^ BERKELEY
i LIBRARV
UNIVERSITV OF
3;IATH/STATi,
''^ra/STAT.
BERNHARD RIEMANN'S
GESAMMELTE
MATHEMATISCHE WERKE
UND
WISSENSCHAPTLIOHER NAOHLASS.
HERAUSGEGEBEN
UNTER MITWIRKUNG VON R. DEDEKIND
H. WEBER.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1876.
MATH-STAT.
1^5
MATH..
STAT.
UfiRARY
Vorrede.
Das Werk^ welches hiermit in die Oeffentlichkeit tritt, ist die
endhche Ausführung eines seit lange geplanten Unternehmens. Bei
der Bedeutung, welche die grossen Schöpfungen Riemann's für die
Entwicklung der neueren Mathematik haben, gehören die meisten der
Riemann'schen Abhandlungen zu den unentbehrlichsten Ilülfsmitteln
des Mathematikers, und eine Sammlung seiner Werke dürfte daher
einem allgemein gehegten Wunsche um so mehr entgegen kommen,
als die meisten derselben im Buchhandel nicht oder nur schwer zu
erhalten sind. Es kommt dazu die dringende Pflicht gegen die Wissen-
schaft, die im handschriftlichen Nachlass noch verborgenen Unter-
suchungen und Gedanken der Oeffentlichkeit nicht länger vorzuenthalten.
Schon im Frühjahr 1872 war daher unter mehreren Freunden
Riemann's der Plan zu einer solchen Sammlung entstanden und Clebsch
hatte mit seiner ganzen Thatkraft die Leitung des Unternehmens in
die Hand genommen, und sich mit Dedekind vereinigt, in dessen
Besitz nach Riemann's Wunsch der handschriftliche Nachlass nach
des Verfassers Tod gekommen war, und der bereits mehrere Abhand-
lungen aus demselben herausgegeben hatte.
Durch den beklagenswerthen und unerwarteten Tod von Clebsch
gerieth leider das Vorhaben in^s Stocken und blieb längere Zeit gänz-
lich liegen. Als mir im November 1874 Dedekind im Namen der
Frau Professorin Riemann den Vorschlag machte, die Leitung der
Herausgabe zu übernehmen, bin ich nicht ohne schwere Bedenken
darauf eingegangen. Denn obwohl ich von dem Umfang der damit
verbundenen Arbeit damals noch keine richtige Vorstellung hatte, war
ich. mir der zu übernehmenden Verantwortung wohl bewusst. Nur
die Erwägung, dass im Falle meiner Weigerung die Ausführung aber-
mals auf lange Zeit hinausgeschoben zu werden, wenn nicht gänzlich
zu scheitern drohte, half mir meine Bedenken überwinden, und so ent-
schloss ich mich, was an mir läge, zu tliun, um das Unternehmen zu
einem befriedigenden Abschluss zu bringen, da Dedekind mir die
Versicherung gab, mich bei der Arbeit nach Kräften zu unterstützen,
ein Versprechen, welches er treulich gehalten hat.
iw7-775£;5
IV Vorrede.
Die von Rieinann selbst oder nach seinem Tode bereits veröffent-
lichten Arbeiten wurden revidirt, hin und wieder durch einen im Nach-
lass aufgefundenen Zusatz bereichert, und in kleinen Ungenauigkeiten
verbessert, sonst aber in unveränderter Form aufgenommen. Nur die
Abhandlung über die Flächen vom kleinsten Inhalt hat in Folge einer
von K. Hattendorff auf meinen Wunsch ausgeführten Ueberarbeitung
einige wesentlichere Aenderungen erfahren.
Von* den im Nachlass enthaltenen Entwürfen fanden sich einige
in fast druckfertiger Form vor, andere aber in einem so fragmentari-
schen Zustande, dass die Verknüpfung und Darstellung erhebliche
Schwierigkeiten machte. Von der grossen Menge nur Formeln ohne
Text enthaltender Pa2)iere war wenig für den Druck zu verwerthen.
Besonders hervorzuheben ist unter den ersteren die Arbeit über den
Rückstand in der Leidener Flasche, welche liiemann schon im An-
schluss an die Mittheilung in der Göttinger Naturforscher- Versammlung
zur Publication vorbereitet hatte, ferner die in lateinischer Sprache
geschriebene Beantwortung einer Preisfrage der Pariser Akademie über
isotherme Curven, welche besonders deshalb von hohem Interesse ist,
weil darin Kiemann's Untersuchungen über die allgemeinen Eigen-
schaften der mehrfach ausgedehnten Mannigfaltigkeiten in den Grund-
zügen niedergelegt sind und eine merkwürdige Verwendung finden.
Die Darstellung in dieser Abhandlung ist eine äusserst knappe, und
die Wege, auf denen die endlichen Resultate erhalten wurden, finden
sich darin nur im Allgemeinen angedeutet. Von der Ausführung einer
beabsichtigten zweiten eingehenderen Darstellung des Gegenstandes
wurde Riemann durch seinen Gesundheitszustand abgehalten. Dass ich
im Stande bin, diese schöne Untersuchung in der letzten von Riemann
herrührenden Redaction zum Abdruck zu bringen, verdanke ich der
Güte des beständigen Secretärs der Pariser Akademie, Herrn Dumas,
welcher auf ein namens der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften
von Herrn Wo hl er an ihn gerichtetes Ansuchen mit der dankens-
werthesten Bereitwilligkeit mir das Originalmanuscript zur Verfügung
stellte.
Von Riemann^s Untersuchungen über lineare Differentialgleichungen
mit algebraischen Coefficienten liegt der erste Theil in ziemlich druck-
fertiger Form von Riemann's Hand vor und war vermuthlich zu der
Publication bestimmt, die in der Abhandlung über AbePsche Functionen
angekündigt ist, aber nicht zur Ausführung kam. Ein zweiter Theil,
der die wahre Verallgemeinerung der Theorie der hypergeometrischen
Reihen enthält, fand sich nur im ersten Entwürfe vor, jedoch so, dass
der Gedankengang vollständig hergestellt werden konnte.
Vorrede. V
Ferner ist hier noch der in italienischer Sprache geschriebene An-
fang zu einer Untersuchung über die Darstellbarkeit des Quotienten
zweier hypergeometrischer Reihen durch einen Kettenbruch zu erwähnen,
deren Bearbeitung H. A. Schwarz in Göttingen übernommen hat,
dem ich hierfür sowie für manchen Rath an anderen Stellen hier
meinen Dank ausspreche.
Obwohl die Vorlesungen Riemann's dem ursprünglichen Plane nach
von dieser Sammlung ausgeschlossen sind, so habe ich mich doch zur Auf-
nahme zweier kleinerer, in sich abgeschlossener Untersuchungen über die
Convergenz der p-fach unendlichen Theta-Reihe und über die
AbeTschen Functionen für den Fall 2^ = 3 entschlossen, bei deren
Bearbeitung ein von G. Roch geführtes Vorlesungsheit zu Grunde ge-
legt werden konnte, theils wegen des grossen Interesses, welches die
Gegenstände haben, theils weil eine zusammenhängende Veröffentlichung
dieser Vorlesungen, wie es scheint, vorläufig nicht in Aussicht steht.
Ich erwähne hier noch die den Anhang bildenden naturphilo-
sophischen Fragmente, welche wenigstens eine ungefähre Vorstellung
von dem Inhalt der Speculationen geben können, denen Riemann
einen grossen Theil seiner Gedankenarbeit widmete und die ihn viele
Jahre seines Lebens hindurch begleitet haben. Diese Bruchstücke
dürften trotz ihrer Lückenhaftigkeit und Unvollständigkeit geeignet
sein, auch in weiteren Kreisen Aufmerksamkeit zu erregen, wenn sie
auch nicht viel mehr als die Anfänge und die allgemeinsten Grundzüge
einer eigenthümlichen und tiefsinnigen Weltanschauung enthalten.
Eine willkommene Beigabe für die Freunde und Verehrer Rie-
mann's wird endlich die biographische Skizze sein, welche Dedekind
auf meinen Wunsch auf der Grundlage von Briefen und anderen Mit-
theilungen der Riemann 'sehen Familie, unterstützt durch seine eigenen
Erinnerungen verfasst hat.
Was die Anordnung des Stoffes betrifft, so ist in den beiden
ersten Abtheilungen die chronologische Reihenfolge streng inne ge-
halten worden; in der dritten Abtheilung, welche den Nachlass enthält,
konnte diese Anordnung nicht ganz consequent durchgeführt werden,
theils weil sich die Entstehungszeit hier nicht immer vollständig fest-
stellen Hess, theils weil die mehr ausgeführten Untersuchungen dem
Fragmentarischen vorangestellt werden sollten.
Königsberg, im März 1876. H. Weber.
VIII Inhalt.
-« ^ ^ Reite
indefini pour qu'un t^ysteme de courbes isothermes, a un instant donne,
restent isothermes apres nn teraps qnelconque, de teile sortc quo
la temperature d'un point puisse s'exprimer en fonction du temps
et de deux aiitres variables independantos." (1861.) 370
Anmerkungen zur vorstehenden Abhandlung 384
XXIIT. Sullo svolgimento del quoziente di dne serie ipergeometrichc in iVa-
zione coutinua infinita. (1863.) 400
XXIV. Ueber das Potential eines Ringes 407
XXV. Gleichgewicht der Electricität auf Cylindern mit kreisförmigem Quer-
schnitt und parallelen Axen 413
XXVI. Beispiele von Flächen kleinsten Inhalts bei gegebener Begrenzung . 417
XXVIl. Fragmente über die Grrenzfälle der elliptischen Modulfunctionen. (1852.) 427
Erläuterungen zu den vorstehenden Fragmenten 438
XXVIIl. Fragment aus der Analysis Situs 448
XXIX. Convergenz der ^^-fach unendlichen Theta-Reihe 452
XXX. Zur Theorie der Abel'schen Functionen für den Fall p =--= 3 . . . . 456
Anhang.
Fragmente ])hilosophischen Inhalts.
I. Zur Psychologie und Metaphysik 477
IL Erkenntnisstheoretisches 489
III. Naturphilosophie 494
Bernhard Riemann's Lebenslauf 507
Erste Abtlieihmg.
Riemann's gesammelte mathematische Werke. 1.
I.
Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Functionen einer
veränderlichen complexen Grösse.
(Inauguraldissertation, Göttingen, 1851.)
1.
Denkt man sich unter z eine veränderliche Grösse, welche nach
und nach alle möglichen reellen Werthe annehmen kann, so wird,
wenn jedem ihrer Werthe ein einziger Werth der unbestimmten Grösse
tv entspricht, w eine Function von z genannt, und wenn, während z
alle zwischen zwei festen Werthen gelegenen Werthe stetig durch-
läuft, lü ebenfalls stetig sich ändert, so heisst diese Function inner-
halb dieses Intervalls stetig oder continuirlich. (^)
Diese Definition setzt offenbar zwischen den einzelnen Werthen
der Function durchaus kein Gesetz fest, indem, wenn über diese
Function für ein bestimmtes Intervall verfügt ist, die Art ihrer Fort-
setzung ausserhalb desselben ganz der Willkür überlassen bleibt.
Die Abhängigkeit der Grösse %ü von z kann durch ein mathe-
matisches Cjfesetz gegeben sein, so dass durch bestimmte Grössen-
operationen zu jedem Werthe von z das ihm entsprechende iv gefunden
wird. Die Fähigkeit, für alle innerhalb eines gegebenen Intervalls
liegenden Werthe von z durch dasselbe Abhängigkeitsgesetz bestimmt
zu werden, schrieb man früher nur einer gcAvissen Gattung von
Functionen zu (functiones continuae nach Euler's Sprachgebrauch);
neuere Untersuchungen haben indess gezeigt, dass es analytische Aus-
drücke giebt, durch welche eine jede stetige Function für ein gege-
benes Intervall dargestellt werden kann. Es ist daher einerlei, ob
man die Abhängigkeit der Grösse %v von der Grösse z als eine will-
kürlich gegebene oder als eine durch bestimmte Grössenoperationen
1*
4 I. (jirundlug(,'ii i'ür oiiw; all^n'HM'iiic 'l'hcoric
bodin^fic clofiniri. Heide IJoj^riife .sind in I^dj^c dci- crwillinlcn 'riicorcnic
(;(>ngnieni.
And(^rH verhält es sich aber, w(>nn die Veriindcrlichkeit der Gröase
z nicht auf reeUe Werthe beschränkt wird, sondern auch coinjdcxc
von der Form x + yi (wo i = ]/ — 1) zugelassen werden.
Es s(5ien x + yi und x -\- yi -\- dx + dyi zwei unendlich w<'ni^'
verschiedene Werilie der (J rosse ^, w(dchen die Werthe n -f- vi und
n -f" '''" H~ '/" + '^'"' ^^''1' (lirösse w entspnichen. ALsdjinn wird, wenn
di(^ Abhiln^'igkeit <ler (irösse iv von z ein«; willkürlich anj^enoniinejH'
ist, das Verhältniss ', , ', . sich mit d(^n Werthen von dx und dti
(Ix -|- (lyi •'
allgemein /n reden ändern, indem, wenn man dx -f- dyl --^ tc/i"' setzt,
(In -f- (l ri
tl.i- -f- (/ i/i
. . \"()u dv , /"()V , ^W\ . "1
(lyi
dyi
2 (/) i
wird. Anl' weh'he Art aber auch tv als l^'unction von ä' durch Ver-
bind nn<^' der einfachen (irössenoperationen bestimmt werden möge,
immer wircl der VVerih des Ditferentialquotienten -j-^ v(m dem beson-
dcMii Werthe des Ditferentials dz unabhängig sein*). Offenbar kann
also auf diest^ni Wege nicht jede beliebige Abhängigkeit der complexen
({ rosse w von der com])lexen («riksse s ausgedrückt werden.
Das oben hervorgehobene Merknuil aller irgendwie durch Grössen-
operationen bestimmbaren Functionen werden wir für die folgendem
llnlersuchung, wo eine solche Fuiu'tion unabhängig von ihrem Aus-
drucke betracht(»t werdiui soll, zu (Jrunde legen, indem wir, ohne jetzt
dessen Allgemeingültigkeit vmd Zidänglichkeit für dcMi Hegriff (uuör
durch (irijssenoperalionen a,usdrückbar<Mi Abhängigkeit zu beweisen,
von folgender Oeliniiion ausgehen:
♦) Diese HeliaupUnig iwt olVeiibiir in allen Fällen jjfcreclitftu-iigi, wo sieh aus
dem Ausdrucke von w durch z luittelst der Regeln der Diilereuliatiün ein Aus-
druck von - *^ durch z finden läsHi; ihre streng allgemeine Ciültigkoit bleibt für
dz
j(»t/t dahin gestellt.
(Ici- l''imcl,i(»ii<'ii einer vciTindcrlicIicii cuin|il<'\eii ( .' ir»^s^e 5
Eim; vcniri(l(^rlicli(' (*()Mi|>l(3xe (fr()Hse lO lioissl ciin; ImiiicUoii cjucr
[iiiderii vorilrulorli(;hoii coinploxen drösHO <£?, wenn sie mit ihr .sich ho
jidert, (hiss der Worth dos Diffcreiit
dcuii VVerthc des DiHerentiiils dz ist.
ilndort, (hiss der Worth dos Diffcrentialquotienten -y^ unabhängig von
2.
Sowold die (jlrösse 0, als die (irnssc; tu werdcMi als vorändcrliclio
(u'üssen hotnif'litet, die jodcai cornploxon Worth aiinelinion können.
Die Aultassung einer solchen Veränderlichkeit, welche sich auf ein
zusammenhängendes (lebiet von zwei Dimensionen 'erstreckt, wird
wesentlich erleichtert durch eine Anknüpfung an räumliche Anschau-
ungen.
Man denke sich jeden Werth x -\- yi der Grösse z repräsentirt
durcli oiiion Punkt 0 der E})ene A, dessen rechtwinklige Coordinaten
,r, y/, jeden Werth u -\- vi der Grösse w durch einen Punkt Q der
l^'ibeno ]i, dessen rechtwinklige Coordinaten u, v sind. Eine jede Ab-
hängigkeit der Grösse iv von ^ wird sich dann darstellen als eine
Abhängigkeit der Lage des Punktos Q von der des Punktes 0. Ent-
s{)richt jedem Werthe von z ein ])estimniter mit z stetig sich ändern-
der Werth von w, mit andern Worten, sind ^i und v stetige Functionen
von X, y, so wird jodom Punkte der Ebene A ein Punkt der Ebene IJ,
jeder Linie, allgemein zu roden, eine Linie, jedem zusammenhängondon
l^^lächenstücko ein zusammenhängendes Flächenstück entsprechen. Man
wird sich also diese Abhängigkeit der Grösse w von z vorstellen können
als eine Ab})ildung dor Ebene yt auf der Ebouo J>.
3.
Es soll nun untersucht worden, welche Eigenschaft diese Abbil-
dung erhält, wenn iv eine Function der complexen Grösse z, d. h.
wenn von dz umibhängig ist.
AVir bezeichnen durch o einen unbestimmten Punkt der Ebene Ä
in der Nähe von 0, sein Bild in der Ebene 7> durch r/, ferner durch
•^' + //^ + (^^' + (^y^ und u -{- vi -\- du -\- dvi die Werthe der
Grössen z und w in diesen Punkten. Es können dann dx, dy und
dit, dv als rechtwinklige Coordinaten der Punkte o und q in l^ezug
auf di^ Punkte 0 und Q als Anfangsj)unkte- angesehen wenhai, und
wenn man dx -\- dyi = se'P' und du -\- dvi = rjc'^"' setzt, so werden
die Grössen £, cp, y], i^ Polarcoordinaten dieser Punkte für dieselben
6 I. GiuiHllageu für eine allgemeine Theorie
Anfangspunkte sein. Sind nun o' und o" irgend zwei bestimmte
Lagen des Punktes o in unendlicher Nähe von 0, und drückt man die
von ihnen abhängigen Bedeutungen der übrigen Zeichen durch ent-
sprechende Jndices aus, so giebt die Voraussetzung
du -}- dv' i du" -\- dv" i
dx' -\- dy i dx" -{■ dy" i
und fol<jlich
du -{-dv'i __ 7] (,;.'_, ^"),- _ dx ;\-J.y'i _ l .(,p'_,p"),
7 /» 1 T ff . /> O ' ' T ff' ,' -,' "ff '. ff ly ' '
du -\- dv t 7] dx -f- dy i s
woraus -L = — und ijj' — ^" = cp' — (p" , d. h. in den Dreiecken
dOo" und q'Qq" sind die Winkel o'Oo" und q'Qq" gleich und die
sie einschliessenden Seiten einander proportional.
Es findet also zwischen zwei einander entsprechenden unendlich
kleinen Dreiecken und folglich allgemein zwischen den kleinsten Thei-
leii der Ebene Ä und ihres Bildes auf der Ebene 1» Aehnlichkeit
Statt. Eine Ausnahme von diesem Satze tritt nur in den besonderen
Fällen ein, wenn die einander entsprechenden Aenderungen der Grössen
z und tv nicht in einem endlichen Verhältnisse zu einander stehen,
was bei Herleitung desselben stillschweigend vorausgesetzt ist*).
4.
Bringt man den Differentialquotienten ^-^ — T * . in die Form
ö . -^ dx -\- dyi
(du , ^«^ A 7 , (dv ?u .\ 7 .
\cx ^ ex j \py (^y J
dx -\- dyi '
so erhellt, dass er und zwar nur dann für je zwei Wertlie von dx
und dy denselben Werth haben ward, wenn
du Cü -, €V C^l
dx dy dx dy
ist. Diese Bedingungen sind also hinreichend und nothwendig, damit
iv = II -\- vi eine Function von z = x -\- yi sei. Für die einzelnen
Glieder dieser Function fliessen aus ihnen die folgenden:
*) Ueber diesen Gegenstand sehe man:
.^Allgemeine Auflösung der Aufgabe: die Thcile einer gegebenen Fläche so
abzubilden, dass die Abbildung dem Abgebildeten in den kleinsten Theilen ähnlich
wird, von C. F. Gauss. (Als Beantwortung der von der königlichen Societät der
Wissenschaften in Copeuhagen für 1822 aufgegebenen Preisfrage", abgednickt in:
,, Astronomische Abhandlungen, herausgegeben von Schumacher. Drittes Heft.
Altona. 1825.") (Gauss Werke Bd. lY, p. 189.)
der Functionen einer veriindcrliclien complexen Grösse.
^z -r fy2 — 0,^,-Y ^-i — 0,
welche für die Untersucliung der Eigenscliaften, die Einem Gliede
einer >solclien Function einzeln betrachtet zukommen, die Grundlage
bilden. Wir werden den Beweis für die wichtigsten dieser Eigen-
schaften einer eingehenderen Betrachtung der vollständigen Function
voraufgehen lassen, zuvor aber noch einige Punkte, welche allgemei-
neren Gebieten angehören, erörtern und festlegen, um uns den Boden
für jene Untersuchungen zu ebenen.
5.
Für die folgenden Betrachtungen beschränken wir die Veränder-
lichkeit der Grössen x, y auf ein endliches Gebiet, indem wir als Ort
des Punktes 0 nicht mehr die Ebene A selbst, sondern eine über
dieselbe ausgebreitete Fläche T betrachten. Wir wählen diese Ein-
kleidung, bei der es unanstössig sein wird, von auf einander liegenden
Flächen zu reden, um die Möglichkeit offen zu lassen, dass der Ort
des Punktes 0 über denselben Theil der Ebene sich mehrfach er-
strecke, setzen jedoch für einen solchen Fall voraus, dass die auf
einander liegenden Flächentheile nicht längs einer Linie zusammen-
hängen, so dass eine Umfaltung der Fläche, oder eine Spaltung in auf
einander liegende Theile nicht vorkommt.
Die Anzahl der in jedem Theile der Ebene auf einander liegen-
den Flächentheile ist alsdann vollkommen bestimmt, wenn die Begren-
zung der Lage und dem Sinne nach (d. h. ihre innere und äussere
Seite) gegeben ist; ihr Verlauf kann sich jedoch noch verschieden
gestalten.
In der That, ziehen wir durch den von der Fläche bedeckten
Theil der Ebene eine beliebige Linie /, so ändert sich die Anzahl der
über einander liegenden Flächentheile nur beim üeberschreiten der
Begrenzung, und zwar beim Ue bertritt von Aussen nach Innen um
-f- 1, im entgegengesetzten Falle um — 1, und ist also überall be-
stimmt. Längs des Ufers dieser Linie setzt sich nun jeder angrenzende
Flächentheil auf ganz bestimmte Art fort, so lange die Linie die Be-
grenzung nicht trifft, da eine Unbestimmtheit jedenfalls nur in einem
einzelnen Punkte und also entweder in einem Punkte der Linie selbst
oder in einer endlichen Entfernung von derselben Statt hat; wir kön-
nen daher, wenn wir unsere Betrachtung auf einen im Innern der
Fläche verlaufenden Theil der Linie l und zu beiden Seiten auf eiuej)
8 I. Grundlagen für eine allgemeine Theorie
liiiireiclieiid kleinen Flliclienstreifen beschränken, von bestimmten
angrenzenden Flächentheilen reden, deren Anzahl auf jeder Seite gleich
ist, und die wir, indem wir der Linie eine bestimmte Richtung bei-
legen, auf der Linken mit a^, a^^ ... an, auf der Rechten mit a/, a/, ... d n,
bezeichnen. Jeder Flächentheil a wird sich dann in einen der Flächen-
theile d fortsetzen; dieser wird zwar im Allgemeinen für den ganzen
Lauf der Linie l derselbe sein, kann sich jedoch für besondere Lagen
von / in einem ihrer Punkte ändern. Nehmen wir an,.dass oberhalb
eines solchen Punktes ö (d. h. längs des vorhergehenden Theils von l)
mit den Flächentheilen a\, a\^, . . . d n der Reihe nach die Flächen-
theile a,, c?^,, . . . «,, verbunden seien, unterhalb desselben aber die
Flächentheile a«i, aa.>y • • • ««„; wo «i, «^, . . . a^ nur in der Anordnung
von 1, 2, .. . . n verschieden sind, so wird ein oberhalb (5 von % in d^
eintretender Punkt, wenn er unterhalb 6 auf die linke Seite zurück-
tritt, in den Fläch entheil «„i gelangen, und wenn er den Punkt 6 von
der Linken zur Rechten umkreiset, wird der Index des Flächentheils,
in welchem er sich befindet, der Reihe nach die Zahlen
1, r^i, «„1, . . . ^, dl,, ...
durchlaufen. Tn dieser Reihe sind, so lange das Glied 1 nicht wieder-
kehrt, nothwendig alle Glieder von einander verschieden, weil einem
beliebigen mittlem Gliede «^< nothwendig ^ und nach einander alle
früheren Glieder bis 1 in unmittelbarer Folge vorhergehen 5 wenn aber
nach einer Anzahl von Gliedern, die offenbar kleiner als n sein muss
und = m sei, das Glied 1 wiederkehrt, so müssen die übrigen Glieder
in derselben Ordnung folgen. Der um ö sich bewegende Punkt kommt
alsdann nach je m Umläufen in denselben Flächentheil zurück und
ist auf m der auf einander liegenden Flächentheile' eingeschränkt,
welche sich über ö zu einem einzigen Punkte vereinigen. Wir nennen
diesen Punkt einen Windungspunkt m — 1 ster Ordnung der Fläche T.
Durch Anwendung desselben Verfahrens auf die übrigen n — m Flächen-
theile werden diese, wenn sie nicht gesondert verlaufen, in Systeme
von w^, m^, ... Flächentheilen zerfallen, in welchem Falle auch noch
Windungspunkte m^ — Ister, m.^ — Ister Ordnung in dem Punkte ö
liegen.
Wenn die Lage und der ♦Sinn der Begrenzung von T und die
Lage ihrer Windungspunkte gegeben ist, so ist T entweder vollkom-
men bestimmt oder doch auf eine endliche Anzahl verschiedener Ge-
stalten beschränkt; Letzteres, in so fern sich diese Bestimmungsstücke
auf verschiedene der auf einander liegenden Flächentheile beziehen
können.
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 9
Eine veränderliche Grösse, die für jeden Punkt 0 der Fläche T,
allgemein zu reden, d. h. ohne eine Ausnahme in einzelnen Linien und
Punkten'^) auszuschliessen, Einen bestimmten mit der Lage desselben
stetig sich ändernden Werth annimmt, kann offenbar als eine Function
von X, y angesehen werden, und überall^ wo in der Folge von Functionen
von X, y die Rede sein wird, werden wir den Begriff derselben auf
diese Art festlegen.
Ehe wir uns jedoch zur Betrachtung solclier Functionen wenden,
schalten wir noch einige Erörterungen über den Zusammenhang einer
Fläche ein. Wir beschränken uns dabei auf solclie Flächen, die sich
nicht längs einer Linie spalten.
6.
Wir betrachten zwei Flächentheile als zusammenhängend oder
Einem Stücke angehörig, wenn sich von einem Punkte des einen durch
das Innere der Fläche eine Linie nach einem Punkte des andern ziehen
lässt, als getrennt, wenn diese Möglichkeit nicht Statt findet.
Die Untersuchung des Zusammenhangs einer Fläche beruht auf
ihrer Zerlegung durch Querschnitte, d. h. Linien, welche von einem
Begrenzungspunkte das Innere einfach — keinen Punkt mehrfach —
bis zu einem Begrenzungspunkte durchschneiden. Letzterer kann auch
in dem zur Begrenzung hinzugekommenen Theile, also in einem
frühern Punkte des Querschnitts, liegen.
Eine zusammenhängende Fläche heisst, wenn sie durch jeden
Querschnitt in Stücke zerfällt, eine einfach zusammenhängende, andern-
falls eine mehrfach zusammenhängende.
Lehrsatz I. Eine einfach zusammenhängende Fläche A zerfällt
durch jeden Querschnitt ah in zwei einfach zusammenhängende Stücke.
Gesetzt, eins dieser Stücke würde durch einen Querschnitt cd
nicht zerstückt, so erhielte man offenbar, je nachdem keiner seiner
Endpunkte oder der Endpunkt o oder beide Endpunkte in ah fielen,
durch Herstellung der Verbindung längs der ganzen Linie ah oder
längs des Theils ch oder des Theils cd derselben eine zusammen-
*) Diese Beschränkung ist zwar nicht durch den Begriif einer Function au
sich geboten, aber um Infinitesimalrechnung auf sie anwenden zu können erfor-
derlich: eine Function, die in allen Punkten einer Fläche unstetig ist, wie z. B.
eine Function, die für ein commensurables x und ein commensurables y den
Werth 1, sonst aber den Werth 2 hat, kann weder einer Differentiation, noch
einer Integration, also (unmittelbar) der Infinitesimalrechnung überhaupt nicht un-
terworfen werden. Die für die Fläche T hier willkürlich gemachte Beschränkung
ird sich später (Art. 15.) rechtfertigen.
w
10 I. Gruiidlageu für eine allgcmeino Theorie
hängende Fläche, welclie durch einen Querschnitt aus Ä entstände,
gegen die Vorraussetzung.
Lehrsatz IL Wenn eine Fläche T durch ?2^*) Querschnitte q^ in
ein System T^ von 7)1^ einfach zusammenhängenden Flächenstücken
und durch n^ Querschnitte q.^ in ein System T.^ von m., Flächenstücken
zerfällt, so kann 7io — m.^ nicht > n^ — m^ sein.
Jede Linie ^o bildet, wenn sie nicht ganz in das Querschnitt-
system q^ fällt, zugleich einen oder mehrere Querschnitte q.^ der
Fläche T^. Als Endpunkte der Querschnitte g^' ^^^^ anzusehen:
1) die 2n2 Endpunkte der Querschnitte q.^, ausgenommen, wenn ihre
- vt Enden mit einem Theil des Liniensystems q^ zusammenfallen,
2) jeder mittlere Punkt eines Querschnitts q.^, in welchem er in
einen mittlem Punkt einer Linie q^ eintritt, ausgenommen, wenn
er sich schon in einer andern Linie q^ befindet, d. h. wenn ein
Ende eines Querschnitts g^ mit ihm zusammenfällt.
Bezeichnet nun ^, wie oft Linien beider Systeme während ihres
Laufes zusammentreffen oder auseinandergehen (wo also ein einzelner
gemeinsamer Punkt doppelt zu rechnen ist), v^, wie oft ein Endstück
der ^1 mit einem mittlem Stücke der g.2, v^, wie oft ein Endstück
der q., mit einem mittlem Stücke der g^, endlich v.^, wie oft ein End-
stück der q^ mit einem Endstücke der q.^ zusammenfällt, so liefert
Nr. 1 2 »2 — '^2 — "^^3? Ni'- ^ f^ — '^i Endpunkte der Querschnitte gV?
beide Fälle zusammengenommen aber umfassen sämmtliche Endpunkte
und jeden nur einmal, und die Anzahl dieser Querschnitte ist daher
- '^ ^^ Js -r ^ ^ ^_ ^^^ _|_ ^ Durch ganz ähnliche Schlüsse er-
giebt sich die Anzahl der Querschnitte q\ der Fläche,v^T^, welche durch
die Linien q^ gebildet werden, = — ^- — J'"^ ^ , also == ^^^ -f" ^"•
Die Fläche 1\ wird nun offenbar durch die n.^ + s Querschnitte q^ in
dieselbe Fläche verwandelt, in welche T.j durch die w^ + s Querschnitte
q\ zerfällt wird. Es besteht aber T^ aus m^ einfach zusammenhän-
genden Stücken und zerfällt daher nach Satz L durch n.^ + 6*
Querschnitte in ni^^ + n^ + ^ Flächenstücke-, folglich müsste, wäre
m.^ < m^ + ^2 — '*h> ^i^ ^^^^ ^®^ Flächenstücke jf^ durch n^ -\- s Quer-
schnitte um mehr als n^ + s vermehrt werden, was ungereimt ist.
Zufolge dieses Lehrsatzes ist, wenn die Anzahl der Querschnitte
unbestimmt durch n, die Anzahl der Stücke durch m bezeichnet wird,
*) Unter einer Zerlegung durch mehrere Querschnitte ist stets eine successive
zu verstehen, d. h. eine solche, wo die durch einen Querschnitt entstandene
Fläche durch einen neuen Querschnitt weiter zerlegt wird.
der Finictionen einer veränderlichen coraplexen Grösse. 11
n — ni für alle Zerlegungen einer Fläche in einfach zusammenhängende
Stücke constant; denn betrachten wir irgend zwei bestimmte Zer-
legungen durch Wi Querschnitte in m^ Stücke und durch n.^ Quer-
schnitte in Wcj Stücke, so muss, wenn erstere einfach zusammenhängend
sind, Wg — ^Wy < »^1 — tnj^, und wenn letztere einfach zusammenhän-
gend sind, % — m^'^n^ — ni^y also wenn Beides zutrifft, n.^ — mg
= n^ — m^ sein.
Diese Zahl kann füglich mit dem Namen „Ordnung des Zusam-
menhangs" einer Fläche belegt werden; sie wird
durch jeden Querschnitt um 1 erniedrigt — nach der Definition — ,
durch eine von einem innern Punkte das Innere einfach bis zu
einem Begrenzungspunkte oder einem frühern Schnittpunkte durch-
schneidende Linie nicht geändert und
durch einen innern allenthalben einfachen in zwei Punkten endenden
Schnitt um 1 erhöht,
weil erstere durch Einen, letztere aber durch zwei Querschnitte in
Einen Querschnitt verwandelt werden kann.
Endlich wird die Ordnung des Zusammenhangs einer aus mehreren
Stücken bestehenden Fläche erhalten, wenn man die Ordnungen des
Zusammenhangs dieser Stücke zu einander addirt.
Wir werden uns indess in der Folge meistens auf eine aus Einem
Stücke bestehende Fläche beschränken, und uns für ihren Zusammen-
hang der kunstloseren Bezeichnung eines einfachen, zweifachen etc.
bedienen , indem wir unter einer n fach zusammenhängenden Fläche
eine solche verstehen, die durch n — 1 Querschnitte in eine einfach
zusammenhängende zerlegbar ist.
In Bezug auf die Abhängigkeit des Zusammenhangs der Begren-
zung von dem Zusammenhang einer Fläche erhellt leicht:
1) Die Begrenzung einer einfach zusammenhängenden Fläche be-
steht nothw endig aus Einer in sich zurücklaufenden Linie.
Bestände die Begrenzung aus getrennten Stücken, so würde ein
Querschnitt q, der einen Punkt eines Stücks a mit einem Punkte eines
andern h verbände, nur zusammenhängende Flächentheile von einander
scheiden, da sich im Innern der Fläche längs a eine Linie von der
einen Seite des Querschnitts g an die entgegengesetzte führen .Hesse;
und* folglich würde q die Fläche nicht zerstücken, gegen die Voraus-
setzung.
2) Durch jeden Querschnitt wird die Anzahl der Begrenzungsstücke
entweder um 1 vermindert oder um 1 vermehrt.
Ein Querschnitt q verbindet entweder einen Punkt eines Begren-
zungsstücks a mit einem Punkte eines andern h, — in diesem Falle
12 1. Urundhigcn für eine allgejueiue Tlicorie
bilden alle diese Linien zusammengenommen in der Folge Oj (j, h, q
ein einziges in sich zurücklaufendes Stück der Begrenzung —
oder er verbindet zwei Punkte Eines Stücks der Begrenzung, —
in diesem Falle zerfallt dieses durch seine beiden Endj)unkte in zwei
Stücke, deren jedes mit dem Querschnitte zusammengenommen ein in
sich zurücklaufendes Begrenzungsstück bildet —
oder endlich, er endet in einem seiner früheren Punkte und kann
betrachtet werden als zusammengesetzt aus einer in sich zurücklaufen-
den Linie o und einer andern ?, welche einen Punkt von o mit einem
Punkte eines Begrenzungsstücks a verbindet, — in Avelchem Falle o
eines Theils, und «, l, o, l andern Theils je ein in sich zurücklaufen-
des Begrenzungsstück bilden.
Es treten also entweder — im erstem Falle — an die Stelle
zweier Ein, oder — in den beiden letzteren Fällen — an die Stelle
Eines zwei Begrenzungsstücke, woraus unser Satz folgt.
Die Anzahl der Stücke, aus welchen die Begrenzung eines wfach
zusammenhängenden Flächenstücks besteht, ist daher entweder = n
oder um eine gerade Zahl kleiner.
Hieraus ziehen wir noch das Corollar:
Wenn die Anzahl der Begrenzungsstücke einer nfach zusammen-
hängenden Fläche = n ist, so zerfällt diese durch jeden überall ein-
fachen im Lmern in sich zurücklaufenden Schnitt in zwei getrennte
Stücke.
Denn die Ordnung des Zusammenhangs wird dadurch nicht ge-
ändert, die Anzahl der Begrenzungsstücke um 2 vermehrt; die Fläche
würde also, wenn sie eine zusammenhängende wäre, einen w fachen
Zusammenhang und n -\- 2 Begrenzungsstücke haben, was unmöglich ist.
7.
Sind X und Y zwei in allen Punkten der über Ä ausgebreiteten
Fläche T stetige Functionen von x, y, so ist das über alle Elemente
clT dieser Fläche ausgedehnte Integral
wenn in jedem Punkte der Begrenzung die Neigung einer auf sie nach
Innen gezogenen Normale gegen die x-kxQ durch 5, gegen die y-Axe
durch fj bezeichnet wird, und sich diese Litegration auf sämmtliche
Elemente ds der Begrenzungslinie erstreckt.
Um das Integral / -^dT zu transforiniren, zerlegen wir den
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 13
von der Fläche T bedeckten Tlieil der Ebene A durch ein System der
x-KnQ paralleler Linien in Elementarstreifen, und zwar so, dass jeder
Windungspunkt der Fläche T in eine dieser Linien fällt. Unter dieser
Voraussetzung besteht der auf jeden derselben fallende Theil von T
aus einem oder mehreren abgesondert verlaufenden trapezförmigen
Stücken. Der Beitrag eines unbestimmten dieser Flächenstreifen,
welcher aus der y-Axe das Element dy ausscheidet, zu dem Werthe
von I ^-; (IT wird dann offenbar = cly j 0— dx^ wenn diese Inte-
gration durch diejenige oder diejenigen der Fläche T angehörigen
geraden Linien ausgedehnt wird, welche auf eine durch einen Punkt
von dy gehende Normale fallen. Sind nun die unteren Endpunkte
derselben (d. h. welchen die kleinsten Werthe von x entsprechen)
0^, 0^^, 0^^^, . . ., die oberen 0', 0'\ 0"\ . . . und bezeichnen wir mit
X^, X^^, .... X\ X", ... 7 die Werthe von X in diesen Punkten,
mit ds^, ds^^y .... ds'j ds\ .... die entsprechenden von dem Flächen-
streifen aus der Begrenzung ausgeschiedenen Elemente, mit ^^, |^^, . . . .
5', 5"; . • • • die Werthe von | an diesen Elementen, so wird
j
. dx== — X — X —X
ex ' " '
+ X' + X" -f X" ....
Die Winkel % werden offenbar spitz an den unteren, stumpf an den
oberen Endpunkten, und es wird daher
dy = cos Ids^ = cos ^jls^^ ....
= — cos ^'ds = — cos ^''ds' ....
Durch Substitution dieser Werthe ergiebt sich
y^d X
j- dx ==— UX cos ^dSy
wo sich die Summation auf alle Begrenzungselemente bezieht, welche
in der ^-Axe dy zur Projection haben.
Durch Integration über sämmtliche in Betracht kommende dy
werden offenbar sämmtliche Elemente der Fläche T und sämmtliche
Elemente der Begrenzung erschöpft, und man erhält daher, in diesem
Umfange genommen,
I j^dT= — I Xcos ^ds.
Durch ganz ähnliche Schlüsse findet man
14 I- Grundlagen für eine allgemeine Theorie
und folglich
8.
Bezeichnen wir in der Begrenzungslinie^ von einem festen Anfangs-
punkte aus in einer bestimmten später festzusetzenden Richtung ge-
rechnet, die Länge derselben bis zu einem unbestimmten Punkte Oo
durch 5, und in der in diesem Punkte Oo errichteten Normalen die
Entfernung eines unbestimmten Punktes 0 von demselben und zwar
nach Innen zu als positiv betrachtet durch jü, so können offenbar die
Werthe von x uud y im Punkte 0 als Functionen von 5 und p an-
geseheü werden, und es werden dann in den Punkten der Begrenzungs-
linie die partiellen Differentialquotienten
ex j. cy ex , ^2/ -r fc
T^— = cos t, "—- = cos 79, -7^— = + cos ri, -F^ = + cos \.
wo die oberen Zeichen gelten, wenn die Richtung, in welcher die
Grösse ,s' als wachsend betrachtet wird, mit p einen gleichen Winkel
einschliesst, wie die x-Axe mit der ^-Axe, wenn einen entgegen-
gesetzten, die unteren. Wir werden diese Richtung in allen Theilen
der Begrenzung so annehmen, dass
ex cy 1 p 1 T 1 ^y ^^
-r— == -K^ und folsjlich , "^ = — .— -
CS cj) CS öp
ist, was die Allgemeinheit unserer Resultate im Wesentlichen nicht
beeinträchtigt.
Offenbar können wir diese Bestimmungen auch auf Linien im
Innern von T ausdehnen; nur haben wir hier zur Bestimmung der
Vorzeichen von dp und dSj wenn deren gegenseitige Abhängigkeit wie
dort festgesetzt wird, noch eine Angabe hinzuzufügen, welche entweder
das Vorzeichen now. dp oder von ds festsetzt; und zwar werden wir
bei einer in sich zurücklaufenden Linie angeben, von welchem der
durch sie geschiedenen Flächentheile sie als Begrenzung gelten solle,
wodurch das Vorzeichen von dp bestimmt wird, bei einer nicht in
sich zurücklaufenden aber ihren Anfangspunkt, d. h. den Endpunkt,
wo s den kleinsten Werth annimmt.
Die Einführung der für cos | und cos t] erhaltenen Werthe in die
im vorigen Art. bewiesene Gleichung giebt, in demselben Umfange wie
dort genommen.
der Functionen einer veränderlichen complexeu Grösse. 15
9.
Durch Anwendung des Satzes am Schlüsse des vorigen Art. auf
den Fall^ wo in allen Theilen der Fläche
dX' , dY
dx ' cy
ist, erhalten wir folgende Sätze:
J. Sind X und Y zwei in allen Punlvten von T endliclie und
stetige und der Gleichung
dx "' dy
genügende Functionen, so ist, durch die ganze Begrenzung von T aus-
gedehnt,
Denkt man sich eine heliebigc über A ausgestreckte Fläche T^ in
zwei Stücke 1\, und T., auf beliebige Art zerfällt, so Ivann das Integral
/(^g +>-;;)
ds
in Bezug auf die Begrenzung von 1\> betrachtet werden als die Differenz
der Integrale in Bezug auf die Begrenzung von T^ und in Bezug auf
die Begrenzung von T.^^ indem, wo T^ sich bis zur Begrenzung von
1\ erstreckt, beide Integrale sich aufheben, alle übrigen Elemente aber
einem Elemente der Begrenzung von T.^ entsprechen.
Mittelst dieser Umformuner ersieht sich aus I. :
IL Der Werth des Integrals
durch die ganze Begrenzung einer über A ausgebreiteten Fläche er-
streckt, bleibt bei beliebiger Erweiterung oder Verengerung derselben
constant, wenn nur dadurch keine Flächentheil dein- oder austreten,
innerhalb welcher die Voraussetzungen des Satzes I. nicht erfüllt sind.
Wenn die Functionen X, Y zwar in jedem Theile der Fläche T
der vorgeschriebenen Differentialgleichung genügen, aber in einzelnen
Linien oder Punkten mit einer Unstetigkeit behaftet sind, so kann man
jede solche Linie und jeden solchen Punkt mit einem beliebig kleinen
Flächentheil als Hülle umgeben und erhält dann durch Anwendung
des Satzes IL:
IG I. Grundlagen für eine allgemeine Theorie
IlL Das Integral
o
J \ cp ' dp)
in Bezug auf die ganze Begrenzung von T ist gleich der Summe der
Integrale
C3^
J\
^S+i-g)"'
in Bezug auf die Umgrenzungen aller Unstetigkeitsstellen, und zwar
behält in Bezug auf jede einzelne dieser Stellen das Integral denselben
Werth^ in wie enge Grenzen man sie auch einschliessen möge.
Dieser Werth ist für einen blossen Unstetigkeitspunkt nothw endig
gleich 0, wenn mit der Entfernung q des Punktes 0 von demselben
zugleich qX. und () F unendlich klein werden; denn führt man in Be-
zug auf einen solchen Punkt als Anfangspunkt und eine beliebige An-
fangsrichtung Polarcoordinaten q, (p ein und wählt zur Umgrenzung
einen um denselben mit dem Radius q beschriebenen Kreis, so wird
das auf ihn bezügliche Integral durch
0
ausgedrückt und kann folglich nicht einen von Null verschiedenen
Werth 7t haben, weil, was auch oi sei, q immer so klein angenommen
werden kann, dass abgesehen vom Zeichen IXi^ -\- Y ^\ q für jeden
Werth von qp < — und folglich
27t
/(^S+^ll)^"^<'<
wird.
IV. Ist in einer einfach zusammenhängenden über A ausgebrei-
teten Fläche für jeden Flächentheil das durch dessen ganze Begrenzung
erstreckte Integral
oder
/(^lf-^lf)'^« = ''
so erhält für irgend zwei feste Punkte Oo und 0 dies Integral in
Bezug auf alle von 0,, in derselben nach 0 gehende Linien denselben
Werth.
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 17
Je zwei die Punkte 0,, und 0 verbindende Linien 5^ und 5^ bilden
zusammengenommen eine in sich zurücklaufende Linie s.^. Diese Linie
besitzt entweder selbst die Eigenschaft, keinen Punkt mehrfach zu
durchschneiden, oder man kann sie in mehrere allenthalben einfache
in sich zurücklaufende Linien zerlegen, indem man von einem belie-
bigen Punkte aus dieselbe durchlaufend jedesmal, wenn man zu einem
frühern Punkte zurückgelangt, den inzwischen durchlaufenen Theil
ausscheidet und den folgenden als unmittelbare Fortsetzung des vor-
hergehenden betrachtet. Jede solche Linie aber zerlegt die Fläche in
eine einfach und eine zweifach zusammenhängende; sie bildet daher
noth wendig von Einem dieser Stücke die ganze Begrenzung, und das
durch sie erstreckte Integral
/(^If-^H)^^
wird also der Voraussetzung nach = o. Dasselbe gilt folglich auch
von dem durch die ganze Linie s. erstreckten Integrale, wenn die
Grösse s überall in derselben Richtung als wachsend betrachtet wird;
es müssen daher die durch die Linien 6\ und Sg erstreckten Integrale,
wenn diese Richtung ungeändert bleibt, d. h. in einer derselben von
0„ nach 0 und in der andern von 0 nach 0« geht, einander auflieben,
also^ wenn sie in letzterer geändert wird, gleich werden.
"Hat man nun irgend eine beliebige Fläche 7] in welcher allgemein
zu reden
dx "'" dy
ist, so schliesse man zunächst, wenn nöthig, die Unstetigkeitsstellen aus,
so dass im übrigen Flächenstücke für jeden Flächentheil
ist, und zerlege dieses durch Querschnitte in eine einfach zusammen-
hängende Fläche T*. Für jede im Innern von T* von einem Punkte
Oa nach einem andern 0 gehende Linie hat dann unser Integral den-
selben Werth; dieser Werth, für den zur Abkürzung die Bezeichnung
fC^yi-^M)'^'
gestattet sein möge, ist daher, 0„ als fest, 0 als beweglich gedacht,
für jede Lage von 0 abgesehen vom Laufe der Verbindungslinie ein
bestimmter und kann folglich als Function von x, y betrachtet werden.
Die Aenderung dieser Function wird für eine Verrückung von 0 längs
eines beliebigen Linienelements ds durch
ütbmann's gosaiiuuelte niatlieniatische Werke. I.
18 I. Grundlagen für eine allgemeine Theorie
ausgedrückt, ist in J'* überall stetig und längs eines Querschnitts von
T zu beiden Seiten gleich 5
V. das Integral
bildet daher, 0,, als fest gedacht, eine Function von x, y, welche in T*
überall sich stetig, beim Ueberschreiten der Querschnitte von T aber
um eine längs derselben von einem Zweigpunkte zum andern constante
Grösse ändert, und von welcher der partielle Differentialquotient
-TT- = J: , -— = — A ist.
ex ' cy
Die Aenderungen beim Ueberschreiten der Querschnitte sind von
einer der Zahl der Querschnitte gleichen Anzahl von einander unab-
hängiger Grössen abhängig; denn wenn man das Querschnittsystem
A<ückwärts — die späteren Theile zuerst — durchläuft, so ist diese
Aenderung überall bestimmt, wenn ihr Werth beim Beginn jedes
Querschnitts gegeben wird; letztere Werthe aber sind von einander
unabhängig. (^)
10.
Setzt man für die bisher durch X bezeichnete Function
du r du ■, du , du
u -, li TT— und %i ^ n ^—
dx ex cy dy
für Y, so wird
dJX
0
dx '^ dy ~~'^ \dx' ■+" dy') " \dx' "^ cy^ '
wenn also die Functionen u und u' den Gleichungen
d'^u _| d'^u d/'u I d'^u
dx' ' dy"' ' dx' ' dy'
genügen, so wird
dX , dY
dx ^ dy '
und es finden auf den Ausdruck
welcher
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 19
/V du , du\ .
—J \ dp cp)
wird, die Sätze des vorigen Art. Anwendung.
Machen wir nun in Bezug auf die Function ii die Voraussetzung,
dass sie nebst ihren ersten Differentialquotienten etwaige Unstetig-
keiten jedenfalls nicht längs einer Linie erleidet, und für jeden Un-
stetigkeitspunkt zugleich mit der Entfernung q des Punktes 0 von
demselben p ^- und p 0- unendlich klein werden, so können die Un-
^ ex oy '
Stetigkeiten von u in Folge der Bemerkung zu III. des vorigen Art.
ganz unberücksichtigt bleiben.
Denn alsdann kann man in jeder von einem Unstetigkeitspunkte
ausgehenden geraden Linie einen Werth li von q so annehmen, dass
du dudxj^ du öy
^ d Q "dxdQ~^^dydQ
unterhalb desselben immer endlich bleibt, und bezeichnet U den Werth
von n für ^ = 7?, 31 abgesehen vom Zeichen den grössten Werth der
Function q ^— in jenem Intervall, so wird, in derselben Bedeutung
genommen, stets u — Z7 < Jf (log q — log R) sein, folglich Q (U — U)
und also auch qu mit q zugleich unendlich klein werden; dasselbe
gilt aber der Voraussetzung nach von q t- und q >- - und folglich,
wenn u' keiner Un Stetigkeit unterliegt, auch von
(du , ( ii\ , /du du\
u r, — u . I und p 1 u r— — u 7.— 1;
ex ex) "^ \ cy cy)^
der im vorigen Art. erörterte Fall tritt hier also ein.
W^ir nehmen nun ferner an, dass die den Ort des Punktes 0
bildende Fläche T allenthalben einfach über A ausgebreitet sei, und
(lenken uns in derselben einen beliebigen festen Punkt Oo, wo ?/, a;, y
die Werthe w«, Xo, j/o erhalten. Die Grösse
i log (^{x — Xof + (2/ — l/of \ = log r ,
als Function von x, y betrachtet, hat alsdann die Eigenschaft, dass
d -* log r _, ^ ^ log r
dx"^ ' dy''
wird, und ist nur für x = Xo, y = yo, also in unserm Falle nur für
Einen Punkt der Fläche T mit einer Unstetigkeit behaftet.
Es wird daher nach Art. 9., IIL, wenn wir log r für n setzen
JY t/'logr , du\ ..
