efa)id)te  ftimmen:  er  toirb  toirflicb,  nid)t  olme  eine  23erufungSbifion  fein  9JceffiaSbetoußi= 
fein  getoonnen  unb   and)   fbätere  „Überlieferungen"  ©otteS  (9)ct  11,  27)  in  SBifionen  er= 
galten  b, aben ;  ferner  toirb  er  bei  feinen  Kranfenl)eilungen  eine  reale  (Einheit  mit  ©ott  als 
toaffibeS  Organ  feines  ©eifteS  erlebt  b,  aben,  f.^ieme,  ®ie  cprtftl.  SDemut,  1,1906,  ©.121  f.  35 
142.  144.  Sößeiter  galt  im  Urcfyriftentum  ein  %e\l  ber  toneumatifcfyen  ©efcf)ef)niffe  als  ein= 
geführt  bom  irbifcb,en  &\u$,  f.  3Jit  10,  1.  8.  17,  1—9.  3lnbererfeitS  überlieferte  man  aueb, 
neben  Sc  10,  19  baS  ben  dntlmftaSmuS  bämbfenbe  2Bort  v.  20.    (Über  bie  Beurteilung 
ber  gitruriftSanfbrüclje  ^efu   als   ,,©d;toärmerei"   bgl.  §ol|mann,   ^c^licb.e   Geologie  I, 
S.  337 2;    baß  %t\u3  feine  gnoftifcfje  ober  mbjtifcfye  Serfcb^meljung  mit  ©ott  erftrebte,  be=  40 
tont  ©glatter,  %e\n  SDemut,  1901,  ©.  80.) 

5DiefeS  2Öort  fyeht  ben  originalen  ^ern  ber  Religion  ^efu  bon  ettoaS  nicfyt  fbejififcb, 
ß^rtftltd^em  ab.  Sllfo  ift  $auluS  1  Äo  13  nicfyt  über  feinen  SKeifter  hinausgegangen. 
SiefeS  Äabitel  ift  „ber  3Jtarfftein,  an  bem  ftd)  ©efte  unb  Sttrcf/c  trennen"  (©einel  a.  a.  C. 
'S.  150).  Slber  aueb,  SlatfjoliciSmuS  unb  Deformation!  S5gl.  §arnacf,  SD.  SSebeutung  ber  45 
Deformation  innerhalb  b.  altg.  DeligionSgefcb^icb.te  (Deben  unb  2luffä|e,  33b  II).  Sutb,er 
i)abi  baS,  toaS  man  bisher  für  baS  äöefen  ber  Religion  ^ielt,  (SntlmfiaSmuS  unb  toett= 
flüchtige  ^eiligfeit,  als  borübergel)enbe  ober  felunbäre  ober  gar  als  bebenflic^e  ©rfeb^einung 
betrachtet,  unb  er  fydbe  baS,  toaS  bisher  als  abgeleitete  2ßirfung  ber  Religion  galt,  als 
il>r g^efert  beurteilt:  ben  ©rlöfungS=  unb  Sorfel)ungSglauben,  bie  SSerbmbung  ber  Religion  50 
mit  bem  ©ittlic^en.  @S  toar  baS  ^aubtftüc!  in  ber  SSerlünbigung  ^efu  unb  in  berMircfyav 
gefcljic^te  bie  hinter  ben  ©Iftafen  unb  SDogmen  rub,enbe  Kraft,  tourbe  aber  erft  bureb,  Sutb^er 
baS  gimbament  einer  religiöfen  ©emeinbe.  9Jtan  muß  nur  mit  biefer  ©efcfyicfytSbetracfytung 
unb  ber  @inficb,t,  baß  bie  bon  Sutb,er  abgeftoßenen  ©cb.toarmgeifter  in  bielem  ber  £att)o= 
lifa^en  ©tufe  beS  SfyriftentumS  angehören,  bie  anbere  berbinben,  baß  aßer  (intb^ufiaSmuS  55 
in  ber  Iirc^engefcf;id?te,  !atl)olifcb,=fircl)licl;cr  (nur  ber  bäbftlicfye  ausgenommen)  unb  fe£tiere= 
rifcb,er,  bis  ju  einem  getoiffen  ©rabe  legitimiert  ift  t>nxd)  bie  fird;lict/e  ©eltung  beS  9c2:, 
bie  audE)  beffen  entfyufiaftifcfye  ©eite  mit  aufregt  erhält.  9Jtag  fie  nicb,t  baS  .s)auptftücl,  fon= 
bem  untercfyriftlirf)  fein  —  bie  b,tftorifcb,=fritifd)en  9Jcetf)oben,  bieS  ju  ertoeifen,  3.  33.  Sutb^erS 
fritifetje  ©nttoertung  ber  Slbl  als  unteraboftolifcb,,  finb  noc^  nict)t  einmal  in  feiner  eigenen  60 


592  aScrgürfwng 

$ircr}e  fircbjict/.  SBefolgenSWert  ift  fein  tolerantes  ©ingeftänbnis,  baß  feine  Sfritif  aucb,  relt= 
giöS4nbibibuaIiftifcb.  fei:  man  füllte  bon  jener  ©eite  beS  91%  bis  ju  einem  geWiffen  ©rabe 
jebermann  galten  laffen,  „WaS  U)m  fein  ©eift  giebt",  unb  „niemanb  an  fein  ©ünfel  ober 
Urteil   berbunben  f>aben"    Wollen  (2B2Ö  @2I  63,  169f.    Über    ©fftafe   bei    Sutfyer    bgl. 

5  SoofS  ©@*  ©.  961).  2öem  fein  ©eift  giebt,  j.  33.  1  ®o  14,  39  Iwcb.  ^u  galten,  bem 
fann  WenigftenS  fein  ftreng  Sibelgläubiger  untercfyriftlicfyen  ©inn  borWerfen. 

3US  offenbarungsgläubiger  tytftortfdj=früifcr)er  Geologe  Wirb  man  etwa  folgenbermaßen 
urteilen,  ©ie  efftatifc|=bifionären  ©efcfyefyniffe  im  Seben  ^efu  Waren  „objeftib"  b.  f).  fie 
gef4>at)en  nidjt  olme  befonbereS  3JtitWirfen  ©otteS.    ©aS  tft  natürlich   ein  ©laubenSurteil 

10  nur  berjenigen,  welchen  berfönlicb,  2>efuS  §err  unb  §eilanb  geworben.  33on  ber  berfön= 
liefen  Unterwerfung  unter  SyefuS  einesteils  r)ängt  baS  Urteil  über  bie  bneumatifcfjen  ®reig= 
niffe  bei  Jüngern  unb  Urcfyriften  ab.  ©enn  fyat  er  felbft  baran  geglaubt,  baß  ©ott  Wie 
mit  ir)m,  fo  aucb,  mit  folgen  fei  unb  fein  Werbe,  bgl.  j.  33.  Sc  10,  19;  ÜJtc  13, 11;  9Jct 
10,  20,  fo  Wagt  man  bei  jener  Unterwerfung  nicfyt  baran  ju  jWeifeln.  2lnbernteilS  Ijiängt 

15  jenes  Urteil  babon  ab,  ob  man  berfönlicb.  baS  9J£aß  reIigiöS=fittlid)en  ©eifteS  j.S.in^auluS 
fo  groß  fcfyäfct,  baß  fein  ©laube  an  etwas  ObjeftibeS  in  feinen  toneumatifcfyen  (Mebniffen 
zutreffen  muffe.  2öer  bereit  ift,  bei  einigen  babon  an  ©otteS  SDtttWirfen  ju  glauben,  muß 
beSljalb  nicfjt  für  alle,  3.  33.  baS  $ungenreben,  tnit  ^auluS  ©ott  banfen  (f.  1  $0  14,  18). 
©ogar  ein  'JpauIuS  lann  als  antifer  Sftenfcf;  nicfyt  ftoegififer)   cr;riftlicf;e  -Jcebentoirfungen  beS 

20  ©etriebenWerbenS  bon  bem  neuen  religiöS=fittlict;en  Gl)riftuS=©eifte  als  etwas  unmittelbar 
©örtliches  nod)  überfcr)ä£t  fyaben.  Unb  ben  ganzen  antifen  ©ubranaturaliSmuS  feiner  33or= 
ftellungen  bon  biefem  ©etriebenWerben  muß  man  aud)  md)t  mel)r  teilen,  ©djon  bom  ur= 
itrcf/Iicljen  SntljmftaSmuS  ift  baS  meifte  nadj)  jenen  beiben  anbern  ©rflärungSWeifen  (f.  0.) 
ju  beurteilen,    ©ie  greifen  erft  red)t  für  bie  ©ffiafen  unb  33iftonen  in  ber  ftoäteren  ^ird)en= 

25  gefäjicfyte  $la|.  SIber  erftenS  barf  man  niebt  bon  bomr/erein  befdjließen,  baß  jebeS  objef= 
tibe  Minimum  in  biefer  untergeorbneten  9iebenftrömung  beS  cfyriftlicfyen  ©efamtlebenS 
gän^Iia)  auSgefcfyloffen  fei,  unb  §WeitenS  foll  man  fiel)  burefy  baS  ©efäfyrliclje  barin  nicfjt  bie 
greube  berberben  laffen  an  ber  oft  barm  fbrubelnben  Sebfyaftigfeit  unb  ©tärfe  ber  grömmtg= 
feit,  £ja,  man  gönnt  fogar  (griffen  Wie  §ilbegarb  bie  „ungewöhnliche  blaftifctje  Slraft  i^rer 

30  ^>l)antafte"  (§aucf,  H©  ©eutfcf)l.  IV,  400)  unb  brotefiiert  nur  bagegen,  baß  il)re  5ßl)an= 
taSmen  DffenbarungSWert  für  anbere  fyaben  follen. 

©amit  berühren  Wir  baS  23ert)ältniS  beS  (SntlmftaSmuS  jur  gefdjicr)tlicr)en  Offenbarung. 
9)iag  eS  in  ben  außerorbentlict)en  ©rlebniffen  einiger  (Sfftatifer  ein  böEig  unfaßbares  objeftibeS 
3Jlinimum  geben  ober  nicfjt,  geWi§  ijat  man  an  ein  objeftibeS  SJtarjmum  in  ber  (Sntfte^ung 

35  beS  religiöS=fittlid)en  SebenS  aller  Triften  ju  glauben:  jeber  einzelne  fyat  baS  innere  ©rlebniS 
feiner  (Srlöfung  burd;  6b,riftuS  einer  unmittelbaren  ^nneWirfung  ©otteS  in  feinem  ©emüt 
ju  berbanfen.  2lber  biefe  DffenbarungStf;aten  ©otteS  im  Saufe  ber  Jftrcb,engefcfojcj)te  rechnet 
man  nicf)t  jur  fog.  gefd)icl;tlicl;en  Offenbarung.  ®iefe  ift  bergangen,  fie  ift  bie  primäre 
Offenbarung,   bon  ber  jene  fortgel)enben  DffenbarungStljaten   in  ben  ©emütern  fic^  als 

40  fefunbäre  Offenbarung  unterfd)etben.  Slber  in  ifiren  gefa)id)tlicr;en  S'Jac^Wirfungen  (ber  ©e- 
meingeift  ber  ßfjriften^eit,  i^re  Überlieferung  bon  GfyriftuS,  befonberS  if)re  25ergegenWärtigung 
beSfelben  bura)  baS  31%  unb  bie  ©aframente)  ift  bie  brimäre  Offenbarung  baS  äußere 
SJlebium,  unter  beffen  (Smfluß  ©ott  bie  ©emüter  fte^en  läßt,  Wenn  er  fia)  in  i^nen  fefunbär 
offenbart.   2luS  biefem  SRebium  allein  quellen  bie  Haren,  geWiffert,  gemeinfamen  @rfennt= 

45  niffe  ber  einjelnen  ßljriften  bon  ©ott  unb  feinem  3teicf;e.  Qu  bem  allem  berfyält  fid)  nun 
ber  ect;te  @ntf)ufiaft  fo,  baß  er  baS  il>m  mit  ben  anbern  an  Stimmungen  unb  @rfennt= 
niffen  ©emeinfame,  bie  allen  gewährte  fefunbäre  Offenbarung,  ityve  äußeren  Jirc^tid^en 
3Jlebien,  ja  bie  bergangene  DffenbarungS=  unb  §eilSgefd}icf)te  mel;r  ober  Weniger  gering 
fdjä|t  unb  eine  fbejieQe,  in  i^m  bom  ^eiligen  ©eift  ol)ne  äußere  9Jiebien  geWirfte  @rleua)= 

50  tung  als  neue,  aflgemeingiltige  Offenbarung  ober  WenigftenS  als  neue,  aßgemeingiltige 
Auslegung  ber  alten  Offenbarung  fanatifcf;  geltenb  mad;t.  SJtan  fiefjt,  baß  baS  Urteil 
über  ben  (SntlmfiaSmuS  erft  bann  feftftänbe,  Wenn  bie  fct;Weren  Probleme:  Religion  unb 
©efd)icfjte,  QnbibibualiSmuS  unb  ©emeinfcf;aftsleben  gelöft  Wären.  SRit  ber  2lbwenbung 
beS  (Snt^ufiaSmuS  bon  ben  gefährlichen  9Räa)ten  unb  feinem  ©treben  nacb,  @elbftftänbig= 

55  feit  fyängt  jufammen,  baß  er  bie  Saien  emanjibiert  nicfjt  nur  bon  ben  „Pfaffen",  fonbern 
auef;  bon  ben  ,,©ele|rten",  ben  2l)eologen.  ©er  irgenbwie  ^iftorifet;  oerfal)renben  %tyv- 
logie  fetjt  ber  entfiufiaftifctje  £atettdt)rtft  feine  angeblicb,  infbirierten  SlugenblicfSgebanfen 
entgegen.  %üx  feine  ©ct;riftau§legung  ift  ber  WiHfürlidje  2öea)fel  jWifcljen  Wörtlichem 
3SerftänbniS   unb    fbiritualifierenber  Umbeutung   unb    bie  WiHfürlidje  Kombination   offen= 

60  barungSgefd)ic^tIicfj  abgeftufter  ©cft,riftinl)alte  baS  6^)arafteriftifd;e. 


aScräücfuttg  33e§toafmtt  593 

©g  tt>irb  immer  mefyr  3Jiobe,  ,,©ntr)ufia3mu§"  unb  ,,©d)it>ärmerei"  ofyne  Unterfct/ieb 
ju  gebrauchen.  älUH  man  fie  augeinanbert>alten,  fo  follte  als  jener  tjau^tiäc^Iid;  ber  mit 
allem  ©efd>icl)tlid;en  gekannte  Snfbtratton&mfprud;  gelten,  al§  biefe  bie  Übertreibung  ber 
Religion  auf  il)rer  emotionalen  unb  braftifcfyen  ©eite.  (Sine  aßgemeingütige  Slbgrenjung 
be§  Übertriebenen  bom  ©efunben  unb  ^idjtigen  ift  nicfyt  möglieb,:  fd)on  $aulu§  f)at  ba§  5 
HeocpQovelv  nid)t  Verboten,  ol;ne  bie  ^nbtbibualität  ber  oaxpQoavvrj  (ber  moxig,  ber 
aweiörjaic:)  %u  betonen  (bgl.  meine  (Srflärung  bon  9tö  12,3  3nt2ö  1907,  ©.28  ff.). 
Wem  meine  aucr)  toeber,  bajj  fiel)  bie  berfdjiebenarttgen  fcb,hmrmerifd)en  Steligtongfe^ler  aHe 
au3  einem  ©runbfef)ler  ableiten  laffen  müßten,  nod)  baft  eine  ganj  beftimmte  SBoQga^t  bon 
integrierenben  3J?erfmalen  jum  SLbbuS  be§  ,,©d)tbärmer3"  gehöre,  ©old)er  J?onftru!tionen  10 
Rottet  befonberS  bie  abnorme  Religion.  $Da3,  toofür  man  einen  geläufigen  eigenen  S3e= 
griff  f)at  —  wir  benfen  an  „$anati3mu3",  an  „©eftiererei"  (f.  93b  XVIII  ©.  159,  lff.) 
—  fotl  man  au§  bem  33egrifföumfang  ber  ©djmärmeret  ioeglaffen.  @ttoa  folgenbeS  ge= 
hört  binein. 

ßuerft  ber  @ntl) uftaSmuS,  ben  man  feit  Surfe,«  bod)  mof)l  am  feäuftgften  mit  ,,©d) roar=  15 
merei"  tabeln  will.  C?c  ift  mit  feinem  $ocr)en  auf  ©bejialoffenbarungen  übertriebener  reli= 
giöfer  ©ubjeftibiämuS.    3n  ^er  mobernen  ©emeinfdjaftsberoegung   ift  entt)ufiafttfd^e  Über= 
fbanntfeeit  3.  33.  bas>  Sauen  auf  unvermittelte  ©eifteäleitung,  ba§  bie  5ßrebtgtborbereitung 
berbönt  unb  ba§  ©rfeb^einen  be§  33latte3  „©ottegtfyaten"   nict)t   „bom  SCalenber",   fonbern 
„bom  §errn"  abhängen  läfjt.    Qn  ber  mobernen  Geologie  fommt  @ntl)ufia§mus>  bor,  wo  20 
man  ben  unenblicfeen  ©el)alt  ber  gefct)id;tlid)en  Offenbarung  unterfd)ä|enb  bie  $rage  bejaht 
„«raupen  mir  neue  Offenbarungen?"  (SB.  Seit  1901;  bagegen  ©ottfdnd,  Sbjiftl.  Siklt, 
1899,  ©.  1086  ff.  unb  Rattenbufd)  Q%^  1905,  ©.  142  ff.)  unb  mit  33onu§  urteilt,  ba§ 
^>robt)etifd>e  in  ber  Religion  gehöre  ntefet  blofs  ber  Vergangenheit,  fonbern  auet)  ber  ©egen= 
toart  an.    2öie  ber  ©ntfeufiaSmuS   auf  unbermittelte  ©eiftesleitung   baut,   fo   überfbannt  25 
eine  jtoeite  2trt  bon  ©d)toä'rmerei  ben  ©lauben  an  bie  33orfelmng,  inbem  fie  bon  tbr  ein 
unbermittelte^,  rein  tounberbareS  Söirfen  begehrt,    ©ie  gebraucht  j.  33.  ntebt  ben  3trgt  (roo= 
gegen  fcb,on  ©i  38,  lff.,  bgl.  ©glatter,  SD.  ©laube  im  %l%\  ©.  30ff.  51  f.  283/4),  fon= 
bem  übt,  Urd)riftlid)e<§  fobterenb,  ^anbauflegung  unb  ©efunbbeten ;  bgl.  b.  31.  Slberglaube 
33b  I  ©.  81,2iff.;   ©.  82, 26 f.    Safe  ©ott  nief/t  nur  burd)   ba3  SBunber,  fonbern  auet)  30 
bureft  natürliche  unb  menfd)lid;e  Sjermittelungen  §eil  giebt,  berlennt  aud)  britteng  bie  Über= 
treibung  be3  ©laubenS  an  bie  33efe^rung.    3Ran  überfdiäijt  bie  blöi3Üd)en  „©rtoedungen", 
bie  nict/t  burd)  bie  natürlichen,  alTmäfylicf;  totrlenben  Sebenöberfyältniffe  gefügt  finb.    2)a3 
ift  ba§  SJietfeobiftifcfye  in  ber  neuzeitlichen  ©d)toärmerei,   ba3  belannte  ©efüfyfeeraltationen 
unb  ©ebetäbraftiten  im  ©efolge  t>at,  bgl.  j.  33.  b.  21.  33u£e  23b  III  ©.  590,9— 591,  u.  35 
$u  ben  älteften  unb  bebarrli^ften  SEenbenjen   be^  ©jtra=  unb  Übercb,riftentum§  gehören 
biertenö  biejenigen,  für  meldte  auf  bie  212t.  „2lbiabfyora",  „21§!efe",  „Heiligung"  (33b  VII, 
bef.  ©.  576, 26  ff.),  „peti§mu3"  bermiefen  »erben   fann.    Sutt;erifcbe§  35ogma  miber  ej= 
tremeö  93oHfommenb^eitöftreben  ber  ©d^märmer,   bag  „im  ©runbe  anberS  nid;t§  benn  eine 
neue  9Jcönd)erei"  fei,  bietet  ber  12.  21.  ber  Äon!orbienformel  (©.  558,  5.  9.  i2ff.  25).  2lber  40 
aud;  nacb,  lut&ertfcfcem  SDogma  erttfebetben  nur  inbibibuelle  ^nftan^en  barüber,   ob   etit>a§ 
(Sjtrafittlid)e§   bod;   riebtig    ober    fd)tüärmerifcb,    ift,    f.  meinen  21.  Consilia   evangelica 
33b  IV  ©.  277-     ©nbltcb  roirb  man  al§  ein  cbaralteriftifdjeg  §aubtmerfmal  ber  ©d)it)är= 
merei  nod)  fünfteng  nennen  muffen,    baj$  bie   legten  ®inge  eine  übergroße  9JoHe   fbielen. 
3)ie§  ift  meift  Saienbibliciömu§  unb  ift  fefotoer  ju  tabeln  ob^ne  l)iftortfd!=rntifcl)e  SLbeologie « 
unb  ol)ne  bafj  man  ©otte§  2luffd)ub  beg  @nbe§  al$  eine  ©rgänjung  ber  gefcf)id)tlid)en  Offen= 
barung  tr-ürbigt  (bgl.  33b  V  ©.  452/3). 

llnfere  2lu§toal)l  bon  fünf  §aubtmer!malen  ber  ©djtbärmerei  beanfbrucb,t  burd}au§ 
feine  21llgemeingiltigfeit.  @<3  lä^t  fid)  meber  f;iftorifcf)  nod)  f^ftematifcl)  betoeifen,  ba^  ge= 
rabe  fie  ade  unb  gar  feine  anberen  fonftitutib  finb.  5Rid)t3  Innberte,  baS  ©gtrabagieren  50 
in  ber  ^efuöltebe  (f.  b.  21.  ßinjenborf),  in  ber  35erb,errlid}ung  beä  SeibenS,  in  dE>rtfttidt>= 
fojialen  23eftrebungen  u.  f.  fo.  jur  Sd}toärmerei  ju  rechnen.  2lud)  nad)  „^ftictömu»" 
unb  „DtfultiSmuS"  b,in  liefen  fid;  bie  33egriffggrenjen  öffnen,  ©tatt  unfere  2lu§tt)ab,l  ju 
berteibigen,  berteibigen  roir  nur  nod)  bie  ©d)n>ärmer  gegen  ben  23erbacr/t,  ba^  befonber^ 
fie  baö  6l>riftentum  biöfrebitieren.     (Sx  berget  bie  £>bberortl)oboren    unb   bie  §ierard;en.  && 

St.  'Iljicmr. 

93e§baftan,  rÖmifd;er  $aifer  69 — 79.   —    Prosopographia     imperii    Eomani     ed. 
3)effau  II,  p.  77.    3)ofelbft  aud)  baS  ©tentma  be§  flauifdjen  §aufe§;  SEillemcmt,  Ilif-toire  des 
.emp.  II,    ©.  lff.;    §erm.  ©cljiHer,    ©cfcl)id)te    ber    römifdjen    Waiferjcit  I,  2,    Wottja  lSs:i, 
ntaU<Znt\)ttopiii>lt  für  S^eologte  unb  Sllrdje.    3.  81.  xx.  ;jy 


594  SBcS^ofton  SBcS^cr 

@.  499 ff.;  SS.  m.  Sftamfab,  The  church  in  the  Roman  empire  befor  A.  D.  170,  Sonboit 
1893.  —  8um  jübtf^en  Kriege  (£.  ©cfjürer,  ©efd)td)te  be§  iübtfdjen  SBolfeS  im  geitalter  ^efu 
Stjrifti  I,  Seidig  1901,  @.  610  ff.  unb  bie  bort  üerjeidjnete  weitere  Sitteratur. 

£$n  bert  Blutigen  ©irren  unb  llfurbationen  nacr)  bem  Sobe  -JceroS  riefen  bie  Segtonen 
5  im  Dften,  guexft  in  2lgr/bten  am  1.  %uÜ  69  ben  $elbl)erm  unb  Seiter  be3  jübifcfyen 
Krieges  23e3baftan  alä  i^aifer  au§.  ©eine  Offiziere  eroberten  ib/m  Italien,  mo  3StteHtuS 
bie  §errfcbaft  an  fiel)  geriffen  t)atte.  3m  ®ejember  mar  bie  ©ac|e  bereits  entfcfyieben. 
©er  Staifer  übertrug  feinem  ©obW  %\tu§  bie  Fortführung  be§  Kriege?  unb  begab  fieb, 
nacb,  dtom. 

10  S£iiu§  glabiu§  2$e3bafianu3  ift  i.  $.  9  n.  ©I)r.  in  einer  Ileinen  fabinifcr)en  Drtfcbaft 
au§  einer  gamilie  geboren,  in  ber  ber  Sater  nieberen  ©tanbes>,  bie  -Kutter  bagegen  bor= 
nefjmer  2Ibtunft  mar.  DbtoobJ  er  ^ob,e  bürgerliche  Stmter  befleibete,  lag  feine  eigentliche 
Neigung  unb  Begabung  im  SJUlitärifcfyen.  ®en  militärifcfyen  ©eift  übernahm  ber  60jär/rige 
in  bie  güfyrung  ber  Regierung,    ©ine  nüchterne  ^Jiatur,  ging  er  ben  2öeg  geraber  ^flicbt= 

15  erfüßung.  ©in  9)Zann  ber  Drbnung  unb  ber  5Di§ji^Iin,  führte  er  auf  berfcbjebenen  @e= 
bieten  ber  Bermaltung  Reformen  bureb,.  ©eine  Btlbung  mar  eine  berl)ältm3mäfeig  gute. 
SRan  embfanb  Don  ifym  ben  ©inbruef  einer  gerechten,  pflichttreuen  unb  mob/tmollenben  $er= 
fönltcr)fett,  bereu  fefte  §anb  ba3  Steter;  aus>  ber  Zerrüttung  ber  Vergangenheit  neu  auf= 
gubauen  berftanb.    SDoct)  ift  aueb,  feine  ftarle  ©tnnlicttfett  nieb,  t  unbeachtet  geblieben,   ©eine 

20  Religion  mar  bie  bon  $to eifetn  unberührte  r>äterlicr)e.  ©r  mar  bermäljlt  mit  glabta 
©omttiHa;  au§  biefer  ©^e  entfbroffen  %itu$,  ©omitian  unb  glabia  ©omitiHa. 

SBeldje  Haltung  33e3baftan  in  ber  6t/riftenfrage  einnahm,  miffen  mir  nicfyt.  ®te 
SSorte  ©uetonS  (Vesp.  c.  15):  neque  caede  cujusquam  umquam  [laetatus  est  et] 
justis  supplieiis  inlacrimavit  etiam   et  ingemuit  —  b,at  man  in  biefen  .ftufammem 

25  b, ang  bringen  unb  baraus>  fcfyliefeen  motten ,  ba^  bie  Sfebreffionen  gegen  bie  ßb,riften  in 
gorm  ber  ©oercition  unter  if/m  anbauerten  (3tamfab.  ©.  257).  Sie  SJftjglicbJeit  befielt. 
©3  ift  aud)  benlbar,  bafe  unter  ben  ©abibiben,  bie  S3e3baftan  auffbüren  unb  fyinricfyten 
liefe  (Euseb.  H.  E.  III,  12),  ftcb,  ©giften  befanben,  aber  in  biefem  §aUe  maren  bie 
5Dcotibe  rein  bolitifcfye,  unb  ba§  rfjrtfiltd^e  33efenntni3  fdjetbet  gänjlicb,  au§.  dagegen  fehlen 

30  fixere  SRartr/rien.  S)ie  ©rabfebrift  jeneg  ©aubentiuS ,  be3  angeblichen  ©rbauerg  be3 
$oloffeum<§,  ift  eine  $älfcf;ung. 

Um  fo  bebeutungSbotler  maren  biefe  $ar;re  für  bie  ©efcb,icb,te  bei  jübifef/en  SSolteS. 
9Jocb,  i.  $.  69  mar  e§  SSeSbafian  gelungen,  fieb,  in  ben  S3efi§  bon  gang  ©aliläa  ju  feiert, 
unb  borfiebtig  mürbe  nun  bie  Belagerung  $erufalem<§  borbereitet.    £>ie  ©rb/ebung  auf  Den 

35  ^aifertbron  unterbrach  bie  Cberationen,  balb  aber  nafym  fie,  mie  fcf)on  ermähnt,  SEituö 
mieber  auf.  9?ocb.  eb,e  bie  Umfcbltefeung  ber  Ijeiligen  ©tabt  boHenbet  mar,  gog  bie  6b,riften= 
gemeinbe  auf  göttliche  SBeifung  b,in  au§  unb  liefe  fieb,  in  ^eEa  nieber  (Euseb.  III,  5,3; 
Epiph.  haer.  XXIX,  7;  de  mens,  et  pond.  §  15).  3>m  ©ebtember  70  bemächtigten 
fic|  bie  Körner  enblicb,  auä)  ber  Dberftabt.   ^erufa^m  ^ax:  nun  eine  ^Erümmerftätte.   §arte 

40  SRaferegeln  folgten  b^nterfyer.  33e§bafian  unb  2;ituS  feierten  gemeinfam  in  ÜKom  ben 
■Jriumb^,  an  ben  b,eute  noeb,  ber  £itu3bogen  am  gorum  erinnert. 

SßeSbafian  ftarb  am  23.  ^uni  79  in  feinem  70.  Seben§jab,re,  „raftloS  bi§  ju  feinem 
le|ten  Sltemjuge,  felbft  noeb,  in  feiner  ©terbeftunbe  ein  energtfcb,er  ©olbat" 

Sßictor  Srf)uUje. 

45  SSeSper.  —    S.  Säumer,  @efd)td)te  beä  Sreuierä,  grei6urq  1895;  %  SBatttffol,  Histoire 

du  Breviaire,  ^ari§  1893;  ©.  «Rietfdiet,  Sefjvbud)  ber  Stturgif  I,  Berlin  1900,  ©.  169; 
©menb,  ®ie  eücmg.  beutfdjen  «Dceffen,  ©ötttngen  1896;  dl.  ü.  iiiliencron,  Sttt.  muf.  ©efd)icf)te 
ber  euang.  ©otteSbienfte,  1523—1700,  @d]te§ro.  1893;  9Irmfned)t,  ®ie  alte  9Jcatuttn=  unb 
SSeSperorbnung,  ©ottingen  1856;    ©engelmann,    S3e§pergtocfe,   Hamburg  1855;    Gu.  Sird)en= 

60  jeitung  1861,  ©.  349  ff.  487  ff.  unb  bie  bafelbft  befprocfjene  ©cfjrtft  uon  ^aftor  ^engftenberg : 
lieber  SSeSpergotteäbienfte,  Berlin  1861;  be§gt.  3.  S)iebrid),  Sreluartum,  b.  i.  ffltatutmen  unb 
SSeSpern  burd)  baZ  gan^e  3a^r,  für  Äirclje,  ©d)ule  unb  ^au8,  SSeriin  (o^ne  Qatjr);  $erolb, 
Sßeeperale  ober  bie  %ad)mittage  unfrer  5-efte  unb  t£)re  gotte§bienfttid)e  SBeretdjerung,  9?örb= 
lingen  1875 f.,    2.  Sluft.    1885  —   nebft   anberen   ©djriften    beSfelben   SSerf.g    (§.  SB.  fiiturg. 

66  SSeäper  auf  b.  geft  ber  f  irctjtoeitje,  1884  «.). 

Vegber  beifet  berjenige  SEeil  bei   !anonifc!b,en  ©tunbengebetl ,    ber  bei   einbrecb,enbem 

2lbenb,    um   bie  $t\t   be§  ©onnenuntergangeS  ober   be§  Sicl)teranjünben§,   remitiert   tbirb. 

©tjnontjm  mit  vespera,  officium  vespertinum,  ift  bab,er  ba§  altfircb,licb,e  lucernarium 

(Xvxvixov,  f.  Coric.  Constantinop.  a.  536  bei  Labb.  t.  V,  col.  212;  auef)  C.  Oonstpl. 

60  a.  691,  can.  90),    b.  b.  bie  jur  geü  be§  Stc^tanäünbeng  (ber  Xvyvoxma,  lucernarum 


#c8j>e*  595 

accensio)  ju  fyaltenbe  3tnbad)t.  23gl.  Const.  app.  VIII,  35  (ro  eojrtoivov);  33aftliu§ 
de  Spir.  Scto.  ad.  Amphiloch.  c.  29;  @bij)l)antu<§  Exposit.  fidei  s.  finem; 
(5bjtyfoftomu§  ju  ^ßf  118;  Sftbor  b.  ©ebifla  Reg.  Monach.  c.  6;  aud)  §ierontymu§ 
Ep.  107  ad.  Laetam,  c.  9:  „Assuescat  accensa  lucernula  reddere  sacri- 
ficium  vespertinum" ;  unb  Cassian.  Inst.  coen.  III,  3,  Wo  bie  3eit  biefer  Slbenbanbacfyt  5 
mit  ber  elften  ©tunbe  fält  20,  6)  bergücfyen  unb  als  hora  lucernalis  bejeidmet  Wirb. 
3Inbere  abenblänbtfd;e  Sejeidtttungen  finb  nocb,  lucernarium  (f.  $feubo=.£>ieron.,  Breviar. 
in  Pss.  ju  Ps.  119  ad  fin.),  foWie  lucernarii  (sc.  psalmi)  nad;  2lnalogte  bort 
matutini,  nocturni  u.  f.  f.  (f.  bte  Regula  magistri  in  Hülsten.  Cod.  regull. 
c.  33.  31).  2$rer  33ebeutung  nacb,  backte  man  bte  äleSber  aU  entfbrecfyenb  bem  täglichen  io 
SlbenbD^fer  beS  altteftamentlidjen  3Mtu§,  tüte  j.  33.  ^fibor  De  officiis  eccles.  I,  20, 
mit  33egiel)ung  auf  ^Pfalm  141,  2  (elevatio  manuum  mearum  sacrificium  vesper- 
tinum) ausführt;  bgl.  fcbon  2lmbrofiu§  De  virginibus  III,  4,  18.  gugleitf)  fteUte 
man  fie  in  öejietwng  ju  ber  Mreujabnatyme  be3  (MöferS,  gleichwie  bie  tfyr  junäcbjt  bor= 
fyergefyenbe  9?one  (um  3  UI)r  nachmittags)  be£  %obe§,  bie  auf  fie  folgenbe  (Somblete  ber  15 
©rablegung  gu  gebenden  bat,  nacb,  ben  alten  5ftemorialberfen  über  bte  horae  canonicae : 

„Matutina  ligat  Christum,  qui  crimina  purgat; 

Prima  replet  sputis;  causam  dat  tertia  mortis; 

Sexta  cruci  nectit;  latus  ejus  nona  bipertit; 

Vespera  deponit;  tumulo  Completa  reponit."  20 

©ine  britte  mbjtifdjie  Sebeutung  enthielt  ba3  23e3bergebet  baburd;,  baft  e3  ungefähr  um 
bte  $eit  ber  @infe£ung  beS  fyl.  2tbenbmal)l3  faßt;  bgl.  ©regor  Don  5Jajtanj  Orat.  42  in 
Pascha;  ^ft00*  <*■  a.D.;  Conc.  Aquisgr.  a.  816,  c.  127,  foWte  ®uranbu§  Ratio- 
nale divin.  officior.  V,  9. 

Die  SSeg^cr  ift  bte  erfte  ber  täglichen  ©ebetgftunben ,   Welche  ju   ben  urfbrünglicfyen  25 
bret:  ber  SLerg,  ©ert  unb  9?one  (Da  6,  11;  21©  2,  15;  3,  1;  10,  9),  beren  Giemen^  bon 
2Ileranbria  (Strom.  VII,  7),  XertuHian  (de  orat.  25)  unb  6t)brtan  (de  dorn.  orat.  34) 
allein  gebenden  (t>gt.  aud)  Did.  8)  allmäbltct)  fymjuramen.    (SfyrtyfoftotnuS  unb  §ieronr/mu3 
fennen  fünf  tägliche  ©ebet^eiten,  jene  bret,  bie  ÜDiatuttn  unb  bie  Selber  f.  (S|rbfoftomu§ 
Expos,  in  ps.  140.     ©agt  §ieront>mug,   ep.  22  ad  Eustoch.  c.  37 :    „Horam  ter-  30 
tiam,  sextam,  nonam,    diluculum  quoque  et  vesperas  nemo  est   qui  nesciat", 
fo  ift  mit  diluculum  et  vesperae   nidjt   ber   eine  Segriff    ber  3lbenbgebet§jeit   bobbelt 
ober  per  hendiadyoin  auSgebrüdt,  fonbern  diluculum   meint   bte  SJiatutin;    baS   gebt 
barauS  berbor,  bafs  §teronr/muS  an   einer  anberen  ©teile,    Wo   er   alle  bei  Sag  unb  bei 
91att}t  ftattftnbenben  ©ebete  cbriftlicber  9Wtgtofen  aufgä^It,   eines  gcüfygebet»  bor  ber  ^erj  35 
gebeult.    „Mane",  jagt  er  Ep.  108  ad  Eustoch.,  c.  19,  „hora  tertia,  sexta,  nona, 
vespere,    noctis  medio  per  ordinem    psalterium  cantabant".     Diefelbe  ßafyl  0°" 
fedjs  ©ebetöftunben,  bret  bei  'Sage  unb  bret  näcbtlicben,  ertoäbnt  (Saffian,  Inst.  coen.  III, 
3  f.,  als   in   ben   orientalifd;en  unb   occtbentalifdjen  Möftern  beS   angebenben   5.  $abr= 
bunberts  übliche  Cbferbanj;   man  finbet  fie   aud>  in  ber  bem  2ttbanaftu§  jugefcbriebenen  40 
©cbrift  de  virgin.  12,  16,  20.    Die  (Somblete   (baS  completorium)   als  ein   fbätereS 
Ibenbgebet,   welcbeS   man   erft  um   9  Ubr  ober  unmittelbar   bor  bem  ©cblafengeben  ju 
Balten  bflegte,  fam  erft  im  Saufe  be<§  5.  QabrfmnfcertS  but^u    (wieWofyt   fcbon  StmbrofiuS 
[de  virgin.  III,  4]  einmal  auf  biefe  ©itte  als  bon  ©injelnen  geübten  Sraud)  anfbtelt); 
fie  madjte  bie  ©tebenjab,!,   ober   (wenn   man   obenbrein  aud)  bie  ÜJiorgenanbadjt  in  gtoei  45 
§oren:  bie  3Jlatuttn  um  3  unb  bie  Sßrim   um   6  Ub.r    früb,    ^erlegte)    bie  Slc^tjab,!  ber 
Ianonifd}en  ©tunben  bolljäb,lig.    33i§   ju   biefer  ßabt   feb^en  wir   ha§  ^nftitut  ber  §oren 
angemadjfen    in    ben  3Könd;lregeln   Senebiftö    bon   3Jurfia   (c.  16),    (SolumbanS  (c.  7), 
3ftbor3  (c.  7)   unb   ber  meiften  übrigen  9Jlönd)gfd;riftfteaer  be3  6.  unb  7.  ^af)rf)unbertg. 
£ie  33esber  toirb  bon  biefer  geit  an   Wobt   nid;t  meb,r  erft  nacb,  ©onnenuntergang,   Wie  bo 
früher  (f.  3.  33.  33afiliuS  M.,  Regul.  fusius  disput.  c.  37),  fonbern  fd>on  bor  bemfelben, 
ober  aud)  genau  um  6  Ufyr   abenbä,   Wie   nod>   je^t   in  ber  römifa)en  Üircb,e,    gefeiert 
toorben  fein. 

3Baö  bie  Slrt  ber  SSesberfeier  ober  ben  liturgifd;en  ^ni)alt  bcö  Officium  vesper- 
tinum äunäcbjt  in  ben  Softem  betrifft,  fo  War  e§  in  ber  älteften  gä^  b.  b,.  fo  lange  55 
nodb.  nid)t  bie  ßomblete  aU  bejonbere  3lnbad)t  babon  abgetrennt  War,  üblid;,  12  ^§falmen 
jur  Selber  abjufingen;  eine  toitte,  bie  naa)  (Saffian  bon  ben  ägbbtifd)en  5!Jiönd)äbätern 
auf  unmittelbare  göttliche  Söeifung  eingeführt  Worben  fein  foHte  (Cass.  Instit.  coenob.  II, 
1,  5;  bgl.  Concil.  Turon.  a.  567,  c.  19).  ©bäter  berringerte  man  biefe  jWölf  ^falmen 
auf  fteben,    unb    teilte  babon  bicr  ber  23eSber  unb  brei  bem  Sombletorium  ju    (Reg.  S.  eo 

38* 


596  Se^er  2SiceIttm§ 

Benedicti  c.  17).  2Iufjer  biefen  toter  antibfyonifd)  p  fingenben  $falmen  fd)reibt  Senebtft 
bie  Seftion  eineg  ^abitefe  an§  ber  fy.  ©cbrift,  ein  (fürgere§  ober  längeres)  Sfafbonforium, 
ben  ambrofianifcben  Sobgefang  famt  zugehörigem  aSerfifet,  ba§  ■Jftagnifit'at  (ober  „Can- 
ticum  de  Evangelio",  wie  Senebilt  e§  nennt),  Sfyrie,  ^aternofter  unb  ©cblufjgebet 
5  (missae,  oollectae)  al<§  ftänbige  ©lemente  be§  flofterlid)en  SSe^ergotte^bienfteS  rbor 
(f.  ©maragbu3,  SCurrecremata,  Marlene  u.  a.  2tu§leger  jur  Reg.  Bened.  c.  17).  $tlm= 
lid)  ift  ber  Sau  ber  Selber  in  ber  nicbtHöfterlic&en  Siturgie  ber  abenblänbifd)en  Kirche 
befcbaffen,  nur  bafj  fyier  fünf  Jahnen  ftatt  blofj  bieren  borgefcbrieben  finb,  mit  SSejug  auf 
bie  fünf  ©inne  be<S  9Jcenfd)en,  tüte  SDuranbuS  im  Rat.  1.  c.  bemerft.    SDenn  roät/renb  für 

10  bie  9Jcöntf)e  atö  bie  SBoQfommeneren  bie  SSierjab,!  genüge,  muffe  bie  weniger  bollfommene 
SBeltgeiftlicbreit  unb  Saientoelt  notroenbig  fünf  ^fatmen  remitieren,  „ut  videlicet  quod 
per  quinque  sensus  corporeos  commissum  est,  per  quinque  psalmorum  can- 
tationem  penitus  dimittatur".  ©aö  römifd)e  33rebier  betreibt  bie  SSeöber  al§  ba§ 
genaue  ©egenftücf  ber  2aube3:    fünf  $falmen    mit    2Intibbonen;    ein  föabitel   auä    ber 

15  ©cbrift;  ein  £r;mnu3;  ein  Skrfifel  famt  Stefbonforium ;  ein  Ganticum,  nämüd)  ba§ 
Sftagnifitat,  famt  2tntitobone;  enblid)  bie  täglichen  Sftrcbengebete  (Sitanei,  Skterunfer  jc), 
nebft  ben  ftd)  gelegentlich  anfcbliefjenben  ßommemorationen,  ©uffragien  unb  $rece§.  33gl. 
Sllarb.  ®a$äu§  ju  Gaffian  Instit.  III,  3,  p.  35 sq.;  ^of).  33ona,  De  diivna  Psal- 
modia,  cap.  10,  p.  757  sq. ;  9Jiartene,  De  antiquis  monachor.  ritibus  1.  I,  c.  10, 

20  p.  96sq.;  ^otfyam,  2lrt.  „Officie,  the  divine",  in  ©mitb,  unb  @heetf)am,  Diction. 
of  Chr.  Antiquities,  II,  1444  sq.  (forote  ben  2Irt.  „Hours  of  Prayer",  ebenbaf. 
I,  792  ff.). 

35ie  älteren  reformatortfcfyen  ©otte£bienftorbnungen  behielten  bielfad)  bie  tägliche  Sftette 
unb  33e§ber  bei  (f.  b.  angef.  2Berf  b.  ©menb).     Sefonber<8    roünfcfyte  Sutber,    bafj   bie 

25  Pfarrer  „auf  einen  iglicben  SRorgen  ein  ^falmen  unb  ein  fein  Stefaonforium  ober  2lnti= 
bl)on  mit  einer  ßolleften  orbnert.  ©er  2lbenb§  aud)  alfo,  nacf)  ber  Sektion  unb  Sluölegung 
effentlia)  gu  lefen  unb  jit  fingen"  (2Ö2B  @2t  XXII  ©.  156).  ©ocb,  finb  biefe  ©otte^ 
bienfte  überaß  abgenommen.  Qm  19.  I^afnfmnbert  I)aben  ftcb,  jar/lreiihe  unb  geroicfytige 
©timmen  für  üöiebereinfü^rung  bfalmobierenber  33esbergottesbienfte  an  ©onn=  unb  geier= 

30  tagen  nacb,  altfircblicbem  unb  altlutberiffhem  SSorfcilbe  bernefymen  laffen.  2tud)  I)at  man 
biefe§  ©efiberium  bereite  an  manchen  Orten  nicl)t  ofme  glücklichen  (Erfolg  ju  berroirflicfyen 
geroujjt.  S'oäUx  f. 

$BtCelt«U§,  geft.  1154.  —  Helmoldi  Presbyteri  Chronica  Slavorum.  MG  Script. 
33b  XXI,  1 — 99.    ©unbevauSgabe  taut  £j.  ^erU,  £>annotier  1868.  93eec£,  Analecta  ad  historiam 

35  Novimonasterii,  entf).:  1.  Versus  de  vita  Vicelini  unb  Epistola  Sidonis,  2.  De  translacione 
Vicelini,  3.  Versus  de  venerando  Vicelino,  4.  De  venerabili  Vicelino,  5.  Ordo  praepositorum 
nostri  monasterii,  in  „Gueflenfammimtg  ber  ©ejettfdmft  für  ©d)Ieowig=.£)olfr.=£auenb.  ©e)d)id)te" 
iöb  IV.,  127—204,  ^iel  1875.  Urfunben  &ei  <ß.  §affe,  @cf,le«mtg=Wlft.=2auenburgtfcf)e9tegeften 
unb  Urfunben  S3b  I,  §am6urg=Setp(^g  1886;   $t.  öaupt,  ®ie  «ijeiinSfircIien,  Siel  1884;  S.  ©iefe= 

40  brecht,  SBenbtfdje  ©efd)irf)ten  33b  IL  III;  9?ottrotl),  ?lu§  ber  SBenbenmiffion,  %aüe  1897; 
91.  SBötimer,  SStceliti.  "3to\t.  S)iff.  1887,  (p  £)elmdb  »gl.  aud)  nod)  bie  burd]  ®ct)irren§  9ln= 
griffe  entftanbene  Sitteratur  bei  38altenbnd),  3)eutfdilanbö  @efd}id)tgquellen6  33b  II,  338 ff.); 
3enfen,  6d)(e§tuig=.&oIft.  fiird)engefd)tcl)te  33b  I,  196  ff. ;  £>aucf,  Kird)engefd)td)te  ®eulfd)(anbö 
33b  IV,  599  ff. 

45  S)ie  §auptqueBen  für  ba§  Seben    beS  ^eiligen  25icelmu§    (beutfei)   SStjelin),    be§  91pofte(§ 

ber  SGSagvier,  finb,  nnct)bem  ^ehnolbä  Streue  juemlicfj  allgemein  wieber  anerfannt  werben  ift, 
beffen  ©Inbendjronif,  bie  uon  33eecf  herausgegebenen  ©d)riftbenfiuä(er  unb  einzelne  Urfunben. 
Eine  Vita  Vicelini  in  etegi(d)en  SSerfen  fdjeint  oerloren  gegangen  ju  fein,  bod)  bieten 
bie  genannte«  D-ueflen  SRatertal  genug,   um  bis  auf  wenige  sweifeltjafte  fünfte   ein  giemlict) 

50  ooIIftänbigeS  SebenSbilb  bee  treuen  eifrigen  SUtffionarS  ber  SSenben  entwerfen  ju  tonnen. 

35icelin  rourbe  gegen  @nbe  be§  11.  3a^Wn^ert§  Su  §am^n  an  oer  9Befer  geboren 
(Duernb,amele  bei  §elmolb  I,  42).  ©eine  ©Itern  toaren  einfache  Seute.  ©a  er  fie  früb, 
berlor,  roar  feine  ■  Qugenberjieb ung  nur  böcbft  mangelhaft,  toenngleid)  er  einigen  Unterricht 
am  ©om  feiner  33aterftabt  genoffen  b,at.    2lfö  er  auf  Slbroege  fam,  nabm  fic|  bie  ©cblo|= 

55  berrin  ber  33urg  ©berftein  bei  ^oljminben  feiner  an,  boa)  bertrieb  ibn  ein  beifeenbeä 
©cberjroort  be§  ©cbloPablang  über  feine  Untbiffent)eit  balb  toieber.  2lber  fein  @^rgeij 
roar  ertr>ad)t.  @r  ging  nad)  ^aberbom  unb  ergab  fieb,  mit  fold)em  (Sifer  unter  Seitung 
SDtagifter  |>artmann3  bem  ©tubium,  ba|  er  balb  beffen  ©ebilfe  an  ber  5?lofterfd)uIe 
rourbe.   ©in  Dl)cim  bon  ibm,  namenS  Subolf,  roar  ^3riefter  in  bem  naben  guljlen  (geule), 

go  ein  5Rann  bon  frommer  ©efinnung,   ber   auf  ben  Neffen  einen  root)Itb,ätigen  ©tnflu^  al§ 


SBtceltnuS  597 

^eidjtbater  aueübte.  SDer  5?uf  SSiceIm§  als  tüd&ttger  Sefyrer  brachte  ib/m  einige  ^afyre 
fbäter  feine  (Smennung  jum  ©ctmlborftefyer  in  SBremen  ein.  SDtit  größter  ©trenge  ging 
er  |iier,  toofyl  ber  eigenen  Qugenb  eingebend,  gegen  bie  ©dmler  bor,  bie  ficr)  aui  Seicfytfmn 
bem  Unterricht  entjogen  unb  lieber  ini  Söirtiljaui  ftatt  gum  ©otteibienft  gingen.  Wan 
bat  ifym  fogar  ©raufamfett  gegen  biefe  faulen  ©lemente  borgetoorfen.  Um  fo  größeren  5 
Vorteil  aber  Ratten  bie  gleifjigen  unb  Süchtigen  bon  feinem  Unterricht  unb  feiner  @r= 
üefmng. 

©in  Aufenthalt  in  granfreidj)  nadj  ber  Bremer  geit,  bon  bem  £>elmo!b  berietet,  ift 
in  feiner  Sljatfäcpd&Jeit  längere  Seit  fefyr  angefochten  toorben,  boct)  ift  nicfyt  ein^ufe^en, 
warum  §elmolb  einen  folgen,  ber  bamali  burdjaui  nicfyti  Ungetoöfynlicf)e§  mar,  glatt  er=  10 
funben  baben  foUte.  Sicher  falfcfy  ift  nur  bie  Angabe  £elmolbi,  Sßicelin  fjabe  in  §ranf= 
reid)  ben  2lnfelm  bon  Saon  gehört,  benn  biefer  ftarb  im  3<#e  1117,  unb  Sßicelini  Steife 
fallt  ber  Chronologie  nad)  in  bie  geit  jtt)ifcb,en  1123  unb  1126. 

Kurj  i)tmaö),  toafyrfcfyeinlicr;  nocb,  1126,  ift  er  bon  ©rjbifcfyof  Norbert  bon  9flagbe= 
bürg,  bem  ©rünber  bei  ^rämonftratenferorbeni,  jum  ^ßriefter  getoetb/t  morben.  2öai  ifm  15 
ju  Norbert  nach,  SRagbeburg  trieb,  ift  nidjt  mit  ©icf)erl)eit  feftjuftetten,  toafyrfcfyeinticr),  tote 
£auct  (Ä©  ©eutfct)lanb§  23b  IV,  600)  meint,  ber  Stuf  feiner  aifetifd&en  £eiligteit,  ba  toir 
£ enben^en  in  biefer  9ttct;tung  bei  Vicelin  fct;on  in  feiner  Sremer  3^it  begegnen.  2lber  er 
fdjeint  bon  ber  $evfönltcr)fett  bei  ©rjbifd^ofä  entläufst  getoefen  ju  fein,  benn  nacb,  furjer 
Seit  lehrte  er  in  fein  33remer  ^anonifat  jurüd  unb  fner  l)at  itm  bie  Berufung  getroffen,  20 
bie  für  fein  ganzes  fbäterei  Seben  entfcfyeibenb  tourbe.  @r^bifcfe,of  Slbalbero  gab  ii)m  ben 
Auftrag,  unter  ben  SBenben  bai  Gfyriftentum  ^u  brebigen.  3Bir  finb  nicfyt  barüber  unter= 
richtet,  tooburdb,  Abalbero  gerabe  auf  SSicelin  berfallen  ift.  §elmolb  erflärt,  Sßicelin  F/abe 
bem  @r$btfcr)of  feinen  Söunfcb,  mitgeteilt,  in  bie  2öenbenmiffion  einzutreten.  Aber  fein 
3ug  in  bem  bisherigen  2d>tn  bei  S5iceltrt  beutet  barauf  bjn,  toie  er  auf  biejen  ©ebanfen  20 
geführt  fein  foUte.  2öir  werben  bafyer  annehmen  muffen,  bafj  ©rjbifcfjof  Abalbero,  ber  bie 
Sage  im  3öenbenlanbe  jebenfatli  beffer  überfcfyaute,  ali  ber  befctjetbene  Bremer  ^lerifer, 
ben  Moment  für  einen  neuen  SJtifftoniberfuct;  im  2ßenbenlanbe  errennenb,  ben  33icelin 
„cognito  bono  zelo  eius",  für  feinen  Sßlan  getoonnen  unb  ini  SBenbenlanb  aui= 
gefanbt  E>at.  30 

Sie  Situation  im  nörblidjen  ©labenlanbe,  bai  jur  §amburgifcf;en  ^irctjenbrobing 
gehörte,  toar  bamali  in  ber  Sfwt  nicb,t  ganj  ungünftig.  9facl)  bem  bureb,  ben  2öenben= 
aufrufyr  berunglüdten  ßfjriftianifierungiberfucb,  bei  dürften  ©ottfcbal!  (ermorbet  1066,  fiefye 
ben  Artifel  „5ffienbenbeleb,rung")  unb  einer  längeren  3toWenre8^run9  beä  b,eibnifcb,en 
2Bagrterfürften  Uruto,  beffen  §errfcb,aft  fia)  aufy  über  ben  größten  SEetI  be§  Dbotriten=  35 
gebtet§,  bei  heutigen  SJiecflenburg,  erftrecfte,  toar  e§  ettoa  im  %at)te  1093  bem  ©ob,ne  be§ 
erfcf)lagenen  ©ottfcfyalf  unb  ber  ©änin  ©tgrib  (SEodjter  bei  ^önigi  ©toen  @ftritl)fon),  ^einrieb,, 
gelungen,  ba§  @rbe  feinei  23ater§  toieber  ju  erobern  unb  bureb,  bie  ^raft  feiner  eignen 
getoaltigen  ^erfönlic^Ieit  toie  bureb,  bie  Unterftütjung  ber  ©acljfenb,  erlöge  au§  bem  33illunger= 
^aufe  aueb,  ju  beraubten.  30  ^jafyre  b,errfcl)te  er  toie  ein  $önig  (vocatus  est  rex  in  40 
omni  Sclavorum  Nordalbingorum  provincia,  §e!molb  I,  36)  über  bas>  ganje 
Cbotritenlanb  bon  Söagrien  bi§  nacb,  3Sor^ommem,  fein  unrub,igeg  SSolf  bürdet  lluge  ©e= 
fe|e  be^äfymenb  unb  bureb,  mannigfache  gelb^üge  gegen  Dften  befdb^äftigenb.  ^^Ww  ^m 
unb  ben  benachbarten  cftriftlid^en  dürften  beftanb  ein  feb^r  freunblic()ei  Serb;ältni§,  befonberi 
ju  ben  ©acb.fenfjerjogen.  2lber  obtool)l  er  felbft  6f)rift  toar  unb  in  Slltlübecf,  feiner  45 
5Refibenj,  eine  Äirctje  unb  einen  §au3fablan  befafe,  folgte  er  bem  S3orgeI)en  feinei  miffioni= 
eifrigen  SSaterS  burd)au§  nid^t,  to ab,  rfcb,  einlief  in  Erinnerung  an  feinen  traurigen  Unter= 
gang  unb  ber  33eforgnii  bor  einem  älmlicfyen  ©cb,i(ffal,  bor  aßem  toob,l  aufy  in  bem  ©e= 
füf>l,  bafs  fein  getoaltigei  §errfcf)aft§gebiet  auf  bie  SDauer  boeb,  nicb,t  toürbe  beftefyen  !önnen. 
3mmerb,in  aber  toaren  ei  troij  be§  baffiben  3Ser§alteng  bei  Dbotritenfürften  jtoei  'SfyaU  w 
fachen,  bie  in  @rjbifcl)of  2lbaIbero  ben  ©inbrud  b,erborgerufen  f)aben  toerben,  bafj  ber 
Moment  jur  ©rneuerung  ber  2Benbenmiffion  günftig  fei:  bai  freunbfcb,aftlicb,e  i5erb,ältnii 
bei  dürften  ju  feinen  ctjriftücf/en  9Jacb,barn  unb  ber  griebe  im  SBenbenlanb,  ben  er  mit 
ftarfer  gauft  aufredet  erhielt. 

©0  glaubte  er  ei  toagen  ^u  fönnen,  bafe  er  ben  SSicelin  mit  ^toei  anbern  ^rieftern,  05 
ben  Canonici  Subolf  bon  Serben  unb  ^ubolf  bon  §ilbei|ieim,  ju  ^»einrieb,  ini  ©laben= 
Ianb  fanbte.  ©er  ilönig  naf>m  bie  brei  9Jftffionare  freunblicb,  auf  unb  übertrug  ifynen 
bie  toaf>rfcf)einlicb,  gerabe  bertoaifte  Äircf)e  ju  2l(tlübedl  ali  ©tütjbunft  ib,rer  ©enbung. 
Äaum  aber  finb  fie  nacb,  §aufe  jurüd!gefeb,rt,  um  ibje  Angelegenheiten  bafjeim  ju  orbnen 
unb  toeiterc  Vorbereitungen  für  bie  SJciffion  ju  treffen,  aU  ade  ibje  freubigen  Hoffnungen  60 


59S  »icelimtS 

burd;  §einridj)s>  blöttficfyen,  toaf>rfd)einlicb.  getoaltfamen  5Eob  toieber  böHig  in  $rage  geftettt 
unb  balb  böHig  »erntetet  toerben  (1227).  Son  ber  $eit  an  ift  ba§  ganje  Seben  Stce= 
Iin§,  ber  troijbem  an  feiner  ©enbung  fefibielt,  faft  30  $al)re  fyinburcb,  nur  nocfy  ein  fefyn= 
füd)tige3,  aber  auäfi$r»lofe3  ^offen  getoefen,  ein  fortgelegter  Äambf  be§  eifrigen,  reblicfycn, 
5  aber  bocr)  nid)t  gerabe  mit  einem  lüctfidjtölog  burcfygreifenben  ßfyaratter  begabten  3ftanne§ 
mit  ber  Ungunft  ber  Serb/ältniffe  getoefen,  bie  alle  feine  toieberfyolten  Senkungen  ju 
©cfyanben  machten. 

@in  geringer  2xoft  war  e<3  für  ifyn,  bafe  if>m  ber  ©rjbtfdjof  furje  $tit  t/ernad)   (tote 
Sommer,    Sicelin  ©.  34 ff.  nad)getoiefen  b,at)  bie   bertoaifte  ^irdje   $u  SBibentfyorb,   bei 

10  §eImolb  galbera  genannt,  ba§  heutige  9ieumünfter,  übertrug.  @§  gefct;ar)  auf  Sitten  ber 
dintoofmer,  bie  ben  ©r^bifcfyof  gelegentlich  einer  Sifitationireife  in  feinen  norbelbifcfyen 
©brengel  ju  Sftelborf  auffucfyten.  SDafj  ber  neue  Söolmfitj  Sßicelirtö  nab,e  ber  2Bagrier= 
grenze  gelegen  toar,  toar  ein  §aubtgrunb  für  bie  Ernennung  gerabe  bei  Sßtcetin  jum 
Pfarrer  Don  2öibentf)orto  (§elmolb  I,  47).    ©einen  9Jciffionieifer  aber  fonnte  er  fd)on  an 

15  feinen  Sßfarrrmbew  felbft  erproben,  benn  obtoofyl  bem  tarnen  nacf)  (Stiften,  toaren  fie 
bocb,  nod)  gang  in  f)etbnif<b,en  ©ebräucfyen  unb  2Infdjauungen  befangen.  Slufjerbem  toar 
$olftein  feit  ben  unfeligen  Reiten  bei  Sßenben  $ruto  immer  nod)  faft  toüfte,  unb  bem 
Sicelin  eröffnete  fic^>  l)ier  eine  Stfyätigfeit  »on  toeittragenber  Sebeutung.  SJtit  bem  ÜReu= 
bau  ber  Verfallenen  ®irdj)e  unb  eifriger  ^ßrebigt  unter  ben  Reiften  gingen  bie  nädjften  ^a^re 

20  t)in.  ©a§  unfcr/einbare  5Rännd)en  Tratte  eine  feltene  ^prebigtgabe.  Son  toeitl)er  famen 
bie  Seute,  ifyx  ju  fyören.  2lucl)  mehrere  ^ßriefter  gefeUen  ft<$  §u  if/tn,  Don  benen  er  ben 
Subolf  unb  Solctoarb  unter  ber  bem  Gljrifientum  gleichfalls  nicfyt  abgeneigten  §errfcb,aft 
3toentt^oId)§,  bei  älteften  ©olmei  §einric|i  »on  Dbotritenlanb,  nocfymali  nacfy  Sübect  fenbet. 
Son  ber  bortigen  Meinen  Kolonie  beutfcfyer  ^aufleute  toerben  fie  freubig   aufgenommen, 

2ö  aber  bie  3Benbenmiffion  lommt  aud)  bieimal  nid)t  in  ©ang,  benn  fdjon  im  ^afyre  1128 
überfalten  bie  alten  geinbe  Sübecfi,  bie  9?ügener,  toieberum  bie  ©tabt,  jerftören  fie  gänj= 
lieb,  unb  Vertreiben  bie  beiben  $riefter,  bie  müljifam  nacb,  2Bi:pentI)orb  entfommen.  ^n  ben 
mannigfachen  kämpfen,  bie  fid)  mit  bem  Untergang  Don  §etnrict)§  ©efcbjed)t  enttoicMn, 
toar  für  Sicelini  Hoffnungen  »otlenbi  nictjti  %u   ertoarten,    obtooI)l   fid?  ber  »on  ^aifer 

30  Sotfyar  etngefe|te  Regent  bei  Söenbenlanbei,  ber  ®änentortn;$  Änut  Satoarb,  feljr  freunb= 
lieb,  ju  Siceltn  fteHte  unb  häufig  feinen  3iat  fuctjte.  Unter  ifym  ift  bie  Sübecfer  Sltvc^e 
nocr)mal3  getoei^t  toorben,  aber  toieberum  ofme  bauernben  ©rfolg. 

Qm  ^ab,re  1134  gelang  e§   bem  Sicelin,   Slaifer  2otb,ar  für  bie  Söenbenmiffion  gu 
intereffieren.    9(uf  fein  Setreiben  tourbe  auf  bem  Dilberg  im  toeftlicr)en  SBagrierlanbe  ein 

35  ÄafteE  erbaut ,  ju  bem  bie  beiben  fyeibnifdjen  ©enbenfürften,  bie  nacb^  iRnut  SatoarbS 
fcf>mät;Itcr)er  ©rmorbung  bureb,  bie  eigenen  Sertoanbten  SBagrien  unb  Dbotritenlanb  ge= 
toonnen  Ratten,  ^ribiilato  unb  ÜJttflot,  tro^  aKer  3lbneigung  felbft  Saumaterial  fyerbeifet/affen 
laffen  mußten.  @§  erhielt  ben  tarnen  ©igebercl)  (©egeberg)  unb  foHte  ein  ©tü^unft 
für  bie  9Jciffion  fotoob,!  tote  für  bie  33erteibigung  ^olfteini  gegen  toenbifcfye  Slaub^üge  fein. 

40  Sern  ^ribislato  tourbe  bie  pflege  ber  Sübecfer  .Uircfie  einbringlicb,  jur  ^flicb,  t  gemacht. 
Unb  fo  festen  e§  je|t  enblicb,,  alg  ob  man  im  ©laoenlanbe  tourbe  Soben  getoinnen 
fönnen. 

2lber  noeb;  einmal  mufete  Sicelin  feine  Hoffnungen  ju  ©rabe  tragen:    toie  feb^on  bei 
§einricb,S  be§  Dbotriten  3;ob,  bei  bem  feiner  ©öfme,   bei  ber  ©rmorbung  $nut  Satoarb^, 

45  fo  je^t  bei  bem  plö<3lid)en  2lbfcf)eiben  Slaifer  SotfyarS,  bai  bie  feb^toeren  ^äm|3fe  jtoifcb^en 
§o|enftaufen  unb  helfen  im  ©efolge  blatte.  5laum  toar  ber  Mfer  geftorben  unb  ©acb^fen 
bureb,  bie  ©treitigfeiten  jtotfcljen  ^einric^  bem  ©tollen  unb  2llbrecb,t  bem  Sären  in  2ln= 
f^ruefe,  genommen,  alö  ^ribiilato  feine  Gelegenheit  erfab^  unb  ba<§  berb^a^te  ©egeberg  an= 
griff,  baö  ©täbtcb.en  am  gufee  ber  Surg  gerftörte  unb  ba§  bort  »on  Sicelin  abauti  Älofter 

so  in  2lfd)e  legte,  toobei  ein  ÜÖiöncr;  erfragen  tourbe ,  toäb^renb  bie  übrigen  fiel)  naefy  S^eu: 
münfter  retten  lonnten.  Sa  gleicfjjeittg  toäbjenb  ^rtbiilatoi  2lbtoefenb,eit  feine  Stefibenj 
Sübect  oon  feinem  ©egner,  bem  itrutonen  9^ace,  ^erftört  unb  bie  (Stiften  »erjagt  tourben, 
toar  ganj  Söagrten  toieber  bom  ©influ^  bei  6b,riftentumg  frei  getoorben,  §olftein  eine 
3eit   lang    toeb^rlofe    Seute    ber    blünbernben   2Benbenfcf)aren.     Sicelin  unb  bie  ©einen 

55  toarteten  im  feften  ©tifte  9ceumünfter  faftenb  unb  betenb  auf  beffere  Reiten  (^elmolb  I,  55). 

^m  ©egenfa|  gu  ben  forttoäfyrenben  SRi^erfoIgen  ber  SBenbenmiffion   blatte  fid)  baö 

©tift  3Reumünfter  in  ben  legten  ^ab^ren  beträc^tltdE)  fonfoltbiert,  bant  ber  raftlofen  St|ätig= 

teit  Sicelini  unb  ber  Unterftü|ung ,  bie   ib,m  »on  @r^bifcb.of  Slbalbero  unb  5?aifer  2otf>ar 

^uteil    tourbe.     ©cb,on  1136  tourben  bem  Sicelin  unb  feinen  ©enoffen  »om  @r^bifcb.of  bie 

eo  greil)eiten  unb  Sefifeungen  bon  2Bibentl>orb   mit   bem  ®orfe  ®agereitf)orb  neu  beftätigt 


Stcdiuu«  599 

unb  mafyrfäieinlicr;  ju  berfelben  geil  »on  Haifer  Sot^ar  meitere  ©naben  hinzugefügt  (§affe, 
iRegeften  33b  I,  27  f.).  3Me  (Stiftung  bon  ©egeberg  braute  eine  beträt^tltdje  SBefi{$= 
ertoeiterung.  1139  mürben  biegelmten  uno  9?eubrua)Säef)nten  in  ber  2öilfter=  unb  ftrember 
marfct)  bem  Mofier  ju  beliebiger  33ermertung  berliefyen.  23enngleicb,  mir  annehmen  muffen, 
bafj  bei  ben  bamaligen  i)öcf)ft  unruhigen  gufiänben  i«  §olftein  manche  biefer  ©naben=  5 
ertoeijungen  menig  realen  ©eminn  brauten  —  gan$  abgeben  bon  ber  Unedjtfyeit  einzelner 
Urfunben  —  fo  ift  boeb,  fobiel  fieser,  baj?  baS  Mofter,  baS  ftcfy  nadf)  ber  Siegel  beS 
3tugufttn  organifiert  I?atte  (nicfyt  ber  ^rämonftratenfer,  maS  aueb,  ein  SBemeiS  für  SßicelinS 
Srudb,  mit  ©rgbifd^of  Norbert  ift)  fcfyon  um  ba§  $af)r  1140  einen  berfyältntSmäjjig  günftigen 
SBermbgenSftanb  befafj.  SSicelin  felbft  erhielt  1141  fcfyon  ben^itel  eines  ^ßrobfteS,  1142  bie  10 
auSbrütflicfye  33eftätigung  biefeS  Titels. 

Unb  um  biefclbe  $eit  begann  nun  aueb,  baS  erfebnte  giel  feines  SebenS,  bie  2öenben= 
miffion,  beffere  2luSficf)ten   ju   geigen,    greilieb,    in   etmaS    beränberter  ©eftalt.    ^»einrieb, 
bon  33abercibe,  bon  2tlbredt>t  bem  23ären  jum  ©rafen  bon  §olftetn  ernannt,  gebt  mit  ber 
größten  (Energie  gegen  bie  Staubfc^aren  beS  ^3ribiSlam  bor.    ®ie  §olften  üben  S^acfee  für  15 
lange  erlittene  Unbill,   bringen  im  äöinter  1138  auf  39  in  Söagrien  ein,   beribüften  baS 
gange  Sanb.    $m  näcbjten  ©ommer   gie&en   fie  nochmals  auf  eigene  gauft  aus,   erobern 
baS  fefte  $lön,  einen  £aubtftüt$bunft  menbtfcfy er  SOtacfet,   fyaufen  fctjlimmer  als  bie  ©laben 
felber    unb   fefyren   omni   terra  eorum  in  solitudinem  redaeta    nact)    §aufe    jurüc! 
(£elmolb  I,  56).    üftur  im  äufjerften  Sorben  fyaben   fieb,  einige  wenige  Söenben  erhalten,  20 
unter  ilmen  ^ribiSlam,  je|t  nur  noeb,  ein  größerer  ©runbbefüjer,  benn  aueb,  ber  Sieft  feinet 
©ebieteS,  baS  ^ßolabenlanb,   ift  ib,m  burd)  ben  granffurter  ^rieben  1142   genommen  unb 
an  ^einrieb,  bon  SBabemibe  als  ©ntfdjä'bigung   für  baS  berlorene  §olfiein  gegeben  morben 
(©raffebaft  Dieburg).    Sßagrien   unb  ^olabten  mürben   ber  beutfdjen  SMonifation   er= 
febjoffen.    §olfteiner,  Söeftfalen,  ^riefen  beftebelten  bie  beröbeten  ©ebiete  unb  balb  erfyob  25 
fia)  bier  ein  neues,   jetjt  beutfdjeS  $irct)engebiet,  baS   gugtetcb  als  ©tü^bunft  für  23iceIinS 
SöenbenmiffionSbläne  bienen  fonnte.    3Son  -Jieumünfter  aus  fyat   er   unter   bcreitmilliger 
gbrberung  bei  ©rafen  2lbolf   an   bem    lirdjlid^en  2tufbau   biefer   neuen  SanbeSteile  mit= 
geholfen,  teils  bureb  $ird)engrünbung,   teils  bureb  ©ntfenbung  bon  Pfarrern.    9Rod)  fyeute 
lönnen  mefyr  als  20  Äirc^en  in  jenem  ^eile  §olfieinS  ibre  ©rünbung  auf  3SiceIin  gurücf=  30 
führen.    ©in  meiterer  ©tüt$bunft   mürbe  baS   neu  erbaute  beutle  Sübecf.    ©in  freunb= 
fcb,aftlia)eS  3Serb,ältniS  jmifc|en  ©raf  Slbolf  bon  ©cb,auenburg   unb   bem   noeb,    immer  im 
Dbotritenlanbe  b,errfcb,enben  dürften  ^illot  getoärleiftete  tro^  9U!lotS  Abneigung  gegen  baS 
6b,riftentum  aufy  rub,ige  äöeiterarbeit  für  baS  menbifdje  SReSlenburg.    §au3  (^©  S)eutfc^= 
lanbs  23b  IV,  604)  bätt  eS  für  niebt  unruafcrfcbeinlict;,  ba^  eS  fcb,on  bamalS  in  ©cb,toertn  35 
©briften  gab. 

©iefe  ruhige  SSeiterenttoicfelung  aber  mürbe  blö^Itcb,  geftört  bureb,  ben  tböriebten 
SBenbenfreu^ug  bom  $al>re  1147,  ber  ben  forgfam  gurücfgefyaltenen  menbifd^en  §a| 
gegen  baS  d|riftentum  noc§  einmal  in  l;eöen  glammen  auflobern  machte,  ob,ne  irgenb 
einen  braftifcfyen  ©rfolg  für  bie  ÜMffion  ju  b,aben  (bgl.  ben  2lrt.  „aBenbenbeleb.rung").  w 
^m  ©egenteil  Ratten  bie  neuen  beutfe^en  ©iebelungen  in  SBagrien  bureb,  einen  lüf)nen 
Dffenfibftojj  9JillotS  ferner  ju  leiben,  $icelin  unb  bie  ©einen  Ratten  aße  §änbe  boÜ  ju 
t^un,  um  bie  9Jot  p  linbern  (§elmo!b  I,  66).  2ln  eine  frieblidje  Überführung  beS 
SBenbenbolfeS  gum  dfyriftentum  mar  fe|t  niebt  meb^r  ju  ben!en.  tlnb  boeb.  gab  Stceltn 
bie  20  ^al>re  lang  gebegte  Hoffnung  nid)t  auf.  Um  ifyretmitlen  naf)m  er  fogar  noeb,  baS  45 
Soa)  bifcfyöflicijer  SBürbe  auf  fic^.  Slber  aueb.  bamit  fjatte  er,  eine  menig  jum  Äir<f)en= 
fürften  fic^  eignenbe  5Ratur,  fein  fonberlicfyeS  ©lue!.  SDenn  eS  jog  tbn  in  ben  ^nbeftitur= 
ftreit  jmi(cf)en  feinem  ©rgbifcfiof  unb  bem  meltlicf)en  §errn  beS  SanbeS  binein.  3taa) 
2lbalberoS,  feines  treuen  ©önnerS,  %o\>  im  ^ab^re  1148  mäfylte  baS  Sremer  ^abitel  ben 
^'robft  §artmig  bon  ©tabe  jum  ©räbifcfyof,  einen  bebeutenben  SDiann  mit  boebfliegenben  50 
planen  unb  eifrigen  ©egner  §emricfyS  beS  Sömen  bon  ©acljfen.  ©eine  erfte  ib.at  mar 
bie  3Bieberb erfteQung  ber  Hamburger  ©uffraganbiStümer  im  2Benbenlanb.  2lm  25.  ©ebtember 
1149  mürben  3Sicelin  pxm  Sifdmf  bon  DIbenburg  (in  §olftein)  unb  (Smmcfyarb  jum 
Si[a;of  bon  9Jtecflenburg  gemeint,  ob.ne  ba^  fid?  §artmig  mit  bem  Honig  ober  _  mit  ^einrieb 
bem  Sömen  barüber  auSeinanber  gefegt  bätte ,  mop  eine  formelle  9}otmenbigteit  freiließ  55 
niebt  borlag.  SDamit  aber  geriet  SSicelin  mie  ein  Söei^enforn  jmifa^en  jtoei  febr  b^arte 
SD^üblfteine.  ^»einrieb  ber  Söme  erllärte,  bie  ^nbeftitur  ber  33ifc£)öfe  im  Sßenbenlanbe  ge= 
bore  if)tn,  als  £anbeSb.errn,  liefe  burcl)  2tbolf  bon  ©cb^auenburg  bem  neuen  33tfdr)of  fofort 
ben  3«b"^n  fberren  unb  berlangte,  er  folle  bon  ifym  bie  Qnbeftitur  nehmen,  ©in  SRecbt 
baju  batte  er  jmeifelloS  niebt,  aber  einen  ^einrieb  ben  Sömen  foebt  baS  menig  an,  mo  eS  60 


600  SBiceliimS  Sektor  I.,  ^apft 

galt,  jtoei  ©egnem  gugletd^  einen  ©cfyaben  ju  tfmn,  bem  König  als  bem  rechtmäßigen  2>n= 
^aber  be3  Qnbeftiturrecljtä  unb  §arttoig,  auf  beffen  gteiijeit  er  baburcb,  feljr  nadjbrüdlid; 
^emmenb  toirfen  fonnte. 

©mmefyarb  fdjeint  bor  btefert  ©djtoierigfeiten  gurüdgefdjrecEt  ju  fein  unb  fein  23i§tum 
6  SÖZedlenburg  gar  nidjt  angetreten  zu  fyaben.  ©er  treue  33icelin  toar  baju  ju  eifrig,  benn 
er  fyoffte,  baß  il>m  burd;  feine  bifd)öflicr)e  Stellung  bocb,  nocb,  meljr  ©elegenfjeit  zu  ber  er= 
feinten  -Eknbenbefefyrung  gegeben  toerben  tourbe.  Korreft  Don  ©efinnung,  toie  er  toar, 
toeigerte  er  fid^  aber  zunäcbjt,  ber  gorberung  §einridj)g  be3  Sötoen  nachzugeben,  unb  fo 
tourbe   feine  bifcfyöflicfye  Xfyättgfett  bon   bem  §erjog   unb  ©raf  2lbolf   böHig   lahmgelegt. 

10  ©einen  Sifdjofsfit}  Cibenburg  fonnte  er  nid)t  antreten,  faum  bafj  bie  toenbifdjen  Stetoolmer 
eine  Keine  fyölzeme  Kabelte  am  2Baß  be3  DrteS  bulbeten.  ©ie  Kirdien,  bie  Sßicelm  fonft 
in  biefer  geit  erbaute,  waren  burd>toeg  an  beutfd;en  Koloniftenorten  gelegen  unb  für 
®euifd)e  beftimmt.  $Da  er  auf  biefe  SBeife  nicf/t  toeiter  fam  unb  ir;m  bie  braftifcfye  SE^ättg= 
fett  in  feinem  ©torengel  mel)r  am  ioerjen  lag,  als  ba§  SDurdjfecfyten  prinzipieller  Kompetenz 

15  ftreitigfeiten,  gab  er  fcfyließlicr;  ben  SBünfdjen  §einrid)<§  be<§  Sötoen  nad;  unb  ließ  ftcb,  Don 
tb,m  1150  zu  Süneburg  inbeftieren.  3Xber  ba§  mar  ein  fernerer  geiler,  benn  toenn  er  nun 
aud;  bon  bem  §erjog  feine  ©djtoterigfeiten  mein-  ju  leiben  fyatte,  biefer  tfym  bielmefyr 
„villam  Buzoe"  (Sofau)  a£§  bifd)öflid)e3  ©ut  jutoieS  unb  ©raf  Slbolf  ifym  ben  falben 
Reimten  betoißigte,  fo  beraubte  er  ftcf)  anbererfeits  jeber  Unterftüijung  be<§  i;öd}ft  erzürnten 

2u  ©rgbifd^ofö  §arttoig.  Qmmerf)in  begann  er,  toeil  Dlbenburg  für  ilm  unzugänglich  blieb,  ben 
33au  eine£  SÖifdjofsfitjeg  in  bem  tym  verliehenen  Sofau,  „initia  vero  episcopatus  erant 
in  magna  teneritudine",  tote  §e!molb  (I,  71)  felbft  eingeftefyt. 

%la<$)  Konrabs  III.  ütobe  berfudjte  (Srzbifdjof  §arttoig  bei  bem  neuen  König  griebrid; 
Rotbart   abermals    bie   ungerechtfertigten    2lnfbrüd)e   §erjog  §einrid)g   jur    ©brache   zu 

25  bringen.  $icelin  mußte  ilm  nacfc,  SRerfeburg  zum  9tei<|£>tag  (1152)  begleiten  unb  tourbe 
bon  bem  ©r5&ifd^of  aufgeforbert,  bie  ^nbeftitur  ficf;  bom  König  erteilen  ju  laffen.  2lber 
3llter  unb  Kranftjeit  Ratten  ben  33ifdt)of  ber  Sffiagrier  allmählich,  mürbe  gemacht.  .ßagfyaft 
fürchtete  er  ein  neues  Entbrennen  be£  ©treiteg  unb  toeigerte  fid),  bem  üffiunfd)  §arttoig§ 
nachzugeben,     ©o  fam  bie  ©adje  nid^t  zur  ©ntfdjeibung.    3SiceIin  fef)rte  in  feine  ©iöcefe 

3ozurücf,  too  er  ju  feinem  ©cfymerze  feinen  langjährigen  greunb  Slfnetmar  nictjt  mefjr  am 
Seben  antraf.  Salb  barauf  erfranfte  er  felbft  nacb,  einem  Sefucb,  in  33ofau  burcb,  einen 
fcf^toeren  ©djlaganfall.  ©eine  ganje  rechte  Körberl}älfte  tourbe  gelähmt,  aud)  bie  3un9ef 
bie  fo  oft  mit  ifjrer  einbringlicb,en  33erebtfamfeit  ba§  SSolf  erbaut  l)atte,  berfagte  iljren 
©ienft  (©ommer  1152).    3toeiun^ctn^a^eg  Sa^r  mußte  ber  ©rei§  nod)  auf  bem  Kranfen= 

35  bette  zubringen,  aber  trotj  aller  ©d;merzen  unb  Unbequemlicf)feiten  —  er  fonnte  toeber 
rect)t  fi^en  nod)  liegen  —  blieb  er  jufrieben  unb  getroft.  ®ie  toagrifc^en  Kirdjen  bertoaltete 
für  il)n  ber  ^riefter  Subolf,  fein  alter  ©efäl;rte  im  Kambfe  gegen  ben  toenbifdien  Un= 
glauben,  mitfamt  ber  ^robftei  ju  ©egeberg.  2lm  12.  ©ejember  1154  ftarb  Sicelin  unb 
tourbe  z"  9teumünfter  im  Seifein  beS  neuen  IWatjeburger  33tfd;ofö  ©bermob  beigefe^t.    ©ein 

40  9iad;foIger  im  Dlbenburgcr  33istum  tourbe  ber  Kablan  §einrid;§  be§  £ötoen,  ©erolb. 
®enn  mittlertoeile  t;atte  §einrid)  feinen  SBiUen  z^ar  ntd}t  gegen  ben  König,  toofyl  aber 
gegen  ©rzbifdjof  ^arttoig  burd;gefe|t:  1154  fyatte  il)m  griebricb,  I.  bie  Qn^eftitur  im  ßanbe 
jenfeitö  ber  @lber  jebod;  „im  tarnen  beS  Könige"  übertragen.  SDer  ßrzbifdiof  gab  feine 
2lnfbrüd)e  nid)t  auf,  unb  fo   blieb  aufy  nad)  Sßicelinö  Sobe  bie  Sage  ber  Kirdje  in  Dft= 

«  ^olftein  unb  an  ber  2Bcnbengrenze  red;t  unbefriebigenb. 

@3  ift,  toie  toir  feiert,  ein  Seben  boß  3Jiüb,fale  unb  ©nttäufcfyungen  getoefen,  bai  bem 
^icelin  fein  ©ntfcfyluß,  ben  SBenben  ba§  (Sfyriftentum  zu  berfünbigen,  gebracht  l)at.  ©einen 
eigentlichen  3^ed  tjat  er  fo  gut  toie  garnidjt  erreid;t,  aber  toir  bürfen  il)m  bie  ©d)ulb 
bafür  nic^i  zumeffen,  benn  an  ©ifer  unb  Slufobferung  f)at  er  e§  nid£)t  fehlen  laffen.    2lber 

50  bie  3eitberf)ältniffe  burd)freuzten  jebeSmal  feine  ^Släne  unb  aU  er  e3  fdjließlid;  %uv  ber= 
bienten  fyödjften  fird)lid)en  2Bürbe  im  Söenbenlanb  brachte,  toar  feine  Kraft  berbraudjt,  fo 
baß  er  bei  aller  firc^licb,  treuen  ©efinnung  nid)t  meb,r  imftanbe  toar,  ben  ungerechtfertigten 
Slnfbrüd;en  beö  rüdficb^tslofeften  9Jcanne§  feine§  ^afn-lrnnbertä  SBiberftanb  zu  leiften.  %\t 
bamit  aud)  feine  bifd)öflid)c  3:b,ätigfeit  zur  ©rfolglofigfeit  berurteilt  getoefen,  fo  bleibt  ib,m 

55  bod}  immer  ber  9tulmi,  bie  fird}lid}e  Drganifation  be£  ehemals  toenbtfdjen  ä"ßagriergebiete§ 
unb  be§  öftlid;en  §o!ftein  fo  geförbert  zu  b,aben,  baß  ib,m  mit  Stecht  ber  sJJame  beS 
„2lboftel§  bon  SBagrien"  beigelegt  toorben  ift.  *  g.  Schäfer. 

Sßidor  I.,  5ßabft  189—199.  —  Eusebius  hist.  eccles.  5,  c.  22— 28.  Catalogus 
Liberianus   bei  §imiQcf,    e^ronologte  ber  attct)üftl.  Üittevatur  1,  6. 146.     Liber  pontificalis 


Sßictor  I.,  SJSapft  601 

ed.  SKommfen  l,  p.  IS  ed.  2md)e«ne  1.  93b.  Qoffö  1-,  ©.Uff.;  3-  Saugen,  ©efclüdjte  bei 
vom.  .ftirdie  bis  jum  Spontiftfate  SeuS  1.,  @.  179, 182  ff. ;  .§arnacf,  3>er  pfeubocljprian tfctje  Xraftat 
de  aleatoribus,  bie  filtefte  latcintfdje  d)riftiid)e  ©drrift:  ein  SBert  beö  riimifdien  33ifd)of3 
Sßictor  I-,  XU  5,  1,  @.  110 ff.;  berf.,  ©efcf)td)te  ber  altdjriftl.  Sitteratur  1,  ©.  595 f.;  2,  2, 
©.  370—381;  ?tlfreb  ©djöne,  ®ie  3£e(td)ronif  beö  ßufebiug  ■  in  itjrer  Bearbeitung  burd)  f»tero=  5 
nMmu*  @.  181-201. 

Sßictor  I.  ift  ber  erfte  römtfcbe  S8ifd)of,  beffen  33tlb  fid)  ntd)t  gartj  im  SRebel  ber 
Segenbe  berliert.  ®afe  er  Sateiner  bort  ©eburt  geWefen  fei,  melbet  erft  £teronbmu§,  baß 
er  au3  2lfrila  geftammt  I)abe,  erft  ber  Liber  pontificalis.  %üx  biefe  letztere  SKngabe 
fbricbt  nicbtS.  £>ie  erftere  finbet  in  bem  tarnen  Sßictor  eine  freiließ  fel;r  fcfywacbe  ©tütje.  10 
9J}it  größerer  ©icfyerfyeit  lann  man  jebenfafl§  au3  bem  tarnen  fd)Iteßen,  baß  aud)  biefer 
römifc|e  SBifdwf,  rote  SBJug  I.  unb  ßallift  I.  bon  §erlunft  ein  ©flabe  ober  greigelaffener 
war.  3)ie  Slngaben  über  feine  2lmt^eit  lauten  berfd)ieben:  ber  catalogus  Liberianus 
beregnet  bafür  9  $abre  2  SDJonate  10  Sage  bon  186—197,  (Sufeb  10  Satyr  tum  190—200. 
§ält  man  fid)  an  bie  erfte,  Wol)l  bon  2lfrilanu§  übernommene,  giftet  @ufeb§  unb  jäb/lt  15 
man  bon  bem  erften  feften  ®atum  ber  rbmifd;en  Sifte  —  Seffton  SßontanS  28.  ©ebtember 
235  —  jurüd,  fo  gewinnt  man  bie  oben  angegebenen  3al)len  189—199.  —  2leußerlid) 
mar  bie  Sage  ber  römifcfycn  ©emeinbe,  afö  Victor  an  ifyre  ©bi|e  trat,  fef)r  günftig.  9JJarcia 
ioar  je$t  im  Malaiin  fo  mäd)ttg,  baß  fie  Sßictor  eines  SEageö  rufen  unb  bon  il)m  eine 
Sifte  ber  nacb,  ©arbinten  beförderten  ßtyriften  berlangen  lonnte,  um  benfelben  greifyett  20 
unb  3rüdfer)r  p  berfdjaffen.  S>lud)  finanziell  ftanb  fid)  bie  ©emeinbe  fo  gut,  baß 
Sßictor  in  ber  Sage  mar,  einer  mißliebigen  SJWfon,  bem  ©Haben  ßattift,  ein  Qa^rgebatt 
auSjufetjcn  unb  tf)n  baburd)  bon  9tom  fernzuhalten,  Hippolytus  Refut.  9,  12.  9Jiarcia3 
Einrichtung  änoerte  hieran  md)ts>.  ©ebtimtui  ©eberu«?  bulbete  (Stiften  ntcfot  nur  unter 
feinen  ^ofbeamten,  er  gewährte  aud)  bem  Gl)rtfien  SBroculu3  Söobnung  unb  Unterhalt  im  25 
Sßalatin.  SBab^fcfyemlid)  fanb  baber  fetyon  Sßictor  ©elegenfyeit,  jenes>  xoijurjTiJQiov  ju 
erwerben,  ba§  un§  unter  gebfybrin  a^  e*n  it>oI)lgeorbneter  Sßefi|  ber  ©emeinbe  be= 
gegnet.  9ftd;t  fo  frieblid;  fab  e§  jebod)  im  $nnem  ber  ©emeinbe  au§.  £>er  SBre§br/ter 
§Iorinu§  erregte  unltebfame3  2luffer)en  burd)  ©Triften,  bie  bewiefen,  baß  er  „in  ben 
Irrtum  Sßalentin§  ftd)  Blatte  berftriefen  laffen"  Sßictor  Warb  barauf,  roie  e§  fd)eint,  30 
erft  burd)  ^renäuä  aufmerffam  gemacht,  ^renäu§  fragmenta  syriaca  nr.  28  ed. 
färbet;  2,  p.  457,  unb  mußte  fidt)  entfd)ließen  ben  angefel)enen  SJcann,  ber  einft  am  !aifer= 
lid)en  §ofe  „eine  glänjenbe  SJtolIe  fyatte"  unb  bie(leid)t  je^t  nod)  fbielte,  au§  ber  ©emeinbe 
ju  flößen,  @ufeb  5,  c.  15,  20.  Ungefähr  gur  felben  $e\t  trat  ber  5ßre3bfyter  S8laftu§ 
mit  ber  SBefyau^tung  auf,  bag  Dfterfeft  muffe  nacb,  bem  ©efe^e  2Rofi§  am  14.  Sage  be<o  35 
9Jconat§  Jcifan  gefeiert  roerben,  SBfeubotertußtan  adv.  haereses  c.  8.  2)a  S8taftu§  fidt)  auf 
bie  SßraEtö  bieler  fleinafiatifctyer  ©emeinben  berufen  fonnte,  fo  fanb  er  in  9tom  folgen  Söei= 
faß,  baß  barob  tinoyjojua,  eine©baltung  in  ber  ©emeinbe  entftanb,  @ufeb  5,  c.  15,20; 
SrenäuS,  fragm.  syriaca  nr.  26.  p.  456.  9tun  fbracben  fid)  ^toar  bie  ttaUfcben  Sßifdjöfe, 
bie  Sßictor  ju  einer  Konferenz  nad)  sJtom  berief  —  bie  erfte  römifd;e  ©t)nobc,  bon  ber  *o 
toir  työren  —  für  bie  bisherige  römifd;e  ^Brartö  au§.  Silber  §err  roerben  fonnte  Sßictor 
ber  ©baltung  boeb;  erft,  roenn  e§  tb,m  gelang  bie  SHeinaftaten  jur  2lnnab,me  beö  rbmifeben 
Sraucb,e§  ju  bewegen.  @r  ging  babei  ntebt  ungefd}idt  §u  2öerfe.  Überzeugt,  baß  bie 
Heinafiatifc|e  SPrap§  einen  SiüdfaÖ  in  jübifctye  ©ejei$ltd)feit  bebeute,  SPfeubotertulIian  a.  a.  C, 
brobte  er,  roie  e§  fdjeint,  ben  Hleinafiaten  gleid;  mit  SHbbrud)  ber  Äird}engemeinfcb,aft.  Sa  er  45 
aber  borauSfeben  jonnte,  baß  biefe  mächtige  ©emeinbegrubbe  burd)  eine  foldje  ©ro^ung  fid) 
ntebt  einfd) üebtern  laffen  merbe,  fud) te  er  burd)  moralifcb en  ®rud  gu  erf e|en,  mag  ib m  an 
ibirflieber  3Jcad}t  gebrad;,  inbem  er  fämtltcbe  anbere  ©emeinben  ber  „koivy\  svcooig",  be§ 
altfatb^olifd^en  ©emeinbebunbeS,  ber  bamalö  ?um  erften  SRale  aU  eine  greifbare  ©rößc  in 
6rfa)einung  tritt,  burd;  9tunbfd)reiben  aufforberte,  fid;  gutacfjtlid)  über  bie  grage  ju  äußern,  so 
£ie  ©utad}ten  fielen  fämtltcb  fo  au§,  roie  er  e§  wünfcfyte,  aber  aud;  bie  üleinafiaten  ant= 
toorteten  auf  feine  ©rol^ung  gan^  fo,  mie  er  eö  erwarten  lonnte.  @rft  banacb,  Wagte  er 
ben  entfd)eibenben  ©djrttt,  ber  allein  in  SRom  ben  grieben  WiebertyerfteHen  lonnte :  er  bracb, 
mit  ben  Äteinafiaten  bie  ^iretyengemeinfebaft  ab  unb  ftieß  fie  au3  ber  ,,xoiv>]  evcoaif", 
b.  i.  er  erllärte  in  einem  SJ{unbfd)reiben,  baß  er  jene  ©emeinben,  Weil  fie  beterobor.  feien,  55 
nid)t  mtfyx  aU  ©lieber  ber  xoivij  Uvwaic,  betrad)ten  unb  beb,anbeln  Werbe.  9cid}t  äße 
SBifd^öfe  bittigten  biefe  @rllärung.  @intge  tabelten  Sßictor  nacbbrütflict).  Sa  ^renäu«  bon 
S^on  berfuetyte  afö  jyübjcr  unb  ©bred;er  ber  ^ifdjöfe  ©allienö  eine  gemeinfame  IHltion  ber 
33ifd)öfe  gegen  ba^  sj(unbfd)reiben  gu  ftanbe  ju  bringen  unb  baburd;  Sßictor  moralifcb,  ju 
Jtbingen,  fein  SMnatfyema  ju  Wiberrufen.  Slllein  eö  berlautet  nicbtS  babon,  baß  biefer  Sßerfud;  60 


602  Sßtctor  I.,  ^utft  Sßtctov  II.,  ^atfi 

geglücft  fei.  ©ie  Äraftyrobe,  bie  SSictor  geioagt  I/atte,  fcbiug  bielmefyr  ju  ©unften  ber 
romifcfyen  ©emeinbe  auS.  3$re  Hegemonie  in  ber  xoivr)  evcoatg  mar  im  Kampfe  gegen 
ifyre  angefefyenften  Äonfurrenten  jetjt  §um  erften  SRale  öffentlich  feftgefteHt  unb  jugleic^» 
t)atk  S3ictor  roar/rfcfyeinlicb.  auet;  ben  näcbjten  .ßroeef  ber  ganzen  Slftion  erreicht :  bte  Oj?= 
5  ponenten,  bie  ifym  unter  ber  güfyrung  beS  S3lafiuS  in  ber  eigenen  ©emeinbe  baS  Seben  fauer 
matten,  roaren  nun  böHig  aufS  Sjaupt  gefcfylagen.  —  SIber  balb  fam  eS  p  neuen  3JJi|= 
Helligkeiten,  ©er  Seberfyänbler  £r/eobotuS  auS  33^anj  fucfyte  für  feine  (tfyriftologie  2ln= 
ganger  ju  geroinnen.  SSictor  fttefj  tfm,  roeil  er  (5l)riftu§  „ju  einem  blofjen  ÜDcenfcfyen  machte", 
aus  ber  ©emeinbe,   aber  er  fonnte  nicfyt  berfnnbem,  bafj  ber  Stnfyang  beS  SfyeobotuS  fid^> 

10  nun  auefy  ju  einer  Strt  ©emeinbe  jufammenfdilof?,  bie  in  ber  golge  fogar  berfuet/te,  einen 
eigenen  93ifct)of-  aufstellen.  —  Dh  bagegen  SS.  mit  bem  rbmifet/en  S3tfcbof  ibenttfef;  ift,  ber 
nad?  SEertulltan  adversus  Praxeam  c.  1  bereit  mar,  ftd?  für  bie  SDiontaniften  ju  er= 
Hären,  bann  aber  burd)  ben  fleinafiatifcfyen  Äonfeffor  93rar.eaS  ftd)  beftimmen  lief?,  bie 
Bereits  ausgefertigten    litterae  pacis    %a  rotberrufen  unb   aud)   in    ber  (5t)riftoIogie    ben 

15  ©tanbpunft  beS  ^SrajeaS  fiel)  anzueignen,  ift  eine  feb/r  berfef/ieben  beantwortete  Streitfrage. 
%üx  Victor  fbridjt  jebenfallS  1.  bie  allgemeine  ©rroägung,  bafj  gerabe  ib/m,  ber  im  üampf 
mit  ben  fatfyolifdjen  ^leinafiaten  ftanb,  eS  befonberS  nab,e  liegen  mufjte,  fieb,  mit  ben  bon 
biefen  ausgeflogenen  9ttontaniften  ju  berftänbigen,  2.  bie  SEb/atfadje,  bafe  S3rar.eaS  fieb,  bon 
ÜRom  nacfyroeiSlid)  nad)  Äartfyago  roanbte,  bort  bon  Xertuttian  bekämpft  mürbe  unb  fid)  für 

20  befiegt  erflärte,  roaS  faum  lange  bor  200  gefdjefyen  fein  fann.  ©benfo  ftrittig  ift,  ob  SSictor 
mit  bem  SSictortnuS  tbenttfet)  ift,  ber  nacb,  33feubotertuIIian  a.  a.  D.  bie  §ärefie  beS  S3rajeaS 
in  9tom  in  Sluffdjroung  ju  bringen  fud)te.  §eft  ftefyt  nur,  bafj  er  bie  ßfyrtftologie  ber 
br/namiftifd)en  9Jlonard)ianer  unbebingt  ablehnte  unb  bon  biefen  felber  nidjt  als  9Jcobalift 
betrachtet  rourbe,  Heines  £abr/rintl?  (Sufeb  5,  28,  6.    ©aS  fctjltejst  bie  2lnnafnne  aus,  bafj 

25  ber  3KobaliSmuS  unter  i^m  „offizielle  römifd)e  fiebere"  geworben  fei.  Sr>at  ^renäuS  !Jted)t 
mit  feiner  SSermutung,  ba|  SSictor  bon  ben  fe^erifcfyen  33ücb,ern  unb  bem  feijerifdjen  ©tanb= 
punft  glorinS  nid)tS  roufcte,  el)e  IgrenäuS  ifm  barauf  aufmerf Jam  machte,  fo  mürbe  auebj  SS. 
bie  alte  23eobad) tung  betätigen,  bafj  bie  Geologie  nie  bie  ftarfe  ©eite  ber  römifd)en  S3ifd)ofe 
mar.  —  9cacf)  §ieron^muS'  de  viris  illustribus  c.  34,  53,  Sfyrontf  ad  a.  2209  blatte  SSictor 

30  feb^on  bor  JertuEian  in  lateinifcb, er  ©^racb,e  gefc^riftftellert  unb  nicfyt  nur  super  quaestione 
paschae,  fonbern  aueb,  alia  quaedam  opuscula  ober,  rote  eS  in  ber  ßfyronu*  fyeifst, 
medioeria  de  religione  volumina  berfa^t.  ^m  ^inbltdEe  barauf  t/at  §arnac!  1888 
SSictor  ben  ^feubocl;prtantfcr)ert  Straftat  adversus  aleatores  jugefeb^rieben.  ©tefe  §t)^o= 
tb^efe  i)at  eine  ganje  Sitteratur  b^erborgerufen,  ber^eicHnet  bon  .§arnacf,  ©efeb, .  ber  altc|riftl. 

35  Sitteratur  2,  2,  S.  370,  SInm.  3.  ©a  aber  §amacf  felber  fie  nieb^t  mel)r  aufredet  erhält, 
fo  genügt  eS  barauf  fytnjuroeifen,  ba^  bie  Slutorfcb^aft  SSictorS  auSgefcb,Ioffen  unb  auf  bie 
Slngaben  beS  §ieront;muS  aueb,  in  btefem  %aüe  fein  3Serla|  ift.  SRäfyer  liegt  eS,  baS 
SRuratorifc^e  gragment  in  S3ejiel;ung  ju  SSictor  ju  fe^en,  ebenb.  ©.  333.  ©er  2luSbruct 
„reeipimus"  unb   äb,nftct;e  Formeln  meifen  barauf  |in,    ba^    ber  SSerfaffer  im  tarnen 

40  einer  ©emeinbe  rebet  unb  baS  3ftecE)t  I)at,  im  tarnen  einer  ©emeinbe  ju  reben,  unb  ber 
^nl)alt  toeift  auf  3tom.  SlKein  wenn  bie  2lutorfcl;aft  eines  römifdjen  S3ifcfyofS  aucl; 
toab^rfc^etnlicf;  ift,  fo  läfjt  ftcb,  bod;  gerabe  für  SSictor  fein  auSfcbJaggebenber  ©runb  an= 
führen.  ^.  spö^mer. 

BktOt   II.,    $  a  p  ft    1055—1057      —    Liber   pontificalis    ed.  SucfjeSne   2 ;   2Bot= 

45  tevtd),  Pontificum  Romanorum  Vitae  I;  Jaffö  l3,  @.  549 — 553;  Anonymus  Haserensis 
c.  34—41  SS  7,  p.  203  ss.  ;  W.  Sefflob,  SRegeften  ber  S3tfd)öfe  Hon  (£icf)ftäbt  Slbt.  1,  ®ictj= 
ftäbt  lSvl;  8.  Dtie^er,  ©efd)td)te  Sönljernä  93b  1 ;  berf.,  lieber  bie  §erfunft  ©ebfjarb§  I.  üon 
eictjftöbt  in  8-b©  S3b  18,  @.  534  f,;  guliitS  @qj,  3)te  SSifdjöfe  unb  «Retcf|§fürften  öon  (£icf|= 
ftäbt,  Satib«liut  1884,  1,  6.39—43;  Dt.  ^öfter,  ©efd).  ber  beutfdjen  «JSäpfte  2,  ©.208—268; 

BO  2Sia,  SBictorll.  als  ^apft  unb  beutfdjer  «Reict)§t.ent)efer  in  S£)OS  44,  @.  185;  5R.  Sai'mann, 
®ie  «ßolttif  ber  Zapfte  2,  @.  252—262:  Sangen,  ©efd)td)te  ber  römtfetjen  fitrd)e  tum  3?ifolau§  I. 
bis  ©regor  VII.;  Stetnborff  in  5lb33  39,  ©.  670—674;  ßauef,  Sird)engefd)td|te  ®eutfd)= 
lanbS  3.  93b. 

Stuf  bem   §oftage  ju   ©oSlar  Söetfmadjtcn   1042   empfal)!  SBtfc^of  ©ebb^arb   bon 

55  SregenSburg  üönig  ^einrieb,  III.  feinen  tropft  J^uno  angelegentlicb,  jum  Jcadjfolger  beS 
berftorbenen  33ifcb,ofS  ©ogmann  bon  ©icb^ftäbt.  ©er  Äönig  ftimmte  §urtäct)ft  ju,  nab^m 
aber  feine  $ufage  jurücf,  als  er  erfuhr,  ba^  Äuno  ber  ©o|n  eines  53rtefterS  fei.  ©arauf 
fcb,Iug  ber  S3ifcf)of  einen  anbern  SSertoanbten  bor,  gegen  beffen  §erfunft  fid?  nicfjtS  ein- 
roenben  lie|:   ©ebljarb,  ben  ©olm  beS  ^arttoig  unb  ber  S3alija,  naef;  fpäterer  @id}ftäbter 

60  Überlieferung  aus  bem  alten  ©efcljledjte  ber  ©rafen  bon  ©oEenftein  unb  £>irjd}berg,  baS 


Victor  IL,  yatft  603 

fotool)l  im  fcfyiuäbifcfyert  2lnteil  ber  ©iöcefc  (Stdbjtäbt  toie  im  bai;ertfd;en  9?orbgau  begütert 
War. '  2lber  biefer  Stanbibat  ersten  bem  $önig  toieber  toegen  feiner  großen  ^ugenb  nidjt 
annehmbar.  ^nbel  liefe  er  ftd;  bod;  nod;  burd)  bert  alten  @rjbifd;of  33arbo  bon  9Jiatnj 
beftimmen,  ben  jungen  9J?ann  für  ©icbjtäbt  ju  inbeftteren.  Dbtoofyl,  tote  el  fdjetnt, 
nodj  jünger  all  ber  1017  geborene  ßömg,  geigte  fid^>  ber  neue  SBifdjof  feiner  Aufgabe  5 
böUig  gctoacfyfen.  ©eine  Serebfamfeit,  feine  ungetoöl;nlid;c  SKeditlfenntnil  unb  ©e= 
fd;äftlgetoanbtl)eit  berfd)afften  it;m  balb  2tnfeben  aud)  aufeerfyalb  feiner  ©iöcefe.  Slber 
am  £ofe  erfcfyeint  fein  ©tnflufe  erft  mafegebenb,  all  el  ib,m  1052  gelang,  ben  Honig  gu 
bewegen,  bal  §eer,  bal  ftd)  jur  Unterftü^ung  Sabft  Seol  IX.  gegen  bie  Normannen 
bereits  in  SJtarfd)  gefegt  blatte,  jurücfgurufen.  ©eitbem  ftieg  er  raftf)  Don  ©tufe  gu 10 
Stufe,  ©ebon  1053  toarb  er  für  ben  unmünbigen  ^einrieb,  IV.  Sertoefer  bei  £>ergog= 
tuml  Sabern.  2111  fold)er  toaste  er  im  Kampfe  mit  bem  abgefegten  §erjog  Sfonrab, 
23ifd;of  ©ebfiarb  bon  iWegenlburg  unb  ben  aufrüf)rerifd;en  ©rafen  bon  ©d;ei;em  mit 
ßluglieit  unb  (Snergie  bie  Siebte  bei  ^teicfyel.  Qm  ©ebtember  1054  toarb  er  bann  auf 
einem  -fioftage  ya  3JJainj  bon  $etnrid)  III.  jum  Sabfte  beftgniert.  %la<fy  ber  Überliefe^  15 
rung  blatte  bie  römifcfye  ©efanbtfd;aft,  an  beren  ©bitje  §ilbebranb  ftanb,  ben  Haifer  fjierju 
beftimmt.  2fber  allem  2lnfd)eine  nad;  fyat  ber  ^aifer  felber  für  ©ebfyarb  enifcfyteben. 
S)enn  er  fonnte  für  feine  ttalienifd)e  Solitif  ftd)  feinen  genehmeren  2Rann  an  ber  ©bi£e 
bei  Sabfttuml  toünfdjen,  all  btefen  bewährten,  flugen,  reid)ltreuen  Sifcfyof,  ber  bem  boli= 
tifa)en  ©fyrgeig  £eol  IX.  fo  energifd;  entgegengetreten  mar.  Mein  ©ebfyarb  gögerte  über  20 
ein  fyalbel  ^ai/t,  bie  neue  Söürbe  an^une^men,  unb  all  er  ftd;  enblicb,  im  9Jtärj  1055  auf 
bem  §oftage  gu  ÜRegenlburg  baju  entfd)lofe,  tfyat  er  el  nur  unter  ber  23ebingung,  bafe  er 
fein  beutfcfyel  Siltum  unb  bamtt  feine  ©teßung  all  beutfcfyer  9ieid;lfürft  beibehalten  bürfe, 
unb  bafe  ber  Maifer  bem  1)1.  ©tufyle  einige  Siltümer  unb  Surgen  gurüdgebe  unb  bamit 
für  eine  Slufbefferung  ber  burd}  Seol  IX.  9?ormannengüge  ftarf  angegriffenen  bäbft=  25 
liefen  ginanjen  forge.  ©0  embftng  er  erft  am  13.  SIbril  1055,  faft  ein  $ai)r  nad;  bem 
Sobe  &eol  IX.,  in  9iom  bie  SBei^e,  toobet  er  ben  tarnen  23ictor  II.  annahm,  ©eine 
@rl)ebung  bebeutete  gtoar  nict)t  eine  @nttäufd)ung  ber  bamaligen  fird)Iid)en  9teformbartei, 
beren  33eftrebungen  er,  mie  aud)  $ier  ©amiant  aner!ennt,  burd)au§  förberte,  aber  eine 
2lbfeb,r  bon  ber  weltlichen  @Ebanfion§bDlttü,  Wie  fie  Seo  IX.  mit  3uflimm"n0  mancher  30 
greunbe  ber  Sieform  betrieben  b,atte,  unb  jugleid)  eine  Wefentlidje  Serfiärfung  ber  boli= 
tifcb,en  ©teEung  be<§  Äatferg  in  Stali«"-  ®f«n  aud)  all  ^abft  blieb  ber  33ifd)of  bon 
@id;ftäbt  ber  borner)mfle  23ertrauens>manrt  unb  Reifer  bei  Äaiferl,  fo  bafe  ber  Rangier  ber 
römifcb,en  5?ircb,e  griebrtet)  bon  2otb,ringenr  ber  S3ruber  be§  aufrüf)rerifd;en  §erjogS  ©ott= 
trieb,  allbalb  für  gut  fanb,  fidt)  all  SDiöncb,  nact)  SSJJonte  ßaffino  jurücfjujteb,en.  3Rit  bem  35 
ßaifer  jufammen  l)ielt  SSictor  ^fingften  1055  eine  grofee  9teformfb,nobe  in  glorenj  unb 
überliefe  babei  bem  ^aifer,  toie  e§  fd)eint,  fogar  ben  äßorfüj,  für  bie  9tecf)te  be§  üaiferg  trat 
er  mit  lebhaftem  Xabel  ein,  al§  bie  9ftönd)e  bon  9Jionte  ßaffino  olme  S^üd fidit  auf  ^einrid; 
einen  3lbt  mahlten,  mit  bem  ^aifer  orbnete  er  aud;  bie  bolitifd^en  33erfyättniffe  9Jiittel= 
italienl.  ^a  er  fanb  fein  9lrg  barin,  au§  ber  §anb  be§  Äaiferl  ba§  §erjogtum  40 
S^oleto  unb  bie  ißlaxt  germo  ju  fielen  ya  nehmen,  fo  bafe  er  nunmehr  aud)  in  Italien 
als  dux  et  marchio  Seb,en§mann  bei  Äaiferl  War.  @§  toäre  begretflidj,  bafe  bie  Körner 
einem  ^labfte,  ber  fo  fef)r  in  ben  ©efinnungen  bei  reid)§treuen  beutfd;en  gürften= 
ftanbeS  lebte,  ©d)roiertgfetten  matten,  toie  ber  33erfaffer  ber  Sita  Sietbertl  bon  Gambrai 
beb,aubtete.  ^ebenfallg  entfd;lofe  fief;  Sictor  fd;on  im  ©ommer  1056,  toteber  nacb,  SDeutfci)=  45 
lanb  ju  reifen.  2lm  8.  ©ebtember  tourbe  er  glänjenb  in  ©oslar  embfangen.  2lm 
5.  Oftober  ftanb  er  in  Sotfelb  mit  am  ©terbebette  bei  fSatferl  unb  embfing  bie  legten 
2Bünfcb,e  bei  Sterbenben.  $n  ben  näcb^ften  9Bocb,en  geleitete  er  ben  Seidmam  §einrid;l 
jur  Seftattung  nad)  ©beter,  bolljog  bann  in  2lad)en  bie  Stl)ronerf)ebung  bei  neuen  Äbnigl, 
legte  barauf  auf  einem  §oftage  ju  töln  im  SDegember  bie  lotl)rtngtfd;en  SSirren  bei  unb  so 
orbnete  im  Januar  1057  auf  einem  Sage  ju  9fogen!burg  aud;  bie  bab,erifcl)en  Serb,ält= 
niffe.  @rft  nacfjbem  er  bergeftalt  £einrid)  IV.  in  ®eutfd}Ianb  ben  Sbjon  gefiebert,  bracb, 
er  im  gebruar  1057  toieber  naef;  Italien  auf.  SDocf;  aud;  l)icr  fud;te  er  im  Qntereffe  bei 
9teid;el  ju  toirfen.  ®em  mächtigen  ©ottfrieb  bon  Soi^ringen  ju  Siebe  berfd;affte  er  beffen 
Sruber  Jriebrid;  bie  3lbtet  Tlonk  Safftno  unb  erb,ob  biefen  einftigen  ©egner  fogar  sum  55 
ßarbinalbrtefier  bon  ©t.  (5l>rt)fogonul.  Slber  auet;  feine  Sage  toaren  gegäfylt.  2111  er  im 
©ommer  1057  in  Sosfana  bie  fircb,licb,en  S3ert;ältmffe  orbnete,  ereilte  if)n  am  28.  3"^ 
nad;  feb,r  furjer  St'ranffyeit  ^u  2lre^o  ber  Sob.  ©ein  bcutfd;cl  ©cfolge  tooßte  iljn  im 
®ome  gu  ©icfjftäbt,  beffen  ~&au  er  berftänbnilboll  geförbert  blatte,  beftatten.  ülllcin  auf 
bem  2Bege  in  bie  §eimat  tourbe   iljncn  ber  Seidmaut,  toie   cl   Reifet,   bon   ben  ^Bürgern  ro 


604  Victor  II.,  ^npji  SStctor  III.,  ^opft 

9iat>enna§  entriffen.  ©o  fanb  SStctor  boct;  ein  ©rab  auf  ttalienifcr)em  93oben,  aber  an 
einer  ©tätte,  bie  feiner  toürbig  roar:  in  ber  £ird)e  ©t.  Waxia  !Wotunba,  bem  ©rabmale 
£f>eobertcr;S  beS  ©rojjen.  £.  ä3ijfjmer. 

Victor  III.,   $a$>ft   9.  2ftai   bis    16.  ©e^ember   1087.  —    Opera    ed.   ^abtHon, 

5  Acta    Sanctorum    ordinis    S.    Benedicti  IV,    2,    p.    425  ss.    MSL  149.      Aime    de    Mont- 

Cassin,    L'ystoire  de  li  Normant  1.  3,    c.  49  ed.  Q.  Selarc,    Sternen    1892.     Leonis  Marsi- 

cani    et  Petri  Diaconi  Chronica   monasterii    Cassinensis  1.  3,    SS  7,  p.  698 — 754.     Alfani 

versus    de    situ  etc.  monasterii    Cassinensis  ed.  Ojanant,    Documents    inedits  p.  261 — 268; 

berf.,  So6flebicI)t  auf  2)efiberiu3  9J9(.  10,  S.356;  Sßetru§  2)iaconuä,  Liber  de  viris  illustribus 

10  Cassinensibus,    ed.  SDturatori  SS  6  p.  32 ss.;    Softt,    Storia    della  Badia  di  Monte  Cassino 

t.  1;    @d)iila,   Senfmciter  ber  Sirene   be§  9ftittelalter§    in   Unteritalien    33b  2;   9t.  ßaraüita 

I  codici  e  le  arti  a  Monte  Cassino  1 — 3,  1869/70;  2.  Don  £>einemann,  ©efd).  ber  Normannen 

in  Unterttalien    unb   ©i^lten    1.  S3b  (1894),    @.  172 ff.;    g.  £irfd),    ®efiberiu§    Don    2Jtonte 

Gafino  qI«  $aüft  SSictor  III.  in  gorfebungen  jur  beutfäien  @efcf)ict)te  7,  ©.  1—103;  Raffel2, 

15  @.  655 f.;    SBatterid],  Eom.  pontificum  Vitae  1,    p.  310ss.;    Sangen,    ©efefj.    ber    römifd^en 

Sirdje  Don  SKifoIauä  I.  <B.  162 ff.;  §a«cf,  Sträiengefdjicfjte  2)eutfä)ianb§  3.  23b,  ogt.  aud)  bie 

«ttteratur  oben  93b  7,  ©.  96  ff. 

©aufer  ober  ©aufari,  ber  einige  ©oI)n  eines  nid)t  regierenben  ©liebet  beS  alten 
lombarbifcben  §erjog§b,aufe§  bon  33enebent,  geb.  1026/27,   roar   fcfyon   als  $nabe  ent= 

20  fcfyloffen,  StJiönd)  ^u  roerben.  2lber  eS  roarb  il)m  nid)t  leidet  biefen  (fntfd)luf$  auszuführen. 
(Srft  berfagte  ber  3Sater  ib/m  bie  ©rlaubnis  baju,  bann  als  ber  SSater  1047  im  Kampfe 
gegen  bie  Normannen  gefallen  roar,  jroangen  ü)n  bie  üßerroanbten  fid;  ju  bermäbjen  unb 
polten  il)n,  als  er  noeb,  am  §od)jeitStage  in  bie  ©infiebelet  beS  ©antart  flof),  mit  ©eroalt 
jurücf.    211S   er  barauf  ein  jroeiteSmal  1048   nad)  £a  Gaba  bei  ©alerno   entroid),   jog 

25  fein  Setter  gatrft  Sanbulf  felber  auS,  um  ifm  nad)  Senebent  jurüc!jufüf)ren.  ©od;  ge= 
jtattete  er  jetjt  enblid)  bem  I)artnädigen  2ISfeten  in  ©.  ©opl;ia  in  33enebent  unter  bem 
tarnen  ©cfiberiuS  bie  Äutte  ju  nehmen.  2tber  ©.  ©optna  roar  bem  jungen  9Jiönd)e  nid)t 
ftreng  genug,  barum  begab  er  fid;  1051/52  nad;  bem  QnfelHofter  2remite=©an  9ticok> 
im  abriatifd)en  SJteere,  unb  ba  er  aud)  r)ier  ntd)t  ganj  fanb,  roaS  er  fud)te,  2tnfang  1053 

30  in  bie  2lbru^en  gu  ben  ©remiten  ber  üJiajeHa.  ^ebod)  im  2Jcai  rief  tl)n  ein  33efeit)I 
SeoS  IX.  nach,  bem  ©üben.  2öaS  £eo  bon  ib,m  tooEte,  ift  nidjt  überliefert.  Slber  ba  ber 
^5a^ft  batnabS  eben  gegen  bie  Normannen  ju  gelbe  jog,  fo  liegt  bie  2lnnab;me  nal)e,  bafj 
er  ben  angefel)enen  benebentanifd;en  ^rinjen,  ber  bereits  burd)  §umbert  unb  griebria) 
bon  2otI)ringen    für  bie  lircblict^e  9ieformpartei  geroonnen   ioar,    in   ^oIitifd)en  ©efd)äften 

35  ju  berroenben  gebad)te.  3ll§  er  bann  am  23.  ^uni  aU  ©efangener  ber  Normannen  nad; 
Senebent  !am,  roar  ®eftberiug  8  Sftonate  b,inburd;,  roie  er  felbft  berichtet,  faft  immer  um 
Um.  @S  ift  baf»er  roob^l  möglid),  ba^  ber  ^3a^ft  aueb,  feine  ©ienfte  bei  bem  grieben§= 
fdjlufs  mit  ben  Normannen  (3J?är^  1054)  in  2lnfprucb,  nab^m.  Qebenfallö  lebte  fid)  S)eft= 
bero  bamalS  böHig  in  bie  ^been  ber  fireb,  lid)en  9teformpartei  ein.  91ad)  bem  SLobe  2eo§  IX.  plante 

40  er  junäcbjt  eine  2öaQfab,rt  nacb,  ^erufalem,  begab  fid)  aber  bann  im  2tyril/9)lai  1055  nad) 
glorenj,  um  mit  bem  neuen  Sßapft  3Stctor  II.  über  ba§  öd}idfal  SeneuentS  ju  ber= 
I;anbeln,  unb  begleitete  barauf  im  Dltober  3Sictor,  ber  itm,  roie  e§  fcfjeint,  in  feinen 
©ienft  ju  jieb,en  *fud)te,  in  bie  römifd)en  9^ar!en.  §ter  bot  i^m  eine  9J{öncl)§gefanbtfd;aft 
bon  StRonte  ßaffino  im  ©ejember  1055   enblid)   einen  erroünfdjten  älnla|,    fid;    bon    ber 

45  $urie  ju  trennen:  er  erbat  unb  erhielt  bie  @rlaubni§,  in  SSTionte  ßaffino  aU  9)Jönd)  ein= 
jutreten.  Slber  er  blieb  in  SRonte  ßaffino  borerft  nur  ein  ^al)r.  23ereit§  um  bie  2Benbe 
ber  ^afjre  1056/57  begegnet  er  un§  als  ^ropft  in  bem  3Jtonte  ßaffino  geb^örenben  SenebiItuS= 
üofter  ju  ßapua.  2lm  30.  Dcobember  1057  roarb  er  bann  bon  $apft  ©tepfyan  IX.  jum 
2lbte  beS  9ftutterflofter3  befigniert,  aber  alsbalb  als  pctyftlid)er  ©efanbter  nad;  S^anj  aB= 

so  georbner,  um  ein  ÄrtegSbünbniS  jroifd)en  ber  üurie  unb  bem  gried;ifd)en  §ofe  gegen  bie 
Normannen  ^u  ftanbe  ju  bringen.  ®a  er  bereits  9?id)arb  bon  Slberfa  feb/r  nab,e  ftanb  unb 
überbieS  &\t  feines  SebenS  jeben  Serfud),  bie  £olitifd)en  ©d)roierigfeiten  in  Unteritalien 
mit  bem  ©d>roerte  gu  löfen,  oerabfeb/eute,  fo  roar  biefer  Auftrag  fdjtoerüd)  ganj  nad)  feinem 
©efd;made.  @r  atmete  bab^er  roa^rfd^einlid;  erleichtert  auf,  als  er  am  12.  2tyril  1058  nod) 

55  furj  bor  ber  2lbfab,rt  in  93ari  bie  Äunbe  Oon  bem  2lbleben  beS  ^SapfteS  erfuhr,  ©ofort 
gab  er  bie  SBeiterreife  auf,  eilte  nad;  Kompanien  unb  ergriff  am  19.  Slpril  33efi^  bon 
bem  2tbtftut)le  in  30fonte  (Sajfino.  —  ©te  Stiftung  beS  |l.  Senebilt  mar  bamalS  lein 
3Jcufter!lofter.  ©ie  3ucf)t  ber  Tlönfyt  lie|  fel)r  ^u  münfd;en  übrig,  £eo  2,  c.  91.  92.  ©ie 
Saulicb^letten  waren  in  traurigem  guftanbe,   ber  33efi|ftanb  unb  bie  äußere  ©id)erb^eit  ber 

60  Slbtei  ftänbig  burd;  bie  räuberifd;en  unb  unruhigen  Qnfaffen  ber  benachbarten  ÄafteHe  ber 


»ictor  III.,  ^ft  605 

©rafen  bort  Sfqutno  unb  SLrajeflo  urtb  burcf;  bas  roilbe  Solf  bort  gratte  urtb  9Jitnturnä 
bebrofyt.  21E  biefe  Übelftänbe  rourben  burcf)  ben  neuen  2lbt  grünblicf;  beseitigt.  Gr  erroarb 
burd;  Äauf,  Saufd;  unb  ©cfjenfung  faft  alle  jene  für  bte  SIbtet  gefährlichen  $Iä|e,  er= 
neuerte  faft  alle  jtloftergebäube,  barunter  aud;  bte  beiben  Mofterftrcfyen,  für  bte  er  ©äulen, 
Kapitale,  Safen  unb  bunten  -äftarmor  nad;  altbewährtem  Sraud;e  aus  ben  Ruinen  Storni  5 
in  reichlicher  SRenge  beforgte,  ftattete  bte  $ird)en  unb  bas  üabitell)aus  mit  einer  in  jener 
Reit  unerhörten  $rad;t  aus  unb  grünbete  im  Mofter  gu  biefem  $roede  fogar  eine  förmliche 
Kunftfdmle.  ©teicfejeitig  bermefyrte  er  ben  ©runbbefi|  bes  fölofters  roenigftens  um  bie  §älfte 
feinet  bisherigen  Seftanbes.  Grregte  fdjion  biefe  Sauluft  unb  Äunftliebe  2luffer)en,  fo  nocf; 
mebr  ber  Gifer,  mit  bem  ber  2lbt  für  bte  ©tubten  forgte.  %üx  bie  Sibtiottjef  errichtete  er  10 
ein  eigenes  §aus  unb  bermcf;rte  ifnen  Seftanb  um  73  Gobices.  Unb  roie  er  felbft  ficf)  als 
Sßerfififator  unb  SdjriftfteHer  berfucf)te,  fo  legte  er,  obgleich  er  mit  2lbftcf;t  feine  eigentliche 
©cfmle  grünbete,  fonbern  nur  gelegentlich  einzelne  Dblaten  unterrichten  lieft,  2öert  barauf, 
bafe  feine  SRönd^e  aud;  mit  ber  geber  ir/ren  Gifer  für  bie  Gf)re  bes  1)1.  Senebift  betunbeten. 
©0  entftanb  in  5Ronte  Gaffino  bamals  eine  Heine  ©cf;rtftfteflerfd)ule.  Sruber  2lmatus  15 
erfreute  ben  2lbt  burd)  eine  treffliche  ©efd;id)te  ber  Normannen,  Sruber  Slonftantin  aus 
Cartf/ago,  ber  39  IJar/rc  in  Sagbab  bei  ben  Arabern  ftubtert  fyatte,  burd;  eine  SDcenge 
Überlegungen  mebijinifct)er  Söerfe  ber  2fraber,  Sruber  ^anbulf  burcb,  fleiftige  Süd)er 
über  Slftronomte  unb  Chronologie,  Sruber  2llberid;  burd)  ein  fcf;arfes  Sud;  gegen  Serengar 
bon  SEours  (über  de  corpore  et  sanguine  Domini  1079),  burcf)  eine  energifcbe  (Streit»  20 
fdjrtft  gegen  fö'aifer  §etnricf)  IV  unb  bor  allem  burcf;  ein  breviarium  de  dictamine, 
eine  Anleitung  jum  Srief=  unb  llrfunbenfcfneiben,  bie  als  erftes  Hilfsmittel  biefer  2trt 
alsbalb  in  ganj  Italien  bie  gröftte  Verbreitung  erlangte.  Söieber  anbere  fucfytcn  als 
versificatores  unb  als  Mombilatoren  er,egetifcf;er  unb  f)omiIetifd;er  SOBerfe  ben  Seifall  bes 
lernluftigen  2lbtes  ju  erroerben.  2lber  über  ber  ©orge  für  bie  ©tubien  bergaft  ©efiberius  25 
niefit  bie  ©orge  für  ben  ©ottesbienft  unb  bie  ,3U(^t-  ®'e  ^btei  roarb  baber  unter  feiner 
£eitung  berühmt  im  gangen  römifcfyen  Reiche,  ©te  $at)l  ber  3Jtönd;e  ftieg  angeblid)  in 
jroei  ^fl^en  auf  200  flöbfe.  ©elbft  ©eutfcfje  unb  grangofen  tieften  ftd;  einfleiben  unb 
audj  fromme  Saien  ftrbmten  bon  nat)  unb  fern  gerbet,  um  ficf)  an  bem  Slnbltcf  bes 
SJlufterHofters  unb  bes  SRufterabtes  ju  erbauen,  ja  einzelne  jener  Saien,  toie  bie  ßaiferin  30 
2lgnes  (1073),  nahmen  ju  biefem  Setmfe  tDof)l  für  ÜIRonate  in  bem  ^alattum  ber  Slbtet 
2Bof)nung.  Slber  ©eftbers  reformatorifcf;e  S£t)ätigfeit  befd)ränfte  ficf)  nicbt  auf  Sftonte 
Gaffino:  bie  bem  1)1.  Senebift  gleichfalls  gefybrenben  Älöfter  ©an  Siberatore  in  ben  3lb= 
rujjen  unb  ©t.  Senebift  in  Sabua  fteHte  er  gleichfalls  äufterlid)  unb  innerlicf)  roiebcr  t;er, 
in  Sabua  unb  bei  gonbt  grünbete  er  jtoei  neue  g-iltalflöfter.  Slufterbem  reformierte  er  als  35 
toäbftücfyer  SiEar  für  bas  ^lofterroefen  in  ©übttalien  bie  2lbteien  ©ubiaco,  ^remite  u.  f.  ro., 
unb  enblict)  machte  er  aucf)  auf  Söunfcf;  ber  „Könige"  bon  Soguboro  unb  (Sagliari  einen 
freilief)  junäcbjt  roenig  ausfidjtsbollen  Serfud),  auf  ©arbinien  bas  Äloftertum  neu  ju  be= 
grünben.  —  S)iefe  ©rfolge  als  ^lofierfürft  unb  möncb,ifcf;er  Reformator  berbanfte  ®efiberius 
niebt  jule^t  feiner  fircf)licf;en  unb  bolittfcfjen  SLl)ätigfeit  im  ©ienfte  bes  bäbftlicf)en  Stuhles.  40 
Seretts  am  6.  Wäx^  1059  roar  er  bon  sJ?ifolaus  II.  -mm  S^arbinal  bon  ©.  (Säcilia  in 
Sraftebere  erhoben  roorben.  2lls  folcf;er  toof;nte  er  im  Slbril  ber  berühmten  Sateranf^nobe 
bei.  ^m  3un'  embfing  er  ben  ^>abft  in  Sftonte  ßaffino  unb  geleitete  ifm  bon  ba 
im  ^ult  naa)  Welfi.  ©ort  botlbracfite  er  bie  fotgenreicbjie  Xf;at  feines  Sebens:  er  beroog 
bie  Normannen,  3xic£;arb  bon  Gatoua  unb  Robert  ©uisfarb  tbre  jum  Xeil  nod)  nicf)t  einmal  45 
bößig  eroberten  Territorien  bon  bem  f)l.  ^etrus  ju  fielen  gu  nehmen,  ©eitbem  galt  er 
in  Rom  unb  anberroärts  als  eine  unbebingt  bcrtäftlicfye  ©tü|e  ber  bäbftlicfyen  Partei. 
Iber  es  famen  Slugenbltcfe,  mo  aucf;  biefe  ©tü|e  bebenflief;  roanfte.  ©ein  3Ser= 
f)ältnis  ju  Rifolaus  II.  unb  2tler,anber  II.  toar  ausgezeichnet,  fein  3Serf)ältnts  ju  §tlbe= 
branb  roar  fcf;on  bor  beffen  @rf;ebung  jeitroeilig  fef)r  gefbannt.  3(ls  bann  ber  dominus  so 
papae  enblict;  dominus  papa  rourbe,  roagte  er  es  in  offenficbtlidbem  ©egenfa|e  gegen 
bie  bäbftficfje  ^3olitiE  nict)t  nur  für  ben  ^rieben  unter  ben  normännifdjen  gürften  ju  rotrfen, 
fonbern  aucf;  fo  roeit  bas  Qntereffe  feiner  SCbtet  es  gebot,  mit  ben  ©cbannten  ju  beriefen. 
@rft  als  gürft  3°^«"  ^on  ßabua  sJ)ionte  ßaffino  läftig  tüurbe,  näherte  er  ficf)  10^8  bem 
^abfte  roieber,  benn  nun  fonnte  beffen  Slutorttät  if)m  nü^en,  unb  bemühte  ficf)  ernftlid;  55 
unb  erfolgreich  um  ein  Sünbnis  jtoifcf;en  ©regor  unb  Robert  ©utsfarb  (^uni  10S0 
triebe  bon  Geberano).  2lls  bann  aber  balb  banaef;  ^einrieb  IV  in  Stalten  erfebtert  unb 
^orban  bon  Gabua  für  ficf)  geroann,  l;ielt  aucf;  er  es  nad;  langem  3^0crn  f"r  Se= 
raten,  1032  Dftem  mit  bem  ©ebannten  ju  ällbatto  gu  feiern,  !perfönltd;  mit  if>m  %u  ber= 
f;anbeln  unb  fdjlieftlict)  in  ^etnrid;s  auftrage  als  griebensbermittler  nad;  Rom  ?u  geben.  60 


606  Victor  III.,  ^opft  Sictor  IV.,  $<tyfl 

@r  batte  bamit  borerft  Bei  ©regor  !ein  ©lud.  Sto^bem  War  er  allem  2tnfd;ein  nad;  nod; 
im  5Robember  1083  in  ©emeinfcBaft  mit  §ugo  bon  ßtuni  in  gleichem  ©inne  in  Dtom 
tfyätig.  @rft  als  aud;  biefer  zweite  SSerfud;  fd;eiterte  unb  juglei^  Stöbert  ©uisfarb  Wieber 
auf  bem  $lane  erfa;ien  unb  u;m  Den  3tücfen  becfte,  nafym  er  Wieber  mit  ©nergie  für 
6  ©regor  gartet,  ofyne  jeboct)  mit  feiner  Meinung  über  bie  bolitifd;en  gefyler  beS  alten 
greunbeS  jurücfäufjalten :  er  Beherbergte  ben  33efiegten  eine  $eit  lang  in  SRonte  ßaffino, 
er  gehörte  ifym  unb  feinem  §ofe  auS  ben  reiben  (ginfünften  feiner  2lbtei  bie  Mittel  zum 
Unterhalte,  er  befanb  fid;  aud;  unter  ben  wenigen  ©etreuen,  bie  am  25.  9Jcai  1085  in 
©alerno  am  (Sterbebette  beS  ^abfteS  ftanben.     öS    ift   bal>er    WobJ   möglich ,   bafj    ber 

10  ©terbenbe  iljm  mit  unter  ben  ^erfonen  nannte,  bie  er  für  bie  5ftact)folge  im  $abfttum 
für  geeignet  fyielt.  ^ebenfaH^  Warb  er  fdjon  bei  ben  23orbefbred;ungen  @nbe  SSM  1085 
in  9Cftonte  ßaffino  als  einzig  möglicher  Äanbibat  genannt.  SXber  itm  felbft  gelüftete  eS 
burdjauS  nicfyt  nad;  ber  in  biefem  2tugenblide  fo  ü&erauS  bornenbollenllöürbe.  @r  entzog 
fid;  mit  ©efd;id  baf)er  jeber  Weiteren  33erl;anblung  unb  bewirüte  bergeftalt,  bafj  erft  @nbe 

15  3ftai  1086  in  Storn  bie  SBafyl  ftattfinben  tonnte.  2Bie  zu  erwarten  ftanb,  würbe  er  nun 
bod)  nod)  trotj  feines  ©träubenS  gewählt  unb  als  33ictor  III.  immantiert.  Slllein  als  er 
bter  Stage  fbäter  auS  3tom  mit  ben  Sforbinälen  bor  bem  faiferlid)en  ©tabtbräfeften  fliegen 
mufjte,  legte  er  nod;  auf  ber  glud)t  bie  bäbfilid;en  Qnfignten  ah  unb  ging  Wieber 
als  3tbt  nad;  9)ionte  Saffino.    SRärz  1087   berief  er  bann   als   aboftolifd;er  SSifar  bie 

20  gregoriantfd;en  Üarbinäle  ju  einer  neuen  2öal)l  nad;  Gabua.  2lud;  bei  biefer  2BabJ  erflärte 
fid)  bie  Majorität  olme  Weiteres  für  tlm,  aber  eine  f leine  üRinorität,  beren  ©bredjer  ber  @rj= 
bifdwf  §ugo  bon  Sfyon  War,  forberte,  er  foße  fid)  erft  Wegen  feines  33erfeb,rS  mit  £>einrid;  IV. 
rechtfertigen,  unb  bezeichnete  iljn  gerabeju  als  ein  anrüchige  5ßerfon.  ©ntrüftet  berliefj  ®efiber 
fogleid;  bie  ÜBerfammlung.    %nbt§  am  näcbjten  Stftorgen,   21.  SRä'rg,   erfd)ien  er  in  bä'bft= 

25  licfyem  Dmate.  ©enn  fo .  fefyr  er  ftd)  freute,  ber  9iad;foIger  ©regorS  VII.  ju  Werben, 
ben  Ultragregorianern  Wollte  er  baS  SJJabfttum  nid)t  laffen.  Um  jebod;  ein  ©djiSma  in 
ber  arg  bejimierten  Partei  zu  bereuten,  mufjte  er  beftrebt  fein,  bie  ©regorianer  borerft 
ju  beruhigen,  zumal  £mgo  bon  Styon  fortfuhr,  il;m  ©cfywierigfeiten  zu  machen  unb  fogar 
bie  ©räfin  3CRatE>itbe  gegen  ib,n   aufzuwiegeln  fud)te.    ©arum  beftätigte   er  alsbalb   ben 

30  Sann  über  £>einrid;  IV.  unb  erneuerte  im  2tuguft  1087  auf  einer  ©rmobe  zu  SSenebent 
in  fd;ärffter  gorm  baS  Verbot  ber  Saieninbeftttur.  ©letcfymobj  Waren  bie  Ultras  nid}t  in 
gtoetfel,  ba^  er  bie  ^jßoIittE  ©regorS  VII.  in  einem  entfd^eibenben  fünfte  nidjt  fortjufe^en 
gewittt  fei.  @r  gab  offenfid)tlid)  baS  ©treben  nad)  ber  2ßeltb,errfd)aft  auf  unb  liefe  fid; 
bab,er  nicb,t  einmal  bon   ben  normannifd)en  dürften  UnterttalienS    ben  2ef)nSeib    leiften. 

35  9cur  auf  ben  33efi^  StomS  lonnte  aucb,  er  nicb,t  bergtc^ten.  Ülber  9iom  War  in  ben  §änben 
beS  ©egenbabfteS.  ©ifulf  bon  ©alerno  unb  ^orban  bon  ßabua  mufjten  erft  bie  Seoftabt 
ftürmen,  als  Victor  in  ©t.  ?ßeter  ficb,  intbjontfieren  laffen  Wollte  (9.  3)tai),  unb  laum 
War  baS  gefd)eb,en,  fo  erneuerte  ber  ©egenbabft  bom  anbern  Siberufer  auS  feine  2tn* 
griffe,  bis  er  am  20.  3«n'  w§  ©t-  ^ei^r  wieber  erobert   fyatte.    §ätte  3Sictor  nicb,t  bie 

40  2lBtSWürbe  in  SRonte  ßaffino  Beibehalten,  fo  Wäre  aucb,  er  Wie  ©regor  im  ©rjle  geftorben: 
benn  bereits  am  16.  ©ebtember  1087  befcfylofj  er,  längft  franf  unb  fa)Waa),  fein  tb,aten= 
reiches  Seben.  ©o  !urj  fein  ^pontififat  War,  fo  War  eS  bod;  auS  jWei  ©rünben  epoa}e= 
mac^enb:  1.  Weil  eS  ben  33rud)  mit  ber  Weltlichen  ^olitil'  ©regorS  VII.  einleitete,  2.  Weil 
eS  ben  33eWeiS   erbrad;te,    bafe   baS  ^abfttum  im  ftaube   fei,  buret)  fein  blofjeS  2ßort  bie 

45  cfyriftlicfyen  SSölEer  jum  Äambfe  gegen  ben  ^Slam  aufzubieten.  3Jod)  furj  bor  feinem  1£obe 
blatte  nämlid;  Victor  bie  ©täbte  unb  dürften  Italiens  aufgerufen,  gegen  bie  9Jlauren  in 
■Jiorbafrtfa  ju  giepert.  ®iefer  3«9  ^r»  ™fy  feinem  Xobe  aucb,  Wirflid;  ju  ftanbe.  (Sin 
§eer  bon  ©enuefen,  ^tfanern,  Römern  unb  Slmalfitanern  ging  nod;  im  ^ai/xi.  1087  über 
©ee,  entrife  ben  SRauren  gtoei  ©täbte  unb  nötigte  ben  23eto.  bon  SEuniS,  bie  ßfyriftenfHaben 

so  freijugeBen  unb  ^ugleid;  bem  1)1.  ^ßetruS  Tribut  ju  berfbred;en.  —  3Son  ben  ©d;riften 
Victors  finb  brei  Öücb,er  ©ialoge  über  bieSSunber  DeS  ^l.  Söenebüt  im  ©tile  ber®ialoge 
©regorS  beS  ©rofjen  erhalten,  in  benen  fid;  aud;  manche  Sftitteilungen  über  feine  eigene 
3eit  finben,  Weiter  eine  boetifd;e  ©rabfcb.rift  auf  ben  2tbt  SlboHinariS,  enblicb,  33ericb,te 
über  zwei  3Bunber  SeoS  IX.    ©ie  finb   alle  in  einem  einfachen,  flaren  ©tile  getrieben. 

55  ■§.  Sommer. 

Stctor  IV.,  3tame  itoeitv  ©egenbäbfte  1138  unb  1159  —  1164.  — 
3affe  l2,  6.  919.  —  2°-,  @.  418—426;  Üleuter,  ©efdE).  9üeranber§  III.2,  93b  1,  2;  Sangen, 
©e|d).  ber  rötn.  Strd;e  üon  ©regor  VII.  bi§  Srtnocenj  III.,  ©.439  ff. ;  §auc£,  Sivd)engefcf|tcf)te 
®eutfd)fanb§  93b  4,  ugl.  oud)  oben  b.  ?(.  9tlej;anbei-  III.  93b  1,  @.  340. 


SStctor  IV.,  $aj)ft  SBictor  Don  &<q>m  607 

23ictor  IV  nannte  fid;  ber  Karbinal  ©regor  Gonti,  ber  Wtik  SfJtärg  1138  bon  ben 
^ierleoni  in  diom  jutn  9iad;folger  Slnatler»  II.  gewählt  Würbe,  aber  bereits  am  29.  9Jtot 
beweiben  %at)xt$  fid;  auf  Setrieb  Sernfyarbö  bon  Glairbaus  ^nnocenj  II.  unterwarf  unb 
auf  feine  3Bürbe  berjicfytete. 

©enfelben  tarnen   nafym   ber  Karbinal  bon   ©.  Gäcilia  Dftabtan  an,   aU   er   am  5 
7.  ©ebtember  1159  bon  bier  ober  fünf  Karbinälen,  bem  KleruS  bon  ©t.  ^3eter  unb  bem 
römifdjen  S3olfe  jum  ^abfte  gemäht  Würbe.    DItabian  I)atte  manches  bor  feinem  ©egner 
Slleranber  III.  borauS.   @r  ftammte  aus  einer  ber  mäcfr/ttgften  römifcfyen  gamilien  (©rafen 
bon  SLuSculum?  GiaconiuS),   geborte  fdjon  feit  Slbril  1138  jum  KarbinalstoHeg,  war  in 
9bm  fel)r  beliebt  Wegen  fetner  greigebigtat  unb  Seutfeligfeit.    $or  allem  aber  glaubte  er  10 
auf  bie  Unterftü^ung  Kaifer  griebrid;S  I.  unb  ber  Seutfcfyen    rechnen  ju  bürfen.     SDer 
Kaifcr  fyatte  fid;  jebod;  bei  ber  2Bat)I  böllig  neutral  behalten  unb  behaute  aucb,  je|t  für! 
erfte  bei  biefer  $olittlL    Grft  auf  bem  bon  il)m  berufenen  Konzil  bon  ^abia  erflärte  er 
ftdE)  im  gebruar  1160   für  SSictor   unb   fucfyte  beffen  Slnerfennung  nun   aud)  in  granf= 
reid;  unb  ©nglanb  burd}jufe|en.    216er  nidjt  einmal  in  ©eutfdjlanb  fonnte  er  bieS  ,ßiel 15 
böllig  erreichen,    ©ett  ©ommer  1163  bemühte  fid;  ba^er  Sllejanber  III.,  SDeutfcfylanb  für 
fid;  ju  geroinnen.    SSäfyrenb  biefer  SScr^ anbiungen  ftarb  SSictor,    ber  injWifcfyen  meift  in 
berSombarbei  refibiert  twtte,  am  20.  2lbril  1164  ju  Succa.  £.  SBötjmer. 

SBtctor,  ^ßre§bt)ter  bon  2Intiod;ien,  nid;t  bor  550(?).  —  9Iu§gaben:  ßr= 
flürungen  ju  geretnia  in  bem  3eremta§fommentar  bzi  sJOctd)ae(  @b>Meriu§,  3  23be,  2t)on  20 
1023.  ®er  SRarfuSfomntentar  (itmrbe  (perft  ebiert  bon  ^.  $of|tnu§,  9vom  1673,  bann  oon 
6f)r.  3-r.  SJcattfjäi,  SöcoSfau  1775,  juleiit  in  3.91.  SramerS  Catenae  Graec.  Patr.  I,  Djforb 
1840,  ©.  259—447.  —  ßitteratur:  Sfft.  gaulfjaber,  3)ie  ^ropt)eten=ßatenen  natf)  röntifcf)en 
£anbfdmften  (83t61.  ©tub.  be§  ftrdjenfitft.  ©eminarS  SMndjen,  33b  IV,  2.  3),  gvetburg  1899, 
©.  107 ff.  133;  £.  r>.  ©oben,  5)ie  ©Triften  be§  9?£§  in  tfyrer  erreichbaren  cilteften  SEer>  25 
geftalt,  Berlin  1902  ff.,  I,  574  ff.  826  ff.  888  ff. 

„3Bob,l  fein  ©jeget  ber  batrifiifcfyen  ^ßeriobe  t)at  bis  je|t  fo  Wenig  33eacf)tung  ge= 
funben",  bemerkt  gaull;aber  ©.  108  über  3Sictor  bon  Slntiocfyten.  SRid^t  nur  bie  frühere 
Auflage  ber  9tealencbJlobäbie  unb  aud}  bie  2.  Slufl.  beS  fatl)olifd;en  HirdsenlerjfonS,  fon= 
bem  aud;  fogar  ba§  Dictionary  of  Chr.  B.  gebenden  feiner  nid;t.  Unb  bod)  „gebort  30 
er  ju  ben  beften  ©jegeten  ber  batriftifcb,en  geit"  @aull)aber).  ©ie  3af)lreid}en  unb  gleid)= 
tnäfsig  über  bie  ganje  Qeremiacatene  berteilten  Scfyolien  unter  feinem  tarnen  jeigen,  baf3 
bem  SSerfaffer  jener  ßatene  ein  boHftänbtger  Kommentar  be§  33ictor  gum  3^«m'a  öor= 
gelegen  fyaben  muf3,  bon  bem  er  aber  nur  äluSjüge  bietet.  ®er  Kommentar  jum  5tRarfu^= 
ebangelium  ift  in  berfdjiebenen  ^Recenfionen  erhalten,  bie  aber  alle  auf  einen  Uralm  jurücf=  35 
geb,en;  b.  ©oben  ©.  578  „Sine  9kfonftruftion  biefeg  Kommentars  auf  ©runb  einer 
Konfrontation  ber  brei  ^tebaftionen  ^at  fixere  2lu£fid;t  auf  gutes  ©elingen"  (bgl.  ©.  827). 
gtoar  ift  gerabe  in  ber  beften  9tebaftion  (bei  Gramer)  ber  Kommentar  6t)riH  bon  Sllej. 
jugefd;rieben,  aber  eS  bleibt  bod;  ftdjer,  baf)  bielmeb,r  SStctor  ber  SSerfaffer  ift.  ©eine 
©elbftftänbig!eit  ift  freilid;  zweifelhaft.  @r  fagt  felbft  im  $rolog,  baf^  er  bie  ©rflärungen  40 
ber  beWä^rteften  £el)rer  i)abt  jufammenfaffen  Woüen  (©.  263  oweidov  xä  xaxä  fiegog 
y.al  onoQadrjv  eig  avzö  [2)JarluSeb.]  eiQt]/ueva  nagä  tcöv  didaoxäXojv  rfjg  ixx/.ij- 
oiag  ovvayayelv  xal  ovvtojuov  eQfirjveiav  ovvrägai).  ^m  einzelnen  finb  feine  33e= 
jie^ungen  ju  älteren  ©d^riftfteßern  nod}  nid)t  unterfud;t.  2luf  Wörtlidje  Übereinfttmmungen 
mit  (Sfjr^foftomuS,  §teront)muS,  ©eberuSfd;olien  unb  Dl^mbtoborfdjolien  im  ^eremiaS=  45 
lommentar  fyat  gaul^aber  (©.  109)  IjingeWiefen.  @S  f)errfd;t  bennoef)  eine  Wefentlicb,  ein= 
beitliclje  9)?et|)obe  in  ber@jegefe  beS  SStctor,  unb  jWar  ift  eS  bie  ber  antiodjenifc^en  ©cb,ule. 
3)afier  gef)t  fein  ^ntereffe  junädift  auf  grammatifd)  ^tftorifc^e  ©jegefe,  feine  Scnbenj  ift 
jugletcb,  eine  bralttfd;  moralifcb,e.  9Jitt  St^eoboret  fd;lief3t  er  bie  Allegorie  ntd;t  böllig  auS. 
Sm  Unterfdjieb  aber  bon  jenem  trägt  er  feine  2tnfid;t  mit  Sefttmmt^eit  bor.  9?äb,ereS  so 
Wirb  ficb,  jebodb,  erft  fagen  laffen,  Wenn  feine  ©djriften  in  ib,rem  aSert^ältniS  ju  ben  Duellen 
genauer  unterfucl)t  fein  Werben.  —  £)ann  biirfte  fid;  aud;  Wo^l  bie  ßeit  SictorS  eher  be= 
ftimmen  laffen.    Stelletcfyt  gehört  er  bod;  nod;  ber  ,3eit  um  550  an.       W-  SBomuctftf). 

Victor,  53ifd;of  bon  Sabua,  geft.  554.  —  Uqfteßi,  Italia  sacra  VI  (od.  seeunda 
Venet.  1720),  p.  306 sq.;  3.  »an  .freefe,  ASS,  Oct.  VJII  (Brux.  ISO:'.),  p.  81  sqq.;  3.  2.65 
3aco6t,  3eitfrf)r.  f.  djriftt.  3Siffeufd)aft  unb  cliviftt.  Sebett,  Berlin  1H54,  ©.246 ff. ;  vi.B.^itrn, 
Spicileg.  Solusm.  I  (■"Parte  1852),  p.  Lsqq.,  2(15  *<\<\.  287.  296;  ßaljn,  3-orfd)ungen  ,v  ©efcl). 
b.  ntt.  fianon§  I  (Erlangen  1881),  ©.  lff.;  berf.,  ©efd).  b.  ntl.ftanou*  II,  ©.  535 ff.;  beif., 
Patrum  apostolic.  opera  cd.  ©ebljnvbt,  ^arnaef,  .;{n[)u  ii  (Lips.  1S76),  p.  XLVIIsq. 


608  Sßictor  bon  (Sapna 

©ie  Seben^ett  5Sictor§  tft  nadj  bem  terminus  ad  quem  beftimmt  burd)  bte  nod) 
erhaltene  ^nfd^rift  feinet  mjtotf^en  aßerbingS  berfcfyottenen  ©rabfteineg  (CIL  X,  4503 ; 
bte  äußere  g-orm  toar  offenbar  biefelbe,  tote  bte  bei  ber  ©rabfdirift  be3  ^robinu<§,  bte  nocfc, 
erhalten  tft  ib.  4517).  ©iefe  $nfd)rift  lautet:  Vir  beatissimus  Victor  episc.  sedit 
5  ann.  XIII.  dies  XXXVIII  depositus  sub  die  IUI  non.  April,  ann.  XIII.  PC. 
Basilii  V.C.  indictione  secunda.  ©a  SafUiu3  541  n.  Sfyr.  jum  erften  9Jtale  Slonful 
toar,  entfbricfyt  ba§  13.  ^onfulat  bem  %ai)xe  554,  toomit  aud)  bte  ^nbtftton^af)l  ftimmt. 
21m  2.  2l!prtl  554  tourbe  bemnacb,  SStctov  betgefe|t,  nad;bem  er  ba3  'Bistum  ßabua  13  $al?re 
unb  38  Sage   regiert   I)atte.     ©ein  2Imt3antrut   ift   alfo   auf   ben  24.  gebruar  541    ju 

10  fe^en.  ©er  ©rabftein  toar  nad;  Ugfyelli  (Italia  Sacra2  VI,  p.  306 C)  in  aedibus  quae 
Joannis  Hieronymi  de  Capua  prope  sedile  de  Antimario  dictum  gefunben 
toorben;  toie  berfelbe  ©cb.riftfteUer  nad)  ber  ^lofterdjronit  beg  23incentiu§  3Seraj  berietet 
(p.  307  A),  fanb  man  33ictor§  ©ebeine  am  27.  $uli  1480  unter  bem  §aubtaltar  ber^irdje 
be3  lUofterS  be3  Mons  Virginis.    Über  bie  ^ßerfon  unb  bie  3Ser^äItniffe  SStctorS  ift  nid)t§ 

15  toeiter  befannt.  ©as>  Martyrolog.  Roman,  ertoäfynt  ibn  unter  bem  17.  Dftober  unb 
nennt  ii)n  eruditione  et  sanctitate  conspicuus.  ©ie  berfdjiebenen  9tad)ricf;ten  6,at 
2;ritb,emiu§  ju  folgenbem  •  Geriet; t  jufammengefafet  (de  Script,  eccl.  182  bei  $abriciu3, 
Bibl.  eccl.,  Trith.  p.  51):  in  scripturis  sanetis  eruditus,  et  in  saecularibus  lit- 
teris  sufficienter  imbutus,    theologus  et   computista  egregius,    acer  ingenio  et 

20  eloquio  clarus  in  sacris  uoluminibus  fertur  nonnulla  scripsisse  opuscula,  sed 
paucissima  eorum  ad  notitiam  meam  peruenerunt.  ©iefe  Slngaben  geigen,  bafj 
STrittenfyetm  eigentlich  nid)t§  toeiter  bon  SSictor  toufjte  als  bafj  er  ber  Skrfaffer  ber  ©cfyrift 
über  ba3  ^ßafdja  unb  ber  Harmonie  fei. 

33on  3Sictor§  ©Triften  ift  nur  toenig  erhalten,  ©ie  SBemertung  SLrtttenI)eim§,  bafj  er 

25  ein  gelehrter  Üombutift  getoefen  fei,  gefyt  auf  bie  Semerfung  33eba§  jurüd,  -ber  in  feiner 
©cfyrtft  de  ratione  temporum  49  (Opera  II,  p.  159  ed.  Basil.  1563)  eine  ©teile 
au<§  einer  gegen  ben  Cursus  Paschalis  be<?  SictoriuS  gerichteten  ©cfyrift  de  pascha 
anführt,  ©iefe  ©djrift  mufs  Slnfang  550  gefdjrieben  fein  unb  jtoar  $u  bem  $toed,  um 
nacbjutoeifen,   bajj   im  ^a|r  550  ba3  Dfterfefi   am  24.  2tbril  unb  nicfyt  am  17   gefeiert 

30  toerben  muffe,  toomit  93.  übrigeng  im  Unrecht  toar.  Slufjer  bem  bon  33eba  cttierten  2ln= 
fang  ift  bon  biefer  ©ct/rtft  nicfytg  erhalten.  (Sine  2lnga|)t  Don  ©cfyolien  t/at  $itra  au§ 
einer  ^ßarifer  §f.  (lat.  388  [s.  X])  beröff  entließt,  bte  33ictor,  toie  e§  fcfyeint,  au§ 
einer  grted;ifd;en  ^atene  überfeijt  l;at;  fie  betreffen  $olr/tarb,  DrigeneS,  23afiliu§,  ©iobor 
b.  £arfus>,  ©eberianu3  bon©abala  unb  ein  ©eronttfon  (Spicileg.  Solesm.  I,  p.  265  sqq.). 

35  2Iu3  berfelben  £f.  flammen  einige  Fragmente  au§  einem  Sud)  mit  bem  %itd :  Reticulus 
seu  de  arca  Noe  OJMtra  1.  c.  287 sqq.).  Sfäcfyts»  mefyr  erhalten  ift  bon  ben  capitula 
de  resurrectione  domini,  bie  noeb,  im  9.  I^afyrfyunbert  borfyanben  getoefen  ju  fein 
fdjeinen  (f.  'ptra  1.  c.  p.  LIII).  @tne  ^atene  ju  ben  bier  ©bangelien,  bie  geuarbent 
(Irenaei  V  libri  Paris.  1639,  9bte  ju  III,  3  p.  240  sq.)  in  einer  alten  §f.  bon  ÜBerbun 

40  unter  bem  tarnen  be§  Victor  bon  Sabua  gefunben  ju  b,aben  beraubtet,  ift  toa^rfdjeinticb, 
ibentifd)  mit  ber  ©djrift,  au§  ber  ^3itra  feine  ©djolien  ebiert  fyat  unb  bie  in  ber  ^3arifer 
§f.  ben  tarnen  beö  Qo^anne'S  ©iaconuö  trägt. 

9Btd;tiger  aU  biefe  ©djrtftftetlerei,  über  beren  S^arafter  wir   au§   ben   !ümmerlid)en 
Stcften  fein  red)tc3  Urteil  getoinnen  tonnen,  ift  feine  SBemüfmng  um  eine  lateinifdje  ©bans 

45  gelien^armonie,  bie  feinen  92amcn  mit  ber  ©efdtidite  be3  ©iateffaronS  untrennbar  ber= 
fnübft  b,at  (j.  b.  1.  „tebangeIienb,armonie"  Sb  V  ©.  657,eoff.).  ®ie  ältefte  §f.  bilbet 
ben  toertboßften  ©cfyat?  ber  Sibliotl^ef  ju  gulba ;  fie  ift  bon  Victor  felbft  in  Auftrag  ge= 
geben  unb  bor  bem  Qaljre  546  bollenbet  toorben  (f.  @.  -Kante,  Codex  Fuldensis,  5Rar= 
burg_  1868,  p.  VIII).  ©ie  ltnterfd;rift  lautet  (9iante  p.  462) :  Victor  famulus  Christi 

50  et  eius  gratia  episc.  Capuae  legi  apud  basilicam  Consta  ...  ianam  d.  XIII.  Kai. 
Maias  Ind.  Nona  q  .  n  p.  c.  Basilii  u.  c.  Cos.  iterato  legi  ind.  X.  die  prid. 
Iduum  April.  ©a3  erfte  ©atum  =  19.  2lbril  546,  ba§  jtoeite  =  12.  Slbril  547  Dh 
fid)  bie  Semertung  auf  eine  ©iortfyofe  begießt,  lä^t  fid;  ntdjt  mit  ©icfyerfyeit  erfennen,  ift 
aber  H3ar)rfd)emltct).  (Sine  äbnttcbe  33emertung  finbet  ftd>  aud;  hinter  ber  21©  (Diante  p.  398, 

55  2.3JJat546).  ©ie  gutbaer  §f.  enthalt:  1.  eine  ©bangelienfyarmonie,  2.  bie $aulinifd;en Briefe 
einftt^liepd;  be§  §ebräerbriefe§,  3.  bie  21®,  4.  bie  £anonifd;en  Sriefe,  5.  bie  2lbf.  33on 
biefen  ©tüden  ift  ba§  erfte  ba§  toid;tigfte,  ba  e§  bem  21benblanb  bie  J^unbe  bon  SlatianS 
©iateffaron  bermittelt  b,at.  Victor  berietet  in  bem  ©ingang  ber  33orrebe  (JRanfe  p.  1): 
Cum  fortuito  in  manus  meas    ineideret   unum   ex  quattuor  euangelium    con- 

60  positum  et  absente  titulo  non  inuenirem  nomen  auctoris,  diligenter  inquirens 


SBictor  bon  ®apm  609 

quis  gesta  uel  dicta  domini  et  saluatoris  nostri  euangelica  lectione  diserta  in 
quo  se  consequi  uidebantur,  non  minimo  studii  labore  redegerit,  repperi  Am- 
monium quendam  Alexandrinum  etc.  SDarauS  ergiebt  ftcb,  bafj  Bictor  bte  §armonie 
anonym  borgefunben  fyat,  bafj  er  toerfui^te,  ibren  Urheber  ju  ermitteln  unb  bafj  er  babei 
nur  jmei  äbnlicb  geartete  Söerfe  ermäbnt  fanb,  unb  jhjar  betbe  bon  @ufeb,  nämlicb  ben  5 
Slleranbriner  SlmmoniuS,  bon  beffen  Slrbeit  ficb  SSictor  au§  ©ufebS  Brief  an  Sarbian  eine 
falf<|e  Borftellung  macbte,  unb  Satian,  über  ben  er  ©ufebS  $@  einfab.  Beibe  Quellen 
bat  er  in  ber  Borrebe  beutücb  angegeben.  Über  baS,  maS  er  bei  (gufeb  borfanb,  gebt 
feine  Kenntnis  ntdbt  binauS.  £>em  gegenüber  ift  eS  ganj  müjjig,  fid)  ben  Kobf  barüber  ^u 
gerbredben,  tüte  er  ju  ber  SeSart  dia  pente  als  %itd  bon  SatianS  Harmonie  gefommen  ift ;  10 
benn  biefe  SeSart  bat  feinerlei  banbfcbriftlicbe  ©emäbr,  meber  in  ben  griedbtfdbert  |>ff.  beä  Sufeb, 
nod)  in  benen  ber  lateintfcfyen  Überfe^ung.  ^ubern  W  Victor  ©riediifd;  genug  gerannt, 
um  ju  mtffen,  bafj  ber  Stiel  nur  SDiateffaron  fein  tonnte.  SSictor  giebt  nun  weiter  in  ber 
vi<orrebe  felbft  an,  bafj  fein  355er!  eine  Überfe^ung  ift.  @r  fcbreibt  (p.  2,  15 ff.):  Verum- 
tamen  uel  si  iam  heresiarces  huius  editionis  auctor  extitit  Tatianus,  uerba  do-  15 
mini  mei  cognoscens  libenter  amplector  interpretationem ;  si  fuisset  eius  propria, 
procul  abicerem.  ®amit  ift  llar  unb  berftänblicb  gefagt,  bafj  Bictor  eine  editio  bor= 
fanb,  bie  er  für  tatianifct)  f)ielt,  unb  bafj  er  fiel)  mit  tbrer  Überfe^ung  befafjte,  weil  er 
in  ibr  bie  Söorte  beS  §eilanbs  ernannte.  @r  bätte  ftcb  mit  ir)r  nid)tg  ju  febaffen  gemalt, 
wenn  er  in  ibr  bie  Sporte  beS  $äretiferS  gefunben  bätte.  SDarauS  ergtebt  ficb,  bafj  bie  20 
editio  grieebifeb  mar,  unb  bafj  Victor  in  ber  %t)at  als  Überfeiner  ober  bielmebr  Bearbeiter 
ber  Harmonie  ^u  gelten  bat.  ^nbem  gafyn  biefe  flare  SluSfage  ignoriert,  fommt  er  ju 
ber  Befyaubtung,  bafj  SSictor  nichts  babon  fage,  er  fei  nur  Überfeiner. 

ßabn  bat,  bon  feiner  Sbefe  auSgefyenb,  baf$  Satian  baS  ©iateffaron  ffyrtfdb  abgefafjt  babe, 
BictorS  ttermemtltcbeg  ©cbmeigen  fo  gebeutet,  bafj  er  eine  lateimfcbe  Arbeit  borgefunben  unb  25 
biefe  rebigiert  babe.    SDafj  biefer  Sateiner  baS  2)iateffaron  SatianS  in  feiner  Kombofition, 
niebt  aber  in  feinem  3Sortlaute  rebräjentiere,  mar  ^meifelloS  gemorben,  feit  man  bureb  ©bbrämS 
Kommentar   unb  bie    arabifebe  Überfettung  beffen  ©truftur  genauer  lernten  gelernt  t)atte. 
Slber  menn  eS  fid)  mirflid)  um  eine  lateinifcfye  Arbeit  gefyanbelt  b/ätte,  bie  Btctor  borfanb,  fo  ift 
ferner  begreiflieb,   bafj   er  ofme  ein  SSort  barüber  ju  fagen,  auf  SlmmoniuS  ober  Satian  30 
al§  Berfaffer  berfallen  ift,  ba  if>m  bod)  ntebt  unbefannt  mar,  bafj  biefe  griecfnfcb  getrieben 
batten.    ^bm  obtv  dm  Bearbeitung  be<§  griecb,ifcben  Satian  zutrauen  finb  mir  berede 
tigt,  feitbem  bie  bureb,  ^ßitra  beröffentlicbten  Fragmente  befannt  finb,  in  benen  er  fid?  al§ 
ein  be§  ©rieebifetjen  genügenb  mächtiger  Überfe^er  ertoeift.  ®al)er  befteb,t  aueb,  in  biefer  9tid)= 
tung  feine  ©d}ir>ierigfeit,  ib,m  aueb  eine  latctntfcbe  Bearbeitung  be§  ®iateffaron  jujufcbreiben.  35 
35amit  mürbe  aEerbingg  ber  Vermutung  QafynZ,    ba^   ba§  ®iateffaron   ein    urtyrüngltcb 
ftirifd)  abgefafete^  33ud>  gemefen  fei,  ber  Boten  entzogen.    ®enn  ba^  Bictor  ber  ftjrifcben 
©bradje  ntdbt  mäd)tig  gemefen  ift,  berftebt  fid;  bon  felbft. 

2)ie  Slrbeit  BictorS  beftanb  bemnacb,  barin,  ba§  grteebifebe  Original  burd)  bie  Iatei= 
ntfdbe  Überfe|ung  be§  §ieron^mu€  roieberjugeben.  9^ur  ein  SJlann  mit  ausgebeizter  Btbeb  40 
!enntni§  unb  ausbauendem  gleife  fonnte  eine  foldbe  Arbeit  unternebmen.  ®a^  eö  Bictor 
nidit  an  ben  nötigen  ^enntniffen  fehlte,  barf  niebt  bejmeifelt  merben,  ba  Beba,  ber  bod) 
trobl  urteilsfähig  genug  gemefen  ift,  feine  ©elebrfamEeit  auSbrücflicb,  bezeugt,  ©in  3eu9n^ 
beS  ^leifeeS  ift  bie  Übertragung  ber  eufebtanifdbert  ÄanoneS  auf  bieS  Söerf,  bie  aEerbtngS 
anbererfeits  aueb,  mieber  bie  Slrbeit  erleichterten;  ba|  bie  Arbeit  mübeboE  mar,  fpriebt  Bictor  45 
felbft  au§  (Stanfe  p.  2  domino  iuuante  Studium  laboris  inpendi,  ut  memoratos 
numeros  per  loca  congrua  diligenter  adfigerem).  So  ift  lein  ©runb  einjufeben, 
auS  bem  mit  einiger  ©icberfyeit  gefolgert  merben  fonnte,  bafj  Bictor  nicfyt,  morauf  feine 
2lnfüf)rung  bon  2lmmoniuS  unb  Satian  unb  feine  Berufung  auf  ©ufebiuS  fd)Iie|en  laffen, 
felbft  eine  griednfebe  §armonie,  nämlid;  eben  biejenige  beS  Sgtian,  lateinifd;  bearbeitet  50 
tjohi.  ©abei  bat  er  freilieb  faum  angebeutet,  ba^  eS  nur  eine  Überfetjerarbeit  mar,  bie  er 
geleistet  bat.  äCber  tbatfäcblicb  mar  eS  ja  aueb  Eeine  fold)e.  @r  ^at  bielmebr  bie  Bulgata 
ber  Gbangelien  in  ©tücfe  ^erteilt  unb  biefe  ©tücfe  nacb  einem  ibm  borltegenben  9)tufter 
neu  jufammengefügt.  SSarum  er  fict)  nidbt  beutüdber  über  feine  Slrbeit  unb  bie  bon  ibm 
benu^te  Borlage  auSgelaffen  t)at,  barüber  mit  ibm  ju  redeten  märe  mü^ig.  ?tur  ein  @in=  55 
toanb  märe  noeb  etma  ju  erbeben,  oa^  nämlid)  ein  Bifcbof  bon  ßabua  in  ben  ^abren,  in 
benen  in  ©übitalien  bie  milben  Kämpfe  BelifarS  gegen  bie  Dftgoten  tobten,  ju  einer  fo 
gelehrten  unb  jeitraubenben  SXrbcit  feine  Sdtufee  gefunben  baben  merbe.  ^iat  berfelbe  ÜJiann 
in  biefen  bemegten  Reiten  5Rube  ju  Unterfucbungen  über  bie  DfterfanoneS  gefunben  unb 
bat  er  maneberlei  ejegetifebe  Sirbetten  bollenbcn  fönnen,  fo  mufj  man  eben  annebmen,  ba^  60 

8)ea(=(Snc^fIot)äMe  für  SEöeoloßie  unb  Siit«e.    3.  21.  XX.  39 


610  Stctor  tum  &apua  Stctor  toon  ßortcnno 

il)n  bic  $riegs>unrub,en  bod)  nicfyt  in  bem  SJia^e  bort  fetner  toiffenfdjaftlicf/en  SEbätigreit 
abzogen,  tote  totr  ba§  ettoa  bon  unferm  ©tanbpunft  aus  für  felbftberftänblicb,  galten  tonnten. 
2ftag  bem  nun  fein,  tote  ibm  tooEe,  jebenfaES  f/at  SStctor  ein  anwerft  berbtenftltcbeS  2Ser! 
bamit  getl^an,  bafj  er  bie  mür/fame  Slrbeit  £atian§  für  ba3  2lbenblanb  rettete.  2öie  bie 
5  ©fyrer  fo  l)aben  aud)  bie  ©eutfeben  ba§  ©bangelium  in  tbrer  ©bracbe  juerft  in  ber  ©eftalt 
biefer  Harmonie  rennen  gelernt,  ba  bon  23ictor3  Arbeit  fpäter  eine  aItbocj)beutfd)e  Ueber= 
fefcung  angefertigt  toorben  ift.  ©rwin  ^reuftfjen. 

Victor  tum  ©ortenna,  5.  $ab,rl).  —  Quellen  u.  Sitteratur.  I.  Gennadius  presbyter 
Massiliensis  de  viris  illustribus,  c.  77,  ed.  Bemoulli  in   ber  ©uftciu  ®rügerfd)en  Sammlung, 

10  9Jr.  XI  [1895],  ©.  87  —  betä  «Büdjlem  laut  bem  ©cblufefapitel  bem  <£apft  ©elafiuS  I.  (492 
Bis  496)  geroibmet!  —  einzige,  aber  unantafibare  Queue.  Sie  fdpn  balb  nadj  483/84  ent= 
ftanbene  „Notitia  provinciarum .  et  civitatum  Africae",  ed.  Petschenig  ad  calceru  beS  Victor 
Vitensis  im  SBtener  Corpus  VII  =1881,  @.  115  ff.  117.  128  f.  ift  nur  ergänjenb. 

II.  D.  Bödter  (f!),  Slrt.  Vict.  Cart.  in  biefer  pt@2,  XVI,  ©.  446;     Saoe,  Hist.  patr. 

15  lit.  I,  2.  360;  ®u  $in,  Nouv  biblioth.  des  auteurs  eccles.  III,  2,  ©.  180 f.;  SiHemont, 
Memoires  etc.  XVI,  ^artS  1712,  ©.611  f.;  9Jtarat§,  Hist.  des  Wandales,  *ßariS  1836,  »gl. 
j.  58.  im  Seit  @.  185 f.,  189  nebft  9?ote  (9,  @.  35;  f.  aud)  bie  9?oten  ©.  18.  36 f.);  $apen= 
corbt,  ©efd).  ber  tmnbatifdjen  §errfd)aft  in  Slfrifa,  SBerlin  1837,  »gl.  j.  33.  SSerbefferungen, 
@.  441—444,  ©.  242  Slnm.  2  imb  3,  ©.  243  Slnm.  1,  ©.  246  Slnm.  2  p  ©.  245,  ©.  251 

20  ?(nm.  4,  ©.  253  Sinnt.  1,  ©.  254  Slnm.  3,  ©.  261  Slnm.  1.  3,  ©.  262  Sinnt.  2.  6,  ©.  263 
Slnm.  1,  ©.  267  Sinnt.  1,  ©.  293  nebft  Slnm.  1  baf.,  ©.  300  nebft  Slnm.  2  je;  «ßott^aft, 
Biblioth.  hist.  II2,  ©.  1090;  geltr.  ®afm,  Könige  I,  p.  XV  XVI,  @.  240  Slnm.  5; 
£f).  SRommfen  unb  Emil  £übner  in  ©93SI  1861,  @.  529  f.  Slnm.  1;  ©corg  3Sai|,  Seutfdie 
S3erfaffungSgefd)id)te  I2,   ©.  166  f.  Slnm.  3;   berf.,  Sefprediung  r>on  ®aljn,  Könige  I  unb  II, 

25  ©gSl  1861,  ©tuet  50,  ©.  1992;  Sflirfdjl,  SeCjrbud)  ber  «Jäatrol.  unb  «ßatrtft.  III,  ©.  319  f. 
Slnm.  6;  ßubro.  ©dimibt,  ©efd).  ber  SBanbaten,  ©.  198;  SS.  SSattenbact),  SeutfdjlanbS  ©e= 
fd)id)t3queüen  (I7,  ©.  91  f.,  Slnm.  4). 

Enblid)  üerroeife  idj  mit  SRücfftdjt  auf  ben  mir  pgeiuiefenen  überaus  fnappen  SRaum 
luegen  aller  Ginjetbeiten  auf  bie  auSfübrlidie  ©lubie  t>on  ^ranj  ©örreS,    3>er    ed)te  unb  ber 

30  fatfdie  Sictor  öon  Gartetma,  ßmZf)  1906,  ©.  484—494. 

2Ran  mufj,  um  btefe§  ftr$engefcbid)tlid)e  unb  patrifttfebe  9iätfel  ju  löfen,  jtoifd)en 
bem  eckten  unb  bem  falfd)en  Sartennenfer  auf§  forgfältigfte  unterfd)eiben.  25er  ed)te  SStctor 
unb  feine  ©Triften  finb  nur  burd)  ©ennabiuS  bezeugt.  §iernad)  toar  er  Söifcbof  bon 
ßartenna  in  SJiauritanien,  unb  jtoar  im  cäfarienfifdjen  laut  ber  „Notitia",  öerfa^te  eine 

35  2lpologie  ber  Drtboborje  gegen  ben  2Iriam3mu§,  bie  er  einem  ©eiferid)  (reg.  427  bejto.  429 
—  25.  Januar  477)  ju  überfenben,  ben  aner!ennen§toerten  3Jtut  befafj.  SBeiter  febrieb 
er  ein  SBucb,  über  bie  öffentliche  ^'irc^enbu^e,  richtete  ein  SLroftfdireiben  an  einen  getoiffen 
SSafiltuö,  toorin  er  it)n  in  feinem  ©djmerje  über  ben  SBerluft  beö  ©ob,ne§  mit  ber  £>off= 
nung  auf  ein  2öieberfer/en  im  ^enfeit§  aufzurichten  fud)te,  unb  Veröffentlichte  enblid)  aud) 

40  eine  ©ammlung  öon  ^5rebigten.  ®ie  „Notitia"  ertoäbnt  al§  Dberfjirten  »on  ßartenna 
um  484  einen  SucibuS;  ba§  toar  toob^l  unfere§  Victor  unmittelbarer  -Jcacfyfolger.  Seiber 
finb  fämtlid^e  SBerfe  beö  6artennenfer§,  aud)  feine  getoi^  toertboEe,  an  ben  getoaltigen 
3knbalenl)errfd)cr  gerichtete,  Slpologie  be§  ltatbolici§mu§  fd;on  längft  gänjlt^  berfc^oEen, 
unb  aEe  33erfud)e,   toenigftenö  @inige§  aU   geiftigc§  Gigentum   be§  Slutorö   ju    „retten", 

45  laffen  fid)  enttoeber  auf  9JciJ5berftänbni§  unb  ^rrtum  ober  gar  auf  eine  grobe  fbanifd)e 
gälfd)ung  au§  fef)r  fpäter  &\t  jurücEfütjren.  Gabe  unb  ©u  ^in  nehmen  an,  bie  ©d)rift 
„De  poenitentia  publicani"  fänbe  fid)  ^utoeilen  inmitten  älterer  2lu3gaben  be§  2Imbro= 
fiu§  bon  9J?ailanb  berftedt,  unb  feine  Jroftfcbrift  füb,re  in  bereinjelten  älteren  ©bitionen 
SSafiltug'  be§  ©rof5en  ein  befdjaulicfyeS  ©afein!     2öag  nun  ^unöct/ft  „de  poenit."  betrifft, 

50  fo  toiE  SiEemont  biefeä  Dpu§  mit  meb/r  Siecbt  bem  bekannten  Victor  Tonnonnensis  ju= 
toeifen,  ber  feine  Gr/ronif  erft  567  abfc^lo^,  alfo  ungleid;  jünger  al§  ©ennabiuö  ift.  Se= 
jügiid)  ber  angeblid;  unter  bie  Söerie  eineö  33afiliu§  geratenen  £roftfd)rift  ift  5oIgenbe§ 
einjutoenben:  @rften§  ift  e§  per  se  eine  gan^  ungeheuerliche  3Sorau^fe|ung,  eine  ©d)rift 
be3    lateinfebreibenben    abenblänbifd)en  33ifcb,of§  Victor   b,ätte,   toenn   aud)  nur   in   einer 

55  Überfettung,  in  ben  SBerten  be§  gried)ifd)en  5ßrälaten  Slufnab^me  gefunben !  gUmte-"*) :  3tur 
au§  bem  beifpiellog  naiben  ©runbe,  toeil  ber  3lbreffat  unfereg  Victor  aud)  SafiliuS  bief^, 
fönnte  bielleid)t  ein  Untoiffenber  ba§  9)cad)toerf  ben  äöerfen  be§  großen  ßabbaboKerg  eingereiht 
baben.  ©ritteng  enblid) :  ©ogar  in  ber  SRauriner  2lu^gabe  be§  Basilius  M.  finbet  fid) 
freilid)  tom.  II,  ^aril  1722,  ©.  697  ff.  abgebrudt  bie  ©cr/rift:  s.  Basilii  de  con- 

60  solatione  in  adversis,  incerto,  sed  antiquo  interprete  [ ! !  sie !].  ©ie  ift  aber  fid)er 
ntcEjt  ibentifd)  mit  bem  Xroftfcbreiben  be»  ßartennenferg,  infofern  barin  jebe  Sejiebung  ^um 


Victor  Uon  (Sotrtcnntt  SBtctor  bon  £umtemtft  611 

2lbreffaten  33afiliu3,  ber  nict/t  einmal  genannt  toirb  [!],  gänjlid)  feBtt.  sDtarcu3  citiert  unb 
bernxnbet  für  feine  „Hist.  des  Wand."  fogar  als  eine  §aubtquelle  ben  Vict.  Cart.  in 
ber  angeblichen  2lu3gabe  bon  Mientras,  Schediasmata  antiqua  Madriti  1645  (alias 
1653)  4°  unb  toitl  biefeS  fragliche  Dpu§  zuSDijon  in  ber  23ourgogne  benutzt  fyabcn!  $lnn 
folgt  fflabifcb.  in  ber  häufigen  93ertr>enbung  ^abencorbt,  obgleich  er  feine  Sebenfen  i)at.  5 
Sefcterer  felbft,  £>al)n,  @mil  §übner  unb  ©.  2Bau)  r/aben  inbeB  obne  ben  geringften  @r= 
folg  bem  angeblichen  Mientras  in  aßen  größeren  eurobätfdjen  23ibliou)ei'en  nad)gefpürt. 
Subto.  ©d)mibt,  ^ßottfyaft  unb  SSattenbad)  begetdmen  alfo  mit  5fted)t  ben  ^ßfeubo=23ictor 
bei  Mientras  all  eine  plumpe  ftoanifd)e  gälfd)ung  au<§  fefyr  fbäter  ^eit. 

(Rödler  f)  $ra«s  <$$öm§.     10 

Victor,  6Iaubiu§  SfftariuS,  geft.  ca.  125.  —  Sie  Siteren  ausgaben  Don  ©agneiuö, 
iDiorel,  gabriciuS  finb  ganj  unbrauchbar.  ©§  fonrnit  nur  in  33etvad)t  CSEL  16  «on  @d)enft. 
—  äitteratur:  2>ie  Einleitung  üon  ©üienfl;  sKJaurer,  De  exemplis  quae  Cl.  M.  V  tn 
Alcthia  secutus  sit,  9)iar6urg  1896  (3)tff.);  ©cunber,  Le  livre  de  la  Genese  dans  la  poesie 
latine  du  V  siecle,  $ari§  1898;  gbert,  ©efcf).  b.  ßttt.  b.«Dc?I,  I,  <S.  354 f.;  SJcamtiuss,  @efcl).  15 
b.  d)riftl.=tat.  ^oefie,  ©tuttg.  1891. 

Über  33.  baben  wir  nur  bie  lurje  9iottj  Don  ©ennabiuS  vir.  ill.  41,  monad)  er 
Styetor  in  9Jcaffilia  gemefen  unb  Theodosio  et  Valentiniano  regnantibus,  alfo  ^toifd)en 
425—450,  geftorben  fei.  3)er  ^came  lautet  in  ben  §bf.  23iftor,  bei  ©ennabiug  33iftoriu§ 
ober  93i!torinu§.  'Sag  unter  feinem  tarnen  überlieferte  2öerf  ift  ein  biblifd)e3  ©bog,  20 
Alethia  betitelt,  freie  Dcac^erjä^lung  ber  ©enefiS  in  .§>erametem.  Vermutlich  auf  12  23üd)er 
angelegt,  gebt  eS  jetjt  in  3  33üd)ern  bi<3  jum  Untergang  ©oboms>.  ©ennabiuS  läfst  ben 
SSerf.  fein  Söerf  feinem  ©otm  3itberiu3  mibmen.  2(u3  bem  ©ebtd)t  felbft  gebt  fyerbor, 
bafj  bie  2lbfid)t  be<§  Verf.  mar,  ben  ©dmlen  biblifdjen  Sefeftoff  in  flafftfdjer  %oxm  zum 
©rfa|  ber  b,eibnifd)en  Jftaffifer  ju  liefern.  @§  ift  infofern  ein  bebeutfameS  Eulturgefd)icb>  25 
Itcfyeä  ©enfmd,  aber  aud}  an  ftcb,  nid)t  otme  boetifcf)e§  Verbienft.  2Jl§  4.  33ucb,  featte 
©agneiuS  bem  3Ber!  33. §  ba3  „(Epigramm"  eine§  unbekannten  ^)3aulinu§  angehängt,  ba3 
nun  ebenfalls  Don  ©cfyerdl  a.  a.  D.  neu  herausgegeben  würbe.  (§3  ift  bermutlid)  um 
408  gefdjrieben,  eine  in  gorm  einer  fletnen  boetifd)en  @rjäb,Iung  gefleibete  23uf$brebtgt, 
toeld)e  beflagt,  bafj  man  in  ©allien  nad)  ben  Vermüftungen  be§  Vanbalen=  unb  2llanen=  30 
einfaßt  lieber  bie  SBeinberge  toteber  cmbaw  unb  bie  jerfcblagenen  Schüren  unb  g-cnfter 
toieber  b,errid)te,  al§  bie  ©efilbe  ber  ©eele  unb  bie  9tatr;ciufer  beg  §erjenl.  Ol.  Sdjmiö. 

S5ictor, 23ifd)of  bon  ^unnenna  (^onnonna?,  'Sonnenna?,  ^unna?)  in  ber^]robinj 
Afriea  proconsularis,    geft.  nad)  565.  —  SUtSgaben  fetner  ©f)rorttf  MSL  68,  MG  Auctt. 
ant.  XI,  1  (üon  sJ3lontmfen),  p.  184—206.  23gt.  aucb  bie  Prolegomena  bort  p.  178 ff.;  $apen=  35 
corbt,  ©efrf)id)te  b.  uanbat.  ^errfcbaft  in  2lfrt£a  1837,  359—365;    ü.  ©statoiuSfi,  Sftbor  unb 
3tbefon§  als  2iterart)iftorifer  1898,  62—64. 

Unter  ben  $ortfet$em  bon  ^rofper§  begto.  §ieront)mu§'  2Mtd)ronif  t)erfteb.t  eg  b!o§ 
biefer  Slfrüaner,  ben  Sefer  aucb,  menfcb^licb,  p  feffeln.  ©ein  ©efid)t§frei§  ift  befd)ränft,  — 
älfrüa,  Itonftantinopel  unb,  für  bie  letzte  ^eriobe,  2llejanbrien  — ,  e3  paffieren  ib,m  arge  40 
d)ronologifd)e  S3erftöfee,  unb  er  fd)reibt  all  ftrd£>Itd^er  ^]arteimann.  3Sir  f;aben  fein  35>erf 
ntd^t  met)r  bollftänbig  bor  un§;  erhalten  ift  feine  ßb,ronif  bon  444—566  (567),  —  aber 
Stüdbertoeifungen  in  biefem  3lbfd)nitt  betoeifen,  mal  Isidorus  Hisp.  vir.  ill.  38  (bgl. 
Chronic.  MG  XI,  424  unb  Etymol.  V,  38,  6  f.)  beftätigt,  bajj  33ictor3  9Ber!  aucb,  mit 
ber  ©d^bbfung  ber  SBelt  begonnen  t)atte,  natürlid)  nur  ©ingel^eiten  in  ben  Vorgängern  45 
ergänjenb.  ©ie  felbftftänbige  Strbett  begann  mit  bem  ^al>re  444:  23ictor3  ©scmblar  bon 
^rofber  reid)te  bemnad)  blof,  U§  443.  —  33ictor  ift  einer  ber  tabferften  ©treiter  gegen  bie 
Xb^eologie  ^uftinianä  unb  für  bie  brei  Äabitel  getoefen.  ÜBir  berbanfen  ib, m  eine  SRenge  ge= 
nauer  Zotigen  au§  ber  ©efcl)ic§te  biefe§  Äampfel,  feine  eigenen  ©dndfale  geboren  mit  in 
biefe  3fteib,e.  3um  Qab^re  555  bermerüt  er,  bafe  er  mit  einem  anberen  afri!anifd;en  33ifd;of,  50 
£I)eobor,  nacb  2llejanbrien  exiliert  mürbe;  er  l;atte  bamafe  aber  fd)on  bielfad)e  Verfolgungen 
hinter  fid;.  SnStgtybten  med)felte  er  baö  ©efängnig;  564  fd?afftc  man  ib,n  nad^^t^anä, 
too  ber  ^3atriarcb  @utt)d;iu§  unb  ber  Äaifer  felber  fid)  bon  feiner  Unbeugfamfeit  überzeugten. 
6r  tourbe  in  einem  ber  bortigen  Softer  interniert  unb  fab  feinen  greunb  Ifyeobor  gleid)= 
zeitig  mit  bem  ft'aifer  ^uftinian  am  14.  9cobember  565  fterben;  mit  bem  3icgierungl=  55 
antritt  ^uftinS  II.  fd}lie^t  er  feinen  33erid;t,  ber  fd;tr>erltc6  biel  fbäter  aU  566  bollenbet 
toorben  ift.  93on  einer  ib,m  burd)  ben  neuen  Äaifer  bermiKigtcn  sJtüdfel)r  in  ^eirnat  unb 
Sigtum  fagt  er  nidjtSj.cr  mirb  mob^l  in  V^anj  geftorben  fein,  nad)bem  er  bort  bie  jum 
größten  %t\l  fd)on  in  IHg^bten   aufgefegte  ©bronif   an  feine  Aicunbc  jur  iscröffcntlidutng 

39* 


612  Victor  t»on  Sunttcnna  Sßictor  bon  SStta 

übergeben  t)atte.     Die  ©acfye,    für  bie  er   lebenslang   gefämbft  Ijatte,   mar  berloren,  bgl. 
barüber  6b,.  Diel,  l'Afrique  byzantine  1896,  434—449. 

©djon  öftbor  Ijat  bon  SStctor  nichts  weiter  geteuft,  als  maS  er  in  SSiftorS  (Ebronit 
IgS,   ^ritfyemiuS  bietet  ibm  noeb,  einige  anbere  Sßerfe  an.    (Sine  bünne  r/anbfcr;riftlicr)e 

5  Überlieferung  bringt  ben  bfeuboambrofianifer/en  Straftat  de  poenitentia  MSL  17,  1059  bis» 
1094  mit  ib/nt  in  SSerbinbung,  mäb/renb  ber  erfte  Herausgeber  an  SSictor  bon  ßartenna 
gebaut  t/atte.  ©djabe,  bafj  bie  Überfcbjtft  ber  2  alten  SobiceS:  ineipit  über  s.  Victoris 
de  lapsis  Tonensis  episcopi  historiographi,  bie  nur  unfern  33.  bon  SLunnenna  meinen 
fann,  bem  SSerbadjt  nid;t  entzogen  ift,  eine  miHfürlicfye  ^bentififation  beS  am  ©ct/luf$  blofs 

10  feinen  üftamen  SSictor  nennenben  SSerfafferS  barjuftetten.  Die  blüfyenbe  S^etorif  jenes 
SraftatS  unb  feine  eigenartige  Ungegenftänblidjifeit  paffen  fcfyledju  ju  bem  9JJärtr/rerbifcfyof 
Victor.  '  9tb.  Sütttljet. 

SSictor,  S3ifcr)of  bon  3Stta  (irrtümlich  früher  Urica!)  in  ber  ^Srobinz  Sr/jacena, 
um  484.  ■ —    9(u8gaben  feiner  Historia   persecutionis  Africanae  provinciae :  MSL  58    (be= 

15  achtenswert  nur  noef)  wegen  beS  au§  %').  5)?uinart§  Historia  persecutionis  Vandalicae  über= 
nomntenen  Apparats),  MG  Auctt.  ant.  III,  1  (üon  G.  £>atm)  1879  unb  CSEL  VII  (bon 
m.  <ßetfcbenig)  1881.  —  «Di.  ^etfcbemg,  Sie  Ijanbfcfjriftlicfje  Ueberlieferung  beS  Sßictor  ü.  SStta, 
©3391  pt)it.=titft.Slafie  XCVI  (1880),  ©.637-732,  (bie  befte  Ginfütjnmg  auet)  in  bie  litterar= 
gefd)itf)tluten  fragen);  ^apencorbt,  ©efefj.  b.  oanbalifcben  ßerrfeftaft  in  Stfrifa,  1837,  ©.  366  ff.; 

20  2t.  Stuter,  SSictor  t>on  'Sita  in  §iftorifd)e  Unterfucbungen,  91.  ©ct)äfer  gemibmet,  1882,  @.  253 
bi§  275;  23.  $ögfcb,  95.  Don  Sita  unb  b.  ftircbenüerfoigung  im  SSanbalenreicbe,  3)öbetn  1887, 
42  ©,4°;  ftr.  ©örre§,  9(.  d^riftenoerfotgungen  in  ÄrauS/3ft(S  b.  ebnftt.  Altertümer  I,  ©.259 
6iö  262.  279,  1882;  9t.  Scfpnfetber,  De  Victore  Vit.  ep.  33re§tau  1899. 

Unfer  2öiffen  um  bie  ^erfon  unb  bie  litterarifcfye  5£b,ätigi:eit  biefeS  SStctor  ift  beinahe 

25  auSfcfyltefjlicr)  auS  bem  einigen  uns  bon  if>m  fnnterlaffenen  ©efct)icr;tS  werfe  gefc^öpft.  Dies 
Sßerf  enthält  eine  Darfteilung  ber  Seiben  ber  Äatfyolifen  unter  ben  banbalifcfjen  §errfcf)ern 
©eifertet)  unb  §unnerict;.  ©efd)rteben  ift  eS  unter  bem  frifcfjen  ©inbruef  ber  ©eroalttfyaten, 
bie  in  ben  legten  2  Qafjren  @unnericr;S  483  unb  484  leiner  (Steigerung  metjr  fälng  er= 
fdjienen.    Der  SSerf.  glaubt  ftcb,  I,  1   im  60.  $af)r  feit  bem  Übertritt   ber  SSanbalen   auf 

30  afrifanifdjeS  ©ebiet  ju  befinben.  Diefe  Qafyl  brauet  nicfjt  ganj  genau  %u.  fein,  aueb,  mag 
fieb,  ber  Stutor  über  baS  Datum  beS  9Sanbalen=©inbrua)S  (429 !)  im  ^rrtum  befinben.  Dafj  ber 
©cfylufjjbaragrapl)  III,  71,  bie  Siacbjicfyt  bon  bem  graufigen  @nbe  §unnericf)S  im  Dezember 
484  unb  über  baS  wenig  fpäter  an  bem  Stpoftaten  9acaftuSM  boltftrecfte  (Strafgericht  ein 
fpäterer  $ufatj  ift,  wirb  allgemein  anerkannt,  allein  audt)  bie  2luf$erungen  über  |)unnericf;S 

35  ©cbjcffale  in  II,  12.  17  führen  über  baS  %al>x  484  fyerab.  9Bat;rfct)einItct)  t)at  Victor 
baS  Söerf  noef)  bei  Sebjeiten  Hunnericb.S  gefebrieben,  aber  erft  nacr)  feinem  ^£obe,  früt»e= 
ftenS  485  unb  rratenfaÜS  fpäter  als  489  Veröffentlicht,  ^n  biefem  gatt  tonnte  jener  ©cfylufj 
aueb,  bon  feiner  rebigierenben  §anb  ^errü^ren,  unb  ber  Prolog  mürbe  bann  berftänblic| 
als  bie  Sßibmung  feiner  befo)eibenen  SRaterialienfammlung  an  einen,   leiber  ungenannten, 

40  greunb  Itrcf;engefct)tct)t![tdt)er  ©tubien,  einen  ©cr;üler  beS  berühmten  Sifcb.ofS  Diaboa)uS 
(auS  ©toiruS  ca.  450),  in  bem  SStctor  einen  neuen  StimotfyeuS  unb  SufaS  jugteieb,  erbltcft. 
SStctor  b,at  fein  9Berf  in  3  S3üct)er  geteilt,  bie  alten  SluSgaben  fyaben  meift  5,  einzelne 
aueb,  4  unb  6  33ücf/er  barauS  gemacht.  Suc^  I  beb,anbelt  bie  StegterungSjeit  ©eifericb;Sr 
33ucb,  II  unb  III  bie  8  %ai)xt  |mnnericb,S.  SStctor  möchte  bie  cb,ronologifa)e  Drbnung  bei= 

45  behalten,  eS  gelingt  U)m  inbeS  nid)t  immer,  unb  roieb,  ttger  ift  ilmt  bie  SSoßftänbigteit  fetneS 
S3erict)tS  fotoie  bie  erfebnte  Söirfung,  Zeitigen  ßorn  aßer  fatr)oüfct;en  Sateiner  gegen  bie 
graufamen  2lrianer=33arbaren  in  Slfrifa  %a  entflammen.  Die  fpracblic&e  33ilbung  SSictorS 
ift  gering,  auef)  feine  DarfteKungSgabe  nidt)t  glänjenb,  immerhin  beibe  j.  33.  oon  $ct= 
fdjentg  unbillig  t)art  emgefd>ä|t;  fein  tljeologifcfyeSSBiffen  entfprtc^t  bem  Durcb,  fetmitt.    SSor 

50  aÜem  aber  ift  er  rüafyrfyettSliebenb,  im  allgemeinen  guöertäffig  unb  menigftenS  für  bie  geü 
§unnericf)S  nicb,t  blo^  mit  SIEtenftüden  roie  löntglicben  ©bitten  unb  tatb, olifc^en  ©laubenS= 
betenntniffen  auSgerüftet,  fonbern  in  ber  Sage  als  Slugenjeuge  ©elbfterlebteS  ju  berieten. 
@r  mar  Sifcb,  of  bon  SSita  (rr>abrfd) einlicb.  feiner  SSaterftabt),  er  toeife  aber  aueb,  in  ßartl;ago 
ausgezeichnet  S3efcb.eib:   nur   über   bie  ©renken  älfritaS   reicht   fein  33licf   taum   irgenbroo 

55  b,inauS.  Über  bie  bolitifcb,en,  religiöfen,  S3ilbungS=  unb  ©otteSbienftberl)ältniffe  beS  ban= 
baltfct)en  Slfrifa  um  480  erfahren  mir  bei  SStctor  biel  SSertbodeS. 

Da^  er  ben  SSanbalen  ntd)t  gerecht  mirb,  bei  ben  Äatb.olifen  bie  geiler  befcb,önigt, 
berfteb.t  ftcb,  mob,l  bon  felbft.  S3etou§te  gälfcb,ungen  bon  3;b,atfacb.en  fommen  bei  u)m 
aber  nidt)t  bor. 


SStctor  Don  JBita  StctorimtS,  ßajuiS  3Jtoriusi,  2lfer  613 

Unter  33ictorS  tarnen  läuft  nod;  eine,  tote  in  ben  £anbfcbriften  fo  nun  aud)  in  ben 
©ruefen,  feiner  historia  angehängte  Passio  VII  monachorum,  eine  3ftärtr;rergefcr;id)te 
aus  bem  ^abre  483  ober  484,  bie  aber  mit  ifym  nichts  ju  tfmn  b>t.  ^Dagegen  bilbet  eine 
f)od;irtd^ttgc  (grgän^ung  feines1  33ucb>  bie  nur  noct)  in  einer  £anbfd)rift  erhaltene  Notitia 
provinciarum  et  civitatum  Africae ;  ein  33eräeicbm§  aller  i.  %.  484  amtierenben  fatfyolifcben  5 
Ötfd)öfe  aus1  ben  7  ^robinjen  be§  bamaligen  SBanbalenreicb^,  bie  ben  33efebl  erhielten,  am 
1.  gebruar  fid)  in  ßartfyago  jum  SReligionägefbräct;  einstellen.  Unter  biefen  begegnet  als 
9ir.  44  in  SB^acena  Victor  Vitensis  mit  bem  gufatj :  non  oecurrit.  Offenbar  fjanbelt 
cä  fieb,  um  ben  ©efd;i$tßja)reiber,  er  ift  ber  Sabung  alfo  niebt  gefolgt.  Sei  anberen  wirb 
burd>  ben  ßufafc  fugit  ettoa§  Stfynlicfyes'  angebeutet,  toeit  häufiger  finb  bie  23ermerre  in  io 
exilium,  Corsica,  metallo  u.bgl.,  au§  benen  toir  erfeben,  toie_ber  König  bie  ©igenftnnigen 
beftraft  fyat.  §inter  90  5Ramen  finbet  ftd)  ein  rätfelb,afte§  prbt,  ba§  aud)  bie  Bearbeiter 
be§  Thesaurus  latinae  linguae  toieber  in  presbyter  (!)  auflöfen,  tro^bem  e§  ftefe,  um 
eine  SBifcbofslifte  ^anbelt,  unb  tro^bem  am  ©eblufj  ber  £ifte  fämtlid)e  466  Seilnefymer 
jerlegt  toerben  in  eine  ©ru^e  berer,  Sie  perierunt,  unb  berer,  bie  permanserunt.  §ier  fann  15 
es1  fid)  aber  aud)  ntcfyt  um  am  Seben  bleiben  ober  umfommen  fyanbeln,  benn  ein_„passus" 
itylt  ju  benen  qui  permanserunt.  ©d)on  ©ibbon  ab,nte  ba§  9frcr/tige:  prbt  bebeutet 
peribat  =  er  fiel  ab.  Unb  toenn  jenes1  wortfarge  3tegifter  88  gefallene  33ifc|öfe  bermelbet, 
fo  er!ennen  toir,  bafc  bie  fatt) olifcf) e  Kird)  e  im  %af)xt  484  niebt  ganj  fo  glorreicb,  beftanben 
b,at,  toie  33ictor  e§  toünfcb,te  unb  uns1  glauben  macb.cn  toiH.  20 

Sei  ber  ungeheuren  £>äufigfeit  bes1  Samens  SStctor,  befonbers1  in  2lfrila,  toagen  toir 
niebt,  ben  33itenfer  mit  irgenb  einem  anberen  Victor  jener  3eit  ^u  ibenttfijieren ;  toir  be= 
gnügen  un§  feftjufteHen,  bafj  er  al§  23ifcbof  bon  33ita  toobl  fcb.cn  bor  477  unb  nod)  nad) 
484  funltioniert  unb  feine  ganje  Kraft  im  unermüblicben  Kampf  gegen  ben  banbalifdjen 
2lriani§mug  in  feiner  §eimat  ber^ebrt  bat.  2li>.  8ültrf)er.     25 

$ictortmt§,  SajuäSttartus1,  2lfer,  geft.  ca.  363.  —  ©Triften:  De  generatione 
verbi  div.,  adv.  Arium,  hymni  de  trinitate  nad)  älteren  Einjelbrucfen  gefamrrtett  bei  ©aHanbi 
8,  BM  4;  bie  Komm,  ju  @a,  SJSIjt,  @pb  juerft  bei  5Kat,  Nova  collectio  3,  aHe§  pfammen 
nebft  einigem  gmeifettjaften  MSL  8;  Ars  grammatica  Seil,  grammatici  lat.  6;  Komm,  ju 
Cicero  de  inventione  ßatm,  Ehetores  latini  min.,  Seidig  1866;  de  definitionibus  ©taugt,  30 
Tulliana  et  Mario- Victoriniana,  9Jtünrf)en  1888.  —  Sitteratut:  Soffmane,  De  M.  V.  phi- 
losopho  Christiano,  Breslau  1880  (®iff.);  ©erger,  W.  58.  ein  neublat.  ^titlofopb,  «Ketten 
1888/89  (Programm):  ©ore  DchB  4;  £arnacf  S©  III,  ©.31  ff.  1.  u.  3.  Stuft.;  berf.,  Giefct). 
b.  2ef)re  non  ber  ©eligfeit  allein  b.  b.  ©tauben,  32t}®  1891;  3t.  ©cfjmtb,  SR.  SS.  unb  feine 
Schiebungen  j«  ?luguftin,  Siel  1895  ($tff.) ;  «öiöüer«ü.  ©ebubert,  S®  I,  ©.505;  Siran  35 
WMex,  |)anbb.  b.  Haff.  3ittertutn§roiff.  33b  VIII,  %l  4,  1  ffiündien  1904,  ©.  137  ff. 

©ie  9cad)ricbten   über  35.   [rammen  bon  §ieron^mu§   unb  2luguftin.    ©emnaef)  toar 
er  geborener  Slfrifaner  unb   toirfte  al§  berü|mter  ^rofeffor  ber  D^betorif  in  9^om  big 
362.    ©eine  §au»tbebeutung  bat  er  al§  Vertreter  ber  neub(atonifd)en  ©cb^ulbbilofobb^ie, 
3lnl)änger  unb  D^acbfolger^loting  unb  ^ßorbbt;rg  in -Korn,  SSerfaffer  bon Kommentaren  unb  40 
Überfettungen  ariftotelifcb.er  unb  neublatonifcber  ©Triften    —    bermutlidj   aufeer  ^orbbtjr 
aueb^  $lotinö  ©nneaben,  bgl.  ©ranbgeorge,  St.  Augustin  et  le  neoplatonisme,  ^arig  1896. 
(Sie  „blatonifcb,en  Dialoge"  SJtülIer  ©.  141  finb  ein  Saturn.)     2)aber  erregte  e§  großes 
3luffeb|en,  al§  er  (bor  357)  offen  jur  cbriftlicb,en  Htrd)e  übertrat,  naebbem  er  fcb.on  längft 
innerlich  d)rtfttid)  gefinnt  getoefen  toar.    ©ofort  trat  er  aU  eifriger  ©treiter  für  bie  eebte  45 
meänifebe  Drtbobojie  auf  mit  ben  an  ben  2lrianer  ßanbibug  gerichteten  ©Triften  de  gen. 
verbi  div.  unb  ben  bier  33üd)ern  adv.  Arium.    ®ie  SEenbenj  gebt  eigentlict)  noeb  mebr 
aU  gegen  bie  2lrianer  gegen   bie  .^omöufianer  unb   fbejiell  bie   jtoeite  firmifd)e  gormel 
bon  357.    Semnadb;   muffen  bie  ©ebriften  357—58   gefebrieben  fein.    2)er  ungenannte 
Sifdjof  adv.  Ar.  I,  28  f.,  ber   „bon   ben  Beamten   gelungen   aU  93erteibiger  feineö  50 
Verrats  fommt",  33riefe  an  bie  Orientalen  febreibt,  ut  ejiciant  a  s.  ecclesia  ojuoovoiov, 
unb  bie  Seute,  mit  benen  er  früher  ©emeinfcljaft  gehalten,  je^t  berbammt,  ift  obne  ^toeifel 
SiberiuS  bon  9iom  (f.  b.  31.  33b  XI  ©.  451).  Söann  23.  bie  Kommentare  ju  ben  5ßauluS= 
briefen  gefebrieben  fyat  (e§  toaren  toobl  meb,r  als  bie  brei  erhaltenen),  läfet  fieb^  niebt  feft= 
[teilen.    2)a§  ©bift  Julians  gegen  bie  2lu3übung  be§  SebramtS  burd)  (Sänften  beranlafete  55 
ib,n  jur  ^Kieberlegung  ber  ^rofeffur.  ®a  er  bei  feinem  Übertritt  fdjon  im  böct)ften  ©reifen* 
alter  ftanb,    ift   er  bermutlicb  balb    barauf    geftorben.      35te  93efebrungggefcb,icbte  be§  be= 
rübmten  Sanb^manng  bat  auf  2luguftin    fbäter    einen   großen  (Sinbrucf  gemacht,   um  fo 
mebr,   al§  i^m  bie  neup!atonifd)en  Überfettungen  beS  33.  fcb,on  fo  toiebtig  für  feine  eigene 
ßnttoicfelung  getoorben  toaren  (Aug.  conf.  VIII,  3.  4).    33on  ben  bieten  bfnlofobfufdjen  en 


614  SSictortttuS,  6ajuS  SRariuS,  3lfer  äHctormug  torm  ^ettan 

unb  t^eologifd^en  ©driften  beS  35.,  bie  fid^  auS  feinen  eigenen  unb  fremben  Angaben  bcr= 
muten  faffen,  ift  nichts  erhalten  als  baS  oben  angeführte.  9Jlel)rere  ©ebicfyte  ftnb  ifmt  mit 
Unrecht  gugefdrrieben  roorben. 

33.  lebt  gang  in  griednfdjer  ^ßr/ilofobfne  unb  Geologie,  Wie  fd^on  fein  eigentümliches 

5  ©bracf/gemifcf;  betrat.  3JJit  ber  bogmatifdjen  33etbegung  ber  legten  ^abjgefynte  ift  er  genau 
bertraut,  Iitterarifd)e  Regierungen  gu  SltfyanafiuS  ftnb  toaljrfdjeinlict).  @r  ift  aber  aucfy  als 
ßl)rift  $r)iIofobr/  geblieben,  ber  baS  gange  ^lotinifd/e  Softem  faft  unbewußt  in  feinen 
bogmattfcfyen  ©ireitfcbjiften  cntrotdelt,  unb  mit  feiner  §ilfe  baS  nicänifcfye  SDogma  fbefu= 
latib    gu    ertoeifen   fuc^jt.     ®ie    feltfame  93erbinbung    bon    echtem  ^eublatoniSmuS    unb 

io  fanatifdjer,  nocb,  Weit  über  ältfyanafiuS  fnnauSgefyenber  93egeifterung  für  baS  SBort 
öjiwovoiog,  al§  bie  Söfung  aller  2öelt=  unb  SebenSrätfel,  ift  benn  aud>  rect/t  rotberfbrud)§= 
botl  ausgefallen.  Slber  er  ift  ein  roirllicfyer  genfer:  gelten  mit  SSorten,  roo  ©ebanfen 
fehlen,  genügt  ii)m  ntct)t.  ®ie  Kommentare  gu  p.  finb  ber  erfte  berartige  33erfucb,  in 
lateinifcfyer  ©brache.    SDa  fie  ejegetifd)  efyrlid)  unb   tro|   eingemifdjter  ©befulatton  einfach 

15  auf  (Ermittelung  beS  SöortfinnS  gerietet  finb,  fo  fommt  93.  gu  bieten  bogmatifd)  beben!= 
liefen  ©bi|en,  g.  93.  über  ^BetruS  unb  Paulus,  bie  93erbienftlicb,feit  ber  SSBerfe,  sola  fides. 
$ungfraufd)aft  ber  SRaria.  Slbcr  gerabe  bie  Üufjerungen  über  sola  fides,  mereri  etc, 
(§arnad  a.  a.  £.)  fielen  im  ©angen  ber  ©ebanfenroelt  beS  93.  böEig  ifoliert,  bejro.  finb 
fie  gang  unbaulimfeb,    gu  beuten.    ©S  r)at  aueb    rocbjl  Wenig  ©inn,  ben  SRann    einen 

20  Augustinus  ante  August.  (§amacf)  gu  nennen,  ber  fd)reiben  fonnte:  non  omnino 
peccare  peccatum  est,  sed  in  peccato  perseverare  (MSL  8  ©.  1281  B)  ober 
anima  facile  virtutem  suam  tenebit  et  erit  perfecta  in  Christo  (1239  D). 
Sitterarifctje  ^cadjWirfung  l)aben  bie  t^eologifcfjen  ©Triften  nid)t  gehabt;  bie  Kommentare 
Wo!)l  Wegen  ber  erwärmten  gefährlichen,  an  Qobinian  unb  £>elbibiu§  erinnernben  9iebenS= 

25  arten,  ©ie  SlrinitätSleljre  aber  War  gu  fbefulatib  unb  gu  Wenig  bogmatifcb,  forreft,  um 
SRacl)foIger  gu  locfen.  gubem  h>urbe  fie  fofort  burd)  bie  SBenbung  ber  bogmatifd)en 
Terminologie  überbolt  unb  unbrauchbar  (93.  let/nt  noeb,  bie  Untertreibung  gWifcljen  ovoia 
unb  vjioaraoig  ah,  obwohl  er  Weifj,  baf$  einige  ©rieben  ben  Unterfcfyteb  machen,  er  t)at 
für  „^ßerfon"   übertäubt   feinen  SlerminuS,    Myog  unb  ©eift   fallen   ib,m  immer  Wieber 

30  gufammen).  3)ab,er  b,at  bie  fiegretd/e  Drtf)obor.ie  einen  tr)rer  eifrigften  93orfämbfer  fo 
giemlid)  totgefdjWiegen.  §ieront)muS  Warnt  ejtra  bor  ir)m;  Sluguftin  erWätmt  ifyn  als 
djrifilidjien  ©d}riftfteHer  nur  einmal  mit  tarnen.  ®er  ©tnflufs  feiner  Geologie  auf 
2luguftin  ift  eine  gänglicb,  unbeWiefene  ©rftnbung  bon  ©ore.  W.  <5d)mii>. 

23tciorimt§,  33 tf d^of  bon^ettau,  SRärttyrer  304.  —  JlnbreaS  9{iiunu§,  Sanctae 

35  Reliquiao  duum  Victorinorum,  Pictaviensis  unius  ejiiscopi  martyris,  Afri  alterius  Caii 
Marii,  Gothae  1652;  SlnbveaS  ©aHonbi,  Bibliotheca  ueterum  patrum  tom.  IV,  Venetiis 
1768,  fol.  49  —  64;  SJJartinus  Q^fepEjuS  9lout{),  Reliquiae  Sacrae,  ed.  II,  vol.  III,  Oxonii 
1846,  p.  451—483.  —  MSL  V.  281—344.  eine  neue  fritifd)e  9lu§gaBe  im  CSEL  vols 
XXXXIX  Befinbet  ftc£>  im  ®vucf. 

40  g.  be  Siaunot),  De  Victorino  episcopo  et  martyre  dissertatio,  Paris.  1653,  -1664  (abge= 
brueft  in  Joannis  Launoii  opera  omnia,  Coloniae  Allobr.  1731,  II,  1,  634 — 649,).  S)te  9lb= 
I)anbhing  t)at  ben  abfd)lieöenben  SJadiroetS  gebracht,  bafj  SßtctovhmS  nid)t  SBtftt^of  bon  $oitier§ 
(Pictaviensis),  fonbern  »on  ^ettau  (Petavioncnsis)  mar.  —  eine  grünb(id)e  gufaminenjtellung 
ber  sJ»iact)vtct)tert  über  SStctorinu§   in  AS,    Novembris  tom.  I,    Parisiis  1887-    fol.  432—443 ; 

45  9K.  SJabotntf,  ®er  ^1.  S8ictorinu§,  93ifd)üf  bon  «ßettau,  Äircl)enfd)rtftfteüer  u.  SDifirttjrer,  SBten 
1888  (floüenifdi);  Otto  SBarben^etuer,  ©efdiidite  ber  altftrd|Iid)en  Sitteratur,  jroeiter  S3anb, 
3-reiburg  1903,  @.  593—598;  Stbolf  ^arnacl,  ©efdiidjte  ber  aitdjriftlicfjen  Sitteratur  6i§ 
SufebtuS,  erfter  SCeif,  Seipjig  1893,  ©.  731—735  unb  gireiter  Seil,  gtnetter  SSanb,  1904, 
©.  426—432;    Martin  Scfjanj,  (in  Sman  non  «D?üHer§  ^anbbud)  b.  tlaff.  SUtertum§roiffenfct)aft 

50  53b  VIII),  ©efd).  b.  vom.  Sitteratur,  britter  Seil,  gtoeite  Slufl.,  3Künd)en  1905,  @.  437—439. 

3-  ^au^Ieiter,    ®ie  Sommentare  beS  SßtctortnuS,   SiconiuS    unb  fiierontjmuS    jur  3(bo= 

falljbfe,    eine  Iitteravgefd)td)t(id)e  llnterfud)ung,  3t2BS  VII,    1886,    @.  239—257;    berf.,  ®er 

2tufbau  ber  aitdjriftUdien  Sitteratur,  SSerlin  1898,  @.  35—37;    berf.,  Beiträge  gur  SSürbigung 

ber  Offenbarung    be§  ^obanne§    unb   ibreS  älteften    Iateinifd)en  ?(uSleger§,    ©reifSmalb  1900 

55  (g-eftreben  ber  llniö.  ©retfSroalb  9h\  9);  gerbinanb  ftattenbufd),  ®a§  apofto!ifd)e  ©f;mbot, 
erfter  SSanb,  Seidig  1894,  ©.  212—215  („©iebt  e§  fidjere  ©buren  be§  ©t)mboI§  be§  33tctorinu8 
$etabionenft§?");  SSalbemar  SRadioIg,  (Spuren  Binitarifdjer  S)enfloeife  im  9lbenblanbe  feit 
Sertuüian,  Sena  1902  (§atlifd]e  Sicenttatenfdjrift),  ©.16-20;  Seontjarb  Sl^berger,  ©efd).  b. 
cbriftlicben    esdjatologie    tnnerbalb    ber    nornicänifdien    geit,   greiburg    1896,   ©.  566—573; 

go  2BiIf)eIni  SBouffet,    3)te   Offenbarung  SofjamüS,    ©öttingen  1906,  ©.  53—55. 

§ierom)muS  roibmet  im  74.  Äabitel  feines  93ud)e8  de  uiris  illustribus  bem  älteften 
@r,egeten  ber  Iateintfd)en  Kirche,  93ictorinuS,  ben  er  nact;  bem  2ller.anbriner  2lnatoliuS  (unter 


SBtctorinnS  Don  tyütan  (i15 

ben  ftaifcrn  VrobuS  276 — 282  unb  GaruS  282—284)  unb  bor  bem  VreSbtyter  VambbiluS 
(9flärtr/rer  in  ber  Verfolgung  beS  SRarjminuS  16.  $ebruar309)  befyanbelt,  folgenbe  2öorte  : 
VictorinuS,  Petabionensis  episcopus,  non  aeque  latine  ut  graece  nouerat.  Vnde 
opera  eius  grandia  sensibus  uiliora  uidentur  compositione  uerborum.  Sunt 
autem  haec:  commentarii  in  Genesim,  in  Exodum,  in  Leuiticum,  in  Esaiam,  6 
in  Ezechiel,  in  Abacuc,  in  Ecclesiasten,  in  Canticum  Canticorum,  in  Apo- 
calypsim  Johannis,  aduersum  omnes  haereses,  et  multa  alia.  Ad  extremum 
martyrio  coronatus  est  (MSL  XXIII,  683).  $)aS  3Jiartr/rium  faßt  in  bie  £eit  ber  Ver= 
folgung  unter  ^liofletian  unb  tfvat  laum  in  bte  erften  5ftonate,  fonbern  bocb,  Wobjl  wie 
ettv>a  baS  üftartbrium  beS  VifcbofS  3re"äuS  Don  ©irmium  in  Vannonien  (25.  3Jiärj  304)  io 
in  ben  Verlauf  beS  %cfyxeä  304,  SDie  3ttartt)rologen,  guerft  2lbo,  (Srgbtfctyof  bon  Viennc 
(c.  870),  geben  baS  SDatum  beS  2.  SDejember  an. 

©cfyon  im  18.  Kabitel  feines  ©ctjriftftellerfatalogS  b,atte  £ieronr/muS  bei  Vefbrecfyung 
be§  s}>abiaS  ben  VictorinuS  als  ©Ejiliaften  gefennjeidjnet.    „VabiaS  fotl  bie  jübif^e  %xa~- 
bition  (dsviEQCooiv)  ber  1000  ^afyxe  bertreten  fmben.    %fym  folgten  Qtenäu§,  2lpoIItnart§  is 
unb  bie  anbern,  Weld;e  beraubten,  ber  §err  Werbe  nad)  ber  2lufertoedung  im  gleifcb,  mit 
ben  ^eiligen  regieren.    2lud)  SEertuöian  in  feinem  Vucb.  über  bie  Hoffnung  ber  ©laubigen 
(de  spe  fidelium),    VictorinuS   bon  Vettau  unb  SactantiuS   finb   im  ©d)lebbtau   biefer 
Meinung"  (MSL  XXIII,  637).    «Kit  biefer  ©teile  berührt  fid)  eine  älmlid;e  Slufjä^Iung 
im  elften  Sud;  beS  ©äecr/ielfommentarS,  Wo  §ieronr/muS  „biele  ber  Unfern"  als  Vertreter  20 
jübijcber  gabeln   (devTsgioaEtg)  namhaft  mad)t.    @S  werben  ermähnt  SertulIianS   eben 
genanntes  Vud),  beS  SactantiuS  fiebenteS  Vud),   beS  VictorinuS  gat>lret<^e  Ausführungen 
(crebrae  expositiones)  —  et  nuper  Severus  noster  in  dialogo  cui  Gallo  nomen 
imposuit  (MSL  XXV,  339).     @S   finb   bie  AuSfagen   über   5Rero  unb   ben  2Inticbnft 
gemeint,   meiere  im  Reiten  Dialog  bei  ©ulbiciuS  ©eberuS  mit  einem  gaßifcben  SJiöncb,  2  ■ 
Äato.  14  bem  3flartinuS  bon  SourS  in  ben^unb  gelegt  werben  (MSL  XX,  211  u.  212). 

©ie  Angaben   beS  §teronr/muS   über  VictorinuS  bebürfen  ber  ©rläuterung   unb  @r= 
gän^ung. 

©ajj  VictorinuS  ntc^t  Vifdjof  bon  ^ßoitierS,  Wie  man  früber  bielfacb,  annahm,  fonbern  bon 
$ettau  (jetjt  in  ©teiermarf)  war,  bebarf  nacb,  ben  Ausführungen  $.  *>e  Saunor/S  a.  a.  D. 30 
feines  Weiteren  VeWeifeS  mebr.  5ßoetobio  (baS  ift  bie  Schreibung  ber  ^nfcb,riften)  War  eine 
am  ©rau  gelegene  ©tabt  in  ber  rbmifdjen  Vrobing  Vannonia  ©uberior  an  ber  ©ren^e  ber 
^Srobins  9Joricum,  ju  ber  fie  nach,  ber  $eit  SbnftantinS  geregnet  Würbe,  ©ie  Wirb  erft= 
malS  bon  SacituS  (hist.  III,  1)  jum  ^abre  69  unferer  geitredmung  erwähnt  unb  trägt 
auf  IJnfdjriften  ben  botten  tarnen  colonia  Ulpia  Trajana  Poetovio.  $n  ber  bon  3& 
Trojan  folonifierten,  mit  Römern  bebölferten  ©tabt  mar  baS  ÜBinterlager  ber  legio  XIII. 
gemina;  ein  faiferlid)er  ^alaft  lag  aufjerfyalb  ber  dauern.  ®ie  9?acbrid}ten  über  bie 
©tabt  b,at  SRommfen  im  Corpus  inscriptionum  lat.  vol.  III,  1  (1873),  p.  510  boß= 
ftänbig  gefammelt;  auf  p.  511 — 520  werben  bie  in  Voetobio  unb  ber  Umgegenb  gefunbenen 
Snfdjriften  sjjr.  4015—4098  mitgeteilt.  SDie  ©ntftefyung  einer  djriftlicben  ©emeinbe  in  40 
$oetobio  liegt  im  Sunfel;  fie  tritt  mit  bem  Vifcr)of  VictorinuS  in  bie  ©efcf/id)te  ein. 
@S  Werben  bann  im  4.  gabjfyunbert  web,  jWei  Vifdjbfe  genannt.  Aprianus  de  Peta- 
bonione  Pannoniae  erfd;eint  unter  ben  Vätern  beS  ÄonjitS  ju  ©arbica  (343);  er  ge= 
borte  3U  ben  Vifd}öfen,  bie  ben  Vrief  beS  2ltb,anafiuS  an  bie  SJlareotifcfyen  ©emeinben  in 
Unteräg^bten  unterjcfyrieben  (MSL  LVI,  57  unb  852).  ®ie  Väter  ber  ©i^nobe  bon  ^ 
Slquileja  (381)  rühmen  in  ib,rem  ©djreiben  an  bie  ^aifer  ©rattan,  Valentinian  IL  unb 
£I?eobofiu§  ben  Vifdjof  SRarcuS  unb  Ilagen  ben  2lrianer  ^ulianuS  Valens  an,  ber  Peta- 
vione  superpositus  fuerat  saneto  uiro  Marco,  admirabilis  memoriae  sacerdoti 
(MSL  XVI,  943). 

SarauS,  ba£  VictorinuS  „nicb,t  ebenfo  lateinifd;  Wie  gried;ifd)  berftanb",  brauet  ntdjt  0° 
gefdiloffen  ^u  Werben,  bafj  er  bon  ©eburt  ein  ©riecfye  War.  ©eine  ^eimat  fann  rea)t 
t»ot)t  in  Vannonien  geWefen  fein;  auf  einer  3tetbe  bon $nfd>riften  in  ben  beiben  Vrobinjen 
(inferior  unb  superior)  begegnet  ber  9tame  VictorinuS.  2lud;  gried)ifd)e  tarnen  lommen 
bor  Wie  ©fyrfyferoS  (XQyoEQcog)  ober  Vf)iIabefbotuS  {(PdadEonoxog),  bgl.  bie  sJJr.  4018 
unb  1032.  ©aS  Urteil:  non  aeque  latine  ut  graece  baftt  genau  auf  bie  Llrnen=  65 
infcbjift  Wx.  4075.  lurelier,  ©emetriuS  unb  gelicitaS  (bie  5Ramen  finb  mit  gried)ifd)en 
33ud)ftaben  gefdjrieben)  Wibmen  Evma'&iiw)  xavxa  qui  uixit  Ann.  II  M(enses)  VIII 
D(ies)  VIII  .  yovsTs  vhß  yvrjoko.  3Rur  ber  9Watibfa|  ift  lateinifd),  aßeS  anbere 
griedjiifdi.  @S  tritt  biet  ein  ftarfer  @infcblag  gried)ifd)er  Vilbung  ju  SEage,  Wie  er  auet) 
bei  VictorinuS  angenommen  Werben  mufj.   3n  feinen  Kommentaren  jetgt  er  fieb,  als  M cnner  m 


616  SBtctortmtS  toott  ^tttan 

unb  Benü|er  griecbifcfyer  2Ber£e  mie  beS  $abia§,  bor  allem  be§  DrigeneS,  bann  audj  be§ 
$renäu§  unb  be§  feipipofyt.  Über  ba§  Berfyältni§  be3  Bictorinuö  gu  |jibbott)t  treibt 
§ieront)tnu§ :  Hippolyti  martyris  uerba  ponamus,  a  quo  et  Victorinus  noster 
non  plurimum  discrepat  (ep.  36,  16 ;  MSL  XXII,  460).  ©ie  Begielmngen  gu 
5  Drigene§  ermäfmt  §ieronr)mu3  an  einer  Steige  bon  ©teilen  (ep.  61,  2  unb  84,  7;  adu. 
libros  Rufini  III,  14;  comment.  in  Eccles.  gu  4,  13;  bgl.  MSL  XXII,  603  unb 
749,  XXIII,  467  unb  1050,  1051).  SÜJan  erhält  ben  ©inbrucf,  bafe  Bictorinu3  bie 
Vorlagen  be§  Drigenes»  in  freier  Bearbeitung  miebergegeben  fyat,  ofyne  fid),  tüte  fein  6t)ilia3= 
mu3  bemeifi,  tfyeologifcb,  ftreng  an  il)n  gu  binben.    Sie  ftilifüfdje  $orm   ber  Bearbeitung 

10  mißfiel  bem  §ieronfymu§.  @r  billigt  bem  Bearbeiter  in  biefer  Begtelmng  ir>oE)I  eruditionis 
uoluntatem,  nicfyt  aber  eruditionem  gu;  9Stctortnu§  fbnne  feine  Sfteimmg  nicfyt  orbentlid) 
ausbrächen;  e§  gelte  bon  il)m  ba§  Söort  2  Ko  11,  6:  etsi  imperitus  sermone,  non 
tarnen  scientia  (ep.  70,  5  unb  58,  10,  Prolog  gum  ^efajafommentar;  bgl.  MLS  XXII, 
668  „unb  585,  XXIV,  20.  21).    ^n  ber  Stfyat  geigt  ba§  Sateinifcfye  be§  Bictortnu§,  mie 

15  bie  Überrefte  feiner  ©djrtften  bemeifen,  neben  einem  ftarfen  @infd)Iag  bon  ©räci^men  ba§ 
©ebräge  fcfymerfäHiger  Unbebolfenfyeit.  ©af$  er,  bebor  er  Bifcfyof  mürbe,  3tebner  gemefen 
fein  füllte,  mie  @affiobortu§  annahm  (Victorinus  ex  oratore  episcopus,  bgl.  MSL 
LXX,  1117  unb  1119),  ift  au§gefdjloffen.  (&§  liegt  eine  Bermecfyglung  mit  bem  au§ 
2lfrita  ftammenben  9tt)etor  S.  9JJarius>  Bictorinus>   in  ber  SJlitte  be§  4.  3ab,rl)unbert§  bor, 

20  ber  aufy  e£egetif$e  ©Triften  berfafjt  b,at,  bon  benen  Kommentare  gum  ©alater=,  Bf>ilibber= 

unb  ©bfyeferbrief  erhalten  geblieben  finb  (abgebrucft  bei  21. 9ftai,  Scriptorum  veterum  nova 

collectio,  tom.  III,  pars  II,  Romae  1828);  bgl.  ben  borauägeb,  enben  Slrtüel  ©.  613,53ff. 

§ieront)mu§  gä^It  im  ©c-jriftfteßertatalog  neun  Kommentare  be§  Bictorinu3  auf,  acfyt 

altteftamentlidje  unb  einen  neutefiamentlicfyen.    ©te  2lufgäI)Iung  ift  aber  nidjt  boßftänbig; 

25  §ieront)mu§  felbft  ermähnt  anbermärtg  gmetmal  einen  aucb,  bon  SaffioboriuS  bezeugten 
9ftattfyäu§fommentar  biefe<§  2lutors>,  ben  er  mit  bem  bes>  §ilariu§  bergleicfyt  (praeterea 
commentarios  uiri  eloquentissimi  Hilarii  et  beati  martyris  Victorini,  quos  in 
Matthaeum  diuerso  sermone,  sed  una  gratia  Spiritus  ediderunt,  post  paucos 
dies    ad    uos    mittere  disposui,    ne  ignoretis,  quantum  nostris  quoque  homi- 

30  nibus  sanctarum  scripturarum  quondam  Studium  fuerit  —  MSL  XXVI,  220; 
bgl.  ebenba  ©.  20),  unb  au§  bem  er  bie  Sluffaffung  mitteilt,  bie  BictorinuS  bon  ben 
„Brübern  be3  £>errn"  fyatte  (adu.  Heluid.  17:  fratres  propinquitate,  non 
natura  —  MSL  XXIII,  201).  2Benn  2Tb.  §arna<f  fd^reibt,  bie  2lu3mabl  geige,  ba|  Bic= 
torinuä  bie  1)1.  ©cfjrift  in   U)ren  §aubtteilen  ben  Sateinern  burcb,    er.egetifcfye  Bemühungen 

35  fyabe  nahebringen  wollen,  nur  an  $aulu3  Ijabe  er  ftcb,  nicfyt  gemagt  (a.  a.  D.  ©.  428),  fo  ift 
ber  tetjte  ©aij  gubeanftanben;  ermatte  bocb,  I)ier  ebenfogut  mie  bei  ben  altteft.  Kommentaren 
ficb,  an  bie  arbeiten  be3  DrigeneS  anlehnen  tonnen,  ©ie  ©rünbe  ber  2Iusmab,I,  bie  Bic= 
torinuS  getroffen  fyat,  bleiben  im  ©unfein. 

Bon  ber  gangen  2Iu§Iegung3arbeit  be£  Bictorinu§    ift  un§   nur  ber  2Ibofalfybfe= 

40  fommentar  erhalten  geblieben,  ©enn  ber  ebenfalls  erhaltene  Straftat  de  fabrica  mundi 
(bei^Routb,  a.  a.D.  ©.451—461),  ber  in  einer  §anbfcf)rift  ber  Sonboner  Sambetbbtbliotb, e! 
(3Rr.  414)  au§  bem  10.  ober  11.  ^afyrbunbert  borliegt,  ift  nid^t  etma  ein  Beftanbteil  be§ 
©enefisfommentar§,  fonbern  eine  freie  Slb^anblung  über  bie  ©cb,öbfung§tt>odj>e,  bie  Königin 
aller  2Bo<f)en  (omnium  septimanarum  regina  im  berbefferten  Sejt),  toobei  namentlitt) 

45  bie  Bebeutung  ber  ©iebengal)l  eingeljenb  b,erborgel)oben  mirb.  SDer  mab,re  <BabbaÜ)  ift 
ba$  fiebente  ^a^taufenb,  in  meinem  ßbriftu§  mit  feinen  2lu3ermäl?lten  b,errfd;en  toirb. 
©er  cb,iliaftifcb,e  ©tanbbunft  mie  bie  fpradjlic&e  gorm  be3  ©d^riftftücfö  ergeben  feine  ©c^t= 
fyeit  über  aKen  ^h'^f- 

SDie  neue  2lu§gabe  be§  3lbofaI^bfefommentar§  mad^t  ben  Berfucl),  bie  ^öc^ift  Ieb,rreiöi)e 

so  ©efd)ict)te  ber  Überlieferung  unb  Bearbeitung  be§  Kommentars  in  allen  ib,ren  einzelnen 
©tabien  gur  Slnfdjauung  gu  bringen,  ©er  ed^te  %?&  be§  Bictorinu§  liegt  in  einer  jungen 
^anbfdjrift  ber  batifanifdpen  Bibliotb,eI,  im  codex  Ottobonianus  lat.  3288  A  au$  bem 
15.  ^aljrbunbert,  bor.  @§  ift  biefelbe  §anbfdj>rift,  ber  21.  9M  bie  oben  ermähnten  Kom= 
mentare  be§  (E.9)tariug  Bictorinu§  entnahm ;  bie  gange  §anbfd)rift  ift  mit  Victoriana  angefüßt 

56  (bgl.  bie  Betreibung  21.  2Jiai§  a.  a.  D.  ©.  147).  ©en  mertbollften  Steil  ber  §anbf4)rift 
erfannte  21.  9J?ai  um  fo  meniger,  al§  bem  2lboMt)bf^oiumentar  ber  Brolog  be§  §ieron^mu§ 
borauSge^t,  ber  bie  Umarbeitung  befcfyreibt,  t>ie  ber  Kird)enmann  mit  bem  c^iliaftifcben  SBerfe 
borgenommen  fyatte;  aber  gleid^mob,l  folgt  nidjt  ber  Stejt  biefer  Umarbeitung,  fonbern  ber 
urfbrünglicbe  Kommentar.    §ieron^imu§  b,at,  mie  man  nun  fiebt,  nirfjt  nur  ben  d)iliaftif($en 

60  ©auerteig  auSgufegen  berfud^t,  fonbern  aucb  anbere  ©buren  fcbd^ften  2lltertum§  getilgt,  ©o 


93tdortmtS  bon  tytttaü  617 

folgte  3.  33.  Victorinus  in  ber  Verteilung  ber  Sierfr/mbole  2Ibl!  1,  7.  8  auf  bie  toter 
(ibangeliften  ben  ©buren  be§  $renäus,  bex  33erbinbungslinien  ätotfcfyen  bem  Sötoen 
unb  ^of)anne§,  bem  Srinb  unb  Sufas,  bem  Sftenfcfyen  unb  Wlatfyäü§,  bem  2lbler  unb 
slTiarfus  gebogen  fyatte.  SDiefelben  Verbinbungen  finben  mir  in  bem  eckten  Stert  be<§ 
isictortnuS,  nur  mit  anberer  Reihenfolge  ber  ©bangeliften  (3oI)annes,  2Ratt^äu§,  2uta§,  s 
OTarfus),  tote  fie  ber  alt^ägt/btifcfyen  Drbnung  bei  Drigene§  unb  anbern  3e«ße«  entfbrtcfrt. 
,ftierom;mus  bagegen  korrigierte  bie  ifym  geläufigen  SBerbinbungen  in  ben  33ictorinuster.t 
finein  unb  berbanb  9flarfus  mit  bem  Soften,  $oI)anne<§  mit  bem  Slbler.  ®abei  tilgte  er 
bie  bem  2Berfe  bes  ^ßabtas  entnommenen  Söorte  bes  33ictorinus:  Marcus  interpres  Petri 
ea  quae  in  munere  docebat  commemoratus  conscripsit,  sed  non  ordine.  10 
tylan  begegnet  bei  genauer  Sßergleicfyung  einer  ganzen  Steige  Don  Keinen  2lnberungen.  S)ie 
bebeutenbfte  ift  bie  33efeitigung  bes  cfnliaftifcfyen  ©djlufjabfdmittes,  in  bem  Victorinus  ein 
brad)tboIIe6  ©emälbe  ber  ©nbjeit,  jumeift  mit  33ertoenbung  altteftamentlicfyer  ^ßro^^eten= 
toorte,  entmorfen  b,  arte  (bgl.  bie  borläufige  Mitteilung  im  £f)£33  1895  9er.  17,  ©b.  193—199 
unb  $.  dt.  §arri3,  A  new  patristic  fragment,  The  Expositor  1895,  ©.  448—455).  15 
2)ic  burcfygängige  ^Betonung  ber  inneren  ©tnljeit  unb  bes  toefentlicfyen  ^ufammenfjangeä 
jtoifd^en  2lltem  unb  9ieuen  SEeftament  gehört  übertäubt  gu  ben  fyerborftecfyenben  @igen= 
rümlid)feiten  be§  Kommentars,  ber,  obme  jemals  SERarcion  bei  Sternen  gu  nennen,  in  leb= 
t)after  33eftreitung  marcionittfdjier  Slnftcbten  ben  richtigen  ©ebraueb,  bes  altteftamentücfyen 
<Sa)rifttr>orteg  gu  geigen  bemüht  ift.  20 

©em  urfbrünglict/en  %ttt  tritt  bie  Bearbeitung  be3  §ieron^mu§  gegenüber,  bie  in 
einer  9?eib,e  bon  §anbf  driften  unb  in  einer  ^arifer  ©rftausgabe  Dom  ^afyx  1543  (ab-- 
gebrudJt  in  ben  älteren  33äterbibIiotb,efen,  j.  33.  in  be  la  33igne's  Bibliotheca  SS. 
Patrum,  tom.  VI,  713—730,  *>parts  1575  unb  in  ber  Maxima  Bibliotheca 
veterumj  Palrum,  Ludg.  1777,  tom.  III,  414—421)  borliegt.  2öie  ber  Prolog 25 
mitteilt,  fyat  §ieronr/mu3  auf  Sitten  eines  ibm  befreunbeten  2Inatolius  bie  nicfyt 
leiste,  mit  ben  ©efäfyrlicfyfeiten  einer  9fleerfal)rt  bergleid)bare  Arbeit  unternommen, 
bas  2öerf  be§  egregius  uir,  beffen  (Sfyiliasmus  fcfyon  früber  bon  Vabia3  in  §tera= 
bolis  unb  bem  ägr/bttfdjien  33ifd)of  9cebos  (bgl.  93b  XIII  ©.  710)  bertreten  toorben 
fei,  bon  ben  bucbjtäblicfyen  dbiliaftifd>en  2tuslegungen  ju  reinigen  unb  an  ©teile  ber 30 
getilgten  2lbfd)nitte  richtige  Deutungen  einjufe^en,  bie  §teronr/mu§  „maiorum  libris" 
entnommen  gu  baben  bekannte.  2Bie  ftd)  fyerausftellt,  bat  er  im  tbefentlid)en  ben 
2lboraIbbfefommentar  be§  SDonatiften  Sticoniu§  geblünbert.  SDer  SSergleia)  gVütfd^en  ber 
editio  Victorini  unb  ber  recensio  Hieronymi,  bie  aufeinanber  gegenüberftebenben 
(Seiten  abgebrueft  toerben,  getoäfyrt  einen  lehrreichen  ©inblicf  in  bie  2lrbeitstoeife  beä 35 
3Jianne3.  33alb  glättet  er  ben  ungefügen  ©til  be§  fct)tecr>ten  Satemerg,  balb  nimmt  er 
ü>ologifcr;e  Korrekturen  bor.  ©er  fdbtüäcbfte  Seil  ber  Slrbeit  ift  ber  fbiritualiftifcb,  ber= 
»Offerte  ©cblufeabfcbnitt,  ber  in  ben  bolemifcfyen  ©a|  ausläuft:  Ergo  audiendinon 
sunt,  qui  mille  annorum  regnum  terrenum  esse  confirmant,  qui  cum  Cerintho 
haeretico  sentiunt.  ©o  mufjte  alfo  33ictorinu§,  beffen  tarnen  ber  Kommentar  nad^  mie  ^ 
bor  trug,  fidE>  felber  berfe^ern. 

3lui)  nad)  §ieroni^mug  blieb  ber  33ictorinu§fommentar  im  glufj  be§  303erben§.  ©a§ 
näcbfte  ©tabium  feiner  ©nttoicfelung  toirb  burefe,  bie  oft  recb,t  medjanifdje,  gu  üielfac&en 
Sßteberb, olungen  füfjrenbe  §injufügung  eine§  botleren,  toenn  aud)  nict)t  bollftänbigen 
2lbofalbbfetejte§  gefenn^ei^net.  ©aju  fommen  bann  noeb,  mand)erlei  anbere  3ufät3e,  j.  33.  « 
ber  SSerfucb,  auf  ben  33tctorinu€  unb  and)  §ieront)mu§  noeb  berjid)tet  batten,  ben  bureb, 
bie  3ab,l  666  bezeichneten  gufunftönamen  be§  2Xnticb.rift§  burd^  Angabe  beftimmter  tarnen 
ju  beuten,  ©iefe  erweiterte  Rejenfion  ift  in  einer  Reifye  bon  §anbfcf)riften  erhalten;  fie 
lag  aueb,  bem  fbanifcb,en  ^resb^ter  33eatu§  bon  Sibana  (bgl.  über  ib,n  33b  I  ©.181,  ^ff.) 
bor,  als  er  bie  lombilation  feines  2lbo!al^bfe!ommentars  (gebrueft  9JJabrib  1770,  opera  50 
et  studio  Henrici  Florez)  berfteßte.  ^n  fetbftftänbigem  ®rucf  ift  fie  bisher  nod)  niebt 
erfd)ienen. 

(Sin  roeiteres  ©tabium  ber  fortfebreitenbert  Überarbeitung  toirb  bureb,  ben  2;ejt  be= 
Seiebnet,  ben  bie  £anbfcb,rift  CCXLVII  ber  Bibliotheca  Casinensis  au§  bem  11.  ober 
12.  $at)rlmnbert  barbietet,  ©ie  ift  in  bem  bem  5.  33anbe  ber  Bibliotheca  Casinensis  65 
(1894)  beigegebenen  Florilegium  Casinense  p.  1—12  abgebrueft  unb  liegt  aueb, 
bem  £ert  ju  ©runbe,  ber  fieb,  in  ber  überaus  feltenen  33olognefer  ©rftausgabe  bes 
Basilius  Millanius  Monachus  Casinas  (Bononiae  1558),  in  ber  Väter* 
bibliotbef  bes  Slnbreas  ©aüanbi  a.  a.  D.  unb  MSL  V,  317—344  finbet.  ®er  33e= 
arbeiter    b,at   eine  aus     ben    berfcbjebencn    Überlieferungsformen     gemifcb.tc    Xejtgeftalt  6° 


618  SBtctortmtS  tum  ^tttau 

fyergeftellt,  eine  in  ber  Überlieferung  frübjeitig  burd>  SSlätterberfteuung  eingetretene  unb 
bann  r;errfd)enb  geworbene  Unorbnung  befettigt  unb  im  SBiberfbrucb,  mit  ber  Urgeftalt  beS 
Kommentar!  mancherlei  tTeinere  llmfteHungen  borgenommen,  um  ben  Kommentar  in 
böHigen  ©inllang  mit  bem  fortlaufenben  2IbofaIr;bfeter,t  ju  bringen.  ®aS  ©treben  nacb, 
5  (Erweiterung  b,at  aucb,  itm  ju  einer  Steige  bon  3ufä|en  beranlafjt.  ©o  ift  ber  ermähnte 
©djlufjfatj  beS  §ieront)muS  nun  mit  ber  SBegrünbung  berfefyen:  Nam  regnum  Christi 
quod  nunc  est  sempiternum  erit  in  sanctis,  cum  fuerit  gloria  post  resur- 
rectionem  manifestata  sanctorum.  Sine  ausführliche  (Erörterung  ift  ber  Qafyl  666 
geroibmet.      @S   werben    nic^t    nur    bie    9?amen  Teitan     (§uerft    bei    Irenaeus    adu. 

10  haereses  V  30,  3)  unb  Diclux  (UmfteHung  ber  lateinifcfyen  gat/Iäetdjen  DCLXVI)  be= 
fbrocljeu,  bie  ber^ejt  ber  Reiten  ©tufe  ber  Sßictorinusbearbeitung  barbietet,  fonbern  aucb, 
bie  S)entungen  afrifanifcfyen  UrfbrungS  angeführt,  bie  nad)  ber  ftt'xt  beS  §ieronr;muS  als 
©loffeme  in  bie  im  übrigen  feine  Bearbeitung  barbietenben  §anbfd)riften  eingebrungen 
waren:  "Avte/uog  id  est   honori    contrarius    (bgl.   ben    Kommentar    beS    ^rimafiuS, 

15  MSL  LXVIII,  884)  unb  revorjQixos  =  ©enferid},  33anbalenfönig  unb  Verfolger 
ber  !at^oIifcr)en  Hird^e  in  Slfrifa  (bgl.  Sb  XX  ©.  428, 9  ff.).  2Rit  biefer  britten  9fejenfion 
ift  bie  ©efcbjctjte  ber  gortbilbung  beS  33ictorinuSfommentarS  abgefcfyloffen. 

®aS  fixere  (Erbe  auS  ber  litterarifcfyen  §interlaffenfcf;aft  beS  SSictorinuS  ift  mit  ber 
SBefbredmng  beS  SlbofalfybfefommentareS    unb    beS  XraftateS    de   fabrica   mundi  um= 

20  fcfyrieben.  @S  bleibt  nocb,  übrig,  einige  ©driften  ju  ermähnen,  mit  benen  ber  9>came  beS 
•JRärtr/rerbifcfwfS  in  eine  feftere  ober  lofere,  in  feinem  $aHe  aber  jWeifelSfreie  3Serbtnbung 
gebraut  roorben  ift. 

§ieronr;muS  fyat  bem  SMctorinuS  ein  SBerf  aduersum  omnes  haereses  jugefcb.rieben, 
unb  in  Übereinftimmung  bamit  ftefyt  bie  Bemerfung  beS  DbtatuS  bon  9Jctlebe:  Marcion, 

25  Praxeas,  Sabellius,  Valentinus  et  ceteri  usque  ad  Cataphrygas  temporibus 
suis  a  Victorino  Petavionensi  et  Zephyrino  Urbico  et  a  Tertulliano  Car- 
thaginiensi  et  ab  aliis  adsertoribus  ecclesiae  catholicae  superati  sunt  (de 
schismate  Donatistarum  I,  9,  bgl.  MSL  XI,  898  unb  899).  3)aS  für  berloren 
geltenbe  SBerf  märe  Wiebergefunben,  wenn,  tüte  manche  gorfcfyer  anjunefymen  geneigt  finb, 

30  baS  unter  ben  SBerfen  beS  SEertuHian  ftefyenbe,  ben  Sßräffribtionen  angehängte  33ücfelein, 
baS  benfelben  Xitel  trägt,  mit  ifym  ju  ibentifi^ieren  märe  (bgl.  befonberS  21b.  §arnacf 
a.  a.  C.  ©.  430—432).  2fflein  ber  ©til  biefeS  BücbJeinS  geigt  nicr)t  bie  2luSbrucfSWeife 
beS  SStctortnug.  ©in  bergleicfybareS  Slbofalfybfecitat  (2,  6)  bat  abWetcfyenben  Söortlaut. 
3Sor  ädern  aber  mürbe  SJcarcion,  menn  man  bie  ^ßolemif   beS   ^bofalfybfefommentarS  in 

35  Betraft  jieftt,  anberS  dbarafterifiert  fein,  als  es  in  bem  libellus  ber  %aü  ift.  Sßenn 
DbtatuS  bon  9JliIebe  unter  ben  ^»äretifern  an  erfter  ©teile  SJcarcion  unb  unter  ben  fieg= 
reiben  üßerteibigem  beS  fat^oltfcben  ©laubeng  an  erfter  ©teile  33ictorinuS  nennt,  fo  ftefit 
er  eine  Sejiefmng  gtoifc^en  ben  beiben  f)er,  bie  burcfyauS  bem  ©acfyberfyalt  entfbrtcfyt,  Wie 
er  im  Kommentar  fyerbortritt.    2lber  in  bem  libellus  ift  bon  biefer  befonberen  S3ejieb,ung 

40  nict)tS  nu  merfen. 

2ßa§  ben  antimarcionitifcfyen  6b,arafter  betrifft,  fo  mürbe  baS  bfeubotertuHianifcb,e  ©e= 
bittet  aduersus  Marcionem  libri  quinque  (bgl.  33b  VI  ©.  406  unb  407)  bortreffltcb, 
ju  ber  bolemifcfyen  Senbeng  beS  2Ibofalt)bferommentarS  ftimmen.  $cr)  h,ahz  3^202  VII 
(1886)   ©.  254—256    an    einer  9teif)e  bon  ©teHen    einen  folgen   3ufammen^anS   oer 

45  ©ebanfen  unb  Söorte  nacljgemiefen,  roie  er  fonft  nur  in  berfcfjiebenen  Söerlen  eines  unb 
beSfelben  SRanneS  borjulommen  pflegt.  Ob  bie  2lnnal)me  einer  gemeinfamen  Duelle, 
nämlicfj  be§  griecfjifcfjen  2lbo!alt)i)fefommentar§  §ibbolr/t§,  jur  ©rtlärung  ber  Überein= 
ftimmung  r)inreicf;t,  bleibt  nod^  ju  unterfuc^en.  §ang  2öai^  l)at  in  ber  ©ct)rtft:  ©aS 
bfeubotertuHianifd)e  ©ebicb,t  aduersus  Marcionem  (1901)   ben  9cac^rcei§  ju  führen  ber= 

50  fud^t,  bafj  ber  Siebter  6ommobian  noa)  im  3.  $ab,rr;unbert  ba§  ©ebicb.t  in  2lfru*a  ge= 
trieben  f)abe.  ^Dagegen  fyabe  ic§  im  2;b,eologtf4en  2itteraturberid)t  XXVI  (1903) 
©.  225  unb  226  entfdjeibenbe  ^nftanjen  borgebracf;t,  unb  überbieS  ift  bie  ganje  Som= 
mobianfrage  _  bureb,  ba§  33ucb,  bon  ^einrieb,  Sremer  S.J.  über  Sommobian  (^ommobian 
bon  ®a%a,  ein  Strelatenftfdjer  £aienbicb,ter  aus  ber  9Jcitte  beS   5.  Qab,rb,unbertS,  5)3aber= 

55  born  1906  =  VI.  33anb  1.  unb  2.  §eft  ber  gorfdjungen  jur  cb,riftlicb,en  £itteratur=  unb 
SDogmengefclntfjte,  herausgegeben  bon  Dr.  21.  ©bjbarb  unb  Dr.  %  ^.  ^irfcb^)  in  ein  bßHig 
neues  ©tabium  gerücft.  Sreroer  berfbricb,t,  bei  artberer  Gelegenheit  ju  geigen,  bafj  bai 
©ebicb,t  um  bie  üüßenbe  beS  4./5.  ^a^rb^unberts  entfianben  ift  unb  einen  ganj  anberen  als 
Gommobtan  jum  3Serfaffer  b,at  (©.  18  3lnm.  1). 

60         Qm  11.  §eft  ber  Studi  e  Testi   beröffentlicb,te   ©.  SJcercatt  Anonymi  chiliastae 


$tctt>rtmt§  Don  ^ettnn  2?teI)3U(f)t  619 

in  Matthaeum  c.  24  fragmenta  (9lom  1903,  p.  23—45),  unb  3lb.  §amad  toar  ge= 
neigt,  bem  Urteil  SRercatiä  juzuftimmen,  bafj  bie  33rud)ftüde  bem  SStctormuS  jujutoeijen 
feien,  ©agegen  r;at  31.  ©outer  in  einer  eingebenben  Unterfudjung  ben  23eroei§  geliefert, 
bajj  ber  33erfaffer  be§  gragmcnt§  unb  ber  fog.  Slmbroftafter  in  engfter  33ertoanbtfcf;aft  mit= 
einanber  ftel)en  (The  Journal  of  theological  studies,  vol.  V,  p.  608—621).  5 

3ule|t  t>at  Dr.  %  ^"ftinu€  SKöfyrer  in  ber  ©cfyrift  „©tubien  zu  9ftariu§  SStctortnuä" 
(iöilfycring  1905)  in  ben  ©renzftreit  ber  3Sictoriner  ju  ©unften  be3  33ifcb,of<§  Don  s}>ettau 
einzugreifen  berfudjt.  SSon  ben  fiebert  ©Triften,  bie  ber  ©.  616,  -a  erbarmte  codex  Otto- 
bonianus  lat.  3288  A  enthält  (1.  3ltoofau)bfefommentar,  2.  Kommentar  zum  ©alaterbrief, 
3.  Mommentar  jum  $r;ilibberbrief,  4.  Über  bie  2öorte  ber  ©dnuft:  factum  est  uespere  10 
et  mane  dies  unus,  bgl.  MSL  VIII,  1009 — 1014,  5.  Ad  Justinum  Manichaeum 
contra  duo  principia  Manichaeorum  et  de  uera  carne  Christi,  bgl.  MSL  VIII, 
999—1010,  6.  Kommentar  jum  ©bfyeferbrief,  7.  De  physicis,  bgl.  MSL  VIII,  1295 
i\§  1310)  moct/te  Sööfyrer  aufser  ber  erften  aucb,  bie  bierte,  fünfte  unb  fiebente  bem 
23ictorinu§  bon  ^ettau  jutoeifen  (a.  a.  D.  ©.  38—42).  Mein  ber  ©til  biefer  ©djrtften  15 
unterfcfjeibet  fid>  fefyr  bon  ber  2luSbrudSmeife  beö  23ifcbofg  Don  fettem,  unb  aud)  bie  ©e= 
banfen  ber  bierten  ©d)rift  geigen  feine  S5erroartbtfct)aft  mit  bem  £raftat  de  fabrica 
mundi.  Überbieg  roirb  ber  bierten  unb  fünften  ©djrift  fcfyon  bureb,  it)re  .ßroifcbenftellung 
Ztoifef/en  bie  Kommentare  zu  baulintfd)en  Briefen,  bie  eigene  bem  „^fyilofotoben"  3Sictortnu§ 
b.  f>.  bem  Sl^etor  6.  2Rariu3  33ictortnu<§  Slfer  gugefd;rieben  finb,  bie  gleiche  §er!unft  ju=  20 
gefbrocfyen  Ob  bie  in  ber  anonymen  3lbi)anblung  de  physicis  borltegenbe  23erteibigung 
be3  biblifd)en  ©cböbfung^beridjteö  aucb,  biefem  $0} etor  angehört,  mag  bezweifelt  roerben; 
ber  23ifd;of  bon  getrau  t;at  in  feinem  %aUe  etraaS  mit  ib,r  ju  tlmn.  Wlan  brauet  nur 
ein  baar  ©ä|e  zu  lefen,  um  fid)  babon  ju  überzeugen.  ^otjattneS  $aufcleiter. 

S8ieI)Slld)t  Bei  ben  ^eBräcm.  —    Sttteratur:    ®ie   üerfdjiebetiert    £mnbbüd)er   ber  25 
?(rd)äologte  unb  bie  SSibeltübrterbüctier  unter:  93iet)äuc(jt,  ©djaf,  Qtege  h. ;  2.  Slnberlinb,  Wcfer= 
bau  unb  SBie^ä«ct)t  in  ©grien,  inSbef.  in  <ßat8ftina  3b$«  IX,  1886,  ©.  1—73. 

1.  $n  ©irrten  unb  bem  £mterlanb  finb  in  erfter  Sinie  bie  SRomaben  ber  fgr.^arab- 
©tebbe  33ief) züdjtcr  bon  S3eruf  b.  f).  fo!d)e,  bie  bon  SBiefijucf/t  leben  unb  roenig  ober  feinen 
3lderbau  baneben  treiben.  Vereinzelte  ©tämme,  z-  23.  bie  Slebi,  leben  allerbingS  bon  ber  $agb;  30 
aber  ba§  ift  eine  2tu§nal)me,  unb  aueb,  fie  treiben  nebenher  bie  SSiebjucf/t  fo  gut  roie  bie 
anberen,  fie  f/aben  wenigftens>  il)re  *ßferbe  unb  Kamelljerben.   £>ier  in  ber  ©tebbe  ift  ba3 
Siomabenleben  unzertrennlich  mit  ber  Viebjucbt  berbunben  unb  bie  einzige  mögliche  $orm,  fie 
ju  betreiben.    ®te  gerben  muffen  ir/re  2öeibeblä£e  unb  %ränfblä|e  je  nad)  ber  %afyv& 
jeit  unb  ben  Sßafferberfyältniffen  roed)fe!n.    3n  Zroeiter  £m^e  ^  aber   au^)  ^^e  3Sie^8««^t  35 
beg  $ulturlanbe§,  too  bie  anfäffige  33ebölferung  lebt,  ju  aßen  Reiten  eine  bebeutenbe  ge= 
roefen.    $ai)lvt\<i)<!  Sanbftrid)e  5ßaläftma§    finb   faum    ober  gar  nid)t  für  ben  Slderbau, 
loob^I  aber  red)t  gut  für  bie  3Sie^ud)t  in  irgenb  einer  gorm  geeignet.    2In  bieten  93erg= 
abhängen  be3  ganzen  £anbe§,  roo  fein  äkuer  meb,r  bflügen  fann,  aud;  feine  aerraffierung 
möglid}  ift,    roädjft  bod)   nacb,    bem  Siegen  genügenb  ©ra€  für  manche  §erbe,    ba§  bie  40 
fletternben  3^Sm  wreid)en  fönnen.    ®a3fetbe  gilt  bon  au^gebe^nten  ©trieben  ber  ©tebbe 
^uba,  zum  Soten  3JJeer  b,in,  too  ©ngebi  nod)  b,eute  feinen  tarnen  „^iegenqueüe"  trägt. 
$)a§  ^ügellanb  be§  5Regeb  ift  in  ber  ^aubtfadje  fiet§  2öeibe(anb   geroefen,   bort   too^nte 
Z-  33.  ber  reiche  §erbenbefi|er  5KabaI  (1  ©a  25,  2  ff.).    SInbre  ©triebe  be^  äöeftjorban= 
lanbö  finb  für  ben  Slderbau  nid) t  geeignet,  med  fie  zu  feucht  unb  fumbfig  finb,  fo  in  ben  45 
©benen  ©aron  unb  Qegreel ;   fie   bieten  fette  2BeibebIäie  für  bie  9tinberb,erben.    3Som 
Oftjorbanlanb    gilt  im  31X  S3afan  als    borzüglicb,    geeignet  für  $Rinberzud)t  (2lm  4,  1), 
unb  bie  grofee  §od}ebene  ber  ^oabiter  unb  3lmmoniter,  bie  in  bie  fl;rifcb,=arabifcb,e  ©tebbe 
übergebt,  ate  SBeibelanb  für  ©cb,afe  unb  Biegen  (f.  u.).    %n  allen  biefen  2anbftrid)en  ift 
felbft  in  ber  Seit  größter  Kulturblüte  ^aläftmaS  ftetg   eine  SBie^ud^t  treibenbe  33ebölfe=  50 
rung  getoefen,    nur   barf  man  biefelbe  nicfjt   otme  meitereö  fieb,  aU  reine  9?omaben  nad; 
bem  isorbilb  ber  Sebuinen   benfen.    3SieImeb,r    finb  bie  großen  §erbenbefi^er  ber  Statur 
ber  ©adj>e  nacf>  aud}  gugleict>  bie  ©rofjgrunbbefitser ;  benn  auf  frembem  Sanbe  fönnen  fie 
bod)  ib,re  gerben  nid}t  immer  roeiben  laffen.    3um  Söeiben  be§  33iel)§  fjaben  fie  ir/re  be= 
jablten  ober  leibeigenen  §irten,    fie   felbft   tbobnen    im  SDorf  ober  in  ber  ©tabt  alö  an=  55 
gefe^ene  unb  reiche  33ürger  berfelbcn. 

©0  mar  e3  bor  ber  ©intoanberung  ber  Qgraeliten  in  Kanaan  unb  fo  blieb  c3  nad)= 
ber.  Sic  (Srgäfylung  be§  U%  fdnlbert  un§  bie  ?|3atriard;en  aU  foldtje  £irten  großen 
©db.Iagö,  bie  atlerbingg  nod)  unter  gelten  leben.    2lbcr  fie  läfet  fie  bod;  nicf)t  im  ganzen 


620  SBteljsitdjt 

Sanb  fyerumirren,  fonbern  ftc  Bleiben  an  einem  beftimmien  Ort.  2113  Ritten  unb  33ieij>= 
güd^ter  toerben  bann  !3afob<§©öfme  unb  üftacPommen  bem  ^ßljarao  gegenüber  bejeiclmet  unb  er= 
galten  aU  Stufent^altgort  ba3  Jöeibelanb  ©ofen  (®en  46,  32—34).  ^ebenfalls  lamm 
bie  Israeliten  als  Sfomaben  unb  Sieb^ücfyter  in  baS  Sanb  Kanaan  mit  feiner  1)0$= 
5  enttoicfelten  Kultur,  ©ie  gingen  fyier  in  ber  §aubtfacl;e  jum  anfäffigen  Seben  unb  gum 
2lcferbau  über,  ein  Srojeß,  ber  fid)  natürlich  langsam  unb  namentlich)  ungleichmäßig 
in  ben  berfdjiebenen  ©egenben  bei  SanbeS  bolljog.  2lucf]  im  SIcferbaulanb  mar  ein  großer 
Unterschieb ,  ob  fie  in  einem  SDiftrift  mit  biäjter  ^anaanäifcfyer  33ebölferung  2lufnaf>me 
fanben  ober  in  einem  nur  fbärlidj)  befiebelten  unb  nod)  nid?t  angebauten  Sanbftrid).  9Sor 

10  allem  aber  gab  e§,  toie  fcfyon  ertoäljmt,  in  Satäfiina  Vuette  Sanbftrecfen,  bie  nur  für  33iel;= 
jucfjt  geeignet  toaren.  ^n  biefen  fyat  fid^>  natürlich  allezeit  ba§  §irtenleben  erhalten.  2öir 
fefyen  im  ©üben  j.  33.  Siabal  als  großen  §erbenbefi£er  (1  ©a  25,  2),  SDabib  toirb  hinter 
ber  £>erbe  toeggefyolt  (1  ©a  16, 11  f.),  2tmoS  bejeicfynet  ftd)  als  §irten  b.  I).  $erbenbefit5er 
aus  Zijdoa  (2lm  7,  14).   £)aS  ©ebiet  ber  oftjorbamfdjen  ©tämme  Stuben,  ©ab,  -JMbJr 

15  toirb  als  Sßeibelanb  bejeicfmet  CJJu  32,  2  ff. ;  32,40;  2)t  3,  15  ff.),  unb  fein  Sieb!  wirb 
bom  SrobI)eten  2lmoS  gerühmt  (2lm  4,  1).  £>ie  Könige  felbft  I)aben  bebeutenben  §erbcn= 
befi£.  SDabtb  b,at  feine  befonberen  Beamten  für  bie  2Iufftcf)t  über  feine  berfdjiebenen 
gerben  (1  6b,r  27,  29—35),  2lbfalom  feiert  bie  ©cfjur  feiner  ©cfyafe  all  große!  geft 
(2  ©a  13,  23),    unb   inSbefonbere  toirb   öon  Ufta  ergäbet,    baß  er  feinen  gerben  in  ber 

20  ©cfyebfyela  unb  in  ber  ©bene  große  ©orgfalt  jugetoenbet,  §erben=Stürme  (f.  u.)  in  ber 
©tebbe  für  fie  erbaut  unb  ©ifternen  auSgefyauen  l;abe  (2  Qfyx  26,  10).  33on  melier  33e= 
beutung  bie  33ieb^ucf)t  ftets  für  baS  SSoIfSganje  toar,  fiefjt  man  barauS,  baß  im  ©egen 
unb  in  ber  23erfyeißung  baS  ©ebenen  unb  bie  9KeI)rung  ber  £jerbe  nic^t  fehlen  barf 
(®t  8,  13;   28,  4;   ^er  31,  27;  33,  12f.  u.  b.).    Sabfreicfye  Silber   unb  Söenbungen 

25  ber  ©pracfye  finb  bom  §irtenleben  hergenommen :  bie  dürften  beS  Solls  toerben  feine 
§irten  genannt  (2  ©a  5,  2;  7,  7;  Qer  23,  2—4  u.  a.), '  ^Srael  ift  bie  £erbe  3al)toe3 
(©acfj  10,  3)  unb  ^ab,toe§  liebenbe  gürforge  für  bie  frommen  fann  mit  feinem  ferneren 
33ilb  gejeic^net  toerben  als  mit  bem  beS  treuen  §irten  (Sf  23).  $Die  ©efeijgebung ,  bie 
(Eigentumsrechte  betreffenb,  nimmt   auf  bie  33erf)ärltniffe  ber  Sieb^ucfjt  befonbere  9iücffuf;t 

30  (f.  u.  §  5).  £)aß  außerbem  ber  2tderbauer  ficfy  feine  Mnber  jur  Slrbeit,  feine  ©cfyafe 
unb  $iegen  toegen  Wdlfy  unb  Söolle  b,ielt,  je  nad)  feinem  Vermögen,  berftefyt  fid^ 
öon  felbft. 

@S  ift,  toie  gefagt,  bie  anfäffige  33ebölferung,   toelcfye  biefe  Sief^udjt  betreibt,    ©aß 
in  ben  ©egenben,  too  fie  ju  §aufe  toar,  alfo  befonber§  im  ©üben  unb  im  Dftjorbanlanb, 

35  ba§  9Zomabenleben  unb  9?omabenfitten  fid)  länger  erhalten  b,aben,  ift  begreiflich.  Qft  es> 
boc^  je|t  noc^)  fo,  baß  bie  ©täbtebetoofmer  jener  ©egenben,  3.  33.  bon  Äeraf  k.,  fjalbe 
33ebuinen  finb  in  %va<fyt,  ©f>rad)e  unb  ©ebräuc^en.  ©^ejieU  bon  einem  ©tamme  aus 
bem  ©üben,  bem  jubäifcl)=!alebitif(f)en  ©tamme  ber  Stelabttett  (1  6b,r  2,  55),  toiffen  toir, 
baß  er  noc^  h\§  in  bie  ^\t  ^ebul  beim  9fomabenleben  geblieben  ift.    2lu§  i^m  ift  bann 

40  bie  ©efte  ber  ÜMabiten  getoorben,  bie  bon  ibjem  ©tifter  ^onabab  hin  9i[e!ab,  ber  unter  ^eb,u 
lebte  (2  %  10, 15  ff.),  bie  ©a^ung  erfrielt,  aufy  fernerhin  ate  ?Jomaben  in  gelten  ju  Raufen 
unb  feine  Käufer  ju  bauen,  bon  ber  Sieb^ucfyt  ju  leben,  unb  toeber  2tcfer  gu  bebauen 
nocf;  Söeinberge  anzulegen,  ein  au!  ben  33erb,ältniffen  jener  $eit  ficb,  erflärenber  Sroteft 
gegen  äße  Kultur  unb  für  bie  gute  alte  fromme  ©itte  Qex  35). 

45  2.  ©en  §aubtteil  be!  33ieb,beftanbl  (mikneh  ^:p"  =  33efi|)  bon  Saläftina  bilbet  in 
alter  unb  neuer  $eit  ba§  ^Ieinbie|)  (son  ]N2t).  ^n  toelcfyem  Umfang  e!  nod;  fjeute  ge= 
galten  toirb,  geigt  beifbielStoeife  bie  amtliche  ©tatiftif  be§  Stegierungöbejirf!  3erufa|tem 
(2000  qkm),  bie  nacf;  mehreren  3flb,ren  berlteerenber  33ieb,fcud;e  nod)  immer  90000  ©tücf 
auftoeift,  alfo  45  auf  ben  qkm  (in  ©eutfcb.Ianb  18  ©cfyafe  unb  6  Biegen  —  24  ©tücf). 

50  S)abei  toiffen  e§  bie  93auern  ber  ©teuer  toegen  fd)on  fo  einzurichten,  baß  nid)t  aEe§  ge= 
nau  aufgefcb.rieben  toirb  (9ftu9c3)$33  1905,  65  f.).  Überbieg  ift  ber  33egir£  nid)t  ber 
reicbjte  an  Äleinbieb,,  eb,erber  ärmfte;  bag  Dftjorbanlanb  unb  bie  ^ejreelebene  finb  nocb,  b,eute 
biel  reifer.  Seiber  ejiftiert  feine  3«^"»9  *&  ©roßbiel;§.  ^m  Slltertum  toar  ber  Sie^= 
ftanb  natürlid)  biel  bebeutenber.   2Benn  bie  Israeliten  bon  ben  5Dtibianitern  675000  unb 

55  bon  ben  §agritern  250000  ©tücf  üleinbieb,  erbeuten  (5Ru  31,  32;  1  6b, r  5,  21),  ober 
toenn  ©alomo  120000  ©tücf  beim  £embeltoeif)feft  obfert  (1  %  8,  63),  fo  finb  biefe 
gabjen  natürlich  nacb,  oben  abgerunbet.  2lber  bie  Slngaben,  baß  §iob  7000  ©cfjafe 
unb  1000  gtinber  befeffen  (§i  1,  3),  9cabal  3000  ©cfjafe  unb  1000  Riegen  (1  ©a  25,  2), 
baß  J^bnig  3Kefa  bon  3Jtoab  jäb,rlicf)  100  000  Sämmer  unb  bie  SSolle  bon  100000  ©c^afen 

60  als  Tribut  gegafft  (2  %  3,  4),  galten  fiel)  ganj  in  ben  ©renken  be§  2öab,rfct;einlicf;en. 


»tefoud)*  621 

£aS  paläfttncnftfc^e  ©d;af  (seh  ©d;af;  *ajil  Sßibber;  rächel  9Jcutterfd)af ;  kar  gett= 
lamm;  täleh  junget 3Jtild?Iamm ;  kebes  ober  keseb  baS  ältere  £amm,  einjährig  unb  barüber) 
ift  in  ber  §aubtfad;e  baS  gu  ben  gettfdjmängen  gehörige  breitfdjmängige  ©d;af  (ovis  laticau- 
data  ober  platyura,  s.  Tristram  nat.  hist.  of  the  Bible  143).  @S  ift  bort  mittlerer 
©rbfje,  f)at  einen  ftarfen  £eib,  aber  bünne  Seine,  fd;öne  Iraufe  $aare,  eine  fy  oI)c  geMmmte  & 
9?ammSnafe  unb  breite  fcbjaffe  Dfyren.  ©eine  SBotte  ift  in  ber  Siegel  meift,  feltener  gc= 
fbrenfelt  unb  bunlel  föef  1, 18 ;  SDa  7,  9;  $ßf  147,  16;  ©en  39,  32.  35  u.  a.).  SDer2ötbber 
bat  gebogene  ober  aud;  einfach,  rüdmärtS  gelehrte  £jörner,  bie  roeiblicfyen  "Xiere  finb  un= 
gehörnt.  SDaS  c^arafteriftifc^e  SfterJmal  ber  Stoffe  ift  ber  gettfctymanj,  ber  10—15  $funb, 
ja  in  einzelnen  gälten  bis  gu  30  ^3funb  ferner  ift.  2öaS  §erobot  bom  arabifcfyen  ©d;af  io 
ergäbt!  (III,  113),  bafc  bie  §irten  feinen  gettfd^Voang  auf  ein  fTeineS  SBägeldjen  legen, 
bamit  er  ntcr)t  beim  9("ad;fd)Iebben  befcfyäbigt  roerbe,  gehört  natürlid;  gu  ben  berühmten 
fyerobotifdjen  gabeln,  aud;  für  bie  langfd;roängige  Stoffe  2lrabienS,  bon  mo  er  eS  berietet. 
Sie  ßeit  beS  SBurfS  ber  ©d?afe  ift  SDegember  unb  Januar ;  eine  SJcinberfyeit  Stiere  mirft  gmeimal 
im  Safere,  im  SDegember  bie  grüfylinge,  im  Quni  bie  ©bätlinge,  morauf  aber  im  näcbjten  iß 
3al)r  bann  nur  einSöurf  erfolgt.  2öie  man  glaubte,  burd)  gemiffe  Manipulationen  ge= 
fbrenfelte  unb  bunfelfarbige  Scactjfommenfcfyaft  erzielen  gu  lönnen,  crgä^It  ©en  30,  34—43. 
^m  Sorben  beS  £anbeS  finbet  fid;  nod;  Ijeute  eine  bem  9Jcerinofd)af  älmlicfye  3lrt  ofyne 
gettfcfymang  bor.  £)b  eS  biefe  fd;on  in  alter  3eit  im  Sanbe  gab,  miffen  mir  nicbt.  SDa= 
gegen  finb  bie  breitfcfymängigen  ©d;afe  fd;on  auf  afft;rifc£)en  SteliefS  abgebilbet  unb  ben  20 
llaffifdien  Scaturforfdjern  OßlimuS  k.)  mof)I  befannt.  2tuS  ben  Dbferbeftimmungen  beS 
iSraelitifcfyen  ©efetjeS  erfefyen  mir  mit  aller  SDeutlidjfeit,  baf$  eS  fid)  ftetS  um  gettfdjmänge 
I)anbclte.  Unter  ben  gettftüden,  bie  bom  Dtofertier  ^af)tt)e  gufallen,  ift  beim  ©d;af  ftetS 
ber  gettfd;mang  ('aljä  -;bN)  genannt  (@r.  29,  22;  £e  3,  9;  7,  3;  8,  25;  9,  19). 

SDie  ©djafe  ober  bie  männlichen  Sämmer  maren  baS  gembfynlicfyfte  ©d)lad;tbiel;  gu  25 
allen  Reiten  (i  <ga  25,  18;  2  ©a  12,  4;  3lm  6,  4  u.  ö.),  bod)  mar  gleifcfmafjrung  ja  in 
alter  3?it  etmaS  ©elteneS  unb  ift  eS  nod;  I)eute  für  ben  gellacfyen.  Stur  bie  Steigen 
natürlid;  unb  bor  allem  bie  SLafel  beS  föniglidjen  §ofeS  brausten  tägtid;  xi)x  gleifd; 
(bgl.  1  %  4,  23).  SDemcntfbred;enb  maren  bie  ©djafe  aud)  bie  am  b^äufigften  bargebradjten 
Dbfertiere  (1  ©a  7,  9;  ^ef  1,  11  u.  a.);  in  alter  $«1  toar  ja  jebeg  ©d;lacl)ten  gugletct)  30 
ein  Dbfern.  ^acb,  bem  ©efeij  toerben  fie  geopfert  beim  täglichen  9Jlorgen=  unb  Slbenbobfer 
(®E  29,  38  ff. ;  9?u  28,  3  ff.,  je  ein  einjähriges  männlid}e§  Samm),  atö  Sranbobfer  (2e  1, 10, 
männliche  SEiere),  SDanfobfer  (£e  3,  7,  männlid;  ober  roeiblid)),  3teinigung§obfer  (£e  12, 19). 
SBeiblidie  ©d)afe  finb  befonberö  borgefd)rieben  beim  ©ünb=  unb  ©d;ulbobfer  (£e  4, 32  ff., 
5,  6)  unb  beim  9teinigung§obfer  ber  3tu3fä|igen  (£e  14,  10).  S)er  Söibber  gilt  al§  be=  35 
fonberg  toertboHeg  ©d;lad;ttier  (@e  39,  18)  unb  Dbfertier,  bag  namentlid;  bei  ben  grofjen 
geftopfetn  (Sceumonb,  3^u28,  11;  5ßaffa$,  Scu  28,  19;  2Sod;enfeft,  ?cu28,27;  9ceujab,r, 
3lu  29,  27;  SerfbfymmgStag,  9cu  29,  8;  £aubb,üttenfeft,  9?u  29,  13  ff.),  fotoie  für  ©d>ulb= 
obfer  (£e  5,  15.  18.  25)  unb  SteinigungSobfer  be§  9Zafiräer§  (5Ru  6,  14)  borgefc£)rieben  ift. 
—  ^eben  bem  gleifd)  ift  bie  3RH&  bie  fett  ift,  <ää  ^ab^rung  gefd}ä|t.  40 

SDie  gegerbten  ©d)affeHe  bienen  noc^  bleute  afö  SJcantel  unb  DberHeib.  2luo)  bei 
ben  alten  Israeliten  mar  ba3  manchmal  bie  %xa<fyt  ber  einfachen  £eute,  befonber§  ber 
§irten,  unb  ber  SJiantef  au§  gelten  ift  fo  gur  ^ßrobl)etentrad}t  getnorben  (bgl.  3DU  7, 15 
mit  2  %  1,  8;  <Bad)  13,  4).  ^ngbefonbere  aber  biente  bie  Söolle  ber  ©d)afe  gur  33e= 
Iletbung,  au§  if>r  mürben  bie  midjtigften  unb  gebräud)lid;ften  JlleibungSftüde  ^ergeftellt  45 
(fie  13,  47  f. ;  £>ef  34,  3 ;  §i  31,  20  u.  a.).  ©0  mar  bie  ©djur  ber  ©d)afe  ein  l)erbor= 
ragenbeä  greubenfeft  unb  ber  Sefi^er  ber  §erbe  beranftaltete  feinen  §irten  unb  ©euerem 
ein  fröblidjeS  ©elage  (1  ©a  25,  4;  2  ©a  13,  23  f.).  SDie  geü  ber  ©d;affd)ur  ift  meift 
Snbe  2lbril  ober  Slnfang  9Jcai,  menn  bie  märmere  ^afyre^eit  begonnen'  l?at.  ©ie  ift  beS= 
^alb  aud;  in  ber  (Ebene  früher  als  auf  bem  ©ebirge.  bo 

^n  ber  biblifd;en  33ilberfbrad)e  finb  eine  Steige  bon  ©leidmiffen  bon  ben  ©d;afen 
genommen,  ©eine  gutmütige  ©ebulb,  bie  fid)  rubtg  gur  <Bd)iad)tbanl  führen  läfet, 
(3«  11,  19;  ^ef  53,  7)  unb  feine  £ilflofigieit,  menn  bie  |»erbe  if)ren  §irten  berlorcn  b,at 
OJcu  27,  17;  1  %  22,  17;  @g  34,  5  u.  a.),  ober  menn  eS  fid;  bon  ber  §erbe  meg  ber= 
irrt  fyat  (^ef  53,  6;  «ßf  119,  176;  3Jct  18,  12f.),  maren  ftoricfymörtlid;.  aSibberb^örner  55 
bilbeten,  menigftenS  in  ber  Seit  bon  700  b.  6t)r.  ab  ben  ©d;mud  be§  3lItarS,  —  borl^er 
bürften  eS  ©tierfybmer  gemefen  fein  — ,  bgl.  ben  bon  ©cßin  in  SEacanaf  ausgegrabenen 
SRäudjeraltar  CD enff giften  ber  faif.  2tfab.  b.  Söiffenjd;.  in  2Bien,  b^il.=f)ift.  Klaffe  1904 
IV,  76  ff.,  100  ff.,  SafeIXII,  XIII),  maS  im  übrigen  natürlid;  nid;t  mit  ber  ©d;afjud)t 
äufammenf)änflt,  fonbern  bielleicf/t  bamit,   ba^   im  8.  x3cu)rl;unbert  bie  grüb,jaf)rS}onnc  in  60 


622  aStefßtt(f|t 

ba§  3e^en  ^  2ÜHW>er3  trat,  unb  bamit  nad)  altorienta!ifd)er  2Beltanfd)auung  ein  neues 
Söeltjeitalter  begann.  2lucb,  Wenn  im  Sud)e  ^Daniel  (8,  3  ff.)  ba§  ^erftfd)e  Steicfy  burtf) 
ben  2Btbber  ffymboltftert  Wirb,   ift  natürfid)  baS  £ierfrei3$eicr)en  gemeint. 

3.  5Reben  bem  ©d)af  ftefyt  bie  $iege  als  für  manche  SanbeSgegenb  nod)  mistiger. 
5  Senn  fie  fommt  in  gebirgigen  unb  wafferarmen  ©egenben  auct)  ba  nod)  fort,  wo  man 
ferner  ©d)afe  gießen  fann;  fie  lann  an  ben  fteilften  Sergabf)ängen  flettem  unb  baS 
f^tärlid^e  ©raS  unb  Sufd)Werf  bort  abfreffen,  Wo  fein  ©d)af  mefyr  bjufommt.  %fyx  ©ebiet 
ift  beSfyalb  bor  allem  bie  Wilbe  ©tebbe  bon  3>uba  (f.  o.)  unb  äb,nlid)e  ©egenben.  Qm 
StS  Wirb  fie  fefyr  b,äufig  mit  bem  ©d;af  unter  ben  gemeinfamen  tarnen  sö'n  jufammen= 

10  gefaxt  (f.  o.),  aber  eine  $ReiI)e  bon  Sejeidjmungen,  bie  nur  ib,r  julommen,  geigt  t^re 
2Bicr,ttgfeit  in  ber  iSraelitifd)en  Siebet:  w  £iege,  ^,  tw?,  "nsto,  Tss  ber  $iegen= 
bod  (sä'ir  Wirb  faft  auSfdiliefelid)  bom  Dbfertter  gebraucht),  ^  baS  Södd)en.  $n 
^ßaläftina  finb  jtoet  Slrten  bon  Riegen  ^eimtfd^ :  bie  gewöhnliche  3^eSe  ift  bk  capra 
mambrica,  beren  cfyaraftertfttfcljieS  Berfmal  bie  ca.  20  cm  langen,  fdilaff  b,erabb,ängen= 

15  ben  Dbjen  ftnb.  SDaS  ©el)öm  ift  glatt  unb  ftcfyelfbrmig  gurüdgefrümmt,  baS  £aar  in  ber 
iWegel  glängenb  fct/Warj,  lang  unb  bid)t.  ©ine  anbere  2lrt,  ebenfalls  fdjWarj,  aber  mit 
fürjeren  Dfyren  fommt  in  ben  nörblidjen  ©egenben  beS  SanbeS  bor.  ©ine  brüte  ©biel= 
art  am  Sibanon  l)at  größere  fyorigontal  ftefyenbe  §örner  (Tristram,  Nat.  hist.  of  the 
Bible  93).    SlUe  biefe  Strien  finb  größer  als  unfere  eurobätfd)e  ifjauSgiege.    ©efledte 

20  ©semblare  bilben  eine  2luSnab,me  (®en  30,  32  ff.),  ©tWaS  mefjr  als  bie  §älfte  ber  Riegen 
werfen  im  SDejember  unb  ^^nuar,  in  ber  für  bie  jungen  SLiere  geeignetften  $eit,  benn 
nad)  jtoeimonatlidgen  ©äugen  finben  fie  reicr)Ucb,e  grübjafyrSWeibe,  bei  ber  fie  grof?  unb 
Mftig  Werben.  ©tWa  20°/0  Werfen  im  grübjalir,  etwa  Bitte  gebruar  bis  SCRttte  2IbriI, 
biefe    l)aben   jWar   nod;   reidjlid)   Buttermilch,   aber  nad)t)er  nidjt  mel)r  fo   biel  ©raS. 

25  Söeitere  10°/0  Werfen  im  ©ommer,  etwa  £juni  unb  ^uli;  fie  bleiben  fcfywädrtid;  unb  Hein, 
ba  fie  Weber  bei  ber  Butter  fyinreicfyenb  Bild)  nod)  auf  ben  Sergen  genügenb  ©raS 
finben.  ©aSfelbe  gilt  bom  §erbftWurf  im  Dftober  unb  9?obember,  ber  bon  ben  reftlid)en 
10°/0  ftammt,  Welche  baS  erftemal  abortierten  ober  ifyre  3un9en  fofort  burd)  ben  £ob 
berloren. 

ao  SDie  Riegen  würben  nod)  f)eute  meift  mit  ben  ©d)afen  gufammen  geWeibet.  SDod) 
galten  fid)  bann  bie  beiben  gerben  etwas  getrennt,  bie  Riegen  Iteben  eS  an  ben  Serg= 
abhängen  in  bie  §öb,e  $u  flettem  unb  namentlid)  ba,  Wo  SufcfyWerf  ift,  biefeS  gu  benagen, 
Wäfjrenb  bie  ©djafe  bei  bem  furzen  ©rafe  bleiben.  2lud)  bei  Stockt,  Wenn  beibe  jufammen 
lagern,  unb  am  Brunnen  bei  ber  Slränfe   fonbern  fid)  inftin!tib   bie  3ie9en  un^  ©c§afe 

33  boneinanber.  ®ie  QkQtnböäz ,  bon  benen  man  in  alter  3^it  je  einen  auf  10  3ie9en 
ju  galten  bflegte  (©en  32,  14),  finb  bie  ftattlidj  etnberfdjreitenben  Seiter  ber^erbe  ($r30, 31; 
^er  50,  8). 

S)ie§  unb  anbre  @igenfd)aften  geben  ben  ©tdjtern  reid)licb,en  ©toff  ju  Silbern,  ©en 
Sööfen  ju  bergleicfyen  finb  bie  dürften  als  Seiter  be§  Solfeä  (^ef  14,  9;  ©ad)  10,  3),  ib,r 

40  unb  ber  SSibber  geWaltt§ätige§  Söefen,  unter  bem  bie  3'e9m  un^  ©d)afe  ju  leiben 
b,aben,  Wirb  jum  Silb  ber  rücEfic^tglofen  SRacfytfyaber  im  3ioß  (©§  34,  19).  ©o  Werben 
bie  Söcfe  jur  Sejeid)nung  ber  Söfen,  bie  ©d)afe  jur  S3ejeid)nung  ber  ©uten  in  ber  ÜRebe 
^efu§  bom  jüngften  ©erid}t  (Bt  25,  32  f.).  Söenn  bei  5Daniel  ber  giegenbod;  a\§  ©^m= 
bol  bon  ©fyrien  erfd)eint  (2)a  8,  5  ff. ;  2llesanber  lommt  al§  §err  bon  ©fyrien  in  93etrad)t, 

45  f.  SBincller  in  Orient.  Sit.  Rettung  1904,  ©b.  96),  fo  ift  natürlid)  ber  Soc!  im  ^ierlrete 
bes>  §immel§  gemeint  unb  nid)t  ber  ftbfjige  §erbenbod;.  S)em  glänjenbfd^Warjen  £aar  ber 
Riegen,  bie  am  Serge  lagern,  bergleicfyt  ber  ©änger  ba3  Soden^aar  feiner  ©eliebten 
m  4,  1 ;  6,  6). 

giegenfleifcf;  (Wie  ©d)affleifd))   War    gefd)ätjt,    meb,r  al§   je^t,    Wo  ©d)affteifd)  bie 

so  häufigere  gleifcfyfbeife  ift.  SefonberS  beliebt  War  ba3  junge  Söc!d)en  (©en  27,  9 , 
Sub  6,  19;  13,  15;  15,  1;  1  ©acb,  16,  20  u.  a.),  ba§  Bleute  in  Bild)  gelod)t  für  be= 
fonberS  gart  gilt;  ben  Israeliten  War  biefe  3"&eieitung§art  berboten  (@j  23,  19  u.  a.). 
Ban  e^rt  ben  ©aft  mit  einem  gefcfylacfyteten  Söd)d)en  (^ub  6,  18  f.  u.  a.),  unb  man  bringt 
als  WiUfommeneö  ©efdjenl  ein  IebenbeS  Söd;d)en  jum  ©d)ladj)ten  (^ub  15,  1).  —  3ie9en= 

55  mild)  Würbe  biel  getrunfen  (5ßr  27,  27).  ®ie  3iegenb,äute  fanben  unb  finben  bor  allem 
Serwertung  gur  £erfieHung  bon  ©d)Iäud)en,  in  benen  man  Söaffer  unb  SBein,  autf;  Bild) 
aufbewahrte.  ®ie  3i«genf)aare  Würben  bon  ben  grauen  gewoben  unb  gaben  einen  raupen 
©toff,  ber  für  baS  Srauergetoanb,  ben  ©ak,  SerWenbung  fanb  unb  bor  allem  für  bie 
geltbecfen  geeignet  War,  ba  er  beim  9iegen  berfiljte  unb  Wafferbid^t   würbe  (©j  35,  36; 

eo  «Ru  31,  20  u.  a.,  bgl.  3Irt.  gelt). 


»tefjättty  623 

£er  häufigen  SerWenbung  als  ©cbjacfyttier  entfbricfyt  bie  Sebcutung  als  Obfertier. 
£as  männliche  %kx  ift  als  freiwilliges  Sranbobfer  geftattet  (£e  1,  10;  22,  19),  beibe, 
baS  männliche  unb  Weibliche,  als  £>etlSobfer  (2e  3,  12;  17,  3;  9cu  7,  17  88;  15,  11). 
Sor  ädern  finbet  bte  .ßtege  SerWenbung  beim  ©ünbobfer.  ©ie  tft  baS  gewöhnliche  Bier= 
bei  bom  ©efe£  geforberte  lier:  beim  ©ünbobfer  beS  dürften  ein  giegenbod  (ge  ^  o;; ;  5 
9(u  7, 16.  87),  beim  gemeinen  Wann  eine  Weiblidje  Siege  (2e  4,  28;  5,  6;  9cu  15,  27), 
als  ©ünbobfer  ber  ganzen  ©emeinbe  an  ben  gefien:  bei  SlaronS  SBei^e  ein  SBodf 
(Diu  9, 15 ;  10,  16),  am  SerföfmungStag  ätoet  Söcte  (2e  16,  5),  an  ben  9ceumonben,  am 
$affaft,  am  $eft  ber  ©rftlinge,  an  ^ceujafyr,  an  Saubfyütten  immer  ein  giegenbocl  (9cu  28, 
15.  22.  30;  29,  5.  16  u.  a.).  @S  ift  fcfyon  oben  bemetft  Worben,  bafe  bie  $iege  als  10 
Dbfertier  ftctö  als  """f ,  als  bie  „paarige"  bejeidjmet  Wirb.  SaS  ift  nid)t  jufäHig, 
eben  als  baS  „paarige"  %m  fyat  eS  befonberen  religiöfen  ßfyarafter.  SaS  SJcotib  ber 
„paarigen"  gehört  im  altorientalifdjen  SRrjtfyuS  jum  ©üben  unb  jur  Unterwelt,  behaart 
ift  bie  ©ottfyeit  ber  Unterwelt  unb  bie  „paarigen"  finb  bie  fcfylimmen  SDämonen  ber 
oben  2Büfte,  ju  benen  ber  SerföljmungSbod:  am  ©ülpefeft  getieft  Wirb,  ©aju  ift  15 
fcfytoarg  bie  garbe  beS  ©aturn  —  Wergal.  £)ab,er  bie  Söcfe  =  bie  Söfen,  ber  §ölle 
Serfallenen.  ©od)  lann  I)ier  biefen  mt>tf)oIogifcI)en  3ufammenl)ängen  nid)t  Weiter  nacfy= 
gegangen  Werben. 

-1.  9?inbbieb,  gud^t  ift  nicfyt  ©ad)e  ber  ^comaben  ber  ©tebbe,  fonbern  beS  anfäffigen 
Sauern.  SDaS  9Unb  berlangt,  Wenn  bie  $uü)t  im  großen  betrieben  Werben  foH,  gute  20 
SBeibeblät^e  mit  genügenbem  Söaffer.  ©olcfye  bieten  in  ^3aläftina  bie  größeren  unb 
fleineren  in  baS  Serglanb  eingeftreuten  Ebenen,  bie  ^üftenebene,  bie  ßbene  ^e^reel,  baS 
^orbantljal  unb  bie  grofee  |>auranebene.  Safe  le^tere,  baS  alte  Safan,  feb,  on  in  alter  ^eit 
als  §eimat  ftattlicfyen  SieI)S  gerühmt  Wirb,  ift  jd}on  oben  erwähnt.  2tlS  -ftutjtier,  baS 
ber  Sauer  in  einzelnen  @Ecmblaren  I)ält,  ift  eS  natürlich  über  baS  ganje  2anb  Verbreitet.  25 
Safe  im  Stltertume  meb,r  Sftnbbieb,  gehalten  Würbe  als  fyeute  in  ^aläftina,  ergiebt  fieb, 
aus  ben  ;Jcad;rtct)ten  beS  %%. 

SaS  §ebräifct)e  b,at  gab,  treibe  33ejeicb,nungen  für  baS  Sftnbbieb, :  ^prs  ift  bie  allgemeine 
folleltibe  Benennung,  baS  einzelne  ©tue!  ob,ne  9tüä'fidj>t  auf  baS  Sllter  (@e  22,  29; 
£e  22,  27)  ift  -nd,  ein  2Bort,  baS  meift  nur  bom  männlichen  Siel)  gebraust  Wirb;  ^  be=  30 
jeic^net  ba§  sJiinb  als  ^ab,  me§  $au3tier  (Bommel,  ©äugetiere  224) ;  "f  ift  ber  junge  au& 
getoacbjene  ©tier  (aueb,  noeb,  ber  fiebenjäfyrige,  %\ii  6,  25),  Wie  er  namentlich  gum  D^fer 
geeignet  ift;  ba§  Femininum  babon  ^f?,  ift  bie  gewöhnliche  Benennung  ber  Äub;;  -"'"' 
fem.  ri^y  ift  bas"  ^alb,  be^ie^ung^Weife  ba§  junge  £ier,  5.  33.  ba§  breijäb^rige;  enblict) 
bia)terifc^  "^n  ber  ©tar!e,  für  ben  ausgeworfenen  ©tier.  35 

35ie  Stinbbiel^raffe  be§  heutigen  ^5aläftina  ift  im  ©üben  ber  ©bene  %z%xwl  Hein, 
unanfeb,nlicb,  unb  ftrub|)ig,  meift  fcfywarj  ober  braun.  3n  ©aliläa  finb  bie  Stiere  größer 
unb  b^Uer  gefärbt;  biefe  oft  recb,t  ftattlicb^en  2;iere  Werben  al§  armenifebt  bejeic^net.  ®ie 
inbifa)en  Süffel  mit  langen  Römern  (bos  bubalis),  toon  benen  man  im  ^orbant^al  eine 
2lrt  trifft,  finb  erft  in  berb,ältmsmäf$ig  ftoäter,  nac|biblifcb,er  ^ett  borten  gelommen.  ®a=  40 
gegen  Wirb  bon  ben  9caturforfcb,ern  bie  gewöhnliche  Slinbbiel^raffe  al§  uralt  in  ^ßaläftina 
bejeicb.net  (Sortet,  La  Syrie  d'aujourd'hui  153). 

gür  ben  Sauern  War  ba§  9tinb  ba§  unentbehrliche  2lrbeit§tier  jum  pflügen  unb  ®refcb.  en 
(f.  21.  Verbau  Sbl©.  136, 6).  3luct)  alsßugtier  Würbe  eg  benüfet  (3cu7,3.  7f.;  I©a6,7; 
2  ©a  6,  3.  6).  ^m  swfeen  tourbe  e§  gejücb,tet  um  ber  -Kcilcfy  Willen,  unb  bor  allem  als"  45 
©cfylacb, ttier.  Safe  beim  Sauern  ba§  ©d>lac|tert  eines  9tinbe§  etwas  b,öcb,ft  ©elteneS  War, 
liegt  in  ber  -Jcatur  ber  ©acf>e;  ba§  SEier  War  für  il)m  ju  f oftbar,  au$  gu  grofe  für  feinen 
§aus1)alt.  Slber  fonft  galt  eS  als  etwas  befonberS  geineS,  Wenn  ein  gemäfteteS  ^alb 
ober  3tinb  gefcbjad?tet  Würbe  föef.  22,  12),  als  grofee  @b,rung  eines  ©afteS  (©en  18,  7 ; 
1  ©a  28,  24;  bgl.  noeb,  £c  15,  30),  als  tabelnSWerte  Übbigfeit  ber  Sorneb^men  unb  bo 
9teia>n  (2lm  6,  4).  2tn  ber  löniglicfjen  SCafel  burften  gemäftete  9ünbcr  unb  junge  2Beibe= 
od^fen  ntct)t  fehlen;  ©alomoS  2;ifcb.  erforberte  naef)  1  %  5,3  täglicb.  10  9Jcaftocb,fcn  unb 
20  2öeibeoclb,fen,  9?el?emia  als  (Statthalter  brauet  täglich  einen  Dcfyfen  (9ceb.  5,  18).  — 
Sementfbrecfjenb  ift  ber  Ddjfe  aueb,  baS  borneb^rnfte  unter  ben  Dbfertieren.  ©aS  üalb  ift 
bom  8.  SLag  naef)  ber  ©eburt  an  obferbar  (@j  22,  29;  2e  22,  27).  Unb  jWar  Werben  65 
fie  ju  allen  Dtoferarten,  ausgenommen  baS  ©cb,ulbobfer,  genommen.  21IS  gröfeteS  unb 
befteS  Dbfertier  Wirb  ber  ©tier  beim  ©ünbobfer  beS  JpoftenbriefterS  unb  beS  Solls  (2e  4, 
3.  14;  16,  3.  6.  11),  beim  ©ünbobfer  ber  $riefter=  unb  SebitenWeib^e  (@j  29,  1.  11.  36; 
2e  8,  2.  14  u.  a.),  beim  ©ünbobfer  ber  2lltarWeib.e  (ßic  43,  19)  u.  bgl.  gefefy lachtet ;  für 
baS  Sranbobfer  finb  gleichfalls  nur  männliche  Siere  geftattet  (2e  1,  3),  fieben  garren  ift  eo 


624  Stellt 

ba§  regelmäßige  gefttagSbranbobfer  (3iu  23,  1  ff.,  11.  29),  unb  gange  §efatomben  fallen 
im  Semtoelbienft  bei  befonberen  (Gelegenheiten  (1  %  8,  63;  2  tyx  5,  6;  7,  5;  29,  32  f. 
u.  a.).  3um  §etlSopfer  finb  Spiere  beiberlei  ©efcblecbtS  brauchbar  (2e  3,  1;  17,  3).  ®ie 
Slfcbe  einer  roten  Auf)   bient   jur  Steinigung    bei  Verunreinigung  burcb   einen  Seidmam 

5  0lu  19,  2). 

©eWbbnlicb  blieben  bie  Siinber^erben  ba§  gange  3ab/r  über  auf  ber  freien  Sßeibe 
0lu  22,  4;  1  %  5,  3;  $ef  7,  25).  ©iefeS  Söeibebieb  oerWilbert  auf  biefe  Söeife  mancb= 
mal  unb  Wirb  bem  Söanberer  gefäbrlicb  0Pf  22,  13);  ba<§  ©efe$  fteflt  auäbrücflicr)  feft,  in 
meinem  %aü  bie  Rötung  eines»  ©ritten  burcb  ein  9ünb  ben  (figentümer  jur  £aft  fällt 

io  (@e  21,  28 ff.).  33on  biefem  SSeibebtel)  Wirb  unterfcbieben  ba§  2Raftbieb,  ba§  man  im 
©tatl  bält,  abgefeben  bon  ber  £eit  ber  grübjabrStoeibe  (2  6b,r  32,  28 ;  1  %  5,  3  u.  a.). 
Sieben  bem  ©ra<§,  bas>  im  £>erbft  nicfyt  mebr  ausreichte,  gab  man  §äclfel,  b.  b.  ba§  beim 
©reffen  in  Heine  ©tücfe  gerriffenc  ©trob  gu  freffen  ($ef  11,  7;  30,.  24;  65,  25). 

5.  Um  bie  Verbältniffe  ber  Seute,  bie  im  $H%  al§  §trten  (Q"1?'"!)  begeicbnet  werben, 

15  gu  toerftel)en,  muß  man  ftcr)  bergegenWärtigen,  baß  im  ^ulturlanb,  abgefeben  bom  ^Bauern, 
ber  feine  paar  ©tücfe  ©roß=  unb  ^leinbieb,  f)ält  unb  i^re  3ucbt  nur  als!  Siebenberuf  be= 
treibt,  bie  5Rtnbt>iet}§ud^t  ftetS  bie  formen  be§  ©roßbetriebsi  annehmen  muß.  Seim  23e= 
buinen  ber  ©tetobe,  Wo  bie  üffieibeblätje  unb  Quellen  ©tammeSeigentum  finb,  unb  e§ 
leinen  ^ribatbefitj  an  Sanb  giebt,  fann  aucb,  ber  Slrme  feine  wenigen  SEiere  mit  ber  §erbe 

20  besl  ©efcblecbtsi  weiben  lafjen.  3m  ^ulturlanb  finb  bie  2SeibebIä£e  nicfyt  frei,  fo  baß 
jeber  fein  33ieb  grafen  laffen  lönnte,  roo  er  miß.  §ier  fetjt  ber  33eft|  einer  §erbe  einen 
entfbrecbenben  ©runbbefüj  borauS,  be§b,alb  finb  nict)t  bie  Keinen,  fonbern  bie  großen 
Seute  girren  b.  b-  §erbenbeft^cr  im  212,  toorab  bie  Könige,  ber  2lbel,  reiche  Bürger  ber 
©tabt  Wie  9M>al.    ©iefe  #erbenbefr|er  üben  ben  33eruf  beS  §irten,  bie  eigentliche  3luf= 

25  ficljt  über  bie  §erbe  k.  triebt  felbft  au§,  böcfyftenS  baß  fte  ab  unb  gu  nacb  ber  £>erbe 
far/en,  ibre  Söeiber  unb  $inber  etwa  mit  ben  §irten  febieften  unb  ba§  §eft  ber  ©ebaffebur 
mitfeierten,  ©onft  bitten  fte  ibre  angeftetlten  §irten,  in  ber  Siegel  gemietete  freie  $ned)ie 
(WenigftenS  fe£t  baS  ©efeij  fotd^e  boraus),  feltener  ©Haben,  ©ebon  im  alten  babt/lonifcben 
Stecht  ift  bie  ©teHung  be§  §irten  gum  §erbenbefi|er  genau  geregelt    (Cod.  Hammurabi 

30  §  261—265,  57  f.).  £>aß  bie  gleiten  !JtecbtsigeWobnfyeiien  auty  in  $aläftma  beftanben, 
ftebt  man  noeb  aus»  bem  SunbeSbucb :  aucb  Ijter  ift  ber  §irte,  ber  fein  5Bieb  auf  fremben 
gelbern  Weiben  läßt,  haftbar  für  ben  ©cbaben  (@r.  22,  4;  ber  §irte  erfebeint  ^ier  gugleicb 
al§  SSiefybefitjer,  bgl.  Cod.  Hamm.  §  57.  58);  \va$  bon  ber  §erbe  geftoblen  Wirb,  muß 
ber  §irte  erfe^en,  fommt   fonft  etwa!  abbanben   ober  Wirb  befc^äbigt,   fo    Wirb   er    frei, 

35  Wenn  er  feine  Unfcbulb  befcb,  Wören  lann ;  Wenn  Wilbe  Xiere  ein  ©tue!  zerreißen,  muß  er 
ben  93eWeiS  bafür  beibringen,  um  frei  gu  Werben  (@j  22,  9— 12;  bgl.  2lm  3,  12 ; 
©en  31,  38 f.;  1  ©a  25,  7;  Cod.  Hamm.  §  261.  266).  2lu3  ©en  31,  38  febeint  aueb 
ju  folgen,  baß  ber  §irte  für  richtigen  9iacbWucl;S  berantwortlid;  War,  Wie  im  baty-- 
lonifcben  Stecbt  (Cod.  Hamm.  §  264  f.). 

40  S3ei  aliebem  War  ba3  Seben  unb  ber  Seruf  ber  §irten  red)t  müfyfam.  ,,©eS  SEageS 
berging  icb  bor  §i^e  unb  beS  TiacbtS  bor  groft;  lein  ©eblaf  fam  in  meine  3lugen" 
(©en  31,  40).  (Is  galt  bie  ^iere  beifammenjufyalten,  ba§  öerlorene  unb  berirrte  ju  fueben, 
ia§  Iranfe  ju  pflegen,  ba§  berWunbete  ju  oerbinben,  baS  ermübete  Samm  ju  tragen 
(©en  31,  38 ff.;  @j  34,  3—16;  Qef  40,  11).     2luS  ben  (Sifternen  mußte  ber  §irt  um  bie 

45  SJUttag^eit  SBaffer  für  bie  £iere  in  bie  ^ränfrinne  feböpfen  (©en  24,  20 ;  29,  2  ff.)  unb 
3anl  unb  ©treit  mit  anberen  §irten  War  babei  ntctyt  feiten  (©en  21,  25;  26,  19 ff.; 
@E  2,  16  f.).  9Jcit  Wilben  Vieren  gab  e§  ju  fämpfen  (1  ©a  17,  34  ff.,  bgl.  3er  49,  19), 
unb  ftefcS  War  ein  WacbfameS  Sluge  auf  bie  §erbe  ju  baben.  2lm  2lbenb  Würben  bie  §erben 
in  Würben,  5pfercbe  getrieben   (rr*?  3Jci  2,  12,    n-ri?.  9?u  32.  16.  24.  36;    1  9to  24,  4; 

60  3er  49,  3 ;  ^e  2,  6,  k^sk  §ab  3,  17 ;  «ßf  50,  9 ;  78,  70,  ^?^f?  ^ub  5, 16;  ©en  49, 14), 
bie  au$  roben  ©teinmauern  errichtet  Waren  unb  gegen  bie  Wilben  Stiere  ©cbu|  boten. 
SDie  reieberen  §erbenbeft|er  erriebteten  in  ber  §ürbe  „^erbentürme"  (©en  35,  21;  2  % 
17,  9;  18,  8;  W\.  4,  8;  2  Gbr  26,  10).  93iacbtlog  freilieb  Waren  bie  Wirten  gegen  bie 
©tretffcfyaren   räuberifeber  Siomaben   (§t  1,  14.  17).    S3eim  2luS=  ober   Eingeben   in   bie 

55  §ürben  Würben  bie  gerben  ge§ät)tt,  baS  Hleinbieb  ließ  ber  §irt  babei  unter  feinem  §irten-- 
ftab  burebge^en  (2e  27,  32;  3er  33,  13;  @r.  20,  37).  ®er  §irte  felbft  fcblief  unter  freien 
§immel  ober  unter  einem  leichten  §irtengelt  (Qef  38,  12). 

SDie  2Iu§rüftung  be§  §irten  War  eine  febr  einfache :   eine  Keine  ^irtentafdje,    in  ber 
er  feinen  fbärlicben  ^ßrobiant  u.  a.  trug  (1  ©a  17,  40),   Wobl  Wie  fyeuti  einfacb  bie  ent= 

60  baarte  §aut  eine!  ©cb,af=  ober  ßtegenlammeS ;   ber  ©cbäferftab  (Wi  7,  14),    beute    ganj 


SBtefjsudjt  «icrntc  625 

bcrfelbe  tote  bie  aud;  fonft  gebrausten  ©töde  mit  einem  $afen  ftatt  be§  ©riffs,  jugleidj  feine 
§aubtmaffe;  unb  eine  ©cfyleuber  (1  ©a  17,  40,  bgl.  33b  XI  ©.  115, 30),  bie  unentbefyrlid/e 
Hirtenflöte  ntcr/t  gu  bergeffen  (SHi  5,  16).  §irtenfyunbe  Ralfen  ifmt  bei  ber  £mt  (§i  30, 1). 
SÖßaS  ber  £irte  an  2oI)n  betam,  erfahren  mir  nidjt.  £)er  Cod.  Hammurabi 
(§  261)  beftimmt  ifym  8  ©ur  $orn  im  ^ar/r  (natürlich  aufeer  ber  9iab,rung),  b.  \.  5 
ebenfobiel  mie  einem  ©äemann  (§  257),  meb,r  als  einem  Dcr/fentreiber,  ber  nur  6  ©ur 
befommt  (§  258),  unb  ba§  SDobpelte  be3  9Riet3breife3,  ber  für  einen  Dcf/Jen  gezahlt  rotrb 
(§242).  3ad>  11,  13  fbricfyt  bon  einer  Se^lung  in  ©elb,  au<§  (Ben  30,  28  ff.  barf 
man  bielleicrjt  fd)liej$en,  bafs  fie  manchmal  einen  %til  ber  Sämmer  ber  §erbe  befamen. 

SBertätttger.      10 

ÜStcnne,  ^on^ilien  bafelbft.  —  Sttteratttr  pr  ©tjnobe  non  1311.  (Sine  Stnjaljl 
auf  fie  bejügl.  päpft(.  (Srlaffe  bei  Mansi  XXV,  <B.  367 ff.;  SBructjftiicEe  ber  Sitten  bjSgeg.  non 
eWe  im  2WS©  IV,  1888,  ®.  361;  Regestum  Clementis  V.  ed.  cur.  m.  0.  s.  Bened., 
«Rom  1884-1888,  10  33be;  ©cfiottmüder,  3)er  Untergang  be§  SempIerorbenS,  Berlin  1887, 
2  23be;  fttnfe,  ^apfttum  unb  Untergang  be§  Semplerorbenä,  SKiinfter,  19)7;  33eritf)te  über  15 
bie  Sbnobe  bei  Baluzius  Vitae  pap.  Aven.  I;  £>efek  6®.  VI'2,  1890,  S.  515 ff.;  Snöpfler 
im  ft.«y  XII-,  1901,  <S.  938  ff.;  «K.  öeber,  ©utadjten  unb  9teformuorfd)täge  für  baS  SSienner 
©eneraltonjU  1311— J  312,  Seipj.  Stffert.  1896. 

23ienne  ift  neben  £r/on  ber  ältefte  ©uj  beS  ßf)riftentum§  in  ©aHten.  ^u  ben  9flär= 
tbrern  bon  177  gehörte  ber  bortige  ©ialon  ©anctuS  (Eus.  H.e.  V,  1,  17);  gemeinfam 
mit  ben  ©laubigen  in  Styon  berichteten  bie  ßfyriften  in  "ßienne  über  biefe  Verfolgung  20 
(Eus.  H.  e.  V,  1,  3).  33ifdmfsfit3  mar  SSienne  bamalS,  nod)  nid)t.  ®er  erfte  33ifd)of, 
beffen  $eit  nacrjroetelicf;  ift,  mar  23eru§,  ber  als  "Seilner/mer  ber  ©r/nobe  bon  2lrle3  befannt 
ift  (»tief  an  ©ilbefter  b.  Rom,  CSEL  26,  ©.  206).  ©eit  445  mar  SStenne  fircfylicfye 
gjletro^ole  (f.  93b  II  ©.  58, 11).  ©eitbem  fanb  eine  9teir/e  bon  ^onjilien  in  33ienne  ftatt, 
bon  benen  aber  bie  meiften  olme  Sebeutung  für  bie  allgemeinen  Ser^ältniffe  gemefen  finb  25 
ober  bod)  feinen  tieferen  ©influf;  auf  bie  ©ntmidelung  berfelben  gehabt  I)aben.  3)a§ 
erfte  fott  um  ba§  ^ab/r  474  gehalten  morben  fein  unb  e§  foHen  auf  ib,m  bie  bon  33.  Wa- 
mertuS  bon  SMenne  eingeführten  Rogationen  fanttioniert  morben  fein.  Slber  bie  angeb= 
lid)e  ©tmobe  fd)eint  niemals  ftattgefunben  §u  I)aben.  9frct/t  nur  meifj  Stbo  bon  3Sienne 
in  feinem  6I)roniton  nid)t  bon  il)r,  fonbern  bie  23ericr/te  beS  ©iboniuS  2tbollinari3  ep.  V, 30 
14  ©.  87  unb  VII,  1  ©.  103  f.  unb  beä  3Uc.  2lbitu§,  Hom.  in  rogat.  ©.  108  ff. 
fd)liefjen  bie  2tnnab,me  aus.  ©in  anbcreS  Slongtt  (im  JJafyre  870)  betätigte  bie  einem 
^lofter  berlieb,enen  5Red)te,  Mansi  XVI  ©.  562,  mäfyrenb  ba§  britte,  meldtet  im  Qafyrc 
892  unter  bem  3]orfi^e  ber  Segaten  beä  ^apfte§  5ormofug  gehalten  mürbe,  bie  2üeltlid}en 
mit  bem  33anne  belegte,  meldje  5lird;engüter  trolj  erhaltener  Slbma^nung  jurüdbe^alten, 35 
Älerifer  berftümmeln  ober  töten,  Hirnen  ob,ne  ^"fttfnwung  ber  93ifd}öfe  bergeben,  ben 
93efü)  !ran!er  ober  berftorbener  33ifd}öfe  beriefen  mürben,  XVIII,  ©.  121  f.  3m  3a^re 
907  beranftaltete  ber ,  @rjbifd}of  2lleranber  bort  33ienne  ein  ü'onäil  bafelbft,  meld)e§  einen 
jmifd)en  ben  beiben  2lbten  2lribert  unb  33arnarb  über  S^loftereinlünfte  obmaltenben  ©treit 
beilegte,  XVIII,  ©.  259.  Unter  RifolauS  II.  fanb  im  ^afyre  1060  eine  bon  feinem  *> 
Segaten  ©tefan  geleitete  ©tjnobe  ftatt,  metebe  93efd)lüffe  gegen  ©imonie,  ^riefterefje  2c. 
fafete,  XIX,  ©.  925.  9Bid)tiger  mar  baS  Hon^il,  melcb,e§  ber  @r^bifcb,of  ©uibo,  ber  fbätere 
^abftMijt  II.,  im^ab/relll2  abhielt.  Qm  ©egenfa#  ^u  bex  augenblidlid;en  3Rad)giebig= 
fett  be§  ^3abfte§  ^ßafd;ali§  II.  erflärten  bie  frangöfifdjen  93ifd)öfe  fid)  b,ier  fef>r  entfd)ieben : 
jebe  ^nbeftitur  bureb,  2aien  fei  §ärefie,  ba§  3ug.eftcmkm<§  beg  $a^>fteg  bon  1111  fei  ab--  45 
genötigt  unb  be<Sl)alb  nid)tig,  §einrid)  V.  fei  megen  ber  gegen  ben  $abft  gebrauchten  ©e= 
toalt  mit  93ann  unb  2Inatr/ema  belegt,  Mansi  XXI,  ©.  73  ff.  2)ie  ©efd^id^tlidif'eit  ber 
©r/nobe,  meldte  ^ßabft  ©elafiu§  II.  !urj  bor  feinem  ^obe  im  Januar  1119  in  93ienne 
gehalten  b,abm  foll,  ift  beftritten,  XXI,  ©.  317.  33on  einem  anberen  lonjile,  metd)eS 
ber  @rjbifd}of  ^etruö  bon  33ienne  an  feinem  ©i^e  auf  93eranlaffung  beg  *ßabfte>3  Äalijt  II.  50 
im  ^ab;re  1124  b,ielt,  miffen  mir  nur,  bafe  e3  bie  2öab,rung  ber  33efi^ungen  ber  rörni* 
fd;en  üircb,e  bejmedte,  bie  bei  ©träfe  ber  @rJ;ommunifation  ni<|t  angetaftet  merben  füllten. 
33ejeugt  ift  bie  ©r/nobe  nur  bureb,  ©ffef).  Chr.  j.  1119,  Scr.  VI,  ©.254;  bagegen  finbet 
fieb;  anbermärtS  bie  9iacb,ricb,t,  bafe  ©elafiuö  eine  ©tmobe  ju  galten  beabficb,tigte,  aU  er 
bom  Sob  überraf^t  mürbe  (Ann.  Fatherbr.,  ©.  136).  (SS  ift  nicb,t  unmab,rfcb,einli*,  m 
bafe  auS  biefer 2lbfid}t  bie©^nobe  gemorben  ift.  lym^abre  IUI  fanb  mieber  ein^onjil 
ju  93ienne  ftatt,  XXI,  ©.  571;  eS  befcl)äftigte  fid)  mit' ber  2öab,t  cine§  neuen  33ifd)ofS 
für  Salence.  ^m  ©treite  griebrieb,^  I.  mit  ätlejanber  III.  l;ielt  Rainalb  bon  Jlöln  im 
©ommer  1164  in  "iUenne  eine  ©ttnobe   bcS  burgunbifd;en  @]pifJobatS,   um   ib,n   für   bie 

fReaI=®ncl»Ho)>äbte  für  Geologie  unb  mrij&e.    3.  81.  xx.  40 


626  SBieime 

2lnerf ermutig  beS  faif erliefen  ©egenbabfteS  ?ßafd?alx§  III.  ^u  gewinnen.  2lber  olme  jeben 
(Erfolg  (Söatterid?,  Rom.  pontif.  Vit.  II,  ©.  538  f.).  2lm  14.  Januar  1200  beran= 
ftaltete  ber  Ifarbinallegat  ^etruS  emÄongil  gu  93icnne,  um  über  ^ßf)ilibb  2tuguft  bon  $ranf= 
reid?  ben  33ann  &u  berfünbigen,  ben  fpa^ft  ^nnocen^  III.  über  ben  dortig  behängt  fyatte, 
5  Weil  er  feine  ©emafylin  2>ngeburg  berftofeen  unb  eine  neue  @t?e  mit  2IgneS  bon  hieran 
eingegangen  blatte,  XXII,  ©.  707.  Sßon  einer  SSienner  $robmä.=©tynobe  im  %af)xe  1289 
ift  nur  bie  3^atfad?e  ber  2lbl?altung  belannt  (Mansi  XXIV,  ©.  1063). 

(Eigentliche  2öid?tigfeit  unb  33ebeutung  t?at  bemnadj  nur  baS  ßonjü  ju  93tenne, 
Weld?eS  im  3at)re  1311  unter  (ElenienSV  gehalten  werben  ift.    (ES  gilt  als  baS  15.  ofu= 

to  menifd?e  Äongil.  ®ic  an  bie  gürften  unb  Prälaten  gerichtete  33erufungSbutle  Regnans 
in  coelio,  Reg.  3626  ff.,  ift  Dom  12.  2luguft  1308  batiert;  bon  ben  legieren  Waren  nur 
bie  @rjbifct)öfe  unb  aus  jeber  SUrcfyenbrobinj  2—3  33ifd?öfe  gelaben.  ®ie  ©fynobe  foEte 
nad?  Verlauf  bon  jWei  ^aljxm  am  1.  Dftober  1310  eröffnet  Werben.  $Dod?  mürbe  bie 
Eröffnung  burd?  eine  neue,  am  4.  3lbril  1310  erlaffene  33utte  bis  jum  1.  Dftober  1311 

15  berfd?oben ;  ber  ©runb  lag  in  ben  äkrfjanblungen  mit  Äönig  ^3I?ilibb,  bie  fict)  teils  auf 
bie  bon  biefem  geforberte  2lufl?ebung  beS  %embelI?errenorbenS,  teils  auf  bie  bon  u)m  ber= 
langte  (Einleitung  eines  SerbammungSbrojeffeS  gegen  33onifatiuS  VIII.  belogen,  ^ßl?tlibb 
liefe  enbltdj  bie  le^tere  gorberung  fallen  unb  ftellte  bie  auf  23onifattuS  fid?  be§iet?enbe 
3lngelegenl?eit  ber  (Entfcfyeibung  beS  SßabfteS  unb  beS  allgemeinen  ÄonjilS   ant)eim.    211s 

20  bie  £aubtbunfte,  auf  meiere  fid?  bie  S£t?cüigfeit  beS  ÄonjilS  erftreden  follte,  Waren  in 
ber  SerufungSbuUe  begeidmet:  1.  baS  Urteil  über  ben  fernerer  33erbred?cn  angesagten 
Slembelfyerrenorben ;  2.  bie  bem  gelobten  £anbe  ju  leiftenbe  §ilfe,  3.  bie  Reform 
ber  ^irc^enbiSjiblin.  3uÖ^e^  §atte  $abft  ßlemenS  bie  jum  Äonjile  fommenben  33ifd?öfe 
unb  Prälaten  aufgeforbert,  il?re  2lnfid?ten  über  bie  einer  Reform  bebürftigen  fünfte  nieber= 

25  gefd?rieben  mitzubringen.  33on  ben  ©utact)ten,  bie  auf  bieje  SSeife  jur  Vorlage  famen, 
ift  ber  Sraftat  beS  Söilfyelm  SDuranbuS,  33ifct?ofS  bon  3Renbe  (geft.  1331),  de  modo 
celebrandi  generalis  concilii  (f.  Tractatus  illustrium  Jurisconsultorum,  T.XIII, 
Pars  1,  Venet.  1584,  331.  159  ff.)  erhalten  unb  Wegen  feiner  freimütigen  älufeerungen 
merf  Würbig.    (ElemenS   begab  fid?   im  ©ebtember  1311   bon  2lbignon  nad?  93ienne  unb 

30  eröffnete  baS  ^onjil  am  16.  Dftober  in  ber  5Reirobolitanfird?e  ber  ©tabt  mit  einer  9tebe, 
in  ber  er  ben  Q\oeä  beS  ÄonjilS  nochmals  auSfbrad?.  1)ie  3^1  ber  berfammelten  23i= 
fd?öfe  wirb  berfdneben  angegeben ;  Wat)rfd?etnlid?  richtig  ift  bie  bon  2öilt)elm  bon  ÜKangiS 
angegebene  ftabl  bon  114  33ifd?öfen,  aufeer  ben  älbten  unb  ^ßrofuratoren  (Bouquet, 
Recueil  XX,  ©.  604),  wäl?renb  bie  3a^l  300  fd?on  angefidjts  ber  (Sinlabungen  biel  ju 

35  bod;  ift.  9iad)  ber  (Eröffnung  Würbe  in  einer  5teu)e  bon  Äonferenäert,  bie  fid)  bis  in  im 
3Dtonat  sDJärj  1312  auSbet^nten,  bie  ben  Drben  ber  2embelt)erren  betreffenbc  ^rogc^fad^e 
berfyanbetr,  f.  hierüber  93b  XIX  ©.  508, 59.  3jad}bem  ©lemenS  in  einem  geheimen  ^on= 
fiftortum  am  22. 3Jtärj  1312  bie  2(uff)ebung  beS  DrbenS  per  provisionis  potiusquam 
condemnationis  viam  auSgejbrocbcn  blatte,  Wieberf)oIte  er  biefe  ©rflärung  in  ber  ^Weiten 

40  ©i|ung  beS  ^onjiilS  am  3.  3(j)ril  1312  in  ©egenWart  beS  Königs  'JP^ilibb,  feiner  brei 
©öfme  unb  beS  ^ringen  ßarl  bon  33alotS.  25>af)rfct)einUd>  in  bcrfelben  ©Usung  erflärte 
ßlemenS  feinen  Sßorgänger  33onifatiuS  VIII.  für  einen  legitimen  5ßabft  unb  für  frei  bon 
ben  gegen  it)n  laut  geworbenen  2lnfd)ulbtgungen.  ©ie  britte  ©i^ung,  Weldje  am  6.  SDiai 
1312  ftattfanb,   befcfylojj   baS  Äonjil   mit  einer   feierlichen  ^ublifation   beS  2lufbebungS= 

45  befreteS  beS  SembeltjerrenorbenS,  aud)  geftanb  ber  $abft  Wat)rfcf)einlict)  in  biefer  ©i^ung 
ben  Königen  bon  granfreid},  (Snglanb  unb  9?abarra  ben  3et)nten,  jum  3^cde  eines  neuen 
^reujjugS,  auf  fect)S  Qat)re  ju.  ®afe  auf  ber  ©imobe  eingeb^enb  über  bie  fird)lid)en  33e= 
fd)Werben  unb  über  bie  ^Reform  ber  ©itten  berljianbelt  Würbe,  b^aben  bie  bon  @I)rIe  ber= 
öffentltdjten  33ruct)ftüde  gegeigt.    Sie  %xudjt  biefer  arbeiten  finb   bie   auf  bem  ^onjile 

60  erlaffenen  bqro.  borbereiteten  betrete,  Weld)e  in  bie  fog.  (SIementinen  aufgenommen  unb 
bon  Sofyann  XXII.  bubli^iert  Worben  finb.  ®od;  läfet  fid?  nid?t  feftfteßen,  ob  äße  3)e= 
frete,  bie  in  ben  Glementinen  als  concilio  Viennensi  erlaffen  bejeid?net  Werben,  Wirflid) 
biefer  ©tmobe  angehören,  ebenfo  Wenig  ob  alle  il?re  ©efrete  in  bie  ßlementinen  2lufnab^me 
gefunben  fyaben.    ©id?er  gehört  baju  bie  Honftitution  Exivi  de  paradiso,  bie  ben  2Ir= 

55  mutsftreit  im  gramisfanerorben  beben  follte,  9ieg.=^r.  8873,  f.  33ern.  ©uib.  bei  Baluz. 
I,  ©•  7  ff. 

©nblid?  ift  nod?  im  $al?re  1557  ein  ^onjil  gu  33ienne  gehalten  Worben.  @S  erliefe 
mehrere  auf  bie  ^irdjenbiSjiblin  fict)  bejief)enbe  33efttmmungen,  fbrad?  fid?  über  bie  S3e= 
lel?rung  beS  35olfeS  burd?  bie  ^ßrebtgt  aus,   berbot  bie  3"Iafl""S   frember  ^rebiget,   um 

eo  bem  ©inbringen  ber  Äe^ereien  ju  Wehren,    forberte   bie  Strtgeige   bon  Äe^ern,   unterfagte 


Steitne  Sierfürft  627 

©bicle,  Idnjc  unb  anbere  unjuläffige  Vergnügungen  an  gefttagen,  ferner  ben  Um= 
gang  mit  berbäcbtigen  ^erfonen,  gab  Veftimmungen  über  bie  £onfur  unb  Äleibertracbt, 
berbot  ÜDcöncben  unb  Tonnen  bte  Softer  ju  berlaffen  u.  f.  ro.,  f.  Thesaurus  novus 
Anecdotorum  T.  IV.  studio  et  opera  Edmundi  Martene,    $ari§  1717,    ©.  4-1 G  f. 

(^eiibctter  +)  £autf.       5 

JBierfürft,  3:etrard).  —  Sitteratur:  ©tepbanuS'  Thesaurus  unb  bie  Seiko,  befom 
bevo  bie  alten  uon  £)arrmf  ratton,  ^SfjotioS,  ©uibaS;  Etymologicum  magnum ;  Corpus  glossa- 
riorum  latinorum  ed.  Soeme  u.  ©oe{5  VII,  2,  346;  9Jiefe,  ©alatien  unb  feine  Setrardjen, 
3ff)-  3K»f-  38,  1883,  583—600;  ßrointfdjer,  De  Galatarum  tetrarchis,  1892;  Scbürer,  ©e= 
fcbid)te  be§  jübifrfjen  SBoifeS3  1,423 f.;  II,  197;  III,  77  f.;  SD.  £>oI&nwnn,  9fStic()e  Beitgefcf). 2  10 
51.  89.  111.  122. 

®ie  beftbe^eugte  gönn  ift  rf7o<io///,-  neben  Dereinjeltem  TSTgnöägxv?',  bie  im  922;  Don 
Sifdjenborf,  W-H,  SSeift,  Sfteftle  u.  a.,  nad)  einigen  ägvjpttfcfcjen  Sejrtjeugeit  aufgenommene 
©djreibung  reigadg/y;,  bie  2Biner=©d)miebel  §  5,  24b  unb  83(a(j  5,  1  nl3  unjufammen= 
gezogene  g-ovm  evflären,  unterliegt  bem  9Serbncf)t,  nad)  fopttfdjer  Analogie  gebetint  ju  fein.        15 

Setrard)  bejeicbnet  in  ber  tnüitarifcben  ©bracbe  ben  2lnfübrer  einer  Steiterfcbtoabron 
bon  4  $ügen  {Xoyoi)  ober  64  Wann ;  2  Setrarcbien  bilben  eine  %ax\§  (^aftiter ;  ©uiba§). 

$n  ber  Vermaltungsjfbradje  ift  Sletrarcbie  ber  felbftftänbige  Verirr1  ober  $reis>,  %i- 
trard)  beffen  Vorfteber  bejto.  $ürft.  ®er  sJ?ame  entfbricbt  junäcbft  ber  ©inteilung  ber 
Sanbfcbaften  in  Viertel,  bte  altgriecbifcber  brauch  ju  fein  fcfyeint  (bgl.  bie  4  Vielen  2lttica3  20 
in  ber  %üx  bor  0etftfyene3) ;  fie  ift  befonber§  für  'Sfyeffalien  bezeugt  (@urip.  2tlc.  1154; 
3lriftotele3  unb  ^beotoomb  bei  £>arbofration ;  ©emoftb,ene<§  Vf)tl.  III,  26;  ©trabo  IX, 
5,  3).  [2lbnltd)  bei  ben  Vurgunbern,  bgl.  Sidon.  ep.  V,  7.]  2lud)  bei  ben  tleinafiati= 
fd)en  Gelten  (©alatern)  ift  bon  einer  Teilung  ber  3  ©tämme  in  je  4  ©aue  mit  je  einem 
SEetrarcben  an  ber  ©bi£e  bie  9?ebe :  bie  12  fcbmoljen  bann  nad)  bem  mitbrabatifd)  en  25 
Kriege  auf  3  jufammen,  fbäter  auf  2,  bi3  julefct  ©ejotarue  allein  bie  ©efamtberrfcbaft 
an  fid)  bracbte  (©trabo  XII,  5,  1 ;  ^liniuS  h.  n.  V,  146,  bgl.  Vb  X,  555).  2)er  Xitel 
%etxaxd)  blieb;  er  tonnte  bleiben,  roeil  ber  begriff  Vierfürft  (qui  quartam  partem 
regni  tenet)  längft  nicbt  mebr  mitflang :  e3  btefj  nur  noch  Xeilfürft,  ßtleinfürfi,  £ributär= 
fürft  (subregulo,  xEXQaQxai  01  ßaodeig,  §efbcb).  30 

@o  roirb  e<§  bon  ber  römifcben  Verwaltung  für  bie  biclen  ^leinfürften  ©r/riens  ge= 
braucbt,  bie  oft  auf  einer  ©tufe  mit  ben  ©täbten  rangieren.  VltniuS  V,  74—82  nennt 
eine  gange  Slnjabl  folcb,  er  Xetrarcbien ;  bgl.  bie  fanaanäifcben  ©tabtfönige  ©en  14,  2,  bie 
unter  ägtybtifcber  §errfcbaft  nur  gürften  (amelu)  beiden  (Seil  2lmarna=Vriefe),  roäb,renb 
ifmen  bie  2lff^rer  ben  Ä'öniggtitel  gugefteben  (KAT  3I,  170.  193).  5Rur  bie  berbor=  35 
ragenbften  merben  bon  ben  Römern  offiziell  al^  rex  ßaodevg  anerfannt,  mäfyrenb  aEe 
fid}  felbft  bon  if)ren  llntert^anen  gern  fo  nennen  laffen. 

©a3  beftc  Seifbiel  bieten  bte  §erobäer:  fd)on  41  erhielten  §erobe§  unb  feinSruber 
^b^afael  bon  2lntoniu§  biefen  gürftentitel  Setrarct)  (Sofebbug,  arch.  XIV,  326  =  b.  j.  1, 244) ; 
tnäb,renb  $erobe§  40  ju^iom  ben  Äönig^titel  embftng(382=:282),  tourbe  20  fein  jüngerer  40 
Sruber  V'berora§  jum  Setrarcf)  bon  Veräa  ernannt  (XV,  362  =  483);  bgl.  Vb  VII, 
760 ff.  yiaify  §erobe^'  %o'i>  4  b.  Sbr.  rourbe  fein  Sanb  unter  feine  ©bfme  berteilt:  2lrd)e= 
lao§  erb/ielt  ben  Vorrang,  aber  nur  ben  fdb>n  bon  ben  §aämonäern  geführten  2;itel 
@tb,nard; ;  ber  HönigStitel  roinfte  ibm  bei  guter  gübrung  (bgl.  Vb  V,  559) ;  feine  Vrüber 
Slntipaä  (Vb  I,  596)  unb  VfyüibbuS  (Vb  XV,  337)  rourben  STetrarcfien  (XVII,  317  =46 
II,  93).  ©agegen  erhielt  Slgribba  I  bon  ßaligula  37  mit  ben  2;etrard)ien  be§  Vf)ilitobu§ 
unb  £bfania§  fofort  ben  ^önigStitel  (XVIII,  237  =  11,  181;  21©  12,  1);  fein  ©obn 
Slgribba  II  tr>ar  bereite  ^önig  bon  SballiS  (feit  52),  als  er  jene  beiben  £etrard)ien  ba^u 
ehielt  (XX,  138  =  11,  247;  31©  25,  13.  24;  26.  13.  26.  30)  ^nt^ite  rourben  biefe 
geinbeiten  ber  Titulatur  nicbt  beamtet;  ba§  geigt  ba3  31%:  2Rt  2,  22  läfjt  2lrd;elaoä  so 
ßaodsveiv  an  feinet  Vaters  ftatt;  SJlc  6,  14  ff.  unb  Wt  14,  9  nennen  £erobe§  2lntiba§ 
ßaodevg,  ebenfo  Vt=@b.  1,  2  ;  nur  ber  §iftoriograbb  Su!a€  f/at  bie  eja!te  Titulatur:  3,1. 
19;  9,  7;  21©  13,  1.  §ierburd}  ift  ?Dct  14,  1  beeinflußt  (ob  2lutor  ober  ^obift,  ftebt 
bab,in).  5)ie  u.  a.  bon  Ärenfel  bertretene  Vebau))tung,  2uta§  i)ab(,  bie  abgefd)liffene  33e= 
beutung  beS  zeTQaQxüv  bertennenb,  ben  £r/faniaS  bon  2lbilene  auö  QofebbuS  berborgefud) t,  66 
um  bie  Vierjal;l  bolläumad)en,  bürbet  einem  roofjlunterrid) teten  2lutor  moberne  UnfenntniS 
auf;  aufeerbem  ift  ber  SfyfamaS  beS  2utaS  infcb,riftlicf)  nadigeroiefcn,  f.  Vb  I,  100.  5\'r 
Strtum  beginnt  erft  bei  ©ufebiuä,  ber  £t)faniaä  jum  4.  ©obn  be3  §crobe§  mad)t  (chron. 
ad  a.  Abr.  2020  g). 

40 + 


628  $ierfürft  üBtgtlanttuS 

©er  %itd  S£etrard)  berliert  ftd)  f^äter,  toät/renb  ©tlmard)  (t>ieHetd)t  nad)  ägttotifct/em 
33orbilb,  f.  33b  V,  558)  auf  ben  33orfi§enben  be3  Db  ergertcfjbg.  überging  (and)  patriarcha, 
Rabban  genannt).  oo«  2>obftf|ülf. 

S5igUantiu§,  aquitanifd)er  ^3re§bbter  um  400.  —  Quellen:  £rieront)mu§ ep. 
5  53  unb  58  ad  Paulinum,  ep.  61  ad  Vigilantium,  ep.  109  ad  Riparium ,  apologia  adv. 
libros  Rufini  1.  III  c.  19,  contra  Vigilantium  1.  unus,  comm.  in  Isaiam  1.  XVIII,  c.  65. 
Paulinus  Nolan.  ep.  5  ad  Severum.  Gennadius  de  vir.  inlust.  c.  36  unb  de  dogmat.  eccl. 
c.  40  (73).  Isidorus  Hisp.  de  haer.  c.  63  unb  feine  Slusfdireiber  (Cetjler,  Corpus  haereseo- 
log.I,  ©.308 f.  319.  331).—  ßitteratur:  SEillemont,  Memoires  XII,  191— 196,  266— 269, 

10  287—289;  SfBnlcf),  £iftorie  ber  Sejereien  III,  673—704  (1766);  Sinbner,  De  Joviniano  et 
Vigilantio  purioris  doctrinae  IV"  et  V°  saeculo  antesignanis  1839;  ©Uli),  Vigilantius  and 
his  times  1844  (feEjr  eingefjenb,  aber  ber  SSerf.  leibet  an  Ueberfidjtigieh) ;  28.  ©djmibt,  Sßig.,  fein 
33ert)ättni§  5.  bl.  £)ieronttnut§  1860  (fonfeffionell  befangen,  wie  Sinbner);  O. Rödler,  §teroM)= 
mu§  1865,  303—310,  419  f.;  SuciuS,  Sie  Anfänge  be<3  £eiligenbtlt§,  1904,  ©.  327—29. 

15  3ßie  toir  au<§  ber  Streitfd)rift  be3  §ieronr/mu<§  gegen  38.  erfefyen,  blatte  biefer  gaHifd)e 
©eiftlicb/e  „33üd)er"  beröffentlid)t  (e.3  MSL23,341;  c.  6  ift  bloß  bon  commentariolus 
tuus  bie  Sxebc,  bod)  fönnte  fid)  ba<§  auf  eine  frühere  Scbrift  begießen,  toenn  nid)t  aud) 
e.3  libello  tuo  mit  de  libellis  illius  c.  10  toed)felte),  beren  „SSIagpfyemten"  ben  §iewty= 
mu<§  auf§  äußerfte  empörten,    ^ieronfymug  I)at  feine  ©egenfcfyrift  in  einer  9Jad)t  bütiert, 

20  toeil  ber  33ote,  ber  fie  in  ba§  Slbenblanb  mitnehmen  foHte,  feine  2lbreife  unertoartet 
befd)Ieunigte.  @r  nennt  fie  felber  dietatiuneula  mea  (c.  3,  bort  aud)  ju  beachten  ber 
©egenfaij:  una  lucubratiuncula  —  bgl.  c.  17  —  illius  naeniis  respondebo). 
gmmerr/in  finben  fid)  bei  ib,m  in  bem  2Suft  pöbelhafter  Sdrimpftoorte  unb  billiger 
Söttje,  toie  bie  33ertoanblung  beS  9iamen§  33.  in  Dormitantius,  fo  biele  fad;Iid)e  @in= 

25  toänbe  unb  felbft  toörtlid)e  Mitteilungen  au3  bem  SSerf  be§  ©egner§,  baß  mir  beffen 
2lnfd)auungen  einigermaßen  ernennen  fönnen. 

33.  batte  gegen  ben  I)errfd)enben  Märtyrer*  (§eiligen=)Äultu3  feine  toamenbe  Stimme 
erhoben,  ©ie  33eref)rung  ber  Märtyrergräber,  bte  Slnbetung  il)rer  Reliquien,  ber  33au 
befonberer  Märtyrerfird)en  unb   ber  ßubrang   ju  biefen,  bie  «Sitte,  bie  Märtyrer  burd) 

30  Äerjenfpenben  ju  ebren,  33igilien  an  tyren  ©räbern  abgalten  unb  babei  ba3  §alleluja  toie 
in  ber  Dftemacf/t  ju  fingen,  ba3  alleö  erfd)eint  ibm  als  Äonjeffion  an  ba3  £eibentum.  9tid)t 
bloß  übermäßige  @l)re,  gerabeju  Slboration  ertoeift  man  einem  §äuflein  2lfd)e,  pulvis- 
culum  nescio  quod,  in  modico  vasculo  pretioso  linteamine  circumdatum,  oscu- 
lantes  adorant.    ©a   fei   unter   bem  33ortoanb   ber  Religion    ein   gerabeju   r)etbnifct)er 

35  33raud)  in  ben  $ird)en  eingeführt,  gleid)toie  bei  bem  Slnjünben  riefiger  $erjen  am  beKert 
Xag;  unb  man  merlt  nid)t  einmal  ben  Unfinn,  feiige  Märtyrer  mit  armfeligen  2Bad)3= 
Iid)tern  beleuchten  jju  tooÖen,  bie  bod)  „ba§  Samm"  bort  auf  bem  Sfyron  mit  allem 
©lanj  feiner  £>crrlid)fett  beftraf)lt  (c.  4)!  33.  roiH  nid)t  genau  entfd)eiben,  too  fid)  bor= 
läufig  bie  Seelen  ber  2tpoftel  unb  Märtyrer  aufhalten,  ob  in  2lbrabam3  ©d)oß,  ob  am 

40  Drt  ber  @rquidung,  ob  unter  bem  2Iltar  ©otte§ ;  feinenfaßg  lönnten  fie  aber  bon  tyren 
©räbern  au§  toirfen  unb  jugleid)  in  aller  üffielt,  too  fie  nur  tooßten,  gegenwärtig  fein  (c.  6). 
@r  berfpottet  bie  33orftelIung,  bie  Seelen  ber  Märtyrer  liebten  tbre  2lfd)e  fo,  baß  fie  fie 
allezeit  umflatterten,  um  jebem  33eter,  ber  ba  herantrete,  fofort  ©eb;ör  leiben  unb  bei  ©ott 
(Störung  berfebaffen  ju  lönnen  (c.  8).    3Senn  man  fid)  auf  bie  in  ben  Märtyrerfird)en 

45  botl^ogenen  SBunber  berufe,  fo  fei  bagegen  einjutoenben,  baß  biefe  einen  9lu§m  nur  für 
bie  nod)  Ungläubigen  bätten  (c.  10).  33on  ber  33ermeb;rung  ber  9Jad)tgottesbienfte  füllte 
fd)on  bie  ©efafyr  gefcf)led)tlid)er  ©jjeffe  abgalten  (c.  9) ;  ba§  ^aKeluja  fei  bem  5Paffab,feft 
borjubefjalten,  bamit  nid)t  bie  d)rtftlid)e  Menge  ben  Unterfdiieb  jtoifd^en  bem  @rlöfer  unb 
erlöften  frommen   überfielt     (c.  1).    2tußerbem    toarnt   33.  bor    einem    gebanfenlofen 

so  SHlmofengeben.  @r  toill  nid)t,  baß  bie  frommen  aH  it)ve  $ahe  ju  ben  Mönchen  im  l)ei= 
ligen  Sanb  b^in  berfd)iden,  bie  Slrmen  in  ber  §eimat  aber  barben  laffen  (c.  13) ;  man 
foU  aua)  niebt  aUeg  auf  einmal  fortfd)enlen,  fonbern,  gerabe  um  anbauernb  toofyltyun  ju 
lönnen,  feine  33efi|ungen  berftänbig  oertoalten  (c.  14).  ©ie  Überfd)ä|ung  be3  @infiebler= 
lebend  ift  ib^m  unfbmpaty tfd) ;  er  fragt:  3Benn  fid)  nun  ade  etnfd)löffen  ober  in  bie9Mfte 

55  gingen,  toer  foU  bann  bie  ^ird)en  berfel)en?  3Ber  bie  SOBeltleutc  belehren?  2öer  bie 
Sünber  jur  ^ugenb  anhalten  '<  (c.  15).  ©nblid)  fd)eint  er  aud)  S3ebenlen  gegen  bie 
„Saften  ber  ^eiligen"  unb  ben  3toan9  Sur  gefd)Ied)tlid)en  ©ntb^altfamfeit  geäußert  ju 
f>aben  (c.  1),  bod)  bermag  §ieront)mu§  leine  93etoei»fteßen  au3  33.  felber  beizubringen; 
er  behauptet  nur,  baß   bie  ^ur  93artei   be§  33.  gehörigen  33ifd)öfe  (c.  17    „socii   illius, 

60  immo  diseipuli  vel  magistri")  bloß  33erl)eiratete  ju  ©iafonen  orbinierten,  unb  fd)iebt 


^igilnnttuä  «29 

bem  Serfyafeten  bas   gemeine  sDJotib  unter,   er  trolle  burd;   feine  Abmahnungen  bon  ber 
Äeufd)fyeit  bte  gleifdjesluft  ber  3u9mb  ftetgem  (c.  2). 

üöann  §ieronbmus  feine  ©treitfdjrift  berfafjt  r)at,  ftel)t„auf5er  ^meifel,  gegen  @nbe 
bes  ^afjres  406.  2)enn  ber  9JJönd)  ©ifinnius,  ber  fie  über  Ägr/bten  nacb,  ©aHien  bringen 
fottte  (c.  17),  fyat  nad)  bem  Prolog  ber  commentarii  in  Zach.  MSL  25,  1415  ff.  aud)  6 
bieg  ©tüd  ber  Auslegung  bes  nDobefabrobr/eton  für  ben  33ifd)of  ©rjutoerius  bon  2ou= 
loufe  mitgenommen.  @r  mar  im  ©bätljierbft  in  33etf)IeI)em  angekommen  unb  fyattc  bis 
jum  näcfvften  (Sbibfyanienfeft  bleiben  motten,  fid)  bann  aber  (a.a.O.  1455  unb  1497) 
berbfltcbtet  gefüllt,  früher  nad)  Agr/bten  abgreifen ;  unb  in  ber  (Einleitung  $u  Sud)  3  bes 
Amos=$ommentars  (a.  a.  D.  1057)  teilt  £teronbmus  mit,  bafj  bie  Abfaffung  jener  ge=  10 
lehrten  Arbeiten  in  bas  ^ab,r  406  faßt.  $u  biefcr  geitbeftimmung  bafjt  benn  aud)  bie 
lebenbige  ©ctnlberung  ber  „nunc"  borgenommenen  Überführung  ber  ©ebeine  bes  feiigen 
©amuel  aus  $ubäa  nad;  Äonftantinobel  (ctr.  Vig.  c.  5).  ©tefe  translatio  ift  für  ben 
Wal  406  bezeugt  burd)  bas  Chronicon  Pasch,  p.  308  ed.  Paris. 

Öieronbmus'  ©treitfd;rift  fyat  aber  eine  längere  Sorgefdpidjte.  $n  c.  3  unb  18  beifjt  es,  10 
jtoet  $resbbter,  9ftbarius  unb  SDefiberius,  bie  ibre  ^3arod;ten  burd;  bie  9Jad}barfd)aft  bei  33. 
befledt  glaubten,  Ratten  ben  ^eiligen  bon  33etb,lebem   jur  Abfaffung  feiner  Söiberlegung 
beranlafet  unb  ilnu  ju  bem  groed  burcf»  ©ifinnius  bie  33üd;er  jugefanbt,  quos  (V.)  inter 
crapulam  stertens  evomuit.  SBeiter  erfahren  mir  c.  9,  bajj  |>ieronr/mus  in  ber  gleiten 
Angelegenheit,  insbefonbere  über  bie  "isigilienfeier  in  5Rärt^rerfird}en   fdjon   einmal  einen  20 
furjen  33efd)eib  an  3ti»arius  gefdndt   bat    ,,in  altera  epistola",   unb   groar  bor   etwa 
2  ^afjren.  ©iefer,  fomit  im  SBinter  404/5  abgefaßte,  33rtef  ftefjt  unter  ben  ©bifteln  bes 
^ierontymus  als  5ftr.  109.    damals  lag  bem  £>ieronbmus  nod)  nidjt  ber  SLejt  ber  Sudler 
bei  33.  bor,  fonbern  nur   ein   furjes  Referat  bei  JRtbarius  (c.  4);   ber  galltfdje  greunb 
b,atte  fyaubtfäcfylid)  an  ben  SEl)efen  über  S^eliquienbienft,  ^erjenfbenbe,  33efua)  ber  sIRärtt)rer=  25 
tirdjen   unb  33igilien  Anftof?   genommen,    bon    ben    altgemeineren  ©inmenbungen  gegen 
falfcfye  SJiöndjerei  unb  unberftänbiges  Almofengeben  nichts  ermähnt.    %üx  bie  Abfaffung 
bon  3S.g  33üd)ern  —  ober  einem  berfelben?  —  ift  bamtt  ber  ©ommer  404  als  fpätefter 
Termin  gegeben,  unb  baft  ber  33erfaffer  als  ^3resbr/ter  in  einer  fübgallifcfyen  SDiöcefe  lebte, 
fagt  c.  2  bes  33riefs  109.    §ieronr;mus  begreift   nid)t,   bafs  ber  33ifd>of,   unter  bem  33.  30 
ftetjt,    foldje  2öutausbrücf/e    bulbet,  ftatt    mit    biefem    33Iutfd)änber  nacb,    bem  SJiufter 
bon  1  ko  5  ju  berfabren.    Alfo  fjatte  ber  tolofanifcfye  ^resbfyter  Sftbarius  aud)  gemelbet, 
was  im   über  ctr.  Vig.  meljrfacf)    beftätigt  roirb,   baft  33.  mit   biefen   fdjlimmen  ^been 
Seifall  fanb,  gerabc  bei  ber  gaßtfd)en  ©eiftlicfyfeit. 

Aufeerbem  aber  berrät  ep.  109,  1  unb  3,  bafj  ber  301"  bes  §teronbmu§  auf  33. 35 
ftt)on  älteren llrfbrung§  ift.  „SBicberum"  b,at ®ormitantiu§  feinen  ftinligen 5Runb  geöffnet; 
fdjon  einmal  bat  §ieron^mu§  bieg  ©cfyeufal  gefeiert  unb  ib,n  in  feiner  2But  mit  3eu9; 
niffen  ber  b,l.  ©djrift  roie  mit  §ibbofratifdj)en  Letten  feffeln  tooßen,  ba  ift  er  babongelaufen 
unb  t>at  jroifd)en  ben  gluten  ber  Abria  unb  ben  toitifcfyen  Alpen  ,,in  nos  declamando 
clamavit"  §ierburd)  ift  für  eine  geit,  bie  um  etliche  ^ab^re  hinter  404  jurüdlicgt,  ein  40 
Sefud;  bei  33.  bei  §ieront>mui  erliefen,  beggleid^en  nad;  bem  tolö§lid;en  33erfd»roinben 
be§  33efud)er§  au<§  Se'tlile^em  eine  fd)riftlid;e  gortfeiung  ber  bamal§  begonnenen  Debatten 
burcb,  33.  2Bäf)renb  biefeg  33efud)g  b^at  bie  ©jene  gefbielt,  bie  ctr.  Vig.  c.  11  §ieronr/mu3 
bogb,aft  befdjreibt,  mie  einmal  nad>t§  bei  einem  ©rbbeben  alle  au§  bem  ©cbjaf  ertoedt 
tourben  unb  33.  in  feiner  Angft  fid)  bor  ben  Augen  ber  anberen  fblitternadt  betenb  fybv  45 
toarf.  ©a§  ^ab,r  bei  33efud;g  aug  ber  ®efd)idb,te  ber  ©rbbeben  erreo)nen  ju  roollen,  ift 
berlorene9Jlüb,e;  niemanb  toei^  ja,  ob  e<o  fid;  babei  um  ein  grofjeä  unb  allgemeine^  @rb= 
beben,  rnie  für  396  eing  bezeugt  ift,  gel)anbelt  b.at.  SßobJ  aber  ftel;t  nunmehr  feft,  bafj 
ber  33efud?  bes  33.  bei  £ieronr;mus  furj  bor  Abfaffung  bon  ep.  58  (MSL  23,  586) 
ftattgefunben  b,at.  £)enn  jenen  33rief  an  ben  ^resb^ter  ^aulinus  (bon  ^ola)  fdjliefet  §ie=  so 
ronr/tnus  mit  ber  Stetig,  er  fyabe  ben  ^1.  ^re§bt»ter  33igilantius  aufs  freubigfte  auf= 
genommen:  ben  ©runb  feiner  I)eimlicf;en  Abreife  lönne  ^ieronfymus,  ob,ne  jemanben  gu 
beriefen,  ntct/t  nennen.  ^mmerb,in  erroartet  er  bod),  bafe  33.  einen  gustus  nostrae 
amicitiae  empfangen  f>at  unb  über  feine  ©rlebniffe  ©ünftiges  an  IJkulinus,  feinen  ©önner, 
berieten  roirb :  bon  ^erfucfyen,  feine  SBut  mit  Letten  ^u  bänbigen,  fann  man  nichts  ab,ncn.  55 
Offenbar  fyat  fid)  erft  naditräglid;  bie  ©timmung  bes  |)ieronbmus  fo  ungünftig  bertoanbelt, 
unb  jmar,  mie  er  gleid)  beutlid;  in  ep.  109  unb  in  bem  f rüber  an  33.  gerid;teten  33rief  ep.  61 
funbgiebt,  infolge  einer  3ufd>rift  bes  33.,  bie  £>ieronr/mus  als  Anflage  auf  origeniftifd;e 
Äe^erei  beutete.  Woä)  ef>e  33.  mieber  in  ©allicn  angelangt  mar,  b.  b,.  auf  ber  Surcfyreifc 
burd)  Italien,  b,  atte  er  an  £>ieronr/tnus  einen  33rief  gefd;rieben  ober  eine  bon  ib,  m  berfafjte  60 


630  äBtgtlitjttittS 

2lbl)anblung  jur  Begutachtung  etngefanbt,  bie  §ieront>muS  als  Angriff  gegen  feine  Drtfyo= 
bojie  emtofanb  unb  in  ep.  61  mit  unglaublicher  ©robfyeit  ertoiberte.  @r  bebauert,  ficb, 
auf  ben  embfefylenben  93rief  beS  ^aulinus  berlaffen  ju  fyaben,  trotjbem  er  fofort  bie  bäu= 
rifc^e  ©infältigfeit  beS  93.,  bie  ficb,  je$t  als  2öafynmi£  entfmllt,  malgenommen  £>a&e;    er 

b  mad)t  ficb,  luftig  über  ben  neugebadenen  ©dmftfteHer,  ber  nocb,  meniger  ^u  reben  als  $u 
f  cfymeigen  berftefyi ;  ein  Dom  SCeu'f ei  f  elbft  begangenes  ©atnleg  ift  ifym  bie  bon  93.  an  ©a  2 
Vorgenommene  ©jegefe  ((SbjtfiuS  =  ber  aus  bem  Serge  b.  f).  bom  Teufel  loSgeriffene  ©tein, 
benn  er  fyat  aus  2Ibam  ben  £eib  angenommen,  um  burcb,  bie  jungfräuliche  ©eburt  ben 
■Kenfdjen  mieber  bom  Teufel  ^u  trennen).  Stber  §ieron.  erinnert  aucb,  baran,  wie  er  bamals 

io  über  bie  luferftetmng  unb  Söirflicfyfeit  beS  SetbeS  gebrebigt  unb  93.  u)m  lauten  93eifaß 
unb  bie  2lnerfenmtng  echter  Drtfyoborje  gefbenbet  fyabe.  (Sine  Slnbeutung  über  fdmn  einmal 
gemährte  93erjeilmng  c.  4  bleibt  bunfel.  ©erabe  meil  bie  §rage  nacb,  feiner  Rechtgläubig: 
fett  tro£  feiner  bielfacfyen  93efd>äftigung  mit  DrigeneS  jmifd)en  ifm  unb  33.  bamals  ber= 
fönlicb,  erlebigt  ju  fein  fdjien,  ift  §ieronbmuS  bereit  empört,  wenn  nunmehr  93.  ficb,  iljm 

15  allein  als  SIngripobjeft  ermaßt,  nad;bem  er  Slgtybten  unb  all  bie  ^ßroöinjen  berlaffen 
fyat,  in  benen  biele  mit  offener  ©tim  „beute  Äetjeret  Vertreten"  (seetam  tuam  defen- 
dunt).  ^a,  93.  fyat  nacb,  £>ieronfymuS  ep.  61,  1  einmal  eine  gormel  unterfdjrieben,  bie 
fe£erifd>en  Snfyalt  b,at,  alle  93eteuerungen  feiner  Crt^obojie  änbern  baran  nichts. 

hiermit  giebt  ^ieronfymuS  ben  93ormurf  beS  DrigeniSmuS  eirtfad)  gurüd;  unb  menn 

20  fein  93rief  in  bie  £>änbe  3Ruftn§  gelangt  ift,  fo  begreifen  mir,  roarum  ficb,  §ieron. 
Apol.  adv.  11.  Ruf.  III,  19  (mof)I  2lnfang  402  gefcbjieben)  gegen  ben  93ormurf  berieü 
bigen  muft,  er  fyabe  einft  bon  93eflecfung  beS  93.  burcb,  l)äretifcf;e  ©emeinfcfyaft  in  2lleratt= 
brien  gefbrod)en.  ®afj  9iufutuS  richtig  berftanben  t)at,  giebt  oljme  eS  ju  merfen  £iero= 
nfymuS  felber  ju,  wenn  er  fortfährt:   „^n  93.  fyaht  icb,  bir  bie  2lntmort  gegeben,    ©emt 

25  feine  93orit>ürfe  finb  genau  baS,  was  bu  nadjfyer  als  greunb  lobft  unb  als  geinb  mir 
bormtrfft.  %<fy  meift  moljl,  bon  mem  er  jur  9But  gegen  mict)  aufgebet  toorben  ift.  3n 
feiner  S)umml)eit  f>at  beine  93oSl)eit  gegen  mict)  ein  ©bracfyrofyr  gefunben"  9iocb,  im  $. 
404  (ep.,  109,  3)  bringt  £»terpntymuS  in  feinem  $Iucfymort:  „^Jcöge  93.  bon  bem  93er= 
ntd)ter   9igb,bten§  unter  ben  Sgfybtem  fcb,Iafenb  erbroffelt  toerben",  bie  Stgfybter  ntcb,t  ju= 

30  fällig  mit  93.  in  93erbinbung :  e§  finb  Rufinuä  unb  beffen  ägfybtifd; e  greunbe,  bie  nacb, 
feiner  Überzeugung  ben  93.  infbiriert  I)aben.  ®iefe  Überzeugung  tbäre  meb,r  als  finbifcb,, 
tbenn  93.  bon  bornb,erein  mit  3Ri|trauen  unb  93eforgniS  bem  Drigeniften  §teront)muS 
gegenübergetreten  unb  erft  im  ©cbjeefen  über  folcb,e  „wiberwärtigen"  Slnfc^auungen  nacb, 
2legbbten  gegangen  märe,   „um  I)ier  ben  DrigeniSmuS  an  ber  Duelle  rennen  ju  lernen." 

35  Wm,  93.  f)at  ben  DrigeneS  auf  feiner  3leife  burd;  2lgt)bten  unb  ^3aläftina,  menn  nicfyt 
früher,  fennen  unb  fdiä^en  gelernt,  er  I)at  ja  auef)  j.  93.  beffen  §iob--Äommentar  felber  be= 
feffen  (Hier.  ep.  61,  2),  unb  er  b,at  ben  ^ieron^muS  gelbii  toeber  in  93etb,Ieb/em  münblicb, 
noef)  f^äter  in  feinen  2lbb,anblungen  auS  2lbfct)eu  gegen  aUeS  Drigentftifcb,e  angegriffen, 
fonbern  er  b,at  als  ein  Wann  bon  eigenem  Urteil   unb   bielleid;t   aueb,    etmaS  @igenfinn 

40  bem  §ieront)muS  mibcrfbrocb,en  unb  nacb,  ber  ©itte  jener  3eit  —  mir  befinben  uns  auf 
ber  §öfye  ber  origeniftifa^en  ©trettigfeiten  (f.  b.  Slrt.  93b  XIV  ©.489  ff.)  —  bie  Irrtümer 
feines  ©egnerS  in  gufammenfyang  m\t  t,em  ebenfo  großen  l»ie  gefährlichen  2el)rer  DrigeneS 
gebraut,  gür  §ieront)muS  |ätte  feb^on  bie  ^^atfadje,  bafj  ber  jüngere  3Jtann  \i)m  %u 
miberfbreeb^en  magte,  ausgereist,  um  u)m  ben  SJcafel  ber  §ärefie  anhängen! 

ab  lieber  bie  $erfönlio5feit  bcS  93.  erfahren  mir  fonft  burd)  |)ieron^muS  nid)t  biel 
33raud;bareS.  @r  ftammte  aus  ßalagurris  im  ©ebiet  ber  Sonbenae,  einem  aquitanifd)en 
—  bon  bem  fbamfcfyen  6aIaf>orra  moI)l  ju  unterfdieibenben  —  ©täbtd;en  jmifdien  ©t. 
93ertranb=be=ßommingeS  unb  2:ouloufe,  an  ber©aronne  gelegen,  in  Prov.  Aquitan.  III 
(Novempopulana)  f.  Itiner.  Anton.  457,  tt>afyrfd)einlid)  baS  heutige  SJcartreS  (f.  gorbiger, 

so  §bb.  ber  alten  ©eograbf)ie  b.  ©uroba  II2,  115  n.  23  unb  SDucfyeSne,  Fastes  episco- 
paux  de  l'ancienne  Gaule  II,  3.  98).  2BaS  $ierontmiuS  über  ben  caupo  mitjelt, 
reicht  faum  aus,  um  ju  bemeifen,  bafe  ber  93ater  beS  ^li.  ©aftmirt  mar.  3)aS  Söafyre  baran 
ift:  93.  ift  ein  begüterter  9Jcann  in  einer  boraefymlicfy  bom  SBeinbau  lebenben  ©egenb  ge= 
toefen,  f>at  alfo  gemife  aud)  SBeinberge  befeffen.  ©ennabiuS  berfi^ert,  93.  fjabe  als  ^)3reS= 

55  btyter  eine  ^ird)e  in  ber  SDiöcefe  93arceIona  bermaltet;  bann  mü^te  er  fbäter  —  unb  nad; 
406  berfcfytoinbet  feine  ©eftalt  für  uns  auS  ber  ©efd;id)te  —  nacb,  ©banien  übergefiebelt 
fein.  §ieron^muS  fennt  ifyn  nur  als  in  ber  ÜJcad)barfc|aft  bon  ^berien  mob^nenb;  nacb, 
ib,m  b,at  93.  feine  £>eimat  nicb,t  berlaffen.  @r  toar  bereits  ^reSbtyter,  als  er  mit  @mbfeb,= 
lungSbriefen  bon  ^ßauIinuS  9?oIanuS  jene  Drientreife  machte.  ®ie  93efanntfcb,aft  mit 
eo  ^ßaulinuS  b,at  bei  bem  Slquitanier  93.  nichts  auffälliges,  ba  ^3aulinuS  4  ^ab,re  lang   in 


SBtgilantm!  631 

Barcelona  gemeilt  I)atte  unb  mit  bem  2lquitanier  ©eberul  innige  Schiebungen  unterhielt. 
$n  einem  33rief  bei  ^aulinu!  an  ©eberul,  bem  erften  au§  9?ola  an  tfm  gerichteten  (um 
395?)  wirb  benn  aud)  ein  33igilantiul  ermähnt  (ep.  5,  CSEL  29,  1  p.  32).  ©eberul 
I)at  il)tt  mit  einem  ©riefe  nad)  ^ambanien  getieft;  offenbar  ift  er  5,  14  ein  Sanblmann 
bei  ©eberul.  9)Jand)e  (3.  33.  Sauften,  3al)rbüd;er  b.  d)rtftl.  Eirene  unter  £f)eobofiul  I.,  5 
©.  464  n.  3)  unterfcfyeiben  biefen  33.  bon  unferm  ©djriftfteüer;  e!  fei  nur  ein  getaufter 
©flabe.  %d)  mürbe  au!  ber  Sejeic^nung  pueri  nostri  (e!  mar  nä'mlid)  nod)  ein  cate- 
chumenus  in  feiner  Begleitung)  unb  au!  pueri  tui  5,  1  fd)on  megen  5,  21  pueri, 
filii  nostri  unb  5,14  conservi  nostri,  pueri  tui)  ntct)tg  mel)r  all  einen  fbürbaren 
2llter!unterfd)ieb  gmifd)en  ^aulinul  unb  jenem  33.  f>erau!lefen,  felbftberftä'nblid)  auct),  baß  10 
er  bamall  nod>  lein  geiftlidje!  2lmt  betreibet.  Unb  gmtfdjen  ber  2tbfaffung  bon  ep.  5 
bei  "^aulinul  unb  ber  Slulftattung  bei  33.  mit  einem  @mpfer;Iuttglfd;reiben  an  §ieront)= 
mul  tonnte  ja  $nt_  genug  liegen,  in  ber  33.  jum  $re!bbter  orbiniert  morben  märe,  etma 
mie  Sßaulmul  mit  Überfbringung  ber  33orftufen.  @l  fyängt  menig  bon  ber  (Sntfd;eibung 
ab:  bor  370  merben  mir  bal  ©eburtljafyr  bei  33.  anfe^en  muffen,  menn  er  ep.  58, 15 
11  bei  £ierom)mul  „^eiliger  ^relbtyter"  l)eißt.  —  ©eine  33tlbung  mar  gemiß  eine  gute, 
bießeief/t  mie  bei  ^aulinu!  bie  fbe^iell  tf)eoIogifcf)e  minber  grünblid),  fo  baß  ib,m  $iero= 
n^mul  c.  Vig.  6  ben  ©ebraueb,  bei  abofrfybfyen  4.  @lra=33ud)l  unb  einer  unauffinbbaren 
©alomo=©teUe  all  fanonifd)er  Slutoritäten  borrüden  barf.  ©ennabiul  nennt  il)n  homo 
lingua  politus,  non  sensu  scripturarum  exercitatus,  £>ieront;mul  fbottet  über  feine  20 
Unmiffenfjeit,  ©ummljeit  unb  feine  bäurifd^e  3tebe.  ©elbft  toenn  ©ennabiul  aud)  mie 
mir  nur  bie  baar  in  £>ieronr;mul'  ©cfymäl)fd)rift  aufgenommenen  ©ät$e  bei  33.  gelannt 
fyaben  foKte,  mürben  mir  fein  Urteil  bem  bei  ganatiter!  §ieront»mul  borgen.  (Sinige 
unborftd)tige  2lulbrüc!e  mie  bie  33e5eid)nung  ber  3Wtquienbiener  all  idololatrae  unb 
cinerarii  mirb  man  bem  heißblütigen  ©alcogner  ju  gute  galten;  er  I)at  aber  nid;t  ber=  25 
fönlictje  ^ßolemil  getrieben  unb  nid)t  einer  Partei  ju  Siebe,  fonbern  meit  er  bie  Seligion 
in  ©efafjr  glaubte,  jur  geber  gegriffen. 

25a!  ift  nun  bie  letjte  grage:  mal  fyat  33.  gemollt  unb  mal  erreicht?  ©rreid)t  jeben= 
fall!  feb,r  menig.    33ei  Sebjeiten  l)aben  feine  2ln|änger  ifm  nid)t  fallen  laffen;  aud)  £ie= 
rontymul'  heftiger  Suf  nad;  bem  genfer  f)at  ib,m  nict)t  gefd)abet.    2lber  fd) on  ©ennabiul  30 
roeiß  bon  33.  laum  nod)  etmal,   mal   er   nid;t  au§  §ieront)mul  gefd)öbft  b/aben  fönnte: 
33.  ift  unfterblicb,  gemorben  bloß  burd)  ben  ©rimm,  mit  bem  ^ieron^mul   il)n  berfolgt 
I)at.    3m  ^etjerfatalog  (de   eccl.  dogm.  40,  73)  fteHt  ©ennabiul  bie  33erel)rung   ber 
•Dcärtbrerreliquien,  ben  33au  unb  33efud;  ber  mit  9Mrtbremamen  benannten  $ird)en  all  etma! 
GI)riftlid;  el  feft,  mal  nur  (Sunomianer  unb  33igilantianer  beftritten ;  in  fbäteren  $et$erfata=  35 
logen  berfd)minbet  ber  -ftame  bei  33.  böKig,  unb  el  bleiben  bloß  bie  9tyctagel  (fo  3ftt>or> 
de  haer.  63)  übrig,  bie  bie  33igilien  bermerfen:  natürlid)  I)at  el  nie  eine  ©efte  mit  biefer 
einen  „^rrleb^re"  gegeben.    (Sin  gufcmirnenr/ang  bei  33.  mit  ©unomiul,  ber  gleicb, falll  bal 
3öaHfab,ren   ju  ben  2tboftel=  unb  ^ncärt^rerürd^en   beMmbfte,  mirb   bon  ^ierontjmu!  c. 
Vig.  8  gerabe  fo  mill!ürlid)   lonftruiert  mie  c.  1  einer  mit  Qobinian.    (Sine  Sefyre  bon  40 
ber  perfectio  b,at  33.  nietjt  borgetragen;  er  b,at  fid)  nid;t  all  SDogmatiler,  am  menigften 
all  gnoftifierenber  SDualift  betb,ätigt.    (Sr  b,at   lebiglidj  eine  9?eib,e  bon  ©cb,äben  in  bem 
religiöfen  Seben  ber  ^ircfye  feiner  fttit,  namentlid)  aud)  in  neu  eingeführten  gottelbienft= 
liefen  Übungen  mafyrgenommen,  offen  all  fold) e  anerlannt  unb  fcf) onungllo!  angegriffen : 
bloß  in  biefem  ©inn  gehört  er  unter  bie  „geugen  ber  933ab,rb,eit",  bie  fid)  bem   in  bie  45 
cfyriftlidje  ^ird)e  befonber!  bom  4.  So^^w^crt  an   einbringenben  ^eibentum   p  miber= 
feiert  fud)ten.    Söir  miffen  nicb,t,  inmiemeit  feinbfelige  Ärttif  an   bem   neuen  ^ircb,entum, 
i-  33.  bon  Reiben  ober  greibenfem  jener  3«it,  bießeicf)t  bon  9Jcanidj)äem,  it)rt  auf  fold)e 
©cb;äben  aufmerffam  gemacht  b,at;  aud)  nid}t,  inmiemeit   befonberl  arge  2lulfd)reitungen 
ber  neuen  £>eiligen=  unb  ^Köndjlbereljrung  in  einer  bom  $rilciHiani!mul  angeftedten  33e=  50 
böüerung  ifn  aufregten.    ®a   er  sugleicr)   eb,rlid;   unb   mit   einem   nüchternen  33erftanb 
begabt  mar,  fonnte  er  ben  ©bott  über  bie  alle  ^fyor^eiten  ber  alten  ©ötjenbienerei  nad»= 
atjmenbeÜberfrömmigEeit  bon  b,eut  nid)t  ungerechtfertigt  finben.  "SiaS  mar  nad)  feiner  Meinung 
bal  fjaubtfäd^lidjfte  §emmni!  für  ben  ©iegellauf  bei  6b,riftentuml,  baß  el  fict)  mit  fobiel 
©uberftition  behängte.    (Sr  geigt  gefunben  fittlicb,en  ©inn  in  ber  33eftreitung  bon  9Jciß=  56 
bräunen    im  2ltmofengeben,    im  5Ri3ncb,imefen,   in  ber  übertriebenen  3lnbreifung  ber 
@ntb,altfamleit.    Slber  er  b,at  meber  bal  3Jtönd)tum,  nod;  bal  3krbicnft,  bal  man   fid) 
burd) 2llmofen  berf cb,aff en- f önne,  nod;  ben  33orjug  ber  gefd)led;tlicb, en  Slbftinenj  all  folcr/er 
befämtoft,   fonbern   nur  bafür  forgen  moHen,  baß   bal  erftrebte  ^beal  nid)t  burd;   eine 
gebanfenlofe  ^rajil   inl   ©egenteil   umfcb,Iage.    gür   feine  Abneigung   gegen   ben  sDiär=  eo 


632  $Btgtlattttu§  SSigUten 

tfyrerlult  fyat  er  bie  ©rünbe  nadjträglid;  gefugt;  bie 'Jfyefe  bon  ber  Unfä^igleit  berieten 
für  uns  Sebenbe  erfoIgreidE)  ju  intercebieren,  macfyt  burdjauS  ben  ©inbrud  einer  §ilfs= 
fonftrultion.  ©enn  eine  flare  23orfteHung  bon  bem  guftanb  ber  ©eelen  bon  5)iärtt)rern 
nad)  ii)rem  Sob  fjat  33.  ber  ftrcb/Iid;  fdjon  bamalS  remitierten  unb  religiös  lebenSfräftigen 
5  nid)t  entgegengehen  bermodjt.  SBafyrfyaft  religiös  mutet  eS  bagegen  an,  Wenn  er  be= 
fürchtet,  ba|  burd)  ben  9Jcärtt;rerfult  bie  ©röfse  beS  §eilanbs  leibe,  toenn  er  baS  §aHe= 
luja,  bie  23igilien  —  eigentlich)  inftmfequent  —  fclofc  an  Dftern  bulbet  unb  bie  ^irdjen 
nicfyt  mit  ben  tarnen  armer  2Renfd;en  gegiert  feigen  miß.  Qn  feiner  ©eringfcfyätjung  ber 
2lfcfyent)äuf[ein  Hingt   etWaS  wie   origeniftifcfyer  ©birituaüSmuS   burd;.    216er  mit  fo  un= 

10  glüdlicfyen  @inwenbungen  Wie  gegen  bie  Berufung  auf  bie  SBunber  an  9J?ärit)rergräbem, 
fie  mieten  nur  ben  Ungläubigen,  läfjt  fid)  ber  ©laube,  ber  fo!d;e  äöunber  erlebt,  nicfyt 
auS  bem  gelb  fdjlagen:  nur  ein  neuer  ©ott  ober  ein  neuer  §eitanb  fonnte  ben  Iiebe= 
bebürftigen  §ergen  bie  SRärtfyrer  erfe^en.  ©o  ift  baS  ßalagurriS  beS  23.  berfaßen,  unb 
bid)t  baneben  SourbeS  aufgeblüht.    23.  Würbigte  bie  religibfen  23ebürfniffe  ber   cinerarii 

15  ju  Wenig  unb  ftanb  felber  md)t  fyod)  genug  über  ifyrer  Religion,  um  bei  ber  großen 
SJcaffe  ber  fatfyolifcfyen  ©Triften  aud)  nur  borübergefyenbe  (Erfolge  erzielen  gu  lönnen. 

21b.  SüUc^er. 

SJigtlie«.   —  Sßgl.  SBingftmn,  Origg.  XIII,  9,  4;    Stugufti,    Senftrmrbigfeiten    au§    ber 
c&rtftl.  Slrctiäologte  I,  131;  VII,  170 ff.;  VIII,  138 f  ;  IX,  413;  X,  319;    Srieg    bei  Srau§, 
20  SR®.  II  ©951;  3öcfler,  «äfefe  u.  SKönditum  I,  ©.  1 68  f . ;  Mner,  £euvtotogie,  &rei6urg  1891, 
<S.  55,  73  u  ö. ;  Säumer,  ©efrf).  be§  SretnerS,  greib.  1895,  ©.  19  u.  5. 

23igilien,  vigiliae,  pernoetationes,  jtavwxidsg,  fyeifjen  in  ber  rbmifdjen  Eirene  bie 
23orfefte,  urfbrünglid;  bie  gotteSbienftlicfyen,  in  '©efängen,  ©ebeten,  23orIefungen  unb 
^ßrojeffionen  beftefyenben  §anblungen,   meiere  am  23orabenbe   eines   großen  $ird;enfefteS 

25  borgenommen  würben ;  fie  finb  bie  feftlicfye  Vorbereitung  jur  geier  beS  §autotfefteS. 
sJiäd;iIid)e  gotteSbienftlid;e  gufammenfünfte  ber  Gfyriften  werben  fcfyon  fefyr  frü^jeitig  er= 
toäfynt  (bie  coetus  antelucani,  nacb,  $Iin.  Ep.  X,  97;  SEertutt.,  De  coron.  mil.  3; 
ad  uxor.  II,  4).  2lber  eS  ift  unjuläffig,  anjunefymen,  bafe  fid;  biefe  5>erfammlungen 
burd;  bie  ganje  %lad)t  fjinburd;  erftredten.   ©ie  einige  bei  ©otteSbienft  unb  unter  gaften 

30  burd)Wad)te  dlad)t  im  ^ultuSjafyre,  beren  Urfbrung  in  bie  d;riftlid;e  grüb^eit  fyinaufreicfyt, 
mar  bie  Dfterbigilie.  ©ie  galt  besfyalb  al§  befonberS  heilig,  Weil  man  in  ifyr  ber  Üfi3ieber= 
!unft  ßfirifti  jum  2ßeltgerid;te  entgegenfab,  (Lact.  Div.  Inst.  VII,  19;  Greg.  Naz.  Orat. 
19  unb  42  ;  Greg.  Nyss.  Or.  5  de  Pasch. ;  Hieron.  in  Mt.  25  K.).  StWaS  fbäter 
beginnt  aud)  bie  ^ßfingftbigilie  mit   befonberer  2lu£>jeid;nung  gefeiert  ^u  Werben,   Weil  fie 

35  auf  bie  ©rteilung  be^  f)l.  ©eifte§  burd;  bie  2aufe  belogen  Würbe.  9Jcit  ber  Dfterbigilie 
Warb  aud;  bie  freier  be§  1)1.  Slbenbmab,!^,  mit  ber  ^fingftbigilie  bie  ber  %aufe  berbunben ; 
nur  bie  ©laubigen  burften  an  biefen  23igilien  teilnehmen,  ^m  5.  unb  6.  ^afyrlmnbert 
Würbe  bie  Dfterbigilie  al§  bie  feierliche  ^ett  für  bie  £aufe  unb  baS  Slbenbmaf)!  ange= 
feiert,  aud;  betrachtete  man  fie  al§  bie  geeignetfte  ßeit  für  bie  Drbination.    ^b,r  junäd;ft 

40  ftanb  bie  $ftngft=  unb  bie  2ßeib,nad;t§bigilie,  leitete  befonberS  feit  @nbe  be§  6.  ^afo 
f)unbert§  gu  ^ob,em  2lnfeb,en  gelangt  (bgl.  ©regor  bon  SEour€,  De  glor.  mart.  87). 
3!Jacf)bem  aus  ben  Ilöftern  namentlicb,  feit  bem  10.  ^afyrlmnbert  ein  Dffijium  ber  SRaria 
fyerborgegangen,  Welches  befonberS  burd;  ^etruS  ©amiani,  Wenn  aud)  nid)t  ol)ne  2Biber= 
fbruef),  berbreitet   Würbe,   Würben    feit   bem   12.  ^afyrlmnbert   aueb,    ber  SRaria  23igiltcn 

45  geweift  (f.  ©iefeler,  Sefyrbucb,  ber  ^irc^engefd»id)te  II,  1,  4.  Slufl.,  23onn  1846,  ©.317f.; 
II,  2,  ©.  470). 

©eit  bem  4.  Qafyrlwnbert  b,atte  fid;  bie  geier  ber  23igilien  überaus  glänjenb  geftaltet, 
aber  aud»  "iit  manchem  Unge^iemenben,  ja  gelegentlich  mit  (Steffen  berfnübft,  fo  bafe 
Weiblichen  ^erfonen  bie  SEeilnabme    an  tfmen  berboten  Werben  muffte  (f.   g.  23.  Conc. 

so  Illib.  a.  305,  can.  35).  Wü  9Iad)brud  Würben  fie  bab,er  bje  unb  ba  befäm^ft,  nament= 
lid;  um  baS  %at)t  400  bon  23igiIantiuS  bon  23arcelona,  bem  §ieroni;mu§  als  i^r  &<fyufy 
rebner  gegenübertrat  (f.  b.  borigen  SCrt.  ©.  628,  m).  ©ie  aud;  gelegentlich  beS  ©treiteS  ^Wifdien 
biefen  beiben  erwähnte  ©itte  bon  23igilienfeiern  ju  @b,ren  einzelner  3JJärt^rer  fcb,eint  fd;on 
feit  ©nbe  beS  4.  ^a^unbertS  fid;  ju  beträcb,tlid;em  Umfang    entWidelt   -ui  b,aben;   bgl. 

55  einerfeits  GfyrtyfoftomuS  hom.  de  martyr.  II,  668  D,  anbererfeits  ©iboniuS  2ltooßinariS, 
23ifd;of  bon  ßlermont  um  475,  Ep.  V,  17  (©rWäfynung  eines  in  £t;on  jum  ©ebäd;tniS 
beS  ajfärtijrerS  ^uftuS  bon  23ienna  gefeierten  23igiIienoffi^iumS).  —  ^m  WitUl- 
alter  Würben  eigentliche  23igiliengotteSbienfte  nur  nod;  in  ben  klöftern  gefeiert;  in 
ben  ^ird;en  Würben    bie  5Rad)tgotteSbienftc    aßmä^Iid;  abgefa;afft    unb   bie  23igilienfeier 


»tgtlten  SBtgtliuS,  Sßatft  633 

teils  in  %tüfy  ober  2lbenbgotteSbienfte  (SDiatutinen  ober  äscSpern),  teils  in  haften  Per= 
toanbelt  (»gl.  für  leiteten  ©ebraud)  %.  23.  bie  ©rtoärmung  ber  ieiunia  vigiliarum  in 
$.  ÜKitoIauS'  I  Responsio  ad  Bulgaros  bei  Mansi  XV,  420 ;  fobann  SBinterim,  $Denf= 
toürbigfeiten  V,  2,  156  ff.)-  9cun  ging  bie  Sejeicfjnung  Vigilia  auf  ben  Vortag  ber 
£auptfefte  über.  SDie  meift  auf  ben  Vormittag  »erlegte  geier  ber  SSigilien  ift  in  ber  5 
römifd)en  &ird)e  bis  «Aux  ©egenroart  baS  33orb,errfd)enbe  geblieben;  nur  »ereingelt  toerben 
nod)  9Jiittemad)iSmeffen  ju  Söeiljmacfyien  (ßlmftmetten)  foroie  Slbenboigilien  bor  bem 
Dfterfefte  gefeiert.  Nominelle  SUgilien  fyaben  aufjer  biefen  beiben  geften  aud)  @pipr)anien, 
§immelfab,rt,  ^fingften,  bie  gefte  9JJariä  3Ser!ünbigung  unb Reinigung,  3;or)anniS  b.  %.,  2lller= 
{»eiligen,  Sorenj  unb  bie  £age  ber  SC^oftel  SRattfyiaS,  $etruS,  QubaS,  ^alobuS,  ©imon,  10 
SbotnaS  unb  2lnbreaS,  nicfyt  aber  bie  jüngeren  gefie  roie  §ronIeid)nam.  @S  gibt  in  ber 
römifcfyen  ®ird)e  aud)  pribilegierte  unb  nid)t  privilegierte  SBtgilien;  jene  fwben  einen 
eigenen  ©otteSbtenft,  mit  2luSnab,me  ber  SSigilie  bor  ©pi^tjanien.  Söenn  mit  tfmen  ein 
geft  erften  ober  Reiten  langes  jufammenfäßt,  fo  wirb  baS  Offizium  beS  gefteS  gefeiert, 
bie  23tgilie  aber  in  ben  Laudes  unb  ber  SReffe  zelebriert ;  fungieren  jroei  ^riefter,  bann  15 
lieft  ber  eine  bie  geftmeffe  nad)  ber  %vc%,  bie  SBigilmeffe  nad;  ber  9?one.  Sei  nid)t  prit>i= 
legierten  SBigilien  tritt  bloft  bie  ^ommemoration  ber  SMgilie  ein. 

$n  ber  proteftantifd)en  6r/riftenr)eit  b,at   man   eine  2lrt  3Sigilie  in  ben   bje  unb  ba 
eingeführten  ßfyrtftmetten.  $n  ber  33rübergemeinbe  begebt  man  belanntltd)  in  gleid)er  233eife 
eine  2lrt  ^Bigilien  am  Karfreitage  unb  Dfterfefte.    (ItroaS  ben  SSigilien  »erroanbteS  finb  20 
aud)  bie  watch-nights  unb  protracted  meetings  ber  9Jietr)obiften. 

OKeubetfer  t)  3örfter  f. 

SBtgtltttg,  5ßapft,  537—555.  —  Quellen:  1.  Sie  Äunbgebungen  be§  «ßabfteS, 
giifttnianS  unb  ber  5.  ©rmobe  nebft  einigen  nnberen  fteitgenöffifdjen  Sofumenten,  fämtlid) 
bei  Mansi,  9.  33b  (bie  Epp.  et  Decreta  Vigilii  aud)  MSL  69,  15—178;  bie  33riefe  Litteris  25 
clementiae  an  guftinian  unb  Licet  universa  an  9Kena§,  foroie  baZ  Constitutum  üon  553 
aucf)  in  Epp.  Tmpp.  Pontt.  Rom.  etc.  ed.  ©untrer  1,  3Bien  1885  [CSEL  Vol.  35]  ©.  348—354, 
354 ff.,  230—320);  2.  bie  ftarf  anetbotenbafte  Vita  be§  ^SapfleS  im  Lib.  Pontif.  (LP),  ed. 
SudieSne  1,  SJJariS  1885,  296—302;  3.  bie  Angaben  bei  gocunbuS  üon  £ermiane  (f.  b.  91. 
99b  V,  732  f.),  Siberatu§  (f.  b.  3t.  33b  XI,  440  f.),  Sßictor  üon  Sunnuna  unb  bem  gortfefcer  so 
be§  2RorceKtnu§  6ome§  (Chron.  Min.  ed.  Sb-  TOommfen  2,  «Berlin  1894  [MGAuct.  Antiqu. 
Vol.  11]),  $rofop  üon  Gäfarea  (f.  b.  St.  33b  XVI,  73),  SljeopbaneS  (f.  b.9l.  33b  XIX,  662  f.). 
3?gl.  bie  SRegeften  bei  gaffe,  Eeg.  Pontt.  Rom.2  1,  117—124.  Sarftellungen:  £u  ben 
beim  91rt.  Sreifapitelftreit  (33b  V,  21  f.)  angeführten  filteren  9Irbeiten  üon  9?oriS,  ©arnier, 
Saldi  (aud)  33b  7,  211  ff.)  unb  ©djrödfj  finb  nocf)  binjupfügen  33aroniu§  unb  $agi,  foftie  35 
i;.  be  Warca,  De  Vigilii  decreto  pro  confirmatione  V-  synodi  (abgebr.  au§  De  concordia 
sac.  et  imp.  bei  Mansi  9,  419 — 432);  3.  33a§nage,  Histoire  de  l'eglise  1,  3?otterbcim  1699, 
617-547;  S.  ^apebrod)  in  AS,  Propyl.  Mail,  615  ff.  617  ff.;  33.  gouftant  (in  ©emeinfdiaft 
mit  TOoginot  unb  Suraub),  De  Vigilii  papae  gestis  apologetica  et  historica  dissertatio  {ab- 
gebrudt  in  $itra§  Analecta  novissimal,  Typ.  Tusc.  1885,  370—461)  unb  91.  Softer,  ^>iftorie  40 
b.  rom.  ^äüfte  3,  SOtagbeburg  unb  Seiü^ig  1753,  396—470.  2Son  neueren  Sarfteßungen  finb 
p  ügl.  3.  5J5unte§,  «ßapft  3?.  'it.  b.  Sreifapitelftrett,  m uneben  1864  [nid)tl865];  ß.  3.  ü.  §efete, 
Son^iiiengefd)id)te  22,  fyreib.  1875;  3-  Sangen,  ©efd).  b.  rom.  J?ird)e  üon  Seo  I.  big  92ifoIau§  L, 
SBonn  1885,  341—382;  £.  Sud)e§ne,  Vigile  et  Pelage,  in  Rev.  Quest.  Hist.  36,  1884, 
369—440  (»gl.  ba^it  %.  ßbnmarb  a.  a.  O.  37,  1885,  540—578  unb  ®ud)e§ne§  Slntmort  45 
579-593);  ö.  3)i.  ^artmnnn,  ©efd)id)te  Stauen?  im  Mittelalter  1,  Seip^ig  1897,  382—394; 
§.  ©rifar,  ©efdi.  3?om§  it.  ber  $äpfte  im  Mittelalter  1,  &reib.  1900,  502-507  u.  574—580. 
9lufeerbem  bie  bei  ben  9lrtt-  Sreifapitelftrett  unb  Suftmtan  (33b  IX,  650)  angeführte  Sttteratur 
unb  bie  91rtifet  üon  S-  33ailel)  in  DchrB  4,  1144—51;  Süpper  (Sreifapitelftrett)  in  ÄS  3, 
3022—37  unb  gecE  (33i_giliu§),  baf.  .12,  956—959.  SaS  SEerf  üon  35incen^i,  In  S.  Gregorii  50 
Nyss.  et  Origenis  scripta  etc.  nova  recensio,  beffen  4.  33b  (9iom  1865)  it.  b.  S.  Vigilii 
Pontificis  Rom.  .  triumphus  in  synodo  oecum.  V  eine  üon  ber  geftbbnlid)en  obtftg  ab= 
tueidienbe  Sarfteffting  enthalten  foll,  ift  mir  unbefannt  geblieben  (ügl.  Slipper  2035  u.  $itra 
[0.  3.  40]  369). 

3>.  ftammte  aus  einer  römif d)en  ^atrijierfamilie :  feinen  3?ater  ^o^nneS  bejeid)net  55 
LP.  296,  1  als  ßonful  (f.  baju  5Dud)eSne,  LP  299  Ti.  1) ;  fein  93ruber  3fteparatuS  war 
Senator  (Proc.  Bell.  Goth.  1,  26).  Unter  «ßapft  SonifatiuS  II.  (f.  b.  21.  33b  III, 
288  f.)  exfd)emt  er  als  ®ia!on  ber  römifd)en  0rd)e,  unb  eS  ift  bereits  berichtet  roorben 
(a.a.  £.  289,  10  ff.),  baf}  irm  ber  ^Japft  531  ju  feinem  3^act)folger  beftimmte,  bie  bon 
ben  Älerifern  bereits  unterjeid)nete  Urfunbe  aber  im  ^abre  barauf,  Permutlicl)  unter  60 
3)rudE  beS  ©otenlbnigS  Xtyobatjat,  bernid)ten  mufete.  @S  ift  roar/rfcbeinlier/,  bafe  slv  ?ur 
antigotifeben  Dppofition  geborte,  unb  ba^  er,  nad)bem  er  —  toermutlid)  unter  Slgapct  I. 


634  SJtgiliuS,  ^atfi 

(f.  b.  2t.  33b  I,  237  f.),  aber  fcfiroerlicb,  erft  bei  ©elegenfyeit  ber  3ieife  biefeS  ?ßa^fteg  nacb, 
ßonftantinobel  (fo  Sangen  342  u.  a.)  —  zum  2tbofrifiar  beS  römifcfyen  ©tufyleS  in 
^onftantinopel  ernannt  toorben  mar,  bort  gegen  bie  gotifcfye  Regierung  roirfte.  3la<fy  bem 
borjettigen  iobe  21gabetS  (22.  2lbrü  536)  fdjnen  feine  $eit  gelommen.  SiberatuS  (cap.  22 
5  MSL  68,  1040)  unb  LP  (Vita  beS  ©ilberiuS  (292,  1  ff.),  berieten,  unabhängig  bon= 
einanber  unb  boeb,  im  roefentlidjen  tbentifd),  bafj  23.  ber  ^aifertn  ^eobora  fein  2Bort 
berbfänbete,  im  %aü  feiner  2Baf)l  zum  ^abfie  gegen  bie  ©r)nobe  bon  Gfyalcebon,  ben 
©tetn  beS  2lnfiof$eS  für  bie  grofse  monopr/r/fitifcfye  Partei  am  §ofe,  gront  z"  machen 
unb  für  bie  abgefegten  Patriarchen  2lntr;tmuS,  ©eberuS  unb  SfyeoboftuS  einzutreten  (f.  21. 

10  9Jconotol)tofiten  33b  XIII,  394,  i ff.  394,  i  ff.).  ®ie  Äatfetin  folt  ir,n,  ber  balb  nacf, 
2lgaberS  Xobe  nad)  diom  abreifte,  mit  reiben  ©elbmitteln  auSgeftattet  unb  u)m .  ein 
©cbjeiben  an  23elifar  mitgegeben  fyaben,  baS  biefen  antoieS,  für  bie  SSafyl  beS  23.  einju= 
treten.  ^ebenfalls  toar  93.  ifyr  ^anbibat.  311g  er  in  3tom  eintraf,  fanb  er  ben 
^anbibaten    £l?eobar,atS,    ©ilberiuS  (f.  b.  21.   23b  XVIII,   338),  bereits  im  23efi$  beS 

15  ©tur)IeS,  unb  eS  tofiete  irm  9Jtuf;e  unb  ©elb,  ben  bi^antinifcfyen  gelbljierrn,  ben  er  in 
Neapel  (nic^t  in  ÜJkbenna  [fo  Liber.],  f.  ^affe  z-  $.  536)  getroffen  Ijiatte  unb  ben  roo^I 
aueb,  feine  ©attin  2lntonina,  Sf/eoborenS  greunbin,  bearbeitete  (Proc.  Hist.  Are.  I,  1 
p.  13  unb  16),  geneigt  zu  machen,  ben  Söunfct)  ber  ^aiferin  $u  erfüllen,  ^nbeffen  fanben 
fieb,  balb   zuretdjenbe  ©rünbe  in  ber  bolitifdjen  Haltung   beS  ©ilberiuS  (f.   baS  SJtafyere 

20  23b  XVIII,  338),  unb  ber  29.  9Jcärz  537  fab,  33.  als  $abft  (nid^t  22.  9cob.;  baS  nötige 
SDatum  ergiebt  fieb,  aus  ber  gu  aßen  23err/ältniffen  paffenben  2lngabe  beS  Fragm. 
Laurentianum  [bei  SDucfyeSne,  LP.  46],  roonacb,  23.  18  3>al)re,  2  SRonate,  9  SLage  am= 
tierte;  aueb,  wirb  er  in  einer  römifcb,en  Qnfcf)rift  Dom  ^uni  537  [be  9iojfi,  Inscr.  Christ. 
1,  482]   als   beatissimus  papa  bezeichnet).    Über  baS  @nbe  beS  ©ilberiuS  ift  bereite 

25  a.  a.  D.  gel)anbelt  roorben,  boeb,  mag  r/injugefügt  werben,  bafj  ber  S£ob  beS  ^ßa^fteS  fyöcbjt 
roafyrfdjeinlid)  in  ben  $u™  538  (nic|t  540)  faßt,  unb  bajj  am  20.  ^uni,  bem  23egräbniS= 
tage  (LP.  293,  7),  fein  ©ebäd)ntS  bon  ber  Hird^e  gefeiert  roirb.  ©in  23rief,  in  bem  er 
au§  bem  @rjl  heraus  gemeinfam  mit  toter  23ifcb/bfen  23.  berbammt  fyabm  folt  (Mansi 
9,  6  ff.),  ift  irofe  23aromuS  (g.  3.  539)  abofrtybb,  (f.  ^3agi  3.  3.  539,  «Rr.  3  u.  4). 

30  2Bie  fieb,  93.  mit  feinem  ber  ^aiferin  gegebenen  23erfbrect;en  abgefunben  fyat,  läjjt 
fieb,  ntebt  ficb,er  erlennen.  23ei  SiberatuS  (p.  1041)  unb  93ictor  bon  ^unnuna  0ier  aber 
erft  z-  3-  543)  ift  ein  an  bie  obengenannten  Patriarchen  gerichtetes  ©cb,reiben  überliefert, 
in  bem  fid)  ber  ^>ap\t  unter  2luferlegung  ftrengen  ©tiKfcb,loeigen§  ju  ib,rer  ©IaubenS= 
roeife   befennt.   SiberatuS  giebt  aueb,  bie  gormel  toieber,  bie  93.  feinem  23riefe   beigelegt 

35  fyahe,  in  ber  eS  unmi^berftänblicb,  Reifet :  non  duas  Christum  (?)  confitemur  na- 
turas,  sed  ex  duabus  naturis  compositum  . .  unum  Christum.  3Jcöglicb,er= 
roeife  fbielt  gacunbuS  (ctr.  Moc.  MSL  67,  861)  auf  einen  folcfyen  23rief  an,  roäb,renb 
LP  296,  15 ff.  umgeleb,rt  ben  ^patoft  auf  ein  SJJa^nfctjreiben  ber  Üaiferin  fc^roff  ant= 
roorten  (ä|t:    prius  locutus  sum  male  et  insipienter,    modo    autem  nullo  modo 

40  tibi  consentio  ut  revocem  hominem  haereticum  et  anathematizatum.  ©0  fyat 
er  felbfttoerftänbUcb,  rticfct  gefcbjieben,  aber  aueb,  bie  (Scfytb/eit  jenes  ©cfyreibenS,  jumal  beS 
23efenntniffeS,  ift  meb/r  als  jroeifetb^aft,  unb  bie  ^JRöglicf/feit  mu|  offen  gelaffen  roerben, 
bafj  eS  bon  gef)äffigen  ©egnern  bem  $abfte  untergefö^oben  ioorben  ift  (6r)amarb  557 
nennt  ben  23rief  unter  23erufung  auf  ben  ©til  absolument  apoeryphe;  aueb,  SDucb,eSne, 

45  Vig.  373  unb  LP  300  W.  9  neigt  gur  2Innab,me  ber  gälfcfmng,  roenn  er  fieb,  aueb, 
nid)t  beftimmt  äußert).  ©icb,er  ift  nur,  bafj  ^ab,re  »ergingen,  ef;e  fieb,  93.  in  ber  bog= 
matifcb,en  grage  amtlicb,  mit  ber  Regierung  in  ^onftantinobel  in  23erbinbung  fe|te,  unb 
nunmehr  gefcfjab,  eS  in  anberem  ©inn.  2ttS  ^uftinian  bringenb  rourbe  (CSEL  352, 14), 
fab,  er  fieb,  beranla^t,  fieb,  am  17.  ©ebtember  540  in  jroei  ©^reiben  an  ben  $aifer  unb 

00  an  ben  Patriarchen  9RenaS  (Litteris  clementiae  unb  Licet  universa,  f.  0.  ©.  633,25) 
ju  6b,aIcebon  %u  belennen  unb  bie  monobr/bjitifcfyen  Patriarchen  namentlich  gu  berbammen. 
^m  übrigen  ift  aus  ben  erften  Qab,ren  feiner  SlmtSjeit  nicfjt  biet  befannt  geblieben.   LP 
296,  1  ff.  weife  ju  ergär)Iert,    bafe  23elifar  ben  gefangenen  ©otenfönig  93itigeS  bor  feinem 
^ranSbort  nacb,  Äonftantinobel  bem  ^3abft  borgefüb,rt  ^aht,  ber  ib,n  in  ber  23afilila  ^ulii, 

55  bem  ©mbfangSfaal  im  Sateranbalaft  (bgl.  ®uc|eSne,  LP  282,  9c.  5),  feiner  berfönlicb,en 
©icfyerfyeit , eiblicb,  berfieb^erte.  ^t  aueb,  bie  ^ointe  ber  (Srgäb,lung  niebt  erfidjtlicb,,  fo  lönnte 
fiep  boeb,  2ib,nlid)eS  zugetragen  b,aben.  S)er  ®ia!on  2trator  feiert  in  feiner  Epist.  ad 
Vigilium  (MSL  68,  73  ff.)  ben  ^ßabft  roegen  feiner  93erbienfte  bei  ber  23elagerung 
9tom§,  unb  eine  bermutlict)  (f.  Sangen  343)   auf  biefe  ,ßett   ju   bejiefyenbe  ^5nfdc)rtft  (bei 

60  ©ruter,  Inscr.  1171  31 4)  greift  93.  als  2Bieberb,erftetter  ber  ©räber  ber  9Jlärt^rer  2lleEanber, 


»tgiltitS,  yntft  635 

33ttali§  unb  SRartialtS.  33on  feiner  amtlichen  ftr/ättgfeit  berichten  biet  Ur!unben:  am 
6.  2Rärg  538  beauftragt  er  ben  33tfd)of  6äfartu<3  Don  Strlcö,  bem  Honig  Don  äluftrafien 
Ifyeubebert  feine  3Billen3meinung  über  bie  bom  Honig  in  feiner  ©beangelegenfyeit  ju 
leiftenbe  33ufee  lunbjutfcun  (Mansi  34  f.);  am  29.  Sunt  538  erteilt  er  bem  33ifcfyof  ^ro= 
futurum  (nidd  @utf>eriu3)  bon  33raga  berfcfnebene  ^nftruftionen  (Mansi  29—33);  am  5 
18.  Dltober  543  fe|t  er  ben  9?ad)folger  be3  GäfariuS,  2luraniu3  bon  SlrleS,  babon  in 
HenntmS,  bafe  er  tt/tn  ba3  Pallium  nid)t  jufenben  lönne,  ob,ne  borfyer  ben  Haifer  (nidjt 
ben  fräntifdjen  Honig,  wie  Sangen  353  bruden  läfet)  ju  unterrichten  (Mansi  40  f.).  2)a<3 
Schreiben,  in  bem  er  ba§  Radium  jufagt,  ift  erft  bom  22.  9M  545  battert  (Mansi  42 ; 
bgl.  aud)  ba<8  9tunbfd)retben  an  bie  gaKifcr)en  33ifd)öfe  unb  einen  Vetteren  33rief  an  10 
2luramu3  bom  gleiten  Sage  Mansi  43 f.).  3tujaniu§  amtierte  nid;t  lange;  fcf/on  am 
23.  ätuguft  546  fyat  SS.  feinem  SRadjfolger  Slurelian  ba<§  ^ßaHtum  jugefagt  (Mansi  46  f. 
u.  bgl.  47  f.). 

SamalS  mar  er  nid)t  meb/r  in  9rom.  ©enn  tnjtnifdben  t/atte  bie  bon  £r/eobor 
2l3tiba§  entfeffelte  2tftion  unb  ba§  @bift  Haifer  SuftmianS  bon  543  (fo  SDiefamb,  Drige=  15 
mftifdje  ©ireitigfeiten,  fünfter  1899,  54)  ober  544,  in  bem  ^Serfon  unb  ©driften 
JljeoborS  bon  SRobfueftia,  bie  ©Triften  SLboboretS  bon  ßtyruS  für  sJceftoriu§  unb  gegen 
GtonH,  fotoie  ber  33rief  be§  %ba$  bon  ©beffa  an  yjlaxtä  mit  bem  2Inatf/em  belegt 
tourben,  jenen  ©treit  l)eraufbefc|moren  (f.  ®reifabitelftreit,  33b  V,  21),  ber  bal  ©cfyidfal 
aud)  beS  33.  mürbe,  ©eine  Situation  war  bon  Anfang  an  aufeerorbentlict)  fcfytoierig.  20 
ßinem  fo  guten  Henner  ber  Sage  im  Orient  fonnte  e<§  ntcfyt  berborgen  fein,  bafe  ber  faiferltcbe 
drlafe  bie  fo  notmenbige  UnionSbolitil  ju  beförbern  borjüglicb,  geeignet  fein  mufete  (f.  b.  31. 
^uftinian  33b  IX,  657, 15  ff.).  2Iud)  roar  nid)t  baran  ju  jmeifeln,  bafe  ber  ^mberator 
feinen  SöiHen  aud)  unter  Stntuenbung  bon  ©emalt  burcbjufe^en  gebenle.  2lnbererfeit§ 
toar  mit  ©icfyerr/ett  borau^ufefyen,  bafe  ba3  ©btft  im  älbenblanb  einen  ©ntrüftungSfturm  25 
fyeraufbefcrjmören  muffe  unb  bafe  e3  für  ben  rbmifcfyen  33tfdmf  berr/ängnisboß  toerben 
fbnne,  menn  er  tl)m  beitrat.  SDiefe  ©rroägung  mufete  junädjft  im  33orbergrunbe  ftefyen. 
®er  SDiaton  ©tebl>anu§,  Slbofriftar  be3  römtfdjen  ©tufyleS  in  Honftanttnobel  an  ©teile 
beS  nad?  3iom  jurüctberufenen  ^elagiuS,  fyanbelte  gemife  nidjt  ol)ne  Sluftrag  (Facund. 
def.  trium  capp.  IV,  4  p.  625  berietet  nur  bie£fyatfacf>e;  bocb,  bgl.  33.3  bei  Fac.  ctr.  30 
Moc.  p.  862  edierte  Slufeerung)  al3  er  bem  fd)toanrenben  Patriarchen  ÜERenaS  ben  Etüden 
ftärfte  unb  roenigfteng  fo  biel  burcfyfetjte,  bafeSRenaS  ba§  @bift  nur  unter  ber  33ebtngung 
unterfef/rieb,  bafe  aueb,  bie  ^uftimmung  be§  3tömerö  eingebolt  toerbe.  33alb  aber  mürbe  beffen 
Sage  frittfefy.  Quftinian  liefe  ib,m  ben  33efeb,l  gufertigen,  berfönlic^  in  Honftanttnobel  ^u 
erfreuten.  LP,  297,  1  ff.  fdnlbert  feb,r  lebenbtg,  aber  in  ber  SRotibierung  falfcb,  unb  in  35 
ben  (Sinjelfyetten  fdimerlicb,  guberläffig,  bie  Umftänbe,  unter  benen  ber  ^abft  bon  Korn 
abreifte,  um  e<3  nie  toieberjufeb,en.  2lm  22.  -iJcobember,  bem  2age  ber  ^1.  Gäcilia,  fei  er 
in  beren  Hircfye  in  ^ra^tebere  roä^renb  be§  ©otte§btenfte§  aufgehoben  unb  ju  ©cb,iff  ge= 
bracht  roorben.  3ubür  erteilte  er  bem  23olfe  ben  ©egen;  faum  aber  mar  ba§  ©cb,iff 
abgefahren,  ali  i§m  ber  ^5öbel  ©teine,  Hnüttel  unb  Hocb, töbfe  nacb^marf  unb  ben  5ßabft  mit  40 
Sermünfcfyungen  überhäufte,  ^ft  33.  mirflieb  jmang^toeife  bon  9iom  toegger;oIt  morben 
(aueb,  ©ucb,eäne  383  fe|t  3^^ifel  barin  unb  fbrtd)t  bon  einer  resistance  de  forme, 
bie  ber  ^ßabft  geleiftet  fyahe)f  fo  toirb  e§  immer  auffallenb  bleiben,  bafe  man  tl)m  ge= 
ftattete,  einen  fo  fangen  (Proc.  Bell.  Goth.  3,  16:  kvy%ave  twXvv  nva  %qovov 
lv  S.  diatQißrjv  tjav)  Slufentfyalt  in  ©ijilien  gu  nehmen,  mie  er  iJjrt  genommen  b^ben  45 
mufe.  ®enn,  mag  nun  feine  älbreife  bon  3tom544  (fo  nod}3affe,  wenn  aud)  jmeifelnb: 
bafür  mürbe  aueb,  je£t  nod}  bie  ^Datierung  be<§  ®reifabttelebiltö  auf  543  fbred;en,  menn 
fte  fid;  alg  richtig  betoäfyrt)  ober  545  (fo  Sangen  354  SR.  3  unb  2)ucr,e§ne,  LP  300 
Tl  12  unter  33erufung  barauf,  bafe  bie  33riefe  an  3lurantu§  [f.  0.  ©.  635, 5  ff.]  noeb,  in  9tom 
getrieben  ju  fein  fd)einen)  erfolgt  fein,  jebenfalbS  ift  er  erft  um  bie  ^afjregmenbe  546/547  so 
in  ber  sJieid)ßr/aubtftabt  angelangt.  Sllg  fein  33ertreter  blieb  in  9iom  $elagiu§  jurüd, 
ber  fid)  mäf)renb  ber  33elagerung  3tomg  burd)  Xotila  um  bie  ©tabt  fel)r  berbient  machte 
(f.  b.  2t.^elagiu3  105,  uff.).  33.  felbft  bat  bon ©ijilien  (LP  297,  15  nennt ßatania  als 
ätufentfyaltäort ;  auf  ©runb  melcber  QueEe  ©uebeäne  397  bon  ©t;ra!u§  fbrid}t,  ift  niebt 
erftd)tlid))  5Probiantfd;iffe  nad)  9tom  gefdjidt,  bie  freilid;  ibr  $kl  nid)t  erreichten  (Proc.  55 
Bell.  Goth.  3,  15);  bem  Rubrer  ber  ©rbebition,  33ifd)of  33alentinug,  liefe  2otila  beibe 
§änbe  abbauen  (1.  c).  2tber  3tom  trat  jurüd,  bie  bogmatifdje  grage  nabm  alle  Über= 
legung  in  Slnfbrucb..  ^acunbu§  (ctr.  Moc.  p.  862 f.;  bgl.  Def!  4,  3  p.  G23)  teilt 
©tüde  aus  einem  ©^reiben  beö  $abfte§  an  SDcenaS  mit,  morin  33.  bem  Patriarchen 
megen  feiner  Unterfcb.rift  fdiloere  33ormütfc  mad;t,  eS  billigt,  bafe  ©tebt;anu£  bie  fird)licf)e  eo 


636  SigütttS,  ^atft 

©emeinfdjaft  mit  xijm  aufgehoben  fyahz,  unb  barauf  bertoeift,  bafj  nacf)  einet  il;m  burd) 
©aiiul,  33ifd>of  bon  Sftailanb,  ber  ilm  bon  Äonftantinobel  aul  in  ©Milien  aufgefucfyt  f;at, 
geworbenen  Mitteilung  biele  anbere  ©eiftlicfye  (barunter  ©atiul  felbft)  unb  Säten  biefem  33ei= 
fbiel  gefolgt  feien  (nad)  SDucfyelne  399  ift  biefel  ©d)reiben  sans  doute  [?]  erft  auf  ber 
5  üftetfe  nad;  ^onftantinobel  in  S£fyeffalonid;  [?]  abgefafjt  roorben).  ^njtoifdjen  Ratten  fidE>  bie 
Stfrilaner  geregt.  2luf  eine  if)m  burd;  bie  SDiafonen  'ißelagiul  unb  2lnatoliul  über= 
mittelte  anfrage  bei  römifdjen  $lerul  erflärte  fid)  gulgentiul  gerranbul  auf  bal  ©ntfcbjebenfte 
gegen  bal  (Sbift  (f.  bal  9Räf)ere  33b  VI,  316,  2  b  ff.).  2tud;  ber  33rtef  bei  33ifd?of§  ^ontian 
an  ben  Äaifer  (Mansi  9,  45 f.:   quid  nobis  cum  mortuis  inire  bellum,  ubi  nulla 

io  invenitur  in  congressione  victoria  ?  apud  judicem  verum  iam  tenentur,  a  quo 
nullus  appellat)  toirb  33.  nicfyt  unbelannt  geblieben  fein.  @r  felbft  fudjte  ^uftinian 
unter  Berufung  auf  bie  abenblänbifcfyen  ©timmen  brieflieb,  ju  betoegen,  bon  feinem  33or= 
fyaben  abjufter/cn  (Fac.  Def.  4,  3  p.  623).  ®afj  ifym  3°^u§»  oet:  ^ßatriardj  bon 
2lleranbrien,  bie  33otfd)aft  bon  feiner  Unterwerfung   unter  bal  @bift  fd;idte,  erregte  ifm 

15  tief  (Fac.  1.  c.  4,  4  p.  626). 

©djliefjlicb,  toar  längeres  3ögem  nicfyt  meb)r  angängig,  %m  §erbft  546  brad;  ber 
Sßatoft  bon  ©ijilien  auf.  ©ie  Steife  führte  burd)  Serien  uni>  ÖeEfll  (Fac.  1.  c.  4,  3 
p.  624) ;  in  ^3atral  toar  33.  am  14.  Dftober  (93eftättgung  bei  33ifd)ofl  SRarjmian  bon  Stabenna, 
f.  2lgnelli,  Lib.  Pont.  Ravenn.    MG    Scr.  Rer.  Lang,  et    Ital.    p.  326).     Sie  2Jn= 

20  fünft  in  j^onftantinobel  fe|t  ber  gortfetser  bei  2RarceIItnul  ßomel  auf  ben  25.  Januar 
457,  LP  (297,  18),  bem  9)cariul  bon  2tband)el  (MSL  72,  797)  felunbiert  (jebod)  nur 
bezüglich  bei  ^afyrel;  f.  aud)  ©ucfyelne,  LP.  301  9t  19),  auf  ben  2Seifynacr;tlabenb  546. 
®er  offizielle  @mbfang  toar  r)öd^>ft  efyrenboll ;  üaifer  unb  $abft  ioecfefelten  Äüffe  unb  ber= 
goffen  5£I)ränen,  mie  bal  bei  folgen  ©elegenbeiten  üblich  ift.    2111  Slbftetgequartier  biente 

25  bie  Domus  Placidia,  bie  Söormung  bei  2tbolrtfiarl  (®ud)elne  400  91  1). 

©er  @rnft  ber  ©ituation  follte  balb  offenbar  werben,  greilid)  finb  toir  über  bie 
erften  ©dritte  bei  ^abftel  nid)t  beutlid)  unterrichtet.  3^act)  einer  nic^t  ganj  burd)fid)tigen 
9totij  bei  Ifyeobfyanel  (be  33oor  225,  13  ff.)  foll  33.  gleid)  nad;  feiner  Slntunft  bie  brei 
ftabttel  berbammt  Ijaben.    SDamlt  ftef)t  aber  in  üffiiberfbrud)  bie  fofort  angefcfyloffene  2ln= 

30  gäbe,  bafj  er  bem  Patriarchen  9ftenal  bie  ^trebengemeinfefeaft  gefünbigt  fyabe,  meiere  2ln= 
gäbe  burefy  gaeunbul  (Moc.  p.  862)  infofern  geftü|t  toirb,  all  biefer  bon  einer  allgemeinen 
©jfommunilation  ber  Unterzeichner  rebet,  ma§  fbäter  ©regor  b.  ©r.  (Ep.  2,  51)  jur  @£= 
!ommunifation  audj  ber  ^aiferin  '^b.eobora  bergröbert  fyat.  SRenal,  fo  fcf)reibt  Xljeoblianeö, 
t>abe  bem  ^ßabft  mit  gleicher  9Jtünje  gejault,  unb  erft  am  29.  Suni  Ratten  fieb,  bie  beiben 

35  auf  33emüb^en  ber  Äaiferin  mieber  ausgefölint.  Qn^tDifcben  aber  I)abe  Quftinian  bem 
^ßabfte  jugefe^t  (bgl.  audj  bei  Ä'aifer§  eigene  ©arfteUung  ber  SSorgänge  in  feinem  ©cbreiBen 
an  bie©tmobe  bon  553,  Mansi  181f.;  Fac.  Moc.  p.  860  ftetlt  33ebrängung  be§  ^3abfte§ 
entfcfyieben  in  2tbrebe)  bis  ju  ber  ©rolnmg,  il)n  berl;aften  ju  laffen.  ©ie§  roieber  toirb 
buref)  bie  Slngabe  ber  italienifcb.en  Älertfer  (Ep.  Cler.,  Mansi  153)  beftätigt,  tüonad?  33. 

40  fcfjon  bamall  öffentlich  aulgerufen  fjaben  foll :  contestor  quia,  etsi  me  captivum 
tenetis,  beatum  Petrum  apostolum  captivum  facere  non  potestis.  ^n  biefe 
^eriobe  »erben  aud]  bie  beiben  33riefe  gehören,  in  benen  33.  bem  Haifer  unb  ber  Äaiferin 
bie  33erbammung  ber  brei  ^abitel  jufagt  (Mansi  351),  bie  gunäcbft  geheim  gehalten 
»erben  feilten  unb  bie  fbäter  in  fritifcf>er  ©tunbe  (f.  u.  ©.  638, 51)  §um  33orfcb,ein  lamen. 

45  2lucb,  bie  Qidjfycü  biefer  ©^reiben  ift  beftritten  toorben  (3.  33.  bon  ßouftant  438—443), 
aber  abgefe^en  bon  einer  ^toeifellofen  monotf)eletifcf)en  ^nterbolation  enthalten  fie  faum 
angreifbares  (f.  §efele  2,  818  unb  855  ff.),  gum  Überfluß  fbricf)t  aud)  gacunbuS  (Moc. 
p.  360)  bon  einer  oeculta  pollicitatio,  unb  auf  ber  ©imobe  bon  553  berfid)erte  ber 
33ertreter  bei  Jlaiferl,  ba^  33.  feine  3ufa0e  fdjriftltd;  unb  münbltcb,,  fogar  in  ©egentoart 

50  be§  Äaiferl,  gegeben  l)abe.  ®ie  ftarle  33etonung  ber  ©ered;tfame  feine!  ©tuble§  in  ben 
33riefen  ift  offenbar  aul  ber  3lbfid)t  bei  ^ßabftel  ju  berfteb^en,  bem  @bilt  ntebt  lurjtoeg 
burd)  Unterfdmft  beizutreten,  fonbern  feine  ©tellungnab^me  bureb,  befonberen  @rla^  funb= 
Zutb^un  unb  bamit  ben  ©djein  ju  toafyren,  all  entfdjeibe  er  bie  <5afy.  ^n  2Bir!lid;feit 
batte  er  fid;,   toie  ®ud)elne  (©.  404)  rid)tig  bemerlt,   bie  §änbe  gebunben.    gtoar  tbat 

55  er  allel,  um  ben  ©inbrud  einer  neuen  Unterfudmng  b^erborjurufen.  %lad)  gaeunbul 
(Moc.  859 ff.;  bgl.  Def.  Praef.  527)  berfammelte  er  70  33ifcb,bfe  um  ftd)  unb  erörterte 
mit  ib^nen  in  brei  ©jungen  inlbefonbere  bie  ffia^,  ob  bal  Dreüabitelebift  fid;  mit 
bem  ^onjil  bon  Sb^alcebon  in  SBiberfbrud)  fe^e.  2111  aber  gaeunbul,  ber  feurigfte  unb 
belefenfte    2tntt>alt  ber  33erbammten,  ben  33e»eil   antreten    tooßte,   bracb,  33.   (ber  bie 

60  afrtfantfebe  33erebtfam!eit  fürchten  mochte)  bie  SSerljanblung  ab  unb  berlangte  bon  jebem 


üßtgtltuS,  ^a}jft  637 

ber  j£eilnef)mcr  ein  fdjiriftltdjeS  @utad)ten.  9caiürlid)  feien  biefe  ©utad)ten  unter  „mono= 
bfybfittfdjem"  ®rud  fo  auggefallen,  tote  man  cS  gemünfcf)t  l)abe,  unb  93.  fyabe  ©orge  ge-- 
tragen,  bafj  fie  bem  $aifer  fofort  Vorgelegt  mürben. 

©omit  mar  bie  33afm  flar,  benn  ber  Söiberftanb  beS  gacunbuS,  ber  nunmehr  feine 
Defensio  ausarbeitete  unb  hinter  bem  bie  Slfrilaner  ftanben,  mar  ^mar  unangenehm,  5 
brauste  aber  nict)t  entfcfyeibenb  ins  ©emid)t  fallen.  3)ud)eSne  (©.  402)  meint  eS  be= 
{lagen  gu  fotlen,  bafs  33.  ben  $elagiuS  ntd)t  jur  ©eite  gehabt  fyabt,  ber  il>n  beffer  beraten 
fyaben  mürbe  als  feine  SDiafonen.  Unb  gemifj  mürbe  ^elagiuS  feinen  ©influjj  in  ent= 
gegengefetjter  Sichtung  geltenb  gemacht  fyaben,  mie  er  eS  in  einem  fbäteren  ©tabium  (f.  u. 
3. 57)  getrau  f>at.  ^ebenfalls  tl)at  33.  nunmehr  einen  entfcfyeibenben  ©dniit:  am  10 
CfterfamStag  (Ep.  Vig.  ad  Rust.  etc.  Mansi  353)  548  überfanbte  er  SRenaS  fein 
„ijubicatum",  baS  eine  runbe  93erbammung  ber  SDreifabitel,  baneben  freilieb,  aud)  ein 
ebenfo  runbeS  93elenntniS  jum  Sfjalcebonenfe  enthielt  (f.  baS  93rud)ftüd  in  3u^nu^ 
©abreiben  an  bie  ©tmobe  bon  553  Mansi  181;  §efele  822  ff.  fyat  richtig  bemerlt,  bafe 
bie  im  Äonftitutum  bon  553  enthaltenen  ©ä£e  auS  einer  epistola  ad  Menam  [CSEL  15 
316,  4  ff.]  bem  ^ubicatum  entnommen  finb).  @r  felbft  I)at  fpater  (Damn.  Theod.  Mansi 
59)  bie  &a&)Z  fo  bargefteHt,  bafj  er  mit  feinem  ©rlafj  ben  beunruhigten  ©emütern  foju= 
fagen  eine  3JJebi^in  fyabe  berfdjreiben  motlen  (aud)  in  ber  Ep.  Cler.  [Mansi  153]  mirb 
Don  dispensatio  gefbrodjen).  @r  mag  aucl)  mirHid)  fo  gebadet  fyaben.  ^ebenfalls  iDa*' 
eS  if)m  |öd}ft  unangenehm,  bafe  fein  9ceffe  unb  ®iafon  SftufticuS,  offenftcfytlid)  erfreut  über  20 
ben  ©djritt  feine§  DnfelS,  überaHl>in,  auch,  an  ^ßelagiuS,  bon  bem  mir  freilief)  nur  erraten 
Jönnen,  mie  er  bie  ©acf;e  aufnahm,  2lbfd)riften  beS  ^ubicatumS  berfcbjdte.  @r  mufj 
toieber  gehofft  fyaben,  baf$  ib/tn  bie  ^olttü  möglichster  ©efyeimfyaltung  (mer  Slbfd^rtft  l)aben 
wollte,  fotlte  fie  fieb,  bon  SRenaS  erbitten,  Ep.  ad  Rust.  353)  über  bie  nächste  3^it  meg= 
Reifen  merbe;  mag  fbäter  gefcfyab/,  mod)te  fiel;  bann  finben.  25 

®af$  bie  93efanntmadmng  beS  ^ubicatumg  bie  übelften  folgen  für  i^n  blatte,  fofern 
fie  baS  Slbenblanb  in  gellen  Slufrufyr  berfe^te,  ift  bereits  im  3ttt.  Sreifabitelftreit  (93b  V, 
22, 40  ff.)  bargelegt  morben.  @S  maren  ja  ntdjt  nur  bie  Slfrifaner,  bie  ftd)  empörten, 
©ein  gaUifdjer  93tfar,  Slurelian  bon  2lrlcS,  mufe  il)m  einen  fel)r  befümmerten  93rief  ge= 
fdjrieben  fyaben,  unb  93.  brauchte  biele  Söorte,  um  tfyn  ju  beruhigen  (93rief  bom  29.  3l»ril  30 
550,  Mansi  361  ff.).  SDie  balmattfcfyen  93ifd>öfe  leimten  baS  ^ubicatum  ah  (Ep.  Cler. 
Mansi  153),  bie  iHt>rifd)en  festen  gar  ifyren  SJtetroboliten  ab,  ber  bafür  eintrat  (Vict. 
Turin,  j.  3.549).  ©elbft  auS  ber  «einen  römifcfyen  @n!labe  (f.  Sfyeobafcbjien,  93b  XIX, 
660,26),  bem  ffr/tfyifdjm  S£omi,  fam  ein  beforgteS  Schreiben  beS  93ifd)ofS  93alentinian 
(f.  b.  ^ßabfteS  Slntmort  bom  18.  SRärj  550  Mansi  359).  Unb  nidjt  einmal  feine  eigenen  35 
2)ia!onen  gelten  ©tidj:  3tufticu§  unb  ©ebaftian  traten  jur  Dbbofition,  unb  ber  $abft 
mufete  fie  balb  barauf  eEfommuni^ieren  (Ep.  ad  Rust.  etc.  Mansi  351—59).  @s  fdjeint, 
ba^  biefe  Dbbofition  an^  bei  §ofe  ©inbrud  gemacht  ftat.  Quftinian  mürbe  fonft  bem 
$abfte  fein  ^ubicatum  nid}t  jurüdgegeben  unb  fid)  ntdjt  mit  bem  ©eban!en  bertraut 
gemacht  fjaben,  bie  ganje  «Streitfrage  einer  großen  ©^nobe  borjulegen.  2ln  ein  Slufgeben  40 
be§  Slnat^emg  bad)te  ber  Äaifer  natürlich,  nid)t;  bielmeftr  liefe  er  bem  ^ßabfte  burd) 
Ibeobor  SXSfibaS  unb  ben  ^atriciuS  ßetl)egu§  am  15.  Sluguft  550  einen  @ib  abnehmen 
(Mansi  363  f.),  bafe  aueb,  er  bie  93erbammung  ber  brei  $abitel  meiter  betreiben  merbe. 
2Bieberum  bebang  93.  ftdt)  au§,  bafe  biefer  @ib  geheim  gehalten  merbe,  unb  eS  gelang  il;m, 
bei  einer  berfönüdjen  93erl;anblung  mit  bem  $aifer,  ber  eine  Sinjal)!  93ifd}öfe  beimob^nte,  45 
baS  für  \b]n  mertbofle  ^ugeftänbniS  ju  erhalten,  bafe  bie  gragc  bi§  jum  ^ufammentritt 
ber  ©imobe  rubren  folle.  greilieb,  ruljt  biefe  Angabe  nur  auf  bem  3euÖn^  ^  ^ßabfteS 
(Damn.  Theod.  Mansi  59),  unb  e<§  ift  nid>t  recb,t  berftänblia),  mie  eine  fold)c  @nt= 
l)altfamfeit  b,ätte  bemäfjrt  merben  lönnen.  Xb,atfäd)lid;  mad;te  fdmn  bie  Haltung  ber 
afrtfanifcb,en  93tfcb,öfe,  bie  ber  ©inlabung  ^ur  ©t;nobe  ^olge  leifteten  —  bie  tttyrifdjen  so 
toeigerten  fid;  (Ep.  Cler.  Mansi  1 53 ;  ber  93rief  ber  ^leriler  ift  für  biefe  ©bifobe  §aubt= 
quelle)  — ,  fie  unmöglich. :  fie  mußten  gemiffen§f;alber  bie  Obbofitton  fcf)üren,  unb  ib,ren 
©egnern  mufete  baran  gelegen  fein,  fie  ju  bearbeiten.  Überrafcben  mag  e§  immerhin, 
bafe  ^uftinian  im  ©ommer  551  burd}  ein  neues  (Sbift  (Mansi  537— 582)  ber  ©t;nobal= 
entfd)eibung  borgriff  unb  bie  93erbammung  ber  brei  ^abttel  bon  neuem  einfd)ärfte.  3e°en=  55 
falls  fd)lug  ber  (Srlafe  in  ber  Umgebung  beS  ^3abfteS  mi?  eine  93ombe  ein.  93ermutlicf)  ift 
eS  $elagiu3  gemefen  —  er  toar  um  biefe  3eit  nad)  ^onftantinobel  jurüdge!el;rt  (f.  93b  XV, 
105,  3i)  — ,  ber  33.  barin  beftärfte,  nunmehr  bie  bisher  fo  forgfältig  unb  borftd;tig  behütete 
93erteibigungSftellung  aufzugeben  unb  mit  fräftigem  93orfto|  gum  2Xngriff  überzugeben. 
5Rid}t  ob,ne  ©runb   fab,  ber  ^3abft   in  Xfyeobor  2lSfibaS  ben  §aubtgegner,   tro^bem  biefer  60 


638  SBtgütuS,  ^atft 

fpäter  feine  ^Beteiligung  an  ben  Vorgängen  möglid)ft  absufd)Wäcr;en  berfucfyt  l>at  (Mansi 
62  f.).  3fm  traf  nun  ber  toäbftlidje  33annftraf)l :  SÖtitte  ^uli  fcb>fi  ifyn  33.  au<S  ber 
JUrd^engemeinfcfyaft  au§.  ®ie  SlntWort  lief?  ntcfyt  auf  ficb,  Warten:  balb  füllte  fid)  58. 
in  ber  Domus  Placidia  nid^t  mel)r  fieser  unb  f!o^>  mit  feinen  ©etreuen  in  bie^3eter§= 
5  bafilifa  in  £ormi§ba  (bgl.  Iner^u  unb  jum  golgenben  ba§  unten  [£.  24]  erwähnte  toäbftüd)e 
Stenbf ^reiben  unb  ben  S3rtef  ber  ^lertler).  §ter  berfyängte  er  am  17.  Sluguft,  umgeben 
bon  ben  abenblänbifef/en  33tfcb,öfen,  bie  2Jbfet$ung  über  Slfyeobor  unb  bie  @r.tommunifation 
über  feine  2tnb,änger,  aueb,  SJienag  bon  ^onftantinobel.  Sie  aSeröffenttid^ung  ber  Ur= 
lunbe  füllte  borläufig  unterbleiben,   um  ifyren  ©tnbruef  beim  Uaifer  unb  ben  betroffenen 

10  abzuwarten.  2Iber  bie  (Sreigntffe  überftürjten  fid)  nun.  2Bäb,renb  be§  ©otte§bienfte§ 
erfcfyien  9)cilttär  in  berJRirdje  —  bafe  e<§  gerabe  am  17  2tuguft  geWefen  fei,  Wie  ©utfjeSne 
411  bramatifd)  ergäbt,  fagen  bie  Quellen  nid)t,  unb  e§  ift  Wegen  ber  begleitenben  Um= 
ftänbe  fogar  unwafyrfcfyemlicb,  — ,  um  ben  ^Babft  Wegzuführen,  ber  ben  2Htar  umflammert 
Jjielt.    2lngefid)t3  ber  Haltung  be§  33oIf3  mufjte  ber  ^Brätor  bon  feiner  3lbftd)t  abfielen. 

15  33.  l>at  bie  Äircfje  erft  berlaffen,  nad)bem  il)m  ^uftinian  ©icfyerfyeit  für  Seib  unb  Seben 
•$ugefd)Woren  fyatte,  aber  er  fyielt  es>  boeb,  für  rätlid),  in  ber  iRad)t  bom  23.  jum  24.  SDe= 
Zember  ben  ^ßlacibabalaft  Wieber  $u  berlaffen  unb  ftcb,  nacb,  Sfyalcebon  einjufdüffen,  Wo 
er  ficb,  in  ber  @ubf)  emiafabelle  fieser  füllen  burfte.  ^mar  mar  er  aud)  § ier  33ebrängungen 
au§gefe|t:  Wenigften3  berlegt  ein  33rief   be3  römifcfyen  5?leru§   an  ben  gaUifd^en,   beffen 

20  Slngaben  auf  ben  $abft  f elbft  jurüd'gef)en  (Mansi  56  ff.),  in  biefe  3e^  °ie  33erl)  aftung 
ber  ©iafonen  $ßelagtu§  unb  SLulltan,  bie  aus;  ber  $ird)e  weggeführt  Worben  feien,  unb 
fbrid)t  »on  tl)ätlicfyer  5SJii^b,anblung  be§  $abfte3.  33ermutlicf)  mar  ba§  bie  $o!ge  oer 
§artnä(Jtg!eit,  mit  ber  33.  allen  2tnnäb,erung€t>erfucb/en  $uftinian§  entgegentrat,  bie  $olge  be= 
fonberS  ber  33eröffentlid;ung  feiner  33annbuße  gegen  Sfyeobor  unb  feines»  9iunbfcr/retben3 

25  bom  5.  gebruar  ($um  Saturn  f.  §efele  849  3R.  2)  552,  in  bem  er  über  bie  ifym  in  &on= 
ftantinobel  ju  teil  geworbene  33el>anblung  fernere  ^lage  führte  (MSL  50— 55).  ©o  fd)ien 
ein  @nbe  nid)t  abjufefyen.  £a  lenlte  bie  ©egenbartei  ein.  Unter  nid)t  ganj  beuüicr)en 
Umftänben,  fidler  aber  nid)t  olme  9Btffen  be§  ^atferö,  reichten  bie  @E!ommunijierten  bem 
^abfte  ein  9ted}tfertigung§fd)reiben    mit   entfbred)enbem  ©lauben§befenntnt§   ein   (aufge= 

30  nommen  in  bas  Constit.  Vig.  CSEL  231  f.).  Wad]  bem  %obz  be§  5Renaä  (3tuguft 
552 ;  f.  33b  XIII,  396, 20)  überfanbte  ber  neue  ^ßatriard)  @utt)d)iug  am  6.  ^emuar  553 
ein  entgegenfommenbeg  SlntrittSfd^reiben  (gried;.  u.  lat.  Mansi  185— 88).  33.  antwortete 
fofort  (8.  San.)  unb  erflärte  fid)  ju  fimobaler  33eratung  bereit.  2lber  er  Wollte  e3  nur 
unter  ber  33orau§fetjung  tf)un,  ba|  bie  ©ijnobe  in  Stalten  ober  ©ijilien  gehalten  Werbe 

35  (f.  aud;  Constit.  Vig.  CSEL  234,  22).  ©elbftberftänblicb,  leimte  ber  ^aifer  bie  gorbe= 
rung  ab  (1.  c.  234,  27),  »erftanb  fid)  aber  baju,  eine  3lrt  ©cb,ieb§gerid)t  borjufd^Iagen. 
31I§  aueb,  biefer  33ermtttelungöberfud)  frud)tlo§  blieb,  erging  an  ben  $abft  ber  gemeffene 
33efeb,l,  nunmehr  jur  ©^nobe  ^u  erfd)einen,  Wibrigcnfallä  fie  ob,ne  ifm  eröffnet  Werben 
Würbe.    33.  blieb  bei  fetner  Steigerung    unb   erflärte  ben  ^ommiffaren  beg  üaiferS,   er 

40  Werbe  feine  Meinung  fcr/riftlidj  abgeben.    3lm  5. 3!JJai  553   trat  bie  ©tmobe   pfammen. 

■Ser  ^pabft  War  Wob,l   fd^on   längere  gett  nad)  ^onftantinobel   jurüc!gefei>rt.     Sie 

33erb,anblungen  feit  @nbe  552  fe^en  feine  3tnWefenb,eit  in  ber  §aubtftabt  borau§.    $Da§ 

Constitutum  de  tribus  capitulis,  ba§  er  nunmehr  aufarbeitete,  ift  bom  14.  3Jiai  553 

auä  Äonftanttnobel  batiert.    (S§  ift  eine  umfängliche  unb  gefcb,id't  abgefaßte  Urlunbe,  bie 

45  ib,rem  3Serfaffer  (Wie  Weit  ^]elagiu§  baran  beteiligt  War  [f.  33b  XV,  105,  35 f.],  Wirb  fia) 
fc^Werlid)  feftftetten  laffen)  alle  @b,re  mad^t.  SDer  gan^e  5Rad)bruc!  liegt  barauf,  jebe 
©eiftelgemeinfd)aft  mit  bem  SRobfueftener  gurüdjuWeifen  unb  boct)  bie  3Serbammung  ber  brei 
^abitel  abjulefjnen.  ©em  $aifer  fottte  ba^  ^onftitutum  am  25.  9M  überreicht  Werben 
(bgl.  fttergu  unb  jum  golgenben   bie  2llten  ber   7  ©i^ung  ber  ©tonobe).    @r  nab,m  e§ 

50  nic£)t  an.  ®a  er  aber  bartn  mit  ©runb  ba§  Ultimatum  be§  ©egner§  feb,en  mufete,  fo 
glaubte  er  fid)  nun  aller  9iücffid}t  überhoben,  ©ein  ^ommiffar  legte  ben  ©imobalen 
jene  geheimen,  ben  ^abft  blo^fteßenben  5Do!umente  bor,  in  benen  33.  fid)  für  bie  93er= 
bammung  ber  brei  i^abitel  au§geftorod)en  b,atte.  ®amit  Würbe  ber  33efef)I  berbunben, 
ben  tarnen  be§  ^3abfte3  au§  ben  'sDibt^en  ju  ftretd)en,  gugleict)   aber  bie  berub,igenbe 

55  33erficl)erung  gegeben,  ba^  bamit  ba§  33anb  mit  3tom  nid^t  jerfdjnitten  fein  folle.  ©ie 
©bnobalen  gingen  natürlich  auf  aUeö  ein,  unb  bie  in  ber  achten  ©ujung  bom  2.  ^uni 
gefällte  ©cfylufcfentenj  über  bie  Äabitel  entfbrad)  ben  faiferlidjen  Söünfd^en.  T>a%  33.  ber= 
bannt  Worben  ift,  Wirb  man  LP.  299,  4  nicf)t  ob,ne  Weitere  ©eWä§r  (Marc.  Com. 
Contin.  ad  ann.  554  giebt  Heine  folcfye,  ba  man  l)ier  ba<§  exilium  bom  21ufentb,alt  im 

60  Orient  übertäubt  berftel>en  lann)  nad)fd)reiben  bürfen  (fo  §efele  905),  obwohl  feine  §al= 


»igtlm«,  ^atft  639 

tung  baburd»  nodb,  berftänbltd^er  Werben  Würbe.    2>ebenfall§  ü>ax  e<3  eine  fc^toere  grage, 
ttne   er   fid;   auf  bie  ®auer  behalten  folle.    (Serabe   jefct   fyatte  Suftintane;  5Dia^t  in 
Italien  burd)  9>carfeg'  ©otenftege  ben  ^öfyebunr't   erreicht,    $ür   einen  renitenten  $abft 
beftanb  leine  2lu3fia;t,  jemals  Wieber  in  ben  33efv|$  feines  ©tufyleS  ^u  gelangen.    2tn  ber 
fretltd)   überaus  naiben  SDarftellung  beS  LP.  299,  1  ff.    bürfte  bod;   fo   Diel  richtig   fein,   5 
bafe  man  fid;  bon  9iom  aus  um  bie  Sftidfefyr  beS  $abfte3  bemüht  I;at,   unb  eS  werben 
iserb,  anbiungen  ftattgefunben  b,aben.    Sötr  fennen   nur   baS  -Jtefultat:   bie  Unterwerfung 
bc§  33.    (Er  fünbigte  fie  bem  Patriarchen  (Euü)d;tu3  mit  ©cfyretben  bom  8.  ©ejember  553 
(Mansi  414—420)  an  unb  erläuterte  fie  am  26.  gebruar  554  in  einem  langen,  geWöl;n= 
Iid^>  als  Constitutum  Vigilii  pro  damnatione  trium  capp.  bejeiebneten  ©djriftftüd  (1.  c.  w 
457—488),   beffen  (Eingang  Wir  nidjt  beffen   unb   beffen  Sibreffe   unbelannt   ift.    §ier 
Reifet  eS  am  ©cfyluffe:   quaeeunque  vero   sive  meo  nomine  sive  quorumlibet  pro 
defensione   memoratorum   trium    capitulorum    prolata    fuerint  vel    ubieunque 
reperta  praesentis  nostri  plenissimi  constituti  auetoritate  vacuamus  (1.  c.  488). 
(ES  Hingt  ein  biSd)en  Wie  ^rofanatton,   Wenn  33.  feinen  Slücfjug  mit  2IuguftinS  9tetral=  15 
tattonen   in  parallele  fetjt  (1.  c.  415),  unb    man  berftefyt   eS,  bafe  einem  fo  überzeugten 
2tnf>änger  ber  entgegenftet;enben  $oliti!  Wie  ^elagtuS  zornige  2ßorte  über  biefen  gront= 
toed;fel  in  bie  geber  gekommen  finb  (f.  33b  XV,  105,  44).     2lber  IßelagiuS  fclbft  ift  nod; 
3u2ebaeiten33.'3  beffen  33eifbiel  gefolgt  (a.  a.  0.  105, 15 ff.),  unb  33.  eriaufte  fid)  burd)  fein 
sJtadigeben  bie  Siücrlefyr  nacb,  9bm.    3)ie  bragmatifdje  ©anftion  bom    13.  Sluguft  554, 20 
burd;  bie  ^ufunian  bie  33erl;ältniffe  beg  Wiebereroberten  3taüeng  regelte  (in  bcnStn^ang 
beS  Cod.  Just.  als  Const.  I  aufgenommen),  Würbe  pro  petitione  Vigilii,  venerabilis 
antiquioris  Romae  episcopi  crlaffen.  Äaifer  unb  ^3abft  f Rieben  alfo  in  gutem  (Einber= 
nehmen,  unb  33.  trat  bie  3?üd'reife  nid)t  mit  leeren  §änben  an,  WaS  für  feinen  (Empfang 
nia)t  gleid)giltig   fein  mochte.     Slber    er    lam   nidjt   bis  9fom.     $m  Fragm.  Laurent.  25 
(LP.  46)  Reifet  eS:    moritur    in  Syracusis  seeunda    feria,    nocte,    septimo   idus 
iunias,  indictione  tertia,  b.  t).  am  7  Sunt  555  (Sangeng  ß^e'fel  345,  %  1,   finb  un= 
gegrünbet).    SEobeSurfacfye  War  baS  ©teinletben  (LP.  299,  11;   Marc.  Com.  Cont.  ad 
ann.  544),  baS  ilm  Wol)l  fd)on  lange  quälte.   ^elagiuS  b,at  fid)  fbäter  bon  bem  33erbad)t 
reinigen  muffen,  bafe  er  beim  Stöbe  beS  ^abfteS  feine  -panb  im  ©biele  gehabt  fyabe  (LP  30 
303,  5  ff.),    liefen  Jüatfcf)  ernft  ju   nehmen  (Sangen  381,  91  3),  finb  Wir  burd}  ntcfctä 
berechtigt.    Sie  33eifet3ung   erfolgte   in   ber  SRarcelluSürcfye  an  ber   33ia  ©alaria  (LP 
299,  12). 

©aS  93erb/ alten  nur  Weniger  unter  ben  $äbfien  in  ber  älteren  gett  fy  at  f  0  biele  (Erörterungen 
unter  Hatfyolifen  unb  2lfatl)olifen  fyerborgerufen  Wie  baS33igtlS,  fein  fd;led;teS  geilen  ^r  ^,a^  35 
toaS  bon  einem  ^ßabft  aud;  aufeerfyalb  ber  latb,oüfd)en  ©emeinfcfyaft  berlangt  Wirb.  3BaS  man 
fid;  bon  einem  orientalifdjen,  gefdjweige  einem  fonftantinobolitanifd;en  Patriarchen  gefallen 
läfet,  Wirb   einem  $abft  $ur   Unehre   angerechnet.    6r  foß   bon   feinen  $atrS  gerietet 
toerben.    Unb  ba  haftet  ber  33lid  balb  an  3)tarttn  I.  (f.  33b  XII,  380  f.),  ber  in  burcb,= 
au3  bergleic^barer  Sage  entgegengefe^t  fyanbelte  unb  für  feine  Überzeugung   in  ben  Xoh  40 
ging.   --Run,  ein  überzeugter  üJJann  war  eben  33.  nic^t:  5Rom  War  ib,m  eine  9Jceffe  Wert; 
ob  er  fie  mit  gacunbuS,  9Kenag  ober  ©eberuS  feiern   foUte,  ba§  Inng   bon   ben  Um= 
ftänben  ab.    Stimmt  man  ^in^u,  ba^  fieb,  über  Stecht  unb  Unrecht  ber  33erbammung  ber 
brei  Äabitel  tfyatfäcfylid)  ftreiten  liefe,  bafe  e§  nidjt  angebt,  baö  bogmatifd;e  Urteil  lebiglicb, 
an  ber  Stellungnahme  ber  2tfrifaner  unb  tb^rer  ©efinnungggenoffen  abjumeffen,  unb  ba§  45 
fia)  bom  fird)enboIitifd)en  ©tanbbunlt  biel  bafür  fagen  liefe,  Xb,eobor  ju  obfern,  um6b,al= 
cebon  ju  erhalten,  fo  berfteb, t  man  23.,  ob,  ne  i^n  barum  rechtfertigen  ju  muffen :  bogmatifd; 
unb  bolttifd)  fd^wanft  er  Wie  ein  Sftobj  unb  ift  bie  Unjuberläffigfeit  in  ^erfon.    greilid; 
erfennt  man  Wofyl,  bafe  aud)  feine  ^3oIitif  im   legten  ©runb  baö  für  einen  $abft  felbft= 
berftänblidje  giel  berfolgte :  bie  9iecf)te  feines  ©tufyl<§  aud)  bor  bem  5?aifer  ju  beraubten,  50 
mobern  auggebrüdt,  ber  ^ird)e  md)t  bom  ©taat  @efe|e  borfc^reiben  ju  laffen.    2lber  e§ 
festen  if)m  offenbar  alle  @igenfd)aften,  \id)   biefem  ßtel   anberS   al§   auf  ©cb^IeicfjWegen 
ju  näfjern.     (Einer  ^mperatorcnpoltttf  Wie  ber   juftimanifrfjen  gegenüber   mag  ber  gerabe 
SBeg  freiließ  fct)Wer  gewefen  fein,  benn   ber  fonnte  ben  Slobf  foften.    %b,n  etnjufcblagcn 
^at  33.  eine  ^eit  lang  —  freilief)  unter  bem  ©influfe  beö  $elagiu§  —  berfuebj :   abS  er,  56 
allen  laiferltcljen  93itten  unb  2)rol;ungen  jum  %xo§,  ein  freiet  Üonjil  auf  abenblänbifd;em 
Soben  forberte  unb   feine  Xeilnafyme   an   ber   fonftantmobolttamfd)en  ©^nobe   ftanbi>aft 
Verweigerte,  War  er  auf  guter  33afm.    316er  man  fief)t  bod)  fofort,   bafe   ifyn   feine  33er= 
gangenbeit    Jjmbert,  unb   jWeifelt  nidjt    einen  3lugenblid  baran,  bafe  erumfef>ren   Wirb. 
So  bleibt  ba§  ©efamtbilb  unerfreulich,   unb   bie  (Sbifobe  33igiliuö  in  ber  s]>a]pftgcfdnd)te  6« 


640  SSigütuS,  fap$  2Jigiltu§  t>.  21)<tyftt§ 

unerqutcflid).  Qnbeffen,  Wer  toeiterblicft,  ftefyt  in  nid)t  ju  Weiter  gerne  bte  ©eftalt 
©regorg  b.  ©r.  auftauten  unb  finbet  aucb,  in  biefer  ©bifobe  einen  33eleg  für  ben  <3a$, 
bafj  bie  toäbfilid)e  %b?e  md)t  abhängig  ift  bon  ifyren  Prägern.  ©.  Srügcr. 

SStgiliuS,  $Bifd)of  bon  SEfyabfuS  (Snbe  5.  $!).)•   —    Sttteratur  berjeicrjnet  t>on 

5  Ul.  Ebeüatier,  Repertoire  des  sources  historiques  au  moyen  äge.  Bio  bibliographie,  s.  v.  28id)tig 
ift  grotgenbeä :  Bernardi  Vindingi  Augustioiani  theologi  Criticus  Augustinianus  castigatus. 
Vallameriae,  1621;  $.  gr.  ßfyifffet  in  fetner  2tu§gabe,  f.  u. ;  OL  Seiüier,  Histoire  generale 
des  auteurs  sacres  et  ecclesiastiques  XV,  $ari§  1748,  p.  250—273  (bjertn  forgfültige  2tna= 
lt)fe  ber  fünf  Siidjer  gegen  6uiöct)e3);    Siffemont,    Memoires    pour    servir    ä    i'histoire   ec- 

10  clesiastique  des  six  premiers  siecles  XVI,  $ari§  1712,  p.  23,  614—621,  801,  802,  ügl.  IX, 
$ari§  1703,  p.  727,  X,  ^ari§  1705,  p.  738—741 ;  ©t.  2t.  WorceKt,  Africa  Christiana  I, 
Brixiae  1816,  p.  307,  III,  1817,  p.  216,235;  DckrB  IV,  1887,  p.  1143,  1144;  g.  ftcitten= 
bufcfi,  ®a§  apoftolifctie  gpboll,  1894,  @.  145—150,  163,  189 f.  II,  1900,  259f.,  450,  986; 
®.  gider,    ©tubien    ju   S3igüiu§    üon    £fi,aüfu§,   Seipjtg    1897;     3.  Quitt  in  „Sr^antintfcbe 

15  ®enfmäter"  fierauSgeg.  üon  3.  @trä»goro§fi  III,  23ten  1903,  ©.  83—100,  Ulf.  (nenuenbet 
bte  ©cfjrtft  gegen  (£uü)d)e§  jur  Gsrftftrung  ber  SDJofaifen  üon  @.  SSitale  in  9tanenna;  baju 
ug(.  §.  ©cbenft,  ebenba,  ©.  111 — 118,  ber  aud)  allgemehtere  Söemerfungen  ü6er  bie  titterar= 
gefcf)td)ttidie  ©teUung  be§  SStgiliuS  macfjt);  £)■  SSarbenberoer,  ^ßatrotogte2,  ^reiburg  1901, 
©.  543,  544;    offner   im   tircbenlerjfon2  12,  1901,  959—962;    Sßl.  ©djanj,    @efd)id)te    ber 

20  romifctjen  Sttteratur  bis  jnm  ©efetsgebungSwerf  be8  Äaifer§  Suftinian  IV,  1,  SJUincfien  1904, 
©.  280,  348,  349;  §.  Seclercq,  L'Afrique  chretienne  II,  «ßarte  1904,  p.  203.  Sttteratur 
ju  einzelnen  Schriften  f.  u. 

©ine  ©efamt  ausgäbe  ber  ©djriften,  bie  er  glaubte  5ßigiltu§  üon  Stjaüfug  auftreiben 
$u  füllen,  bat  ber  gefuit  $.  fyv.  ßfjifftet  ueranftaltet:  Victoris  Vitensis  et  Vigilii   Tapsensis 

25  Provinciae  Bizacenae  Episcoporum  opera.  Divione  1664.  S)anad)  ftnb  be§  SStgtlivtS 
©cfjriftert  abgebructt  in  BM  VIII,  p  721 — 807  (mit  2(u§nat)me  üon  contra  Felicianum, 
contra  Varimadum  [BM  V,  p.  726 — 751],  contra  Palladium)  unb  famt(icE)  mit  Efjiffletä  2tb= 
banblungen  unb  2tnmertungen  in  MSL  62,  93—544.  (Sine  9?euau§gabe  trurb  für  ba§  CSEL 
vorbereitet  üon  £).  ftunnert   unb   3-  ^ßenjl.    3)ie   älteren   21u§gaben   unb    ®rucfe    einzelner 

30  ©cfjrtften  finb  neräeicfjnet  üon  .3.  21.  g-abrictu§,  Bibliotheca  latina  mediae  et  infimae  aetatis, 
VI,  Hamburg  1746,  p.  825—827  (SSigiliuS);  IV,  1735,  p.  76—78  (3baciu§  SlaruS);  V, 
1736,  p.  870—872  («JJrjoebabtuS). 

%n  bem   33erjeid)ntä  ber  fatf)oIifd)en   33ifd)öfe,    Weld)e   auf  §unerid)§  23efef)I  jum 
1.  gebruar  484  nad)  (Sartt/ago  lernten  (ober  fommen  feilten),  um  5Red)enfd)aft  bon  tbrem 

35  ©tauben  ju  geben,  Wirb  als>  letzter  33tfd)of  ber  provincia  Byzacena  Uigilius  Tap- 
sitanus  genannt  (Victoris  Vitensis  historia  persecutionis  Africanae  provinciae, 
rec.  S.  £>alm  in  MG,  auetores  antiquissimi  III,  1,  1879  p.  68,  109;  rec. 
Tl.  ^etfc|enig  in  CSEL  VII,  1881,  p.  127,  109;  t>g(.  ba-^u  211.  ©djiDarje,  Unter= 
fud)ungen  über  bie  äußere  @nth)icfelung  ber  afrtlantfct;en  c^ird)e,  ©öttingen  1892,  ©.  160 ff.; 

40  2.  ©dnnibt,  ©efcr;ttt)te  ber  SBanbalen,  Setpjig  1901,  ©.  105  ff.).  Sn  ^er  feiner  2luggabe 
beigegebenen  2lbbanblung  bat  ber  $efuit  6r;tff(et  biefen  Vigilius  Tapsitanus  ibentifigiert 
mit  bem  Vigilius  episcopus  Tapsensis  ecclesiae,  ber  in  bem  Liber  Mannonis 
(§anbfd)rift  ber  off.  Sibliotfyef  t>on  %xoi}^  2405,  8./9.  3ab,rb,. ;  »gl.  Catalogue  general 
des  manuscrits  des  bibliotheques  publiques  des  departements  II,  1855,  p.  1001, 

45  1002;  $r/eimfd)e§  SRufeum  48,  1893,  ©.  284f.)  afö  SSerfaffer  bon  bret  gegen  @utöd)eö 
(ben  @utr;d)iam§mu3)  gerichteten  §8üd)em  bejeiebnet  toirb.  ©iefer  ^benttfi^terung  ift  bte^er 
ntd)t  rcttberftorDd)en  morben,  unb  e§  läfjt  ficr)  aud)  au§  ben  bamit  für  33igüiu<o  üon 
2:bapfu§  gewonnenen  ©d)riften  fein  entfcr;eibenber  ©runb  bagegen  geininnen.  ®anad) 
war  aSigiltuä  484   33tfd)of   üon  Zatofug   (je|t  ©imaS  refß.  9iag  ®tma§;    bgl.  Corpus 

50  inscriptionum  latinarum  VIII,  p.  11;  SEouIotte,  Geographie  de  l'Afrique  chre- 
tienne. Byzacene  et  Tripolitaine,  Montreuil-sur-Mer  1894,  p.  201,  202;  SToutain, 
Les  cites  romaines  de  la  Tunisie,  Partie  1895  [Bibliotheque  des  ecoles  franc. 
d'Athenes  et  de  Rome,  fasc.  72],  p.  144,  391,  404)  in  ber  afrifamfeben  ^robtnj 
S^acena.    Über  feine  Sebengfd}icffale   baben   Wir  feine  wetteren  fieberen  ^acfyricfjten  unb 

65  fönnen  auet;  ntcbtg  bafür  au§  feinen  ©d)riften  entnehmen.  ®ie  Vermutung  liegt  nab,e, 
er  fei  nad)  bem  für  bie  $atI)olüen  ungiütflid)en  2luggange  be§  9Wtgion§geftoräd)e3 
bon  484  bon  §unertd)  be<3  £anbe§  berWiefen  Werben;  bod)  läfjt  fie  fieb,  ntebt  genügenb 
begrünben,  ba  niebt  atte  fat^oltfc^en  S3ifcr;öfe  bon  biefem  ©d)icffal  betroffen,  fonbern  alle 
nur  tbree  Slmteö  entfernt  Worben  ftnb  (bgl.  ©cb,toaräe  a.  a.  D.,  ©.  162—167).    2)ie  2tn= 

60  gäbe,  er  ^abt  feine  33üd)er  gegen  ©utr;d)e§  in  Sbnftantinobel,  alfo  in  ber  Verbannung 
gefd)rieben,  finben  Wir  erft  bei  SLbeobulf  bon  Orleans  (de  spiritu  saneto,  MSL  105,  273) 
unb  bon  biefem  entnommen  bei  Slneaä  bon  ^3ari§  (opus  adversus  Graecos,  MSL  121, 


aStgtltuS  bon  £I)ii}jfu§  641 

717),  ohne  bafe  Wir  fagen  fönnten,  fie  Wäre  ettoa3  anbereg  al§  eine  auf  bie  Seftüre  ber 
Vücfyer  gegen  ©uttycfyeg  zurücfgefyenbe  Vermutung  S^cobulfS.  ©tWaS  5Räl?ere3  über  VigiliuS 
äl$  23ifc|of  Wüpten  Wir,  Wenn  er  ju  ibentifijieren  Wäre  mit  bem  älbreffaten  be§  ©Treibens 
beg  (Setfu§  ad  Vigilium  episcopum  de  iudaica  incredulitate,  mit  bem  ilmi  bie  lateinifcfye 
Überfettung  ber  diseeptatio  Jasonis  et  Papisci  überfanbt  mürbe  (Cypriani  opera  5 
rec.  gartet  III,  3,  1871,  p.  119—132).  Sanacb,  fei  er  bei  feiner  unerwarteten  9tücf= 
fefyr  bon  einer  überfeeifcfyen  peregrinatio  blö^licb,  unb  fcfyleunigft  jum  Vifd)of  erhoben 
toorben  unb  fyabe  fo  ben  in  ber  ©emeinbe  um  bie  VifcfyofäWal)!  entftanbenen  ©treitig= 
feiten  ein  @nbe  gemacht.  Vielleicht  barf  man  ben  fct)Wierig  ju  beutenben  Söorten  be§ 
©cfyreibeng  entnehmen,  bafj  er  5Röncb,  mar  (bgl.  p.  131,  15:  religiosi;  17:  deuotae  10 
mentis).  ®ie  SBafyl  fei  erfolgt  in  einer  geit,  in  ber  ben  33ifdb,öfen  bie  ©efal)ren  beä 
•JRärtfyrertobeä  befonberä  naf)e  ftanben.  {Man  begießt  bie  betreffenben  SBortc  allgemein 
auf  eine  Verfolgungen ;  nottoenbig  ift  biefe  Schiebung  nietjt;  bie  ©leicfyung  Vtfcfwf  — 
ÜKarttyrer  ift  aueb,  ofme  Siücfficfjt  auf  ba3  blutige  9Jiartt;rium  betrogen  werben;  bgl.  ba= 
ju  6.  SuciuS,  ®ie  Anfänge  be3  ^etltgenfultä  in  ber  ct)rifilicf)en  $ircf>e,  l»erau<3geg.  bon  15 
&.  Stnricf),  Tübingen  1904,  ©.  410-419).  3tber  bie  ^bentifoierung  be§  Slbreffaten 
obigen  ©^reiben?  mit  Vigiliug  bon  SLf>abfu<§  ift  ganj  unfietjer  (bgl.  3B.  DJtac^oIj,  ©puren 
binitarifcfyer  ©enfmeife  im  2lbenblanbe  feit  Xertullian,  Qena  1902,  ©.  6—15,  2lnm.; 
2lb.  £>amacf,  Chronologie  II,  1904,  ©.  390—393).  SDarum  finb  mir  fo  gut  Wie  ganj 
auf  bie  Schriften  be§  9JJanne§  angeWiefen,  unb  biefe  fagen  uns  über  feine  äußeren  2ebenS=  20 
fcfndfale  nicfytS.  (R.  Hünftle,  Antipriscilliana,  gretburg  1905,  ©.  109  fdjeint  an= 
junefymen,  bajj  er  Wäbjenb  feiner  Verbannung  in  ©banien  getoefen  fei;  aber  bafür  täjjjt 
fieb,  noeb,  biel  Weniger  geltenb  machen,  als  für  feinen  2tufentbalt  in  Äonftantinobel.) 

SDurcb,  ba£  fyanbfclmftlicfye  geugniS  Werben  V.  b.  %f).  libri  quinque  contra  Euty- 
chetem   beigelegt  (MSL  62,  95—154;    früher   Würben   fie   bem   Vifdjof   bon    Orient,  25 
Vigiliu§,  ber  unter  einem  ^onfulat  be§  ©tiltdjo  400  ober  405  -äftärttyrer  geworben  fein  foll, 
äugefcr)rieben).  ®a3  4.  Vucb,  füfyrt  ben  ©onbertitel:  Defensio  epistolae  S.  Leonis  papae  ad 
Flavinianum  Constantinopolitauum ;  bas>  5.  Vud):  Defensio  decreti  synodi  Chalce- 
donensis   (über  ben  £itel  in  ben  $anbfd)riften  bgl.  gtefer  a.  a.  D.,  ©.  10  ff.).  £)er  Ver= 
faffer  fcb,reibt  hortatu  sanetorum  fratrum   (MSL  62,  119A);    bon  ber  Beobachtung  30 
au3,  bafe  ber  @utr/d)ianigmu§  im  Orient  im  Vorbringen  begriffen  fei  (95  B,  105  D).   ^n 
erfter  Sinie  ift  feine  ©cfmft  für  griectnfcfye  Sefer  berechnet;   er  b,at  fieb,  bemüht,  fo  einfach 
Wie  möglieb,  ^u  fcfjreiben,  bamit  eine  Überfe^ung  feiner  ©djirift  in§  ©ricc^ifc^e  nicb,t  nötig 
Wäre  (104B;  baö  b,inbert  ib,n  freiließ  nid;t,   an  ber  gezierten  ©precf)Weife  ber  bamaügen 
^ett  teilzunehmen,  Wie  fieb,  befonber^  an  feiner  ©ud)t  flangbolle  2lntitf)efen  gu  bilben  er=  35 
fennen  läjst).    ^n  feiner  Söiberlegung   be§  @uti^ct)e§  maetjt  er  bon  bem  ©runbfa^e  ©e= 
brauch,  ba|  bie  fatbolifd;e  2öab^rb,eit   ben   mittleren  9Beg  einhalte  jwifcb,en  ben  extremen, 
einanber  bire!t  entgegengefe^ten  2lnfcb,auungen   ber  §äretifer,   unb  b,at   barum    aueb,    bie 
SSiberlegung  be§  3ieftoriuä  aufnehmen  muffen,    ^m  4.  33ud)e  Weift  er  bie  Singriffe  eine^ 
Ungenannten  auf  Seo§  Sefyrbrief  an  glabian  unb   ba^  ßfyalcebonenfe   jurütf  unb   füb,rt  40 
einzelne  Wörtliche  ditate  an.    @g  ift  biSfyer  noeb,  ntct)t  möglicf)  geWefen,  biefe§  ©d}riftftüd 
in   feinem   bollen  Sßortlaute   nac^juWeifen.    ®a§  5.  Sucb,    ^at  er   mit  einer  ©ammlung 
toon  2luöfürücben   flaffifd^^irc^licfjer   Tutoren   auSgeftattet,  bie   er   bon  Vabft  2eo   über= 
nommen  §at. '  ©enügenbe  2lnb,alt§bunlte,    bie  ©c|rift  be§   23igiltu§  ^eitlicb,    ju    filteren, 
b,aben  Wir  nicfyt;  bie  Wa^rfd^einlidifte  Slnna^me  ift  bie,  baft  fie  nicf)t  allzulange  nacb,  bem  45 
Gfialcebonenfe  berfa^t  Worben  ift  (bgl.  giefer  a.  a.  D.,  ©.  20  ff.). 

^m  5.  Sucfje  (2.  lab.,  MSL  62,  136A)  Weift  ber  Verfaffer  auf  bie  33ücb,er  bin, 
quos  adversus  Sabellium,  Photinum  et  Arium  sub  nomine  Athanasii,  tanquam 
si  praesentes  cum  praesentibus  agerent  (ubi  etiam  Cognitoris  persona  videtur 
indueta)  conscripsimus ;  in  iljnen  i)ahz  er  au^fü^rlid)  über  bie  Berechtigung  ber  £on=  50 
jilien,  aueb,  nict)t  in  ber  ©cb,rift  enthaltene  Sßorte  in  ben  lirc^lic^en  ©bradjgebraucb,  ein= 
jufü^ren  (er  meint  ba«  ö/uoovaiog),  gefyanbelt.  SDiefe,  bor  ben  Libri  contra  Euty- 
chetem  berfa^te  ©djrift  ift  un§  erbalten.  6b,ifflet  l>at  ib,r  ben  SEitel  gegeben:  Contra 
Arianos  etc.  Dialogus.  Athanasio,  Ario,  Sabellio,  Photino  et  Probo  iudice 
interlocutoribus  (MSL  62,  179—238;  bret  Bücfjer).  SDie  einzelnen  Männer,  bie  mebr  55 
alg  bie  autbentifeb^en  Vertreter  einer  bogmatifcfyen  2lnfd;auung,  benn  al§  ^iftorifd^e  sl>erfön= 
liebfeiten  erfebeinen,  muffen  fiel)  gegenfeitig  abtfyun,  biö  3trtuö  unb  2ltl)anafiu3  übrig 
bleiben  unb  Sltbanafiuö  ber  ©icg  bureb  „Probus  iudex"  jugefbrocljen  Wirb.  Sie  bicr 
berWenbete  gorm  beö  SialogS  unb  be§  ©dneb§gerid)t§  ift  eine  bei  fird)lid)en  ©cf)riftfteUem 
nieb,  t  feltene  ©infleibung,    geWäblt   im  ^ntereffe  ber  lebenbigeren  ©eftaltung  ber  SeWei3=  ^ 

!R^aI=®nc^ftopäbie  für  Ifceoloaif  «nb  S(ft«e.  3.  Sl.  XX.  41 


642  $tgUiu§  tum  $()apfu§ 

füfyrung  utib  gur  ©tärfung  ber  SDceinung,  eine  objeftibe  Beurteilung  muffe  bem  ortf»o= 
borm  SefenntniS  9ied)t  geben.  ®af5  23igiliu§  btefe  ©djrift  al§  eine  ©djrift  be3  2(tfya= 
nafiuS,  unb  nicfyt  unter  feinem  tarnen  I)abe  ausgeben  laffen,  Wie  man  au§  ben  obigen 
SBorten  fd^Ite^en  tonnte,  wirb  Wiberlegt  burd):  bie  SBorte  ber  (Einleitung  (180  C): 
5  Sabellium  ergo,  Photinum,  Arium,  atque  ad  nostras  partes  Athanasium  in- 
troduxi. 

33on  biefer  ©cfyrift  ift,  bielleicr/t  erft  in  $arolingifd)er  ,geit,  ein  2Iu^ug  gemalt 
Worben,  ber  nur  2lrtus  unb  2ltl)anaftu§  berüdftdtfigt  unb  mit  einer  nad)  3tuftn§  äirct;en= 
gefegte  gearbeiteten  (Einleitung  berfefjen   Worben  '  ift    (MSL  62,  155—180).      (Rifflet 

io  fyat  btefen  2lu<^ug  für  eine  erfte  2lu3gabe  ber  längeren  ©cfmft  gehalten  (bgl.  barüber 
gtcfer  a.  a.  D.,  ©.26  ff.). 

9Jlit  großer  Sffiafyrfdjeinlicfyfeit  !ann  aucb,  ber  unter  bem  tarnen  2lugufttn3  gefyenbe 
liber  contra  Felicianum  et  Arianum  de  unitate  Trinitatis  ad  Optatum  (MSL  62, 
333—352;  gebrucft  aucf>  unter  ben  Söerfen  2luguftin§  MSL  42,  1157—1172)  SMgiliuS 

15  beigelegt  werben.  ®a|  er  nid)t  3luguftin  jum  SSerfaffer  I)aben  !ann,  ift  allgemein  an= 
erfannt.  Söir  b)aben  fogar  nodj)  ein  l>anbfcr)riftlid)e§  ßeugniS  fur  b*6  guWeifung  an  SßigiliuS 
(bgl.  giefer  ©.  77).  35er  ©til  unb  bie  tfyeologifdjien  Ausführungen  fbrecfyen  nidjt  gegen 
33igtliu§.  2luguftinu3,  bem  ber  äkrfaffer  feine  ©ebanfen  in  ben  Sftunb  legt,  Will  ben 
Slrianer  nid)t  bureb;  ©cfyriftbeWeife,  fonbem  sola  ratione  Wiberlegen. 

20  %lad)  biefen  ©Triften  $u  urteilen  Ijaben  mir  in  33tgiliu3  einen  tljeologifcb,  unb 
^iftorifcb,  gut  unterrichteten  Mann  gu  feiert,  ber  gWar  in  feinem  fünfte  eine  felbftftänbige 
unb  förbernbe  tbeologifdje  Meinung  bertritt,  ber  aber  in  gefdudter  Sßeife  gegen  (Sutfycfyianer, 
(banbaltfd)e)  Slrianer  unb  anbere  §äretiler  baS  9ted)t  ber  ortfyoborm  2Infct)auungen  bar= 
gelegt  Bat.    Virtuos   fyanbltabt  er  bie  fcfyon  bon  Seo  in  feinem  Sebjbrief  geübte  $ra£t§, 

25  bie  2luSfagen  ber  ©cfyrift  über  ßfyriftuS  retrtlicr)  ju  berteilen  auf  bie  ©ottfyeit  unb  bie 
9Jcmfcf/I)eit  Gbjifti.  ®afj  er  bei  ber  ©rflärung  beS  2Ia3  bie  SCttegorte  unb  Str/bologie 
retcfylid;  anWenbet,  fyat  er  mit  allen  Geologen  feiner  gett  gemein.  üDa  ben  2trianern 
mit  bem  ©d)riftbewei§  nic^t  mel)r  beijulommen  War,  fo  mußten  fie  burd)  SSernunftgrünbe 
Wiberlegt  Werben.    63  ift  felbftberftänbltd),  bafj   SßigiliuS  bon   2luguftinu§   biel   gelernt 

30  b,at.  ©eine  fcfyriftfteßerifcfie  (Eigenart  ift  bebingt  bureb,  ba§  ©treben,  ben  ©egner  bureb, 
Selegftellen  av.3  ber  ©cfyrift  ober  ben  fircfylidjen  2lutoritäten  ober  burd)  23erftanbe3grünbe 
^u  festlagen.  Ttan  lann  tl)m  eine  geWiffe  fcb/riftftellerifdje  ®unft  nicfyt  abfbredjen.  Söenn 
man  ifm,  Wie  $.  ^ünftle  tfmt  (Antipriscilliana  ©.  109),  ben  angefefyenfien  Geologen 
ber  geit  nennt,  fbrict/t  man  über  ben  ©tanb  ber  bamaligen  (afrifanifcfyen)  Geologie  ein 

35  fefjr  fyerbeS  Urteil  aus.    33on   einer   ©elbftftänbigfeit  ber   afrifanxfdjcn  Htrcfee  gegenüber 
ber  rbmifcfyen  finbet  fiel)  bei  il)m  leine  ©bur  meljr. 
Verloren  finb  folgenbe  ©Triften: 

^n  feinem  dialogus  1.  II,  c.  45  (MSL  62,  226D— 227C)  teilt  SigiliuS  ein  ©tücf 
mit  au^  bem  liber  „quem  ad  versus  Maribadum,    nefandae    haereseos    vestrae 

40  diaconum,  edidimus".  SDiefer  5Raribabu^  ift  geWi^  ibenttfd)  mit  bem  $Dta!on  3Dcari= 
uabu§,  ber  bei  ^unerid)  in  aus>nel)menber  ©unft  ftanb  (Victor  Vitensis,  hist.  pers. 
Vand.  ed.  ^Setfd;enig  I,  48,  p.  21,  8).  SDiefe  ©cf)rift  ift  bi€l;er  nod;  nicfyt  gefunben. 
(ibifflet  f)at  fie  ofme  ©runb  Wieber  finben  ju  tonnen  geglaubt  in  ber  giterft  bon 
^ob,.  ©idjarbt  in  feinem  Antidotum  (Basileae,  Henr.  Petrus)  1528  herausgegebenen 

45  ©cl)rift:  Idacii  Clari  Hispani  contra  Varimadum  Arianum  liber  et  difficillimorum 
quorumque  locorum  de  trinitate  declaratio  (MSL  62,  351—434).  @3  giebt 
leinen  genügenben  ©runb,  bie  ^bentifigterung  biefe§  ^baciuS  ßlaruS  mit  bem  bon  IJfibor 
bon  ©ebiHa  de  viris  illustribus  c.  15  (MSL  83,  1092)  genannten  3>taciu§  Slaru§ 
ju   beanftanben   (©.  b.  SjialoWifi,   ^f^Dr  uni)  3lbefon§  al§  Sitterarl)iftoriIer,  ^ird)en= 

so  gefd;icf)tlid)e  ©tubien,  fyerauägeg.  bon  ^nöbfler,  ©djrörS,  ©brale!  IV,  2,  1898,  ©.  23 
biö  26;  über  ben  tarnen  ^tb^aciuS  bgl.  3!Jtommfen  in  MG,  Auct.  antiquiss.  XI, 
Chronica  minora  II,  p.  3  3tnm.  Slucb,  ^.  ^ünftle,  Antipriscilliana,  greiburg  1905, 
©.  llö  £>at  biefer  ^bentififatiort  jugeftimmt).  ®ie  ©d)rift  ift  bebeutfam  al§  ein  gegen 
ben  3lriani§mu§  gerichtetes  ^ombenbium  ber  ©djriftftellen,  bie  bie  fird^lidie  STrtnttätäle^re 

55  beWetfen,  unb  fyat  als  folcb,e  großen  ©influfj  auggeübt.  (@tnige§  barüber  bei  $ider  ©.  50f.) 
©rofee  ©tüde  finb  bon  ^ßfeubo=3ftt>0*  aufgenommen  Worben  (bgl.  Decretales  pseudo- 
isidorianae,  ed.  §infdnu§,  p.  CXXXII;  99—101;  718—720;  105—107,  713—715, 
705 f.,  122  f.,  189f.;  204f.,  80f.,  219 f.,  88 f.).    teuere  Unterfudiungen  fehlen. 

@ine  anbere  feiner  antiarianifeb^en  ©dmften  erwähnt  33igiliu§  in  feinem  ^Dialog  II,  50 

eo  (MSL  62,  229.  230).    @r  fyahe  auf  bie  ©cfyrift  be§  arianifcfjen  33ifd)of3  «PaaabiuS,  bie 


SSigtliuS  bon  ^tjttpfuö  643 

biefer  gegen  SlmbroftuS  (Wie  SigiliuS  irrig  meint  nad)  beffen  Slobe)  getrieben  Ijabe, 
„uno  iam  libello"  geantwortet.  (Über  ^aUabiuS,  SBiftfwf  bon  diaüaxia  in  Moesia 
superior  unb  feine  379  »erfaßte  ©egenfd)rift  gegen  SImbrofiuS'  de  fide  lib.  I  unb  II, 
bgl.  %v.  ßauffmann,  3lu§  ber  ©cfyule  be§  Söulfila,  SLejte  unb  Unterfudjmngen  jur  alt= 
germanifd)en  3ieltgion§gefd)icbte,  Serie,  I,  ©trafeburg  1899,  p.  XXXI— XXXVI,  L— LIII.)  5 
2lucb  biefe  ©d)rift  ift  nidjt  erhalten,  ©enn  bie  libri  duo  contra  Palladium  Arianum, 
bie  Rifflet  &igiliu§  ^umieS  (MSL  62,  433—468),  befielen  au3  ben  jefct  allgemein  atö 
erfjt  anerfannten  2tften  be§  ^on^lS  bon  Stquileja  bon  381  (bgl.  23b  I,  ©.  761,  uff. ; 
II,  ©.  42, 60 ff.  unb  $auffmann  a.  a.  D.)  unb  ber  je£t  geWöfynlid)  ©regor  bon  ©Iiberi3 
(f.  u.;  bgl.  33b  XI,  ©.  667,  es  ff.)  gugefcfyriebenen  ©cfyrift  de  fide.  10 

■Jftit  Unrecht  I)at  (SFjtfflet  23igiliu3  „de  trinitate  libri  duodeeim"  beigelegt 
(MSL  62,  237—334;  bgl.  baju  Sßal.  SRofe,  £>ie  lateinifcfyen  2Jleerman=£anbfcr,riften  beg 
©ir  Bornas  $r/illibb3  in  ber  königlichen  23ibIiotf>el  ju  Berlin,  Berlin  1892,  ©.  145 f.; 
gicEer  a.  a.  D.f  ©.  53 ff.;  ©.  SWorin  in  Revue  Benedictine  XV,  1898,  p.  1—10; 
6.  §.  Turner  in  The  Journal  of  Theological  Studies  I,  1900,  p.  126— 128;  15 
31.  &  23urn,  ebb.  p.  592—599;  Ä.  Äünftle,  @ine  Sibliotbe!  ber  ©bmbole  unb  %ty& 
logifcfyer  SLrattate  jur  33erämbfung  be3  $ri§cilliani§mu3  jc.  [gorfeb/ungen  jur  ßbriftlicben 
£itteratur=  unb  $Dogmengefcbicr;te,  l)erau3geg.  bon  @b,rb,arb  unb  Jftrfcb,  I,  4]  SRainj  1900, 
©.  100 — 115;  ©.  Stftorin,  Les  nouveaux  „traetatus  Origenis"  et  l'heritage  litte- 
raire  de  l'eveque  espagnol  Gregoire  d'Illiberis,  in  Revue  d'Histoire  et  de  20 
Litterature  religieuses  V,  1900,  p.  145 — 161;  berf.  in  Revue  Benedictine  XIX, 
1902,  p.  229—242;  &  Äünftle,  Antipriscilliana,  greiburg  1905,  ©.  184—187; 
2.  ©altet,  Fraudes  litteraires  des  schismatiques  luciferiens  aux  IVe  et  Ve  siecles, 
$ari3,  Secoffre  1906).  2tl3  fixeres  Siefultat  barf  angenommen  Werben,  bafj  nur  bie 
Sücf/er  I — VIII  jufammengebören ;  IX— XII  fyaben  anbere  SBerfaffer  unb  finb  jebeS  für  25 
fieb  ju  unterfucfyen.  I — VIII  ift  eine  überarbeitete  unb  ergänze  2.  2Iu§gabe  bon  I— VII. 
Sittgemein  anerfannt  ift,  baft  biefe  beiben  2Iu3gaben  nictSt  nacb,  2lfriia,  aueb,  nict)t  nacb, 
Italien  (bie  £ijbotf/efe,  @ufebiu<§  bon  23ercelti  fei  ber  3Serfaffer,  ift  bon  SJiorin  felbft  jurüc!= 
genommen  werben),  fonbern  nac^Sbanien  gehören,  unb  jtoar  an  ba§  (Snbe  be<8  4.  (ober 
an  ben  Slnfang  be3  5.)  3>ab,rl)unbert<5.  $Dem  Sljatbeftanb  ift  ©altet  am  heften  gerecht  30 
geworben.  @r  ibentifvjiert  (Wie  Sftorin  in  ber  Revue  d'Histoire  et  de  Litterature 
religieuses  V,  bgl.  oben)  ben  SSerfaffer  bon  ^3feubo=2lmbrofut§  de  fide  (MSL  62, 
449—468;  gebrueft  auef)  17,  549—568;  20,  31—50)  mit  bem  SSerfaffer  ber  11.  I— VII 
de  trinitate  unb  fcbjiefct  fid)  ber  alten  unb  wofylbegrünbeten  Meinung  an,  ber  3ßerfaffer 
bon  de  fide  fei  ©regor  bon  @Iiberi<§  (bgl.  oben  3.  9  f.,  nict)t  ^fwebabiuS  bon  Slgennum),  35 
©regorg  fieben  Sucher  de  trinitate  feien  (bor  383)  be3  ©abeHianiämuS  berbäcfjtigt 
Worben;  barauf  fyaht  er  de  fide  berfafst  unb  bie  fieben  33üd)er  überarbeitet  unb  ba<§ 
acfyte  bin^ugefügt.  Unb  aud)  ber  libellus  fidei  (de  trinitate  1.  IX;  er  gef)t  unter  ber= 
febiebenen  tarnen  bgl.  gid'er,  ©.  74;  Äünftle,  S3ibIiotb,el  ber  ©r/mbole  ©.  112  f.)  mu| 
bemfelben  äkrfaffer  angehören  (bgl.  aber  Äünftle,  Antipriscilliana,  ©.  46 — 58,  186  f.).  40 
Man  fann  au§  ben  neueren  gorfcb,ungen  erfeben,  ba^  biefe  11.  I— VIII  refb.  IX  Ur= 
!unben  faft  erften  9knge§  für  bie  ^ird;engefcb,icf)te  ©banienS  finb,  für  beren  3lugnü^ung 
Wir  erft  in  ben  Anfängen  fielen.  %l\i)t  nur  Werben  ^äretiler  mit  tarnen  genannt  unb 
cb.arafterifiert,  bie  Wir  fonft  nicfyt  !ennen;  aud)  ber  ©egenfa^  jum  $rigciEiani^mu§  ift 
fcf)arf  jum  2lu§bruc!  gebraut.  45 

(äJlan  bat  angenommen  [fo  3.  33.  bie  33aHerini  in  ben  observationes  in  dissert. 
XIV  Quesnelli  MSL  56,  1074],  bie  23üd)er  de  trinitate  feien  bon  ^baciuS  6laru§ 
berfafet;  er  fagt  nämlicb,  in  ber  Sßorrebe  jur  ©cfyrift  contra  Varimadum  [MSL  62, 
351]:  cuiusdam  Varimadi  Arianae  seetae  diaconi  propositionibus  .  respon- 
dens  in  uno  corpore  simul  de  unitate  Trinitatis  libellos  digessi.  Sejöge  er  fidb,  50 
bamit  auf  bie  b,ier  beb,anbelten  11.  de  trinitate,  fo  Würbe  tr)r  2ßert  babureb,  nicb,t  beein= 
träd&ttgt.    ©ine  genaue  Unterfudjung  feblt  noeb,.) 

Über  11.  X— XII  fehlen  Unterfucb,ungen.  ®ie  «Berührungen  bon  1.  X  mit  anberen 
©Triften  finb  aufgezeigt  bon  gicrer  ©.  74  unb  Äünftle  (Stbliotbet  ber  ©i;mbole  ©.  113). 
$a§  ©d^lufeftüc!  beg  erften  unb  ba§  beö  ^Weiten  ^eile§  finbet  fidt>  Wörtlicb.  bei  9ticeta§  55 
bon  Stemefiana,  de  ratione  fidei  unb  de  spiritu  saneto  (ed.  21.  @.  93urn,  ßambribgc, 
1905;  bgl.  MSL  62,  289 C— 290 C  unb  298  mit  Sutn  p.  15—17  unb  37 f.;  boeb 
geben  bie  53erübrungen  noeb,  etWaö  Weiter,  alö  Surn  angenommen  F;at).  Über  1.  XI 
bgl.  fidler  ©.  75,  Äünftle  ©.  113  f.  3)ag  12.  S3ucb  fyaben  bie  33enebiftiner  ali  ein 
ccbteS  2Berf  be«  2ltbanafiu§  bejeitt)net  (aueb,  abgebrud't  MSG  26,  1191  —  1218);    eS    ift  eo 

41* 


644  »igiltuS  tum  $I)a|)fu8  SigHtitS  tum  Orient 

eine  ©ammlung  bon  ©djriftfteßen  jum  Sefaeife  ber  ©otiljett  be3  1)1.  ©eiftel.  @<3  ift 
jeijt  allgemein  angenommen,  ba$  e§  nicfyt  eine  Überfe^ung  au§  bem  ©rtectjifcfyen  fein  !ann. 
Stuf  ^Berührungen  mit  $feubo(?)=2ltl)anafiu3  de  incarnatione  dei  verbi  et  contra 
Arianos  c.  9—19  (MSG  26,  981—1028)  fyat  neuerbingS  ©tülden  aufmerffam  gemalt 
5  (Athanasiana,  211  W%  IV,  4,  1899,  ©.  63 f.;  bgl.  aud)  Äünftle  ©.  114f.). 

9cod)  anbere  ©Triften  fyat  man  Sßtgiltug  jutoeifen  wollen:  bie  Solutiones  obiec- 
tionum  Arianorum  (MSL  62,  469 — 472),  bie  Collatio  beati  Augustini  cum  Pas- 
centio  Ariano  (MSL  33,  1156—1162),  bie  Altercatio  Ecclesiae  et  Synagogae 
(MSL  42,  1131 — 1140),  ben  Liber  contra  Fulgentium  Donatistam  (ber  jebenfalt§ 
10  einen  2lfrifaner  jum  Serfaffer  fyat,  MSL  43,  763—774),  ben  bem  2lrnobiu§  ju= 
getriebenen  conflictus  catholici  et  Serapionis  de  deo  trino  et  uno  (MSL  53, 
239—322;  ^euffel,  ©efd)id)te  ber  römifdjen  Sitteratur5  §  469,  5ftr.  1)  unb  einige  anbere 
(t>gl.  gicfer,  ©.  6),  bon  benen  bie  eine  fieser  nietet  il)m  jugefyört  (de  conflictu  virtutum 
et  vitiorum  MSL  40,  1091—1106;  ber  Serfaffer  ift  Stmbrofiug  2Iutbertu<o),  bie 
15  anberen  ein  beftimmtes  Urteil  berbieten. 

ßaffiobor    nennt   in    feinem   33ucr)e   ber    institutio   divinarum   litterarum  c.  9 

(MSL  70,  1122)    einen  Vigilius  Afer  antistes    all   ben  Skrfaffer   einer  ©cfjrift  über 

bie   1000   ^ar/re   ha   2lbofaIr;bfe   unb   urteilt:    plenissima    et   diligenti  narratione 

disseruit.     @3    läfjt   fidE>  nicfyt  einmal  fagen,    Safe  ßaffiobor    eine   23erroed>felung   be= 

20  gangen  f/abe. 

^afct/afiuS  Queänel  b,at  3>igiliu§  bon  SEf>abfu3   für   ben  Skrfaffer  bei  Symbolum 

Quicunque  gehalten  (MSL  56,  1062—1068),  unb  e£  ftnben  ftd;  in  ber  SLfyat  auo)  in 

feinen  eckten  ©djrtften  reid^Itcfje  2lnilänge  an  ba§  Symbol;   aber  biefe  §r;bott)efe  ift  je|t 

allgemein  aufgegeben  (bgl.  53b  II  ©.  180,  34 ff.;    St  Äünftle,   Antipriscilliana  ©.  204 

25  big  243).     Dueinel  ftü£te  fid)  jumeift  auf  $feubo=33tgütu§. 

©o  unbebeutenb  bie  bem  23igiliu§  mit  9?ecf;t  ober  Unrecht  beigelegten  ©driften  jum 
2eil  fein  mögen,  um  fo  bringenber  finb  in  roiffenfd)aftlia)em  ^ntereffe  bie  SDurcbjorfcfyung 
ber  §anbfd;riften  unb  forgfältige  2iu3gaben  gu  toünfcfyen.  ©erwarb  girier. 

SBigtUuS  bon  Orient  (geft.   400).  —   A.  S.  Juni  Tom.  V    (?lnttu.   1709)    163 ff. 

30  f;anbeit  ^mar  auSbrücEItct)  «ort  SB. ;  aber  ba%  btograpfjifdje  ffliateriat  ift  gefummelt  unb  f rttifd) 
unterfingt  A.  S  Maii  Tom.  VII  (?lntlo.  1688)  in  bem  Prüfet  de  SS.  Sisinnio,  Martyrio 
et  Alexandra  Martyribus  in  agroTridentino.  —  SEtflemont,  Memoires  X  (5J3art§  1705),  542 — 552. 
—  ©efyr  lefenSmert:  SBenebict  ©ruf  n  ÖStormneflt,  lieber  ben  (sattirnuSbtenft  tu  ben  tvibenltntfct)en 
?Upen    (Beiträge    jitr  ®efd)id)te  Hon  2irol  unb  Vorarlberg  IV  (Snnsbrucf  1828)  <S.  1—152, 

35  Befonbevö  <S.  75—104.  Weitere  Sitteratur  bei  SBefcer  unb  SSeite  s.  v.  unb  XI  (1899)  2023 
s.  v.  Orient. 

SDie  äBirffamfeit  bei  SBifcIjofS  SSigiliuS  bon  Orient  unb  bei  irm  umgebenben  ÄreifeS 
ift  für  bie  ß^riftianifierung  unb  Äatfyolifterung  ber  rt)ätifd)en  2IIben  bon  grunblegenber 
33ebeutung  gewefen.    ©ein  aU  23ifcf/of  bon  Irient  guerft  nad)roeisbarer  Vorgänger  2lbun= 

40  bantiuS  natmi  381  an  einem  gegen  bie  2lrianer  gerichteten  Stetrobolitanfonjil  §u  2Iquileja 
teil  (3Kanft  III,  599;  £efele  II2,  34  ff.).  @r  felbft  foH  mit  feiner  «Kutter  ÜJtajentia 
(A.  S.  April  III,  772  ff.)  unb  feinen  Srübern  6laubianu3  (Äonfeffor,  A.  S.  März  I, 
427)  unb  2Jtajoriamt§  ($Rärtr/rcr,  A.  S.  März  II,  398)  um  biefe  ^cit  (A.  S.April  III, 
772  n.)  nad)  Orient  gefommen  fein;    genere    Romanus,    Athenis  liberalibus  literis 

45  eruditus.  Dbgleid)  erft  20  Qab,re  alt,  fei  er  bon  bem  Slquilejenfer  Sifct)of  fonfefriert 
toorben;  aber  Slmbrofiul  bon  SRailanb  fanbte  ib^m  bie  ^nfignien  mit  ber  Ambrosii 
ep.  29  MSL  16,  982  auf  un3  geiommenen  2tmt3einroeifung.  2ln  biefen  fd)Iofe  er  fid} 
an,  erbaute  bie  bem  ©erbafiug  unb  ^ßrotaftul  gemeinte  SEribenttner  Äird)e  unb  miffionierte 
IraftboH,   aud)   in    ben  Siöcefen   bon   Verona   unb   Sri^en.    ©rofee§  2luffeb,en   erregte 

50  i.  Q.  397  ber  9JJärtr/rertob  feiner  brei  au<§  ßabbabocien  ftammenben  ©laubensboten 
©ifinniul,  9)jartt)riu§  unb  Slleranber  (bgl.  2Iuguftinu§  ep.  158  ad  Marcellinum 
MSL  33,  536;  ©aubentiuS  bon  Srijen,  Paulinus  vita  Ambrosii  MSL  XX,  964 A 
unb  XIV).  23igiliu<B  tjanbelte  bon  biefem  3Jiartt>rium  in  jroei  fd)toülftig  unb  unllar  ge= 
fd)riebenen  Briefen,   bon   benen  ber  eine  an   ben  9Jad)foIger  bei  2lmbrofiug,   ©imblician 

55  bon  5RaiIanb,  ber  anbere  (erft  i.  3.  1661  bollftänbig  aufgefunbene)  an  6b,r^foftomug 
naa)  Honftantinobel  gerichtet  ift.  ©iefe  Schreiben  b,aben  ibm  eine  ©teile  in  ber  dmfilidien 
Sitteraturgefcb,id>te  bei  ©ennabiul  eingetragen  (CLXXIl/  ed.  Sernouiai  1895,  p.  74). 
2lm  29.  5Rai  1176  führte  ber  SOZiratelglaube  an  biefe  2Rärtt>rer  ben  ©ieg  ber  £om= 
barben  in    ber  ©d)Iacr;t   bei  Segnano    b,erbei.      Sigiliul    felbft   fiel   aU  9)lärtt)rer   am 


VtgütuS  bon  Xvicnt  SBifartuS  645 

26.  3un'  40°-  ®rtJ3  ^m  bogmatifcfye  ©d;rtften  beigelegt  Würben,  beruht  auf  Ver= 
medjglung  mit  Vigiltug  bon  Zatofug,  bie  anbererfettö  pr  golge  gehabt  fyat,  bafj  bie 
2tften  be<§  KonjilS  ^u  2lqutleja  unter  befielt  SBerfe  geraten  ftnb.  2lrnoti>. 

VtfartuS  fyeifjt  im  allgemeinen  jeber,  qui  alterius  vices  agit,  alfo  ein  ©tell= 
bertreter,  im  befonberen  ber  Vertreter  in  einem  2tmte,  gleicfybiel  ob  baSfelbe  ein  Weltliches  5 
ober  geiftlicfyeg  ift  (man  fefye  beSfyalb  bie  ©teilen,  Weld)e  Du  Fresne  s.  v.  vicarius, 
vicarius  Imperii  u.  a.,  Dirksen  im  manuale  latinitatis  u.  a.  mitteilen).  ®er  2tu3= 
brud  Wirb  aud)  tec^nifc^,  äfmlid)  wie  vicedominus,  für  ganj  beftimmte  2tmter  gebraust. 
^te  2lbftd)t  ber  folgenben  SDarftellung  ift  eine  gebrängte  Überfielt  be<§  aSifariatöberb/ält= 
niffeä  auf  allen  ©tufen  ber  Inerardjie.  10 

®a§  £aubt  ber  Kirche  ift  6f)riftug  felbft.  ®ie  römtfd;=fatf;oIifcf;e  Kird)e  berfennt 
bieg  rttc^t:  benn  tote  füllte  fie  ben  au3brüdlid)en  barüber  in  ber  1)1.  ©djrift  befinblicfyen 
2lu3fbrüd)en  Anerkennung  berfagen,  nacb,  benen  ßbjiftug,  ber  felbft  ©otteg  ift  (1  ko  3,  23), 
abl  Mittler  jtoifdjen  ©Ott  unb  ben  9Renfcb,en  (1  %\  2,  5;  §br  9,  15;  12,  24  u.  a.)  bor 
©ott,  al§  £aubt  ber  ©emeinbe  gefegt  ift«  (M  1,  18;  @bb,  1,  22;  4,  15;  5,  23  u.  a.).  15 
£ic  Kird)e  lefyrt  aber  Weiter,  baf?  6fyriftu3  ben  2Iboftel  VetruS  ju  feinem  ©tellbertreter 
beftimmt  f^abe  (@b.  2Rt  16,  16—19  u.  a.)  unb  biefe  Vertretung  bann  auf  ben  Vifttpf 
bon  9tom  für  alle  Reiten  übergegangen  fei.  ©cb,on  früf;  fyeifjt  bafyer  biefer  Vifcfyof  balb 
vicarius  S.  Petri,  aud)  apostolicae  sedis,  balb  vicarius  Christi  ober  vices  Dei 
gerens  in  terris  (f.  ©teilen  bei  Du  Fresne  a.  a.  D.).  ®aS  trtbentinifebe  ©lauben§=  20 
befenntniS  nennt  ben  Romanus  Pontifex  Beati  Petri  Apostolorum  prineipis  suc- 
cessor  ac  Jesu  Christi  vicarius.  2tl§  Sfobräfentant  6i)riftt  unb  be§  2lbofteIfürften 
befteUt  ber  Vabft  felbft  Wieber  Vifare  be§  aboftolifcfyen  ©tub,  l§.  2113  folcbe  erfd) einen  im  Weiteren 
©inne  alle  Patriarchen,  Primaten,  ©rgbifeböfe  unb  Vtfcfyöfe  (f.  ßitate  bei  Gonzalez  Tellez 
jum  cap.  2,  X,  de  officio  vicarii  [I,  28],  no.  5)  im  engeren  ©inne  aber  bie  römifd)e  25 
Kurie,  foWie  bie  bäbftlicben  Segaten  unb  Nuntien  unb  bie  für  bie  SJciffion  beftimmten 
aboftolifd)en  Vifare  unb  Vifariate,  bon  Wellen  ber  für  bie  ©tabt  9tom  beftellte  Vicarius 
Urbis  Wieber  berfcbjeben  ift,  Welkem  bie  bäbftlidje  ^uriäbiltion  in  ber  ©tabt  felbft  über= 
tragen  ift  (man  feb,  e  Gonzalez  Tellez  gum  cap.  5,  X,  de  officio  vicarii  [I,  28]  no.  6). 

3i>te  ber  Vabft  bebürfen  auefj  feine  Vifare  Wieber  eigener  ©tellbertreter  unb  ©ebilfen.  30 
§ür  (Srjbifdjöfe  unb  Vifcböfe  erfc^einen  als»  vicarii  in  pontificalibus   bie  2öeif)btfd)6fe 
unb  Koabjutoren,    bie    legieren   aber  aud)  allgemeiner;     aU   vicarii   in    jurisdictione 
fungieren   bie    ©eneralbilare  unb  vicarii  foranei  (Dffijiale)   ober   aud)   eigene  Goßegia, 
all  Vifariat§=  ober  ©eneralbifariat^gericb,  te.   2113  SSttare  unb  ©ebjlfen  ber  Vifd)öfe  finben 
fieb,  früher  aud;  capellani,  9Jcitglieber  ber  ©omfabitel  ober  ber  Kollegiatftifte.   @tner  ber=  35 
felben  I)iefj  summus  vicarius  domini  ober  summi  altaris  vicarius,   ©rofjbifar  unb 
beüeibete  bie  ©rofebifarte.    ©obalb   ber  bifcb,öflid)e  ©iul)l   erfebigt  ift,   übernimmt   ba3 
Kabitel  bie  Verwaltung,  Welche  aber  binnen  acb,t  iagen  auf  einen  ober  mehrere  öfonomen 
unb  einen  Offigtal  ober  SStfar   (vicarius  capitularis)   ju   übertragen  ift.    SDie  orbent= 
liefen  9JiitgIieber  ber  Kabitel  Waren  nad;  ben  älteren  ©tatuten  berechtigt,  fid;  felbft  beim  40 
Gfyorbienfte  bureb,  befonbere  SSüare  bertreten  ju  laffen.    ©a3   fbätere  9ted;t   b,at  bieg  ge= 
änbert,  au^erbem  aber  für  jebe§  Äabitel  bie  Sefteßung  einer  geWiffen  2lnjab,I  bon  SSifaren 
lux  (Srfyöfmng  ber  gottegbienftlid)en  geierlicb, feiten,  inSbefonbere  bei  officium  diurnum 
et  nocturnum,  angeorbnet. 

©nblia)  giebt  eg  aueb.  Vifare  für  Vfarrer  (vicarii  parochiales).  £)er  mit  ber  cura  45 
habitualis  berfel)ene  Vfarrer  b,at  all  feinen  Vertreter,  substitutus,  ben  ^nfyaber  bet 
cura  actualis,  curatus.  Qe  nacb.  Vebürfnig  Werben  au^erbem  vicarii  perpetui  ober 
temporarii  ben  Vfarrern  beigegeben,  hierbei  ift  baran  ju  erinnern,  bafj  bie  Vertretung 
be§  Vfarrerö  burd;  ben  Vifar  in  manchen  Verl)ältniffen  nur  eine  befd)ränfte  fein  fann, 
bafj  namentlid)  bei  ^nftiMen  gemifeb^ter  ^Jcatur  nid)t  ob,ne  SJiitWirfung  ber  beiberfeitigen  so 
Drgane  ein  Vifariat3berf)ältm§  begrünbet  Werben  fann.  ©0  ift  inlbefonbere  ba,  Wo  ben 
Pfarrern  bie  ©cbulauffidjt  bon  feiten  be§  ©taateg  übertragen  Werben,  nur  unter  be= 
fonberer  ©enebmigung  ber  ©taatsbeljörbe,  in  Vejieb^ung  auf  biefe  gunftion,  bie  Vertretung 
bureb,  einen  Vifar  jutäffig. 

Über  Vifare  übertäubt  fefye  man  nod;  bie  Kommentatoren  ju  ben  ©efretalen  I,  2S  65 
de  officio  vicarii. 

^n  ber  ebangelifcb,en  Kird>e  erfeb^einen  nacb.  ber  Konfiftorialberfaffung  ba§  Konfiftorium, 
foWie  bie  ©uberintenbenten  al§  Vifare  bei  ^nb,aber§  bee>  Kircb,enregimentg,  inbem  fie  bie 
benfelben  jufteb^enben  3fled;te  in  feinem  tarnen  fo  Weit  berWalten,    aU  er  fieb,    biefelben 


646  aSifarinS  58illegatgm>n 

nid)t  ju  eigener  ©ntfebeibung  referbiert  bat.  SStfare  ber  Pfarrer  fommen  in  berfelben 
Sßeife,  roie  in  ber  römifcfyen  Äird)e  bor.  ©ie  Vefießung  erfolgt  auf  ben  Söunfci)  be§ 
Pfarrers,  ober  im  $atfe  be<§  23ebürfniffe§,  bon  2Imr§  roegen,  borübergeI)enb  ober  bauernb, 
felbft  mit  bem  Stecht  ber  9iad)fo[ge.     ©er  2lu§brud  Viiar  roirb  in  ben  $artifularred)ten 

6  balb  im  weiteren  ©inne  für  jeben  Vertreter  unb  ©ebilfen  eine§  Pfarrers  gebraust,  balb 
nur  für  beftimmte  Strien  berfelben.  (Stabile  ober  ftänbige  SSilare  fielen  felbftftänbigen 
©emetnben  bor,  bie  nur  au§  bofitiben  ©rünben  nid)t  ju  „Varod)ien"  erhoben  ftnb. 

©ie  Verwaltung  eines  Vifariat»  al§  Vorbereitung  für  ein  fünftigeS  Pfarramt  in 
ber  ebangelifd)en  £ird)c  ift  fcfyon  längft  aU  böcbjt  erfbriefjltd)  aEgemein  anerkannt  roorben. 

10  gugleid)  ift  burd)  eine  berartige  Verroenbung  ber  ^anbibaten  bem  VebürfniS  ber  33er= 
mebrung  fee!forgerIid)er  Gräfte  ein  niebt  geringer  Vorfd)ub  ju  tbun. 

(£.  %.  Sncoifont)  Schling. 

SBtöegatgnott,  Nicolas  ©uranb  be,   geft.  1571.  —  3.   be  2e"ri),  Histoire   d'un 

voyage  faict  dans    la   terre  du  Brasil  1577,    (ateinifd):    Historia  navigationis  in  Brasiliam, 

15  quae  et  America  dicitur,  a  Joanne  Lerio  Burgundo,  Genevae  1586,  beutfef) :  <5d)iffortfj  in 
SBrafilien  in  Slmertfa  burd)  %oi).  Serium,  gfranffurt  1593:  Srefpin,  Histoire  des  martyrs 
persecutez  et  mis  ä  mort  pour  la  verite"  de  l'Evangile  1582;  SBourquelot,  Memoires  de 
Claude  Haton ;  copie  de  quelques  lettres  sur  la  navigation  du  Chevalier  de  Villegaignon 
es  terres  de  l'Amerique  oultre  l'Aequinoctial  iusquez  soubz  le  tropique  de  capricorne,  con- 

20  tenant  sommairement  les  fortunes  encourues  en  ce  voyage  avec  les  moeurs  et  facons  de 
vivre  des  sauvages  du  pais:  envoyees  par  un  des  gens  dudict  seigneur,  $ari§  1557;  33ejci, 
Historia  ecclesiastica;  Calvini  epistulae  et  responsa,  Genevae  1575;  §actg,  La  France 
protestante,  Slrt  SBurcmb,  ßfictvtier,  2erö,  9?ictjer;  £id)ten6erger,  Encyclopedie  des  sciences 
religieuses  XII,  385  ff. ;  SK.  %.  Silbe  §  Sflogueira,  ®er  «DlöncfjSritter  SR.  $.  b.  58.   ®in  Beitrag 

25  jur  Senntni§  fvartäöfifd)=brafiltanifcr)er  Sßertjältniffe  im  16.  Qaljrlmnbert,  Seipjig  1887;  .f)eitl= 
tjarb,  V.,  roi  d'Am^rique,  un  homme  de  mer  au  XVIe  siecle,  SßariS  1897  (ratt).).  —  SSon 
ben  äarjh'etcfjen  boIemtfd)en  (Sdjriften  S3.§  feien  genannt:  Paraphrase  du  chevalier  de  V.  sur 
la  r^solution  des  Sacramens  du  maistre  Jehan  Calvin,  ministre  de  Geneve  1560;  Lettres 
du  chevalier  de  V    sur  les  Remonstrances  ä  la  Reyne  mere  du  Roy,  touchant  la  Religion 

30  1561;  De  consecratione,  mystico  sacramento  et  duplici  Christi  oblacione,  adversus  Van- 
nium,  Lutherologiae  professorem  1561;  De  judaici  Paschalis  implemento  adversus  Calvini- 
logos  1561 ;  De  poculo  sanguinis  Christi  et  introitu  in  saneta  sanetorum  interiore  adversus 
Bezam  1561;  Les  propositions  contentieuses  entre  le  chevalier  de  V  et  maistre  Jehan 
Calvin  concernant  l'Eucharistie ;  De  la  vraie  et  reelle  assistance  des  corps  et  sang  de  notre 

35  Seigneur  J.  C.  au  Saint-Sacrement  de  l'Autel  soubs  les  especes  du  pain  et  du  vin  qui 
sont  par  le  prebstre  consacrez  ä  la  Sainte  Messe  1561 ;  Ad  articulos  Calvinianae  de  Eu- 
charistia  traditionis  in  Francia  Antarctica  evulgatae  responsiones  1562;  De  Coena  Ph. 
Melanchthonis  iudicium,  item  de  venerandissimo  Ecclesiae  sacrificio  Cöln  1563;  Adversus 
novitium  Calvini,    Melanchthonis  atque    id    genus    seetariorum  dogma  de  Sacramento  Eu- 

40  charistiae  opuscula  tria  recens  conscripta  et  in  lucem  edita  1563. 

Nicolas  ©uranb,  §err  bon  ViEegaignon  (ober  ViEegagnon),  ift  um§  %at)x  1510 
aU  ©brofj  einer  berühmten  2tbel3familie  ber  Bretagne  in  ^}robtn3  geboren.  9Jcit  feinem 
tarnen  ift  eine  ber  intereffanteften  ©bifoben  ber  franjbfifd)en  Deformation  berfnübft  unb 
jugleid)   ber  erfte  9ftiffion3berfud) ,    ber  au<§  ber   ebangelifd)en  $irct;e  berborging.    Von 

45  $ugenb  auf  für  bie  militärifcfje  Saufbafm  beftimmt,  trat  er  in  ben  Stftaltefer  Dttterorben 
ein.  2113  ©d^tff€offijter  machte  er  im  ©ienfte  Marls  V.  u.  a.  eine  ©r,bebition  nad)  2lfrifa 
mit,  über  bie  roir  einen  Vericbt  au§  feiner  geber  baben  (Caroli  V  Imperatoris  ex- 
peditio  in  Africam  ad  Arginam,  fßartS  1542).  ^m  $ar)r  1548  führte  er  HJiaria 
©tuart  bon  ©d)oti!anb   nad)  granfreid).    §einric§  II.   ernannte   ir)n   1554  jum    3Sige= 

50  abmiral  ber  Bretagne,  infolge  eines  3ertourfn'ffe^  m^  ^em  ©ouberneur  bon  33reft  ent= 
fd)Io§  er  fid),  ben  föniglid)en  ©ienft  ju  berlaffen  xmb  burd)  eine  überfeeifd)e  Unternehmung 
fid)  bie  berlorne  ©unft  beä  Königs  roieber  ju  geroinnen.  ®r  richtete  feinen  SBIicf  auf 
©übamerifa,  unb  e§  gelang  ibm,  ben  Slbmiral  Solignb,  für  feinen  ^ßlan,  bort  eine  fran= 
jöfifd)e  Kolonie  ju  grünben,  ju  geroinnen,   inbem  er,   ber  fid}  offenbar  ju  biefem  groeefe 

55  ben  Reformierten  genähert  blatte,  borgab,  baburd;  ben  berfolgten  unb  bebrängten  ®(auben§= 
genoffen  eine  ßuffod^ftätte  jU  bereiten,  roo  fie  unangefochten  ibreö  ©tauben^  leben 
tonnten,  ©em  ^önig  t)telt  er  bor,  bafj  burc§  bie  ^olonifation  in  jenen  Sänbern  neben 
ben  ©baniern  unb  ^3ortugiefen  bie  9Jtad)t  unb  @bre  granlreid)^  geroat;rt  roerbe.  @§ 
rourben  it;m  nun  jroei  gro^e  ©d)iffe  unb  10000  SibreS  jur  2tu3für;rung  feinet  Unter= 
60  nebmenS  ^ur  Verfügung  gefteEt.  ©a  er  berfid)erte,  ba|  in  ber  neuen  Kolonie  ber  ©otte§= 
bienft  nad)  ber  ©enfer  £ird)enorbnung  eingerichtet  roerben  fottte,  fanb  er  balb  Segteiter 
genug  au§  ben  Deinen  ber  Deformierten;   gugletd)  aber  roarb   er  aud)  eine  Stngal^I  ©oI= 


^iWcgnignon  647 

baten  unb  allerlei  Abenteurer  an.   SetjtcreS  muftte  SSerbad^t  erregen,  aber  er  mufete  biefen 
burcf;  alle  möglichen  2luSreben  unb  aSerftc^erungen  ju  befcb>icf/tigen. 

aöafyrfcfyeinlidb,  am  15.  ^uli  1555  fctjiffte  fidj  isitlegaignon  in  §abre  ein  unb  fam 
nacfy  einer  muffeligen  galjrt  im  Nobember  in  ber  Söat  bon  ©uanabara  (Nio  be  Janeiro) 
an,  mo  borlp  fdmn  bie  ^ßortugiefen  bergeblid)  eine  Nieberlaffung  berfucfyt  r/atten.  2öie  s 
biefen,  fo  miberfe^ten  ft<^>  auct)  ifym  bie  eingeborenen  SLobinambuS,  unb  er  befcfjlofj  bafjer, 
auf  einer  benachbarten  $nfel  guerft  feften  gufe  ju  faffen.  @r  nannte  biefelbe  bem  3lbmiral 
;,u  @f>rcn  ßolignb.  unb  legte  alsbalb  eine  gort  an.  £>a  er  aber  bei  feiner  2luSrüftung 
in  ber  £etmat  mefyr  für  ÄriegSborräte  als  für  Nahrungsmittel  geforgt  r)atte,  fo  entftanb 
balb  eine  gtemlidtc  Not  unter  ben  Slnfieblern,  unb  bie  ©olbaten  unb  Arbeiter  mürben  10 
fcfymierig,  mäfyrenb  bie  reformierten  ^oloniften,  „gens  craignans  Dieu,  patiens  et 
benins",  Mangel  unb  23efcf)ir>erben  gebulbig  ertrugen.  SSiUegaignon,  ber  fiel;  als  vl>ije= 
lönig  geberbete,  fann  bar/er  barauf,  bie  $at)l  ber  legieren  ju  bermefyren,  um  fie  als  ©egen= 
geroia^t  gegen  jene  jmeifelr/aften  (Elemente  benutzen  gu  rönnen.  Wü  ben  jurücHer/renben 
©Riffen  fanbte  er  Briefe  an  Golignr;  unb  an  (laibin,  in  welken  er  feinen  (Sifer  für  bie  15 
©adje  be§  ©bangeliumS  beteuerte  unb  um  ^ufenbung  bon  frommen  Seuten  unb  ^rebigern 
bat,  meldte  einen  guten  ©influft  auf  bie  Kolonie  ausüben  fönnten  unb  jugleicb,  befähigt 
mären,  ben  Reiben  auf  ber  $nfel  unb  bem  nafyen  geftlanbe  baS  (Sbangelium  pi  ber= 
lünbigen. 

2luf  Solignr/S  @mbfeb/Iung   ging  ßalbin   auf  baS  ©efud)  ein,   unb   jmei  ^rebiger,  20 
^Seter  SRid£>er  unb  2öill)elm  (Efyartier  mürben  feierlich  als  bie  erften  ebangelifdjen  2Jciffion§= 
brebiger  naa)  Slmerifa  abgeorbnet.   $u  ifynen  gefeilten  fid)  nod)  elf  anbere  tüchtige  SRänner, 
unter  ifjnen  %zan  be  Sert),  meinem  man   bie  meiften  Nachrichten  über  baS  Unternehmen 
berbanlt.   3ln  bie  ©bi£e  trat  ein  fran^öfifcljer  ©beimann,  $f)ilibb  bon  Sorguillerar/,  §err 
bu  $ont,  ber  ftd)  in  ber  Näfye  ©enfS  niebergelaffen  fyatie.   Am  10.  ©ebtember  berliefjen  25 
fie  ©enf  unb  lamen  nacb,  einem  23efucf)  bei  (folignto,    auf  (Sfyatillon  naef;  $ariS,   mo  ftcr) 
ib,nen  ein  gemiffer  ßointa,  ein  ©orbonnift,   anfcr/lofj  unb  eine  größere  Anjafyl  Äoloniften 
fid)  mit  iljmen  bereinigte.    Unter  bem  33efet)I    eines  Neffen   bon  SMegaignon,    Namens 
33otS  le  ßonte,  fdjtfften  fie  fid),    faft  300  ©eelen,   barunter  6  grauen,  auf  brei  ©Riffen 
ju  £>onfleur  im  Nobember  ein  unb  famen  im  Wläx%  1557  bei  ÜBillegaignon  an.    tiefer  30 
embfing  bie  (genfer  mit  allen  (Sfyren,    berfbrad),   aßeS   nad)  ber   ©enfer  Drbnung   ein= 
Juristen,   unb   b,ielt   ein   öffentliches  SDantgebet.    darauf  brebigte  Nicker  an  bemfelben 
Sage;  eS  mar  rool)I  bie  erfte  ebangelifcfye  ^ßrebigt  in  Amerifa. 

®ie  neuen  Ankömmlinge  mürben  fofort  ju  ben  garten  SöefeftigungSarbeiten  b,eran= 
gebogen,  ©ie  ertrugen  eS  miliig  unb  fanben  ©tärlung  in  bem  SBorte  ©otteS,  melcf/eS  35 
ib,nen  täglidE)  gebrebigt  mürbe.  ©onntagS  mürben  jmei  ^rebigten  gehalten.  2tucb,  mar 
befct/Ioffen,  monatlicb,  einmal  follte  baS  2lbenbmal)l  gefeiert  merben.  2lber  gleich  bei  ber 
erften  geier  beSfelben  erhoben  fieb,  ©treitigfeiten,  unb  Stllegaignon  fing  an,  in  feinem 
mabjen  Sichte  fieb,  gu  geigen,  ©er  ©orbonnift  dointa,  bem  eS  nidjt  gelungen  mar,  gleich 
anfangs  fieb,  jum  ©uberintenbenten  aufjumerfen,  berlangte,  bafj  naä)  3eu9niflen  Der  *° 
Äircb,enbäter  ber  9Bein  bei  bem  2lbenbmal^I  mit  2öaffer  ju  mifeb^en  fei,  ferner  bafe  eS  in 
briefterlicf;er  ^leibung  bon  ben  ^rebigern  ausgeteilt  unb  baS  übrig  bleibenbe  Sorot  auf= 
gehoben  merbe,  u.  bgl.  SSillegaignon  ftimmte  ib,m  bei;  bie  ^ßrebiger  unb  bie  ©emeinbe 
miberfe^ten  fiel)  aber  mit  ©rfolg.  SSillegaignon  unb  ßointa  legten  bor  ber  ©emeinbe  ein 
©laubenSbefcnniniS  ab,  efye  fie  gum  SEifcfje  beS.  £>errn  traten,  unb  boll  ber  beften  £>off=  45 
nungen  fcfmeb  Nicker  im  Slbril  an  6albin:  „9Bir  leben  ber  getroften  Hoffnung,  bafe  aueb, 
biefeS  @bumäa  ein  33efi|tum  6l)rifti  merben  mirb"  2lber  ber  ©treit  rub,te  nicb,t  lange. 
•UUt  §ilfe  beS  ©orbonniften  braef/te  33ittegaignon  neue  fragen  unb  gorberungen,  j.  33. 
bafe  bei  ber  Saufe  DI,  ©beicb,el  unb  ©alj  bem  äöaffer  beigemifcb.t  merben  foßen.  2llS 
ib,m  bie  ©enfer  Äirc^enorbnung  entgegengehalten  mürbe,  fagte  er  fcb,on,  bie  ©enfer  STixdK  50 
fei  übel  beftellt,  unb  als  bie  ^rebiger  bie  ©acb,e  bor  bie  ©emeinbe  unb  auf  bie  Mangel 
brauten,  mieb  er  bon  ba  an  ben  ©otteSbienft.  ®en  offenen  ^miefbalt  berfueb, ten  nun 
^ßerfonen  bon  beiben  Parteien  mieber  auszugleiten  unb  brachten  enbltct)  folgenben  $om= 
bromife  ju  ftanbe.  Wan  moUe  mit  ben  franjöfiftt^en  ©Riffen,  meiere  bie  legten  Slnfiebler 
gebraut,  eine  3lborbnung,  mit  Sb^artier  an  ber  ©i>i£e,  nacb,  ©enf  jurücffc^icfen,  um  SalbinS  55 
entfcb,eibung  einju^olen.  Unterbeffen  foöe  Nieder  fieb,  ber  ftreitigen  fünfte  auf  ber 
Mangel  enthalten  unb  bie  ©aframente  follten  bis  bafyin  fufbenbiert  fein.  Um  beS  gnebenS 
millen  berftanben  fieb,  bie  ©laubigen  aueb,  ju  biefer  legten  unbiEigen  gorberung,  unb 
nacb^bem  noeb,  jur  Sefiegelung  ber  (gtntrad^t  bie  §eirat  ^mifcb,en  ßointa  unb  ber  Sßaife 
eines  auf  ber  ^nfel    berftorbenen  Neformierten   bon  Slouen   gefeiert  mar,   berliefjen   bie  oo 


648  SiUegaignou 

©<$tffe  im  ^u™  I55'  bk  Qnfel.  2lber  balb  geigte  fid),  Warum  S&tHegaignon  bert  jüngeren 
Gljartier  nad;  ©enf  gefdjidt;  mit  bem  bejahrten  Ridjer  hoffte  er  efyer  fertig  ju  werben, 
©obalb  bie  ©dnffe  fort  Waren,  lief?  er  bie  SRasIe  faßen.  @r  erflärte,  Salbin  fei  ein 
fcfyänblicfjer  ^etjer;  er  Werbe  beffen  Gmtfdjieibung  nid;t  anerlennen,  fonbern  nur  WaS  bon 
5  ber  ©orbonne  tarne,  unb  Verlangte,  bafj  man  bie  Sebre  bon  ber  "jEranSfubftantiation  an= 
nefyme.  $u  bem,  bafj  eS  d;m  nie  ein  ©rnfi  mar  mit  feiner  angeblichen  Neigung  gum 
(Sbangelium,  mar  nocf)  gefommen,  bafs  er  erfuhr,  toie  man  in  granfreid;  am  §ofe  über 
ifm  aufgebracht  fei,  bafc  er  ben  ^e|ern  eine  3uflud)tsfiätte  bereitet  l)abe.  @r  unterfagte 
nun  ben  ©otteSbienft,  geftattete  auä)  nicf)t,  bafe  man  fiel)  nur  ju  gemeinfamem  (&ehzt  ber= 

10  fammle.  ©ie  bebrängten  Reformierten  fallen  fiel)  bafyer  genötigt,  ba  fie  ber  ©emeinfdjaft 
beS  SBorteS  unb  ©ebets  nid)t  entraten  fonnten,  insgeheim  jufammenju!ommen  unb  feierten 
baS  2lbenbmar;I  jur  S^adjtgett.  ^n  biefer  geit  ber  Rot  fam  ein  neutrales  £>anbelSfcr/iff 
an  unb  eine  gro|e  gafyl  ber  Reformierten  liefj  burct;  ben  §errn  bu  ^pont  bem  S3ille= 
gaignon  fagen,    bafj   fie  gur  Rücffefyr   enifdjloffen   feien.    21IS  biefer  ifmen  entgegenhielt, 

15  bafj  fie  bei  if)m  ju  bleiben  fiel;  berbflicfytet  Ratten,  antmortete  ifym  jener  unerfdjroden,  baf$ 
SBillegaignon  ifynen  berfbrod;en  l)abe,  fie  ifyreS  ©laubenS  leben  ju  laffen,  aber  bieS  2Bort 
gebrochen  unb  fo  felbft  ben  Vertrag  gelöft  f)abe.  ©arauf  b,in  trieb  33iI(egaignon  fie  bon 
ber  ^rifel,  nadjbem  er  ilmen  33üd)er  unb  §anbWerfSgeug,  baS  ilmen  gehörte,  fomie  bie 
wenigen  SebenSmitiel ,   bie  fie  fid)  aufgefbart  Ratten,    nod)   Weggenommen.     Rad;  einem 

20  Aufenthalte  bon  ad)t  Monaten  berliefjen  fie  baS  gort  Solignt)  unb  jogen  ftdj 
auf  baS  fefte  Sanb  jurüd,  Wo  fie  bon  ben  SBilben  freunbttcr)  aufgenommen  unb  mit 
Nahrungsmitteln  berforgt  Würben.  §ier  begannen  fie,  früher  als  eS  in  ifyrem  urfbrüng= 
liefen  ^3lane  lag,  bie  SDiiffionSarbett ;  £ert),  Welker  fid)  unter  ber  ftafyl  ber  2lbgefd;iebenen 
befanb,  giebt  uns  in  feiner  Reifebefcfyreibung  ein  fleineS  SSörterbud;  über  bie  ©brache  ber 

25  SLobinambuS,  unb  Wir  fef)en  barauS  ben  föifer  ber  Seute,  bie  in  fo  lurjer  .ßeit  unb  oljme 
Hilfsmittel  fid)  mit  berfelben  jiemlid)  bertraut.  gemalt  Ratten.  3Son  (Erfolgen  fann  aßer= 
bingS  in  ber  geit  bon  jWei  3JJonaten,  bie  fie  auf  bem  feften  Sanbe  gubract)ten,  leine 
Rebe  fein.  ©djlte^lid)  fafyen  fid)  bie  Reformierten  burd)  bie  Rot  gezwungen,  fid)  jur 
^jeimfefyr  ju  entfd)lie|en  unb  unterljanbelten  mit  bem  Kapitän  jenes  bretonifdjen  ©c|iffeS. 

30  ©u  ^ßont  Würbe  53ürge  für  baS  gal)rgelb  ber  ganzen  ©efeßfdmft,  unb  naef/bem  baS 
©d)iff  feine  Sabung  an  garbfyolj  eingenommen,  Itdjtete  eS  am  4.  Januar  1558  bie  Slnfer, 
nid)t  o£)ne  manche  ^ßladerei  bon  SMegaignon  erfahren  §u  b,aben.  2lber  laum  War  baS 
©d)iff  bei  t/eftigem  ©egenWinb  ac^t  i^age  gefegelt,  als  fid)  geigte,  bafj  eS  feeuntüd)tig 
War.     ©od)  War  ber  ©d)iffSf)err   nict)t   gur   Umleb,r   ju   beftimmen.     2lber  er  ftellte  ben 

35  ^affagieren  frei  umgulel)ren,  unb  ftellte  benen,  bie  umfefyren  Wollten,  ein  33oot  jur  Serfügung. 
Sf)rer  fünf,  $eter  Sourbon,  ^ob.ann  bu  33orbeI,  3J?attf)iaS  SSermeil,  2lnbreaS  Safon  unb 
jjafob  le  SBaÖeur,  matten  bon  bem  2lnerbicten  ©ebraud)  unb  bertrauten  fid)  bem  Keinen 
elenben  gafyrjeuge  an,  nad;bem  fie  etwas  SBaffer  unb  9Jief)I  mit  fid;  genommen. 

2lm  achten  %aQt  einer  ftürmifdjen  %afyxt  gelang  eS  bem  33oot  an  einem  franjöfifd)en 

40  SDorfe  beS  geftlanbeS  anzulegen,  we!d;eS  bom  gort  ßolignb,  aus  gegrünbet  War.  §ier 
befanb  fid)  gerabe  SSiUegaignon,  ber  ben  ©eretteten  ben  Slufentfyalt  geftattete,  jebod)  unter 
ber  Sebingung,  ba§  fie  bei  SEobeSftrafe  feine  religiöfen  ©efbräcfye  mit  anberen  führten 
unb  fieb,  überl;aubt  borfidjtig  benähmen.  58alb  aber  bemächtigte  fid)  feiner  ber  StrgWofyn, 
baS  ©cf)iff  möd)te  nid)t  nad;  granfreid;   gefahren   fein  unb  bie  Rüdlefjr  ber  fünf  Seute 

45  fei  nur  eine  ^riegSlift;  biefe  feien  ©bione  unb  bie  anberen*  fyätten  einen  Überfall  in  einer 
naf)en  Sud;t  borbereitet.  2Son  biefem  SlrgWob.n  getrieben  befcfylof?  er  ib^ren  Untergang. 
@r  fcbjdte  ib,nen  ein  5Berjeict)niS  bon  ©laubensartüeln  gu,  über  Welche  fie  fieb,  binnen 
jWölf  ©tunben  fcb.riftlid)  berantworten  füllten,  ßiner  ber  fünf  ©eretteten  fd;eint  geflogen 
ju  fein.    ®ie  anberen  bier  aber  ftärften  fid;  im  ©ebet  unb  gingen  baran,  mit  §ilfe  ber 

50  33ibel  bie  aufgefteHten  fünfte  ib,rem  ©lauben  gemä^  gu  erläutern.  ®u  Vorbei  fd;rieb 
ib,r  SelenntniS  nieber,  baS  bie  anberen  mit  ib,m  unterjeidmeten.  ©aSfelbe  fd)lie^t  mit 
ben  2Borten:  ,,©aS  ift  bie  Antwort,  bie  Wir  auf  bie  bon  @ud;  uns  gugefanbten  fragen 
nad;  bem  Sftajje  beS  ©laubenS,  ben  ©Ott  unS  berliefjen  ^at,  geben,  inbem  Wir  ©Ott 
bitten,    baf;  eS  ifym  Wof)lgefalIe,    gu   Wirfen,    bafy   berfelbe  nid;t  tot  in  uns  fei,    fonbern 

55  grüßte  bringe,  bie  feiner  ^irdje  Würbig  finb,  alfo  ba^  er  uns  2Bacr)Stum  unb  33el)arr= 
lidileit  in  bemfelben  berleib.e  unb  Wir  il)m  bafür  £ob  unb  SDanf  bringen  immerbar! 
2lmen"  21IS  eS  33illegaignon  gelefen,  erklärte  er  fie  für  $e§er  unb  befahl  am  9.  gebruar, 
fie  bor  if)n  ju  bringen,  ©a  fie  bei  ib,rem  S3eIenntniS  behauten,  Würben  fie  am  fo!gen= 
ben  SLag  fämtlid)  getötet. 

60         ©aS  ©cb,iff  mit   ben  ^einde^renben    f)atte   unterbeS   feine  Reife   fortgefetjt,    „einem 


Sytücgatgnon  Hilmar  649 

maken  Sarge  gleid)",  fagtc  ber  Slugen^euge  be  Sex!;.  Unaufhörlich  fyatte  es!  mit  ©türmen 
unb  SöeHen  gu  fämpfen  unb  unau3gefe|t  mußten  alle  £>änbe  an  ben  pumpen  fein. 
$>urcb  bie  Unborfickigfeit  eines  Sftatrofen  kannte  ba3  ganje  Safelhxrf  ah.  ©egen  @nbe 
2lbril  Ratten  bie  2eben§mittet  fo  abgenommen,  bafj  bie  Seute  auf  I)albe  Nationen  gefegt 
werben  mußten;  14  SEage  barauf  mar  nid;t§  mek  borfyanben;  aud;  ba§  Söaffer  ging  5 
au§  unb  fie  roaren  nocb,  auf  I;o^er  ©ee.  $n  °'efer  bezweifelten  Sage  griff  man  naa) 
allen  möglichen  -Kitteln.  3JJU  menigen  SluSnafymen  lagen  alle  fraftlo»  auf  bem  Serbecf 
umfier,  aU  ia$  ©d)iff  am  26.  9M  in  bem  §afen  bon  SSIabet  in  ber  Bretagne  einlief, 
i^on  Sboncr  ^aufleuten  mürben  fie  freunblid)  aufgenommen  unb  gereift.  9Jlekere  ftarben 
ober  mürben  franf  infolge  beg  @ffen<§,  an  ba§  ifyr  ÜDcagen  ntdE)t  mek  gemör)nt  mar.  Sie  10 
übrigen  reiften  nacb,  einigen  SEagen  toeiter.  $n  9tante§  trennten  fieb,  biefe  unb  bie  meiften 
bon  ib,nen  !eb,rten  gu  ibren  Familien  jurüd.  lieber  mürbe  ^rebiger  in  la  9xod)etle  unb 
erlebte  nod)  bie  erfte  Belagerung  biefer  ©tabt.  ^ob,anneä  be  2err)  mürbe  Pfarrer  einer 
franjöfifdjen  ©emeinbe  unb  mar  fbäter  big  %u  feinem  SLobe  Pfarrer  in  Sern.  —  5Rid)t 
lange  barauf  löfte  fieb,  jene  amerifanifd)e  Kolonie  ganj  auf.  33iUegaignon  feb^rte  naef)  10 
granfreid)  jurücf.  2)ie  ^ortugiefen  jerftörten  bann  ba§  gort,  Rieben  bie  ßurüdgebliebenen 
als  $e£er  nieber  unb  kad)ten  bie  Kanonen  mit  bem  franjöftfcfyen  Süßabpen  im  SEriumbb 
nacb,  Siffabon.  (Eointa  mar  fdwn  bor  ber  2lbreife  ^idjerS  bei  33illegaignon  in  Ungnabe 
gefallen  unb  bon  ber  ^nfel  f erjagt  morben;  er  ift  unter  ben  2BUben  berfdjollen.  ÜRocb, 
einmal  mack  fid)  SSißegaignon  in  ber  ©efcfyicke  bemerflid) :  er  fdjrieb  eine  heftige  §lug=  20 
fckift  gegen  griebriefy  III.  bon  ber  ?ßfal§ ,  ab§  biefer  bie  reformierte  Sebre  in  feinem 
2anbe  einführte,  morauf  il)m  bon  $ßeter  33oquinu§  geantmortet  mürbe  (f.  33b  III 
©.  321,  34  f.).  ©dwn  bei  feiner  ÜRüdfel)r  au3  2lmerila  galt  er  nacb,  Srefbin  al<3  „fol  et 
perclus  de  cerveau"  Sßerfluck  bon  ben  ^roteftanten,  beren  Seken  er  in  rabiaten 
fontroberlfckiften  befämbfte,  beracket  bon  ben  ®atI)oIüen  jog  er  ftd)  auf  bas>  ©ut  be§  25 
2Ralteferorben§  33eaubai3  bei  5Remour§  jurüd,  mo  er  am  15.  Januar  1571  blötdid)  ftarb. 
Sie  mit  feinem  9camen  berfnübfte  tragifd)e  ©bifobe  in  ber  ©efcfytcke  be§  franjöfifckn 
$roteftanti3mus>  bleibt  benfmürbig  abo  ber  erfte  SRiffion^berfucb,  ber  ebangelifckn  &ird)e, 
bor  allem  aber  ab§  i>a§  erfte  S'olomfationgunterner/men  be§  Galbini3mu3  in-  ber  neuen 
üffielt,  ber  er  tro|  biefe3  mifeglüdten  SSerfuc§§  fbäter  boct)  in  ikem  bebeutenbften  ©taaten=  30 
gebilbe  feinet  ©eiftes>  ©ebräge  gegeben  fyat.  D.  ^^elemann  t  (@.  Sadjenmattn). 

aSilmar,  3Iuguft  griebrid;  6b,riftian,  geft.  1868.  —    e§     fe^lt    an    einer    er= 
fd)öpfenben  ©efcfjictjte  be§  Seben§  $8Umav§.  ©te  ift  fetoer  31t  fetivetben,  einmal  weil  fie  jtdj  ,^u 
einer  ®ejcf)icbte  be§  geiftiflen,    in§befonbere   be§   tircblidjen    unb   polttifdjen  Sebeng  in  Reffen 
toäfirenb  ber  Scitte  beS  19.  SatjrljunbertS  erweitern  müfjte,    fobann   meit   ju  einer  objetttoen  35 
SSeurteilung  biefer  ftavfen  5ßerfönlid)!eit,    bie   tjeute   nod)    tote   oor  50  3flbren  auf   ber  einen 
Seite  tiingebenbfte  Siebe  unb  SBemunberung,    auf  ber   anbern    Seite  -ftärffte   Abneigung   unb 
IeibenfdE)aftlid)en  §afj  bernorruft,  immer  nod)  nidit  bie  3eit  gefommen  ift.    Sie  folgenbe  ©ti^je 
befdiräntt  fid)  batjer  barauf,    ein  reichliches  Shatfadienmateriat   jufammenpfteHen ,   ba§    einer 
geredjten  Beurteilung  jur  ©runblage  btenen  tann.    SSermertet  finb  bor  aöent  außer  ben  jaf)(=  40 
reietjen  SSeröffenttid)ungen  SSilmarg   feine   felbftbiograpbtfdien  ?luf,^eid)nungen:   ®ie   186)5    ge= 
fefiriebene    ©elbftbiogra^bie    in    Dtto    ©erlanb§    (haS>   SBert  g.  SBilb-  ©trieberö    fortfe^enber) 
(Srunblage   ju  einer  ^efftfdjen  ©elebrten=,    ©d)riftfteHer=  unb  Sünfttergefd)id)te   bon  1831  Bis 
auf  bie  neuefte  Qeit,    erfter  S3anb,   Staffel  1863,  ©.  119-136  (ba§  ©.  136—140  bon  isthnar 
fetbft  aufgehellte  ©d)viftenuerjeid)niÄ  ift  abgebrudt  unb  bi§  jum  3-  1874  meitergefübrt  in  ber  45 
Sdirift  3-  ■&•  ßetmbad)§,  Stuguft  &r.  Sbr.  SBilntar,  nad)  feinem  Seben  unb  Sitten  bargefteöt, 
Öannober  1875,    ©.  160 — 166);    bann  eine  Steige  bon  Mitteilungen,  bie  SSttbelm  £opf,   ein 
SJeffe  unb  begeifterter  ?lnbänger  SBitniarä,  in  ben  bon  ttjm  fett  6.  ^üü  1872  herausgegebenen, 
feit  1905  juni  Organ  ber  „®eutfcben  iUecbtSbartei"  erhobenen  „,§effifd)en  blättern"  berbffent= 
ürf)t   bat:    9Jr.  167    (1875)    Sie    Verlegung    ber   Äurfürftlidien    Regierung    bon   Gaffel    nad)  50 
SBilbelmäbab     12.— 17.    ©eptember    I80O ;  '  9?r.  562— 574    (1879)    i8rud)ftüde    einer    ©elbft= 
biograpfjte    au§    bem    SJacblaffe  SSihnarS    (baju    jmölf  fet)r  d)aratteriftifd)e  ©ebidite,    in  gortj 
fü^rung  ber  fdion  im  ^afjrgang  1876  in  ber  ^vobenummer,  in  9?r.  229  unb  270,  bann  187i 
9?r.  305  unb  309,    1878  3Jr.  417,    1879  9?v.  490  unb  539   mitgeteilten  @ebid)te);    «r.  1544 
bis  1550  (1889):  JKüdblicI,  Umblict,  SBorbltct  (gefebvteben  bon  SSttmar  im  3.  1864);    bie  bem  55 
lOOjäb.rigen  ©ebäditniffe  ber  ©eburt  SSitmarö  geioibmete  Kummer  2706  üom  21.  sJ?obember  1900. 
(bnrin  SriefauSjüge    unb    fedis    poiitifdie    ©onette);    Sßr.  3308—3318    (190(1)    bie    1S63  ge-- 
fd)riebenen  „Erinnerungen  bim  50  ^abren  ber  au§  einem  abgelegenen  2)orfe"  (bie  3-ron^ofeiu 
äeit  bon  1805—1813  u'mfaffenb). 

SSon  bem  reteben  S8rieftoed)feI  isilntavs    ift    bis   je^t   menig  üeröffentlidjt.     Ein  Teil  bes  60 
Sriefroedifels    mit    ^nfob  ©rimm    (bier  Briefe  SSilmarg  unb  elf  Briefe  ©rimms)    erfdjien    in 
G'.  ©teugelö  ®ert:    private    unb  amtlidje  ^e,yet)ungen    ber  trüber  ©rintm    tfi    Reffen,   jloei 


650  Silmor 

33änbe,  Harburg  1886  (abqebrudt  in  9?r.  1281—1283  ber  iieffifcfjen  Slättcv).  3roci  int>nlt§= 
reiche  Briefe  an  93.  91.  §uber  (ugl.  über  «jn  33b  VIII  ®.  412—415)  t)at  ©tjmnafiafbtreftor 
Sotbbolj  in  ©targarb  am  ©cftlufe  eine«  „§ur  SSürbigung  31.  S3itmar§"  gefdjriebenen  SlrtifetS 
im  gatjrgang  1874  ber  »ort  $üEner  begrünbeten,  Don  Dr.  @.  g.  93t)nefen  fortgeführten 
5  gRonatSfcrjnf't  „®eutfdie  931ätter"  mitgeteilt  (©otfja  1874,  @.  60—64) ;  bie  S3riefe  6eieud]ten 
fctiarf  bie  (Stimmung  SStlmarä  bei  feiner  SSerfetmng  nad)  Harburg  im  Satire  1855  unb  nadj 
ben  kämpfen  mit  ber  ttjeologifdien  JJfafultät  in  ben  Sauren  1858—1860.  Eine  retdje  g-unb= 
grübe  für  bie  innere  @efd)id)te  £>effeng  bilbet  ber  auggebef)nte,  intime  SSriefroecfjfet  S3ümar§ 
mit    feinem    am  7.  SDejember   1884  im  81.  Sebengjatjr  «erstorbenen  jüngeren   SSruber  iyafob 

io  SSiifjetm  ©eorg,  bem  Melfunger  Metropolitan  (»gl.  über  bu§  SSerfjältntS  ber  beiben  an 
unb  mitetnanber  emporgewachsenen  SSrüber  einen  SSortrag  be§  SßfarrerS  ©djtflmg  in  9h\  7 
unb  8  beS  Metfunger  Miffiongbtatteg  com  3-  1885).  Mit  einzelnen  3lu§jügen  au§  biefem 
33rtefroed)fel  f)at  ber  intffenfcfjaftlidje  Server  a.  S.  ©b.  9tub.  ©rebe  bie  beiben  93üd}er  au§= 
geftattet:    1 .  Sluguft  g-r.  Sf)r.  SSitmar,    ßüge    aitg    feinem  £eben   unb  SSirlen,  ©ebentblatt  bei 

15  ber  100.  SBieberfe&r  feineg  ©eburtgtageg  (Saffel  1900,  anomjm;  „ein  mit  rootilgememter 
SSegeifterung  gefcbriebener,  aber  Hon  fenttmeutafen  lleberfd)tt)nngltd)feiten,  fragroürbigen 
9lnefboten  unb  Ungenautgfeiten  nidit  freier  SSerfud)",  ^effifdje  Slätter  9}r.  2706)  unb 
2.  9t.  ft.  Gljr.  SSilmar  als  Dberbirte  ber  Siöcefe  Saffel  '  (Marburg  1904,  wertüoE  burd) 
Mitteilung  ber  amtlidjen  (Srlaffe,  foroie  einer  Slnga^I  »on  DrbinattonS»  unb  ©mfüfjrungSreben 

20  unb  anberer  ?tnfprad]en  SBilmarg).  — 

Eine  nerftänbniSooIle  Sßürbtgung  feine?  SanbSmanng  unb  £etjrerS  Ijat  9tub.  %x.  ©rau 
(ügt.  SSb  VII  @.  66—70)  in  bem  ©djriftdjen  geliefert:  SSilmar  unb  üon  Jjpofmann,  @rinne= 
rungen  (©ütergtob,  1879).  gür  bie  eigentümlid]en  Sefjrgeftaltungen  ber  23tlmarfd)en  %$to- 
logie    tft  gretljerr  oon  §obenberg    luteberfjolt    eingetreten:   S)te  SDogmattf    ber  ßrdunft,    j«m 

25  SSerftänbniS  ber  SSilmarfdjen  Sttjeologie  (Seipjig  1882),  33reglau  unb  SSitmar,  jroet  öefte,  al§ 
Manuffript  gebrucft  (|nibemüt)len  1883).  —  3{eben  am  ©rabe  SßilmavS,  gehalten  am 
1.  Sluguft  1868  Hon  Pfarrer  2Si(t)e(m  ftolbe  unb  $rof.  Dr.  (f.  S.  2b.  £eufe,  2.  Stuft-,  Mar= 
bürg  1868.  —  „qjrof.  91.  fr.  S.  23itmar§  SSücfjerfcfjafc"  (9lbbrud  beS  tjanbfdjriftticb,  fünterlaffenen 
Satalogg):    S.  Sf).  33ölder§  SSücfierauftion    in  g-ranffurt  a.  M.  Dom  1.— 18.  Marj  1869.  — 

30  9lb23  39.  SSb,    Seipsig  1895,  @.  715—721  (SSippermann),    <5.  721—722  (gbtoarb  ©cfjröbev). 

©a§  fiebert  SBtlmarS  teilt  fuf;  in  brei  beutlid)  geforderte  StbfdEjnitte.  ©er  erfte  um= 
faftt  bie  3"Öen^=  un^  S^rja^re  (1800—1831).  ©er  jroeite  fd^Iief^t  bie  umfafjenbe  ^^ätig^ 
feit  be§  reifen  2Ranne3aUer§  in  fid).  Waty  ber  äußeren  £eben#ellung  toar  33ilmar  in 
biefer  Q?'ü   ©^mnafialbireltor  in  5Rarburg    (1838—1850)    unb   bann  ©uppleant   beg 

35  @eneralfuj)erintenbentcn  ©rnft  bon  Äafjel  (1851—1855).  ©er  britte  StBjdjnttt  umfrannt 
bie  Ie|te  Seben^jeit  Hilmars,  in  hxld)er  er  a(g  ^ßrofefjor  ber  Sinologie  in  Harburg  tfjätig 
toar  (1855—1868). 

I.  ^ugenb=  unb  £e^rjab,re.  SSUmar  entflammte  einem  altb.effifc^cn  ©efdjled^te. 
©eine  nädjften  Sorfaftren    geborten  bem  ^Pfarrcrftanbe   an   (bgl.  für  ben  ©tammbaum 

40  bie  im  ©elbftoerlag  be§  SSerfafferö  erfd)ienene  ©cb,rift:  ©enealogif^^biografs^ifdje  Überfiel 
ber  Familie  3StImar  in  §effen,  bearbeitet  unb  herausgegeben  bon  ©.  ^.  21.  SBilmar, 
Pfarrer  ^u  Sreitenbad)  a.'^>.,  1886).  ©er  ©rofeoater  war  feit  1752  Metropolitan  in 
geläberg  unb  ftarb  am  10.  ©ejember  1778.  ©er  3Sater  ^ol)ann  ©eorge  Hilmar  tourbe 
1796  Pfarrer  ju  ©0I5  bei  Rotenburg   an   ber  gulba  unb  Verheiratete  fi(^  fyier  mit  ©u= 

45  fanna  ©(ifabetb,,  einer  Xod^ter  beg  ju  S'corbr/aufen  bei  Äaffel  berftorbenen  ^ßfarrerg  3>°5 
bann  ©abib  ©ie§Ier;  1816  fiebelte  er  nacfr,  Dberaula  über,  äluguft  griebrid)  ßb,rifiian 
33tlmar  ift  al§  ba§  ältefie  Don  ac^t  ^inbern  am  21.  DRobember  (bem  ©eburtötage  ©(f)Ieier= 
mad)er§)  1800  gu  ©ol^  geboren  roorben. 

©ie  33err/äitniffe  be€  SSaterr;aufeä  roaren  im  3ufammenb,ang  mit  ben  2öeltereigniffen, 

50  bie  i^re  ©chatten  aud)  in  biefen  ftiHen  Söinfel  marfen,  toob,!  geeignet,  ntd^t  nur  ein  Talent 
ju  bilben,  fonbern  aud^  eine  frühzeitige  6b,ara!terentroideIung  ju  ermöglidjen.  Sieligiöfe 
©inbrüde  finb  fei) r  frür)  in  i^tn  gebflanjt  roorben ;  fie  roaren  mit  feinen  gllerfrüb,  eften  @r= 
innerungen  unmittelbar  toerroacfyfen.  „©iefe  ©intoflan^ung  (fagt  er)  berbanle  \<fy  allein 
bem  SSater,  einem  5Ranne  bon  tief=ernfter  unb  unmittelbar  roabrer  grömmig!eit,  au§  ber 

55  borrationaliftifcben  ©d)ule."  ^n  ber  ^trdt)e  fiel  mef)r  als  bie  ?ßrebtgt  ba§  lltargebet  bei 
ir/m  in§  @eroid)t,  boHenbS  bie  Slbfolution  unb  über  ba§  aUeS  bie  ^ßräfation  bor  bem 
1)1.  2lbenbmal)le;  etroag  fbäter  übte  ba3  aboftolifdie  ©lauben§befenntni§  eine  gleid)= 
mä'fuge  ©eroalt  über  ir;n.  SCI§  er  mit  ©d)luf$  be§  12.  Seben^jabrcS  anfing,  ben  Äonfir= 
manbenunterricb,t   gu   befugen,    roaren   tb^m   bereit!    bie   meiflen  Äabitel   ber  SBtbel   bon 

so  33er§  ju  SSerg  genau  befannt  —  ein  3eid)en  be3  ftaunengroerten  ©ebädjtntffeg,  ba§  ib,m 
eigen  roar. 

^n  bie  frübefte  ^inberjeit  fielen  jroei  fcbmer^id»e@reigniffe,  meiere  fürba§  gange  Seben 
bon  nachhaltigem  ©influf^  roaren.  ©a3  eine  roar  ber  frür)e  %ob  einel  fel»r  geliebten  iöruberS  ber 


mimav  651 

Butter  (Slbril  1805),  ber  bem  &inb  eine  erfte  übertuältigenbe  CSrfa^rung  beä  SobeSfdjnnerzeS 
braute.  Nod;  tiefer  Wirften  bie  fcfyWeren  (Erfahrungen  bergran^ofenjeit:  ber  Untergang  beS 
alten  §effenS,  ^aS  am  l-  Nobember  1806  bem  Slnbrange  Napoleons  erlag,  bie  Not  unb 
ber  Jammer  ber  ^rembfterrfdEjaft ,  baS  fc^mer^Itcfee  Söarten  ber  Wenigen  'Sreugebliebenen 
auf  bie  enblidje  Befreiung.  Sitte  bie  Überzeugungen,  bie  ben  -JRann  33ilmar  lennjeidmeten,  b 
erftbtenen  ifym  als  ein  treu  bemafyrteS  ^ugenberbe  aus  biefer  geit:  I)eif$e  Siebe  jum 
beutfdjen  SBaterlanb  unb  zur  fyeffifdjen  §eimat,  unWanbelbarc  SLreue  gegen  bie  angeftammte 
gürftenfamilie,  unbebingte  Sichtung  beS  5Rec£)teg  als  einer  göttlichen  Drbnung  beS  Sßöl£er= 
lebenS  unb  gänzliche  @eringfd)cu)ung  beS  äußeren,  Wenn  and)  nocb,  fo  glänjenben  (SrfolgS, 
bamit  aucb,  grunbfäijlidje  $Berad)iung  ber  „öffentlichen  Meinung"  unb  tbreä  SluSbrudcS,  10 
ber  3e^un0ert'  toelcfye  im  großen  unb  ganzen  ben  SRantel  ftets  nad)  bem  SBinbe  Rängen. 

©ie  gefcfnlberten  ^ugenberlebniffe  übten  eine  tiefere  9Strfung  aus,  als  ber  Unter= 
nd)t  bon  Sehern,  $n  Sejug  auf  baS  ungeheure  Söiffen,  baS  fidj  SSilmar  anfammelte, 
mar  er  Wefentlid)  Slutobtbaft.  21IS  er  auf  ber  Üntberfität  Harburg  1818—1820  fyaubt= 
fäcfylicb,  baS  ©tubium  ber  Geologie  betrieb,  fonnte  fie  in  ber  ©eftalt  beS  ©ubranaturaliS=  15 
muS  unb  fubernaturalen  Nationalismus,  Wie  Slmolbi  unb  gimmermann  fie  bortrugen, 
bie  nad)  einer  „Geologie  ber  'iEfyatfacfjen"  b,ungernbe  ©eele  beS  eifrigen  ©tubenten  auf 
bie  SDauer  n\d)t  befriebigen.  „^cb,  lernte  (befennt  er)  mit  ber  bünltlicfyften  ©enauigfeit, 
toaS  an  bem  elfterfarbigen  Nationalismus  ju  finben  War:  ber  leibhaftige  3^^fel-  S)er 
3ir»eifel  aber  mar  mir  fett  meiner  frübeftert  iftnbfyeit  unauSfbredjlid;  Wiberlid».  3lm  @nbe  20 
meines  afabemifcfyen  SebenS  fab,  xd)  ein,  bafe  bom  Nationalismus  aus  ein  weiterer  Schritt 
für  einen  benlenben  $obf  unbermeiblicb,  mar.  SllSbalb  nacb,  ber  UniberfiiätSzeit  tb,at  icb, 
biefen  unb  einen  Reiten  unb  brüten  Schritt  mit  unerfdjrocfener  Äonfequenz,  bis  icb,  bei 
bem  toöHtgen  Nichts  anlangte.  StuS  bem  boben=  unb  troftlofen  NtdjiS  aber  i)abz  nidjt  id> 
felbft  mid;,  fonbern  I)at  6b,riftuS  ber  £>err  midi  emporgehoben".  25 

Sie  |>ier  angebeutete  entfcfmbenbe  llmWanblung  im  Seben  SMlmarS  faßt  in  baS  erfte 
^abrgebnt  nad)  feinem  UmberfitäiSftubium ,  befonberS  in  ben  «persfelber  Slbfcfmitt  biefer 
^eriobe.  3Silmar  mar  ein  3Jcann  im  ©inne  §amannS:  er  ftubierte  ntcbt  mit  bem  $obf 
allein,  fonbern  an  allem,  WaS  er  tbat,  nafym  bie  ganze  ^erfon  teil,  ^m  Nationalismus 
toar  baS  ©efüfyl  gleicfyfam  anatfyematificrt.  31IS  Hilmar  bie  Nealität  beS  ©efüfylS  er=  30 
fannte,  fagte  er  bem  Nationalismus  SBalet,  um  ettoa  1—2  ^afyre  lang  auf  bem  felt= 
famen  ©a|e  zu  flehen,  bie  Sßelt  fei  baS  ©efül)l  ©otteS.  Söetter  braute  ilm  baS  ernft= 
lidje  ©tubium  ber  Kircfyenbäter.  Sluguftin  äußerte  eine  grofje,  aber  leine  entfdjeibenbe 
Sßirfung  auf  ifm,  Weil  er  ficfr,  an  ber  rbetorifc^en  SluSfdjmüdung  ftiefj.  33alb  barauf  be= 
!am  er  bie  SluSgabe  ^EertullianS  bon  ^ameliuS.  „^d;  las,  ergäbt  er,  unb  laS  bieber  35 
unb  mürbe  bon  SBetounberung  für  biefen  mit  ©adjen,  rttcbt  mit  3Borten  unb  leeren  Se= 
griffen  benlenben  sJJtann  erfüllt;  er  führte  micb,  auf  ^ufün  unb  ^gnatiuS,  fonrie  befonberS 
auf  ^renäuS.  Söenig  fbäter  belam  icb,  aud;  ©erf)arbs  Loci  unb  arbeitete  eine  Neu> 
2lbfd)mtte  mit  größter  Sefriebigung  burd; ;  jugletdj  madjte  id;  genauere  SBetanntfdjaft  mit 
Salob  unb  §oßaj.  @tmaS  früher  lernte  id;  baS  33ucb,  bon  ^Eb,oIud  lennen:  bie  40 
fiebre  bon  ber  ©ünbe.  ®aS  ift  mol)l  für  meine  ©ntmicfelung  bie  entfcbetbenbfte  ©d;rift 
gemefen." 

%lad)  aufjerorbentlid)  arbeitSreidjen  ^ab,ren  in  Notenburg,  mo  SSilmar  feit  bem 
8.©ej.  1823  als  Neftor  bie  ©tabtfdmle  leitete,  unb  mo  er  am  28.  3Jtärj  1826  mit 
Caroline  ©Ufabetb,  SBittefinbt  in  bie  @l^e  getreten  mar,  !am  er  im  3Jtär^  1827  als  bierter  45 
£eb,.rer  unb  ^ollaborator  ans  @t)mnafium  ^u  §erSfelb  unb  rüdte  bort  im  %at)te  1829 
jum  britten  2eb,rer  bor.  ^n  ben  §erSfe!ber  3>ab,ren  fam  3SilmarS  innere  (Sntmidelung 
ju  einem  feften  Slbfcblu^.  $DaS  SBerftänbniS  biefer  ©ntmidelung  ift  cntfd;eibenb  für  bie 
Beurteilung  ber  ganzen  SebenSarbeit  3SilmarS. 

Sßilmar  ift  in  biefen  ^abjen  ju  einem  lebenbigen  ©lauben  an  Sb.riftuS  ben  §errn  60 
burd;gebrungen.  ®ie  ©etßifebett  beS  lebenbigen,  toerfönlidjen,  gegenmärtigen,  im  glcifcb,e 
erfcfyienenen,  barmherzigen  ©otteS,  bie  ©emi^eit  ber  ewigen  ©eligleit  bilbete  feitbem 
ben  inneren  Kern  feiner  ^ßerföntidtfeit.  @r  mar  ^u  biefer  ©eWtfel)eit  ntcfet  ob,ne  bie  bef= 
tigften  ^ämbfe  gelangt.  33ilmar  breift  im  Nüdblid  auf  feine  Selel)rung  bie  ©nabe 
beS  barmherzigen  ©otteS,  ber  fein  zweifd;neibigeS  ©d)Wert  zur  §anb  genommen  unb  ju  bö 
Wieberb,olten  2Men  lurz  nadjeinanber  ib,m  z^ifd'w  9^a^  "^  33e<n  unfe  ®ec"e  uni 
©eift  ^inburd)gefd)nitten  i)abt,  fo  bafc  er  ber  Sebenbigfeit  unb  SMftigleit  unb  unjWeifel= 
b,aften  ©emifel)eit  feines  2BorteS  inne  geworben  fei.  SDiefem  SBorte  War  burcb,  eine  un= 
bergeffene  älufeerung  beS  3Jlarburger  ^rofefforS  Slrnolbi  bie  33ab,n  gebrochen.  „®ie  alt= 
gemeine  unb  totale  ©ünbfyaftigfeit  ber  SKenfcfien",  b,atte  ber  eb,rWürbige  Ökologe  mitten  üo 


652  Silmor 

unter  ganj  futoematuralifiifd;en  Slujjerungen  gejagt,  „ift  feine  2e^»re  ber  Vernunft  unb 
bon  btefer  niemals»  ju  entbeden;  fie  ift  eine  Seigre,  meld)e  eigen§  ber  göttlichen  Offen« 
barung  juge^ört  unb  Don  biefer  gelernt  Werben  mu$".  SDurd)  biefe  Su^erung  l)at  2lrnoIbi, 
fo  crgä^It  23tlmar,  mir  ben  ©tacfyel  in  bas  §er^  gefegt,  Welcher  faft  jetyri  Jalp  ftoäter 
5  ebenfo  bie  Wot)Itt)ätige  töblid)e  23erWunbung  meines  natürlichen  §erjens  Wie  beffen  gött= 
Iid)e  Teilung  herbeigeführt  l)at.  33oHenbet  aber  l)at  meine  33etel)rung,  tüte  bie  bon  bieten 
£>unberten  unb  laufenben  feit  300  Jafyren  Sutl)ers  Sieb  „9cun  freut  eud),  lieben  (Sfyriften 
gemein".  @s  ift  unmöglich,  bie  tiefe  ©eligfeit  ju  fd)ilbern,  meldte  idj  embfanb,  als  id) 
ben  bolten  2tusbrud  beffen,  was  id)  gefugt  fyatte,  in  biefem  Siebe  fanb. 

10  2Bir  folgen  ben  ©elbftbetenntniffen  Hilmars  nod)  eine  ©tufe  Weiter.  „2lls  id)  bon 
©ott  umgetoenbet  morben  mar  (fdjreibt  er  am  13.  ©ejember  1864),  beburfte  es  eines 
geringen  „3eÜraum^  um  m^  mit  größter  93efttmmti)eit  ber  ^irc^e  gujufüfyren,  unb  jtoar 
ber  Wirflic|en  Hird)e,  nid)t  einer  tl)eoretifd)en,  erfbefulierten  &ird)e  —  ein  ©öijenbilb,  um 
meines  fyeutjutage  fo  biete,  fonft  treue  ©f»riften  tanjen" 

15  SDen  Slnfang  ju  biefem  gortfdjritte  l)atte  bas  burd)  bie  Jubelfeier  ber  älugsburger 
üonfeffton  beranla|te  ernftlic^e  ©tubium  biefes  SBefenntniffes,  foWie  ber  Sinologie  ber 
21.  St.  gemalt.  @r  erfannte  nunmehr  —  Wie  Wenn  ein  33lit5  über  ein  Weites  ©elänbe 
Ijinfär/rt  —  bafs  alles  ©ud)en  umfonft  fei,  Weil  fc^on  alles  ©efud)te  längft  borr/anben  fei. 
©ie  21.  ü  fd)Iof$  ib,m  alles  bei  SlertuHian,   Sluguftin,   ©erwarb  ©elefene  boUftänbig  auf. 

20  „SDie  Realität  ber  ®ird)e  ging  mir  auf:  nidjt  mit  einem  SERale,  benn  manches,  j.  SB.  bie 
Realität  (er.r/ibttibe  SBirfung)  ber  Slbfolution,  bar  mir  nod)  im  Jal)re  1837  nid)t  boß= 
fommen  flar;  aber  etwa  im  Jaf)re  1840  mar  id)  in  allen  ©ingen  feft,  bie  id)  fyaht  unb 
fo  ©ott  toiH  bis  an  mein  @nbe  bewahren  werbe:  wahrhaftige  ©egenwart  unb  toerfönlicfye 
bireite  Söirlung  bes  1)1.  ©eiftes  mit  feinen  ©aben,  Wal)rf)aftige  ©egenWart  ßfyrifti,  beffen 

25  Seib  bie  j!ird)e  ift  —  nid)t  blofj  inbirefte  goriWirfung  bes  bl.  ©efftes  ober  6b,rifti,  Wo= 
mit  man  am  @nbe  bod)  mieber  auf  bas  alte  SSorbilb  unb  Skifbiel  Gl)rifti  in  fublimierter 
Söeife  jurüdlommt  —  ©ntmidelung  ber  Üird)e  burd;  ben  1)1.  ©eift,  nid)t  blofj  burd) 
menfd)lid)es  ©enfen  unb  Streiten,  in  organifd)em  $ortfd)ritt  u.  f.  W." 

2Bir  l)aben  bie  ©ntwidelung  Hilmars  in  il)ren  ©runbjügen  gefd)ilbert.   @s  mar  ein 

30  langjähriges  fd)Weres  fingen,  ber  Jafobsfambf  eines  SHannes  bon  faft  unüberwinblid)er 
9catur!raft.  Jm  altfäd)fifd)en  $elianb,  einem  £ieblingsgebtd)te  Hilmars,  beffen  2llter= 
tümer  er  in  einer  bortreffIid)en  2lbf)anblung  (2.  Slusg.,  SJiarburg  1862)  auseinanber= 
gebreitet  b,at,  giepert  bie  Jünger  bem  gemaltigen  33ölferfürften  unb  g-riebefinb  ©ottes 
nad;  als  feine  ©efolgfdjaft  mit  altbeutfcf/er  v)Jiannentreue.    ©o   mutet   uns   bie  Sebens= 

35  arbeit  Hilmars,  ju  beren  ©diilberung  mir  uns  mcnben,  an  als  ein  ununterbrochener 
Äam^f  im  SDienfte  feines  §errn  unb  ^eilanbs,  als  ein  $am£f  ber  einfachen,  einfältigen 
Streue  miber  ben  argen  3TO^fet  urtD  flKes,  toas  er  für  Untreue  unb  greifet  ]f>tel± ,  Ün= 
tugenben,  bie  er  mit  ber  ga^en  ©tärfe  feiner  sufammengefa^ten  ©eele  als  ben  Jnbegriff 
aller  Übel  unb  alles  33öfen  l)a^te. 

40  II.  ®ie  2J[rbeit  bes'9J{annesalters.  ©er  äußere  Stammen  biefes  2lbfd;nittes 
mirb  burcb,  folgenbe  Stngaben  ber  ©elbftbiogra^b,ie  fiergeftellt. 

Jm  Jab,re  1831  mürbe  Hilmar  bon  ber  ©tabt  §er§felb  in  bie  neugefdbaffene  lur= 
b,effifd)e  ©tänbeberjammlung  gemäl)It.  Jm  SDejember  1831  mürbe  er  SRitglieb  ber  ba= 
mals  beftellten  beiben  SRinifteriallommiffionen:    ber    obern    £ird;en!ommiffion    unb    ber 

45  obern  Unterrid^tslommijfion.  Qm  folgenben  Jal)re  mürbe  er  fobann  bon  bem  3Jtinifter 
ftaffenbflug  als  §ilfsreferent  ins  9Jcinifterium  bes  Jnnern  berufen  (DÜober  1832  bis 
@nbe  Steril  1833).  3Bäl)renb  berfelben  fttii  mar  er  jtoeiter  Seb.rer  an  bem  ©^m= 
nafium  gu  §anau,  ol)ne  biefe  ©teile  jebod)  jemals  angetreten  ju  b,aben;  benn  am 
16.  2lbril  1833  mürbe  er  jum  ©ireftor  bes  ©rjmnafutms  ju  Harburg  ernannt,  nad)bem 

so  il;m  jubor  fdjon  (Sejember  1832)  —  viro  tarn  de  erudienda  iuventute  quam  de 
universa  patriae  re  scholastica  optime  merito  —  bas  ©iblom  eines  ©oftors  ber 
^]f)ilofobb,ie  bon  ber  bl)ilofobl)ifd)en  gafultät  ju  Harburg  honoris  causa  erteilt  toorben 
mar.  (3um  SDoltor  ber  ^lieologie  ift  3Silmar  niemals  Ireiert  Werben.)  @r  blieb  ©r/mna= 
fialbireltor   unb   mar   gugleicf)    (bon  1836  bis  1850)  5ftitglieb  ber  ©dmKommiffion   für 

f.5  ©^mnafialangelegenlteiten,  bis  er  unter  bem  jmeiten  SJiinifterium  £>affenbflug  am  28.  %c 
bruar  1850  ^um  bortragenben  Mat  im  3Jtinifterium  bes  Jnnern  beftellt  Würbe;  er  erhielt 
babei  ben  %M  üonfiftorialrat,  ben  er,  um  feinen  geiftlid)en  ßl)ara!ter  ju  Wal)ren,  bem 
it)m  angebotenen  Sitel  Segierungsrat  borjog  (bgl.  9er.  571  ber  §eff.  Slätter).  2tu|erbem 
funltionierte  er  bom  9Jiai  1851  bis  bal)in  1855   als   ©utobleant   bes  betagten  ©eneral= 

eo  fuberintenbenten  @rnft,    erhielt   am   23.  Slbril    1851    bas   9lttterlreu§   bes  !urfürftlid)en 


mimav  653 

£ömen=(nad)l)er  SSilr/cImSODrbenS,  mar  1852  unb  185:»  9)iitglieb  ber  fog.  (Stfenarfjer 
Monferenj  unb  Warb  am  27  Dftober  1855  jum  orbentlid;en  ^rofeffor  ber  Ideologie 
ju  Harburg  ernannt. 

1.  Hilmars  2öirf'en  in  ber  ©cbule   unb   für  bie  ©d>ule.     lUImar   begann 
eine  meitgreifenbe  Söirffamfeit  für  baS  fyejfifcr)e  UnterricbtStoefcn,  als  er  in  ben  ^a^ren  1831   5 
unb  1832  im  tarnen  beS  SluSfcf/uffeS  für   ben  Kultus    unb   ben  öffentlichen  Unterricht 
(bierjefm)  33erid)te  an  bie  ©tänbeberfammlung  ju  erftatten  fyatie.    $n  ber  mannhafteren 
unb  mirffamften  SBeife  trat  er  für  §ebung   ber  SanbeSuniberfität,   für  ©rünbung  neuer 
sßrofeffuren,    für  beffere  2IuSftattung  ber  miffenfct/aftlicfeen  Qnftitute  ein.    @in  befonbereS 
anliegen  mar   ü)m  bie  ©rriefetung   eines  tt)eoIogtfcf)ert  ©eminariumS,    in   melcf/em  „nad;  10 
SSoßenbung  ber  ftreng  wiffcnfcr/aftlicf/en  ©tubien  ber  fünftige  ^3rebtger  Anleitung  bekommen 
fottte,  fieb  gum  eigentlichen  Sel)rer  ber  Religion  auSgubilben"     SaS  größte  93erbienft  aber 
ermarb  er  ftdb,  um  bie  SZeugeftaliung  beS  SoIfSfclmlmefenS,   namentlich  um  Regelung  ber 
©ehaltSberfyältniffe  ber  Sebjer.    2öaS   fobann   bie  ©immafien  anlangt,  fo  fann  SBümar 
gerabc^u  ber  Reformator  berfelben  genannt  werben.    9cid)t  allein  bie  innere  Umgeftaltung  15 
biefer  ©Ovulen  mürbe  ü)m   anheimgegeben,   aueb   gur  ^jerbeijiefyung  geeigneter  Sebjfräfte 
mürben   U)m  bie  nötigen  33oIImad;ten   erteilt,    Sie  neue  Drgantfation   fyatte  bie  mobl= 
tfyätigften  folgen,  bie  ©tymnaften  blühten  auf,    nidjt   am    menigften   bie  Slnftalt,   meldte 
Hilmar  felbft  17  3a^re  fettete  —  baS  ©fymnafium  in  Harburg,  weldjeS  1527  gleicbjeitig 
mit  ber  Uniberfttät  als  afabemifcf/eS  ^Säbagogtum  gegrünbet  Würben  mar,  beffen  enge  3Ser=  20 
binbung  aber  mit  ber  Uniberfüät  fieb  längft  überlebt  r/atte  unb  nunmehr  gelöft  mürbe. 

Sie  aus  biefer  SIrbeit  hervorgegangenen  24  „©cfmlreben  über  fragen  ber  ßeit" 
(3.  Auflage,  SRarburg  1886)  finb  ein  bleibenbeS  Senfmal  über  bie  2trt,  toie  33ilmar 
bie  Aufgaben  beS  ©r/mnafialunterridjtS  fafjte.  ©efdnd)ilid)e  ©rgieljmng  im  r/ödjften 
Sinn  foß  baS  ©r/mnaftum  bermitteln.  Sie  flaffifcbe  Silbung,  baS  ßfyriftentum  unb  25 
bie  ©efdncfyte  unfereS  3SoIfeg  finb  bie  §aubterjief;ungSmittel.  „Sin  biefen  ©toffen 
lernt  bie  Qugenb  Siebe  für  baS  ©efdjefyene,  ©rlebte  unb  ©rfafyrene,  an  ifjnen  gewinnt 
fie  bie  gäbjgfeit,  felbft  SebenSerfal)rungen  ju  machen,  auS  il)nen  fdjöbft  fie  ©e= 
finnung  unb  (tfyarafter,  auS  ifmen  lernt  fie  mit  einem  2Borte:  gu  leben"  (Srgänjenb 
tritt  ber  Unterricht  in  ber  9JiatI)ematif  bjngu.  „SlUe  anberen  StSgibünen  febtveben  in  30 
©efabj,  jur  ^alb^eit  im  üBiffen  unb  (Srfennen  gu  herleiten;  bie  Sftatb/ematif  allein  rtidt;t. 
Sie  ift  bon  Anfang  an  ein  fefteS,  gebiegeneS,  Wofylgefcr/IoffeneS  ©anjeS  unb  madjt  aud 
an  ben  adererften  Anfänger  fdrnn  bie  gorberungen  einer  ©angfyeit  unb  3SolIenbung  im 
2lnfd)auen  unb  SBtffen,  toeldje  alte  Unbeftimmtfyeit  unb  Ungeroifefyeit  auSfdjIiefÜ" 

Sen  ©d;ulnacr/ricr/ten  beS  $al)reS  1846/47  ift  ber  äufjerft  beachtenswerte,  bon  VM=  35 
mar  entworfene  „allgemeine  Sefyrblan  beS  ©t)mnafiumg"  borgebrudt.  @r  bemeift,  mit 
welcher  Umfielt  ber  Sireltor  ben  Unterricht  beö  ganzen  ©t)mnafium§  leitete.  Sabei  mar 
er  felbft  ein  bezüglicher  Seb/rer,  tote  einer  feiner  ©djüler,  §.  ©djebtler,  in  ber  ©cfyrift 
„Sie  Sebeutung  SLUImarö  für  bie  fyeffifd&e  ^irc^e"  (Harburg  1869)  ©.  6  unb  7  näb/er 
ausgeführt  fyat  40 

Sitter arifdje  3Seröffentlid)ungen  3SiImarg  liegen  jum  SWigiongunterridjte  unb  jum 
Unterricht  in  ber  beutfd;en  ©brache  bor.  ©igeng  für  ben  beutfdjen  Unterricht  gefd)rieben 
finb  bie  „2lnfanglgrünbe  ber  beutfdien  ©rammati!"  in  brei  Xeilen,  bon  benen  ber  erfte 
bie  Saut=  unb  glerjonelcfyre,  bie  jmeite  bie  3kr3lel)re,  bie  brüte  bie  3.isortbilbungelef)re 
enthält.  9^ur  ber  erfte  Xeil  ift  bon  Sßilmar  felbft  herausgegeben  morben  (1.  bis  7  2lufl.,  45 
Harburg  1840—1871),  mäb,renb  ber  jmeite,  ungleich  umfaffenbere,  mit  33enü|ung  feines 
)tacr/lafjes  bon  Dr.  6.  SB.  3R.  ©rein  (1870,  jtoeite  Auflage  bon  %x.  Äauffmann  1907), 
ber  britte  bon  ©.  %$.  Sitb,mar  (1871)  bearbeitet  morben  ift.  Über  ben  Setrieb  beS 
beutfcfyen  Unterrichts  ift  ferner  SilmarS  Sorrebe  gu  ber  3.  Auflage  bei'  1.  Abteilung  beS 
beutfd;en  Sefebucb,eS  bon  Dr.  TOiolauS  $8afy  (Seidig  1848),  fomie  ber  fct)on  ermäbnte  00 
2eb,rblan  gu  bergleicr)en.  9Ramentlicb,  geb,t  auS  legerem  b^erbor,  mit  melcf/er  SRüd^tern: 
^eit  er   bie  '^b.emata  gu  ben  beutfa)en  2luffä^en  mahlte. 

iym  3tnfd)Iu^  hieran  mögen  Hilmars  germaniftifcb,e  arbeiten  fomie  bie  tuerfyer  ge= 
b,örenben  ©driften  für  ben  SrciS  ber  ©ebilbeten  übertäubt  genannt,  freiliefe,  aueb  nur 
genannt  merben.  ©rftere  Veröffentlichungen  beioeifen,  ba§  ifym  bie  2lrbeit  ber  mobernen  55 
ffliffenfefeaft,  „baS  llare,  unjmeifell)afte  ©rfennen  ber  %i)at]ad}m  im  einzelnen,  bie  SJtettiobe 
beS  @rforfd)enS  ber  ©ingelfyeiten,  um  barauS  gu  teilen,  wenn  eS  fein  fann  311  ©liebern, 
toomöglitf)  ju  einem  ©anjen  ber  (SrfertntniS  gu  gelangen",  burcfjauS  befannt  unb  geläufig 
toar.  Sie  eingeb^enbfte  miffenfd)aftlid>e  Arbeit  bat  Hilmar  bem  §elianb  unb  bem 
Satirifer  ^ann  5'fcbart  jugemenbet,  ju  bem  itm  eine  innere  3Bab,lbermanbtfdaft  ftinjog.  60 


654  3StImar 

2lucb,  auf  biefem  ©ebiete  folgte  SStlntar  am  liebften  bem  tf»m  eigenen  braftifcfyen  $uge,  *>er 
Stiftung  auf  baS  Wirf  lieb,  e  Seben.  ©o  liefc  er  ftdb,  bewegen,  im  SBinter  1843  auf  44  23or= 
lefungen  über  bie  ©efcbjcfyte  ber  beutfcfjen  -Jcationallitteratur  bor  gemifcfytem  Greife  ju  galten. 
23on  bem  mit  fo  bielem  unb  anfyaltenbem  Seifall  aufgenommenen  33uct)e,  baS  auS  biefen  23or= 

5  lefungen  fyerborgeWacfyfen  ift,  urteilt  er  felbft,  eS  fei  Wof)l  baSjenige,  WaS  auS  feinem 
ganzen,  ungebrochenen,  bollen  unb  tiefften  Innern  fo  ganj  fyerborgegangen  fei,  wie  fonft 
leinet  feiner  ^Srobulte.  £)aS  Wie  bie  meiften  ber  folgenben  23eröffentlic|ungen  bei  R.  ©. 
©Iwert  in  Harburg  gebrückte  23ucb.  fyat  in  bem  3e*traum  öon  1845  bi§  1905  26  2tuf= 
lagen  erlebt;   bon  ber  22.  Stuflage  an  (1886)   fügte  2lbolf  ©tern  eine  gortfe^ung  bon 

10  ©oetfyeS  %o\>  biö  jur  ©egentoart  ^inju.  $ur  Ergänzung  bient  ber  bon  ^iberit  (1872) 
herausgegebene  Vortrag  über  „bie  ©enietoeriobe"  unb  baS  tief  embfunbene  „§anbbücfylein 
für  greunbe  beS  beutfcfyen  2ioIfSliebeS",  baS  Hilmar  im  SJÖinter  1866  fid^>  jtir  @rI)olung 
jum  ©mcf  borbereitete,  um,  wie  er  fagte,  WenigftenS  auf  ©tunben,  auf  %a$e  ber  quälen= 
ben  ©ebanfen  an  baS  @ntfe|en  ber  geit  überhoben  gu  fein  (3.  Auflage  1886).  @benfaff§ 

ib  au§  Vorträgen  entftanben  ift  baS  föftücfye  Suchern  über  „©oetfyeS  %af\o"  @ranl= 
fürt  a.  SR.  1869),  WeldjeS  in  baS  tieffte  23erftänbmS  beS  SDicfyterS  einführt,  Wie  anberer= 
fetiS  bie  „jum  SSerftänbniffe  ©oetfyeS",  mSbefonbere  beS  §auft  gehaltenen  Vorträge  bon 
Dr.  Dtto  SSilmar,  ju  Welchen  ber  3Sater  bie  23orrebe  fc^reiben  mufcte,  ba  ber  u)m  fo 
äljmlicfye,    bielberfprecfyenbe  ©ofyn,   (%mnafiaüel)rer  ju  §anau,    am  SUJorgen  beS  $ar= 

20  freitags  1860  im  32.  SebenSjafyre  entfcfylafen  War  (5.  2luflage  1900).  @ine  Weitere 
fcfyätjbare  (Ergänzung  gur  Sitteraturgefcfjicfyte  bieten  bie  „SebenSbilber  beutfcfyer  Siebter", 
1869  bon  ^iberit  unb  1886  bon  Mai  $odb,  in  bermefyrter  2luflage  herausgegeben,  ©ie 
finb  ebenfo  Wie  bie  23iograbb,ien  bon  „Cutter,  iBcelancfytfyon  (unb  gwingli)"  (gran!= 
fürt  a.  9R.  1869)  ein  2tbbruec  bon  2Irtifeln,  reelle  Hilmar  für  baS  ©taatS=  unb  @efelt= 

25  fc^aftSlejifon  bon  ^ermann  Söagener  (23  23änbe,  23erlin  1859—1867)  getrieben  b,at. 
(Sine  Weitere  Steige  bon  ebenfo  fdjätjbaren  2lrtifeln  I)arrt  noeb,  beS  SöieberabbrudeS.  $cb, 
nenne  bie  anonym  gefcfyrtebenen  2luffät$e:  Slbenbma^lSftreit,  Aberglaube,  Abgötterei, 
Slmöneburg,  2tboIogie  ber  21.  $.,  2lugSburger  $onf. ,  b.  23aumbac£),  iöafyrfyoffer,  S3icfeII, 
ßaffel,    ßafuiftif,    6b,riftentum,  ©biffobalfr/ftem ,  @rbauungSfd)riften,  (Sbangel.  Äonfeffion, 

30  ©efangbücfyer ,  §affenbflua,  §eilig,  ^eiliger  ©eift,  §eilSorbnung,  Reffen  (33b  IX,  ©.  383 
bis  395),  Hierarchie,  Üe^er,  Maria,  Butter  ^efu,  SDtyftif,  Reanber,  SRifcfö,  ^atofttum, 
^ßrieftertum,  ^3urgatorium,  sJlommeI,  3tofen!reujer,  ©t)noba(berfaffung  (1869  jugranf= 
fürt  a.Ti.  befonberS  gebrueft),  ^errttoria(t)ftem,  XertuHian,  Xfyeofobfyie.  ®er  für  baS 
SBagenerfc^e  Serjfon    gefdjrtebene    2lrti!el  über  B^^Ö^  würbe  nicfyt  aufgenommen,  aber 

3-,  bon  ^piberit  herausgegeben.  2lnf)angStoeifc  fei  I?ier  nodg  auf  baS  „beutfe^e  9?amenbütf)= 
lein"  (®ie  ©ntfte^ung  unb  Sebeutung  ber  beutfdjen  Familiennamen,  6.  Sluflage  1898)  unb 
auf  bie  SBieberb,  erauSgabe  ber  iRmberfcfyrtft  bon  $.  21.  6.  Söf)r,  Heine  Klaubereien  (3  53bc^., 
2.  Sluflage  1865)  aufmerrfam  gemacht. 

Slucb,  baS  bon  3Silmar  aufgefunbene  „2llSfelber  ^affionSfbiel",  bon  bem  er  in  §aubtS 

40  Seitfcfyrift  für  beutfcb,eS  2lltertum  1843  (III,  ©.  477—518)  Mitteilungen  machte,  fann 
b,ier  nur  ertüäb,nt  Werben,  ^acb,  einer  ^anbfe^rift  auS  bem  ^acfylaffe  3SilmarS  b,at 
Dr.  21.  grefybe  in  5ßard9tm  ein  altes  SBeilmacfytSfbiel  ins  ^eu^ocpbeutfctje  übertragen 
unb  Veröffentlicht  (3^  39.  23b,  ©otl>a  1869,  ©.  575—604).  Muftergiltig  für  eine 
bolfstümlicfye,  gefunb=lritifo)e,  ebangelifcb.e  23efyanblung  echter,  mittelalterlicl)er  Heiligenleben 

■15  ift  bie  2lbfyanblung  ,,©ie  ^1.  ©lifabetfy.  ©li^e  auS  bem  c^riftltdEjen  Seben  beS  13.  ^ab,r= 
b,unbertS  bon  21.  %.  6.  23ilmar",  juerft  (anonym)  in  §engftenbergS  @bangelifcf)er  Hirdjen= 
jeitung  1842  erfcb,ienen  unb  bann  bon  D.  SBilfenS  in  üalfSburg  befonberS  herausgegeben 
(©üterSlob,  1895). 

Dtuffen    Wir  uns  ^ier  begnügen,  bie  Seiftungen  23ilmarS  auf  einem  ©ebiete,    auf 

60  Welchem  ib,m  allgemein  bolle  9tteifterfcr;aft  jugeftanben  Wirb,  nur  flüchtig  angegeben  ju 
b,aben,  fo  finb  um  fo  naa^brücflic^er  bie  23erbienfte  ^erborjub^eben,  bie  er  fiefy  um  richtige 
©eftaltung  beS  Religionsunterrichtes  in  ben  ©bmnafien  erworben  b,at.  2luf  ©runblage 
eigener  Erfahrungen  b,at  er  im  ^ab,re  1841  in  £>engftenbergS  @b.  $$.  in  einer  9tei|e 
bon    2lrtifeln    (3lx.  2—8,    ©.  10—62)    umfaffenbe    SSorfdgläge    beröff entließt,    Wie   im 

55  ©inflang  mit  bem  23eruf  ber  ©^mnafien,  cb,riftlicb,e  güb,rer  beS  23ollS  ju  erjieb,en,  ber 
9teligionSunterricl)t  firö^licb.en  6b,arafter  gewinnen  unb  Wie  er  bie  ©r^ielrnng  für  bie 
Hircfye  im  2tuge  behalten  muffe.  Um  bie  2trtifel  allen  9ieligionSleb,rem  gugänglicb,  ^u 
machen,  b,at  ber  Unterzeichnete  eine  mit  Seiträgen  bon  ftarl  Subwig  "Stoüj  unb  2ln= 
merlungen  bermeb,rte  ©onberauSgabe  beranftaltet  (21.  %.  (S.  23ilmar,    Über   ben   eban= 

co  gelifd)en  Religionsunterricht  in  ben  ©timnafien,  Harburg  1888). 


mmat  655 

$>ie  Betonung  ber  göttlichen  §eiI<ogefcr;icr;te  in  ber  ©d)rift  beä  2t  unb  91X3,  bic 
ÜBilmar  ^ur  ©runblage  be§  gefamten  Unterrichte  gemalt  feiert  miß,  erinnert  an  t>.  £of= 
manne  ©ct/rifttfyeologte.  Hilmar  unb  V.  £ofmann,  Welche  $rofeffor  ©rau  in  Königsberg 
in  ben  erWäfmten  „(Erinnerungen"  (1879)  aU  „jWei  ber  geWalttgften  geugen  ber  lutf)e= 
rtfcr/en  Kirche  be<§  19.  ^afyrfyunbertg"  rtebenetnanber  geftetlt  fmt,  fwben  gleichzeitig  unb  5 
unabhängig  r-oneinanber  ftdj  bemüht,  ben  $nlj>alt  ber  fyl.  ©dmft  als  eine  jWifcfyen  ©ott 
unb  ber  3Jtcnfd^eit  fiel)  begebenbe  ©efcfnd)te  bar^ulegen  —  §ofmann  mit  fr/ftemattfteren= 
bem  ©etfte,  Hilmar  in  ber  itm  fenn^tc^nenben  praftifd)en  SBetfe.  @r  hoffte,  bie  ©t)m= 
nafien  mürben  ben  notmenbigen  gortjdjritt  ju  lircfylidjier  ©ntfdnebenfyeit  bolljtefyen,  unb 
ebenfo  Wollte  er  bie  ganje  £anbe§fircr)e  feiner  §eimat  au?  ber  §albf)eit  unb  23erWorren=  w 
fyxt  ibjer  tnftorifdjen  guftänbe  f>erau§  ju  ber  Klarheit  unb  ©ntfcfyiebenfyeit  eines"  beraubten 
Iutl)erif$en  KonfefftonSfianbes1  emporfübjen.  ©o  erfef/eint  Hilmare  Söirfen  in  ber  ©djule 
borbilblicf;  für  fein  2öirlen  in  ber  Kirche,  ja  cS  ift  felbft  fcfyon  ein  Steil  feiner  fircr/ltdten 
2ßtrlfamfeit  unb  nur  burdi  ben  Ort,  an  bem  e£  ftd)  Vollzog,  Von  ber  im  folgenben  2lb= 
fdmitt  ^u  fcr/Ubernben  SBirffamfeit  toerfd)ieben.  15 

2Mig  flar  Wirb  biefer  enge  gufammenfyang,  mm  mir  an  bie  junäcfeji  burd;  ba§ 
üBebürfnig  be§  ©r/tnnafium§  hervorgerufene  UluSgabe  eines  „fleinen  eVangeltfdjen  ©efang= 
bua)es"  erinnern  (Harburg  1838,  2.  Auflage  1860).  SBümar  trat  mit  biefem  Sudlern 
ein  „in  ben  Kampf  gegen  bie  rolje  UnWiffenfyeit,  ben  faben  Ungefd^mad  unb  ben  blinben 
Unglauben,  burd)  meiere  ba<§  33olf  am  @nbe  be3  18.  ^afyrfyunbertS  fein«  Kird)en=  20 
lieber  unb  Kirdjenmelobien  beraubt  Worben  mar"  @r  ftcllte  137  Kernlieber  in  mögticfyft 
treuer  alter  gorm  jufammen,  Verfal)  fie  mit  ben  alten  SRelobien  unb  orbnete  bie 
lieber  ftreng  „nacr)  ben  fird)licr/en  %ai)u§%eitm" .  älufcerbem  nal)m  Hilmar  an  bem 
Kampfe  für  bie  alten  ©efangbüdjer  teil  burd?  verfef/iebene  2tuffätse  in  ber  @v.  K.3. 
(1839—1843),  fo  namentlich  1839  burd)  eine  fyeute  nod;  lefenSWerte  SBefprednmg  25 
ber  (Stierten  ,,©efangbud)§not";  enblid;  burd;  bie  fd)on  ermähnten  2lrti!el  über„©efang= 
bücfyer"  unb  „Kircf/enlieb"  Stud;  an  ber  ÜRebaftion  bes"  Don  ber  beutfcfyen  eVangeltfcfyen 
KirdOenfonfereng  in  ©ifenad)  Veranftalteten  „beutfdjen  evangelifd)en  Kircf/engefangbudjeS  in 
150  Kernliebern"  (Stuttgart,  ßotta  1855  unb  1871)  f)atte  er  einen  bebeutenben  Slnteil. 
2)ie  r)erVorragenben  SBerbtenfte  Hilmare  um  „bie  3teftauration  be§  eVangelifdjen  Kird;en=  30 
liebe«?"  finb  Von  bem  ©cfyulbireftor  a.  *£>.  Sßr;tlipp  SDtets  in  bem  unter  biefem  Xitel  er= 
ftt)ienenen  umfaffenben  Söerfe  (Harburg  1903)  gefcfyilbert  werben,  nac^bem  bon  bem 
gleichen  Slutor  jubor  fc^on  „Hilmar  als*  ^^mnolog"  unter  ßufammenftellung  fetner 
l^auptfäcbjicbjten  2etftungen  auf  fjtjmnologifdjem  ©ebiet  geroürbigt  toorben  War  (9JJar= 
bürg  1899).  „  35 

®ie  jule|t  ge[d)ilberte  ^ätigfeit  i)at  un§  ben  Übergang  Vermittelt  gu 

2.  3StImar§  3öirlen  in  ber  Kirche.  %ti)  beginne  biefen  Slbfdjmtt,  inbem  id;  bie 
©runbanfcfyauung  3Silmar§  bon  ber  ©ejd;id;te  ber  Kirche  !urj  geic()ne,  ba  fie  für  fein  firefe,  lic^eö 
SBirfen  foroof)!  al$  für  bie  Beurteilung  beSfelben  al§  ma^gebenb  bejeicb,net  Werben  mu§. 
3d)  entnehme  bie  ©runblinien  biefer  gäcfmung  ber  ©cf/ulrebe  „bon  ber  3»funft  ber  Kirche"  40 
(1847)  unb  bem  1850  gefd)riebenen  Slufja^  „SDie  ^u!unft  be3  e^riftentumg"  (abgebrudt 
in  ber  ©ammlung  „gur  neueften  Kulturgefd^id^te  SDeutfc^lanbg",  granffurt  a.  SDi.  1858, 
2.  Seil,  ©.  165  ff.). 

2>n  bem  §erm'3efu3  6l)riftu§  ift  bie  güUe  ber  göttlichen  ©nabe  unb  2Ba^rb,eit 
leibhaftig  erfdjienen.  älufgabe  beö  burd)  ilm  neugefd;affenen  9Jtenfd}engejcb,Ied;te§  ift,  ben  45 
gefamten  Qn^alt  biefer  Offenbarung  nad;  unb  nad;  in  beftimmter  Drbnung  unter  Seitung 
be§  b,I.  ©eifte§  au§jufd)ö»fen  unb  nacb,juerleben  unb  baburd)  ber  Söieberfunft  beö  §errn 
entgegenjureifen.  Unter  biefem  ©efid^t§ipun!t  verfällt  bie  Kircr/engefd>tcf;te  in  fieben  ^erioben, 
innerhalb  beren  ber  §err  burd;  feinen  ©eift  bie  fieben  ©tegel  be§  @t>angelium§  öffnet. 
^as  erfte  ©iegel,  Welches"  ber  ß^rtften^eit  geöffnet  Würbe,  War  bie  @rfenntni3  ©otte«B  be3  50 
3Sater§,  Weldje  wä^renb  ber  erften  brei  Qar/rfyunberte  in  ben  Kämpfen  mit  ber  f/eibnifd;en 
Vielgötterei,  mit  ben  Parteien  unb  ©eften  ber  ©noftifer  al§  unberlierbare§  ©igentum  ge= 
toonnen  Würbe.  ®amit  War  bie  cfyriftlkfye  ©emeinbe  befähigt,  bajj  if)r  im  näd)ften  ^a|r= 
liunbert  nad)einanber  ba^  jWeite  unb  britte  ©iegel,  bie  3Bal)ri)eit  Von  ber  ©ottfyeit  be§ 
©of^neg  unb  ©eifte§,  eröffnet  Werben  unb  fie  bie  geugniffe  biefer  (Srlebniffe  nad;  bem  55 
ferneren  Kampfe  gegen  bie  Strianer  auf  bie  c^riftttc^e  9^ad)Welt  Vererben  fonnte.  2)ann 
folgte  fcb,nell  (im  ©treit  Wiber  bie  ^Jeftorianer  unb  2J?onopr/r/ftten)  bie  je^t  erft  möglieb, 
geworbene  boUftänbige  unb  bewußte  @r!enntni§  beö  §errn  ^efu  ßf^rifti  als  Wahren  ©otteö 
unb  Wahren  SDJenfcfyen  gugleidt;.  Um  biefelbe  3^it  Würbe  auef;  ber  ©t)riftenf)eit  ber  letjte 
unb  tieffte  ©cfjeibepunft  toon  altem  §eibentum,  bie  Xiefe  ber  ©ünbe  unb  ber  ©nabe,  ba3  60 


656  2?Umar 

©efyeimniS  ber  33uf$e  unb  Sefeljrung,  ber  2Beg  ber  Gürlöfung  unb  bte  Drbnung  beS  £>eilS 
aufgefcbloffen.  Qux  @rfd;öbfung  unb  §um  boUen  ©unlieben  biefer  ©bi|e  unb  33lüte 
alter  Sefyre  ber  fyl.  ©dirift  gab  ber  §err  jebocr)  ber  Gljriftenfyeit  ein  botteS  3a^rtfluf^^; 
benn  WaS  ber  üircfyenbater  SlugufttnuS  im  5.  ^a^rl^unbert  Begann,  baS  gte^t  ftd)  burd; 
5  alle  folgenben  ^afjrfmnberte  als  bte  Aufgabe  beS  SebenS  ber  ßfyriftenWelt  t)in  unb  Würbe 
erft  in  ber  Deformation  beS  16.  ^afyrtmnbertS  in  ber  ebangelifcfyen  Kirdje  burd)  Sutber 
boltenbet  (bgl.  bte  Bor  treffliche  SBürbigung  SutljerS  bon  uniberfaWircfylictjem  ©tanbbuntte 
in  bem  fdjon  genannten  StrtiM  33tlmarS,  ber  1883  in  ©üterSlot)  in  ©ebaratbrud  er= 
fdjienen  ift). 

10  ©egenWärtig  fielen  mir  am  Stnfang  einer  neuen  3eit;  baS  fecfyfte  ©iegel  ift  ju 
löfen :  baS  bon  ber  $ird)e.  SDie  Stufgabe  ber  näcfyften  unb  ferneren  gufuhf *  befielt  barin, 
bon  ber  jetjt  borfyanbenen,  afynenben  ©rfenntnis  bon  ber  Kircfye  borjubringen  gu  einem 
freubigen  unb  geWiffen,  mit  jubetnber  3uberfid)t  borgetragenen  Zeugnis  »i,Dn  i>et  @in= 
§ett  unb  @inerleif)eit  ber  ficfytbaren,   äußeren  unb  ber  unfict/tbaren,   inneren  Kirdjie;   bon 

15  ber  ©emeinfdjaft  ber  fettigen,  Welche  einen  Seib  t)at  auf  (Srben,  als  ein  23orbiIb  bon 
bem  SHrdjenleibe  ber  SSerllärung,  bem  neuen  3>erufdem"  (a.  a.  0.  ©.  185).  @rft  nad; 
biefem  (SrlebniS  ber  @fyriftenr;eit  wirb  bie  £et»re  bon  ben  legten  fingen,  bon  ber  3Bieber= 
fünft  beS  §errn  jum  ©erid)t  unb  bom  ewigen  Seben  aufgefcfytoffen  werben.  „SSorläufig 
lann  fein  ©inniger  unter  ben  jetjt  Sebenben    mit   nur  annät/ernber  33efiimmtt)eit  fagen, 

20  WaS  baS  SJiittennium  fei  ober  WaS  es  nid)t  fei"  (ipafioraltr/eologifdje  SBIätter  V,  15,  1868). 

StuS  fo  beftimmter,  •■RidjtigeS  Wie  ©eWagteS   mit  gleicher  Perobt/orie  umfbannenber 

Slnfdjiauung  ergaben  fid)  für  3?itmar  jWei  Stufgaben,    beren  £öfung  er   mit  ber  ganzen 

SBudjt  feine<§  berfönlidjen  unb  amtlichen  ©influffeS  betrieb,  um  bie  r)efftfd)e  $ird)e  auf  bie 

§öfye  ber  fircfyengefcfjtcfjtlidjen  ©egenWart  ju  fyeben.   SDie  eine  Stufgabe  bejog  fid)  auf  ben 

25  SBefenntniSftanb  ber  fyefftfcfyen  Kirche.  Söenn  bie  gufunft  °er  Kitcfye  übertäubt  an  baS 
treue  $eftf)alten  ber  bereits  firdjltd)  erlebten  ^etlStfyatfadjen  gebunben  ift,  fo  r)at  eine 
SanbeSfircfye  infonbertjett  nur  bann  teil  an  foId)er  gufunft,  Wenn  fie  mit  unberrüdbarer 
Xreue  auf  ben  SBetenntniffen  ber  Kircfye,  bom  Slboftolifum  an  bis  gur  unberänberten 
Stuguftana,  fteb)t;    benn   in  biefen  Söefenntmffen   f)at  eben  bie  Ktrcfye   t£)re  Erfahrungen 

30  niebergelegt.  Stuf  ben  s)?act)WetS  nun,  bafj  baS  SBefenntmS  ber  fog.  niebert)effifd;=refor= 
mierten  Kirche  bie  Augustana  invariata  fei,  unb  bafj  fie  unbeWeglid;  auf  biefem  33e= 
fcnntniSgrunbe  flehen  bleiben  muffe,  t)at  33ilmar  eine  ungeheure  Strbeit  berWenbet.  ®aS  ift 
bie  eine  ©eite  feiner  fircf)licf;en  SEfyätigfeit.  ®ie  anbere  ©eite  ift  fein  entfd)iebeneS  (Eintreten 
für  bie  greifet  ber  £ircf;e.    Sr   faf)  ein,   bafe,   Wenn  baS   neue  (Erlebnis,   ju   bem   bie 

35  Sf)riftenf)eit  berufen  fei,  ©eftalt  gewinnen  folle  in  ber  $ird)e,  biefelbe  frei  Werben  muffe 
bon  fremben,  ifyre  (Sntwidelung  b/emmenben  ©ewalten.  StlS  fold)e  erlannte  er  ben  unter 
geänderten  3^itberf)ältniffen  immer  mebr  bem  ®ienfte  ber  fircfyenfeinblicfyen  2Bettmad;t 
berfallenben  ©ummebiftobat  ber  Sanbesfürften  unb  bie  unter  ber  gorm  ber  ©t;nobal=  unb 
^3reSb^teriaIberfaffung  in  bie  Hirct)e  einbringenbe  2öi(lfürl)errfd)aft  ber  ungläubigen  SJkffen. 

40  ©egen  betbe  ©eWalten  Wanbte  er  fid;  mit  feinem  ßmgms  bom  geifttid;en  Slmte,  Welkem 
um  ber  ib^m  bon  6l>riftu§  übertragenen  Munitionen  Witten  bie  Regierung  ber  Äircf)e,  bie= 
fctbe  als  ©emeinfct/aft  gefafet,  allein  §uftet)e. 

©ie  einzelnen  Slbfd>nitte  biefer  tird)Iid)en  Xl)ätigleit    tonnen    t)ier  nur  als  Äabitel= 
überfd)riftcn  genannt  Werben,    guerft  ift  ju   erwähnen  3SitmarS  Sleilnafyme  an  bem  fog. 

45  „f)efftfd)en  ©^mbolftreit"  im  ^ab^re  1839.  @s  War  burd}  eine  mit  ber  DeberSformet  ber 
an^uftetlenben  Pfarrer  borgenommene  33eränberung  bie  SBefeitigung  ber  ©ettung  ber 
StugSb.  ^onfeffion  angebahnt.  Sin  bem  Hambf  für  bie  botle  SxecfytSbefiänbigleit  ber 
StugSb.  Honfeffion,  ben  in  erfter  Sinte  ber  Dberabbetlationsgertcfytsrat  S3tcfeDt  führte,  be= 
teitigte  fid?  3Sttmar  mit  ber  etnfd>neibenben  ©ct/rift:   „®aS  Serb^ältniS  ber  ebangelifd^en 

5oIirc|e  in  ^ur^effen  ju  ifiren  neueften  ©egnern"  (Harburg  1839).  Unb  als  in  ben 
fündiger  %at)xm  bie  f)effifcf/e  £ated)iSmuS=  unb  Sietenntnisfrage  baburcf)  in  ein  neues 
©tabium  trat,  baf?  §unäd}ft  ^rofeffor  §einrid;  §ebbe  (bgt.  33b  VII  ©.  688, 45  ff.)  in  ber 
©cf)rift  „®ie  fonfeffionelte  @ntwidelung  ber  t)effifd)en  ^ird}e"  (granffurt  a.  9JI.  1853) 
für  bas  „gute  9ted}t  ber  reformierten  J^ird)e  in  äurkffen"   eintrat   unb   bann   bie   tI)eo= 

55  logifd)e  gafultät  in  Harburg  in  einem  „amtlichen  ©utaditen"  ('IRarburg  1855)  ben  ©e= 
brauet)  beS  ^eibetberger  ^ated)iSmuS  in  ben  ©deuten,  unb  jWar  feinem  ganjen  3"^^e 
nad),  als  buret;  baS  bofitibe  £urt)effifct)e  ^trd;enred;t  erforbert  b^inftetlte  unb  bie  in  bem 
t)efftfcr)en  Katechismus  bargelegte  Setjre  als  reformiert  beseietmete,  fe|te  S3ttmar  biefem 
©uralten  junäd)ft  ein  Wo|tbegrünbeteS  „Sebenfen"  (Berlin  1856;  bgl.  aud;  bte  ©djrift 

go  „®a§  Iutf)erifct)e  SefenntniS  in  Dberl»effen",  Harburg  1858)   gegenüber   unb   trat   bann 


Hilmar  657 

in  feiner  „©efdjücfyte  bei  Konfeffioniftanbei  ber  ebangelifcfyen  Äircfye  in  Reffen"  r))iat= 
bürg  1860,  2.  bermel)rte  2tuigabc  granffurt  a.  9Jt.  1868)  in  grünblicbjter  Söeife  ben 
gefd;id;tlid;en  33eWeü  bafür  an,  baft  bie  nieberfyeffifdje  ®ird;e  ben  tarnen  einer  refor= 
mierten  ^ird^e  nicfyt  Wegen  ber  in  ü)r  giltigen  £el)re,  fonbern  lebiglicb,  Wegen  ber  burd)  bie 
fog.  i'erbefferungipuni'te  bei  Sanbgrafen  Sftoritj  it)r  im  %al)x  1605  aufgebrungenen  5Mtui=  5 
formen  trage.  ®ie  Sefyre  fei  nad)  ber  Norma  docendi  in  ber  ^teformationiorbnung  unb 
Äonfiftorialorbnung  bom  $af)re  1610,  foWie  nad;  ber  Äircfyenorbnung  bon  1657  un= 
jWeifelfjaft  lutfyerifd;;  nur  bieg  fei  zuzugeben,  baf?  fie,  weil  nicfyt  in  bie  J?onforbienfcrmcl 
auilaufenb,  ali  eine  ber  reformierten  2el)re  nid}t  mit  einem  damnant,  fonbern  nur  mit 
einem  improbant  gegenüberftel)enbe  Sefyre  bejeidmet  Werben  fönne,  unb  bafj  bie  ifieo=  io 
logie  in  §effen=$affel  Wäfyrenb  ber  legten  jWei  drittel  bei  17  ^^"nkertS  in  fd;neiben= 
bem  2Stberfbrud>  mit  ber  fird)lid)en  Sefyre  ftreng  bröbeftmattanifd)  reformiert  geWefen  fei. 
So  nafym  bie  nieberfyeffifdje  ®ird)e  immerhin  einen  mfularen  ©ianbbunft  unter  ben 
beutfdjen  $ird)enrorbem  ein.  33ilmar  be§Vt>eifeItc,  ob  ei,  Wenn  man  ben  Sfyarafter  bei 
Scbwanfeni  jtoifd^en  tarnen  unb  SSefenntnü  beibehalte,  ber  nieberfyeffifdjen  föircfye  mbglid)  15 
fein  Werbe,  bai,  tüaö  fie  I)abe,  unbcrfefyrt  unb  unberfürjt  auf  bie  fbäteren  ©efcfylecfyter  ju 
übertragen.  SDarum  forberte  er  in  ber  mit  ungeWöfmlicfyem  Sorblid  in  bie  gulunft  ge= 
fcfyriebenen  ©cfyrift  „Sie  ©egenWart  unb  bie  ^""ft  oer  nieberfyeffifcfyen  $ird)e"  (9ftar= 
bürg  1867)  in  fcfyarfem  ©egenfa^  gegen  eine  bem  l;effifd;en  ütrd)en=^]arti!ulari§mug  aU= 
jufefjr  anfyangenbe  Stiftung  bringenb  ba^u  auf,  ben  Äatnbf  Wiber  bie  brofyenbc  Union  20 
nicfyt  auf  bie  Unberänberli<|feit  ber  Sltrdjenorbnungen  &u  (teilen,  fonbern  biefen  ßambf 
mit  ber  ftärfften  ^Betonung  bei  lut§erifd;en  Sefenntniffei  unb  öefenntmirecfytei  ju  be= 
ginnen.  SDafs  man  biefen  §iat  33ilmari  fo  gar  wenig  beachtet  fyat,  ift  berfyängnüboll  für 
ben  fyefftfcfyen  ßirdjenfambf  geworben;  unb  gerabeju  tragifd)  ift  ei,  bafj  bie  f)effifd)=barti= 
Mariftifdje  ©rubbe  ber  Renitenten  Don  bem  jüngeren  Sruber  33ilmari,  bem  sIRelfunger  20 
$RetroboIitan  %aiob  Söilfyelm  ©eorg  Hilmar,  einer  iperfönlicfyfeit  bon  gewaltiger  ^otefiät, 
geführt  werben  ift.  Über  bie  ©efdncfyie  ber  renitenten  Äircfye  9Rieberl)effeni  »gl.  23b  XII 
©.  1  ju  d  unb  ©.  13—15. 

^n  ber  eben  genannten  ©cfyrift  bom  $ab,re  1867  nalnn  SSilmar  nod;  einmal  t<m 
Hiambf  auf  Wiber  bie  £el)re  Dorn  ©unimebiftobat  ber  Sanbeifyerren.  ,,2Öie  ift  ei  einer  30 
$ird;e  möglid),  fragt  er,  fid;  bei  einer  Sfcnberung  bei  bolitifdjen  33efi§ei  Wie  einen  Sali 
aui  einer  §anb  in  bie  anbere  Werfen  ju  laffenV"  (©.  34).  33ilmar  erneuerte  in  ber 
J)rinjitoiellen  Slblelmung  bei  lanbeifürftltd)en  ©umme^iflo^ati,  ben  er  in  birettem  2öibcr= 
f^rud}  mit  ber  2tug§b.  ^onfeffion  (Prolog,  2lrtifel  28,  ©pilog)  fanb,  bai  am  14.  $ebruar 
1849  ju  ^eiberg  auf  einer  allgemeinen  £onferenj  bon  9JZitgliebem  unb  greunben  ber  35 
fyefftfcfyen  ßird}e  ju  einer  3«it  abgelegte  .geugnü,  ali  bie  beutfd>en  ©runbredtjte  ben  Staat 
für  religioniloi  erflärt  Ratten  unb  bie  @ntfd}lie|ungen  ber  Sanbeib,erren  an  bie  ^uftimmung 
ber  fonftitutioneKen  3Jünifier  gebunben  werben  waren,  ^d}  berWeife  auf  bai  ^eiberger  Ife= 
moranbum  (Gaffel  1849),  bai  bie  Übergabe  bei  ®ird)enregimenti  an  bai  geiftlidje  31  mt, 
refb.  an  bie  ©uberintenbenten  unb  ^nfbeltoren  erftrebte,  unb  §teE>e,  um  bie  2lmtilebre  40 
SSilmari  lurj  ju  jeid)nen,  nur  folgenbe  ©teile  aui.  „Waty  bem  ju  Stecht  befteb,enben 
©runbbe!enntnü  unferer  Üird)e  Wirb  bie  geiftlidje  ©eWalt  ali  bom  §errn  ber  $ird>e  ben 
33ifcb,öfen  unb  Pfarrern  berlie^cn  angefe^en.  ^RaB  ber  §err  an  ©nabengütern  feiner  ©e= 
meinbe  auf  @rben  gegeben  b,at,  fyat  er  jur  Verwaltung  in  beren  §änbe  übergeben,  bamit 
fie  mit  £>ilfe  beffen  bie  ib,nen  anbertraute  ©eelforge  auä)  Wirlfam  auiguübcn  bermögen.  40 
©tnb  nun  biefe  Sefugniffe  aud}  nur  mit  i^rem  2lmte,  nid;t  mit  i^rcr  -^erfon  berbunben 
unb  bilben  fie  eben  beib,alb  aud}  leinen  bon  ber  übrigen  ©emeinbe  abfolut  gefonberten 
©tanb,  feinen  Älerui  im  römtfdj^at^olifdjen  ©inne  bei  Sßortei,  fo  l)aben  fie  bod;  emft= 
lid)  barüber  gu  Wad;en,  ba^  bie  i^nen  bon  ©ott  mit  il)rem  3lmte  gegebenen  Steckte  unb 
Sefugniffe  if>nen  nid}t  Wißfürlid)  gefd;mälert  unb  entzogen  Werben  .  2lu§  ben  Ieben=  50 
bigen  ©liebem  unferer  ^fqrrgemeinben  follen  nad}  ber  3tbfid)t  unferer  baterlänbifdjen 
$reibr/teriatorbnungen  bie  ätlteften  Verborgenen,  Welche  berufen  finb,  i^rem  Pfarrer  treue 
©cb,ilfen  in  ber  ©eelforge  ju  Werben,  unb  infofern  an  feinem  2lmte  unb  feinen  23efug= 
niffen  teilnehmen,  fo  bafe  aud;  beren  Sfted) te  alfo  nid;t  etwa  aui  ben  Urredjten  ber  ©emeinben, 
fonbern  aui  bem  bifd)öflid;en  Slmte  ber  Pfarrer  abzuleiten  finb"  (©.  17  u.  18  bei  ^umtormu  55 
bumi).  ©0  trat  3Silmar  im  ©egenfa^  jum  Weltlichen  ©ummebiffobat  für  ein  geiftlid)= 
bifd;öflid}ei  ^ird;enregiment  in  bie  ©d)ranlen,  befürchtete  aber,  baft  bie  SSerfaffungifrage 
in  näherer  ober  fernerer  ßufunft  bie  ebangelifd)c  Sf>riftenl)eit  in  jWei  fdjarf  boneinanber 
gefdnebene  Sager  teilen  Werbe.  ®cnn  überaß  ba,  Wo  bai  geiftlic|e  2tmt  nur  ali  ein  bon 
ber  ©emeinbe  reffortierenber  Auftrag  gelte,  ali  ein  2tmt,   Welches  bie  ©enuinbc  aui  fid;  60 

9!eaI=(S«ct)Hot)äbte  ffit  SE&eoroQie  unb  Äirifte.    3.  Sä.  XX.  40 


658  Hilmar 

felbft  beraub  feije,   ba  fei  bie  böllig  fonfequent  burcr)gefüfyrte  ^ßrcg£>l;tertal=  unb  ©rmobal= 
berfaffung  bte  noimenbige  unb  einjige  $orm  ber  $ird>enregierung. 

Dfme  grage  fyahm  auf  ba<§  3eugni§  Hilmars  bom  geiftlid)=bifcr)öflicr/en  $ird)en= 
regiment  bte  alten  Drbnungen  ber  fyeffifcben  $ird)e  einen  toefenilicfyen  Güinflufj  geübt. 
5  9?ad)  ber  ®ircr}enorbmmg  Dom  3>abre  1566  mar  ba<3  ©uberintenbentenamt  mit  faft 
bifcböflid)er  ©emalt  au§gerüftet.  Bon  ber  Bebeutung  ber  §anbauflegung  fann  man  nid)t 
naci)brüdlid)er  reben,  als  eS  eben  biefe  Slird;enorbnung  tlntt.  £>ie  au3  ben  Ktrd)en= 
orbnungen  bom  ^<4re  1566  unk  I573  hervorgegangene  llirdjenorbnung  Dom  12.  Quli 
1657  lann  in  einem  fünfte,  ber  Drbnung  ber  öffentltd^en  Seilte,  gerabeju  muftergiltig 

10  genannt  werben.  ®er  Sted^beftanb  biefer  Drbnung  mar  niemals,  aucb,  nid)t  in  ber  $eit 
be3  loigebunbenften  StationaliSmug,  erfd)üttert  morben.  Bilmar  benennt,  bafj  feine  3Ser= 
»altung  ber  ©uberintenbentur  Gaffel  bon  bem  einen  Bcftreben  geleitet  gemefen  fei,  ber 
^ird>enorbnung  bon  1657  ©ingang  in  ba<8  fird)lid)e  Seben  bei  Pfarrern  unb  ©emeinben 
gu  bereiten. 

15  Sie  bier  %af)xe  biefer  Bertoefung  (1851—1855)  muffen  als  bie  §öb^eit  im  Seben 
BilmarS  bekämet  merben.  @r  felbft  glaubte,  nun  enblict)  feinen  eigentlichen  Beruf  ge= 
funben  gu  baben.  2Ba<§  er  bisher  in  ©dmle  unb  ©taat  erftrebt  unb  erarbeitet  t)atte, 
tonnte  er  nun  im  innerften  Zentrum  be£  BolMebenä,  in  ber  Stirdjc,  befeftigen  unb  fo 
ben  Gürtrag  feiner  SebenSarbeii  für  bie  .S^unfx  fict)ern.    ©in  baar  2tnbeutungen  genügen, 

20  bieg  näb/er  ju  erläutern. 

lyn  ben  unmittelbar  borauggefyenben  ^at)ren  (1848—1850)  t)atte  Bilmar  eine  fyöcbjt 
einflußreiche  Sf)ätigfeit  auf  bolitifd)em  ©ebiete  entfaltet,  ©in  Wlaxm  bon  aIt=fonferbatiber 
©efinnung,  bem  Königtum  bei  beutfctjen  Bolt'es  unbebingt  ergeben,  ba§  er  in  einer  ala- 
bemifcl)en  geftrebe  (SKarburg  1857)  ju  bem  Königtum  bei  alten  SeftamenteS  in  parallele 

25  ftellte,  leiftete  er  nid)t  nur  feinem  Äurfürften  in  ferneren  Sagen  ben  miri'famften  Bei= 
ftanb  (bgl.  ben  Bericht  Bilmar§  über  bie  Verlegung  ber  Regierung  bon  Gaffel  nacb,  2BiI= 
r/elm£bab  12. — 17  ©ebtember  1850  in  9k.  167  ber  §eff.  Blätter),  fonbern  machte  aud; 
ben  bon  il)m  1848  begrünbeten  unb  big  @nbe  ^uni  1851  allein  rebigierten  „§effifci)en 
Bclfgfreunb"  jum  ©ammelblaij  ber  Sreuen  im  Sanbc,  unbeirrt   burct)   ben  £>afs  ber  Sie* 

so  bolutionäre,  ber  ilm  bafür  traf.  S)ie  2Iuffä£e  biefer  Leitung,  bon  benen  Bilmar  fbäter 
einen  Seil  unter  bem  Sitel:  $ur  neueften  ^ulturgefd)id}te  ©eutfcfylanbg,  3  Seile  (§ranf= 
fürt  a.  2ft.  1858  unb  1867)  fammelte,  b)aben  großenteils»  eine  mel)r  als  ;$eitgefd)icbtlid)e 
Bebeutung.  Bilmar  bemühte  fid;,  bie  inneren  ©runblagen  ber  Stebotution  aufzeigen 
unb   ?u  bcfämbfen.    3e  mer)r  er  aber  überzeugt  mar,  bafs  nur  bie  üird)e  unfer  Bolf 

35  bon  ber  embörerifd)en  Unjufriebenb,eit  unb  fclbftjerftörenben  Unruhe  ^u  ftilter  ©enügfam= 
leit  unb  fröl)lid;em  ©otte^fricben  fjin^ufüljren  bermöge,  befto  grbfser  muffte  feine  greube 
fein,  als  er  nun  in  fo  b/erborragenbem  Siegieramt  in  ben  ©taub  gefegt  mürbe,  auf  baö 
!irct)Iicf;c  Seben  cntfd;eibenb  einjutoirfen.  Unb  nod;  ein  anberer  ©efic^tlbunlt  beftätigt 
unfere  33eb,aubtung. 