( u — -r^ log r ) ds
\ cp - cpj
2*
20 I- Grundlagen für eine allgemeine Theorie
in Bezug auf die ganze Begrenzung von T gleich diesem Integrale in
Bezug auf eine beliebige Umgrenzung de^ Punktes Oo und also, wenn
wir dazji die Peripherie eines Kreises^ wo r einen constanten Werth
hat, wählen und von einem ihrer Punkte in einer beliebigen festen
Richtung den Bogen bis 0 in Theilen des Halbmessers durch (p be-
zeichnen, gleich
J* ^ log r -, . , [*'cu -j
u-^^^-rdcp-logrJ ^^ch
0
oder da
ts,
ü
welcher Werth, wenn u im Punkte Oo stetig ist, für ein unendlich
kleines r in — iio27t übergeht.
Unter den in Bezug auf u und T gemachten Voraussetzungen
haben wir daher für einen beliebigen Punkt Oo im Innern der Fläche,
in welchem u stetig ist,
1 /Vi ^ «* ^ log r\ j
in Bezug auf die ganze Begrenzung derselben und
2 TT
0
in Bezug auf einen um Oo beschriebenen Kreis. Aus dem ersten dieser
Ausdrücke ziehen wir folgenden
Lehrsatz. Wenn eine Function ti innerhalb einer die Ebene
Ä allenthalben einfach bedeckenden Fläche T allgemein zu reden der
Di fferentialgleichung
d^u , d^u
senügt und zwar so, dass
1.) die Punkte, in welchen diese Differentialgleichung nicht erfiVllt
ist, keinen Flächentheil,
2.) die Punkte, in welchen ?/, ^-, t^- unstetig werden, keine Linie
'' ^ ' c x^ 0 y ^
stetig erfüllen,
3.) für jeden Unstetigkeitspunkt zugleich mit der Entfernung q
des Punktes 0 von demselben die Grössen o ^r-, o .— unend-
^ ox^ ^ cy
lieh klein werden und
clor Functionen einer veränderlichen complcxen Grösse. 21
4.) bei u eine durch Abänderung ihres Werthes in einzehicji
Punkten hebbare Unstetigkeit ausgeschlossen ist,
so ist sie nothwendig nebst allen ihren Difterentialquotienten für alle
Punkte im Innern dieser Fläche endlich und stetig.
In der That, betrachten wir den Punkt Oo als beweglich, so än-
dern sich in dem Ausdrucke
nur die Werthe log r, —^^, ^ • Diese Grössen aber sind für jede«
Element der Begrenzung, so lange Oo im Innern von T bleibt, nebst
allen ihren DifFerentialquotienten endliche und stetige Functionen von
Xoy lloj da die Differentialquotienten durch gebrochene rationale
Functionen dieser Grössen ausgedrückt werden, die nur Potenzen von
r im Nenner enthalten. Dasselbe gilt daher auch für den Werth
unsers Integrals und folglich für die Function Uq. Denn diese könnte
unter den früheren Voraussetzungen nur in einzelnen Punkten, indem
sie unstetig würde, einen davon verschiedenen Werth haben, welche
Möglichkeit durch die Voraussetzuug 4.) unsers Lehrsatzes wegfällt.
11.
Unter denselben Voraussetzungen in Bezug auf u und T, wie am
Schlüsse des vorigen Art. haben wir folgende Sätze:
I. Wenn längs einer Linie u = o und p- = o ist, so ist u
überall = o.
Wir beweisen zunächst, dass eine Linie A, wo u== o und ^ = o
' dp
ist, nicht die Begrenzung eines Flächentheils a, wo u positiv ist,
bilden könne.
Gesetzt, dies fände statt, so scheide man aus a ein Stück aus,
welches eines Theils durch A, andern Theils durch eine Kreislinie be-
grenzt wird und den Mittelpunkt dieses Kreises nicht enthält, welche
Construction allemal möglich ist. Man hat dann, wenn man die Polar-
coordinaten von O in Bezug auf 0^, durch r, (p bezeichnet, durch die
ganze Begrenzung dieses Stücks ausgedehnt
^logy
J*i du -, i* clos
(h
also in Folge der Annahme auch für den ganzen ihr angehörigen
Kreisbogen
/ udcp + \ogr ri^^fJs = o,
22 I- Crrundlagen für eine allgemeine Theorie
oder da
dp
j
ds
ist,
i ud(p
0,
was mit der Voraussetzung, dass y( im Innern von a positiv sei, un-
verträglich ist.
Auf ähnliehe Art wird bewiesen, dass die Gleichungen u = o und
du
^ = 0 nicht in einem Begrenzungstheile eines Flächenstücks b, wo a
negativ ist, stattfinden könne.
Wenn nun in der Fläche T in einer Linie u = o und -^--- = o ist
und in irgend einem Theile derselben u von Null verschieden wäre,
so müsste ein solcher Flächentheil offenbar entweder durch diese Linie
selbst oder durch einen Flächentheil, wo u = o wäre, also jedenfalls
durch eine Linie w^o u und 75— == o wäre, begrenzt werden, was noth-
wendig auf eine der vorhin widerlegten- Annahmen führt.
IL Wenn der Werth von u und 0— längs einer Linie gegeben
ist, so ist u dadurch in allen Theilen von T bestimmt.
Sind Wj und Wg irgend zwei bestimmte Functionen, welche den der
Function u auferlegten Bedingungen genügen, so gilt dies auch, wie
sich durch Substitution in diesen Bedingungen sofort ergiebt, für ihre
Differenz tf^ — U2. Stimmten nun ttj^ und ti^ längs einer Linie nebst
ihren ersten Differentialquotienten nach p überein, in einem andern
Flächentheile aber nicht, so würden längs dieser Linie ii^ — U2 = 0
und — M; == 0 sein, ohne überall = 0 zu sein, dem Satze I.
öp ' '
zuwider.
III. Die Punkte im Innern von T, wo u einen constanten Werth
hat, bilden, wenn u nicht überall constant ist, nothwendig Linien,
welche Flächentheile, wo u grösser ist, von Flächentheilen, wo ti kleiner
ist, scheiden.
Dieser Satz ist aus folgenden zusammengesetzt:
u kann nicht in einem Punkte im Imiern von T ein Minimum oder
ein Maximum haben;
it kann nicht nur in einem Theile der Fläche constant sein;
die Linien, in denen ii = a ist, können nicht beiderseits Flächen-
theile begrenzen, wo ti — a dasselbe Zeichen hat;
der Functionen einer veriinderliehen coniplexen Grösse. 23
Sätze, deren Gegentheil , wie leicht zu sehen, allemal eine Verletzung
der im vorigen Art. bewiesenen Gleichung
2 n
~Jnd<p
oder
I (ii — U(^) d(p = o
herbeit'iihron uulsste und l'olglich unmöglich ist.
12.
Wir wenden uns jetzt zurück zur Betrachtung einer veränderlichen
complexen Grösse tv = ii-\-vi, welche, allgemein zu reden (d. h. ohne
eine Ausnahme in einzelnen Linien und Punkten auszuschliessen), für
jeden Punkt 0 der Fläche T Einen bestimmten mit der Lage desselben
stetig und den Gleichungen
du d V du dv
dx dy^ dy dx
gemäss sich ändernden Werth hat, und bezeichnen diese Eigenschaft
von 10 nach dem früher Festgestellten dadurch, dass wir w eine
Function von z == x -\- yi nennen. Zur Vereinfachung des Folgenden
setzen wir dabei im Voraus fest, dass bei einer Function von z eine
durch Abänderung ihres Werthes in einem einzelnen Punkte hebbare
Unstetigkeit nicht vorkommen solle.
Der Fläche T wird vorerst ein einfacher Zusammenhang und eine
allenthalben einfache Ausbreitung über die Ebene A beigelegt.
Lehrsatz. Wenn eine Function lu von z eine Unterbrechung der
Stetigkeit jedenfalls nicht längs einer Linie erleidet und ferner für
jeden" beliebigen Punkt 0' der Fläche, wo z = z sei, iv{z — /) mit
unendlicher Annäherung des Punktes 0 unendlich klein wird, so ist
sie nothwendig nebst allen ihren Differentialquotienten in allen Punkten
im Innern der Fläche endlich und stetig.
Die über die Veränderungen der Grösse w gemachten Voraus-
gesetzt wird, für ii und v in
Setzungen zerfallen,
wenn z -
-Z =Qc'f'
die folgenden:
1)
du d r
dx dy '
und
2-)
du .du
dy "•" dx ~
24 ^- Grundlagen für eine aligemeine Theorie
für jeden Theil der Fläche T; 3.) die Fimktioiien ti und v sind nicht
längs einer Linie unstetig; 4.) für jeden Punkt 0' werden mit der Ent-
fernung Q des Punktes 0 von demselben q u und q v unendlich klein ;
5.) für die Functionen u und v sind Unstetigkeiten , die durch Ab-
änderung ihres Werthes in einzelnen Punkten gehoben werden könnten,
ausgesclilossen.
In Folge der Voraussetzungen 2.), 3.), 4.) ist für jeden Theil der
Fläche T das über dessen ganze Begrenzung ausgedehnte Integral
,/'(« li - * S) ''*
nach Art. 9., III. = o und das Integral
/ M^ ^ — ^ ^1 (^s
erhält daher (nach Art. 9., IV.) durch jede von Oo nach 0 gehende
Linie erstreckt denselben Werth und bildet, Oo als fest gedacht, eine
bis auf einzelne Punkte noth wendig stetige Function U von x, y, von
welcher (und zwar nach 5.) in jedem Punkte) der Differentialquotient
cU dU
-^- = n und -7^— = — V ist. Durch Substitution dieser Werthe für u
ex cy
und V aber gehen die Voraussetzungen 1.), 3.), 4.) in die Bedingungen
des Lehrsatzes am Schlüsse des Art. 10. über. Die Function U ist
daher nebst allen ihren Differentialquotienten in allen Punkten von T
endlich und stetig und dasselbe gilt folglich auch von der complexen
Function tv = -^^-- — .^— i und ihren nach s genommenen Diö'erential-
quotienten.
13.
Es soll jetzt untersucht werden, was eintritt, wenn wir -unter
Beibehaltung der sonstigen Voraussetzungen des Art. 12. annehmen,
dass für einen bestimmten Punkt 0' im Innern der Fläche {2 — /) w
= Qe^' IV bei unendlicher' Annäherung des Punktes 0 nicht mehr
unendlich kkin wird. In diesem Falle wird also w bei imendlicher
Annäherung des Punktes 0 an 0' unendlich gross, und wir nehmen
an, dass, -wenn die Grösse iv nicht mit - von gleicher Ordnung bleibt,
d. h. der Quotient beider sich einer endlichen Grenze nähert, wenig-
stens die Ordnungen beider Grössen in einem endlichen Verhältnisse
zu einander stehen, so dass sich eine Potenz von q angeben lässt,
deren Product in iv für ein unendlich kleines- q entweder unendlich
df'i- Functionen einer veränderlichen coraplexen Grösse. 25
klein wird oder endlich bleibt. Ist ^ der Exponent einer solchen
Potenz und n die nächst grössere ganze Zahl, so wird die Grösse
(z — z'Y w = q'^ e'"^' IV mit q unendlich klein, und es ist daher
(z — zy~^ w eine Function von z (da ^^— ^~ ^^ von dz unabhängig
ist), welche in diesem Theile der Fläche den Voraussetzungen des Art. 12.
genügt und folglich im Punkte 0' endlich und stetig ist. Bezeichnen
wir ihren Werth im Punkte 0' mit ün—i, so ist {z — zy~ iv — a„_i
eine Function, die in diesem Punkte stetig und = o ist und folglich
mit Q unendlich klein wird, woraus man nach Artikel 12. schliesst, dass
(z — /)" IV — -^—7 eine im Punkte 0' stetige Function ist. Durch
z — z
Fortsetzung dieses Verfahrens wird offenbar w mittelst Subtraction
eines Ausdruckes von der Form
«1 , a.> ein — 1
7Zr7 +
in eine Function verwandelt, welche im Punkte 0' endlich und stetig
bleibt.
Wenn daher unter den Voraussetzungen des Art. 12. die Aenderung
eintritt, dass bei unendlicher Annäherung von 0 an einen Punkt 0'
im Innern der Fläche T die Function iv unendlich gross wird, so ist
die Ordnung dieses unendlich Grossen (eine im verkehrten Verhältnisse
der Entfernung wachsende Grösse als ein unendlich Grosses erster
Ordnung betrachtet) wenn sie endlich ist, noth wendig eine ganze Zahl;
und ist diese Zahl = m, so kann die Function iv durch Hinzufügung
einer Function, welche 2 m willkürliche Constanten enthält, in eine in
diesem Punkte 0' stetige verwandelt werden.
Anm. Wir betrachten eine Function als Eine willkürliche Constante ent-
haltend, wenn die möglichen Arten, sie zu bestimmen, ein stetiges Gebiet von
I5iner Dimension umfassen.
14.
Die im Art. 12. und 13. in Bezug auf die Fläche T gemachten
Beschränkungen sind für die Gültigkeit der gewonnenen Resultate nicht
wesentlich. Offenbar kann man jeden Punkt im Innern einer beliebigen
Fläche mit einem Stücke derselben umgeben, welches die dort voraus-
gesetzten Eigenschaften besitzt, mit alleiniger Ausnahme des Falles,
wo dieser Punkt ein Windungspunkt der Fläche ist.
Um diesen Fall zu untersuchen, denken wir uns die Fläche T oder
ein beliebiges Stück derselben, welches einen AVin(]ungsi»unkt w- Ister
Ordnung 0', wo z = z = x + y i sei, enthält, mittelst der Function
26 1. U rund lagen für eine allgemeine Theorie
^ = (^ — ^')'* ^^^f einer andern Ebene yl abgebildet, d. h. wir denken
uns den Wertli der Function g == J -f i^ i im Punkte 0 durcli einen
Punkt &, dessen rechtwinklige Coordinaten |, t] sind, in dieser Ebene
vertreten, und betrachten @ als 13ild des Punktes 0. Auf diesem Wege
erhält man als Abbildung dieses Theils der Fläche T eine zusammen-
hängende über J ausgebreitete Fläche, die im Punkte @', dem Bilde
des Punktes 0' keinen AVindungspunkt hat, wie sogleich gezeigt wer-
den soll.
Zur Fixirung der Vorstellungen denke man sich um den Punkt 0'
in der Ebene A mit dem Halbmesser B einen Kreis beschrieben und
parallel mit der x-Axe einen Durchmesser gezogen, wo also z — /
reelle Werthe annehmen wird. Das durch diesen Kreis ausgeschiedene
den Windungspunkt umgebende Stück der Fläche T wird dann zu
beiden Seiten des Durchmessers in n, wenn R hinreichend klein ge-
wühlt wird, abgesondert verlaufende halbkreisförmige Flächenstücke
zerfallen. Wir bezeichnen auf derjenigen Seite des Durchmessers, wo
y — y positiv ist, diese Flächenstücke durch a^, «2 • • • • ^^^n, auf der
entgegengesetzten Seite durch a\, d^ .... «'„, und nehmen an, dass
für negative Werthe von z — s a^, a^ .... an der Reihe nach mit
a\, d^ .... ci nj für positive dagegen mit a'„, a\ dn—i ver-
bunden seien, so dass ein den Punkt 0' (im erforderlichen Sinne)
umkreisender Punkt der Reihe nach die Flächen a^, a\^ a^^d.^ a„, d n
durchläuft und durch d „, wieder in a^ zurückgelangt, welche Annahme
offenbar gestattet ist. Führen wir nun für beide Ebenen Polarcoordi-
naten ein, indem wir z — / == Qe^\ g = Oe" setzen, und wählen zur
Abbildung des Flächenstücks a^ denjenigen Werth von
1 1 f/) .
{z — /)"*== ^ '* e ^ , welchen letzterer Ausdruck unter der Annahme
o<9)<7r erhält, so wird für alle Punkte von a^ a<:^Il'^ und
ö<^< — 5 ^iß Bilder derselben in der Ebene v4 fallen also sämmtlich
in einen von ib = o bis ib = — sich erstreckenden Sector eines um ®'
^ ^ n
1
mit dem Radius II '' beschriebenen Kreises, und zwar entspricht jedem
Punkte von «^ Ein zugleich mit dem'selben stetig fortrückender Punkt
dieses Sectors und umgekehrt, woraus folgt, dass die Abbildung der
Fläche a^ eine zusammenhängende einfach über diesen Sector aus-
gebreitete Fläche ist. Auf ähnliche Art erhält man für die Fläche d^ als
Abbildung einen von i/; = — bis ih = — , für a^ einen von ip = — bis
der Functionen einer veränderlichen conii>lexen Grösse. "21
w, = — , endlich für a» einen von t = "^^^ ;r bis i/^ = '27t .sich
erstreckenden Sector, wenn man cp für jeden Punkt dieser Fläcljen der
Reihe nach zwischen 7t und 2:r, 2;r und 3;r .... (2n — l)7t und 2nÄ
wählt, was immer und nur auf eine Weise möglich ist. Diese Sectoren
schliessen sich aber in derselben* Folge an einander, wie die Flächen
a und a\ und zwar so, dass den hier zusammenstossenden Punkten
auch dort zusammenstossende Punkte entsprechen; sie können daher
zu einer zusammenhängenden Abbildung eines den Punkt 0' ein-
schHessendcn Stückes der Fläche T zusammengefügt werden, und diese
Abbildung ist offenbar eine über die Ebene A einfach ausgebreitete
Fläche.
Eine veränderliche Grösse, die für jeden Punkt 0 einen bestimmten
Werth hat, hat dies auch für jeden Punkt & und umgekehrt, da jedem
0 nur ein & und jedem 0 nur ein 0 entspricht; ist sie ferner eine
Function von 2, so ist sie dies auch von J, indem, wenn -j- von cZ^,
auch ^.- von cl^ unabhängig ist, und umgekehrt. Es ergiebt sich
hieraus, dass auf alle Functionen iv von z auch im Windungspunkte
O' die Sätze der Art. 12. und 13. angewandt werden können, wenn
1
man sie als Functionen von {z — z) " betrachtet. Dies liefert folgen-
den Satz:
Wenn eine Function w von z bei unendlicher Annäherung von 0
an einen Windungspunkt n- Ister Ordnung ()' unendlich wird, so ist
dieses unendlich Grosse nothwendig von gleicher Ordnung mit einer
Potenz der Entfernung, deren Exponent ein Vielfaches von - ist, und
m
n
Ausdrucks von der Form
kann, wenn dieser Exponent = — ist, durch Hinzufügung eines
^-r + — ^^
{z~zY (z—Z)"' {z — z')"
WO «i, «5, .... 6//,, willkürliche complexe Grössen sind, in eine im Punkte
0' stetige verwandelt werden.
Dieser Satz enthält als Corollar, dass die Function w im Punkte
(/ stetig ist, wenn (z — /) " iv bei unendlicher Annähei*»uig des Punktes
0 an 0' unendlich klein wird.
28 I- Grundlagen für eine allgemeine Theorie
^ 15.
Denken wir uns jetzt eine Function von z, welche für jeden Punkt
0 der beliebig über A ausgebreiteten Fläche T einen bestimmten Werth
hat und nicht überall constant ist, geometrisch dargestellt, so dass ihr
Werth w == h -{- vi im Punkte 0 durch einen Punkt Q der Ebene B
vertreten wird, dessen rechtwinklige Coordinaten w, v sind, so ergiebt
sich Folgendes:
I. Die Gesammtheit der Punkte Q kann betrachtet werden, als
eine Fläche S bildend, in welcher jedem Punkte Ein bestimmter mit
ihm stetig in T fortrückender Punkt 0 entspricht.
Um dieses zu beweisen, ist offenbar nur der Nachweis erforderlich,
dass die Lage des Punktes Q mit der des Punktes 0 sich allemal (und
zwar allgemein zu reden stetig) ändert. Dieser ist in dem Satze ent-
halten :
Eine Function iv = u -\- vi von s kann nicht längs einer Linie
constant sein, wenn sie nicht überall constant ist.
Beweis: Hätte iv längs einer Linie einen constanten Werth a-^-hiy
so wären u — a und — -^s ^, welches = o-, für diese Linie und
dp ' cs^
d^{u — ä) ^^ d^{u — a)
72 I
überall = o; es müsste also nach Art. IL, L u — a und folglich, da
du d V du d V
dx dy^ dy cx^
auch V — h überall == o .sein, gegen die Voraussetzung.
IL In Folge der in I. gemachten Voraussetzung kann zwischen
den Theilen von S nicht ein Zusammenhang Statt finden ohne einen
Zusammenhang der entsprechenden Theile von T; umgekehrt kann
überall, wo in T Zusammenhang Statt findet und tv stetig ist, der
Fläche S ein entsprechender Zusammenhang beigelegt werden.
Dieses vorausgesetzt entspricht die Begrenzung von S einestheils
der Begrenzung von T, anderntheils den Unstetigkeitsstellen; ihre inneren
Theile aber sind, einzelne Punkte ausgenommen, überall schlicht über
B ausgebreitet, d. h. es findet nirgends eine Spaltung in auf einander
liegende Theile und nirgends eine Umfaltung Statt.
Ersteres könnte, da T überall einen entsprechenden Zusammen-
hang besitzt, offenbar nur eintreten, wenn in T eine Spaltung vor-
käme — der Annahme zuwider — ; Letzteres soll sogleich bewiesen
werden.
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 29
Wir beweisen zuvörderst, dass ein Punkt ^/, wo . endlich ist^
nicht in einer Falte der Fläche S Hegen kann.
In der That, umgeben wir den Punkt 0', welcher Q' entspricht,
mit einem Stücke der Fläche T von beliebiger Gestalt und un-
liestimmten Dimensionen, so müssen (nach Art. 3.) die Dimensionen
desselben stets so klein angenommen werden können, dass die Gestalt
des entsprechenden Theils von S beliebig wenig abweicht, und folg-
lich so klein, dass die Begrenzung desselben aus der Ebene B ein (/
einschliessendes Stück ausscheidet. Dies aber ist unmöglich', wenn Q'
in einer Falte der Fläche S liegt.
Nun kann ,— , als Function von 2, nach I. nur in einzelnen
dz ^ '
Punkten = o, und, da iv in den in Betracht kommenden Punkten von
'T stetig ist, nur in den Windungspunkten dieser Fläche unendlich
werden; folglich etc. w. z. b. w.
III. Die Fläche S ist folglich eine Fläche, für welche die im Art. 5.
für T gemachten Voraussetzungen zutreffen; und in dieser Fläche hat
für jeden Punkt Q die unbestimmte Grösse z Einen bestimmten Werth,
dz
welcher sich mit der Lage von Q stetig und so ändert, dass -r— von
o c. o ^ diu
der Richtung der Ortsänderung unabhängig ist. Es bildet daher in
dem früher festgelegten Sinne z eine stetige Function der veränder-
lichen complexen Grösse ic für das durch S dargestellte Grössengebiet.
Hieraus folgt ferner:
Sind 0' nnd Q' zwei entsprechende innere Punkte der Flächen T
und S und in denselben z = /, w = iv\ so nähert sich, wenn keiner
von ihnen ein Windungspunkt ist, bei unendlicher Annäherung von
0 an 0' - — -,- einer endlichen Grenze, und die Abbildunor ist daselbst
z — z •' '^^
eine in den kleinsten Theilen ähnliche; wenn aber ()' ein Windungs-
punkt M-lsier, (/ ein Windungspunkt Wi - 1 ster Ordnung ist, so nähert
1
sich ~ bei imondlicher Annäherung von 0 an 0' einer endlichen
^z ~ z'Y'
Grenze, und für die anstossenden Flächentheile findet eine Abbildungs-
art Statt, die sich leicht aus Art. 14. ergiebt.
30 I. Grundlagen für eine allgemeine Theorie
16.
Lehrsatz. Sind a und ß zwei beliebige Functionen von Xy y,
für welche das Integral
2n
/[(g."»y+ (15 +?'.)■
dT
durch alle Theile der beliebig über A ausgebreiteten Fläche T aus-
gedehnt einen endlichen AVerth hat^ so erhält das Integral bei Aenderung
von a um stetige oder doch nur in einzelnen Punkten unstetige
Functionen, die am Eande = o sind, immer für eine dieser Functionen
einen Minimumwerth und, wenn man durch Abänderung in einzelnen
Punkten hebbare Unstetigkeiten ausschliesst, nur für Eine.
Wir bezeichnen durch l eine unbestimmte stetige oder doch nur
in einzelnen Punkten unstetige Function, welche am Rande = o ist
und für welche das Integral
-=/((£)■+©>-
über die ganze Fläche ausgedehnt einen endlichen Werth erhält, durch
CO eine unbestimmte der Functionen a-\- ky endlich das über die ganze
Fläche erstreckte Integral
durch 5i. Die Gesammtheit der Functionen l bildet ein zusammen-
hängendes in sich abgeschlossenes Gebiet, indem jede dieser Functionen
stetig in jede andere übergehen, sich aber nicht einer längs einer
Linie unstetigen unendlich annähern kann, ohne dass L unendlich wird
(Art. 17.) 5 für jedes l erhält nun, o = a -\- l gesetzt, u<i einen end-
lichen Werth, der mit L zugleich unendlich wird, sich mit der Gestalt
von l stetig ändert, aber nie unter Null herabsinken kann; folglich
hat 5i wenigstens für Eine Gestalt der Function co ein Minimum.
Um den zweiten Theil unseres Satzes zu beweisen, sei u eine der
Functionen 09, welche ß einen Minimumwerth ertheilt, h eine un-
bestimmte in der ganzen Fläche constante Grösse, so dass ii-\- lik den
der Function oj vorgeschriebenen Bedingungen genügt. Der Wertli
von 5i für a = u -\- hkj welcher
der Functionen einer veränderlichen comp! exen Grösse. 31
niuss alsdann für jedes X (nach dem Begriffe des Minimums) grösser
als 3/ werden, sobald h nur hinreichend klein genommen ist. Dies
erfordert aber, dass für jedes X N=o sei; denn andernfalls würde
2 Nh + Lh'' = Lh' (l + ^j\
negativ werden, wenn h dem N entgegengesetzt und abgesehen vom
Zeichen < ^ angenommen würde. Der Werth von Sl für « = i( + A,
in welcher Form offenbar alle möglichen AVerthe von co enthalten sind,
wird daher = M -\- L, und folglich kann, da L wesentlich positiv
ist, Sl für keine Gestalt der Function o einen kleinern Werth erhalten,
als für CD = i(.
Findet nun für eine andere ii der Functionen a ein Minimum-
werth 31' von Sl Statt, so muss von diesem offenbar dasselbe gelten,
man hat also M' <:iM und M<^ÄL\ folglich M = M' . Bringt man
aber n auf die Form u + A', so erhält man für M' den Ausdruck
M-]-L'j wenn IJ den Werth von L für k = k' bezeichnet, und die
Gleichung M = M' giebt L' = o. Dies ist nur möglich, wenn in
allen Fläch entheilen
cx' dx'
cx ' dy
ist, und es hat daher, so weit A' stetig ist, diese Function nothwendig
einen constanten und folglich, da sie am Rande = o und nicht längs
einer Linie unstetig ist, höchstens in einzelnen Punkten einen von
Null verschiedenen Werth. Zwei der Functionen co, welche Sl einen
Minimumwerth ertheilen, können also nur in einzelnen Punkten von
einander verschieden sein, und wenn in der Function u alle durch
Abänderung in einzelnen Punkten hebbaren Unstetigkeiten beseitigt
werden, ist diese vollkommen bestimmt.
17.
Es soll jetzt der Beweis nachgeliefert werden, dass A unbeschadet
der Endlichkeit von L sich nicht einer längs einer Linie unstetigen
Function y unendlich annähern könne, d. h. wird die Function A der
Bedingung unterworfen, ausserhalb eines die Unstetigkeitslinie ein-
schliessenden Flächentheils T' mit y übereinzustimmen, so kann T'
stets so klein angenommen werden, dass L grösser als eine beliebig
gegebene Grösse C werden musg.
Wir bezeichnen, .s und ^) in Bezug auf die Unstetigkeitslinie in
der gewohnten Bedeutung genommen, für ein unbestimmtes s die
Krümmung, eine auf der Seite der positiven p convexe als positiv be-
32 I- Grundlagen für eine allgemeine Theorie
trachtet, durcli x^ den Werth von p an der Grenze von T' auf der
positiven Seite durcli p^, auf der negativen Seite durch 2h ^^^ ^i^ ent-
sprechenden Werthe von y durch y^^ und y.^- Betrachten wir nun
irgend einen stetig gekrümmten Theil dieser Linie, so liefert der
zwischen den Normalen in den Endpunkten enthaltene Theil von T',
wenn er sich nicht bis zu den Krümmungsraittelpunkten erstreckt, zu
L den Beitrag
Jäsj'dp (1 - ^p) [ (gy + (gy --^^];
der kleinste Werth des Ausdrucks
Pi
bei den festen Grenzwerthen y^ und y.^ von A findet sicli aber nach
u j^^bekannten Regeln ( J^ ^^. }
log (1 — HP2) — log (1 — ^i\y
und folglich wird jener Beitrag nothwendig, wie auch X innerhalb T
angenommen werden möge,
^ J log (1 — «P2) — log (1 — -^Vv)'
Die Function y wäre für p = 0 stetig, wenn der grösste Werth, den
(^1 ~~ y^^ füi' J^i >i>i > ö und iJTg <P2 < ö erhalten kann, mit it^ — Tt.^
unendlich klein würde; wir können folglich für jeden Werth von s eine
endliche Grösse m so annehmen, dass, wie klein auch it^ — JTg an-
genommen werden möge, stets innerhalb der durch J^i>1>i^ö und
^2 < P2 < ö (wo die Gleichheiten sich gegenseitig ausschliessen) aus-
gedrückten Grenzen Werthe von p^ und p.^ enthalten sind, für welche
[y^ — y^^'^ > m wird. Nehmen wir ferner unter den früheren Be-
schränkungen eine Gestalt von T beliebig an, indem wir ^h ^^^^ 1\
bestimmte Werthe P^ und P^ beilegen, und bezeichnen den Werth des
durch den in Betracht gezogenen Theil der Unstetigkeitslinie aus-
gedehnten Integrals
m%ds
ß
\0g{i — yiP,)-l0g{l~'>lP,)
durch a, so können wir offenbar
/.
(yi —Y^y^ds
> c
log (1 _ X j?2) — log (1 ~ Tip,)
machen, indem wir p^ und p.^ für jeden Werth von 8 so annehmen,
dass den Ungleichheiten
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 33
Pi < —- --y Ih > ^-T ^ und {y, - y^)
^ ^ m
genügt wird. Dies aber hat zur Folge, dass, wie auch X innerhalb
T' angenommen werden möge, der aus dem in Betracht gezogenen
Stücke von T' stammende Theit von L und folglich um so mehr L
selbst > C wird, w. z. b. w. (^).
18.
Nach Art. 16. haben wir für die dort festgelegte Function n und
für irgend eine der Functionen l
,Y= r\(p _, |i\ |i + ci^ + m lii dT
J \_\o^ cyj dx ' \öy ' cxj öt/J
dutch die ganze Fläche T ausgedehnt = o. Aus dieser Gleichung
sollen jetzt weitere Schlüsse gezogen werden.
Scheidet man aus der Flüche T ein die Unstetigkeitsstellen von
ti, ß, A einschliessendes Stück T' aus, so findet sich der von dem
übrigen Stücke T" herrührende Theil von N mit Hülfe des Art. ^,/ L./«
wenn man (i -—-] X für X und (:, hl ^ für Y setzt,
\öx öyj \cy ^ cxj '
In Folge der der Function X auferlegten Grenzbedingun^ wird der auf
das mit T gemeinschaftliche Begrenzungsstück von T" bezügliche
Theil von
gleich 0, so dass N betrachtet werden kann als zusammengesetzt aus
dem Integral
in Bezug auf T" und
/[(^i - g) i + ® + S) ig -^^ +/(S + i) ^«^^
in Bezug auf T\
Offenbar würde nun, wenn ö— ä + ö— 5 ^^ irgend einem Theile der
Fläche T von 0 verschieden wäre, N ebenfalls einen von 0 verschie-
denen Werth erhalten, so bald man X, was frei steht, innerhalb T'
gleich 0 und innerhalb T" so wählte, dass X (t-^ -\- ^-^ | überall
Kiemann's gcsumrnelto niatheuiatische Werke. 1. 3
34 I. Grundlagen für eine allgemeine Theorie
dasselbe Zeichen hätte. Ist aber ^ + q-^ in allen Theilen von T=o,
so verschwindet der von T" herrührende Bestandtheil von N für jedes
A, und die Bedingung N = o ergiebt dann, dass die auf die Unstetig-
keitsstellen bezüglichen Bestandtheile = o werden.
Für die Functionen 0— — A b- + ^ haben wir daher, wenn wir
ex öy^ cy ^ ex '
erstere = X und letztere = Y setzen, nicht bloss allgemein zu reden
die Gleichung
— -4-^=0
c .r ~^ vy ^
sondern es wird auch durch die ganze Begrenzung irgend eines Theils
von T erstreckt
/(^?f+^^5
ds
in so fern dieser Ausdruck überhaupt einen bestimmten Werth hat.
Zerlegen wir also (nach Art. 9., V.) die Fläche 1\ wenji sie einen
mehrfachen Zusammenhang besitzt, durch Querschnitte in eine einfach
zusammenhängende T*, so hat das Integral
m + ä) ■'
für jede im Innern von T* von Oo nach 0 gehende Linie denselben
Werth und bildet, Oo als fest gedacht, eine Function von x, y, welche
in T* überall eine stetige und längs eines Querschnitts beiderseits
eine gleiche Aenderung erleidet. Diese Function v zn ß hinzugefügt,
liefert uns eine Function v = ß -\- v , von welcher der Differentialquotient
cv du ■, cv du . ,
TT- = — ^^- und K" = y.— ist.
ex cy cy ex
Wir haben daher folgenden
Lehrsatz. Ist in einer zusammenhängenden, durch Querschnitte
in eine einfach zusammenhängende T* zerlegten Fläche T eine com-
plexe Function a-\- ßl von x, y gegeben, für welche
/ \_\dx eyj "^ \ey ' dxj
dT
durch die ganze Fläche ausgedehnt einen endlichen Werth hat, so
kann sie immer und nur auf Eine Art in eine Function von z ver-
wandelt werden durch Hinzufügung einer Function ft + 1/ ^ von x, y,
welche folgenden Bedingungen genügt:
1) ft ist am Rande = 0 oder doch nur in einzelnen Punkten
davon verschieden, v in Einem Punkte beliebig gegeben,
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 36
2) die Aenderungen von ft sind in T, von v in T* nur in ein-
zelnen Punkten und nur so unstetig, dass
,/[(:■)> cm '"'-/[(:;■)'+©'
dT
durch die ganze Fläche erstreckt endlich bleiben, und letztere
längs der Querschnitte beiderseits gleich.
Die Zulänglichkeit der Bedingungen zur Bestimmung von ^ -\- vi
folgt daraus, dass ^, durch welches v bis auf eine additive Constante
bestimmt ist, stets zugleich ein Minimum des Integrals Sl liefert, da,
II = a -\- ^ gesetzt, offenbar für jedes l N = o wird ; eine Eigenschaft,
die nach Art. 16. nur Einer Function zukommen kann.
19.
Die Principien, welche dem Lehrsatze am Schlüsse des vorigen
Art. zu Grunde liegen, eröffnen den Weg, bestimmte Functionen
einer veränderlichen comj)lexen Grösse (unabhängig von einem Aus-
drucke für dieselben) zu untersuchen.
Zur Orientirung auf diesem Felde wird ein Ueberschlag über den
Umfang der zur Bestimmung einer solchen Function innerhalb eines
gegebenen Grössengebiets erforderlichen Bedingungen dienen.
Halten wir uns zunächst an einen bestimmten Fall, so kann, wenn
die über Ä ausgebreitete Fläche, durch welche dies Grössengebiet dar-
gestellt wird, eine einfach zusammenhängende ist, die Function
w = n-\-vi von z folgenden Bedingungen gemäss bestimmt werden:
1) für li ist in allen Begreuzungspunkten ein Werth gegeben,
der sich für eine unendlich kleine Ortsänderung um eine un-
endlich kleine Grösse von derselben Ordnung, übrigens aber
beliebig ändert*);
2) der Werth von v ist in irgend einem Punkte beliebig ge-
geben;
3) die Function soll in allen Punkten endlich und stetig sein.
Durch diese Bedingungen aber ist sie vollkommen bestimmt.
In der That folgt dies aus dem Lehrsatze des vorigen Art., wenn
man, was immer möglich sein wird, a-\-ßi so bestimmt, dass a am
Rande dem gegebenen Werth gleich und in der ganzen Fläche für
jede unendlich kleine Ortsänderung die Aenderung von a -\- ß i unend-
lich klein von derselben Ordnung ist.
*) An sich sind die Aenderungen dieses Werthes nur der Beschränkung unter-
worfen, nicht längs eines Theils der Begrenzung unstetig zu sein; eine weitere
Beschränkung ist nur gemacht, um hier unnöthige Weitläufigkeiten zu vermeiden.
3*
36 I- Grundlagen für eine allgemeine Theorie
Es kauu also, allgemein zu reden, u am Rande als eine ganz
willkürliche Function von s gegeben werden, und dadurch ist v überall
mit bestimmt; umgekehrt kann aber auch v in jedem Begrenzungs-
punkte beliebig angenommen werden, woraus dann der Werth von u
folgt. Der Spielraum für die Wahl der Werthe von w am Rande um-
fasst daher eine Mannigfaltigkeit von Einer Dimension für jeden Be-
grenzungspunkt, und die vollständige Bestimmung derselben erfordert
für jeden Begrenzungspunkt Eine Gleichung, wobei es indess nicht
wesentlich sein wird, dass jede dieser Gleichungen sich auf den Werth
Eines Gliedes in Einem Begrenzungspunkte allein bezieht. Es wird
diese Bestimmung auch so geschehen können, dass für jeden Begren-
zungspunkt Eine mit der Lage dieses Punktes ihre Form stetig
ändernde, beide Glieder enthaltende Gleichung gegeben ist, oder für
mehrere Theile der Begrenzung gleichzeitig so, dass jedem Punkte
eines dieser Theile n — 1 bestimmte Punkte, aus jedem der übrigen
Theile einer, zugesellt und für je n solcher Punkte gemeinschaftlich n
mit ihrer Lage stetig veränderliche Gleichungen gegeben sind. Diese
Bedingungen, deren Gesammtheit eine stetige Mannigfaltigkeit bildet
und welche durch Gleichungen zwischen willkürlichen Functionen aus-
gedrückt werden, werden aber, um für die Bestimmung einer im Innern
des Grössengebiets überall stetigen Function zulässig und hinreichend
zu sein, allgemein zu reden, noch einer Beschränkung oder Ergänzung
durch einzelne Bedingungsgleichungen — Gleichungen für willkürliche
Constanten — bedürfen, indem bis auf diese sich die Genauigkeit un-
serer Schätzung offenbar nicht erstreckt.
Für den Fall, wo das Gebiet der Veränderlichkeit der Grösse z
durch eine mehrfach zusammenhängende Fläche dargestellt wird, erlei-
den diese Betrachtungen keine wesentliche Abänderung, indem die An-
wendung des Lehrsatzes im Art. 18. eine bis auf die Aenderungen
beim Ueberschreiten der Querschnitte ebenso wie vorhin beschaffene
Function liefert — Aenderungen, welche = o gemacht werden können,
wenn die Grenzbedingungen eine der Anzahl der Querschnitte gleiche
Anzahl verfügbarer Constanten enthalten.
Der Fall, wo im Innern längs einer Linie auf Stetigkeit ver-
zichtet wird, ordnet sich dem vorigen unter, wenn man diese Linie
als einen Schnitt der Fläche betrachtet.
Wenn endlich in einem einzelnen Punkte eine Verletzung der
Stetigkeit, also nach Art. 12. ein Unendlichwerden der Function, zuge-
lassen wird, so kann unter Beibehaltung der sonstigen in unserm
Anfangsfalle gemachten Voraussetzungen für diesen Punkt eine Function
von z, nach deren Subtraction die zu bestimmende Function stetig
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 37
werden soll, beliebig gegeben werden; dadurch aber ist sie völlig be-
stimmt. Denn nimmt man die Grösse « -J- ßi in einem beliebig klei-
nen um den Unstetigkeitspunkt beschriebenen Kreise gleich dieser
gegebenen Function, übrigens aber den früheren Vorschriften gemäss
an, so wird das Integral
/((K-if)'+(g+i9")"
über diesen Kreife erstreckt = o, über den übrigen Theil erstreckt
einer endlichen Grösse gleich, und man kann also den Lehrsatz des
vorigen Art. anwenden, wodurch man eine Function mit den verlang-
ten Eigenschaften erhält. Hieraus kann man mit Hülfe des Lehr-
satzes im Art. 13. folgern, dass im Allgemeinen, wenn in einem
einzelnen Unstetigkeitspunkte die Function unendlich gross von der
Ordnung n werden darf, eine Anzahl von 2n Constanten verfügbar wird.
Geometrisch dargestellt liefert (nach Art. 15.) eine Function w
einer innerhalb eines gegebenen Grössengebiets von zwei Dimensionen
veränderlichen complexen Grösse z von einer gegebenen Ä bedecken-
den Fläche T ein ihr in den kleinsten Theilen, einzelne Punkte aus-
genommen, ähnliches, B bedeckendes Abbild S. Die Bedingungen,
welche so eben zur Bestimmung der Function hinreichend und noth-
wendig befunden worden sind, beziehen sich auf ihren Werth entweder
in Begrenzungs- oder in Unstetigkeitspunkten; sie erscheinen also
(Art. 15.) sämmtlich als Bedingungen für die Lage der Begrenzung
von S, und zwar geben sie für jeden Begrenzungspunkt Eine Bedin-
gungsgleichung. Bezieht sich jede derselben nur auf Einen Begren-
zungspunkt, so werden sie durch eine Schaar von Curven repräsentirt,
von denen für jeden Begrenzungspunkt Eine den geometrischen Ort
bildet. Werden zwei mit einander stetig fortrückende Begrenzungs-
I)unkte gemeinschaftlich zwei Bedingungsgleichungen unterworfen, so
entsteht dadurch zwischen zwei Begrenzungstheilen eine solche Ab-
hängigkeit, dass, wenn die Lage des einen willkürlich angenommen
wird, die Lage des andern daraus folgt. Aehnlicher Weise ergiebt
sich für andere Formen der Bedingungsgleichungen eine geometrische
Bedeutung, was wir indess nicht weiter verfolgen wollen.
20.
Die Einführung der complexen Grössen in die Mathematik hat
ihren Ursprung und nächsten Zweck in der Theorie einfacher*) durch
*) Wir betrachten hier als Elementaroperationen Addition und Subtraction,
Multiphcation und Division, Integration und Differentiation, und ein Abhängigkeits-
38 i- GruDdlagtMi für eine allgcnioinc Theorie
Grössenoperationeii ausgedrückter Abliängigkeitsgesetze zwischen ver-
änderlichen Grössen. AVendet man nämlich diese Abhängigkeitsgesetze
in einem erweiterten Umfange an, indem man den veränderlichen
Grössen, auf welche sie sich beziehen, complexe Werthe giebt, so tritt
eine sonst versteckt bleibende Harmonie und Regelmässigkeit hervor.
Die Fälle, in denen dies geschehen ist, umfassen zwar bis jetzt erst
ein kleines Gebiet — sie lassen sich fast sämmtlich auf diejenigen
Abhängigkeitsgesetze zwischen zwei veränderlichen Grössen zurück-
führen, wo die eine entweder eine algebraische*) Function der an-
dern ist oder eine solche Function, deren Differentialquotient eine
algebraische Function ist — aber beinahe jeder Schritt, der hier ge-
than ist, hat nicht bloss den ohne Hülfe der complexen Grössen
gewonnenen Resultaten eine einfachere, geschlossenere Gestalt gegeben,
sondern auch zu neuen Entdeckungen die Bahn gebrochen, wozu die
Geschichte der Untersuchungen über algebraische Functionen, Kreis-
oder Exponentialfunctionen, elliptische und AbeFsche Functionen den
Beleg liefert.
Es soll kurz angedeutet werden, was durch unsere Untersuchung
für die Theorie solcher Functionen gewonnen ist.
Die bisherigen Methoden, diese Functionen zu behandeln, legten
stets als Definition einen Ausdruck der Function zu Grunde, wodurch
ihr Werth für jeden Werth ihres Arguments gegeben wurde; durch
unsere Untersuchung ist gezeigt, dass, in Folge des allgemeinen
Charakters einer Function einer veränderlichen complexen Grösse, in
einer Definition dieser Art ein Theil der Bestimmungsstücke eine Folge
der übrigen ist, und zwar ist der Umfang der Bestimmungsstücke auf
die zur Bestimmung nothwendigen zurückgeführt worden. Dies ver-
einfacht die Behandlung derselben wesentlich. Um z. B. die Gleichheit
zweier Ausdrücke derselben Function zu beweisen, musste man sonst
den einen in den andern transformiren, d. h. zeigen, dass beide für
jeden Werth der veränderlichen Grösse übereinstimmten; jetzt genügt
der Nachweis ihrer Uebereinstimmung in einem weit geringern Umfange.
Eine Theorie dieser Functionen auf den hier gelieferten Grund-
lagen würde die Gestaltung der Function (d. h. ihren Werth für jeden
Werth ihres Arguments) unabhängig von einer Bestimmungsweise der-
selben durch Grössenoperationen festlegen, indem zu dem allgemeinen
Begriffe einer Function einer veränderlichen complexen Grösse nur die
gesetz als desto einfacher, durch je weniger Elementaroperationen die Ab-
hängigkeit bedingt wird. In der That lassen sich durch eine endliche Anzahl
dieser Operationen alle bis jetzt in der Analysis benutzten Functionen definiren.
*; D. h. wo zwisclien beiden eine algebraische Gleichung Statt findet.
der Functionen einer veränderlichen complexeu Grösse. 31)
zur Bestimmung der Functiuii iiothw endigen Merkmale hinzugefügt
würden, und dann erst zu den verscliiedenen Ausdrücken deren die
Function fähig ist übergehen. Der gemeinsame Charakter einer Gat-
tun<»- von Functionen, welche auf ähnliche Art durch Grössenoperationen
ausgedrückt werden, stellt sich dann dar in der Form der ihnen auf-
erlegten Grenz- und Unstetigkeitsbedingungen. Wird z. B. das Gebiet
der Veränderlichkeit der Grösse z über die ganze unendliche Ebene A
einfach oder mehrfach erstreckt, und innerhalb derselben der Function
nur in einzelnen Punkten eine ünstetigkeit, und zwar nur ein Unend-
lichwerden, dessen Ordnung endlich ist, gestattet (wobei für ein un-
endliches z diese Grösse selbst, für jeden endlichen Werth z derselben
aber , als ein unendlich Grosses erster Ordnung gilt), so ist die
z — z
Function noth wendig algebraisch, und umgekehrt erfüllt diese Bedin-
gung jede algebraische Function.
Die Ausführung dieser Theorie, welche, wie bemerkt, einfache
durch Grössenoperationen bedingte Abhängigkeitsgesetze ins Licht zu
setzen bestimmt ist, unterlassen wir indess jetzt, da wir die Betrach-
tung des Ausdruckes einer Function gegenwärtig ausschliessen.
Aus demselben Grunde befassen wir uns hier auch nicht damit,
die Brauchbarkeit unserer Sätze als Grundlagen einer allgemeinen
Theorie dieser Abhängigkeitsgesetze darzuthun, wozu der Beweis er-
fordert wird, dass der hier zu Grunde gelegte Begriff einer Function
einer veränderlichen complexen Grösse mit dem einer durch Grössen-
operationen ausdrückbaren Abhängigkeit^) völlig zusammenfällt.
21.
Es wird jedoch zur Erläuterung unserer allgemeinen Sätze ein
ausgeführtes Beispiel ihrer Anwendung von Nutzen sein.
Die im vorigen Artikel bezeichnete Anwendung derselben ist, ob-
wohl die bei ihrer Aufstellung zunächst beabsichtigte, doch nur eine
specielle. Denn wenn die Abhängigkeit durch eine endliche Anzahl
der dort als Elementar Operationen betrachteten Grössenoperationen be-
dingt ist, so enthält die Function nur eine endliche Anzahl von Para-
metern, was für die Form eines Systems- von einander unabhängiger
Grenz- und Unstetigkeitsbedingungen, die zu ihrer Bestimmung hin-
*) Es ^vi^d darunter jede durch eine endliche oder unendliche Anzahl der
vier einfachsten Rechnungsoperationen, Addition und Subtraction , Multiplication
und Division, ausdrückbare Abhängigkeit begriffen. Der Ausdruck Grössenopera-
tionen soll (im Gegensatze zu Zahlenoperationen) solche Kechnungsoperationen
andeuten, bei denen die Commensurabilität der Grössen nicht in Betracht kommt.
40 I- Grundlagen für eine allgemeine Theorie
reichen, den Erfolg hat, dass unter ihnen längs einer Linie in jedem
Punkte willkürlich zu bestimmende Bedingungen gar nicht vorkommen
können. Für unsern jetzigen Zweck schien es daher geeigneter, nicht
ein dorther entnommenes Beispiel zu wählen, sondern vielmehr ein
solches, wo die Function der complexen Veränderlichen von einer will-
kürlichen Function abhängt.
Zur Veranschaulichung und bequemeren Fassung geben wir dem-
selben die am Schlüsse des Art. 19. gebrauchte geometrische Einklei-
dung. Es erscheint dann als eine Untersuchung über die Möglichkeit,
von einer gegebenen Fläche ein zusammenhängendes in den kleinsten
Theilen ähnliches Abbild zu liefern, dessen Gestalt gegeben ist, wo
also, in obiger Form ausgedrückt, für jeden Begrenzungspunkt des Ab-
bildes eine Ortscurve, und zwar für alle dieselbe, ausserdem aber
(Art. 5.) der Sinn der Begrenzung und die Windungspunkte desselben
gegeben sind. Wir beschränken uns auf die Lösung dieser Aufgabe
in dem Falle, wo jedem Punkte der einen Fläche nur Ein Punkt der
andern entsprechen soll und die Flächen einfach zusammenliängend
sind, für welchen Fall sie in folgendem Lehrsatze enthalten ist.
Zwei gegebene einfach zusammenhängende ebene Flächen können
stets so auf einander bezogen werden, dass jedem Punkte der einen
Ein mit ihm stetig fortrückender Punkt der andern entspricht und
ihre entsprechenden kleinsten Theile ähnlich sind; und zwar kann zu
Einem innern Punkte und zu Einem Begrenzungspunkte der entspre-
chende beliebig gegeben werden; dadurch aber ist für alle Punkte die
Beziehung bestimmt.
Wenn zwei Flächen T und R auf eine dritte S so bezogen sind,
dass zwischen den entsprechenden kleinsten Theilen Aehnlichkeit Statt
findet, so ergiebt sich daraus eine Beziehung zwischen den Flächen T
und JR, von welcher offenbar dasselbe gilt. Die Aufgabe, zwei belie-
bige Flächen auf einander so zu beziehen, dass Aehnlichkeit in den
kleinsten Theilen Statt findet, ist dadurch auf die zurückgeführt, jede
beliebige Fläche durch Eine bestimmte in den kleinsten Theilen ähn-
lich abzubilden. Wir haben hiernach, wenn wir in der Ebene B um
den Punkt, yfo w = o ist, mit dem Radius 1 einen Kreis K beschrei-
ben, um unsern Lehrsatz darzuthun, nur nöthig zu beweisen: Eine
beliebige einfach zusammenhängende A bedeckende Fläche T kann
durch den Kreis K stets zusammenhängend und in den kleinsten Thei-
len ähnlich abgebildet werden und zwar nur auf Eine Art so, dass
dem Mittelpunkte ein beliebig gegebener innerer Punkt 0„ und einem
beliebig gegebenen Punkte der Peripherie ein beliebig gegebener Be-
grenzungspunkt 0' der Fläche T entspricht.