40  Tlan  b,at  3Silmar  mit  "tRetyl  bei  §effenlanbeg  erften  Kenner  unb  ben  feurigften  33e= 
munberer  unb  33erfed)ter  aller  feiner  Altertümer  genannt  (Slugöb.  SlUg.  3c^iun9  1868> 
Seilage  222).  (BS  gab  feinen  grünblidjieren  Kenner  ber  fyeffifdjen  ©efd)id)te  als  tt)n :  bie 
„£)efftfd)e  Sfjronil"  (Harburg  1855)  ift  ein  beutlici)er  Setoeiu  bierfür.  (Unter  ben  Heineren 
Beiträgen  jur   b,effifd)en  ©efd)ict)te   berbient   ber   in  fix.  44  be§  §effifd}en  Üirc^enblatteö 

45bom  Qat)re  1861  erfd)tenene  2Irtilel  über  33artt)oIomäu§  Stiefeberg  @rmäb,nung.  Stiefeberg, 
bie  treucfte  $obie  Sutl;er§,  mie  ibn  bie  ^eitgenoffen  bejeidjnet  l;aben,  mar  ber  erfte  eban= 
gelifd)e  ^rebiger  in  Reffen,  tourbe  aber  nad;  lurjer  Söirffamfeit  in  3mment)aufen  am 
12.  ^uni  1523  bon  bem  bantalö  ber  Steformation  noct)  abgeneigten  Sanbgrafen  $l)ilibb 
gemaltfam  entfernt.)    ^cidtt  tot  lag  taS  reiche  2Biffen  Silmari  in  feinem  ©ebäd;tni§  — 

50  treuberjig  erjäblte  er  in  feinem  „fyeffifcfyen  ^iftorienbüc^Iein"  (Harburg  1842,  3.  Auflage 
1886)  alte  t)effifd)e  ©efd)id}ten  feinem  Sßolfe.  3öa§  mar  er  baneben  für  ein  58eobad;ter 
ber  ©egenmart!  SBeltlauf  unb  Söetter  —  „recb.t  berftanben  ein  unb  basfelbe  2)ing,  nur 
bon  ^mei  berfd}iebenen  ©eiten"  —  maren  ©egenftänbe  feiner  fortgefe^ten,  fd;arfen  Seobad;= 
tung;  er  beröffentlid)te  im  SSolföfreunb  (1851)  ein  „2öetterbüd;lein",   ba3   fiel)   auf  eine 

55  mebr  als  40jäbrige  Beobachtung  flutete  (6.  bermel)rte  Auflage  SRarburg  1903).  3afyr= 
geinte  binburd)  fammelte  er  am  Söortborrat  ber  t>effifdt)en  33oIlgfbract)e;  im  $at)re  1868 
lonnte  er  ein  nad)  ©d)meHer6  unerreichtem  5ßorbilbe  gearbeitete^  „^btotifon  bon  Kur= 
t)effen"  ben  ©bracb,freunben  borlegen  (Harburg  1868,  neue  'SliiSQaU  1883;  baju  „munb= 
artlidie  unb  ftammbeitlidje  9cad)träge   burd;   §ermann  bon  $fifter"  1886,  360  ©.  unb 

60  jmei  ©rgänjung^befte).  2luf§  eifrigftc  förberte  er,  aueb,  burd)  eigene  Beiträge,  bie  arbeiten 


beS  Sßeretng  für  fyeffifdjc  ©efdjidjte  unb  SanbeShtnbe.  Aber  unter  aßen  Altertümern,  bic 
er  bietätSboH  pflegte,  mar  ilmt  feines  enger  mit  bem  SScftanbc  beS  Sßolfe^  öerfnü^ft,  feines 
unentbehrlicher  für  eine  gebeifjlicfie  gufunft  ^  bie  f>effifd>e  Sürdjc.  ®eren  ©uberintem 
bentenamt  berroaltete  er  jefct. 

äßir  miffen,  meldte  giele  er  in  biefem  Amte  berfolgte.  Unb  mächtig  mar  bie  3Sir=  6 
fung,  meiere  Don  biefem  tebenbigen  Beugen  be§  §errn  ^efu  ßbjiftt  ausgegangen 
ift.  ©ein  Zeugnis  I)atte  ©etoalt  über  bie  ©eifter.  ®aS  ftellte  er  als  Aufgabe  ber 
9ßrebigt  b/in:  fie  follte  ein  bureb,  ©ebet  Vermitteltes  geugnis  fein,  beftimmt,  ben  einen 
ein  ©erud)  beS  SebenS  jum  Seben,  ben  anbern  ein  ©erueb,  beS  SEobeS  jum  Sobe 
311  fein  —  fäfyig,  bie  ©Reibung  ju  bemirfen  jtotfd^en  ®ird>e  unb  2Se(t.  So  r)at  10 
er  felbft  gebrebigt  —  mir  füllen  eS  ben  beröffentlid)ten  „^rebigten  unb  geiftlicfyen 
gteben"  (Warburg  1876)  ab,  bie  boeb,  gelefen  ber  5Jcad)t  ber  münbltd)en  5Rebe 
entbebren  muffen,  ©inige  biefer  $rebtgten  finb  an  WiffionSfeften  gehalten;  an  ber 
SBteberermedung  beS  WiffionsfinneS  in  §effen  fyatte  Hilmar  b,eröorragenben  Anteil,  ^n 
feinem  -Jiadbjaffe  finben  fieb,  bie  ©iSbofttionen  ber  Anfbracr/en  bei  'pfarretnfetjungen.  ÜJtit  15 
mad)tboHen  2Borten  betonte  er  bic  ,§aubtfad)en  im  geifilidjen  Amte.  @r  fbrad)  ettoa 
über  1  %\  1,  12  unb  bermanbelte  ben  ©a£  in  ein  ©ebet:  2)er  §err  ^efuS  ßfyriftuS 
madie  btdb  ftarl  (in  ber  @inftd)t  unb  im  SSillen)  unb  treu  (gegen  $I)n  unb  gegen  bie 
Öerbe),  auf  baf$  bu  r)ernaci)  ib,m  ban!en  fönneft.  ©eine  DrbinattonSreben  maren  un= 
bergepd).    SDic  lefcte  geiftlid>e  §anblung  mar  eine  Drbination  (am  20.  April  1855).       20 

®ie  Erfahrungen  bei  $ird;enbifitationen  gaben  bem  ©uberintenbenturbermefer 
itoanlafjung  ju  eingreifenben  amtlichen  AuSfcfyreiben.  ©ie  belogen  fieb,  (»gl.  baS 
©.  650, 18  angeführte  Buct)  ©rebeS)  auf  bie  ©eftaltung  beS  $onfirmanbenuntemd)tS,  auf  bie 
geiftlicfye  ©orge  für  bie  auswärtigen  ^Sfarrünber  (beibc  abgebrudt  im  §eff.  BolfSfreunb 
1852,  ")ir.  6—9  unb  1853  %lx.  11);  ferner  auf  bie  ßu^ffung  jum  $atenamt,  Unteres 
fagung  ber  !ircr;lid)en  £eicb,enbeftattung,  geiftlicb/e  Pflege  ber  ^reSbr/tericn,  Brauteramen 
unb  äb,nlict)e  gmeige  ^er  fbe^iellen  ©eelforge.  3)te  ©cr/äije  ber  fyeffifd>en  lUrcfyenorbnungen 
erftanben  auS  if/rem  ©rabe.  @S  geigte  fid),  maS  ein  Wann  bon  ber  IKegiergabe  unb  bem 
geugenmute  eines  Hilmar  jur  öebung  beS  lircb,Iicb,en  SebenS  einer  ganzen  ^iret/enbrobinj 
beitragen  lonnte.  „Wit  raftlofer  ©nergie,  mit  imbonierenber  ©eifteSgemalt  ift  er  in  alle  30 
2Bm!el  feiner  ®iöcefe  eingedrungen  unb  fyat  in  bem  ^aftorat  eine  Deformation  bemirft, 
mie  fie  in  fo  furjer  $rift  laum  anberSmo  ju  ftanbe  gelommen"  (§engftenberg  im  Bor= 
mort  ber  @b.  £3.  1869,  ©.  88). 

9cad)  bem  ^obe  beS  ©uperintenbenten  ©rnft  mürbe  Hilmar  bom  „©^nobuS"  ber 
Pfarrer  mit  110  bon  124  ©timmen  ju  feinem  Amtsnachfolger  gemäf)lt.  S)te  2öaf)l  35 
unterlag  ber  Seftätigung  beS  SanbeSfürften.  2)ie  S3eftätigung  mürbe  »ermeigert.  3)en 
ilUbermillen  beS  lurfürften  beftärfte  ber  9kt  beS  ^3rofefforS  2SilbeIm  SDfangolb  (bgl. 
Sb  XII  ©.  191, lsff.)  unb  ein  eingeholtes  ©utadjtcn  beS  ^ircb,enrecb,tSle^rerS  ÄmiltuS 
Submig  9ftd)ter.  ®er  Ie|te  ^urfürft  bon  §effen  beftättgte  burd}  ben  ©emaltaft,  mit  bem 
er  am  27.  Dftober  1855  ben  gemähten  ©u))erintenbenten  als  ^ßrofeffor  ber  Xb,eoIogie  40 
nacb.  Harburg  berfe^te,  aufs  nad^brüdlicb.fte  ba§  3eu9n^g  SBilmar»  miber  baS  IanbeSfürft= 
lia)e  ^irc^enregiment. 

III.  Hilmars  SebenSabenb.  —  Beurteilung.  2Sor  21—24  ^aliren  märe 
Hilmar  gerne  ^rofeffor  ber  Geologie  gemorben;  je|t  mufete  er  gelungen  als  folcfier 
„figurieren"  (SS  erneuerte  fid;  ber  alte,  bon  ibm  oft  beüagte  ^miefbalt  jttufcfycn  Beruf  45 
unb  Neigung.  Um  fo  erftaunlidjer  ift  bie  umfaffenbe  unb  tiefgel)enbe  Sebrmirffam!eit 
SSilmarS  in  ber  aufgejroungenen  ©tetlung.  9Hel)r  unb  meb,r  mürbe  er  ber  einflufjreicbjte 
Seb^rer  ber  Uniberfttät.  ©ine  safylreidje  ^üngerfdiar  embfing  bon  ib,m  einen  „©tofj  31t 
emiger  Bemegung" 

©in  beutlict/eS  Programm  ber  tf)eologifd}en  £eb,rt^ättgfeit  BilmarS  enthält  bie  am  50 
Beginn  berfelben  als  „BelcnntniS  unb  Abmefyr"  Veröffentlichte  ©c^rift  „®ie  Geologie 
ber  Xb,atfad}en  miber  bie  Geologie  ber  9ib,etori!"  (Warburg  1856,  1.  bis  3.  Auflage); 
berftänblicfyer  märe  ber  SCitel :  „tl>eoIogie  beS  ßeugniffeS  bon  SLb,atfacb,en  miber  bte  2beo= 
logie  ber  leeren  2Borte".  ^m  ©inne  biefer  ©cb,rift,  in  ber  beutlicb,  auSgefbrocb,enen  Abftd;t, 
burd)  fein  ßeugnis  bon  ben  T^atfacfyen  ber  ^eilSoffenbarung  ©otteS  ^aftoren  ju  erjieben,  55 
bat  ber  55jär;rige  Wann  einen  umfaffenben  .?treiS  bon  tfyeologifdjen  Borlefungen  ausgearbeitet. 
Am  mäd)tigften  mirfte  er  burd)  fein  collegium  biblicum.  ©r  füllte  bie  tfyeologijcbe 
Sugenb  in  einem  breijäbrtgen  üurfuS  bureb,  bic  ganje  b.1.  ©d)rift,  bon  ber  ©enefis  bis 
jur  Abofal^bie.  Biermal  b,at  er  biefen  an  beutfc£)en  Uniberfitäten  einzigartigen  ßurfuS 
boßenbet.     Gin  jünger  Hilmars,  ber  Pfarrer  ßbr.  Wüller  ju  ^ürfteuau,  bat  mit  tiefem  eo 

12  f 


660  Hilmar 

SSerftänbniS  fetner  älufgabc  unter  ^eran^iefyen  bon  ©Triften  au§  bein  16.  Qafyrintnbert 
biefe  braftifdje  ©rflärung  ber  ty.  ©d;rift  herausgegeben  (6  33be,  1879—1883,  ©üterSlofy, 
^Bertelsmann).  2tucb,  bie  meiften  anberen  SSorlefungen  23ilmarS  finb  nadj  {einem  Sobe 
in  gleichem  Verlage  beröffentltd^t  toorben  —  bon  ^farrer  ^frael  bie  „tfyeologifd)e  SJioral" 
5(2  33be,  1871),  bon  ©bmnafialbireftor  Dr.  pberit  bie  „®ogmatif"  (2  33be,  1874),  bie 
SBorlefungen  über  bie  „2tugSburgifcb,e  ^onfeffton"  (1870),  über  „d>riftlid)e  ^ird}enjud;t" 
(1872),  über  bie  „£eb,re  bom  geiftlidjen  2lmt"  (1870),  über  ,,$ßaftoraltb,eologie"  (1872). 
Sfußerbem  laS  33ilmar  über  „|)omiletif",  über  baS  „®ird;enlieb"  —  unb  (eine  grudjt 
feiner   ungetoölmltcb,    grünbltcfyen  Kenntnis  be§   16.  ^ab,  rfyunberts,  inSbefonbere  SutljerS) 

10  über  bie  „tfyeoIogifd)e  £itterärgefdnd)te  beS  9teformationSgettalterS"  ©erabe  bie  legiere 
"Isorlefung  foüte  bem  tfyeologifdjen  SeferfreiS  nidji  borentljalten  werben,  gretlid;,  bei  einem 
Sefyrer  toie  Sßilmar  ift  ber  Unierfdueb  jtoifcfyen  bem  münblicb,  gefbrodjenen,  aus  ber  büßen 
^erfönlidjfeit  fyerborquellenben  2öort  unb  bem  toten  SBucbJtaben  ber  gebrudten  9>tebe  be= 
fonberS  groß.    $n  ben  23orlefungen   brägte  ftd)  ber  getoicfytige  Vortrag  unmittelbar  bem 

15  £>örer  ein,  toenn  „ber  marfige  Wann  mit  tiefernftem  2lngefid)t  ju  fbrecfyen  anb,ub,  fein 
SSort  gu  biel  unb  feinS  ju  wenig,  mit  einer  ©tcfyerfyeit  unb  einer  ©etoißfyett,  bie  aufy 
ben  fernften  gtoeifel  gängltdE)  auSfd)Ioffen  unb  bem  gufyörer  oa^  ©efüfyl  einflößten,  baß 
ber  Sortragenbe  mit  feiner  gangen  gemaltigen  $ßerfönüd)ieit  für  jebeS  Söort  einfiele" 
(Qfrael,  SSormort  jur  SDtoral,  ©.  VII).    9Jcan   begreift  leidet,   toie  getoaltig  ber  ©tnfluß 

20  eines  folgen  sIftanneS  auf  empfängliche  jugenblidje  ©emüter  fein  mußte.  Unb  nicfyt  bloß 
auf  biefe.  @r  toar  bie  ©eele  ber  lutberifdjen  ^ßaftoralfonferenjen  beiber  Reffen,  bie  bon 
1857  bis  1866  abtoedjfelnb  ju  SRarburg  unb  griebberg  gehalten  tourben.  SDiefe  $u= 
fammenlünfte,  über  toelcfye  ausführliche  S3eridf)te  im  5.  bis  13.  ^afyrgang  beS  £>armfiäbter 
„§eff.  MirdjenblatteS"  borliegen,  Ratten  große  fird)Iicf)e  Sebeutung.  %a\t  alle  bie  befenntniS= 

25  treuen  ©eiftlidjen  beiber  Reffen,  bie  in  ben  Stird;enfämbfen  ber  fiebriger  ^ab,re  fyerborgetreten 
ftnb,  b,aben,  fo  toeit  fie  nicfyt  ofynelnn  gu  ben  ©djülem  Hilmars  geborten,  fyier  t^re  2Baffen= 
rüftung  für  bie  lommenben  Reiten  gefebmiebet.  $u  toeiterer  Serftänbigung  unb  jur  ©amm= 
lung  bertoanbter  Greife  btenten  bie  bon  SSilmar  herausgegebenen  „bafioral-41;  eologifd)  en  ^Blätter" 
(Stuttgart  1861— 1866,  12  33be).  2öer  Hilmar  reebi  lennen  lernen  toid,  muß  feine  2luffä£e 

30  in  biefen  ^Blättern  (gefammelt  bon  Pfarrer  SJJüIIer  unter  bem  %xkl:  jftrdje  unb  ülöelt, 
2  S3be,  ©üterSlob,  1872)  ftubieren.  Unb  toer  feine  ©tettung  §u  ben  fircfylicben  geitfragen 
im  einzelnen  ju  erforfcb,en  toünfd;:,  bem  feien  feine  „Quartalbericfyte"  im  sJJatf)ufiuSfd;en 
SSoIfSblatt  für  ©tabt  unb  Sanb  (1860—1866)  beftenS  embfoblen;  man  finbet  fie  toieber 
abgebrudt  in  ben  ^ab,rgängen  1902—1906  ber  „.geffifd/en  Slätter"  (bon  9er.  2888  mit 

■'>=>  Unterbrechungen  bis  Dir.  3265).  Hilmar  führte  an  einer  S^eifye  bon  SJBeifbielen  ben  ©a| 
bureb,,  baß  toir  ntd)t  in  einer  $eit  ber  ©baltungen  leben,  fonbern  in  ber  3eü  ber 
©cfyetbung.  @S  fei  ber  unabtoenbbare  ©ang  ber  göttlichen  Sßeltregierung ,  getoeiSfagt 
fdjon  bor  ^a^rtaufenben ,  baß,  toie  im  Stnfange  ber  9)lenfd;engefdnd>te  ^ainiten  unb 
©eisten  gefonberte  9Jlenfd;en!reife  toaren,  fo  gegen  baS  6nbe  ber  ©rlöfungSjeit  jtoeierlei, 

40  innerlid;  bis  in  baS  §erj  unb  DJcarf  boneinanber  gefd)iebene  9Jlenfd)enarten  borb,anben 
fein  toerben. 

%xo§  ber  ^üngerfd;ar,  bie  fid)  um  ib,n  fammelte,  füllte  fieb,  33tlmar  in  Harburg 
meb,r  unb  mel)r  ifoliert  unb  etnfam.  ©en  ©cb,merj  über  bie  ©reigniffe  beS  ^abreS 
1866    b,at    er    nid)t   bertounben.     ^obeSgebanfen   berlteßen    tb^n   feitbem    feinen    %aa,. 

45  3ln  feinem  legten  ©eburtstag  (21.  9cobember  1867)  fbrad)  er  fie  offen  aus.  SBenige 
%aa_z  barauf  ftarb  feine  (ätoeite)  ©attin  Slb,erefe  ©ob^ie,  geb.  greberfing,  mit  ber  er  feit 
bem  6.  Dftober  1833  in  finberlofer  @b,e  gelebt  f;atte.  @r  überlebte  fie  nicfjt  lange.  3lm 
SJiorgen  beS  30.  ^uli  1868  tourbe  er  nad;  einem  toieberb,olten  ©cb,lagfluß  tot  in  feinem 
33ette  gefunben;  aus  bem  Stntli§  fbracb,  tiefer  griebe.  2lm  1.  2tuguft  1868  ift  ber  mübe 

60  £eib  ber  @rbe  übergeben  toorben.  — 

(Sin  Äird;enmann  in  ber  Söenbe  jtoeier  fttiten  —  fo  fann  Hilmar  aufs  fürjefte 
bejeicb,net  toerben.  SUiit  betounbernStoerter  Sireue  ftellte  er  alle  feine  reichen  ©aben  in 
ben  ©ienft  beS  £>erm;  aber  baS  toar  bie  ©efabj  biefer  bureb,  unb  bureb,  gefdnd;llid)en 
9Jatur,  baß  ib^r  baS  £>iftorifcb,e,  jumal  baS  ©elbfterlebte  unb  berfönlid)  @rfab,rene  ju  feb,r 

55  als  ber  einzige  unb  allein  berechtigte  SluSbrud"  beS  nadi  ber  3Serförberung  ringenben 
geiftigen  unb  geiftlia;en  2ebenS  erfd;ien.  ©o  fam  eS  gtoa'r,  baß  er  bie  feinfte  2öitterung 
für  aHeS  rebolutionäre  3öerben  unb  ben  grünblidjften  |>aß  bagegen  fyaite,  ba  er  nur  bon 
ber  ruhigen  ©tetigfeit  ber  in  ben  gefd;id;tlid)en  Sahnen  berl»arrenben  ©nttoidelung  §eil 
ertoartete.    2lber  anbererfeits  berfannte  er  boeb,  ju   leicht,  baß   aueb,  ber  tobenbfte,    bon 

60  toilben  SBaffern  gefd;toeKte  unb   feine  Ufer  überflutenbe  gluß  berechtigte  ©trömungen  in 


Süttlmnr  SBtncent  661 

fid;  fül;rt,  unb  baft  bafyer  ber  ftarr  entgegentretenbe  gelgblod  ntdjt  nur  bie  Wilben  2Bogen 
fyemmt,  fonbern  aud;  ben  tieferen,  ruhigen  fluten  ^um  2tnftofj  gereicht.  2lber  fo  ftanb 
ber  tiefgegrünbete  2ftann  ba  —  ein  unbeweglicher  $el§,  umbrauft  bon  ben  SBogen  einer 
aufgeregten,  ftürmifcfyen,  neue  ©eftaltungen  fyerborbrtngenben  geit.  @g  ift  bieg  feine 
©röfje.  2Iber  neben  ber  ©tärfe  liegt  bei  ung  enblicfyen  unb  fünbigen  9Jtenfd;en  bie  5 
©cb>äcr;e,  unb  eg  läjjt  fid;  ntc^t  leugnen,  bajj  bie  (Starrheit  beg  gelfenmanneg  aud; 
manchen  beflagengWerten  2lnftof$  geboten  Ijat. 

^d)   Will   midj   jum  33eWeife   hierfür  rtid^t  auf   bie   bittere  älnflagefdjrtft    frühen: 
„Dr.  21.  "isilmar§  unb  feiner  2tnl;änger  Stellung  ju  ben  Wicfytigften  toolitifcfyen  unb  ftrd;= 
liefen  geitfragen"   (juerft  in  ©eljerg  9JconatgbIättern  unb   bann   felbftftänbig  erfdjienen,  10 
granffurt  a.  9Jc.  1865;  »gl.  bie  beiben  2lrtifel  beg  gleiten  33erfafferg,  beg  Pfarrers  unb  $ro= 
reftorg  SKUf).  §erm.  teurer  in  Rinteln,  im  2tHgemeinen  litterarifcfyen  Sinniger  für  bag  etoang. 
£eutfd;Ianb  33b  II  1868,  ©.  416—422  unb  33b  III  1869,  ©.  69—76),  gefd)toeige  benn, 
r>afj  bie  Don  33ilmar  alg  $ampfylet  bezeichnete  ©d;rift  fetneg  ÜRarburger  SMegen  ©ilbe= 
meifter  „^njurtenflage  ber  tfyeologifdjen  gafultät  ju  SRarburg   gegen  ben  $onftftorialrat  15 
Hilmar,  granffurt  a.  M.  1859"  bei  gällung  bei  ©efamturteilg  in33etrad;t  läme.  3)er  ^rojefe 
b,at  ben  tarnen  Hilmars  mit   toiel   unberbienter  ©djmad;   bebedt.    2Ber  bie  sjSrojejjaften 
einfdjiliefjlid;  ber  23erteibigung  beg  2tngeflagten  eingeftenb  ftubiert  r)at,  Wirb  aufhören,  Don 
SSilmarg  „ungerechtem  unb  Ieibenfd;aftlid;em  2lngriff"  (fo  33b  XVI  ©.  430, 53)  ju  reben. 
%ify  übergebe  aud;  bie  2Sorte,  mit  benen  ^onfiftorialrat  $.  Sari  in  ber  ©djrift  „33ilmar  Wiber  2u 
ßbrarb  in  ©ad}en  ©d)Ie§mig=§Dlftein§"  (granffurt  a.  2R.  1864)  bie  „djriftlidje"  ^olerntf  in 
$urb,effen  getabelt  fyat.  (Sin  33eifyiel  auf  tl>eologifd;em  ©ebiete  genügt  jum 33eWeife  beg  oben 
auggefarocfyenen  Urteils.  £>at  man  toirflicb,  ein  dmftlicfyeg  unb  tf)eoIogifd)eg  3ted;t,  bie  2tufb,  ebung 
ber  Seibeigenfdjaft  ju  bemä'feln  unb  ju  beb,  äugten,  bafj  bie  mobtftjterte  unb  fo  ber$abrif= 
fned)tfd}aft  borjujie^enbe  ©infüb^rung  ber  ©tlatoerei  innerhalb  d;riftHd;er  SMfer  nidjt  ob/ne  25 
äöeiiereg  alg  undmftlid)  bertoorfen  werben  bürfe  —  Weil  eg   an   einem  hierfür  getoäbr= 
leiftenben  SSorte  beg  91%$  fet;Ie?!    (SJJoral  II,  197).    $ann  man  fid;  Wunbern,    Wenn 
ein  ^ßolitifer  Wie  ^onftantin  $ran|,  ben  freiließ  23ilmar  feiner  geit  3"  ^en  „9teboIutions= 
ürebigern"  geworfen  bat  (£eff.  33oIfgfreunb  1852,  Ta.  73),  foldje  Sßorte  als  einen  33eleg 
bafür  anführt,  in  toeld;  unfreien  ^enbengen  bie  lutb^erifcbe  Drtb^obojie  nod;  bleute  befangen  30 
fei?  (in  feinem  Söerle:  ©^ettinflS  ^oftttöe  sß^tlofo^te  Ill.^eil,  £ötfyen  1880,  ©.228ff.). 
Ser  ©d)lu|,  ben  %xan%  jieb^t,  ift  natürlich  falfdj;    aber  aud)  über  bie  33egrünbung  mufe 
man  fid)  billig  itmnbem,   mit  ber  33ilmar  feinen  eigentümlichen  ©a|  berfeb^en  f>at.    @§ 
fommt  i)kx  fein  ftarrer  Sl^atfacbenbegriff  in  ©idjt,    toenn   er  für   jebe  2ebenäerfd;einung 
in  ber  6§riftenf>eit  ein  birelte§  bißigenbe§  ober  bertoerfenbeg  Söort  ber  bl.  ©djrift  borau§=  35 
fe^t,    unter   ba§  man   fid;  ju  beugen  fytihi.    @§  ift  eine  ber  embfinbücbjten  ©teEen  ber 
33ilmarfd)en  Geologie,  ba|  fie  für  bie  33ebeutung  ber  d;rtftlid;en  @rfenntni§,  burd;  roeldie 
bie  5U  erfafyrenben  äb,atfad)en  ber  inneren  2tneignung  unb  Verarbeitung  gugefü^rt  Werben, 
fein  rcdjteg  Sluge   b,at.    gür  ein  ©tyftem   ber  d;riftlid}en   ©eWi^eit  giebt  e§   in  biefer 
„Slb^eologie  ber  Sfyatfacfyen"  feinen  $Raum.    ®te  ^Iud;t  t>on  ber  @rfenntni§  Weg  ju  ben  40 
Xljatfadjen  felber,  ba§  t-ermeintlict/e  ©ic^^beugen  unter  bie  unmittelbaren  S^atfacfjen  er= 
Hart  fid)  au§  93ilmar§  ^meifelgfambf;    aber  biefe  gtud;t  rädjt  fid;,  unb  bann  am  em= 
bfinblidjften,  Wenn  bon  ben  SEfyatfacfyen,    unter  toeld)e  man   fid;   beugen  foU,  nod;  un= 
genügenbe  ©rfenntniS  unb   @rfab,rung   f;errfd;t  unb   biefelbcn    tuelmefyr    erft   genau   ju 
ermitteln  unb  ju  erfahren  finb.    33ilmar   giebt  felber  ju,  bafe  bie  (Erfahrung  über  ba§  45 
geifttid;e  2tmt  ber  ^ird;e  nod;  beborfteb,e.    lim  fo  toertounberlidjer   unb   bejeid;nenber  ift 
eö,  ba|  bie  (Snergie  ber  33ilmarfd;en  Behauptungen  nirgenbg  ftärfer   ift   als   ba,    Wo  er 
auf  ba3  geiftlid;e  2Imt  unb  feine  ©teüung   in   ber  Uird;e  ju  fpredjen  fommt  (bgl.  bie 
fritifd;e  33eleud;tung  ber  ©ogmatif  3SiImarg  unb  infonberfyeit  feiner  fiebere  bon  ber  ^ird;e 
im  69.  unb  72.33b  ber  3^  1875  ©.  135  ff.  unb  1876  ©.  57  ff.  öon  ^ßrof.  Dr.gr.  £.  91.  50 
granf).    granf  erfennt  unummunben  an,  bafe  S3ilmar  ein  SJiann  War,  ber  ein  beutfd;eS, 
unb  mag  nod;  meb^r  fagen  Witt,  ein  d;riftlid;eg  §erj   in   fid;  trug,   unb  beffen  ©d;atten= 
feiten  boeb,  nur  bie  ®ebjfeite  beg  £id;teg   unb   beg  geuerg  Waren,    bag    in    tym    glühte 
(©.  137).    Bugleid;  aber  erfd;eint  ib^m  feine  Seb,re  bon  ber  ®ird;e  unb   Wag   bamit   311= 
fammenfyängt   alg   ein   Söarnungg^eicben  bafür,   Wie   nabe  folgen,    benen   ©ott  5Rad;t  55 
über  bie  ©eifter  berliefyen,  bie  ©efabr  liegt,  eigenbeliebige  Söege  einjufd;lagen  unb  gerabe  für 
biefe  bie  gan^e  ^raft  ifyrer  .^erfönlid;feit  ein^ufe^en  (©.  58).         Soljanucs*  ^o«fj(citer. 

Sßincentr  ^acqueg   Souig  ©amuet,   geft.  1837.  —  I.  <3etue  ©Triften:  Ob- 
servations  sur  l'unit^  religieuse  1  s20 ;  Obsorvations  sur  la  voie  d'autoriteappliquöe  ä  la  religion ; 


662  i*ittceitt 

Melanges  de  religion,  de  morale  et  de  critique  sacree,  1820 — 1824,  10  vols;  Vues  sur  le 
protestantisme  en  France  1829,  2.  Sdtfi.  1859;  Meditations  religieuses  1829,  1839  u.  1863. 
II.  lieber  iljn  ögl.  bie  btograpbtfdien  Einleitungen  ju  ben  nadi  feinem  £ob  erfdjienenen 
Auflagen  ber  Vues  unb  bev  Meclitations  non  gfontcmeS,  91.  ©oqueref,  ^reüoft^arabol. 
5  91.  Sßirfjel,  S.  V  son  temps  et  ses  opinions,  ©trajjburg  1864;  g.  (Jorbiere,  S.V.  sa  con- 
ception  religieuse  et  chr&ienne,  ©enf  1873;  <3R.  SBtcmc,  S.  V.,  «iontauban  1890;  ©.  &üf)ot, 
La  pensöe  religieuse  de  S.  V.,  äftontcmbcm  1899 ;  ßtdjtenberger,  Encyclopedie  des  sciences 
religieuses,  XII,  393  ff.;  S.  9Kaurt),  Le  reveil  religieux  ä  Geneve  et  en  France,  2  vols, 
$ari§  1892;  ©iefeler  [^Jcaeber],  ®te  proteficmtifdje  Ätrdje  granfreid)§  »cm  1787—1846, 
10  ßeipjig  1848. 

«Samuel  35.,   einer   ber   berbienteften  23orfämbfer   beS    frangöftfdjen  $)3roteftantiSmuS 
im   erften  ©rittet   beS  19.  I^aljrtmnbertS,    i[t  am  8.  ©ebicmber  1787  in  SRimeS  geboren, 
©er  ©roßbater,   $aul  23.,  mar  „Pfarrer  ber  2Büfte"  unb  bon  1760   an  in  Firnes  ber 
2lmtSgenoffe  ^ßaut  9kbautS,  mit  bem  er  am  26.  gebruar  1761  eine  exhortation  ä  la 
15  repentance  et  ä  la  profession  de  la  verite   an    bie  Hugenotten   bon  3<cimeS  unter= 
geidmete  unb  angefid)tS  ber  Dragoner  beS  Königs  ben  Wat  gab :  „flieget,  laffet  §auS  unb 
§eimat,  SSater,  Butter  unb  ^inber  im  ©tid);   rettet   eure  ©eele  unb  fe|et  eucb,  ntd)t  ber 
©efafyr  au§,  am  ©tauben  ©djiffbrud)  ju  teiben,  baS  ift  bie  unerläßliche  $flid)t  beS  ßbriften" 
©ein  ©otm  Stbrien  23.,  ber  SSater  ©amuetS,  mürbe  9xabaut§  9Rad)fotger  in  9cimeS.    ©ie 
20  ©djreden  ber  Srebolution,    bie  1793 — 1794   in  9cimeS   mit   befonberer  §eftigfeit   mutete, 
fangen  ifjn,  eine  |$eit  lang  auf  fein  Pfarramt  ju  beraten.  1807  finben  mir  il)n  mieber 
als  Pfarrer  in  ©ajan.    ©af$  feine  ^ugenbgeit  in  bie  trüben  Erinnerungen  an  bie  Seiben 
ber  §ugenottenfird)e  unb   an  bie  ©laubenStrübfale  feiner  eigenen  gamilie   getauft  mar, 
fyielt  ben  jungen  ©amuel  23.  nid)t  ab,  aud)  feinerfeitS  in  beS  23aterS  unb  ©rofjbaterS  guf$= 
25  ftabfen  ju  treten.    9cad?bem  er  bie  beeren  ©dmlen  in  UgeS  unb  -IRontbellier  burdjlaufen 
fyatte,    bcjog   er  im  9iobember   1806  baS  broteftantifcfye  ©eminar  in  ©enf.    ©d)on    in 
SRontbeHier  legte   er  ben  ©runb  ju  feiner  fbäteren  uniberfaten  23ilbung.    ©ein  Dortiger 
Sefyrer,  ©aniel  ©ncontre,  felbft  für  feine  geit  eine   tebenbe  ©ncr/flobäbte,   mag  itmt   als 
$beal  borgefcfymebt  fjaben,  menn  er  fyäter  in  feinen  „Vues  sur  le  protestantisme"  bon 
so  bem  ebangelifd)en  Pfarrer  berlangt,  baß  er  in  allen  2BiffenSgebieten  gu  §aufe  fein  muffe. 
„2Benn  ber  d}rift(id;e  ^riefter  nur  bie  Geologie  fennen  miß,  bann  mirb  er  nid)t  einmal 
in  ber  Geologie  ficb,  auslennen."    2tud)  bie  Kenntnis  ber  ^aturmiffenfcfyaften,  ber  ^ßt;Uo= 
fobfyte  unb  ber  ©efd}id)te,  ber  alten  unb  ber  neuen  ©brachen,  ber  flajftfcfyen  unb  ber  mobernen 
Sitteratur  gehören  ju  feinem  unerläßlichen  ^üftgeug.  9?acr;  breijär/rigem  ©tubium  in  ©enf,  mo 
35  ber  etmaS  linfifcfye  ©übfranjofe  als  einer  ber  fäfngften  $öbfe  fid)  berborget^an  b,atte,  mürbe  er 
1809  §itfsbfarrer  in  feiner  23aterftabt  9Zime§,  bie  er  ntdjt  mef>r  berlief^,  bi§  it)n  in  feinen 
testen  Sebenlja^ren  !örberltd)e  Setben  fangen,  auf  fein  Sanbgut  in  ber  üftäfye  ber  ©tabt  ficb, 
prüc! jujieb, en ;   bort  ftarb  er  am  10.  ^uli  1837     SDan!  feiner  bielfeitigen  23ilbung  unb 
feinem  für  alle  Sra8en  ^Z  Seben§  aufgefd)Ioffenen  ©inn  b,atte  fid;  23.  eine  ©teltung  er= 
40  rungen,   bie  feinen  S£ob   ju  einem  ferneren  23erluft  nid)t  nur  für   feine  §eimatftabt  unb 
feiner  ©taubenggenoffen,  fonbern  für  ba3  ganje  Sanb  merben  tief3.    „2Beld)er  23ertuft  für 
ba3  Sanb!"  —  lonnte  gontaneä  an  feinem  ©rab   aufrufen  —  „miebiet  ^3tä|e  läßt   er 
leer !  aU  SRitglieb  be§  ©eneratratö,  ber  töniglid)en  Sllabemie,  beö  alabemifd)en  9tat<§,  ber  Se^rer= 
brüfung§fommiffion,  ber  Sanbmirtfdjaftggefedfdiaft,  als  ^rofeffor,  als  Pfarrer,  alSSanbmirt!" 
45         ®ie  größten  2]erbienfte   aber  ^at  23.  fid)   ermorben   als  Söieberbegrünber  unb   ber= 
ftänbniSbotler  görberer  beS  tf)eotogifd)en  ©tubiumS  in  ber  reformierten  SUrd)e  granfreid)S, 
beren  religiöfe,  fira)lid)c  unb  mtffenfd}aftlid)e  Notlage  ib,m   ju  §er^en   ging   unb   in   itjm 
einen  unbarteiifd)en  unb  fdnfinnigen  2)arfteHer  fanb.   2tlS  bie  !leine  franjöfifd;e  5Rärt^rer= 
itrd)e  nad)  ber  r)unbertjä£;rigen  23erfoIgung  unb  nad)  ben  ©türmen  ber  Siebolution  mieber 
so  jur  9xub,e  gelommen  mar,  geigte  fid;  batb,  baß  S^ouffeau  unb  23oltaire  il/x  bieEeid)t  mel)r 
gefd)abet  bitten   als  Submig  XIV  unb  SxobeSbierre.    Staboleon  I.  berf;alf  ib,r  mot)l  ju 
einer  forgenlofen  ©jiftenj  burd)  bie  2lufnab,me  in  baS  ^oniorbat  bon  1801:  neues  Seben 
bermod)te  er  ifyr  nid)t  etnjub^aucben.    Sie  tfjeologifd^e  23ilbung   lag   arg   barnieber.     ©je 
Reiten,  ba  ©ele^rte  mie  Slmttraut,  ©relincourt,   ©u  5Roulin,   ^urieu   unb  33aSnage   bie 
55  reformierten  2tfabemien  gran!reid)S   gierten,   maren   längft  borüber.     ©ie  2lufl;ebung   beS 
©btftS  bon  Nantes  Ejaite  mit  il)nen  aufgeräumt  unb   für   bie  SRänner,   meldte   bie  fördje 
ber  2Büfte  als  Pfarrer  brauchen  lonnte,  mar  toiffenfd)aftlid)e  S3ilbung  baS  le^te  @rforber= 
niS.    ©aS  ©eminar  in  Saufanne,  mo  fie  ifyre  23orbereitung  für  tE>ren  §etbenberuf  Rotten, 
toar  eine  ©d)ule  für  SMrtfyrer,  nid)t  für  ©ele^rte.  21IS  aber  nad)  ber  S^üdte^r  frieblid)erer 
60  Reiten  baS  jufammengefcbmoljene  §äuflein  an  ben  2Sieberaufbau  ber  krümmer  ibrer  Äirdje 
fid}  magte,  ba  mad)te  fid)  ber  Mangel  miffenfdwftlicb,  gefd)ulter  Geologen  ebenfo  fühlbar 


SBtttccnt  (it>3 

wie  bic  Seltenheit  religiös  lebenbiger  ^erfönlicbjeiten.  23.  \mx  einer  ber  erften,  bem  biefe 
9?ot  auf  bie  ©eele  brannte.  T>em  franjöftfdjen  *J3rotcftantiSmuS  eine  frangöfifd^e  tfyeologifcfye 
Sitteratur  ju  geben,  erfd)ien  if>m  als  baS  brirtgenbfte  23ebürfniS  ber  reformierten  Slirdje 
unb  ein  gut  £eil  fetner  SebenSarbeit  ift  biefem  3iel  getoibmet.  3unä$[t  0°^  eö»  21nleb,en 
beim  broteftantifef/en  2tuSlanb  ju  machen.  23.S  nüd;terner,  flarer  ©inn  füllte  fieb,  bon  ber  5 
englifdien  ^oralbfyilofoblne  angezogen,  ©o  Veröffentlichte  er  fdjon  im  ^afyrc  1817  eine 
Überfettung  ber  SRoralblnlofobfyie  bon  Sßißiam  $aleb  unb  jtoei  %at)te  fbäter  unter  bem 
Xiiel  „Preuves  et  autorite  de  la  revelation  chretienne"  eine  üSiebergabe  ber  ©e= 
ban!en  6b,almerS.  SDaS  Problem  ber  Autorität  lieferte  il)m  bann  aueb,  ben  ©toff  ^u  feiner 
erften  felbftftänbtgen  ©d)rift,  in  ber  er  mit  feinem  ©eringeren,  als  Slbbe  be  SamennaiS  ]" 
bie  klingen  freute.  SamennaiS  !)atte  im  erften  23anb  feinet  „Essai  sur  l'indifference  en 
matiere  de  religion"  ben  ^3roteftantismuS  als  bie  Quelle  aller  (Smbörungen  unb  alles 
Unglaubens  beräcfytlicb,  gemacht  unb  bie  @inl)eit  in  ©laubenSfadjen  als  bie  ©runbbebingung 
audi  für  baS  bolitifcfye  Seben  geforbert.  23.  antwortete  irma  in  feinen  „Observations 
sur  l'unite  religieuse"  (1820),  inbem  er  nacfytoieS,  bafj  ber  UltramontaniSmuS  baS 15 
^nbibibuum  in  ber  -JRaffe  auflöfe,  wäfyrenb  baS  ßfyriftentum  bie  greifyeit  unb  bie  23erant= 
toortltdp!eit  bcS ©meinen  erhalten  unb  bermefyren  toolle.  SamennaiS  ertoiberte  bem  „ministre" 
auStoeicfjcnb,  worauf  23.  in  ben  Observations  sur  la  voie  d'autorite  appliquee  ä  la 
religion  ju  einem  ^Weiten  ©d)lag  auSb/otte,  ber  bie  Slufmerffamfeit  ber  gebilbeten  Greife 
granfreicf/S  auf  ben  jungen  broteftantifctien  Geologen  richtete.  Chacun  comprit,  fcfyreibt  20 
^ontaneS,  que  nous  avions  un  avocat  parfaitement  capable  de  faire  triompher 
notre  cause.  3U9^'4>  ^ßtte  er  burd)  biefen  Söaffengang  mit  einem  fyerborragenben  23er= 
treter  ber  bamalS  in  grantretefr,  allgewaltigen  Eatr)olifcr)en  $ird;e  ben  immer  nod)  ein= 
geflüsterten  ^protefianten  ber  Wlut  geftärft,  bie  §ai)ne  ber  Deformation  bor  bem  Sanb 
ju  entrollen,  ftatt  „ftcr)  in  tt)re  arme  Heine  &ircr)e  ein^ubfererjen"  25 

23or  allem  lag  ü)m  baran,  bie  ©cfylagbäume  nieberjulegen,  bie  bisher  eine  23erüb,rung 
be§  franjöfifd)en  ^ßroteftantiSmuS  mit  bem  ©eift  ber  beutfdjen  tr/eologtfdjen  2ßiffenfd;aft 
berfunbert  Ratten.  2luf  ben  erften  ©eitert  beS  ^Weiten  23anbeS  feiner  Vues  sur  le  pro- 
testantisme  en  France  (II,  3  ff.)  befetjäftigt  er  fieb,  eingefyenb  mit  ber  $rage,  ob  93fan= 
tauban  ober  Strasburg  ben  franjöftfdjen  Geologen  mel)r  ju  bieten  fyaht.  „'jftontauban  30 
liegt  im  ©üben  gtanfreidiS,  Wo  bie  reformierte  23eböl!erung  am  bict)teften  ift;  Strasburg 
liegt  ben  großen  broteftantifdjien  ©emeinben  ferner.  Sie  gatultät  in  5Rontauban  ift 
„bäierlicb/';  fie  fieb/t  bie  jungen  Seute  meb,r  in  ber  5Zät)e  unb  gel)t  ifynen  nad)  bis  in  ifyre 
^äu§lid)en  23e-$iei)ungen.  ^n  Strasburg  ift  eine  folcr)e  Übericadjung  unmöglid) ;  aud) 

ift  man  bort  lutb,ertfd)  unb  fbrtcfyt  beutfefe.  Sie  gafultät  in  SJtontauban  ift  auf  ftdt)  felbft  35 
angetoiefen  in  einer  ©tabt,  bon  ber  man,  ob^ne  ib,r  llnredjt  ju  ti) un,  fagen  barf:  fie  ift 
nidjt  „gelehrt" ;  toär/renb  ob,ne  3toeifel  nad;  ^ariS  Strasburg  bie  ©tabt  mit  bem  regften 
t»tffenfi|aftlicb,en  unb  litterarifd;en  Seben  in  granfreid)  ift.  Strasburg  ift  eines  ber  leiber 
fo  wenigen  23inbeglieber,  bie  ba§  geiftige  Seben  ©eutfd)lanbS  unb  gran!reid)S  miteinanber 
berfnübfen.  Unt>  gerabe  auf  tb,eologifd}em  ©ebiet  entfaltet  SDeutfdjlanb  eine  fo  erftaun=  w 
Iid;e  ^ättgfeit !  ©ort  ift  fobtel  ernfte  Arbeit  getb,an  roorben,  bort  finb  fobiel  gute  Seb,r= 
büdjer,  bie  bem  granjofen  gän^Iid)  fehlen,  jebermann  jugänglid),  ba^  Mben  jungen  Seuten, 
bie  fie  befi|en,  meb,r  als  bie  §älftc  Arbeit  ertyart  ift"  23on  biefer  Überzeugung  auS  ift 
bie  überaus  fruchtbare  fdbjiftftellerifcrje  SL^ätigfeit  23.S  ju  toürbigen,  bie  er  an  bie  geit= 
genöfftfdje  beutfd)e  Geologie  gerüdt  i)at  3uerft  fcb,rieb  er  in  bie  1818  gegrünbeten,  bon  45 
g.  3Konob  geleiteten  Archives  du  ehristianisme.  ©eit  1820  gab  23.  feine  Melanges 
de  religion,  de  morale  et  de  critique  sacree  f/erauS.  ®ie  je^n  23änbe  biefer  jeben 
9Jionat  b,eftmeife  erfd;einenben  ©ammlung  bebeuten  einen  SRarfftein  in  ber  ©efd;id;te  beS 
tfyeologifdjen  ©tubiumS  in  ber  reformierten  ®ircr)e  gran!reid;S.  WÜ  ftaunenStoertem  ©eift 
unb  einer  bei  bem  SluSlänber  überrafcr)enben  ©ad)IenntniS  b,at  23.  in  biefer  3eitfd)rift  50 
atte  tütdt)ttgen  @rfcb.einungen  ber  beutfcb,en  X^eotogie,  bie  ©dmftett  bon  @id;b,orn,  ^auluS, 
9reinf)arb,  ^ßlanl,  23rettfd)neiber,  be  2Bette  unb  bor  allem  ©cbjeiermadjer  ejjerbiert  unb 
analbfiert.  %a\t  aCe  21rtifel  finb  bon  ib,m  felbft  getrieben.  2lu£er  beutfd;en  23üd}crn 
roerben  aueb,  engltfdje  unb  £?otIänbifcr)e  ©Triften  au$  bem  ©ebiet  ber  Geologie  befbrodjen. 
StfS  bann  1825  (Soquerel  bie  Revue  protestante  grünbete,  nab,m  biefe  3eitfcb,rift  bie  bon  55 
23.  begonnene  SXrbeit  auf  unb  führte  fie  in  feitjem  ©eifte  roeiter.  %n  ber  Revue  pro- 
testante erfd)icnen  benn  aud;  unter  ber  Überfd;rift  Le  pasteur  reform^  au  XIXltm€' 
siecle  bie  erften  Kapitel  ber  ©cb.rift,  bie  man  mit  9ted;t  ben  gelungenften  23erfud;  einer 
£t>eorie  ber  proteftantifdt;ert  ^tre^e  in  fran^öfifdjer  ©brad)e  genannt  b,at,  bie  Vues  sur  le 
protestantisme  en  France  (1829).    Dirne   fbftematifcfic  Orbnung,   retdt)  an    licb,tbollen  un 


664  Stncent 

apergus,  eine  unfd;ä|bare  gunbgrube  für  bie  ©efd;id)te  be3  religiösen  £eben§  im  heutigen 

frangöftfd^en  $rotefianti<Smu3  Will   eS    ben  33etoei§   erbringen   für  33.3  £iebling§gebanfen : 

„©er  s$rotefiantt£>mu§  ift  bie  Religion  ber  mobcrnen  geit         ©er  ^ßroteftanti§mu§  ift  für 

mid;  unb  für  »iele  anbere  ba§  ©Pangelium,  feine  gorm  bie  freie  §orfd;ung." 

5         Hrfprünglid^  burd)au§  fonferPatiP   in   feiner  bogmatifd;en  Überzeugung  trat  er  fpäter 

unter  bem  ©influfj  ber  beutfcfyen  Geologie  in  bie  ÜHälje  ©djleiermadjersS,  aud*  barin  ib,m 

äfynlid),  bafj  er  mit  Wiffenfd)aftlicr)er  25i ettlE) ergigfeit  ein  Warme§  33erfiänbnt§  für  lebenbige 

grömmigleit  oerbanb,  unbefümmert  um  ba§  rHrdjIidje  ober   bogmatifclje  ©eWanb,   in  bem 

fie  il)m  entgegentrat.    Strohern  er  bogmatifcr)  in  einem  ganj  anberen  Sager  ftanb,  Waren 

10  ii)tn  bie  Scanner  be§  Köveil  burrf>au§  nidjt  unft;mpatt)ifc^ ;    er  Wufcte  fid;  fogar  ein§  mit 

i^nen  im  Urteil  über  ben  bamaligen  ©tanb  be§  inneren  £ebem§  in  ber  reformierten  $ircr)e 

gran!reid;§.    -Kicfyt  bon   einem  ^ßietiften,  fonbern  bon  ©amuel  33.  ftammt  bie  bekannte 

©d;ilberung  be§  geiftigen  S£obe§,  ber  bor  ber  (Srtoedung  ben  fran^öfifc^en  $roteftanti3mu3 

an  ber  ©ifwelle  be§  19.  $ai)rl;unbert£i  in  feinem  SBanne  l)ielt:    „©ie  ^ßrebiger  prebigten, 

15  bie  ©emeinben  fyörten  fie  an,  bie  Äonftfiorien  Perfammelten  fid;,   ber  ©otteSbtenft  behielt 

feine  formen  bei.    Sm  übrigen  fümmerte  fid^>  fein  SJlenfcb,  um  biefe  ©inge.  ©ie  Religion 

I)atte  keinerlei  @influ|  auf  baö  Seben"  (Vues  II,  265 f.).    ®iefe<§  Urteil,  ba3  b\§  Ijieute  in 

jeber  ©arfteßung  jener  ^ßeriobe  fid^  Wieberfyolt,  ift  freilief)   fdjon  bamal§   ntc^t  unWiber= 

fprocfjen  geblieben.    SERaeber  (f.  a.D.  I,  111)  fagt  baju:  „^ct;  Weifc  Wafyrfyaftig  nid^t,  Wo 

20  id)  bie  Slugen  gehabt  l>abe,  Wäl)renb  33..3euge  bk\z$  33erfaH3  geWefen  ift;    benn  id)  bin 

nicbt§  babon  Wafyr  geworben.  2IHerbing<§  Waren  bie  ©puren  ber  Skoolution  noef;  ficfytbar 

unb  Unglauben  mar  mel)r   al§  genug   jurüdgeblieben.    SWerbingg   Ratten  politifcfye   unb 

friegerifdje  ©reigniffe  einen  Seil  ber  2lufmerffam!eit  be§  33oIfe§  auf  fid)   gebogen,  unb 

manche  33efd)äftigung  be§  griebeng  in  ben  ©chatten  geftetlt;  gegen  bie  SMigion  mar  man 

25  aber  juoerläffig  nid^t  gleidjgiltiger  geworben  al§  in  unferen  erleuchteten  Reiten,    gretlid;, 

Perftefyt  man  unter  Religion  ein  eWige§  gappeln,  ba$  fiel;  in  Komitees,  Konferenzen,  $ro= 

teftationen,  Petitionen,  Matfd;erei  unb  33erfe|erung  %u  erlennen  giebt,  bann  mar  bie  9(apo= 

leonifcfye  $eit  eine  fcfyltmme  geit  für    fie.    3ft  e3  aber    genug,    Wenn  in  einer  Hird)e 

©otteöbtenft  unb  ^eligicnSunierricbt  fleißig  h^\iä)t  Werben,   Wenn   ber  Pfarrer  jur  ©ott= 

30  feligfeit  ermahnt,  ben  Kranfen  tröftet,  ben  Slrmen  unterführt,  ben  ©ünber  jurüdfüfirt,  ben 

^rrenben  mit  ©d)onung  beljanbelt,   ber  SSitWe  ©tü|e,  ber  äBaifen  33ater  ift;    Wenn  ge= 

meinfame  9Ra|regeln  zur  Teilung  alter  9Bunben  genommen  unb   taufenb  33ebürfniffe  im 

©tiHen  befriebigt  Werben;  Wenn  bie  ©lieber  ber  Kirche  fiel;  bureb,  ©ittenrcinl;eit  auSzeidmen 

unb  ber  ^uftij  Perfyältntemäfsig  Wenig  ju  fdjaffen  machen:   fo  gebührt  ber  proteftantifcfyen 

35  Kird)e  granlreidE)3  unter  Napoleon  eine  au^gejeiebnete  ©teile  in  ber  ©efdjicfyte,  unb  e§  ift 

unbegreiflich,  ba^_  33.  fie  fo  fcfylecfyt  begriffen  b,at"     33.  teilte  barum  auef;  burct;au§  nict)t 

bie  Abneigung  Pieler  Pfarrer  gegen  bie  ^ietiften  unb  „TOet^obiften"     „3ft  baö  auftreten 

be»  SRet^obtemuS  unter  un6  ein  ©lud  ober  ein  Unglücf?"  —  fragt  er  einmal  —  (Vues 

II,  290).  —  „3$  lenne  Wof)I  bie  Ungelegenb,eiten  unb  ©törungen,  bie  er  an  mehreren 

40  Drten  fjerfcorgerufen  b,at.  9Jtanef;maI  ^at  er  fidji  unerträglicf;  gegeigt.  2Iberr  Wenn  tet)  aße§ 

in  allem  neb,me,  Wenn  icfy  bie  heutigen   religiöfen  33erl)ältniffe  bergleicfje   mit  benen  Por 

12  S<#en,  fo  !ann  id;  ntdjt  anber§  al§  glauben,  ba^  ba§  Sluftreten  ber  ^etl^obiften  un§ 

Wob,l  getb,an  b,at  2Benn  il>r  ba§  ©inbringen  ber  9JJetl;obiften  in  eueren  ©emeinben 

fürchtet,  fo  machet  fie  entbehrlich    @uer  33oI!  bebarf  einer  tieferen,  lebenbigeren  Religion, 

15  als!  bie  ift,  mit  ber  man  e<8  big^er  genährt  b,at,  gebet  fie  ifynen!" 

5Rit  feinen  fircfyenpolü'ifcfyen  ^been  Wanbelte  33.  in  ben  gufjftapfen  33inetg.    @r  be= 

bauerte  bie  Slufnabme  ber  franjöftfd^en  ^roteftanten  in  ba§  Konforbat  burd;   ba§  ©efe| 

Pom  18.  ©erminal  be§  ^a^res  X,  Weil  bie  reformierte  Kirdje  nad;  bem  ©eift  biefe§  ©e= 

f e^e§  nid;t  meb,r  fein  bürf e,  toaZ  fie  einft  geWefen  fei,  eine  freie  Kird;e,  bie  fid»  f elbft  genüge 

so  unb  olme  ©taat3auffid;t  fid;  felbft  regiere.  3Benn  bie  reformierte  ^ird;e  tro^bem  fid;  Wol;l 

füllte  in  ber  33erbinbung  mit  bem  ©taat,  fo   lag  für  33.  barin  ber  33eWei§,  ba^  eö  ib^r 

an  Seben  feb,le.    9Jcit  aÖer  ©nergie  Perfid;t  er  bie  il;efe,  bafj  Weber  bie  Kirche  noct)  ber 

©taat  ein  Qntereffe  an  bem  burd)  ba§  Kon!orbat  gefd;affenen  3uflan^  ^a^e-    ®^e  P^^e= 

ftantifd;en  ^ird^en  PoHenb3  f)aben  bei  ber  Trennung  Pon  Kirche  unb  ©taat  aße§   gu   ge= 

55  Winnen  unb  nid;t3  ju  Perlieren.    ©od;  War  33.  ein   biet   ju  lluger  unb  nüchterner  ^ßoli= 

tiler,   al§   bafe   er   auf   eine  getoaltfame  ober  Poreilige  Trennung  Pon  Kirche  unb  ©taat 

blatte  Einarbeiten  Wollen.    Slber  bie  ©reigniffe  ber  legten  ^ab,re  Ijaben  gezeigt,  Wie  bered;= 

tigt  feine  SUJa^nung  War:  „Wir  Wollen  un§  für  bie  Trennung  Pon  Äird)e  unb  ©taat  Por= 

bereiten;    Wir  Wollen  Wünfd;en,   bafj   fie  balb  fid)  PerWirlIid;e,   aber  Wir  Wollen  fie  nid;t 

eo  befd)leunigen,  benn  unfere  Kirche  ift  noeb,  nid;t  bereit" 


Vincent  SMitcenthtS  üo«  SBcaubatS  6H5 

Igm  %df)x  1830,  nad)  beut  thfctjetnen  ber  Vues,  mar  23.  ber  bebeutenbftc  9Dt'ann  in 
ber  reformierten  $irct)e  grantreicfyg.  ©inen  Sftuf  nact)  3flontauban  unb  felbft  nact)  ©traß= 
Burg  lehnte  er  ab.  -ftacf)  ber  ^ebolution  Don  1830  mürbe  er  jutn  Sßräftbenten  be3  S?on= 
fiftorium§  bon  Firnes  ernannt,  nact)bem  er  jmei  Qaljre  borfyer  roegen  feiner  rebublifanifd;en 
©efinnung  Dom  9JJinifterium  nid;t  beftätigt  morben  mar.  $n  bm  legten  $af>ren  gog  er  6 
fid;  Dom  2Imte  mef>r  unb  mel)r  prüd.  £>a§  ^rebigen  mar  il)m  nie  leidet  gefallen.  Sßom 
^ab,r  1831—1833  I)ielt  er  Sorlefungen  über  bie  neuere  Sitteratur  in  ©banien  unb  Italien, 
©eine  freie  $eit  mibmete  er  ber  Bebauung  feines  großen  SanbguteS,  aud)  ba  beiuieS  er 
feine  ftaunen§merte  Begabung  burcb,  2(nmenbung  neuer  9JJetI)oben  unb  berbottfommneter 
^nftrumente.  SSon  ben  neueften  @rfct)einungen  über  d)emtfd)e,  bfyr;ftfa(ifd;e,  mineralogifd)e  io 
fragen  nal)m  er  mit  bem  gleiten  ^ntereffe  9Jotij  mie  bon  ben  arbeiten  ber  Geologen 
jenfeitS  be§  $tf)c\n$.  ^urj  bor  feinem  £obe  lag  er  eine  Slb^anbtung  über  bie  2)ifferential= 
unb  gntegralredmung. 

©amuel  23.  l)at  in  feiner  $ircr)e  tiefe  ©buren  fyinterlaffen.    $n  9iime3  trägt  bie  bon 
ben  Siberalen  jur  Vorbereitung  auf  baS  ©tubium  ber  Geologie  im  ^afyre  l892  gegrün=  15 
bete  ©dmle  ben  tarnen  be3  @rneuerer§  ber  broteftantifdjen  Geologie  in  granfreid)  (Ecole 
Samuel  Vincent).  engen  Sudjenmann. 

SBincctttiitS  bon  $eaitt>at§,   franjöfifd^er  SDominilaner,    Sfyeolog,    $ä= 
bagog,  $oIbI)iftor   be<§   13.  Safytfyunbertg.  —   ©eine   ©djrtften    f.    unten    sub  2. 
lieber  itjn  «gl.  @d)arb  unb  Ou6tif,  Scriptores  ordinis  Praedicatorum  I,  212.  300  ff.  Souton,  20 
Histoire  des  hommes  illustres  de  l'ordre  de  S.  Dominique,  $ari§  1743,  I,  186;  ®cumou  in  ber 
Histoire  litter.  de  la  France  S3b  XVIII  (5J5ari§  1835),  449—519;  3.  8.  33ourgectt,  Etudes  sur 
Vinc.  de  Beauv.  theol.,  philos.,  encycl.,  $cni§  1856 ;  ®e§6arrciu;t'=33ernctrb,  Etüde  biblogr.  sur 
Vinc.  de  Beauv.  1872 ;    3.  g.  ©cltjarbt,    9Jad)vtd)t    Bon    feltenen  93üd)ern    ber  33tbIiotf  ef    ;,u 
(Sifenad),  Gtfenad)  1775,  ©.  31 — 83 ;    £mureau,    Histoire  de  la  philosophie  scolastique  II,  1  20 
(1880),  186 ff.;   «JSrantl,  ©efd).   ber   Sogt!  III   (1870),  77;   ©töcfl,   ©efd).  b.  $£)iiofoü£)te  be§ 
Wä  II  (1865),  345 ff  ;  9K.  be  SBuIf,  Hist.  de  la  pbilos.  medievale  (1900),  p.  381  f.;  <Stf)mib, 
©efd).  b.  ^cibugogü'  II,  301  ff.;  SSattenBad),  ©efdjic&tSquellen  II6,  463;  &olber=egger  in  MG 
scr.  XXIV,  154 ff. ;  üon  Siüencron,  SlKgemeine  Sßtlbung  in  bergett  ber  <Sd)olaftif,  SRündjen 
1876;   23.  ©aß,    SS.  0.23.  unb  ba%  Speculum  morale  in  £®@  I,  365 ff.;    II,  332 ff.    510 ff.;  30 
ü.@d)ulte,    ©efd).    b.  Duellen   u.   Sitteratur   be§   lanonifdien  ^editeS  II,  120 ff.;   D.  Sbcfier, 
©efd).  ber  S3e^iebungen  gtnifdien  Geologie  it.  9iaturnnffenfd)aft  I  (1877),  455  ff. 

1.  Unfere  Kenntnis  be§  SebenS  beS  Vincentius  Bellovacensis  ift  überaus  bürftig. 
3lte  einigermaßen  fid)er  bürfen  folgenbe  3)aten  gelten:  1.  ben  Seinamen  Bellovacensis 
trägt  er,  med  er  SDcönd)  in  bem  1228—29  ju  23eaubat<§  gegrünbeten  ©ominüanerflofter  35 
mar.  Ob  er  aud?  t)ter  geboren  ift,  nnffen  mir  nidjt.  ©eit  bem  §1.  Stntonin  (ca.  1440) 
wirb  er  in  ber  ©elefyrtengefcfyidjte  häufig  al§  Burgundus  begeidmet,  aber  biefe  $Rottg  ift 
fbät  unb  für  un§  un!ontroßierbar.  2.  (gr  gehörte  bem  ^3rebigerorben  an.  (§§  ift  ma^r; 
jct)einltct),  baß  er  feine  ©tubien  in  $ari§  macbte  unb  ju  bem  1218  gegrünbeten  ^onbent 
bon  ©t.  ^afob  gehörte.  3.  S3ifd)of  bon  33eaubai§  ift  er  nid}t  gelbefen,  ba  bon  1175—1312  40 
leine  9JJögIid)feit,  il)m  unter  ben  33ifd}öfen  bon  SBeaubais  (Gallia  christ.  IX,  732  ff.) 
einen  ^3Iaij  gu  berf(|affen,  offen  bleibt.  SDagegen  mag  er,  mie  Quetif  u.  ©d)arb  an= 
nehmen,  ibentifd)  fein  mit  einem  im  $al)re  1246  ermähnten  ©ubbrior  ber  SDominüaner, 
33incentiu§,  ju  33eaubai§.  4.  $m  Qaf)re  1244  refb.  1253  (f.  sub  3)  fyat  er  fein  großem 
2öer!,  ba§  Speculum  maius  boHenbet.  5.  3eittoe^i0  *)at  er  W  auc^  'n  üem  bon  45 
Submig  IX.  1228  gegrünbeten  ßiftercienferflofter  Siobaumont  aufgehalten,  unb  jtoar  aU 
Se!tor  (f.  Quetif  u.  @d)arb,  Script,  ord.  Praed.  I,  239).  ®ag  fann  nict/t  Reißen, 
baß  er,  ber  ©ominüaner,  Se!tor  bei  ben  Siftercienfern  mar,  fonbern  er  lebte  im  Älofter, 
tnar  aber  al§  Seftor  bei  bem  ®önig  t^ätig,  ber  in  ber  9?äb,e  be§  ^lofterö  einen  £anbfi| 
b,atte.  @r  ^atte,  mie  mefyrfad)  berietet  ift,  nabe  S3e^ieb,ungen  ju  bem  löniglid^en  §aufe.  60 
Di>  er  nun  SSorlefer  unb  gelehrter  Seirat  be§  Königs  mar,  ober  etma  ben  Unterricht  ber 
föniglidjen  Äinber  ju  organifieren  b,atte,  fönnen  mir  nid^t  meb,r  feftfteKen.  %m  Ie|tere§ 
fbridjt,  baß  er  ein  2BerI  De  institutione  filiorum  regiorum  s.  nobilium  berfaßt  fyat. 
6.  Steßeid)t  fteJ>t  bamit  aucb,  in  gufanmKttfyang  bie  ^bfaffung  eine<§  2!roftfd)reibenä  an 
Submig  anläßlid)  beS  Xobe«  feinet  älteften  ©of)neS  im  ^afyre  1260.  7  SincentiuS  55 
ftarb,  mie  jiemlicf)  fieser  ift,  im  £$al>re  1264  (Duetif  u.  (Scfyarb  I,  214).  Safür  fbrid)t 
bie  Strabttion  feine§  DrbenS,  fomie  ein  ju  SalencienneS  aufgefunbeneS  ©bttabfyium,  faßS 
beffen  le^te  ^Berfe:  Pertulit  ille  necem  post  annos  mille  ducentos  —  Sexaginta 
decem,  sex  habe,  sex  mihi  retentos  baä  ^ai)t  1264  bejeid)nen  foEen.  |>ierau3  fein 
©eburtsjabr  ju  erfdiließen,  ift  natürlid)  nid;t  möglicb,,  ba  ber  ©cr)Iuß,  ein  "JJiann  bon  fo  tsn 


666  SBtncenttuS  öon  iöeautiais 

ausgebreiteter  ©elefyrfamfett  müfje  ein  febj  fyofyeS  2IÜer  erreicht  Ijdbm,  unfidjer  ift,  fyat 
boeb,  ein  9Jtann  toie  ®unS  ©cotuS  nur  42  Qa^re  gelebt,  ©rinnert  man  fieb,  aber,  bafe 
SSincentiuS  im  Qafyre  1244  fein  9tiefentoerf  boßenbet,  fo  toirb  man  immerhin  mit 
einiger  Sßalb^fcfyemlidjfeit  feine  ©eburt  in  bie  $eit  "m  H90  Verlegen  bürfen.  —  2)aS 
5  ift  alles,  toaS  ir>ir  an  fixeren  ®aten  aus  bem  Seben  beS  SS.  befugen,  ©aju  lommt  nur 
nod),  baf?  feine  ©cbjiften  ifyn  als  einen  Biaxin  bon  ausgebreiteter  ©elefyrfamfeit,  über= 
auS  bielfettigen  ^ntereffen  unb  Don  einem  getoiffen  braftifdjen  ©inn  unb  93lic£  fennen 
lehren  (f.  bie  Inhaltsangabe  beS  Speculum  unten);  qui  libros  legit  et  inunum  multa 
redegit,  toie  bie  ©rabfdjrift  fagt. 

10  2.  SS.  ift  ein  überaus  fruchtbarer  ©cfyriftftefler  getoefen.  Slufjer  feinem  bekannten 
9ftefentoerf  befttjen  toir  nod*  eine  ÜRetfye  —  jum  %e\l  noeb,  ungebrudter  —  SBerfe  auS 
feiner  geber.  3m  Safy«  1481  finb  bei  SXmerbacb,  in  S3afcl  fünf  ÜHkrfe  in  einem  SSanbe 
gebrueft  toorben,  nämlicb,  1.  Tractatus  de  gratia  dei  ober  Liber  gratiae  in  toter 
33üd>em,  bon  SS.  citiert  im  Specul.  naturale  1.1  c.  1 ;    baS  SSerf  I)anbelt  bon  ßljirifii 

15  eroiger  unb  jeitltdjer  ©eburt,  bon  feinem  geben,  ber  ^Saffion,  ber  3luferfteb,ung  unb 
Himmelfahrt,  ber  ©enbung  beS  ©eifteS  unb  ber  SSerblenbung  ber  $uben.  2.  Liber  de 
laudibus  Virginis  gloriosae,  eine  ©ammlung  öon  toatriftifcfyen  ©jeerbten  über  SDtaria. 
3.  De  s.  Johanne  evangelista.  4.  De  eruditione  seu  modo  instruendorum 
filiorum  regalium,    ber  %\td  ift   in  ber   fyanbfcfyrtftlicfyen  Überlieferung  fd)toan!enb  (f. 

20  ©aunou  p.  466),  getoibmet  ber  Königin  Margarete;  bieS  SBerf  ift  aud)  ^Roftod*  1476  ge= 
brudt,  inS  ©eutfcfye  übertrug  eS  g.  Sb,r.  ©cbjoffer,  SS.  b.  S3eaub.  §anb=  unb  Sebjbudj  für 
Jöniglidje  ^rinjen  unb  ifyre  Seb/rer,  gran!furt  a.  3JI.  1819.  5.  Consolatio  pro  morte 
amici,  richtiger:  Epistola  consolatoria  ad  Ludovicum  Francorum  regem  super 
morte  filii  eius,    toie   eS   fyanbfdmftlid)    nacb,    bem  ^nfyalt    überfebrieben   ift  (©aunou 

25  p.  468).  2tn  ber  ©cfytfmt  biefer  ©Triften  ju  gtoeifeln,  ift  lein  SMafj  borfyanben.  — 
9cur  r)anbfct)rift£ter;  finb  folgenbe  Söerle  erhalten:  1.  Liber  de  s.  trinitate,  bon  SS. 
citiert  Specul.  nat.  1.  1  c.  1.  2.  Expositio  orationis  dominicae;  eS  finb  toefentltd; 
SluS^üge  auS  anberen  Tutoren,  bie  SS.  r)ter  ^ufammenftellt.  3.  Expositio  salutationis 
b.  Virginis.     4.  Liber  de  poenitentia,   eine  ausführliche  (15  Xeile  unb  195  ^abitel) 

so  ©arfteßung  ber  SSufjc.  5.  De  morali  prineipis  institutione,  ein  jtoeiteS  toäbagogifdieS 
SBerf,  baS  ben  Königen  Subtoig  »on  granfreid)  unb  Xbeobalb  bon  Jc'abarra  getoibmet 
ift.  2BaS  fonft  noeb,  an  Heineren  ©dmften  SS.  beigelegt  wirb,  ift  enttoeber  nacfytoetSbar 
unecht  ober  jtoeifelfyaft.     SSgl.  Duetif  u.  ©cfyarb  I,  238  ff.,  ©aunou  p.  459  ff. 

3.  ©aS  £)aubttoerf   ift   baS   Speculum  triplex.     @S   ift   in   bielen  §anbfd)riften 

:;s  erhalten  unb  oft  gebrudt  toorben:  ©irafjburg  1473,  Nürnberg  1483—86,  SSenebig  1484. 
1493 f.  1591,  ©ouai  1624  in  bicr  goliobänben  unter  bem  Xitel:  Venerabilis  viri 
Vineentii  Burgundi  praesulis  Bellovacensis  .  Speculum  quadruplex,  opera 
et  studio  Benedictinorum  collegii  Vedastini,  bie  bequemfte  StuSgabe,  aber  leiber 
unfritifa),  inbem  cttoa  bie  eigentümlichen  SeSarten,  bie  bie  citierten  Xejte  enthielten,  bcr= 

40  roifcfyt  finb,  wie  ein  SSergieid)  mit  ben  älteften  ©rud'en  jetgt,  f.  ©aunou  p.  470  f.  2)aS 
SBer!  beS  SS.  umfaßte  brei  %e\k,  baS  Speculum  naturale,  doctrinale  unb  historiale. 
@rft  lange  nacb,  feinem  Xobe,  nad)  bem  ^afyre  1210,  ift  an  bie  brüte  ©teile  ein  Spe- 
culum morale  gefteHt  unb  fomit  baS  Sßerl  in  ein  Speculum  quadruplex  bertoanbelt 
tuorben.    SDie  Unecl)t£;ett  beS  Speculum  morale  ift  über   jeben  gweifel   ergaben.    2)ie 

45  §aubtgrünbe  finb  folgenbe:  1.  bie  älteften  §anbfa)riften  reben  im  ^rolog  c.  17  de 
trifaria  divisione  totius  operis  (Saunou  p.  475),  erft  feit  bem  14.  Qafyrfyunbert  ift 
baS  Speculum  morale  nad)tt)eiSbar,  bemgemä^  würbe  aueb,  in  bem  ^rolog  bie  3Sier= 
teilung  eingetragen.  2.  ^einrieb,  bon  ©ent  (de  Script,  eccl.  42)  fennt  nur  ein  triplex 
speculum,   nennt  freiließ   offenbar    olme   genaue  Kenntnis  beS    SBerfeS,    historiale, 

so  allegoricum  et  morale.  3.  ©aS  33ud;  enthält  Slnfbielungen  auf  Sfyatfacfyen,  toie  bie 
Eroberung  bon  ^tolomais  1291,  bie  nacb  bem  Xobe  beS  SS.  gefer^eben  finb.  4.  @S  be= 
nü|t  ©d}riften,  bie  nad)  bem  Xobe  beS  SS.  berfa^t  finb.  ®aS  SBerf  ift  eine  fid)  felbft-- 
ftänbtg  geberbenbe  armfelige  Sombilation  auS  ber  Secunda  ber  if)eoIogifd;en  ©umma 
beS  XfyomaS  (feit  1264  arbeitete  %fy.  an  biefem  SBerf),   auS  ben  ©entenjen!ommentaren 

55  beS  ^SetruS  bon  Xarantafia  (5ßabft  ^nnocenj  V.)  unb  beS  9üd;arb  bon  3)cibbIeton  (ca. 
1290),  auS  einer  ©cb,rift  beS  ©tebb,an  be  S3orbone  De  Septem  donis  spiritus  saneti 
unb  auS  einem  nidjt  bor  1291  gefdjriebenen  anonymen  Liber  de  consideratione  quatuor 
novissimorum.  SDaS  SSerb,äItniS  ju  Xb,omaS  ift  fo  befdjaffen,  bafe  enttoeber  biefer  ober 
ber  SSerf.  beS  Spec.  morale  Plagiator  ift.  Siefer  Umftanb  f)at  guerft  bie  Erörterung  ber 

eo  grage  angeregt,  aber  eS  ift  felbftberftänblid;,  ba^  baS  Plagiat   nur  auf  ©eiten  beS  aueb, 


$thiccnHu$  tum  JBemttontg  ß(i? 

fonft  mir  anbcrc  au£fd)reibenben  33erf.  be3  moralifd)en  ©beculumö  Itcgen  rann.  5.  Da^u 
fommt,  Wie  jeber  auf  ben  erften  33lid  fiebt,  bafj  in  bem  Spec.  morale  eine  böHtg 
anbere  SSRetb/obe  befolgt  Wirb  al§  in  bem  2ßer!  beä  33.  Seigerer  teilt  bofitibe  Daten  in 
ber  ©eftalt  genau  edierter  ©jxcrbte  mit,  erftcrer  liefert  eine  fbjtematifdje  Darftellung  ber 
(S'tbü  in  ber  Söeife,  ba$  er  anbere  Slutorcn,  olme  fie  ju  nennen,  aufreibt,  33.  iottf  5 
eine  (Sncr/flobäbie  fidlerer  Daten,  ber  33erf.  be3  Spec.  mor.  ein  ftyftematifdjeS  Söerf  ber= 
fteßen.  @3  ift  fomit  über  jeben  gWeifel  erb/aben,  baft  ba<§  Spec.  morale  mit  33.  nichts 
ju  fc^affert  E>at. 

@ncr;!Io^äbifd^e  Sßerfe  Wie  bas>  Speculum  Waren   im  früheren  Mittelalter  febr  be= 
beliebt,  es  fei  an  ^5ftbor,  Staban,  §onoriu3  3htguftobunenfis,  §ugo  b.  ©t.  33iftor  erinnert.  10 
Ijjfynen  fdjltefjt  fieb,  baS  SBerf  be§  33.  an,  aber  es  übertrifft  fie  alle  an  33ielfeiiigfeit  unb 
Umfang,  ©er  33erf.  ift  bieüeid)t  ber  belefenfte  Wann,  ben  e3  bor  ber  (Srfinbung  ber  33ud)= 
brueferfunft  gegeben  t)at  (f.  bie  bon  if)  m  citierten  Tutoren  bei  Daunou  p.  483  f.).    Über 
bie  Quellen  feiner  Darftellung   werben   nod)   mandje  Itnterfudjungen   angeftellt   Werben 
muffen.    2luffaHenb  ift  bas  gebjen  bon  fonft  febr  belannten  Tutoren,   Wie  etwa  Sbucr/=  15 
bibee,  ©trabo,  $aufama§,  Dtoborus  ©iculus,  Dio  6affiu3,  Sibius,    Dacitus,  §infmar, 
3ob)anne§  bon  ©alisburr/,  betrug  33enerabili3,  Otto  bon  greifing,  2BiIt)elm  b.  Slubergne, 
2llanu6  ab  $nfuli3  :c.  —  %n  üem  ?$*t>log   läfst   fid;  ber  9Iutor  eingefyenb   über  Slnlafs 
unb  2lbfid}t  feines»  2Berfe§  aus.    (Sr  tmt  biel  gelefen   unb   lt)at  fid)  bie  Aufgabe  gefteüt 
bas  ©elefene  aus^ugsWeife,   aber  in  genauem  2tnfd)luf$   an  ben  SBortlaut  feiner  Quellen  20 
toieberjugeben.    SCrofc   ber  regen  Wiffenfdjaftltdjen  Strbeit,   befonberg   in    feinem  Drben, 
Werben  bod)  bie  historiae  ecclesiasticae  bemadjläffigt  (prol.  2).  tiefem  2Rangel  Will 
er  abhelfen  bureb,  eine  gufammenftellung  bon  allem  2öiffen§Werten,  n)a§  feit  ©djöbfung 
ber  2Belt  big  jur  ©egenWart  gefcfyeb/en  ift.     Der  befyerrfdjenbe  ©efid)tsbunft  ift  alfo  ber 
^»iftorifd^e  unb  nid)t  ber  fr/ftematifcf)e,   feine  Strbeit  ift  nidjt  per  modum  auctoris,  sed  25 
excerptoris  berfafjt  (ib.  7).  Die  §auj)tqueHe,  bie  er  benü^t,  ift  bie  sacra  pagina  (11), 
aber  baneben  fommen   aueb,   bie  apoeryphi  in  33etracb;t,    bie  ja   fdwn  2  %xm  3,  8  unb 
2>ub  14  berWanbt  Werben;   ilmen  fommt  freilief)  nidjt  veritatis  certitudo  ju,   aber   fie 
bürfen  gelefen  unb  geglaubt  Werben,  f ofern  fie  ber  fides  catholica  nid)t  Wiberfbredjen  (9). 
Daju   fommen   bie  Defretalen  ber  römifdien  23ifcf)öfe,    bie  canones  generalium  con-  30 
ciliorum  foWie  bie  opuscula  ber  fanonifierten  ober  fonft  anerlannten  $ird)enlel)rer  (12). 
2Sie  aber  fdjon  Sufas  bon  §erobes  unb  2Iugufiu3   gerebet   b)at,  fo   ift  aueb,  bon  bem 
Weltlichen  Regiment  gu  fyanbeln  (5),  unb  bemgemäfj  muffen  bie  6b,ronifen  (Wie  ©ufebius, 
Öieronr/mus,  ^ßrofber,  ©igibert,  §elinanbu§)   unb    bie  ©efd)icr/t<§fd)reiber  (Wie  ^ombeju§ 
Jorguf,  Drofiu^,  ©ueton,  @ufebiu3,  Stufin,  §ugo  gloriacenftö,  6affiobor3  hist.  tripar-  35 
tita  etc.),  foWie  bie  biograbl)ifcben  3Ber!e,  bie  SRärtr/reraften,  bie  ©efdiid^te  ber  heiligen 
unb  SDcönd^e,  !urj  innumerabiles  historiae  r/erangegogen  Werben  (16).    ferner  muffen 
bie  2Ber!e  ber  ^b.ilofobfjen  unb  ®id)ter  foWie  ber  Itird^enfcbriftft eller   ejxerbiert  Werben, 
fotoie  aueb,  bie  ©dmften  ber  SRaturforfcb,  er  unb  2trgte  bon  2iriftoteIe3,  ^3Iiniu§  unb  §ibbo= 
frate§  an  bi§  2tbicenna,   9ta^i,    ^onftantin  2lfrilanug  k.  (18).     ®ag  gunbament   beg  40 
ganjen  SBerfeS  ift  bie  ©d)öbfimg§gefd)icbte.    ®a  aber  ber  SRenfcb,  in  ©ünbe  gefallen  ift, 
fo  beburfte  e§  ber  reparatio,  biefe  erfolgt  burd)  bie  2Biffenfd)aft  unb  burd)  bie  Religion, 
bie  bas  organifierenbe  s$rin^  ber  ©efdncfyie  ift.  ©omit  verfällt  ba§  2Ber!  in  brei  'SCetle: 
ba§  speculum  naturale,    ba§  speculum  doctrinale   unb    bas>  speculum  historiale. 
Der  93erf.  batte  ein  3Berl   gefdjaffen,   ba§,    nad)  feiner  33erecb,nung  breimal  fo  grofe  aU  45 
bie  53ibel  unb  bab,er  gu  teuer  geworben  War.    t)ie  33rüber  baten   ibn,  unb   fein  ^prior 
legte  e§  il)m  alg  33ufeleiftung  jur  ©ünbenbergebung  auf,  baö  Sud)  in  librum  manualem 
ad  modum  unius  bibliae  gu  berwanbeln.     2lber  ba§   ging   nicf)t,   ob,ne  bag  SBerf   ju 
fcljäbigen.    SDab/er  entfd)Io§  fid;  berSlutor,  e§  in  brei  volumina  ju  teilen.    ©0  liegt  eö 
un§  bor.  ©aS  in  ben  SluSgaben  an  britter  ©teile  eingefügte  speculum  morale  ift  eine  50 
/yälfdmng,  f.  oben. 

£>er  erfte  Seil  (speculum  naturale)  umfaßt  32  23üd;er;  er  berläuft  im  ©d)ema 
be§  ©ed;gtageWerfeg.  Dabei  bringt  ber  3(utor  alle§  an,  Was  er  in  ber  Sitteratur  ge= 
lefen  fyat  über  (Enget  unb  Dämonen,  über  Sicb/t,  garben  ober  ©biegel  (1.  1  u.  2),  über 
2lftronomie  unb  2lftrologie,  5Raum,  ßett  unb  Bewegung,  Suft,  @d)0,  5Regen,  23lh),  sJtebel  65 
(1.  3  u.  4),  über  9Jccer,  (ibbt  unb  glut,  Heilquellen,  Minerale,  ^Pflanjcn,  ©artenbau 
(1.  ö— 1.1),  über  SBögel  unb  gifd>c  (1.  16—17),  über  ©drangen  unb  Säugetiere  unb  über 
bie  Anatomie,  ^3^^ftoIogie  unb  ^3fbd)ologie  bes  Menfdjen  (1.  18—28).  Dann  Wirb  bon 
ber  ©ünbe  (1.  29)  unb  ber  Beugung  (1.  31)  gebanbelt.  Die  ©eograbfyie  ber  brei  2Belt= 
teile  unb  i^rc  Sebeutung   für  bie  ©cfd)id)te  be§'  sIRenfd)en  Wirb  erörtert.    Die  (Mefdiidite  w> 


668  $tucenttu§  bon  SBeauboiS 

felbft  Wirb  nacb,  bem  auguftinifdjen  ©djiema  ante  legem,  sub  lege,  sub  gratia  be= 
leuchtet,  babet  Serben  aber  in  ©emäfcbeit  i,eg  ©edjgtagewerfg,  fedjg  ^ßerioben,  Wieber  nad) 
2lugufttn  (de  genesi  ad  Man.  I,  23)  foWie  ben  ß^ronilen  (^fibor,  Seba,  graculpfy, 
2tbo  2C.)  folgenb,  angenommen:  1.  bie  prima  infantia,  bon  Slbam  big  9Roab,  2.  bie 
5  pueritia,  big  2tbrab,am,  3.  bie  adolescentia,  big  ®abib,  4.  bie  iuventus,  big  jum 
(Erjl,  5.  bie  aetas  virilis,  big  Sfyriftug,  6.  bie  senectus,  bon  ©bjifiug  big  jum  (Enbe. 
©iefe  (Einteilung  nad)  ben  2tltergftufen  Wirb  motibiert  nacb,  ber  betriebenen  ©teßung  ju 
bem  göttlidjen  ©efe|.  Sag  9JcannegaIter  j.  S.  gebt  mit  bem  (Erjl  an,  weil  je£t  bie 
9Jfenfd)beit  tefp-  Qgrael  ©Ott  unb  nicfyt  mebj  Sftenfcljen  fürchtet,  bie  d>riftlid)e  $eit  aber 

io  ift  bie  beg  ©reifenalterg,  fofem  fie  tanquam  itura  futurorum  coneupiscentia  trahitur 
(1.  32  e.  26).  ®iefe  möndnfct/e  2luffaffung  ber  gefd)id)tlid)en  ©teßung  beg  (Ef)riften= 
tumg  ift  intereffant,  aber  bie  ganje  Einteilung  Wirb  in  bem  Sßerf  nidjt  burcr)gefüljrt. 
(Ein  fiebenteg  geitalter  ift  bie  ewige  requies  sanetorum. 

©er  gWeiie  %e\l  (speculum  doctrinale)   giebt   in   fiebje^n  Supern   eine  ©efamt= 

15  encfyflopäbie  ber  2Biffenfd)aft.  ©a  ber  (eitenbe  ©efid)tgpunft  generis  humani  repa- 
ratio  doctrinalis  ift,  fo  Wirb  einleitenb  bon  ber  ©ünbe  unb  il)ren  folgen  gerebet.  ®ie 
beiben  mala  originalia  finb  error  unb  cupiditas  (1.  1  c.  3).  (Eg  folgen  (Erörterungen 
über  bie  (Einteilung  unb  ben  llrfprung  ber  Söiffenfcfyaften,  über  Sebjer  unb  Semen,  über 
Süd;er  unb   ©pracfyen  (1.  1  e.  10  ff.),    fdiliefdid;    ein  Sofabularium    feltener  2tugbrüde 

20  (c.  45—67).  ®ann  Werben  (1.  2)  bie  ©runbjüge  ber  ©rammatif  erörtert  (gierton  beg 
Sionieng  unb  Serbumg,  Stebeteile  sc).  (Eg  folgt  ein  Slbrift  ber  Sogif  mit  (Einfdjlufs  ber 
^etoril  unb  ^ßoetif  (1.  3).  5Rad)bem  fo  bie  tb,eoretifcb,en  2Biffenfd)aften  erörtert  finb,  gebt  ber 
2lutor  $ur  practica  scientia  über  unb  beljanbelt  babet  bie  ^ugenben  unb  bie  Religion 
(1.  4),   bie  ^ugenben  einzelner  ©tänbe  unb  2tlterggruppen,  de  vita  sociali  (1.  5  c.  38), 

25  bie  scientia  oeconomica  (1.  6 :  §ocbjeit,  (Efyeleben,  (Erjiefyung,  ©efinbe,  greunbe,  £>aug, 
Siebjudjt,  SCderbau  mit  einem  lanbwirtfcftaftlicfyen  Jlalenber).  (Eg  folgt  bie  scientia 
politica  (1.  7 :  ©taat,  gürft,  Siedet,  9ted)tgquellen  unb  juriftifet/e  ©runbbegriffe),  fobann 
de  causis  et  litibus  (1.  8),  de  criminibus  (1.  9,  bef.  über  ©imonie,  §ärefie,  per- 
fidia  Judaica,   Saraceni,  Slpoftafte),  über  SRorb,  (Efyebrud),  diaub,  ®iebftal)l,  usurae, 

30  de  sacerdote  tenente  coneubinam  u.  f.  W.  (1.  10).  SDag  11.  Sud)  l)anbelt  de  arte 
mechanica  (Bereitung  bon  SBoöe  unb  Äleibung,  Sau=  unb  ©cfymiebefunft,  ^rieggfunft, 
Sefefiigunggtoefen,  de  arte  theatrica,  ©d)tffai)rt,  £>anbel,  ^agb,  Slccerbau  jc),  bag 
12.  Sud)  de  arte  medicinae  (2lrgte,  Körperpflege,  geibneputjen,  ^inberb,t)giene,  §r/giene 
ber  Steife,   Sftanfenbiät,   SKebitamente,  $urgatibe,  SBunbpflege,   Hnod)enbrüd;e  jc.)    bag 

35  13.  Sud;  de  scientia  medicinae  theoricae  (bie  (Elemente,  complexiones,  ber  (Eoitug, 
©eburt,  Slbortug,  ^ab,regjeiten,  2BoI)nräume,  9?al)rung,  Serbauung,  ©djlaf,  Urin  k.),  bag 
14.  Sud)  de  signis  et  causis  particularibus  aegritudinum  (j.  S.  gieber,  ©frofeln, 
$rebg,  giftein,  cephalaea  seu  hemigraena  b.  b-  Stftigräne,  (Epilepfie,  de  passionibus 
nervorum,  Db,ren=,  Sungen=,  9?teren=,  §erjleiben,   de  dyarrhaea,    dysenteria,   ü)ten= 

4o  ftruation,  5]3obagra  2C.).  SDag  15.  Sud}  "ift  ber  naturalis  philosophia  gcWibmet  (bie 
prima  materia,  bie  (Elemente,  Körper,  SRaum,  geit,  SeWegung,  SRineralien,  Säume, 
ältere,  §ifd;e,  Sögel,  bon  allen  biefen  leiteten  Werben  alpfyabetifcfye  Serjeid}niffe  gegeben), 
^m  16.  Sud)  Wirb  über  Sflatfyematü,  SPiufü,  ©eometrte,  2lftronomie  unb  3JJetapl)t)fiI  ge= 
rebet.    SDag    17  Sud;   fprid)t  de  theologica  scientia:   ad   hanc  enim  tanquam  ad 

45  finem  reliquae  omnes  universaliter  ordinantur  eique  tanquam  reginae  multi- 
pliciter  famulantur  (c.  1).  §ier  Wirb  gunäd)ft  bie  falfcfye  Geologie  beb.anbelt.  2)abei 
Wirb  ein  SLeil  ber  9tebe  beg  5Rad)or  aus  ber  Vita  Barlaami  et  Josaphat,  b.  b,.  aber 
aug  ber  Apologie  beg  2trtftibeg,  Wiebergegeben  (c.  12 — 14;  im  Specul.  historiale  Wirb 
in  bjftorifcfyem  3"fflwmenljang   bie  ganje  Siebe    in  berlürjter  ©eftalt  mitgeteilt  f.  1.  15 

50  c.  33—35).  (gg  folgt  eine  (Erörterung  ber  Duellen  ber  Wabjen  Geologie  in  $orm 
einer  SibeHunbe  (c.  31  ff.)  unb  Inapper  3Rottgen  über  bie  berborragenben  fird;Iid;en  Stutoren, 
bie  big  Sanfranf,  Slnfelm,  ^bo,  Sernb,arb,  §ugo  unb3?icb,arb  bon  ©t.  Siftor  (c.60— 62) 
angeführt  Werben. 

®er  britte  ^Eeil  ober  bag  Speculum  historiale  Wirb   eingeleitet   burd)   eine   lur^e 

55  ©arfteEung  ber  Sebje  bon  ©Ott,  ber  b,immlifd)en  §ierard;ie,  ber  materia  informis, 
ber  ©d)öpfung,  bem  9Jtenfd)en,  ber  synderesis  (1.  1  c.  40),  bem  ©ünbenfaE,  ber  ©ünbe, 
ben  14  ©laubengartileln,  ben  brei  tbeo!ogifd;en  unb  ben  bier  üarbinaltugenben,  foWie 
ben  fieben  ©aben  beg  b,l.  ©eifteg.  S)er  ©ünber  ift  in  ignorantia,  coneupiscentia,  in- 
firmitas    gefaEen,   aber  ©Ott   giebt   ibm   Wieber  sapientia,    virtus,    necessitas,  b.  b,. 

60  burd)  bie  tb,eoretifd)e  unb  praftifd)e  (Erlenntnig   foWie  bureb,  bie  5Dfed)ani!  überWinbet  ber 


SBtncentiuä  bon  JBeaittintS  (j(jy 

9Jknfd>  bie  SBirfungen  ber  ©ünbc  (c.  53).   9Jttt  2tbel  beginnt  bie  ®ircb^ngefcf>id)te(c.  57). 
@g  toirb  nad;  ber  Sibel  bie  ©efd)id;te  ber  Urgeii  —  ber  ©egen  9ioal)g  giebt  2lnlafj,  bie 
alte  ©eograbfyie  barjulegen  —  unb  ber  Patriarchen  ergä^lt,   toobei  bie  „Seftamente  ber 
jtüölf  Patriarchen"  nad)  ©roffetefteg  Überfettung  mitgeteilt  toerben  (1.  1  c.  125  ff.).  Dann 
toirb  im   2.  Sud;   bie   igraelitifd;e  ©efd)id;te  bon  SSJioJe  big  in  bie  Äönig^eit  toieber=  5 
gegeben,  baju   ift  bie  Mebe  bon  £erf  ule£,    bem  m  trojanifdjen  Kriege,  Sbiurg,  9iomulug, 
ben  fieben  SBeifen  k.  Dag  3.  Sud)  berietet  bon  Stfobg  gabeln,  bem  %aü  SBabelä,  §itobiag, 
$r/tbagorag,  £>eraflit,  bann  Don  @gra  unb  9?el;emia, -bann  bon  ©ofrateg,  Slato,  3lrifto= 
teleg  :c.    §ier    tüte   überaß  werben   rcid;lid;   2Iu§jüge   aug  ben   Stutoren  —  befonberg 
moralifcfye  Sentenzen  unb  flosculi  —  mitgeteilt.   Dag  4. — 6.  Sud;  ergä^It  bie  ©efd)id;te  10 
Don  $f)Uitob,   Sllejanber   unb   ben  Diabod;en  an   big  ju  2Iuguftug  unb  §erobeg,    babei 
aud;  Don  Sergil,  Wiax'ia,  £oraj,  ^ofyanneä  bem  Käufer  berid;tenb.   Dag  7  Sud)  beginnt 
mit  SEiberiug  unb   ift   bejonberg  ber  ©efducfyte  (Sfyrifti  getoibmet.    Dabei  toirb  aud)  bag 
belannte  geugnig  keg  IyofebI)ug  bertoertet,  ebenfo  bie  Slbgarlegenbe,  Songinug,  bag  $inb= 
b>itgebangelium  unb  bag  ÜTufobemugebangeltum.    Dann  folgt  ^ftngften,  ©tebfyanug,  eine  15 
Slnjaf)!  t>on  Sftarienlegenben  unb  Sßfyilo.    ^m  8.  Sud;  toirb  bann  bag  Söefen  beg  GI)riften= 
tumg  enttoidelt,  inbem  bie  „neuen",  b.  f).  bie  fieben  fatfyolifcfyen,  ©atramente  ju  genauer 
Darfteilung  gelangen.    Sann  ift  bon  *ßaulu§,  ©enela,  ^erfiug  unb  Suöenal  bie  9?ebe. 
Dag  9.  Sud;  fbricfyt  bon  9?ero,  ©imon  üftagug  (nad)  ber  Passio  Petri),   bem  rbmifd;en 
Primat,   (Slemeng  (nad;  bem  Itinerarium  Petri  b.  I).  ben  ^Pfeuboclementinen,   c.  23  ff.),  20 
2lbofteIlegenben  (nad;  ben  berfdn'ebenen  Acta)  unb  5Diärtt>rergefd;id;ten  2c.  Dag  10.  Sud) 
erjäblt  bon  Sefpafian    unb    ben  üaifern   big  (Sommobug,   bon  3jrcufalem§  Untergang 
(nad;  ©gefttob),   bon  ^obanneg,  ^gnatiug,  piniug,  bon  Vermag,   beffen  Sud;  ber  Serf. 
fcnnt,  aber  bcmerlt:    cuius   flores  excerpere  non  libuit  seu  propter  prolixitatem 
ac  verborum  simplicitatem  seu  quia   inter  scripturas    apocryphas    numeratur  25 
(c.  91),  ferner  bon  ^abiag,  $o!r/farb,  Suf^n/  ^m  btx  Serf.  mit  bem  §iftorifer  Qufttn  §u 
ibentiftjieren  ntct)t  für  unmöglich  fyält  (c.  94),  bon  §egefibb,  Siftor,  3>renäu3,  ßlemeng  2llej.  jc. 
^m  11.  Sud;  gefyt  bie  @rjäf)lung  fort  §u  Drigeneg,  ber  gu  fe|r  allegorifiere  unb  quasi 
improbare   historiae   veritatem   fd;eine    unb    in   beffen  Periarchon   maxime  eius 
haereses  inveniuntur  (e.  12),   ^u  SlertuUian,  beffen  2tbologeiifum   oft  bertoanbt  toirb,  so 
■w  Gr/brian,  unter  beffen  ©d;riften  aud)  de  aleatoribus  unb  de  duobus  montibus  unb 
anbereg  Xlnecbte  angeführt  toerben  (c.  62).    Überall  fbielen  babei  2Rärtt)rergefd;id;ten,  bie 
aug  ben  Gesta  ergäbt  toerben,  eine  ^aubtrolle.    @g  folgt  in  Sud;  12  bie  biolletianifd;e 
Verfolgung  unb  in  Sud;  13  unb  14  bie  ©efc^)id;te  ber  lonftantinifdjen  $e\t,  babei  toirb 
bon  ben  $ird;enbätern  be§  4.  gal)r^unbertg  einge^enb  geb^anbelt.    ®a§  15.  unb  16.  Sud^  35 
er^It  bon  ^nbien  (nacb^  bem  Sarlaamroman),  ^ßerfien,  SRom,  bem  granlenreid^,  (gnglanb, 
ben  Sanbalen,  Söeftgoten  unb  §unnen.   2)a§  17.— 24.  Sud;  berichtet  bann  bie  ©efd;id;te 
bon  S£r/eobofiu3  b\§  gu  ben  Karolingern,  au<fy  fyier  toerben  bie  ©djriften  ber  Säter  genau 
befbrod;en,  j.  S.  6I;rt)foftomu§,  Sluguftin,   Martin,   SücajimuS  bon  Surm,  Saffian,  ©er= 
manu§,  ^rofber,  ©elafiu^,  gulgentiug,  Soetl)iug,  Saffiobor,  ©regor  b.  %oux§,  ©regor  b.  ©r.,  i» 
Seba,  ßäfariu§,  2ll!uin,  Diaban  je.    Som  25.— 30.  Sud;  toirb  bann  bie  ©efd)id;te  bon 
§einrid)  II.   big  jjur  3^it  be§  Serf.   ergä^It.     ®abei  fällt  befonbereg  ©etoid;t    auf  bie 
2Jcönd;ggefd;id)te  (Semfyarb,  Norbert,  ©ominicug,  ^ran3  Jc-),  auf  §eiligen=  unb  2öunber= 
eräät)lungen  (3.  S.  bie  \jl.  ©lifabetb;),  fotoie  auf  bie  ©ct)riftfteller  (j.  S.  Sanfranl,  2lnfelm  bon 
ßanterburb,  §ugo  unb  9tid>arb  bon  ©t.  Siftor,  §ugo  be  goEietto,  aug  beffen  claustrum  « 
animae,  einer  aHegorifd;en  Deutung  beg  Hlofterlebeng  auf  bag  ganje  ßbrtftertleben,  biel 
mitgeteilt  toirb  1.  27  c.  18  ff.,  Slbälarb,  ©ilbert,  ^Betrug  Sombarbug,  $etrug  Someftor,  ben 
Serfaffer  ber  bon  bem2lutor  oft  benü^ten  Historia  scholastica  etc.).  —  $Dag  31.  Sud; 
berietet  bann  bom  üonjil  ju  St;on  1245,  bon  ber  ©efanbtfd)aft  ber  SDominilaner  unter 
^nnocenj  IV.  an  bie  Tataren  1245  nad;  münblid;en  unb  fcljriftlidjen  Serid;ten  ber  Drbeng=  50 
brübcr  beg  Serfafferg,  bon   bem  Kreu^ug    Subtoigg  beg  ^eiligen   unb   feiner  ©efangen= 
na^me   in  3)amiette   big   jum  ^a^re  1250.     ®ag   le^te  'Datum   ift   bag  10.  ^a^r  %n- 
nocenj'  IV   b.  l>.  1253  (c.  103).    5Run  fd)liefet  aber  ba§2öerf(c.  105)  mit  einer  genauen 
Beitangabe  (bag  33.  3al;r  griebrid)g  II.,  bag  18.  %a§x  Subtoigg,  bag  2.  %afyc  ^nnocen^'  IV.), 
nämlid)  bem   ^a^r  1244  (biefelbe  2lngabe  1.8   c.  94fin.).     ©anad;    t>at   ber  Serf.   ur=  55 
fbrünglicf)  bag  SBerl  im  ^al>re  1244  mit  bem  30.  Sud;  abgefd;loffen  unb  ^at  fbäter  im 
3ab;re  1253  bag  31.  Sud)  hinzugefügt.    Die  ©d;lufenotij  beg  30.  Sud;eg   ift   bann  ber= 
fct)entltct)  an  bag  @nbe  beg  31.  Sud;eg  geraten. 

4.  Dies  ift  ber  $nl)alt  beg  großen  ©efd)id;tgtoerleg,  bag  bon  2lbel   big  ^um  ^abre 
1253  n.  ßbr.  reicht  unb  mit  immer  gleicher  ©orgfalt  Slugjug  um  iHn^jug  aug  bekannten  go 


670  JBtncentmS  tum  23eaut>at§  ÜStncentiuS  üoh  ßertmtnt 

unb  Wenig  befannten  Quellen  aneinanbcr  fügt.  ®ie  sDcetfyobe  be§  SSerf.  ift  folgenbe:  er 
entlefmt  bie  ®aten  aug  ber  Gfyronif  beS  @ufebiu§  ober  anbeten  cfyromftifcfyen  SBerfen, 
bann  füllt  er  ba§  fo  gewonnene  ©eribbe  au§  burcf)  33iograbfyien  ober  fonftige  gefcfyicfytüdje 
©ctulberungen,  bie  er  ben  r/iftorifcfyen  SSetfen,  ben  Gesta  großer  SJiänner  ober  ben 
5  SRärtr/reraften  entnimmt;  bie  3Ber!e  ber  ©cfyriftfteHer  Werben  nacfy  ben  befannten  ^ata= 
logen  angeführt,  ber  33erf.  ift  aber  aud)  bemüht,  fie  felbft  fennen  ju  lernen  unb  teilt 
Weitfcfncfyiige  ©jcerbte  au$  itmen  mit.  2öa3  fo  entfielt,  ift  eine  umfängliche  ©ammlung 
be3  r)iftorifct;en  Materials ;  2tnfä|e  ju  einer  Deutung  ber  gcfcf;icr;tlid)en  dntwicfelung  ober 
jur  @rfenntni§  ber  33ebeutung  ber  2$atfad)en  finb  überaus  feiten,  ber  SSerf.  liefert  eine 

10  ins  9Uefenr)afte  auSgebeljnte  6§roni!  ober   ein   grojjeS  ^acrjfdbJageWert    2tber  nicr)t  nur 

ber  %Ui%  fonbern  aucf)  ein  gemiffeS  ©efdncf  ber  (Gruppierung  finb  aller  2lner!ennung  Wert. 

©a§  gewaltige  2öerf  ift  bem  gWecf  getotbmet,  bas  gefamte  bofttibe  Söiffen  ber  ßeit 

gufammen^uftellen.  SDie  „Kultur  ber  (Gegenwart"  Will  ber  2Jutor  barlegen,  unb  e§  bejeicb,net 

bie  ©cf>ran£e  feiner  geit,  bafj  fein  33ucb,  bod)  Wefentlid;  §u  einer  ©arftellung  ber  Strbeit 

15  ber  2lntile  Wirb.  SSiele  arbeiten  be§  13.  ^af)rl)unbert§  l>aben  ben  $ug  in  ba§  9üefen= 
f)afte  unb  SBeltumfbannenbe,  ber  unfer  2Ber!  lennjeic^net ;  biefer  $ug  entfbringt  bem 
93eftreben  ber  firdjlicfyen  2Biffenfd)aft,  bie  Söeltfyerrfcfyaft  ber  $ird)e  mit  it)ren  Mitteln  aß= 
feitig  ju  begrünben,  aud;  bie  3ßiffenfd)aft  foll  ©nabenmittel  fein,  unb  bie  (MenntntS  bie 
grömmigfeit  förbern.    ^n  biefem  !ird;Iid)en  ©inn   f)at   aud)  33.    fein  äöerl    aufgefaßt. 

20  Slber  Wäfyrenb  feine  3e^Sen°f!ert  i^te  Ifraft  in  ber  9tegel  ber  bialeftifd)en  33egrünbung 
ber  überlieferten  SBafyrfyeit  Wibmen,  fyat  33.  an  ber  möglicfyft  bollftänbigen  3ufammen= 
ftellung  ber  überlieferten  ©rlenntnil  feine  greube  gehabt.  @r  erinnert  barin  an  feinen 
ßeitgenoffen  unb  Drbem>bruber  Gilbert.  @3  War  eine  innere  "KotWenbigfeit,  bafj  ber  gemaltige 
@rfenntni§trieb  ber  $e\t  ficb,  junädjft  an  folcfye  Sammlungen  größten  ©til3  machte,   bie 

25  fid)  $War  ben  alten  ©ammelmerJen  be<§  9JUttelalter3  anfd)(offen,  aber  fie  ben  neuen 
33ebürfniffen  entfbredjenb  in  bas>  Ungebeure  erweiterten.  ®iefe  ©ammlungen  boten  bann 
bie  ©runblage  bar  für  bie  bialeftifdje  2Irbeit  ber  ©d/olaftü  in  ifyrer  Slütejeit.  Dean 
fiebt  an  bem  SBerf  be<8  33.,  Wie  umfaffenb  bie  allgemeinen  33ilbung§intereffen  ber  ^eit 
waren,  bie  bon  ber  fd)oIafiifd)en  Geologie  borau3gefe|t  Werben.    ®a§  3ßeif  be§  33.  ift 

30  eigentlich  nid)t  ein  33ua)  für  ©elei)rte,  fonbern  eine  allgemeine  9lealenct)flobäbie  für  bie 
©ebilbeten.  ©arin  befielt  bie  fulturgefdncfytticfye  33ebeutung  be3  großen  2Berfe3.  SDer 
33erf.  f>at  einen  gemiffen  ©inn  für  ben  9Bert  beö  gefcbicfytlicf/en  2Biffenö,  aber  baö  be= 
beutet  nicfyt,  ba^  er,  roie  ©roffetefte,  3Roger  33acon  u.  a.,  bem  @mpiri§mu§  ber  bialehifc^en 
J?unft   gegenüber   fein   Stecht   toab,ren  Will,   ba^u   ift  33.   p  Wenig    originell.    9Jur  bie§ 

35  geigt  fein  33ud£),  Wie  ftar!  aucb,  ber  "Stieb  nacb,  pofitioem  SSiffen  in  ber  großen  $z\t,  in 
ber  e3  entftanb,  geWefen  ift;  e<§  ift  nicb,t  nur  al§  ein  ^ßrobult  perfönlic|er  Sieb^aberei, 
fonbern  aucf;  al§  3euSn^  beZ  geiftigen  33ebarfe§  feiner  3«t  3"  beurteilen.     3t.  ©ecöerg. 

Sßtncenttu§  gerrev  f.  gerrer  93b  VI  ©.48. 

Sincenttu§  »on  Serinum,  ^3re§bt)ter  um  440.  —   Quellen:  SluSgaben  feine« 

40  Commonitorium  uon  %oi).  ©tcljarbuS  1528,  @t.  53a[uüiu§  1684  (3.  Sluggabe    auf  ©runb  uon 

Hier  guten  §anbfd)riften),   biefe  tft  abgebntcEt  MSL  50,  (5H7 — G86 ;  Siiticfier  1895  (^eft  I,  10 

ber  ©ammlung  ftrd)en=  unb  bogmengefcf).  £lueüenfd)riften  I)erau§geg.    Don    ©.   Sritger)    unb 

W.  ÜKaufcfjen,  Florilegium  patristicum  f.  5,   1906.  —  ©eunabiu§,  De  vir.  ill.  65. 

Sitteratur:  §arnac£,  ®ogmengefd)id)te  II3,  1894,  ©.  106—109;  F.  Brunetiere  et  de 
45  Labriolle,  La  pensee  chretienne:  St.  Vincent  de  Lerins  1906.  2(l(e  ®arfteüungen  beS  <3emt= 
pelagiantomuS,  f.  oben  XVIII,  192 ff.,  befonberä  ©.  197 f.  unb  aud)  II,  188,  31  ff.'  191,  40 ff.  — 
Siüemont  XV,  143—146  unb  859—862;  S.  g.  §efele,  SSincentiu§  SirinenftS  unb  feinÄommont= 
toriunt  in:  Beiträge  pr  tivdiengefd).,  9lrd]äütogte  u.  Siturgit  I,  1864,  @.  145—174  (bort 
Uon  <B.  157  an  genaue  3ntja(t3angabe  beg  Sßtncenjfcrjen  503erte§);  ^oirel:  De  utroque  Com- 
50  monitorio  Lerinensi,  %ancu  1895;  $.  Sod),  St)DS  1899,  396 ff.;  berf.,  Tineen*  üon  Serin 
unb  ©ennabiuS  in:  X\l  3.  9teif)e  I,  2,  1907,  @.  37—58. 

©ennabiug  berietet  in  c.  65  feine§  ©d^riftftellerlatalogS  über  einen  ©allier  33in= 
centiuö,  ^3reäb^ter  im  tlofter  ber  Lerinensis  insula  (£)eut  ©t.  öonorat  füblicb,  bon 
Sanneg),  er  fei  in  ber  £>l.  ©cb/rift  Wob;l  beWanbert  unb  mit  ber  tHrdj>ltcr)en  ©ogmati!  auS= 
55  gejeicf)net  bertraut  geWefen,  fyaht  aud)  gegen  bie  §äretifer  gefcf)rieben  unb  fei  unter 
S£f)eobofiu§  (II)  unb  SJalentinian  (III)  geftorben.  ®ie  3eitangabe  berbient  Wie  bie 
übrigen  ^ßerfonalien  boDleg  33ertrauen,  freilieb;  lä^t  fie  ben  Zeitraum  bon  425  bi§  450 
offen;  um  445  bürfen  Wir  etWa<§  genauer  baS  'SobeSbatum  ftrieren,  Weil  in  ber  93orrebe 
ju  @ucb;eriu§'  ^nftrultionen  1.  1  (CSEL  XXXI,  p.  66),  bie  in  biefe  JJett  fällt,  33.  als 


SBinccntiuS  Don  Scrtmtm  (j71 

nod)  lebenb  bcEjanbelt  it>tvb.  £>cr  33ifcr;of  @ud)criu£  beglücftoünfdjt  feinen  ©obn  baju, 
bafe  er,  feit  bem  iq.  SebenSjafyr  in  bie  „©infamfeit"  geführt,  auf  ber  ^nfel  Sermum  ju= 
erft  ben  Unterricht  be§  jc§igen  33ifcf)of<8  |)ilariu<§  bon  StrleS  genoffen  unb  bann  feine 
33ilbung  botlenbet  I)abc  mit  §ilfe  ber  b,I.  3Jcänner  ©albianug  unb  33incentiu»  „eloquentia 
pariter  scientiaque  praeeminentibus"  Sa3  l;ier  bem  33.  gefbenbete  £ob  ift  nicfyt  un=  .-, 
berbient;  er  gehört  ju  ben  geiftig  bebeutenbften  Geologen  ber  Iateinifd)en  iftrcfye,  unb 
©ennabiuä  fagt  ntd£>t  ^u  t>tel,  toenn  er  fein  .gaubttoerf  eine  validissima  disputatio 
nennt,  bie  ©arftellungSform  als  fein  unb  flar  rüfymt:  bon  gaUtfcf/em  ©cfytoulft  fyat  ftcb, 
33.  ebenfo  tote  bon  erbaulicher  'jßfyrafeologie  frei  gehalten. 

©cfyon  ©ennabtug  fannte  nur  ein  einziges  Süerf  be<o  33.  mit  bem  bfeubonfymen  litel  10 
Peregrini  adversum  haereticos.  Qn  ben  $arifer  §anbfc^riften  b/eif|t  e§  tractatus 
Peregrini  pro  catholicae  fidei  antiquitate  et  universitate  adversus  profanas 
omnium  haereticorum  novitates.  tiefer  ausführlichere  Slitel  iann  minbeftenS  ebenfo 
alt  toie  ber  furje  bei  ©ennabiuS  fein,  fctjon  toeil  ber  -Käme  Sßeregrinug  barin  beibehalten 
toorben  ift,  obgleich,  jebermann  au§  ©ennabiuS  ben  toafjren  33erfaffer  fannte.  3n  ben  15 
Srucfen  ift  feit  altera  bie  Sejeidmung  Commonitorium  ober  Commonitoria  borge^ogen 
toorben,  infofern  nicfyt  mit  Unrecht,  als  ber  33erfaffer  felber  innerhalb  beS  33ud;e3  bie§ 
fünfmal  mit  jenem  9camen  belegt.  SDie  2Bab/l  be3  SßfeubontymS  „>)]eregrinu3"  (=  ein  Pilger) 
bürfte  efjer  möndjifcfyer  2Ingft  bor  toelilidjem  JRulmi  als  ber  ^bficfyt,  bie  £efer  irre  ju 
fübren,  entfbrungen  fein  (bgl.  c.  I:  mihi  minimo  omnium  servorum  Deo  Pere-  2n 
grino);  benn  im  übrigen  ^cigt  ftet)  33.  gar  nief/t  bemüht,  bie  toaf) ren  2tbfaffung§berl)alt= 
niffe  be3  %5ud}$  in  SDunfel  51t  füllen.  dr  fießt  fieb)  uns»  in  c.  I  bor  ab§  einen  Wiann, 
ber  fieb,  nacb,  längerem  ©enufj  ber  2BeIt  —  saecularis  militia  bebeutet  nid)t  ettoa  gerabe 
folbatifdjen  33cruf  —  je|t  in  bie  ©tillc  eine§  ^lofterg,  in  portum  religionis,  gurücf- 
gebogen  I)abe.  ©ein  ^Aufenthaltsort,  bie  Qnfel  Serinum,  toar  für  ben  intereffierten  Sefer  20 
bier  nicb}t  fcfytoerer  ^u  erraten,  als  feine  ^oerfönlidjr'eit  unter  ben  Serinenfern  feftjufteUen. 
Offenbar  b,at  33.  ben  fyöb/eren  ©tänben  angebört;  unb  toenn  er  tb^ologifcb,e  2et= 
türe  erft  im  £lofter  ju  treiben  begonnen  b,at,  fo  ift  baS  redjt  grünblicb,  gefeiten.  @r 
toeife  in  ber  ©efd?id)te  ber  fircfylicfjen  Sttteratur  fefyr  gut  33efd)eib,  nid)t  blof?  ber  lateintfcfyen ; 
bie  grage,  intoietoeit  er  beS  ©riecfyifdjicn  lunbig  getoefen  ift,  mag  offen  gelaffen  toerben.     30 

Sie  SlbfaffungSjeit  ift  burd)  c.  XXIX  fieser  geftellt,  too  33.  baS  %ai)r  beS  ebb,e= 
fünften  ÄongilS  genau  nacb,  ben  Jlonfuln  be^eidmet  unb  fagt,  ba|  eS  um  ein  triennium 
tünter  ber  ©egentoart  jurücHiege.  3n  9^om  regiere  augenblicflicb,  ^3abft  ©ir.tu§  (III); 
einen  33rief  bon  biefem  an  ben  33tfc^of  ^ob,anne§  bon  (üSbr/efuS  !ann  33.  bereite  citieren, 
ber  am  17.  ©ebtember  433  gefefmeben  toorben  ift:  bor  434  toürbe  bie  Verarbeitung  biefeS  35 
2Jftenftü<f3  in  einem  gallifcb.en  Softer  nicb,t  benfbar  fein. 

ittad)  ben  Angaben  am  Slnfang  unb  ©cfyfujj  be§  SSerlS  blatte  V.  e§  nur  jur  Unter= 
ftü^ung  feine»  fd)rDact)en  ©ebäcr;tntffe§  gefcfjrieben,  alfo  eine  33erbffentlicr;ung  ntcr)t  in§ 
Sluge  gefafjt.  §.  Äocb,  glaubt  benn  aueb,  ^U  1907  ben  boUtoertigen  33etoei§  bafür  ge= 
liefert  ju  I)aben,  ba^  33.  feine  ©cb,rift  niebt  felber  t/erau^gegeben  b,at.  2JJein  ©inbrutf  40 
ift  ber  entgegengefe|te.  2XHerbingS  berficfjert  ber  33erfaffer  mebrmalS,  bafj  er  bie§  Sucb, 
nur  für  feinen  ^rtbatgebraueb,  beftimmt  fyabe,  entfctmlbigt  bamit  aueb,  bie  3Jcängel  be3 
©til§  —  bgl.  Clem.  Alex.  Strom.  I,  11,  1;  14,  1—4,  bcfonberS  auc^  ben  ^intoeiö 
auf  93ergeffencg  bei  Clem.  14,  2  mit  33.  XXIX  (42)  licet  ordinem  fuissemus  obliti 
—  aber  eine  fo!cf)e  Unterhaltung  mit  fid)  felber  füf)rt  er  eben  nur.  für  anbere  Sefer.  Unb  45 
erft  rec£>t  aU  ©djiutjtoefyr  gegen  unfreunblidje  Äritifer  ift  ba3  ©d;lu|toort  ber  33orrebe  (c.  I) 
gemeint,  er  ftell'e  ben  ^ßribatcfyarafter  feiner  ©cb.riftfteßerei  auöbrücflicb,  feft  für  ben  %aU, 
bafe  bas  SBerf  ettoa  borjeitig  ib,m  enttoifebe  unb  in  bie  §änbe  bon  ^eiligen  gelange;  fte 
fäb.en  bann,  baf$  es  bie  berb,ei^ene  ©tilforreftur  noeb,  nicb;t  erfabren  §abt.  §ier  ift  e3 
nicfjt  genug,  bem  2Iutor  einen  ftißen  SBunfd)  im  tiefften  ^erjeneigrunbe  ^ujugefteben,  too=  50 
naef)  ba§  3Büc^Ietn  einmal,  toenn  autb,  erft  nacb,  feinem  Sobe,  in  bie  SÖelt  binauggeb,en 
follte,  aueb,  liegt  toeber  „©cbtoinbel"  noeb,  „ber  größte  Unfinn"  bor,  fonbern  eine  gorm,  in  ber 
ber  33erfaffer  bie  3Seranttoortung  für  getoiffe  Mängel  feinet  355er!e§  bor  bem  ^ublifum 
ablehnt,  eine  äljnltdbe  2Iu|erung  mönd}ifcl)er  33cfrf)etbcnl;ett  toie  bie  2Baf)l  be§  9?amenS 
$eregrinu§.  ®a^  V.  bag  recf)t  träftige  33erlangen  b,_atte  auf  toeitere  Greife  ju  toirfen,  55 
bafj  er  jur  geber  gegriffen  b/at,  toeil  bie  9fot  ber  .geit,  namentlicb,  ber  fteigenbc  ©influfe 
junger  Äc^ereien  ib,n  jum  Sieben  gtoängen,  bat  er  rttct)t  blofe  in  ber  (Einleitung  gefagt:  um 
Slnbere  ju  überzeugen,  nid)t  „ju  eigenem  3iebetitorium"  ift  biefe  burebauö  im  lebhaften 
'^ortrag§ton  gehaltene  unb  auf  (Sffeft  berechnete  ©d;rift  gefd)rieben  toorben. 

l'dlerbingg  bleibt  nun  norf)  ein  ^?un!t  in  ber  Überlieferung  be3  3Bcrfeg  buntel.  hinter  60 


672  $incenttn8  bon  fiertnmu 

c.  XXVIII  mollte  ber  93erfaffer,  nadjbem  baS  %b,ema  beS  erftcn  commonitorium  er= 
lebigi  mar,  neu  anfangen,  um  auS  ber  ©efcbjcfyte  eines  ^ongtI§  —  er  meint  baS  3.  öfum. 
bon  @pb,efuS  —  feine  regula  ecclesiasticae  fidei  ju  bestätigen,  ©tatt  beffen  ftefyen 
mir  in  c.  XXIX  fofort  „am  @nbe"  biefeS  jmeiten  9Jterfbud)S,  unb  bem  93erfaffer  liegt 
5  blofj  nod)  ob,  baS,  maS  er  in  beibenSBücfyem  breit  ausgeführt  fyat  —  ber  ©cfylufsfatj  beS 
©an^en,  c.  XXXIII,  roieberlmlt  btefe  gormel  —  I)ier  ganz  furz  z"  rekapitulieren.  %<fy 
fd)meige  babon,  baft  nad)  Jloc(tä  §^otf)efe  btefe  furze  gufammenfaffung  auS  9?ücfftd)t  auf 
einen  beim  Sefer  befürchteten  Überbrujj  an  ber  SXuSfüfyrltcbJeit  ein  munberlicfyeS  93er= 
fyältniS  beS  ©djriftftellerS  35.  ju  feinem  ©ebäd)tniS   borauSfe|en   mürbe;    offen   ju  'Jage 

io  Hegt,  bafj  bie  ©djlufjfapitel  bon  XXIX  an  jtoei^ommonitorten  rekapitulieren,  mäb,  renb  mir 
bocb,  bi§  c.  XXVIII  nur  ein 3  bon  biefen  zu  lefen  befommen  b/aben.  2lHe  §anbfd)riften 
notieren  bann  aud)  an  ber  betreffenben  ©teile,  baS  zweite  Commonitorium  fei  aufgefallen, 
ober  bielmeljir  eS  fei  blojj  baS  ©d)luf$ftücf  beSfelben,  bie  9te!apituIation,  nocb,  borfyanben. 
tlnb  in  bem  gleichen  guftanb  fyat  bereits  ©emtabiuS  baS  Söerf  borgefunben,  ber  ficb,  ben 

15  feltfamen  ©adjberfwlt  fo  erflärt:  bem  93erfaffer  fei  ber  §auptteil  beS  jmeiten  93uci)S  nod) 
im  93routtlon  geftofylen  toorben,  ba  tjabe  er  ben  Qnfyaltmtt  führen  2Borten  jufammengefa^t, 
bie  neuen  Kapitel  gleid)  binter  ben  erften  Jeil  gerücft  unb  baS  ©anze  als  ein  33ud)  er= 
flehten  laffen.  ©d)abe  nur,  baft  bei  93.  felber  jebe  ©pur  folcfyer  33egrünbung  für  bie 
Stefapitulatton  fefylt;  er  Imtie  bireft  gelogen,  menn  er  bon  bem  „@nbe  biefeS  zweiten  93ud)S" 

20  gerebet  b,  ätte,  obmo|  I  baS  zweite  33ud)  gar  nid)t  mel)r  —  menigftenS  für  tf>n  borläuftg  ntct)t 
mefyr  —  ejiftierte.  ©eibifs  bürfen  mir  mit  @zapla  unb  §.  &ofy  in  jener  (Srzäfylung  beS 
©ennabtuS  nur  eine  §bpotr/efe  erbtiefen,  bie  einen  rätfelbaften  Jfyatbeftanb  erflären 
follte;  gerabe  biefe  §r/potr;efe  mar  aber  bei  93.  nafye  gelegt  burd)  bie  oben  ermähnte 
SSttte   an   Sefer,    bie   baS  33ud)  erhalten  fönnien  „si  forte  elapsum  nobis"     ©ie 

25  ^anbfcfjriften  begnügen  ftd),  ofyne  Angabe  bon  ©rünben,  ein  93erfd)minben  beS  £auptteilS 
bon  93ucfj  II  ju  notieren.  SDafs  jemals  jemanb  ben  berlorenen  %exl  bon  93.S  adv.  haer. 
gelefett  fyätte,* erfahren  mir  nicfyt.  ©letcfymofyl  mürbe  ein  3toe^^  an  °«r  Styatf  adje,  bajj 
er  etnft  ba  mar,  aber  ©Ott  meifj  mie  berlorett  gegangen  tft,  faum  aufgefommen  fein,  menn 
eS  nict/t  ftarl  auffiele,   bafj   bie  9tefapituIation  ber  beiben  93üd;er,  bie  mir  nocb,  befi^en, 

30  fid;  faft  auSfcb(ie|Iid;  mit  bem  ^weiten  befcb,äftigt;  fie  mirb  bort  fo  auSfü^rüd),  bafj  mir  einen 
Unterfct)teb  bon  ber  ©arftethmgSmeife  im  erften  ^etl  (c.  II— XXVIII)  gar  ntct)t  mab,rne^men. 
©oCte  eS  lebiglid;  gufaü  fein,  bafs  ber  33erluft  eines  Sud^S  fd;on  im  borauS  burcb,  ein  ein= 
geb,enbeS  Sterbt  auS  bem  Verlorenen  erfe|t  morben  mar,  mäb,renb  mir  öon  bem  erhalten 
gebliebenen  93ua)  nur  ein  paar  ©ä^e  ref apituüert  belommcn ?  ©a  aber  in  c.  XXIX  ff.  aucb,  nid)t 

35  etma  ein  bon  einem  Späteren  gefdEjaffeneS  ©rfa^ftüd?  vorliegt,  bleiben  blofe  jmet  @rIIärungS= 
mbgltdjfeiten.  ©ntmeber  b,at  93.  bie  SMapitulaüon  bon  93ud)  I  unb  II  in  feinem  93rouißon 
borläufig  fertig  gefteßt,  nacb,bem  er  33ud;  I  boHenbet  batte,  aber  ebe  er  baS  jmeite  93ud} 
fcbrieb :  feine  2(bfid)t,  baS  ^meiteSSucb,  jmifd)en  ber  erften  §älfte  unb  bem  ©cfylufe  in  IRüfy 
auszuarbeiten,    r/ätte   Äranfb,eit  ober   ein   plö^Iid)er  %oh   bereitelt.    Dber:    33.    b,at    bie 

40  beiben  93ücber  fertig  gehabt,  ebe  er  bie  ©d)lu^abfcb,nitte  entroarf,  aber  borauSgefe^en,  bafe 
bei  ber  SluSfüfyrlicbJeit  beS  jmeiten  unb  bei  ben  Waffen  bon  Slltenmaterial,  bie  er  barin 
aufgehäuft  b,atte,  manche  Sefer  eS  gern  überfd)lagen  mürben.  ®arum  gab  er  für  bequeme 
Seute  einen  2tuSgug  mefentlid)  blof?  auS  33ud)  II,  meil  er  für  93ud}  I  auf  gefpannte  2Iuf= 
merlfamfeit  rennen  burfte.    Säber  eben  mit  fetner  SSorficbt   fyäite  er  ficb,  felbft  gefcbabet. 

45  $n  ber  2;b,at  fdjrieb  man  nun  93ucb,  I  ganj,  bon93ud)  II  bagegen  blofß  bie  ©rjerpte  ab:  menn 
in  bem  jroeiten  93ua)  bielletd^t  nod)  ^efen  aufgeteilt  maren,  bie  unbequem  beutlid)  in 
gemiffe  fircbltc^e  ©treitig!eiten  eingriffen,  mäl>renb  an  bem  ©jjerpt  nichts  auS^ufe^en  mar, 
fo  märe  biefe  93e§anblung  beS  angefeb,enen  9Ber!eS  nod;  leidster  ju  begreifen,  ©egen 
bie  erfte  3flögUd>feit  fprid;t  bie  6b,ronologie;  i.  ^.  434  bat  93.  alles,  maS  mir  bon  feinem 

so  §aupttoer!  befi^en,  aufgejetc&rtet:  menn  er  um  445  nod>  lebte,  fyat  eS  i^m  an  ber  geit, 
feine  fdbrtftfteKerifc^en  ^läne  auszuführen,  nicfyt  gefeblt.  ®emnad;  mirb  eS  fein  33emenben 
f)aben  bei  ber  ©rflärung,  ba^  93.,  unb  nid;t  irgenb  ein  Sieb,  bie  Unterbrücfung  einer 
ijälfte  feines SöerlS  berfa)ulbet  b, at ;  9lbfd)reiber  unb  Sefer  fparten  fub,  ben  attju  auSfüb,r= 
Itcben  93ericb,t  ba,  mo  i§m  ber  93erfaffer  felber  eine  f)übfd)e  unb  alles  9?otroenbige  ent= 

55  fyalienbe  ^nbaltiüberficbt  an  bie  ©eite  gerücft  batte. 

<Scfott>erIicfe  mürbe   übrigens  baS  SJterfbucr/  beS  93.  berühmter  gemorben  fein,    menn 

eS  unberftümmelt  auf  uns  gelommen  märe ;    benn  feine  93ebeutung   rub^t   auf   ber  @nt= 

midtelung  eines  ©ebanfenS,  bie  bereits  im  erften,  un§  boflftänbig  borliegenben  93ud;  ju  ©nbe 

geführt  ift.    93.  fyat  ftcb,  nid)t  bie  Aufgabe  gefteUt,    eine  2lrt  bon  Äe^erlatalog ,  2öiber= 

eo  legung  ber  mid)tigeren  bäretifcben  Meinungen  auS   jüngfter  ßeit,   93erteibigung  unb  93e= 


$incentm8  bon  Scrinum  673 

grünbung  ber  ortboborm  $ircf;enler/re  ju  liefern,  obtoobd  einzelne  älbfcbnitte  biefert  ©d)em 
erWeden.  @g  fyanbelt  fid)  ba  nur  um  @r.furfe,  bie  u)m  ab§  93eifbiele  bienen.  ßr  Will 
bielmebj  bte  ©runbfä$e  aufzeigen,  nacr)  benen  im  ©treit  groifd^en  Drtt)obojte  unb  fte|erei 
über  9le^t  unb  Unred;t  entfdneben  Werben  muf$.  ©inen  untrüglichen  Üanon  für  bie 
Unterfdjeibung  jWifcf/en  $äretifd)em  unb  ^att)o(tfd^em  gilt  e§  ju  finben;  alle  ©injelbi^ute  5 
toiber  -fteftorianer,  ©onatiften,  Slrianer,  ^oiimaner  u.  f.  W.  I)aben  fyier  blofj  ben  3mecf, 
bie  23raucf)barfeit,  ja  bte  Unfe^Ibarlett  be§  bon  93.  empfohlenen  $anong  ju  beftätigen. 
9>.  glaubt  rtid^t  etwa,  baö  gormalbrinjib  feiner  ®ird)e  al<§  erfter  entbedt  ju  b/aben:  er 
fetjt  II  (1)  unb  XXIX  (41)  alg  allgemein  anerkannt  boraug,  bafj  ber  ©laube  jWei 
unerfcfyütterlicrje  ©tü§en  befi|t,  bie  Autorität  ber  1)1.  ©c^rift  unb  bie  S£rabition  ber  fatf)o=  10 
Uferen  ßtrdje.  ®tefe  beiben  gaftoren  foHen  burd)  "-8.  in  bag  richtige  93erf)ältnig  §u  ein= 
anber  gefetjt  unb  —  bieg  eigentlich  bte  ,£aubtfacf;e  —  eine  ©tct)erl)eit  für  bie  richtige  33e= 
ftimmung  bon  beiben  geboten  werben.  1)er  Jlatfyolif  barf  nie  im  UnHaren  barüber  bleiben, 
ma3  ©djrift  unb  Srabition  WtrHid)  borfdjreiben.  2Bte  aber  ift  biefe  Marfyeit  ju  be= 
f  Raffen?  15 

®afe  nur  2Saf)rf)ett  unb  baf$  aud)  alle  ung  jum  §eil  nötige  ©laubengWafyrfyeit 
in  ber  bl.  ©cfyrtft  befebjoffen  liegt,  ift  bem  33.  felbftberftänblid) ;  bie  abfolute  Slutorität 
unb  bie  ©uffijienj  ber  23ibel  bebürfen  feineg  93etoeifeg.  3tber  nicfyt  mit  Unrecht,  fc^on 
auf  ©runb  ber  @rfaf>rung  Don  Wenigen  ^fl^^wnoerten,  finbet  er  bie  perspieuitas  ber 
©djrift  nict/t  eben  fo  einfact)  gefiebert;  im  ©egenteil  nimmt  er  bei  ber  (Srflä'rung  ber  20 
©d^rifthjorte  in  tfyrer  unergründlichen  %iefe  beinafj  fobiel  berfcfytebene  2tuglegungen  alg 
2tuglegcr  Wafyr :  alle  |iäretif er  ftü^en  fidj>  auf  93ibelftellen,  nur  bafj  fie  fie  falfd)  auflegen. 
Unb  fo  mürbe  ung  bie  1)1.  ©cfjrift  im  Äambf  toiber  bie  £mrefte  nicfytg  nütjen,  Wenn  nicfjt 
tb,re  2luglegung  nad;  ber  9Jorm  ftrc^>Iicr)=Iatc)oItfd^en  ©inneg  feftgelegt  Werben  fönnte. 
23.  ift  lein  ganatifer,  er  läfjt  ben  toiffenfcf/aftlicfyen  ©treit  um  einzelne  fdjtoterige  ©teilen  25 
%u.  Divinae  legis  quaestiuneulae,  bie  nid)t  ben  ©laubenggrunb  berühren,  mögen  t)eut 
beffer  alg  Don  ben  Sllten  gelöft  toerben  XXVIII  (39),  nur  bei  ben  gunbamentalftücfen 
bei  fatfyolifcfyen  Sogmag  muf;  bie  2lutorität  beg  Iircr/Iid)en  33erftcinbniffeg  jur  ©d;rift= 
autorität  fo  Einzutreten,  bafj  lein  gtoeifel  offen  gelaffen  Wirb.  Unb  bie  §rage  nad)  ber 
©teile,  bie  fold)  fircr;ltd)eg  93erftänbnig  ung  eintoanbfrei  »ermittelt,  beantwortet  er  mit  bem  30 
berühmten  ©a£  II  (3),  bafj  ma^r^aft  unb  red^t  eigentlich  latfjolifc^  bag  ift,  quod  ubi- 
que,  quod  semper,  quod  ab  omnibus  creditum  est.  2luf  biefe  ^Definition  fübre 
fct)ort  ber  -Warne  „fatb^olifct;"  b^in.  Universitas,  antiquitas,  consensio  entfdjeiben  ju 
©unften  be§  ecfyt  ^ircb.lidjen  gegen  jebe  §ärefie.  ©rfyebt  fieb,  irgenbtoo  eine  neue  §ärefie, 
fo  b,at  ber  gute  ^\tt£)oIi!  fid)  an  bie  ©efamtfjeit  ber  Jürcfyen  gegenüber  ber  einen  abmeict)enben  35 
ju  galten,  galig  ber  2lbfall  an  berfd)iebenen  ©teKen  in  ber  ^ircfye  jugleicb,  fieb,  jeigt  unb 
alfo  bie  universitas  (ba§  ubique)  »erfagt,  fo  menbetman  fiel)  an  bte  vetustas,  unb  forfd)t 
nad)  bem,  ma§  über  ben  fraglichen  ^3un!t  bisher  in  ber  Utrcb,  e  gelehrt  morben  ift ;  in  ber  Siegel 
wirb  fid>  bie  §ärefie  im  ©egenfa^  jur  ganzen  alten  ^irc^e  befinben.  ©ollte  aber  felbft 
in  früheren  3«den  ein  Geologe  ober  eine  ßirdienprobinj  äbntid)e  Irrtümer  bertreten  ^ 
b^aben,  fo  mufj  al§  le^te  ^nftartg  bie  ®efamtr)eit,  b.  i).  bie  übermältigenbe  SUlajorität 
ber  2ef)rer  unb  Mirdjjen  in  ipsa  vetustate  aufgerufen  Werben.  —  93.  ift  efyrlicb,  genug, 
ben  consensus  ein  Wenig  ju  befd)ränfen:  oranium  vel  certe  paene  omnium 
sacerdotum  pariter  et  magistrorum  definitiones  sententiasque  sectemur. 

9Barum  biefe  ^Definition  be§  gormalbrinjibg  ber  ratlwltfcfyen  ^irct;e  bort  nicb,t  un=  45 
eingefdjränfte  93ißigung  gefunben  bat  (f.  2öe|er  u.  9BeIte,  £ird)enlejifon  122,  987  f.)  „haec 
Vincentii  Lerinensis  regula  non  est  unicum  dogmatum  eriterium  nee  prae- 
cipuum",  liegt  auf  ber  |>anb.  ®ie  bätoftlidje  ^nfadibilität  bleibt  bei  ib,m  auägefcbaltet ; 
ein  bifcfjöflicfyeiS  Äonjil  ift '  bem  Slutor  jWar  all  l^unbgebung  britter  ^nftanj  borjüglid) 
Willfommen,  inbe§  rttd^t  unentbeljrlicb, ;  am  ton^il  bon  @bb,  eful  feb,  eint  er  fogar  nacb,  =  50 
geWiefeu  ju  b,aben,  Wie  bie  borneb,  men  Hirdjenfürften  bort  \i)xm  consensus  au$  ber 
Unterfu^ung  ber  übereinfttmmenben  Sebre  bon  älteren  Geologen  gewonnen  fyaben, 
freiltd;  bon  lauter  bifd)öf liefen 2:b,eoIogen,  fo  ba^  eine  ©ef äfy rbung  b,ierard)ifd)er2lnfbrüd)e  ntebt 
gegeben  War.  2öol)I  aber  lief}  fid?  mit  93J  gormel  bie  Autorität  eineö  öfumenifd)en 
Äonjilg  entwurzln,  faßg  bieg  ob^ne  3fiüdficb, t  auf  bie  „2llten"  in  ©Iauben§fad;en  53efd>lüfie  55 
gefaxt  l)aben  follte.  SDer  S?atb,  olictSmug  ift  eben  über  93.  fortgefcfyritten ;  baö  fireb,  lieb,  e  53e= 
bürfnig  b,at  einfachere  2Bege  jur  ©laubenlgeWipett  berlangt  unb  gefunben,  aU  ben  einer 
fubtilen  Unterfucr/ung,  bie  o^ne  gelebrte  Büttel  gar  ntct)t  bol^cgen  Werben  fonnte.  3lber 
für  feine  ^eit  f)at  93.  ben  ©eift  be§  5?atb,olici§mu§  unübertrefflich  jum  3lu«brud  gebracht, 
^bn  bel>errfd)t   bag  93ertrauen,  bafe   bie   tatf)oIifd)e  ,^trcl)e  bon  9lnfang  an  im  93efii3  ber  eo 

iReot=(Sttct)fropäbie  für  S&eologte  unb  Seltene.    8.  81.  XX.  4;] 


674  $tncenttu§  bon  ßerotum 

2Ba^r^eit  geroefen  ifi,  ber  gangen  gum  §eil  notmenbigen  2öat)r^ett :  bie  £e£er  finb  auS= 
nafymSloS,  tüte  bei  lertuttian  (de  praescriptione  haereticorum)  teuerer,  bie  ber 
$ircfye  einen  'Seil  ifyreS  93efi^eä  berberben  moßen.  Haeretica  novitas  ift  bei  ib,m  ein 
2Bea)f  elbegriff  bon  haeretica  pravitas;  in©laubenSfad)en  lann  baS  9^eue  nie  einen 
5  gortfcfyritt,  no$  Weniger  eine  Morreftur  barfteßen.  Siucb;  ber  ©ebanle  einer  immer  fktreren 
©ntmicfelung  ber  bon  jefyer  borbanbenen  SIBabrfyeiten  ift  ifym  nie  gekommen;  bielmefyr  t/aben 
mir  bie  flarften  ©ntfcf/eibungen  ftetS  bei  ben  Tätern,  ben  maiores,  gu  fucfyen.  93or  ben 
93ifcf;öfen  I)at  93.  fyofyen  Siegelt,  bor  ben  beiligen  ^rieftern  beS  abofiolifcfyen  ©tubjs  einen 
nocfy  gefteigerten ;    baS   mirb   nicfjt  blofe  in  ber  93et)anbtung   beS  ^ßabfteS  ©tebfyanuS   in 

io  ©acfyen  ber  SBiebertaufe  VI  (9),  fonbern  aucb  c.  XXXII,  43  bei  ^Berufung  auf  bie 
gemina  apostolicae  sedis  auctoritas  ber  beiben  legten  „^äbfte"  ßölefttn  unb  ©igtuS, 
offenbar.  2tber  33.  fe|t  nic^t  aßeS  auf  eine  föarte;  er  ift  fo  borficfytig,  fcfymerlicf)  gang 
ofme  SJlnlafs,  bie  unbedingte  2lner!ennung  ber  maiorum  credulitas  als  baS  SRertmal 
aboftolifcfyer  Autorität  gu  faffen,  nicfyt  umgelegt  burd)  eine  aboftolifcfye   (alias  bäbft= 

15  Itdje)  Autorität  entfc^eiben  gu  laffen,  ibaS  ber  alte  ©laube  fei. 

93or  aßem  aber:  93.  fyat  fein  93ucb,  nicfyt  aus  bem  afabemifcfyen  ^ntereffe  an  ber  $eft= 
fteßung  eines  latfyolifcfyen  ©laubenStanonS  getrieben,  es  Hegt  bei  ib,m  aud)  nicfyt  blofj  ein 
9tad)r/aß  bor  aus  ben  kämpfen  ber  legten  geit,  über  bie  er  ausführlicher  berietet,  td)  meine 
bie  toelagianifa)e  unb  bie  neftorianifdje  Äontroberfe.    ©iefe  geinbe  maren  niebergefcfylagen ; 

20  bie  aufgeregte  ©orge,  bon  ber  baS  9Berf  beS  SerinenferS  erfüßt  ift,  gilt  einem  femeSroegS 
bernicfyteten,  btelmefyr  einem  fiegb/aft  borbrängenben  geinbe.  9ftemanb  begmeifelt  fyeut,  baf$ 
baS  ber  2luguftiniSmuS  mar,  bie  ^^eorie  bon  ber  93orf)erbeftimmung  ber  StuSerroäfylten  gum 
$eil  unter  SluSfcfyliefjung  jebeS  eigenen  93erbienfteS.  3mar  wirb  2lugufiinuS  nie  mit 
tarnen  genannt,  ^klagiuS  —  unb  QuIianuS  bon  ©clanum  —  mit  Stbfdjeu  bermorfen.    2lber 

25  ber  S£abel,  ber  ben  ^BelagiuS  trifft,  mie  bie  an  5Robatian  unb  ^BriScißian  geübte  ®ritif 
XXIV  (34)  finb  fo  gehalten,  mie  fie  lein  3üngrc  2tuguftinS  auSfbredjen  fonnie,  um  fo 
beffer  jeber  ©cmibelagianer.  SDie  ©efliffenilicbjeit,  mit  ber  gerabe  bei  ben  glängenbften 
©eiftern,  einem  SEertußian,  einem  DrigeneS  bie  ©röfje  ber  ©efatjr,  bafe  ber  Teufel  fie 
berfüfyre,  uns  borgeb/atten  mirb,  felbft  ber  §inmeiS  auf  ßtybrtanS  Qrrtum  betreffs  Sle£er= 

30  taufe,  finb  borgüglid)  angebracht  im  ^arnbf  gegen  einen  fo  ©rofeen  mie  Sluguftin:  bon 
Stnfbielungen  auf  ifm  unb  feine  ^ampfmeife  ift  baS  gange  33u<f)  buvdB^ogen.  ®ie  »erftec! te 
2Irt  ber  Slbtoetjr  bei  SB.  ift  leicfyt  gu  erflären.  Sem  in  ber  gangen  ^ircfye  ^oc^angefe^enen 
3J{eifter  bon  Hippo  regius  moßte  93.  nicfyt  nacb,  feinem  SCobe  bie  @b,re  rauben,  fcb,on 
barum  nennt  er   niemals   feinen  tarnen;   unb  nacfybem  ^3a))ft  ßöleftin  in  bem  SBrief  an 

35  bie  gaßifdjien  93ifd)öfe  (epist.  21)  lebhaft  auf  bie  ©eite  SluguftinS  getreten  mar  unb  fieb, 
Angriffe  auf  biefen  berbeten  blatte,  burfte  ein  SRöncb,  in  Serinum  feine  Sffiaffen  nicfjt  un= 
mittelbar  gegen  ben©c§ü|Iing  beS  aJ3oftoüfcb,en  ©tubls  menben.  @r  benutze,  maS  auS  ßöleftinS 
SBrief  für  ifm  benu^bar  mar,  baS  Programm:  desinat  incessere  novitas  vetustatem. 
@r  ab,nte  in  ©ijtuS  III.,  bem  neuen  $apft,  einen  anberen  ©eift  als  ben  beS  SBorgängerS, 

40  unb  fcb,h)ieg  flug  »on  ben  (Srfolgen,  bie  bie  novitas  bei  bem  borigen  römifcb, en  SBifcfyof  bereits 
errungen  blatte.  2lber  er  mar  fieb,  ber  ©efa^r  bemüht;  barum  rief  er  bie  gange  6b, riften= 
b,eit  auf,  fieb^  gu  befinnen,  eb/e  eS  gu  tyät  fei,  unb  gab  t^r  ben  $anon  in  bie  §anb,  ber 
aßerbingS  für  bie  auguftinifc^e  Neuerung  b,öd;ft  unbequem  mar:  auf  melcfye  alten  SBäter 
Jonnten  fic§  benn  bie  ^3räbeftinatianer  berufen? 

45  3TIfo  als  Hilfsmittel  in  bem  ^bm  unter  ben  gaßifcfjen  2;b,eologen  entbrannten  $ampf 
um  SffiißenSfrei^eit  ober  ©nabe  b,at  93.  feinen  Äanon  ausgebaut,  fein  S3uct;  ausgearbeitet; 
unb  eS  ift  lein  3rae'fel  ^aB  er  3U  DCr  3Re^r^eit  gehörte,  bie  im  ©egenfa^  gegen  ben 
^riefter  ^ßrof^er,  ben  ftrengen  3luguftinianer,  bie  llnentbebjlicfyfeit  beS  menfc^Ucb,en  SBißenS 
gleidjmie   ber  ©nabe  ©otteS  behaupteten.    9?un   finb   uns  in  einem  Üeinen  2tuffa|  bon 

ao^rofper  (MSL  45,  1843—50  unb  51,  177—182):  pro  Augustini  doctrina  respon- 
siones  ad  capitula  objeetionum  Vincentianarum  16  ©ä^e  erhalten,  bie  lauter  3tn= 
Hagen  gegen  bie  ^räbeftinatianer  enthalten,  unb  gtoar  fo  gefaxt,  mie  mir  fie  bon  femi= 
belagianifcb^en  93eftreitern  erroarten  bürfen.  3.  93.  2.:  ,,©ott  moße  nidE>t  aße  erretten, 
felbft  menn  aße  errettet  merben  iooßten" ;  8. :  ,,©ott  moße  ntrr)t,  bafj  aße  ^atb,  olifdjen  im 

55  fatf>oIifcb,en  ©lauben  oerb^arrten,  btetmeb^r  tooße  er,  ba^  ein  großer  ^eil  bon  if)nen  ah- 
trünnig  mürbe";  15.:  „2lße  jene  ©laubigen  unb  ^eiligen,  bie  gum  emigen  SEob  ^räbeftiniert 
finb,  mürben  bon  ©ott,  nacfybem  fie  gefaßen  finb,  fo  geleitet,  bafj  fie  burdb,  93ufee  befreit 
merben  meber  lönnen  noa)  tooßen".  ®aS  finb  SlnKagen,  bie  Sluguftin  Unrecht  tb>n,  bie 
aber  gegen  feine  ©dmler  immer  mieber  erhoben  morben  finb  unb  bie  im  ©runbe,  menn 

60  aucb,  mit  grober  ^onfequengmactyerei,  baS  entfyüßen,  maS  nac^)  bem  ©mbfinben  jebeS  WvfyU 


öincenttuS  bon  ßtrtttum  &incettttu8  Don  $jmI  675 

2tuguftiner3  in  2luguftin§  SBeltanfdjauung  Verborgen  lag.  ®a  ^3rofber  biefe  ^befen 
aU  bon  33.  aufgehellte  beftritten  bat,  fo  roerben  mir  faum  nad)  einem  anbern  33.  als 
unferem  Serinenfer  fud)en;  roo  unb  roie  er  bie  objeetiones  publiziert  b/at,  bleibt  aller= 
bingS  unbefannt.  §.®ocb,  (£U  1907,  ©.44—47)  gebührt  ba§  23erbtenft,  bie  23ermanbt= 
fdjaft  jmifeben  ben  „23ormürfen"  unb  bem  ,,9Jierfbud)"  in  ber  ©ad)e  unb  befonberS  aud;  6 
in  ber  ©i>rad)e  aufgegeigt  gu  fyaben;  ben  (Smroanb  (^ablaS,  baß  93.  fid;  boo)  unmöglich 
mit  fold)  ferneren  23ormürfen  bloßgefteltt  fyaben  mürbe,  wenn  er  febon  bei  bem  jurüd'= 
fyaltenben  commonitorium  ftd)  hinter  einem  ^feubontym  ju  berfteden  für  gut  b, ielt,  entfräftet 
koö)  babureb,  baß  er  bie  objeetiones  bor  bie  Stbfaffung  be§  comm.  rücft.  2Iud) 
fie  möge  23.  niebt  gerabe  für  bie  Dffentlicr)feit  beftimmt  fyaben,  aber  ein  ©jemblar  babon  io 
fei  in  5J3rofber3  §änbe  gelangt,  unb  fo,  baß  er  über  ben  93erfaffer  ntdt>t  jmeifelfyaft  fein 
fonnte.  @r  miberlegte  flugS  bie  ©inmänbe  unb  unterste  feine  Refutation  burd)  ba§ 
bäbftlidje  2tner!ennung§fa)reiben  für  Stuguftin,  bon  bem  fdrnn  mefyrfad)  bie  9tebe  mar. 
©egen  biefe  beiben  tunbgebungen  fyätte  —  nun  borfid)tiger !  —  23.  im  comm.  remon= 
ftriert  unb  mit  befonberem  ©efdjid  bie  2tutorität  beä  $rofber=freunblicr;en  ^abfieS  biel=  15 
mel)r  auf  feine  ©eite  gebogen. 

£ier  bleiben  bie  ©injetbeiten  23ermutung,  mie  ja  aueb,  Roty  ©.  56  ff.  ntd^t  magt,  ba<S 
3Ser^ältntö  ber  mit  ben  objeetiones  Vincentianae  nat)e  bermanbten  Capitula  calum- 
niantiumGallorum,  auf  bie  ^roftoer  in  einer  anbern  ©cfyrtft  gcantmortet  fyat  (MSL  45, 
1835—44  unb  51,  155 ff.)  ju  23incenttu3  genau  gu  beftimmen.  @§  bünft  ib,m  tr>af)r=  20 
fd)einlicf),  „baß  23incenj  aud)  bie  capitula  calumn.  Gallorum  menn  ntct)f  berfaßt,  fo 
boeb  mefentlid;  infbiriert  unb  beeinflußt  bat"  2)a  mir  e<§  nun  in  beiben  gälten  nicfyt 
eigentlich  mit  litter artfct)en  Dbjeften  ju  itmn  b,aben,  fonbern  mit  SEbefen,  bie  gunäd)ft  biel= 
leicht  nur  in  ber  ^Debatte  aulgefbroc^en,  bon  einem  SDritten  ju  ^3rotofo(I  genommen  unb  bei 
ber  2öeiterberbreitung  aueb,  noeb,  beränbert  toorben  fein  fönnen,  fo  fübrt  un£  felbft  bie  ,gu=  25 
ftimmung  ju  ber  2lnnab,me  Äod)§,  baß  23.  für  bie  beiben  bon  ^J3rofber  um  431  fo  energifd) 
jurüdgemiefenen  Steigen  bon  „23ormürfen"  im  commonitorium  aufs  SReue  gegen  ben 
2tuguftini3mu€  $u  gelbe  gog,  faum  toeiter,  als  mir  e§  buref)  bie  gefd;icbtlid)e  SBürbigung 
be3  commonitorium  allein  fdjon  toaren:  23.  bon  Serinum  fmt  ju  ben  entfdjiebenen  ©egnern 
ber  auguftinifeben  Neuerung  im  gallifcben  &lerm§  bes>  5.  ^ab,rb,unbert§  gebort,  ©r  mirb  30 
fta)  bann  faum  auf  ben  balb  berftedten  Sßarnunggruf  in  feinem  SERertbucb  befebränft 
baben,  um  bem  Umficbgreifen  ber  in  feinen  2Jugen  feelenberberblidjen  JlEeijerei  ju  fteuern. 
Slber  bon  antiauguftinifdjen  ©treitfebriften,  bie  er  noa)  berfaßt  baben  fönnte,  ift  nichts 
auf  un§  gefommen,  mar  auc§  frfjon  jur  3"t  "*>&  ©ennabiu€  niebts  meb,r  befannt. 

Stttere  23ermutungen,  mie  bie  bon  ßaf.  Dubin  (geft.  1719),   baß   ber  ^ßräbeftinatu§  35 
ein  2Berf  unfere§  23.  fei  ober  bie  bon  Slntelmi  1693,  baß  ba3  Symbolum  Quicunque 
bon  ber  §anb  be§  23.  ftamme,  beDürfen  b,eut  feiner  SBiberlegung  meb,r;  nur  bei  bbHigem 
Überfeben  ber  f^radbltcben  ^Differenzen  fonnten  fie  aufgefteßt  merben  (f.  barüber  b.  ©ebubert, 
®er  fog.  '-ßräbeftmatug,  %U3l)$  IX  4,  1903  ©.  114  unb23urn,  The  Athanasian  Creed 
in  Texts  and  Studies  ed.  Robinfon  IV  1,  1896  p.  XCIff.,  too  übrigeng  bie  ßb,araftert=  40 
fierung  beä  23.  al§  eine§  „poet-theologian"  menig  glücflicb,  erfcbetrtt).   2)en  ©infaß  bon 
^3oirel  1895,    ba§   über  ber  ^ßerfon  be§  9Jiariu§  ^Öiercator  lagernbe  ®unfel   burd;  feine 
©letcbfe^ung  mit  23.  bon  Serinum   aufjubelten,   bat   §.  $ocb,    in  ber  Duartalfcf)rift   ge= 
büb,  renb  jurücfgemief en ;    bier   miberfbric^t   außer  bem  ©til   aueb,    bie  ganj    berfefnebene 
Stellung  ju  2Xuguftin.    ©tatt  folcfjer  23erfünbigungen   miber   ben   ©eift    eines    ber   be=  45 
beutenbften  SDenfer  in   ber   abenblänbifd;en  Slircfye  beg  4.  3a^rf;unbertg  foßte  man  fieb, 
lieber  bie  lob^nenbe  Stufgabe  ftetten,    einmal  ben  Radjmirfungen  bon  23.8  ©ebanfen  auf 
bie  fatb,o!ifdb,e  Strebe  nacfjjugeb.en,  bem  23erftänbni§,  ba3  er  mit  feinem  ©runbfa|  gefunben 
b,at,  unb  ber  Dbbofition,  bie  fia)  einftetlen  mußte.  2Ba§  bat  man  bon  ib,m  behalten  unb 
ma§  bei  feite  gefdjoben?  2tn  ben  ©ctjicffalen  ber  %i)totk  biefe§  Catholicissimus  bon  Serin"  50 
ließe  fieb.  auä  bem  ^nnerften  fjerauS  ein  ©tücf  bon    bem  üBefen  be8  ^atb,o!ici8mu§  unb 
feine  SebenSenergie  anfcb,autid)  jur  ©arfteltung  bringen.  9lb.  ^ültc^er. 

ÜMucentiuS  bon  ^ßaul,  geft.  1660.  — Slbeth),  La  vie  du  venörable  serviteur  de  Dieu, 
Vincent  de  Paul,  ^ariö  1664,  oft  auffleleqt,  aucl)  in§  ®eutfd)e  überfe^t  Uon  &.  91.  ©cfiulg, 
SSien  1701  u.  ß.  0.  ^rentner  1860;  Sollet,  La  vie  de  St.  Vincent  de  Paul,  1748,  beutfd)  55 
bearbeitet  oon  Seopolb  ©rof  0.  ©tolbevg,  fünfter  1818;  sKat)narb,  St.  Vincent  de  Paul, 
sa  vie,  son  temps,  ses  oeuvres,  son  influence,  4  vols.,  ^3ari§  1860  ss. ;  Sougaub,  Histoire 
de  St.  V.  d.  P.,  2  vols..  $ariS  1891;  tö.  be  SSroglte,  St.  V  d.  P.,  ."">.  6d.  <$aüi  1899; 
Lettre^  d<'  St.  V-  d.  P.,  2  vols.,  ^ari*  1882;     leidet,   La  minore  au  temps  de  la  Fronde 

iL!' 


676  $incentiu§  »Ott  ^o«I 

et  St.  V  d.  P  4.  ed.  Sßaxi-i  1868;  9?.  efiantelaii^e,  St.  V  d.  P.  et  les  Gondi,  $ari§1882; 
§.  ©imarb,  St.  V.  d.  P.  et  ses  ceuvres  ä  Marseille,  8i)on  1894;  91.  Sott),  St.  V  d.  P  et 
sa  mission  sociale,  $ßari§  1880. 

33incentiuS  bon  $aul  (a  ober  be  ^aulo,  rttc^t  be  faulet)  ber  ©ttfter  ber  ©enoffenfd)aft 
5  ber  $riefter  ber  9Jcijfion  (yajartftert)  unb  ber  barmherzigen  ©cfytoeftem  (23incentinerinnen,  f.  b. 
2t.  23b  XVIII  ©.  82  ff.)  tourbe  am  24.  2tbril  1576  zu9knqmneS,  einem  flehten,  pr  Pfarrei 
$oub  gehörigen  Sßeiler  bei  SDar,  in  ber  ©aScogne  geboren,  ©eine  ©Item,  ^ean  be  ^3aul 
unb  Seriranbe,  geb.  be  SJcoraS,  waren  arme  fromme  33auerSleute.  -JJcit  12  Jgafyren  mürbe 
er  ben  granztSianem  in  ®aj  jur  ©rjietmng   übergeben,   ftubierte   bann  1597—1600  in 

10  SEouloufe  unb  mürbe  nad)  Slblauf  biefer  ©tubienjeit,  bie  ilm  einmal  aueb,  ju  fürjerem 
Aufenthalte  nacb,  ©aragoffa  geführt  fyaben  foK,  zum  ^ßrtefter  gemeint.  Salb  trat  fein  Strieb 
ju  aufobfembem  SiebeSmirfen  fyerbor;  als  er  1605  jur  ©mbfangnalmie  einer  ifjm  ju= 
gefallenen  ßrbfdjaft  nad)  SRarfeilte  gereift  toar,  fdjenfte  er  bem  ©djulbner,  meldet:  ifym 
biefelbe  auszuliefern  fyatte,  gleut)  brei  Sßiertel  beS  23etrageS,  toetl  er  bemerlte,  bafs  berfelbe 

15  ftcb,  in  ©elbberlegenfyeit  befanb.  Sei  einer  hierauf  unternommenen  $üftenfal)rt  nacb,  sJcar= 
bonne  mürbe  er  bon  ^orfaren  gefangen  genommen  unb  nad)  SEuniS  gebracht,  ©r  tarn 
in  bie  §änbe  eines  Renegaten  aus  9ii^a,  beffen  türlifd)e§  Söcib,  angezogen  bon  ber  d)rift= 
liefen  (Ergebenheit  beS  neuen  ©Ilaben,  ben  SlbfaE  bei  9JtanneS  bom  S^riftentum  tabe!nS= 
toert  fanb.    Söirflid)   brad)te  ber  Renegat  23mcenz   nad)  granfreieb,    unb  mürbe  mieber 

20  Gtjrift.  Son  2Ibignon,  too  unter  -JRittoirüung  bei  bäbftlid)en  Sijelegaten  be  SRontorio 
bie  23erel)rung  unb  %aufe  biefeS  feines  bisherigen  §errn  erfolgt  mar,  begab  SStnceng 
ftcb,  nad)  9?om,  getoann  fyier  bie  ©unft  beS  ^arbinalS  b'Drfat  unb  mürbe  bon  biefem 
mit  einer  5Riffion  an  $önig  ^einrieb,  IV  (ungetotfj  in  melier  (Bad)i)  betraut,  ©o  fam 
er  anfangt  1609  nad;  $ariS,   mürbe  fyier   nad)   berfd)iebenen  ©cfyidfalen,  u.  a.  nad)bem 

25  er  längere  3eit  unfdjulbigermeife  eines  ©elbbiebftafylS  in  ber  ßfmrite  (too  er  freimillige 
^ranfenbflege  unb  ©eelforge  übte)  berbädjtig  gemefen  toar,  §auSgetftlid;  er  bei  ber  Königin 
5Rargaretb,e  bon  23atoiS  unb  berfiel  gelegentlid)  biefer  Söirffamleit  am  Iöniglid;en  §of, 
bei  23el)anblung  eines  bon  ,3toetfeln  gebeinigten  Geologen,  felbft  in  länger  toäfyrenbe 
Slntoanblungen  bon  religiöfer  ©febfiS.     @r  übertoanb   biefelben    enblicb,  baburd),  bafs  er 

so  Sbjtfto  gelobte,  ib,m  fein  ganzes  Seben  jum  ®ienfte  ber  Slrmen  ju  meinen.  SDurcb,  feinen 
greunb  23eruHe,  ber  furz  jubor  feine  ©enoffenfd)aft  ber  peres  de  l'oratoire  de  Jesus 
geftiftet  b/atte  (bgl.  b.  21.  „9ceri"  23b  XIII  ©.  712  ff.),  mürbe  Stncenz  1612  Pfarrer  ju 
(Elidel.  ®er  (Erfolg  feiner  "afyätigfeit  in  @lid)b  mar  ein  betfbtellofer:  ,,©aS  gute  23olf  bon 
6lid;^  toar  mir  fo  folgfam,  bafj,  als  id)  ib,m  embfaj)l,  jeben  erften  ©onntag  beS  9JionatS 

35  §u  ben  ©alramenten  ju  gefien,  aud)  nicb,t  einer  babei  fehlte".  3m  folgenben  Qafyre  mürbe 
er  §auSgeiftüd)er  unb  @rjieb,er  ber  brei  ©öl;ne  beS  ©rafen  ^?l)ilibb  ©manuel  bon  ©onbt), 
ber  fid),  toie  feine  ©attin  granjisla  ^argaret^a,  geb.  be  ©iH^i,  burd;  grömmigfeit  nod} 
meb,r  auszeichnete  als  bureb,  5Reid)tum.  SJincenj  erhielt  auf  ben  ©ütern  ber  gräflichen 
gamilie  bielfad;en  2lnla^  jur  ©eelforge.    2US  einft  ein  60jäb,riger  geachteter  SRann  il^m 

40  feine  Seichte  ablegte  unb  babei  jabjreicfye  berfd^miegene  ©ünben,  bie  ifm  bisher  gebrüdt 
Ratten,  jum  23orfdjein  famen,  ftiftete  bie  ©räfin  16  000  SibreS  ju  gweden  ber  briefter= 
liefen  ^eife-'Seelforge  für  ib,re  ©üter,  anfangs  ob,ne  bafc  ib^re  2lbfid>t  bertotr!lid)t  toorben 
toäre.  SJincenj  ftrebte  auS  bem  gräflichen  |»aufe  fort,  med  bie  ©öfyne  feiner  nic^t  meb^r 
beburften  unb  meil  ib,m  baS  gro^e  Vertrauen  ber  ©räfin  fo  feb,r  bebrüdte.  23erulte  machte 

45  ibn  juni  Pfarrer  in  6l>atilIon4eS=3)ombeS,  einem  armen,  bertoafyrloften  ©täbtd)en  in 
Sreffe,  ©rjbtöcefe  £t)on  (1617).  23alb  gelangen  ib,m  l)ier  überrafd)enb  3af)lreid;e  23e= 
lefjrungen  bon  (Salbiniften  unb  2Beltmenfd;en,  Männern  unb  Söeibern.  @inft  als  er  bie 
^anjel  befteigen  moUte,  bat  il)n  eine  grau,  eine  arme  gamilie  bem  äßob.ImoHen  ber  ©e= 
meinbe  ju  empfehlen.    211S  er  nachmittags  felbft  jene  2lrmen  befud;te,  fanb  er,  bap  feine 

60  3vtb,örer  fo  biele  SebenSmittel  ju  ber  §ütte  brauten,  bafe  er  ben  guten  SBißen  in  eine 
georbnete  23afm  ju  bringen  genötigt  toar.  @r  grünbete  fo  bie  erfte  confrerie  du  charite 
ju  bleibenber  berfönlid;er  Unterftüt^ung  ber  2lrmen  bureb^  grauen,  unb  bemieS  bon  born= 
herein  einen  bieHeic^t  nie  übertroffenen  ^aft  für  bie  2£erfe  ber  3"n^«n  3Kiffion,  ber  er 
fein  ganzes  Seben  getoibmet  b,at. 

55  3nStoHd>«n  b,atten  ©raf  ©oitbr;  unb  feine  ©emab,lin  alles  aufgeboten,  um  23incenj 
aus  berfönlic|)en  ©rünben  toieber  in  tl)r  §auS  ju  §tet)ert.  @S  gelang  ib,nen  gegen  2Infang 
beS  ^ab,reS  1618,  nad)  fyartem  ©eelenlambfe  23incenjS.  @r  ftiftete  nun  meb,rer  ©a)mefter= 
fcb,aften  äljmlicb,  jenem  23erein  bon  ßbatiHon,  fud)te  bie  ©efangenen  auf,  inSbefonbere  bie 
©aleerenfflaben,   bie  in  einem  unfäglicb,  elenben  ^uf^n^«  toaren,   grünbete  ein  §ofbital 

60  für  fie  unb  nafmt  fieb,  iftrer  berfönlicl)  mit  größter  2tufobferung  an,   fo   bafj   felbft  b|art= 


SBtjiccnttuS  bon  ^Saul  H77 

nädigc  unb  Verbitterte  ©emüter  fid)  ber  ungetooljmten  djriftltcfyen  Siebe  öffneten.  £>er 
junge  König  Souig  XIII.  ernannte  Vtncenj  jum  aumönier  royal  des  galeres  de 
France,  toobureb  berfelbe  eine  red)tlid;  gefieberte  ©intoirfung  auf  äße  ©aleeren=©eelforge 
erhielt  (1619).  2tuf  einer  Steife  fam  er  burd)  2Jiacon  in  Vurgunb  unb  fanb  bafelbft 
eine  auffattenbe  5Qlenge  bon  Bettlern,  bie  jugleid)  in  ben  toidjtigften  fielen  beg  ©laubeng  5 
untoiffenb  toaren.  @r  blieb  ber  Vertier  toegen  eine  $eit  lang  im  Drte  unb  brachte  eg 
mit  Unterftüijung  ber  geiftlidjen  unb  bürgerlichen  Slutoritäten  baf)in,  baft  fid)  eine  ©e= 
noffenfdiaft  beg  i)l  .Karl  Vorromeo  gegen  ba§  betteln  bilbete;  balb  fab  man  feinen  ber 
ungeftümen  Vettler  mer)r  (1623).  £)ie  ©räfin  ©onbfy  ftarb  1625,  nacb>em  enblid)  im 
borbergebenben  %af)xe  ein  2tnfang  §u  ber  lange  gemünfdjten  ■JJlifftonggenoffenfcfyaft  gemad)t  10 
morben  mar.  llnterftüijt  bom  Vruber  feineg  gräflicben  Vatrong,  bem  Varifer  ©rjbifcbof 
^ean  grangoig  be  ©onbti  (meiner  ifym  alg  erften  ©i|  ober  2Jcutterb)aug  ber  neuen  S5er= 
cinigung  bag  College  des  bons  enfants  gutoieg),  fammelte  Vinceng  im  $al)re  1624  bie 
erfte,  einfttoeilen  nur  6—7  9Jlitglieber  jäfylenbe  ©enoffenfcfyaft  bon  Vrieftern  ber  Sttiffion 
jur  SluSübung  bemütiger  ©eelforge  unter  ben  2lrmen  unb  ©eringen  auf  bem  Sanbe.  3n  15 
ber  Slugbilbung  unb  Seitung  biefer  ©enoffenfdjaft  bemäbrte  fid)  Don  ba  an  bor  allem 
fein  braftifcf^organifaiorifcbeg  Talent,  jugleid)  aber  aud)  feine  tiefe  SDemut  unb  ©elbft= 
Verleugnung.  Stuf  bag  ©emütigfte  fonnte  „er  aud)  feinen  geringften  Vrieftern  p  güfjen 
fallen  unb  fie  um  Versetzung  toegen  beg  StrgerniffeS  bitten,  bag  er  ü)nen  gegeben  I)abe, 
aud)  menn  nur  er  biefeg  SÜrgemig  embfunben  tyatte.  §ie  unb  ba  fcfyeint  er  fitfj  in  jene  20 
übertriebene  üDemutgagfefe  berirrt  ju  b,aben,  toie  fie  aud)  bon  mannen  anberen  ^eiligen 
älterer  unb  neuerer  geit  geübt  tourbe  (»gl.  Rödler,  Krit.  ©efebidrte  ber2lgfefe,  ©.387  ff.). 
2Ilg  ifm  einft  ein  bornefmter  5Rann  auf  ber  ©trafse  befd)imbfte,  weil  er  einen  2lnberen 
nid)t  ju  einer  ©teHe  embfob,len  l)abe,  fagte  Vincen^  nid)t,  bafj  im  ©egenteil  ber  33e- 
treffenbe  bie  ©teile  foeben  ermatten  I)abe,  fonbern  er  !niete  alfobalb  nieber  unb  bat  um  25 
Verjeilmng,  alg  begehrte  er  orbentlid)  fid)  gu  berbemütigen.  Veleibigungen  ftimmten  t^n 
nur  nod;  freubiger. 

£>ie  Anfänge  beg  Vriefterorbeng  toaren  gering,  nad)  jtoei  $abren  toaren  ber  9Jcit= 
glieber  erft  neun.  Vinceng  30g  gleid)  ben  anberen  aug  unb  trieb  überall  fein  2öer! 
grunbfäpd;  in  ©inberftänbnig  mit  ben  Vifdjöfen,  benen  eine  ÜKuftoedung  ber  »ielen  ge=  30 
tDbt)nIid)en  toten  ©eiftlid)en  toillfommen  mar.  Valb  fanb  man  eg  nü^lid;,  bie  jungen 
SJlänner,  meld)e  bie  Crbination  empfangen  foHten,  jebnSEage  lang  juSSincenj  unb  feinen 
©enoffen  ju  fd;iden  ju  geiftlicb,  en  ©jerjitien ;  bie  grüßte  biefer  Übungen,  roe!d)e  bie  Siebe 
befeelte,  blieben  nicfyt  au§.  SDer  gange  %ag)  mar  georbnet,  jur  3tad)tnd)e  bitten  fie 
7'/,  ©tunben,  jur  Konberfation  2  ©tunben;  fie  gelten  bie  fanonifdjen  §oren,  bei  SLifc^e  35 
tourbe  au3  ber  ©d)rift  ober  au§  einem  @rbauung§bud)e  borgelefen;  täglicb,  fanben  jtoei 
Konferenzen  ftatt,  bie  erfte  beleb,  renber,  bie  jtoeite  erbaulicher  2trt;  bie  erfte  tourbe  nod; 
mit  einzelnen,  nad)  ber  gä^igfeit  gebilbeten  ©rubben  bon  10—15  burebgearbeitet.  ^eber 
lag  tägltd)  eine  £>al&e  ©tunbe  bem  füllen  ©ebet  ob.  £)er  ©ibfel  biefer  Vorbereitung  mar 
bie  gemeinfame  2lbenbmab,l§feier.  40 

^n  Sejug  auf  bie  äußeren  2lngelegenb;eiten  ber  äJttfftonäbriefterfcfyaft  mirlte  näd)ft 
ber  reiben  Dotation  bon  45000  Sibre§,  meldte  ber©raf©onb^)  fd)on  1625  ib,r  gemäbjt 
blatte,  bie  föniglid)e  Seftätigung  feiten?  Soui§'  XIII.  bom  ^ab,re  1627,  fotoie  roeiterbin 
bie  »äbftlicb^e  ©enefymigung  Urbang  VIII.  1631  in  rotd)tiger  SBeife  förbernb  ein.  ^m 
lederen  ^abre  gelangte  bie  ©enoffenfe^aft  in  ben  33eft|  beö  bon  ben  Kanonifern  bon  45 
©t.  Victor  ibnen  überlaffenen  §aufe§  ©t.  Sa^are  in  VariS,  ba§  fortan  ju  ib^rem  ßentral= 
fi^  mürbe.  %lafy  ibm  |)ei^en  bie  3)iiffion§briefter  aufy  t»obI  „Sajariften"  —  eine  mifc 
berftänblicbe  33ejeid;nung€meife,  bei  melier  bie  ©efabr  einer  Sßermecb§Iung  mit  anberen 
©enoffenfdiaften  beweiben  tarnen?  (u.  a.  jener  fcfyon  mittelaltrigen  Kongregation,  über 
melcbe  gef)r,  2tHg.  ©efd}.  ber  Sflöncb, Sorben  I,  421  l)anbelt;  be§gl.  mit  ben  ü)ied;itartften  w 
be§©t.Sa^aro=KIofter§  inVenebig,  f.  b.  21.  „Sftecbüar"  XII  ©.477  ff.)  nabe  liegt.  —  2ln= 
fängltct)  maren  bie  Vriefter  ber  urfbrünglic^en  ©tiftung  nadj  il)rer  Veftimmung  meift  ju 
ben  Sanbleuten  gefdjidt  morben.  2tber  Vincenj  bergafe  aueb,  bie  ©täbte  nid;t.  ©inige 
feiner  Vriefter  mußten  bie  ©olbaten  befugen,  anbere  bie  Slinben,  bie  3lrmen  in  ^ad)- 
ftuben  unb  Kellern,  bie  Arbeiter  an  großen  bauten,  bie  großen  §ofbitäler.  grauen,  mie  55 
bie  le  ©rag  unb  anbere  big  in  bie  fyöcbften  Kreife  binauf,  unterftü^ten  ibn  fräftig  bei 
meiblicl)en  ©efangenen,  bei  ©efallenen,  Sßabnfinnigen  u.  f.  W.  ©ine  munberbare  Um= 
manblung  erfolgte  in  ber  bamalg  bon  fd)led;tem  ©efinbel  bemobnten  Varifer  Vorftabt 
©t.  ©ermain  burd)  bie  einfache  Vrebigt  bom  Kreu?.  2lucb  für  Saien  tourbe  baö  §aug 
ber  ^priefter  eine  too(;ltbätige  Verberge,  bie  ibnen  umfonft  Pflege  gab.    2öenn  biele  biefe  uo 


678  SStncenttuS  uon  tyanl  23incenttu£  tum  Soragoffa 

©üte  mißbrauchten,  fo  machte  bas"  ben  b,eiligen  ÜDcann  mct)t  irre,  ©egen  800  SERerifc^en 
festen  im  3;ar)re  bort  ein.  Stucb,  ein  ©eminar  für  ben  3Riffions*orben  grünbete  er,  nad) 
ben  ©runbfä^en  ber  Qefuitenanftalten  äljnlidjer  Vefiimmung  (1635).  —  311«  befonbers" 
tüchtige,  mit  9kd)t  betounberte  Seiftungen  ber  Vriefter  roäfjrenb  ber  näcbjten  %ab,Tt  nad) 

5  ifyrer  ©rünbung  finb  bie  für  bie  ©eelforge  am  §eer  unb  am  königlichen  £>of!ager  b,erbor= 
Zugeben.  SDer  Krieg  an  ben  beutfcfyen  ©renken  fyatte  befonbers"  in  Sotfyrtngen  fdjredltdje 
IJlot  im  ©efolge.  Sie  Vriefter  barbten  ftd^>  am  SJcunbe  ab,  um  bie  (Sienben  unterftü|en 
ju  tonnen,  foßeltierten  bei  ben  Vornehmen  unb  gingen  auf  bie  ©d)aublä|e  ber  Krieg§= 
greuel.  2öäb,renb  10$ab,ren  t/at  Vincenj  mel>r  als"  400 000  ^Ir.  nact;  Sotfyringen  gefanbt 

10  unb  ber  Saienbruber  Sftattfyäus,  ber  biefe  ©ummen  überbrachte,  ift  in  jenen  unseren 
Reiten  nie  beraubt  roorben. 

©s"  ift  ju  unferem  groede  rtid^t  nötig,  äße  bie  einzelnen  .ßtüeige  aufzuzählen,  in  bie 
ftcb,  bes"  SStncenj  unermüblicfye  Sfyätigfeit  teilte,  wie  er  bie  fürten  in  ber  römifd^en  Sam= 
i»agna  befugen  liefj,  bie  einzelnen  ^ßrobinzen  in  granlreid),  ^unig,  Sllgier,  ^rlanb,  ©enua, 

15  SRabagaslar,  Volen,  Korftfa,  Viemont  u.  f.  tu.  Slucb,  feine  SBirffamfett  als"  geiftlidjer 
©taatörat,  in  ber  er  neben  feinen  religiös"=fittlid)en  ©tgenfcfyaften  nod)  eine  überrafcfyenbe 
üJtmfdjenienntmg  bemie§,  fann  fyter  nidjt  näb,er  gefdjilbert  roerben.  Vefonbere  ©rtoäfmung 
berbienen  nod)  bie  im  JJafyre  1633  bon  ibm  ins  Seben  gerufenen  SDienStagstonferenzen  ber 
Varifer  fatr)oItfcr)en  ©eiftlid)en,  aus"  melden  ja^lreicb.e  fyöfyere  fircfylidie  SBürbenträger  (über 

20  23  Vifcfyöfe  unb  ©rzbifdjjöfe)  nad)  unb  nad)  fyerborgmgen;  bie  im  folgenben  %at}xt  ge= 
grünbete  ©d)roefterfd)aft  ber  SRatronen  jur  Pflege  ber  Uranien  im  Varifer  ©otteS=<§ofbitaI 
(Hotel  Dieu);  ferner  bie  1657  erfolgte  ©rünbung  eines"  ©bitals"  im  gröfjten  SSftafjftab 
für  bie  Settelarmen  ber  §aubiftabt,  rooraus"  bie  ©albetriere  fyerborging.  —  Über  bie 
einflußreiche  unb  berüt/mtefte  aller  bon  ib,m  geftifteten  ©enoffenfcfyaften,  ben  Drben  ber 

25  barmherzigen  ©djroeftern  (1625),  f.  ben  bef.  21.  33b  XVIII  ©.  82  ff. 

2>n  aüm  biefen  arbeiten  tburbe  V.  immer  reifer  unb  milber  in  ber  ^ftacfyfolge  Sfyrifti. 
Rien  ne  me  plait  qu'en  Jesus  Christ,  fagte  er.  ©s"  ift  ju  berrounbem,  tüte  fein 
fdjtbä'djlicfyer  Körber  fo  lange  ben  bielen  Slnftrengungen  getüacbjen  blieb,  2)urd)  eine  be= 
f4>rt»erltd^e  üffiinterreife,    bie    er    in    feinem   74.  ^afyxe  machte,   mürbe  feine  ©efunbf)eit 

30  erfcfyüttert,  fo  bafj  bie  nun  folgenben  11  $ar)re  faft  ein  beftänbiges"  ©iedjtum  maren.  (Sr 
Ilagte  nicfyt,  fonbern  lenfie  bas"  ©efbräd)  fofort  bon  ftd)  felbft  ab  ju  anberen  ©egen= 
ftänben.  $Da§  gefetjdicfye  Vrebierlefen  berjäumte  er  leinen  %aa,,  fo  lange  er  lebte;  er  ftarb 
am  27.  ©ebtember  1660.  ®ie  Veatififation  erfolgte  burd)  Venebift  XIII.  im  ^aljre  1723, 
bie  §eiligfbred)ung  1737.    %n  feinem  Äanonifationsbrojefi  !onnte  ber  ®o!tor  ber  ©or= 

35  bonne  bor  allem  aud)  auf  bie  großen  Verbienfte  33.§  um  bie  93elämbfung  beö  3anfen^= 
mu§  t;intDeifen.  @r  fyatte  fein  möglicb.fteg  getb^an,  um  burd)  ^Denunziationen  in  SRom  bie 
Verurteilung  biefer  33et»egung  burd)zufe|en,  in  ber  er  einen  ber  gefäfyrlitfjften  Irrtümer 
fat),  bie  je  bie  Kircfye  in  23erh)irrung  gebracht  Ratten.  „Comme  Dieu  a  suscite  Saint 
Ignace  et  sa  compagnie  contre  Luther  et  Calvin,   il  a   suscite  Vincent    et   sa 

40  congregation  contre  le  jansenisme"  ÜDurdj  33rebe  bom  12.  SRai  1885  berlieb, 
£eo  XIII.  bem  ^eiligen  ben  %\Ul  eine«  ^atronö  aller  in  ber  tatfyolifcfyen  3BcIt  befteb^enben, 
mit  il)tn  in  irgenb  einer  2ßeife  jufammenljängenben  ©efeEfcf)aften  ber  djriftlid^en  Siebe. 

göcHer  t  (®-  Sadjenntann). 

33tttcentm§  bon  ©oragoffa,  §  eiliger,  geft.  toafyrfd&etnltcr)  304.  —  Sgl.  Stöemont, 

45M^rnoires  etc.,  5,  Sen    1732,  215-231  unb  673-677;  $.  58.  @aiu§,  Sirctiengefct).  Spaniens 

1,  3?egen«b.  1862,    376-382;    3.  (£.  ©tablev  unb   S.  31.  ©inal,   SSoflft.  ©eiltgenieiiton  5, 

?(ug8b.  (1882),  705—708;   £1.  SRolitor,  9lrt.  SS.  in  SS.  12,  1901,  999—1001;    §.  Skclercq, 

L'Espagne  chretienne,  Par.  1906,  82—85. 

©ie  Segenbe  erjät)h,  ba|  ber  aus"  einer  borneb,men  gamilie  ju  Döca  (§ue§ca)  in 
so  Siragonien  gebürtige  23incentiu3,  SDialon  (bab,er  Sebite  genannt)  be§  33ifcb,ofg  35aleriu§ 
bon  ©aragoffa,  nad)  Slugbrud}  ber  fbanijc^en  ß^riftenberfolgung  unter  ©iofletian,  roab,r= 
fdjjeinlicf;  303/304,  mit  feinem  93tfd}of  nacb,  Valencia  berbrac^t  tburbe,  um  fid)  bort  bor 
bem  Vräfe§  SDatianus"  roegen  feinet  ©laubeng  ju  berantroorten.  33aleriu§,  ben  ein  ©brad)= 
feb/Ier  bef)inberte,  überlief  feinem  SDialon  bie  Verteibigung  bor  ©erid;t,  unb  biefer  rebete  mit 
55  folcb,er  Unerfdtrocien^eit  unb  Überzeugungitreue,  ba%  er  ben  5Ritt)ter  in  fyödjfte  2But  ber= 
fe^te.  SSäfyrenb  man  ficb,  bei  35aleriu§  mit  Verbannung  begnügte,  würbe  V.  ben  fcfyärfften 
5ftartem  au§gefe|t:  gräfelid)en  ^errungen  unb  Verbreitungen  ber  ©lieber,  getfleifcfmngen 
mit  fbit(en  @ifenmerfgeugen,  Verbrennungen  mit  glüb,enben  3DtetalIftüd'en  u.  f.  to.  ß11^^* 
toarb  V.  auf  einem  glü^enben  ©ifenroft  gelegt  unb  feine  Söunben  mit  ©al^  eingerieben. 


2*tttcentiu§  tum  ©aragoffa  679 

2llö  aud)  biefe  Dualen  ben  ©tanbfyaften  rticfyt  beugten,  liefe  SDatian  tfm  in  ein  bunfleS 
Socb,  merfen,  entzog  ifym  bie  9?al)rung  unb  gab  iljm  fantige  ©leine  unb  fptije  ©gerben 
als  Sager.  ®a  erfcfyeinen  ifym  @ngel:  fie  bieten  ifym  f)immlifdj>e  ©rquidungen,  bermanbeln 
fein  ©d^merjenSlager  in  ein  meines,  buftigeS  33ett,  ^u  23Iumen  merben  bie  ©gerben. 
Unb  nun  beginnt  33.  ber  burcfy  bie  $unbe  bon  bem  SBunber  angelodten  2Jcenge  ju  pre=  5 
bigen.  SDatian  erflärt  fid)  für  befiegt  unb  befiehlt  ben,  ju  bem  bie  ©ottfyeit  fid)  in  fo 
auffaEenber  2öeife  befannt  fyat,  auS  bem  ©efängniS  $u  tragen  unb  meid)  gu  betten.  2113 
bann  aber  SS.  ftirbt,  entbrennt  feine  2öut  auf!  neue.  @r  befiehlt,  ben  Seid^nam  beS  fieg= 
reiben  ©egnerS  ben  milben  gieren  borjuroerfen,  aber  ©ngel,  ja  9foben  befd)üt$en  ibn 
unb  berjagen  bie  SBölfe  unb  ©eier.  9cun  mirb  bie  Seirfje  ins  StReer  gefenft  in  einem  in 
mit  ferneren  ©teinen  gefüllten  Bad,  aber  fie  taucht  mieber  auf,  unb  bie  2BeHen-  tragen 
fie  an  ein  ftdjereS  ©eftabe,  mo  ©laubige  fie  eI)renboE  beftatten  unb  fpäter  burd)  ©rrid)= 
tung  Don  2lltar  unb  Kapelle  bie  33erel)rung  ber  Reliquien  einleiten. 

©iefe  romanhafte  ©efcbjcfyte  finbet  fid)  in  ber  Passio  S.  Vincentii,   bie   am   boII= 
ftänbigften  in  ben  AS,  $an.  n/  394—397    (banacb.   bei  ÜRuinart,  Acta  mart.  sine,  is 
Ratisb.  1859,   400—406;    33arianten   ber  £anbfd)rift   [Cod.  Brux.  9119]    in   Anal. 
Boll.  2,  1883,  243  Slnm.  2)   gebrueft  ift,   ettoaS  berfürjt  (auS  Cod.  Vatic.  1196  unb 
5696)  in  Anal.  Boll.  1,  1882,  263—270  (bafelbft  260—262  eine  Passio  brevior  auS 
einer  nid)t  ncrt)er  bezeichneten  9Jlailänber  §anbfd)rift).    @tne  anbere  SRegenfton  beS  3Jtar= 
ttyriumS  lieft  man  in   einem  bormetapfyrafiifdjen  (f.  21.  @l?rl)arb,  gfeftfdjrift  j.  taufenbj.  20 
2jubil.  beS  beutfdjen  Campo  Santo  in  $Rom,   greib.  1897,   65),  Ser.t  MSG  114,  735 
bi§  756  (gried;.  unb  lat.,  biefeS  nad)  ©uriuS,  Vitae  Sanct.  1,  Col.  Agr.  1576,  523— 529J; 
1617,358—361).  9ciemanb  mirb  bie  2luSfd}müdungen  als  ältefte  Überlieferung  in  2lnfprud; 
nehmen  motten,   aber  bafe  bie  ©efd)id)te  fd)on  im  4.  ^a^unbert  in  aßem  mefentlicfyen 
fo  erjäfylt  mürbe  mie  in  ber  Passio,  bemeifen  bie  §inmeife  gerabe  auf  bie  munberbarften  25 
3üge  ber  Segenbe,  3.  33.  bie  33emafyrung  beS  SeictynamS  in  ben  gluten   beS  9JceereS,  bei 
Stugufttn,   ber  bier  gefiprebigten  (Sermm.  274—277,   MSL  38,  1252—68)   ju  @b,ren 
beS  s3Ttartt>rer§  gehalten  unb  babei  an  eine  SSerlefung  ber  2llten  (Serm.  275,  p.  1254) 
angefnüpft  b,at.    ©anj   ber  Passio   entfprecfyenb   fyat   aud)  ^rubentiuS   im   5.  £>t)tnnuS 
feines  ^eriftepfyanonS  (£>reffel  350—371;  MSL  60,  378—411;  aueb,  bei  Suinarta. a.D.,  30 
406—411),   bie  Seiben   beS  33.  berljerrltdit.    2tucb,  ^aulinuS  bon  9cola  gebenlt  beS  SS. 
(Carm.  19  v.  153,  £artel  2,  123). 

SDie  SSere^rung  beS  ^eiligen  blieb  nid>t  auf  ©toanien  unb  2lfrifa  befcf)rän!t.  %xüfy 
jeitig  begegnen  mir  ifyren  ©puren  im  granfenreid).  ©regor  bon  2ourS  (Hist.  Franc. 
3,  29  MG  Scr.  Rer.  Mer.  1,  2,  133)  erjagt,  bie  granleniönige  6b,ilbebert  unb  6l)Iotar  35 
feien  bei  ber  Belagerung  ©aragoffaS  burcl>-  ben  2lnblicf  ber  'Sunila  beS  ^eiligen,  bie 
man  auf  ben  3Rauem  herumtrug,  berfd^eud^t  toorben,  unb  ber  anonyme  SSerfaffer  beS 
Liber  Historiae  Francorum  cp.  26  (fog.  Gesta  Francorum  MG  1.  c.  2,  283  f.), 
ber  aEerbingS  erft  um  727  fd)reibt,  meif;,  bafe  bie  dürften  fid)  bom  S3ifd)of  ber  ©tabt 
baS  ©etoanb  (er  fd)reibt  ©tola)  §aben  fd)en!en  laffen.  ^ebenfaßg  mürbe  biefe  Reliquie  40 
in  ber  bon  ßbjlbebert  geftifteten  (fo  fd)on  Greg.  Tur.  1.  c.  4,  20)  SSincen^firc^e  in 
^ariS  bereit.  @S  ift  biefelbe  ^ird)e,  bie  fbäter  mit  ib^rem  ^tofter  nad)  bem  b,I.  ©er= 
manuS  (f.  baS  ?Jäb,ere  in  biefem  21.  33b  VI  ©.  607)  genannt  mürbe:  ©aint  ©ermain 
be§  $reS.  ®en  2eid)nam  bei  93.  ju  befi^en,  rühmte  fid)  feit  864  baS  Softer  ßaftreS 
in  2lquitanien  (bgl.  2limoin,  Transl.  S.  Vinc.  bei  3JJabiHon,  Acta  SS.  Ord.  S.  Bened.  45 
IV,  1,  606 ff.;  AS  400-405;  5Regefte  bei  (Sbert,  2ltlg.  ©efd).  b.  Sitt.  b.  3R3I.  im 
2lbenbl.  2,  Seipj.  1880,  353 f.):  ber  SDZönd)  2lubalb  au§  ßonüttaS  b,atte  ifyn  nad^  neun= 
jährigen  Bemühungen  unter  mand)en  ^äb.rlidjfeiten  bon  S3alencia  bortfyin  ju  bringen 
beifügt.  ®ie  9JJönd;e  Dbilarb  unb  llfuarb,  bie  858  aussogen,  um  ben  Seidinam  für  baS 
Älofter  ©t.  ©ermain  ju  erobern,  lamen  ju  fbät  unb  mußten  fid)  mit  ben  Seibern  ber  60 
5)cärt^rer  ©eorgiuS  unb  2lureliuS  aus  ßorboba  begnügen  (f.  2limoin,  Transl.  SS. 
Georgii  et  Aurelii,  3Jcabitlon  1.  c.  IV,  2,  45  ff.,  abgebr.  bei  glorej,  Esp.  Sagr.  10, 
3Jfabr.  1753,  App.  VI,  511—523,  @bert  355 f.;  3B.  33aubiffin,  ©ulogiuS  unb  2tlbar, 
Seipj.  1872,  147—152).  2lbmeid()enb  bon  ber  caftrenfiftt)en  Überlieferung  berietet  ©te= 
pb^anuS,  ?ßräcentor  bon  Siffabon,  bafj  ber  Seib  beS  33.  im  3ab,re  1175  bon  SSalencia  65 
nacb,  Siffabon  berbracbj  morben  fei  (bgl.  bie  Miracula  in  AS  408 — 113;  bie  Trans- 
latio  mä)  einer  §anbfcb.rift  in  SDouab.  Anal.  Boll.  1,  1882,  270—278).  ®afj  beri'eid^= 
nam  im  ^jafyre  1145  noeb!  in  Valencia  bereit  mürbe,  ergiebt  fiel)  auS  ber  Epistola 
Hermanni  Abbatis  S.  Martini  Tornacensis  de  corpore  S.  Vincenti  diaconi  (in 
Anal.  Boll.  2,  1883,  243-216).     £>aS  fcbjiefet  natürlid)   ntdbt   auS,   bafe  Teile   feiner  eo 


680  2Stncettrtn§  öon  ©arngoffa  Sßiuct 

Reliquien  aud)  an  anberen  Crten  bereit  mürben :  ba£  £aupt  in  £e  SJtanS,  ein  2trm  in 
äSitri^le^Hmgoiig,  ein  anberer  in  33ari  in  Simulien  u.  f.  to.  (AS  399f. ;  »gl.  413  f.). 
Söafüifen  be§  bl.  3>.  nennt  fd)on  SBenanttuS  gortunatuS  (Carm.  1,  8.  9  ed.  2eo  p.  11  f.). 
Qn  granfreid)   tourben   bie  ^att)ebralen   bon  Sf>älon§=fur=©a6ne,  Sftacon,   33ibier§   unb 

5  ©t.  2Mo  nad)  ir)m  genannt.  9tom  b/atte  efyebem  fünf,  je£t  nod)  brei  $ird)en  feinet 
9camens>.  ®as  Hab  ©t.  33incent  ift  nad)  il)m  benannt.  33ereb)rt  toitb  er  befonberS 
al§  ^atron  geraubter  ©egenftänbe,  ebenfo  in  ©efal)ren  auf  bem  9)?eer;  bie  3Binjer 
nehmen  ©onnenfd)ein  an  feinem  gefttag,  bem  22.  Januar,  als  gute  3Sorbebeutung.  ©ein 
Attribut  ift  ber  SRoft  mit  SJagelfpitjen  (bie  beim  bl.  SaurentiuS  fehlen),  jutoeilen  aud)  ber 

10  ben  £eid)nam  fctjüijenbe  9tabe  (biefe  Zotigen  nad)  ©tabler  708).  ®.  Srüger. 

bittet,  2llej;anber  Rubolf,  geft.  1847  —  Sitte  rat  ur  über  SJinet:  ($.9iam= 
Bert,  AI.  Vinet.  Histoire  de  sa  vie  et  de  ses  ouvrages,  2  vol.  3.  edit.,  Saufanne  1876; 
(Sbm.  ©euerer,  AI.  Vinet.  Notice  sur  sa  vie  et  ses  ecrits,  $ari§  1853 ;  ßf)-  91.  ©ainte=3Seuüe, 
Port  Royal,  8.  6dit.,  $art§  1867    (9(nt)ang:   l'Academie  de  Lausanne    en  1837);     Sbtn.  be 

15  s$refienf6,  AI.  Vinet  d'apres  sa  correspondance  in^dite  avec  Henri  Lutteroth,  $ariS  1891; 
Etudes  contemporaines,  SßariS  1880;  Souvestre,  Magasin  pittoresque  1847;  %xet.  ßf)a= 
uanneS,  A.  Vinet,  notice  et  memoires,  1847;  (Samte=3Benüe,  Revue  des  deux  mondes 1837 ; 
Derniers  portraits  litteraires  unb  Portraits  contemporains,  9Bb  2;  greb.  be  9rougemont,  Les 
individualistes  et  r'essai  de  M.  le  prof.  Vinet  etc.,  1844;    ßbm.  be  Sßreffenfe,  Revue  chre- 

20  tienne,  1858,  ©.  76;  berf.,  Revue  nationale  1861,  10e  livraison.  Chretien  evangelique: 
Quelques  episodes  de  la  vie  de  Vinet  etc.,  in  ben  lyabvgängen  1858 — 1861;  9tftie,  Esprit 
dAlexandre  Vinet,  1861,  2  S3be;  berf.,  Lex  deux  theologies  nouvelles  dans  le  sein  du  pro- 
testantisme  francais,  ^ßariS  1862,  ©.  253 ff;  ßl)atianneS,  Le  Lien  1862,  9fr.  9  unb  12; 
ßt)arle§  ©ecretan,  Revue  chretienne,  1861,    ©.  783  ff. ;     berf.,    Chretien  övangöliquc,  1862, 

25  ©.  222 ff.;  (£b.  ©d)erer,  Le  temps,  1862,  9h\  327;  $.  (gdjmtb,  <proteftant.  SKonatSblatter 
1853,  ©.  286 ff.;  ©tüljl,  Strc&enßerfaffung  nad)  Sefjre  unb  3ied)t  ber  $roteftanten,  1840, 
©.279 ff.;  uon  ber  ©olfc,  ^rateftant.  9JJunatsbIätter,  33b  16,  ©.  400 ff.:  3.  SSibmer,  A.  Vinet 
envisage  comme  Apologiste,  Saufanne  18i5;  9Kar.  ifieiebart,  9U.  S3inet.  9feue  6t)riftoterpe, 
1882;  berf.,  ßbriftltdie  SebenSbilber,  ©üterSlot)  1889;  ftreb.  ßbauanneS,  A.  Vinet  considere 

30  comme  apologiste  et  moraliste  chretien,  1883 ;  Krämer,  Alex.  Vinet  als  christelijk  moralist 
en  apologeet  geteekend  en  gewaardeerd,  1883,  in§  f^ran^öfifetje  überjetu  uon  ©ecrelan,  Sau= 
fanne  1884  (biefe  roie  bie  »ortge  eine  §aager  $reisfd)rift) ;  3-  ßai:t,  Chretien  evangeL,  1884, 
2.  228  ff. ;  berf.,  Histoire  du  mouvement  rel.  et  ecclesiastique  dans  le  canton  de  Vaud  etc., 
Saufanne  1870—80;  S.9ftotine3,  Etüde  sur  AI.  Vinet,  critique  litteraire,  $ariS  1890;  S3.$8ifd)er, 

35  911.  SlStnet  al§  prafttfdjer  Stjeolog  in  „£alte,  roa§  S)u  Saft"  1898,  Safrrgg.  XXI,  ©.261  ff.  u.  322  ff. ; 
3-=S3.  %ioX),  L'individu  et  la  societe  d'apres  les  prineipaux  ouvrages  d'Al.  Vinet,  Sauf.  1893, 
@.  91.  SSribel,  Album  Vinet,  Collection  iconographique  relative  ä  AI.  Vinet,  Sauf.  1902; 
91.  ©ebumann,  ®a§  «ßrinsip  ber  Snbinibualität  bei  9(1.  SSinet  (S^©tS  1902,  1);  berf.,  9lu§= 
getnäblte  ^Jrebigten  k.  mit  einleitenber  SDconograpbte,  55b  12  b.  ^reb.  b.  ftirdje,  Seipj.  1890;  berf., 

40  911.  SSinet,  fein  Seben,  feine  ©ebanfenmelt,  feine  Skbeutung,  Seipj.  1907.  Sßgl.  aud)  Chretien 
evangel.  table  des  matieres  des  premieres  annees,  Saufanne  1885.  gerner  ebenba  1897  Sßr.  6: 
ä  la  memoire  d'Al.  Vinet,  mit  Beiträgen  üon  ©djröber,  Sßorret,  ?ßt).  Sßrtbel  u.  (Jug.  ©ecretan; 
s$£)il.  SSribet,  L'apologetique  de  Vinet  (Cercle  des  etudiants  protest.  de  Paris)  1899;  Revue 
chretienne  1900:  Vinet  douteur  (28.  SJconob),   Vinet  theologien   (©.  grommel).     ®aju    bie 

45  9lntl)ologten:  Comme  un  phare,  9?eud)ätet  1897;  91.  SSautter,  Morceaux  choisis  (mit  @in= 
leitung),  Sauf.  1897;  911.  SSinet,  ©ebanfen  unb  S3etrad)tungen,  beuorm.  üon  9(.  9tüegg,  §eil= 
bronn  1897;  Saura  Saue,  The  Life  and  Writings  of  AI.  Vinet,  1890. 

@ine  ber  Sebeutung  ©d^Ieiermac^erö  bergleid)bare  ©teHung  nimmt  3Sinet  im  fran= 
5öfifd)en  $roteftantümu§   ein:    er   ift  nid)t   fotoot)!   ein  Reformator,   al§   bielmeb^r   ein 

so  „initiateur  religieux",  eine  religiöfe  ®raft  bon  fauerteigartiger  äßirlfamleit,  bie  in  ber 
©egentoart  faft  meb^r  aU  je  fid)  fpürbar  mad}t.  ©eine  anbertoeitige  33ebeutung  auf  ben 
©ebteten  ber  Iitterarifd)en  ^ritif,  ber  franjöfifdjen  £itteraturgefd)id)te  unb  jum  SLeil  aud) 
ber  ^3f)i(ofobI)ie,  fann  f)ier  nur  infofern  in  33etrad)t  fallen,  al3  aud)  t)ier  ber  originelle 
Xljeologe  fid)  nid)t  berleugnet. 

55  2tn  feinem  äußeren  SebenSgange  ift  biel(eid)t  bieg  bag  2tuffattenbfte,  ba^  ber  grofje 
SOtonn  jeitlebeng  in  befd)eibener  ©teHung  berblieb,  toäfjrenb  aKerbingS  feine  innere  @nt= 
toicEelung  be§  Semerlen^toerten  genug  enthält,  ©eboren  am  ©enfer  ©ee  gu  Cud)t)  bei 
Saufanne  ben  17  ^uni  1797  toud)§  ber  tnabe  unter  ber  ftrengen  3ud)t  feineä  SSaterö 
auf.    tiefer,  au§  einer  franjöfifd)en  ^ugenottenfamilie  ftammenb,   bie   feit  jtoei  ©enera= 

60  tionen  im  SBaabtlanbe  fid)  eingebürgert,  blatte  fid)  bom  SDorffd)uIIeb^rer  jur  ©teile  eineö 
erften  ©efretärS  im  toaabtlänbifd)en  SDebartement  be§  ^nnern  emporgearbeitet,  inbem  er 
fid)  überaß  al§  einen  tüd)tigen  getoiffenb/aften  3Uiann  bom  alten  ©ebrot  unb  Hörn  crtoie§. 


Sind  681 

Seine  (Strenge  im  £aufc  mürbe  gemilbert  burd)  bie  .perjenSgüte  bei*  sJJiutter.  Über  23.S 
Begabung  fcljcint  fid)  ber  33ater  anfangs  getäufd)t  ju  fyaben,  benn  er  ermartetc  biel  mel)r 
bon  feinem  jüngeren  ©obn  £>enri,  ber  inbeffen  früt)e  fiarb.  SDod)  er  falt)  mit  ben  ^jafyren 
feinen  Irrtum  ein  unb  mürbe  immer  mefyr  ber  freunbfdjaftlicfye  Berater  beS  aufftrebenben 
Slleranber.  3Me  Saufanner  23ilbungSanftaIten :  ©fyinnafium  unb  Slfabemie,  ftanben  ba=  5 
mals  moI)l  beträcbtlicf)  b'nter  ben  beutfdjen  jurüd.  3GBoE)I  gab  eS  SERänner  unter  ben  33ro= 
fefforen  ber  ^beologie,  bie  mel)r  burefy  ib,re  grömmigleit  als  burd;  if/re  2Btffenfd)aftIid)fett 
einen  mobjtbätigen  ©influft  auf  ifyre  ©tubenien  ausübten;  aber  einen  fo  reiben  ©eift, 
wie  33.  war,  fonnten  fie  nid)t  nad)t)alttg  befruchten,  tiefer  mar  bon  feinem  3Sater  ^um 
©tubium  ber  Geologie  beftimmt  morben,  jeic^nete  fid)  aber  t>ielmer)r  burd)  feine  33orüebe  10 
für  bie  fcfjöne  Sitteratur,  ferner  burd)  feine  Seiftungen  in  Werfen,  Sieben  unb  Sfufjätjen 
bor  allen  feinen  Kommilitonen  aus.  (Sin  •patviottfe^eg  Steb  beS  17jäf)rigen:  Lereveildes 
Vaudois  mürbe  unb  blieb  lange  bobulär.  Qmmerlnn  M  er  mit  anbern  eine  ©efetlfd)aft 
jurn  ©tubium  ber  1)1.  ©d)rift  nad)  bem  ©runbtejt  ins  Seben  gerufen. 

©eit  bem  Jyafyre  1817  finben  mir  35.  in  33afel,   an  beffen  ©bmnaftum  unb  33äba=  15 
gogium  er  auf  ©mbfeblung  feiner  ^ßrofefforen  als  Sebrer  für  franjöfifc^e  <Spract)e  unb 
Sitteratur  berufen  morben  mar.    33iel  SXrbeit,  toenig  2lner!ennung  unb  bem  entfbred)enbe 
©emütSftimmung:  baS  mar  ber  fdjmere  Slnfang  beS   jugenblid)en  ^äbagogen.    Stber  im 
Saufe  ber  ^afjre  mürbe  it/m  33afel  burd)  bie  begeifterte  Sjerefyrung   feiner  ©cbüler,  treue 
$reunbe  unb  mad)fenbe  £)Dd)fd)ät*.ung  fettend  ber  Kollegen  fo  lieb,  baf?  erS  faum  mieber  20 
berlaffen  lonnte.    1819  reifte  er  nad)  Saufanne,  um  fein  tbeoIogifcfyeS  (gramen  ju  abfol= 
bieren  unb  bie  Drbination  ju  empfangen,  unb  gleid;  barauf  begrünbete  er  mit  einer  Kou= 
fine,  ©otob/ie  be  la  9?ottaj,  feinen  £>auSftanb.    Sie  erft  1882  berftorbene  SDame   fyat  bie 
SebenSarbeit  iljreS  ©atten  burd)  iljre  lebenbige  2tnteünabme  unb  ib,r  feinet  33erftänbniS 
mie  burd)  t^re  liebenbe  gürforge  mefentltd)  geförbert.    2In  Kreuj  unb  SBefye  fehlte  eS  ber  20 
fonft  fo  glüdlid)en  @be  ntdjt.   ®er  23ater  beriefe  fiel)  fdjon  im  %afyce  1820  burd)  einen 
©tof?  in  ben  Unterleib  berart,  baft  er  an  ben  folgen  biefeS  Unfalles  fein  Seben  lang  ju 
leiben  fyatte  unb  bon  ba  an  eigentlich  feinen  gefunben  Sag  mel)r  jai).  ©ein  einziger  ©of)n 
blieb  geiftig  gurüd  unb  litt  an  ©toilebfie  unb  unbeilbarer  %aubf)tit.  ©eine  einzige  Slodjter 
©tebfyanie  ftarb   in  ibrem  18.  SebenSjafyre.    Syrern  2lnben!en   galt  33.S  fd)önfteS  Sieb:  30 
„Pourquoi  reprendre,  0  pere  tendre  Les  biens   dont  tu   m'as  couronne"  etc. 

33.S3Birfen  nad)  auften  mufj  jufammen  mit  feiner  inneren  ©ntmtdelung  ge= 
fd)ilbert  merben.  Über  bie  ledere  fet)lt  eS  uns  mäl)renb  ber  erfien  3 eit  feinet  33afeler  9lufent= 
f)alte§  nidt)t  an  intereffanten  ^eugniffen.  %n  einem  93riefe  bom  24.  ^uli  1818  (f.  Chre- 
tien  evangelique  1861,  ©.  10)  flogt  er  feinem  greunbe  Sftonnarb,  mie  febr  er  bom  35 
©fej)tiji§muS  leibe.  2tber  er  tröffet  fieb:  „9iad)bem  man  lange  genug  auf  bem  3ftub,e= 
fiffen  ber  „gemachten  2lnfid)ten"  gefdjlafen,  ift  e§  mof)l  nötig,  bafc  man  ermad)e  unb 
unterfucb,e.  3ft  ba§  ein  Übel?  Sd>  fann  e§  nid)t  glauben",  bäumte  aud)  35.  fd)on  ba= 
maU  bem  ©efübl  bei  Aneignung  ber  religiöfen  äöafyrfyett  ebenfo  großen  3lnteil  ein,  mie 
bem  SjitteHeft,  fo  mar  boef)  fein  ©laube  um  biefe  ßeit  noeb,  mefentlid;  3lutorität§=  unb  10 
©emobnbeit^glaube. 

Strömungen  febr  begebener  2lrt  führten  umg  ^abr  1823  in  33.3  innerem 
Seben  eine  (Sntfcfyeibung  beerbet.  3"  93afel  fanb  er  jenen  $ieti§mu§  bor,  beffen  fcfyönfte 
grudjt  bag  ^ifftongbauS  mar.  33 or  jener  @ntfd)eibung  urteilte  ber  junge  ©elebrte  über 
le^tereS  febr  abfd;ä£ig:  biefe  grömmigfeit  mar  ib,m  ju  eng.  ®er  1822  nad)  33afel  berufene  15 
be  SBette  feffelte  tt)n  anfangt,  er  mürbe  fein  befreunbeter  ©d)üler  unb  erflärte  fbäteroft, 
bon  ibm  erft  gelernt  ^u  f)aben,  ma§  @£egefe  fei.  3Xber  eine  Religion,  meld)e  bie  Dffen= 
barung§tbatfad)en  alö  bIo-$e  ©bmbole  auffaßte,  befriebigte  t^n  nid)t.  3m  3Baabtlanbe 
r)atte  um  biefelbe  3eit  ber  Reveil,  eine  bom  englifd;en  5Retb,obigmu§  f?errüf>renbe  93e= 
megung,  ©eiftlid)e  unb  Saien  au§  bem  bisherigen  SatitubinariSmuS  aufgerüttelt  unb  aud)  50 
auf  einige  greunbe  33.§  einen  tiefen  ©inbrud  gemadjt.  ©iefer  felbft  mürbe  anfänglid) 
babon  abgefto^en.  3fber  an  feinem  inneren  arbeiteten,  mie  feine  33riefe  unb  feine  @rft= 
Iingöfcf)riften  beutlid)  berraten,  aEe  brei  ©eifte§rid)tungen  gemeinfam,  bis  bie  SJranfbeit 
beS  ^ab,reS  1823,  mo  33.  bem  £obe  na^e  mar,  bie  inneren  Kämpfe,  bie  mir  mebr  abnen, 
als  eigentlich,  berfolgen  fönnen,  ^u  einem  gefegneten  2Ibfd)luf-,  braute,  ©a  33.  ftetS  mit  55 
jarter  ©d)eu  fein  ©eelenleben  ber^ültt  bat  unb  böd)ftenS  in  33erfen  an  feine  greunbc 
feine  ©timmungen  funb  merben  liefe,  fo  fönnen  mir  mit  ©emifsbeü  nur  bie  Xbatfad)e 
fonftatieren,  ba|  er  einer  beilfamen  33eränberung  gemife  ift  unb  feinem  ©rlöfer  fein  ganjeS 
Seben  als  SDanf  einer  geretteten  ©eele  ^um  Dtofer  bringen  mill.  ©0  menigftenS  bat  cr 
fid)  in  einem  ©ebid)te   jener  3^eriobe   auSgefbrod;en,    unb   ber  lag,   mo   er   biefe  33erfe  60 


682  Sinct 

nieberfdjrieb,  fdjetnt  ifnn  bcfonberS  bebeutfam  gemefen  pi  fein,  ©ieS  ergiebt  fia)  auS 
Lamberts  gelungenem  33erfud;,  bie  gange  innere  ©ntmidelung  23.3  an  feinen  Sßoefien  als 
„bem  getreuen  ©Riegel  feines  SebenS"  nacr^uroeifen  (Vinet  d'apres  ses  poesies,  SßariS 
1868).  ©ie  ©cfyrift  beS  fcb>ttifc£)en  Saien  %fy omaS  ©rSfine,  geft.  1870:  „SRefleEionen  über 
5  bie  innere  ©bibenj  ber  Söafyrfyeit  ber  djriftlicben  Religion"  befeftigte  ben  ©enefenen  auf 
ber  neuen  33afm.  ®er  33erfaffer  berfelben  ift  fpäter  ber  b^cfygefcfyätjte  greunb  unb  ©e-- 
miffenSrat  33.3  gemorben. 

Qn  bie  ^a^re  1823  unb  1824  faßt  nicf/t  nur  ber  Slnfang  neuen  religiöfen  SebenS 
bei  33.,  fonbem  aud>  ber  eigentliche  SSeginn  feiner  fcfynftfteßerifcfyen  Stijätigfeit.  23emerJen3= 

10  mert  ift  ein  Strtifel  bom  I^ar/re  1823  im  Journal  ber  SBartfer  ©efeßfdjaft  für  cf/rifilicr)e 
Moral,  ber  in  Briefform  fdmn  mit  aller  ©djärfe  unb  burcbbrungen  bon  ber  neu  ge= 
monnenen  religiöfen  Überzeugung  ben  ©ebanfen  ber  fpäter  erfdnenenen  discours  ent= 
midelte,  bafj  bie  SRoral  bom  ©ogma  unzertrennlich  fei.  33.  bebutierte  alfo  als  Sßublizift,  unb 
baS  blieb  er  aud)  mäfyrenb  feiner  gangen  fcbjiftftellerifcf/en  Saufbaljm.    2ln  bem   eben  ba= 

15  malS  gegrünbeten  liberalen  blatte :  Le  nouvelliste  Vaudois  beteiligte  er  ftcr)  bon  3lnfang 
an  als  itorrefponbent  unb  Mitarbeiter. 

„Les  faits  sont  les  vrais  peres  des  theories"  S)ieS  2öort  auS  33.3  S£agebud) 
finbet  aucb,  feine  SInmenbung  auf  bie  bon  il)m  berfodjtenen  2tnfd)auungen,  mir  meinen 
Zunäd;ft  feine  2Infdjauungen  über  ©taat  unb  Äirdje.    ®a  er  mit  |eif?er  Siebe  an  feinem 

20  engeren  33aterlanbe,  ber  äßaabt  Ijing,  fo  berfolgte  er  bie  bortigen  ©reigniffe  mit  großem 
^ntereffe.  $DaS  %af)x  1824  fyat  in  ber  ©efcr/idjte  biefeS  Kantons  eine  traurige  SSerüfymt; 
^>ett  erlangt,  inbem  burcb,  baS  ©efe|  bom  20.  Mai  bie  ^ntoterang  offiziell  gutgeheißen 
mürbe.  DI?ne  bie  ^Bewegung,  auS  ber  biefeS  ©efe|  fyerborgegangen  mar,  mürbe  aber  33. 
bieHeidjt  nidjt  baju  gelommen  fein,   feine  &raft   unb   fein  ©enie  ber   religiöfen  $retl)eit 

25  mit  fold^er  ©nergie  jujutoenben,  roie  eS  gefeiten.  „SBiffen  ©ie,  fdpeb  SB.  am  1. März 
1824  an  SOtonnarb,  toobon  id)  feit  einiger  gett  träume?  33on  ©emiffenSfreib/eit.  23i3  ju 
gemiffen  ©reigniffen,  bie  mir  biefelbe  ein  menig  ju  gefät)rben  fdnenen,  tjabt  tcb,  menig 
baran  gebaut;  je|t  ift  baS  meine  fir.e  Igbee,  mein  SieblingSgebanle".  Unb  fdmn  am 
8.  gebruar  tyatte  er  an  Serefdje  gefcfyrieben :  ,,©te  ©reigniffe  in  unferem  33aterlanbe  fyaben 

30  mvfy  ju  biefen  Reflexionen  geführt,  bie  mid)  plötdicb,  mie  ein  Sieb,  tftrab,!  getroffen  l)aben . . ." 
©ie  erfte  grudjt  biefer  Reflexionen,  bie  zugleich  feimartig  äße  fpäteren  ©ebanfen  33.3 
über  Religionsfreiheit  enthält,  mar  bie  futg  fyernacb,  erfc^ienene  glugfcfyrtft :  „Du  respect 
des  opinions"  Unb  balb  foHte  ber  33erfaffer  ©elegenfyeit  finben,  feine  ^been  in  ein= 
gefjenbem  gufammenb/ange   barzulegen.    Qn  2tuSfüb^rung   einer  legten  SBillenSberfügung 

35  beS  ©rafen  SambrecljtS  blatte  bie  ^arifer  ©efeEfd^aft  für  d;riftltcr)e  Wloxal  einen  SßretS 
bon  2000  grcS.  für  bie  befte  9Irbeit  über  bie  greib,eit  ber  ^ulte  ausgefegt.  Unter  ben 
29  eingegangenen  arbeiten  tourbe  biejenige  33.3  einftimmig  für  bie  befte  erachtet,  unb  ber 
fbätere  Minifier  ©uijot  fpenbete  als  SBericb,terftatter  bem  SBerfaffer  ein  glänjenbeS  Sob. 
Rur  einige  SJlilberung  bejüglid)  ber  lat^oIifa;en  Religion  mürbe  für  nötig   erachtet  unb 

40  bann  bie  2lrbeit  gebrudft  unter  bem  %\Ul:  ,,  Memoire  en  faveur  de  la  liberte"  des 
eultes"  Rod)  mertboller  als  ber  erlangte  SBretS  maren  für  3>.  bie  berfönlicf)en  33e= 
jieb,ungen  ju  bem  ebeln  %  21.  ©tapfer  unb  buret)  it;n  inbirelt  ju  ben  erften  ©röfeen  beS 
bamaligen  franjöfifcfjen  SßroteftantiSmuS.  @r  blatte  bon  ba  an  bie  2lufmer!fam!eit  ber 
ebelften  gran^ofen  auf  fict)   gelenft  (bgl.  Lettres  I,  ©.  90  ff.),    ©ein  Ruf  als  SDenfer 

45  unb  ©a)riftfteller  mar  begründet  unb  baS  ganj  unbefcfyabet  feiner  für  anbere  gerabegu 
bemütigenben  33efcr)eibenl;eit.  „©er  ©rfolg,  ben  tdb,  foeben  erlangt  fyabt,  fc§retbt  er  an 
SJtonnarb,  ift  ber  atterunermartetfte;  id)  bad)te  in  ber  legten  3e^  ni^t  einmal  baran, 
bafj  meine  Slrbeit  iönnte  bemer!t  merben  Stber  ©ott  moKte   mief)  ermuntern,  ir)m 

ju  bienen" 

50  £>aubtfäd)Iid)  bie  fortgefe^ten  6b,i!anen,  benen  bie  ©iffibenten  in  ber  9Baabt  breiS= 
gegeben  maren,  beranlaf3ten  33.  in  ben  folgenben  ^ab,ren  ^u  jaf)Ireicb,en  glugfd;riften  unb 
^eitungSartüeln  über  ReIigionS=  unb  ©emiffenSfrei^eit.  Um  beS  ^rinjipeS  mitten,  nio)t 
als  i^r  greunb,  na^m  er  bie  Partei  ber  „9Jlomier3",  unb  lief?  fia)  fogar  in  einen  Sßrogefe 
bermideln,  mobei  ib,m  eine  33uf5e  bon  80  grcS.  auferlegt  unb  alle  geiftlidjen  gunftionen 

55  in  feinem  §eimat!anton  für  ein  ^ab>  lang  unterfagt  mürben.  SBefonberS  anftößig  mar 
bie  Slufjerung  gemefen:  menn  baS  ©efe|  forbere,  maS  baS  ©emiffen  mcfjt  erlaube,  fo 
muffe  man  bem  ©efe|e  trogen.  SDaS  unbebingte  Rec^t  beS  inbibibuellen  ©emiffenS  mirb 
in  allen  biefen  aueb,  burd)  ©tilfd)önb,eit  ausgezeichneten  ©d;riften  mit  juneb,menber  ^lar= 
fjeit  unb  über^eugenber  Serebfamleit  berfod;ten.     33gl.  ben  ©ammelbanb:   Liberte  reli- 

60  gieuse   et    questions  ecclesiastiques.    ®ie    maabtlänbifdje   liberale  Rebolution   bom 


Stnct  «83 

Dezember  1830  fyat  ber  litterarifdjen  XI)ätigteit  "is.ö  einen  neuen  3;mbulS  gegeben.  Dod; 
Waren  feine  2tnftrengungen  umfonfi,  bafe  in  ber  neuen  Serfaffung  WenigftenS  5Reltgion§= 
freifyeit,  Wenn  aud)  nicfyt  Trennung  bon  ®ird)e  unb  ©taat,  proklamiert  Werbe. 

S.  betätigte  fid)  baneben  fefyr  fletfetg  als  ©dmftftetler  aueb,  auf  bem  ©ebiete  ber 
©brache  unb  frönen  Sitteratur,  Wogu  er  burcfyXalent  unb  anljialtenbe  ©tubien  borjüglid;  5 
befähigt  War.  Um  feinen  ©d)ülern  in  Safel  eine  gebiegene  2tuSWaf)I  bon  Sefeftüden 
auS  ben  franjofifd^en  Älaffifern  px  bieten,  arbeitete  er  felber  eine  breibänbige  ßl)refto= 
matfyie  aus,  bie  1829  unb  1830  erfdnen,  unb  feitfyer,  Wa§  ©efcfymad  unb  bäbagogifd)e 
Sraucfybariett  anlangt,  laum  übertreffen  Würbe.  Den  3Xbrt^  über  bie  franjöftfdje  Sitteratur= 
gefd>ict)te  am  anfange  beS  brüten  SanbeS  nennt  ©ainte=Seube  ein  HtterarifcfyeS  3Jteifter=  io 
Werl.  @S  bauerte  nidjt  lange,  fo  Würbe  S.,  ber  injWifdjen  aufeerorbentlid)er  ^rofeffor 
an  ber  Safeler  Uniberfität  geworben,  bon  ben  erften  Diestern  unb  ©diriftfteßern  granf= 
reid)S,  tüte  ©ainte=Seube,  dfyateaubrianb,  Victor  £>ugo,  Seranger  u.  a.  als  ein  ^ritifer 
gefaxt,  auf  beffen  Urteil  fie  ben  gröfeten  215ert  legten,  ^jmmer  fudjte  er  bei  feiner 
föritif  hinter  bem  ©dmftftetier  ben  9Jienfd)en  unb  berbanb  mit  ber  größten  ©eWiffen=  15 
baftigfeit  ben  I)öcf)ften  fittlidjen  @rnft.  'Die  1831  gegrünbete  broteftantifdje  ^arifer  3eit= 
fcbjcift:  Le  Semeur,  fyatte  baS  ©lud,  biefe  arbeiten  S.S  publizieren  ju  bürfen.  „Durd) 
ib,n  ergriff  ber  $roteftantiSmuS  in  granfreid)  jum  erftenmal  baS  2öort  in  ber  Sitteratur 
unb  erliefe  ÜDladjtfbrüdje"  (Pressense).  ^mm  fritifdjen  2tuffä£en  reiften  fid)  foldje  über 
bie  berfcfyiebenften  ©ebiete  beS  SöiffenS  an.  Unter  bem  Xitel :  Essais  de  philosophie  20 
morale  et  de  morale  religieuse  gab  33.  eine  2lngabJ  berfelben  gefammelt  fyerauS, 
inbem  fie  alle  i^re  (Sinfyeit  in  bem  ©ebanten  b,aben,  bafe  %t\u$  GI)riftuS  ber  2öelt  eben= 
fofefyr  ben  ^rieben  auf  bem  ©ebiete  beS  Deutens  bringt,  Wie  er  ber  StRittler  für  §er$ 
unb  Seben  ift.  Unabhängig  bom  ©toff  brad)  fein  glänjenbeS  Xalent  für  aftetifcb=rIj>eto= 
rifcfye  Darftellung  überall  fyerbor.  20 

^n  ber  franjDfifc^en  äird)e  gu  Safel  trat  ber  Sitteraturbrofeffor  um  biefe  geit  fyäufig 
als  ^ßrebiger  auf,  unb  feine  ^ßrebigten  matten  balb  baS  größte  3luffeb,en.  2tnfänglicr/ 
bielt  er  fid)  genau  ans  üftanuffribt,  fbäter  aber  extemporierte  er,  weil  er  erllärte,  fein 
fd)Wad)eS  ©ebäduniS  mac^e  if>m  baS  Memorieren  unmbglid).  ©eine  gebrückten  ^rebigten 
fyat  er  in  biefer  Raffung  meifienS  erft  rebigiert,  naef/bem  er  fie  gehalten  fyaite.  Der  erfte  30 
Sanb  berfelben  erfcfyien  1831  unter  bem  Xitel:  discours,  fbäter  boßftänbiger:  discours 
sur  quelques  sujets  religieux.  ©ie  finb  bogmatifcb/abologetifcfyer  9?atur  unb  Wenben 
ftdj  mit  Vorliebe  an  ben  Serftanb.  Dafe  fie  in  franäöfifcf^brotefiantifcfyen  Greifen  gerabeju 
@bod)e  matten,  berbanfen  fie  nid)t  nur  ibjer  flaffifcf/en  gorm,  fonbern  aueb  ber  unge= 
meinten  Sereinigung  Don  lebenbiger  2öärme  mit  roeit^ergiger  Silbung.  S.  beränberte  35 
unb  berbefferte  fie  bei  feber  neuen  Auflage  nad)  gorm  unb  3nV^/  un^  tnand'e  finb  auf 
biefe  2Beife  faft  ju  2lb|anblungen  geworben.  Den  tb/eologifcben  ©tanbbunlt  biefer  ^3re= 
bigten  djarafteriftert  er  felber  in  einem  Sriefe  jener  ftüt  an50Ronnarb:  „Wd)t  als  je  bin 
ia)  im  klaren  über  ba§  entfe^Iidje  -Jltdjts  beffen,  tt»a§  ntdjt  ba§  ©bangelium  ift;  in  bem 
6t)rtftu§,  ben  unfere  Säter  angebetet  b,aben,  bem  (5t)riftu§  ^auli,  Sa^calS,  £utb,erg,  bem  iü 
6b^riftu§,  ber  ein  ©ülmobfer  für  alle  Wm\d)m  ift,  bin  tdj,  ©Ott  fei  ©an!,  friert.  Som 
9lationaIi§mu§  miß  tdj  toeber  in  fcl)macber,  noeb,  in  ftar!er  DofiS,  meil  icb,,  menn  id)  mid; 
einmal  unterwerfe,  mit  ©ott  nid}t  um  einige  gelehrte  Sroden  meiner  bermorrenen  qß^ito= 
fobf)eme  ftreiten  toerbe        ."  (Chretien  evang.  1861,  ©.  12). 

3u  Slnfang  ber  breifeiger  %af)vt  feiert  roir  S.  nicb,t  nur  t^eorettfdje,  fonbern  aueb,  45 
braftifdie  «ßolittf  treiben.  $n  bem  Slufftanb,  ber  fdjltefelidj  jur  Xrennung  bon  Safelftabt 
unb  Safellanb  füfjrte,  trat  er  nämlid)  tro^  feinet  SiberaliSmuS  feb^r  energifcb,  für  bie  ate 
ariftofratifd)  berfd}rieene  ©tabt  ein  unb  liefe  fieb,  fogar  aU  ©olbat  in  bie  Sürgermilij  ein= 
reiben,  bi§  bie  Regierung  fanb,  feine  geber  richte  roo^I  noeb,  meb,r  au§,  als  feine  5''nte/ 
unb  ib,n  bem  Komitee  ^teilte,  tt>elcr)e§  baS  Weitere  ^ßublifum  über  bie  geredete  ©acb,e  50 
SafelS  ju  belehren  b,atte;  aueb,  eine  bitolomattfcfye  9JZiffion  nad>  fiaufannc  Würbe  ib,m  an= 
bertraut.  Die  Safeler  Regierung  f)inWieberum  fud)te  feine  Serbienfte  ju  Würbigen,  inbem 
fie  um  feinetwitlen  ben  neuen  £el)rftul)l  ber  fran^öfifd^en  Sitteratur  unb  Serebtfamfeit 
grünbete.  @S  War  inbeffen  ganj  natürlid;,  bafe  man  biefen  foftbaren  SJJann  aud)  an 
anberen  Orten  nur  ju  gern  gehabt  bätte,  unb  bie  berlodenbften  2lnerbietungen  bon  Saris,  55 
9Jlontauban,  granlfurt,  Sern  k.  Würben  ilmi  Wieberbolt  gemacht.  Xro^bem  ib,m  Wegen 
feiner  beftänbig  leibenben  ©efunb^eit  unb  Überbürbung  mit  ©cbulftunben  eine  Seränbe= 
rung  WiEfommen  geWefen  Wäre,  fd>lug  er  alles  auS,  teils  auS  Patriotismus,  teils  Weil 
fid)  feine  Sefd)eibenl)eit  ber  angetragenen  ©teilen  nid)t  geWadjfen  füllte:  er  Wollte  Warten, 
bis  fein  9JZeifter  tb,m  ben  Jßeg  jeige.     1837  Würbe  ber  2etn-füu)l  für  braftifd)C  Xb^ologie  go 


684  bittet 

an  ber  Saufanner  Süfabemic  frei,  unb  nun  glaubte  SB.,  annehmen  ju  muffen.  SDer  2lb= 
fdn'eb  bon  SBafel  fiel  ifym  jroar  unenblicb,  feiner,  unb  in  ber  erften  Saufanner  3e^ 
machte  er  fid)  bie  bitterften  SBortoürfe,  er  fönne  ben  neuen  Slnforberungen  nidjt  genügen, 
©eine  greunbe  unb  ©djmler  urteilten  jum  ©lücf  anberl.  ®ie  Unruhe  feiner  ©eele 
5  mürbe  baburd)  nod)  erb,öf)t,  baf?  gerabe  in  biefe  geit  eine  jmar  feb)r  fdjitter  gu  fontroHie= 
renbc  innere  $rifis>  fiel,  beren  Stefultat  ein  immer  entfc£nebeneres>  grontmact/en  gegen  bie 
Rheologie  bei  Siebeil  mit  feinem  ^nteMiualilmul  unb  SJlntinomilmul  mar. 

©leid)  in  feiner  SKntrittlrebe  glaubte  SB.  ju  ber  „Srmedung",  bie  im  SBaabtlanbe 
tiefe  SBurgeln  gefdjlagen  fyatte,  ©tellung  nehmen  gu  f ollen.    „2öal  I)at  bie  Sjßrebigt  Don 

10  ber  religiöfen  Sßemegung  empfangen  unb  mal  lann  fie  ir)r  r/intoieberum  geben?"  ©o 
lautete  bal  S£f/ema  biefer  Siebe,  in  ber  bei  aller  freubigen  Stnerfennung  ber  Sid;tfeiten 
an  ber  neuen  SBrebigtmeife  bod)  auct)  ber  SRifjbraud;  im  ^mbrobifieren,  ber  9JiangeI  an 
^nbibibualität,  bie  SBerfürgung  bei  SBerftanbel  gegenüber  bem  ©emüte  unb  bie  einfeitige 
SBetonung  bei  £>ogmal   auf  Soften   ber  StRoral   gerügt  tourbe.    21I§   eine  grucfyt  biefel 

15  grontmact)enl  gegen  ben  reveil  r)aben  totr  bie  1841  erfdjttenenen  Nouveaux  discours 
anjufeb^en,  bie  md)t  fotoot)!  Sßrebigten,  all  ©tubien  über  d)riftlicr)e  ©tln!  enthalten. 

Salb  nad)  feiner  2lnfunft  in  Saufanne  fyatte  SB.  all  SRitglieb  ber  ^ommiffion  für 
eine  neue  ®irct)enbcrfaffung  (Gelegenheit,  für  bie  SBermirfticfmng  feiner  itrcfylidien  lybeale 
tfyätig  ju  fein,    greie  SBeitrittlerflärung  fettend  ber  ©lieber  ber  £ird)e  unb  .ßulaffung  ber 

20  Saien  in  bie  fircfylidjen  S8et)örben,  bal  toaren  bie  fünfte,  für  bie  er  fyaubtfäcfylicr;  feinem 
gefcfyidten  ©egner  SBautb,  gegenüber  tambfte,  mobei  er  inbeffen,  toie  er  el  immer  getr)an, 
bie  gu  Siecfyt  6eftet)enbe  SBerbinbung  bon  ©taat  unb  Äirdje  rentierte,  3>n  ben  folgenben 
^Debatten  fprad)  fidi  viUnet  entfdneben  für  SBeibebaltung  bei  r)elbetifd)en  ©Iaubenlbefennt= 
niffel  aul,   inbem   er   bal  SBelannte  bem  Unbekannten,  bal  SBofittbe  unb  fnftorifd;  ©e= 

25  gebene  bem  Siegatiben  borgog,  ofyne  jebod;  in  ber  fyelbetifdjen  Slonfeffion  fein  IJbeal  bon 
einem  fircf/licfyen  ©laubenlbefenninil  gu  erbliden.  SJfflein  fo  fein-  miberfyrad)  fcfyliefjlid) 
bal  gange  1839  angenommene  ®ircr;engefe|  feinen  2tnfd;auungen  bom  SBefen  ber  Äird)e, 
bafj  er  ein  SJaljr  fbäter  aul  ber  maabtlänbifcfyen  ©eifilicfyfeit  austrat,  benn  in  Sßirflicfyfeit 
mar  ja  bie  Mircf)e  in  größerer  2Ibf)ängigfeit  bom  ©taate,  all  bort/er. 

30  Sie  eben  gemalten  Erfahrungen  fcfyeinen  einen  entfcfyeibenben  (Einfluß  auf  SB.  aul= 
geübt  gu  fyaben,  benn  einbringlicr/er  all  je  brebigte  er  je£t  bie  abfolute  Trennung  bon 
Äircfye  unb  ©taat,  ja  er  gab  ben  greunben  berfelben  ifyr  flaffifdjel  SBucfr,  in  bie  §anb, 
inbem  er  1842  feinen  Essai  sur  la  manifestation  des  convictions  religieuses  et 
sur  la  Separation  de  Peglise  et  de  l'etat,  roieberum  eine  bon  ber  Sßarifer  ®efeßfd;aft 

35  für  dn:ifilicr)e  Floxal  gelrbnte  SPreiSfd^rift,  Verausgab.  SDennocfy  blieb  er,  aKem  ©ebarati§= 
mu§  feinb,  ein  einfad)e§  ©lieb  ber  £anbe§lird;e.  „SBi§  auf  einen  neuen  SBefeb/l  ©ottes" 
mollte  er  nur  litterarifd)  für  bie  ©acf)e  tl)ätig  fein. 

3Iua)  burd;  feine  (Stellung  ats>  S^rofeffor  ber  bra!tifcb,cn  Zr/eologie  lie^  er  fid;  nidjt 
berleiten,  für  feine  Siebling§ibeen  SBrobaganba  ju  machen,  fo  leicht  er  bieg  burdj  bie  ©e= 

40  malt,  bie  er  bermöge  feinet  Gr/arafter3  unb  feiner  S8erebtfam!eit  über  bie  jugenblicfyen 
©emüter  befa^,  b,ätte  t^un  lönnen.  Db,ne  ben  burd)  ©cr/leiermacfyer  betoirlten  gortfd;ritt 
in  ber  braftifd;en  S£b,eologie  gu  fennen,  trug  er  biefe  in  ü)rem  bigberigen  Umfange  bor. 
@r  laö  ferner  über  ©efd)icf)te  ber  franjöfifd)en  ^anjelberebtfamfeit  unb  gab  braftifdje  @r= 
flärungen  neuteftamentlicfyer  ©Triften.    2luc^>  trug  er  einmal  eine  „braftifcfye  SB^ilofob^ie 

45  bei  6b,riftentum§"  bor  unb  bertrat  -jJionnarb  auf  bem  Se^rftu^l  für  frangöfifcfye  Sitteratur. 
@in  ehemaliger  ftufyöxcx,  ©cfymibt  (bgl.  l.Slufl.  biefei SIÖer!e§)  urteilt:  „SB.§ SBorlefungen, 
bie  er  teil!  borl>er  forgfältig  aufarbeitete,  teill  auf  ©runblage  jufammenfaffenber  SBe= 
mer!ungen  f)ielt  unb  erft  nadj^er  nieberfd)rieb,  jeid^neten  fiel)  weniger  burd;  gelehrten  SJn= 
f)alt  unb  fbftematifdje  gorm,  al§  burd}  Sieidjtum  unb  Urfbrünglid)!eit  ber  ©ebanfen  unb 

50  namentlid)  bureb,  bie  9JJetb,obe  an§.  ©eine  gro^e  ®ah^  beftanb  bor  altem  barin,  bie 
©elbfttb,ätigleit  ber  gufyöm  anzuregen.  Sffial  aber  biefe  Sffiirfting  b,erborrief,  mar  nidjt 
aEein  ber  Qnb,  alt  unb  bie  SRet^obe  an  fid;,  e§  mar  bie  gange  SBerfönlid^Ieit  bei  2Ramte3, 
bie  unbebingte  Eingabe  an  bie  Sffiar/rr/eit,  bie  STiefe  ber  Überzeugung,  bie  bollfommene 
9iatürlid}leit  unb  ju   allebem   bie  mob^Iflingenbe  ©timme,   bie   ungefud}te  ©d}ön^eit   ber 

55  ©brache,  ber  unmiü!ürlicb,  berborbred;enbe  ©djmung  ber  Siebe"  „^iiemall,  fagt  einer 
feiner  ehemaligen  Kollegen,  maren  bie  ©tubierenben  bon  einer  fo  gemaltigen  unb  gugleia) 
fo  milben  2Rad}t  ergriffen  unb  feftgeb,alten  toorben". 

SB.  mar  ber  -JJlittelbwrft  einer  erlaubten  ©efellfd^aft  bon  ebeln  ©eifiern,  bie  bamafö 
an  ber  Saufanner  SKfabemie  mir!ten.     SJlucb,  ein  ©ainte=SBeube  backte  mit  greuben  an  ba§ 

60  §albjaf)r   jurüd,  mo    er   bie  SBarifer  ©alonl   mit   bem  befcb,eibenen  Saufanne  bertaufd;t. 


bittet  685 

2Wein  bie  fcf;öne  ßeit  foßte  nid)t  lange  mären.  $)ie  I^efuitenfrage  gab  anno  18-45  ben 
93ormanb,  um  bte  3Jiaffen  gegen  alle  Drbnung,  33ilbung  unb  geifttge  Inferiorität  aufju= 
reiben.  Söenige  bolitifcfje  93eroegungen  roaren  fo  getjäffiger  2trt  röte  bie  maabtlänbifcr)e 
gebruar=Rebolution.  Ramentlid)  manbte  fiel)  bie  SBolförout  gegen  atteö  eoangeIifcr)e  Seben. 
Qfä  mar  eine  furchtbare  Reaftion  gegen  ben  Rebeil,  beren  güfirer  jetjt  ans  Ruber  famen,  5 
unb  93.S  ebleS  ^atrtotifdt)e§  §erj  rourbe  mit  tiefem  Kummer  erfüllt,  ^n  groet  ^3re= 
bigten:  Les  complices  de  la  crueifixion,  machte  er  feinem  ©cf/merje  £uft ;  unb  als 
bie  Regierung,  ftatt  nad)  93.S  SSorfcfylägen  in  ber  neuen  93erfaffung  bie  Religionsfreiheit 
anjuerlennen,  biefelbe  nur  noeb,  iuel)r  unterbrüdte,  legte  er  feine  tf)eologtfd)e  ^rofeffur 
nieber  (1846).  10 

(Eine  golge  ber  Resolution  mar  bie  Sntftelmng  ber  maabtlänbifdjen  greif  irdje.  (!s 
ift  aber  ein  großer  Irrtum,  roenn  man  SS.  als  beren  93ater  unb  93egrünber  anfiebt.  ©ie 
ift  bielmcfyr  ein  ®inb  ber  ^atfacfyen,  unb  93.  r;at  bei  ifjrer  ©eburt  nur  §ebammenbienfte 
geleiftet.  £>ie  gumutung  ber  Regierung,  baf$  bie  ©etftlidjen  bon  ber  Mangel  eine  93ro= 
flamatton  beriefen  füllten,  morin  bie  mm  93erfaffung  bem  93olfe  jur  Annahme  embfofylen  15 
tourbe,  r)atte,  ba  fie  geferjlid)  faum  ju  rechtfertigen  mar,  ben  unmittelbaren  Slnftojj  gegeben, 
bafj  etma  Ijmnbertfünf §tg  ©eiftlidje  auS  ber  ©taatSfirdje  austraten.  93.  fyat  auf  biefe  @reig= 
niffe  burdjauS  nicfyt  pofitib  unb  bireft  eingemirft;  bie  SDemiffion  ging  auS  unb  mürbe  am 
metften  betrieben  Don  folgen,  bie  bis  balnn  feine  ©runbfätje  entfcfyieben  befämbft  fyatten. 
Slber  bie  Urfyeberfdjaft  ber  !Jbee  ber  greir/eit  unb  Söürbe,  bie  ber  Stircfye  gebühre,  roirb  boct;  20 
jroeifelSor/ne  93.  juerfannt  merben  muffen. 

93.  mar  burdjauS  mdt)t  mit  allen  ©dmtten  ber  SDemiffionäre  einberftanben ,  aber 
fdjltefjlid)  freute  er  ftdt)  bod)  über  il)re  %i)at  unb  manbte  ib,nen  feine  bollfte  ©tymbatfyie 
ju.  Gür  Ijielt  eS  aber  auefe,  für  feine  $fltd)t,  ib,nen  bie  ^rin^bten  bargulegen,  bie  fie  mit 
tt)rer  .£>anbIungSmeife  unbewußt  angenommen  Ratten,  unb  er  tt)at  bieS  in  einer  geiftboHen  25 
anonymen  ©djrift :  Considerations  presentees  ä  Messrs.  les  demissionaires,  inbem 
er  su  geigen  fuef/te,  baf$  bie  greifet!  ber  &ird)e,  meiere  bie  (Sitte  beS  maabtlänbifdjen 
93oIfeS  fo  obferfreubig  berteibigt,  nur  in  it)rer  bölltgen  Trennung  bom  ©taate  gemabjt 
werben  fönne.  ©eine  bublijiftifc^e  SLb,ätigleit  in  Strtifeln  für  Leitungen  un^  3ettfd)riften 
unb  in  fleinen  93rofd)üren  fcr)ien  fief)  ju  berbobbeln.  S)ie  reiffte  unb  burd}bacb,tefte  bon  30 
allen  biefen  arbeiten  nad)  beS  93erfafferS  eigenem  Urteil  erfdnen  unter  bem  %itd:  „Du 
socialisme  considere  dans  son  principe",  Geneve  1846  (abgebrudt  in  l'educa- 
tion,  la  famille  et  la  societe,  unb  inS  SDeutfc£)e  überfe|t  bon  £>ofmeifter,  33erlm  1849). 
„Siefe  glugfdjrtft  bon  fiebengig  ©eiten,  fagt  ©euerer  in  feiner  Inftorifcfjen  Einleitung  gu 
93J  9Ser!en  (A.  Vinet,  Notice  sur  sa  vie  et  ses  ecrits,  ^3art§  1853),  ift,  in  giemltcr)  35 
engen  ©renken,  bie  gufctmmenfaffung  i,er  2tnficl)ten  be§  3ierfaffer§  über  9Jioral  unb 
Religion,  9Jtenfd^t)ett  unb  ßr/rtftenium,  ©efellfcb.aft  unb  ^irc^e"  ©ie  werben  un§  liier 
auf  ib,rer  größten  §ö^e  unb  fogufagen  in  ifyrer  größten  Slttgemein^eit  geboten. 

Ricr)t3  ift  natürlicher,  als  ba^  93.  ber  balb  gegrünbeten  greilirdje  fidt)  al§  SRitglieb 
anfd)Iofe,  r)äufig  in  ifyren  93erfammlungen  brebigte  unb  al3  ^ommiffion^mitglteb  für  bie  40 
©imobe  an  einem  93erfaffung§entrourf  berfelben  tfyättg  mitarbeitete.  @r  unb  fein  College 
6f)abbuiS  legten  befonberg  ©emic^t  barauf,  ba^  bie  ©emeinbefirebe  ben  93orrang  ^abi 
über  bie  ©efamtfircb;e,  baf$  ber  3Jcitgliebfd}aft  eine  freie  93eitritt§er!Iärung  borangeb,en 
muffe,  unb  bafe  bie  Saien  ntct)t  nur  5tRitglieber  ber  lircb,Iicf)en  93eb,örben  werben  !önnen, 
fonbern  baft  überb/aubt  ber  93egriff  be§  geiftlic^en  2lmte§  ein  anberer  toerbe,  ber  neben  45 
fidt)  noeb,  anberen  Scinifterien  Raum  gebe,  wie  in  ber  erften  cfmftlidjen  Slircfye.  ©rofee 
2lufmer!famleit  enblicf»  roanbte  93.  ber  richtigen  Slbfaffung  etneS  ©Iauben3be!enntniffe£  ju, 
unb  reo  man  ät)nlic£)e  Slrbeiten  bor  r)at,  mirb  man  gut  tfyun,  feine  flaffifcfjen  Ausführungen 
über  biefen  ©egenftanb  ju  beachten  (Liberte  rel.  ©.  638  ff.).  Rtct)t  ju  t^eologifcf)  unb 
ntdjt  au  bolemifcb,  barf  baS  ©laubenSbelenntniS  fein,  fonbern  „e§  fod  nur  btejenigen  50 
2Öab,r|eiten  enthalten,  bermöge  beren  man  Gl)rift  ift,  au^erb,alb  beren  man  e3  nid}t  mer;r 
ift ;  e3  foH  bie  neue  Hircfye  bon  fetner  anbern  ebangeltfcb,  en  ^£trct)e  trennen ;  alTcö  in  bem= 
felben  foll  gum  §erjen  fbrecb,en  unb  fidj  in  einer  cfyriftlicfyen  ©eele  leidet  jum  §^mnu€ 
unb  Sobgefang  umroanbeln ;  ba§  ©ebäd;tni§  beS  ^inbeS  foll  eS  ob,  ne  5Rüt)e  behalten  unb 
ber  ©terbenbe  foE  eS  nod)  in  ber  2:obeäftunbe  mieberl;olen  lönnen"  55 

93.  t)atte  feine  Urfacfye,  fidt)  über  baS  fd)Iie^Iicb,e  Refultat  ber  93eratungen  befonberS 
ju  freuen,  unb  er  machte  auef)  bffentlid)  fein  §el)I  barauS,  bafe  fein  $b«d  öon  einer 
Kirche  nod)  lange  nidjt  erreicht  fei. 

SBeit  entfernt,  mit  Rieberlegung  feiner  %ologifd)en  ^3rofeffor  bie  nötige  Rul)e  gu 
finben,  mar  9\S  if)ätigfeit  bis  in  bie  legten  9)ionate  bor  feinem  @nbe  eine  äu|erft  rege.  60 


686  »inet 

3toar  itmrbe  er  bort  ber  ©teile  eine3  $rofeffor§  ber  fran§öfifrf)en  Sitteratur,  bie  er  al<S 
Diacfyf olger  3J£onnarb§  inne  t)atte,  burd)  ba<3  rabifale  ©cr)ulgefe£  bort  1846,  ba§  bte  Sau= 
fanner  Slfabemie  aller  bebeutenben  SJiänner  beraubte,  enthoben,  aber  er  tonnte  bem  ©rängen 
ber  jungen  £t)eologieftubierenben  nid)t  roiberftefyen,  fonbern  lag  in  einem  ^ßribatlotal  über 
5  franzöfifd)e  Sitteratur  unb  gab  braftifcb/tfyeologifdie  ©rflärungen  einiger  $abitel  be§  %o- 
t)anne§ebangeltum3.  gerner  fnelt  er  jur  Unterftü^ung  einer  bon  U)m  in§  Seben  gerufenen 
beeren  Xöcfyterfdmle  eine  3Jeir)e  bon  Vorträgen  für  ©amen.  ©ie  2Iu§füI)rung  einer 
ganzen  9ieil)e  bon  litterarifdjen  planen,  roie  bte  „braftifdje $I)ilofobr)ie  bes>  6^riftentum§", 
bte  *Paftoraltr)eoIogie,  bie  ©efd)id;te  ber  franzöfifdjen  Sitteratur,  mürbe  tfm,  aud)  oljme  baß 

10  er  ein  2Xmt  befleibete,  noci)  auf  3a^re  bjnau<§  befd/äftigt  fyaben. 

@§  roar  anber§  beftimint.  Um  2öeir)nacf/ten  1846  erlranlte  ber  immer  letbenbe 
SDtann  roieber  ernftlict).  3toar  frannte  er  feine  Gräfte  auf§  äußerfte  an  unb  ging  nod; 
regelmäßig  auf<§  ®atr)eber,  roieroot)!  er  ftd)  nad)  jeber  33orIefung  gleich  roteber  nieberlegen 
mußte.    Slber  fct)on  am  28.  Januar  fyielt  er  feinen  legten  Vortrag  über  %o  17  v.  4, 

15  unb  roie  eine  2lr)nung  burcfyzudten  feine  gufybrer  ftxe  ©cf/lußroorte  beSfelben :  „ÜKöcfyten 
rotr  alle  um?  mit  9ted)t  btefe  SSorte  aneignen  unb  am  @nbe  unfere«?  Sebeng  im  tiefften 
©efür)I  unferer  2lbr)ängigfett  ju  bem  23ater  unfern  £>erm  Qefu  (S^rtftt,  ber  auct)  unfer 
33ater  ift,  fagen  bürfen:  £;d)  ^aht  biet)  berflärt  auf  @rben  unb  bollenbet  ba§2öeri,  ba§ 
bu  mir  gegeben  t)aft,  baß   icf;   e€  tt)un   foHte"     2lm  19.  älbril  nad)  (Staren^  gebracht, 

20  überzeugte  er  ficr)  atlmär)lid)  bon  feinem  t)erannat)enben  @nbe,  roätvrenb  er  bort)er  immer 
nod)  mit  feinen  planen  befd)äftigt  geroefen  roar,  ja  fogar  nod)  bon  feinem  Äranlenbette 
au§  tbätigen  2lnteil  an  ben  ©r/nobalbert)anbIungen  ber  freien  $ird)e  genommen.  @3  ift 
met)r  al§  mar)rfd)einlid),  baß  er  ficr)  in  feinen  legten  ©tunben  be3  ©bred)en§  bes>t)alb  ent= 
()ielt,  bamit  man  nicfyt  feine  Sßorte  aufzeichne.    Unb  it>a§   er  nod)   fbrad),  finb  Söorte 

25  jener  ©emut,  bie  it)n  burd)  ba§  ganze  Seben  ausgezeichnet  r)atte.  „Sitten  ©ie  für  mid) 
um  aße  ©naben,  felbft  um  bie  aHereinfad)ften",  fagte  er  ju  einem  greunbe.  ,,^d)  fann 
nid)t  meb,r  benfen",  waren  bie  legten  2Borte  bes>  großen  ©enfer§  bon  Saufanne.  Dt)ne 
eigentlichen  £obes>fambf  entfd)lief  er  am  4.  9Jcai  1847  morgend  5  Ut)r,  nod)  nid)t  fünfzig 
$at)re  alt. 

so  Überbliden  toir  bie  SebenSarbeit  33.3,  fo  laffen  ficr)  toor)l  bie  berfd)iebenen  ©etten 
ber  23etf)ätigung  biefeg  reichen  ©eifteS  auSeinanber  galten :  ber  2lboftel  ber  Trennung  bon 
$ird)e  unb  ©taat,  ber  ^rttiier  unb  ^iftorifer  ber  franjöfifd)en  Sitteratur  unb  ber  d)rift= 
Iicr;e  ©enfer;  aber  er  felbft  roürbe  be§  entfd)iebenften  bagegen  broteftiert  t)aben,  roenn 
man  fie  r)ätte  au§einanber  reißen  rooUen.    ^n  biefen  berfdüebenen  ©ebieten  ift  er  immer 

es  unb  metft  in  erfter  Stnie  Slbologet.  ®as  ift  bte  große  3lrterie,  burd)  bie  bei  ir)m  atle§ 
Seben  ftrömt.  £>en  mobernen  ©eift  mit  bem  ©bangelium  ju  berföl)nen  lag  bem  Sitterar= 
t)iftorifer  fo  fer)r  am  §er^en  rote  bem  SSerfaffer  ber  Discours.  2tuf  bem  ©ebiet  ber  fran= 
göfifdt)en  Sitteratur  fa|  er  eine  STt)üre  für  jene§  SBirlEen  offen,  ba§  il)m  jumeift  am  §erjen 
lag,  unb  er  jögerte  nief/t,  burd^  fie  einzutreten. 

40  2ßir  erinnern  un§,  womit  ber  junge  ©dmftfteßer  „bebütierte" :  mit  einer  3trbeit 
über  ©eroiffengfreir)ett,  ein  ©egenftanb,  bem  er  fein  ©enren  immer  unb  immer  roieber 
pgeroenbet  t)at.  Sßir  finb  alfo  ju  ber  ©rroartung  berechtigt,  baß  er  umfaffenbe  unb 
grünblict)e  Unterfud)ungen  über  baö  ©eroiffen  angeftellt  l)abt,  um  fo  met)r,  ba  bie  ©emtffeng= 
fretb,eit  ba3  gunbament  ift,  auf  ber  feine  Siebünggtt)eorie  ber  Trennung  bon  ®ird)e  unb 

45  ©taat  fußt.  Sllletn  rotr  fet)en  un§  umfonft  banad)  um :  an  geiftboUen  Slbercüä  über 
ba^  ©eroiffen  mangelt  e3  in  vls.§  ©d)riften  nid)t,  iüor)l  aber  an  einer  grünblidjen  fr/fte= 
matifd>en  Unterfud;ung.  ©a  t)eißt  e§  5. 33. :  „ba§  ©eroiffen,  bieS  mtifteriöfe  unb  gött= 
lietje  ©lement  unfereS  3Befen§,  bieg  ©lement,  ba§  bon  unferer  5Ratur  unzertrennlich,  ift, 
bai  burd)  nict)t§  ertjlärt,  aber  burd)  alle§  bezeugt  rotrb,  ba§  ©eroiffen  ift  jenes  moralifd)e 

50  ^rtnzib,  ba§  unä  unferer  Überzeugung  gemäß  zu  fyanbeln  nötigt  unb  ba§  un§  berurteilt, 
roenn  rotr  in  einer  äSetfe  t;anbeln,  bie  biefer  Überzeugung  roiberfbrid)t :  eS  ift  fozufagen 
bie  ^riebfeber  be§  fittlicr)en  5Renfd;en"  (Lib.  des  eultes  ©.  287).  @3  giebt  für  ben 
9Jcenfd)en  nid)tö  §öb]ere§,  al§  fein  ©eroiffen.  ®ie  Vernunft  ift  ba§  ^nftrument  be§  reli= 
giöfen  ©efüt;te,  ba§  ©eroiffen  ift  ber  ©i|  beweiben,    ©ie  Religion  r;at  ib,ren  ©i^  unb 

55  ir)ren  ©tür^bunlt  im  ©eroiffen.    lifo  ift  5Mtu§ztoang  ©erotffenöberle^ung. 

©a  jebe§  ©eroiffen  inbtbibuell  ift,  fo  roürbe  33.  roie  bon  felbft  barauf  geführt,  ba^ 
SBefen  ber  ^nbibtbualität  zu  erforfd)en.  @§  b,ält  fd)roer,  au§  ben  unzähligen  2leußerungen 
33.Ö  über  bie  ^nbibibualität  eine  SluSroat;!  bon  fold)en  zu  treffen,  meiere  bie  bräzifefte 
gaffung  mit  bem  glüdltcbjten  lusbrud   bereinigen.     ,,©ie   roat)re  J?raft   jebe§  3)tenfd;en, 

so  fein  fittlid)e§  War!,  liegt  in  bem,  roa§    er  inbibibueüe«   t)at"     „Sßenn    un«   bie  ©ünbe 


»inet  687 

bie  ^nbtbibualität  gelaffen  f>at,  fo  ift  bieg  baS  einige  ©Ute,  baS  fie  uns  gelaffen  f;at" 
„9iicf;t  mit  bet  ©efeflfcfyaft,  fonbem  mit  bem  ^nbibtbuum  ftefyt  ©ott  in  33erbinbung,  unb 
faßt  baS  ^nbibibuum  Weg,  fo  finbet  ©ott,  Wenn  icr;  mid;  fo  auSbrüd'en  barf,  niemanben, 
an  bcn  er  jid)  Wenben  fann"  (L  education,  la  famille  et  la  societe  ©.468  ff.)-  9Benn 
ber  SJienfd;,  Wie  man  gefagt  t;at,  ein  religiöfeS  SBefen  ift,  fo  ift  er  eS  nur  unter  ber  33e=  s 
bingung,  bafj  er  inbibibueß  fei,  ba  bie  Religion  nichts  anbereS  ift,  als  ein  33erfyältniS 
3Wifd;en  bem  fyödjften  ^d;  unb  bem  2>ct;  eines  jeben  bon  uns"   (©benba  6.  315.) 

216er  Wie  benft  fiel;  benn  23.  baS  33ert;äItmS  jwifd;en  ^nbiöibuum  unb  ©efeüfd;aft, 
religiöfer  ©efeßfcfyaft  ober  ^trdjc'c'  „2Benn  man  jWifdiien  bem  S^iötbuum  unb  ber  ©e= 
feßfdjaft  bernünftigerWeife  einen  QBiberfbrud;  auffießen  fönnte,  fo  mürben  mir  feinen  2ln=  w 
ftanb  nehmen,  gu  fagen,  baS  ^nbibibuum  fei  ebler  als  bie  ©efeßfcfyaft.  ®aS  miß  aber 
geWifc  nid)t  fyeifeen,  ein  ©inniger  fei  2lßen  bor^ie^en,  fonbern  nur,  bie  ©efeßfdjaft  fei 
für  ben  3Renfcf/en   gemacht   Worben  £)ie  ©efeflfcfyaft  ift  für   jeben  3D?enfd)en   ein 

feiner  Tfyätigfeit  gegebener  ©cfyaublat},  eine  feinen  Tugenben  bargebotene  ©etegenfyeit, 
eine  feiner  ©elbftfudjt  entgegengefetjte  ©d;ranfe.  1>aS  33eWunbemSWürbige  babei  ift,  bafj  is 
er  befto  mefyr  Jperr  feiner  felbft  ift,  je  mefyr  er  fid;  feinen  93rübem  I)ingtebt,  bafe  er  befto 
freier  ift,  je  gefeßiger  er  ift,  bafj  er  befto  mel)r  embfängt,  je  weniger  er  forbert,  unb 
enblid),  ba|  er  befto  mel)r  er  felbft  ift,  je  weniger  er  fid)  angehört.  2Beit  entfernt,  fict; 
ju  fünbern,  unterftütjen  bie  menfd)lid)e  $erfönlid;feit  unb  bie  ©efeßfd;aft  einanber.  SDie 
$flid;t  ift  ber  ©djnittbunft  beiber  Hräfte.  ©ie  Qnbibibualität  unb  bie  ©ociabilität  Wadjfen  20 
miteinanber  unb  berboßfommnen  fid;  gegenfeitig  in  ber  ©rfüßung  unb  im  SDienfte  ber 
$flid)t"  (Semeur  33b  XV  ©.  94).  £>ie  mit  ber  religiöfen  ober  bürgerlichen  ©efeßfdjaft 
berf!od;tene  (Seele  ift  h)ie  ein  auf  ben  Dcean  I;mauSgefd;leuberieS  ^ar/rjeug.  SDer  Dcean 
fann  baS  gafn^eug  berfcfylingen,  aber  er  foß  eigentlich  nur  baS  9JUtteI  fein,  bamit  baS= 
felbe  lanbe,  b.  §.  bamit  ber  SJlenfd)  feine  SSeftimmung  erfüße  (L'education  etc.  ©.  465).  2& 
3ur  2Barnung  toieberfwlt  33.  baS  ^arabojon:  „Dbgleidj  Wir  aße  als  Originale  geboren 
Werben,  fterben  bennod)  bie  meiften  bon  uns  als  Äobien"  (9MangeS  ©.  91).  ©er33or= 
Wurf  ber  (Sinfeitigfeit,  als  fomme  bei  biefer  2luffaffung  bie  ©efeßfd;aft  nid)t  ju  ibjem 
Stecht,  mag  alfo  WoI)l  einen  Qnbttoibualiftert  Wie  ^ierfegaarb  treffen:  auf  93.  ift  er  nicfyt 
anwenbbar.  so 

®aS  bejeidjnenbe 3)Jotto  ber©d)rift:  Du  socialisme  etc.  lautet:  „Pour  se  donner, 
il  faut  s'appartenir".  Qnbem  33.  feinen  ^nbibibualiSmuS  auf  bie  Äircfye  anWanbte, 
fam  er  baju,  ber  begeifterte  unb  berebte  2lboftel  ber  Trennung  bon  $itcr)e  unb  ©taat  ju 
Werben.  Qu  biefer  2:£>eorte  berf;ält  fid;  baS,  toa§  er  über  ba3  ©eWiffen  unb  bie  ^nbi= 
bibualität  gefagt,  Wie  bie  ^Brämiffen  gum  ©d)Iu§.  33.  ^at  biefe  feine  2iebling§ibee  in  35 
äWei  Süd;ern,  ben  einigen  bon  tym  felber  herausgegebenen,  Welche  nid£>t  bie  gorm  bon 
aneinanber  gereiften  Sluffä^en  r)aben,  äufammenl;ängenb  entwidelt.  greilid;  ift  gerabe  bie 
9)tetfyobe  baSjenige,  toaä  an  ben  Suchern  am  Wenigften  ju  loben  ift,  Woran  aßerbingS 
ifyr  d^arafter  al§  ^)3reiSfd;riften  fd;ulb  fein  mag.  ®a§  Memoire  en  faveur  de  la 
liberte  des  cultes  (recenfiert  bon  ^agenbad;,  %i)<5t®  1829,  ©.  418)  jerfäßt  in  jWei  40 
Teile:  „33eWeife"  unb  „©bjtem".  ®er  33erfaffer,  ,,un  sectateur  decide  de  la  Philo- 
sophie de  l'Evangile",  i)at  ei  f)aubtfäcl)licl)  auf  eine  SluSeinanberfetjung  mit  bem  ©taate 
abgefefjen.  @r  geigt  biefem,  bafe  ben  religiöfen  Überzeugungen  bie  objeftibe  „@bibenj" 
mangle,  bie  iijmi  baS  5Recbt  ju  feiner  bisherigen  ©teßung  gegen  bie  ®ircr/e  einräume,  fo 
fef)r  aud;  biefelben  bie  fubjeftibe  „©eWi^ett"  für  fid)  I)aben  mögen.  2)ie  Religion  ift  45 
eine  3lngelegenf;eit  nur  gwifdjen  ©ott  unb  SJtenfd;,  Wäl)renb  ber  ©taat  aßein  bie  feciale 
'SRoxal  ju  fd>ü^en  Bat.  ®iefe  fe^t  fiel;  jufammen  aus  ben  Elementen  ber  ©id;erf>eit,  beS 
(Eigentums  unb  ber  ©d;amfyaftigfeit.  3?ur  Wenn  bie  religiöfe  ©efeßfd)aft,  bie  felbft  auf 
eine  ©emeinfamfeit  beS  ©efüfylS  fiel;  grünbet,  ins  ©ebiet  ber  fokalen  5DIoral  hinübergreift, 
fyat  ber  ©taat  feine  neutrale  ©teßung  ju  berlaffen.  S)er  ©influfe  ber  ftircfye  auf  ben  w 
©taat  tyinwieberum  ift  ein  rein  geiftiger.  Sie  Unterfudjmng  füfjrt  fdjiiefelicf;  ju  bem  9?e= 
fultate:  3lbfolute  Trennung  bon  religiöfer  unb  bürgerlid;er  ©efeßfd;aft,  fo  fefyr  fie  burcl; 
bie  Strenge  beS  93eWeifeS  geforbert  Wirb,  fct)emt  bod;  bon  ber  33orfeb^ung  für  eine  mehr 
ober  Weniger  entfernte  ^ufunft  aufbehalten.  SeS^alb  begnügt  fiel;  ber  33erfaffer,  felbft 
fein  greunb  blö^lid)er  Stebolutionen,  für  einftWeilen  bie  Unabhängigkeit  ber  botitifd;en  &5 
JRecbte  bon  bem  religiöfen  33efenntniS  ber  ^nbibibuen,  unb  ferner  bie  SDulbung  aßer 
©eften  innerhalb  ber  ©renjen  ber  öffentlichen  Wloxal  ju  berlangen. 

®ie  2tnf)änglid;feit  ivS  gegen  bie  9cationalfird>e  War  fo  gro^,  bajj  er  nod)  im 
3a£)re  1831  fagen  fonnte,  er  b,ege  gegen  fie  biefelbe  @f>rfurd;t,  wie  gegen  baS  2tlter 
übertäubt,     „^d;  liebe  in  ibr  eines  ber  SDebartementS,    eincS   ber  Territorien    ber    un=  60 


688  «iitet 

fidjtbaren  Rixd)?.  3d>  liebe  in  ib,r,  t»a<3  unfere  SSäter  in  tJ>r  geliebt  fyaben:  eine  fJreU 
fiätte  für  bie  muffeligen  unb  belabenen  ©eelen,  eine  Verberge  für  bie  Söanberer 
naa)  ber  ©migfeit,  ein  r>on  ber  §anb  be3  §erm  auf  mein  irbifdjes  Vaterlanb  geworfene^ 
9?ef3.  3<^  liebe  in  xi)t  etwas  ältere^,  atö  unfere  gange  Vergangenheit:  nämlia),  roa§  fie 
5  noer)  i)on  ber  ^trcfye  ©bjifti  an  fid)  b,at,  ober  inelmebj  bie  $ircr/e  ©fyrifti  liebe  tet;  in  ib,r" 
(Lib.  rel.  ©.  48).  28ir  gtoeifeln,  ob  33.  fieb,  noer;  fo  Ijätte  au§brüden  fönnen,  al§  er 
1842  feinen  essai  fyerausjgab.  ©tefer  ift  noeb,  toiel  mefyr  al§  ba§  memoire,  ba§  „$ro= 
bult  einer  Iirct)Itd^en  Ärifi3,  entftanben  mitten  in  grofjer  ©ärung  ber  ©emüter"  (»gl. 
§erjog§  üftecenfion,  ^©t$  1844),  tr>a§  man  beim  2efen   beS  33ucf»e§  mit  feiner  Ieiben= 

10  fcfyafilicfyen  ©pradje  tt>ot)I  im  Sluge  behalten  mu|.  ©agfelbe  erfaßt  in  jtoei  feb,r  un= 
gleite  %eile,  „bon  benen  ber  erfte  furze  eine  fdjöne  moralifdje  Slbfyanblung  über  bie 
$ßflid?t,  feine  Überzeugungen  barjulegen,  ber  jtüeite  ba3  berebtefte  Patbor/er  für  Trennung 
r>on  $ird;e  unb  ©taat  ift.  2)ie  ©runbanfdjauungen  beS  SJtemoire  finben  fid;  Ijner  t>er= 
fdjärft  toieber.    ^autotfäcfyltcf;  toirb  ber  ©ai$  befämbft,   baft  ber  ©taat  ber  ganze  ■äJtenfd) 

15  fei.  9ton,  er  ftü|t  ftcb,  nur  auf  ba£,  ft>a3  aßen  SRenfcfyen  gemeinfam  ift,  alfo  auf  bie 
^bentität,  mä^renb  bie  religiöfe  ©efettfcfyaft  auf  bas>,  ma§  feiner  -Katur  nacb,  nicfyt  @emein= 
gut  Werben  famt.  auf  ba§  ©etoiffen,  mit  anberen  Söorten  auf  bie  Qnbtbtbualttät  ©a 
ber  Verfaffer  bie  Qnbünbualität  a(§  jum  innerften  Söefen  be§  @l)riftentum<§  gehörig  an= 
fielet,  fo  wirb  u)m  bie  Verbinbung   f>on  Ätrdje  unb  ©taat   jur  „§ärefie",   jur  „Süge", 

20  bie  Trennung  hingegen  zum  ©ogma.  9cur  bie  Slircfye  be§  libre  examen  mit  feinem 
„peuple  de  franche  volonte"  läfjt  er  gelten,  für  jjebe  anbere  fcfyeinen  ifym  bie  fdfyärfften 
2lu§brüde  nidpt  ju  fcfyarf.  2Ib§  ein  SRangel  ber  bezüglichen  arbeiten  SB.g  Wirb  e£  be= 
Zeichnet  Werben  muffen,  bafj  ber  2lutor  e3  unterlaffen  Jjat,  bie  ^Begriffe  $ircr;e  unb 
©taat  fdjtarf   zu   toräztfteren.    llnfer  heutiger  ©taat^begriff  bedt  fieb,  fcfyWerlicf)  mit  bem 

25  feinigen. 

Sie  $rone  ber  bte§bezüglid>en  ©eifteäarbeit  3S.g  bilbet  bie  fdwn  meb/rfad)  ermähnte 
Heine  ©d;rift:  Du  socialisme,  beren  §auptgebanfen  ©euerer  (a.  a.  D.  ©.159)  treff= 
Itd)  jufammenfa^t :  „®ie  2lnf)änger  be£  Slutoritätäc^riftentumä  unb  bie  9fationaIürcr;en 
finben  fid>  in  bie  Verteibigung   eines>  ©r/ftems>   bertoidelt,   öeffen  ^ragtoeite  unb  3Ser= 

30  jmeigungen  fie  bei  weitem  nid}t  toafyrnefymen.  3)ie  Wlmföfydt  ift  ^mifcljen  jtoei  Stiel): 
tungen,  mie  bie  Seligion  jtotfe^en  gtoet  Seb.ren  geteilt.  ®ie  ^erfönlicb.feit  in  ber  Religion 
giebt  als>  moralifd)e§  unb  ^oiittfd^eg  ^rin^ty  bie  Qnbttoibualttät ;  bem  5ßantb,  eiömug  feiner= 
fete  entf^ric^t  ber  ©osiali3mu3.  ®er  ©o§iali§mu§  ift  !eine  X^eorte  bon  geftern,  fonbern 
eine  Stiftung,   bie   immer   bageroefen   ift,   unb  eine  ^fjatfaef/e,  bie  bie  ©efcr/icfyte  erfüllt. 

35  SBie  ba§  ^eibentum  ^antfjeiftifcb,  ift,  fo  ift  e3  aueb,  fo^ialiftifd),  mäb,renb  ba§  (S^riftentum 
bie  wab,re  2lnfunft  ber  Qnbibibualität  in  allen  fingen  ift"  Unb  baft  ber  !ircl)licb,e 
9Jationali^mu§  gleic^ertoeife  tüte  ber  ^atb,olici§mu§  ben  ©oziali^mug  auf  bie  mirlfamfte 
Söeife  ^rebigt,  inbem  er  tb^n  in  ^ßrarj3  fe^t,  ba^  ift  SS.g  §au|3tanllage  gegen  i^n. 

Sela^itulieren  roir:   „3"erft  ^rebigt  iv  nur  3lcb,tung  ber  2lnfia)ten.   ®ann  fie^t  er 

40  ein,  bajj  bie  greifyeit  nur  bann  boÜftänbig  fein  toirb,  roenn  bie  religiöfe  ©efeUfcb,aft  fic§ 
ganj  unabhängig  regiert,  älber  biefeS  self-government  ber  Äirc^e  ift  für  ib,n  nur 
ein  ^beal,  unb  tfyatfacfylicb,  befdbränJt  er  fic§  barauf,  ©arantien  unb  allerbingg  mit  ber 
3eit  immer  ftärfere  ju  forbern.  ®ie  9cott»enbigfeit  be^  SSefteben^  ber  -Jiationaltircfye  er= 
fennenb  möchte  er,  baf?  fie  wenigften§  mit  3Bürbe  beftelje.    33alb  inbeffen  fcb,eint  e§  ib,m 

45  nottoenbig,  ba§  ©r/ftem  ber  Trennung  in  ber  näcbjten  ^ett  ju  realifieren,  unb  .um  barauf 
Vorzubereiten,  münfdjt  er  bie  3Iufnab,me  ber  Saien  in§  Äircfyenregiment,  unb  ib,nen  triebt 
nur  für  VertoaltungSfacb.en,  fonbern  aueb,  für  33eftimmungen  ber  £eb,re  ©i§  unb  ©timme 
Zu  geben;  hierauf  fief)t  er  in  ber  Trennung  ba§  §eil  ber  ^irebe  unb  ber  mobernen  ©e= 
fellfcl)aft.  ©a§  ^rinji^  ber  Vereinigung  fdbeint  if)m  mit  allen  bie  ^rtbibibualität  bebrob/enben 

so  5Räcr;ten,  wie  ^atfjolictemu^,  ©ozialigmuö  k.,  in  Verbinbung  ju  fteben.  @r  bezeichnet 
fie   aU   ©^ebrueb,  unb   prebigt   bie  Trennung   aU    eine    ^ofitib   bringlicbe  ^ßflicb.t" 

(Vinet  d'apres  ses  poesies  ©.  191  f.).  SDie  ©ntwicfelung  feiner  %bten  ift  eine  orga= 
nifefee,  au^gel)enb  bon  ber  älutonomie  be§  ©eroiffeng,  unb  jeber  neue  ©cfjritt  fteb,t  mit 
irgenb    einem   bureb,    baö  ©emiffen   bebtngten    inneren   Vorgang    be§  ®enfer§    im  3U= 

55  fammen^ang. 

©em   Vrinji^   ber  Snbitoibualität,   baö   V.  auf   bem   praittfcb^fircbjicfjen   ©ebiet   fo 

entf Rieben  bureb, geführt  bat,  begegnen  wir  toieber,  toenn  roir  nun  furz  feine  Geologie 

cb,ara!terifieren.    3mar  ift  roob,!  z"  beachten,  bafe  mir  e§  bier  niebt  mit  einem  ^lieologen 

im  tedmifef/en  ©inne  be§  2Borte§  zu  ^un  b^aben.    ®aö  zu   fein;   binberte  ibn  fa)on  ber 

go  Don  if)m  bellagte  50tangel  grünblid;er  tbeologifebet  Vilbung.  ©in  ©Aftern  b,at  er  niebt  ge= 


«inet  689 

fcfyaffen.  2Bof)l  aber  finb  grofje  gbeen  bon  ifmt  ausgegangen  unb  für  bie  Geologie  tote 
für  bie  $trcf)e  fruchtbar  geworben.  Wlan  fyat  oft  auf  bie  33erwanbtfcf;aft  23.3  mit  ^aScal 
aufmerffam  gemacht,  $a3cal  mar  in  ber  SEfyat  ber  9Jlann,  ber  ifm  am  nacb^altigftcn 
beeinflußt  f>at.  Sßäfyrenb  ber  ©cfptte  @r3rme  fein  religtöfeö  Seben  getoeeft  unb  ber 
©eutfcfye  &ant  feine  @rfenntm§  bfytlofobr/ifct;  begrünbet  unb  bertieft  f)at,  fo  mar  e§  ber  6 
granjofe  ^]3a§cal,  bon  bem  fic^  feine  ^nbibibualität  am  meiften  angezogen  füllte,  ja  er 
felbft  ift  ein  $a3cal  redivivus  geworben,  ber  freilieft,  bie  janfemftifcb^!at|oIifcr;en  ©lemente 
abgeftreift  fyat.  @<o  ift  bar  um  auef;  nicfyt  zu  bermunbern,  baf?  bie  poftlmmen  etudes  sur 
Blaise  Pascal  ia§  geiftboßfte  finb,  mag  über  biefen  ^3f)ilofobr)en  gefcfyrieben  morben. 
9tambert  Ijält  bafür,  bafj  bie  „braitifct/e  $I)ilofobl)ie  beS  ßfjriftentumJ",  bie  23.  I)erau3=  io 
Zugeben  borfyatte,  bor  ben  Pensees  unftreitig  ben  33orzug  berbienen  mürbe.  $a3cal  mar 
Stbologet,  unb  eben  bieg  mar  auef;  33.  im  eminenten  ©inne  be§  2Sorte<§.  2luf  ben  ©e= 
banlen,  mie  ba§  ©bangelium  ober  bie  2öaE)tlt)eit  ben  23ebürfniffen  be^^erjeng  bottfommen 
entfbrecfye,  legt  er  ben  §aubtnad)brucf  in  feiner  Slbologetü.  Sftebj  berlangen  fnefje  mit 
Äerjenlia^tern  bie  ©onne  erleuchten  motten.  Sieben  biefer  Söafyrfyeit  giebt  e§  gemif  biele  15 
anbere,  bie  mit  il)r  bergltcf/en  it)rcrt  unbeftreitbaren  SBert  b/aben,  aber  fie  finb  berlornen 
Minbern  är/nlicr;,  bie  ju  ifyrer  SRutter  geführt  ju  merben  begehren.  33.  ift  unermüblicf), 
feine  ^been  in  immer  neue  Silber  einzureiben.  „(Srinnert  ibj  eueb,  be§  ©ebrauc£)§  ber 
antuen  ©aftfreunbfcfyaft  v.  ©fye  man  fic$  bon  bem  grembling  trennte,  jerbrad)  ber  §au^= 
bater  ein  tfyönerneS  ©efäfj,  auf  meinem  gemiffe  ©cf/rtftzüge  gebrueft  maren,  gab  ifym  bie  20 
eine  £>älfte  unb  behielt  bie  anbere;  menn  biefe  SBrucbjücfe  nad)  3>ab/ren  einanber  mieber 
nab/e  gebracht  unb  jufammengefügt  mürben,  fo  ernannten  fie  fiel)  fo^ufagen  mieber,  be= 
mirlten  ba§  2öiebererlennen  berer,  bie  fie  fieb,  gegenfeitig  barboten,  unb  bilbeten  neue 
Beziehungen,  inbem  fie  bie  alten  bezeugten.  ©0  fügt  fiefy  in  bem  23u$e  unferer  ©eele 
Zu  angefangenen  Sinien  tl)re  göttlicf/e  Ergänzung;  fo  entbeeft  tfvax  unfere©eele  bie3Safyr=25 
f/eit  nicfyt,  aber  fie  erfennt  fie"  (Discours  ©.  368).  93.  ift  überzeugt,  baft  bie  ptyä)o= 
logifcfye  9JJetl)obe  in  ber  Slbologetil  bie  mirlfamfte  fei,  me^alb  er  fie  ben  jungen  ^rebigem 
etnbringlicr;  embftefylt.  @r  felbft  menbet  fie  in  feinen  eigenen  ^3rebigten  mit  Vorliebe  an, 
fie  ift  feine  ©tärfe.  ©urefr;  fie  Ijat  er  ben  ©ubranaturaligmuS  mirffam  beiämbft,  inbem 
er  nad;mie<S,  baft  ber  fyiftorifcfye  23emei3  für  bie  ©emipeit,  beren  ber  SRenfct)  bebarf,  un=  30 
genügenb  unb  unzulänglich,  fei.  Unb  ebenfo  fetjt  er  bem  SfationaltämuS  gegenüber  ba§ 
§erz  ober  ba3  ©emüt  mieber  in  feine  Steckte  ein,  inbem  er  geigte,  mie  bie  logtfcfyen  33er= 
nunftbebuftionen  nicfjt  bermögen,  eine  religiöfe  Überzeugung  ju  ftanbe  ju  bringen.  ®er 
befte  93emei§  be§  6l)riftentum§  liege  in  feinen  Söirlungen. 

Slber  fo  grofje  33erbienfte  ftd)  33.  buret;  feine  bf^ologifcb^e  5DIetf)obe  ermorben,  fo  35 
bilbet  boeb,  gerabe  biefe  mieberum  feine  ©c^mäcb^e.  ©emife  macfyt  ber  l)iftorifct)e  ©laube 
nieb,  t  feiig,  aber  bie  Inftorifcb/en  gaftoren,  bie  äußeren  33emeife,  liefen  fieb;  nid)t  ungeftraft 
öerrtacr;läf [igen ;  man  geriet  auf  bie  fcfyiefe  ©bene  emer  rein  fubjeftiben  ©rlöfung.  ©ä^e, 
toie  biefer:  „ba^  ©bangelium  liegt  auf  bem  ©runbe  jebeS  ©emiffen§  berborgen",  tonnten 
gefäb^rlicb,  merben.  ®enn  menn  bas  ©bangelium  nur  baö  ift,  toa§  bas  §erj  bebarf,  nur  40 
ba§  ju  Söorte  gelommene  ©emtffen,  fo  ift  eben  ba<§  ©emiffen  ber  alleinige  StRa^ftab  für 
bie  religiöfe  9Baf/rr)ett,  unb  mir  fallen  unberfel)en§  in  ben  berabfef/euten  Stationaliämuö. 
"SRan  b,at  aueb,  nicb,t  berfeb^lt,  33.  ben  33ormurf  be3  9iationaIigmuö  ju  machen,  unb  ber 
Umftanb,  bafe  feine  ©cb^üler  ai)nl\ä)  mie  biejenigen  ©ct;leiermacl)er§  fieb^  in  eine  Diente 
unb  eine  Sinfe  grubbieren,  entfräftet  biefen  33ortourf  noeb;  nic^t.  2Iftie  b,at  in  feiner  45 
©cfyrift  Le  Vinet  de  la  legende  et  celui  de  l'histoire  (^3axt§  1882)  unfern  Slutor 
für  bie  liberale  %i)tolog,k  u.  21.  ßfyaban  in  ber  33rofcf)üre  L'actualite  de  Vinet  (£au= 
fanne  1907)  für  bie  mobernfte,  ^3fy afe  berfelben  in  2lnfbrucb,  genommen.  @3  ift  mab,r, 
e§  giebt  eine  gan^e  3lnja^I  Witterungen  33.§  in  Briefen  (bgl.  befonberS  benjenigen  an 
©röfine  bom  25.  SZobember  1844)  unb  im  ^3ribatgefbräc|,  bie  barauf  fcfyüejjen  laffen,  so 
baft  feine  SLt)eoIogte  mit  berjenigen  ber  ftriften  Drti)obone  fiel)  nicb,t  meb/r  bedt.  Stber 
if>n  jurn  Zweifler  ju  magert,  geb^t  boeb,  nid)t  an.  ®ic  tf)eologifcb:e  2luöbrucf»meife  bei 
reveil  mar  feinen  fbäteren  Überzeugungen  nicf)t  meb^r  abäquat;  aber  er  füllte  fiel)  nicb,t 
berufen,  fc§on  um  ber  mangelnben  tb;eologifcb,=miffenfcb,aftlicl)en  S)urcf)bilbung  mitten,  ber 
Äircfye  neue  Formulierungen  ju  geben.  Unb  ba<8  f)ängt  mit  ber  munberbar  garten  Crgani=  55 
fation  biefer  übergemtffenb,  aften  ©eele  zufammen.  9JJan  lann  oft  ben  2Bunfä)  nict;t  unter= 
brücfen,  bafe  er  im  blieben  unb  im  ©cf/meigen  meniger  f!rubulöö  gemefen  fein  möchte. 
5Da^  bie  liberale  ©djule  im  frangöfifcb,  en  ^roteftantiömuS  ib^ren  Sluöganglbunlt  mit  33or= 
liebe  bei  33.  nimmt,  erllärt  fieb,  aul  bem  mt)ftifcr;ert  ©lement,  mit  bem  feine  religiöfe 
Überzeugung  gefättigt  ift.    2Xber  einen  33rief,  mie  ib^n  ber   auf  bem  ©terbebette  liegenbe  w 

iReat=(Stici»Uopäbte  für  Xfteologte  unb  Striae.    3.  W.  XX.  ^4. 


690  Sßtnct 

©enfer  ä  un  jeune  homme  (Lettres  II,  ©.  385 ff.)    gerietet  Bat,   f)ätie  ein  liberaler 
Geologe  bod)  n>obJl  nicfyt  gefcb,rieben. 

SBäre  3S.g  33erf)ältni<§  gur  Stfmft  ein  HarereS,  fo  Itefse  ficb,  ber33ort»urf  be§  Ratio= 
naltSmuS  um  fo  eber  entkräften.  2tllein  baS  ift  ein  äftangel  feiner  Slbologettf  unb  feinet 
5  t!j>eologifd)en  ©tanbbunfteS  überltau^t,  ber  mit  bem  bereits  befbrod)enen  gufammenfyängt. 
2Ran  fann  bei  33.  eigentlich,  ntctjt  bon  ©cfnüftautorität  reben,  fonbern  nur  bon  einem 
credit  de  l'Ecriture.  hingegen  machen  mir  gu  feiner  Rechtfertigung  barauf  aufmerffam, 
bafs  bie  bon  il)m  betonte Übereinftimmung  Don  ©emiffen  unb  ©bangelium  eben  nocb,  nicfjt 
^bentität  ift.    Unb  ber  Umftanb,  baf?  93.  in  allen  feinen  ©Triften  ben  ©ünbenfall  unb 

10  bie  ©rbfünbe,  wenn  auctj  nictjt  im  fd>olaftifa)en  ©inne,  ferner  bie  großen  §eil3tb,atfadjen 
be§  @bangelium§  famt  ben  SBunbern  beSfelben  fo  rü(ft)altlo<o  unb  fa)arf  als  Realitäten 
betont  fyat,  foHte  bie  moberne  liberale  Rheologie  allein  fäjon  abgalten,  33.  gu  ben  irrigen 
gu  rennen,  ©er  gange  ßfyarafter  feiner  ©Triften,  bie  über  ben  mtojtifdjen  ©tanbbunft 
be§  33erfaffer3  feinem  gmeifel  Raum  laffen,  geigt  ferner  gur  ©enüge,  roie  il)m  bie£)ffen= 

15  barungStI)atfad)en  als  folcr/e  bie  abfolut  notroenbige  33orauSfet$ung  finb.  ®aS  ßfyriftentum 
ift  für  33.  in  erfter  Sinte  eine  ©efdjndjte,  eine  S£t)atfacfye,  unb  mufjte  eS  fein,  bamit  es 
ficb,  ©ingang  berfcfyaffen  fönne.  ©eine  legten  öffentlichen  Äunbgebungen  in  ben  nou- 
veaux  etudes  laffen  über  beS  ctiriftlidjen  SDenferS  dEjrifiltc^e  Überzeugung  menig 
gweifel  übrig. 

20  $n  feinen  bogmatifa^en  Slnfc^auungen  ftrebt 33.  bie  Einigung  beS  Dbjeftiben  mit 
bem  ©ubjeftiben  an.  SDie  Igbee  ber  Harmonie  ift  unferm  ®enfer  roefentlicfy.  Riebet  um= 
fonft  t)ält  er  an  ber  ©ottmenfc£)l)ett  ifyrtfti  mit  aller  ©nifcfjiebenljeit  feft.  SDenn  eben 
fyier  finbet  er  beibe  gaftoren,  ben  objefttben  unb  ben  fubjeftiben,  bereinigt,  „SDie  ©inigung 
ber  gangen  gülte  ber  ©ottJ>ett  mit  ber  gangen  gülle  ber  3!Jienfcfyf>eit  in  Gfnüfto  mar  fo= 

25  mol)l  baS  Programm  ober  baS  ©bmbol,  als  bie  ©tütje  unb  baS  SBefen  einer  neuen 
Sebje"  (Etudes  s.  B.  Pascal  ©.  189).  2Bal)r  ift  aÖerbingS,  bafc  93.  mef/r  unb  gu= 
meilen  über  ©ebül)r  ben  fubjeftiben  gaftor  fierborgeb,  oben  i)at.  2Bie  föant  baS  „®ing  an 
für)"  auf  fia)  berufen  läfjt,  fo  gieb,t  93.  bie  DffenbarungStfyatfadjen  rticr)t  in  nähere  @r= 
roägung ;  aueb,  er  mar  lein  greunb  ber  Sfteiabfyr/fif  in  ber  Geologie,  ^a,  er  ift  übergeugt, 

30  ba|  bie  tb^ologifcb^  ©befulation  gefäb^Iict)  fei:  „Sie  erf)abenften  unb  notroenbigften  ©befu= 
lationen  über  ^efuS  6l)riftuS,  fagt  er  einmal,  finb  auStrocfnenb  unb  mörberifcb/'  (Etudes 
evangel.  ©.  56).  §at  er  bie  $rage  bon  ber  ftellbertretenben  ©enugtfyuung  gu  erörtern, 
fo  befcfyeibet  er  fid;  mit  bem  §inroetS  auf  baS  ©efeij  ber  ©olibarität :  „30ian  fann  biefeS 
©el)eimnis  mit  einem  allgemeineren  ©efyeiinnis  in  .ßufammenfyang  bringen,  baS  mir  alle 

35  accebtieren,  roeü  bie  ^atfacfjen  uns  bagu  groingen:  mit  bem  ©efleimnis  ber  ©olibarität. 
SDie  ©ünbe  ift  übertragbar:  warum  foUte  eS  bie  ©erectjtigfeit  unter  gemiffen  33ebingungen 
nicb,t  auef)  fein?  SDaS  alle§  erllärt  bieEeicfjt  nicf)t§;  bennoeb,  ift  ba§  aKe§  nieb, t  ob^ne^raft" 
(Semeur  XV,  ©.  443).  Söeniger  $ant§  al§  bielmefir  ^3ascal§  (Sinflufe  nehmen  mir 
toab^r,   benn  33.  ba3  §erg   für  ba§  Drgan   ber   anfcfyauenben  unmittelbaren  @r!enntni§ 

4oauSgiebt:  „ber  33erftanb  er!ennt  nur  2lbftra!tionen  unb  formen,  ba§  ©emüt  fie^t  Söefen 
unb  ©ubftangen;  ber  33erftanb  fennt  nur  ©attungen  unb  Strien,  ba§  ©emüt  fieb^t  5ßer= 
fönlic^Ieiten ;  ber  93erftanb  mei^,  baS  ©emüt  fiefyt"  (Sb,reftomatf)ie  III,  ©.  78). 

2lud)  barin  get)t  33.  mit  $a§cal  einig,  ba^   er  bem  SBißen  eine  brimäre  ©teHung 
in   ber  33ilbung  ber   religiöfen   Übergeugung    guteilt.    „SDer  ©laube   beginnt   erft   ba, 

45  mo  ber  2BiHe  beginnt,  too  ha§  ©emüt  in  Slnmenbung  fommt,  mo,  um  aHe§  gu  fagen, 
eine  %fyat  ftattfinbet.  3)er  ©laube  ift  ein  SBerl  ober  er  ift  nicfrtg"  (Nouv.  disc. 
©.  96).  „8n  ber  cbjiftlicfyen  Religion  ift  atte§  Wtoxal;  bie  ©ottb,eit  6b,rifti,  bie 
33erföb,nung,  alle  ©efjeimniffe  finb  im  ©runbe  Ttoxal  ^b^r  ^mec!  ift  ba§  §eil  unb 
bie  Söiebergeburt  be§  2Renfd>en"  (Moralistes  des  XVI0  et  XVIP  siecles  ©.  16).  3Bir 

so  erinnern  un<S  bei  biefen  SXu^erungen  ber  fc^on  in  33.§  (SrftlingSfdjriften  brollamierten 
@inb,eit  bon  SJJoral  unb  ©ogma.  ®a§  ©ogrna  b,at  für  ifm  nur  eine  33ebeutung,  fofern 
e§  auf§  $anbeln  einen  @influ£  ^at.  „$Der  ©laube  ift  ein  2Berf",  ia§  toirb  immer  mebj 
ein  SiebIingSfa|  23.§.  3JJan  bergleidje  inöbefonbere  in  ben  Nouveaux  discours  bie 
beiben  Reben:  1'oeuvre  de  Dieu.    %ro|  ber  ©nabe  ift  ber  ©laube  bod)  eine  ©aa)e  be<§ 

55  SBiaeng,  eine  fittlicb^e  %i)at,  unb  bie  Religion  ein  „©efyorfam"  33ufee,  33efeb,rung,  §ei= 
ligung,  aHe  biefe  Ramen  begegnen  Steile  ober  Momente  einer  unb  berfelben  SLb^atfa^e; 
bie  Heiligung  ift  feb^on  in  ber  33ufse,  bie  Heiligung  ift  eine  fieb,  fortfe^enbe  33e!eb^rung, 
bie  33etebjung  eine  beginnenbe  Heiligung,  unb  ber  ©laube  fcfylieftt  .  .  alle  ©lemente 
be§  d£)riftlict>en  Sebenö  ein"  (Nouv.  discours  ©.  116).    33.3  religiöfe§  Seben  felber  giebt 

60  einen  Kommentar  gu  biefen  ^been,   benn   e§  b,at  ben  gfyarafter  eines  9BerfeS,   ba§   nie 


»inet  691 

jur  Rufye  tarn.    Db  c«S  Wof>I  mit  biefer  Sluffaffung  beS  §eilSbro,$effeS  jufammenfyängt, 
baß  V.S  ©Triften  bort  gebilbeten  Hattjolilen  mit  Vorliebe  gelefert  Würben? 

Sei  V.3  Seiftungen  auf  bem  ©ebiete  ber  braf'tifcfyenSLIJKologie  fommen  nur 
boftfmme  äßerfe  in  SBetrad^t,  bie  olme  bon  ben  gehsö^nltd^en  Mängeln  berartiger  Sitteratur 
frei  gu  fein,  trofcbem  nocl»  rttc^tg  weniger  al§  beraltet  finb.  2tn  ber  Theologie  pastorale   5 
(recenfiert  bon  dienten,  SEl)©t®  1852,  ©.  467)  fyeben  Votr  Ijerbor,  baß  bem  Verfaffer  ber 
Unterschieb  gVütfd^en  ^aftoralt^eologte  unb  braftifcfyer  Geologie  nitfjt  bewußt  War,  bafyer 
aucb,  in  ben  Vereid)   ber  erfteren  $rebigt  unb  Hatecfyeje  gebogen  werben.    SluSgegeicfmet 
ift  baS  SBud)  namentlich   burcfy   reiche  Verwertung   franjöftfcVfatfyolifcfyer  Sitteratur,   unb 
Wie  ju  erwarten  ftefyt,  burcb,  eine  gütte  originaler  ©ebanfen.    SDem  ©eiftltcfyen  fprid£>t  er  10 
jeben  brtefterlicfyen  @l)arafter  ab;  berfelbe  tfyut  nur  berufsmäßig,  WaS  bei  borfommenben 
(Gelegenheiten   unb   auf  ifyre  2öeife  äße  Stiften  tfmn   foHten:    „Le   ministre   est   le 
chretien  officiel,  c'est  l'homme  Symbole"  (©.  140).  Sie  Vrebigt  nennt  er  ein  SiebeS= 
Werl  unb   ein  9Ktofterium.    ^m  Religionsunterricht  fteljt   er   einen  HultuS.    2)aS  23utf) 
bilbet  ein  ebleS  ©eitenftücf  bon  reformierter  «Seite  ju  bemjenigen  bon  §armS  unb  fann  15 
bermöge  feines  feelforgerlicfyen  ©IjaraiterS  nur  mit  ©egen  gelefert  Werben.    Stuct)  ba  tritt 
35.  mit  {»eiligem  ©rnfte  bor  unS  als  ein  „directeur  de  conscience" 

Von  feiner  §omiletiI  (recenfiert  b.  Genien,  2l)Stß  1858,  ©.  581)  &at  bon^ejftt)^ 
Wh)  geurteilt,  fie  fei  „baS  geiftbollfte  befte  Vucfy  ber  ?ceujeit"  9Bir  Wagen  ntd)t  ganj 
fo  Ijod)  ju  greifen,  inbem  aucf)  allerlei  äftängel  ber  9Retf)obe  Wafyrjunefymen  finb.  ©er  20 
toiffenfcfyaftlicfye  ©tanbbunlt  berührt  fiel)  auffafienb  mit  bemjenigen  XfyereminS :  bie  5tf)e= 
torif  ift  baS  genus,  bie  §omüetii  bie  species.  ®ie  Vrebigt  befiniert  er  als  „eine  bem 
öffentlichen  Kultus  einberleibte  Rebe,  bie  beftimmt  ift,  beibeS  gugletct)  ober  WecfyfelSWeife 
ben  sur  cfyriftlicfyen  2öaf)rb,eit  gu  führen,  ber  noef)  nid)t  an  fie  glaubt,  unb  fie  benen  ju 
erflären  unb  auf  fie  anjuwenben,  bie  fie  bereits  erlannt  fyaben"  (©.  12).  ©egen  ben  25 
lert  behält  fid)  ber  Verfaffer  ä£?nltcb  Wie  §armS  giemlicb,  inbifferent,  aud)  fijiert  er  fein 
Sfyema,  et)e  er  noeb,  ben  %qct  gewählt.  2Bie  ;n  ber  VrarjS,  fo  läßt  er  fiel)  auefy  in  ber 
%b[iotk  faft  auSfdjließltdj  bie  ftmtfy etifcfye  VrebigtWeife  angelegen  fein.  ®ie  Vemacfyläffigung 
ber  $unft  rügt  er  fcfyarf,  benn  bie  Hunft  ift  eS,  bie  unS  Wieber  jur  Ratur  gurücffübjen 
muß.  $n  ben  Giraten  beruft  er  fieb,  mit  Vorliebe  auf  bie  beutfcfjen  S^eoretiler  unb  auf  30 
bie  franjbfifcfyen  Vrebiger,  bie  er  befonberS  eingefyenb  ftubiert  ^atte.  £>ie  Siefultate  biefer 
©tubien  finb  niebergelegt  in  bem  britten  braltifcb^tfyeologifcfyen  2Berl:  Histoire  de  la 
predication  parmi  les  reformes  de  France  au  dix-septieme  siecle,  einer  Slrbeit 
bon  großem  Wiffenfcfyaftlicfyen  SSert.  ®enn  ba  tarn  bem  Geologen  ber  feine  SttterarfnftorU 
fern  bortrefflieb,  ^u  ftatten.  35 

©er  Vorzug  ber  eigenen  Vrebigten  V.S  befteb,t  neben  ber  muftergiltigen  ©brache 
fyaubtfäcljlicfy  in  ber  9Jceifterfcf)aft,  mit  ber  er  feine  bfydwlogtfdje  SDcetfyobe  b,anbb,abt,  \oäfy 
renb  in  ber  23emacf)läffigung  ber  biblifcfjen  Vegrünbung  ifyre  ©djtWäcfye  liegt.  ©rWälmung 
berbient,  baß  ber  Vrebiger  feine  forgfältige  SDiSbofition  Wa^rfc^einltcb,  aus  Üinftlerifc^em 
^ntereffe  fo  biel  als  möglich  ju  berbergen  fucf)t.  33on  ben  fünf  33änben  f^omiletifc^en  40 
6b,aralterS  ift  nur  ber  erfte  ganj  aus  toirllicb,  gehaltenen  5ßrebigten  gebilbet.  ®ie  übrigen 
enthalten  bielfacb^  abologetifcb,e  ober  etljifc^e  ©tubien  in  rb,etorifcb,er  gorm,  einem  ber= 
b,ältniSmäßig  lleinen  Greife  bon  ©tubierenben  borgetragen,  ©en  außerorbentlicb,en  @in= 
bruef,  ben  feine  ^rebigten  Ijerborriefen,  fcfyilbert  ein  geiftboüer  §örer  (@bmunb  ©cberer) 
mit  ben  9Borten:  ,,©aS  ©ebeimniS  beS  unbelannten  ^auberS,  unter  bem  man  fiel)  füllte,  45 
inbem  man  ib,n  f)örte,  befteb^t  barin:  er  War  bollfommen  Wabr.  üaum  bemerfte  man  bie 
fo  bolltönenbe  Wob^lllingenbe  ©timme,  ben  angebornen  3lbel  ber  ©eberbe,  bie  feine  S)ia= 
leltif  ber  Beweisführung,  bie  gütfe  unb  llrfbrünglicb,Iett  ber  ©ebanlen,  ben  auSgefucbten 
©efcb,mac!  beS  ©tilS  unb  Vortrags;  man  War  bon  etwas  §bb, erem  unb  Mächtigerem 
gefeffelt.  Man  fyatte  einen  SKann  bor  fiel),  ber  bie  Hansel  beftieg,  Weil  er  etwas  ju  50 
fagen  b,atte;  man  füllte,  baß,  WaS  er  gab,  fein  Seben,  er  felber  war  .  93.  riß  mit 
fia)  fort,  aber  unborfällicb,,  burcb,  eine  ganj  religiöfe  unb  geiftlicfyc  ©eWalt;  er  entlocftc 
%i)xänm,  aber  %b,vänm  ber  Demütigung;  man  beWunberte,  aber  man  beWunberte  ben 
©eift  ©otteS  unb  feine  Mafyt;  inbem  man  barüber  nacb>acfyte,  erlannte  man  Wofyl,  baß 
ein  fo  botlenbeteS  SBerf  buret)  eine  bollenbete  Slunft  eräugt  Würbe,  aber  man  War  jugleicb,  55 
ju  ber  2lner!ennung  gezwungen,  baß  biefe  Äunft  felbft  in  ber  3lufricf)tig!eit  befiele,  Welche 
ben  2tuSbrudl  mit  ber  ©mbfinbung,  bie  ^orm  mit  bem  ©ebanlen  in  Ubereinftimmung 
brachte  unb  aHeS  einem  ebangelifcf)en  $\vtäe  unterorbnete"  (a.  a.  D.  ©.  178  ff.). 

Herren  Wir  fcb,ließlicb,  bon  außen  Wieber  ^um  Gentrum  jurüc!,  ju  93.S  innerem  2eben, 
fo  erfannten  Wir  bereits  bie  beutliä)en  ©buren  babon  in  feinen  ©iditungen.  Viele  feiner  60 


692  »tttet 

^ßoefien  finb  freilief;  bürgern«!  nid;t  für  bie  Öffentlichkeit  beftimmt,  unb  aueb,  nid;t  beratt, 
bafj  Wir  33.  unter  bie  ®id;ter  erften  3tange3  einreiben  bürften.  ^mmerf/in  ift  mit  9ted)t 
eine  ganje  Stnga^I  tief  embfunbener  Sieber  in  bie  franjöfifc^en  ©efangbüct;er  übergegangen. 
2ln  ©tette  be§  Ibrifcfyen  ©ct)Wunge§  tritt  meift  bie  ruhigere  föontemblation.  23efonber§ 
5  machen  Wir  auf  ba§  $arfreitag£tieb  aufmerlfam:  „Sous  ton  voile  d'ignominie",  mit 
3lnflängen  an  ba§  beutfd^e :  „D  £>aubt  bott  SStut  unb  SBunben" 

23.3  geiftige  Begabung  fann  !aum  genug  t;erborgeI)oben  Werben.  ©ri)on  au§  unferer 
tnabben  ©arfteÖung  Wirb  man  aber  erfefyen  fyaben,  bajj  bei  if)m  bie  geniale  ^ßrobuftibität 
bei  weitem  bie  Stecebtibität  überwog.    Unb  Wie  in  feiner  Geologie  ba§  ©ubjeftib=ett;ifct;e 

10  met;r  jum  2tu3brud  fommt,  fo  aua;  in  feiner  grömmigfeit.  21H  fein  ©orgen  unb  ®enfen 
täfjt  er  im  ©ebet  ausgingen,  Qu  ben  ©runbjügen  feiner  grömmigfeit  gehören  ferner 
feine  unbebingte,  in  fcfytoeren  |>eimfud;ungen  gereifte  ©rgebung  in  ©otieS  SBitlen,  unb 
fobann  feine  SDemut,  bie  ftd;  in  23efd;eibenr;eit  nie  genug  tr/un  lann.  ©o  machte  er  3. 23. 
nie  ©ebrauet)  bon  ber  2Bürbe  eines  £)oftor3  ber  Geologie,  bie  23afet  ifym  beim  ©Reiben 

15  »erliefen,  WeSfyalb  bie  Uniberfttät  23erlin  ifm  1846  noct)  einmal  bamit  beehrte;  unb  oft 
erflärte  er,  bie  fran^öfifd^e  ©rammatif  fei  eigentlich  ba§  einige,  Worauf  er  fid;  berftef;e. 
2lnonr;m  machte  er  ftd;  Wieberf;ott  ba§  Vergnügen,  feine  eigenen  ©d;riften  fct)arf  ju  friti= 
fieren.  23on  23.S  Werltl)ätiger  Siebe  unb  felbftlofer  Eingebung  laffen  Wir  feine  23tograbt)en 
erjagen. 

20  (Siner  ber  ebelften  ßbaraftere,  bon  bem  ©tröme  lebenbigen  2Baffer3  ausgegangen  finb 
unb  nod;  ausgeben,  ift  23.  ganj  geWifi.  ©3  ift  erftaunlid),  Wie  Wenig  beraltet  23.3  Qbeen 
unb  2\3  23ücf;er  finb.  2lber  er  t;at  eben  feine  3eit  überragt  unb  ift  it/r  borangeeilt. 
sIRit  $Rect)t  t)at  man  il)n  mel)r  einen  $robt)eten  als  einen  Xbeologen  genannt.  3>n  £au= 
fanne  ben!t  man  mit  gutem  ©runb  an  eine  9ieuau3gabe  feiner  fämtlidjen  ©cfyriften,   in 

25  ber  audj  bie  „brattifcfye  23t;ilofobt;ie  be3  Sf)riftentum3"  nict;t  fehlen  Würbe.  (Sin  retigiöfeS 
©enie  War  23.  ofyne  .ßWeifel,  e^n  2Ibologet  be3  @bangelium3  bon  feltener  $raft  unb  ba3 
bielteicfjt  nod;  met;r  buret;  feine  Werfen  al3  burd;  feine  ©Triften.  „2Ber  ift  bod;  jener 
t;äf$Iid;e  SJcenfct),  ber  fo  fdjön  Wirb,  fobalb  er  fpricfyt?",  fragte  einft,  auf  23.  beutenb, 
eine  geiftreidje  grau.    %a,  23.  War  unb  ift  fd)bn,  fobalb  er  anhebt  gu  reben.  „®ie  Sefyrer 

30  Werben  leuchten  Wie  bie  ©terne",  liefen  feine  greunbe  auf  fein  ©rab  fcfyreiben.  9Bir 
fd)Iief$en  baran  ba3  anbere Söort,  ba3  23.3  ©attin  ju  biefer  ©rabfcfmft  glaubte  b^injufügen 
ju  muffen:  „Unfer  Seben  ift  mit  Gr/rifto  berborgen  in  ©ort" 

23.3  ©Triften,  fact)Iid;  georbnet  unb  mit  bem  £>atum  je  ber  erften  Auflage  berfet)en, 
finb  folgenbe :  Discours  sur  quelques  sujets  religieux,  ^3ari§  1831  (beutfet)  nad;  ber 

35  ^Weiten  Sluflage  bon  23ogeI  1835,  nad;  ber  4.  2tuflage  bon  2X.  b.  23onin  1847;  aud;  ins 
@nglifd;e  unb  ^talienifd)e  überfe^t).  Nouveaux  discours  sur  quelques  sujets  reli- 
gieux, 'ȧartsj  1841.  Etudes  evangeliques,  ^3ariS  1847.  Meditations  evangeliques, 
23ari§  1849.  Nouvelles  etudes  evangeliques,  ^ßariS  1851  (beutfer;  bon  Seemann 
unb  23ogel:   @bangelifd;e   ©ilberblide   1863,   einzelne  Sieben  fd;on  früher  überfe^t  bon 

40  S-  ©d;mib).  Memoire  en  faveur  de  la  liberte  des  eultes,  ^ßariS  1826  (beutfet)  bon 
23oI!mann  1843).  Essai  sur  la  manifestation  des  convictions  religieuses  et  sur 
la  Separation  de  l'eglise  et  de  l'etat  envisagee  comme  consequence  necessaire 
et  comme  garantie  du  principe,  $ari§  1842  (beutfet)  bon  ©bengter  1845;  aud;  inS 
@ngl.  überfe|t).  Liberte  religieuse  et  questions  ecclesiastiques,  ^3aviS  1854.  Theo- 

45  logie  pastorale  ou  theorie  du  ministere  evangelique,  23ariS  1850  (beutfet;  bon 
§affe  1842).  Homiletique  ou  theorie  de  la  predication,  ^|3ari§  1853  (beutfer)  bon 
©d;mib  1857).  Histoire  de  la  predication  parmi  les  reformes  de  France  au 
dix-septieme  siecle,  5)3ariS  1860.  Essais  de  philosophie  morale  et  de  morale 
religieuse,  $ari§  1837.  Melanges,  ^ariä  1869  (biefer  23anb  enthält  ba§  eben  genannte 

50  2öerf,  ba^u :  etudes  litteraires  et  notices  biographiques,  unb  f ragments  inedits 
et  pensees).  Etudes  sur  Blaise  Pascal,  ^ßariS  1848.  L'education,  la  famille  et 
la  societe,  ^3art§  1855.  Chrestomathie  frangaise,  ou  choix  de  morceaux  tires 
des  meilleurs  ecrivains  francais,  Bäle  1829.  1830,  3  23be.  Histoire  de  la  litte- 
rature  francaise  au  XVIIP  siecle,    23ariS  1853,    2  23be.     Etudes   sur  la  littera- 

56  ture  frangaise  au  XIXe  siecle,  $art§  1849. 1851,  3  23be.  Moralistes  des  seizieme 
et  dix-septieme  siecles,  ^3ari§  1859.  Poetes  du  siecle  de  Louis  XIV,  23ari<g  1861. 
Lettres  d'Al.  Vinet,  2  vol.,  Saufanne  1880.  23gl.  Catalogue  des  oauvres  d'Ale- 
xandre  Vinet  im  2.  23be  ber  33iograbb,ie  Lamberts  3.  Stuft.  (1876),  ©.  324—363.  ©in 
23inet=2tra;ib   befinbet  ftet)   in   ber  23ibtiott;et   ber  tbeot.  gafultät  ber  Eglise  libre   in 

60  Saufanne.  «rnoli»  SRücßg. 


Sßtret  693 

»irrt,  $  et  er,  geb.  1511  juDrbe(aBaabt),  geft.  1571  juDrt^ea  (93öarn).  —  fiitteratur: 

lifjcneutfere,  Farel,  Froment,  Viret,  reformateurs  religieux,  Geneve  1835;  91.  ©ottous,  Etudes 

litter.  sur  les  ecrivains  francais  de  la  reformation,  Paris.  Geneve  1841,    1. 1,    p.  181 241; 

.Öang,  La  France  protestante  t.  IX;    Dr.  g.  ©djtntbt,   £ekn  u.  auägem.  ©djvtften  berSSäter 
u.  23egrünber  ber  ref.  tircfje,  ©l&erfelb  1861,  t.  IX,  p.  39— 71 ;  ein  fet>r  mertwoßer  Seitrog;   5 
3.  gart,    Pierre  Viret,    Biographie  populaire,  Saufanne  1864;    <ßtj.  ©obet,    P.  Viret.  Etüde 
litter.,  Saufaime  1892;    (gdjnejjler  u.  Sarnaub,    Notice   bibliographique   s.    P   Viret,  Sau= 
ionne  1905. 

^eter  33iret  (Pierre  Viret),  einer  ber  Reformatoren  ber  romanifd)en  ©cbmeij,  marb 
geboren  1511  ju  Drbe  im  nörblid)en  %t\l  bom  Danton  SBaabt ;  fein^ater  mar  £uc$fd)erer.  10 
$n  ber  ©d)ule  feiner  23aterftabt  batte  er  einen  tücbtigen  unb  frommen  Sel)rer,  Wiaxc 
Domain,  bon  meld)em  er  in  einer  feiner  ©cbriften  mit  großem  £06  rebet.  gum  geift= 
liefen  ©tanbe  beftimmt,  ftubierte  er  ju  $ari<§;  ba§Sefen  reformatorifd)er  ©cbriften  bemog 
if>n,  bem  $atb,oItci§mu3  ju  entfagen;  er  lehrte  nad)  feiner  SBaterftabt  ^urüd,  mo  bereits 
ba3  ©bangelium  einige  2lnbänger  jäfylte.  garel,  ber  1531  nad)  Drbe  tarn,  meibte  ifm  15 
jum  ^rebigtamt.  @r  torebigte  bort  am  6.  9M  1531.  ©r  berfünbigte  nun  ba§  2öort 
©otte§  an  berfebiebenen  Drten,  oft  gefdjmäfet  unb  mifjfyanbelt,  3.  33.  in  Sjßafyeme,  mo  er 
bon  einem  ^riefter  fd)mer  bermunbet  mürbe,  aber  obne  manfenb  %a  merben.  1533  be= 
gab  er  fid)  nad)  ©enf,  mo  er  gareis  ©ebilfe  it>arb;  er  teilte  beffen  ©efafyren  unb 
©ieg:  einer  SRagb,  meldte  burd)  bie  ^riefter  angetrieben  mürbe,  gelang  e§  ©ift  in  bie  20 
©ubbe  einjumifd)en.  33iret  mürbe  fo  franf,  bafj  er  fein  ganzes  Seben  binburd)  an  ben 
folgen  biefer  Vergiftung  litt.  3laä)  ber  ©infübrung  ber  Deformation  in  biefer  ©tabt 
ging  er  für  eine  $eit  lang  nacb  Neuenbürg  unb  bon  ba  nacb.  Saufanne.  3m  Oftober 
1536  I)ielt  er  bier  ein  öffentlid)e§  ©efbrä'd),  in  bem  er  einige  bon  $arel  aufgeteilte 
%t)tfm  mit  ©elel)rfamfett  unb  ©djarffinn  bertetbigte ;  infolge  biefer  ^anblung  marb  ju  25 
Saufanne  bie  föircbenberbefferung  befinitib  eingeführt.  3Son  feinem  Äottegen,  bem  un^u= 
berläfftgen  Dr.  perre  ©aroli,  be3  2lriani^muö  angellagt,  legte  er  bor  einer  im  Sftai  1537 
berfammelten  ©rmobe  ein  befriebigenbeä  23efenntni§  ah,  morauf  ßaroli  entlaffen  unb 
balb  barauf  mieber  fatfyolifd)  marb.  2lm  6.  Dftober  1538  berbeiratete  er  fid)  mit  (Slifabetb, 
^urtaj  au§  Drbe.  30 

Rad)  bem  ©turje  ber  gu  ©enf  ben  Reformatoren  feinbfeligen  Partei  mirlte  33iret 
in  biefer  ©tabt  bi3  jur  Rüdfebr  ßalbinS.  Sm  gebruar  1541  f  abrieb  er  an  (Salbin,  um 
tlm  einjulaben,  nad)  ©enf  ^urüdjulommen :  „Nihil  jam  prius  habes  quam  ut  te  ma- 
nibus  pedibusque  impellam,  ut  tu  te  huc  mature  et  quam  poteris  oeyssime 
conferas"  (Herminjard,  Corr.  des  reformateurs  III,  n°  939).  $u  Saufanne  |atte  er  35 
mit  mancherlei  ©d)mierigfeiten  ju  fämbfen,  befonberg  megen  feiner  ^Benutzungen,  bie 
Äird)en^ud)t  einzuführen.  Stufjer  ber  SluSübung  be§  ^3rebigtamt§  b^ielt  er  in  bem  burd)  bie 
Serner  a.  1537  gegrünbeten  ©eminar  35orIefungen  über  ba3  9teue  ^eftament  unb  ber= 
fa|te  er  mehrere  ©Triften,  lated)etifd)e  @r!lärungen  ber  ^ebn  ©ebote  unb  be§  aboftolifd^en 
S^mbolumg,  ©enbfcbreiben  an  ^roteftanten,  bie  unter  ^atbolilen  leben,  toolemifebe  %xah  40 
täte  über  ba§  geiftlicbe  2tmt  unb  bie  ©aframente,  fatirifetje  ©ialoge  gegen  ba3  ^5abft= 
tum,  bie  ÜDteffe,  ba§  gegfeuer.  ©eine  Iitterarifd)e  ^b^ätigleit  fängt  1541  an,  feine  erfte 
gebrudte  ©ebrift  bat  ben  folgenben  £itel:  „Epistre  consolatoire,  envoyee  aux  fideles 
qui  souffrent  persecution  pour  le  Nom  de  Jesus  et  Verite"  evangelique"  (Geneve 
J.  Girard)  1541.  45 

@r  mad)te  berfd;iebene  Steifen  im  ^ntereffe  ber  Deformation  nad)  33ern  ju  ©unften 
ber  verfolgten  Söalbenfer,  nad;  Safel  um  mit  Xouffaint  über  bie  Sage  ber  2Rümj>el= 
garbifd)en  ®ird)e  ju  beraten,  nad)  ©enf,  um  Salbin  in  feinem  2Biberftanbe  gegen  bie 
„Sibertiner"  px  unterftü^en.  $m  3a^re  154=7  ftarb  feine  grau,  einige  Monate  nad)ber 
berbeiratete  er  fid)  mit  ©ebaftienne  Garrarb  geb.  be  la  §arbe  au§  Dolle  im  Sßaabtlanb;  50 
am  biefer  @I)e  tourben  jtoei  ^öebter  geboren.  1549  erhielt  er  einen  greunb  an  33eja, 
ber  ju  Saufanne  al§  ^rofcffor  angefteßt  marb.  ©intge  feiner  bebeutenberen  ©Triften 
gehören  in  biefe^ett:  ein®taIog  gegen  ba§  neu  eröffnete  ^ribentiner  Äonjit:  „Du  devoir 
et  du  besoing  qu'ont  les  hommes  ä  s'enquerir  de  la  volonte  de  Dieu  par 
sa  Parolle,  et  de  l'attente  et  finale  resolution  du  vray  concile,  Geneve.  J.  Girard  56 
1551 ;  jmei  Xraftate  über  ba§  geiftlid)e  3lmt  unb  bie  ©aframente:  1.  De  vero  verbi 
Dei,  sacramentorum  et  Ecclesiae  ministerio,  Rob.  Estienne  1553.  2.  De|origine, 
continuatione,  autoritate,  atque  praestantiä  Ministerii  verbi  Dei,  et  sacramen- 
torum etc.,  Rob.  Estienne  1554;  eine  gefcbicbtlifbe  ©arftellung  ber  ©ntftebung  beS 
^abfttum§:  „Des  actes  des  vrais  successeurs  de  Jösus-Christ  et  de  ses  apostres  go 


694  Siret 

et  des  apostats  de  l'eglise  papale  etc.  .  Geneve.  Girard  155-i;  ferner  gtoei 
©enbfcfyreiben  an  junge  grangofen,  Weldje,  bie  einen  ju  Styon,  bie  anbern  ju  (Sljamberr/, 
nacfybem  bie  erfteren  in  Saufanne  ftubiert  Ratten,  bon  ber  Qnquifition  ab§  $e$er  ber= 
urteilt  Würben.  9Jtit  ber  ferner  Regierung,  Welcher  bamalg  bag  SBaabtlanb  untertt/an 
5  war,  Ijatte  er  manchen  3toift;  fcfyon  1546  Ijatte  man  tfyn  befrfjulbigt,  Sutjerg  2Infid)t 
bom  2lbenbmafyl  angenommen  ju  Ijaben,  unb  erft  naa)  langen  Serfyanbhmgen  unb  in= 
folge  eineg  1549  bon  il)m  übergebenen  Sefenntniffeg  War  er  in  feinem  2tmte  beftätigt 
Würben.  Sern  fab,  ungern,  bafc  ju  Saufanne  ber  ©eift  ßalbtng  bort)errfcr)enb  toar,  eg 
entftanben  ßwiftigfetten  balb  Wegen  beg  ®ir$enbanneg,   balb  Wegen  ber  ^ßräbeftination. 

io  Sie  $rage  beä  $ir<f)enbanneg  braute  ben  ©treit  auf  ben  fyöcbjten  Sunft.  3Stret  Wünfcbje, 
bafe  man  alle,  toelcfye  alg  unWürbig  anerlannt  Waren,  bom  2lbenbmabl  entfernte.  ®er 
ferner  Rat  beftritt  iljim  bag  Recfyt  fo  ju  fyanbeln.  ®a  er  fiä)  weigerte,  bag  Slbenbmat;! 
an  2öeibjtad)ten  1558  ju  feiern,  festen  bie  Serner  Siret  unb  feinen  Kollegen  Qaaueg 
Salier  1559  ab.    Siret  Warb  nun  ju  ©enf  alg  Srebiger  angefteÜt;  feine  9JZufje  bemühte 

15  er  jur  2lbfaffung  einer  ©d^rift  über  bie  Setzen  com  2lmte  unb  ber  ^irdje:  „Du  vray 
ministere  de  la  vraye  Eglise  de  Jesus  Christ,  et  des  vrais  sacremens  d'icelle, 
et  des  faus  sacremens  de  l'eglise  de  PAntechrist",  Eivery  1560  unb  eineg  biba!= 
tifdjen  Sudjeg :  „La  metamorphose  chrestienne"  1561,  eine  Umarbeitung  einer  älteren 
©cfyrtft,  in  beffen  erftem  Seil  er  geigte,   tüte  ber  SRenfä)  bureb,   bie  ©ünbe  berunftaltet 

20  unb  burd)  ben  ©lauben  Wteber  b/ergeftellt  Wirb,  im  ^Weiten,  bie  ©cfyule  ber  Siere,  werben 
biefe  juerft  alg  Se^rer  ber  Sftenfct/en  bargefteHt,  Worauf  ber  SeWeig  folgt,  bafj  bag,  Wag 
bie  Sftenfcfyen  bon  ifynen  unterfcfyeibet,  bag  Süb  ©otteg  ift.  —  Rocfy  biefer  geit  gefyörenb 
nennen  mir  bag  ing  ©eutfcfye  überfeine  Söerf:  Familiere  et  ample  instruetion  en  la 
doctrine  chrestienne  et  principalement  touchant  la  divine  Providence  et  pre- 

25  destination  etc.  ...  1559.  SDie  beutfcfye  Überfettung  erfefnen  1614  in  £)üffelborf.  —  1561 
Warb  Siret  naä)  Rimeg  berufen;  alg  ju  Slnfang  beg  folgenben  Igaljreg  bie  franjöfifcfjen 
Reformierten  ben  ^atfyoliien  tl)re  ^itd)en  gurücfgeben  mußten,  riet  Siret  ben  ju  tflonU 
beEier  berfammelten  Srebigern  ber  Srobinj,  fid)  ju  unterwerfen.  @r  begab  fia)  felber  in 
letztgenannte  ©tabt,    junäd^ft  um  beren  2tr§te,  unter  benen  mehrere  Sroteftanten  Waren, 

30  wegen  feiner  gefcb, Wägten  ©efunbfyeit  ju  Rate  ju  gießen,  bann  aber  audj,  um  ju  brebigen. 
Salb  barauf  folgte  er  einem  Rufe  naefy  Sfyon;  in  bem  burd?  bag  Slutbab  bon  Saffb, 
herbeigeführten  Sürgerfrieg  bemächtigten  fia)  bie  Hugenotten  biefer  ©tabt;  Siret  blatte 
Tlüty,  bie  bureb,  ben  ©ieg  aufgeregten  ©emüter  ju  befänftigen.  Rad§  bem  gri^^n  k°n 
Slmboife,  19.  SRärg  1563,  Würbe  bie  SJteffe  Wteber  b,ergefteEt,  ber  ©otte§bienft  ber  Refor= 

35  mierten  blieb  inbeffen  noa)  ungeftört.  ©en  10.  Stuguft  bräfibierte  Siret  a(§  Sorfi^enber 
be§  S^oner  ^onfiftoriumg  bie  bierte  franjbfifdje  Rationalfttnobe.  2tufeerbcm  fyatte  er  mit 
italienifcfjen  2lntitrinitariern  unb  mit  Sftöncfyen  ju  fämbfen;  jwei  ber  le^teren  forberten 
ib,n  ju  einer  fc^riftlicb.en  ©igbutation  über  einige  Slrtifel  auf,  bie  fie  ib,m  übergaben;  er 
beantwortete  fie  in  Würbigem  SEone.    %xo§  juneb,menber  ^örberleiben  entwickelte  er  eine 

40  aufjerorbentüct/e  Iitterarifcb,e  ^ättgfeit;  in  ben  $ab,ren  1563—1565  gab  er  nic^t  Weniger 
als»  neun  ©driften  b,erau§,  barunter  fein  §aubtWerl:  Instruction  chrestienne  en  la 
doctrine  de  la  loy  et  de  l'Evangile,  et  en  la  vraye  philosophie  et  theologie 
tant  naturelle  que  supernaturelle  des  chrestiens,  et  en  la  contemplation  du 
temple  et  des  images  et  oeuvres  de  la  providence  de  Dieu  en  tout  l'univers, 

45  et  en  l'histoire  de  la  creation  et  chute  et  reparation  du  genre  humain,  ©enf 
1564,  3  Vol.,  fol.  SDiefeä  2Berf  ift  eine§  ber  merfwürbigften  ©rjeugntffe  ber  reforma= 
torifc^en  Sitteratur;  bie  (gjbofition  über  bie  ge^rt  ©ebote  ift  ein  boEftänbigeg  ©Aftern  ber 
5RoraI  unb  ber  ^olitif;  ber  ber  natürlichen  unb  cfyriftlicfyen  SLb,eotogie  geWibmete  Seil 
ift   eine  3trt  3lboIogeti!  beg  Sb,riftentum§,   befonberS  gegen  2ttb,eiften  unb  SDeiften,  boH 

50  tiefer  origineßer  ©ebanfen;  ?u  ben  fcfyönften  Slbfc^nitten  gehört  ber  über  bie  Unfterblicbjeit 
ber  ©eele.  ©a§  Sua),  baö  Wie  bie  meiften  anberen  Siretä,  in  bialogifd^er  %oxm  ab= 
gefaxt  ift,  jeicb,net  fieb,  au§  bureb,  ungemeine  !lafftfcb,e  unb  tfyeologifcfye  Selefenb^eit,  bureb, 
©inbilbunggfraft,  grömmigleit,  2BU);  biefe  (Sigenfdjaften  finben  fieb,  übrigeng  in  aßen 
Söerlen  beg  Reformator^   aHe  leiben  aber  aueb,  an  ben  nämlichen  Mängeln,  nämlicb,  an 

55  2öeitfct)Weifigfeit  unb  Snforrer'tfyeit,  folgen  ber  großen  ©cb^neEigleit  feineg  Slrbeiteng. 
Siret  Würbe  aud)  einer  bon  feinen  geitgenoffen  b,ocb,gefcb,ä|ter  Srebiger.  Sier  Srebigten 
finb  in-extenso  erhalten  Werben.  £)ag  9Kanuf!ribt  ift  im  Sefi§  ber  ©enfer  Sibliotfyef. 
©ie  Würben  in  ben  ^afyren  1556—1559  gebrebigt.  Stgribba  b'2lubigne  b,at  in  feinen 
„Memoires"  über  Siret  gefagt:  „Lyon  a  ete  gagne  plutot  par  la  langue  de  Viret 

60  que  par  les  epees  de  ses  bourgeois." 


SBtrct  SBirgtl  695 

Sein  23riefroecf;fel  mit  mannen  Reformatoren,  f/aubtfäcfylid;  mit  (ialbin,  ift  fef>r 
intereffant  unb  Ier)rrei<f).  Die  Briefe  93iretl  finb  bon  1532—1567  gefcfnüeben  roorben. 
Sie  enthalten  manche  (Munbigungen  über  bie  ©reigniffe  ber  geit,  foroic  anjie^enbe 
ginjelb^eiten  über  33iretö  ^rtbateS  Seben  (f.  für  bie  Briefe:  23aum  unb  Gunhj:  Calvini 
Opera  vol.  X— XX.  Herminjard,  Corr.  des  reform.  9  33änbe).  1565  mufete  23ivet  . 
2r;on  berlaffen ;  er  ging  nacf;  Drange  unb  Don  ba  an  bie  1566  bon  3>ob<*nna  bon  2Ilbret 
ju  Drtb,ej  errichtete  3lf abernte,  %n  bem  Kriege  bon  1569  mürbe  er  bon  fatfyolifdjen 
Krabben   all  ©efangener  weggeführt,    balb    aber   mieber  befreit.     @r  ftarb   5U  Crtb,ej 

4.  3Jcai  1571  unb  roarb  in  ber  ©rabfiätte  ber  ^ringen  bon  23eam  beftattet.  Sei  aßer 
ebangelifd^en  Sabferfeit  mar  er  ein  milber,  fanftmütiger  9Jcann;  er  befafe  weniger  §euer=  io 
eifer  all  garel,  Weniger  $raft  unb  Strenge  ber  ©ebanfen  all  Galbin,  aber  ebenfobiel 
Xreue  all  ber  eine  unb  ber  anbere.  Dal  tf;eologifcf;e  Softem  f;at  er  nicfyt  Wetter  ent= 
roicMt,  fonbern  nur  ben  Saien  äugänglicf;  gemacht;  beiWegen  fyat  er  bie  SJiefjrgalrt  feiner 
Schriften  in  feiner  3Kutterfbracf;e  rebigiert.  @r  b,at  ficf;  aucf;  in  ber  93ertetbigung  ber 
calbinifttfcfyen  Geologie  all  ein  fcfylagfertiger  unb  f;umorboßer  ^ontroberfift  gegen  $atf;o=  15 
Iiien  unb  ^b,ilofobf;en  beraubtet. 

Seine  gar^Iretc^ert  Schriften,  toelcb,e  in  feinem  ^afyrr/unbert  biele  Sefer  fanben  (bie 
grofee  ftafyl  ber  Slulgaben  jeugt  bafür),  gehören  alle  ju  ben  größten  Ittterarifdjen  Selten= 
Reiten,  ^n  Deutfcf;lanb  finb  Strafeburg  (Unib.=33ibliotb,e!),  33rellau  (Umb.=23ibl.)  unb 
Stuttgart  ($gl.  öffentl.  23ibl.)  im  23cfit5  einiger  biefer  Seltenheiten,  $n  granfreief;  (Bibl.  20 
de  la  Societe  de  l'hist.  du  protest.  francais,  Bibl.  Mazarine,  Nationale,  in  ^Saril). 
2>n  ber  Sd)roeij:  Saufanne  (Bibl.  de  la  Faculte  de  theol.  de  l'Eglise  libre;  Bibl. 
cantonale  vaudoise),  ©enf  (Bibl.  publique;  Musee  historique  de  la  Reforma- 
tion), pürier;  (Stabtbibliotfyef).  (<S.  ©djmibt  f)  6.  ©tfnteljler. 

aStrgil,  93tf  cfeof  bon  Salzburg,  geft.  784.  —  Duellen  finb  bie  aJotijen  in  ber  25 
örieffammlimg  beS  ä3onifatiu§,  ber  Notitia  Arnonis  unb  ben  Breves  notitiae  (Satjburger 
m8  I),  bie  Conversio  Bagoar.  MG  SS  XI,  @.  6,  ein  ©ebtdjt  9üfuin§  MG  PL  I,  ©.  340, 
9fr.  109,  24;  u.  bie  ©rabfctmft  II,  <S.  639.  SRettberg,  m  ®.§  II,  <B.  223 ff.;  £cutcf,  m  $.3 
P,  8.  568 f.;  ffrabbo,  SSifctiof  Birgit  «on  Salzburg  unb  feine  fo§moIogifct)en  ^been,  3R3~©, 
XXIV,  S.  1  ff.  30 

aSirgil  mar  ein  S^änber  unk  toirfte  eine  ^xt  lang  all  2lbt  bei  Softer!  2lgf)aboe, 
in  ber  jetzigen  Queen!  ßountb.  (ßimmer  R21  XVII,  S.  211).  Die  Seit  feiner  ©eburt 
ift  ntd&t  überliefert,  ba  er  aber  fcfjon  bor  743  2Ibt  War,  f;at  man  an  bal  jroeite,  Wenn 
nia)t  fcf;on  an  bal  erfte  ^af^elmt  bei  8.  $af;rf;unberil  ^u  ben!en.  743  berliefe  er  bie 
§eimat  unb  ging  nacf;  bem  kontinent.  @r  berbracf;te  nun  ein  $aar  $af;re  am  §ofe  35 
$ibbinl,  ber  ilm  wegen  fetner  ©eler;rfamfeit  fetzte,  unb  ir)n  745  bem  ^erjog  Cbilo  bon 
Saiern  jufanbte.  9iacf;  bem  2obe  bei  33.  $ol)annel  bon  Salzburg  (ä'roifc^en  746  unb 
748)  rourbe  er,  buref;  Ernennung  bei  §erjogl,  aber  röa^rfcbeinltdt)  nact)  bem  SBunfcb^e 
^tbptnl,  33.  bon  Salzburg.  3SirgiI  blatte  33eben!en,  ficf;  bie  Söetlie  erteilen  gu  laffen;  er 
übernahm  jroar  bie  33erroaltung  bei  33tltuml,  aber  bie  fbejiftfcr;  bifct;öflic^en  3lmtlb;anb=  40 
lungen  liefe  er  buref;  einen  fc^ottifc^en  Regionarbifc^of  9camenl  %uü  berric^ten,  ben  man 
feiner  grteef;.  Sbra4)fenntniffe  r)alber  ©obbagreeul  nannte. 

So  rourbe  ber  ®elte  33ifcbof  einel  bon  Sontfatiul  organifierten  33iltuml.  'Stö 
3}erf)ältnil  grotfcBen  beiben  Männern  roar  bon  Anfang  an  nid)t  glücüic^;  el  fam  ju 
allerlei  Reibungen.  3JJan  r)at  bafytnter  einen  unaulgefbrocb^enen  ltrc^ttdr)en  ©egenfa^  —  45 
Bier  bie  älteren  formen  ber  felttfcfyen  Slixfyt,  bort  bie  formen  bei  römifdb,en  Sr)riften= 
tum!  —  gefugt;  aber  fcb.roerlicf)  mit  9iecf;t.  Denn  ber  S^ü|Iing  ^ibbml  lonnte  fidt> 
ni(r)t  ber  unter  pbbinl  Scfju^  in  ber  Durchführung  begriffenen  bortifattfebert  Reform 
roiberfe|en.  Der  @runb  bei  ^roiefbaltl  lag  bielmef/r  in  ber  berftt)iebenen  ©eiftelart  ber 
beiben  üKänner.  SSirgil  roar  unbebenllicfjer,  roenn  man  miß  freier  all  ber  ftetl  ju  33e=  50 
benfen,  gu  recbtltcbert  ^roetfeln  geneigte  beutle  ©rjbifc^of. 

Darüber  lam  el  pxm  erften  ßufammenftofe.  33onifatiul  braute  in  ®rfal)rung,  bafe 
ein  baierifcfyer  ^ßriefter  ftet)  bei  ber  laufe  ber  gormel  bebiente,  Baptizo  te  in  nomine 
patria-et  filia  et  spiritus  saneti.  Der  grammatifcfye  gebier  febtert  i^m  geroiditig  genug, 
bafe  buref;  if;n  bie  ©iltigfeit  ber  £aufe  jerftört  roerbe;  er  forberte  23irgil  unb  feinen  ©e=  55 
noffen,  Siboniul,  ben  fbäteren  33ifcf;of  bon  ^affau,  auf  ben  bon  jenem  ©etauften  bie 
2aufe  bon  neuem  &u  erteilen.  Dal  bielten  biefe  für  unrichtig;  fie  legten  bie  Sao)e  bem 
$abft  ^acf;arial    bor   unb    biefer  erflärte   ficf;   für    fie    unb   gegen  23onifatiu!  (ep.  68 

5.  336).    Der  Vorgang  fbieltc  in  ber  erften  §älfte  bei  ^af;rel  716  bor  ber  Ernennung 


696  aSirgt!  SStfttanttnnen 

3StrgtI§  jum  SBifcfyof.  2Ran  begreift,  bafj  bieje  SBonifatiuS  feEjr  wenig  ertoünfcbt  War. 
@r  er&ob  nun  (748)  feinerfeit<S  in  9lom  33efd)roerbe  gegen  SSirgtltug  unb  ©iboniu§, 
inbem  er  flagte,  bafj  fie  ben  £>erjog  Dbilo  gegen  tf>n  aufzubringen  fugten  unb  bafc 
fie  behaupteten,  ber  $abft  fyahe  fie  pr  ©innafyme  bon  baierifd)en  33i3tümew  berechtigt. 
5  Virgiliuä  inöbefonbere  tourbe  befdjulbigt,  er  begegne  bem  33omfatiu<§  barum  fernblieb, 
Weil  berfelbe  Um  einer  fei5erifd)en  SRemung  überführt  babe.  SDarüber  Reifet  e§  im 
Briefe  be3  $abft3  (ep.  80  ©.  360) :  De  perversa  autem  et  iniqua  doetrina  quae 
contra  Deum  et  animam  suam  locutus  est,  si  clarificatum  fuerit  ita  eum  con- 
fiteri,    quod   alius  mundus   et  alii  homines  sub  terra   sint,    seu  sol  et  luna, 

10  hunc  habito  concilio  ab  ecclesia  pelle,  sacerdotii  honore  privatum.  Attamen 
et  nos  scribentes  praedicto  duci  evocatorias  praenominato  Virgilio  mittimus 
litteras,  ut  nobis  praesentatus  et  subtili  indagatione  requisitus,  si  erroneus 
fuerit  inventus,  canonicis  sanctionibus  condempnetur.  üDie  bon  SBonifatiuS  unb 
3ad)aria3  berroorfene  2lnfid)t  33irgils>  rourbe  lange  $eit  berfdjieben  berftanben :  Don  ber 

15  @rjften3  mehrerer  SSelten  ober  beroobnter  ^immeliSförber,  bon  ber  ^ugelgeftalt  ber  ©rbe 
unb  bem  3>orb,anbenfein  bon  2lntiboben.  Ärabbo  b,at  nun  gezeigt,  ba|  man  bei  Sf^or 
bon  ©ebiUa  (Etym.  XIII,  5,  2  ©.  110,  XIV,  1,  1 ;  2,  1  unb  5,  17  ©.  141ff.  2lu§g. 
b.  Slrebalo)  nicbt  nur  bie  2tnftcbt  bon  ber  Äugelgeftalt  ber  @rbe  finbet,  fonbern  aud)  bie 
Slnna^me  eines  bierten,  im  ©üben  jenfeit<§  be<§  Djean§  gelegenen  ©rbieilS,  ber  ben  33e= 

20  rooljmem  ber  brei  alten  infolge  ber  §i£e  unzugänglich  unb  alfo  unbefannt  fei.  Stucb 
93eba  bertrat  bie  Set/re  bon  ber  ßugelgeftalt  ber  @rbe  (De  nat.  rer.  46  MSL  90, 
©.  264f.;  de  temp.  rat.  32  ©.437  ff.).  ®afs  SBtrgil  bie  ©Triften  beiber  lannte,  ift 
nicbt  nur  mögltd),  fonbern  aud)  toabrfcljteinlid).  93on  iljmen  roirb  er  bie  Sefyre  bon  ber 
^ugelgeftalt  ber  @rbe  übernommen  r)aben,  bon  Sfibor  bie  Slnnafjme  eine§  alius  mundus 

25  sub  terra ;  aud)  bie  2Intiboben  fanb  er  bei  ib,m.  2)ie  2öorte  sol  et  luna  roirb  $rabbo 
richtig  babin  erflären,  bafj  ©onne  unb  SJionb  aud)  ben  2lntiboben  fd)emen. 

2öir  roiffen  ntct)t,  ob  bie  bon  gadjariaä  angeorbneten  9Jcaf$regeIn  ausgeführt  rourben. 
^ebenfalls  lam  ei  nicr/t  jur  Verurteilung  SSirgilS.  @r  blieb  Seiter  ber  ©algburger  SDiöcefe. 
3Ite  folcr)er  machte  er  fid)  um  bie  SBefebrung  ber  Söenben  in  ben  SKIbenlänbern  berbient. 

30  ©er  in  (SI) temfee  erlogene  §ergog  Sb)eitmar  bon  Üarantanien  ftanb  ibm  berfönltd)  nab,e : 
totr  fyören,  bafj  er  bäuftg  ©aljburg  unb  bie  bortigen  $ird)en  auffucbte.  SSirgtl  befteßte 
für  bie  SfSenbenmiffion  einen  eigenen  9tegionarbifd)of  Samens  SJcobeftuS,  ber  begleitet  bon 
bier  ^rieftem  unb  etlichen  nieberen  ^lerifern  ju  ben  ©laben  jog  (Convers.  Bag.  5 
©.  7). 

35  SSirgtl  trug  bei  feinen  fd)ottifd)en  Sanb^Ieuten  ben  Seinamen  „ber  ©eometer", 
gtmmer  9M  XVII,  211.  ©ein  ^ntereffe  galt  inbe3  nicbt  minber  ber  ©efd)id)te;  er  I)at 
Slribo  bon  greiftng  jur  21bfaffung  ber  Vita  Corbiniani  beranket,  unb  er  fd)uf  bag 
grofje  23erbrüberung3bud)  bon  ©t.  ^peter  in  ©algburg  (MG  Necrol.  II),  „eine  Iiturgifd)e 
Slufjeidjnung,  bie  ben  ülöert  eines  gefcfyicfytltdjen  SDenlmalS  bat" 

40  Tiacb,  meb,r  al§  ^roanjigjä^riger  2lmt§füF)rung  Ite^  fia)  SBirgil  am  15.  ^uni  767  bie 
bifdjöfücfye  9Beib,e  erteilen.  ®a§  3urvicftretm  feiner  urfbrünglic^en  Seben!en  geigt,  bafe 
au§  bem  SJlöna^e  ein  Sifcfyof  gemorben  tear.  ©ag  beroäb^rt  fieb,  aueb,  fonft.  2llg  ber 
baierifdje  ©raf  ©untrer  ein  Softer  bei  Dtting  grünbete,  Inübfte  SSirgit  feine  :JJfttroirftmg 
an  bie  Sebingung  ber  Unterwerfung  be£  neuen  ^lofter§  unter  ba§  33i§tum;   aud)   bem 

45  §erjog  gegenüber  roaferte  er  mutig  bag  bifdjöflicfye  (gigentumgrea^t  auf  bie  3Jcar.imilian§= 
gelle  im  ^ßongau.  $n  ©algburg  baute  er  ju  6t/ren  Siubertg  eine  neue  ^ircb.e,  in  bie  er 
774  ben  Seidjnam  be§  erften  ©algburger  SSifc^ofS  übertrug,  ©ein  ©rabfd)rift  berietet 
bon  ber  ©rbauung  bieler  ^ircb,en  in  ber  SDiöcefe. 

aSirgilftarb  am  27.  9iobember  784 ;  ertourbe  in  berSföubertSfirdjie  beigefe^t.  ©regorIX. 

50  b,at  u>  1233  fieilig  gefbrod;en,  Ann.  s.  Rudb.  MG  SS  IX,  ©.  785.  $au<f. 

aSifitOtttittttCtt.  —  ®er  im  9?ad)ftef)enben  öertretenen  ?(uffaffung  be§  SBerpltnifjeS 
jtüifdien  ber  grau  b.  ßljcintal  unb  grnnj  Hort  (£ale§  liegt  bie  ©tubie  p  ©runbe,  bie  ber  erfte 
Bearbeiter  be§  91.  in  ber  $eutfcr.en  geitfdir.  f.  äjriftl.  Seben  u.  f. ».  1856,  @.  23—34,  <S.  123 
bi§  133  u.  ®.  221—227  üeroffenttitf)t  £»ot:  §erjog,  „granj  ü.  ©ale§  u.  grau  ü.  Scjantal.  gin  S3ei= 

55  trag  jur  Inttj.  3Rüfttf"  lieber  bie  1)1.  ftrcmfräta  tion  Etjanial  bgl.  §.  beSKaupag,  La  vie  de  la 
ven&rable  mere  Jeanne  Frömiot  Fran§oise  de  Chantal,  $ari§  1644  u.  ö.,  beutfd)  Bon  3. 9Kel)er, 
Supern  1721;  Acta  beatificationis,  et  canonizationis,  Rom.  1732;  Sainte  Jeanne  Fraiigoise 
Frimiot  de  Chantal,  sa  vie  et  ses  ceuvres,  öd.  authentique,  publice  par  les  soins  des  Ke- 
ligieuses  de  la  Visitation  du  premier  monastere  d'Annecy,  $oriS   1874ss.,  8  vols;    g.  33ou= 

60  aaub,    Histoire   de  Ste.  Chantal   et   des    origines    de    la  Visitation,    13.  e"d.   5ßari§    1899, 


$tfttiutttnneti  B9? 

2  vols,  beutfd)  Jyretburg.  1N72;  Memoires  de  la  meie  de  Changy  de  la  vie  et  des  vertus 
de  Ste.  Chantal,  beutfd)' 2Bien  1844,  3Sbe;  GIctruS,  Seben  ber  beften SRütter  unb  ©diioeftertt 
beS  Orben*  Don  ber  .^eimfudjung  StarienS,  (Sdjafftjaufen  1861,  2  93be;  Stubineau,  Sie  erften 
Oberinnen  ber  ^eimfudiung  Scariö,  SRegenSburg  1871. 

$ur  ®efd)id)te  be§  DrbenS  tigl.  auierbem:  Gl.  SJtenetrier,  Projet  de  l'histoire  de  l'ordre  5 
de  la  Visitation  de  N.  D.,  Annecy  1701;  ferner  bie  Hon  ben  ©alefianerinnen  üon  ?lnnect) 
uevanftaltete  Edition  complete  ber  ©diriften  be§  f)I.  g-ranj  öon  @ale3,  big  1906,  14  SBfinbe 
(33b  11  ff.  bie  SSriefe  be§  ^eiligen);  £)eitnbud)er,  ®te  Drben  imb  S ongreqntionen  ber  fatbo= 
lifdien  Sirdje,  2.  Hufl.  «Paberborn  1907,  93b  II,  ©.  288 ff.  —  Sßon  proteftantifdier  Seite  ift 
bemerfenSmevt:  £eppe,  ©efd)id)te  ber  quietiftifdien  SRtyftif  in  ber  fatboltfcfjen  Sirdje,  93erün  10 
1875,  B.  43—58;  9JippoIb,  gur  gefährlichen  SBürbigung  be§  OuietiSmuS,  Spr^b,  1876. 

SJifitantinnen,  -Hörnten  bon  ber  £>eimfuct)ung  (visitatio),  nämlid)  bom  23efucf)  ber 
(Slifabetfy,  SRutter  beS  Käufers,  burcb  3Jiaria,  SKutter  beS  §errn  (Sc  1,  39),  finb  ein 
meiblicfyer  Drben,  gefttftet  burcb  granj  bon  ©aleS  (f.  b.  21.'  33b  VI  ©.  224  ff.),  nad) 
toeldjem  bie  5Ritglieber  aud)  ©alefianerinnen  genannt  merben.  grang  nennt  fid)  felbft  15 
ben  SSater  ber  23ifttantinnen ;  als  il)re  Sflutter  aber  begetdmet  er  if)re  eigentliche  ©rün= 
berin,  bie  grau  bon  Cranial.  ®ie  gmifcfyen  beiben  ©rünbem  beftet/enbe  „geiftlicfye  @r)e" 
(um  bereu  mitten  bie  SSifitationSnonnen  oft  gerabegu  als  bon  it/nen  erzeugte  Tofyttx  be= 
jetebnet  merben)  bebarf  bor  allem  I)ier  einer  näheren  ^Beleuchtung,  ba  ber  mabre  ©a<f)= 
behalt  beim  ©ntfteben  beS  DrbenS  fatbolifdperfeitS  gefliffentlid;  berbunfelt  morben  ift.  20 
guberläffigeS  unb  ©enaueS  barüber  erfährt  man  roeber  auS  SRarfotttcr,  bem  33iograbt)en 
beS  granj  bon  ©aleS  (bor  33b  I  bon  beffen  Oeuvres,  ^ßaris  1836,  4  23be),  nocb  auS 
9)?aubaS,  bem  23iograbr)en  ber  grau  b.  Cranial  (f.  0.).  ©ie  beibe  beben  nur  baS  rein 
©eiftlidje  in  jener  SSerbinbung  fyerbor  unb  fcfwücfen  eS  obenbrein  mit  allerlei  mtytbifcfyen 
gügen  auS.  %lai)  biefen  ©d)riftfteffern  t)at  grang,  ebe  er  etmaS  bon  feiner  greunbin  25 
teufte,  im  SEraume  bie  $erfon  gefeben,  bie  i^m  in  (Stiftung  etneS  meiblidjen  DrbenS 
bebilflicb,  fein  fottte,  unb  l)at  fie  fpäter  in  grau  b.  Sbcmtal  mieber  eriannt;  biefe  bat, 
ofyne  SEraum,  eine  @rfcr) einung  beSSBifcfyofS  gehabt,  ber  beftimmt  mar,  ibr  geifilicber  gübjer 
unb  greunb  ju  roerben.  Waä)  ib,rem  ^obe  Ratten  berfcb,iebene,  ib,nen  nabeftebenbe  ^er= 
fönen  33ifionen,  betreffenb  ir)re  unjertrennlicbe  Bereinigung ;  eine  fab^  bie  beiben  beieinanber  30 
unb  b,örte  bie  SBorte:  „mir  r;aben  nur  ©in  §erj  unb  @ine©eele  in  ©ort";  eine  anbere 
fat),  bei  bem  ^obe  ber  grau  b.  Sfyantal,  einen  glänjenben  ©tern  am  §immel  aufzeigen 
unb  fidt)  mit  einer  großen  geuerlugel  bereinigen,  toorin  fie  ftdt)  gänjlicb,  auflöfte,  roorauf 
alles  in  einem  Speere  bon  geuer  unterging.  ®ieS  unb  anbereS  berbient  nur  infofern  33e= 
acbtung,  als  eS  uns  jeigt,  mie  man  baS  Behältnis  jrüifcb,en  jenen  beiben  ^eiligen  auf=  35 
fafste,  baSfelbe  ju  ibealifieren,  ju  fanonifieren  ficb,  bemübte.  ®te  autbentifd)e  3Sat)rt)eit 
barüber  fctjöbfen  mir  auS  ber  ^orrefbonbenj  beS  granj  bon  ©aleS,  abgebrucft  im  britten 
33anbe  ber  genannten  SluSgabe  feiner  9Berle.  Seiber  fyat  grau  b.  ©bantal  tf>re  33riefe, 
bie  xi)x  ber  S3ifd)of  lurj  bor  feinem  SEobe  jurüdgefteHt  blatte,  berbrannt,  unb  anbertoärtS 
finb  nur  menige  in^Iöftern  aufbehalten  morben,  fo  baf$  bie  genannte  ^orrefbonbeng  beren  1« 
nur  12  mitteilt.  SDefto  gablreictjer  finb  bie  33riefe  bon  granj;  eS  finb  beren  139  in  bie 
genannte  ^orrefbonbenj  aufgenommen,  (übten  ^aubtbeftanbteil  beS  3«^!^  bilben  2Rit= 
teilungen,  betreffenb  bie  cb,riftlid)e  33oßfommenb,eit.  grau  b.  St)antal  mirb  eingeroeibt  in 
ben  m^ftifcb.en  DuietiSmuS  unb  eignet  fidt)  beffen  ©runbfätje  unb  Slnfc^auungen  an.  9öie 
boUftänbig  unb  mit  meinem  @ifer  baS  gefd)ar),  baS  fei  b,ier  nur  an  ^toei  §aubtbeifbielen  4.-. 
(nad^)  SftaubaS  1.  c.  p.  209  unb  262)  erläutert.  (Sinft  mollte  fie  für  längere  ßett  fo 
fülle  im  ©ebet  fein,  bafe  fie  feinen  SötUen  mer)r  t)aben  moHte  felbft  für  bie  Ausübung 
ber  ^ugenben  unb  bie  33erabfcbeuung  ber  Safter.  Unb  als  fie  fidt)  einft  boriuarf,  ibrem 
fterbenben  Äinbe  bie  2;aufe  nid)t  berfc^afft  ju  baben  unb  fo  Urfacbe  ju  fein,  bafe  eS  emiger 
Unfeligfeit  berfaHe,  erhielt  fie  bom  33ifcbof,  ben  fie  beSb,alb  um  aßerjeir/ung  bat,  bie  2lnt=  50 
wort:  „SBob, er  fommt  eS,  baft  ©ie  einen  SRücfblicf  auf  ftd)  merfen'*  $aben  ©ie  benn 
nocb  irgenb  eigenes  ^ntereffe?"  (quelque  interet  propre).  —  £>ie  33riefe  beS  granj 
unb  ibre  eigenen  93riefe  roeifen  nacb,  mie  fie  nict)t  olme  fernere  ^ämbfe  fid;  in  biefe  ©e= 
mütsftimmung  b^ineinlebte,  unb  mie  ber  33ifd)of  fie  ju  bölliger  ©elbftentäufjerung  anju= 
leiten  fudjte,  inbem  er  fie  gugleid)  mit  ben  fefteften  S3anben  an  feine  eigene  $erfon  unb  55 
feelforgerlicbe  Slutorität  fettete,  fo  ba^  fie  aufteilen  fagte,  eS  fomme  ibr  bor,  fie  bürfe  nicbtS 
meb^r  benfen  unb  füllen,  obne  baf^  ibr  ©eelf orger  eS  ibr  befehle  (315). 

daneben  geigt  fidt)  in  ibren  Briefen  etmaS  anbereS,    baS  mir   nid)t   umbin   fönnen, 
natürlicbe  Siebe  ju  nennen  unb  mobei  baS  ©efcblecbtlid;e  mobl  nt<Jt)t   obne  ©influfj  mar. 
@S  märe  ebenfo  unrid)tig,   bieS  gu  berfennen,   als    -ut  bebaubten,   bafe   baS   gange  33er=  w> 
bältniS  nur  eine   unter    geiftlicf)em  ©emanbe   berftedtc    gefd>lecbtlid;c  Siebe   gemefen    fei: 


698  »ifttotititmcti 

Dietmar  erfdjeint  e3  aU  eine  2>biofimfrafie  bon  ©eiftlidjem  unb  2Mtltcf;em,  bon  ©ött= 
liebem  unb  üDienfcfylidjem,  morin  fid$  un§  ba§  eigenfte  SSefen  ber  fatfyolifdjen  SMigion 
barftellt.  ©3  ifi  fd^>tt>er  babon  ju  reben,  meil  man  leidet  geneigt  ift,  ben  einen  ober  ben 
anberen  gaftor  ber  Skrbinbung  ntcfyt  ju  feinem  9?eegte  fommen  ju  laffen.  ©in  näfyereg 
5  ©ingefyen  barauf  erfetjeint  aber  geboten,  »eil  Seifbiele  folcfyer  23erbinbungen  fatfyoltfcfyer 
©eiftlidjer  mit  frommen  grauen  nid)t  ganj  feiten  finb  unb  mir  fyier  an  einem  ber  ge= 
briejenften  33eifptele  erfefyen  fönnen,  ma§  bon  folgen  SSerbinbungen  ju  galten  ift.  Vgl. 
bie  2lbb^anblung:  „grang  b.  ©ale§  unb  grau  b.  ©Ijiantal.  ©in  Seitrag  jur  fatljolifcfyen 
Sffibftif"  in  ber  SDeutfcfjen  geitjdjrift  f.  cfyr.  Seben  jc,  1856.  2öa§  ba§  rein  Siograbbifcfye 

io  betrifft,  fo  finb  fyaubtfäcfylid)  bie  beiben  genannten  SBiograbfyen,  fomeit  if>re  Angaben  ak 
beglaubigt  gelten  fönnen,  bon  uns  benutzt  morben. 

2ll§  grang  b.  ©ale§  (bamal§  37jäb,rig,  bgl.  Sb  VI,  224)  mäfyrenb  ber  gaften  be3 
$afyre3  1604  in  ©ijon  einige  ^ßrebigten  übernommen  fyatte,  richteten  ftcfy  fd)on  in  ber 
erften  ^rebigt  feine  SBItcfe  unmittfürlicb,  auf  eine  ®ame,  bie  mit  befonberer  Stnbacfyt  unb 

15  33emegung  ifym  gujufyören  fd)ien.  Sfatd)  beenbigtem  ©ottegbienfte  r/atte  er  nidjtg  eiligeres 
ju  tb,un,  als  fiefy  nact)  jener  SDame  ju  erfunbigen.  SDie  Saronin  b.  ©I)antal,  Beamte 
grangoife,  SCod^ter  beä  burgunbifd)en  ^arlament§bräftbenten  5Rr.  gremiot,  fomie  ©cfymefter 
be§  bamaligen  ©rgbifcfyofS  bon  SBourgeS  (geb.  ben  28.  Januar  1572),  mar  2öitme;  einige 
3ab,re  bor^er  mar  ifyr  9JJann   auf  ber  ^agb  bon  einem  greunbe,  ber  ifm  für  ein  2Bilb 

20  b,ielt,  erfdjoffen  morben.  ©ie  ertrug  bieg  Unglücf  mit  bieler  gaffung  unb  §og  auf  ba3 
Sanbgut  ifyreS  ©djmiegerbaterg  mit  ifyren  bier  flehten  ^inbern  (einem  Knaben  unb  brei 
^öcfjtern),  toeil  ber  ©djmiegerbater  eS  gemünfdjt  £>atte.  ^n  biefem  £aufe  fyatte  fie  biel 
ju  leiben  bon  einer  SRagb  be§  alten  §errn  b.  ©fyantal,  bie  gerne  bie  §errin  fbielte.  ®te§ 
unb  ber  I)erbe  ©d;merj  über  ba§  Unglücf,   ba§  fie  getroffen,   ermeeften  in  \i)x  ben  ©e= 

25  banfen,  fieb;  in  bie  ©infamfeit  gurüdc^ugiefyen.  „2Bemt  bie  bier  ^inber  mtcb,  nid)t  gebunben 
fyätten,  fagte  fie,  fo  märe  kb,  nact)  bem  1)1.  Sanbe  geflogen,  um  bafelbft  ben  9ieft  meiner 
Sage  ju  berbringen"  (3)Jauba§  p.  55).  ©§  fd;eint,  ba|  i§r  Seidjtbater  auf  biefe  @e= 
banfen  nicfyt  eingeben  moKte.  ©ie  mar  übertäubt  mit  ib,m  nic6,t  aufrieben,  faftete,  betete, 
gab  2llmofen,  um  bon  ©ott  einen  ju  erlangen,  ber  ib,r  meb,r  jufagte.   3ll§  fie  jum  erften 

30  9JiaIe  grang  auf  ber  Äanjel  fab,,  fagte  if)r,  mie  fie  fbäter  befannte,  eine  innere  ©timme, 
bafs  er  ber  für  fie  beftimmte  ©eelforger  fei.  ®a§  9?äcb,fte  mar,  bafj  fte  beibe  einanber 
fab,en  unb  fipracb,en  —  im  §aufe  be<3  ^räfibenten  gremiot,  mo  granj  bereits  eingeführt 
mar.  ©ie  mar  entjücft  bon  allen  SBorten,  bie  au<§  bem  5Runbe  be§  33ifd^of§  flogen. 
2lUein  fie  magte  nod^  nicfyt,  ib,m  i§r  §erj  ju  öffnen:   „obmob,!  icf;  bon  Verlangen,   bieg 

35  %a  tb,un,  faft  berging"  (bien  que  j'en  mourusse  d'envie,  Sftauto.  p.  81).  ©ie  toar 
nämlid^)  burd^  ba§  5Berfbre<f;en  gebunben,  ba§  fie  ib,rem  33eicf)tbater  gegeben,  niemals  bon 
ib^m  ju  laffen,  niemanden  gu  fagen,  ma§  fte  xfym  fagte  unb  mit  niemanben  über  ib,r 
^nnere§  ju  reben.  2öäb,renb  ib,r  Seicljtbater  um  biefe  $eit  eine  fleine  9ieife  machte, 
geriet  fie  in  fo  b, eftige  33erfucb,ungen,  bafj  fie  fürchtete,  barüber  benSSerftanb  ju  berlieren. 

40  ®a  fa^te  fie  SRut  unb  öffnete  bem  Sifdjof  ib^r  §erj.  ©ie  empfing  bon  tb,m  fo  reiben 
Sroft,  ba§  fie  fagte,  eS  fei  i^r  borgefommen,  al$  f)abe  nidjt  ein  SRenfcb,,  fonbern  ein 
©ngel  mit  ib;r  gerebet  (3)iaub.  p.  163).  ©ie  b,atte  aber  feine  Sftu^e,  bis  fie  ib,m  eine 
bollftänbige  Seilte  abgelegt,  ©ie  fbracb,  ib,m  bon  ib,rem  Verlangen,  bie  JBelt  ^u  ber= 
laffen,  ber  SBifcb,  of  fagte  junäcb,  ft  meber  ^a   nod^  9iein ;  fte  brücfte  if) m  ben  SJunfcb,  au£, 

45  gänjlicb,  unter  feine  Seitung  gefteHt  ju  merben.  granj  liefe  fie  Söffen,  bafe  bieg  einft 
gefcfyefyen  fönne;  fie  müßten  aber  beibe  ©ott  bitten,  bafe  er  ib,nen  feinen  ffiißen  offen» 
baren  möchte.  %)o<fy  fcr)on  natf;  einigen  %agen  eröffnete  er  ib,r,  bafj  e§  ib,m  fleine,  e§ 
fei  ber  Sßitle  ©otte§,  bafe  er  fie  unter  feine  Seitung  neb, ine;  e3  bürfe  aber  nt<f)t§  babei 
übereilt  merben,  bamit  fidE)  nicfyt  etma§  3Jlenfd)Iicf;eg  in  biefe  ©acr/e  einfd^leid^e.    ©arauf 

so  reifte  er  bon  ©ijon  ab,  mit  bem  SBerfbred&en,  t^r  öfter  ju  fct;reiben. 

©o  mar  ber  33unb  gefebjoffen,  ber  immer  fefter  unb  inniger  mürbe.  3un^ft  ^er 
fcb;ien  bie  SBefriebtgung  i^reö  §erjen§munfcl)e§  nur  ibje  innere  Unruhe  ju  bermeb^ren.  ©ie 
machte  fid£>  Sormürfe  barüber,  baf?  fie  fid)  unter  bie  Seitung  be<§  Sifdmfg  gefteßt;  e§ 
fam  tfyr  bieg  mie  eine  Übertretung  ber  firdjlidjen  3Serorbnungen  bor,  unb  befreunbete  $er= 

55  fönen  beftä'rften  fie  in  biefen  ©frubeln.  granj  gelang  e§  nicfjt,  i^r  biefelben  auSjureben, 
inbem  er  ib,r  ba3  Seifbiel  ber  f;I.  2;b,erefta  borfyielt,  bie  neben  bem  orbentlid^en  33eicb> 
bater  nod;  einen  befonberen  Vertrauten  gehabt  i)abt.  grau  b.  Sfyantal  meinte,  ba  gran^ 
nict)t  'ii)x  gefe^mäfeiger  ©eelforger  fei,  fo  muffe  feine  SBerbinbung  mit  iljr  auf  einer  befon= 
beren,  berfönlicf)en  Zuneigung  (af fection)  berufen ;  aber  mie  blatte  fie  biefe  ob^ne  meitereS 

eo  borau§fe|en  bürfen'^    ®er  S3ifcb,of  nun  fann  nid)t  genug  2Borte  finben,    um  fie   feiner 


Sßtfttonttnnen  699 

$uneigung  ju  berftd?ern.  „So  Wie  ©ie  mir  %t)x  inneres  eröffneten,  fcbjieb  er  am 
14.  Dltober  1604,  gab  mir  ©Ott  eine  grofje  Siebe  ju  Syrern  ©eifte.  2llS  ©ie  fid?  gegen 
mid?  nod?  näb,er  erklärten,  mar  eS  ein  fyerrltd?eS  Banb  für  meine  ©eele,  ^bje  ©eele  mer?r 
unb  mel)r  ju  lieben.  %tyt  aber,  geliebte  2:od)ier,  ift  eine  geWiffe  neue  @igenfd?aft  (une 
certaine  qualite  nouvelle)  b,injugefommen,  bie  fid)  nid?t  benennen  läftt,  Wie  mir  fd)eint;  5 
aber  ifyre  SÖirfung  ift  eine  grofje,  innere  ©üfeigfeit,  bie  id)  embfinbe,  %fynm  bie  Bott= 
fommenfyeit  ber  Siebe  ju  ©Ott  ju  Wünfd?en.  Qd?  überfd)reite  nid^t  bie  2öafyrb>it.  ^cb, 
rebe  als  bor  bem  ©ott  $l)reS  unb  meinet  ^erjenS.  ^ebe  Zuneigung  M  ty^n  befon= 
beren  Gl?arafter,  Woburd?  fie  fid)  bon  anberen  unterfd)eibet.  diejenige,  bie  td?  gu  ^fynen 
fyabe,  b,at  eine  geWiffe  Befonberfyeit  (particularite),  bie  mid)  unenbüd)  tröftet,  unb  bie,  10 
um  alles  ju  fagen,  mir  äufjerft  förberlid?  ift"  Sod?  biefe  unb  äl)nlid)e  ©rgiefjungen 
bermod?ten  md)t,  ifyr  böllige  diufye  unb  Befriebigung  ju  gemäßen,  ©ie  äußerte  jWar 
gegen  ben  Bifd?of  nid?t  mefyr,  bafj  fie  S^eifel  an  fetner  Zuneigung  l)ege,  aber  fie  fd?rieb 
ibm  als  Antwort  auf  jenen  Brief  bom  14.  Dftober  1604:  „@S  ift  etwas  in  mir,  Was 
nod?  niemals  befriebigt  Worben  ift,  id)  Wüfjte  aber  nid?t  ju  fagen,  Was  eS  ift"  ©o  fd?rieb  15 
fie  aud?  bem  Bifd?of,  fie  lomme  fid)  bor,  iüie  eine  bon  Surft  ©equälte,  ber  man  ein 
©lag  ÜJBaffer  barreid?t,  unb  wie  fie  eS  an  bie  Sibben  bringt,  um  ben  brennenben  Surft 
ju  füllen,  fyinbert  fie  eine  unbe!annte  9Jiad)t,  baS  ©laS  ju  träfen,  grang  berftefyt  baS 
atte§  rein  geiftlid)  unb  giebt  il?r  barauf  be$üglid)e  Belehrungen,  @rmar?nungen  unb 
Xröftungen.  ^n  ber  %fyat  berfcblingt  fid)  bie  ©ad?e  in  baS  ©eiftlid)e.  grau  b.  Gfyantal  20 
leibet  an  ferneren  geiftlid?en  Anfechtungen:  il)r  ©laube  ift  Inanlenb  geworben;  fie  b,at 
9)?übe,  fid?  ber  ^iüeifel  am  ©lauben  ifjrer  ^trd)e  ju  erWefyren.  %t)xt  2lnbad?tSübungen 
gewähren  i^r  feine  Befriebigung  mel)r;  eS  fommt  ib>  bor,  fie  effe,  finbe  aber  atte  9cal)rung, 
bie  fie  ju  fid)  nel)me,  fabe  unb  IraftloS. 

Sie  ©ad?e  läfjt  fid)  bfi?d)oIogifd)  erflären ;  eS  ift  aber  fd?toer,  bie  redeten  Söorte  bafür  25 
ju  finben.    Senn  Wofyer  ben  richtigen  2luSbrud)  nehmen  für  ©efül?le  unb  ©mbfinbungen, 
bie  fid?  grau  b.  6I)antaI  niemals  eingeftanben  b,  at,  beren  fie  fid)  ntct)t  botlftänbtg  beWufjt 
loar,  obfd)on  biefe  ©efüb,le  unb  ©mbfinbungen  geWifjlid)  in  it)rer  ©eele  fid?  regten '<  SeS 
Bifd?ofS  ^Serfönlid)!eit  f>at  auf  fie  einen  au|erorbent!id)en  @inbrud;  gemalt  unb  §at  ifyr 
ba§  jum  33emufetfein  gebraut,  bajj  etiüaS  in  ib,rer  ©eele  ift,  ft>a§  nod?  niemals  befriebigt  30 
toorben,   bod)  ob,ne  bafe  fie  anzugeben  toü^te,  toaS   eS  ift.    granj  ift  ib,r  nod?   ettoaS 
anbereS  unb  meb,r  als  ^Sriefter  unb  ©eelforger,  unb  fie  roeifj  fid?  babon  !eine  3fted?enfd?aft 
ju  geben.    @S  ift  nid?tS  33eftimmteS,  eS  b^at  leinen  tarnen,    ^mmerbm  aber  befinbet  fie 
fid?  infolge  babon  im  2Öiberfbrud?e  mit   ber  ®ird?e.    Saljer  bie  heftigen  33erfud?ungen, 
worin   fie    fürchtet,    ben  SSerftanb   gu  berlieren.    Sabber    aud)    bie  Autorität    unb    baS  35 
Sogma  ber  &ird?e  in   ib^rem  ©emüte   eine  @rfd)ütterung   erleiben.    Sa  bie  $erfon  beS 
$riefterS   unb   bes>  ©eelforgerS   überfd?attet   Wirb   bon   etwas   anberen,  fo   ift   aud?  bie 
iird?e,    beren  ©teEbertreter    er  ift,  mit  ib/rem  Sogma  in  :l?rem  ©eifte  berbunfelt.  — 
@S  ift  ifyr  ju  DJlute,  als  ob  ber  §err  felbft  fid?  il?r  entjieb^  e ;    fie  Wagt  laum  jum  §errn 
?u  beten :  „®omm  in  meine  ©eele".  ©elbftberftänblid?  aber  läfst  fie  barum  nid?t  ah  bon  40 
ib^ren  2lnbad?tsübungen  unb  aSfetifcl)en  Söerlen  (Wobei  nid?t  nur  ftrenge  gaften,  fonbern 
aud?  öftere  ©eifjelbis^blinen,  bis  ju  50  ober  60  Rieben,  bie  fie  nad?  granjenS  auSbrücfIid?er 
SlnWeifung  fid?  felbft  erteilte),  fo  Wenig  Befriedigung  fie  il?r  aud?  gewähren  mögen,   ©ie 
giebt  aud?  ben  ©ebanfen  nid?t  auf,   fid)   bon   ber  Söelt   jurücijugiefjen.    ^a,   fie  mufjte 
buro?  bie  innere  Seere  um  fo  mel)r  baju  fid)   angetrieben   füllen,  freilid)  o^ne  2luSfid)t  45 
unb§pffnung,  bie  innere  Seere  bamit  ausfüllen  %u  lönnen. 

Öfter  fbrad?  fie  mit  granj  bon  ifyrem  SBunfd^e,  bie  Sßelt  ju  berlajfen.  Ser33ifd)of 
büelt  fie  nid?t,  Wie  borbem,  mel?r  in  suspenso  ^Wifd)en  gurd?t  unb  Hoffnung.  @r  beutet 
(feit  SDtitte  beS  ^afyxzZ  1605)  ibj  Wieberb^olt  an,  bafe  baS  Söerf  i^>rer  inneren  2Bieber= 
geburt  unb  geiftlid)en  SReugeftaltung  feiner  SBoÜenbung  nab^e  gelommen  fei.  SSJJebr  unb  50 
mebr  fteHt  er  als  £iel  i^reS  ©e^nenS,  §offenS  unb  ©trebenS  il)r  bor  2lugen,  bafs  fie 
einft  aEeS  berlaffen  unb  baf$  er  fie  in  gän^Iid?e  ©elbftentäu^erung  unb  9tad;tb!eit  um 
©otteS  Witten  bringen  Werbe  (3DRaub.  p.  110).  (SS  ftimmt  baS  gn  bem,  WaS  er  ib]r  am 
6. 2luguft  1606  fd)reibt,  Wo  er  übrigens  b,injufügt,  er  l^abe  nod?  rtict)t  bei  fid?  auSgemad)t, 
ob  fie  eigentlich  9Ronne  Werben  folle  (p.  122).  ^n  einer  berfönlid?en  ^ufammenlunft  66 
naf>m  er  ifyr  baS  ©elübbe  ber  Äeufct?^eit  unb  beS  ©eftorfamS  gegen  il^n  ab  unb  bittigte 
eS,  bafj  fie  baran  bad?te,  ib^re  'iEödjter  in  Ülöftern  ju  berforgen.  3U  toeld)cr  &ü  ß  ben 
©ebanlen  fafete,  einen  Berein  frommer  grauen  unter  feiner  unb  ber  grau  b.  (Sbantal 
Seitung  ju  ftiften,  läfet  fid?  nid?t  genau  beftimmen;  wabrfd?einlid?  biel  früher,  als  er  eS 
ibr  unb  anberen  fagte.  (Sr  Wollte  fie  nad?  2lnnect?,  bem  ©it>e  beS  Bifd?ofS  bon  ©enf  feit  so 


700  »tfitonttmtett 

ber  Deformation,  gießen  unb  ben  Serein  fo  frei  geftalten,  bafj  feine  Serbinbung  mit 
feiner  greunbin  leinen  Abbruct;  erlitte,  ja,  iura)  bie  Unterorbnung  unter  ben  Sifcfyof 
nocr)  enger  mürbe.  ©3  fcfyeint,  bafj  er  im  ^afyre  1607  ifyr  bie  erften  bar/in  bezüglichen 
pofitiben  Eröffnungen  machte;  aber  noct;  immer  b/ielt  er  bie  ©adje  geheim,  ©inem  ^e= 
5  futtert,  ber  ib^m  fpäter  um  AuStunft  über  fein  Sorfyaben  befragt  blatte,  fcfyrieb  er  am 
24.  SRat  1610,  baf?  anbere  il)m  ben  ©ebanfen  eingegeben  Ratten,  unb  gtoar  erft  feit 
einem  ^afyre  (alfo  feit  1609),  Welches  letztere  nur  in  Setreff  ber  eigentlichen  SerWirf= 
Itcfyung  beg  Sorb/abenS  Wab/r  ift;  benn  um  biefe  geit,  ba  alle§  fcfyon  zWifcfyen  tfym  unb 
grau  t>.  ©b/antal  »erabrebet  mar,  ba  fdwn  einige  gräuIeinS  ftd?  gemelbet  Ratten,  um  in 

io  ben  herein  aufgenommen  §u  Werben,  b/anbelte  e§  fiel)  nur  noct;  barum,  ba<§  Öfonomifcfye 
in  Drbnung  ju  bringen,  für  ein  §au§  u.  bgl.  gu  forgen.  grau  b.  ©fyanial  ti)at  auef;  ba§ 
irrige,  berliefj  ben  alten  Sater,  ber  au§  ©ram  barüber  balb  ftarb,  rifj  fiefy  bon  ifyren 
j^inbern  Io§,  berjicb^tete  auf  ben  größten  ^eil  il>re3  Sermögeng  unb  begab  fid}  im  grül)= 
jaljre  be§  %afyv&  1610  naä)  Annecr/,  mo  gegen  ben  2Billen  bes  SaterS,  ber  ©ijon  bor= 

i5  gefct/lagen,  ba§  erfte  £>au§  ber  neuen  ©enoffenfcfyaft  eingerichtet  werben  foUte.  AI§  Sor= 
Wanb  bafür  blatte  granj  ben  Umftanb  geltenb  gemacht,  bafe  grau  b.  ©b/antal  in  Annecr; 
ifyrer  »erheirateten  SLocfyter,  ber  Saronin  b.  ^oren§,  näfyer  fein  mürbe.  ^n  cer  Wafyt 
bor  ber  ©inWeifmng  be§  neuen  §aufe§  blatte  fie  noct)  eine  grofje  Anfechtung  ^u  befielen, 
©ie  glaubte,  SSater  unb  ®tnber   ju  festen,   bie  (Sott  um  Dacfye  gegen  fie  anflehten.    ©3 

20  fam  it)x  bor,  bafe  fie  ben  ©eift  be§  granj  irre  geführt  t/abe,  —  mithin  war  fie  fid)  it;res 
©influffeg  auf  ifyn  beWufjt,  unb  bafj  fie  eigentlich  bie  tlrfact;e  fei,  Warum  er  ben  ©e= 
banfen  ber  Stiftung  be3  neuen  SereineS  gefaf t  t;abe.  SDiefe  Anfechtung,  bie  brei  ©tunben 
lang  Währte,  fucfyte  fie  buref;  ©ebet  jju  überWinben :  „©§  mögen  meine  SerWanbten,  meine 
Äinber  unb  tdj  felbft  $u  ©runbe  geben,  Wenn  bu,  o  ©ott,  e3  befohlen  t)aft ;  ba<§  fümmert 

25  mict;  rttdt)t  (cela  ne  m'importe).  9Jcein  einiges  ^ntereffe  in  biefer  geit  unb  in  ber 
©Wigfeit  ift,  bir  ju  gefyorcfjen  unb  px  bienen"  (2>caup.  p.  211.  212). 

Son  nun  an  Würbe  bie  Serbinbung  nod)  Weit  inniger,  unb  neue  Anfechtungen,  bie 
grau  b.  ©b>ntal  §u  befteben  blatte,  riefen  bon  ©eite  beg  SBtfd^ofg  nur  nod)  ftärfere  ©r= 
Ilärungen  feiner  geiftlict/en  Siebe  t)erbor.  ®a§  bezeugen  bieSriefe,  bie  beibe  fief;  fcfyreiben, 

30  fei  e§,  bajj  beibe  in  Annecr;  finb,  fei  e§,  bafe  er  in  feinen  Angelegenheiten  ober  fie  in 
Angelegenheiten  bei  DrbenS  bon  Annec^)  abWefenb  finb.  ©cf)on  längft  rebet  er  fie  auf 
ifyren  ^ffiunfcb^  rttcr)t  meb/r  „9)fabame"  an,  er  nennt  fie  ^odjiter,  ©cf)Wefter,  SRutter;  aUe 
biefe  ÜJcamen  giebt  er  i^»r  juWeilen  in  bemfelben  Briefe  unb  fcfymücft  fie  mit  ben  järt= 
lict/ften  Seiwörtern:  „einzig  liebe,  unbergleicr)ltcr)  liebe"  u.  bgl.    @3  befteb^t  eine  mr/ftifcfye 

35  Sereinigung  ^Wifc^en  beiben  ©eelen.  ®arum  fagt  er  if>r  gerabeju:  „SReine  geliebte 
^oeb^ter,  ©ie  finb  Wafyrfyaftig  icl)  felbft  (vous  etes  vraiment  tout  uniquemement  et 
veritablement  moi-meme,  19.  Wlai  1612)."  —  „©ott  r)at  mic^)  mir  felbft  genommen, 
nidjt  um  mieb^  Qb^nen  ju  geben,  fonbern  um  mxd)  in  ©ie  ju  berWanbeln.  (Dieu  m'a 
öte  ä  moi-meme,    non    pas   pour   me  donner  ä    vous,    mais    pour  me  rendre 

io  vous-meme);  fo  möge  e§  benn  gefcfyefyen,  ba^  Wir  un§  felbft  entriffen,  in  ^fyn  ber= 
Wanbelt  Werben  bureb^  bie  SoUfommenf)eit  fetner  einigen  Siebe"  (8.  ©ejember  1612).— 
„3Jieine  ©eele  ftürgt  fic^  in  öftren  ©eift,  Wenn  anberg  jWifc^en  ^b^nen  unb  mir  baS  3Kein 
unb  ©ein  am  5)3Ia|e  ift,  ba  Wir  ntdE>tö  ©etrennte§  finb,  fonbern  ein  unb  baSfelbe  3)ing" 
(qui    ne   sommes    rien  du    tout    de    separe,    mais  une    seule  et   m§me  chose, 

45 10.  SDtai  1615).  ^urje  fyxt  borb^er  b^at  er  xi)x  nact)  S^on  folgenbeS  getrieben,  Worauf 
fyerborgebl,  Wie  ernft  unb  eigentlich  er  ba€  mt)ftifcb^e  @in§fein  mit  ib>  berftanb:  „©eb^en 
©ie,  meine  feb>  liebe  SRutter,  Wenn  icb^  unfere  ^öcfyter  (bie  Sifitantinnen  bon  Annecr/) 
befuge,  Wanbelt  biefelben  bie  Suft  an,  burcr)  mieb^  S'lac^ric^ten  bon  3#n«t  %u  erhalten, 
unb  Wenn  icf>  ben  Tonnen  S^e  Sriefe  geigen  fönnte,  fo  Würbe  ilmen  ba§  grofee  greube 

so  bereiten.  9Qun  Weife  meine  TOcb^te  Srecfyarb  (Welche  in  AbWefenb^eit  ber  grau  b.  ßb^antal 
bem  $aufe  borftanb)  fefjr  Wof)I,  bafe  ic^  ©ie  felbft  bin  (que  je  suis  vous-meme); 
benn  fie  b>t  Siliere  gefeiten,  Welche  biefe  Söafjrfteit  bezeugen,  boct;  b^abe  ic^  ib]nen  ^fyre 
brei  legten  Sriefe  rttd)t  geigen  mögen"  (4.  Wläx%  1615).  Serfte^t  fieb^,  bafe  feine  @r= 
Ilärungen,   er   fei  fie  felbft,  er  fein  ©in  ®ing  mit  il^r,   noeb;  öfter  Wieberfeb;ren  (p.  273. 

55  383.  419.  563),  fo  an  biefer  legten  ©teile :  je  suis,  comme  vous  savez,  vous-meme, 
sans  reserve  ni  difKrence  quelconque. 

©o  fagt  er  ü)r  aud),  baf$  feine  ßuneigung  ju  tl)r  mit  gar  mdjr»  berglicb^en  Werben 
tonne,  baf?  fie  Weimer  benn  ber  ©dmee,  reiner  benn  bie  ©onnc  fei  (p.  116).  @r  freut 
fiel),  5U  ben!en,  bafe  fie  beibe  im  künftigen  Seben  boHIommen  @in§  fein  Werben  (p.  89. 

eo  101.  238.  504  u.  a.).    SSie  oft  benlt  er  täglicf)  an  fie!  mkmatt  lieft  er  bieSDleffe,  ob;ne 


üSifttattttttneu  701 

tfjrer  ju  gebenden,  ja,  er  lieft  fie  r)auptfäd)üd)  für  feine  greunbin  (p.  106).  2ln  fie  benft 
er,  wenn  er  baS  bJL  ©aframent  in  ber  ^rojeffion  herumträgt  (p.  112),  Wenn  er  baS 
2(benbmat)l  genießt  (p.  88),  toenn  er  auf  bem  2lltar  baS  geweitete  ^ücfjlein,  baS  cor- 
porate, ausbreitet,  auf  Weld)eS  er  bie  geweifte  £>oftie  nieberlegt,  —  mit  bem  2Bunfd)e, 
baß  ber  §err  fiel)  auct)  fo  aii\  it)r  §erj  nieberfe^en  unb  in  baefelbe  feine  ^eiligen  @in=  ö 
flüffe  einbringen  laffe.  SDer  ©ebanfe  an  fie  burdjlreujt  feine  ©ebanfen  bei  allen  feinen 
religiöfen  Uebungen.  2Semt  er  in  it)rer  ©egenWart  bie  sDteffe  lieft,  fo  erfd)eint  er  it)r  als 
h>te  ein  ßngel  Wegen  feinet  glänjenben  2lngefict)teS  (I,  246).  9JirgenbS  prebigt  er  mit 
fo  bieler 2Bärme,  Wie  in  ber  Älofterfirdje,  Wo  fie  unter  feinen  ^ufyörem  ift  (p.  418).  -Kur 
für  fie  f treibt  er  feinen  ^raftat:  „23on  ber  Siebe  ©otteS"  @r  nennt  bieSSBud)  ebenfoWofjl  10 
baS  irrige,  als  baS  feine ;  bat)er  nennt  er  eS  olme  Weiteres  unfer  Sud)  (p.  412),  um  anju= 
beuten,  baß  ber  9>erfet)r  mit  il)r  il)m  bie  ©ebanfen  baju  eingegeben,  ©o  nennt  er  auct) 
Don  Slnfang  an  bie  $inber  ber  grau  b.  Gfyantal  bie  feinen,  bie  unferigen ;  er  fprict)t  bon 
unferer  jüngften  Softer,  bon  unferen  Meinen,  bon  unferem  SeIfuS=23enignuS.  ©d)on  im 
3al)re  1608  l)at  er  fid)  ein  ^ettfct)aft  nact)  bem  TOufter  beSjenigen  feiner  greunbin  machen  16 
laffen  (p.  148).  Sänge  bebor  fie  als  9?onne  feine  Untergebene  geworben  ift,  regelt  er  alle 
it)re  2lnbad)ten,  it)re  arbeiten,  il)re  äftußejeit;  er  giebt  tl)r  S5erorbnungen,  betreff enb  il)re 
©efunbl)eit,  mann  fie  auffielen,  mann  fie  fiel)  nieberlegen  foll(p.  111).  ^ft  fie  Iran!,  fo 
beneibet  er  bie  ©d)Wefter,  bie  ifyrer  pflegt  (p.  193).  SlnberWärtS  mact)t  er  it)r  WiU 
teilungen  über  feinen  pl)bftfcr)en  ßuftanb  mit  einer  23ertraulid)feit,  wie  fie  faum  unter  20 
(Regatten  größer  fein  fönnte  (p.  311). 

9Bie  l)ätte  grau  b.  ©fyantal  folgen  SiebeSergießungen  Wiberftel)en  fönnen?  ©ie  über= 
t)äuft  ben  S3tfc^of  mit  SeWeifen  ber  §ärtltd)ften  ©orgfalt  für  Seib  unb  ©eele.  ©ie  giebt 
it)m  3Serorbnungen  für  feine  ©efunbfyeit,  bie  er  fid)  befleißigt,  getreu  gu  befolgen;  fie 
berfertigt  für  Um  fdjöne  iRirct)engemänber ;  er  füt)lt  fiel;  glücflid),  §u  prebigen,  angetb,  an  25 
mit  Kleibern,  bie  fämtlici)  bon  feiner  fo  liebenSWürbigen  SRutter  berfertigt  finb  (p.  498). 
©0  l)at  fie  für  il)n  aud)  eine  föftlict)e  btfdE)öfli<^>e  ßabba  gemalt  unb  barein  biele  9Me 
bie  33ud)ftaben  ^t)i  Ijnneingefiicft  (p.  502).  —  ©ie  Wünfct):,  baß  ber  33ifd)of  ^ur  @l)re 
©otteS  fie  überlebe  (p.  110).  ©ie  Wünfct)t  feiner  ©eele  größere  2Mfommenf>eit  als  ber 
irrigen  (p.  126);  fie  bittet  ©ott,  baß  er  auS  granj  einen  großen  ^eiligen  mact)e  (p.  312).  30 
hingegen  ift  bie  Siebe  ju  it)ren  Üinbern  in  il)rem  ^erjen  bermaßen  abgefd)Wäcr)t,  baß  granj 
it)r  3ufprid)t,  fie  foüe  tt)ren  ©ol)n,  ber  fie  einft  in  Slnnect)  befugen  Wollte,  ^er^ltcr)  empfangen 
(p.  413).  SDafyer  fie  aud)  in  tl)ren  fortWät)renben  Einfettungen,  bie  noc^)  öfter  einen 
fürchterlichen  ©rab  ber  §eftigleit  erreichten  unb  worin  fie  auf  if)re  ©eligleit  böHig  3Ser= 
jia)t  leiftete,  bod)  ben  ©ebanfen  an  ben  SBtfd^of  nid}t  aufgab ;  gän^Iic^)  abgeftorben  für  35 
alles,  felbft  für  ba§  Verlangen  nad)  ber  emigen  ©eligleit,  behielt  fie  eine  Neigung  ber 
3tüc!fe^r  jum  33if(f)of  im  §erjen,  fie  füllte  fiä)  einzig  unb  allein  bagu  geneigt,  ü)n  mieber 
ju  feb,en,  fo  baß,  Wenn  fie  fid;  borfteßte,  wie  fie  mieber  ju  feinen  güßen  Eingeworfen 
fein  unb  feinen  ©egen  empfangen  Werbe,  fie  bis  ju  SLljränen  gerührt  Würbe  (29.  ^uni 
1622).  ®enn  aud)  fie  l)at  ben  ©ebanfen  ber  m^ftijd^en  ©inigung  unb  3SerfdjmeIjung  40 
mit  ber  ^erfon  beS  83ifd)ofS  lebhaft  ergriffen:  „(SS  fommt  mir  bor,  id)  feb,e  bie  jWei 
Xeile  unferer  ©eele  nur  nocfe,  eine  bilben"  (p.  315).  Slud)  fie  fcbjeibt  il>m :  ,,©ie  Wiffen, 
baß  icb,  ©ie  felbft  bin"  (vous  savez  que  je  suis  vous-meme,  p.  378).  ®iefe  S3er= 
binbung  bewährte  fid;  im  Sobe  unb  nad)  bem  3;obe.  granj  r)atte  ifyr  berfprocb,en,  im 
lobe  bei  ifyr  ju  fein.  2tlS  er  in  St)on  ftarb,  am  28.  SDejember  1622,  befanb  fie  fid)  ge=  45 
rabe  in  ©renoble  unb  l)örte,  als  er  ben  ©eift  aufgab,  eine  ©timme,  bie  ju  iljr  fagte: 
„er  ift  nid;t  me^r"  ©ie  Wußte  bamalS  nocfr,  nid^t,  baß  er  geftorben  War  unb  legte  ficb, 
jene  ©timme  fo  auS:  „er  lebt  nur  nod;  für  ©ort  unb  um  micb,  jumSeben  in  ©ort  anju= 
leiten"  —  9Jtel)rere  %afyve  l)tnburd)  l)atte  fie  eine  geifttge  (Srfd)einung  (vision  intellec- 
tuelle)  bom  Sifct)of  auf  il)rer  redeten  ©eite,  il)r  fußen  ®uft  unb  außerorbentlid)e  ©unft=  so 
Bezeugungen  juWel)enb.  211S  im  ^afyxe  1631  fein  ©rab  geöffnet  Würbe,  erhielt  fie,  Wie 
9JtaubaS  berietet,  bie  (Erlaubnis,  bie  £>anb  beS  SEoten  ju  ergreifen,  ©ie  bücfte  fiel),  um 
biefelbe  auf  it)ren  Stopf  ju  legen,  unb  ber  33ifd)of,  als  ob  er  nocj£>  am  Seben  geWefen 
Wäre,  ftreefte  bie  §anb  auS  unb  brücfte  fie  in  järtlid)er  unb  bäterlict)er  Siebe  auf  it)ren 
^opf;  beutlid)  Woßte  grau  b.  6t)antal  ben  ®ruc!  gefüllt  fyahm.  —  grau  b.  6t)antal65 
ftarb,  —  nad;bem  fie  Wäbjenb  il)rer  legten  %ai)xt  t)auptfäd)lict)  ju  Slnnec^  geWot)nt,  bon 
ba  auS  aber  öftere  Steifen  jur  ©rünbung  ober  Settung  bon  Käufern  il)reS  DrbenS  untev= 
nommen  l)atte  —  ju  9Jloulin  am  13.  'Sejember  1641.  ©ie  Würbe  im  %at)xe  1751  bon 
Senebift  XIV.  feiig  gefprod)en,  unb  Siemens  XIII.  lanonifierte  fie  1767. 

2SaS  bie  ©rünbung  beS  DrbenS  bon  ber  §eimfud)ung  betrifft,   fo    erfolgte  biefelbe,  «0 


702  «ifttanttunen 

tote  oben  bemerft,  nact;  längerer  Überlegung  toegen  be§  9Zamen§  unb  @f;arafter<8  ber  ju 
ftiftenben  ©enoffenfcfyaft  im  ©ommer  beS  ^afyreS  1610.  2lm  S£rtmtät3fonntage  empfing 
grau  b.  Gfyantal  neben  gtoeten  ©efäfyrtinnen  bon  gleicher  ©efmnung  au§  gran^  §änben 
i^r  Drbett3t;abit ;  ^elm  toeitere  grauen  fct)Ioffen  im  Saufe  ber  näcfyften  Sftonate  ftct;  ifyc 
5  an.  Über  %va<fyt  unb  SebenSfüte  fcfjrieb  gran^  ^unäcfyft  einfache  33erorbmtngen  bor.  ®er 
herein  foHte  fo  toenig  toie  möglich  ein  flöfterlid;e3  ©epräge  fyaben,  baf)er  feine  feierlichen 
©elübbe,  feine  ^laufur,  feine  befonbere  iracf/t;  bie  Metbung  blatte  ben  getoöl;nlicr)en 
©cf;mtt,  toar  aber  bon  fdjtoarjer  garbe,  ben  $obf  bebecfte  ein  fdjtoarjer  ©d;leter.  grau 
b.  Gfyantal  blatte  ftct)   jtoar  fct)on   längfi  f)arte  $afteiungen  auferlegt,   aber  ber  33ifa)of 

io  fcr)rieb  fie  bem  Sßereine  nid;t  bor.  2lHe3  foHte  auf  innere  2lbtbtung  bjngielen.  9?ur  ba§ 
fleine  officium  Mariae  foHten  bie  ©d)toeftem  fyerjufagen  berbunben  fein  (p.  295) ;  benn 
granj  blatte  ficf;  (tote  feine  ^Briefe  geigen)  überzeugt,  toie  mipct;  e<§  fei,  toenn  toeiblicfye 
fßerfonen  unberftanbene  lateinifo^e  ©ebete  l)erfagen;  bar)er  toollte  er  ifmen  toenigften?  ba§ 
grofee  officium  Mariae  nicbj  auferlegen,    grommen   toetblicf;en  ^erfonen  follte   ber;uf§ 

15  if^rer  geiftlid^en  ©tärfung  ber  jeittoeilige  2lufentl>alt  in  ben  Käufern  be§  33erein§  geftattet 
fein,  hingegen  lag  ben  ©ct;toeftem  ob,  nad)  bem  Sorbilbe  ber  SRutter  be<o  §errn,  toelcfye 
©lifabetf;,  bie  9ftutter  be§  Käufers  f)eimfuct;te,  Äranfe  unb  2frme  ju  befugen.  5Rad;  ber 
©itte  ber  älteren  ^ird)e  foKten  alle  Käufer  ber  ©enoffenfcfjaft  bem  ®iöcefanbifd;of  unter= 
toorfen  fein.  (Sine  bon  ätnfang  an  eingeführte  23efonberl)eit  beftanb  barin,  bafj  alle  $al)re 

20  bie  ©cfytoeftem  tl)re  ÜRofenfränge,  Srebiere,  ^rujifire  u.  a.  toecr)felten.  ®ie  milbe  £eben§= 
toeife  unb  ba§  3tnfel)en,  toorin  granj  ftanb,  führte  bem  Vereine  balb  eine  giemltdje  3a^^ 
bon  SRitgliebem  ju.  Um  aber  Unorbnungen  unb  übeltooHenbem  23erbacfjte  borjubeugen, 
mufjte  granj  auf  ba§  ©ringen  be§  S?arbinaI=@räbifcf;of3  SERarquemont  bon  £t)on,  balb 
bie  urfbrünglicfye  gorm   be§  33eretneä,   big  bafyin  blojs  congregation  genannt,   änbern. 

25  ©o  tourbe  er  benn  unter  ?ßaul  V.  im  ^a^re  1618  afe  religion,  b.  t;.  al§  Drben  de 
visitatione  B.  V.M.  anerfannt  unb  erhielt  eine  eigene  Siegel,  toelcfje  ben  tarnen  2luguftin§ 
trug.  Sie  bon  granj  aufgefeilten  ^onftitutionen  tourben  nad;  feinem  %ob?  im  ^al;re 
1626  bon  Urban  VIII.  beftätigt.  @§  berblieb  babei,  bafj  ber  Drben  fein  befonbereS 
Dberfyaubt  erhielt,  fonbern  ben  ©iöcefanbifct;öfen  unterftellt  tourbe.    ©ine  befonbere,  ber= 

30  gleict;§toeife  einfache,  fdjtoarje  %racf;t  mit  langem,  fcfytoarjem  ©dreier  unb  fd^toarjem 
©tirnbanbe  tourbe  borgefdjrieben,  bie  Älaufur  eingeführt,  bamit  ber  SBefucf)  ber  ^ranfen 
unb  3lrmen  au§gefd;Ioffen.  ©ie  agfettfcfyen  Übungen  tourben  nid;t  berfcf)ärft,  ba§  fleine 
officium  Mariae  beibehalten.  SBig  jum  SLobe  be§  33tfcbof€  toaren  bereite  13  Käufer 
beö  Drben§  entftanben;  unter  ber  Oberleitung  ber  grau  b.Gr/antal,  bie  gu  biefem  ^toecfe 

35  in  berfdjuebenen  ©täbten  granfreid)§  bertoeilte  (namentlid;  1619—22  in  ^ßari§),  famen 
87  neue  §äufer  baju.  SDer  f)öd;fte ©tanb  be§ DrbenS  toar  ettoa  200  §äufer  im  I8.%afyx-- 
l;unbert.  sJJocl;  um  bie  9Jlitte  be»  19.  ^al;rf)unbcrt§  befaf?  ber  Drben  ettoa  100  5Rteber= 
laffungen  mit  ungefähr  3000  9)titgltebern  in  granfreicf;,  Italien,  ©cf;toeij,  Dfterreid),  ^ßolen, 
Serien,  ^orbamerifa.    §eute  gäfylt  ber  Drben   toieber  164  ülbfter  mit  ettoa  7000  5Rit= 

40  glieber.  %n  $Deutfcf;Ianb  befielen  folgenbe  sJJieberlaffungen :  ©ietram^eE,  Seuerberg,  QanQ- 
berg,  ^ielenb^ofen,  Dberrol;ning  (Sägern),  9Kofeltoeife  (9W;einbrobinä),  üebem  (aSeftfaten) 
unb  DJletj;  in  Dfterreid;:  3Bien,  ©leinf,  %fyurnfelb,  6l;otefd;au;  in  ber  ©d;toeij:  grei= 
bürg  unb  ©olotl;urn;  in  ©banien:  Barcelona.  2lnbere  Softer  befinben  fiel;  in  Italien, 
Portugal,  ©nglanb,  ©tyrien,  9iorbamerifa,  toeitauä  bie  meiften  aber  in  granfreicf;.    SDie 

45  .^aubtberbienfte  beä  DrbenS  liegen  auf  bem  ©ebiet  ber  6rjiel;ung  ber  toeiblicf)en  ^"9^^/ 
namentlict)  ber  gebilbeten  fatfyolifcfyen  Greife.  Wlit  mebreren  ^enfionaten  finb  £e^rerinnen= 
bilbungöanftalten  berbunben.  —  2Bäl;renb  ber  janfeniftifcf;en  ©treittgfeiten  tourben  bie 
Sifitanttnnen  in  ba§  berlaffene  Hlofter  Port-Royal  des  champs  anftatt  ber  barauö 
bertriebenen  ßiftercienfernonnen  eingeführt,  toobei  fie  fiel;  gegen  biefe  tfjre  SSorgängerinncn 

so  nicf;t  fef»r  Imman  benahmen  (f.  ^eutt^lin,  ©efd;.  bon  Port-Royal,  II.  Sb,  ©.203).  2ßob> 
tf;uenb  bagegen  berührt  bie  liebebolle  2lrt,  tote  bie  SSifitantinnen  bon  SEouloufe  ber 
jüngeren  %o<fytex  be3  unglücflicf)en  6ala§  entgegen  famen,  toeld;e  burd;  lettre  de  cachet 
bei  ifmen  untergebracht  toorben  toar,  um  fatfoltfcf;  breffiert  ju  toerben.  Sluf  ber©cf;toelle 
btefe§  ?ionnenfIofter§,  fann  man  fagen,   erlofcb  jener  blutbürftige  ganati<§mu§,   ber   bem 

55  Sater  bei  9Jiäbcf;en§  ben  Xoh  auf  bem  9tabe  bereitet  batte.  diejenige  Spönne,  toelcl;e  be= 
fonber§  mit  bem  Unterrichte  ber  jungen  6ala§  beauftragt  toar,  älnne  ^ulie  graiffe,  blieb 
auef;,  nad;bem  bie  junge  gala§  ba§  Älofter  berlaffen,  unb  obtoobl  biefe  niemals  Neigung 
pr2lnnaf;me  ber  fatr)olifct;en  ^Religion  gezeigt  f)atte,  mit  tlt)r  big  ju  if)rem  %obt  in  eifrigem 
Srieftoecf;fel.    5Die  gute  dornte  beutet   in  bielen  Briefen  an,   toie   fef;r   fie  toünfcije   unb 

60  bete,  bafe  bie  junge  ßala§  fatbolifcf;  unb  gar  9Jonne  toerbe,   aber   fie  fann  nicfjt  umf;in, 


Sßtfttonttnncn  Visitatio  liininuin  HS.  Apostoloruin  703 

bem  oortrefflicfyen  frommen  SRäbdjen  bte  gärtlid^fte  greunbfdjaft  p  bcroeifen.  'Sie  be= 
iwabrtc  ib,r  btefelbe  aucfy,  nacfybem  fie  ben  5J}rebiger  ber  fyoüänbifcfyen  ©efanbtfcfyaft  in 
$axx§  geheiratet  r)atte.  ©.  tf>re  Briefe  bei  2ttb,anafe  Soquerel:  „Jean  Calas  et  sa  fa- 
mille"  $art<o  1858,  im  2lnl)ang.  |>er5og  f  (@.  öadjcnmanit). 

Visitatio  liminum  SS.  Apostolorum.  —  Benedict  XIV  de  synodo  dioecesana  ■"> 
lib.  XIII,  cap.  6 sq.;  Sangen,  ®ie  römifdje  ®urie  ©.  177 ff.;  TOejer,  Sie  römifdje  Sturie  in 
ber  3eitidirift  für  SRedtjt  imb  ^olttif  ber  Strdje  «on  Sacobfon  unb  9tid}ter,  .§eft  2;  Slngeiu« 
Sucibi,  De  visitatione  liminum  1—3,  Eomael8782;  3Mj?er§  De  canonica  dioecesi  visitat. 
c.  appdice  de  visitatione  sacror.  liminum,  Coloniae  1893;  ©ägnuiller,  lieber  bte  visitatio 
liminum  6i§  93onifaj  XIII.  in  Tübinger  1t)Q,&  88,  69.  91.         '  io 

©er  Sefud)  ber  $trd)e  ber  r)etligert  2Itooftel,  nämlid)  be§  ^5etru§  unb  ^3aulu§  ju  3tom 
unb  bamit  $ugletd)  ber  romifd)en  ^urte,  fann  auf  ©runb  eines  ©elübbeg  ober  bermöge 
gefe£lid)er  33orfd)rift  erforberlid)  fein.  ®a§  erftere  gefd)ab,  im  Mittelalter  feb,r  fyäufig,  unb 
e§  ift  bielfad)  bie  Siebe  bon  peregrini  qui  propter  Deum  Romam  vadunt,  Romi- 
petae  Apostolorum  limina  visitantes  unb  anbere,  benen  befonberer  ©d)u£  geroäfyrt  15 
roirb  ($eugmffe  bei  ®u  Gange  in  ©loffar.  s.  v.  Romipeta  u.  a.),  inbem  utsbefonbere 
in  ber  Bulla  In  coena  domini  über  btejenigen  ber  33amt  au3gefbrod)en  rourbe,  qui  ad 
sedem  Apostolicam  venientes  vel  recedentes  ab  ea  .  .  .  capiunt  etc.  (Gregor.  XII. 
a.  1-111  bei  9tarmalb,  Annal.  ad  h.  a.  nr.  1).  33on  folgen  ©elübben  ju  btsbenfteren, 
ftanb  eigentlich  ben  23iftf)öfen  ju.  SSJUfjbräucfye  gaben  aber  ben  Rauften  2lnlaf$,  eine  33e=  -" 
fd}rän!ung  eintreten  ju  (äffen  (bgl.  $.  §.  Sommer,  Jus  eccl.  Protestantium  lib.  III, 
tit.  XXXIV,  §  XXVII),  unb  fo  tarn  e§  jur  (Einführung  einer  bäbftlidjen  ^Referöation 
für  bai  votum  peregrinationis  ultramarinae  (c.  9  X.  de  voto  et  voti  redem- 
tione.  III,  34.  Innocent.  III.)  unb  bemnäcfrjt  ber  visitatio  liminum  SS.  Aposto- 
lorum (bgl.  c.  5  Extrav.  comm.  de  poenitentiis  et  remissionibus.  V,  9.  Sixtus  IV  2:"> 
a.  1478).  £>te  2lnroenbbarfeit  be<§  fcätoftltd)en  9teferbat§  rourbe  aber  burd)  SDoftrin  unb 
$rarj€  an  befonbere  SSebingungen  gelnübft  (gerraris»,  Bibliotheca  canonica  s.  v.  votum 
Art.  III,  nr.  78  ff.,  nr.  112),  rt>eld)e  bar/in  geführt  ju  fyaben  fd)einen,  bafs  ben  23ifd)öfen 
btefe  2)i3ben3  gang  überlaffen  mürbe.  3n  ^m  Gutnquennalfafultäten  tft  bte  toäpfiltdje 
Sreferbatton  ntcfjt  mefyr  auSgefbrodjen.  3n 

Sonstiger  al§  bte  visitatio  liminum  ex  voto  ift  bte  ex  lege,  roelcf/e  bon  ber 
Äurte  jum  groecfe  ber  Itrdbltd^ert  33erroaltung  eingeführt  ift. 

®er  $abft  r)at  Vermöge  be<§  $rtmat<§  ber  ^urtöbiltton  aua)  baS  Stecht  unb  bte  Sßfltdjt 
ber  b,bd)ften  Itrd)Itd)en  2lufftd)t.  Um  btefe  orbnungSmäfjtg  ju  üben,  mufj  iB,m  jeberjeit 
bie  genauefte  S3efanntfd)aft  mit  ben  23err/ältmffen  ber  gefamten  Strebe  ju  ©ebote  flehen  36 
unb  bte  getftlid)en  Oberen  muffen  besfyalb  baib  in  ^ßerfon,  balb  bureb,  auöfür)rlicfee  9tela= 
tionen  bem  ^abfte  bte  tb,m  unentbehrliche  2tu3iunft  über  bie  Sage  ber  $ird)e  erteilen. 
®te  ©runbfä^e,  nad)  melden  bierbei  berfafyren  roirb,  b,aben  fidt)  erft  attmäfylid)  au§= 
gebilbet. 

@ine  römifcb.c  ©^nobe  Dorn  $al)re  743  traf  in  SSegug  auf  bte  bem  35ifd)ofe  bon  *» 
5Rom  al§  Metroboltten  untergebenen  93tfd)öfe  folgenbe  Sefttmmung:  „Juxta  sanetorum 
Patrum  et  canonum  instituta  omnes  episcopi,  qui  hujus  apostolicae  sedis 
ordinationi  subjacent,  qui  propinqui  sunt,  annue  circa  idus  maji  sanetorum 
prineipum  Apostolorum  Petri  et  Pauli  liminibus  praesententur,  omni  occa- 
sione  reposita.  Qui  vero  de  longinquo,  juxta  chirographum  suum  impleant.  45 
Qui  autem  hujus  constitutionibus  contemptor  extiterit,  praeterquam  si  aegri- 
tudine  fuerit  detentus,  sciat  se  canonicis  subjacere  sententiis"  (c.  4.  dist.  XCIII). 
©iefe  geftfe^ung  get)t  jroar  junäd^ft  auf  bie  ^f(ia)t  ber  58ifd)öfe,  ber  jäbrlicf^ert  ©bnobe 
beijutoor/nen,  enthält  aber  bod)  jugletd)  einen  r/erfömmlicf/en  3lft  ber  Obebienj  gegen  ben 
römifd)en  ©tub,I,  tnbem  bie  bemfelben  fubjijierten  Sifc^öfe  fieb,  ju  einem  öfteren  33efud)e  50 
berbflid)teten.  ©arauf  roeift  ber  liber  diurnus  cap.  III,  tit.  VII  b,in,  tnbem  e^  in  ber 
Cautio  episcopi  fjeiftt:  Promitto,  me  etiam  ad  natalem  Apostolorum,  si  nulla 
necessitas  impedierit,  annis  singulis  oecursurum.  (5Ran  feb^e  btefe  ©teile  mit 
älteren  geugntffen  im  liber  diurnus  opera  et  studio  Garnerii,  ^pariS  1680,  4°, 
p.  66,  ed.  Stottere  ©.  151  nr.  74,  ed.  ©id"el  ©.  76  nr.  74). 

©tefe  SSerbflictjtung  mürbe  feit  ©regor  VII.  allen  SRetrotooltten  auferlegt  unb  toon 
ib,nen  eibltd)  übernommen:  „Apostolorum  limina  singulis  annis  aut  per  me  aut 
per  certum  nuntium  meum  visitabo,  nisi  eorum  absolvar  licentia  (c.  4  X.  de 
jurejurando  II,  24.    Gregorius  VII.  a.  1079).     ©ie    ging    bann   balb    auf   anbere 


704  Visitatio  liiuinum  SS.  Apostolorum  SHtaliatt 

Prälaten,  tnSbefonbere  alle  SBtfd^öfe  über,  wobei  gugletd^  mit  9lücfftdE>t  auf  bie  Entfernung 
berfelben  bon  3tom  berfa)tebene  griften  beftimmt  rourben  (bgt.  ©iefeler,  Äircfyengefcbjcfyte, 
33b  II,  2lbt.  2  (4.  aufläge),  ©.  234).  ©ie  toötttge  Befreiung  bon  ber  $flicr/t,  Welche 
einzelne   SBifd^öfe   burcb,    befonbere   ^Privilegien    erlangt    Ratten,    rebojterte    aber    fdjon 

5  2lleranber  IV.  im  $afyre  1257  ©enauere  Seftimmungen  traf  ©ir.tu§  V.  am  20.  ©ejember 
1584  in  ber  33ulle:  Romanus  Pontifex  (Bullarium  Magn.  ed.  Luxemburg.  Tom.  II, 
fol.  551),  roonacb,  bie  Sifcfybfe  Italiens,  ber  benachbarten  ^nfeln,  ®almatien§  unb 
©rtecb,enlanb3  alle  brei  %afyxi,  £>eutfcf)Ianb<§,  granfreicb,3,  ©banieng,  ^3ortugaI<§,  ^Belgiens, 
SBöfymenS,  Ungarn^,  @nglanb§,  ©cb,ottlanb<§,  Urlaubs  alle  bier  ^o^re,  be3  übrigen  ©uroba, 

10  5Rorbafrifag  unb  ber  Qnfeln  bie§feit3  be§  amerifanifcfyen  §eftlanb§  aße  fünf  %at)xt,  aller 
übrigen  Sänber  aUe  gefm  3>ar/re  nad)  9tom  fommen  foltten,  um  über  ben  guftanb  ifyrer 
$ircb,en  ju  berieten.  Senebilt  XIV  beftätigte  biefe  2lnorbnung  in  ber  Äonftitution : 
Quod  saneta  com  23.  9tobember  1740  (Bullarium  cit.  Tom.  XVI,  fol.  11)  mit  bem 
$ufa|e,    bafj    nic^t  nur  bie  Patriarchen,    Primaten  unb  ©rjbifd^öfe,    Wie    bie  übrigen 

15  33ifd)öfe,  felbft  Wenn  fie  Äarbinale  feien,  fonbem  aud)  2tbte,  ^rioren,  ^ßröbfte  unb  aHe 
anberen,  meldte  fieb,  im  Sefüje  eine3  5Eerrttorium§  befinben  unb  eine  jurisdictio  quasi 
episcopalis  befugen,  al<§  Praelati  nullius  dioecesis  (bgl.  ben  2trt.  ©jemtion  Sb  V, 
©.  688)  gur  Dbebienj,  Sericr/terftattung,  unb  bafyer  autf)  visitatio  liminum  berbflict/tet 
feien.   ©afj  aueb,  blofje  Sitularbifcfyofe  baju  gehalten  feien,  Wirb  faft  allgemein  angenommen 

20  (f.  gerrartö  a.  a.  D.  s.  v.  limina  Apostolorum  nr.  7,  41 — 43),  bes>gleicl)en  ber  $oab= 
jutor,  faH3  mdjt  ber  $oabjutu§  ber  ^flicfyt  nadjfommt  @errari£  a.  a.  D.  9ir.  8,  44—45). 
Sie  allgemeine  Sßerbflicfytung  Wirb  bei  ber  @ibe§leiftung  feist  in  ber  $orm  übernommen, 
meldte  ba3  Pontificale  Romanum  enthält  unb  fo  lautet:  „Apostolorum  limina  sin- 
gulis  trienniis  personaliter  per  me  ipsum  visitabo,   ut  Domino  nostro  ac  suc- 

25  cessoribus  rationem  reddam  de  toto  meo  pastorali  officio,  ac  de  rebus  omnibus 
ad  meae  ecclesiae  statum,  ad  cleri  et  populi  diseiplinam,  animarum  denique, 
quae  meae  fidei  traditae  sunt,  salutem  quovis  modo  pertinentibus,  et  vicis- 
sim  mandata  äpostolica  humiliter  reeipiam  et  quam  diligentissime  exsequar. 
et  rel." 

30  ©ie  visitatio  liminum  foll  ju  ber  beftimmten  $eit  eigentlich  in  ^erfon  erfolgen; 
im  galle  ber  33ebinberung  barf  inbeffen  ein  ©tedbertreter  mit  ©bejialbollmacfyt  gefenbet 
werben,  ein  SOcttglieb  be<S  $abitel3  ober  ein  aud;  nid^t  jum  ^abitel  gehöriger  Prälat,  ober 
ein  fonft  geeigneter  $riefter  be§  ©brengeM 

©ie  visitatio  felbft  enthält  brei  Momente,  meiere  ba3  geugnig  u&er  *>erm  Erfüllung 

35  ausfbricfyt,  WelcfyeS  bon  ber  Congregatio  super  statu  ecclesiarum  au§gefteUt  Ibirb : 
„Nos  —  S.  R.  E.  Presbyter  Cardinalis  attestamur  Rev.  Episcopum 

Constitution!  fei.  Sixt.  V  —  cumulate  satisf ecisse :  nam  et  sacras  beatorum 
Petri  et  Pauli  basilicas  humiliter  et  devote  praesens  veneratus  est,  et  Sanc- 
tissimi  Dom.  N.  pedibus    provolutus  Sanctitati  Suae   et  Sacrae  Congregationi 

40  ore  scriptoque  retulit  de  statu  ecclesiae  suae"  Unter  ltmftctnben  muf  ftcb,  bieg 
aber  faftifcb,  änbern,  benn  unter  limina  Apostolorum  Wirb  bie  ^ircfye  berftanben,  in 
welcher  fiel)  ber  $abft  mit  ber  Äurie  aufhält,  fo  bajj  mit  ber  Verlegung  ber  Stefibenj  auch, 
bie  limina  Apostolorum  Wecfyfeln  (gerrartö  a.  a.  D.  sJJr.  29). 

Über  bte  relatio  de  statu  ecclesiae,  meldte  teil3  münblicb,,  teils  fcfyriftlicfe,  erfolgen 

45  foH,  giebt  e§  eine  befonbere  ^nftruftion,  meiere  Prosper  Lambertini,  ber  fbätere  $abfi 
Senebift  XIV.,  aufgearbeitet  b,at,  gebrueft  hinter  bem  ^weiten  33anbe  feineö  S3ullarium§, 
fowie  im  2lnf)ange  ju  feiner  ©cfyrift:  de  synodo  dioecesana,  aueb,  roieberb,oIt  hinter  ber 
Slu^gabe  beg  Conc.  Tridentin.  bon  Stifter  unb  ©cfyulte  (Lipsiae  1853). 

grüner  mußten  bte  S3erid)te  l)äufig  bie  visitatio   liminum   erfe|en.    3)ie  (Srletd^te= 

so  rung  ber  23er!el>r§tr>ege  unb  ber  Fortfall  ber  §tnberniffe,  welche  bon  feiten  be§  ©taat§ 
ben  Serleb.r  ber  Sifcfybfe  unb  be§  s^abfte§  erfdjmerten,  t>at  eine  33eränberung  herbeigeführt, 
fo  bafj  ber  berfönlicfie  SBefuct)  nunmebr  orbentltcfjertoeife  ftattftnbet. 

(§.  S-.  ^acobfon  f)  ®.  griebfierg. 

aSitaliatl,  ^abft,  657  —  672.  —  ^offe  I    ©.  235—237;    Lib.  pontif.  9tu§gabe  uon 
55  aJtommfett  I  @.  186;  S3eba,  Hist.  eccl.  gent.  Anglor.  IV  1,  @.  163.    ?tu§ga6e  oon   Wolter; 
2(gnettug,  Lib.  pontif.  eccl.  Ravenn.  c.  110 ff.,    MG  SS  RL  @.  349 ff.;    Sangen,    ©efef).  be? 
rbtn.  ®.  üon  Seo  I.  bi§  ^itoIauS  I.,  33onn  1885,  6.  539. 

3Sitalian,  Sßabft,  rourbe  nacb.  einer  ©ebt^balanj  bon  beinahe  jmei  ÜJJonaten  im  guli  657 
ber  gRacb.folger  beö  ^abfteS  (Sugeniug  I.    @r  ftammte  aul  ©egni  unb  mürbe  30.  ^uli  657 


Söttoltan  äSthiitfla  705 

fonfelriert.  „1>em  §erEommcn  gemäfe"  geigte  er  feine  ©tufylbefteigung  bem  ßaifer 
ÄonftanS  II.  an.  SDiefe  Sinnige  bebeutete  inbeS  mefyr  als  bie  33eobact/tung  einer  ber= 
fommlid)en  gorm.  SDenn  unter  ©ugen  I.  mar  infolge  ber  ^urüätoeifung  ber  ©rmobica 
beS  Patriarchen  betrug  bon  Äonftantinobel  (Vit.  Eug.  ©.  185)  bie  ®ird)engemetnfd)aft 
gmifdjen  9bm  unb  ^onftantinobel  tfyatfäd)lid)  abgebrochen  morben.  %n  *>«  älngetge  lag  6 
bie  SBieberanlnübfung  tro£  beS  ©egenfa§eS  in  ber  monotfyeletifcfyen  grage  (f.  ben  2lrt. 
«Oconotb,  eleten  35b  XIII  ©.  408, 20—26).  Äonftan«  nab,  m  fie  behalt  fer)r  mofytmollenb 
auf;  er  betätigte  bie  Ißribtlegien  ber  römifd)en  ^ira)e  unb  fanbte  bem  ^abfte  einen  !oft= 
baren  ©bangelienüober.  gum  ©efcb>nJ,  SBeniger  freunblid)  geigte  er  ftd)  bei  feinem  2Iuf= 
enthalte  in  9rom  i.  %  663 ;  man  marf  ib,  m  bor,  bafc  er  nia)t  memgeS  bon  ben  5Reftert  10 
ber  römifd^en  &unftfc|äi$e  geraubt  ijabe,  aud)  bie  $ird)en,  bie  er  anbäd)tig  befugte,  feien 
bon  feiner  blünbernben  §anb  nid)t  berfd)ont  geblieben.  ®ie  Dbert)ot)ett,  bie  ber  ^ßabft 
über  ben  33ifd^of  Naurus  bon  Stabenna  in  Slnfbrucfy  nafym,  bermod)te  33.  md)t  gur  ©eltung 
gu  bringen.  2öob,I  berief  er  ben  33ifd)of  nad)  9tom,  bod)  Naurus  folgte  ber  Sabung  nid)t. 
311S  er  ifyn  barauf  für  abgefegt  erflärte  unb  mit  bem  33anne  belegte,  fbrad)  aud)  Naurus  15 
ben  33ann  über  23italian  aus.  -DcauruS  ftarb  balb  banad).  ©eine  ©rabfd)rift  rüf>mt 
bon  ib/m:  qui  liberavit  ecclesiam  suam  de  iugo  Romanorum  servitutis.  2tm 
meiften  fd)eint  33italian  auf  ©nglanb  ©influfj  gehabt  gu  r)aben,  roo  ber  bon  ir)m  am 
26.  9Jcärg  668  gemeinte  @rgbifd)of  SfyeoboruS  bon  Ganterburfy  für  baS  Qntereffe  beS 
bäbftlicfyen  ©tub/IeS  t^ätig  mar  unb  eS  fid)  angelegen  fein  liefe,  ©Ieid)förmigfeit  mit  ber  20 
römifd)en  $ird)e  fyerguftellen.    33italian  ftarb  am  27.  Januar  672. 

9leubecfer  f    (^ttutf'. 

ÜSitrittga,  SambegiuS,  geft.  1722.  —  Quellen:  31.  SdjuItenS,  Laudatio  funebris 
uom  13.  Slpril  1722,  abgebrueft  oor  ber  33a§Ier  ?lu§gabe  be§  SefajafommentavS ;  bie  vita 
succinete  delineata  a  Theod.  de  Hase,  abgebrueft  üor  ber  Jenaer  ?lu§gabe  ber  Observatt.  25 
sacrae  (1723)  imb  in  ber  Biblioth.  ßremensis  t.  VI,  fasc.  4.  (gtnen  ?lu§jug  au§  @ii)ulten8 
unb  §afe  gtebt  9Jicöron  in  feinen  Mömoires  t.  XXXV,  p.  30  ff.  SSerfcfjiebene  SSeridjtigungen 
unb  92ad)träa,e  liefert  SSufctjing  in  feinem  „£eben§lauf"  83.S  in  ber  beutfeben  ^Bearbeitung  uon 
beffen  Sefajafommentar,  93b  I,  25 ff.,  unb  93b  II,  7  ff.  3.  ffiof,  21rt.  „SS."  in  vaterl.  Woorden- 
boek  t.  XXIX;  tieftet,  2>a§  313;  in  ber  djriftl.  ^iretje  (3ena  1869),  @.  436  ff.  30 

3)er  gefeierte  2luSleger  beS  2>efaia  mürbe  am  16.  Sflai  1659  gu  Seeumarben  in 
grteSlanb  geboren,  ©ein  SSater  ,£oratiuS  33.,  bamalS  ©e!retär  bei  bem  oberften  ©erid)ts= 
fjof  grie§Ianb§,  mirb  aU  ein  r)od)gebilbeter,  in  ber  ©rgieb^ung  feiner  ®inber  äufeerft  forg= 
fältiger  SJtann,  feine  2Rutter,  2llbertinc  ban  §aen  aus  Dftfrie^Ianb,  al§  eine  burd)  (Seift 
unb  ©emüt  au§gegeid)nete  ^rau  gerühmt.  Unter  bem  ^Reftorat  9xomberg§,  ber  üjm  einft  35 
al§  scholae  pars  optima  nostrae  begeid)nete,  mad)te  fid)  33itringa  gu  Seeumarben  fo 
eifrig  mit  ben  ^laffifern,  mie  mit  bem  ©runbte^t  bei  31  unb  5R^  bertraut,  ba^  er  be= 
reit§  1675  bie  Uniberfität  granefer  begießen  lonnte,  um  bafelbft  unter  2(rnolbi,  3Bitfiu§ 
unb  9)carcf  5Et)eoIogte,  fotbie  unter  Slnleitung  eines  3UDett  ^ü  sJtabbinen  gu  ftubieren; 
mit  meld)em  drfolg,  begeugt  ber  2lu3fbrud)  bon  9Bitfiu§:  eum  sibi  visum,  cui  fessus  40 
olim  lampada  tradere  posset.  9?ad)bem  er  gu  granefer  brei  $Differtationen  de  origine 
monachatus  mit  großem  33eifaK  berteibigt  t)atte,  fiebelte  er  1678  nad)  Seiben  über,  um 
griebrid)  ©banb^eim,  SSittid),  le  3Ro^ne  unb  £mlfiu<§  gu  b^ören,  bromobierte  1679  mit 
brei  Simulationen  de  argumento  psalmi  II  al§  ©o!tor  ber  Geologie  unb  ertoarb 
1680  bie  SBürbe  eine§  Candidatus  s.  ministerii.  9cod)  in  bemfelben  ^ab^re  mürbe  il)m  45 
ber  Seb^rftul)l  für  orientalifd)e  ©brad)en  gu  granefer  übertragen;  ber  feierliche  3Intritt  er= 
folgte  am  11.  Januar  1681  mit  einer  -Rebe  de  officio  probi  sacrarum  literarum 
interpretis.  33ereit<3  am  10.  9Jcai  1683  trat  er  fobann  mit  einer  Siebe  de  amore 
veritatis  aU  5Jad)folger  WlaxäZ  in  bie  tr;eologifd)e  gafultät  ein  (bie  33erufung  bagu 
batierte  fcb.on  bom  18.  ^uli  1682);  1693  übernahm  er  als  3tad)folger  bon  $erigoniu3  50 
gugleid;  ben  £er)rftut;l  für  tird)engefd)icb;te.  5cad;bem  1698  ein  äufeerft  vorteilhafter  SRuf 
nad;  Utred)t,  ben  33.  bereits  angenommen  blatte,  mieber  rüdgängig  gemorben  unb  infolge 
beffen  fein  ©er)alt  gu  graneter  auf  2000  t^oll.  ©ulben  erbost  morben  mar,  miberftanb  er 
fortan  au§  $Danlbar!eit  allen  meiteren  33erIoc!ungen  —  felbft  bann,  als  if)m  Utrecht  bei 
einer  bringenben  3Siebert;olung  beS  3RufS  1702  ben  1698  angebotenen  ©e^alt  im  33etrag  55 
bon  8000  ©ulben  nacl)gugal)len  berfbrad?.  ©eine  (Srfolge  als  Se^rer  laffen  ein  fo  auf= 
fälliges  3Inerbieten  mol?l  begreiflid)  erfdjeinen.  S)enn  nic^t  feiten  rootlte  eS  23.  an  9iaum 
für  bie  gro^e  $al)l  feiner  §örer  auS  §ollanb,  granlreid),  ©cfyottlanb,  ®eutfd)lanb,  Ungarn 
unb  ^3olen  gebred)en.     2Iud)  als  er  meb^r  unb  mef>r   bon  ©d)merr)örigfeit  geblagt  mürbe, 

SReal*<Snct)Hot>äbte  für  I^eologte  unb  »Irdie.    3.  Sl.  XX.  45 


706  aSttrtttga 

pflegte  er  bod;  ben  berfbnlidjen  93erfebr  mit  feinen  gufyörern  noct;  buret;  bie  äkfbredmng 
fdjriftlid;  eingereichter  anfragen  unb  Stuffä^e.  üJcact)  längerem  ©iecfytum  erlag  fein  bon 
9<caiur  jarter  unb  burd)  raftlofeS  ©tubieren  frübjeitig  gefcr/toädjter  Körper  (ba<§  93ilbm§ 
bor  93üfdnng€  2lu§gabe  be§  ^efajafommentarg  geigt  ein  feinet,  blaffe<§  2tntlt|  mit  ernftem 
5  finnenbem  2luge;  man  fiet)t  ii)m  an,  baß  l)ier  ein  fwl>er  ©eift  mächtig  über  ein  gebredj= 
lic^eS  irbtfcfjeg  ©efäß  gebot)  am  31.  SRärg  1722  einem  ©djlagfluß.  ©einem  berfönlidjen 
6I)araf'ter,  feiner  ®emut  unb  aufrichtigen  grömmigfeit  wirb  bon  ben  gettgenoffen  iaä 
Ijöcfyfte  2ob  gefbenbet;  benfelben  Embrud  gewinnt  man  au§  ben  jafylreidjen,  ausführlichen 
93orreben  feiner  Sucher.    93on  bem  regelmäßigen  93efucf)  be3  öffentlichen  ©otte3bienfte§ 

io  liefe  er  fief;  au<$)  burd)  feine  fcfyließlidje  3:aubr;ett  ntct)t  abgalten.  93ermär)It  War  93.  feit 
1G81  mit  Sßtlfyelmine  ban  §eü,  einer  ^octjter  be3  §arlemer  ^rebtgerS  ©imon  ban  §ell, 
au§  welcher  Ef)e  bier  ©öbne  (f.  unten  am  ©djluß)  unb  eine  SEocfyter  r/erborgmgen. 

©ine  geredete  2Sürbigung  feiner  Wiffenfd;aftlid;en  93erbienfte  fyat  bor  allem  ju  be= 
benfen,  baß  9?.  ein  nieberlänbifcfyer  Geologe   am  StuSgange  be<§   17.  ^abrb^unbert§   ge= 

15  Wefen  ift.  3tl§  foldjer  War  er  ein  treuer  ©or)n  feiner  Äircfye,  bem  reformierten  Sefyrbegriff 
(inlbefonbere  aud;  ber  Seljre  bon  ber  unbebingten  ^ßräbeftination)  aufrichtig  ergeben  unb, 
Wo  e§  fein  mußte,  aud;  ju  fd)arfer  93erteibigung  beäfelbert  bereit.  ®ar)er  ftebt  auet;  feine 
©efamtanfcfyauung  bon  ber  fy.  ©djrtft  unb  ber  ^nfbiraiion  berfelben  auf  bem  33oben  ber 
nactjreformatorifdjen  0rtl)oborje.   SDod;  nimmt  er  gegenüber  ber  tejtfrittfdjen  Überlieferung 

20  eine  etWa§  freiere  ©teHung  ein  unb  Will  nur  benen  eine  Einmifdmng  in  ben  tfyeologifdjen 
©treit  geftatten,  bie  fict;  burd)  grünbItct)eS  ©tubium  baju  befähigt  I)aben  (bgl.  bie  fct)öne 
3tu§fül)rung  bei  ©a|es>,  baß  ©laubenSftreitigfeiten  bielfadE)  auf  UnWiffenfyeit  jurüdger/en, 
in  ber  Praefatio  ju  ben  Observv.  sacrae  p.  4.  SDabei  Will  aber  93.  nur  bie  ©eler)r= 
famleit  gelten  laffen,  bie  mit  2Bei§I)eit,    ©ottfeligleit  unb  Sefdjeibenkit   berbunben   fei). 

25  SDie  93ebeutung  feiner  E^egefe  liegt  bor  allem  in  ber  ©orgfalt  unb  ©rünblicfyfeit,  mit 
Weldjer  er  S£ertfritif,  ©rammatif,  Serjfon,  ej;egetifcr)e  Überlieferung,  übertäubt  ben  ge= 
famten  er.egetifd>en  Slbbarat  in  ftaunen3Wertem  Umfang  auf  bie  Ermittelung  bei  sensus 
genuinus,  be§  geitgefcfyicfytlidjen  SlnlaffeS  unb  §intergrunbe§  bertoenbet.  3»n  bxtftx  &n- 
fidEjt  gäJ)It  93.  bereite  ju  ben  mobernen  Er.egeten,   unb  biefe§  Urteil  wirb  aucr)  buret)  bie 

3o  bekannten  $utaten  ju  feiner  Auslegung,  in  benen  er  bie  Erfüllung  ber  ^J3robfyetenfbrüd)e 
gelegentlich  bi<8  in§  17.  3;afyrlmnberi  berfolgt,  nid)t  aufgehoben.  Übrigeng  ift  fcfyon  bon 
©ieftel  (©efd>ict)te  be§  2I£3  in  ber  cfyriftl.  Strebe  ©.  437)  mit  3ied>t  bemerlt  Worben,  baß 
ba3  oft  nacfygefyrocfyene  Urteil  bon  ©efeniug  (^ef.  I,  133),  93.  fei  ber  Soccejamfd)en  $nter= 
bretationSmetr/obe  jugetfyan,  einer  Wefentlidjen  SJZobifijierung   bebarf.    ®aß  93.  niebt  un= 

35  mittelbarer  ©dmler  be§  6occeju<§  mar,  ergiebt  fid)  fd;on  barau§,  baß  er  bei  6occeju§'  SEobe  erft 
geb^n  ^ab,re  alt  war.  2Iber  and)  aU  mittelbarer  ©djmler  unb  93eref>rer  beö  StReifterS  War 
er  bod)  feine§toeg€  ein  blinber  9cacfybeter  berfelben,  bielmeb^r  läßt  er  aud;  ©rotius  fein 
3^ed)t  toiberfafyren.  @r  beribirft  e§,  baß  ßoccejuS  manche  SBeiöfagungen  ganj  bon  bem 
jeitgefdMcfytlicfyen  3ufammen^an9  toSlöft  unb  olme  Weitere  93ermittelung  auf  6b,riftu€  unb 

40  auf  nod;  fbätere  Qe'xten  begießt.  ®ie  fbäteren  Erfüllungen  ber  SöeiSfagung,  bie  ber  erften 
borläufigen  folgen  (in  biefer  Slnnaljme  ift  93.  ganj  Soccejaner),  finb  beffer  in  ben  näd)ften 
^ab^rb^unberten,  al€  im  9Jcittelalter  unb  ber  SReugeit  ju  fud;en.  ©o  räumt  er  tfaav  Eoccejul 
ein,  baß  manche  ^üge  in  ^ef  33,  lff.  auf  gerbinanb  II.  (ober  noeb,  beffer  ^b^ilibb  II.), 
foWie  auf  ©uftab  Slbolbl)  baffen,  bleibt  aber  bod)  fd;ließlid;  bei  ber  Begebung  be§  „93er= 

45  wüfterl"  auf  2lntiocIj)u§  Gbibb^aneS  fteben.  —  9lHe  Weiteren  S3emer!ungen  fnübfen  Wir  an 
an  eine  Überfielt  über 

®ie  ©Triften  93.1  1.  Ejegetifdie  SSerle.  a)  ^um  WX.  SDag  gefeiertfte  £aubt= 
Werf  93.§,  ber  Commentarius  in  librum  prophetiarum  Jesajae,  erfdnen  juerft  in 
gtoei  Folianten  Leovardiae  1714.  1720;  nad;gebrudt  ^u  §erborn  1715—1722,  unb  gu 

5)  Safel  1732.  —  Eine  bon  ^faff  um  1732  in  Tübingen  borbereitete  2tu3gabe  lam  niebt  jur 
2tu<3füb>ung,  bagegen  erfebten  „Sombegii  93.  2lu§legung  ber  9Bei§fagung  ^efata"  2luS  bem 
Sateinifdjen  pfammengejogen,  überfe^t  unb  mit  2tnmerfrmgen  begleitet  bon  31.  %.  93üfd;ing. 
9}cit  einer  93orrebe  bon  %  2.  bon  3Ro§b;eim,  §alte  1749.  1751  in  jWei  93änben  4°  (m'it 
9Seglaffung  be§  „gar  ju  Weitläuftigen  unb  Wortreichen  in  ben  Slbb^anblungen  ber  einzelnen 

55  ©tüde;  ber  bäufigen  SBieberb^oIungen  berfelben  ©act)e;  ber  beiläufigen  Erllärungen  anberer 
©d)riftftellen"  u.  f.  W.,  unb  bor  allem  ber  mt)ftifa)en  2tu§Iegungen  ber  2Beigfagung). 
Slucb;  ^.  ©.  2eig$§  „Eommentariu€  über  ben  ^robb^eten  ^efaiam"  (33raunfd)Weig  1726 
bi§  1734,  6  93änbe  4°)  ift  nad)  SSüfcbing  in  ber  §aubtfad;e  eine  Überfe^ung  au§  93., 
mit  Weüfcb>eifigen,  b^omiletifd;=moralifd)en  ^utb^aten.'  ^Dagegen  b^at  ^of).  ^afob  3tambacb, 

eo  in  feiner  „Erllärung  beö  ^robb;eten  Efajä"   (£>erau§geg.   bon  E.  ^.  Neubauer,  güllidmu 


»ttritifla  707 

1741)  nur  „bert  $em  auS  bem  äBerüc  beS  (Samp.  33.  .  gang  furj  fferauSgejogen" 
^n  jiemlicfyem  Umfang  ift  33.  and)  in  ben  ©polten  StofenmüllerS  gum  ^efaja  ber= 
teertet.  33gl.  über  ben  ^efaiafommentar  baS  Urteil  t>on  ©elitjfd;  [@omm.  gu  ^efaja4, 
p.  31]:  ,,©ie  ©cfyattenfeiten  beS  Kommentars  pflegen  für  ben  Sefer  in  ben  93orber= 
grunb  ju  treten,  aber  je  länger  man  il)n  benu|t,  befto  I)öf)er  lernt  man  ifm  fcb,ä|en.  b 
UeberaÜ  tiefe  gorftfmng,  nirgenbS  ber  SujuS  einer  toten  ©eleb,rfamreit.  ©es  93erfafferS 
§erj  tft  babei.  guWeilen  ru^  er  auf  ^em  müfyeboften  gorfdmngSWege  aus  unb  mad)t 
ftd?  Suft  in  Wonnigem  33el)agen"  Wad)  ber  33ollenbung  beS  Qefajafommentarä  plante  33. 
einen  großen  Kommentar  gum  ©adjarja ;  ber  SInfang  beSfelben  liegt  bor  in  C.  Vitringae 
commentarii  ad  librum  prophetiarum  Zachariae  quae  supersunt  ed.  §erm.  io 
33enema,  Leov.  1734  8°  (enthält  bie  ^rolegomena  unb  ben  Äommentar  bis  IV,  6). 
©leicbJaUS  auS  bem  ÜJcacfylaß  33.§  ftammt  Commentarius  ad  cantioum  Mosis 
Deut.  XXXII  ed.  §.  33enema  (mit  SInmertungen  beSfelben),  Harl.  1734.  —  b)  £um 
$1%:  'Avdxgioig  Apoealypsios  Joannis  apostoli,  Franeq.  1705.  4°,  Amstel.  1719. 
Leov.  1721 ;  nacfygebrucft  Leucopetrae  1721.  4"  §ür  bie  Deutung  ber  SöeiSfagung  auf  15 
bie  berfcfyiebenen  ^3t)afen  ber  Jlirdjengefcfyicfyte  bot  bie  älpofaltypfe  natürlid)  nocfy  mefyr  ©toff 
bar  al§  ^jefaja ;  inSbefonbere  ift  33.  bemübt,  bie  bon  33offuet  auf  bie  proteftantifcfyen 
Äircfyen  belogenen  ©teilen  bielmel)r  auf  bie  fatfyolifcfye  anguWenben.  —  ®te  „fdjriftmäßige 
©rflärung  ber  ©bangelifcfyen  ^Jkrabolen"  beruht  auf  lateinifcfyen  Straten  33.S  für  feine 
gufyörer,  mürbe  juerft  (unter  teilWeifer  SRitWirrung  33.S ;  in  bem  barauf  bezüglichen  20 
53rief  bom  13.  ©ept.  1712  an  b'Dutrein  ertlärt33.:  ,,'xd}  fyabt  unb  behalte  allezeit  große 
%nxd)t,  öffentlich  an  baS  Sicfyt  %u  treten,  unb  Wenn  icb,  33ücf)er  ausgebe  unb  cttoaS  bon 
bem  meinen  I)erauSfommt,  bin  icb,  oftmals  fo  berlegen,  baß  icb,  mit  mir  felbft  ju  tfyun 
fyabt")  fyoßänbifd;  herausgegeben  (verklaeringe  van  de  evangelische  parabolen  etc., 
Arast.  1715,  4°)  bon  Igot).  b'Dutrein;  enblid;  and)  E)oc^beutfc^,  granffurt  unb  Seibjig  20 
1717,  4°.  Slucb,  in  biefen  SluSlegungen  berleugnet  fiel)  ber  tppologifcfye  Gsifer  nidit;  bie 
Hauptfiguren  ber  Parabeln  Werben  immer  gugleid)  gefcfyicfytlid)  gebeutet,  3.  33.  ber  un= 
gerechte  §auSl)aIter  bon  ben  Oberen  ber  ^u^k,  ber  §err  beSfelben  gleichfalls  bon  ben 
$uben  (unb  gWar  and)  bon  benen  ber  nad)cb/riftlicb/en  3eit);  ntcftt  minber  wirb  bei  bem 
$barifäer  unb  Zöllner  bie  fernere  2Babrl)eit  biefer  ^arabel  an  ^erfonen  ber  Äird>en=  30 
gef4)id^te  erWiefen.  3luS  lateinifcfjen  SDtftatett  33.S  flammen  and)  bie  fyoUänbtfcb,  ebierten 
(Mlärungen  beS  ©alater=  unb  SLituSbriefS  (Fran.  1728,  4°),  foWie  ju  Kap.  1—8  beS 
3iömcrbriefS  (Fran.  1729,  4°).  —  -Keift  eregetifdjen  Spalts  finb  enblicb,  audb,  Obser- 
vationum  sacrarum  libri  VI,  einzeln  erfebtenen  Fran.  1683—1708,  8°  (L.  I.  and)  1689 
unb  1700),  bann  gnfammen  1711,  12.  19;  ed.  novissima,  Jenae  1723,  4°.  SDieje  35 
Observationes  finb  großenteils  auS  öffentlichen  ^Disputationen  erWad)fen. 

2.  $ux  biblifdjen  ©efdjidjte  unb  2lrd)äologie:   Archisynagogus   observationibus 
novis  illustratus,  Fran.  1685,  4°.     93.  berfucfyt  l)ier  bie  Slmter  in  ber   älteften  cb,rift= 
Iia)en  $ird)e  famt  ib^ren  tarnen  auf  ftmagogale  93orbilber  unb  gtoar  auf  bie  fog.  decem 
viri  otiosi  äurüd^ufüfyren.    Sern   gegenüber   geigte  S^enferb    (Fran.  1686  unb  1687),  40 
baß  bie  decem  viri  otiosi  bielmeljr  folcb,e  feien,  bie  fiel)  jur  Verfügung  ftellten,  um  bie 
ju  einem  ©otteSbienft  erforberlic^e  gajl  bon  Teilnehmern  bolff  ju  machen.   33.  antmortete 
mit  ber  ©cb,rift   de  decem  viris  otiosis  (Fran.  1687),    Worauf    9^enferb    nochmals 
(1688  unb  1701)  replizierte.    ®ie  ©cb.mäcfjen  beS  Archisynagogus,    an   Welchem  aueb, 
©djultenS  in  ber  2eicb,enrebe  eine  gemiffe  Unreife eit  anerlennt,  b,at  33.  nochmals  burrf;  baS  45 
Weit  gelegenere  Söerl  de  synagoga  vetere  (f.  u.)   bergeffen  gemalt.  —  ©inen  anber= 
tbeitigen  ©treit  beranlaßte  baS  2öerf  „Anleidinge  tot  het  rechte  Verstand  van  den 
Tempel,    die   de  Prophet  Ezechiel  gezien  en    beschreeven    heeft    (Fran.  1687, 
2  33be  8°).    33.  behauptet  in  bemfelben,    baß  fieb,  ber  ^ßlan  ©gedjtelS  genau  bem  ©alo- 
monifd)en  33orbilb  angefcb,loffen  unb   in   bem  Tempel  beS  ©erubabel  unb  £>erobcS  feine  50 
genaue  2tuSfüb,rung  gefunben  i)abt.    dagegen   erbob  fieb,  (Amstel.  1692)  Qob,.  ^einrieb 
EoccejuS  (ber  ©ofyn),  Weil  33.  bielfacb,  bon  ben  3Xnfid;ten  feines  33aterS  abgewichen  War. 
33.  antwortete  mit  ber  ©cfyrift:  't  rechte  Verstand  van   den   Tempel   Ezech.  ver- 
deedigt  en  bevestigt,  Harl.  1693,  8°,   —  De  synagoga  vetere  libri  tres,  quibus 
tum  de  nominibus  struetura  origine  praefectis  ministris  et  sacris  synagogarum  65 
agitur,    tum    praeeipue   formam    regiminis   et    ministerii   earum    in  ecclesiam 
christianam  translatam  esse  demonstratur  (Fran.  1694,  4";  ed.  alt.  emendatior, 
Leucopetrae  1726,    8°),    näcbjt    bem  ^efajatommentar   baS   gebiegenfte  2Berf  33.S.  — 
Hypotyposis    historiae   et    chronologiae   sacrae,     Leovard.    1698,    8°   (bis    auf 
Gbrtftt    ©eburt),    bann    Fran.  1708    (a  M.  C.  usque   ad    finem    Saec.  L  Ae.  V  ;  60 

4  5 ''' 


708  aSttrtngo  Sölfcttofcl 

Leov.  1716,  1722,  aud)  Jen.  1722  unb  Kopenh.  1774.  —  Geographia  sacra, 
Jen.  1723,  als  ^Beigabe  gur  legten  SCuSgabe  ber  Observatt.  sacrae,  aber  aus  einer 
fehlerhaften  $anbfcf;rift  unb  bon  unberufener  £>anb  ($Dn.  ©f.  SSerner)  herausgegeben. 
3.  $ur  biblifdjen  S£b,eologie,  ©ogmatü  unb  ^ßolemil:  Doctrina  christianae  reli- 
;>  gionis  per  aphorismos  summatim  descripta,  Fran.  1690,  1693,  ed.  quarta: 
1702,  8°,  1714,  ed.  6,  Pars  I.  II,  Arnh.  1761,  P.  III— VIII,  Lugd.  Bat.  1764 
bt§  1789;  aucb,  ^oEänbifd)  burcfe,  ^of/.  Softer,  ®elft  1696,  1708,  1717.  ©ett  1702 
ift  betgegeben :  vtiotvjkook;  theologiae  elencticae  graviores  exhibens  controversias, 
quae  super  christianae  relig.  doctrina  ecclesiae  reformatae  cum  diversis  ejus- 

io  dem  sectis  intercedunt.  —  Geloove  der  Kercke  angaande  de  geboorte  des 
Sons  ende  de  tydelicke  Dood  der  Geloovige,  Fran.  1695,  ©treitfdmft  gegen  ^oeß, 
melier  1689  in  einer  SDiSbutation  ju  granefer  eine  2ttt  Slritr/eiSmuS  gelehrt  batte  unb 
bafür  bon  93.  angegriffen  toorben  war.  2llS  ^toeimal  Singriff  unb  2lntroort  getoedjfelt 
r)atte,  würbe  5RoeE  bon  ber  2lfabemie  ©tillfdjWeigen  auferlegt.    ©ennod;  berfocfyt  er  feine 

iü  SDJeinung  1691  nochmals  gegen  §ugbeniuS,  Worauf  SS.  obige  ©ctmft  beröffentlidjte.  — 
Typus  doctrinae  propheticae,  in  quo  de  prophetis  et  prophetiis  agitur  hujus- 
que  scientiae  praecepta  traduntur  (feit  1708  93eigabe  ber  hypotyp.  histor.  et 
chron.  sacrae).  9Bie  SoccejuS  nimmt  aud)  33.  im  Slnfdjlufe  an  bie  fieben  abofalr/b= 
tifc^en  ©enbfdjreiben  fieben  ^erioben  im  91  33unbe  an,  beftimmt  biefelben  jebod)  anberS, 

2o  als  SoccejuS.  —  Sluf  einem  $oßegienr/eft  beruht:  Typus  theologiae  practicae  sive 
de  vita  spirituali  ejusque  affectionibus  (eine  SlnWeifung  jur  redeten  Sfadjfolge 
Sfjrifti),  Fran.  1716,  Bremae  1717,  8°  (auä)  bollänbifcb,  burcb,  b'Dutrein,  2lmfterbam 
1717;  beutfcf)  „gürbilb  ber  Wahren  ©ottfeligfeit"  u.  f.  W.,  Bremen  1717;  franjöfifcb, 
burcb  SR.  be  SimierS,  Stmfterbam  1721;  ungarifcr)  burd)  33afarr)ellr/,  granffurt  a.  D.).  — 

25  2luS  bem  üftacfylafs  93 .S  erf cfetert :  „93etracf;tungen  über  bie  SBunberWerfe  &\u  Sb/rifti" 
(fyollänbifd)  mit  93orrebe  bon  §.  Sßenema,  gran.  1725,  beutfcf)  granffurt  a.  3JZ.  1727). 
93.  Weift  fner  in  ber  $ird)engefd)id)te  bie  Srfüllung  ber  in  ben  SSunbern  Sbrifti  bor= 
liegenben  SEtyben  unb  SöeiSfagungen  nad).  3lngefd}loffen  finb  Srllärungen  bon  2  ©a  23, 
1—7;  «Pf  8.  45.68. 

so  4.  3ur  braft.  Sbeologie:  Oratio  de  synodis  earumque  utilitate  necessitate 
et  auctoritate,  Fran.  1706  (bei  ©elegenl)eit  einer  ©rmobe  in  graneler  gehalten).  — 
Animadversiones  ad  methodum  homiliarum  ecclesiasticarum  rite  instituendarum 
(urftor.  $ollegienr)eft),  Leov.  1721,  8°,  1750,  Jenae  1722.  —  Oratio  funebris  reci- 
tata  in  exsequiis  Ulrici  Huber  (5iob.  1694).     Fran.  1700. 

:■!•")  93on  ben  bier  ©öljmen  3S.g  ftarb  ber  ältefte,  ©imon,  an  ben  folgen  eines  auS= 
fcfjroetfenbert  SebenS,  ber  zweite  im  jjarteften  ^inbeSalter;  ber  britte  ©otm,  £>oratiuS, 
galt  als  ein  9Bunber  frühreifer  ©elefn-famfeit,  ftarb  aber  sunt  größten  ©cr/inerje  feinet 
93aterS  faum  19jäi)rig  (8.  Dltober  1704).  ©eine  „animadversiones  ad  Job..  Vor- 
stium  de   hebraismis  N.  Ti."    ebierte    £.  93oS    in    ben    observatt.    miscellaneae, 

«  Fran.  1707,  1731  (aufy  Lips.  1778  burd)  g.  %.  gifcfyer).  £)er  bierte  ©olm,  Sam= 
begtuS,  geb.  23.  3D^ärg  1693  ju  granefer,  Würbe  bereits  1708  ©tubent  bafelbft,  1715 
Dr.  theol.  unb  aufjerorbentl.  ^rofeffor,  1716,  nadjbem  er  einen  3luf  nad?  gerbft  auS= 
gefcfjlagen,  orbentl.  s$rofeffor  ber  Xbeologic,  erlag  aber  bereits  am  11.  Januar  172:; 
einer  Sungenentjüitbung.    ©eine  Epitome   theologiae   naturalis,    fotoie  feine  disser- 

45  tationes  sacrae  würben  nadnnalS  (Fran.  1731,  8°)  bon  .«perm.  93enema  b)erauSgegeben. 

Sauljfd). 

SBölfertafel.  —  Sittevatur:  9I6gefet)en  Hon  ber  erften,  etmaS  getürmten  28teberb>tung 
ber  SSölfertafei  in  1  (£{>r  1,  4—23  finben  fid)  bie  älteften  Deutungen  im  äiudie  ber  Subiläen 
8  f.  unb  bei  3ofeüt)u§  Antiq.  I,  6.     9tu&er  ben  Kommentaren  jur  ©enefi§  besiefien  fid)  bireft 

50  auf  bie  SSöifertafel:  Sßoajart,  Phaleg  et  ChanaaD,  1646;  3.  S)an.  3JJid)aettä,  Spicilegium  Geo- 
graphiae  Hebr.  exterae  1769,  1780;  3.  ©djulttje^,  ®a§  ^äarabteS  1816;  (£.  g.  S.  Dtofen; 
müüer,  §anb6ud)  ber  bt6lifd)en  3Uterttjum§funbe  I,  1  u.  2,  1823  ff. ;  31.  Knobel.  ®ie  SSöIter= 
tafel  ber  ©eitefiS  1850;  de  Goeje  in  Theol.  Tijdschr.  IV,  1870,  233  ff.;  ©.Kiepert  in  Monats- 
6end)te  ber  3391.  gebr.  1859;  %  be  Sagarbe,  ©efammelte  Stb^anbl.  1866,  254  ff.;  3.  £>aleut), 

55  Kecherches  Bibliques  VIII  in  Rev.  des  Etudes  Juives  XIII,  1886,  147  ff. ;  ®.  ©fafer, 
©tiiäe  ber  ©efd)tct)te  unb  ©eogr.  9lrabien§  II,  323  ff.  387  ff.  —  Slufeerbem  »gl.  gr.  Seltfefd), 
2Bo  lag  baö  «|5arabie§?  1881;  ®b.  SKeöer,  ©efd)id)te  be§  9Utert^um§  I,  1884;  3B.  sjjfar. 
SRiiüer,  Stfien  unb  (Suropa  nacfi  attägtjpttfctjen  ®enfm81ern  1893;  gr.  £ommeI,  SDie  aitt§rae= 
iitifdie  Ueberlieferung  in  infdfrifttidjer  53eleud)tung  1897  ;   ©.  SBindter,   9tltorientalifdie  gor= 

00  fd)ungen  Iff.,    1893 ff.;   berf.,    ®ie  üBölfer  SäorberafienS  1902;    KeiHnfd)riften  unb  ba§  912:' 
1902;  ?I(fr.  geremiaS,  ®a§  912:  im  Std)te  be§  alten  Orients2,  1906. 


aSölfertafel  709 

Xte  fog.  35blfertafel  ©en  10  ift,  tote  &  SM&aufen  in  feinen  Unterredungen  über 
bie  Äombofttion  be§  £>erateucb,  1877  fixerer  aU  anbere  bor  ifym  gezeigt  fyat,  au$  jtoet 
begebenen  Seftanbteilcn  gufammengefe|t,  bie  auf  bie  jab>iftifd)e  Quellfdjrift  unb  auf 
ben  «PrtefterSobe^  surüdgefyen.  ®a  fid)  bie  ©ä|e  be§  teueren  am  teicfyteften  fyerau§l?eben 
taffen,  fo  mögen  fie  borWeg  genannt  fein;  fie  entfbrecfyen  ftcb.  genau.  £)er  Eingang  lautet  5 
35.  la:  ,,©ie§  ift  ber  Stammbaum  ber  ©bljme  !>ftoat>3,  ©em,  §am  unb  ^abfyet"  (bgl. 
5,  1;  6,  9;  11,  10.  27;  25,  12.  19).  £)a§  ©d;ema  ber  Sarftellung  lautet:  ®te  Söfme 
oabfyet3  finb  .,  bie  ©ötyne  §am§  finb  .,  bie  ©öfyne  ©em§  finb  35.  2,  6.  22 ; 
ebenfo  für  bie  Unterabteilungen:  ®ie  ©ötme  ©omerS  finb  35.  3  (bgl.  35.  4.  7  23). 
2lm  ©cfylufj  eines  jeben  ber  brei  §aubtteile  fteb,  t  ber  ©a| :  „SieS  finb  bie  ©öfyne  .  'S  10 
nacb,  ifyren  ©tämmen,  nacb,  ifyren  ©brauen,  bjnftdjtlid?  iljrer  £änber,  ^infi^tli^t  ifjrer 
35ölferfd)aften"  35.  20  unb  31  (ber  berberbte  35.  5  ift  banacb.  leicht  mieberberjufteaen). 
£er  2lbfcfyluf5  be§  ©anjen  lautet  35.  32 :  ,,©ie§  finb  bie  ©tämme  ber  ©ölme  9ioabS  nafy 
ifyren  ©ibbfcfyaften,  t^ren  35ölfern,  unb  bon  tbnen  baben  ftcb,  bie  3?ölfer  auf  ber  Erbe  nad; 
berührt  abgeneigt"  SDemnacb,  gehören  jum ^riefterlobej:  bie35erfe  la.  2—7.  20.  22.  23. 15 
31.  32.  ©eine  SDarfteßung  ift  bon  bem  9tebaftor  bem  ganzen  Äabitel  ju  ©runbe  gelegt, 
er  b,at  bie  jafytoiftifdjen  ©rüde  in  tljren  Stammen  eingerannt.  3Rit  Sabblet,  bem  jüngften 
©ofyne  3looüß,  Wirb  begonnen,  mit  ©em,  bem  älteften,  Wirb  gefdjloffen,  Weil  bie  weitere 
(Srsäfylung  11,  10  ff.  über  ib,n  ju  Jlbrafyam  führen  foß. 

35on  ben  übrigen  35erfen  fügen  ftdj  einige  nid;t  in  ben  gufammenfyang  unb  geben  20 
fid)  baburd)  al§  frembe§  ©ut  ju  ernennen.  35.  9  jerretfjt  ben  gaben  gtütfd^en  35.  8  unb  10, 
ift  alfo  nachträglich  hinzugefügt,  um  5Rimrob§  Silb  boßer  ju  jetdjnen.  35.  21  fafet  ben 
■Warnen  @ber  enger  afö  35.  21  unb  25 ff.:  bort  ift  er  ber  Urenfel ©emS,  b,ier  beffen©ob,n. 
Da  nun  biefe  ©enealogie  bureb,  ben  ^Srieftertober.  in  11,  10—14  bertreten  wirb,  fo  gilt 
35.  24  afö  ein  auSgleidjenber  3ufa^  bt§  3ftebaftor§.  3Ba3  übrig  bleibt,  gehört  im  aHge=  2: 
meinen  ber  jat)totftifd;en  ©cbjcfyt  an.  ^eboeb,  Werben  Wir  einigen  Erweiterungen  begegnen, 
prüfen  Wir  nun 

1.  bie  jab,  Wiftifcb,  en  Angaben.  SDer  Stebaftor  giebt  erft  unter  §am  35.  6 — 20 
bem  ^jattWiften  ba§  SBort :  „unb  Äufcb,  erzeugte  ben  9iimrob"  (35.  8).  ©eine  Darftellung 
Weidet  in  ber  g-orm  bon  ber  be§  •ßriefierfober.  ab,  infofern  bie  einzelnen  ©röfjen  nid)t  30 
burd;  ba§  3öort  „©ofyn"  berbunben  Werben,  ba§  im  §ebräifd;en  einen  febj  allgemeinen, 
biel  Weiteren  ©inn  b,at  al<§  im  ©eutfcfyen  (bgl.  ©.  713, 2),  fonbern  bureb,  ben  beftimmteren 
2lu§brud  "15?,  „er  (ber  35ater)  jeugte"  ober  bureb,  bie  baffibifcfye  Jöenbung  35.  21.  25  — 
ab,  nlicb.  Wie  ©en  29  f.  in  breiter  (Srgäblung  bie  ©tämme  $3rael§  auf  %aiob  al§  ibren 
„35ater"  §urücfgefiit)rt  Werben.  2ln  bem  unten  ©.  711, 10  unb  713,  4  ju  befbred»en=  35 
ben  ©inne  Wirb  jebod)  baburd;  nid)t£  geänbert.  —  Sängft  ift  aufgefallen,  baf$  ber 
^ab,Wift  b,ier  33abel  unb  2lffur  ju  ^ufd)  redmet,  bag  fonft  im  WX  bie  Sänber  am 
oberen  -Jcil  bejeidmet  (bgl.  35.  6),  Wäb,renb  ber  ^riefterfober.  35.  22  2lffur  auSbrüdlicb, 
unter  ©em  fteHt.  Wian  fyat  biefen  Unterfd}ieb  auf  einen  Irrtum  be^  9lebaftor§  jurüd- 
füb.ren  Wollen,  ber  bie  in  ben  $eilinfd;rtften  genannten  Kas§u,  bie  ^offäer  beö  ^5ol^biu§  u.  a.,  40 
bie  bon  1500—1250  über  33abel  fyerrfdjten,  ben  afrifanifd)en  J?ufcb,iten  gleidjgefe^t  I)abe. 
Seichter  unb  Wa^rfcb^einlicljer  ift  jeboeb.  bie  neuerbing§  burd;  §.  SBindler  bertretene  2ln= 
nab,me,  ba^  ba§  bon  ben  Äeilinfcb.riften  in  Arabien  erwähnte  ^ufd;  mit  ber  Slngabe  be§ 
3ab,Wiften  ju  tb,un  tyat,  fo  ba^  ^imrob  bon  Arabien  b,er  in  baö  ©ebiet  be§  unteren 
(tu^taH)  eingebrungen  Wäre.  Ob  man  be§b,alb  aueb,  ba§  Stecb, t  b,at,  bon  einer  arabifeb.  en  45 
3lbfunft  beg  -Jcimrob  ju  fbrecb,en,  ift  eine  anbere  $rage ;  benn  Wir  toiffen  nidb. t,  in  Welchem 
35erb,ältni§  bie  ®ufd;iten  öftlid;  bom  9?oten  9Jceere  ju  ben  fbäteren  Arabern  fielen.  3U 
bem,  toa§  über  5Rimrob  35.  8—12  gefagt  ift,  bgl.  bie  2lrt.  ^imrob  33b  XIV  ©.  102  ff. 
unb  9cinibe  ebenb.  ©.  108  ff.  35.  13  f.  unterfcfyeiben  fieb.  in  ber  ^orm  bon  35.  8.  ©iefer 
fafet  Äufcb.  unbTOmrob  in  gleicher  SBeife  alz  ^erfonen  auf,  35.13  unb  14  ftellen  bagegen  bie  50 
35öl!ernamen  im  Plural  nebeneinanber.  25ab,  er  teilt  ©unlel  biefe  beiben  35erfe  (unb  anbere, 
f.  unten)  einer  jüngeren  ©cb.  i$t  beö  ^a^Wiften  ju.  Über  tgtybten  f.  33b  I  ©.  203  ff. 
35on  ben  fieben  ,,©öb,nen"  ^g^bteng  finbet  fieb,  £ub  (©ingulqr  ju  Subim)  aud}  @j 
27,  10;  30,  5;  ^ef  66,  19  unb  ^er  46,  9  in  35erbinbung  mit  SlgtybtenS  9Jad;baren.  3ln 
S^bien  (fo  Sutber)  ift  baber  nid;t  ju  benfen.  ©tabe  (de  populo  Javan  5  f.)  b,  at  mit  65 
Mtüdfid)t  auf  9ca  3,  9  borgefdjlagen,  b,ier  unb  %ev  46,  9  &?b  =  Sibber  311  lefen.  sJlber 
biefeg  auf  ben  ägtybtifcben  ©enlmälern  mit  blonben  paaren  unb  blauen  Slugen  bargefteEte 
35oIf,  ba§  Weftlid;  bom  unteren  %\)al  beS  5RiI§  Wohnte,  ift  Wab,rfdb,einlicb.  burd)  bie  an 
britter  ©teile  genannten  Sebabim  bertreten.  ^n  ben  Subim,  Wenn  man  bei  biefer  Seöart 
fielen  bleibt,  ein  9Zad;barboll  ber  Jlgtybter   ju  bermuten,   ift   geWifj  berechtigt.    Xaefelbe  eu 


710  SBMcriüfel 

gilt  bon  ben  älnamim,  aber  über  ü)re  äöofynfitje  läfjt  fid)  nid;ts  ermitteln.  Sie  ^atfyrufim 
33.  14  ftnb  olme  gtoeifel  bte  33etoofyner  bon  Sßat&rog  $ef  11,  11;  ^er  44,  1.  15;  @& 
30,  14,  nämltd)  bon  Dberägfybten;  benn  ägr/btifcr)  pata-res  (fobtifcr;  pteres)  ift  baS©üb= 
lanb.    33on  ^ter  auS  l)at  21.  ©rman  baS  borljergel^enbe  -ftabfytlmdiim  ju  bestimmen  ber= 

5  fucfyt.  ©a  man  neben  bem  ©üblanb  baS  -Korblanb  erwartet,  fo  benft  er  an  ägr/btifcfyeS 
pata-mahi  =  ^iorblanb  unb  betrautet  f^irD  als  bie  urfbrünglicfye  $orm,  bie  trrtüm= 
Itdjertoeife' gu  trnrs:  entftellt  fei  (bgl.  ^atSß  X,  1890,  ©.  118  f.).  @in  ju  ÄaSludnm 
baffenber  SBöIIername  tft  blöder  nic^t  gefunben  toorben,  bie  ^abfytfyorim  bagegen  toerben 
neuerbtngS  mit  junebjuenber  Übereinftimmung  als  bie  (Stntooljmer  bon  Sireta  betrautet, 

10  ba  bie  33esielmng  beS  ägr/btifd)en  kptär  auf  biefe  Qnfel  als  toafyrfdjeinlicr;  gelten  barf 
(bgl.  unter  Habfytfyor  33b  X  ©.  33  ff.,  too  aud)  bie  bie  Sßpfter  betreffenbe  ©loffe  33.  14 
befbrocfyen  ift). 

33.  15—19  Ijianbeln  bon  Kanaan.  33.  15  ftimmt  in  ber  §orm  genau  mit  33.  8 
überein,  barf  alfo   auf  biefelbe  §anb  äurüdgefüfyrt  toerben.    33eibe  33erfe  lehren  beutlid), 

15  baf?  ber  33erfaffer  fefyr  berfdn'ebene  ©röfjen  in  feiner  ©arftellung  miteinanber  ber= 
binbet:  $uf<$  9Rame  eine!  33olteS  unb  SanbeS,  9iimrob  ÜRatne  einer  fagenfyaften 
^3erfon,  Kanaan  9tame  eines  SanbeS,  ©ibon  SRame  einer  ©tabt,  §etr)  3Rame  eines 
33olfeS.  £u  Kanaan  bgl.  33b  IX  ©.  732  ff.,  gu  ©ibon  33b  XVIII  ©.  294,  47,  ju  §etb, 
33b  IX  ©.  737  f.     ©te   SluSbefmung    beS   fyetfyiiifdjen  33oIfeS   fyat   neuerbingS  burd)   bie 

20  beutfcfyen  SluSgrabungen  bei  33ogf)aj!Di  bftlict)  bom  §a!r/S,  auf  bem  33oben  beS  alten  ^ßteria 
in  $abbabogien  (Herod.  I,  76),  eine  neue  33eleud)tung  erfahren.  3Jlan  fyat  bort  jab,l= 
reia)e  fyetfyitifcfye  Sljontafeln  gefunben,  beren  ^nfcfyriften  bieüeicfyt  bermöge  ber  häufigen 
33erül)rungen  mit  ben  Slffyrern  einen  gangbaren  2öeg  ju  ifjrer  ©eutung  eröffnen.  33. 
16— 18  a   ftnb   ein   fbäterer  gufatj,    ber   bie  fanaanitifcfyen  Sßölfer   boüftänbig  aufjagen 

25it)iH;  fie  nehmen  33.18  b  unb  19  bortoeg,  beden  fid)  jebod)  mit  ibnen  infyaltlid; 
ntdjt  genau  unb  toeid;en  in  ber  gorm  bon  bem  33orb,ergeb,enben  ab.  Über  bie  $ebu= 
fiter  bgl.  ben  Slrt.  ^ebuS  33b  VIII  ©.  637  f.,  über  bie  2Imoriter  33b  I  ©.459  f.  unb 
meine  ©efd)id)te  beS  33olfeS  ^Srael8,  ©.  45  f.  ©ie  ©irgafiter  unb  Berniter  finb 
unter  bem  ©ticfyroort  Kanaan  33b  IX  ©.  739  f.   befbrod) en  toorben,  bie  2lr!iter,  ©initer, 

30  2trtoabiter  unb  gemariter  in  bem  2irt.  ©ibonier  33b  XVIII  ©.  292  f.  ©ie  §amatfyiter 
finb  bie  aramäifd)en  33etooljner  ber  ©tabt  unb  beS  9teicf;eS  §amat^  am  DronteS,  über 
bie  ber  2lrt.  Serien  33b  XIX  ©.  285 ff.  ju  bergleid;en  ift.  33.  18b  unb  19  fyanbeln  bon 
ber  2XuSbreitung  t»er  ^anaaniter  nad;  ©üben  bis  ©erar  (f.  33b  XIII  ©.  693,  ;>);  fie 
fd;lie|en  bie  2lngaben  beS  $al)tbiften  über  Kanaan  unb  jugleicfe,  über  §am  ah,  t»ie33. 30 

35  ben  ©cfylufs  ber  ?Jacb, rief/ten  über  Loftan  bilbet.  ©unfel  redmet  biefe  ©ä|e  ju  ber  jüngeren 
©d}id)t  beS  ^a^miften  tote  33.  13  unb  14. 

$DaS  boEftänbigfte  -itüd  beS  ^ab,toiften  liegt  in  33.21—30  bor;  fie  geben  bab,er 
aucl)  baS  beutlid)fte  33eifbiel  für  feine  ©arfteßung,  abgefeljen  jebod)  bon  33.  22—24,  über 
bie  fdjon  oben  ©.  709, 10. 22  gerebet  tourbe.  ©em  toirb  als  ber  33ater  aHer  ©öb,ne  @ber§ 

40  bejeicb.net,  um  baburd}  feine  33erbinbung  mit  ben  Israeliten,  bie  ju  ben  Hebräern  gehören, 
fyerborjulKben.  SDer  3Jame  ©ber  toirb  fyter  feb,r  toeit  gefaxt,  inbem  bon  il)m  nid;t  nur 
bie  Sinie  beS  ^ßeleg,  bie  ju  2tbral)am  füb^rt  (©en  11,  18  ff.),  fonbern  au<S)  bie  Sinie  beS 
Loftan  abgeleitet  toirb.  aBa^rfdjeinlid;  b^ängt  er  mit  bem  Slusbrud  ^v3~  "l"  ober 
^P  ^1?.  (^ef  7,  20),   ber  bie  Uferlanbfd;aften  beS  ©ubfyrat  bejeid;net,  jufammen,  ba 

45  biefe  als  bie  §eimat  beS  iSraeIttifd;en  3^etgeS  ber  Hebräer  im  21S£  gelten.  2Xud;  für 
$eleg  ^at  man  toerfct)tebene  gleid}lautenbe  tarnen  berglid;en;  am  beften  bafet  toofyl  bon 
ib^nen  ber  Drt  $b,alga  an  ber  SUlünbung  beS  @I)aboraS  in  ben  ©ubb^rat.  ©er  33erfaffer 
fbielt  mit  ber  33ebeutung  beS  SöortS  :bz,  teilen,  fbalten,  unb  fügt  ^ingu,  ba^  fid)  in  ^elegS 
^agen  bie  9)ienfd)b.  eit  gefbalten  fjabe,  inbem  er  toar;rjd)einlid;  bamit  bie  ©rjä^Iung  ©en  11, 1—9 

50  im  2Iuge  f)at  (anberS  im  33ud)e  ber  Jubiläen  Rap.  8  f.).  Sie  Sinie  $elegS  toirb  bjer  nieb,  t 
toeiter  berüdfid;tigt,  toeil  ber  33erfaffer  barüber  in  bem  golgenben,  toie  eS  in  bem  ©tüd  beS 
^riefterfober.  11,  10 ff.  unb  in  aUen  Dueßfd;riften  ßab.  12 ff.  gefd;tefyt,  ausführlicher  fbrecb,en 
tooHte.  ©ab^er  toerben  bie  SRoabiter  unb  2lmmoniter  ©en  19,  bie  aramäifd;en  ©efd)Ied}ter  bon 
22,  20—24  (bgl.  11,  29),  bie  ^eturäer  unb  ^fmaeliter  25,  1—18  unb  bie  (Sbomiter  Stcty.  36 

55  bei  feite  gelaffen.  ©agegen  toerben  bie  -Jcacbjommen  beSgtoeiten  ©ob^neS  beS  SberS,  nämlid;  beS 
Loftan,  33.  26—29  aufgejagt.  @S  finb  unter  btefem  9Jamen,  ber  bei  ben  3Xrabern  kahtän 
lautet,  13  fübarabifdje  ©tämme  aufgellt,  bie  urfbrünglid;  iüobl  auf  bie  üblidje  3toölf= 
iaf)l  befd>rän!t  togren;  bod}  lä^t  fid)  nid)t  mit  ©idpfyeit  ernennen,  toeld;er  9Jame^fbäter 
tiinjugefe^t  ift.    Über  bie  9Jottoenbigfeit  ber  Unterfcb.  eibung  jtoifdjen  !Korb=  unb  ©übarabern 

60  fotoie  über  bie  3Bolmfii$e  ber  einzelnen  ©tämme,  bon  benen  nur  toenige  fid;er  nad;getoiefen 


»öüertofri  711 

Werben  tonnen,  bgl.  b.  2lrt.  Arabien  33b  I  ©.  765  f.,  juD^tr  93b  XIV  ©.  400  ff.   2luf5er= 
bem  unten  ©.  714,  ig  ff. 

2lu§  biefer  furzen  Ueberficfjt  über  bie  jafymtfttfdjen  Angaben  ergiebt  ftcfo, ,  bajj  fie  nirgenbS 
boEftänbig  finb.  2>a3  erfcfywert  ifyre  Beurteilung  fefyr.  Unter  ©em  23.  21  ff.  fefylt  ber 
Übergang  bon  ©em  ju  @ber;  über  ^a^et  ift  un§  gar  nidjtS  bom  ^afymiften  erhalten.  .-, 
^Dagegen  ftecft  ber  2lnfang  ber  jafywiftifcfyen  23ölfertafel  mafyrfcfyeinlidj),  tote  SBettfyaufen  ber= 
mutet  fyat,  in  ©en  9,  18  f.  unb  10,  lb,  aufgenommen  bie  Söorte:  „unb  $am  ift  ber 
SSater  KanaanS"  23.  18,  bie  auf  Kanaan  in  9,  20—27  b>toeifen  füllen,  ^n  biefen  Werfen, 
bie  ©unfel  ber  jüngeren  ©cfyicfyt  jurecfynet,  finben  wir  biefelbe  Drbnung  ber  23rüber  Wie 
im  ^rtefterfober.  10,1.  ©er  jat)Wiftifcfye  23.  10,  21  läßt  jebocb,  ernennen,  bafj  ^abbet  io 
junäc&Jt  hinter  ©em  fielen  foß,  §am  aljo  an  britter  ©teile,  ©arau§  ergtebt  ficfy,  bajj  erft 
fbäter  —  ob  fd)on  burd)  einen  jüngeren  $al)Wiftett  ober  erft  burcb.  ben  ^riefterfobej?  —  bie 
Reihenfolge  ©em,  §am  unb  %apfytt  fyergefteltt  morben  ift.  ©ennocb.  ift  e3  möglich,  bafs  fd&on  ber 
ältere  3>aI)Wift©em,  ben  älteften,  an  ba3  @nbe  fteHte,  Weil  an  iljm  bie  ©rjoätergefdiicb,  te  anknüpfte. 
28a§  ber  ^a^Voift  mit  feiner  SBöIfertafel  Will,  fagt  9,19  b:  er  benft  ficb.  bie  ©ntftefmng  ber  15 
bamall  ifym  befannten  9JienfdjI)eit  wie  eine  ungeheuere  2tu3befmung  unb  23erjtoeigung 
einer  einigen  gamilie,  ber  $amtlte  9ioab^.  ©te  oft  fo  berwicfelten  fragen,  bie  mit  bem 
Wirtlichen  Urfprunge  eines  23olfe3  berbunben  finb,  finb  bem  23erfaffer  unbekannt;  23ölfer= 
funbe  ift  ifym  nur  eine  gefteigerte  gorm  ber  f^amilt eng ef d^id^te,  er  fteHt  fie  besfyalb  aucb, 
aß  ©enealogte  bar  (»gl.  meine  ©efdjtdjte  be§  33olJe§  Israel2,  ©.  1  ff.).  ^coab.  fteb,t  als  20 
23ater  ber  neuen  9Jcenfcf)I)eit  nacb,  ber  put  an  ber  ©bi£e,  unb  nacb,  feinen  brei  ©öfmen 
teilt  er  fie  in  brei  grofje  .ßtoetge.  ®ag  ift  flttem  2lnfct)ein  nacb,  eine  anbere  Stuffaffung 
ber  ©eftalt  9foafy3  unb  feiner  brei  ©öf)ne,  ab§  fie  in  ©en  9,  20—27  borliegt:  bort  ber 
©tammbater  ber  23eWofyner  be§  £anbe§  Kanaan,  ber  23egrünber  be§  2lcfer=  unb  2öein= 
bau<§,  feine  ©öb,ne  bie  Vertreter  ber  in  Kanaan  befindlichen  23ölf er.  ©rllären  fönnen  mir  biefe  20 
23er?cfuebenfyett  ber  2Iuffaffung  gegenwärtig  md)t.  §inficfytlicb,  ber  ^Weiten,  in  ber  23ölfertafel 
borliegenben  Sluffaffung  tritt  jebocfy  flar  b,  erbor,  baft  fie  ficb,  mit  ber  jeijt  üblichen  2Irt,  bie 
grage  ber  23ölferberWanbtfcb.  aft  nacb,  §ertunft  unb  ©bracfye  toiffenfcfyaftlicb.  ju  unterfucb.  en,  mct)t 
becft.  9cur  bon  ©em  läjst  ficb.  ungefähr  beftimmen,  \va§  ficb.  ber  %afy Wift  barunter  gebadet  fyat, 
eincrfeitiS  bie  b,  ebräifcb,  en  2300er  im  Weiteften  ©inne  0J3eleg),  anbererfeitg  bie  fübarabtfcfyen  30 
©tämme  (Loftan).  23ei  §am  ftofeen  mir  auf  unüberwmblidje  ©cb,mierigfeiten.  SCBir  berfteb^en 
nicb,t,  baß  ber  93erfaffer  nicfyt  nur  bie  3lg^bter  unb  il)re  S'iebenböHer,  fonbern  aucb,  Kanaan, 
bie  §etb,iter  unb  fogar  bie  babfylonifd)=afft)rtfd) en  3f{etcb,e  mit  ^ufcb,  in  23erbinbung  bringt  unb 
fie  ade  unter  §am  gufammenfa^t.  $Ract)  ben  3Jca|ftäben  ber  <Spxad)-  unb  Slutbertoanbtfcb,  aft 
fann  ber  33erfaffer  babei  nid)t  urteilen ;  e§  bleibt  nur  übrig  anjunel) men,  ba^  er  nad)  35 
gefcb,icb,tlicb,en  33erb,ältniffen  (SBanberungsfagen)  ober  nacb,  geograbb.ifcb,en  unb  bolitifc^en 
s-ßerb.ältntffen  berbinbet  unb  Reibet.  Db.ne  3lt'e^e''  mob.nt  ^^rael  ju  feiner  ßeit  in 
Kanaan;  tro|bem  jäfylt  er  ^grael  ju  ©em,  bie  ^anaantter  ju  §am,  obmob,l  ^Srael  bie 
©brache  ^anaan§  rebet.  Söenn  ^ufcb,  23.  8  toirflicb,  auf  fübarabifcb,e  ©tämme  ju  bejie^en 
ift  (f.  oben  ©.  709,  42),  fo  läfjt  ficb,  feine  Trennung  bon  ben  übrigen  23.  26—29  bießeic^t  40 
burc()  bie  2lnnal)me  begreifen,  ba^  i^m  eine  $unbe  über  alte  SBanberungen  bon  ©üb= 
arabien  nacb,  23ab^lonien  ju  ©ebote  ftanb,  bie  mir  nicb,t  mein-  !ennen.  ©er  5Rame  §am 
mirb  im  212  felbft  für  2lgi#>ten  gebraucht  ?ßf  78r„51 ;  105,23.  27;  10G,  22;  man  fjat 
baf>er  gemeint,  ba^  er  bem  einfyeimifdjen  tarnen  2lg^ten§  kam-t  (fobtifcb,  kemi,  khemi) 
entfbrect)e  unb  in  ber  23blfertafel  ftarf  beraEgemeinert  morben  fei.  ®ocb,  ift  biefe  ©teid)=  45 
fe|ung  au3  lautlichen  ©rünben  feb,r  bebenflicb,.  ©er  gtoecf  ber  ©arfteßung  ift  ein  etfmo= 
grab^ifcb^er,  fie  mill  eine  Überfielt  über  bie  23öl!er  ber  bem  23erfaffer  befannten,  freilieb, 
redjt  fleinen  2Selt  geben  (9, 19b);  ba§  geograbb,ifcb,e  ^ntereffe  macb,t  ficb,  baneben  nur  in 
befcb;eibener  2öeife  geltenb  10,  19.  30.  SDocfy  ift  ber  ©toff,  ben  ber  23erfaffer  für  biefen 
3mecf  berbinbet,  nicb,t  gleichartig:  er  ftettt  eine  ^ßerfon  mie  9iimrob  neben  $ufd),  ba^  ein  60 
Sanb  unb  ein  23olf  bejeicb,net;  in  23.  15  finben  mir  ein  Sanb,  eine  ©tabt  unb  ein  23oIf 
nebeneinanber,  unb  in  ber  9tetb,  e  ber  arabifcb,  en  ©tämme  23. 26—29  fteeft  mob.  I  aueb,  meb.  r 
all  ein  3Rame,  ber  eigentlich  eine  ©egenb  bejeicb,net  (^ajarmabetb;,  Dbb. ir,  §ebila). 

gür  bie  gett  be§  ^a^miften  ergeben  ficb.  folgenbe  Stterfmale:  @r  läfet  auf  23abcl 
23.  10  9cinebe  23.  11  f.  folgen;  er  gehört  alfo  ber  $eit  ber  23orb.errfcb.aft  Slffurg  an  unb  55 
toetjj  noeb.  nidptö  bon  beffen  3ciebergang  im  7.  ^afyrtmnbert  bura)  bie  2lngriffe  ber  3fteber 
unb  23ab^lonier.  ®ie  mäcb.  tigften  Ferren  in  Kanaan  finb  ib.  m  bie  ^fjönijier  —  ©ibonter ; 
baö  weift  minbeftenö  auf  baö  8.,  menn  nicb.t  auf  ba§  9.  ^ab.rb.unbert  b.in  (bgl.  ben  2lrt. 
©ibonier  23b  XVIII  ©.  299  ff.),  ©ie  §ett> iter  fyaben  für  Kanaan  noeb.  grofee  23ebeutung ; 
ber  23erfaffer  fennt  bab. er  xwty  ntcftt  bie  ^eit,  in  ber  ib.rc  ©taaten  im  nörblicb. en  ©tirien  uo 


712  Sßölfcrtofd 

burcb,  bie  Eroberungen  ber  2lffyrer  (f.  23b  IX  ©  738)  aufgelöft  Waren.  SDie  33eianntfcbaft 
mit  ben  fübarabifdjen  ©tämmen  33.  26  ff.  tft  eine  golge  ber  £anbelgberbinbungen  ©alomo§, 
bie  burcfc,  ben  greiljeitgfrieg  ber  ©bomiter  gegen  %oxam  bon  S"ba  um  845  unterbrochen 
unb  burcb  bie  erneute  33efe$ung  @Iatf)§  (f.  b.  2lrt.  33b  V  ©.285  ff.)  unter  Ufia  unb^otbam 
5  um  750  toieber  belebt  Würben,  big  ©latb,  um  735  enbgiltig  ben  IJubäern  berloren  ging. 
Söenn  ficb,  Äufd)  33.  8  auf  Arabien  bejie^t,  fo  fennt  ber  $ab>ift  bie  füblidj  bon  Sgtybten 
Wofynenben  ^ufdjiten  (bgl.  ©.  713,  37 ff.)  noä)  ntcE)t.  9)can  barf  bcu)er  bie  iabwifiifcfye 
aSölfertafel  nicfyt  unter  bag  8.  ^afjrfyunbert  hinunter  rüden  unb  mufe  jugleid;  im  2luge  be= 
galten,  bajj  einzelne  Ergaben  um  mehrere  ^abjfyunberte  älter  fein  lönnen. 

10  2.  Sie  Angaben  beg  ^riefterfober..  SDer  3tebaltor  f>at  über  Sab^et  allem 
ben  Sßriefterfober.  ju  2Borte  fommen  laffen,  bermutlidj  Weil  bie  Angaben  beg  $abftnften 
für  bie  fbätere  3eit  ntd)t  mefyr  bauten.  3abb,et  Ijat  fieben  ©blme:  ©omer,  -JRagog, 
9Jlabai,  $aban,  %i)uhal,  SKefedj  unb  %fyxa§.  ©omer  entfbritt)t  ben  ^immeriern  ber 
Dbbffee  (XI,  14)  unb   beg  £erobot  (IV,  11  f.;  I,  16),   ben  ©imir  ber   affyrifctyen  Äeit 

15  infcfyriften.  SDag  33oIf  Wolmte  urfbrünglicb,  im  Sorben  beg  ©d^War^en  ÜÜJceereg  Weftlicb, 
bom  S)on,  gog  im  8.  3<*b*l)unbert  nacb,  ^rajien  unb  um  700  mit  tb^rajifd;en  ©tämmen 
nadb,  ^leinafien,  Wo  fie  675  in  ^abbabojien  auf  bie  Slffr/rer  trafen  unb  um  650  mit  ben 
fiebern  in  5?ambf  gerieten.  Sie  £r/ber  trieben  fie  aug  „2Ifien"  (im  alten,  engern  ©inne) 
nacb,  Dften  r;in  gurücf,  b.  I).  auf  bag  §ocfyIanb  beg  £alfyg.  $u  ©omer  Werben  alg  „©öfyne" 

20  geregnet  2Igfenag,  Sftibfyatl)  unb  Sfyogarma.  Unter  Slgfenag  fyat  man  meifteng  bag  bl>rr/= 
gifcfje  33oIf  ber  Stgfanier  berftanben,  nacb,  benen  bie  Sanbfc^aft  um  ben  heutigen  Spiffee 
äWijcfyen  bem  ©angariug  unb  bem  -JJcarmarameer,  aber  aucb,  ber  ©ee  bon  Celaenae 
(Apamea)  benannt  War.  §.  SBindler  bat  jebocr)  in  ben  Slltorientalifcfjen  $orfd)ungen  I, 
484 ff.  (bgl.  KAT3  101)  bie  Vermutung  auggefbroct/en,  bafj  t:2'wN  ein  alter  «Schreibfehler 

25  für  ^2ü5n  fei,  unb  biefeg  bie  ©cfytfyen  be§eict)rte,  bie  auf  ben  Meilinfdjriften  unter  bem 
tarnen  Aschkuza  genannt  werben,  ©a  bie  ©ctytfyen  in  ber  Reiten  §älfte  beg  7.  Qab,r= 
fmnbertg  big  an  bie  ägtybtifdje  ©renje  borgebrungen  fein  foHen  unb  mit  ben  legten  %ai)x- 
jelmten  beg  afffyrifdjen  3teicr;g  in  merfwürbiger  33erbinbung  fielen  (Herod.  I,  103—106; 
IV,  1),   fo  rnödjte  man  fie  fyier  Wobl    erwarten;   aber   ein   fo!d)er   (Schreibfehler  (t?^n 

30  ti3H?n}  t:s^n)  ift  nicfyt  gerabe  Wabrfcfyeinlicr;.  ®a  Slgfenag  ^er  51,  27  neben  ben  arme= 
nifdjen  Sanbfcfyaften  Sirarat  unb  SJcinni  genannt  toirb,  fo  fucfyen  anbere  feine  2ßob,nfi|e 
am  oberen  @ubi)ratb  unb  am  2lrar.eS.  3U  ^Ri^^atb  bergleic^en  33ocb,art  unb  be  Sagarbe 
bie  Sftibantier  am  ^lufee  3tiba§  (Pi)ßa?)  in  23itf)rmien  untoeit  beS  33oSboru§,  ^ofe^^uö 
Antiq.  I,  6,  1  fefct  fie  ben  ^ßabf)(agoniern  gleirf;.    Stb^ogarma,  @j  27,  14;  38,  6  'p  n", 

35  iourbe  fa)on  bon  ben  ©elebrten  beö  2IItertum§  mit  ben  Slrmeniern,  bie  einft  big  in  ben 
Naurus  unb  2lntitauru§  hinein  mo^nten,  in  33erbtnbung  gebracht,  ba  ficb,  biefe  nacb,  -äRofeä 
bon  ßb^orene  bon  §aif,  bem  ©ofyne  SLb]orgom§,  ableiteten,  unb  bie  LXX  Oegya/ua  unb 
Oogya/ua  für  SEfyogarma  fe|en.  3lad)  63  27,  14  lieferte  SLfyogarma  Stoffe  unb  9UcauI= 
tiere  an  ^ru§;  nocf;  bleute  blübt  bie  ^ßferbegucbt  foiüobl  in  bem  tüeftticben  als  audji  öft= 

40  lieben  ©ebiete  be§  alten  2lrmenienl.  Db  bie  aus  ben  5leilinfcbriften  befannt  getoorbenc 
©tabt  SCilgarimmu  in  9JceIitene  bamit  jufammenb^ängt,  ift  ungeioife.  2Sir  fefeen  un<S  bureb, 
©omer  unb  feine  „©öfme"  bemnad;  bauptfäcblid^  in  bie  ©egenb  bon  Äajpbabogien  unb 
Armenien  getoiefen.  ©ab,er  berlieren  bie  23erfucb,e,  einige  ber  genannten  93öl!er  (5Ri^batb, 
j.  %.  3l§fena§)  im  roeftlicben  0einafien  nacbjuroeifen,  an  353 abrf cb einlicb Eeit. 

45  SRagog  finbet  fieb,  fieber  ^uerft  @j  39,  6  (38,  2  ift  ber  Stejt  unfidjer)  unb  getagt  eng 
mit  ©og  jufammen.  Über  bie  Vermutungen,  bie  bap  geäußert  finb,  bgl.  ben  2lrt. 
33b  VI  ©.  761  ff.  £u  3Jcabai  bgl.  benStrt.  3Jcebien  in  33b  XII  ©.  488  ff.  ^aban,  Worüber 
fcb,on  33b  VIII  ©.  611  gefyanbelt  ift,  bejetebnet  bier  bie  ©rieben  im  allgemeinen.  ©a§ 
ergiebt   fid)   mit  ©icb,erb,eit  au3  33.  5,   ber   fie   afö  baö  33olf  beg  mittellänbifcb,en  SOceereg 

60  lennt,  obroob,!  ^aban  Wie  @j  27,  13  unb  Jgef  66,  19  neben  Sb,ubal  unb  aJcefecb,  gefteßt 
ifi,  unb  hrirb  beftätigt  bureb,  bie  33.  4  genannten  ©öfyne  ^aban§,  nämlicb,  ©Ufa,  3$arft<g, 
bie  S^itttter  unb  ^obaniter  (im  fjebr.  2ejt  unb  bei  Sutber  irrtümlicb,  ©obaniter).  3n 
bem  2Irt.  ©obanim  33b  IV  ©.  713, 31  ff.  finb  bie  ©rünbe  für  bie  Snberung  ber  Seäart 
unb  für  ibre  ©eutung  auf  bie  9tfyobier,  bie  33eh)ob^ner  ber  ^nfel  3ib,obuS,  angegeben.  ®ie 

es  ßbittiter,  Ije&r.  C^rs  unb  ^nzs  finb  urfbrünglicb,  bie  33et»obner  ber  ©tabt  Kkiov  ober 
Kixxiov  (beute  Sarnala)  auf  g^bern,  bann  bie  33etoormer  bon  6t)bern  übertäubt  (anberg 
freiließ  2Binccler,  älltorient.  gorfcb,ungen  II,  422).  $$arft8  ift  nacb  33b  XVII  ©.  571 
gleid)  bem  griecbifd)=römifd)en  SLarteffug,  ber  heutigen  anbaluftfdjen  @bene  %\x  beiben  ©eiten 
beg  ©uabalquibir  in  ©banien,   unb  ßlifa  ift   natf;  33b  IV  ©.  712  f.   entfoeber  ^artbago 

60  ober  ©ijilien.   ffia  bie  genannten  bier  2änber=  unb  33ölfernamen  urfbrünglicb.  in  Söegtebung 


aSöIfertafef  713 

ju  bcn  ^f)ömjtem  fielen,  meiftenS  fogar  aU  ifyre  Kolonien  genannt  merben,  fo  faßt  ifyre 
Unterorbnung  unter  ^aüan  auf.  2Rit  bem  2tu§brucf  „©öfme"  mirb  nadj  ^ebräifd^em 
©bracfygebraud)  (bgl.  6.  709, 31)  burd)au§  nidjt  immer  unb  notmenbig  bte  2lbftammung, 
fonbern  im  allgemeinen  bie  gugefyörigfeit  bejeidmet,  bte  £Ij)atfad)e,  bafj  ber  eine  unter  bem 
©influfj  be§  anbcren  ftefyt  unb  Don  ilyn  irgenbmie,  fei  eö  burcfy  ben  Kultus  ober  burd)  5 
üolittfdje  3Rad)t  ober  burdj  ^anbel  unb  33erfel)r,  abhängig  ift.  ©er  33erfaffer  be§  ^3riefter= 
fobe?:  rennet  alfo  bie  in  33.  4  genannten  Sänber  unb  33ölfer  ju  bem  ©ebiet  be§  griecfyifcben 
(SinfluffeS:  ft>a§  einft  bfyönt$ifc§  mar,  ba§  ift  für  feine  3eit  ßriecbtfd)  gemorben.  ®ie 
©rieben  errangen  nad)  längerem  Sisettftreit  mit  ben  ^fjönijiem,  bie  burd)  bie  mieber= 
bolten  Angriffe  ber  2lfft>rer  im  8.  3;<#bunbert  gefdpmäcfyt  mürben,  bie  33orfyerrfd)aft  im  10 
SJtittelmeer.  ßbbern  unb  noa)  mefyr  9%bu!8  mürben  borfoiegenb  fyellenifd;.  Unteritalien 
unb  ©ijilien  finb  um  700  in  ben  §änben  ber  ©rieben,  unb  im  7.  ^a^r^unbert  brangen 
gried)ifd;e  Kaufleute  bon  ©amoS  unb  Sßfyofig  nad)  SCarteffuö  bor  (f.  33b  XVII  ©.  571,  si). 
iftur  Karthago  blieb  bbönigifd)  unb  trat  im  6.  ^afyrljmnbert  an  bie  ©bt£e  ber  bbönijifcben 
33etr>egung.  SDiefen  SSecfyfel  ber  33erbältniffe  auf  bem  ÜDtittelmeer  fennt  offenbar  ber  33er=  is 
faffer  nac|  35.  4 f.;  beefyalb  ift  e§  mafyrfcfyeinlid),  bafj  er  unter  ßlifa  nidjt  ba§  bf)öntgifd)e 
Karthago,  fonbern  baS  griedjiifcf;  gemorbene  ©Milien  meint. 

2$ubal  unb  SRefea)  merben  mehrmals  im  21SE  nebeneinanber  genannt  (@j  27,  13 ; 
:52,  26;  38,  2 f.;  39,1).  ©dmn  33ocr,art  b,at  beibe  tarnen  richtig  beftimmt.  %fyuM, 
affbrifd?  SEabali,  finb  bie  Sibarener,  -Ktefed),  afftyrifd)  9Jiufo)Ii,  finb  bie  2Jto3$er  be3  20 
§erobot  (III,  94;  VII,  78).  5Ra<$  ben  affbnfcfyen  Keilinfd)riften  be§  9.  gja&r&unbertg 
mofmen  fie  fübmärtg  bi§  an  bie  ©renken  SilicienS;  §erobot  bagegen  fet$t  fie  nörblict)er 
an,  bie  9Jio3cr)er  jmifct/en  bem  oberen  23I)afi3  unb  Ktyrol,  Sie  Slibarener  öftlicft,  Dom  %fy ermobon 
im  f^äteren  Königreid)  $ontu§.  ©ie  merben  entmeber  bon  ben  2lffbrern  ober  bon  ben  Kim= 
meriern  au§  üpn  alten  2ßob,nfi|en  berbrängt  morben  fein,  unb  ba  Kabbabojien  fyier  burct)  25 
©omer  unb  feine  $meige  befe^t  %u  fein  fdjeint,  fo  lennt  fie  ber  ^riefterüober.  mafyrfdjeinlid; 
fdmn  in  ben  nörblicfyeren  ©egenben  ober  menigftenö  auf  bem  ^üdjuge  borten  begriffen. 
%i)ixa§>  mürbe  man  am  Itebften  in  ir/rer  -Jkcf/barfd^aft  fucfycn ;  aber  bi^er  finb  fie  bort 
nid)t  nadjgemtefen.  ®ie  ^rfener  (SLr/rrfyener),  bie  man  mieberb.olt  berglidjen  b,at,  führen, 
gu  mett  nad)  3Beften.  30 

SBela^e  SSölfer  in  33.  2 — 5  a  unter  Sab^et  suffl1111"6"!?5?0^  werben,  ift  Kar.  ^ie 
mob.nen  nörblia)  bom  Naurus  unb  oftmärt?  bi§  3Jiebien,  ferner  meftlio)  auf  ben  $nfeln 
unb  an  ben  Äüften  beg  3Rittelmeere§,  mit  Stuöna^me  bon  Ureta  33.  14  (f.  0.  ©.  710,  8). 
5JJan  bermifet  bor  allem  bie  Werfer,  bie  bocb,  @j  38,  5  fa)on  genannt  finb  —  foHten  fie 
unter  bie  üJieber  eingefa^Ioffen  fein?  3U  berfelben  grage  beranket  aua)  23.22  (f.  u.).  35 
©ine  (grllärung  bei  5Ramen§  %apM  ift  jeboo)  bisher  nio^t  gelungen. 

Unter  §am  mirb  bom  ^3riefter!obeE  guerft  ^uftt^>  „  (bei  £utb,er  ßb^uö)  genannt.  3Jiit 
biefem  tarnen  mirb  __  im  %%  meiftenl  ba§  füblia^  an  %t)bten  grenjenbe  (Sanb  unb)  33olf 
bejeict)rtet,  ba§  bie  Slg^bter  auf  ifyren  ©enfmälern  kösch  nennen  __  unb  in  rotbrauner 
garbe  barfteCen,  alfo  bon  ben  Negern  beutlid^)  unterfcfyeiben.  Sut^erS  Überfe^ung  „SRo^ren,  40 
iÖiofyrenlanb"  ift  baber  fad^Itd^  nicb,t  richtig.  Urfbrünglia^  mobnten  bie  ^ufc^iten  jn  bem 
golbreia^en  Sanbe  öftlid)  bom  9fil.  ©bäter  gilt  al§  ib,re  3^orbgrenje  gegen  Slg^bten 
©bene  (b,eute  aswän)  @j  29, 10,  bte  füblicfye  ©renge  fo^manfte  je  nad)  ben  Wlafy-- 
ber^ältniffen.  2ßei(  bie  Semofyner  ?Jomaben  maren,  ftanben  fie  bei  ben  2tgtmtern  in 
geringer  SWtjtung;  ba§  33o(f  b,at  bafyer  auf  ben  ®enfmälern  nid)t  feiten  ben, Seinamen  45 
„ba3  elenbe"  ©db,on  unter  ber  12.  ®tmaftie  (2000  bor  6b,r.)  Ratten  bie  2tgfybter  bie 
nörblidjen  ©tämme  untermorfen,  unb  pr  $e\t  be§  neuen  9teict;S  mürbe  baf  Sanb  eine 
ägbbtifo^e  ^robinj.  9Jiit  beffen  33erfaH  (1000  bor  6^r.)  ging  e3  für  bie  tgbbter  ber= 
loren,  ja  feit  bem  anfange  be3  8.  3ab,rb,unbert§  brangen  bie  fufcbjttfcfyen  ober  ät^)iobtfd;en 
Könige,  mie  mir  nad)  bem  33organge  ber  ©rieben  ju  fagen  bflegen,  fiegreicb,  im  Uttltfyal  nacb,  50 
Sorben  bor,  bii  gegen  @nbe  beg  8.  3afyr£mnoert§  gan^  Slegbbten  ib,nen  untermorfen  mar. 
3b,re  fjeimifdje  §aubtftabt  mar  9tabata  am  ©ebel  33arfal  (beute  äRerami  am  m  jmifc^en 
bem  brüten  unb  bierten  ft'atarraft  gelegen),  bie  ©brad)e  unb  bie  Kultur  beö  ^eid;ä  mar 
äg^btifcb,.  £u  ber  25.  (ätb^iobifcben)  ©bnaftie,  bie  bon  710- -664  über  Unter»  unb  Cber= 
ägbpten  t)errfcbte,  merben  bier  Könige  gejjäbjt,  nämlid;  ©d)aba!o,  ©cf/abatafa,  "Xafyaxla  65 
unb  S:anutamon,  ber  ©ob,  n ,  ©cb, abafos.  2luf  ©djabalo  (©abafo)  bat  man  ben  2  Kg  17,  -1 
genannten  ©0,  König  bon  atgbjpten,  gebeutet,  mit  bem  ber  König  £ofea  bon  Qärael  in 
33erbinbung  trat;  bod;  ift  ™fy  2Binc!Ier  ber  Oberfelbfyerr  ©ib'i  bc«  Königö  ^iru  bon 
^Kusri,  eineö  ©ebietö  im  norbmeftücben  Slrabien  barunter  ju  berfteben  (bgl.  meine  ©efcbio)te 
be8  SSoIfö  38raer,    ©.208).     £ab,arfa  ift  ber  2  Kg  19,  9    ermähnte  Xb,irb,a!a,   ber   mit  eo 


714  «öifertofcl 

§i3fia  gegen  ©anl)erib  ein  33ünbni3  fd^to^  unb  baburct;  einen  bergeblidjen  $ug  ©anfyeribS 
bt§  an  bie  ©renje  $gt>bten§  beranlafcte  (bgl.  2  Kg  19,  9 ff.;  Herod.  II,  141).  SDlebrere 
3lu§fbrü$e  beS  $robt>eten  ^efata  Werben  ficb,  auf  btefeS  Eingreifen  ber  Kufc|iten  in  bie 
«Bertyältniffe  be§  füblictyen  ^aläftina  begeben  (3ef  18;  30,  1—5;  31,  1—3).  23enn  bie 
5  neueren  3tnfä|e  für  bie  Könige  ber  25.  £>tmafti£  richtig  ftnb,  fo  fyat  baS  Sfteicl)  ^Srael 
mit  ifmen  überbautet  nid^tö  mefyr  ju  tfmn  gehabt,  Wofyl  aber  bie  ^ubäer,  benen  bamals 
bie  Kufcbjten  tote  eine  neue  ©rjcb,  einung  entgegentraten  (bgl.  ^ef  18).  ©urct)  bie  Kriegt 
jüge  SlfarfyabbonS  (671)  unb  SlffurbanibalS  (668/7)  Würbe  bie  Dber|errfcf/aft  ber  Kurilen 
über  Egtybten  bernict)tet.    SBteßetd^t  l>at  ber  Quq  beS  ^erferlöntgS  KambfyfeS  gegen  2itb>bien 

10  um  525  %uv  golge  gehabt,  bafj  9tabata  berfiel  unb  9Reroe,  füblicfy  bon  ber  3Mnbung  bei 
Sltbara  in  ben  Ml  gelegen,  ber  ÜRittelbunft  ber  Kufcbjten  mürbe,  eine  $riefterfyerrfdjaft, 
ber  ©rgameneS  im  Anfang  be§  3.  3jö^imbert§  ein  @nbe  machte.  2)aS  Sieicfy  bjelt  fid? 
unter  ber  §errfcfyaft  ber  Körner  mit  toecfyfelnber  SluSbefmung  nact;  Sorben  r)trt.  ©ie 
oberfte  ©eWalt  lag  bei  ber  Königinmutter,  bie  ben  S£itel  Kanbace  führte  (bgl.  33ion,  Fragm.  5 

15  bei  S.  Füller,  Fragm.  historic.  graec.  IV,  351;  21©  8,  27 ff.)- 

Qu  Kufcfy  fügt  ber  ^ßriefterfober,  fünf  ©ölme  unb  gWei  ©nfel,  barunter  §ebila  unb 
<Baha,  bie  bom  ^a^toiften  10,  28  f.  als  9cacfyfommen  S^tanS  unter  ©em  aufgefü^tr 
werben.  <Siha,  als  ns?  wofyl  ju  unterfcfyeiben  bon  n=v,  ift  nacb,  3>ofebEm§  Antiq.  1,1 
10,  2  l)äuftg  mit  SReroe  (f.  oben)   ibentifijicrt  Worben.    Slber  nirgenbS  ift  biefer  -Jcame 

20  für  SDteroe  nacfyjutoeifen.  SDafyer  ift  es  richtiger,  im  Slnfcfylufs  an  ©trabo  XVI,  4,  8  unb 
$tolemäuS  IV,  7,  7  f.,  bie  bon  einer  §afenftabt  <B>aha  in  ber  ©egenb  beS  gütigen 
9Jcaffaua  reben,  an  einen  fufcfyitifcfyen  ©tamm  biefeS  Samens  ju  benfen,  ber  öftlid)  bom 
9tf  l  bis  jur  Küfte  b,in  toofmte.  §ebila  ift  Waljrfcfyeinlicr)  ein  größerer  Sanbftrict)  im  füblicfjen 
Arabien,   33.  29  neben  Dbfyir  (f.  ben  2lrt.  Sb  XIV  ©.  400  ff.)  genannt,  ber  im  Saufe 

25  ber  Safyrljunberte  berfcbjebene  23eWoImer  fyatte  unb  bal>er  33.  29  p  ben  $oftaniben,  33.  7 
ju  ben  Kufcfytten  gerechnet  Werben  ift.  9Bir  I)aben  freilieb,  bon  einem  folgen  äöedOfel  be= 
greiflicfyerWeife  feine  Kunbe.  ®er  9came  fct)eint  eine  ©egenb,  nicfyt  einen  ©tamm  ju 
bejeieimen  —  bieHeicfyt  b,ängt  er  mit  bin  ,,©anb"  jufammen  —  unb  ©en  25, 18  einer 
im  nörbücfyen  Arabien  befinblict)en  £anbfct)aft  beigelegt  ju  fein.    3Rit  ©lafer  a.  a.  D.  II, 

30  323  ff.  aber  beSl)alb  $ebila  übertäubt  in  bem  mittleren  unb  norboftlicfyen  S£eil  StrabienS 
ju  fuet) en,  embftefylt  fieb,  nict)t ;  ber  3Rame  Wirb  f oWcb,  l  im  nörblidjen  al§  aueb,  im  füblicb,  en 
^eil  be§  heutigen  Slrabteni  borgefommen  fein.  Dh  er  mit  bem  xölnog  AvaXixy]q  unb 
ben  'Aßalixai,  bie  s^tolemäu§,  $liniu3  u.  a.  an  ber  afrifanifcfyen  Küfte  bei  ber  ÜJieerenge 
Bäb  el-mandeb  lennen,  jufammen^ängt,   läfjt  fta)  md&t  auömad^en.    Eahfya  Wirb  bon 

35  ©lafer  a.  a.  D.  II,  252  mit  ber  bon  ^toIemäuS  VI,  7,  30  erwähnten  ©tabt  ©abb,tb,a 
unWeit  ber  Weftlicb,en  Küfte  bei  berfifcb,en  ©olfs>  jufammengefteHt ;  anbere  jieb,en  bie  alte 
arabifc^e  ©tabt  ©abbatb,a  ober  ©abota,  ben  9JUttelbunft  bei  2Beib,raud)b,anbete,  gur  33er= 
gleidpung  b,eran.  9Bäl)renb  über  ©abtfyedja  nidjti  ©icb,ere§  be!annt  ift,  fyat  man  Staema 
(n^:;-1)  neuerbingä  auf  ben  fabäifcb,en  ^nfc^riften  gefunben,  als  einen  Ort  im  ©ebiet  ber 

40  alten  9Jtinäer  nörblid)  bon  SJtarjab,  unb  bergleicb,t  bamit  bie  bei  ©trabo  XVI,  4,  24  für 
©übWeftarabien  aufgeführten  'Pa/ujuavhai.  21I§  9?aema§  ©öf)ne  Werben  jum  ©d^Iu^ 
<Saha  (NT-lr)  unb  ©eban  aufgefübtt.  ©aba  bejetcb,net  ob^ne  gWeifel  ba§  im  $i%  unb  bei 
ben  alten  ©eograbb,  en  oft  genannte  33olf  ber  ©abäer,  bie  im  fübWeftlicb,  en  Slrabien  Wohnten 
unb  Weithin  teils  mit  ben  (Srjeugniffen  tbrer  §eimat,   ©olb  unb  Sßeibjaucb,  (^ef  60,  6 ; 

45  @j  27,  22),  teils  mit  fremben  2Baren  au§  ^nbien  unb  2lfrifa  §anbel  trieben.  S^r«  §aub*= 
ftabt,  <Baha  ober  !Karjab  (bgl  ©lafer  a.  a.  D.  II,  33),  lag  brei  Süagereifen  öftlid)  bon 
Sancä  entfernt.  SSie  bie  jal)lreicr)  borb^anbenen  Qnfcb,riften  beWeifen,  War  it)re  ©j)racb,e 
eine  femitifcb,e.  33on  itjrer  ©efdbid^te  Wiffen  Wir  fefyr  Wenig.  ®ie  ©rgäb.Iung  bon  bem 
SBefuct)  ber  Königin  bon  ©aba  bei©a!omo  1  Kg  10  ift  offenbar  fagenbaft.   ®ie  afftjrifcb.en 

50  Könige  Xb^iglat^bilefar  III.  unb  ©argon  embfmgen  bon  ilmen  Tribut.  9Beber  über  bie 
SluSbefynung  il)rer  ^errfc^aft  noö^  über  if)r  33erb,ältniS  ju  ben  StRinäern  finb  Wir  bisher 
genügenb  unterrichtet.  2)afj  fie  im  %%  balb  ju  Kufcb,,  balb  ^u  ©em,  balb  ju  S^fan, 
bem  ©ob,ne  ber  Ketura  ©en  25,  3,  gerechnet  Werben,  berechtigt  burcb,auS  nid^t  ba^u,  brei 
öerfebtebene  ©tämme  ber  ©abäer  anjuneb,men.    Sie  abWeicb,enben  Slngaben   erltären  fidb, 

55  barauS,  bafe  fieb,  bie  2So^nfi|e  unb  bie  33erbinbungen  beS  33oIfS  geänbert  f)aben,  bajj  eS 
neben  ben  fe^aften  ©abäern  aueb,  nomabifierenbe  (§i  1,  15)  gegeben  b,at,  bafs  fid)  enb= 
lieb,  bon  bem  ©anjen  Heinere  ©rubtoen  abzweigten  unb  ein  ©onberbafein  führten,  wie  fio; 
ba§  bleute  an  ben  ©tämmen  SlrabienS  bielfaa)  beobachten  lä^t.  Qu  ben  gälten  ber 
lederen  Slrt  Wirb  autf»  gehören,  Wenn  b^ier  (unb  ©en  25,  3)  £>eban   neben  <Baba  gefteßt 

60  Worben  ift.    ©eban  erfcfyeint  im  21X  fonft   in  ber  9?acb,barfd)aft  (SbomS  ^er  49,  8   unb 


©öllertafel  715 

jtoar  an  beffen  ©übgrenge  (^  25,  13 ;  ber  ©cijriftfteller,  ber  e£  b>r  ju  5?uf4>  rennet,  Wirb 
bermutlicf;  einen  %?\l  bon  ©eban  meinen,  ber  nacfy  ©üben  getoanbert  ift  unb  mit  ben 
©abäern  in  33erbüibung  fiel>t.  ®ie  Unterorbnung  ber  55.  7  genannten  £anbfc§aften  unb 
©tämme  unter  Äufcb.  Wirb  ftdb,  überhaupt  fo  erflären,  bajj  ber  33erfaffer  $ufd;  nict)t  auf 
Slfrüa  befdjränl't,  fonbem  audj  auf  einen  Seil  ber  Söeftfüfte  Arabiens  auSbeljmt,  beren  6 
33eWoI)ner  mit  bem  oberen  ©ebiete  beS  %IH§  in  reger  33erbinbung  ftanben  ober  in  getoiffer 
2Öcife  babon  abhängig  Waren,  ©afj  er  bamit  über  ifyre  ©bract)e  nichts  auSfagen  »iß, 
tritt  bei  ben  ©abäern  beutlid)  fyerbor,  unb  Wenn  er  biefe  unter  9toema  orbnet,  fo  meint 
er  geWifj  nid^t  bie  93lütejeit  beS  fabäifcfyen  Sieid^,  fonbern  fbätere  33erf)ältniffe  beS  33ol!eS. 

gwifcfyen  Slgbbten  unb  Kanaan,  über  bie  fcfyon  ©.  709  f.  gerebet  würbe,  ift  33.  6  10 
$ut  genannt.  ^Darunter  ift  ba§  £anb  $unt  ju  berfteljen,  ba§  nacfy  ben  ägfybtifcljen  $n= 
fünften  bie  $üfie  bftlicb,  bom  SRil  Wafyrfcljeinlicij  im  Sorben  ber  ^ufcfjiten  bejeitfmet,  aber 
audj  baS  gegenüberliegenbe  ©ebiet  ber  arabifcfyen  $üfte  in  fid^>  „begreift.  3B.  SJtarj  Mütter 
a.  a.D.  113 f.  fyält  feine  33eWoI)ner  für  33erWanbte  ber  alten  Signier,  jebotf;  mit  einem 
ftärferen  3ufa$  ^on  ^egerblut  als  biefe.      „  15 

SDie  33erbinbung  ÄanaanS  mit  Üufcfy,  Slgtybten  unb  $ut  leljrt  Wieber,  bafj  bie  fbradj>= 
lidje  33erWanbtfcl;aft  bon  bem  33erfaffer  ntd)t  als  baS  9Jlotib  feiner  SDarfteÖung  benutzt 
Wirb.  §am  umfaßt  nacfy  ilmt  in  ber  ^autotfadje  bie  füblicfyen  335Ifer  am  SRil  unb  an  ben 
lüften  beS  SRoten  SReereS.  SDie  ©.  711,43  ermähnte  2luffaffung  §amS  im  212  bedt  fid)  im 
allgemeinen  bamit.  SKkSfyalb  er  Kanaan  bap  jäfylt,  läfjt  fid)  ntd^t  mit  ©icfyerfyett  fagen.  20 
©er  ©egenfa§  $anaan§  gegen  Qirael  mag  ib,n  bagu  bewogen  fyaben,  bieHeicfyt  audj  ber 
Umftanb,  bajj  ju  feiner  gett  (bgl.  ©.713, 15)  ber  9JütteIbunft  ber  bfyönijifcfjen  ÜDJacf)  t  Don 
ber  $üfte  ©tyrienS  nad)  ber  Äüfte  2lfrifaS,  naty  $artl>ago,  berlegt  Sorben  mar.  greilid) 
bafjt  baS  jafywiftifcfye  ©tücf  33.  15—19  fci;lecr)t  bagu.  2Benn  bie  Einteilung  ©em,  §am 
(ftatt  Kanaan),  $abfyet  erft  bom  ^ßriefterfobej  ^errü^rt,  fo  liefen  ficb.  bei  ber  33enufcung  älterer  25 
©tücfe  Ungleichheiten  unb  innere  ©egenfäije  gar  nid)t  bermeiben.  ®ie  33oranftelhmg  bon 
ßufcb  fällt  auf;  fie  mürbe  ben  bolitifcfyen  33erf>ältniffen  ber  25.  ©tmaftie  (710— 664)  ent= 
fbrecb,en.  §at  ber  3Serfaffer  ältere  Vorlagen  benu|t?  Dber  nimmt  er  2öanberungen  an, 
bie  ung  unbefannt  finb? 

©ie  Angaben  beö  ^riefterJooej;  über  ©em   finb   in  35.  22  f.   enthalten.    Über  @lam  30 
bgl.   ben  2lrt.  33b  V  ©.278  ff.,  über  Slffur  ben  Slrt.  SRinibel)  unb  33abr,Ion  33b  XIV 
©.  108  ff.    2Jrbfyadjfab  p"43^^N)  b^at  man  feit  33oc^art  ^temltct)  allgemein  auf  bie  £anb= 
fcb,aft  'Agganaxing  (polem.   VI,  1,  2)   am  oberen  gab  gebeutet,   bei  ben  Slrmeniern 
Stgfybaf,    bei  ben  Würben  2Xlbäf.    S)a    aber  bie  legten  ^onfonanten   hierbei   olme  jebe 
(Srllärung  bleiben,   fo   fyat  man   biefe  Deutung  neuerbing§  immer  meb,r  aufgegeben  unb  35 
bermutet,  mie  fcb,on  in  feiner  Sßeife  3ofebb,u§  Antiq.  I,  6,  4,  in  bem  Sßorte  eine  33ejeicb,= 
nung  33ab^lonien§  ober  ber  ©fyalbäer  (lias,  bgl.  @en  22,  22).    %üx  bie  brei  erften  $on= 
fonanten  (s-n)  au^  bem  Strabifcfyen  bie  33ebeutung  „©renje,  ©ebiet"   ju  entnehmen,   ift 
unjuläffig.     6b,e^ne   unb   Qenfen  bagegen  gerlegen   ba§  SBort,  inbem  fie   ben  2lu§faE 
eineg  r  annehmen,   in  bie  beiben  33eftanbteile  %7^  "«^  ^-r-    Sn  ^em   öfteren  fieljt  40 
ßfyerme   mit  9Binc!Ier    bie    afft)rifd^e  ©tabt  unb   ^robinj   2lrabha  meftlicb,    bon   Slam, 
ätotfcfyen  bem  Tigris  unb  ben  33ergen  bon  SJiebien,  3enfen  bagegen  bie  SlrrabacfiitiS  be^ 
$ßtoIemäu§.    S)er  gtoeite  33eftanbteil  iüirb  bon  beiben  ©eleljrten  auf  bie  6I)aIbäer  gebeutet 
(3at2ö  1897,   190;   3ettfcb,r.   für  2lff^rioIogie  XV,  256).    £ommeI  a.  a.  D.   212.  258. 
293  ff.  erllärt  Slr^ac^fab  al§  gleicb.bebeutenb  mit  Ur  Hafbim  ©enll,  28.    £ub  mirb  alt-  45 
gemein  bon  bem  fleinafiatifdjen  33ollc  ber  £^er  berftanben,   bie  unter  ber  §errfcb,aft  ber 
9)termnaben  um  650  mit  ben  limmeriern  lämtoften,  um  590  burcb,  9Jebu!abnejar  bor  ber 
33ernic^tung  burcb  bie  2fleber  gefcb^ü^t  unb  546  burcb,  bie  ^ßerfer  unter  Slfc>rog  untermorfen 
tourben.    ^b^re  3ierbinbung  mit  ©em  beWeift  mieber,  ba|  fict;  ber  S3erfaffer  burcb,au§  nia;t 
bon  ber  33ermanbtfd)aft  ber  ©brauen   leiten  lä^t.    2luf  einem  Slffurbanibalcblinber  toirb  50 
auäbrüctlict;  b,erborgef)oben,   ba|  ficb  bie  2b>r  ben  2lfft;rern  gar  ntct)t  berftänbltcf)  machen 
fonnten  (®eli|fc^,  ^arabieg  257) ;  fie  rebeten  alfo  feine  femitifd)e  ©brache.  Qu  Slram  33.  22 
unb  23  bgl.  ben  2lrt.  2tram  33b  I  ©.  770 ff. 

2luö  ber  Steige  ber  ©emiten,  foenn  man  fie  ate  fbracbbermanbte  33öl!er  auffaffen 
twoHte,  Würben  (Slam  unb  £ub  obne  3*»eifel  herausfallen.  @ine  bon  Dften  nacb.  2Beften  55 
fortfcb^reitenbe  Sluf^ältlung  ber  33öller  unb  £änber  barin  gu  feb^en,  befriebigt  ebenfalls  nid)t, 
wenn  fiel)  aucb.  bie  Stellung  2lram§  an§  @nbe  burc|  33.  23  rechtfertigen  lie|e.  ÜJJit 
eiarn  unb  namentlich  mit  £ub  finb  bie  Israeliten  «ft  fbät  befannt  geworben,  mit  £ub 
tt)af)Tfct)etrtltcc)  nid)t  bor  ber  (Eroberung  burcl)  bie  Werfer  im  6.  ^af^rb^unbert.  i'ub  als 
Icil  beS  berfifcl;en  3{eicb.S   fyier  genannt   ju  finben,   lief,e   fiefy   bemnacl;  berfteben ;    bann  eo 


716  gSölfertafel 

fiecfen  bic  bon  mannen  in  33.  2  bermifjten  Werfer  t>teHetd£)t  in  (Slam,  ba  beffen  £>aubt= 
ftabt  ©ufa  al§  S^efibenj  ber  ^erferfönige  im  212:  genannt  Wirb  (5Reb.  1,  1).  ©o  wirb 
man  aucb.  ^>ier  auf  bcn  ©ebanlen  geführt,  bafc  ber  33erfaffer  jum  %til  nad)  bolttifcfyen 
33err/ältntffen  bie  Sänber  unb  33oIfer  grubbiert  b,at.  ©afc  bie  in  ber  älteren  ©efdjidjte 
5  S^aefe  befannten  ©ebiete  unb  Stämme  ber  älramäer  33.  23  nicfyt  genannt  Werben,  Würbe 
ju  ber  fbäteren  geit  »äffen,  in  ber  bie  älteren  ©rubben  ber  Slramäer  burcb,  bie  gefd)icb> 
liefen  Umwälzungen  berfd)Wunben  Waren. 

©er  5Rame  ©em  ift  fyäufig  mit  bem  fyebräifcfyen  ÜBorte  cp  in  ber  33ebeutung 
„9Jame,  9tufym"   in  33erbinbung  gebracht  Worben ;   33.  ©tabe  berfudjte    e§  al§   eine  2lb= 

io  für^ung  für  0'*?  ■  —  =  ÜJJamfyafte,  @ble,  abelige§  £>errenbolf  ju  faffen.  2lnbere  Wollten 
barin  bie  33ebeutung  „§öbe"  finben,  bie  fie  enttoeber  auf  ben  §immeI§gott  ober  auf  bie 
hochgelegene  §eimat  ber  ©emiten  begießen  Wollten.  %&oü)  beliebigen  biefe  Deutungen 
ebensowenig  tüte  bie  bon  §am  unb  3ja^et:- 

©er  ©eftd)t§frei§  be§  5ßriefterfober.  reicht  fct)on  jiemltd}  weit:  im  Sorben  b\*  an  bie 

15  Quellen  be3  (Subfyratb  unb  ba§  ©d^War^e  SDteer,  im  SBeften  über  bie  Meerengen  bon 
©ibraltar  b,inau§,  im  ©üben  in  bas  heutige  hübten  unb  ba§  füblidje  Arabien  hinein,  im 
Dften  bi§  @lam  unb  Siebten.  2öa§  Wir  bom  $ab,Wiften  fjaben,  §etd^net  fieb.  in  geo= 
grabbjfcfyer  ^infidjt  nur  burcb,  eine  genaue  Kenntnis  ber  fübarabifeben  ©tämme  bor  bem 
^rtefterfober.  au§.    2lud)  ber  größere  Umfang  bes>  £ori;$ont§  fbricbj   im   allgemeinen  für 

20  ba§  jüngere  ällter  ber  eingaben  be§  ^riefterfober.  (6/5.  ^a^r^unbert).  ©ine  33enu|ung  älterer 
*DJad;rid;ten  burcb.  ben  33erfaffer  ift  jeboeb,  nid)t  au3jufd]lief}en. 

©ie  33erfe  20  unb  31  Weifen  nad)  ifyrem  Sföortlaut  Har  barauf  l)in,  bafj  ber  33erfaffer 
in  feinen  brei  ©rubben  nicfyt  nur  berfefnebene  ©tämme,  Öänber  unb  33blfer,  fonbern  aucb, 
berfcbjebene  ©brauen  miteinanber  berbunben  I)at.  ©eSfyalb  fcfyon  berbtetet  fieb.  ber33erfud), 

25  ben  ©runb  gur  Sinteilung  be3  33erfaffer§  in  ber  fbracbjidjen  93ertoanbtfd)aft  ober  93erfd;ieben= 
fyeit  ber  33ölfer  nacbjuWeifen.  ©ie  moberne  Unterfd)eibung  bon  femitifcfyen  unb  I)ami= 
tifcr)en  ©brachen  lefynt  fid;  jWar  an  bie  33ölfertafel  an,  ift  aber  ein  @r^eugni§  ber  ber= 
gleid;enben  ©bract;Wiffenfcf)aft,  beren  9Jcaf$ftäbe  nicfyt  auf  ba§  Slltertum  übertragen  Werben 
bürfen.    @tWa§  weiter  lommt  man  mit  bem  ©ebanfen,   baf?  ber   geograbfytfdje  ©eftd)t§= 

30  bunlt  für  ben  33erfaffer  mafsgebenb  gewefen  fei :  Qabfyet  fotl  bie  33öl!er  be§  9Zorben§,  §am 
bie  33ölfer  be§  ©übenö,  ©em  bie  ber  3Kitte  umfaffen.  2lber  tt>ie  fommen  bann  dlifa 
unb  %fy arfiö  unter  ^abb,  et,  Kanaan  unter  §am,  ba§  entfernte  £ub  unter  ©em  ?  Stucb,  ber 
^ab,trtift  toürbe  bie  fübarabifeben  ©tämme  gemi|  nid^t  unter  ©em  geftellt  traben,  tnenn  er 
in  ©em  bie  33ölfer  ber  5Ritte  gefeb,en  b,ätte.   3m  «injelnen  unb  beiläufig  fyaben  geograb^ifc^e 

35  9tüdficb,ten  ben  33erfaffer  gemi^  oft  geleitet.  3Xber  e§  fd;eint  boeb,  geboten  ju  fein,  für  ben 
33erfaffer  be§  ^3riefterfobej;  noc|  meb,r  afö  für  ben  ^a^roiften  bie  Slücfficfyt  auf  gefcb,id)tndje 
unb  botitifcb,e  33erb^ältniffe  mit  in  Slnfcb, lag  ju  bringen,  wenn  man  feine  Slnorbnung  ber 
33ölfer  unb  Sänber  berfteb,en  toiH.  9Zad;  ftreng  toiffenfd)aftlid}en  SUlaiftäben  ift  er  ebenfo= 
wenig  berfab,ren  Wie  ber  Qjafytoift.    @r  berwenbet  ben  geograbfyifcben   unb    ben  gefcb,id;t= 

40  liefen  ©eftcb,t§bun!t,  je  nacb,bem  ber  eine  ober  ber  anbere  ib,m  baffenb  erfcb,eint.  ©o  fe^t 
er  bie  ffeinafiatifcfyen  33bl!er  au^  geograbtnfcfyen  ©rünben  ju  Sabblet,  £ub  aber  aus  bo!i= 
tifd;en  ©rünben,  wie  e§  fcb,eint,  ju  ©em  u.  f.  W.  ©aneben  mögen  ib,n  aud)  5Rad;rid;ten 
ober  ©agen  über  bie  2lbftammung  ber  33öl!er  beftimmt  b,aben.  Stuf  biefem  ©ebtete 
fönnen  mir  ben  ©ele^rten  beö  2lltertum§  aber  am  Wenigften  folgen,  iueit  ib^re  unb  unfere 

45  SCenntniffe  fieb,  gerabe  ba  am  mentgften  bec!en,  ja  fid;  oft  wiberfbrecb,cn. 

©d;on  oben  ©.  710,  r>off.  ift  barauf  b,ingetoiefen  toorben,  baf;  bie  33ölfertafel  nidjt  alle 
33öl!er  ber  bamal§  befannten  3\>ett  aufjagen  toiE.  5Ran  barf  bab,er  bie  33ötfertafel  nicb.t 
al§  eine  boUftänbtge  Überfielt  über  bie  ben  ^^raeliten  befannten  33ölfer  ober  gar  über 
bie  93ölfer  ber  2Belt  überb,au^)t   anfe^en.    ©a§   b,aben  fbätere  jübtfcb.e  unb  d)riftlid;e  ©e= 

so  lehrte  aUerbingS  getrau,  inbem  fie  bie  ftatjl  70  b^erauSlefen  Woßten,  34  für  ben  ^3rtefter= 
fobej,  36  für  ben  ^ai) toiften  (bgl.  ba§  jerufal.  Xargum  ju  ©en  11,  8).  2lber  abgefeb,en 
babon,  bafj  fieb,  bie  ftafyl  nur  fünftlicb,  erreichen  lä^t,  lönnte  b,bcb;ftenä  babon  bic  3tebe  fein, 
ba|  ber  -Kebaltor,  ber  bie  beiben  QueHfd;riften  miteinanber  berbunben  r)at,  biefe  Qafyl  im 
2luge  gehabt  b,ätte.    ©em  3lnfcb,ein  nad;  b,at  er  aber  nicb,t  für  biefe  Qabl  gearbeitet.  $ür 

55  bie  33eurteilung  be<S  ©anjen  ift  bon  mefentlid}er  33ebeutung,  ba^  man  bie  ©tüde  be§ 
^ab,toiften  unb  be§  ^riefterfobej  au^einanber  b,ält  unb  fie  für  fi(|  ju  berfte^en  trautet. 
©elb,alb  ift  aueb,  ber  33erfucb,  berfeb,lt,  bie  Slngaben  ber  33ölfertafel  auf  einer  üarte 
barjuftellen. 

^n  bem  gegenwärtigen  gufammenfyang  i,er  ®enefi§  bilbet  bie  33ölfertafel  ben  Über= 

60  gang   bon   ber  ©efcb.icb,te  ber  gefamten  StRenfct/b, eit   jur  ©efcb.icb.te  ber  (Srjbäter  ^grael^. 


»BKertofd  «oettuS  717 

Me  9ftenfd)en  unb  Völler  gefyen  auf  einen  ©tammbater,  %loai)  unb  2lbam,  jurucf  (©en 
1,  26;  9,  6;  bgl.  £i  31,  15);  aber  bie  ©efcbjd&te  biefer  Völler  ift  ntdjt  bie  @'efd)td)te  beS 
§eilö,  baS  ©ott  unter  ber  9Äenfd)I)ett  für  fie  borbereiten  Witt.  SDaS  §eil  beginnt  mit 
ben  ©tammbätem  $SraelS,  um  burd)  ibje  Vermittelung  ju  einem  ©egen  für  bie  Golfer 
ju  Werben  (©en  12,  2  f.).  SDiefer  gufammenfyang  gehört  oI)ne  ^Weifel  bem  Vriefterlober.  5 
an  (bgl.  ©en  1 ;  9  u.  17),  Wal)rfcr)einlid)  aud;  bem  iefyototftifcfyen  Vudje.  D6  ber  urfbrüng= 
licfye  %af)\otft  fd)on  nacb,  biefem  ©eficbtSbunfte  gearbeitet  f)at,  ift  jWeifelfyaft.       Ohttljc. 

ÜSoethtS,  ©iSbertuS,  geft.  1.  9i"ob.  1676.—  Eorn.  ©eittman,  Allon  Bachat  ofte  lyck- 
predicatie,  over  de  dood  van  den  hoog-beroemden  Heere  G.  Voetius,  over  2  öam.  3,  BS; 
Slnbr.  ©|feniu§,  Oratio  funebris  in  obitum  G.  Voetii,  Ultraj.  1077;  9(.  E.  Sufer,  School-  10 
gezag  en  eigen  onderzoek.  Hist.-krit.  Studie  van  den  strijd  tusschen  Voetius  en  Descartes, 
&iben  1861 ;  beif.,  Gisbertus  Voetius,  I,  II,  1.  2  (nod)  md)t  weiter  erfd)ienen),  Setben 
1897 — 1907;  ©.  £>.  ScimerS,  Voetius  en  de  dienst  des  Woords  (Stemmen  voor  Waarheid  en 
Vrede,  1879,  I  blz.  607-624). 

(Siner  ber  einflu^reid)ften  unb  beruft,  mteften  Scanner  in  ber  nieberIänbtfcf)=reformterten  15 
Äirdje  beS  17  ^al>rl)unberts  mar  ©iSbertuS  VoettuS,  feit  1634  ^rofeffor  ber  Geologie 
ju  Utrecht  unb  bafelbft  im  2>al)re  1676  geftorben.  @r  Würbe  am  3.  5Rärj  1589  (nid)t 
1588  Wie  cR@2  f.  SDufer  ©.  V.  I,  7)  geboren  ju  §euSben  in  §oIlanb  auS  einem  alten 
unb  anfefmlid)en  Süttergefcbiecbt,  baS  früher  bei  Vilberbeef  in  2öeftbt)alen  Wol)nte.  ©eine 
©Item,  $auluS  si>oet  unb  5Raria  be  ^geling,  Waren  febj  adjtungSWürbige  Seute,  Weld)c  20 
burd)  ben^rieg  grofje  Verlufte  erlitten  Ratten.  sJJad)bem  il)n  ber  Steftor  beS  ©tymnaftumS 
feiner  Vaterftabt,  ber  gelehrte  Franco  Odolphi,  für  bie  afabemifd)en  ©tubien  bor= 
bereitet  blatte,  Würbe  er  im  Qab,re  1604  nacb.  Serben  gefdncft,  um  bort  bie  Geologie  ju 
ftubieren. 

Unter    bie  ©itbenbtaten    beS  ©taatenfoltegiumS    aufgenommen,    jeid)nete    fid)    ber  25 
jugenblicfye  ©tubent,  „ingeniomagnus,  corpore  parvus",  fefyr  balb  burd)  einen  eifernen 
gleifj  auS,  bem  ein  ftäfylerneS  ©ebäcfytmS  ju  §ilfe  lam ;  bort  Wolmte   er  nad)  Weiteren 
brobäbeutifdjen  Vorbereitungen  balb  ben  ti)eologifd)en  Vorträgen  eines  ©omaruS,  2lrminiuS 
unb  SrelcatiuS  jr.  bei.  @S  mar  jebod)  ganj  befonberS  ber  erfte  btefer  brei  5Ränner,  Welcher 
einen  entfcfyetbenben   @influf?  auf   bie  9ticf)tung   fernes  *3)en!enS  unb  SlrbeitenS   erlangte  30 
unb  in  feinen  Slugen  balb  ber  „magnus  theologus  et  venerandus  praeceptor"  War, 
beffen  „gratus  discipulus"  er   fiel)   fbäter  nannte.    3ERit  betrug  VertiuS,   bem  Regent 
beS  ©taatenfottegiumS,  ber  ein  2lnf)änger  beS  2trminiuS  mar,  ftanb  er   auf  gekanntem 
%u%.  £)urd)  feinen  ©d)arffinn  unb  feine  ^ütmfyeit  im  Verteibigen  ber  ftreng  calbiniftifd)en 
$räbeftinationSleI)re  mad)te  er  fd)on  balb  bon  fid)  reben.    %iaö)  boEbracfyter  afabemifcfyer  35 
Saufbaljm  erhielt   er   im  %ahxt  1611   bte  $rebigerftetle  in  bem  SDorfe  ißlijmen,   mitten 
unter  einer  jab,lreid)en,  römifd)4at^olifd^en  Sebölferung,   unb  fab.  feine  33emül)ungen  jur 
2lu§breitung  bei  ^roteftantt§mus>  in  beren  5Ritte  mit  fo  ermünfcfytem  @rfolge  gefrönt,  ba^ 
fid)  bte  3a|l  feiner  ©emeinbeglieber   balb  berbobbelt  blatte,    ^m  folgenben  ^afyre  *>er= 
heiratete   er   fid?   mit  SDeliana  ban  SDieft,   einer  ntd)t    unbemittelten  33ierbrauer^tod)ter.  40 
?Jad)bem  bie  reformierte  ©emeinbe  in  Siotterbam  iljm  bergebeni  berufen  blatte,  nafjm  er 
im  3jal)re  1617  einen  9luf  nad)  feiner  3]aterftabt  §euöben  an,   teils  aui  Slnb^änglid^feit 
an  biefe;  bod)  infonber^eit  trieb  e§  ifm,  bem  bort  mel)r  unb  mel)r  guneb^menben  9iemon= 
ftrantümui  entgegen  ju  arbeiten.    3J£it  großem  @ifer  war  er  im  SDienfte  am  ©bangelio 
bort  tätig,   fo  ba|  er  felbft  ad)tmal   in  ber  2öod)e  brebigte  unb  manchmal  jugleid;  aud)  45 
als  Vorlefer  unb  SSorfänger  auftrat.  2lud)  mibmete  er  fid;  mit  allem  gleifj  bem  ©tubium, 
ntebt  nur  ber  Geologie,  fonbern  aud)  befonberS  ber  arabifc^en  ©brache.  3U  gletd^er  3eit 
trat  er  als  ^3ribatbojent  auf  in  einzelnen  gäd)ern  ber  t^eologtfdjen  2Biffenfcb,aft,  in  ber 
Logica,  Physica  unb  Metaphysica,  in  ben  orientaltfd)en  ©brauen,  unb  ber  Unterricht, 
ben  er  gab,    tourbe  gebriefen  als  zä)t  metf)obifd).    ^m  ^ab^re  1618  mürbe   er  als  216=  50 
georbneter  ju  ber  SDortrecbter  ©^nobe  entfenbet,  mo  er  einen  bebeutertben  @influ|  auf  ben 
©ang  ber  23erl>anblungen  in  biefer  ®ird)enberfammlung  ausübte  unb  für  bie  ^nxcfe  ber  Montra= 
remonftranten  mit  allen  ib.  in  ju  ©ebote  fteftenben  Wittein  eiferte.  sJcad)  unb  nad}  beb.  nte  er, 
bon  feinem  Ileinen  ©tanborte  auS,   feine  unermübete  Stmtigfett  toeiter   unb  Weiter   auS, 
fo  bafj  er  ftetS  meb^r  befannt  unb  bei  Stilen,  bie  einer  ftrengen  üRecfjtgläubigfeit  ?jugetb,an  53 
Waren,  geliebt   unb   gefcfyäfct  Würbe,     ©rötere  ©emeinben   begehrten   ib^n    als  $rebiger. 
©0  befam  er  1626    einen  9luf   nad)  'S©rabenb,age  unb  1628  nad)  §aarlem.     @r  blieb 
aber  borläufig  in  §euSben.   @ine  3«it  lang  brebigte  er  ju  ©ouba,  um  bort  ben  in  biefer 
©emeinbe  eingebrurtgenen  SlrminianiSmuS  mit  ©tumbf  unb  ©tiel  auszurotten,   unb    alo 


718  SBoetiuS 

im  %al)vt  1630  .geraogenbufcb,  („baS  sJiieberIänbifcfye  9tom")  burcb,  bic  Srubben  ber 
©eneralftaaten  ben  ©paniern  entriffen  toorben,  entlebigte  er  ficb,  mit  gleicher  SEreue  ber 
ifym  übertragenen  Aufgabe,  in  jener  ©tabt  nämltcb,  bie  Angelegenheiten  ber  reformierten 
©emeinbe  ju  orbnen.  ©ein  fefier  ©tanbort  blieb  inbeffen  £>euSben,  bis  er  im  Sunt 
s  1634  (nict/t  1637  tote  3ftar.  ©öbel,  @efct)tcr)te  beS  d)riftt.  SebenS  in  ber  9tyem.=2öeffy&. 
©bangel.  ^ird^e  II,  1,  ©.  142  berietet)  mit  einem  ©e&alt  »on  1200  ©ulben  (2000  ÜRI.) 
als  ^3rofeffor  ber  Geologie  unb  morgenlänbifdjen  ©bract/en  an  ber  neugegrünbeten  ^uftre^ 
©cfyule  ju  Utrecht  angeftellt  tourbe,  nacf/bem  ber  berühmte  ^3rof.  b.  %fy eol.  £>enricuS  2lltmg 
au§  ©röningen  einen  9tuf  abgelehnt  r)atte.    %n  Utrecht  follte  93oetiuS  nun  für  ben  9ieft 

10  feines  SebenS  arbeiten  unb  rampfett.  SBäfyrenb  feines  langjährigen  Pfarramtes  r/atte  er 
fid^>  um  bie  $ird)e  fe^r  berbient  gemacht,  fo  bafj  bie  klaffe  bon  ©orincr/em,  toorunter 
bie  ©emeinbe  bon  §euSben  reffortierte,  als  fie  SSoetiuS  bimittierte,  U)m  baS  ^ugniS  gab 
„rev.  et  doctissimum  virum  d.  Voetium  abhinc  annos  circiter  viginti  tres  classis 
nostrae  membrum  fuisse,  ac  se  continuo  praestitisse  strenuum  doctrinae  ortho- 

15  doxae  propugnatorem,  sincerum  pietatis  ac  evragiag  ecclesiasticae  assertorem, 
ipsumque  diligenti  sua  praesentia  classicales  conventus  nostras  ornasse,  piis 
prudentibusque  consiliis  ac  cordatis  auxiliis  in  rebus  arduis  ad  ecclesiae 
aedificationem  spectantibus  fideliter  juvisse,  onera  sibi  a  classe  imposita  promte 
fortiterque  sustinuisse,  atque  ita  industriam    suam    ac   zelum    in  caussa  Dei 

20  abunde  nobis  probasse" 

SJlit  einer  2lntrtttSrebe  „De  pietate  cum  seien tia  conjungenda"  (herausgegeben 
mit  feinen  Exercitia  pietatis,  ©orincfyem  1644.  £>oH.  Überfe^ung  bon  $.  2öeftert)ui§, 
Sreufelen  1902)  trat  33oetiuS  am  21.  Sluguft  1634  in  feiner  Sßürbe  als  Sßrofeffor  in 
Utrecht  auf,  too  fein  SöirtungSfreiS  ftd)  noeb,   meb,r  ausbeute,   als   er   am  25.  gebruar 

25  1637  noeb,  bagu  baS  getoöfmitcfye  §irten=  unb  Ser/ramt  bei  ber  lltrecfyter  ©emeinbe  über= 
nafym.  ©er/r  grofj  tourbe  befonberS  fein  ©influfe,  als  bie  3Qwftee=©d§uIe  bon  Utrecht  im 
3ab,re  1636  ju  einer  toirtlicr/en  §oct)fdjuIe  erhoben  toarb,  too  SßoetiuS,  ber  lurj  barauf 
(13.  2tug.  1636)  ju  ©röningen,  promotore  Gomaro,  ben  ®o!torrang  erlangt,  berufen 
toar,  eine  anfer/nlicfye  ©teile  $u  beHeiben.    @r  toei^te  am  13.  3Jtärj  1636  bie  neue  ttni= 

30  berfttät  ein  mit  einer  ^rebigt  im  SDom  über  ben  SLer.t  Sc  2,  46  („Sermoen  van  de 
nutticheydt  der  academien  ende  scholen,  mitsgaders  der  wetenschappen  ende 
consten  die  in  de  selve  gheleert  werden",  Utrecf/t  1636,  in  4°;  2.  Stufl.  Slmfterbam 
1655  in  12°).  «Mit  Unrecht  fagt  »an  Dofterjee  (9«S2  XVI,  554),  bafc  er  in  bemfelben 
^ar/re  eine  „$robe  bon  ber  $raft  ber  ©ottfeIig!eit"  Verausgab.  SDiefer  ©d)rift  („Proeve 

35  vande  cracht  der  godtsalicheyt",  Slmft.  1628,  2.  älufl.  lltred)t  1656)  ift  bon  ir)m 
getrieben  i.  3-  1627,  als  er  nodj  ^3rebiger  ju  ^euSben  toar,  unb  gerichtet  gegen  ©antel 
itilenuS,  ben  früheren  $rofeffor  ber  Geologie  gu  ©eban.  ©ie  barf  jur  Sr/aralterifierung 
feiner  Stiftung  t)öcf/ft  merltoürbig  genannt  toerben.  ©o  fer)r  nämltcrj  SBoetiuS  ein  35er= 
teibiger  ber  fircr/licf/en  3ftecf)tgläubtgfeit  toar,  ebenfo   fet)r  toar  er  jugleicb,  bon  bem  $8e= 

40  toujjtfein  burcr/brurtgen,  baft  ein  rechtgläubiges  SSefenntniS  nichts  bebeute  or/ne  einen  ©ott 
geheiligten  2öanbel.  |$ur33eförberung  fyierbon  r)atte  er  alS^rebiger  ju^euSben  baS  Sücr); 
lein  bon  %I)omaS  a  HembtS  „de  imitatione  Christi"  unb  bie  aSfetifcf/en  ©Triften  beS 
^rattifaliften  SB.  2eellincf  (f.  33b  XIX  ©.  472),  ben  er  als  „theologum  ngoKtattbimov" 
fyoeb,  berebrte,  feinen  ©emeinbegliebern  öfter  auSbrüdlicf;  empfohlen,  unb  aud?  als  ^ßrofeffor 

45  iu  tttrecbi  fuc^te  er  unter  ben  ©tubenten  ber  SEl^eoIogie  benfelben  braftifer/en  ©eift  möglidgft 
anzuregen,  ungefähr  in  gleicher  Sßeife,  toie  fein  2lmtSgenoffe  SlmefiuS  biefeS  an  ber  £oc£/= 
fcb,ule  gu  ^raneler  tfyat.  3lua)  bon  ber  ^anjel  r)erab  bestrafte  er  laut  unb  Iräftig  bie 
^trlebre  ber  ^emonftranten,  fotoie  bie  übrige  SebenStoeife  ber  lltrecf/ter  2triftofratie. 
©tufterb,aft  inSe^ug  auf  baftorale  Pflege  unb  ^^ättglett,  unterrichtete  er  fogar  bie  Meinen 

so  ßinber  in  bem  2öaifenb,aufe  mit  ber  aufmer!famften  ©orgfalt,  fo  ba^  er  bon  ©rojj  unb 
lllein  auf  ben  £änben  getragen  tourbe.  ©eine  JMegen  ehrten  tr/n,  bie  -DtagiftratSberfonen 
achteten  ib,n  unb  fc^meia^elten  tr)m  manchmal,  obtoo^l  feine  buritanifö^e  „Precysheyt" 
(©etoiffenl)aftigfeit)  unb  fein  Sefämbfen  bon  allerlei  ©ünben  ib,m  ju  gleicher  geit  biele 
geinbe  machte.  2Ran  berglic^)   it)rt    mit  ^et^ro,    ber  ^Srael   in   ber  2Büfte    jum   gü^rer 

56  biente,  mit  Sofebfy,  ben  feine  trüber  jtoar  r)eftig  bekämpften,  ben  aber  ©ott  fict)t6ar  ge= 
ftärlt  b,atte.  3Zoct)  heutigen  SLageS  toirb  bie  ©tra^e,  in  ber  feine  im  ©ebtember  1907 
abgebrochene  SÖo^nung  ftanb,  nact)  feinem  tarnen  genannt,  unb  fein  gut  getroffenes 
S3ilb,  bon  9lembranbt  ober  einem  feiner  beften  ©ctjüler  gemalt,  giert  baS  ©enatSjimmer  ber 
Uniberfität. 

60         @S  toar  inbeffen  nict/t  nur  feine  ^römmigleit,  fonbern  baubifäcpcr)  feine  auSgebeb,nte 


Soethtg  719 

©elefyrfamt'ett,  ioeSbalb  isoetiuS  bon  fo  Stelen  als  eine  grabe  feines  Greifes  unb  ein  £icr)t 
feines  3>aI)rfyunbertS  betrachtet  mürbe.    (Sin  unbegrenzter  $orfd;ungStrteb  fbomte  ifm  an, 
mo  mögltdt)  alles  ju  lefcn,  was  nur  einigermaßen  in  feinen  Sereid;  fam,  infonberb,eit  bon 
ber  bolemifcfyen  Sitteratur  feiner  Sage,  HxSljalb  man  ib,n,  nad;  bem  Sendete  eines  geit= 
genoffen,   einen  S8üd)erberfd)Imger  (helluonem  librorum)   ju   nennen  pflegte,     ^n  ber  5 
ftrengften  ^abrcSjeit  fonnte  man  ib,n  fdjon  morgens  um  4  Ufyr  in  feinem  ©tubier^immer 
finben,  umringt  bon  feinen  33üd)ern,  beren  ^rifyatt  er  feinen  afabemifcfyen  gufyörem  mit= 
teilte  ober  in  feine  jal)Ireict;en  SBerfe  aufnahm.   2luf$er  ber  ©otteSgelefyrtfyeit  gab  er  aucb. 
nod)   Unterricht  im  §ebräifd;en,   2lrabifd;en  unb  ©fyrtfcfyen,   nicfyt  nur  publice,   fonbern 
aua)  privatim,   toäfjrenb   er  nod)  aufjerbem  bie  ©tubierenben   burd;  SBort  unb  33eifbiel  10 
ermunterte,  exercitia  pietatis  ju  galten,  moburd;   man  in  brüberlicfjer  gufbracfje  uni, 
©rmabnung  fo  biel  roie  möglief;  baS  geiftlicf;e  Seben  untereinanber  ju  ermecfen   unb   ju 
ftärfen  fucbte.    3Son  gern  unb  9?ab,  lamen  gubörer  jufammen,  bie  feinen  5Rat  unb  feinen 
Unterricht  fugten  unb   in   bem  $riftlid;=mtffenfd;aftlicf)en  ÄreiS,  ber  ftd;  rtngS  um   ifm 
bilbete,  fet)en  roir  ben  unermübeten  ^rofeffor  Slnbr.  ©ffentuS,  ben  gotteSfürcbJigen  ^kebiger  15 
unb  getftltcfyen  Sieberbicfyter  ^ob.  ban  Sobenftein  (f.  Sb  XI  ©.  572)  unb  bie  reicfybegabte 
unb  fromme  Jungfrau  2lnna  3Jtaria  ban©dmrman  alS©terne  erfter©röf;e  f;erbortreten. 
yiifyt  meniger  als  42  ^ab,re  lang  war   eS   if;m  bergönnt,   feinen  ®atf>eber  mit  @b,re   ju 
betreten,  unerfcf;ütterltcb  unb  getreu  auf  bem  einmal  eingenommenen  ©tanbbunfte.    SStele 
©türme  im  ©taate  unb  in  ber  ®ird)e  t)at  er  entfielen  feljen,  boct)  aucf;  bie  Stu^e  nad;  20 
bem  ©türme  f;at  er  erlebt.    ©0  War  eS  itmt   infonberbeit  ein  peinlicher  2lugenblid',  als 
er  bie  altebrfoürbige  ®omftrd;e,   in  welcher   er  feit   bieten  %afyxzn  baS  ©bangelium  ber 
Deformation  gebrebigt  Ibatte,  im  3^^1672  bei  bem  nur  lurjen  %riumbl)e  SubWtgS  XIV 
über    bie    bereinigten  $robingen    eine  $eit    lang    bem  römifd)=IatboIifc^en  ©otteSbienfte 
jurüdgegeben  fal).    ©ein  Vertrauen   auf  ben  §errn  blieb  aber   unerfct)ütterlict)  unb  baS  25 
Söort  beS  2ltf>anafiuS :    „nubicula  est,  transibit",   War  baS  StroftWort,    baS  er  öfter 
feinen  befümmerten  greunben  jurief.  SBirfltd;  fab,  er  benn  aucb  biefe  bunfle  SBolfe  Wieber 
öorbetgieben,  er  burfte  nocf;  t)ienieben  bie  ^Befreiung  ber  Äircbe  unb  beS  3SaterIanbeS  mit= 
feiern.    9iacb,    einem  Seben  reicb.    an  Sftüfye  unb  ©treit  febnte  fic^>  ber  87jäb,rige  ©reis 
nacb.  ^rieben  unb  9tuf)e  unb  entfcfyüef  ben  1.  9Zobember  1676  mit  ben  Sßorten   auf  ben  30 
Sibpen :    „desidero   te   millies,   mi   Jesu,   quando  venies,    ine  laetum   quando 
facies,  me  de  te  quando  saties?" 

SoetiuS  ©öfyne  SßauluS  (geb.  7.  ^uni  1619,  geft.  1.  Sluguft  1667)  unb  Daniel 
(geb.  30.  ®egember  1629,  geft.29.^uli  1660)  finb  mit  tym  $rofefforen  gu  Utrecht  geWefen, 
ber  erfte  in  ber  9tecf;tSWiffenfcf;aft,  ber  §Wette  in  ber  ^fülofoblne.  33eibe  fyaben  fict)  burcf;  35 
ib,re  Slrbeit  unb  ©driften  berühmt  gemalt  unb  waren  bon  ähnlicher  @eifteSrid;tung  tote 
ber  S3ater.  @in  britter  ©ot;n,  TOfoIaS  (geb.  1636,  geft.  1679)  mar  $rebiger  ju  §euSben 
unb  feit  1677  ju  Utrecht,  ©ein  @nf el  ^ob. anneS  (geb.  3.Dft.  1647,  geft.  11.  ©ebt.  1713), 
©ofm  beS  Paulus  SSoetiuS,  b,at  baS  juriftifc^e  ^ßrofefforat  belleibet  erft  ju  §erborn  unb 
fbäter  ju  Utrecht.    Qtoti  2;öc^ter,  5Diaria  unb  (SlifabetjE),  ftarben  unberb^eiratet.  40 

@S  ift  nicbt  leidet,  über  bie  £icb>  unb  ©cfjattenfeiten  in  ber  tfyeologifcfyen  3öirlfam= 
feit  bon  SSoetiuS   ein  bolüommen   unbarteiifcf;eS  Urteil   auSjufbrectjen.    S5aS  Urteil  mirb 
immer  berfdneben  ausfallen,  je  nad)  ber  ©teßung,   in  ber  man   felbft   ju   ber  bon  tym 
be!annten  unb  berteibigten  SfBal>r^eit   ftebt.    ©0  mar   eS   fcfyon  mäf)renb   feines  SebenS: 
berfelbe  Mann,   ber  bon   ben  einen   bis  in  ben  §immel  erhoben  mürbe,   toarb  bon  ben  45 
anberen  bis  in  ben  tiefften  Ibgrunb  berit>ünfd)t.  ältan  b,at  eine  3)Zebaille  ju  feiner  (Sfjre 
gebrägt,  aber  aucb,  getrachtet,  ibn  gu  befcf)imbfen  mit  bem  2)ifticf)on: 
„Voetius  odit,  alit,  fallit,  defendit,  adoptat, 
Pacem,  dissidium,  patres,  absurda,  malignos" 

SOBem  eS  jebod)  ernft  ift  mit  bem  ©brudje:  „non  ridere,  nee  ludere,  sed  intel-  50 
ligere",  ber  muft  jubörberft  fiel;  gang  auf  bem  ©tanbbunit  jener  3«it  3U  berfe^en 
trauten.  ®er  SlrminianiSmuS  fua)te,  im  33unbe  mit  einer  mächtigen  ©taatSbartei,  in 
ber  nieberlänbifd^=reformierten  ISird)e  bie  einmal  gelegten  gunbamente  ber  firdbtidt)en  unb 
meltlictjen  Slutorität  fo  biel  mie  möglid;  ju  untergraben  unb  unter  bem  fd;önen  SGSaJ>I= 
ftorud;  ber  Siberalität  ©runbfä|e  einjufübren,  meiere  naef)  33oetiuS'  innigfter  Überzeugung  65 
ben  calbiniftifd;=nieberlänbifd;en  Äird;en  nid>t  nur  gefäl;rlid;,  fonbern  tobbringenb  maren. 
%n  feinem  ©emiffen  bielt  er  fidt)  für  berbflia;tet,  biefe  ©runbfä^e  ofme  Slnfe^en  ber  ^erfon 
bis  aufS  33lut  ju  befämbfen.  „Cogitabam  mihi  divinitus  dici:  hoc  age",  fcfyreibt 
er  irgenbioo  (Polit.  Eccles.  I,  p.  813),  wo  er  bon  ben  Semeggrünben  fbricl;t,  bie  ibn 
beftimmt  Ratten,  in  feiner  3u9«nD  °^n  9luf  nafy   feiner  Saterftabt  anjunebmen,  unb   ^tt  60 


720  «octiuS 

aßen  fetten  mar  el  fein  r/ödjfter  ©^rgetj,  ein  lircbjicfyer  £>erlulel  gu  fein,  ber  ben  3lugial= 
ftatf  fo  fiel  tüte  möglid)  reinigte  unb  bie  greulichen  Ungeheuer  erlegte,  ^Darauf  mar 
benn  auc|  fein  gangel  Seben  unb  Söirlen  gerietet,  ©cb,on  all  ^rebtger  in  ^eulben 
geigte  er  ficb,  al§  ein  Iraftboßer  unb  gu  fürcfytenber  Selämtofer  bei  2Irminianilmul.  $n 
5  ber  großen  ©Jmobe  gu  SDorbredjt  1618/19  blatte  er  ©i£  unb  ©timme  unb  fat  er  mit= 
gearbeitet,  bal  Urteil  über  bie  Stern  onftranten  aulgufbrecfyen,  toäbjenb  feine  oben  fd>on  ge= 
nannte  ©ct/rift  „Proeve  vande  cracht  der  godtsalicheyt"  gegen  bie  Seb,  re  unb  93rar.il 
ber  Sftemonfiranten  gerietet  mar.  Slucb,  all  ^rofeffor  gu  IXtredjt  fe^te  er  ben  ©treit  gegen 
bie  Stern onftranten  fort  in  feinen  ©Triften  „Thersites  heautontimorumenos"  (Ultraj. 

10  1635)  unb  „Catechisatie  over  den  Catechismus  der  Remonstranten"  (Utrecht 
1641).  ^n  feinen  23orIefungen  unb  Stipulationen  belämbfte  er  forttoäfyrenb  bie  £eb,r= 
fcr|e  ber  9?emonftranten,  meldte  um  ficb,  freffen  „Wie  ber  Ärebl  in  ben  fyeilfamen  Söorten 
6b,rifti"  (SDuier  t.  a.  p.  II,  69,  70). 

SSoettug  @r.egefe  War  nicb,t  barauf  eingerichtet,  erft  nocfy  einmal  gu  unterfud)en,  t»a§ 

15  nad)  bem  ©ct/rtftWort  religiöfe  unb  cbjiftlicfye  SSafjrfyeit  genannt  Werben  füllte,  fonbern 
um  auf  ^ilologifcfyem  Söege  bie  2öabrl)eit  bei  fcb,on  angenommenen  lirdjiicfyen  ©bjteml 
gu  beWeifen,  bon  bem  nun  einmal  lein  Xitel  nod)  Qota  fallen  burfte.  ©o  fehlte  U?m 
oft  bei  aller  ©eleljrfamleit  jene  ©eiftelfreifyeit  unb  Unabljängigleit,  bie  je|t  mit  Siedet 
al§  bie  erfte  gierbe  bei  Wiffenfdjaftlidjen  3lullegerl  ber  fy.  ©cfyrift  angefefyen  Wirb.  31I§ 

20  ©jeget  ftanb  er  Weit  unter  ßalbin,  bcffen  Sefjre  er  berteibigte.  ©eine  Dogmatil  trug 
fotoob,!  fyinfidjtticb,  ber  gorm  all  bei  $nl/altel  einen  gang  fcfyolaftifdjen  (Eljaralter,  unb 
gewiß  fat  S^olucf  nid)t  gang  Unrecht,  Wenn  er  ficf;  ($)al  afabemifcfye  Seben  bei  17.  ^ab,r= 
fyunbertl  II,  216)  über  bie  „barbarifct/e  ^unftterminologie"  in  feinen  ©Triften  bellagt. 
$um  SBeWeife  fnerbon  nennen  Wir  feine  selectae  disputationes  theologicae  (5  tomi, 

25  Ultrajecti  1648—1669,  fe§r  feiten),  bon  benen  befonberl  bie  brei  erften  33änbe  all  ®ar= 
fteüung  feine!  gangen  tfjeologifdjen  ©tojteml  betrautet  Werben  lönnen  (bie  beiben  legten 
33änbe  finb  braltifcfyen  3;nl)altel.  D.  31.  $ut)ber  gab  D.  Gysberti  Voetii  Selectarum 
Disputationum  fasciculus  b/eraul,  Amstelod.1887).  üDie  gange 5Retb,obe  ber  23el)anblung 
berrät  ben  ©cfyolaftilul,  ber  burcb,  enblofe  33egrifflbeftimmungen   unb   fotofyiftifcfye  Unter= 

30  Reibungen  nicfyt  feiten  bie  ®inge  el)er  bunller  all  beutlid)  macfyt.  ©eine  ©bradje  ift 
nicfytl  Weniger  all  gereinigt,  feine  SRetfyobe  ntdjt  fr/Hogiftifcb,  fonbern  trocfen,  unb  Wenn 
ber  Slboftel  ^aulul  gurüdläme  unb  bemäfyme  bie  oft  bon  SSoetiul  mit  großer  9Beit= 
fct/Weiftgleit  befyanbelten  fragen,  f°  würbe  er  nicfyt  angeftanben  fyaben,  feine  SBamung 
gegen  bie  Cyrrjosis  xal  yevsakoyim   xal    k'geig  xxX.    %\  3,  9    gu    mieber^olen.     ®iefe 

35  ©c^olaftil  mar  if)m  bal  »iHIommene  §tlflmittel  gur  3[5erteibigung  einel  ftrengen  6al= 
binilmul,  »on  reellem  er  rtid^t  bie  geringfte  2lbh)eid)ung  bulbete.  infolge  beffen  rourbe 
feine  Sftcfytung  bormiegenb  polemtfd),  unb  bie  ariftotelifcfye  ^Ijilofob^ie,  toie  btefe  nacb, 
unb  nad)  burd^  bie  dttuftlidjie  Seb,re  mobifigiert  unb  berbeffert  roorben,  mar  eine  ber  feften 
©äulen  feinel  ©ebäubel  unb  gugleic^)  bie  bemütige  SDienerin  ber  bon  if)m  borgetragenen 

40  unb  gelehrten  Geologie.  3luf  ©runb  ber  3lutorität  ber  fyl.  ©c^rift  forberte  er  bon  feinen 
©c^ülern  ein  gläubigel  2lnnef)men  ber  tb,  eologifc^en  SKtifterien  unb  unterwarf  jebel  ©ogma 
einer  haarfeinen  Stnalr/fe,  ber  allbann  eine  fd^olaftifdje  ©r/ntb,efe  folgte.  %üx  bie  gming= 
Iianifcb,e  ober  aud;  melanc^t^onifclie  Stiftung  bieler  ^{»eologen  feiner  3^t  falte  er  leine 
©r/mpatl)ie,  aueb,  fanben  nicr/t  allein  bie  be!annten  ©egner,  fonbern  ebenfo  aud?  bie  falben 

45  greunbe  unb  bergagten  iserteibiger  aüe§  beffen,  toa§  bei  ib,m  all  2Baf)rl)eit  galt,  leine 
©nabe  in  feinen  3lugen.  i>on  bem  „^fyilologen"  ©rotiul  mar  er  Weniger  all  biele 
Slnbere  eingenommen  unb  ©ralmul  nannte  er  einen  Slrianer,  ^elagianer,  ©oginianer  unb 
©cebtifer.  „Dubitatio  non  potest  dici  prineipium  sapientiae  theologicae,  sive 
inchoans,   sive  praeparans  aut  disponens,    sive  fundans",   mar   fein  Söa^lfbrucf) 

50  (Disp.  Sal.  III,  831)  unb  jeber,  ber  alfo  aueb,  nur  einigermaßen  bafür  angefeljen  Werben 
fonnte,  ben  ©amen  bei  Zweifel!  aulguftreuen,  ben  blaßte  er  mit  botllommenem  §a|. 
ßalbinift  in  ber  2ef>re,  War  er  el  aud)  in  feiner  3Sorftellung  bon  ber  ©tetlung  ber  ^irdje 
gum  ©taate.  SDelroegen  mar  er  benn  aueb,  ein  heftiger  ©egner  jebmeben  ^3atronatl,  bal 
ber  ©taat  über  bie^ird;e  aulübte  (f.  feine  Politic.  Eccles.  2lmft.  1663—1676,  3  tom. 

55  in  4  vol.,  feb,r  feiten.  D.  %.  £.  Stutgerl  unb  D.  ^b,.  ^.  §oebema!er  gaben  Tractatus 
selecti  de  Politica  Ecclesiastica  b,eraul.  2  fasciculi.  Slmft.1885,  1886)  unb  ftetl  brang 
er  barauf,  baß  bie  Äird^e  tt)re  geiftlid)en  3lngelegenb,eiten  felbft  regieren  unb  u)re  SDiener 
felbft  anfteHen  foßte.  ©eine  Segriffe  hierüber  tourben  bon  Subobtcul  SJtoIinäul  beftritten,  ber 
ib,n  in  einer  fcfyarfen  @egenfcb,rift  (Sonbon  1668)  ber  allgemeinen Skradjtung  breilgugeben 

60  fucfyte.    heftiger  noeb;  unb  anb,altenber  War  fein  ©treit  mit  bem  fambfluftigen  ^arefiul, 


SSoetiuS  721 

^rofeffor  unb  ^rebiger  in  £>eräogenbufcfy,  fbäter  ^rofeffor  ju  ©röningen  (f.  33b  XII 
©.  298).  2Bie  ftarf  anti=römifd)  33oetiu§  mar,  fyatte  er  fd)on  früher  gegeigt  in  feinet 
„Desperata  causaPapatus"  (Stmft.  1635),  einem  bicfen23anb,  gefcfyrieben  gegen  benSömener 
Sßrof.  ßorneltuS  $anfemu§,  feit  1636  Sifctmf  bon  5)bern.  ®er  Streit  mit  9Jiarefiu3  betraf 
eine  fefyr  alte  röm.=fatfy.  23rüberfcf)aft  (bie  33rüberfcf)aft  unferer  Sieben  grauen)  in  §erjogen=  5 
bufd;,  bie  bei  ber  Übergabe  biefer©tabt  au3  ben^änben  ber  ©panier  in  bie  ber©eneral= 
ftaaten  gefront  morben  mar,  bon  welcher  nun  SSoetiug  behauptete,  fein  reformierter 
2Ragiftrat  bürfe  eine  foldjie  33rüberfcb,aft,  „in  se  et  per  se  mala,  pessima,  abomi- 
nanda,  detestanda",  innerhalb  ber  ©tabtmauem  bulben  (f.  fein  „Specimen  asser- 
tionum  partim  ambiguarum  aut  lubricarum,  partim  periculosarum,  Ultraj.  1642, 10 
gemöfynlid)  citiert  al<§  „Conf rater nitas  Mariana",  ©in  ©semblar  biefeS  äufeerft  feltenen 
2ßerfe3  ift  ju  finben  in  ber  23ibItotf)ef  ber  Uniberfttät  ju  Utrecht).  9fteb,r  aU  25  3al)re 
lang  mürbe  biefer  ©treit  Don  beiben  ©eiten  mit  abmecfjfelnbem  ©lücfe  geführt,  aud; 
anbere  fünfte  mürben  nadj  unb  nad;  in  biefen  ^arnbf  hereingezogen  unb  bieKeicfyt  mürbe 
er  erft  mit  bem  SLobe  einer  ber  beiben  Parteien  ein  @nbe  genommen  I)aben,  bättert  e3  15 
ntd^t  beibe  für  nötig  erachtet,  ftd)  bie  §anb  ber  23erföfynung  $u  reiben,  um  bereinigt 
einen  neuen  $ambf  ju  beginnen  gegen  ben  gemeinfcfyaftlicfyen  geinb  —  ^ofyanneS  6occeju3. 

Sob.  ©occeju§  (f.  b.  21.  33b  IV  ©.  186  ff.)   trat   als  iöerteibiger  einer  freieren  «Ricfc 
tung  auf,  bie    burd)   eine  felbftftänbige  ©jegefe  unterftü|t  tourbe  unb    bie  $ßrar.i3  be3 
©bjiftentumg  DteCteid^t  ju  biel   in   ben  §intergrunb  ftellte.    llrfacbe  genug   für  2Joetiu§,  20 
bem  2öunfd)e  feiner  greunbe  ju  mißfallen  unb,    mie   ein  bom  ©cfyeitel  big  jur  ©ob,le 
geljiamifcbier  bitter,   gegen   iljm  in  bie  ©cfyranfen   ju   treten.    JJm  3a^re  1666   Kefe   w 
burcb,    ben   ungarifcfyen  ©tubenten  ©tebfyanuS  ©»^efi   eine  föisbutation  über  bie  beiben 
ffiorte  äcpsoLQ  unb  jidgeoig  ä/j,.   berteibigen,  melden  Sßorten  ©occejug  eine  fdfjiarf  ge= 
fa)iebene  33ebeutung  beigelegt  batte,  nad^bem  fdmn  einige  $af)re  früher  (1658)  fein  ©djmler  25 
unb  2tmt3genoffe  2lnbrea§  ©ffentuS  bie  2lnficfyt  be»  ©occejuS  ^tnfic^tlid^  bes>  <£>abbatfy§  mit 
allem  ■Jtadjbrucf  betambft  l)atte  (33oetiu3   felbft  batte  fdmn   im  ^afyre  1627  bie  genaue 
2>nnefyaltung   be§  ©abbatf)3   berteibigt   in   einer  glugfcfyrift    „Lacrymae  erocodili  ab- 
stersae").    ®a§  Sebenlen,  bafe  bie  coccejartifcbe  göberaltb,  eologie  fid)  in  tbrer  lonfequenten 
©ntmidelung  mit  einer  ftrengen  ^räbeftinations>leb,re  auf  bie  2)auer  unmöglich)  bereinigen  30 
Itefee,  trieb  23oetiu§  ju  berbobbelter  £eftigfeit  an.  tflad)  bem  geugniffe  <*ßrc  feiner  greunbe 
getoann  er  fcbon  in  feiner  erften  ©egenfd)rift  gegen  ben  neuentbedten  $e|er  einen  glänzen* 
ben  ©ieg,   mäfyrenb   bei  meitem  ber  größte  ^eil  ber  Sefyrer  unb  ©lieber  ber  ®ircb,e  ftd) 
auf  feine  ©eite  fdjarten  al§  ba§  anerfannte  §aubt   ber   ortf)oboj=buritanifd;en  ^icfytung. 
^nbeffen  and)  GoccejuS  fdjmieg  nicr)t  unb  fo  bxad)  ein  ©treit  Io§,  ber  eine  lange  9teib,e  35 
bon  ^afyren  b,inburd)  bie  nieberlänbifd}=reformierte  ^ircbe  bis  in  ibre  ©runbfeften  erfdjüttert 
bat.    3Bir  lönnen  ^ier  bie  ©efd)ici)te   biefe§  ©treitel  rticbt   berfolgen  (bgl.  Mai  ©öbel 
a.  a.  D.  ©.  155  ff.),    genug,    bafe    er   balb   nid?t  nur  einen  tbeologifdpen  unb  lir^Itdben, 
fonbern  aucfr,  einen  bolitifd}en,  ja  berfönlid;en  ßljarafter  erlangte,  mobei  leiber  bon  beiben 
©eiten   ba3  ©ebot  ber  Siebe  nur   albjufefyr  bergeffen   mürbe.     ®ie   ftrengen  Soetianer  40 
Ratten  gemöfmlicb,  eine  orangiftifcfje,  bie  (Soccejaner  hingegen  eine  rebublifanifcfje  3ticbtung, 
unb  erft  Qabje  nad^  bem  SLobe  ber  erften  Äämtofer  mürbe  bergriebe  ob, ne Sluflöfung  ber 
Äircbe  mieberb,ergefteßt,   ober  memgftenS   ein  SBaffenftillftanb  gefcb^Ioffen,   al§  man,   niebt 
ob,ne  ©influ^  be§  ©taateS,  gelungen  marb,  einanber  in  Siebe  ju  tragen  unb  man  3.  33. 
in  2Imfterbam  befebto^,  bei  jeber  ^Berufung   eine^  ^rebigerS   abmecfyfelnb  unb  ber  SKetbe  45 
nadji,  erft  einen  25oetianer,  bann  einen  ©occejaner  unb  bann  einen  Sambianer  (bie  braftifd) 
a§fetifd}e  Stiftung)  ju  berufen. 

§eftig  mfonberbeit  mar  ber  ©treit,  meldten  33oettu§  gegen  bie  naefj  feiner  Über= 
geugung  mit  ber  cfyriftlict)  reformierten  Xbeologte  unbereinbare  cartefiamfcfye  ^3b,ilofobb,ie 
geführt  b,at.  2lnfänglid)  i>ielt  er  fid}  füll,  afö  (1637—1639)  ber  5]ßrofeffor  ber  $b,iIo=  50 
fD^bte  ju  Utrecht,  §enricu§  SleneriuS,  bei  feinen  öffentlichen  unb  bribaten  Jßorlefungen 
ber  gjletbobe  bon  ®e3carte<§  folgte.  3IIg  aber  barauf  (1639— 16 42)  beffen  9?ad)foIger 
§enricu§  Stegiuö  (1)e  ^Hot;)  biefelben  gufjftabfen  betrat,  ftanb  3Soetiu§,  bem  er  teilmeife 
feine  Slnftellung  al<§  „Professor  medicinae  extra-ordinarius"  im  3af)re  1638  ju 
berban!en  batte,  als»  Rector  magnificus  ber  b,ob, en  ©cfyulc  öffentlia)  gegen  bie  neue  55 
STtetbobe  auf  unb  liefe  berfcf)iebene  Siffertationen  gegen  ib^n  berteibigen.  @r  mufete  e§ 
fogar  fomeit  ju  bringen,  bafe  5Regiuö  feine  bf)ilofobl)ifa)en  33orlefungen  einftellen  mufete, 
obfd;on  man  ifyn  in  feinem  2tmte  liefe,  ©r  bebau^tetc  bei  ©elegen^eit  einer  bon  ifym 
bräfibierten  ®iäbutation  am  24.  ©ejember  1641,  „bafe  biejenigen,  meldje  ftc£>  mit  ber  alten 
fdmlaftifcfyen  3Dietb,obe  nid;t  bereinigen  könnten,   fonbern   eine  neue  ^5^ilofobb,ie  bon  @ar=  go 

9JeaI=(Jtlc«ffDDäbie  füt  I&eotoflte  unb  Ätrcb«      ?.  Sl.  XX.  4(j 


722  $oettu§ 

teftuS  erhofften,  ben  ^uben  gleich  Wären,  bie  nod)  immer  iljiren  (SliaS  erwarteten,  um  fie 
in  alle  SBafyrljeit  ju  leiten"  @r  Wufjte  ein  öffentliches  Judicium  bon  ber  3Jlel)rja^I 
ber  Utredjter  ^rofefforen  fyerauSjuloden,  in  Welchem  eS  Verboten  Würbe,  bie  neuere  3Retf)obe 
ber  $ßfyiIofobl)ie  bei  bem  Unterrichte  §u  gebrauchen  unb  bie  Stufte  ber  £>od)fcf;uIe  burcr; 
6  einen  Angriff  auf  bie  alte  ©cfyule  ju  ftören ;  aud;  na^m  er  feinen  Slnftanb  bie  ©runb= 
fä$e  feiner  ©egner  bencn  beS  berüchtigten  atfyeiftifcfyen  ^SHjtlofo^^en  Vanini  gleicbjuftelten. 
VefonberS  füllte  er  fiel;  jeboer;  berufen,  aud?  ßartefiuS  felbft  ju  belämbfen  (1642—1647), 
ba  er  ja  StegiuS  nur  als  eine  „simia  mendacis  Galli,  mendacior  ipso"  betrachtete. 
SDurd)  feinen  ©editier  unb  greunb,  f^äter  einen  feiner  ^eftigften  ©egner,  9JcartinuS  ©cfwod, 

10  Vrofeffor  ber  Logica  unb  Physica  ^u  ©röningen,  lief?  er  eine  ©treüfcfyrift  berfertigen 
unter  bem  Xitel:  „Admiranda  methodus  novae  philosophiae  Renati  des  Cartes 
Traj.  ad  Rhen.  1643  (auet)  unter  bem  Xitel:  „Philosophia  Cartesiana"  f.  SDufer 
t.  a.  p.  II,  178).  SartefiuS  antwortete  in  einer  Epistola  ad  celeberrimum  virum 
Gisbertum  Voetium  (2lmft.  1643),  bie  er  nid;t  allein  biefem,  fonbern  auet;  bem  SJcagiftrate 

15  ju  Utrecht  jufommen  liefj  unb  berentwegen  er  balb  pr  Verantwortung  bor  biefen 
legieren  gerufen  Würbe.  VoetiuS  feinerfeitS  fub,r  fort,  ßartefiuS  als  einen  »erfaßten 
^efuit  („Jesuitastrum"),  „sub  Ignatii  Loyolae  sidere  natum",  anjufcfjmärjen,  ber 
fyeimlid;  bon  feinem  Drben  auSgefanbt  fei,  3Wift  unb  gwietradjit  in  ben  nieberlänbifcfyen 
©egenben  ausstreuen  (Über  SDeScarteS  unb  bie  carteftanifcfye  Vr/iIofobI)ie  fdjrieb  SSoetmg 

20  u.a.  in  feiner  Disputt.  select.  1,  815—816,  1154,  1158—1160;  II,  1107;  III,  642, 
847—860  passim;  IV,  750—752;  V,  121,  260,  426,  429,  434,  470,  476—479, 
487—491,  522—526,  579,  645,  713—714,763;  in  feine  Politic.  eccles.  111,719— 725 
passim;  unb  in  feine  Bibl.  stud.  theol.  p.  674—675).  3u0"e^  flellte  er  jeben  2ln= 
teil  an  ber  ©djmft  bon  ©d)ood,  beffen  ßartefiuS  ir)n  berbäcfytigte,   mit  allem  9cad;brud 

25  in  2lbrebe.  @r  Wufjte  eS  fo  Weit  ju  bringen,  bafj  (SartefiuS  burd;  eine  öffentliche  3llte 
beS  9JcagiftratS  bon  Utrecht  als  Säfterer  unb  Verbreiter  lügnerifdjer  ©dpften  Verurteilt 
mürbe.  >Damit  mar  jebodj  ber  ©treit  nod;  nicfyt  befinitib  beenbet.  Sei  ber  offiziellen 
Unterfucfyung  ber  ©ad^e  bureb,  ben  alabemifdjen  ©enat  $u  ©röningen  erllärte  ©djood, 
bafj  er  bie  „Admiranda  methodus"  ntd;t  nur  auf  baS  gureben  ÖDn  3Soetiu§  herausgegeben, 

30  fonbern  bafj  biefer  aud?  rttc^t  Wenig  barin  jum  SRacr/teil  bon  SartefiuS  beränbert  fyab?.  2>n= 
beffen  b,atte  aud?  GarteftuS  bie  £>ilfe  beS  fran^öfifebert  ©efanbten  angerufen,  Welcher  fid;  an 
ben  (Statthalter  griebrid;  §einrid;  Wenbete,  ber  bie  Utrecfyter  Vrobinjialftaaten  erfuebte,  bem 
SJcagifirat  ju  befehlen  ßarteftuS  ©enugtfmung  gu  geben.  ^Deswegen  unb  infolge  ber  @r= 
flärung  bon  ©cfyood,  Welche  VoetiuS  bergebenS  ju  Wtberlegen  fucfjte,  Inelt  ber  -JRagiftrat 

35  eS  für  baS  befte,  baS  ausgekrochene  Urteil  zurücknehmen  unb  bie  ©djmacr;  Wieber  bon 
ßartefiuS  ju  nehmen,  bie  ©acbe  ferner  unberührt  ju  laffen  unb  Womöglich  ber  Vergeffen= 
b,eit  anheimzugeben.  @r  berbot  beSfyalb  am  2.  Iguni  1645  baS  $Druden,  herausgeben  unb 
Verlaufen  bon  Vüd;lem  unb  ©ebriften  pro  ober  contra  ßartefiuS.  -tlctttlerWeile  fufyr 
VoetiuS  nod;  eine  $eit  lang  fort,  mit  ungefd) Wädjtem  9)iute  bie  „fanatica  et  fantastica 

40  philosophia  Cartesiana"  %u  be!ämbfen.  SDie  ©efcfjic^te  jener  3eit  ift  in  allen  u)ren 
©ingelb.eiten  genau  befcb,rieben  in  ber  intereffanten,  freilieb,  mit  fritifdjer  ©icfytung 
ju  benü^enben  Disquisitio  bist,  theol.  de  pugna  Voetium  inter  et  Cartesium, 
Lugd.  Bat.  1681.  35or  allem  ift  eS  bei  ber  Beurteilung  biefeS  ©treiteS  nötig,  ben 
ftrengen    fircfylicfyen    ©tanbbunlt   beS    3Soetiu§    Wol)l    im    Sluge    ju    behalten.     &§t, 

45  nad;bem  mel^r  als  groet  Qaf)rb,unberte  nad;  bem  ©treite  borbeigegangen  finb  unb 
bie  carteftanifebe  Vb,ilofobf)ie  fd;on  ein  b^albbergeffeneS  ©lieb  in  ber  @nttoidelungSlette 
ber  neuen  $£nlofobf)ie  geworben  ift,  je^t  ift  eS  nid)t  febroer,  auf  u)ren  belümmerten 
Slntagoniften  mit  bornef)mer  ©eringfcfyätumg  als  auf  einen  befcfjränften  gtMigft'äcIrter 
b^erabjufebjen.     @S  fei   aud;  ferne   bon  uns,   beraubten  ju  Wollen,    bafj  ber  perfönltcbe 

50  (Sfyarafter  beS  VoetiuS  fid;  in  biefem  ©treite  immer  bon  einer  günftigen  ©eite  ge= 
offenbart  habe.  Von  ber  Weifen  Vorfct/rift  beS  §errn:  ©eib  flug  Wie  bie  ©drangen 
unb  ob^ne  galfd;  Wie  bie  Stauben,  bat  er  nur  gar  ju  oft  bie  jWeite  §älfte  bergeffen,  unb 
aud)  fytx  b,at  eS  fid;  erwiefen,  ba|  man  aud)  ju  ber  reformierten  ^ird;e  gehören  fann 
unb  bis  ju  einem  geWiffen  ©rabe  WenigftenS   jenem    traurigen  ^ßrinjib  b^ulbigen:     SDer 

öö  fttotä  heiligt  bie  Mittel.  2lnbererfeitS  barf  jeboct)  nid;t  bergeffen  Werben,  bafj  VoetiuS 
nacb,  feiner  Überzeugung  meinte,  bie  ©acf)e  beS  §errn  unb  feiner  Äirdje  meb,r  als  feine  eigene 
<Sbre  p  berteibigen,  unb  bafj  tt)m  bei  feiner  befannten  ^nbibibualität  unb  fd;oIaftifd;= 
engbegrenjten  9ftd)tung,  nichts  fo  fdjWer  fallen  mufjte,  als  fieb  mit  boHfommener  Dbjef= 
tibität  auf  ben  ©tanbbunft  feiner  ©egner  ju  berfe^en.    ^ein  SBunber,  ba|  er  il>m  öfter 

60  mit   einer   unfeligen   Äonfequenjmadjerei  ober  infolge   eines   jämmerlichen   3Jit^berftättb= 


9Socttn§  723 

niffeS  Sefyaubtungen  anbietete,  bon  benen  Gartefiug  Wabjlid)  nid)t  mit  Unrecht  erklärte, 
e3  fd)aubere  if>m  babor.  SSknn  er  ber  ^ßerfon  bei  ßartefiuS  uitb  feinen  ©d)ülem  ent= 
gegenarbeitete,  fo  I)atte  er  inbeffen  ntd)tS  anbereS  im  2Iuge,  aU  bie  cartefianifcfye  ?ßF>ito= 
fobfyie  felbft  gu  I)emmen,  beren  ©runbfä|e  unb  Siefultate  er  ol§  bö(Iig  unberembar  mit 
ber  bon  ifym  berteibigten  ®ircfyenlel)re  betrachtete.  SDer  SDualiämuS,  ber  in  ber  Sftetfyobe  5 
unb  2öeltanfd)auung  beä  ßartefiuS,  teilWeife  burefy  ben  übermiegenben  GüinfTujj  be§  fran= 
göfifd)en  ©eiftlidtfeit  auf  feine  ©en!ung§art,  nod;  gurüdblieb,  tonnte  einem  fo  fdiarfen 
Slide,  Wie  ber  be<§  33oetiuS  mar,  fcfymerlid)  entgegen  unb  ebenfo  Wenig  ©nabe  bor  ifym 
ftnben.  @r  fab,  borau£,  bafj,  fobalb  man  ben  carte|ianifd)en  $bealt3mu§  unb  3fationa= 
li§mu§  aud)  auf  bie  Söfung  ber  tfyeologifcb,  en  Streitigkeiten  angumenben  anfinge,  ba§  10 
©ebäube  ber  Drtfyobope  nid;t  nur  untergraben,  fonbern  böHig  gefd)Ieift  merben  mürbe. 
®arum  lonnte  er  auf  alle  $rieben<§borfd?Iä'ge  lebiglicb,,  mie  fo  oft  bie  römifcfye  ®urie, 
mit  einem  non  possumus  antworten.  ®ie  fernere  ©efd)id)te  ber  meberIänbifcf)=refor= 
mierten  $irdf)e  unb  ba§,  wa§  fict)  feit  23altl)afar  Keffer,  Sfoelt  unb  anberen  ßar 
tefianern  gugetragen,  geigt  beuttieb,  bafj  bie  böfen  ^age,  meldte  3Soetiu§  burefy  ben  15 
SEriumbb,  ber  bon  tb,  m  beftrittenen  ^ringibien  fürchtete,  nicfyt  lebiglicb,  in  feiner  ©inbilbung 
beftanben. 

SBentger  leicht  erflärlicb,,  als  fein  (Streit  mit  6artefiu§,  fcfyeint  ber  ©treit  gu  fein, 
ben  er  noety  in  ben  legten  SDegenmen  feinet  SebenS  gegen  ben  berühmten  $ean  be  Sababie 
(f.  b.  21.  23b  XI  ©.  191),  ben  Urheber  be§  ©ebaratiSmuS  in  ber  reformierten  ßircfye,  20 
geführt  §at.  @r  felbft  blatte  über  biefen  ?Ulann  eine  fe^r  günftige  Meinung  gehegt  unb 
fräftig  an  beffen  ^Berufung  bon  ©enf  naefy  5Ribbelburg  in  ©eelanb  mitgeWirft,  in  meld)  legerer 
©tabt  er  bei  ber  maHonifcfyen  ©emeinbe  im  $al)re  1666  ^ßrebiger  mürbe.  2)as  ©treben 
be  Sababie€,  bem  in  ber  nteberIänbifcfy=reformierten  Stixd) e  I)errfd)enben  bürren  Drtf)oborj§= 
mu3  gegenüber  neue§  geiftlid)e3  Seben  anzuregen,  marb  anfänglich  bon  slWtiu§,  ber  biet  25 
©rofjeS  bon  il)m  ermartete,  möglidfyft  ermutigt.  2tber  febr  balb  fd)on  nal)m  bie  S£l)ätig= 
leit  be§  feurigen  be  Sababie  nicfyt  einen  reformatortfd)en,  fonbern  bielmefyr  einen  febara= 
tiftifcfyen  ßbarafter  an,  unb  er  fd)Iof$  fid)  mit  ben  ©einigen  auf  ed)t  bonattftifcfye  2öeife, 
al$  eine  ecclesiola  in  corrupta  ecclesia  unb  fbäter  extra  ecclesiam,  gufammen. 
§ieran  ftief?  fid)  23oetiu3  fefyr,  ber  gmar  ©eWiffenfyaftigt'eit  unb  geiftlid)eö  Seben  feb,r  30 
fcfyättfe,  ja  in  feiner  gangen  ^beologie  ebenfotoob^I  eine  mt)ftifcb,e,  als  eine  fdjiolaftifcb^e 
©eite  blatte  —  aber  immer  bie Mrcfye  in  ber  $ird)e  berbeffern  moßte  unb  gleidj  fef)r  allem 
miberftanb,  ma§  über  unb  unter  bem  SDtafje  feiner  Iird)Iid)en  9tecb,tgläubigfeit  ober  bem 
gumiber  mar.  @r  lie|  be^alb  (1669)  unter  feinem  ^3räfibium  gegen  be  Sababie  eine 
2)i3butation  berteibigen :  „De  ecclesiarum  separatarum  unione  et  syncretismo"  35 
(§oII.  Überf.  2lmft.  1669),  bie  gmar  burd)  be  Sababie  mit  einer  fdiarfen  ®egenfd)rift 
(Nouvelle  conviction  manifeste  des  calomnies,  1670)  beantwortet  mürbe,  aber  if>m 
unb  feinem  3tnb,ange  boeb,  einen  embfinblid)en  ©cb.Iag  berfe^te.  £>ie  meb^r  unb  tnef)r 
juneb^menbe  ©cfymarmerei  unter  ber  neuen  Seite  trug  ebenfate  biel  baju  bei,  ben  Strger 
be§  greifen  ^3rofeffor§  gu  erb,bb,en,  ber  fidj  in  feiner  auf  ben  ©tifter  gegrünbeten  Hoffnung  40 
fo  jämmer(i(|  getäufd^t  fanb.  ©icfyerlicfy  marb  aud)  burd)  biefe  Säufd)ung  fein  §erj 
me^r  abgelöft  bon  ber  Sßelt  unb  bon  fo  bieten  greunben,  mit  meld)en  er  früher  auf 
gleichem  ©runbe  geftanben  blatte,  bon  meld)en  er  fid)  aber  jje^t  innerlid)  getrennt  füllte. 
@i  mar  ib,m  inbeffen  nid)t  bergönnt,  nod)  bor  feinem  Sobe  ben  ^rieben  ber  &1rd)e  mieber 
b^ergefteßt  gu  fef>en.  « 

aSoetiuä  mar  mäb^renb  feinet  gangen  SebenS  ein  aufeerorbentlid)  arbeitfamer  StRann, 
ber  an  fid)  felbft  immer  I)oIj>e  gorberungen  ftetlte.  @r  mufjte  bon  leiner  3^ub,e.  2Böd)ent= 
lid)  b,ielt  er  ad)t  öffentliche  Sorlefungen,  aufeerbem  bribate  unb  ®i§butierübungen,  meldte 
le|tere  bei  ©amStagl  gebalten  mürben,  ©jegefe  be§  2llten  unb  5Reuen  ^eftamentl,  ®og= 
matü,  ©Emboli!,  Siturgif,  $ated)ettf,  5?ircb^enrecb,t,  ba§  maren  bie  bon  if>m  beb,anbelten  bo 
©egenftänbe  unb  ba§  md)t  etma  flüchtig,  nein  augfü^rlid),  grünblicb,,  bem  §örer  ntd)tg 
erfbarenb.  2111  33ücb,er  gur  eigenen  gortbilbung  im  ©tubium  unb  um  fie  bei  21bf)altung 
ber  Prüfungen  gu  benü^en,  bureb^arbeitete  er:  Gomari  Theses,  Synopsis  Professorum 
Leydensium,  Maccovii  Collegium  Disputationum,  Amesii  Medulla,  Clutonis 
idea,  Commentarius  Catecheticus  Ursini,  Mellificum  Cat.  Diestii.  Slufjer  feinem  55 
^ßrofefforate  Wibmete  er  fid)  bem  ^rebigtamte  an  ber  ©emeinbe  gu  Utred)t  unb  toaste 
über  bie  ^ectjte  berfelben,  Wo  er  biefelben  bebrofyt  erachtete.  3ltö  eine  tjeilige,  bon  ©ott 
ib,m  anbertraute  Stufgabe  betrachtete  er  fein  Sföerf.  9Ue,  fcb,reibt  er,  fyabe  id)  Xlnterb,anb= 
lungen  geführt  de  stipendio  meo,  ne  quidem  de  qualitate  aut  quantitate  ejus 
directe  aut  indirecte.    Ex  vocantibus  quaesivi,  sed  totum  hoc  illorum  curae  et  «o 

46* 


724  SoettuS 

arbitrio  reliqui,  ad  quos  hoc  pertinebat  (hiermit  tft  nidjt  im  SBiberfbrud),  Wenn 
man  eS  nur  rec£)t  berftefyt,  WaS  ®ufer,  ©isb.  33oettuS  I.  Bijl.  CXLII  mitteilt),  ©oldjie 
§od)I?ergigfeit  )?at  aud)  eine  weniger  angenehme  ©eite.  ®er  Setybenfcfye  ^ßrofcffor  Slbr. 
^eibanuS  liefert  feinen  unebenen  Seitrag  gur  £enn§eid)nung  ber  ^erjon  beS  SSoetiuS, 
5  wenn  er  bon  ifym  fagt :  „qui  nomen  a  pede  habet,  sed  ubique  se  ut  caput  gerit" 
©icfyerlidj  liegt  in  ber  23efcf affenlj) eit  biefer  ^Serfönlidjif  eit  bie  Urfadje,  baß  fte  fo  berfcfyieben 
beurteilt,  aud;  mit  ©feottreben  nid;t  berfcfyont  geblieben  ift.  Surman  („Trajectum  eru- 
ditum",  p.  422  sq.)  giebt  eine  Slumenlefe  bon  Urteilen,  bie  cum  grano  salis  §u 
beurteilen  finb.    6.  ©ebb  (9t@2  33b  XVI,  ©.  561)  flagt:    „Sei  einem  Sergleid)  gWifdien 

10  SoetiuS  unb  (SoccejuS  bergefje  man  ntdbt,  baS  mir  in  beS  letzteren  „Opera  anecdota" 
eine  ÜReifye  Epistolae  finben,  beren  3>nfyalt  uns  Siebe  unb  dfyrerbietung  einfloßt;  eine 
berartige  Duette  ftefyt  uns  bei  ber  ©cfjilberung  beg  SebenS  unb  ber  Sötrffamfeit  beS 
erften  letber  rittet  ju  ©ebot"  ®iefe  Sücfe  fyat  jebocf)  D.  21.  6.  ®uler  einigermaßen  auS= 
gefußt  burd)   bie  Verausgabe  einiger  Sriefe  (Eenige  onuitgegeven  brieven  van  en 

15  aan  Voetius,  'S©rabent)age  1893). 

$m  ©egenfa|  ju  SoccejuS,  ber  toirflid)  eine  ©ct/ule  geftiftet  I)at,  !ann  bieg  bon 
SBoetiuS  nidjt  gejagt  werben.  @r  ^at  SlnB,änger,  sJiadE)foIger  gehabt;  eS  fyat  Soetianer 
gegeben,  aber  niemall  eine  eigentlich,  fog.  ©djule  bei  33oettuS.  2)tefeS  SJtanneS  große 
Sebeutung  lag  in  ber  brafttfcfyen  2trt  feiner  Geologie  unb  in  bem  @ncr)lIopäbifd£)en  feiner 

2o  t&eologtfd^en  2el)re.  2öaS  baS  erfte  betrifft,  fo  fann  man  ficfy  ntc^t  aßein  berufen  auf 
baS  geugntS  ^  ^ßrofeffor  ©al.  ban  S£iß,  Welcher  ben  SßoetiuS  doctissimum  practi- 
cum  nennt,  fonbern  bor  allem  auf  bie  ausführliche  ©cfytlberung,  Welche  SRitfcfyl  uns  bon 
biefeS  SDianneS  Xbeologte  in  feiner  ,,©efd)ic£)te  beS  ^tetiSmuS"  I,  101  ff.  entwirft,  inbem 
er  babei  befonberen  ÜKadjbrucf  auf  ben  Einfluß  legt,   Welcher  bon  SoetiuS  als  braftifdjen 

25  ©otteSgelefyrten  ausgegangen  tft.  (Sbenfo  r)at  §ebbe  in  feiner  „©efdn\f)te  beS  ^ßietiSmuS 
unb  ber  9Jcr/ftif"  ©.  151  mit  Siecht  beraubtet:  „SoeiiuS  faf)  bie  (SrWeccung  unb  Übung 
ber  ^3ietaS  unter  feinen  Qufyömn  als  feine  r)eiltgfte  SerufSaufgabe  an"  Um  ben  SeWeiS 
für  baS  @ncr/fIobäbifd;e  feiner  Sebre  §u  liefern,  ift  eS  genügenb,  auf  bie  bieten  ©Triften 
bon  SoetiuS  ju  Weifen.      Slußer  ben   fd)on   in   biefem  Slrtifel  genannten  ©cfyriften   finb 

30  bie  borjüglicbjten :  Diatribe  de  theologia  (Traj.  ad  Rhen.  1668),  Erpenii  Biblio- 
theca  arabica  cum  augmenta  (ofme  feinen  Hainen,  1667),  unb  befonberS  Exercitia 
et  bibliotheca  studiosi  theologiae  (Ultraj.  1644,  fbäter  Lips.  1688).  ®iefe  le^te 
©cbrift  in  12=°gormat  (fef)r  feiten)  umfaßt  ungefähr  500  ©eiten;  aber  bie  ä>orrebe, 
Welche  200  ©eiten  ausmacht,  fieFjt  mit  bem  Qnfyalte  beS  Sucres  in  feiner  bireften  iser= 

35  binbung.  S.  ©ebb  in  feinem  Sßerfe  „Het  godgeleerd  onderwijs  in  Nederland 
gedurende  de  16e  en  17e  eeuw"  (Über  bie  tfyeologifcfye  fiebere  in  ben  9Zieberlanben 
Wäfyrenb  beS  16.  unb  17.  %crt) rfmnbertS)  1874,  II,  156  ff.  bat  eine  Überfielt  bon  bem 
gegeben,  WaS  biefe  Bibliotheca  enthält  unb  Woburcl;  fte  ftd?  empfiehlt,  ©ic  umfebreibt 
ben  Umfang  be3  ©tubiumS,   WeldjeS  ein  ©tubent  ber  Geologie  innerhalb   bier  $ai)ren 

40  burcl;Iaufen  foß ;  aber  eS  ift  gu  fürchten,  baß  jeber  buref)  fo  große  ^orberungen  abgefc^reeft, 
ba§  ©tubium  ber  Geologie  wieber  aufgegeben  f)ätte.  ©enn  Wer  ben  2öeg,  Welker 
in  ber  Bibliotheca  öorgegetebnet  ift,  in  feinem  2thm  unb  ©tubium  folgen  Wollte,  ber 
bürfte  and)  niebt  eine  einige  ©tunbe  berfäumen,  unb  müßte  bie  Qdt  um  jeben  ^reiS 
auSfaufen. 

45  Überblicfen  Wir  nochmals  baS  Seben  unb  SBirfen  beS  SoetiuS,  fo  maebt  er  auf  uns  ben 
©tnbruef  eines  StRanneS  aus  einem  ©tücf,  Welcher  Wußte,  m$  er  Woßte,  unb  Warum,  ber  aber 
nidjt  immer  auf  entfbrecfyenbe  Söeife  gart  War  in  ber  Sßafyl  feiner  SKittel,  ber  in  mancher 
§infid9t  ein  %'ypu$  alt=f)oßänbifd)er  ©eleb^rfamfeit  unb  grömmigfeit  genannt  Werben  barf, 
ber  aber  babei  aud)  an  ben  rauheren  ©eiten  feines  SöefenS  unb  ©treitenS  bie  35erWanbt= 

50  fcb,aft  mit  ßalbin  ntcljt  berleugnete,  btelme^r  fte  ftanbbaft  befannte  unb  offenbarte.  ©eb,r 
Wenige  l)aben  größeren  ©influß  in  ber  Slirctje  auf  bie'^ettgenoffen  unb  Siadjfommen  auS= 
geübt,  als  er,  unb  in  Wellen  ^unftenm  an  aud;  bon  ifym  berfdjieben  benfen  möge,  fo  Wirb 
bod)  bie  Strebe,  Wie  bie  SSiffenfcfjaft,  nietjt  fcf)Ied;t  babei  fahren,  Wenn  fie  biele  ©iener 
jäblen,  bie  ein  gleiches  ©treben  an  ben  £ag  legen,   Wie  es  lebenslang  SoetiuS  getb^an, 

55  grömmigfeit  unb  2öiffenfcb,aft  ju  bereinigen.  2Ber  in  unferer  ßeit  faft  in  aßem  in 
bireftem  ©egenfa^e  ju  feiner  ©laubenSüberjeugung  fteb^t,  ber  Wirb  iljm  fctjWerltd)  bößig 
Würbigen  fönnen,  Wer  aber  mit  if)m  in  bemfelben  ©lauben  lebt  unb  für  benfelben 
©lauben  ftrettet,  ber  l)ält  gewiß  bie  il>m  bon  feinem  SMegen  ©ffentuS  in  feiner  2eid)en= 
rebe   bargebrad;te   §ulbigung   nidjt   für   übertrieben   unb   Wirb   tro£    aßer   menfd)Iid;en 

60  ©d)Wad)f)eiten  unb  tf)eologifd?en  ©infeitigfeiten  baS  SKort  beS  §errn   auf   ib,n  anWenben 


aSoctinS  Sßogel  725 

Jönncn:  „idb,  fyabe  eucB  ermäBIet,  unb  gefegt,  baf?  i^r  BtngeBet,   unb  grucBt  bringet,  unb 
eure  %tu$t  bleibe"  (%o  15,  16).  (3.3.  öan  Dofterseef)  <B.  2>.  tmtt  «Seen. 

(*.)  «ogel,  ßarl  2TIbrecBt;  10.  aRftrj  1822—11.  September  1890.  —  Quellen: 
3.  ©untrer,  SebenSffi^jen  bev  ^rofefforen  ber  Uniüerfität  !yena  1858,  <S.  46;  21.  formet), 
£eitf)enrebe,  SBien  1890;  „©uang.  .VHrdjenäeitung  für  Defterreid)"  1890,  ©.  312 f.;  güang.  5 
SSeretnSbfott  für  £)ber=£)eft."  1890,  @.  95;  ,,Le'  Temoiguage",  $ari§  1890,  <S.  339;  9(bS3 
40  (1896),  94  (®.  gronf).  —  ftamilienbatotere.  ©djriften:  Stetig  gabrtjunberte.  ©e= 
fd)id)tötafe(n  jum  2tu§tt>enbiglernen,  SBregben  1848;  De  Bonizoni  episcopi  Sutrini  vita  et 
scriptis,  1850;  SRatljeriuS  öon  SSerono  unb  bci§  jebnte  3a6,rbunbert,  2  SBbe  1854;  $eter  3)a= 
miani.  ©in  Vortrag,  1856;  ®er  taifer  Siotletian.  (Sin  Vortrag  mit  2lnmerfungen,  1857;  10 
3u  ben  ©ebenttafeln,  1858;  günf  «ßrebigtert,  1859;  3ur  luSIegung  ber  ©teile  ©a  3,  20. 
Sbött  1865,  @.  524—538;  Seiträge  jur  £>erftellung  ber  alten  Iateinifd)en  33i6elü6erfe|ung. 
^inei  Pf.  Fragmente  ou§  bem  23ud)e  ßäedjiel  unb  ben  ©prüfen  ©alotnoä,  1868;  (Sine  *ßre= 
bigt  (21©  18,  1—11),  1869;  geftrebe  bei  ber  geier  be§  öOfäGr.  33efief)en§  ber  f.  f.  eö.=tljeoI. 
gafultät  in  SSien,  1871;  ®ie  ©emifä'fularfeier  ber  f.  f.  eüang.=tt)eot.  gafuftät  in  SBien  am  15 
25.  2lprii  1871.  1872;  $ur  Erinnerung  an  bie  3.  eüang.  ©eneralfanobe  21®.  31t  SBien  Dom 
14.-27.  Sfloti.  1877,  1877;  Vortrag  über  eüang.  ©tabttniffion,  gel),  am  16.  2lbril  1883,  1883. 
45  2lrtifel  in  ben  beiben  erften  Stuflagen  biefer  ßncljflopäbie.  ©ie  finb  jum  Seil  aud)  ben 
2Irtiteln  ber  3.  2tuff.  ju  ©runbe  gefegt. 

Saut  urfunblicB  nicBt  beglaubigter  gamilienüberlieferung  roaren  bie  23orfaBren  3>.§  20 
infolge  be<§  30jär;rtgen  Krieges  als  ©laubenSerulanten  auS  Söb,men  nacB  ©acBfen  einge= 
roanbert.  £>en  tarnen  fanb  tcB  im  ©tattr/altereiarcb>  au  ^ßrag  bei  ©bangelifcben  in 
Äaaben.  ®er  ©rofjbater  mar  ber  3Mer  6b,riftian  fieberest,  ein  Dfyeim  ber  9Mer  Äarl 
ßfyriftian,  ber  in  SInerfennung  feiner  23erbtenfte  um  bie  $unft  als  b.  23ogeIftein  geabelt 
mürbe  (1851.  23rocJBauS,  Äoffl>«f.*2eEtf.  14.  31.,  16  [1898],  368  f.).  £)aS  ÄünftlerBIut  25 
regte  fict)  bei  SllbrecBt  in  bem  ^ßlan  feiner  Anfänge,  fcBönmiffenfcBaftlicber  ©cbriftfteller 
ju  werben,  in  einer  BübfcbengeicBengabe  unb  in  bidjtettfc&en  23erfud)en,  bie  fogar  in  feinem 
2Biener  33riefibecBfeI  hineinfielen.  ®er  SSater,  Sßilb,.  SllBr.  %xan%  griebricB,  $urift,  Igl. 
fäcf/f.  ^of^inanjfefretär,  gule^t  DBerred&nungSrat  in  ©reiben,  eine  gemütbolle,  feinfinnige 
5Ratur,  trot$  ber  ©orgen,  bie  ib,m  bei  befö^ränlten  Mitteln  feine  grofje  gamilie  bon  bier  so 
XöcBtern  unb  fecbS  ©öbnen  bereitete,  fetter  unb  jufrieben,  blieb  mit  Sllbrecbl  in  regem 
33rieftaufcB ;  nocB  ein  ^weiter  ©oBn  it>ar  Geologe.  Sie  SRutter,  ßbjift.  ©orotBea,  geb. 
Söeijel,  leidet  öerfc^üd^tert,  berftanb  e§,  SübrecfytS  in  fid9  gelehrtes  ©emüt  ju  erfd^Uefjen; 
fie  mufete  ib,  n  erft  jtoölfjä^ rig  jurüöflaff en ;  bocb,  fam  er  aud^  mit  ber  Stiefmutter  in  ba§ 
befte  23err/äitni3.  35 

®ie  3lnnen=33ürgerfc()ule  unb  bas>  ^reu§fd9ul:©^mnafium  in  Bresben  bereiteten  jum 
UniDerfitätgftubium  ber  Geologie  bor.  35on  ben  bamaligen  Seidiger  gad^leuten  b,aben 
einige  nocb,  b,eute  einen  Hingenben  tarnen,  meniger  ber  §8ulgärrationaIift  Singer  ober 
SDomb,  err  S'rebl,  al§  ber  ^5oIt>glotten=^eiIe,  ber  neuteftamentlic^e  ©rammatiler  Söiner,  ber 
^ird^enfiiftorüer  Sliebner.  Stßein  nid^t  biefer  b^ilofobb^ifc^e  ©eift  in  fd^olaftifd^er  gorm,  10 
fonbern  9leanber§  5ßeforaItb,eoIogie  ift  für  5B.^  Sebenömerl  unb  ^ric^tung  beftimmenb 
geworben. 

Sfacfybem  ber  22j|äb,rige  bie  erfte  tb,eoIogifd^e  Prüfung  in  Seib^ig  beftanben   unb  bi3 
Dftern  1846  llnterrid^t  in  ®re§ben  erteilt,  ging  er  ba§  Sommerfemefter  nafy  33erlin  ju 
5Reanber,  neben  bem  X^eremin  —  „bie  b,  eilige  Serebfamfeit  eine  ^Eugenb"  —  unb  Dberb.of=  45 
brcbiger  ©erb,,  griebr.  ,Slbrab,.  ©trauf^  aU  S)ojenten  ju  nennen  mären;  Ie|terer  —  mir 
galten  ba§  Sluge  auf  Öfierreicb.  gerietet  —  blatte  in  biblomatifdjer  33üffion  beim  gürften 
3)ietternicr)  ben  freien  2lbjug   ber  gittertBaler   erroirlt.    3m  Dftober  jtoeite  tI?eologifcr;e 
Prüfung  in  ©reiben;    bann   jtoetjä^riger  Unterrid^t  an  bortigen  ^nftituten  —  aud)  im 
3eid(men  — ,  fomie  bei  bem  ^rinjen  ^eobor  bon  %r/urn  unb  %a&$.   3m  9ieboIution§=  50 
jar)re  bromobierte  ber  fter»  gut  lonferbatibe  35.  in  $ena  pim  bb.iiofobBif^en  ®oftor  unb 
begab  fkb,  im  ^ab,re  barauf  abermals  nacb,  Berlin,  um   ficb,   auf  9?eanber3  Stntrieb   für 
bie  afabemifcr)e  £aufbab,n  ju  ruften.    2lm  1.  ^obember  1850  erwarb  er  ben  2ijentiaten= 
grab,  roieberum  in  ^ena  unb  habilitierte  fid^  Bier  alSbalb;    11  ^aBre  ertrug  er  bie   oft 
fengenben  ©traBIen  ber  immer  £?öf>er  fteigenben  tBeologifcBen  ©onne  bon  &na,  bon  §auö  55 
auö  im  2ßiberfiprucB  mit  biefer  ^afefcfyen  unb  überBaubt  ber  ^enenfer  Sticfytung. 

©cBon  nad)  bier  ^aBren  erfdnen  ba§  ^aubtmerl  beö  ganzen  SebenS,  „feinem  geliebten 
SeBrer  9?eanber  gemibmet":  9?atBeriu§  b.  Verona  (1.  Sb:  ©efcBiditc  beö  3t.  unb  feiner 
3eit.  2.  33b:  33on  ben  Duellen)  „mit  möglicBft  bollftänbigen  2luSsügen  au§  ben  ©cBriften", 
ba§  iBm  nacB  jmei  $afyxtn  im  grüBIing  ben  Xitel  eines  a.  0.  ^rofefforS  unb  im  £erbft  <;o 


726  Sßogel 

ben  (gfyrenboftor  Don  ©reifStoalb  einbrachte,  bei  ©elegenljeit  ber  400j ädrigen  Unitoerfitäi§= 
Jubelfeier. 