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 41
Wir bezeichnen die bestimmten Bedeutungen von s; Q für die
Punkte Oa, 0' durch entsprechende Indices und beschreiben in T um
Oo als Mittelpunkt einen beliebigen Kreis 0, welcher sich nicht bis
zur Begrenzung von T erstreckt und keinen Windungspunkt enthält,.
Führen wir Polarcoordinaten ein, indem wir z — Zo = re^' setzen, so
wird die Function log {0 — z,,) = log r -{- cpi. Der reelle Werth ändert
sich daher im ganzen Kreise mit Ausnahme des Punktes 0„, wo er
unendlich wird, stetig. Der imaginäre aber erhält, wenn überall unter
den möglichen Werthen von cp der kleinste positive gewählt wird,
längs des Radius, wo z — z,, reelle positive Werthe annimmt, auf der
einen Seite den Werth o, auf der andern den Werth 2;r, ändert sich
aber dann in allen übrigen Punkten stetig. Oftenbar kann dieser Ra-
dius durch eine ganz beliebige vom Mittelpunkte nach der Peripherie
gezogene Linie l ersetzt werden, so dass die Function log (z — Zo)
beim Uebertritt des Punktes 0 von der negativen (d. h. wo nach
Art. 8. I? negativ wird) auf die positive Seite dieser Linie eine plötz-
liche Verminderung um 27t i erleidet, ü1)rigens aber sich mit dessen
Lage im ganzen Kreise 0 stetig ändert. Nehmen wir nun die com-
plexe Function a -{- ßi von x, y im Kreise S = log (z — Zo), ausser-
halb desselben aber, indem wir l beliebig bis an den Rand verlängern,
so an, dass sie
1) an der Peripherie von (:) = log (z — Zo)j am Rande von T
blo*ss imaginär wird,
2) beim Uebertritt von der negativen auf die positive Seite der
Linie / sich um — 2jtt, sonst aber bei jeder unendlich klei-
nen Ortsänderung um eine unendlich kleine Grösse von der-
selben Ordnung ändert,
was immer möglich sein wird, so erhält das
/((K-K)"+(g+?4r)"
über ® ausgedehnt den Werth Null, über den ganzen übrigen Theil
erstreckt einen endlichen Werth, und es kann daher « + ßi durch
Hinzufügung einer bis auf einen bloss imaginären constanten Rest
bestimmten stetigen Function von x, y, welche am Rande bloss imaginär
ist, in eine Function t = m -\- nl von z verwandelt werden. Der reelle
Theil m dieser Function wird am Rande = 0, im Punkte 0« = — 00
und ändert sich im ganzen übrigen T stetig. Für jeden zwischen 0
und — 00 liegenden Werth a von m zerfällt daher T durch eine Linie,
wo m = a ist, in Theile, wo m <Ca ist und die 0^ im Innern enthal-
ten, einerseits und andererseits in Theile, wo m > a ist und deren
42 1. Grundlagen für eine allgemeine Theorie
Begrenzung theils durch den Rand von T, theils durch Linien, wo
ni = a ist, gebildet wird. Die Ordnung des Zusammenhangs der
Fläche T wird durch diese Zerfiiilung entweder nicht geändert oder
erniedrigt, die Fläche zerfällt daher, da diese Ordnung = — 1 ist,
entweder in zwei Stücke von der Ordnung des Zusammenhangs o und
— 1, oder in mehr als zwei Stücke. Letzteres aber ist unmöglich,
weil dann wenigstens in Einem dieser Stücke m überall endlich und
stetig und in allen Theilen der Begrenzung constant sein müsste,
folglich entweder in einem Flächentheil einen constanten Werth, oder
irgendwo, — in einem Punkte oder längs einer Linie — einen Maxi-
mum- oder Minimumwerth haben müsste, gegen Art. 11., III. Die
Punkte, wo m constant ist, bilden also in sich zurücklaufende allent-
halben einfache Linien, welche ein den Punkt Oo einschliessendes Stück
begrenzen, und zwar nimmt m nach Innen zu nothwendig ab, woraus
folgt, dass bei einem positiven Umlaufe (wo nach Art. 8. s wächst) n,
soweit es stetig ist, stets zunimmt, und also, da es nur beim Ueber-
tritt von der negativen auf die positive Seite der Linie l eine plötz-
liche Aenderung um — 2%"^) erleidet, jedem Werth zwischen o und
2% Einmal von einem Vielfachen von 2% abgesehen gleich wird.
Setzen wir nun e^ = tv, so werden e"* und n Polarcoordinaten des
Punktes Q in Bezug auf den Mittelpunkt des Kreises K. Die Ge-
sammtheit der Punkte Q bildet dann offenbar eine über K allenthalben
einfach ausgebreitete Fläche S: der Punkt Qo derselben fällt auf den
Mittelpunkt des Kreises; der Punkt Q' aber kann vermittelst der in n
noch verfügbaren Constante auf einen beliebig gegebenen Punkt der
Peripherie gerückt werden, w. z. b. w.
In dem Falle, wo der Punkt Oo ein Windungspunkt m- Ister Ord-
nung ist, gelangt man, wenn nur log (^ — ^o) durch - log (^ — 0^)
ersetzt wird, durch ganz ähnliche Schlüsse zum Ziele, deren weitere
Ausführung man indess aus Art. 14. leicht ergänzen wird.
22.
Die vollständige Durchführung der Untersuchung des vorigen
Artikels für den allgemeinern Fall, wo Einem Punkte der einen Fläche
*) Da die Linie l von einem im Innern des Stücks gelegenen Punkte bis zu
einem äussern führt, so muss sie, wenn sie dessen Begrenzung mehrmals schneidet,
Einmal mehr von Innen nach Aussen, als von Aussen nach Innen gehen, und die
Summe der plötzlichen Aenderungen von n während eines positiven Umlaufs ist
daher stets = — 2n.
der Functionen einer veränderlichen complexen Grösse. 43
mehrere Punkte der andern entsprechen sollen, und ein einfacher Zu-
sammenhang für dieselben nicht vorausgesetzt wird, unterlassen wir
hier, zumal da, aus geometrischem Gesichtspunkte aufgefasst, unsere
ganze Untersuchung sich in einer allgemeinern Gestalt hätte führen
lassen. Die Beschränkung auf ebene, einzelne Punkte ausgenommen,
schlichte Flächen, ist nämlich für dieselbe nicht wesentlich; vielmehr
gestattet die Aufgabe, eine beliebig gegebene Fläche auf einer andern
beliebig gegebenen in den kleinsten Theilen ähnlich abzubilden, eine
ganz ähnliche Behandlung. Wir begnügen uns, hierüber auf zwei
Gauss'sche Abhandlungen, die zu Art. 3. citirte und die disquis. gen.
circa superf. art. 13., zu verweisen.
1 n h a 1 1. 0
• Seite
1. Eine veränderliche complexe Grösse ic ^^ u -\- vi heisst eine Function einer
andern veränderlichen Grösse z = x -\- yi, wenn sie mit ihr sich so ändert,
dass -— von dz unabhängig ist. Diese Definition wird begründet durch
die Bemerkung dass dies immer stattfindet, wenn die Abhängigkeit der
Grösse iv von z durch einen analytischen Ausdruck gegeben ist. ... 3
2. Die Werthe der veränderlichen complexen Grössen z und tu werden dar-
gestellt durch die Punkte 0 und Q zweier Ebenen Ä und B, ihre Ab-
hängigkeit von einander als eine Abbildung der einen Ebene auf die andere. 5
3. Ist die Abhängigkeit eine solche (Art. 1.) dass -^ von <?^ unabhängig ist,
U/ Z
80 findet zwischen dem Original und seinem Bilde Aehnlichkeit in den
kleinsten Theilen statt 5
4. Die Bedingung, dass ^— von dz unabhängig ist, ist identisch mit fol-
T du cv du dv . .. _- c^^u . d'^u
genden: - = _ , j_ = _ g_ . Aus ihnen folgen — + ^ = 0,
^ + ^ = 0 6
5. Als Ort des Punktes 0 wird für die Ebene A eine begrenzte über die-
selbe ausgebreitete Fläche T substituirt. Windungspunkte dieser Fläche. 7
6. Ueber den Zusammenhang einer Fläche , .... 9
I* /d X d Y\
7. Das Integral I 1 -^^— + ■^— | d T durch die ganze Fläche T erstreckt,
ist gleich — f {X. cos | -}- Ycos iq) ds durch ihre ganze Begrenzung, wenn
X und Y beliebige in allen Punkten von T stetige Functionen von x
und y sind 12
8. Einführung der Coordinaten s und p des Punktes O in Bezug auf eine
beliebige Linie. Die gegenseitige Abhängigkeit des Vorzeichens von ds
V X (j 11
und dp wird so festgesetzt, dass — = -^ ist 14
9. Anwendung des Satzes im Art. 7., wenn in allen Flächentheilen
ex ' üy
ist 15
10. Bedingungen, unter welciien im Innern einer A einfach bedeckenden
Fläche T eine Function u, welche, allgemein zu reden ^ der Gleichung
^—2 -j- -K—^ = 0 genügt, nebst allen ihren Difi:erentialquotienten überall
endlich imd stetig ist 18
^) Diese Inhaltsübersicht rührt fast vollständig von Riemann her.
Inhalt. 45
Seite
11. Eigenschaften einer solchen Function 21
12. Bedingungen, unter welchen im Innern einer A einfach bedeckenden ein-
fach zusammenhängendeu Fläche T eine Function w von z überall nebst
allen ihren Difterentialquotienteu endlich und stetig ist 23
13. Unstetigkeiten einer solchen Function in einem inneren Punkte .... 24
14. Ausdehnung der Sätze des Art. IS. und 13. auf Punkte im Innern einer
beliebigen ebenen Fläche 25
15. Allgemeine Eigenschaften der Abbildung einer in der£bene A ausgebrei-
teten Fläche T auf eine in der Ebene B ausgebreitete Fläche aS', durch
welche die Werthe einer Function iv von z geometrisch dargestellt werden. 28
16.
Das Integral j \{ß^ - -^) '^ [diji ^ Wx) ] '^^' ^"^^^' ^'"^ ^^"^^^
Fläche 2' erstreckt, erhält bei Aenderung von a um stetige oder doch
nur in einzelnen Punkten unstetige Functionen, die am Rande = 0 sind,
immer für Eine einen Minimumswerth und wenn man durch Abänderung
in einzelnen Punkten hebbare Unstetigkeiten ausschliesst, nur für Eine . 30
17. Begründung eines im vorigen Art. vorausgesetzten Satzes mittelst der
Grenzmethode 31
18. Ist in einer beliebigen zusammenhängenden, durch Querschnitte in eine
einfach zusammenhängende T* zerlegten ebenen Fläche T eine Function
a -]- ßi von X, y gegeben, für welche
durch die ganze Fläche endlich ist, so kann sie immer und nur auf eine
Art in eine Function von z verwandelt werden durch Hinzufügung einer
Function ^i -\- vi von .t, y welche so bedingt ist: 1.) /* ist am Rande = 0,
V in Einem Punkte gegeben. 2.) Die Aenderungen von ^ sind in T,
die von v in T* nur in einzelnen Punkten und nur so unstetig, dass
/[Ö^+fö1 ^'^•- /[Ö^+fö] "^ ^"- ^^«
ganze Fläche endlich bleiben und letztere an den Querschnitten beider-
seits gleich 33
19. Ueberschlag über die hinreichenden und nothwendigen Bedingungen zur
Bestimmung einer Function complexen Arguments innerhalb eines gege-
benen Grössengebiets 35
20. Die frühere Bestimmungsweise einer Function durch Grössenoperationen
enthält überflüssige Bestandtheile. Durch die hier durchgeführten Betrach-
tungen ist der Umfang der Bestimmungsstücke einer Function auf das
nothwendige Mass zurückgeführt .,..- 37
21. Zwei gegebene einfach zusammenhängende Flächen können stets so auf
einander bezogen werden, dass jedem Punkte der einen Ein mit ihm stetig
fortrückender Punkt der andern entspricht und ihre entsprechenden klein-
sten Theile ähnlich sind; und zwar kann zu Einem inneren Punkt und zu
Einem Begrenz ungspmikt der entsprechende beliebig gegeben werden.
Dadurch ist für alle Punkte die Beziehung bestimmt 39
22. Schlussbemerkungen 42
Anmerkungen.
(1) (zu Seite 3.) In Riemann's Papieren findet sich der folgende an diese Stelle
gehörige Zusatz:
„Unter dem Ausdruck: die Grösse w ändert sich stetig mit z zwischen den
Grenzen z = a und z =^ b verstehen wir: in diesem Intervall entspricht jeder
unendlich kleinen Aenderung von z eine unendlich kleine Aenderung von w
oder, greiflicher ausgedrückt: für eine beliebig gegebene Grösse s lässt sich
stets die Grösse a so annehmen, dass innerhalb eines Intervalls für z, welches
kleiner als cc ist, der Unterschied zweier Werthe von 2u nie grösser als s ist.
Die Stetigkeit einer Function führt hiernach, auch wenn dies nicht besonders
hervorgehoben ist, ihre beständige Endlichkeit mit sich/'
(2) (zu Seite 18.) Zur Erläuterung dieser im Ausdruck etwas dunkeln Stelle kann
folgendes Beispiel dienen:
_ _ In der beistehenden Figur ist T
eine dreifach zusammenhängende
Fläche, (ah) sei der ersteQuerschnitt
(/i, (cd) der zweite q.^. Man hat hier
drei verschiedene constante Werth-
differenzen der Function
Z
,/■(
X
dy
■)
ds
zu unterscheiden. Diese seien: ander
= Strecke («c) : ^, an der Strecke (cb):B^
^ an der Strecke (cd) : C. Durchläuft
man also zuerst (cd), so kann hier C
irgend einen Werth haben. Durchläuft man hierauf (6c), so kann hier B
einen andern beliebigen Werth haben. An (ac) ist aber hiernach die constanie
WerthdifFerenz Ä der Function Z völlig bestimmt, nämlich (wenn die Vor-
zeichen passend bestimmt werden) A =^ B -\- C. Auf ähnliche Weise schliesst
man allgemein, dass, so oft beim Rückwärtsdurchlaufen des Querschnitt-
systems ein schon durchlaufener Querschnitt einmündet, die Aenderung, welche
die constante Werthdifferenz der Function dadurch erfährt, vollkommen be-
stimmt ist.
(3) (zu Seite 33.) Die folgenden Bemerkungen sind fast wörtlich den in Riemann's
handschriftlichen Nachlass gefundenen Entwürfen zu Art. 17. entnommen und
dienen theils zur Erläuterung, theils zur Ergänzung der Untersuchung.
Von den Werthen Pj und P^ kann auch einer überall = 0 genommen
werden, wenn nur T' eine endliche Breite behält, wodurch unser Beweis
auf den Fall anwendbar wird, wo die Unstetigkeit längs eines Theils der Be-
grenzung einträte, oder durch Abänderung von y längs einer Linie im Innern
entstanden wäre. Für m ist deshalb nicht geradezu der kleinste Werth von
(Vi ~ 72^ ^^ d^i^ angegebenen Intervall von j^i ^^^ P2 gesetzt, damit der
Beweis auch auf den Fall anwendbar ist, wo y unendlich viele Maxima und
Minima, also z. B. in der Nähe der Unstetigkeitslinie den Werth sin — , hätte.
In ähnlicher Weise lässt sich zeigen, dass L über alle Grenzen wächst, wenn
Anmerkungen. 47
X sich einer Function y unbegrenzt nähert, die in einem Punkt 0' so unstetig
wird, dass in einem Theil einer mit dem Radius q um 0' beschriebenen
Kreislinie o , , 0 , für ein unendlich kleines p sich einer endlichen Grenze
nähern oder unendlich werden.
Es lägst sich in diesem Fall ein Werth B, von q so annehmen, dass unter-
halb desselben
^i\p:!^m]'^
u
nicht 0 wird. Bezeichnen wir den kleinsten Werth dieser Grösse in diesem
Intervall durch a, so wird der Beitrag eines zwischen q = B und 9 = r (wo
r <i li) enthaltenen Kreisrings zu L
R 2Jt ^ R
f'''J' [®' ■*" ©1 "^^ ^/^ ''" ^ " *'"^ ^' ~ ^"^ ''
/• U r
und folglich, wenn man r = lie " annimmt ^ C. Wählt man also zur
_ c
Begrenzung von T' einen Kreis, wo 9 <^ lie ", so wird der aus dem übrigen
T stammende Theil von L und folglich L selbst, wie auch l im Innern des
Kreises angenommen werden möge, ]> C.
(Diese Untersuchung bezieht sich zwar zunächst auf einen Punkt, der kein
Winduugspunkt und kein Begrenzungspunkt ist, erleidet aber eine wesent
liehe Aenderung nur für einen Begrenzuugspunkt, wo die Fläche eine Spitze,
d. h. ihre Begrenzung einen Kückkehrpunkt hat. Die Bestimmung eines
Grades der Unstetigkeit, welchen X nicht erreichen kann, beruht indess auch
hier auf denselben Principien und wir begnügen uns daher mit der Andeu-
tung dieses Falles.)
Es liefert also, wenn der Flächentheil, wo X und y verschieden sind, un-
endlich klein wird, im Fall einer Unstetigkeitslinie T' selbst, im Fall eines
Unstetigkeitspunktes der übrige Theil von T einen unendlichen Beitrag zu X,
und unsere Behauptung ist daher, wenn die Unstetigkeit den hier voraus-
gesetzten Grad erreicht, gerechtfertigt. Ihre Gültigkeit in diesem Umfang
genügt für uns und in der That wird sie für leichtere Unstetigkeiten unrichtig,
wie z. B. wenn y in der Entfernung q des Punktes O vom Unstetigkeitspunkt
^= (log — ) und iti << i ist. Wir geben daher dem ersten Theil des Satzes
im Art. 16. folgende Beschränkung: Das Integral Sl hat, a = cc -\- X gesetzt,
entweder für eine der Functionen X ein Minimum, oder X nimmt, während Sl
sich einem kleinsten Grenzwerth nähert doch nur in einzelnen Punkten eine
Unstetigkeit an, bei welcher die Ordnung von 0— ;» 0— » wenn sie unendlich
werden, die Einheit nicht erreicht.
Eine Unstetigkeit der Function co, die durch Abänderung eines Werthes in
einem Punkt hebbar ist, muss z. B. eintreten, wenn in der Fläche irgendwo
ein Stich, also ein einzelner Begrenzungspunkt, wo /l = 0 sein müsste, an-
genommen würde.
IL
lieber die Gesetze der Vertheilung von Spannungselectricität
in ponderabeln Körpern, wenn diese nicht als vollkommene
Leiter oder Nichtleiter, sondern als dem Enthalten von Span-
nungselectricität mit endlicher Kraft widerstrebend
betrachtet werden.
(Amtlicher Bericht über die 31. Versanimhmg deutscher Naturforscher
und Aerzte zu Göttingeu im September 1854. *)
Mittelst der sinnreichen Werkzeuge für Spannungselectricität,
welche Herr Prof. Kohlrauscli in der gestrigen Sitzung dieser Section
erwähnte, hat derselbe auch die Bildung des Rückstandes in der Ley-
dener Flasche und in andern Apparaten zur Bindung von Electricität
untersucht. Diese Erscheinung ist im Wesenthchen folgende: Wenn
man eine Leydener Flasche, nachdem sie längere Zeit geladen gestan-
den hat, entladet und sie dann eine Zeit lang isolirt stehen lässt, so
tritt nach einiger Zeit eine merkliche Ladung wieder auf. Sie führt
zu der Annahme, dass bei der ersten Entladung nur ein Theil der
geschiedenen Electricitätsmenge sich wieder vereinigte, ein Theil aber
in der Flasche zurückblieb. Den ersten Theil nennt man die dispo-
nible Ladung, den zweiten den Rückstand. Die Genauigkeit der
Messungen, welche Herr Prof. Kohlrausch über das Sinken der dis-
ponibeln Ladung und über das Wiederauftreten des Rückstandes an-
gestellt hat, reizte mich, an derselben ein aus andern Gründen wahr-
scheinliches Gesetz zu prüfen, welches eine in der bisherigen Theorie
der Spannungselectricität vorhandene Lücke ausfüllt.
Bekanntlich beziehen sich die mathematischen Untersuchungen
über Spannungselectricität auf ihre Vertheilung in vollkommenen und
völlig isolirten Leitern; man betrachtet also die ponderabeln Körper
entweder als absolute Leiter oder als absolute Nichtleiter. Eine Folge
davon ist, dass nach dieser Theorie sich beim Gleichgewicht die ge-
<♦
*=) Vortrag gehalten am 21. Sept. 1854.
II. Ueber die Gesetze der Vertheilung von Spannungäelectricität etc. 49
saminte Spannungselectricität nur an den Grenzflüchen der Leiter und
Isolatoren ansammelt. Zugestandenermassen aber ist dies eine blosse
Fiction. In der Natur wird es weder einen Körper geben, in welchen
durchaus keine Spannungselectricität eindringen kann, noch einen Körper,
in welchem sich die gesammte Spannungselectricität auf eine mathe-
matische Fläche zusammenziehen kann. Man muss vielmehr annehmen,
dass die ponderabeln Körper dem Aufnehmen oder dem Enthalten von
Spannungselectricität mit endlicher Kraft widerstreben, und zwar ist
die Annahme, deren Consequenzen sich der Erfahrung gemäss zeigen, die,
dass sie nicht dem electrisch Werden oder dem Aufnehmen von Span-
nungselectricität, sondern dem electrisch Sein oder dem Enthalten von
Spannungselectricität widerstreben. Das Gesetz dieses Widerstrebens
ist, je nach der dualistischen oder unitarischen Vorstellungsart, folgen-
des. Nach der dualistischen Vorstellungsart, nach welcher die Span-
nungselectricität der Ueberschuss der positiven Electricität über die
negative ist, muss man in jedem Punkte des ponderabeln Körpers eine
Ursache annehmen, welche mit einer der Dichtigkeit dieses Ueber-
schusses proportionalen Intensität die Dichtigkeit der Electricität
gleichen Zeichens — derjenigen, welche im Ueberschuss vorhanden ist
— zu vermindern und die der entgegengesetzten zu vermehren strebt.
Nach der unitarischen Auffassungsweise, nach welcher die Spannungs-
electricität der Ueberschuss der in dem Körper enthaltenen Electricität
über die ihm natürliche ist, muss man in jedem Punkte desselben eine
Ursache annehmen, welche mit einer der Dichtigkeit dieses Ueber-
schusses proportionalen Intensität die Dichtigkeit der Electricität zu
vermindern oder bei negativem Ueberschuss zu vermehren strebt. Ausser
dieser Bewegungsursache hat man nun, wenn keine merklichen ther-
mischen oder magnetischen oder voltainductorischen Wirkungen und
Einflüsse stattfinden, und die ponderabeln Körper gegen einander
ruhen, nur noch die dem Coulomb'schen Gesetz gemässe electromoto-
risclie Kraft in Rechnung zu ziehen. Unter denselben Umständen kann
man für die Abhängigkeit der erfolgten Bewegung von den Bewegungs-
ursachen Proportionalität zwischen electromotorischer Kraft und Strom-
intensität annehmen.
Um diese Bewegungsgesetze in Formeln auszudrücken, seien x, ?/, z
rechtwinklige Coordinaten und im Punkte (:r, y^ z) zur Zeit i die Dich-
tigkeit der Spannungselectricität (), und u der 4:nrte Theil des Poten-
tials der gesammten Spannungselectricität nach Gaussscher Definition,
nach welcher das Potential in einem bestimmten Punkte gleich ist dem
Integral über sämmtliche Massen Spannungselectricität, jede dividirt durch
die Entfernung von diesem Punkte. Die dem Couldmb'schen (resetz
KiEMANN'ä gesainmelto muthomatiscbe Wi-rke. 1. 4
50 n. Ueber die Gesetze der Vertheiiuug von Spannungselectricität etc.
gemässe electromotorische Kraft ist dann, nach den Richtungen der
drei Axen zerlegt, proportional
du du du
dx'~~dy ' "Wz '
die von der Reaction des ponderabeln Körpers herrührende proportional
d^ dg^ dg
d x^ dy ^ dz'
Die Componenten der electromotorischen Kraft können also gleich
gesetzt werden
^J* (32 '^± ^J* „ /?2 ^ _ ^ _ /i2 ^
ex P dx' dy ^ dy ^ 'dz P dz ^
wo /3- nur von der Natur des ponderabeln Körpers abhängt. Diesen
sind nun die Componenten der Stromintensität proportional, sie sind
also = a^, arjy a^, wenn man durch i, rj, t, die Componenten der
Stromintensität und durch a eine von der Natur des ponderabeln Kör-
pers abhängige Constante bezeichnet.
Verbindet man hiermit die phoronomische Gleichung
'^dt ~^ dx~^ dy '^ dz '
welche man erhält, indem man die in das Raumelement dxdyds im
Zeitelement dt einströmende Electricitätsmenge auf doppelte Weise
ausdrückt, und die Gleichung
d'^u j, d^u j_ d^u
W''^ dy'^'^ dV^~~ ~ ^^
welche aus dem Begriffe des Potentials folgt, so erhält man, indem
man erstere mit a multiplicirt und für ^, t], t, ihre Werthe setzt, die
Gleichung
Diese giebt für ti eine partielle Differentialgleichung, welche in
Bezug auf t vom ersten , in Bezug auf die Raumcoordinaten vom
vierten Grade ist, und um von einem bestimmten Zeitpunkte an u
innerhalb des ponderabeln Körpers allenthalben vollständig zu bestim-
men, werden ausser dieser Gleichung in jedem Punkte desselben Eine
Bedingung für die Anfangszeit und für die Folge in jedem Ober-
flächenpunkte zwei Bedingungen erforderlich sein.
Ich werde nun die Consequenzen dieser Gesetze in einigen beson-
deren Fällen mit der Erfahrung vergleichen.
Für das Gleichgewicht (in einem System isolirter Leiter) ist
II. (Jeber die Gesetze der Vertbeilung von Spaunungselectricitixt etc. 51
oder
oder^ da
1^ , >32 ^9 _ 0, ^" + ß'l^ = 0, ^^ + ß' ?^ = 0
tt + /3-() = Const.,
»-^^(C + ?? + S)=Const.
Für die Stromausgleichung oder den Beharrungszustand der Verthei-
hmg (im Schliessungsbogen constanter Ketten) ist
dt ^
oder
Wenn nun die Länge ß gegen die Dimensionen des ponderabelu
Körpers sehr klein ist, so nimmt u — Const. im erstem Falle und q
im zweiten von der Oberfläche ab sehr schnell ab und ist im Innern
überall sehr klein, und zwar ändern sich diese Grössen mit dem Ab-
stände ]) von der Oberfläche nahe wie c K Dieser Fall wird bei
den metallischen Leitern angenommen werden müssen; wird /3 = 0
gesetzt, so erhält man die bekannten Formeln für vollkommene Leiter.
Bei der Anwendung dieser Gesetze auf die Rückstandsbildung in
der Leydener Flasche musste ich, da Angaben über die Dimensionen
der Apparate fehlten, annehmen, dass die Dimensionen derselben gegen
den Abstand der Belegungen als unendlich gross betrachtet werden
dürften. Mit der Ausführung der Rechnung wage ich die verehrten
Anwesenden nicht zu ermüden und begnüge mich das Resultat dersel-
ben anzugeben.
Aus den Messungen des Herrn Prof. Kohlrausch hatte sich erge-
ben, dass die disponible Ladung, als Function der Zeit betrachtet,
nahe durch eine Parabel dargestellt wird, dass jedoch der Parameter
der Parabel, welche sich der Ladungscurve am nächsten anschliesst,
langsam abnimmt, so dass wenn man die anfängliche Ladung durch Zo,
die zur Zeit t durch Lt bezeichnet, " ^ ^^ eine Grösse ist, welche
"j/T
mit wachsendem i allmählich abnimmt.
Dasselbe ergab sich auch aus der Rechnung, wenn angenommen
wurde, dass sowohl a als /3^ beim Glase, wie dies von vorn herein zu
erwarten war, sehr gross sei und als unendlich gross betrachtet wer-
4*
52 II. lieber die Gesetze der Vertheilung von Spannungselectricität etc.
(leu dürfe, während ihr Quotient endlich bleibt. Eine schärfere Ver-
gleichung der Rechnung mit den Beobachtungen habe ich nicht ange-
gestellt, namentlich aus dem Grunde, weil mir Angaben über die
Dimensionen der Apparate und überhaupt alle Mittel fehlten, die wegen
der Abweichungen von den Vorraussetzungen der Rechnung nöthigen
Correctionen zu bestimmen. Es wäre eine solche namentlich zur Be-
stimmung der electrischen Constanten des Glases zu wünschen. Doch
halte ich das hier aufgestellte Gesetz für die Vertheilung der Span-
nungselectricität für vollkommen durch die Messungen des Herrn Prof.
Kohl rausch bestätigt.
Ich darf wohl noch in der Kürze die Anwendung dieses Gesetzes
auf einen andern Gegenstand besprechen.
Bekanntlich wird die Fortpflanzung der galvanischen Ströme in
metallischen Leitern und die in Folge derselben stattfindende Strom-
ausgleichung bei Constanten oder langsam sich ändernden electromo-
torischen Kräften durch die dabei auftretende Spannungselectricität
bewirkt. Dieser Vorgang ist wegen seiner ungemein kurzen Dauer
und den hinzukommenden thermischen und magnetischen Wirkungen
nur in seinen Resultaten der experimentalen Forschung zugänglich,
und die einzigen experimentellen Bestimmungen, welche wir darüber
haben, sind die Messungen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit in Tele-
graphendrähten und die Ohm 'sehen Gesetze der Stromausgleichung.
Eine genauere Analyse der Ohm' sehen Gesetze führt indess ebenfalls
zu der hier gemachten Annahme, und ich wurde in der That dadurch
zuerst auf sie geführt.
Ohm bestimmt die Stromvertheilung bei der Stromausgleichung
durch folgende zwei Bedingungen:
1) Um die den wirklich erfolgten Stromintensitäten proportionalen
electromotorischen Kräfte zu erhalten, muss man zu den äussern electro-
motorischen Kräften Kräfte hinzufügen, welche die Differentialquotienten
Einer Function des Orts, der Spannung, sind.
2) Bei der Stromausgleichung strömt in jeden Theil des pön-
derabeln Leiters eben so viel Electricität ein als aus.
Ohm glaubte nun, dass die Spannung, diese Function des Orts,
von welcher die inneren electromotorischen Kräfte die Differentialquo-
tienten sind, von der Spannungselectricität so abhingen, dass sie ihrer
Dichtigkeit proportional sei, welche Annahme in der That das Zu-
standekommen beider Bedingungen erklärt. Aber es haben schon, fast
gleichzeitig; Herr Prof. Weber*) und Kirchhoff**) darauf aufmerksam
*) Abhandlungen d. k. sächs. Ges. d. W. 1852, T. S. 293.
**) Poggendorifs Annalen. Bd. 79, S. 506.
II. Ueber die Gesetze der VerÜieilung von Spannungselectricität etc. 53
gemacht, dass dann die Electricität im Gleichgewicht sein müsste,
wenn sie den ponderabeln Körper mit gleichmässiger Dichtigkeit er-
füllte, während sie doch der Erfahrung nach beim Gleichgewicht auf
der Oberfläche vertheilt ist. Die Spannung muss eine Function sein,
welche beim Gleichgewicht im ganzen Leiter constant ist, und also
vielmehr dem Potential der Spannungselectricität proportional sein,
und diese innern electromotorischen Kräfte sind mit den dem Coulomb'-
schen Gesetz gemässen identisch.
Diese Ansicht über die Spannung wurde auch von den meisten
Forschern angenommen. Dabei aber blieb es ununtersucht, durch welche
Ursachen bei der Stromausgleichung die zweite Bedingung hergestellt
wurde, dass in jedem ponderabeln Körpertheil die Electricitätsmenge
constant bleibe.
Nach der dualistischen Auffassung muss sowohl die positive als
die negative Electricitätsmenge constant bleiben; dass kein merklicher
Ueberschuss Einer Electricität sich bilde, scheint man, wenigstens so
lange man auf die Grössenverhältnisse nicht näher eingeht, aus der An-
ziehung der entgegengesetzten Electricitäten nach dem CoulomVschen
Gesetz erklären zu können, und man muss dann noch eine Ursache,
dass die neutrale Electricität in jedem Körpertheil constant bleibe, also
einen Druck des Ponderabile auf sie, annehmen. Diese Annahme habe
ich auf Anregung des Herrn Prof. AVeber schon vor mehreren Jahren
der Rechnung zu unterwerfen gesucht, ohne zu einem befriedigenden
Resultat zu gelangen.
Nach unitarischer Auffassung bedarf es nur einer Ursache, welche
die in einem ponderabeln Körpertheil enthaltene Electricitätsmenge con-
stant zu erhalten strebt. Man wird so geradeswegs zu der obigen
Annahme geführt, dass jeder ponderabele Körper Electricität von be-
stimmter Dichtigkeit zu besitzen strebt und sowohl einem grösseren
als einem geringeren erfüllt Sein widerstrebt. Das Gesetz dieses Wider-
strebens kann man so annehmen, wie es sich für das Glas durch die
Erfahrung bestätigt hat.
Diese Betrachtungen führen also dazu, die ursprüngliche Franklin'sche
Auffassung der electrischen Erscheinungen als diejenige anzunehmen,
welche man für das tiefere Eindringen in den Zusammenhang dieser Er-
scheinungen unter sich und mit andern Erscheinungen zu Grunde zu
legen und der weitern Aus- und Umbildung nach den Geboten und
Winken der Erfahrung zu unterwerfen hat.
Möchten sie in dem Kreise bewährter Forscher, vor denen ich sie zu
entwickeln die Ehre hatte, einer nähern Prüfung werth gefunden werden.
III.
Zur Theorie der Nobili 'sehen Farbenringe.
(Aus Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie. Bd. 95, 28. März 1855.)
Die Nobili 'sehen Farbenringe bilden ein schätzbares Mittel, die
Gesetze der Stromverzweigung in einem durch Zersetzung leitenden
Körper experimentell zu studiren. Die Erzeugungsweise dieser Ringe
ist folgende. Man übergiesst eine Platte von Platin, vergoldetem Silber
oder Neusilber mit einer Auflösung von Bleioxyd in concentrirter
Kalilauge und lässt den Strom einer starken galvanischen Batterie
durch die Spitze eines feinen in eine Glasröhre eingeschmolzenen Platin-
draths in die Flüssigkeitsschicht ein und durch die Platte austreten.
Das Anion, Bleisuperoxyd nach Beetz, lagert sich dann auf der Metall-
platte in einer zarten durchsichtigen Schicht ab, welche je nach der
Entfernung vom Eintrittspunkte des Stroms verschiedene Dicke besitzt,
so dass die Platte nach Entfernung der Flüssigkeit New tonische
Farbenringe zeigt. Aus diesen Farbenringen lässt sich dann die
relative Dicke der Schicht in verschiedenen Entfernungen bestimmen
und hieraus mittelst des Far ad ay 'sehen Gesetzes, nach welchem die
Menge der abgeschiedenen Substanz der durchgegangenen Elektricitäts-
menge allenthalben proportional sein muss, die Stromvertheilung beim
Austritt aus der Flüssigkeit ableiten.
Der erste Versuch, die Stromvertheilung durch Rechnung zu be-
stimmen und das gefundene Resultat mit der Erfahrung zu vergleichen,
ist von E. Becquerel gemacht worden. Derselbe hat vorausgesetzt,
dass die Ausdehnung der Flüssigkeitsschicht gegen ihre Dicke als
unendlich gross betrachtet werden dürfe, der Strom durch einen Punkt
ihrer Oberfläche eintrete und sich nach den Ohm 'sehen Gesetzen in
derselben ausbreite. Er glaubt nun bei diesen Voraussetzungen ohne
merklichen Fehler die Strömungscurven als gerade Linien betrachten
111. Zur Theorie der Nobili'Hchen Farbenringe. 55
zu können und leitet aus dieser Annahme das Gesetz ab, dass die
I^icke der niedergeschlagenen Schicht dem Abstände vom Eintritts-
punkte umgekehrt proportional sein müsste, welches Gesetz er experi-
mentell bestätigt habe.
Herr Du-Bois-Reymond .hat dagegen in einem vor der physi-
kalischen Gesellschaft zu Berlin gehaltenen Vortrage gezeigt, dass bei
Voraussetzung gerader Strömungslinien die Dicke der in ihrem End-
punkte abgeschiedenen Substanz vielmehr dem Cubus ihrer Länge um-
gekehrt proportional sich ergiebt und dadurch Herrn Beetz zu einer
Reihe von dem Anschein nach bestätigenden Versuchen veranlasst,
welche in Poggendorffs Annalen Bd. 71, S. 71 beschrieben sind und
viel Vertrauen erwecken.
Die genaue Rechnung indessen lehrt, dass die Voraussetzung
gerader Strömungslinien unzulässig ist und ein ganz falsches Resultat
liefert. Allerdings sind die Strömungslinien, wenigstens bei grösserer
Entfernung ihres Austrittspunktes (da sie zwischen zwei sehr nahen
Parallel-Linien liegen und höchstens einen Wendepunkt besitzen), in
dem mittleren Theile ihres Laufes in beträchtlicher Ausdehnung sehr
wenig gekrümmt; hieraus aber darf man keineswegs schliessen, dass
sie ohne merklichen Fehler durch gerade von ihrem Eintrittspunkte
nach ihrem Austrittspunkte gehende Linien ersetzt werden können.
Ich werde zunächst die bei genauer Rechnung aus den Voraussetzungen
der Herren E. Becquerel und Du-Bois-Reymond fliessenden Fol-
gerungen entwickeln und schliesslich auf die Versuche des Herrn Beetz
zurückzukommen mir erlauben.
Ich nehme an, dass der Eintritt des Stromes in die durch zwei
horizontale Ebenen begrenzte Flüssigkeitsschicht in einem Punkte statt-
finde, und bezeichne für einen Punkt derselben den Horizontalabstand
vom Einströmungspunkt durch r, die Höhe über der unteren Grenz-
fläche durch s, die Erhebung seiner Spannung über die Spannung an
der oberen Seite dieser Grenzfläche durch n. Ferner sei die Stärke
des ganzen Stromes S, der specifische Leitungswiderstand der Flüssig-
keit w, im Einströmungspunkt z= a, an der Oberfläche z == ß. Es
muss nun ii als Function von r und z bestimmt werden; die Strom-
intensität im Punkte (r, ö), welcher nach dem Faraday'schen Gesetz
die gesuchte Dicke der dort niedergeschlagenen Schicht proportional
sein muss, ist dann gleich dem Werthe von - ,.— in diesem Punkte.
^ ^ lü dz
Wird zunächst vorausgesetzt, dass die Ausdehnung der Flüssigkeits-
schicht gegen ihre Dicke als unendlich gross betrachtet werden dürfe,
so sind die Bedingungen zur Bestimmung von n
56 111. Zur Theorie tler Nobili'schen Farbenringe.
(1.) für — oo < /' < ^, ()<Z< ß,
(2.) für — oü < >• < oo, ^ = 0, w = 0;
(3.) für - oo<r<oo, , = ß, || = 0;
(4.) für r = ■^- oo, 0 <s < ß, u endlich;
(5.) für r = 0, 0 = a,
u =
4=71 -j/,.^ -f (0 — a)2
oder = -===^::^
27t y rr -\- {z — af
-j- einer
stetigen Function von r, z, je nachdem der Einströmungspunkt im
Innern oder in der Oberfläche liegt.
Diesen Bedingungen genügt
„ = fi^ y ( _ 1)». ( ___L_ - ' \
oder wenn man zur Vereinfachung S= — annimmt:
„ = y ( - 1)» U ^ _ ' ">
— CO , CO
Setzt man u = a^ sin -^ + «2 sin 2 ^ + % sin 3 ^ + . . , so wird
für ein gerades n der Coefficient an = 0 und für ein ungerades
2/!
^an===j\inn^^{-\)-(^
dt
y rr + (^ + 2mß — «)
— CO, CO ■' ' '
a)'V
y rr + (^ -I- 2mß +
j (sin n f^ (t + a)- sin n ^^ {t - «))^
+ it
.V. 71 a i' nt dt c^ • 71 a /
2 sm n -- / cos n ---tt — rr=z == 2 sm w -^ /
n
CO n -^ ti
71 1 dt ^ . 71 a /'e "'^ cZ^
]/rrH-^^
In letzterem Integral kann statt 1 auch 2 / geschrieben werden.
— CO ri
Führt man für t als Veränderliche tri ein, so erhält man
111. Zur Theorie der Nobili'schen Farbenringe. 57
ilso
u = E sin n
\ Hin n ^ a 1» ^ ~ ■' '
n
2ß"/'e ^^ dt
n'^ ^
e \P dt
über alle positiven ungeraden Werthe von n ausgedehnt.
Nimmt man an, dass die Flüssigkeit bei r = c begrenzt sei und
zwar beispielshalber durch einen Nichtleiter, so muss für /• = c >- = 0
werden und also zu dem oben erhaltenen Werth von tij der durch u'
bezeichnet werden möge, noch eine Function tt" hinzugefügt werden,
welche folgenden Bedingungen genügt
(2.)
für — c < /• < 6', 0 < ^' < ß,
c'u"
für — 6' < r < c, z = 0,
+
1
r
?u"
dr
' cz' '
«" = 0;
(3.)
für -- c < r < c, z = ß,
^ = 0^
(4.)
für r = ±c, 0<z< ß,
d u" c u
dr ~ dr '
und überall stetig ist.
Den Bedingungen (1.) bis (3.) zufolge muss u" ebenfalls in der Form
^i sin ^ ^ + 6, sin 3 — ^ + ?>5 sin 5 ^ ^ + . . .
darstellbar sein, und zwar Hiesst aus (1.) für hn die Bedingung
d'^bn i^ 1 dbn nnrnc -. ^
Ir^ '^ T Ir T^ ^^ ^ ^'
Eine particuläre Lösung dieser Gleichung ist, wie schon bekannt,
7t
e ^ dt
—j=i:zr^\ eine andere erhält man, wenn man dasselbe Integral
zwischen — 1 und 1 nimmt; die allgemeinste ist also, wenn c„ und y^
Constanten bedeuten.
J
, fe 'l' dt , /'e 'I' dt
oder wenn man
58 111- ^vir Theorie der Nobili'scheii Faibeiiiiiige.
r-^_=:_z^=r durcli fiq). 1 ^,-z=r:: diirch wiq)
bezeichnet:
hn = Cnf(n j^ r^ + yn(p (^n ^^ r^
Die Entwicklung nach steigenden Potenzen von q giebt
0, a>
es wird also f(g) für ^ = 0 unendlich und damit ti" für r = 0 stetig
bleibe, muss c„ = 0 sein; yn ergiebt sich dann aus (4.) gleich
mithin
. 4 sin n ^^ « , . , \ /' (^ T« ^)
« = Z- sm » ,^ . --p-^ j / (n ^-p- ,•) - ^ (« j-p- ^j-^-^
über alle positiven ungeraden Werthe von n ausgedehnt.
Zur Berechnung von /" ($) und (p (q) können für grosse Werthe
von q die halbconvergenten Reihen
/■(g) = e-^ y^^- 2" (- 1)"* -
3 . . .2m — 1)'
9 (g) = e^'^ ^ ^^ 2; " mT(i6g)-
benutzt werden, welche indess ihren Werth nur bis auf Bruch theile
von der Ordnung der Grösse e~^'i geben; genügt diese Genauigkeit
nicht, so ist es wohl am zweckmässigsten die Entwicklungen nach
steigenden Potenzen von q anzuwenden.
Für hinreichend grosse Werthe von -^ erhält man also mit Yer-
nachlässigung von Grössen von der Ordnung der Grösse e~ 2^^
. . na
4 sin
„_,i„- ^ß -./TJ,.-?-:^a-3...2m-i)=
2ß ß
|/i .-^'2'^----)^^(_^)
IJl. Zur Theorie der Nobili'schen Farbcuringe.
2^ (^ • -^ • • • 2w -"^1)'^ (2 m + 1) / ^\ '" '
m! (2m — 1)~ ' \ Änc)
59
y (1 . 3 . . . 2m — 1)' (2m 4- 1) / ß
^ m!(2m— f)
\47rc/
Uli
d die Dicke der Schicht proportional (j-) oder proportional
Ttr
2ß
e -'^"S^l (1 ■ 3
2m — 1)'
2m — i:
'^
"^ (1 ^^^ 2m — 1)^ (2m -f 1) / ß_\
-^ " m~! (2 m — 1) " \ 47rc/
2^^
2m — 1)2 (2?/i +
\43rc/
m! (2m — 1)
Dieses Resultat bleibt im Allgemeinen auch richtig, wenn statt
des Einströmungspunktes eine beliebige Umdrehungsfläche als Kathode
angenommen wird; denn für Werthe von r zwischen c und demjenigen
VVerthe, bis zu welchem die Bedingungen (1.) bis (3.) gültig bleiben,
muss n auch dann durch eine Reihe von der Form
H = EKn sin n
f
dargestellt werden. Eine Ausnahme würde nur eintreten, wenn ^^ = 0
würde.
Die von Herrn E. Becquerel gemachte und von Herrn Du-Bois-
Reymond im Wesentlichen beibehaltene specielle Voraussetzung ist
die, dass die Kathode ein Punkt der Oberfläche, also « = /3 sei; in
diesem Falle ist, wie die geführte Rechnung zeigt, die Dicke der Schicht
für grosse Werthe von — weder der Entfernung vom Einströmungs-
punkte, wie Herr Becquerel, noch ihrem Cubus, wie Herr Du-Bois-
Reymond gefunden hat, umgekehrt proportional, sondern sie nimmt
mit wachsenden — vielmehr al>, wie eine Potenz mit dem Exponenten
GO iU- >^ur Theorie der Nobili'schen Faibeuriimt
"^"^{^l
— , so dass ^t^wJ. ^^^j^ einem festen Grenzwerthe — —■ schliess-
lich bis zu jedöm Grade nähert. Dagegen ist das Gesetz des Herrn
Du-Bois-Reymond nicht bloss näherungsweise für grosse Werthe
von — , sondern strenge richtig, wenn /3 = c» ist, da sich alsdann
V (- 1)- (- ^ -===L=^
^ \yrr -\-{z + 2mß ~ af Vrr -f (^ + 2mß + a)V
auf
und folglich
y rr -f {z — a)'-^ }/ rr -\- {z -{- ay
yrr -j- uk
reducirt. Die Vermuthung aber, aus welcher derselbe dieses Resultat
abgeleitet hat, dass nämlich die Strömungslinien als gerade betrachtet
werden dürften, bestätigt sich keineswegs. Die Gleichung der Strö-
mungslinien ist
I (r 1^- dr — r ö— dz\ = v = const.,
J \ dz dr )
und zwar ist die Constante, multiplicirt mit --, wenn man das Integral
so nimmt, dass es für r = 0 verschwindet, gleich dem imierhalb der
Umdrehungsfläche {v = const) fliessenden Theile des Stromes. In
unserem Falle also sind die Strömungslinien die in der Gleichung
V = 2 , H — = const.
|/ rr -\- {z -\- aY Y rr + (^ — «)'
enthaltenen Linien, welche Linien für alle grösseren Werthe der const.
beträchtlich von einer geraden abweichen. Da Herr Du-Bois-Reymond
zwar die Annahme macht, dass der Einströmungspunkt in der Oberfläche
liege, seine ferneren Schlüsse aber nicht wesentlich auf diese Annahme
stützt, so liegt wohl die Vermuthung nahe, dass bei den Versuchen des
Herrn Beetz, welche eine nicht zu verkennende Annäherung an das Ge-
setz der Guben ergeben, die Forderung des Herrn Du-Bois-Reymond,
dass die Oberfläche der Flüssigkeit durch den Einströmungspunkt gehe,
nicht berücksichtigt wordefi ist, sondern dass Herr Beetz, was zweck-
mässiger sein dürfte, grössere Flüssigkeitsmengen anwandte, so dass
in der Reihe für ( ö- |
V (— 1> / 2mß-{-a _ 2mß-a \
0, or>
III. Zur Theorie der Nobili'schen Farbenringe. 61
die späteren Glieder oder doch ihre Summe gegen das erste vernach-
lässigt werden konnten. In diesem Falle würden die hübschen Ver-
suche des Herrn Beetz wirklich als ein Beweis anzusehen sein^ dass
die Stromvertheilung nahezu nach den vorausgesetzten Gesetzen erfolgt.
Sollte aber diese Vermuthung irrig sein, so wäre aus Herrn Beetz 's
Versuchen zu schliessen, dass noch andere Umstände bei der Berech-
nung der Stromvertheilung in Betracht zu ziehen sind, deren Ermitt-
lung einer neuen experimentellen Untersuchung obliegen würde.*)
*) In einer späteren Abhandlung (Poggendorff's Annalen Bd. 95. p. 22) ist
Herr Beetz auf diesen Gegenstand zurückgekommen. Es ergiebt sich daraus zu-
nächst, dass bei den Versuchen von Beetz die Einströmungsstelle immer unmittelbar
an der Oberfläche der Flüssigkeit lag und mithin die Vermuthung von Riemann
irrig ist. Es ist aber gleichwohl nicht noth wendig, nach anderen Umständen zu
suchen, welche die Gesetze der Stromvertheilung beeinflussen könnten, da das
theoretische Hesultat von Itiemann mit den Versuchen in noch vollständigerer
Uebereinstimmung steht als das von Du-Bois-Reymond, wie aus den in der er-
wähnten Abhandlung enthaltenen Zusammenstellungen zu ersehen ist. W.
IV.
' Beitrage zur Theorie der durch die Gauss'sche Reihe
F {ci, j5, y, x) darstellbaren Functionen.
(Aus dem siebenten Baude der Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Göttingen. 1857.)
Die Gau SS 'sehe Reihe jP(«, /3, 7, x), als Function ihres vierten
Elements x betrachtet , stellt diese Function nur dar^ so lange der
Modul von X die Einheit nicht überschreitet. Um diese Function in
ihrem ganzen Umfange, bei unbeschränkter Veränderlichkeit dieses
ihres Arguments, za untersuchen, bieten die bisherigen Arbeiten über
dieselbe zwei Wege dar. Man kann nämlich entweder von einer
linearen Differentialgleichung welcher sie genügt ausgehen, oder von
ihrem Ausdrucke durch bestimmte Integrale. Jeder dieser Wege ge-
währt eigenthümliche Yortheile; jedoch ist bis jetzt, in der reichhaltigen
Abhandlung von Kummer im, 15. Bande des mathematischen Journals
von Grelle und auch in den noch unveröffentlichten Untersuchungen
von Gauss*), nur der erste betreten, wohl hauptsächlich desshalb, weil
die Rechnung mit bestimmten Integralen zwischen complexen Grenzen
noch zu wenig ausgebildet war, oder doch nicht als einem grossen
Leserkreise geläufig vorausgesetzt werden konnte.
In der folgenden Abhandlung habe ich diese Transcendente nach
einer neuen Methode behandelt, welche im Wesentlichen auf jede
Function, die einer linearen Differentialgleichung mit algebraischen
Coefficienten genügt, anwendbar bleibt. Nach derselben lassen sich
die früher zum Theil durch ziemlich mühsame Rechnung gefundenen
Resultate fast unmittelbar aus der Definition ableiten, und dies ist in
dem hier vorliegenden Theile dieser Abhandlung geschehen, haupt-
sächlich in der Absicht für die vielfachen Anwendungen dieser Function
in physikalischen und astronomischen Untersuchungen eine bequeme
Uebersicht über ihre möglichen Darstellungen zu geben. Es ist nöthig,
einige allgemeine Vorbemerkungen über die Betrachtung einer Function
bei unbeschränkter Veränderlichkeit ihres Arguments voraufzuschicken.