©ie  Dtatfyeriugbarfteöung  £>at  fia)  nun  über  ein  fyalbeS  Jafyrljmnbert  in  ©eltung  er= 
galten  unb  ift  bon  ben  gorfdjiera  mit  ©anl  benutjt  toorben. 
5  ^ein  ©eringerer  afö  §ermann  Deuter  bezeugte  iljiren  SSert  in  feinem  SBrtef  an  V. 
Dom  4.  ©ejemberl862.  @r  bat  fbäter  V.  um  eine  Slngeige  feines?  3Ronumentatoer!e§  über 
Süeranber  III.,  bie  ausführlich  in  2#®tÄ  (1867,  ©.366—379)  erfolgte,  unb  berfoertete 
SS.ö  2Ber!  etngefyenb  in  feiner  geifiboEen  „©efcbjdjte  ber  2lufrTärung  im  5Jt2l."  ©er 
fcfybne  (Erfolg  reifte  33.  ju  ben  weiteren  Iirii)engefcf)id)tlia)en  arbeiten  über  ©ioflettan  unb 

10  ©amian,  bie  bamalS  al§  !ernig,  auf  grünblid)er  Kenntnis  berul)enb,  lebenbig  unb  ge= 
fdjmacfboll  gelobt  mürben  („©reSbener  Journal  1856,  DZr.  70.  „©armftäbt.  Sfyeol.  £itt.=VI. 
1858,  ©.  193  f.). 

©a^u  lamen  bie  ja^Ireid^en  Strtifel  in  V$R@,  beren  Übergang  in  bie  jmeite  Sluflage 
Verbrufj  unb  SRüfyfal  bereitete;    nur  beran^elt  fonnten  fie  noa)  in  ber  brüten  berroertet 

15  Werben,  infolge  ber  2luäbeb,nung  unb  Vertiefung  ber  gorfcfyung.  2Sieberr/olt  beteiligte 
ficfy  V.  an  ben  „Sfofenborlefungen",  benen  bomefymlicl)  burcf)  §afe§  Sttufterfiücfe  aucf;  in 
ber  Sitteratur  bauernber  9tur/m  erblühte;  über  Sluguftin,  Vruno  bon  £öln,  ©iofletian, 
©regor  ben  ©rofjen,  3J{öno)tum,  ©amiant,  Vabfttum ;  je  einmal  mürbe  er  ju  Vorträgen 
an  ben  Sßeimarer  unb  ben  Slltenburger  §of  gelaben. 

20  Vei  bem  fcfytoiertgen  SBettbetoerb  mit  bem  Slltmeifter  berbanb  er  mit  ben  fircf)en= 
gefcfjicfytlicfyen  Kollegien  neuteftamentlicfye. 

©o  fonnte  er  e§  magen,  eine  ntlicfye  Vrofeffur  anjunefjmen.  9kcr;bem  er  für;  Wieber= 
^>oIt  um  ©efyalt  ju  feinem  Stiel  bemür/t,  audj  um  eine  Vrebigerftette,  mürbe  er  in  bem= 
felben  Jafyre,  in  Welchem  ifym  bon  einem  ber  „©urcbjaucfytigften  9tutritoren  ber  Uniberfttät", 

25  bem  Slltenburger,  300  Xfyaler  ausgeworfen  Waren  unb  in  meinem  ein  ®atl)eber  in  ©iefjen 
in  3tugfid|t  ftanb,  am  8.  ©ebtember  1861,  in  baS  ntlicfye  Drbinariat  an  bie  !.  I.  tfyeol. 
gafultät  in  2Bien  berufen,  auf  Vorfcfylag  beS  bortigen  ^ircfyenr/iftorilerS,  beS  JenenferS 
Dtto.  (Sin  Wichtiges  Jafyr  für  bie  Vroteftanien  ßiSleitfjamenS!  2lm  8.  Slbril  toar  ba§ 
Vroteftantenbatent  erlaffen,  ber  Freibrief  für  bie  fo  lange  nur  „tolerierten",  melier  ben 

30  ©bangelifcfyen  für  immerWäfyrenbe  Reiten  bie  grunbfä^lidje  ©Ieicfyr)eit  bor  bem  ©efeij  aud) 
in  betreff  ber  Vereisungen  ifyrer  Äirdje  jum  ©taat  berbürgte;  bie  ©letcfyberecfytigung  aller 
anerlannten  ^onfeffionen  nafy  alten  9^id)tungen  beS  bürgerlichen  unb  ftaatüdjen  SebenS 
jur  ©eltung  braute.  21m  18.  Juli  fyatte  bie  feit  1850  jur  gaMtät  erhobene  „2el)r= 
anftalt"  Vromotion3red;t  erhalten. 

35  ßtoei  Seb.rlanjeln  maren  an  ifyr  ju  befe|en,  für  fr/ftematifdjie  unb  für  ntticfye  Geologie, 
gmet  Jenenfer,  miteinanber  befreunbet,  aber  berfdjuebener  ^idjtung,  nahmen  fie  ein ;  2ib= 
fiuö  unb  V.  ©leicr/seitig  traten  fie  am  14.  Dltober  if)r  2lmt  an.  Sibftuö  erinnerte  nacb, 
25  Jahren  ben^reunb  an  beffen  bamaligeS  Ceterum  censeo:  „@ö  mu|  alles  umge!rem= 
beltmerben"  unb  mac^t  ben  fnorrigen,3ufa£:  /t^  ift  mentg  genug  umgefrembelt  morben" 

40  VJ  nicfyt  gebrückte  2lntritt^rebe  ^anbelt  bon  bem  erftcn  Verfua)  einer  miffenfdjaftlic^en 
2lu§legung3funft  (S^oniug)  unb  ben  legten  bemeriengmerten  2tu^erungen  barüber,  nämlic^ 
ben  Drjorber  „Essays  and  Reviews",  um  mit  2IuffteHung  ber  eigenen  e£egetifcf)en  ©runb= 
fä|e  ju  fc^Iie|en.  @r  bdennt  ficb,,  afö  in  2lnIeB,nung  an  feine  großen  Seigrer  Sßiner, 
5Riebner,  SReanber   ju   ben   mict)tigften  in  bem  ©ffab.   über  ©jegefe  au^gefbrodjenen  ©e= 

45  fe^en.  — 

©an!  bem  nun  gewonnenen  feften  Voben  lonnte  ber  ogjä^rige  enblia)  auf  greier§= 
fü^en  geb,en.  @r  bermäb,tte  fio)  am  8.  ©ebtember  1863  mit  2lnna,  Softer  be§  Verlag^ 
butt)^änbler^  Dr.  ph.  h.  c.  Job,,  griebr.  grommann  gu  Jena  (bgt.  J.  %.  grommann, 
©a§  gr.  $au§  unb  feine  greunbe",  3.  21.,   Stuttgart  1889,  I— XXXII).    Von   ü)ren 

50  bier  linbern  ftarben  jmei  ©öfyne  unb  eine  Softer  gleich  nad)   ber  ©eburt. 

Seiber  ift  V.§  toiffenfcfiaftlic^e  fcb.riftfteaerifc^e  Arbeit  mit  bem  Übergang  nac|  3ßien 
faft  ganj  abgeftf;Ioffen,  infolge  äußerer  unb  berfönlidjer  Ver^ältniffe,  bieüeidjt  aua)  beg 
3Sunfcb,eg  ber  bamaligen  Regierung,  bie  broteftantifo;en  galultiften  mögltcr;ft  im  Verborge= 
nen  ju  galten. 

55  3lu|er  ben  Strtüeln  für  V3l@  berfafete  er  nur  nod)  ben  ejegetifrf;en  3luffa|  in 
S^©t^  unb  bie  Heine  tejt!ritifd;e  Vergleic^gftubie  jur  Vorgängerin  ber  Vulgata  auf 
©runb  eines  ©icfelfcfyen  §unbeS  ju  ©t.  Vaul  im  JMmtner  £abanttb,ale  (im  3Raa)Ia^ 
fanben  ficb,  Vorarbeiten  ju  einer  Ve^anblung  ber  Vegriffe  dixaiog,  dixaioovvt]  unb  dt- 
xaiovv). 

eo         2lber  aufy  bie  Kollegien  befriebigten  tyn  nicfyt  bura;aug.  ©agegen  erwarb  er  ficb,  Verbienfte 


i?ofld  727 

um  Vertretung  ber  gaMtät.  gunäcbjt  in  93e^ug  auf  ifyrc  ©inuerleibung  in  bie  Uniberfttät. 
3lux  mit  SBe^mut  —  um  nicfyt  ju  fagen  ©bott  unb  Erbitterung  —  fann  man  feine 
barauf  gielenbert  Briefe  unb  geitunggartiM  burdjblättew,  i)on  feinen  llnterrebungen  mit 
2lbgeorbneten,  feinen  3tubienjen  bei  SRiniftem  lefen  —  er  bermerft  befonberS  ben  un= 
freunblicr)en  ©mbfang  bei  bem  broteftanttfcfyen  SERinifter^räfibenten  (unb  Sanbämann)  ©raf  5 
23euft  — ,  roenn  man  erwägt,  bajj  alles  berlorene  SiebeSmüfye  mar,  ganj  äljmlid)  tüte  bie 
heutigen  bermanbten  23eftrebungen,  ein  SJienfcfyenatter  fbäter.  SDer  öfterreicbjfcfye  ©taat  ift 
eben  nocb.  immer  nicfyt  fo  meit  gereift,  um  feinen,  freiliefe,  an  $ai>lf  aber  nid)t  an  $ultur= 
Iraft,  geringen  ©bangelifcfyen  ju  gemäßen,  roa§  p  Sonn,  VreSlau,  Tübingen,  Strasburg 
in  jroei  tljeologifcfjen  gaMtäten  innerhalb  berfelben  Uniberfttäten  als  ganj  erträglich  bcr=io 
mirllicbt  ift.  Sie  ©egnerfdjaft  ging  3.  %.  bon  liberalen,  fogar  broteftantifeljen  Sonnten 
aus,  bie  am  liebften  jebe  tr;eologifct)e  gafultät  auSgemtefen  Ratten,  eine  bobtoelte  entfepieben 
berabfcb,euten,  aueb  „bamit  niefei  gelegentlich  £>erobe§  unb  ^ßtlatuS greunbe  mürben".  2lm 
ftärfften  ift  unb  bleibt  bie  fleritale  geinbfct)aft.  3Rod)  immer  burfte  ber  gürfterjbifcfyof 
bon  Söien  bie  müfyfamften  Vorbereitungen  mit  einem  ©riff  gu  nickte  machen,  bie  $urie  15 
bem  ©erecfytigfeitggefübj  ber  33eb.  örben  unb  2lbgeorbneten,  bem  ©ntgegenlommen  ber  Uni= 
berfitätgfoEegen  ib,r  ,,non  possumus"  entgegenfebjeubern.  Siefer  9Jcif$erfoIg  erfdjmerte 
e§  33.  nocb,  mefyr,  fiel;  in  3Bien  einzuleben;  baju  feine  33ereinfamung  innerhalb  ber 
gafultät,  ba§  menig  entmicfelte  fircbjicfye  Seben,  ba3  genuftfrofye  SBiener  33Iut;  bab,er 
bemarb  er  fieb,  nocb,  bor  Slblauf  be§  jur  Venfion§berecf/ttgung  nötigen  ^ab,rje^ntä  um  20 
eine  Vrebigerftelle  in  tyna,  oljme  ©rfolg.  Safe  er  bann  1876  an  erfter  ©teile  bon  ber 
ßöniggberger  gaMtät  borgefefeiagen  mar,  erfuhr  er  fbäter  ganj  zufällig.  2ll€  2tbgeorb= 
neter  ber  gafultät  ging  er  jur  Uniberfität3jubelfeier  nacb,  33onn  (1868),  mo  er  bei  £>unbe3= 
feigen  moljmte.  gerner  entfanbte  fie  il)n,  ba§  bieljäfmge  9Jtttglieb  ber  fircfjlicfyen 
©emeinbebertretung,  beS  ^ßreSbbtertumg  unb  ©cfyuIborftanbeS,  auf  bie  beiben  ©eneral=  25 
fbnoben  1871  unb  1877.  Saburcb.  mürbe  er  groölf  ^afyre  SJtttglieb,  babon  fecf/3  ^a^re 
Dbmann  be§  ©bnobalauofcfmffeg,  melier  legerer  bie  Aufträge  ber  ©fynobe  aufzuführen 
I)at  unb  einen  23eirat  für  ben  f.  I.  Dberfircfyenrat  bilbet. 

$n  biefer  lirdjlicfyen  ©fejenftellung  nafym  33.  teil  an  ben  §ulbigung§=2lborbnungen 
ju  bem  geft  ber  ©ilberfyocfyzett  be§  ®aiferbaare§  (1879),  ber  33ermäbJUmg  be§  Kronprinzen  30 
(9M  1881),  ber  lOOjäbjigen  Erinnerung  bei  5loIeranjbatente§  (Dftober  1881). 

Sie  9teib,e  be§  Sefanatg  traf  tr)n  jur  geier  be§  50jäb,rigen  33efteb,en§  ber  galultät 
(1871),  anlä^Iicb  beren  er  9iegierung§rat  tourbe,  toie  er  bei  jener  be3  'Joleranzbatenteg 
ben  Drben  ber  ©ifernen  ^rone  (3.  ®l.)  erhielt.  @r  machte  bon  bem  bamal§  nocb.  giltigen 
33orred)t  ©ebrauet;,  infolge  biefer  Slu^etcfjnung  ftc^  ben 3titterftanb,  bon  §rommann§b,aufen,  3.3 
beriefen  gu  laffen,  mobei  bie  9tücfficr;t  mitmirlte,  auc^  in  ber  ebang.  gamilie  33.  ben  2tbel 
bertreten  ju  roiffen,  roie  in  bem  fatfyolifcfyen  ^toetg.  greilieb,  gefteb,t  ber  ©eabelte:  „^cb, 
f)aU  gar  menig  5RefbeIt  bor  ben  2lbeIgbibIomen ;  tefe,  merbe  bafür  immer  um  9?acb,ficb,t 
bitten  muffen;  icb,  bin  ber  3Jceb,rb,eit  nachgelaufen" 

@rft  in   ber   legten  geit  (1887—90)  mar   er  33orfi^enber  ber  Vrüfung§lommiffton  m 
für  ebang.  Geologen,  ber  meift  nacb.   bem  2lmt3alter   ber  fämtlicb.en   barin  bertretenen 
Vrofefforen  gemä^lt  mirb.  — 

Sie  grbfjte  ©enugtb,uung  gemährte  ir)m  bie  braltifcb.e  fircb,licb,e  SLb,ätig!eit.  Surcf) 
einen  englifcb.en  ©eiftlicjien  angeregt,  mtbmete  er  fic^  ben  SBerlen  ber  inneren  3Riffion. 
3uerft  beteiligte  er  fiel)  an  ber  in  Sßien  immer  befonberS  erfolglofen  ^ubenmiffion,  45 
bann  leitete  er  bie  bon  feiner  grau  im  Sutfyerjubeljarjr  (1883)  in  feiner  2Bol)nung  ge= 
grünoete  ©onntagifc^ule  in  ©rubben,  ma§  er  mit  ber  33orbereitung  ber  Reifer  alg  feine 
liebfte  33efc^äftigung  bezeichnete. 

Sa§  mar  bolitifc^  ober  bolijeilicb,    nicb,t   ob,ne  ©efab,r;    einem  feiner  3Sorgänger  in 
biefer  Siebelarbeit  mar  bie  ©cfyule  mieber^olt  gefcb,  loffen  morben  megen  ©c^riftenberteilung  50 
an  fatfyolifdje  ^inber;   bann  mar  jebe§malige  @rlaubnigeinb,olung   bon  ber  Volijei  unb 
Stufficfyt  buxfy  einen  3Sacb,mann  berfügt  morben. 

gerner  mar  33.  jeitmeife  Dbmann  bei  nieberöfterreicbjfcfyett  ^meigbereinö  ber  ©uftab 
Slbolfftiftung  unb  ermarb  fitt)  mefentlicbe  33erbienfte  bei  ber  ©rünbung  be§  ©uftab  2lboIf= 
grauenbereing  unb  ber  ©infüfyrung  ber  Siafoniffen,  obmob,!  er  juerft  Ie|tere  in  2Bien  55 
niebt  für  nötig  angefeb.en  b,atte.  ©0  marnte  er  aueb.  bor  einfacher  Übertragung  ber  ©tabt= 
miffion;  bann  b,at  er  boef)  eine  ftattücfye  ©umme  für  fie  geftiftet,  bie  aber  noct)  feinen 
33oben  gefaxt  ^at. 

^n  folgern  SBirlen  bot  fieb,    häufig  miEIommene  ©elegenfyeit   ju  Slnfbraa^en,  beren 
fic^)  manche  im  5Raa)Ia|  fanben.    „2Benn  icb  öffentlich  reben  barf,  freue  icb,  mtd)  immer,  eo 


728  SBogel  «ogtljcrr 

%<$  glaube,  bafj  bartn  olme  grofje  ÜJlülje  Don  mir  etroa<§  geleiftet  toerben  Jönne"  ®a= 
neben  bie  Silage :  „SJIetne  2lnfbracben  finb  nüchtern  unb  fcfymucflog,  nur  burcb,  einen  Ieb= 
Ijiaften  Vortrag  fönnen  fie  über  2Saffer  gehalten  werben,  ©elefen  mürben  fie  gar  ju  Iang= 
to eilig  fein." 
5  ©ocb,  Iteis  er  einige  ^rebigten  brucfen  mit  ber  33egrünbung:  „©rabe  ber  Äitd)en= 
fnfiorifer  mirb  fic^)  burcb)  feinen  Übergang  bon  ber  $ir$engefcbjcr;te  %uv  ©emeinbebrebigt 
ermetfen  muffen  in  feinem  ^erjen^ufammenljiange  mit  ber  leibenben,  lebenben,  fterbenben, 
ftrebenben  ßfiriftenb/eit".  @r  beftieg  bie  Sänket  in  $ena,  ©reiben,  Söien,  Qor/anniäbab, 
Sltterfee;   bemunbernb  Jann    er  bon  anberer  Überlegenheit  im  ^rebigen  fyrec£)en.    ©urcb, 

10  feine  aufjerafabemifcfye  33etf)ätigung  Inü^ften  ficb,  manche  93erbinbung§fäben,  bie  il)m  um 
fo  mertboßer,  al§  er  mit  feinen  Kollegen  roentg  ftimmte,  unb  ber  t;äuglicfye  93erfet/r  in 
3öien  fefyr  gering  ift.  21I<§  er  tnerfyer  fam,  fanb  er  neben  bem  Corpus  apologetarum- 
Dito  bie  Ungarn  9to§foff,  ©cfjimfo,  ^mant; ;  9to3foff  ift  weiterhin  befannt  burcb,  feine 
„©efcfyidjte  be§  Teufels" ;  ©cfnmf  o,  ein  lebenbigeg  ^ombenbium,  fanb  über  bem  ©ammeln 

15  bon  Suchern,  Slltertümem,  befonberä  9Jcüngen,  bie  fdjliefsticb,  bei  ber  lutfyerifcfjen  ©emeinbe 
§u  ^refjburg  einen  ©tanbort  fanben,  leine  geit  jur  ©ammlung  unb  $ux  2lbfaffung  eigener 
©Triften,  itugmanb^  „Seb/rbucb,  be§  allgemeinen  unb  öfterreicb,ifcb,en  broteftantifcfyen  $ircfyen= 
rechts"  ift  bon  bleibenbem  ffißert,  menn  e3  aucb,  einer  Neubearbeitung  unb  (Ergänzung 
bringenb  bebarf .    ^ugmanb.  ftanb  SB.  tfe,  eologtfcb,  näb,  ex ;  er  b,  ielt  bie  33aurf fy e  ©dmle  gar 

20  für  anticfyriftlicr;. 

•Jttcfyt  gern  fab,  93.  bie  Berufung  eine3  neuen  ^enenfer§,  ©.  granl;  ja  bie  beiben 
entfrcmbeten  ficb,  je  länger  befto  mefyr.  9Jiit  SibfiuS,  ber  freilieb,  nacb,  jroei  $af)ren  nacb, 
$iel  ging,  blieb  bie  greunbfcb,aft  befreien;  93.  beflagte  feine  Überfiebelung.  2ltlein  am 
engften  fdjlofj  ficb,  93.  bem  ^rofeffor  für  reformierte  SDogmatif  an,  @b.  93öb,l,  (5alöintfc^= 

25  $ol>lbrüggefd;er  Dichtung,  ebenfo  gelehrt  al§  febroff,  obroof)!  er  beffen  93efetirungen  auf 
bem  ßatb/eber  jur   eigenen  ^onfeffion   fefjr  übel  aufnahm. 

©er  93erfet;r  mit  $ircf)enmärtnem  geigt  93.  nacb,  re<f)t§  aufgefebjoffener  al<§  nacb,  Iin!§. 
©enn  neben  $rit$  gliebner  au§  SOtabrib,  bem  31.  §.  granefe  bon  23riftoI  ©eorg  Füller, 
bem  ©ireftor  ber  britifef/en  93ibeIgefeHfcb,aft  in  SBien  SRillarb  sen.,  begegnen  wir  ?ßl)ilibb 

30  SßtülibS  au§  SReh?  9)orl,  biefem  Sefjrer  ©anfeb3,  be§  93egleiter§  9Jioobt)3,  unb  fogar  bem 
Qrbingianer  Gairb,  einem  greunb  unb  ©laubenögenoffen  bon  $ßrof.  ^einrieb,  SLb,ierfcb„  bem 
„93etter  meiner  grau" 

^ßrof.  5]ßaulug  Saffel  lam  toieberftolt  au§  33erlin  nacb,  9Bien,  um  einige  feiner  93or= 
träge  für  mob,Itb,ätige  3h)ed'e  ju  mieberb,olen.    93.  finbet,   fet)r  liöflicf),   fid^   ju   nüchtern 

35  unb  einfadb,  angelegt  für  (S.§  orientalifdje,  faft  uni)erbaulict)e  Slrt ;  felbft  in  ben  ^uben= 
blättern  9Bien§  fei  e^  ferner,  einen  lobenben  Slrtilel  über  ib,n  unterjubringen. 

aSeltlicfye  93erüt)mtbeiten  fehlten  nicb,t;  Umgang  mit  ©oe%3  unter  ber  Saft  ib,re§ 
Nameng  feufjenben  @n!eln  9BaItb,er  unb  9Mf,  nebft  ib,rer  Butter  Dttüie,  bie  eine  ^eit 
lang  in  9Bien  mob,nten;    93erüb,rung   mit  bem  ®ict)ter  Slnberfen,  ber  freilief)   in  feinen 

40  5Rärcb,en  angenehmer  mar  al§  bei  $ifcb,. 

©en  93erleb,r  mie  alle  2lrbeit  mu^te  93.  ficb,  meift  abringen.  @r  mar  bon  §aus 
au§  fcb,mäcb,licb„  blatte  biel  ©cb,merjen  p  erbulben,  bie  aucb,  fein  ©eficfyt  burcb,furc|ten, 
unb  litt  faft  ftetö  an  Schlafmangel.  9lugenfcf)mäc^e  b,inberte  il)n  an  ftrengem  ©tubium. 
@r  fucb,te  in  berfcb,iebenen  33äbern  Sinberung,  Ilmenau,  ^ara^b,   93or!um;    er  träumt 

45  einmal  bon  ber  2lu3ficf)t,  ganj  gefunb  ju  toerben;  bielmel;r  blieb  faum  ein  Drgan  ber= 
fcb,ont;  fcb,Iie|licb,  trat  jum  ©teinleiben  93Iafen!rebg  mit  entfe|Iicb,en  Dualen,  ber  aucb, 
burcb,  Operationen  nur  eine  lurje  3eit  aufgehalten  mürbe.  (Srbaulicb,  ift  ber  SebenSfatte 
unter  feinen  £iebling§Iiebern  entfcb,lafen.  ©iefer  leibboEe  ^uftanb  ift  mob,I  in  2lnfd)lag 
ju  bringen,  um  nicb,t  ungerecht  ju  urteilen.    Mn  2Bunber,   ba§  ber  ©ulber  fo  unruhig, 

so  oft  äufeerft  reizbar,  unmirfcb,  unb  fjeftig  mar  unb  ficb,  ju  9Sorten  unb  ©cb,ritten  b,inrei|en 
lie^,  bie  ib,n  f)interb,er  bauerten,  unb  bie  er  mieber  gut  ju  machen  ftrebte.  Um  fo  mob,l= 
tb,uenber  mutet  feine  93efcb,eibenb,eit,  ja  ©emut  unb  b,erbe  ©elbftlritif  an.  ©ie  ^enntniö 
unb  93eb,erjigung  biefer  lörberlid;en  unb  feelifc^en  ^uftänbe  blatte  tool;!  auef)  „feine  geinbe 
mit  tl)m  au§geföl;nt."  ©eorg  fioeftfje. 

55  SSogtlierr,  9came  groeier  um  bie  Deformation  berbienter  93rüber.  — 
Sitteratur:  Qu  1.  S£>r.  §r.  3aco6t,  (SJefctiicfjte  ber  ©tabt  unb  beS  ehemaligen  ©tiftä  geuc^t= 
mangen,  1833;  St.  ©tei^ele,  S)a§  StStum  ?lug§burg  (1872),  33b  III  @.  381  ff.;  ©tefel  im 
44.  3afjre§6erict)te  be§  f)iftorifd)en  SSereinä  für  TOttelf raufen  (1892),  Beitrag  j.  sReformatton§= 
gefcf)icf)te  oon  3eu(i)twangen ;  Ä.  @d)ornbaum,  Stellung  beS  5Karfgrafen  Äaftmir  o.  S3ranben= 


SSogt^crr  729 

bürg  j.  reformat.  S3ewegung  (Nürnberg  1900)  inäbef.  @.  89,  218  3(nm.  249,  222  ?(nm.  270, 
u.  o.  —  8U  -•  9?ittelmetoer,  Sie  evmngeltfcfjen  Strdjenlieberbidjter  be§  ßtfaffe§  <5.  26 f. 
(3eno  1855);  ©oebefe,  ©rvmbrifj  jttr  ©efcfjtcrjte  bev  beutfdjen  ®td)tung  (1862),  33b  IF 
©.  157,  173,  369  u.  1161;  ^affatiant,  Le  Peintre-Graveur  (1862),  S3b  III  ©.285 f.,  344 ff.; 
Magier,  föeueö  allgemeines  S'ünftIer=Sejifon,  83b  20  ©.  501;  tarl  ©cfjorbad)  in  ber  „2111=  5 
gemeinen  beutfcfjen  33iograpfjie"  33b  40  @.  192f.;  £).  Kiemen  in  83b  VI  ©.  274  unb  33b  VII 
©.  139  ber  „S3ettr(ige  j.  Bauer.  Sirdjengefcfjicfjte"  —  Soweit  bie  in  ben  folgenben  S3tograpIjten 
enthaltenen  Säten  au§  ber  Sitteratur  nid)t  erftdjtlid)  finb,  finb  fte  alten  g-amilienfiammbäumen 
entnommen.  93gf.  ju  1  unb  2  nocb  ftr.  SSogtt»err,  ©efd)id)te  b.  gamitie  33ogtf)err  im  Stdjte 
be*  SMturleBenS,  2.  Auflage  mit  3Ibbilbungen  (9(n§bad)  1908),  ©.  23—43  'imb  60—82.         10 

1.  ®er  ältere  ber  beiben  33rüber,  ©eorg  SSogt^err,  mürbe  am  11.  9Jcärg  1487 
ju  ©cb>äbifcr;=§au'  als  ©or)n  beS  ©cfmitt=,  2öunb=  unb  2tugenargteS  $onrab  23ogtf)err 
geboren.  @r  rotbmete  fxd^>  bem  ©tubium  ber  Geologie,  war  aber  aud)  mit  anberen 
3Biffenfct>aftert  grünbltc^  bertraut.  1517  Würbe  er  23tiartuS  an  bem  alten  Hou'egiatftifte 
ju  geucfytmangen  in  SRittelfranlen.  31I§  im  %at)xe  1525  infolge  beS  23auemfriegeS,  ber  is 
befonberS  in  ber  Däl)e  bon  geucfytWangen  wütete,  bie  fämtltd^en  -JRitglieber  beS  ©tifteS  aus  ber 
©tabt  geflogen  Waren,  blieb  23.  allein  %uxM  unb  brebigie  unter  großem  Zulaufe  unb  mit 
nachhaltigem  ©rfolge  bie  Set)re  beS  ©bangeliumS.  ^teWegen  im  ©ommer  ober  £erbfte  1526 
auf  ^Betreiben  beS  Kapitels  ju  §eud)ttoangen  feiner  ^ßfrünbe  entfeist,  mufjte  er  fid)  burcf) 
§anbarbeiten  unb  bie  ©efcfyäfte  eines  DotarS  müfyfam  ernähren.  2llS  SRarfgraf  ©eorg  2u 
ber  fromme  im  ^afyre  1528  in  feinen  gürftentümern  23ranbenburg=2InSbadj>  unb  23ranben= 
burg^ulmbacfy  bie  Deformation  einführte,  Würbe  bem  ©eorg  23.  fofort  auf  IanbeSfürft= 
liefen  23efer/I  bie  ©teile  eines  ©tiftSprebigerS   in  $eu$tWangen   berliefyen.    1535   Würbe 

er  alibann  jum  Dacfyfolger  feines  ©cl)WagerS,  beS  nact)  SBeinSberg  in  SfBürttemberg  be= 
rufenen  ©tabtyfarrerS  unb  erften  ebangelifcljen  ©uberattenbenten  gu  geucfytwangen  25 
9Jt.  3>oI)ann  ©eiling,  ernannt,  $n  biefer  ©teffung  ftarb  er  am  18.  Januar  1539. 
2Iufjer  feinem  23erbtenfte  um  bie  23erbreitung  ber  ebangelifcfyen  Ser/re  ift  bon  ü)m  ganj 
befonberS  fein  auftreten  gu  ©unften  ber  fürfiltcfyen  Slutorttät  Wäfyrenb  beS  23auemfriegeS 
im  $ar;re  1525  p  rühmen. 

2.  §einri<|  23ogtb>rr,   ber  jüngere  33ruber  beS  2Sorgenannten,   jum  llnterfdjiebe  30 
bon  feinem  gleichnamigen  ©ofme  in  ber  ^urtftgefct)icr)te  „ber  Stltere"  jubenannt,  rourbe 
1490  gu  ©cr)toäbifd)=,£att  geboren.    @r  War  einer  ber  erften  ^ünftler,  meiere  i£?re  Slunft 
in  ben  SDienft  ber  Deformation  freuten,   ©eit  bem  $ar)re  1522  treffen  mir  itm  als  9Mer 
in  ÜBim^fen  am  Declar,  roo  er  unter  bem  ^3feubonr;m  §enricu§  ©atra^itanug  Victor  1523 
jtoei  @rbauung§traftate  unb  1524  eine  glugfc^rift  beröffentlicfyte,  bie  fämtlic^  feinen  ent=  35 
Rieben  ebangelifcb^en  ©tanb^unft  erfennen  laffen;   bie  glugfo^rift  inSbefonbere  rietet  fict) 
gegen   rebolutionäre    llnterftrömungen    innerhalb    be§    beutfct;en  ^3roteftantiSmuS.     ^n 
3öim))fen  bietete  er  auc^  1524  fein  erfteS  befannteS  Sieb,  betitelt  „iin  9ceüro  ©bangelifcr; 
lieb  au$  ber  fd)rtfft  gebogen"   in  bem   tb^on  „2tuj$  hartem  roee  !(agt  fia)  ain  fyelb",  baS 
mit  ben  SBorten  anhebt:  „2123|  treffet  not  fester;  ict)  ju  bir:   ©ott,  roölft  bic^  mein  er=  40 
barmen!" 

Dacfjbem  §einrtd^  23ogt^>err  1525  feinen  2öol)nftt5  nac^  Strasburg  i.  ©.  berlegt 
r)atte,  bietete  er  in  ben  Sauren  1525,  1526  unb  1527  noc^bier  roeitere  ^ira)enlieber,  nämltct; 
^oetifc^e  23earbeitungen  bei  71.,  73.  unb  139.  SßfalmS  foroie  „(Sin  neutoeS  ©uangelifa) 
Sieb  in  aüem  creurj  ^ei3em  ©tiftenn  gan^  troftttdt),  3(u^  göttlicher  fc^rifft  gebogen"  45 
Sie  ^irdjenlieber  23J  fanben  Slufnab^me  in  bem  „©trafjburger  ^ircfjenampt"  bon  1525 
foroie  in  tyäteren  ©traPurger  ©efangbücb^ern  bis  1709,  in  einer  1537  wafyrfcfyetnlicr;  bon 
3ioacr;im  2lberlin  bon  ©ermenfdjwiler  herausgegebenen  23falmenfammlung,  im  lllmer  ©efang= 
büc^Iein  bon  1529,  im  ^onftanjer  ©efangbud)  bon  1540,  in  ben  GoImarifd)en  ©efang= 
büc^ern  bon  1709—1780,  im  SSJceininger  ©efangbuc^e,  enbltcr;  im  Sftariafirdjer  33crg=  50 
bud^  bon  1745.  ©amtliche  fünf  Sieber  23.S  finb  abgebrueft  bei  2Bac!ernagel,  ©efd)icr;te 
beS  beutfttjen  ^ircb^enliebeS  bon  ben  älteften  geton  bis  gum  anfange  beS  17.  %ai)T-- 
^unbertS,  33b  III  Dr.  556  ff.  (©.  504—509).  IIS  baS  fünfte  bon  itynen,  baS  auc^> 
^eute  noct;  aße  23erücffidE)tigung  berbienen  bürfte,  roirb  roo^I  „2tuS  tiefer  Dot  fd)rei  xd) 
gu  bir"  anjufe{>en  fein.  »5 

23om  Sa^re  1527  an  berftummte  bie  3)cufe  §.  23.S  auf  lange  $eit  IiinauS;  bafür 
t)at  i|n  bon  ba  an  feine  fünftlerifcb^e  ^b^ätigleit,  bie  fid)  im  ^olgfc^nitte  glänjenb  beroäb^rte 
unb  fict)  gleichfalls  borroiegenb  auf  religiöfem,  bejro.  ftrdjltdjem  ©ebiete  beroegte,  um  fo 
mefir  in  SXnfbrua)  genommen.  ©0  finb  ifym,  roie  baS  auf  bem  ^itelblatte  befinblt*c 
SRonogramm  beS  J^ünftlerS  ergiebt,  jroeifelloS  bie  23ilber  gujufdjretben,  tueldjc  baS  1527  &> 
bei  ©rüninger  in  Strasburg   erfdE)ienenc  „Deuc  ^eftament",    herausgegeben   bureb,  ^afob 


730  SBogtljerr  SBoW 

Geringer  Sebtt,  fotoie  baS  1529  big  1532  ju  ©trafeburg  bei  SB.  ßoepibtyl  unb  in  35urlact) 
erfd)ienene  „2llte  ^eftament"  in  ber  überfe^ung  Dr.  Waxtm  SutfyerS  fdjmücfen.  33on 
religiöfen  Silbern  ift  nodj  ein  (Singelblatt  „^efuS  ber  ©rlöfer",  bann  ein  §oIjfc§mtt  „25ie 
33erfudjmng  ber  kleinmütigen",  erftereS  nocjj)  auS  ber  Söimfcfener  geit,  erhalten. 
5  Unbebmgt  baS  erfolgreiche,  jebocf;  rein  toeltlidje  2ßer!  bon  §.  33.  ift  baS  1538  ge= 
metnfcfyaftlicr)  mit  feinem  ©ofme  herausgegebene  „^unftbücfylein",  toelcfyeS  bis  jum  ^a^re 
1610  eine  bleibe  bon  Auflagen  erlebte  unb  auct)  mit  franjöftfc^em  unb  ftoanifdjem  Xitel 
erfcbjen. 

©ett  1536  im  Seftije  einer  ©trafjburger  33ua)brucferei,  brudfte  33.,  ber  aud)  ein  ge= 

10  toanbter  Slugenarjt  war,  namentltd)  Sucher  mebijinifcb,en  Qn^altS.  geboct;  trat  er  im 
$al)re  1539  nochmals  mit  einer  geiftlicfyen  35id)tung  I)erbor,  unb  gtoar  mit  einem  „ßb,rift= 
liefen  Sofjbud)  nacb,  orbnung  eines  2ltyr)abet§",  toeld)eS  für)  im  ©egenfa^e  gu  ben  bon 
Italien  nad;  35eutfct;lanb  ^erübergefommenen  toeltlicf/en  £ooSbüd)em  als  baS  erfte  geift  = 
lid^e  SoSbucb,   barfteßt.     25aS   in   Werfen   »erfaßte   unb   mit  fyübfcfyen  Sftanbleiften  unb 

15  Initialen  bon  ber  £>anb  33.S  auSgeftattete  23ud),  toelcfyeS  aus  gtoei  leiten,  einem  flehten 
unb  einem  großen  §lfyf;abetf),  letzteres  mit  längeren  33erfen,  befielt,  toiß  bie  früheren 
„fcfyimpfüdjen"  SoSbüdjIetn  burd)  ein  b,ei!fameS  erfeijen  unb  einen  ©biegel  beS  djriftlidjen 
SebenS  geben. 

$m  $af)re  1550  tourbe  §.  33.  bon  $aifer  $arl  V  als  Hofmaler  unb  §ofaugenarjt 

20  nacb,  Sßien  Berufen,  eine  Stellung,  bie  fpäter  aud)  feinem  gleichnamigen  berühmten  ©ob,ne 
ju  teil  tourbe.  ©ort  ftarb  er  im  $ab,re  1556.  ©ein  Sßafylfbrucb,  lautete:  Soli  Deo 
gloria  —  Audentes  Fortuna  juvat. 

Über  bie  fünftlerifdje  Xfyätigfeit  ^einrieb;  33.S  urteilt  35.  6.  bon  Süijoto  in  feiner 
„©efcfytdjiie  beS  beutfdjen  $upferftid;eS  unb  ^olgfdjnitteS"  (33erlin  1891)  folgenbermafeen: 

25  ,,^n  ber  $erfon  ^einrieb,  33ogtf/errS  beS  älteren  greift  bie  SlugSburger  ©cfyule  mit  ifyrem 
lebensfrohen  SiealiSmuS  noeb,  einmal  in  bie  ©trajjburger  33ucb,ißuftration  ein.  ©eine 
^oljfcrmitte  ju  bem  1527  bei  ©rüninger  erfdrienenen  „Neuen  Xeftament"  finb  gang  er= 
füllt  bon  ber  bilberreicfyen  ©rgäfyhmgSfunft  ber  33urgfmairfcf/en  ©djmle.  SBeite  Sanb= 
fd)aften,  bon  ftarJ  erf)öf;tem  ©tanbbunfte  angefdjaut,    unb  ftolge,  im  Nenaiffancegefcfymacf 

30  befyanbelte  2tra)itefturen  bilben  bie  ©cfyaublätje  ber  toie  ^ßaffionSbramen  fid)  enttoicfelnben 
©genen"  Dr.  gnebriclj  SBogt^err. 

33ol<f,  9BiIb,elm,  ^Srofeffor  ber  Geologie    in  35orbat,  ©reifStoalb   unb  Noftocf, 

geft.  1904.    —  ßitteratur:  £um  ©ebäditniö  an  $rof.  Dr.  5).  3Bilfj.  SBoicf,  Seidig  1904. 

SSilfyelm   33oIcf,    too£)I    ber    entfdnebenfte  aßet  ©cb,üler  §ofmannS,    §aubtbertreter 

35  ber  fog.  (Manger  (b^tlSgefdjicfytlidjen)  ©ctmle,  tourbe  geboren  18.  Nobember  1835  in 
Nürnberg,  ©ein  33ater  StnbreaS  33.,  ^nb,aber  einer  @fftgfabril,  ein  SRann  bon  eb^ren; 
feftem  S^arafter,  auSgefbrocfyen  ürc^Iicfjer  ©efinnung,  ftreng  gegen  fieb,  unb  bie  ©einigen, 
ftanb  Söilb,.  £öbe  na^e,  ben  er  jum  Xauftoaten  feines  ©o|neS  ertoä^Ite.  @r  toar  eS 
aueb,,  ber  feinen  ©ob,n  nacb,  33eenbigung  feiner  ©innnafialftubien  auf  bem  Slgibieng^mnafium 

40  in  Nürnberg  jum  ©tubium  ber  Geologie  beftimmte,  toietoof)!  beffen  Neigungen  mel)r  auf 
bem  ©ebiete  ber  ^pfnlologte  lagen.  2luf  ber  Uniberfität  ©rlangen  jog  33.  bor  aEem  ber 
^ßfjilologe  9?ägeISbad;  an  mit  feiner  Stuffaffung  ber  Slntile  als  praeparatio  evangelii; 
religiös  trat  er  bor  anbern  unter  ben  ©influfe  bon  SfyomafiuS;  für  fein  ftoätereS  %afy 
ftubium  bot  tb,m  bie  toicfytigften  2lnregungen  granj  ®elt|fd),  toäfjrenb  £>ofmann  erft  nad; 

45  ber  eigentlichen  ©tubienjeit  auf  33.  entfeb^etbenben  ©influfj  getoann.  Waty  2lblegung  beS 
1.  tfyeologtfdjen  ©jamenS  in  3lnSbad;  1857  toar  33.  lurje  ßeit  33ifar  bei  feinem  Taufpaten  £öb,e, 
bejog  bann  auf  ©runb  eines  föniglicfyen  unb  eines  Nürnberger  ©tibenbiumS  noefy  bie  Uni= 
berfität  Seibjig,  bor  allem  um  unter  gleifdjerS  Anleitung  orientaliftifd;e  ©tubien  gu  be= 
treiben.    (Sine  grueb^t  berfelben  toar  bie  SDiffertation:  Calendarium  Syriacum  auetore 

50  Cazwinio.  Lipsiae  1859,  mit  toelcfyer  33.  1859  in  Erlangen  jum  Dr.  phil.  ^romo= 
bierte.  ©ie  bietet  ben  Sibfc^nitt  aus  ber  $oSmograbb>  beS  Sfajtoini,  ber  über  bie  geft* 
tage  ber  ct)rtftltct)en  ©^rer  b^anbelt,  im  arabifeb^en  Xejt  mit  lateintfdjer  Überfe^ung  unb 
2Xnmerfungen.  Nacb^bem  33.  bann  noeb.  einige  ^eit  in  ©rlangen  Slbjunlt  unb  33ertoefer 
an  ber  Neuftäbter  £irä>  getoefen,  habilitierte  er  fieb.   1860  in  ber  tfyeologtfdjen  galultät 

55  in  ©rlangen  mit  einer  ©cfyrift  über  35t  32  (Mosis  canticum  cygneum  denuo  illu- 
stratum  1861).  ^n  biefelbe  gett  (1861)  fällt  feine  33erlobung  mit  STRalcben  ©cb,mib, 
Xod}ter  beS  befannten  Äird;enl)iftori!erS.  ©d)on  1862  jebod)  tourbe  33.  als  35ojent,  b.  i. 
au^erorbent!id)er  ^ßrofeffor,  nad)  35orbat  berufen,  ein  $afyr  fbäter  tourbe  er  orbentlic^er 
^rofeffor,  1871  D.  theol.  h.  c.  bon  ©rlangen.    33erb,ältniSmä^ig  arm  an  äußeren  @r= 


SSolct  731 

eigniffen,  aber  reid^>  gefegnet  nacb,  innen,  mar  3S.g  Söjäfyrige  2ßirffamteit  an  ber  UnU 
berfität  ©orbat  bon  großer  33ebeutung  für  bie  liblänbifdje  lutfyerifdfye  ^ird^e  in  tfyeo= 
logifcfyer  h)ie  ItrdEjIid^er  £>tnftcfyt,  ja  für  baS  ebangelifcfye  Seutfcfytum  in  Siblanb  überhaupt. 
Surcb,  feine  afabemifcfye  mic  braltifcfy=ftrcf;licf)e  SLptigleit,  burdj  ^5rebigten,  Vorträge  unb 
Mitarbeit  an  ben  lutfyerifdjen  ©tmoben  ber  liblänbifdjen  SanbeSftrcbe,  burcb,  ©rünbung  5 
eines  berufenen  ©fymnaftumS,  burcb,  ben  berfönlicfyen  ©influß  auf  eine  gange  ©eneration 
liblänbifcfyer  ^aftoren  I)at  35.  ^afyre  b/inburd;  fegenSreicb,  im  ©inne  beutfcfy=ebangelifd)en 
ßljiriftentumS  in  Siblanb  gemirlt;  in  ber  ^ßeriobe  ber  9tufftfijierung  ber  Uniberfttät  mar 
eS  fein  mannhaftes  ©intreten  für  Erhaltung  beutfcljer  2Jrt  unb  feine  cr)arafterbolIe  ?ßerfbn= 
licbjeit,  bie  bieten  einen  §alt  boten  gegenüber  biefen  23efirebungen.  iu 

Sieben  feinen  tfyeologifcfyen  Jfyatte  23.  aueb,  23orIefungen  über  femttifcfye  Ätiologie  ju 
galten.  23on  ber  $ortfe$ung  feiner  orientaliftifcfyen  ©tubien,  benen  er  zeitlebens  mit  be= 
fonberer  Siebe  anfing,  jeugen  bie  SluSgaben  bon  Ibn  Mäliks  Lämiyat  al  af'äl  mit 
23abrabbinS  üommentar,  1864/66,  unb  feine  SSJiitarbeit  an  ber  geitfcfyrift  ber  beutfdjen 
morgenlänbifcljen  ©efeEfcfyaft.  3n  oer  flehten  ^rogrammfcfyrift :  Vindiciae  Danielicae,  15 
SDorb.  1866,  fucfyte  er  bie  Priorität  SDamelS  bor  ©aefjarja  ju  bemeifen  (bie  Priorität 
bon  ©a  7—9  bor  ©aö^arja  I)at  23.  bis  jule|t  feftgefyalten).  (Sngen  2Infd)Iuß  an  bie 
$ofition  b.  ^ofmannS  geigte  23.  in  feiner  23erteibigung  beS  6t)iliaSmuS,  fomof)!  in  etlichen 
2lrtifeln  ber  Sorbater  ßeitfcbjift  (VII,  153  ff.,  IX,  142  ff.),  als  in  ber  bor  allem  gegen 
$eil  gerichteten  ©ctjrift:  „15er  ßfyiliaSmuS  feiner  neueften  23efämbfung  gegenüber",  20 
SDorb.  1869.  2BäIj>renb  $eil  bie  §eibenfirc£)e  gerabegu  an  ^SraelS  ©teile  treten  läßt,  roiH 
23.  bie  ©onberfteßung  unb  $rärogatibe  ^SraelS  als  beS  erwählten  23oIfeS  aueb,  für  bie 
neuteftamentltcfye  $eit  gemab/rt  roiffen,  nimmt  eine  einfüge  SBefebjung  unb  2Bieberr)erfteKung 
^SraelS  im  1)1.  Sanbe,  ferner  eine  gett  ber  S^etc^Sr/errlicbfeit  ber  ©emeinbe  auf  ©rben 
nacb,  ber  ^arufte  ßfyrifti  unb  bor  ber  ©nbboUenbung  an.  2IuS  ber  nämlichen  geit  ift  noeb,  25 
bie  ©cbjtft:  de  summa  carminis  Jobi  sententia,  SDorb.  1869,  ju  nennen,  hierauf 
folgt  bie  eingeljenbe  Unterfudjung :  ®er  ©egen  SERofeS,  35t  $ab.  33,  unterfucfyt  unb  auS= 
gelegt,  @rl.  1873.  23.  berteibigt  Ijier  aufs  entfcbjebenfte  bie  mofaifcfye  2tutl)entie  unb  bie 
Integrität  beS  gangen  SlbfcfmittS  gegenüber  ber  bamaligen  fritifcfyen  23eftreitung.  2luS 
ber  nämlichen  geit  fa  noeb,  bie  9iebe  „über  bie  23ebeutung  ber  femittfdjen  spfyilologie  für  30 
bie  altteftamentlicfye  ©jegefe",  25orb.  1874,  ermähnt.  Sem  ©ebäcfytniS  feines  SefyrerS  mar 
gelbibmet  bie  ©cb/rift:  $ur  Erinnerung  an  3.  ©f)r.  $.  b.  §ofmann,  @rl.  1878.  9tacb, 
längerer  Unterbrechung  folgen  nunmehr  eine  3fteib^e  berfcbjebenartiger  Veröffentlichungen: 
2)ie  geftrebe  über  ben  6I)arafter  ber  femitifcb,en  SSöIIer  unb  tb,re  ©teöung  in  ber  2Öelt= 
unb  Multurgefc^icb.te,  SDorb.  1884;  de  nonnullis  locis  V.  Test,  ad  sacrificia  spec-  £5 
tantibus,  ©or^t.  1884;  ^nmieroeit  ift  berSibel  QrrtumSlofigleitgugufc^reiben?  25orb.  1885; 
Sie  23ibel  als  ßanon,  1885;  3ur  Se^re  ^n  ^er  ^eiligen  ©cb.rift,  ®orb.  1885;  SDie 
^ßrebigt:  bie  rechte  geier  beS  SibelfeftS,  ®orb.  1886.  35ie  ©cl)rift  über  bie  S^"1"^ 
lofigleit  ber  23ibel  rief,  tbiewob,!  fie  einen  äufjerft  gemäßigten  bietätboHen  ©tanbbunft  ber= 
tritt,  in  ber  baltifcfyett  Äircb,e,  too  bie  ^ß^ilibtoifc^en  2lnfcb,auungen  noeb,  borb^errfd^ten,  gro|e  40 
^Bewegung  b^erbor.  2)en  Singriffen  gegen  23.  gegenüber  erflärte  fieb,  jebod^)  bie  gafultät 
mit  ib^m  folibarifcb,.  2ßenn  auc^  biefer  ©treit  um  bie  t;l.  ©cb.rift  bamalS  ntci)t  ju  einem 
befinitiben  2lbfd^)lu|  !am,  fo  mar  er  boef)  für  bie  SBeiterbilbung  ber  2lnfcb,auungen  ber 
liblänbifcfyen  ^ireb^e  bon  großer  23ebeutung.  Ttit  ben  in  biefem  3uf«mmenb,ang  beb,an= 
belten  Problemen  beschäftigt  fieb,  aueb,  23.S  Beitrag  ju  3°^erg  C»000^^ :  ©ie  Seb^re  45 
bom  ©cfyriftganjen.  9Jcit  Dttli  gufammen  erflärte  23.  in  ©trad=3ö^er§  Jurjgefaßtem 
Kommentar  bie  boetifd^en  §agiograbb,en  1889;  ebenfo  lieferte  er  burefy  mehrere  Auflagen 
l;inburcb.  bie  Neubearbeitung  beS  ©efeniuSfcfyen  SejifonS  jum  %%.  SlbermalS  mit  bem 
©egen  TOofeS  befc^äftigt  ft$  fein  Beitrag  §ur  geftfcb;rift  für  21.  b.  Dttingen,  1898  (£ur 
(Srllärung  beS  mofaifcf)en  ©egenS);  baneben  finb  ju  nennen:  2BaS  lernen  mir  auS  ber  50 
©efcfyicfjte  ber  2tuSlegung  ber  ty.  ©d>rift?  ^urj.  1894;  forate  bie  Vorträge:  £>er  SReffiaS 
im  <ä%,  unb:  S5er  'iEob  unb  bie  gortbauer  nacb.  bem  SEobe  nacb,  ber  Sefyre  beS  21STS. 
©eine  intime  Stellung  ju  §ofmann  bezeugte  23.  bor  allem  bureb,  bie  Verausgabe  bon 
2Berfen  unb  23orIefungen  feines  SebjerS :  23iblifcbe  §ermeneuti! ;  ^ufammenfaffenbe  Unter= 
fucb,ung  ber  neuteftamentlicfyen  ©Triften ;  23iblifd)e  ©efd)ict)te;  33tbltfct>e  S^eologie  beS  55 
vJiis;  enblict)  ber  tb,eoIogifcf)en  23riefe  ber  ^rofefforen  35eli|ifcb,  unb  b.  £>ofmann,  1890/94. 
Sie  grage  nacb,  ber  Stellung  unb  23ebeutung  ber  b,l.  ©cb,rift  fyat  si<.  aua)  toeiterbin  nod^ 
mebrfacb  beb,anbelt,  fo  bor  allem  in  feiner  ©cfyrift  „^eilige  ©cb,rift  unb  ^ritü",  (Srlangen 
unb  Seibjig  1897,  auS  2luffä^en  ber  „9?euen  ürd^licljen  ^eitfcfirift"  ertoacb,fen,  fomie  in 
bem  23ortrag:    (Sfjrifti  unb  ber  2lboftel  ©tellung  jum  3l£,    Seidig  1900.    2luS    bem  eo 


732  33oltf 

%af)X  1897  ift  nod;  ju  nennen:  SDie  Urgefcbjdjte  nad)  ©en  1—11,  Barmen  1897  $m 
I^afyr  1898  mufjte  33.,  ber  tnjroifdjen  Äaif.  ruffifd)er  roirflidier  «Staatsrat  geworben  unb 
auc|  fünft  mannigfach  ausgezeichnet  toorben  war,  nad)  ben  UmberfitätSbeftimmungen  auS 
bem  Sefyramt  fdjeiben.  Äörberlid)  tüte  geiftig  nod)  böllig  rüftig  nafym  er  gerne  baS  2ln= 
5  gebot  einer  .irjonorarbrofeffur  in  ©reifStoalb  an,  folgte  jebocfy  fdjon  balb  einem  Stufe  an 
bie  Uniberfität  Sfofiod,  Wo  er  bis  ju  feinem  iobe  in  boller  Kraft  unb  $rifd)e  toteren 
burfte.  23on  ©ct)riften  finb  auS  biefer  legten  geit  nod)  ju  nennen:  Stltteftamentltdie 
£eilSgefd>id)te,  überfidjtlid)  bargeftellt  1902;  ^um  Kambf  um  Bibel  unb  Säbel,  SRoftod 
1903;    ber  Vortrag:    Biblifcfyer   unb  moberner  $effimtSmuS;    nacb,  feinem  2obe  erfdnen 

10  nocfy,  bon  §unginger  herausgegeben:  £ebenS=  unb  gettfragen  im  Sichte  ber  Bibel,  2öiS= 
mar  1906.  9cid)t  unerwähnt  barf  bleiben  23.S  ^Jiiiarbeiterfdjaft  an  berfctjiebenen  3eit= 
fünften,  wie  ber  „33alttfcr)en  3DiconatSfcl)rift"  unb  ben  „^Zeitteilungen  aus  ber  ebangelifcfyen 
Kirche  ÜRufdanbS",  ferner  an  ber  „2tHg.  eb.=lutf).  Kirctjenzeitung"  ber  „^Reuen  fird)licf;ert 
gettfebrift",  an  gbm©  unb  an  ber  borliegenben  ÜRealencttflotoäbte. 

15  23.S  Sfyarafter  unb  ^erfönlidjtett  30g  aße,  bie  mit  ifym  in  Berührung  famen,  un= 
WtUfürlid)  an.  9Jcan  füllte  fofort,  baf$  man  biefem  SJcanne  unbedingtes  Vertrauen 
fdjenfen  bürfe.  2Bob/lwoIlenbe  ©efinnung  gegen  jebermann,  aufobfernbe  ^Ereue  im  Beruf, 
ec|te  Siebe  ju  ber  anbertrauten  ftubierenben  3>u8ent>,  $°fe  Sluffaffung  bon  ben  ^fltdjten 
beS  geiftltcfyen  SlmtS,    felbftlofe  Eingabe  an  bie  ©acb.e  ber  ebangelifdjslutfjertfdjen  Kircfye 

20  fieberten  tfym  bon  2lnfang  an  bie  allgemeine  Sichtung  bei  Kollegen,  ^ßaftoren  unb  ©djmlew. 
©eine  warme  'Jeilnar/me  am  @rgeb/en  anberer,  reiche  gefellige  Talente,  ein  unbermüft= 
lieber  §umor  mit  leichtem  fatirifd)em  Slnflug  berfdwfften  ib/m  "anfertige  Beliebtheit  bei 
greunben  unb  Befannten.  ©ireit  ju  beginnen  unb  unberföfynlicb,  auS§ufecb,ten  lag  3S.S 
6f/arafter  fern;    aber  Wo  er  um  ber  2Bab/rfyeit  Willen  mufjte,  beftanb  er  unbeugfam  auf 

25  ber  bon  ir/m  als  richtig  erlannten  ©acb/e  unb  lannte  feine  SRenfcfyenfurcfyt. 

$n  feiner  tfyeologtfdjen  Stellung  blieb  23.  ftcfy  im  Wefentlicfyen  bie  ganje  $eit  feines 
SebenS  gleid).  Qm  engften  ÜKnfcblufj  an  §ofmann  bertrat  er  bie  fyeilSgefcfyidjtlidjie  2luf= 
faffung  beS  21S£S  nacb,  rechts  rote  nacb,  UnlS  mit  gleicher  ©ntfct)tebenr)ett,  nacb,  rechts  gegen* 
über  einer  falfdjen  QnfbirationStb/eorie,    nad)   UnlS   gegenüber  bem   falfd^en  KrtticiSmuS. 

30  ©eine  ©ebunbenfyett  an  bie  ©djrift  War  eine  innerliche;  fie  War  fo  feft,  baf?  er  brinjibieß 
ber  b/tftorifcfyen  Kriitf  am  $1%  bb'Hig  freie  §anb  laffen  fomtte.  @r  mar  feft  überzeugt, 
bafj  unboreingenommene  gorfet/ung  le^tlicl)  boct)  ben  roefentlid;en  ^n^ah  ber  biblifcb^en 
Überlieferung  beftätige.  3n  fielen  Stefultaten  ber  ^ritil  erlannte  er  nur  §t»botb^efen 
eines  übertriebenen  ©lebticiSmuS.    ^nfonberf>eit  berb^ielt  er  fiel)   ber  SöeEenljiaufenfcfyen 

35  3luffaffung  ber  iSraelitifc^en  9ceIigionSgefcb/tcb/te  gegenüber  burcf>auS  abler)nenb.  ^n  feinem 
33ud;e  „^eilige  ©cb^rift  unb  ^rttif"  l)at  er  fiel)  eingeb^enb  mit  ber  2öellf)aufenfdj)ett  2ln= 
fcb,auung  auSeinanbergefe^t.  Set  aller  grei^eit  im  etnjelnen  ftanb  ib,m  ber  ©ang  ber 
§etlSgefcb;tcb,te  im  ©anjen  nacb,  ber  ©cfjrift  ebenfo  unberrücfbar  feft  roie  feinem  Seb/rer  bon 
§ofmann.    SDie  auf  ©.  194—196  beS  genannten  SucfteS  fid)  finbenben  ^efen  d;aral'te= 

40  tifieren  roob^l  am  beften  33.S  Stellung  jur  ^1.  ©cb^rift.  ©ie  tft  für  it)n  toie  für  b.  £>ofmann 
bon  Anfang  bis  ju  @nbe  ein  organifcljeS  ©anjeS,  gufammengef/alten  burd;  ben  einc)ett= 
liefen  ©ang  beS  beilSgefdndjtlidKn  SöirfenS  ©otteS,  in  feiner  SBabjtyeit  bezeugt  burd;  bie 
SBirlung  auf  bie  ©efcfjidjte  ber  d)riftlid)en  Äird;e  unb  baS  berfönlicfje  religtöfe  Seben  beS 
©laubigen.    2BaS  fbejiett  baS  SIS   anlangt,  fo   „brüdt  ^efuS  6b,riftuS  baS  ©iegel  ber 

45  9öat;rl;eit  auf  bie  Sfyatfacfyen,  bon  reellen  £>ier  berichtet  toirb,  inbem  er  fid)  als  bie  @r= 
füllung  ber  auf  itm  l)infüb]renben,  roeiSfagenben  ©efd;id}te  f)iufteHt"  ©o  ift  tb,m  bie 
©dmft,  bie  übrigens  ftetS  unter  bem  ©efidjtSbunlt  ^eiliger  ©cb^riftftelleret  betrachtet  werben 
roiK,  baS  urlunblid;e  ®cn!mal  ber  §eilSgefd;id)te,  b.  §.  ber  ©efd)id)te,  toeld;e  bie  in  ber 
altteftamenilicfyen  gtit  fid}   anbab^nenbe  unb   in  ber  neuteftamentltd;en  ju  tb^rem  SMpg 

so  gelangte  ©rlöfung  unb  £erftel!ung  ber  ©emeinfd;aft  ©otteS  unb  ber  aJtenfd^eti  in  ©t)rtfto 
Sefu  su  ib^rem  ^nf>alt  |at.  ©urd;  bie  entfdnebene  Vertretung  biefer  ^been  f/at  23.  in 
©orbat  roie  in  Stoftod  baju  beigetragen,  baS  SßerftänbniS  für  gefd;id)ttid}e  Betrachtung  beS 
2KES  ju  mehren  unb  ber  ©rfenntnis  Serbrettung  511  berfd;affen,  ba^  bie  Stutorität  ber 
Sibel  unabhängig  ift  bon  ben  £fyeorien  über  ifjre  Iitterarifd;e  @ntfteb;ung.    Übrigens  b^at 

55  33.  allezeit  ben  §aubtnad;brud  auf  feine  münblidje  3Bir!famfeit,  f^ejiell  bie  Sorlefungen 
gelegt;  bureb,  fie  l>at  er  in  ber  X^at  auf  toeite  Greife  @tnflujß  gewonnen  unb  ftet)  bie 
©anlbarleit  bieter  ©cb^üler  gefiebert. 

^Jcod}  @nbe  1902  bermod)te  23.  eine  fditoere  §er§affeItton  ^u  böKiger  ©enefung  gu 
überroinben.    31IS   er    jeboef;  Karfreitag  1904   bie  Kanjel   beS    UniberfitätSgotteSbienfteS 

60  berliefj,  meinte  er,  er  fyahe  jum  le^tenmal  gebrebigt.    ^n  boCer  £l>ättgfert  fteb^enb,  rourbe 


SBoltf  »oltfommenfjett  733 

er  an  $fingften  beSfcI&ert  $al)res  Don  fd)ft>erem  Unmofjlfein  befallen.  $n  ben  ©tunben 
machen  33emuf5tfein<§  orbnete  et  mit  balliger  9tuf)e  feine  Angelegenheiten.  ,,^d)  t)ätte 
gerne  nocb,  länger  getoirft",  mar  eines  feiner  legten  3Borte.  Am  29.  Wla'i  entfcfylief  er. 
$n  ben  „Söorten  ber  Erinnerung  jum  ©ebä<^>tnt§  an  ^rof.  Dr.  D.  3Bill)eIm  33."  fyaben 
feine  $reunbe  il)m  ein  fd)öne§  ©enfmal  gefegt.  Söficrlc.      5 

2$oßfomtttenf)ett.  —    Sitteraturangaben   f.  in  Semme,    (Sejriftt.  (Sttjtf  I,   ©rofe=SidE(ter= 

fetbe  1905,  §  58. 

^ollfommenfyeit  bejeicfynet  auf  ben  berfdnebenften  ©ebteten  bie  reine  ©arftellurig  ober 
Ausprägung  ber  ^bee  in  ber  S55irllic§!eit,  bie  Llbereinftimmung  ber  ©rfcfyeinung  mit  ber 
biefe  beluertenben  Qbee ;  fie  fefct  alfo  ftetS  bie  erfafyrunglmäfjige  93eobad)tung  bon  9JcangeI=  10 
b,aftigfciten  unb  Annäherungen  an  ba§  burd)  bie  Urteilskraft  aufgeteilte  ßiel  borauS  unb 
fddießt  bie  gorberung  ber  fyödjften  Annäherung  an  biefeS  in  ficb,.  Auf  reUgiöä=fittItdt)em 
©ebiet  ift  fie  bie  Steinzeit  unb  ^räftigfeit  ber  ©otte§gemeinfcr/aft  unb  beS  £anbeln§, 
welche  bie  boße  Anerkennung  be3  religiöfen  unb  fittlicfyen  SewufjtfeinS  finbet.  ®arum  ift 
fubjeftib  eingebilbete  33oßf  ommentyett  bon  ber  eckten,  bie  eS  nur  auf  ber  b,öd)ften  ©tufe  ber  15 
Sieligion  giebt,  ju  unterfdjeiben.  $aulu3  befafs  als»  ^ßfyarifäer  eine  ^oQtommenfyeit  (®a 
1,  14;  $f)i  3,  6),  beren  ^abellofigfeit  ü)m  bei  ®ama§lu3  in  krümmer  ging,  ©o  roerben 
aufjerdnüftlidje  Ausprägungen  ber  23oHtommenI)eit  bom  6f)riftentum  als  minbermertig  be= 
urteilt.  @ine  auSgebilbete  33oHfommenI)eitSleIp  fül)rt  ber  Subbt)  tSmuS ;  ja,  als  2Jcönd)S= 
religion  ift  ber  93ubbb,iSmuS  als  fold)er  ein  33oß!ommenb,eit§ftanb.  Aber  unter  bem  20 
©efid)tSbunft,  bafj  baS  bubbr/iftifdje  Jjbeal  gänjlicf/er  ©tittefteßung  beS  Seelenlebens  erft 
allmär/lid)  erreicht  mirb,  ftellt  ficb,  innerhalb  beS  möndjnfcfyen  SMlfommenfyeitSftanbeS 
mieber  als  befonbere  Sjollfommenfyeitsfyöfye  bie  ©eelenrul)e  berjenigen  b/erauS,  bie  auf 
Erben  fdmn  baS  Sttrbana  erreichen,  b.  fy.  ber  ArljiatS;  unb  in  ber  33oMommenb,ett  ber 
ArfyatS  ift  mieber  bie  fyödjfte  bie  beS  33ubbl)a,  in  bem  bie  ©eelenrufye  ju  abfoluter  Abasie  25 
gefieigert  ift.  («Bgl.  DIbenberg,  33ubbb,a  1897.)  SDaS  bubblnftifdje  MbndjSibeal  ift  in 
bem  religiöfen  ©bnfretiSmuS,  ber  bem  EroberungSjuge  AleranberS  beS  ©rofjen  folgte, 
nad)  9Befien  getragen  unb  b,at  befonberS  in  bem  5Rönd;Sorben  ber  Effener  auf  balä= 
ftinenfifd)em  23oben  unb  in  ben  Eremitenbereinigungen  ber  ^fyerabeuten  auf  ägfybtifdjiem 
33oben  ©eftalt  genommen,  $n  ber  griedjüfdjen  ^fyilofobr/ie  I)at  bie  ©toa  baS  ^beal  beS  30 
tugenbfyaften  SSeifen  auSgebilbet,  ber  bie  greifet  bon  ber  SBelt  in  felbftgemiffer  äjiä&sia 
beit)äb,rt,  unb  in33ejug  auf  biefeS  baS  xa&fjxov,  ba§  fittlidjOe^iemcnbe  beS  SDurctjfdjnittg, 
ba§  et^ifd;  Normale,  ba§  nic^t  bon  gefd()Ioffener  fütUcfyer  ©efinnung  getragen  ju  fein 
brauet,  unb  ba§  xazÖQ&w^a,  ba§  fittlid;  ©ejiemenbe,  ba§  fd)Iedt)terbingg  fein  foC,  ba§ 
©ute  im  eigentlichen  unb  fyöcfyften  ©inne,  unterfd)ieben.  ßicero  I)at  jenes  in  baS  medium  35 
commune  ber  gembi)nlid)en  ©urd)fd;nitt§moraI,  biefeS  in  baS  perfectum  rectum  ber 
33ortrefflid)!eit  be§  Söeifen  übertragen.  @ine  auSgebrägte  SSoHfommen^eitSle^re  galt  im 
^ubentum  bermöge  ber  9Tteffung  be§  ©ottgetoodten  am  ©efe^.  ^e  nad;  bem  Sftafj  ber 
©efe|eSerfüKung  b,at  ber  9tabbini§muS  33oHIommene,  Mittelmäßige  unb  ©eringe  unter= 
fd;ieben.  ®a  bie  beiben  legieren  nid)t  ^inreid;enbe  33erbienfte  fyaben,  um  bie  ©otteS=  40 
gemeinfdjaft  ju  erlangen,  bebürfen  fie  ber  3Jtittlerfd}aft  ber  33ollfommenen.  liefen  giebt 
©ott  Anteil  an  feiner  Wafyt  unb  §errlid?f eit ;  nur  burd)  ib^r  93erbienft  tüirb  bie  2Belt 
erhalten  (33erctct;ot!t)  61b).  Serben  im  allgemeinen  33ollommene  unb  ©eredjte  gleid;gefe^t, 
fo  finb  bod;  boErommene  ©ered^te  biejenigen,  meldte  ba§  gange  ©efetj  erfüEen  (<&<$)ab' 
batb,  55a).  33oEfommenb,eit  fd)liefet  nicb,t  ©ünblofigfeit  in  fid),  bod}  erlegen  fieb,  ^eilige,  45 
toenn  fie  fünbigen,  bie  fd) merfte  33uße  auf ;  fie  finb  bie  AuSerloäfylten  unb  für  baS  etoige 
Seben  33erfiegelten,  roät/renb  bie  gemöb,nlid;en  ©ered;ten  nod;  fallen  fönnen.  (SSgl.  SöeberS 
Sübifdje  Geologie,  2.  Aufl.  Seibjig  1877,  ©.  291.)  !ga,  ben  Tätern  ift  fogar  bie  ftett* 
bertretenbe  ©erecfytigteü  überfd}üffiger  Seiftungen  guerfannt,  aus  beren  <&&)a%  ber  3Rangel 
an  ©eredjtigfeit  ©rgänjung  finben  lann.  50 

®en  Übergang  ber  jübifcb.en  Anfd;auungen  in  bie  alte  ®ird)e  burd;  33ennittelung 
beS  ^ubend^riftentumS  beleuchtet  bie  ßtoölfatooftelletyre  (6),  meiere  im  Unterfcf»ieb  bon  ber 
S)urd}fd;nittSfrömmigleit  bie  33oHfommenb,eit  bem  fragen  beS  ganjen  ^od)S  beS  §errn 
jufbrad).  3Benn  §ermaS  bie  SUlorallebre  ber  altteftl.  Abo!rt)bb^en  unb  $feubebigrabl)en 
unbefefjen  übernahm,  fo  mar  bom  3.  ^afyrfmnbert  Ablehnung  berfetben  nid)t  meb,r  ?u  er=  65 
märten:  in  6r/brian3  ©cb,rift  De  opere  et  eleemosyriis  tritt  ifyr  ©influß  ftarf  b,erbor. 
^nbem  AmbrofiuS  (SiceroS  (de  offieiis)  abgeblaßte  ftoifcfye  2Jtoral  de  offieiis  cleri- 
corum  cb,rifttanifierte,  übernahm  er  aueb,  feine  Unterfd)eibung  beS  officium  medium 
unb  perfectum:  bie  33oHfommenb,eit  b,at  er  ob,ne  t^eoretifdie  J^lar^eit  in  Anlehnung  an 


734  SoEfontmcn^ctt 

9JW  5,  45  ff.  19,21  gelegentlich  emgefdjärft.  SaS  Stnfc^auungSbilb  bon  ber  33olIfommen= 
fyeit  aber  Würbe  bem  Werbenben  $atl>olictSmuS  geliefert  burcb,  baS  im  4.  $afyrfyunbert 
fi<4>  auSbilbenbe  -äJiöncfytum,  Wie  eS  in  Dftftorien  unter  manbäifcr)en  -J?acr;Wiriungen  (3lfraat) 
unb  namentlich  in  Ägbbten  unter  tl)erabeutifcr/en  ^actjmirlungen  in  2öect;felwirfung  mit 
5  2Ranict)äiSmuS  unb  -tteublatoniSmuS  ©eftalt  gewann.  %lo<fy  in  ber  3eit  beS  ©ionbJtuS 
fyiefc  ber  3Röncr;  aucfy  SLfyerabeut  (hier.  eecl.  6).  Söenn  baS  SebenSibeal  beSfelben  bem 
fittlicfyen  ©treben  baS  §bcbjie  gtel  ftecfte,  baS  menfcfylicb,  erreichbar  festen,  fo  bottjog  2ltr/a= 
naftuS  bie  ©bntfyefe  biefeS  ^e^muS  mii  Der  2tüff«ffurtg  bom  Söefen  beS  6r/riftentumS 
(©rlbfung  =  Sßergottung  bureb,  ben  ©ottmenfcfyen)  fo,  baf?  er  bie  SSergottung  in  Sßir= 

10  ginität  unb  SlSfefe  Wirffam  Werben  fal).  SJiocfyte  biefe  ©ebanfenberbinbung  baS  2Biber= 
fbrecfyenbe,  bie  ©rtöfung  unb  bie  ©elbfterlöfung,  miteinanber  fombinieren,  fo  erfaßten  bod) 
feitbem  bem  9JtorgenIanbe  baS  SDJöncfytum  als  bie  23ottfommenI)eitSform  beS  ßfyriftentumS. 
$ft  für  bie  morgenlänbifcfye  $ird)e  cfyarafteriftifcr/,  bafc  berfdjiebene  §eilSWege  nebeneinanber 
^erlaufen,   bie  §eilSbefcr;affung   ber  tultif$=faframentalen  |>ierarcl)ie  berbunben  mit  fird^ 

15  lieber  $ra£tS,  bie  £>eilSaneignung  burd)  ©rfenntmS  (ber  baS  §anbeln  entfbredjen  foß)  unb 
ber  SMtberjicfyt  möndjifcfyer  SlSfefe,  fo  ift  eS  S^atfacfye,  bajj  ber  tieffte  ®el)alt  ber  9ieli= 
giofität  unb  ber  Iräfttgfte  ©rnft  ber  Sftoralität,  ben  bie  morgenIänbifct;=ortI)obor.e  $ircf)e 
übertäubt  erzeugt  r/at,  auf  bem  Soben  beS  SJJbncfytumS  ertoacfyfen  ift. 

5Dte  (Energie  beS  abenblänbifdjen  SDenfenS  geftattete  ein  folcfyeS  -Kebenemanber  rtid^t. 

20  Unb  bod)  lag  im  SBefen  be§  mbncfyifcr/en  IgbealS  bie  Segrünbung  einer  religiöS=etIjnfd)en 
Slriftofratie.  ®ie  ©eltung  beSfelben  Wirb  baburd)  beleuchtet,  bafj  SluguftinS  SBefefyrung 
mit  unter  bem  ©tnbruef  ber  ^raftleiftung  ber  ägt)btifd)en  SlSfefe  erfolgte:  berfelbe,  ber 
9  %at)xz  lang  bem  SRanicfyciiSmuS  angehört  l)atte  in  33eWunberung  feiner  electi,  objte  fta) 
ju  il)rer  ©ntfagung  ergeben  ju  tonnen,  fanb  in  ber  $raft  ber  ©nabe  bie  $raft  ju  echter 

25  SlSfefe  (in  feinem  ©inne)  im  Unterfcf/ieb  bon  jener  unechten,  ©o  biel  möndnfcb/aSietifcfye 
2lnfd)auungen  fieb,  nun  aueb,  bei  2tuguftin  finben,  fo  ift  er  boeb,  bureb,  feine  eöangelifc^e 
©laubenSerfab/rung  unb  feinen  ©ctmftgebraucb,  baran  berfyinbert,  ben  33oHiommenIj)eitS= 
begriff  in  fie  aufgeben  ju  laffen.  ®ie  ^aubtfacfye  War  unb  blieb  ib^m,  bafe  bie  3Soß= 
lommenb,eit  ob,ne  bie  ©nabe  unrealifierbar  ift,  unb  (ba  ib,m  ©ünblofigfeit  auf  @rben  al§ 

30  unerreichbar  galt)  ba^  fie  tooll  erft  im  Qwfeitg  ift ;  ferner,  ba  ib, m  ba§  SBefen  be§  Sb,riften= 
tum§  in  ber  Caritas  beftanb,  ba^  ib,r  ^ö^e^unlt  in  ib,rer  33oIIenbung  liegt.  3luguftin§ 
2lnfcb,auung  tritt  in§  Sidjt  bureb,  ben  ©a^  de  natura  et  gratia  70 :  Caritas  inchoata 
inchoata  justitia  est,  Caritas  proveeta  proveeta  justitia  est,  Caritas  magna 
magna  justitia  est,  Caritas  perfecta  perfecta  justitia  est,  inoju  ber  möncfyifcb,  e  $"= 

35  fa£  tritt:  quae  tunc  maxima  est  in  hac  vita,  quando  pro  illa  ipsa  contemnitur 
vita,  unb  ber  entb,  ufiaftifd) e :  sed  miror  si  non  habet  quo  crescat,  cum  de  mor- 
tali  excesserit  vita.  ©elegentlicb,  (Enarr.  in  Ps.  132)  b,at  er  bie  ^oHfommenfyeit 
boeb,  au^brücHteb,  in  bie  33ruberfcr/aft  be§  gemeinfamen  SebenS  Verlegt,  roelcfye  bie  boHe 
©rfüHung  be^  ©efe£e£  ß^rifti  bebeuten  foöte.    3n  *>em  ^afee,  ^te  ba§  SJtönc^tum   an 

40  Ausbreitung  unb  ©eltung  getoann,  mu^te  bie  ^Eb,eorie  fieb,  natürlicb,  in  ©inflang  mit  ber 
$rarj§  fe^en.  ®ie  t^bifcb,e  3SoKfommenb,eit§Ie^re  be<S  2RitteIalter§  entroidEelte  ^omaS 
Slqu.  in  ber  Summa  (II,  2.  qu.  184).  $nbem  er  anfnütofte  an  bie  fd)on  au§  ber  alten 
föirdje  überlieferte  Unterfc^eibung  ber  ineipientes,  proficientes  unb  perfecti,  grenzte 
er  bie  auf  @rben  erreichbare  33olI!ommenb,eit   ah   gegen  bie  abfolute  ©otte§  unb  bie  ber 

45  bollenbeten  ©eligen:  einerfeit§  fcb^lie^t  jene  bom  menfeb, liefen  Slffeft  aüe§  au§,  ma§  in 
©egenfa|  jur  Caritas  fteb,t,  nämlicb,  SLobfünbe,  unb  in  biefer  £>inficf)t  ift  fie  b,eil§not= 
menbig,  anbererfeitg  fcb,Iie^t  fie  bom  menfdjlicfyen  Slffelt  aueb,  alles  aus,  roa§  b,inbert,  ba§ 
fidb,  ber  jeelifcfye  2lffe!t  ganj  ©ott  gutoenbet,  unb  ba§  ift  bie  SSollfommenljeit  ber  Caritas 
in  ben  ineipientes  unb  proficientes.    ®arin  ibab,rte  %t)oma§  ben  .ßufcunniwfymig.  mit 

so  2luguftin,  bafj  er  ia§  Söefen  be§  ßljriftentumS  in  ber  Caritas  fa£>,  wobei  nie  ju  bergeffen 
ift,  bafj  auf  lat^olifcb.em  Soben  bei  ber  Caritas  ftetS  bortoiegenb  an  bie  Siebe  ju  ©Ott 
gebaut  Wirb.  ÜJcur  babureb,  ift  e§  ja  überhaupt  möglieb,,  im  3Röncb,tum  einen  3SoU= 
Iommenb,etoftanb  p  finben.  Stomas  tou^te  aber  noeb,,  bafe  bie  aSretifcfyen  ©ntfagungen 
unb  Übungen  urfbrünglicb.    nur  ben  ©inn  bon  Suchtmitteln   jur  fittlicb,en  ^öb,e  Ratten. 

55  @r  machte  barum  in  ber  SSoßfornmenb^eit  ben  Unterfcf)ieb,  ba|  fie  in  ber  Caritas  (©otte<§= 
unb  Sföcbjtenliebe)  beftet)e  (in  bem  ©inne,  bafj  nidjtS  au§  ber  Caritas  au§  bem  prae- 
ceptum  hinausfällt)  per  se  unb  essentialiter,  unb  bafj  fie  seeundario  unb  instru- 
mentalster in  ben  consilia  befiele,  inbem  bie  consilia  fic^t  auf  bie  (Entfernung  bon 
§inberniffen  ber  Caritas  be^iefyen,   Wie  er  fie  benn  beftimmt  als  instrumenta  prove- 

60  niendi  ad  perfectionem.  ®em  Saien  ift  alfo  eine  getoiffe  perfectio  erreichbar,  ja  not= 


s-BoUfommeuf)eit  735 

toenbig ;  bie  fybfyere  tft  aber  bie,  ju  ber  man  burcfy  ein  spirituale  augmentum  gelangt, 
©tele  Se^re  ift  bei  ber  majjgebenben  ©teUung,  bie  £eo  XIII.  Stomas  eingeräumt  ijat, 
auftorttatib  für  bie  ©egentoart.  Unb  bocb,  geigt  ftd^>  im  Röteren  $atf)oltci3mu3  bie 
Neigung,  bie  S>oHfommenl)eit  auf  ben  status  perfectionis  gugufpt^en,  rote  fieb,  beutlii) 
barin  befunbet,  bafj  bie  ebangelifcfyen  9tatfcf/läge  consilia  perfectionis  fyeifeen.  9Zacf>  5 
bem  Tridentinum  (sess.  VI,  16)  ift  ber  ^ufttfigierte  im  ©tanbe,  ber  divina  lex,  freilieb, 
pro  hujus  vitae  statu,  aber  bocb,  plene,  satisfacere  unb  ftd)  fo  ba§  eroige  Seben  ju 
berbienen;  bemgemäft  fagt  33eßarmin  de  justif.  IV,  17:  Caritas  nostra,  quamvis 
comparata  ad  caritatem  beatorum  sit  imperfecta,  tarnen  absolute  perfecta  dici 
potest.  3n  biefer  2Ibfoluil)eit  ift  ber  2tbftanb  bon  %t)oma§  augenfällig.  Unb  ebenfo  10 
augenfällig  ift  tro|  be<§  2lnfd)luffe§  an  Stomas  bie 33eb^anblung  be§  status  perfectionis, 
ber  nicf)t  befohlen,  fonbern  angeraten  ift,  als  einer  gegenüber  ber  Saienmoralität  anberen 
unb  beeren  SRoralität  (Judicium  de  libro  Conc).  2lrmut,  ©rttbaltfamfett  unb  ©e= 
Ijorfam  finb  iljm  „bie  augenfälltgften  unb  nüpcfyften  Mittel  (instrumenta)  jur  @r= 
Werbung  ber  äMlommenfyeit ;  benn  um  ©ott  botlfommen  %u  lieben,  mufj  man  foroor;!  10 
fief;  ganj  ©Ott  übergeben  al§  alle  §inberniffe  entfernen;  beibeS  erlangen  mir  burefy  biefe 
Stugenben" 

^nbem  bie  Deformation  bon  ber  et^tfd^en  ©runbanfdjauung  au§,  bafi  bie  ©ittlidtfeit 
in  Däcbjtenliebe  fid)  betätige,  alfo  ©emeinfd)afr»bejal)ung  fei,  ba§  roeliberneinenbe  £ebeng= 
ibeal  berufner  3(§!efe  ablehnte,  beftritt  fte  bie  Verlegung  einer  angeblicb,  beeren  2M=  20 
fommmenb^eit  in  Seiftungen,  roeldje  ba3  ^Berufsleben  negieren.  Conf.  Aug.  art.  27: 
Tarn  multae  impiae  opiniones  haerent  in  votis :  quod  justificent,  quod  sint 
perfectio  christiana,  quod  servent  consilia  et  praeeepta,  quod  habeant  opera 
supererogationis.  —  „3e|t  geben  fie  bor,  ba3  fölofterleben  fei  ein  fold)  SBefen,  bafj 
man  ©otteS  ©nabe  unb  grommfeit  bor  ©ott  bamit  berbiene,  ja  e3  fei  ein  ©tanb  ber  25 
33oÜtommenlj) eit :  unb  fe£en<§  anbern  ©tänben,  fo  bon  ©ott  eingefe^t,  roeit  bor"  3m 
©egenfa^  $u  ber  bie  ßfyriftenfyeit  in  jroet  §älften  tetlenben  SluffteHung  eines  befonberen 
status  perfectionis  berlegte  bie  Deformation  bie  S3oIIiommeni)eit  in  ben  Seretcb,  bei 
gemetndprtftltdpen  ©laubenSlebenS.  Conf.  Aug.  art.  27:  Perfectio  christiana  est 
serio  timere  Deum  et  rursus  coneipere  magnam  fidem  et  confidere  propter  30 
Christum,  quod  habeamus  deum  placatum,  petere  a  deo  et  certo  exspeetare 
auxilium  in  Omnibus  rebus  gerendis  juxta  vocationem ;  interim  foris  diligenter 
facere  bona  opera  et  servire  vocationi.  In  his  rebus  est  vera  perfectio  et 
verus  eultus  dei,  non  est  in  coelibatu  aut  mendicitate  aut  veste  sordida.  ©ie 
Senbenj  biefer  2tu3fage  Hegt  in  ber  2tnfd)auung,  rote  fie  Sutljer  augefbrocfyen  I)at,  bafj  35 
bie  33oÜfommenI)ett  ntdjit  Sßefiij  eines  ©tanbeS,  fonbern  allen  Sänften  gemein  fei:  ifyr 
©inn  ift  alfo  mefet  ber,  ©ntroicMung  unb  ©tufenunterfdjtebe  im  ©laubenSleben  augju= 
fcfyliefjen,  fonbern  bie  23oHfommenl)eü  bem  d^riftlid^en  ©lauben3=  unb  StebeSleben  guju= 
roeifen  mit  äluSfcfylufj  einer  baSfelbe  überfltegenben  felbftgeroäbjten  §eiligleit.  Art.  16: 
Damnant  et  illos  qui  evangelicam  perfectionem  non  collocant  in  timore  dei  et  40 
fide,  sed  in  deserendis  civilibus  offieiis,  quia  evangelium  tradit  justitiam  aeter- 
nam  cordis.  (33gl.  Apol.  17,  61.)  Slucb,  ^JWancb^ott  fyat  in  ber  33oHfommenfyett  baS 
SßadjSium  bei  teligiö&ftttlic&m  SebenS  betont  (Apol.  3,  232  unb  27,  27).  2lber  bie 
broteftantifdjen  £>ogmattfer  folgten  bem  ^ntereffe,  audj)  an  ber  fyötfyften  auf  @rben  erreich 
baren  sanetitas  beren  UnboHfommenI)eit  einjufeb^ärfen,  an  ber  3Soll!ommenb,eit  ber  ©rbe  10 
alfo  gegenüber  bem  33oHenbung^uftanb  baS  2tnfang3roeife  ju  betonen.  Tlit  ben  33e= 
ftrebungen  beS  ^iettSmuS  fe|te  bie  bofitibe  Senbenj  auf  3MtommenI)eit  ein.  infolge 
beffen  mürben  SJJänner  rote  2t.  §.  grande  bei  ^erfettioniSmuS  befdjmlbigt,  o&ruobl  fie 
bie  2ef>re  feftb^ielten,  ba|  bie  SMrommenfyeit  rttct)t  flec!enlo§  fei.  Subbeul  (Instit.  theol. 
dogm.  IV,  5)  fnelt  bie  überlieferte  Unterfcb^eibung  ber  perfectio  partium  unb  per-  50 
fectio  graduum  feft:  jene  fommt  ben  tüafyrfyaft  SBiebergeborenen  ju,  tnfofern  ifmen 
ntdptg  feb^lt,  toa§  ben  neuen  SRenfcfyen  I onftituiert ;  biefe  rann  ümen  bcrgletc^Siüeife  in 
relatiber  Söeife  gugefebrteben  toerben  mit  Dücfficfyt  auf  bie  borljanbcnen  ©tufenunterfc^iebe. 

©djon  feit  ber  alten  Äircb,e  regte  fiefy  bie  ©Ietd)fe|ung  ber  SBoöfommenfyett  mit  ber 
©ünblofigfeit  (1  ^o  1,  10).  ©noftüer  fc|rieben  fie  in  gortfe^ung  b!atonifcb,=ftoifcb.er  Sln=  55 
fdjauungen  bem  $neumatifer  ju.  3>Di»man  unb  feine  ©cb,üler  ©armatio  unb  53arbatian 
^aben  bie  ©ünblofigfeit  ber  in  ber  ^Eaufe  mit  roafyrem  ©lauben  Söiebergeborenen  gelehrt: 
mer  nadb,  ber  Saufe  fünbige,  fyabz  nur  bie  Söaffertaufe,  nieb^t  bie  ©etfteltaufe  embfangen. 
(Hieron.  contra  Jov  2.  Ambr.  ep.  83  ad  Verc.  Augustini  opus  imperf.  contra 
Julianum  1,  98.)    ^m  Deformation^eitalter  erhoben  2lnababtiften  mie  ©enf  u.  a.  ben  60 


736  35oüfommcnt)ctt 

Stnfprudj  auf  fünblofe  VoIIfommenfyeit  (Conf.  Aug.  art.  12).  ©erfelbe  toctr  bie  ftänbige 
SBegleiterfdjeinung  ber  fett  ^ieti<3mu3  unb  3JtetfyobiSmu3  einfeijenben  §eiligung3beftrebungen. 
(Vgl.  §abom,  3)te  Heiligung  mit  befonberer  Verüdficfyttgung  ber  fog.  §eiligung<obetoegung, 
9?eufir<|en  1902.)  @<S  liegt  aber  in  ber  Statur  ber  ©acfe,e,  baf?  biefer  Stnfprucb,,  mit  Je 
5  meb,r  ©elbftüberfyebung  er  praftifcb,  auftritt,  befto  weniger  fid)  litterarifcb,  fyerau^toagt. 

©o  berechtigt,  ja  nottoenbig  bie  ©teßung  be§  Vegrip  ber  Volllommenfyeit  in  ber 
d&rtftUd&en  @t|t!  auf  ©runb  beftimmter  ©cb,riftau3fagen  (9Jct  5,  48 ;  Hol  3,  14)  ift,  fo 
unjuläffig  ift  bie  ©leidjfeijung  ber  üsotüommenfyeit  mit  ber  ©ünblofigleit.  ®ie  ftet§  für 
biefe  Oertoanbten  2Iu3fagen  be§  ^o^anneS  (1  8°  3,  6.  9)   Dom  äöiebergebomen,  baft   er 

io  nidjt  fünbigt,  nicfyt  ©ünbe  tfmt,  nidji  fünbigen  !ann,  ergeben  bie  gorberung  ber  ©ünb= 
lofigfeit  fielet  fc|on  barum  nicfyt,  loeil  berfelbe  2fyofteI  bie  Behauptung  eigener  ©ünb= 
lofigfeit  1,  10  für  Süge  erllärt.  SDarum  ift  aud)  bie  jofyanneifcfye  2lu§fd)Iief3ung  be3 
©ünbigenS  au§  ber  ©ottegünbfcfyaft  fo  ju  Oerfteb,en,  bafj  ber  toiebergebomen  ^ßerjönlic^= 
feit  afö  foldjer  fünbige  2l!tiOität  fern  liegt,  bajj  il)r  Oermöge  ber  gorttoir!ung  ber  oolq^ 

iä  ©ünbe  toiberfafyren  lann  unb  t^atfäd^It^)  tüiberfä|rt,  baf?  biefe  letztere  bann  aber  niajt 
als  mit  Söiffen  unb  SStflen  gefdjefyenbe  SebemSäufjerung  (als  ©ünbe  SLfyun)  be§  ©otte^ 
!inbes>,  fonbem  ifym  im  SBiberfprucb,  ju  feinem  eigenften  Seben§iriebe  guftofjenbe  Waty 
iotrfung  ber  irbifcb,en  gletfdjegnatur  gu  beurteilen  ift.  ®te  in  feparatiftifdjen  Greifen 
gegentoärtig  ioeitOerbreitete  gorberung  fünblofer  Voll!ommenf)eit   leibet   an  bem  empfinb= 

20  liefen  HJiangel,  bie  Voülommenfyeit  einfeitig  negatio  an  bem  ^icfytljeröortreten  auffaltenber 
Verfehlungen  ju  meffen  unb  tt)re  pofttioe  ®urcb,füi)rung  in  ber  Vetoäfyrung  ber  Siebe  gu 
Oernacbjäffigen,  befonberS  aber  an  bem  nod;  oiel  fcfylimmeren  Mangel,  bie  ©elbftbeurtei= 
lung  gegen  Verfehlungen  gu  Oerblenben,  bie  al§  folcb,e  ntdjt  anerfannt  »erben  bürfen, 
toenn  ber  2Inft>ruc|  auf  ©ünblofigleit  burcfygefüfyrt  ioerben  foU.    Stacb,   biefer  ©eite  fyin 

20  b,at  ber  VerfeftiSmuä  eine  getoiffe  moralifdje  Dberfläcfylicbjett  jur  regelmäßigen  33egleit= 
erfcfyeinung,  toogegen  ba§  Umfragen  in  Sibertintörnn»,  baä  ib,m  oft  oorgetoorfen  totrb, 
boeb,  nur  in  toenigen  fällen  (tote  bei  ©noftüern,  aud)  bei  SBiebertäufem  in  fünfter) 
eingetreten  ift. 

©afs  bie  Voll!ommenI)eit  nid^t  ein  allgemein  dn-iftlidjeä  Vräbüat  ift,  ba§  ben©lau= 

30  benSftanb  in  feiner  breite  fem^eiantet,  ergiebt  ftcb,  au§  bem  Segriff  als  folgern  toie  au§ 
bem  biblifdjen  ©pracfygebraucb,,  nad)  bem  im  Gfmftenftanbe  ber  llnterfd;ieb  jtoifc^en  viqmoi 
unb  xihioi  bem  §tt)tfct)en  oaQxixot  unb  Tivevjiianxoi  analog  ift  (1  ^o  2,  6.  3,  1.  14, 
20 ;  <ipl)  4,  13.  14).  S)ie  oben  berührten  2lu§fagen  ber  Conf.  Augustana  unb  ber 
Sinologie  über  bie  perfectio  christiana  belegen  bie  Verbreiterung  il)rer  33ejieb,ung   auf 

35  bag  ©laubengleben  überf)au^t  ntd^t,  ba  fie  nur  ber  Slenbenj  ber  £el)rc  2utb,er^  folgen, 
bie  Slnfcb.auung  au^ufcfyliefjen,  ba^  bie  Volllommenbeit  in  Veruf  unb  ©efellfcb.aft  negie= 
renben  SBerfen  felbftertoäb,Iter  §eiligleit  gu  fucb,en  fei:  fie  mufc,  toenn  fie  überhaupt 
cb.riftlicb,  fittlicf)en  6b,aralter  unb  2Bert  j^aben  foll,  bem  3ufammen|ang  be§  Verfonlebeng 
beö  ©Iauben§,  ber  burd)  bie  Siebe  t^ätig  ift  (®a  5,  6),  angehören.    33ejei_cb,net  in  biefem 

40  bie  VoHIommen^eit  naturgemäß  ben  ^ö^epunlt  ber  ®urcf)bilbung  ber  cfyriftlidjen  ^3erfön= 
Inlett  (3a!  1,  4;  3.  2;  Hol  4,  12;  @j>&  4,  13),  fo  ift  e3  ioiberfinnig  in  fic§,  in  aS!eti= 
fcb,en  Mitteln  ber  ©elbfterjieb,ung  gu  fittlic^er  ©efinnung,  bie  ber  Unfertigleit  angehören, 
alfo  groben  ber  Unbollfommenfyeit  ftnb,  eine  befonbere  Volüommenfyeit  fc^en  ju  toollen. 
Sie  !atb,oIifcb,e  ©o!trin  !ommt  benn  aud)  nid;t  über  ben  innern  SSiberf^rud;  fyinauS,   in 

45  ben  mönd;ifd)en  Seiftungen  ber  consilia  evangelica  einerfeitä  opera  supererogationis 
ju  feb,en,  toelcb,e  bie  gemeindjriftlidje  Beobachtung  be§  ©ittengefe^eg,  baä  fid;  in  @otteö= 
unb  SUcenfdjenliebe  jufammenfafet,  überfeb^reiten,  anbererfeitä  in  ifmen,  toie  ba§  ^omaä 
jeigte,  nur  instrumenta  jur  §erau^arbeitung  ber  Siebeögefinnung  ju  fefjen. 

^efuö  ^at  beutlicb,  jtoifc^en  ber  ^üngerfd)aft  unb  ibjer  fittlid)en  53etoäl)rung   unter= 

so  Rieben  (Mt  7,  21  ff.  25,  34ff.;  Qo  15,  2 ff.)  unb  $at  bag  ©Iauben§Ieben  bem  ©efid;tg= 
punlt  ber  ©nttoidelung  unterfteüt  (Sc  19,  12 ff.;  £o  8,  31  u.  f.  to.).  Unb  aud;  in  ben 
apoftoltftfjen  Seb,rbegriffen  ift  ba§  2ßac§ötum  beö  ©laubenölebenä  bem  natürlichen  )Ba<$}& 
tum  oom  ßinb  (Wt  18,  3)  jum  9Jcanne§aIter  ((Sbf)  4,  13.  14)  Oerglid;en  (2  %i  3,  17). 
Hol  1,  28 ;    (S^b,  4,  13   ift   bie  VoMommenfyeit   in   ba§   gereifte  SUcanneSalter   ber   reli= 

55  gtö§fittltct)en  ©nttoidelung  gefegt,  ba3  ber  VoKommenljeit  §f)rifti  analog  ift.  Unb 
toenn  bte  Siebe  noeb,  1  Ho  13  ben  ^öb^unft  ber  d)riftlid;en  2luöreifung  bejeidmet,  ber 
felbft  ben  Oom  ^eiligen  ©eift  getoirlten  6b,ari§men,  ja  fogar  ben  f)öc|ften  S^arigmen 
toett  überlegen  ift  (12,  31),  fo  tyat  Vaulu§  Hol  3,  14  bie  d>riftUd>e  VoH!ommen= 
^ett  eben  m  ber  Siebe  gefe|en,  bie  aCen   etfüfcfyen  ©laubenäbetoäl^rungen  (Hol  3,  12  f.) 

co  erft  ü)ren  2ßert  unb  §alt  Oerlei^t.   @g  entforid;t  ba§  burd>au3  ber  Se^re  ^efu,  ber  feine 


«BoWommenljdt  »orbelfaU  737 

jünger  ju  einer  ber  sßollfommenljeit  (Wt  5,  48)  be§  an  fid^  guten  (19,  17)  fnmmlifdjen 
Katers  analogen  aSotlfommenljeit  führen  rooßte,  bie  in  freier,  felbftlofer,  in  fid^  unab= 
gängiger  Siebe  befiele  (5,  44 ff.).  ®a§  belannte  2Sort  an  ben  retten  Jüngling  9Jit  19,21 
berlegt  benn  aucb,  bie  33oEfommenIj>eit  ntd^t  in  eine  bie  göttlichen  ©ebote  überfd)reitenbe 
2BeItbemeinung,  fonbern  in  bie  bie  ©elbftgerec^tigfeit  be§  altteftamentlicfjen  ©efe£eSftanb=  6 
bunftS  hinter  fid)  laffenbe  felbfilofe  SiebeSbemäfyrung  ber  neuteftamentlicfyen  9teic|§gotte§= 
gefinnung:  bie  träge  Dufye  be3  bie  ©ebote  I)altenben  felbftjufrtebenen  Zentners  füllte  er 
burclb,  bie  ^üngeralttbität  ber  -ftacfyfolge  ^efu  erfe|en.  ©aS  franjiäfanifc^e  ^beal  beS 
^eiligen  33ettel3  unb  ber  beruf^Iofen  3t3fefe  fyat  mit  ben  Slnfcfyauungen  ber  @bange= 
Uen  über  bie  9cacf;folge  3efu  n^t§  ju  tlmn,  bie  feinen  Jüngern  ein  feiner  felbftlofen  10 
Siebe  gleichartige  felbftaufopfernbe  Siebelbemäfyrung  zumuten  Qo  13,  12  ff.  34.  35.;  15, 
12  ff.).  @benfo  fab,  Qofyanneä  bie  ^enbenj  ber  in  ßbjtfto  offenbaren  ©otte§liebe  ba  au3= 
gemirft  (1  ^o  2,  5),  too  in  realer  ©ottegfinbfcfyaft  bie  Sruberliebe  (5,  1  ff.)  nicr/t  bf)rafeo= 
logifdj),  fonbern  tfyatfräftig  fieb,  be!unbet  (3,  18 ff.).  Unb  $afobu3  fanb  bie  23oKfommen= 
fyeit  be§  ©laubenS  l)erau§geftetlt  in  §anblungen  (egya),  in  benen  ba§  bottlommene  ©efe£  15 
ber  greif)ett  (1,  25)  ober  ba§  $ömg§gefe|  (2,  8)  ber  9cad)ftenUebe  jum  33oHjuge  lommt 
(2,  22).  $iernacb,  ift  bie  33oHfommeni)ett  „bie  fyöcb/fte  auf  (Srben  erreichbare  religiös  be= 
grünbete  3fu§btlbung  ber  aftiben  ®raft  ber  realen  $reifyeit"  be§  ßfyriften.  ®a|  ju  biefer, 
ba  Slbmefenfyeit  berSDemut  ben  6l)riftenftanb  in  ftd)  bergiften  mürbe,  unerläpcf)  ba§  nie 
auffyörenbe  fdjmterjlicf/e  ©efüfyl  ber  eigenen  UnboHfommen^eit  gehört,  fyat  ^auIuS  in  grunb=  20 
legenber,  bie  2lu3fcbjeitungen  be§  ^ßerfeftvomug  im  borauB  berurteilenberSöeife  $lü  3, 
12—15  ausgebrochen.  SSoßlommen^eit  im  SSolIfinn  ift  bem  3SoKenbung^uftanb  be§ 
Senfeitl  borbefjalten  (1  3b  13,  10). 

$Die  $ntelteftualifierung  be§  Sßegrip  (§br  5,  11—6,  2),  bie  bem  beuteroianomfcr)en 
S^aralter  be§  £>ebräerbrief<§  entfbricfyt,  berrät  ben  3lleranbrim§mu3  biefeS  nacfyaboftolifcfyen  25 
©enbfcf)retben§.  S.  Semme. 

Voltaire  f.  b.  31.  S)ei3mu8  Sb  IV  ©.  550, 50. 

VSovbtfyttlt,  geiftlicfyer.  —  Sitte  rat  ur:  Sttb.  $Ijil.  g-rief,  De  reservato  ecclesia- 
stico  ex  mente  pacis  religiosae  eiusque  effectibus  ac  fatis  ad  pacem  Westph.,  Helmstad. 
1755,  4°;  berf.,  De  reservato  eccles.  ex  mente  Pacis  Westphalicae,  Helmstad.  1757,  4°  30 
Sleltere  Sittevatur  ferner  angegeben  bei  «ßfeffinger,  Vitriarius  illustratus  seu  institutiones 
juris  publici  Romano-Germanici,  lib.  I,  tit.  XV,  §  26,  1,  14]  5  sq. ;  Mütter,  Sitteratur  beS 
beutfa)en  Staatsrechts  3,  76  unb  ÄIüber§  gortfegung  4,  130.  @.  ferner  S.  fJtanfe,  gur 
beutjeben  ©efdj.  üom  SReligiongfrieben  6i§  junt  breifeigjäfjrigen  Kriege,  Seipgig  1869 ;  be3fel&en 
$eutfd)e  @efd)itf)te  im  Zeitalter  ber  «Reformation,  SSb  V,  *Bud)  X,  taj>.  5;  %%.  Supefi,  Ser  35 
(Streit  um  bie  getftltcfjen  ©üter  unb  baS  9faftttutton§ebtft  (1629),  SBien  1883,  @.  12 ff.  77 ff.; 
©untrer,  Sag  fJteftitutiong=(£bitt  Oon  1629  unb  bie  fatt).  3f{eftauration  9t(t=2Bürttemberg§ 
©tuttg.  1901;  ©ebauer,  Surbranbenburg  unb  ba§  SReftitutionSebift,  1899. 

3$orbeI)aIt,  geiftlic^er   (reservatum   ecclesiasticum)    ift    ber    in  üDeutfdjIanb    au§ 
2tn(af$  ber  9teligion§fbaltung   retc^Sgefe|lic^   feftgeftellte  ©runbfa|,    bafe   jeber  ber  brei  40 
9tei$<§fonfeffionen  angeb^örige  ©eiftlic^e  mit  bem  Uebertritt  bon  ber  einen  jur  anberen  of>ne 
meitere§   burej»  ben  SlonfeffionStoecfyfel  3lmt  unb  ^ßfrünbe  berliert,   beibe§  alfo  feiner  bi§= 
Ijierigen  Steligion^bartei  borbeb^alten  bleibt. 

©ie  grage,  mie  e§  in  bem  gebauten  gaUe  mit  2lmt  unb  ^Pfrünbe  gehalten  toerben 
folltc,  !onnte  erft  entfielen,  aU  fieb;  bie  3tug3burger  ^onfeffionSbermanbten  reid^ägefe^Urfje  45 
Slnerfennung  erlämbft  Ratten.  SiS  jur  Deformation  mar  ein  SlonfeffionStoeclfel  un= 
ben!bar,  ber  3lbfaE  bon  ber  allein  berechtigten  fat^olifc^en  Üirc^e  bilbete  baö  !ircb,licb,e 
unb  ftaatlicb,e  aSerbrecb,en  ber  $e£erei  über  3lboftafie  unb  gog  SSerluft  be§  Slmteö  unb  ber 
^frünbe,  fotoie  Segrabation  nacb,  fieb,.  Sei  ben  Serfyanblungen  über  ben  2lug§burger 
9teligionäf rieben  im  3ab,re  1555  (f.  33b  II  ©.  250)  tnurbe  bat)er  bie  grage  im  3ufammen=  60 
b,ang  mit  ben  Erörterungen  barüber,  ob  ber  %xitbe  aufy  ben  fbäter  ber  SugSburger 
ilonfeffton  beitretenben  ©tänben  gu  gute  lommen  foUe,  fetteng  ber  Jtatb,  olilen  aufgeworfen 
unb  bon  ibnen  bie  geftfe^ung  ber  Seftimmung  berlangt:  ,,®ocb,  fußen  b/ierin  (b.  i).  bei 
ber  ©infcfjliefeung  in  bie  friebenSmäfeigen  Berechtigungen)  bie  ©rjbifc^öffe,  33ifcb,öffe,  ^3rä= 
laten,  Sattel,  Drben  unb  anbere  geiftlicfyen  ©tanb§,  fo  in  ber  3lbminiftration  fei^nb  ober  65 
barin  fominen  mürben,  aufgenommen  fet?n,  bergeftalt,  mo  ein  §err  @r§=S3tfcf)off,  33ifcb,off, 
$rälat  ober  anbere  geiftlicb,en  ©tanbS  bon  ber  alten  Religion  abtreten  mürbe,  bafj  ber= 
felbe  feine!  ©tanbg  unb  Slmtö  al^balb  ipso  jure  et  facto  entfe^t,  aueb,  ben  (iabiteln 
unb  benen  e§  bon  gemeinen  -Werten,  ober  ber  $ircr/en  unb  ©tifften  ©emob^nf)eit  jugeb,ört, 

!RtaI=®nct)HoJ>äMe  füc  Ideologie  unb  Stirdfte.    3.  81.  XX.  47 


738  %ot\>ei)att 

eine  Werfen  ber  alten  Religion  »ermanb  ju  teeren  unb  ju  orbnen  jugelaffcn  fe^rt,  Welct)e 
aud)  famt  ber  geiftltdj)en  (Sohltet,  unb  anberen  Jftrcfyen  unb  ©tifft  gunbation,  ©lection, 
^räfentation,  (Konfirmation,  alten  $eriommen,  ©eredjtigleit  unb  ©ütern,  liegenb  unb 
fabjenb,  unberr/inbert  unb  frtebtid^  gelaffen  Werben  foll"  (Sr/r.  Seemann,  De  pace  reli- 
5  gionis  acta  publica  et  originalia,  33ud)  I,  &ap.  X,  in  ber  2tuSgabe  grantfurt  a.SEft. 
1707,  fjfol.  25).  dagegen  erklärten  ftd)  bie  2lugSburger  $onfeffionSt>erWanbten  gegen 
bie  2tufnafyme  eines  folgen  3ufaleg  un^  ^emerlten,  ein  foldjer  „Wäre  baS  J>öcr>fte  prae- 
iudicium  biefeS  teils  Religion  cum  infamia,  nicfyt  allein  ^erfonen,  bielmeljir  princi- 
pali  causae,  biefeS  teils  cr/riftlidjen  ©laubenS  unb  Sbnfeffton"     ©ie  matten  tfyrerfeits 

10  gleichzeitig  ben  $orfd)lag,  bem  ^rieben  folgenben  2lrtifel  einzuverleiben:  „@S  follen  aucr) 
bie  fyofye  9ieicb>,  @r|=  unb  anbere  ©tiffte,  Wenn  barin  bie  Religion  Wirb  toeränbert,  ju 
feiner   Weltlid)en    |jerrfd)afft   unb    ©rbfcfyafft    gewanb,   Jonbern  nad)   eines  jeben 

©rjbifcfyoffS,  SifcfyoffS,  ober  Prälaten  Stbfterben  ober  9te[tgnation,  ber;  if)ren  @lec= 
tionen,  Slbminiftrationen  unb  ©ütern  gelaffen,   unb   bon   biefem  2lrtifel  in  33ergleid^ung 

15  ber  faltigen  Religion  ferner  gel>anbelt  unb  befdjrtoffen  Werben,  bod;  ben  Weltlidjen  ©tänben 
an  iljrer  §oI)eit  unb  iperfommen  unborgreifflid;"  (Seemann  a.  a.  D.  Aap.  XIII,  gol.  28) 
unb  übergaben  bem  $öntg  gerbinanb  ein  in  biefem  ©inne  abgefaßtes  SBebenfen  (a.  a.  D. 
kap.  XV).  SDer  leitete  berWarf  tnbeffen  mittelft  ^efolution  bom  30.  Sluguft  1555 
(a.  a.  D.    Äab.  XVI)    ben    Slntrag    ber    (übangeltfdjen,   inbem   er   eS  für  billig  eracb/ 

20  tete,  „baß  $u  ©r^altung  ber  ©eiftlid;en  lang  hergebrachten  Dber=  unb  ©ered^tigfeiten, 
umb  Sßerfütung  allerlei  UnfriebenS  unb  Söeiterung  .  ber  obberüfyrte  Eintrag,  Wie  er 
begehrt  Worben,  in  biefem  gemeinen  ^rieben  verleibt  werbe"  %xo§  ber  ^ortfeimng  ber 
ÜBerI)anblungen  (a.  a.  D.  $ab.  XVII)  würbe  eine  Vereinbarung  ntdjt  erhielt,  ©djließlid; 
gaben  bie  (Sbangelifcfyen  WenigftenS  infoWeit  nadj,  als  fie  erflärien,  fiel)  ben  nad)fier)enben 

2f  3ufat}  sefaßen  Iaffen  ju  Wollen:  „Unb  nadjbem  bei  SSergleict/ung  biefeS  griebenS  ©treit 
Vorgefallen,  Wo  ber  ©eiftlicfyen  einer  ober  mefyr  bon  ber  alten  Religion  abtretten  mürbe, 
Wie  eS  benn  ber  bon  ib,nen  biß  bafelbft  fyin  befeffenen  unb  innegehabten  ©reifer/* 
ifyümem  unb  SBeneftcien  falben  gehalten  Werben  foll,  WeId;eS  \xd)  aber  beiber  Religion 
©tänbe  mit  einanber  nicfyt  vergleichen  fönnen,   benmad)   fyaben   mir  auff  ber  ©eiftlidjen 

3n  §Bitt  in  $raft  .  .  ^afyf.  SERajeftät  Uns  gegebenen  3SoHmac^t  unb  §eimftellung  erflärt 
unb  gefegt  ,  Dh  ein  ©r^bifdmff  ober  ein  anberer  ©eiftlicfyen  ©tanbeS  bon  Unferer 
alten  Religion  abtreten  Wirb,  baS  berfelbige  feines  @r£=33ifd)tlmmS  .  aud)  $xud)t  unb 
(SinfommenS,  fo  er  baran  gehabt,  jebod;  feinen  (Sb^ren  unb  SBürben  olme  ^ac^t^eil  ab- 
treten,  aud;  ben  (Kapiteln  unb  benen  eS  .      juge^ört,  eine  anbere  ^erfon  ju  Wellen  unb 

35  ju  orbnen  jugelaffen  fein,   meiere  aud)  famt  ber  ©eiftlid;en  ßabitel  beb,  ber  l^irc^e 

unb  ©tifft  gunbattonen  gelaffen  Werben  follen,   jebod)  lünfftiger     .     Vergleid)ung 

ber  Religion  unborgreifflid;"  (a.  a.  D.  ^ab.  XXII).  2Kenn  fidj  aud)  ber  ßönig  gerbinanb 
biefer  Raffung  im  allgemeinen  anfc^loß,  fo  ließ  er  bod;  ben  2lrtilel  in  einer  feinem  ©inne 
nacb,  ju  ©unften  ber  Äatb,oIifen  »eränberten  ©eftalt  in  ben  SlugSburger  3f(eligionSfrieben 

40  einrücten.  $n  bem  legieren  lautet  nämlid)  ber  fragliche  Slrtifel  (18)  bafyin:  „2öo  ein 
6r|bifd)off,  SBtfd^off,  Prälat  ober  ein  anberer  ©eiftlid^en  ©tanbeS  bon  unfer  alten  9leli= 
gion  abtretten  mürbe,  baß  berfelbig  fer/n  ©r^biftumb,  Siftumbe,  ^rälatur  unb  anbere 
Seneficia,  aud)  bamit  alle  grud)t  unb  ©infommen,  fo  er  babon  gebabt,  alSbalb  ob,n 
einige  ÜBeränberung  unb  33erjug,  jebod)  feinen  @I)ren  o^nnadEjtb.eilig  berlaffen,   aud;   ben 

45  ßatoituln  unb  benen  eS  bon  gemeinen  Steckten  ober  ber  ^ircfyen  unb  ©tiffte  ©emonb^eiten 
juge^ört,  ein  ^3erfon  ber  alten  Religion  toermanbt  ju  Wellen  unb  ju  orbnen  ^ugelaffen 
fei^n,  meiere  aud)  famt  ber  ©eiftlidjen  Sabituln  unb  anbere  Jürgen,  be^)  ber  ^trcf;en  unb 
©tifft  gunbationen,  ©lectionen,  ^räfentattonen,  (Konfirmationen,  altem  §erfommen,  ©e= 
red)tigleiten  unb  ©ütern  liegenb  unb  ftefyenb,  unberb^inbert  unb  frieblid)  gelaffen  Werben 

50  follen,  jebod;  lünfftiger,  6l)riftlid;er,  freunblid)er  unb  enblic^er  33ergleid;ung  ber  Religion 
unborgreifflid)" 

Setgelegt  unb  berglic^en  War  bamit  ber  ©treit  nicfyt,  um  fo  Weniger  als  eS  nicfyt 
aßein  religiöfe  SRotibe  Waren,  Welche  ber  SluSföb^nung  ber  feinblid;en  Parteien  entgegen= 
ftanben.    ®ie  SrjbiStümer,  Bistümer,  ^rälaturen  unb  2tbteien   Waren   in  ben  §änben 

55  ber  jüngeren  ^rinjen  ber  Iatb^oIifd;en  §äufer  unb  bienten  jur  SSerforgung  berfelben,  bie 
^anonüate  Würben  bagegen  faft  regelmäßig  mit  ben  jüngeren  ©öljmen  auS  ben  ©efc|led;= 
tern  ber  9teid)Sgrafen  unb  StetdjSritter  befe^t.  blieben  bie  ^roteftanten  bon  allen  biefen 
Stürben  auSgefd;loffen,  fo  War  bieg  für  fie  ein  SBerluft  an  Sanb,  Seuten  unb  aud)  an 
reichen  @in!ünften.    ®ie  Äat^oltlm  WoHten  eS  felbfttoerftänbltcr)  ib;rerfeits  übertäubt  t)er= 

60  fjinbern,  baß  biefe  5Rad)tmitteI  an  bie  $roteftanten  gelangen  fonnten,   unb  für  fie   fam 


Sorbett  739 

roeiter  ber  Umftanb  in  Betracht,  baß  mit  ber  gulaffung  fox  ©üartgeltfd^en  ju  ben  er= 
malmten  äBürben  unb  geiftlidEjen  gürftentümern  fid^  ba§  ©timmberfyältniS  in  ben  bret 
Kollegien  be<§  Deicb^tageS  änbem  unb  bie  ebangelifcj)e  gartet  bie  Majorität  auf  bemfelben 
erlangen  lonnte. 

©dmn  gleicb,  nacf;  @rlaß  be3  DeIigion§frieben§  ^roteftterten  bie  @bangelifcf/en  —  mie  5 
fc^on  mäbjenb  be§  Deicf/Stageä  Don  Sftelancfytfyon  in  einem  Bebenlen  bon  greifteHung  ber 
Religion  geraten  mar  (CR  t.  VIII,  477  sq.)  —  gegen  ben  2lrtilel  unb   erllärten,   ben= 
felben  nict)t  beachten  ju  motten.  2lucb,  unterließen  fie  e<§  nictjt,  auf  jebem  folgenben  3Reic£)g= 
tage   gegen   ben  „Ijodpbefd&toerltdjen  3lrtifel,   Deformation  ber  ©tifft  unb   ^rälatur  be= 
langenb"  ©tnfbrucb,  ju  ergeben  unb  beffen  Befeitigung   ju  forbern   (mie  e<§  in  ber  1566  10 
$atfer  9J?aj:imilian  II.   ju   2lug§burg   übergebenen  Befcfymerbefctjrift,  Seemann  a.  a.  £)., 
Bucb,  2,   £ab.  IV,   §oI.  101  Reifst)   „in  Betrachtung,  baß  mir  biefe  emige  ©djanb  unb 
SRaclel  auf  unferer  magren  Religion  nicfyt  liegen  laffen  lönnten,  aucb,  bafür  achten,  baß 
bielen  gutherzigen  ©tänben  ber  anberen  Religion  folc^er  2lrtilel  in  u)rem  ©etoiffen  felbft 
befcfytoerlicb,    fer/,  unb   bann  @m.  $ar/f.  9Jiaj.  bor  ©otte<§  Strtgefid^t  fcfyulbtg   fer)nb,    ber  15 
allein  feligmacfyenben  SSafyrfyeit  ©otteS  ifyren  ©ang  ju  laffen,  unb  burctj  folcb,  r/oct)bef(r;mer= 
Heb,  Verbot  feinem  ©tanb  ober  feinen  Untertanen  ben  2öeg  gur  ©eltgleit  ju  berfberren 
unb  abzufinden"     gerner  Verlangten  fie  immer  mieber  bie  2tnerlennung  ber  „broteftan= 
tifef/en  Slbminiftratoren"  in  ben  geiftlici^en  ©tiftern,  fomie  bie  $ulaffung  berfelben  ju  ben 
©iijungen   be§  Deicb^tageS.    2öurbe  nun  ben  legieren  aucb,  ba§  eine  ober  anbermal  au3=  20 
nal)"m§meife  unb  unter  Bertoafyrung  bie  ©effion  bemiHigt,  fo  maren  boef)  im  großen  unb 
ganzen  alle  biefe  ^5rotefte  bergeblid?,  faft  immer  lehrte  bie  Slnttoort  mieber,  baß,  ba  bie 
©tänbe   ber    alten  Religion    in    bie  greiftettung  nicfyt  mittigen  mollten,    bie  ©acfye   im 
tarnen  ©otteS    eingeftellt    unb    berfcfyoben   merbe.    S^atfäcfylict)   beobachteten  atterbing3 
bie  ^roteftanten  ben  geiftlictjen  Borbefyalt  nicfyt.    2öo  fie,    mie  im  Sorben,    bie  3Rac|t  25 
Ratten,  unb  bie  Bebblferung  ebangelifa)  gemorben  mar,  ba  fclm^te  ba3  Deferbat  bie  §ocfy= 
ftifter  unb  bie  geiftlid^en  ^nftitute  nicf)t  bor  ber  Deformation,  unb  bar/er  befanb  fieb,  ein 
SEetl  berfelben,  namentlich  Bremen,  Sübeä,  9JUnben,  SRagbeburg,  §alberftabt,  regelmäßig 
in  ben  §änben  bon  lut^erifc^en  Slbminiftratoren  au3  ben  Käufern  §oIftein,  Braunfdjroeig, 
Branbenburg  unb  ©acfyfen.    £)a  fiel)  ferner  ber  geiftlicfye  Borbefyalt  nur  auf  bie  Deidj>§=  30 
nid)t  bie  lanbfäffigen  ©tifter  be^og,  fo  lonnte  ber  Sanbeöfyerr  in  biefen  gerabe  Iraft  be§ 
Deligion3frieben3,  fomie  Bifd)of  unb  Äabitel   ftcb,    gur  ebangeltfcf/en  Religion  belannten, 
toie  3.  B.  in   ben  branbenburgifcfyen  ©tiftern  §abelberg,  Branbenburg   unb  2ebu§,   bie 
Deformation  einführen,  unb  bagfelbe  gefc^af)  au<|  in  anberen  ©tiftern,  mie  in  SJJerfeburg, 
Daumburg,  ^Reißen,  Samin  unb  ©djmerin,  mo  ftd}  toegen  einzelner  fürftlic^er  Deckte  im  35 
©inne  ber  bamaligen  3e^   ^ne  ©Eetntion  ber  ©tifter  oom   Deiche  beraubten  ließ  (f. 
eic^^orn,  ®eutfd)e  ©taatg=  unb  Dec|tögefcl)icb,te,    §  502,  5.  2Iu%,    4,    138).    ©elbft  in 
einzelnen  rb^einifc^en  ©tiftern  lonnte  ber  Serfucb,    gemalt  merben,  bie  Beftimmung    beö 
DeligionSfrieben?  über  ben  Borbefyalt  ju  ignorieren,    ^n  ©traßburg  mürben  im  Beginn 
be§  17.  ^atjrlmnbertS  (1604)  Vereinbarungen  getroffen,  meiere  ben  gemifcb,ten  DeIigion^=  40 
juftanb  beg  ©tifteö  aufregt  gelten  (ßicf/fyom  a.  a.  D.  §  511  n.  f.  4,  193;  neuere  £itte= 
ratur  bei  griebberg,  Seljrbucb,  bei  3^R.  ©.  101,    2lnm.  7);   in  J^öln  unternahm   e§  ber 
(gr^bif^of  ©ebb,arb  II.  ^ruc^feß   (1577—1584)   bon  neuem,   an   ben  früheren  Berfuct) 
§ermannö  V  anlnübfenb,  bie  Deformation  einzuführen,  fc^eiterte  aber  mie  biefer  gleicb,= 
fall§  an  bem  2öiberftanb  ber  Jlatb,olilen  unb  mußte  au§  feinem  ©rjbiitum  (1583)  meinen,  45 
meld;eg  bon  ba  cA  etma  200  ^ab,re  lang  eine  2lrt  ©elunbogemtur  be§  §aufe§  Babern 
blieb  (f.  Bb  VI  ©.  397).    Söeiteren  gortfd^ritten  traten  bor  allem  bie  gefuttert  entgegen 
(©ugenb,eim,    ©efcb.ic^te    ber  ^efuiten    in   ^eutfc^Ianb,  Bb  I,   granlfurt   a.  SR.  1847, 
©.  67 ff.;  über  ibje  2luffaffung  bgl.  bie  bem  ^anjler  @rnfti  bon  l^öln,  gran^  Burglarb 
beigelegte  ©cf/rift :  De  autonomia,  b.  i.  bon  greiftellung  meb;rlei  Deligion  unb  ©lauben,  w 
Ü)lüncf)en  1586,  1593,  4°,  beren  eigentlicher  Berfaffer  ber  Iatferltd£>e  Dat  unb  Deicf;3l)of= 
ratifelretär  2lnbreag  ©rftenberger  ift),   unb  unter  ibjem  ©influß  berlangten   bie  latboli= 
feiert  ©tänbe  auf  bem  Degen§burger  Deicb^gtage  bon  1613   bie   energifetje  ©urc^füfirung 
ber  Borfdmft   be«  DeIigion§frieben§  über  ben   geiftlicljen  Borbeb,aIt   („@m.  Äabf.  9Jla\. 
merben   ju   @rb,altung   tt)rer  uralten  Deligion,   <ixfy  unb  ©tiffter,    aueb,    gteidmtäfftger  55 
§anbb,abung  bei  ©eift(icl)en  BorbefyaltS,  ob,ne  melden  ber  ©eiftlicb,e  ©tanb  unb  bie  latbo= 
lifcb,e  Deligion  im  Deicb,  gän^licb,  ruinirt   ift,  ^fyren  ^fertid;cn  @rnft  feb,en  unb  ftoüren 
laffen",  Seemann  a.  a.  D.  Bucb,  II,  S^ab.  XOIII,  gol.  289). 

Wad)  bem  2lu§brucb.e  bei  30iä£>rtgen  Üriegei  fucb,te  jebe  Partei  bie  gretftettung  ber 
Deligion  in  ib,rem  ©inne  au^äubeuten.  SDie  Äatb,olilen  betrieben  bie  ^erftettung  ber  römi=  eo 


740  $or6tf)aIt  SBorfeljung 

fd)en  $ircf/e  auf  baS  eifrigfte  unb  legten  ben  S^eltgionSfrteben  in  fcbjoffer,  ifyren  lyntereffen 
bienenben  SBeife  auS.  21IS  bie  faiferlicfyen  Söaffen  im  Kriege  baS  ltbergemid)t  erlangt 
Ratten,  erlief  ßaifer  gerbinanb  II.  am  6.  SRärj  1629  baS  fog.  SReftitutionSebift  (bgl. 
autt)  ben  Slrtüel  „2öeftfälifcr;er  griebe").  ©einen  Slern  bilbete  bie  ©ntfcfyetbung  über  bie 
5  get[tlt(^en  ©üter,  meiner  bie  gorm  eines  Urteils  gegeben  mar,  unb  btefe  ging  bar/in,  bafj 
bie  fcroteftantifcfyen  ©tänbe  nia)t  baS  SRed^t  gehabt,  nact;  bem  ^ßaffauer  Vergleiche  (bon 
1552)  geiftlicfye  Stiftungen,  meiere  unter  ifyrer  £ofyeit  gelegen  mären,  einjujieb^en  unb 
bafj  fie  fid)  im  SBiberfyrucfye  mit  bem  getfilicfyen  SSorbeE>aIte  im  33efi|e  bon  @rjbiS= 
tümern    unb    ^Bistümern    belauftet    Ratten;    ba|    alfo  bie   @bangelifcj)en   im    Unrecht 

io  mären,  menn  fie  bie  Stücfgabe  ber  unrechtmäßig  befeffenen  geiftlkfyen  (Mter  bermei= 
gerten,  bie  Uatbolifen  bagegen  fidj  im  Siechte  befänben,  menn  fie  ben  geiftlicfyen  33or= 
behalt  für  giltig  erflärten  unb  bie  @infe|ung  fatb>lifcr)er  ©rjbifcböfe  SStfd^öfe  unb 
Prälaten  in  ben  reicfySunmittelbaren  ©ttftem  unb  Softem  beanftorucfyten.  3n  oer 
©^lujjbeftimmung   teilte  ber  Haifer  mit,    bafj   er,    ba  bie  Verlegung  beS  9>MigionS= 

15  friebenS  in  ben  meiften  gäHen  notortfct)  fei  unb  bafyer  oljme  meitereS  9tecbtSberfal)ren 
gleich  jur  Solution  gefcfyritten  roerben  tonne,  eigene  Äommiffionen  jur  Voü^tefyung  beS 
(IbtfteS  in  bie  einzelnen  Greife  fenben  roerbe  (Sonborb,  ®er  $öngl.  ^aiferl.  5Dtajeftät  unb 
be£  beil.  römifdjen  Stades  Acta  publica  III,  1047;  £I)ebenr/ilIerS  Annales  Ferdi- 
nandei  III,  438).    %xo§   ber   Vroteftattonen   ber  @bangelif$en    mürbe   mit   ber  2IuS= 

20  fübrung  beS  ©btfteS  begonnen  unb  eine  erl?ebltd)e  Sln^afyl  bon  Sfteftitutionen  borgenommen. 
$)er  boöen  Durchführung  ber  2Jcafercgel  fe|te  aber  bie  9Benbung  beS  SöaffenglücfeS  im 
Kriege  ein  $iel.  S)ie  befmittbe  ©rlebigung  beS  ©bifteS  blieb  bafyer  bem  fbäteren  §riebenS= 
raerl  Vorbehalten  (f.  b.  2t.  Sföeftfälifcfyer  griebe).  SDer  roeftfälifd)e  ^rieben  (Instr.  pacis 
Osnabrug.  art.  V,  §  14)  fe^te   bann  als  9?ormaItag   für   ben  Vefvtjftanb   ber    retd)S= 

25  unmittelbaren  ©rjbistümer,  VtStümer,  Vrälaturen  unb  anberen  geiftlidien  Stiftungen  ben 
1.  Januar  1624  feft,  unb  beftimmte  in  betreff  beS  geiftlidjjen  Vorbehaltes  (a.  a.  D.  §  15): 
„Si  igitur  catholicus  archiepiscopus,  episcopus,  praelatus  aut  Augustanae  con- 
fessioni  addictus  in  archiepiscopum,  episcopum,  praelatum  electus  vel  postu- 
latus,  solus  aut  una  cum  capitularibus  seu  singulis   seu  universis,  aut  etiam 

30  alii  ecclesiastici  religionem  in  posterum  mutaverint,  excidant  illi  statim  suo 
iure,  honore  tarnen  famaque  illibatis,  fructusque  et  reditus  citra  morem  et 
exceptionem  cedant,  capituloque  aut  cui  id  de  iure  competit,  integrum  sit, 
aliam  personam  religioui  ei,  ad  quam  beneficium  istud  vigore  huius  trans- 
actionis  pertinet,  addictam  eligere  aut  postulare;  relictis  tarnen  archiepiscopo, 

35  episcopo,  praelato  etc.  decedenti  fructibus  et  reditibus  interea  perceptis  et 
consumptis".  ©amit  mar  ber  Vorbehalt  jmar  aufrechterhalten,  aber  nunmehr  aua)  ju 
©unften  ber  ©öangeltfcben  retdjSgefepcf)  ausgebrochen. 

©eitbem  bie  geiftlirf)en  gürftentümer  in  SDeutfcfylanb  befeittgt  morben  finb,  fyat  bie 
Seftimmung  jmar  ifyre  bolttifd)e  ^ragmeite  eingebüßt,   aber  immerinn  ift  fie  in  ®eutfc^= 

40  lanb  in  ©eltung  geblieben  unb  ift  nod)  infofern  bon  braftifcber  Sebeutung,  als  nact; 
ibr  bei  einem  ÄonfeffionSroecf/fel  ber  ©eiftlicfje  ofyne  meitereS  (ipso  jure)  2lmt  unb  Vfrünbe 
berliert.  $.  |>infc^iu8  t  (@-  Sfrtcböerö). 

Sßorfe^ung.  —  ©.  bie  Slrtifet  über  ©ott,  Concursus,  Engel,  ©ebet,  Seiben, 
5Bunber.  —  Sitteratur:  Xenop^on,  lirro/ivij/nf>rfv/.iara,  6ef.  IV,  3;  I,  4;    Sicero,  De  na- 

45  tura  deorum,  SSucb  II;  De  Finibus,  Sucb  III;  ©eneca,  l'e  Providentia;  E^ri)joftomu§,  nsgi 
sifiag(tirr)i  xai  Jigovoiag,  ad  Stagir.  LL ,  III;  Sijeoboret  «Ott  Sttru§,  neoi  jzQovoios,  MSG  83, 
555—774;  SactanttuS,  De  opificio  Dei,  MSL  7,  9—78;  ©aluianuS,  De  gubernatione  Dei, 
MSL  53,  25—158;  Sluguftin,  De  civitate  Dei,  MSL  41;  Stjomag  9tquma§,  Summa  theo- 
logica,   Pars  I,    Qu.  103—117.   —    ßur  Stuffafjuttg    ber  Reformatoren :    6efonber§    Suttjerä 

50  Äatec^i§men,  ©rtlärung  be§  1.  SlrtifetS  be§  Slpoftoüfum;  gmingli,  De  Providentia,  1529; 
ßciMn,  Institutio  I,  16—18.  —  SSoffuet,  Discours  sur  l'histoire  universelle,  1681,  bef. 
Seil  III,  cap.  1  unb  8;  Setbnij,  Essai  de  theodicee  sur  la  bonte  de  Dieu,  la  liberte  de 
l'hommeet  1'origine  du  mal,  1710;  ©anber,  lieber  baS  ©rofje  u.  Schöne  in  ber  ftatur  1748, 
3Son  ber  ©üte  unb  SSets^ett  ©otte§  in  ber  9?atur  1792,  lieber  bie  »orfe^ung  1801  (4.9luff.); 

55  ^erufalem,  ^arfjgelaffene  Schriften,  I.  Seil  1792;  Joseph  de  Maistre,  Les  soir^es  de  St. 
Pötersbourg,  ouEntretiens  sur  le  gouvernement  temporel  de  la  Providence,  1821.  —  ©elbft= 
üeritänblid}  enthalten  nHe  Sßerfe  über  3teligion§^ilofop^ie  unb  SDogtnatt!  einen  befonberen 
Stöfc^nitt  über  bie  göttlictie  Sßorfe^ung.  —  s2lu§  ber  neueren  Sitteratur  feien  noä)  ertnä^nt: 
Stpfinä,  ®te  göttltdtje  SBeltregierung  (Vortrag),  1878;  Sreibig,  ®ie  SRätfel  ber  göttlichen  SSor» 

eofebung,  1886;  ?8.  ©cbtntbt,  ®ie  göttliche  Sorfetjung  unb  haZ  ©elbftleben  ber  SSelt,  1887; 
5BJ.  S8ei)fct)lag,  3ur  SSerftäubigung  über  ben  ctjriftlictjm  S8orfe^ung§glau6en,  1888;    <£.  &aiUJt, 


SBorfcfjung  741 

35er  cfjriftf.  93orfer)ung§glaube,  93eroei§  b.  ©laubenS,  1888;  Sipfiu§,  £1)393  1888,  ©.  360— 366; 
1889,  408  ff. ;  E.  Maillet,  La  cröation  et  la  providence  devant  la  science  moderne,  1897; 
C.  ftirn,  23orfel)iuig§glaube,  unb  9Jaturroiffenfd)aft,  1903;  Otto,  9?aturatiftifdie  unb  reltgtüfe 
SMtanfctmuung,  1904;  23.  ©cfmtibt,  ®et  tampf  b.  SBeltanfcftauungen,  1904;  SittuS,  SReligton 
unb  9Jaturroiffenfct)aft,  1904;  SBejJer  unb  SBelte,  Äirdjenlejriion2,  33b  12  (mo  bie  neuere  fatf)o=  5 
lijcfye  ßitteratur  angegeben  ift). 

33orfeb,ung,  au<0) $ürfelmng,  gürforge,  Sorforge,  TiQÖvoia,  em/uüeia,  Sioixrjoig, 
diaxvßegvtjoig,  Providentia,  gubernatio,  cura  Dei,  begeicfmet  im  allgemeinen  baS 
Söalten  ber  2lllmad)t,  2öeiSb,eit  unb  ©üte  ©otteS,  im  engeren  ©inne  bie  §inlen!ung  ber 
SBelt  gu  bem  ifyr  bon  ©Ott  beftimmten  ,3iel.  —  ©te  in  ber  d)riftlid)en  ®ird)e  geltenbe  2el)re  io 
r>on  ber  göttlichen  $orfel)ung  entflammt  aus  bem  gufammenroirfen  graeier  gaftoren,  beS 
in  ben  Urlunben  ber  alt=  unb  neuteftamentlkben  Religion  bezeugten  ©laubenS  unb  ber 
p^üofopfytfdjen  ©Refutation  beS  griec^fd)=römifd)en  Altertums.  @S  gilt  bemnad)  junädjft 
ben  23orfeI)ungSgebanfen  ber  anti!  flaffifd)en  ©tofteme  fummarifd)  gu  geid)nen,  hierauf  ben 
SSorfefyungSglauben  ber  iSraeIitifd)=iübifcr;en  unb  ber  d)riftlid)en  Religion  in  feiner  ©igenart  15 
ju  fd)ilbem,  enblid)  ben  bogmenb,iftorifd)en  ^ßrogefj  ber  Sebre  in  feinen  roicbtigften  2Benbe= 
fünften  ju  fd)ilbern.  ©ine  Überfielt  ber  fritifer/en  unb  fr/ftematifeben  ©rgebnifje  roirb  ben 
©rtrag  ber  biblifcb^tfyeologifcrjett  unb  bogmengefd)id)tlic[)en  ©ntmictelung  feftftelien  unb  ju= 
fammenfaffen. 

,  I.    2)  er  SSorfefyungSgebanfe  in  ber  $büofopI)ie  beS  gried) ifd)  =  römi=  20 
fd)en  2lltertumS.  —  ©.  bie  SSerfe    üon  «Ritter   unb  greller  (iQuetlenfarrtmlung),    geller, 
Strümpell,  23inbelbanb,  ©omper|;  |mgo  ©rottuS,    Philosophorum  sententiae  de  fato  et  de 
eo  quod  in  nostra  est  potestate  collectae  partim  et  de  graeco  versae,  1648;  Kreuzer,  Progr.  in 
quo  philosophorum  veterum  loci  de  Providentia  divina  ac  de  fato  explicantur,  1806 ;  Alex. 
Aphrod.,    Ammonii,    Plotini,    Bardesanis  et  Plethonis  de   fato  quae  supersunt,  ed.  Orelli,  25 
1828;  ©dmetber,  ($l)riftlid)e  Klänge  au£  ben  grtect)ifcf)en  unb  römifd)en  Älaffifern,   1865,  bef. 
231  —  244;  (£.  ©piefe,  Logos  spermatikos,  «ßaralTelfteHen  jum  WS,  au§  ben  ©cfjriften  ber  alten 
©rieben,  1871,  passim;  ß.  ©d)tnibt,  ®ie  ©trjtf  ber  alten  ©rteetjen,  1881,  I,  63  ff.;  E.  Maillet, 
La  creation  et  la  providence  devant  la  science  moderne,  1897  (195 — 235:    La  providence 
dans   la   religion  et  la  philosophie  grecques).     —     ©U    in    ber    grted)ifd)en    33oHSmr;tI)o=  30 
logie  fief)  regenben  2ll)mmgen  unb  ©ebanfen  laffen  r)äuftg  einen  $ug  tiefer  grömmigfeit 
ernennen,  roelcbe  bie  Vorgänge  ber  2Mt  unb  beS  2Renfd)enIebenS  unter   ben  ©djutj  unb 
bie  Seitung  ber  ©öfter  fteßt  unb  fomit  einer  tI)eoIogifd)en  Statur:  unb  ©efcf/ubtsbetrad)= 
tung  ben  Söeg  bereitet   (9}ägeISbad),  §omerifd)e  Geologie,  28 ff.;  3Rad)b;omerifd)e  %tyo= 
logie,  45  ff.).  $u  letzterer  bat  fid)  aber  bod)  erft  mit  toacbjenber  $larl)eit  ber  benlenbe  ©eift  35 
in  ber  b,ellenifcr)en  $I)iIofobfyie  erhoben.  23ei  §eraflit  bon©pf)efuS  tritt,  nod)  eingefüllt 
in  pl)antaftifcl)e  formen,  ber  ©ebanle  einer  roeltregierenben  Vernunft  auf:    nid)t  ein  be= 
munter  2öiHe,  fonbern  eine  aus  ber  Harmonie  ber  ©egenfätje  fid)  ergebenbe  Drbnung  ber 
Singe,  roeld)e  fid)  burd)  einen  nie  raftenben  UmroanblungSprogefs,  burd)  ben  eroigen  $reis= 
lauf  be<§  ©toffroed)feI§  im  llniberfum  betätigt;  baber  be§  3Jien[ct)en  böd)fte§  ©ut  bie  au§  40 
bem  Vertrauen  auf  bie  göttliche  Söeltorbnung  entf^ringenbe  gufriebenfyeit  (svageonjots).  — 
SJtefe  Drbnung   im  SBeltaU,  'bie  §erallit   in  ber  ©efetjmäfjigMt  ber  SSerroanblung  unb 
Sftücbertoanblung  gefd)aut  b,atte,   begog  2lnajagora§   auf  bie  Harmonie   ber  ©eftirne, 
ir>eld)e  bie  ib,nen  gemiefene  Sab^n  ob,ne  ©törung  in  untoanbelbarer  ©tetigleit  befolgen.  33on 
ber  georbneten  Seroegung  ber  ^abjlofen  SBeltförper,  Oon   ber  fyarmomfcfyen  33eroältigung  40 
unb  bem  gleichmäßigen  llmfd)mung  ungeheurer  5SJiaffen,  bie  fid)  ju  einem  fd)önen  ©anjen 
(xoo/uog)  jufammenfügen,  fd)Iofe  er  auf  eine  jroecfmäfjig  anorbnenbe  unb  bie  Seroegungen 
beb,errfcb,enbe  SSernunft  (vovg),   bie  gugleid)  ©enlftoff  unb  J^raftftoff,   als  reinfteS,  leicb.= 
tefteS,  mit  berSBelt  fid)  nid)t  mifd) enbeS  ©lement,  immerbin  als  raumerfüllenbe  ©ubftanj, 
ntc^t  als  geiftige  ^3erfönlid)feit  ju  benlen  ift.  —  3nMfen  D^eD  ^er  bon  ^em    antuen  eo 
©ried)entum  &um  erftenmal  gemachte  SSerfuct)  einer    tI)eologifd)en  9iaturer!lärung 
junäd)ft  auf  bie  anorganifd)e  2SeIt  befcbränlt.    9Jcit  ^Diogenes    t>on  2IpoIlonia 
rourbe  bie  SEeleologie  £ur  beb^errfd)enben  2luffaffung  aud)   für  bie  organifd)e  SSelt  er= 
b,oben:   ber  über  umfaffenbe  pb,i^fiologifd)e  5lenntniffe  oerfügenbe  ©en!er  fucf)te  an  bem 
Sau  unb  ben  gunftionen  beS  menfd)lid)en  SeibeS  im  (Sinjelnen   ein  jroecfmäfeig   geftal=  55 
tenbeS  ^ßrinjip  nacb.guroeifen.  —   ©inen  roeiteren  ©cb.ritt  boßgog  ©olrateS.    äßäb,renb 
bie  oorfolratifc^en  ^aturpb,ilofopb,en  bem  teleologifct/en  ©eban!en  auSfcbließlid)   eine  foS= 
mologifebe  Sßenbung  gegeben  b,atten,   roieS  ©ofrateS  auf  bie  für  ben  9Jienfd)en  erfprieß= 
ticken  s^atur5ufammenb,änge  bin  unk  mad)te,  roenn  roir  ber  ©arftetlung  .\'enopb,onS  (bef. 
SJtemorabilien  IV,  3)  ©lauben  fcb,en!en  bürfen,  ben  S'hujen  beS  3Jcenfcben  gum  SRafjftab  eo 
ber  2öeltbetracb,tung.    Sie  Überzeugung,  bafe  in  ber  2öelt  unb  in  ben  ©d)icffalen  unfeveS 


742  SSorfcIjMng 

SebenS  alfeS  naclj  ben  beften  ^toecfen,  mit  Ijiöctjfter  SBeiSfyeit  unb  nacfe,  einheitlichem  Pane 
georbnet  fei,  rufyte  auf  ber  ©runblage  eines  braftifdjen  SRonotbeiSmuS,  ben  ©ofrateS  nie= 
mal§  in  einen  brinjibieUen  ©egenfa$  jum  ©lauben  feme§  33oIfeS  ftellte,  burcb,  ben  er 
aber  wemgftenS  mittelbar  bie  fyerrfdjenbe  SSorftellung  ber  ©ötterbiellieit  für  baS  religiöfe 
5  unb  fitilicfye  SBetoußtfein  feiner  geitgenoffen  unfctjäbltct)  unb  gleicfygütig  machte.  Übrigens 
berührte  \\<fy  biefer  fofratifdje  ©laube  mit  ben  religiöfen  2lnfd£)auungen  ber  gried)ifcr/en 
SDid^ier,  namentlich  eines  ©obfyofleS,  ber  bie  unberbrüdjlicfye  ©erecfytigfeit  unb  SßeiSfyeit 
ber  göttlichen  33orfeb,ung  burcf)  ©efyorfam,  S3efd^etbenr)eit  unb  Vertrauen  anerfannt  unb 
geehrt  rotffen  wollte.  —  SDer  fubjeftib   bebingte,   in  fittlidjer  SBilbung  ficb,    austoirfenbe 

10  Monotheismus  beS  ©ofrateS  mürbe  bon  $  I  a  t  o  ju  einer  teleologifcf)  en  2Retabl;fyfif  weiter 
geftaltet,  bie  in  ber  3>beenlel)re  eine  objeftibe  ©runblage  erhielt:  unter  ben  Jjjbeen,  bie  als 
Örbifber  unb  ^Wecfurfacljen  ber  ©rfcfyeinungen  ju  faffen  finb,  gilt  als  bie  oberfte  $bee, 
melier  fidj  alle  übrigen  als  Mittel  unterorbnen,  bie  $bee  beS  ©uten,  bie  mit  ber2BeIt= 
bemunft  (vovg),  mit  ber  ©ottfyett  ibertttfd^  ift.    ^ft  aucf)  hierbei  weniger  an  eine  geiftige 

15  ^krfönlidjfeit  als  an  ben  abfoluten  fittlicljen  SBeltgWecf  ju  ben!en,  braute  anbrerfeits  ^3Iato 
feine  teleologtfdje  ÜJiaturbetracfytung  bortoiegenb  in  mfytfnfdjier  $orm  jur  ©arftellung,  fo 
erfyob  er  ficb,  bocb,  gu  bem  ©lauben  an  eine  ©rofjeS  unb  kleines,  jumal  in  betreff  beS 
SJlenfcfyen,  umfaffenbe3Sorfeb,ung:  bem  ©ottgeliebten,  bem  ©erecfyten,  toirb  alles,  toaS  i^m 
bon  ben  ©Ottern  toiberfäfyrt,  jum  Beften  bienen:  reo  de  fteocpiXel  ov%  öjuokoy^ooiusv, 

20  ooa  ys  änb  fiecöv  yiyvsTm,  nävxa  yiyvea&ai  dbg  olov  rs  ägiora;  Rep.  X,  612E, 
cf.  II,  379.  —  ®ie  bon  Pato  in  mfytlnfcfyer  Sßtlblicpeit  entworfene  Sleleologie  führte 
2lrtftoteleS  begrifflich  burcl;:  bon  ber  ©tetigfeit  ber  Bewegung  in  ber  SBelt  fcfyloß  er 
auf  ein  erfteS  BetoegenbeS  (jiqcötov  mvovv),  baS  felbft  ofyne  Bewegung,  Seiben  ober  SSer= 
änberung  feine  ivegysia  ober  $orm,  bon  allem  ©eienben  baS  b,öcf)fte  unb  befte,  bie  ©ott= 

25  Ijeit  felber  ift,  bie  nichts  anberS  als  ©egenftanb  borauSfe|t,  fonbern  fiel)  felbft  immer  als 
gleiten  2>nljalt  b,at  (ion  de  vorjoig  vor/ascog  vorjoig).  3)aburc£),  baß  2lriftoteleS  ©Ott 
als  ein  »on  ber  SOBelt  berfctnebeneS,  felbftbetoußteS  SBefen  auffaßte,  fyat  er  ben  9Jcono= 
tf)eiSmuS  Wiffenfcfyaftlicf)  begrünbet  unb  begrifflich  formuliert,  —  eine  blnfofoblnfcfye  @r= 
rungenfd)aft,  bie  aber  um  einen  teuern  peiS  bejaht  mürbe.    SDurcfy   unb  burcfy  abftraft 

30  gebaut,  be^au^tet  ber  ©ott  2lriftoteleS'  ein  böllig  äußerliches,  bua!iftifcb,eS  BerfyältniS  jur 
Sßelt.  Dbgleicb,  er  als  erftbeWegenbe  Äraft  baS  ©efamtWefen  ber  9catur  in  feinem  £)afein  unb 
feiner  ©ntwicfelung  bebingt,  bleibt  er  bodj  in  einfamer  ©clbftbeiradjtung  jenfeitS  ber  Söelt, 
namentlich  tritt  er  mit  bem  2Renfc£;engemüt  in  feine  lebenbige  Be^ielnutg:  ber  Warme 
BorfeljmngSglaube,  ber  in  ben  fdjlicfyten  ©efrräc^en  eines  ©ofrateS  unb  in  ber  poetifcfyen 

35  ©eban!entoelt  eines  ^3Iato  einen  naiben  ober  großartigen  SluSbrucf  gefunben,  fyat  in  bem 
ariftotelifc^en  ©r/ftem,  bem  jeber  religiöfe  §aud)  fel)It,  feine  ©teile.  —  dagegen  fyielte 
in  bem  bielgeftaltigen  ©ebilbe  ber  ftoifcf)en  ^f;ilofo^ie  ber  33orfel;ungSgebanfe  eine 
Ijerborragenbe  Stoße.  Sni©egenfa|  ^  berftreng  antiteleologifcfyen  Stiftung  ©pilurS,  welcher, 
um  ben  rufngen  ©elbftgenu|  beS  Söeifen  nicfjt  gu  ftören,  bie  ©ötter  aus  ber  2öelt  bannte 

40  unb  fie  ju  einem  tl;atenIofen  (SgoiSmuS  berurteilte,  faßte  bie  ©toa  bie  ©ottfjeit  als  baS 
SebenSprin^i^,  baS  fid?  in  bcrgülle  ber  @rfcl)cinungen  entfaltet,  als  biellrlraft,  bie  aUeS 
©afein  unb  SBerben  bebingt,  als  bie  ^meclboH  fcf;affenbe  unb  leitenbe  Vernunft  (Myog), 
folgltdt)  if>rem  Söefen  nacf)  allmaltenbe  SSorfef)ung  (jigövoia).  ®a  inbeffen  ©ott  unb 
SSelt  ein  unb  baSfelbe  finb  unb  nur  für   bie   benfenbe  Betrachtung   auSeinanber   fallen, 

45  fo  geftaltet  ficf)  baS  alles  beftimmenbe  ©efe|  ber  SSorfefmng  gur  alles  bejmingenben  9Jfacf;t, 
?ur  unberbrüd;licl)en  9Rotmenbig!eit  {aväyxrj),  jum  unentfliel)baren  ©efd;icf  (sl/uag/uevt], 
fatum):  nacb,  biefer  unberbrüc|ltcf)en  Drbnung  toirb  jebe  einzelne  @rfd)einung  in  ber  un= 
abänberlidjen  Reihenfolge  ber  Urfac^en  unb  Söirfungen  l;erborgebract)t.  ©iefe  ©feic^ung  bon 
33orfelmng   unb  ©cl)ic!fal   fommt   in  ©cnecaS  3lbbanblung    De  Providentia,   beffen 

so  toid;tigfte  3luSfüb,rungen  übrigens  bem  Problem  ber  SEl)eobicee  getoibmet  finb,  ju  brägnantem 
SluSbrucf  (ßab.  1:  praeesse  universis  providentiam,  et  interesse  nobis  Deum... 
üaty.  5:  Fata  nos  ducunt,  et  quantum  cuique  restet,  prima  nascentium  hora 
disposuit.  Causa  pendet  ex  causa,  privata  ac  publica  longus  ordo  rerum 
trahit       .     Olim  constitutum  est,  quid  gaudeas,  quid  fleas.)     ®em  greunbe  unb 

55  ©ewiffenSberater  beS  SuciliuS  fommt  eS  bor  allem  barauf  an,  aus  jenen  ©runbfä|en 
btebraftifcfienl  Folgerungen  ju  giepert  (Sab.  5:  Ideo  fortibus  omne  ferendum  est; 
quia  non,  ut  putamus,  incidunt  cuncta,  sed  veniunt  Quid  est  boni  viri? 

praebere  se  fato.  Grande  solatium  est  cum  universo  rapi.  SBgl.  Epist.  ad  Lucil. 
76.  107     @S  ift  befannt,  mit  welchem  ^atb,oS  ein  ©eneca,  ein  @biftet,  ein  ?Karf  Slurel 

eo  bte  Unterorbnung  beS  einzelnen  unter  baS  göttliche  2Beltgefe|  forberten  unb  feierten,  unb 


Sßorfc^ung  743 

in  Welchem  Umfang  bie  auf  biefer  religtöfen  33aft§  gegrünbete  £eben3auffaffung  ftcb,  $u 
einer  über  bte  trennenben  ©d)ranfen  be§  S3oIf3tum§  unb  ber  ©efeKfdjaft  erljiebenben 
toajjrfyaft  toSmobolitifdjen  ^fyilofobbte  ber  ©rlöfung  geftaltete.  3>mmerl)in  blieb  im  9faf)men 
ber  ftoifdjien  ©dmlen  bie  nähere  ©eltenbmadjung  be§  33orfefmng3glauben3,  namentlich  bie 
2tnWenbung  ber  S^eleologie  mit  Mängeln  behaftet,  bie  einen  unleugbaren  9tüdfcf;ritt  (unter  5 
ber  großartigen  ^onjebtion  eineä  2lriftotele§  bebingten.  Sßäb/renb  biefer  überall  bie  imma= 
nente  ß^^^mäfeigfeit  ber  gormgeftaltungen  betont  b,atte,  berloren  fiel)  oft  genug  bie 
©toifer  in  pfytltfterfyafte  Betrachtungen  über  ben  9cu^en,  ben  bie  Scaturerfcb.einungen  für 
bie  Sebürfniffe  ber  Vernunftbegabten  Söefen,  „ber  ©ötter  unb  9Jienfd;en"  abwerfen  (ßicero, 
De  natura  deorum  II,  22,  57—64,  162;  De  Finibus  III,  20,  67;  De  offieiis  I,  10 
7,  22;  De  legibus  I,  8,  25.  Sgl.  Sactanj,  de  ira  Dei,  kap.  14:  vera  est  sen- 
tentia  Stoicorum,  qui  aiunt  nostra  causa  mundum  esse  construetum :  omnia 
enim,  quibus  constat  mundus,  ad  utilitatem  hominis  aecommodata  sunt. 
SBefcfyeibener  ©eneca,  de  ira  II,  27 :  „non  nos  causa  mundo  sumus,  hiemem 
aestatemque  referendi;  suas  ista  leges  habent,  quibus  divina  exercentur.  15 
Nimis  nos  suseipimus,  si  digni  nobis  videmur,  propter  quos  tanta  moveantur. 
Nihil  ergo  horum  in  nostram  injuriam  fit ;  immo  contra,  nihil  non  ad  salutem). 

—  Sag  ©efüb,!  ber  ber  Söelt  unmittelbar  imteWofynenben  ©otteSfraft,  ba§  bie  ©totfer 
befeelte,  ging  bem  ^eublatonigmuS  berloren,  melier  bie  SEranöcenbenj  ber  ©ottfyeit  in 
einer  noa;  über  $lato  b,  mau3gel)enben  2Jbftraftion  übermannte,  unb  bab,er  ba<8 Sebürfnü  20 
embfanb,  ben  jWifdjen  bem  UrWefen  unb  ben  9Kenfd)en  llaffenben  2lbgrunb  burd)  Mittler 
auffüllen,  unter  benen  bie  in  SlHegorien  aufgelöfte  ©ötterWelt  be§  $olr;tr/ei§mu3  ifyre 
Unterfunft  fanb,  unb  Weld)e  anbererfeit3  bem  d)rtftlid)en  SSorfefmngSglauben  bienftbare 
©elfter  jur  SSoUftrecfung  ber  göttlichen  Aufträge  lieferte.  ®ie  grtedjnfcfyen,  bomer/mlicb, 
bie  ftoifcfyen  ©inflüffe  münben  in  bie  abofrr/b_l)ifd)e  Sitteratur  be<§  %%$,  bie  eine  eigen=  20 
tümlifdje  ©fyntfyefe  tjeftenifcfyer  ©ebanlen  unb  iSraelttifdjer  Überzeugungen  barftellt. 

IL  SDer  aSorfeb,ung§glaube  in  ber  i<3raelitifd)en  unb  jübifcfyen  9teli= 
gion.  —  Sitteratur:  ®ie  3Berfe  ü6er  iSraetttifdtie  unb  jübifdje  Stßeotogie  unb  3tettgion§= 
flefdjidjte  f.  bef.  ©.  ©dntlt?5,  1896,  $tepenbrina  (frans.)  1886,  Oeftler3  1891,  3tte$m  1889, 
(Smenb  1893,  Siumann  1895,  S.  SRartl  1897,  Stabe  1905;  SeHin,  ^Beiträge  pr  tSrcelitifdjen  30 
unb  jübticfjen  9ieligion§gefcfjicrjte,  §eft  II,  1897;  <Sd)ürer,  ©efctjidjte  beä  jübtfdjen  SSo(f§  im 
Zeitalter  Qefu  ©ftriftt,3  "S3b  II  1898;  SBouffet,  ®te  Religion  be§  3ubentum§  im  neuteftament= 
ließen  Zeitalter,  1903;  %.  SBeber,  (Softem  b.  altfönagogaleu  paläftmenfifcften  Ideologie2,  1886. 

—  ®er  Sorfe^unggglaube  ber  alttefiamentlidjen  Steligion  t)at  eine  lange  ©ntwidelung 
burd)gemad)t,  beren  ©ang  gu  fer/ilbem  eine  ber  lotmenbften  Aufgaben  ber  3teIigion§=  35 
gefd)id?te  ift.  33i§  tief  in  bie  Hönig^eit  fyinab  begegnen  unS  Infcfyauungen,  bie  ba§  SBolf 
mit  feinen  ©tammgenoffen  gemein  r/atte  unb  roeIdt)e  eine  niebere  ©tufe  ber  ©otte§= 
erfenntniä  barftetlen.  2Iu§  biefen  elementaren  unb  rof)en,  burd)  ben  9Jaturboben  ber  alt= 
femitifcfyen  23ölfergrubben  bebingten  Anfängen  erWucfyg  ein  ©otteäglaube,  ben  eine  reli= 
giöfe  ©efdjtdjtSbetrad&tung  nur  al<§  ba§  Ergebnis  einer  burd;  bie  natürlichen  gaftoren  be§  40 
SSoIfStumg  b,inburd)mirlenben  Offenbarung  ©otte§  ju  werten  bermag.  ®ie  Präger  biefer 
Offenbarung,  bie  ^roipfyeten,  3Kofeg  an  tbrer  ©^i|e,  b,aben  gunäcb,ft  bureb,  %fyat  unb  2Bort, 
bon  2lmo§  ah  aua)  burd)  fct/riftftellerifcfye  SBirffamfeit,  im  Äampfe  mit  fyeibnifdjen  @in= 
flüffen  bon  außen  unb  mit  mancherlei  ©cb,toierig!eiten  unb  §inberniffen  bon  innen,  ben 
etbtfcben  «Konot^eigmuS  3ärael§  %ux  ©eltung  unb  fcfyliepcfc,  jur  unbeftrittenen  Slnerlennung  45 
gebraut,  ©in  roefentlid^e^  ©lement  biefeS  burd}  ben  ©eift  ber  ^ßrobfyeten  befeelten  9Kono= 
tb^eiämu€  bilbet  ber  SBorfelmngSglaube,  ber  in  ben  un§  erhaltenen  Iitterarifd}en  ©en!malen 
auf  einen  oft  ergreifenben,  einen  meitgeb,  enben  religiöfen  ^onfenfu§  funbgebenben  2lu§bruc! 
gelangte.  2Iuf  berfelben  Sinie  betoegen  fid)  bie  Stuäfagen  ber  2öei^l>eitölitteratur  unb  ber 
flaffifdjen  Ur!unbe  beö  altteftamentlicb.en  3Sorfe&img8ßIau6en8,  be§  «pfalterö ;  bon  ben  so 
(Sr^eugniffen  ber  brobl>etifd)en  ^nfbiration  unterfdjeiben  fie  fid)  l)öd;ften§  baburd},  baß  bie 
3eitgefd}id;tlid)  bebingte  unb  national  gefärbte  §ülle  hinter  bem  allgemein  menfcf,ltcr)en 
Sn^alt  ber  ©ebanlen  jurüdtreten.  @g  läßt  fid}  baffer  bie  ©umme  ber  tSraelttt^en  SWcIi= 
gionSgefc^tdjte  unfd;n)er  gießen  unb  eine  in  i^ren  roefentlid)en  ^ügen  einfmtltcfye  alttefta= 
mentlid}e  Sorfefjung^le^re  entwerfen.  5B 

2öie  ©ott  §immel  unb  @rbe  burd;  fein  2öort  in§  ©afein  gerufen  bat,  fo  tft  aud) 
bie  gortbauer  unb  bie  gortentroidelung  ber  5Raturorbnung  bureb.  feinen  2Men  bebtngt. 
Slfe  fein  unmittelbare^  Sfmn  Werben .  j.  8.  bie  atmofbb,ärifd;en  Seränberungen  angefeben: 
er  jiebt  baS  Söaffer  in  2Bol!en  auf  unb  läßt  e§  in  Xrobfen  nieberträufeln  (§t  36,  27 f.; 
38,  25 ff.);  @t«  entfielt  bon  feinem  3ltem  (#t  37,  10),  unb  feinSKort  fctjmelgt  &  Wicber  .;o 


744  SBorfefyimg 

(Sßf  147,  18);  ber  ©onner  ift  fein  33rüHen  (§t  37,  2  ff.,  $f  29,  3  ff.),  unb  331t|e  fbrüfyen 
au§  feinem  STOunbe  («Pf  29,  7).  9Md>fter  ^toetf  biefer  !Raturtoirffamfeit  ©otte<§  ift  bie 
(Spaltung  be§  Sebenbigen:  er  tränlt  bie  ©rbe  mit  ERegengüffen,  bamit  SJtoljmng  fbroffe 
für  9J?enfa;en  unb  23ie|  (Sßf  65,  10 ff.;  104,  13 ff.),  ©o  geftaltet  ficf;  bie  fcfyaffenbe  unb 
5  erljialtenbe  SLljätigfeit  ©otteS  jur  gürforge  für  ba3  in  feiner  £anb  ruljenbe  ^Jtenfdjenleben: 
©ott  ift  e§,  ber  ben  9Jienfd;en  au§  9flutterletbe  jiefyt,  unb  bon  Äinbfyett  auf  behütet 
($f  22,  10 ff.);  er  f/at  bem  menfcf;Iid;en  Seben  fein  unüberfcfyreitbareS  giel  gefegt  (§i  14,  5); 
bie  bem  3flenfcf;en  jugejä^Iten  S£age  ($f  139,  6)  finb  in  fein  Sud?  eingefdjrteben,  au§ 
meinem    bie   tarnen    ber  ©ottlofen   auSgelöföt*  toerben  (^f  69,29;    @r.  32,  32).    3ft 

10  ©otte§  2tuge  audj  auf  baS  gange  SJienfdjengefdjIecfyt  gerietet,  fo  rub/i  e§  bod^  im  aßer= 
befonberften  ©inne  auf  bem  3SoIfe  Israels  unb  auf  jebem  frommen  in  bemfelben.  $§rael 
ift  ba§  Soll,  ba3  ^a^be  fid;  jum  Eigentum  auäertoäfjlt,  ba3  er  au§  Ägr/bien  geführt,  unb 
feiger  gefaxt  unb  getragen  fyat  (bgl.  baSSeuteronomium;  §o9,  10ff.;  11, 1  ff . ;  $f  105.). 
gum  ©d)u#e  feinet  Volles  unb  jebeS  (Sinjelnen  im  SSoIfe  gebietet  ©Ott  ben  sJiaturmäd;ten, 

15  b,ält  $eft  unb  fonfttgen  Unfall  bon  ib)m  ab  0ßf  91),  teilt  baS  3Jleer  bor  bem  guge 
feinet  VoIieS  ^er,  befeuert  ifym  tounberbare  «Ra&rung  (@j  13—15,  16;  9ht  11;  ^ßf  105. 
106.  107).  ©benfo  lenft  er  aufy  bie  ©emüter  ber  SJlenfcfyen  nad;  feinem  2BiHen;  er 
giebt  iljmen  (Sntfcbjtefjungen  ein,  tote  fie  ju  feinen  planen  taugen;  er  ertoedt  Reiben  unb 
^ßrobfyeten.    Umgefef/rt  ift  er  eS  aud),  ber  bie  §erjen  berfyärtet  unb  in  ftrafenber  2tbfid;t 

20  böfe  ©ebanfen  eingtebt  (@r.  7,  3;  2  ©a  24,  1);  aber  ba§  übel  ©emeinte  bermag  er  fo= 
toobjl  in  feiner  Ausübung  ju  bereitein  (*ßf  2)  als  audj  jum  ©uten  ju  toenben  (®en  50,  20). 
hierbei  mufj  alles  9tatürlid;e  jum  Mittel  für  bie  legten  großen  ftttlicfyen  groede  ^ 
©otteSreidjeS  auf  @rben  bienen.  grudjtbarfeit  unb  £)ürre  finb  ©egnungen  unb  Quti)U 
mittel  in  ^jaljbeS  §anb,  bie  ^eufcfyredenjüge  finb  feine  §eerfd;aren  Qo  2,  11;   2)t  18, 

25  13— 17  •  28,  12—23). 

©einen  §öb,ebunit  erreicht  ber  altteftamenilicfye  VorfeljmngSglaube  in  ber  SSorfteHung 
bom  9Bunber.  ®a  inbeffen  aud;  im  getoolmten  Saufe  ber  ®ingc  ntcr/t  bie  9?ottoenbigfeit 
eines  9caturgufammenl;angeS,  fonbern  baS  freie  unb  abftdjtlicfye  £lwn  ©otteS  angefcfyaut 
toirb,   fo  tritt  ber  llnterfdjieb  beS  Drbentlicfyen  unb  Aujjerorb  entließen  ober  Söunberbaren 

30  nur  al§  eine  relatiber  b,erbor.  ©ott,  ber  bei  jebem  Siegen  beS  £>immetS  $rüge  auSgiefst, 
liefe  ju  EKoafyS  ßett  beffen  genfter  nur  etwas  länger  offen  (§t  38,  37;  ©en  7,  11;  8,  2); 
in  bem  geuerregen  über  ©obom  geigte  fieb,  bie  50lact)t  unb  ^lanmäfeigleit  nur  befonberg 
ftarl  unb  beutltct),  mit  ber  ^a^e  in  jebem  ©etoitter  feine  Sli^e  berfenbet  (©en  19,  24; 
5ßf  18,14;  77,  19;  97,  4;  135,  7;  ^er  10,  3;  51,  16;  §i  37,  3;  38,  25).  —  2)iefe§ 

35  unmittelbar  göttliche  %i)\xn  lam  bem  Hebräer  ebenfotoo^l  in  bem  Übel,  ha§  ber  Söeltlauf 
mit  fid;  bringt,  al§  in  bem  ©rfreultdjen,  ba§  er  bietet,  jur  2lnfd;auung.  2lu§  be§ 
§öcfyften  9JJunbe  !ommt  baä  Übel  unb  ba§  ©ute  (^lagel.  3,  38);  er  bereitet  ©lücf  unb 
föafft  Unglücf  (^ef  45,  7) ;  lein  UnfaC  ift  in  einer  ©tabt,  beffen  Urheber  nid;t  ^a^be 
toäre  (2lm  3,  6).    @r  ift  e§,  ber  ba§  §erj  ^b,arao§  unb  ber  Signier,    ©ü)on§  unb  ber 

4o5lananiter  betörtet  (@j  4,  21;  14,  17;  ®t  2,  30;  gjof  11,  20),  ber  ^toietrad;t  ftiftet 
3toifd;en  ^[bimeled;  unb  ben  ©idiemiten  (^ub  9,  23),  ber  bie  ©öb,ne  §eliö  gum  llnge^orfam 
gegen  ben  bäterltcfyen  2BiCen  betoegt  (1  ©a  2,  29),  ber  bem  $önig  ©aul  einen  böfen 
©eift  fenbet  (1  ©a  16, 14;  18,  10;  19,  9),  ber  £)abib  gegen  bie  ^SraeUten  retgt  unb  i^m 
eingiebt,  bie  33oIf^ä^Iung  bor^uneb,men  (2  ©a  24;  1  ©a  26,  9).  —  2)aS  Übel  berb/ängt 

45  ©ott  borjüglid;  als  ©träfe,  nict)t  blofe  über  fjetbmfdje  33ölfer,  über  ©obomiter,  Slgtibter, 
Skbtylonier  u.  a.,  fonbern  aud>  über  ba§  ertoä^lte  33ol!  felbft,  baS  Sanbblagen,  toie  «ßeft, 
§eufd;reden,  ©ürre,  SKifetoadjg,  ferner  ^rieggunfäEe,  TOeberlagen,  &ned;tfcr;aft  unb  @jil 
aU  3üd;tigungen  für  feinen  ober  feiner  üönige  Ungeljorfam  gegen  ba§  göttliche  ©efe^ 
anjufeb,en  r;at  (@j  20,  5;  £e  26;   3lu  11,  33;  2  ©a  24;  ®%  18;  %od  1).  —  2lu§  biefer 

50  2lnfd)auung,  bie  fieb,  in  bem  ©efe|e  ber  fittlid)en  Vergeltung  einen  feften  Slusbrud  gab, 
mufjten  je  länger  befto  mefyr  Anfechtungen  ertoad)fen,  fofern  biefe  23orfefyung§leI)re  burd; 
bie  (Erfahrung  Sügen  geftraft  tourbe  unb  bamit  ba§  ©lue!  ober  Unglüc!  mit  ber  fittlidjen 
Sefcb.affen^eit  be§  ©meinen  in  SBiberfbrucb,  trat  ober  gu  treten  fdjien.  SDen  b^ierauä  fid; 
ergebenben  ßtoeifeln  unb  fragen   fonnte  bag  religiöfe  Setoufetfein  ^graelg  nid)t   au& 

55  toeidjen.  SDie  erften  Serfudje,  bie  Äonflüte  be§  3Sorfeb,ungSgIauben§  mit  ben  täglichen 
Sebenöerf ab,  rungen  gu  löfen,  liegen  in  einigen  ^ßfalmen  bor.  ^Jfatm  37  f erlägt  einfad; 
bie  retigiöfen  ^toeifel  nieber:  ba§  ©lue!  ber  grebler  fei  unbeftänbig,  il)rem  ©i|ic!fal  fei 
ba§  ber  frommen  bor^ie^en,  biefe  toerben  fd;liefeltd;  bod;  triumtolneren,  jene  untergeben. 
3lt;rtltcr)e  ©ebanfen  fbridjt  «ßfalm  49  au§,  ber  bie  unterbrächen  frommen  mit  bem  2öof)lftanb 

eo  ber  ©ottlofen  ju  berföb^nen  fud;t:   bie  reiben  ©ottlofen  fallen  bem  Sobe  jur  33eute,  bie 


SSorfeljung  745 

frommen  bürfen  Rettung  erhoffen.  ^falm  73  tröftet  ftdj  gleichfalls  mit  ber  33erfid)erung, 
baS  Unglüd  ber  ©eredjten  fei  nur  borübergefyenb  unb  muffe  in  bleibenbem  ©lüde  enben; 
neben  biefem  burd)  bie  ©rfafyrung  immer  roieber  erfcfyütterten  ^oftulat  ergebt  fid^>  aber  ber 
Siebter  gu  bem  befeligenben  Sewufstfein,  bafj  bie  ©emeinfdjaft  mit  ©ott  ein  alles  melt= 
licfye  ©lud  weit  übertreffenbeS  unb  alles  äuf$erlid)e  Unglüd  reicfylicb,  aufmiegenbeS  ©ut  5 
fei  (33. 23—26).  —  ©teilt  uns  aud)  biefe  SluSfage,  gu  melier  fid)  ber  ©laube  trofc  alles 
©unfein  Ijiinburcfyfambft,  auf  bie  £öb,e  beS  2llten  SßunbeS,  fo  bietet  fie  bod)  feine  mirf= 
Itdje  Söfung  ber  Söelträtfel.  ®te  ©lemente  gu  foldjer  Söfung  lieferte  bie  ©en  50,  20 
beurteilte  ©efduebie  SofebbS  (baS  Setben  als  Sftittel  für  bie  33ertotrfltd)ung  göttlicher 
£eilSgt»ede)  unb  baS  bem  'Sbeobiceebroblem  getoibmete  23ud)  §iob.  Sßäfyrenb  bie  Sieben  10 
SaljbeS  (38,  lff.;  bgl.  40,  4 ff.;  42,  3 ff.)  alle  quälenben  fragen  burd)  ben  §inroeiS  auf 
bie  unbegreifliche  2Wmad;t  ©otteS  gum  ©cfyroeigen  bringen,  faffen  bie  ©lifyureben 
($ab.  32 — 37)  baS  unberfdjulbete  Seiben  beS  frommen  als  Prüfung  unb  Seroäfyrung, 
bie  gugleicb,  Säuterung  unb  güdjrtigung  ™  W  fdSliefct.  $u  e'ner  anbern  «Stimmung,  gu 
einer  roefentlid;  beffimiftifcfyen  9foftgnation  gelangt  ber  ^3rebiger,  ber  gmar  ben  ©lauben  15 
an  bie  göttliche  SBeltorbnung  feftbält,  aber  nidjt  im  ftanbe  ift,  bie  religiöfe  SebenS= 
betradjtung  mit  bem  täglichen  Sauf  ber  ©inge  in  ©inllang  gu  bringen:  ift  bod)  auf 
©rben  alles  eitel,  mübeboll  unb  babei  bod)  gtoedloS.  „©0  mufj  ber  ^ßrebiger  als  ein 
enbgiltiger  Sßergtd^t  barauf  begeidmet  werben,  mit  ben  Mitteln  ber  altteftamentlid)en 
Religion,  b.  fy.  bor  aUem  ofyne  ben  ©lauben  an  einen  jenfeitigen  SluSgleid;,  bie  5RätfeI  20 
beS  TafeinS  gu  löfen"  (Jlau|fd)). 

Sie  bis  in  bie  neuteftamentltdje  geit  fyineinragenbe  ober  nadjwirfenbe  (Sntmidelung 
djarafterifiert  ber  Qm^ort  griecfyifdjer ,  unb  gtoar  bortoiegenb  ftoifd)er  ©ebanlen  in  baS 
religiöS=fitilid)e  Seitmfstfein  beS  jübifd)en  23oIfS.  ®ie  ÜuSbrüde  SiattjQeiv  für  bie  6r= 
Haltung  unb  nqövoia  für  bie  üßorfelmng  übernahmen  aus  ber  ©toa  apotrr/pfyifcfye  ©d)rift=  25 
ftetler  Sap.  11,  25;  14,  3;  17,  2;  3  SJtaf  4,  21;  5,  30;  4  9M  9,  24;  13,  18; 
17,  22.  ©enfelben  SEitel  tieqi  Tigovoiag  (Euseb.  H.  E.  II,  18,  6;  Praep.  evang.  VII, 
20  fin;  VIII,  13  fin.)  füfyrt  eine  ©cfyrift  ^S^tloS,  bie  uns  nur  armenifd)  erhalten  unb 
bon  2lud;er  mit  Iateinifd)er  Überfettung  herausgegeben  roorben  ift  [©djürer,  op.  cit.  III, 
531 — 32.  @ine  eingefyenbe  llnterfud)ung  ber  Quellen  unb  beS  tfyeologifdjen  ©tanbbunlteS  30 
beS  SSerfeS  giebt  Sßenblanb,  tytyltö  ©djrift  über  bie  3Sorfebung,  ein  Beitrag  gur  ©e= 
fötd&te  ber  nad;ariftotelifcb,en  ^ilofof^ie,  1892  (»gl.  bagu  SBrunS,  %W§  1892,  616 
big  620)].  yiaä)  bem  33ud)e  ber  Sap.  Salom.  ift  ©otteS  ewiger  ©eift  in  aUem  unb 
bält  aße§  jufammen  (1,  7;  12,  1);  burefe,  feinen  SBiUen  befielt  alles  (11,25);  bie  gan^e 
3Sertoaltung  (diolxrjoig  8,  1;  12,  18;  15,  1)  unb  Senfung  (dtaxvßsQviioig  14,  3;  bgl.  35 
3  9Jtaf  6,  2:  xhv  näoav  diaxvßeQvwv  xuoiv)  ber  SDinge  liegt  in  feiner  §anb;  er 
orbnet  atteS  bobl  (8,  1:  Sioixsi  ndvxa  xQVOTf^>  ÖÖ^  2  ^a^  15,  2;  3  Wtal  2,  21). 
üßkil  er  geredet  ift,  orbnet  er  alles  mit  ©ered)tigleit,  unb  fyält  e§  feiner  9Jtad;t  nict)t 
gemä|,  jemanb  ju  berbammen,  ber  bie  ©träfe  nid)t  »erbient  (Sap.  12,  15).  ©eine  bie 
gange  ©djöfcfung  umfaffenbe  33arml)erjigleit  geigt  fid;  in  ber  SSergögerung  unb  SRilberung  40 
ber  über  bie  ©ünbe  t>erf)ängten  ©trafen  (11,  23 — 26;  12,  2);  allerbingS  fyahen  festere 
nur  für  ba§  3Sol!  ©otteS  bie  ©eftalt  öäterlidjer  .ßücfytigungen  (11,  10),  bod)  gilt  gang 
allgemein  ber©a|:  „®u  fd)oneft  alles,  toaS  bein  ift,  §err,  ber  SebenSfreunb"  (ösonözyg 
(pdöifvxog,  11,  26).  hieben  biefem  ©ebanlen  ber  t»on  ©ott  geübten  sXRiIbe  bertritt 
Sap.  aud)  bie  %$w  «iner  boßen  ©ouberänität  beS  abfolut  frei  unb  miberftanbSloS  mirfen=  45 
ben©otteS  (11,  22;  12,  8—22;  15,  7;  bgl.  bie  gumeilen  bis  aufs  Söort  übereinftimmen* 
ben  Slufeerungen  beS  ^auluS  9iö  9,  19—21.  hierüber  ©rafe,  Sfyeol.  Slbbanblungen, 
6.  b.  SSeigfäder  geroibmet,  1892,  ©.  264 f.).  —  2Son  bem  ©iraeiben  mirb  bie  menfd>= 
Itdje  ^reibeit  nad;brüdlid)ft  fyerborgeboben:  TOemanb  barf  fagen,  bafe  ibn  ©ott  gur  ©ünbe 
beranlafjt  ba&e;  bielmeb,r  b,at  ©ott  ben  3Jlenfd)en  feiner  eigenen  freien  @ntfd)eibung  über=  so 
laffen  (äyrjxev  avrov  iv  xeiqi  diaßovliag  avxov),  er  i)at  ifym  Seben  unb  ^ob  bor= 
gelegt,  bafc  er  greifen  fann  monad)  er  milt  (15,  11—17);  anberSroo  leitet  ber  ©iraeibe 
baS  Söfe  mie  baS  Übel  auS  bem  burd;  bie  gange  ©djöbfung  gefyenben  ©efe^e  beS  G5egen= 
fa|eS  ab  {jidvxa  öiood,  eV  xaxevavxi  evög,  42,  24—25);  mieberum  erklärt  er:  „Tic 
SSßerle  beS  §errn  finb  aße  gut  unb  fd^affen  gu  feiner  3eit  aßen  ?£u|en;  unb  man  barf  55 
nid)t  fagen:  ®ieS  ift  fd;led)ter,  als  jenes"  (39,  33-44).  —  2BaS  baS  im  23ud)e  Äobclctft 
ungelöfte  Problem  ber  SLbeobicee  betrifft,  fo  gefd)ab  bie  gortbetuegung  im  ^ubentum 
in  erfter  Sinie  burd;  baS  9Jc"äd;tig»erben  beS  UnfterbIid;leitSgIaubcnS  (2  WM  7,  9.  11.  14. 
20.  23.  29.  36—38).  — 

Tic  fefjr  umftrittenen  ©teilen,   in  benen  SoftyfyuS  ben  ^arifäern  unb  ©abbueäern  60 


746  3Sorfrf)itng 

t>erfcf)iebene  Enfcfyauungen  über  bte  göttliche  23orfeb,ung  unb  bie  menfdjilicbe  SöillenSfreifyett 
auftreibt  (B.  J.  II,  8,  14;  Ant.  XVIII,  1,  3;  XIII,  5,  9),  hat  ©cb,ürer  aroeifelloS 
auf  ifyren  nötigen  ©inn  jurüägefür/rt :  bte  genannten  SluSfagen  tragen  sroar  ein  ftar! 
griecfyifcfyeS  ©e^räge,  laffen  aber  hinter  biefer  fremben  ^ilofofefytfdjien  gärbung  ect)t  alt= 
5  teftamentltcfye  unb  jübifc^e  Slnfcfyauungen  erlernten,  ©treift  man  bte  griedjtfd^e  gorm  ab, 
fo  ergiebt  fieb,  als  Sefyre  ber  $f)arifäer,  bafj  alles,  roaS  gefcbjefyt,  bureb,  ©otte§  33orfeb,ung 
geworben  ift,  ba^er  auefj  bei  ben  menfcfylicfyen  ^anblungen,  foroofyl  ben  guten  als  ben 
böfen,  ein  SJJittoirlen  ©otteS  anjunel^men  fei.  ©er  fcfyroäcfyfte  ^unft  in  bem  Sericfyt  be§ 
QofeplmS  ift  gerotfj  ber  ©d)ematiSmuS,  nadj)  roeldjem  bie  ©ffener  ein  unbcbingteS  gatum 

io  lehren,  bie  ©abbueäer  baS  gatum  gönntet)  leugnen ,  bie  ^ß^artfäer  einen  9JcitteItoeg 
jtoifdien  beiben  einfdjilagen.  2lber  felbft  baran  lann  ettoaS  2Bat)reS  fein.  @S  mag  fein, 
bafs  in  ber  2lnfcf)auung  ber  ©ffener  ber  göttliche  gaftor,  in  berjenigen  ber  ©abbueäer  ber 
menfcfylidje  gaftor  im  3Sorbergrunbe  ftanb.  ^ebenfalls  fyaben  bie  ^fyartfäer  beibe  ©e= 
ban!enreib,en  mit    gleicher  ©ntfcbjebenljeit  feftgeb/atten:   bte   göttliche  Slümadjt  unb  33or= 

l5  feljmng,  unb  bie  menfcl>licr)e  greifet  unb  23erantrooriIicr)feit  (©djmrer,  op.  cit.  II,  392 
bi§  394,  510).  9Str  bahm  beftimmte  geugniffe  bafür,  bafj  baS  rabbinifcr)e  ^j^ntum 
baS  Problem  ber  göttlichen  Sorfeb/ung  unb  menfcf)licr)ett  greil)eit  jum  ©egenftanb  feinet 
!iftacr)benfenS  gemalt  hat  (Sitteraturnacr)roeife  bei  ©cfwrer,  op.  cit.  II,  394,  3Inm.  38). 
23gl.   überhaupt  gum  Sefyrftücf  i>on   ber  @rl>altung  unb  Regierung  ber  2öelt  g.  SBeber, 

30  op.  cit. 

III.  ©er  neuteftamentlicf) e  SSorfeb/ungSglaube.  —  Sitteratur:  2)ie  SBerfe 
über  neuteftamentlttf)e  2&eoIogie  üon  SSaur  1864,  33.  SBeiß  1868  (18955),  D.  ^fleiberer  1887, 
SBettfcfjlag  1891—1892  (18962),-  $olfcmann  1897  —  englifd):  Alexander  1888,  Weidner  1892, 
Adeney  1894—  franj.:    E.  Reuss  1852  (18643),    Blanc-Milsand.  1884,    Chavannes    1889, 

25  J.  Bovon  1893—1894,  Fulliquet  1893.  —  ©etbftoerftänbtid)  fommen  autf)  bie  S3eröffent= 
litfjungen  über  einzelne  neute|tamentlid)e  Setjrbegrtffe  in  Setradit;  enblicf)  bie  bogmatifcfjen 
^Bearbeitungen  be§  6tblifd)=tfjeoiogiftf)en  Materials,  namentlich,  in  §ofmann§  <3diriftberoei§ 
1852—1855  (1857— 18592)  unb  in  ben  bogmatiftfjen  SSerfen  öon  Otraujj  1840—1841,  fa^iiiä 
1874—1875'-,  Siebennann  1869  (1884— 18852),  Sortier  1879—1881,   Sipftuä  1876  (18933).  — 

30  %n  lebenbiger  Kontinuität  mit  ber  altteftamentlid)en  Religion,  aber  jugleid)  als  perfbn= 
lidjfteS  (Erlebnis  unb  als  originale  Offenbarung  »erlünbigt  QefuS  ©ott  als  ben  burd) 
unbefd)rän!te  ©iite  befeelten  allmächtigen  unb  ^eiligen  Söttlen,  als  König,  9tid)ter  unb 
fittlicfyen  ©efe^geber,  als  gnäbigen,  bie  gange  9)cenfc|entt)elt  mit  feiner  Siebe  tragenben 
SSater.    Qn  biefer  religiöfen  ©ehnPeit  ruurgelt  $efu  23orfefmngSgIaube.   ©aS  33erI)äItniS 

35  feines  ©otteS  jur  SBelt  ift  ib,m  ein  burcfyauS  lebenSooHeS:  ber  SBater  ift  ir)m  in  2öab^r= 
Ijett  ber  „§err  §immelS  unb  ber  @rbe"  (3Jit  11,  25).  Derfelbe  füb,rt  ben  ganzen  gegen= 
märttgen  Statur  unb  ©efeb/ic^te  umfaffenben  SMt^uftanb  bem  ibealen  SoIlenbungSjiele, 
bem  ©otteSreicb/,  entgegen.  2luf  ben  aloir  omog  (Sc  16,  8),  ben  gegeniüärtigen,  unboU= 
!ommenen  unb    böfen  Söeltjuftanb ,    wirb  eine  neue  bottfommene,   unvergängliche  2Belt= 

40  orbnung  folgen,  eine  nahyyeveaia  ^jimmelS  unb  ber  @rbe,  bie  ben  ©egenfa^  beiber  auf= 
b,eben  roirb  in  ein  »ollenbeteS  ©otteSreicb)  (Wt  19,28;  Sc  20,  34— 36).  ®ie  auf  bie 
^erftetlung  beS  3f{eicl)S  b/injielenbe  ©cb,ö^fung  fafet  ^efuS  als  unmittelbares  Dbjett  gött= 
liefen  %b,un$  unb  SBaltenS,  in  beffen  Sereicf)  alle  Vorgänge,  aueb,  bie  geringfügigften 
einen    göttlichen    SöiEenSauSbrucl    im  ©inne    ber  §eilSgeban!en    beS  SaterS    bebeuten 

45  (5Rt  10,  29  =  Sc  12,  6) ;  bemnacl;  begießt  er  alles,  toaS  oon  ber  9?atur  überb)au))t  gelten 
foll,  auf  bie  perfönlicfye  Kreatur  unb  roeiter  auf  bie  ju  ©enoffen  beS  ©  otteSreicb,  eS  b,eran= 
macb/fenben  3Jcenfcb,en:  eine  ^Jräformation  beS  bogmatifct;en  ©cb,emaS  Providentia  gene- 
ralis, specialis,  specialissima  (§oI|mann,  op.  cit.  I,  164).  $ür  baS  Seben  unb 
§infterben  ber  ©perlinge   gilt  ber  2tuSbrud    „ntd&t   ob,ne   euern  SSatcr"  (3Rt  10,  29); 

so  bagegen  ^ofitiö:  bei  eueb,  finb  aueb,  bie  §aare  auf  bem  §au^te  alle  ge^lt  (3Wt  10,  30). 
©aS  tn  ber  SluSfage  „ib,r  feib  ja  meb,r  roert  als  biele  ©perlinge"  (3Rt  10,  31  =  Sc  12,  7) 
enthaltene  Sttat  bringt  ben  SBert  |3erfönlicb,en  SebenS  relatib  jum  2lusbruc!,  roie  ibn  baS 
2öort  301c  8,  36-37  =  3ttt  16,  26  =  Sc  9,  25  abfolut  b.infteßt.  ©er  ©ott,  ber  bie  Sögel 
beS  §tmme!S  nä^rt  unb  bie  Blumen  beS  gelbeS  Ileibet  (3Kt  6,  25—30),   giebt  fieb,  ^roar 

55  tn  fetner  Scaturorbnung  in  gleicher  Sßeife  aEen  SJcenfctjen  bar,  läfjt  feine  ©onne  aufgeben 
über  Söfe  unb  ©ute  unb  regnen  über  ©erecf)te  unb  Ungerechte  (Wt  5,  45);  ben  ©liebern 
feines  9tetcf)eS  erliefet  fieb,  aber  feine  Saterb, errlicbjeit  in  befonberem  3Jca^e:  fie  leb^rt  er 
ju  ©ott  als  ib,rem  Sater  beten  (3Kt  6,  9) ;  aueb,  baS  geringfie  in  ib,rem  Seben  b&U  er 
unter  feiner  Dblmt  (Mt  10,  29.  30);  tfaem  auberficbtltcfjen  ©ebet  berleib,t  er  gerotffe  @r= 

eo  l)orung,    roenn   eS  nur  recfyt  anbauernb   ift   unb   nicb,t   ermübet   (ÜJit  7,  7—11  =  Sc  11 
9—13;  3Kc  11,  23—24  =  Sc  17,  6;  Sc  11,  5-8  =  18,  1—7);   er  rennt  unb  füllt  u)re 


aSorfcfjung  747 

Vebürfniffc  unb  überlebt  fie  baburd;  be§  fjeibntfd^en  ©orgenS  (9Jct  6,  31—33). 
2lucb,  barum  brausen  fte  fid;  nid;t  ju  bemühen,  roa§  fie  reben  füllen  im  fritifcfyen 
Moment  be3  £eben3,  roeil  ©otte<3  ©eift  t^re  Vertretung  bor  ©ott  übernehmen 
iuirb  (3Kt  10,  19—20  =  £c  12,  11—12).  SCud&  bie  Verfügungen,  benen  fte  au§gefe£t 
finb,  Rängen  fdjliepcb,  t>on  feinem  fouberänen  SBillen  ab:  er  fann  „hineinführen"  unb  5 
nid;t  b,ineinfüf)ren  (9Jit  6,  13),  er  fann  fte  aud)  „abfürjen",  bafc  fie  feinen  augerroäfylten 
nicfyt  übermächtig  werben  (9Jtt  21,  22).  ©elbft  bie  SBeltübel  unb  ber  3Mt  £afe  bürfen 
für  fie  fein  Verjagen  begrünben;  benn  wenngleich,  bie  9Jienfcf/en  ben  £eib  toten  fönnen 
unb  eS  ebentuell  aud)  unbefnnbert  tlmn  werben,  fo  ift  bennod;  nur  bie  über  jeitltc^esi 
unb  eroiges»  £eben  le|tentfd)eibenbe  9Jtad;t  ju  fürd;ten  (SDtt  10,  28).  Um  bicfer  2Rad;t  10 
roiHen  barf  bie  „fleine  £>erbe"  aller  »eiteren  gurdjt  entfagen,  benn  es"  ift  ib,reö  Vaters" 
2öof)lgefallett,  ib,r  ba§  9tad)  ju  geben  (2c  12,  32).  SDafj  btefe§  S^etc^  ftcb,  aud)  gegen  alle 
toibergöttlidjen  Söeltmäcfyte  fiegretd;  burd;fe£en  wirb,  ift  $efu  bis"  ans"  @nbe  feftgefyaltener 
unb  bekannter  ©laube.  $n  biefer  $ut>erficr/t  läjjt  er  fid;  aud;  nicfyt  irre  machen  burd) 
bie  überlieferte  Vorfteßung,  baf?  ber  ©atan  afe  £>aubt  eines"  madjtbollen,  bie  SJcenfdjen  15 
beetnfluffenben  'Sämonenreicfyes"  ibirffam  ift  (5Tcc  3,  23—26).  SDttt  feinem  ©eifterblid 
fd;aut  er  es"  als"  fdjon  botlenbete  SLf)atfad)e,  bafj  ber  ©atan  au§  feiner  SJcadjtftetlung 
bötlig  unb  befinittb  geftürjt  ift,  fo  bafj  leine  ©eroalt  biefer  geinbe  irgenb  benen  etwas" 
anbaben  lann,  beren  Sternen  im  §immel  eingefdjrieben  finb,  b.  f>.  bie  ©ott  ju  Vürgem 
feinet  tyimmltfd&en  3teid;es"  machen  roill  (Sc  10,  18—28;  bgt.  $oel  12,  30),  (Sßenbt,  20 
©bftem  ber  d;riftlict;en  £eb,re,  %.  I  [1906],  127).  ^n  ber  Überwinbung  aller  Gr= 
Meinungen  bes"  natürlichen  ©lenbs"  ebenfo  roie  ber  ftttlidjen  Verlegung  befunbet  ftd;  bas" 
kommen  bes"  ©otteäretct)eg  (3Rt  12,  28;  11,  2—6).  £)iefelbe  3Jiad;t  fotl  fid>  aud;  auf  bie= 
jenigen  übertragen,  bie  als"  feine  ©efanbten  bie  frob,e  Votfdjaft  berlünbigen  (9Jct  10,  8). 
SDem  Vater  im  §immel,  bei  bem  fein  ®ing  unmöglid;  ift  (Tic  10,  27  =  Wlt  19,  26  25 
=  £c  18,  27;  Tic  14,  36),  mufj  bemnad;  alles"  bienftbar  fein,  —  eine  2lu§fage,  in  roeldjer 
eine  braftifdje  SEfyeobicee  befd)Ioffen  War,  bie  unbefd;abet  aller  drfenntniä  ber  unter  bie  §err= 
fdjaft  bes"  Vöfen  gefangenen  Söelt,  ben  fräftigften  Dbtimismu§  bes  ©Iauben<§  $u  bollern 
feuern  2tusbrud  brachte  (§ol£mann,  op.  cit.  I,  166.  129;  §.  SRonnier,  La  mission 
historique  de  Jesus  1906,  156—159).  $n  bemfelben  ift  e3  aucf)  begrünbet,  baf$  Sefu^  30 
ber  ben  gttfammenfyang  $on  lxj6el  unb  ©ünbe  feine§toeg§  leugnet  (5Rt  9,  2),  bem  9ttid= 
fdjlu^  bon  bem  ©rabe  be§  Übete  auf  ben  ©rab  ber  ©djmlb  aus>brüdlicr)  roeb,rt-  unb 
bie  SDrob,ung  mit  gleicher  ©träfe  nur  al§  ^mbutö  für  bie  ©rfütlung  ber  göttlichen 
gorberung  benu|t,  £c  13,  1—5  (2öeifc,  op.  cit.  §  32,  31  4).  lue  in  ben  9teben 
^efu  enthaltenen  2Iu§fbrüd)e  über  bie  Vorfef)ung  finb  djarafteriftifdie  geugniffe  bafür,  35 
toie  lebenbig  er  ©ott  in  ber  Söelt  toaltenb  backte.  @r  flaute  biefelbe  immer  sub 
specie  aeternitatis,  b.  b,.  im  £id)te  feiner  @rfenntnt§  be3  Vatertoefen§  ©otteö  unb  be§ 
eroigen  £eben§  im  3fteicb,e  ©otte§  (Söenbt,  op.  cit.  126).  ©inen  Veftanbteil  biefer  religiöfen 
3ßeltbetrad;tung  bilben  aud)  feine  Sßunber;  biefelben  finb  Söerfe,  bie  ©ott  burcb,  ib,n 
bodbringt  unb  für  bie  er  ©ott  gebriefen  b,aben  roiH  (Wie  5,  19).  Dbgleicb,  er  felbft  be§  40 
göttlichen  2öunberfd;u|e§  erforberlid)en  gaUeS  geroi^  ift  (3Jct  26,  53),  barf  er  ifyn  nid;t 
roitlfürlid;  b,eraugforbern  (9JU  4,  5 — 7);  ja  er  erbittet  bie  3Sunber  bon  feinem  bimm= 
lifcfyen  Vater  (Tic  7,  34)  unb  breift  ib,n  für  ben  i§m  gefcb,enften  ©egen  (9Jit  14,  19).  — 
®ie  au§  bem  unmittelbaren  ©otte3berouf$ifein  Qefu  ftammenben  religiöfen  2lus>fagen  ber= 
bieteten  fid)  im  aboftolifdjen  unb  nadjaboftolifdjen  ^eitelter  ju  tf)eoIogifcb,en  ©ä^en ,  bie  45 
mit  ben  überfommenen  3«ugniffen  mandjerlei  au§  anbern  Quellen  b,errü|renbe  dlemente 
berbanben.  ®ie3  gilt  bor  allem  bon  ^aulu§.  ®ie  ©teile  9tö  8,  28—39  bringt  ben 
religiöfen  Äern  ber  baulinifdjen  Vorfel^unggle^re  ju  il)rem  treuften  unb  ergreifenbften 
2lu§brud.  gür  ben  ©laubigen  ftellt  fein  feiger  ^uftanb  als  berföb,nteg  ©otte§finb  ein 
©lieb  in  ber  feftgefügten  föette  göttlicher  ©nabentb,aten  bar,  roeldje  bi3  in  bie  ©toigfeit  50 
be£  §eil§ratfd)Iuffeg  ber  @rroäf)Iung  jurüdgeb,t  unb  bi§  in  bie  ©roigfeit  bc§  b,errlid;en 
Zieles  ber  ß^riftu§gemeinfcb,aft  b, inau§reicf;t ;  eben  barum,  roeil  fie  an  bem  freien  2BiHcn<?= 
aft  göttlicher  @rroäl)lung  ^)ängt,  fann  fie  burd;  feine  Wlad)t  ber  Sßelt  unb  $e\t  ab= 
gebrochen  unb  bereitett  roerben  (Vfleiberer,  llrd)riftentum  1887,  289).  ©0  geftaltet  fid; 
ber  ©ebanfe  ber  Sltlroirffamfeit  göttlicher  Vorfefyung  im  religiöfen  Verou^tfein  bcö  55 
©laubigen  ju  ber  bon  jebem  ©ct;ulbgefüt;I  befreienben,  alle  Sfficltübel  überroinbenben  ©c= 
roi^eit  unroanbelbarer  Siebe  unb  bäterlict;er  gürforge  ©otteö.  Qn  ber  Vlcrobboric  biefe§ 
^eiföglaubenö  b,at  Vaulu3  fein  Vcbürfniä  unb  finbet  feine  Veranlaffung  auf  bie  $ro= 
bleme  einjugeb,en,  bie  ben  t^eorctifcfjen  Vctracfytungcn  allerlei  ©cb,roierigfeitcn  bereiten,  für 
bie  g-römmigfeit  aber  gar  nid;t  borfyanbcn  finb.    ©0  crfd;einen  bem  Slboftcl  in  ber  2)ar=  60 


748  $orfeI)itng 

ftetlung  unb  Begrünbung  bei  .ipeillftanbel  unb  bei  neuen  aul  bem  ©eifte  ftammenben 
Sebenl,  bie  SBtrfung  ©ottel  unb  bie  ftttltdje  greifyeit  unb  a3eranttoortlicr;tett  bei  ©laubigen 
beibe  all  felbfiberftänblicb\  ©inerfeitl  gilt  uneingefcfyräni't  bal  2Bort  9lö  9,  18  ©Ott 
erbarmt  fict),  meldjel  er  JtjtE,  unb  berftöfjt,  melden  er  miß  (bgl.  9,  11).  ^n  bem  e| 
6  avxov  xal  di  avxov  xal  eis  avxov  xd  ndvxa  (9tö  11,  36)  lautet  bal  gtoeite  unb  bal 
britte  ©lieb  fo  unbebingt  toie  bal  erfte.  2)ie  SSölfer  unb  Reiten  »erben  bon  ©ott  ber= 
fcbloffen  unter  ben  llngefyorfam,  bamit  er  fid)  aller  erbarme  (3tö  11,32).  SDer  göttlichen 
Berufung  wirb  ba§  ©läubigtoerben  gugefcfyrteben  (SRö  8,  29;  9,  26)  unb  ber  3reue 
©ottel  bie  Skmabjung  unb  Botlenbung   ber  ©laubigen    (1  3b/  5,  23;    1  üo  1,  8.  9). 

10  ©otoofyl  bal  kommen  ber  23erfucr/ung  all  bal  @nbe  berfelben  r)at  ©ott  in  feiner  9Jiacr/t 
(1  $o  10,  13).  2Iucr)  bie  äußeren  S3err)ältmffe  feine!  Sebenl,  felbft  bie  Slulfüfyrung  ober 
Vereitelung  eine!  Sieifeblanel,  mact/t  $aulul  bon  bem  2BtHen  ©ottel  abhängig  (9fö  1, 10; 
1  Äo  4,  19).  Slnbrerfeitl  toenbet  ficf;  ber  Stboftel  all  ^ßrebiger  unb  ©eelforger  an  ben 
SßiKen  bei  SRenfdjen.    @r  ruft  bal  ©rbarmen  ©ottel  an,  um  feinen  Ermahnungen  @tn= 

15  gang  gu  berfcfyaffen  (üftö  12,  1);  er  forbert  bie  ©emeinben  auf,  in  einer  ifyrem  (lf)riften= 
ftanb  entfbrecfyenben  SBeife  gu  leben  unb  bietet  bamit,  all  bal  ^ugJxäfttgfte  3Jlotib,  bie 
©anlbarfett  gegen  ©ott  auf  (1  3b,  2,  12;  Sß$t  1,  27;  M  1,  10);  er  leitet  bie  geiftige 
^Radjbilbung  ber  urbilblicfjen  Siebeltljat  Sfyrifti  au§  bemfelben  SJiotib  ber  SDanfbarfeit  ab 
(2  ^o  5,  14 — 15).    Dfyne  irgenb  ein  Begehren   nacfy  reflerjonlmäfjiger  Sermittelung  gu 

20  berraten,  fann  er  mit  ber  fittlict)en  Ermahnung  an  ber  ©eligleit  gu  arbeiten  unmittelbar 
ben  religiöfen  ©ebanfen  ber  SlUmirffamlett  ©ottel  (1  $o  12,  6:  6  ivegycöv  xd  ndvxa 
iv  jiäoiv)  berbinben  %\j\  2,  12—13.  SDie  erbäte  Sebenbigfeit,  mit  melier  folct/el  £>anbeln 
erfolgt,  gilt  all  Söirfen  ©ottel  im  SRenfcfyen.  2lud)  fonft  erfcf/eint  bal  3fyun  bei  ©uten 
auf  feiten  bei  ©laubigen  all  ein  3l)un  ©ottel  in  tym.    9cie  fteEt  ftct)   bie  ©acb^e  fo, 

25  bafj  nact)  bem  fbnergiftifd/en  ©cr/ema  gu  ber  einen  ©rfofg  bebingenben  $raft  bei  ©efcf/öbfel 
bie  göttliche  $raft  abbiert  mirb.  (§oI|mann,  op.  cit.  II,  168—170.)  —  SBal  für 
ben  ^eillftanb  unb  bal  innere  Seben  bei  ©ingeinen  gilt,  bal  trifft  aud)  für  bal  gange 
5Kenfcr/engefd)lecr/t  gu.  $n  ben  Briefen  an  bie  ©alater  unb  an  bie  Körner  giebt  ^ßaulul 
in  ber  brucljftüdlidjen  $orm,   meiere  bie  9iatur  unb  bie  Beftimmung  folcfyer  Briefe  allein 

30  guliefs,  ©Jiggen  einer  religiöfen  ^^ilofobb^ie  ber  ©efdjucfyte.  SSeldje  meltumfaffenben  Qix- 
rüttungen  auet)  bie  ©ünbe  Slbaml  angerichtet  b^at,  ber  etoige  Siebelratfcb^Iu^  ©ottel,  bie 
SBelt  ju  feinem  3Reicl)  ju  geftalten  unb  bie  9JJenfcf)en  in  biefem  feiner  §errli<|leit  teilhaftig 
ju  machen,  toirb  babureb;  rttd^t  aufgehoben  (1  &o  2,  7 ;  9lö  8,  29).  ®em  legten  ^iele, 
bal  ©ottel  allmächtiger  ©nabenmille  feftgefe^t,  ftrebt  bie  gefamte  Kreatur,    fomo^I   bie 

35  3Jlenfc§ent»eIt,  ^UDen  un^  Qtötn,  ben  $lan  göttlicher  ©rjieljung  ausfüb^renb,  all  auty 
bie  bem  ©efe£e  ber  93ergänglicf»feit  unterworfene  91atur  ju  (SRö  8,  18—23 ;  1  ^o  15, 
24—28).  —  ®ie  grofeartigfte  ^onjebtion  ber  toeltregierenben  25erfa^rungimeifen  ©ottel 
jur  Skrmirfltcfyung  feinel  |>eitl  bringt  ^3aulul  ÜRö  9—11  in  einer  2lulfüf;rung  jutn  2lul= 
brucl,   bie  Sebfcb;iag   mit  sJiecf)t   all   „baulintfc^e  X^eobicee"    (1868.  18952,    bgl.   9^eu= 

40  teftamentlicb>  Geologie  II2  [1896],  ©.  112  ff.)  be^eicr/net.  ®en  2lnlafe  jur  2lb>nblung 
bitbet  nieb^t  eine  bogmatifeb^e,  fonbem  eine  aul  ber  gcfcfiic^tlic^en  Sage  fict;  ergebenbe  Ion= 
Irete  grage:  wie  ift  el  ju  begreifen,  bafj  ^Irael,  bal  aulert»äl)ltc  ©ottelbolf  bei  2131, 
je^t  in  ber  eingetretenen  neuteftamentücfyen  3eit  bem  ©bangelium  fremb  bleibt,  roäb^renb 
bie  §>eibenwelt  all  Trägerin  belfelben  erfdjetnt?    hierauf  antmortet  ber  Slboftel  junäebift: 

45  ©ott  ift  in  feiner  Steicf/Igefcfncrjte  immer  fo  berfabjen,  bafe  er  na<f)  freier  ffiab^l  ben  einen 
jum  3räger  feiner  Offenbarung  beftimmte,  ben  anbern,  ber  gleite  ober  h, obrere  Slnfbrücb^e 
barauf  gu  b;aben  fc^ien,  bagegen  gurüc!fe|te,  —  fo  ben  ^Imael  gegen  ben  ^faal,  ben  @fau 
gegen  ben  Qacob;  unb  menn  er  in  ber  ©egenwart  bie  Reiben  git  Prägern  feiner  9ietc^l= 
faa)e  macfit  unb  bie  ^uben  bagegen  berftoeft,  fo   berfäf)ft  er  mit  bemfelben  Siebte  freier 

so  ©nabenmal)!,  mit  ber  er  ju  35iofil  3eit  ^Irael  bagu  ertoä^It  unb  bal  bfyaraonifclje 
Slg^ten  berftodt  t)<xt.  ©iefe  berl)ängnilbolle  Befangenheit  gegen  bal  ©bangelium  ift  aber 
lebtgltd)  ein  jeitmeiligel,  gef^iditlic^el  Verb;  ängnil :  ©ott  I)at  bie  %uben  nirf}t  ftraucf,eln 
laffen,  bamit  fie  ju  gaße  lommen,  fonbem  bamit  bal  §eil  px  ben  Reiben  gelange:  wenn 
beren  güUe  eingegangen  ift,   bann  wirb  aufy  ^Iraell  ©nabenftunbe  lommen  unb  „gang 

55$!rael  errettet  Werben"  (SRö  11,  11—31;  bgl.  2  üo  3,  14—16).  ©ie  Betrachtung  ber 
unenbhd}en  §ö^e  biefer  2Bege  ber  roeltregierenben  Borfel)ung  ©ottel  gtoingt  bem  Slboftel 
etn  Selenntnil  anbetenber  Berounberung  ah  (Sftö  11,  33—36;  bgl.  1  Äo  1,  19— 31; 
2,  6—16).  3m  ©lange  biefer  §errlicf)feit  toirb  ber  ©laubige  inne,  baf?  aueb^  alk  feinb= 
liefen  2Räcb>  ber  ®urcf)füb;rung  bei  göttlichen  §eillblanel   bienen   muffen:   an   ber  ©e= 

eo  f^te  ber  ?Otenfcb,b,eit  betoäb,rt  fieb,    balfelbe  ©efe^  ber  Söeilb,eit  unb  Siebe,    bal    ber 


SBorfefjung  749 

einzelne  ©laubige  in  feinem  eigenen  Seben  Wahrnimmt,  jenes  Tidvxa  oorsgyei  elg  äyu- 
■&6v  (diö  8,  28),  baS  bie  fombenbiarifcfyc  ^ufammenfaffung  beS  baulinifcfyen  $orfetwngS= 
glaubeng  barftellt,  unb  Welches  aud)  fein  berföljmenbeS  unb  berflärenbeS  £id)t  auf  alles 
Seib  ber  (Srbe  unb  alle  Übel  ber  SBelt  berbreitet:  erWeifen  fid)  bod)  biefelben  jugleic^ 
als  eine  ©cfyule  weltüberWmbenber  Hoffnung,  als  ein  görberungSmittel  jur  enbgiltigen  §err=  6 
lid;feit,  als  eine  (Einführung  in  bie  @emeinfd)aft  beS  SeibenS  unb  beS  £obeS  ß^rifti^  bie 
jmr  ©emeinfdiaft  feinet  SebenS  unb  feiner  ■gerrlidjfeit  ausfragen  Wirb  (3Rö  5,  3—4; 
8,  18;  2  fio  i,  17-18;  Sß&t  1,  29;  3,  10—11.  20—21;  £o  3,  1—4).  —  3fi  in  ber 
nacb/baulintfcfyen  Sitteratur  bie  Sejie^ung  beS  SkrfelmngSgebanfenS  auf  ben  S5er= 
föfmungSglauben  aud)  rtict)t  mit  berfelben  SDeutltdjfeit  Wafyraer/mbar  als  bei  bem  2lboftel  10 
(bgl.  inbeffen  (Sbfy  1,  10 ;  3,  9—12),  fo  beruht  er  bod)  burcf/gefyenb  auf  ber  3SorauS= 
fe^ung  ber  väterlichen  ©üte  unb  Siebe  ©otteS.  1  ^5t  5,  7  forbert  bie  ©laubigen  auf, 
äße  ifire  ©orgen  auf  ben  §errn  p  werfen,  ber  für  fie  ©orge  trägt.  §br  13,  5—6 
malmt  jur  ©enügfamfeit,  unter  §inWeiS  auf  ben  bereits  im  alten  Sunbe  (©en  28,  15; 
£>t  31,  6;  Sßf  118,  6)  jugefid)erten  Seiftanb  ber  göttlichen  3Sorfeb,ung.  %a  4,  13—14  15 
Warnt  bor  bem  fixeren  übermütigen  ©elbftbertrauen,  mit  welchem  ber  eintägige  9Jcenfcr/ 
feine  $Iäne  fafjt,  ftatt  fein  ©innen  unb  §anbeln  in  bie  2lbf)ängigleit  ©otteS  gu  ftellen.  — 
£>öd;ft  djarafterifiifd;  ift  eine  SluSfage  ber  älreobagrebe  beS  SlboftelS  ^SauluS  in  ber  2lbofteI= 
gefcfyicfyte;  biefelbe  läfjt  eine  ©inmirlung  ftoifcfyer  ©ebantm  beftimmt  ernennen :  ber  bie 
Bewegungen  ber  33ölf;ergefcr;tcr/te  orbnenbe  unb  leitenbe  ©ott  giebt  allem  Sßefen  Seben  20 
unb  2ttem,  unb  ift  namentlich  ben  9Jcenfc^en  als  ber  ©runb  tt)re§  SDafeinS  unb  SebenS 
beftänbig  nar,e  (21©  17,  26—28;  »gl.  aud;  14,  15—17).  —  3luf  ©runb  beS  $orfef>ungS= 
glaubend  gewinnt  ber  Gfyrift  aucb,  bie  richtige  ©teKung  ju  ben  Söeltübeln,  ben  Seiben  unb 
Verfolgungen,  Weld>e  er  erfährt:  fie  erfcfyeinen  il)m  als  bäterlicfye,  r)eilbringenbe  güdjtigung 
unb  ©rjtefmng,  naideia  (§br  12,  5—11),  als  33eWäI)rung  beS  ©laubenS  unb  ber  ©e=  25 
bulb  (^a  1,  2—4.  12),  ja,  Wo  fie  im  tarnen  ßfyrifti  unb  für  feine,  ©acfye  erbulbet 
werben,  als  33erf)errlid)ung  ©otteS  (1  %i  4,  12—16).  —  ©te  fyeilSgefdjicfylicfK  33etrad;= 
tung  ber  göttlichen  !ßorfef)ung  fdjliefjt  bie  loSmtfcfye  SBertfcr/äijung  berfelben  nict)t  aus. 
£)ie  baS  SIC  jufammenfyaltenbe  £Ij>ätigfeit,  Welche  im  33ud;  ber  2SeiSl)eit  bem  göttlichen 
©eifte  gugefd)rieben  War,  Wirb  $ol  1,  17;  §br  1,  3,  bem  ©olme,  $0  1,  3  bem  SogoS  30 
beigelegt.  3n  biefelbe  Stiftung  Weift  ber  ber  ^^tlortifct)en  2lnfa)auung  genau  entfbrecfyenbe, 
bie  jübifct)e  SSorftellung  bom  Stufen  ©otteS  unb  infolge  beffen  baS  BabbaÜ) gebot  auft)ebenbe 
©brud;  6  nm^q  juov  scog  ägn  ägyäCerai  $o  5,  17.  älucf)  fonft  trägt  ber  joftanmfdjie 
©otteS=  unb  33orfelmngSgeban!e  alesanbrinifcfyeS  ©epräge :  fo  Wirb  ein  toofitibeS  93erbältniS 
jur  3Belt  erft  fyergeftefit  burd}  2lufnab,me  beS  SogoSbegriffS  in  ben  ©otteSbegriff  5,  26;  35 
6,  57;  1,  4  (§ol£mann,  op.  cit.  II,  391—392).  ^n  bemfelben  SJiafie  entfernt  fid)  ber 
SSerfaffer  bon  ber  genuin  altteftamentlidjen  ^ßofitton.  r  (Sbenfo  Wirb  ber  jübifd;e,  aller= 
bingS  5,  14  aud)  nod;  borauSgefe^te  ©runbfa^  bom  Übel  als  ©träfe  ber  ©ünbe,  in  ber 
ber  5El)eobicee  neue  Sahnen  öffnenben  ©teile  3°  9^  3  O^-  H/  4  uno  bereits  2lm  13,  4) 
burcfybrocfyen.  40 

IV  £)te  ©efd)id)te  ber  jßorfel^ungSleb,  re  in  ber  d)riftlid)en  ^ i r et) e.  — 
Sitteratur:  ®ie  bogmengefdiidittic^eit  SKerfe  non  33aur  (2ef)t6ucf)  1847,  18673;  SSorfefungen 
3  58be  1865  ff.),  §agen6act)  1850  (18675),  £t)omafiu8  1874—1876  (1886— 18892),  g.  9Ji|fd) 
1870,  ^ornact,  3  «be  1888 ff.  (18943ff.),  Soofä  1889  (19074),  ©eebevg  1895—1898;  Älee 
(Satt).)  1837  ff.;  ©djiuane  (Sat^.)  1862 ff.,  ba^u  bie  ^onograptjien  über  bie  Geologie  ber  45 
StrrfjenDäter,  Sirc^enle^rer,  Reformatoren;  bie  ©erte  über  bte  ©efdjicbte  ber  Stjeologte;  aua) 
bie  Verarbeitung  be§  bogmeni)iftortfd)en  sI>lateriai§  in  ben  bereits  ermähnten  ©djvtften  oon 
Strauß,  Äat)ni§,  S)orner,  Siebermann,  —  ugl.  aud)  ben  9lrt.  Sßorfe^ung  im  Sird)enIejifon 
uun  «Seger  unb  «Seite,  33b  12.  —  £>ie  Geologie  ber  älbologeten,  bie  baS  Sfyriftentum  als 
einzig  fixere  unb  b,eilfame.  Weil  geoffenbarte  'pr/ilofobfue  faffen,  giebt  ib,ren  eigentümlichen,  &o 
aus  ber  Kombination  biblifdter  unb  fjellenifd;  ^l)ilofobf)ifd)er  ©ebanlen  erWadjfenen  ^nbalt 
ganj  befonberS  in  ber  isorfefyungSlefyre  ju  erlennen.  SDiefelbe  tritt  in  bewußten  ©egenfa^ 
gegen  ben  t)eibnifd)en  ^olbtb^eiSmuS,  ben  SDualiemuS  ber  ©noftiler  unb  sDJanid)äer,  ben 
Fatalismus  ber  @bifuräer  unb  ©toifer.  ®er  @ine  ©ott  ift  ber  ©cb,öbfer  ber  älklt,  ber 
Später,  ber  Regent  beS  SSBeltlaufS  unb  ber  Kirche,  ber  bie  6b,riften  ju  feinem  Soll  er=  65 
loren,  ber  in  tt)ren  §erjen  2öob,nung  mad;t  unb  tt)r  Seben  leitet,  liefen  ©ott  breifen 
bie  Slbologeten  mit  ben  üöorten  ber  griect)ifct)en  SöeltWeifen  (Ült^enagoraS,  Legat.  5.  6; 
bgl.  3;b,eobf)iluS  bon  2lntiod;ien,  Ad  Autol.  5;  QrenäuS,  Adv.  haer.  3,  25);  aud? 
barin  tritt  bie  33erWanbtfd/aft  ib,rer  33orfeb,ungSle|re  mit  ber  antilen  ^bilofobb,ie  berbor, 
bafe  fie  borWiegenb  foSmologifd)  intereffiert  ift.  ®ab,in  jielt  aucb,  bie  SSerbinbung  ber  eo 
biblifd;en  ©ebanfen  mit  ber   ftoifd;en  £el)re   bon   bem  in  ber  2öelt  Waltenben  göttlichen 


750  aSorfrijmtg 

SogoS.  Sltö  einjtg  Vernünftige  unb  burd)  ba§  Gfyriftentum  berbürgte,  bilbet  bie  mono= 
tl)eiftifd)e  SBelterllärung  ein  toefentIicf)eS  ©lieb  in  ber  Äette  ber  rationalen,  be3f)alb  gött= 
liefen  döyjuaza.  ^n  bemjelben  ©inne  erllären  fid)  bie  Vertreter  ber  nadjfolgenben 
aleranbrimfd)en  Geologie.  9la<§  Siemens  SUeEanbrinuS  ift  bie  Seugnung  ber  Vorfefmng 
s  ntdjt  nur  eine  Verleugnung  ber  ct)rtftlid)en  ©laubenSleljre  (Strom,  i,  11,  52),  fonbern  fte 
fd)Iiefjt  aud)  bie  Seugnung  beä  ®afein§  ©ottes  felbft  ein  unb  berbient  bafyer  nid)t  fo  fefyr 
Söiberlegung  als  ©träfe  (ib.  4,  15,  122);  ja  e§  ift  firafmürbig,  übertäubt  Vemeife  für 
eine  fo  ebibente  2SaIjri)eit  ju  forbern  (ib.  5,  1,  6).  Um  bie  Söfung  beS  VroblemS  ber 
Xfyeobicee  bemüht  fiel)  ©lemenS,  mie  aud)  fein  großer  ©d)üler  DrigeneS  unb  bie  fbäteren 

10  gried)ifd)en  Väter.  $l)rc  im  (Einzelnen  mannigfaltigen  S3erfuct)e  begegnen  fid)  barm,  bafs 
fte  emerfeitS  bie  menfd)licr)e  gretl)ett  unb  VerantmortIid)feit  ftarf  l)erborl)eben,  unb  anbrer= 
feitS  jebe  ©djulb  ©oiteS  an  bem  Vöfen  baburd)  auSfd)eiben,  baft  fie  erllären,  baS  Vöfe 
fyaU  fein  ©ein  unb  2öefen,  fei  nid)ts  VofittbeS,  fonbern  eine  reine  Negation  im  b!ato= 
nifd)en  ©inn  (DrigeneS,    in  Johann,  tom.  II,    c.  7;    de  princ.  II,  9.  2;    I,  5.  3; 

ij  2ltl)an.,  contra  gentes,  c.  6  unb  7;  VaftliuS,  in  Hexaem.  hom.  2,  4;  ©regor 
b.  Styffa,  Orat.  cateeh.  c.  6).  ,,-äJttt  ber  ©rlöfung  burd)  ߣ)riftuS  unb  mit  ber  $ird)e 
mürbe  ber  VorfefwngSglaube  nid)t  in  eine  fefte  Verbinbung  gefetjt;  benn  er  galt  eben  als 
VorauSfe^ung  berfelben  unb  als  ein  ©tüd  ber  natürlichen  ST^eoIogte"  (§arnad,  ®ogmen= 
gefdb.  II,  124).    SCro$bem  märe  eS  einfeitig  unb  unbillig  ju  beraubten,  bafj  baS  Qntereffe 

2f  ber  Vorfel)UngSler)re  ber  gried)ifd)en  Völler  ein  auSfd)liepd)  tI)eoretifd)eS  mar.  3n  i^ren 
baränetifdjen,  aSletifd)en  unb  mora!ifd)en  ©Triften  betonen  fte  bielmefyr  ben  ©lauben  an 
bie  Vorfefmng  als  ein  mirffameS  ^Dlottt)  lebenbigen  ©ottbertrauenS  inmitten  alfer  Ver= 
folgungen,  frommer  Ergebenheit  in  allen  Seiben  unb  Söibermärtigleiten  beS  (SrbenlebenS 
(@i)rtH  bon  ^erufalem,  Cateeh.  8,  4;  bef.  Sf)rt)foftomuS,  Homil.  de  statuis;  id.,  tleqi 

25  sljuaQjuevrjg  xal  jigovoiag  ad  Stagir.  LL3;  id,  de  diabolo  tentatore  hom.  3; 
id,  über  ad  eos,  qui  scandalizati  sunt  ob  adversitates,  quae  contigerunt;  feine 
legten  Söorte  Befamtttid):  Sofa  tco  §e(3  tkxvxcov  evekev;  bgl.  aud)  Xfyeoboret  bon 
@)ruS,  ©d)üler  beS  ßl)rr)foftomuS,  tteqi  kgovoia?  [jefm  Sieben]).  —  £>ie  ßuge^Brtglett 
ber  Vorfel)ungSlel)re  jur  natürlichen  SCbeoIogte  beben  aud)  bie  abenblänbifd)en  ©d)riftftefler 

30  nad)brücflid)  fyerbor.  ©o  nennen  ^ertullian  unb  9JimuciuS  $elir.  bie  2luSrufe  ber  Reiben 
quod  Deus  dederit,  Deus  videt,  Deo  commendo,  Deus  mihi  reddet,  ein  geugniS 
ber  ©eele  für  ben  ©ott  ber  Gfmften  unb  feine  atlmaltenbe  Vorfetmng  (^Eertullian,  De 
testimonio  animae,  aud)  Slbol.  17;  2RinuciuS  gelij,  Octav.  18).  ®ie  ©d)rift  beS  an 
ßicero   gefcbulten,    eine  ©fyntfyefe  bl)ilofobt)tfd)er  Silbung  unb   djriftlicfyer  ©ebanlen  an= 

35  ftrebenben  £actantiu§,  de  opificio  dei,  feiert  bie  fd)öne  unb  jmed;mä^ige  ©eftaltung 
be§  3Kenfc^en  nacb,  Seib  unb  ©eele,  unb  liefert  baburd;  einen  namhaften  Veitrag  gur  Ve= 
arbeitung  ber  VorfelwngSlefyre.  ®ie  gelegentliche,  oft  citterte  Slu^erung  beö  §icront)mu§, 
meld)er  e3  ungereimt  finbet,  ba^  bie  göttliche  Söeltregierung  auf  ba§  ^leinfte  fid)  erftreefe 
(Comment.  in  Abacuc  1,  14:  Absurdum  est  ad   hoc  deducere  Dei  majestatem, 

40  ut  sciat  per  momenta  singula,  quot  nascantur  culices  quotve  moriantur),  ift 
bogmenfyiftorifct)  nid)t  roeiter  beamtet  morben.  3)ia^gebenb  bagegen  unb  lj)öd£)ft  folgenreich 
tourbe  3luguftin^  Stellung  jur  §rage.  ®urd)  bie  3ufammenfaffunÖ  biblifc^er,  fbejiell 
baulinifd)er,  unb  neubIatonifcf;er  ©eban!en  gelangt  er  ju  einer  beterminiftifd}  orien= 
tierten  Vorfef)ung§Iel;re,   bie    einerfeit§    gegen   bie  ©bicuräer   unb  SJlanicf^äer,  anbrerfeitö 

45  gegen  bie  Velagianer  ba§  einheitliche  göttliche  Söalten  in  ber  natürlichen  ©d)öbfung 
mie  in  ber  übernatürlichen  Drbnung  ber  ©nabe  ju  toab,ren  fudbt.  ®er  Vegriff 
be§  StfaM  ift  ein  ©r^eugni»  ber  Dberfläd>lid)!eit  ober  ber  Unmiffenlieit  ber  9Kenfd)en; 
in  gBat)rt)ett  finb  alle  in  ber  ©cfybbfung  mir!enben  Gräfte  ber  göttlichen  Vor= 
feb,ung  unbebingt  untertfyan  (In  Ps.  148;    De  Gen.  c.  Manich.)-     Stuf   baS   ©inline 

so  roie  auf  ba§  ©anje  erftredt  fieb,  ©otteä  Vor-feb,ung,  bie  gerabe  in  bem  Unfcfyeinbarften  bie 
b,öd)fte  Vetounberung  berbient  (De  Gen.  ad  litt.  3,  14;  Serm.  119).  2öie  ber  Vegriff 
be§  gufafte,  fo  ift  aud)  ber  be§  ©cb,ic!ial§  unjuläffig  (De  civ.  Dei  1,  5).  Von  b,ier  au3 
ift  aud;  bie  Definition  beö  SSunberä  al^  eineä  nid)t  gegen  bie  in  ©otte<§  SöiCen  be= 
grünbete  gjaturorbnung,  mob,l  aber  im  Söiberfbrud)  mit  unfrer  befd)ränlten  ^atur!enntni§ 

55  ftattfinbenben  Vorgangs  (Contra  Faustum  26,  3 ;  %.  5Ru3fd),  2luguftin§  Seb,re  bom 
2öunber  1865)  ju  erllären.  ®ie  9tacb,mirfung  neublatonifd;er  ©ebanlen  im  3ufammen= 
l)ang  ber  djriftlidben  Sßeltanfd;auung  ift  befonberS  in  2luguftin§  ^eobtcee  mafjrneb,  mbar : 
ba§  Vöfe  ift  blofse  Negation  ober  $ribation  be§  ©uten  (Enchir.  ad  Laurent,  c.  11; 
de  civ.  Dei  11,  9.  22;  12,  7;    Conf.  7,  12, -«18).     $m  Organismus   beS    UniberfumS 

60  ift  aud)  ba§,    toaS   für  fid)   unbollfommen  erfd)eint,  »ol)I  berechtigt  unb  bient  baju,  bie 


SSorfeljttrtg  751 

Üsoßfommenfycit  be§  ©an^en  ju  erbten  (De  eiv.  Dei  11,  2:].  11;    de   natura   boni, 
c.  15;  epist.  5.  28;  Enchiridion   ad  Laurent,  c.  10  ff.)-    ®teS  fcfyliefjt  bie  Deutung 
be§  Übelö  al§  ©träfe  rtid^t  au§   (In  Joann.  hom.  55;   de  civ.  Dei  !),  3),    aber   and) 
bem  ©uteri  finb  auf  äße  $äHe  §eimfucfmngen  fyeilfam  vel   ad   perficiendam   vel    ad 
confirmandam  vel  ad  probandam  virtutem    (Contra    Faustum  22).      ®a3  fitt=   5 
lieb,  33öfe  Witt  ©ott  niemals  bofitib;   er  Würbe  e3  aber  audj  nidjt  einmal  plaffen,  Wenn 
er  e3  nicfyt  jum  ©uten  ju  lenlen  Wüjjte:   fo   fyat  nad;  @otte§  ^atfdjlufj  ber  ©ttrgeij  ber 
Corner  bem  5Heid^e  @b,rifti   bie  2öege  bereitet  (de  civ.  Dei  7,  30).    ©o  bient  jebe  33e= 
tfyätigung  ber   menfcfylicfyen  §reib,eit  bem  Pane   ber  SSorfefmng    (ib.  5,  9).    £)ie  23öfen 
tonnen,    Wenn  fie   aud)   nod)   fo  fe£>r  gegen  ©ottes»  Söitlen  I)anbeln,    bie  2lbficf)ten  be§  10 
fyöcbjten  SSeltregiererS  nid)t   bereitein   (De  praedest.  sanctorum  16,  33).    SDiefe  ©e= 
banlen  finb  in  ber  abologeiifcfyen  ©d)rtft  de  civitate  Dei  (412—426)  ju  einem  genialen 
©tyftem  d)riftlid)er  ©efcfyicltsptnlofobljne    erweitert   Worben.  —  ©leicfyfallso  ber  Übergang^ 
geit  bon  ber  römifdjen  §errfdEmft  jum  Einbringen  ber  Barbaren  gehört  ©albtanS  ©djrift 
de  gubernatione  Dei   libri  VIII,    ein  £)enfmal   grof^ügiger    tfyeologifdiier   ©efc^ic^  15 
betradjtung,   welche    al§    Ie£te§    ©ebetmnts>    ber    bamals»   bie    ©emüter    erfdjmtternben 
3Beltfataftrobb,en    baS    Urteil    au§fbrid)t:    bie    Sßkltgefdndrte    als    ©otteS   SBeltgericfyt. 
—    Wti    auguftinifcfyem    Material    operieren    alle    mittelalterlichen   ^irc^ettlebrer ,    in= 
bem  aud)  biejenigen,  bie  fid)  in  Wefentlicfyen  fünften  bon  ifym  entfernen,   fic^>  auf  feine 
Slutorität  berufen.    2lm  engften  fct)lie$t  fid)  bem  großen  $irdj)enbater  XfyomaS  bon  2tquino  20 
an,  ber  ba§  Sefyrftücf  bon  ber  3Sorfeb,ung  unter  bem  £itel  De  conservatione  et  guber- 
natione rerum  im  erften  S£eil  ber  Summa  befyanbelt:  bef.  Qu.  103—117     SSor  itmt 
Ratten  Slnfelm  unb  Slbälarb  namentlich  gum  Problem  ber  5Lt)eobtcee  ©teHung  genommen. 
Seibe  lehrten,  ©ott  fyabe  bie  möglicbjt  befte  Söelt  gefdjjaffen,    Wie   er   übertäubt  alles  fo 
gut  mad) e,  als>  e§  nur  fein  fann  (2lnfelm,  Dial.  de  ver.  c.  7 :  omne  quod  est,  recti  25 
est  —  Slbälarb,  bem  iimäuS  ^3Iato§  jufiimmenb,   Introd.  ad  Theol.  III,  5:    Deum 
nullatenus  mundum  meliorem  potuisse  facere,  quam  fecerit.).    3>m  ©egenfa|  ju 
biefem  DbttmtSmuS   berWtrft  £>ugo  bon  ©t.  Victor  bie  33el)aubtung  al§   gottesläfterltd;, 
bafe  ©ott  md)t§  anbereS  unb  nid)t3  beffereS  machen  fbnne,  Weil  baburd)  ber  unenblicfyen 
3Jlact)t  ©otte§  SDtaf?  unb  ^iel  gefe$t  Werbe  (Siebner,  §ugo  b.  ©.  Victor,  ©.  367—368).  so 
@ine  au^erorbentlidje  Erweiterung  b/at  bie  äSorfebungSlefyre  bei  %fyoma§  Stquinag  erfahren. 
Dbgleid)  bie  religiöfen  Sftottbe  unb  galtoren  ber  Sefore  beutlid)  er!ennbar  finb,  trägt  biefelbe 
bod)  ein  entfd)ieben  foSmologifcfyeS  ©ebräge  unb  geftaltet  fid)  $u  einer  großartig  angelegten 
bernünftigen  Söelterflärung  be§  ßfyriftentumS.   ©cfyö'bfung  unb  Erhaltung  finb  ibentifd;  in 
§tnfid)t  ber  £I)ätigfeit  ©otteS,   berfcfyieben   in  §infid;t   ber  fefunbären  ttrfad)en,    burd;  35 
toeld}e  bie  S^ätigfeit  ©otte§  in  ber  Erhaltung  bermittelt  toirb.M  ®a§  Normale  ift,    ba^ 
bie  Äaufalität  ©otte§  in  ben   causis   secundis   tt)ir!t;    ein   Überspringen  ber   le^teren 
feiten^  beä  aßmäd)tigen  SöiHenS  ©otte§  begrünbet  ein  SSunber.   3n  Der  gubernatio  ift 
ju  unterfd} eiben  bie  ratio  gubernationis  unb  bie  exeeutio ;  in  erfter  äBejiefmng  fyanbelt  ©Ott 
immediate,  in  ber  gibeiten  mediantibus  causis.    ©0  betoegt  ©ott  Serftanb  unb  Söillen  40 
be§  ÜJtenfd^en,  aber  sie  movendo  non  cogit  voluntatem,  quia  dat  et  ejus  propriam 
inclinationem.  ®er  ftarf  beterminiftifd)e  Qua,,  welcher  bie  ©efamtanfd)auung  be§  %l)oma§ 
beb,errfd)t,  wirb  in  ber  ^ßrarig  burd;  ben  tirc|lid)en  ©emibelagiantemug  gemilbert,  ber  eine 
relatibe  Slnerfennung  bes  greib,  einbegriffen  berlangt.    Sreffenb  bemerft  Soofo,  e§  fei  für 
bie  £)ogmengefcr;idE)te  bon  grofeer  S3ebeutung  geworben,  baf$  %fyoma§  feinen  ^ilofobfjifd^en  45 
®etermim§mu3  mit  ber  auguftinifd}=bräbeftinatianifd)en  ^rabition  fombinierte:  5präbeftination 
unb  ÜRebrobation    finb   ib,m   lebiglid?  ©bejialformen  ber  göttlichen  ^ßrobibenj,  b.  i).  ber 
S3ebingtb,eit  alle§  ©efct)eb)ertg  burc|  ©Ott,  ber  prineipium  et  finis  rerum  ift.     2tud)  in 
ber  S^eobtcee,  bie  im  13.  ^cib^imtort  gegenüber   ben  buaüftifcfyen  ©e!ten  toieber  fräftig 
bearbeitet  tourbe,  fcb,Iie^t  fict;  %fyoma§  enge  an  2luguftin  an.    @r  l)at  ben  ©ebanfen  nieb^t  bo 
gefreut,   bafj  ©ott  quasi  per  aeeidens  bie  corruptiones  rerum   bewirft;   benn   bie 
perfectio  rerum  universitatis  requirit,  ut  non  solum  sint  entia  incorruptibilia, 
set  etiam  corruptibilia;    barau3   folge  aber,   bafs  bie  perfectio  universi  SSefen  ber= 
langt,  VoeIcr)e  bom  ©uten  abfallen  !önnen,   ex    eo   sequitur  ea  interdum  deficere, 
P,  I,   Qu.  48,  art.  2   (£amacl,  Sogmengefcb,.  III,   450—451).  —  ®er  ©egenfa^  beö  65 
©unS  ©cotuS  gegen  ben  ©eterminiSmuS  bes>  SE^omaS  bon  Slqutno  ift  mir  ein  relatiber; 
feine  ©tärfe  liegt  bor  allem  in  ber  ^ritif  (bgl.  namentlich  bie  ^rtti!  ber  £eb,re  SlugufttnS 
unb  2lnfelm§  bom  malum;    äßerner,   SDunS  ©cotuS,  ©.  402  ff.).  —  £)te  in  ber  mittel* 
alterlidjen  ©ntmidelung  immer  meb,r  b,erbortretenbe  3luSfcb,eibung  auguftinifeber  ©ebanfen 
rief  aueb,  im  Seretd)  ber  Sefyre  bon  ber  göttlid;en  3Sorfef)ung  9teaftionen  ^erbor,  bie  ©r=  60 


752  $orfrf)ung 

Wäljmung  berbienen.  ©o  machte  %f)omaä  bon  SrabWarbina  (geft.  1349)  bie  beter= 
minifttfdjen  ©ebanfen  beS  £Ij)omiSmu3  mit  @tfer  gegenüber  ber  jüngeren  ©djolafttf  geltenb. 
VefonberS  War  es>  Sßiclef,  ber  in  feinem  Trialogus  einen  entfdjneben  beterminiftifcfien 
©tanbpunlt  bertrat.  Omnia  quae  eveniunt,  de  necessitate  eveniunt.  —  Deus 
5  necessitat  ereaturas  singulas  activas  ad  quemlibet  actum  suum  (4,  13;  2,  14). 
—  Qnbeffen,  Wie  fefyr  bie  fpefulatibe  unb  bialeftifcfye  ©ebanfenarbeit  ber  ^atrtfttfd^en  unb 
fa;oIaftifd)en  Geologie  ftct)  bem  Sefyrftüdf:  bon  ber  göttlichen  Vorfeljmng  jugeWenbet  fyatte, 
eine  firdjlicfye  Seb/rentfct/eibung  ift  im  ©djofte  beS  ^atfyoltciSmuS  über  biefeS  Sogma  erft 
in  neuerer  geit  getroffen  Worben.    SaS  ^ribentinum  §at  fidj  über  bie  $rage  Weber   in 

10  feinen  Sefreten  nocb,  „in  feinen  (SanoneS  auSgefprocfyen.  dagegen  enthält  ber  römifdje 
ÄatecfyiSmuS  einige  Slufjerungen,  bie  bem  ^totä  unb  bem  (Sfyaralter  be§  2ßerfe§  ent= 
fprecfyenb  nicfyt  in  bie  ir/eologifcf)en  $ontroberfen  eingreifen,  ben  VorfetmngSglauben  aber 
auf  einen  populären  fafslicfyen  ShtSbrucf'  bringen.  Qn  ber  ©rflärung  be§  1.  2trtilel§  beS 
2lpoftoIicum   betont  ber  $atecr)i§mu3,  bafj  nicfyt  nur  ba§  ©afein  aller  Singe  allein  burct) 

15  bie  2lHmacr;t,  2öei3l)eit  unb  ©üte  ©otteS  bewirft  Werben  fonnte,  fonbern  bafj  aucb,  nactj 
Votlenbung  beS  ©cfyöpfungStoerfeS  bie  göttliche  VorfeI)ung  äße  gefcfjaffenen  Singe  be= 
ftänbig  begleitet  unb  fie  mit  berfelben  $raft  erhält,  Womit  fie  in§  Safein  gerufen  finb; 
bafe  biefe  Vorfelnmg  fotoob/l  alles  ert/ält  unb  regiert,  als  aucr)  Urfactje  aHer  VeWegung 
unb  2öirffamfeit  ber  ©efcf,öpfe  ift  (I,  1,  5,  §  47,  @b.  Sans).    Sei  ber   Deutung  be§ 

20  §errengebetS  bringt  ber  Oatech.  rom.  ben  Segriff  mit  bem  Vatemamen  ©otteS  in  Ver= 
binbung:  bie  Vaterfct;aft  ©otteS  erfyeHe  ex  locis  creationis,  gubernationis  et  redemp- 
tionis  (De  oratione  dominica,  c.  I,  §  730;  @b.  San^,  bgl.  c.  V,  §  747;  c.  VI, 
§  750).  —  ©inen  gWar  rtid^t  burcfj  Originalität  ber  ©ebanlen,  aber  burct)  fyinreiftenbe 
Rfyetortf  ausgezeichneten  (SntWurf  fau)olifc|er  ©eftfjttfjtSpt/üofopbie  giebt  Voffuet  in  feinem 

25  Discours  sur  l'histoire  universelle  (1681).  —  $m  ©egenfa|  nid)t  foWoljl  gegen  bie 
Seiften  beS  18.  3jflfyrb,uttbert3  als  gegen  ben  neueren  RaturaliSmuS  unb  2ftateriaIiSmuS 
gab,  nacfy  bem  bereits  burcb,  ViuS  IX.  im  ©r/HabuS  berfud)ten  2tnfa£  (Verurteilung,  ber 
prop.  II:  neganda  est  omnis  Dei  actio  in  homines  et  mundum),  baS  Vattcanum 
eine  ©rllärung   ab,   welche  beSfyalb  bon  grunblegenber  Sötcfjtigleit  ift,   Weil  fie  bie  erfte 

so  offizielle  burcb,  bie  fattwlifcr)e  ^ircfje  aufgeftellte  bogmatifcb,e  Definition  ber  göttlichen  Vor= 
fefyung  enthält.  Rad)  Verurteilung  ber  berfcljiebenen  formen  beS  2ttI)eiSmuS  mürben  bem 
urfprünglic^en  ©cr)ema  ber  ^onftitution  De  Fide,  c.  I:  de  deo  omnium  rerum 
creatore,  folgenbe  ©ä£e  beigefügt  unb  aucb,  in  ben  ■Jejt  ber  Selrete  aufgenommen: 
Universa  vero,    quae  condidit,    Deus  Providentia  sua  tuetur  atque  gubernat, 

35  attingens  a  fine  ad  finem  fortiter  et  disponens  omnia  suaviter.  Omnia  enim 
nuda  et  aperta  sunt  oculis  ejus,  ea  etiam,  quae  libera  creaturarum  actione 
futura  sunt.  Surcf)  lederen  ©a$  foHte  nacb,  ber  (Mlärung  beS  Referenten  (2Mfcf/ofS 
©affer  bon  Vrirm)  ber  zweifelhaften  unb  unbeftimmten  2tuSbrucfStoeife  getoiffer  latb,o= 
lifcfyer  Geologen  (unter  anbern  ©üntb,erä)  bie  ©buje   abgebrochen,   unb   bie  bogmatifcr) 

40  feftfteb,enbe  Seb,re  bon  bem  göttlichen  Vor^ertniffen  aller  Singe,  aucb,  ber  gufünftigen 
freien  §anblungen  (futura  libera)  Har  b,erborgel)oben  toerben.  Coli.  Lac.  7,  105, 
emendatio  8a;  bgl.  85.  99.  109.  1671  (Söefeer  unb  SBelte.  Slircbenlerifon2  12  [1899], 
1109). 

_  Sie  in  ber  Iatf)oIifcl)en  ^ircfie   überlieferte  Vorfeljmngglefyre   iourbe  burcb,  bie  3Refor= 

45  mation  nicbt  einer  mit  roof>I  ermogener  2lbfic£)t  geplanten  unb  burcfygefüfyrten  bogmatifc^en 
Umbilbung  ober  Stebifion  unterworfen.  2luf  biefem  ©ebiete  toaren  fidj  bie  Väter  ber 
ebangelifdien  ^ircb,e  !einegtoegg  bemufet,  jur  'Xrabition  eine  gegenfäpcfye  ©tellung  ein= 
juneb^men.  Unb  bocb,  bebeutet  bie  Reformation  eine  mistige  (gpoc^e,  \a  einen  entfcb,eiben= 
ben  SSenbepunft  in  ber  ©ntwicMungSgefcr/icfyte  be§  d^rtftlid^ett  Vorfe^ung^glaubenS.   Ricb,t 

so  au§  tb,eorettfd;en  Vebürfniffen  unb  Qntereffen,  fonbern  bom  praltifc^en  ©eficb^täpunlt  be§ 
mieber  Har  formulierten  ^bealg  ebangelifd)er  grömmigleit  au$  erfuhr  jener  ©laube  eine 
SBanbelung,  bie  in  bem  grunblegenben  ^eugniffe  Sutljerö  unb  in  ben  flaffifcfyen  Urlunben 
ber  bon  ifym  ausgegangenen  ^irc^enerneuerung  mit  befonberer  ©efoalt  unb  Seutlicb,!eit 
f>erbortritt,  aber  ebenfalls,    wenn   aucb,    nicb,t   immer  in  berfelben  gorm  unb  in  gleichem 

55  3ufammen§ang,  auf  reformiertem  Soben  Wab,rjuneb,men  ift.  Siefe  tief  eingreifenbe  Um= 
Wanblung  liegt  in  bem  ©runbfa|  enthalten,  bafe  bie  einfachen  fittlicb,en  Vflicb,ten  bie 
oberften  ReligionSpfIicb,ten  beS  Stiften  finb,  bafj  ber  Wa^re  ©otteSbienft  fic|  innerhalb 
ber  natürlichen  SebenSorbnungen  burc§  bie  Siebe  jum  Ränften  ^u  betätigen  b,at,  ba^  bie 
©emeinfcb,aft  mit  ©ott  rttc&t  jenfeitS  ber  menfcfylicfyen  Seftimmung  ju  erftreben  ift,  fonbern 

eo  auf  ©runb  ber  göttlichen  ©nabe  unb  in  ber  Straft  beS  göttlichen  ©eifteS  im  ©etrtebe  ber 


»orfdjmig  753 

2BeIt  if>re  Sertoirflicbung  finbet.  SDemnact)  liegt  ber  ©cfytoerbunft  beS  cfyrtftlicben  5ßor= 
fefyungSglaubenS  nicfyt  in  einer  £l)eorie  ber  SBelterflärung,  in  einem  bfyilofopfüfcfyen  ober 
bogmatifcfyen  Skrfucr;,  bie  in  ©ott  begrünbete  Drbnung  ber  gefcfyaffenen  SDinge  ju  beuten, 
fonbern  in  ber  praftifd)  ju  erlebenben  ©etoipeit  ber  bäterlidjen  gürforge  unb  Seitung 
beS  in  @I)riftuS  uns  offenbaren  unb  auf  unfer  £>eil  gerichteten  ©otteS.  SDiefe  (SrtenntniS  5 
aber  ift  ntc^t  ©ad)e  ber  Vernunft,  fonbern  beS  ©laubeng,  benn  ©ott  in  ^erjlic^er  $u= 
berficfct  unb  finblidjem  Vertrauen  als  feinen  allmächtigen  ©cfyöbfer  unb  (Srfyalter,  als 
feinen  lieben  bimmlifd)en  SSater  anerkennen  unb  erfaffen,  in  leiner  -ftot  an  ifym  jtoeifeln, 
ju  ü)m  fid)  alles  ©uten  berfefyen,  baS  bermag  nur  berjenige,  ber  Gfyriftum  als  baS  Sßfanb 
ber  göttlichen  ©nabe  ergriffen  unb  in  tt)tn  Vergebung  ber  ©ünben,  Seben  unb  ©eligfeit  10 
gefunben  b^at.  ®er  fo  geartete,  auf  ben  göttlichen  §etI§miHen  in  ßI)riftuS  ficb,  grünbenbe 
3>orfeI)ungSglaube  erfd)eittt  Sutfyer  gerabeju  al§  bie  tontoenbiarifcbe  3ufammenfaffun0  oe^ 
gangen  SfSriftentumS.  „©olcfyer  ©taub,  ber  eS  toagt  auf  ©ott,  toie  bon  il)m  gefagt  toirb, 
eS  fei  im  Seben  ober  ©terben,  ber  mad^t  allein  einen  Sfyriftenmenfcfyen  unb  »erlangt  bon 
©ott  alles  toaS  er  toiH"  (^urje  gorm  .  ß%  22,  15).  tiefer  ©taube  eräugt  aucf,  is 
ein  SCfyeobicee,  inbem  er  bem  Problem  be§  Übels  eine  braftifcfye  Söfung  giebt,  toeld)e  bie 
©efyeimniffe  unb  SWätfel  nicfyt  befeitigt,  ben  ©Triften  aber  burcfy  bie  ©etoifjfjeit  einer  9Zot 
unb  SEob,  ©ünbe  unb  ©ctymer^  übertotnbenben  Siebe  jur  §errfdj>aft  über  bie  Söelt  ergebt 
(De  libertate  christiana,  Op.  lat.,  @rl.  4,  231;  SutfyerS  Briefe,  be  SSette  4,  53; 
Cat.  major  II,  17—23).  Qn  benfelben  Sahnen  toanbelt  9JMand)tf)on,  fobalb  er  ficb,  20 
nur  barum  bemüht,  ben  et>angelifcf)en  §eilSglauben  auSjufbrecfyen  (Loci  1521,  ed.  $olbe, 
©.  176);  fjat  er  bod)  aud)  ganj  im©inne  SutI)erS  ben  3Sorfe^ungSgIauben  in  ber  2IugS= 
burgifcfyen  ^onfeffion  als  ^ßrobe  ber  erlebten  SSerfölmung  getoertet:  Jam  qui  seit  se 
per  Christum  habere  propitium  Patrem,  is  vere  novit  Deum,  seit  se  ei 
curae  esse,   invocat  eum,  denique  non  est  sine  Deo,    sicut  gentes  Sine  25 

fide  (humana  natura)  non  invocat  Deum,    a  Deo  nihil  exspeetat,    non    tolerat 
crucem,  sedquaerit  humana  praesidia,  confidit  humanis  praesidiis  (2trt.  XX,  24.37). 
@benfo  bezeugt  bie  älbologte  §u  toteberbolten  9JcaIen,    bafj  biefer  ©taube  als  res  supra 
naturam  nietjt  im  Vermögen  beS  fünbigen  SRenfcben  liegt  (II,  8.  18.  34.  35;  III,  14. 
46.  182;  VIII,  73),  btelmebr  nur  bom  berföfynten,  gläubigen  ßliriften  geübt  toerben  !ann  30 
(II,  45;  III,  4.  20).  —  £)ie  Sebeutung,  toelcfye  ber  ^ecbtfertigungSglaube  für  bie  Iutt)e= 
rtf4>e  ^römmigleit  fyat,   nimmt  im  ©ebo^e  ber  reformierten  Äircfye  ber  $räbeftinationS= 
glaube  in  2Infbrud).    SBeiberfeitS  bilbet  baS  religiöfe  ^ntereffe  ber  §eilSgetoif$eit  bie  ©eele 
beS  neuen  ©laubenSlebenS.    S3eftebt  bemnad)  §toifct)en  ber  @rtoäI)IungSlef)re  unb  bem  2el)r= 
ftücf  bon  ber  Providentia  auf  reformiertem  Soben  ein  unleugbarer  ßufammenbang,  fo  35 
liegt  gerabe  barin  ein  SBetoeiS  unb  eine  ©etoäi)r  für  ben   eminent  braftifd)en  ßfyarafter 
bei  reformierten  SSorfefjmngSglaubenS.    Sei  gtoingli,   bem  £>umaniften  unter  ben  SSätern 
ber  reformierten  Strebe,  berbedt  gutoeilen   bie  bfyilofoblnfd)e  Formulierung  ber  ©ebanlen 
bie  braftifd)  religiöfen  SRotibe  ber  SSorfebungöIebre,  fie  finb  aber  aufy  unter  ber  fbelula= 
tiben  §üEe  noeb,  beutlicr)  erkennbar,    ©eine  2lbfyanblung  über  bie  3Sorfeb,ung,  eine  feiner  *o 
gereifteften  ©Triften  (Op.  lat.   ed.  ©d)uler=©cbultl)ef$  IV,  2,  79  sq.),   füfyrt  ^oeen  aus, 
bie  er  in  einer  ^ßrebigt  bor  ^ßfyiübfc  bon  §effen  in  Harburg  (1529)  au§gefbrocb,en  blatte, 
©ott  ift  baS  ©ein  fcl)lecb,tb,in  unb  baS  ©ute  fd)led)tl)in,  aUeS  ©ein  unb  alles  ©ute;  btev= 
auS  folgt,  bafj  aufeer  ib,m  nichts  erjftiert;    aHeS,  toaS  ift,  ift  in  if)tn  unb  auS  ib,m;  ©ott 
ift  baS  Söefen  bon  allem;    @r  ift  bie   einige  im  boHen  ©inne  fo  ju  nennenbe  Urfaa^e « 
bon  altem,  bie  enblid)en  Urfacb,en   bagegen   finb   blofe  äftittelurfadpen,   nur   bie  unfelbft= 
ftänbigen  Organe  beS  unenblid^en  ©eifteS:  ja  bie  9fatur  ift  ©ott  felbft  (a.  a.  D.  p.  90,  87 
3SgI.  In  Luc.  VI,  a.  619).    @S  !ann  mithin  nichts  geben,   n>aS  bon  ©ott  unabhängig 
toäre,  toaS  nieb^t  bureb,  bie  33orfeI)ung  beftimmt  toäre.   %\t  bod)  bie  2Sorfeb,ung  perpetuum 
et  immutabile  rerum  universarum  regnum  et  administratio  (a.  a.  D.  84).    2öenn  ßo 
bie  33orfeb,ung  unabänberlicb,  unb  aHtoirlfam  ift,  fo  toirb  ber  freie  Sßille  beS  5Renfd)en  in 
bie  göttlid^e  SEb,ätig!eit  aufgehoben.    2öte  foUte  bemnad)  ber  ©laubige  baju  fommen,  ficb, 
für  frei  ^u  fjalten?    ©lauben  Reifet  auf  fein   eigenes  SSerbienft  toergiebten;    ber  ©laube, 
bon  ©ott  gefd^enft,  lebrt  uns,  bajj  ©ott  alles  wirft  unb  toir  nid)tS.    2öir  finb  alfo  nur 
2Ber!^euge  in  ber  §anb  ©otteS;  aßeS,  toaS  toir  tbun,  ift  in  le^ter  Sejie^ung  fein  2öerf,  66 
unb  bon  einer  greifyeit,  bie  ettoaS  anberS,  als  Slb^ängigleit  bon  ©Ott  toäre,   lann   ntebt 
bie  9tebe  fein.    SDiefer,    in   feiner  Formulierung   bureb,    ben  ©toiciSinuS    unb  ben  9ieu= 
blatoniSmuS  ber  3f{enaiffance  (^3tcuS  bon  9Jciranbula)  be|errfd)te  ^Determinismus,  entfbrang 
jtoar  in  letzter  ^nftang  einem   religiöfen  ^rttereffe,   bem   SebürfniS,    bie   ©laubenS=  unb 
^eilSgetoifjfeit  auf  ©otteS  untoanbelbaren  Sßillen  ju  grünben ;    er  mufjte  aber  fd)lie^licb  ßo 

SHeot=®nc^Ho))äbie  für  Ideologie  unb  Sir^e.    3.  81.  XX.  48 


754  aSorfeljuttiJ 

©ott  felber  jum  Urheber  beS  Ü6el§  unb  beS  SBöfen  machen.  gmingli  fdjridt  bor  btefer 
ßonfequenj  nic^t  jurüd,  beten  2tnftofj  er  burd;  bie  @r!lärung  ju  bef  eiligen  meint,  ber 
fittlicfye  ÜWafjftab  fei  nur  auf  ben  unter  bem  ©efe£  fteljenben  9Jcenfcr)en,  ntdjt  auf  ben 
über  baS  ©efe|   erhabenen  ©ott  antoenbbar.    gnnnglis  33orfeI;ungSgebanfe  getoinnt  erft 

5  in  bem  ©rmäfylungSglauben  feine  fonfrete  S3e§iet>ung  unb  feine  fyeilSgefdncb,  tlicfye  fbe^fifd; 
d;rifilid;e  Seftimmtfyeit.  —  ©in  ©Ieicr)eS  Icifjt  fict),  toenn  aud;  nid)t  gang  unbebtngt, 
bon  ßalbtn  fagen.  StllerbingS  erfahren  in  ber  Institutio  bie  beiben  Sefyrftüde,  baS  bon 
ber  Providentia  unb  baS  bon  ber  aeterna  Dei  electio,  eine  gefonberte  SBefyanblung.  QeneS 
toirb  in  ben  brei  ©djlufjtabiteln  beS  erften  93ud^eö  bargeftellt  (c.  16:    Deum  sua  virtute 

10  mundum  a  se  conditum  fovere  ac  tueri,  et  singulas  eius  partes  sua  Providentia 
regere;  c.  17:  Quorsum  et  in  quem  scopum  referenda  sit  haec  doctrina,  ut  nobie 
constet  eius  utilitas;  c.  18:  Deum  ita  impiorum  operä  uti,  et  animos  flectere  ad 
exsequenda  sua  iudicia,  utpurus  ipseab  omni  labe  maneat);  baS  ©ribäbJungSbogma 
roirb  im  britten  33ud;e,  im  ßufammen^ange  ber  fbejififd;  cfyriftlicfyen  $eilslel)re,  als  33orauS= 

15  fe^ung  unb  ©runblage  berfelben  enitoidelt  (Cap.  21— 24).  @S  beraubtet  inbeffen  bereits 
im  erften  33ud;  ber  ©ebanfe  beS  paternus  Dei  favor  eine  bominierenbe  ©teHe  (I, 
16,  1),  unb  ber  ©egenfa|  jtoifd^en  bem  carnis  sensus  unb  ber  fides,  roelcfye  aHein  bie 
specialis  Dei  cura  wafn^uner/men  bermag  (ib.,  bgl.  I,  17,  6:  ^Berufung  auf  baS 
christianum  pectus,  bie  pietatis  regula,  bie  pia  sanctaque  meditatio)  bewegt  fid; 

20  ganj  in  ben  ©buren  ber  burd;  £utl)erS  ©eift  befjerrfcf/ten  ebangeüfdjen  grömmigfeit  (bgl. 
III,  8,  1).  SDaSfelbe  gilt  bon  ber  SLbeobtcee  (talbinS,  bie  tbrert  fd)önften  SluSbrud  in 
ben  1554  gehaltenen  ^ßrebigten  über  baS  33ud)  §iob  (CK  23b  33—35)  gefunben  unb 
fid;  in  bem  an  9Jö  8,  36  fid;  anfdjliefjenben  ©a£  gufammenfaffen  läjjt,  „Puisque  Dieu 
nous  aime,  nous  ne  serons  jamais  confus :  et  tant  s'en  faut  que  nos  afflictions 

25  empechent  nostre  salut,  qu'elles  nous  seront  tournees  en  aide,  et  Dieu  be- 
songnera  en  teile  sorte  que  nostre  salut  sera  avance  par  ce  moyen-la"  (CR 
33,  87).  3>n  bemfelben  ©inn  fbricr/t  fid;  bie  gleichfalls  mit  ßalbin  in  utfäd)Iid;em  $u= 
fammenb,ang  ftebertbe  frangöfifcbe  ^onfeffion  auS:  „Dieu  a  des  moyens  admirables 
de  se  servir   tellement  des  diables   et  des  mechants,    qu'il    sait    convertir  en 

30  bien   le  mal    qu'ils    fönt   et  duquel   ils    sont  coupables  Dieu   qui  a  toutes 

choses  suiettes  ä  soy,  vieille  sur  nous  d'un  soin  paternel,  tellement  qu'il  ne 
tombera  point  un  cheveu  de  nostre  teste  sans  son  vouloir  (Slrt.  8).  tiefer  burd; 
ben  genuin  ebangelifcfyen  ©laubenSbegriff  bertiefte,  aus  ber  3Serför)nung  burd;  (EbriftuS 
abgeleitete  33orfetmngSgebanfe  gelangt  aud)  in  ber  erften  $rage  beS  §etbelberger  $atecf)is= 

35  muS  ju  beutltdjem  unb  berebtem  SluSbrud :  „äöaS  ift  bein  einiger  Sroft  im  Sebcn  unb 
im  ©terben?  ©afj  id;  mit  Seib  unb  ©eele,  beibeS  im  Seben  unb  im  ©terben,  nidjt 
mein,  fonbern  meinet  getreuen  £>eilanbeS  ^efu  Gfynftt  eigen  bin,  ber  mit  feinem  teuern 
SBIute  für  alle  meine  ©ünben  boüiommen  begablt  unb  micb,  auS  aller  ©einalt  beSleufelS 
erlöft  fjat  unb  alfo  betoafyrt,  bafj  ofyne  ben  9BiHen  meines  33aterS  im  §immel  fein  §aar 

40  bon  meinem  §aubte  fallen  lann,   ja   mir  aud;  aßeS   ju  meiner  ©eligleit  bienen  muft" 
©ie  fbejieH  ber  göttlichen  33orfefmng  gemibmeten  fragen  (27 — 28)   fiebert  baS  religiöfe 
©rgebniä  ber  ©laubenSerJenntniS  ba^in,   „ba^  toir  in  aller  SBibertoärtigfeit  gebulbig,  in 
©lüdfeligfeit  banlbar  unb  aufy  julünftig  guter  ^M^fidjt  ju  unferm  getreuen  ©ott  unb 
aSater   fein  foHen,   bafj  un§  leine  Kreatur  bon   feiner  Siebe  fctjeiben  wirb,    bietoeil   aUe 

45  Kreaturen  alfo  in  feiner  §anb  finb,  bafe  fie  fid;  ofyne  feinen  Sßiüen  aud)  nidjt  regen  unb 
betoegen  fönnen"  (3Sgl.  aud;  Confessio  Belgica,  art.  14;  allgemeinere,  gegen  bie  fbe= 
äififd)  d;riftlid)e  Segrünbung  me^r  neutrale  gaffung  Conf.  helvetica  posterior,  art.  6).  — 
Seiber  bermod;te  eS  bie  ebangelifdje  Strebe  rtiebt,  fieb,  auf  ber  burd)  bie  Deformation  er= 
reiften  ^öb^e  ju  beraubten.    ®ie  ©djolafti!  ber  broteftantifd;en  Drttjobojie   toufcte   ba§ 

so  religiöfe  ^ntereffe  be<§  reformatorifd;en  3Sorfel)ungSglaubenS  nur  in  geringem  2Jcaf$e  ju 
toab^ren  unb  au§jufbred)en.  ^nbem  fie  biefen  ©lauben  einfad;  ^ur  natürlichen  Geologie 
fd;Iug  unb  ib,n  bon  ber  (Srfaf>rung  ber  Sßerfö^nung  loSlöfte,  entleerte  fie  ifm  feines  fbejififcb, 
d;riftlid;en  ^nb,alteS  unb  etfdjütterte  feine  im  ©bangelium  rufjenbe  Segrünbung  (9titfd)I, 
D.  u.  33.  *I,  181  ff.  348 ff.;  ©ef^te  beS  petiSmuS  I,  86;  II,  7).     ©amit  roar  aueb, 

65  bie  Sluflöfung  ber  in  ber  §eiIloffenbarung  tourjelnben  braltifcljen  ©laubenSgebanfen  in 
tbeDrettfcbe  ©befulationen  über  baS  SSerbältntg  ©otteS  jur  SSelt  gegeben,  unb  bie  IoS= 
moIogifd;e  £eb,rtoetfe  ber  großen  mittelalterlichen  ©cb,o!aftifer  erneuert.  gragefteKung, 
Terminologie,  2öfungSberfucb,e  roetfen  eine  innere  3Sertoanbtfd;aft  beiber  ©ebanfenmelten 
auf.    yiaty  biefer  ©dpltfyeologie  gebort  bie  3Sorfeb^ungSleb,re  ju  ben  articuli  fidei  mixti, 

60  b.  b;.  ju  ben  3Bab,rb,eiten,   bie  bereits  ber  Vernunft   jugänglid;   finb,  aber   erft  auS   ber 


$orfeI)ittij}  ?55 

f;l.  ©cljrift   in  ifyrem  öoEen  Umfang  unb   tfyrem  legten  ©runbe  erfannt  Werben   fönnen. 
211S  innergöttlicfyeS  Xfyun  umfajjt  bie  Providentia  brei Sftomente:  1.  VKTiQÖyvcoaig, 
praevisio,  ben  2lft  beS  gbttltd^en  33erftanbeS,  bermöge  beffen  er  borauSerfennt,  WaS  ben 
©efc^öpfen  juträglicb,   tft;    2.  bte  TtQÖ&soig,    propositum    s.   decretum,   ber  2lft  beS 
göttlichen  2BiHenS,  Vermöge  beffen  er  baS  als  zuträglictj  ©rfannte  ins  2öerf  ju  fe|en  be=  b 
abftcfjtigt ;  3.  bie  dioixrjon;,  decreti  illius  executio,  bte  (Spaltung  unb  Regierung  ber 
©efcfyöbfe   felbft.     Severe   bilbet   bereits  ben  Übergang   jur  33orfet;ung   als  §anbeln 
gegenüber  ber  2Selt,  bte   in  t^rem  3Sottjug   ein  opus  ad  extra  ber  ^rinität  ift: 
beS  Katers  (>  5,  17),    beS  ©ob,neS  Qo  5,  17;    Kol  1,  17;    §br  1,  3),    beS  ty.  ©eifteS 
Oßf  104,  30).    Wafy  ber  bollenbeten  ©eftaltung  ber  Sefyre  feit  Quenftebt,  ermeift  fia)  bie  io 
33orfcf;ung  ©otieS  näfyer  barin,  bafc  ©Ott  1.  baS  in  ber  2Selt  ©efctjaffene  erhält  (con- 
servatio),  bafj  er  2.  bei  allem,  WaS  geftfjiefyt,  mitwirft(coop er atio,  con cur sus), 
unb  3.  alles  in  ber  Söelt  lenlt   unb   leitet  (gubernatio).     1.  3)ie  conservatio   ift 
bie  (Spaltung  foWof)!  ber  einfachen  ©runbfubftanjen  (im  ©egenfa£  jur  annihilatio)  als  beS 
SSBeltjufammenb, angS  (im  ©egenfatj  jur  destructio).  $)a  nämlia)  bie  gefcfyaffenen  2öefen  ntd^t  15 
in  ftd)  felbft  bie  Kraft  ifyreS  gortbeftefyenS  fyaben,  mürbe  bie  2Mt  in  baS  -JiicfytS  jurücffinfen, 
Wenn  biefelbe  ©otteSmacfyt,  bie  alle  SDinge  gefcfyaffen  t)at,  fie   nicfyt  aucf)  allezeit  erhielte. 
©eSfyalb   bie    er^altenbe  SE^ättgfctt  ©otteS    auct;    als   creatio  continuata   gefaxt  mirb. 
2.  Sft  bie  erfyaltenbe  ©egenWart  ©otteS  eine  aftibe,   fo  erftrecft  fie  fiel;  aucb,  auf  alle  in 
ber  2SeIt  borgefjenben  S>eränberungen  unb  §anblungen.  5Rit  ber  SLfyätigfeit  ber  enblicfe,  en  20 
Kraft  mirlt  bie  abfolute  Wad)t  ©otteS  jum  gemeinfamen  ©rfolg.     ©0  geWifj  aber  ©Ott 
in  allem  WaS  gefcljiefyt  gegenwärtig  unb  Wtrffam  ift,   fo  ift  boctj  bie  2lrt  feinet  SBirfenS 
eine  tmcfyft  berfcfnebene,    je  na<fy  ber  SBefcfyaffentjeit  ber  mitwirfenben  Urfacfyen  (causae 
secundae).    ©0  mirb  j.  23.  ©ott  bei  bem  üßolljug  ber  böfen  §anblungen  nicfyt  in  eine 
innerlich  unmögliche  äkrbinbung   mit  bem  SBöfen  gefegt,    benn    er  wirft    nur    mit    ber  25 
§anblung  als  §anblung,   ntdjt  mit  ber  böfen  §anblung  als  böfer;   bei   bem   bfytyfifcfjen 
Sft  ift  ©ott  Wirffam  mitbeteiligt,  aber  ntcljt  bei  ber  fittlictjen  (ober  bielmefyr  unfittltctjen) 
Sefcljaffenfyeit  ber  ,§anblung:    Deus  concurrit  ad  effectum,  non  ad  defectum,  — 
ad  materiale,  non  ad  formale.  —  3.  £>aS  feinen  ewigen  9teicf;Sämed:en  entfbred;enbe 
regierenbe  SBirfen  ©otteS  betätigt  fic§  in  bierfacfyer  Söeife.  3unäd)ft  al§3u"affun9/ 30 
permissio  (t>on  Sutfyer  1525  unb  DJJelan^on  aU  frigidum  glossema,  toon  ßalbin 
al§  ©otteSläfterung  oertoorfen),   ein  ©efd)e^enlaffen  ber  freien  §anblungen,  benen  ©ott 
leinen   3roanS   antb,un   mill,    fbejiell   be§  Söfen,  ba§  er  oft  bis   jum   2;age  beS  ©e= 
rtd^tg  unb  ber  ©träfe  bulbet:  ©ott  überlädt   ba§  ermatte  SBoIE    ben  Segierben    feinet 
§erjen§  (?ßf  81,  13)  unb   liefert   bie  §eibenroelt  ber  fünbigen  9Jlacf)t  aus  (SRö  1  24,  28).  35 
®ann  bewirft  ©ott  bermöge  ber  §inberung  (impeditio),   ba|  getoiffe  ^anblungen 
nia)t  ju  ftanbe  fommen,  unb  beugt  baburcb,  auc^  ben  ebentueUen  folgen  berfelben  bor:  er 
f)inbert  St&tmeled)  fiel)  an  ©ara  gu  berfünbigen  (®en  20,  6),  Saban,  ^^cob  ein  2eibe§  ju 
tb,un(©en  31,  24),  Sileam,  bem  SBoIIe  S^rael  ju  fluten  (3ium  22,  12 ff.),  ben  ajfortfc&en 
König  ©anb,erib,  ^wufalem  einzunehmen  (2  Kg  19,  35).  Dber  auc^  ©ott  giebt  bem  2:fwn  40 
ber  ^ienfe^en  eine  anbere  9ücl;tung  (directio),  al§  if)re  Stbficfyt  mar:   läfet  er  boej) 
©uteS  au§  Sofern  Verborgenen,  mie  bie  ©efcfjic^te  3ofebl;S  leb,rt  (©en  50,  20),  ober,  Wie 
bei  ©aul  unb®abib,  menfcf)licl)eS  St^un  einen  unbeabftcfytigten  ©rfolg  ftnben(l  ©a9, 17; 
10,21;  16,  7  ff.).    Dber  enbltct)  er  fe|t  ber  £eiftungSfäf)igfeit,  ben  §anblungen  unb  ben 
SOSiberfafjrniffen  ber  Kreaturen  befummle  ©renken,  innerhalb  beren  fie  fiel;  galten  muffen :  45 
fo  Werben  ben  -Kationen,  bie  ©ott  als  ßud;trute  gegen  ^Srael  gebraucht,  unüberfteigbare 
©cljranfen  gefegt  (de  ter  min  atio)  (^ef  10,  12  ff.).  —  ®ie  2$orfeb,ung  btykfyt  ftdE)  auf 
aßeS,  aucf)  auf  baS  ©eringfte  («ßf  147,  9;  3Rt  6,  26f. ;  10,  29;  £c  12,  6),  aber  ntc&t  auf 
alles  in  ber  gleichen  SBeife:    bie  Kreatur  übertäubt  ift  ©egenftanb  ber  Providentia 
generalis  ober  universalis;  bie  Providentia  specialis  geb,t  bie  SRenfcfyen  so 
an,  jeben  ©injelnen,  bie  33öfen  foWof)l  Wie  bie  ©uten ;  bie  frommen  unb  gläubigen  SRenfctjen, 
um  berenwilten  bie  Sßelt  bon  ©ott  noef)  erhalten  Wirb,  bilben  baS  Dbjeft  ber  pro  vi 
dentia   specialissima.     ©eroölmliclj  tooUgte^t    fiel;  bie   göttliche  vi>orfef)ung   bureb, 
natürliche  3!Jlittelurfacf)en,   fie  bringt  aber  aueb,   au^erorbentlid)e  ÜJttttel,   b,öl;ere  2öunber= 
fräfte  in  SlnWenbung:   barauf   beruht    bie   Unterfc|eibung   ber   Providentia  ordi-55 
naria  unb  extraordinaria.  —  SiefeS  Jompltgterte  ©ebilbe  fctjolaftifcf^er  2beoIogie, 
in  Welchem  religiöfe  ©laubenSgebanfen  mit  b£nlofobl)ifd)en  ^ntereffen  unb  Problemen  ju 
einem  oft  biSbaraten  ©anjen  jufammengequält  Werben,   blieb   längere  ßeit  baS  ©emein= 
gut  ber  bogmatifdjen  ©cfmlen  beiber  Konf effionen ;   benn  bie  ^ifferenjbunfte,  Welclie  bie 
lutberifdbe  unb  reformierte  Sebrroeife  cbarafterifteren,  finb  im  Hergleicb,  jur  ©emeinfamfeit  eo 

■18* 


756  »orfeljung 

ber  ©efamtauffaffung,  §ur  Wefentlid)en  Qbentität  ber  SCRet^obe,  bon  untergeorbneter  23e= 
beutung.  Um  bie  gelten  unb  botten  klänge  beS  ebangeltfd)=reformatorifd)en  33orfef>ungS= 
glaubeng  in  jenem  Zeitalter  bogmatifcb,er  Sserljol^ung  toieber  ju  finben,  mu|  man  ftcb,  bon 
bem  ©ebiete  ber  ©ctjultfyeologte  entfernen  unb  ftcr;  ben  unmittelbaren  @r$eugniffen  d£>rift= 
5  Iicf)en  ©eifteS  jumenben,  in  melden  eine  lebenbige  grömmigfeit  bie  geffeln  ber  über= 
lieferten  ©djmltfyeologie  fbrengie  unb  fict)  auf  bie  tiefften  Sßurjeln  ibjer  ^raft  befann. 
3m  ^irdienlieb  unb  in  ber  (SrbauungSlitteratur  gelangte  ber  fbegififcb,  djiriftlidjie  93or= 
fet^ungSglaube  ju  Dottern  unb  reinem  2luSbrud,  ber  §öf)enlage  beS  ed)t  reformatorifdjen 
gfyriftentumS  entfbredjenb.    £>er  Siebter  ber  flaffifcfyen  Sieber  „Sefieb,!  bu  beine  Söege", 

10  „2öarum  fottt'  tef)  mid)  benn  grämen",  „$ft  ©Ott  für  mid),  fo  trete",  erblidte  in  ber 
©emeinfdiaft  mit  ©ott  burd)  GfyriftuS  ben  mirffamen  ©rfenntniSgrunb  ber  23orfeb,ung 
©otteS  unb  erfcfylofs  in  ber  23erföb,nung  ben  Duett  beS  religiöfen  greifyeitSgefübJs,  in 
meinem  baS  ©emüt  bie  ©eligfeit  be§  ©otteStmbeS  unb  bie  $errfcr)aft  über  bie  SBelt  er= 
lebt,  ©aburd)  t/aben  $aul  ©erwarbt  unb  feine  ©enoffen,  $.  glemming  (,,^n  atten  meinen 

15  Saaten"),  ©.  Neumarf  („2Ber  nur  ben  lieben  ©ott  läfjt  malten")  ftcr;  als  bie  eckten 
jünger  SutfyerS  ertoiefen  (f.  bie  geiftbotte  parallele  ber  SSorfe^ung^Iieber  ©erb/arbtS  unb 
©ettertS,  bei  NitfcbJ,  Rechtfertigung  unb  Verformung  IIP  [1888],  176— 179).  —  3«i  3eit= 
alter  beS  PetiSmuS  fnübft  fieb,  an  bie  Stiftung  beS  SßaifenfyaufeS  in  £>atte  ein  ©treit, 
beffen  güb/rung  unb  (Ergebnis  auf  ben  in  ben  Greifen  ber  ^ietiften,   toieaueb,  im  Säger 

20  ber  Drtfyoborje  fyerrfcfyenben  ©lauben  ein  belefyrenbeS  Sid)t  Verbreitet.  Über  bie  erften 
jel)n  $al)re  feit  bem  33au  be§  £>aufeS  berietet  grande  felbft  in  „©egenSbotte  gufsfiabfen 
beS  nod)  lebenben  unb  maltenben,  liebreichen  unb  getreuen  ©otteS,  gur  23efd)ämung  beS 
Unglaubens  unb  ©tärhmg  beS  ©laubenS,  entbedet  burcr)  eine  toar/rt/afte  unb  öerftänbltd^e 
9?acr)rid)t  bon  bem  Söaifen^aufe  unb   übrigen  SCnftalien   ju  ©laucfya  bor  §atte",  too^u 

25  noeb,  fieben  gortfe|ungen  ber  Nachrichten  fommen(1701 — 1709).  ®ie  ©djrift  berjeid^net 
alle  gur  ©rricfytung  ber  SInftatten  gefanbten  ©aben,  breift  bie  munberbaren  ©ebetS= 
erb)örungen  unb  (Srlöfungen,  unb  feiert  baS  ganje  2Berf  als  ein  SDenfmal  ber  Provi- 
dentia specialissima.  ®ie  gegen  biefe  ftunbgebung  gerichtete  ^olemif  SS.  @.  SöfdjerS 
(1707)  mitt  gtoar  bem   in  biefer  Stiftung   betoäbjten  ©ottbertrauen  feine  2lner!ennung 

30  nid)t  borentfyalten,  fucfyt  aber  burd;  ben  Nachweis  ber  getoör/nltcfyen  9JcitteI,  bie  baju  auf= 
geboten  Werben,  bie  ganje  ©act)e  aus  bem  ©ebiete  ber  befonbern  göttlichen  gürforge  ju 
erjniieren  unb  in  ben  Sereid)  beS  rein  natürlichen  ©efcfyefyenS  ju  berlegen.  £)ie  ben 
Söfdjerfcfyen  Ausführungen  ju  ©runbe  liegenbe  93orauSfe|ung  geb, t  bab,in,  „ba|  bie  menfd;= 
licb,e  33ermittelung  bie  33erfnübfung   bureb,  ©otteS  ©egen   unb  Seitung   ausliefet,   ba^ 

35  alfo  ettoaä  in  bem  SJiafs  au§  bem  Umfang  ber  göttlichen  ^ßrobibenj  heraustritt,  als  e§ 
mit  mcnfcfyücfyen  Mitteln  ju  ftanbe  gebraut  mirb  .  SöfcfjerS  Uritt!  ift  ber  befte  33emei3 
bafür,  ba§  in  bem  ©efüge  ber  luti).  Dogmatil  bie  religiöfe  Sffieltanfc^auung  auSgetrocfnet 
war"  (9tttfc$I,  ©efeb,.  b.  ^ietiSmuS  II,  278).  —  ©ie  §od)f)aItung  be§  SSorfc^ungSglaubenS 
ift  auet)  eine  toefentlicfye  Signatur  beS  StationaliSmuS  (SHitfd;!,  91  u.  35.  III3,  179),  ber 

40  babureb,  nid;t  nur  feinen  bofitiben  ^ufammenfjang  mit  ber  ebangelifdjen  grömmigfeit, 
fonbern  aud;,  menigftenS  in  einer  namhaften  3^^  feiner  Vertreter,  feine  angeftammte 
Sermanbtfdiaft  mit  bem  £>attefd)en  ^ietiSmuS  !unbgiebt.  Itterbingl  ift  bie  gärbung  biefeS 
©eban!enS  in  beiben  ÜRicfytungen  berfdjieben.  93Jo  ber  Nationalismus  nur  eine  befonbere 
©rfdjeinung  beS  ©ctfteS  ber  SlufHärung,   baS   fyetfjt   eine  ©manjibation  ber   allgemeinen 

45  JMturintereffen  auS  bem  Sann  beS  Strd^ltc^en  ©ubranaturaliSmuS  barftettt,  geftaltet  fieb, 
bie  Seb,re  bon  ber  ^robibenj  gu  einem  mefentlidien  ©tüd  ber  fog.  natürlidjen  2!{)eoIogie, 
bie  mit  ber  urfbrünglicfyen  gefd)icb,tSlofen  93ernunftreIigion  ^ufammenfättt,  toie  fie  in@ng= 
lanb  bureb,  bie  ©eiften  Jonftruiert,  in  granfeetd)  burd)  33oItaire  als  abftrafte  33erftanbS= 
boftrin  borgetragen,  burd;  3iouffeau  als  berfönlid;e  Überzeugung  mit  Innreifsenbem  ^atb.oS 

50  gebrebigt  iburbe  (Profession  de  foi  du  vicaire  savoyard).  Slud;  SeffingS 
befannter  2luffa|  über  bie  „(Sräiefyung  beS  gJcenfc&.engefc^led^tS"  trägt  ein  borwiegenb 
intetteltualiftifcb.eS  ©ebräge:  fwnbelt  eS  fict)  boct)  Weniger  um  eine  Weltregierenbe  Xfyäti^ 
feit  ©otteS,  als  um  %oretifd;e  Untertoeifung  eines  SefjrerS,  ber  feinen  ©cljülern,  um 
ib,nen  nad)3ub,elfen,    Singe  im  borauS  mitteilt,    auf  toelcfye  fie  mit  ber  3«^  <w<fy  bon 

55  felbft  geraten  mären.  ®en  cfyriftlidjen  J^ern  beS  33orfeb,ungSglaubenS  beS  Nationalismus, 
ber  fid)  in  ber  güfyrung  be§  SebenS  oft  genug  braftifcb,  bewährte,  barf  bie  gefc^madlofe 
gorm  nid)t  berbeden,  bie  biefer  ©laube  meiftenS  annahm,  fotool^l  bie  toeid)lid)e  ©enti= 
mentalität  als  aud)  bie  lleinbürgertic^e  Nü^li^feitSlrämerei,  bie  in  ber  Sreittretung  beS 
fog.  bb,t)filotf)eoIogifcb/en  SetoeifeS   für  baS  ® afein  ©otteS  fid;  nid;t   genug   tb,un   lonnte. 

60  3BaS  inSbefonbere  baS  Problem  ber  STt)eobtcee  betrifft,  fo  fyatte  bereits  Seibnij  bem  DbtimiS= 


SBorfc^uttg  757 

mu§  ber  im  Zeitalter  bcr  Aufflärung  fjerrfcbenben  $obularbbilofobl;ie  bie  Salm  gebrochen  in 
feinem  E  ssaide  theodicee  surlabontedeDieu,lalibertede  l'homme 
et  l'origine  du  mal,    Amfterbam  1710:  bie  Slbatfäcblicbfeit  ber  Übel  in  ber  2BeIt 
bilbei  feine  3nftanj  gegen  i^en  ürfbrung  au<3  allgütiger  unb  allmächtiger  ©d;öbfertf)ätig= 
feit.    $)a<§  bftyfifdbe  Hebel  i[t  in  ber  fittlicben  Sßeltorbnung  eine  notmenbige  golge  be§  s 
moralifeben  Üebeb3:  e§  ift  bie  natürliche  ©träfe  ber  ©ünbe.    ®a3  moralifebe  Übel  aber  bat 
feinen  ©runb   in  ber  (Enblidbfeit  unb  Sefcftränftfyeit   ber  (Siefdbö^fe :    biefe   ift  baS  meta= 
bfmfifdbe  Übel.    £>a  nun  (Enblicfyfeit  jum  Segriffe  be<§  ©efct)öpfeg  gebort  unb  Sefcbränft= 
beit  ba§  Söefen  aller  Kreatur  ift,    märe  eine  an§  lauter  bollfommenen  SSefen  beftefyenbe 
2Belt   eine  contradictio  in  adjeeto:    eine  SBelt    ob,  ne  Übel    ift    bemnaef)    unbenfbar.  10 
2lnbererfeit§  unterliegt  bieSföelt  ber  Äategorie  beS^ufaßg  unb  berlontingenj;  fie  erjftiert 
nicht  mit  metabt)t;fifd;er  Rotmenbigfeit,   fonbem  bureb,    eine  AuSmalbl  unter  bielen  5Rög= 
liebfeiten.    ®ie  ©üte  unb  2öei§f>eit,  mit  meiner  ©ott  biefe  2Sat)l  boHjieb^t,  bürgt  bafür, 
bafj  unfere  SBelt  bie  befte  unter  ben   möglichen  2BeIten  ift.  —  SDtefer  burd)   ba§  (Erb= 
beben  bon  Siffabon  1755  gewaltig   erfdbütterte  Dbtimt3mu<§  (Sütgert,   £)te  @rfcb,ütterung  v> 
be§  DbtimigmuS  burd;   ba§  (Erbbeben  bon  Siffabon  1755.    (Sin  Seitrag   jur  Äritif  be§ 
Sorfelmnggglaubeng  ber  Aufflärung,  1901)  erfuhr  burd)  SoItaireS  Candide  (1759)  eine 
Abfertigung,  in  welcher  irontfebe  ^ribolität  unb  febarffinnige  Reflexion  jur  Segrünbung 
einer  ffebtifd;   beffimiftifcfyen  SBeltanfcfjaung  einen  unheimlichen  Sunb   fcf;Iiej$en.  —  SDen 
benfbar  tiefften  $ontraft   mit    biefer  fyölmifcfyen  ©timmung    bilbet   ber    eble  (Srnft,    mit  20 
meinem  Kant  bem  tob^fifotfyeologifdben  Setoeig   feine  Slnerfennung   goßt,   Wenn  er   tf)m 
aueb   ebenfoWenig    ftrifte   Seroeistf'raft   jutraut  Wie  bem  fos>mologifd;en   unb  bem  onto= 
logifeben.  —  ®ie  Stellung  ber  neueren  Geologen  unb  ^3biIofob_ben  jum  SorfefmngSgebanfen 
ift  felbftberftänblid;  burd;  tfyren  allgemeinen,  beiftifeb. en,  pantfyeiftifdjen  ober  tfyeiftifcben  ©tanb= 
bunft  bebingt.  ©ine  befonbere  (Erwähnung  berbient  ©ebleiermacberg  Serfud;,  ber  im  mefent=  25 
liefert  feine  in  ber  (Einleitung  be£  „d)riftlid;en  ©Iauben§"  ausgekrochene  Anficht  über 
ba§  allgemeine  3Serb ältniS  ^nrifcb  en  ©ott  unb  SBelt,  toie  eS  im  fcblecbtbintgen  Abf)ängigfeit3= 
gefübl  auSgebrüdt  ift,  mit  einge^enber  unb  umfaffenber  Segrünbung  borträgt  „£>a§  fromme 
©elbftbeWufjtfein,  Vermöge  beffen  mir  alles,  ma§  uns  erregt  unb  auf  uns  eintoirft,  in  bie  fd)ledb> 
Innige  Abhängigkeit  bon  ©ott  fteßen,   fällt  ganj  jufammen  mit  ber  (Einfielt,  bafc   eben  30 
biefeS  aüeg  burd;  ben  Raturäufammenljang  bebingt  unb  beftimmt  ift.    AuS  bem  3;ntereffe 
ber  gtömmigfeit  fann  nie  ein  SebürfniS  entfielen,  eine  Sübatfacbe  fo  auf §uf äffen,  bafj  burd; 
tbre  Abfyängigfeit  bon  ©ott   tbr  Sebingtfein  burd;   ben  SRaturjufammen^ang  aufgehoben 
toerbe.     (Erregungen  beS  ©elbfibeWufjtfeinS,  meiere   SebenSfyemmungen  auSbrüden,  finb 
boßfommen  ebenfo  in  bie  f(f)le<J;tl)mige  Slb^ängigfeit  bon  ©ott  ^u  fteßen,  wie  biejenigen,  35 
toeldje   eine  2ebem§förberung  au^brüden.     Dh  ba§,   mag  unfer  ©elbftbemu&tfein   erregt, 
mithin  auf  un§  eintoirft,  auf  irgenb  einen  %eil  be§  fog.  5naturmecb,anigmu§  jurüdjufüljren 
ift,  ober  auf  bie  SCBättgfeit  freier  llrfadben:   ba§   eine  ift   boEfommen   ebenfo   mie  ba§ 
anbere  bon  ©ott  georbnet"  (SDer  d;riftlicb,e  ©laube2,   §  46—49).    ®ie  Folgerungen  au§ 
biefen  ^3rämiffen  b,at  ©d;Ieiermad;er  in  feinem  -Jöunberbegriff  unb  feiner  Sluffaffung  bom  tu 
Übel  geigen  (a.  a.  D.  §  13.  14.  47.  81.  82).    $)en  ©tanbbunft  ber  £egelfd;en  ©befu= 
lation  bertritt  ©traufs,    melier  bie  SBeltregierung   afö   „bie  ben  fo§mifd;en  Gräften  unb 
beren  2Serb,ältniffen   felbft  immanente  Vernunft"   bejeicb,net,  unb  bag  ©ebet  auflöft  in 
„Äontemblation",   fraft  beren   ber  SRenfcb,  „auZ  ber  §i^e  unb  Unruhe"  ber  'jJagegarbeit 
fieb,    „in   bie  füb,lenbe  'Stefe  be§  (Einen  ©runbeö   aller  2)inge  berfenft"  (Sie  cfyriftlicbe  45 
©Iauben§leb,re  II,  384.  390).  —  (Sine  bb.ilofobb^ifc^e  ©runblage   für  bie  £eb,re  bon  ber 
göttlichen  33orfef;ung  ftellten  bie  ÜBemüfyungen  um  bie  Darlegung  ber  metabfyr/fifcben  Se= 
beutung  ber  ^erfönlid;feit   im  Kampfe   gegen  ben  $antl;ei§mug  b,er:   in  biefer  9?id;tung 
mirften  3.  £.  gid;te,  6b,r.  Söeife,  ülrici.    ®en   fd;roPen  ©egenfa^   unb   bie  energifebfte 
3teaftion   gegen  ben  burd;  ©binoja  ober  §egel  bebingten  '»ßantfyeiSmug  rebräfentiert  auf  30 
bem  Soben  ber  ebangelifd;en  Rheologie  SRUfd;!,  ber  in  bireftem  Slnfcblu^   an  bie  refor= 
matorifd;en  ©runbgebanfen  ben  SSorfe^ungsglauben  unmittelbar   mit  bem  ©lauben   an 
bie   bureb   ßb,riftu§  boübradbte  Serföfmung   berbinbet   unb   benfelben   al§  bie  gunftion 
fafet,   bie  fid;   in  ber  religiöfen  ^errfebaft  über  bie  Söelt,   in  ben  ^ugenben  ber  ©ebulb 
unb  ber  £>emut  unb  in  bem  bertrauengbollen  ©ebete  betätigt  (Rechtfertigung  unb  3Ser=  65 
fölmung  III,   §  63—66;   Unterricht   in   ber   c&ttftlidjien  Religion4  1890,   t?  17.  18).  — 
Ueber  ben  ©tanb  ber  grage   auf  blnlofobbjfcbem  ©ebiete  orientieren  bie  (Einleitungen  in 
bie  ^bilofobb.  ie  bon  SB.  Söunbt,  D.  Rütye,  3.  Solfelt,  %.  ^aulfen,  mie  auo^  bie  betreffen* 
ben  Seiträge   in   ber  bon  $.  §inneberg  herausgegebenen  Kultur  ber  ©cgenmart  (Jeil  I, 
Abteilung  5:  Siagemeinc  ©efo;id)te  bei  ^ilofob^ie.  Abteilung  6:  ©t;ftem  ber  ^ilofobfjie).  m 


758  SSorfe^ung 

V.  ßritifdjes  unb  fr/ftematifdjes  (Srgebnis.  —  £eber 33erfua),  bie  ct)rtfilid)e 
Sefyre  bon  ber  göttlichen  SBorfeljmng  einheitlich  barguftellen  unb  übergeugenb  gu  begrünben, 
mu|  fiel;  barum  bemühen,  ben  au§  bem  ©bangelium  gefd^ö^ften  Wefentlicben  ©lauben£= 
infyalt  in  feinem  religiöfen  üem  gu  erfaffen  unb  auf  feinen  reinen  unb  boHen  2luSbrud 

5  gu  bringen.  25a£  geugntS  bon  ber  bem  an  6I)riftu3  ©laubenben  geWiffen  SSirflicfyfett 
gilt  eS  bon  aßen  fragen  Io§gutöfen  unb  frei  gu  [teilen,  bie  über  ben  ©lauben  fnnau3= 
gelten  unb  bie  nur  infofern  ein  bogmaiifdjeS  Qntereffe  fyaben,  als  ifyre  falfcfye  33eantWor= 
tung  geeignet  ift,  ba§  d^rtftltd^e  £>eilSbeWufstfein  gu  trüben  unb  bie  cfyrtftltdje  grömmigfeit 
gu  gefäfyrben.    Qu  biefer  gragcftellung  nötigt  uns  foWobJt  bie  in  ben  Urlunben  Sllten 

10  unb  Sfauen  SefiamenteS  berfünbigte  §eilSoffenbarung  als  aud)  bie  treibenben  ©runb= 
motibe  unb  baS  lebenbige  ^ntereffe  beS  reformatorifcfyen  £>eiISglaubenS.  (§S  ergiebt  ftct) 
in  ber  %fyat  auS  bem  obigen  biblifo>tf)eologtfd)en  SntWurf  (Sftum.  II— III),  bafs  über 
bie  Raffung  unb  ^Beantwortung  beS  Problems  ber  göttlichen  23orfer)ung  in  ber  b,I.  ©cfyrift 
ein  burct)ger)enber  religiöfer  ^onfenfuS  fyerrfcfyt,  nad)  meiern  bie  gange  $rage  nid)t  in  ben 

15  Sereid;  ber  tl)eoretifcb^toiffenfd)aftIicr)en  ©otieS=  unb  Söelterflärung  fällt,  fonbern  bor  baS 
gorum  ber  fubjeftiben,  branifcf)ert,  teleologifd)  orientierten  religiöfen  ©IaubenSbetraa)tung 
gehört.  2lnbererfeitS  liegt  baS  neue,  originelle,  fruchtbare  unb  Wafyrfyaft  förbernbe  unb 
toeiterbilbenbe  -JJcoment  ber  ref  ormatorifcfyen  ätuffaffung  (-Jtum  IV)  barin,  bafj  fie  gtoar  nid) t 
allfeitig  unb  boUftänbig,  Wor/I  aber  bringibiell  mit  bem  ^rtteßeltualiSmuS  ber  mittelalterlichen 

20  ©ci)olafiiI  gebrochen  unb  ben  toerfönlidjen,  ftitlid^=religtöfen  ©jarafter  beS  d^riftlid^en  SSor= 
feljmngSglaubenS  auS  ber  SBerquicfung  mit  loSmologifd;en  unb  metabb^fifcfien  Problemen 
errettet  unb  gurüderobert  I)at.  ®er  3tüdfaH  ber  broteftaniifcr;=ortfyoborm  ©dmltfyeologie  in 
bie  borreformatorifdje  33etrad>tungS=  unb  33  efyanblungS  Weife  barf  beSfyalb  für  bie  ©eftaltung 
ber  ebangelifcfyen  SSorfeb/ungSletjre  ntct)t  mafsgebenb  fein;  bielmet)r  ift  eS  bie  Aufgabe  ber 

25  ©laubenSler/re,  ben  in  ber  1)1.  ©cf)rift  gegebenen  Slnbeutungen  gu  folgen  unb  auf  ber 
burcb,  unfre  Reformatoren,  bor  allem  burd?  £utr;er,  geWiefenen  33ab,n  fortgufdjreiten.  ÜJcact) 
biefem  ^anon  fyat  ftcb,  bei  ber  Formulierung  ib/rer  ©rgebniffe,  bie  fritifcfye  unb  bie  fr/ftema= 
tifdje  2lrbeit  gu  rieten.  SDie  I)ier  ausgekrochene  drfenntniS  ift,  nad)  ©djIetermadjerS 
fruchtbarer,  ieboct)  nicbt  Wiberfbrud)Iofer  Anregung,   aucb,   unter  bem  kräftigen,   oft   aber 

30  einfeitigen  Vorgang  9titfct)lS,  bon  einer  fo  beträchtlichen  3tngat)I  neuerer  Geologen  ber= 
treten,  bafj  man,  bei  aller  bogmatifdjen  SlbWeicr/ung  im  ©ingelnen,  bod)  bon  einer  fel)r 
entfd)iebenen  Übereinftimmung  eb.=brot.  Geologie  gu  reben  berechtigt  ift  (Ritfcb,!,  StbfiuS3, 
$.  ©ct)ul|,  §errmann,&aftan,  ^Eröltfcr),  §amad,g.  9ci|fcf),  9?eifcl)Ie,  Sornemann,£oof§,|)äring, 
®enbt,  §aubt,  ^irn,  Kavier,  ©eeberg,  im  toeiten  Umfang  auc^>  21.  b.  Öttingen  unb  ^ßfleiberer). 