*^ Gauss Werke. Bd. 111 1866. S. 207. W.
JV. Bciträg(3 zur Theorie etc. C3
Betrachtet man den Wertli der unabhängig veränderlichen Grösse
X = 1/ -\- zi zur leichteren Auffassung ihrer Veränderlichkeit als ver-
treten durch einen Punkt einer unendlichen Ebene, dessen rechtwinklige
Coordinaten- y, z sind, und denkt sich die Function iv in einem Theile
dieser Ebene gegeben, so kann sie von dort aus nach einem leicht zu
beweisenden Satze nur auf eine Weise der Gleichung 0- = ^ ^"^ %^~
mäss stetig fortgesetzt werden. Diese Fortsetzung muss selbstredend
nicht in blossen Linien geschehen, worauf eine j^artielle Differential-
gleichung nicht angewandt werden könnte, sondern in Flächenstreifen
von endlicher Breite. Bei Functionen, welche, wie die hier zu unter-
suchende, „ mehrwerthig " sind oder für denselben Werth von x je
nach dem Wege, auf welchem die Fortsetzung geschehen ist, mehrere
Werthe annehmen können, giebt es gewisse Punkte der ^-Ebene, um
welche herum sich die Function in eine andere fortsetzt, wie z. B. b^
|/(a; — a), log (ic — a), (x — dy^ wenn \i keine ganze Zahl ist, der Punkt
a. Wenn man von diesem Punkte a aus sich eine beliebige Linie ge-
zogen denkt, so kann der Werth der Function in der Umgebung von
a so gewählt werden, dass er sich ausserhalb dieser Linie überall
stetig ändert; sie nimmt aber dann zu beiden Seiten dieser Linie ver-
schiedene Werthe an, so dass die Fortsetzung der Function über diese
Linie hinüber eine von der jenseits schon vorhandenen verschiedene
Function giebt.
Zur Erleichterung des Ausdrucks sollen die verschiedenen Fort-
setzungen Einer Function für denselben Theil der x- Ebene „Zweige"
dieser Function genannt werden und ein Werth von x^ um welchen
herum sich ein Zweig einer Function in einen andern fortsetzt, ein
„Verzweigungswerth"; für einen Werth, in welchem keine Verzweigung
stattfindet, heisst die Function „einändrig oder monodrom".
L
Ich bezeichne durch *
iahe
eine Function von a", welche folgende Bedingungen erfüllt:
1. Sie ist für alle Werthe von x ausser a, &, c einändrig und
endlich.
2. Zwischen je drei Zweigen dieser Function P', V\ V" findet
eine lineare homogene Gleichung mit Constanten Coefficienten Statt,
cP-|-cP -fc P = (.).
()4
IV. Beiträge zur Theorie
3. Die Function lässt sich in die Formen
c, P(") + Ca' F^"'\ c^ P(/^) + Cß' B^\ cy F^y^ + Cy' F^y')
mit Constanten c«, Ca'y • • ., Cy' setzen, so dass
P(") (x—a)-", P^«') (o;— a)-«'
für a; = a einändrig bleiben und weder Null noch unendlich werden,
und ebenso B^^ {x—h)-i\ B(^'^ {x — h)-i^' für x = h und P«^') (:z;— c)->',
P^^'^ (:>t' — c)~y' für .-t' = c. In Betreff der sechs Grössen a, a, . . ., /
wird vorausgesetzt, dass keine der Differenzen a — a, ß — /3', y — y
eine ganze Zahl und die Summe aller, a-{-a-{-ß-\-ß'-\-'y-\-'y'=l sei.
Wie mannigfaltig die Functionen seien, welche diesen Bedingungen
genügen, bleibt vorläufig unentschieden und wird sich im Laufe der
Untersuchung (Art. 4.) ergeben. Zu grösserer Bequemlichkeit des Aus-
drucks werde ich x die Veränderliche, a, ?>, c den ersten, zweiten,
dritten Verzweigungswerth und a, a- ß, ß' -^ y, y das erste, zweite,
dritte Exponentenpaar der P-function nennen.
Zunächst einige unmittelbare Folgerungen aus der Definition.
a 1) c
In der Function P
können die drei ersten Vertikal-
a ß y X
d ß' y
reihen beliebig unter einander vertauscht werden, sowie auch a mit «',
ß mit ß\ y mit /. Es ist ferner
a h c \ ia V c
F a ß y x\ = F \a ß y x
a ß' y \ [ «' ß' y
wenn man für x einen rationalen Ausdruck ersten Grades von x setzt,
der für x == a, &, c die Werthe d, J) , c annimmt.
Ooül
Für F a ß y x\ ^ auf welche Function sich demzufolge alle P-
a ß y
functionen mit denselben «, «', . . . , y zurückführen lassen, werde ich
zur Abkürzung auch blos P ( , v^, , x] setzen.
\a ß y J
In einer solchen Function können also von den Grössen a, «';
ß) ß'i 7^ y ^^^ Grössen jedes Paars unter sich, sowie auch die drei
Grössenpaare beliebig mit einander vertauscht werden, wenn man nur
in der sich ergebenden P-function als Veränderliche einen rationalen
Ausdruck ersten Grades von x substituirt, welcher für die zum ersten,
a h
c
a + ö ß-
— d y X
u'+ö ß'-
-d/
der durch die Gauss'sche Reihe F[a, ß, y, x) darstellbaren Functionen, ßf)
zweiten, dritten Exponentenpaar dieser Function gehörigen Werthe
von X die Werthe 0, oo, 1 annimmt. Auf diese Weise erhält man
die Function F ( , ^,, , ./) ausgedrückt durch P-functionen mit den
\u ß y J
Veränderlichen rr, 1 — x. —, 1 ,^—7) :; und denselben Ex-
' ' .X ' » X ^ X — 1 ' 1 — a;
ponenten in anderer Ordnung.
Aus der Definition folgt femer:
in h c ]
Wß'v 1 ^ ^
also auch
a;^ (1-xV pC^^ A = P ("-^^' ß-d-.y+. X
* ^^ ^^ ^ \aß'y'-') ^ \a+d ^'-d-^t y + e ■")■
Durch diese Umformung können zwei Exponenten verschiedener Paare
beliebig gegebene Werthe erhalten und als Werthe der Exponenten,
da zwischen ihnen die Bedingung a-\-a-\-ß-{-ß'-\-y-\-y= 1 statt-
findet, jedwede andere eingeführt werden, für welche die drei Difl:e-
renzen a — a ^ ß — ß'^ y — y dieselben sind. Aus diesem Grunde werde
ich später zur Erleichterung der Uebersicht durch
V{a-a, ß-ß\ y-y\x)
sämmtliche in der Form x'^ (i — xY F l , ,, , x j enthaltenen Functionen
\a ß y /
bezeichnen.
3.
Es ist jetzt vor allen Dingen nöthig, den Verlauf der Function
etwas genauer zu untersuchen. Zu diesem Ende denke man sich durch
sämmtliche Verzweigungspunkte der Function eine in sich zurück-
laufende Linie l gezogen, welche die Gesammtheit der complexen
Werthe in zwei Grössengebiete scheidet. Innerhalb jedes von ihnen
wird alsdann jeder Zweig der Function stetig und von den übrigen
gesondert verlaufen; längs der gemeinschaftlichen Grenzlinie aber wer-
den zwischen den Zweigen des einen und des andern Gebiets in ver-
schiedenen Begrenzungstheilen verschiedene Relationen stattfinden. Zu
ihrer bequemeren Darstellung werde ich die mittelst des Coefficienten-
systems S = (^^^ ^\ aus den Grössen t, u gebildeten linearen Aus-
drücke pt -\- qu, rt + SU durch (>S') (t, ti) bezeichnen. Es möge ferner
nach Analogie der von Gauss vorgeschlagenen Benennung „positiv
laterale Einheit" für + / als „positive" Seitenrichtung zu einer ge-
gebenen Richtung diejenige bezeichnet werden, welche zu ihr ebenso
Riehann's geüainmelte niatheinatische Werke. 1. 5
6G IV. Beiträge zur Theorie
liegt, wie + l zu 1 (also bei der übliclien Darstellungsweise der com-
plexen Grössen die linke). Demgemäss maclit x einen „positiven Um-
lauf um einen Verzweigungswertli a", wenn es sich durch die ganze
Begrenzung eines nur diesen und keinen andern Verzweigungswertli
enthaltenden Grössengebiets in einer gegen die Richtung von Innen
nach Aussen positiv liegenden Richtung bewegt. Es gehe nun die
Linie l der Reihe nach durch die Punkte x = c, x = 1), x = a^ und
in dem auf ihrer positiven Seite liegenden Gebiete seien P', P" zwei
in keinem constanten Verhältnisse stehende Zweige der Function P.
Jeder andere Zweig P"' lässt sich dann, da in der vorausgesetzter-
massen stattfindenden Gleichung c P' -f~ ^" P + ^'" ^ = ^^ ^'"
nicht verschwinden kann, linear und mit constanten Coefficienten in
P' und F" ausdrücken. Nimmt man nun an, dass P', P" durch einen
positiven Umlauf der Grösse x um a in (Ä) (P', P"), um h in
(P) (P', P"), um c in (C) (P', P") übergehe, so wird durch die Coeffi-
cienten der Systeme (J.), (P), {C) die Periodicität der Function völlig
bestimmt sein. Zwischen diesen finden aber noch Relationen Statt.
Wenn nämlich x das negative Ufer der Linie l durchläuft, so müssen
die Functionen P', P" die vorigen Werthe wieder annehmen, da der
durchlaufene Weg negativerseits die ganze Begrenzung eines Grössen-
gebiets bildet, innerhalb dessen diese Functionen allenthalben einändrig
sind. Es ist dies aber dasselbe, als ob der Werth x sich von einem
der Werthe c, h, a bis zum folgenden auf der positiven Seite fort-
bewegt, dann aber jedesmal um diesen Werth positiv herum, wobei
(P; P") der Reihe nach in ((7) (F, P"), (C) (P) (P', P"), schliesslich
in {C) (P) {A) {P\ P") übergeht. Es ist daher
(1) (G)(B){Ä)= (J^J),
welche Gleichung vier Bedingungsgleichungen zwischen den zwölf
Coefficienten von A, B, C liefert.
Bei der Discussion dieser Bedingungsgleichungen beschränke ich
mich, zur Fixirung der Vorstellungen, auf die Function P(^, ^, ^, x\
also auf den Fall, wenn a = 0, & = oo, c = 1, was die Allgemeinheit
der Resultate nicht wesentlich beeinträchtigt, und wähle für die durch
1, cx), 0 zu ziehende • Linie l die Linie der reellen Werthe, welche um
der Reihe nach durch c, h, a zu gehen von — oo nach + oo ge-
richtet sein muss. Innerhalb des auf der positiven Seite dieser Linie
liegenden Gebiets, welches die complexen Werthe mit positiv imagi-
närem Gliede enthält, sind dann die oben charakterisirten Bestandtheile
der Function P, die Grössen P«, P" , P^ , PA', P' , P''\ einändrige
der durch die Gauss'sche Reihe F («, ß, y, ./) darstellbaren Functioneu. G7
Functionen von x und sind bis auf constante Factoren, welche von
der Wahl der Grössen Cuy Cu', ..., Cy' abhängen, völlig bestimmt,
wenn die Function P gegeben ist. Die Functionen 2^", P"' gehen
durch einen positiven Umlauf der Grösse x um 0 in P" e"^'", P" e"^"'
über und ebenso durch einen positiven Umlauf dieser Grösse um oo
die Functionen P*, P/^' in P/* el^^^'y W e/*'^^' und durch einen positiven
Umlauf um 1 die Functionen P>', Fy' in P>'e>'2^', Py'ey'^""'. Be-
zeichnet man den Werth, in welchen P durch einen positiven Umlauf
von X um 0 übergeht^ durch P', so ist^ wenn
P = Cu P" + Ca' P", P' = c« e"'-^'"- P« + c«- e«'-^''' P«'.
Diese Ausdrücke haben eine von Null verschiedene Determinante^ da
n. V. a — a keine ganze Zahl ist, und folglich können P", P"' auch
umgekehrt in P, P' also auch in F^, P'^ ; py, py linear mit constan-
ten Coefficienten ausgedrückt werden. Setzt man nun
P" = «, Pi^ + ß ,- jv = a.^ py + ay' py,
P"'=a., P' + a\r P^' = «', ^' + «V' ^'',
und zur Abkürzung ^^ "";' 1 = (^); h' ""l 1 = W
und die inversen Substitutionen von (h) und (c) bez. w. = (h)~'^ und
{c)"'^, so ergeben sich für die Functionen (P", P") die Substitutionen
Aus der Gleichung (C) (P) (^) == (i' V) ^o\gi nun zunächt, da die
Determinante einer zusammengesetzten Substitution dem Producte aus
den Determinanten ihrer Componenten gleich ist,
1 = Det {Ä) Det (P) Det (0)
_ ^(a + a' + /^+/^' + y + y')2^.- ßct (6) Dct (ft)"^ Dct (c) Det(r)-1
oder, da Det (&) Det (&)-i = 1, Det (c) Det (c)-i =1,
(2) « + «' + /3 + /3' + 7^ + / = einer ganzen Zahl, womit die obige
Annahme, dass diese Exponentensumme = 1 sei, vereinbar ist.
Die übrigen drei in (C) (B) (Ä) = (p/ ^ ) enthaltenen Relationen
geben drei Bedingungen für (h) und (c), welche indess leichter auf
folgendem Wege gefunden werden.
Wenn x erst um 0 und dann um c» negativ herumgeht, so bil-
det der durchlaufene Weg zugleich einen positiven Umlauf um 1. Der
Werth, in welchen P" dadurch übergeht, ist daher
= ay er'"' Py + «y- c-y'^'"' Pr = (a^^ e-^*^^' P^ + ar r-'^'-'"' 7^') e-"^-"'.
68 IV". Beiträge zur Theorie
Multiplicirt man diese Gleicliuug mit einem willkürlichen Factor
f,—ani ^jj(j ^\q Gleichung
ay Py + c(y' Py = aß P(^ -\- a^' Pi^ mit c"^^'
und subtrahirt^ so ergieht sich nach Abwerfung eines allgemeinen
Factors
ay sm(a -~y)7iey"' Py + ay' sm{a — 'y')7tey''"' Py' =
a.i sin((? + « + /3)7rc-(«+/^)''' P-'^ + a^' sm{a + « + ß')7te-^"+(^'^''^ P^ .
Aus ganz ähnlichen Gründen hat man auch, wenn man überall a für
a setzt, die Gleichung
a'y sin((> — y)7tey''^ Py + «V sin ((7 — /) :nc e^'^' Py =
a\i sin ((?+«' + /3) ;rß-("'+/^)''' J-^/^ + c^^ sin (a + a + /3') ;r e-(«'+/^')'^' P'^'
mit der willkürlichen Grösse a. Befreit man beide Gleichungen von
einer der Functionen, z. B. Py , indem man c demgemäss bestimmt,
so können sich die resultirenden Gleichungen nur durch einen all-
gemeinen constanten Factor unterscheiden, da —~, nicht constant ist.
Diese Elimination von Py giebt daher:
,^s uy a(i sin (a + ß + y')7te—"^i u^i' sin (a + ß' -f y')ne—""^
^ ^ a'y oi ß sin (a' + ^ -|- y')ne—(^'^i a ^-i' sin (a' -f- |3' -J- y')7ce—"'^i
und die ähnliche Elimination von Py
rt «y' a^y sin (a -f- ß -|- y)ne—<^^i uß' sin (ör -\- ^' -\- y)ne—f^^i
^ ^ a'y' cc'ß sin (a' -{- ß -{- y)7re— «'•«■«■ aß' sin (a' -|- ß' -f- y)iie—"'"i ^
welches die vier gesuchten Relationen sind. Aus ihnen ergeben sich
die Verhältnisse der Quotienten -?^, -^, -^, ^. Die Gleichheit der
a ß^ a ß'^ uy^ ay'
beiden aus der zweiten und vierten fliessenden Werthe von -h- : -r-
a ß aß'
erhellt leicht als eine Folge aus a-\- a -\- ß -\- ß -\' y -{- y = 1 mittelst
der Identität sinsjr = sin(l — s)7t.
Demnach sind von den Grössen -r-, -fi-, -i^. -^ durch eine von
a ß ^ a ß'^ ay ^ a y'
ihnen, z. B. -^, die übrigen bestimmt und die drei Grössen a ß'^ a'y, a'y-
durch die fünf Grössen aß, aß, aß', ay, ay . Diese fünf Grössen aber
hängen von den in P«, P"', P^, P^ , P^, P>'', wenn die Function P
gegeben ist, noch von willkürlichen Factoren oder vielmehr von deren
Verhältnissen ab, und können durch geeignete Bestimmung derselben
jedwede endliche Werthe erhalten.
der durch diu G'auss'schü iieihe F {a, ß, y, x) darstellbaren Functionen. 69
4.
Die so eben gemachte Bemerkung bahnt den Weg zu dem Satze,
dass in zwei P-functionen mit gleichen Exponenten die denselben Ex-
ponenten entsprechenden Bestandtheile sich nur durch einen constanten
Factor unterscheiden.
In der That, ist ]\ eine Function mit denselben Exponenten wie
P, so kann man die fünf Grössen a^, «^', «y, «/ und a^ bei beiden
gleich annehmen und dann müssen auch die Grössen a\i-y a'y, d y- bei
beiden übereinstimmen. Man hat also gleichzeitig:
und
(P,«, P."') -^ [h) {P/, P/) == {c) (P,y, P,y)
folglich
(P«P/ - -P«'P/0 = üet(&) (P/^ P/ — P/*'P/) = Det(c) (P>'P/'--P/Piy).
Von diesen drei Ausdrücken bleibt der erste, mit ar'"~"' multiplicirt,
offenbar für x = 0 einändrig und endlich; ebenso der zweite, mit
x^-^l^' = ,^— «- «'-/-/+ 1 multiplicirt, für :r = oo, der dritte, mit
(l~x)~y''y' multiplicirt, für x=lj und dasselbe gilt von allen drei
Ausdrücken für alle von 0, c», 1 verschiedenen Werthe von x] es ist
daher
(P« F/ — P« Pi«) X-"-"' (l—x)-y-y'
eine allenthalben stetige und einändrige Function, also eine Constante.
Sie ist ferner == 0 für x = oc und muss folglich allenthalben = 0 sein.
Hieraus folgt
I!lL — -^
pu' pa'
p/
i\y
pY'
«^P'^-f«/
ay l\y +«/
P/ __ ^\"
p.^' ~ p«
py Pi"
py
ay py + a/
py p«
p "
Die Function -~ ist demnach einwerthii? und muss überdies allent-
p .
halben endlich, also, w. z. b. ist, constant sein, wenn noch bewiesen
Avird, dass P" und P" nicht zugleich für einen von 0, 1, oo verschie-
denen Werth von x verschwinden können.
Zu diesem Ende bemerke man, dass
Det(,(p.^^_p.-9,
70 IV. Beiträge zur Theorie
und folglich für .r = 0, oo, 1 unendlich klein von den Ordnungen
a-\- a — Ij ß -\- ß' -{- l =2 — « — a — y — y,y~\- / — 1 wird, übrigens
aber stetig und einändrig bleibt, so dass
eine allenthalben stetige und einändrige Function bildet, folglich einen
Constanten Werth hat. Dieser constante Werth dieser Function ist
noth wendig von Null verschieden, weil sonst log P" — log P"' ==
const., folglich « = «' sein würde gegen die Voraussetzung; offenbar
müsste sie gleich Null werden, wenn für einen von 0, 1, oo verschie-
denen Werth von x P" und P"' gleichzeitig verschwänden, da -^-,
dx
als Derivirte einändrig und stetig bleibender Functionen nicht
dx
unendlich werden können.
Es werden daher P*^ und P'^ für keinen von 0, 1, oo verschie-
denen Werth von x gleichzeitig = 0, und es bleibt die einwerthige
Function
P « j> «' p [^ p i^' p y p y'
pcc pa' p[i -p^r py py'
allenthalben endlich, mithin constant, w. z. b. w.
Aus dem eben bewiesenen Satze folgt, dass in zwei Zweige Einer
P-function, deren Quotient nicht constant ist, jede andere P-function
mit gleichen Exponenten sich linear mit constanten Coefficienten aus-
drücken lässt und dass durch die im Art. 1. geforderten Eigenschaften
die zu definirende Function bis auf zwei linear in ihr enthaltene Con-
stanten völlig bestimmt ist. Diese werden in jedem Falfe leicht aus
den Werthen der Function für specielle Werthe der Veränderlichen
gefunden, am bequemsten, indem man die Veränderliche einem der
Verzweigungswerthe gleich setzt.
Ob es immer eine jenen Bedingungen genügende Function gebe,
bleibt freilich noch unentschieden, wird sich aber später durch die
wirkliche Darstellung der Function mittelst bestimmter Integrale und
hypergeometrischer Reihen erledigen und bedarf daher keiner beson-
dern Untersuchung.
5.
Ausser den für jedwede Werthe der Exponenten möglichen Trans-
formationen des Art. 2. ergeben sich aus der Definition noch leicht
die beiden Transformationen:
ilur durch die Gauss'schc Keihe i'' («, ß, y, .1) darstellbaren Functionen. 71
(Ooo 1 I f -1 00 1
(A) P 0 ß y A .^V \y 2ß y ^x
WO nticli dem Früheren ß -{- ß' -jr 7 -\- V = i «ein muss, und
0 oo 1
(13) P {0 0 r X
,2
= V ^y y y Yx
i i r \ W y y
wo y -\-y = T» ^111^ Q ^^^6 imaginäre dritte Wurzel der Einheit be-
zeichnet. Um sämmtliche Functionen, welche sich mit Hülfe dieser
Transformationen auf einander zurückführen lassen, bequem zu über-
sehen, ist es zweckmässig, statt der Exponenten ihre Differenzen ein-
zuführen und, wie oben vorgeschlagen, durch P(a — a, ß — ß', y — /, x)
sämmtliche in der Form x'^ (1 — xY P 1 , L , ./;) enthaltenen Func-
\a ß y J
tionen zu bezeichnen, wobei a — «', ß — /3', y — / die erste, zweite,
dritte Exponentendiff'erenz genannt werden mag.
Aus den Formeln im Art. 2. folgt dann, dass in der Function
P (A, ^, V, x)
die Grössen k, ^, v beliebig in's Entgegengesetzte verwandelt und be-
liebig unter einander vertauscht werden können. Die Veränderliche
1 \ \ X
nimmt dabei einen der 6 Werthe x, 1 — x, —. 1 — , , -
' ^ X^ X ^ \ — x^ x—\
an, und zwar haben von den 48 auf diese Weise sich ergebenden P-
functionen je acht, welche durch blosse Zeichenänderung der Grössen
A, ft, V aus einander hervorgehen, dieselbe Veränderliche.
Von den in diesem Art. angegebenen Transformationen A und B
ist die erste anwendbar, wenn von den Exponentendifferenzen entweder
eine gleich ^ oder zwei einander gleich sind, die zweite, wenn von
ihnen entweder zwei = J, oder alle drei einander gleich sind. Durch
successive Anwendung dieser Transformationen erhält man daher durch
einander ausgedrückt:
I. P (|u., V, i, x.,\ P (fA, 2v, ii, X,) und P {v, 2^1, v, x^\
wobei y (1 — rCg) = 1 — 2^^, y fl — - J = 1 — 2x.^, also
^2 = '^^1 (1— ^i) = 'i^;'(hll^' ^^^^^ ergiebt.
n
P(v, V, V, X,), P (^v, l-, i, x?j, P ^|, 2v, -^, x,y
^ (h V, \, x,y, p (^, ^, \, x^, p (^, i, ~, x^,
72 IV. Beiträge zur Theorie
wenn 1 - i- --^ f^^'^-t^Y und folglich 1 ^ iii -^!l3 d - <),
^4 U ^,) - .7^2-fnr^y, ^ = "27^^"(T=^P 5 ferner nach 1.
4., (1-.,) = ., == 1^^^. 4^ (1—3) = -. -= l^i_.,.
III. P (i., X., i, x^, P (v, 2v, V, x,\
Avenn x, = \ (2-x,~^^ = 4x, (1 x,), x, = 4x, (l-^rj.
Alle diese Functionen können noch mittelst der allgemeinen Trans-
formationen umgeformt und dadurch ihre ExioonentendifFerenzen be-
liebig vertauscht und mit beliebigen Vorzeichen versehen werden.
Ausser den beiden Transcendenten II. und III. lässt, wenn eine Ex-
ponentendiflPerenz willkürlich bleiben soll^ nur noch die Function
P {^> i^ i) = P (y) 1? v) eine häufigere Wiederholung der Trans-
formationen A und B zu, welche indess, da
P(^ ^ ^ x] = const. X' + const.;
auf ganz elementare Formeln führt.
In der That ist die Transformation B nur anwendbar auf P (v, v, v)
oder P (^, V, \), also nur auf die Transcendente II.; die Trans-
formation A aber lässt sich häufiger als in I. nur wiederholen, wenn
entweder von den Grössen ft, v, 2ti, 2v eine gleich ^ gesetzt oder eine
der Gleichungen ^ = v, ^ == 2v, v = 2^ angenommen wird. Von
diesen Annahmen führt ^ = 2v oder v = 2^ auf die Transcendente IL,
[i = Vj sowie 2^ oder 2v = ^ auf die Transcendente III., endlich ^
oder V == ^ auf die Function P (v, ^, ^).
Die Anzahl der verschiedenen Ausdrücke, welche man durch diese
Transformationen für jede der Transcendenten I — III. erhält, ergiebt sich,
wenn man berücksichtigt, dass in den obigen P-functionen als Ver-
änderliche alle Wurzeln der Gleichungen, durch welche sie bestimmt
werden, zulässig sind und jede Wurzel zu einem Systeme von 6 Werthen
gehört, welche mittelst der allgemeinen Transformation für einander
als Veränderliche eingeführt werden können.
Es führen aber im Falle I. die beiden Werthe von Xj^ und x^y
welche zu einem gegebenen x^ gehören, auf dasselbe System von 6
Werthen, so dass jede der Functionen I. durch P-functionen mit 6.3 = 18
verschiedenen Veränderlichen ausgedrückt werden kann.
Im Falle IL führen von den zu einem gegebenen Werthe von x^
gehörigen Werthen die beiden Werthe von Xq und o^^, die 6 Werthe
von ^3 und von den 6 Werthen von x^ je zwei zu demselben Systeme
der durch die Gauss'sche Reihe F {a, |3, y, x) darstellbaren Functionen. 73
von 6 Werthen, während die drei Werthe von x.^ zu drei verschiedenen
Systemen von je 6 Werthen. führen. Es liefern also x^ und x.j, je drei
und x.^j x^, x^j Xq je ein System von 6 Wei-then, also alle zusammen
6 . 10 = 60 Werthe, durch deren P-functionen sich jede der Functionen
IL ausdrücken lässt.
Im Falle III. endlich liefern x^j die beiden Werthe von x,^^ die
beiden Werthe von x^^, und von den vier Werthen von Xi je zwei ein
System von 6 Werthen, so dass jede der Functionen III. durch P-
functionen von 6 . 5 = 30 verschiedenen Veränderlichen darstellbar ist.
In jeder P-function können nun ohne Aenderung der Veränder-
lichen mittelst der allgemeinen Transformationen die Exponenten-
differenzen beliebige Vorzeichen erhalten, und also kann, da keine
dieser ExponentendifFerenzen = 0 ist, eine und dieselbe Function auf
8 verschiedene Arten als P-function derselben Veränderlichen dargesteUt
werden. Die Anzahl sämmtlicher Ausdrücke beträgt also im Falle I.
8 . 6 . 3 == 144, im Falle IL 8 . 6 . 10 == 480, im Falle III. 8.6.5=- 240.
Wenn man sämmtliche Exponenten einer P-function um ganze
Zahlen ändert, so bleiben in den Gleichungen (3) Art. 3. die Grössen
sin {cc -\- ß -\- y') 7te—"^i sin (a -{- ß' -{- y) ne— "^^
sin {cc -\- ß -{- y) ttc— «'''*■ ^ sin («' -j- ß' + 7) ^re— «'^«
sin (« -f (3 -j- y) TTC— "^i sin (a -\- ß' -\- y) ne— «^'
sin (a' -|- ^ -j- y) 7ce~"'^i ' sin {a -\- ß' -\- y) ne—"'^i
ungeändert.
Sind daher in den Functionen P ( ^, ^^, ^, x\ P, (^J \} ^l x] die
\a ß y 1 ' \a, ß^y, )
entsprechenden Exponenten a^ und «, etc. um ganze Zahlen verschie-
den, so kann man die acht Grössen («/y)i, (^V)i?'(^(^')i? ••• ^^^ ^Q\^i
Grössen «^, a'^, a^' ^ ... gleich annehmen, da aus der Gleichheit der
fünf willkürlichen die Gleichheit der drei übrigen folgt.
Nach der im Art. 4. angewandten Schlussweise folgt hieraus:
P« Pi«'- -V-^-^ = Det (6) (P.^ P/'^ -V^'F^?^) = Det (c) {F^T;^'^ - Py Fj^ ) ;
und wenn man von den Grössen a -{- a\ und «^ + «', ß -\- ß\ und
ßi ~\- ß) ? -\- y'i und 7i -\- y diejenigen Grössen jedes Paars, welche
um eine positive ganze Zahl kleiner sind, als die andern, durch cc, ß, y
bezeichnet, so ist
(P« F/^ — P« Pi«0 ^~" (1—^)"^
eine Function von x, welche einändrig und endlich bleibt für x = 0,
X = 1 und alle übrigen endlichen Werthe von x, für a; = oo aber
74 IV. Beiträge zur Theorie
unendlich wird von der Ordnung — a — y — ßj folglich eine ganze
Function F vom Grade — a — ß — y. •
Man bezeichne nun, wie früher, die Exponentendifferenzen a — a,
ß ~~ ß y y — y durch A, \i, v. In Betreff dieser ergiebt sich zunächst:
ihre Summe ändert sich um eine gerade Zahl, wenn sich sämmtliche
Exponenten um ganze Zahlen ändern; denn sie übertrifft die Summe
sämmtlicher Exponenten, welche unverändert = 1 bleibt, um
— 2 («' + /3' + /), welche Grösse sich dabei um eine gerade Zahl ändert.
Sie können sich aber dabei um jedwede ganze Zahlen ändern, deren
Summe gerade ist. Bezeichnet man ferner a^ — a\, ß^ — ^ ^ , y^ — /,
durch A^, ft^, v^ und durch AI, A^^ Av die absoluten Werthe der
Differenzen A — A^, \i — ft^, v — v^^ so ist von den Grössen a + «'i
und d + «1 diejenige, welche um die positive Zahl AX kleiner ist als
die andere
a -\- et ^ "4" ^' ~l~ ^1 ^^
a =
2
/IX
also
a + a'
+ «' 4- «1
2
ß-f ß'i
+ ß' + ß,
2
y + y'i
+ y' + y,
und ebenso
— z/v
y "" T 2
Der Grad der ganzen Function F, welcher gleich der Summe dieser
Grössen ist, ergiebt sich daher
^X -\- Jfi -\- Jv ^
7.
ei
Smd jetzt pC, J l A P, h J 'l .), P. h J 'J .) dr
Functionen, in welchen sich die entsprechenden Exponenten um ganze
Zahlen unterscheiden, so fliesst aus diesem Satze mittelst der identi-
schen Gleichung
+ P/- (P« P/^ — P«' Pi«0 = ö
der wichtige Satz, dass zwischen ihren entsprechenden Gliedern eine
lineare homogene Gleichung stattfindet, deren Coefficienten ganze
Functionen von x sind, und dass also
„sämmtHche P-functionen, deren entsprechende Exponenten sich
um ganze Zahlen unterscheiden, sich in zwei beliebige von ihnen
der durch die Gauss'sche Reihe F {a, ß, y, x) darstellbaren Functionen. 75
linear mit rationalen Functionen von x als Coefficienten ausdrücken
lassen".
Eine specielle Folge aus den Beweisgründen dieses Satzes ist, dass
>icli der zweite Differentialquotient einer P-function linear mit rationalen
\mctionen als Coefficienten in d§n ersten und die Function selbst
lusdrücken lässt, und also die Function einer linearen homogenen
Differentialgleichung zweiter Ordnung genügt.
Beschränkt man sich, um ihre Ableitung möglichst zu vereinfachen,
Ulf den Fall y = 0, auf welchen der allgemeine nach Art. 2. leicht
airückgeführt wird, und setzt F = y, P^ == y ^ P"' = v/", so ergiebt
nch, dass die Functionen
' dlogx ^ d log X ^ d log x'^ ^ d log x'^'^ ^d log x d log x^ d log x d log x'^
mit x~"'^"' (1 — x)~~y''^^ multiplicirt, endlich und einändrig bleiben
Tür endliche Werthe von x und unendlich von der ersten Ordnung wer-
len für x = oo, und dass überdies das erste dieser Producte für ^= 1
unendlich klein von der ersten Ordnung wird. Für
y = const.' y' -\- const." y"
findet daher eine Gleichung von der Form statt
(1 — ) äw^' - (^i + ^*) äw. + (^' - ^'''•) y = 0'
in welcher A, B, Ä, J/, noch zu bestimmende Constanten bezeichnen.
Nach der Methode der unbestimmten Coefficienten lässt sich eine
Ijösung dieser Differentialgleichung nach um 1 steigenden oder fallen-
den Potenzen in eine Reihe
Ija X
n
entwickeln, und zwar wird der Exponent ^ des Anfangsgliedes im
ersten Falle, wo er der niedrigste ist, durch die Gleichung
\i\i, — A\i + J.' = 0,
und im zweiten, wo er der höchste ist, durch die Gleichung
fift + i?iii + J5' = 0
bestimmt. Die Wurzeln der ersteren Gleichung müssen « und «', die
der letztern — /3 und — /3' sein und folglich ist
A =^ a -\- d ^ Ä ^= adj
B = ß + ß', B' = ßß',
und es genügt die Function P ( ,, , xj = ij der Differentialgleichung
76 IV. Beiträge zur Theorie
Es bestimmen sich ferner die Coefficienten aus einem von ihnen
mittelst der Recursionsformel
MiL in 4- ß) {u + f^
«„ ln-{-l ~cc) {n-i-1 - a'y
welcher a. == ^-^_-^-^-_-_^_^^ ^_^^^ genügt.
Demnach bildet die Reihe
y == Const. 2:
77 (n — a) 77 (n - «') U ( - w — ß) 77 (— ti — ß')'
sowohl wenn die Exponenten von a oder a an um die Einheit steigej ,
als auch wenn sie von — ß oder — ß' an um die Einheit fallen, ein ^
Lösung der Dijfferentialgleichung und zwar bez. w. diejenigen parti
cularen Lösungen, welche oben durch P", P"', P;^, Pi^' bezeichne!,
worden sind.
Nach Gauss, welcher durch F (a, h, c, x) eine Reihe bezeichne ,
in welcher der Quotient des n + Iten Gliedes in das folgend'!
= 7 — I ... , , ! X und das erste Glied = 1 ist, lässt sich dieses
{n + 1) (n -j- c) ^
Resultat für den einfachsten Fall, für « = 0, so ausdrücken
oder
F (a, h, ., ^) = P« (J l^ , x).
\1— che — a — hj
Aus demselben erhält man auch leicht einen Ausdruck der 1-
function durch ein bestimmtes Integral, indem man in dem allgemeinen
Gliede der Reihe für die 77-functionen ein Euler'sches Litegral zweiti i-
Gattung einführt und dann die Ordnung der Summati on und Litegration
vertauscht. Auf diese Weise findet man, dass das Integral
von einem der vier Werthe 0, 1, — , 00 bis zu einem dieser vier Wertl e
auf beliebigem Wege erstreckt eine Function Fi , , , x\ bildet m \
bei passender Wahl dieser Grenzwerthe und des Weges von eine 11
zum andern jede der sechs Functionen P«, P/*, ..., F^' darstellt. I^s
lässt sich aber auch direct zeigen, dass das Integral die charakterisl l-
schen Eigenschaften einer solchen Function besitzt. Es wird dies n
der Folge geschehen, wo dieser Ausdruck der P-function durch e n
bestimmtes Integral zur Bestimmung der in P" , P" , . . noch willkü --
der durch die Gauss'sche Reihe F {cc, ß, y, .r) darstellbaren Functionen. 77
lieh gebliebenen Factoren benutzt werden soll; und ich bemerke hier
nur noch, dass es, um diesen Ausdruck allgemein anwendbar zu
machen, einer Modification des Weges der Integration bedarf, wenn die
Function unter dem Integralzeichen für einen der Werthe 0, 1, - , oo
so unendlich wird, dass sie die .Integration bis an denselben nicht
zulässt.
8.
Zufolge der im Art. 2. und dem vorigen erhaltenen Gleichungen
\a ß y J \a— «/ii+a + yy — y J
Const. .x" (1 - a:y F {ß + a -^ y, ß' -^ a + y, a - a + \, oc)
rtiesst aus jedem Ausdrucke einer Function durch eine P-function eine
Entwicklung derselben in eine hypergeometrische Reihe, welche nach
steigenden Potenzen der Veränderlichen in dieser P-function fort-
schreitet. Nach Art. 5. giebt es 8 Darstellungen einer Function durch
J*-functionen mit derselben Veränderlichen, welche durch Vertauschung
zusammengehöriger Exponenten aus einander erhalten werden, also
z. B. 8 Darstellungen mit der Veränderlichen x. Von diesen liefern
aber je zwei, welche durch Vertauschung ihres zweiten Paares, ß und
/3', aus einander entstehen, dieselbe Entwicklung; man erhält also vier
Entwicklungen nach steigenden Potenzen von Xj von denen zwei, welche
durch Vertauschung von y und / aus einander erhalten werden, die
Function P", die beiden andern die Function P" darstellen. Diese
vier Entwicklungen convergiren, solange der Modul von ic < 1, und
divergiren, wenn er grösser als 1 ist, während die vier Reihen nach
fallenden Potenzen von x, welche P/^ und P^' darstellen, sich um-
gekehrt verhalten. Für den Fall, wenn der Modul von x gleich 1 ist,
folgt aus der Fourier 'sehen Reihe, dass die Reihen zu convergiren
aufhören, wenn die Function für x = 1 unendlich von einer höhern
Ordnung als der ersten wird, aber convergent bleiben, wenn sie nur
unendlich von einer niedrigem Ordnung als 1 wird oder endlich bleibt.
Es convergiren also auch in diesem Falle nur die Hälfte der 8 Ent-
wicklungen nach Potenzen von Xj solange der reelle Theil von / — y
nicht zwischen — 1 und -|- 1 liegt, und sie convergiren sämmthch,
sobald dieses stattfindet.
Demnach hat man zur Darstellung einer P-function im Allgemeinen
24 verschiedene hypergeometrische Reihen, welche nach steigenden oder
fallenden Potenzen von drei verschiedenen Grössen fortschreiten, und
von denen für einen gegebenen Werth von x jedenfalls die Hälfte, also
78 IV. Beiträge zur Theorie etc.
zwölf convergiren. Im Falle I. Art. 5. sind alle diese Anzahlen mii
3, im Falle IL mit 10, im Falle III. mit fünf zu multipliciren. Am
geeignetsten zur numerischen Rechnung werden von diesen Reihen
meistens diejenigen sein, deren viertes Element den kleinsten Modul hat.
Was die Ausdrücke einer P-function durch bestimmte Integrale
betrifft, die sich durch die am Schlüsse des vorigen Art. aus den Trans
formationen des Art. 5. ableiten lassen, so sind diese Ausdrücke sämmt
lieh von einander verschieden. Man erhält also im Allgemeinen 48,
im Falle I. 144, im Falle II. 480, im Falle III. 240 bestimmte Inte
grale, welche dasselbe Glied einer P-function darstellen und also zi
einander ein von x unabhängiges Verhältniss haben. Von diesen lassej
sich je 24, welche durch eine gerade Anzahl von Vertauschungen dej
Exponenten aus einander hervorgehen, auch in einander transformirei
durch eine solche Substitution ersten Grades, dass für irgend drei von
den Werthen 0, 1, cx), — ;- der Integrationsveränderlichen s die neu(
Veränderliche die Werthe 0, 1, cx) annimmt. Die übrigen Gleichungen
erfordern, soweit ich sie untersucht habe, zu ihrer Bestätigung durch
Methoden der Integralrechnung die Transformation von vielfachen
Integralen.
Selbstanzeige der vorstehenden Abhandlung.
(Göttiuger Nachrichten, 1857, Nr. 1.)
Am G. November 185G wurde der königlichen Societiit eine von
ihrem Assessor, Herrn Doctor Riemann, eingereichte mathematische
Abhandlung vorgelegt, welche „Beiträge zur Theorie der durch die
Gauss'sche Reihe F {a^ ß, y, x) darstellbaren Functionen"
enthält.
Diese Abhandluncj ist einer Classe von Functionen gewidmet,
welche bei der Lösung mancher Aufgaben der mathematischen Physik
gebraucht werden. Aus ihnen gebildete Reihen leisten bei schwierigeren
Problemen dieselben Dienste, wie in den einfacheren Fällen die jetzt
so vielfach angewandten Reihen, welche nach Cosinus und Sinus der
Vielfachen einer veränderlichen Grösse fortschreiten. Diese Anwen-
dungen, namentlich astronomische, scheinen, nachdem schon Euler sicli
aus theoretischen Interesse mehrfach mit diesen Functionen beschäftiirt
hatte, Gauss zu seinen Untersuchungen über dieselben veranlasst zu
haben, von denen er einen Theil in seiner der Kön. Soc. im J. 1812
übergebenen Abhandlung über die Reihe, welche er durch F (a, /3, y, x)
bezeichnet, veröffentlicht hat.
Diese Reihe ist eine Reihe, in welcher der Quotient des (w + l)ten
Gliedes in das folgende
^ (n 4- g) (n + ß) ^
{n + 1) (n -f- y) -^
und das erste Glied = 1 ist. Die für sie jetzt gewöhnliche Benennung
hypergeometrische Reihe ist schon früher von Johann Friedrich Pfaff
für die allgemeineren Reihen vorgeschlagen worden, in denen der
Quotient eines Gliedes in das folgende eine rationale Function des
Stellenzeigers ist; Avährend Euler nach Wallis darunter eine Reihe
verstand, in welcher dieser Quotient eine ganze Function ersten Grades
des Stellenzeigers ist.
Der unveröffentlichte Theil der Gauss'schen Untersuchungen über
diese Reihe, welcher sich in seinem Nachlasse vorgefunden hat, ist
80 V. Selbstanzeige der vorstehenden Abhandlung.
unterdessen schon im J. 1835 durch die im 15. Bande des Journals
von Grelle enthaltenen Arbeiten Kummers ergänzt worden. Sie be-
treffen die Ausdrücke der Reihe durch ähnliche Reihen, in denen statt
des Elements x eine algebraische Function dieser Grösse vorkommt.
Einen speciellen Fall dieser Umformungen hatte schon Euler aufge-
funden und in seiner Integralrechnung, so wie in mehreren Abhand-
lungen behandelt (in der einfachsten Gestalt in den N. Acta Acad.
Petr. T. XII. p. 58); und diese Relation ward später von Pfaff (Disquis.
anal. Helmstadii 1797), Gudermann (Grelle J. Bd. 7. S. 306) und
Jacobi auf verschiedenen Wegen bewiesen. Kummer gelang es, die
Methode Euler's zu einem Verfahren auszubilden, durch welches sämmt-
liche Transformationen gefunden werden konnten; die wirkliche Aus-
führung desselben erforderte aber so weitläufige Discussionen, dass er
für die Transformationen dritten Grades von der Durchführung der-
selben abstand und sich begnügte, die Transformationen ersten und
zweiten Grades und die aus ihnen zusammengesetzten vollständig ab-
zuleiten.
In der anzuzeigenden Abhandlung wird auf diese Transcendenten
eine Methode angewandt, deren Princip in der Inaug. Diss. des Ver-
fassers (Art. 20.) ausgesprochen worden ist und durch die sich sämmt-
liche früher gefundenen Resultate fast ohne Rechnung ergeben. Einige
weitere mittelst derselben Methode gewonnenen Ergebnisse hofft der
Verf. demnächst der Königlichen Societät vorlegen zu können.
VI.
Theorie der AbeT sehen Functionen.
(Aus Borcbardt'ö Journal für reine und angewandte Mathematik, Bd. 54. 1857.)
1. Allgemeine Voraussetzungen und Hülfsmittel für die Untersuchung
von Functionen unbeschränkt veränderlicher Grössen.
Die Absicht den Lesern des Journals für Mathematik Unter-
suchungen über verschiedene Transcendenten/ insbesondere auch über
Ab eP sehe Functionen vorzulegen^ macht es mir wünschenswerth, um
Wiederholungen zu vermeiden, eine Zusammenstellung der allgemeinen
Voraussetzungen, von denen ich bei ihrer Behandlung ausgehen werde,
in einem besonderen Aufsatze voraufzuschicken.
Für die unabhängig veränderliche Grösse setze ich stets die jetzt
allgemein bekannte Gau ss^ sehe geometrische Repräsentation voraus,
nach welcher eine complexe Grösse 2 = x -{- yi vertreten wird durch
einen Punkt einer unendlichen Ebene, dessen rechtwinklige Coordina-
ten X, y sind; ich werde dabei die complexen Grössen und die sie
repräsentirenden Punkte durch dieselben Buchstaben bezeichnen. Als
Function von x + yi betrachte ich jede Grösse iv, die sich mit ihr
der Gleichung
. dw cw •
dx cy
gemäss ändert, ohne einen Ausdruck von iv durch x und y vorauszusetzen.
Aus dieser Differentialgleichung folgt nach einem bekannten Satze, dass
die Grösse w durch eine nach ganzen Potenzen von z — a fortschrei-
71= 00
tende Reihe von der Form ZOn {z — «)" darstellbar ist, sobald sie in
der Umgebung von a allenthalben einen bestimmten mit z stetig sich
ändernden Werth hat, und dass diese Darstellbarkeit stattfindet bis zu
einem Abstände von a oder Modul von z — a, für welchen eine Un-
stetigkeit eintritt. Es ergiebt sich aber aus den Betrachtungen, welche
der Methode der unbestimmten Coefficienten zu Grunde liegen, dass
Rikmann's gosummcUc mathematische Werke. I. Ü
82 VI. Theorie der Aberschen Functionen.
die Coefficienten a^ völlig bestimmt sind, wemi iv in einer endlichen
fibrigens beliebig kleinen von a ausgebenden Linie gegeben ist.
Beide Ueberlegungen verbindend, wird man sich leicht von der
Richtigkeit des Satzes überzeugen:
Eine Function von x -\- yi, die in einem TJieile der (x, y)- Ebene
gegeben ist, Jcann darüber- hinaus nur auf Eine Weise stetig fortgesetzt
iverden.
Man denke sich nun die zu untersuchende Function nicht durch
irgend welche z enthaltende analytische Ausdrücke oder Gleichungen
bestimmt, sondern dadurch, dass der Werth der Function in einem
beliebig begrenzten Theile der ^- Ebene gegeben ist und sie von dort
aus stetig (der partiellen Differentialgleichung
. dw dw
■ 'dx ~ dy
gemäss) fortgesetzt wird. Diese Fortsetzung ist nach den obigen
Sätzen eine völlig bestimmte, vorausgesetzt, dass sie nicht in blossen
Linien geschieht, wobei eine partielle Differentialgleichung nicht zur
Anwendung kommen könnte, sondern durch Flächenstreifen von end-
licher Breite. Je nach der Beschaffenheit der fortzusetzenden Function
wird nun entweder die Function für denselben Werth von z immer
wieder denselben Werth annehmen, auf welchem Wege auch die Forf-
setzung geschehen sein möge, oder nicht. Ln ersteren Falle nenne
ich sie eimverthig , sie bildet dann eine für jeden Werth von z völlig
bestimmte und nicht längs einer Linie unstetige Function. Im letzteren
Falle, wo sie melirwerthig heissen soll, hat man, um ihren Verlauf
aufzufassen, vor Allem seine Aufmerksamkeit auf gewisse Punkte der
^- Ebene zu richten, um welche herum sich die Function in eine an-
dere fortsetzt. Ein solcher Punkt ist z. B. bei der Function log {z — a)
der Punkt a. Denkt man sich von diesem Punkte a aus eine belie-
bige Linie gezogen, so wird man in der Umgebung von a den Werth
der Function so wählen können, dass sie sieh ausser dieser Linie
überall stetig ändert; zu beiden Seiten dieser Linie nimmt sie aber
dann verschiedene Werthe an, auf der negativen*) einen um 27ti
grösseren, als auf der positiven. Die Fortsetzung der Function von
einer Seite dieser Linie aus, z. B. von der negativen, über sie hinüber
in das jenseitige Gebiet giebt dann offenbar eine von der dort schon
vorhandenen verschiedene Function und zwar im hier l)etrachteten
Falle eine allenthalben um 2;ri
*) Im Anschlüsse an die von Gauss vorgeschlagene Benennung positiv laterale
Einheit für -j- i werde ich als positive Seitenrichtung zu einer gegebenen Richtung
diejenige bezeichnen^ welche zu ihr ebenso liegt, wie -j- i zu 1.
VI. Theorie der Aberöchea Functionen. 83
Zur bequemeren Bezeichnung dieser Verhältnisse sollen die ver-
schiedenen Fortsetzungen eine7' Function für denselben Theil der
;::- Ebene Zweige dieser Function genannt werden und ein Punkt, um
welchen sich ein Zweig einer Function in einen andern fortsetzt eine
Verziveigungsstelle dieser Function; wo keine Verzweigung stattfindet,
heisst die Function cinändrig o^er monodrom.
Ein Zweig einer Function von mehreren unabhängig veränder-
lichen Grössen z, s, t, . . . ist einündrig in der Umgebung eines be-
stimmten Werthensystemes z = a, s = h, t == c, . . ., w^enn allen
Werthencombinationen bis zu einem endlichen Abstände von demsel-
ben (oder bis zu einer bestimmten endlichen Grösse der Moduln von
z — a, s — h, t — c, ..^ ein bestimmter mit den veränderlichen Grössen
stetig sich ändernder Werth dieses Zweiges der Function entspricht.
Eine Verzweigungsstelle oder eine Stelle, um welche sich ein Zweig
in einen andern fortsetzt, wird bei einer Function von mehreren Ver-
änderlichen durch sämmtliche einer Gleichung zwischen ihnen genügende
Werthe der unabhängig veränderlichen Grössen gebildet.
Nach einem oben angeführten bekannten Satze ist die Einändrig-
keit einer Function identisch mit ihrer Entwickelbarkeit, ihre Ver-
zweigung mit ihrer Nichtentwickelbarkeit nach ganzen positiven oder
negativen Potenzen der Aenderungen der veränderlichen Grössen. Es
scheint aber nicht zweckmässig, jene von ihrer Darstellungsweise un-
abhängigen Eigenschaften durch diese an eine bestimmte Form ihres
Ausdrucks geknüpften Merkmale auszudrücken.
Für manche Untersuchungen, namentlich für die Untersuchung
algebraischer und AbeU scher Functionen ist es vortheilhaft, die Ver-
zweigungsart einer mehrwerthigen Function in folgender Weise geome-
trisch darzustellen. Man denke sich in der {x, ?/)- Ebene eine andere
mit ihr zusammenfallende Fläche (oder auf der Ebene einen unendlich
dünnen Körper) ausgebreitet, welche sich so weit und nur so weit
erstreckt, als die Function gegeben ist. Bei Fortsetzung dieser Function
wird also diese Fläche ebenfalls weiter ausgedehnt werden. In einem
Theile der Ebene, für welchen zwei oder mehrere Fortsetzungen der
Function vorhanden sind, wird die Fläche doppelt oder mehrfach sein;
sie wird dort aus zwei oder mehreren Blättern bestehen, deren jedes
einen Zweig der Function vertritt. Um einen Verzweigungspunkt der
Function herum wird sich ein Blatt der Fläche in ein anderes fort-
setzen, so dass in der Umgebung eines solchen Punktes die Fläche
als eine Schraubenfläche mit einer in diesem Punkte auf der (.r, y)-
Ebene senkrechten Axe und unendlich kleiner Höhe des Schrauben-
ganges betrachtet werden kann. Wenn die Function nach mehren
6*
84 VT. Theorie der Aberschen Functionen.
Umläufen des 2 um den Verzweigungswerth ihren vorigen Werth wie-
m
der erhält (wie z. B. {s — a) « , wenn m, n relative Primzahlen sind,
nach n Umläufen von s um d), muss man dann freilich annehmen,
dass sich das oberste Blatt der Fläche durch die übrigen hindurch in
das unterste fortsetzt.
Die mehrwerthige Function hat für jeden Punkt einer solchen
ihre Verzweigungsart darstellenden Fläche nur einen bestimmten Werth
und kann daher als eine völlig bestimmte Function des Orts in dieser
Fläche angesehen werden.
2. Lehrsätze aus der analysis situs für die Theorie der Integrale
von zweigliedrigen vollständigen Differentialien.
Bei der Untersuchung der Functionen, welche aus der Integration
vollständiger Differentialien entstehen, sind einige der analysis situs
angehörige Sätze fast unentbehrlich. Mit diesem von Leibnitz, wenn
auch vielleicht nicht ganz in derselben Bedeutung, gebrauchten Namen
darf wohl ein Theil der Lehre von den stetigen Grössen bezeichnet
werden, welcher die Grössen nicht als unabhängig von der Lage
existirend und durch einander messbar betrachtet, sondern von den
Massverhältnissen ganz absehend, nur ihre Orts- und Gebietsverhält-
nisse der Untersuchung unterwirft. Indem ich eine von Massverhält-
nissen ganz abstrahirende Behandlung dieses Gegenstandes mir vor-
behalte, werde ich hier nur die bei der Integration zweigliedriger
vollständiger Differentialien nöthigen Sätze in einem geometrischen
Gewände darstellen.
Es sei eine in der {x, 1/) -Ebene einfach oder mehrfach ausge-
breitete Fläche T gegeben*) und X, Y seien solche stetige Functionen
des Orts in dieser Fläche, dass in ihr allenthalben Xdx -f- Ydy ein
vollständiges Differential, also
^ _ ^ = 0
dy dx
ist. Bekanntlich ist dann
r {Xdx + Ydij) ,
um einen Theil der Fläche T positiv oder negativ herum — d. h.
durch die ganze Begrenzung entweder allenthalben nach der positiven
*) Man sehe die vorhergehende Abhandlung S. 83.
y\. Theorie der Aberschen Functionen. 85
oder allenthalben nach der negativen Seite gegen die Richtung von
Innen nach Aussen (Siehe die Anmerkung Seite 82 der vorhergehenden
Abhandlung) — erstreckt, == 0, da dies Integral dem über diesen
Theil ausgedehnten Flilchenintegrale
j-(lrr-l9«
identisch im ersteren Falle gleich, im zweiten entgegengesetzt ist.
Das Integral
'\xdx+Y(hj)
j
hat daher, zwischen zwei festen Punkten auf zwei verschiedenen Wegen
erstreckt, denselben Werth, wenn diese beiden Wege zusammengenom-
men die ganze Begrenzung eines Theils der Fläche T bilden. Wenn
also jede im Innern von T in sich zurücklaufende Curve die ganze
Begrenzung eines Theils von T bildet, so hat das Integral von einem
festen Anfangspunkte bis zu einem und demselben Endpunkte er-
streckt immer denselben Werth und ist eine von .dem Wege der In-
tegration unabhängige allenthalben in T stetige Function von der
Lage des Endpunkts. Dies veranlasst zu einer Unterscheidung der
Flächen in einfach zusammenhängende, in welchen jede geschlossene
Curve einen Theil der Fläche vollständig begrenzt — wie z. B. ein
Kreis — , und mehrfach zusammenhängende, für welche dies nicht
stattfindet, — wie z. B. eine durch zwei concentrische Kreise begrenzte
Ringfläche. Eine mehrfach zusammenhängende lässt sich durch Zer-
schneidung in eine einfach zusammenhängende verwandeln (S. die
durch Zeichnungen erläuterten Beispiele am Schluss dieser Abhand-
lung). Da diese Operation wichtige Dienste bei der Untersuchung
der Integrale algebraischer Functionen leistet, so sollen die darauf
bezüglichen Sätze kurz zusammengestellt werden; sie gelten für be-
liebig im Räume liegende Flächen.
Wenn in einer Fläche F zwei Curvensysteme a und h zusammen-
genommen einen Theil dieser Fläche vollständig begrenzen, so bildet
jedes andere Curvensystem, das mit a zusammen einen Theil von F
vollständig begrenzt, auch mit h die ganze Begrenzung eines Flächen-
theils, der aus den beiden ersteren Flächentheilen längs a (durch
Addition oder Subtraction, jenachdem sie auf entgegengesetzter oder
auf gleicher Seite von a liegen) zusammengesetzt ist. Beide Curven-
systeme leisten daher für völlige Begrenzung eines Theils von F das-
selbe und können für die Erfüllung dieser Forderung einander ersetzen.
Wenn in einer Fläche F sich n geschlossene Curven a,, Og» • • v ^«
zielien lassen, welche weder für sich noch mit einander einen Tfieil dieser
86 VI. Theorie der Aberschen Functionen.
Flüche F vollständig begrenzen j mit derm Znzichumj aber jede andere
(jescldossenc Ciirve die vollständige Begrenzung eines Theils der Fläche F
bdden Jcann, so heisst die Fläche eine (ji + \)fach zusammenhängende.
Dieser Charakter der Fläche ist unabhängig von der Wahl des
Curvensystems a^, a.,, .. ., «„, da je n andere geschlossene Curven
b^, bo, . . .; bay welche zu völliger Begrenzung eines Theils dieser
Fläche nicht ausreichen, ebenfalls mit jeder andern geschlossenen Curve
zusammengenommen einen Theil von F völlig begrenzen.
In der That, da b^ mit Linien a zusammengenommen einen Theil
von F vollständig begrenzt, so kann eine dieser Curven a durch b^
und die übrigen Curven a ersetzt werden. Es ist daher mit b^ und
diesen n — 1 Curven a jede andere Curve, und folglich auch b.^, zu
völliger Begrenzung eines Theils von F ausreichend, und es kann eine
dieser n — 1 Curven a durch 6^, b.^ und die übrigen n — 2 Curven a
ersetzt werden. Dieses Verfahren kann offenbar, wenn, wie voraus-
gesetzt, die Curven b zu vollständiger Begrenzung eines Theils von F
nicht ausreichen, so lange fortgesetzt werden, bis sämmtliche a durch
die b ersetzt worden sind.
Fine (^^ +1) fach zusammenhängende Fläche F kann durch einen
Querschnitt — d. h. eine von einem BegrenzungspunMe durch das Innere
bis zu einem BegrenzungspunMe geführte Schnittlinie — in eine nfach
zusammenhängende F' verwandelt iverden. Fs gelten dabei die durch die
Zerschneidung entstehenden Begrenzungstheile schon während der weiteren
Zerschneidung als Begrenzung, so dass ein Querschnitt keinen Punkt
mehrfach durchschneiden, aber in einem seiner früheren Funkte enden kann.
Da die Linien a^, a^, . . ., «« zu völliger Begrenzung eines Theils
von F nicht ausreichen, so muss, wenn man sich F durch diese
Linien zerschnitten denkt, sowohl das auf der rechten, als das auf der
linken Seite von a>i anliegende Flächenstück noch andere von den
Linien a verschiedene und also zur Begrenzung von F gehörige Be-
grenzungstheile enthalten. Man kann daher von einem Punkte von a„,
sowohl in dem einen, als in dem andern dieser Flächenstücke eine die
Curven a nicht schneidende Linie bis zur Begrenzung von F ziehen.
Diese beiden Linien cf und q" zusammengenommen bilden alsdann
einen Querschnitt q der Fläche F, welcher das Verlangte leistet.
In der That sind in der durch diesen Querschnitt aus F ent-
stehenden Fläche F' die Linien a^, a.^, . . ., a^^i im Innern von F'
verlaufende geschlossene Curven, welche zur Begrenzung eines Theils
von F, also auch von F' nicht hinreichen. Jede andere im Innern
von F' verlaufende geschlossene Curve l aber bildet mit ihnen die ganze
Begrenzung eines Theils von F\ Denn die Linie l bildet mit einem
VI. Theorie der Abcri-cheii Functionen. 87
Complex aus den Linien a^, a,^, . . ., ein die ganze Begrenzung eines
Theils /" von F. Es lässt sich aber zeigen, dass in der Begrenzung
desselben ctn nicht vorkommen kann; denn dann würde, je nach dem
/■ auf der linken oder rechten Seite von a« läge, q' oder q" aus dem
Innern von /" nach einem Begrenzungspunkte von i\ also nach einem
ausserhalb /' gelegenen Punkte, führen und also die Begrenzung von /*
schneiden müssen gegen die Voraussetzung, dass / sowohl als die
Linien a, den Durchschnittspunkt von an und q ausgenommen, stets
im Innern von F' bleiben.
Die Fläche F', in welche F durch den (^)uerschnitt q zerfällt, ist
demnach, wie verlangt, eine nfach zusammenhängende.
Es soll jetzt bewiesen werden, dass die Fläche F durch jeden
Querschnitt ^), welcher sie nicht in getrennte Stücke zerfället, in eine
iifach zusammenhängende F' verwandelt wird. Wenn die zu beiden
Seiten des Querschnitts p angrenzenden Flächentheile zusammenhängen,
so lässt sich eine Linie h von der einen Seite desselben durch das
Innere von F' auf die andere Seite zum Anfangspunkte zurück ziehen.
Diese Linie b bildet eine im Innern von F in sich zurücklaufende
Linie, welche, da der Querschnitt von ihr aus nach beiden Seiten zu
einem Begixuzungspunkte führt, von keinem der beiden Flächenstücke,
in welche sie F zerschneidet, die ganze Begrenzung bildet. Man kann
daher eine der Curven a durch die Curve h und jede der übrigen
n — 1 Curven a durch eine im Innern von i*" verlaufende Curve und
wenn nötliig die Curve h ersetzen, worauf der ßeweis, dass F' wfach
zusammenhängend ist, durch dieselben Schlüsse, wie vorhin, geführt
werden kann.
Fine (w + 1) fach zusammenhängende Fläche ivird daher durch
jeden sie nicht in Stücke zerschneidenden Querschnitt in eine nfach zu-
sammenhängende venvandelt.
Die durch einen Querschnitt entstandene Fläche kann durch einen
neuen Querschnitt weiter zerlegt werden, und bei >i maliger Wieder-
holung dieser Operation wird eine (ji -\- 1) fach zusammenhängende
Fläche durch n nach einander gemachte sie nicht zerstückelnde Quer-
schnitte in eine einfach zusammenhängende verwandelt.
Um diese Betrachtungen auf eine Fläche ohne Begrenzung, eine
geschlossene Fläche, anwendbar zu machen, muss diese durch Aus-
scheidung eines beliebigen Punktes in eine begrenzte verwandelt wer-
den, so dass die erste Zerlegung durch diesen Punkt und einen in ihm
anfangenden und endenden Querschnitt, also durch eine geschlossene
Curve, geschieht. Die Oberfläche eines Ringes z. B., welche eine drei-
88 VI. Theorie der Aberschen Functionen.
fach zusammenhängende ist, wird durch eine geschlossene Curve und
einen Querschnitt in eine einfach zusammenhängende verwandelt.
Auf das im Eingange betrachtete Integral des vollständigen
Differentials Xdx + Ydij wird nun die eben behandelte Zerschneidung
der mehrfach zusammenhängenden Flächen in einfach zusammenhän-
gende, wie folgt, angewandt. Ist die die (x, y) -'Ebene bedeckende
Fläche jT, in welcher X, Y allenthalben stetige der Gleichung
y (^^
genügende Functionen des Orts sind, ?«^fach zusammenhängend, so wird
sie durch n Querschnitte in eine einfach zusammenhängende T' zer-
schnitten. Die Integration von Xdx + Ydy von einem festeji An-
fangspunkte aus durch Gurven im Innern von T' liefert dann einen
nur von der Lage des Endpunkts abhängigen Werth, welcher als
Function von dessen Goordinaten betrachtet werden kann. Substituirt
man für die Goordinaten die Grössen .x', y^ so erhält man eine Function
z= f{Xdx+ Ydy)
von X, y, welche für jeden Punkt von T' völlig bestimmt ist und sich
innerhalb T' allenthalben stetig, beim Ueberschreiten eines Querschnitts
aber allgemein zu reden um eine endliche von einem Knotenpunkte
des Schnittnetzes zum andern constante Grösse ändert. Die Aenderun-
gen beim Ueberschreiten der Querschnitte sind von einer der Zahl
der Querschnitte gleichen Anzahl von einander unabhängiger Grössen
abhängig; denn wenn man das Schnittsystem rückwärts, — die späteren
Theile zuerst — , durchläuft, so ist diese Aenderung überall bestimmt,
wenn ihr Werth beim Beginn jedes Querschnitts gegeben wird;
letztere Werthe aber sind von einander unabhängig.
Um das, was oben (S. 85, 86) unter einer ?ifach zusammenhängenden
Fläche verstanden wird, anschaulicher zu machen, folgen in den nach-
stehenden Zeichnungen Beispiele von einfach, zweifach und dreifach
zusammenhängenden Flächen.
Einfach zusammenhängende Fläche.
Sie wird durch jeden Quer-
schnitt in getrennte Stücke zer-
fällt, und es bildet in ihr jede
geschlossene Gurve die ganze
Begrenzung eines Theils der
Fläche.
VI. Theorie der Aberschen Functionen.
89
Zweifach zusanimenhängende Fläche.
Sie wird durch jeden sie
nicht zerstückelnden Querschnitt
q in eine einfach zusammen-
hängende zerschnitten. Mit Zu-
ziehung der Curve a kann in ihr
jede geschlossene Curve die
ganze Begrenzung eines Theils
der Fläche bilden.
Dreifach zusammeuhäugende Fläche.
In dieser Fläche kann jede
geschlossene Curve mit Zu-
ziehung der Curven a^ und a.^
die ganze Begrenzung eines
Theils der Fläche bilden. Sie
zerHillt durch jeden sie nicht
zerstückelnden Querschnitt in
eine zweifach zusammenhän-
gende und durch zwei solche
Querschnitte, q^ und q.^, in eine
einfach zusammenhängende.
In dem Theile cc ßy d der
Ebene ist die Fläche doppelt.
Der (ii enthaltende Arm der
Fläche ist als unter dem an-
dern fortgehend betrachtet und
daher durch punktirte Linien
angedeutet.
3. Bestimmung einer Function einer veränderlichen complexen
Grösse durch Grenz- und Unstetigkeitsbedingungen.
Wenn in einer Ebene, in welcher die rechtwinkligen Coordinaten
eines Punkts x, y sind^ der Werth einer Function von x -\- yi in einer
endlichen Linie gegeben ist, so kann diese von dort aus nur auf eine
Weise stetig fortgesetzt werden und ist also dadurch völlig bestimmt
(Siehe oben S. 82). Sie kann aber auch in dieser Linie nicht willkür-
lich angenommen werden, wenn sie von ihr aus einer stetigen Fort-,
Setzung in die anstossenden Flächentheile nach beiden Seiten hin fähig
i)() Vf. Theorie der AbeFschen Functionen.
sein soll, da sie durch ihren Verlauf in einem noch so kleinen entl-
lichen Theile dieser Linie schon für den übrigen Theil bestimmt ist.
Bei dieser Bestimmungsweise einer Function sind also die zu ihrer
Bestimmung dienenden Bedingungen nicht von einander unabhängig.
Als Grundlage für die Untersuchung einer Transcendenten ist es
vor allen Dingen nöthig, ein System zu ihrer Bestimmung hinreichen-
der von einander unabhängiger Bedingungen aufzustellen. Hierzu kann
in vielen Fällen, namentlich bei den Integralen algebraischer Functionen
und ihren inversen Functionen, ein Princip dienen, welches Dirichlet
zur Lösung dieser Aufgabe für eine der Laplace' sehen partiellen
Differentialgleichung genügende Function von drei Veränderlichen,
wohl durch einen ähnlichen Gedanken von Gauss veranlasst — in
seinen Vorlesungen über die dem umgekehrten Quadrat der Entfernung
proportional wirkenden Kräfte seit einer Reihe von Jahren zu geben
pflegt. Für diese Anwendung auf die Theorie von Transcendenten ist
jedoch gerade ein Fall besonders wichtig, auf welchen dies Princip in
seiner dortigen einfachsten Form nicht anwendbar ist, und welcher
dort als von ganz untergeordneter Bedeutung unberücksichtigt bleiben
kann. Dieser Fall ist der, wenn die Function an gewissen Stellen des
Gebiets, wo sie zu bestimmen ist, vorgeschriebene Unstetigkeiten an-
nehmen soll; was so zu verstehen ist, dass sie an jeder solchen Stelle
der Bedingung unterworfen ist, unstetig zu werden, wie eine dort ge-
gebene unstetige Function, oder sich nur um eine dort stetige Function
von ihr zu unterscheiden. Ich werde hier das Princip in der für die
beabsichtigte Anwendung erforderlichen Form darstellen und erlaube
mir dabei in Betreff einiger Nebenuntersuchungen auf die in meiner
Doctordissertation (Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Functionen
einer veränderlichen complexen Grösse. Göttingen 1851) gegebene Dar-
stellung desselben zu verweisen.
Man nehme an, dass eine die (x, y) -Ebene einfach oder mehrfach
bedeckende beliebig begrenzte Fläche T und in derselben zwei für
jeden ihrer Punkte eindeutig bestimmte reelle Functionen von x, i/,
die Functionen a und ß gegeben seien, und bezeichne das durch die
Fläche T ausgedehnte Integral
j'(("-ifr+e+iö>'^'
durch Sl (a), wobei die Functionen a und ß beliebige Unstetigkeiten
besitzen können, wenn nur das Integral dadurch nicht unendlich wird.
Es bleibt dann auch Sl (a — A) endlich, wenn A allenthalben stetig ist
und endliche Differentialquotienten hat. Wird diese stetige Function A
\'l. TJieoiio der Al)Lr«clien Functionen. Dl
der Bedingung unterworfen, nur in einem unendlich kleinen Theile der
Flüche T von einer unstetigen Function y verschieden zu sein, so w^ird
^l (« — A) unendlich gross, wenn y längs einer Linie unstetig ist oder
in einem Punkte so unstetig ist, dass
jm-^^)''
unendlich wird (Meine Inaug. Diss. Art. 17 j; es bleibt aber il (a — A)
endlich, wenn y nur in einzelnen Punkten und nur so unstetig ist, dass
j'm+(^:n"^
durch die Fläche T erstreckt endlich bleibt, wie z. B. wenn y in der
Umgebung eines Punktes im Abstände r von demselben = ( — logrj*
und 0 <C i < i ist. Zur Abkürzung mögen hier die Functionen, in
welche A unbeschadet der Endlichkeit von Sl (cc — Aj übergehen kann,
unstetig von der ersten Art, die Functionen, für welche dies nicht
möglich ist, unstetig von der zweiten Art genannt werden. Denkt man
sich nun in £1 (« — ^) für ^ alle stetigen oder von der ersten Art
unstetigen Functionen gesetzt, welche an der Grenze verschwinden, so
erhält dies Integral immer einen endlichen, aber seiner Natur nach nie
einen negativen Werth, und es muss daher wenigstens einmal, für
a — fi = ti, ein Minimumwerth eintreten, so dass 5i für jede Function
cc — /i, die unendlich wenig von u verschieden ist, grösser als il{i()
wird.
Bezeichnet daher ö eine beliebige stetige oder von erster Art un-
stetige Function des Orts in der Fläche T, die an der Grenze allent-
halben gleich 0 ist, und h eine von x, y unabhängige Grösse, so muss
§l{u-\-h(5) sowohl für ein positives, als für ein negatives hinreichend
kleines h grösser als ü (</) werden, und daher in der Entwicklung
dieses Ausdrucks nach Potenzen von Ji der Coefficient von li ver-
schwinden. Ist dieser 0, so ist
ß (« + ha) = Sl («) + l>'J'{0 + (^_")) äT
und folglich Sl immer ein Minimum. Das Minimum tritt nur für eine
einzige Function u ein; denn fände auch ein Minimum für n -\- a
statt, so könnte Sl (n -{- ö) nicht > Sl(^u) sein, weil sonst
Sl (w + ha) < Sl (u + ö)
für /i < 1 würde; also könnte Sl (u -(- ö) nicht kleiner als die an-
liegenden Werthe sein. Ist aber Sl (u + (?)== ü (w), so muss ö constant,
also da es in der Begrenzung 0 ist, überall 0 sein. Es wird daher
92 Vf. Theorie der Abersclien Functionen.
nur für eine einzige Function u das Integral il ein Minimum und die
Variation erster Ordnung oder das /^ proportionale Glied in i>l((ii -\-ha),
J \V^v dy) dx ' \dy ' dxjcy)
Aus^ dieser Gleichung folgt, dass das Integral
durch die ganze Begrenzung eines Theils der Fläche T erstreckt stets
= 0 ist. Zerlegt man nun (nach der vorhergehenden Abhandlung) die
Fläche T, wenn sie eine mehrfach zusammenhängende ist^ in eine ein-
fach zusammenhängende T, so liefert die Integration durch das- Innere
von T von einem festen Anfangspunkte bis zum Punkte {x, y) eine
Function von x, y,
--/((l^ + S'^^+fö-S^^) + --*•'
welche in T' überall stetig oder unstetig von der ersten Art ist und
sich beim Ueber schreiten der Querschnitte um endliche von einem
Knotenpunkte des Schnittnetzes zum andern constante Grössen ändert.
Es genügt dann v = ß — v den Gleichungen
dv du dv du '
dx ~dy^ dy dx'
und folglich ist ii -{- vi eine Lösung der Differentialgleichung
d {u-\-vi) . d {u-\-vi) __
öy ex
oder eine Function von x + yi.
Man erhält auf diesem Wege den in der erwähnten Abhandlung
Art. 18 ausgesprochenen Satz:
Ist in einer zusammenhängenden durch Querschnitte in eine einfacli
zusammenhängende T zerlegten Fläche T eine complexe Function a + ßi
von X, y gegeben, für welche
/((lf-«)'+(|f+av^
durch die ganze Fläche ausgedehnt einen endlichen Werth hat, so Jcann
sie immer und nur auf Eine Art in eine Function von x + yi ^^-
wandelt werden durch Subtraction einer Function ^-\-vi von x,y, welche
folgenden Bedingungen genügt:
1) ft ist am Bande == 0 oder doch nur in einzelnen Bunhten davon
verschieden, v in Einem B unkte heliebig gegeboi.
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 93
2) Die Anidcrungcn von ^ sind in T, von v in T' nur in einzelnen
FunMen und nur so unstetig, dass
nnd
durch die ganze Fläche erstreckt, endlich bleiben, und letztere längs der
Querschnitte beiderseits gleich.
Wenn die Function a-\-ßi, wo ihre Differentialquotienten unend-
lich werden, unstetig wird, wie eine gegebene dort unstetige Function
von X + yij und keine durch eine Abänderung ihres Werthes in einem
einzelnen Punkte hebbare Unstetigkeit besitzt, so bleibt Sl(a) endlich,
und es wird ^-{-vi in T' allenthalben stetig. Denn da eine Function
von X -\- y i gewisse Unstetigkeiten, wie z. B. Unstetigkeiten erster Art,
gar nicht annehmen kann (Meine Diss. Art. 12), so muss die Differenz
zweier solcher Functionen stetig sein, sobald sie nicht von der zweiten
Art unstetig ist.
Nach dem eben bewiesenen Satze lässt sich daher eine Function
von x-\-yi so bestimmen, dass sie im Innern von T, von der Un-
stetigkeit des imaginären Theils in den Querschnitten abgesehen, ge-
gebene Unstetigkeiten annimmt, und ihr reeller Theil an der Grenze
einen dort allenthalben beliebig gegebenen Werth erhält; wenn nur
für jeden Punkt, wo ihre Differentialquotienten unendlich werden sollen,
die vorgeschriebene Unstetigkeit die einer gegebenen dort unstetigen
Function von x + yi ist. Die Bedingung an der Grenze kann man,
wie leicht zu sehen, ohne eine wesentliche Aenderung der gemachten
Schlüsse durch manche andere ersetzen.
4. Theorie der Abel'schen Functionen.
In der folgenden Abhandlung habe ich die Abel'schen Functionen
nach einer Methode behandelt, deren Principien in meiner Inaugural-
dissertation*) aufgestellt und in einer etwas veränderten Form in den
drei vorhergehenden Aufsätzen dargestellt worden sind. Zur Erleich-
terung der Uebersicht schicke ich eine kurze Inhaltsangabe vorauf.
Die erste Abtheilung enthält die Theorie eines Systems von gleich-
verzweigten algebraischen Functionen und ihren Integralen, soweit für
dieselbe nicht die Betrachtung von 'S- -Reihen massgebend ist, und han-
*) Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Functionen einer veränder-
lichen complexen Grösse. Göttingen 1851.
94 VI. Theorie der Aberschcn Functioueii.
clelt im §. 1 — 5 von der Bestimmung dieser Functionen durch ihre
Verzweigungsart und ihre Unstetigkeiten^ im §. 6 — 10 von den ratio-
nalen Ausdrücken derselben in zwei durch eine algebraische Gleichung
verknüpfte veränderliche Grössen^ und im §. 11 — 13 von der Trans-
formation dieser Ausdrücke durch rationale Substitutionen. Der hei
dieser Untersuchung sich darbietende Begriff einer Klasse von algebrai-
schen Gleichungen, welche sich durch rationale Substitutionen jn einan-
der transformiren lassen, dürfte auch für andere Untersuchungen wichtig
und die Transformation einer solchen Gleichung in Gleichungen niedrig-
sten Grades ihrer Klasse (§. 13) auch bei anderen Gelegenheiten von
Nutzen sein. Diese Abtheilung behandelt endlich im §. 14 — IG zur
Vorbereitung der folgenden die Anwendung des AbeTschen Additions-
theorems für ein beliebiges System allenthalben endlicher Integrale von
gleichverzweigten algebraischen Functionen zur Integration eines Systems
von Differentialgleichungen.
In der zweiten Abtheilung werden für ein beliebiges System von
immer endlichen Integralen gleichverzweigter, algebraischer, 2p +1 fach
zusammenhängender Functionen die Jacobi'schenUmkehrungsfunctionen
von p veränderlichen Grössen durch pfach unendliche i^Reihen aus-
gedrückt, d. h. durch Reihen von der Form
%'{t\, v^, ..., Vp) = ( V l e
p ( 2; j ü/^, , i^i' mfi m +2 Hv^, Wu
■ — CO
worin die Summationen im Exponenten sich auf ^ und ^\ die äusseren
Summationen auf m^, m^, ..., mp beziehen. Es ergiebt sich, dass zur
allgemeinen Lösung dieser Aufgabe eine — wenn p > 3 specielle —
Gattung von 0-- Reihen ausreicht, in denen zwischen den '^—^—
Grössen a — ~ ^ ß-—- Relationen stattfinden, so dass nur 32? — 3
1 . ^
willkürlich bleiben. Dieser Theil der Abhandlung bildet zugleich eine
Theorie dieser speciellen Gattung von '9'- Functionen; die allgemeinen
'^-Functionen bleiben hier ausgeschlossen, lassen sich jedoch nach einer
ganz ähnlichen Methode behandeln.
Das hier erledigte Jacob i'sche Umkehrungsproblem ist für die
hyperelliptischen Integrale schon auf mehreren Wegen durch die be-
harrlichen mit so schönem Erfolge gekrönten Arbeiten von Weierstrass
gelöst worden, von denen eine Uebersicht im 47. Bande des Journ.
für Mathm. (S. 289) mitgetheilt worden ist. Es ist jedoch bis jetzt
nur von dem Theile dieser Arbeiten, welcher in den §§. 1 und 2 und
der ersten die elliptischen Functionen betreffenden Hälfte des §. 3 der
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 95
angeführten Abhandlung skizzirt wird, die wirkliche Ausführung ver-
öffentlicht (Bd. 52, S. 285 d. Journ. f. Math.); in wie weit zwischen
den späteren Theilen dieser Arbeiten und meinen hier dargestellten
eine Uebereinstimmung nicht bloss in Resultaten^ sondern auch in den
zu ihnen führenden Methoden stattfindet, wird grossentheils erst die
versprochene ausführliche Darstellung derselben ergeben können.
Die gegenwärtige Abhandlung bildet mit Ausnahme der beiden
letzten §§. 2G und 21, deren Gegenstand damals nur kurz angedeutet
werden konnte, einen Auszug aus einem Theile meiner von Michaelis
1855 bis Michaelis 1856 zu Göttingen gehaltenen Vorlesungen. Was
die Auffindung der einzelnen Resultate betrifft, so wurde ich auf das
im §. 1 — 5, 9 und 12 Mitgetheilte und die dazu nöthigen vorbereiten-
den Sätze, welche später Behufs der Vorlesungen so, wie es in dieser
Abhandlung geschehen ist^ weiter ausgeführt wurden, im Herbste 1851
und zu Anfang 1852 durch Untersuchungen über die confornie Ab-
bildung mehrfach zusammenhängender Flächen geführt, ward aber dann
durch einen andern Gegenstand von dieser Untersuchung abgezogen.
Erst um Ostern 1855 wurde sie wieder aufgenommen und in den
Oster- und Michaelisferien jenes Jahres bis zu §.21 incl. fortgeführt;
das Uebrige wurde bis Michaelis 1850 hinzugefügt. Einzelne ergän-
zende Zusätze sind an manchen Stellen während der Ausarbeitung
liinzugekommen.
Erste Albtheiliiii^.
1.
Ist s die Wurzel einer irreductibeln Gleichung nien Grades, deren
Coefficienten ganze Functionen mten Grades von z sind, so entsprechen
jedem Werthe von 2 n Werthe von s, die sich mit z überall, wo sie
nicht unendlich werden, stetig ändern. Stellt man daher (nach S. 83)
die Verzweigungsart dieser Function durch eine in der ,:-Ebene aus-
gebreitete unbegrenzte Fläche T dar, so ist diese in jedem l^ieile der
Ebene nfach, und s ist dann eine einwerthige Function des Orts in
dieser Fläche. Eine unbegrenzte Fläche kann entweder als eine Fläche
mit unendlich weit entfernter Begrenzung oder als eine geschlossene
angesehen werden, und Letzteres soll bei der Fläche 7' geschehen, so
dass dem Werthe .z = (x> in jedem der )i Blätter der Fläche Ein
Funkt entspricht, wenn nicht etwa für z = (x> eine Verzweigung statt-
findet.
Jede rationale Function von s und ,: ist offenbar ebenfalls eine
einwerthige Function des Orts in der Fläche T und besitzt also die-
9G Vr. Theorie der AbeFscheu Functionen.
selbe Verzweigungsart wie die Function s, und es wird sich unten
ergeben^ dass auch das Umgekehrte gilt.
Durch Integration einer solchen Function erhält man eine Function^
deren verschiedene Fortsetzungen für denselben Theil der Flüche T
sich nur um Constanten unterscheiden, da ihre Derivirte für denselben
Punkt dieser Fläche immer denselben Werth wieder annimmt.
Ein solches System von gleichverzweigten algebraischen Functionen
und Integralen dieser Functionen bildet zunächst den Gegenstand un-
serer Betrachtung; statt aber von diesen Ausdrücken dieser Functionen
auszugehen, werden wir sie mit Anwendung des Dirichl et 'sehen
Princips (S. 92) durch ihre Unstetigkeiten definiren.
2.
Zur Vereinfachung des Folgenden heisse eine Function für einen
PunJä der Fläche T unendlich Mein von der ersten Ordming, wenn ihr
Logarithmus bei einem positiven Umlaufe um ein diesen Punkt um-
gebendes Flächenstück, ili welchem sie endlich und von Null ver-
schieden bleibt, um 2;r^ wächst. Es ist demnach für einen Punkt,
um den die Fläche T sich ^ mal windet, wenn dort ,0 einen endlichen
Werth a hat, (-e — a)'", also {dzy\ wenn aber ,2^=00, (--) unendlich
klein von der ersten Ordnung. Der Fall, wo eine Function in einem
Punkte der Fläche T unendlich klein oder unendlich gross von der
^'ten Ordnung wird, kann so betrachtet werden, als wenn die Function
in V dort zusammenfallenden (oder unendlich nahen) Punkten unend-
lich klein oder unendlich gross von der ersten Ordnung wird, wie in
der Folge bisweilen geschehen soll.
Die Art und Weise, wie jene hier zu betrachtenden Functionen
unstetig werden, kann dann so ausgedrückt werden. Wird eine von
ihnen in einem Punkte der Fläche T unendlich, so kann sie, wenn r
eine beliebige Function bezeichnet, die in diesem Punkte unendlich
klein von der ersten Ordnung wird, stets durch Subtraction eines end-
lichen Ausdrucks von der Form
Ä\ogr-\- Br-'' -\-Cr~^ +'"
in eine dort stetige verwandelt werden, wie sich aus den bekannten
— nach Cauchy oder durch die Fourier'sche Reihe zu beweisenden
— Sätzen über die Entwicklung einer Function in Potenzreihen ergiebt.
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 97
3.
Man denke sich jetzt eine in der ,?- Ebene allenthalben nfach aus-
gebreitete unbegrenzte und nach dem Obigen als geschlossen zu be-
trachtende zusammenhängende Fläche T gegeben und diese in eine
einfach zusammenhängende T zerschnitten. Da die Begrenzung einer
einfach zusammenhängenden Fläche aus Einem Stücke besteht, eine
geschlossene Fläche aber durch eine ungerade Anzahl von Schnitten
eine gerade Zahl von Begrenzungsstücken, durch eine gerade eine un-
gerade erhält, so ist zu dieser Zerschneidung eine gerade Anzahl von
Schnitten erforderlich. Die Anzahl dieser Querschnitte sei = 2p. Die
Zerschneidung werde zur Vereinfachung des Folgenden so ausgeführt,
dass jeder spätere Schnitt von einem Punkte eines früheren bis zu
dem anstossenden Punkte auf der andern Seite desselben geht: wenn
sich dann eine Grösse längs der ganzen Begrenzung von T stetig
ändert und im ganzen Schnittsysteme zu beiden Seiten gleiche Aende-
rungen erleidet, so ist die Differenz der beiden Werthe, die sie in
demselben Punkte des Schnittnetzes annimmt, in allen Theilen Eines
Querschnitts derselben Constanten gleich.
Man setze nun z = x-\-yl und nehme in T eine Function a-\- ßi
von Xj y folgendermassen an:
In der Umgebung der Punkte t^, f^? ••• bestimme man sie gleich
gegebenen in diesen Punkten unendlich werdenden Functionen von
x-{-yij und zwar um £,; indem man eine beliebige Function von z,
die in 6v unendlich klein von der ersten Ordnung wird, durch r,, be-
zeichnet, gleich einem endlichen Ausdrucke von der Form
worin Ay, By, Cv,... willkürliche Constanten sind. Man ziehe ferner
nach einem beliebigen Punkte von allen Punkten f, für welche die
Grösse A von Null verschieden ist, einander nicht schneidende Linien
durch das Innere von T' j von £, die Linie ly. Man nehme endlich
die Function in der ganzen noch übrigen Fläche T so an, dass sie
ausser den Linien / und den Querschnitten überall stetig, auf der posi-
tiven (linken) Seite der Linie /,- um — 2jitAr und auf der positiven
Seite des i/ten Querschnitts um die gegebene Constante ¥^^ grösser ist,
als auf der andern, und dass das Integral
durch, die Fläche T ausgedehnt einen endlichen Werth erhält. Dies
ist wie leicht zu sehen immer möglich, wenn die Summe sämmtlicher
Riemann's gesannnplte mathematische Wi^rke. I. 7
98 VT. Theorie der Aberschen Functionen.
Grössen A gleich Null ist, aber auch nur unter dieser Bedingung, weil
nur dann die Function nach einem Umlaufe um das System der Linien
/ den vorigen Werth wieder annehmen kann.
Die Constanten ¥^\ W\ ..., Wi'\ um welche eine solche Function auf
der positiven Seite der Querschnitte grösser ist, als auf der andern,
sollen die Feriodicitätsmoduln dieser Function genannt werden.
Nach dem Dirichlet'schen Princip kann nun die Function a-\-ßi
in eine Function « von x -f- yi verwandelt werden durch Subtraction
einer ähnlichen in T allenthalben stetigen Function von x, y mit rein
imaginären Periodicitätsmoduln, und diese ist bis auf eine additive
Constante völlig bestimmt. Die Function a stimmt dann mit a-\-ßi
in den ünstetigkeiten im Innern von T und in den reellen Theilen
der Periodicitätsmoduln über ein. Für o können daher die Functionen
cpr und die reellen Theile ihrer Periodicitätsmoduln willkürlich gegeben
werden. Durch diese Bedingungen ist sie bis auf eine additive Con-
stante völlig bestimmt, folglich auch der imaginäre Theil ihrer Perio-
dicitätsmoduln.
Es wird sich zeigen, dass diese Function ca sämmtliche im §. 1
bezeichneten Functionen als specielle Fälle unter sich enthält.
4.
Allenthalben endliche Functionen cd. (Integrale erster Gattung.)
Wir wollen jetzt die einfachsten von ihnen betrachten und zwar
zuerst diejenigen, die immer endlich bleiben und also im Innern von
T' allenthalben stetig sind. Sind tv^^ tv^j ..., iVp solche Functionen,
so ist auch
IV = «1 iv^ -\- a^ u\^ -\- " • -\- ap tVp -\- const.,
worin a^, «g, ..., ccp beliebige Constanten sind, eine solche Function.
Es seien die Periodicitätsmoduln der Functionen ii\, tt\^, . . ., tVp für den
i/ten Querschnitt M , ^2\ ■-•, ^4 • -^^^ Periodicitätsmodul von tv für
diesen Querschnitt ist dann a^ M"^^ + «2 ^'^^ ~\ \- (^p ^^J == ^ ] und
setzt man die Grössen a in die Form y -\- äi, so sind die reellen
Theile der 2j9 Grössen ¥^^, ¥'^\ ..., h'^^^ lineare Functionen der Grössen
7i7 ?^2? •••; yp7 ^1? ^2) •••; ^j" Wenn nun zwischen den Grössen ti\,
W2, . . ., Wp keine lineare Gleichung mit constanten Coefficienten statt-
findet, so kann die Determinante dieser linearen Ausdrücke nicht ver-
schwinden; denn es Hessen sich sonst die Verhältnisse der Grössen a
so bestimmen, dass die Periodicitätsmoduln des reellen Theils von iv
sämmtlich 0 würden, folglich der reelle Theil von tv und also auch tv
I
VI. Theorie der Abel'schen Functionen. 99
selbst nach dem Dirichlet'schen Princip eine Constante sein müsste.
Es können daher dann die 2p Grössen y und d so bestimmt werden,
dass die reellen Theile der Periodicitätsmoduln gegebene Werthe er-
halten*, und folglich kann tv jede immer endlich bleibende Function 0
darstellen, wenn ti\, w^y ..., iv^ keiner linearen Gleichung mit con-
stanten Coefficienten genügen. Diese Functionen lassen sich aber
immer dieser Bedingung gemäss wählen^ denn so lange ii<Cp, finden
zwischen den Periodicitätsmoduln des reellen Theils von
«1 tv^ -\- «2 ^^'2 + ••• + «/* ^^> + const.
lineare Bedingungsgleichungen statt; es ist daher '^^7/ + 1 nicht in dieser
Form enthalten, wenn man, was nach dem Obigen immer möglich ist,
die Periodicitätsmoduln des reellen Theils dieser Function so bestimmt,
dass sie diesen Bedingungsgleichungen nicht genügen.
Functionen co, die für einen Funlct der Fläche T unendlicli
von der ersten Ordnung iverden. (Integrale zive'der Gattung.)
Es sei CO nur für einen Punkt e der Fläche T unendlich, und für
diesen seien alle Coefficienten in 9 ausser B gleich 0. Eine solche
Function ist dann bis auf eine additive Constante bestimmt durch die
Grösse B und die reellen Theile ihrer Periodicitätsmoduln. Bezeichnet
t^ {b) irgend eine solche Function, so können in dem Ausdrucke
t{E) = ß t^ (e) + a^ u\ + a., tv._, -\ 1- «^ tVp + const.
die Constanten ß, a^, a.,^ . . ., ap immer so bestimmt werden, dass für
ihn die Grösse B und die reellen Theile der Periodicitätsmoduln be-
liebig gegebene Werthe erhalten. Dieser Ausdruck stellt also jede
solche Function dar.
Functionen co, ivclche für zwei Punlte der Fläche T loga-
rithmisch unendlich iverden. (Integrale dritter Gattung.)
Betrachten wir drittens den Fall, wo die Function co nur loi^fa-
rithmisch unendlich wird, so muss dies, da die Summe der Grössen A
gleich 0 sein muss, wenigstens für zwei Punkte der Fläche T, 6^ und f^,
geschehen und Ä.^ = — A^ sein. Ist von den Functionen, bei denen
dies statt hat und die beiden letztern Grössen = 1 sind, irgend eine
^^(^u ^2)7 so sind nach ähnlichen Schlüssen, wie oben, alle übrigen
in der Form
■^ (^o ^2) = '^^(«i; ^2) + «1 ^''1 + «2 ^^*2 H h «/> ^0' + const.
enthalten.
7*
100 VI. Theorie der Aberschen Functionen.
Für die folgenden Bemerkungen nehmen wir zur Vereinfachung
an, dass die Punkte e keine Verzweigungspunkte sind und nicht im
Unendlichen liegen. Man kann dann r,. = 2 — <^v setzen, indem man
durch 5", den Werth von s in f ,. bezeichnet. Wenn man dann to (s^, f ^)
so nach ^'^ dififerentiirt , dass die reellen Theile der Periodicitätsmoduln
(oder auch p von den Periodicitätsmoduln) und der Werth von 'oT (f^, s.^
für einen beliebigen Punkt der Fläche T constant bleiben, so erhält
man eine Function t(s^)j die in f^ unstetig wie 737- wird. Umgekehrt
ist, wenn t{sj) eine solche Function ist, 1 t{£j) dz^, durch eine be-
liebige in T von ^^ ß^ch £3 führende Linie genommen, gleich einer
Function oT (f^, £3). Auf ähnliche Art erhält man durch n successive
Differentiationen eines solchen t{a^ nach z^ Functionen o, welche im
Punkte £^ wie n! (^ — ^i)~"~^ unstetig werden und übrigens endhch
bleiben.
Für die ausgeschlossenen Lagen der Punkte £ bedürfen diese Sätze
einer leichten Modification.
Offenbar kann nun ein mit constanten Coefficienten aus Functionen
iVy aus Functionen 'co und ihren Derivirten nach den Unstetigkeits-
werthen gebildeter linearer Ausdruck so bestimmt werden, dass er im
Innern von T beliebig gegebene Unstetigkeiten von der Form, wie o,
erhält, und die reellen Theile seiner Periodicitätsmoduln beliebig ge-
gebene Werthe annehmen. Durch einen solchen Ausdruck kann also
jede gegebene Function co dargestellt werden.
5.
Der allgemeine Ausdruck einer Function «, die für m Punkte der
Fläche T, fi, f27 •••; ^m unendlich gross von der ersten Ordnung wird,
ist nach dem Obigen
S = ßJl + kh-i h ßra t.a + «i ^i + «2 ^2 H h «i> ^^i> + COUst.,
worin U eine beliebige Function t{£,) und die Grössen a und ß Con-
stanten sind. Wenn von den m Punkten £ eine Anzahl q in denselben
Punkt 7] der Fläche T zusammenfallen, so sind die ^* diesen Punkten
zugehörigen Functionen t zu ersetzen durch eine Function t {rf) und
deren Q — 1 erste Derivirte nach ihrem Unstetigkeitswerthe (§. 2).
Die 2p Periodicitätsmoduln dieser Function 5 sind lineare homogene
Functionen der p + m Grössen a und ß. Wenn w>j)+l, lassen
sich also 2p von den Grössen a und ß als lineare homogene Functionen
der übrigen so bestimmen, dass die Periodicitätsmoduln sämmtlich 0
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 101
werden. Die Function enthält dann iiocli m ~ p -\- 1 willkürliche Con-
stanten, von denen sie eine lineare homogene Function ist, und kann
als ein linearer Ausdruck von m — p Functionen betrachtet werden,
deren jede mir für i:> + 1 Wertlie unendlich von der ersten Ordnung
wird.
Wenn m=p -\- 1 ist, so smd die Verhältnisse der 2j) + 1 Grössen
a und ß bei jeder Lage der p -f- 1 Punkte e völlig bestimmt. Es
können jedoch für besondere Lagen dieser Punkte einige der Grössen
ft gleich 0 werden. Die Anzahl dieser Grössen sei = m — ^, so dass
die Function nur für ^ Punkte unendlich von der ersten Ordnung wird.
Diese ^ Punkte müssen dann eine solche Lage haben, dass von den
2p Bedingungsgleichungen zwischen den i^ + |u. übrigen Grössen ß und a
^) -f- 1 — ^ eine identische Folge der übrigen sind, und es können
daher nur 2^ — p — 1 von ihnen beliebig gewählt werden. Ausserdem
enthält die Function noch 2 willkürliche Constanten.
Es sei nun s so zu bestimmen, dass ft möglichst klein wird. Wenn s
|Ltmal unendlich von der ersten Ordnung wird, so ist dies auch mit
jeder rationalen Function ersten Grades von s der Fall; man kann
daher für die Lösung dieser Aufgabe einen der ^ Punkte beliebig
wählen. Die Lage def übrigen muss dann so bestimmt werden, dass
p -{-1 — ft von den Bedingungsgleichungen zwischen den Grössen a
und ß eine identische Folge der übrigen sind; es muss also, wenn
die Verzweigungswerthe der Fläche T nicht besondern Bedingungs-
gleichungen genügen, p-\-\ — ^ ^ i^ — 1 oder ft^ ^i? + 1 sein.
Die Anzahl der in einer Function s, die nur für 7n Punkte der
Fläche T unendlich von der ersten Ordnung wird und übrigens stetig
bleibt, enthaltenen willkürlichen Constanten ist in allen Fällen
= 2m—p-\-l.
Eine solche Function ist die Wurzel einer Gleichung n'"" Grades^
dere^i Coefficienten ganze Functionen m'^'* Grades von s sind.
Sind 5i, ^2, ..., Sn die n Werthe der Function s für dasselbe z,
und bezeichnet (5 eine beliebige Grösse, so ist ((? — s^ {6 — s^J-'-C^ — ^n)
eine einwerthige Function von z, die nur für einen Punkt der ^-Ebene,
der mit einem Punkte e zusammenfällt, unendlich wird und unendlich
von einer so hohen" Ordnung, als Punkte s auf ihn fallen. In der
That wird für jeden auf ihn fallenden Punkt f , der kein Verzweigungs-
punkt ist, nur ein Factor dieses Products von einer um 1 höheren-
Ordnung unendlich, für einen Punkt £, um den die Fläche T sich
fimal windet, aber [l Factoren von einer um — höheren Ordnung.
Bezeichnet man nun die Werthe von z in den Punkten f, wo z nicht
102 VI. Theorie der Abel'sclien Functionen.
unendlich ist, durch t^, ^,, . . ., ?,■ und (^ - g^) (^—^ ... (^—^,,) durch
a-^^, so ist 0(^(0 — Si)...(a — Sn) eine einwerthige Function von s, die
für alle endlichen Werthe von z endlich ist und für ^==00 unendlich
von der m*'" Ordnung wird, also eine ganze Function m^''' Grades von z.
►Sie ist zugleich eine ganze Function n'^« Grades von ö, die für ö = s
verschwindet. Bezeichnet man sie durch F und, wie wir in der Fol<re
thun wollen, eine ganze Function F n*""" Grades von 6 und m^'" Grades
n m n m
von z durch F (0, z), so ist s die Wurzel der Gleichung F (s, z) = 0.
Die Function F ist eine Potenz einer un zerfällbaren — d. h. nicht
als ein Product aus ganzen Functionen von a und z darstellbaren —
Function. Denn jeder ganze rationale Factor von F {a, z) bildet, da
er für einige der Wurzeln s^, s^, ..., Sn verschwinden niuss, für a = s
eine Function von z, die in einem Theile der Fläche T verschwindet
und folglich, da diese Fläche zusammenhängend ist, in der ganzen
Fläche 0 sein muss. Zwei unzerfällbare Factoren von F ((?, z) könnten
aber nur für eine endliche Anzahl von Werthenpaaren zugleich ver-
schwinden, wenn die eine nicht durch Multiplication mit einer Con-
stanten aus der andern erhalten werden könnte. Folglich muss F eine
Potenz einer unzerfällbaren Function sein.
Wenn der Exponent v dieser Potenz > 1 ist, so wird die Ver-
zweigungsart der Function s nicht dargestellt durch die Fläche T,
sondej-n durch eine in der ^- Ebene allenthalben —fach ausgebreitete
Fläche r, in welcher die Fläche T allenthalben i'fach ausgebreitet ist.
Es kann dann zwar s als eine wie T verzweigte Function betrachtet
werden, nicht aber umgekehrt T als verzweigt, wie s.
Eine solche nur in einzelnen Punkten von T unstetige Function,
wie 5, ist auch -j~. Denn diese Function nimmt zu beiden Seiten der
Querschnitte und der Linien / denselben Werth an, da die Differenz
der beiden Werthe von a in diesen Linien längs denselben constant
ist-, sie kann nur unendlich werden, wo o unendlich wird, und in den
Verzweigungspunkten der Fläche und ist sonst allenthalben stetig, da
die Derivirte einer einändrig und endlich bleibenden Function ebenfalls
einändrig und endlich bleibt.
Es sind daher sämmtliche Functionen cj algebraische wie T ver-
zweigte Functionen von z oder Integrale solcher Functionen. Dieses
System von Functionen ist bestimmt, wenn die Fläche T gegeben ist
und hängt nur von der Lage ihrer Verzweigungspunkte ab.
VI. Theorie der Aberschen Functionen, 103
6.
n 7«
Es sei jetzt die irreductible Gleichung F (s, z) = i) gegeben und
die Art der Verzweigung der Function s oder der sie darstellenden
Fläche T zu bestimmen. Wenn für einen Werth ß von z ^ Zweige
der Function zusammenhängen/ so dass einer dieser Zweige sich erst
nach ft Umläufen des'^ um ß wieder in sich selbst fortsetzt, so können
diese ^ Zweige der Function (wie nach Cauchy oder durch die
Fourier'sche Reihe leicht bewiesen werden kann) dargestellt werden
durch eine Reihe nach steigenden rationalen Potenzen von z — ß mit
Exponenten vom kleinsten gemeinschaftlichen Nenner ^, und um-
gekehrt.
Ein Punkt der Fläche T, in welchem nur zwei Zweige einer
Function zusammenhängen, so dass sich um diesen Punkt der erste in
den zweiten und dieser in jenen fortsetzt, heisse ein einfacJier Ver-
zivelgungsimnld.
Ein Punkt der Fläche, um welchen sie sich ('fi+l)mal windet,
kann dann angesehen werden als ^ zusammengefallene (oder unendlich
nahe) einfache Verzweigungspunkte.