85  ©ie  ©cfeultbeologie  ber  broteftantifd^en  (Sbtgonen  fc^manlt  unficfyer  jtotfd|en  ber 
teleologifcb^en  ober  gläubigen  unb  ber  f aufalert  ober  natürlichen  Söeltbetract) tung ;  fie  über= 
ftet)t  eS,  ba|  biefe  nur  bie  unabtrennbar  jufammengel)örigen  ©eitert  einer  unb  berfelben 
SBeltanfict)t  barftellen.  2Bof)I  feb^It  ibr  bie  ©eroi^ett  nicbt,  ba^  bie  übergreifenbe  göttliche 
Ideologie  fic|  aufy  beä  mecb,anifct;en  Raturjufammen^angS  al§  eines  9JcitteI§  gur  ®urct> 

40  füb^rung  eines  einheitlichen  §eil^tbecle§  bebient;  aEein  eS  gelingt  ibr  nicf;t,  biefe  ©laubenS= 
getoipeit  beftimmt  unb  Kar  in  ber  SBeife  gu  formulieren,  ba^  fie  bor  ungebührlicher 
©rengüberfct)reitung  beiber  ©ebiete  gefcfyü^t  bliebe.  2ln  ber  unKaren  SSerquicfung  beiber 
Setra^tungötbeifen  Rängen  alle  gebier  unb  SSerirrungen,  in  meiere  bie  ortfyobor.e  ©cb,o= 
laftif,  bei  aller  anerlennenimerten  Vertretung   ber  mefentlid;  ct)riftlicr)en  ^ntereffen  gegen 

45  ®eiSmu§  unb  $antb,etsmu3,  boct}  immer  tbieber  geriet,  tiefes  foIgenfcf)r»ere  33erfef)tt 
geigt  fid)  bereits  in  ber  allgemeinen  ^Definition  ber  göttlichen  Vorfef)ung.  ®ie  brei  Slfte, 
in  meiere  unfere  2llten  bie  Providentia  gerlegen,  finb  feineSroegS  gleichartig:  bie  begriffe 
ber  conservatio  unb  beS  coneursus  befagen  bie  laufale  2lbl)ängigfeit  beS  2öelt= 
gefcb,eb,enS  bon  ©ott  auS;  bie  gubernatio  bagegen  ift  eine  teleologifcfye  Äategorie,  roelcbe 

so  bie  Einleitung  aCer  Sffiefen  unb  §anblungen  auf  ©otteS  ^iele  feftfteUt.  Slbgefe^en  bon 
biefem  jiqütov  ipevdog  in  ber  grunblegenben  ^Definition,  ertbedt  bie  bem  formalen  3er= 
glieberungStrieb  ber  ©cb^olaftil  entftammenbe  33erb,ältni§beftimmung  bie  ernfteften  93ebenfen. 
2öie  fönnen  bie  ©ubftangen  erhalten  werben,  ol)ne  bafe  ib^nen  gugleict)  bie  üraft  gum 
SBirlen  mitgeteilt  ibirb?  SSefteb t  benn  bie  2öirKid)feit  ber  ©ubftang  ni_d)t  eben  in  u>er2öiri'= 

55  famleit?  5n  anberen  SBorten,  bie  Unterfd)eibung  bon  conservatio  unb  coneursus  ift 
unbegrünbet.  SDamit  fällt  aber  aud;  bie  Unterfdjeibung  bon  conservatio  unb  guber- 
natio: teerben  bodj  bie  Kreaturen  nur  in  ber  2öeife  erbalten,  bafj  fie  gugleiS)  fort= 
enttoidelt,  b.  fy.  getenlt  unb  regiert  werben.  —  ©ie  fcf)ärffte  5lritil  bat  inbeffen  ber  Se= 
griff  beS  coneursus  erfabren.    ©oUte  bamit  gefagt   fein,   baf?   alles  ©efcber;en   gugleid) 

60  natürlict)  bebingt  unb  bennod;  fd;led;tf)in  abhängig  bon  ©ott  gu  feiert   ift,  fo  Würbe  ber 


aSorfcIjuitg  759 

SluSbrud;  eine  unabweisbare  SBafyrfyeit  ftatuieren.  SDte  gormel  Will  aber  etwas  anbetet 
unb  nocb  angeblich  mel>r  auSfagen.  ©ie  begnügt  ficb,  nidjt,  baS  baS  feftjufteHen,  fie  be= 
anftoruct)t  aufy,  baS  tote  gu  erklären;  fie  bleibt  nidjt  bei  bem  ©laubenSurteil  ftefyn,  bafc 
ber  religio  je  SJcenfcb,  aucb,  im  Natürlichen  feinen  ©ott  erfährt;  fie  mafet  ficb,  an,  ju  be= 
ftimmen,  tüte  ficb,  ber  göttliche  gaftor  jum  menfcbjicfyen  ber^ätt,  unb  bleibt  bei  biefer  £>e=  5 
finition  in  einem  unerträglichen  ©tmergiSmuS  ftecfen.  —  Nicfyt  geringere  ©cfywierigfeiten 
bereitet  bie  in  jene  toter  ^auptmomente  (perraissio,  impeditio,  directio,  determinatio) 
jerlegte  gubernatio.  ©elbft  Wenn  man  zugeben  Wollte,  bafc  ber  menfcfylicfye  ©eift  befugt 
unb  fäfyig  ift,  bie  innergöttlid^e  SöirfungSWeife  objeftib  ju  befcfyreiben,  nützte  jene  23ier= 
teilung  als  eine  burcfyauS  unglückliche  bejeidmet  werben.  Qft  ntct;t  jebe  determinatio  10 
ifyrem  2Befen  nacb,  eine  relatibe  impeditio?  2Birn  nicfyt  biefe  Wteberum  befcbjänfenb 
unb  beftimmenb?  Norbert  ntd&t  ber  ©onberbegriff  ber  permissio,  namentlich  ber 
SBerfucb),  baS  Verhältnis  beS  göttlichen  SBillenS  ju  ben  böfen  ^anblungen  ber 
3)tenfd)en  zu  beftimmen,  bie  Wol)lberecf)tigtfte  ®rttif  fyerauSV  Nufyt  bocb,  biefer  93erfudj 
auf  ber  VorauSfeijung,  bafj  mir  im  ftanbe  finb,  göttliches  unb  IreatürtidjeS  Söirfen  15 
gegeneinanber  abzugrenzen  unb  fcfyliefjlidf)  biefe  zwei  inlommenfurabeln  ©röfjen  auf  ben= 
felben  Nenner  ju  bringen,  llnb  bocb,  berfagt  E>ier  zweifellos  jebe  tfyeoretifdje  faufale  @r= 
Ilärung.  £)er  ©laube  muf$  ben  teleoIogifc|en  ©eftcfjtSbunft  feftfyalten  unb  bei  ber  2tuS= 
fage  ftefyen  bleiben,  baft  ©ott  aucb,  baS  SSöfe  zu  einem  Content  feiner  SiebeSzWecfe  madjt 
unb  %ux  SDurcfyfüfyrung  feines  §eilSzwecfS  umbiegt  unb  berflärt.  Sei  biefer  allein  richtigen  20 
gragefteßung  ift  jeber  Unterfdjneb  jroifdjen  julaffenbem  unb  beftimmenbem  SJÖtllen  ©otteS 
unbesiegbar,  benn  bie  Verwertung  beS  Übels  unb  ber  ©ünbe  gum  Vau  beS  ©otteS= 
reiches  ift  etwas  bon  ©ott  nicfjt  ^ugelaffeneS,  fonbern  ©eWollteS  unb  VeftimmteS.  %n 
berfelben  Nietung  ift  bie  Sofung  beS  Problems  ber  SEI)eobicee  ju  fucfyen.  —  2öie  bie 
fcfyolaftifcfye  Raffung  ber  in  ibren  berfdjiebenen  (Elementen  analbjterten  Providentia  einer  25 
auS  ben  $ntereffen  beS  §eilSgtaubenS  ertoacf/fenen  £riti!  nic^t  ©tanb  b,ält,  fo  mufj  jule^t 
aucb,  bie  trabitionelle  (Srflärung  ber  VermittelungSWeife  unb  ber  ©rabe  ber  Vorfefyung 
ZurüdgeWiefen  werben.  $toar  galten  unfere  Sitten  mit  bollern  Necf/t  an  ber  3lnnab,me  feft, 
bafj  bie  Vorfefyung  nidt)t  nur  auf  ben  Söeltgang  im  ©roften,  fonbern  aucb,  auf  baS  Meine 
unb  ©eringfügige  ficb,  erftrecu:  baS  Sfflgemeine  beftefye  ja  aus  lauter  (Einzelnem,  eine  2eU  30 
tung  beS  ©anjen  fei  alfo  unbenfbar,  wenn  baS  (Einzelne  bem  3ufaH  überlaffen  bleibe, 
©agegen  ift  bie  Unterfctjeibung  einer  Providentia  ordinaria  unb  extraordinaria  eine 
fybcbji  unglückliche.  Sßäre  bamit  gemeint,  bafj  ber  2Bunberglaube  (prov.  extr.)  nichts 
anbereS  ift  als  ber  auf  beftimmte  llmftänbe  beS  SebenS  unb  ber  ©efdjtcfyte  angeWanbte 
lebenbige  23orfeb,ung§gIaube,  fo  bürfte  man  biefen  ©ebanfen  freubig  begrüben.  ®tc  35 
©<fmItr;eotogie  berftel)t  aber  jene  Unterfdjeibung  im  ©inne  eines  tb,eoretifcb,en  ©runbfatjeS 
über  bie  obje!tibe  göttliche  ©einS=  unb  SüirfungSWetfe ;  fie  bergifjt,  ba^  baS  SBunber  ftetS 
eine  3luSfage  ber  religiöS=teIeoIogifd^en  Söeltbetrad^tung  ift  unb  bemnacf)  nicb,t  Wie  eine 
embirifcfye,  b.  fy.  auf  faufalem  SSege  fonftatierbare  %fyat\a<$)t  beb,anbelt  Werben  barf.  §at 
eS  ber  religiöfe  ©laube  immer,  aucb,  bei  bem  Mematürlicbjten,  unmittelbar  mit  ©ott  gu  40 
tb,un,  fo  fann  er  ben  Unterfdjiieb  bon  Xb,atfacb,en,  bie  bem  gewöhnlichen  SBeltlauf  ange= 
b/ören  unb  bon  folgen,  bie  bem  Neidje  ©otteS  bienen,  niemals  anerlennen;  bielmeb,r 
ftellt  er  aHeS,  aucb)  bie  Betätigungen  ber  Naturgefe^e  unb  ber  menfcfylicb,  en  greib,  eit,  unter 
bie  §errfdt>aft  beS  SBillenS  ©otteS.  —  2tuS  bemfelben  ©runbe  ift  jebe  ©tatuierung  bon 
©rabunterfcb^ieben  in  ber  %fy ätig!eit  ber  göttlichen  3Sorfeb,ung  gu  berurteilen:  bie  berühmte  45 
2lbftufung  ber  Providentia  generalis,  specialis,  specialissima  unterliegt  ben  bebenl= 
liebsten  ©cb,Wierigleiten  unb  DJcifcberftäubnifjen.  ©oH  fie  befagen,  bafj  ©Ott  ficb,  nur  in 
geringerem  5Rajje  um  bie  Sßorgänge  in  ber  Natur  ober  in  ber  aufsercfyriftUcb,  en  sJDRenfcb^eit 
lümmere,  fo  fbricb,t  bagegen  bie  in  ben  SBorten  ^efu  (2Rt  5,  45;  6,30;  10,29)  ficb, 
äufeernbe  grömmigleit,  Welche  niemanb  unb  nid? tS  in  ber  2üelt  bon  bem  fbegieUen  Spalten  50 
©otteS  auSfcb,Iiefeen  fann  unb  Witt.  @S  mu|  beSfyalb  biefe  llnterfcb,eibung  barauf  jurücf= 
geführt  Werben,  bafe  nicb,t  aEeS  in  gleicb,  birefter  unb  unmittelbarer  Se^ielrnng  jum 
©otteSreicb,e  fteb, t.  Nicfjt  baS  2Jcaf?  ber  göttlicljen  Haufalität,  nid? t  bie  ^ntenfität  beS  gött= 
liefen  3Bir!enS,  Wobl  aber  bie  Sebeutung  unb  baS  ©db,WergeWicb,t  für  baS  ©otteSreicf)  ift 
berfcb,ieben.  I)er  SRenfcb,  b,at  jum  §eilSjiel  ber  göttlichen  SBeltleitung  ein  engeres  58er=  55 
bältniS  als  bie  unberfönlicf)e  Kreatur;  auef)  erfreuen  fiefe,  bie  Stiften  nid?t  eines  ^oberen 
SRafteS  ber  gürforge  ©otteS,  fonbern  fie  b,aben  nur  ben  Sorjug,  bafj  fie  biefe  gürforge 
erfennen  unb  auf  fie  als  bie  fefte  33ürgfcb,aft  ib,rer  einfügen  Sefeligung  unb  2Menbung 
ju  bertrauen  bermögen  (§aubt,  SeWeiS  beS  ©laubenS,  1888,  219—221;  Äirn,  ©runb= 
rife  ber  ebangelifcfyen  ©ogmatif  1907%  62).  w 


760  SorfeJjmtg 

§aben  wir  un<8  bureb,  biefe  an  ber  überlieferten  Sefyre  geübte  ürtttl  ben  2öeg  jur 
richtigen  Stellung  unb  Söfung  ber  grage  frei  gemacht,  fo  mögen  einige,  auf  bie  bibltfcb/ 
t^eologtfdje  ©runblage  unb  bie  reformatorifcfye  ^ofitton  gurücEtoeifenbe  2lnbeutungen  pr 
gefiftellung  bei  fr;ftematifcr;en  ©rgebniffel  genügen.  —  $al)lreid?  unb  bielgeftaltig  finb 
6  bie  23erfud)e,  ben  Sorfelmnglgebanfen  aul  ber  embirifcfyen  äBeltbetradjtung  abzuleiten  unb 
bie  im  menfcpdjien  33etouf$tfein  ficb,  regenbe  2llmung  einer  jroecffe^enben  Vernunft  jutn  fog. 
bfyr/fifotb^ologifcfjen  ©ottelbetoeil  bl)iIofobr;ifcr;  meiterjubilben.  3nMfen  toirb  £o|el  93e= 
merfung  zu  Jtec^t  befteljen,  melier  au§  ber  ©efcfyicfyte  fefiftellen  Will,  baf?  eine  rein  embi= 
rtfd)e  93etrad)tung  ber  Söelt,  fofern  fie  neben  ztoecfmäjjtgen,  and)  jtüedtoibrige  unb  jmedlofe 

10  @rfcf/einungen  Wahrnimmt,  btel  ef>er  ^um  $olr/tl)ei3mu3  ober  jum  ©ualilmul  führen  mufj 
afö  zum  etl)ifd)en  -jJconotfyeilmul.  2Bie  bem  aud;  fei,  nicfyt  auf  biefen  SBoben  begiebt 
fid)  ber  d)rtftltcf;e  ©laube;  er  beratet  bielmefyr  i>rtngi^iell  barauf,  bie  Überzeugung  bon 
ber  göttlichen  33orfeb,ung  mit  ben  Mitteln  ber  SSeltbetracfytung  ju  ftü|en.  @r  fnütoft 
Zunädjft  an  bie  Xfyatfacr;en  bei  ftttlid)en  SeWufjtfeinl  an,   bie  in  ben  Sereicf;  ber  %dio= 

15  logie  fallen.  2lllerbingl  ntd^t  in  bem  ©inne,  bafj  bal  Sfyriftentum  ben  33orfeb;unglgIauben 
auf  etilem  Söege  burd)  bie  33ergeltungllef)re  ober  ben  ©ebanfen  ber  äöürbigfett  be= 
grünben  mürbe.  ®iefe  in  berfcfyiebener  gorm  unb  Slbftufung  auf  bem  33oben  ber  alt= 
teftamentlic^^übifc^en  Religion  unb  bei  ilaffifcfyen  2tltertuml  Vertretene  ©rflärung  entfbrid)t 
nicfyt  ber  §ör/enlage  ber  burcb,  ßljiriftul  »ermittelten  ©otteloffenbarung.  SDiefe  Offenbarung 

20  Ieb)rt  unl,  bal  burd)  %tfn$  ß^riftuö  bertünbigte  unb  in  feiner  $erfon  brobfyetifcr;  berWirflidjte 
9todfj  ©ottel  all  lüften  SöeltgtnedE  erlennen,  meinem  alte  irbifdje  @rf  er;  einung  unb  allel 
menfdjilicfye  £eben  unb  §anbeln  all  Mittel  unb  3Berfjeug  bienen  mufj.  3)iefe  braltifcfye 
Slnerlennung  bei  ©ottelreicfyl  geftaltet  fid)  für  ben  ©ünber  gum  Vertrauen  auf  bie  ©cfmlb 
tilgenbe,  fttilicfyel  unb  natürlich  (SIenb  ^eilenbe,  WeltüberWinbenbe  ©nabe  ©ottel.    2luf 

•25  ©runb  ber  bem  ©lauben  geWtffen  SLr/atfad)e,  baf$  ©Ott  feinet  eigenen  ©ofmel  n\d)t  ber= 
fdjont,  fonbern  ifm  für  unl  aße  babjngegeben  f>at  (5Rö  8,  32),  fann  ber  6§rift  ben  SRut 
finben,  an  bie  bäterlicfje  gürforge  ©otteg  für  fid?  in  feinem  ganzen  £eben  z«  glauben. 
5Der  d^rtftltd^e  23orfelmnglgIaube  ift  bemnadt)  ^rudjt  unb  $robe  ber  erlebten  SSerföfmung 
unb  ©otteöftnbfd^aft,  er  faßt  jufammen  mit  ber  ©ett)i|b,  ett  du  roTg  äycmcboi  xbv  -&eov 

30  Tidvra  owegyel  eig  äya&ov  (3tö  8,  28).  3)iefe  ©emife^eit  b,at  ber  ßfyrift,  im  2Biber= 
fbrud^  gegen  alle  SJiäcfyte  ber  Söelt,  bie  ib,r  täglich  §of)n  fbrec^en  unb  fie  ju  bernid^ten 
brob,en,  ju  beraubten  unb  burd^jufelen,  nic^t  al§  tJjeoretifc^e  @r!lärung  eineg  burd^  bie 
Söiffenfdjiaft  bargebotenen  ^roblem§,  fonbern  al§  braltifö^e  Söfung  einer  burd^  ba§  Seben 
geftellten  Aufgabe,    ^n  ber  £raft  beö  burcb,  ba§  ©bangelium   getoectten   unb   au§  bem= 

35  felben  ftet§  ju  beroäb^renben  ©laubenä  lebt  ber  ß^rift  ber  Überzeugung,  ba^  alle  Vorgänge 
unb  SDinge,  bag  (Sinjelne  toie  ba§  ©anje,  £eib  unb  STrübfal,  ja  Übel  unb  ©ünbe, 
fäfyig  unb  beftimmt  finb,  ein  SRoment  im  ?Ba\i  bei  überweltlicfyen  ©ottegreic^eä  ju  werben, 
^n  meinem  ©inne  ber  cfyriftlidje  §eilöglaube  aCe§  unmittelbar  auf  ben  r/ödjften  ©otte§= 
jtoec!  zurüdffüf)rt  unb  biefer  @rfab,rung  eine  berfönlicf)e  2Benbung   unb  Sejiel)ung   giebt, 

40  |at  Sut^er  tounberfcb,ön  in  feiner  ©rflärung  be§  erften  unb  britten  SlrtüelS  bei  2lbofto= 
lilumö  gegeigt.  SDie  Set^ättgung  biefe§  ©lauben§  in  ber  SBelt,  bie  bem  g^riften  eine 
2öelt  ©otte§  gemorben  ift,  bolljie^t  fid)  religiös  in  ber  banlbaren  Slnerlennung  ber  in 
allem  ©efcf;ef)en  toirffamen  göttlichen  Siebe  unb  in  ber  bemütigen  Übung  bei  ber  gött= 
liefen  ©r^örung  getoiffen  ©ebets,   etfjifd;  in  ber  treuen  unb   liebeboHen  Erfüllung   ber 

45  au§  ber  braltifcf)en  Stellung  inmitten  be§  2BeIt=  unb  SOtenfc^enlebeng  fid?  ergebenben 
5ß  flickten. 

%n  biefen  ©ä|en  finb  Snfyalt  unb  ©runb  beg  3Sorfel)ung§gIauben§,  mie  berfelbe 
bem  einfacb,ften  (Stiften  im  ©rieben  unb  erfahren  ber  (Möfung  jugänglicf)  ift,  auf  ib,ren 
unmittelbaren  unb  reinen  lusbrud  „gebracht.    21I§  braltifc^e,  bureb,  ba§  (Sbangelium   ge= 

so  meefte  unb  in  bemfelben  begrünbete  Überzeugung  ift  ber  djriftlidüie  Sorfe^ungöglaube  einer 
tfjeoretifcb.e  SDemonftration  toeber  fäb,ig  noc|  bebürftig;  er  ftellt  aber  ben  2:b,eoIogen,  ber 
fid)  al§  benfenber  Greift  bei  ©laubenSinfyaltg  and)  buxd)  roiffenfd;aftlic6,e  9tefIejion  ju 
bemächtigen  fud^t,  bor  eine  Steige  bon  ©injelbroblemen,  benen  er  nicfyt  au§  bem  2Bege 
gelten  barf.    ®ie  Seantraortung  ber  fyterfyer  geb,örenben  fragen  lann  nur  burd)  Semüb^en 

55  um  §erfteßung  einer  cf)riftlid)en  9Jatur=  unb  ©efcljidEjtgbliilofob^ie  erfolgen,  b.  b,.  bureb. 
ben  Serfud;,  bag  gefamte  SBerben  in  9Ratur  unb  ©efc^icb.te  all  bal  Mittel  für  ©otteS 
etoigen  ßmeö;  ju  berftel>en.  ©in  folcl)er  33erfucb,  erwä<|ft  bem  SLb,eologen  aug  feiner 
©laubenSerlenntniio  all  unumgängliche  Slufgabe,  beren  Söfung  er  in  ber  3uberfid)t 
anftrebt,   bafe   ber   3ug  ©ottel   ju  ßb^riftul  aueb,    in   bem  Sernunftleben   ber  S!JJenfcb.en 

60  mirlt,  bemnaef)  ein  ein^eitlid; el  SSerftänbnil  ber  SBelt  nur  auf  ber  Safil  ber  in  ber  cb,rift= 


«Borfetjung  761 

Itcfyen  ©otteSoffenbarung  fi<^>  bollenbenben  religiöfen  2Mtanfd)auung   möglid)   ifi.    Bon 
biefem  ©efkfytSbunft  auS  erfahren  bie   auS  bem   d)riftüd)en  BorfefwngSglauben  ficb,    er= 
gebenben  bogmatifcfyen  Probleme  ifyre  richtige  Beleucfytung.    ©ie  fragen  nacfy   bem  Ber= 
bältnis  ber  Borfefyung  jur  naturgefetdicfyen  Drbnung  (2öunber  unb  ©ebet),  gur  mmfcpdjen 
greifyeit  (©eterminiSmuS,  SnbeterminiSmuS,  Beftimmung  unb  gulaffung),  ju  ben  Sfteali=  5 
täten   beS  Übel§  unb  beS  Böfen  (£I)eobicee)   erforbem  in  biefem  ^ufammenfyang   eine 
fummarifd)eBefbrednmg:  1.  ©aS  burd;  bie  matfyemaiifcb^mecfyatttfcfye  iytoturtotffenfc$aft  ge= 
Wonnene  SSeltbilb  ift  eine  ^onftruftion  unfereS  ©eifteS,  um  ber  gegebenen  @rfd;einungS= 
Welt  benlenb  §err  ju   werben.    ©emnadj   finb   bie  ^taturgefe^e  nict)t   objeftibe  ©röjjen, 
bencn    neben    unb    über    ben  ©ingen    eine  reale  ©jiften^   jurommt,   unb   bie  ficfy  als  10 
Sffiiitelglieber   jWifd;cn  ©Ott   unb   bie  SBelt   einfdjieben;   fie  f»aben  nur  begriffliche  ©el= 
tung,  als  fubjeftibe  in  unferm  ©eifie  begrünbete,  alfo  pft)d)oIogifd)  unb   logifd)   notWen= 
bige  formen  unb  formen  jur  Befi^nafyme  ber  ©rfcfyeinungSWelt  unb  jur  ©rfenntniS  einer 
georbneten  Sßirflicfyfeit.    21IS  ©cfyöbfungen  unfereS  ©eifteS  bürfen   fie  md)t  metap^fifd^e 
Bebeutung  in  bem  ©inne  beanfbrudjen,   als  ob  unfere  Wtffenfcbaftlidje  $onftruftion  beS  15 
SöeltbilbeS  bie  Totalität  ber  2ßirflid;feit   barftellte  unb  alle  9Köglid)feit  beS  ©eins   er= 
fd)öbfte  (Boutroux,  La  contingence  des  lois   de   la  nature,  1896 2).    ©obalb   bie 
Berechtigung  unbegrünbet  erfcfyeint,  baS  unentbehrliche  gorfdmngSbrinjib  ber  ^aturWiffen* 
fcfyaften  in  eine  abfolut   giltige  Sffieltanfcfyauung   umjufe^en,   läfjt   fid)   bie    metabl)tyftfd;e 
2JJöglid)feit  beS  SBunberS  nicfyt  beftreiten.    ©em  reltgtöfen  ©lauben  genügt  eS  aber  rtidjt,  20 
9iaum  gu  f Raffen  für  Söunber  im  metabf)t)ftfd;en  ©inne;    eS  ift  ib,m  bielmefyr  bie  Über= 
jeugung  Wefentltdj,  baft  ber  gefamte  -ftaturmecljaniSmuS   einen  göttlichen  Qtozä  berWirf= 
licfyt,  bafj  bafyer  aud)  im  einzelnen  galle  SBelt  unb  9iatur  bem  allmächtigen  SiebeSWillen 
©otteS  bient,  olme  ba|  ber  ©laubige,  wenn  er  in  einem  beftimmten  ©reigniffe  eine  gött= 
Iid)e  $ügung  erfährt,  fid)  anmaße  %u  erflären,  auf  welche  SSeife  bie  §ilfe  Wie  bie  Rettung  25 
ftattgefunben  I)abe.    9JMt  bem  fo  gearteten  ©lauben  an  ben  ©ott,  ber  Söunber  il)ut,  fällt 
bie  ©eWtpeit  ber  ©ebetSerfyörung  jufammen   (E.  Menegoz,   La  notion  biblique  du 
miracle,    1894,    beutfcb,  bon  ©ef.  Baur  1895);    bezeugt   ftcb,  bocb,    ber   lebenbige  Bor= 
felnmgSglaube  unmittelbar  im  ©ebet,  ^unial  im  Bittgebet,  baS  bem  ©nabenWillen  ©otteS 
leine  ©efe|e  borfdjreibt,   il)m   aber  bie  menfdjlidje  Bebingung   feiner  Sßtrlung  giebt.  —  30 
2.  ©ie  jWeite  grage,   Wie  fid)  bie  Borfelmng  mit  ber  menfd>lid)en  greib,eit  bertrage,   ift 
objeftib    unlösbar,   fofern  göttliches  unb  lreatürlicb,e§  Söirfen  inlommenfurable  ©rö^en 
finb,   bie  fdjiledrterbingS  nid)t   auf  benfelben  Kenner  gebracht  Werben  fönnen.    ^n  biefer 
Berfdnebenartigfeit  beS  2öirlenS  ift  eS  aber  aud;  begrünbet,  bafe  bie  ©rllärung  eines  @r= 
eigniffeS  au§  mnerWeltüdjen  ^a!toren  uns  ftetS  geftattet,  baSfelbe  ©reigniS   ganj  unter  35 
ben  ©eficbiSbmtlt  beS  göttlichen  %i)un§  %u  bringen.    £e^tereS  ift   aber  bie  Betrachtung 
beS  ©laubenS.    2öaS  fidj)  als  ^§eorie  Wiffenfcb.aftlic^  nic|t   entwirren   Iäf$t,   bereitet  ber 
grömmigleit   {einerlei  ©c^Wierigleiten :    ber  fromme  lann  unb   WiU  feine  greib,eit   gar 
nidjt  anberS  ben!en  als  in  ©otteS  grei^eit,  b.  i).  in  eine  fyöfyere  S'iotWenbigleit  unb  Drb= 
nung  eingefdjloffen  unb  begrünbet.    £)aS  Wiffenfd;aftlid}  Unerreichbare,  jugleic^  UnbeWeiS=  40 
bare  unb  ItnWiberlegbare,   erfährt   unb   erlebt   ber  ßbrift  als  SBirllidjf eit :  gerabe  bann, 
Wenn  er  am  fräftigften  fid;  feiner  $reil)eit  beWufjt  ift,  embfinbet  er  am  ftärfften  bie  2lb= 
b,ängigleit  bon  ©ott  unb  Weife  fid;  bon  feinem  SöiHen  umfafet  unb   getragen.    Niemals 
aber  Wirb  er  ben  ^eiligen  ©ott  gum  Urheber  unb  9Jtttfd)uIbigett  ber  ©ünbe  machen;  bie 
BeraniWortlidjfeit  unb  ©diulb  ber  ©ünbe  ift  aber  fein  §inbernis  bagegen,  bafs  btefelbe  45 
als  bollenbeteS  ©reigniS   fid;   bem  göttlichen  ^piane  einorbnete  unb  im  ©ienfte  ber  Bor= 
fefjung  nid;t  als  Mittel  jur  ®urd;füb^rung  beS  ©otteSreid;S  unb   als  ©toff   gu   fittlid;er 
Betätigung  berWenbet  Werben  lönnte.    —    3.  SKaS  enblid;  baS  Problem  ber  £f>eobicee 
betrifft,  fo  liegt  bie  ber  grömmigfeit  allein  Wefentlid)e  Söfung  brin^ibtell   im   braftifd;en 
isorfe^ungSglauben  als  gunftion  beS  §eilSglaubenS  enthalten.    2luS  ben  ft'onfliften  unb  50 
2lnfed)tungen,   bie  bem  Sfjriften   bie  ©rfa^rung   ber  ÜMtübel  bereitet,  ift   er  bor   bem 
ßtoeifel  unb  ber  BerjWeiflung  nur  burd;  bie  in  ©fyrifti  BerföbnungStb,at  ib,m  erfd;loffene 
DffenbarungSWab,r§eit  gerettet  unb   gefegt,  bafe   alle  ÜBeltübel  unb  SebenSbemmungen 
in    ber  £anb  beS    ^immlifc^en    ^aterS  Mittel   jur   ®urd)füb,rung   feines    ewigen  öetlS^ 
äWedeS  finb.    S)icfe  luSfage   ift    feine   ifyeorettfdje  ©rllärung  ber   quatboöen  JiMträtfel  65 
buref)  baS  Genien  unb  für  baS  ®enfen,   fonbern  eine  braftifd;c  Überwinbung  ber  feinb= 
liefen  2öeltmäcb,te   burd;   ben  ©lauben    unb   für   ben   ©lauben.    ®ie   9tid)tigfctt   biefer 
Stellung  unb  Beantwortung  ber  grage  bewährt  fieb  an  ber  Xfyatfadje,  bafe  bie  religiöfe 
Söfung  beS  'XEjeobtcee^robtentg  bem  etnfad)ften  ßbriften  pgänglid)   unb   berftänblid»   fein 
mufj.    ^n  ber  Xb,at,  baS  arme  9Jtütterd)en,  baS  bie  Äreug=  unb  Xroftlteber  ^3.  ©erbarbts  w 


762  SBorfeljmtg  Sßorfttug 

betet  unb  auS  benfelben  ©ebulb,  Hoffnung  unb  Vertrauen  fdjöbft,  bat  tfyatfäcfylicr/  ben 
üonflift  aufgelöft,  ben  bie  Erfahrung  ber  SBeltübel  fcfyafft.  5ßon  biefem  praftifcfyen  Er= 
lebntg  beS  (S^rtften,  ber  alle  ©inge  unb  Vorgänge  unter  ben  göttlichen  HeilSjmecf  §u= 
fammenfafjt,  finb  bie  ©befulationen  gu  unterbleiben,  „bie  fict;  um  ben  einfachen  $ern 
5  ber  fcfylicfyten  grömmigteit  unb  religiösen  Erfahrungen  fyerumlegen,  unb  bie  fefyr  roor/l 
auä)  entbehrt  merben  fönnen,  ober  bie  offene  fragen  in  fid)  fd)liefjen  tonnen,  melcfye  bei 
aßen  ftarlen  religiöfen  Erregungen  jurücftreten  hinter  bem  ©infamen  unb  unmittelbar 
Söirffamen.  2lber  fie  lönnen  nict)t  ausbleiben  unb  merben  fid)  immer  mieber  geltenb 
machen.    2öir  behalten  gerabe  im   ernfteften   religiöfen  Seben  unb  SDenten  biele   offene 

10  fragen  unb  Sxätfel  übrig ;  aber  mir  muffen  uns  !Iar  machen,  bafj  eS  fragen  unb  sJtätf  el  finb, 
unb  muffen  unfere  miffenfcfyaftlicfie  ^ßfyantafie  auf  bie  2öege  auSfcbicfen,  mo  mir  annäbernbe 
£öfungenfol^er3ftätfelab,nenIönnen"(@.2:rörtfc^,6^iftL3ßeIt,  1907,349-350).  liefen  2öeg 
b,aben  biete  in  ber  Stiftung  gefugt,  bie  ^ßaulfen  licfrtboß  unb  gemanbt  gefct/ilbert  unb  for= 
muliert  fyat.  „Eine  2öelt,  in  ber  eS  Sßiberfiänbe  unb  §emmniffe,  SSJUpngen  unb  Übel  gar 

15  nid)t  gäbe,  märe  leine  Söelt  für  uns  2Ber  Seben  unb  ©efdncfyte,  menf$licr/eS  Seben  miß, 
ber  miß  aucr)  bie  SSiberftänbe,  miß  aucb,  baS  Übel  unb  23öfe,  nict/t  um  ifyrer  felbft  mißen, 
aber  als  Sebingung  menfd)Itcr)er  SöißenSbetr/ätigung  unb  Arbeit,  als  ÜbungSmaterial  für 
Gräfte  unb  SLugenben.  gur  Übung  ber  Gräfte  $u  bienen  ift  bie  2BeIt  beftimmt,  nicfyt 
jum  baffiben  ©eniefjen.    2llfo  mer  bemeifen  miß,  baf?  bie  2BeIt  fcf)Ied)t  ift,  ber  mufc  be= 

20  meifen,  bafs  fie  b, ierju  nicb,t  taugt . . .  Ober  roenigftenS  müßte  er  nacbmeifen,  bafj  eine  anberS 
geftaltete  SSelt  biefen  unfern  legten  groecfen  Deffer  a^  °'e  unglüdlicfyermetfe  mirflidje 
entfbrocf,en  r,ätte."  (Einleitung  in  bie  ^r/üofobb>,  14.  3lufl.  1906,  351—352.  Vgl. 
£.  ©cr/ul|,  ©runbrife  ber  d)riftlid;en  2IboIogetif,  1902 2,  §  10).  SDiefe  Betrachtungen 
fls  foßen  „gegen  ben  negatiben  ^Dogmatismus  einer  rein  bfjr/ftraltfd^en  2Beltanfctjauung 

25  baS  Urteil  in  greib, eit  fe|en" ;  fie  finb  nicfyt  im  ©inne  eines  jroingenben  tf)eoretifd)en 
BemeifeS  gemeint.  „Es  giebt  leine  ^eobicee  als  2öiffenfd)aft;  aber  ebenforcenig  giebt 
eS  eine  miffenfcfjaftlic^eSlntit^eobicee.  ©er  SSerftanb  bert)ält  fiep  inbifferent  gegen  baS 
Problem,  ob  bie  SBelt  gut  ober  fcr,Iecf;t  ift"  (a.  a.  D.  ©.  352).  «ß.  Sobftetit. 

SßorfHu§,  EonrabuS,  geft.  29.  ©ebtember  1622.  —  Marci  Gualtheri  Oratio  de 
30  vita  et  obitu  C.  Vorstii,  Frederikst.  1624;  !g.  S.  9?ogge,  Het  beroep  van  Vorstius  tot  hoog- 
leeraar  te  Leiden  (De  Gids,  1873,11);  21.  ©eßmetjer,  Gunrabuä  33orfttu§,  Vermittlung  b.  reform. 
Sentralbogmen  mit  ben  focinianifd}en  ©tnttienbungen  (££)eoI.  Igaljrb.  1856,  1857);  5ß.  Söaijle, 
Dictionaire  historique  et  critique,  Amst.  1740.  IV,  469 — 474;  6E)i\  (Sepp,  Het  godgeleerd  on- 
derwijs  in  Nederland  gedurende  de  16°  en  17e  eeuw.  2  dln.,  Reiben  1S73,  74  I,  181 — 214; 
35  58.  ©IcifiuS,  Godgeleerd  Nederland,  's  Hertogenbosch  1851,  56,  III,  550—557;  $.  9fett§mct, 
Honderd  jaren  uit  de  geschiedenis  der  Hervorraing  en  der  Hervormde  Kerk  in  Friesland, 
Leeuwarden  1876,  blz.  342—362. 

^onrab  35orft,  arminiamfdp  5£f>eolog,  ein  sl%nn  bon  Begabung  unb  ©elefyrfamfeit, 
be!annt  burc^)  feine  mit  ariftotelifcfc^cfyolaftifdjen  ©bi|finbigfeiten  aufgefteßten  eigentümlichen 

40  SBeftimmungen  über  ©Ott  unb  beffen  Eigenfdjaften,  burc^>  feine  Hinneigung  jum  ©ocinia= 
niSmuS,  bureb,  bie  ©treitigfeiten  unb  Verfolgungen,  bie  er  fieb,  megen  feiner  Seb,ren  unb 
SJceinungen  jujog,  mar  am  19.  $uli  1569  ju  äöln  geboren,  ber  ©olm  römifc^^atljolifc^er 
Eltern,  ©ein  SSater,  aus  ben  9Rteberlanben  b,  erftammenb,  mar  ein  gärber  unb  b^ie|  SMeberif 
ober  SEb,eobor,  feine  5Dtutter  ©obb,ie  ©terl.    ©bäterb,in  traten  feine  Eltern  jur  broteftan= 

45  tifcb,en  Sftrdje  über.  3llS  lonrab  S>.  (als  ©elefyrter  gemöl)nlid)  3SorftiuS  genannt)  ben  erften 
Unterriebt  erhalten  t)atte,  fam  er  (1583)  ju  feiner  meiteren  2luSbilbung  nacb,  ©üffelborf, 
mo  er  brei  $abre  lang  blieb,  bann  begab  er  fiefi  mieber  in  feine  SSaterftabt  unb  trat  im 
^ab,re  1587  in  baS  loßegium  St.  Laurentii  ein.  Er  beabfvebtigte  l)ier  33accalaureuS 
unb  SpfJagifter  gu  merben,   meil   er  aber  auf  baS  ^ribentinifcb.e  ©laubenSbe!enntni§   nid)t 

50  fdjmören  moßte,  lonnte  er  feinen  gmeef  ntdt>t  erreichen;  er  befcfylofj  nun,  aucB  infolge  ber 
beränberten  behmiären  3Seri)ältniffe  feiner  Eltern,  bom  gelehrten  Stanbe  ganj  abjufeb,en 
unb  Kaufmann  %u  merben.  gmei  %at)xt  lang  bereitete  er  ftd)  für  biefen  ©tanb  bor  unb 
legte  fieb,  mit  Eifer  auf  baS  ©tubium  ber  2Iritb,mettf,  beS  granjöfifd^en  unb  beS  3taliem= 
fcl)en,  bann  aber  änberte  er  feinen  Entfcblufj  mieber,  manbte  fieb,  bem  gelebrten  ©tubium 

55  bon  neuem  ju,  ging  im  ^abre  1589  nad)  §erborn  unb  toibmete  fic|>  unter  ^PiScatorS 
Seitung  ber  Geologie,  ber  er  aueb  in  §eibelberg,  toob^in  er  im  Safyre  1593  als  §ofmeifter 
einiger  junger  Seute  gelommen  mar,  oblag,  ^m  folgenben  3<#e  CSuli  1594)  bromobierte  er 
in  ^eibelberg  als  ©oftor  ber  Geologie,  barauf  ging  er  (1595)  naefi  33afel  unb  ©enfr  mo 
er  fieb,  buref)  feine  5DiSbutationen  (de  sacramentis  unb  de  causis  salutis,  Sßafel  1595) 


aSorftiuS  763 

bereite  fo  auszeichnete,  bafj  itwi  auf  Be^aS  Anregung  eine  öffentliche  £el)rerftelle  an- 
getragen  Würbe,  ©r  lehnte  biefen  Slntrag  ab  unb  folgte  bielmel)r  einem  Stufe  nafy  ©tein= 
fürt  in  ber  ©raffdjaft  Bentl)eim,  Wo  er  (1596)  am  neugeftifteten  ©tomnafium  baS  tI)eo= 
logifd^e  Sefyramt  übernahm.  $ier  zeichnete  er  fid)  fo  auS,  baft  neue  Berufungen  (nact; 
©aumur  in  Jiuli  1602  unb  naef;  Harburg  im  ^a^re  1606)  an  it>n  ergingen,  bod)  ber  5 
©raf  Don  Benttjeim  b/ielt  irm  zurücf. 

QnjWifct/en  War  B.  fdjon  wegen  feiner  ©Triften  (de  praedestinatione;  de  saneta 
trinitate  unb  de  persona  et  officio  Christi;  Steinfurti  1597)  als  ©ocinianer  ber= 
bäcfyiigt  Worben,  unb  fat)  er  ftdt)  fogar,  auf  Beranlaffung  beS  ©rafen  bon  Bentb/eim,  genötigt 
(1599),  fid)  bor  ber  tr/eologifcfyen  gaiultät  ju  §eibelberg,  Wo  er  ben  ®oftor  gemalt  blatte,  10 
$u  rechtfertigen  unb  feine  Drtrjoborje  nacb^uWeifen.  ^acfybem  bie  gatultät  if)m  angezeigt 
Statte,  bafj  er  einige  ©adj)en  gelehrt  fyatte,  Woburdj)  er  bie  ©ocinianer  $u  begünftigen  febjen, 
er  aber  fein  Bebauem  barüber  $u  ernennen  gegeben  unb  feinen  2lbfcr)eu  bor  bem©ocmta= 
niSmuS  auSgeftorocf/en  t)attc,  erflärte  bie  garultät  ftdt)  aufrieben,  liefj  tbm  ju  „ad  osculum 
pacis"  unb  gewährte  irmt  „tesseram  hospitalitatis"  (bgl.  BI).  BareuS,  Vita  Davidis  15 
Parei,  p.  55  sqq.).  3)ie  ©ocinianer  jebocl)  bemühten  fiel)  jeijt  bielfacf/,  ibn  für  ficf>  ju 
gewinnen;  fie  bef(f)toffen  (1600),  tr)n  jur  Settung  beS  Subliner  ©fymnafiumS  ju  berufen 
unb  liefen  ib/tn  auef)  (1601)  eine  tfyeologifdje  Brofeffur  buref;  §ieronbmuS  SRoScorobiuS 
anbieten.  @r  lehnte  aber  bie  neuen  Berufungen  ab,  unb  fein  2lnfeb,en  in  ©teinfurt  ftieg 
fo,  bafj  er  f)ier  im  $al)re  1605  auef)  jum  Sßrebiger  unb  Honfiftorial=2lffeffor  ernannt  Würbe.  20 

5Radj>  bem  ^obe  beS  2IrminiuS  (1609)  erhielt  er  im  ^afyre  1610  auf  @mbfel)lung 
bon  %of}.  Sötenbogaert,  aber  gegen  ben  9tat  bon  ©omaruS,  einen  9tuf  nadj)  Serben,  Wo 
bie  S^emonftranten  eine  §autotftüi5e  in  i§m  ju  erhalten  hofften.  @rft  nacb,  längerem  Be= 
benfen  naf)tn  er  ben  9tuf  an  unb  mit  ben  günftigften  geugniffen  berfefyen,  ging  er  nacb, 
Serben.  5Run  r)atte  er  aber  feine  fcljon  im  Jgafyre  1602  ju  ©teinfurt  beröffentlict/ten  Dis-  25 
putationes  X.  de  natura  et  attributis  Dei  als  Tractatus  theologicus  de  Deo  sive 
de  natura  et  attributis  Dei,  decem  Disputationibus  in  Schola  Steinfurtensi 
publice  habitis  comprehensus,  cum  annotationibus  ad  uberiorem  Disputa- 
tionum  exegesim  (Steinfurti  1610)  herausgegeben,  (^urj  jubor,  ebenfalls  1610,  roar 
mit  einer  dedicatio  an  bie  ©eneralftaaten  bom  20.  3^""^  1610  erfcfyienen  feine  ©djrift  30 
„Anti-bellarminus;  hoc  est  compendiosum  examen  omnium  fidei  controversia- 
rum  quae  hoc  tempore  inter  Evangelieos  et  Pontificios  agitantur;  prout  eas 
Rob.  Bellarminus  Cardinalis  IV  Disputationum  suarum  tomis  complexus  est".) 
©cf/on  im  SRobember  1610  fcfyrieb  SBtenbogaert  an  B.:  „libri  tui  de  Deo  et  contra 
Bellarminum  studiose  a  doctis  hie  Hagae  perquiruntur  et  leguntur"  SBegen  35 
feiner  in  btefem  Straftat  ausgekrochenen  2el)ren  über  ©ott,  über  bie  ©igcnfcfyaften  ©otteS, 
über  bie  Bräbeftinatton  unb  über  GfyriftuS  Würbe  er  bon  ben  Honiraremonftranten  ober 
©omariften  beS  ©ocinianiSmuS  unb  ber  ärgften  £>eteroborje  angellagt,  namentlich  machte 
man  irmr  ben  BorWurf,  baf?  er  baS  bollfommen  geiftige  üffiefen  ©otteS,  beffen  6infacr;I)eit, 
@Wigfeit,  Unberanberlidjfeit  unb  2uKgegenh>art,  bie  ©reieimgfeit,  bie  berfönlidje  Bereinigung  40 
beiber  Naturen  in  Gfyrifto,  beffen  ©ottfyett  unb  bekommene  ©enugtljmung  für  unfere 
©ünben  bezweifele  unb  über  bie  Bräbeftination  irrig  Iet)re  (bgl.  Sepp.  t.  a.  p.  blz.  187 
— 201).  ©ogar  ber  frühere  Seibener  Brofeffor  2lbr.  ©arabia,  ber  felbft  nicr)t  ganj  ort^oboj 
War,  fcb,rieb  auS  ßanterburto.  an  2Btenbogaert:  „mirabar  in  ecclesiis  Christi  inveniri 
theologum,  qui  adeo  impias  et  absurdas  de  Dei  essentia  haberet  opiniones",  45 
unb  Warnte  irm  bor  33.  (9togge,  Brieven  en  onnitgegen  stukken  van  Joh.  Wten- 
bogaert,  Utrecht  1868,  I,  193—205).  Slucb,  bie  Geologen  bon  §eibelberg  fbracf)en  fieb, 
ungünftig  über  ben  ^raltat  auS,  unb  33.  fcf/rieb:  Protestatio  epistolica  contra  theo- 
logorum  Heidelbergensium  de  traetatu  de  Deo  censuram,  Hag.  1610.  ©eine 
©egner  in  Serben  nahmen  ib,n  mit  §a^  unb  Unwillen  auf,  ja  fie  Wußten  felbft  ben  $önig  bo 
^afob  I.  bon  ©nglanb  in  ben  ©treit  gegen  irm  ju  jie^en.  ©er  Honig  fertigte  felbft  ein 
BergeidmiS  bon  3^Ieb,ren  auS  bem  'ürattate  de  Deo  beS  33.  unb  lief*  eS  bureb,  feinen 
©efanbten  atubolbb,  SBinWoob  ben  ©eneralftaaten  übermitteln,  mit  ber  (Mlärung,  ba^  er 
fiel)  als  ib/ren  geinb  anfefyen  muffe,  fobalb  fie  einen  ®e£er,  Wie  33.  unter  fidt)  bulben  Würben. 
$n  Sonbon,  Dsforb  unb  Sambribge  Ite^  ber  lönig  baS  Bucb,  beS  B.  berbrennen.  tiefer  55 
berteibigte  fieb,  jWar  in  feiner  Christiana  ac  modesta  responsio  ad  articulos  quos- 
dam  nuper  ex  Anglia  transmissos,  Lugd.  Bat.  1611,  benuoeb,  mu|ten  bie  ©tänbe 
ib,n  entlaffen,  jeboeb,  salvo  stipendio,  unb  er  fab,  fieb,  genötigt  (ungefähr  s])iai  1612), 
als  BerWtefcner  in  ©ouba  ju  leben.  B.  War  fo  unbefonnen  geWefen,  bafe  er  im  $.  1611 
eine  neue  SluSgabc  bon  ^auft.  ©octnuS'  Xraftat  de  auetoritate  S.  Scripturae  beforgte  60 


764  aSorfttuS  aSofftuS 

unb  tfm  auf  bem  Stiel  anbrieS  als  „opusculum  his  temporibus  nostris  utilissimum, 
quem  admodum  intelligi  potest  ex  praecipuis  rerum  quae  in  ipso  tractantur 
capitibus"  3n  bemfelben  Qafyre  eruiert  ju  Vicäau  eine  SluSgabe  btefeg  SraftateS 
mit  bem  tarnen  beS  Faustus  Socinus  Senensis.  33.  erklärte  toor)I,  bafs  er  nid)t  ge= 
5  ftmfst  r)abe,  bajj  ©ocinuS  ber  33erfaffer  toar,  aber  er  konnte  unb  mufcte  bocb,  miffen,  bafs 
biefer  Sraftat,  tüte  $abrtciuS  fagt,  nidjtS  anbereS  mar  als  „ad  doctrinam  Socinianorum 
tacita  isagoge"  ©urcr)  biefe  2luSgabe  alfo  ^atte  er  feine  ©a$e  nid£)t  berbeffert.  Ununter= 
brodjen  bauerten  benn  aucb,  bie  Singriffe  gegen  irm  fort,  bie  felbft  bon  einigen  feiner  früher 
in  ©teinfurt,  aber  jetjt  in  granefer  ftubierenben  ©djüler  angefaßt  mürben,  melcfye  in  grieS= 

10  lanb  ein  anonbmeS  ©d)rtftd)en  („De  officio  Christiani  hominis,  cum  privilegio 
summi  Pontificis  et  Regis  Catholici,  Irenopoli,  typis  Theophili  Adamidis") 
Ratten  erfdjeinen  laffen,  baS  antitrinitarifdje  Set/ren  enthielt  unb  an  alle  reformierten 
ilird^en  bie  9Jtafynung  richtete,  ficr)  ber  allgemeinen  ©IaubenSfad)e  anjunefymen.  $u  *>en 
§aubtgegnem  beS  33.  gehörten  unter   anberen  bomebmlicb,  goB.  33ogerman,  ^rebiger  ju 

15  Seeutoarben,  ber  mit  feinen  Kollegen  öffentlich  bor  tfym  roarnte  („Waerschouwinghe  aen 
alle  ghereformeerde  kercken  ende  vrome  inghesetene  van  de  vereenichde  Ne- 
derlanden",  Leeuw.  1611)  unb  ©ibranbuä  SubbertuS,  ^ßrofeffor  ju  granefer  („Decla- 
ratio  respousionis  D.  Vorstii",  ^ran.  1611  unb  „Commentt.  ad  non  agnitos 
XGIX  errores,   Lubberto  a  Vorstio   objectos",   %xan.  1613);    in    einer  Steife  bon 

20  ©treitfcf)rtften  (u.  a.  Catalogus  errorum  sive  hallucinationum  D.  Sibr.  Lubberti, 
Steinf.  1611;  Prodromus  plenioris  responsi  suo  tempore  secuturi  ad  declara- 
tionem  Sibrandi  Lubberti  et  ministrorum  Leovardensium  iteratam  cautionem, 
Lugd.  Bat.  1612;  Responsum  plenius  ad  scripta  quaedam  eristica,  inprimis 
contra  Ministrorum  Leovardensium  commonefactionem  ampliorem,  Lugd.  Bat. 

25  1612;  Paraenesis  ad  Sibrandum  Lubbertum,  Goudae  1613)  berteibigte  fid)  33., 
meift  mit  großer  ^eftigfeit.  (Snbltcb,  tourbe  er  burd)  bie  ©tmobe  bon  ©erbrecht  (5.  Ttai 
1619)  als  $e|cr  berurteilt  unb  aller  ©teilen  an  ber  Uniberfität  unb  in  ber  ^ircfye  un= 
mürbig  erllärt.  3uS^i^  tourbe  er  auS  bem  ©ebiet  ber  ©eneralftaaten  berbannt.  (Ir  flob, 
nun  bon  ©ouba  unb  r/ielt  fta)  bis  gum  Qafyre  1622    in  ber  33erborgenb,eit,  meifienS  ju 

30  lltrecbt  ober  in  ber  Jläfye  biefer  ©tabt,  auf.  ®a  getoäbrte  ber  §ergog  bon  ^olftetn  ben 
Slrminianern  eine  $uf lucbtSftätte ;  33.  fam  im  3"^  1622  nacb,  Sönningen,  too  er  franf 
mürbe  unb  fcbon  am  29.  ©ebtember  ftarb.  ^n  griebricbjtabt  mürbe  er  beerbigt.  2)er 
3teftor  9Rarlu§  ©ualtfyeruS  r/ielt  eine  Setcfyenbrebtgt  (f.  oben),  i'iurj  bor  feinem  SLobe 
foH  er  nocb.  ein  ©laubenSbefenntniS  aufgefegt  unb   ficfy   jur  fociniantfcr)en  Ser)re   begannt 

35  Ijmben.  ©anbiuS  (Biblioth.  Antitrinitat.  p.  98)  fagt,  bafj  er  biefeS  33etenntniS  gefer/en 
fyat,  „in  qua  [Vorstius]  haud  obscure  prodit  quae  ejus  de  Deo  ac  Christo  Do- 
mino fuerit  sententia" 

33.  bat  biele  ©Triften   herausgegeben,    ^jaquot  (Memoires,  III,  78  suiv.)   nennt 
meb,r  als  bierjig  Sitel.    ©eine  nieberlänbifcfyen  greunbe  gaben   neun  Qafyre  nacb.    feinem 

40  Sobe  feinen  Commentarius  in  omnes  Epistolas  apostolicas,  exceptis  II  ad  Ti- 
motheum,  ad  Titum,  ad  Philemonem  et  ad  Hebraeos  (Amst.  et  Hard.  1631) 
l>erauS.  —  ©ein  ©ofm  2BilI)elm  ^einrieb  33.  (geft.  1.  Oft.  1652)  mar  feit  1642  ^rebiger 
ber  ^emonftranten  ju  Seiben  unb  ftanb  im  33erbad)t  beS  ©ociniamSmuS.  @r  mar  fei)r  er= 
fahren  in  ber  rabbinifcfyen  Sitteratur  unb  feine  ©elel)rfatnleit  tourbe  fefyr  gerühmt  (f.  über 

45  feine  ©Triften  SSa^le  1.  c.  IV,  474).  @in  anberer  ©olm,  ©uemeruS  33.,  mar  ebenfaUS 
^rebiger  ber  3temonftranten,  ^atte  unter  33arläuS  ftubiert,  mürbe  im  ^afyre  1632  ^rebiger 
ber  Stemonftranten  ^u  Collum,  im  %.  1634  gefangen  unb  bureb,  ben  |of  bon  grieSlanb 
für  fünf  ^ab,re  gebannt,  1635  jurücfgefefyrt  abermals  gefangen  unb  gu  berfelben  geit 
tüteber  gebannt,  fbäter  $rebiger  ^u  §oom  (1641),  Seiben  (1653),  9?otterbam  (1658),  too 

50  er  1680  emeritiert  ift  unb  im  Max^  1682  ftarb.     @r   b,at   ein  naa)gelaffene§  ©c^riftd^en 
feines  33aterS   herausgegeben:    „Doodsteek   der    Calvinistische   praedestinatie"    in 
einem  33anb   mit   einer   eigenen  ©cfyrift  gegen  §acb,tingtuS  „Noodsakelijke  censuren" 
33tS  1716   b,aben  ^ad^fommen  beS  33.  ber  9iemonftrantifcb,en  5lird£)e  in  ben  Diieberlanben 
im  ^rebigtamt  gebient.  5Reubcrfer  t  (©.  2).  Dan  Seen). 

55         SSofftu§,  ©erarbuS  ^o^anniS,  geft.  17   Wäx*  1649.—   £.  Sitten,   Memoriae 
Phil,  decas  quinta,   p.  96 sq.;  .§.  SottiuS,    Oratio  de  Gerh.  Joh.  Vossio,    grammatico   per- 
fecto,  Amst.  1778;  3.  ©.  be  Srane,  De  Vossiorum  Juniorumque  familia,  Fran.  1820;    © 
®-  3-  @d)oteI,  De  illustre  School  te  Dordrecht,  blz.  43;    W.  ©iegenbeet,  Geschiedenis  der 
Leidsche  hoogeschool,  2  dln.;   Seibett  1829,    32,  I,  108,  II,  110;  'illustris  Amst.  Athenaei 


aSofftuS  765 

Memorabilia,  ed.  3).  g.  ücm  Sennep,  p.  79  sqq.  —  ©ine  ©efanttauScjabe  feiner  SSerfe  erfdjien 
in  6  Ücinben  Slmfrerbunt  1695  —  1701.  ©eine  93viefe  mürben  u.  ci.  tum  ßoloniefuie  („Vossii 
et  clarorum  viroram  ad  eum  epistolae",  9lug§burg  1691)  rjercmägegeben. 

Stnen  mürbigeren  Vertreter  als  SBoffiuS  Ijiaben  bie  litterae  humaniores  faum  gefannt. 
@r  mar  nicfyt  einfach  ein  Mann,  ber  ftd;  beitritt  befcfyäfttgt  I)at,  fonbern  ein  Vertreter  ber  5 
artes  ingenuae.    ©eine  Siogratofyen  merben  feine  Sobrebner.    @r  ift  einer  ber  menigen 
Scanner,  beren  Stur/m  eben  fo  laut  bon  ben  nad)folgenben  ©efdjlecfytern   als  bon  feinen 
ßeitgenoffen  berfünbtgt  mürbe. 

3n  einem  ®orfe  bei  §eibelberg  erblicfte  er  im  grüfylinge  1577  baS  Sicfyt  ber  2SeIt 
als  ©oljm  bon  IgofyanneS  SBoS  unb  Gornelta  ban  Siele,  ©ein  SBater  flammte  aus  bem  10 
füblid)en  %t\k  ber  üftteberlanbe  unb  mar  geboren  ju  S^oermonb.  infolge  beS  2luSbrud)S 
ber  ©laubenSberfoIgungen  mar  er  geflüchtet  unb,  nad)bem  er  Geologie  ftubiert  fyatte, 
^rebiger  geworben,  ©einen  Familiennamen  l)atte  er  inSlIobiciuS  bertoanbelt.  2öeil  er  cal= 
binifcb,  geftnnt  mar,  berliefj  er  1576  bie  ^fal^,  mo  bamalS  baS  £utb,ertum  als  fyerrfd)enbe 
Wlatyt  ftcb,  geltenb  machte.  2tm  5.  9M  1578  liefj  er  ftd)  an  ber  furj  borfyer  gefttfteten  10 
Uniberfität  ya  Serben  als  ©tubent  ber  Geologie  eintreiben,  hierauf  toirfte  er  an  ber= 
fcfyiebenen  Drten,  jule^t  (feit  1583)  in  3)orbred)t,  als  SDiener  beS  ©bangeliumS,  unb  ent= 
fdjlief  ben  22.  gebruar  1586,  ©erfyarbuS  (beffen  SJhttter  fd)on  1684  geftorben  mar)  als 
SBaife  fyinterlaffenb,  ben  bieSÜßitme  beS  SDorbredjter  Pfarrers  3jacüDUlg  9Jtylm§  ju  ficfynafmt. 

SDorbrec^t  bot  mannigfacb,  ©elegenl)eit  jur  SluSbilbutig  ber  glüdlicfyen  Anlagen  beS  20 
Änaben;  in  feinem  17.  SebenSjaI)re  mürbe  er  fobann  3bgling  ^  f°0-  ©taatem^olIegiumS 
ju  Serben;  am  21.  ©ebtember  1595  trug  er  feinen  tarnen  in  baS  Sllbutn  ber  Uniber= 
fität  ein.  23on  allem,  maS  Serben  bem  begabten  Jüngling  bot,  l)at  biefer  roob,!  nichts 
i>öf>er  gemürbigt,  als  ben  greunbfcfyaftsbunb,  melden  er  mit  £ugo  be  ©root  (§ugo  ©ro= 
ttui)  fcfylofs,  ber  ein  $al)r  früher  unter  bie  3öglütge  ber  alma  mater  aufgenommen  toorben  25 
mar,  ein  §reunbfd)aftsbunb,  toelcb,er  erft  Durcb,  ben  ^ob  griffen  mürbe ;  ebenfo  oortrefflid) 
als  befct)eiben  fcfyrieb  SßoffiuS  bon  ©rotiuS:  „Quem  scirem  nihil  immerito  magnifacere 
praeter  me  unum" 

tinter  günftigen  Umftänben  begann  33offtuS  feine  ©tubien  in  Serben.  SDaS©taaten= 
Kollegium  mar  eben  auf  einem  befferen  gufj  eingerichtet  morben.  Sonabentura  23ulcaniuS,  30 
$etr.  SertiuS  (bamalS  Unterregent  beS  ©taaten=3MegiumS),  9tub.  ©neßiuS  lehrten  an  ber 
.^odjfcfyule  bie  alten  ©brauen  unb  bie  bfyilofotofyifdjen  2ßiffenfd;aften ;  granctScuS  3utüug 
SucaS  ^relcattuS  unb  granj.  ©omaruS  bie  ©regefe  beS  21.  unb  9ZSLS.  9Jcit  melc^  gutem 
(Srfolge  er  biejen  Sehern  folgte,  geb,t  au^  ber  bon  ib,m  im  ^jafyre  1597  gu  Serben  er= 
fd)ienenen  ©c^rift  b,erbor:  Oratio  panegirica  de  felici  expeditione  exercitus  foede-  35 
ratae  Belgieae,  duetu  Principis  Mauritii  etc.,  burefy  i^n  ge^eietmet  mit  bem  tarnen 
Gerardus  Vossius  Heidelbergensis.  ^m  Sa^re  I598  mürbe  er  jum  Magister  Artium 
beförbert  unb  im  folgenben  %atyxt  b,ielt  er,  unter  allgemeinem  Setfaß,  Sorlefungen  über 
einige  Süd)er  be§  2triftoteIe§. 

2öenn  e§  nad)  bem  SÜßunfa)  ber  Kuratoren  ber  §od)fd)u!e  gegangen  toäre,  fo  mürbe  40 
23ojftu3  bie©barte  be§  2iliu§  ©berb, .  3Sorftiu§  in  ber  $ftoji!  übernommen  b,aben,  melier  ba= 
mak  (1599)  jur  mebiginifd^en  gafultät  übergegangen  mar.  ©oeb,  glüdlid)erioeife  beriefen  ib,n 
bie  SSorftänbe  ber  Iateinifd}en  ©dmle  gu  S)orbrecb,  t  borten,  um  bas>  bafant  gemorbene  ^e^ 
torat  biefer  ©d)ule  ju  übernehmen,  ©eitbem  (1600)  mibmete  er  fein  Seben  böllig  bem  ®ienfte 
ber  ^3b,ilologie  unb  ber  b,iftorifd)en  S^eologie,  guerft  als  9te!tor,  bann  als  Seiter  (Regent)  45 
beS  ©taaten=^oHegiumS  ju  Serben  (1615),  hierauf  als  5profeffor  an  ber  §ocf)fd)ule  ba= 
felbft  (1622),  enbltd)  als  ^ßrofeffor  an  bem  Athenaeum  Illustre  in  Slmfterbam  (1632). 
%a\t  15  ^a^re  mir!te  er  unb  jmar  mit  bem  günfttgften  ©rfolge  in  ®orbrecb,t.  §ier  gab 
er  feine  Institutiones  Oratoriae,  libri  VI  (1606,  fbäter  bcrmeb,rt  unb  berbeffert)  berauS 
unb  mürbe  ib,m  eine  ^rofeffur  ber  Sib,eologie  in  ©teinfurt  angetragen,  meiere  er  ablebnte,  50 
ba  er,  burd)  Vermittlung  bon  ©rotiuS,  jum  Setter  beS  Staaten=ÄolIegiumS  ernannt  mürbe, 
meld;e  ©teile  er  bis  1619  belleibete,  unter  ben  mübeboHften  Umftänben,  meld)e  burd;  bie 
Streitigkeiten  gtüifc^en  ben  ©omariften  unb  Slrminiartern  beranlafet  maren;  er  für  feine 
9ßerfon  ^telt  ftd)  fo  biel  als  möglieb,  bon  ibnen  ^urüd,  feine  ©rbauung  unb  ©emüts= 
er^ebung  fud)te  er  in  ber  ^rebigt  unb  2lbenbmab,lSfeter  fotoofyl  bei  Stemonftranten  als  55 
^ontraremonftranten.  5Den  §ei|fbornen  jener  Xage  mar  eine  fold>e  5Uiäf)igung  ein  SlrgerniS. 
Slud)  über  fein  §aubt  entlub  fid)  ber  ©türm.  ÜJian  übertrug  bem  Kollegium  ber  Wura= 
toren  ber  §ocb.fd)ule,  baS  jum  Seil  erneuert  unb  bureb,  etlid)c  hinzugefügte  3)citglieber  ber= 
ftärlt  mürbe,  bie  Aufgabe,  alles  baS  ju  tb,un,  toaS  bie  Sage  unb  bie  Sebürfttiffe  beS 
leeren  Unterrichtes  erforberten;  biefeS  urteilte,  bafj  fomob,l  ber  Regent  ^offiuS  als  ber  ©ub=  60 


766  SBoffmg 

regent  ®a§bar  33arläu<§  bon  if)ren  ©teilen  entfernt  merben  müßten.  £>odj  fehlte  eg  nidjt  an 
Scannern  im  Kollegium,  meiere  ben  23offiuS  bor  einem  folgen  ©cfyufjal  ju  bemalen  münfcfc 
ten.  3Jfan  gab  ib,mben9Jat,  felbft  feine  ©teile  jur  33erf  ügung  ju  ftetlen  unb  auf  biefe  Söeife 
in  gemiffer  33eäiel)ung  bem  ©cb>ge  äuborjufommen.  gragt  man,  mag  er  nacr)  bem  ttr= 
6  teile  ber  mafsgebenben  ^erfonen,  ber  Äontraremonftrantenbartei,  Übles  getfyan  blatte,  bann 
erhält  man  eine  boEftänbige  2Intmort  aus  ben  33erfyanblungen  ber  fübb,  oßänbifc|en  ©rmobe 
betreffe  ber  Angelegenheiten,  ©adje  unb  £ef»re  ber  Semonftranten,  meiere  bon  Dr.  91  (5. 
$tft  in  bem  „Archief  voor  kerkelyke  geschiedenis"  Dl.  VII  mitgeteilt  finb. 

®ie  bureb,  SSoffiuS  Veröffentlichten  „theses  theologicae  de  variis  doctrinae  christia- 

io  nae  capitibus"  (1615)  unb  bie  „Historiae  de  contro versus,  quas  Pelagius,  ejus- 
que  reliquiae  moverunt,  libri  VII"  (SImft.  1618  unb  1665)  mürben  angefet/en,  alg 
2tnfi$ten  entfyaltenb,  bie  ntcfyt  mit  benen  ber  ^ontraremonftranten  übereinftimmten,  roäfyrenb 
überbteg  begannt  mar,  bafj  33offiug  in  einzelnen  fünften  mit  ben  5  2trtifeln  ber  9iemonftranten 
übereinftimmte.  33offiug  roollte  in  feiner  anbern  ©igenfdjaft  bor  ber©imobe  erfer)  einen,  alg  in 

15  ber  eine§  ©emeinbegltebeS ;  er  mar  bod)  niemalg  ein  ^ird)enbiener  getoefen.  2lucr;  moHte 
er  in  feinem  gatte  alg  eine  afabemifcb,e  ^Jerfon  erfahrnen.  3)aS  ledere  münzten  jeboer) 
einige  Kuratoren  unb  ^rofefforen,  meld)e  mit  ü)m  für  bie  Unabfyängigfeit  ber  ©cfyule 
eiferten.  ®afj  33offiug  feiner  ©ntfyebung  suborf am,  f)atte  guten  ©rfolg ;  bie  fircfjIic^enDbrtgfeiten 
gemährten  fie,  nacfybem  bie  tb, eologtfcle  gafultät  erflärt  blatte,  bafj  feine  tlrfac^e  borfyanben 

20  märe,  bie  9ietf)tgläubigfeit  beg  33offtug  in  Zweifel  p  jieb,  en.  ©obalb  biefe  fircbjidje  33emegung 
gegen  23offtug  jur  SftuI?  e  gefommen  mar,  übertrugen  bie  Kuratoren  ber  Uniberfität  im  3<#e 
1622  U)m  bie  ^ßrofeffur  ber  33erebtfamfeit  unb  ber  Chronologie,  unb  ungefähr  3  %ah]xt 
fbäter  bie  ber  griea)ifcr/en  ©toradje.  SDurcr;  biefe  33ermeb,rung  feiner  SBirffamfeit  unb  ju= 
gletcfe,  feineg  Gsinfommeng  empfing  33offiug  einen  33emeig  ber  ©rfenntlicfyfeit  ber  Kuratoren  für 

25  ein  Dbfer,  meines  er  gebraut  f>atte.  (5r  fyatte  nämlicb,  im  ^afyre  1624  eine  Berufung 
an  bie  Uniberfität  ju  Gambribge  ausgeflogen,  meiere  im  ^abxe  1626  noeb,  einmal  mieber= 
b,oIt  mürbe;  ein  @ntfd)Iu^,  melden  feine  englifcfyen  greunbe  mit  Seibmefen  bernafymen, 
miemofyl  fie  tfym  tb,r  2BofylmoHen  nie  endogen.  @g  mürbe  ib,m  ein  ^anonifat  übertragen, 
beffen  materielle  Vorteile  tfym  alg  §au§bater  fefyr  $u  gute  famen.  Serben  fotlte  tb,n  jebod» 

30  nicfyt  länger  alg  big  1632  befttjen.  ®er  ©inlabung  ber  Regierung  ber  ©tabt  Slmfterbam, 
an  bem  bafelbft  neu  errichteten  2ltb,enäum  ^rofeffor  ju  merben,  unb  jmar  unter  äufjerft 
günftigen  33ebingungen,  glaubte  er  ©et)or  geben  ju  muffen.  @r  trat  biefeg  2lmt  am  8.  %a- 
nuar  1632  mit  ber  ^nauguralrebe  „De  historiarum  utilitate"  an.  ©er  gut  gemähte 
©egenftanb  mar  bei  SerfafferS  ber  „De  historicis  graecis  libri  IV"  (Seib.  1624;  neue 

35  2Ut!§g.  bon  Söeftermann,  Seifjj.  1838)  unb  ber  „De  historicis  latinis  libri  III"  (Seiben 
1627)  boltftänbig  mürbig.  2lu|er  über  bie  aHgemetne  ©efcl)icr)te  laö  er  aueb,  über  bie  ber 
cfyrtftlicfyen  ^ircb,e;  er  interpretierte  gelegentlich  Seno^on  unb  Slriftop^aneä,  gloru§  unb 
^uftinul.  ©amätagö  Slbenbl  b,  ielt  er  ^rtbatübungen,  mobei  bie  Stnmefenben  fiel;  im  ©til 
unb  Sortrage  übten.    $n  ben  öffentlichen  3Sorlefungen,  meiere  nid^t  nur  bon  ©tubenten, 

40  fonbern  aueb,  bon  5tRännem  reiferen  2llter§  unb  ^öfjerer  ©teHung  befucfe,t  mürben,  trat 
Soffiul  infolge  auSbrücf liefert  Verlangens  ber  Regierung  in  einer  Soga,  2alar,  auf.  2Bie  er 
feine  3Sorlefungen  b,  ielt,  berietet  ©amuel  ©orbiere,  melcf;er  felbft  mäbjenb  feiner  2lnmefen= 
Ijeit  in  ben  3tieberlanben  unter  feinen  gufyörern  fa^.  ©tefer  fc^retbt  (Sorberiana, 
p.  229):    „tres    viros   numerabam   maximos    ex   innumeris  e  Suggestu   prae- 

45  legentibus,  Dionysium  Petavium,  Vossium  et  Barlaeum,    Heinsium   non   audi- 

verara  et  Samuelem  Petitum  —  biefer  mar  fein  Db,eim  —  modeste  praeteribam, 

quos  inter  Vossius  eminebat,  quantum  lenta  solent  inter  viburna  Cupressi.  — 

®en  17.  2Jlärg  1649  rief  ib,n  ber  %ob  au§  feinem  SSirfunggfreife  ab  unb  erlöfte  ilm 

bon  bem  ferneren  Ä'reuje,   meines   er   al§  ©begatte  unb  Sater  l)atte  tragen  muffen.    @r 

50  mar  jmeimal  »erheiratet,  jule^t  mit  einer  Softer  beg  granjilcu§  ^uniul  (©lifabetl;).  @r 
b,at  alle  feine  ermacfjfenen  $tnber  (8),  big  auf  eines,  naclieinanber  ju  ©rabe  getragen,  unb 
unter  biefen  biejenigen,  meiere  bureb,  Talent  unb  ©eifteSgaben  feinem  3tamen  einen  neuen 
©lanj  bättert  geben  fönnen.  Senn  e§  mar  2Öabrbett,  ma§  ©rotiuS  fcbevgenb  Don  ib^m 
bezeugte:  „Liberis  non  minus  quam  libris  seculum  ornavit,  ut  dubium  effecerit, 

56  scriberetne  aecuratius  an  gigneret  felicius ?"  ©ein  ©ob,n  ÜKattb, euS  35.  (geb.  ca. 
1610,  geft.  20.  ^an.  1646)  mar  ©efd)icb,tfcb.reiber  ber  ©taaten  bon  §oßanb  unb  geelanb; 
©iontjfiuS  33.  (geb.  11.  Wiäx%  1612,  geft.  24.  Dftober  1633)  leimte  ftt)on  im  3ab,re  1632 
eine  ^rofeffur  ber  ©efcb,icb,te  unb  Serebtfamfeit  ju  ©ortoat  ab  unb  mürbe  im  folgenben 
Qab,re  burc$  ben  $önig  bon  ©cb, meben  ju  feinem  §iftoriograbb, en  ernannt ;  ©erarbuS  33.  jun. 

60  (geb.  1619,  geft.  27.  SSJiärj  1640)  gab  fa^on  in  feinem  20.  Sebengja^re  eine  bon  ben  ©e= 


SBofftuS  767 

lehrten  allgemein  gelobte Irtttfd^c  2Iuggabc beg  35ettejug  ^aterculuö  fyeraug.  3) er  einige  ©ob,n, 
ber  bei  bem  Sobe  beg  Sjaterg  noch,  am  Seben  mar,  mar  ^sfaac  33.  (geb.  1618,  gcft. 
21.  gebr.  1689).  @r  mar  erft  23ibliotbetar  ju  2lmfterbam,  machte  Steifen  nach,  (Snglanb, 
granfreid)  unb  Italien  unb  folgte  int  ^afyre  1648  einem  9iufe  ber  Königin  ©brifttne  nad) 
©djmeben,  ber  er  ^>ribatunterrid)t  im  ©riecfyifcfyen  erteilte  unb  beren  23ibliotI)erar  er  mürbe.  5 
©bater  (1670)  ging  er  nad)  ©nglanb,  mo  er  aU  Kanonifug  ju  Söinbfor  ftarb.  (*r  toar 
bon  etroag  leidstem  ©d)lag,  unbeftänbig,  gleidjgiltig  in  ©laubengfacfyen,  bem  Sjater  alfo 
in  bielen  ©tüden  feb,r  unätynlid).  33eiber  Sebengbilb  ift  in  einer  finnigen  ÜSeife  gewidmet  in: 
Memoires  pour  servir  ä  l'histoire  des  sciences  et  des  arts,  befannt  unter  bem 
tarnen:  Journal  de  Trevoux,  Armee  1713,  p.  178 sqq.,  unb  baraug  b,erüber=  10 
genommen  in  SRtceronS  Memoires  XIII,  p.  99  ss.  2)urd;  hieben  bon  greunben  unb 
33erel)rern  ift  bag  £ob  beg  ©.  $.  93offtu§  berfünbigt  morben.  ©ein  2Imt€genoffe  Sllbertug 
9tufiug,  ^rofeffor  juris,  fyielt  ib,m  eine  oratio  funebris,  bie  jebod)  nid)t  im  SDrucfe 
erfdt)ten.  Unter  ben  33emunberem  ber  ^erfon  unb  ber  ©aben  beg  23offtug  nal)m  einen 
ber  erften  $Iäfce  ber  berühmte  bollänbtfdje  ©id^ter  Qooft  ban  ben  23onbel  ein.  2)ie  2>n=  15 
fd)rift,  it>elct)e  bon  biefem  einem  iöilbniffe  beg  93offiug,  tüeldt)e§  burcb,  ^n  Wakv  ©anbrart 
berfertigt  morben  mar,  beigefe^t  mürbe,  berliert  burd)  jebe  Überfettung.  ®ie  ©djlufcberfe 
mögen  in  lateinifdjer  ©brache  alfo  miebergegeben  merben : 

„Quid  chartis  hominem  cingis,  Sandrarde,  librisque? 

Condita  quaeque  libris  condita  habet  cerebro."  20 

$n  ben  ^a^ren  1695 — 1701  erfdnen  eine  boßftänbige  2luggabe  feiner  Opera  in  sex 
tomos  divisa.  ©röfjtenteilg  gaben  biefe  Folianten  einen  2lbbrud  beffen,  mag  fdmn  früher 
erfdjtenen  mar;  nur  einzelne  ©tüde  erfcfyienen  b,ier  jum  erften  SDlale  im  2)mde.  $Dte  ge= 
nauefte  3Ingabe  beffen,  mag  er  gefdjrieben  b,at,  liefert  ber  Catalogus  biefer  Opera  bei 
■Jiiceron  I.e.  p.  102  ss.,  roelcfyer  nod;2Ber!e  bon23cffiug  aufgenommen  r)at,  meld;e  nidjt  in  25 
ben  Opera  enthalten  finb.  $n  biefen  Opera  faßt  ung  am  meiften  bag  Uniberfette  ber 
2öiffenfdjaftlid;feit  beg  SBofftuS  auf.  3Jcan  fagt,  bafj  feine  Stbliotfyef  24  000  23änbe  umfaßt 
fyabt,  unb  man  behauptete,  bafj  ber  ^jnfyalt  berfelben  i^m  bottftänbig  befannt  geroefen  fei. 
£>te  aufjerorbentlid)  reidje,  biele  tr>id)tige,  burcb,  ifyn  felbft  überall  gefammelte  §anbfd)riften 
entfyaltenbe  SBtbltot^ef  beg  $}aac  93.  mürbe  im  $al)re  1690  bon  feiten  ber  Itniberfität  p  sc 
Serben  angekauft  für  33000  ©ulben  (55  000  M.). 

fragen  mir,  meldte  23erbienfte©.I3-33offiug  fid;  begüglid)  ber  Biologie  ermorben  t)at, 
fo  beantmortet  ung  bieg  feine  Grammatica  Latina,  meiere  länger  alg  jtoet  ^afyrr/unberte 
ben  @b^nbla|  in  feinem  SBaterlanbe  eingenommen  fyat  unb  in  unzählbaren  Auflagen  neu 
gebrudt  morben  ift,  feitbem  fie  jum  erften  Sftale  im  %afyxe  1618  erf  dienen  mar  unter  3e 
bem  S£itel:  Ludolphi  Lithoeomi  Syntaxis  Latina  ex  recensione  Vossii,  momit  er 
bie  ©runblage  gur  fruchtbaren  ^Betreibung  ber  alten  ©brache  gelegt  fyatti.  S)en  ©tubien 
ber  lateinifdjen  ©brache  öffneten  feine  SSerfe  eine  reidje  Quelle,  ©ie  lieferten  ben  Seroeig, 
bafe  fie  bon  einem  SRanne  ftammten,  ber  in  bem,  mag  er  fcfyrieb,  bollfommen  ju  §aufe 
mar  unb  meiner  leine  5Rüb,e  fbarte,  um  anbere  auf  bie  §ö^e  ju  führen,  bie  er  felbft  er=  4c 
reicht  ftatte.  ©enialität  mag  feinen  Söerlen  fehlen;  Iel)rretct)  finb  fie  bagegen  auf  jeber 
©eite.  §at  er  aud;  felbft  mit  ber  SLertfritif  fidi  ntd)t  befd)äfttgt,  fo  b,at  er  bod;  anberen 
barin  borgearbeitet,  bafe  er  fie  beflinieren  unb  fonjugteren  gelehrt  unb  Urnen  bie  ©efe^e 
ber  ©rmtarjg  eingefd)ärft  ^at.  @ben  fo  I)etl  glänjt  fein  dtü^m  aU  §iftorifer.  2öag 
namentlidj  bie  r>tftortfc^e  Geologie  betrifft,  fo  ift  fein  93erbienft,  ba|  er  in  einer  3eü»  45 
in  toeldjer  borjuggmeife  bogmatifdje  arbeiten  bie  ©eifter  beroegten,  fein  3Iugenmer!  auf 
bie  ©efd)id;te  beg  2)ogmag  geridjtet  l>at.  @g  mag  roal>r  fein,  ba|  mir  über  mefyr  Quellen 
berfügen  unb  begfyalb  in  mel>r  alg  einer  Schiebung  feine  Arbeit  berbeffern  fönnen,  eg 
mürbe  aber  unbanfbar  fein,  bag,  toag  er  getb,an  bat,  gering  ju  fd)ä|en.  33or  allem  muffen 
mir  Sterbet  unfere  SlufmerffamJeit  rid)ten  auf  feine  „Dissertationes  tres  de  tribus  so 
Symbolis,  Apostolico,  Athanasiano  et  Constantinopolitano"  (3Imft.  1642),  toelcfye 
alg  ^robe  einer  fritifd)en  93ebanblung  biefeg  ©egenftanbeg  bleibenbe  2lufmerlfamfeit  ber= 
bienen;  nid;t  Weniger  ift  bieg  ber  gall  mit  feinen  „Libri  IV  de  theologia  gentili  et 
physiologia  christiana,  sive  de  origine  ac  progressu  idololatriae  deque  naturae 
mirandis,  quibus  homo  addueitur  ad  Deum"  (Amst.  1642,  ed.  2a  Francf.  1668,  53 
ed.  3a  Francf.  1675).  sJJiemanb  toar  ?u  einer  foldjen  Unterfud;ung  geeigneter,  alg23offiug, 
meldjer  bie  alte  Söelt  gleid;fam  aug  ber  Mi)t  fannte.  @r  gab  feinen  ^eitgenoffen  bie 
grud;t  einer  aufmerlfamen  33etracbtung  bon  ©rfd^einungen,  bie,  mie  fefcr  fie  auö)  bon  bem 
SBege  ber  SBabrbeit  abmeid;en,  bod;  alg  3eid;en  geiftlid;en  Sebeng  Sead;tung  berbienen. 
2Benn  mir  eine  s8emerrung  ju  biefem  Söerf  machen,   bann  ift  eg  biefe,   ba^  eg  überlaben  60 


768  SSoffiu§  SSatfetttogel 


unb  toenig  bfyilofoblnfd;  ift.  3m3afyre  ^x  feinem  £obe  fyat  er  herausgegeben  „De  bap- 
tismo  disputationes  XX"  (2lmfi.  1648)  unb  nac§  feinem  %obt  finb  erfcblenen  „Trac- 
tatus  theologici"  (SImft.  1701). 

SSon  allem,  maS  SSofftuS  unS  fyinterlaffen  fyat,  ift  nichts  mistiger  als  feine  Epistolae. 
5  2)ie  ©brad)e  ift  rein,  ebler  aber  ift  nod)  baS  §erj,  baS  in  biefer  ©bract)e  fid)  offenbart. 
©o  toie  er  barin  bie  33erbienfte  feines  ©djtoiegerbaterS  granjiScuS  QuniuS  gegen  bie  2ln= 
griffe  beS  ©caliger  unb  beS  be  SEfyou  (^ctc  2lug.  ^fyuanuS)  berteibigt,  mie  er  barin  über 
feine  eigenen  ©Triften,  Sßirffamfeit  unb  ©tfyicffale  fjpricfyt,  mit  feinen  greunben  berfefyrt, 
lernen  mir  ifyn  nicfyt  nur  als  einen  großen  9Jc~ann,  fonbern  bor  allem  als  einen  eblen,  tief= 
10  religiöfen  3Jcenfd?en  lieben.  Dr.  ©ew  f  (©.  2>.  »an  Seen). 


SBulgata  f.  b.  21.  «Bibelüberfe^ungen  33b  III  ©.  36. 


w 


SSaaMIaub,  ftretfirdje  f.  b.  21.  %x ei! treten  33b  VI  ©.  254, ib. 

SBatfernagel,    ^Inlibb,    geft.  1877    —    Quellen    xmb  Sttteratur:   2)em    gol= 

15  getiben  liegen  $u  ®runbe  be§  Unterzeichneten  3Iuffäge  in  ber  (hmngeltfcben  Strcbenäeitung  Don 
1872,  1875,  1878;  in  ber  Mgemetnen  Iut^erifd)en  tirdjenjeitung  1878,  3lx.  2  unb  3;  unb 
ba%  au§fü£)rticbe  Se6en§bilb :  $£)iüpp  Sßacfernagel  nad)  feinem  Seben  unb  SBtrten  für  ba§ 
beutfebe  SSoIf  unb  bie  beutfebe  Strebe.  SOlit  einem  S3ilbni§  üBacfernagelS,  Seidig  1879.  — 
3u  »gl.  ift  nud)   bie  ®<bnft:   SSit^elm  SSacternagel,    3ugenbjab,re   1806—1833,   Don  SKubolf 

20  SBacternagel  (bem  ©ofjne  SSti^elmä),  SSafel  1885.  9?od)  ju  ugi.  9lb93  33b  40,  1896  nun  ©bro. 
©djröber. 

$I)ilibb  2ö.,  ber  fyerborragenbfte  ^fymnolog  beS  19.  $abTl)unbertS,  ber  d;riftltd)e 
sßäbagog  unb  9Jcttbegrünber  beS  beutfd)=ebangelifcr/ett  Kirchentages,  ift  am  28.  ^uni  1800 
ju  Berlin  geboren.    @r  war  ber  SBruber  beS  als  ©ermanift  unb  Sitterarluftorifer  rüfymlid) 

25  bekannten  2SüfyeIm  20.,  geft.  am  21.  25ej.  1869  -m  Safel.  ©er  Sater  mar  Sucfybrucfer, 
fbäter  Kriminaliommiffar ;  boefy  mit  bem  granjofenbruef  feit  bem  KriegSunglücf  1806 
mud)S  aud)  ber  Scotftanb  in  Berlin  unb  in  ber  gamtlie.  ?ßi).  fyat  früf),  fd)on  in  ber 
©cb^uljett,  erfahren,  toie  föftlid)  eS  fei,  baS  %ofy  in  ber  3u9en^  trogen  ju  lernen.  3m 
Kampf  mit  ber  Not  beS  SebenS  bilbete  ftd)  bie  gefügt«:,  ©elbftftänbigfeit,  ja  §artnäcfig= 

30  feit  in  feinem  Sfyarafter  aus,  meiere  nicfyt  ofme  baS  im  ©Iternfyaufe  maltenbe  fromme 
©ottbertrauen  mit  bem  allmäfylid;  immer  tiefer  erfaßten  ©lauben  an  feinen  £eilanb  fid) 
berbanb. 

2IIS  ©cr;üler  beS  grauen  KlofterS  in  Berlin  unter  beg  älteren  Seilermann  Direftorat 
mar  er,  um  fief)  freien  ©dmlunterricb; t,  teilmeife  freie  ©cfy ulbücb.er  unb  ein  fleineS  £afcfyen= 

35  gelb  ju  berbienen,  in  ben  bamate  noeb,  bei  bem  ©r/tnnaftum  beftef;enben  ©ingec^or,  bie 
berliner  (Surrenbe,  eingetreten.  Siedet  aug  eigener  ©rfafyrung  fcb.ilbert  Sß.  fbäter  in  feiner 
2lu§gabe  bon  Sut^erS  geiftlidjen  Siebern  (©.  XVIII)  biefen  burd)  nichts  ju  erfe^enben 
©egen  für  eine  ©tabt,  melden  Hinber  unb  ©ienftleute,  mie  bie  Bürger  mitten  in  ifyrer 
Strbeit  embfangen.    „2öo  bie  ßb^orfcb^üler  nieb^t  meb,r  fingen,  befommt  niemanb  ba§  2öort 

40  ©otteS  auf  ber  ©tra|e  ^u  b,ören."  ©omeit  e§  bie  freie  ©d^eit  ermöglichte,  berfab|  er 
notf;  ©c^reiberbienft  bei  einem  guftijrat.  9iur  bie  im  ©ommer  bößig  freien  Nachmittage 
am  SQiittmocb;  unb  ©onnabenb  lief?  er  fieb,  rttd^t  nehmen.  2ln  if)nen  „trabte  er"  InnouS 
auf  ben  2;urnbla^  ^ab;n§,  beS  SegrünberS  ber  SLurnerei  in  Berlin.  5Diefe  ^eit  mit  ber 
leiblichen  unb  geiftigen  @rfrifcb;ung  unb  Kräftigung  unter  beffen  Seitung   gehörte   ju    ben 

45  liebften  (Erinnerungen  au$  ber  ^ugenbjeit. 

©er  Sater  ftarb  1815.  (Sin  ^ab^r  fbäter  mufjte  ber  ©ob,n  ba§  ©^mnafium  berlaffen, 
meil  eS  ber  SUtutter  unmöglich;  toar,  ifyn  länger  ju  erhalten,  ©ie  ©cb^reibfron  mu^te  loieber 
ertragen  merben.  ©ureb,  %at)n  tourbe  er  an  $rofeffor  ^ßlamann  embfob^len  unb  bon  biefem 
al§  Se^rer  unb  gugteic^  ©ctjüler  in  fein  Qnftitut,  meinem  fbäter  aud;  gürft  SiSmard  an= 

so  gehörte,  aufgenommen.  3Son  £)ier  au§  machte  er  nad)  brei  $afy ren  bie  Prüfung  jum  Sefud) 
ber  Uniberfttät;  mäfyrenb  biefer  3eit  lonnte  er  feinen  JBerfefyr  mit  3ab;n  auf  bem  £urn= 
bla|  ungeb;inbert  fortfe^en.  2tud)  bie  ^Kittel  jum  alabemifd^en  ©tubium  foüte  er  bem 
2urnbla|,    inSbefonbere    feinem  treuen  gab^n    berban!en.    ®er   fd;lan!e,    b^od;gemad;fener 


aöatfmtagel  769 

elternlos  gemorbene  Jüngling  mürbe  burcb,  3>alm  an  ben  ^ßrofeffor  ber  Mineralogie  unb 
SBergrat  Marl  b.  Mautner  embfofylen.  ©eitbem  bettrat  ber  treffliche  Mann  SSaterfteüe  an 
$f)ilibb.  £>ie  fofortige  2lufnaf)me  in  beffen  §au3  nad)  Sre^Iau  mar  für  feine  gan^e  meiterc 
Sntmidelung,  ja  für  fein  Seben  bon  beftimmenbem  ©influfj.  ©eine  foeben  in  ^Berlin  be= 
gonnenen  ©tubien  fe|te  er  mit  freiem  unb  frifdjem  Mut  bjer  fort;  er  richtete  fie  nid;t  5 
blofj  auf  bie  beutfdje  ©brache  unb  £itteratur,  fonbern  burcb,  b.  9kumer§  berfbnlicben  ßin= 
ftufe  aud;  auf  Matfyematif  unb  $Raturmiffenfdjaften,  bcfonberg  Mineralogie  unb  ®rr/ftatto= 
grabine.  2Iber  28.3  ©ifer  auf  bem  ^urnblats  mact/te  tlm  in  ber  bamaligen  geit  ber„®ema= 
gogenriecfyerei"  ber  bemagogifdjen  Umtriebe  berbäcfyttg,  bem  „^oltjeiric^ter"  fiel  fein  SLagebud) 
nebft  allen  feinen  Siebern,  ©ebicfyten  unb  miffenfd)aftlidjen  3lbb,anblungen  in  bie  §änbe ;  10 
er  felbft  fyatte  ein  %afyx  ©tabtarreft.  ©nblicfy  mtbmete  er  ficb,,  gleichfalls  burd)  b.  Sftaumer 
angeregt,  r/r/mnoIogifd)en  ©tubien,  unb  um  Um  bei  biefen  feftjuljalten,  nafym  ib,m  berfelbe 
baö  Skrfbredjen  ab,  nid)t  el)er  mieber  felbft  ju  bieten,  als  bis  er  feine  2lrbeit  am  Hird;en= 
liebe  bollenbet  babe. 

;£>urd;  b.  SKaumerS  Berufung  nad)  §atte  mürbe  20.  beftimmt,  fobalb  fein  ©tabtarreft  15 
aufgehoben  mar,  feine  ©tubien  in  §atte  fortjufe|en  unb  ju  boHenben.  3öie  bei  b.  Räumer 
bie  %rturmiffenfd;aften  unb  bie  ^äbagogif   auf  bem  ©runbe  be£   lebenbigen    dj)riftlid;en 
©laubeng  ruhten,  fo  anä)  bei  20.    3113  b.  Räumer  Dftern  1823,   mefentlict;  infolge  be§ 
audj  gegen  ib,n  feitenS  ber  breufjtfrfjen  23el)örben  megen  feinet  (SinfluffeS  auf  bie  Surfcb, en= 
fcjwften  ausgekrochenen  MifjtrauenS,    feine  ©teile  aufgegeben  unb  eine  £eb,rtl)ätigreit  an  20 
einer  ^MbaterjiefmngSanftalt   in  Nürnberg  angetreten  f)atte,  mürbe   im  folgenben  ^a^re 
aud)  3B.,  ber  injroifd^en  feine  ©tubien  bollenbet  unb  beffen  „@eift  fiel)  gefegt"   fyatte,   an 
biefelbe  Stnftalt  als  Se^rer  für  Matfyematil;  unb  3>iaturmiffenfcr;aften  berufen.    §ier  mirfte 
er  im  fdjönften  33erfeb,r  mit  gleidt)gefinnten  2lmtSgenoffen  (aufjer  mit  b.  Räumer  noct)  mit 
9tanre,  bem  fbäteren  Dberfonfiftorialrat,  ©trebel,  bem  fbäteren  Pfarrer  unb  ©cfymager,  u.  a.),  25 
unb  trat  mit  ben  fyerborragenben  djriftlid)en  ^erfönlidjleiten  Nürnbergs  mie  mit  ben  be= 
beutenbften  ©elefyrten  beS  naf)en  unb  biel  befugten  ©rlangen  (©d>ubert,  ©Delling,  ^ßfaff, 
$rafft  u.  a.)  in  enge  33erül)rung.    SDie  Slnftalt  bermocfyte  ficb,    troij   ber  tücfyttgften  £efyr= 
Iräftc  nicfyt  ju  galten;  b.  Räumer  mufcte  fie  auflöfen  unb  folgte  fdjon  1829   einem  SRuf 
nad^  (Erlangen  als  ^rofeffor  ber  Mineralogie  unb  ^äbagogü;  2B.,  nadjbem  er  !urj  borfyer  30 
auf  ©runb  einer  S^eib^e  gebrudter  miffenfcfyaftlicfyer  2lbl)anblungen  mineralogifeijen  unb  bota= 
nifdjen  Spalts  (gebrückt  in   ber  %\\$  unb   in  SfaftnerS  Slrdjnb)  jum  Doltor  ber  ^SbiIo= 
]opi)k  bromobiert  mar,  bann  ben  ©ommer  über  noa)  gefc^riftfteUert  l^atte,   mar  1829  im 
§erbft  an   bie  ftäbttfcfye  ©etoerbefcb^ule  nac^  Berlin   berufen   unb   nad^  Slblegung   feiner 
Dberlefyrerbrüfung  bafelbft  befinitib  aU  orbenrlicfyer  £ef>rer  angefteHt.  ©eine  mineralogifc^en,  35 
befonber§  fr^ftallogra^ifcben  Slrbeiten,  meldte  er  beröffentlitfjt  blatte,   jogen   bie  2lufmerf= 
famfeit  be§  berühmten  Mineralogen  SÖßeifs  in  ^Berlin  auf  fic^;  er  mottle  iljm  für  bie  33er= 
liner  Uniberfität  geminnen ;  gubor  follte  er  fic^  jebod^  nod)  bura)  eine  größere  miffenfd^aft= 
lid)e  Arbeit  begannt  mact;en  unb  gu  beren  SBoflenbung  eine  9teife  nacf>  Sonbon   antreten, 
um  bie  bortigen  ^rbftatte  im  SBrittfd^en  Mufeum  gu  ftubieren.  Seiber  mu|te  er  bie  müfyfam  40 
erfbarten  3^eifemittel  ju  einer  längeren  93abefur  bermenben,  um  feine  fe^r  erfd^ütterte  ©e= 
funbfyeit  mieber  b^erjuftellen. 

Jßieber  genefen  berlobte  er  ficb,  mit  ber  ©djmefter  be§  bamaligen  (Srlanger  ^ßrofefforö 
ber  Geologie  21.  §arle|,  unb  fa)lof$  mit  xi)x  1830  ben  Sebenöbunb  ju  einer  retet)  gefeg= 
neten  @f>e.  ®iefe  ^erbinbung  mürbe  ber  2tnlaf},  ba§  er  feine  ©tettung  in  Serlin  aufgab,  45 
um  ju  feinem  ©cb,mager  ©trebel  Dftern  1839  nadb,  ©tetten  in  Württemberg  ju  geb^en 
unb  an  ber  unter  beffen  Seitung  ftel)enben  @rjieb,u:tg§anftalt  alö  £ef)rer  für  Matb^ematif, 
^aturmiffenfcfyaften  unb  beutfd)e  Sitteratur  ju  arbeiten.  §ier  begannen  bie  arbeiten  an 
feinen  „Sefebücfyern"  für  ben  beutfcfyen  Unterricht,  meiere  in  einer  großen  ftafyl  bon  2luf= 
lagen  biete  Xaufenbe  bon  fröl)licb,en  Sefern  unb  Sefertnnen  ertoorben  |aben,  unter  u)nen  50 
für  bie  Äinber  in  ben  frül>eften  Sauren  feine  „©olbene  gibel"  9Joa)  bebeutfamer  mar 
fein  „golbene§  33ucb, ",  bie  ftaffifcfye  3lbl>anblung :  „®er  Unterricht  in  ber  beutfcfyen  Mutter^ 
\pxaa)e"  (Stuttgart  1843).  ^"  *>iefer  ©tettung  berblieb  er  fünf  nicfyt  leiste  ^abje.  9Zact) 
furjer  ^urücfgejogen^eit  inä  ^ribatleben  auf  ein  ftitteä  abgelegene^  Sanbgut  (©i)lo§  Äal= 
tened)  jur  £erftellung  feiner  ©efunb^eit  folgte  er  1845  einem  Stuf  aU  ^rofeffor  an  baS  65 
3tealgt)mnaftum  ju  SSieSbaben  unb  1849  aU  ©ireftor  an  bie  9iealfcf/ule  in  ßlberfelb. 
®er  fc^mierige  Soben  be«  Söubbertbale«,  bie  nicf;t  leichten  örtlichen  ^erbältniffe,  namentlich 
bei  feiner  auögebrägten  bolitifcb,  fonferbatiben  unb  fonfejftonctt  lutbertfcb,en  3iid^tung  unb 
babei  bor  allem  feine  angegriffene  ©efunbb,eit,  beftimmten  tt)n  1861,  feine  Stellung  auf= 
jugeben  unb  ficb;  in  ben  9tufyeftanb  nad;  ©reiben   jurüdjujiel)en,   um   ungeb,inbert    bura;  60 

iReaUffincöHopäbie  für  X^eorogle  unb  ffiitdje.  3.  a.  XX.  4>j 


770  äöatfemagd 

33erufätf)ätigfeiten    feinen  lüterarifdjen,   jumetft   Ijtymnologifd&en  Sirbetten,   foreeit   e3  feine 
©efunbfyeit  gefiattete,  fid^  Eingeben  ju  tonnen. 

3n  aKen  biefen  Stellungen,  fo  lautet  ein  fombetenteS  Urteil,  ragte  20.  Ijerbor  burcb, 
bie  SEücfytigMt  feinet  Unterrichts  in  ber  SBefyerrfdjung  be§  ©egenftanbeö,  in  ber  Eingebung 
5  an  bie  ©djüler,  in  ber  Aneignung  beS  ©toffeS,  burcb,  ben  fittlidjen  (Srnft,  bie  jugenblict; 
tumerifd)e  3frtfd)e,  roelcfye  aud)  bie  ©biele  ber  Knaben  unb  Jünglinge  in  ifyrer  tieferen  S3e= 
beutung  er!annte  unb  ben  SDceifter  jugenblicfyer  Seroegunggfbiele  $ur  greube  ber  ßöglinge 
oftmals  in  ifyre  Steigen  fteßte. 

$n  bie  $eit  f^ner  SÖßirlfamfeit  ju  SBieSbaben   fiel   ba§  ^ReboIutionSjar/r  1848.    3>n 

10  biefer  ©djmerjen^eit  fd)rieb  er  fein  föfilid)e3  33ü<^lein  „Strbfteinfamfett  in  Siebern"  @ranf= 
fürt  a.  9Jcain  1849)  mit  ber  bon  ^eiliger  33aterlanbsliebe  unb  ©laubenSfreubigfeit  glüb,en= 
ben  33orrebe,  roo  e£  f/eifjt:  „@§  ift  ber  ©eift  ber  Süge,  roelcfyer  unfer  SSolf  ber/errfdjt. 
■Jlidjt  feit  geftern,  feit  jenen  fyofyen  3eten  ber  greifyeit  treibt  er  fein  ©biel  mit  ifym  unb 
reicht  üjm  ©lein  für  S3rot  unb  ©dränge  für  gifdj.  2ötr  fyaben  erfahren,  mobon  mir  fyoffen 

15  burften,  e§  roerbe  bem  SluSgang  aller  -Ekltgefcfyidjte  Vorbehalten  bleiben,  eine  Organisation 
ber  finfteren  Gräfte  ?um  Singriff  auf  bie  ^eiligen  ©rbgüter  beS  33ol!S,  ,eine  SSerructjtfyeit, 
bie  fid)  ber  ©djtoäctje  berer,  benen  ©Ott  bie  weltlichen  unb  !ircf)licf)en  Slmter  anbertraut, 
fürchterlich  ju  bebienen  wußte,  ©o  feinem  tnnerften  SBefen,  feiner  ©efdjtcfyte  unb  feinem 
©lauben  entfrembet,   ringS  umgeben   bon  ben  ^arifaturen  beS  §eiligften,  umftrictt  bon 

20  ben  Sügen  unb  Sagen  feiner  geinbe,  fyat  e£  gule^t,  ftatt  ber  wahren  Stebolution,  ba  alles 
aSoIJ  fid)  ju  ©Ott,  bem  Urquell  be§  §eilS,  §urücctoenbet,  bie  mißlungene  9cact;ar;mung  ber 
fran§öftfd)en  %xafy  berfelben  fid)  muffen  äffen  laffen.  —  deiner  unter  benen,  bie  $u  bir 
bon  ©infyeit,  greifyeit  unb  Söofejf'tanb  reben,  ruft  bir  biefeS  etoige  roafyre  Söort  ins  £>erj: 
trad)tet  am   erften  nad)  bem  9Jeicf;e  ©otteS  unb  nadj  feiner  ©ered^tigfeit,   fo   roirb   eud) 

25  foIdjeS  aßeS  zufallen  !" 

2Bir  fyaben  abficfytlicfy  biefeS  Heine  ©tücf  ber  93orrebe  ausgehoben,  teil!  um  auS  ib,r 
33üb  unb  ©efinnung  beS  3tebenben  ju  beleuchten,  teils  um  bie  ©timmung  ju  ^eidmen, 
auS  roeldjer  I)erauS  für  bie  $trcf;e  ein  burd)  il)n  toefentlicf;  geförberteS  mistiges  Unter* 
nehmen  ertoacfyfen  ift  —  bie  Silbung  beS  beutfcfyen  ebangelif  djen  Kirchentages.    Über  ben= 

so  felben  f.  Sb  X  ©.  476. 

2Ö.S  arbeiten  unb  SSerbienfte  um  bie  ^äbagogif  roie  um  SKat^ematil,  ^aturroiffen= 
fd^aften,  befonberS  um  bie  ^ftaKograb^ie,  gehören  nid)t  l)terb,er;  fie  finb  in  feiner  93io= 
grapb,ie  einge^enb  getoürbigt.  §ier  fann  nur  ber  bon  ü)m  bertretene  ©tanb^unft  lurj 
bargelegt  roerben. 

35  90.  trat  ber  rationaliftifcfyen  ^äbagogil  mit  i^rem  gefd)id)tslofen  §umani§mu§  !lar 
unb  fd^arf  entgegen  al§  Vertreter  ber  einzig  berechtigten,  c^riftlic^en,  national=beutfct;en  @r= 
3ieb;ung.  3ur  £>eoung  beS  beutfd)en  Unterrid;tg,  ber  fdjon  mit  ber  erften  Untertceifung 
burd?  bie  Butter  im  §aufe  beginnen  mufs,  unb  rooju  feine  „©olbene  %ibd"  §anbretd}ung 
bieten  foHte,  gab  er  feine  „SDeutfcr/en  Sefebüc^er"  unb  imSlnfcfyluft  an  fie  ein  „mittell)od;= 

40  beutfd;e§  Sefebud^",  feine  „©belfteine  beutfd;er  ©id)tung  unb  2Bei^|eit  im  13.  ^ab,rl)unbert" 
(granffurt  a.W.  1857)  I)erau£,  baju  jene  borl)er  citierte  Slbfjanblung  „Über  ben  Unter= 
rid)t  in  ber  beutfd^en  50iutterf bradje"  ®iefe  3fteform=2lrbeiten,  fotoob,!  bie  ^ßrinäibienlefyre 
mie  feine  Sammlungen,  toerben  unbergeffen  bleiben.  3lu3  gleichem  ©eficb,töbunfte  roiK 
er  aud)  ben  ©efc^)id;töunterrid)t  befjanbelt  fe^en:   bie  ©egenroart   ift  bie  %xuä)t  unb  ba^ 

45  3tefultat  ber  Vergangenheit,  unb  „bie  ©d)ule  erfaßt  le|tere  als  9){oment  bon  ©efdncfyte 
unb  Söei^fagung"  „Sie  biblifdje  ©efd)id)te  muß  ben  allein  richtigen  Slnfang  unb  bie 
allein  richtige  ©runblage  aEeg  ©efd^idjtgunterric^teS  bilben"  (Snblicb,  aud;  für  bie9?atur= 
roiffenfcb,aften  genügte  ii)tn  leine§toeg€  ber  embtrifd)e  ©tanbbunlt  ber  Beobachtung  blo^ 
finnlid)er  ©rfcb,  einungen ;  e§  mu^  aud)  auf  biefem  ©ebiete  aHe£  „geiftlid;  gerietet"  roerben. 

50  @r  ift  nidjt  blofe  e^alter  Q"orfc^er,  fonbern  auty  9caturtob,ilofobl)  mie  ©teffenS,  ©Hubert, 
unb  ftefyt  mit  biefen  unb  b.  3taumer  auf  c^riftUd^em  ©runbe.  ©ein  ©runbfa|  mar: 
„9iaturanfd;auung,  aber  an  ber  §anb  ber  Sßiffenfd^aft" ;  er  laufcfyte  ba^er  felbft  auf  bie 
ÜÖMobien  in  ber  3Ratur  unb  twrte  fie;  e§  follte  ber  Jüngling  felbftftänbig  erlennen,  ahtx 
ber  (grtrag  ber  Söiffenfd^aft   i^m  ju  gute  lommen.     ©eine  naturmiffenfd;aftlid;en  ©tubien 

55  traten  fbäter  jurüd  ©etoiffermafjen  al§  SSermad;tnig  für  feine  greunbe  b,  at  er  feine  §or= 
fdmngen  auf  ben  berfd^iebenften  ©ebieten  jufammenfaffenb  bie  Harmonie  bon  Statur  unb 
Offenbarung  im  cfyriftUcfyen  ©eifte  bargelegt  in  einem  Jurj  bor  feinem  Sobe  beröffent= 
listen,  freiltd)  nid)t  leicht  berftänbltcb,en  ©d^riftd? en :  „Über  bie  erften  unb  legten  SDinge" 
(Seidig  1878). 

so         SDurcb,  355.S  Seben  bon  feiner  $ugenb  an  gie^t  ficb.  bie  Siebe  jum  33olMiebe.    ©eine 


Söatfewagel  771 

©tubien  führten  ib,  n  tri  bie  ©efct)id)te  unb  befonberS  in  bie  ©bracr)e  unb  Sitteratur  unfereS 
3Solfe§  unb  fomit  auct)  ju  ben  flaffifct)en  Siebern  beweiben,  ©eine  geiftlicfje  ftrci)licr)e 
©laubenSrict)tung  liefe  it)n  nict)t  an  ben  perlen  beS  SMfSliebeS,  ben  geiftlicr)en  Siebern, 
borübergefjen.  liefen  in  ber  $ugenb  in  ber  Äurrenbe  fo  btel  gelungenen  Siebern  mib= 
mete  er  gleichfalls  feine  gorfcfyungen.  SDurct)  &  b.  Räumer,  ber  gleichfalls  folgen  ©tubien  s 
fid^>  ergeben  fyatte,  mürbe  er  barin  geförbert  unb  beftärft.  Sftit  bem  reiben  Söiffen  auf 
bem  ©ebiete  ber  ©brache,  Sitteratur  unb  beS  SBolfSlebenS  ging  er  an  biefe  feine  ©tubien. 
^or  u)m  t)at  feiner  fo  umfangreiche,  eingefyenbe,  quellenmäßige  unb  forgfältige  metfyobtftfje 
©tubien  gemacht,  feiner  fold^e  Siebe,  feiner  fblcfye  ©aben  biefem  ©egenftanbe  gemtbmet. 
33iö  jettf  gab  eS  noct)  feine  ©efd)id)te  be§  geiftlicfyen  Siebes,  rote  er  fie  fiel)  backte :  als  beS  10 
SobeS  ©otteS  in  ^eiliger  ^ßoefte,  roelcf)e  gugleid^  eine  ©efct;id)te  beS  ©eifteS  in  Siebern,  ber 
©bradje  unb  ber  $r)ilofobfne  ift.  Sie  p  ^reiben,  mar  bie  Slufgabe,  meiere  er  ftcb,  geftetlt. 
Meiner  mar  fo  berufen  baju.  ©od;  rooHte  er  eS  nicfyt  eßer  magen,  als  bis  feine  arbeiten 
einen  gemiffen  2lbfcf)luß  gefunben.  @r  fyat  fie  rttdr)t  mefyr  boHenbet.  Sötr  l)aben  nur  2ln= 
beutungen  unb  ©efidjtSbunfte  in  feinen  Sßorreben  unb  9Jionograbt)ien.  @S  mirb  bte  i6 
Aufgabe  ber  gufunft  fäni  fo  3U  toetmerten.  ©leicbjeittg  berfolgte  er  aber  bei  biefen 
miffenfct/aftlicfyen  ©tubien  aud)  einen  braftifcfyen  gmeef:  nämlicfj  bie  fixere  SaftS  für  bie 
§erftetlung  ber  ©efangbücfyer  unferer  ^ircfye  ^u  geben,  um  ber  Söillfür  auf  biefem  ©ebiet 
ein  @nbe  ju  fetjen  —  unb  biefe  ©ct)ä|e  unferem  SSolfe  mieber  jugänglicb,  ju  machen. 

2Bir  befbrect)en  gunäcr)ft  feine  arbeiten  in  ber  Speisenfolge  tfyrer  @ntfte|ung.  20 

©d)on  1832  fügte  er  ber  bezüglichen  „StuSmafyl  beutfcljer  ©ebtdr^te  für  l)ör)ere 
©cfyulen"  in  ber  jmeiten  SluSgabe  einen  2lbfcr)nitt  „geiftlicfyer  Sieber"  fnngu.  2Me  erfte 
reife  grucfyt  feiner  umfaffenben ©tubien  mar:  „®aS  beutfct)e $ircr)enlieb  bon tftartin Sutl)er 
bis  auf  DicolauS  §erman  unb  2lmbrofiuS  Slaurer"  (Stuttgart  1841).  ®aS  2Berf  ger= 
fällt  in  jmei  Steile,  ^m  erften  giebt  es  bie  Steber  dr^ronologifcf;  nacb,  gemiffen  ©rubipen  25 
georbnet,  im  2tnb,ange  eine  biblomatifct)  genaue  33efd)reibung  ber  Quellen,  auS  benen  er 
fie  gefd)öbft:  bie  alten  ©efangbüd)er  unb  ©efangblätter,  baju  bie  33orreben  jener  unb 
39  meltlicfye  Sieber,  meld)e  geiftlicb,  umgearbeitet  morben.  Dbgleid;  baS  ^ircfyenüeb  erft  mit 
ber  Deformation  feinen  Slnfang  nat)m,  unb  eine  f5cudr)t  berfelben  mar,  fofern  burd)  fie  erft 
ber  SSolfSgefang  in  ben  ftrtfjlidjen,  gotteSbienftlicljen  ©ebrauetj  fam,  fo  liegen  bie  Söurjetn  30 
beSfelben  boeb,  in  bem  alten  borreformatortfct)en  geiftlicljen  Sieb,  fomol)I  bem  lateinifetjen 
als  beutfct)en,  auf  melcfjeS  für  baS  richtige  3SerftänbntS  beS  ^ircfjenliebeS  jurücfgegangen 
merben  muß.  ®ie  borliegenbe  ©ammlung  bon  850  Siebern  nacb,  ben  il)m  jugänglic|en 
älteften  unb  beften  Herten  beginnt  bat)er  mit  einer  ©ammlung  lateimfcr;er  §fymnen  unb 
©equenjen  (65  unb  ^mei  im  Slnfang) ;  bann  folgen  bie  beutfet) en  Sieber  unb  reichen  bis  35 
auf  Suttjer  bom  8.  ^afyrfyunbert  <*n  (118,  nebft  78  im  2lnl)ang),  bann  bie  ber  $ftefor= 
mationS^eit,  bon  Sutijer,  ben  böt)mtfd)en  Srübern,  ber  reformierten  Äircb,e  u.  a.  (536,  nebft 
19  im  2lnl>ang)r  enblid)  bie  ber  älteften  fatfyolifctjen  ©efangbüd)er  (31).  —  2Bir  t)eben 
abfitt^tltd)  biefen  ©runbrifs  beS  genannten  SöerfeS  b,erbor,  meil  er  ber  Stammen  geblieben 
ift,  naefj  melct)em  2S.  fbäter  fein  3tiefenmerf  ausgebaut  t;at.  —  Qn  ber  3Sorrebe  entmirft  40 
er  jugleict)  eine  ©efcljicijte  beS  $irct)enliebeS  in  großen  Umriffen  unb  3u8en/  unD  geigt, 
mie  fie  im  einzelnen  gelöft  merben  muß.  ©te  Ijabe  barjuftellen  eine  ©efc|)icr)te  ber  erften 
@tnfür)rung  beS  beutfe^en  ®ircf;engefangeS  übertäubt  nacb,  Sanbfd;aften  unb  ©täbten,  unb 
naa)  ben  Umftänben,  unter  benen  fie  gefcfjab,.  ©anacb,  bie  ©efclncfjte  ber  Sieber,  meiere 
eingeführt  unb  bann  geblieben  ober  mieber  abgefcfyafft  finb,  alfo  berbunben  mit  einer  ©e=  45 
fdr)idr)te  ber  ©efangbücfyer ;  ba  baS  Ätrct)enlieb  aber  erft  eine  gruet^t  ber  Deformation  ift, 
fo  ift  in  beiben  teilen  feine  ©efdjic^te  aufs  engfte  mit  ber  ber  lederen  in  ben  einzelnen 
SanbeSteilen  unb  Drten  berbunben  unb  mit  ber  ©efcr)id)te  beS  Slül>enS  unb  SSerfallenS 
ber  ©emeinben,  tt)rer  2lbfonberung  ober  iljreS  Itrcr>Itdr>en  SebenS  ju  geben,  gttsleicb,  ift 
auf  bie  ©efangbüct)er,  bte  33efenntniSfdjriften  beS  SolfeS,  feines  fieb,  entmicfelnben  ©e=  50 
fcfjmacfS,  mie  ber  Aneignung  ber  Sefyre,  im  Unterfct;ieb  bon  ben  ©Embolen  ber  Äircr)e  mit 
il)rem  unberänberlicf)  feftftefyenben  3"^lt,  unb  auf  bie  ©efangmetfen,  bie  5Ucelobien,  ju 
achten  (bgl.  baju  I.  b.  Daumer  in  #p  1841,  ©.  120  ff.). 

£)ieS  ©rftltngSmerf  fanb  allfeittg  bie  berbiente  Slnerfennung,  ^erücfficb,tigung  unb 
me^rfad;  Dacf/folger.  SDtit  biefem  SBerf  ift  ein  äöenbebunft  in  ber  ©efcf;icl)te  ber  b,r;mno=  55 
logifc^en  2öiffenfc|)aft,  ber  2lnfangSbunft  ber  neueren  §r;mnoIogie  ju  batieren.  3Son  atten 
©eiten  mürbe  eine  ^ortfefcung  gemünfcl;t.  2lber  roettere  Dacb,forfcb,ungen,  jebe  Detfe  ^u 
ben  beutfcb,en  s^tbltotl)efen,  führten  ib,m  eine  fo  große  $üHe  neuen,  bisher  unbenutzten  unb 
unbefannten  SRaterialeS  ju,  baß  er,  fet?r  balb  bon  ber  Unjulänglid;feit  biefeS  erften  @nt= 
murfeS  übeneugt,  eine  böllige  Umgeftaltung  beSfelben  glaubte  borneb,men  ju  muffen.  1)aS  60 

49* 


772  Söatfcritttgcl 

neue  SSerf  foHie  auS  3  Abteilungen  befielen:  bie  Bibliographie,  —  bie  Sieber  —  bie 
©efcbjcbte  umfaffenb.  %laä)  bretje^njä^rtgen  gelungen  tonnte  er  baS  neue  Unternehmen 
anfangen. 

Bis  ba^tn  bot  er  ber^ircfye  bret  anbere  mufierb>fte  Seiftungen  bar.  1.  SDaS  immer 
5  allgemeiner  ausgekrochene  Verlangen,  bie  geiftlidjen  Sieber  unferer  großen  SDicfyter  in  ber= 
felben  SRetn^ett  unb  Urfprünglicfyfeit  ju  I)aben,  in  melier  mir  bie  $oefien  ber  weltlichen 
®icfyter  bureb,  bie  neueren  Wiffenfc^aftlictyen  frttifer/en  Ausgaben  befitjen,  unb  in  melier 
§orm  ^irc^e  unb  ©emembe  allein  if>r  anbertrauteS  @rbe  unb  Eigentum  erfennen  lann. 
SDieS  BebürfniS  beftimmte  35$.,  junäc^ft  eine  neue  Jrttifdje  Ausgabe  ber  „Sieber  ^ßaul  ©er= 

10  fyarbS"  (Stuttgart  1843)  getreu  nacb,  ber  bei  feinen  Sebgeiten  erfcfyienenen  Ausgabe  mieber 
abbruclen  ju  laffen.  —  2.  gür  bie  breiljmnbertfte  Söieberfefyr  beS  SEobeSjaljreS  Sutb,erS  be= 
ftimmt,  aber  erft  1848  bollenbet,  ersten  eine  neue  Ausgabe  ber  „geiftlidjien  Sieber  9Jcartin 
SutfyerS"  mit  ben  ju  feinen  Sebjeiten  gebräuchlichen  ©ingWeifen:  nacb,  ^nljialt  unb  gorm, 
©ruef  unb  AuSftattung   eine  Prachtausgabe,    3b,m   fcfyWebte    baS    Don  Sutl)er    beforgte 

15  „33alentin  Bqpftfcfye  ©efangbudb/'  bon  1545  bor,  WelcfyeS  neben  ber  inneren  Boßenbung 
aueb/  in  ben  Äujjerlicbleiten  beS  ©rucfeS  benjenigen  ©rab  bon  ©ctybnfmt  bieten  füllte,  ber 
bamalS  möglieb  war.  Aueb,  255.  lieft  bal)er  biefe  neue  SieberauSgabe  nicfyt  blofj  tppogra= 
pfyifcfy  meifterb.aft  r/erfteßen  unb  auSftatten,  fonbern  er  bermocfyte  aueb,  ben  belannten  Sutb,er= 
maier,   ©uftab  $önig,   bie   Sieber  mit  ^oljfdmitten  ju   fetymüden  —  Wafyre  ÄunftWerre, 

20  toeld^e  bureb  ebenfo  ernfte  als  geiftboUe  Auffaffung  iI)reS  erhabenen  ©toffeS  jebeS  tiefere 
©emüt  anjie^en  muffen.  —  %f)t  reifte  ftdj)  3.  bie  mistige  Arbeit  über  ,,^ol)ann  §eer= 
mannS  geiftlicfje  Sieber"  (Stuttgart  1856)  an.  @S  ift  bie  erfte  boHftänbige  Sieberfammlung 
biefeS  fo  hochbegabten  unb  begnabigten  fcb4efifd)en  SDicbterS. 

©leicb^eitig  mit  biefen  ©pesialftubien  ging  feine  Arbeit  an  bem  neuen  Unternehmen, 

25  eine  gweite  Auflage  feines  erften  SSerfeS  borjubereiten,  toon  ftatten.  Sie  erfte  Abteilung 
beS  geplanten  SBerfeS  erfcfyien  unter  bem  Xttel:  „Bibliographie  gur  ©efctjttd^te  beS  beutfcfjen 
ÄircfyenliebeS  im  16.  Igar/rlmnbert"  (granffurt  a.  2R.  1855).  ©cfyon  im  erften  Anfange 
beS  erften  SSerfeS  blatte  er  jum  erften  -Dcale  ben  Anfang  mit  biefem  gang  neuen  gWeige 
ber  £>ipnoIogie  berfucfyt;   Wie  er  ofme  Borgänger  mar,   fo  mirb   er,   maS  bie  güße  beS 

30  Materials  unb  bie  ©enauigfeit  ber  Befmnblung  betrifft,  aueb,  Wob/l  feinen  9cacb,foIger  Ijaben 
fbnnen.  damals  befcfyrieb  er  187  ©efangbücfyer  unb  ©efangblätter,  in  biefem  2Berf  Waren 
eS,  ob,ne  bie  ^cacb, träge,  1148,  unb  audj  biefe  ©ammlung  WudjS  fpäter  noef)  um  620  ^um= 
mern  (bgl.  Anfang  1877).  ^Jcur  bei  Kennern  unb  gorfcfyern  fonnte  folcfye  Arbeit  Anfprucfy 
auf  Anerkennung  unb  355ürbigung  ergeben;  unb  I)ier  ift  nicfyt  blofj  bei  ben  §pmnologen, 

35  fonbern  audb,  bei  ben  ©ermaniften  eine  ©timme. 

TOcfytSbeftotoeniger  wollte  fieb,  für  fein  großes  2öer!  —  für  bie  gWeite  Abteilung  — 
lein  Verleger  bereit  finben.  ^ac^  jahrelangem  Bemühen  WiHigte  er  in  ben  Sfat  einflufe= 
reifer  unb  fad)berftänbiger  greunbe,  eS  auf  ©ubffription  ^erauSjugeben.  ©in  bon  feinen 
greunben,  ben  f)erborragenbften  SLb,eologen  unb  ^irdjenmännew,  fowie  ben  bebeutenbften 

40  ©pracf/forfcfyern  (Ub,Ianb,  bie  ©ebrüber  ©rimm)  unterzeichneter  Aufruf  b,atte  ben  ©rfolg, 
ba^  bie  93erIagSl)anbIung  bon  93.  ©.  Seubner  in  Seidig  ben  SDrucf  übernahm,  ©o 
ersten  benn  fcfyon  1864  bie  jWeite  Abteilung  unter  bem  Xitel:  „SaS  ßtrcfyenlieb  bon 
ber  älteften  ßeit  bis  p  Anfang  beS  17.  Safyrb, unberts,  mit  SerüdEfic^tigung  ber  beulten 
fircfylicfyen  SieberbidE)tung  in  Weiterem  ©inne  unb  ber  lateinifer/en  bon  .gilariuS  bis  ©eorg 

45  gabriciuS  unb  Sffiolfgang  AmmoniuS"  3m  allgemeinen  ift  bie  Anlage  Wie  in  ber  erften 
Ausgabe,  nur  ift  bie  ©ammlung  unbergleicfyltcb,  grbfjer,  unb  aufjerbem  bis  ju  Anfang 
beS  17.  %afy rfjunberts  auSgebeb,nt.  ®aS  SRaterial  ift  etwa  um  baS  Acbtfacfye  bermeb,rt. 
©tatt  ber  850  Sieber  bort  fyaben  Wir  bier  6783.  £>er  erfte  93anb  bilbet  bie  ©runblage 
SU  ben  folgenben  ;  er  enthält  bie  lateinifcfyen  ©equenjen,  Welcbe  fpäteren  beutfe^en  Siebern 

50  ju  ©runbe  liegen ;  ftatt  ber  früheren  67  finb  eS  je|t  656.  ©ie  bilben  ben  Unterbau  für 
bie  beutfdje  unb  bis  in  bie  reformatorifcfje  3«t  binemrei$enDe  lateinische  geiftlicb^e  ©i4»= 
tung.  Qn  ber  ^Weiten  Abteilung  Wirb  bie  Bibliographie  fortgefe^t.  ^m  ^Wetten  Banbe 
(1867)  folgt  baS  beutfcb,e  geiftlidje  Sieb  bis  jur  3teformationSjeit  auS  ben  fieben  $ar/r= 
l)unberten  bon  Dtfrieb  bis  §anS  ©acb,S,  1448  Sieber  (früher  196);  biefe  bilben  bie  anbere 

65  ©runblage  für  baS  beuifdje  $ircb,enlieb,  Welches  erft  in  ber  Deformation  unb  bureb  fte  ge= 
boren  Wirb;  eS  finb  bie  im  brüten  Banbe  (1870)  entbaltenen  Sieber  bon  Sutfyer  bis  §er= 
mann  (1532—1553)  ftatt  ber  früheren  546  je£t  1487,  »on  169  (früher  78)  meift 
bisher  noeb  nicr)t  befannten  2)icf)tern,  jum  %e\l  bon  grofjer  Bebeutung.  ®er  bierte  Sanb 
(1874)  bringt  bie  Sieber  beS  ^Weiten  ©efcb,Iec^tS  ber  DeformationSseit,  bon  $au!uS  @ber  bis 

60  Bartholomäus  DingWalt  (1554— 1584)  in  1587  Siebern,  enblicb,  im  fünften  Banbe  (1877) 


SBntfenmgel  773 

bie  be§  brüten  ©efcf)Iecf)te3,  bon  1578—1603;  aufjer  ben  lutfyerifcfyen  (790)  nodj  bie  lieber 
ber  ©cfyWenffelber  (232),  ber  2GBiebertäufer  (126),  ber  römifcfyen  5?ird^e  (457,  früher  nur  31), 
ebenfalls  meift  bon  bisher  unbekannten  $erfonen. 

@3  War  bem  SBerfaffer  bergönnt,  bieg  ganjeSöerf  &um  2Ibfd#uf$  $u  bringen;  eS  fehlte 
bem  legten  Sanbe  nur  bie  orienticrenbe  Sorrebe.    S)ie  Sieber  liegen  bor  nacfr,   ben  beften  6 
Duellen  mit  ben  in  ben  älteften  Xejten  enthaltenen  Varianten  biblomatifd)  genau,  forreft 
unb  fdjön  gebrucft. 

^Dagegen  §at  33.  bie  britte  Abteilung  —  bie  ®efcf)icr;te  be§  S?ircr)enliebe§  —  nidjt  mefyr 
fdjretben  tonnen.  Slnbeutungen  enthalten  bie  oft  recfyt  ausführlichen  unb  aud)  in  anberer 
Söeäiefmng  fe^r  Wertbollen  unb  bebeutfamen  Vorreben  gu  ben  bier  Vänben.  @r  bat  ber  io 
Ätrcfye  unb  nidjt  blofc  ber  fybmnologifcfyen  Söiffenfcfyaft  einen  ©tenft  bon  bleibenber  33ebeu= 
tung  geleiftet.  2luf  bem  bon  ifym  gelegten  ©runbe,  ben  fbätere  gorfcfyungen  r/öcbftenS  in 
(Einzelheiten  Werben  ju  erweitern  ober  nur  ju  berichtigen  fyaben,  b,at  bie  2öiffenfcr/aft  bie 
@efd}idE)te  beS  ÄircfyenliebeS  aufzubauen  nad)  ben  ©runblmien,  meldte  er  gebogen  bat. 

©dt)Iief$licr;  muffen  Wir  nocfy  jmeier  feiner  arbeiten  gebenfen :  mit  ber  einen  tft  er  15 
über  bie  ©renje  ber  beutfcf)en  Sieberbicfytung  hinaufgegangen  in  feinen  „Seiträgen  jur 
nieberlänbifcfyen  ^tymnologie"  (granffurt  1867),  um  auf  biefem  ftammberWanbten  ©ebiet 
ju  äfmltcfyen  $orfd(mngen  anzuregen;  er  befcfyrieb  bie  alten  nieberlänbifd)en  ©efangbücfyer 
unb  bietet  bie  Sieber  ber  nieberlänbifd)en  Reformierten  aus  ber  geit  ber  Verfolgung.  Qn 
ber  anberen  Arbeit:  „©efangbud?  für  ^ircfye,  ©dfmle  unb  §auS"  (Stuttgart  1860)  I)at  20 
er  braftifcb,  gezeigt,  Wie  eine  ©efangbud)Srebaftion  im  ganzen  unb  einzelnen  ju  gefcfyefyen 
l}ahe.  @S  ift  ^War  nur  eine  fleine  ©ammlung  bon  223  Siebern,  aber  eS  finb  bocb  bie 
trefflicr/ften  Sieber  (Wenn  aucb,  nicfyt  alle)  in  mufterfyafter  Neubearbeitung  mit  ifyren  r^tf)= 
mifcfyen  ©ingWeifen. 

2B.  b/at  alle  ©eiten  unb  gtoeige  ber  £>bmnologie,  man  fann  fagen  grunblegenb  unb  25 
borbilblicb,  be^anbelt.  @r  fyat  biefem  $Weige  ber  Geologie  biejenige  Sichtung  gebietenbe 
Stellung  erfämbft,  meldte  fie  ben  oberflächlichen  ©Treibern  unb  Herausgebern  gegen* 
über  als  Söiffenfcfyaft  beanfbrucfyen  mufj.  ©ie  gegebene  Anregung  b,  at  gute  grücfyte  gebraut : 
wir  erinnern  an  bie  bebeutfamen  arbeiten  bon  9Jtüi$etl,  Vacfymann  in  Verlin,  ©cfyneiber, 
SEfyilo,  ©djiirdrS,  ©djauer,  ©tib,  $ifcf)er,  Stnfe,  Vad)mann  (in  5toftocf),  Saujmann,  Vobe  30 
unb  für  bie  9Mobien  $arl  b.  Sßinterfelb,  ©ottlieb  bon  Studier  u.  a. 

Slucb,  in  braftifdjer  §inficb,t  §at  er  bie  richtigen  Vatmen  geWiefen  unb  betreten.  „XaS 
unWiffenbe  ©efcfyrei  über  ©efangbucr)Snot,  nodb,  meb,r  bie  unberufene  3lB^>itfe  berfelben  for= 
bert  $u  einer  freien,  bon  allen  Vebürfniffen  abfefyenben  Vefyanblung  beS  ©egenfianbeS  auf. 
©etoife  Wirb  nun  bie  ©efd)icf;te  beS  ÄirdjenliebeS,  bornefymlid)  aber  bie  geftfteüung  ber  35 
urfbrünglict/en  Siebertejte,  un§  bor  ben  @rfinbungen  unb  Set^örungen  jener  eitlen  (Eiferer, 
namentlich,  ber  Siebter  unter  irmen  (unb  b^ier  meint  er,  mie  er  anber§t»o  eingeftel)t :  ®nabb 
unb  ©tier)  unb  bon  iljrem  (Einfluß  auf  bie  ©efangbücfyer  fid^erfteUen."  3Sir  ertüäfjnen 
b^ier  nur  feine  SRitarbeit  an  bem  „©Iberfelber  ©efangbud)",  an  bem  „@ifenacb,er  ©ntiourf" 
unb  ein  Referat  auf  bem  Sremer  ^ird)entag  bon  1852  „über  bie  2lbfaffung  eine§  aH=  40 
gemeinen  beutfcb^ebangelifdjen  ©efangbud?e§",  eine  begeifterte  unb  begeifternbe  SHebe  über 
ba§  2Befen  be§  beutfd^en  ^trd?enliebe§,  unb  bann  ben  l>eilfamen  (Einfluß,  ben  feine  2tr= 
beiten  auf  aHe  neueren  ©efangbücb^er  feit  1841  gehabt  b,aben:  ba§  bon  Suffalo  (1842), 
in  33ar,ern  (1555),  ©Iberfelb  (1857),  in  ber  ^falj  (1859),  Sernburg  (1859),  Nb,üringen 
(1861),  Strasburg  (1864),  ©tollberg--5Rofela  (1866),  3Bernigerobe  (1867),  ©cb,regftng=£ol=  45 
ftetn  (1869),  3KecElenburg=©treli|  (1872-74),  bie  Bearbeitung  be§  alten  ^orftfdjen,  beö 
9ioftoc!er  (1877),  bie  neueften  $robinjialgefangbücb,er  in  ^3reu^en,  ferner  im  5?onigreicr) 
©ad^fen  u.  a.  2)iefer  ib,m  bon  Weit  unb  breit,  bis  au§  2Imerifa  in  ©anf  unb  2lnerfen= 
nung§fcb,reiben  bezeugte  ©influjj  beftärfte  ib,n  audb,  in  ber  Ricfjtigfeit  feinet  3SerfabrenS, 
ba^  e§  „Wob^lgetljan  fei,  biefem  ©egenftanbe  feine  3lttfmerffam!eit  gujuWenben".  6r  War  so 
in  biefer  ©acfye  nicf;t,  wie  man  WobJ(  gefagt,  ein  echter  beutfd^er  ^owlift«  ber  ^eit,  tfraft, 
äußere  Mittel  im  ©tenfte  biefer  b^ob^en  ©ad^e  berse^rte;  er  b,atte  ein  eminent  braltifa;eg 
3iel  im  2luge,  unb  feine  Arbeit  §at  ber  ^rasi§,  Wie  gegeigt,  reiche  grüc^te  gebraut. 

23a§  feinen  ßfyarafter  anlangt,  fo  b,at  er  fitt)  felbft  in  bem  Silbe  gewidmet,  Weites 
er  bon  einem  §r/mno!ogen  rechter  Slrt  entworfen :  „gufammenmirtung  beutfd^er  Sauterfett,  55 
beutfdtjen  ©emüt§,  beutfct)en  Wiffenfa)aftlicben  ©inneö,  beutfd)er,  fage  lutfyerifcber  Xiefe  unb 
SLreue"  ©eine  ecfyt  beutfe^e  batriotifdie  ©efinnung  l)at  er  bon  ^ugenb  an  mit  S3egeifte= 
rung  bezeugt;  er  fyat  berftanben,  burd;  Söort,  SLb^at  unb  ©cfyrift  aud?  bie  ^ugenb  Wie  fein 
abgefallenes  Sßolf  für  Slönig  unb  Saterlanb  ju  begetftem.  ©ein  Wiffenfd)aftlicr;er  ©inn  — 
feine  Sßerle  auf  fo  entlegenen,   fonft  Wob,l  laum   je   jufammen   bearbeiteten  unb  Wiffen=  w 


774  Söatfernogel  SSneijett,  t>.  b. 

fcbaftlidfj  erforfd^ten  ©ebieten:  SSKtneralogte,  IfttoftaHograbbte,  Sotantl,  3Jtat&emattf,  $äba= 
goßt!,  beutle  ©bracbe  unb  Sitteratur,  Geologie,  unb  fbegieH  §tymnotogie  unb  Äird&en* 
gefönte  geben  babon  Zeugnis,  ©ein  beutfcfyeS  ©emüt  liefe  ityn  in  bie  ©cbä£e  ber  beutfeben 
$oefte,  befonberS  beS  SBolfSliebeS,  ftdE)  berfenlen,  eS  erfaffen  unb  erfcbliefeen.  ©er  geiftboHe, 
5  fdjarfbentmbe  50tann  toar  boeb.  bon  $ugenb  an  ein  treues  ©lieb  unb  freubiger  Sefenner 
feinet  lutfyerifcijen  ©laubenS.  ©eine  lutfyerifdfjie  SEiefe  unb  Streue  fbriebt  ftcfy  nidjt  blofe  in 
feinen  SBorreben  auS,  fonbern  ift  feinem  ganzen  SBerf  aufgeprägt.  Wxt  @ntfct)iebenfyeit 
bielt  er  an  bem  lutfyerifcfyen  23efenntntS  feft,  als  ber  2öaf>r^eit  gur  ©ottfeltgfeit,  unb  mit 
feiner  Sauterleit  mar  er  feinb  aller  Unflarfyeit  unb  SSerfc^mommen^eit,  alten  ©entimenta= 

mittäten.  SDal)er  bon  Slnfang  an  ©egner  ber  Union,  mie  energifdjer  geinb  beS  jefuitifeben 
S-ftomaniSmuS  unb  beS  g!aubenS=  unb  gefcbicbtSlofen  Humanismus. 

Seiblicb.  grofe,  fcfyön  unb  ebel  in  feinem  Slngeftdjt,  ebenfo  geiftig  grofe  angelegt  unb 
ebel  in  feiner  ©efinnung.  2BaS  er  mar,  mar  er  ganj.  SDarum  energifd^e  Eingebung  ge= 
baart  mit  gleich  energifcfyer  2lbmel)r,   inSbefonbere  ber  ©ünbe  beS  alten  3JJenfa)en.    ©ein 

15  Seben  ein  $ambf  bon  früfyefter  $ugenb  an ;  feine  ^ambfnatur  liefe  tf)n  bielfacb,  febjoff  er= 
fdjeinen,  fo  bafe  er  biete  abftiefe,  ob,ne  bafe  er  eS  moßte;  noeb  meniger  wollte  er  beriefen. 
@r  mar  ein  marüger,  beeibierter  ©eift,  frr/ftaUariig,  bat>er  burcbjicfytig,  !Iar,  aufrichtig,  aber 
aud)  fcfyarffantig ;  eine  9iatur  jutn  §errfa^en  angelegt,  bie,  mo  fie  fieb,  niebt  berftanben  ober 
gehemmt  fab,,  mo  fie  bie  eigenen  Überzeugungen  nid^t  jur  ©eltung  bringen  fonnte,  lieber 

20  bie  gefnübften  Sejie^ungen  abbrach  (in  ©tetten,  @Iberfelb,  in  ber  ©ifenacber  ©efangbud)S= 
fommiffion).  SDiefe  gärten  traten  aueb,  in  feinen  SSorten  fyerbor;  er  b,at  manches  fdjiarfe 
3Bort  gerebet,  mo  er  glaubte,  bafe  eS  nur  mafyr  unb  reebt  fei,  aber  ein  unreines  nie.  2lber 
energifaX  baljmbrecbenbe  ßfyaraftere  erreichen  ibr  $kl  nicfyt  olme  Segeifterung,  aber  aueb, 
nicfyt  ofyne  ^üdrfid^tSlofigfeit;  fie  gleichen  ben  $rt)ftaHen;  bie  fünften  fyaben  bie  fcfyärfften 

25  Tanten  unb  @cfen.  SGBie  mefye  eS  tfym  jebeSmal  tfyat,  menn  er  meb,  e  getb,  an,  miffen  nur  bie, 
melcfye  ifym  am  näcbjten  ftanben.  Slber  nur  mer  ib,m  näfyer  ftanb,  fonnte  bie  berborgene 
SEtefe  feines  lauteren  ©emütSlebenS  erlennen.  @r  gehörte  ju  benjenigen  Naturen,  beren 
©inn  unb  SErieb  auf  litterarifdpeS  ©eftatten  ging.  £ier  beriefen  iljm  ntcfyt  bie  ©egenfä^e 
ber  2BirfIicb,!eit,   meldte  fein  ©igenmtlle,  oft  ©igenfinn,   niebt  ertrug.    ®abei  blieb    er  bis 

30  in  fein  Sllter  eine  ^inbeSnatur  im  ebelften  ©inne. 

©ein  riefenmäfeigeS  rüdfidb, tSlofeS  Sirbetten  b,atte  feb, on  frü^  feine  fonft  fräftige  ©efunb= 
b,eit  untergraben.  ©a>n  1873  legte  bie  „§erjbräune"  ben  Mm  ju  feinem  Stöbe;  3ltem= 
not,  §erjleiben  mit  neuralgifd)en  ©cfymerjen  begleitete  fein  unauSgefe^teS  arbeiten  bie 
legten  bier  ^ab,re.    ^n  biefen  SeibenSjeiten   lebte  er  bon  ber  gruebt  feiner  2(rbeit:  „mit 

35  meinen  Siebern  fd^laf  td^  ein,  mit  meinen  Siebern  macb,  idb,  auf"  SDiit  ib,nen  ift  er  aueb, 
nad?  langen  ferneren  Seiben  jur  ©migleit  fanft,  ob;ne  bafe  bie  ©einen  eS  ahnten,  ein= 
gefc|lummert  am  20.  ^uni  1877  ju  Bresben.  D.  Subw.  Srf)ulse. 

SSaeijen,  3ob,anneS  ban  ber,  geft.  4.  9?ob.  1701.  —  Ant.  Schultingii  Oratio 
funebris  in  obitum  Johanüis  van  der  Wacijen,  grem.  1702;  ß.  S.  3Sriemoet,  Athenarum 
40  Frisicarum  libri  duo,  Leov.  175S,  p.  557—577;  33-  ©lafiuS,  Godgeleerd  Nederland,  s'Her- 
togenbosch  1851—56,  III,  570—576;  Ebr.  Sepp,  Het  godgeleerd  oDderwijs  in  Nederland, 
gedurende  de  Iße  en  17e  eeuw,  Seiben  1873,74,  passim;  SB.  33.  ©•  SSoeleg,  Frieslands 
Hoogeschool  en  het  Eijks  Athenaeum  te  Franeker,  Seeuit).  1878,  89,  II,  266—274. 

^ocb.geebrt  in  feinem  Seben,  ift  Qob,.  ban  ber  2Saeijen  b,eute   fo   gut  mie  bergeffen. 

45  ©ein  ©d)üler  unb  SlmtSgenoffe  StuarbuS  Slnbala  (Oratio  funebris  in  obitum  J.  van 
der  Waeijen  Fil.,  gran.  1717)  bezeugt  bon  ib,m:  „Audivi  ego  ipsum  per  pluros 
annos,  audivi  alios,  äudivi  Theologos  Ultrajectinos,  audivi  Lugdunenses,  sed 
si  spectem  perspieuitatem,  facilitatem  et  soliditatem  in  docendo,  si  vim  et  po- 
tentiam,    promtitudinem    et  faeundiam  in  dicendo,    nulluni    ei   parem  audivi, 

60  nullibi  Waeyenum  P[atrem]  reperi  Hujus   fama  omnes  Europae  partes 

veloeissime  pervagata  primum  impulsi  magno  numero  hoc  confluxerunt  ado- 
lescentes,  juvenes,  Viri,  etiam  eximii,  docti,  eruditi,  non  tantum  Belgae  ex 
omnibus  Belgii  Foederati  Provinciis,  sed  et  Germani,  Borussi,  Poloni,  Hun- 
gari,  Transylvani,    et  plurimi  alii"     ©in  anberer  gettgenoffe  (§.  S.  Sentbem,  jfiol» 

5ölänbiftt)er  för^=  unb  ©cfyutemStaat,  granef.  unb  Seibjig  1698,  II,  304)  fagt:  „@r  b,at 
eine  berebete  $ur\Qt  erlanget,  unb  mufte  idb  tntdb,  über  feine  gertigfeit  im  Satein=reben  ber= 
tounbern.  ©iefelbe  ift  fo  grofe,  baS  er  autf)  benen  gran|ofen,  Ungern,  ©iebenbürgern  unb 
$olen,  meldte  fidj  ftubtrenS  balber  ju  granefer  aupalten,  ^u  gute  unb  ©efatten  in  Sa= 
teinifa^er  ©pracb,e  brebiget.    ©eine  erudition  mirb  bon  einer  artigen  §öfltgleit  begleitet; 


Söocijcn,  b.  b.  775 

unb  f>abe  \§  nicfyt  biel  Theologos  in  biegen  Sanben  angetroffen,  bie  ifyrn  hierin  gletd^. 
©3  fan  foldjeS  nicfyt  tr>oI)I  anberS  fein,  benn  er  nictjt  nur  gereifet,  Jonbern  aucfr;  biel  ^u 
£ofe  unb  mit  großen  Seuten  umgegangen"  §eute  fbricfyt  niemanb  mel)r  bon  ifym,  unb 
h>aS  er  gefd)rieben  Ijat,  lieft  man  nicfjt  mef)r. 

23.  b.  SBaeijen  mürbe  am  13.  ^uli  1639  ju  2lmfterbam  geboren,  toofyin  feine  ©Item,  5 
$ac.  b.  b.  2ß.  unb  ©eertruib  ©Riegel,  um  beS  ©laubenS  ftriHen  aus  Slnttoerben  geflüchtet 
roaren.    9fadjbem  er  in  feiner  ©eburtSftabt  bie   lateinifcfye  ©ct)ule  befugt  fjatte,   ftubierte 
er  feit  gebruar  1655  ju  Utrecht  unter  SSoettuS  unb  ©ffentuS,  bann  ju  Setben  $f)üofobb> 
unter  2lbr.  §eereboorb  unb  Geologie  unter  £>etbanuS,  ©occejuS  unb  ^oornbeef.   %m  Sunt 
1659$robonent  geroorben,  machte  er  eine  ©tubienreife   unb  työrte  u.  a.  ju  §eibelberg  §öt= in 
tinger,  in  ©enf  'SurrettnuS  unb  in  SBafel  33uriorf,  Sßetftein  unb  SSerenfelS.   1602  rourbe 
er  $rebiger    ju  ©baarnbam,   bon  Wo   er  1665  nacfy  Seeuroarben  berjog.    §ier  toar  er 
fefyr  geartet  am  griefifcfyen  ftattfyalterlidjen  §of.    $n  bem  traurigen  Satyr  1672  tt)at  er 
jeittoeife  SDienft  als  gelbbrebiger,  unb  ^rinj  Söilljelm  III.  fri)rieb  eS,   näcfyft  ©Ott,  bor 
allem  ifym  ju,  bafe  bie  ©olbaten  baS  bebrücfte  SSaterlanb  fo  mutig  berteibigt  Ratten.   ®em  15 
blatte  er  eS  ju  berbanfen,  bajj  er  1672   natt)  3Jcibbelburg   berufen  tourbe,   toor)m   er  im 
©ebtember  biefeS  ^ab^reö  jog. 

33iSl)er  toar  er  allgemein  befannt  als  SBoetianer.  SDafj  er  feine  beften  Gräfte  angefbannt 
b>t,  um  bie  ertoünfcfjte  23erföb>ung  gtoifcfyen  SSoetiuS  unb  SJcarefiuS  (f.  oben  ©.  720, 6o) 
p  ftanbe  ju  bringen,  ftefyt  man  auS  feiner  Epistola  ad  amicum  de  reoonciliatione ...  20 
D.  Gisb.  Voetii  et  D.  Sana.  Maresii  (1669).  SDajj  er  fein  ©occejaner  toar,  fefyen  mir 
auS  feiner  „Pro  vera  et  genuina  Reformatorum  sententia,  praesertim  in  negotio 
de  interprete  Scriptura  adversus  Lud.  Wolzogium"  (2Imft.  1669),  todfyrenb  er 
autt)  bie  ©artefianifcfyen  2lnfttt)ten  bon  SBaltb, .  Keffer  beftritt  (f.  Seifert  Admonitio  sin- 
cera  et  Candida  de  philosophia  Cartesiana,  ed.  2a  2lmft.  1693).  SRit  feinem  £eeu=  25 
toarber  SHmtSgenoffen  §erm.  SSitfiuS  fcfyrieb  er  gegen  bie  Sababiften  (Ernstige  betui- 
ginge  van  J.  v.  d.  W  en  H.  W.  aan  de  afdwalende  kinderen  der  kerke, 
tegen  de  gronden  van  Labadie,  2lmft.  1670). 

gu  SRibbelburg  fteHte  eS  fid^>  aber  l)erauS,  bajj  b.b.  SBaeijen  Soccejaner  geworben  mar. 
Slnonbm  gab  er  1674  eine  Heine  ©cfyrift  fyerauS  über  „Het  lijden  van  Christus  in  Gethse-  30 
mane"  (mehrmals  toieber  gebrucft),  unb  im  folgenben  Safyre  eine  anbere  „Over  Ps.  XVIII, 
24"  (Sttibbelb.  1675),  bie  burcfr;  ben  Setbenfcfyen  §oc£jleIj)rer  2Int.  §ulftuS  befämbft  mürbe, 
toorauf  b.  b.  2ö.  feine  „Disputatio  van  Hulsius  over  Ps.  XVIII,  beantwoord  door 
J.  v.  d.  Waeijen"   (9)tibbelb.    1675)   erlernen  lief}.     Sluct;   anbere  SSoetianer  traten 
gegen  ifm  auf.    ©ein  eifriges  ©intreten  für  bie  ©arteftanifdj=@occeianifcr)en  2lnfid)ten,  bor  35 
allem   bei  ©elegenb^eit  ber   Ernennung   bon  2öißem  SJcomma  jum  ^ßrofeffor  in  SSJlibbel= 
bürg,  toar  bie  Ürfacf)e  bafür,  ba|  er  unb  SRomma  unter  bem  ©influ^  be§  (Statthalters 
SBilb^elm  III.  burcb^  bie  ©taaten  bon  3«^lanb  am  11.  ®ejember  1676  it)rer  ^mter   ent= 
fe^t  unb  au%  3ee'an^  berbannt  tnurben  (ftelt)e :  J.  v.  d.  Waeijen,  Regtzinnige  Leere, 
en  opregt  Bedrijf,  aan  de  Gemeente  van  Middelburg  voorgestelt,   in   en  om-  40 
trent  de  beroeping  van  W    Momma,  tegen  verscheidene  Lasterschriften   ver- 
deedigt,  8tm[t  1678). 

©r  lie^  fitt)  je|t  ju  Slmfterbam  nieber,  aber  bereits  im  $erbft  1677  tnurbe  er,  bor 
allem  burd;  ben  ©influ^  beS  griefiftt^en  ©tattb^alterS  §einria)  iafimir  IL,  ber  mit  ^ßrinj 
SBillem  III.  in  gmietracfyt  lebte,  gum  ^3rofeffor  ber  §ebräifa)en  ©brache  ju  granefer  er=  45 
nannt.  3uÖ^e^  tourbe  ib^m  eine  tb^eologifc^e  ^3rofeffur  übertragen,  obmofyl  in  ber  tb^eo= 
logifcfyen  gafultät  feine  SSafanj  mar.  'Sie  3Kitglieber  ber  ^afultät  ^ic.  SlrnolbuS, 
§.  SBitfiuS  unb  %cfy.  ä  9Jiarcf,  toaren  hierüber  feb^r  entruftet  unb  legten  gegen  biefe 
Ernennung  ^roteft  ein.  ©S  jjalf  il)nen  aber  nichts,  benn  am  6.  SDejember  1677  trat 
b.  b.  Söaeijen  fein  2lmt  an  mit  einer  Oratio  de  ecclesiae  ex  utraque  Babylone  &o 
exitu  et  eorum  inter  se  convenientia  (gran.  1678  unb  in  feinen  „Varia  sacra", 
pag.  625  ff.).  Shtrj  barauf  mürbe  er  jum  £ofrat  ernannt,  in  melier  @igenftt)aft 
er  bei  §ofe  eine  nid|t  unmia;tige  bolitiftt^e  SioHe  gefbielt  b^at,  er  mürbe  jelbft  „einer  ber 
erften  Intriganten  unb  ^äbelSfüb^rer  am  §ofe  be§  griefifo^en  ©tattb^alterS"  genannt,  ©oa) 
machte  er  ftdt)  berbient,  inbem  er  bie  Serfölmung  ju  ftanbe  brachte  jtoiftt^en  §einrid)  6a=  55 
fimir  IL  unb  äßilfyelm  III.  ©eine  ©teEung  in  granefer  tburbe  in  mancher  >v>infitt;t  fel»r 
glänjenb.  SDer  ©enat  beförberte  il)n  1679  jum  Doct.  Theologiae.  1680  legte  er  feine 
^rofeffur  im  £>ebräifdj)en  nieber,  um  fid;  ganj  bem  Unterricht  in  ber  St^eologie  ju 
mibmen,  bei  melier  ©elegenljeit  fein  ©efyalt  anfeb^nlict;  erf>öt>t  mürbe.  3m  fe^en  3a^r 
tourbe  er  überbieS  gum  UniberfitätSbrebiger  ernannt,  toieber  mit  ©rljölmng  beS  ©eb^alts.  60 


776  SBaeijen,  t>.  b.  SSagctt  bei  ben  Hebräern 

1689  mürbe  er  aud)  nod)  gum  £ifbriograpt>en  toon  grieSlanb  ernannt  mit  einem  ©et)alt 
»on  600  fl.,  mofür  er  aber  nichts  gett)an  b>t. 

©ein  ©infittfj  mar  ingmifd)en  ungemötjnlid)  grof?.  33.  b.  2Saeijen  galt  als  baS  £aupt 
ber  ßoccejaner  in  grieSlanb  unb  tuurbe  als  fold)er  fyefttg   beftritten,  u.  a.  burct)  ben  be= 

5  lannten  £enr.  SBrtndE.  33on  allen  Drten  ©uropaS  lam  man,  ifm  gu  t)ören.  9JMt  @ifer 
toibmete  er  ftd^  bem  Unterridjt,  ben  er  fo  t>ielfeitig  mie  eben  mögltd)  gu  geben  ftrebte.  ©ein 
9teid)tum  fe$te  it)n  in  ©tanb,  eine  loftbare  SBibltot^ieE  ansammeln  (f.  Sentkern  a.  a.  D. 
II,  306).  dreimal  mar  er  Verheiratet.  Waty  einem  fet)r  mirlungSreid)en  Seben  ftarb  er 
am  4  9c"obember  1701.    @r  erlebte  eS  nod),  bafj  fein  ©otm.  (aus  feiner  Reiten  @fye  mit 

10  ßornelia  33etr))r  %o§.  b.  b.  SS.  fil.  (geb.  gu  9tttbbelburg  am  20.  Oft.  1676,  geft.  9.  ©eg. 
1716)  am  29.  ©eptember  1701  gum  aufjerorbentltdjen  ^rofeffor  in  ber  Sfyeologie  gu 
graneler  ernannt  mürbe.  1704  mürbe  biefer  orbentlid)er  £od)Iet)rer.  -Kur  gmei  Sieben  b>t 
biefer  ©ot)n  herausgegeben,  barunter  feine  ^nauguralrebe  „De  impotentia  hominis 
animalis  ad  capienda  ea,  quae  sunt  spiritus   Dei"  (grau.  1707).     @r  ftarb,   ot)ne 

15  Äinber  gu  t)interlaffen.  (©.  über  it) n :  Dt  2tnbala,  Oratio  funebris  in  obitum  Joh. 
van  der  Waeijen  Fil.,  gran.  1717.) 

35.  b.  aBaeijen  b>t  btel  getrieben,  ©ogmatifd)en  QnfyaltS  finb  u.  a.  feine  „Summa 
theologiae  Christianae,  pars  prior"  ©ran.  1689),  mobon  äßüfiuS  leine  ^oI>e  Meinung 
blatte,  laut  feiner  öffentlichen  ©rllärung:   „gävisus  equidem  fuissem,  si  plura  mihi 

20  discere  licuissetex  ea,  quamnuper  edidit  summa  theologiae  Christianae"; 
„Theologiae  Christianae  enchiridion"  ©ran.  1700);  „Varia  sacra"  ©ran.  1693), 
entfyaltenb  Berfd)tebene  bogmattjdje  unb  er.egetifd)e  2lbl)anblungen.  —  ©eine  ©rllärungen 
gu  t>erfd)iebenen  Supern  ber  33ibel  biteben  l)anbfd)rif  tlid) ;  nur  dne  „Disputatio  con- 
tinens  analysin,  Epistolae  ad  Galatas"  ©ran.  1681,  £>oH.  Überf.  Seeum.  1682)  gab 

25  er  t)erauS.  —  ^Dreimal  mar  er  Rector  Magnificus,  unb  auS  feinen  brei  SteftoratSreben 
„De  incremento  cognitionis  exspectando  tempore  novissimo"  ©ran.  1686),  „De 
semihorio  silentii"  ©ran.  1688)  unb  „De  numero  septenario"  ©ran.  1696,  ed. 
alt.  1699)  rann  man  tt)n  als  Stebner  lernten  lernen.  2BaS  er  auf  r)omiletifct)em  ©ebiet 
feinen  ©d>ülem   gab,   geigt  fein   toerbtenftltct)er  „Methodus  concionandi"  ©ran.  1704, 

so  ed.  2a  1718),  nad)  feinem  Stob  burd)  feinen  ©ofyn  herausgegeben.  —  %n  feiner  $olemtl 
gegen  3lnberSbenlenbe  gebrauste  er  oft  grofje  2Sorte  unb  t)atte  er  eine  fd)arfe  $eber,  mäfyrenb 
feine  Argumente  meiftenS  nid)t  fet)r  träftig  maren.  ©egen  %.  ©panfyetm  b.  $.  gab  er 
i)erauS:  „Epistola  apologetica  ad  Philalethium  Eliezerum  (Willem  Anslaer)  adv. 
nuperas  Frid.  Spanhemii  litteras"  ©ran.  1683);  gegen  93altt).  S3el!er:  „De  betoo- 

35  verde  weereld  van  B.  B.  onderzogt  en  weederlegt"  ©ran.  1693);  gegen  ^ßontiaan 
Dan  Rattern:  „Brief  ter  wederlegginge  van  sekere  brief  bij  P.  v.  H.  met  een 
Voorrede,  daar  in  eenige  gedachten,  noopensde  so  genaamde  Hebreen."  ©ran. 
1696;  2lmft.  1733);  gegen  3°^-  ©lericuS:  „Dissertatio  de  Xoyco,  vocabulo  non  ex 
Piatone  primum  repetito,    et   in   religionem  illato"  ©ran.  1698);    gegen  $ßi)tl.  ä 

4o£imbord):  „Limborgianae  responsionis  discussio"  ©ran.  1699);  unb  gegen  3°^- 
©pencer:  „Joh.  Spenceri  Dissertatio  de  Hirco  Azazel  excussa,  principe,  de  He- 
braeorum  ritibus  maximam  partem  ex  Aegypto  arcessendis,  errore,  breviter 
quoque  confutato  (in  feinen  Varia  sacra  p.  265 — 622). 

33.  b.  SSSaeijen  mar  mofyl  ein  fet)r  tüchtiger  DJcann,  aber  maS  er  iunierlaffen  l)at,  t)at 

45  mentg  bleibenben  Söert.  5Durcr)  feinen  heftigen  %t>n  bei  ber  33elänmfung  eines  ©egnerS, 
burd)  feine  Unbeftänbigleit  unb  burd)  feine  poIUtfd)e  Sfcl)ätigleit  madjte  er  fid)  mät)renb 
feines  gangen  SebenS  Diele  gu  geinben.  %lafy  feinem  %obt  mürbe  er  giemlid;  fd)neü  ber= 
geffen.  S.  $.  üon  Seen. 

SSagen  Bei  ben  £e&räent.  —  Sttteratur:  SöbtitS,  De  re  milit.  bei  Ucioüno 
50  thes. XXVII  p. 260 ff.;  ®irf)mann^aufen,  De  curribtis  bell,  in  Oriente  usit.,  Viteb.  1722.— 
SBeitere  meift  »eraltete  ©Triften  bei  Seljrer  in  ber  üorigen  Stttff.  biefe§  3Ser!e§  unb  bei  gabri= 
ciu§,  Bibl.  ant.  p.  825  ff.;  £>.  91.  Sßfitte  in  §ctftingS  Dict.  I,  372  s.  v.  chariot;  I,  357  s.  v. 
cart;  ©iegfrieb  in  @utt)e§  3SS31  p.  707;  SRoSfoff  in  ©djenlelä  S33BS3  V,  p.  631  ff.  ®ie  9lr= 
Zoologien  üon  Sfoniac!  I,  Senjinger  2.  91.  —  Äam)3b,aufen  bei  SRieljm  II2,  91.  SeremtoS  ATLO2, 
55  p.  206;  g.  (Sengftafe,  S)refd)fct|Iitten  unb  ®refct)wagen  in  ©Iobu§  LX,  5.  —  ®ie  9lrtifel  in 
(äfjetjne  u.  SSIac!  (in  ber  fgl.  SBibliot^ef  ju  SSerlin  nierjt  v>ort)anbenü). 

Über   bie  üriegSmagen,  »on  benen   bereits  33b  XI   ©.  114, 53 ff.;    116,4off.  bie 

Sftebe  mar,  tft  t)ier  nod)  folgenbeS  nad)gutragen.    &tad  lannte  biefelben   offenbar   längft, 

eb]e  eS  ben  (Mrauct)  bei  fid;  felbft  einführte.     @j  14,  6 ff.;    15,  4    ermähnt  SBagen   unb 

60  Reiterei   gur  Qnt  ^3f)araoS;    !anaanttifd)e  §errfd;er   gebrauchen  fie  3°f  H/  ^ff-  u^  finb 


SBagen  bei  ben  Hebräern  777 

babureb.  ben  Israeliten  überlegen  9K  1,  19  bgl.  ^of  17,  16ff. ;  SK  4,  3.  13;  5,  28.  (Snt= 
Weber  l)anbelte  eS  ftcf)  um  eiferne  ober  mit  difen  befebjagene  ©treitWagen  ^of  11,9,  rote 
fie  bie  bekannten  SarfteHungen  auf  ägr/btifdjen  unb  afftyrifdjen  Senfmälern  uns  geigen 
(togl.  bie  Stbbilbungen  bei  3üefym).  Sie  Überfe^ung  ber  23ulg.  an  einigen  oiefer  ©teilen 
currus  falcati  erWedt  falfd^e  23orftellungen,  i>a  nacb,  Xenoph.  Cyrop.  IV,  1,  27  erft  6 
6f;ruS  biefe  ■äJtorbtoerfjeuge  erfonnen  r/at.  ©eit  ©aulS  ßeit  beginnt  ein  auSgebefmter 
§anbel  mit  Söagen  unb  hoffen  awifcfyen  QSrgel  unb  ben  Sfyetttem  unb  ©fyrern,  baS 
meifte  berartige  Kriegsmaterial  aber  fdjeint  Sigfybten  geliefert  ju  Ijaben.  @in  ägfyb= 
tiföer  2öagen  foftete  600  ©ilberfeqel,  ein  Stoj»  150,  bgl.  1  Kg  10,  28f.;  2  Gbj  l,  16. 
Sie  @rfa|frage  be^ügner;  ber  SBefbannung  ber  Kriegslagen  tr»ir!te  ju  Reiten  auf  bie  10 
Haltung  ber  «jSoItttf  fräftig  ein,  fo  ju  QefajaS  Seit  ^ef  30,  2.  16;  31,1;  36,9.  Sie 
ganje  Karofferie  erfdnen  als  fremblänbifcfyer  ^mbort;  ©g  17,  15  Wirb  bie  Sermefyrung  beS 
$ferbebeftanbeS  übet  bermerft;  ben  $robt)eten  gilt  ber  ©ebraudj  bon  2Bagen  unb  Reiterei 
als  geilen  fcf)Winbenben  ©ottbertrauenS  unb  Wacbjenben  Vertrauens  auf  2ftenfd;en= 
fyilfe  §o  1,  7 ;  14, 4  u.  ö.,  bafyer  Werben  Söagen  im  meffianifd;en  9teidE>e  nid)t  mebj  ge=  15 
bulbet  werben  3Jit  5,  9 ;  ©ad)  9,  10.  %n  fbäterer  geit  Werben  befonberS  bie  fbrifdjen 
©treitWagen  erwähnt  Sa  11,  40;  1  3M  1,  17;  8,  6.  —  $n  grieben^jeit  War  ber  ©e= 
braueb,  beS  KriegSWagenS  ein  befonbereS  33orred;t  ber  ©roften,  bgl.  bie  ©bjung  ^ofe^f>§ 
©en  41,43;  Slbfalom  unb  Slboniiaf)  legen  fid)  2öagen,  ^ferbe  unb  Säufer  ju,  um  tf>re 
£errfcf,eranfbrücf/e  bar&utfmn  2  ©a  15,  1 ;  1  Kg  1,  5,  bgl.  Qef  22,  18;  ^er  17,  25;  22,  4  20 
Cb  im  $1%  21©  8,  28  ein  foldjer  ^ßrunfWagen  gemeint  ift  (3Bb/ite),  ift  zweifelhaft,  benn 
©taatSfriegSWagen  pflegten  leine  ©i£e  ju  l)aben.  —  Sie  ber  ©onne  gewibmeten  Söagen 
Waren  Wofyt  aueb,  KriegSWagen  2  Kg  23,  11  bgl.  SeremiaS  ATLO2,  ©.  106  2lnm.,  549; 
KAT3,  ©.  369 f.;  ©utf)e  232KB1  p.  66  unb  bie  ©teilen  £enocf,  72,  5.  37;  75,  4;  2Ibf 
33ar.  6.  —  Über  ben  bifionären  SBagen  @g  1  unb  bie  ©Refutation  barüber  »gl.  ©d)ürer  25 
II1,  ©.  347  —  Sie  Söagen  für  5ßerfonen=  unb  ©ütertranSbort  finb  bon  ben 
KriegSWagen  fel)r  berfdjieben.  Sie  ©egenben  bon  $ubäa  unb  9J}ittelbaläftina  finb  trotj 
einiger  fetyon  früfj  borfyanbener  Kunftftrafcen  bgl.  ÜRu  20, 19;  SHt  20,  31;  1  ©a  6,  12  für 
einen  auSgebefmten  2öagenberfef)r  nicfyt  befonberS  geeignet,  ^rimitibe  Karren  ju  Ianb= 
Wirtfd)aftlid)en  $Weden,  auf  2  ober  4  labern  taufenb,  Wie  fie  noct)  f)eute  bort  ju  finben  30 
finb,  fdjeinen  jeboeb,  feit  fefyr  atter  3e^  ^n  ©«braud^  geWefen  ^u  fein.  Siefe,  uns  auef; 
»on  äg^btifeijen  unb  afftjrifdjen  Sarftetlungen  bekannten  ©efäb,rte,  beren  9täber  batb  maffi», 
batb  mit  6  ober  8  ©Reichen  »erfe^en  Waren,  Würben  meift  »on  2  Dcijfen  gebogen  3lu 
7,3;  7,  7 f.;  1  ©a  6,  7.  10.  Siefe  Sßagen  Werben  als  i-ftar  beseic^net  ©en  45,  21. 
Ser  barauf  befeftigte  Kaften  b,ie^  t.^n  1  ©a  6,  8.  11.  15  (falls  barunter  nidjt  ganj  35 
etwas  anberes  ju  »erfteb,en  ift  bgt.  Ktoftermann  S3üct).  ©a  ©.  18).  Du  er  an  ber  Seicf)fe( 
fa^  baS  tjöl^erne  ^oeb,,  baS  ben  2  ©tieren  ober  Küb,en  1  ©a  6,  7  bq\o.  ^ferben  ober 
5KauIefetn  ^ef  21,  6  ff.  auf  ben  3Raö;en  gelegt  Würbe.  Sas  eiferne  ^oef)  St  28,  48;  ^er 
28,  13  ift  nur  ein  SBtlb  beS  garten  SrucfeS,  genau  fo  Wie  2  Sfyr  10,  11  bie  ©fortoion* 
beitföpe  nieb, t  etwa  ein  äöerf^eug  ber  Sßagenlenfer  War  (fo  nod;  Wieber  ©iegfrieb  bei  ©utb,e),  40 
fonbern  baS  ©cb,röbfinftrument  jum  ©plagen  ber  ©d}rötofWunbe,  beffen  SlnWenbung  bie 
b,ärtefte  ©raufamfeit  geWefen  Wäre  (»gl.  Seiträge  jur  2lfft)riologie  IV,  ©.  224).  Safs  in 
^Pf  46, 10  ir::.;'  aueb,  ben  KriegSWagen  bejeid&net,  ift  b^öcf)ft  unWa^rfd^einlicr;,  »ietmebj 
bürfte  nad)  LXX  mit  33aetb,gen  riibw  jU  lefen  fein,  ^n  9?u  7,  3  foßen  bie  -?  -'■'-{", 
auf  benen  baS  b,eilige  ©erat  transportiert  Wirb,  nad>  b,ergebrad)ter  Seutung  »erbedte  45 
•JBagen  fein  (LXX:  ä/ua^ai  la/untjvixai)  »gl.  ^ef  66,  20  ober  auo)  ©änftenWagen  mit 
abnehmbarem  unb  tragbarem  Kaftenteit;  bagegen  bie  anfbred;enbe  Vermutung  »on  Sucb,. 
©ra^,  Numbers  p.  76,  bafj  ni£  eine  in  ben  Sest  gebrungene  ©loffe  fei;  21:  Wäre  bann 
ein  fonft  nict)t  belegtes  Söort  ber  3Sulgärfbrad;e  unb  Würbe  gang  unb  gar  bem  afftyrifdjen 
sumbu  entfbred}en.  —  §ier  mögen  aueb,  nod;  bie  in  1  Kg  7,  27—37;  3^27,19;  52, 17  50 
u.  ö.  genannten  KeffelWagen  ©rWäfjnung  finben,  über  Weld;e  §ommet  in  2tuff.  unb  0(6= 
ftanblgg.  II,  ©.  228  (Stlb  ©.  226)  auSfüb^rlid;  geb^anbett  tyat,  bgt.  auä)  ©tabc  ZAT. 
21,  ©.  145 ff.  —  Ser  2tm  2,  13  erwähnte  Srefd;Wagen  »gl.  !gef  2S,  27  Wirb  »on  2Bf)tte 
als  eifenbefd)lagener  §oI^rab,mcn  befcfyricben,  in  Welchem  2  ober  3  parallele  Collen  fabrbar 
befeftigt  finb  »gl.  ©engftafe  a.  a.  D.  unb  bie  Slbbilbung  bei  Scnjinger2  ©.  142.  —  Jüv  55 
ben  ^erfonentranSbort  War  bie  rbw  entWeber  mit  4  ober  mit  2  befonberS  b,  of)en  Siäbern 
berfefyen.  Obwohl  für  bie  9ieife=  unb  ©taatsfaroffe  biefelbe  S3e^ctct;nung  s^-:  unb  ~=?-"9 
bortommt,  Wirb  bod;  ber  3ufammenl)ang  ftetS  entfd;ciben  muffen,  ob  eS  fieb.  um  einen 
bruntüofien  2:-  banbelt,  beffen  Senfer  unb  S3cnu^cr  ftanben,  ober  um  einen  ^jagen  mit 
©i^gclegcnb,eit  (»gl.  3l(^)  8,  28),  ber  fonft    nbay  f,ief5.  9i.  3ci)npfuiib.     co 


778  SESagenmonn 

Söngcnmotttt,  $uliu§  Stuguft,  geft.  1890.  —  SRefrolog  bon  Sefan  StfmoHer  in 
ber  Sonntagsbeilage  jum  <ScfjtDä6ifcfjen  SJierfur  öom  11.  OltoBer  1890;  Sfdjaäert  in  2lbSQ  40 
(1896)  ©■  477  ff.     Mitteilungen  feiner  SEToditer  grau  «Redjtäanronlt  Dr.  ®aur. 

2B.  tourbe  am  23.  Nobember  1823  ju  Sernecf,  DSL  9?agoIb,  im  ©djtoarstoalbfreig 
s  2öürttemberg§  geboren,  al§  ältefter  ©ofm  be<§  ^farrerg  Mag.  Sluguft  20.,  ber  feinen  ©o^n 
nocb,  um  2  ^a|re  überlebt  fyat.  @r  befugte  guerft  bie  Sateinfdmle,  bann  —  feit  1837  — 
ba3  ©eminar  ju  Slaubeuren,  bem  er  ftets  ein  befonber§  IiebebolIe§  SCnbenfen  bemalte. 
©d)on  bamalS  50g  ber  Steict/tum  feinet  2Siffen§  bte  2lufmerffam!ett  auf  ficb  unb  getoamt 
bte  ©djltcfytfyeit  unb  Siebenstoürbigfeit  feine§  2öefens>  il)m  bauernb  treu  gebliebene  greunbe. 

io  ©eit  1841  (big  1845)  im  ©tift  gu  Tübingen,  löfte  er  gleicf)  im  erften  ^a^r  bie  bl)ilo= 
logifcfye  ^reilaufgabe :  „Unterfudjung  über  bie  römifd)e  ©atire".  Unter  feinen  Sehern 
waren  befonberS  Säur  unb  Sanberer  Don  ßHnfluft  auf  ifyn ;  er  enbete  al§  @tfter  im  tb,eo= 
logifcfyen  ©jamen.  -Jiacb,  rattern  33i!ariatgbienft  würbe  er  1846  Repetent  am  ©eminar  in 
SBlaubeuren,  im  §erbft  1849  3?ebetent  in  Tübingen;  al§  foldjer  I)ielt  er  aucb,  Sßorlefungen 

|5  über  toürttembergifdje  $ircb,engefcr;icf;te.  ©eine  Äanbibatenreife  führte  ib,n  im  §erbft  1851 
baubtfäd)licb,  nacb,  Berlin,  $m  ©e^ember  1852  tourbe  er  Reifer,  5  3>a!)re  fbäter  Dber= 
Reifer  in  ©Dringen ;  l)ier  grünbete  er  1853  aucb,  feinen  §au§ftanb.  ©o  geWiffenfyaft  unb 
treu  er  fid)  bem  Pfarramt  toibmete,  fo  toiefen  i|n  Neigung  unb  33efäl)igung  bod)  noct) 
mefyr  auf  eine  toiffenfcfyaftlidje  S^ättgieit;  baf>er  folgte  er  gern  einem  burcb,  ©orner§  3Ser= 

20  mittlung  unb  auf  SanbererS  ©mpfefylung  an  il)n  gelangten  Nuf  in  bie  fircfyengefcfyicfytltcfye 
^ßrofeffur  ju  ©öttingen.  §ier  la§  er  ^irc^engefc^i^te  unb  ©ogmengefdjjicfyte,  aucb,  nieber= 
fäcb/fifd)e  $ircb^ngefcr;td)te,  einige  SSMe  aucb;  £eben  %tfu.  £>ie  güHe  feines  2Biffen§  trat 
überall  fyerbor,  fie  fyemmte  felbft  in  getoiffer  §inftcf;t  burd)  ben  9leicf)tum  be<§  Mitgeteilten 
ben  einheitlichen  (Sinbrucf  feiner  33orIefungen.    Mit  erftaunlicfyer  ©ebäcfytntgfraft  btelt  20. 

25  aße§  feft,  toaS  er  gelefen,  —  unb  beffen  toar  unenbltct;  biel  auS  ben  berfdjtebenften  @e= 
bieten  (aud)  bem  öer  $un[t,  für  bie  er  ein  reicfyeS  33erftcinbni§  befajj).  j)al)er  „berfügte 
er  über  ein  fyiftorifcfyeS  SMffen,  toie  e§  feiten  angetroffen  wirb:  ^erfonen  unb  5Efyatfad)en, 
gafylen  unb  3)aten,  33üd)ertitel  unb  ©bitionen,  ber  ganje  Slbbarat  firdjenluftorifcfyer  ©elelj>r= 
famfeit  toar  ib,  m  in  ftaunenerregenber  SSoßftänbigfeit  gegentoärtig ;  er  glicb,  einer  toanbeln= 

so  ben  Nealencr/Kobäbie  ber  Geologie"  (SEfd^acfert  ©.  477).  «Stets  toufjte  er  33elel>rung  gu 
geben,  mit  toeltt)er  grage  aud)  man  an  il>n  herantrat,  unb  ftets  toar  er  toiHig  baju.  ©r 
machte  auf  nod)  jal)lreitt)e  unerlebigte  Probleme  ber  ürd^enb,  tftorifcfr/en  gorfdjung  aufmerffam, 
orientierte  über  ben  ©tanb  ber  grage,  über  Quellen  unb  Sitteratur.  —  Über  ber  Sßtel= 
feitigleit  feines  l)iftorifd)en  ^ntereffe3  Sam  er  nid)t  jur  Konzentration  auf   ein   beftimmteS 

35  gorfd^ungSgebiet.  @r,  ber  e§  fo  trefflieb  »erftanb,  anberen  ein  Sßegtoeifer  für  totffenfdjafa 
liebe  Arbeit  ju  fein,  ift  felbft  nidjt  ^ur  2lbfaffung  eineg  größeren  Wiffenfd^aftlic^en  2BerfeS 
gefommen.  Um  fo  meb^r  burften  an  ifjn  fterantretenbe  Aufgaben  auf  (Erfüllung  rennen. 
Sie  5Reba!tion  ber  „^afjrbücfyer  für  beutfd;e  SLb,eologie"  F>at  er  in  ber  foätem  ^eit  bis 
ju  ib,rem  eingeben  1878  audj   im  tarnen  ber  ?Ocit|erauögeber  tbatf abliefe,  geführt.    Son 

40 1870—1878  (aufgenommen  1871)  erfcb,tenen  barinnen  »on  if)m  ©älularerinnerungen, 
bie  aße  Sab,rb,unberte  ber  Kird)e  umnannten.  1875  (Sb  20,  128  ff.)  (Gilberte  er  „bie 
Stiftung  ber  Uniöerfttät  Serben  in  tlrrer  !ird^en=  unb  fulturb,iftorifcb,en  Sebeutung",  1876 
„®ie  ^uIiuä=Untoerfität  §elmftebt  unb  ifjre  Sebeutung  für  bie  ©efcb,id^te  ber  Geologie 
unb  Ktrc£)e"   (Sb  21,  224  ff.).    £n   „Strno  ber  ^eilige,   ein   beutfdjer  3tct^g!onjIet  »or 

45  ad^unbert  ^ab,ren"  (1875,  Sb  20,  661  ff.)  t-ertrat  er  im  ©egenfa|  ju  einer  2luf?erung 
fetner  ©äfularerinnerungen  eine  anerfennenbere  2luffaffung  biefe§  Kirdjenfurften.  ©er 
2luffa^  über  „$ort>l>f/riu<3  unb  bie  Fragmente  eines  Ungenannten  in  ber  atbentfd)en  SKa» 
lartu§b,anbfd)rift"  (1878,  Sb  23,  269  ff.)  gab  bie  auf  ^ort^riuS  jurücfgefü^rten  ©tetten 
tn  beutfd)er  Uberfe^ung  toieber.  —   ^n  borjüglicbem  3CRafe   tarn  SB.8  Iitterarifd)e  2:b/ättg= 

50  fett  btefer  ^ealencr/Elopäbie  ju  gut.  @r  b,at  für  bie  erfte  Auflage  67  Slrtifel  »erfaßt,  für 
bte  atoeite  (unter  @inrecbnung  bon  42  Um=  ober  Neubearbeitungen)  fogar  144.  Unter 
ben  2lrttfeln  befinben  fid?  bie  über  «patriftil  unb  ©t)tnbolif.  ^m  übrigen  aber  finb  e§ 
ltrcb,enbtftorifdb/e  ber  mannigfadjften  2lrt  unb  auä  atten  Reiten:  über  §abrian  unb  §t)fta§= 
toe§,  .öermiaö,  gauftuS  unb  @utt)d}iu§,   toie  über  ^IbefonfuS,  ©ottfcb,alf,  §ilbebert,   über 

B5  Stomas,  ©uranb  unb  Dcfam,  über  ©trigel,  ^et)fer  unb  §afenreffer,  über  «ß^ilibbiften  unb 
©t)n!reti§muS,  über  9)iarb,einic!e,  Nobler,  Tübinger  ©d)ule  unb  batilanifcbeS  Äonjtl.  Mi 
2lbbanblungen  berufen  auf  forgfältiger,  gut  orientterenber  2lrbeit.  Nirgenb§  toirb  broba= 
btliftifcb,  berfa^ren;  bielmebr  ift  ftets  bie  Aufgabe  mit  ganzem  @rnft  unb  boEer  §in= 
gebung  in  Singriff  genommen  unb  mit  felbftftänbigem  Urteil   gelöft.    ©erabe  folebe  58ei= 

eo  träge  ju  einer  @ncr/flobäbie  cfjaraftertfieren  bie   toiffenfdjaftltdje  2Irt   ib^reS  33exfafferS    in 


ÜBageuniann  SBarjrljeit  ?79 

borgügltd^cr  2\>eife.  gür  bie  bäbagogifctje  @ncr/Hobäbie  bort  ©ct)mib  fcfyrieb  er  fiebert  2Ir= 
tifel,  namentlich  ben  über  ^efuitenfcrjulen.  2ln  ber  2lHg.  beutfcr)en  93iograbf)ie  ober  iuar  er 
nict)t  nur  ein  befonberS  treuer  Mitarbeiter,  fonbern  aucb,  Berater.  „föiefe  befonbere  2trt  ber 
©cfyriftfteEerei  bar  eigentlich  nur  bie  litterarifct)e...  2luSbrägung  feiner...  SereitroiEigfeit, 
aus  bem  Sct)a|  feines  2BiffenS  barjureict;en,  bamit  anberen  .  .  .  %a  bienen"  (©cfymoEer).  6 
—  Seine  ftete  SDienfiroiEigfeit,  berbunben  mit  braftifdjem  ©efct)icf,  liefe  ifyn  aucb,  in  ben 
toerf ergebenen  Aufgaben  bei  33ertv>aItungSbetrtebeS  ber  Uniberfität  fieb;  betätigen.  So  be= 
forgte  er  bie  greitifer/faetje,  mirlte  mit  in  ber  aSerwaltung  ber  $rofefforen=2Öittoenfaffe,  ber 
23ibliotI)ef  u.  f.  tt>.  @r  blatte  aucb,  bie  ©efct)icr;te  ber  ©öttinger  Uniberfität  feit  1837  im 
Auftrag  ber  UntberfitätSbertoaltung  §u  fct)reiben  übernommen,  burd)  feine  3Sertrautt>eit  mit  10 
Dielen  Steigen  ber  2Biffenfcr;aft  oorjüglic^  ba^u  auSgerüftet,  —  aber  jur  $ernMrflic£)ung 
biefeS  $laneS  ift  eS  ntd^t  mefyr  gefommen.  —  2lucr/  als  qSrofefjor  t)at  20.  noct)  öfters  ge= 
brebigt.  ©eine  9veben  im  Greife  ©tubterenber  roaren  bon  feinem  £>umor.  ^m  ©uftab 
2lbolf=33erein  mar  er  feit  1873  2JiitgIieb  beS  SentralauSfcfyuffeS.  Sie  Sicentiatenmürbe 
r)atte  tr)m  Tübingen  (20.  5Kärs  1861),  bie  eine!  Dr.  theol.  ©öttingen  (8.  9?ob.  1862)  15 
erteilt.    1878  erhielt  er  ben  „Sfmrafter"  eines  EonfiftorialratS. 

©cr;on  in  33laubeuren  berbanb  SB.  greunbfdjaft  mit  bem  fbäteren  9caturforfcr)er  $rof. 
Dsfar  graaS  (mit  bem  er  botanifierte  unb  ©teine  fammelte),  mit  §er/b,  nacr)r)er  ©ireftor 
ber  £anbesbib!iotb,el,  mit  bem  fbäteren  Stuttgarter  ©tabtbfarrer  Sieger,  ^n  ber  fcb>äbi= 
fdjen  Heimat  ftanben  ib,m  aucb,  nafye  ^mm.  gaifjt,  @.  gaber  (b)ernacb,  Sufti^minifter),  20 
3ul.  Äöftlm  unb  ÄctrI  unb  Julius  SBetgfäder.  9Jcit  gjul.  2Beijfäcfer  erneuerte  fid>  in 
©öttingen  bie  $reunbfct)aft.  §ier  berfeb)rte  er  neben  ben  Kollegen  bon  ber  tt)eologtfd)en 
gafültät  befonberS  mit  ©eorg  2Sai|,  mit  bem  $irct)enrecr;tSler/rer  §errmann  unb  in  ben 
legten  ^ab,ren  mit  bem  ©uberintenbenten  ©teinme^.  ©ein  gaftltct)eS  §auS  an  ber  2öeenber 
ßfyauffee  öffnete  fict)  aucb,  ber  ftubierenben  Su9eni\  ^mal  ben  feb, tt)äbifcb,en  SanbSleuten  25 
tüte  iarl  3JiüEer  unb  9teifct)le  (aber  aud?  anberen  toie  Rädert,  2lb23  40,  479).  ©ie 
alle  embfanben  ettoaS  bon  bem  ©eift  fcf/Iicfyter,  roarmer  grömmigfeit,  ber  bort  toel)te.  2)er 
Heimgang  feiner  totrtfdjaftlidjen,  ftetS  freunblid)en  grau  t)at  28.  innerlich,  gefnieft.  3I)n 
felbft  ereilte  ber  2ob  einige  IJjafyre  fbäter  buret)  einen  §er^fcb,Iag,  als  er  roie  aEjäfyrlicr) 
feine  §eimat  befugte,  ju  Tübingen  am  27  Sluguft  1890;  gu  Stuttgart  tourbe  er  be=  30 
ftattet.  %$n  überlebten  brei  ©öb,ne  (ber  ältefte  93an!bire!tor  in  5Rannb,eim,  ber  jroeite 
Dbb,tb,almoIog  in  Rena,  ber  britte  ©uberintenbent  bei  Süneburg)  unb  bier  jettf  berb,eiratete 
Södjter.  9t.  «Bonttietfctj. 

2Sat)rr)eit,  aBar)rI)ofttgfeU.  —   Sitteratur:    1.  (£§   fann  ^ter  nid)t  bie  Stufjäblunci 

aller  erfenntnt§t^eoretifct)en  imb  bogmatifiljen  SSerfe  üerfuc£)t  »erben,  bie  trgenb  bie  3Sa[jr=  35 
r}ett§frage  mit  Erfolg  angefaßt  Ijaben.  6§  mvtfe  genügen  smei  SSüdjer  anäufü^ren,  bie  für  ben 
cutgenbltdiltcben  @tanb  be8  QntereffeS  befonber§  nncfjtig  jcbeinen:  §einr.  9?ic£ert,  ®ie  ©renjen 
ber  naturwtffenfcrjaftltdjen  SSegriffgbitbung.  Eine  logifdje  Einleitung  in  bie  ^iftorifctien  SBiffen= 
fdjoften,  Tübingen  1902;  ©eorg  ©tinmef,  ®te  Probleme  ber  @efcf)tdit§pf)tIüfopt)ie,  2.  9luf_f. 
ßeipjtg  1905.  Sa^u,  unabt)ängtg  Oon  beiben,  ©.  ®d,  Religion  u.  ©efct)td)te,  Tübingen  1907  40 
®en  33ert  ber  9teligionSpft)cboIogie,  rate  fie  ftd)  neuerbtngä  melbet,  für  bie  Sa£)rbeit§frage 
tann  irf)  öorlftufig  nod)  nietjt  bocb  einfdia^en;  fie  uermefjrt  ba§  SOcatertai,  ober  biefeS  toirb 
bann  ber  erlenntnisfrttifctien  Sebanbhmg  im  ©inne  Sant§  bebürfen;  über  gorberttngen  unb 
Hoffnungen  unterrichtet  auf8  befte  3-riebr.  ^ittelmeljer,  ^frjdjologie  unb  9teItgton8roiffenfdjaft, 
ef)rtftl/9Selt  1908,  Wr.  6  f.  45 

2.  3tud)  ju  2  fei  nur  bie  Sitt.  ermahnt,  bie  im  9lrtifel  auSbrücflicbe  ober  ftiHfduceigenbe 
S3erüdfict)tigung  fiubet.  @§  ^anbeln  felbftoerftanblid)  alte  profanen  unb  d)viftlid)en  (Steifer 
Don  ber  SBatjrljaftigfeit.  —  2>ie  Ätnberfe^Ier.  3eitfd]rift  Oon  Sod),  Srüper  u.  Ufer,  Sangenfalja, 
feit  1896;  SSifl.  ©tern,  3.$frjd)of.  b.  9lu3fage.  GiperimenteUe  Unterfttd)-  über  Grinnerungetreue. 
geitfdjr.  f.  b.  gef.  ©trafrecfat§iuiffenfd)aft  oon  Üi-Sjt  u.  a.  S3b  22,  ©.  315  ff.  Beiträge  jur  50 
$fl)d)ofogie  ber  StuSfage,  ^eitfdjrift,  t)r§g.  0.  2Bid.  ©tern,  Seipjig,  feit  1903;  Gljrrjfoftomu«, 
l)e  sacerdotio  (oft  gebructl);  Sluguftinuö,  De  mendacio  unb  Contra  mendacium  ad  Consen- 
tium,  ed.  Migne,  93b  6  =  PSL  S3&40;  Saut,  lieber  ein  üermetnttidieg  9?ed)t,  auS  Wen)"d)en= 
liebe  ju  lügen,  1797;  atief).  Dtotfje,  Stjeologifctje  ©tp,  1.  ?luff.  1848,  «b  3,  ©.  537—602; 
GQinger,  S)nS  5Bert)ältni§  ber  öffentlidien  äReinung  ju  2Bn£)rbeit  u.  Süge  im  10.,  11.,  12.  3afjr=  55 
bunbert,  1884;  fiafd),  ^n3  Grmadjen  unb  bie  ©nttoicflung  ber  r)tftovifdt)en  Äritit  im  ^citte(= 
alter,  1887;  SRabe,  ®ie  SBebeutung  be§  gefd)id)tlid)en  ©tnne§  im  ^rotcftantiSmuö,  ^IfiS, 
10.  3atjrg.  1900:  £mrnacf,  ®ie  <ßfafffcf)en  3renäu§--3-ragmente  aUi  giüfdjungen  ^faff§  nad)= 
geroiefen/SU,  Stg-  33b  5,  fr.  3,  1900;  Stetmaruö,  ^Ibbanbfungen  non  ben  oornebinften  Wabr« 
ijetten  ber  natürlidjen  3teligion,  1754  (SSorrebe);  berf.,  ^ofberidjt  jur  ©djutifdirtft,  ^b'Jb  eo 
SBb  20,  1850,  S.  523;  ba^u'bnS  erfte  Fragment  in  SeffingS  Werfen,  .OempclfdieSluSgabe  83b  15, 
©.87;  a3iid)er,  £aö  8ettung§wefen.  Äultur  ber  ©egennmrt,  Xeill,  ?lbt.  1,1906;  'iS.Herrmann, 


780  aSa^cit 

gtfjtf  1901,  3.  31.  Tübingen  1904;  berf.,  Sie  Sage  ber  eüangettfdien  Sogincitit  in  ber  Segen* 
wart,  S^S  17.  Qa^rg.  1907;  SS.  SoWehnamt,  Sritif  be8  fitttidien  SBetrufetfetnä,  SBerlin 
1904;  berf.,  Sie  (Stfjtf  ®ant§.  ©ntitmrf  su  einem  Neubau,  SSerlin  1907 ;  SB.  ©ermann, 
sRötntfcfje  u.  euangelifdje  ©ittlicfjfeit,  1.  91.  Harburg  1900.  Sa^u:  Slbloff,  3iönnftf)=fatlioIifd)e 
5  unb  (Suangeltfcrje  ©ittlidifeitSforttroüerfe,  Satbotifcbe  9fntu>ort,  Strasburg  1900;  ?Kau3bacrj, 
Sie  fatljoüfdje  SRoral,  ifjre  üftetboben,  ©rimbfätse  unb  Aufgaben,  ®öln  1901.  llnb  bie  ©r= 
roibermtg  barauf:  SB.  ©errmann,  3tömifd)e  it.  eüang.  ©ittlictjfett,  3.  9f.  Harburg  1903,  ©.53  ff. 
—  Sitteratur  unb  reid)Itd)e  9(u§fübrungen  jur  ©adje  finben  ftcb  in  ben  päbagogifcben  §anb= 
büdjern.  SSgl.  in  SncüH.  ©unbbucr,  ber  ^äbagogif  Hon  SB.  Dtetn  biclrtt.  SügeS3b5  ©.672ff. 
10  ber  2.  9t.  (1906)  unb  (Sräiefjung  sur  SBabrfjaftigreit  93b  7  ©.  534  ff.  ber  1.  91.  (1899),  S8ab,r= 
bett§gefübl  unb  SBafjrtjeitSltebe  ©.  538  ff.  ebenba  [in  2.  91.  nodj  nictjt  erfdjienen].  gn  ber 
(Sncüfl.  beS  gef.  grjtefiungS«  unb  Unterrid|t§tDefen§  uon  ®.  91.  ©djmib,  2.  9t.  (1887)  93b  10, 
@.  208  ff.  9t.  SBabrfiafttgfeit. 

1.  Sßafyrfyeit  unb  Söafyrljaftigfeü  taffen  fiel)  in  einer  bem  heutigen  ©tanb  ber  3Btffen= 

15  fdjaft  entfbrecfyenben  Sefyanblung  fo  Wenig  trennen  tote  fides  quae  creditur  unb  fides 
quae  credit.  9GBat)r^ett  erjftiert  nur  für  Wahrhaftige  5Renfct)en.  2öaljrl)aftigfeit  fe£t  einen 
SöiUen  gur  Sßafjrfyeii  borauS.  ®er  Sßafyrfyeit  Wirb  baburcb,  an  ifyrer  §of)eit,  ©elbftftänbig= 
feit  unb  ©eWif$eit  nidjtg  abgebrochen;  nur  ifyre  bermemtltcfye  $foIiertfyeit  I)at  aufgehört; 
fie  ift  ein  ©ut  geworben,  bal  allein  bem  gangen  9Jlenfcr)en  fiel)   erfcfjliefjt,  unb  ifym  nur 

20  bann,  Wenn  er  bestimmte  23ebingungen  erfüllt. 

gür  ba§  naibe  SeWufjtfein  ift  unfer  (Srfennen  ein  innere^  2Ibbilb  ber  äußeren  2Birf= 
licf)feit.  9J2an  mufj  nur  feine  fünf  ©inne  unb  feinen  3Ser[tanb  beifammen  t)aben,  fo  faßt 
einem  bie  2Sab,rb,eit  be§  ifyatfädjilicfyen  bon  felber  ju.  SDagfelbe  Vorurteil  liegt  allen  $ben= 
titä§ft»ftemen  in  ber  $fyilofobI)ie  ju  ©runbe,  b.  i.  allen  ©internen,  bie  bie  Sjbentttät  &on 

25  Genien  unb  ©ein  beraubten.  @3  ift  alfo  bie  big  bor  ft'ant  fy errfcfyenbe  unb  aucfy  nact) 
Äant  nocb,  nicfyt  überWunbene  gemeine  Meinung.  2lber  bie  2ötffenfcf)aft  ift  feit  $ant  er= 
fenntnigfritifct)  geworben,  auct)  bie  Geologie,  unb  barin  unterfctjeibet  ficb,  nunmehr  ba§ 
toiffenjctjaftlicfye  (Mennen  Dorn  naiben,  bafc  e§  erfenntniSfrittfcf)  ift.  $ant  fyat  mit  feiner 
$ritif  etngefe^t  bei  ber  (Erfahrung,  bei  ber  @rfafyrung§Wiffenfct)aft,  bei  ber  matf)ematifct)en 

30  9caturWifjenfc§aft.  ©erabe  in  biefem  Sereid)  festen  bie  $bentttät  bon  SDenfen  unb  ©ein 
felbftberftänblicfy.  Sie  gange  Sogif  (unb  t>a§  war  boef)  bie  @rfenntm§totffenfc£)aft  big  $ant, 
Wie  benn  auct)  fyeute  bie  beiben  £>tggiblmen  noc^)  fairer  gu  trennen  finb)  toar  bi§  bab,in 
£ogi!  be§  9Jaturer!enneng.  3"  einer  Sogt!  ber  ©efc^icfyte  gab  e§  nocb,  laum  Stnfä^e.  ©ie 
toar  ariftotelifcb^e  Sogil:  xc5  juiv  yäg  ahqftä  n6.vxa  ovrädei  rä  vnäqiovxa  (Eth.l,  8), 

35  toab^r  ift,  ti>a§  mit  bem  Sefteb, enben  übereinftimmt.  greilid)  b^aben  bie  ©riechen  gerabe  fic^ 
mit  if/rem  bf)ilofobf)ifcb,en  ^ntereffe  rafet)  bon  ber  9?atur  ah  unb  bem  9Jtenftf;en  jugetoanbt; 
©ofrateö  („SDte  Säume  fönnen  mief)  nichts  lehren")  ift  ber  ©ct)b'bfer  ber  ©tb,i!  geworben, 
unb  Pato§  @tb,if  Würbe  je  länger  je  mefyr  Religion.  Slber  bie  Sogi!  be§  2RittelaIter§ 
fufete  auf  Slriftoteleö ;    fie  Wollte  @rfab,runggwiffenfcb,aft  fein,   unb  Wie  ernft  fie  e€  bamit 

40  nab, m,  geigen  ib,re  unö  fo  grote^I  anmutenben  unb  boefy  fo  grunblegenben  «Streitigkeiten 
über  bag  35erb,ältni§  bon  res  unb  universalia  —  ein  ^roblem,  in  beffen  Söürbigung 
gerabe  bie  heutige  @rfenntnigtb,eorie  Wieber  begriffen  ift.  Siegt  bie  SSJa^ett  in  bem  3ta= 
gemetnbegrtffe  ?  liegt  fie  im  Scfonberen,  3ufäaigen,  ^atfäcb, liefen?  2lber  bafe  2öa§rb,eit 
nur  aU  Slbbtlb,  ©biegelbilb  beö  2ßirllicf)en,  be§  @rfab,rungäwirllicb,en  ba  fei,  barüber  War 

45  fein  ©treit,  unb  aueb,  atle§  gefcfyicfytlicfje,  etljifc^e,  religiöfe  (Erfennen  fafete  man  logifcb,  mit 
ben  formen  einer  @rfenntni§,  bie  bon  bem  9?aturerfennen  abgelefen  War.  ^u  berSffia^r= 
l)eit,  beren  ©rreieb^ung  man  bem  natürlichen  58erftanbe  sufbraef),  trat  nur  im  cfyrtftlicfyen 
©ogma  nocb,  eine  anbere  b,inju,  bie  aHein  buref)  übernatürliche  Offenbarung  jugänglicb. 
Würbe:  Wie  gewaltig  ber  ^ßor^ug  biefer  ^Weiten  ©rfenntntSqueHe,  fo  Wenig  beränberte  ftd| 

so  ber  begriff  ber  SBaftrb^eit  felbft.  ©ie  blieb  2lbbrucf  ber  2Birflicf,feit,  unb  für  ben  buret) 
SSerftanb  unb  Offenbarung  normal  erleuchteten  55ienfcb,en  lagen  boeb,  aü  bie  ©egenftänbe 
ber  (Menntni3  bom  einfacb^ften  finnlicl)  Wahrnehmbaren  ®ing  bi§  jur  überirbifcbjten  @nt= 
Füllung  be§  Sogma§  in  einer  ©ef)linie.  @g  f;at  niemals  eine  einheitlichere  Sßeltanfcf)au= 
ung  gegeben  als  bie  ber  mittelalterlichen  ©djolaftif,   bie   nur   bie  Wiffenfdjaftltdje  ^3rojef= 

55  tion  beg  naiben  (MennenS  ober  ©laubeng  ber  mittelalterlichen  2Jienfct)l)eit  War.  ©laube 
War  bamafö  ©rfennen  unb  ©rfennen  ©tauben.  @igne  Söege  ging  nur  baneben  bie  3Jcr/fiif 
bie  in  lontemblation  unb  ©fftafe  befonbere  @rfenntnigmittel,  befonbere  3JJetl)oben  ber 
geiftlicfyen  @rfab,rung  befafj;  aber  auet;  tl)r  ©rtrag  Würbe  nacb,  ber  ©runbanfietjt,  bafe  bie 
aßab,rl)ett  ein  Slbbrucf  ber  2ßirfticl)feit  unb  mithin  eine  im  ©runbe  einfache  ©acb,e  fei,   in 

eo  ba8  fonftige  2öeltbilb  eingeorbnet.  3Banfenb  Würbe  biefe  ^ofition  perft  für  bie  9tomi= 
naliften.    Ocfam  b,at  gelehrt,  bafj  ber  ©laube  in  ben  wic^tigften  Sogmen  ©ä|e  enthalte, 


2öaf)rl)cü  781 

bie  in  iljrer  ßonfequcnj  ben  anerfannten  ©ä'|cn  ber  Vernunft  Wtberfbrcdjen,  3.  33.  bem 
©a£e :  Dtd)tS  fann  sugleicb,  fein  imb  ntd^t  fein ;  ber  SEetl  ift  Heiner  als  baS  ©anje  (Centi- 
logium  concl.  18,13.  33gl.  2Irt.  Dcfam,  33b  XIV  ©.  270  ff.),  ©ein  ©tfmler  Stöbert 
§olfot  foH  ber  erfte  geWefen  fein,  ber  bie  „bobbelte  2ßat)rr)ett"  lehrte:  eS  lönne  GttoaS 
tfyeologifd)  falfcb,,  aber  blülofoplnfcl)  Wafyr  fein,  unb  umgefefyrt.  £>ie  2eb,re  Würbe  in  ^etruS  5 
$ombonatiuS  bom  5.  Sateranfon^U  19.  SDcjember  1513  berbammt  unb  bawiber  f  eftgeftellt : 
Cumque  verum  vero  minime  contradicat,  omnem  assertionem  veritati  illumi- 
natae  fidei  contrariam  omnino  falsam  esse  definimus  (2abbe=GoIeti,  Concil.  XIX, 
842 ;  Mansi  XXXII,  p.  842).  £>ie  fattplifcfye  Slircfye  fmt  bamit  nicfyt  nur  etwas  gefagt, 
Was  aud)  für  uns  ^roteftanten  felbftberftänbltcb,  bleibt,  fonbern  bielmefyr  baS  33erl>ältntS  10 
ber  übernatürlichen  2öab,rl)eit  unb  ber  natürlichen  unter  bem  ©efkfytSWtnfel  feftgelegt,  ben 
man  im  SRittelalter  innehielt.  ®ie  SBiebererneuerung  beS  'üEfyomiSmuS  unter  2eo  XIII, 
bie  unerbittliche  2tblel)nung  alles  $antianiSmuS  unb  SJiobermSmuS  unter  $ßiuS  X.  finb 
nur  bie  33eftätigung  babon,  baft  man  an  bem  naiben  antifen  SBafyrfyeitSbegriff  fettend 
ber   fatfyoltfcfyen  Äircfyenleitung   mit  aller  ©nergie  feftju^alten  gebenft.  15 

£utb,er  mar  nidjt  nur  Dominalift,  Wenn  er  mit  ber  SBittenberger  ©djule  als  %fyo- 
loge  leibenfcfyaftlicb,  ©ä£e  bertrat  toie  bie:  „Theologus  non  logicus  est  monstrosus 
haereticus"  est  monstrosa  et  haeretica  oratio.  (Contra  dictum  commune.) 
Frustra  fingitur  logica  fidei.  Nulla  forma  syllogistica  tenet  in  terminis  di- 
vinis.  (S>aju  baS  „WaS  aueb,  für  uns  ^roteftanten  felbftberftänbltcb,  bleibt",  in  ber  fofort  20 
folgenben  SLI)efe:  Non  tarnen  ideo  sequitur  veritatem  articuli  trinitatis  repug- 
nare  formis  syllogisticis.)  Si  forma  syllogistica  tenet  in  divinis,  articulus 
trinitatis  erit  scitus  et  non  creditus.  Totus  Aristoteles  ad  Theologiam  est 
tenebrae  ad  lucem.  Error  est  docere:  Sine  Aristotele  non  fit  theologus. 
(Contra  dictum  commune.)  Immo  theologus  non  fit  nisi  id  fiat  sine  Aristo-  25 
tele.  (Simulation  bom  4.  ©ebtember  1517,  2S.  1,  226.)  @S  waren  Sfyefen,  unb  manches 
barin  mochte  disputandi  ritu  (23rief  2utl)erS  bom  28.  ©ebtember  1520)  fcf)roffcr  formu= 
liert  fein;  bie  £I)efen  bebeuteten  boct)  ben  23rud)  mit  2IriftoteleS'  2ogif,  unb  Wenn  nidjt 
ber  ©türm  ber  Deformation  über  2utfyer  unb  Sötttenberg  gekommen  märe,  fo  Ratten  mir 
bon  bortfyer  eine  ftiüere  bringibiette  Umwälzung  ber  ifyeologifd)en  ©rfenntnis  erfahren.  30 
2utl)er  blatte  3luguftin,  beutfcfye  3Ditofiifer  unb  bie  33ibel  fennen  gelernt  unb  ju  il)rer  £>eu= 
tung  feine  ifm  ganj  auSfütlenbe  SSefefyrung  bon  ber  2Berf=  jur  ©laubenSgerecljtigfeit  er= 
lebt.  SDtan  fann  2utl)erS  tfyeologifd)e  ©elel)rfamfeit  anzweifeln,  aber  man  fann  nid)t 
umflogen,  bafj  er  ber  erfte  grofje  ©rfafyrungStljeologe  ibar,  beffen  berfönlicfyeS  ©rieben  unb 
33erb,  alten  einem  neuen  Sßafyrb,  eüsbegriffe  baS  %fyox  ber  $eit  öffnete.  Dcfam  unb  bie  3Romi=  35 
naliften,  bie  auefj  fcfyon  an  ber  alten  bemonftrierenben  Ideologie  irre  geworben  Waren, 
Ratten  fid)  jur  fird)Iid)en  unb  biblifdjien  2Iutorität  geflüchtet,  bie  fie  als  eine  innere  Wiber= 
fbrud)Slofe  nid^t  aufzurichten  bermoa)ten.  2Iucf)  2utf)er  fanb  feinen  ^rieben  bei  ber  Autorität 
©otteS  unb  feines  Wahrhaftigen  SBorteS,  aber  als  einer  folgen,  bie  fidj  im  Qnnerlicbjten 
unb  ^ßerfönlicbjien,  baS  bem  3Kenfcf)en  eignet,  in  feinem  ©lauben  als  ©laubenSerfabjung  40 
burcf;fe|t.  ®anf  SRelancfjt^on,  ber  ba^Wifc^en  bon  einer  neuen  bfnlologifd^fritifcfyen  2lu§= 
Qabt  be<§  2lriftoteleg  gefcl)Wärmt  blatte  unb  ber  ben  atä  2utb,erä  Straft  gelungenen  frö> 
liefen  Slnlauf  feiner  Loci  fbäter  felbft  Wieber  bergeffen  machte,  ift  ber  mittelalterliche 
SBa^rb.eitsbegriff  noeb,  einmal  aueb,  in  ber  broteftantifcfyen  Geologie  wieber  jur  ©eltung 
gefommen  unb  jum  ^eil  noeb,  b,eut  nicf;t  überWunben.  2utl)er  fyat  unter  ber  Unruhe  ber  45 
braftifcfyen  2lnforberungen,  bie  bie  Deformation  an  ifm  [teilten,  bie  Dub,e  jur  Fortführung 
feine§  wiffenfcb,aftlicb,en  HambfeS  gegen  2Iriftoteleg  nid?t  gehabt  unb  bamit  baS  Qntereffe 
baran  berloren.  ®as  erfenntni§t|e'orettfcb,e  Problem  als  fo!cb,eS  ift  if>m  aueb,  nicb,t  flar 
geworben.  2lber  babei  ift  er  bod;  immer  geblieben:  Qui  sine  periculo  volet  in  Aristo- 
tele philosophari,  necesse  est,  ut  ante  bene  stultificetur  in  Christo  (3B.  1,  355),  50 
unb  jur  „botofeelten  ffialjr^eit"  b,at  er  fieb,  bis  in  fein  2llter  befannt:  Etsi  tenendum 
est,  quod  dicitur  „Omne  verum  vero  consonat",  tarnen  idem  non  est  verum 
in  diversis  professionibus.  Sorbona,  mater  errorum,  pessime  definivit,  idem 
esse  verum  in  philosophia  et  theologia.  (SiSbutation  bom  10.  ^a""^  1539.  Sei 
£)reWS,  2)iSbutationen©.487.)  2öaS  in  ber  Geologie  Wcdjx  fei,  fanb  fein©Iaube  in  ber  55 
©d>ift  fo  zweifellos  flar  ausgebrochen,  ba|  ib,m  ba  für  eraSmifclje  33ebenfen  fein  Daum 
blieb:  Non  est  hoc  Christiani  pectoris,  non  delectari  „assertionibus",  immo 
delectari  assertionibus  debet,  aut  Christianus  non  erit.  Assertionem  autem 
voco:  constanter  adhaerere,  affirmare,  confiteri,  tueri  atque  invictum  per- 
severare  Absint  ä  nobis  Christianis  Sceptici  et  Academici,    assint  vero  60 


782  3BaI)rl)eit 

vel  ipsis  Stoicis   bis  pertinaciores  assertores  (De  servo  arb.  E.  v.  a.  VII, 

p.  120  ss.). 

Der  ^ietiSmuS  erneuerte  bie  ^ofition  SutberS,  ofyne  e§  zu  größerer  wiffenfd;aft= 
lieber  Klarheit  31t  bringen,  unb  olme  bte  Siefe  unb  Originalität  feinet  ©laubenS= 
5  begriffe  ^nätotfe^en  enttoanb  fid;  bte  ^fnlofobljie  bem  Dogmatismus  unb  Würbe 
©mbiriSmuS,  ©enfualiSmuS,  ©febticiSmuS.  t)a  nafym  Kant  baS  2Berf  auf  unb  legte  ben 
©runb  ju  einer  anbern  ©eWif$ett  Wiffenfdjiaftlicfyer  2Bafyrb,eü.  Sie  matbematifdje  9iatur= 
Wiffenfä)aft  £>atte  in  Newton  eine  bis  bor  Kurzem  ungeahnte  faum  ju  überbietenbe  ©tct)er= 
fjeit  erreicht,    Kant  unterste  bie  ©runblagen  biefeS  Betriebes.    @r  fanb  fte  bureb.  eine 

10  fritifcfye  3CnaIfc>fe  beS  menfcfylicljen  ©eifteSlebenS.  @r  entbeefte  ba§  §anbtoerfSzeug  ber  Sßer= 
nunft,  mit  beffen  £>ilfe  fie  bie  2öelt  ber  (Srfcfyeinungen  befragt,  beftimmt  unb  begreift,  in 
ben  abriorifdjen  formen  ber  ©innliajfeit  (^aum  unb  ^,ät)  unb  beS  33erftanbeS  (ber 
Kategorien:  Kaufalität !) ;  fie  machen  @rfal)rung,  Wiffenfa)aftlid;e  (Erfahrung  erft  möglieb, , 
benn  oljme  fie  gäbe  eS   eine   jufammenb^anglofe   jufäüige  Jöafymefymung,    feine  Wirfltcfye 

15  (MenntniS.  5Rur  bie  Sßernunft  unb  WaS  bie  Vernunft  zur  ©rfenntmS  mitbringt,  ^toingt 
bie  ©rfcfjeimmgen,  bafj  toirflid;  (SrfenntniS  fyerausfomme,  bie  eben  Wegen  biefer  §erfunft 
nitf)t  anberS  fein  fann  als  Wie  bie  Vernunft:  ftreng  gefe^mäfjig,  notWenbig  unb  allgemein. 
2ßtr  beulen  in  ber  Kategorie  ber  Kaufalität,  alfo  fann  fein  faufallofeS  ©efcfyeben  uns  bor= 
lommen.  —  ÜJlan  mag  Kants  Kritik  ber  reinen  Vernunft  (1781)  im   einzelnen  !ritifieren 

20  tote  man  Will:  ber  alte  2SaI)rbeitSbegriff,  Wonaa;  2Baf)rf)eit  nichts  Weiter  ift  als  baS 
feeliftfje  Slbbilb  einer  brausen  befinbltct)en  ©aa)  e,  Würbe  bureb,  ifyn  für  bie  benfenbe  9Jtenfd&= 
Ijieit  auf  immer  gerftört.  $nbem  Kant  auf  bie  allgemeinen  geiftigen  Sebingungen  fyinWeift, 
unter  benen  ©rfenntniS  ju  ftanbe  fommt,  berlegt  er  bie  ©rfenntniS  aus  ben  Dingen  an 
fia;,  bie  in  eine  unzugängliche  gerne  jurütftoeicb^en,  in  bie  eigene  Sfyätigfeit  beS  menfcbjicfyen 

25  ©eifteS.  9ftd)t  bem  embirifcfyen  2jNbibtbuum  liefert  er  fie  aus.  Die  „reine  Vernunft" 
ift  ntd^t  baS  em^irifebe  ©eifteSleben  beS  ©injelnen.  ^enfeitg  bon  aller  inbibtbueHen  2lrt, 
bon  aller  embirifcfyett  ^ßfr/a)ologte  ergiebt  ftcb,  auf  logifa)em,  erfenntnisfritifcfyem  2Bege  eine 
innere  ©truftur  beS  menfd)Iia)en  ©eifteSlebenS  mit  eigenen  gufammenbängen  i»on  ©efe|en. 
SBon  bloßem  ©ubjeftibiSmuS  ober  ^nbibibualiSmuS  ift  alfo  ba  feine  S^ebe,  im  ©egenteil, 

30  erft  fo  Wirb  2Biffenfdjaft,  wirb  matfyematifdje  9Jaturtoiffenfc§aft  möglia).  Denn  um  biefe 
fyanbelt  eS  fidt)  aüerbingS  zunäcbjt  für  Kant  in  feiner  Kritif  ber  reinen  Vernunft,  in  feiner 
^beorie  ber  (Erfahrung.  sJ?oc§  ift  bie  ©efd)id;te  unb  bie  gefdjicbtlicfye  (SrfenntniS  einer 
gleiten  Kritif  nid)t  unterzogen.  2lber  baf?  bie  religiöfe  2ßabrl>eit  an  biefer  5£r)eorte  einen 
beffern  ©jbonenten  fjaben  wirb   als  an  ber  Sogif  beS  2lriftoteIeS,  it)irb  alSbalb  bei  Kant 

35  felbft  beutlid}.  @S  fei  nur  an  ^toei  luSfbrüdje  erinnert.  1763  (alfo  nod)  bor  ber  ©e= 
burt  feines  fritifa)en  ©fyftemS)  fd)liefjt  er  feine  ©cfyrift  „Der  einzig  mögliche  SBeWeiSgrunb 
Zu  einer  Demonftratiou  beS  DafeinS  ©otteS"  mit  ben  2öorten:  „(SS  ift  burcb^auS  nötig, 
bafe  man  fia)  bom  Dafetn  ©otteS  überzeuge,  eS  ift  aber  nia;t  ebenfo  nötig,  bajj  man  eS 
bemonftriere."    Unb  als  er  in  bem  SSorroort  jur  Reiten  Sluflage  feiner  Kritif  ber  reinen 

40  Vernunft  auf  biefeS  Söerf  unb  feine  2lbfid)t  jurüdfc§aut,  1787  fa)reibt  er:  „^tf;  mufete 
baS  äöiffen  aufgeben,  um  jum  ©lauben  ^5la^  %u  befommen."  Den  alten  naiben  3Ba|r= 
f)eitsbegriff  ber  ftoefulatiben  ^b^ilofobb^ie,  ib;re  Slnmafjung  überfcbrnenglict^er  @tnficl)ten  mu|te 
er  ^erfrören,  toeil  baS  §anbtoerfSjeug  ber  reinen  Vernunft  nur  auf  ©egenftänbe  möglicher 
„@rfab,rung"  antoenbbar  ift,  nicb.t  aber  auf  baS,  maS  nieb^t  ©egenftanb  ber  (finnlia)=natur= 

45  totffenfeb.  aftlicfyen)  (Erfahrung  Werben  fann ;  auf  biefe  angetoanbt  Würbe  eS  fcbjiefjltcfy  nur 
jum  Unglauben  führen.  $on  tt)rer  3Bat)rt;eit  mu^  man  fia)  auf  einem  anbern  Söege  über= 
Zeugen,  bem  2Bege  beS  ©laubenS.  Diefer  2öeg  zum  ©lauben  fübjt  aber  für  Kant  über 
bte  SDtoral,  über  bie  Slnerfennung  beS  ©ittengefe|eS.  §aben  Wir  biefeS  j)raftifcr)e  3Ser= 
mögen  ber  Vernunft   in  feiner  Sefonberbeit   unb   in   feinem  $runat   erfannt,   bann  finb 

50  grabet,  Unfterblid)feit(  ©ott  für  unfer  (Srfennen  biel  fefter  beranfert,  als  im  3ufammen= 
bang  ber  äußeren  ©rfabrung.  2lutt)  t)ier  aber  getgt  Kant  baS  2lbriori  im  menfcbjicf;en 
©etfte  auf.  @r  fua)t  unb  ftnbet  eS  im  Söiaen.  Der  War  in  ber  alten  Sogif  ber  9Ma-- 
bb^bfif  böHig  zu  furz  gefommen  (ausgenommen  im  SZominaliSmuS),  war  für  fie  ein  ©flabe 
beS  aSerftanbeS  geWefen:   Slnnafjme  ober  9ftd)tamtaf>ine   ber  Sorftellungen,  barin  beftanb 

55  feine  gunftion,  unb  Stufgeben  beS  SBiaenS  in  ber  boKenbeten  @infid)t,  in  ber  @rfenntniS 
ber  richtigen  Segriffe  (beS  ©uten!)  War  baS  röiffenfcbaftltcbe  (unb  moraliftt;e)  ^beal.  ^eM 
befreit  Kant  ben  Söillen  aus  ber  Knea)tfcb,aft  beS  ^ntetteftualiSmuS  unb  riebtet  t^m 
ein  eigenes  9teicf)  auf,  in  bem  er  berrfcfyt,  baS  Sfleia)  ber  braftifef/en  Vernunft.  Qn  btefem 
3fteicb;e  finbet  bie  fittlicbe  S03al)rr)eit  tbre  unantaftbare  ©idjerbeit,  unb  t)ter  fiebelt  Kant  aueb 

60  bie  religiöfe  2öabrbeit  an   als   eine  ^eiliüabrbett   ber   fittlicben.    Db   er   baS   mit  §ilfe 


aSutjrljett  783 

feiner  ^oftulatentfyeorie  glüdlicb,  bol!brad)t  fyat,  biefe  grage  barf  un§  f/ier  niefjt  aufhalten. 
©enug,  bafj  burcb,  feine  Kritif  aud)  für  bas  ftttlicb/e  unb  religiöfe  ©riennen  im  menfd;= 
Iid;en  ©eifteSroefen  bie  £>eimat  nadjgennefen  Würbe.  @rft  jefct  gewinnt  bie  Seb/re  bon  ber 
„bereiten  Söalnljeit",  bie  im  Siominalismus  rafcb,  jur  Karifatur  ftcb,  ausWudjs,  in  Sutfyer 
nur  als  (Energie  feinet  braltifcb,  religiösen  ©mbfinbens  fid;  äußerte,  feften  prinzipiellen  unb  5 
metb;obifd>en  ©runb.  S£ro$  bem  SBiberfbrud;,  ben  fie  immer  Wieber  gefunben  r/at,  be= 
fyerrfdjt  fie  fyeute  Geologie  unb  ^fyilofopr/ie.  Wlan  b,at  über  bie  „bügelte  S3ud)fübjung" 
gemottet,  darüber  lefe  man  Sllbert  Sänge  naty  (®efd;id)te  bes  Materialismus,  bei  9teclam 
Sb  2  ©.613):  „©d)Wa|t  mir  fyter  aber  nid)ts  bon  bobbeltcr  Söudjfüln-ung !  tiefer 
begriff,  bobbelt  berWerflicf),  fyat  erftlicb,  einen  falfdjen  9tamen,  erfunben  bon  einem  ^rofeffor,  10 
ber  bermutlicb,  nie  ein  faufmännifdies  Sucb,  gefel)en,  unb  ber  {ebenfalls  gang  etwas  anbreS 
meinte,  als  baS  tertium  comparationis  befagt;  fobann  aber  geb,ört  er  ber  ©acfye  nad; 
burdjauS  in  jenes  SDämmerungSgebiet  fmblicfyer  9JJärcb/enWelt . .  (Er  entfbridjjt  bem  ©tant= 
bunft  bon  Seuten,  bie  infolge  angelernter  ftnffenfdjaftlicfyer  Stfyätigfeit  gerabe  fo  weit  ge= 
fommen  finb,  innerhalb  tb)reS  gadjeS  SßafyreS  bom  galfdjien  mit  9Jtetr/obe  unb  ©emiffen  15 
unterfd)ciben  ju  fonnen,  Weldje  aber  baS  ecfyte  Kriterium  beS  SBafyren  noeb,  nieb, t  auf  anbre 
©ebtete  ju  übertragen  ttriffen       " 

©eWifj  giebt  eS  nur  (Eine  2Bat)rJ)eit.  2Iber  bie  ift  nicfyt  fo  einfacb,  ju  fyaben:  bort 
bie  ii>trllic|leit,  fyier  ein  bamit  übereinfttmmenbeS  ©enfen.  ©onbern  auf  berfef/iebenen 
2öegen  mit  berfeb/iebenen  Kräften  unb  bermöge  eines  berfdnebenen  ^ntereffes  bemächtigt  20 
fieb,  ber  menfdjlidje  ©eift  beffen,  WaS  ifym  an  2öaf)rlf)ett  zugänglicb,  ift.  Unb  je  nacb,  ben 
SBegen,  bie  er  gefyt,  erlebt  er  2Bab,rb,ett  beS  SßaturerrenncnS,  ber  SJloral,  ber  Religion, 
ber  Kunft.  ©ine  berfrüb/te  Sufaromenfaffung  ergiebt  nichts  Wetter  als  Verfügung  beS 
9reid)tumS  an  (Erkenntnis,  ber  uns  befdjieben  ift.  Söir  erleben  bas  b,eut  an  bem  bobu= 
lären  „beutfd)en"  SRomSmuS,  bem  übereilten  SSerfucb,  einer  einheitlichen  Söeltanfcfiauung,  20 
ben  bie  $ütle  ber  ©efid)te,  bie  bem  in  baS  unterfdnebene  (Einzelne  einbringenben  2Renfd;en= 
geift  entgegentritt,  täglid)  aufs  neue  ad  absurdum  füb,rt.  ©0  ift  uns  ja  eine  ©eite 
ber  üffiab/rb/eit  erft  neuerbingS  in  ib/rer  (Etgenb/eit  jutn  SBeWufjtfein  gefommen:  bie  2Bab,r= 
f>eit  ber  ©efdricfyte.  -Jiacfybem  bie  Xb/eorie  ber  ©efcb/icb;te  bon  ber  älriftoieüfcb, en  Sogif  böllig  ber= 
nacb,läffigt  icorben,  mar  bie  Kanttfcfye  feb,r  mol)I  in  ber  Sage  ib,re  Probleme  aufzunehmen.  30 
2lber  äfjnlid;  mie  erft  bie  entfbrecb,enbe  toiffenfc^aftlicfje  ®i§jiblin  in  9Jemton  unb©enoffen  ib,re 
(Erfolge  erringen  mu|te,  eb,  e  Kant  feine  Kriti!  breingab,  mufjte  erft  bie  ©efe^ieb,  tsforfdmng 
unb  ©efe^ieb, tsfcb,reibung  in  9tanfe  unb  ©enoffen  eine  fold)e §öb,e  geroinnen,  ef)e  bie Xb,eorie 
folgte.  9hm  ift  bie  tlnterfcljeibung  naturtoiffenfcb.aftlicfjen  unb  gefd^icb^smiffenfcfyaftlicfyen 
(SrfennenS  unb  bie  Itnterfucfyung  tt)rer  ©renken  ernftlid;  in  Angriff  genommen.  2)er  35 
menfefilictje  ©eift  fe|t  feine  Slbbarate  anberS  in  Bewegung,  roenn  ib,n  ber  Söille  gum 
9taturerlennen  unb  roenn  ifm  ber  SGöttle  jur  ©efcl)icb,tSforfcb,ung  treibt.  SDort  geb;t  es 
bom  Günjelnen  als  nur  bem  @i-emblar  einer  SSielfyeit  ju  bem  Segriff  ber  SSieltieit  unb 
weiter  ju  bem  ©efetj  in  ber  3Sielb,eit  ber  ©rfcb, einungen ;  jmar  auSgeb^enb  bon  bem  53e= 
fonberen,  aber  im  ©runbe  boeb;  bößig  gleicb,giltig  gegen  bie  33efonberI)eit  bringt  ber  S5er=  40 
ftanb  bermittelft  immer  neuer  unb  ftärferer  Slbftraftion  §u  Ie|tem  allgemeinen  unb  9iot= 
roenbigen  bor.  §ier  im  ©eg enteil  l)aftet  baS^ntereffe  am  @ingelnen  in  feiner  Sefonberb/eit, 
©injigartigleit  unb  ©inljeit;  in  fein  ©efyeimnis  fieb,  gu  bertiefen,  ift  bas  ©bejiftfdie  ber 
©eftt^idjte.  9iidE)t  um  es  ju  ifolieren  (bas  tlmt  ber  5Raturroiffenfcf)aftler,  um  ber  @rfcb,ei= 
nung  §err  ju  werben,  im  ©Eberiment  u.  f.  tt>.),  fonbern  im  ©egenteil:  baS  (ginjelne,  45 
Unteilbare  am  Qnbibibuum  r;at  feine  ©inb,  eit  ja  nur  im  gufarnmenr/ang  feiner  33ejier;ungen 
als  fojialeS  ^nbibibuum;  aueb,  ift  unter  biefem  ^nbibibuum  gar  nicf)t  nur  ber  einjelne 
9Rm\ty,  baS  ©toffmecb,felinbibibuum  gemeint,  fonbern  ebenfo  auet)  baS  KoHehibinbibibuum : 
©taat,  EBoIl,  ©tanb,  Kircb,e  u.  f.  ro.  Db  JJaturmiffenfc^aft  richtig  arbeitet,  Wirb  an  ben 
(Erfolgen  fief/tbar,  bie  bie  angeroanbte  ^caturroiffenfdjaft  forttoäbrenb  in  ben  tecb,nifcb,en  50 
@rrungenfcf)aften  erhielt.  Dh  ©efc^i^tSroiffertfc^aft  richtig  arbeitet,  barauf  giebt  es  feine 
fo  felbft  bem  blöben  2luge  einleucb,tenbe  ^3robe  —  befanntlicb,  lernt  man  nichts  auS  ber 
Vergangenheit  — ,  aber  fcb,Iiefelicf)  roirb  boeb,  im  ^ufammenfiang  ber  ©efamtroiffenfcb,aft 
bie  ©efcb,icb,tSrotffenfd}aft  fieb,  baburef)  auSroeifen,  bafe  fie  einen  ©inn  ber  ©eföpidjte  auf= 
getgt,  ber  ebenfo  grunblegenb  ift  Wie  bie  roiffenfd;aftltcb,e  9?aturerfenntnis  5U  einer  aßum=  65 
faffenben  aSeltanfd;auung.  9iaturroiffenfcb,aft  fuct)t  baS  Stationale  ber  2SeIt,  ©efd;idns= 
roiffenfdjaft  bas  irrationale  beS  Sefonberen  unb  (Sinnigen  in  ber  SBelt  ju  baden;  jum 
©anjen  ber  @r!enntniS,  jum  ©anjen  fcb,on  ber  ®rfa^rungSroiffenfcb,aft  gehören  beibe. 

®iefe  Unterfudjungen    über    baS    gefd;icl)tlid)e   ©rlennen    gel;cn   bie  Geologie   als 
2öiffenfd»aft  bon  ber  Religion   feb,r  biel  an.    Denn  bie  2Baf>rl;eitsfrage   als  Jvage   nad;  go 


784  3£ttf)rljett 

ber  2Bab/rfyett  ber  Religion  ift  für  fie  fy  eutyttage  grage  nadj  ber  2Bafyrb,eit  einer  gefdnct)t= 
lidjen  -Migion.  ©aS  Jjat  ©cf>Ieiermad)er  im  Haren  Unterfdneb  bon  kernt  gemufjt,  ofyne 
bafj  er  bamit  ben  fubjeftiben  Slnteil  beS  Sftenfcfyen  an  ber  etf)ifd>=religiöfen  3Bat>rfyeit, 
tote  kernt  ib)n  begrünbet  t>at,  geleugnet  fyätte.  ^n  ber  %$at  tft  Religion  unb  ©efdjicfyte 
6  Ijeute  baS  ©runbtb/ema  ber  broteftantifcfyen  Geologie  (unb  aud)  ber  boranftrebenben 
fatfmlifdjen),  an  bem  fie  if)r  SReifterfiüd  machen  foll.  Sßenn  aber  in  getoiffen  Geologen* 
unb  Saienlreifen  barüber  Beunruhigung  bortjanben  tft,  fo  berfie^t  ftd)  baS  toofyl  aus  git>et 
Urfad)en:  1.  fyat  aucr)  fyier  (feit  ©emier  ettoa)  bie  tyiftottfdb,=inttfd;e  Geologie  sunädjft  als 
toiffenfcfyaftltdje  ©iSäiblin  eifrig  ifyre  Slrbeit  getfyan,  olme  bafs  eine  Itare  2:|eorie  über  baS 

10  BerfyältniS  bon  Religion  unb  ©efcfyicfyte  it)r  jur  ©eite  gegangen  toäre;  biefe  ift  bielmeb/r 
erft  im  Segriff  nachträglich  erarbeitet  ju  toerben,  ficljer  nic|t  ofyne  bafj  bie  eigentliche 
^iftorifd^e  2lrbeit  (bie  5.  53.  in  bem  wichtigen  fünfte  beS  fyiftorifdjen  ^efuSbilbeS  tro| 
©eleb/rfamfeit  unb  ©cfyarffinn  reicfylicb,  gerfabjen  ift)  babon  ©etoimt  f>aben  wirb.  Sie 
Probleme  ber  Inftorifdjen  Geologie  liegen  augenblidltd)  mefyr  in  ber  Sinie  ber  ©efcr)id;tS= 

15  tf>eorie  als  ber  ©efa)id)tSforfcrmng ;  2.  b,at  ftd)  baS  naibe  ober  trabitioneUe  ßbjiftentum 
bieler  nod;  nidjt  an  ben  Anteil  getoöljmt,  ber  gerabe  gegenüber  bem  tnftortfdjen  ©toff  bem 
fubjeftiben  gaftor  ber  gläubigen  Aneignung  ober  ber  felbftftänbig  ju  erringenben  berfön= 
liefen  Überzeugung  jufäßt.  Sie  3Bat;rt;ett  ift  nicfyt  mefyr  baS  objeftibe  ©Aftern  fupra= 
naturaler  ©rlenntniffe  unb  ^enntniffe,  baS  bon   ben  Geologen  namens  nicr)t   nur  ber 

20  üirdje,  fonbern  gugleicb,  aueb,  ber  2Biffenfct)aft  bon  ©eneration  auf  ©eneration  „trabiert" 
tourbe.  ©ie  ift  aud;  nicfyt  =  ©udjen  ber  2öaF>r^>ett  (Seffing)  ofme  3fJaft  nocf>  $iel.  ©ie 
offenbart  fieb,  aber  allerbingS  nur  bem  ©ucfyenben,  ber  in  ernfter  ©elbftbefinnung  ficr) 
um  bie  2Ba$rt)ett  bemüht.  2Bie  jur  9toturtoiffenfcr}aft  ein  SSille  jur  iJcaturtoiffenfdjiaft, 
fo  gehört  <mr  religiöfen  9Bat)r^ett  ein  9öitle  jur  religiöfen  Söab/rfyeit.  ©ie  religtöfe  2Baf)r= 

25  fyeit  ift  als  ^bee  ba,  getotjj  aueb,  oljme  unfer  ©ebet;  aber  fie  ift  als  3G3trIttc^Ieit  für  uns 
nur  ba,  wenn  fie  trgenbtoie  aud)  in  uns  üffiirflidjfeit  getoorben  ift.  ©ie  ift  aud)  als 
gefcfyidjilicfyer  ©emeinbeftij  einer  9teltgionSgefeEfd;aft  ba,  aber  immer  nur  fofern  fie  buref) 
baS  ©rlebnis  ber  ©meinen  neu  erfahren  unb  angeeignet  toirb.  Unb  bie  2lbfoIutI)eit  beS 
©brifteniumS  beruht  nicr)t  mel)r  tote  früher  auf  ber  2trtftoteltfd)en  Sogif  unb  Patonifcfyen 

30  SJtyfttf  ober  ifyren  fr/ßogiftifcfyen  Slbftraftionen  unb  it)rer  via  negativa,  fonbern  barauf, 
ba|  eg  feit  $efu3  S^riftuS  fortmäb,renb  SJJenfc^en  gegeben  fyat,  bie  bem  Sb,riftentum  ab= 
foluten  SBert  beigemeffen  unb  ifyr  Seben  bafür  Eingegeben  f)aben.  2lbfolutI)eit  giebt  e§ 
nur  in  ber  Söelt  berfönlic^er  ©a)ä|ung  unb  @ntfcf)Iüffe.  Slber  meb,r  berlangt  bie  Steligion 
aueb,  gar  nitt)t,  alg  bafs  mir  ju  if)r  fagen:  bu  bift  mal>r.  3Ref)r  berlangt  ©ott  nieb^t,  als 

35  ba^  mir  ifm  über  aKe  Singe  fürebten,  lieben  unb  bertrauen.  2Ref)r  berlangt  6l)riftu<§ 
nic|t,  al§  bafe  er  un§  Söeg,  ÜBa^r^ctt  unb  Seben  fei.  ©er  StelatibiömuS  ber  9Migion3= 
gefc^ieb,  te  tft  nur  braftifcb,  ju  überioinben ;  jcbe  anbere  Söeife  toürbe  bebeuten,  ba^  anbere 
ifyn  für  un§  überminben,  unb  ba§  märe  ber  %oi  unferer  lutr/erfcfyen  ebangelifcb^en  grömmig; 
feit,    ©ie  einzige  fiegreicb,e  Slntmort  auf  ben  3Mattbi3mu3   ber  allgemeinen  9ieIigion§= 

40  gefcf/id)te  ift  bie  ^eibenmiffion,  unb  biefe  bamit  aud;  für  bie  Sr) eorie  ber  religiöfen  2öa^r= 
|eit  baä  notmenbige  ^omiplement  jener. 

Unter  biefen  Umftänben  b,at  ber  $rrtum  im  religiöfen  ©Aftern  eine  anbere  ©teHung 
gemonnen.  @g  tft  bie  nieb/t  nur  erträgliche,  fonbern  aU  £>urd)gang3bunft  notmenbige 
©iffonanj  in  ber  Harmonie.    9tid;t  jeber  3^tuw,    aber  ber  be<3  ernftlid;  fud;enben,    um 

45  feiner  9ieinb;eit  unb  ^eblicb,  feit  miEen  jmeifelnben  93^enfd;en.  2tud)  Sichtung,  Wl^fyug, 
©age,  jeberlei  menfcbjicfye  Regung  unb  Begabung  tönnm  ©efäfje  bon  2öa§rt)ett  fein.  Db 
fie  e3  finb,  tft  im  einzelnen  gälte  immer  bie  ^atfact^enfrage,  bie  teils  bon  33erftanbe§ 
megen,  teils  burd;  freie  berfönlicb,e  @ntfd}eibung  be§  fittlid)en  2Renfd)en  if)re  Slntmort 
finben  mufj.    Bon  großer  Bebeutung   ift   in   biefem  ^ufammenb^ang  ber  Söertbegriff  ge= 

50  toorben.  ßmar  getoifc  nieb^t  in  bem  ©inn,  als  fwttc  man  je  Werturteile  an  bie  ©teile 
bon  ©einSurteilen  gefegt  ober  bürfte  baS  (maS  ein  Unfinn  märe),  mo^l  aber  fo,  bafj  ber 
33ienfcb;  als  religiöS^ittlic^e  ^Jerfon  jufammen  mit  anbern  Seinesgleichen  fiel)  inmitten 
einer  Sßelt  bon  Sßerten  fteb,t,  oljne  beren  ©e^ung  unb  Befi|  er  nid;t  leben  fann,  bureb, 
beren  Bejahung  er  §alt  unb  Haltung  geminnt.    ©er  3Jtenfc|   in  biefen  SSertbe^ieb^ungen 

55  ift  ber  9Jienfd?  ber  ©efcfyicfyte  (baS  ©ubjelt  beS  gefc^tcr;tltc^en  §anbelnS  unb  baS  Dbjeft 
ber  ©efd^Sroiffenfcfyaft) ;  bamit  gugtetet)  bornet>mlid;  aud?  ber  5Renfcb;  ber  Religion. 
$a  im  Unterfct;iebe  bon  ber  5RoraI,  bie  man  auf  ben  2öert=  unb  ©üterbegriff  rticb,t 
ftellen  follte,  fo  gemi§  aud;  fie  in  bieS  9}etc6,  ber  Söerte  unb  Sffiertbejieb,ungen  gehört 
(bgl.  Bb  XVIII  ©.  401  ff.),   ift  bie  Religion   in  ifyrer  Begrünbung  unb  ©emt^eit  auf 

60  Sßerte  unb  2Sertbejiel>ungen  in   erfter  Sinie   angemiefen.    Söert  unb  SBat)r^eit  finb  tt)r 


SBaljrijett  785 

©tmonfyma.  Unb  Ejtcr  fyat  nun  aud)  baS  ^ßräbitat  beS  Slbfoluten  feine  .peimat.  ^n  ber 
berfönlid)en  2Sertfd)ä£ung  öongte^en  toir  forttoäf)renb  abfolute  ©d)ä§ungen ;  toer  ficb,  ba= 
bor  burcfy  ben  StelattbiSmuS  bergleidjenber  SJerftanbeSfritif  abgalten  laffen  tootlte,  toäre 
lein  getftig  gefunber  9ftenfd;  mel)r.  SDem  ©Triften,  ber  toirftid;  ßbjtft  ift,  bleibt  baS  Gfyriften= 
tum  bie  toafjre  Religion,  bem  ebangelifdjen  ßbjiften,  ber  im  (Sbangelium  unb  feinem  5 
reformatorifcfyen  23erftänbniS  lebt,  baS  ebangelifdje  Sfyriftentum  bie  raafjre  ßonfeffion. 
9Jtit  biefem  lebenbtgen  28aI)rf)eitSbegriff  finb  toir  über  ©cfyolaftif  unb  Nationalismus  toills 
©Ott  enbgiltig  fyinauS. 

©0  toenig  tütr  ertoarten  bürfen,  baft  baS  SöafyrfyeitSbroblem  für  bie  9Jtenfd)en  ber 
23ibel  baSfelbe  getoefen  ift  toie  Ijeute  für  uns,  fo  betoäfyrt  fid)  bocb,  ber  religiöfe  2Bab,r=  10 
fyeitSbegriff,  ben  toir  enttotdelt  I)aben,  aud)  an  ben  flaffifdjen  Urlunben  unferer  Religion. 
2)aS  Ijebräifdje  Söort  ™.n  für  Söafyrfyeit  brüdt  bor  allem  geftigleit,  SLrcue,  ^"berläffigfeit 
auS.  'Akrj&eta  (bon  Xav&äva>)  be^eidmet  baS,  toaS  offenbar  ift ;  immer  unb  überall  im  31% 
—  bie  ©teilen  gehören  auSfcfyliepd;  ben  baulinifcr)en  unb  iof)anneifd)en©ebanfenfreifen 
an  —  ift  bie  2öafyrf)eit  £>etlS=  unb  ©eligfeitSoffenbarung,  bom  Serberben  rettenber,  jum  15 
Seben  toedenber  33efifc.  Sllfo  leine  23eleljrung  für  ben  ^ntelleft,  fonbern  ein  Söert,  ben 
ber  religiöS=ftttlid>e  9Jtenfd;  begreifen  foll,  inbem  er  fid)  il;n  aneignet. 

■DiefeS  ©tdjanetgnen  unb  begreifen  qualifiziert  fid)  für  bie  rein  menfcfylicfye  23eobad)= 
tung  als  fittltcfye  %fyat  beS  ©udjenben;  eS  ift  aber  bie  (Eigentümlichkeit  beS  religiöfen 
Urteils,  bejto.  ber  religiöfen  ©elbftbeurteilung,  bafj  ber  religiöfe  SRenfdj  bie  ©rlenntnis  20 
ber  religiöfen  2SaI)rf>ett  immer  als  reine  ©otteSgabe,  ©otteStfyat,  ©otteSoffenbarung  fun= 
nehmen  toirb;  als  ein  ginben  ober  ©efunbentoerben  ofyne  33erbienft:  eS  liegt  nic^t  an 
jemanbeS  2SMen  unb  Saufen,  fonbern  an  ©otteS  (Erbarmen  5Rö  9,  16;  toaS  fyaft  bu,  baS 
bu  nidjt  empfangen  EjaftV  1  $0  4,  7 

2öenn  nacb,  aUebem  2öaf>rf)eit  keinesfalls  ein  blofjeS  2lbbilb  ber  Söirflicbjeit  im  25 
menfdjlicfyen  ©eifte  ift,  bei  bem  fid;  biefer  pafftb  berfjält,  fonbern  unter  33ebingungen  gu 
ftanbe  Jommt,  bie  in  ber  ©trultur  beS  menfcbjidjen  ©eifteS  liegen,  fo  läfjt  ficb,  2öab,rb,eit 
nur  aus  ben  23ebingungen  begreifen,  unter  benen  ber  menfd)lidje  ©eift  fie  fdjafft  unb  fyat. 
$mmer  tfvax,  toenn  wir  bon  SBafyrfyeit  reben,  meinen  toir  ettoaS,  baS  aufjer  uns  ift,  bon 
uns  unabhängig  befielt,  eine  äufeere  SBirflidjfeit  (aucb,  toenn  mir  babei  auf  unfer  £5$  refle!=  3c 
tieren).  2lber  mir  fyaben  bie  2Baf>rl)eit  nur,  inbem  toir  biefe  2StrIlid)feit  (toeldje  in  thesi 
bie  Söelt  ber  (Erlernungen  unb  ber  SDinge  an  ficb,  ;$ufammenfd;liej$t)  befragen  unb  er= 
fcfyliefjen.  Söafyrfyeit  lommt  baburcb,  ju  ftanbe,  bafe  toir  bie  ©egenftänbe  unfereS  $ntereffeS 
auf  uns  toir!en  laffen.  Unter  toelc|en  33ebingungen,  auf  toelcfjerlei  Söeife  baS  gefcb^ieb^t, 
ift  ©egenftanb  ber  @r!enntniSfritü.  SDiefe  ift  —  je  nad)  ber  'IRannigfattigfeit  unfereS  3e 
fragenben  ^ntereffeS  —  ©rlenntniSfriti!  ber  toiffenfcfyaftütfjen,  ber  äft^etifc^en,  ber  mora= 
lifd;en  unb  ber  religiöfen  2öafj>rl>ett.  Religiöfe  2öat)r^eit  ift  ber  Inbegriff  ber  ©egen= 
ftanbe  beS  religiöfen  ^ntereffeS  (beS  2BidenS  pr  religiöfen  2öaf)rt)eit),  fofern  fie  bem 
religiös  28al)rl)aftigen  offenbar,  b.  fy.  unter  ben  bem  religiöfen  ©rlennen  eigentümlichen 
Sebingungen  ein  Seftanbteil  feines  getftigen  33efi|eS  getoorben  finb.  « 

2.  2BafyrI)aftigfeit  als  SPfltd^t  unb  als  Sugenb  ift  bon  ber  -Bioral  atter  Sölfer  unb 
Reiten  anerlannt.  ®af$  gleichzeitig  immer  unb  überall  aus  felbftfücfytiger  £lugb,eit  gelogen 
toorben  ift,  toeift  ftar!  auf  ein  rabiiateS  33öfe  im  5Renfcb,en  i)in  (bgl.  b.  2lrt.  Süge  33b  XI 
©.  679  ff.).  ®er  ©treit  ber  ^eorie,  ob  ber  9Kenfcf)  toaf>rl)aftig  geboren  erft  jum  Sügner 
berbilbet  toerbe  (Nouffeau)  ober  lügenhaft  geboren  für  bie  2öar)r^eit  erlogen  toerben  4f 
muffe  (Montaigne,  23oubin,  ^Berej),  i)at  als  bogmatifcl)er  toenig  Söert.  Um  fo  toidjtiger 
ift  baS  einbringenbe  ©tubium,  baS  bie  Ißäbagogen  neuerbingS  ben  geilem  ber  ÄinbeS= 
natur,  infonberb^eit  feinem  ^fyantafteleben  getoibmet  f)aben:  bgl.  g.  33.  bie  gcttfcfyrift  „Sie 
ßinberfefyler"-  @S  giebt  bielleicb^t  feine  (SrjiebungSfrage,  bie  toictjtiger  ift  als  bie,  ob  unb 
toiefo  ein  $inb  lüge,  toenn  eS  bie  Untoafyrfyeit  fagt,  unb  toie  eS  &ur  3Sat)rb,aftigIeit  an=  K 
jub^alten  fei.  2Iud)  bie  2tuSfagefäf)igleit  ber  @rtoacf)fenen  ift  mit  gug  unb  (Srfotg  in  ben 
Sereicb,  ber  toiffenfcfyaftlidjen  Unterfucb^ung  gebogen  toorben,  bome^mlicb,  burd)  ben  33reS= 
lauer  ^b^ilofob^en  2.2öitliam  ©tern,  ber  ein  eignes  beriobifd;  erfd;einenbeS  Crgan  bafür 
gegründet  fyat. 

3Bab,r|aftigIeit  als  SEugenb  toirb  im  21  unb  31%  auSbrüdlicb,  unb  ofme  Äautclcn  ge*  K 
forbert,  boran  Wt  5,  37 ;  ^a  5, 12.  Um  fo  auffaßenber  ift,  in  toeld)em  3Jca|e  aud;  auf  dt>rtft= 
liebem  33oben  nid}t  nur  bie  ^ßrajiS,  fonbern  aud)  bie  ®ttyt  bis  bleute  if)rc  ©d^toierigfeiten 
mit  biefer  SDiar/tme  gehabt  b.  at.  @S  ift  fdjabe,  bafe  toir  nid)t  eine  ©efd^iebte  ber  ©tettung^ 
nab^me  ju  biefen  ©djtoierigfeiten  beft^en.  ©ie  toürbe  &um  guten  %ül  jufammenfallen 
mit  einer  ©efd)id)te  ber  ©segefe  obiger  ©dmftftellcn  unb  anbercr,   bie  getoiffermafeen  als  ,* 

!R(oI=(Snci)Hot)äMe  für  l^eologtc  unb  Stit«e.    3.  «.  XX.  51) 


786  Barett 

33eifbielfammlung  bienten:  ©en  18,  15;  27,  19;  <gj  1,  19f.;  1  ©a  19,  14;  20,  28;  2t© 
16,3;  21,26  u.  f.  b.  Die  lar.e  Sluffaffung  beä  cbriftlicfyen  9JtorgenIanbe3  fommt  in 
ßfn-fyfoftomuS  Ilegl  ÜQcoavvr]?  (getrieben  387?)  23uct)  1  jum  ungenierten  SluiSbrucl.  @r 
bat  burcb  Säufcfmng  ben  greunb  baljringebract;t,  bie  $riefterweil)e  ju  empfangen,  ber  er 
5  felbft  fid^  entzog,  unb  berteibigt  nun  xfjg  anäxrjg  xö  xegdog,  ben  9tu$en  trügerifdjen 
§anbeln§:  7ioXkr\  ydg  f\  xfjg  andres  loyyg,  juovov  jurj  juexä  öoXegäg  TiQogayeo'&a) 
xfjg  7iQoaiQEOsaig.  Sllfo  auf  bie  Jigomgeoig  fommt  e£  an:  /uäXXov  de  ovde  ändxrjv 
xb  xoiovxov  Sei  xaXstv,  aXX  oixovofiiav  xivä  xal  oocpiav  xa\  TEyyr\v  Ixavfjv  TioXXovg 
jiogovg  iv  xoig  anÖQOig  svqsiv  xal  7iXr]/u,jueXeiag  ejiavog&cöoai  xpv%fjg.      Die3   Sob 

10  ber  pia  fraus  wirb  burcl;  nict)t§  eingefcfyränft :  ber  fttoeä  heiligt  burcbaug  ba§  Mittel ; 
bon  ©d)ulb  ift  leine  9tebe;  nod;  beWunbem  mu|  man  bie  Siftigen.  SBte  ganj  anberä, 
unb  bielleicfyt  nicfjt  ofyne  Kenntnis  be<§  6l;rr/foftomu§,  äluguftin  in  feinen  beiben  ©Triften 
De  mendacio  (um  395)  unb  Contra  mendacium  (um  420).  ^eneS  ift  bie  Wiffen= 
fcfyaftlicfye  älbfyanblung,  boH  feiner  Definitionen  unb  Difimltionen,  biefeS  beWunbern§Wert 

15  um  be§  @mfte§  mitten,  mit  ber  bie  fittlicfye  gorberung  auf  einen  befonberen  $aü  ange= 
toenbet  Wirb.  Sonfentiu§  t)at  U)m  gefa)rieben,  bafj  bie  $ri<ocilltaniften  mit  £ug  unb 
§euct;elet  ftä)  al3  $atl;oIilen  geberben  unb  bafj  man  nicr)t  anberS  hinter  if>re  ©^licb,e 
lommen  lönne,  aU  inbem  man  latfyolifcfyerfettS  ein  ©Ieicr/e<S  tl)ue,  ficb,  mit  2ug  unb 
§eud;elei  unter  fie  mifdje  unb  burd;  folgen  ©bionenbienft  U)re  Äetjerei  aufbecle.    älber 

20  ber  9Jcann  be§  Coge  intrare  berWirft  ba§  mendacium  aucr)  ^u  fo  frommem  gWecle 
mit  einer  bratfjtboUen  unbebingten  ©ict)erfyeit.  Darin  ift  ib/m  bie  ®ir$e  fbäter  nicfyt  ge= 
folgt.  93or  allem  aucb  in  ber  SLt)eorte  nicfyt :  man  benfe  an  bie  fyaarfbaltenbe  unb  ben 
2Bal)rI)eit3finn  ebenfalls  bernictjtenbe  ®afuifiil,  bie  im  ^robabiligmuS  ifyre  äufjerften 
Folgerungen  gebogen  I)at  (f.  bie  ätrt.  23b  XVI  ©.  67  ff.  unb  669  ff.),  unb  ftetfe  bem  ent= 

25  gegen  ben  Wafyrfyaften  ^aäcal  (f.  ben  älrt.  33b  XIV  ©.  711).  älber  aucb,  auf  broteftan= 
tifctjem  33oben  ftreitet  eine  rigorofe  ($ant,  %\<fytt)  mit  einer  milben  Sfyeorte  (5Rot^e),  unb 
foWie  man  fiel;  übertäubt  in  $afuiftil  einlädt,  Wirb  ber  ©treit  ferner  ju  fctjlicbjen  fein. 
$n  ber  ^3rar.t§  ift  burd;  ben  Sauf  ber  Reiten  ein  entfcbjebener  $ortfcr)rttt  ju  berjeid^nen. 
gumal  in  ber  Wiffenfcr)aftlicl;en  gorfcfyung  unb  Darftetlung   ift  ber  ©inn   für  3Bab,rb,eit 

30  unb  ber  SBille  jur  9Baf)rb,aftigleit  offenficfytlicb,  gemäßen.  Der  ©ieg  ber  auffommenben 
9iaturtbiffenfct;ah  ift  gerabeju  ein  ©ieg  ber  SSafyr^aftigf eit,  unb  eg  bleibt  ein  arger  9JlaIel 
auf  ber  ^ircfye,  ba^  fie  biefen  ©ieg  tbafyrlicb.  nict;t  erleichtert  ^at,  fonbern  ba^  er  im 
^ambfe  gegen  fie  errungen  werben  mufjte.  Der  gefdücbiliclje  SBa^eitgfinn  ^at  mit  an 
ber  Söiege  ber  Deformation  geftanben.  Sßie  t§  im  Mittelalter  bamit  beftellt  War,  barüber 

35  bergletcfye  man  @Einger  unb  Safer;.  sIRoralifcb,  berantWortlic^  machen  barf  man  ben  @in= 
jelnen  für  bie  Skrtennung  be§  b,iftorifd)  ^atfäc^lic^en  erft  feit  bem  Sluffommen  be§ 
§umani§mu§  unb  ber  Suc^brucferfunft.  3üie  bie  Inftorifcfye  2öab,rl)aftigleit  aucb  bem 
$roteftantigmuö  feineStoegg  in  ben  ©c^ofe  fiel,  lann  man  an  Sutfyer  ftubieren.  ©r  War 
—  tro^  Denifle  —  eine  Wahrhaftiger  SJtenfc^,  unb  er  f/at  bon  ber  §iftorie  gelernt  (bgl. 

40  $%ffi  33b  X  ©.  87  ff.) ;  bennoct)  lann  er  bjftorifdjen  Stoff  Wob,  l  bergeWaltigen,  Wo  er 
für  ba<S  tambft,  \va$  ifim  al§  2Bat)rr;eit  über  ade  aöar)r^eit  feftftefyt,  unb  ba§  ift  für  it)n 
bie  iustitia  ex  fide.  9Jcan  barf  babei  bebenlen,  bafe  er  nie  burcl;  bie  ftrengere  r)uma= 
niftifet/e  Schulung  ^tnburcb,gegangen  ift,  unb  bafc  bie  @rfcb,ütterung  feinet  ganzen  inneren 
SUcenfc^en,  bon  ber  fein  33rud)  mit  bem  3llten  für  tf)it  begleitet  War,   bie  ^larfyeü  feinet 

45  33licfS  in  gelehrten  SEbatfac^enfragen  unb  jumal  feine  Erinnerung  trübte.  Die  ^ßf^o= 
logie  ber  ©elbftbiograbbjen  ift  ja  ein  Äabitel  boll  intcreffanter  9tätfel.  Slber  ein  Wenig 
anberS  al§  um  ©oeti)e§  Dichtung  unb  3Bar)rt)eit  fteb^t  e<§  um  Sutljer  bod^.  Söenn  er 
1545  in  ber  Praefatio  in  opera  sua  (E.  v.  a.  33b  I  ©.  22 f.)  fcf)reiben  lann:  Oderam 
enim  vocabulum  istud  (iustitia  9tö  1,  17)  quod  usu  et  consuetudine  omni  um 

so  doctorum  doctus  eram  philosophice  intelligere  de  iustitia,  ut  vocant,  formali 
seu  activa,  qua  deus  est  iustus  et  peccatores  iniustosque  punit,  fo  macbi  ein 
23liä  in  bie  Glossa  ordinaria  ju  9iö  1,  17,  auf  bie  Sutfyer  mmbeftenä  feit  1511  auf= 
mertfam  War  (28.  9,  90,  10  ff.)  unb  bie  i^n  fieser  burcl)  fein  ©tubium  be§  ^aulug  weiter 
begleitet  fyat,  un§  mit  ber  %l>atfacfye  belannt,   ba|  im  ©egenteil  alle  S3äter  unb  ©cbo= 

65  laftiler  (mit  berfa^Winbenber  3lu§nab,me)  bie  iustitia  dei  an  biefer  ©teile  bon  bem  red;t= 
fertigenben  ©ott  unb  feiner  redjtfertigenben  ©nabe  berftanben  baben;  fc^on  SSalafrib 
©trabo  eröffnet  bie  ÜReifye  ber  3euSm  mit  SlmbrofiuS:  [iustitia]  est  quae  gratis 
iustificat  impium  per  fidem  sine  operibus  legis  (Migne  PSL  114,  p.  471).  älber 
e§  folgen  bann  boeb.   in  ber  ©loffe  bie  berbunlelnben  Selpn   ber  ©c^olaftil   aucb,   unb 

w  man  lann  nur  fc^lie^en:  Wie  gro^  mu|  bie  faltifc^e  braltifc^e  SSerbunlelung  ber  in  jener 


Bafjdjcit  787 

©loffe  niebergelegten  2öafyrlj>eit  für  Sutljer  in  fetner  flöfterlicfyen  Umgebung  geWefen  fein 
baß  er  fie  erft  entbecfen  mußte  unb  entbecft  fyat  al3  etwas  fcfylecbtfyin  sJieue3!  ©anj 
anberS  finb  bie  trügerifcf)en  Eingriffe  ju  beurteilen,  bie  fbäter  bie  ©treittI)eologen,  unb 
gWar  gerabe  aufy  broteftantifcfye,  fieb,  auf  Höften  ber  SBafyrfyeit  in  Urlunben  unb  ;£erje 
geftattet  fyaben,  Wenn  e3  fo,  Wie  e3  ba  ftanb,  ifjrer  Meinung  nad)  nicfyt  gelautet  fyaben  ■> 
tonnte  unb  fie  ba§  bon  ifnten  für  recfyt  ©rfamtte  einfach  in  bie  Überlieferung  b,inein= 
korrigierten,  feabm  bie  broteftantifcfyen  ©elebjten  mit  gutem  ©eWiffen  ba<B  Comma 
Joanneum  Wieber  in  ben  VibelterJ:  aufgenommen,  ba§  Sutf>er  au3  feiner  Überfe^ung 
ferngehalten  fyatte?  ©in  t)erborragenbe§  Seifbtel  gelehrter  gälfcfyung  b,at  §arnacf  neuer= 
bing§  in  ben  $renäu§fragmenten  btä  @l)riftobb,  3Jtattt)äu§  $faff  nad)geWiefen.  2lber  er  10 
läßt  e3  baffieren  Wie  ein  (foltertet  Vergeben;  lürjere  unb  faum  minber  fribole  gälfcf/ungen 
Waren  bamab§  an  ber  SlageSorbnung.  ^ülidjer  fyat  eine  gan^e  9teib,e  babon  gefammelt 
unb  Wirb  fie  hoffentlich  bemnäcfyft  beröffentlidjen.  SDiefelbe  Seibenfc^aft  für  bie  geglaubte 
2Bat)rr;ett,  bie  ungegarte  Geologen  Verfolgung  unb  (Slenb  erbulben  ließ,  fyat  aud)  folcfye 
giftige  Vlüten  fyerborgebracfyt :  fo  leicfyt  fann  ber  fcfyönfte  SöafyrfyeitSetfer  in  unfittlid^en  5 
ganati3mu§  übergeben.  .Kommt  man  Don  biefen  (Erwägungen,  bann  Wunbert  man  fieb, 
rttd^t  met>r  fo,  Wenn  aucb,  ein  3^eimaru§  ju  t)eucfyeln  bermag,  baß  e£  ifym  mit  fetner 
Vemunftreligion  auf  Sicherung  ber  Dffenbarung^religion  anlomme  (Vorrebe  ju  feinen: 
2lb^anblungen  bon  ben  bornefymften  3®a^>rt;eitert  ber  natürlichen  Religion  1754),  Wäbrenb 
er  fcfyon  minbeften§  jelm  Igafjre  früher  an  ber  ©cfyu^fcfyrift  für  eine  ganj  anbere  Religion  ;o 
fdjrieb,  bie  baäfelbe  GFmftentum,  bem  er  bort  abologetifd)  ju  bienen  borgiebt,  auf  ba£ 
fyefttgfte  befämpft.  2öie  beweglich  fieb,  bie  Klage  be§  „efyrlicfyen  ÜRanneS"  anhört,  ber 
„fieb,  fein  ganjeS  Seben  fyinburcfy  ftetlen  unb  berfteöen  muß"  (1.  gragment,  bgl.  Vorbericfyt) 
—  unb  ba§  War  bie  Sage  freierer  ©eifter  unter  bem  ortfwbojen  gWang^fircfyentum  — , 
fo  &Wang  ifm  bocb,  niemanb  fo  gu  fyeucfyeln  Wie  in  jener  Vorrebe.  ©er  Wahrhaftige  25 
Seffing  b~at  bon  biefer  Süge  bann  bie  Vitterfeit  ju  foften  gehabt;  aber  aucb,  bon  ber 
bamal3  üblichen  anonymen  ©cfyriftftelleret,  bie  immer  etWa<§  UnWaI)rfyaftige§  mit  fid) 
füfyrt.  SBie  biel  beffer  ift  e3  feitbem  in  Söiffenfcfyaft  unb  Seben  geworben!  greilicb 
nocb,  nid)t  gut;  bie  SCnonr/tnität  unferer  Sagegfdpfiftellerei  in  ben  Leitungen  (jum  ^Teil 
aucfy  in  ben  Kircfyenjettungen)  ift  nocb,  immer  ein  ftarfe§  ^inberniö  ber  §errfd)aft  ber  30 
SBa^rljaftigleit  in  unferem  öffentlichen  ^afein;  ber  9Jationalölonom  Sucher  b,at  jüngft 
Iräftig  barauf  IjingeWiefen :  a.  a.  D.  ©.  503. 

Sine  SebenSfrage  ift  bie  £)urcf/für/rung  ber  9QBaE>rE)aftigfett  f>eute  für  Geologie  unb 
Kirche.  ®ie  ©d) Wierigfeit  beruht  i)kx  barin,  ba^  bie  Kirche  afö  §üterin  etne§  B,  iftorifd)en 
(Srbe§  i^ren  ©liebern,  ib,ren  ^Beamten  unb  itjren  Wiffenfd^aftlic^en  Vertretern  feine3Weg3  35 
ben  ©ebrauc^  jeber  neuen  @r!enntnis>  Don  bornf)erein  unb  fcfylecfytfym  freizugeben  öermag, 
fonbern  in  jebem  gaUe  eine  Vermittelung  ober  2lu§einanberfe|ung  be§  ?teuen  mit  bem 
2llten  forbert.  ©§  ift  bann  in  ber  9xegel  ©ac^e  beg  ©injelnen  unb  ber  Parteien,  Wify-- 
tungen  ober  ©ruppen  öon  ©injelnen,  ob  fie  eine  lonferbatibe,  rabüale  ober  bermittelnbe 
Söfung  beborjugen;  in  geWiffen  (S^oc^en  aber  Wirb  bie  Kircfyengemeinfcf/aft  alä  foldEje  irgenb  40 
ein  ga^it  biefer  inneren  unb  äußeren  Kämpfe  gießen  muffen.  Vermittetnben  iWicfyiungen 
pflegt  bon  ib,ren  ©egnern  ber  Vorwurf  ber  „galfcb.münjerei"  gemalt  ju  Werben.  Sarin 
liegt  bie  gorberung,  bafe  bon  ber  Überlieferung  gegebene  SBorte  unb  gormein  immer  nur 
in  ibjem  alten  ©inn  gebraucht  Werben,  neue  VorfteHungen  fieb,  neuer  Söorte  unb  g-ormeln 
bebienen  follen.  ®a§  ift  unmöglieb,.  ®er  2Sortfcba£  ber  ©^ract)en  ift  bafür  nicb,t  reidb,  45 
genug,  unb  ba3  Seben  ber  lebenben  ©prad)e  bolljie^t  fieb,  naturgemäß  in  einer  fort= 
Wä^renben  Veränberung  be§  Vegriffe§  ifyrer  SBörter  unb  Saute,  ^ebe  neue  2Benbung 
be§  Verftänbniffe^  muß  fidj  unter  Senu^ung  alten  3Bortoorrat§  burebfe^en.  Slbcr  aucb 
bie  lonferbatibfte  unb  rigorofefte  Sead)tung  eine§  bi^berigen  VefitjftanbeS  toon  Porten 
unb  gormein  fann  ntdjt  i)in^xn,  baß  if)re  Sebeutung  fieb,  für  bie  9}ien}cb,en  t>erfd)iebt  :  50 
inbem  bie  3Jienfcb,en  fic^)  änbern,  änbert  ftdt)  aucb,  i§r  Verb,ältni»  ^u  ber  Überlieferung, 
unb  Würbe  beren  äußere  ©eltung  noeb  fo  ftreng  beljau^tet.  Söabrbaftigfeit  berfügt 
unter  feinen  tlmftänben  über  anbereä  SBortmateriat  jum  2lu§brutf§mittel  al§  über  bas 
einer  in  ©inn  unb  Vebeutung  fortWäb^renb  fieb.  Wanbelnben  ©brache,  ©ie  Konfequenjen 
babon  für  ^rebigt,  Unterriebt  unb  ©otte^bienft  (Slgenbe!)  finb  bon  ben  ebangelifeben  55 
ftircfjen  noefj  ntct;t  mit  brinjibietler  Klarheit  unb  ©id;erf)eit  gebogen  Worben,  unb  aucb 
in  ber  Geologie  taftet  man  meljr  an  bem  Vroblem,  al§  baß  man  in  glücflicb,er 
Söfung  begriffen  Wäre.  Unb  boef)  fteb^t  biefe  unter  ben  eigentlichen  Iircf>Itdt)en  Sebenä= 
fragen  boran. 

©agegen  ift  bie  3ßa^r^eitg=  unb  2Bafyrfyaftigfeil3frage  fclbft  in  ©ogmatif  unb  ßtbif  eo 

50  ;i 


788  SB^rljett  SSiilaeitS 

roenigftens  Don  einzelnen  ©fyftematitern  gebüfyrenb  ins  gentrum  gefreut  morben.  £>er  @in= 
flufi  unb  bas  Sintert  öon  Söilb.  £>errmann  rufyt  bomefymlicf;  auf  ber  (Energie,  mit  ber 
er  bie  Religion  als  ©a^e  ber  perfönlidjen  SfBafyrfyaftigfeit  toerftefyen  leljrt:  bgl.  feinen  2lrt. 
Religion  33b  XVI  ©.  589  ff.  Sluct)  ^p^ttofo^^en  fonftruierten  bie  @tr;if  neuerbings  bom 
s  begriff  ber  3Ba§r^aftigleit  aus:  bgl.  Äobbelmann  ct.  a.  D. 

Igebe  Definition  ber  2BaE>rE)aftigi eit  alö  ^flicfyt  unb  SLugenb,  bie  auf  Übereinftimmung 
ber  9xebe  eines  9?ebenben  mit  feinem  SDenfen  hinausläuft,  ift  tribial  unb  unbefrtebigenb. 
©ie  berunglücft  alsbalb  unrettbar  auf  ben  Untiefen  ber  ^afuiftif.  @s  gilt  bie  2öaf>r= 
fyafiigleit  als  bie  ^ßfltd^t  unb  SEugenb   gu   begreifen,   h)eld)e  bie  fittltcfye  ^ßerfon    felbft 

io  fonftituiert  unb  bas  Seben  in  allen  feinen  ^Beziehungen  jur  ^erfon  mit  gleichem  ©rnfte 
burcf)bringt.  ©er  wahrhaftige  Sftenfcf)  ift  ir>ar/rr/aftig,  aud)  wenn  er  fein  Sßort  rebet,  ober 
menn  er  „unwahre  Stebe  füb/rt",  unb  er  ift  es  ntct)t  nur  für  fid),  fonbern  berbreitet  eine 
gange  ©bf)äre  ber  Sßabrfyaftigfeit  um  fid)  J^er.  2öte  nad)  Sutber  ber  Deus  verax  ben, 
ber  an  ib/n  glaubt,  iustificat  b.  i.  rechtfertigt,  geregt,   mar/rr)aftig  mad)t,   fo  rechtfertigt 

16  ber  gerechtfertigte  unb  gerechte  SRenfd)  bermöge  feiner  ©ered)tig!eit,  &ed)tfcr;affenr;eit, 
2öar)rr)aftigfeit  Stiles  unb  Stile,  iustificat,  iustum,  veracem  facit  proximum  (bgl. 
De  üb.  christiana  SÖ5.  7,53,  36ff.  69,  1  ff.).  Bona  opera  non  faciunt  bonum 
virum,  sed  bonus  vir  facit  bona  opera  (20.  7,  61,  26  f.).  ©ies  will  fagen:  ®as 
Slufmerfen  auf  ben  SSar/rr/eitsgefyalt  unb  Sßafyrljaftigfeitsgrab  ber  Slusfage  ift  orme  Zweifel 

20  bon  größtem  flpäbagogifcf)en  ^ntexeffe  unb  wirb  aud)  fonft  aus  befttmmtem  SInlafs  oft 
genug  bas  moralifdje  Urteil  auf  fid)  lenlen.  SIber  Worauf  es  für  bie  ©tabilierung  bon 
2öal)rr;aftigleit  im  Gfyarafter  unb  im  SSerfefyr  anlommt,  ift  letjtlid)  bod)  allein  bies,  bafj 
bie  9Jtenfd)en  Wabri)aftige  ^3erfonen  finb.  25.  i.  SRenfcfyen,  meldte  fid)  nid)t  felbft  belügen 
unb  bie  im  3Serfef)r  mit  ftd)  felbft  geübte  Slufricfytigi'eit  nun  aud)  in  ben  Segietjungen  gu 

25  ben  -Ulenfdjen  unb  ben  £r)atfad)en  bewähren.  5Renfd)en,  bie  ©Ott  nicf/t  belügen,  unb  barum 
au<fy  fid)  felbft  unb  ben  9iäd)ften  nicbt.  3Renfd)en  aus  (Sinem  ©uf$,  benen  es  £ebens= 
bebürfnis  ift,  bie  25inge  ju  nehmen,  Wie  fie  finb,  unb  ftd)  gu  geben,  Wie  fie  finb.  Religion 
ift  Sßar/rfyaftigfeit  gegen  ©ott,  unb  bie  gange  StRoral,  menn  man  bie  Religion  fo  berftef):, 
nid)ts  als  angeWanbte  Sieligion.  —  Über  ben  Unterfdneb  gwifcr/en  fatI)oüfd)er  unb  pxo- 

30  teftantifcfyer  5Roral  in  biefem  ©tücfe  bergleicfye  man  §errmanns  einfd}lägige  ©cfyrift  famt 
$ontrobersfd)riften.  Sttarttn  fHobe. 

SBaljrfageret  f.  b.  21.  Saubere i. 

SöalacuS,  Antonius,  geft.  9.  $uli  1639.  —  $aquot,  Memoires  I,  157  ss.; 
©.  93ate§,   Vitae    selectorum    aliquot  virorum,  Sonbnn  1681;     (J(jr.   Sepp,  Het  godgeleerd 

35  onderwijs  in  Xederland,  gedurende  de  16e  en  17e  eeuw,  Selben  1873/74,  passim;  $.  2). 
be  Sinb  ticin^Sijngaarben,  9lntoniu§  28ataeu§  (Siffertatton),  Reiben  1891;  [$.  ?(.  ©vottje] 
Het  Seminarie  van  Walaeus  (in  ben  „Berichten  van  de  Utreclitsche  Zendingsvereeniging", 
dl.  XXIII,  Utredjt  1882.  ©eine  Opera  omnia  theologica,  erfcf)tenen  ju  Seiben  1647  in 
2  vol.  fol.    (Sßorljer   fte^t    bie  „Vita  Antonii  Walaei"  üon  feinem  älteften  ©o^ne  3o^onne§ 

40  S3.,  unb  ancb  bie  „Oratio  funebris",  gehalten  uon  3l^.  $uli)anber  ä  tercl^oüen  ju  E^ren  oou 
28aIoeu3,  finbet  firf)  barin.) 

©te  erften  3ar)r^nbe  bes  17.  ^af)r^unberts  roaren  für  bie  reformierte  $ird)e  in 
ben  TOeberlanben  febr  unruhige.  Sowohl  bei  ben  9xemonftranten  roie  bei  ben  $ontra= 
remonftranten  macbten  fiel»  bie  Setbenfd)aften  oft  in  fd)ärffter  9Beife  geltenb.    Stuf  beiben 

45  ©eiten  tourbe  ber  ©treit  nid)t  immer  mit  beiligen  2Baffen  geführt  unb  aßgu  bäufig  gegen 
bie  brüberlicfye  Siebe  gefünbigt.  Unter  ben  ^erfonen,  bie  an  biefem  ©treit  teilnahmen,  ift 
Slntomus  2Bataeus  eine  ber  fr;mpatbifcbften,  ein  SDiann,  ber  ftdE)  nic^t  febämte,  immer  ftraft» 
boll  für  feine  Überzeugung  einzutreten,  fid)  aber  boeb;  bon  bielen  anbern  buref;  ©anftmut 
unb  ÜWäfjigung  unterfd)ieb. 

so  Stntoine  be  Söaele,  toie  fein  9tame  eigentlich  lautete,  mürbe  am  3.  Oktober  1573  gu 
©ent  geboren;  er  ftammte  aus  einem  alten  angefel)enen  ©efcfylecfyt.  ©eine  eitern, 
Jacques  be  Sffiaele  unb  Sftargaretlja  Söagenaers,  f^ieften  it)n  bereits  1581  gur  ©rgie^ung  ju 
feinem  Dn!el,  bem  ^räbifanten  Sitius  ab  ©Ibingen  ju  Sint  Nicolaas,  bei  bem  er  ben 
erften  Unterricht  in  Satein  unb  ©rieebifd)  belam.    311s  feine  ©Item  1584  fliegen  unb  i^re 

65  §8efi|ungen  jurücflaffen  mußten,  fonnte  er  feine  ©tubien  nid)t  fortfe^en,  fonbern  mürbe 
©Treiber  auf  bem  33ureau  eines  Notars  ju  2Jlibbelburg,  mo  feine  Butter  ftd)  nieber= 
gelaffen  batte.  @rft  1588  begann  er  am  Unterriebt  in  ber  Sateinfdjule  bafelbft  teihu= 
nehmen,  ba  er  fidt>  jum  ^räbüanten  berufen  füllte.    @in  ©tipenbium  ber  ©taaten  bon 


SSalacuS  789 

geelanb  machte  e£  iljmt  1596  möglid?,  ftcb,  atö  ©tubent  in  Setben  eintreiben  ju  laffen. 
£ier  maren  SufaS  SErelcatiuS,  granciSfuS  ^vmitö  unb  granciScuS  ©omaruS  feine  Selber, 
©er  berträglidje  Turnus  mürbe  fein  33orbilb,  mäfyrenb  ber  tägliche  Umgang  mit@omaru3, 
in  beffen  £>aufe  er  mofynte,  großen  ©influß  auf  iljm  ausübte  unb  ifyn  mit  ©fyrerbietung 
bor  bem  ©cle^rten  erfüllte.  1599  machte  er  eine  Steife  ins  21u3lanb.  ^n  SSienne  bot  5 
man  il)m,  auf  ©mbfebjung  bon  $uniu3,  eine  ^rofeffur  an,  bie  er  ablehnte,  %n  ©enf,  mo 
er  mieberfyolt  SBega  begegnete,  brebigte  er  eine  geit  lang  regelmäßig  unb  tüelt  Sorlefungen. 
$n  S3afel  leitete  er  eine  $eit  lang,  mäbjenb  ber  2lbmefenlj)eit  beS  $rofeffor3  ^olanuS  ä 
$oIan3borf,  bie  öffentlichen  ©iSbutationen.  1601  befugte  er  aucfy  §etbelberg  unb  anbere 
Drte  unb  gegen  ©nbe  biefeS  Sai)re§  fefyrte  er  nacb,  Seiben  äurücf,  h>o  man  ifyn  fofort  als  10 
$rebiger  begehrte,  lim  bitter  bei  feinen  ©Item  ju  fein,  naljmt  er  1602  einen  SRuf  nacb, 
$oubeferfe  bei  üJttbbelburg  an.  §ier  heiratete  er  1603  ^aSfcr/ijntjen  Dan  ^fenb,  oubt.  1604  mar 
er  eine  $eit  lang  §ofbrebiger  bon  ^rinj  3Rori|  unb  1605  mürbe  er  $rebiger  gu  50iibbet= 
bürg,  1609  sugleicr)  jum  ^rofeffor  für  £>ogmattf  bafelbft  ernannt.  Sßäfyrenb  ber  remon= 
ftrantifct)en  ©treitigleiten  berfafy  er  auf  Verlangen  bon  ^rinj  STRort^  anfangs  1618  eine  15 
3eit  lang  ben  Sßrebtgtbtenft  im  §aag.  (Sine  Ernennung  jum  §ofbrebiger,  bie  il)m  banacfy 
angeboten  mürbe,  fcfylug  er  aus,  meil  er  fürchtete,  bie  ©unft  beS  $ofeS  nur  auf  Soften 
feiner  2lufricr)ttgfeit  ftcb,  erhalten  ju  fönnen.  ©benfo  mieS  er  1618  einen  [Ruf  als  $ro= 
feffor  naä)  ©eban  ab.  211S  $rofeffor  mofmte  er  als  Vertreter  ber  ©taaten  bon  .ßeelanb 
ber  großen  ©imobe  bon  2)ortred)t  (1618/19)  bei.  .gier  machte  er  ficr)  fefyr  berbient.  ©r  20 
gehörte  u.  a.  ^u  ben  SSerfafjern  ber  befannten  Canones  Dordracenae.  ©inen  23emeiS 
großen  23ertrauen3  ju  feiner  grömmigleit  unb  SßeiSljeit  gaben  ifym  bie  ©taaten  bon  §ol= 
lanb,  inbem  fie  ib,n  für  ben  geeigneten  gelten,  bem  jum  Slobe  berurteilten  DIbenbamebelb 
in  feinen  legten  2lugenbltcfen  (13. 9M  1619)  beijuftefyen.  3>m  ie^en  3a^re  jum^rofeffor  ber 
Geologie  ju  Setben  ernannt,  trat  er  am  21.  Dftober  1619  bieg  2tmt  mit  einer  %nau--  25 
guralrebe  „De  reeta  institutione  studii  theologici"  an  (Opera  omnia,  tom.  II). 
9Kit  feinen  Kollegen  ^olfyanber,  9ftbet  unb  'üEfyr/ftuS  gab  er  1625,  um  ifyre  Übereinftim= 
mung  in  ber  Sefyre  ju  bemeifen,  bie  „Synopsis  Purioris  Theologiae"  (f.  b.  2lrt.  3tibet) 
heraus,  ein  noc|  immer  berühmtes  SOBerl,  bon  bem  6  Auflagen  erfdjienen  finb  (1625, 
1632,  1642,  1652,  1658  unb  1881,  bie  legte  beforgt  bon  D.  §.  Sabine!).  Über  ben  30 
3lnteil,  ben  2Balaeu§  baran  gehabt  b,at,  fiefye  feine  Opera  omnia,  tom.  II,  p.  319  sqq. 
2tud)  an  ber  neuen  ©taatenüberfe|ung  ber  SBibel  fyat  er  \\<fy  fefyr  rotrlfam  beteiligt  (fiefye 
be  Stnb  b.  Sßijngaarben  t.  a.  p.  blz.  80 — 89).  Ungefähr  20  ^a^re  biente  er  ber  §ocf)= 
fdjule,  b^djgea<|tet.  dreimal  mar  er  Rector  magnificus.  33iS  an  fein  ©nbe  fyat  er 
getoirft.  -Jcact)  furjem  £ranlfein  entfcfyltef  er  am  9.  ^ult  1639.  93on  feinen  neun  ^inbern  35 
maren  noeb,  fieben  am  Seben.  ©ein  ältefter  ©ofyn  ^o^anneö  20.  (geb.  1604,  geft.  1649) 
mar  feit  1633  $rofeffor  ber  9Jiebi^in  ju  Seiben.  ©in  jüngerer  ©ob,  n  SalbuinuS  2S.  mürbe 
1655  5ßrebiger  ju  Slrnemuiben  unb  1665  ^u  Gamben,  mo  er  1673  ftarb. 

2öalaeu§  mar  ein  fcfyarffinniger  unb  feb^r  gelehrter  SRann,  beftimmt  Äontraremonftrant 
unb  eifriger  Seftreiter  ber  Strmtnianer,  aber  äugleicb,  ein  freunblic^er,  gemäßigter  unb  ber=  40 
tragfamer  SSJiann,  ber  u.  a.  mit  §ugo  be  ©root  (®rotiu§)  feb^r  befreunbet  mar,  bei  aHem 
Unterfc^ieb  in  ib^ren  2Inftcf)ten.  ^l§  ®ocent  mar  er  Har  unb  juberläffig  in  feinem  Unter= 
rittet,  „tradebat  plene,  explicabat  plane  et  apposite,  probabat  solide,  efferebat 
nervöse".  2lußer  aul  ber  obengenannten  „Synopsis"  tarnt  man  feinen  bogmatifct)en 
©tanbbun!t  erlennen  au§  einem  £>anbbuct)  für  bie  ©laubenöleb,re,  ba§  er  fetmeb,  feinem  45 
Enchiridion  Religionis  Reformatae  (Opera  omnia,  tom.  I).  „Quam  excellens 
fuerit  Theologus,  testabuntur  Loci  communes  Theologici",  fagt  ^ßolt;anber 
(Orat.  fun.);  boeb,  finb  biefe  Loci  ntcl)t  boßenbet,  fie  finb  aufgenommen  morben  in  feine 
Opera  omnia  (tom.  I,  p.  109  sqq.).  2113  ®ambfgenoffe  bon  20.  Seeüimf  (f.  ben  21.) 
im  ©treit  für  bie  ©abbatfyfyeiligung  fcf/rieb  er  feine  „Dissertatio  de  Sabbatho,  sive  de  so 
vero  sensu  atque  usu  quarti  praeeepti  (Lugd.  Bat.  1628).  ©cfyon  1615  trat  er 
gegen  2ötenbogaert  auf  auf  bem  ©ebiete  beS  5lircbenrec^t§  buref)  Verausgabe  feines  Sucb,  e3 
„Het  Ampt  der  Kerckendienaren,  midtsgaders  de  authoriteyt  ende  opsicht, 
die  een  Hooghe  Christelicke  Overheydt  daer  over  toecompt"  (3!JJibbelburg  1615. 
^n  ben  Opera  omnia  ift  nur  bie  latein.  Überfe^ung  aufgenommen).  55 

©ebj  berbient  fyat  fieb,  2BalaeuS  buro)  feine  33emüb,ungen  um  eine  djriftlicfye  ©tb^if 
gemalt,  ^n  feinem  „Compendium  Ethicae  Aristotelicae  ad  Normam  Veritatis 
Christianae  revocatum"  (Lugd.  Bat.  1627;  Amst.  1686;  Opera  omnia,  tom.  II, 
p.  257  sqq.)  entmicfelte  er  bie  ariftotelifcr)e  Sittenlehre,  geigte  aber  gußletc^,  morin  biefe, 
bon  cbjiftlicfyem  ©tanbbunft  betrachtet,  nicf)t  b,inreicb,enb  mar.  —  ©ef>r  biel  b,at  2ßalaeu«  eo 


790  SSalacuS  2SaIaI)frtb 

für  bie  3Jciffton  in  Dftinbien  getfyan  burcr)  ©rrid&tung  eines  ©eminarS  in  feinem  £aufe 
jur  2lu3bilbung  mbtfcf)er  ^rebiger  im  3ar)re  1622.  getm  Qa^re  ftanb  er  an  ber  ©bifee 
biefeS  ©eminarS;  bann  Würbe  e§  aufgehoben,  weil  bie  23orfteb;er  ber  Dftinbifcfyen  $om= 
bagnie  ber  2lnftcfrt  Waren,  e<§  fei  nicfyt  met/r  nötig.  SBalaeuS  fyatte  aber  auctj  tner  feine 
5  Talente  benü^t  unb  feine  Siebe  pr  SluSbrettung  bei  9}eid)e3  ©otteS  bewiefen.  SCudt)  burcb, 
„baS  ©emtnar  bon  SBalaeuS"  bleibt  fein  ÜJcame  in  @b,ren.  <S.  2>.  öon  Seen. 

SöaJotjfrtb,  ©trabo,  geft.  849.  —  $ie  ©cEjriften  SB.3  finb  nadj  ben  älteren  einjel= 
bruden  abgebructt  MSL  113  unb  114;  bie  Einzelausgaben  ftnb  im  Sterte  genannt;  Histoire 
litteraire  de  la  France  93b  V,  ©.59 ff.;     Söntg,  greife.  Stöc.  ?lrd].  III,  1860,  ©.317;    XV, 

io  1882,  ©.  187;  31.  (Sbert  in  ben  ©S3  ber  ©äctjf.  ©b28  1878,  ©.  100 ff.;  berf.,  ©efcf,.  b.  £itt. 
be§  2R9I  II,  1880,  ©.  145  ff.;  ©.  Tümmler  in  feiner  2lu§g.  ber  ©ebictjte  2B.3,  ©.  259 ff.; 
berf.,  9*91  IV,  ©.  270 ff.  unb  XXI,  ©.301  ff.;  9t.  tnöpfter  in  ber  ©inteitung  feiner  2(u§= 
gäbe  ber  ©d&rift  de  exordiis;  St.  £autf,  S@  3)eutfd)Ianbg  II,  ©.654 ff.;  %  o.  SBinterfelb 
in  b.  31.  93333  f.  b.  Haff.  Slltert.  V  ©.  341  ff.;  berf.,  9M  XXII,  1896,  ©.755  u.  XXVIII, 

15  1903,  ©.507;  ft .  $Iat$,  SRSt  XVII,  1891,  ©.263;  g».  «KanütuS,  9c2l  XXVI,  1901,  ©.745. 

SBalafyfrib  mit  bem  ^Beinamen  ©trabo  ober  ©irabuS,  b.  i.  ber  ©djeele  ober  ©d)te= 
lenbe,  ift  ein  nid)t  unbebentenber  tb,eo!ogifd)er  ©djriftftetler  ber  erften  §älfte  beS  9.  $af;r= 
fmnbertS.  Sie  3ßacr)ricf;ten  über  ifm  fliegen  febj  fbärlict)  unb  finb  jum  %eü  unfictjer.  @r 
Würbe  gegen  @nbe  ber  Regierung  $arls  b.  ©r.  um  808  (f.  b.  Epitaph,  v.  5  ©.  423) 

20  geboren,  unb  jtoar  in  ©cfyWaben,  ba  er  felbft  (Praef.  V.  s.  Gall.)  fein  Skterlanb  ter- 
ram  nennt,  quam  nos  Alamanni  vel  Suevi  incolimus.  ©eine  gamilie  War  arm 
(c.  76,  31,  ©.  414)  unb  fdjetnt  md)t  jum  Slbel  gehört  ju  fyaben  (f.  c.  37,  3  obscurus 
natalibus);  bocfy  War  fie  ofme  gtoeifel  frei-  5™^'%  bem  Softer  9teid)enau  übergeben, 
erhielt  er  bort  bie  r)erlommIid)e  lateinifdie  33ilbung.    ©d)on  fünfjefynjärjrig  fonnte  er  im 

25  tarnen  feines  SeI)rerS  %aüo  metrifd)e  33riefe  an  @bo  b.  SWfyeimS  unb  ben  Trierer  6r)or= 
bifd)of  Segan  fcfyreiben  (c.  5,  1  u.  2).  ©bäter  ftubierte  er  ju  $ulba  unter  ^jrabanuS 
3JJauruS  (c.  9  ©.  358).  93on  bort  fam  er  an  ben  §of  SubWigS  b.  $r.;  er  erhielt  bie 
©teüung  eines  Fabians  ber  ^aiferin  ^ubitt)  unb  SrjietjerS  if/reS  ©olmeS  $arl.  ^m  ^ab,re 
838  Würbe   ifym   bie  2lbtei  Sfcicfyenau  übertragen  (Ann.  Aug.  MG  SS  I,  ©.  18),   er 

30  muffte  fie  aber  als  2tnfyänger  Sott)arS  alSbalb  berlaffen,  als  SubWig  b.  S.  nad)  feines 
SkterS  %ob  Sllamannien  befehle.  9iact)  ber  SluSföfmung  mit  SubWig  erhielt  er  fie  842 
prücf.    @r  ftarb  18.  Stuguft  849,  Ann.  Alam.  ©.  50,  ©rabfcf)rift  P.  L.  II,  ©.  423. 

9BaIab,frib  t)at  mancherlei  gefd>rieben.  2öir  Woßen  feine  ©Triften  in  ber  ^ürje  flaffen= 
Weife  anführen.    3unäc^^  ermähnen  Wir  feine  Iateinifd)en  ©ebic^te,   Wetd)e  i§n  geWiffer= 

35  ma^en  unter  bie  ülafftfer  be§  faro!ingifd)en  3eitalter§  feiert  laffen.  2Bir  finben  @bi= 
gramme,  gefifcfmften,  §t>mnen,  jWei  längere  ©ebid;te  auf  ^eilige;  ba§  längfte  berietet 
bon  einer  23ifion,  Weld)e  ber  Wlönd)  SSettin  bon  3fleicb,enau  824  gehabt,  „bie  erfte 
©arfteHung  einer  folgen  3Sifton  in  Werfen,  mit  Welcher  biefe  befonbere  ©bejie§  mittel 
alterltdjer  Sichtungen  beginnt,  bie  ib,re  ^öd^fte  Soüenbung  in  ®anteö  göttlicher  Ibmöbie 

40  finbet"  (@bert  ©.  149).  SB.  war,  afö  er  biefeä  ©ebid;t  berfa^te,  18  %at)K  alt  (3Sor= 
rebe  ©.  303).  ^n  bie  3«t  feines  Slufent^altS  am  §ofe  fallen  bie  Versus  de  imagine 
Tetrici,  bie  an  bie  JReiterftatue  Sl^eoberid)^  b.  ©r.  bor  bem  ^palafte  in  2lacb,en  anfnübfen 
(©.  370).  33on  ^ntereffe  finb  bie  jaf)lreict)en  (Sbifteln,  in  §erametern  ober  5DiftidE)en,  jum 
%äl  an  biegürften,  jum  %ül  an  firdjengefdHdjtlicb,  befannte  ^5erfonen  geriditet:  3lgobarb, 

45  §raban,  ©ottfd)a!f  u.  a.  ©nblicb,  mag  aucb,  ber  Liber  de  cultura  hortorum  genannt 
Werben:  er  betreibt  nicf)t  ob,ne  Slnmut  ben  ©arten  be§  Serfafferä  mit  feinen  mancherlei 
^ftan^en  unb  beren  5cu^en  unb  ©igenfctmften.  Sic  ©ebic^te  finb  gefammelt  in  Canisii 
lectionibus  antiquis  T.  VI  ober  T.  II,  P.  2  ber  neuen  2Iu3gabe.  Sie  Jnfiorifcl)en 
fmbet  man  aucb,  bei  ben  SoIIanbiften  unb  in  batriftifd)en  Sammlungen,     ©ine   fritifc^e 

50  2luSgabe  berbanfen  wir  Summier;  fie  ftelrt  in  ben  MG  PL  II,  1884,  ©.259  ff.  ©obann 
N  SB.  bie  SBiograbbjen  ber  ©t.  ©aller  $bte  ©aüuS  unb  Dtltmar  bon  SBetti  unb  ©03= 
tert  überarbeitet;  ba§  geförberte  Iateinifcf)e  ©brac£)gefül>I  nafym  an  ber  ungefügen  gorm 
ber  älteren  Segenben  Slnftojj.  Siefe  ©Triften  finb  gebrucft  in  Goldasti  Scriptt.  rerum 
allemann.  T.  1  unb  Mabillon,  Acta  SS  Ord.  S.  Ben.  Saec.  II.    9ceue  Sluägaben    bon 

65  SR.  2r,uli,  ©t.  ©aßer  9Jcitt.  j.  baterl.  ©efcf).  XXIV,  1890,  ©.  1  ff.  unb  bon  83.  Änifcb  MG 
SRM  IV,  ©.  280  ff.,  bon  3.  be  3Itj,  MG  SS  II,  ©.  41  ff.  unb  ©.  SW^ct  b.Änonau 
©t.  ©aller  «Kitt.  XII,  ©.  94  ff.    3ln  ber  beabfid}tigten  boetifc^en  Bearbeitung  ber  Vita 
s.  Galli   berf;inberte   ifm  ber  %oi.    Sag  Söerl  Würbe   bon   einem  ungenannten  SSRöncb 
850  ausgeführt  (PL  II,  ©.  428). 


SSaloljfrtb  791 

SemerfenSroert  ift  2B.S  2öerfcfyen  De  exordiis  et  incrementis  rerum  ecclesia- 
sticarum  (getrieben  840—842,  gebrucft  unter  2lnbern  in  £ittorpS  Scriptores  de 
officiis  divinis,  ßößn  1568,  fotote  in  mehreren  Sibliotfyefen  ber  Äircfyenbäter.  9ceue 
2luSgaben  oon  2l.$nbbfler,  3Jlünd)en  1890  unb  S.  Traufe  in  b.  MGCRF  II  ©.473  ff. 
ÜDton  lönnte  eS,  nad)  unferer  2Irt  ju  reben,  ein  Compendium  ber  cfyriftlicfyen  2trd&,äologie  6 
nennen,  unb  mit  bem  9Jia|ftabe  jener  ^eit  gemeffen  einen  nid^t  üblen  Serfucfy.  ^n  32 
Kapiteln  tyanbelt  eS  »on  Kircfyengebräucfyen,  Tempeln,  Slltären,  ©ebeten,  ©locfen,  Sil= 
bem,  Saufe  unb  2lbenbmafyl,  unb  bie  babei  gelegentlich  ausgekrochenen  tljeologifcfjen 
©runbfä^e  ober  fytftorifcfyen  Semerlungen  laffen  uns  in  bem  Serfaffer  einen  gelehrten 
unb  »erftänbigen  3Jtann  ertennen.  Gelegentlich  füfyrt  er  aucb,  bie  gangbaren  beutfcben  10 
2luSbrücfe  an,  ftdj  beSfyalb  ben  gelehrten  Sateinern  gegenüber  mit  bem  Seifpiel  ©alomoS 
entfdjulbigenb,  melcber  ja  neben  ben  Pfauen  aucb,  Slffen  an  feinem  §ofe  fyatte.  ^n  Setreff 
ber  Silber  fucfyt  er  ben  »on  fränftfcfyen  Geologen  empfohlenen  SJiittelmeg  ^mifc|en  über= 
triebener  unb  abergläubifcfyer  ^^nolatrie  unb  griec^if^er  Stlberftürmerei  feftjub^alten.  ^m 
Kapitel  »om  2lbenbmab,I  brüctt  er  ftdb,  in  einer  äöeife  aus,  bafj  man  if)n  nid)t  als  15 
einen  2lnfyänger  ber  28anblungSlel)re  feinei  berühmten  geitgenoffen  labbert  nennen 
lann;  (Sfjriftuö,  fagt  er,  fyat  feinen  Jüngern  bie  ©aframente  feines  Set6e§  unb  SluteS 
in  ber  ©ubftanj  beS  SroteS  unb  SöeineS  gegeben  unb  fie  gelehrt,  biefelben  jum  ©ebäd^>t= 
niffe  feines  ^eiligen  SeibenS  ju  feiern.  (SS  tonnte  alfo  nichts  ©cfyicflicIjiereS  als  biefe  ©e= 
ftalten  (species)  gefunben  werben,  um  bie  (Sinigfeü  beS  Raupte!  unb  ber  ©lieber  an=  20 
jubeuten. 

9SaS  aber  SöalafyfrtbS  tarnen   am   meiften  berühmt   gemalt  fyat  unb  noeb,    jettf 
beim  Sfücfblicf  auf  bie  geiftige  ©ntroicfelung   be§  Mittelalters  nid)t  überfein  läfjt,  baS 
ift    bie    grofee    ej:egetifc|e   Kompilation,   meiere,   wenn  ntcfyt    auSfcfyliejjltcfy,  boeb,    tyaupt= 
fäcfylicb,  bureb,    iljm  ju  ftanbe  gerommen  ift,  unb  meiere  faft  fünf  ^ab,rb,unberte  lang  für  25 
einen   großen    %til    beS    2tbenbIanbeS    bie    toicfytigfte    gunbgrube   ältefter   Sibelmiffen= 
fa)aft  geblieben  ift.    £)aS  umfangreiche  Söerf  mar  unter   bem   gangbaren  Xitel  „Glosa 
ordinaria"    »erbreitet    unb    gebraust,    unb    genofj    fcfjon    im  Seginne   ber    eigentlich 
fog.  fcfyolaftifdjen  geit  eines  folgen  SlnfefyenS,  bafc  3.  S.  SßetruS  SombarbuS  fieb,  auf  baS= 
felbe  ofyne  weiteres  als   auf   bie  „Auctoritas"   beruft  unb  ©peitere  beffen  ÜRanbgloffen  30 
als  einen  gleicb,  bem  Sibelter.te  felbft  ju  fommentierenben   befyanbelten.    sJcocb,  über  baS 
14.  Qafyrfyunbert   tyinauS,  too   bodj  Nie.  a  Lyra   eine  neue  ©poetye   in  ber  ©regefe  be= 
jeicb,net,    erhielt  fidj   bie  malafyfribifcfye  ©loffe  im  ©ebraudj  unb  mürbe  bann  auo)  gleicb, 
im  Seginne  beS  SücfyerbrucfS  bureb,  bie  treffe  »erbrettet  unb  ga^Iretc^e  2luSgaben  folgten 
fieb,,  tro|  beS  großen  llmfangS,  bis  inS   17.  ^a^r^unbert  b,erab.    5Jtan  finbet  biefelben  35 
»oEftänbig  bergeidpnet  in  bem  2Balal)frib  getoibmeten  2trtilel  ber  Histoire  litteraire  de 
la  France  (T.  V.).  ©oeb,  ift  ju  bemerfen,  ba^  bie  Glosa  ordinaria  nie  allein,  faft  immer 
mit  Lyra  jufammen  gebrueft  mürbe.    SDie   ältefte  2luSgabe,   o§ne  Drt  unb  Satyr,  in  4 
goliobänben,  beren  Urfprung  bie  Sibliograptyen  nietyt  ermittelt  tyaben,  ift  eine  ber  3iwben 
felbft  reiferer  ©ammlungen.    Stacb,  ityr,   ba   tyier  bie  2lrbeit  SöalabfribS  faft  ganj  allein  41  • 
ftetyt,  tooÖen  mir  bem  Sefer  in  ber  ^ürje  einen  Segriff  »on  ber  9Zatur  unb  Slnlage  beS 
SGSerleS  geben,    ©ine  Sorrebe  ober  (Einleitung,  meiere  ben  gmeef  ober  bie  3Jiett)obe  beS= 
felben  barlegten,  ift  nietyt  bortyanben;   aber  ber  oberfläcb, tiefte  Slicf   belehrt  uns  barüber 
gur  ©enüge.    ©S  bietet  in  ber  3Uiitte  ber  Slätter,   ettoaS  gegen  ben   oberen  Sfanb  tyin, 
ben  lateinifetyen  Xejt,  rtngS  tyerum,   einen  größeren  ober   geringeren  9taum  in  2lnfprucb,  45 
netymenb,   ftetyt  bie  „©loffe",  b.  ty.  eine  reiche  ©ammlung   patriftifetyer  ©Ecerpte  jur  @r= 
läuterung   beS  XejteS.    .3to'^m   oen  8e^ert   *>e§  %>?&&  fte^en   lurge  [©polten  (Glosa 
interlinearis),  bie  mir  aber  tyier  nicfyt  meiter  gu  berücffictytigen  tyaben,  ba  fie  anerfannter= 
mafeen  erft  im  12.  ^a^tyunbert  »on   einem   gemiffen  inStyelm    »on  Saon  beigefetyrieben 
finb.    3BaS  nun  bie  »on  SOBalatyfrieb  gefammelten  9?anbbemerlungen  betrifft,   fo   ift   im  50 
allgemeinen  gu  fagen,  bafj  fie  ben  ^ern  ber  älteren  patriftifetyen  %egefe  fo  pmlicb,  nacb, 
aEen  ©eiten  tyin  barftellen.    @S  fetylt  nämlicb,  nidjt  an  2öort=  unb  ©aetyerflärungen,  mie 
man  fie  namentlich  aus  £>ierontymuS  nehmen  !onnte,  aßein  ber  ÜJtetyrjatyl  nacb,  bienen  bie 
9tonbgloffen  boeb,  ber  erbaulichen  SKuSlegung,   ober  mie  bie  2Uten   fagten,  ber  m^ftifetyen 
(Dielen  ift  aucb,  baS  2öort  mistice  toorgefcfyrieben),  bie  belanntlid)  bie  Xtyeorie  beS  mef)r=  55 
fachen  ©ctyriftfinneS  ^ur  ©runblage  blatte  unb  in  ber  Kombination  geiftlictyer  Umbeutung 
mit  jebem  noety  fo  troefenen  Enfiorifctyen  ©toffe  ityre  työcbfte  iUrtuofität  ju  befunben  ftrebte. 
5Die  ©loffen  roerben  in  ber  Siegel  burety  bie  SBiebcrtyoIung  ber  erften  3Bovte  beS  XejrteS, 
auf  ben  fie  fidj  Begießen,  eingeführt;    fo   folgen   fieb  mehrere  über  benfelben  2ejt,   felbft 
aus   bem  nämlictyen  ©ctyriftfteller.    Sielen  ift  ber  5Rame  beS  2tutorS   beigefcfjrieben,   auS  eo 


792  2öaIoI)frtb  2BaIe$ 

meinem  fie  gebogen  ftnb;  am  ofteftert  begegnen  un§  aufjer  ben  beiben  fdmn  genannten 
©regoriug,  Sfiborug  bon  ©ebilla  unb  Beba,  feltener  Slmbrofiug  unb  (Sfyrtyfoftomug, 
treiben  festeren  man  in  Überlegung  befafj;  in  einzelnen  Suchern  fyerrfcfyen  anbere  tarnen 
bor,  3.  33.  in  ben  ^falmen  ßaffioborug,  in  Numeri  Drtgeneg,  im  Sebiticug  (Sftciug  (b.  i. 

5  £>eft)d;iug).  @§  ftnb  aber  aud;  fefyr  biete  ©loffen  ofyne  tarnen  unb  eg  entftebt  bie  2Rut= 
mafsung,  bie|e  tonnte  2Mafyfrib  |elbfi  berfafjt  fyaben.  dagegen  fd^eint  aber  \u  fbredben, 
baf$  nid}t  unfyäufig,  menigfteng  im  Anfang  beg  2öerfeg,  aucb,  fein  3?ame,  unb  ^mar  in 
ber,  trenn  er  felbft  fo  getrieben  l)ätte,  fonberbaren  Bezeichnung  „©trabug"  borfommt. 
Anbere  bauten  mofyl  an  feinen   unmittelbaren  £ef)rer  £rabanug  SJtaurug  alg  Berfaffer, 

10  aber  aufy  biefer  mirb  öfter  mit  |einem  tarnen  genannt.  —  Über  bie  gelehrte  Segenbe  bon 
SSalafyfribg  Beteiligung  an  ber  angeblichen  beutfdjen  Bibelüberfe^ung  ®arlgb.©r.  f.9teufj 
in  b.  Revue  de  Theol.  1851,  San.  ©*>•  W™%  t  (§<»«*). 

2ßald),  gelehrte  £I)eoIogenfamiIie  beg  18.  $al)rfyunbertg. 

^ofyann  ©eorg  3BaId^ ,  geft.  13. San.  1775,  ber  Bater  ber  Betben  folgenben.  — 
löSttteratut:  3ubelg.ebäd)tni§  bem  £>n.  D.  %  ©.  SB.  wegen  be§  üon  ifim  auf  b.  Unioerfttät 
3ena  50  3at)re  geführten  öffentlichen  SefjramtS  geftiftet,  Sena  1768;  gof).  ßrnft  Immanuel 
SBalct),  Seben  unb  (Sf)arafter  be§  wor)lfeeI.  £n.  £ird)enrat§  D.  3.  ©.  SB.,  £ena  1777;  Söleufel, 
Sejtfou  üerftorbener  beutfcber  ©diviftftefier  XIV,  360 ff.;  Döring,  2>te  gelehrten  SEbeoIogen 
®eutfcf)tanb§  IV,  630ff. ;  ®.  $ranf,  ®te  Senaifcbe  £be°Iogie  '«  tljrer  gefctjicbtl.  entroicfelung, 
2o2eipj.  1858,  (S.  71  ff.;  Sfcöacfert  in  S(bS3  40,  650 ff. 

$.  ©■  20.  mar  ©olm  beg  ©eneralfuperintenbenten  ©eorg  2BiIl)eIm  3B.  in  SDtaningen, 
beg  Berfafferg  „@bangelifd?er  £ieber=Betrad)tungen",  Sena  1714,  bafelbft  17.  ^uni  1693 
geboren.  1710  bejog  er  bie  üntberfität  Seidig,  mo  ©ottfrieb  DIeariug  (Bb  XIV,  357  f.), 
9*ecb>nberg  unb  anbere  feine  tfyeologifcfyen  Sefyrer  mürben,  feine  Iitterargefd)icl>tlid;e  Neigung 

25  aber  burd)  3Jfen!e,  beffen  SBtbUot^ef  U)m  offen  ftanb,  9?at>rung  unb  görberung  erhielt  unb 
bie  pf>iIofo}>fyifd>e  Anregung  burd)  Slnbr.  Slübiger  ifym  fd)on  bamalg  Beranlaffung  mürbe 
ju  bem  fyäter  abgeführten  ©ntmurf  feineg  ^lofo^tfd)en  £er.ifong.  SRagifter  mürbe  er 
1713,  befcfyäftigte  ficb,  ^unäc^ft  bormiegenb  plnlologifcfy,  gab  beg  SeHariug  afabemifcfye 
©iffertationen,  Sieben  unb  Briefe  1712—1715  f)eraug,   ebierte  Cbib,  Bellejug,  ^fyäbrug, 

30  aber  aucb,  fpäter  Sactanj  (1735),  unb  fcfyrieb  1716  bie  gefcfyä^te  Historia  critica  lat. 
linguae.  1718  mürbe  er  ^ßrofeffor  extraord.  in  ^ena  für  $I)Uofopf)ic  unb  Altertümer, 
1719  orbentl.  ^rofeffor  ber  Bereblfamfeit,  1721  ^rofeffor  ber  ©icfytfunft.  ^u  Bubbeug 
(Bb  III,  518  ff.)  trat  er  in  nalje  Bedienungen,  beffen  einzige  Stocktet  er  heiratete  unb 
bem  er  1729  bie  Seicfyenrebe  fyielt.  ©leid}  biefem  beteiligte  er  fidj>  an  ben  ^^ilofo^ifd^en 

35  Bemegungen  ber  ^eit  (fd}on  1723:  „©ebanfen  bom  ^Uofo!p^.  5RatureE").  Bubbeug 
blatte  im  „Bebenden  über  bie  ffiolffianifcfje  ^fyilofo^ie"  1724  fid^  gegen  2ßoIfg  §erab= 
fe^ung  ber  übrigen  üblichen  Bemeife  für  ba§  SDafein  ©otte§  ju  ©unften  be§  ©ct)Iuf|e§ 
a  contingentia  mundi  auf  ben  a  se  feienben  Söeltorbner  erflärt.  Stuf  2öolf3  (Entgegnung 
antmortete   20.   in    ben    ©Triften:    „Befct)eibene    2lntmort    auf    §n.  6b,r.  2Solfg    2ln= 

40  merfungen  k."  (1724)  unb  „Befcb^eibener  Bemeig,  bafe  bag  Bubbeug|cb,e  Beben!en  nod) 
feftfteb^t",  1725.  SmSa^  ^auf  gab  er  fein  b^ilofo^ifcfyeg  Sertfon  b.eraugC  1710, 1 1775), 
bag  übrigeng  aucb,  ©egenftänbe  ber  9^aturgefd)id;te,  iedjni!  u.  f.  m.  umfaßt.  ®ie  2trtilel 
©ott,  Geologie  unb  anbere  geigen  bie  eigentümliche  ©teßung,  meldte  bie  natürliche  5£b,eo= 
logie  bereitg  neben   ber  „geoffenbarten"   erlangt  I)at.    3war   'f*  ^'e   natürliche  ©otteg= 

45  ertenntnig  beg  gefallenen  5Renfcf)en  nid}t  fo  fräftig,  bafc  fie  eg  gu  einer  magren  £ebeng= 
Übung  bringen  fann,  bod)  giebt  fie  Anleitung  jur  Offenbarung,  fo  bajs  ein  natürlicher 
3Jlenfcf)  beren  9cotmenbigfeit  erfennen  muf3.  ©ie  fafjt  bie  ©runbfä|e  aller  Sieligion  in 
ficb,,  lefyrt  bie  ^enn^eicfjen,  nacb,  benen  bie  ffiafyrfyeit  unb  ©öttltcl)Ieit  einer  Offenbarung 
gu  prüfen  ift  u.  f.  m.    gür  2B.g  ^tlofo^fjifc^e  Begebungen  bgl.  nocb,  (Einleitung  in  bie 

50  ^ilofo^ie,  1727  (lat.  1730),  unb  Observationes  in  NTi  libros,  quarum  1.  pars 
ea  continet  loca,  quae  ex  historia  philos.  illustr.  1727.  Dbgleict)  burd)  jene  2luf= 
nab^me  ber  natürlichen  Geologie  bie  alte  tb,eoretifcb,e  ©runblage  ber  Drtfyobojie  bereitg 
burc^brocb^en  ift,  fo  mill  bod)  2B.  gleicf)  Bubbeug  bie  lutfyerifdje  lirdjenle^re  feftb^alten, 
aber  mit  jener  moberierten  ©efinnung,  bie  bem  ^ßietigmug  nid}t   meljr   feinblid)    gegen= 

56  überfteb,t. 

1724  mürbe  20.  auf^erorb.  ^ßrofeffor  ber  SLbeologie,  1726  Dr.  theol.,  1728  orbentl. 
^rofeffor;  er  ftieg  in  ber  tfjeologifd^en  galultat  toon  ©tufe  ju  ©tufe,  big  (1750)  gum 
Prof.  primär.;  1754  mürbe  er  aud)  ©ad)fen=aSeim.  Äirc^enrat.  S"  bwfer  Stellung 
mibmete  er  ber  Geologie  neben  gab,Ireid)en  Borlefungen  aucb,  eine  umfaffenbe  litterarifd)e 


2$al<$  793 

^citigfeit.  gunäcbjt  m  enSem  2tnfd&Iufj  an  Subbeug,  beffen  Institutiones  dogmati- 
cae  bon  ifym  in  Compendium  redactae  fdjon  1723,  fbäter  brevibus  observationibus 
illustratae  1748  fyerauggegeben  würben.  %üx  feine  23orlefungen  berfafjte  er  Äomben= 
bien,  bie  fidb,  burdj  auögebe^nte  SBerütffid^ttgung  ber  Siiteratur  augjeirfmen;  fo  (Einleitung 
in  bie  d)riftlicfye  Floxal  (2 1757),  in  bie  bogmatifcfye  unb  in  bie  bolemifdje  ©oiteggelafjrt*  s 
fyeit  (1752).  ^n  feiner  (Einleitung  in  bie  tfyeologifcfyen  2Üiffenfd;aften,  1737, 2  (fefyr  er= 
W eitert)  1753,  befyanbelt  er,  oijme  eine  encr/tlotoäbifdje  Drganifation  gu  erftreben,  fyinter= 
einanber  bie  bogmatifcfye ,  f^mboltfc^e,  fatedjetifcfye,  ^oiemtfd^e  ©otteggetafyrtfyeit,  bie 
Sittenlehre,  bie  allgemeine  göttliche  Nedjtgwiffenftfwft,  bie  ^ßaftoraltfyeologie  unb  bie 
$ird)enfyiftorie.  ®aö  Übergeben  ber  er.egettfcl)en  Geologie  rechtfertigt  er  mdjt  nur  bamit,  10 
bafj  er  über  biefe  nicfyt  lefe,  fonbern  begeidjmenberWeife  aud)  bamit,  bafj  bie  fy.  2lug= 
legunggfunft  „bor  feinen  ber  Geologie  eigentümlichen  'Seil  angufefyen  ift"  ©eine  fyod;= 
öerbtenftticben  33emüfyungen  für  bie  tI)eoIogifd)e  Sitterä'rgefcfyicfyte  beginnen  mit  ber£eraug= 
gäbe  bon  Bosii  Introd.  in  notitiam  scriptorum  eccles.,  1723;  baran  fcbliefjen  ficb, 
bie  nocfy  immer  WertboHe  Bibliotheca  patristica  litterariis  adnotationibus  instructa,  15 
1770  (neu  bearbeitet  bon  ®anj,  $ena  1834),  unb  bie  4  S3be  ber  Bibliotheca  theo- 
logica  seleeta,  1757 — 65,  ber  SBeWeig  feiner  auf  alle  ©ebiete  ber  Geologie  ficb,  er= 
ftredenben  litterartfc^en  ©eleb,rfam!eit.  Stud)  beg  Sßerbtenfteg  feiner  2luggabe  ber  SBerfe 
Sutfyerg  (£atle  1740—52,  24  Sbe)  ift  l?ier  jii  gebenlen.  ^r  Söert  beruht  in  ben  (Ein= 
leitungen,  ber  2lufnafyme  aud)  ga&Iretc^et:  ©dmften  ber  ©egner,  bem  2lbbrud  bieler  refor=  20 
mationggefd)icr;tlicr;er  ©otumente  unb  guten  Negiftern ;  ib,r  Mangel  ift,  bafe  alle  lateinifdjen 
©Triften  nur  in  (nicfyt  feiten  fehlerhafter)  beutfdjier  Überfettung  gegeben  werben,  bgl. 
33b  XI,  721.  ((Eine  Neuauflage  ber  2ö.fdjen  Sluggabe  erfdjien  in  22  Sänben  in  ©t.Soutg 
im  Auftrag  be§  SJtimfteriumg  ber  beutfcfyen  eb.=Iutf).  ©rmobe  bon  -Hiiffouri,  Dbjo  u.  a. 
Staaten,  1880—1904,  mit  3.  %.  felbftftänbiger  Neubearbeitung.)  (Sbenfo  ift  feine  2Iug=  25 
gäbe  beg  djriftl.  ^onforbienbudjS  (beutfd)  unb  lat.  mit  fyiftor.  (Erläuterungen)  1750  ju 
nennen,  baju  feine  Introductio  in  libros  symbol.  eccl.  luther.  1732  unb  fcfyon  feine 
Commentatio  de  solida  librorum  symbolicorurn  interpretatione  ex  historia  in- 
stituenda,  1725.  £)urcb,  litterarifc^e  Netd^alttgfeit  geid;nen  ficb,  aucb,  bie  beiben  anbern 
§aubtWerfe  2B.g  aug,  feine  (Einleitungen  in  bie  tfyeologifdjen  (Streitigkeiten.  ®er  Slnftojj  30 
bagu  ging  bon  SBubbeug  aug,  ber  bei  feinem  Vortrag  ber  boIemifd)en  Geologie  bag  für 
bie  Sffienbung  ber  geit  bom  bogmatifdjen  jum  fyiftorifdjien  ^ntereffe  begeidmenbe  SBebürfnig 
embfanb,  bie  ©tubterenben  auggebefmter,  alg  fonft  üblid),  über  bie  ©efcfyicfjte  ber  in  ber 
^olemif  befämbften  Irrtümer  aufjullären,  iljmen  „einen  atturaten  begriff  bon  llrfbrung, 
2Bad)gtum  k.  einer  jeben  ©efte,  aud)  eine  richtige  Äonnerjon,  unb  fo  biel  ficf)  tfyun  läjjt,  35 
ein  böEigeg  ©r/ftem  berer,  bie  man  Wiberlegen  miß,  beizubringen"  ®er  ^iftorifc^e  ©toff 
hmd^  if)m  babei  fo  an,  bafj  er  „enblicb,  faft  ben  falben  Sleil  beö  Collegii  au^mac^te". 
§ier  foHte  ein  33ud;  aushelfen,  beffen  2Iu§fü!(>rung  er  jebod;  feinem  „vielgeliebten  @ibam" 
überlief.  20.  behielt  Drbnung  unb  ^Ötetfeobe  bon  Subbeuä  bei,  na^m  aud)  in  ber  2Iu§= 
fü^rung  biele§  au§  beffen  Vortrag,  fügte  aber  auc^  @igne§  b,in^u.  ©0  erfd)ien  junäcb,ft  40 
1724  ein  33anb  „^^eol.  Einleitung  in  bie  borneb, mften  3Migion§ftreitigfeiten  au§  §errn 
Subbeug  Collegio  l^eraugg.  unb  mit  3lnmerlungen  2c."  Sn  ^er  %dQ*  erweiterte  9B. 
$Ian  unb  Umfang  beg  Suc^§,  ba§  nun  unter  bem  'Sitel  „§iftor.  unb  tfycol.  ©inleitung 
in  bie  Neligionöftreittgfeiten,  toeld^e  fonberltd)  au|er  ber  et)ang.4utb,.  ^irc^e  entfianben", 
1733 — 36  in  5Sänben  erfcbten.  SDer  1.  SBanb  ift  fyier  bie  3.  überarbeitete  Sluflage  be§  45 
urf^rünglidjen  2öer!§  unb  umfafst  bereite  bag  gange  ©ebtet  (^a^tften ;  Reformierte;  3lnti= 
trinitarier  unb  ©ocinianer;  ganatici  unb  ©ntb^ufiaften ;  Steiften,  Naturaliften  unb  ^n= 
bifferentiften ;  orientalifdje  ^irclje;  9)co^ammebaner,  Quben  unb  Reiben);  S3b  II— V  be= 
b^anbelt  basfelbe  ausfüb^rlid}  mit  bei  Weitem  reicheren  SRaterial  ©aneben  batte  3B.  ganj 
felbftftänbig  bag  äbnlic^e  2Ber!  begonnen :  „£iftor.  unb  SEf)eoIog.  (Einleitung  in  bie  Neli=  bo 
gionöftreitigleiten  ber  ebang.=(ut|).  H'irdje",  bon  ber  Reformation  big  auf  feine  3_ett,  ba§ 
bon  1730  bis  39  in  5  33änben  erfcb,ien,  burcb,  forgfältige  2tu<^üge  aug  ber  ©treitlitteratur 
unb  gewiffenfyafte  Seric^terftattung  ein  nocb,  bleute  unentbehrliches  SSer!  3.  S.  für  bie  ©e= 
fct;ici)te  beg  ^ietigmug.  2lufjer  ben  genannten  9Berfen  berbienen  nocb.  (Ermahnung  bie 
Miscellanea  sacra  s.  comment.  ad  hist.  eccl.  sanctioresque  discipl.  pertin.,  66 
Amstel.  1744,  feine  umfangreiche  Historia  eccl.  NTi  variis  observationibus  illustr. 
1744  (big  Anfang  beg  4.  Sa^r^-)  unD  föm  Historia  controversiae  Graecorum 
Latinorumque  de  processione  Spiritus  S.  1751. 

Neben  feiner  gelehrten  SE&ättgfett  bat  20.  auo>  nicb,  t  unterlaffen,  bäufig  gu  brebigen ; 
feine  Stufmerlfamfeit  aud^  für  bieg  ©ebiet  geigt  feine  ©ammlung  tleiner  ©Triften  bon  ber  eo 


794  SBalrf) 

gotttoobigefäßtgen  2trt  ju  brebigen,  1746,  eine  gufammenfteßung  bomtletifcEjer  9latfcE)Iäge 
älterer  Geologen;  bgl.  aucb.  ^ebenbacfyerS  3lu3g.  feiner  ©dnnft:  £)te  gottgefällige  Bor= 
Bereitung  auf  bie  ^ßrebigt  (1733),  Stürnb.  1845.  Obgleich  in  jüngeren  ^afyren  ©bener 
geneigt,  unb  als  §iftorifer  guten  SBtßenS,  bei  Beurteilung  ber  SWigionSftrcittgletten  ben 

5  ©egner  rect>t  ju  berftefyen  unb  bißig  ju  beurteilen,  beftrebt  im  SBerfyalten  gegen  bie  „S?e|er" 
bie  Stitte  jtoifc^en  ©.  SIrnoIb  unb  2lBr.  @alob  einzunehmen,  r)at  er  bocb.  in  bem  auf 
Befehl  feinet  SanbeSfyerm  1747  aufgefegten  ©utacfyten  über  bie  „§errn^utifc^e  ©ecte", 
„ben  ^inäenborffcfien  Unfug",  baS  Urteil  gefaßt,  „bafe  ein  gütft  mit  gutem  ©eroiffen 
biefe  ©ecte  in  feinem  Sanbe  nitfjt  bulben  lann",  bie  2Bofylfar/rt   bon  tircfye  unb  ©taat 

10  werbe  burcb,  fie  gefäfyrbet,  burcb,  ifyren  ^nbifferenttSmuS  unb  ©bnfretiSmuS,  it>r  2ieb= 
äugeln  mit  allerlei  ©eften,  il)re  Beratung  beS  3l£s  unb  ©eringfct,ä£ung  ber  fem* 
bolifcfyen  Sudler,  il>re  ^urücffe^ung  ©otteS  bei  BaterS,  ifyre  ©ebanfen  bon  ber  @t)e  u.  bgl. 
(fyerauSgeg.  bon  3.  «ßfc.  grefeniuS  1751,  bgl.  granl  ©.  73 f.). 

1766  berlor  9B.  feine  ©attin  burd}  ben  S£ob.    @r  felbft,    burd?   fatarrr/altfcr)e  unb 

15  r;r,bocf/onbrifcr)e  Seiben  angegriffen,  überftanb  bocb,  nod?  1767  (nacf)  feinem  öOjäEnugen 
©ojentenjubiläum  1768)  einen  %aü  bon  ber  Bücfyerleiter  fo  Weit,  bajj  er  feine  Biblio- 
theca  patristica  1770  boßenben  fonnte  (bgl.  Borroort);  erft  am  13.  Januar  1775  ftarb 
er  81  jährig. 

©ein  ältefter  ©ofyn  tft  ^ofyann  ©rnft  Immanuel  2BaI<$,  geft.  1.3)ej.l778.  — 

20  Sttteratitr:  ®te  ältere  fiitt.  Derseiclmet  forgfältig  ü.  ®oßfct|üf  in  9lbS3  40,  652  ff.,  ber  aud) 
bie  ®efanat§aften  ber  pcjitof-  gahtltät  in  Sena  benü|en  fonnte. 

©eboren  29.  3luguft  1725  in  ^ena,  ftubierte  er  auf  beS  BaterS  2ßunfcr)  Geologie 
unb  naö)  eigner  Neigung  befonberS  Br/ilologie  (aucb,  femitifcfye  ©brauen),  aber  aucb,  9tatur= 
miffenfct/aften  unb  5Ratf!ematit\    1745  tourbe  er  in  ^ena   mit  feinem   jüngeren  Bruber 

25  (f.  u.)  jugleid)  üftagtfter,  habilitierte  ficb.  1746  unb  begann  mit  ejegetifd^en  Borlefungen, 
machte  bann  mit  bem  Bruber  eine  grojje  ©tubtenretfe  naü)  §oßanb,  granlreicb,,  ©d^roetj, 
Italien  (glorenj),  lernte  an  ben  Uniberfitäten  bie  b,  erborragenben  ©elefyrten  ber  geit  lennen, 
fteuerte  f)ernacb,  aucf)  ju  ©ort!  Symbolae  litterariae  1751  eine  ÜRebe  über  bie  Anti- 
quitates  Herculanenses  litterariae  bei.  §>etmgefer/rt  fufyr  er  mit  ejegetifd^en  Borlefungen 

30  fort,  als  beren  grucfyt  feine  „©inleitung  in  bie  Harmonie  ber  ©bangeliften"  1749  erfcf/ien, 
nod)  im  ©etft  ber  ortfyoborm  §armoniftif,  mögltdjft  unter  Beibehaltung  ber  Drbnung 
jebeS  (SbangeliumS,  baljer  mit  ber  2tnnaf)me,  baf?  manche  Begebenheiten  im  Seben  $efu 
in  febj  äbnlicr/er  Steife  fid)  roteberb/olt  Ratten.  1750  tourbe  er  Brof.  extraord.,  1755 
ordin.  für  Sogif   unb  ScetabbMtf,   feit  1759   für  Berebfamfeit    unb  ^ßoefic,   feit    1768 

35©enior  ber  bbjlofobtnfdjen  galultät,  1770  §ofrat;  1778  machte  ein  SDarmleiben  feiner 
unermüblicfyen  2lrbett  ein  @nbe. 

©er  bielfeitige  ©elefyrte  t>at  feine  §aubt!raft  erft  ber  Bfyilologte,  feit  1760  ju= 
neb,menb  ben  Staturtotffenfcr/aften  (DJiineralogie  unb  Paläontologie)  geroibmet.  §ier  finb 
nur  feine  tl)eoIogifcfyen  arbeiten  ju  berjeicb,nen,  in  benen  er  3.  %.  feine  toljülologifdjen  unb 

40  ard^äologifd)en  gorfcb,ungen  für  baS  Berftänbni§  ber  b, I.  ©cb,rift  nu^bar  ju  machen  fud)te : 
Dissertationes  in  Acta  Apostolorum,  3  %k,  1756—61  unb  1766;  Antiquitates 
nauticae  ex  itinere  Pauli  Romano,  Act.  27,  28,  1767;  Observationes  in  Mat- 
thaeum  ex  Graecis  inscriptionibus,  nad)  feinem  SLobe  1779  herausgegeben;  Anti- 
quitates symbolicae,  quibus  symboli  apostolici    historia   illustratur,    1772    (mit 

45  toertboßen  ©tubien  über  bie  berfcfjiebenen  Bebeutungen  bon  Symbolum) ;  arbeiten  über 
bie  6b,riftenberf olgungen :  Marmor  Hispaniae  antiquum,  vexationis  Christianorum 
Neronianae  insigne  documentum,  1750,  baju  Persecutionis  Christianorum  Nero- 
nianae  in  Hisp.  uberior  explanatio,  1753  (je£t  beraltet);  Christianorum  sub 
Diocletiano  in  Hisp.  persecutio  ex  antiq.  inscriptionibus  illustr.,  1751.  ^jntereffe 

50  für  bie  Geologie  behielt  ber  fromme,  ber  Drtb,obojie  treu  gebliebene  9Jtann  bi§  an  fein 
@nbe.  3U  feinen  litterarifcb,en  planen  geborte  nocb,  eine  introductio  in  N.T.  foroie 
eine  biblifcb,e  5Raturf)iftorie.  Über  feine  Berbienfte  auf  anbern  ©ebieten  ber  SBiffenfcb,  aften 
bgl.  b.  SDobfdjü^  a.  a.  D.    21lS  3;b,eologe  bebeutenber  tft 

fein  jüngerer  Bruber  Gftrifttan  2BiIb,eIm  granj  2BaIcb,,  geft.  10.  2Rär^  1784. 

55  öitteratur:  §eumann,  Dissertatio  de  haeretico  Paulino  Tit.  3,  10  (mit  einer  Vita  9B.§), 
1754;  ©.  ßefe,  ®etn  Slnbenten  beS  et>ental.  tonftftorialratä  Dr.  (£.  SB.  g.  ?Bald)  »on  ber 
tt)eoI.  gafultät  .  .,  ©ötttngen  1784;  S.  &.  §et)ne,  Elogium  Vener.  Walchii  recitatum  in 
consessu  societatis  (27.  Wäxfr  1784);  3.  %.  ^ßiitter,  58erfncf)  einer  cifabem.  ©eletjrtertgefctjidfile 
üon    ber  ©eorg.  Stuguft.  Untö.  1,    121  ff.,    II,    28  ff. ;     £>.  ©bring,    2>te  gelehrten    S|eoIogen 

60  2)eutfct|(cmb§  IV,  615 ff.;    2;frf)adert   in  5lbS3  40,  646 ff.;     58aur,  S)te  ©pocfjen  ber  tirctflt^en 


SBaltfj  795 

©efcf>id)t<>jcl)rei6img,    £übiiia,en    1852,    <B.  145  ff.    Serjeidmiffe    feiner   ©dirifren    außer    bei 
ptter  in  «OieufeiS  Certfon  XIV,  345  ff. 

£>er  jftmte  ©ofyn  $•  ©•  2Sal$S  unb  ber  Softer  beS  93xibbeug  tourbe  am  25.  35e= 
jember  1726  in  $ena  geboren.    ®ort  ftubierte   er  unter  beS  Katers  Anleitung,  tourbe 
äugleicb,  mit  feinem  Bruber  1745  SJiagifter,   b>lt  big  1747  ejegetifcfye,  bbilofobbtfcr)e  unb  5 
fyiftorifcfe/e  "Borlefungen,  machte  bann  mit  bem  Sruber  jufammen  bie  o.  ©.  7i>4, 26  ermähnte 
große  ©tubienreife,   auS  ber  fieb,  mancherlei  gelehrte  Bedungen  für  ib,n  ergaben  (mit 
ÜJcaffei,   ^robft  ©ori  in  poreng  u.  ct.).     1750   mürbe   er   baf)etm  $rof.  extraord.  ber 
$büofobI)ie ;  toäbjenb  aber  ber  SBrubev  bauernb  in  ^ena  blieb,  folgte  er  einem  9tof  nacb, 
©öttingen  als  orbentl.  *ßrof.  ber  ^feilofobb/ie,  mürbe  bort  1754  außerorb.  Sßrofeffor  ber  10 
Geologie,  unb  bon  §euinann  jum  Dr.  theol.  bromobiert  mit  einer  SDiffertation  de  obe- 
dientia  Christi  activa.     1757  trat  er  als  orbentl.  ^rofeffor  in  bie  tfyeologifdje  gatultät 
ein,   in  ber  er  bis  ju  feinem  SEobe  bie  umfaffenbfte  SEfyätigleit  alö  SDogent  toie  als  ©<brift= 
fteller  entfaltete.    Mütter  f Gilbert  1765   feine  Slrbeit  als  ©ojent,    toie   er   „orbentlicfyer 
SBeife"  im  ©ommer  täglich  4,    im  Söinter  täglich  3  ©tunben  Borlefungen  fyielt:   um  8  15 
iäglicb,   Dogmatil   über  feines  SSaterS   bon  ib/m   herausgegebene  Theologiae  dogmat. 
Epitome  tabulis  analyticis  expressa  (1757),  um   11  täglicb,  ®ircr)enl)iftorie  big  jum 
(Snbe  beS  17.  Sß^fjunbertg  über   fein   eigne«?  Sefyrbucb,    (©runbfätje  ber  $©  beS  91%$, 
1761,  2 1772— 4,  31792— 4);  um  4  teils  Sftoral,  teils  «ßolemtl  (nacb,  feines  SaterS  2eb,r= 
bücfyern);    außerbem  natürliche  Geologie   (©runbfäije  ber   natürlichen  ©otteSgelefyrtljeit,  20 
1760),  fr;mbolifcr)e  Geologie  (Breviarium  Theologiae  symbolicae  Eccl.  Luth.  1765), 
Äircfyenlnftorie  beS  18.  $5alrfyunbertS   (Compendium  hist.  eccl.  recentissimae  1757); 
ferner  toenigftenS  ein  Exegeticum  über  einen  ober  mehrere  Briefe  $auli  ober  über  bie 
^affionSgefct/icfyte,  aucb,  über  bie  cf/riftliefyen 2lltertümer;  bajtoifcfyen  privatim  bie  historia 
liter.  theol.  unb  publice  bie  hist.  liter.  historiae  ecclesiasticae,    baS  jus  publicum  25 
ecclesiae,  bie  tf?eologifd)e  ^afuiftif  ober  über  einen  ber  gried)ifd)en  Bäter,  5. B.  über  3>"ftin§ 
Sinologie,  ©nblicb,  privatissime,  toenn  eS  Verlangt  toirb,  examinatoria,  aucb,  tootjl  ber= 
bunben  mit  disputatoria  über  Dogmatil  ober  über  anbere  feiner  Borlefungen.  daneben 
finbet  er  nocfe,  geit  gu  großen  gelehrten  Slrbeiten  unb   jal)lreicb,en   atabemifct/en  ©elegen= 
fyeitsfcr/riften,  er  beteiligt  fieb,  eifrig  an  Seitung  unb  Bertoaltung  ber  Uniberfüät,  feit  1760  30 
aucb,  als  curator  aerariorum    piorum,   feit   1765   als  Tireltor   beS  5?e£etentenMe= 
giumS,  ferner  an  ber  ©öttinger  ©ocietät  ber  2Siffenfer)aftett,  bie  tb)n  1763  jum  orbentl. 
ÜDfttglieb  ber  tol)iIoI.=r)ift.  klaffe  mact)t.    ©0   gehört  er  in  bie  rttc^t  fleine  Qafyl  bon  ©e= 
lehrten  beS  18.  $al)rl)unberts,  bie  uns  burcb,  il)ren  Bienenfleiß  toie  burcb,  if)re  Bielfeitig= 
!eit  in  ©taunen  feiert.    1766  tourbe  er  Primarius   feiner  gafultät,  1772    großbritann.  35 
Äonftftorialrat.    @rft  fbät  (1763)  fanb  er  $e\t  fiel)  $a  »erheiraten  mit  ©leonore  griberife, 
SToct/ter    beS   ftift3l)iIbeSr)eimifcr)en  üonfiftorialratS  unb   ©eneralfuberintenbenten  Grome. 
©egen  @nbe  beS  SebenS  nab,m   feine  Söirffamfeit   als  ©ojent    ab.    @S    „lamen    junge 
rüftige  SRänner  it;m  jur  ©eite;    bie  Meinungen  unb   ber  ©efc^mad  änberten  fieb,;    ber 
SRetg  ber  ?ceujeit  fam  baju.    ©0  gefcb.af)    eS,   baß   er  in   einigen  Kollegien   ben  Seifall  40 
faft  gang,  unb  in  allen  biel  babon  oerlor"  (ßitat  bei  SEfc^acfert  a.  a.  D.  ©.  647).   ©ein 
Stob  erfolgte  blöpcb,  am  ©djlagflufc,  10.  Wa^  1784. 

2B.  gehört  ntefet  ju  ben  fctjöbferijcb.en  ©eiftern;  f)inter  SOtoSljeim  einerfeits  (geft.  1755) 
unb  ©emier  anbererfeitS  (1753—96  in  §aEe)  tritt  er  bebeutenb  jurüc!;  aber  er  gebort 
ju  jenen  unermübüct/en  ©eleb^rten,  bon  beren  ©ammeiarbeit  mir  noeb,  banfbar  ©ebraueb,  45 
machen,  ©eine  Sebeutung  liegt  auf  bem  ©ebiet  ber  Äircb,engefcb,icbte.  3n  fe'ner  ^Hi^tung 
auf  bie  ganje  Breite  r)iftorifct)er  ©eleb,rfamleit  unb  SitteraturfenntniS  tritt  er  in  bie  guß= 
tabfen  feines  SSaterS  unb  beS  ©rofjbaterS  BubbeuS;  aueb,  in  feinem  bogmatifeb/en  ©tanb= 
bun!t  fuebt  er  im  allgemeinen  eine  moberierte  lutb,erifcb,e  Drtfyoborje  gleicb,  jenen  feftju= 
balten ;  aber  freiliefe,  biefe  ift,  jtoar  nict>t  feiner  grömmigteit,  aber  feiner  Sb/eologie  ein  50 
totes  Dbjelt  getoorben,  unb  um  b,iftorifcb,e  ©etoifjf/eit  brebt  fieb,  atteS.  —  ^n  feinem  noefe 
berf)ältniSmäßig  frifcb,  getriebenen  Qugenbtoerf  ,,©efd)icb,te  ber  ebang.=Iutb-  Religion  als 
ein  BetoeiS,  baß  fie  bie  toafyre  fei",  1753,  nimmt  er  ben  ©ebanfen  auf,  baß  baS  Tafein 
unb  bolllommenfte  Söefen  ©otteS  <m$  ber  ©efcfeitt)te  ebenfo  ju  erfennen  fei,  toie  aus  ber 
9iaturlebre  unb  anbern  teilen  ber  aBelttoeiSb^eit,  unb  bebauert,  baß  fieb,  noef)  niemanb  55 
unter  biefem  ©eficfetSbmrfte  fo  um  bie  E?tftorifdt;en  äöiffenfcbaften  berbient  gemalt  f>abe, 
toie  9tteutoentbt  (Diester  ©ebraueb,  ber  2Mtbctracfetung  jur  ©rfenntnis  ber  UJcacbt,  ^eis= 
beit  unb  ©üte  ©otteS,  beutfo)  $ena  1747)  um  bie  ^b,t?fif.  (5r  toär)lt  fieb,,  um  biefe 
bisber  bernacfeläffigtc  Arbeit  toenigftenö  bartiell  in  Angriff  gu  nehmen,  baS,  toie  er  fagt, 
Seicf/tefte  au§,  benn  „bie  ©efcb,icb,te  ber  ebang.=lutb,.  Religion   ift  unerfcböbflieb  an  3eug=  «j 


796  2©ald) 

niffen,  bajj  ©ort  ©ort  fei"  %n  ber  Sb>t  fteHt  er  manct)eg  einer  religtöfen  ©efd)id)tg= 
Betrachtung  Förberlid)e  I)ier  jufammen.  316er  äbnlid),  wie  bie  religiöfe  Daturbetract)tung 
ber  bamaligen  Geologie  über  einen  im  Greife  fiel)  brefyenben  gWedmäfsigfeitgbegriff  nidEjt 
binaugfommt,   fommt   eg   bei  it)m  nid)t  gu  einer  frieren  religiöfen  ©efdnc^tgbfyilofobfyie, 

5  fonbern  nur  ju  abologetifctjer  Slntoenbung  eineg  im  ©runbe  red)t  befd)ränften  Gorfefyungg= 
glaubeng  auf  ©ntfteljmng  unb  Fortgang  ber  Iuit)erif  d)en  Deformation.  Unb  fo  Wirb  benn 
bie  2öat)rt)eit  ber  „Iutr)er.  SMigion"  aug  allem  ÜJlöglid)en,  nur  nid)t  aug  ber  ©ad)e  felbft 
beWiefen.  —  Sei  feinen  fbäteren  bebeutenberen  firct)enf)iftorifcr)en  arbeiten,  befonberg  bei 
feinem  big  jum  9.  3at)rr)unbert  fortgeführten   „(Entwurf   einer  bollftänbigen  £>iftorie  ber 

10  ^e^ereien,  (Spaltungen  unb  Deligiongftreitigfeiten  big  auf  bie  gehen  ber  Deformation", 
11  Seile,  Seift.  1762—85  (Seil  11  nad)  2B.g  Sobe  bon  ©mittler  b>rauggeg.),  zeigt  ftdt) 
2B.  tief  burd)brungen  bon  ber  $flid)t  geWiffenfyafter,  alle  geugenaugfagen  unermübltd) 
unb  metb>bifd>  abfjörenber  ©rforfdjung  ber  2öat)rt)eit,  b.  t).  beg  Wirflid)  @efd)eb>nen,  unb 
man  fann  in  ber  Sr)at  „bie  ©enauigfeit  in   ber  2lnfüt)rung  ber  Quellen   unb  @rläute= 

15  runggfd)riften  unb  ber  (Erörterung  ber  fleinften  Umftänbe  nidjt  I)öj) er  treiben,  alg  er  es 
getfyan"  (©d)rödf>).  SDabei  warnt  er  aber  nid)t  nur  bor  Seid)tgläubigfett  unb  franft)after 
3toeifelfud)t,  fonbern  aud;  bor  ber  2Iugfd)Weifung  beg  gelehrten  2Bi$eg,  „ber  ftd)  burd) 
übertriebene  Gegterbe,  auf  alle«,  wag  man  fragen  lann,  p  antworten,  alte  Süden  augp 
füllen  unb  alle  ©unlelfyeiten  aufklären,  nur  gar  ju  leicht  berleiten  läfjt,  feine  (Einfälle 

20  unter  erWiefene  2SaI)rr)eiten  oft  unbermerft  zu  mifdjen  unb  anftatt  beg  2Sat)ren  nur  9Jtög= 
Iid)eg  ju  erjagen"  (Ärtttfc^e  Dact)ricr)t  bon  ben  Duellen  ber  $ird) ent)iftorie  1770,  ©.4ff.). 
„Glojj  (Erfahrung,  langwierige  (Erfahrung  lehret  uns  I)ier  S)emut,  unb  ber  einige,  rec^t 
pI)ilofobt)ifd)e  ©ebanle,  bie  §iftorie  i)abt  in  U)rem  Umfang  nt d$t  eine  notWenbige 
2BaI;rr)eit,  fonbern  nur  zufällige   Geränberungen   zufälliger  ®in  ge,   Wirb 

25  uns  babor  bewahren,  Gegebenheiten  burd)  ©d)Iüffe  ba  ju  erWeifen,  Wo  feine  r)iftorifd)en, 
b.  t>.  burd)  geugniffe  ettoiefenen  GeWeife  bort)anben  finb"  (ebb.).  SB.  berWafyrt  ftd)  gegen 
3Rifebeutung  biefer  d;arafterifttfd)en  ©ä$e  unb  Will  natürlich  aud)  für  ftd)  bag  Ded)t, 
Folgerungen  aug  bem  ©egebenen  ju  mad)en,  Wo  „br)r/ftfd)e  ober  moralifd)e  9loiWenbig= 
leiten"  borliegen,  in  2lnfbrud)  nehmen,   I)at  aud)   offenbar  ben   berechtigten  Sßiberfbrucl) 

30  gegen  eine  ganze  ©attung  bon  |>r/bort)efen  im  ©inne ;  aber  be^eid)nenb  ift  bod),  bafj  er 
bie  Gered)tigung  eineg  t)öl)eren  fombinatorifd)en  (Elementg  in  ber  §iftorie,  rufyenb  auf 
ibeetler  ®urcb^bringung  beg  ©egebenen,  gar  nid)t  ing  2luge  fafjt.  ®er  9JJangel  einer  bie 
tieferen  geiftigen  3ufammenl)änge  rebrobujierenben  organifd)en  Stuffaffung,  bie  fid)  bamit 
nict)t  begnügen  !ann,  bag  (Einzelne  nur  in  ber  gufäfligfeit  feineg  ©efcfyefyeng  brotoloßarifd) 

35  genau  aufzunehmen,  madjt  fi<|  embfinblid»  geltenb.  3n  e'ner  &ü>  ^>°  5Dtog^eim  fo  33e= 
beutenbeg  aud)  für  2)ogmengefd)id)te  geleiftet,  unb  Wo  ©emier  mit  5Rad)brud  auf  bie 
33eränberungen  in  Sef)rbegriff  unb  Seb^rart  b,inWteg,  fafet  jWar  aucb]  2B.  bie  Sebeutung 
ber  ©efcfyidjte  für  (Sntfteb^ung  unb  Slugbilbung  beg  Sel)rbegrip  ing  Sluge  („©ebanlen  bon 
ber  ©efd)idj)te  ber  ©laubengleb^re" ,-   1764),   aber  er  benlt  nur  baran,   ba^  biele  5ra9e= 

40  ftellungen  unb  Formulierungen  nic^t  ob]ne  gefd)id)tlid)e  ^enntnig  ber  ©treitigfeiten  ber= 
ftanben  Werben  fönnen.  Söie  Wenig  eine  organifcfye  Sluffaffung  ber  Seb^rentWidelung  aucr; 
nur  berfucb^t  Wirb,  §eigt  fd)on  ber  naibe  (gingang  ber  ^e|ergefd)icb>  (I,  ©.  3):  „2öenn 
biejenigen,  Weld)e  fid»  jur  Religion  $efu  ßb,rifti  be!annt  b^aben,  nie  bon  ifyren  beiben 
|>aubtteilen,   ber  3öal)rf)eit  unb   Siebe,    abgewichen  Wären,    fo   Würben  Wir  ber  SRüfye 

45  überhoben  fein  fönnen,  ben  größten  Seil  ber  S3üd;er,  Welche  bie  ©efcfyicfyte  ber  c§riftlid)en 
Religion  bortragen,  mit  ©rjäfylungen  bon  Äe^ereien,  ©baltungen  unb  ©treitigfeiten  an= 
Zufüßen.  2tHein  ba  eg  ber  ewigen  2öeigl)eit  unferg  breigWürbigen  ©rlöferg  gefallen,  Wie 
bie  Verfolgungen  unb  llnterbrüdungen  feiner  Sefenner  bon  au^en,  alfo  eine  SDtenge 
bon  3wietrad)t  unb  Uneinigfeit  bon  innen  jujulaffen,  fo  ift  nunmeb>o   bie  ^enntnig  ber 

so  baburdj  entftanbenen  Gegebenheiten  ein  unentbehrlicher  Seil  ber  ^ird)engefd»id)te."  ^War 
Will  er  nun  bragmatifd>  Urfad;en  unb  Duellen  ber  Gegebenheiten  aufbeden  unb  über 
ledere  begrünbete  Urteile  abgeben,  ätber  Urfad;en  unb  Duellen  fudjt  er  teilg  in  ben  ^er= 
fönen  felbft,  i^ren  gäf)igfeiten,  Vorurteilen,  ©emütgrid)tung,  teilg  in  ben  äußeren  ju= 
fammenwirfenben  Umftänben.    Unb  bie  Beurteilung  geb,t  fadjlid^  auf  bie  Frage,  Weldjer 

55  Seil  bie  äöafyrfyeit  bertrete,  Wobei  gelegentlid;  beibe  Seile  Unrecf/t  befommen  fönnen;  be= 
treffg  ber  ftreitenben  ^erfonen  aber  auf  tt>r  moralifdieg  Verhalten.  ®ie  ©elegenf>eit  ju 
einer  folgen  moralifdien  Stburteilung  läfit  er  fid;  feiten  entgegen  mit  Du^anWenbung  auf 
bie  ©egenWart,  um  flugeg  Verhalten  bei  entftefyenben  Uneinigfeiten  ju  lernen  unb  fid; 
ebenfo  bor  ben  2tugfcb>eifungen  ber  3SerfoIgunggfud)t  Wie  bor  Qnbifferentigmug  gu  I>üten. 
60  Gei  biefen  Mängeln  bleibt  il)m  bod)  bag  Gerbienft,  Weld;eg  feine  Ke|ergefd;idjte  nod)  bleute 


SBald>  äöaliieif^tjrmont  797 

gu  einem  unentbehrlichen  Hilfsmittel  macr)t,  ba§  Serbienft  einer  mit  „mebj  aU  tixfytn- 
fyiftorifcfyer  ©ebulb"  (©pittler)  unb  mit  gemiffenl)after  streue  ofme  Srmattung  burct/= 
geführten  mett/obifcfyen  ©rfcfyöbfung  ber  Quellen  unb  Hilfsmittel,  wenn  aucr)  bie  3erftücfe= 
lung  beS  ©top  unb  bie  bamtt  berbunbene  2öeitläuffgrett  bie  Senkung  fybcfyft  ermübenb 
macfyt.  SDieö  ©treben  nach,  metr/obifcf/er  ^Durcharbeitung  unb  ümfbannung  eines  befttmmt  5 
abgegrenzten  ©ebietS,  WeIa)eS  ilm  3.  33.  ©emier  gegenüber  auszeichnet,  mact)t  aud)  feinen 
„(Entwurf  einer  boüftänbigen  §ifiorte  ber  römifcfyen  $äbfte"  1756,  21758,  unb  nocb,  mef)r 
feinen  „(jntWurf  einer  bofiftänbigen  §iftorte  ber  ^ircfyenberfammlungen",  1759,  Wertboll. 
2lucb,  fonft  gef>t  er  auf  möglicfyft  boUftänbige  ©ammlung  gleichartigen  ©toffeS  aus,  fo  in 
ber  Bibliotheca  symbolica  vetus,  1770.  ©in  är/nlicfyer  ©eftcf/tSbunft  liegt  aucb,  ber  10 
bon  if>m  unter  SJittmirfung  Slnberer  herausgegebenen  „9?eueften  SfteügionS^efcr/icfyte",  9  Xle, 
1771—83  ju  ©runbe.  älucb,  eine  feiner  legten  ©Triften,  bie  mit  bolemifcfyer  ^ücfficr/t 
auf  ©emier  unb  befonberS  auf  Seffing  (©treit  über  ©cfyrtft  unb  SErabttion)  abgefaßte 
„üritifcfye  ünterfudjmng  bom  ©ebraucb,  ber  b,I.  ©cfyrift  in  ben  4  erften  ^afyrljwnberten" 
1774,  ift  alö  SRaterialienfammlung  nocb,  brauchbar,  obgleich  fie  alles  anbere  efyer  als  16 
„rritifcr;"  ift  unb  feine  böHige Unfähigkeit  geigt,  ben Äern  beS  ©tretteS  aucf)  nur  ju  faffen. 

23on  ben  übrigen  ©cfyriften  2Ö.S  feien  nocb,  genannt:  Antiquitates  pallii  philo- 
sophici  veterum  christianorum,  1746.  Historia  Canonisationis  Caroli  Magni, 
1750.  2Bab,rb,aftige  ©efcfejcbte  ber  fei.  grau  ®atb,arina  b.  23ora  .  wiber  @ufebii 
(SngelfyarbS  9Jcorgenftem  ju  SBittenberg,  §alle  1751,  21752— 54.  ©eutfa)e  9reicI)Sl)iftorie,  20 
1753.  Historia  Adoptianorum,  1755  (fyemacb,  überarbeitet  in  33b  IX  ber  $etjer= 
gefdncfyte).  Historia  Protopaschitarum,  1760.  Disputatio  adv.  Tindalium,  justis 
Jesum  auxilio  venisse  temere  negantem,  1771.     De  symboli  Athanasiani 

particulis,  quibus  necessitas  fidei  cath.  commendatur,  1774.    WevöonaQaxlrjzojv 
historia,  1781.  —  Scicfyt  gu  bergeffen  feine  Wichtige  ©ammlung  ber  Monumenta  me-  25 
dii  aevi,  ex  bibliotheca  regia  Hannoverana  in  2  voll.  (6  gaSjifeln)  1757 — 1564; 
aber  aua)  eine  ^üologifcfye  33ibIiot§e!  Wirb  1770 ff.  bon  bem  bielfeitigen  ©elebrten  b,erauS= 
gegeben. 

£)er  SRacfyruf  ber  ©öttmger  tbeol.  galultät  rühmte  feine  Sfyarafterfefttgfeit,  fein  gutes 
§erj,   feine  ruhige  ©emütSart,  Offenheit,  SDtenftfertigfeit  unb  ©efäHigfeit,   feine   „ganj  30 
unbergleidjilicfye  ©ottergebenr)ett  unb  SDuIbfamfeit"  (233.  Wlöüet  t)  ®-  Sawcrau. 

3Salbetf=^tttrmont,  !trct}Itcr;  =  ftattftifcf;.  —  prftlicf)  walbecfifct)e§ «Regierungsblatt ; 
©efe|:  u.  33erorbnung§=©ammIung  für  bie  etiang.  Ätrdje  ber  gürftentünter  Sßalbect  unb  $ör= 
mont  (feit  1896);  8.  ßiirtse,  Sie  fivc£)Iicf|e  ©efe^gebung  beä  gürftentuntS  SBatbecf,  2lrolfen 
1851;  berf.,  ©efcbicfjte  b.  enang.  ÄHrcbenuerfaffung  in  bem  ^ürftentume  Sßatbecf,  Streifen  1850;  35 
©.  Srtebberg,  Sie  geltenben  SSerfaffuncjSgefe^e  ber  euang.  beutfcfjen  £anbe§tird)en,  gfreib.  i.  S. 
1885,  S.  828 ff.  u.  Supplemente;  3.  gretenfen,  Staat  unb  fatt)oIifcf)e  Sirene  in  ben  beutfc&en 
93unbe§ftaaten,  Stuttgart  1901  (in  ©tu£,  Sirctjenrecfititifie  Stbbanblungen,  §eft  25/26); 
SS.  <5d)u(i3e,    ^SaIbecItfcE)e  [fteformatton§gefc£)itf)te,  Seipjig  1902. 

25te  gürftentümer  Söalbecf  unb  $r/rmont  §ät)Iten  im  ^cfyxt  1905  in  einem  ©ebiete  40 
bon  1120,96  Quabratfüometer  59127  @inmob,ner  (1900:  57  918),  barunter  56  341 
(55285)  @bangelifcbe,  1890  (1831)  Üatl;oliIen,  629  (637)  ^uben,  259  (164)  „anbere 
Triften",  8  (1)  „©onftige  unb  unbefannt"  S)ie  ^a^I  ber  Mifcfyer/en  belief  fia)  @nbe 
1906  auf  120  (1905:  122).  %n  biefen  War  in  61  (51)  fallen  bie  ^inbererjiebung 
ebangelifa),  in  35  (45)  fat^olifcl),  in  5  (3)  gemifct)t,  in  einem  gaUe  unbeftimmt.  2tuS=  45 
tritte  jum  $atfyo!ici§mu§  fanben  nicr)t  ftatt,  Wol)t  aber  3  ju  nia)t  lanbeöürd^Iic^en  ©e= 
meinfc|aften,  anbererfeitö  1  Übertritt  bon  ber  !atb,olifcb,en  jur  ebangelifcb,en  $ircr)e.  ®er 
lat^olifd^e  93eftanb  be§  2anbe§  ift  l)auptfäc^ricr)  baä  @rgebni§  einer  gewalttätigen  ©egen= 
reformation  bon  Mn  au§  unb  fbäterer  (ginwanberung  au§  bem  benachbarten  SBeftfalen, 
bie,  Wie  e§  fc^eint,  gu  ^robaganbajWetfen  abfic^tlicb,  geförbert  Wirb.  50 

2)ie  altlutbertfcfye  ©ebaration,  bie  je^t  520  ©eelen  umfafjt,  fe|te  1864  ein  unb  er= 
langte  1866  ftaatlic&e  SlnerJennung.  ©ie  ©emeinben  Werben  in  ^tirmont  unb  in  Söalbedf 
bureb,  je  einen  ©eiftlia)en  bebient;  baö  tfyatfäcf)Iui/e  33erb,ältnig  jur  £anbeäfircb,e  ift  ein 
freunblict)e<§.  Übereifer  auf  ber  einen  ©eite  unb  SureaufratiSmuS  ber  Jt'ircbcnbefyörben 
auf  ber  anbern  ©eite,  Welche  bamalS  bie  Trennung  berurfacb,  ten,  gehören  beibe  ber  v^er=  56 
gangenbeit  an. 

©ie  ©efamterf Meinung  be§  ürc^licb.en  unb  religiöfen  Sebenö  ift  eine  erfreuliche.  9cacb. 
bem  amtlichen  33ericbt  ift  im  %afyvt  1906  Weber  eine  Sauf*  noef)  eine  SrauberWeigerung 
borgelommen.    ®ie  3af?I   ber  Jbmmunifanten   belief    fidt)   auf   40984   (190«  > ;  42 122), 


798  aßalbecf^rmottt 

barunter  18653  männliche  unb  22  331  toetbltdje  ^erfonen.  Qn  biefer  £inficr;t  ftefyt  alfo 
2öalbed  unter  ben  beutfd)en  Sanbe^ürc^en  mit  in  erfter  Sinie,  obmofyl  ein  9tüctgang  ftatt= 
gefunben  l>at.  ®er  5lircr;enbefucf;  rub,t  burcfygängig  nod)  auf  ben  feften  ©runblagen  ber 
Vergangenheit.  ®ie  djriftltd)e  SiebeStfyätigteit  betoegt  fiel)   feit  Qafyren   in   rafc^er  ©teigc= 

srung;  ber  @rtrag  ber  Äotteften  toucf)3  in  ben  S^ren  1900—1906  bon  15  884  SRI.  auf 
21059  2Ri,  toobon  ber  £aubtanteil  ber  §etbenmiffion  jufäHt  (1463  3JH.).  tinter  ben 
2lnftalten  ber  Siebelt^ätigfett  fielen  boran  ba3  ©obfyienfyeim  in  Reifen  unb  ba§  mit  einem 
großen  ^ranfenfyaufe  berbunbene  £)iafoniffenf)au<§  in  Streifen,  beibe3  Stiftungen  ber  im 
g.  1888  beworbenen  gürfttn  Helene.    £e§tere3  jctylt  je|t  (1906)   42  eingefegnete  unb 

10  32  ^ßrobefd^tüeftem.  (Srftrebt  wirb  bie  ©rünbung  eines  §aufe<§  für  berfrütobelte  unb 
ebilebtifcfye  ßinber.  ©er  Verein  bom  blauen  ßreu^  b,at  an  begebenen  Drten  gufj  ge= 
fafjt,  bie  cf/riftlidje  Mbortage  orgamfiert  jtdj  weiter.  Vefonberer  Beliebtheit  erfreut  ficb, 
ber  ©ufiab  2IboIfberein  neben  bem  neuerbingS  audj»  ber  ebangelifdje  Vunb  Beachtung  ge= 
funben  b,at. 

15  SDer  (Sinfhtjj  ber  ®ir$e  auf  ba§  ©clmltoefen  ift  nocb,  ein  großer.  3)em  9toigion3= 
Unterricht  liegt  ber  Äatecf;i3mu§  Sutfyerg  ju  ©runbe. 

2Ba§  ben  ÄonfeffionSftanb  anbetrifft,  fo  tritt  bie  toalbecfifdje  £anbe§fir$e  bon  born= 
herein  mit  Iutf)erifd)em  SEt/buS  auf  unb  fdmf  ftdj  in  biefem  ©inne  1556  iljre  ^irc^en= 
orbnung.    Sie  jtoeite  (1640)   unb  bie   britte  (1731)   rebibierte  SluSgabe    bezeugen    bie 

20  2öeiterentftncMung  im  ©inne  be§  ftrengen  2utf>ertum<§,  infofern  fie  bie  Verpflichtung  auf 
ben  ganzen  ^nfyalt  be<§  $onforbtenbudj§  forbern.  2BatbedE  b,atte  nur  eine  r/effifct;=refor= 
mierte  ©emeinbe,  aufterbem  eine  flehte  ©rubbe  jugetuanberter  reformierter  gamilien  in 
2lrolfen  unb  2Bilbungen,  bie  jebodb,  am  anfange  be§  19.  ^afyrfyunberts  nur  nod)  ein 
fonfefftonetfeS  ©djeinbafein  führten.    SDer  auify   in  ber  roalbecfifcfjen  $ircf)enbel)örbe  jum 

25  ©tege  gelangte  ^Rationalismus  erreichte  1788  bie  2lu3fd)altung  ber  Äonforbienformel  unb 
am  23.  ^uni  1821  bie  @infüf)rung  ber  Union,  obtoob,!,  Wie  bemerft,  bamalS  nur  eine 
fyalbreformterte  ©emeinbe  mit  einigen  §unbert  ©eelen  borfyanben  toar.  ®a§  in  fyödjft 
Miliaren  2lu3brücfen  abgefaßte  ©cfmftfiüd:  forbert  nur  „eine  SluSgletdjung  ber  rituellen 
formen",  mäfyrenb  naib  genug  ber  $onfeffion3unterfa)ieb  al§   ntd^t  mel)r  borfyanben  be= 

30  jeic^net  roirb.  ©agegen  Inübft  §  1  ber  ©tmobalorbnung  bom  $.  1873,  Wenn  aud)  in 
borficf/tiger  2Beife,  toieber  an  bie  reformatorifcf/en  Vefenntniffe  an  unter  au3brücfltcr/er 
Nennung  ber  2tug3burgifcf;en  ^onfeffion. 

®ie  fircfyltcfye  Verfaffung  mar  bon  Slnfang  an  auf  ben  lanbe§f)errücl)en  ©ummebi= 
ffobat  gefteßt.    SDie  Äonfiftorialorbnung  mürbe  in  Verbinbung  mit   bem  ©ummebif!obat 

35  ^aubtfäc^licb,  burcf)  eine  §öd)fte  Verorbnung  bom  2.  !0iärj  1853  begrünbet,  bie  in  ifjren 
©runbjügen  b,eute  nocb,  ju  9?ed)t  befielt.  ®a§  Sebeutfamfte  im  lanbe^fircl)Iicb/en  Ver= 
faffung§leben  ber  golgejeit  mar  bie  (Sinfüfyrung  ber  ©i^nobalorbnung  am  18.  gebruar 
1873,  bie  fiel;  in  ber  §aubtfac£)e  an  bie  entfbrecfjenben  formen  in  ben  beutfdjen  2anbeg= 
Eirenen  anlehnt.    5Rit  ben  injtüifd^en  borgenommenen  Slnberungen  mürbe  fie  am  19.©eb= 

40  tember  1901  neu  bubliäiert.  2tu3  ber  fbätern  lircljlic^en  ©efe^gebung  finb  fyerborjufyeben : 
^tre^engefe^  über  bie  Veranlagung  unb  ©rfycbung  ber  2anbeöfircb,enfteuer,  31.  SRär^  1898; 
Regelung  be§  SDienftein!ommen§  ber  ©eiftlicljen,  21.  ©ejember  1898;  ^enfionierung,  2lb= 
junltur,  Vüariat  19.  ©ejember  1900;  Ianbe§lircf)lid)e  ©emeinbeorbnung  25.  gebruar  1901; 
Beteiligung  ber  ©emeinben  bei  Vefc^ung  ber  ^]farrftellen  19.  ©ebtember  1901.  9Jtel)rere 

45  in  ber  Sanbeäfimobe  1906  borgelegte  ©ntmürfe  ju  !ltrcf;engefe£en  über  ©emeinbeorbnung, 
ürc^lic^e  ®i§jiblin,  3ugef)örigl'eit  jur  Sanbegürcb.e  u.  a.  finb  noef)  nicf)t  jum  Slbfc^Iufe 
gefommen. 

®a§  l^onfiftorium  teilt  fic^  in  ein  engere§  unb  meitere§ ;  jeneg  bilben  ein  ben  Vorfi^ 
füfyrenbeö  toeltlic^eg  TOitglieb  unb  jtoei  geiftlicfje  SiJütglieber ;  biefeg  befte^t  jur  3eit  auä 
50  berfelben  2ln§aI>I  bon  TOitgliebern  (ein  toeltlic^e§,  jtoei  geiftlicfye).  ®a§  ©efamtgebiet  ber 
Sanbeöürtt^e  ift  in  4  ©uberintenbenturen  ^erlegt.  —  £>te  Sanbe^nooe  fe^t  fiel)  au3  16 
3Jlitgliebern  jufammen,  bon  benen  14  bureb,  bie  ^rei§fbnoben  berufen  unb  2  burefy  ben 
prften  ernannt  toerben.  ©ie  tagt  alle  3  ^abje.  S)ie  5lrei§^noben,  beren  3JiitgIieber 
bie  ©eiftlicb^en  be§  betreffenben  äirc^enlreifeg  unb  eine  gleiche  Stngafyl  ber  burc^  bie 
55  Slircr/enborftänbe  geroäb^lten  Saien  finb,  treten  jctyrlicf;  ^ufammen. 

$Den  Mrcb^enborftanb   bilben   ber  ©eiftUcfye   al§  Vorfi^enber,   minbefteng   4  Weltliche 

3Jtitglieber,  ebentueü  ber  Patron.    3u  aßen  lirc^lic^en  ©efe^en  ift  ba3  ^lacet  be§  dürften 

erforberUd),  beffen  lanbeg^errlicb.e  ^ircb,enl)ob,eit  burc^  ben  2lcceffion3bertrag   mit  ^reu^en 

nicf)t  berührt  mirb.  ^m  @bangelifcf)en  Uircb,enaugfd)ufe  ift  Söalbecf  mit  3lnt}alt  unb  Sibbe= 

60  ©etmolb  grubbiert. 


2BaIbctf=^rmont  SBalbenfer  799 

SDie  fdjöne  inbaltnoüe  ©otteSbtenftorbnung  ber  roalbecfifcl)en  ^Reformationstage  ift 
im  Verlaufe  beS  19.  QafyrlmnberiS  burc^)  ben  bcrftänbni§lofen  Nationalismus  faft  gänglicr) 
ausgerottet  morben.  Dljme  fid)tlid)e  2ln!nüpfung  baran  mürbe  1888  eine  Siturgie  f>er= 
gefteßt,  bie  jebocf/  in  jebem  gaße  einen  gortfd)ritt  bebeutet  unb  ben  Äircfyenborftänben 
jur  ©infür/rung  empfor/Icn  mürbe,  bod)  feiger  mit  nur  teilmetfem  ©rfolg.  2118  älgenbe  6 
erfreut  ftd)  meiter  Verbreitung  baS  mürttembergifd)e  ®trd)enbud),  baneben  I)at  neuerbingS 
bie  preufjifcf/e  2lgenbe  (gingang  gefunben.  ©S  mirb  eine  mid)tige  2lufgabe  ber  .ßufunft 
fein,  biefer  9tegellofigfeit  ein  ©nbe  ju  machen  unb  aus  ben  reidjen  ©d)ä$en  ber  reforma* 
torifcfyen  Vergangenheit  eine  ber  firdjlidjen  ©igenart  ber  malbecfifcfyett  2anbeSfird)e  ent= 
fprecfyenbe  2lgenbe  ju  fd)affen.  ©in  neuer  exponierter  Äated)iSmuS  SutfyerS  mürbe  1899  10 
im  ftrd)Iid)en  unb  VolfSfcfyuIunterricfyt  eingeführt.  25aS  $al)r  1907  braute  ein  t>ortreff= 
Ud)eS  neue§  ©efangbud). 

®ie  fonfeffionelle  ©igenart  ber  malbecfifd)en  £anbeSftrd)e  ift  tl>atfäd)licf)  lutljerifcb, 
geblieben,  ba  bie  Union  com  %ai)xt  1821  toon  imaginären  VorauSfe^ungen  ausging  unb 
roefentlid)  ftd)  im  9tar)men  ber  %v)wm  gehalten  b,  at  unb  galten  fonnte,  ba  bon  ber  anberen  15 
©eite  2tnfprüd)e  fid)  nid)t  geltenb  machten,  ©inen  mirflicfyen  ©d)u|  ber  £eb,re  b,at  erft 
ein  1906  »or  ber  SanbeSfrjnobe  »err)anbelteS,  aber  nocb,  ntd)t  jum  2lbfd)luf$  gelangtes 
firct;Iid)eS  3)tSztpImargefe£  aufgenommen,  ©ine  neue  ^rüfungSorbnung  für  bie  $anbi= 
baten  ber  Geologie,  meld)e  aud)  bie  SRitwirtung  eines  SRitgliebeS  einer  beutfd)en  eoan= 
geltfcr^tfyeologifdjen  gatultät  t>orfteb,t,  trat  am  1.  ^uni  1899  in  föraft.  20 

Sie  Iatb,olifd)en  Veftanbteile  beS  urfprünglid)  rein  et>angelifd)en  SanbeS  rühren,  mie 
fd)on  bemerft,  aus  einer  partiellen  ©egenreformation  b,er,  meld)e  ber  ©rjbifdjof  fcon&öln 
in  ben  20er  3al^r«n  btS  17.  $afyrfmnberts  in  ben  meftlid)en  (Grenzgebieten  mit  bemaff= 
neter  §anb  burcfyfüljrte.  .ßujug  b)at  fie  fyemad)  berftärlt.  $u  ^er  älteften  Iatb,oItfd)en 
Vfarrei  in  ©ppe  famen  fyernad)  bie  Pfarrei  2lrolfen  unb  bie  SftiffionSftation  Vermont.  25 
SiS  1869  ftanben  bie  ^atb,oü!en  beS  SanbeS  unter  ber  2tufftd)t  beS  ^onfiftoriumS  unb 
mürben  ju  IanbeSftrd)ltd)en  2lbgaben  unb  Saften  herangezogen,  bie  erft  aEmäl)lid)  nad)= 
gelaffen  mürben,  ^n  jenem  2>ab,re  ging  biefe,  aud)  jei$t  nod)  gewichtige  2tufficr;t  an  ben 
SanbeSbireltor  über. 

NeuerbingS  breitet  ftd)  bie  ©emeinfd)aftSbemegung  aus  unb  bient  ntd)t  feiten  feftie=  30 
rerifd)en  Veftrebungen  als  ©ecfmantel.  mctov  ©$uUje. 

halben,  £f)oma§  Do«  f.  fetter,  %t).  33b  XIII  ©.  749. 

SSalbcttfcr.  —  £ur  ©efcfjicf)te  ber  gorfcöung.    ®er  erfte  Stutor,  ber  bie  @efcf)tc^te 
ber  SSatbenfer  jum  ©egenftanbe  gelehrter  gorfdiung  gemalt  Ijat,  ift  g-lactuS  gllt)ricu§  (Cata- 
logus  testium  veritatis  1556).    2)ie  erften  jufammenlnngenben  SorfteHungen  biefer  ©efct)ic£)te  35 
rühren  bagegen  Hon  neumalbettftfcfjen  ©eiftlid^en  be§   16.  unb  17.  galjrljunbertS  ^er:    1.  ©tro= 
latno  9)iioIo  (^aftor  §u  Stngrogna),  Historia  breve  e  vera  de   gl'affari  de  i  Valdesi  delle 
Valli,  «erfaßt  1587,    gebrucft    im  Bulletin   de  la  sociöte  d'Histoire  Vaudoise  17,  p.  26  ss. 
(fortan  Bulletin  cttiert)  tti§  ^ran^Bftfct)e  Ü6erfej3t  1603  uon  Somtnique  Stgnartf,   Sßaftor  non 
SSißarS ;    2.  ©ciptone  Sentolo,    Historia  delle  grandi  e  crudeli  persecutioni   fatte    ai  tempi  40 
nostri  in  Provenza,   Calabria  e  Piemonte,  ed.  Seofilo  ®at),   Jorre  1906:    Herfafet  1595,  gn= 
I)att§anga6e  xmb  3lu§funft  über  ben  9lutor,   ber  1559—1565  ^aftor  ju  Stngrogna  mar,  Bul- 
letin 14,  p.  45ss. ;  23,  p.  104ss.     ®tefe  betben  älteften  toalbenfifc^en  §iftorifer  ge^en  über  bie 
Urgefdjidjte   be§  SßatbenfertumS   rafcfj  tjiniueg.     @8   lag    aber   ben  frart^öfifctien  ^Reformierten 
baran,    gerabe    uon   biefer    tlrgefc£)tcfc)te   eine  genaue,    urfunblid)e    SarfteHung,    bie   für    bie  45 
3roecte  ber  tonfeffioneßen  §tpotogetit   unb  Sßolemtf  fict)  eignete,    ju  befi^en.    ®a^er  erließ  bie 
Snnobe  ber  reformierten  ©emetnben  be§  S)aupt)tn6   im  3uni  1602  an  bie  ^Saftoren  im  ßm= 
brunai§  unb  SSal  Eiufon  bie  Stufforberung:  de  ramasser  toutes  les  Instructions,   manuscrits, 
proces  et   autres    choses,    qui    pourront    servir  pour  l'histoire   de  Testat,  doctrine,    vie  et 
persecutions   des  Albigeois  et  Vaudois,    «gl.  Bulletin  20,  p.  117,    ugt.   p.  122.     ^araufljin  50 
fammelte  SSignauj   im  SSot  Suferua   nnb   ?lngrogna    eine   große  gafjt   9Kanuffrtpte,  bie   fein 
©of)n  Sean  im  Cttober  1603  ber  synode  nationale  p  @>ap  ü6erreid)te.     gür  bie  Bearbeitung 
biefeä  Wateriateg    fanb    aber    erft   bie    synode  du  Dauphine    im  Wäx^  1605    eine  geeignete 
$erfön(id)teit  in  bem  «ßaftor  Sean  «ßaul  Herrin   511  Wtjonä,  Bulletin  21,  p.  63,  71,  84.    3m 
9J?ai  1614  legte  ^errin  fein  SKanuffrtpt  ber   franäöfiftfjen  ^ationalftjnobe   ju  Sonneinö  üor.  55 
S)araufb;in  mürbe  baSfelbe  nod)  an  alle  einzelnen  ©nnoben  ber  franjöfifd)en  reformierten  tirdje 
unb  an  bie  Sirene  unb  UniUerfität  p  ©enf  pr  (£tn|icl)t  unb  Prüfung  gefdjicft,    Bulletin  23, 
p.  56s.,  66,  74.      ßrft    naef)    fo    grunbltdjer  SSorüerettung   warb    ba§  9Serf   in  jroei   Sänben 
Histoire  des  Albigeois   unb  Histoire  des  Vaudois   1018/9    in  ©enf   gebrucft.     G*    entiprtctjt 
gan^  bem  apologetifcf)=polemifcf)en  3wec!e,  ben  bie  franjöfifc^n-eformierte  J?trd)e  mit  [einer  §er=  6o 
auSgabe  uerfolgte:  e§  ift  ein  SSerjud),  bie  bereits  bei  Beja,   Wioio  unb  i'eutolo  fid)  finbenbe 


800  Sföalbenfer 

neuwalbenfifdje  Segenbe,  bafj  bk  „Walbenfifdje  Strctie"  ber  etjrttmrbige  lleberreft  einer  eoange= 
Iifdjen  ttrftrd)e  fei,  urfunbtid)  ju  beWeifen,  ^erring  S3eweife  begegneten  nirgenbS  Stoeifet. 
3)od)  fanb  fein  Sefireben  junädjft  feine  9?ad)folger:  «JSierre  ©tlteg,  SSalbenferpaftor  jit  £orre, 
begnügte  fid)  in  feiner  treffficfjen  Histoire  ecclösiastique  des  eglises  reformees  recueillies  en 
6  quelques  Valleys  de  Piemont  1644,  neue  Sluggabe  'ißignerol  1881,  2  33be  (audj  rjoHänbifd) 
1657)  bamit,  fdjltdjt  ju  erjagen,  wag  er  Don  feinen  SSorfafjren  über  bie  Vergangen  (jett  feiner 
©emeinfdjaft  gefjört  Ijatte,  unb  ^ameg  9tofj  fdjlofe  ftcf)  in  feiner  Pansebeia  Sonbon  1653  etnfad) 
Herrin  an.  ©rft  al§  bie  2Kafjacre§  Don  1655  bie  9luf  merffamfeit  ber  ganzen  proteftantifdjen  SSelt 
auf  bie  SSalbenferttjäler  in  piemont  gelenft  fjatten  nnb  in  (Snglanb,  ^oüanb,  in  berSdjweis  eine 

10  glugfdjrift,  ein  SSucf)  nad)  bem  anberen  über  bie  ©efd)id)te  unb  bie  Seiben  ber  Sßalbenfer  erfdjien, 
unternahm  e§  ber  ehemalige  SSalbenferpaftor  Qean  Seger  in  feiner  Histoire  generale  des 
Eglises  övangöliques  des  Valleys  de  Piemont  ou  Vaudoises  2  voll.  Leyde  1669,  beutfctje 
ileberfejjung  Don  Sd)Weinit>,  S3reglau  1750,  Ferring  SBeroeife  nod)  ju  üerDotlftänbigen.  Söger 
behauptet  in  roefentlid)er  Ueberetnftimmung  mit  $errin:  bie  roalbenfifdien  ©emeinben  in  piemont 

15  finb  ber  lleberreft  ber  uralten,  einft  üon  ben  Ipoftetn  $aulu§  ober  ^atobug  Wmov  auf  ber  SReife 
nad)  (Spanten  geftifteten  Stirdje  ber  2(tpentl)äter  (S3aKenfeg),  bie  burd)  bie  galjrljunberte  alle 
eigentütnlicb,feiten  ber  eüangelifdjen  apoflolifcfjen  Urfirdje  rein  bewahrt  c)at.  23on  ben  3rr= 
tümern  ber  römifd)en  ftlrdje  warb  biefe  Äirdje  baburd)  gefdjiifct,  bafj  fie  fid)  pr  3eit  $apft 
Silüefterg  I.  Don  fftom  trennte.   2ln§  Sicfjt  trat  ber  bamit  gegebene  ©egenfajj  gegen  3vom  aber 

20  erftmalig,  als  ber  SBalbenfer  ElaubtuS  (Sräbtfd)of  üon  Surin  mar,  f.  b.  21.  Söb  IV  @.  136 ff. 
3)er  Snoner  Kaufmann  S3albeS  war  nid)t  ber  Stifter  jener  eüangelifdjen  Älrdje,  fonbern  einer 
itjrer  2Jciffionare.  2Iud)  bie  9teformatton  Ijat  ben  Sßalbenfern  fd)led)terbtngg  ntdjtS  Sfteueg 
gebracht,  fonbern  lebigfid)  iljrem  uralten  ©tauben  in  einem  großen  Seile  ©uropag  jum  ©lege 
üerfjolfen.    Siefe  SonftruEtion  ift,   rote  bewerft,  nidjt  erft  üon  Herrin  unb  Seger  ad  hoc  ge= 

25  fdjaffen  roorben.  (Sie  ift  nur  bie  weitere  Slugfütjrung  ber  fd)on  1580  üon  SSeja  in  feiner  Histoire 
ecclösiastique  des  eglises  reformees  au  royaume  de  France  1,  p.  39  üerfod)tenen  Stjefe,  bafj 
unter  ben  SSalbenfern  feit  bem  galjre  120  ber  reine  apoftolifcfje  ©taube  üom  SSater  auf  ben 
Solm  fid)  immer  rein  fortgepflanzt  Ijabe.  Siefe  SEljefe,  weldje  für  bie  Dieformterten  in  ber 
Volenti!  gegen  bk  Satrjoliten   üon  großem  SSerte  war,    tjat  eine    lange  unb  üerwidelte  SSor= 

30  gefcfjidjte.  (Sie  fnüpft  an  an  bie  UrfprungSlegenbe  ber  italienifdjen  SBaibenfer  be§  15.  3a(jr= 
ijunbertS,  bie  it)rerfeitS  wieber  prüdgeljt  auf  bie  alte,  fdjon  in  ber  erften§äifte  beS  13.  ^aijx= 
ljunbertg  üon  ben  SBalbenfent  übernommene,  fattjartfctje  Sefyre  üon  bem  Verfall  ber  römifdjen 
tirdie  feit  ber  Sdjenfung  taifer  Slonftantin§,  ügl.  ^affauer  2(nont)mu§  c.  4,  p.  27  F.  ©d)on 
bie  XBatbenfer  be§  au8geb,enben  SKVl.S  behaupteten  banad),   ir)re  ®ird)e    fei    ein  lleberreft  ber 

35  apoftolifdjen  Ur!ird)e,  unb  fie  Ijabe  barum  ben  reinen  apoftolifdjen  ©lauben  bewatirt,  weil  fie 
jur  $dt  be§  antidjriftlidjen  $apfte§  ©ilüefter  I.  üon  ber  römifd)en  Sirctje  fid)  foSgefagt  b,abe, 
ügl.  SIaubiu§  (Setiffef,  archep.  Taurin.,  Adversus  errores  Waldensium  c.  1,  üerfajjt  1517, 
gebrudt  1520.  S^eu  ift  bei  ^errin  unb  Söger  alfo  nur  ber  SSerfud],  ben  Sewei'o  für  jene 
Stjefe  S3ejag  burd)  gelehrte  Kombinationen  unb  urtunblidje  Belege  im  einjelnen'ju  erbringen. 

40  Sie  waren  be§  guten  ©laubenä  fotd)e  urfunblidje  Selege  in  reidjer  güde  in  ber  fog.  walben= 
fifdien  Sitteratur  ju  finben.  S)a  aber  biefe  Hoffnung  trog,  fo  wagte  ^errin  juerft  einzelne 
Stüde  biefer  Sitteratur  burd)  wiKtürüdje  Datierung  uitb  fecfe  Sej.tfälfd)uttgen  für  feine 
ßwecfe  tauglid)  ju  madjen.  So  üerfab,  er  bie  walbenfif'die  lleberfe^ung  eineö  SBud)e§  be§  Sufag 
üon  $rag  (geft.  1528)    über  ben  9Intid)rift   ob,ne  weiteres   mit   ber  Sabbat)!  1120  unb  ftettte 

45  au§  einem  ftarf  üerfälfd)ten  SSriefe  beä  Sorben  SKorel,  au§  «riefen  DefoiampabS  unb  SBucerS 
eine  angeblid)  uralte  rein  eüangetifdje  confession  de  foi  ber  SBalbenfer  jufamtnen.  Söger 
folgte  wenigften§  bei  ber  Datierung  ber  Belege  feinem  Seifpiele.  Er  fefcte  j.  S3.  jene  con- 
fession de  foi  furjer^anb  in  baz  Sa^r  1120,  bie  Srattate  del  purgatori  unb  del  invocaciou 
de  li  sant,    beibe§  Ueberfe^ungen   einiger  Stapitel    ber   confessio  Taboritarum  uon  1431  unb 

50  bie  interrogacions  menors,  eine  Ueberfe^ung  be§  St'ated)i3mu§  ber  böljmifdjen  93rüber,  in 
baS  Safir  1100,  ügl.  §erjog,  ®ie  romanifd)en  SSalbenfer  @.  405  ff.,  bie  Stüde  felbft  mit  ben 
fatfd)en  SDaten  bei  "äRonaftier,  Histoire  de  l'eglise  Vaudoise  2,  p.  246  ss.  Dbworjl  nun  fdjon 
SSoffuet  in  feiner  Histoire  des  Variations  des  öglises  protestantes,  <ßari§  1680,  1.  11,  t.  2, 
p.  119  ss.  in  t)öd)ft  etnbrudSüoKer  2Beife  bie  (SdjroSdjeu  biefer  S3ewei§füt)rung  aufbedte  unb  mit 

55  großer  ©eletjrfamfeit  nadjwieS,  bafj  „les  Vaudois  d'ä  present  ne  sont  pas  prödecesseurs, 
mats  sectateurs  des  Calvinistes",  p.  191,  obwohl  alle  namhaften  proteftantifdjen  Sird)en= 
fnftortfer,  5Dco§l)eim,  Hist.  eccl.  12.  saecl.  p.  2,  c.  3,  §  11;  9?eanber,  allgemeine  ©efd)id)te  ber 
d|rt)tltdjen  Religion  84,  S.  106 ff.;  ©iefeler,  Se£)rbud)  ber  Strd)engefd)id)te  2,  2,  §86  bie  Un= 
üeretnbarfett  ber  ganjen  Sonftruttion   mit   ber    edjten  Ueberlieferung  fiar  ernannten    unb  ber 

60  SSifdwf  eb.arüas  oon  5pineroio  in  einem  eigenen  SSudje  auf§  umftänbtid)fte  ifjre  Ungefcb,id)tiid}= 
!eit  barlegte,  Recherches  historiques  sur  la  veritable  origine  des  Vaudois,  5ßari§  1836  (aud) 
italtenifd)  Sorino  1838),  tonnte  man  bod)  be§  £ruge§  nid)t|)err  werben,  fo  lange  man  nid)t 
ba§  S3ewei§material  ^errin§  unb  Sögerg  einer  frittfd>en  llnterfudjung  unterzog.  SDajn  ent= 
fd)Ioffen  fid)  juerft  ^wei  englifd)e  ©eletjrte:  SJcaittanb,  Facts  and  documents  illustrative  of  the 

65  history  of  the  ancient  Waldenses,  Sonbon  1832,  unb  Sobb,  Discourses  on  the  prophecies 
relating  to  Antichrist,  ®ubltn  1840  unb  British  Magazine  1841.  SBeiter  führte  bann  bie 
llnterfudjung  3.  3.  §erjog  in  bem  ^aUtfctjen  Programm  De  Waldensium  origine  1848   unb 


SSaJbcnfcr  801 

in  einem  9fuffa£e  sur  l'origine  et  les  doctrines  primitives  des  Vaudois,    Revue  de  theo- 
logie  et  philosophie  chrötienne  1850.     91ber  ben  SobeSftofj  ertjiett  bie  ganje  93ewei§füf)rung 
$errin§  unb  SegerS  erft  burd)  91.  SS.  Siecffwff  in  bem  epodjemacfjenben  93ud)e :  Sie  SBalbenfer 
im  '»Dctttelalter,  ©öttingen  1851.      §ier  würben  nid)t  nur  bie  ^älfd)ungen  ^errine  f(ar  be= 
miefen,  fonbern  jugleicf)  jum  erften  'SRate  ber  53erfud)  gemacht,  au§  ben  unjweifelfjaft   ec£)ten   6 
Quellen,  inSbefonbere  ben  fattjolt^en  $o(emifem,   aber  aud)    fdjon   au§   btn  Urfunben  über 
bie  Pauperes  catholici  ein  jutreffenbeS  93ilb  üon  ben  Setjreru  ber  mittelalterlichen  SBalbenfer 
ju  entwerfen.    Sabet   üerfannte   a6er  aud)  Siecftjoff    nod)  ben   urfprünglidjen  E&arafter   ber 
Stiftung  be§  93albe§.    ©rft  Sari  TOitter   rote§   in    feiner  ©ctjrift:    Sie  SBalbenfer   unb   ifjre 
einzelnen  ©ruppen  bis   pm  9lnfang  be§  14.  ^atjrtjunbertä,   ©ott)a  1886,    überjeugenb    nacf),  io 
baß  SBalbeS   nidjt  eine    ©efte,    fonbern   eine    agfetijcfje   93rebigergeuoffenfd)aft   geitiftet   fjabe. 
Samit  war  adererft  bie  ©runblage   ju   einer   fjiftorifctjen  SBürbtgung  be§  SBalbenfertumS  ge= 
Wonnen,  aber  bocf)  nur  bie  ©runblage.    ÜRidjt  üöttig   geflärt  war  cor   allem   nod)   bie   5rQge 
nacf)  bem  Urfprunge  ber  fog.  walbenfifcfjen  Sitteratur.    ga,   biefe  einft  fo  mafsloS  überfctiäfete 
Sitteratur  war  trog  ber  93emüt)ungen  8-  3-  ■&eräog^  ®ie  romanifcfjen  SBalbenfer,  §aHe  1857  16 
unb  Ed.  Montet,   Histoire  litteraire  des  Vaudois  du  Piemont,  Göneve  1886,  ibren  relatiüen 
SBert  su  erroeifen,  fo  bötlig  in  äfttfjfrebit  geraten,    bafe  man  ifjre  SBertlofigfeit  gerabeju  fd)on 
öffentüd)  feftftetlen  p  bürfen  glaubte,   ügl.  Sari  SSJcüller,  5tfj88  1888>  ^r-  14-    ®a  oeröffent= 
licfjte  SBenbelin  Dörfler  @g9l  1888,  2,  ©.  753  eine  ©tubie,  in  ber  er  e§  fjödjft  watjrfdjeinlid) 
mad)te,  bafs  baS  berüfjmtefte  unb  nacf)  ber  Bulgaren  Meinung   am  ffrupellofeften  üerunecfjtete  20 
$robuft  biefer  Sitteratur,  bie  noblaleycon,  nod)  im  13.  Sarjrfjunberte  üerfafjt  fei.    Samit  ift, 
obwofjl  bie  üon  görfter  toerrjetfeene  „tritifdje  Unterfucfjung  ber  gangen  Sßalbenferlitteratur  unb 
enbgiltige  Söfung  ber  SBalbenferfrage"  nod)  auSfteben,  jene  $rage  bocf)  in  ein  neue§  ©tabium 
getreten.    ©§  ift  wenigftenS  foüiel  feftgefteHt,  baf3  bie  walbenfifdjen  £anbfd)riften  nid)t  fjiftorifd) 
wertlog  finb,  fonbern  einzelnes  au§  ihnen  jur  ßtjarafteriftif  be§  alten  SBalbenfertumS  benutzt  25 
werben  barf.  —   Sie  italienifdjen  Üteformierten,   bie  fict)  fjeute  nod)  als  SBalbenfer  begetcffnen, 
unb  tt)re  englifdjen   unb    franjöfifdjen  ^reunbe   tjaben    lange   gejögert,   biefe   ©rgebntffe   ber 
gorfcfjung  anjuerfennen.     ©rft  ©milio  Eomba    f)at    in    feiner  Storia  dei  Valdesi  avanti   la 
reforma,  Firenze  1880,    bamit  ben  9tnfang    gemadjt.    9lber  ganj  ift  ber   alte,   au§  Segenbe, 
§älfd)ung  unb  gelehrter  Kombination   merfwürbig  gemifdjte  2tbftammung§mötl)u§   nod)  fjeute  30 
nicfjt  überwunben. 

S3ibliograp  l)te :  9t.  SJtufton,  Bibliographie  historique  et  documentaire  de  l'Israel  des 
Alpes,  $ari§  1851  (fetjr  reicf)t)altig,  aöer  troßbem  unüoflftänbig);  933.  9c.  SuDfieu,  Essai bibliogra= 
phique  concemant  tout  ce  qui  a  paru  dans  les  Pays  —  Bas  au  sujet  des  Vaudois  et  en  leur  faveur 
im  Bulletin  de  la  commission  de  l'Histoire  desEglises  Wallonnes  t.  4,2  livre,  2a£>al)e  1889  35 
(123  Hummern) ;  Sobb,  The  books  of  the  Vaudois,  Sonbon  1885  (Ueberficfjt  über  bie  engüfctje 
Sitteratur);  SB.  SKeifle  in  Bulletin  16,  p.  48  ss.:  Ueberficfjt  über  SBalbenferfjanbfdiriften  unb 
Sßalbenferlitteratur  in  ber  fgl.  S3ibIiotf)ef  p  Jurin ;  ^ean  galla,  Biblioteca  Storica  Valdese 
1848—1898,  1.  Autori  Valdesi,  2.  Autori  non  Valdesi  in  Bulletin  15,  p.  160ss.  (bie  beutfdie 
Sitteratur  untioflftänbig);  bie  Societe  de  l'histoire  des  Vaudois  plant  fcfjon  feit  1884  bie  40 
Verausgabe  einer  tioßftänbigen  SStbliograpfjie.  S3ericf)te  über  neue  93ücf)er  unb  neu  entbecfte  |)ff. 
regelmäßig  in  if)ren  33uHetm§. 

Cluelien.  I.  sJOcittefalterlid)e  geit.  A.  Urfunben  walbenf  if  cfjer  ^»erlunft.  S9ibel= 
Überfettung  a)  in  franjöfifcfjer  unb  prooenjalifctjer  ©pradie,  f.  o.  33b  III  <B- 125  ff. ;   ugl.  außer 
ber  bort  angeführten  Sitteratur  ©.  SSoigt,   Sifctjof  33ertram  non  50ce£  in  Sabrbuct)  ber  @efefl=  45 
fdiaft  für  lot^ring.  ©efd).  5,  ©.51  ff.;  b)  in  walbeufifdjer  ©pracbe  f.  0.  93b  III  ©.139;   c)  in 
beutfcber  Sprache.    Safj  bie  Ueberfe^ung  be§  fogenannten  codex  Teplensis  nicfjt  walbenfifdjer 
lierlunft  ift,  ift  burd)  3ofte§  über  allen  Qmeifet'  erljoben  Worben,  ogl.  bie  Sitteratur  über  bie 
Sontroüerfe  oben  93b  III  ©.  64, 51  ff.    9ceuerbing§  bat  91.  (S.  ©d)önbad)  in  feinen  ©tubien  jur 
©efd)id)te  ber  altbeutfdjen  ^vebigt  ©SB91  pf)U.=f)ift.  klaffe  147  B  (1903),  ©.128  ff.  waf)rfd)ein=  50 
lid)  ju  mactjen  gefudjt,    baf5  ber  in  bem  Sobej  2684  saec.  14  ber  9Biener  £>ofbibliotb,ef  über= 
lieferte  ^falter  Eopie  einer  walbenfifdjen  Ueberfegunq   fei.    91ber   au§  ber  93eobad)tung,   bafs 
nad)  bem  ^affauer  91nontjmu§  bie  SBalbenfer  wie  ber  91utor  biefe§  ^falterS  in  $f  67,  31  ftatt 
Increpa  feras  arundinis  hirundinis  lafen,    folgt  nur,    bafj    beibe  Xeiie  benfelben    fdjfectjten 
SSulgatatert  benu^ten.     ©benfowenig  ift  bie  SBeglaffung  ber  SBorte  tradentur  in  manus  gladii  55 
in  $f  62,  11    fowofjl  im  (ateinifdjen  wie  im  beutfdjen  Xe^t  ein   fictjerer  93ewei§,    ba   bie   £f. 
aud)    fonft    oon  9fu§laffungen    wimmelt.    9Ba§    ber  Sobej   fonft   entljält,    bie  $t)mnen,   baS 
symbolum  Athanasianum,  fowie  bie  (Sinricljtung  be§  Sei'te§  für  ben  Sfoftergebraucfj  wiberfpridjt 
bireft    ber   9fnnafjme    waibenfifdjer    £>erfunft.     91nbere    Urfunben:    ßescriptum    heresi- 
archarum  Lombardie  ad  Leonistas  in  Alamannia,  üerfafjt  nacf)  S»cai  1218,  ed.  ^reger  WWH  eo 
britte  (fjtftorifdje)  Sfaffe  13,  ©.234 ff.;    Sbfiinger,    ^Beiträge   jur  ©eftengefdjidjte    be§  9Jcittei= 
alter§  2,  ©.  42  ff.,  Soüation  bei  Butler.  SBalbenfer  ©.  22  f.,    im  foigenben    citiert   nad)    ben 
93aragrap£jenjafjlen    bei  ?3reger.    93riefe    lombarbifdjer  SBalbenfer    unb    abtrünniger    beutfd)er 
93rüber  üon  ca.  1368:    1.  93rief    beö  Sombarben  Sobann   unb  ©enoffen    an    bie  93rüber  oon 
©t.  $eter  in  ber  9tu  in  Defterreicf),    ed.  Söttinger  2,  ©.  355  ff.,    in   itaüenifdjer  lleberfe^ung  65 
(Somba    in    Rivista  Cristiana  15,    p.  64—68,    120—125.      2.  SBofjl    biefelben    lombarbifdjen 
■üJceifter  an   bie  gleidjen  9fbreffaten,   überliefert    unter   bem    falfcben  Xitel  Regula  secte  Wal- 

!ReaI=(5ticöHo|)äbie  für  Ideologie  unb  Wit«e.    3.  «.  XX.  51 


802  Salbenfer 

densium  hereticorum  in  einem  1870  Oerbrannten  ©trafjburger  Sftanuffrtpt  Don  1404  ed. 
Gf).©d)mibt,  g^Zt)  22  (1852),  @.  239 ff.,  als  «ßelegftücl  in  einer  fatbotifcben  ^olemif  in  einer 
&ff.  oon  Slofierneuburg,  ed.  Söflinger  2,  @.  351  ff.  tiefer  SSrief  ift  roofjl  älter  al§  ber  oor= 
bergeljenbe.  3.  2lntroort  beS  abtrünnigen  SruberS  Sofjann  (oon  ^Srag?  »gl.  SDöHinger  2, 
5  ©.352;  Sodann  Sefer  ?  ebb.  @.  351),  ungebrudt,  nur  ein  ©tücf  bei  SUlülIer,  SBalbenfer  ©.103, 
31.  1;  4.  Surf)  be§  abtrünnigen  beutfrfjen  Sruber§  ©iegfrieb,  (Sitate  bei  SMller,  ©.  118, 
3t.  1,  126,  31.  3,  ogl.  Somba  a.  a.  O.  p.  125.  —  Septem  articuli  fidei,  juerft  erwähnt  1387, 
Snfjaft  unb  «Reihenfolge  narf)  bem  ©trafjburger  W{.  oon  1404,  n>albenfifd)e  Ueberfe^ung  narf) 
©enf  208  ed.  SRontet,  Hist.  litteraire  des  Vaudois  p.  198  s. ;    ogl.    aurf)  Bulletin  4,  p.  8  ss. 

10  Son  ben  in  ben  fog.  roatbenfifrfjen  §anbfd)riften  ju  Sambribge,  ©enf,  ®ubtin  erhaltenen 
©rfjriftftücfen  ftammen  fidjer  au§  öorreformatorifcl)er  Reit  bie  £et)rgebicf)te:  1.  Nobla  leycon 
ed.  Herrin,  Histoire  des  Vaudois;  ©.  "äJcorlanb,  History  of  the  Churches  of  Piemont 
p.  99— 118;  Seger,  Histoire  1,  p.  26ss.;  fjtatjnouarb,  Choix  des  Poesies  des  Troubadours 
1817,  t.  2,  p.  73—102;    'iüconafrier,  Hist.  2,  p.  246ss.;   ^er^og,    ®ie  rontani)'a)en  SBaibenfer 

15©.  445— 457;  gr.  Slpfelftebt  in  ^errtg§  2trd)io  62  (1879),  ©.274-288;  ISb.  hontet,  La 
noble  lecon,  texte  original  etc.,  «ßartä  1888,  ugl.  baju  SB.  görfter  in  ©g3t  1888,  2, 
©.  753  ff.  u.  ö.;  neue  2lu§gabe  für  bie  D?omanifrf)e  Sibliottief  angefünbigt  oon  ®.  görfter. 
2.  La  Barca;  3.  Lo  novel  Sermon;  4.  Lo  novel  Confort;  Lo  payre  eternal;  6.  Lo  des- 
preczi  del  Mont;  7.  L'avangeli  de  li  quatre  sementz,  fämtlirf)  jum  Seil  berauSgegeben  Oon 

20  fjtaünouarb  2,  p.  103—133,  oollfiänbig  mit  einem  8.  arg  forrumpierten  «ßoem  L'oraczon  nacf) 
Sublin  Trinity  21,  Tab.  5,  Class.  C  oon  ©iooanni  Salma  im  Bulletin  de  la  societe  de 
l'histoire  des  Vaudois  23  (1906),  p.  1—55,  neue  2lu§gabe  für  bie  romanifrfje  SibliotrjeE  an= 
gefünbigt  oon  28.  görfter.  Son  ben  profaifrfien  ©tücfen  ftammen  auS  oorreformatorifrfier  geit 
roofjl  nur  bie  unten  unter  IV,  2    angeführten   fämtlirf)    für   bie  ©efrf)trf)te  ber  ©enoffenfdmft 

25  fetjr  wenig '  btetenben  Ueberfetsungen  fatl).  SSerfe.  —  Srief  ber  S3ranbenburgifd)-^ommerfrf)en 
SSalbenfer  an  bie  SBörjmtfrtjen  Srüber  au§  bem  g-rül)jat)r  1480,  erhalten  nur  in  tfd)erf)ifd)er 
lteberfet;ung  in  ber  ungebrucften  Historia  fratrum  Slat)o§laü§,  beutfrf)  bei  ©oll,  Ouetten  unb 
Unterfurfjungen  jur  ©efrfjtdite  ber  bötmt.  Sriiber  1,  ©.  121,  9?r.  18  unb  SBattenbarf)  in  213321 
1886,  ©.  88  ff.  —  SSrief  be§  Sarben  SartfjoiomäuS  £ertianu§  Oon  TOeana,  detta  della  grossa 

30  mano,  an  bie  SBalbenfer  be§  SSal  $ragela§,  ed.  s3Jcor(anb,  History  p.  180 ss.:  narf)  Herrin 
oerfafjt  1375.  2lber  bei  s3)ciolo,  Historia  p.  109  figuriert  Xertian  in  ber  ßifie  ber  Sarben  fjtnter 
©iooanni  ©irarbo  bi  SJJeana,  il  quäle  andö  poi  a  Geneva  e  fu  stampatore,  unb  Oor  $tetro 
SKaffone  bi  Sorgogma,  ber  1530  al§  ©efanbter  ju  garel  ging.  l£r  gehörte  alfo  bem  erften 
drittel  be§  16.  gabjbunbertS  an,    ba%u   ftimmt   ber  Qntjalt  be§  Sriefs.     ®r  roeift  in  feinem 

35  $uge  über  1507  pvücf,  unb  über  1533  fjinauo.  —  3>a§  anonyme  ßibell  gegen  !ynnocenj  IV- 
ed.  SBincfelmann,  Acta  imperii  inedita  nr.  48,  2  p.  520,  ift  nirf)t  beutfrf)er  (£>aucf,  S'irdien= 
gefd)irf)te  S)eutfrf)lanb8  4,  ©.  822  f.),  fonbem  italienifrf)er  |)erfunft,  ogl.  bie  ^talianiämen 
rivalitas,  azio,  sinceritas,  mungere  z=.  melfen.  2>er  ©tit  toeift  auf  bie  Sanjlei  be§  $eter  be 
SineiS,  nirf)t  auf  SBalbenfev. 

40  B.  Quellen  f atfjotifrfjer  §er!unft.  1-  Walteri  Map,  Liber  de  nugis  curialium 
distinctio  I,  c.  37  ed.  5Brigt)t  (Camden  Society  1850),  p.  64ss.,  aurf)  MG  SS  27,  p  66ss., 
aufgezeichnet  roob,l  furj  narf)  1179.  Chronicon  universale  anonymi  Laudunensis,  oerfafd 
ca.  1220  oon  einem  «ßrömonftratenfer  ber  S)iöcefe  fiaon,  Sv^  26,  p.  247 — 449.  Stephanus 
de  Borbone,  Tractatus  de  Septem  donis  Spiritus  Sancti  c.  342  s.,    ed.  Lecoy  de  la  Marche, 

45  Anecdotes  historiques  tir6s  du  recueil  inödit  d'Etienne  de  Bourbon,  $ari8  1877,  p.  290 — 297, 
c.  349—353,  p.  307—314:  oerfafet  jloifcf)en  1249  unb  1261,  benü£t  in  ber  Vita  Alexandri  III., 
SJJuratori,  Rerum  Ital.  SS  3,  p.  447  ss.  ©ogenannter  $affauer3lnonümu3,  früher  ^5feubo=9teiner 
genannt,  gebrucft  j.  %.  bei  §laciu§,  Catalogus  testium  veritatis  ed.  Francofurt.  1666,  p.  641  ss. ; 
©retfcber,  Scriptores  contra  sectam  Waidensem  unb  Opp.  12,  2,  p.  24  ss.  b,iernarf)  im  folgen; 

50  ben  citieri),  BM  25,  p.  262  ss;  ein  ©tuet  einer  beutfrfjen  Üeberfepung  saec.  XIV-  ed.£).  §aupt, 
3^©  23,  ©.87  ff.:  oerfafjt  um  1266  loafirfrfjeinlid)  oon  einem  2)omtmfaner  ber  SDiocefe 
«ßaffau  (jur  Datierung  ügi.  ^reger  in  Wm\  13,  ©.  184  ff.,  234  ff.  unb  18,1,  ©.30;  berf., 
©efcl)id)te  ber  beutfrfjen  9Jct)ftit  1,  ©.  411ff.;  berf.,  Evangelium  aeternum  unb  3oarf)hn  üon 
glorig  ©.33  ff.).  —  Petrus  Engelhardi  de  Pilichdorf  (^rofeffor  %ü  SSien),  Tractatus  contra  hae- 

55  resin  Waldensium  ed.  ©retfrfjer,  Scriptores  contra  sectam  Waidensem  unb  Opp.  12,  2, 
p.  50ss.,  BM  25,  p.  277  ss.,  ügl.  «ßreger  in  3BR21 13,  1,  ©.  188f.;  ^»uef,  ®ogmenf|iftor.  S3ei= 
trag  ju  ©.  18  ff.,  üerfafst.  1395.  —  3lu&erbem:  Bernardus,  abbas  Fontis  Calidi  («ßrämon= 
ftratenferabtei  gonteaub  in  ber  ®iöcefe  sJJarbonne),  Tractatus  contra  Vallenses  et  Arianos 
ed.  ©retfdjer,    Trias  Scriptorum    adversus  Waldensium   sectam  unb  Opp.  62,  2,    p.  196  ss., 

60BM24,  p.  1585  ss.:  oerfafjt  ca.  1188  (bamatg  ber  2lutor  jule^t  ermäbnt,  fein  9?arf)folger 
begegnet  ?,uerft  1193,  ogl.  Gallia  christiana  6,  267,  SariaRütter,  JSalbenfer  ©.  141  f.) ;  Alanus  ab 
Insulis,  Summa  quadripartita  adversus  huius  temporis  haereticos  1.  2,  MSL  210,  p.  37 1  ss. : 
Oerfafst  Oor  1202,  f.  o6en  Sb  I  ©.  284;  Ebrardus  Bethuniensis,  Liber  Antihaeresis  c.  25  ed. 
©retfrfjer,  Trias  unb  Opp.  12,  2,  p.  177 ss.:  oerfafjt  ca.  1210,    ogl.  feud,  ®ogmenb,iftorifrf)er 

65  Seitrag  ©.22  f.  Sie  Sriefe  3nnocenä§  III.  über  bie  Pauperes  catholici  aug  ben  Rubren 
1208—1212  ed.  Salute  1.  11,  nr.  196—198;  1.  12,  nr.  17,  66—69;  1.  13,  nr.  63,  77,  94; 
1.  14,  nr.  92,  90—94,   96,  146;    ogl.    Burchardi   et  Cuonradi,    Chronicon    Urspergense    ad 


SBolbcnfcr  803 

1212/13  ed.  $erj3  in  SS  rerum  Germanicum  p.  99  s.  Ißeter  be  SSau^ßernat),  Historia 
Simonis  comitis  de  Monte-Forti  c.  2,  6;  ed.  $ud)e§ne,  Hist.  Franc.  SS  5,  p.  557,  5G1. 
Guilelmus  de  Podio  s.  Laurentii,  Super  historia  negotii  Francorum  adversus  Albigenses 
c.  8  s.,  ebb.  p.  672.  Caesarius  Heisterbac.  Dial.  1.5,  c.  20:  üevfafjt  1220/1.  Salvus  Burce, 
„nobilis  laicus,  tarnen  et  litterarum  inscius"  aitä  ^iacenja,  Liber  qui  dicitur  Supra  Stella!  6 
ed.  Söttintjer,  Seiträge  2,  ©.  62 ff. :  üerfafjt  1235;  Moneta  Cremonensis,  Adversus  Catharos 
etValdenses,  ed.  Ricchini  1753:  üerfafjt  ca.  1240,  rjgl.  Scüfler  ©.  145  ff.  Rainerus  Sacchoni, 
Summa  de  Catharis  et  Leonistis  ed.  Martene  et  Durand,  Thesaurus  novus  Anecd.  5, 
p.  1775ss.;  üerfafjt  um  1250.—  2.  $ur  ©efdjidjte  ber  frartjöf  if d)en  ©albenfer:  Concilium 
peritorum  Avinionensium  quo  declaratur  qui  dicuntur  credentes,  ©utad)ten  beä  3)ominifaner=  10 
prior«  Sodann  üon  Slütgnon  unb  ©enoffen  für  einen  ^rojefj  gegen  23albenfer  in  9lrle#,  ßff. 
SSotfenbüttet  349,  Cod.  Helmstad.  315f.  228,  ügl.  Wüüev,  ffiaibenfer  ©.72:  uerfa&t  1235. 
$rotofot(e  ber  gnquifttion  be§  *ßeter  Sefla  üon  1241/2,  j.  SC.  ebiert  Bon  2ea,  A  history  of 
the  inquisition  2,  p.  579 ss.  Consultatio  ad  inquisitores  be§  ©rjbifcfjofS  $eter  91rbelate  Don 
SEarragona  unb  feiner  ^rolnnäialftjnobe  üon  1242,  öoßftänbig  in  ber  Doctrina  de  modo  is 
procedendi  contra  haereticos  ber  Ignquifition  Don  ©nrcaffonne  «nb  S£ouloufe  üon  ca.  1280, 
ed.  9Jcartene=®uranb,  Thesaurus  5,  p.  179 ss.,  ügl.  «Füller,  SSalbenfer  ©.  72,  142 ff.;  3>ouat§, 
Les  her^tiques  du  comte"  de  Toulouse  im  Compte  rendu  du  congres  international  des  Catho- 
liques,  <ßari§  1891  (S5ertd)t  über  Msc.  209  ber  ©tabbtbltotfjef  üon  Stouloufe  mit  3?act)ricf)tert 
über  5638  Se|erüer£)öre  im  ^abre  1245/6).  Consultatio  be§  @rabifdjof§  <Jkter  9(meliu§  üon  20 
üßarbonne  unb  ber  ©rmobe  ber  $roüinjen  92arbonne,  Slij,  9lrfe§  ju  9tarbonne  1243  ober  1244, 
Mansi  23,  p.  365  ss.,  ügi.  Mütter  ©.  72.  —  Urfunbenformeln  ber  ^nquifition  ju  @ar= 
caffonne  (?)  au§  ber  geit  üor  1250,  $ff.  SBolfenbüttel  349  (Helmstad.  315),  f.  239  ss.,  ügl. 
9MUer  ebb.  Slften  ber  ^nquifition  ^u  ßarcaffonne,  ©nbe  bei  13.  unb  Slnfang  be§  14.  3afjr= 
bunbert§,  SluSjüge  bei  SDöHinger  2,  ©.lff.,  30  ff.  ®a§  ©tücf  ©.  1  ff.  auct)  bei  «Bcartene»  25 
®uranb,  Thesaurus  5,  p.  1754  ss.,  ügl.  sJ0cüHer  ©.  166  ff.  —  Articuli  in  quibus  errant  mo- 
derni  haeretici,  üerfafet  ca.  1300  in  Histoire  du  Languedoc  ed.  Su  Saurier  t.  3,  p.  986.  — 
9Iu§pge  au§  ben  $rotofoHen  ber  Ignquifition  im  ßangueboc  Anfang  be§  14.  Sabjbunberr»  ed. 
SDöHinger  2.  ©.  97  ff.  —  Formulare  au§  bem  9lrtf)iü  ber  Snquifition  ju  ßarcaffonne,  ebb. 
©.  286  ff.  Liber  sententiarum  inquisitionis  Tholosanae  ab  a.  1307  ed.  a.  1323  ed.  al§  9tnf)ang  30 
Simbord),  Historia  inquisitionis  Amstelodami  1692.  —  Bernardus  Guidonis,  Practica  inqui- 
sitionis ed.  Souciiä,  $cirt§  1886:  üerfafjt  ca.  1321,  ügl.  'ättüEer  @.  160  ff.  —  3.  gur 
©efcfjtcfite  ber  Iombarbifd)  =  beutfd)en  ©ruüüe:  ©alüu§  S3urce,  Söconeta,  deiner  ©acdjoni, 
$affauer  9lnonrjmu§  f.  o.  unter  1.  Frater  David  0.  M.  (uon  91ug§burg),  Tractatus  de 
inquisicione  haereticorum  ed.  9Jcartene=Suranb,  Thesaurus  5,  p.  1777  ss.  nad)  einem  fd)led)ten  35 
unb  unüoUftänbigen  Sejte,  beffer  $reger  in3MK9t  3.  St.  18,  3,  ©.  204  ff.;  ein  ©tücf  bei  2)öÜmger 
2,  ©.  515 ff.  ogl.  «SMUer  ©.  157 ff.:  uerfafjt  äroifcben  1256  u.  1272.  —  SSertfyoIb  üon Dtegenäburg, 
^rebigten  gegen  bie  Äejjer  9tu§äüge  bei  91.  S.  ©djönbadi,  ©tubien  jur  ©efd)id)te  ber  altbeutfdjen 
Sßrebtgt,  2Siener@ij3ung§beridjte,  SSb  147,  9Jr.  5.  Inquisitio  haereticorum  facta  Chremse  (®rem§ 
in  Oberöfterreict))  per  dominum  Ortolfum  Müringarium  decanum  loci  eiusdem,  ed.  {Jrieß,  40 
Defterreid)ifd)e  SSierteijcujr§fd)rift  für  tatf).  Sbeologie  11,  ©.254  ff.,  üerfafjt  1315.  ©ötraei^er 
Fragment  üon  1340  ed.  Mencik,  Vyslech  Valdenskych  ca.  1340  in  ©fe.  ber  fgl.  33öbm. 
©efeHfd)Qft  ber  28iffenfd)aftert,  WM-  klaffe  1891,  ©.  280  ff.,  ügl.  §auüt  in  3S©  14,  ©.lff. 
ebb.  ©.  15 ff.  einige  auf  bie  gleicben  ^rojeffe  bejüglidje  Urfunben.  —  Hermannusde  Schilditz, 
O.  fr.  Aug.,  Tractatus  contra  hereticos  Leonistas  sive  Pauperes  de  Lugduno,  ungebrudEt,  45 
»gl.  £.  ^aupt,  9ietigiöfe  ©eEten  in  granfen  ©.  21:  oerfafet  1342— 1345.  3ot>anne§  Sefer 
(ehemaliger  SBalbenfer),  ©d)rtft  gegen  bie  SSalbenfer,  §f.  in  flofterneuburg,  3lu§jug  bei 
SDöHinger  2,  ©.351  ff.,  üerfaJ3t  ca!"1368.  —  Slften  unb  Stufjeidmungen  au§  ber  ^nquifitton  beä 
^etru§  gtoicfer  O.  Coel.  unbäicartin  üonSlmberg  üon  ca.  1380  bis  ca.  1403:  über  $rojeffe  in 
SSranbenburg  unb  «ßommern  1393/4  Sßolfenbüttel  cod.  nr.  438,  ügl.  SB.  SSattenbadi,  ^e^er=  so 
gericfjte  in  $ommern  unb  ber  Sölarl  SSranbeuburg  ©33Ä  1886,  ©.47 ff.;  berf.,  lieber  bie 
gnquifition  gegen  bie  SSalbenfer  in  Sommern  unb  ber  äftarf  Sranbenburg  91S91 1886,  9fr.  3; 
über  ^ro^effe  in  Oefterreid),  ©teiermar!,  Ungarn:  1.  9cotat  über  bie  Stfteifter  ber  ©efte  im 
3abre  1391/2  ed.  Briefe  in  Defterr.  SStertelja^räfdjrtft  11,  ©.257 ff.;   SDöüinger  2,   ©.  367 ff. 

2.  S3erid)t  be8  Snquifitor§  $etru§  an  bie  |)eräöge  SMIjelm  unb  9llbred)t  üon  öefterreid)  1395  65 
ed.  Briefe,    ebb.  11,  @.  262  ff.;    «ßreger  «3R91  (3.  fif.)  13,   ©.  246  ff.;    ©ÖHinger  2,  ©.305  ff. 

3.  SSrief  ber  ^erjöge  ?tibred)t  unb  SBilbrim  1397  ed.  grtefj  a.  a.  D.  11,  ©.271  f.  4.  «ßrojeffe 
gegen  s38albenfer  in  Oefterreid)  1398  ed.  ®öllinger  2,  @.  346  ff. ;  §.  $aupt,  SBatbenfertum  unb 
Snquifttion  ©.  117  ff.  5.  Urteil  gegen  ungarifdje  SBaibenfer  1401  ebb.  @.  114  ff.  6.  Refu- 
tatio  unb  Index  errorum  ed.  ©retfcrjev,  Scriptores  unb  Opp.  12,  2,  p.  87  ss.;  BM  25,60 
p.  302 ss.;  in  boppelter  Raffung  SDöüinger  2,  ©.  331  ff.  7.  Puncta  sectae  Waldensium  ed. 
®öQinger  in  jroei  Raffungen  2,  @.  304  f.  unb  ©.  344 f.  8.  De  examinatione  haereticorum 
unb  anbere  Formulare  ed.  Briefe  a.a.O.  17,  ©.  252  f.,  266— 277;  baä  erfte  ©tuet  aud) 
3)öllinger  2,  @.  301  ff.  9.  S3er,5eid}ni§  uon  20  burd)  bie  beiben  ^nquifitoren  befehden 
Weiftern,  SDöHinger  2,  ©.  330f.  10.  Puncta  quaedam  haereticis  proponenda  ebb.  ©.  677 ff.  6:, 
11.  Hec  sunt  manifesta  per  conversos  de  seeta  Waldensium  Bull.  4,  p.  8ss.  (f.  oben 
©.802,7).   —    9(u§    berfelben  33erfolgung*äeit:    Articuli  heresium    in  Maguntia   1390  ed. 


804  SSoIbenfcr 

®öumger  2,  6.  620 f.      3trtifel   ber  3tug§burger  £ärettfer  1393,    ebb.  ©.  363  f..    auct)  Defeie, 

Rerum  Boicarum  SS  1,  p.  620.     Articuli  Petri  de  Kirn  et  Conradi  Falken  1393  ed.  §aupt, 

2)er  roalbenftfc^e  llrfprung  beä  Äobej  £epl  6.  36.     Strittet    ber  ungelaubigen  laut,    auS    ber 

®iöcefe  (SicEjftätt  ed.  SBattenbacf)  63331  1887,  6- 519  ff.;   ®öuinger  2  6.  613 ff.     Factum  hae- 

6  reticorum,    Sitten  über  bog  23erf)ör  ber  „SBinfeler"  ju  6trafiburg  1400,  Sluäjüge  £>ei  3ftöt(rtc£|, 

mt.    au§    ber  eoangetifcben  Sirctje    be3  glfaffeg    1855,    1,    6.  38  ff.,    t»gl.  9ftüller,   SBalbenfer 

6.165  ff.     Regulae  Waldensium  ed.  Krone,  gra  SBoIcino  6.201.    —    Sitten   be§    «JärogeffeS 

gegen    bie    SBalbenfer   ju    gretburg   int  Uedjtlanb  1430,    Sludge   bei  Dctjfenbein,    Slu§  bem 

fdjtoetäertfdjen  SSolfSleben    be§    15.  gat)rt)unbert§  1881.    —    ^rojeffe    gegen    branbenburgifdje 

10  SBalbenfer  1458,   »gl.  SBattenbacf)   63331    1886,  6.  53 ff.;    31333t  1886,    9cr.  3,  6.71—87.  — 

9?ad)ricf)ten  über  bie  märfifctje  SSerfoIgung  oon  1479/80  tht>.  6.87—94. —  Italien,  Saupbine, 

^roüence:    Tractatus  de  pauperibus  de  Lugduno,    6titcf  eine§  3nquifition§protofotl§  au§ 

einem  ©cunmelroerfe  über  bie  Steuer  oon  1341,  ed.  ®öflinger  2,  92  ff.,  ugl.  $reger  in  SlMSt 

3.  St.  19,  6.  641  ff.:    oerfafjt    tooU   balb    nacfj   1231  (Stugbrucf)    ber   großen  SSerfoIgung   in 

15  2)eutfcf)tanb  unb  Stauen)   in  ber  Sombarbei.  —    9cotat  über  SSerfoIgungen  in  piemont  1297 

bei  Krone,  gra  ®olcino  6.  22.  —    Raynaldi  Annales  ad    1332  nr.  31;    1335  nr.  63;    1344 

nr.  9;    1352  nr.  20 ;    1372  nr.  34;    1375  nr.  26  (päpfttiiiie   33riefe  k.    über  SSerfoIgungen  im 

Saupfjine);    anbere   Stftenftücfe    bei   9ftufton,   l'Israel    des    Alpes  3,  p.  341s. ;    1,  p.  53  ss. ; 

3fornier,    Hist.    g6n.    des    Alpes    maritimes   2,   p.  211  ss.    —    Ordre   donne    par   Jacques 

20  d'Achaie  d'arreter  plusieurs  heretiques  du  Val  Luserne  oon  1354  ed.  Sriuoire  im  Bulletin 

7,  p.  38  ss.  —    Comptes    financiers    presentes   en  1366    par  Francois  Chay,    chätelain  de 

Valcluson  etc.  ogl.  Stjorier,  Histoire  generale  de  Dauphine  2,  p.  391 ;  Sombarb,  Pierre  Valdo 

p.  23  ss.   —    6entenj    be§    ^nquifttorS  SSoreüi    gegen   £>äretifer  Oon  33atpute  2C.  1380,    ed. 

3-    Sbeoalier,    Memoire    pour    servir    ä   l'histoire    des    comtes    de    Valentinois   etc.    im 

25  Bulletin  de   la  Societe   dep.    d'arch.    et    de  statistique    de  la  Dröme  1895,  p.  129  ss.  — 

Processus  contra  Valdenses    in   Lombardia   superiori    anno   1387    ed.   9lmati  im   Archivio 

Storico  Italiano  serie  terza  t.  1,  2,  p.  16 — 52;  t.  2,  1,  p.  1 — 61;  jutn  Seil  aud)  bei®öttinger 

2,  6.  251  ff.  —  33rief  be§  1)1.  33incenj  gerrier  an   ben  ©enerat  be§  ®omimfanerorben§  üom 

17.  2)ejember  1403,    Acta  SS  Aprilis  I,    p  495.  —    Errors  contra   la  fe  catholica   de  Ca- 

30  tharina  Lauba    de  Thou    en  Corogna  a.   1417  ed.  Siöftinger  2,    6.  363  f.   —    33erfjör    be§ 

Sßljilipp  Degi?,  Locum  tenens  in  Val  S.  Martino  ed.  SBeitsecfer  in  Kivista  Cristiana  9,  p.  364 ss.: 

aus    bem  %at)xe  1451.  —  Albertus  de  Capitaneis,    Origo  Waldensium,  ed.    Slflij:,    Some 

remarks  p.  207  ss.,    engltfdje    lleberfetmng    bei  «corlanb    p.  215  ss.,    frcuijöftfcf)    bei   Söger  2, 

p.  23  ss.:    »erfaßt  1489;    berf.,   Historiae  regum  a  Pharamundo  etc.   epitome  bei  Efjeüafier 

35  1.  c.  p.  84  s.  3tften  au§  ber  Snquifition  be§  Gattaneo  Oon  1487/8  ungebrucft,  analt)fiert  v»on 

ßtjeüalier  im  Bulletin   de  la  Dröme  1895,    p.  41  ss.,  77  ss.  unb  öfter.     SBertjör  be§  Siarben 

Martin  unb  ©enoffen  1492,  ed.  91Uijr,  Some  Remarks  p.  307  ss.,  ogl.  Bulletin  12,  p.  111  ss. 

SSerpre  im  33aIentino§  1492  ed.  Solumbi,  De  rebus  gestis  episc.  Valentinensium  et  Dien- 

sium,  Lugduni  1652,  p.  200  ss.,    SSerfjör  ber  $el)ronnette   1494  ed.  Stltir.  p.  318ss.,    ügl.  g. 

40  31rnaub,  Bulletin  12,  p.  27  ss.,  67  ss.     Enquetes  sur  les  Vaudois  de  Pragelas  etc.  en  1495, 

deux  volumes  dans  la  bibliotheque  du  marquis  de  Seignelai,    benu^t  üon  33offuet,    Varia- 

tions  2,  p.  179  ss.      Memoire    de   Rostain  d'Ancezune   archeveque   d'Embrun    1496—1501 

ed.  Herrin,  Histoire  2,    p.  140ss.      Processus    contra  Waldenses   (ber  Stadler   greiffiniereä, 

(Stufon  2C.)  1506    ed.   Söflinger  2,   6- 365  ff.     lieber   anbere    Urfunben   berfelben    geit   unb 

45  ©egenb  ogt.  Strnaub  in  Bulletin  12,  p.  124  ss.   —    SlaubiuS  6erjffel,    ©rsbifdjof  oon  Surin, 

Disputat.  adversus  errores  et  sectam  Valdensium,  Aug.  Taur.  1520.  —    33rief  be§    33nrben 

Morel  an  Oefotampab  au§  bem  Qnfjre  1530   ed.   Scultetus  Annalium  evangelii  passim   per 

Europam  decimo-quinto  salutis  partae  saeculo  renovati  dec.  II,  Heidelbergae  1620,  p.  295 ss.; 

Siecffjoff,  Sie  SBalbenfer  6.  363 ff.  —  4.  33e*tef)itngen  ju  ben  böfimifdien   SSrübern: 

60  3tu§äüge  au§  bötmufcben  Duetten   bei  ©oH,   Quellen   unb   Unterfuc£)ungen  jur  ®efcb,id)te   ber 

böb,mifd)en  SSrüber  ],    6.  87—140.     S3rief    ber    böfjmifrf)en  SSvüber   an    bie  SBalbenfer   üom 

25.  Suni  1533,    .£>erminjarb,    Correspondance  des    reformateurs   3,  p.  63  ss.   Q.  ßamerartuä, 

Histonca  Narratio    de  fratrum   orthodoxorum  ecclesiis    in  Bohemia,    Moravia    et    Polonia 

Heidelbergae  1605. 

55         IL  gjeujeit.     1.  3(nfd)lufe  an  bie  Deformation.  —  ^erminjarb,    Correspondance 

des  reformateurs  9  voll. ;    Salüin,  Thesaurus  epistolaris,    ügt.  3K©  25,  6.  159 ;    3-  (Jatne* 

rariuS,  Lugubris  narratio  reliquiarum  Valdensium  et  Albigensium  Merindolii  et  in  vicinis 

«f-ÜU      V1DClae    itt    ber    ?(u§9«6e    ber    Historica    Narratio   Heidelbergae   1605,    p.  303  ss. 

33eldiluffe  ber6pnobe  oon  Slngrogna  Rivista  Cristiana  4,  p.  266  ss. ;  über  bie  anberen  ©tjnoben 

60  ber  golgejeit    Ogl.   Bulletin  20,  21.      Srefpin,    Histoire  des  martyrs,    nouvelle   Edition   par 

D.  Benoit  1885.    La  campagna  del  conte  della  Trinitä,  SSriefe,  Oröonnan^en  it.,  ed.  (Somba, 

Bulletin  21  u.  23.    Lettere  su  i  reformati  di  Calabria,  Archivio  Storico  Ia  serie  9,  p.  193  ss 

La  confessione   di  Fede   della    Chiesa  Valdese  ed.  domba,    Firenze  1883       Slnbere  3(ften- 

ftude  bei  ^errin,  Seger,    ©antuet  ?Kortanb,    The  history   of  the  Evangelical  Churches  of 

65  the  Valleys   of  Piemont,    Sonbon  1658;    %.  3(Qij,    Some    remarks   upon   the   ecclesiastical 

History  of  the  Ancient  Churches  of  Piemont,  Sonbon  1690;  new  edition.,  Djforb  1821. 

2.  33on  1571 — 1906.  —    lieber  bie  glorieuse  rentröe:    Journal  de  Fexpedition    des 


aSalbenfer  805 

Vaudois  par  Raynaudin  (?),  Bulletin  5,  p.  10  ss.;  Relation  du  capitaine  Robert,  ebb.  9, 
p.  2,  ss.  Henri  Arnaud,  Histoire  de  la  glorieuse  rentr£e  des  Vaudois  dans  leurs  Valle'es 
1710  (£>auptoerfaffer:  9varjnctubm);  neue  9lu8gabe  pgnerol  1880;  cutcfj  englifcb  1827,  ogl. 
Bulletin  5.  9lftenftücle :  Raccolta  degli  editti  delli  duchi  di  Savoia  promulgate  sopra 
gl'  occorenti  delle  Valle  di  Luserna,  Perosa,  S.  Martino  etc.,  Torino  1679.  g.  ß.  o.  9Jcofer,  6 
91ftenmäfuge  @efcbid)te  ber  Söalbenfer  jc.  im  ^erjogtum  Württemberg  tn§befonbere,  gürtcr» 
1798;  SB.  Sieterici,  ®ie  ©albenfet  unb  rt)re  SSertjättniffe  ju  bem  53ranbenburg=$reufuftf)en 
Staate,  53erlin  1831.  ©efd)uf)t§biätter  beS  beutfcben  £ugenottenüerein§  über  bie  38olbenfer= 
lohnten  in  Seutfcblanb  —  SBaKborf  in  &effen=®armftabt  9Jr.  1,  8,  9?r.  8,  9;  $erofa  in  5Bürttem= 
berg  unb  ®ornbol^aufen  am  £aunu§  9Zr.  3,  5,  6,  10;  Dtoljrbaä),  JBembad),  §af)n  im  2>arm=  10 
ftäbtifcfien  5Rr.  4, 1,  2,9,  10;  $ina<f)e  in  Württemberg  9h\  6,  3,  4;  ©djönenberg  in  SBürttem« 
berg  9cr.  9,  1,  10;  SSürttembergifcbe  Kolonien  im  9tCfgemeinen  9?r.  11,  10;  SMbenfer  in 
Hamburg  9cr.  11,  10;  5Balben§berg  im  Sfenburgiftfjen  9cr.  12,  4— 6,  9,10;  ugt.  91.  SRöfsqer  in 
Württemberg.  Sabrbücber  für  ©tatiftif  1890/1,  53b  2,  ©.  137 ff.;  1893,  ©.261  ff.  SSiel  ur= 
funblid)e§  Material  aucb  in  ben  Proceedings  of  the  Huguenot  society,  in  ber  Rivista  15 
Cristiana,  im    Bulletin  de  la  societe"  d'Histoire  des  Vaudois. 

Sttteratur:  ©efamtbarftellungen :  bie  älteften  f.  oben  ©.799, 35  ff.  baju  bie  ältefte 
beutfcbe:  „Watbenfer  ßbjonicf,  öon  bem  1160.  bi§  1655.  3a&r.  ©etrucft  (p  ©cbaffrjaufen)  in 
bem  MDCLV  Jgaör" :  aud)  ^otfänbifcf)  Cronick  der  Waldensen,  9tmfterbam  1656.  gerner: 
$eter  Softer,  The  History  of  the  Vaudois,  Sonbon  1692  (aucb  franjöftfcr)) ;  9tteger,  ®ie  alten  20 
unb  neuen  böf)mifd)en  53rüber,  Stuttgart  1734;  ?Jc.  ©tragen,  Historie  der  Cristenen  Waldensen, 
§arleml765;  g.  g.  9Kartinet,  Kerkelijke  Geschiedenes  der  Waldensen,  9(mfterbam  1775,  3.  ed. 
1826;  53re*,  Histoire  des  Vaudois  2  voll.,  ^ariS  1796.  Sie  Werfe  oon  ß.  üon  SKofer 
unb  Sietertci  oben  3-  5;  WiHiam  QoneS,  History  of  the  Waldenses,  2  voll.,  Sonbon  1882; 
9tntoine  äftonaftter,  L'histoire  de  l'eglise  Vaudoise,  2  voll,  Geneve  1847,  Supplement,  26 
Soufoufe  1850;  aucb,  engüfd),  Sonbon  1848,  unb  bottönbifd),  9?otterbam  1851 ;  91fej:i§  «cufton, 
LTsrael  des  Alpes,  4  voll.,  SJkrtä  1851,  2e  eU  <ßari§  1879,  and)  engiifd),  Sonbon  1852, 
beutfd)  in  einem  53anbe,  2)ui§burg  1857,  fcbwebifd)  in  133b,  ©tocffyolm  1865 ;  berf.,  Histoire 
populaire  des  Vaudois,  *ßart§  1862;  (5t)r.  U.  §afjn,  ©efdjicbte  ber  Walbenfer  unb  oerroanbter 
©etten,  2  53be,  Stuttgart  1847;  g.  53enber,  ©efd)id)te  ber  Walbenfer,  Ulm  1850;  Amedee  30 
Bert,  I  Valdesi,  Torino  1849 ;  Hudry-Menos,  L'Israel  des  Alpes,  Revue  des  deux  mondes 
1867—69,  boöänotfcbe  lleberfe^ung:  Het  Israel  der  Alpen,  2lmfterbam  1870;  3.  91.  Wnlie, 
History  of  the  Waldenses,  ßbinburgb  1880;  91.  53erarb,  Les  Vaudois,  Srjon  1892.  9111 
biefe  9lutoren  folgen  ber  neu=toalbenftfd)en  Segenbe,  finb  alfo  nur  für  bie  nad)reformatortfcbe 
3eit  brauchbar.  ®ritifd)er:  ß.  ßomba,  Valdo  edi  Valdesi  avanti  la  Reforma,  Firenze  1880,  ab 
baSfelbe  Werf  aucb  franjöfifcb  Florence  1887,  englifcb  1889;  berf.,  Storia  dei  Valdesi, 
Torino  1893  (populär);  berf.,  Histoire  des  Vaudois,  2  voll.  Florence  1898,  1901;  ©.  Salto, 
Compendio  di  storia  valdese,  Firenze  1902.  ©ine  allen  9lnfprüd)en  genügenbe  Sar= 
fteuung  febjt. 

3ur  ©efdiidjte  ber  Walbenfer  im  SOltttel alter:   lieber   bie  Werfe  oon   ßbaröaj,  40 
®iedboff,    §er^og,    Sari  Söcüöer  f.  oben  ©.  801.  $.  !ga§,    Disputatio  academica   de   Valden- 
sium    secta   ab    Albigensibus    bene   distinguenda,   Lugd.   Bat.  1834;    33-  Sron,    P.  Valdo, 
Pinerolo  1879  (unfritifcb) ;  9t.  £au§ratb,  Wettöerbefferer  im  9Jc9t.,  3.  53b,  Seipjig  1895;  g.  2occo, 
L'eresia  nel  medio  evo. ;    $r>.  ßb-  Sea,  A  History  of  the  Inquisition   of  the  Middles  Ages, 
3  voll.  SSb  1  je£t  aud)  beutfd),  53onn  1905;  &§x.  §ud£,  ®ogmenbiftorifd)er  Beitrag  j.  ©efd).  b.  46 
SBalbenfer,  greiburg  1897;   ^?.  SUelia,   The  origin,  persecutions  and  doctrines    of   the  Wal- 
denses, Sonbon  1870:    23.  «ßreger,   Seiträge  jur  ©efd).  ber  SBalbefier  im  2R91.,    91SU91  3.  ft(. 
13,  1,  ©.179  ff.;  berf.,  lieber  ba§  3?erbältni§  ber  Saboriten  ju  ben  SSalbenfern  be§  14.  3arjr= 
bunbert§  tbb.  18,  3.  kl,  53b  1 ;  berf.,  lieber  bie  SSerfaffung  ber  franjöfifcben  SBalbefier   in   ber 
älteren  3eit,   91TO91  3.  M.  19  (1890),   3.916t.;   £.  §aupt,  ®ie  reiigiöfen  ©etten  in   granfen  50 
öor  ber  ^Reformation,  geftgabe  jur  brüten  ©äfularfeier  ber  llnioerfität  SBürsburg,  1882 ;  berf., 
SSalbenfertum  unb  ^nquifition  im  füböftlicben  ®eutfrf)Ianb,   greiburg  1890;    berf.,  %eue  Sei= 
träge  jur  ©efcbicbte  be§  mitteialterlicben  SBaIbenfertum§,  §3  9?g25,  ©.39 ff.;  berf.,  §ufitifdje 
^ropaganba  in  ®eutfd)lanb  im  §iftor.  Safcbenbud)  9i.  goige,  7.  S3b  ;    berf.,  Seutfcfcböljrmfcrje 
SBalbenfer  um  1340  in  3S©  14,  ©.  1  ff. ;  SSinaö,  Vaudois  du  Bas-Rhin  in  Bulletin  3 ;  3t.  93reOer  in  55 
3S©12,  ©.  404  ff.  (SBalbenfer  u.  9trno(biften) ;  Sß.  SBattenbad),  lieber  £e£ergeritf)te  in  «ßommern 
unb    ber  Waxt  S3ranbenburg,    ©3391  1886,  ©.47  ff.     SRadjtrctge    ba^u  ©5391  1887,  ©.517  ff. 
unb  ©5391  1888,  tigl.  915391  1886  9?r.  3;  3.  ^eibemann,  ©efcb-  ber  3teformation  in  ber  Warf 
53ranbenburg  1889,    ©.  54 ff.;    ©od,    Oueüen  unb  llnterfucbungen  jur  ©efcbid)te  ber    bÖbm. 
33rüber,  1.  53b:    S)er  SSerfefjr   ber  53rüber   mit    ben  SSatbenfern,    $rag  1878,    2.53b:    $eter  eo 
Ebelcictv    unb   feine  Sebre,    «ßvag  1882;    ^aurf,    Sirijengefcfjtcrite  Seutfdjlanbö    4.53b;    91.  ß. 
©d)önbad)  f.  0.  ©.801,49;  9c.  Eb, orter,  Hist.  du  Dauphine  1.2,  1671;  berf.,   Estat  publique 
du  Dauphine   3  voll.,  1671 ;    3.  91.  Sbabranb,  Vaudois  et  Protestants   des  Alpes,    ©renoble 
1886;    S-  SSrunet,    Les  Vaudois  des  Alpes  francaises,   $ari§  1888;    3.  ßbeoalier,   Memoire 
historique  sur   les  herosies  du  Dauphine,   Valence  1890;     (£.  91rnaub,   Histoire  des    persö-  65 
cutions  endur^es  par  les  Vaudois  du  Dauphin^  au  XIIIe  ,  XlVe    et  XV  siecles  im  Bulletin 
le  l'hist.  Vaud.  12,  p.  17— 140;    9r.  SüOoire,    Les   colonies  Proveneales  et  Vaudoises  de  la 


806  3Balbcnfer 

Pouille  ebb.  19,  p.  48—62;  beif.,  Storia  dei  Signori  di  Luserna,  Bulletin  11,  13,  14, 
17,20;  W.  91.  Dtorenco,  Breve  narratione  dell'  introduttione  degli  Heretici  delle  Valli, 
Torino  1632;  3.  %aüa,  Notice  historique  sur  le  S.  Ministere  et  sur  l'organisation  ecclö- 
siastique  des  Vallies  in  Bulletin  14,  p.  3 — 22 ;  16,  p.  1  ss. 
5  lieber  bie  ro  albenfifcfje  Sitteratur:  ®iedE|off,  ^er^og,  «JMia  f.  oben  ©.801  u. 
805,  46 ;  (£.  9Jcontet,  Histoire  litteraire  des  Vaudois  du  Piömont,  3$ari§  1885.  (£bb.  p.  1  ss. 
eine  lleberficfjt  über  bie  §ff. ;  über  bie  berüfjmteften,  bie  fed)§  in  ber  University  Library  in 
ßambribge  Ogi.  33rabbaro  bei  £obb,  The  books  of  the  Vaudois,  Sonbon  1865,  p.  210  ss  ;  ©. 
r>.  3eäfd)toi£,  35ie  Satetf)i§men  ber  SSalbenfer  unb  S3bf)m.  SBrüber,  erlangen  1863;  3.  «DWifler, 

10  ®ie  beutfcben  Sated)i§nten  ber  bbt)mifd)en  33rüber  in  SetrrbadjS  Mon.  Germ,  paedagogica  4 
(1887);  n.  görfter  oben  ©.801,19;  ©oll,  $ie  SSalbenfer  unb  itjre  Sitteratur  in  Mitteilungen 
be§  3nftitut§  für  öfterr.  @efc£)ttf)t§forfdjung  9,  ©.326—351.  ©pratfje:  91.  SSartt),  Saut=  unb 
Formenlehre  be§  Sßalbenfifcben,  3tomanifcf,e  gorfcf,ungen  7,  £>eft  3,  1893;  ©.  SRorofi, 
L'odierno  linguaggio  dei  Valdesi  del  Piemonte   in   Ascoli,    Archivio  Glottologico  Italiano 

16  11,  p.  309—380  mit  jtoei  Slnfjfingen  über  ben  2)ialelt  uon  @uarbta=$ßtemontefe  in  Salabrien 
p.  381 — 383  unb  über  ben  ®ialeft  üon  ^eu^engftett  unb  ^inacf)e=©erre§  in  SSürttemberg 
p.  393-398  nebft  sab,Ireicf)en  belegen  p.  398—415;  12,  p.  28— 32;  »gl.  aud)  SRoque^errter, 
Les  provencaux  dÄllemagne  et  le  langage  de  Pinache-Serres  in:  Occitania  t.  1. 

Sßeueregeit:  (5.  9lrnoub,  Histoire  des  premieres  persecutions  des  Vaudois  Lutheriens 

20  du  Comtat  Venaissin  et  de  la  Provence  in  Bulletin  8  u.  9;  berf.,  Histoire  des  protestants 
de  Provence,  $ari§  1884;  (£.  ßotnba,  L'introduction  de  la  reformation  dans  les  vallees  im 
Bull,  de  la  sociöte"  de  l'histoire  du  protest.  francais  43,  p.  7  ss. ;  Suigi  Slmabtle,  II  santo 
Officio  della  inquisizione  in  Napoli,  Cittä  di  Castello,  2  voll.,  1892;  Art.  Muston,  Giovan 
Luigi  Paschale,  Palermo-Torino  1893;  g.  §.  Stoiber,  £>.  9lrnaub2,  Stuttgart  1889;  Gomba, 

25  &■  Slrnaub,  1889;  geftfcfjrift  pr  200jn^rigem  ©ebenffeier  ber  Glorieuse  Rentr^e  Bulletin  Dr.  6 
(1880);  91.  be  3tod)a§,  Les  Vallees  Vaudoises,  $ari§  1881  ($rieg3gefdiid)te);  g.  Socito,  Le 
guerre  Valdesi,  Esttrato  della  rivista  militare  Italiana  1891 ;  SB.  SKeiHe,  Le  reveil  de  1825 
dans  les  vallees,  Uurin  1893 ;  SSiHiam  Sterben  ©iltl),  Narrative  of  an  Exursion  to  the 
Mountains  of  Piemont,  Sonbon  1827;  berf.,  Waldensian  Eesearches,  Sonbon  1831;  9Jcar;er= 

30  ^off,  3)ie  SSalbenfer  in  unferen  Sagen,  1834;  91.  3)ei£jmann,  SSalbenfer  in  ber  ©raffdiaft 
©djaumburg,  SEie?baben  1884.    SSeitereS  fietje  Eivista  Cristiana  unb  Bulletin. 

I.  $te  anfange  1176  — 1218.  —  1.  9?ame  unb  llrfprung.  Unter  bem 
tarnen  Waldenses,  aud)  Valdesii,  Vallenses,  Leonistae,  Insabbatati,  Sabbatati, 
Xabatati,  Encabots  (bon  bem   feiner  §erfunft  nad)   bunlelen  2öort  sabot  =  ©cbub, 

36  inSbefonbere  §o!äfcbub,  bgl.  SDiej,  (StbmologtfcbeS  SBörterbud)  ber  romanifdjen  ©brachen 
sub  voce),  Sandaliati,  Sotularii,  Cotularii  befämpfen  bie  IatboIifd)en  ^olemifer  feit 
ben  80er  ^abren  beS  12.  ^abrtmnbertS  einen  aSletifcben  ^ßrebigerberein,  als  beffen  ©tifter 
fie  übereinftimmenb  ben  Sboner  Kaufmann  Valdes  (fo  Map)  ober  Valdesius  refb. 
Valdexius  (fo  Rescriptum  c.  3,  4,  6,  15;  ©albuS  33urce,  Moneta)  ober  Gualdensis 

40  (fo  S3urce  p.  74)  begei<r)nen.  £>ie  2lngeb,origen  beä  Vereins  felber  nennen  anfangs  nur 
bie  franjöftfcben  ©enoffen  societas  Valdesiana,  socii  Valdesii,  Rescriptum  c.  17,  21, 
22,  26;  7, 13—17.  2)er  offizielle  9>iame  beS  Vereins  ift  bagegen  pauperes  spiritu,  bgl. 
Rescriptum  c.  1,  ©tebfyan  bon  33ourbon  c.  333  p.  280,  ^affauer  SInontymuS  c.  5  p.  28  C, 
fpäter  aud)  pauperes  Christi,  bgl.  Sitten   bon  Garraffonne   Söüinger  2,   ©.  10,   ober 

46  einfad)  Pauperes  mit  ober  ob,ne  ben  gufafc  de  Lugduno,  refb.  de  Lombardia,  ebb. 
unb  ©albus  SBurce,  Moneta.  —  Über  ben  ©tifter  unb  bie  Stiftung  erfabren  roir  au§ 
ben  Greifen  ber  Societas  felber  feb,r  toenig.  2luS  ber  einigen  roalbenfifd^en  Urfunbe 
bep  13.  QabrbunbertS,  bem  Rescriptum  bon  1218,  ergiebt  fid)  nur,  bafj  SBalbeS  im 
mm  1218  mcbt  meb,r  am  geben  unb  ein  3Jlann  bon  rüdfid)t§lofer  (Sntfcbloffenbeit  war. 

60  Über  ferne  33orgefcbid)te  unb  33e!el>rung  finben  fid;  einige  bürftige  5RacbriciE>ten  erft  in  bem 
©cbretben  ber  Iombarbifd)en  2lrmen  ^obann,  ©irarb,  ^Seter  unb  ©imon  au§  bem  3. 1368  bei 
SDolltnger  2,  ©.  355  ff.,  aber  biefe  5Racbricbten,  alSbalb  berroertet  bon  ben  latbolifcben  $0= 
lemtfern  ^ob,ann  Sefer,  ebb.  ©.351  ff.,  unb  5ßeter  bon  ^ßilicftborf  ed.  ©retfcbet  Opp 
l?'  *'JJh  ^b  «nbrau^^«-  2B«  ftnb  fomit  für  bie  ©efcbicbte  beS  2BaIbe§  ganj  auf 

66  bte  latyoltföen  Sertdjterftatter  be§  12.  unb  13.  ^abrl)unbert§  angeroiefen.  SSon  biefen 
geben  nur  bret  auf  bte  <Baä)e  ein :  ber  Saoner  3lnonbmu8,  ©tepban  bon  Sourbon  unb 
ber  «ßaffauer  2lnonbmuS. 

®er  Saoner  2lnonbmu§  berietet  jum  ^alire  1173  golgenbeS:  ber  Sboner  Äauf« 
mann  Sßalbeä  bort  eines  ©onntagS  (im  9M  ober  2lpril  beS  großen  §ungerjabreS  —  bieg 

60  gabr  roar  baS  ^a^r  1176,  nicbt  1173,  bgl.  barüber  Robert  bon  Sturme,  Chron.  n76 
SS  24,  p.  241;  %x.  Surfd)mann,  Hungersnöte  im  9M.  ©.  152 f.)  einen  fabrenben 
©anger  (ioculator,  joglar)  bie  ©cblufeftropben  beS  alten  ©angeS  bom  b,I.  SllejtuS  bor= 
tragen  (bte  chanson  ift  in  berfd)iebenen  gaffungen  erhalten,  bgl.  ©afton  ^3ariS,  La  vie 


SBoIbcnfcr  807 

de  S.  Alexis,  Bibliotheque  des  hautes  ötudes,  Sciences  phil.  t.  7).  %itf  ergriffen 
nimmt  er  ben  ^oglar  mit  in  fein  SQau§,  um  bie  ©efcfyicfyte  grünbltd^er  fennen  ju  lernen. 
2lm  näcbjten  borgen  aber  fucfyt  er  einen  SSJcagifter  ber  Geologie  auf  unb  fragt  benfelben : 
„Welches  ift  ber  ficfyerfie  unb  befte  2Beg  ju  ©ott?"  ®er  9Jcagifter  antwortet  forreft 
fatr/olifcb,  mit  einem  £>inWeife  auf  bie  Serif  obe  bom  reichen  Jüngling:  „willft  bu  botI=  5 
fommen  fein,  fo  berfaufe  alles,  k."  ^Darauf  ift  ber  @ntfd)Iuf$  bei  Söalbeä  gefaxt.  3lad) 
§aufc  jurücfgefefyrt,  eröffnet  er  ber  ©attin,  bafj  er  gewillt  fei,  auf  fein  Qah  unb  ©ut  ju 
beraten,  ©ocb,  foE  bie  grau  einen  Seil  be§  SermögenS  für  fid£>  behalten.  ®a3  bor= 
fyanbene  ©elb  unb  |>au3gerät  bertoenbet  2Mbe§  jum  £etl  bagu,  um  feine  beiben  flehten 
Stöcfyter  in  einem  Softer  ber  Tonnen  Don  gontebreaub  einkaufen  (ein  folcfyeg  Älofter  10 
b,at  ei  überbie^  in  berSDiöcefe  Sfyon  nicfyt  gegeben),  ben  Weitaus  größeren  Steil  aber  läfjt  er  ben 
Sirmen  ju  gute  lommen.  @3  bleibt  aber  nod)  ein  Seil  be§  ©elbeS  übrig,  ©iefen  ÜReft  Wirft 
er  am  geftc  SJcariä  Himmelfahrt,  mit  ben  SBorten :  „niemanb  lann  gtoei  Herren  bienen, 
©ott  unb  bem  Sftammon",  auf  bie  ©trafje.  £ag§  barauf  nact)  ber  9iücffer;r  aus  ber 
ßircfye  bittet  er  einen  feiner  greunbe  gum  erften  SRale  um  „ein  2tlmofen  um  ©otte§=  15 
toiüen"  33alb  banacb,  leiftet  Söalbes  ein  förmlitt}e§  Strmutägelübbe.  $Da§  alle<§  madjt  großen 
©inbrucf.  3m  Saufe  be§  näcfyften  ^ab,re§  —  1177  —  folgen  bab,er  fcfyon  einige  anbere 
£r/oner  Bürger  feinem  Setfbiele.  SD.  i.  e§  entfielt  eine  neue,  bon  SöalbeS  geleitete  Sruber= 
fa)aft,  Welche  bie  Übung  ber  aboftoltfcfyen  Sirmut  al§  nädbjten  $Wecf  betrachtet.  21E= 
mäfjücb,  beginnen  „bie  Sirmen"  bribatim  unb  öffentlich)  sua  et  aliena  culpare  peccata,  21 1 
b.  i.  au§  ber  ©efellfcfjaft  ber  Slrmen  Wirb  eine  ©efellfdjaft  armer  Srebiger.  3m  grülj>= 
jaf>rll79  begiebt  ficf;  bann  2öalbe3  ^u  bem  Sateranf onjil  nad^om.  Sabft  2lleEanber  III. 
beftätigt  fein  Slrmutggelübbe,  aber  er  berbietet  u)m  unb  feinen  ©enoffen  ju  brebigen, 
falls  fie  nietet  bon  ben  Srieftem  auSbrücHicb,  baju  aufgeforbert  werben.  SDieS  ©ebot 
beobachten  bie  SBalbenfer  eine  3eit  fa"8-  ©rft  baburcf),  bafj  fie  baSfelbe  übertreten,  Wer=  25 
ben  fie  bieten  ju  einem  scandalum  et  sibi  in  ruinam.  —  @ttoa§  anberS  lautet  ber 
Sericfyt  ©tebljianS  bon  Sourbon.  SDie  erfte  llrfaa)e  für  bie  Sefefyrung  bei  SßalbeS  War 
nad)  il)m  eigentlich  bie  beugter.  2Mbe3  fyört  bon  ben  ©bangelien.  @r  beranlafjt  jWei 
Sriefter,  tl)m  eine  Überfe^ung  berfelben  in  bie  Sulgärfpracfye  gu  liefern.  3luf  bie  gleite 
Steife  berfcfyafft  er  fic|  fbäter  aucb,  Überfettungen  bon  bielen  anberen  bibltfcf/en  30 
Suchern  unb  bon  ©entenjen,  b.  t.  2Iu§fbrücr)en  ber  Heiligen.  @ine§  SEageS  entfc^lie^t  er  fict; 
bann,  bie  perfectio  evangelica  in  ber  Sßeife  ber  Slboftel  ju  beobachten.  @r  berfauft 
aEei,  tr>a§  er  b,at,  Wirft  ba§  babei  erlöfte  ©elb  in  ben  ©dj)mu£  unb  beginnt  auf  ben 
©trafen  ^u  brebigen.  Stele  ungebilbete  9Jcänner  unb  grauen  fcb,Iie^en  fic^  i^m  an  unb 
folgen  feinem  Seifbiele.  S)a  fie  aber  alle  „^bioten"  finb,  fo  lehren  fie  manche  ^rr=  35 
tümer.  ©runb  genug  für  @rjbifcf)of  ^o^cmn  auj  Slanc^eg^Dcaing  bon  £r/on  (^ol)ann 
Würbe  erft  1181  SBifd)of),  ben  äöalbefiern  ba§  ^ßrebigen  ju  berbieten.  Slber  bie  ^ßrebiger 
lehren  fid^>  mcb,t  an  ba§  Verbot.  $Der  ©rjbifc^of  belegt  fie  baf)er  mit  bem  Sann  unb 
bertreibt  fie  au§  ber  £>iöcefe  S^on.  1179  Werben  fie  nacb,  9tom  cittert  (conciJium 
quod  fuit  Rome  ante  Lateranense,  b.  i.  Lateranense  IV  bon  1215),  unb  ba  fie  40 
aud)  ba  fiel;  bartnärfig  jetgen,  bon  bem  ^onjil  alg  ©djiämatüer  berurteilt.  hierauf  ber= 
mifcfjen  fie  ftc^  in  ber  ^robence  unb  2ombarbet  mit  anbern  ^äretifern  unb  Werben  bab,er 
ebenfalls  für  §äretifer  erllärt.  —  3Seit  fummarifc^er  lautet  ber  33erid)t  bei  Saffauer 
2Inon^mu§,  ©reiferer,  Opp.  12,  2,  p.  28  A:  ^n  einer  Serfammlung  ber  maiores  bon 
S^on  bricht  blö|ltd)  ein  Wann  tot  jufammen.  §ierbura)  erfcf)rec!t,  beratet  255albei  ju  iö 
©unften  ber  2Irmen  auf  fein  Vermögen,  leb,rt  bie  Slrmen,  bie  bieferb,alb  gu  if>m  ftrömen, 
in  freiwilliger  2lrmut  ©briftug  unb  ben  2lbofteln  nachfolgen  unb  beginnt  alöbalb,  ba  er 
ein  Wenig  gebilbet  ift,   ben  %&  be§  31%$  in  ber  SoIIgfbratt^e  bor^utragen. 

SSon  btefen  brei  Senaten  ift  ber  erfte  unb  ältefte  ber  augfübrlicbfte  unb  für 
SSalbeS  günftigfte,  ja  er  ftetlt  jum  ^eil  bie  @reigniffe  in  einem  für  ifm  aE^ugünftigen  50 
fitste  bar.  S3eWei3  ba§  ältefte  .ßeugnis,  ba§  un§  für  bie  ©efc^ic^te  ber  Sßalbenfer* 
gemeinfcf;aft  gu  ©ebote  fteb,t:  ber  Seridjt  be§  SBalter  5Rab  über  bal  Serbör  ber 
Valdesii  auf  bem  fiateranfongil  1179.  ©anatt)  b,aben  bie  Valdesii  Sabft  2tlepnber  III. 
ein  Surf)  präventiert,  Weites  ben  Sfalter  unb  biele  anbere  93ütf;er  21  unb  dl%$ 
in  ber  gaUifdEjen  aSoII^fbrac^e  enthielt,  unb  im  §inbticfe  barauf  bei  bem  ^abft  .v. 
um  bie  ©rlaubnig  gur  Srebigt  nacb,gefuc^t.  ®er  Sabft  beauftragt  mit  ber  Grlebtgung 
biefeä  ©efucfyeS  eine  ^ommiffion  bon  ^uriften  unb  Geologen.  @in  33ifcb,of,  ber  ber= 
felben  angehört,  forbert  9Jtab  auf,  mit  jWei  Valdesii,  qui  sua  videbantur  in 
seeta  praeeipui,  ein  ©laubenSberfyör  angufteaen.  Map  fragt  fie:  „©laubt  ihr  an 
©ott   ben  SSater?"    Antwort:  3a.    „2ln  ben  ©ofynV"  &■    »21«  ^«"  ^-  ®eiftV"    3a.  eo 


808  Söalbcwfer 

2Tn  bie  9J?utter  gbjtfti?"  %a.  ©arob  grofjel  (Mäct)ter  in  ber  ganzen  gelehrten  33er= 
fammlung.  ©enn  biefe  le$te  Slnttoort  betoiel,  bafj  bte  Söalbefier  oöHig  untoiffenb  unb 
bafyer  jum  Brebigem  untauglich  feien.  S5erit)irrt  unb  bekämt  jiefyen  fie  ficb,  jurücf,  oI)ne 
bie  getoünfcljte  (Ermächtigung  erhalten  %ix  fyaben.  §ieraul  ergiebt  ficb,  1.  Söalbel  ift  1179 
5  nicfyt  mit  in  9?om  getoefen.  2.  ©er  Sßapfi  f>at  ben  Söalbeftem  aucb,  nicfyt  in  bebingter 
gorm  bie  @rlaubnil  jur  Brebigt  erteilt.  $tt  ber  Gjrjäljlung  bei  Saoner  2lnonr/mul  er= 
fc^einen  alfo  einige  für  „bie  Strmen"  befonberl  Wichtige  Sfyatfadjen  ju  tljiren  ©unften 
umgebogen,  ©iefe  Beobachtung  fotoie  bie  auffällige  ©r/mpatfyie,  bie  ber  2lnontomul 
für  bie  feftiererifdfjen  £>umtliaten  belunbet,   betoeift,  bafj  ber  2lnont)mul  eine   aul  ben 

10  Greifen  ber  SfBalbenfer  ober  ber  pauperes  catholici  ftammenbe  Überlieferung  benutzt 
f>at.  2ötr  finb  mithin  berechtigt,  biefen  Beriet  all  relatib  befiel  ßeugnil  an  bie  erfte 
©teile  ^u  fe|en.  Slber  aucb,  ©tepfyan  bon  Bourbon  ift  ein  relatib  guter  Beuge.  ®mn 
er  beruft  fiel)  auf  einen  ©etoäfn-lmann  erften  Mangel,  ben  ^lerifer  Bemfyarb  bon  2)brol, 
ber  einft  im  perforieren  ©tenfte  bei  2Mbel  geftanben  blatte.  2öal  biefer  ÜKann  tl)m  über 

15  feinen  SSerfe^r  mit  -JBalbel  ergäbt  l)at,  barf  wollen  ©lauben  beanfyrucfyen.  3lud)  fonft 
ift  fein  Bericht  nod)  relatib  gut  unb  brauchbar,  ©agegen  finb  bie  Beriete  bei  Baffauer 
2lnont/mul  unb  ber  üöalbenfer  bei  14.  ^afyrtyunbertl  nur  infotoeit  ju  gebrauten,  all  fie 
mit  ©tepfyan  unb  bem  Saoner  Slnon^mul  übereinftimmen.  §teraul  ergiebt  ficfy:  1.  ©ie 
Befeljrung   bei   SSalbel  —  bal   cognomen  Petrus    taucht    erft  1368    im  Briefe    bei 

20  $ofyann  auf,  ©öllinger  2,  ©.  358  —  fällt  in  ben  2fyril  ober  9Jtat  bei  großen  §unger= 
jat)rel  1176.  2.  Söalbel  entfcfyliefst  ftcb,  juerft  ju  apoftoIifd)er  Sirmut;  erft  all  ftcfy  ein 
$retl  bon  ©letcfygeftnnten  um  ilm  gefammelt  Ijat,  ergreift  er  ben  Beruf  bei  apoftolifcfjen 
SSanberprebigerl  unb  bertoanbelt  feine  ©enoffenfcfyaft,  meldte  ben  tarnen  bie  „2trmen" 
angenommen  I)at,  in  eine  Bruberfdjaft  armer  Söanberprebiger.    3.  Sßie  ftd)  ber  bamalige 

25  ©rjbifc^of  Sötcfyarb  bon  £r/on  ju  bem  Unternehmen  fteCte,  ift  nict)t  mefyr  mit  ©id)erl)eit 
ju  ermitteln.  ©a  aber  -Kap  mit  feinem  SBorte  anbeutet,  bafj  bieValdesii  1179  bor  bal 
Sateranfonjil  citiert  ioorben  feien,  unb  ba  nad)  feiner  aulbrücflicfyen  Eingabe  über  i^r 
©efucb,  bon  bem  ^onjil  ernftlid)  berfyanbelt  morben  ift,  fo  liegt  bie  Vermutung  nafye,  bafe 
SSalbel  au§  freien  ©tücfen  ficfy  an  bie  £ateranfrmobe  gemanbt   fyat  unb   erft  ©r^bifdjiof 

30  ^ofyann  aur.  Blancb^el^ainl  gegen  bie  neue  Bruberfcfyaft  einjufd^reiten  Wagte.  (Steuern 
blatte  bann  ben  tarnen  bei  erften  Berfolgcrl  ber  Straten  richtig  angegeben  unb  nur  in 
ber  Chronologie  fid)  geirrt.  4.  ©ie  Berb^anblung  auf  ber  £ateranft)nobe  1179  enbete 
für  bie  2lrmen  ungünftig.  ©er  $a£ft  berbot  ib^nen  toegen  defectus  scientiae  bal 
^Prebigen.    5.  SErotjbem  fuhren  bie  2lrmen  fort  ju  btebigen.    $ux  ©träfe   bafür  belegte 

35fie$apft  Suciul  III.  too^l  auf  Betrieb  bei  (Sr^bifcI)ofl  ^oltann  bon£t>on  am  4.  ^obember 
1184  bon  Berona  aul  mit  bem  Banne,  Qaffe  nr.  15109  „Ad  abolendam"  2Bab,r= 
fd^einlicl)  burd^  bie  eben  bamall  in  Berona  jmifc^en  bem  ^ßa^fte  unb  griebrieb,  Barbaroffa 
getroffenen  Bereinbarungen  toarb  ber  @rjbtfc|of  in  ben  ©tanb  gefegt,  bie  Söalbenfer  aul 
feiner  ©iöcefe  ju  bertreiben,  bgl.  §aud;,  m  ©eutfcbjanbl  4,  ©.  877  f.  ©ie  2lultreibung 

40  ber  3lrmen  au§  £t)on  fäüt  alfo  h)ab,rfd^einltcb,  erft  in  bal  @nbe  bei  ^ab^rel  1184  ober 
in  ben  Anfang  bei  %afyc&  1185.  2lber  ingmifcljen  blatte  bie  Bruberfcl)aft  auf  einem 
anberen  Boben  bereitl  einen  großen  Borfprung  gewonnen. 

2.  Bilbung  bei  lombarbifd) en  ^meigel  unb  2l|ulbreitung  ber  2lrmen. 
Ungefähr  jur  felben  ßeit,  toie  bie  frangöfifd^en  2lrmen,  grübjafyr  1179,  fugten  bte  Iom= 

45  barbifcfyen  §umiliaten  in  9tom  um  Betätigung  if)rer  Drbnungen  unb  sugleict)  um  bie 
©rmäcfjtigung  ?ur  $rebigt  unb  jur  2lbf)altung  religiöfer  Berfammlungen  naefy,  Chron. 
Laud.  SS  26,  p.  449s.  2tber  aucb,  ifjnen  warb  beliebigen  unb  bieisornab^me  anberer 
feelforgerlid^er  §anblungen  aufl  ftrengfte  berboten.  Bieüeictit  toaren  bie  ©enblinge  beiber 
@enoffenfcb,aften  jcfyon  mälirenb  bei  fiateranlonjill  mtteinanber  befannt  geworben.  ^eben= 
faUl  führte  bie  Slfmlicfyleit  ber  Beftrebungen  unb  bie  ©Ieicb,artigfeit  bei  ©d^idfall  all= 
balb  ju  einer  gufion  steiften  §umiliaten  unb  2Balbenfern.  Db  aEe  ßumiliaten  fieb 
2BaIbel  anfcb,Ioffen,  ob  nur  ein  .Seil,  läfet  fieb,  ntd^t  meb,r  feftfteEen:  bie  DueCen  erlauben 
betbe  annahmen,  bgl.  bie  ©elretale  £uctul  III,  ^affe  nr.  15109:  qui  se  Humiliatos 
vel  Pauperes  de  Lugduno  falso  nomine  mentiuntur.    ^ebenfalls  aber  War  el  eine 

55  nta)t  unbeträcb,tlicl)e  ga^l,  bie  2öalbel  all  Borfteber  anerlannte,  ben  tarnen  pauperes 
spintu  unb  bte  apoftoltfd&e  £ebenlWeife  ber  Söalbenfer  annahm  unb  jur  a^oftoltWen 
s4i5anberbrebtgt  fieb,  entfcb,lofe.  ©od?  behielten  bie  Übertretenben  bie  (Einrichtung  bei 
bte  all  ta§  djarafteriftifcf>e  TOerlmal  bei  alten  §umiliatentuml  gelten  barf:  bie  ©Ute' 
bte  Brüber,  toelcf)e  ?ur  $rebigt  unb  ©eelforge  fieb,  ntö?t  tauglicb,  fügten,  in  alletifcben 
eo  älrbettergenoffenfa^aften    ju   bereinigen;   f.   oben   Bb  VIII   ©.  447 f.    2lrt.   §umiliaten 


60 


9©oIbcnfer  809 

$reger  213JZ21  13,  ©.209  ff.  (fyier  ift  ber  gufammenfyang  jmifcfyen  lombarbifdjen  2lrmen 
unb  £umiliaten  juerft  ertannt) ;  Füller,  SBalbenfer  ©.  56  ff.  ©o  bilbete  fidi  in  ber 
Sombarbei  ein  jroeiter  gmeig  ber  2öalbenfertum§.  Vorort  biefeg  gmeigeg  mar  9M= 
lanb ;  Iner  jagten  fie  1209  meit  über  100  ©enoffen  unb  greunbe,  Innocentii  III.  epist. 
1.  12,  nr.  17  Dom  3.  2lbril  1209.  Söeiter  begegnen  fie  un3  in  Sremona,  ebb.  1. 15,  nr.  146  5 
Dom  10.  2tugujt  1210,  in  Vergamo,  Rescriptum  c.  3,  unb  mentgftenS  al3  SRiffionare 
finb  fie  anfc|einenb  aucb,  tl/äüg  gemefen  in  $abia,  ©eregno  (im  Stejt  ©aragno)  unb 
Segnono  bei  Sftailanb,  -JRoItrafio  unb  ©ongo  am  ^omerfee  (im  Tejt  2)ogno),  Verona 
unb  9J?obena,  bgl.  ebb.  c.  1,  4.  gu  ber  Sombarbei  traten  bann  als  weitere  9J?iffion§= 
gebiete  bie  ©tobte  Sigurieng,  bgl.  Qnnocen^  III.  1.  15,  nr.  94,  Viemont  — 1210  in  ber  io 
©iöcefe  Stairin  bgl.  bie  Urlunbe  Dtto§  IV.  bom  25.  SJcärj  1210,  Monumenta  historiae 
patriae  SS  2,  p.  488,  grebericq,  Corpus  documentorum  inquisitionis  haereticae 
pravitatis  Neerlandicae  I,  p.  519  s  —  unb  fbctteftenä  feit  beginn  be3  13.  ^ab,r= 
fmnbertS  bie  beutfcbjtorecfyenben  ©ebiete  beg  beutfcfyen  SReic^eS,  nacfymeigbar  finb  fie  1211  in 
(Strasburg,  1218  in  Vaiem  unb  Dfterreict),  1231  in  ber  ©iöcefe  SErier,  im  3Rainjifcb,en,  iö 
§aud  4,  ©.  866  f.  ®ie  grof$e  Äe^erberf  olgung,  bie  bamals  burd)  ganj  -Kittel;  unb  ©üb= 
beutfcfylanb  mutete,  mar,  Alberici  Chronicon  SS  23,  p.  931,  in  erfter  Sinie  eine 
Söalbenferberfolgung.  —  ^njmifd)en  fyatte  aber  aud)  bie  franjöfifcfye  ©tammgenoffenfdjaft 
ib,r  ©ebiet  beiräditlicb,  ermeitert.  ©cfyon  1192  mußte  man  in  Soul,  1199/1200  mWty, 
1203  in  Sütticb,  gegen  bie  „2öabor/§"  etnfcfyreiten,  Belege  ©.  810,  ->o.  Anfang  be§  13.  ^a^x-  20 
fmnbertg  geigten  fie  fid)  in  glanbern,  bgl.  bie  ©cfyrift  be§  @bert;arb  bon  Setfyune.  2Iber 
mistiger  mar  für  bie  ^robaganba  ber  3trmen  ber  ©üben.  $n  ber  Sangueboc  matten  fie 
f  cfyon  in  ben  80er  Satyr  en  be£  12.  2jGf>*fyunbertg  ben  Vifdjöfen  biel  ju  f Raffen,  bgl.  bie 
©djirift  be§  Vemfyarb  bon  gontcaub.  ^icb,t  lange  barauf  erregten  fie  aud;  in  2lragon 
unb  Katalonien  2luffel>en  (@bift  bon  Seriba  bon  1194).  %a,  %iX  uno  m  ber  Sangueboc  25 
toaren  fie  allem  3tnfct)eme  nad)  um  bie  Söenbe  be§  12.  unb  13.  $afytf)unbert<S  am  ber= 
breitetften,  jafylreicfejten  unb  einflußreichen,  bgl.  ^nnocenj  III.  Epist.  I.  11,  nr.  196, 
1.  12,  nr.  66,  68,  13,  nr.  78,  an  ben  @rjbifd)of  bon  SEarragona  unb  feine  ©uffragane, 
15,  nr.  82  an  ben  SBifcfyof  bon  ©Ina  nr.  92  an  ben  $bnig  bon  2lragon,  nr.  91  an  ben 
©rjbifd^of  bon  SRarfeille,  1.  12,  nr.  67,  1. 13,  nr.  63  an  ben  ©rjbifc^of  bon  9Jarbonne  30 
unb  feine  ©uffragane ;  bgl.  aucfy  bie  tarnen  ber  gül) rer  ber  pauperes  catholici  ®uran 
bon  §ueica  in  2Iragon  Vrobinj  garagoja,  ®uran  bon  ^Rajac,  2öill)elm  bon  ©aint 
2tntonin,  beibe  Drte  öftlicb,  bon  9Jiontauban,  $ofyann  bon  ÜRarbonne,  Vemfyarb  bon 
33ejier§,  Staimunb  bon  ©t.  $aul  in  SouffiUon,  ebb.  1.  15,  nr.  93,  96;  13,  nr.  98; 
Rescriptum  c.  15 :  Berengarius  de  Aquaviva  =  Aigues  vives  SDiöcefe  Sorbonne.  35 
2öa3  bie  ©ebbten  anlangt,  au§  benen  bie  3lrmen  fyerborgingen,  fo  Ratten  bon  2ln= 
fang  an  bie  Saien  bürgerlicher  ober  bäuerlicher  §erlunft  unter  ib,nen  ba^  Übergetoic^t. 
'Eod)  fehlte  e§  nicb.t  an  Älerilern  unb  litter ati,  bgl.  Qnnocenä  1.  11,  nr.  196;  1.  12, 
nr.  69,  baju  bie  batriftifcfyen  ßitate  in  bem  Rescriptum  bon  1218.  ©elbft  s3Jtörtcr)e 
fc^einen  ficb,  l^ie  unb  ba  tynm  angefd)Ioffen  ju  ^aben,  bgl.  ^nnocenj  1.  12,  nr.  69.  3lud)  40 
unter  ben  amici,  ben  im  bürgerlichen  Seben  berbleibenben  2lnl)ängern  ber  Slrmen, 
finben  mir  Ieine§meg§  nur  Heine  Seute.  3n  ^er  Sangueboc  fnelten  fic^  j.  33.  bie  fjfrau 
unb  bie  ©djmefter  be§  ©rafen  bon  %o'vc  auf  garniere  ju  i^nen,  Guilelmus  de 
Podio  c.  8,  in  ber  ©iöcefe  9Ke£  traten  bie  5SJJinifterialen,  in  Strasburg  ein  5Renfcb,en= 
alter  fbäter  ber  angefeliene  Bürger  3Bann,  in  ber  3)Zatnjer  SDiöcefe  felbft  ©rafen  für  fie  45 
ein,  bgl.  .gaucf  4,  ©.  868,  ja  in  Saiern  glaubten  fie  ca.  1240  fogar  auf  bie  Zuneigung 
be§  §erjog§  Dtto  IL  (1231—1253)  rennen  ju  bürfen,  ®abib  c.  27  p.  219;  ^iejler, 
©efcb,.  33abern§  2,  ©.  227. 

3.  SDtafjregeln  ber  ^icrarc^ie  unb  ber  meltlicf)en  gürften  gegen  bie 
Ausbreitung  ber  2lrmen  1184—1218.  ®er  bäbftlic^e  Sann  gab  ben  geiftlicben  6n 
unb  meltlicfyen  SBe^örben  ba§  Sftedjt,  bie  SBalbenfer  au^urotten.  3lber  e3  bauerte  bocb, 
geraume  ßeit,  efye  bie  Verfolgung  in  ©ang  fam.  ßu  energifcb,en  Maßregeln  entfcblofe 
man  ficb,  borerft  nur  in  ©banien.  $ier  erliefe  ^öntg  Sllfonö  II.  fdjon  1194  bon  Seriba 
aug  ein  2lu§meifunggebift,  ba§  alle  ^erfonen,  bie  fie  baufen  unb  fjofen,  fbeifen  unb 
tränfen  ober  aud)  nur  ib,re  funesta  praedicatio  anhören  mürben,  mit  ©üterfonfi§fation  55 
unb  ber  ©träfe  be§  SRajeftätgberbrecleng  bebrof)te  unb  jebermann  geftattetc,  ben  Zsniai>'- 
batati  allen  ©cb,aben  anjutb,un,  aufgenommen  %ob  unb  iserftümmelung,  abgebrucft  bon 
$egna  in  Eymerici  Directorium  Inquisitorum  II,  q.  1  comm.  29  ed.  Veneta 
1607  p.  281.  £>iefe  Verfügungen  mürben  1197  bon  Vebro  II.  auf  bem  ®onjiI  bon 
©irona  erneuert  unb  jugleicr;  burcb,  ben  SBefe^l  berfd;ärft,  bie  Söalbenfer,   Wo  man   ib,rer  60 


810  SBalbenfer 

babfyaft  Werben  lönne,  51t  berbrennen ;  es  ift  bieg  bie  erfte  öffentliche  Urlunbc,  in  ber  bcr 
geuertob  Don  ©taatSWegen  als  ©träfe  ber  Äe^erei  angeorbnet  Wirb,  bgl.  Sßelar/o, 
Historia  de  los  Heterodoxos  espanoles  1,  p.  712  s.,  Sea  1,  p.  179.  inwieweit 
baS  @bift  bollfiredt  Würbe,  ift  nod)  nidjt  feftgeftellt.    ^ebenfalls  Ratten  ürone  unb  5ltrc^e 

6  in  2lragon  aufy  fbäter  nod)  mebrfad)  21nlafj  gegen  bte  2Irmen  einzufd)reiten.  ÜJiit  ä^nltd)er 
(Energie  ging  man  in  jener  geit  nur  in  2)eutfd)Ianb  bor:  f)ier  Würben  1211  in  ©traft* 
bürg  etwa  80  SBalbenfer  unb  2Balbenfertnnen  berbrannt,  bgl.  Annales  Marbacenses  ad 
1215  SS  17,  p.  174.  Aber  eS  fdjetnt,  baf?  biefe  erfte  blutige  Verfolgung  aud)  in 
SDeutfcblanb  borerft  bereinjelt  blieb.  Söeit  fd)onenber  bebanbelte  man  bte  Armen  in  ibren 

10  beiben  £aubtmtffionSgebteten,  in  granfreicb,  unb  Italien,  ^n  ^ailanb  begnügte  ficb, 
@rzbifd)of  5ßb,ilibj),  tüte  eS  fcfeemt,  bamit,  tf)re  schola  nieberjureifeen,  Innoeentii  III. 
epist.  1.  12,  nr.  17-  3n  SEurtn  erWtrfte  33ifd)of  (Sarifio  jtoar  1210  gegen  fie  ein  faifer= 
Iid)eS  @bt!t,  oben  ©.  809, 10,  aber  baS  Wollte  nid)t  biel  bejagen.  ^n  ^inerolo  Warb 
1220  ben  ©intoofmern  zur  $flid)t  gemalt,  leine  Sßalbenfer  aufzunehmen,  bgl.  c.  54  beS 

15  Liber  statutorum  bon  1220  ed.  Augustae  Taurinorum  1684,  aber  biefe  33erorb= 
nung  fanb,  rote  bie  golgezett  let/rt,  faft  gar  feine  Veacbiung.  —  Qm  franzöftfd)en  ©brad?= 
gebiete  fd)ritten  junädjft  nur  einige  33tfd)öfe  gegen  bte  Straten  ein :  ^n  Styon  »erjagte  fie  @33. 
^ofyann  auS  feiner  ©tabt  unb  SDiöcefe.  3"  ^ex  Sangueboc  50g  23ernr/arb  bon  5Rarbonne 
einige  bon   tbnen   bor  ©ertd)t,    bgl.  Verdarb  bon  gontcaub   p.  196.    ^n  Sotbjingen 

20  befahl  Otto  bon  Sloul  1192  bie  2Babor/S,  Wo  man  tfyrer  ^ab^aft  Würbe,  in  Letten  zu 
legen  unb  an  baS  bifcböflicbe  ©erid)t  auszuliefern,  bgl.  3ttartene=1)uranb,  Thesaurus  I, 
p.  1182.  ^n  5Kefc  griff  ^nnocenj  III.  1199/1200  berfbnltcb.  ein,  inbem  er  ju  ibrer 
Selämbfung  bie  Abte  bon  ßiteauj,  9Jcorimunb  unb  ßrifta  aborbnete.  Aber  biefe  begnügten 
fiel»  allem  Anfd)eine  nad)  bamit,  bie  frangöfifeben  33ibelüberfe|ungen,   bie  in  ben  Greifen 

25  ber  Armen  turfierten,  berbrennen  zu  laffen,  Alberici  Chronicon  ad  1200,  SS  23, 
p.  878.  ©rtbltct)  in  Sütttd)  orbnete  Sifcbof  §ugo  1203  bte  Auslieferung  aller  fran= 
jöfifc^en  unb  beutfefeert  Sucher  über  bie  61  ©ebrift  an,  bgl.  grebertcq,  Corpus  docum. 
Inquis.  nr.  63,  t.  1,  p.  63.  Aber  baS  mar  alles,  WaS  borerft  gefebab.  @rft  als  in 
©übfranfreid)  ber  grofee  Albtgenferfrteg  ausbrach,  ging  man  aud)  gegen  bie  SSalbenfer  mit 

30  SBluturteilen  bor:  SDte  fiebert  SBrüber,  bie  1214  ju  SKaurttlac  berbrannt  mürben,  finb, 
fobiel  mir  Wiffen,  bie  erftert  Armen  fran§5fifcl)er  §erfrmft,  bie  i6re  Überzeugung  mit  bem 
Stöbe  büjjen  mußten,  bgl.  Petrus  Sarn.  historia  Simonis  c.  74 — 78,  Sea  1,  p.  179. 
^m  erften  9Jcenfd)enalter  it)re§  SeftanbeS  far)  fid)  bie  ©enoffenfebaft  beS  2öalbeS  alfo 
nur  in  ©banien  ernftlia)   get/inbert.     AnberWärtS    febritten  geiftlidje  unb   Weltliche  33e= 

35  körben  nur  berein^elt  gegen  fie  ein.  Um  fo  eifriger  mar  man  bemüht,  fie  auf  frieblicfyem 
Sßege  ju  gewinnen  ober  tbenigftenS  ib,re  ©onberleb,ren  ju  rotberlegen.  5Bernb,arb  bon 
gonteaub,  SllanuS  ab  ^nfuliS,  @berb,arb  bon  33etb,une  berfa^ten  bamals  tt)re  ©Triften 
gegen  bie  jünger  beS  SBalbeS.  3>n  ber  Sangueboc  berfuebte  man  bura)  SteligionSgefbräcb.e 
fie  mieber  mit  ber  Strafe  ju  berjöb,nen.    SDa§  erfte  btefer  ©efbräd)e  fanb  bor  1191  ftatt. 

40  SDer  Drt  ift  nicb,t  überliefert.  %tft  ftefet  nur,  bafc  bie  3lrmen  förmlicb,  baju  eingelaben 
toaren  unb  fogar  bei  ber  2Bab/l  beS  ©cb,iebSricf)terg  mittoirfen  burften.  SDiefer  ©d)tebS= 
riebter,  SWaimunb  bon  SOabentria,  fbrad)  bann  freilieb,  ben  Äatfyolifen  ben  ©teg  ju,  bgl. 
über  bie  SCbemata  unb  ba§  (Ergebnis  ber  ©ebatte  bte  ©cfyrift  beS  Sernbarb  bon  gonteaub. 
@in  jtoeiteS  ©efbräa)  fanb  1206  auf  bem  ©cfeloffe  ^3amierS  ftatt.    @S  batte  zur  golge, 

45  bafc  ber  aragonifd)e  2lrme  >Duran  bon  §ueSca  fia)  zur  Unterwerfung  berftanb,  falls  man 
i^m  erlaube,  bie  SEradjt  unb  bie  SebenStoeife  ber  2lrmen  beizubehalten,  bgl.  ben  2lrt. 
Pauperes  catholici  Sb  XV  ©.  92.  Salb  faf)  fid)  bie  ^irebe  in  ber  Sage,  auS  ah 
gefallenen  SBalbenfern  einen  neuen  Verein  armer  Vrebiger  z«  bilben,  ber  ibr  bei  ber  23e= 
lämbfung  ber  §ärefie  unb  beS  SßalbeS  treffliebe  SDienfte  z«  leiftert  berfbrad;.    allein  bie 

so  Hoffnungen,  melcbe  ^nnocenz  III.  auf  bie  pauperes  catholici  gefefet  batte,  erfüllten  fid) 
ntebt,  a.  a.  D.  ©.  93. 

4.  ©ezeffion  ber  Sombarben.  SSobl  febr  frübe  finb  in  ber  großen  ©enoffen= 
fdjaft  „ber  2lrmen"  Unftimmigleiten  grt)ifct>en  2öaIbeS  unb  ben  Sombarben  b^borgetreten. 
SBalbeS  forberte  bie  2luflöfung  ber  lombarbtfcben  Slrbettergenoffenfcbaften.   ®ie  Sombarben 

55  Wollten  fid)  bazu  ntdjt  berfteben,  Rescriptum  c.  6.  SöalbeS  geftattete  ben  conversi 
bet  (Eintritt  in  ben  ©tanb  ber  SCrmen  eine  febon  beftebenbe  @be  Z«  löfen'  bie  Sombarben 
toaren  ber  Meinung,  ba^  bazu  bie  ^uftimmung  beS  anberen  ©beteilS  erforberltd)  fei,  ebb. 
c.  9,  12.  Sie  Sombarben  roünfdjten  baS  SlbbängigleitSberbältniS  z"  SöafoeS  zu  löfen 
unb  fid)  einen  eigenen  Vorfteber  zu  mäblen.    2öaIbeS  «Härte,   bafe  er,  fo  lange  er  lebe 

so  lernen  anberen  Vorfteber  neben  fid)  bulben  Wolle,   ebb.  c.  4.    SDie  golge  biefer  9Jüjj' 


SBalbcnfer  811 

fyelltgteiten  mar  eine  gefährliche  ®rifi3  unb  fcr/ließlicb/  eine  Spaltung  ber  ©enoffenfcfyaft. 
DB  bereits  bie  SSerföfynung  eine?  großen  Steile  ber  ^umiliaten  mit  ber  §terarct)te  im 
^afyre  1201  bureb,  jene  ©treitiglettcn  beranlaßt  mar,  ift  nict)t  feftgufteUen.  ^ebenfalls 
erreichte  bie  Ärifi§  tbjen  £öfyebunft  erft  einige  ^afyre  fbäter  ca.  1210  (Innocentii  1. 12, 
nr.  17:  SDuran  berfudjt  noify  1209  nidjt  olme  ©rfolg  in  9Mlcmb  unter  ben  2lrmen  ju  ö 
mirlen.  @bb.  1.  17,  nr.  93  Dom  U.^uni  1210:  Sernfyarb  $rimu8  [f.  33b  XV  ©.  93, 2 1, 
obmofyl  feiner  £erfunft  naef)  rr>ar)rfc^einltc£)  ein  ©übfranjofe,  entfcf>Iießt  fiel)  in  ber  Som= 
barbei  einen  herein  bon  pauperes  catholici  ju  ftiften;  bgl.  ©albu§  Surce  bei  SDöU 
linger  2,  ©.  64).  SDamate  fagten  bie  Sombarben  SöalbeS  ben  ©eljiorfam  auf  unb 
mahlten  fid^  in  bem  homo  idiota  et  absque  litteris  QofyanneS  bon  Stonco  (bafyer  io 
toof)l  ber  $e£ername  ^Runcarii  ^affauer  2lnont)mu§  c.  6  p.  70  G)  einen  eigenen  SBorfteber. 
(tiefer  ^anneS  ift  bielleicfyt  ibenttfdt)  mit  bem  Cannes,  ber  in  ber  malbenfifc|en 
Überlieferung  be§  14.  2>afyrljmnbertg  aU  ©enoffe  be<§  SBalbeS  erfcfjeint,  bgl.  ben  33rief  bei 
SDöHinger  2,  ©.  357,  ^Setcr  bon  $iIicr>borf  a.  a.  D.  p.  51). 

SDtit  biefen  inneren  ©trettigfeiten   fjängt  e<§   mob,!  jufammen,  bafe  bie  ©enoffenfcfyaft  i5 
in  jener  geit  berbältniSmäßig   fo   geringe  2öiberftanb§!raft  gegen  fatfyolifdje  33efef>rung<o= 
berfucfye  ermieg  unb   eine   große  ftafyl   namentlich   t^rer  gebilbeten  ©lieber  bureb,  2lbfaH 
berlor.    oben  jener   große  2lbfaß   unb   ber  anfangt  nicfyt  geringe  (Srfolg  ber  pauperes 
catholici  Heften  aber  ben  gemäßigteren  Elementen  in  ben  beiben  fernblieben  Sagern  eine 
SBerfölmung  um  fo  münfebenämerter  erfahrnen.    SDer  Stob   ber  beiben  §äubter,  2öalbe3  20 
unb  $oI).  bon  3?onco,    bor  3Jcai  1218,    fcfyuf   ben  griebenSfreunben   freie  23ab,n.    2luf 
2lntrag  ber  Sombarben  traten  beibe  Steile  §unäcf;ft  mieber  in  fct)rtftlid;en  3Serfeb,r,  barauf 
erfcfyienen  im  SSJcai  1218  fect)§   Slbgefanbte  ber  ©tammgenoffenfcfyaft,    barunter   bie   ber= 
jettigen  beiben  ^räfibenten  ^Betrug  bon  Celano  (?)  unb  Serengar  bon  Slquabiba  (Aigues- 
vives,  SDiöcefe  9tarbonne),    in  Italien,    um  mit   fedjg  debütierten  ber  Sombarben  in  25 
Sergamo  ben  ©treit  beizulegen,    ©ie    machten    babei  ben  Sombarben    fefyr  große  gu= 
geftänbniffe,    nur    in  jtoei  fünften  lonnten  unb  moßten  fie  nicfyt  nachgeben,     ©ie  for= 
berten  1.  SOBalbeS  unb  fein  fonft  unbelannter  ©enoffe  3Sibet   foHen   auet)  bon  ben  Som= 
barben    all    „feiig"    anerfannt    toerben.     SDiefe  gorberung    mürbe   abgelehnt.    2.  SDie 
Sombarben  follen  bie  eigentümliche  2tbenbmab,l§lefyre,    ju  ber  fie  erft  jüngft  gelangt  ftnb,  30 
toieber  aufgeben.    SDie§  Slnfinnen  berftimmte  jene  um  fo   mefyr,   all   fie  für  ibre  Seljre 
nur  SDuIbung,  nicfyt  allgemeine  Slnerlennung  beanfbrudjten.    SDie  Serfyanblungen  mürben 
bab,er  abgebrochen   unb   nie  mieber  aufgenommen.    23ielmel)r  trat  jeljt  eine  böEige  @nt= 
frembung  ja  geinbfdjaft  jmifcfyen  ber  ©tammgenoffenfcfyaft  unb  ben  Sombarben  ein.    SDie 
©cb^ulb  an  biefem  2tu3gange  lag  auf  beiben  ©eiten :    beibe  Steile  fonnten  fieb,  mit  9iecfyt  35 
@ngb^erjigleit  bormerfen.    Slber  bie  letjte  Urfacfye  be§  .gmiefbaltei  faß  bod)  tiefer:  in  ber 
SLl)atfacr;e,  baß  bie  Sombarben  febon  eine  ©enoffenfd)aft  mit  feften  Drbnungen  unb  au& 
geprägtem   ©enoffenfcfjaftsbetbußtfein   getoefen    toaren,    all  fie  mit  ben  socii  Waldesii 
fttt)  bereinigten,    ©rtoägt  man  ba§,    bann   berftel)t  man  aueb,  bie  abmeifenbe  ©cb,roPeit, 
mit  ber  SBaloeS  all  ib^ren  2öünfcb,en  entgegengetreten  mar.    ©eit  1218  toaren  granjofen  40 
unb  Sombarben  gefcfyieben.   ©aß  einzelne  granpfen  tro^bem  feb^on  um  1240  mieber  nad) 
ber  Sombarbei  gingen,  um  ^afyre,    \&  Sab^elmte  lang  in  ber  ©cb^ule  ber  Sombarben  ju 
3)cailanb  ju  ftubieren,    bgl.  ©tebl)an  bon  Söourbon  c.  330  p.  280  s.,    baß    ber  Maior 
minister  ber  granjofen,  Joannes  Lotaringius,  @nbe  be§  13.  $alj)rf)unbert§  aueb^  Italien 
bereifte,  ©öUinger  2,  ©.  109,    unb   baß   anbrerfeir»  Italiener   gelegentlicf)   in  bie  fran=  45 
äöfifepe  ©tammgenoffenfefjaft   eintraten,    ebb.  ©.  108,    unb  aueb,    in  ber  Sombarbei  ba§ 
Urteil  fieb,  aHmäfylicfy  ganj  ju  ©unften  bei  SMbeS  berfcb,ob,  bgl.  ben  33rief  be3  Qo^ann 
unb  ©enoffen,  SDöHinger  2,  ©.  355  ff.,  änbert  nicf>t£  an  biefer  SEb,atfacb,e. 

IL  ^beal,  SSerfünbigung,  Serfaffung  ber  älteften  2KaIbenfer.  —  ©0 
menig  mir  bon  ber  ^erfönlict/ieit  be§  a©atbe§  miffen,  fo  feft  fteb>,  ma§  er  erftrebte:  50 
9tüc!feb;r  jur  aboftolifc^en  Slrmut,  banacb,  Erneuerung  bei  abofto!ifcb,en  Sebenä  übertäubt 
md)  Maßgabe  beS  ©efe|eS  ©otte§,  inlbefonbere  ber  2lboftelregel  9JU  10  unb  «ßorat 
lelen,  oben  ©.  807  Dh  er  bieg  propositum  aueb.  fcb.riftlicf)  fixiert  b,at,  miffen  mir  nicf)t. 
Überfjaubt  feb,It  e§  un§  fefjr  an  guten  bireften  9cad) rieten  über  bie  Drbnungen,  bie  er 
gefctyaffen  b,at.  2üir  müßten  ba^er  berjicf)ten,  ein  23ilb  bon  bem  älteften  SMbenfertum  55 
gu  entmerfen,  ftänben  um8  nieb^t  jmei  jiemlicb,  ergiebige  inbirelte  Duellen  ju  ©ebote: 
1.  bie  autl>entifcfyen  SDtitteilungen  ^nnocen^  III.  über  bie  pauperes  catholici,  benn 
biefe  finb  nichts  anbereS  all  mieber  mit  ber  ßticfye  berföb,nte  SBalbenfer,  benen  ber  ^abft, 
fomeit  e§  angebt,  ib,re  alte  ©itte  unb  Drganifation  gelaffen  f)at;  2.  bie  23ericbje  über  bie 
franäöfifcb,en  unb  lombarbifcfyen  Slrmen  in  fbäterer  $eit.    %lad)    1218    b,at    ein    regele  a> 


812  SSalbenfer 

mäßiger  SSerfe^r  jtoifd;en  ifynen  nid^t  mefjr  ftattgefunben.  9Jian  fann  bafyer  bett  Itanon 
auffteßen:  aße  Qnftttutionen  imb  ©ebräudje,  bie  man  in  ber  fbäteren  3eit  fotoofyl  bei  ben 
granjofen,  foie  bei  ben  Sombarben  finbet,  gcfyen  auf  bie  geit  bor  bem  ©cftjgma,  b.  i. 
auf  bie  3ßtt  beg  Söalbeg  gurüd.  33ead)ten  mir  bag,  bann  erhalten  mir  bon  ber  societas 
5be§  2öalbeg  folgenbeg  33ilb: 

1.  ^Allgemeiner  6b,aralter  ber  societas.  ©ie  societas  (bgl.  fyier^u  Re- 
scriptum  c.  4,  7,  13,  15,  17,  26)  ber  pauperes  spiritu  ift  urfbrünglid;  nichts  toeiter 
alg  ein  agfetifcfyer  herein  bon  Scannern  unb  fernen,  bie  ber  SBelt  entfagt,  ftd;  burd) 
förmliche  ©elübbe  ju  aboftolifd)er  2irmut   unb   jur  2lugübung   beg   aboftoIifd;en  SBerufeg 

10  gemäfj  ber  lex  Christi  berbfltcfytet  b,aben  unb  alg  äußeres  SC6§eid^en  bie  aboftolifdje 
%rad;t  tragen.  9?ur  biefen  ^ßerfonen  fommen  bie  folennen  Hainen  pauperes  spiritu, 
fratres,  sorores  ju;  in  ber  lombarbifd)=beutfd;en  ©rubbe  nennt  man  fie  fbäter  aud) 
magistri,  magistrae,  SReifter,  Sfteiftermnen,  ja  gerabeju  Slboftel  ober  gmölfboten  ober 
Ferren  (bgl.  Mta  ©.  Uff.,  101f.,  §aubt  in  gm  14,  ©.  6).    9?ur  fie  finb  ©lieber 

15  ber  societas,  bie  nuper  conversi,  bgl.  Rescriptum  c.  5,  ober  Novellani  (Trac- 
tatus  p.  92)  unb  bie  „greunbe",  amici  ber  societas,  toeldje  in  bie  Söelt  bleiben,  fyaben 
leinen  SCntetI  an  ben  ^ecfyten  unb  ^}flid;ten  ber  trüber,  ©ie  Werben  bafyer  aueb,  bon 
ben  latljolifcfyen  ^ßolenüfern  äunäcbjt  nie  Valdenses,  Insabbatati,  Sabbatati,  Sanda- 
liati, Sotularii,  pauperes  deLugduno,  Leonistae  genannt,   ©ie  ftefyen  bielmel)r  gu  ber 

20  societas  urfbrünglicb,  in  bemfelben  freien  Verfyältniffe,  toie  ber  jafylenbe  Slnfyang  einer 
heutigen  SSJliffionggefeHfdwft  gu  beren  ftimmberecfytigten  9JUtgIiebern  unb  Arbeitern. 
Stber  baburd),  bafc  ber  Verein  aug  ber  ®trd)e  auggeftofjen  wirb,  änbert  ftcb,  noeb, 
bor  bem  ©djigma  bon  ca.  1210  fein  ßfyarafter.  J^nbem  äöalbeg  fic^>  nod)  bor 
1210  alg  Vifcfyof  anerfennen   läfet   unb  für   fid)   bie  gäfyigfeit   in  2lnfbrucb,  nimmt,  bag 

25  2lbenbmab,l  511  Jonfelrieren,  bereitet  er  fcfyon  felber  bie  Umtoanbelung  feiner  Vruberfdjaft 
in  eine  ©efte  ober  ©egenfircfye  bor,  Velege  f.  unten  ©.  816, 10.  Seförbert  Wirb  biefe 
©nttoidelung  in  ber  golgejeit  baburd),  baj$  bie  amici  unter  bem  ©rüde  ber  Verfolgung 
fid)  immer  enger  alg  feftenartige  ©emeinfcfyaften  jufammen  unb  an  bie  societas  an= 
fd;lief$en.    ©djon  bor  bem  ©djigma  ift  bal)er  bie  societas  nid)t  mef)r  ein  blofjer  Verein, 

30  fonbern  ein  9JUttelbmg  gtoifdjen  Verein  unb  ©efte.  Sern  entfjmdjt  eg,  bafj  ber  9iame 
Waldenses  aümä^Iid;  aud)  auf  bie  amici  übertragen  toirb,  Veifbiele  für  ©eutfd)Ianb  aug 
bem  ^afyre  1266  ber  Vaffauer  2lnonbmug  p.  30 E,  für  granfreieb,  äluggabebudb,  ßarlg 
bon  Stnjou  für  bie  Vrobence  aug  bem  ^afyre  1264  bei  ©ternfelb,  $arl  bon  2tnjou  ©.  274, 
2Htert  bon  Sarcaffonne  bei  ©öHinger  2,  ©.  12 f.;    für    bie   Sombarbei,    Vrobence    unb 

35  ©eutfd)Ianb  Tr'actatus  de  pauperibus  ebb.  ©.  92  ff.  2lber  bie  fatfyoIifd)en  Vericb> 
erftatter  bergeffen  bann  nie  anjubeuten,  ba^  bie  seeta  au§  duo  genera  befiele,  ben 
Valdenses  proprie  dicti  ober  perfecti,  unb  ben  imperfecti,  diseipuli,  credentes 
ober  amici,  bie  nad)  tote  bor  nicfyt  sensu  stricto  ju  ber  societas  geregnet  werben,  bgl. 
©öCinger  2,  ©.  11  ff.  ©.  92  ff.,  aud)  bie  ^rotofolle  ber  ^nquifition  in  ber  $)ü>cefe  SEurin 

40  bon  1387/88  Archivio  Storico  Italiano  serie  terza  t.  1,  p.  33:  item  in  Rocha 
Pyaca  sunt  omnes  Valdenses  et  specialiter  domus  de  Galdinis,  ebb.  17:  cre- 
dentes Valdensibus  etc.  ®ie  SEenbenj,  fid)  immer  mefyr  bon  ber  rbmifdjen  £ird)e  IoS- 
^ulöfen  unb  mit  ifyrem  toeltlid^en  21nb,ange  eine  felbftftcmbige  ©egenürdie  ju  grünben,  ift 
alfo  fd;on  feit  ber  SuCe  £uciu<o'  III.  bon  1184    im   ©cfyofje    ber   societas   bor^anben, 

45  unb  fie  beftimmt  fcfyon  feit  jener  geit  bie  ©nttbidelung  ber  societas  fotuol)l  auf  fran= 
Söfifd)em,  toie  auf  Iombarbifd)em  unb  beutfd;em  Soben. 

2.  3t egel  ber  älteften  societas.  ©ie  VorauSfe^ung  für  ben  (Eintritt  in  bie 
societas  mar  bon  Infang  an  bie  conversio  im  ©inne  be3  mönd;ifd;en  ©brad;gebraudje§, 
bgl.  Rescriptum  c.  5,    b.  i.  ber  Vergibt  auf   ba£  ^ribateigentum,   auf   ben  toettlic|en 

so  jöeruf  unb  ©tanb,  bie  Söfung  einer  fdion  befteb.enben  @b,e,  bgl.  Siegel  ber  pauperes  beg 
©uran,  ^nnocenj  Epist.  1.  11,  nr.  116,  Rescriptum  c.  1,  12.  ©aran  fcb>f;  fid; 
S  m  *ben  er^lm  Sauren  fofort  bie  reeeptio  in  bie  societas.  2tber  noeb,  bor  bem 
©^t§ma  lam  allem  2tnfdj)ein  nad;  ber  Sraud)  auf,  ben  nuper  con versus  ober  novel- 
lanus  etne  Seb,r=  unb  ^robejeit  burd;mad;en  ju  laffen,  bie  fbäter  in  granfreieb,  fünf  big 

55  )edi§,  tm  Iombarbtfd)=beutfd)en  ^toeige  ein  bi§  ^toei  Sab.re  toä^rte  unb  bon  ben  9?obhen 
t>aub^tfa^Itd)  ?um  Sluitoenbiglernen  beg  %l%$  unb  anberer  biblifd;er  S3üd)er  bertoanbt 
tourbe,  bgl.  Rescriptum  c.  5  bie  3Rottg  über  bie  nuper  conversi,  Tractatus  bei 
©ollmger  2,  ©.  95,  ebb.  ©.  132  f.  @rft  nad;  biefer  ^robe^eit  tr-urbe  ber  nuper  con- 
versus  jum  sandaliatus,  b.  i.  er  ioarb  auf  einem  commune  feierlicb,  unter  bie  fratres 

eo  et  sorores  aufgenommen,  bgl.  Tractatus  ©.  95.    ©abei  gelobte  er   gu  Anfang    u,ob,I 


SJÖolbcnfer  813 

nur  bollfommen  arm  ju  fein  —  „nid)t  mefyr  für  ben  fommenben  %ag  gu  forgen,  lein 
©Über,  ©olb  ober  bergleicfyen  aufcer  bem  täglichen  Sßebarf  an  9tafyrung  unb  Reibung 
anzunehmen",  2.  bie  9}orfd;riften  be§  (SbangeliumS  ftrengc  ju  beobact/ten,  3.  bie  abofto= 
lifd;e  £rad;t  zu  tragen,  bgl.  propositum  Durandi.  2Bol)I  nocb,  bor  beut  ©duSma  ift 
baju  getreten  4.  baS  ©etübbe  ber  J^eufcb^eit,  bgl.  für  ben  franzöfifcfyen  gtoeig  ©ollingcr  2,  5 
©.  133,  für  ben  lombarbifd;en  Tractatus  ebb.  2,  ©.  96,  Stößig,  Sücitteilungen  1,  ©.  42. 
Später  tourben  fotboljl  bei  ben  granjofen,  2)öHinger  2,  ©.  105,  tüte  bei  ben  Sombarben, 
SRöfyrid;  a.  a.  D.,  überhaupt  nur  unverheiratete  ^ßerfonen  aufgenommen,  ©nblid;  leiftete 
ber  ^otoige  5.  aud)  ba§  ©elübbe  be<§  ®eb,orfam§  gegen  bie  Oberen,  SDöllinger  2,  ©.  96, 
133.  2öa§  bie  apoftolifdje  S£rad;t  anlangt,  fo  beftanb  biefelbe  junä^ft  allem  2lnfd>ein  10 
nad)  nur  in  einem  einfachen  wollenen  9tode.  ©cfyufye  trugen  bie  älteften  pauperes  nicf;t, 
fie  gingen  barfufj,  bgl.  ben  SSertd^t  Wlapä.  2tber  fel)r  früfye  fcfyon  muffen  fie  fid)  ent= 
fcfyloffen  I)aben,  Ireu^toei^  gebunbene,  auf  bem  Stift  mit  einer  eigentümlichen  ©djmalle  ober 
einem  ©d;tlbd;en  berfel)enen  ©anbalen  anzulegen.  ®enn  fdjon  1194  im  ©bift  bon  Seriba 
begegnet  ber  ©biijname,  ben  biefe  ©anbalen  ben  2Irmen  eingetragen  fyaben:  Insab-  15 
batati,  Encabots,  Sabbatati,  bgl.  Sandaliati,  Sotularii,  Cotularii,  bgl.  propo- 
situm Durandi;  Ebrard  Bethun.  c.  25;  über  bie  Corona  ober  bas>  scutum  aud) 
SDöEinger  2,  ©.  7  unb  banad)  Bernardus  Guidonis  p.  245.  ©ie  f eiber  legten,  roie 
e£  fdj>eint,  auf  biefeS  MeibungSftüd  großen  SBert,  bgl.  Petrus  Sarn.  c.  2  ed.  SDud)e§ne 
p.  556.  SDie  Überreizung  unb  Anlegung  ber  ©anbalen  gehörte  bafyer  fbäter  ju  bem  20 
folennen 2tufna§meritu§,  bgl.  Tractatus  ©.95 f.:  Efficiuntur  sandaliati.  —  ^n  biefer 
%xa<fyt  jogen  bie  „Slrmen"  ju  zweien  unb  jmeien  als>  2iknberbrebiger  bon  ©tabt  zu 
©tabt,  bon  Sanb  zu  Sanb,  bgl.  2c  10,  1  unb  ben  Söericfyt  9JtabS.  ^^ren  Unterhalt  burd) 
Arbeit  fid;  zu  berbienen,  War  ifmen  auäbrüdlid;  berboten,  bgl.  SllanuS  2,  c.  24,  @ber= 
Ijarb  c.  25  p.  177  ss.  2öa6  fie  zu  be3  Seibe§  5Ral)rung  unb  SRotburft  beburften,  foEten  25 
fie  fid;  nad;  SSorfdjrift  beä  ©bangeliumS  Mt  10,  10  ff.,  1.  ®o  9,  7  ff.,  bon  ifyren  greunben 
reiben  laffen.  ©elbalmofen  miefen  fie  anfangs  jurüd,  bgl.  propositum  bes  ®uran. 
Unter  ben  ©beifen  matten  fie  feinen  Unterfdjneb,  aber  auf  ba§  $aften  legten  fie  bon 
Stnfang  an  großen  SBert  (bgl.  ©berfjarb  c.  25  p.  180  f.  in  ieiunando  nobiscum  estis), 
fie  übten  e§  fdjon  fel)r  frübe  am  SRontag,  Sftitttood;  unb  grettag,  bgl.  für  bie  g-ranjofen  30 
©öUinger  2,  ©.  9,  für  bie  Sombarben  ebb.  ©.  367.  9cid;t  minber  ^ocb  fdjätsten  fie  ba§ 
©ebet,  aber  aufjer  bem  S£ifd;fegen  gebrausten  fie  immer  nur  ein  ©ebet,  baS  33aterunfer, 
ba§  fie  bafür  um  fo  häufiger  ju  fbredjen  pflegten,  bgl.  für  bie  granjofen  SDöllinger  2, 
©.  17,  für  bie  Sombarben  ^affauer  2Inonr,muS  p.  30  E,  SDößtnger  2,  ©.  339,  345. 
©od;  gelten  fie  fid;  babei  anfangt  nirgenbS  an  bie  fanonifcfyen  ©ebetSftunben ,  bgl.  bie  35 
$lage  ^nnoceng  III.  über  bie  fölerüer  unter  ben  ©enoffen  beS  ®uran,  epist.  12,  nr.  69, 
p.  337-  ©bäter  beteten  fie  überall  be3  SLageS  fiebenmal.  9Rur  bor  bem  (äffen  fbracfyen 
aud)  fie  ein  befonbere§*©ebet,  ben  SEifdb,  fegen,  bgl.  ben  %yct  ©ößinger  2,  ©.  11  f.,  Trac- 
tatus ebb.  ©.  94;  für  ben  franjöfifcben  $toeig  ift  ber  ©egen  fd)on  bezeugt  in  ber  Con- 
sultatio  Avenionensium  bon  1235,  für  bie  Sombarben  burd;  Tractatus  a.  a.  C,  40 
bgl.  Dd;fenbein,  2lu§  bem  fdjtneij.  $olf§Ieben  ©.  186.  ©eb,r  früf)e  ift  fobann  in  ber 
societas  toor;!  unter  fatb,arifd;em  ©influffe  ber  23raud;  aufgelommen,  jeben  @ib  im  §in= 
blid  auf  3Jtt  5,  34  ff.  abjulefynen,  jebe  Süge  al§  eine  Xobfünbe  ju  metben,  jebe§  33lut= 
bergiefeen  feig  aud;  in  geregtem  Kriege,  ja  felbft  bie  S3lutgerid)tsbarfeit  ju  berbammen, 
bgl.  Mt  5,  21ff.,  7,  lff.,  erfter  ßeuge  2llanu§  II,  c.  15-23.  —  2113  ü)re  mid;tigfte  45 
33eruf^aufgabe  betrachteten  bie  Slrmen  bie  ^3rebigt,  bgl.  Söalter  ÜJcab,  33ernf)arb  bon 
gontcaub,  2Inoni;mu§  bon  Saon.  @rft  nacf)  ib,rer  3lu^fto^ung  au$  ber  ^ircfye  begannen 
fie  aud;  S3eid)te  ju  l)ören  unb  bag  Slbenbrnab^I  ju  zelebrieren,  erfter  3eu9e  fur  beibeS 
2llanu§  II,  c.  7ss.,  unb  nod;  bor  bem  ©djtema  aud;  ba3  ©aframent  beg  Drbo  burd; 
©ebet  unb  §anbauf(egung  nad;  SSovfcbrift  „be§  ©efe^el  ©otteg"  1  %i,  SEit,  2tfta  ju  so 
bolljieb,en,  bgl.  für  bie  granjofen  SDößinger  2,  ©.  109  ff.,  für  bie  Sombarben  33rief 
5Rorel§  bei  SDiedfyoff  ©.  364,  bie  summa  brevissima  bei  ©oll,  DaieHcn  unb  Untcr= 
fud;ungen  jur  ©efd;icb,te  ber  böb,m.  Srüber  1,  ©.  118.  £)a§  Slbenbmab,!  tr-urbe  biel= 
leicht  juerft  öfters  gefeiert,  aber  nod;  bor  bem  ©d;iSma  fcb,eint  man  fid)  entfdjloffen  ju 
l)aben,  eS  nur  einmal  im  galjre,  nämlid)  am  Slbenbe  beS  ©rünbonnerStageg,  burd)  einen  55 
33ifd)of  zelebrieren  ju  laffen  (ältefte  geugniffe  für  gran!reid)  Consultatio  Avenionensium 
bon  1235  bei  SRüller  ©.  83,  ?ßroto!olle  beö  ^nquifitorS  ^etruS  Sella  bon  1241  2  bei 
Sea  2,  p.  334  [cena  in  die  Jovis],  c.  29,  Narbonne  1243,4  Mansi  23,  p.j364; 
für  ben  Iombarbifd>=beutfd;en  3meig  Slften  bon  ßarcaffonne  bei  ©öHinger  2,  e.  8; 
bestätigt  burd;  ba3  5Rotat  Errores  Waldensium  bon  c.  1395  bei  1>öllinger  2,   ©.  3:!',).  60 


814  SSoIbeitfer 

2)er  9?itu§  ebb.  ©.  7  f.).  33ei  ben  granjofen  toar  e§  toofyl  bon  Slnfang  an  üblicl),  ^ 
bei  ber  geter  aufeer  ungefäuertem  Orot  unb  älßein  auct)  gifcb,  genoffen  tourbe,  bgl. 
©öUinger  2,  ©.  116.  Consultatio  Avenion.  1235  Bei  SDiülIer  ©.  84,  gormein  bon 
Sarcaffonne  5Hr.  8  ebb.  ©.  85  n.  b.,  ^rotofolle  be§  $etru<§  Seffa  bon  1241/2  bei  Sea  2, 
5  p.  579  ss.,  unb  jenen  beim  2lbenbmabJ  gereichten  ©Reifen  fcfyeint  man  bann  fyier  fdjon 
frü^e  bie  Kraft  gugefcfyrieben  ju  fyaben,  Kranfe  gefunb  ju  machen.  SDieä  ergiebt  ftcb,  al§ 
eigentliche  23ebeutung  be3  panis  signatus  ober  benedictus  flar  au§  ben  ^ßrotofoHen 
be§  betrug  ©eHa,  bgl.  2lften  Don  (Sarcaffonne  ©öHinger  2,  ©.  8. 

3.  33erlünbigung   unb   Slnfcb,  auungen    ber  Slrmen.     ©ie   ^rebigt    ber 

10  Sirmen  toar  fel)r  einfach  ©ie  befianb  in  ber  Siegel  nur  in  Ermahnungen  jur  93ufce 
(„culpare  sua  et  aliena  peccata",  Saoner  2lnonbmu§)  unb  Stejitation  längerer  2tb= 
f4>nitte  au§  ber  1)1.  ©d)rift  in  ber  SBoIfSfbracfje  („firmans  eis  evangelia",  ©tebl)an 
bon  Sourbon  p.  291).  23efonberen  5Racb,brucf  legten  fie  babei  fpätefteng  feit  beginn  be§ 
13.  Qab,rf)unbert§  auf  ba<§  Verbot  be§  @ibe§,  ber  Süge,  beS  SBlutbergiefjenS  in  ber  S8erg= 

i5brebigt,  3Ät  5,  21  ff.,  24 ff.;  7,  1  ff-,  erfter  Beuge  2llanu3  II,  c.  15ss.  2)ie  £ärefien, 
bie  il)nen  babei  nact)  bem  Urteil  ifyrer  fatbolifcfyett  ©egner  unterliefen,  bienten  nur  $ur 
(Sinfcfyärfung  ber  Sufcbrebigt  ober  jur  üßertetbigung  if)re3  Unternehmend  gegenüber  ben 
Slnfbrücfyen  ber  §ierarct)ie :  1.  ©eelenmeffen,  ©ebete,  2Ilmofen  nü|en  ben  Soten  nichts 
meb^r,  Semfyarb  bon  gontcaub  c.  9,  propositum  ber  pauperes  catholici,  ettoa<§  anber3 

20  2llanu3  2,  c.  12—14.  2.  ©in  gegfeuer  giebt  e§  md)t.  2llanu§  ertoäfmt  biefe  Stnfic^t 
nicf)t  au3brücflicr/,  aud)  ntct)t  bte  Siegel  ber  pauperes  catholici,  aber  bie  letztere  fe|t  fie 
boct)  borau§,  33eml)arb  giebt  c.  10,  11  an,  bafj  bie  haeretici  barüber  fia)  nod)  ber= 
f Rieben  äußern;  fidler  bezeugt  ift  fie  als  gemeinfame  Überzeugung  aller  alten  3Balbenfer 
burd)  Rescriptum   c.  15,    bgl.  ©tebl)an   bon  Sourbon   c.  343,    ©.  295,    2llten   bon 

25  ©arcaffonne  bei  ©öHinger  2,  ©.  107,  ^affauer  3lnonbmui  c.  5,  p.  30  D.  3.  ®ie  bifct)öf= 
liefen  Stbläffe  finb  ungiltig,  Planus  2,  c.  11,  ©tebb,an  c.  343,  ©.  296,  $affauer  2lno= 
nbmu3  c.  5,  p.  29  E.  4.  sJtur  ben  guten  ^rieftern,  toeld)e  ba§  Seben  ber  Stboftel  führen, 
ift  man  ©efyorfam  fcfmlbig,  2llanu§  II,  e.  5— 14.  5.  Magis  operatur  meritum  ad 
consecrandum    vel   benedicendum,    ligandum  et    solvendum    quam    ordo    vel 

30  officium.  Dbgletcb,  bie  2lrmen  !eine  fatfyolifcfyen  2öetl)en  befugen,  bürfen  fie  bal)er  fegnen, 
fonfefrteren,  binben,  löfen,  ebb.  c.  8,  propositum  ber  pauperes  catholici.  $on  I)ier 
aus  ergaben  ficb,  nottoenbig  6.  gtoeifel  an  ^er  SBirEfamEeit  aller  bon  untoürbigen  !atbo= 
Uferen  ^ßrieftern  belogenen  ©aframente,  inSbefonbere  beö  2lbenbmab,I§,  bod)  toaren  bie 
Slrmen  nod)  1218  über  biefen  5Pun!t  ju  leiner  einhelligen  Meinung  gelangt,  Rescriptum 

35  c.  16 ff.  3luffälliger  ift,  ba^  ficb,  in  t&rer  2)iitte,  toof)l  unter  fatb,arifa)em  @influffe,  ba= 
mal§  aueb,  fcb,on  23eben£en  gegen  bie  9cottoenbigleit  ber  'Saufe,  ber  i^inbertaufe  im  bc= 
fonberen  regten.  2lHein  biefe  Sebenfen  tourben  borerft  niebergefebjagen,  bgl.  ebb.  c.  8, 12, 
^affauer  3lnon^mu6  28H.  Söeiter  lehrten  fie:  7.  ba§  ©ebet  im  Kämmerlein  ift  toirl= 
famer  aU  baä  ©ebet  in  ber  Kirche,  33ernb,arb  bon  gonteaub  c.  12,   unb  beftritten  über= 

40  l)aubt  bie  befonbere  §eiligfeit  ber  fircf)licl)en  Kultftätten.  gür  all  biefe  fieberen  unb  für 
all  ib,re  befonberen  ©ebräucb,e  unb  Drbnungen  fugten  fie  bon  3lnfang  an  einen  fbrm= 
liefen  ©c£)riftbetoeig  ju  führen,  ©o  beriefen  fie'  ficb,  für  ba§  Stecht  ber  Saienbrebigt  auf 
3a  4,  17;  Slbl  22, 17;  ÜERc  9,  38 f.;  W  U  15,  SRu  11,  29;  für  bie  £ulaffung  ber  grauen 
3um  s^rebtgtamt  auf  Sit  2,  3 f.  unb  ba§  Seifbiel   ber  §anna  Sc  2,  für  bie  3Sertoerfung 

45  beä  $egfeuer§,  ber  ©eelenmeffen  unb  anberer  Seiftungen  ju  ©unften  ber  Soten  auf 
So  12,  35;  2  Äo  5,  10;  6,  2;  ©a  6,  10;  ^rb  9,  11;  $[  105,  1  u.f.to.,  bgl.  Sernb,arb 
bon  gonteaub.  ©elegentlicb,  berfcb,mäb,ten  fie  eS  nicb,t,  aueb,  latb,o!ifcb,e  2lutoritäten  für  fta) 
anäufüfjren,  bgl.  Sernb,arb  c.  4  unb  bie  ©täte  au§  ß^brian,  §ieront;mu§,  Qnnocenj  I., 
©regor  bem  ©rofeen  in  Rescriptum  c.  24.    Mein  bie  53ibel  ftanb  ib,nen  bon  Anfang 

50  an  fo  i)oä)r  bafe  bie  Sombarben  bereit  1218  ben  ©runbfa|  aufftettten:  jebe  credulitas 
unb  jebe  consuetudo  muffe  aperte  per  scripturam  divinam  betoiefen  toerben,  bgl. 
Rescriptum  c.  14  unb  bafj  alle  2lrmen,  aud)  bie  granjofen  in  ber  ^rarte  bem  33ucb,= 
ftaben  ber  93tbel  big  tng  ©injelnfte  gerecht  ju  toerben  fucb,ten.  ®arum  beteten  fie  nur 
ba§  SSaterunfer,  erllärten  ba§  ©ebet  im  Kämmerlein  für  totrlfamer,  alg  ba§  ©ebet  in  ber 

55&trcr,e,  feierten  3lbenbmab,l  nur  am  Slbenbe  be§  ©rünbonnergtagg,  nannten  ficb,  felbft 
pauperes  spiritu  unb  ib^re  33orfteb,er  maiores,  bgl.  9Jct  20,  26  u.  f.  to.  ^b,r  Siblicig= 
muö  mar  alfo  unbebingt  unb  mürbe  im  Saufe  ber  3eit  bei  ber  lombarbifcb,=beutfcben 
©rubbe  immer  unbebingter,  aber  er  toar  boeb,  gut  mittelalterlicb,.  2)ie  Sibel  galt  ib,nen 
genau  fo  tote  ib,ren  latb^olifcb^en  ©egnern  als  ©efe|buc^  unb  tourbe  burcb,au§  al§  ©e  efe= 

eo  bueb,  bon  tb,nen  gebraust.    ©leicb,toob,l  beftanb  boeb,  gerabe  in  btefem  fünfte  ein  großer 


2©albettfer  815 

Unterschieb  zwifcfyen  ifmen  unb  tfjren  ©egnern.    ©ie  Kircfye  betrachtete  bie  SBenuijung  ber 
S3ibel  gerabe^u  aU  ein  9teferbatrecbt  ber  £>ierard)ie,  9Mbe§  ber  Säte  aH  ein  3tecfyt  unb 
eine  $flid)t  aller  (Stiften.    %üx  bie  §ierarcf;ie  War  bie  SBibel  nie  allein  maßgebenb,  für 
bie  SSalbefier  Warb  fie  fdwn  im  erften  SRenfcf/enalter  ifyrer  ©efcf/id)te  bie  unica  norma 
docendi  et  vivendi.    SDarum   legten  fie  bon  Anfang    an   fo   großen  2Bert  barauf,  bie  5 
Sibel  in  ber  23olf3fbrad>e  ju  befi£en.    2öalbe§  felbft  befaß  Wafyrjdmnlid)  fcfyon  1179  faft 
bie  ganje  33ibel  in   brobenjalifdjer  Überfefcung,  bgl.  bie  Angaben  StRabS   unb  ©tebb/an3 
Don  33ourbon.  ©iefer  probenjalifc^en  Überfe^ung  Werben  fid)  feine  jünger  Wofyl  aud>  in 
Katalonien  unb  2Iragon,  in  9corbfranfreia)  unb  Sotfyringen   unb   bielleid)t   felbft   in  '  ber 
Sombarbei  bebient  fyaben.    3«  ©eutfcfylanb   mußte   man    fieb,   bagegen    entfcf/ließen ,    bie  10 
bl.  Sücber  aufd  neue  ju  überfein,  bgl.  fcfyon  ben  Sefefyl  $ifcf/of  £ugo3  bon  Sütttcf/,  alle 
frangöfi^en  unb  beutfcb/en  Sucher   über  bie  23ibel   ausliefern,   au3   bem  ^abre  1203, 
grebericq,  Corpus  documentorum,  nr.  63,  1,  ©.  63,   bie  Trierer  ©tmobe  bon  1231 
bei  §arfcbeim,  Concilia  3,   ©.  539,  Sßaffauer  2(nonr/mu§  c.  3,    p.  26  H:     novum   et 
vetus    Testamentum   vulgariter     transtulerunt.       ©abei    toaffterten    ben     Strmen  15 
freiließ   manche  2)cißberftänbniffe.     2tHein  baß  fie  ben   £er.t  md)t  immer   richtig   ber-- 
ftanben,  b/inberte   fie    nid)t   gange   biblifcfye  Südjer   Wbrtlicb,    au^Wenbig   ju   lernen   unb 
Wörtlicb,    aueb  ifyren  gufybrern   einzuprägen,    ©elbft  unter  it)ren   greunben  fanben   fid; 
bafjer  bälb  Seute,   Welche  obme  lefen   unb   fd^retbert  ju   rönnen,  bie  SBorte  ^efu,    bie 
40  ©onntagiebangelien,  ja   ba3   gange   Sud)  §iob   unb  alle  trier  ©bangelien   Wörtlicb  20 
auffagen   tonnten,   t>gl.  ^affauer  2Inonr/mu§  a.  a.  D.  unb  c.  8   p.  41 E,    ©tebfyan   bon 
SBourbon  c.  349  ©.  308.    ©d)on  bie  Kinber  begannen  ba§  (Sbangelium  unb  bie  (Sbifteln 
gu  lernen,  SDabib  c.  13,  ©.  213,   ^ßaffauer   2tnonr/mu3  c.  5   p.  26 E.    3)a3   geigt   jur 
©enüge,  wie  neu  unb  Wie  Wirffam  biefe  2lrt  ber  3Ser!ünbigung  mar.    2öa§  28albe3  an 
fieb  erfahren,    ba§    erfuhren  in  ber  %fyat    bureb,  feine  Sun9er  \ty  gum  erften  9Jtale  im  25 
DJtittelalter  Weite  Greife  ber  SaienWelt :  „Welcb,  ein  unbergleicb/lid)e<§  religiöfe<§  ©enfmal  bie 
Sb,riftenb,eit    in   ber   SSibel   befitjt",    bgl.  Qauä,    Kirdjengefd;.  ©eutfdjlanbs  4,    ©.  869. 
4.  ©er  9Jliffion§ betrieb,    ^n  Welcher  2öeife  gingen  bie  Slrmen  nun  bei  ib/rer 
älrbeit  im  einzelnen  bor?    ©ie  gogen  gunäcbjt  öffentlich  in  ifyrer  atooftolifcf;en  ^racfyt  um= 
fyer  unb  brebigten  auf  ©traßen,  $lä|en  unb  felbft  in  ben  Kirdjen,  bgl.  ©tebfyan  c.  342,  30 
©.  292 ff.    $n  ^er  Sangueboc  fonnten    fie  an   biefem  33raucb,e   bi§  tief  inl  13.  %at)x- 
b,unbert   feftb, alten,    bgl.   bie  2lu<^üge  au§  ben  ^nquifition^aften  be§  ^ßetru^  ßella  bon 
1241/2  bei  Sea  2,  ©.  759  ff.     2lnberroärt§  Würben  fie  fd}on  frül)e  burd;  bie  Verfolgung 
genötigt,  bie  aboftolifdje  ^Eracb,t  abzulegen  unb   it)re  Arbeit   im  ©eb,eimen   gu   betreiben, 
letzte  ©pur  ber  apoftoIifd)en  Xract/t:  gormein  ber  ^rtquifition  bon  ßarcaffonnc  ca.  8  au§  35 
ben  Igafyren  1250 — 60  bei  Sftülter  ©.  91.    ©ie  erfd}ienen  bann  in  allen  möglichen  SSer= 
fleibungen,  alg  ^ilger,  33üfeer,  Sarbierer,  ©djufter,  ©rntearbeiter,  §aufierer,  ja  fie  fügten 
Wob,I  Wie  bie  Wanbernben  $ogIar<§  berfctjiebene  Kleiber  bei  fid),  um  nacb,  33ebarf  balb  in 
biefer  balb  in  jener  ©eftalt   auftreten   gu  !önnen,   bgl.  ©tebb,an  c.  342,    ©.  393,  279, 
©.  231,    SDabib  c.  8,  ©.  210,   Tractatus  de  pauperibus  de  Lugduno  ©öllinger  2,  40 
©.  97     ©lüdte  e§  ifmen  irgenbWo  ©e^ör  gu  finben,  fo  fugten  fie  mögliebft  eine  ober 
bie  anbere  ^ßerfon  bon  ber  3BeIt  ju  belehren,  b.  i.  jum  (gintritt  in  ben  ©tanb  ber  con- 
versi  ju  bewegen,   au§   bem    fie   bann  cbentueE  in  ben  ©tanb  ber  „2lrmen"  übertreten 
fonnte,   bie  übrigen  amici  ober  2lnb,änger  leiteten  fie  an   fieb,    regelmäßig   ju  scholae, 
Konbentüeln,  ju  berfammeln  unb  in  itjren  Käufern  ehrbar,  orbentlicb,  unb  fleifeig  ju  leben,  45 
namentlicb,  aber  bor  bem  ©d)Wören  unb  33lutbergiefeen  fieb;  ju  fluten,  bgl.  propositum 
ber  pauperes  catholici;    Rescriptum  c.  6;  Qnnocenj  1.  11,   nr.  198.    ^n  ber  £om= 
barbei  beranlafcten  fie  bie  „greunbe"  junädjft  WobJ  meift,  in  eine  ber  ag!etifcr/en  2lrbeiter= 
genoffenfd}aften  einzutreten,    bie   bamalä   in  SRailanb   unb   anberWärtö  beftanben,    Re- 
scriptum c.  6,  7     (©aß  e<3  fieb,  b;ier  Wirilid)  um  2lrbeitergenoffenfd;aften  b^anbelt,  nid;t  50 
um  bloße  33erbänbe  ber  amici,   $auä  4,    ©.  865  n.  3,  folgt  nict;t  nur  au3  bem  2luö= 
brude  congregaciones  laborantium,  fonbern  aud)  au$  ben  2öorten   c.  6:    si  aliqua 
persona    consilium    pauperum    petierit,    volens   in  terreno    labore    manere, 
detur  Uli  consilium  seeundum  Deum  et  eius  legem,    si    sola    manere  voluerit 
vel  jüngere  se   cum    pluribus).      üDiefe    congregaciones    laborantium    unb  56 
scholae,    bie   bisweilen    ein    eigene«?  3}erfammlung3lofal   fieb,    bauten    (fo   in  JRailanb, 
^nnocenj  1.  12,  nr.  17),  bilbeten  anfangt  bie  feften  Stationen  ber  9Jciffion.    ©aju  traten 
nod)  im  13.  Safyrfmnbert  im  lombarbifd;=beutfd)en  ©ebiet  bie  hospitia  ober  studia,  bie 
^Prebigerberbergen,  in  benen  gugleic^  bie  conversi  b,erangebilbet  Würben,  bgl.  2)abib  c.  8, 
p.  210,  ©tebban  bon  33ourbon  c.  330,  p.  280s.,  Tractatus  bei  Söllinger  2,  ©.  93  f.  60 


816  SSalbcnfer 

@in  ford^eö  „©tubium"    befanb   ficb.    im    13.  ga^unbert  j.  33.   in   9JlatIanb,   ©tebf>an 

a.  a.  D.,  bgl.  $reger  in  2ÖJJ21  19  3.  at&t.  Slber  bie  congregationes  toaren,  fotrsett 
fie  auä  ber  ©rünbungSgeit  flammten,  toie  e§  fdjeint,  fcfyon  1218  berfcfytounben  (bgl. 
Reseriptum  c.  6:   que  tunc  temporis  erant  in  Italia)   unb    fyaben    fcfytoerlicb,    feEjr 

5  lange  beftanben.  ©enn  fie  erregten  naturgemäß  am  leicfrteften  ben  Slrgtoofyn  ber  35er» 
folger.  ©ie  scholae  unb  studia  bagegen  beftanben  fort.  ©ocf)  bertoanbelten  ficb,  bie 
erfteren  allmäljilicb,  überall  in  geheime  JRonbenttfel  unb  fanben  nicrjt  meb,r  ju  beftimmten 
Reiten  unb  an  beftimmten  Drten  ftatt,  ©abib  a.  a.  D. 

5.  Sie  33erfaffung.    ©ie   Regierung   ber   societas   lag   bi§  jur  ©ejeffion   ber 

10  Sombarben  naturgemäß  in  ben  §änben  bei  2Mbe§.  SIEein  nad)  einer  Überlieferung  ber 
Sombarben  fyätte  man  fdjon  früt>e  bafür  geforgt,  baß  biefe  toatriarcr/alifdje  ©teHung  be<§ 
«Stifters  eine  recf/tlicfye  ©runblage  erhielt.  ©ie  universitas  fratrum,  fyeißt  e§,  übertrug 
•JöalbeS  ba§  regimen  omnium,  inbem  fie  it)n  ^um  praelatus  (SSorftefyer)  unb  gugletdj 
gum  pontifex  omnium    (33ifcfjof)    ertoäl)lie,    Moneta  1.  5,  c.  1,  §  4,  p.  402  ss.     Db 

15  ein  foltfjer  2öat)[aft  —  man  müßte  annehmen  bei  bem  Stnfcfyluffe  ber  Sombarben  an 
bie  ©tammgenoffenfcfyaft  —  toirfltct;  ftattgefunben  b,at,  ift  mefyr  al<§  zweifelhaft.  $n  bwc 
Siegel  behaupteten  na<f)tbei§Iicb,  audj  bie  Sombarben,  2Balbe3  fyabz  feinen  ordo,  fein 
33tfcb/ofs>amt  wie  2Rofe<§,  ^ßauluS  unb  alle  anberen  2ltooftel  nicfyt  bon  3JJenfcf;en,  fonbern 
bon  ©ott,  Moneta  1.  c.    ^ebenfalls  ergiebt  ficb,  aber  au§  ber  ©teile:    2öalbe§  ift  nad) 

20  lombarbifdjer  Überlieferung  nicfyt  bloß  praelatus,  praepositus  unb  rector,  fonbern 
äugleicf/  33ifcf;of  ber  Jlrmen  getoefen  unb  h,at  afö  folcfyer  bie  gälrigfeit  befeffen,  für  bie 
2lrmen  aud)  $re3br/ter  unb  ©tafonen  ju  Weisen.  ©a  nun  fbäter  nadjroetglicb,  fotoob/l  bie 
gran^ofen,  bgl.  bie  SHten  bei  ©bllinger  2,  ©.  97  ff.,  toie  bie  Sombarben,  bgl.  Moneta 
1.  c,  $affauer  2lnonr;mu<§  c.  5,  p.  306,  c.  3,  p.  276,  Sifcfyöfe,  $re3br;ier  unb  ©iafonen 

25  befaßen,  fo  r)aben  toir  anjunefjmen:  bie  societas  t)at  nacfy  1184  (Datum  be§  bäbftlicben 
33anne3),  aber  nocb,  bor  1210  (©ejeffion  ber  Sombarben),  ficb,  entfcf/loffen,  bie  brei  ordines 
be§  33ifcfyof§,  $re§br/ter§  unb  ©iafonen  in  ifyrer  Witte  neu  ju  begrünben.  ©ie  fyat  ba= 
mala  2Balbe3  aU  Sifcfyof  anerfannt  unb  biefer  f>at  bann  anbere  2trmen  ju  $re<§bt;tem 
unb  ©iafonen  getoeifyt.   ©er  33etoeggrunb  ju  biefem  ©cfiritte,  burd)  ben  fict)  bie  societas 

30  bon  ber  rbmifcfyen  $ird)e  fd&jeb,  toar  Wob,!  ba§  Mißtrauen  gegen  bie  faframentalen  §anb= 
lungen  ber  fatfyolifdjen  ^rtefter.  ©aß  man  aber  gerabe  nur  jene  brei  ordines  neu  er= 
richtete,  ift  toobj  barauf  jurücf  jufür)ren,  baß  „baä  ©efe$  ©otte<§",  bie  33ibel,  nur  ihm  bie 
brei  fennt.  —  2tber  in  toelcfyem  33erb,ältniffe  ftanb  baö  33ifcf)of3amt  ju  bem  Slmte  be§ 
praepositus   ober  rector,    ba§  Reseriptum  c.  4  auSbrücflict)  bezeugt   ift?     3lu§   ber 

35  oben  angeführten  ©teile  bei  Moneta  barf  man  fcb/ließen ,  baß  äBalbeg  bis  jur  ©ejeffion 
ber  Sombarben  bie  ganje  societas  al§  praepositus  unb  Sifc^of  regiert  ^at.  ©anad) 
b,aben  bie  Sombarben  erft  Cannes  bon  Stonco  (f.  o.),  bann  einen  getotffen  Dtto  bon 
3{amajeIo(?)  jum  rector  geioäfjlt,  bgl.  Reseriptum  c.  1 :  6.  O.  de  R.  Dei  gratia  conf rater 
pauperum  spiritu.    ©ie   fjaben  alfo  an  ber  monarcfyfcfyen  ÜBerfaffung    feftg ehalten,   fie 

40  bitten  big  @nbe  beg  15.  ^afjrfyunbertg  einen  summus  pontifex,  ber  feit  ber  2.  §älfte 
be§  14.  ^afjr^unbertg  in  2lbulien  ober  in  Wittelitalien  refibierte,  bgl.  2lften  ber  Muriner 
Snquifitton  bon  1387/8  im  Archivio  Storico  Italiano  serie  terza  t.  1,  parte  2, 
p.  39  (in  atbulia),  Serfyör  be§  ^^ilibb  9?cgiä  1451  Riv.  Crist.  9,  p.  364  ff.  (in 
SKanfrebonia),  beg  Sarben  Martin  au3  bem  ^a^re  1492,  Bulletin  12,  p.  112  (ca.  1470 

45  m  ©ambro  (V)  in  territorio  papae),  Origo  Waldensium  1469  bei  SRorlanb  p.  215 
(m  2lqutla).  £ro£bem  b,ören  toir  um  1266  bon  mehreren  episcopi  ber  Sombarben  in  ber 
Sombarbet  tote  in  ©eutfd&Icmb,  ^affauer  Inon^mug  c.  3,  p.  27  C,  c.  5,  p.  30  C.  %n 
granfretd)  tft  um  1218  ein  monaref/tfeber  Hefter  nicf)t  nad)toeigbar,  fonbern  nur  2iäbrlic& 
toejfelnbe  ^roluratoren,  Reseriptum  c.  15.   216er  @nbe  beö  13.  ^ab,rb,unbertg  begegnet 

"°r    inoW  ?     f  et"  au^Sebm^«tt  fungierenber  maior  minister,  Stften  bei  ©öttinger  2, 

b.  108,  baneben  jebod?  anbere  episcopi  ober  maiores,  bie  stoar  Drbinationen  bor= 
nepen,  aber  lerne  regtmcntR^en  Sefugniffe  ausüben,  a.  a.  D.  §ieraug  folgt:  bifcböf= 
uc^er  ürbo  unb  «Reftorat  galten  bon  Anfang  an  bei  ben  äöalbenfera  nid)t  alö  nottoenbig 
?ufammengeb,ortg.    ©er  Drbo  toarb  ertoorben  burc^  bie  Drbination,    ber  SReftorat  bureb 

55  einen  äiial)lalt  beg  commune  f.  u.  ©.  818, 20    unb    bie   Sefc£)reibung    ber   2Bab,I    unb 

•    vx  >?  e?e§  maior  minister  ©öOmger  2,  ©.  98.   ©er  Drbo  berlieb,  ein  Charisma 

namUd)  bte  übernatürliche  Sefäl)tgung,  bie  ©alramente  gu  bertoalten;  biefe  gäb,igfeit  aalt 

vi   ™  ^,rt.!at^oU^en  Äirtt^e,  für  unauglöfdjlicb,.    ©er  Söabjaft  berlie^  feine  übernatür' 

UX  ^?ay.l9un9.   fonbern  eine  red)tlicb,e  33efugni§,    aB  beren  aSerIeit;er   bag   commune 

so  galt,  namltcf)  bte  Befugnis,  bie  societas  ju  regieren,   ©emgemäß  lonnte  ba§  commune 


äöalbenfcr  817 

aucfy  ba3  ?R(d)t  in  2lnfbrucb,  nehmen,  über  bie  2lrt  ber  Verwaltung  unb  bie  seitliche  ®auer 
biefer  VefugniS  ju  bestimmen,    ©o   erflärt   e3   ficfy,    bafj  baS  commune  ber  granjofen 
1218  ben  Sfaftorat  bureb,  2jäl)rltcb,  iüec^felnbe  Vrofuratoren  berWalten  lieft,  fbäter  aber  bieg 
3(mt  toieber  einem  einzelnen  33ruber  auf  Seben^eit  übertrug,  unb  fo  berftefyt  man  aucb, 
baf?  ba§  commune  ber  Sombarben  fieb,  für  befugt  fyielt,  2Balbe§  ca.  1210  ben  9Mtorat  & 
über  bie  Sombarben  ju  entjiefyen  unb  einen  eigenen  Kelter  ju  mahlen.   2lber  Wenn  man 
aucb,  VifdjofSamt  unb  Seftorat  Wofyl  unterfdjneb,  fo  legte  man  bocb,  Sßert  barauf,  bafj  ber 
3te!tor  bie  33ifd;of3toeifye  befuge,  bgl.  SDößinger  2,   ©.  98  unb  ©.  108,  unb  fo  Wirb  aua) 
in  berSombarbei  ber  Steltor  ftet§  jugleicb^  SBifcfyof  geWefen  fein,  bgl.  oben  ©.  816, 40  über 
ben  summus  pontifex  in  Julien.  —  Über  bie  gafultäten  unb  Sefugniffe  be<§  Dteftor=  io 
bifcfyofS,  ber  Vtfcfyöfe,  VreSbr/ter  unb  ©iafonen  erhalten  mir  erft  in  franjöfifd&en  Duellen 
au3  bem  @nbe  be§  13.  unb  Slnfang  be§  14.  ^afyrfyunberts  genauere  äluöfunft,  2lften  bei 
©öüinger  2,  ©.  8  f.,  97  ff.,  Bernardus  Guidonis  3,    c.  35,    p.  136  ff.    216er  ba  bie 
gran^ofen  notorifc^  bie  fonferbatibfte  ©rubbe  ber  SBruberfcfyaft  maren,  fo  merben  bie  r/ier 
beftfjriebenen  ©ebräucfye  unb  Regeln  in  ibjen  ©runb^ügen  fd&on  au3   ben  Anfängen   ber  15 
societas  ftammen.    ®ie  Stnberungen,   bie  im  Saufe  beS  13.  ^ab,rb,unbertg  erfolgt  finb, 
laffen  fid),  foWeit  fie  für  bie  ÜBerfaffung  ber  societas  Wefentlicb,  finb,  leicht  als  folcfye  er= 
iennen.   2)er  SDiafon,  and)  minor  unb  in  ©eutfcfylanb  iunior  genannt,  ift  banacb,  nichts 
Weiter  al<§  ber  Wiener  ber  Vre§br/ter,  SBtfd&öfe  unb  Gefroren,   bgl.  SDbUinger  2,  ©.  109. 
SBenn  bemnacf)  bie  2lrmen  nacb,  ber  SSorjd^rift  be3  ©bangeliumS  immer  ju  jtoeien  Wanbern  20 
unb  auftreten,  fo  ift  ber  eine  ber  jWei  in  ber  Siegel  ein  ©ia!on,  ber  anbere  ein  Vre§br/ter, 
bgl.  ba§  9totat  an§  ber  beutfcr/en  Verfolgung  bon  1391,  SDöllinger  2,  ©.  398.  Urfbrünglicb,  l>at 
aucb,  ber  ©iafon  baS  Stecht  gehabt,  ju  brebigen  unb  Veicfjte  ju  §ören.  ©bä'ter  ift  WenigftenS  in 
granfreicb,  bieS  3tec§t  ben  ©ialonen  entzogen  Worben.    2)er  ^reSbr/ter  r)at  ba3  Stecht  in 
bem  U)m  bon  bem  Stefior  angeWiefenen  93egivle  ju  ^rebigert,  Seichte  &u  I)ören,    aucb,  ben  25 
;Eifa)fegen  ju  f!prec6en.    $n  fbäterer  geit  gilt  er  aucfy,  faÜ<8  23ifcr)öfe  nicf)t  borr)anben  finb, 
für  befugt,  bie  VifcfyofSWeifye  ju  erteilen.    SDarauS  folgt,    bafj   man  ber  Vre§br/ter=  unb 
33ifcf)of<oWeir)e  im  ©runbe  bie  gleite  $raft  beimaß.    %a,    bei    ben    Iombarbifcr)=beutfcl)en 
Srübern  6at  ftcr)  im  15.  ^ß^unbert  ba3  VeWufjtfein  babon,  bafs  äWifcfyen  beiben  Sföei^en 
ein  Unterfcb, ieb  beftefye,*tobEig  oerloren,  bgl.  ben  Sörtef  be§33öb,men  9Jticb,ael  bei  ©oll,  Quellen  30 
unb  llnterf.  3.  ©efcfj).  b.  b.  33.  1,  ©.  105.     ®er  33ifcb,of,   in  granfreicb,   ftoäter  Maior 
ober  Maioralis  genannt,  »gl.  bie  Eatt)arifct;en  Maiores,  fyat  aufeerbem  fraft  feiner  2öei6e 
bie  Sefäfyigung,  bag  2lbenbmab,l  ^u  jelebrieren  unb  ©ialonen,  ^ßre^b^ter  unb  23tfcr/öfe  ju 
orbinieren.    SDer  rector,  praepositus,  in  granfreict;  füäter  Maior  omnium  ober  Maior 
minister  genannt,  I)at  aufjer  ben  bifcljöf liefen  gafultäten  ba§  9tect)t,    bai   jäljrlicb,    ein=  35 
ober  ätoeimal  gufammentretenbe  commune  ju  berufen  unb  ju  leiten.    ^n  Sranfreicb,  ift 
er  fbäter  auef)  befugt,  überall  ju  brebigen  unb  bie  2lbfolution  ober  ba§  melioramentum 
ju  fbenben.    5Der  3^itu§  ber  Drbination  ift  bei  aEen  brei  ©raben  fefyr  etnfact) :  ©ünben= 
belenntni§  be§  Drbinanben  (feb,It  in  ben  lombarbifcb,=beutfcb,en  Quellen),  ©ebet  be§  3Sater= 
unfer§  unb  Übertragung  be3  ordo  bureb,  §anbauflegung,  ogl.  für  granfreic^  ©öHinger  2,  40 
©.  97  ff.  (für  bie  Sombarben  ift  bie  §anbauflcgung   erft  bezeugt  bureb,  SRorel  bei  ©iecf= 
l)off  ©.  364;    Tractatus  p.  76  unb  iRöfyxid)  1,  ©.  42  geben  nur  an,   bafe  ber  9?obije 
fieb,  niebertoirft,  barauf  bon  ben  Srübern  aufgehoben  unb  bureb,  baäosculum  pacis  al§ 
Sruber  anerlannt  wirb).   $n  ^anfreieb,  befafeen  um  1320  alle  pauperes  jum  minbeften 
ben  ©rab  be§  2)ialonen,  ©ößinger  2,   ©.  103,    Bernardus  Guidonis  p.  137  s.    Ob  45 
biefer  SBraucb,  auf  bie  geil  be§  SöalbeS   §urüdEge6t,    ift  nicb,t  feftäuftetten.  —  3"  liefert 
oerfcb,iebenen  klaffen  ber  Sörüber  trat  nun  noeb,  bie  klaffe  ber  ,,©cb,meftern",  boeb,  toaren 
bie  ©cb,toeftern  faum  je  fefyr  gaEjlreid^.   Qn  granfreieb,  entfcb,lofe  man  fieb,  ettoa  ju  Seginn 
be§  14.  ^ab,rb,unbert§  ©cb,meftern  nicb,t  mef)r  in  bie  societas  aufzunehmen,  toeil  fie  feinen 
geiftlicb,en  ©rab  erlangen  lonnten,  ®ötlinger  2,  ©.  117,  144.    Qm  lombarbifcb,=beutfc^en  w 
©ebiete    lebten    fie    fet/on   @nbe  be§  13.  ^ab,rb,unbertS  nacb.  2lrt   ber  Seginen   in  ber 
hospitia  jufammen,  Ratten  alfo  bie  2Banberbrebigt  aufgegeben,  Tractatus  bei  Töllinger 
©.  93 f.,   »gl.  Wtoxtl  bei  ®iec!b,off  ©.  364.    3tm  commune  ijabm  fie  fcfyloerlicb,  jemals 
teilnehmen  bürfen,   togl.  Tractatus  ©.  95.  —  Wad)  bem  Rescriptum  mar  eS  jtüifcr)cn 
Sombarben  unb  gransofen  noeb,  über  bie  2lnfteHungSoerb,ältniffe  einer  jmeiten  klaffe  bon  56 
©emeinfcb,aftäbeamten  ^um  ©treite  gekommen,   ber  fog.  ministri.    Man  einigte  fieb,  aber 
ju  33ergamo  über  folgenbe  fünfte:  1.  $Die  ministri  foßen  bon  bem  commune  entioeber 
auS  ben  9leib,en  ber  nuper  conversi  ober  ber  amici  in  rebus  permanentes  getoäblt 
Werben.    2.  @S  fott  bem  commune  freiftetjen,  fie  auf  Scbenöjeit  ober  auf  $t\t  anjufteHen. 
daraus  folgt:  1.  %me  ministri  übm  ben  ai)oftolifcb,cn  33cruf  nicb,t  auS.   2.  Unter  jenen  «> 

8ieaI=tenct)Hopäbte  für  Xt»eologte  unb  fiit«e.    8.  31.  XX.  52 


818  äBalbenfer 

ministri  fönnen  bemjufolge  aucb,  nict/t  bie  SDiafoncn,  Vresbr/ter  tmb  Vifcböfe  ber 
societas  gemeint  fein.  3.  ®ag  älmt,  bag  jene  ministri  betleiben,  nm|  ein  2lmt  fein, 
bag  ifmen  erlaubt,  einen  feften  2öoIjmfi£  ju  behalten,  ©emnacf)  Waren  4.  jene  ministri 
33eamte  ber  societas,  it>eld^e  im  Stuftrage  unb  alg  Vertrauengmänner  beg  commune 
5  feig  auf  3eit,  feig  auf  Sebengjeit  bie  scholae  ober  regelmäßigen  Verfammlungen  ber 
amici  eineg  Drteg  ober  bie  2lrbeitergenoffenfct)aften,  Wo  foldje  nodb,  beftanben,  leiteten 
unb  ben  wanbernben  Stbofteln  ebentuell  jur  £anb  gingen.  ®ieg  (Srgebnig  Wirb  beftätigt 
burcb,  bie  Veobacfyiung,  baß  bie  nuper  conversi  alg  befonberg  tauglich  für  bieg  2lmt 
angefe^en  werben,  alfo  Seute,  bie  noa)  nict/t  berechtigt  Waren,  bie  aboftolifct/e  SStenbertorebigt 

10  auszuüben,  aber  Wot>I  geeignet  erfct/einen  fonnten,  einen  Verirauengboften  ju  befleiben.  ^ene 
Notig  beWeift  mithin,  baß  man  fct/on  bor  1218  berfuct/t  t/at,  bie  amici  ober  credentes  ju 
organifieren.  inwieweit  biefer  Verfud)  geglücft  ift,  entgiet/t  fict/  unferer  ßenninig.  2lber 
Wir  bürfen  annehmen,  baß  faft  überall  ba,  Wo  ung  scholae  ber  2Mbenfer  begegnen, 
ein  bon  bem  commune  gemähter  „Wiener"   bort/anben  mar,   ber,   faUg   eg  an   einem 

15  2lboftel  fehlte,  bie  ©rbauungsbcrfammlung  ber  amici  leitete  unb  bie  Wanbernben  2lboftel, 
faCg  fie  bag  betreffenbe  ©ebtet  berührten,  mit  SFtat  unb  Stt/at  unterführte.  SRajor, 
Vifct/öfe,  Vregbi/ter,  SDiafonen  Ratten  leinen  feften  SBot/nfüj.  Slber  ein=  ober  jWeimal 
im  %at)xe  berfammetten  fict/  allem  2lnfcf>eine  nact/  bon  Stnfang  an  alle  ober  boct/  alle 
älteren  SJcitglieber  ber  societas  ober  bie  sandaliati,  Tractatus  p.  94,  jum  commune 

20  ober  §ur  ©eneralberfammfung,  bon  ben  fatl/olifct/en  Volemifern  concilium  ober  capi- 
tulum  genannt,  ©o  lange  S&albeg  auty  bon  ben  Sombarben  alg  Dbert/aubt  anerfannt 
war,  Wirb  bag  commune  r/inter  bem  Maior  ebenfo  gurücf  getreten  fein,  wie  im  9)cinoriten= 
orben  bor  1221  bie  Vfingftfabitel  an  ber  Vortiuncula  r/inter  ber  Verfon  beg  grangtgfug. 
©eit  bem  ©ct/igma   aber  nat/m   eg  in  ber  Sombarbei  unb  nacfy  bem  %obe  beg  2öalbeg 

25  auct/  in  granfreict/  in  ftarfem  SRaße  teil  an  ber  Regierung  ber  societas.  @g  ent= 
fdjieb  1.  über  bie  2lufnar)me  neuer  Vrüber  unb  ©ct/Weftem.  @g  Wählte  2.  bie  Vorftefyer, 
3.  bie  „^Diener"  ber  scholae.  @g  beftimmte,  4.  Welche  ^ßerfonen  ju  ©iafonen,  $regbr/tern, 
Vifcf/öfen  gemeint  Werben  feilten.  @g  übte  5.  auct/  ©erict/tgbarfeit  unb  erfannte  ebentuell 
auf   Stugftoßung   aug   ber   societas.    @g   bert/anbelte    6.  de   statu  omni  sectae  unb 

so  forberte  bon  jebem  ©enoffen  Verict/t  über  ben  ©tanb  ber  Slrbeit  in  feinem  3Rifftong= 
be^trfe.  @g  entfct/ieb  7.  in  fbäterer  3eit  auct/  über  bie  VerWenbung  ber  gefammelten 
Stlmofen  unb  Beiträge  ber  amici,  bgl.  Rescriptum  c.  4ss.,  Tractatus  de  pauperibus 
©öllinger  2,  ©.  95  f.  unb  banact)  Bernardus  Guidonis  p.  249.  2llg  bie  9JUffion 
ber  societas  fiel)  augbetmte,  fab,  man  babon  ah,  alle  Vrüber  regelmäßig  jum  commune 

35  ju  berufen.  9Jcan  war  aufrieben,  Wenn  aug  ben  entfernteren  ©ebieten  brei  ober  bier  ®clc= 
gierte  erfet/ienen,  bgl.  Tractatus  de  pauperibus  ®öttinger  2,  ©.  95.  2tber  bie  @in= 
ridjitung  beg  commune  felber  beraubtere  fict)  tro£  ber  Verfolgungen  in  bem  fran^öfifet/en 
Wie  in  bem  lombarbifd^beutfcfyen  gWeige  &§  jum  Untergänge  beg  Söalbenfertumg.  ^br 
b,atte  eg  bie  societas  nict)t  jule^t  ju  berbanlen,  baß  fie  tro^  tt)rer  gerftreuung  unb  ber 

40  geinbfeligfeit  ber  offiziellen  Hircb,e  fo  feft  3ufammenl)ielt  unb  fo  einheitlich  bei  ifyrer  2lrbeit 
bürgeren  fonnte. 

Stug  allebem  ergiebt  fiel):  1.  ®ag  Söalbenfertum  1/at  fcf)on  im  erften  3)tenfcb,en= 
alter  feiner  ©efc^ic^te  feinen  6b,ara!ter  böllig  geänbert.  UrfbrüngUcb,  ein  agletifcr/er 
Verein  innerhalb  ber  römifcb,en  Äirct/e,   entwickelt  eg  fieb,    feit  1184    ju   einer  2lrt  Äircb.e 

45  in  ber  ^ircfye,  ja  ju  einer  2lrt  ©egenfirc^e.  S)ie  ©rrict/tung  ber  brei  ordines,  bie  ^n= 
anfbrucb,naf)me  ber  SußgeWalt,  ber  gäb^igleit,  bag  3lbenbmab,I  ^u  jelebrieren  unb  ben 
ordo  ju  übertragen,  bie  ftf)ärfere  Unterfa)eibung  jWifdjen  conversi  (novellani)  unb 
2lrmen  (perfecti),  ber  Verfug,  bie  amici  fefter  ju  organifieren,  bie  Verwerfung  beg  @ibeg, 
beg  Sügeng,  beg  Slrieggbienfteg,  ber  Vlutgericfytgbarfeit,  ja  felbft,  Wie  eg  fd)eint,  ber  ©c= 

öobraueb,  ber  ©anbalen,  bag  atteg  ftnb  Neuerungen  ber  ^afyre  1184—  ca.  1230,  in  benen 
fief;  beutlid)  fcb,on  bie  atlmär/licr/e  UmWanblung  beg  Vereing  in  eine  ©efte  fbiegelt. 
2.  9Jlancr/e  biefer  Neuerungen,  bie  Verwerfung  beg  @ibeg,  beg  Sügeng,  beg  Slrieggbienfteg, 
ber  Vlutgertcb,tgbarleit,  aber  aueb,  eine  ganje  5Heit)e  ben  3lrmen  bon  jet)er,  Wie  eg  fdjeint, 
eigentümlicher  ©itten  unb  Vorfteßungen,  bie  ^oeb/feb^ung  ber  2lrmut,    bie  Veobac^tung 

55  breter  Wöchentlicher  gafttage,  bie  Vefolgung  ber  Slboftelregel  5Dct  10,  bie  Verwerfung  alter 
Stiftungen  ju  ©unften  ber  Soten,  bie  Seugnung  beg  gegfeuerg,  ber  bäufige  ©ebraueb,  beg 
Vaterunferg  (bgl.  Bernardus  Guidonis  5,  20,  p.  239  ss.),  ja  felbft  ber  Name  pauperes 
(bgl.  Evervini  Steinfeldensis  epist.  ad  Bernardum  ed.  Wabillon,  Vetera  Analecta  5 
p.  452:  nos  pauperes  Christi)  finben  fiel)  fdwn  bei  ben  ^att/arem.   ^ufäüig  lann  eine  fo 

&i  toeitge^enbeUbereinftimmung  ntdjt  fein.  2tber  anbererf  eitg  tann  boeb,  aueb,  ber  Verein  begSöalbeg 


äöalbenfcr  819 

nicfyt  bfofj  alg  eine  2lbfbaltung  beg  Katfyarertumg  betrautet  merben:  er  ift  bielmeln-  fidler 
auf  firdjlic^em  Voben  entftanben  unb  eine  felbftftänbige  Vilbung,  rote  fcfyon  bie  alten 
fatfyolifcfyen  Volemifer  immer  Ijerborfyeben.  S)ann  bleibt  nur  bie  Stnna^me  übrig,  bafj 
bie  2lrmen  fcfmn  ju  äöalbeg'  £eit  nacb,  ber  2lugftofjung  aug  ber  Kirche  biel  bon  ben 
Katfyarern  übernommen  fyaben,  fo  fcfyon  ©tebl)an  bon  Vourbon.  Namentlich  mirb  bag  6 
bon  jenen  oben  genannten  Neuerungen  gelten.  Nod)  mefyr  fyaben  bann  nad)  bem  ©cfjigma 
bie  Sombarben  bon  ben  Katt/arern  gelernt.  ©Ieicb,roofyl  fyaben  bie  Firmen  fid>  alg  ©egner 
ber  Katfyarer  geroufjt  unb  roenigfteng  in  granfreict)  bie  Katfyarer  betambft,  bgl.  bie  3lften 
bei  Sea  2,  ©.  379  ff.,  unb  ftnb  autfj  bon  ber  Kircfye  unb  ben  Volemifern  ftetg  bon  ben 
Sparern  unterfefneben  roorben.  3.  £)ag  eigentlich  Neue  unb  Originelle  in  ber  33er=  io 
lünbigung  unb  religiöfen  ^rarjg  ber  Sßalbenfer  mar  ber  ftrenge  Siblicigmug,  ju  bem 
fcr)on  2Mbeg  felber  gelangt  fein  mufj,  bgl.  Semfyarb  bon  gonteaub.  2Sag  fie  fonft  an 
©runbfä^en,  ^bealen  unb  3Jtetf>oben  befafjen,  bie  §odj)fcfyä|ung  ber  2lrmut,  beg  abofto= 
lifcfyen  Verufeg,  ber  2lgfefe  unb  anbereg  mein-,  mar  bagegen  roeber  neu  noch,  originell, 
fonbern  meb,r  ober  weniger  ©emeingut  all  ber  bielen  religiöfen  Neubilbungen  beg  §oa>  i6 
mittelalterg.  ®em  entfbricfyt  bie  Skbeutung  beg  Viblicigmug  für  bie  ©ntrotcMung  ber 
Vruberfcfyaft.  ©ie  berbanlte  Ü)m  mcfyt  nur  iljre  großen  9Jtiffiongerfolge,  fie  roarb  burd) 
u>  im  Saufe  ber  geit  aueb,  immer  mefyr  in  ©Ute  unb  2tnfd)auung  bon  ber  römifcfyen 
Kircfye  Innroeggebrängt.  @r  mar  alfo  gerabeju  bie  treibenbe  Kraft  ib,rer  ©ntroicfelung. 
Slber  er  mar  noefy  mebj:  er  mar  jugleicb,  ein  neueg  religtöfeg  ^rinjib,  beffen  ©influfe  feit=  20 
bem  in  ber  religiöfen  ©ntroicfelung  immer  mieber  Ijerboriritt,  bgl.  ben  gefe^lidjen  23ibli= 
cigmug  ber  SBicIifie,  beg  'Säufertumg,  beg  Neformtertentumg,  Quäfertumg.  ©0  roenig 
man  2Balbeg  alg  einen  Vorreformator  bejeicfynen  barf,  fo  mirb  man  ib,n  im  §inblicre 
barauf  boeb,  alg  2lnfänger  einer  neuen  eigentümlichen  religiöfen  Nietung  betrauten  muffen, 
bie  foroobj  mit  ber  fatI)olifcr)en  mie  mit  ber  broteftantifcfyen  §eifeleb,re  ftet)  berbinben  25 
lonnte  unb  berbunben  fyat,  aber  bod)  am  beften  alg  eine  befonbere  ©rfcfjeinung  bon  bem 
Katfyolictgmug  unb  Vroteftantigmug  untergeben  mirb. 

III.  £)te  2lltmalbenfer.    Sie  2lltmalbenfer   blieben  nacr)  ber  enbgiltigen  ©cfyet= 
bung  bon  ben  Sombarben  im  $afyre  1218   befc^ränlt  auf  tt)re  alten  9Jcifftonggebiete  in 
2lragon,  Katalonien,  granfreidb,  unb  Sotfyringen.   $n  ben  erfteren  beiben  Sänbern  mürben  30 
fie  nacb,  mie   bor  bon  Kircr/e  unb   Krone   gugleid^  berfolgt.     Verneig   1.  bag  ©bift  bon 
Xarragona    bom    7.  gebruar  1233,    ed.  ^3elat>o,    Historia   de    los   Heterodoxos  1, 
p.  715  s.,    2.  bie    consultatio    Tarraconensis    ad    inquisitores    bon  1242,    f.  oben 
©.  803,  u.    ^n  btx  consultatio  regelt  ©rjbifcb.of  $ebro  2Irbelaie  bon  Slarragona  unter 
Seirat  be§  Kanoniften  Naimunb  be  ^ßennaforte  6P  bag  SSerfa^ren  ber  ^nquifitoren  gegen  35 
Katb,arer  unb  SBalbenfer.   3Ba§  Krone  unb  Kirche  hierbei  erftrebten,  marb,  mie  e§  fc^eint, 
fct)on  im  13.  3ab,rf)unbert   erreicht.    ®ie    Slrmen    berfeb^manben    fj)urlo§    au§    ©banien. 
2öeld)e  Semanbtnil  e§  mit  ben  SSalbenfern  ^at,    bie  1433   blöllicb,    auf  SJiattorca  auf= 
laufen,  Sea  2,  ©.  177,  ift  noct)  nicfyt  feftgeftettt.   SSielleic^t  ^anbett  e§  fia;  babei  gar  nic^t 
um  2trme  bon  Stion ,  fonbern  um  §ejen  unb  gaiibmv,   bgl.   SDuberger,    La  Vauderie  40 
dans   les   etats   de  Philippe  le  Bei,    3lrra<§  1885.  —  2Iud)  in  granfreieb,  b^aben  bie 
Slrmen  feit  1218  neue  ©ebiete,  mie  e3  fcb,eint,  nicb,t  erobert.    $n  Sotb, ringen  unb  %lan= 
bem  berliert  ftö§  i§re  ©bur  feb^on  im  13.  $afy rb,unbert,  le^teg  3eu9mg:    ^er  Name   be^ 
maior  minister,  ber  um  bie  SÖenbe  be§  13.  unb  14.  Qab,rb,unbert^  an  ber  ©bitje  ber  Strmen 
ftanb,  Joannes  Lotharingius,  ©öUinger  2,  ©.  108.    ®ie  Valdenses,  benen  1459/60  45 
gu   2lrrag    ber    ^rojejj    gemalt    mürbe,     grebericq    Corpus    docum.  1,    p.   345 ff., 
maren    angebliche  §ejen   unb  tauberer,  bgl.   ©uberger  a.  a.  D.    ®enn  Valdesia    be= 
beutet  im  ©bracb, gebrauche    beg    15.  %afy r^unbertö   fobiel   mie  Räuberei:    aueb^  ^eanne 
b'2lrc  mürbe  megen  Valdesia    berurteilt.    Sänger   behaupteten  fiel)   bie  3lrmen    in    ber 
grancfye  ßomte,  in  ber  'ißrobence  unb  Sangueboc.     %n    ber  grancfye  Gomte  maren  fie  so 
noefy  1248  fo  ja§lretd§,  bafj  ©raf  ^ob,ann  bon  Surgunb  ifyrer  nur  Durc^  bie  ^nquifition 
§err  merben  ju  fönnen  glaubte,  Sea  2,  ©.  147.    3m  SklentinoiS  unb  in  ber  ^robence 
matten  fie  big  in  ba§  ahmte  Viertel  beö  14.  ga^unbertö  ber  Kirche  ju  Raffen,   ebb. 
©.  150f.,  Slrnaub  im  Bulletin  12  (1895)  p.  22  ss.    Slber  il;r  §aubtmiffion3gebiet  mar 
big  ing  erfte  Viertel  beg  14.  3ab,rb,unbertg  bie  Sangueboc.     §ier    mar  noeb,    um   1240  55 
tro|    mancher  Verfolgungen    nichts    bon    einem   Nücfgange   ib,reg    Söerfeg   ju   merfen. 
@g     bereitete    il;nen    f>ier    aud;    feine    ©cfymierigfeiten,     it)re    amici    unb    credentes 
feft  jufammenjut)alten.    Diefelben    bilbeten   b,ier  mie   in  ber  ^robence    je^t    bigmeilcn 
förmliche   fleine  ©emeinben   mit   eigenen  $riebl>öfen,   alfo   mit   eigenem  Vermögen,  unb 
jaulten  mab,rfcb, einlief  regelmäßige  Beiträge  für  bie   reifenben  Vrebiger,   bgl.  bie  Slu^ügc  00 


820  SBalbenfcr 

auS  Mscr.  21  ber  Collection  Doat  bei  £ea  2,  ©.  579  ff.,  aud>  Bernardus  Guidonis 
p.  249.  (©ofcfje  gemeinbeartige  Serbänbe  gab  eS  j.  33.  Wabjfcfyeinlicb,  in  Sllontauban, 
SDfamtcucq  unb  ©ourbon;  bort  Begießen  ficb,  bon  252,  ref^>.  84,  219  $e|erbrogeffen  1241/2, 
175,  44,  55  auf  Valdesia,  £ea  2,  6.  145  ff.)  Qnfolge  beffen  Würben  jefct  awfy  in 
5  granlreicb,  gelegentlich  bie  amici  als  Valdenses  begeidjmet,  erfier  Beleg :  SluSgabebud) 
beS  Roxi  Don  Slnjou  für  bie  ^robence  bon  1264,  oben  ©.  812,32.  Slber  feit  ber  3>n= 
quifition  beS  ^Seter  Geßa  1241/2  Würben  aucb,  in  ber  £angueboc  bie  Ernten  unb  ifyre 
greunbe  allmäpcb,  auSeinanbergefbrengt.  ßu  beginn  beS  14.  QafyrlmnbertS  Waren  fie 
aucb,  b,ier  eine  geheime  ©efellfdjaft  geworben  unb  im  Saufe  beS  14.  ober  15.  ^abjr/unbertS 

10  finb  fie  bann  aud)  fyier  auSgefiorben:  bie  Einrichtung  ber  ©infteblerin  Äatljarina  ©aube 
gu  ÜDcontbellier  im  $ab,re  1417  Wegen  Walbenfifcfyer  2ef>ren,  togl.  £ea  2,  ©.  157,  ift  bie 
lefcte  ©bur  beS  SlltWalbenfertumS  im  gangen  ehemaligen  9JciffionSgebiet  ber  frangöfifdjen 
©enoffen.  Slber  biefc  ©bur  ift  fd?on  gang  unfidjer.  5Denn  eS  ift  febr  Wobl  möglich,  bafj 
Jfotfyarina  in  feinem  gufammenfyange  mefyr  mit  ber  alten  ©enoffenfcbaft  ftanb,  ober  bafe 

15  fie  al§  §eje  berurtetlt  mürbe.  —  Über  bie  inneren  guftänbe  ber  alten  ©enoffenfcfyaft  in 
ber  $ett  i|reS  9iüdgangS  unb  Untergangs  finb  mir  burd)  bie  ^Srotofolle  ber  ^nquifition 
unb  Bernardus  Guidonis  berbältniSmäfjig  feEjr  gut  unterrichtet.  2öir  erfeben  barauS, 
bajs  fie  nad;  9DcögIid)fett  bie  ©itte  unb  Drbnungen  ber  älteften  ßeit  beWabrt  f>at.  ©Ieid)= 
toofyl    ift   ber  Sfambf   mit   ber  $trd)e  unb  mit   bem  Ä'atfyarertum   ntcbt   fburloS   an   ibr 

20  ©enoffenfcfyaft  borübergegangen.  1.  ©ie  aboftolifcbe  %xa<fyt  ift  berfcb,Wunben.  ®ie  ©enoffen= 
fcfyaft  ift  gu  einer  geheimen  ©efellfdjaft  geworben,  bie  il)r  Sßerl  gang  im  Verborgenen  treibt, 
bgl.  ©öllmger  2,  ©.  10—12,  Bernardus  Guidonis  p.  249s.  2.  25er  @egenfa£  gegen 
bie  rbmifdje  ®ircbe  b,at  ficb,  er^eblicf/  berfdmrft.  3)ie  römifdje  Jürcfye  gilt  aufy  ben  2llt= 
Walbenfem  je£t  rttd^t  met/r  als  bie  eeclesia  Christi,    fonbern   als  bie  ecclesia  malig- 

25  nantium  unb  baS  £auS  ber  Süge,  Weil  fie  ibren  ©liebern  geftattet,  gu  fdjtoören  unb 
bon  ifyren  ^ßrieftern  nicfyt  Beobachtung  ber  abofiolifct/en  Sirmut  forbert,  bgl.  SDößinger  2, 
©.  8  f.,  ©.  107  unb  öfter.  Slud;  fie  fbrecfyen  ifyr  baber  jeijt  ftrifte  baS  Stecht  abr  gu 
bannen  unb  ©efyorfam  gu  beifügen,  bgl.  g.  S.  Liber  Sententiarium  p.  263  (129),  ja 
fie  beftreiten  ilpn  ^rieftern  bie  Befugnis,  bie  ©aframente  gu  berWalten,  SDöllinger  ©.  9,  finb 

30  aber  bor  ©ertcfyt  ftetS  bereit,  in  biefem  fünfte  ^ongeffionen  gu  machen:  ein  Beweis,  bafc 
fie  hierüber  ju  einer  ganj  Ilaren  unb  bestimmten  Slnfa^auung  nid)t  gelangt  waren,  bgl. 
bie  in  ifyrer  Unflar&ett  b,öd>ft  d)aratteriftifd;en  SluSfagen  beS  3kr/tnunb  be  6ofta,  ber 
überbieg  fid)  als  rebellus  suo  maiori  geriert,  ebb.  ©.  100,  113,  126  ff.  3lud)  fie 
leugnen  weiter  jeijt  bie  SBunber  ber  ^eiligen,  glauben  niebt  an  bie  ^ürbitte  ber  ^eiligen, 

35  berwerfen  ben  gangen  §eiligenbienft,  aber  nia)t  ben  9Jtarienbienft,  unb  galten  eS  für  unnötig 
anbere  geflta8e  W  f^ern  als  bie  ©onntage,  bie  SJcarientage  unb  bisweilen  audb,  bie  Xage 
ber  Slboftel  unb  ©bangeliften,  ebb.  ©.  9.  SEro|bem  gefjen  fie  fleißig  jur  ^irc^e,  fuc^en  bei 
Sllerilern  unb  SRöncb.en  i'ia)  lieb  Hinb  gu  machen  unb  l)inbern  ifyre  amici  niebt,  bei 
Iatr)oIifc^en  ^rieftera  gu  beichten.    Slber  baS  gefd)ief)t  nur,   um   feinen  2lrgWol;n   ju  er= 

40  regen,  ©tngtg  unb  allein  ber  Seilnafyme  am  fatr/oIifcf)en  Slbenbmaljle  fud}en  fie  fid;, 
Wenn  eS  irgenb  angef)t,  ju  entjieb,en,  Bernardus  Guidonis  p.  257.  SluS  atlebem 
folgt  3.  aud;  bie  frangöfifdje  ©tammgenoffenfdjaft  ift  je|t  niebt  mefjr  blo^  eine  ^rebiger= 
gefeHfct)aft  in  ber  l?ircf;e,  Weldie  in  ber  5lircbc  innere  SRiffion  treibt,  fonbern  eine  ©efte, 
eine  ©egenürd>e,  bie  nur  burd)  bie  Ungunft  ber  Berljältniffe   berf)inbert  Wirb,  fid;  böllig 

45  bon  ber  römifdien  Strebe  loSjufagen  unb  als  böllig  felbftftänbige  ©emeinfa)aft  ju  fon= 
ftttuteren.  Sern  entfbridjt  eS,  ba^  aud;  bie  amici  fe^t  bielfad}  als  Valdenses  begetebnet 
unb  bafe  nur  foldbe  ^erfonen  in  ben  ©tanb  ber  perfecti  ober  Slrmen  aufgenommen 
Werben,  Welche  bon  3Sater=  unb  SJeutterfeite  ber  bon  „©laubigen"  abftammen,  ©öllinger  2, 
©.  132;    Wetter  4.,  bafj  je^t  bie  SluSbilbung  ber  Slrmen  feft  geregelt  ift,    ebb.  ©.  117, 

so  132  P  (erft  5  bis  6jäbrtge  fierngett,  bann  ©iafonatSWeu)e,  hierauf  gortfe^ung  bcS  SernenS 
ber  „Geologie",  bei  9iar/munb  be  6ofta  3.  B.  nod;  9  ^a^re,  fo  bafe  feine  SluSbilbung 
tm  gangen  14  ^a^re  bauert);  5.  bafe  ber  (gintritt  in  ben  ©tanb  ber  Sinnen  je|t  immer 
tmt  ber  ©tafonatSWei^e  berbunben  ift  unb  bie  SBeibe  je|t  für  Wefentlidjer  gilt  als  bie  215= 
legung  ber  ©elübbe,  ebb.  ©.  103;  6.  bafe  grauen  nid}t  meb,r  in  ben  ©tanb  ber  Slrmen 

55  aufgenommen  Werben,  oben  ©.  817, 48 ;  7  bafe  bie  Sefugniffe  unb  bie  gafultäten 
beS  Maior  minister,  ber  Maiores,  ^reSbt)ter,  ©iafonen  je^t  genau  feftgelegt  finb,  oben 
©.  817,io.  ©d}on  erwähnt  ift  8.,  bafe  an  ber  ©bi£e  je|t  Wieber  ein  auf  SebenSgeit 
gewagter  Maior  minister  fteb/t.  ®em  tarnen  nad;  befannt  finb  brei  biefer  Maiores  • 
Joannes  SotaringiuS,  lebte  noeb,  ca.  1303  unb  feine  9cacr,f olger  ßriftinuS,  ein  idiota' 
60  bor  1320  unb  ^acobuS,  ebb.  ©.  108,    116,  144.    2ßaS  9.  bie   Berlünbigung   anlangt 


SSalbenfer  821 

fo  b/atte  man  bafür  eine  2lrt  Äatecf/ignutS  sufammengefteHt,  beftefyenb  au<3  7  Slrtifeln 
über  bie  ©ottfyeit,  7  über  bie  9Jlenfd?I)eit,  ben  10  ©eboten,  ben  7  Söerfen  ber  Sarm= 
^erjtgfeit,  ebb.  ©.11  unb  banacf)  Bernardus  Guidonis  p.  250.  21ber  biefer  ®atecbi§= 
muä  Würbe  bielletcf/t  nur  münbltcb,  bon  ©efcfylecfyt  gu  ©efcfylcd&t  überliefert. 

IV  ®er   lombarbifcf)=beutfcI)e  3 tt>eig   bis  jur  Deformation.     1.  2Iu§  =  5 
brettung.   A.  Italien,    gunäcfyft  brangen  bie  Sombarben  mit  ©rfolg  immer  weiter  in 
Stalten,  ®eutfcb,lanb,  Söhnen,  «ßolen  unb  Ungarn  bor.    ^n  Italien  blieb  SMailanb  borerft 
t^r  §aubtquartier,  Annales  Marbac.  ad  1231,  SS  17,  p.  176,  ©tebfjan  bon  Sourbon 
c.  330,  p.  280  s.,  bie  Sombarbei  if>r  Wtc£)tigfte<§  3Jiiffionggebiet,  bgl.  ©albug  Surce  p.  75: 
2lber  al§  Surce  fdfjrieb  (1235),  blatte  aucf)  in  ber  Sombarbei  bereite  bie Jle^erberfolgung  in  10 
großem  ©tile   begonnen,    bgl.    ty.  ©cfymibt,    Histoire   et   doctrine  des  Cathares  1, 
p.  156,  Gomba,  Histoire  I,  p.  132  ss.   inwieweit  bie  2lrmen  babon  betroffen  würben, 
ift  uns  nicr)t  überliefert.    1266  War  jebenfaEte  ifyre  Organifation  nocl>  nicb/t  jerftört,  bgl. 
$affauer  2lnonr,mug  c.  5,  p.  30  C,  ja  toot)!  nocfy  um   biefe  ßeit   fonnten   häufiger,    al§ 
anberSWo,    in    ber    Sombarbei    bie    communia    abgehalten     Werben,    Tractatus    bei  15 
SDöUinger  2,  ©.  95.    2tber  au§  SDeutfcfylanb  fam  bamab?  fdjon  ba<§  meifte  ©elb  für  ben 
Unterhalt  ber  Sifcfyöfe,  ^re<§br/ter,  SDiafonen,  ebb.  ©.  96,    b.  i.  bie  beutfcr)e  SBruberfcfyaft 
War  bamal<§  fdwn  jabjreicfyer  unb  mächtiger  al<§  bie  lombarbifcfye.   ^m  Saufe  be3  14.  3ar)r= 
ljunbertS  finb  bann  bie  Sirmen  in  biefem  ib/rem  alten  ©tammgebiet,   Wie  e3  fcfyeint,   aH= 
mäbjicr,  auSgeftorben.    ^br  le^tel  Seben^eicfyen  ift  ber  Srief  ber  Slbofiel  ^ob,ann,  ©irarb,  20 
betrug,   ©imon  an  bie  abgefallenen   beutfcfyen  23rüber   in  ©t.  'ißeter  an  ber  Slu   bom 
$af)re  1368,  oben  ©.  801,64;    er  berrät  fctjon  eine   ftarfe  Entmutigung   unb  flagt  fel)r 
beweglich,  über  bie  ©d)recfen  ber  Verfolgung,    bgl.  ©.  359  unb  362.     2lber  fct/on    im 
13.  ^afyrfmnbert  Ratten  bte  2trmen  in  ben  Sllbentljälern  be<§  Weftlicfyen  ^ßiemont  unb  be3 
benachbarten  £)aupr/ine  ein  2tft)I  gefunben.   Sffiie  fie  bafnn  gelommen  finb,  barüber  gefyen  25 
bie  Meinungen  Weit  auSeinanber.    %la<fy   ber  Watbenftfcfyen  ^rabition  Wären  bie  2lrmen 
bon  Söeften   b)er  in  ba§  %f)al  ber  SDurance  unb   in  ben  raupen,    fcfyWer    gugängüdjen 
©ettentfyälem    btefeä  Flußgebietes,    bem   SSal   ^raffiniere,    3Sal    3lrgentiere   unb    3?at 
Souife  ober  3SaI  $uta  eingebrungen.     3Son  bort  feien  fie  über  ben  Sftont  ©enebre  unb 
bie  anberen  Sßäffe  ber  fottifdjen  Silben  in  ba3  %fyal  ber  £>ora  Dtbaria   unb  in   bie  fog.  30 
3öalbenfertb,äler    bon    ^ßiemont   33al  Suferna,    SM    3lngrogna,  33al  Sßerofa,   33al  ©an 
SJJartino,  sßal  ^ßragelato,  alle  füb=  unb  norbWeftlid}  bon  ^ßinerolo,  eingebrungen.    2ltlein 
gegen  biefe  ^rabition  fbricfyt  1.  ber  Umftanb,  bafj  fie  erft  im  15.  gctf^unbert  auftauet, 
erfteS   3eugni§    Origo  Waldensium,    SRorlanb,   p.  215;    2.   bie   Slfyatfacfye,    bafj   bie 
ü&albenfer  jener  Xfyäkv  in  ©Ute  unb  21nfct/auung  nict)t  bem   fran^öfifcfyen,   fonbern   bem  35 
lombarbifö^^eutf^en  3toet3e  oer  ©enoffenfcb^aft  folgten,  fte^e  unter  nr.  2 ;  3.  bie  XE)atfad)e, 
bafj  biefelben  mit  ben  lorrtbarbifcr;=beutfd)en  2lrmen   in  Verleb,r   ftanben,  f.  unten.    ©a= 
raug  folgt:  jene  Srabition  ift  eine  Segenbe.    3lu§    ber   Übereinftimmung  ber  genannten 
SBalbenfergemeinben  mit  ben  Sombarben  ift  bielmebj  ju  fcb,Iiefeen,  ba^  biefelben  ©laube  unb 
©emeinbeorbnungen  bon  Dften,  bon  ben  Sombarben  erhalten  b,  aben,  bafs  alfo  bie  ^5roba=  40 
ganba  gerabe  in  umgefe^rter  Stiftung  fid^  bolljogen  b^at.  SDamit  ift  fcb, on  angebeutet,  ba^  biefe 
SBalbenfergemeinben  nic|)t  burcb,  ©inwanberung  entftanben  finb,  fonbern  burcb,  S5efeb,rung  ber 
b,ier  bon  altera  b,er  anfäffigen  Dftbrobenjalen   jum  Walbenfifd()en  ©lauben,    mögen  aucb, 
einzelne  lombarbifcb^e  Flüchtlinge  im  Saufe   be£   13.  unb  14.  3afytf)u"kert3  fiel)  fyier  an= 
gefiebelt  fyaben.    SeWeig  baö  fog.  ©cfyriftWalbenfifd),  b.  i.  bie  ©^racb;e  ber  Walbenfifcf; en  45 
^anbfe^riften  be<§  15.  unb  16.  Sa^^"ni>ert§.  „SDieö  ©^riftWalbenfifcb,  b^at  mit  bem  Sr/oner 
©ialeft,  Wie  felbft  Domaniften  früher  fabelten,  nic^t?  ju  Raffen.   @3  ift  mit  ben  9}?unb= 
arten  auf  ben  beiben  2lbf)ängen  ber  fottifcfyen  Silben  auf  ba§  aUerengfte  berWanbt  unb 
fteb^t  ju  ifynen  in  bemfelben  23erb,ältniffe,   Wie  eine  ©cfjriftfbracfye  ju  bem  urfbrünglicb^en 
@injelbialefte,  au§  bem  fie  fieb/  entwickelt  §at,"  @§  gehört  einfach  ju  ben  oftbrobenjalifctjen  50 
SJiunbarten,    bgl.  bie    ebocr/emacfyenben  llnterfucb.ungen    bon  Sßenbelin  görfter  in  ©g2l 
1888,  2,  ©.  757  ff.,   baju  ©.  SJlorofi   unb   31.  Sart§   f.  oben  ©.  806, 12.    graglkb,  ift 
nur,  Wann  bie  Walbenfifcb^e  9Riffion  in   ben  Xb^älern  biegfeitö  unb  jenfetts  ber  fottifd^en 
Silben  begonnen  l>at.    ®a§  erfte  fixere  ®atum  für  baö  Sorb^anbenfein  Walbenfifcb^er  ©e= 
meinben  auf  ber  ^iemontefifc^en  ©eite  ift  ein  35ermerl  in  ben  Decfmungigbüd^em  be^  ©rafen  66 
$I)ilibb  bon  ©abotjen  über    einen  Seitrag  ^u  ben  Soften  ber  Qnquifition  im  inil  ^erofa 
aug  bem  ^afyre  1297,  bei  Ärone,  graSDoIcino  unb  bie  ^3atarener  ©.  22,  für  Tl'albertfer 
im  ®aubl>ine  ein  33rief  ^3abft  ^of)ann§  XXII.  an   ben   ^nquifitor   bon  3J?arfeiUe  bom 
8.  Suli  1332  bei  9Jai?nalbu3,  Annales  ad  1332  n.  31,    aber  e<§   ift   möglid;,  bafe  be= 
rcitä  unter  ben  §äretitem,  bie  1238  unb  1290  in  ber  SDiöcefe  (gmbrun  bcrfolgt  Würben,  60 


822  2öalbenfcr 

ülöalbenfer  gu  berftefyen  finb,  bgl.  Gb,abranb,  Vaudois  et  Protestants  des  Alpes  p.  34. 
^ebenfalls  War  bie  ©elte  fcfyon  um  bie  Sßenbe  be§  13.  unb  14.  QafyrbunbertS  in  ben 
%i/äkxn  bieSfeitS  unb  jenfettö  beS  3ftont  ©enebre  Weit  berbreitet.  Slber  fie  War  in 
pemont  junäcbjt  feineSWegS  auf  bie  fog.  2öalbenfertf)äler  befd^ränJt.  Söir  finben  fie  im 
6  legten  Viertel  beS  14.  lyafjrlmnberts  aucb,  in  ben  ja^Ireic^en  Drtfcfyaften  beS  %fyal§  bon 
©ufa,  im  %fyal  beS  ©angone  unb  in  ben  ©täbten  beS  angren^enben  glacb,IanbeS,  $ia= 
ne^a,  ßaftagnola,  SJioncalieri,  ßarmagnola,  (Stiert  u.  f.  W.,  bgl.  Archivio  Storico  2,  1, 
p.  36  s.,  freilieb,  erfa)eint  fie  gerabe  fyier  fefyr  ftarf  mit  fatfyartfdjen  (Elementen  bermtfcfyt, 
f.  unten  ©.  826, 54.  —  Qu  ben  lottifcfyen  Silben  traten   im  Saufe  beS  14.  ^afyrlmnbertS 

10  aber  nod;  gtt>et  füblicfye  JblonifationSgebiete,  bie  Söalbenferorte  in  ^alabrien  unb  Slbulien. 
3Me  elfteren  jecfyS  an  ber  gafyl  —  Sorgo  b'Dltremontani,  ©an  ©tfto,  SSacartffo,  Slrgen= 
tina,  ©an  Sincenjo,  ©uarbia  $iemontefe  —  füllen  nadj  ber  Walbenfifcfyen  ^rabition  be§ 
16.  unb  17.  ^afyrljmnbertS  um  1315  (fo  ©illeS,  Histoire  ecclesiastique  1,  p.  27  ss.) 
ober  um  1370  (fo  $errin)    auf  betrieb  eines  falabrefifdjen  ©belmannS  bon  SÖalbenfern 

15  ber  Jottifd^en  Silben  gegrünbet  werben  fein.  Slber  bafc  in  einem  biefer  Drte,  ©uarbia 
$ßiemontefe,  fyeute  nod?  malbenfifd?  gefbrotfjen  Wirb,  bgl.  ©.  SCRoroft  in  Ascoli,  Archivio 
Glottologico  11,  p.  281  ss.,  beWeift  nur,  bafc  bie  falabrefifcfyen  SBalbenfer  auS  ben 
lottifd^en  Silben  eingeWanbert  finb.  äöann  unb  unter  melden  llmftänben  bie  @inwanbe= 
rung  erfolgt  ift,  unb  ob   jene  fedjS  Drte  Wirflid)  alle  Walbenftfcfye  ©rünbungen  finb,   ift 

20  jur  $eit  nod?  rttd^t  feftgefteüt.  9Jur  bei  ©uarbia  ^temontefe  unb  Sorgo  b'Dltremontani 
betoeift  fdjon  ber  ÜRame,  bafj  fie  ben  2öalbenfem  ifyr  ®afetn  berbanfen,  bgl.  %u  „Oltre- 
montani"  als  tarnen  ber  SBalbenfer  ben  Srief  eines  ^alabrefen  bon  1561  in  Narracioni 
e  documenti  sulla  storia  del  regno  di  Napoli  in  Archivio  storico,  Serie  Ia, 
t.  9,  p.  195.    SRtdjt  beffer  finb  mir  über  bie  Söalbenferfolonien  in  Simulien  unterrichtet. 

25  üftacb,  unferm  älteften  ©eWäfyrSmann,  ©iHes  a.  a.  D.,  Wären  erft  um  1400  einige  2Sal= 
benfer  auS  ber  $robence  bor  ben  Äe^errtcfytern  $abft  93omfaj§  IX.  nacb,  Slbulien  geflogen 
unb  b,ätten  bort  bie  bier  gefebjoffenen  b.  i.  auSfcfjliepa)  bon  SBalbenfem  bewohnten  Drte 
3Jionteleone,  gaito,  GeHa  unb  Ia  üDiotta  9Jtontecorbino  bei  Slriano  gegrünbet.  Um  1500 
fei  bann  toieber  einmal  ein  StuS^ug  auS  ben  2Mbenferil;äIern  erfolgt  unb  aucb,  bie  ©tabt 

so  Solturara  fübtoeftlid;  bon  Sucera  bon  SBalbenfern  befiebelt  Worben.  Slllein  $.  Siiboire 
b,at  Bulletin  19  (1902),  p.  49 ss.,  gegeigt,  bafj  jtoei  biefer  Drte,  Gella  unb  gaito,  fcfyon  im 
12.^a^rb,.eEiftierten,unb  bafjfid)  in  ilmen  jtoav  1345  unb  1347  nachweislich  ^robenjalen an= 
geftebelt  §aben,  aber  ntdjt  Söalbenfer,  fonbern  brobenjaIifcl)=franjöfifd?  fpredjenbe  9iacb>mmen 
ber  brobenjalifdjen  Moniften   ßarlS  bon  Slnjou,   bgl.  ©.  9Jiorofi,   II  dialetto  franco- 

35  provenzale  di  Faito-Celle  in  Ascoli,  Archivio  Glottologico  12,  p.  33—96.  £).  i. 
auef»  jene  Srabition  ift  alles  anbere  efyer  als  guberläffig.  £war  bajj  e§  im  14.  ^a^r= 
b,unbert  bereits  in  Slbulien  Sßalbenfer  gab,  unb  bafe  bie  bortigen  2BaIbenfer  an  3af)l  unb 
(Einfluß  mit  ü)ren  Srübern  fo)on  bamalö  toetteifern  fonnten,  ftef)t  feft.  9^efibierte  boc^ 
fcfyon  ca.  1380  in  Slbulien  ber  summus  pontifex  ber  ©efte,   an   ben  bie  in  ^iemont 

40  gefammelten  ©eiber  nod^  5Ritte  beS  15.  ^a^Ijunbertg  abgeliefert  Würben,  bgl.  Archivio 
3a  serie  2,  1,  p.  29  s.,  33erf>ör  beS  Sarben  $f>ilibb  SRegtS  bon  1451  Rivista  Cristi- 
anta  9'.P-/365-  attein  bafe  jene  2BaIbenfer  auo)  in  Slbulien  neue  Drte  gegrünbet 
KT*1'  'ßJr'W  «ntoa^rfd&emli^,  unb  tool)er  fie  flammten,  ob  au§  ben  Walbenfiftt)en 
ftolonten  ÄalabnenS  (fo  ^Riboire  a.  a.  D.),  ob  au§  ben  Tälern  ber  Iottifd)en  Silben,  ob 

45  totrKto  aus  berjßrobence,  Wie  ©iHeS  beraubtet,  ift  ganj  ungetoife.  Stuf  ibjen  Söanberungen  bon 
Salabrten  unb  Slbulten  nacb,  ben  Sllbentb,älern  berfueb, ten  bie  toalbenfifd^en  Slboftel  Waljrfc^ein^ 
Ür  aud?r]n/J»ttelttraIten  W  mtffionieren.  ©o  finb  bermutlid)  bie  niebt  Wenigen  Walbenfifcben 
©emetnftt;aften  entftanben,  bie  uns  im  lö.Sab^unbert  im  Rtrd^enftaate,  in  Umbrien,  in 
per  Jtomagna,  tn  ^oSfana  begegnen.    SefonberS  ga^lreicb,  Waren  fie  allem  Slnfcbein  nacb 

60  SS  TraÄm  e^°letD'  *r°n  Vm  ftammten  14  refb.  15  ber  Sarben,  Welche  ber  Sarbe 
ajatttti 1 1492  namhaft  mad)t,  bgl.  Bulletin  del'hist.  Vaud.  12,  p.  111  ss.  Slber  aueb  in  ber 
Maxi  ßamermo  auf  ben  Sergen  ber  9Jkrf  Slncona,  in  Perugia,  Sologna,  Succa,  glorem 
9«ben,  tote  eS  fa)etnt,  «eine  toalbenfifdje  Äonbentilel  bamals  beftanben,  ebb.  ©icber  be= 
Ä  tf  tbt.e  Wen»  eine«  folgen  in  9fiom  burefe,  SulaS  bon  5ßrag  im  %afyct  1498,  bal 
SaftctuS  bei  ©oü,  QueEen  1,  ©.  137  f.  dagegen  Waren  bie  Ronöenttfel,  bie  fieb  ba= 
malS •  iv i  ©enua  unb  anbern  Drten  SigurienS  befanben,  Bulletin  12,  p.  112,  Origo  bei 
JJcorlanb  p.  215,  bielleicbt  3ftefte  ber  alten  lombarbifcb.en  2Jliffion.  ©anacb,  begreift  man 
t  Jmr  5V  3aWuni)«rt  ca^  Dberb,aubt  ber  ©efte  gelegentlich  aufy  in  Slquila  refibierte' 
unb  ba^  aueb,  bte  Verfolger  auf  baS  treiben  ber  Slboftel  in  SDlittelttaKen  aufmerlfam  Würben' 

60  bgl.  bteSRotate  bei  ©öEinger  2,  ©.304,  345  unb  bap  §aubt  in  §3  %l%  25,  ©.  57,  Slnm  3' 


55 


SBalbcufcr  823 

SnbcS  ber  auffälligfte  Scroeiö  für  ben  9Jiiffion€eifer  unb  bie  (Snergie  ber  italienifdjien 
2öalbenfcr  ift,  bafj  fie  im  Saufe  beS  14.  unb  15.  ^afyrlmnbertg  aucb,  in  ba§  ehemalige 
9Jiiffion3gebiet  ber  franjöfifdjen  2lrmen  einbrangen.  £)en  erftcn  Slnlaf;  ba^u  gab  btet= 
leicht  ber  Umftanb,  bafe  bie  Sarone  SBouIierö,  bie  Sefi|er  ber  §errftf;aften  Scniallo, 
9fioccaf^aücra  unb  SDcmonte  in  ber  3JlarIgraff$aft  ©alug^o  einige  Walbenfiftfjc  gamilien  5 
bon  ©alu^o  in  ben  Sergen  bon  Suberon  am  5Rorbufer  ber  ©urance  jtoif^en  ©ifteron 
unb  2tbignon  al<3  Moniften  anfiebelten,  fo  £>onore  S3ouc^e  bgl.  Bulletin  de  l'hist. 
Vaud.  8,  p.  44  n.  1  (anberS  Se^a,  Hist.  ecclesiast.  t.  1,  p.  52,  $ari3  1883  unb 
©ille3,  Hist.  eccles.  p.  27).  SDcn  ©^uren  ber  Momften  folgten  felbftberftänblicb,  bie 
„Slboftel"  ©0  ift  e<§  bielleidjt  ju  erftären,  bafe  bie  Sarben  ber  Sllbentfyäler  unb  10 
StbulienS  im  15.  Safyrlmnbert  in  ber  ^robence,  im  Salentinoiä,  Sibarai3,  Senaiffin,  aber 
aucb,  in  ber  2lubergne,  im  Simoufin  unb  SorbelaiS  miffionierten.  Dh  unb  inwieweit  fie 
babei  auf  SRefte  ber  alten  fran^bfifc^en  @emeinfcf)aften  fließen,  ift  nicfyt  ju  ermitteln, 
^ebenfalls  gelang  e<§  iljmen  namentlich  in  ber  Slubergne,  im  Salentinotö  unb  bei  Xreoour, 
nörblicfy  Don  Sbon  eine  ganje  SRet^e  bon  ^onbentiMn  ju  fammeln,  bgl.  bie  2lusfage  be§  15 
Farben  Martin  bom  ga^te  1492  Bulletin  12,  p.  119,  bie  Slften  au3  ben  Sauren  1492 
big  1494  ebb.  p.  27  ss.  $a  am  31.  3M  1492  konnten  fie  e<§  wagen  in  ber  ©tabt  be§ 
i\>albe§,  in  Sr/on,  eine  2trt  commune  ^u  galten,  bgl.  3tu<Sfage  bei  SRartin  ebb.  p.  119. 

B.  SDeutfcfylanb,  Söfymen,  $o!en,  Ungarn.  $Deutf<f>Ianb  b,at  1211  bie  erfte 
Waffenjnnrtdjtung  Don  SfMbenfem  gefeiten,  oben  ©.  810, 6,  ei  fal)  1231—33  bie  erfte  große  20 
allgemeine  SBalbenferberfoIgung.  ^n  SRittelbeutfct/Ianb  fyört  man  feitbem  lange  geit  t)in= 
burd)  nichts  mef)r  bon  ben  Slrmen.  2Iber  in  Dberbeutfdjlanb  matten  fie  balb  Wieber 
bon  ficb,  reben.  $n  ^ortftan^  lam  man  ilmeu  1243  auf  bie  ©bur,  in  ©cr/Wäbifcf)=.£)all 
Wagten  fie  1248  fogar  öffentlich  für  ben  gebannten  Kaifer  il)re  ©timme  ju  ergeben  unb 
$abft  ^nnoceng  IV.  al§  ^etjer  ju  bejeicfynen,  bgl.  §aucf  4,  ©.  867,  unb  in  Satern,  25 
Dber=  unb  9tteberöfterreicr)  breiteten  fie  fid)  iro£  fortbauernber  blutiger  Verfolgung  fo 
xa\d)  au3,  baß  um  1260  bie  ^nquifition  in  42  $ßarod)ien  Dber=  unb  9ltcberöfterretcr)3 
Söalbenferfdjmlen  entbecfte  unb  $toar  in  10  ^ßarodjien  (Sengenfelb,  ©tratjing,  ©rofenborf, 
3lnjbaa),  Dtler§bac§,  ©t.  Sßeter  in  ber  2lu  in  Sfaeberöfterreidj),  ©teier,  sjieub,ofen,  @n§, 
Kammer  in  Dberöfterreicb,)  in  mehreren,  in  ber  Pfarrei  ^ematen  bei  ^eufyofen  in  Dber=  30 
öfterreicr;  fogar  in  10  eingebfarrten  Drten,  bgl.  für  Saiem  ben  Straftat  SDabibg,  für 
Deftertetd?  ben  ^affauer  2lnonr/mu§,  ber  and)  bie  tarnen  ber  betr.  ^arocfcjen  mitteilt, 
befter  S£er,t  bei  ^ßreger  219M  13,  ©.  241  f.,  baju  §aubt,  SBalbenfertum  unb  ^nquifition 
im  füböftlicfyen  SDeutfcb,lanb  ©.  14,  2lnm.  2.  Qn  ben  näd^ften  ^a^rje^nten  fnelt  ber  2luf= 
fcb,toung  noc^)  an:  in  9fteberöfterreic&,  fanb  man  1315  in  bem  !leinen  Sejir!  jmifdjen  35 
©t.  gölten  unb  STraiölir^en  in  36  Drten  $e£er,  unb  im  gangen  §er^ogtum  Defterreicb, 
beregneten  bie  2trmen  felber  bamal§  bie  .ßar/l  i^rer  Slnl^änger  auf  über  80  000,  bgl. 
ben  Sericfyt  eine§  $remfer  ©eiftlic^en  über  bie  ^nqutfitton  bon  1315  ed.  grief?  in 
Öfterreidjtfdje  Siertelja^rSfcfjrift  für  Geologie  11,  ©.  254 ff.  ^njtoifc6,en  maren  bie2lrmen 
aber  and)  in  Söofymen,  3Jiäl^ren,  ©cfjlefien,  ÜJJei^en,  Sranbenburg,  Sommern  unb  ^3olen  40 
eingebrungen,  bgl.  für  Sö^men  unb  3Jtäb,ren  bie  SuHe  ^abft  ^0^«"^  XXII.  bom 
1.  JKbril  1318  bei  SDubil,  Iter  Bomanum  2,  ©.  136ff.,  für  Sranbenburg  unb^ommem 
2ßattenbadj  ©Sl  1886,  ©.  48  unten  über  bie  ^nquifition  bon  1393/4;  für  2Jteif$en, 
©Rieften,  ^olen  aufeerbem  bie  bäbftUdjen  Süllen  bom  1.  SRai  1318  im  Codex  dipl. 
Moraviae  6,  p.  101—106.  Qn  Söb,men  unb  9Mb,ren  toar  nacb,  3tu§fage  be§  1315  ju  40 
Limburg  füböftlicb,  bon  9Bien  berbrannten  SBalbenferbifcb,of§  9?eumeifter  bie  $at)l  feiner 
©laubenögenoffen  fcfyon  bamali  „unermeßlich",  bgl.  Dfterr.  Sierteljafyrgfcfyrift  11,  ©.  266. 
^n  ©cbjefien  toaren  fie  bor  allem  in  SreSlau,  3Reiße,  ©cb,meibni|  %n  finben:  in  bem 
Keinen  ©c^tr>eibni|  würben  1315  allein  ifyrer  50,  barunter  auc|  grauen  unb  Äinber, 
berbrannt,  bgl.  ©rünfjagen,  ©efc^.  ©d)lefien§  1,  ©.  162  unb  2lnb,ang  63.  ^n  5ßolen  50 
machte  man  um  1330  einer  großen  £ar/l  ben  ^ro^efs,  glaciug,  Catalogus  p.  638,  baju 
^Breger  2lOJi2l  18,  ©.  6  unb  £aubt,  2Balbenfertum  ©.  28,  2lnm.  3.  Qn  Ungarn  Waren 
fie  bielleirf;t  fcb,on  um  1260  bon  Meberöfterreicb,  au§  eingebrungen,  bgl.  ^afjauer  2lno= 
ntomug  c.  3  p.  27  (StRüUer,  2SaIbenfer  ©.  148),  je^t  lamen  fie  aucb,  über  bie  bolnifd;e 
©renje  in«  2anb,  bgl.  bie  SuUe^abft  3ob,anneg  XXII.  bom  16.  Mäx^  1330  bei  St^einer,  55 
Vetera  monumenta  historica  Hungariam  sacram  illustrantia  1,  p.  511  ss.  6nbe 
be§  14.  ^ab,rb,unbertö  finben  Wir  fie  bafyer  in  einer  ganzen  9leib,e  bon  q3Iä^en,  in  ©ün3, 
Dfen,  in  ber  3Räf)e  bon  Dbenburg  unb  felbft  in  Siebenbürgen,  bgl.  bie  3?aa>eife  bei 
§aubt,  Söalbenfertum  ©.  28  ff.,  77—79  unb  Seilage  I,  ©.  184 ff.  50  £abre  fbätcr  fam 
man  ber  ©efte  aucb,  jum  erften  Wale  im  §erjogtum  ©acf)fen=SBittenberg  unb  im  3JJagbe=  eo 


824  SBalbenfcr 

Burgifcben  auf  bie  ©pur,  ebb.  ©.  65  f.  unb  Wieber  20  Igabre  f^äter  fogar  im  heutigen 
9JJe<flenburg=©cbWerm,  SBattenbacb  ©333t  1887,  ©.  518.  2ßte  berbreitet  unb  feft  ein= 
gewurzelt  fie  in  all  biefen  ©ebieten  War,  babon  geben  bie  bürftigen  Überrefte  ber  Siliert 
über  bie  Verfolgungen  be3  14.  ^a^rbunbertS  eine  amtäbernbe  33orfteHung.  $n  ©üb= 
5  bödmen  bilbeten  fie  um  1340  in  ben  beutfcben  Kolonien  bei  -fteu^auS  förmlicb,  gefcbloffene 
©orffcbaften,  bgl.  9J?encif  oben  ©.  803, 42,  33rief  33enebifi§  XII.  an  Ulria)  bon  9?eubau<§ 
3$©  14,  ©.  15.  $n  3ftäbren  Waren  fie  fo  ga^Iretc^,  bafj  bie  föircbe  faft  baran  ber= 
jWeifelte,  ibrer  §err  Werben  ju  fonnen,  §aubt,  SBalbenfertum  ©.  55,  Str.  1.  Qn  33ranben= 
bürg,  ^Sommern  unb  2JJecfIenburg  Würben  1393/4  nicbt  weniger  al§  443  ^erfonen  wegen 

10  walbenfifcber  $e£erei  gur  Verantwortung  gebogen,  barunter  nicbt  Wenige,  bie  bereite  in 
ber  $e|seret  geboren  waren.  313331  1886,  3,  ©.  90.  ©benfo  ftanb  e3  aber  in  ben  anbern 
beutfcben  Momallänbem.  3Iuä  ber  bamal§  px  Waü?n  m  3SotglIanbe  blübenben  ®e= 
meinbe  finb  uns  nicbt  Weniger  afö  brei  ÜJJceifter  befannt,  £aubt,  SSalbenfertum  ©.  97 ; 
unb  in   Dfterreicb  Würben  toäbrenb  ber  Verfolgung  fo  biele  ^erfonen  berbbrt,   bafs   bie 

15  barüber  aufgenommenen  3lften  im  Softer  ©arften  brei  bicfe  33änbe  fußten,  bgl.  glacius;, 
Catalogus  p.  852.  SDanacb  barf  man  toobl  beraubten :  bas  2öalbenfertum  War  eine 
ftänbige  33egleiterfcbemung  ber  beutfcben  ^olonifation  be3  13.  unb  14.  $afyrbunbert<§.  Slber 
im  inneren  ©eutfcfylanb  War  bie  ©efte  barum  nicbt  mit  geringcrem  ©ifer  tbätig.  SDa€ 
geigte  ficb  beutlicb  bei  ber  oft  genannten  großen  Verfolgung  ber  legten  ^abjgefmte  be§ 

20  14.  ^abrbunbertg.  £>amal§  entbecfte  man  SBalbenfergemeinben  unter  anberem :  in  ©rfurt 
(bgl.  ba§  STCotat  bei  ©bßinger  2,  ©.  330)  in  SRaing  —  (Chron.  Moguntinum  ad  1389 
ed.  £egel,  ©eutfcbe  ©täbtecbronifen  18,  ©.221;  Verhör  ber  ©trafjburger  2Binfeler  bei 
9tö$rid&  ©.  65;  Simburger  ßbronif  ad  1388  ed.  2ör/f$  ©.  81),  in  fingen  (Articuli 
Petri  de  Kirn  et  Conradi  Falken,  berbrannt  1393,  bei§aubt,  ®er  Walbenf.  Urfbrung 

25  be§  Äober.  lepl,  ©.  36)  in  SBürjburg  —  bort  War  bie  ©efte  minbeftenS  fcbon  feit 
50  ^abren  betmifcb  (£aubt,  SReltgtöfe  ©elten  in  granfen  ©.  18  ff.),  im  33i§tum  unb 
gürftentum  Bamberg  (ebb.  ©.  26f.),  in  Nürnberg  —  bort  ift  eine  ©emeinbe  fcbon  1332 
nachweisbar  (Gbronifen  ber  beutfcben  ©täbte  «Nürnberg  1,  ©.  362 ;  3,  ©.  297;  4,  ©.  136 f.; 
£aubt  a.a.D.  ©.4,  18ff.;    berf.,   Sßalbenfertum  ©.28,  62  ff.),    im  33iätum  ©tcbftätt 

30  (3trtilel  ber  Ungläubigen  Saut  SDöOmger  2,  ©.  615)  in  9tegen§burg  (9?öbricb  ©.  47, 
63;  £aubt,  SSalbenfertum  60  ff.),  in  ber  SDiöcefe  $affau  baierifcben  SlntetlS  —  bort 
fam  man  ber  ©efte  aüerbingg  erft  1410  auf  bie  ©bur  (£>aubt  ©.  61  f.),  in  ganj  Dber= 
unb  9?ieberöfterretcb,  in©aljburg  unb  in  ©teiermarf  (ebb.  ©.27,  ©.90  f.).  ^nScbWaben 
War   Stugdburg    ein    alter    ©tanbort    ber  ©efte    (Defeie,    SS    rerum    Boicarum    1, 

35  p.  620ss.),  Weiter  ©onauwörtb,  Wo  1393  10  SDcänner  unb  16  grauen  hingerietet  Würben, 
SDinfelSbübl,  Wo  im  felben  ^afjre  2,  unb  Söembing,  Wo  10  Verfonen  ba§  gleite  ©cbicffal 
traf  (ebb.),  ferner  £>eutacb  bei  SonauWörtb  —  bier  Würbe  1401  grtebricb  Steifer  al* 
©obn  eineg  3Jteifter§  geboren  (£aubt,  ©eften  in  granfen  ©.  44),  £)tfcf,ingen  jwifd;en 
Werbungen  unb  ©iEingen    (diöl)x\ä)   ©.  56,    57,   60),   Ulm   (©d}elf>orn,   Amoenitates 

«literar.  8,  p.  514ss.  ju  1385).  3tm  Dberrb,ein  ift  bie  ©efte  befugt  in  ©betyer  (ffiifynä) 
©.  48),  in  2Beifeenburg  (ebb.  ©.  54),  in  §agenau  —  bafelbft  beftanb  eine  ©ctjule  (ebb. 
©.  49),  m  ©trafeburg  —  bafelbft  beftanben  1400  ntcfyt  Weniger  afö  bier  ©a>len  (ebb.), 
in  Dffenburg  unb  £al)r  in  ber  Drtenau  (ebb.  ©.  25,  3lnm.  3) ;  enblicb,  in  ber  ©cf)Weig : 
tn JBafel,  ©olotb^urn  unb  ©t.©aEen  (ebb.  ©.  46,  60,  62,  71,  74,  SDöOmger  2,  ©.  367; 

45  Dd)fenbem,  3tu§  bem  f^Weiäerifeen  VoIMeben  ©.  220),  in  33ern  —  bafelbft  Würben 
1399  über  130  Verfonen  „im  „Unglauben  erfunben"  (^uftinger  ßf)ronif  ad  1399,  SDöllinger 
2,  ©  367),  tn  gretburg  im  Uc^tlanb,  bafelbft  Würben  im  felben  ^abre  53  Söalbenfer 
brojefftert  (Dd&fenbein  ©.  96  f.),  in  ©d)Warjenburg,  ^un,  @rlacf;  im  Danton  33cm,  in 
^euM^atel,  tn  33rüntörieb,   SKaggenberg,  (Menberg  unb   anberen  Drten  be§  ßantonS 

so  öretbutfl  aber  autf;  in  Saufanne  unb,  wie  e3  fcfmnt,  felbft  im  Jlanton  2Ballig  (ebb. 
©.  158,  166,  168,  170,  181,  182,  366).  ©anaef)  War  bie  ©efte  @nbe  beg  14.  °tabr* 
b_unbertg  tn  faft  gang  Dberbeutfcb,Ianb,  ?DJitteIbeutfcf)Ianb,  Dfterreicb,  33öf)men,  Mrm 
©tt)leften,  Ungarn,  Volen,  3«eifeen,  33ranbenburg,  SJlecflenburg,  Sommern  berbreitet.  @§ 
fehlen  Belege  borberb,anb  nur  für  ^Ltrol,  baö  9tbieintb,al  nörblicb  bon  33ingen  mit  feinen 

55  ©ettentbälern,  TOeberfacbfen,  grieälanb,  §olftein.  Slucb,  in  ben  TOeberlanben  ift  bi§Iana 
ferne  ©bur  bon  ibr  gefunben  Worben. 

3Ba§  bie  ©efeüfcbaftlfreife   anlangt,   au§  benen   bie  SBalbenfer  ftammten,   fo  über- 
wogen unter  ibnen  noeb  immer  bie  fleinen  Seute.   ^n  Dberbeutfcblanb  Ratten  fie  befonberg 
unter  ben  ^uebmacbern  großen  Strang,  SSergetct;rttg  berSEReifter  beiSößinger  2,  ©.330f 
367,  bte  Sifte  ber  ©trapurger  Sßinfeler  bei  SfJöbricb  ©.  73  f.,  Dcbfenbein  ©.  130  ff    @g 


60 


aSalbcnfcr  825 

tarn  bal)er  gelegentlich  fogar  bor,  bafj  Sucfymacr/er  SKalbenfer  mürben,  nur  um  Arbeit 
bort  ir/rert  ©eroerfcggenoffen  ju  erhalten,  bgl.  Döfyrid)  ©.  63.  ©eiftliclje  begegnen  un<§ 
je$t  unter  ben  „guten  Seilten"  nur  ganj  Vereinzelt,  bgl.  gormelbud)  be§  SDomfyerm  Ämolb 
bon  $ro|an,  Codex  diplom.  Silesiae  5,  nr.  64  ein  @eiftlict/er  an  ber  Sreölauer 
$omürd)e  in  ben  Safyren  1301—19,  nr.  95  SRagifter  9DJirisIau3,  Slrdjibiafon  bon  ©logau,  6 
DifoIauS  fallen,  $riefter  %u  Singen,  §aubt,  Söalbenfer  Urfbrung  ©.  36,  ein  Pfarrer  ber 
^affauer  SDiöcefe  ca.  1397,  bgl.  bie  ©entenj  bei  §aubt,  ebb.  ©.  34.  3Rtrf>t  häufiger  finb 
bie  litterati,  bie  ©ebilbeten  (bie  ^toei  SJkgifter  ju  Singen  1393,  ebb.  ©.  36,  bie  ÜDlagtfter 
$eter,  griebrid),  DifoIauS  bon  ber  SDreSbner  ^reujfdmle,  bgl.  bie  ©teilen  bei  C  9Jlel§er, 
Sie  ireujfcfyule  in  ©reiben  bis  pr  Deformation  1885,  ©.  54  ff.,  SRagifter  £agen  in  10 
3Bür?burg,  £aubt,  ©ef ten  in  grant en  ©.  20f.,  bgl.  aud)  äöattenbad)  in  ©S21 1886,©.  51). 
©ar  nicfyt  feiten  treffen  mir  aber  aud;  jettf  no<|  unter  ifyren  ©önnern  unb  Anhängern 
Seute  ritterlichen  ©tanbeS  ober  ^öt)ere  Beamte,  ^m  3SaI  ^erofa  Vermittelte  j.  S.  1387 
ber  föanjler  beg  ©rafen  2Imabeu<§  bon  ©abotyen,  ^ofyann  bon  Sratyba,  jur  großen  Snt= 
rüftung  be§  ^nquifitor§  einen  Vertrag  jmifd;en  ben  SBalbenfern  unb  feinem  §errn,  15 
Archivio  Storico  1,  2,  p.  51.  ^n  ber  9Jlarfgraffd}aft  ©alu^o,  in  ber  9flontagne  bu 
Suberon,  in  2Ibulien  unb  Äalabrien  erfreuten  fitf)  bie  Armen  alö  tüchtige  Arbeiter  unb 
Moniften  ebenfalls  ber  offenen  ©unft  ber  ©runbfyerren,  f.  ©.  822  f..  216er  freilieb, 
biefe  ©önner  roaren  nur  ©bnner,  feine  greunbe.  Sod)  fehlen  aud?  unter  ben  greunben 
bie  Sowefymen  nidjit.  ^n  Strasburg  mar  ber  Ditter  unb  fbätere  ©tabtfdjreiber  ^oljann  20 
bon  Slumftein  um  1400  gerabeju  ba<§  $aubt  ber  ©emeinbe,  bgl.  Döfyrid)  ©.  27-  ^n 
Nürnberg  mürben  1332  u.  a.  aud)  brei  ©lieber  ber  gamilie  Studier  als  2Balbenfer  ber= 
haftet,  §aubt,  ©eften  in  granfen  ©.  18  f.  Übertäubt  fttelten  fid)  in  ben  ©täbten  ©d)tr>aben§, 
$ranfen§,  SaiernS  fo  biele  „Steige"  ju  ben  Armen,  bafj  ein  argroöfynifdjer  ßl)ronift  auf 
bie  Vermutung  lommen  fonnte,  bie  Urfact/e  ber  ganzen  Verfolgung  fei  ber  junger  ber  25 
Äirdjie  nad;  ben  ©ütern  ber  Deinen,  AugSburger  Sfyronif  bei  Defele,  SS  1,  p.  620s. 
Unb  nicfyt  anber§  mar  e§  um  1400  in  Sern  unb  greiburg  im  Üd)tlanbe,  bgl.  bie  Dad)= 
meife  bei  Dd)fenbein  ©.  121,  ©.  115  ff.  Aber  gerabe  unter  ben  Seitern  ber  ©efte,  ben 
•ätteiftern,  Ratten  jebenfaüS  bie  Seute  bäuerlicher  unb  bürgerlicher  §erlunft  ba§  Übcrgemidjt. 