Um dies zu zeigen, seien in einem diesen Punkt umgebenden
Stücke der ^-Ebene s^, s^, . . ., s^ij^i einändrige Zweige der Function .s
und in der Begrenzung desselben, bei positiver Umschreibung auf
einander folgend, a^, a^, ..., «^ einfache Verzweigungspunkte. Durch
einen positiven Umlauf um a^ werde .s^ mit 5^, um a.^ s^ üiit s.^, ...,
um «^ s^ mit s^<_|_i vertauscht. Es gehen dami nach einem positiven
Umlaufe um ein alle diese Punkte (und keinen andern Verzweigungs-
punkt) enthaltendes Gebiet
in §2, ^3, . . ., 5^,-1-1, 5i, über,
und es entsteht daher, wemi sie zusammenfallen, ein /iifacher Windungs-
punkt.
Die Eigenschaften der Functionen a hängen wesentlich davon ab,
wie vielfach zusammenhängend die Fläche T ist. Um dies zu ent-
scheiden, wollen wir zunächst die Anzahl der einfachen Verzweigungs-
punkte der Function s bestimmen.
In einem Verzweigungspunkte nehmen die dort zusammenhängen-
den Zweige der Function denselben Werth an, und es werden daher
zwei oder mehrere Wurzeln der Gleichung
F(s) == (fo s'' + «1 s"-i H h ^« = ^
einander gleich. Dies kann nur geschehen, wemi
104 VI. Theorie der Aberscheii Functionen.
F' {s) = «0 ns"-i + a^ n^^l\s'«-2 _| (_ ^^_^
oder die einwerthige Function von z, F' {s^) F' (s^) . .. F' {Sy), ver-
schwindet. Diese Function wird für endliche Werthe von z nur un-
endlich, wenn s = <^, also a^ == 0 ist und muss, um endHch zu bleiben,
mit öfo"~^ multiplicirt werden. Sie wird dann eine einwerthige, für
ein endliches z endliche Function von z, welche .für z = oo unendlich
von der 2ni{n — l)ten Ordnung wird, also eine ganze Function
2m{n — l)ten Grades. Die Werthe von z, für welche F' {s) und F{s)
gleichzeitig verschwinden, sind also die Wurzeln der Gleichung
2m{n — l)ten Grades
Q{z)=%''-''nF'{si) = 0 oder auch, da F' {s^=a^n{Si — Si), (i>i),
i, i'
welche durch Elimination von s aus F'(s) = 0 und F(s) = 0 gebildet
werden kann.
Wird F(s,z)==0 für s = a, z = ß, so ist
+ ,
^ (*) = 17 + ^ (*-«> + ä?& (^-^) + -
Ist also für {s = a. z = S) -— = 0 und verschwinden -k-, -^-7- dann
nicht, so wird s — a unendlich klein, wie (z — ß)^, und findet also ein
einfacher Verzweigungspunkt statt. Es werden zugleich in dem
Producte TIJP' (5,) zwei Factoren unendlich klein wie (^ — ß)^, und
t
Q{z) erhält dadurch den Factor {z — ß). In dem Falle, dass -j-
d^F . . . . ■ dF
und -ö-2~ Jiiö verschwinden, wenn gleichzeitig F = 0 und -^ — = 0
werden, entspricht demnach jedem linearen Factor von Q{z) ein ein-
facher Verzweigungspunkt, und die Anzahl dieser Punkte, ist also
= 2m(n—l).
Die Lage der Verzweigungspunlde hängt von den Coefficienten
der Potenzen von z in den Functionen a ab und ändert sich stetig mit
denselben.
Wenn diese Coefficienten solche Werthe annehmen, dass zwei
demselben Zweigepaar angehörige einfache Verzweigungspunkte zu-
VI. Theorie der AbeFschen Functionen. 1U5
sammenfallen, so heben diese sich auf, und es werden zwei Wurzeln
von i^Xcs) einander gleich, ohne dass eine Verzweigung stattfindet.
Setzt sich um jeden von ihnen s^ in i^ und Sg in s^ fort, so geht durch
einen Umlauf um ein beide enthaltendes Stück der ^- Ebene s^ in 8,
und 8.2 in Sg über, und beide Z^reige werden einändrig, wenn sie zu-
ds .
sammenfallen. Es bleibt dann also auch ihre Derivirte -r^ einändrig
und endlich, und folglich wird p = — j: ' ^= O,
Wird F = y- = ~^- = 0 für s==a, '^ = {^-, so ergeben sich aus
den drei folgenden Gliedern der Entwicklung von F{s^ z) zwei Werthe
für ^_a = -p,', (s = a, z = ß). Sind diese Werthe ungleich und end-
lich, so können die beiden Zweige der Function 6', denen sie angehören,
dort nich^ zusammenhängen und sich nicht verzweigen. Es wird dann
dF
^ für beide unendlich klein wie z — ß, und Q(z) erhält dadurch den
Factor (z — ßf-^ es fallen also nur zwei einfache Verzweigungspunkte
zusammen.
Um in jedem Falle, wenn für z = ß mehrere Wurzeln der Gleichung
_F(s) = 0 gleich a werden, zu entscheiden, wie viele einfache Ver-
zweigungspunkte für (s = «, z = ß) zusammenfallen, und wie viele von
diesen sich aufheben, muss man diese Wurzeln (nach dem Verfahren
von Lagrange) soweit nach steigenden Potenzen von z — ß entwickeln,
bis diese Entwicklungen sämmtlich von einander verschieden werden;
wodurch sich die wirklich noch stattfindenden Verzweigungen ergeben.
Und man muss dann untersuchen, von welcher Ordnung F' (s) für
jede dieser Wurzeln . unendlich klein wird, um die Anzahl der ihnen
zugehörigen linearen Factoren von Q(z) oder der für (s = a, z = ß)
zusammengefallenen einfachen Verzweigungspunkte zu bestimmen.
Bezeichnet die Zahl q, wie oft sich die Fläche T um den Punkt
(s, z) windet, so wird im Punkte ( z) F' (s) so oft unendlich klein von
der ersten Ordnung, als dort einfache Verzweigungspunkte zusammen-
fallen, dz ? so oft, als deren wirklich stattfinden, folglich F' {s)dz ?
so oft, als von ihnen sich aufheben.
Ist die Anzahl der wirklich stattfindenden einfachen Verzweigungen
w, die Anzahl der sich aufliebenden 2 r, so ist
w -{- 2r = 2(w — l)m.
Nimmt man an, dass die Verzweigungspunkte nur paarweise und sich
aufhebend zusammenfallen, so ist für r Werthenpaare (6* = 7^,, z = $n)
106 VI. Theorie der Abel'schen Functionen.
^ dF dF ^ . c-F d'F /d'FV
. jj = —- = ---^ = 0 und
-V
ds dz dz^ ds'^ ydsdz^
rF ?^V
nicht Null und für w Werthenpaare von .s^ und z F = 0, ^~ ==" ^, -^
nicht Null und -^^^ nicht Null.
Wir beschränken uns meistens auf die Behandlung dieses Falles,
da sich die Resultate auf die übrigen als Grenzfälle desselben leicht
ausdehnen lassen, und wir können dies hier um so mehr thun, da
wir die Theorie dieser Functionen auf eine von der Ausdrucksform
unabhängige, keinen Ausnahmefällen unterworfene Grundlage gestützt
haben.
7.
Es findet nun bei einer einfach zusammenhängenden, über einen
endlichen Theil der ^- Ebene ausgebreiteten Fläche zwischen der An-
zahl ihrer einfachen Verzweigungspunkte und der Anzahl der Um-
drehungen, welche die Richtung ihrer Begrenzungslinie macht, die
Relation statt, dass die letztere um eine Einheit grösser ist, als die
erstere; und aus dieser ergiebt sich für eine mehrfach zusammen-
hängende Fläche eine Relation zwischen diesen Anzahlen und der An-
zahl der Querschnitte, welche sie in eine einfach zusammenhängende
verwandeln. Wir können diese Relation, welche im Grunde von Mass-
verhältnissen unabhängig ist und der analysis sittis angehört, hier für
die Fläche T so ableiten.
Nach dem Dirichl et 'sehen Princip lässt sich in der einfach zu-
sammenhängenden Fläche T' die Function log J von 2 so bestimmen,
dass S für einen beliebigen Punkt im Innern derselben unendlich klein
von der ersten Ordnung wird, und log g längs einer beliebigen sich
nicht schneidenden, von dort nach der Begrenzung führenden Linie
auf der positiven Seite um — 27ti grösser, als auf der negativen,
übrigens aber allenthalben stetig und längs der Begrenzung von T'
rein imaginär ist. Es nimmt dann die Function ^ jeden Werth, dessen
Modul < 1, einmal an; die Gesammtheit ihrer Werthe wird folglich
durch eine über einen Kreis in der g- Ebene einfach ausgebreitete
Fläche vertreten. Jedem Punkte von T' entspricht ein Punkt des
Kreises, und umgekehrt. Es wird daher für einen beliebigen Punkt
der Fläche, wo z = s\ i=t\ die Function S — 5' unendlich klein von
der ersten Ordnung, und folglich bleibt dort, wenn die Fläche T' sich
(/Lt+l)mal um ihn windet, bei endlichem 0'
VI. Theorie der Abel'schen Functionen. 107
bei unendlichem z aber
J* dz
d log —, um den ganzen Kreis positiv herum-
genommen^ ist gleich der Summe der Integrale um die Punkte^ wo
j-r unendlich oder Null wird, und also = 2;rifw — 2n). Bezeichnet 8
dg •
ein Stück der Begrenzung von T' von einem und demselben bestimmten
Punkte bis zu einem veränderlichen Punkte der Begrenzung, und (5 das
entsprechende Stück auf dem Kreisumfange, so ist
^ dz , dz . , ds , d^
log ^ = log ^ + log ^ - log ^,
und^ durch die ganze Begrenzung ausgedehnt,
J'dlog^ = (2p - 1) 2^i, Jdlog^ = 0, -fdlog'^ = - 2xi,
also
/
d\og'^ = {2p — 2)27ci.
dt
Es ergiebt sich demnach w — 2n == 2 {p — 1). Da nun
w = 2 ((n — 1) m — rV
so ist
j? == (w — 1) (m — 1) — r.
8.
üer allgemeine Ausdruck der wie T verzweigten Functionen s
von z, die für m' beliebig gegebene Punkte von T unendlich von der
ersten Ordnung werden und übrigens stetig bleiben, enthält nach dem
Obigen m' — p -\- \ willkürliche Constanten und ist eine lineare
Function derselben (§. 5). Lassen sich also, wie jetzt gezeigt werden
soll, rationale Ausdrücke von 6' und z bilden, die für m beliebig ge-
gebene, der Gleichung jP=0 genügende Werthenpaare von s und z
unendlich von der ersten Ordnung werden und lineare Functionen von
m — p -{- 1 willkürlichen Constanten sind, so kann durch diese Aus-
drücke jede Function s dargestellt werden.
Damit der Quotient zweier ganzen Functionen % (ßj ^) "^^ ^' fe ^)
für s = <x> und z = oc beliebige endliche Werthe annehmen kann,
müssen beide von gleichem Grade sein-, der Ausdruck, durch welchen
108 VI. Theorie der Aberschen Functionen.
6'' dargestellt werden soll, sei daher von der Form ^ ' ~ , und über-
dies sei v^ n — 1, ft > m — 1. Wenn zwei Zweige der Function s
ohne zusammenzuhängen einander gleich werden, also für zwei ver-
schiedene Punkte der Fläche T z = y und s = 8 wird, so wird s all-
gemein zu reden in diesen beiden Punkten verschiedene Werthe an-
nehmen; soll also i/' — s % allenthalben = 0 sein, so muss für zwei
verschiedene Werthe von s ifj (7, Ö) — s % (y, Ö) = 0' sein, folglich
X (.7) 8) = 0 und il> (y, ö) = 0. Es müssen also die Functionen % und
tl^ für die r Werthenpaare s = yo, z = 8q (S. 105) verschwinden*).
Die Function % verschwindet für einen Werth von z, für welchen
die einwerthige und für ein endliches z endliche Function von z
K(z) = a,''x{s,)x(is,) . . . x(sn) = 0
ist-, diese Function wird für ein unendliches z unendlich von der Ord-
nung mv -\- n^ und ist also eine ganze Function (mv -f- n^)ten Grades.
Da für die Werthenpaare (7, d) zwei Factoren des Products n%{si)
unendlich klein von der ersten Ordnung werden, also K{z) unendlich
klein von der zweiten Ordnung, so wird % ausserdem noch unendlich
klein von der ersten Ordnung für
i = mv -f- n^i — 2r
Werthenpaare von ,s' und z oder Punkte von T.
Ist V > w — ^ 1, /L6 > m — 1, so bleibt der Werth der Function %
ungeändert, wenn man
V jii V — n jii — 7n n in
%{s, z) + q{ s, z )F(s, z),
worin q beliebig ist, für % (s, z) setzt*, es können also
(y ^ _[_ 1) (^ _ 1^ _|_ 1)
von den Coefficienten dieses Ausdrucks willkürlich angenommen wer-
den. Werden nun von den
*) Es ist hier, wie gesagt, nur der Fall berücksichtigt, wo die Verzweigungs-
punkte der Function s nur paarweise und sich aufhebend zusammenfallen. Im
Allgemeinen müssen in einem Punkte von T, wo nach der Auffassung im §. 6
sich aufhebende Verzweigungspunkte zusammenfallen, % und ip, wenn T sich um
1-1
diesen Punkt ^ mal windet, unendlich klein werden, wie F'{s)ds^ , damit die
ersten Glieder in der Entwicklung der darzustellenden Function nach ganzen
Potenzen von (z/ 2) ^ beliebige Werthe annehmen können.
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 109
(> +l)(v+l) — {v^n+ 1) (ji-mA- 1)
noch übrigen r als lineare Functionen der übrigen so bestimmt, dass
X für die r Werthenpaare (y, ö) verschwindet, so enthält die Function
X noch
s = {fi+l){v + l)-{v-n+l)(ß-m+\)-o'
= n^ + mv — (n — 1) (ni — 1) — r + 1
willkürliche Constanten. Es ist also
i — £ = (n — 1) {m — 1) — r — 1 = j? — 1.
Nimmt man ^ und v so an, dass e > ni ist, so kann man x so
bestimmen, dass es für ni beliebig gegebene Werthenpaare unendlich
klein von der ersten Ordnung wird, und dann, wenn m > j), ^ so ein-
richten, dass -— für alle übrigen Werthe endlich bleibt. In der That
ist 1^ ebenfalls eine lineare homogene Function von s willkürlichen
Constanten, und es lassen sich also, wenn 6 — i -\- m > 1 ist, l — m'
von ihnen als lineare Functionen der übrigen so bestimmen, dass i/^
für die i — m Werthenpaare von s und z, für welche x noch unend-
lich klein von der ersten Ordnung wird, ebenfalls verschwindet. Die
Function ^ enthält demnach s — i -\- m = m — p + 1 willkürliche
Constanten, und - - kann also jede Function s darstellen.
9.
Da die Functionen -,-- alt^ebraische wie s verzweigte Functionen
dz ^ °
von z sind (§. 5), so lassen sie sich zufolge des eben bewiesenen
Satzes rational in s und z ausdrücken, und sämmtliche Functionen g)
als Integrale rationaler Functionen von s und z.
Ist IV eine allenthalben endliche Function «, so wird -r- unend-
lieh von der ersten Ordnung für jeden einfachen Verzweigungspunkt
der Fläche T, da dw und {dz)^ dort unendlich klein von der ersten
Ordnung sind, bleibt aber sonst allenthalben stetig und wird für
z = oo unendlich klein von der zweiten Ordnung. Umgekehrt bleibt
das Integral einer Function, die sich so verhält, allenthalben endlich.
Um diese Function -rz als Quotient zweier ganzen Functionen von
dz
s und z auszudrücken, muss man (nach §. 8) zum Nenner eine Function
nehmen, die verschwindet in den Verzweigungspunkten und für die
r Werthenpaare (7, d). Dieser Bedingung genügt man am einfachsten
1 10 ' VI. Theorie der AbeFschen Functionen.
durch eine Function, die nur für diese Werthe 0 wird. Eine solche ist i
-p- = %ns'' — ^ + a^n — Is*'~^ + • • • + ctn — i-
c s
Diese wird für ein unendHches s unendlich von der n — 2ten Ord-
nung (da üq dann unendlich klein von der ersten Ordnung wird) und
für ein unendliches ^ unendlich von der mten Ordnung. Damit -y-
ausser den Verzweigungspunkten endlich und für ein unendliches ^
unendlich klein von der zweiten Ordnung ist, muss also der Zähler
71' — 2 m — 2
eine ganze Function (p{ s," 0 ) sein, die für die r Werthenpaare
(y, d) (S. 105) verschwindet. Demnach ist
n — 2 711 — 2 n — 2 m — 2
r (p { s, z )dz (vis, Z ) ds
ds dz
worin 9 = 0 für s = y^,, 0 = d^, ^ = 1 , 2, . . ., r.
Die Function cp enthält (n — 1) (m — 1) constante Coefficienten,
und wenn r von ihnen als lineare Functionen der übrigen so bestimmt
werden, dass cp = 0 für die r Werthenpaare s == y, z = d, so bleiben
noch (m — 1) 0^ — 1) — ^ ^^^^ P willkürlich, und es erhält cp die E^orm
«i9^i + «2^2 H h (^P^P^
worin (p^, (p^, . • ., ^p besondere Functionen qp, von denen keine eine
lineare Function der übrigen ist, und a^, a.^, . . ., ap beliebige Con-
stanten sind. Als allgemeiner Ausdruck von w ergiebt sich, wie oben
auf anderem Wege
a^iv^ + a^iv., -\- ''•-{- cCpWp -\- const.
Die nicht allenthalben endlich bleibenden Functionen o und also
die Integrale zweiter und dritter Gattung lassen sich nach denselben
Principien rational in s und 2 ausdrücken, wobei wir indess hier nicht
verweilen, da die allgemeinen Regeln des vorigen Paragraphen keiner
weitern Erläuterung bedürfen und zur Betrachtung bestimmter Formen
dieser Integrale erst die Theorie der '9'- Functionen Anlass giebt.
10.
Die Function (p wird ausser für die r Werthenpaare {y, d) noch
für m in — 2) -\- n{m — 2) — 2r oder 2{p — 1) der Gleichung F =0
genügende Werthenpaare von s und z unendlich klein von der ersten
Ordnung. Sind nun
und
9,(^) = ap<p, + am<p, + • ■ ■ + a,^''<p.
VI. Theorie der Abel'schen Functionen. Hl
zwei beliebige Functionen cp, so kann man in dem Ausdrucke ^-j den
Nenner so bestimmen, dass er für ^) — 1 beliebig gegebene der Glei-
chung F = 0 genügende Werthenpaare von s und z gleich Null wird,
und dann den Zähler so, dass er für p — 2 von den übrigen Werthen-
paaren, für welche 9)'^' noch gleich 0 wird, gleichfalls verschwindet.
Er ist dann noch eine lineare Function von zwei willkürlichen Con-
stanten und folglich ein allgemeiner Ausdruck einer Function, die nur
für 2) Punkte der Fläche T unendlich von der ersten Ordnung wird.
Eine Function, die für weniger als j9 Punkte unendlich wird, bildet
einen speciellen Fall dieser Function-, es lassen sich daher alle Functionen,
die für weniger als j) + 1 Punkte der Fläche T an endlich von der
ersten Ordnung werden, in der Form ^^ oder in der Form t^^, wenn
IV ^^^ und w^^^ zwei allenthalben endliche Integrale rationaler Functionen
von .s' und z sind, darstellen.
11.
Eine wie T verzweigte Function z^ von z, die für n^ Punkte
dieser Fläche unendhch von der ersten Ordnung wird, ist nach dem
Früheren (S. 101) die Wurzel einer Gleichung von der Form
n rii
und nimmt daher jeden Werth für n^ Punkte der Fläche T an. Wenn
man sich also jeden Punkt von T durch einen den Werth von z^ in
diesem Punkte geometrisch repräsentirenden Punkt einer Ebene ab-
gebildet denkt, so bildet die Gesammtheit dieser Punkte eine in der
<?!- Ebene allenthalben V^^fach ausgebreitete und die Fläche T — be-
kanntlich in den kleinsten Theilen ähnlich — abbildende Fläche T^.
Jedem Punkt in der einen Fläche entspricht dann eiit Punkt in der
andern. Die Functionen co oder die Integrale wie T verzweigter
Functionen von z gehen daher, wenn man für z als unabhängig ver-
änderliche Grösse z^ einführt, in Functionen über, welche in der Fläche
Tj allenthalben einen bestimmten Werth und dieselben Unstetigkeiten
haben, wie die Functionen a in den entsprechenden Punkten von T,
und welche folglich Integrale wie T^ verzweigter Functionen von
Zi sind.
Bezeichnet s^ irgend eine andere wie 2' verzweigte Function von
Zj die für )ii^ Punkte von 'T und also auch von 2\ unendlich von der
ersten Ordnung wird, so findet (§. b) zwischen .s\ und Zi eine Gleichung
von der Form
112 ^^- Theorie der Aberschen Functionen.
n, Vit
-statt, worin F^ eine Potenz einer unzerfällbaren ganzen Function von
s^ und 0j^ ist, und es lassen sich, wenn diese Potenz die erste ist, alle
wie Tj verzweigten Functionen von ^^ , folglich alle rationalen Functionen
von s und .z rational in s^ und J2^ ausdrücken (§. 8).
71 in
Die Gleichung F(Sy ^) = 0 kann also durch eine ratiiGmalfi^- Sub-
stitution in -Fi (s^, -^i) = ^ und diese in jene transformirt werden.
Die Grössengebiete (s, z) und (s^, z^ sind gleichvielfach zu-
sammenhängend, da jedem Punkte des einen ein Punkt des andern
entspricht. Bezeichnet daher r^ die Anzahl der Fälle, in welchen
s^ und ^1 für zwei verschiedene Punkte des Grössengebiets (s^, z^ beide
denselben Werth annehmen und folglich gleichzeitig F^, —^ und %r-^
gleich 0 und
ds^^ dz^^ yds^dzi J
nicht Null ist, so rauss
(Wi — 1) {m^ — 1) — r^ = p = (n — 1) (m — 1) — r
sein.
12.
: Man betrachte nun als zu Einer Klasse gehörend alle irreductiblcn
algebraischen Gleichungen zwischen zwei veränderlichen Grössen, welche
sich durch rationale Suhstitutionen in einander transformiren lassen, so
dass F{s, z) = 0 und F^ (s^, z^ = 0 zu derselben Klasse gehören, wenn
sich für s und z solche rationale Functionen von s^ und z-^ setzen
lassen, dass F{s,z)=^0 in F^{s^,z^ = 0 übergeht und zugleich s^
und z^ rationale Functionen von s und z sind.
Die rationalen Functionen von s und z bilden, als Functionen von
irgend einer von ihnen t, betrachtet, ein System gleichverzweigter
algebraischer Functionen. Auf diese Weise führt jede Gleichung
offenbar zu einer Klasse von Systemen gleichverzweigter algebraischer
Functionen, welche sich durch Einführung einer Function des Systems
als unabhängig veränderlicher Grösse in einander transformiren lassen
und zwar alle Gleichungen Einer Klasse zu derselben Klasse von
Systemen algebraischer Functionen, und umgekehrt führt (§. 11) jede
Klasse von solchen Systemen zu Einer Klasse von Gleichungen.
Ist das Grössengebiet (5, z) 2p -\- 1 fach zusammenhängend und
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 113
die Function J in ^it Punkten desselben unendlich von der ersten
Ordnung, so ist die Anzahl der Verzweigungswerthe der gleich ver-
zweigten Functionen von g, welche durch die übrigen rationalen
Functionen von s und z gebildet werden, 2{^ -\- p — 1), und die An-
zahl der willkürlichen Constanten in der Function ^2^ — i^ + 1 (§• 5).
Diese lassen sich so bestimmen, dass 2 ^ — p -\- 1 Verzweigungswerthe
gegebene Werthe annehmen, wenn diese Verzweigungswerthe von
einander unabhängige Functionen von ihnen sind, und zwar nur auf
eine endliche Anzahl Arten, da die Bedingungsgleichungen algebraisch
sind. In jeder Klasse von Systemen gleichverzweigter 2^+1 fach
zusammenhängender Functionen giebt es daher eine endliche Anzahl
von Systemen ftwerthiger Functionen, in welchen 2^ — p -\- 1 Ver-
zweigungswerthe gegebene Werthe annehmen. W^enn andererseits die
2Qi-{-2) — 1) Verzweigungspunkte einer die f- Ebene allenthalben
ftfacli bedeckenden 2p -{- 1 fach zusammenhängenden Fläche beliebig
gegeben sind, so giebt es (§§. 3—5) immer ein System wie diese
Fläche verzweigter algebraischer Functionen von J. Die 3^) — 3
übrigen Verzweigungswerthe in jenen Systemen gleichverzweigter
fiwerthiger Functionen können daher beliebige Werthe annehmen;
und es hängt also eine Klasse von Systemen gleichverzweigter 2p -\- 1 jj
fach zusammenhängender Functionen und die zu ihr gehörende Klasse '
algebraischer Gleichungen von 3p — 3 stetig veränderlichen Grössen
ab, welche die Moduln dieser Klasse genannt werden sollen.
Diese Bestimmung der Anzahl der Moduln einer Klasse 2p) + 1
fach zusammenhängender algebraischer Functionen gilt jedoch nur
unter der Voraussetzung, dass es 2^ — i^ + 1 Verzweigungswerthe
giebt, welche von einander unabhängige Functionen der willkürlichen
Constanten in der Function J sind. Diese Voraussetzung trifft nur zu, ^
wenn p> 1, und die Anzahl der Moduln ist nur dann = 3p> — 3, für ^
p = 1 aber = 1. Die directe Untersuchung derselben wird indess v'
schwierig durch die Art und Weise, wie die willkürlichen Constanten
in J enthalten sind. Man führe deshalb in einem Systeme gleichver-
zweigter 22) + 1 fach zusammenhängender Functionen, um die Anzahl
der Moduln zu bestimmen, als unabhängig veränderliche Grösse nicht
eine dieser Functionen, sondern ein allenthalben endliches Integral
einer solchen Function ein.
Die Werthe, welche die Function tv von z innerhalb der Fläche
T annimmt, werden geometrisch repräsentirt durch eine einen end-
lichen Theil der 2r- Ebene einfach oder mehrfach bedeckende und die
Fläche T' (in den kleinsten Theilen ähnlich) abbildende Fläche, welche
IIikmann's gesammelte niathematisclie Werke. I. 8
114 VI. Theorie der Abel'schen Functionen.
durch S bezeichnet werden soll. Da tv auf der positiven Seite des
vten Querschnitts um die Constante ¥''^ grösser ist, als auf der nega-
tiven, so besteht die Begrenzung von >S' aus Paaren von parallelen
Curven, welche denselben Theil des T' begrenzenden Schnittsystems
abbilden, und es wird die Orts Verschiedenheit der entsprechenden
Punkte in den parallelen, den i'ten Querschnitt abbildenden Begren-
zungstheilen von S durch die complexe Grösse ä;^^^ ausgedrückt. Die
Anzahl der einfachen Verzweigungspunkte der Fläche S ist 2j9 — 2,
da dtv in 2j) — 2 Punkten der Fläche T unendlich klein von der
zweiten Ordnung wird. Die rationalen Functionen von s und 0 sind
dann Functionen von tv, welche für jeden Punkt von S Einen be-
stimmten, wo sie nicht unendlich werden, stetig sich ändernden Werth
haben und in den entsprechenden Punkten paralleler Begrenzungstheile
denselben Werth annehmen. Sie bilden daher ein System gleichver-
zweigter und 2jpfach periodischer Functionen von tv. Es lässt sich
nun (auf ähnlichem Wege, wie in den §§. 3 — 5) zeigen, dass, die
2p — 2 Verzweigungspunkte und die 2p) Ortsverschiedenheiten paralleler
Begrenzungstheile der Fläche 8 als willkürlich gegeben vorausgesetzt,
immer ein System wie diese Fläche verzweigter Functionen existirt,
welche in den entsprechenden Punkten paralleler Begrenzungstheile
denselben Werth annehmen und also 2j9fach periodisch sind, und die,
als Functionen von einer von ihnen betrachtet, ein System gleichver-
zweigter 2p -\- 1 fach zusammenhängender algebraischer Functionen
bilden, folglich zu einer Klasse von 2p -\- 1 fach zusammenhängenden
algebraischen Functionen führen. In der That ergiebt sich nach dem
Dirichlet'schen Princip, dass in der Fläche S eine Function von tv
bis auf eine additive Constante bestimmt ist durch die Bedingungen,
im Innern von S beliebig gegebene Unstetigkeiten von der Form wie
CO in T' anzunehmen und in den entsprechenden Punkten paralleler
Begrenzungstheile um Constanten, deren reeller Theil gegeben ist, ver-
schiedene Werthe zu erhalten. Hieraus schliesst man ähnlich, wie im
§. 5, die Möglichkeit von Functionen, Avelche nur in einzelnen Punkten
von S unstetig werden und in den entsprechenden Punkten paralleler
Begrenzungstheile denselben Werth annehmen. Wird eine solche
Function 0 in w Punkten von S unendlich von der ersten Ordnung
und sonst nicht unstetig, so nimmt sie jeden complexen Werth in
9^ Punkten von S an; denn wenn a eine beliebige Constante ist, so ist
/ d log {0 — a), um S erstreckt, = 0, da die Integration durch parallele
Begrenzungstheile sich aufhebt, und es wird daher 0 — a in S ebenso
oft unendlich klein, als unendlich von der ersten Ordnung. Die Werthe,
welche 0 annimmt, werden folglich durch eine über die ,e- Ebene allent-
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 115
halben nfach ausgebreitete Fläche repräsentirt, und die übrigen ebenso
verzweigten und periodischen Functionen von iv bilden daher ein
System wie diese Fläche verzweigter 2p -\- 1 fach zusammenhängender
algebraischer Functionen von ^^ w. z. b. w.
Für eine beliebig gegebene Klasse 2p -{- 1 fach zusammenhängender
algebraischer Functionen kann man nun in dem als unabhängig ver-
änderliche Grösse einzuführenden
IC = a^ii\ + a.>ii\, + • • • + ((-ptCi, + c
die Grössen a so bestimmen, dass p von den 2p Periodicitätsmoduln
gegebene Werthe annehmen^ und c wenn J5 > 1 so, dass einer von den
2p — 2 Verzweigungswerthen der periodischen Functionen von iv einen
gegebenen Werth erhält. Dadurch ist iv völlig bestimmt, und also
sind es auch die 3p — 3 übrigen Grössen, von denen die Verzwei-
gungsart und Periodicität jener Functionen von w abhängt; und da
jedweden Werthen dieser ?>p — 3 Grössen eine Klasse von 2p -\- \ fach
zusammenhängenden algebraischen Functionen entspricht, so hängt eine
solche von 3p — 3 unabhängig veränderlichen Grössen ab.
Wenn p = 1 ist, so ist kein Verzweigungspunkt vorhanden, und
es lässt sich in
w = a^iv^ -\- c
die Grösse a^ so bestimmen, dass ein Periodicitätsmodul einen ge-
gebenen Werth erhält, und dadurch ist der andere Periodicitätsmodul
bestimmt. Die Anzahl der Moduln einer Klasse ist also dann = 1.
13.
Nach den obigen (im §.11 entwickelten) Principien der Trans-
formation muss man, um eine beliebig gegebene Gleichung F(s, z) = 0
durch eine rationale Substitution in eine Gleichung derselben Klasse
von möglichst niedrigem Grade zu transformiren, zuerst für z^ einen
rationalen Ausdruck in .s und ^, r(s^ z), so bestimmen, dass n^ mög-
lichst klein wird, und dann 5, gleich einem andern rationalen Aus-
drucke r{Sj s) so, dass m^ möglichst klein wird und zugleich die zu
einem beliebigen Werthe von s^ gehörigen Werthe von s^ nicht in
71, »J,
Gruppen unter einander gleielier zerfallen, so dass F^(s^^ s^^ nicht
eine höhere Potenz einer unzerfällbaren Function sein kann.
Wenn das Grössengebiet (.s^, z) 2 p -\- 1 fach zusammenhängend ist,
116 VI. Theorie der Aberscheu Functionen.
SO ist der kleinste Werth, den n^ annehmen kann, allgemein zu reden,
> Y + 1 (§• ö) und die Anzahl der Fälle, in denen s^ und ^-^ für
zwei verschiedene Punkte des Grössengebiets beide denselben Werth
annehmen,
= (^1 — 1) i^ni — l)~p.
In einer Klasse von algebraischen Gleichungen zwischen zwei ver-
änderlichen Grössen haben demnach, wenn ihre Moduln nicht beson-
deren Bedinguhgsgleichungen genügen, die Gleichungen niedrigsten
Grades folgende Form:
2 2
p = 2, F{t, l) = 0, r = 0
jB = 2^ — 3, F(ß, g) = 0, )■ = (fi -
-2f
p = 2fi-2, F(s, ,?j = 0, r = (^ -
- 1) (f* -
-3).
P>2
Von den Coefficienten der Potenzen von s und 0 in den ganzen
Functionen F müssen r als lineare homogene Functionen der übrigen
so bestimmt werden, dass -r^— und -^— für r der Gleichung: F = 0
^ OS öz °
genügende Werthenpaare gleichzeitig verschwinden. Die rationalen
Functionen von s und ^, als Functionen von einer von ihnen betrachtet,
stellen dann alle Systeme 2p -\- 1 fach zusammenhängender algebrai-
scher Functionen dar.
14.
Ich benutze nun nach Jacobi (Journ. f. Math. Bd. 9 Nr. 32
§. 8) das AbeTsche Additionstheorem zur Integration eines Systems
von Differentialgleichungen; ich werde mich dabei auf das beschränken,
was in dieser Abhandlung später nöthig ist.
Führt man in einem allenthalben endlichen Integrale w einer
rationalen Function von s und 0 als unabhängig veränderliche Grösse
eine rationale Function von s und ^, ^, ein, die für m Werthenpaare
von s und 0 unendlich von der ersten Ordnung wird, so ist -,— eine
m werthige Function von ^. Bezeichnet man die m Werthe von tv für
dasselbe 5 durch w'^^\ w^^\ . . ., w'''''\ so ist
dl; '^ dt '^ ^ dt
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 117
eine einwerthige Function von ^, deren Integral allenthalben endlich
bleibt, und folglich ist auch fd(w^^^ -|_ ^^c^^ _|- . . . _(_ ^("O) allenthalben
einwerthig und endlich, mithin constant. Auf ähnliche Weise findet
sich, weim w^^', w'^', . . ., 05 ('"^ die demselben g entsprechenden Werthe
eines beliebigen Integrals co einer rationalen Function von s und z
bezeichnen, f d{c3^^^ + ^^^^ + * * * + ^^"'0 ^i^ 3,uf eine additive Con-
stante aus den Unstetigkeiten von co und zwar als Summe von einer
rationalen Function und mit constanten Coefficienten versehenen Loixa-
rithmen rationaler Functionen von ^.
Mittelst dieses Satzes lassen sich, wie jetzt gezeigt werden soll,
folgende jj gleichzeitige Differentialgleichungen zwischen den i> + 1
der Gleichung F(Sj z) == 0 genügenden Werthenpaaren von s und z,
(^1; ^1); fe; ^2); -■-> fe + i; ^P+i)
dFjs, , z,) "T- dF{s,,z,)" "^ ^ dF{si^i,Zp+i)
dSi ds.^ dsp-^i
für TT = 1, 2, . . ., jp, allgemein oder vollständig (complete) integriren.
Durch diese Differentialgleichungen sind p von den Grössenpaaren
(6>, z^i) als Functionen des einen noch übrigen völlig bestimmt, wemi
für einen beliebigen Wertli des letzteren die Werthe der übrigen
gegeben werden. Wenn man also diese p -\- \ Grössenpaare als
Functionen einer veränderlichen Grösse f so bestimmt, dass sie für
denselben Werth 0 dieser Grösse beliebig gegebene Anfangswerthe
(^'i^ ^1")? fe^ ^2^)7 • • V (A> + h ^% + y) amiehmen und den Differential-
gleichungen genügen, so hat man dadurch die Differentialgleichungen
allgemein integrirt. Nun lässt sich die Grösse -r- als einwerthige und
folglich rationale Function von (s, z) immer so bestimmen, dass sie
nur für alle oder einige von den |) + 1 Werthenpaaren (s^**, z^) un-
endlich und für diese nur unendlich von der ersten Ordnung wird, da
sich in dem Ausdrucke
^ ^^t{Sf^, z^^ + 2 «^,«V + const.
die Verhältnisse der Grössen a und /3 immer so bestimmen lassen,
dass die Periodicitätsmoduln sämmtlich 0 werden. Es genügen dami,
wenn kein ß = 0 ist, den zu lösenden Differentialgleichungen die
jP + 1 Zweige der p + 1 werthigen gleichverzweigten Functionen 5 und
z von 5, («1, z^), (^2, ^2), . . ., (5p+i, ^p + i), welche für 5 = 0 die
Werthe (s/', ^1^), fe^ V)» • • •; (A + ijA+O annehmen. Weim aber
von den Grössen ß einige, etwa die i> + 1 — ^'^ letzten gleich 0
118 VI. Theorie der Aberschen Functionen.
werden^ so werden die zu lösenden Differentialgleichungen befriedigt
durch die m Zweige der m werthigen Functionen s und 2 von J, (s^, z^),
(52,^2)? •', {s,a,Zn?)y welche für 5 = 0 gleich (sj^ V); i^-I",^-^)^ - -,
{Sm^, ^in) werden, und durch constante also ihren Anfangs wer then
.s'^,_|_i, . . ., z^pj^i gleiche Werthe der Grössen s,n^iy ^^n+i; . . .; s^+i, Zpj^i.
Im letzteren Falle sind von den p linearen homogenen Gleichungen
dsn
für ;r = 1, 2, . . ., i> zwischen den Grössen ^-p. '^ i^ + 1 — »^
eine Folge der übrigen; es ergeben sich hieraus p -\- 1 — m Bedingungs-
gleichungen, welche, damit dieser Fall eintritt, zwischen den Functionen
{s^j z^, . . ., {Sm, ^7n) und also auch zwischen ihren Anfangswerthen
(^1^ ^1^)7 • • •; {^m^y ^^n) erfüllt Sein müssen, und es können daher von
diesen, wie oben (§. 5) gefunden, nur 2m — p — 1 beliebig gegeben
werden.
Es sei nun
/
15.
qpTT (g, Z)dz
~dF{s,z)
const.,
ds
durch das Innere von T' integrirt, gleich Wjt und der Periodicitäts-
modul von w^t für den vten Querschnitt gleich 'kr^ \ so dass sich die
Functionen tv^, iv^j . . .; iVp des Grössenpaars {s, z) beim Uebertritt des
Punkts (s, z) von der negativen auf die positive Seite des z/ten Quer-
schnitts gleichzeitig um k^'''\ ^2^^^ • • •? ^p"^ ändern. Zur Abkürzung
mag ein System von p Grössen (?>i, ?>2; • • •; ^p) einem andern
(«1, «2 7 • • •; ^p) congruent nach 2p Systemen zusammengehöriger Moduln
genannt werden, wenn es aus ihm durch gleichzeitige Aenderungen
sämmtlicher Grössen um zusammengehörige Moduln erhalten werden
kann. Ist der Modul der ;rten Grösse im ften Systeme == k^^, so
heisst demnach
(61, &2, • • •, bj,) £e: («1, «27 • • -7 CCpJy
wenn
hrt = «7t + ^ W^vÄ^^
r=l
für 7t = 1,2, . . ., p und w^, Mg, . . ., mg^ ganze Zahlen sind.
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 119
Da sich 2) beliebige Grössen a^, «2, . . ., üp immer und nur auf
eine Weise in die F'orm ((„ = E ^^ä;J setzen lassen, so dass die 2 1)
Grössen ^ reell sind, und durch Aenderung dieser Grössen g um ganze
Zahlen alle congruenten Systeme und nur diese sich ergeben, so erhält
man aus jeder Reihe congrueriter Systeme eins und nur eins, wenn
man in diesen Ausdrücken jede Grösse | alle Werthe von einem be-
liebigen Werthe bis zu einem um 1 grösseren, einen der beiden Grenz-
werthe eingeschlossen, stetig durchlaufen lässt.
Dieses festgesetzt, folgt aus den obigen Difierentialgleichungen
oder aus den p Gleichungen
y] (lW;r^f''> = 0 für TT -- \,2, . . .,p
durch Integration
worin c^, r^, . . ., Cj, constante von den Werthen (5^, z^) abhängige
Grössen sind.
16.
Drückt man g als Quotienten zweier ganzen Functionen von s und
z, — , aus, so sind die Grössenpaare (s^, ^1), . . ., (5«, <^„j die gemein-
schaftlichen Wurzeln der Gleichungen F = 0 und ^ = t Da die
ganze Function
x—tt = r(s, z)
für alle Werthenpaare, für welche % und 1^' gleichzeitig verschwinden,
ebenfalls, was auch J sei, verschwindet, so können die Grössenpaare
(^'1; ^\)y ' • •; fe«; ^"') ^^^^^ definirt werden als gemeinschaftliche Wurzeln
der Gleichung F =0 und einer Gleichung f{s, z) = 0, deren Coeffi-
cienten so sich ändern, dass alle übrigen gemeinschaftlichen Wurzeln
constant bleiben. Wenn m<p-}-ly kann J in der Form ^^- dar-
gestellt werden (§. 10) und /' in der Form
Die allgemeinsten Werthe der den p Gleichungen
df^^W =^0 für ;r = 1,2, .
^=1
120 VI. Theorie der Abel'schen Functionen.
genügenden Functionenpaare (s^, ^J, ..., (.s^,, :Sp) werden daher ge-
bildet durch }) gemeinschaftliche Wurzeln der Gleichungen F = 0 und
(p = 0, welche so sich ändern^ dass die übrigen gemeinschaftlichen
Wurzeln constant bleiben. Hieraus folgt leicht der später nöthige
Satz, dass die Aufgabe, j> — 1 von den 2}) — 2 Grössenpaaren
(Si; 5"/), . . ., (s2p-2, ^2p-2) als Functionen der p — 1 übrigen so zu
bestimmen, dass die j; Gleichungen
,ii~2p — 2
^ dw„^^^) = 0 für 7t = 1 , 2, . '. ., j>
erfüllt werden, völlig allgemein gelöst wird, wenn man für diese
2jj — 2 Grössenpaare die von den r Wurzeln 5 = 7^,, ^ = (J^ (§. 6)
verschiedenen gemeinschaftlichen Wurzeln der Gleichungen F = 0 und
g) = 0 oder die 2p — 2 Werthenpaare nimmt, für welche dw unend-
lich klein von der zweiten Ordnung wird, und dass diese Aufgabe
daher nur eine Lösung zulässt. Solche Grössenpaare sollen durch die
Gleichung cp == 0 verJcnüpft heissen. In Folge der Gleichungen
27J — 2 2p — 2 2p — 2 2p — 2
^ dtv„W = 0 wird ( ^ w,"-\ ^ to./"\ ..., ^ ^v„<">) ,
1 111
die Summen über solche Grössenpaare ausgedehnt, congruent einem
Constanten Grössensysteme (q, C2, . . ., Cp)^ worin c^ nur von der
additiven Constante in der Function iv^ oder dem Anfangswerthe des
sie ausdrückenden Integrals abhängt.
Zweite Abtheiluug.
17.
Für die ferneren Untersuchungen über Integrale von algebraischen.
2p -{- 1 fach zusammenhängenden Functionen ist die Betrachtung einer
^fach unendlichen 'ö'-Reihe von grossem Nutzen, d. h. einer j^fach
unendlichen Reihe, in welcher der Logarithmus des allgemeinen Gliedes
eine ganze Function zweiten Grades der Stellenzeiger ist. Es sei in
dieser Function für ein Glied, dessen Stellenzeiger m^, m^, . . ., nip
sind, der Coefficient des Quadrats nif,? gleich a^t, ,«, des doppelten Pro-
ducts m^7n^' gleich a^<, ^' == »u, ^o der doppelten Grösse m^^ gleich Vf.iy
und das constante Glied = 0. Die Summe der Reihe, über alle ganzen
positiven oder negativen Werthe der Grössen m ausgedehnt, werde
als Function der p Grössen v betrachtet und durch ^(y^, v^, . . ., Vp)
bezeichnet, so dass
VI. Theorie der Aberschen Functionen. l21
(1.) ,^{v„v,,...,v,)- • ^-' -^'^
worin die Summationen im Exponenten sich auf ^ und ^', die äusseren
Summationen aui' m^, nio, ...,mjj beziehen. Damit diese Reihe con-
vergirt, muss der reelle Theil von lUj aft^^im^itn^c wesentlich negativ
sein oder, als eine Summe von positiven oder negativen Quadraten
reeller linearer von einander unabhilngiger Functionen der Grössen m
dargestellt, aus p negativen Quadraten zusammengesetzt sein.
Die Function %• hat die Eigenschaft, dass es Systeme von gleich-
zeitigen Aenderungen der p Grössen v giebt, durch welche log ^ nur
um eine lineare Function der Grössen v geändert wird, und zwar 2j)
von einander unabhängige Systeme (d. h. von denen keins eine Folge
der übrigen ist). Denn man hat, die ungeändert bleibenden Grössen
V unter dem Functionszeichen d' weglassend, für ft = 1, 2, . . ., p
(2.) %• = %• {v^, + 7t l) und
(3.) ^ = /'''' + ''^'^'Q'iv, + «1,^,, V., + a^,^,, ...,Vp -\- üp,^),
wie sich sofort ergiebt, wenn man in der Reihe für 0" den Stellen-
zeiger m^i in 7n^i -\- 1 verwandelt, wodurch sie, während ihr Werth
ungeändert bleibt, in den Ausdruck zur Rechten übergeht.
Die Function %' ist durch diese Relationen und durch die Eigen-
schaft, allenthalben endlich zu bleiben, bis auf einen constanten Factor
bestimmt. Denn in Folge der letzteren Eigenschaft und der Rela-
tionen (2.) ist sie eine einwerthige für endliche v endliche Function
von e ^j e '\ . . ., e ^^ und folglich in eine pi'Aoh. unendliche Reihe
von der Form
2
p
A p ^
mit den constanten Coefficienten Ä entwickelbar. Aus den Relationen
(3.) ergiebt sich aber
p
2 2J ajii, vt)i,( -f- Ol, V
■^m^ , . . ._, wiv + 1 , ..., mp ^^ ^m, , . . ., mv , . . . , vip ^
folglich
^m m = const. e , w. z. b. w.
122 VI. Theorie der Aberschen Functionen.
Man kann daher diese Eigenschaften der Function zu ihrer
Definition verwenden. Die Systeme gleichzeitiger Aenderungen der
Grössen Vy durch welche sich log %• nur um eine lineare Function von
ihnen ändert, sollen Systeme zusmmnengeliöriyer Verioclicitätsmoduln der
iinahhängig veränderlichen Grössen in dieser '9' -Function genannt werden.
18.
Ich substituire nun für die p Grössen v^, v.^, . . ., Vp p immer end-
lich bleibende Integrale u^, u^, . . ., Up rationaler Functionen einer
veränderlichen Grösse 0 und einer 2^9+1 fach zusammenhängenden
algebraischen Function s dieser Grösse, und für die zusammengehörigen
Periodicitätsmoduln der Grössen v zusammengehörige (d. h. an dem-
selben Querschnitte stattfindende) Periodicitätsmoduln dieser Integrale,
so dass log d- in eine Function einer Veränderlichen 2 übergeht,
welche sich, wenn s und z nach beliebiger stetiger Aenderung von 0
den vorigen Werth wieder annehmen, um lineare Functionen der
Grössen u ändert.
Es soll zunächst gezeigt werden, dass eine solche Substitution für
jede 2p -{- 1 fach zusammenhängende Function s möglich ist. Die Zer-
schneidung der Fläche T muss zu diesem Zwecke so durch 2 p in sich
zurücklaufende Schnitte a^, «2? • • •? ci^pj ^i? ^2; • • •; h^ geschehen, dass
folgende Bedingungen erfüllt werden. Wenn man u^, 11.2, . . ., Up so
wählt, dass der Periodicitätsmodul von Uf^i an dem Schnitte «a gleich
Tci, an den übrigen Schnitten a gleich 0 ist, und man den Periodicitäts-
modul von U/^c an dem Schnitte hy durch a^^y bezeichnet, so muss
cf'n,v = civ,fi und der reelle Theil von E a^^^'M^ifn^' für alle reellen
(ganzen) Werthe der p Grössen m negativ sein.
19.
Die Zerlegung der Fläche T werde nicht wie bisher nur durch in
sich zurücklaufende Querschnitte, sondern folgendermassen ausgeführt.
Man mache zuerst einen in sich zurücklaufenden die Fläche nicht zer-
stückelnden Schnitt öfjL und führe dann einen Querschnitt h^ von der
positiven Seite von a^ auf die negative zum Anfangspunkte zurück,
worauf die Begrenzung aus einem Stücke bestehen wird. Einen dritten
die Fläche nicht zerstückelnden Querschnitt kann man demzufolge
(wenn die Fläche noch nicht einfach zusammenhängend ist) von einem
beliebigen Punkte dieser Begrenzung bis zu einem beliebigen Begren-
zungspunkte, also auch zu einem früheren Punkte dieses Querschnitts
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 123
führen. Man thue das Letztere, so dass dieser 'Querschnitt aus einer
in sich zurücklaufenden Linie a.^^ und einem dieser Linie voraufgehen-
den Theile c\ besteht, Avelcher das frühere Schnittsystem mit ihr ver-
bindet. Den folgenden Querschnitt h.^ ziehe man von der positiven
Seite von a., auf die negative zum Anfangspunkte zurück, worauf die
Begrenzung wieder aus einem Stücke besteht. Die weitere Zerschnei-
dung kann daher, wenn nöthig, wieder durch zwei in demselben
Punkte anfangende und endende Schnitte a.^ und \ und eine das
System der Linien a^ und 63 ^ai^ ihnen verbindende Linie c^ geschehen.
Wird dieses Verfahren fortgesetzt, bis die Fläche einfach zusammen-
hängend ist, so erhält man ein Schnittnetz, welches aus p Paaren von
zwei in einem und demselben Punkte anfangenden und endenden Linien
a^ und &i, a.y und h^, . . ., üp und hp besteht und aus i) — 1 Linien
q^ (?2, ..., Cp-ij welche jedes Paar mit dem folgenden verbinden. Es
möge Cv von einem Punkte von h,. nach einem Punkte von a,.|_i gehen.
Das Schnittnetz wird als so entstanden betrachtet, dass der 2v — 1 te
Querschnitt aus Cj_i und der von dem Endpunkte von c,_i zu diesem
zurückgezogenen Linie a, besteht, und der 2viQ durch die von der
positiven auf die negative Seite von a,. gezogene Linie hv gebildet wird.
Die Begrenzung der Fläche besteht bei dieser Zerschneidung nach
einer geraden Anzahl von Schnitten aus einem , nach einer ungeraden
aus zwei Stücken.
Ein allenthalben endliches Integral tv einer rationalen Function
von s und z nimmt dann zu beiden Seiten einer Linie e denselben
Werth an. Denn die ganze früher entstandene Begrenzimg besteht,
aus einem Stücke und bei der Integration längs derselben von der
einen Seite der Linie c bis auf die andere wird fdiv durch jedes früher
entstandene Schnittelement zweimal, in entgegengesetzter Richtung,
erstreckt. Eine solche Function ist daher in T allenthalben ausser
den Linien a und h stetig. Die durch diese Linien zerschnittene Fläche
T möge durch T" bezeichnet werden.
20.
Es seien nun tv^, W2, . . ., Wp von einander unabhängige solche
Functionen, und der Periodicitätsmodul von iV/u an dem Querschnitte
üy gleich Ä^^^ und an dem Querschnitte hv gleich ■B^^\ Es ist dann
fX f.1
das Integral fiv^idiVic, um die Fläche T" positiv herum ausgedehnt,
= 0, da die Function unter dem Integralzeichen allenthalben endlich
ist. Bei dieser Integration wird jede der Linien a und h zweimal,
einmal in positiver und einmal in negativer Richtung durchlaufen, und
124 VI. Theorie der Abel'sclieii Fimctionen.
es muss während ieuer Integration, wo sie als Begrenzung des posi-
tiverseits gelegenen Gebiets dient, für ti\i der Wertli auf der positiven
Seite oder w^i'^, während dieser der Werth auf der negativen oder
Wf^r genommen werden. Es ist also dies Integral gleich der Summe
aller Integrale f {tv^t'^ ■ — Wf~) div^i- durch die Linien a und h. Die
Linien h führen von der positiven zur negativen Seite der Linien a,
und folglich die Linien a von der negativen zur positiven Seite der
Linien h. Das Intejyral durch die Linie a,. ist daher
('•)
und das Integral durch die Linie Jh
Das Integral f WjudWin'j um die Fläche T" positiv herum erstreckt,
ist also
und diese Summe folglich = 0. Diese Gleichung gilt für je zwei von
den Functionen w^y w^, . . ., Wp und liefert also - — : — - — Relationen
zwischen deren Periodicitätsmoduln.
Nimmt man für die Functionen w die Functionen u oder wählt
man
sie so,
dass ^J;^
für
ein
von
f*
verschiedenes
V
gleich
0
und
V
= Tti ist,
so gehen diese Relationen über
in B''}:
Jti
Tii
= 0
oder
in (^^,i.i'
= a^',^.
21.
Es bleibt noch zu zeigen, dass die Grössen a die zweite oben
nöthig gefundene Eigenschaft besitzen.
Man setze iv = ^ -\- vi und den Periodicitätsmodul dieser Function
an dem Schnitte a^ gleich A^"^ = a^ -\- y^i und an dem Schnitte hv
gleich B^^'^ = /3^ + d^i. Es ist dann das Integral
j'(0"+©')
1 Vcxcy oy ex] ^
dT
j \\cx/ • \oyi j
oder
*) Dies Integral drückt den Inhalt der Fläche aus, welche die Gesammtheit
der Worthe, die tv innerhalb T" annimmt, auf der ?/?- Ebene repräsentirt.
VI. Theorie der Abel' sehen Functionen. 125
durch die Fläche T" gleich dem Begrenzungsintegral f[idv um T"
positiv herum erstreckt, also gleich der Summe der Integrale /(fA+ — ^~)dv
durch die Linien a und h. Das Integral durch die Linie a^ ist
= ccrfdv = a, dv, das Integral durch die Linie hy gleich ßvfdv =^ — ßvyv
und folglich
t/ \ / f t= 1
Diese Summe ist daher stets positiv.
Hieraus ergiebt sich die zu beweisende Eigenschaft der Grössen a,
wenn man für tv setzt u^m^^ + u.,nk^ + • • * + ^h'^^^p- Denn es ist dann
j^(v) ^^ rtivTci, jB^'^ = 2Ja^,,r%o folglich «„ stets = 0 und
oder gleich dem reellen Theile von — jcUa^^rmunh, welcher also für
alle reellen Werthe der Grössen m positiv ist.
22.
Setzt man nun in der -O" -Reihe (1.) §. 17 für öf^,,«- den Periodi-
citätsmodul der Function u^ an dem Schnitt hfi' und, durch e^^ e^^ ,..^ep
beliebige Constanten bezeichnend, Ufj^ — e^, für i;^,, so erhält man eine
in jedem Punkte von T eindeutig bestimmte Function von z^
^ (jh —^i, ^2 — ^2; • • • ; ^h — ^l)y
welche ausser den Linien h stetig und endlich und auf der positiven
Seite der Linie h^ (e"~ " ^^v "~ ^') ) mal so gross als auf der negativen
ist, wenn man den Functionen u in den Linien h selbst den Mittel-
werth von den Werthen zu beiden Seiten beilegt. Für wie viele
Punkte von T' oder Werthenpaare von s und z diese Function un-
endlich klein von der ersten Ordnung wird, kann durch Betrachtung
des Begrenzungsintegrals fdlogd', um T' positiv herum erstreckt,
gefunden werden; denn dieses Integral ist gleich der Anzahl dieser
Punkte multiplicirt mit 2'jti. Andererseits ist dies Integral gleich der
Summe der Integrale /((? log -0'+ — rflog-^-"") durch sämmtliclie Schnitt-
linien a, h und c. Die Integrale durch die Linien a und c sind =^ 0,
das Integral durch &,. aber gleich — 2fduy = 27ti, die Summe aller
also = p27ti. Die Function -9' wird daher unendlich klein von der
ersten Ordnung in p Punkten der Fläche T\ welche durch i^^, %y - -, Vp
bezeichnet werden mögen.
126 VI. Theorie der AbeFschen Functionen.
Durch einen positiven Umlauf des Punktes (s, s) um einen dieser
Punkte wächst log -ö- um 27ii, durch einen positiven Umlauf um das
Schnittepaar Ov und Z>,. um — 27ti. Um daher die Function log -O"
allenthalben eindeutig zu bestimmen, führe man von jedem Punkte t]
einen Schnitt durch das Innere nach je einem Linienpaar, von Tjr den
Schnitt ?v nach a^ und hy, und zwar nach ihrem gemeinschaftlichen
Anfangs- und Endpunkte, und nehme in der dadurch entstandenen
Fläche T* die Function allenthalben stetig an. Sie ist dann auf der
positiven Seite der Linien l um — 2jti, auf der positiven Seite der
Linie ttr um gr2%i und auf der positiven Seite der Linie &,. um
— 2{iiv ^— er) — hr27ti grösser, als auf der negativen, wenn gr und h^
ganze Zahlen bezeichnen.
Die Lage der Punkte rj und die Werthe der Zahlen g und h
hängen von den Grössen e ab, und diese Abhängigkeit lässt sich auf
folgendem Wege näher bestimmen. Das Integral flog d- du i^,, um T*
positiv herum erstreckt, ist = 0, da die Function log d' in T* stetig
bleibt. Dieses Litegral ist aber auch gleich der Summe der Integrale
/(log'0'+ — log d--) dtiu durch sämmtliche Schnittlinien l, a, h und c
und findet sich, wenn man den Werth von u^ im Punkte 7]v durdi
«^/'^ bezeichnet,
= 27ti ^ V c:^,(^) + Ji^Tti + V^,-a,, ^ — e^ + h\
worin Ä:^ von den Grössen e, ^, h und der Lage der Punkte rj unab-
hängig ist. Dieser Ausdruck ist also = 0.
Die Grösse ^^ hängt von der Wahl der Function Uj^i ab, welche
durch die Bedingung, an dem Schnitte ü/n den Periodicitätsmodul Jti,
an den übrigen Schnitten a den Periodicitätsmodul 0 anzunehmen, nur
bis auf eine additive Constante bestimmt ist. Nimmt man für ti^i eine
um die Constante c^^ grössere Function und zugleich ^^, um c^< grösser,
so bleiben die Function '9' und folglich die Punkte rj und die Grössen
g, h ungeändert, der Werth von w^^ im Punkte Tjy aber wird a^^''^ -{- c^.
Es geht daher h^ in Ä;^t — {jp — 1) c^ über und verschwindet, wenn
c^ = —~~r genommen wird.
Man kann folglich, wie für die Folge geschehen soll, die addi-
tiven Constanten in den Functionen u oder die Anfangswerthe in den
sie ausdrückenden Integralen so bestimmen, dass man durch die Sub-
stitution von M^ — 2^«^/^^ für V/u in log'O' (v^, . . ., Vp) eine Function er-
hält, welche in den Punkten ri logarithmisch unendlich wird und, durch
7'* stetig fortgesetzt, auf der positiven Seite der Linien l um — 27ti,
VJ. Theorie der Aberschen Functionen. 127
V
der Linien a um 0 und der Linie &,, um — 2(iiy — Z'ßy^^') grösser
1
wird, als auf* der negativen. Zur Bestimmung dieser Anfangswerthe
werden sich später leichtere Mittel darbieten, als der obige Integral-
ausdruck für /i^.
23.
Setzt man {u^, i/^, . . ., Up) ^ (al^^^ cc.}^\ • • • , ccj^^^) nach den 2p
Modulsystemen der Functionen ii (§. L5), also
(r. ,v,,..., v„) ~ (- 2? <"\ - 'J? <''' • • • ' - 2? """* ) '
^1 1 1 ^
so wird -O- = 0. Wird umgekehrt -O- = 0 für v^^ == r^,, so ist (r^, r^, . . ., r^,)
einem Grössensysteme von der Form
(-2"'"- 2"^'''' ■■■'-2 "'''')
^1 1 1 ^
congruent. Denn setzt mau V/^^ = u^i — «^/^'^ + r^, indem man f]j, be-
liebig wählt, so wird die Function d' ausser in rjp noch in p — 1
andern Punkten unendlich klein von der ersten Ordnung, und be-
zeichnet man diese durch rj^, i/^, . . •; Vp—h so ist
(-"y <■>, - 2? «^"' ■■■'-"2 "'''') - ^''^' ''''■•■' '■''^-
^1 1 1 ^
Die Function ^ bleibt ungeändert, wenn man sämmtliche Grössen
V in's Entgegengesetzte verwandelt; denn verwandelt man in der Reihe
für ^ {v^, v^, . . ., Vp) sämmtliche Indices m in's Entgegengesetzte, wo-
durch der Werth der Reihe ungeändert bleibt, da — m^ dieselben Werthe
wie niv durchläuft, so geht ^ {i\, v.^, . . . , Vj) über in 0'( — v^^ — '^2? • • •; — '^p)-
Nimmt man nun die Punkte r]^, ^^ . . . , rjp — i beliebig an, so
2) — 1 p — 1
wird d' (— 2;«i^'>, ..., — 2:«/)) = 0 und folglich, da die Function ^
1 1
^ — 1 p—i
wie eben bemerkt gerade ist, auch d' (Uaj^'\ ..., 2JcCp^''>) = 0. Es lassen
1 1
sich also die }) — 1 Punkte rjp^ rjp^i^ . . ., 'y]->p — 2 so bestimmen, dass
p-l p—l . '2p -2 2p -2
(2^« <■), . . ., 2' v>) - (- 2<'' ■■■'- 2'^"'")
^1 i ^ "^ p p ^
und folglich
128 VI. Theorie der AbeVscheu Functionen.
2i> — 2 2JD-2
^1 1 ^
ist. Die Lage der p — 1 letzten Punkte hängt dann von der Lage
der 2^ — 1 ersten so ab^ dass bei beliebiger stetiger Aenderung der-
selben E dan^'"> =0 iüv % =- \, 2, . . ., p, und folglich sind (§. 16) die
Punkte 1] solche 2p ~ 2 Punkte^ für welche ein div unendlich klein
von der zweiten Ordnung wird, oder wenn man den Werth des
Grössenpaars (5, s) im Punkte r;,, durch ((7,., Si), bezeichnet, so sind
((?!, Ji), ..., {a2p-2, S2J0-2) durch die Gleichung 9 = 0 verknüpfte
Werthenpaare (§. 16).
Bei den hier gewählten Änfangswerthen der Integrale u wird also
2p— 2 2p — 2
) — 2
^V))-(o,...,o)
1 "^
tvenn die Siimmationen über sämmtliche von den Grössenpaaren (7^, d^))
(§. 6) verschiedene gemeinschaftliche Wurzeln der Gleichung F = 0 und
der Gleichung c-^^^ -\- c.^cp,^ -^ - - • -\- CpCp.p = 0 erstrecld iverden, tvohei
die Constanten Grössen c heliebig sind.
Sind £^, £,,j . . ., Bni ni Punkte, für welche eine rationale Function |
von s und 0, die m mal unendlich von der ersten Ordnung wird, den-
selben Werth annimmt, und uj'''\ 5^<, Z/n die Werthe von u^t, 5, 0 im
m
Punkte £^, so ist (§. 15) (27?(/'"\ ^^2^'^ • - -, 27 w^/'"^) congruent einem
11 1
Constanten, d. h. vom Werthe der Grösse | unabhängigen Grössen-
systeme (ö^, ?>2 7 •••? ^p)} ^^^ ^s kann dann für jede beliebige Lage
eines Punktes s die Lage der übrigen so bestimmt werden, dass
m m
{^u,'."\...,^u/A^(b„...,b„).
^1 1 -^
Man kann daher, wenn m= p, (u^ — b^, . .., Up — h^,) und, wenn m < j;,
p—m p— m
für jede beliebige Lage des Punkts (s, z) und der p — m Punkte ?y
p—\ p—\
auf die Form (— 27 a^^^^ . . . , — 27 «/')) bringen, indem man einen
1 1
der Punkte f mit (s, z) zusammenfallen lässt, und folglich ist
p — 'ni jJ — ?n
VI. Theorie der Abel'schen Functionen. 129
für jedwede Werthe des Grössenpaars (s, z) und der j) — m Grössen-
paare (öy, f,) gleich 0.
24.
Aus der Untersuchung des §. 22 folgt als Corollar, dass ein be-
liebig gegebenes Grössensystem {e^, . . ,, Cj) immer einem und nur
einem Grössensystem e von der Form {Ea^^^'\ . . ., 2^«^^*^) congruent
1 1
ist, wenn die Function d' (n^ — c^, . . ., Up — Cp) nicht identisch ver-
schwindet; denn es müssen dann die Punkte rj die j) Punkte sein^ für
welche diese Function 0 wird. Wenn aber '9- (w/^'^ — ^'d - - -7 ^/^'^ — Cp)
für jeden Werth von (Sp, 0p) verschwindet, so lässt sich
(«,<") -e,,..., «,0') - c,) = {-^u,('\ ..., -'^u.f'y)
1 1
setzen (§. 23), und es lassen sich also für jeden Werth des Grössen-
paars (sp, Zp) die Grössenpaare {s^, z^, . . .^ (Sp—ij Zp—i) so bestim-
men, dass
^1 1 "^
P
und folglich, bei stetiger Aenderung von (Sp, Zj), 2Jdtin^''^ = 0 ist für
1
;r = 1, 2, . . ., jj. Die j) Grössenpaare (Sv, Zy) sind daher ^) von den
Grössenpaaren (yo, ö\>) verschiedene Wurzeln einer Gleichung cp = Oy
deren Coefficienten so sich ändern, dass die übrigen p — 2 Wurzeln
constant bleiben. Bezeichnet man die Werthe von ii^ für diese j) — 2
Werthenpaare von s und z durch Un^P'^^\ uJp~^^\ . . ., Un^'^^~'^\ so ist
(^'^■,v'»,...;^v")=(o, ,0)
und folglich
2jo — 2 2^—2
{e„ . . .,e,) = (- Vt(,<", . . ., - ^V»)-
i> + 1 p 4- 1
Umgekehrt ist, wenn diese Congruenz stattfindet,
P P
Ein beliebig gegebenes Grössensystem (e, , . . . , ep) ist also nur Einem
p p
Grössensysteme von der Form {2^cc^^''\ • . . , ^ccp^"') congruent ^ ivenn es
1 1
Rtfmakn's gpsanimolte raatheraatische Werke. I. 9
130 VI. Theorie der AbeFschen Functionen.
p-'2 p—2
nicht einem Grössensysteme von der Form ( — 2Ja^^''\ . . ., — 27 a^/*)) con-
1 1
grtient ist, und unendlich vielen, wenn dieses stattfindet.
Da d' {u, — i;«//'), ...,Uj, — hap (^')) = ^ (!;«//') — Wi , . . . ; hap (^') — Up\
1 1 1 1
so ist '^ eine ganz ähnliche Function wie von (s^ 'z) auch von jedem
derj^Grössenpaare (p^^^ y. Diese Function von ((J^,, J^,) wird = 0 für das
Werthenpaar {s, z) und für die den übrigen j; — 1 Grössenpaaren ((7, ^)
durch die Gleichung ^ = 0 verknüpften ^) — 1 Punkte. Denn bezeichnet
man den Wertli von Un in diesen Punkten mit (^jP, ß/'^\..:, ßj^''~^\ so ist
^ i 1 ^ 1 1
und folglich -O- = 0, wenn rju mit einem dieser Punkte oder mit dem
Punkte (s, s)* zusammenfällt.
25.
Aus den bisher entwickelten Eigenschaften der Function %- ergiebt
sich der Ausdruck von log '0' durch Integrale algebraischer Functionen
von (s, z\ {ö„ Si), ...,((T^, y.
p p
Die Grösse log 0- («f/'^) — 2:«/^'>, . . .) — log '^ (^f/l) — 2Ja^^^'\ . . .)
ist, als Function von {a,,, ^,</) betrachtet, eine Function von der Lage
des Punkts i^^^ welche im Punkte f^, wie — log (J^, — z^), im Punkte f^,
wie log (f^ — Z2) unstetig wird und auf der positiven Seite einer von
fj nach £2 zu ziehenden Linie um 27ti, auf der positiven Seite der
Linie hv um 2 (uiM^ — u^^^^) grösser ist^ als auf der negativen^ ausser
den Linien h und der Verbindungslinie von £^ und 62 aber allenthalben
stetig bleibt. Bezeichnet nun arC'0(^£^^ £^) irgend eine Function von
((7^,, S^), welche ausser den Linien h ebenso unstetig ist und auf der
einen Seite einer solchen Linie ebenfalls um eine Constante grösser
ist, als auf der andern, so unterscheidet sie sich (§. 3) von dieser nur
um eine von ((j^^, i^^) unabhängige Grösse, und folglich ist sie von
p
2J'c3rC") (^£j ^ ^2) iiur um eine von sämmtlichen Grössen (ö, ^) unabhängige
1
und also bloss von (s^, z^) und (s^, z.^ abhängende Grösse verschieden.
'üür^")(fi, fg) drückt den Werth einer Function la {e^, e.^ des §. 4 für
(Sj z) == ((?^,, J,,) aus, deren Periodicitätsmoduln an den Schnitten a
gleich 0 sind. Aendert man diese Function um die Constante c, so
p
ändert sich 2;'co^>(£j, b^) um j)C\ man kann daher, wie für die Folge
VI. Theorie der AbeVschen Functionen. 131
geschehen soll, die additive Constante in der Function "w (f^, fg) ^^^^
den Anfangswerth in dem sie darstellenden Integrale dritter Gattung
p
so bestimmen, dass log '9'^''^^ — log %'^^^ = 2Jtar^>(£i, a.^. Da -O* von jedem
1
der Grössenpaare {(5, J) auf ähnliche Art, wie von {s, z) abhängt, so
kann die Aenderung von log '9', wenn irgend eins der Grössenpaare
(s, £), ((7^, Ji), ..., {pp, 5^,) eine endliche Aenderung erleidet, während
die übrigen constant bleiben, durch eine Summe von Functionen "aT
ausgedrückt werden. Offenbar kann man also, indem man nach und
nach die einzelnen Grössenpaare (s, z)^ ((Jj, ^J, ..., {pp, 5/>) ändert,
locf o)" ausdrücken durch eine Summe von Functionen tsr und
log*(0,0, ...,0)
oder dem Werth von log %^ für ein beliebiges anderes Werthen-
system. Die Bestimmung von log -0" (0, 0, . . ., 0) als Function der
3 p — 3 Moduln des Systems rationaler Functionen von s und z
(§. 12) erfordert ähnliche Betrachtungen, wie sie von Jacobi in seinen
Arbeiten über elliptische Functionen zur Bestimmung von 0 (0) ange-
wandt worden sind. Man kann dazu gelangen, indem man mit Hülfe
der Gleichungen
und 2
wenn fi von ^' verschieden ist, die Differentialquotienten von log d^
nach den Grössen a in
durch Integrale algebraischer Functionen ausdrückt. Für die Aus-
führung dieser Rechnung scheint jedoch eine ausführlichere Theorie
der Functionen, welche einer linearen Differentialgleichung mit alge-
braischen Coefficienten genügen, nöthig, die ich nach den hier ange-
wandten Principien nächstens zu liefern beabsichtige.
Ist (so, Z2) unendlich wenig von (s^, z^) verschieden, so geht
ür(fj, f^) über in dz^^t^s^), worin t (e^) ein Integral zweiter Gattung
einer rationalen Function von s und z ist, welches in f, wie un-
' ^ z — z^
stetig wird und an den Schnitten a den Periodicitätsmodul 0 hat; und
es ergiebt sich, dass der Periodicitätsmodul eines solchen Integrals an
dem Schnitte hy gleich 2 —r-— ist und die Integrationsconstante sich
so bestimmen lässt, dass die Summe der Werthe von / (fj) für die
p Werthenpaare (c?^, JJ, . . ., ((>,;, ^,',) gleich ^^ — wird. Es ist dann
132 VI. Theorie der Aberschen Functionen.
g^^^ gleich der Summe der Wertlie von t (rj^a) für die den p — 1
von (ö/^^, J^t) verschiedenen Grössenpaaren (öj J) durch die Gleichung
cp = 0 verknüpften p — 1 Werthenpaare und für das Werthenpaar
(s, ^)^ und man erhält für
~f^ dh + 2j h,c '^'^^' = ^ ^Qg ^ >
einen Ausdruck, welchen Wei erstras s für den Fall^ wenn s nur eine
zweiwerthige Function von ^ ist, gegeben hat (Journ. für Mathem.
Bd. 47 S. 300 ..Form. 35).
iDie Eigenschaften von 7o (s^ , f^) und t {e^) als Functionen von
(s^j 2j) und (^2, ^2) ergeben sich aus den Gleichungen
-^ fe; ^2) == J (log ^ 0^/-^> -pth, . . .) - log ^ (V^) - pih, . . .) )
welche in den obigen Ausdrücken für log d'^'^^ — log d-^^^ und — ~
als specielle Fälle enthalten sind.
26.
Es soll jetzt die Aufgabe behandelt werden, algebraische Functionen
von 2 als Quotienten zweier Producte von gleichvielen Functionen
^ {^h — ^1; • • •) ^^^ Potenzen der Grössen e^ darzustellen.
Ein solcher Ausdruck erlangt bei den Uebergängen von {s, £) über
die Querschnitte constante Factoren, und diese müssen Wurzeln der
Einheit sein, wenn er algebraisch von b abhängen und also bei stetiger
Fortsetzung für dasselbe z nur eine endliche Anzahl von Werthen an-
nehmen soll. Sind alle diese Factoren /iite Wurzeln der Einheit, so
ist die fite Potenz des Ausdrucks eine einwerthige und folglich ratio-
nale Function von s und z.
Umgekehrt lässt sich leicht zeigen, dass jede algebraische Function
r von Zy die innerhalb der ganzen Fläche T' stetig fortgesetzt, allent-
halben nur einen bestimmten Werth annimmt und beim üeberschrei-
ten eines Querschnitts einen constanten Factor erlangt, sich auf man-
nigfaltige Art als Quotient zweier Producte von -ö-- Functionen und
Potenzen der Grössen e'^ ausdrücken lässt. Man bezeichne einen
Werth von xi^ für r == 00 durch /3^, und für r = 0 durch y^^ und
nehme log r, indem man von jedem Punkte, wo r unendlich von der
ersten Ordnung wird, nach je einem Punkte, wo r unendlich klein
von der ersten Ordnung wird, eine Linie durch das innere von T'
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 133
zieht, ausser diesen Linien in T' allenthalben stetig an. Ist dann
logr auf der positiven Seite der Linie hy um (jy27ti und auf der posi-
tiven Seite der Linie a, um — hy2'jti grösser, als auf der negativen,
so ergiebt sich durch die Betrachtung des 13egrenzungsintegrals/logr fZ«^
V
l'ür ^ = \y 2, . . . , p, worin r/r und hy nach dem oben Bemerkten
rationale Zahlen sein müssen und die Summen auf der linken Seite
der Gleichung über sämmtliche Punkte, wo r unendlich klein oder
unendlich gross von der ersten Ordnung wird, auszudehnen sind, indem
man einen Punkt, wo r unendlich klein oder unendlich gross von einer
höheren Ordnung wird, als aus mehreren solchen Punkten bestehend
betrachtet (§. 2). Wenn diese Punkte bis auf j) gegeben sind, so
lassen sich diese p immer und allgemein zu reden nur auf eine Weise
so bestimmen, dass die 2p Factoren e , e ' gegebene Werthe
annehmen (§§. 15, 24).
Wenn man nun in dem Ausdrucke
P —2EhyUy
worin P und Q Producte von gleichvielen Functionen -O- {n^ — Z'«/'^, . . .)
mit demselben (s, z) und verschiedenen ((?, g) sind, die Werthenpaare
von s und 2, für welche r unendlich wird, für Grössenpaare ((?, g) in
den ^-Functionen des Nenners und die Werthenpaare, für welche r
verschwindet, für Grössenpaare ((?, J) in den '9' -Functionen des Zählers
substituirt und die übrigen Grössenpaare ((?, f) im Nenner und im
Zähler gleich annimmt, so stimmt der Logarithme dieses Ausdrucks
in Bezug auf die Unstetigkeiten im Innern von T' mit iog r überein
und ändert sich beim Ueberschreiten der Linien a und h, wie log r,
nur um rein imaginäre längs diesen Linien constante Grössen: er
unterscheidet sich also von logr nach dem Dirichlet'schen Princip
nur um eine Constante und der Ausdruck selbst von r nur durch
einen constanten Factor. Bei dieser Substitution darf selbstredend
keine der i)-- Functionen identisch, für jeden Werth von 5", verschwin-
den. Dieses würde geschehen (§ 23.), wenn sämmtliche Werthenpaare,
für welche eine einwerthige Function von (5, z) verschwindet, für
Grössenpaare ((?, g) in einer und derselben O*- Function substituirt
würden.
27.
Als Quotient ztveier #- Functionen, multiplicirt mit Potenzen der
Grössen 6'", lässt sich demnach eine einwerthige oder rationale Function
134 VI- Theorie der AbeVschen Functionen.
von (s, z) nicht darstellen. . Alle Functionen r aber, die für dasselbe
Werthenpaar von .s und z mehrere Werthe annehmen und nur für p
oder weniger Werthenpaare unendlich von der ersten Ordnung wer-
den, sind in dieser Form darstellbar und umfassen alle in dieser F^orm
darstellbaren alö:ebraischen Functionen von z. Man erhält, abgesehen
von einem constanten Factor, jede und jede nur einmal, wenn man in
p
für /i, und ^, rationale ächte Brüche und Uy — Za,M'^ für Vv setzt.
1
Diese Grösse ist zugleich eine algebraische Function von jeder
der Grössen t, und die (im vor. §.) entwickelten Principien reichen
völlig hin, um sie durch die Grössen z, ^i, ..., ^^^ algebraisch aus-
zudrücken.
In der That: Als Function von {s, z) nimmt sie, durch die
ganze Fläche T' stetig fortgesetzt, allenthalben einen bestimmten
Werth an, wird unendlich von der ersten Ordnung für die Werthen-
paare ((?!, Ji), . . ., {0p, ^p) und erlangt an dem Schnitte a^ beim üeber-
gange von der positiven zur negativen Seite den Factor e ^ , an
dem Schnitte ?>,. den Factor e ; und jede andere dieselben Be-
dingungen erfüllende Function von {s, z) unterscheidet sich von ihr
nur durch einen von {s, z) unabhängigen Factor. Als Function von
((?^, g^) nimmt sie, durch die* ganze Fläche T' stetig fortgesetzt, allent-
halben einen bestimmten Werth an, wird unendlich von der ersten
Ordnung für^das Werthenpaar (s, z) und für die den übrigen ^j — 1 Grössen-
paaren ((?, 0 durch die Gleichung ^ = 0 verknüpften p — 1 Werthen-
paare (^1*^^'^ ^/'"^)j •••? i^p^i) ^p—i) und erlangt an dem Schnitte av
den Factor e ' ', an dem Schnitte hv den Factor e • ; und jede
andere dieselben Bedingungen erfüllende Function von ((?^,, ^^,) unter-
scheidet sich von ihr nur durch einen von (ö^, J^) unabhängigen
Factor. Bestimmt man also eine algebraische Function von z, f^, . . ., ^j,
f{(s, z)', {ö„ ti), ..., (Op, tp))
so, dass sie als Function von jeder dieser Grössen dieselben Eigen-
schaften besitzt, so unterscheidet sie sich von dieser nur durch einen
von sämmtlichen Grössen z, J^ , . . . , J^, unabhängigen Factor und wird
also = Äf^ wenn Ä diesen Factor bezeichnet. Um diesen Factor zu
bestimmen, drücke man in /' die von ((?^,, ^^<) verschiedenen Grössen-
paare (ö, ?) durch (ö^^^\ ^Z^'-*)) • • -^ (^y>— i; ^^i) aus, wodurch e'r in
VI. Theorie der Aberschen Functionen. 135
übergehe; ott'enbar erhält man dann den inversen Werth der darzu-
stellenden Function und also einen Ausdruck,, welcher == —.-. sein muss,
wenn man in A(j für {Ony ^/O das Grössenpaar {s, z) und für die
(irössen paare (.v, z)^ (<?/'"\ ^/'"O? •••? ^^/— i; SAO <^i^ Werthenpaare
von {Sy z) substituirt, für welche die darzustellende Function und also
/* = 0 wird. Hieraus ergiebt sich A^ und also A bis auf das Vor-
zeichen, welches durch directe Betrachtung der 0-- Reihen in dem dar-
zustellenden Ausdrucke gefunden werden kann.*)
*) üeber die Form clor algebraischen Function f mögen noch einige Bemer-
kimgen folgen. Ist n der kleinste gemeinschaftliche Nenner der Grössen /t» und
c^r, so ist die nte Potenz von f eine einwerthige Function sowohl von (s, z) als
von sämmtlichen Grössenpaaren {g , ^) und folglich f die n te Wurzel aus einer
rationalen Function. Diese rationale Function muss als Function von (s, z) so be-
stimmt werden, dass sie für die j) Grössenpaare (a, ^) unendlich von der titen
Ordnung wird, und dass von den n^; Punkten, für welche sie unendlich klein
wird, ebenfalls je n zusammenfallen.
Ist l irgend eine Function von (.s', z) welche an den Querschnitten dieselben
Factoren erlangt, wie / und bezeichnet l^i den Werth dieser Function für das
Werthenpaar ((T^<, ^f,), so ist f. l~^ Xi X.^ . . . Xp eine rationale Function q von
*', z und sämmtlichen Grössen (ff, W) ; also :
f= ^L.
Aj A^ ... Xp
[Bemerkung aus den in Kiemann's Nachlass befindlichen Entwürfen zur vor-
stehenden Abhandlung]
VII.
Ueber die Anzahl der Primzahlen unter einer
gegebenen Grösse.
(Monatsberichte der Berliner Akademie, November 1859.)
Meinen Dank für die Auszeichnung , welche mir die Akademie
durch die Aufnahme unter ihre Correspondenten hat zu Theil werden
lassen, glauhe ich am besten dadurch zu erkennen zu geben ^ dass ich
von der hierdurch erhaltenen Erlaubniss baldigst Gebrauch mache
durch Mittheilung einer Untersuchung über die Häufigkeit der Prim-
zahlen; ein Gegenstand, welcher durch das Interesse, welches Gauss
und Dirichlet demselben längere Zeit geschenkt haben, einer solchen
Mittheilung vielleicht nicht ganz unwerth erscheint.
Bei dieser Untersuchung diente mir als Ausgangspunkt die von
Euler gemachte Bemerkung, dass das Product
1
n
1 n^ '
wenn für p alle Primzahlen, für n alle ganzen Zahlen gesetzt werden.
Die Function der complexen Veränderlichen 6^, welche durch diese
beiden Ausdrücke, so lange sie convergiren, dargestellt wird, bezeichne
ich durch t,{s). Beide convergiren nur, so lange der reelle Theil von
s grösser als 1 ist; es lässt sich indess leicht ein immer gültig blei-
bender Ausdruck der Function finden. Durch Anwendung der Gleichung
erhält man zunächst
d^ = "(^-^)
n{s-\)i{s)=j -^
i'« — 1 dx
VJl. lieber die Aiizalil der Primzahlen etc. 137
Betrachtet man nun das Integral
(— x)«—i dx
f
ex
von -\- oo bis -|- oo positiv um ein Grössengebiet erstreckt, welches
den Werth 0, aber keinen andern Unstetigkeitswerth der Function
unter dem Integralzeichen im Innern enthält, so ergiebt sich dieses
leicht gleich
(,-.,. „,.w)J*-r
- 1 (U
1
vorausgesetzt, dass in der vieldeutigen Function ( — xf'^ ^ =(yii—i)\og{—x)
der Logarithmus von — ^ so bestimmt worden ist, dass er für ein
negatives x reell wird. Man hat daher
2sin;rs 77 (s — 1) S (^') = i f
* ( — a:)« — 1 dx
e^
das Integral in der eben angegebenen Bedeutung verstanden.
Diese Gleichung giebt nun den Werth der Function J (s) für jedes
beliebige complexe s und zeigt, dass sie einwerthig und für alle end-
lichen Werthe von s, ausser 1, endlich ist, so wie auch, dass sie ver-
schwindet, wenn ^ gleich einer negativen geraden Zahl ist.
Wenn der reelle Theil von s negativ ist, kann das Integral, statt
positiv um das angegebene Grössengebiet auch negativ um das Grössen-
gebiet welches sämmtliche übrigen complexen Grössen enthält erstreckt
werden, da das Integral durch Werthe mit unendlich grossem Modul
dann unendlich klein ist. Im Innern dieses Grössengebiets aber wird
die Function unter dem Integralzeichen nur unstetig, wenn x gleich einem
ganzen Vielfachen von -j- 2 7ti wird und das Integral ist daher gleich
der Summe der Integrale negativ um diese Werthe genommen. Das
Integral um den Werth n27ti aber ist =( — n27iiy~'^( — 27t i),
man erhält daher
2sm7tsn(s— 1) i{s) = (27ty Un"-' ({— iy- ' + i'~'),
also eine Relation zwischen J(s) und 5(1 — s), welche sich mit Be-
nutzung bekannter Eigenschaften der Function 77 auch so ausdrücken
lässt:
bleibt ungeändert, wenn s in 1 — s verwandelt wird.
Diese Eigenschaft der Function veranlasste mich statt 77 (s — 1)
das Integral 77(4" — 1) "^ ^^^^ allgemeinen Gliede der Reihe ^ -
138 VII. - Ueber die Anzahl der Primzahlen
einzuführen^ wodurch man einen sehr bequemen Ausdruck der Function
^(s) erhält. In der That hat man
GO
J,, 77(: - l) 7C'-i^J\- »«-^7-' dx,
0
also, wenn man
1
setzt,
r/S
^(2 - 1) ''^ ^ ^ ^'^ = J </.(«) »V- ' dx,
u
oder da
2t{j') + 1 = ^•~"2-(^2t/. 1^1^ 4_ 1^^ (Jacobi, Fund. S. 184)
CO 1
n(~^-l)^-it (s) =J ^(x)xi~\lx+ J\ (i-) x^ dx
*1 0
1
ü
00
= s(s-i)+ J ^W(^^'^ +^' ^'Jdx.
Ich setze nun 6- == ^ + ^i und
SO dass
KO == i — (^^ + i) / ^ W -^""^'^ cos (4- 1 log ^) ^^
1
oder auch
1
Diese Function ist für alle endlichen Werthe von t endlich, und
lässt sich nach Potenzen von ^^ in eine sehr schnell convergirende
Reihe entwickeln. Da für einen Werth von 5, dessen reeller Bestand-
theil grösser als 1 ist, log ^ (s) = — U log (1 ~ p- ') endlich bleibt
und von den Logarithmen der übrigen Factoren von J (t) dasselbe gilt,
so kann die Function J (0 ^^^ verschwinden, wenn der imaginäre
Theil von t zwischen ^ i und — ^ i liegt. Die Anzahl der Wurzeln
von I {£) = 0, deren reeller Theil zwischen 0 und T liegt, ist etwa
unter einer gegebenen Grösse. 139
T , 7 r
= lof*" — - :
denn das Integral f d\o^^(t) positiv um den Inbegriff der Werthe
von t erstreckt, deren imaginärer Theil zwischen \i und — \i und
deren reeller Theil zwischen 0 und T liegt, ist (bis auf einen Bruch-
tlieil von der Ordnung der Grösse „,) gleich (Tlog„ ^)^; dieses
Integral aber ist gleich der Anzahl der in diesem Gebiet liegenden
Wurzeln von 5(0 = ^^ multiplicirt mit 2JC^. Man findet nun in der That
etwa so viel reelle Wurzeln innerhalb dieser Grenzen, und es ist sehr
wahrscheinlich, dass alle Wurzeln reell sind. Hiervon wäre allerdings
ein strenger Beweis zu wünschen; ich habe indess die Aufsuchung
desselben nach einigen flüchtigen vergeblichen Versuchen vorläufig bei
Seite gelassen, da er für den nächsten Zweck meiner Untersuchung
entbehrlich schien.
Bezeichnet man durch a jede Wurzel der Gleichung | («) = 0, so
kann man log J(0 durch
ausdrücken; denn da die Dichtigkeit der Wurzeln von der* Grösse t
mit t nur wie log — - wächst, so convergirt dieser Ausdruck und wird
für ein unendliches t nur unendlich wie ^logf; er unterscheidet sich
also von log | {t) um eine Function von tt, die für ein endliches t
stetig und endlich bleibt und mit tt dividirt für ein unendliches t un-
endlich klein wird. Dieser Unterschied ist folglich eine Constante,
deren Werth durch Einsetzung von ^ = 0 bestimmt werden kann.
Mit diesen Hülfsmitteln lässt sich nun die Anzahl der Primzahlen,
die kleiner als x sind, bestimmen.
Es sei F(x\ wenn x nicht gerade einer Primzahl gleich ist, gleich
dieser Anzahl, wenn aber x eine Primzahl ist, um \ grösser, so dass
für ein x, bei welchem F{x) sich sprungweise ändert,
F{x) = n^' + 0) + i^(-^ - 0)
Ersetzt man nun in
iogg(.s) = — 2: log (1 —p-^) = zp--^ + ^up-'^ 4- i2:p-'' +
durch s
CC OD
I x~''~^dx, i>~"^* durch s j x~'~Ulx^
140 VJI. lieber die Anzahl der Primzahlen
SO erhält mau
s
wenn man
logJW ,.v,.,,-._,,;^
=jmx-
I'Xx) + i F(^) + i Fixi) + ■■■
durch f(x) bezeichnet.
Diese Gleichung ist gültig für jeden complexen Werth a -\- hi von
6', wenn a > 1. Wenn aber in diesem Umfange die Gleichung
0
gilt, so kann man mit Hülfe des Fourier 'sehen Satzes die Function h
durch die Function g ausdrücken. Die Gleichung zerfällt, wenn h(x)
reell ist und
g(a + hi) = g,(h) + ig.,{h),
in die beiden folgenden:
9i(P) = I ^K^)^~~" cos (b log x) ä log X,
«/
. 0
00
'^Oi^P) =^ — ^ I ^^(^)^~ " sin (h log x) d log x.
0
Wenn man beide Gleichungen mit
(cos (h log y) + l sin {h log y)\ dh
multiplicirt und von — oo bis -{- (x> integrirt, so erhält man in beiden
auf der rechten Seite nach dem Fourier'schen Satze 7tli{y)y—<^j also,
wenn man beide Gleichungen addirt und mit iy^ multiplicirt
a -\- <*i i
27tih(y) = J9{s)y'ds,
a — Qo i
worin die Integration so auszuführen ist, dass der reelle Theil von s
constant bleibt.
Das Integral stellt für einen Werth von y, bei welchem einö
sprungweise Aenderung der Function h{jj) stattfindet, den Mittelwerth
aus den Werthen der Function h zu beiden Seiten des Sprunges dar.
Bei der hier vorausgesetzten Bestimmungsweise der Function /*(.?;)
besitzt diese dieselbe Eigenschaft, und man hat daher völlig allgemein
unter einer gegebenen Grösse. 141
Für log ^ kann man nun den früher gefundenen Ausdruck
1 log ;t - log (s - 1) - log n (I) + Z" log (l + (-i^) + log 1(0)
substituiren; die Integrale der einzelnen Glieder dieses Ausdrucks
würden aber dann ins Unendliche ausgedehnt nicht convergiren, wes-
halb es zweckmässig ist, die Gleichung vorher durch partielle Inte-
gration in
a-j- oo »■
r ^ log m
f(oc) — / oc'^ds
' ^ ^ 2ni log X ,y ds
a — ao i
umzuformen.
Da
- log n(|) = lim (y log (l + ^) - l- log m),
n=l « "^
für m = oo, also
ds X > ds '
1
so erhalten dann sämmtliche Glieder des Ausdruckes für f(x) mit Aus-
nahme von
a-j- oo t
a — 00 i
die Form
a -j- oo t
— 2 Tri log .r «-^ ds
a — 00 i
Nun ist aber
^{\M^~j))
1
dß {ß-s)ß'
und, wenn der reelle Theil von s grösser als der reelle Theil von ß ist,
a-j- CO
1 /' x»ds x^ r li , j
2
142 VII. Ueber die Anzahl der Primzahlen
oder
X
0
je uaclidem der reelle Tlieil von ß negativ oder positiv ist. Man hat
daher
A^ l^g- . / --^ .T, ^ X'ds
;r '/ ' ' ~~ ds
a — 00 /
^/ -|- CO /
=i
X
". dx -\- const. im ersten
log X '
und
= / -1 dx + const. im zweiten Falle.
J log -^ '
Im ersten Falle bestimmt sich die Integrationsconstante, wenn
man den reellen Theil von ß negativ unendlich werden lässt; im
"zweiten Falle erhält das Integral von 0 bis x um 2ni verschiedene
Werthe^ je nachdem die Integration durch complexe Werthe mit posi-
tivem oder negativem Arcus geschieht^ und wird, auf jenem Wege ge-
nommen, unendlich klein, wenn der Coefficient von i in dem Werthe
von ß positiv unendlich wird, auf letzterem aber, wenn dieser Coef-
ficient negativ unendlich wird. Hieraus ergiebt sich, wie auf der linken
Seite log ( 1 — -ß) zn bestimmen ist, damit die Integrationsconstante
wegfällt.
Durch Einsetzung dieser Werthe in den Ausdruck von f(x) er-
hält man
t\x) = Li (x) - Z- {Li (;2;'^ + "') -f Li (*f^""0)
CO
/
1 X log X
'^" ■ log 1(0),
wenn in 2J" für a sämmtliche positiven (oder einen positiven reellen
Theil enthaltenden) Wurzeln der Gleichung J (a) = 0, ihrer Grösse
nach geordnet, gesetzt werden. Es lässt sich, mit Hülfe einer ge-
naueren Discussion der Function ^, leicht zeigen, dass bei dieser An-
ordnung der Werth der Reihe
unter einer gegebenen Grösse. 143
Z {Li {x^ + "') + Li (x" - "'■)) log ./:
mit dem Grenzwerth, gegen welchen
2 TT« ,/ ds
x'ds
])ei unaufhörlichem Wachsen der Grösse h convergirt, übereinstimmt;
durch veränderte Anordnung aber würde sie jeden beliebigen reellen
Werth erhalten können.
Aus f{x) findet sich L\x) mittelst der durch Umkehrung der
Relation
sich ergebenden Gleichung
worin für 7n der Reihe nach die durch kein Quadrat ausser 1 theil-
baren Zahlen zu setzen sind und ^ die Anzahl der Primlactoren von
m bezeichnet.
Beschränkt man 27" auf eine endliche Zahl von Gliedern^ so giebt
die Derivirte des Ausdrucks für f{oc) oder, bis auf einen mit wachsen-
dem X sehr schnell abnehmenden Theil,
._i 22;« ^Q^("^Qg^^) •'"
log X log X
einen angenüherten Ausdruck für die Dichtigkeit der Primzahlen +
der halben Dichtigkeit der Primzahlquadrate + \ von der Dichtigkeit
der Primzahlcuben u. s. w. von der Grösse x.
Die bekannte Näherungsformel F(x^) == Li(x) ist also nur bis
auf Grössen von der Ordnung x^ richtig und giebt einen etwas zu
grossen Werth; denn die nicht periodischen Glieder in dem Ausdrucke
von F(x) sind, von Grössen, die mit x nicht in's Unendliche wachsen,
abgesehen:
Li (x) — i Li (x^) - i Li (x^) — l Li (.r^) + i L^(x^)
-^Li{x^) + ---
In der That hat sich Lei der von Gauss und Gold Schmidt vor-
genommenen und bis zu x == drei Millionen fortgesetzten Vergleichung
von Li{x) mit der Anzahl der Primzahlen unter x diese Anzahl schon
vom ersten Hunderttausend an stets kleiner als Li{x) ergeben, und
144 VII. Ueber die Anzahl der Primzahlen etc.
zwar wächst die Differenz unter manclieji Schwankungen allmählich mit x.
Aber auch die von den periodischen Gliedern abhängige stellenweise
Verdichtung und Verdünnung der Primzahlen hat schon bei den Zäh-
lungen die Aufmerksamkeit erregt, ohne dass jedoch hierin eine Ge-
setzmässigkeit bemerkt worden wäre. Bei einer etwaigen neuen Zäh-
lung würde es interessant sein^ den Einfluss der einzelnen in dem
Ausdrucke für die Dichtigkeit der Primzahlen enthaltenen periodischen
Glieder zu verfolgen. Einen regelmässigeren Gang als F{x) würde die
Function f{x) zeigen, welche sich schon im ersten Hundert sehr deutlich
als mit Li {x) + log | (o) im Mittel übereinstimmend erkennen lässt.
VIII.
lieber die Fortpflanzung ebener Luftwellen von endlicher
Schwingungsweite.
(Aus dem achten Bande der Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Göttingen. 1860.)
Obwohl die Differentialgleichungen, nach welchen sich die Be-
wegung der Gase bestimmt, längst aufgestellt worden sind, so ist
doch ihre Integration fast nur für den Fall ausgeführt worden, wenn
die Druckverschiedenheiten als unendlich kleine Bruchtheile des ganzen
Drucks betrachtet werden können, und man hat sich bis auf die neueste
Zeit begnügt, nur die ersten Potenzen dieser Bruchtheile zu berück-
sichtigen. Erst ganz vor Kurzem hat Helmholtz auch die Glieder
zweiter Ordnung mit in die Rechnung gezogen und daraus die objective
Entstehung von Combinationstönen erklärt. Es lassen sich indess für
den Fall, dass die anfängliche Bewegung allenthalben in gleicher
Richtung stattfindet und in jeder auf dieser Richtung senkrechten Ebene
Geschwindigkeit und Druck canstant sind, die exacten Differential-
gleichungen vollständig integriren; und wenn auch zur Erklärung der
bis jetzt experimentell festgestellten Erscheinungen die bisherige Be-
handlung vollkommen ausreicht, so könnten doch, bei den grossen
Fortschritten, welche in neuester Zeit durch Helmholtz auch in der
experimentellen Behandlung akustischer Fragen gemacht worden sind,
die Resultate dieser genaueren Rechnung in nicht allzu femer Zeit
vielleicht der experimentellen Forschung einige Anhaltspunkte gewähren;
und dies mag, abgesehen von dem theoretischen Interesse, welches die
Behandlung nicht linearer partieller Differentialgleichungen hat, die
Mittheilung derselben rechtfertigen.
Für die Abhängigkeit des Drucks von der Dichtigkeit würde das
Boyle^sche Gesetz vorauszusetzen sein, wenn die durch die Druck-
veränderungen bewirkten Temperaturverschiedenheiten sich so schnell
ausglichen, dass die Temperatur des Gases als constant betrachtet
werden dürfte. Es ist aber wahrscheinlich der Wärmeaustausch ganz
zu vernachlässigen, und man muss daher für diese Abhängigkeit das
Kiümann'ö gesammelte mathematische Werke. I. 10
14G Vlll. Ueber die Fortpflanzung ebener Luftwellen
Gesetz zu Grunde legen, nach welchem sich der Druck des Gases mit
der Dichtigkeit ändert, wenn es keine Wärme aufnimmt oder abgiebt.
Nach dem Boyle'schen und Gay -Lussac'schen Gesetze ist, wenn
V das Volumen der Gewichtseinheit, p den -Druck und T die Tem-
peratur von — 273^0 an gerechnet bezeichnet,
log j) + log ^' = log ^ + const.
Betrachten wir hier T als Function von p und v und nennen die
specifische Wärme bei constantem Drucke c, bei constantem Volumen c ,
beide auf die Gewichtseinheit bezogen, so wird von dieser Gewichts-
einheit, wenn p und v sich um dp und dv ändern, die Wärmemenge
'd^^'^ + 'd^^i'
oder, da ,.—, — = o i '^ — = 1,
' ö log V c log p ^
T (c d log V -{- c d log _2))
aufgenommen. Wenn daher keine Wärmeaufnahme stattfindet, so ist
d\ogp = ,- dlogv, und also, weim man mit Poisson annimmt,
dass das Verhältniss der beiden specifischen Wärmen — = Jq von
Temperatur und Druck unabhängig ist,
log p = — h log V + const.
Nach neueren Versuchen von Regnault, Joule und W. Thomson
sind diese Gesetze für Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff und deren
Gemenge unter allen darstellbaren Drucken und Temperaturen wahr-
scheinlich sehr nahe gültig.
Durch Regnault ist für diese Gase eine sehr nahe Anschmiegung
an das Boyle^sche und Gay-Lussac'sche Gesetz und die Unabhängig-
keit der specifischen Wärme c von Temperatur und Druck festgestellt
worden.
Für atmosphärische Luft fand Regnault
zwischen — 30«C und -f lO^C c -=' 0,2377
+ lO^C „ + 100«C c = 0,2379
+ lOO^C „ + 215^0 c = 0,2376.
Ebenso ergab sich für Drucke von 1 bis 10 Atmosphären kein merk-
licher Unterschied der specifischen Wärme.
Nach Versuchen von Regnault und Joule scheint ferner für
diese Gase die von Clausius adoptirte Annahme Mayer's sehr nahe
richtig zu sein, dass ein bei constanter Temperatur sich ausdehnendes
Gas nur so viel Wärme aufnimmt, als zur Erzeugung der. äusseren
von endlicher Schwingungsweite. 147
Arbeit erforderlich ist. Wenn das Volumen des Gases sich um dv
ändert^ während die Temperatur constant bleibt, so ist d\og2^ = — dlogv,
die aufgenommene Wärmemenge T (c — c) d log v, die geleistete Arbeit
pdiK Diese Hypothese giebt daher, wenn A das mechanische Aequi-
valent der Wärme bezeichnet, .
AT (c — c) d log V = pdv
oder
, pv^
c c — -^,,
also von Druck und Temperatur unabhängig.
c
Hienach ist auch Je = — von Druck und Temperatur unabhängig
und ergiebt sich, wenn c = 0,237733, A nach Joule = 424,55 Kilogr.
met. und, für die Temperatur O^C oder T = ;,„-,, pv nach Regnault
0,d665' -^ °
= 7990^267 angenommen wird, gleich 1,4101. Die Schallgeschwindig-
keit in trockner Luft von O^C beträgt in der Secunde
y 7990'",267 . 9^^,8088 k
und würde also mit diesem Werthe von Je gleich 332°^,440 gefunden
werden, während die beiden vollständigsten Versuchsreihen von Moll
und van Beck dafür, einzeln berechnet, 332°',528 und 331^,867, ver-
einigt 332°',271 geben und die Versuche von Martins und A. Bravais
nach ihrer eignen Berechnung 332°',37.
1.
Für's erste ist es nicht nöthig über die Abhängigkeit des Drucks
von der Dichtigkeit eine bestimmte Voraussetzung zu machen; wir
nehmen daher an, dass bei der Dichtigkeit q der Druck cp^g) sei, und
lassen die Function cp vorläufig noch unbestimmt.
Man denke sich nun rechtwinklige Coordinaten x, y, z eingeführt,
die a;-Axe in der Richtung der Bewegung, und bezeichne durch q die
Dichtigkeit, durch p den Druck, durch u die Geschwindigkeit für die
Coordinate x zur Zeit t und durch co ein Element der Ebene, deren
Coordinate x ist.