2.  innere  ©ntmidelung.  Sei  ben  Iombarbifd)en  Armen  boßjieljt  fieb,  bie  Um=  30 
roanblung  au§  einer  aSfetifdjen  ^ßrebigergefetlfcbaft  in  eine  ©egenlirdje  ober  ©e!te 
minbeftenS  ebenfo  rafd)  foie  bei  ben  granjofen.  ©dmn  um  1260  bilbet  aud?  in  Seutfcf)= 
lanb  bie  societas  mit  ben  toeit  berftreuten  scholäe  ifyrer  amici  eine  fet)r  lofe,  aber 
braftifcf)  organifterte  ©er;eimlircb,e,  bie  ben  tarnen  ^ireb^e  ßb^rifti  augbrüdlid)  al§  nur  if)r 
aEein  juftefenbe  Sejeid^nung  in  Slnfbrud;  nimmt,  bgl.^Dtoneta  1. 5,  c.  1,  §  3  s.,  p.  401  ss.  35 
$affauer  2lnonr/mu§  c.  5,  p.  28  B  0,  ben  ©intritt  in  ifyren  Serbanb  gelegentlich  gerabeju 
alg  bie  mab^re  ^aufe  feiert,  ®abib  bei  ®bltinger  2,  ©.  328  unb  bamit  implicite  ben 
im  14.  ^afyrf/unbert  cmd?  explicite  au^gefbroeb^enen  ©runbfa|  auffteßt;  aufeerb^alb  unferer 
Rixö)i  !ein  .geil,  bgl.  für  ^iemont  Archivio  1,  2,  p.  39  s.,  für  ©eutfdjlanb  ®öHinger 
2,  ©.  310,  nr.  85,  86.  SDiefe  Söanblung  finbet  aueb,  barin  einen  2lu<obrucf,  bafe  je|t  40 
aueb  bie  „greunbe"  bon  ben  ©egnern  al<§  Seoniften  bejeic^net  merben,  erfter  3euSe 
^affauer  ^non^mu§  c.  5,  p.  30  C:  c.  7,  p.  40,  unb  bafe  innerhalb  ber  ©efte  aHmär/ücb. 
bie  ©itte  auffommt,  bie  ©laubenSgenoffen  at§  bie  „^unben",  b.  i.  ©ott  allein  befannten, 
bie  Sktfyoüfen  afö  bie  „gremben"  ober  „bie  2üelt"  ju  bejeiebnen,  erfte  geugniffe  auä 
bem  @nbe  be3  14.  ^ab^rb,unbert§  ©öüinger  2,  ©.  310,  Dr.  87  ff.,  jur  Sebeutung  be§  45 
Stu^brucfS  bgl.  Dcbjenbein  ©.  208,  Dr.  14,  anbere  ©teilen  bei  Mütter  ©.  109,  1.  Sem 
entfbricfyt  bie  böHig  ableb^nenbe  Haltung  ber  Sombarben  gegenüber  ben  Slnfbrücben  unb 
bem  gangen  b,ierarc|ifc§en  unb  fultifcben  ©tiftem  ber  römifd)en  5?irct)e.  ©ie  be^nen  bie 
römifeb^e  ^irc§e  feb^on  ca.  1240  al<§  bie  babt)Ionifcb,e  £ure,  al§  ba§  grofee  "Jier  ber  2lbo= 
faltibfe,  al§  bie  $ird)e  ber  Übeltb^äter,  bie  feb^on  bamabä,  al§  ^abft  ©ilbefter,  ber  erfte  bo 
2tntic^rift,  bie  ©c^enfung  $onftantin§  annahm,  aufgehört  f>abe,  bie  ßirebe  Gt>rtftt  ju  fein, 
3Jtoneta  a.  a.  D.,  ^affauer  Stnont»mu§  c.  5,  p.  28,  fie  nennen  ben  $abft  bal  §aubt 
ber  Irrtümer,  bie  Söeltflerifer  ©d)riftgelef)rte,  bie^öneb^e  q3^artfäer,  ^ßaffauer 2tnonbmu§ 
ebb.  ©ie  broteftieren  gegen  atte  @^renrect;te,  ©tanbe€abjeicb,en,  ^ribtlegten  beö  Älcrug, 
gegen  bie  Sitel  5ßabft  unb  Sifcb^of,  gegen  bie  2lu§ftattung  ber  ^ircfjen  unb  ßlbfter  mtt  65 
Degalien,  Seben,  jinöbflicbtigen  ^interfaffen,  geinten  unb  anberen  nu^baren  Deuten, 
gegen  bie  Aufteilung  ber  Sänber  in  ©iöcefen  unb  Pfarren  unb  gegen  ben  ^far^mang, 
gegen  bie  Äonjilien  unb  ©b,noben  unb  gegen  alle  fonjiliaren  unb  bäbftlicfjen  ©a^ungen, 
gegen  ba§  ganje  firdjlicbe  ©eric£)tg=  unb  ©traff^ftem,  gegen  bie  fird}Iid)en  Seftimmungen 
über  bie  ebebjnberniffe,  gegen  ben  ^rieftercölibat  u.  f.  m.,  fo  fcf)on  ber  ^affauer  2lnonb=  eo 


826  SÖalbenfer 

mug  a.  a.  D.  ©te  bertoerfen  weiter,  fbätefteng  feit  bem  14.  Qafytfjmnbert,  bag  IJKöndjtum 
in  allen  feinen  formen,  SDöttinger  2,  ©.  341,  bag  fircbiicfye  Unterricfytsmefen,  e&b.  ©•  340, 
bie  bon  ber  ^trd^e  gebilligte  mbjtifc^e  Sluglegung  ber  fy.  ©cfjrtft,  '■ßaffauer  gfotontymuS 
e.  5,  p.  29  F  ©ie  berbammen  ferner  alle  Soeben,  Kulte  unb  Juttifc^e  ©itten,  bte  ntcfyt 
5  burcb,  bag  ©efe£  ©otteg  berorbnet  ftnb:  bas  firctyltcfye  haften  unb  bie  fircpdiien  gefte, 
mit  2Iusnatyme  beg  ©onntagg  unb  bigtoeilen  aucb,  beg  6fyriftfefteg,  beg  Dfterfefteg,  §immel= 
fabrigf.efteg,  $ftngftfefteg  unb  ber  2Ibofteltage,  bgl.  3trti!el  ber  Ungläubigen  bei  ©öllinger 
2,  ©.  614;  3tör,ricb,  ©.  38,  ©3321  1886,  ©.  52,  Archivio  1,2,  p.  23,  Stugfage  ber 
$ebronnette  Bulletin  12,  p.  380,  bag  2Beil>en  Don  bergen,  gleifcf),  Halmen,  DI,   geuer, 

10  2lf<|e,  ©alj,  Leibern,  Söaffer  unb  ben  ©ebraucb,  foldjer  gefreiten  ©adpen,  bag  Söetben 
unb  ©infegnen  bon  Kirnen,  $ir#öfen,  pilgern,  2ööd)nermnen,  bie  2SaHfar,rten,  $ro= 
jefftonen  unb  Bittgänge,  bie  Orgeln,  ©locfen  unb  Kirchtürme,  bag  fanonifcfye  ©tunben= 
gebet,  bag  erft  ©regor  b.  ©r.  erfunben  fyabe,  bte  gange  lateinifdje  Siturgte  unb  toag  fonft 
jum   äußerlichen   2Ibbarat   beg  ©otte§bienfte§   gehört,  ^affauer  2tnonr/mug   ebb.    ^r/rer 

15  Abneigung  gegen  biefe  tufserltcfjieiten  aber  geben  fte  nict)t  feiten  einen  feJ>r  berben  2lug= 
brucf,  «Paffauer  2Inonr,mug  ebb.,  ©ößinger  2,  ©.  335  ff.,  ©3321  1886,  ©.  53,  Dfterr. 
aSierteljafyrgfd&rift  11,  ©.  261.  ^ocb,  mein-  ©inbrucf  machte  eg,  bafj  fte  aucb,  ben33tlber=, 
3Miquien=,  £etligen=  unb  3Jtartenbienft  bertoarfen,  2trtifel  ber  Ungläubigen  ®öCinger  2, 
©.  615,  Dfterr.  Sjierteljaljrgfcfyrift  11,  ©.259  f.    2Iber  am  meiften  berbacfyte  man  Urnen 

20  ib,re  fdjarfen  Urteile  über  bie  fircpcfyen  ©aframente.  Um  1240  flehten  aucb,  bie  9tabi= 
lalen  unter  ifynen  nur  erft  bie  SBtrffamfeit  ber  bon  fd^Iec^ten  $rieftem  boßjogenen 
©aframente  beftritten  ju  b,aben,  3D<ioneta  1.  5,  c.  5,  §  111,  p.  433 ss.,  unb  babei  ftnb 
bie  ©emäfjigten  namentlich  unter  ben  greunben  bermutlicb,  ftefyen  geblieben,  Archivio  1, 
2,  p.  24,  2Iugfage  ber  Katharina  Sauba  SDöIIinger  2,  ©.  362  f.,  aber  bie  9iabifalen  jogen 

25  aug  ber  ^ßrämiffe,  bafs  aHe  fatfjolifcfjen  ^riefter  fcfjlecfjte  5ßriefter  feien,  algbalb  ben  ©cfylufc : 
bie  römifcfje  2aufe  ift  unnötig,  bte  Kinbertaufe  nu£log,  ba  bag  Kinb  nod)  „unb  erft  änbltcb, 
ift",  2lrtilel  ber  Ungläubigen  ©öllinger2,  ©.  613,  bie  Konfirmation  unb  bie  le£te  Ölung 
finb  überflüffig,  bie  ftrcb,ltcf)e  (Sudpariftie,  ber  fircfylicfye  Drbo  unb  bag  ftrcfylidjie  33uf3= 
faframent   untotrffam,  ^affauer  2lnonr/mug  ebb.,  ©ößinger  2,  ©.  339  ff.,   2lugfage  beg 

30  33arben  'ptlibb  9iegig  Rivista  crist.  9,  p.  366,  bei  33arben  Martin  Bulletin  12,  p.  116. 
2Iber  bie  „greunbe"  folgten  aucb,  in  biefem  ©tücfe  burdjaug  nicfyt  immer  ber  2lnfcb,auung 
ber  „DJieifter",  SöUtnger  ©.309,  5Rr.  55— 62,  ©.  379,  9ir.  79;  Dd)fenbein  ©.212. 
5Da§  märe  unerflärlicf/,  fjätten  bie  9Jteifter  ben  ©alramentSglauben  al§  folgen  angetaftet. 
©o  weit  fcfyeint  fte  i^re  Kriti!  aber  nur  gan§  feiten  geführt  ju  b,aben.   1)ie  33eb,aubtung 

35  ©abibö  bon  2Iug§burg,  bafs  bie  ©efte  biofj  an  eine  f^mbolifd^e  ©egentoart  be§  Seibeö 
6b,rifti  im  2tbenbmab,le  glaube,  c.  5,  p.  207,  beruht  bieÖeicb,t  auf  einem  SflifjberftänbniS. 
9^ur  bie  jwei  3Kagifter  $eter  bon  Äirn  unb  Konrab  galten  fomie  ber  ^ßriefter  9tifoIau§ 
bon  33ingen,  bte  alle  brei  1393  in  33ingen  berbrannt  mürben,  fd)einen  fo  toeit  gegangen 
p  fein,  bgl.  Articuli  heresiarchum  Falconis  etc.  nr.  8—10  bei  £>aubt,  ®er  malbenftfcl)e 

40  Urfbrung  be§  ßober.  Stebl  ©.  36  f.  ©onft  märe  e§  ja  aucb^  laum'  gu  berfte^en,  bafj  fie 
ben  33raucb,  ber  Drbination  beibehielt  unb  nic^t  barauf  ber^ict)tete,  immer  neue  „33rüber" 
ju  meinen.  2Bie  ftnb  bie  lombarbifdjen  5Retfter  nun  berb,ältntgmäf5ig  rafcb,  ju  fo  rabifalen 
Urteilen  über  ba§  ganje  !ircb,Iid?e  ©tjftem  gelommen'^  Offenbar  fjat  ba^u  ber  @inftufj 
ber  Katb,arer  bag  meifte  beigetragen.    23on  ben  Katb,arern  fyahtn  fie  bie  2tnfcf;auung  über= 

45  nommen,  bafe  bie  Hirct)e  feit  $abft  ©ilbefter  berberbt  unb  ©ilbefter  ber  2lnticl)rift  fei, 
bon  ben  Katarern  bie  Segenbe  bon  ber  Ilagenben  tyimmlifcfyen  ©timme  in  ber  9cacr;t 
nacb,  ber  ©c^enlung  Konftanting,  33rief  beg  ^ofjann  unb  ©enoffen  bei  ©öllmger  2, 
©.  356,  bon  ben  Äatfyarern  meift  mörtltd)  all  jene  gerben  Urteile  über  bag  ^abfttum. 
bte  §ierard)ie,  bie  ©aframente,  bag  gan^e  recfjtlidge  unb  iultifcf,e  ©Aftern  ber  Kirche,  bgl. 

soAlanus  1.1.  liber  1,  c.  29— 62,  66—71;  Ebrardus  Flandrensis  liber  antihaeresis 
ed.  ©reiferer  p.  117  ss.,  befonberg  c.  4,  6,  8,  10—12,  17,  19.  33on  ben  Katarern 
ftammt  felbft  bie  SSertoerfung  ber  allegorifcfyen  ©jegefe,  bgl.  ebb.  c.  24  mit  ^affauer 
2lnont)mug  c.  5,  p.  29  F,  unb,  wie  eg  fc^eint,  fogar  ber  ©runbfafc:  toag  im  (gbangeltum 
ntcljt  geboten  ift,   barf  ein  (Sbjift   nief/t  tb,un,   bgl.  Ebrardus  c.  4,   p.  134  H.    ftanad) 

55  tounbert  man  ftd)  nicb,t,  bafj  eg  t)ie  unb  ba  ju  einer  förmlichen  ißermifdgung  jtoifc^en 
Äatfyarem  unb  Söalbenfern  ram.  @in  intereffanteg  33eifbtel  bafür  ift  bie  ©efte  beg 
2ftartmug  be  ^ßregb^tero  aug  33icug  in  ^iemont  (Sßtu  an  ber  ©tura?),  bie  in  ben2lften 
ber  totemonteftfclien  ^nquifition  bon  1388,  Archivio  2,  1,  p.  1  ss.  eine  fo  grofje  3?0ae 
fbielt,  bgl.  ßomba,  Erano  Valdesi?  a  proposito  de  aleuni  eretici  antenati  deBalbi 
60  e  dei  Cavour  in  Rivista  Cristiana  4,  p.  169  ss.,  217  ss. 


Üöalbenfer  827 

Allein  in  ber  Berfünbigung  ber  Armen  trat  baSSogma  nacb,  mie  bor  jurüd.  Steift 
Begnügten  fie  fid)  bamit,  ifyren  ^ufyörem  einprägen:    ©djtoören,  Sügen,  $riegfül)ren, 
SobeSurteile   fällen   ift  SLobfünbe.     ®ie  SReffen,  bie  ©ebete,   Dbfer  nütjen  ben  Stoten 
nidjtS  mefyr.    SDenn  eS  gtebt  lein  gegfeuer:   eS  giebt  nur  jtoei  Sßege,   jiüifdjen   benen 
ber  SRenfcb,    ju  toäfylen   bat,   ben  2öeg  bcr  §ötle  unb   ben  Söeg   beS  BarabiefeS,   erfter  5 
$euge  für  biefe  gormel  ^J3affauer  Anonr/muS  c.  5,  p.  30  D,  bgl.  für  ©eutfcf/Ianb  aujjer= 
bem:  Rbbjicb,  ©.  41,  ©552t  1886,  ©.  53;    für  Italien  Archivio  1,  2,  p.  24,  32,  39, 
40,  46;  2,  1,  p.  9;  Nobla  leycon  v.  18ss. ;  Burce  v.  81  ss.,  154 ss.    2)a  biefe  Sefyre 
„bon  ben  beiben  2öegen"  in  ben  Berl;ören   fefyr   l)äuftg   als   erfteS   unb  £>aubtftüd   ber 
toalbenfifdjien  Berf ünbigung  bejeidmet  ibirb,    fo  fonnte  bie  Vermutung  auffommen :    bie  10 
2Balbenfer  I)ätten  nocb,  bie  fog.  Urbibacb/e,  ben  KatednSmuS  bon  ben  beiben  Söegen  benutzt, 
lumal  ber  lateimfdje  Xer.t  ber  fog.  Urbibacfye  in  jtoei  öfterreidjifcfyen  §ff.,  alfo  in  einem  alten 
§aubtmiffionSgebiete  ber  Sßalbenfer,  ans  Sidjt  trat.   Allein  an  feine/  ber  Dielen  ©teilen,  an 
toeldjen  bie  toalbenfifcfye  fiebere  bon  ben  jtoei  Söegen  begegnet,   berrät  fid)  Beianntfdjaft 
mit  ber  Urbibacfye,  bielmefyr  ift  biefe  Sefyre,  toie  Nobla  leycon  v.  18  ss.  bemeift  in  bireltem  15 
Anfdjluffe  an  fflt  7,  13 f.  entftanben.  ©od)  fyaben  it)ir  fixere  Kunbe,  bafj  man  fotoofyl  in 
©eutfd)(anb  tote  in  Italien  aufjer  ber  Bibel  nocb,  folgenbe  ©d;riften  bei  ber  Berfünbigung 
unb   pim   Unterrichte  ber  SReifter  unb  $reunbe   benutze:    1.  Verba  ss.  Augustini, 
Hieronymi,  Ambrosii,  Gregorii,  Chrysostomi  et  Isidori,  alfo  ©entenjenfammlungen, 
©ötlinger  2,  ©.  329,  5Rr.  25,  bgl.  ©.  309,  3Rr.  72.   ©ine  folcfye  ©ammlung  befafj  bereits  20 
ÜIBalbeS,  oben  ©.  807, 31,  jtoei  folcfyer  ©ammlungen,  beren  Vorlage  bielleid)t  auf  SöalbeS  jurücf= 
gefyt,  finb  in  toalbenfifdjer  ©brache  erhalten :  Vergier  de  consollacion  (©arten  beS  StrofteS) 
unb  Doctor  (ber  Setjrer),  beibe  nod)  nict)t  gebrucft,  groben  bei  2Rontet,  Hist.  litteraire 
des  Vaudois  p.  58  s.    2.  Liber  electorum,    citiert   in   bem  Briefe  bon  ^ofyann  unb 
©enoffen  aus  bem  $al)re  1368  bei  ©öHinger  2,  ©.  368,  bielleid)t  ibentifcb,  mit  bem  in  25 
biejem  Brieftoecfyfel   ebenfalls   ermahnten  liber  justorum,   3JJüKer  ©.  127.    3.  „Sie 
30  ©tufen  AuguftinS",  ein  Straftat  über  bie  "Sugenben  unb  Safter ;  in  SDeutfcf/Ianb  fdjon 
im  13.  3<*b,rr;unbert  in  einer  Bearbeitung  in  beutfcfyen  Berfen  im  ©ebrauct),  ©abib  c.  5, 
p.  209,  ungebrudt,  über  Überlieferung  unb  ^nb,alt  bgl.  §ergog  ©.  66 ff.;  SRontet  p.  5, 
8,  68—76,    toofelbft  aud)    einige  groben   mitgeteilt   finb.    4.  Septem  articuli  fidei,  30 
Snfyalt  unb   Reihenfolge  mitgeteilt  in   einem  Verbrannten  ©trafjburger  5Ranuffribt  bon 
1404,   ber  %t#  felbft  aucb,  Söalbenfifd)  Mscr.  208  Don  ©enf,   »gl.  hontet  p.  198  s., 
bezeugt  erftmalig  28.  Abril  1387,  Archivio  I,  2,  p.  38,  Dfterr.  ^nquifition  Don  1392, 
Dfterr.  BterteliabjSfdjrift  11,  p.  258;  bielleidjt  ibentifd)  mit  ben  fieben  Slrtifeln  ber  fran= 
göftfd^ert  SSalbenfer  über  bie  ©ottlieit,   oben  ©.  821, 1.      3)iefe   2lrtifel   tourben   aber  35 
bielleidn'  bis  in§  15.  ^ab,rb,unbert  nur  münblicb.    überliefert.    5.  ©ine  regula,   bie  auch, 
Angaben  über  bie  @ntfteb,ung  ber  ©elte  enthielt,  ©ie  tourbe  mab, rfd)einlicb  ebenfalls  nur 
münblicb,  ben  angel) enben  SReiftern  eingeprägt,  bgl.  baS  ßitat  aus  bem  Briefe  beS  ©eutfd;en 
^ob^anneS  bei  9Jtüller  ©.  127,    1:  vestra  eciam   regula  narrat,    ut   ego  memorie 
mee  tradidi.  2lu|ierbem  lurfierten  unter  ben  beutfd)en2Balbenfem  fd;on  im  13.^0^=40 
b^unbert  beutfcb,e  Sichtungen,  beren  ©d)bnb,eit  aucb,  3)abib  oon  SlugSburg  anerfannte  c.  5, 
p.  209.    SDiefe  ^ßoefien   finb   aber  mafyrfdjeinlicb,    nie  aufgezeichnet  morben.    Sßeiter  be= 
nu|ten  bie  beutfd;en  2Balbenfer  im  15.  ^rlrnnbert  aud)  SluSlegungen  ber  ©bangelien  unb 
Briefe  *$aul\   in  beutfcfyer  ©brache,  Dcf)fenbein  ©.  220.    £>ajj  biefe  „Auslegungen"  bon 
einem  2Mbenfer  berfafet  gemefen  feien,  wirb  jebod)  nid;t  gefagt.    2öab,rfd;einlid)  fyanbelte  45 
eS  fid}  um  baS  Söert  eines  fatljolifc^cn  älutorS  unb  nur   um  eine  Auslegung  ber  fatf;o= 
lifdjen  ^eriloben.     $Die   italienifd)en  SBalbenfer  Ilagen   1368:    multoties  perducti 
sunt  libri  quasi  in  nulluni,    ita  ut  vix   sacram  possemus   paginam  reservare. 
©ie  b/aben  alfo  manche  Büdner  befeffen,  b,atten  aber  1368  babon  laum  mebj  gerettet  als 
bie  Bibel  unb  ben  liber  electorum,  Brief  beS  ^ofyann,  £>bümger  2,  ©.  358 f.   ©leid;=  50 
ttjobl  finbet  fid)  bei  ben  Söalbenfem  ber  lottifd^en  Silben  im  16.  unb  17.  ^abrfmnbert 
eine  förmliche  bibliotheca  Waldensis.     ©ie  ©ntftefyung  biefer  bibliotheca  ift  nocb,  nid?! 
böCig  aufgebieüt.  geft  fteb^t  jebod),  bafe  nur  ein  feb/r  Heiner  %t\l  babon  aus  borreformatorifd)er 
3eit  b,errüb,rt.    9Jitt  einiger  ©id)erl)eit  fann  baS  nur  bon  folgenben  ©Triften   beraubtet 
tberben :  1.  Straftat  Vertucz.     2.  Doctor.     3.  Vergier  de  consollacion,    f.  oben  3-  22.  55 
4.  Glosa  pater  noster,  eine  Auslegung  beS  BaterunferS,  gmeifelloS  Übertragung   einer 
Iatb,olifd;en   Borlage,   bgl.   hontet   p.  45,  76.     5.  Cantica,  Fragment,   beutfde  Uber= 
fe^ung   bon   §erjog  in  ßb^b  31  (1861),   ©.  486—592,   Überfe^ung  eineS  fatbolifcben 
MommentarS  jum  ."oofyrx  Siebe   in   fieben  Büdnern  (baS  erfte  feblt)   mit  berb,ältniSmäfeig 
Wenigen  eigentümlia)en  ^ufä^en  ,^u  2,  4,  16;  3,  7 ;  4,  4,  8;  5,  2  prologus ;  5,  S,  9 ;  60 


828  SSoIbenfer 

6,  2,  3,  7,  8,  9;  7,  12,  14  ©<$Iufj,  bgl.  §erjog  a.  a.  D.  ©.  493  f.,  505,  575,  528, 
534,  548  f.,  557,  559,  565,  568,  579,  585,  589,  590  ff.  ®aS  Silb,  baS  fid)  auS 
biefen  gufätjen  bort  ber  gleysa  de.li  paure  de  Christ  ergiebt,  ftimmt  ju  ben  5Rit= 
teilungen  9JiorelS  in  bem  »rief  an  Dfolambab,  bie  ©bradje  roetft  ebenfalls  ins  16.  2>afyr= 
6  fyunbert.  golglicb.  ift  baS  Söerf  Wafyrfcfyeinlicb.  erft  @nbe  beS  15.  Qabjfmnberts  in  ben 
fottifcfyen  ällben  ober  in  ber  Vrobence  entftanben,  »gl.  bie  21nfbielungen  auf  bie  33er= 
folgungen  unb  ben  3fJüdfgang  ber  „®ird;e"  2luS  berfelben  ßett  rühren  bieHeid)t  aucb, 
nocb,  anbere  Überfettungen  fatfyolifcfyer  Vorlagen  ber:  Penitenca,  Pecca  u.  f.  W.  3.  Nobla 
leycon,    ein   ©ebid)t   in   freien  Kraben    bon    479    12ftlbigeu   Werfen.     ®er   ®id)ter, 

10  ber  fidler  einige  tfyeologifcfye  Silbung  befafj,  giebt  barin  einen  Überblick  über  ben  %n-- 
fyalt  ber  Sibel  unter  bem  ©efidjtSbunft  ber  brei  ©efe|e  ©otteS,  ber  lex  naturae, 
ber  lex  Mosis,  ber  lex  Christi.  ®ie  ältefte  ber  brei  §anbfcbriften,  Weld?e  baS  ®ebid)t 
bollftänbtg  bieten,  ftammt  aus  bem  15.  ^ab,rbunbert.  tiefer  $ett  gebort  alfo  ber  ältefte 
uns  erregbare  SEerJ  beS  ©ebidjtS  an.    Slber  baS  ©ebicfyt  felbft  ift  biel  älter.    $n  ben 

15  biel  befbrod)enen  Werfen  6,  7  beifet  eS  (nad)  £ff.  ©enf  207  unb  Dublin  Trinity  6, 
5,  21):  Ben  ha  mil  e  cent  ancz  compli  entierement  /  Que  fo  escrit:  „Oratz ! 
car  sen  al  derier  temp"  (forrigtert  nad)  ©milio  Sron,  l'epoca  della  composizione 
della  nobla  Leicon,  Bulletin  de  l'hist.  des  Vaudois  21  [1906],  p.  32 ss.).  Qn 
ber  #f.  ßambrtbge  Dd  XV,  31  ftebt  bagegen  mil  e  CCCC  anz   unb  in  ßambribge 

20  Dd  XV,  30  ift  nacb,  mil  e  bie  ßiffer  4  auSrabiert,  f.  bie  gaffimilia  bei  2JJelia,  The 
origin.  2IuS  biefer  ÜRafur  f)at  man  gefdjloffen,  bafs  mil  e  quatre  cent  ancz  bie 
urfbrünglicfye  Sefung  unb  bie  Sefung  mil  e  cent  ancz  gefällt  fei.  916er  bie  legiere 
Sefung  wirb  burcb,  baS  Metrum  geforbert,  2S.  görfter  in  ©g2t  1888,  2,  ©.  783  ff. 
£)arauS  folgt:    ber  £>id)ter  beraubtet,   bafj  ju  ber  geit,   ba  er  bietet,   gut  1100  Qafyre 

25  berfloffen  finb,  feit  baS  %l%  getrieben  Würbe.  3Jtan  barf  biefen  2luSbru<f  geWijj  nid)t 
breffen,  aber  man  Wirb  jugeben  muffen,  bafj  biefe  2öorte  beffer  auf  baS  12.  unb  13.  ^abr= 
Imnbert  baffen  als  auf  baS  14.  unb  15.  2)a  ber  Verfaffer  borauSfeijt,  bafj  bie  Söalbenfer 
heftig  berfolgt  werben,  fo  ift  baS  12.  ^afyrbunbert  auSgefcfiloffen.  bleibt  alfo  als 
terminus  post  quem  nur  bie  gett  nad)  2luSbrucb,  ber  großen  Verfolgungen:  ca.  1231. 

30  2tls  ©ntftelmngSort  ergiebt  ficb,  auS  v.  18  ff.  (Sefyre  bon  ben  2  3öegen)  falls  biefelben 
ed)t  finb,  baS  ©ebiet  ber  fottifdjen  3llben,  benn  nur  bier  gab  eS  bamalS  brobenjalifcb, 
fbred)enbe  Söalbenfer,  meiere  ber  lombarbifdjen  Dbferbanj  folgten,  ©einem  ^nbalte  nad) 
ift  baS  ©ebtd)t  eine  3Irt  -äftifftonSbrebigt  in  Werfen,  Welche  bie  „3lboftel"  bielletd)t  nad) 
bem  Stftufter  ber  SoglarS  bortrugen,  Sie  anberen  oben  ©.  802,  10  erwähnten  Sebjgebtcfyte 

35  gehören  bielleid)t  audj  nod)  bem  13.  ^a^rbunbert  an.  ©afs  ber  33erSbau  in  3lx.  4,  5,  7 
fef)r  biet  lünftlicfyer  ift,  aU  in  ber  Nobla  'leycon  unb  bafe  ber  SSerfaffer  bon  %lx.  5  einige 
tfyeologifcfye  J?enntniffe  berrät,  fbrtd}t  nidjt  gegen,  fonbern  für  biefen  2tnfa£.  ®er  $ßor= 
fteßungSlreiS  bafet  ju  bem  ber  nobla  leygon. 

£>em  entfbrid)t  e§,   bafe  bie  (Ermahnung   gur  Sufee   in  ben   feftfte^enben  ©eban!en 

40  unb  gormein  ber  Sebre  bon  ben  betben  äöegen  unb  bie  Erteilung  beS  ÜBufjfaframenteS 
meb,r  unb  me^r  al§  micfytfgfte  Aufgabe  ber  3Keifter  betrautet  mürbe,  bgl.  für  Italien  bie 
3llten  Ar chi vio  1,  2,  p.  16  ss.,  für  SDeutfcblanb  inSbefonbere  Siöfyricb.  ©.32,  41,  53,  68. 
©a§  Slbenbmab,!  würbe  aud)  in  ®eutfd>lanb  im  14.  ^abrfmnbert  einmal  im  ^a^e  am 
©rünbonnerStage  gefeiert,  Dfterr.  Siertelja^rSfdjrift   11,  ©.255,  33erid)t  bon  1392    ebb. 

«  ©.  260.  2lber  e§  gab  1392  bereits  biele  g«eifter,  bie  biefen  Sraud?  „berabfd)euten",  ebb., 
unb  tm  15.  Sabjfmnbert  finbet  fieb,  babon  auf  beutfcb,em  ©oben  feine  ©bur  mef)r,  bgl. 
bte  ^retburger  2l!ten  bei  Ddjfenbein.  <£>a  bie  ^eier  jubem  immer  nur  einmal  im  ^abre 
ftattfanb,  fo  traten  bie  SKeifter  in  £)eutjcb,lanb  in  ber  Siegel  Weiter  nid)ts,  als  33eid)t= 
Joren    3lber  eS  Wirb  ftets  b,erborgeb,oben,  bafe  fie  pgleicb,  brebigen  unb  Ieb,ren,   boümbS 

so  m  fte  gerabe^u  „bihter"  genannt  Werben  feien,  wie  fonft  SKeifter,  2tbofteI,  «Wölfboten, 
Ferren,  Füller  ©.  106,  finbe  id)  nirgenbs  befugt.  Sei  ben  Söalbenfern  ber  fotttfeben  2llben, 
tn  ber  ^robence,  2lbulien,  ^alabrien,  gJUttelitalien  b^at  fieb,  bie  jelbfiftänbige  2lbenbmablS= 
feter  langer  erhalten,  ja  eS  ift  nicb,t  auSgefcb,Ioffen,  bafe  fie  @nbe  beS  14.  ^abjlmnberts 
tetlwetfe  aud)  an  anberen  Sagen  als  am  ©rünbonnerStag  baS  ©alrament  genoffen,   bgl 

56  bte  ©teilen  über  panis  benedictus  Archivio  1,  2,  p.  18,  21,  22;  2,  1,  p,  20,  30 
•vSm  15.  ^ab,rb,unbert  gingen  fie  in  ben  iottifcb,en  2Ilben  unb  in  SJtittelitalien  jebenfatts 
md)t  meb,r  alle  pix  fatb,o!ifd)en  Kommunion,  fonbern  embfingen  ftatt  beffen  baS  bon  ben 
Sarben  getoeibte  »rot,  3luSfage  beS  »arben  Martin,  Bull.  12,  p.  116.  3lltetn  bie 
grofee  Verfolgung  ber  ^ab,re  1487—94  fe^te  bem  aud;  bter  ein  ßiel.  ©eitbem  embfingen 

60  bte  ©laubigen  überall  bie  ©alramente  bon  rbmifdjen  Vrieftern,   Vroje^  gegen  bie  2öct(= 


SBotbenfcr  829 

benfer  be<§  ©autogne  bon  1506  ©öllinger2,  ©.366,  Srief  SRorelS  bei  SDiecffjoff  ©.366. 
sJiur  bei  ber  Sarbenmeil)e  roarb,  mie  e§  fcfyeint,  bon  ben  baju  berfammelten  Sarben  bie 
©ucfyariftie  nocfy  im  16.  Jafyrljmnbert  in  alter  2öetfe  gefeiert,  ebb.  ©.  364. 

3>n  ber  SSerf af f ung  ber  ©efte  trat  im  14.  Jafyrlmnbert  infofern  ein  bebeutfamer 
2Banbel  ein,  als  ftd)  bie  beutfcfjen  Srüber  bon  bem  rechtlichen  Serbanbe  ber  italifd;en  & 
2trmen  Io3lbften.  ©ie  b,atten  mofyl  bon  jefyer  iljre  eigenen  capitula  gehalten,  auf  benen 
fie  bie  Siobijen  orbinierten,  benn  eS  ift  fefyr  untt>at)rfc|etnltc^,  bajj  fie  biefelben  gu  biefem 
Sel)ufe  erft  nacb,  Italien  Rieften,  Je$t  Porten  fie  aufy  auf,  ©elb  nad)  Italien  ju 
fenben  unb  mit  ben  Sifcfyöfen  unb  bem  9te!tor  ber  Italiener  offiziell  ju  berfebjen.  Jtjre 
gemeinfamen  2tngelegenl?eiten  orbneten  fie  feitbem  auf  ibjen  eigenen  Habitein  ober  com-  io 
munia,  bie  fie  mit  Vorliebe  in  ben  grofjen  ©täbten  ^ur  gett  ber  Jabjmärfte  abhielten, 
Seritfjt  bon  1382  ©öKtnger  2,  ©.  368.  ©leicljmofyl  blieben  beibc  Seile  miteinanber  in 
Sßerfefyr.  ®a  bie  Slutorität  be§  Steftorö  in  SDeutfcfylanb  mol)I  immer  feb,r  fcfymact)  ge= 
roefen  mar,  fo  fügten  bie  lä'ngft  an  felbftfiänbige<§  §anbeln  gemöl)nten  SJceifter  fyier  auch, 
nicfyt  baS  Sebürfnig,  ftd)  einen  eigenen  9te!tor  ju  mahlen,  ebenfo  wenig  fam  eS,  mie  e§  i& 
fcfyeint,  jur  ©ntfteljwng  eme3  alle  3Jteifter  be£  beutfcfyen  3Rtffiongebiete§  umfaffenben  com- 
mune. 63  fehlte  fyier  alfo,  fo  biel  mir  iuiffen,  feit  bem  14.  gafyrfmnbert  bößig  an  einer 
centralen  Drganifation :  bie  capitula,  bon  benen  mir  fjbren,  maren  allem  2lnfc|eine  naefy 
nur  ^ßrobinjialberfammlungen.  ©leicfymol)!  beftanb  aber  boc£)  gVüifcr)ert  allen  Äonbentileln 
be£  gangen  ungeheueren  ©ebiete§  ein  fefyr  lebhafter  Serfebj.  —  Jn  bem  italienifd)en  20 
9)Jiffionögebiete  befyaubtete  fiel)  bagegen  bie  alte  centrale  Drganifation  big  in  bie  9lefor= 
mationSjeit,  Sftorel  bei  ©tedboff  ©.  364  f.  2öa§  bie  einzelnen  2(mter  anlangt,  fo  gab 
e<8  big  in  ben  beginn  beö  14.  JafyrlmnbertS  foroofyi  m  Italien  mie  in  SDeutfd)lanb 
nadjmeiSlidj  S3tfdt)öfe  unb  aua)  $re§btoter  unb  SDiafonen  (in  $)eutfa)lanb  ift  be= 
jeugt  1266  ein  episcopus  ju  Slnjbaa)  bei  9?eulenglacb,  in  Db  erb  fterreief)  ^affauer  25 
2lnonfymu§  c.  3,  p.  27  0,  1315  ber  Jieumeifter,  ber  fcfyon  feit  ca.  1265  in  Cefterretd) 
amtierte,  berbrannt  1315  ju  §imburgbei  SSien,  $remferSerid)t  Dfterr.  Sierteljafyrsfcbj.  11, 
©.  256;  ber  „Sifdjof"  ©tebfyan  in  Dfterreicb,,  berbrannt  ca.  1470  in  2öien,  oft  ermähnt 
in  ben  ©Triften  ber  bbfymifcfyen  Srüber,  bgl.  ©oll,  Quellen  unb  Unterfudmngen  Sb  1 
sub  voce,  barf  bagegen  faum  at<§  Sifcfyof  im  alten  ©inne  gelten,  er  fyeijjt  fo  aud)  nur  30 
bei  ben  böf>mifd)en  trübem),  ir$m  15.  Jafyrlmnbert  toeifc  man  bagegen  £)ier  mie  bort 
nicr)tä  bon  jenen  Inerardnfdjen  Slmtern  mefjr.  Man  fennt  nur  eine  2öeil)e,  bie  2öeif>e, 
bie  jeber  Srüber  bei  ber  9tejebtion  empfängt.  3nner^a^  oe§  ^eifeg  ber  ©emeib,ten 
aber  ift  ber  9fang  be§  einzelnen  etnfacB  buref)  bie  2lnciennität  beftimmt,  felbft  ber  9teftorat 
macb,t  mob,I  leine  2tuSna&,me  bon  biefer  Siegel.  (Sr  gef)t  mab,rfcb,einlidb,  immer  auf  ben  jemeilS  35 
alteften  SD^eifter  über,  ©oeb,  entfbric^t  bie  ©tellung  ber  juniores  etrna  ber  ©teQung  ber 
SDiafonen,  bie  ©tellung  ber  seniores  ber  ©tellung  ber  presbyteri  in  ber  frangöfifebert 
©tammgenoffenfdjaft,  ©öEinger  2,  ©.  367  ff. ;  3Korel  ©.  364.  ^n  ©eutfc^Ianb  i)ei|en 
bie  ©emeifyten  alte  3Retfter,  in  Italien  feit  bem  15.  ^ab,rb,unbert  Sarben  bon  barba 
oftbrobenjalifcb,  =  Db,eim,  erfter  ßeuge  ^b^ilibb  $Regi§  1451  Riv.  Crist.  7,  364 ss.  ^n  40 
Italien  erhalten  alle  33rüber  bei  ber  Drbination  feit  eben  jener  geit  bon  bem 
Drbinanten  einen  neuen  tarnen,  2lu3fage  be§  Farben  SJJartin,  ber  eigentlich  granj 
©ironbin  f)iefe,  Bull.  12,  p.  112,  117  s.  2luö  meinem  ©runbe  ba§  gefcb.al),  ift  nict)t 
überliefert.  ®ie  Seben^teeife  ber  33rüber  ift  im  toefentlicb,en  bie  alte.  ©iesilu3bilbung 
jum  Sruberamte  ift  überall  geregelt.  $n  ®eutfcb,lanb  mirb  ber  ©cfyüler  erft  ein  ober  45 
gtoei  ^af)re  bei  einem  3Jteifter  in  bie  £eb,re  getb,an,  bann  mirb  er  gleicb,  orbiniert,  mufj 
aber  noeb,  fedbg  bx§  neun  ^al)re  alö  unfelbftftänbiger  ©efelle  im  SDienfte  eine§  3Heifter§ 
arbeiten,  ef)e  er  Seilte  b,ören  barf,  £)öllinger  2,  ©.  368  f.  ^n  Italien  rekrutieren  fieb, 
bie  fünftigen  -äJkifier  im  15.  Qa^rb,unbert  meift  au§  bem  ungebilbeten  Sanbbolf.  ©ie 
muffen  bab,er  erft  brei  ober  bier  %afyxe  in  je  groei  2öintermonaten  bei  einem  SJteifter  Iefen  50 
lernen  unb  fieb,  bie  ©bangelien  SJiattb,  äi  unb  grannig  unb  eine3lngal;l  ber  neuteftament= 
liefen  Sriefe  mörtlicf)  eintragen.  2)ann  fcb^iclt  man  fie  für  ein  ober  jmet  %at)r  in  eineö 
ber  ©cb^toefternljäufer,  mo  fie  aber  rtic&t  nur  lernen,  fonbern  aud)  allerlei  ^anbarbeit  leiften 
muffen,  ©arauf  merben  fie  orbiniert,  fyaben  aber  noeb,  ^ab^re  lang  al§  ©efjilfen  einem 
ber  älteren  Sarben  Ju  dienen,  3S)foreI  ©.  364,  unbeutlicfy  ber  Sarbe  Martin  Bull.  12,  55 
p.  112.  SDie  ©ct)meftem  merben  in  ®eutfd;Ianb  noeb,  im  15.  $alE>rfmnbert,  wie  eö 
|cf;eint,  im  $>ienfte  ber  3)tiffion  bermenbet,  Dcbjenbein  ©.  185.  ^n  Italien  finb  fie  bamalS 
in  leiner  Söeife  meb,r  an  ber  SSerlünbigung  beteiligt,  fonbern  leben  al<3  gottgeroeibte 
Jungfrauen  in  ben  Käufern  unb  ^ofbijen,  bie  ben  Sarben  unb  Sarbenfcfyülern  aU 
Stefugium  bienen,  9JioreI  ©.  364,  bg'l.   SDöllinger  2,  ©.  93  f.     Sieben   biefen  ©emetyten  eo 


830  SBalbenfer 

Begegnen  unl  aua)  je£t  nocb.  im  ©ienfte  ber  ©efte  einzelne  Säten  ober  amici :  in  ©eutfdp 
lanb  fcfyeinen  biefelben  nur  all  „©ammler  bei  ©elbl",  b.  i.  all  ßoüeftanten  für  bie 
ÜJieifter  befestigt  geWefen  ju  fein,  üRöfyricb,  ©.  67,  unb  ben  öfter  ermähnten  ,,©cW 
ber  Äonbentifel  aufbewahrt  ^u  tyaben,  ©332t  1886,  ©.  49.  Qn  Italien  ift  bie  @rb,ebung 
5  ber  talea,  ber  freiwilligen  ©teuer,  jWar  aua)  t^re  bornefjmfte  Aufgabe,  außerbem  tyaben  fie 
aber  aucb,  all  locumtenentes  ber  Sarben  in  ifyrem  33ejirfe  gelegentlich  Seichte  ju  tybren 
unb  %u  „prebigen",  »gl.  bte2lulfage  bei  Vfyilipp  Negil,  ber  felber  c.  1450  locumentenens 
im  33al  ©.  SDtartino  mar,  Riv.  Crist.  9,  p.  364  ss.  StRan  wirb  faum  feljlgef)en,  Wenn 
man  in   btefen  Satengefytlfen   bie  Nachfolger   ber  ehemaligen    ministri    scholarum   er= 

10  blicft,  unb  bie  Vermutung  Wagt:  baß  aud)  jene!  Wichtige  ©tücf  ber  alten  Crganifation 
burd)  bie  ^ab^nmberte  fic^>  erhalten  fyA.  —  %üx  ben  Unterhalt  ber  9Jceifter  ober 
Sarben  Würbe  bon  ben  ©laubigen  immer  aufl  befte  geforgt.  Bull.  12,  p.  31 ;  SRorel 
©.  364;  9ft>l>rtc6,  ©.  54,  62.  2lußerbem  pflegten  bie  ©laubigen  fpäteftenl  feit  bem 
14.  ^afyrfjunbert  ilmen    bei  jeber  Seilte    feil  in    ©elb,    feil    in    Naturalien    einen 

15  33eicf)tbfenmg  p  entrichten,  Bull.  12,  p.  30  s.,  42,  ©5B21  1886,  ©.52;  Dcbjenbein 
©.  194,  305,  346,  Enquetes  de  Pragelas  bei  33offuet,  Variations  2,  p.  181,  unb 
fie  im  legten  2BiHen  mit  einem  Segate  ju  bebenfen,  2trttfel  ber  Ungläubigen  SDößinger 
2,  ©.  616,  ©332t  1886,  ©.  52 ;  Morel  ©.  64.  Unb  enbltcfy  Würbe  aud)  nod?  fleißig  für 
fie  lolleftiert.    $n  ©eutfcfylanb  gab  el  im  14.  $af)ri)unbert  WobJ  nicfyt-nur  in  ©traßburg, 

20  33ranbenburg,  Sommern,  DftfdjWaben,  fonbern  in  jeber  größeren  ©tabt  unb  jeber  Sanb= 
fcfyaft  einen  ©d?at$  ober  eine  „©rube"  ber  SJceifter  unb  einen  „©ammler  bei  ©elbl", 
Nöfyricb.  ©.  67,  ©3321 1886  ©.  49,  2lrtifel  ber  Ungläubigen  a.  a.  D.  ^m  itattenifajen 
SJUffionlgebiete  befaß  man  im  15.  $al)rlmnberte  genaue  Verjetdjmiffe  ber  ©laubigen, 
libri  barbarum,  mit  beren  §ilfe  bie  Satenbiener  bie  talea  erhoben,  Vfyittyp  Negil  Riv. 

25  Crist.  9,  p.  314  ss.  Sßelcf;  ftattlicfye  ©ummen  babet  gufammenfamen,  geigt  bie  Nad)ricfyt, 
baß  um  1450  allein  im  SSal  ©.  Sftartino,  Wie  el  fcfyeint,  bie  talea  ftc|  jär/rlicfy  auf 
300  ©ufaten  belief,  Negil  ebb.  p.  365.  2lußerbem  befaß  l)ier  bie  ©enoffenfcfyaft  r/ie  unb 
ba,  j.  33.  in  ©enua  unb  $Iorenj,  §ofpije  für  bie  reifenben  33arben,  ©iUel  1,  p.  31s., 
bie  Woljl  immer  jugleicb,  ben  ©d)Weftem  unb  33arbenfcf)ülern  all  äi'otmung  bienten,  Morel 

30  ©.  364.  —  2)ie  Metfyobe  ber  Verfünbigung  blieb  im  Wefentücfjen  unberänbert. 
©ie  33rüber  fyörten  nie  auf  ÜHknberprebiger  ju  fein.  ^n  ©eutfcfylanb  Wecfyfelten  fie  6nbe 
bei  14.  3^4un^erlg  a^e  ein  bil  gWei,  in  Italien  nod)  1530  ade  jWei  bil  brei  $ab,rc 
ib,r  ©tanbquartter,  ©öllinger  2,  ©.  369;  Morel  ©.  364.  33ilWeilen  aber  Waren  fie 
^aljre  lang  unterWegl.    ^mmer  jebocf;  jogen  fie  ju  gWeien  unb  oerfammelten  fidE>  regel= 

35  mäßig  einmal  im  Qa^re  ju  einem  commune.  Verfammtungcn  gelten  fie  in  ©eutfc^ 
lanb  faft  immer  gur  Nacfytgett  in  einem  Vribatfyaufe,  einer  ©cfyeime  u.  bgl.  SDabib 
c.  9  p.  210,  Dfterr.  Vierteljatyrlfcbjift  11,  ©.  255f.,  ©3321  1886,  ©.  51,  ©ötlinger  2, 
©.  331.  2tll  (Srfennunglgeicfyen  biente  ilmen  2lnfang  bei  14.  Qafyrfmnbertl  in  Dfterretcf) 
ber  ©rufe:  „©rueg  biet),  ber  berftoßen  ift."    Sautete  bann  bie  2lntWort:   „Son  bir,  bem 

40  ©eWalt  gefcfyefyen  ift",  fo  War  ber  2lngerebete  ein  ©laubiger,  ^n  ben  !ottifcf)en  Silben 
berfammelten  ficb,  bie  ©laubigen  (Snbe  bei  14.  ^afyrlwnbertl  ebenfaül  meift  nad^tl  unb 
hinter  berfcb,loffenen  ^b,üren.  ©er  Sßalbenfergrufe  War  Ijier  für  Männer  unb  grauen  t>er= 
fcl)ieben.  ^n  ©eutfdilanb,  in  Simulien,  in  Halabrien  unb  ben  anbern  Kolonien  ber  ^3ie= 
montefen  befugten  bie  ©laubigen  regelmäßig  ben  fatf>olifcf,en  ©ottelbienft,  Stöbricb  ©.  39, 

45  53,  68;  ©3321  1886,  ©.  51  ff.;  Dcbjenbein  ©.  187,  216f.,  219,  250,  252  u.  ö.; 
Bull.  12,  p.  41;  ©öllinger  2,  ©.  365 ff.  Nur  ba,  Wo  bie  ©efte  bie  Dberf>anb  f>atte, 
Wie  m  ben  fotttföen  Sllpen,  Wagten  im  14.  ^ab,r^unbert  nic^t  nur  bie  33rüber,  fonbern 
aucb,  emjelne  eifrige  greunbe  ^afyre  lang  nict>t  bei  bem  fattyolifcfyen  Pfarrer  ju  beizten 
unb  su  fommuntäteren   unb  Iatb,olifc£)e   ©ottell)äufer   gan&   ju    metben,    Archivio  1,  2, 

so  p.  35-2,  1,  p.  40  s.  2lber  nafy  ber  fd)Weren  Verfolgung  bon  1487—94  gelten  aucb, 
7-?  ^teJESalben^er  äufeerltct;  fic§  jur  römifa)en  ^ird)e  unb  ließen  fid>  fogar  burcb  toäbft= 
Itc^e  33ullen  ib,re  9lecf)tgläubigleit  befcb,einigen,  Morel  ©.  366,  unten  ©.  833,  40. 

3.  Sie  Verfolgungen,    ©iefe  gange  innere  ©ntwicfelung  ber  ©e!te  ift  nicbt  su 
begreifen  ob,ne  ftete  33erücrficl)tigung  ber  ^^atfac^e,  baß  fie  feit  1231  in  ©eutfc^lanb  wie 

55  m  stalten  für  bogelfrei  galt  unb  jeberjeit  auf  eine  neue  Verfolgung  gefaßt  fein  mußte 
sJcacl)  ber  großen  Verfolgung  toon  1231  lam  el  borerft,  Wie  el  fcfyeint,  nur  1260  ju  einer 
Io!alen  Verfolgung  in  33aiern,  Öfterreic^i  unb  bieaeid)t  aucb,  in  33ör,men,  Mähren  unb 
ben  angrenjenben  SBejirlen  Ungarnl.  ßu  33eginn  bei  14.  Safyrf)!.  fe^te  bie  Verfolgung 
in  ben  gleichen  ©ebieten  bon   neuem   ein,   griff   aber   1313    aucb,    bereit!    hinüber   nacb 

so  ©cb,lefien.  SBäb,renb  rjter  nocf)  ber  ®arm?f  fortwährte,  begann  man  um  1330  aud)  in  ^olen 


Söalbenfer  831 

unb  Ungarn,  in  Vranbenburg,  Sfyüringen  unb  granfen  gegen  bic  ©efte  gu  gelbe  gu 
gießen.  3lber  ben  Stnftofe  gu  einer  allgemeinen,  gang  ®eutfd)Ianb,  bie  ©cf/roeig,  Vöb/men, 
2Jtär/ren,  ©cfylefien,  Voten,  Ungarn  umfaffenben  Verfolgung  gab  erft  roieber  $abft  ©re= 
gor  XI.  1370—78.  21I§  Qnquifttoren  fungierten  babei  in  Völjmen,  Dfterreicr),  ©teier= 
mar!,  Ungarn,  Vaiem,  granfen,  £r/üringen,  ^urmaing,  Vranbenburg,  Sommern  big  in  B 
ben  Veginn  be3  15.  ^abrbunbert§  borner/mlicf/  ber  SJtagtfter  VetruS  ^toicfer  au§  2öorm= 
biften  in  Vreußen,  bi€  1381  ©cbulreltor  in  ^iitau,  bann  Vrior  be§  ßöleftinerflofterä 
Dr/bin  in  ber  Dberlauf%  unb  ber  baierifcr)e  Vriefter  Martin  bon  Slmberg.  liefen  betben 
Männern  t)at  e3  bie  $irct;e  in  erfter  Sinie  gu  banfen,  baß  fie  in  jenen  ©ebieten  feit 
1400  für  immer  ober  bocb,  für  einige  ^a^gefynte  bor  ben  SBalbenfern  Stufye  fyatte.  (Srft  i<> 
in  ben  20er  ^jä^rt  be§  15.  ^a^r^unbertS  wagten  ftcr)  bie  ©ememfcfjaften,  reelle  bie 
große  Verfolgung  überbauert  Ratten,  roieber  ettr>a<§  mefyr  ^erbor.  §ier  unb  ba,  toie  g.  V. 
in  greiburg  in  ber  ©cfyroeig,  Wo  1429/30  eine  große  3ar;l  ^tx  ©laubigen  berurtetlt 
würbe,  fcfyeinen  fie  bagu  nur  burd)  bie  lange  ©cf)ongeit  ermutigt  werben  gu  fein.  3tnber= 
roärti  fam  burct;  bie  r/uffttifdje  Vrobaganba  in  fie  roieber  Seben  unb  Veroegung.  ^n  is 
Vör/tnen,  5Rär)ren  unb  ben  angrengenben  ©ebieten  DfierreicbS  fcbjoffen  fie  fid)  roolil  gum 
guten  S£etl  olme  9Beitere§  ben  §uffiten  an.  ®oct)  gaben  fie  babei  ifyre  eigentümlichen 
3lnfcf)auungen  ntdc)t  auf,  brachten  biefelben  bielmefyr  aucb,  in  rein  b,uffitifcf)e  Greife  unb 
betoir!ten  fo,  baß  ficb;  aus!  ber  großen  lmffitifcf/en  Bewegung  allmäl/lict)  eine  befonbere 
©rubbe  augfcfyieb,  in  beren  ©Ute  unb  2lnfcb,auung  bie  äßiclifie  mit  bem  bolfötümlicf)en  20 
i^Jalbenfertum  untrennbar  berfcr)moIgen  erfc^eint:  bie  ©rubbe  ber  bör/mifdien  Vrüber, 
©oll,  Duellen  unb  Unterfudjungen  gur  ©eftf).  ber  böb,mifcf)en  Vrüber  2,  ©.  37  ff.  ®teje 
©rupbe  berfudjte  bafyer  aud)  naturgemäß  —  rote  eS  fcr)eint  fcfyon  bor  1467  —  alle Söalbenfer, 
bie  in  Dfterreicr;,  2Räf)ren,  Vöfymen  bamal3  nocb,  borfyanben  Waren,  an  fid)  r/erangugief)en. 
Slber  ber  Verfucf;  gelang  nicfyt  gang.  (Sin  S£etl  ber  Söalbenfer  toollte  felbft  bamalS  noct)  25 
nid)t  bon  ber  äußerlichen  Verbinbung  mit  ber  römifcr/en  ®irct/e  laffen,  ©oH  a.  a.  D.  1, 
©.  30 ff.  £)ie  ©bur  biefer  lonferbatib  ©efinnten  berliert  ficb,  nact;  ben  Verkantungen 
mit  ben  böfymifcfyen  Vrübern  im  ^afyre  1467-  ©te  werben  attmäfylid)  auSgefiorben  fein. 
£>er  Ie|te  öfterreicbifdje  Söalbenfer,  bon  bem  mir  fyören,  teilte  ib,re  ©efinnungen  jeben= 
faH3  ni'djt:  e§  ift  jener  „Vifcf/of"  ©tebfyan,  ber  nad)  3M  1468  ba§  Vrieftertum  ber  30 
böb,  mifcb,en  Srüber  beftätigte  unb  bor  1471  gu  3Bien  berbrannt  rourbe,  bgl.  über  ib,n 
©oß  a.  a.  D.  (fein  'Job  roirb  guerft  ermähnt  in  bem  ©^reiben  an  §errn  3llbred)t  ebb. 
©.  21  ff.).  $n  ©c^roaben  unb  granfen  fugten  fc^on  um  1425  ber  fäcfyfifcfje  (Sbelmann 
3ob,ann  SDränborf  au§  ©blieben,  §tm§  §ergberg,  berbrannt  1425  gu  2Borm§,  unb  ber 
©beierer  ©ct;ulre!tor  Veter  bon  Surnau,  berbrannt  1426  gu  ©beier,  bie  „®unben"  für  35 
ben  2lnfct/Iu§  an  bie  §uffiten  gu  geroinnen.  2lber  größere  ©rfolge  batte  bamit  erft  ber 
bielgenannte  griebricb,  Steifer,  bgl.  über  if/n  ^ung  in  ber  geitfcfyrift  Jimotb,eu§  2  (1822), 
©.  37 ff.;  2B.  33öb,m,  gr.  Seiferg  Deformation  beg  5?aifer§  ©igmunb  1876;  %aupt, 
©eitert  in  granfen  ©.  44ff.  ©eboren  1401,  feit  1420  roa!benfifcb,er  „Slboftel",  geriet 
Steifer  1430  in  bie  ©efangenfct)aft  ber  §uffiten,  ließ  fidt)  1433  bon  bem  taboritifcb,en  w 
Sifa^of  9cifoIau§  Vilgram  in  Vrag  gum  ^riefter  unb  1434  in  Vafel  bon  einem  ber 
gum  ßongil  bebutierten  b,uffitifc|)en  Vifcb.öfe  gum  93ifd;of  roeifyen  unb  roir!te  feitbem  al§ 
„gnebricb,  bon  ber  ©nabe  ©otte§  Vifdiof  ber  ©laubigen  in  ber  römifcb,en  ^ird)e,  roelcbc 
bie  ©c^enlung  Honftantinä  berroerfen"  in  gang  ^Deutfc^fanb  für  eine  Vereinigung  ber 
2Mbenfer  mit  ben  §"fHte"»  btö  er  2lnfang  1458  in  ©traßburg  ergriffen  unb  berbrannt  45 
rourbe.  ©aß  er  nicfyt  bergeblicb,  arbeitete,  beroeifen  bie  2l!ten  feines  Verl)ör§  unb  bie 
2lften  ber  Söalbenferbrogeffe,  bie  1458  in  Vranbenburg  ftattfanben,  bgl.  aSattcnbaa)  in 
©V21  1886,  ©.  55  ff.,  319331  1886,  ©.  71  ff.  ftanacb,  b,aben  ficb,  unter  feinem  ©influffe 
bie  äöalbenfer  in  Nürnberg,  £>erolb<§berg,  SBürgburg  unb  Umgebung,  ©c^roetnfurt, 
2Btnböb,eim,  §eil§bronn,  ©traßburg,  Vafel,  SXngermünbe  unb  anberer  Drte  ber  Ucfer=  50 
unb  Scumarf  roenigftenS  gum  guten  £etle  entfa)loffen,  bie  §uffiten  al§  Vrüber  angu= 
erfennen.  Slber  „gmffiten"  finb  fie  barum  nicb,  t  geworben,  fo  SBattenbacb,  a.  a.  C,  benn 
ibr  §uffitentum  befielt  nur  barin,  baß  fie  2öiclif,  §u§,  ^ieron^muS  bon  Vrag  aU  cfmftlicr/e 
Seb^rer  in  ®t)xtn  galten,  bon  Steifer  unb  bon  Stiiolauä  Vtlgram  in  Vöb,men  ficb,  Vriefter 
meinen  unb  bon  biefen  Vrteftern  ficb,  ba§  Slbenbmab,!  in  beiberlei  ©eftalt  reichen  laffen,  ö:> 
alfo  roieber  eine  eigene  ©arramentSberroaltung  eingerichtet  f)aben.  Slber  bon  ibren  etgen= 
tümlict)en  Slnfc^auungen  baben  fie  tror^bem  ntd)t  ba§  ©eringfte  aufgegeben.  9teifer§  $ro= 
baganba  bat  alfo,  nur  bon  ber  entgegengefe^ten  ©eite  aug,  gu  gang  bemfelben  @rgebni§ 
geführt  rote  bie  $robaganba  Veter§  Sbelcicf^i  unter  ben  §uffiten.  ©ucb,  te  biefer  &uffüen 
für  urfbrünglicl)  roalbenfifcb^e  3lnfcf)auungen  gu  gewinnen,  fo  roirlte  jener  unter  ben  beut=  60 


832  SBalöenfcr 

fd^en  SSalbenfem  für  Slnerfennung  gemiffer  buffitifdjer  Slnfcbauungen  unb  2lnfcr)Iufe  an 
bie  |mfftten.  2>aS  ^efultat  mar  in  beiben  gälten  baäfelbe :  eine  Verfdjmtelsung  l!)uffittfd)er 
unb  malbenfifd)er  älnfcfyauungen  unb  batnit  bie  aftöglidjifeit  einer  böHigen,  auct)  äußeren 
Sereinigung  gmifcfyen  böbmifdpen  Srübern  unb  2öalbenfern.  SD.  i.  ber  roett  jerftreute 
5  malbenfifcbe  ©enoffenfcfyaftSfreiö  SRetferS  mar  ein  Vruber,  unb  gmar  ein  älterer  ©ruber 
ber  unitas  fratrum.  ©em  entfbricfyt  e£,  bafe  bie  böbmifcr)en  Vrüber  ficb.  bemühten,  nicbt 
nur  bie  böb,mifd;en,  mäfmfcr;en,  öfterreid)ifd;en,  fonbern  feit  ben  70er  %afyxm  aud;  bie 
beutfd)en  äöalbenfer  für  fta)  gu  getoinnen.  ©o  unterhielten  fie  j.  §8.  mit  ben  2öalbcn= 
fern  ber  Uder=  unb -Reumarf  einen  regen  Verfefyr.  SlIsS  baber  1479  in  biefen  (gebieten  eine 

io  neue  Verfolgung  augbract;,  entfcfyloffen  fict)  bie  märfifdjen  2Mbenfer  1480  jur  2lu3man= 
berung  nacb,  Söhnten  unb2Räfyren.  3^oc^  1480  erfcbjen  auf  il)ren  £ilf  eruf  unter  güfyrung 
%i)oma$'  be3  SDeutfdjen  eine  ©efanbtfcbaft  ber  böfymtfdjen  Vrüber  in  ber  9Rarf,  meldje 
bie  Verfolgten  über  ba§  (grggebirge  führte,  morauf  fie  ficb,  jum  %t\l  in  gulnel  unb  2öei|= 
Itrdjen  (§ranice)  in  Wiäfyxm,  jum  Steil  in  Sanbgfron  in  Vöfymen  meberliefjen,  bgl.  ben 

15  ©rief  ber  märftfd&m  Söalbenfer  bon  1480  bei  ©oll  1,  ©.  121  2lnm.  18,  ebb.  6.  122 
aucb,  anbere  Belege  (ber  geitjnmft  ber  märfifcr)ett  Verfolgung  ergiebt  ficb,  einerfeitä  au3 
bem  ©einreiben  ber  märfifdjen  Söalbenfer :  banacb,  begann  biefelbe,  al§  ber  ^urfürft  Stlbredjt 
2ld^tUe§  nad)  bem  gelbguge  gegen  Sommern  fid)  mieber  nad)  granlen  jurücfgejogen  fjatte 
—  ©ommer  1479  —  anbererfeitS  au§  bem  ©abreiben   be<§  ^urfürften   an   feinen  ©olm 

20  unb  Statthalter  SRarlgraf  3°^ann  DOm  !■  Se&ruar  1480  bti  SRafyer,  £ofyengollemfcr)e 
gorfd)ungen  7,  2,  ©.  39).  ©ieje  branbenburgifd)e  Verfolgung  ift  bie  Ie£te  2öalbenfer= 
Verfolgung,  bon  ber  mir  auf  beutfdjem  Voben  t)ören.  2Bir  t)ören  feitbem  überhaupt  in 
SDeutfcbJanb  nid)t§  mer)r  bon  SSalbenfem.  sJtur  Vermuten  lönnen  mir,  bafj  bie  ©efte 
bamalS  im  ©gerlanb  unb  Voigtlanb   nod)  ntct)t  ausgerottet  mar,  bgl.  bie  2iufjerung  be3 

25  SRattfytaä  bon  ßemnat  bei  §aubt,  ©eften  in  granfen  ©.  48  f.  2lber  biefe  Ie|te  ©bur 
ift  gang  unfidjer.  ©leidjmob,!  märe  e§  falfct),  ju  beraubten,  bafj  ia§  Sßalbenfertum  bie§= 
feits  ber  Silben  berfcfymunben  märe,  olme  eine  bleibenbe  9?ad)roirfung  gu  fytnterlaffen. 

1.  £at  e§  fortgelebt  in  ber  ©itte  unb  Slnfdjauung  ber  böbmifcfyen  Vrüber.  2.  £>at 
e§  in  gang  Dberbeutfct/lanb  unb  Öfterreicb,  bem  SEäufertum  als  Vorfrucht  gebient.    ©eb,r 

30  biele  für  ba§  SCäufertum  d)arafteriftifa)e  güge,  bie  Vertoerfung  be§  @ibeö,  be§  Sriege§, 
bie  2lbleb,nung  obrigMtlid^er  tmter,  bie  Slbfonberung  bon  ber  „2Mt",  mobei  9öelt  ganj 
fo  berftanben  mirb  mie  bei  ben  Sßalbenfern  oben  ©.  825, 41,  bie  bünftlicfye  Vefolgung 
beg  ©efe|eö  ©otteg,  bgl.  bie  7  Slrttlel  bon  ©d^Ieit^eim  bon  1527,  ja  felbft  bie  Ver= 
toerfung   ber  5?inbertaufe   finben  fidj   fcb,on  bei  ben  beutfcfyen  äBalbenfern,  bgl.  Slrtifel 

35  ber  ungläubigen  Saut  SDöüinger  2,  ©.613.  2lud)  toenben  \\<fy  in  jenen  ©ebieten  gerabe 
bie  Greife  ben  Käufern  gu  unter  benen  über  200  3ab,re  bie  il^albenfer  für  baS  ,,©efc^ 
©otteS"  getoirlt  Ratten:  bie  Ileinen  Seute.  $Da§  SEäufertum  ift  fomit  in  manchem  Ve= 
traute  ein  le^ter  Erfolg  unb  eine  gortfe^ung  beg  Sijalbenfertumg.  ®ie  abo!al^btifd)en  unb 
m^ftifd)en  ßüge,  burd)  bie  eg  bon  bem  SBalbenfertum  fid;  unterfd)eibet,   finben  fid;  nur 

40  bet  einzelnen  täuferifd)en  ©rubben.    SDie  toalbenfifd)en  3üge  finb  allen  gemetnfam. 

9n  ber  Sombarbei  nabjn  bie  Verfolgung  1231  if)ren  2lnfang.  ^b,r  ßiel  erreichte 
fte  erft  (gnbe  be§  14.  3ab,rb,unbertg.  SDer  Vrief  ber  Slboftel  3ol)ann,  ©imon  unb  ©e= 
noffen  aus  bem  ^ab,re  1368  ift  b,ier  baS  le^te  £eben^eid)en  ber  Sinnen.  Qn  ben  SEfyälem 
amDftabb,ang  ber  iottifdjen  Silben  begann  bie Qnquifition  ü)re2lrbeit  fbätefteng (gnbe 

45be§  13.  %al) rb,unbert§,  in  ben  Stfmlern  ber  SÖeftfeite'  im  (Smbrunaig  unb  VriangonnaiS 
tourben  bte  2lrmen  fd)on  um  1289  brangfaliert,  fcb,ärfer  fe^te  aber  bie  Verfolgung  erft 
1332  em.  ^abft  ©regor  XL  gab  bann  aueb,  b,ier  ben  Slnftofe  ju  einem  aCgemeinen  2ln= 
griff  .^n  ben  frangöftfdjen  STb,äIem  mar  bie  ©eele  beweiben  ber  TOinorit  Xxam 
Vorellt,   ber    am   1.  ^uli  1380    auf   einmal  169  Verfonen    berbrennen  liefe.    %r\    ben 

so  btemonteftfd)en  SE^älern,  in  benen  bie  Sttamfition  in  ben  ^änben  ber  ®Dminifaner 
lag,  mar  bte  3ab,l  ber  Dbfer  nid)t  fo  grofe,  ja  b>r  machten  bie  meltlicb,en  Vebörben 
ben  Verfolgern  gmn  SEetl  ernftlidje  ©d)mierigleiten.  ^ebenfaEg  gelang  e§  fotoobl  bier 
tote  lenfetts  be§  9Jlont  ©enebre  ben  Söalbenfern,  fid)  gu  beraubten.  @benfo  bergeblid) 
rft  rrx  a^H  beg  franif^e«  ®omini!anerg  Vincenj  ferner  im  ^a^re  1403  bureb 
aboftoltfd)e  äbanberbrebigt  bie  ©intoo^ner  ber  XI) äler  Souife,  Slrgenttere  unb  gretff intereä 
toteber  für  bte  Htrcb,e  ju  gemimten.  1412  begann  bab,er  bie  Slutarbett  ber  Qnauifition 
?,on  "e"e.m  uni>  S^ar  mieber  borne^mlid)  in  ben  £b,älern  be§  3Beften§,  mo  fie  aber  bier 
%™  atufgabe  ntet/t  ju  genügen  friert,  trat  je|t  fcb,on  j.  V.  1434  in  Varbonnedje,  Oulr 
fönUeg  unb  anbermärts  ba§  meltlidje  ©erid)t  an  ib,re  ©teEe  unb  ba§felbe  arbeitete  glei| 

so  beim  erften  SOlale  fo  grünblid;,   bafe  bie  SBalbenfer  bielfacb,  au^manberten  unb  j.  V  in 


55 


SSalbettfer  833 

Srjtleg  an  ber  ©ora  äße  £äufer  big  auf  15  beröbeten.  $n  ber  golgegeit  tarn  eg  im 
©autogne  ben  Söalbenfem  °gu  gute,  bafe  bag  fran§öftfd^e  Königtum  bemüht  War,  bie 
9Btrffamfeit  ber  geiftlid)en  ©ertöte  aller  2Xrt  gu  befd)rä'nten.  211g  bafyer  einer  ber  ^nqut= 
fitoren,  bie  im  2luf trage  beg  @rgbifd)ofg  bon  ©mbrun  feit  1459  Wieber  im  ©mbrunaig 
unb  Vrianconnaig  arbeiteten,  ber  3JJinorit  ^ean  Vebieti,  feinem  (gifer  gar  gu  fel)r  bie  5 
ßügel  fd)iefeen  liefe  unb  bie  VeWofmer  gum  Seile  fid^>  flagenb  an  ben  $ömg  Wanbten, 
erliefe  SubWig  XI.  am  18.9M  1478  eine  Drbonnang,  Welche  benSeuten  bon  SSal  Souife, 
Val  2Irgentiere  unb  Val  gretffiniereg  alg  guten  Äatfyolilen  feinen  föniglidjen  ©cb>$  ge= 
toäljrleiftete.  21I§  bag  Parlament  bon  ©renoble  fo  breift  mar,  biefe  Drbonnang  gu  mife= 
achten,  fdjärfte  er  am  31.  SJJärg  1479  unb  8.  2lbril  1480  nod)  einmal  biefelbe  ein,  10 
worauf  bann  bag  Parlament  Hein  beigab.  2tHem  bor  ben  Sfyifanen  beg  fnerburd)  ferner 
gereigten  ©rgbifd)ofg  bon  ©mbrun  unb  ber  in  il)rem  brobingtalen  ©elbftgefüfyl  ftari  ber= 
legten  Vefyörben  beg  SDaubblne  tonnte  er  bie  SBalbenfer  nid)t  fdjütjen.  2lud)  trat  fcfyon 
1483  an  feine  ©teile  ein  gang  anberg  gefinnter  §errfd;er,  ber  Äe^erfeinb  $arl  VIII. 
©o  lam  eg  benn  fd)on  1487  gu  einer  neuen  Verfolgung,  bie  an  Umfang  unb  ©raufam=  15 
fett  aßeg  übertraf,  tüag  bie  SBalbenfer  ber  fotttfd)en  Silben  bigfyer  gu  erbulben  gehabt 
Ratten.  SDenn  je|t  gum  erften  9Me  Warb  gegen  fie  auf  2lnorbnung  Vabft  Qnno= 
cengg  VIII.  (Vulle  Id  nostri  cordis  bom  26.  $vm\,  bgl.  SSJlorlanb  ©.  197  ff.)  biegfeitg 
unb  jenfeitg  beg  3Diont  ©enebre  bag  Äreug  gebrebigt  unb  unter  ben  2tufbigien  beg2lrcb> 
btalong  2Ilbert  be  (Sattaneo  bon  ßremona,  bäbftlicfyen  Segaten  für  bie  Territorien  Itarlg  I.  20 
bon  ©abotyen,  bie  SDiöcefen  Vienne,  ©Uten  u.  f.  W.,  gleichzeitig  in  Vtemont,  in  ber 
SJiarlgraffdjaft  ©aluggo  unb  im  SDaubbjne  ber  ®ambf  eröffnet.  $n  Viemont  unb  ©aluggo 
Würbe  ber  $rieg  jebod}  giemlid)  lau  geführt.  Igm  ^a"  2lngrogna  leifteten  bie  Söalbenfer 
aufeerbem  mit  ©rfolg  ülßiberftanb.  ©egen  gafylung  ber  $rieggloften  liefe  fid)  bafyer  $arl  I. 
bewegen,  auf  einer  äonfereng  gu  Vinerolo  bie  Verfolgung  1488  ober  1489  gu  ftftieren.  25 
©röfeer  Waren  bie  ©rfolge  im  SDaubfyine.  §ier  belehrte  bag  bon  bem  Parlament  bon 
©renoble  aufgebotene  ^reugfyeer,  unter  güfyrung  beg  ©eignem:  £>ugo  be  la  Valub  feit 
9Jtärg  1488  mit  ©etoalt  bie  2Mbenfer  beg  Val  Vragelag,  beg  Val  (Slufon,  ber  Sedier 
greiffiniereg,  Souife  unb  2Irgentiere.  2)ie  Verfolgten  leifteten  nur  gum  Seil  2Biberftanb. 
Steift  unterwarfen  fie  fid)  nod)  in  letzter  ©tunbe.  ®ie  ©tanbljaften  fugten  gum  Seil  30 
eine  guflud)t  in  ben  §od)tl)äIem  bon  Dulr.  unb  Varbonned)e,  jum  "jEetl  festen  fie,  fo= 
balb  ftd^  ber  ©türm  gelegt  blatte,  fyeimlidi)  toieber  gurüd;;  eg  !am  bab,er  fd)on  1495  im 
^ragelag  unb  1506  aucfy  im  Val  2lrgentiere,  greif finiereg  ju  neuen  aBalbenferbrojeffen, 
Enquetes  sur  Pragelas  bei  Voffuet,  Variations  2,  p.  179  ss.  unb  Processus  contra 
Waldenses  bon  1506  bei  ©öEinger  2,  ©.  365  ff.  —  @in  fleineg  ^Rad^fbiel  f)atte  ber  35 
^reujjug  1509  in  ber  9ftar!graffcfyaft  ©alu^o.  §ier  bertrieb  bamalg  3JJargaretl^e  goir, 
bie  SSittoe  3)tarlgraf  Subtbigg,  bie  Sßalbenfer  aug  bem  oberen  Votfjale.  2lber  bereitgl512 
festen  bie  Vertriebenen  jurüc!  unb  fo  fefyr  toufeten  fie  ftdj  bei  ben  ^atfyolif en  in  ©abreden 
ju  fe|en,  bafe  man  fie  feitbem  rub,ig  getbäl)ren  liefe,  gumal  eg  ib^nen  gelang,  fid)  bon 
Vabft  Seo  X.  2lbfolution  p  berfd^affen.  Quellen  unb  Sitteratur  gu  bem  3lbfd?mtt  f.  0. 40 
©.804,io  unb  805,6i.  3m£)aub^ne  mar  nur  ein  Xb>I,  Val  Souife,  grünblia)  bon  ben 
Söalbenfern  gefäubert.  %n  ben  S^älern  2lrgentiere,  greiffiniereg,  ßlufon,  Vragelag  blühte 
bie  «Seite  bagegen  balb  in  aller  ©tille.  3"  Viemont  blatte  fie  fid)  fiegreid?  beraubtet, 
©nblid)  in  ib;ren  Kolonien  in  ber  Vrobence,  Äalabrien,  2lbulien,  in  9JlitteIitalien  blatten 
bie  Verfolger  fie  übertäubt  nirgenbg  aufgefbürt.  Sn  ^er  Sombarbei  bagegen  mar  bie  45 
©efte  bötlig  auggeftorben,  nörblid)  ber  Silben  in  ®eutfd)lanb,  in  ber  ©cb>eiä,  Ungarn, 
Volen  gang  ober  fo  gut  wie  gang  bernid)tet.  —  2)ie  gafy,  ber  Walbenfifd)en  SJlärttyrer 
läfet  fid?  aufy  annäf>ernb  ntdjt  berechnen,  ^ebenfallg  aber  War  fie  feb,r  beträd)tlid).  ©röfeer 
ol§  bie  Qaljl  ber  ©tanbb,aften  War  jebod),  namentlid)  unter  ben  geunben,  bie  gafjl  ber 
2lbtrünnigen.  2lber  Wie  in  altd)riftlid)er  geit  festen  biefe  Slbtrünnigen  meift  balb  _ju  so 
il)rem  alten  ©lauben  gurüd.  ®ann  mufeten  fie  freilid)  auf  bag  ©cblimmfte  gefafet  fein: 
gaft  ade  Sobegurteile,  bie  ung  begannt  finb,  begießen  fid)  auf  fold)e  9lüdfätlige,  ein  Se= 
Weig,  Wie  häufig  ber  2lbfall,  aber  aud)  Wie  ftarl  bie  2lnf)änglid)feit  ber  „Äunben"  an 
ib^ren  ©lauben  war.  9ßie  bie  Jlatbarer  bergafeen  bie  Söalbenfer  in  ber  3^*..^^  Verfol= 
gung  oft  bag  fonft  fo  ftreng  remitierte  ©ebot,  ®u  foEft  nid)t  töten.  %n  Dfterreid}  er=  55 
morbeten  fie  ca.  1265  in  ^ematen  unb  9?öd}ling  bie  Pfarrer  unb  einen  ©d)olaren,  Cfterr. 
Vierteliabjgfdmft  11,  ©.257;  §aubt,  2öalbenfertum  ©.18,  um  1336  „mehrere  Älerifer 
unb  9Jlönd}e,  Annales  Mellic.  ed.  1338,  SS  9,  p.  512;  1393  ftedten  fie  bag  $ßfarr= 
baug  guSBolfern  in§8ranb,  Wobei  ber  Pfarrer  famt  aßem  ©efinbe  umlam,  Dfterr.  Viertel* 
jafyrgfdjrift  11,  ©.266,  anbere  Belege  bei  $axl  Mütter  ©.  129.  $n  ben  fotttfd}en  2llpen  eo 

8tea(=*ncöflopäbie  für  a^eotogte  unb  Sir«e.    3.  Sl.  XX.  r,o 


834  Bdbettfer 

rourbe  1374  einer  ber  $nqutfitoren,  ber  ©omintfaner  Stntort  Vabo  be  ©abigliano,  bon 
2SaIbenfern  ermorbet,  Archivio  1,  2,  p.  29  ss.  häufiger  nod;  roanbte  ficf;  aber  bie 
Stacke  ber  Verfolgten  gegen  bie  abtrünnigen  3JJeifter  unb  greunbe,  St>elct)e  ficb.  nicfyt  ent= 
Wobeien,  ber  ^nquifttion  als  ©bione  unb  2lngeber  %u  bienen,  ©öflinger  2,  ©.  330, 
5  trieft,  ©.  28 ff.,  £aubt,  SBalbenfertum  ©.  85,  1,  SKorel  ©.  367.  SDfom  fte&t:  ganj 
ofyne  moralifa)e  ©inbufee  fyaben  aueb,  bie  Sßalbenfer  bie  furchtbaren  Verfolgungen  nicr)t 
überftanben.  3lucb,  baS  berftedte  tjeimlidje  äöefen  unb  bie  aufjerorbentlicle  efficacia 
deeeptionis,  über  bie  ftd)  bie  bö^mifdjen  Vrüber  fo  febj  rounberten,  als  fie  bie  italieni= 
fc^en  SBalbenfer  fennen  lernten,  gehört  ju  ben  üblen  Weiterungen   beS  langen  SlamtofeS, 

10  bgl.  SaftciuS,  Historia  fratrum  bei  ©oü  a.  a.  D.  1,  ©.  138.  ©agegen  ift  bieStnfang 
beS  16.  ^afyrl)unberts  md)t  ganj  einroanbSfreie  Haltung  ber  Farben  bejügltd)  beS  6.  ©e= 
boteS,  »gl.  3florel  a.  a.  D.  ©.  364,  Cantica  überfe^t  bon  §erjog  ©.  557,  unb  ibje  bon 
ben  bbfymifdjen  Vrübern  lebhaft  getabelte  §abgier  md)t  ber  Verfolgung  jujufdEjreiben, 
fonbern  ein  beutlicfyer  Vetoeis   bafür,  bajj  aueb,  baS  Söalbenfertum  2luegang  beS  9Jlittel= 

15  alters  jütlid)  nicfyt  meljr  auf  feiner  alten  §öb,e  ftanb. 

4.  £>ie  italienif  d)en  2Balbenfer  unb  bie  böljmifcfyen  Vrüber.  2tuf  ber 
©uet/e  nacb,  ©emeinfcfyaften,  „meiere  ju  <St)riftu§  ficb,  befennen,  aber  bem  5patoft  mcfyt  ge= 
f)or$en",  VlafyoSlab  Summa  bei  ©oü  1,  p.  112,  lamen  @nbe  1497  ober  Slnfang  1498 
SufaS  bon  Vrag  unb  ber  ehemalige  SBalbenfer  Stomas  ber  ©eutfdje  aueb,  nad?  Italien. 

20  %n  ber  Domagna  unb  ÜRom  trafen  fie  mit  ttalienifcfyen  SBalbenfern  jufammen,  bon  benen 
fie  beim  2lbfd)iebe  nacb,  ßamerariuS,  Hist.  fratrum,  p.  171  groei,  nacb,  VlalroSlab 
a.  a.  D.  p.  674  bier  Vriefe  erhielten,  barunter  eine  epistola  ad  Wladislaum  =  eine 
Vittfdjrift  in  ©ad)en  ber  böfymifcfyen  Vrüber  an  $önig  2ÖIabiSlauS  bon Vöf)men=VoIen: 
erhalten  jum  Sleil  in  toalbenftfcfyer  Überfettung,  bgl.  ben  I^nr/alt  bei  §enog  ©.  298 ff., 

25  SRontet  p.  152  ss.,  Gomba,  Histoire  p.  194  ss.  Dh  biefe  Vittfd)rift  roirnieb,  auf  Vitien 
ber  betben  Vrüber  bon  lateinfunbigen  italienifdjen  Varben  aufgefegt  werben  ift,  SaftciuS 
a.  a.  D.,  erfd)eint  feb/r  groeifelb/aft.  %n  ber  golgejeit  —  rooI)l  1499  —  finb  ttalienifcfye 
Varben  im  Sluftrage  U)reS  commune  einmal  in  Vbr/men  geroefen,  bgl.  ben  Vrief  ber 
Uniiät  bei  §erminjarb,  Correspondance  3,  p.  66  bom  25.  ^uni  1533:  ante  mul tos 

30  annos.  2lber  ba  bie  Varben  ftd)  nicfyt  baju  berftanben,  fidE)  offen  bon  ber  rö'mifct/en 
Äirdje  lossagen,  VlafyoSlab  an  ©eorg  $Srael  bei  ©oll  1,  ©.  122,  fam  eS  roeber  ju 
einer  Union  nod?  $u  einem  Verfefyr  unb  ©dpftenauStaufcb,  jmifctien  ben  beiben  ©emein= 
fdjiaften.  (SS  blieb  borerft  bei  biefer  einmaligen  flüchtigen  Vcrüb^rung,  bgl.  ben  Vrief 
ber  Unität  a.  a.  D.  ©.  64. 

35.  V.  ©ie  romanifeb^en  Sßalbenfer  feit  ber  Deformation.  1.  Übergang  ber 
©emeinben  ^um  Deformiertentum  1526—1571.  ©eit  @nbe  2tbril  1523  Jr>ir!te 
SSilb^elm  garel  in  feiner  §eimat  ©ab  im  SJaublnne'  eine  ^ett  lang  für  bie  ebangelifd;e 
©acf)e.  (Sr  tourbe  jtoar  balb  mieber  bertrieben.  2lber  bie  Vetoegung,  bie  er  ^erborgerufen, 
bauerte  fort,  unb  ergriff  alSbalb  auef)   bie  Söalbenfer   ber  benachbarten  fottifcfyen  Stlpert. 

40  ©o  gefdjal)  es,  bafe  er  eines  SLageS  im  Saufe  beS  %af) res  1526,  als  er  bereits  ju  l'2iigle 
(2lelen,  Danton  SBalliS)  ebangelifiertc,  burd)  ben  Vefuct)  eines  Varben  namens  3Dkrtin 
©onin  aus  Slngrogna  überragt  mürbe.  3)er  grembling  bat  um  3(uSlunft  über  bie  neue 
fiebere  unb  um  Vüd)er.  ®ann  berfet/toanb  er  roieber.  2Xber  er  roirfte  feitbem  fo  eifrig 
für  bie  ebangelifcfye  ©acb,e,  ba^  eS    in   ben    näcfyften  ^ab^ren,    inSbefonbere    unter    ben 

45  Söalbenfera  ber  Vrobence,  jur  @ntfteb,ung  einer  ebangelifcfjen  Partei  lam.  Qm  2luf= 
trage  btefer  Partei  gingen  im  ©ommer  1530  roieber  2  Varben,  ©eorg  SDcorel  auS  GI)an= 
teloub  tm  Val  greiffinieres  unb  Vierre  3Jtaffon  auS  Vurgunb,  über  bie  2llben,  um  mit 
$arel  ju  berf)anbeln.  ÜJlorel  blatte  auf  Soften  feiner  ©laubenSbrüber  eine  beffere  Vilbung 
embfangen,  Veja,   Hist.  ecclesiastique  (nouvelle  edition  par  Baum  et  Cunitz)  1, 

so  p.  53.  @r  fbrad;  unb  fefirieb  ein  gutes  Satein  unb  blatte  fcljon  mancherlei  bon  Sutber 
unb  (SraSmuS  gelefen,  blatte  aber  nod)  mancherlei  Vebenlen  gegen  bie  5Recb,tfertigungS= 
unb  erroaWungSlel)re.  @r  lonferierte  in  Kurten  unb  Neuenbürg  mit  $arel,  in  Vern  mit 
Vertreib  §atter,  in  Vafel  mit  Dfolambab,  in  Strasburg  mit  Vucer  unb  Gabito  SDer 
Vrtef   mtt  bem  er  ftd)„in  Vafel  unb  Strasburg  einführte,  ift  noeb,  borfjanben,  beSqleicben 

55  bte  2IntrDortfd)reiben  DfoIambabS  unb  VucerS.    dagegen  feb^It  jebe  nähere  Slngabe  über 
ferne  Verfianblungen  mit  garel.  ©od)  fteb^t  feft,  ba^  garel  nacb,  roie  bor  bie  mafegebenbe 
Slutontat  für  bie  ebangelifcb,=gefinnten  2öalbenfer  blieb.    2luf  ber  §eimreife  roarb  ^ierre 
JJcafjon  in  ©ijon  behaftet   unb  eingeferlert,  GamerariuS,  Lugubris  Narratio    p.  305 
yJcorel  aber  erreichte  glüdlidb,  fein  ©tanbquartier  SUcerinbol  an  ber  ©urance  unb  arbeitete 

so  nun  m  ben  näcb,ften  3Jlonaten  im  Verein  mit  ©onin  (ertränft  am  26.  2tug.  1536  ju  Sbon 


3Öalbcitfet  835 

Grefbin,  Hist.  des  martyrs  1,  p.  317ss.)  fo  eifrig  für  bie  ebangelifcfye  <5ad)e,  bafe  bie 
@bangelifcfy=©efinnten  ben  ©ntfcfylufj  fafjten,  1532  auf  bem  commune  ifyre  gorberungen 
beibringen  unb  ba^u  garel  unb  anbere  ©bangelifdje  ber  frangöftfc^en  ©cfytoetj  eingu= 
laben,  garel  leiftete  in  ber  %fyat  mit  2lnton  ©aunier,  jur  ^eit  Vrebiger  in  ^eterlingen 
($aberne),  unb  Robert  Dlibetan  ber  (Sinlabung  golge.  @r  (teilte  fid^>  am  12.  September  b 
1532  in  2lngrogna  jur  (Eröffnung  be<§  commune  ein,  unb  er  beberrfdjte  bie  $erfamm= 
lung.  ©aS  geigen  bie  Sefcb/Iüffe,  bie  nadj>  fecfy3tägiger  Sertyanblung  Don  ber  Majorität 
angenommen  iourben,  Rivista  Crist.  4,  p.  266  ss.  ©arin  wirb  aufgehoben  1.  ba§  @ib= 
berbot,  2.  ba<?  Verbot  ber  SlutgericfytSbarreit,  aber  nocfy  nicfyt  ba3  Verbot  be3  ®rieg3= 
bienfteS,  3.  ba3  obligatorifcfye  gaften,  Seien,  Seilten,  4.  ber  obItgatorifa)e  DituS  ber  10 
Sarbenmeil)e  bura)  §anbauflegung,  5.  bie  Verpflichtung  ber  Varben  jur  @l)clofigfeit, 
Slrmut,  Söanberbrebigt,  6.  bie  Verpflichtung  ber  „©djimeftern"  gur  Vtrginität.  @3  mirb 
toeiter  offiziell  angenommen  bie  alte  gemein=ebangelifcfye  Sefyre  bon  ber  ©rmäfylung  unb 
bie  ebangelifct;e  Selp  bon  ben  2  faframentlidjen  „geidjen"  in  ber  gaffung  ber  Dber* 
beutfct)en  ober  $minglianer.  2tHe§  fbegififc^  2BaIbenfifa)e  —  mit  2lu3nalmie  beö  3Scr=  is 
boteS  be§  ®rieg§bienfte§  —  mirb  I)ier  fomit  aufgegeben.  Sie  SSalbenfer  frören  faftifcfy 
auf  2Mbenfer  ju  fein,  ©ie  fcpefjen  ftcb]  ber  oberbeutftt)=fo)meijerif(^en  ©rubbe  ber 
©bangeltfcfyen  an. 

allein  bie  Vefcfylüffe  rearen  feine§t»eg§  einmütig  gefaxt  morben.  ©ie  näo)fte  golge 
ber  langen  Sagung  mar  bafyer  nid^t  bie  allgemeine  Slnnabme  ber  Deformation,  fonbern  20 
bie  ©baltung  ber  SBalbenfer  in  eine  ebangelifcfye  unb  altgläubige  Partei.  3n  t>tn  fottifcfyen 
Silben  bominierten  bie  @bangelifd^©eftnnten,  bie  altgläubigen  getrauten  ftct;  nidfjt  rea)t  berbor. 
$n  ber  Vrobence  Ratten  bie  ©bangelifcfyen  auo)  ba§  Übergemicr;t,  aber  bie  altgläubigen 
liefen  e§  fyter  nicfyt  bei  bloßen  Vroteften  betoenben,  jumal  bie  Verfolgungen,  meldte  ber 
^nquifitor  3>ean  be  Stoma  feit  Dftober=Dobember  1532  über  bie  ©emeinben  beringte,  all  25 
i£>re  Vebenfen  gegen  bie  Vefcfylüffe  bon  Slngrogna  ju  beftätigen  fcfjienen.  2)oct)  füllten  fie  mol)l, 
bafj  fie  oI)ne  frembe  §ilfe  nicfyt  im  ftanbe  feien,  bie  teuerer  ju  übertoinben,  fonbern  gegen 
bie  2lutorität  garel3  eine  anbere  Autorität  aufbieten  müßten.  Qn  biefer  @r!enntni§ 
matten  ftct;  bie  beiben  Varben  SDamel  bon  Valence  unb  Qean  be  9Jioline3  um  bie  2Benbe 
ber  Qaljre  1532/3  ofyne  förmlichen  Sluftrag  auf  nact)  Vö^men,  um  fid)  be§  VeiftanbeS  30 
ber  böbmifcfyen  Vrüber,  beren  älbgefanbte  fie  1498  lennen  gelernt  Ratten,  ju  berficbern. 
©ie  Vrüber  empfingen  bie  beiben  grembltnge  freunblio),  beherbergten  fie  über  ein  fyalbe» 
Satyr  unb  gaben  tlmen  jum  Slbfö^ieb  ein  «Schreiben  „an  bie  Söalbenfer"  mit,  ba§  ganj 
ben  2Bünfa)en  ber  Slltgläubigen  entfbract),  #erminjarb,  Correspondance  3,  p.  63  ss., 
bgl.  3Jtiolo,  Historia  Breve  Bulletin  17,  p.  108  s.  Slber  bie  ^nterbentton  berfe^lte  35 
gänglid^  il>ren  fttveä.  Stuf  einem  commune  im  2M  ©an  -Etartino  am  15.  Stuguft  1533 
toarb  jmar  ber  33rief  beriefen,  aber  ba  er  auf  einer  unjutreffenben  2tnfd)auung  ber  <5ad)-- 
lage  beruhe,  alSbalb  ad  acta  gelegt.  Dagegen  beftätigte  bie  Serfammlung  auSbrücfUd? 
bie  Slrtifel  bon  2lngrogna,  ©iHe§  1,  p.  56  s.,  bgl.  aua)  ben  SSeric^t  ©aunierl  bom 
22.  ©ebtember  bei  §erwinjarb  3,  p.  80  ss.  ©aniel  bon  35alence  unb  ^ean  be  2Mme3  40 
gogen  fi(f>  barauf  berftimmt  jurüd,  bie  ebangelifa)e  Partei  aber  jögerte  nun  nia)t  mel>r  bie 
Deformation  aßentr/alben  buro)jufü^ren.  @ö  berftel)t  fic^  bon  felbft,  bafe  fie  babei  immer  im 
engften  (Sinbernefymen  mit  garel  fyanMti  unb  fia)  ganj  ber  Seitung  bon  gareis  ©e= 
finnungggenoffen,  ben  ©uißerminö,  anbertraute.  2Iber  bie  ©uiUerminä  berbienten  bie§ 
Vertrauen  auc^.  ^toei  bon  ifynen,  älntoine  ©aunier  unb  Dobert  Dlibetan,  toaren  fc^on  46 
im  DItober  1532  auf  bie  Sitte  ber  Sßalbenfer  na^  «ßiemont  jurüdEgefeH  um  in  aller 
Verborgenheit  für  ba§  ©bangelium  ju  arbeiten,  unb  namentlich  ©aunier  leiftete  biefe 
Slrbeit  mit  b>oifct/er  Sreue,  b\§  er  im.  Sluguft  1535  in  3lngrogna  behaftet  mürbe.  @r 
entrann  nur  baburcfy  bem  fixeren  Slobe,  ba^  ber  Dat  bon  Sern  i^n  alö  feinen  ©iener 
bon  bem  §erjog  bon  ©abotjen  reflamierte.  Slua^  fbäter  afö  ^rebiger  unb  ©a^ulreftor  60 
5u  ©enf  (1536—39)  unb  als  ^3aftor  im  2öaabt  na^m  er  ficb,  mit  größer  Slufobferung 
ber  2öalbenfer  an.  Unb  neben  garel  traten  al$  tätige  ©önner  alSbalb  groment,  i^tret, 
ßalbin.  ©ie  alle  betrachteten  bie  Unterftü^ung  ber  SSalbenfer  aU  eine  ©brenbflta^t  ber 
©bangelifcben  fran^öfifcber  ßunge.  —  2lm  rafcfyeften  fe^te  fid$  ber  neue  ©laube  burcb;  in 
ben  Kolonien  ber  ^robence  unb  be§  Senaiffin.  @tma  10  000ebangelifcl)e23albenfer  waren  55 
r)ier,  erfd;öbft  bura)  bie  Verfolgungen  ber  $ird)e  unb  ßrone,  f4>on  1535  bereit,  nac^)  bem 
ebangelifcben  ®eutfct)lanb  auö^utoanbern,  Srief  ber  9Mbenfer  an  bie  beutfo^en  $roteftanten, 
$i)T.i),  Dg  22,  ©.  250  ff.  ©ie  galten  ade  bei  ben  ®e&crrtcb>m  aU  Sutberaner,  maren 
aber  faftifcf;  Slnbänger  ber  ©cbmei^erifcben  Dichtung:  Setoeig  baö  Sefenntniö,  baö  fie 
1541    bem  Parlamente  bon  2lir.   überrettt)ten,  Sejrt   6amerariu§,    Lugubris    narratio  eo 


836  aSnlbenfer 

p.  365  ss.  @ben  ifyre  entfcbjeben  ebangelifcfje  ©efmnung  aber  fyatte  jur  golge,  baß  ber 
$räfibent  be§  Parlament«,  Qcan  attatmter,  ©eigneur  b'Dbbebe,  Slbril  1545  Stufen 
gegen  fte  aufbot  unb  22  Drtfdjiaften  jerftoren,  4000  ©laubige  jeben  3Hter§  unb  @e= 
fa)Iea)teg  mafjalrieren  liefe,  dlux  etm  4000  gelang  e§  nacb,  ©enf  unb  SDeutfcfylanb  ficb  ?u 
5  retten.  —  3n  ben  fottifdjen  Silben  befc^Ioffen  bie  ©emeinbebertreter  bereits"  1532  unter 
©amtiert  ©influß  bie  Bibel  brucfen  gu  laffen,  aber  nid^t  in  malbenftfcfjer,  fonbern  in 
franjöfifc^er  ©brache,  ließen  bann  bura)  Dlibetan  ben  %<&  ber  franjöfifcf)en  Bibel 
£efebre§  rebibieren  unb  enblicb.  ba§  Söerf  auf  frangöfifcfyem  Boben  ju  ©erriereä  bei 
9feufct;atel  1535   brucfen.    ©ie   fünften  bamit  ben  frangöfifd^en  @bangelifcr)en,    obmob,! 

io  fte  felber  nic^t  franjöfifc^  fbrad)en,  if)re  erfte  Bibel.  $n  ber  golge  erhielten  fie  bon  ber 
2lfabemie  ?u  Saufanne  aua)  Vaftoren  frangöftf c^er  £erfunft.  ®iefe  organifierten  aß= 
mäbjicb.  ben  ÄuItuS  ganz  nacb,  ©enfer  Borbilb,  betrogen  fie  feit  1555  eigene  £trcr,ert= 
gebäube  ju  errieten,  grübjafyr  1556  6000  an  ber  Qai)l  gu  SCngrogna  ba§  2lbenbmar;l 
in  beiberlei  ©eftalt  ju  empfangen  unb  1559  in  £urin  ein  ber  confession  de  foi  Galli- 

iö  cane  natf;gebilbete§  Befenntniä  einzureichen.  ©amü  erft  maren  aucb,  lüer  bie  Befd)Iüffe 
bon  Ingrogna  bollftänbig  burcfygefübjt.  Mein  bie  ©emeinben  fafyen  fiel;  abobalb  ge= 
nötigt,  ifyren  ©lauben  ju  berteibigen.  9?acr>  ber  3iücfgabe  Pemonts"  an  ben  §erjog  @ma= 
nuel  Vr/tlibert,  infolge  ber  Beftimmungen  be§  grieben§  bon  Gateau=ßambrefi§,  gab 
ifjre  Steigerung,  fatb>lif$e  Vrebiger  anzunehmen  (@bift  bon^a  bom  15.  gebruar  1560), 

■><>  bem  Ijetjog  ben  ermünfcr/ten  Bortranb,  im  Siobember  1560  ein  £>eer  gegen  fie  aufzubieten. 
atffetn  fie  maren  im  $leinfrteg  ben  gefeilten  ©olbaten  fo  fefyr  überlegen,  baß  dmanuel 
Vfulibert  im  ^rieben  bon  Gabour  am  5.  ^uni  1561  ben  (Sbangelifcfyen  in  einer  ^etfye 
Drte  ber  %fyakx  Suferna,  ©an  Martine,  Verofa  eine  befcfyränlte  Toleranz  jugeftanb. 
©anacb,  fonnten  ftcf;  bie  ©emeinben  ber  %fyälvc  Suferna,  ©an  SZartino,  $erofa,  ßlufon 

25  unb  be§  2Jtorquifat§  ©alujjo  auf  ben  ©rmoben  px  Slngrogna  am  15.  ©ebtember  1563 
unb  %a  Biliar  am  18.  2fyril  1564  befinitib  nact)  ben  ordonnances  etablies  ä  Ge- 
neve  organifieren,  Bulletin  20,  p.  96  ss.  ®a  aber  neue  Bebrücfungen  nief/t  ausblieben, 
berbflidjteten  ftd)  am  11.  9?obember  1571  bie  ©emeinben  ber  feiler  buref/  eine  2lrt  co- 
venant,  bie  fog.  Union  des  Vallees,  abgebrueft  z-  B.  Seger  2,  p.  46s.,    ju   gemein= 

30  famer  Bertetbigung  gegen  alle  Verlegungen  be£  griebens"  bon  ßabour.  —  TOc^t  fo  glücHicb, 
ging  e§  ben  malbenfifc^en  ©emeinben  in  ^alabrien  unb  Julien,  ©ie  liefeen  fic^  lange 
^a^re  burdj  ebangelifc^e  3^eife^rebiger  berforgen.  (£rft  feit  1556  toagten  eö  bie  Äalabrefen 
einige  ^ßrebiger  bauernb  anjufteEen  unb  eigne  ©aframentöbertoaltung  einzurichten,  gur 
©träfe  bafür  mürben  fie  1560  bon  fpanifcfyen  Sru^en  unter  ben  Stuf^ijien   beö  ©roß= 

35  inquifitor§  9Jttd)ele  ©^islieri  (f^äter  alg  ^ßapft  $ius"  V.)  förmlich  ausgerottet,  ^n 
11  £agen  mürben  allein  im  ^uni  2000  3JJenfd)en  Eingerichtet,  1600  ^um  Sterler,  noeb, 
anbere  gu  ben  ©aleeren  berurteilt.  ©ie  Simulier  Ratten  fid)  bi€  bab,in  Hug  gurücfgefyaltcn. 
^e^t  flogen  fie  in  großer  ^af)I  nacb,  ©enf.  Wux  einige  toenige  mürben  hingerietet.  SDie 
meiften  ließen  ftcfy,  eingefd^üd^tert  bureb,  ba§  Slutbab  in  ^alabrien,  mieber  in  ben  ©d)oß  ber 

40  römifef/en  5ltrd^e  aufnehmen.  '  Von  ben  alten  malbenfifcfjen  ©emeinfd^aften  im  ©ebiete 
be3  heutigen  Italiens  beftanben  mithin  1571  nur  nod)  bie  ©emeinben  in  ben  fog.  2öal= 
benfertfmlem  unb  in  ber  ^Jtarfgraffdjaft  ©alu^o.  Slber  aud)  biefe  ©emeinben  foaren  feine 
malbenfifd;en  ©emeinben  meb,r,  fonbern  mie  ib,re  ©cf)meftergemeinben  im  ®au^b,ine  unb 
in  ber  Vrobence  längft  ©lieber  ber  ßalbinf^en  Äird;e. 

45  m  r  2"  ®ie  ^^flläubtgen  unb  bie  malbenfifcb,  c  Sitteratur.  Slls  Daniel  be 
Valence  unb  Qean  be  SKolineg  nafy  bem  entfcf>eibenben  Commune  bom  15.  2luguft 
1533  fieb,  surücfzogen,  pour  vivre  en  leur  particulier,  berfäumten  fie  nad?  ©ißeg  1, 
p.  57  nitt)t  leur  mecontement  et  indignation  au  prejudice  des  Eglises  des 
Valees  et  circonvoisines  !unbjutb,un.     Specialement  ils  egarerent  ce  qu'ils  peu- 

60  rent  des  manuscripts  et  memoires  anciennes  des  Vaudois  quis  nous  eussent 
peu  servir  et  ä  la  posterite.  2öir  fwben  feinen  ©runb,  btefe  Slngabe  ju  besmeifeln. 
JUJtr  mtffen,  baß  bie  beiben  Sarben  litterarifcb,  gebilbet  (33Iab,oslab,  Summa  bei  ©oC  1, 
p.  125),  unb  fönnen  noeb,  nad)meifen,  baß  fte  aueb,  litterarifcl;  intereffiert  traten.  Qn  ben 
^°Si  to(^ber!W^en  §ff-  finb«n  wit  nämlicl)  eine   gan^e  SRet^e  ^raftate,   bie   unjtreifel^aft 

65  naa)  tfcb,ect;ifd)en  Vorlagen  gearbeitet  finb:  1.  Ayczo  es  la  causa  del  nostre  departi- 
ment  de  la  gleysa  Romana  =  Bearbeitung  ber  ©c|rift  be§  £uta§  bon  5prag,  „bon 
ben  ©tünben  ber  Trennung".  2.  De  li  sept  sacrament,  3.  Purgatori,  4.  Dejuni 
5.  De  las  invocacions  de  li  sant:  fämtlicb,  Bearbeitungen  einzelner  5labitel  ber  Con- 
fessio  Taboritarum   bon  1431,  bgl.  ©ieef^off  ©.  377  ff.     6.  De  la  potesta  dona  a 

eo  li  vicari  de  Christ  (§ragment)  =  mörtlicb,e  Ueberfe^ung  eineä  ©tücfeS  auö  §us'  Trac- 


SSoIbcnfcr  837 

tatus  de  ecclesia,  bgl.  SERontet  p.  172.  7.  Las  interrogacions  menores  =  $ear= 
Bettung beä ®atecr;i<§mu€  ber  Bö^mtf^en trüber,  Sitteratur  f.D.©. 802,5;  806,5.  8.  Straftat 
üBer  ben  2lnticBrtft,  Fragmente  Bei  Herrin  2,  p.  253  ss.,  Seger  1,  p.  71  ss.  =  23ear= 
Bettung  einer  ©cfyrift  beö  Sufag  bon  $rag,  bgl.  hontet  p.  173.  9.  Stellet djt  aud)  bie 
epistola  al  Lancelau,  falls  biefel&e  nid^t  urfbrünglicb,  lateinifcb,  bon  einem  italienifcfjen  5 
SBalbenfer,  fonbern  tfdjedjtfd)  bon  einem  böfymifcr/en  Sruber  (StfyomaS  bem  SDeutfcfyen ?)  ber= 
fafjt  fein  foCCte,  Wofür  ber  ^nB,alt  burd)au§  fjmcfyt,  f.  oBen  ©.  834,  22.  3lx.  1,  7,  8 
fönnen  nur  bon  $perfonen  berfafjt  fein,  bie  äugleidj  tfcfyedjifcr;  unb  Walbenfifcb,  berftanben. 
üftr.  1  berrät  aufserbem  Kenntnis  bon  ber  (Schrift  be§  SaurentiuS  be  2Ma  üBer  bie 
©djenfung  ®onftantin<g,  bgl.  Montet  p.  161,  bie  erft  1518  burd)  §utien3  Sluggabe  in  10 
weiteren  Greifen  Belannt  geworben  ift.  SDa  nun  SDaniel  be  SSalence  unb  $ean  be  Wlo= 
lineS  fid)  nadjweiSlicr;  ein  fyalbeS  ^ofyv  in  33öB,men  aufgehalten  fyaBen,  ba  fie  nacf/Weiälicf; 
bie  einigen  romanifcfyett  SSalbenfer  finb,  bon  benen  bieg  Belannt  ift,  ba  fie  fomit  ©e= 
Iegenf)eit  Ratten  tfcr/edinfcb,  gu  lernen,  unb  üBerbie<§  tfcfyecfyifcB,  lernen  mußten,  Wenn  fie  mit 
ben  Böfymifcfycn  Srübern  intimer  beriefen  Wollten,  ba  fie  enblicfc,  nacfytoeiSlicfe,  litterarifcb,  15 
geBilbet  Waren,  fo  ift  ber  ©cfylufj  unbermeiblicb, :  Daniel  be  2klence  unb  $ean  be  9Mine3 
finb  bie  ÜBerfe^er  unb  SBearBeiter  alt  ber  genannten  Straftate,  jum  minbeften  aBer  ber 
9lx.  1,  7,  8.  $ünf  biefer  Straftate  finb  un§  nun  aBer  ntcJjt  gefonbert  überliefert,  fonbern 
als  integrierende  33eftanbteile  ber  boluminöfen  ^ombilation  Tresor  e  lume  de  fe,  bie 
uns  in  breifacfjer  ÜRebaftion  borliegt,  ©enf  Mscr.  208,  ßamBribge  D,  SDublin  C,  5, 20 
22.  @3  gehören  baju  aufjerbem  nocr)  bie  Straftate  Articles  de  la  fe,  Li  comman- 
dament,  Penitenca,  De  l'oracon  dominical.  SDaS  erfte  Formular  ber  Articles  ift 
nacfytoeiSltcb,  nid)t  Bofymifctjer,  fonbern  Walbenfifdjer  §erlunft,  oBen  ©.  802,  ?,  bie  %oxU 
fe^ung  beS  Straftat^  unb  ber  Straftat  Li  commandament  ftammen  nacfyw  eislief;  aus 
ber  Somme  le  Roy  beS  SDominifanerS  SaurentiuS,  bie  in  üJlf.  ßamBribge  B  faft  25 
boUftänbig  borliegt.  SDarauS  folgt  1.  in  ber  ßombtlation  Tresor  e  lume  de  fe  finb 
Straftate  böt)mifd?er  §erfunft  mit  ©tücfen  aus  ber  fatfyolifcfjen  Somme  le  Roy  unb 
ben  altWalbenfifcfyen  Articles  de  fe  jufammengearBeitet.  2.  SDie  Urheber  biefer  ®omtoi= 
lation  r/aben  roat>rfct)emItcr)  ba<§  W\.  (SamBribge  B  Benufct.  Run  lefen  mir  Bei  ©iUeS, 
bafj  SDaniel  bon  Salence  unb  $ean  be  SMineS  fobiel  SUlanuffribte,  als  fie  nur  fonnten,  30 
Bei  feite  gefcfjafft  B,a6en.  SDanacb,  bürfen  mir  Wofyl  bie  Vermutung  Wagen:  1.  bie  jungen 
ßobien  SDublin  C  5,  22  unb  25  unb  ©enf  208  geB,en  ^urücf  auf  9Jiff.  <*"*  ber©amm= 
lung  ber  Beiben  Sarben,  2.  baS  9)If.  Sambribge  B  gehört  Wafyrfcfjeinlicf;  ju  ben  3Jiff., 
bie  fie  Bei  feite  gefcr)afft  fyaBen.  3.  SDie  brofaifcr/en  2öerfe  in  Walbenfifcljer  ©bracf/e  finb 
ju  einem  fet)r  Beträchtlichen  Steile  erft  nacb,  Sluguft  1533  entftanben.  SDaniel  unb  ^ean  finb  35 
toafyrfc&einlicr;  ib,re  Urheber.  4.  SDie  ©ammlung  unb  (Spaltung  ber  älteren  ÜRefte  Walben= 
ftfd^er  Sitteratur  ift  Wa^rfcfjeinlicf;  ganj  ober  größtenteils  jenen  Beiben  fct)tgmatifdc;ert  SarBen 
ju  berbanfen,  bie  mit  ©ifer  aller  Reliquien  be§  alten  2öalbenfertum§  fi(^  ju  Bemächtigen 
fugten.  SDenn  bie  9fleugIäuBigen  Ratten  nacf^weiglid),  foWeit  fie  einige  Silbung  Befafeen, 
für  Walbenftfcf;e  ©bradje  unb  Sitteratur  junädjft  fein  ^ntereffe.  ©ie  ftanben  bon  2lnfang  40 
an  unter  bem  junäd)ft  gerabegu  überwältigenben  ©influffe  be§  frartgö ftfd^en  ÜRefor= 
miertentumg.  @rft  al§  bie  neue  ßircfje  in  ben  fottifd)en  2llben  fid}  böEig  eingelebt  I)atte, 
Begannen  il»re  geiftigen  güfjrer  ib,re  3lufmerffamfeit  aurf;  auf  bie  Überlieferungen  unb 
9tefte  ber  alten  £eit  ^u  richten,  aBer  guttäc^ft  nur,  um  fie  in  bogmatifd)em  ^ntereffe  ju 
geBraud^en  ober  richtiger  $u  mi^Braud)en,  oben  ©.  799  f.  « 

3.  SDie  reformierten  Söalbenfer  bon  1571  —  1848.  SDie  ©efd;icBte  ber  re= 
formierten  Söalbenfer  im  SDaubl;ine  unb  in  ber  ^robence  gehört  in  bie  ®efcf;icf>te  ber 
reformierten  ßirdpe  granfreid)§.  9?ur  bie  ©ntwicfelung  ber  reformierten  ©emeinben  in 
^ßiemont,  bie  ben  tarnen  2Salbenfer  beibehalten  fyaben,  ift  ^ier  nod?  banufteßen.  —  SD  er 
triebe  bon  ßabour  gewährte  ben  Reformierten  nur  in  einigen  genau  Bezeichneten  Drten  ber  &o 
SEB,äler  Suferna,  ©an  SRartino  unb  ^erofa  freie  ReligionöüBung,  ntcbt  aBer  ib,ren  ©IauBenä= 
genoffen  in  ben  anbern  Steilen  $iemont§.  2lu§  ben  Stfyälern  SDu  Que^rag,  Barcelona, 
3Jlattia§  unb  5iKeana  Würben  biefelBen  bafyer  attmäl)Itcb  bertrieBen,  beögleicb,en  1603,  al3 
©alujjo  bon  ©abotjen  anneftiert  Warb,  au§  ben  8  Drten,  bie  fie  in  biefer  2Rarfgraffcr/aft 
inne  Bitten.  SDie  StB,alIeute  fucfjte  bie  Regierung  injWifc^en  burrf;  bie  fünfte  ber  ^?ro=  55 
baganba  mürbe  ju  machen.  3llg  ba§  nid)t§  B,alf,  fdjrttt  Äarl  ©manuel  II.  enbltcb  1655 
offen  jur  ©eWalt.  SIEein  bie  SBebrängten  fcblugen  bie  einrücfenben  franjöfifc^en  l:rubben 
in  mehreren  ©efed^ten  unb  bie  babei  bon  ber  ©olbateSfa  berübten  ©reuel  festen  bie 
ganje  broteftantifcf^e  Söelt  in  fo  lebhafte  Bewegung,  bafe  gjlajarin  auf  Setrieb  6romWellg 
ben  £erjog  beranlafete,  im  Straftat  bon  pnerolo  Stuguft  1655  ben  2öalbenfern  ^rieben  eo 


838  SBfllbcnfcr 

unb  2lmneftie  ju  getoäfyren.  ©er  griebe  toarb  jebocb.  febr  fcblecfyt  gehalten.  QnfolgebeS  er= 
boben  ftcb,  bie  S^alleute  f<t)on  1663  mieber,  unb  mieber  fönten  fie  fo  glücllicb,,  bafe  ber 
■gerjog  am  14.  gebruar  1664  innert  bte  Sergünftigungen  beS  Straf tateS  bon  pnerolo 
feierlia)  betätigte.  SlHein  ber  $Ian  jur  SluSrottung  ber  Heueret  mar  in  SLurin  bamit 
5  nicbt  aufgegeben,  ßurge  3ett  nacb.  ber  3lufb,ebung  beS  @btft§  bon  Nantes,  31.  Januar 
1686,  erliefe  audb,  ^erjog  SStftor  2lmabeuS  II.  im  SinberftänbntS  mit  Subtoig  XIV-  ein 
•MigionSbatent,  meines  bie  2luSübung  ber  reformierten  Religion  in  aü  feinen  <StaaUn 
unterfagte,  ben  reformierten  $rebigem  unb  Sehern  gebot,  binnen  14  SEagen  baS  £anb 
ju  räumen  unb  ben  fatfyolifcfyen  $leruS   ermächtigte,   alle  reformierten  ßinber  toieber   ju 

10  taufen  unb  im  fatljolifctjen  ©lauben  gu  ergießen.  ®ie  SBalbenfer  griffen  barauf  alSbalb 
ju  ben  SBaffen.  2lber  bieSmal  mar  baS  ©lud:  ib,nen  nidftf  bolb.  SD^e^r  als  3000  tfyrer 
©treuer  famen  im  gelbjuge  um,  über  5000  mürben  gefangen,  alle  iljjre  $irct;en  nieber= 
geriffen  unb  iljre  33eft|ungen  fonfiSjiert.  Qtttoa  2500  ber  jur  ©aleere  ober  jum  Werfer 
»erurteilten  ^Perforiert  geftattete  ber  £erjog  auf  SSertoenbung   ber   broteftantifcfyen  3Räct)te 

15  @nbe  1686  au^utranbern.  ©ie  fanben  jum  größten  SEeile  2lufnab,me  in  ©eutfcblanb: 
etma  700  braute  ber  ßurfürft  bon  Sranbenburg  in  ©tenbal,  33urg  unb©banbau  unter, 
150  formierte  er  ju  einer  neuen  Äombagnie  feines  §eereS.  (Einige  100  fcfjloffen  ficb,  ben 
franjöfifcfyen  ©emetnben  in  granffurt,  §anau,  Scfytoabacf),  ©rlangen  an.  SföeitauS  bte 
SRebrgabl  liefe  für)  aber  borläufig  in  ben  bfäljtfd^en  Stmtern  äfloSbacb,  unb  Bretten,  bann 

20  al§  1689  bte  ^ranjofen  in  ber  5ßfalj  einbrachen,  in  einigen  30  ^Dörfern  in  ber  Um= 
gebung  bon  9ftbba  unb  banacb,  enbltct)  im  5Raffauifcr)en,  §effen=®armftabt,  §effen=$affel, 
|>effen=£omburg  nteber,  ber  3teft  blieb  in  ber  ©d^meij.  $>amit  fdbien  baS  2Mbenfertum 
in  ^iemont  bemidjtet.  Stffem  bie  2Balbenfer  felber  r/atien  burdjauS  nocb,  ntct)t  bte  §off= 
nung  aufgegeben,  i^xe  alten  2Bofynft£e  toteber  ju  gewinnen,    ©cbon   im  ©ommer   1689 

25  fammelte  ber  $rebiger  §enrt  Slrnaub  im  ©inberftänbniS  mit  Sßilfyelm  III.  bon  Dramen 
800—900  roor)Iberoaffnete  2BaIbenfer  unb  Hugenotten  im  Söalbe  bon  9tyon  am  ©enfer 
©ee  unb  im  2Iuguft  1689  marfcbjerte  er  mit  biefer  ganj  militärifcb,  organtfterten  ©cfyar  auf 
abgelegenen  SBegen  mitten  burcr)  baS  fernbliebe  ©abor/en  na*)  ^iemont.  ®aS  tollfülme 
Unternehmen  gelang  über  ©rtoarten  gut.  @nbe  2luguft  erreichte  2trnaub  baS  33al  ©.  3Jtor= 

30  ttno  unb  führte  nun  in  ben  %f) älern  unb  Sergen  gegen  eine  oft  50facr)e  Übermalt  einen 
überaus  gefegten  ßleinfrieg.  ®er  ©inbruef  auf  ben  ^er^og  roar  fo  grofe,  bafe  er,  als 
er  fein  SünbntS  mit  granfreicr,  Ibfte  unb  ber  grofeen  SlCianj  beitrat,  4.  ^uni  1690  an= 
orbnete,  atte  2öalbenfer  unb  frangöfifc^en  3iefugieS  toieber  ungel)inbert  in  ben  Tälern  ju= 
julaffen  unb  atten  ib,ren  noeb,  im  Werfer  ober  auf  ben  ©aleeren  fdjmadOtenben  ©laubenS= 

35  genoffen  bie  grettyett  fcb,enfte.  2luf  bie  ^unbe  babon  ^ogen  alsbalb  aueb^  bie  naef,  ©eutj^* 
lanb  auSgemanberten  2öalbenfer  in  ber  m^aty  toieber  nad?  ^iemont.  Dbroob,!  nun 
bte  ßurüdfe^renben  in  ben  genügen  ber  ^ab,re  1690—93  bem  §er^oge  bie  gröfeten 
Stenfte  letfteten  unb  bab,er  bureb,  ein  ®bift  bom  23.  Wai  1694  auSbrücfUcb,  roteber  in 
alle  u>e  9ted?te  eingefe|t  rourben,  toar  baS  gute  Ser^ältniS  ju  bem  Muriner  §ofe  boeb 

40  nur  bon  furjer  SJauer.  bereits  am  1.  Qult  1698  erfcf)ien  auf  Setrieb  SubtoigS  XIV., 
mit  bem  ber  §erjog  injtoifc^en  griebe  gefcljloffen,  ein  b^oglicb^  patent,  toeldjeS  ben 
Reformierten  ber  2:^äler  gebot,  in  gteligionSfad^cn  feine  ©emeinfd)aft  mit  franjöfifc^en  Unter* 
tränen  ?u  bflegen  unb  aEen  franjöfifcb.en  9{efugieS,  bie  ber£erjog  boeb,  1690  fclbft  gerabem 
tut  SUteberlaffung  etngelaben, b, atte,  befahl,  binnen  2  Monaten  bag  Sanb  ut  räumen.  SICe 

45  ^ßrotefte  fruchteten  md&ö.  Über  2500  Reformierte  mufeten  1698/9  bie  2:bäler  berlaffen. 
©te  fujten  unb  fanben  faft  alle  in  ©eutfcbjanb  Slufna^me.  $effen=SDarmftabt  fiebelte 
etmge  §unbert  auf  ben  ©omänen  Ro^rbacf),  gßembacb,  unb  $ab;n  an,  MfenWmburg 
nabm  etmge  gamtlten  tn  SDomboI^aufen  unb  in  ber  franjöfif'cben  Kolonie  griebriebsborf 
auf  §effen=Ja  fei  gemähte  einer  3ln3abl  Familien  in  §erSfelb,  ber  ©raf  bon  ^sfenburg 

50  anbern^lucbtltngen  tn  Dffenbacb  SSofmfi^e.  ®er  ledere  grünbete  aufeerbem  für  bte 
gefugtes  nod?  etne  eigene  Kolonie  2öalbenSberg  (Serg  ber  2öalbenfer).  2lucb  Saben= 
Surlacb,  rief  ju  Söelfcb.^eureutb,  eine  ©tunbe  bon  ßarlSru^e  eine  folebe  Kolonie  ins 
Üben  unb  braute  einige  gamilien  in  «Pfor^eim  unb  Slmterbacf)  unter.  SßeitauS  bie 
yjiebrgaf)!  ber  glücbtlmge  aber  fiebelte  fiel)  nacb  febtoierigen  Unterb,  anbiungen  in2ßüttem- 

55berg  an.  £ter  entftanben  bamals  bie  9  toalbenfifcb,en  Kolonien:  ©ürrmen^  ober  ©u 
üuet)ra§  (Vorort)  mit  ben  Filialen  ©d)önenberg,  SorreS,  ©engacb,  —  bafelbft  roirfte 
§enrt  2lrnaub  als  Pfarrer,  geft.  8.  ©ebtember  1721;  ©rofe=  unb  <Rlein=2SiaarS ;  ©oebs- 
ST'  $mac^e=(Smeä;  Sßurmberg  ober  Suferna;  5Rorbbaufen;  ^almbacb  nebft  ^utfcbel- 
bacb;  ^ßerofa  bet  §eimSbeim;  ©immojb.eim,  fbäter  ^eu=öengftett  genannt,  ©iefe  Kolonien 

60  btlbeten  etnen   eigenen   bolitifeben  Serbanb   unter   ber  2ßalbenferbebutation  gu  Stuttgart 


SSoIbcnfcr  839 

unb  fcb>ffen  ficr)  firdjlidj  mit  ben  Kolonien  in  ^effen^armftabt,  Offenbar  u.  f.  W.  imb 
ber  franjöftfcfyen  Kolonie  ju  Sannftabt  ju  ber  ©tmobe  ber  Sßalbenferfircfyen  in  ©eutfcb/ 
lanb  Rammen,  bie  1716  inSgefamt  14  ©emeinben  mit  etwa  4000  «Seelen  umfaßte, 
worunter  ca.  2500  in  Söürttemberg.  3>n  Viemont  bauerten  m^Wt^en,  ob^War  e§  nur 
in  bem  1713  bon  granfreicb,  erworbenen  'tyak  VragelaS  ju  ferneren  ©eWalttfyaten  fam,  5 
bic  Vebrüchmg  ber  ©öangelifd^en  tro$  ber  lebhaften  VorfteEungen  ber  broteftantifajen 
9Jläc£)te  fort.  3tm  20.  ^uni  1730  berorbnete  ber  §erjog,  bafj  aEe  Verfonen,  bie  bor 
1686  fatfyolifcb,  geboren  ober  getauft  ober  nacb,  1696  latfyolifd),  aber  bann  Wieber 
rücffäEig  geworben,  entWeber  in  6  Monaten  fatljoltfcr)  werben  ober  auSWanbem  füllten. 
£>arauff)in  entfcb>ffen  fid^  wieberum  850  ©bangelifcfye  jur  2Iu§Wanberung.  @tWa  400  10 
Wanbten  ficb,  nacb,  ijoEanb,  bie  übrigen  fanben  in  ber  frangöftfd^en  Kolonie  SBaUborf  in 
§effen=£)armftabt  unb  anberen  franjöfifc^en  ober  toalbenfifcfien  Kolonien  in  £)eutfd;Ianb 
tufna^me.  —  35te  frangöftfdje  Eroberung  unb  bie  naboleonifcfye  §errfct)aft  braute  ben 
Söalbenfern  1799  borübergefyenb  fcfyon  bürgerliche  ©leicfyberecfytigung  mit  ben  iktfjolifen. 
9<caboleon  I.  fefcte  fogar  tfyren  ©eiftlicfyen  eine  Dotation  bon  einem  jäbjlicfyen  drtrage  15 
bon  13  000  Sire  au§.  2Iber  feit  ber  dtMhf)x  ber  casa  di  Savoia  mar  e3  mit  ber 
greüjeit  Wieber  borbei.  $önig  Viftor  (Smanuel  I.  erneuerte  fcfyon  im  Januar  1815  all 
bie  befcfyränfenben  alten  ©bitte  unb  entzog  ben  ©emeinben  bie  bon  ÜNaboleon  gefcfyenften 
®otation§güter.  ®oc£>  berftanb  er  ficb,  1816  baju,  Wentgfteng  einige  ber  brücfenbften  Ve= 
ftimmungen  ber  alten  ©efetje  aufgeben  unb  ben  ©eiftlicfyen  als  @rfa|  für  bie  Dotation  20 
einen  jäfyrltdjen  ©el>alt  bon  je  500  Sire  ju  bewilligen.  Slber  ben  bauernben  ©enujj  ber 
Bürgerrechte  gewährte  ben  ^alleuten  erft  bie  ©manjibationlalte  $arlo  2llberto§  bom 
17.  gebruar  1848.  —  SDie  ©efcfyicfyte  ber  Söalbenfer  in  bem  ganzen  Zeitraum  bon  1526 
big  1848  ift  mithin  ein  ftänbiger  $ambf  gegen  bie  Ijiarte  3JeIigion§boIitif  be§  £aufe£ 
©abotyen.  SDafj  fie  in  biefem  Kampfe  nicfyt  untergingen,  berbanlten  fie  nid^t  nur  ib,rer  25 
fyelbenmütigen  ©tanbb/aftigfeit,  fonbern  aueb,  ber  lebhaften  2lnteilnafyme  ber  gangen 
proteftantifcfyen  Söelt  unb  ber  energifcfyen  gürfbracfye  ber  broteftantifcb,  en  SERädjite,  inäbejonbere 
@nglanb£,  ber  ©eneralftaaten,  ber  ebangelifdjen  Kantone  ber  ©cfyWeij.  EromWeE  rettete 
nia)t  nur  burcb,  feine  ^nterbention  1655  ba§  Söalbenfertum  bor  böEiger  Vernichtung, 
er  beranftaltete  aueb,  in  (Snglanb  unb  2öale§  eine  ®oEefte  ju  ©unften  ber  Verfolgten,  30 
meiere  bie  für  jene  $eit  gang  aufjerorbentlicbe  ©umme  bon  38097  Vfunb  einbrachte,  barunter 
2000Vfunb  bon  (SromWeE  felber,  bgl.  3Korlanb  p.  583  ss.  2Bilf)elm  III.  bon  Dranien 
folgte  aueb,  in  biefem  Vunfte  feinem  Veifbtele.  @r  nafym  1689  mit  5tat  unb  Ifyat 
teil  an  ber  glorieuse  rentree,  unb  bewtrtte,  bafj  bie  $rone  bon  (Snglanb  feit  jener 
geit  bü  jur  franjöfifdjen  Stebolution  für  12  walbenfifcCje  ©emeinben  bie  Vrebiger  unb  35 
Sefjrer  bellte.  ®agu  brauten  ©nglanb  unb  bie  Siieberlanbe  aueb,  fernerhin  immer 
neue  ^oEeften  auf  —  bie  Vrobing  §oEanb  aEein  1731  j.  SB.  308 199  fl.,  unb  jugleicb,  ber= 
Rafften  bie  beutfd^en  dürften  mit  j.  %.  fe^r  Beträchtlichen  ©elbobfern  ben  Vertriebenen  in 
ibjen  Territorien  §au§  unb  §of.  ^od)  in  ber  erften  §älfte  bei  19.  ^afyrlmnberts  traten 
bie  broteftantifdjen  Söcäc^te  im  Vunbe  mit  gar  SKlermtber  I.  j.  V.  auf  bem  ftongrefj  bon  40 
Verona  für  bie  Söalbenfer  ein.  3>n  bex  2Salbenferfacb,e  geigt  ficb,  mithin  in  ber  brote= 
ftanttfdjen  9Mt  feit  bem  16.  ^a^^unbert  feb^on  ein  feb,r  bemerlenätoerteä  ©emeingefüf)!. 
3Jcan  barf  fagen:  bie  SSBalbenfer  waren  tfyre  gan^  befonberen  Sieblinge  unb  ©d)ü£linge. 
Unb  Warum?  SBeil  fie  in  ib^nen  aEgemein  bie  einigen  Überrefte  ber  angeblichen  ebange= 
lifcfyen  llrcljriften  ber  aboftolifcb^en  ßeit  far),  bie  ju  erhalten  eine  ^eilige  Vflia)t  fei.  —  San!  45 
biefer  tfyatfräftigen  gürforge  lonnten  ficb,  bie  Sfyalleute  bon  aEen  Verluften  immer  Wieber 
erholen.  Vei  Sluöbruct;  ber  großen  Verfolgung  im  ^afyre  1654  jagten  fie  in  33  Drt= 
Soften  14  ©emeinben  mit  14  Vaftoren  unb  etwa  16000  ©eelen,  2eger  1,  p.  10  s. 
10  3af>re  nacb,  ber  glorieuse  rentree,  1699,  belief  ficb,  bie  ftaty  ber  ©emeinben  unb 
Vaftoren  nur  auf  13,  bie  ©eelenjabl  auf  5—6000,  Bullettin  21,  p.  87  ss.  1763  War  50 
bie  ©eelengab,!  in  biefen  13  ©emeinben  auf  13  000,  1816  auf  16975,  1829  auf  19710 
geftiegen,  ©ieterici  ©.9  ff.,  3Jcufton  (beutfcb,e  Sluggabe)  ©.  467  £>ie  Verfaffung  entfbracb, 
im  roefenttieften  bem  ©enfer  Vorbilbe:  oberfte§  3tegierung§organ  mar  bie  ©imobe._  ^te 
3wifcb,enregierung  jWifd)en  ben  einzelnen  ©^noben  führte  bie  'Jafel,  ein  auä  3  ©eiftlidjen 
befteb,enber  3lu8f$u§,  beffen  Seiter  ben  %M  9)ioberator  führte.  @rft  feit  1823  Waren  66 
aueb,  bie  Saien  buret)  2  debütierte  in  ber  "Safel  bertreten.  ©ine  eigene  Siturgie  erhielten 
bie  ©emeinben  erft  1829.  Vorder  Waren  berfd)iebene  ©d§Weijertfcb,c  Formulare  in  0e= 
braueb-  ©te  ^ultu§fbracb,e  War  urfbrünglicb,  ber  oftbrobenjalifcb,e  ©ialeft  ber  lottifcben 
Silben.  2tls  aber  1630  bie  SRe^rjabl  ber  einb,eimifcb,en  Vaftoren  an  ber  Veft  ftarben 
unb  granjofen  an  ib,re  ©teEe  traten,  Warb  bag  granjöfifcb,e  aueb,   im  ©ottelbienft  ma^=  60 


840  Söalbenfer  SBalbljaufen 

gebenb.  ©cfwlen  befianben  1699  Bereits  in  allen  ©emeinben.  2Iucb.  ein  Sateinlefyrer  toar 
bamalS  Bereits  bortyanben,  ber  bie  für  baS  geiftli^e  2Imt  geeigneten  Änaben  für  bie 
beeren  ©acuten  in  (Senf  unb  Saufanne  borbereiten  fotfte.  2tn  ©teile  biefeS  einen  £atein= 
lebmS  trat  im  18.  ^abjfyunbert  ju  Sorre  eine  ftänbige  SateinfcHe,  bie  feit  1759  bon 
sber  tballonifctyen  ©rmobe  in  ben  üftteberlanben  unterhalten  rtmrbe.  2Bie  anberroa'rtS, 
fo  ging  aucb.  in  ben  Sfjälern  im  Zeitalter  ber  Slufllärung  baS  religtöfe  SeBen  ftarf 
prücf.  @rfi  feit  ben  20er  Qa^ren  beS  19.  3ab,rb,unbertS  geigte  fid)  ein  neuer  2luf= 
fdjtoung.  gtoei  begeifterte  englifct)e  Söalbenferfreunbe,  ber  ©eneral  SBedrmtB,  unb  ber  5Ue= 
rtJer  SöiHiam  ©tebl)an  ©iflt),  grünbeten  neue  9fläbcf/en=  unb  5?naBenfa)uIen  unb   einige 

10  beffere  ©deuten  jur  2luSbilbung  ber  fünfttgen  ©eiftlicfyen.  gur  fel&en  3«t  (feit  1825) 
tarn  eS  imä)  ben  DBerlin  ber  fottifct/en  Silben,  ben  ehemaligen  airtillerierjaubtmann  $elir, 
grjaeff  aus  Qüxiä)  aud)  b,ier  ju  einer  ©rroecfung,  bie  jroar  mancherlei  ©treit  unb  @nt= 
jtoeiung  mit  ficr)  Braute,  aber  aucb,  bie  toten  ©emeinben  mächtig  aufrüttelte. 

4.  33  on  1848  big  jur  ©egenroart.    SDaS  (SmanjibationSbatent  gab   ben  ©e= 

15  meinben  nict)t  nur  bie  greib,eit,  eS  ftellte  fie  aud?  bor  eine  gülte  neuer  Aufgaben.  ©dEjon 
bie  ©^nobe  Dom  1.  bis  4.  Sluguft  1848  fafste  bie  ©bangelifation  Italiens  inS  2luge  unb 
Befcbjofj  bemgemäfj  im  Unterricht  unb  ÄuItuS  aHmäfylicr)  bie  italienifcfye  ©bracf/e  einju= 
führen.  1854  rourbe  bie  ©rmobe  jum  erften  9Me  mit  einer  italienifdjen  ^Srebigt  eröffnet, 
1855  in  Sorre  Sßellice   eine  eigene  tr)eoIogif$e  ©cfyule,  baS  Sßalbenferfoßeg,   gegrünbet, 

20  baS  1860  nad)  glorenj  berlegt  würbe.  $)xm  borläuftgen  2lbfdjluf$  erhielt  bie  neue  £)r= 
ganifation  auf  ber  ©rmobe  Don  1855  burcb,  bie  ^Reatlibierung  beS  ©laubenSbefenntniffeS 
bon  1655  unb  eine  neue  ß'onftitution.  SBeitereS  f.  oben  3Bb  IX  ©.  521.  2öaS  bie 
©rmobe  bon  1848  anftrebte,  ift  jeijt  im  toef  entließen  erreicht:  bie  2ßalbeuferftrd)e  ift  eine 
italienifdje  $ird)e  geworben  unb  ebangelifiert  in  gang  Italien,  ja  fogar  unter  ben  italie= 

26  nifd)en  2luSroanberem  in  ber  neuen  SßSelt. 

Sie  3BalbenferloIonten  in  3)eutfd)lanb  b, orten  bagegen  balb  auf  2öalbenferfoIo= 
nien  gu  fein,  ^n  SöalbenSberg  toarb  febon  1815  baS  ©eutfcfye  als  IfultuSfbracf/e  ein= 
geführt,  1818  fcf/Iofj  fidj  bie  ©emeinbe  an  ben  3Serbanb  ber  übrigen  ^Sfenburgifcben 
Kirnen  an.    $n  §effen=©armftabt  »erboten  Regierung  unb  Kammer  1820/1  ben  ©eift= 

30  liefen  unb  Sefyrern  ber  Kolonien  ben  ©ebraud)  ber  franjöfict/en  ©brache,  ba  „niemanb 
biefelbe  mel)r  rect/t  berfteljie."  3jn  Württemberg  traten  fämtlicb,  e  SBalbenfergemeinben  1823 
ber  lutfyerifdjen  2anbeSürcb,e  bei.  5Rur  in  SDowfyoI^aufen  am  SaunuS  behauptete  fiefy 
baS  grangöfifc^e  noeb,  bis  ins  letzte  SRenfdjenalter  als  Unterrtcr/tSfbracfye :  erft  1884  ber= 
fcb,manb  eS  aueb,  b,ier.    ©oeb,  b,at  fieb,  in  2  Söürttembergifcfjen  Orten,  ^inad)e=©erreS  unb 

35  9cm=£engftett,  bei  ben  fog.  „Skiffen"  ber  walbenfifcb.e  5DiaIeft  gum  Seil  bis  auf  ben 
heutigen  Sag  erhalten,  bgl.  Ulaiber  in  (Sb.^Sutb,.  Äircb^engeitung  12,  ©.  49  ff.,  9Korofi 
im  Archivio  Glottologico  Italiano  11,  p.  393  ss.  £.  Sö^mcr. 

3B(tft>I)CUtfe»t,  ^onrab  bon.  —  Sitteratur:  1.  Quellen.  3ufammenfterriingen  beS 
OueKenftoffeg  f.  bei  3t.  Snc&mann,  ©efd)tcf)te  »5t)men§  II,  147;  g.  Sofcrtti,  .V>u*  unb  ffitetif 

40  <B.  42;  ß.  fltcnion,  Zpräva  o  ceste  po  knihovnäch  v  Rakousku  a  Nöraecku  cte  (3Jeife= 
berirf)t  au§  öfterretc^ifetjen  unb  beutfdjen  Sßibliotfjefen)  im  2.  S3b  ber  atab.  Seitfdjrift  Vöslnik 
ceske  akademie  etc.,  ®.  63 ff.;  Qi6rt,  Bibliografie  hist.  ceskö  II,  1117,  1118  unb  $atoctU, 
Sie  Vorläufer  be§  §ufitentmnä  tn  »i^men.  9?eue  ?luggabe,  ^rag  1869,  ©.  16,  17.  3loü) 
fetjlt  e8  an  einer  ©efamtauägabe  ber  Sffierfe  Sonrabg,  üor  "aDeiu  ber  <Prebtgten,  bie  feinen  3tuf 

45  begrünbeten,  toeite  Serbrettung  fonben  unb  in  me£)rfad)en  Bearbeitungen  üorlteqen.  2Benn  mir 
llnbebentenbeg  augfd)eiben  (f  ffilietnon  @.  64),  fommt  für  unfere  Bmecte  außer  ben  «ßrebigten 
ferne  Styologte  in  SSetracbt,  bie  in  einem  leiber  burci)  bie  fettfamften  Sefefet)Ier  oerberbten  SDrucf 
(Apologia  Konradi  in  Waldhausen  ed.  Softer  im  2.  S3b  ber  ©efd)id)tSfd)reiber  ber  bufitifetjen 
Setoegung  [Fontes  rer.  Austriac.  2.  VI.]  <B.  17—39)  üorliegt.  SBag  bie  Sorrefponbens  SonrabS 

50  betrifft,    finben  ftet)   in   ber  unten  genannten  ©ctjrift  Don  Meneif  16  Slftenftücte  unb  Briefe 

<5.  aueb,  Sücman  <S.  67/8.  ' 

2.  S3earbeititngen.    ^aladt),  ®ie  Vorläufer  wie  oben;    berf.,  ©efc£).  bon  SSöbmen  III 

1-  161—164;    Sßeanber,   910g.  ©efd)icbte    ber    diriftlicben  Religion  unb  Äirc^e,    3.  9iUfi.  1856' 

II,  2.  772;    Setf)ter,    S^ann    öon  SSicItf    unb  bie  33orgefd)icbte  ber  Deformation  II,  m«  .' 

55  Somd,  Dejepis  Prahy  (®efd).  üon  $rag)  III,  286 ff.;  ft.  ^Kencit,  Konrad  Waldhauser,  mnich 
radu  svat6ho  Augustina  (t.  SS3.  9)cöncfj  beg  Stuguftinerorbeng).  9tbt)anblungen  ber  Igl.  ßbbm 
©efeüfdiaft  ber  28iffenftf)aften  VI.  golge,  XI.  33b,  «ßrag  1882.  ©onftige  Sitteratur  bei  S3aa> 
mann  wie  oben. 

Sie  Sebeutung  ^onrabS  bon  SBalbb.aufen   für  bie  ©efd)id)te  ber  böb,mifd)en  Kirche 

eo  im  laroIinifcb,en  Zeitalter  läfet  ftd)  auS  bem  glängenben  grtad^ruf  ermeffen ,  ben  ibm  ber 
greunb  iarlS  IV.   unb  ©efdjicb.tSfcbreiBer  23ör/menS  Senefc^  Irabice   bon   Sffieitmü^l  in 


SSölbljattfett  841 

fetner  ßfyrontf  ber  ^rager  ßtrd&e  unmittelbar  nacfy  Jetnem  Abfd&etben  gemibmet  6,at. 
ßonrab  mar  fein  gebürtiger  33öfyme.  @r  ftammt  auS  Ofterretcb  unb  trägt  [einen  tarnen 
bon  bem  ßlofter  ber  Auguftinercborfyerren  %a  Sßalbfyaufen  in  Oberbfterreiclj,  bem  er  an* 
geborte  (professus  in  Walthuss).  Über  feine  erften  SebenSberbältniffe,  $ugenb  unb 
(Erhebung  ift  menig  belannt.  %n  frühen  ^abjen  mufe  er  ins  Softer  eingetreten  fein.  6 
©ort  erhielt  er  mobjl  aueb.  feine  erfte  AuSbilbung.  Um  1343  mürbe  er  jum  ^riefter 
gemeint.  güfyrte  u)n  fein  (Eifer  für  bie  2Biffenfcf;aft  nad)  Bologna  (1349),  fo  bot  tfym 
baS  3u&eIial^r  1350  ©elegen^eit  SRom  ju  feiert,  9?acfy  ber  §eimat  jurücfgefeljrt,  mibmete 
er  fic|  an  berfcbjebenen  Drten,  gumeift  in  2öien,  feinem  geiftlitfjen  Berufe,  bor  allem  bem 
Sßrebigtamte,  für  baS  er  eine  fyerborragenbe  Begabung  belunbete:  benn  eine  munberbare  io 
Äraft  ber  Sftebe,  bie  ifyre  2öirfung  niemals  berfefylte,  ftanb  ü)m  ju  ©ebote.  ©cf)on  als 
er  in  Öfterreicb  £rebtgte,  b,at  er  baS  33olf,  fo  fagten  feine  ©egner  mit  bämifcfyer  3mei= 
beutigfeit,  in  Stufregung  berfe^t  unb  als  er  fbäter  feine  ^rebigten  in  $rag  in  ber  ©aüuS= 
fircfye  abhielt,  bermoebte  fie  nicfyt  alle  Sufybrer  ju  faffen,  fo  bafe  er  genötigt  mar,  auf 
freiem  ÜJJiarfte  $u  torebigen.  ©eine  'Jfyätigfeit  braute  ibn  in  bie  9cäf)e  beS  öfterreicbifdjien  i& 
£>ofeS  unb  in  nähere  Regierungen  ju  ©ottfrieb  (II.)  bon  SSetffenecf,  bem  Sifcfyof  bon 
ftoffau.  ©eine  33erebfamfeit  erregte  bie  Sewunberung  ®arlS  IV.,  ber  ü)n  bei  feinem 
Aufenthalt  in  SBien  1357  fennen  gelernt  fyaben  mochte.  SDurcb.  SSermittelung  be§  mäcb= 
tigen  fübböfymifcben  £>errenl;aufeS  beS  3tofenberg  jog  if)n  ber  $aifer  nacb  $rag,  mo  er 
in  Dftern  1358  bie  ©teile  eines  Pfarrers  bei  ©t.  ©alluS  in  ber  Altftabt  erhielt.  §ier  20 
begann  er  feine  S^ättgfeit  als  ^3rebiger  unb  ©tttenriebter,  bie  gleich,  anfangs  grofeeS 
Auffegen  erregte.  gurcfytloS  unb  bon  ebangelifcbem  @ifer  befeelt,  geißelte  er  bie  ©itten= 
lofigleit,  bie  in  ben  bomebmen  unb  reiben  Greifen  ber  §aubtftabt  ^errfd^te,  ifyren  £>ocf)= 
tuut,  ifyre  Übtoigfeit  unb  §abfud)t.  ©eine  großen  (Erfolge  beunruhigten  bie  2Jcenbifanten, 
bie  ilm  anfänglich  millfommen  gel)eifeen  Ratten,  je|t  aber  um  il)ren  (Einflufe  beforgt  maren  25 
unb  ftdj  nun,  miemofyl  fie  borbem  untereinanber  uneinS  gemefen,  gegen  ben  füfmen 
gremblmg  berbünbeten,  als  er  gegen  il)re  ©imonie  eiferte,  bie  au§  ber  SBeftattung  in 
Mircfyen  unb  Äreujgängen  ein  ©efcfyäft  machte,  als  er  ibje  unerfättlicfye  §abfucf)t  ebenfo 
geißelte,  mie  baS  llnmefen,  baS  fie  mit  ben  Reliquien  trieben,  ober  ben  bummen  ©tolj, 
mit  bem  fie  ftd)  auf  bie  §eiligfett  ibrer  ©tifter  fteiften,  enblid)  tfp  Verlogenheit  unb  bie  3° 
fcfjamlofe  Ausbeutung  beS  armen  SßodeS.  ©afür  fcbalten  fie  ifm  einen  griebenSftörer 
unb  Abtrünnigen  feines  DrbenS,  ber  (maS  ben  Sfyatfadjien  nidjt  entfbracb)  ob^ne  SiSbenS 
eine  meltlidje  Pfarre  annehme.  Vergebens  berfuc|te  ber  ©eneral  beS  ^ßrebigerorbenS, 
©imon  bon  SangreS,  ben  ber  ^abft,  wie  eS  febeiut  auf  Sitten  üarlS  IV.,  naef)  ^rag 
gefanbt  blatte,  ben  (Streit  beizulegen.  3f?ocb  roäfyrenb  bie  Unterfucb^ung  im  ©ange  mar,  36 
fufyr  ^onrab  in  feinen  fcfyarfen  Angriffen  fort,  unb  bie  3Jciffion  ©imonS  blatte  leinen 
©rfolg.  ©ie  Fortführung  beS  ^rojeffeS  tourbe  bem  ©rjbifdjof  überlaffen.  S)ie  Settel= 
möncfye  fteßten  nun  24  Artifel  toiber  tonrab  gufammen,  bie  ben  ©inn  feiner  hieben  frei= 
lieb,  böttig  entfteEten.  SDer  @rjbifcf)of  liefe  im  $erbfte  1360  bie  ^lagebunlte  an  bie  Zfyoxe 
jmeier  Softer  anheften  unb  forberte  jebermann,  ber  gegen  Ibnrab  etmaS  borjubringen  4lJ 
i^aht  auf,  bor  ifym  ju  erflehten.  Sie  Wönfye  lamen  gtoar,  lonnten  if)re  Anflogen  aber 
nicf;t  bemeifen.  ^e|t  begannen  bie  grüßte  ber  S£fyätigfeit  HonrabS  gu  reifen;  fo  grofj 
fein  (Eifer  ift,  fo  ftarf  ift  ber  Zulauf  ju  ib,m  unb  fo  mächtig  fein  (Erfolg.  Da  geben 
2öucf;erer  ibren  ungerechten  ©eminn  f>erauS,  merben  berbubjte  Sebemänner  ju  fittfamem 
Söanbel  geführt,  legen  grauen  ib,re  f oftbaren  ©dreier,  bie  mit  ©olb  unb  perlen  befehlen  « 
©etoänber  ab  unb  einfache  SEracb^t  an,  ja  fcfyon  finbet  ^onrab  unten  ben  ©etfthdjen 
felbft  9toc§a^mer:  nur  bafe  biefe  jumeilen  übertreiben  unb  ben  JlleruS  übertäubt  in  9Jctfe= 
frebit  bringen.  1361  33orftanb  ber  Äird^e  bon  ©t.  %b,oma§  auf  ber  ßleinfeite,  toanbte 
er  f«j^  1362  an  ben  Sifcbof  bon  ^3affau  um  Unterftü|ung  feiner  Seftrebungen :  Die 
Quelle  alles  Übels  liege  in  ber  £mbfucbt  Unb  ©inneSluft  ber  ©eiftlicbjeit.  1363  erhielt » 
Äonrab  bon  Äarl  IV.  bie  Pfarre  ju  AEerb^eiligen  in  Seitmeri|,  burfte  jeboeb  mtt  (Stn= 
roittigung  ber  Oberen  in  ^rag  berbleiben.  Aufs  9ieue  ergeben  fieb,  bie  9}Jenbifanten,  um 
ibn  ju  berbrängen,  galten  ibm  geminnfücbtige  üKottbe  für  fein  Verbleiben  in  $rag  bor, 
galten  ilm  Anticb^rift  u.  f.  m.  ^mmer  febärfer  merben  ibre  Anfcbulbigungen  unb  23er= 
leumbungen,  unb  biefe  finben  fdjliepcb  ben  9Beg  in  HonrabS  §eimat  unb  gelangen  ju  55 
ben  Obren  §erjog  3duboIfS  IV.  bon  Öfterretd?.  AIS  ber  §er^og  im  9)Jai  1364  in  $rag 
bermeilte,  fonnte  er  fieb  freilieb  leicht  über  bie  böKtge  ©runblofigfeit  folclter  An= 
fcbulbigungen  Aufflärung  berf^affen.  Die  3Üicffebr  nacb"2öien  lehnte  l^onrab  im  §m= 
blief  auf  fein  SSerbältniS  jum  S^aifer,  ber  ibn  ju  berfebiebenen  ©efd;äften  bertoenbete,  ab, 
unterliefe  aber  ntctyt,  feine  SanbSleute  über  bie  2Racbenfc§aften  feiner  ©egner  aufjuftären.  6° 


842  SBoIb^oufcn  Waltet  Don  <gt.  mttov 

gu  biefem  3med  fcbrieb  er  feine  ältoologie  gegen  bie  24  ßtagebunfte  ber  ÜWnd;e.  3U 
beginn  1365  jum  Pfarrer  an  ber  großen  Sebnfircbe  in  $rag  ernannt,  bebnte  er  jein 
reformatorifcbeg  Söirlen  mit  Erlaubnis  be§  $abfteg  nicbt  blofj  über  b'ie  bö^mif^e  unb 
faljburgifcbe  ©r^biöcefe  au3,  fonbem  fud^te  aucb  ben  ®aifer  ju  fraftbotlem  ©infd^retten  in 
6  bte  berrotteten  SBer^ältntffe  ^talieng  gu  betoegen.  %n  feiner  2bätigfeit  als  ^rebiger  fab, 
er  ficb  aucb,  je|t  nocb  burcb  feine  alten  ©egner  bebjnbert.  2113  er  am  1.  SRai  1365  in 
<Saa$  brebigte,  fingen  bie  9Jiinoriten,  um  feine  (Stimme  ju  übertönen,  mit  allen  ©lüden 
ju  läuten  an.  ©er  ^arnbf  gegen  bie  SDtenbilanten  ging  aucb  in  ben  näcbften  Saftren 
meiter.    Äonrab  fanb   feinen  Slroft   in   ber  greunbfcbaft   gelehrter  SRänner,    Don   benen 

10  einzelne  tbie  2lbalbertu3  Fanconis  mit  ibm  in  Äorrefbonbenj  ftanben,  anbere  mie  SRiliifcb, 
bon  $remfier  bon  ilim  ibre  ftärfften  Anregungen  erhielten.  Seiber  finb  jene  ^rebigten, 
burd)  bie  er  in  fo  erfdjütiernber  2öeife  auf  feine  gubbrer  mirfte  unb  um  berentmiHen 
man  ib,n  ben  fog.  Vorläufern  beä  £>uf3  gu^ujäf^len  bflegt,  nicEjt  erhalten.  2Ba§  mir  be= 
fiijen  finb  ^ßrebigten,   bie  er   bor  ©tubierenben   gehalten   bat  unb  au§  benen  ange^enbe 

15  5ßriefter  Anregung  unb  ©toff  für  ben  eigenen  Vortrag  erhalten  füllten.  SDiefem  gmede 
als  ©djulbrebigten  baben  fie  nod;  biele  Qat)r§e^nte  nacb,  bem  am  8.  SDe^ember  1369  er= 
folgten  2bbe  i|re€  Verfaffer§  gebient.  Söenn  man  ibn  ju  §uffen§  Vorläufern  redmet,  ift 
ju  betonen,  bafs  ftcb  feine  2;b,ätigfeit  augfcbliefdicb  auf  bie  §ebung  ber  geiftlid)en  gucfyt 
richtete  unb  bie  Sebre  unb  Verfaffung   ber  ßirdje  unberührt   liefj.    ©eine  «ßerfönlidjleit 

20  mufj  jmetfellog  eine  bbcbji  bebeutenbe  getoefen  fein,  ba  e§  ib,m  al§  2tu3länber  gelang,  fo 
mächtige  ©rfolge  ju  erzielen  unb  bie  Erinnerung  an  it;n  nabe^u  ein  balbeg  ^abrfyunbert 
lebenbig  blieb.  Safj  §ufj  fic&  mit  feinen  ©Triften  befd;äftigte ,  bafür  ergeben  fid)  leine 
2lnbaliäbunfte.  fiofertlj. 

SBoHfo^rtctt  f.  b.  2t.  ^ömifcbe  &ird;e  Vb  XVII  ©.  123,56. 
25        2Sailitt  $.  £).,  f.  b.  21.  ßircbenlieb  Vb  X  ©.  442,54. 

2öafyurgi§,    geft.  bor    786.  —    Miracuk     s.    Waldburgis    Monheimensia     auctore 

Wolfhardo  Hasenrietano  in  ben  AS  gebr.  III    ©.  523;   9tuä§üge  Hon  $oiber=l£ggcr  in  ben 

MG  SS  XV  <B.  535;  SSolftjarb,  SKöndj  in  Verrieben  bei  2tn§bad),   fdjrieb  unter 'S9tfdE>of  ©r= 

cbanbalb  (882—912).    lieber  jüngere  SStograpfjien  f.  ^ottfiaft,  Bibl.  <B.  1630;    Otettberq,   Ä© 

30  S>eutfälanbä  II  @.  359;  §aucf,  St©  ®eutfd)tanbö  I  @.  537  ff. 

2öalburgi§,  Sßalbburgte,  SSalburga  mar  bie  ©cbmefter  ©tHibalbS,  be$  erften  VifcbofS 
tn  bem  bon  Sonifattuä  gegrünbeten  ViStum  @id>ftätt,  unb  2ßr/nncbalb<S,  beS  erften  älbtö 
bon  ^eibenbeim.  ©ie  folgte  ib,ren  Vrübern  auö  ©nglanb  nad;  ©eutfdjlanb.  g^t  ©eburtg= 
\al)x  tft  md;t  belannt.  Wafy  ®eutfd)lanb  mirb  fie  crft  um  750  gelommen  fein;  benn 
35  um  751  grünbete  SBtonnebalb  ba§  Älofter  §eibenb,etm,  ein  TobbeHIofter,  beffen  Tonnen 
unter  SBalbburgö  Seitung  ftanben.  3118  Sl>bnnebalb  761  ftarb,  ging  ber  Vefifc  be$  flloftetg 
an  äßalbburg  über  (Vita  Wynneb.  13  ©.  116).  a\Jie  lange  fie  lebte,  miffen  mir  niebt. 
©od)  tft  e§  md)t  unmab,rfd;einlid;,  ba|  fie  bor  Sßitlibalb  (geft.  nad;  b.  8.  DIt.  786)  ftarb. 
^re   «Reliquien    mürben    bon    Vifdjof  Dtgar    (817-880)    nacb,    @id)ftätt    übertragen, 

40  7=^  l'  5  f-  5^0;  Ul  bem  ®ra6  bc^  §eili9en  entftanb  nun  baä  «anoniffenfttft 
©t  %alburg,  ba§  im  11.  ^ab^unbert  bon  V.  Heribert  (1021—1012)  in  ein  9Jonnen= 
flofter  umgeftaltet  mürbe  (Anon.  Haser.  30 f.  MG  SS  VII  ©.  262).  ©in  Xetl  ber 
Reliquien  tarn  893   burd;    V.  @rd>anbalb   bon   @id)ftätt    nacb,   bem  «Iofter   ÜKonbeim, 

n0lS2fn,R.Dnau^-  Mirac-  :»  7  @-541-  2ßäb,renb  3B.3  ^eiligfeit,  if)re  Semut 
45  unb  ^acjftenltebe  btelfad)  gerühmt  unb  gebriefen  merben,  mei^  bod)  bte  Segenbe  au§  ibrem 
Sebenfelbft  lerne  Sbatfadien  aufzuführen,  bureb,  meldte  jene  Sugenben  anfdaultd)  bar= 
gefteUt  mürben;  befto  meb,r  rebet  bie  Srabition  bon  ben  Söunbern,  bie  fie  berrtebtete 
namentltcb  *>on  tounberbaren  Teilungen  unb  ©ebetSerb/örungen,  bie  bureb  ibre  Fürbitte 
Betotrft  morben  fein  fotten.  ^t  ju  (Sbjen  mürben  meiere  ^efte  gefeiert,  nämHcb  ber 
so  4.  Sluguft,  als  gefttag  tbrer  Slbretfe  auö  ©nglanb,  ber  25.  gebruar  als  ibr  loieStaa 
unb  ber  1.  3M,  beffen  Sejiebung  ju  2ö.g  Seben  aber  nid;t  aufgellärt  ift.  ö 

(9teubetfer  t)  ^autf. 
SBolter  Don  ©t  Siftor,  ^arifer  ^beologe  be§  12.  Sa^unbett«.    —    Umfänali*,. 
a3tuc£)ftucfe  au§  feiner  ©aiiptf^rift  (f.  unten)    finb  abgebrueft  bei  SBulaeu«,   Historia  univpr« 
tatis  Parisiensis  II,  200.  629—660  unb  MSL  199,    1130 ff.;    über    bie   alte  ßanbfcfirift  i.nS 
55  «alters  Wtettjobe  f.  ®entfie  91SS©  I,    404—417 ;    91.  ^temef,    Ueöer    bie  ©djrift  be§  kaitf 
■o-  ©t.  SSütor    Contra    novas  haereses  in  2f)@tS?  1844,    @.  823—864.     Histoire  litt   rlt  i 
France  XIV,  549 ff.;  §.  iReuter,  ©efd).  b.  Sluftlarung  im  Wü  II,  15 ff.  '    e  la 


23alter  tum  @t.  mitov  843 

1.  Über  baß  geben  Söalters  toiffen  hur  nichts,  außer  baß  er  Sßrior,  nicfyt  2Ibt,  bon 
<5t.  Sßiftor  tt>ar  unb  eine  Ieibenfcr)aftlicl)e  bolemifcfye  ©ctjrift  mtber  bie  moberne  Xr)eoIogte 
bes  12.  Sa^unbertS  berfaßte.  ®iefe  ©cfyrtft  trug  ntd)t  ben  tarnen  Contra  quatuor 
labyrinthos  Franciae,  tüte  oft  angegeben  wirb.  SDiefe  Segnung  entflammt  einem 
©a|  ber  (Anleitung  (23ul.  200),  bie  biet  Sabr/rintfye  finb  bie  fielen  2lbälarbs,  bes  Petrus  5 
Sombarbus,  bes  Sßetrus  £ßictabinus  unb  ©ilberts.    Sabr/rmtfye  werben  fie  genannt,    toeil 

in  ib.nen  ber  SJttnotaurus  ber  §ärcfie  rootmt.  SDas  erfte  33uct)  ber  alten  §anbfct;rift 
(Sßarifer  2lrfenalbtbl.  n.  379)  trägt  bie  Überfcbjift:  Incipit  liber  magistri  Walteri 
prioris  sancti  Victoris  Parisius  contra  manifestas  et  damnatas  etiam  in  con- 
ciliis  haereses,  quas  praedicti  sophistae  libris  sententiarum  suarum  propo- 10 
nunt  etc.  (Sul.  629.  £>enifle  406).  £>te  fbäte  ÄDpie  biefer  £anbfcr,rift  (Cod.  Paris. 
17187)  fyat  ben  Slitel  Walteri  prioris  sancti  Victoris  contra  novas  haereses 
libri  IV  (Sßland;  824).  SlHein  erfteres  ift  lein  richtiger  %\td  unb  legeres  ift  toobjl  nur 
nad)  bem  ^jnfyalt  fyergeftellt.  ®ie  3eit  ber  2lbfaffung  läßt  ficb,  einigermaßen  fidler  be= 
ftimmen.  $m  2.  23ucr)  (93ul.  632)  b,eißt  es:  nuper  in  concilio,  quod  D.  Eugenius  15 
papa  Remis  celebravit,  es  ift  bie  ©r/nobe  bom  3-  1148.  Ebenfalls  im  2.  Sud} 
(58ul.  634):  in  concilio,  quod  nuper  Turonis  celebravit  Alexander  papa,  gemeint 
ift  bie  ©r/nobe  Dom  3.  1163.  ^n  ber  Einleitung  jutn  1.  Surf)  ftefyt  (®enifle  406): 
quod  Alexander  papa  nuper  in  concilio  Romano  paraverat  nominati  illius 
(Lombardi)  sententias  damnare,  bas  gefyt  auf  bie  3.  Sateranfimobe  Dom  %  1179  20 
(f.  oben  33b  XI,  640).  SDagu  fommt  bie  @rtoäb,nung  bes  ©Treibens  2lleranbers  an 
SBtl^elm  Don  9tyetms  bom  3.  1177  (SDemfle  407  cf.  Chartular.  univ.  Par.  I,  8 f.). 
%>anafy  ift  fidler  nur  bas  ©ine,  baß  2B.  nacb.  bem  3.  1179  feine  ©djrtft  berfaßte, 
baß  bies  balb  nact)  1179  gefcf/efyen  ift,  läßt  ftcb.  aus  bem  „nuper"  nicf/t  erfcpeßen,  bas 
ja  aucr)  bei  ben  ©imoben  bon  1148  unb  1163  ftefyt.  Tian  toirb  alfo  etma  bie  ßeit  25 
bon  1180—1190  für  bie  3lbfaffung  bes  SSerfes  offen  galten  muffen.  —  SGon  ben  fonft 
SS.  beigelegten  ©Triften  lann  ernftbaft  nur  in  grage  fommen  ber  bon  ber  Hist. 
litt.  XIV,  550  erroätmte:  Magistri  Walteri  dialogus  quaerens  quid  sentiat  Hugo 
de  anima  Christi. 

2.  2B.S  ©cf/rift  ift  ein  lehrreiches  ©olument  aus  ber  ©efcbjcf/te  ber  ßämbfe,  bie  30 
burcb.  bas  2tuffommen  einer  toiffenfdjaftltdjen ,  nacb.  bialeftifct/er  3JZetr)obe  arbeitenben, 
Geologie  (f.  oben  33b  XVII,  710 f.),  unter  ber  pfyrung  bes  1)1.  £3eml>arb  entfeffelt 
toorben  finb.  @s  finb  jmei  anliegen,  bie  20.  mit  £eibenfc|aft  berfolgt.  ^n  ber  6b,rifto= 
logie  feiner  ©egner  erblicft  er  bie  neftorianifdje  £ärefie,  bon  ber  er  im  toefentlicr/en  ein 
richtiges  ȟb  fyat  (Sul.  647).  SDie  roiffenfcfyaftlicjien  Geologen  embfanben  roieber  bie  35 
«Probleme,  bie  ber  begriff  ber  „50cenfd)toerbung"  aufgab,  fie  berneinten  bie  2JcögIicbfot  einer 
Seränberung  ber  ©ottfyeit  unb  meßten  bab,er  nur  babon  reben,  baß  ber  Sogos  ben 
9Jienfcr/en  ^efus  angenommen  fyahe;  fie  b/atten  aber  aucb,  33ebenlen  fyinficf/tlicb.  bes  3ttenfa> 
feins  bes  Sogos,  bie  menfcpcfye  Statur  erfaßten  itmen  ftrie  ein  ©eroanb,  bas  ber  Sogos 
jum  ßroecf  ber  Offenbarung  angenommen  t)ahe,  babei  gingen  einige  bis  jum  fog.  40 
SRipantemuä  fort  (oben  33b  X,  639  f.).  ®ie  fd)tbanlenben  unb  nid)t  immer  Haren 
©ebanfen  biefer  Geologen  ibaren  SB.  ein  ©reuel.  ^b,m  fa)ien  alles  überaus  Hat  ju 
fein,  iuenn  man  mit  ben  Tätern  bon  una  persona  unb  duae  naturae  fbracb,,  ober 
jagte,  baß  tüte  ber  3Kenfc$  aus  jmei  Seftanbteilen  —  bem  Seib  unb  bem  btefem  fbater 
eingegoffenen  ©eift  —  einer  mirb,  aud)  ©brtftug  als  ©ott  bom  Sßater  unb  als  Wlmfä  45 
bon  5öiaria  geboren  unb  bod^  einer  ift.  ©0  hah^  man  eine  ^Berfon  unb  bocb,  roirfhcb,  ben 
©ott  unb  ben  9Jcenfd)en,  mäfjrenb  bie  ©egner  tbeber  ©ott  nocb,  Genfer;,  fonbern  nur  em 
monstrum  mit  ibjer  2)ialefti!  ju  ftanbe  bringen  (S3ul.  655.  656.  657).  SB.  ntmmt 
aud?  Slnfelms  ©atisfa!tionstb,eorie  in  ü)ren  ©runbjügen  an  (Sul.  659).  Serengars 
2lbenbma^Isleb,re,  aber  aueb,  jebe  3lnfcb,auung,  bie  es  ju  umgeben  berfuebj,  baß  e^mh  50 
Seib  mit  §änben  unb  3äb,nen  ergriffen  merbe,  iüirb  megen  be§  „hoc  est  corpus 
meum"  berbammt  (33ul.  647.  648).  Slucb,  bie  fünblofe  ©eburt  ber  3)carta  totrb  gelehrt 
unter  Berufung  auf  bie  geier  ifyres  ©eburtsfeftes  unb  auf  Stnfelm  unb  Sernbarb, 
bie  aber  in  2öirflid)leit  biefe  Seb,re  nict)t  bertreten  b.aben  (oben  Sb  XII,  322); 
b,öb,nifd)  mirb  babei  nescio  quis  Ioannes  Damascenus  abgemiefen  (33ul.  648  f.).  —  &ß 
SHber  mebr  nocb  als  an  ben  einzelnen  Seigren  liegt  SB.  an  ber  ©runbanfcb,auung.  irr 
tottt  nichts  rotffen  bon  ^Uofo^^te  unb  ©ialeltif,  fie  flammen  bom  2cufel_  unb  fubren 
ju  ib.m.  X>ie  miffenfdjaftlicben  %t)?oloa,m  fiebt  er  uno  aristotelico  spiritu  afflatos, 
dum  ineffabilia  sanetae  trinitatis  et  incarnationis  scolastica  levitate  traetarent, 
multas    haereses  olim  vomuisse  et  adhuc  errores    pullulare   (Senifle  406).     Gr  60 


844  Sßalter  tum  <©t.  SStltor  2Saltf)er,  gerb. 

meint  bon  ifynen:  quodlibet  dicunt,  non  iam  dialectici ,  sed  haeretici  proprio 
iudicio  condemnantur,  nos  tarnen  illorum  atomos  (SBilljelm  bon  @onri;e<§)  et  regulas 
philosophorum  et  quid  et  aliquid  et  cetera  huiusmodi  ridicula  contemnimus 
et  excommunicamus  (23ul.  659).  2Bte  #ugo,  bon  beffen  geiftiger  Greift  28.  im 
5  übrigen  nid}t§  fyat,  mill  er  alle  Probleme  burd;  bie  Blofee  „Autorität"  entleiben. 

20.  ift  ein  Drtfyobor.er  ber  unangenefymften  ©attung:  recr;tr)aberifcb,  unb  fyöfynifcl;, 
aber  ob,ne  jebe§  tiefere  2Serftänbni§  feiner  ©egner,  unfolib  in  feiner  Strbett,  aber  gum 
„aSerbammen"  jebergeit  bereit,  aufgeregt  unb  leibenfc^aftltct),  aber  unfähig  unb  unllar.  ©o 
fann  er  feinen  ©egnern  btemeilen  ba§  ©egenteil  beffen  jufd^reiben,  ma§  fie  meinen  (33eifbiele 

10  bei  ®entfle  416),  ober  bie  gang  unabälarbifcb,  gebaute  ©djrift  Sententiae  divinitatis 
(über  biefe  f.  ©enifle  ©.  407  ff.)  in  bem  2.  SBucb,  feines  2Berfe§  als  Eigentum  3tbälarb§ 
aufreiben,  ober  Slnfelm  unb  Sernfyarb  in  irrefüfyrenber  2Öeife  bertoenben  (f.  oben). 
23or  allem  aber  geigt  er  feine  geiftige  Inferiorität  barin,  bafj  er  ber  großen  getfttgen  33e= 
megung   feiner  geit  objte  jebe§  3Serftänbni§  gegenüberftefyt  unb  für  feine  alte  Geologie 

15  nieftf  biel  meb,r  al§  ©brücke  ber  Später  angufüfyren  meiß.  20.  gehört  gu  jenen  ©eiftern, 
bie  an  ber  alten  Sefjre  bor  allem  ba3  Pumbe  unb  Äraffe  embfinben.  9Jian  muß  ©erfyoI)3 
2Ber!  De  investigatione  Antichristi,  ba§  biefelben  Stenbengen  tote  20.  »erfolgt,  mit  bem 
2Berf  be§  teueren  Dergleichen,  ober  fieb,  aueb,  ber  arbeiten  be<§  ^Bütorinerö  §ugo  erinnern,  um 
bie  ©a)ranlen  2Ö.3  gu  ernennen.  $Die  2lrt,  toie  SB.  feine  ©aa)e  fü^rt,  geigt,  baß  fie  berloren  mar. 

20  ifi.  ©eeöerg. 

28altl)er,  gerbt  nanb,geft.  1887. —  Sitteratur:  9lußer  ben  im  9lrtifel  genannten 
©Triften  Sßaltfcerä  „Suttieraner",  „Set^re  unb  23ef)re"  Dr.  S.  g.  SB.  SBaltfjer,  Sebenäbilb,  entworfen 
öon  SKarttn  ©untrer,  ©t.  Sout§,  9Jio.  2ut£>erifcf)er  Soncorbta=33ertag  1890.  Sie  ©efct)ic£»te  ber 
@u.4utlj.  2Kiffouri=@rmobe  in  üftotbatnerifa  unb   ifjrer  £et)rtcimbfe    üon   ber   fäd)fijcf)en  9lu§r 

25  wonberunci  im  galjre  1838  an  6i§  jum  ^ai)xt  1884  bargefteüt  üon  ©fjr.  §od)ftetter-®re§ben. 
^einrieb,  Naumann,  1885.  SSBUtjelm  2i5f)e§  Seben.  9tu§  feinem  fdtjriftüd)en  9?ad)(afj  p= 
fammengefteKt.  Srttter  23anb.  ©üterSlot)  S.  S3ertel§mann  1892.  Kummer,  ©tepban  unb  bie 
©tebljainften.  SIrttfel  in  ber  ^erjogfeben  D?eaIertct)(Iopäbie,  erfte  9luff.,  33b  XV,  ©.41—61; 
berf.,  Sutt)ertfcf)e  f  trtfie  in  Worbamertfa,  $9t®2,  2.  9LufI.,  93b  XVIII,  @.  687—696. 

30  $arl  gerbinanb  SBtlljelm  Sßaltljer,  Dr.  theol.,  al§  ©rünber  unb  Seiter  ber  ©tmobe 
bon  5Riffouri  eine  ber  fyerborragenbften  ©eftalten  ber  Sutb,erifd;en  $trcr)e  in  ÜJiorbamerita, 
ftammte  au§  einem  rechten  ^aftorengefdjlecljt.  Urgroßbater,  ©roßbater  unb  3Sater  toaren  alle  ge= 
achtete  lutb, erifcb,e  ^ßaftoren  geroefen.  ©rmar  geboren  am  25.  Oftober  1811  in  Sangenctjur^ 
borf  bei  ÜJBalbenburg,  gürftentum  ©cf)önburg=2ßalbenburg,  Äönigreicb,  ©acljfen.    ©ein  um 

35  bie  §eranbilbung  feiner  $inber  treu  beforgter  Sßater  gab  ifym  eine  fe^r  ftrenge  ©rgiefyung. 
^m  %afyx  1819  trat  er  in  bie  ©tabtfcfmle  ju  §ob,enftein  bei  Sf)emni§  ein,  gioei  I^afyre 
fbäter  in  ba§  ©tjmnafium  gu  ©cl;neeberg  im  ©rjgebirge.  ©eine  Haltung  al§  ©^mnaftal= 
fcfjüler  mar  eine  fo  mufterljafte,  bafe  er  bei  feinem  2lbgang  auf  bie  Uniberfität  ben  afa= 
bemifcl;en  Sehern  alö  „mürbig  unb  bebürftig"  auf§  bringenbfte  embfofylen  mürbe.  %xo§  ber 

40  rationaliftifcfyen  Umgebung  unb  ©inflüffe  feiner  ^ugenbgeit  mar  ib,m  bod^  naef;  feinem 
eigenen  geugniä  ber  „^tftorifd§e  ©laube"  aUejeit  geblieben  unb  „begleitete  i^n  al§  ein 
ßngel  ©otteö  burct;3  Seben". 

©eine  urfbrünglid)e  3lbfid)t  mar,  ntdjt  2;b,eologie  gu  ftubieren,  fonbern  fiel;  gang  ber 
SDiufif  gu  mibmen.    ^n  bie  33iograbb]ie  öon  ©untrer  finb  einige  5!ombofitionen  bon  ib^m 

45  aufgenommen,  bie  ben  cfyarafteriftifcr;  meinen,  faft  fentimentalen  SLon  ber  §aHefc^en  Sieber 
(greilingl>aufen)  anfragen.  @rft  buref)  bie  Seitüre  ber  Dberlinbiograblne  bon  ©djubert 
tourbe  fein  ©ntfcfylujs  beftimmt,  fief;  bem  Pfarramt  gu  mibmen.  2luf  ber  Uniberfität 
Seibgig,  bie  er  im  ^afyr  1829  begog,  mu^te  er  fiel;  feb,r  fümmerlicb,  burcb.fcb.Iagen.  @in 
SEfyaler  ber  2öocf)e  mar  aHe§,  roa§  if)m  fein  SSater  gum  ©tubium  gufommen  laffen  fonnte. 

so  Sänge  geit  mar  er  nicb,t  einmal  im  ftanbe,  fieb,  eine  Sibel  angufcb.affen.  Unter  feinen 
^ßrofefforen  bertrat  befonber§  2lug.  §ab,n,  befannt  buref)  feine  fcf;arf  antirationaIiftifcf;e 
§abiIitierung§biffertation,  eine  bofttibe  ©lauben^ricl;tung.  ©er  junge  3öaltb,er  fd^Iofe  fiel; 
an  einen  £rei§  gläubiger  ©tubenten  an  (barunter  fein  Sruber  Dtto  ^ermann  2öaltf)er, 
3>.  %.  Jünger,  33rob,m,  gürbringer),  bie  regelmäßige  ©rbauungsftunben  miteinanber  gelten, 

55  bie  ©Triften  bon  Qo^.  2trnbt,  granefe,  ©bener  unb  ©cb,abe  gufammen  lafen,  babei  me^r 
ein  „gefe^Iid;=büfteres"  afö  ein  „ebangelifct;=fröb,licb/e§'/  eb,riftentum  bflegten  unb  in  faft 
metb;obiftifcf;er  Söeife  auf  bie  @rfa^rung  ber  fcf>merften  Sufefämbfe  unb  ©efe|e§fa)rec!en 
brangen.  2lucl;  2öaltb,er  ging  bamals  bura)  heftige  innere  Äämbfe  unb  Anfechtungen,  in 
benen    er  fdjliejjttcty    bei  bem    ^ßaftor   ber  böb,mifc^en    ©emeinbe    in   ®re§ben,  Martin 

eo  ©tebb,an  folgen  ^roft  unb  ©tärlung  fanb,   baß  e3  t^m  nacb,  ©urd^lefung  feinet  33riefe§ 


Söoltljer,  Jerb.  845 

War,  „als  fei  er  blbpcfy  auS  ber  §öHe  in  ben  §immel  berfe^t".  ©eine  ©tubien  Würben 
burd;  eine  ernftli^e  ^ranf^eit  fecfyS  3Jconate  lang  (1831—1832)  unterbrochen.  ®ie  un= 
freiwillige  3Rufejeit  berWenbete  er  auf  bie  Seftüre  Don  SutI)erS  ©Triften.  Sin  Dftern  1833 
abfolbierte  er  bie  Uniberfttät  unb  beftanb  im  ©ebtember  beSfelben  5$af)reS  fein  ©rarnen 
pro  licentia  concionandi.  ©er  bamalige  23eI;enntniSftanb  ber  fäcfyfifdfyen  2anbesitrd)e  machte  5 
ib>n  große  Seoenfen  ^mftdjtftd)  feines  Eintritts  inS  regelmäßige  Pfarramt.  2Bar  bod)  eben 
ju  ber  $eit  allen  ©rnfteS  ber  Slntrag  gefteHt  toorben,  ein  geiftltcfyeS  SMegtum  ein^ufe^en, 
baS  baS  SDogma  ber  fünftigen  fäcfyfifctjen  $?ircb>  entwerfen  füllte,  „wie  eS  bei  ben  ©e= 
bilbeten  beS  SßolfeS  ben  meiften  ©ingang  finben  bürfte"  SSon  Dftern  1834  bis  ÜJZobember 
1836  befleibete  er  eine  £>auSleI?rerftelle  bei  bem  3fat  griebemann  gö^er  m  ga^  ymm:  10 
bürg.  üftacfybem  er  fein  gWeiteS  ©ramen  beftanben,  Würbe  er  bon  bem  frommen  ©rafen 
bon  ©infiebel  an  bie  $atronatSbfarrei  93räunSborf  berufen,  Wo  er  am  ^Weiten  ©btbb,anien= 
fonntag  1837  orbiniert  Würbe.  Sie  Erfahrungen,  bie  er  in  biefem  feinem  erften  $ßfarr= 
amt  machen  mußte,  führten  ü;n  fcfjon  im  folgenben  ^afyre  baljrin,  fein  2lmt  nieberjulegen 
unb  ftd)  ber  SluSWanberungSgefeUfcljaft  beS  $aftorS  ©te^an  anjufcfyließen.  ®er  ©tanb  beS  15 
©IjriftentumS  in  feiner  ©emeinbe  machte  ben  trübften  unb  betorimierenbften  ©tnbrucf  auf  ifyn. 
„©in  eigentlich  geiftlicfyeS  Seben"  fcbjieb  er  an  ben  ^patronatSb/errn,  „ift  Wob/l  in  feinem  ©liebe 
berfelben  borb/anben"  ©eine  geWiffenb/aften  23emül;ungen,  baS  geiftlict/e  Seben  gu  l)eben, 
fließen  auf  heftigen  2Biberftanb  bon  feiten  ber  33efyörben,  berWicfelten  il)n  in  wiebert)olte 
Äonflifte  unb  gegen  ifym  mefyrfacl;  Stügen  unb  ©trafen  %u.  ©eine  33efcfjWerben  gegen  bie  20 
rationaliftifd)en  Slgenben,  ©efang=  unb  ©cljulbüd)er  fruchteten  nid)tS.  ^Dagegen  mürbe  irmx 
ber©ebraud)  ber  alten  StbfolutionSformel  unb  bie  Übung  ber  23eict;tanmelbung  unb  2lbenb= 
maf)Iljucf;t  aufs  ftrengfte  unterfagt. 

2lm  3.  JJobember  1838  fufyr  er  als  ©lieb  ber  ©tebfyanifttfdjen  2IuSWanberung  bon 
JSremerfyaben  auf  bem  ©djiffe  „^oljann  ©eorg"  naef)  -itteu=DrleanS  ab,  Wo  er  am  25 
5.  Januar  1839  antam.  Qm  $ebruar  traf  bie  etwa  800  ©eelen  §ät)Ienbe  2luSWanberer= 
gemeinbe  inSRiffouri  ein;  ein  ^etl  blieb  in  ©t.  SouiS,  bie  anbern  fiebelten  fiefy  in  ^ßerrt; 
(Sountr;,  9Jliffouri  an.  ©d)on  im  9Jiai  1839  fam  eS  jur  ©ntlarbung  bon  ©tebb^an,  ber 
bis  balnn  bie  ©emüter  feiner  Slnb^änger  in  unglaublicher  2Mfe  bezaubert  unb  gefriedeter 
blatte  unb  nun  wegen  feiner  ©ünben  gegen  baS  fecljfte  ©ebot,  berfcfywenberifcfyer  3Ser=  30 
untreuung  fremben  ©uteS  unb  falfctjer  £eb,re  abgefegt  unb  erjornmuniäiert  Würbe. 

©er  furchtbare  ©cfylag  erfcfyütterte  alle  beteiligten,  jumal  bie  ^ßaftoren  unb  Söaltb^er 
boran,  aufs  atlertieffie.  3lße  ©runbfäulen  fd)ienen  ju  Wanfen.  3Sor  ben  bekümmerten 
©eWiffen  ber  armen  £eute,  bie  Söfye  „bie  ebelften  hinter  unfrer  $ircb>  in  Jiorbamerifa" 
nennt,  tauften  fragen  auf  roie  biefe:  ,,©inb  unfre  ©emeinben  ct;riftlut£)erifc^e  ©emeinben?  35 
ober  finb  fie  Motten?  ©eften?  §aben  fie  Sftacfyt  gu  bocieren  unb  ju  bannen?  ©inb  mir 
^afioren  ober  md)t?  ©inb  unfere  3Sofationen  giltig?  §aben  mir  l)ier  !önnen  göttlich 
berufen  fein,  ba  mir  unfern  beutfcfyen  göttlichen  Seruf  berlaffen  l)aben  unb  naefy  unferem 
falfd()en  ©emiffen  babon  gelaufen  finb?  ©ollen  un<§  bie  ©emeinben  nicfyt  ie|t  abfegen,  ba 
fie  erft  je|t  mit  un§  einfetten,  meines  große  SlrgerniS  mir  gegeben  fyaben?  SOBäre  e§  nict;t  40 
beffer,  wenn  bie  ©emeinben  un§  menigftenS  entließen,  eine  Qtit  lang  fiel;  bloß  buret;  bie 
Übung  be§  geiftltd^en  ^3rieftertum§  ^u  erhalten  fugten  unb  bann  entmeber  bie  alten  ober 
neue  ^aftoren  fict)  erwählten?"  (Srief  aß3altt)erg  an  feinen  Sruber.  4.  -JJcai).  S)a  galt  eS 
Prüfung,  Klärung  unb  ©icb^tung  bis  gum  ©runbe  unb  2öaltt)er  bor  allen  ift  eS  ju  banfen, 
baß  baS  jerfcb,lagene  ^äuflein  auS  ber  ferneren  3lnfed)tung  fiegreic§,  erneuert  unb  geftäfylt  45 
l^erborging.  SDieS  gefc|al)  befonberS  bureb^  SßaltljerS  ©enbfcf;reiben,  ba§  in  ad)t  Seitfä^en 
bom  2Befen  ber  Äirc^e  gibfeite,  in  flarem  Umriß  fcf;on  feine  ganje  künftige  Sel)rftellung, 
befonberS  in  ben  Slrtileln  bon  Äircb^e  unbälmt  enthielt  unb  bei  ber  ©iSbutation  gu  3tlten= 
bürg  fiegreieb,  bon  ib^m  bertreten  mürbe  (Slbril  1841). 

^m  gebruar  beSfelben  ^a^reS  mürbe  2öalt£)er  an  bie  ©emeinbe  ^u  ©t.  SouiS,  5Rif=  so 
fouri  berufen,  als  9fkd)foIger  feines  im  Januar  beworbenen  SruberS  Dtto  Hermann  2ö. 
2lm  ^ubilatefonntag  ^telt  er  feine  SlntrittSbrebigt.  33iS  bie  ©emeinbe  tb,re  ©reieinigfeits= 
firebe  einmeiben  burfte  (35ej.  1842)  b>lt  fie  ib,re  ©otteSbienfte  in  ber  ©biffobalen  Christ 
Church  m  ©t.  SouiS.  ©uro)  feine  gewaltigen  ^ßrebigten  bon  tiefem,  reid)em  £eb;r= 
gebalt,  feine  treue  ©eelforge,  unb  ganj  befonberS  burd?  feinen  ©influß  in  ber  Seitung  ber  66 
©emei'nbeberfammlungen  unb  ber  Scljrbejbrecrmngen,  bie  babei  bie  ©eele  beS  ^ufammen-- 
feinS  bilbeten,  —  über  ^emata,  Wie:  Steckte  ber  ©emeinbe,  ^rebigtamt,  2}erbinbltcf)fett 
ber  .Üirdbenorbnungen,  ^atec£)iSmuS=©Eamina,  33rüberlid)e  Seftrafung  u.  bgl.  —  r)at  er  ftcr> 
eine  inteüigente,  Wob,I  gefeilte  Mrcb.engemcinbe  herangezogen,  bie  für  bie  ganje  3JJiffourt= 
f^nobe  borbilblicb;  geworben  ift.  <*o 


846  äöaltljer,  gerb. 

£jm  ©etotember  1844  begann  er  bte  Verausgabe  beS  „SutfyeranerS",  um  ein  unmifc 
berftänbltcfyeS  öffentliches  geugniS  Don  bem  abzulegen,  „maS  eigentlich  Sut^erifd^e  SUrße 
unb  maS  eigentlich  ifyre  Seigre  fei"'  ©ie  finanzielle  SSeranttoortung  "trug  borerft  feine  ©e* 
meinbe.  SDer  näßfte  ©cfyrttt,  ju  bem  „ber  £utl)eraner"  naturgemäß  ben  Söeg  bahnte, 
5  inbem  er  ein  (SinberftänbniS  unb  eine  Sammlung  gleich  ©eftnnte*  borbereitete,  toar  bte 
©rünbung  ber  SDWfourifbnobe.  5ftatt)bem  eine  Konferenz  ju  gort  SBabne  im  Qat)r  1846 
bie  einleitenben  ©dritte  getfyan,  mürbe  am  26.  2lbril  1847  in.  Chicago  bie  erfte  Äonben= 
tion  ber  SDeutfcfyen  @bangelifcb^£utl)erifßen  ©bnobe  bon  3ftiffouri  Dfyo  unb  anbern  ©taaten 
eröffnet.    2lu<$  fyter,  mie  bei   ber  ^onftituierung  ber  ©t.  SouiSgemeinbe,   offenbarte  ficb, 

10  SSalttyerS  aufjerorbentlißeS  organifatorifßeS  Talent,  aber  aucb,  bie  ©ebulb  unb  2ßeiSb>t, 
momit  er  unter  bem  5?reugfeuer  einer  fßarfen  ^ritif  bie  Sebenlen  feiner  eignen  ©emeinbe 
gu  überminben  berftanb,  bie  in  ber  ©rünbung  eines  ©imobalförberS  fyierarcfiifcfye  ©elüften 
unb  ©efabjen  witterte.  ®ie  ©bnobe  übernahm  bie  Sefyranftalt  ^u  Slltenburg  unb  befßlojj 
im  ^afyr  1849  fte  nacb,  ©t.  SouiS  ju  »erlegen.    SDieS  führte  felbftberftänblicb,  bagu,    bajj 

i5aBaltb,er  gum  leitenben  Sßrofeffor  beS  ttyeologifßen  ©emmarS  erteilt  tourbe.  ©eine 
©emeinbe  broteftierte  erft  mit  allem  @rnft  bagegen,  gab  aber  bocb,  fcfyliepcb,  if>re  @in= 
mißigung  unter  ber  Sebingung,  bafj  er  breije^nmal  im  ^afyxt  brebigen,  ben  ©emeinbe= 
unb  33orftel>erberfammlungen  beitoo^nen,  unb  übertäubt  bie  Dberaufficfyt  über  bie  ©emeinbe 
führen  foHte. 

20  2tn  ber  ©rünbung  ber  ©bnobe  bon  9Jfiffouri  Ratten  fiß  bie  früher  mit  9Jlidngan 
unb  Db,io  berbunbenen  ©enblinge  SöfyeS  in  fo!dt)er  2ln§af)l  mitbeteiligt,  bajj  fte  anfangs 
in  ber  3Jie|?rgal>I  fia)  befanben,  mäfyrenb  ilmen  bie  fäc^fifdt)en  ^aftoren  an  tfyeologifcfjer 
©ßulung  unb  atabemifdjer  23ilbung  überlegen  maren.  Sölje  felbft  fyatte  feine  ©enblinge 
gum  2tnfc§luf}  an  bie  ©acfyfen  aufgeforbert,  obtoobj  er  in  ben  fragen  bon  5lircfje  unb2lmt 

25  ganj  anbern  2lnfßauunge_n  Ijmlbigte  als  2M%r.  gtoar  toar  er  meit  entfernt  bon  ben 
^oc^fird^ltd^en,  ja  fyierarßifßen  ©ebanfen,  bie  ©rabau,  ber  güfyrer  ber  breujjifcfyen  einge= 
manberten  £utl)eraner  bertrat,  mit  bem  2BaItI)er  fdmn  1850  in  Ijeifjen  Äambf  bertoiclelt 
mürbe.  2lber  er  bermifjte  in  ber  ©bnobalberfaffung  -UliffourtS  baS  ebiffobale  ©lement. 
S)ie  böllige  ©leidmrbnung  ber  ©emeinbebebutierten  mit  ben  ^ßaftoren  erfcfyien  if)tn  bebend 

30  licfy.  @r  fanb  fte  „bemolratifierenb  unb  ameritanifierenb"  @r  fab,  in  ber  bon  2ßaltb,er 
betretenen  2luffaffung  bon  $ird)e  unb  2lmt  nicfyt  eine  abgesoffene  ©bmbollefyre  beS 
Iutf>ertfßen  SßefenntniffeS,  fonbern  ein  £1) eologumenon,  über  baS  anerfannt  lutfyerifcfye  £efyrer 
berjßiebener  2lnfid)t  gemefen.  ©o  fd)rieb  er  benn  an  ©ifyler  (Dft.  1846):  „3$  ftfjätje 
bie  ©inigfeit  biet  fyöfjer  als  bie  2luSfüI)rung  meiner  liebften  ©ebanfen  in  biefer  ©ac§e.  @S 

3B  ift  mein  boUfter  @rnft,  bafj  bie  ©inigfeit  auf  ©runb  —  nicf)t  aller  2Sorte  Sutl>erS  (benn 
bie  föircfye  ift  iljm  nicb,t  in  allem  unb  jebem  gefolgt)  —  aber  auf  ©runb  ber  Slonforbia 
bon  1580  bie  §aubtfacb,e  fei.  SDeSroegen  entbinbe  vfy  aucb,  alle  meine  greunbe,  meiere 
gegen  bie  neue  ©bnobalberfaffung  einige  33ebenfen  tyaben,  hiermit  einer  jeben  magren  ober 
geglaubten  ^erbinblic^feit.       .  ©ie   fönnen  meines  SrmeffenS  mit  boller  ©eelenrufye  ber 

40  ©bnobe  beitreten,  unb,  märe  id)  brüben,  id)  mürbe  aucb,  beitreten" 

Slber  bie  2eb,rbifferenj  jtoifcb,en  2Baltb^er  unb  Söfye  beftanb  fort.  Unter  bem  getoal= 
tigen  ©inbrud  bon  2BaItb,erS  ^erfönlicb,feit  unb  feft  gefcfyloffener  £eb,rftellung  mürben  biele 
ber  Sollen  ©enblinge  aUmätjltc^  ifyrem  geiftlid)en  3Sater  entfrembet.  Wiaxx  füllte,  eS 
mu^te  ettoaS  gejcb,el)en,  um  mo  irgenb  möglich  ju  einem  ©inberftänbniS  ju  lommen,  maS 

45  auf  bem  SSege  brieflicher  ^orrefbonbenj  ficb,  nicb,t  erzielen  lie|.  ©o  entfebjofe  fid^)  bie 
5Dftffouri^nobe,  ib,re  b,erborragenbften  Männer,  2öaltb,er  unb  Sßbnefen,  als  Delegaten  nacb, 
©eutfcb,lanb  ju  fenben,  um  „aßeS  abjumenben,  bafe  feine  Trennung  gefcb,e^e",  unb  um 
2öb;e,  „ben  alten  treuften  greunb  ber  lutb,erifcb,en  Äircb,e  3RorbamerifaS,  ben  berebteften  $ür= 
bitter  berfelben"  mit  ©otteS  §ilfe  mieber  ju  gewinnen  unb  jugleicb,  mit  ben  begebenen 

so  lut^erifdjen  Greifen  ©eutfc^lanbS  innigere  Serbinbungen  anplnübfen  (1851).  Söb^e  mar 
für  bie  ©enbung  ber  griebenSboten  bon  §erjen  bantbar.  ,,^n  ber  %^ai",  fcb,reibt  er 
barüber,  „ein  (»eiliger  unb  ebler  ©inn,  ber  lutb,erifcb,en  5^trct>e  mert,  ein  33emeiS,  bafe  ber 
redete  ©ott  ju  ßion  ift.  SBo  man  bei  borfyanbenen  ^Differenzen  nid)t  boneinanber  fliegt, 
fonbern  jueinanber  eilt,  ficb,  gegen  ben  ©atan,  ber  pfeift  anfaßt  unb  ben  angefaßten  ^u 

55  einem  mächtigen  brennenben  geuer  maßen  miH,  babureb,  meb,rt,  bafe  man  bie  Srüberfycmbe 
fefter  ineinanber  fdjlägt,  —  mo  man  ficb,  nißt  ©tröme,  Söälber  unb  ^rärien,  nid)t  ben 
D^ean  b,inbern  läfst  in  folßem  %$m;  ba  ftoridjt  gefuS  ©egen  unb  griebe.  @r  ftiftet 
^rieben  im  §erjen,  el)e  noeb,  baS  5BerftänbniS  unb  (SrlenntniS  einträchtig  gemorben  ift, 
—  unb  hiermit  ift  faft  baS  SSefte  fdmn  gefcb,eb,en" 

eo         ^n  ©eutfßlanb  befudjten  bie  Delegaten   aße  b,erborragenben  Geologen  ber  luße= 


2SaItf)er,  gerb.  847 

rifcr)en  Kird;e,  tüte  §ofmann,  $£I;omafiu§,  $öfling,  ©djmib,  ©uertfe,  £>arle&,  Kannte 
unb  ©eli^fd;.  2BaIt|er  f>ielt  ftd;  befonberS  in  (Srlangen  auf,  tt>o  er  nocb,  Material  für 
fein  Sud;  fammelte,  baS  er  im  Auftrag  ,ber  9Jttffourifr;nobe  gegen  ©rabau  unb  bie 
SSuffaloftjnobe  berfafete:  ©ie  ©timme  unferer  Kird;e  in  ber  grage  bon  &ird;e  unb  2Imt, 
beffen  fiebenter  Seitfaij  bornefymlid;  ba§  fyeilige  ^prebigtamt  befinierte,  aU  „bie  bon  ©ott  5 
burd;  bie  ©emeinbe  als  Qnfyaberin  be§  $rieftertum§  unb  aller  Kirctjengemalt  über  = 
tragene  ©emalt,  bie  Siedete  beS  geiftlid;en  Sßriefiertumg  in  öffentlichem  2tmte  bon  ©e= 
meinfdjaftgmegen  auszuüben" 

Qm  Dl  tober  1 851  traf  Söaltfjer  mit  £öb)e  zufammen   unb   e§  fanb   ein  SJleinung^ 
auslaufet)  ftatt.    Über  feine  berfönlicfyen  dinbrücfe  unb  ba§  9tefultat  ber  ftattgefyabten  Se==  10 
fbrect)ungen  t)at  ftd;  2Baltl;er  fet)r  eingeljenb  au3gefbrod;en.    %n  feinem  SlbfcbJebSbriefe  an 
Söfye  fagt  er:    „$$  fann  unb  mufj  3#nen  benennen,  baf$  bie  unfeligen  Vorurteile,  mit 
roeld;en  id;  nod;  $f;r  §au§  betrat,  bei  mir  gänglicr)  gefd>munben  finb,  bajj  id;  ein  berzlicfyeä 
Vertrauen  ju  $I;rer  lautern  Streue  gegen  unfere  geliebte  lutf;erifd;e  Kirdje  unb  bie  Ieben= 
bigfte  Überzeugung  Don  ber  ©inigfeit  im  ©eift  mit  tyinroeg  neljme.    9ftein  fyeifjefter  Sunfd;  15 
ift  nun,  bajj,  mo  e3  möglid;  wäre,  aud;  nod;  bie  tr>enn  aud;  nidjt  bebeutenben  Differenzen 
in  ber  ©ntmtdelung  ber  Seb^re,  meiere  etma  nod;  borfyanben  finb,  ftct)  burd;  ©otteS  ©nabe 
ausgleichen,  unb,  fo  ba§  nia;t  möglid;  ift,  biefelbigen  bod;  nie  bie  ©inigfeit  im  ©eifte . 
ftören  nod;  einen  2lnlafj  baju  geben  mögen,  bafj  baä  gemeinfame  treiben  be§  9Berfe§  be3 
§errn  trgenbmie  gefyinbert  werben  fönne.  .      %<$)  barf  ©ie  nidjt  erft  barum  bitten,  aUeS  20 
Zu  tlnm,  ma§  £#nen  3#r  ©eroiffen  nur  geftattet,  bamit  unfere  berroaifte  Kird;e  in2lmerifa 
fid;  fort  unb  fort  ber  innigften  ©emeinfdjaft  gerabe  mit  $#nen  ^or  aller  2öelt  rühmen 
fönne"     2lud;  im  „Sutfyeraner"  (1852  9k  20)   fbrid;t  2öaltb>  nod;   fel>r   fyoffnungSboH 
bon  bem  ©rgebnii  ber  Serfjanblungen.    @r  giebt  zu,  bafe  namentlich   in  ber  £ef)re  bon 
ber  Drbination  fid;  bis  jetjt  nod;  unüberminblid;e  ^Differenzen  gegeigt.   Slber,  fagt  er,  „bie  25 
borfyanbene  Differenz  fonnten  unb  burften  mir  beiberfeitS  für  lein  ^inbernis  anfeljen,  bafj 
mir  uns  nid;t  tro|  berfclben  bie  Sruberfyanb  reiben  unb  nod;  ferner  gemeinfdjaftlid;  baS 
2ßerf  beS  £erm  treiben  füllten",    ^m  fbäteren  Serlauf  ber  ©efd;id;te  l>aben   fid;  biefe 
frönen  grieben^gebanfen   unb  Hoffnungen   nid;t  bertoirflid;t.    ®ie   tiefere  unb  eigentlich 
!ird;entrennenbe  ^Differenz   lag  rooI)l  fd;on  §ier,   tbte  fbäter    bei   ber   bon  2öaltb^er   ber=  30 
tretenen  Seb^re  bon  ber  ©nabentoa^l  barin,  ba|   ein  geroiffer  £el)rtrobu§,    für   ben    fid; 
ja  freilid;   feb^r  getbid;tige    ©timmen  ber  b^erborragenbften    Se^rer,   jumeift  bon  Sutfyer 
felbft,  beibringen   liefen,   jur   fertig  abgefd;loffenen  ©^mbolleb^re   erhoben   mürbe,    beren 
SSertoerfung  bann  natürlid;  fonfequentermeife  gur  2luf^ebung  ber  ^ird;engemeinfd;aft  führen 
mufjte.  35 

lim  ben  ©emeinben  einen  juberläffigen  Sutb^ertejt  ber  1^1.  ©d;rift  gu  fid;ern,  grünbete 
2BaItl»er  im  $al;r  1853  bie  33ibelgefedfd;aft  ber  ©t.  Souifer  ©emeinbe,  beren  33orfi|er 
er  big  ju  feinem  £obe  getoefen,  unb  bie  im  ^af>r  1887  ib^r  roertbolleg  ©igentum  an  bie 
©rmobe  übertrug.  ©d;on  im  ^^re  1853  regte  er  bie  §erau§gabe  einer  tb^eoIogifd;en 
3Jlonat§fd;rift  an,  bie  aber  erft  gtoei  Qafyre  fbäter  unter  feiner  Siebaltion  a!3  „Seigre  unb  40 
2öet)re"  in§  Seben  trat,  tlm  bie  Vertreter  ber  berfd&iebenen  Iutt)erifct)en  5lird;engemein= 
ftt)aften  in  Slmerifa  einanber  näb^er  ju  bringen,  regte  Söaltb^er  im  9Sortoort  be§  Reiten 
^ab,rgangg  bon  „Sebje  unb  Söeb^re"  ben  ©ebanlen  freier  Konferenzen  an,  bie  bon  3eit 
Zu  3eit  gehalten  merben  foHten..  ©erabe  um  bie  ^eit,  ba  ber  güfyrer  be§  „amerifanifd;en 
SuttyertumS",  Dr.  ©.  ©.  ©djmucfer  bon  ©etti;sburg,  in  feiner  „Definite  Platform"  bie  46 
2lugöburgfd;e  ^onfeffion  einer  „9*ecenfion"  untertoarf,  bie  bie  roid;tigften  Iutf)erifd;en 
Unterfd;eibung§lel>ren  ausmerzen  foHte,  fanben  unter  2Baltf>erS  gü^rung  mehrere  freie  5bn= 
ferenzen  ftatt,  in  benen  biefe§  SBefenntniS  bon  Slrtüel  zu  2lttilel  burd;befbrod;en  rourbe, 
fo  zu  Golumbug,  D.  (1856),  Z"  ptfcSburgl;  (1857),  zu  ©lebelanb  (1859),  unb  311  gort 
2öat;ne  (1859),  mo  aber  SBaltb^er  burd;  Kranf^ett  am  Seifein  berfyinbert  mürbe.  Sei  ben  50 
hricpgen  Koßoquien,  bie  im  8ab>  1866  mit  ber  Suffalofi;nobe  unb  im  %afyv  1867  mit 
ber  ^otoafbnobe  gehalten  mürben,  mar  Sffialtfyer  ber  SSortfüb^rer  ber  2fttffourier.  ©a§ 
erftere  enbete  mit  einem  burcbjcblagenben  ©ieg  ber  bon  it;m  bertretenen  2lnfd;auungen.  ®a= 
gegen  lam  e§  in  ben  Serb^  anbiungen  mit  ben  ^omaem  auf  bem  Kolloquium  z«  5DiiImaufee 
ZU  feinem  23erftänbni<§.  ©egenftanb  ber  Sefbrea)ung  mar  bor  ädern  bie  Serbinblicfyfeit  55 
ber  ©t/mbole  gegenüber  ber  fog.  „Offenen  fragen".  9Jlan  einigte  fitt;  bafyin,  ba§  äße  in 
ben  ©bmbolen  enthaltenen  ©lauben§leb.ren,  aber  nid) t  bie  fog.  Probleme  fbmbolifd;=berbinb= 
lid;  feien.  2luf  bem  ©ebiet  ber  @€cb.atologie  beftanb  SBalt^er  barauf,  ba^  „ber  ^abft  ber 
2lntid;rift  ift",  unb  bafj,  mer  biefe  fiebere  nicb.t  glaubt,  nio)t  aU  £utf)eraner  gelten  fann. 
©agegen  legte  ^oma  «ßroteft  ein.  eo 


848  SBaltljer,  gerb.  SSalton  JBrton 

3n  ben  Sauren  1868  unb  1869  leitete  er  bie  Konferenzen  mit  ber  Dfyio=,  2SiSconfin= 
unb  QUinoiSftmobe,  bie  zur  Slnerfennung  ber  firdtficfyen  ©emeinfcfyaft  mit   tiefen  Körpern 
führte.    Qm  %afyv  1872   burfte  er  bei  ber  erften  33erfammlung  ber  ©imobalfonferenz, _i" 
ber   fid)    bie   mit  SKiffouri   übereinftimmenben  toeftlicfyen  Sutfyeraner   gufammengef4)lDfien' 
6  bie  ©rbffnungSprebigt  galten  unb  tourbe  jum  erften  Sßräfibenten  btefeS  größten  allgemeinen 
Körpers  ber  Iutlj)erifd)en  Kirche  in  üftorbamerifa  erraäbjt.  2lber  fcfyon  naä)  wenigen  Sa^ren 
mürbe  bie  (Sinigfeit  ber  ©imobalfonferenz  burd)  ben  ©treit  über  bie  ©nabenWafyl  geftört, 
ba  Söaltfyer  ben  „in  früherer  Qtit  gebulbeten  Reiten  SefyrtropuS",  ber  in  bem  „Intuitu 
Fidei"    ber  alten  SDogmatifer  repräsentiert   ift,   als   femipelagianifd)e  unb  rationaliftifd)e 
10  Qrrlebje   berWarf.    ®ie   grojje  9Äef)rja^I  ber  Sftiffourifbnobe   ift   aud)  in   biefem  Kampf 
ifyrem  alten  güljrer  unerfdjüiterlid)  treu  geblieben.    5Kur    einzelne   tüchtige  3Känner  traten 
au§.    2lber  in  ber  ©tmobatfonferenz  laut  eS  zum  33rud)e,  nadjbem  ein  SSerfud)  unter  ben 
gafultäten  ber  begebenen  tfyeologifdjen  ©eminare  eine  Einigung  zu  erzielen  (SKilWauiee 
1881)  fefylgef plagen  War.    Sie  ©imobe  bonCfyio  unb  bie  $RorWegifd)e  ©rmobe  berliefjen 
15  bie  ©Imobalfonferenz. 

«Jieben  feiner  umfaffenben  Sr/ätigfeit  auf  ber  Kanzel,  Wobei  er  feine  ^rebigten  immer 

auf§  minutiöfefte  aufarbeitete  unb  memorierte,  als  Sßaftor,  Sebafteur,  Seiter  bon  ®emeinbe= 

berfammlungen,  Konferenzen  unb  ©imoben,  ^rofeffor  am  tr/eologifdjien  ©eminar  ift  2öaltb,er 

aud)  nod)  als  ©d)riftfteHer  äujjerft  fruchtbar  getoefen,  Wobei  fein  §auptbeftreben  mar,  bie 

20  Don  tt/m  betretenen  ©runbanfdjauungen  in  flarfter,  licfytboHer  Söeife  ins  praftifcfye  Seben 

ber  Kirche  unb  it/rer  ©emeinben  einzuführen.    2Bir  nennen  unter  feinen  ^ßublifationen  als 

bie  Wid) tigften :  Sie  ©timme  unfrer  Kirche  in  ber  grage  bon  Kirche  unb  2Imt.  1852  unb 

fpäteren  Stuflagen.    Sie  rechte  ©eftalt  einer  bom  ©taat  unabhängigen  eö ang elif c^ = tut^ e = 

rifcfyen  DrtSgemeinbe,  1863.    amertfanifd)=2utr;erifcf)e  ^aftoral^^eologie  bom  ^afyr  1872 

25  (eine  3ufammenfteHung  ber  in  „Sefyre  unb2BeI)re"  bon  1865 — 1871  erfdnenenen  paftoraI= 

tb,eoIogtfd)en  2luffä|e);  eine  neue  Auflage  bon  SaierS  Compendium  Theologiae  Posi- 

tivae  1879  unb  tue  berfdnebenen  ^rebigtfammlungen :  3lmertfanifd)=2utb/erifd)e  6bangelien= 

«Poftiae,   1871.      2lmerifanifcb/=2ut^erif^e  @ptftel=$of"ße,  1882.     £utb/erifd;e  Srofamen, 

1876.    Kafual^rebigten  unb  Sieben   auS   jeinem  fcfyriftlidjen  ÜKacbJafj   gefammelt,  1889. 

30  2lnfprad)en  unb  ©ebete,  gefprod)en   in  ben  3Serfammlungen  ber  eb.=lutr).  ©efamtgemeinbe 

unb  ifyreS  33orftanbeS,  ©t.  SouiS  1888. 

«Ractj  längerem  ©ied)tum  ift  er  am  7,  9Kai  1887  imgrieben  entfcfytafen,  als  eben  bie 
allgemeine  ©rmobe  bon  9Jtiffouri  in  gort  SBabne  berfammelt  War.  2luS  allen  Seilen  ber 
lutr/erifäen  Kirche  in  ber  neuen  äi>elt  unb  in  ber  alten  ift  bei  feinem  Sobe  baS  £eugniS 
35erllungen:  ©in  ©rofeer  in  ^Srael  ift  gefallen.  „£>ie  9Riffourifbnobe  mit  ifyrer  gewaltigen 
Ausbreitung,  tf>ver  feftgefügten  Drganifation,  i£>rer  raftlofen  nrdjlicr/en  Xlmtigfeit  ift  im 
eminenten  ©inne  fein  2Serf,  ber  er  ben  ©tempel  feine«  ©eifteS  in  allen  ^Beziehungen 
aufgebrüdt  b,at  unb  in  ber  tfw  bie  Serwirflidmng  ber  ©ebanlen  feine«  SebenS  nod)  mit 
fernen  eigenen  2lugen  ju  fefyen  befa)ieben  fear,  ©ie  felbft  bjntoieberum,  bie  bon  i^m  ge= 
40  grünbete  ©t)nobe,  fab,  in  tym  if)re  2Rad}t  gleicf)fam  berförpert  unb  eS  bürften  nur  wenige 
gälte  fidb,  nad)toeifen  laffen,  in  benen  eine  b^erborragenbe  ^erfönlid)feit  einen  gleid;  tief 
gretfenben  unb  alles  beljerrfcfyenben  (Einfluß  ausgeübt  ^at"  (Kirdjenblatt  ber  gotoa^nobe, 
1.  Sunt  1887).  @r  war  in  ber  SLfwt  eine  @pod)e  macfjenbe  «ßerfönli^fett,  bon  beren 
äStrlen  für  bte  £uib,eraner  aßer  Söeltteite  mächtige  ^mpulfe  ausgingen.  „%%  beuge  mein 
45  graues  §aupt  in  ©emut  bor  if;m",  fagte  ber  qßräfibertt  ber  allgemeinen  Sutf>ertfd^en 
Konferenz,  Dr.  Kliefotf)  bon  it)m,  bei  ber  Serfammlung  in  Hamburg  1887.  ®aS 
fe^arafterbilb,  baS  Dr.  ©ü)ler  naa)  feiner  erften  Begegnung  mit  2Baltl>er  (1846)  bon  tym 
entmarf,  totrb  t)eute  nod;  in  aCem  2öefentlid)cn  aud^  bon  feinen  tfyeologifdjen  ©egnern  als 
rta)ttg  anerfannt  «erben:  „@in  «Kann,  ber  fcurd)  eine  ^ei^e  ©d^ule  nad>  innen  unb  aufeen 
so  gegangen,  burd)  anbäc^tigeS  unb  fleißiges  gorfd)en  in  ber  ty.  ©d^rift,  in  ben  ©djriften 
2utb,erS  unb  ber  folgenben  eblen  Se^rer  unfrer  Kirdie  aus  ben  Sanben  beS  ©tepbaniSmuS 
nad)  aUen  ©eiten  boHlommen  befreit,  auf  ben  gefunben  !ird)lid)en  ©tanbpunft  gelangt 
nttt  borzügltd^er  ©a)ärfe  beS  SerftanbeS  unb  praltifc^em  SKd,  Jotote  mit  ber  &aht  ber 
Rettung  ber  ©emeinbe  trefflid)  begabt,  burdjauS  lauter,  aufrichtig  unb  einfältig  in  feiner 
55  gefamten  ^erjenSgefinnung,  felbftberleugnenb  unb  aufopfernb,  roo  eS  bie  @b,re  be§  §errn 
unb  baS  §eil  ber  Kird)e  gilt,  feft  unb  flar  im  Selenntniffe  unb  beffen  praftifdjen  Konfe= 
quenjen,  Jüb,n  unb  fdjarf  toiber  mutwillige gälfd) er  ber  Söa^rb, eit,  gebulbig  unb  langmütig 
toiber  UnWiffenbe  unb  ^rrenbe"  Slbotyl)  <Bpätif. 

Baiton  «Btiott  f.  b.  21.  ^oltyglottenbibeln  33b  XV  ©.  532, si. 


2öamtt)o§  849 

38amttm8,9?eopf>r;toS  (Bd/ußag),  neugriecbjfcfyer  SEfyeolog,  geft.  1855.  —  Sitteratur: 
3.  SSenger,  SSeiträge  jur  Kenntnis  beö  gegenwärtigen  ©etfte§  unb  3»ftcin')e§  i)er  grtedufdjen 
Äirdje  in  ©riedjenlanb  unb  ber  Surfet),  93erlm  1839;  2t.  $.  2öreto§  (Bqetöq)  Nsoellrjvixrj 
<l>äoloyia  /isgog  B',  ?Üf)ett  1857,  <&.  242;  ®onftantitto§  Defonomo§,  rä  am'QofXEva  EK-.drjaia- 
ouxä  ovyyQafxaaxa  t6/^oq  B',  SU^en  1864,  <5.  48—50,  300—307,  383—388;  ©eorgio§  @uria§,  5 
Sftebe  auf  3B.  in  ber  navScbqa  rö/xog  IT.  ®.  9?.  ©atfja§,  NsosUrjvixt)  $doXoyla,  Sitten 
1868,  @.  728—730;  fü.  Nicolai,  ©efd)td)te  ber  neugrietf)ifd)en  Sitteratur,  Seidig  1876,  @.  128; 
91.  SiomebeS  ®t)riafo§,  ©efcf)td)te  ber  ortentaltfcfjett  firmen  üon  1453—1898,  üöerfe^t  «ort 
®.  Staufd),  Seidig  1902.  9lrtifel  über  neugried)iftf)e  a3ibelü6erfe|ungert  Sßb  III  @.  118; 
0efonomo§  93b  XIV,  @.  299;  $£)armaftbe§  SBb  XV,  @.  293.  10 

©ein  Seben  f?at  einen  einfachen  ©ang  gehabt,  ©eboren  in  ©^toä  erhielt  SB.  bort 
auä)  feinen  erften  Unterricht.  2Sie  fo  üiele  tüchtige  ©rieben  roirb  er  junäc^ft  3Jlönd^, 
wafyrfcfyeinlia)  in  tyatmo§,  teerte  bann  nac^  @b>S  jurücf,  roo  er  nun  bei  2ltl)anafioS 
^arioS,  ber  in^tüifd^en  ©ireftor  beS  bortigen  ©fymnafiumS  geroorben  mar  (33b  II,  ©.  205), 
fyöfyere  Silbung  empfing.  3Jiit  bieten  §öl>erftrebenben  geljt  er  nadj  $artS.  £>ort  gewann  15 
ßoraiS  beftimmenben  ©influß  auf  ib,n.  ©eine  ©tubien  maren  namentlich  auf  $l)itofopIjte 
unb  9Raturtoiffenfdjaften  gerietet.  Stuf  ©mpfebjung  bei  ßoratS  erhielt  er  1813  bie  2ln= 
ftellung  an  bem  ©fymnafium  ju  SfyioS,  toa^rf^einUa)  als  Stacfyfolger  beS  3ltlj>.  SßarioS,  ber 
1813  geftorben  mar.  21IS  ber  $reü)eitSfampf  auSbraa),  ftelltc  aui|  20.  ftdj  in  ben  SDienft 
bei  SBaterlanbeS.  ÜRamentltdj  tl)ot  er  SDienft  als  ©efretär  beS  gürften  SemetriuS  $pfU  20 
lantiS.  SDod)  roanbte  er  fic&,  fa)on  1828  feinem  Se^rberuf  roieber  ju.  @r  ift  bann  in 
torfu  an  ber  iomfdjien  3tfabemie  unb  1833  in  ©tyra  geroefen,  bis  er  1837  an  ber  neu= 
gegrünbeten  Unioerfttät  in  2Itb,en  als  ^rofeffor  SlnfteHung  fanb.  ®iefe  b,at  er  big  ju 
feinem  ^obe  innegehabt. 

20.  gehört  mit  DefonomoS  unb  $l)armafibeS  in  bie  Steige  ber  SRänner,  bie  nacb,  33e=  25 
enbigung  ber  greifyettStämpfe  an  bem  inneren  2tufbau  bon  §effa§  gearbeitet  fyaben,  baljer 
aucfy  in  bie  lebhaften  kämpfe  ber  Qa^re  1830—1860  toertoicfelt  finb;  $I)armaftbeS  unb 
SS.  bie  Vertreter  eine?  mefyr  ober  minber  gemäßigten  SiberaltSmuS  in  ©taat  unb  $irdj>e, 
DefonomoS  als  ber  Vertreter  ber  ^epriftination,  politifd)  gugleicfe,  geftüijt  burcb,  ben  ftarfen 
©nfluß  StußlanbS.  Ob  20.  am  @nbe  feines  £eben§  ftö§  auc^  für  9iußlanb  gewinnen  30 
ließ,  wie  33reto§  anbeutet,  möge  bafyingefteKt  bleiben.  9Jlan  t>at  bei  griec^ifc^en  ©C9rift= 
fteÖern  befonberS  mit  ^artei^olitiftt^er  Befangenheit  gu  rennen. 

3m  3lbenblanb  ift  ber  SQame  be§  255.  baburc^  belannter  geworben,    baß   er  in  bie 
kämpfe  ber  britifdjen  SibelgefeUfcftaft  um   ib,re  ©Eiftenj  in  ©riea)enlanb  öertoiöcelt   mar. 
@§  ift  be!annt,   baß   biefe  ©efeüfd^aft  im  2.  ga^rje^nt   be§  abgelaufenen  ^a^r^unbertS  35 
fio?)  bafür  entfa)ieb,  ba§  %%  of)ne  bie  Sfyofrttyfyen  ju  bruclen,  eine  ©ntfdjeibung,  bie  nic^t 
nur  in  ber  ort$obor.en  ^irtt^e,  fonbern  aucb,  in  lut|erifc^en  ©ebieten  ber  Verbreitung  ber 
Sibeln  jener  ©efeEfc^aft  biel  gefdjabet  ^at.  %üx  ba§  ©ebiet  ber  griecfyifcb,  rebenben  Drt£>o= 
bogen  foEte  ba§  21^  au§  bem  Urtext  überfe^t  tnerben  unb  jmar  in  bie  griecfyifcfye  S5olfe= 
frrac^e.    2ln  biefer  Arbeit  nun  mar  SB.   beteiligt  unb   gtoar  als  ©räjift.    ®er  engliföge  40 
$reSbi^ter  £eebe§  Vermittelte  bie  Übertragung  aus  bem  §ebräifcfyen.    3Bäb,renb  bie  2lrbeit 
bis  1833  nocf)  außerhalb  §ellaS,   nämlid)   in   bem  bamalS  englifc^en  ßorfu,  roo  ja  9S. 
angefteUt  mar,  il>ren  93Ia^  blatte,  trat  fie,  als  20.  naa)  ©r;ra  überfiebelte,  in  baS  ©ebiet  ber 
I)euenifc9en  ®irä>  ein.    Sn  ^^  S«^  l833  fäIIt  auc^  bie  Unabr/ängtgteitSerJlärung  ber 
bieHenifttjen  ^irc^ie.    2)er  §  11  iljreS  ©tatutS   oer^flic^tet  bie  ©rmobe  jum  9Bacb.en  über  45 
bie  reine  2el)re  unb  jum  ^am^f  gegen  ben  $rofelt)tiSmuS.   @s  b,ätte  an  baS  2öunber= 
bare  gegrenzt,   menn  unter  biefen  Umftänben  ficb,   nia)t  balb  ein  ©türm  erhoben  Ijätte 
gegen  baS  ©rfc^einen  einer  Überfe^ung  beS  21^,  bie  bie  Slutorität  ber  Janonifd^en  ©e^itua= 
ginta  untergrub  unb  burcb,  baS  geilen  ber  2fyofr$>b,en  ficb,  als  unooaftänbig  barfteEte.  3lußerbem 
lönnen  bie  ©rieben  in  ber  %fyat  mit  3le^t  fagen,  baß  Sibelüberfe|ungen  ins  33olISgried)ifd9  50 
für  fie  ein  ©efa)en!  fcon  jmeifel^aften  Söerte  finb.    ©ie  rooCen  baS  SBoH  ^um  3Serftänb= 
niS  ber  ©eptuaginta  unb  beS  %l%  im  Urtejt  ergießen,  mie  benn  bie  ganje  ÄuItuSfpradjte 
bie  Sibel  nur  in  biefer  gorm  citiert.  £>ie  Sibelüberfe^ungen  im  Vulgaren  ©riecbjfcb,  gießen 
bie  eble  ©^racpe  ber  Sibel  in  ein  9Jibeau,  baS  teineSroegS  für  ben  SluSbrudc  beS  religiöfen 
unb  fittlicben  SebenS  günftige  2luSftcb,  im  bietet.  @nblio)  mittern  bie  ©rieben  f>inter  aEen  ber=  55 
artigen  ©aben  ber  Slbenblänber  ^rofelvtenmac^erei.   ©ie  täufdjen  barin  ficb.  nicbt  immer. 
©0  begreift  eS  ficb,,  baß  fcfyon  balb  ber  auSbredjenbe  5?am^f  gegen  bie  1834  erfdjeinenbe 
neue  33ibelüberfe|ung,  bie  übrigens  fefyr  lesbar  ift,  fd^arfe  formen  annahm.     SDie  erfte 
abfäßige  Ärttif  erfcb,ien  in  Soter.  3B.  rechtfertigte  bie  2trbeit  in  ber  Athena  (Dd.  a.  a.  D. 
©   300).    ®ie  Drtb,  obo^en  grünbeten   fofort   ein  eigenes  Slatt  für  SSeiterfüfyrung  beS  60 
^am^feS  gegen  f amtlichen  abenblänbifcfyen  (Einfluß   auf   lircb, liefern  ©ebiet,   bie  be!annte 

»eoI=®ttc9Ho»)äbie  für  S&eotoBte  unb  mtä>t.    8.  81.  xx.  -^ 


850  SBamtoaS 

EvayyeXixr)  odXmyg~,  rebigiert  bon  bem  Söibncfje  ©ermanog,  bem  ©troljmann  be§  £)w°s 
momog.  3#re  SRebeWeife  erinnert  b,äuftg  an  bie  ber  £engftenbergtfd)en  ^ird^enäettung. 
3tuf  tyren  ßambfegruf  #n  Wanbte  ficb.  Bereite  im  ©ebtember  1834  bie  ©tmobe  an  we 
fjeHenifcfje  ©taatgregierung  jur  §ütberung  ber  SKifjftänbe  (Defon.  a.  a.  D.  301-—30&;. 
5  ©in  litterarif^er  ©tteit  gh>tfc^en  bem  Sßfeubonr/tnog  ^ofebb,  Sftifobemu  unb  bem  @nalaiü>« 
Seet>e§  (SBenger  a.  a.  D.  ©.  154—232)  fbielte  bie  ©ad&e  fd&on  ing  «ßerfönlt4>e  übet :  ut» 
30g  aller  Saugen  auf  ben  gtoift.  3Rit  SRed&t  »erbot  nun  bie  Regierung  bie  neuen  Über* 
jungen  für  ben  ©ebraucfy  in  ©cb,ule  unb  ßircfje  (2tbril  1835).  ©0  War  bte  ©ebtua* 
ginta  aucb,  Wieber  an  ifyren  Sßla|  gefegt.    £>ocb,  bag  genügte  ber  ortljoborm  gartet  ma)t. 

10  Son  Slnfang  an  tyatte  fie  ifyren  «ambf  gegen  bie  gefamte  broteftanttfcfye  Qnoafion  gertcpw. 
©em  giebt  fd&r  getieften  Slugbrucf  ber  Slnonbmug  Z.  JJ.  P.  in  feinem  offener t -W« 
an  II.  K.  M.  über  bag  £f>ema  Tig  6  vnoxEXQv^hog  oxonog  xcöv  eig  xrjv  ,^a ,?? 
IsganooroXcov  xrjg  ßißXixfjg  haigiag  xxX-  aug  S£arig  batiert  bom  3a$re  183J  ^ÜV® 
teiltoeife  bei  SBenger  ©.  252—265).    §ier  Wirb  SB.  als  §aubtüberfe£er  ber  ©nglanDer 

15  benunjiert,  ib^m  foWofyl  Wie  ben  SBibelgefeHfdjiaften  @igennu£  oorgeWorfen  ba^u  Wtro  ote 
©ebtuaginta  in  ©d)u§  genommen  gegen  eine  Überfe^ung,  bie  felbft  bor  Unätemucbfetten 
nid&t  zurücffdjeue  (3fafd?ar  Wirb  ©en  49,  14  alg  övog  dwarög  be^net,  ^ajrenb  toe 
©ebtuaginta  xb  xaXbv  biedvfirjaev  überfe|t).  ©egen  biefen  bogfyaften  Slngrtff  liefe  ms. 
feine  f  leine,  trefflich  t>erf afjte  ©trettfcfyrift  ergeben :  ^vvxojusg  ändvxrjöig  ngbg  xov  yno- 

20  xqvtixo/xevov  VTib  xov  Z.  II.  P.  naxsQa  xrjg  ngb  öXiyov  diado&eiorjg  ävaiaxvvtov 
smoxoXfjg  tzeqi  xov  x'ig  6  vjioxQivöjusvog  xxX,  Sitten  1836  (in  meinem  Seftfc,  beutfety 
bei  SBenger  ©.  266-278).  grei  unb  offen  befennt  ficb.  SB.  afö  Mitarbeiter  an  ber 
Überfe^ung,  bertetbigt  bann  bag  Unterneb,  mett  aug  religiöfen  unb  Wiffenfa)aftltd)en  ©runben 
unb  Weift  energifdj  auf  bie  furchtbaren  ÜJcifeftänbe   in   ber   ortt)oborm  ßircfye,  namentlich, 

25  auf  bie  Unbilbüng  beg  Äleruä  b>.  infolge  beffen  blatte  er  fid?  cor  ber  ©r,nobe :  ju  red^t= 
fertigen  für  feine  angeblichen  Angriffe  gegen  bie  ©eptuaginta.  ©eine  ©c^rift  Zvvxo/xog 
xxX  wie  aua)  eine  Dom  %at)xe  1839:  liegt  xrjg  veoeXXr/vixrjg  exxXrjoiag  Würben  bon 
ber  ©^nobe  gemipiUtgt.  ©oeb,  gelang  eg  biefer  nieb^t,  bie  ©taatäregierung  gegen  5B. 
jum  @info;reiten  ju  »eranlaffen.    2öie  feb^on  oben  bemerlt,  blatte  i^n  biefe  bielmebj  1837 

30  an  ber  Unioerfität  al§  ^ßrofeffor  angefteßt.  §atte  ber  ganje  ©treit  für  bie  33ibeIgefeE= 
feb^aft  fomit  feinen  günftigen  2lu§gang  gehabt,  fo  b,at  er  boa)  ba§  ©ute  bewirft,  ba^  ein 
regeres  ©tubium  ber  ©cf;rift  burd;  ib,n  angeregt  ift. 

2Tud?   auf  anberm  ©ebiete  ber  Geologie   fyat  SB.  (StnWirfung   gehabt.    SÄbgefe^en 
bort  feiner  ©cfyrift  um  bie  Qnfbtratton  ber  t)eiligen  ©Triften  (mir   unzugänglich)   feb^rieb 

35  er  ein  iv%eiQiöiov  xrjg  xov  Isqov  ä/ußcovog  Qr\xoQixr)g  1851.  2lm  befannteften  aber 
finb  feilte  2xoi%£Ta  rj&ixfjg  avvxayßhxa  vtieq  ryg  (piXojua-dovg  veoXalag,  juerft  er= 
fct)ienen  1818,  4.  Auflage,.  2ltt)en  1860  (in  meinem  93efi|).  2)a3  SBerf  ift  in  meb,rfacf;er 
Sejie^ung  intereffant.  @§  enthält  eine  DWigiongbfyilofoj^te  unb  (St^if  im  ©inne  ber 
2lufflärung.    (&$  enthält  aueb,  flammenben  SPatriotiömuö,   ber  fict)   hinter  bem  @t^ifct}en 

40  berbirgt.  Wlan  fann  Wob,!  annehmen,  ba§  bie  oxo%Eia  ben  £>eüenen  in  trübfter  Qt\t  auty 
mit  ben  nötigen  fittlicb,en  Stücf^alt  gegeben  t)aben.  9?acf;  ben  Sßrolegomenen  WiH  bie  ©tb, if 
Iet)ren,  näg  vä  xvßegvä  (si.  6  äv&Qamog)  xä  7iävx)j  avrov  xal  vu  xavovlCf]  xäg 
ngd^Eig  xov,  did  vd  bidyr]  xiuieog  xal  evdai/iurog  rrjv  nagovoav  ^corjv,  xal  va 
EXfj  iXmdag  äya&dg  jisqI  xfjg  fieXXovai]g   (©.  5).„    2Ilg    befonbere    @tf)ifer    alter    unb 

45  neuer  #eit  erftt)einen  ib,m  ^oroafter,  üonfuciuö,  2lfob,  ©ofrateS,  Spiaton,  2lriftoteIe§, 
SEljeob^raft,  ßteero,  ©eneca,  SplintuS  ber  jüngere,  ©giftet,  Spiutard?,  Ware  2turel.  SBon 
ben  neueren  erwähnt  er  S]3a3cal  unb  5Ralebrand)e.  'Sie  ©toifer  ftet)en  it)m  am  näcb,ften 
@r  fennt  jtoei  Xeile  ber  @tt)if,  einen  allgemeinen  unb  einen  fbejiellen.  3n  leichter  gorm 
ftellt  SB.  bei  jebem  Sßroblem  bie  entfcfyeibenbe  grage,  feine  ©rörterungen   finb   burc^Weg 

50  mufterb^aft  flar  gefd)rieben.  SBiele  SSeifbiele  auö  ber  $rap^  erläutern  ba<§  ©efagte.  Sei 
ben  etbjfcfyen  ^ßrinjibien  nennt  er  juerft  ©Ott,  ber  r)  jiQcbxrj  xal  dvEtjdQzrjxog  drjjuovg- 
yixr]  aixla  ndvzcov  xcöv  ovxojv,  7iavdya§og,  Tiavdyuog,  XQixrjg,  ddsxaoioog  xä>v 
Xoyix&v  avxov  xxia/udxoov  genannt  Wirb  (©.  27).  2tl§  jWeiteö  SPrinjib  erfeb^eint  bag 
©ewifjen  be3  3)ienfcb,en.   2luf  ©runb  be§  ©etoiffemS,  ba§  ft^  an  bem  SBillen  ©otteg  orien= 

55  tiert,  mufe  ber  ÖQ&bg  Xoyog  bie  §anblungen  be§  SKenfcb^en  beftimmen.  5Der  fbe^ieHe 
^£eil  enthält  eine  SPflicb^tenlelire,  ber  am  @nbe  bie  Sifte  ber  Verfehlungen  gegen  bie  $flic|ten, 
eine  Slrt  ©ünbenlel)re  entgegengeftellt  Wirb.  SB.  teilt  bie  Späten  ein  tn  folc&e  gegen 
©ott,  gegen  fid)  felbft  unb  gegen  bie  Menden  (©.  83).  Sie  Sßflicb,ten  gegen  ©ott  Werben 
mit  ben  SeWeifen  für  ba§  SDafein  ©otteg  eingeleitet.    £u  ben  «PfR^ten  gegen  ©ott,  bie 

60  in  äufcere  Wie  innere  verfallen,  gehört  aufy  bie  SßaterlanbSliebe,  bei  beren  ©arftellung  ber 


SBamtoaS  StcouiuS  851 

gange  ©tolg  beS  ©tiefen  ficb,  geigt  (85).  Sei  ben  «ßffid&ten  gegen  fic^  felbft  beginnt 
2B.  mit  ben  33eWeifen  für  bie  llnfterblicfyfeit  ber  ©eele.  Sie  Sefyre  bon  ben  «Pflichten 
gegen  bie  3flenfcf;en  nimmt  t^ren  2lu§gang  bon  ber  Se&re  über  bie  menfcbjtcfje  ©emein= 
fäaft.  §ter  tote  überall  biel  airiftoteltfc^eS.  SDann  Werben  bie  ^fltcbten  ber  einzelnen 
©tänbe  burd)gegangen.  SDen  9tetd)en  Wirb  namentlich  aucr,  ibje  aSer^fltrfjtung  gur  £ilfe  5 
in  ben  9cöten  beS  SkterlanbcS  borgeljalten.  ©ie  £eb,re  bon  ben  ©ünben  fd)liefet  mit  ber 
avehuoia,  ber  £offnunggIoftgfett  ober  23ergWeifIung,  aucb,  bier  nid)t  ofme  Slnfbieluug 
auf  bte  boltttfäen  3uftänbe  beS  SanbeS.  $tefe  groben  ergeben,  bafe  2B.  unter  ben 
entfern  beS  neuen  ©ried)enlanb§  jebenfaUS  feinen  %la%  beraubtet. 

©ie  ©Triften  be<§  SB.  auf  anberen  ©ebieten  finb  bei  <5atya$  bergeicbnet.  io 

$().  2Het)er. 

$tconttt§  ober  2r/contuS,  blühte  um  370—390.  —  g.  e.  SBurfitt,  The  Book  of 
Kules  of  Tyconius,  ßambribge  1894  (•=  Tests  and  Studies,  edited  bv  J.  Armitage  Robinson, 
vol.  III,  Nr.  1);  bunt)  biefe  fritifä)e  Ausgabe  tft  ber  Abbrucl  MSL  18,  <Bp.  15—66  weit 
überholt.— gerbhtanb  ^ibbecf,  ®onatu§  u.  AuguftimtS,  gfberfetb  1858,  ©.198—206;  «Martin  ^ 
©cfjang  (in  ^loan  oon  TOüIIerS  £anbbuc£)  ber  Haff.  AttertumSttnffenfcbaft  93b  VIII),  ©eftf).  b. 
röm.  üitteratur,  m'erter  Seil,  sjKüncfjen  1904,  ©.  350—353;  $.  ^aufeleiter,  SDie  Kommentare 
beS  S3ictorinuS,  SiconiuS  unb  £teronl)muS  gur  Abofalöbfe,  eine  Ittterargefct)tc£)tltcrje  Unter= 
fudiung,  3fSSS  VII,  1886,  @.  239—257;  berf.,  Sie  latetnifcbe  ApoMötofe  ber  alten  afrtfa= 
nifdjen  Ktrdie,  in  %$.  3atmS  gorfdmngen  gur  ©efd).  beS  neuteft.  K anonS  unb  ber  altfird)!.  20 
Sttteratur,  IV  Seil,  1891,  ©.1—224.—  ®en  einge^enbften  SSerfuct),  bie  tßeologifdje  @efamt= 
anfdjauung  beS  StcontuS  unb  feine  Seljre  oon  ber  Kirdje  ju  jetctjnen,  Ijat  Sraugott  §aljn  in 
ber  Schrift  unternommen:  £t)comuS=©tubien,  ein  Settrag  jur  Kird)en=  unb  ®ogmengefd)icfi,te 
beS  4.  gatjrtjunbertS,  Seipgtg  1900  (in  ben  oon  9f.  SSonmetfcb,  u.  0?.  ©eeberg  herausgegebenen 
©tubien  jur  ©efd)id)te  ber  Stbeologte  u.  ber  Ktrdje,  6.  33b,  2.  §eft).  Set  bem  nocb,  unfertigen  25 
©tanb  ber  Dtefonftruftion  beS  AporalnpfetommentarS  tft  bte  anregenbe  Arbeit  in  ben  ®etail* 
auSfütjrungen  bod)  nod)  »erfrüljt.  |>atm  fonnte  SB.  S3ouffet§  unveröffentlichte  Iritifcfie  llnter= 
fud}ungen  über  ben  £tconiuS=Kommentar  oertoerten;  ogt.  33ouffet3  Ausführungen  gur  ©e= 
fdjtdjte  ber  Auslegung  ber  Apofalttpfe  in  feinem  Kommentar  g.  Offenbarung  S"^anni§  (=  §. 
Aug.  mit).  SKenerS  frttifaVejeget.  Kommentar  über  ba§  9c£,  16.  Abt.,  6.  Aufl.),  ©ötttngen  30 
1906,  @.  56—60,  bagu  «ftacfjtrag  ©.  461  (Ser  Kommentar  be§  SicontuS)  unb  @.  65—72 
(®ie  9?ad)foIger  be§  SiconiuS).  —  ©S  bleibt  eine  loljnenbe  Aufgabe,  ben  ©puren  beS  ßin= 
ftuffeS  nad)äuget)en,  ben  StcontuS  auf  AuguftinuS  geübt  f)at.  „Sollte  nictjt  im  (Sinflufe  be§ 
SiconiuS  ber  ©d)lüffel  ju  fo  manchem  Eigentümlichen  im  Ktrcb,enbegriff  AuguftinS  liegen?" 
($abn  @.  116.)  35 

S£tcomu§,  ein  afrifantfdt)er  Sonatift  (bgl.  33b  IV  ©.  795,  i  7— 48),  tft  in  btefem2lr= 
tilel  al§  tfyeologtfcfyer  ©cfjrtftfteUer  gu  mürbtgen.  Sie  ©djhnertgtetten  beginnen  fc^on  bei 
ber  Schreibung  beg  S'cameng.  @g  finb  fyanbfdjrtftltd)  (bgl.  33urfitt  ©.  103)  bie  formen 
Xicontuö,  ^iconiug,  ^coniui,  S^coniuS,  Sic^Dniu§,  ^c^oniui  überliefert;  aße  mit 
SCuonafyme  ber  erften  geigen  eine  unberechtigte  2lnnä^erung  an  irgenb  ein  griccfjifcrjeg  3Sort.  40 
Überbieg  ift  SLtconiuS  bie  eingige  Schreibung,  bte  ficb,  ^anbfc^rtftlic^  fotool^l  in  ber  Über= 
lieferung  beg  Liber  regularum  alg  bei  2luguftinu§  unb  ^rimafiug  finbet.  3n  bie  Steige 
ber  firdjlicfyen  ©cb,riftfteEer  tft  er  nid)t  bon  §terbn^mu§,  in  beffen  ©cfyrtft  de  uiris  illu- 
stribus  er  fefy It,  fonbern  bon  bem  gortfetjer  be§  ^atalog§,  ©ennabiu§  bon  9J?affiIia  (um 
492),  eingefügt  toorben.  ©rtüirbbort  im  18.  ^abitel  gtbifc^en  3f{ufinu§  (geft.  410)  unb  ©ul=  45 
bictuö  ©eberu§  (geft.  nafy  420)  befyanbelt.  ©ennabiu§  fagt  bon  ib,m  (bgl.  bie  2Iu§gabe 
bon  6arI2«brec^t33ernouai,  gretburg  i.  93. 1895,  ©.  68  u.  69  unb  §abn  a.  a.D.  ©.  116): 
,,^iconiu§,  bon  ©eburt  ein  3lfrifaner,  mar  too^I  betr-anbert  in  ber  ^.©cb.rift,  in  ber  ©efcfyidb, te 
genügenb  unterrichtet,  tbie  übertäubt  nid^t  o^»ne  $unbe  ber  toeltlic^en  Söiffenfd) aften ;  babet 
war  er  in  Iird^Iidt)en  Angelegenheiten  boller  @tfer.  @r  frfjrieb  33üd)er  de  bello  intestino  unb  50 
expositiones  diuersarum  causarum,  in  benen  er  gur  33erteibtgung  ber  ©einigen  alter 
©rmoben  gebenlt.  2lu§  atte  bem  get)t  ^»erbor,  bafe  er  Sonattft  getoefen  ift.  @r  berfafjte 
auc^)  fieben  in  einem  93ucb,e  gufammengefa^te  Regeln  (ber  überlieferte  2er.t  giebt  irr* 
tümltd)  bie  3ab,l  octo  an)  gur  @rforfcb,ung  unb  Sluffinbung  beg  ©inne§  ber  ©Triften. 
@r  bat  audb,  bie  Offenbarung  be§  SobianneS  boaftänbig  ausgelegt,  mobei  er  nichts  in  ibr  55 
fleifcpcf/,  fonbern  alles  geiftlicb,  beutete.  ©0  b,at  er  in  biefer  SluSlegung  bebaubtet,  ba^ 
ber  Seib  ©tanbort  ber  ©ngel  fei  (angelicam  stationem  corpus  dixit  esse),  ©ie  Sin* 
nabme  eines  fünftigen  taufenbjälirigen  5Reicb.eS  ber  ©erecf)ten  auf  ber  @rbe  nad)  berSluf* 
ermectung  b,  at  er  befeitigt  (suspicionem  tulit  =  sustulit) ;  eS  fönne,  geigt  er,  übertäubt 
ntcbt  bon  einer  bereiten  fleifcb,licb. en  Slufertoecfung,  erft  ber  ©erecfyten,  bann  ber  Un=  60 
gerechten   gerebet  Werben,  fonbern  eS  gebe  nur  eine  einmalige  Slufertoedung  aller,  bei  ber 


852  StcomuS 

aucb.  bie  Stfifjgeburten  unb  ÜJlt^geftatteten  Wieber  erflehen  Serben,  bamit  nicbt§  bom 
menfcpd£)en  ©efcbiecbi,  aucb.  Wenn  e<§  mifjgeftaltet  War,  gu  ©runbe  gebe,  nac^bem  e§ 
einmal  in  feinem  Söefen  befeelt  War  (animatum  in  substantia).  @r  finbet  alfo  ben  tinter5 
fcbjeb  ber  gWei  2(uferWecfungen  barin,  bafj  bie  erfte,  bon  ber  bie  2tbofaft)bfe  aU  bon  ber 
5  SluferWecfung  ber  ©erecftfen  rebet,  je£t  im  2öad}§tum  ber  $irct)e  bor  fiel»  gebe,  tot>  bie 
burcfy  ben  ©lauben  ©erecfjtfertigten  bon  ber  SobeSgeftalt  i^rer  ©ünben  burcf;  bie  Saufe 
gumSDienfte  be§  ewigen  SebenS  erWeclt  Werben;  unter  ber  gWeiten  2luferWecfung  aber  t»cr= 
fteljt  er  gang  allgemein  bie  2Iufertoecfung  aHe§  menfcbjidjen  gleifcbeg.  tiefer  9Kann  bat 
gleia)geitig  mit  StufinuS  geblüht  unter  ber  Regierung  be§  Sbeobofiug  unb  feiner  ©öbne." 

io2tl3  ©renge  feines  SebenS  erfcfietnt  bamit  etwa  baS  ^af)x  410;  bie  litterarifcbe  SBetbätU 
gung  fc^eint  in  bie  3eit  bon  370  big  390  berlegt  Werben  gu  muffen  (bgl.  §aljm  a.  a.  D. 
©.  5  unb  6).  33on  ben  fbäteren  ^ortfe^ern  be§  ©ennabiuS  l?at  §onoriu§  bon  2Iutun 
(de  scriptoribus  ecclesiasticis  lib.  II  cap.  18)  nur  einen  2lusgug  auS  ©ennabiui 
geliefert;    ^o^ann  Sritb,emiu3  aber  (1462  bis  1516)    giebt  ein  erweitertes  23ergeict)mS 

15  ber  ©Triften  beS  SiconiuS,  inbem  er  bon  bem  Söerf  de  bello  intestino  brei  Sudler 
aufgäbt  unb  epistolas  plures  ad  diuersos  et  alia  multa  gu  nennen  Weifs  (de  scrip- 
toribus ecclesiasticis  cap.  92,  bgl.  in  ber  Bibliotheca  ecclesiastica  beS  $o.  2llb. 
$abriciuS,  Hamburg  1718,  2.  Seil  ©.  81  unb  3.  Seil  ©.  27). 

33on  ben  ©Triften  beS  SiconiuS   ftebert  bie  mebrfacfj  I)artbfc^rtftltd^    überlieferten 

20  fte&en  f?ermeneutifcr;en  Regeln  im  beÜftert  Sicfyt;  fie  finb  überbieS  bon  2luguftin  am 
©cbjufj  beS  britteS  33ucljeS  de  doctrina  cbristiana  (III,  30—37,  »gl.  MSL  34, 
©b.  81—90)  auäfübrlicb  mitgeteilt  unb  einer  fritifcfyen  Sefbrectmng  untergogen  Worben. 
©aS  2lnfeb,en  2luguftinS  fieberte  ben  Regeln  eine  langanbauernbe  SiacfyWirfung  (bgl.  bie 
Angaben  SurftttS  p.  XVIII— XXIV);  nocb,  Seba  na&m  fie  in  ben  2SibmungSbrief  auf, 

25  ben  er  feiner  explanatio  apocalypsis  boranfteßte  (opera  ed.  Giles,  vol.  XII,  p.  338, 
Londini  1844  ober  MSL  93,  ©b.  130—132).  £>ie  erfte  Siegel  (de  domino  et 
corpore  eius)  fefct  auSeinanber,  Wie  man,  Wenn  §aubt  unb  Seib  ober  6briftu§  unb 
bie  ßircfye  unter  einer  ^ßerfon  borgefteßt  Werben,  mit  ©eWij$eit  beftimmen  fönne, 
Was  bon  bem  einen  ober  bon  ber  anbern  gefagt  fei.    ©o  ift  g.  53.  £)a  2,  35  unter  bem 

30  ©tein,  ber  baS  SBitb  ber  SSeltreictje  gerfctjlug,  gbjtftuS,  unter  bem  23erg,  gu  bem  er  Würbe, 
unb  ber  bie  gange  @rbe  ausfüllte,  bie  ©emeinbe  gu  berftefyen.  „SDenn  eS  ift  nicfit  fo,  Wie 
etliche  beraubten  gur  ©cf>macb,  beS  SietcfyeS  ©otieS  unb  beS  unüberWinblicfyen  (SrbeS  Cbjifti 
(Was  üb,  nicfjt  objte  ©cfymerg  fage),  bafj  ber  §err  bie  gange  2Mt  nur  burcb,  feine  Wlafyt 
unb  nid)t  burd^  bie  güHe  feines  £eibe§  in  33efi^   genommen   fyahe"     Tiefer  uniberfali= 

35  ftifd^e  ©ebanle  Wenbet  fidj  gegen  ben  engen  ^ircfyenbegriff  beS  bulgären  S)onati§mug.  ®ie 
g Weite  Siegel  banbelt  de  domini  corpore  bipertito,  b.  b,.  bon  bem  gWeifacb,  geteilten 
Seibe  be§  §errn,  ber  aug  einer  redeten  unb  linfen  ©eite  beftef)t.  SSenn  cS  im  §£  1,  5 
bon  ber  ©emeinbe  beifet:  $$  bin  fc^Warg  unb  lieblid?  (fusca  sum  et  decora),  fo  gelten 
beibe  ^ßräbilate  nicfyt  bon  ber  gefamten  ©emeinbe,  fonbern  ba§  erfte  bon  ib^rcr  linfen,  baS 

40  gWeite  bon  ibrer  redeten  ©eite.  2lber  and)  bie  Itnfe  ©eite  gebort  jum  Seib ;  non  possu- 
mus  dicere  tabernaculum  Cedar  praeter  ecclesiam  esse,  fieberen  ©ebanlen  be= 
ftritt  SluguftinuS;  ba3  gehöre  nid^t  gum  Seib  beS  §errn,  toaä  nid^t  in  @Wig!eit  mit  ib,m 
fem  Werbe.  SiconiuS  f ätte  alfo  fdb,reiben  foüen :  de  domini  corpore  vero  atque  per- 
mixto  ober  simulato,  ober  aud)  de  permixta  ecclesia.    £te  britte  Siegel  (de  pro- 

45  missis  et  lege)  befestigt  fieb,  mit  ber  Söfung  eines  bibIifcb,4b,eologifd)en  Problems.  3lk 
\)at  jemanb  au§  Werfen  beS  ©efe^eö  gerechtfertigt  Werben  fönnen.  SlnbererfeitS  b^at  e<3  nie 
an  folgen  gefegt,  bie  ba§  ©efe^  erfüßten  unb  gerechtfertigt  Würben.  SBie  bereinigen  fidb 
bte  betben  ©cb,riftauSfagen?  „©olange  femanb  im  gleifc^  ift  b.  b-  ben  ©eift  ©otteS 
ntctjt  bat,  berrfcfyt  über  ibn  ba§©efe|;  Wenn  er  fid?  aber  ber©nabe  übergeben  bat,  ftirbt 

60  er  bem  ©efe£,  unb  ber  ©eift  erfüüt  in  ib,m  ba§  ©efe|,  inbem  ba§  gleifcb  tot  ift,  baS 
bent  ©efe^  ©otte§  nicb,t  untertb,an  fein  lann"  (Surlitt  ©.  17, 6—10).  2tuguftin  berWeift 
auf  bie  Seb,anblung  be§  Problems  in  feinem  Sucfe.  de  spiritu  et  littera;  er  fcbjäqt 
baneben  ben  Xitel  bor  de  gratia  et  mandato.  @r  lobt  bie  atuäfü^rung  be§  Stconius 
b,alt  fie  aber  rttebt  für  bollftänbig,  ba  fie  bor  ber  3eit  ber  bureb.  bie  belagiamfdje  §ärefte 

55  gefd^ärften  2lufmer!fam!eit  auf  bie  ©nabe  ©otteS  gefcb.rieben  fei ;  man  bürfe,  Wenbet  er 
ein,  nidjt  fagen,  baf$  bie  SSerfe  Selo^nung  be§  ©laubenS  feien,  unb  feinen  gtoeifel 
barüber  laffen,  bafe  ber  ©laube  ©efd)enf  ©otte§  fei  (bgl.@bb,  6,  23).  SDie  bierte  Siegel 
(de  specie  et  genere)  bebanbelt  bie  ©ct;rtftaugfagen,  in  benen  ein  oft  Wenig  merflieber 
Uebergang  bon  ber  Slrt  gur  ©attung  ober   umgelegt  ftattfinbet.    Siamentlicb   bie  Sßei§= 

60  fagungen  ber  altteftamentlidjen  ^ßrobl)eten  baben,  Wie  Siconiug  geigt,  balb  einen  engeren 


£tcouui8  853 

balb  einen  Weiteren  §origont,  ber  bie  ©efcbJciOte  ber  Kirdjie  umfbannt,  unb  e§  gilt  bei 
ben  einzelnen  Söorten  genau  auf  ben  SSecfyfel  beS  ©efi$t§!reifeS  gu  achten,  ©te  2öeiS* 
fagung  @g  37,  11— 14  erfüllt  für;  je$t  fcfyon,  inbem  Wir  burcb.  bie  Saufe  auferftefyen, 
unb  nicfyt  erft  Bei  ber  legten  Sluferftejmng  beS  gleifdfjeS.  Stuf  beibe  Stuferftefmngen 
gielt  ba§  äöort  beS  §errn  3°  5,  24— 29;  bon  ber  erften,  geiftlicfyen  ift  bie  Siebe,  5 
Wenn  eS  f/eifjt:  Mortui  qui  audierint  uiuent,  bon  ber  gWeiten  mit  ben  Söorten: 
Omnes  qui  in  monumentis  sunt  exient.  ©ie  fünfte  Siegel  (de  tempori- 
bus)  Will  geigen,  tote  man  teils  burcf;  Seacfytung  beS  SrobuS  ©imefbocb>  teils  burcr; 
Serücfficfytigung  ber  formelhaften  $at)Un  (legitimi  numeri)  baS  mfyfttfcfye  SJlafj  ber 
geit  tn  ber  ©äjrift  finben  fann.  ®te  ©teile  9JU  12,  40  fe|t  bie  geü  gWifcben  10 
Sob  unb  SCuferfte^ung  3efu  auf  bxzi  Sage  unb  brei  3^äcr)te  feft.  Sei  biefer  33e= 
recfynung  tritt  ber  Seil  für  baS  ©ange  ein,  Wie  fonft  audf)  baS  ©ange  für  ben  'Seil, 
©ie  ©tunbe,  in  ber  ber  §err  begraben  mürbe,  fteijt  für  ben  gangen  Sag  mitfamt  ber 
borauSgef/enben  Stacht,  unb  ebenfo  bie  ©tunbe  ber  SlacbJ,  in  ber  er  auferftanb,  für  bie 
gange  Slacfyt  mit  ©infcbluf?  beS  folgenben  SageS.  ©agwifcfyen  liegt  ein  Dotier  Sag,  unb  15 
fo  fommen  brei  Sage  unb  %lää)U  berauS.  $u  oen  legitimi  numeri  gehören  bie 
ftablm  7,  10  unb  12,  bie  unb  beren  Duabrate  ober  germfacfye  entWeber  bie  Vollenbung 
ober  baS  ©ange  com  Seile  au§  ober  bie  einfädle  ©umme  begeicrmen.  3jn  2Ibf  9, 15  ftefyt 
©tunbe,  Sag  unb  SJlonat  je  im  ©inne  bon  %afjx  (=  31/«  %ai)ve).  dagegen  2tbr 11,  3 
bebeutet  ein  Sag  100  Sage  unb  ein  SJlonat  100  SJlonate;  e§  fyanbelt  ftcr)  bei  ben  20 
1260  Sagen  ober  42  SJlonaten  um  einen  geitraum  bon  350  Sauren.  ©ie  fecf)fte  Siegel 
fyanbelt  bon  ber  SBieberfyolung  (de  recapitulatione).  gn  mannigfacher  Söeife,  fo  fü^rt 
er  auS,  Wirb  ber  Sfnfc^ein  erWecft,  als  fyanble  e§  fta)  um  eine  gortfe§ung  ber  ©rgäfylung, 
Wäfyrenb  bie  ©rgafylung  auf  früher  Übergangenes  gurücHommt  ober  auc|  lünftige  2t^n= 
umleiten  anbeutet.  ©0  fagt  ber£>err9Jlt24, 15.  16:  SBenn  ifyr  fe^en  werbet,  WaS  gejagt  25 
ift  bura)  ben  $robr/eten  ©aniel,  bann  f  ollen  bie,  bie  in^ubäa  finb,  auf  bie  Serge  fliegen, 
unb  bann  füfyrt  er  baS  @nbe  ein  (25.  29  ff.).  2öaS  aber  ©aniel  gefagt  r/at,  gefdrieljt  je|t 
in  älfrüa,  unb  bod^  ift  nidjrt  gu  gleicher  ^eit  baS  @nbe  ba.  2tber  Weil  baS  künftige, 
Wenn  aucf;  nid^t  im  geitbunft,  fo  bod?  im  Beiden  beg  @nbeS  fte^t,  barum  r)at  er  „bann" 
(tunc)  gefagt,  baS  Reifet,  mann  über  ben  (SrbfreiS  t/in  in  är/nlicfyer  2ßeife  „ber  älbfaE  30 
unb  bie  Offenbarung  be§  SJlenfcb>n  ber  ©ünbe"  (2  Sfy  2,  3)  gu  Sage  tritt.  ©en  $rei§ 
fa)Iie|t  bie  fiebente  Siegel  ab,  beren  Überfctyrift  „00m  Seufel  unb  feinem  Serbe"  (de 
diabolo  et  corpore  eius)  an  bie  Überfct/rift  ber  erften  Siegel  erinnert.  $n  ät)nltd^er 
2öeife  mie  bort  in  33egug  auf  ben  §errn  unb  feinen  Selb  mirb  aud^  fyier  bie  Slottoenbig= 
leit  betont,  in  jebem  emgelnen  %aU  gu  prüfen,  ob  ba§,  roa§  miber  ben  Seufel  gefagt  ift,  35 
ib>  felbft  ober  ob  e§  feinem  Selbe  gilt.  2tn  einer  langen  3leib>  altteftamentlid^er  ^3ro= 
^etenfteÜen  Wirb  ber  für  bie  2Xu§Iegung  ergiebige  ©ebraudj»,  ben  man  bon  biefer  Siegel 
gu  matten  fyat,  aufgegeigt. 

©ine  praltifdjie  SlnWenbung  biefer  Siegeln  b>t  SiconiuS  in  feinem  Styotalr/pfefommens 
tar  geliefert.  Seba  (bgl.  MSL  93,  ©.  132—34)  cb^aralterifiert  irm  al§  eine  lebenbige,  ja  40 
rechtgläubig  latljolifc^e  2Xu§legung,  big  auf  bie  ©teilen,  in  benen  SiconiuS  ba§  ©a)i§ma 
feiner  Partei,  b.  I).  ber  ®onatiften,  gu  fc-erteibigen  ftcb^  bemüht  I»abe.  ®ie  Verfolgungen, 
bie  fie  al§  §äreti!er  öon  bem  religiöfen  ^aifer  SSalentinian  (bem  ©rften  373,  bgl.  in  biefem 
Sanbe  ©.  393, 40)  gu  erbulben  Ratten,  inbem  ib,re  ^irc^en  unb  ©emeinben,  §äufer  unb 
Sefi|ungen  ber  §anb  ber  ^atb^olüen  übergeben  unb  bie  $riefter  toerbannt  Würben,  beflage  45 
unb  beweine  er  unb  nenne  fie  SJlarttyrien,  unterlaffe  aber  nia)t  b,erborgur/eben,  ba^  fie 
eben  in  ber  SltoofaliWfe  gubor  geWeiSfagt  Werben  feien. 

®er  Kommentar  War  noch;  im  9.  $al)rf;unbert  in  ber  Älofterbibliotfyef  gu  ©t.  ©allen 
toorr/anben;  ber  ältefte  Katalog  nennt  unter  Sir.  242:  expositio  tichonii  donatistae 
in  apocalipsim  vol.  I  vetus  (bgl.  ©uftab  33ec!er,  Catalogi  bibliothecarum  antiqui,  50 
33onn  1885,  ©.  48).  2Bor;m  biefe  §anbfcf;rift  gelommen  ift,  ift  gur  ßeit  unbekannt. 
SJlan  ift  gur  Slefonftruftion  be§  Kommentars  auf  bie  arbeiten  fbäterer  2luSleger  an= 
geWiefen,  bie  ib,n  meb,r  ober  Weniger  auSgefdjrieben  l)aben ;  benn  lein  Kommentar  b,at  auf 
lange  Reit  ^inau§  bie  3Xu§Iegung  ber  Slbolalt^bfe  fo  fe^r  bel)errfcl)t  unb  fo  febr  bie S3ab;n 
ftreng  fbiritualiftifeper  ©eutung  feftgelegt  Wie  bie  Slrbeit  be§  SiconiuS.  @§  lommen  fol=  55 
genbe  Tutoren  unb  Auslegungen  in  Setracfit: 

1   ©er  in  fünf  Süctjer   geteilte  2lboIal^bfe!ommentar  beS  S3ifcf)of§  ^rimafiuS  bon 
§abrumetum  (MSL  68,  ©b.  793— 936);  über  fein  Verhältnis  gu  SiconiuS  bgl.  33b  XVI 

©     56,  8—46. 

2.  ©ine  teilweife  ©rgängung  bietet  ber  umfangreiche  Kommentar  beS  SlmbrofiuS  2lut=  60 


854  £icoitro§ 

bert  in  je$n  mä)ixn  (BM  XIII,  p.  403—657);  bgl.  33b  II  ©.  309,2—6.  33on  2Iw= 
brofiuä  2tut^ert  ftnb  SHIubt  (MSL  100,  ©b.  1086—1156)  unb  §aimo  bon  ßafterftabt 
(MSL  117,  ©b.  937—1220),  bon  legerem  toieber  bie  Glossa  ordinaria  beä  Sßalafrtb 
©trabo  (MSL  114,  ©b.  710—752)  abhängig. 
6  3.  SBeniger  2lu§beute  getoäb,ren  be§  ©affioboriuS  furje  complexiones  in  epistolas 
et  acta  apostolorum  et  apocalypsin  (bgl.  33b  III  ©.  750,37);  er  bertnetft  bie  eine 
bollftänbigere  33elebrung  toünfibenben  Sefer  auf  StconiuS  (bgl  MSL  70,  ©b.  1410  C  unb 
1411 B;  ber  2lbofaIbbfeIommentar  wirb  aufjerbem  nocb  ©b.  1122  B,  bie  libri  regula- 
rum  ©b.  18  A  unb  1122  D  ertoäbnt). 
10  4.  Söertboll  ift  33eba§  fa)on  ertoäbnte  explanatio  apocalypsis  (MSL  93,  ©b.  130 
bt§  206;  2lu3gabe  bon  ©ile3,  vol.  XII,  Londini  1844)  befonberä  baburcb,  bafj  an 
einer  3tetbe  Don  ©teilen  bie  Auslegung  be<§  £icomu§  unter  Slnfü^rung  feinet  Samens 
borgetragen  totrb;  man  gewinnt  fo  unanfe^tbare  ©tü^bunfte  für  Weitere  ©djlüffe. 

5.  $n  33etrad^)t  fommt  aucb  bie  Umarbeitung,  bte  §ieroni?mu<§  mit  bem  Kommentar 
15  be3  33ictorinu§  borgenommen  ^at,  bei  ber  er  einige  ©tütfe  bem  2:icomu§  entnabm ;   bgl. 

barüber  in  biefem  33anb  ©.  617, 21— 41. 

33on  mafjgebenber  33ebeutung  ftnb  aufjer  bem  $rimafiu3rommentar  unter  üftr.  1  bie 
nun  folgenben  Hummern  6 — 9): 

6.  Sie  bfeuboauguftinifcben  £omi!ien  jur  Slbofafybfe,  beren  2lbbrucf  bei  MSL  35, 
20  ©b.  2415—2452  ba§  33ebürfni§  einer  Iritifc^en  SluSgabe  beutlicb.  fyerbortreten  läjjt,  ftnb 

ein  mit  Slnleiben  au§  23ictorinu3  bermebrter  2tu§jug  au§  STiconiug,  unter  ^orreftur  beS 
bonatiftifcben  ©tanbbunfteS,  fo  bajj  3.  33.  bie  falsi  fratres  burcfyge^enb  in  haeretici  unb 
schismatici  bertoanbelt  werben. 

7.  $m  Spicilegium  Casinense  tom.  III,  pars  I  (typis  archicoenobii  Montis 
25  Casini  1897)  Werben  f.  261—331  Tyconii  Afri  fragmenta  commentarii  in  apocalipsim 

hactenus  deperditi  nunc  primum  ex  cod.  Taurinensi  F.  IV  I.  olim  Bobiensi 
N.  62  in  lucem  prolata  $u  ßab.  2, 18—4, 1  unb  ßab.  7,  10—12,  6  mitgeteilt.  SDie 
Hoffnung,  in  biefen  33rucbftü<Jen  ben  ed^ten  iejt  beS  SEiconiuS  gefd^enlt  ju  erhalten,  bat 
fid^  alg  ^infätttg  ertoiefen.  2lucb  biefer  iejt  bat  bie  §anb  eines  33earbeiterS  erfahren,  ber 
30  bie  auSgefbrocben  bonatiftifcben  ©tücfe  abgefcfytoäcbt  ober  ausgemerzt  fyat.  ©0  bewiesen 
nur  bie  Fragmente  in  banfenStoerter  SBeife  ba3  ÜJJlaterial  jur  9<tef  onftruftton  beS  urfbrüng= 
liefen  Wertes. 

8.  ^n  berborragenbftem  9Jiafje  gilt  ba§  lefctere  Urteil  bon  bem  grofeen  ©ammelbedfen, 
baS  bie  berfd)iebenften  guftröme  ber  älteren  lateinifcben  2lbofaIfybfeauSlegung  in  ficb,  auf= 

35  genommen  unb  bereinigt  bat.  @3  ift  bie§  ber  im  3.  776  gefcfyriebene  Kommentar  beS  ©banierä 
33eatuS,  5ßregbbter§  bonßibana  (bgl.  über  ibn  33b  I  ©.  181, 8  ff.  unb  33b  XX  ©.  617,49). 
©eräufjerft  f eltene  ©rucf  (9J?abrib  1770),  benigne  leiber  ntd^t  in  feine ©ammlung  auf= 
genommen  b,at,  finbet  ficf)  in  ber  SUlüncfyener  fgl.  33ibliotbef  unb  auf  ben  Uniberfttät^ 
bibliotbelen  ju  ©öttingen  unb  £alle.    33eatu§  mar  ein  2lbf<breiber  bon  ^rofeffion.    @r 

40  nennt  in  ber  SBibmung  feine§  äSerleS  an  ©tberiu^  al«  bon  tym  benü^te  Tutoren  §iero= 
n^muö,  2luguftinuö,  Slmbrofiug,  gulgentiu^,  ©regoriuö,  ^tconiuö,  ^renäuS,  Sictorinug, 
2lbringiu§  unb  ^fiborug.  ©er  lange  3eit  ganj  unbefannte  Kommentar  beö  2lbringiu§ 
ober  2lbringiuö,  33tfcbyofg  bon  33eja,  ber  ^ur  Seit  beö  2Beftgotenfönig§  geübte  (531 
bt8  548)    gefdjrteben   tft,    liegt  nunmebr    in    einem  Slbbrucf    au§    einer   ftobenI)agener 

45  §anbfd^rift  bor:  Bibliotheque  patrologique  publice  par  Ulysse  Chevalier  I: 
Dom  Marius  Ferotin,  Apringius  de  Beja,  son  commentaire  de  l'apocalypse,  tyaviä 
1900.  ©er  33eitrag  biefer  DueQe  lann  nun  alfo  genau  beftimmt  unb  in  3lbgug  gebraut 
toerben.  3lber  ein  Umftanb  mad§t  bag  ©efcfyäft  ber  QueEenfd^eibung  bei  33eatug  iu 
einer   fauren    unb   mübeboEen  Slrbeit.    §.  2.  gtamfai?   (33atl),   ®otonftbe=2IbbebJ   bat 

60  in  einem  SIrtifel  über  ben  33eatu§lommentar,  ben  er  in  ber  Revue  d'histoire  et  de 
litterature  religieuses,  tom.  VII,  $ari§  1902,  p.  419—447  beröffentlid)t  i)at,  burcb 
fritifcbe  Unterfu^ung  ber  anfdjeinenb  felbftftänbig  gefd^riebenen  2öibmunggjufc^rift  an 
@tberiu§  ben  5Rad^toei§  geliefert,  bafe  tf>re  2tu§brücle  unb  SBenbungen  faft  fämtlid)  aug 
Sftbor  entlebnt   finb,  bafj  aber  mebrere  ©Triften  3fibor§  babei  in  S3etrad?t  fommen 

55  33eatu3  bat  alfo  feine  (Srcertote  gemiftbt  unb  giebt  baber  bem  fritifc^en  33etrad?ter  Mihi 
genug  ju  raten  auf.  ÜberbieB  ift  burdj  einen  §intoeig  j.  33.  auf  SfiborS  Etymologia- 
rum  libri  bie  Duellenfrage  md)t  erlebigt;  man  ift  nur  bon  einem  jüngeren  Äombtlator 
ju  einem  älieren  borgebrungen  (bgl.  33b  IX  ©.452,24  9teifferfcbeib§  Urteil  über  3fibor: 
negligentissimus  breviator,  diversissimas  res  diversissimosque  auctores  con- 
60  fundens).    ©ie  grage,  ob  Qfibor  aufy  bie  ©Triften  be«  SicomuS  e^cerbiert  bat,  unb 


£tc0ttiu§  855 

ob   gemiffe  ^Berührungen  gttnfcfjen  SP0*  un^  SSeatuS  auf   bie    gemeinfame    SLicontu3= 
Duette  aurücfgeben,  ift  noc|  gar  ni$t  emftfyaft  gefteßt,  gefcb,  toeige  benn  beantwortet  toorben. 

9.  (gnblicb,  toirb  ber  9lei(^tum  ungelöfter  fragen  unb  2lrbetten  burcb,  eine  23eobaa> 
tung  bermebrt,  bie  icb,  fyier  Vortrage,  um  ba§  @efc|äft  ber  Stefonftruftion  be§  S£icomu3s 
Kommentars  nod)  melj>r  ju  fornbligieren  unb  bocb,  aud)  ju  erleichtern.  3Me  au<3  bem  ^a^r  5 
785  ftammenben  fonfufen 33ücb,er,  bie  ben  tarnen  tragen:  Etherii  et  Beati  aduersus 
Elipandum  lib.  I  et  II  (Henrici  Canisii  lectiones  antiquae  ed.  a  Jacobo  Bas- 
nage, tom.  II,  Antverpiae  1725,  fol.  297—375  unb  BM  XIII,  fol.  353—403  ober 
MSL  96,  ©b.  894—1030)  finb  nicb,t  nur  mit  SBrucbJtücten  au§  bem  Kommentar  be§ 
Skontos,  fonbern  audb,,  wie  eS  ftt)eint,  au§  beffen  SG3erf  de  bello  intestino  auSgeftattet;  10 
namentlich  in  SBejug  auf  le$tere  fonft  gang  unbekannte  ©d)rtft  ift  eine  fritifcfye  ®urd?= 
arbeitung  ju  empfehlen.  SBeatuS  nabm  feine  ©ebanlen,  too  er  fie  fanb.  „@r  füllte 
fia)  berechtigt,  bon  allem  ju  reben,  roaS  er  hmfcte,  aber  nidjt  berbfltcfytet,  bon  bem  ju 
ju  fyanbeln,  mag  jur  ©ac|e  gehörte"  (31.  §aucf,  ^irdj>engefa)icfyte  SDeutfcblanbS,  2.  %e\l, 
Seidig  1890,  ©.  260).  Söenn  er  für  bie  ©treitfcfyrift  gegen  ©libanbuS  2lnleib,en  beim  15 
Slbofaltobferommentar  beS  SlicomuS  machte,  fo  ift  bie  ^a|rfcb,einlicbfeit  um  fo  gröfjer, 
bajj  er  aucb,  baS  Söerl  de  bello  intestino  er,cerbierte,  ba§  für  ben  2lu§bau  einer  gelehrt 
fein  foßenben  ©treitfcb,rift  nocb,  bequemeres  Material  barbot.  ®ie  33enü|ung  be§  £ico= 
niu§=ÄommentarS  liegt  aber  an  einer  Steige  bon  ©teilen,  offen  gu  STage. 

©0  tbirb  j.  33.  (bgl.  MSL  96,  ©b.  987  ff.)  ber  gange  2Ibfd)mtt  2tbf  13,  11—17  20 
citiert  unb  bann  folgenbe  StuSlegung  borgetragen:    Aliam  bestiam  dixit  (cf.  Apoc. 
13,  1),    sed  pro  officio,    pro   actione:    sed  tarnen  una  bestia  est,  quia  totum 
corpus  diaboli  unum  corpus  est.  Bestia  enim  omnis  omnino  populus  est,  tarn 
pagani  quam  mali  Christiani,  qui  Christi  ecclesiae  aduersantur.   Nam  pagani 
aperta  fronte  recedunt  a  Christo;    Christiani  uero,    siue  boni  siue  mali,   una  25 
ecclesia  nuncupantur.    Sed  ipsa  quae  una  uidetur  ecclesia,   tres  partes  sunt, 
id  est,  una  pars  ipsa  ecclesia,  quae  imitatur  Christum ;    ceterae  duae  partes 
sunt  quae  contra  ipsam   ecclesiam   pugnant,    id    est  haeretici  et  Christiani 
mali.    Diabolus  enim,   qui  draco  dicitur,  caput  est  his  (SRigne    bietet  für  baS 
Söort  his  ber  anberen  &er.te  in)  tribus  partibus,  id  est  incredulis  et  paganis  et  30 
Christianis  malis  atque  haereticis.    Nam  sicut  incredulus,  paganus  siue  Ju- 
daeus,  fide  recedit  a  Christo,  sie  Christianus  malus  opere  a  Christo.    Quia 
sicut  ille  publice  negat  Christum  esse  deum,  sie  iste  publice  facit  opera  mala 
quae  non  placent  Christo.    Et  cum  una  pars  fide  recedit,  altera  opere,  utra- 
que  ab  uno  Christo  separatur.    Et  quia  a  Christo  separantur,  unum  corpus  35 
capitis  diaboli  efficiuntur,   et  eunvunum  corpus  efficitur,  una  bestia  dicitur. 
Tertia  pars  est  de  Antichristi  corpore,   id  est  haeretici,   quae  longe   ab  illa 
bestia  distant  in  religione.    Uli  adulteri  sunt,    isti  uirginitatem   et  castitatem 
Simulant  Uli  intus  et  foris  lupi  sunt,  isti  deforis  agni  et  intus  lupi  sunt. 

Hos  habet  diabolus  prophetas  suos,  quos  constituit  in  ecclesia  de  corpore  suo;  40 
hos  habet  sub  nomine  Christi,   qui  Christum   praedicare  simulent  et  corpus 
diaboli  fiant  (ju  lejen  ift  wob,!  faciant)  etc. 

©iefe  2IuSfübrungen,  bie  auf  ben  folgenben  ©eiten  fieb,  nocb,  weiter  erftreefen  unb 
im  2lbofaIr/bfefommentar  beS  SBeatuS  ©.  426—428  in  äjjjmlicber  SBeife  borgetragen 
Werben,  enthalten  ofyne  Zweifel  ©ebanlen  beS  'SiconiuS.  £>ie  ©djwierigfeit  ber  9tefon= « 
ftruIttonSaufgabe  befielt  barin,  feftjufteHen,  Welcher  ber  bergleicfybaren  SCejte  jeweilig  am 
treuften  niebt  nur  bie  ©ebanlen,  fonbern  aueb,  bie  20  orte  be§  ^iconiuS  barbietet.  Safe 
inbeS  bie  neue  Duelle,  auf  meiere  bie  Slufmerffamfeit  gelenft  ift,  niefet  übergangen  werben 
barf,  l>at  Wofyl  febon  bie  mitgeteilte  $robe  bargetb,an.  3oljanne§  #  «pleiter. 


Vev$exd)nis 

ber  im  gtDanstgften  Sanbe   enthaltenen  Slrtifel. 


93e= 


Hrtitel:  SBerf  äff  er : 

Soorenenbergen         bau  Seen     . 
Sorgauer  Slrtifel   f.  b.  St.   Slug§b, 

fenntniS  93b  II  @.  243, 12. 
Sorgauer  93udj  f.  b.  St.  Sonforbienforntel 

93b  X  @.  741,40. 


©eite: 
1 


Souffain,  Saniel 

SSi6not 

Souffain,  $eter 

23tenot 

Srad)oniti§ 

©utfie 

SractuS 

£)aud  . 

Srabition 

Sfcfjacfert 

Traditores  f.  b.  81.  Sabft  93b  XI  ©.  285, « 

Srabuciani§mu§  f.  b.  3131.  Sertuttian 
93b  XIX  ©.  549,u;  ©ünbe  93b  XIX 
@.  139,4;  SßetagiuS  SBb  XV  ©.751,46 

Sräume  bei  b.  |iebr.  b.  OreHt       .     . 

Srajan  @d)ut|se   .    .     . 

Sraftartani3ntu§        93ubbenfieg    .    . 

Sraftatgefettfdjaften   SRaljlenbecf    .    . 

Sranto^fer  f.  b.  3t.  Dpferfuttuä  58b  XIV 
©.  390,eo. 

Sran§fubftantiation 


(©tetjj'  f)    $atten= 

bufd) 

Sacfjenmann      .     • 


Srapbiften 

Srauer  unb  Srauer= 

gebraute  b.  b.  §e= 
bräerrt  ßetmpfunb       .     . 

Stauung  f.b.SI.  (SJ)ered)t93b  V@.200,43ff. 
Sraüerfari  Slmbrogto   f.  3lmbrofiu§  6a= 

matbutenfiS  93b  I  @.  443. 
SregeHeg 
SremefliuS 
Sribur 

Srienter  Sonjil 
Srter,  erjbigtutn 
Srtgtanb 
anrittst 
Srinitarierorben 
Srinitatiäfeft    f.    b. 

©.    55, 56    unb 

©.  398,i. 
Srtätjagion 
Sritfjeiftif  d)er  (Streit 
Sritl^emiuS 
SriuinpIjuS 
Srondjtn,  Subttrig 
Srondjtn,  Sljeobor 
Sruber 
Srubpert 


13 
15 

18 


55 
79 


83 


93ertt)eau      .    . 

90 

9cet)    .... 

95 

Serler  f      •     • 

98 

Sfdjadert      .    . 

99 

§aucf  .... 

106 

»an  93een     .    . 

107 

S irn    .... 

111 

(Sceubeder  |)  §aud 

l    123 

3131.    gefte   93b  V] 

Sirdjenjafir    SBb   X 

Srea>§     .    .    . 

.     125 

Seibolbt  .     .    . 

.     129 

(Slipbelt)  §aitdE 

.     132 

©djntib     .     .     . 

.     134 

S3onet»3Rautt)    . 

.     135 

93onet=93caurü    . 

.     135 

©tje  f    .    .    . 

.     136 

Serler  f  .    .    . 

.     143 

HrtHel:  SBerfoffer: 

SruHanifrfje  ©intoben  (Sßeubetf  er  f)  §aucf 
SrngobfjoruS  ©djuttje  .    .    .    . 

Sfdjedjen,   Uebertrttt    jum    Ebjiftentum 

f.  b.  3131.  93en*et  b.  £.  unb  Slbatbert 

bon  $rag  33b  I  ©.  153  f. 
Sud)  9Ü)ffet  f  .     .    .     . 

SübingerSdjule,ält.  Sauberer  f  (Sirn) 
Sübinger  ©djute,  neue,  f .  b.  3t.  33aur  93b  II 

©.  467. 
Surfet,    ©fjriftentum   in    ber,  f.  b.  8(31. 

DrientaHfdje.ttirdje  93b  XIV  S.444,*; 

8legrjpten,   ba§   neue  93b  I  S.  217,«; 

Slrntenien  93b  II  ©.  85, m;     ©urifdje 

Äirdje  93b   XIX  ©.  305, 10. 
Sugenb  Mälzer      .     .     .     . 

Sunfer  f.b.SI.  93abtiften  93b  II  6.389, 26. 
Suotito    f.  b.   8t.    St.  ©allen   93b   VI 

©.348,2. 
Surlupinen  Sadjenmann      .     . 

Surnoro  GofjrS    .... 

Surrecremata,  ^ofjanneS  be  f.  %uan  be 

Sorquemaba  93b  IX  ©.  545. 
Surrettini  (SfjoniaS  f)  ßtjoifl) 

Sroeften  £>einrtci    .     .     .     . 

Snrin  (Somit,  Silin),  ©ijnoben  in  f.b.  8(. 

Slrntenien  93b  II  £.  79, 2. 
Sl)comu3  f.  am  ©djlufj  beö  93anbe§. 
Snnbat  (Sinbale),  SlMlliatn  f.b.SI.  93ibet» 

übevfejiungen  93b  III  ©.  98,24. 
Sl)iu3   f.  b.   St.  ©ibonier    93b    XVIII 

©.  284,  »7. 
Sj|d)irner  Sjfdjirner  j      .    . 


U. 


Ubertino  be  Eafale  f.  b.  3t.  granj    üon 

Slffifi  93b  VI  ©.  211,54. 
llbiquitöt  ^unjinger     .     .     . 

liebet  f.  b.  81.  Seiben  93b  XI  @.  360. 


©eite: 
143 
145 


146 

148 


llgotini 
tli)lfjora 

lltrid),    Seberedit    f. 
93b  XI  ©.  466,u 
Ulfila,  f.  SButfila. 
llltniann 
Utrirf),  S3ifd)of 
Uttrantontani§ntu§ 


©trad  .... 
llb,l6,orn  .... 
b.  81.    Std)tfreunbe 


93eb|d|Iag  f  . 
(93ogel  f)  §aud 
93enrat6,   .     .    . 


159 


164 
165 


165 
171 


178 


182 

196 
197 


204 
211 
213 


fßtx^däfniS  ber  im  ^ttiatt^tgften  35anbe  enthaltenen  Slrttfel 


857 


SlrHfel:  SSerf  affer:  Seite: 

Umbreit  tantpfjaufen      .     .    225 

Unber*@toc!  ©oeterä    ....    228 

Unfefjlbarfeit  beS  $afcfte§  f.  b.  9t.  33ati= 

langes  SongU. 
Ungarifdje    Sonfef= 

fionen  SWüEer     ....    234 

Ungarn  (93aIog5)  gföti&ä  .    235 

linierte  Orientalen    f attenbufcf)   .     .     .    245 
Untformität§afte   f.  b.  2f.   2tngtifanifcfje 

Äirdje  Sb  I  ©.  528,  w  «nb  529,  i. 
UnigenitvtS,  S3utte  f.b.  21.  Sanfen  33b  VIII 

©.  597,i9. 
Union,  ftrdt)ücE)e        §aucf  ......    253 

Unitari§mu§  (£>erjog  f)  ,3öcf(er  f    261 

Universalismus    hypotheticus    f.  b.   81. 

$elüetifd)e    fonfenäformef    93b    VII 

@.  647,«2. 

Uniöerfitäten  |>ora 266 

Unreinheit  f.b. 2t.  [Reinigungen  33b  XVI 

©.  564,42. 
Unfcfjufbige  tinber    Rödler  f)  ©a"Ä  •    282 
Unfterbfict)feit  3tunge      ....    282 

Unterrid)t§=  u.  93if= 

bung§tt>efen,tf)eot.  ßof)r§      ....    301 
UnterfcfjeibungSjafjr    f.    Si§fretion§jafjr 

93b  IV  ©.  708. 
llr  f.  b.  2t.  2lbraf)am  33b  I  106,8. 
Urban  L,       ijßapft  §aucl 
Urban  II.,  "       ' 

Urban  III., 
Urban  IV., 
Urban  V, 
Urban  VI., 
Urban  VII., 
Urban  VIII., 


©.  475,4. 
UPer 
Ufteri 


318 
318 
321 
322 
323 
324 
326 
326 
328 
336 
342 


|mucf 

fjaucf  . 

f>aucf  . 

fiaucf  . 

§aucf  . 

93enratb, 

93enratf) 
Uritn  unb  Summim  ®au|fcf) 
Urtgperger,  3-  21.      2lnftein 
UrlSfoerger,  Samuel  ®ocij     . 
Urfaciü§,   93ifcfiof   f.  b.  21.  2lriani§mu§ 

93b  II  @.  33,24. 
UrfinuS,  ©egenöapft  gütiger    .... 

Urfinug,  '3ad)aria§    Ster, 348 

Urftanb  f.    bie    2121.   ©erecfitigfeit,    ur= 

fprüngticfje  33b  VI  ©.  546  unb  (£ben= 

bilb  ©otte§  93b  V  ©.  113  ff. 

Urfuta  (3öcffe'r  f)  '©aud  . 

Urfutinerinnen  ©rütjmacrjer      .    . 

Uruguay  ©ö£ 

Ufia   {.    gsrael,    ©efdj.    bibt.    33b   IX 


346 


354 
357 
360 


93ubbenfieg    ... 

©über  f  .    ■     •    • 

UfuarbuS  f.  b.  2t.  Acta  martyrum  33b  I 

©.  147,i2. 
Üterifjetm  33ifcf)er      .    .    •     • 

Utraquiften    f.    b.    2t.    £mfs    33b  VIII 

@.  487,22. 
Utttenbogaert  f.  9Btenbogaert. 


25. 


23abian  f.  Sßatt. 

93äter,  Hpoftolifäe  f.  33b  I  ©•  741.   _ 
93äter  ber  cfirifrt.   Sefjre    f.  ©oftnnarter 
93b  II  ©•  765. 


360 
368 


370 


Stttitet: 
SSäter    be§    guten 

©terbeng 
93äter  (93rüber)    be§ 

£obe§  ■ 
9Saganten 
93aib6§,  be 


33aten§,    93ifrf)uf    f. 
33b  II  @.  33,24. 
9Men§,  ßatfer 
9Menttnianu§  I. 
93atentinianu§  IL 
93alentinianu§  III. 


SSerf  affer  Seite: 

©rit&madjer      .    .    376 

©rü&madier  .  .  377 
(Sortier  f)  §aurt  .  378 
33oefi/mer  t    (33en= 

ratf)) 380 

b.  2t.    2triani§mu§ 

@cf)u(£e 
©d)ut£e 
©cf)ul|e 
©djwlfe 


9Satentinu§,  ©noftif.  $reufcf)en     .  • . 
93atentin,  b.  fjeilige    (Rödler  f)  &auä 
33atentinu§,  $atoft     fiaucf  .    .    .    . 
SJalerian  r>on  ßeme= 

tium 
9Satertanu§ 
93atefiu§ 
SSaßa 


f- 


2trnoIb     . 
©djufge   . 
ßaubmann 
SBagenmann 
(93enratf>)     .  ■  .    . 
93affombrofo,  Drben  üon  f.  b.  81.  ©uat= 

bert  93b  VII  @.  221. 
93anbalen  (Ärafftf)  ©örre§ 

Dan  Sit  f.  %ü  93b  XIX  ©.  775. 
33ariata  f.    b.    21.    2lug§b.    33efenntni§ 

93b  II  ©.249,  io. 
93ariation§recf)t'  (^acobfon  f)  @er> 

ting 

Vasa  sacra  f.  b.  21.  ©efäjje,  gotte§btenft= 

tiefte  93b  VI  @.  412—415. 
93atabtu§  ©traef      . 

SBaterimfer  Imufjfeiter 

93atifanifct)eg  Sonsit  Wirbt      . 
93eefenmetoer  Sotbe  .    . 

93egfje  ©cfjutje    . 

SSeltlin  (Samentfcf) 

93enanttuä    gortunatuS    f.  gortunatu§ 

33b  VI  @.  131. 
33enatoriu§  Sotbe  .     ...     . 

93enema  oan  33een     .    .     . 

33eneäueta  ©b^ 

33erbefferung§öunftc   (§affencamp      f) 
Wirbt      .    .    .    . 
33erbammni§     f.     b.     21.    §öffenftrafen 

93b  VIII  ©.  199. 
93erben,  33i§tum        §auä  .    .   ■ .     .    . 
93erbienft      •  Sunje       .     .     .     . 

SSerein«,   fircblicbe,    f.   b.   919t.  SKiffton, 

innere,    SUlifftott    unter    ben   Reiben, 

Wiffion    unter    ben    Suben  93b  XIII 

©•  90  ff.,  fflntberf (fcaften  93b  III  ©.  434, 

^iuSuereine  93b  XV  @.  464  ff. 
93erfaffung,  fircfjt.      ^aruaef    .     .    .     . 
3Sergerio  93enratt)   .     .     .     . 

33erftärung  f.  b.  91.  ©eligfeit  33b  XVIII 

©.  179. 
SSerf öbni§  1.  bei  ben  Hebräern  f.  b.  9f. 

gamitie  bei  ben  §.  33b  V  ©.  741, 21, 

2.  bei  ben  gtjriften  f.   b.  9t.  (Sfierecbt 

33b  V  ©.  218,38. 
33ermigti  SSenvatr)  .     .    .    . 

93eronica  f.  b.  9(.  e^riftuSbitber  93b  IV 

©.     71,8. 

93erfütjnung  ttrn 


391 
393 
394 
395 
395 
417 
418 

418 
420 
421 

422 


426 


430 


431 
431 
445 

474 
478 
484 


489 
491 
493 

493 


499 
500 


508 
546 


550 


552 


858 


$8etztid)niä  bcr  im  ätoon^tgften  JBrmbe  enthaltenen  Wvtitel 


«rtffel:  »erf  affer:  (Seite: 

SßerjotjmmgStag         ü.  Dreßt      ...    576 
Sßerftocfung    f.    b.    91-    £ermtnt§mu§ 

S3b  XIX  @.  524. 
SBerfudjmtg  Mtjler      ....    582 

Sßerroanbtf'cfiaft  f.  b.  21.   gtjeredjt  S3b  V 

@.  209,». 
Stfermanbtfdjaft,  geifttidje,  f.  benfetben  91. 

@.     211,23. 

aSerjiidung  Stieme     ....  586 

SeSpafmn  @tf)ulge    ....  593 

Sße§per  3ödEfer  f      ...  594 

3?icetinu§  Schäfer    ....  596 

Sßtctor  L,      $apft     Sommer   ....  600 

Victor  II.,      „         Sommer    ....  602 

Sßictor  III.,    „         Sßötjmer    ....  604 

Sßtctor  IV.,     „         Sommer    ....  606 

Sßictor  ü.9tntiod)ien  Sßonroetfdj     ...  607 

Sßtctor  öon  Kapua     $reufcfjen      .    .     .  607 

Sßtctor  oon  (Sartenna  (Rödler  f)  ©örre§  610 

Sßtctor,  eiaubtu§3R.  ©cfjmib     ....  611 

Sßtctor  ü.  Sunnenna  Sülictjer    ....  611 

Sßtctor  oon  Sßita        Sültdjer.  ....  612 
Sßictorinu§,  6aju§ 

9Kartu§,  9tfer  ©djmib  . 
SßictortnvtS  o.  SBettau  Ijaufjleiter 
Sßiefjjucfjt  bei  b.  £>ebr.  Sßenjinger 


Sßienne 
Sßierfürft 
SßigttantiuS 
SStgtlten 


Sßtgitiu§,  qßapft 

SßtgitiuS  t>.  2Eiapfu§  Steter 

Sßigitiu§  pon  Srient  9trnotb 


(SJeubecterf)  feaud 
0.  2)obfd)ü&  .  . 
Sülidjer  .... 
(92eubecfer  f) 
ßöctter  f  ... 
Krüger     .... 


Sßirartu§ 

SStllegatgnon 

Sßilmar 
Sßincent 
SßincentiuS  u.  33eau= 

oat§ 
SSincenttuS  fterrer  f.  gerrer  SBb  VI  @.  48. 
SßincenthtS  o.  £eri= 

num  SüHdjer   .... 

SSincentiuä  ü.  «jäoul   Rödler  f   (2ad)en= 
mann)      .... 
SßtncentiuS  ü.  Sara= 


(^acobfon  f)  @et)= 

Itng 

Stjetemann  f 
(Sadjenmann)    .    . 
Imu&Ieiter    .     .    . 
Öadjenmann      .    . 

©eeberg 


goffa 
SBtnet 
Sßtret 

Sßirgil,  S3ifd)of 
Sßtfttanttnnen 


firüger     .... 
SRüegg      .... 
(Sdjmibt  f) 
©tfjnejjler     .    .    . 

feauä 

Iierjog  f    (Sad)en-- 
mann)     .... 


613 
614 
619 
625 
627 
628 

632 
633 
640 
644 

645 

646 
649 
661 

665 


670 

675 

678 
680 

693 
695 


696 


SSerfoffer : 

C3acoöfont).3frieb* 
berg  ••••.; 
9?eubecfer  j  ii^üä) 

Saufcfd) 
©ut^e      •     - 
(»an   Dotierte   V 
Dan  Sßeen 
Soefdje     . 
Sßogt^err 
Roberte     . 
Semme 


Slrttfer: 
Visitatio  liminum 
SS.  Apostolorum 

Sßitaltan 
Sßitrtnga 
Sßölfertafel 
S8oettu§ 

(ö.)  Sßogel 

Sßogtt)err 

Sßolct 

SßoHfotttmentjeit  «uimu     ... 

Sßoltaire  f .  b.  91.  S)ei§mu§  SBb  IV  @.  550  so 

SBorbetjatt  §infdjiu3  t  (gneb 

Berg)    .... 
Sßorfet)ung  Sobftein  .    .     . 

SßorftiuS  9?eubecfer    f    (Dan 

Sßeen)       .... 
SSofftuS  <Seüöt  (öon  Sßeen) 

SSuIgata  f.b.9t.  SBibetüberfekunqen  SSblH 
<S.  36. 

2B. 

SSaabttanb,  greif ircfje  f.b.9l.  greif  ircfien 
S8b  VI  <S.  254,». 


©elte: 


SSarfernagel 

v£>aetjen 

SBagen  bei  ben  |>e= 

bröern 
S&kgenmann 
9BaI)rfjett,    2Bat)r= 

Ijaftigfeit 
SBatjrfagerei 
23alaeu§ 
SBalatjfrib 
Sffiald) 


Sdjulje    . 
oan  Sßeen 

gefjnpfunb 
Sßontnetfd) 


Sü?albed=^l)rmont 
halben,    SfjomaS 


SRabc 
b.  21.  3Qnberei. 
Dan  Sßeen 
SRettc  f  (£">aurf)     . 
^Koller  f  (Samerau) 
©djulfce    .... 
«on    f.   9?etter,    Xh. 
SBb  XIII  '©.  719. 
SSalbenfer  SBöfjtner        .     .     . 

3BaIbbanfen  Sofertb,     .... 

^aüfnlirten   f.  b.    9t.    töömifdie    Sltrcbe 

i^b  XVII  @.  123,  «e. 
Gattin  3.  0.,  f.  b.  3t.  Äir^enlicb  S8bX 

e.  4-i2,6*. 

SBalpurgtä  (9?eubedfer  t)  .&ouc! 

SBattcr  o.  @t.  Sßiftor  ©eeberg   .... 
Sü?altl)er  Statt) "    .     .    .    . 

SßJalton  SBrian  f.  b.  9(.  ^olvigtottenbibetn 

SBb  XV  ©.  532, 3i. 
SSSamtnaS  SSJletier      .... 


703 
704 
705 
708 

717 
725 
728 
730 
733 


737 
740 

662 
664 


£icontu§ 


§aufjteiter 


768 

774 

776 

778 

779 

788 
790 
792 
798 


799 
840 


842 

842 
844 


849 


851 


Xlad}tväge  unb  Berichtigungen. 

3.  SSanJ» :  @.  725  3.  46  I.  garüou  ft.  ©arügoü. 

5.  SBoitb:  ©.  780  3.  46  füge  bei:  ®om  SKortn  Ijat  Rev.BeneU  XV  (1898),  481  ff.  gegeigt 

(ugt.  Sünftle  £§ü©  82  [1900],  193  ff.),  bafe  nitf)t  2tgriroIa,  wie  (Sa§üari  o.a.  D.  meint, 
fonbern  gaftibiu§  ber  35erfaffer  ber  üon  6a§pari  ebierten  fünf  Briefe  ift,  inbem  ber 
erfte  berfelben  ber  üon  @ennabiu§  namhaft  gemalten  ©cEjrift  be§  gaftibiuS  entfürtdjt. 
Sie  üon  6a§üari  für  gaftibiu§  beanfüruebte  üfeubo=auguftinifcl)e  (Schrift  De  vita 
christiana  ftfjeint  üielmeb,r  t^atfäcfilid^  ben  $elagtu§  jitm  SSerfaffer  ju  rjaben. 

SSonwetfrf). 

6.  Sanb:  ©.  259  3.  14  u.  3.  22  I.  ginbel  ft.  gfindl. 

@.  370  3. 16  I.  Begräbnis  S3bII  ©.531,  57  ft.  Srauergebräudje. 

12.  S3onb  ©.  550  ff.,  SJJelbemuS,  3tuüertu§.  Ser  war)re$ftame  be§  3Serfaffer§  ber  ParaeDesis 
votiva  ift  sßeter  SR eib erlin;  biefer  nannte  ftdj  lateinifd)  Petrus  Meuderlinus  unb 
bureb,  eine  ttmftettung  ber  33ud)ftaben  ift  au§  biefer  gorm  be§  9iatnen§  ber  Sßame 
5ftuüertu§  9Mbeniu§  entftanben.  $eter  SKeiberlin  ift  im  Qa^re  1582  p  Oberacfer 
bei  3JjauIbronn  al§  ©otjn  eineg  gleichnamigen  $farrer§  geboren  unb  ftarb  ant  1.  Qult 
1651  ju  9lug§burg.  S8on  1612—1650  war  er  ©pfjoruS  be§  eoEegiumä  bei  @t.  2lnna 
in  3lug§burg;  nur  wäljrenb  ber  Igaljre  1630—1632  Ijatte  er  ben  Sftactjfteü'ungen  ber 
Äatljolifen  weisen  muffen,  ©eine  Paraenesis  foH  natf)  ben  Angaben  in  93eitt)§  Biblioth. 
Augustana  im  Saljre  1626  ju  SRottenburg  in  nur  500  (Sjemülaren  gebrueft  fein;  bafj 
bie  im  Sfrtüel  üerfudgte  Datierung  (@.  551,  38:  1627—1629,  unb  @.  552,  20:  fpäteftenS 
1628),  bie  auf  ©ctjlüffen  au§  btm  Sntjatt  ber  ©djrift  beruht,  ju  biefer  Angabe  ftimmt, 
ift  beutlid).  Slucb,  toa%  wir  weiter  üon  ben  ©cfjicffalen  unb  über  ben  ©barafter  S0ieiber= 
Iin§  pren,  ftimmt  nöffig  ju  bem,  wa§  wir  über  ifjn  au§  ber  Paraenesis  lernen,  lieber 
ifjn  ift  ju  Dergleichen  ba§  Programm  üon  Dr.  Subwig  Sauer,  M.  $eter  SDteiberlin, 
(S^oruS  be§  ÄoHegiwnS  bei  ©t.  2Inna  u.  f.  f.,  StugSBurg  1906.  Stuf  biefe§  Programm 
mad)te  mieb,  freunblidjermeife  D.  ©.  SSoffert  aufmer!fam  unb  ber  SSerfaffer  batte  barauf 
bie  ©ute,  e§  mir  ppfenben.  gn  einer  4.  Slufl.  ber  $3tQ5  wirb  auf  3JJeiberItn§  $er  jön= 
licfjfeit  noef)  etwa§  me|r  einzugeben  fein.  53ertl)eau. 

18.  S3onb:  @.  16  3.  39 ff.:  Sie  9?ad)rict)t,  bafj  ©eorg  «ßiftor  im  9Kai  1534  feine§  3lmte§ 
entlaffen  worben  fei,  berurjt  auf  bem  SlifjüerftänbniS  einer  ©teile  in  einem  üon 
3-  ©djneiber  in  ber  3eitfd)r.  für  ©efeb.  be§  OberrtjeinS  34,229  mitgeteilten  Briefe 
©djwebeR  Cand.  min.  g.  ^ung  au§  3weibrücten  weift  in  einer  mir  tjanbftfjriftlicb, 
üorliegenben  9lbt)anbtung  über  „3.  ©c£)Webel§  Samüf  mit  bem  Säufertum"  nacb,, 
bafj  «ßiftor  noct)  nad)  1534  in  ©rnftweiter  blieb,  ©r  febeint  fidj  aber,  feit  im  SUcai 
biefe§  %ai)Xt%  ein  Sßiebertäufer  au§  bem  ^erjogtum  3weibrüc!en  auSgewiefen  worben 
War,  mef)r  jurüctge^alten  ju  tiaben  unb  infolge  beffen  nodg  eine  3eit  lang  im  3lmte 
belaffen  worben  ju  fein.  S«t  %afyict  1539  war  5|Siftor  nietjt  metjr  Pfarrer  in  ©rnft= 
Weiler.  9iel). 

©.  73  3.  17  füge  bei:  §err  $rof.  D.  9Juelfen  in  Serea  (D^io)  b,atte  bie  ©üte  mir 
mitjuteiten,  bafj  bie  ©emeinbe  ber  ©dgwenctfelber  (»gl.  ©.  812,  40)  nod)  bleute 
ejiftiert  unb  naef)  ber  neuften  ©tatifti!  ber  SSer.  Staaten  für  1906  20  ©emeinben  mit 
213  Äommunifanten  unb  17  $rebigern  jätjtt.  ©teiögjeitig  maebt  er  aufmertfam  auf 
bie  ©ebrift  üon  §.  SS.  triebet,  „The  Schwenkfelders  in  Pennsylvania"  unb  einen 
Strtitel  üon  g.  S!B-  Soetfd)er,  „Schwenkfeldts  Participation  in  the  Eucharistie  Contro- 
versy  of   the    16  Century"   in    The   Princeton    theological   Eeview    July   et    Oct. 

©in  „Corpus  Schwenckfeldianorum"  Published  under  the  Auspices  of  The 
Schwenkfelder  Church  Pensylvania  and  The  Hartford  Theological  Seminary  (Editor 
C.  D.  Hartranft)  beginnt  foeben  in  Seipjig  bei  S3reitfoüf  unb  §ärtel  p  erfdgeinen. 

SR.  £.  ©rü^ntoi^er. 
©.  625  3.  51  füge  bei :  Sofeüb.  3eHer,  «J5aulu§  ©peratuä.  ©eine  §erfunft,  fein  ©tubien= 
gang  unb  feine  Sbätigfett  BtS  1522.  Stuttgart  1907.  (Enthält  eine  neue  OueDe  jur 
§ugenbgefd).  be§  %.  ©V-)  ^ad)  biefer  ©dgrift  begegnet  ©üeratu§  1512,  Sej.  20,  als 
artium  "magister,  laif.  unb  üäüftl.  Sßotar  in  ©aljburg,  1514  at§  ^rebiger  im  @alj= 
burgifd)en,   nacfjbem    er    injwifäjen    [auf  ©runb    feiner  ©ebiä)te??]    bie  Sluäjeidjnung 


860  5Rddpr%c"  ttttt»  eertdJMmtgen 

eine§  päüftlidjen  unb  fat'ferltc&en  fSfarägrafen  erlangt  ^atte;   1516  al§  ©omFrebiae^i" 

.     ■   faljburg;  p  «nfang  1520  aU  $ rebtger  an  ber  @tabtöfarrfird)e  *u  SDintetSbübl*  ®n^ 

•   $uli  1520   al§  Somörebiger   in  SSürgburg,    bann  bafelbft  ftanonifuä  am  ©tift  9«»- 

münfter.    2lm  21.  9?od.  1521  entwirf)  er  öon  bort  über  ©ahburq  nad)  SSien.   w?  er 

am  12.  Sanitär  1522  im  ©te^anSbom  frebigte.  «ß.  Sfctyatfeit. 

19.  SSanb:  @.  350  R-  4—7   ift  ber  ©a|5:    „aSieffeic^t   ftammt  —  ©.183"  ju  ftretrfjen. 

SSoHiiifft«. 

<S.  541  3.  33  I.  berfafet  ft.  berufet. 

„  55«  „  17  I.  S3b  XVI  @.  253  ft.  XV  @.  553. 

„  585  „  50  I.  Senmcafa  ft.  «enincofa. 

„  595  „  53  I.  ftormofuS  ft.  gormoftuS. 

„  613  „  40  I.  aber  ft.  über. 

„  662  „  26  «.  28  I.  58b  IX  ft.  93b  X. 

„  701  „    5  I.  bbjlologifdje  ft.  bbjtofobbifdie.  nI1    ,oin        ,n 

^  768  „  49,     @.  770,  8-  30  u.  38,    @.  771,  8-  17  «.  19,     ©.  772,  8-  8,  19  u.  59, 

'©.  773,  8.4  I.  ©ifforb  ft.  £ibbert. 

„  813  3.  37  I.  in  ft.  tnne. 

„  837  „  49  I.  555  ft.  455. 

20.  SSttitb:  '15.43.  47  unb  57  I.  Subwtg  VI.  ft.  IV. 
S.    16  3.    6  I.  ba8  ft.  be§. 

„    26    „  14  füge  nad)  „berftanb"  ein:  §u  Seibe. 

„    33    „    8  I.  mebr  ft.  weniger. 

„    81    „  50  I.  gerügt  ft.  genügt. 

„  113  „  41  L  2  fto  3  ft.  fto  3. 

„  150  „  55  I.  1750  u.  1753  ft.  1730  u.  1733. 

„  164     „  36  I.  XI.  ft.  IX. 

„  214  „  37  füge  bei:  TOrbt,  Sie  £at^.  tljeoL  gafultä't  ju  Harburg,  Harburg  1905; 
2.  ft.  @ö|,  ftlerifaltSmuS  unb  Sam§mu§,  granffurt  a.  5K.  1906. 

„  216   8. 11  I.  231  ft.  331. 

„  225  „  50  füge  bei:  «ll§  ber  9(rt.  „UItramontani§mu§"  Bereits  gebrucft  war, 
erfd)ienen  jWei  bäbftiicfje  Slftenftüde  gegen  moberne  SRidjtungen  innerhalb  unb  aujjer* 
f)alb  ber  römtfd)en  fttrd)e  (@t)Habu§  unb  @ncl)flifa  bon  1907),  weldje  etngefjenbere 
Seacfjtung  erforbern.  ®a  e8  nirfjt  tbunlid)  erfd)etnt,  ib,nen  im  9iabmen  ber  „9?ad)= 
träge  unb  93erid)tigungen"  biefelbe  ju  teil  werben  ju  laffen,  fo  erübrigt  borberbanb 
nur,  barauf  ju  berweifen,  bafj  geplant  ift,  nadi  ?lbfd)lufj  ber  9tealencr)flobäbte  ein:n 
(5rgänjung§banb  ^erau^ugeben,  in  welchem  aud)  biefer  umfaffenbere  9tod)trag  f'.nc 
©teile  finben  fofl.  SBcnro^. 

„  309    3-  30  I.  providentiae  divinae  ft.  providentia  diviniae.  * 

„  310  „  35 ff.  2>ie  erwähnte  Prüfung  ift  in  ?tnf)alt  liingft  abgefdjafft,  ugl.  bie  Sii,mif= 
tion  für  tfjeol.  ftanbibaten  im  $>erjogtum  Slnbalt  bom  10.  ?luguft  1889  §  8,  wonad) 
alle  jwei  Safjre  bom  2.  Safere  nad)  bem  2.  ©jainen  an  eine  freigewtiljlte  wiifenfd)aft= 
liebe  5lrbeit  etnjureidien  ift  bis  jur  SSerwenbung  im  ftirdjenbienft."   Dr.  3clntj>fuub. 

„  333   3.  27  I.  9lbfid)ten  ft.  Slbfidien. 

„  326    „  59  I.  U.  VIII.  ft.  U.  III. 

„  377    „  56  füge  nad)  gemalten"  ein:  1906  entwenbeten. 


29.  Februar  1908.