Der Inhalt des auf dem Element w stehenden geraden Cylinders
von der Höhe dx ist dann adx^ die in ihm enthaltene Masse mqdx.
Die Aenderung dieser Masse während des Zeitelements dt oder die
Grösse ca ~2 dt dx bestimmt sich durch die in ihn einströmende Masse,
welche = — w -ß-^ dx dt gefunden wird. Ihre Beschleunigung ist
10*
148 VIII. Ueber die Fortpflanzung ebener Luftwellen
■^ + ^* ^ und die Kraft, welche sie in der Richtung der positiven
;r-Axe forttreibt, = — ^^ « dx = — (p {q) ~ a dx, wenn cp' {q) die
Derivirte von cp{Q) bezeichnet. Man hat daher für q und ii die beiden
Differentialgleichungen
dg dgu
dt ex
und p (^ + « g) = - ,p'(p) ll oder
du . du ,/ s ^ log p
^T -f- u ^T- = — CO (q) ~w --
dt ' dx ^ ^^^ ex
und --^-^^^^ -4- u ^^^^ = _ ^
Wenn man die zweite Gleichung, mit + V^p'^q) multiplicirt, zur ersteren
addirt und zur Abkürzung
(1) fV^J^cUogQ = f(Q) xmd
(2) /■((.) + « = 2r, /'(p) - « = 2s
setzt, so erhalten diese Gleichungen die einfachere Gestalt
^^) g? = - (« + i/'P (9)) g^' ät = - («-y«? (e)) a^,
worin ?f und q durch die Gleichungen (2) bestimmte Functionen von
r und 6" sind. Aus ihnen folgt
(4) ^^ = ä^ (^^' ~ (^^ + V^'((>))^^0
(5) c?5 == .-^ (c?^- — («( — ]/g)'((>))^0-
Unter der in der Wirklichkeit immer zutreffenden Voraussetzung,
dass (p\q) positiv ist, besagen diese Gleichungen, dass r constant
bleibt, wenn x sich mit t so ändert, dass dx = (u -{- y (p\Q))dty
und s constant bleibt, wenn x sich mit t so ändert, dass
dx = (u — y(p\Q))dt ist.
Ein bestimmter Werth von r oder von f^Q) + u rückt daher zu
grösseren Werthen von x mit der Geschwindigkeit l/qp'(?) + ^^ ^^»rt,
ein bestimmter Werth von s oder von fiß) — u zu kleineren Werthen
von X mit der Geschwindigkeit ycp\Q) — u.
Ein bestimmter Werth von r wird also nach und nach mit jedem
vor ihm stattfindenden Werthe von s zusammentreffen, und* die Ge-
schwindigkeit seines Fortrückens wird in jedem Augenblicke von dem
Werthe von s abhängen, mit welchem er zusammentrifft.
von endlicher Schwingungsweite. 149
Die Analysis bietet nun zunächst die Mittel, die Frage zu be-
antworten, wo und wann ein Werth r von r einem vor ihm befind-
lichen Werthe 8 von s begegnet, d. h. x und i als Functionen von r
und s zu bestimmen. In der That wenn man in den Gleichungen (3)
des vor, Art. r und s als unabhängige Variable einführt, so gehen
diese Gleichungen in lineare Differentialgleichungen für x und t über
und lassen sich also nach bekannten Methoden integriren. Um die Zurück-
führung der Differentialgleichungen auf eine lineare zu bewirken, ist
es am zweckmässigsten, die Gleichungen (4) und (5) des vorigen Art.
in die Form zu setzen:
(1) '^'- = £ 1'^ (- - (" + v<^'(o)) 0 + ['''■ ^0^ + 0
(2) äs = |i \^l (. - (n - y,'((.)) i) - \ä. ipfg^ + 1)
+^^^(-!-^-^m-
Man erhält dann, wenn man s und r als unabhängige Variable
betrachtet, für x und t die beiden linearen Differentialgleichungen:
d {x — (W + V(p'{Q))t) . / d log l/qp' (9)
dt
V (i log 9 /
\ dlogQ J
d {X — {u — y q>' {q)) t) ^' ^ ^<Zlog>/qp'(g) ^
In Folge derselben ist
(3) (x — (w + ycp'io) )t)dr ~ (x~ (u — V(p'(q) ) t) ds
ein vollständiges Differential, dessen Integral, iv, der Gleichung
d'^io 4. ( ^ log y^\Q)
drds
_ /dlo^V^WL - A = m C^ + 'pi
y d log Q ) \()r ' ds J
i]fenüö:t, worin m = ^ , ,, , ( — ^^^ — 1 | , also eine Function
^ ^ ' 2 >/95 (9) \^ r? log 9 y ^
von r -\- s ist. Setzt man /*(p) = r + 6* = (7, so wird > qp '.(^) = /loc"'
./ log ^
folglich m = — ^ — ^ — -.
Bei der Poisson'schen Annahme (piß) = ««()^ wird
^— 1
fiQ) = jrzj Q ' + const.
150 VIII. Ueber die Fortpflanzung ebener Luftwellen
und, wenn man für die willkürliche Constante den Werth Null wählt,
^>^ =={i- z:3l) i = ,
Jc — S
2 {k - 1) (r + s)
Unter Voraussetzung des Boyl ersehen Gesetzes (p{q) = aag erhält man
f^O) = «log 9
V^\9) + w = r — 6' + üj Ycp'^Q) — ti^=s — r-\-a
1
7)1 = — -—
2rt
Werthe, die aus den obigen fliessen, wenn man f(Q) um die Constante
. \ , also r und s um , *. vermindert und dann k = 1 setzt.
Die Einführung von r und s als unabhängig veränderlichen Grössen
ist indess nur möglich, wenn die Determinante dieser Functionen von
X und t^ welche = 2]/g)'(()) t^ ö— , nicht verschwindet, also nur, wenn
7^ und ^ beide von Null verschieden sind.
ex ex
Wenn ^=Oist,ergiebt sich aus (l)f/r =0 undaus (2)x — (ti — ycp'{Q) ) t
= einer Function von s. Es ist folglich auch dann der Ausdruck (3)
ein vollständiges Differential, und es wird iv eine blosse Function
von s.
Aus ähnlichen Gründen werden, wenn t^^ = 0 ist, s auch in
Bezug auf f constant, x — (ii -\~ y (p\q)) t und w Functionen von r.
Wenn endlich ,-- und t^— beide = 0 sind, i
0 X d X ^
der Differentialgleichungen r, s und w Constanten
Wenn endlich .-- und ^-; beide = 0 sind, so werden in Folge
Um die Aufgabe zu lösen, muss nun zunächst iv als Function von
r und s so bestimmt werden, dass sie der Differentialgleichung
und den Anfangsbedingungen genügt, wodurch sie bis auf eine Con-
stante, die ihr offenbar willkürlich hinzugefügt werden kann, be-
stimmt ist.
Wo und wann ein bestimmter Werth von r mit einem bestimmten
Werthe von s zusammentrifft, ergiebt sich dann aus der Gleichung
von endlicher Schwingungsweite. 151
(2) {x - iii + Wi^) ) t) elf - {x - (« - Y¥^) ) i) eis = <hv;
und hierauf findet man schliesslich u und p als Functionen von x und
t durch Hinzuziehung der Gleichungen
(3) . /■((.) + « = 2r, fiQ) - « = 2s.
In der That folgen, wenn nicht etwa in einer endlichen Strecke
dr oder ds Null und folglich r oder s constant ist, aus (2) die
Gleichungen
(4) ^-{^^ + V<p'{9))t = ^,
(5) x-(„-Y^))t = -^,
durch deren Verbindung mit (3) man u und q in x und t ausgedrückt
erhält.
Wenn aber r anfangs in einer endlichen Strecke denselben Werth
/ hat, so rückt diese Strecke allmählich zu grösseren Werthen von x
fort. Innerhalb dieses Gebietes, wo r = r, kann man dann aus der
Gleichung (2) den Werth von x — (?« + y^Xo)) t nicht ableiten, da
dr = 0; und in der That lässt die Frage, wo und wann dieser Werth
/ einem bestimmten Werthe von s begegnet, dann keine bestimmte
Antwort zu. Die Gleichung (4) gilt dann nur an den Grenzen dieses
Gebietes und giebt an, zwischen welchen Werthen von x zu einer
bestimmten Zeit der constante AVerth r' von r stattfindet, oder auch,
während welches Zeitraums r an einer bestimmten Stelle diesen Werth
behält. Zwischen diesen Grenzen bestimmen sich u und q als Func-
tionen von j:; und t aus den Gleichungen (3) und (5). Auf ähnlichem
Wege findet man diese Functionen, wenn s den Werth s in einem
endlichen Gebiete besitzt, während r veränderlich ist, sowie auch wenn
r und s beide constant sind. In letzterem Falle nehmen sie zwischen
gewissen durch (4) und (5) bestimmten Grenzen constante aus (3)
fliessende Werthe an.
4.
Bevor wir die Integi-ation der Gleichung (1) des vor. Art. in An-
griff nehmen, scheint es zweckmässig, einige Erörterungen vorauf-
zuschicken, welche die Ausführung dieser Integration nicht voraus-
setzen, lieber die Function (p{Q) ist dabei nur die Annahme nöthig, dass
ihre Derivirte bei wachsendem q nicht abnimmt, was in der Wirklich-
keit gewiss immer der Fall ist; und wir bemerken gleich hier, was
im folgenden Art. mehrfach angewandt werden wird, dass dann
152 VIII. lieber die Fortpflanzung ebener Luftwellen
^?~ = jV(«P. + (1 - «) ?.) du,'
wenn nur eine der Grössen q^ und q^ sich ändert, entweder constant
bleibt oder mit dieser Grösse zugleich wächst und abnimmt, woraus
zugleich folgt, dass der Werth dieses Ausdrucks stets zwischen (p\Qi)
und 9' (92) liegt.
Wir betrachten zunächst den Fall, wo die anfängliche Gleich-
gewichtsstörung auf ein endliches durch die Ungleichheiten a < .r < &
begrenztes Gebiet beschränkt ist, so dass ausserhalb desselben ti und
Q und folglich auch r und s constant sind; die Werthe dieser Grössen
für X <ia mögen durch Anhängung des Index 1, für a? > & durch den
Index 2 bezeichnet werden. Das Gebiet, in welchem r veränderlich
ist, bewegt sich nach Art. 1 allmählich vorwärts und zwar seine
hintere Grenze mit der Geschwindigkeit 'Yfp {q-^ + u^, während die
vordere Grenze des Gebiets, in welchem s veränderlich ist, mit der
Geschwindigkeit y(p\Q^ — ^2 rückwärts geht. Nach Verlauf der Zeit
h — a
V^P' (Qi) + V<P' (92) + u, — u.^
fallen daher beide Gebiete auseinander, und zwischen ihnen bildet sich
ein Raum, in welchem s = Sg und r = r^ ist und folglich die Gas-
theilchen wieder im Gleichgewicht sind. Von der anfangs erschütterten
Stelle gehen also zwei nach entgegengesetzten Richtungen fortschreitende
Wellen aus. In der vorwärtsgehenden ist s = Sg? es ist daher mit
einem bestimmten Werthe q der Dichtigkeit stets die Geschwindigkeit
w = f(Q) — 2^2 verbunden, und beide Werthe rücken mit der con-
stanten Geschwindigkeit
vorwärts. In der rückwärtslaufenden ist dagegen mit der Dichtigkeit
Q die Geschwindigkeit — f(Q) + ^^1 verbunden, und diese beiden
Werthe bewegen sich mit der Geschwindigkeit Ycp'^Q) + /"((>) — 2r^
rückwärts. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist für grössere Dichtig-
keiten eine grössere, da sowohl j/^X^^); ^1^ fio) ^^^ Q zugleich wächst.
Denkt man sich q als Ordinate einer Curve für die Abscisse x,
so bewegt sich jeder Punkt dieser Curve parallel der Abscissenaxe mit
constanter Geschwindigkeit fort und zwar mit desto grösserer, je grösser
seine Ordinate ist. Man bemerkt leicht, dass bei diesem Gesetze Punkte
mit grösseren Ordinateu schliesslich voraufgehende Punkte mit kleineren
Ordinaten überholen würden, so dass zu einem Werthe von x mehr
als ein Werth von q gehören würde. Da nun dieses in Wirklichkeit
von endlicher Schwingungsweite. 153
nicht stattfinden kann, so muss ein Umstand eintreten, wodurch dieses
Gesetz ungültig wird. In der That liegt nun der Herleitung der
Differentialgleichungen die Voraussetzung zu Grunde, dass u und q
stetige Functionen von x sind und endliche Derivirten haben; diese
Voraussetzung hört aber auf erfüllt zu sein, sobald in irgend einem
Punkte die Dichtigkeitscurve senkrecht zur Abscissenaxe wird, und von
diesem Augenblicke an tritt in dieser Curve eine Discontinuität ein,
so dass ein grösserer Werth von q einem kleineren unmittelbar nach-
folgt; ein Fall, der im nächsten Art. erörtert werden wird.
Die Verdichtungs wellen, d. h. die Theile der Welle, in welchen
die Dichtigkeit in der Fortpflanzungsrichtung abnimmt, werden dem-
nach bei ihrem Fortschreiten immer schmäler und gehen schliesslich
in Verdichtungsstösse über; die Breite der Verdünnungswellen aber
wächst beständig der Zeit proportional.
Es lässt sich, wenigstens unter Voraussetzung des Poisson'schen
(oder Boyle' sehen) Gesetzes, leicht zeigen, dass auch dann, wenn die
anfängliche Gleichgewichtsstörung nicht auf ein endliches Gebiet be-
schränkt ist, sich stets, von ganz besonderen Fällen abgesehen, im Laufe
der Bewegung Verdichtungsstösse bilden müssen. Die Geschwindigkeit,
mit welcher ein Werth von r vorwärts rückt, ist bei dieser Annahme
grössere Werthe werden sich also durchschnittlich mit grösserer Ge-
schwindigkeit bewegen, und ein grösserer W^erth r wird einen vorauf-
gehenden kleineren Werth /' schliesslich einholen müssen, wenn nicht
der mit /' zusammentreffende Werth von s durchschnittlich um
kleiner ist, als der gleichzeitig mit / zusammentreffende. In diesem
Falle würde s für ein positiv unendliches x negativ unendlich werden,
und also für x = -\- <x> die Geschwindigkeit u = -\- oo (oder auch
statt dessen beim Boyle'schen Gesetz die Dichtigkeit unendlich klein)
werden. Von speciellen Fällen abgesehen wird also immer der Fall
eintreten müssen, dass ein um eine endliche Grösse grösserer Werth
von r einem kleineren unmittelbar nachfolgt; es werden folglich, durch
ein Unendlichwerden von ^, die Differentialgleichungen ihre Gültig-
keit verlieren und vorwärtslaufende Verdichtungsstösse entstehen müssen.
ds
Ebenso werden fast immer, indem ö— unendlich wird, rückwärtslaufende
Verdichtungsstösse sich bilden.
154 VIII. Ueber die Fortpflanzung ebener Luft wellen
Zur Bestimmung der Zeiten und Orte, für welche |^ oder 1^
^ dx d X
unendlich wird und plötzliche Verdichtungen ihren Anfang nehmen,
erhält man aus den Gleichungen (1) und (2) des Art. 2., wenn man
darin die Function tv einführt,
dx \dr' ■+" \ dlogQ r ^jrj — i,
dx\ ds^ \ dlogQ r 7 7 ~" ^•
5.
AVir müssen nun, da sich plötzliche Verdichtungen fast immer
einstellen, auch wenn sich Dichtigkeit und Geschwindigkeit anfangs
allenthalben stetig ändern, die Gesetze für das Fortschreiten von Ver-
dichtungsstössen aufsuchen.
Wir nehmen an, dass zur Zeit t für x = ^ eine sprungweise
Aenderung von ti und q stattfinde, und bezeichnen die Werthe dieser
und der von ihnen abhängigen Grössen für x = ^ — 0 durch An-
hängung des Index 1 und für x = ^ -\- 0 durch den Index 2; die
relativen Geschwindigkeiten, mit welchen das Gas sich gegen die Un-
stetigkeitsstelle bewegt, u^^ — ^, ti^ ~, mögen durch v^ und ^g
bezeichnet werden. Die Masse, welche durch ein Element co der Ebene,
wo X = ^, im Zeitelement dt in positiver Richtung hindurchgeht, ist
dsimi = i\Qj^(Ddt = V2Q2^^^ diö ihr eingedrückte Kraft (^(^J — cp{Q^)codt
und der dadurch bewirkte Zuwachs an Geschwindigkeit v^ — v-^] man
hat daher
{^{Qi) — fp{Q2)) ^(^i = fe — ^i) ^\ Qi ^dt und v^ q^ = v^ Q2,
woraus
folgt t\
=
+
Vi
?1-
also
(1)
dh,
dt ~~
u,
±
Vt.
-Q9
= ih
1 /_£i_ <3P(gi) — qp(92)
^^ 92 9i — 92
Für einen Verdichtungsstoss muss q^ — Q\ dasselbe Zeichen, wie
^1 und v^^ haben und zwar für einen vorwärtslaufenden das nega-
tive, für einen rückwärtslaufenden das positive. Im erstem Falle
gelten die oberen Zeichen und q^ ist grösser, als q^'-, ^^ ist daher, bei
der zu Anfang des vorigen Artikels gemachten Annahme über die
Function 9(9)
(2) «, + 1/9'^ > II > «^ + y-^j^,
von endlicher Schwingungsweite. 155
und folglich rückt die Unstetigkeitsstelle langsamer fort als die nach-
folgenden und schneller als die voraufgehenden Werthe von r; i\ und
t\, sind also in jedem Augenblicke durch die zu beiden Seiten der Un-
stetigkeitsstelle geltenden Differentialgleichungen bestimmt. Dasselbe
gilt, da die Werthe von s sich mit der Geschwindigkeit yq)'(Q) — u
rückwärts bewegen, auch für 6., und folglich für q,^ und Wg, aber nicht
für s^. Die Werthe von s^ und -r- bestimmen sich aus f\, q.^ und u.^
eindeutig durch die Gleichungen (1). In der That genügt der Gleichung
(3) 2 {.,-r,) = /-(p.) ^ /TP.) + y^^-^lSjM^m
nur ein Werth von q^^-^ denn die rechte Seite nimmt, wenn q^^ von q.^
an in's Unendliche wächst, jeden positiven Werth nur einmal an, da
sowohl fXQi) als auch die beiden Factoren
l/^ _ l/^ und y^EM:^TM^
in welche sich das letzte Glied zerlegen lässt, beständig wachsen oder
doch nur der letztere Factor constant bleibt. Wenn aber q^ bestimmt
ist, erhält man durch die Gleichungen (1) offenbar völlig bestimmte
Werthe für i(, und ,^ .
'- dt
Ganz Aehnliches gilt für einen rückwärtslaufenden Verdichtungs-
stoss.
6.
Wir haben eben gefunden, dass in einem fortschreitenden Ver-
dichtungsstosse zwischen den Werthen von u und q zu beiden Seiten
desselben stets die Gleichung
stattfindet. Es fragt sich nun, was eintritt, wenn zu einer gegebenen
Zeit an einer gegebenen Stelle beliebig gegebene Unstetigkeiten vor-
handen sind. Es können dann von dieser Stelle, je nach den Werthen
von iq, Q^j 11.2, 92} entweder zwei nach entgegengesetzten Seiten laufende
Verdichtungsstösse ausgehen, oder ein vorwärtslaufender, oder ein
rückwärtslaufender, oder endlich kein Verdichtungsstoss, so dass die
Bewegung nach den Differentialgleichungen erfolgt.
Bezeichnet man die Werthe, welche ii und q hinter oder zwischen
den Verdichtungsstössen im ersten Augenblicke ihres Fortschreitens
annehmen, durch Hinzufügung eines Accents, so ist im ersten Falle
9 > ()i und > Q^f und man hat
156 VIII. Ueber die Fortpflanzung ebener Luftwellen
(1)
(2)
+ yK
Q2) (9(9') — yW)
. 9>i
Q2) (^(9') — 9(92))
9 92
Es muss also, da beide Glieder der rechten Seite von (2) mit q' zu-
gleich wachsen, ?f^ — u.^ positiv sein und
^ ^ '^'^ 9i92
und umgekehrt giebt es, wenn diese Bedingungen erfüllt sind, stets
ein und nur ein den Gleichungen (1) genügendes Werthenpaar von u
und q\
Damit der letzte Fall eintritt und also die Bewegung sich den
Differentialgleichungen gemäss bestimmen lässt, ist es nothwendig und
hinreichend, dass 7\ < r^ und s^ > Sg sei, also u^ — ^% negativ und
{u^ — ii^'^>__ (fiQi) — Z'fe)/- I^iö Werthe r^ und r^, Sj und s^ treten
dann, da der voraufgehende Werth mit grösserer Geschwindigkeit
fortrückt, im Fortschreiten auseinander, so dass die Unstetigkeit ver-
schwindet.
Wenn weder die ersteren, noch die letztern Bedingungen erfüllt
sind, so genügt den Anfangswerthen Ein Verdichtungsstoss, und zwar
ein vorwärts oder rückwärts laufender, je nachdem q^^ grösser oder
kleiner als Q2 i^^-
In der That ist dann, wenn Qi> Q2y
2(n — r^) oder f(Q^) — /(^a) + ^h — ^h
positiv, — weil (u^ — ihf < (f^Q^) — f(Q2)f — ; ^»^ zugleich
< f(vi)—f(Q->) + iÄKEräMÄEEr^
y QiQ-2
— weil
/ , ., \2 ^ (9i — 92) (y(9i) — y(92))_ .
V 1 27 =^ 9i92
es läs&t sich also für die Dichtigkeit q hinter dem Verdichtungsstoss
ein der Bedingung (3) des vor. Art. genügender Werth finden und
dieser ist <^ q^. Folglich wird, 'da / = fig) — r^, s^ = f{Q^) — r^,
auch s^s^, so dass die Bewegung hinter dem Verdichtungsstosse
nach den Differentialgleichungen erfolgen kann.
Der andere Fall, wenn Qi<Q2} ist offenbar von diesem nicht
wesentlich verschieden.
von endlicher Schwingungsweite. 157
7.
Um das Bisherige durch ein einfaches Beispiel zu erläutern, wo
sich die Bewegung mit den bis jetzt gewonnenen Mitteln bestimmen
lässt, wollen wir annehmen, dass Druck und Dichtigkeit von einander
nach dem Boyle'schen Gesetz abhängen und anfangs Dichtigkeit und
Geschwindigkeit sich bei x = 0 sprungweise ändern, aber zu beiden
Seiten dieser Stelle constant sind.
Es sind dann nach dem Obigen vier Fälle zu unterscheiden.
I. Wenn % — 1*9 > ^) ^^^o die beiden Gasmassen sich einander
entffeffen bewegen und (— -) > ~ —, so bilden sich zwei ent-
gegengesetzt laufende Verdichtungsstösse. Nach Art. 6. (1) ist, wenn
4
"[/- - durch a und durch 6 die positive Wurzel der Gleichung
U, — IL, 1
bezeichnet wird, die Dichtigkeit zwischen den Verdichtungsstössen
q' = 09 Yq^q.^, und nach Art. 5. (1) hat man für den vorwärtslaufen-
den Verdichtungsstoss
- = u.^ + aae^u + -,
für den rückwärtslaufenden
d^ e r a
dt ^ a 6 '
die Werthe der Geschwindigkeit und Dichtigkeit sind also nach Ver-
lauf der Zeit t, wenn
(0 \
n^ — a — ) ^ < u" < (iL, -\- aa 0) t,
u und q\ für ein kleineres x n^ und q^ und für ein grösseres u^ und p^-
IL Wenn ii^ — «^ < 0, folglich die Gasmassen sich aus einander
bewegen, und zugleich
2
("^"^)' > C^g t)'
so gehen von der Grenze nach entgegengesetzten Richtungen zwei all-
mählich breiter werdende Verdünnungswellen aus. Nach Art. 4. ist
zwischen ihnen r = }\, s = s.^, u = r^ — s^. In der vorwärtslaufenden
ist 8 = 82 und X — {u -\- a) t eine Function von ?*, deren Werth, aus
den Anfangs werthen t = 0,x = 0, sich = 0 findet; für die rückwärts-
laufende dagegen hat man r = ?\ und x — (ti — a) t = 0. Die eine
Gleichung zur Bestimmung von it und q ist also, wenn
158 VIII. Ueber die Fortpflanzung ebener Luftwellen
•T
für kleinere Werthe von x r = }\ und für grössere r = r./, die andere
Gleichung ist, wenn
(t(^ -~a)t <x < (?\ — s.^ — a)t, n = a -{- --,
für ein kleineres x s = s^ und für ein grösseres s = s^.
III. Wenn keiner dieser beiden Fälle stattfindet und Qi> Q2) so
entstellt eine rückwärtslaufende Verdünnungswelle und ein vorwärts-
schreitender Verdichtungsstoss. Für letzteren findet sich aus Art. 6, (ß),
wenn 9 die Wurzel der Gleichung
bezeichnet, q' = 60 (>2 und aus Art. 5, (1)
_ = w2 + «e =« + -g-
Nach Verlauf der Zeit t ist demnach vor dem Verdichtungsstosse, also
wenn x > (1(3 -\- ciQ) t, ti = u^, q = Q2, hinter dem Verdichtungsstosse
aber hat man r = r-^ und ausserdem, wenn
(«1 — d) t <ix <C i}^' — o) t, u == a + -7 ?
für ein kleineres x ii = u-^^ und für ein grösseres u = u\
IV. Wenn endlich die beiden ersten Fälle nicht stattfinden und
Qi ^92) so ist der Verlauf ganz wie in IIL, nur der Richtung nach
entgegengesetzt.
8.
Um unsere Aufgabe allgemein zu lösen, muss nach Art. 3. die
Function w so bestimmt werden, dass sie der Differentialgleichung
,.s ♦ d^w (dw , dio\ f.
und den Anfangsbedingungen genügt.
Schliessen wir den Fall aus, dass Un Stetigkeiten eintreten, so sind
offenbar nach Art. 1. Ort und Zeit oder die Werthe von x und t, für
welche ein bestimmter Werth / von r mit einem bestimmten Werthe
s von s zusammentrifft, völlig bestimmt, wenn die Anfangswerthe
von r und s für die Strecke zwischen den beiden Werthen / von r
und s von s gegeben sind und überall in dem Grössengebiet (S),
welches für jeden Werth von t die zwischen den beiden Werthen, wo
r = r und s == Sj liegenden Werthe von x umfasst, die Differential-
gleichungen (3) des Art. 1. erfüllt sind. Es ist also auch der Werth
vou endlicher Schwingungsweite. 159
von tv für r = r, s == s völlig bestimmt, wenn iv überall in dem
Grössengebiet {S) der Differentialgleichung (1) genügt und für die
Anfangswerthe von r und s die Werthe von 0^ und ~ also, bis auf
eine additive Constante, auch von iv gegeben sind und diese Constante
beliebig gewählt worden ist. Denn diese Bedingungen sind mit den
obigen gleichbedeutend. Auch folgt aus Art. 3. noch, dass -^ zwar
zu beiden Seiten eines Werthes r" von r, wenn dieser Werth in einer
endlichen Strecke stattfindet, verschiedene Werthe annimmt, sich aber
allenthalben stetig mit s ändert; ebenso ändert sich >, - mit r, die
Function tv selbst aber sowohl mit r, als mit s allenthalben stetig.
Nach diesen Vorbereitungen können wir nun an die Lösung un-
serer Aufgabe gehen, an die Bestimmung des Wertlies von iv für zwei
beliebige Werthe, / und s, von r und s.
Zur Yeranschaulichung denke man sich x und t als Abscisse und
Ordinate eines Punkts in einer Ebene und in dieser Ebene die (/urven
gezogen, wo r und wo s constante Werthe hat. Von diesen Curven
mögen die ersteren durch (r), die letzteren durch (s) bezeichnet und
in ihnen die Richtung, in welcher t wächst, als die positive betrachtet
werden. Das Grössengebiet {S) wird dann repräsentirt durch ein Stück
der Ebene, welches begrenzt ist durch die Curve (/), die Curve {s)
und das zwischen beiden liegende Stück der Abscissenaxe, und es
handelt sich darum, den Werth von w in dem Durchschnittspunkte
der beiden ersteren aus den in letzterer Linie gegebenen Werthen zu
bestimmen. Wir wollen die Aufgabe noch etwas verallgemeinern und
annehmen, dass das Grössengebiet iß), statt durch diese letztere Linie,
durch eine beliebige Curve c begrenzt werde, welche keine der Curven
{r) und {s) mehr als einmal schneidet, und dass für die dieser Curve
angehörigen Werthenpaare von r und s die Werthe von ~ und ^
gegeben seien. Wie sich aus der Auflösung der Aufgabe ergeben wird,
unterliegen auch dann diese Werthe von -^ und -^ nur der Bedingung,
sich stetig mit dem Ort in der Curve zu ändern, können aber übrigens
willkürlich angenommen werden, während diese Werthe nicht von
einander unabhängig sein würden, wenn die Curve c eine der Curven
(r) oder (5) mehr als einmal schnitte.
Um Functionen zu bestimmen, welche linearen partiellen Differential-
gleichungen und linearen Grenzbedingungen genügen sollen, kann man
ein ganz ähnliches Verfahren anwenden, wie wenn man zur Auflösung
160 VIII. Ueber die Fortpflanzung ebener Lnftwellen
eines Systems von linearen Gleichungen srimmtliclie Gleichungen, mit
unbestimmten Factoren multiplicirt, addirt und diese Factoren dann so
bestimmt, dass aus der Summe alle unbekannten Grössen bis auf eine
herausfallen.
Man denke sich das Stück (S) der Ebene durch die Curven (/•)
und (s) in unendlich kleine Parallelogramme zerschnitten und bezeichne
durch dr und ds die Aenderungen, welche die Grössen r und s erlei-
den, wenn die Curvenelemente, welche die Seiten dieser Parallelogramme
bilden, in positiver Richtung durchlaufen werden; man bezeichne ferner
durch V eine beliebige Function von r und s, welche allenthalben stetig
ist und stetige Derivirten hat. In Folge der Gleichung (1) hat man
dami
über das ganze Grössengebiet (S) ausgedehnt. Es muss nun die rechte
Seite dieser Gleichmig nach den Unbekannten geordnet, d. h. hier, das
Integral durch partielle Integration so umgeformt werden, dass es
ausser bekamiten Grössen nur die gesuchte Function, nicht ihre Deri-
virten enthält. Bei Ausführung dieser Operation geht das Integral
zunächst über in das über (S) ausgedehnte Integral
und ein einfaches Integral, welches sich, weil sich -y- mit s, y^ mit
r und iv mit beiden Grössen stetig ändert, nur über die Begrenzung
von (S) erstrecken wird. Bedeuten dr und ds die Aenderungen von
r und s in einem Begrenzungselemente, wenn die Begrenzung in der
Richtung durchlaufen wird, welche gegen die Richtung nach Innen
ebenso liegt, wie die positive Richtung in den Curven (r) gegen die
positive Richtung in den Curven (s), so ist dies Begrenzungsintegral
= — j (v (^ — mtv\ ds + w (tt77 + mtn dr\.
Das Integral durch die ganze Begrenzung von S ist gleich der
Summe der Integrale durch die Curven c, (s), (/), welche diese Be-
grenzung bilden, also, wenn ihre Durchschnittspunkte durch (c, /),
(c, s), (/, s) bezeichnet werden.
/
=/+/+/
Von diesen drei Bestandtheilen enthält der erste ausser der Function v
nur bekaimte Grössen, der zweite enthält, da in ihm ds = 0 ist, nur
von endlicher Schwingungsweite. 161
die unbekannte Function iv selbst, nicht ihre Derivirten; der dritte
Bestandtheil aber kann durch partielle Integration in
c, r
a' , r
verwandelt werden, so dass in ihm ebenfalls nur die gesuchte Function
w selbst vorkommt.
Nach diesen Umformungen liefert die Gleichung (2) offenbar den
Werth der Function iv im Punkte (/, s'), durch bekannte Grössen aus-
gedrückt, wenn man die Function v den folgenden Bedingungen ge-
mäss bestimmt:
1) allenthalben m b: ötö" H — ött H — ^ = 0
3v
2) für r = r : ^ 1- mv = 0
(3) ^ gl
3) für s = 5' : ^ 1- mv = 0
4) für r = /, s == s': v = 1.
Man hat dann
c, s'
9.
Durch das eben angewandte Verfahren wird die Aufgabe, eine
Function tv einer linearen Differentialgleichung und linearen Grenz-
bedingungen gemäss zu bestimmen, auf die Lösung einer ähnHchen,
aber viel einfacheren Aufgabe für eine andere Function v zurück-
geführt; die Bestimmung dieser Function erreicht man meistens am
Leichtesten durch Behandlung eines speciellen Falls jener Aufgabe
nach der Fourie raschen Methode. Wir müssen uns hier begnügen,
diese Rechnung nur anzudeuten und das Resultat auf anderem Wege
zu beweisen.
Führt man in der Gleichung (1) des vor. Art. für r und s als
unabhängig veränderliche Grössen ö = r -\- s und u = r — s ein und
wählt man für die Curve c eine Curve, in welcher 6 constant ist, so
lässt sich die Aufgabe nach den Regeln Fourier's behandeln, und
man erhält durch Vergleichung des Resultats mit der Gleichung (4)
des vor. Art., wenn r -\- s = a, / — s = ti gesetzt wird,
Riemann's gesammelte mathematische Werke. I. 11
162 VIII. Ueber die Fortpflanzung ebener Luftwellen
oo
V = ^ ycos n (« — tl) ^ (^^ (ö') t, ((?) — t, (ö') ti (o) ) dil,
0
worin i^^ ((?) und ifj^ ((>) zwei solche particulare Lösungen der Diffe-
rentialgleichung ilf" — 2mi^' + ft^^ = 0 bezeichnen, dass
Bei Voraussetzung des Poisson'schen Gesetzes, nach welchem
m = ( -^ 7. _ . ) — ; kann man ^^ und ip2 ^^^^i^cli bestimmte Integrale
ausdrücken, so dass man für v ein dreifaches Integral erhält, durch
dessen Reduction sich ergiebt
1 1
v= f- +'\ f(^ ^- ^ ^ 1 {r-r){s-s)\
Man kann nun die Richtigkeit dieses Ausdrucks leicht beweisen,
indem man zeigt, dass er wirklich den Bedingungen (3) des vor. Art.
genügt.
a
— fmdo >
Setzt man v = e ^' y, so gehen diese für y über in
d^y I /dm \ ^
und y = 1 sowohl für r = /, als für s = s. Bei der Poisson^schen
Annahme kann man aber diesen Bedingungen genügen, wenn mau an-
(^ 4« \ (ß ^^ g \
nimmt, dass y eine Function von 0 == — } — , — r-^-^—, — >^ sei. Denn es
wird dann, wenn man t — - durch A bezeichnet, m = — , also
dm X-\-V j
^ mm = 4— und
da 6^
dsdr ff'-^ Y^Hog^''* \ ^/ d log z J'
Es ist folglich V = ( — ) y und y eine Lösung der Differentialgleichung
oder nach der in meiner Abhandlung über die Gauss^sche Reihe ein-
geführten Bezeichnung eine Function
■^ [oi -\-xo '")
und zwar diejenige particulare Lösung, welche für 2 = 0 gleich 1 wird.
Nach den in jener Abhandlung entwickelten Transform ationsprin-
cipien l'ässt sich y nicht bloss durch die Functionen P(0, 2A + 1; 0),
von endlicher Schwingungsweite. 163
sondern auch durch die Functionen P(^, 0, A + i)? ^(^; ^ + i» '^ + i)
ausdrücken; mau erhält daher für y eine grosse Menge von Dar-
stellungen durch hypergeometrische Reihen und bestimmte Integrale,
von denen wir hier nur die folgenden
y^F{i + 1,-1, 1,4= ^-1 - 4 J'i- h - h l, jfn)
= (1. -5)-'-'- f{\ + l, 1 +X, \, j^)
bemerken, mit denen man in allen Fällen ausreicht.
Um aus diesen für das Poisson^sche Gesetz gefundenen Resultaten
die für das Boyle'sche geltenden abzuleiten, muss man nach Art. 2.
die Grössen r, s, r , s um y—{ vermindern und dann Ä; = 1 werden
lassen, wodurch man erhält m == — — und
2 a
(,. — r' -\-s — s')
jLj n! n! {2af"
ü
10.
Wenn man den im vor. Art. gefundenen Ausdruck für v in die
Gleichung (4) des Art. 8. einsetzt, erhält man den Werth von iv für
r==r, s = s durch die Werthe von tv, >, und ö— in der Curve c aus-
' ' or CS
gedrückt: da aber bei unserm Problem in dieser Curve immer nur t^
und -^ unmittelbar gegeben sind und w erst durch eine Quadratur aus
ihnen gefunden werden müsste, so ist es zweckmässig, den Ausdruck
für Wr',s' so umzuformen, dass unter dem Integralzeichen nur die Deri-
virten von w vorkommen.
Man bezeichne die Integrale der Ausdrücke — mvds -(- (y^ + nivj dr
und l~ + mv) ds — nivdr, welche in Folge der Gleichung
d'^v j^ dmv f^ dmv ^
drds ' dr ' ^s
vollständige Differentiale sind, durch P und 2 und das Integral von
Fdr -\- Eds, welcher Ausdruck wegen ^^ = — 7nv = ^ ebenfalls ein
vollständiges Differential ist, durch «.
Bestimmt man nun die Integrationsconstanten in diesen Integralen
so, dass (0, ~ und -^ für r = /, s = s verschwinden, so genügt a
den Gleichungen S- + t" + 1 == v, ^-^ = — niv und sowohl für
^ er ' CS ^ 'eres
11
164 VIII. Ueber die Fortpflanzung ebener Luftwellen etc.
r = r\ als fUr s = s der Gleichung co = 0 und ist, beiläufig bemerkt,
durch diese Grenzbedingung und die Differentialgleichung
sm + '" [IT- + 11+ 1) = 0
völlig bestimmt.
Führt man nun in dem Ausdrucke von Wr',s' für v die Function
G) ein, so kann man ihn durch partielle Integration in
c, s'
w,., = iv.. , + j ^g^ + 1) ^ rf, _ _ _ dr^
c, r
umwandeln.
Um die Bewegung des Gases aus dem Anfangszustande zu be-
stimmen, muss man für c die Curve, in welcher t = i) ist, nehmen;
in dieser Curve hat man dann -;^- = rr, -t^- = — x, und man erhält
Cr ^ OS ^
durch abermalige partielle Integration
c, .S-'
Wr'^s' -■= 1^c,r' -\- f(codx — X (Is) ,
c, r
folglich nach Art. 3., (4) und (5)
(2)
[x + (l/9P'((>) — ^^)i)r\,' == X,' — J j^ dx.
Xr'
Diese Gleichungen (2) drücken aber die Bewegung nur aus, so lange
T? + (^n^-+ 1) * ""d ^ + \-i^ + Ij < ^'i Null yer-
schieden bleiben. Sobald eine dieser Grössen verschwmdet, entsteht
ein Verdichtungsstoss, und die Gleichung (1) gilt dann nur innerhalb
solcher Grössengebiete, welche ganz auf einer und derselben Seite dieses
Verdichtungsstosses liegen. Die hier entwickelten Principien reichen
dann, wenigstens im Allgemeinen, nicht aus, um aus dem Anfangszustande
die Bewegung zu bestimmen; wohl aber kann man mit Hülfe der Gleichung
(1) und der Gleichungen, welche nach Art. 5. für den Verdichtungsstoss
gelten, die Bewegung bestimmen, wenn der Ort des Verdichtungsstosses
zur Zeit ^, also J als Function von ^, gegeben ist. Wir wollen indess
dies nicht weiter verfolgen und verzichten auch auf die Behandlung des
Falles, wenn die Luft durch eine feste Wand begrenzt ist, da die
Rechnung keine Schwierigkeiten hat und eine Vergleichung der Resultate
mit der Erfahrung gegenwärtig noch nicht möglich ist.
Xs'
äx
or
Xr'
IX.
Selbstanzeige der vorstehenden Abhandlung.
(Göttinger Nachrichten, 1859, Nr. 19.)
Diese Untersuchung macht nicht darauf Anspruch, der experimen-
tellen Forschung nützliche Ergebnisse zu liefern; der Verfasser wünscht
sie nur als einen Beitrag zur Theorie der nicht linearen partiellen
Differentialgleichungen betrachtet zu sehen. Wie für die Integration
der linearen partiellen Differentialgleichungen die fruchtbarsten Me-
thoden nicht durch Entwicklung des allgemeinen Begriffs dieser Auf-
gabe gefunden worden, sondern vielmehr aus der Behandlung specieller
physikalischer Probleme hervorgegangen sind, so scheint auch die
Theorie der nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen durch eine
eingehende, alle Nebenbedingungen berücksichtigende, Behandlung
specieller physikalischer Probleme am meisten gefördert zu werden, und
in der That hat die Lösung der ganz speciellen Aufgabe, welche den
Gegenstand dieser Abhandlung bildet, neue Methoden und Auffassungen
erfordert, und zu Ergebnissen geführt, welche wahrscheinlich auch bei
allgemeineren Aufgaben eine Rolle spielen werden.
Durch die vollständige Lösung dieser Aufgabe dürften die vor
einiger Zeit zwischen den englischen Mathematikern Challis, Airy und
Stokes lebhaft verhandelten Fragen*), soweit dies nicht schon durch
Stokes**) geschehen ist, zu klarer Entscheidung gebracht worden sein,
so wie auch der Streit, welcher über eine andre denselben Gegenstand
betreffende Frage in der K, K. Ges. d. W. zu Wien zwischen den Herrn
Petzval, Doppler und A. von Ettinghausen***) geführt wurde.
Das einzige empirische Gesetz, welches ausser den allgemeinen
Bewegungsgesetzen bei dieser Untersuchung vorausgesetzt werden
*) Phil. mag. voll. 33. 34. und 35.
**) Phil. mag. vol. 33. p. 349.
***) Sitzungsberichte der K. K. Gos. d. W. vom 15. Jan., 21. Mai und 1. Juni
1852.
1 Qß IX. Selbstanzeige der vorstehenden Abhandlung.
musste^ ist das Gesetz, nach welchem der Druck eines Gases sich mit
der Dichtigkeit ändert, wenn es keine Wärme aufnimmt oder abgiebt.
Die schon von Poisson gemachte, aber damals auf sehr unsicherer
Grundlage ruhende Annahme, dass der Druck bei der Dichtigkeit q
proportional ^^ sich ändere, wenn h das Verhältniss der specifischen
Wärme bei constaiftem Druck zu der bei constantem Volumen be-
deutet, kann jetzt durch die Versuche von Regnault über die speci-
fischen Wärmen der Gase und ein Princip der mechanischen Wärme-
theorie begründet werden, und es schien nöthig diese Begründung des
Poisson'schen Gesetzes, da sie noch wenig bekannt zu sein scheint,
in der Einleitung voranzuschicken. Der Werth von k findet sich dabei
= 1,4101, während die Schallgeschwindigkeit bei 0^ C. und trockner
332m 37
Luft nach den Versuchen von Martins und A. Bravais*) = — -,7* —
sich ergeben und für h den Werth 1,4095 liefern würde.
Obwohl die Vergleichung der Resultate unserer Untersuchung mit
der Erfahrung durch Versuche und Beobachtungen grosse Schwierig-
keiten hat und gegenwärtig kaum ausführbar sein wird, so mögen
diese doch, soweit es ohne Weitläufigkeit möglich ist, hier mitgetheilt
werden.
Die Abhandlung behandelt die Bewegung der Luft oder eines
Gases nur für den Fall, wenn anfangs und also auch in der Folge
die Bewegung allenthalben gleich gerichtet ist, und in jeder auf ihrer
Richtung senkrechten Ebene Geschwindigkeit und Dichtigkeit constant
sind. Für den Fall, wo die anfängliche Gleichgewichtsstörung auf
eine endliche Strecke beschränkt ist, ergiebt sich bekanntlich bei der
gewöhnlichen Voraussetzung, dass die Druckverschiedenheiten unendlich
kleine Bruchtheile des ganzen Drucks sind, das Resultat, dass von der
erschütterten Stelle zwei Wellen, in deren jeder die Geschwindigkeit
eine bestimmte Function der Dichtigkeit ist, ausgehen und in entgegen-
gesetzten Richtungen mit der bei dieser Voraussetzung constanten
Geschwindigkeit Y cp' (q) fortschreiten, wenn (p(q) den Druck bei der
Dichtigkeit q und (p'iß) die Derivirte dieser Function bezeichnet. Etwas
ganz ähnliches gilt nun für diesen Fall auch, wenn die Druckver-
schiedenheiten endlich sind. Die Stelle, wo das Gleichgewicht gestört
ist, zerlegt sich ebenfalls nach Verlauf einer endlichen Zeit in zwei
nach entgegengesetzten Richtungen fortschreitende Wellen. In diesen
ist die Geschwindigkeit, in der Fortpflanzungsrichtung gemessen, eine
bestimmte Function / ]/ 9?' (q) d log q der Dichtigkeit, wobei die
*) Ann. de chim. et de phys. Ser. III, T. XIII, p, 5.
IX. Selbstanzeige der vorstehenden Abhandlung. 167
Integrationsconstante in beiden verschieden sein kann; in jeder ist also
mit einem und demselben Werthe der Dichtigkeit stets derselbe Werth
der (Geschwindigkeit verbunden, und zvv^ar mit einem grösseren Werthe
ein algebraisch grösserer Werth der Geschwindigkeit. Beide Werthe
rücken mit constanter (lesch windigkeit fort. Ihre Fortpflanzungs-
geschwindigkeit im Gase ist V (p {q)j im Räume aber um die in der
Fortpflanzungsrichtung gemessene Geschwindigkeit des Gases grösser.
Unter der in der Wirklichkeit zutrefl'enden Voraussetzung, dass qp' (9)
bei wachsendem q nicht abnimmt, rücken daher grössere Dichtigkeiten
mit grösserer Geschwindigkeit fort, und hieraus folgt, dass die Ver-
dünnungswellen, d. h. die Theile der Welle, in denen die Dichtigkeit
in der Fortpflanzungsrichtung wächst, der Zeit proportional an Breite
zunehmen, die Verdichtungs wellen aber ebenso an Breite abnehmen,
und schliesslich in Verdichtungsstösse übergehen müssen. Die Gesetze,
welche vor der Scheidung beider Wellen oder bei einer über den ganzen
Raum sich erstreckenden Gleichgewichtsstörung gelten, so wie die
Gesetze für das Fortschreiten von Verdichtungsstössen, können hier,
weil dazu grössere Formeln erforderlich wären, nicht angegeben werden.
In akustischer Beziehung liefert demnach diese Untersuchung das
Resultat, dass in den Fällen, wo die Druckverschiedenheiten nicht als
unendlich klein betrachtet werden können, eine Aenderung der Form
der Schallwellen, also des Klanges, während der Fortpflanzung eintritt.
Eine Prüfung dieses Resultats durch Versuche scheint aber trotz der
Fortschritte, welche in der Analyse des Klanges in neuester Zeit durch
Helmholtz u. A. gemacht Avorden sind, sehr schwer zu sein; demi in
geringeren Entfernungen ist eine Aenderung des Klanges nicht merk-
lich, und bei grösseren Entfernungen wird es schwer sein, die maimig-
fachen Ursachen, welche den Klang modificiren können, zu sondern.
An eine Anwendung auf die Meteorologie ist wohl nicht zu denken,
da die hier untersuchten Bewegungen der Luft solche Bewegungen sind,
die sjch mit der Schallgeschwindigkeit fortpflanzen, die Strömungen in
der Atmosphäre aber allem Anschein nach mit viel geringerer Ge-
schwindigkeit fortschreiten.
X.
Ein Beitrag zu den Untersuchungen über die Bewegung eines
flüssigen gleichartigen Ellipsoides.
(Aus dem neunten Bande der Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Göttingen. 1861.)
Für die Untersuchungen über die Bewegung eines gleichartigen
flüssigen Ellipsoides, dessen Elemente sich nach dem Gesetze der
Schwere anziehen, hat Dirichlet durch seine letzte von Dedekind
herausgegebene xirbeit auf überraschende Weise eine neue Bahn ge-
brochen. Die Verfolgung dieser schönen Entdeckung hat für den
Mathematiker ihren besondern Reiz, ganz abgesehen von der Frage
nach den Gründen der Gestalt der Himmelskörper, durch welche diese
Untersuchungen veranlasst worden sind. Dirichlet selbst hat die
Lösung der von ihm behandelten Aufgabe nur in den einfachsten
Fällen vollständig durchgeführt. Für die weitere Ausführung der Unter-
suchung ist es zweckmässig, den Differentialgleichungen für die Be-
wegung der flüssigen Masse eine von dem gewählten Anfangszeit-
punkte unabhängige Form zu geben, was z. B. dadurch geschehen kann,
dass man die Gesetze aufsucht, nach, welchen die Grösse der Haupt-
axen des Ellipsoides und die relative Bewegung der flüssigen Masse
gegen dieselben sich ändert. Indem wir hier die Aufgabe in dieser
Weise behandeln, werden wir zwar die Dirichlet 'sehe Abhandlung
voraussetzen, müssen aber dabei zur Vermeidung von Irrungen gleich
bevorworten, dass es nicht möglich gewesen ist, die dort gebrauchten
Zeichen unverändert beizubehalten.
1.
Wir bezeichnen durch a, h, c die Hauptaxen des Ellipsoides zur
Zeit t, ferner durch x, y, z die Coordinaten eines Elements der flüssigen
Masse zur Zeit t und die Anfangswerthe dieser Grössen durch An-
hängung des Index 0 und nehmen an, dass für die Anfangszeit die
Hauptaxen des Ellipsoides mit den Coordinatenaxen zusammenfallen.
X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen über die Bewegung etc. 160
Den Ausgangspunkt für die Untersuchung Dirichlet's bildet be-
kanntlich die Bemerkung, dass man den Differentialgleichungen für.
die Bewegung der Flüssigkeitstheile genügen kann, wenn man die
Coordinaten x, y, z linearen Ausdrücken von ihren Anfangswerthen
gleichsetzt, in denen die Coefficienten blosse Functionen der Zeit sind.
Diese Ausdrücke setzen wir in 'die Form
(1)
X
=
l
3
«0
+
7n
+ n
y
=
r
«0
+
m
Vo
+ n
z
=
r
+
m"
Vo
+ n
Zn
Bezeichnet man nun durch J, rj, t, die Coordinaten des Punktes (o;, y, z)
in Bezug auf ein bewegliches Coordinatensystem, dessen Axen in jedem
Augenblicke mit den Hauptaxen des Ellipsoides zusammenfallen, so
sind bekanntlich |, r], J gleich linearen Ausdrücken von x, y, z
i = ccx + ßy + yz
(2) rj = ax + ß'y + yz
% = ci'x + ß"y + y'z
worin die Coefficienten die Cosinus der Winkel sind, welche die Axen
des einen Systems mit den Axen des andern bilden, a = cos ^x,
ß = cos ^y etc., und zwischen diesen Coefficienten finden sechs Be-
dingungsgleichungen statt, welche sich daraus herleiten lassen, dass
durch die Substitution dieser Ausdrücke
r- + n' + ?' = x' + y' + 0'
werden muss.
Da die Oberfläche stets von denselben Flüssigkeitstheilchen ge-
bilde
: wird, so muss
a' ~ ?>^ ' c' üo' ^ b,' ^ c,
sein;
setzt man also
1 = «^^ +^l^ +j,^
(3)
6 ' «„ ' '^' *o ' '^' Co
d. h. bezeichnet man in den Ausdrücken von — , ^, — durch — , |^, —
welche man durch Einsetzung der Werthe (1) in die Gleichungen (2)
170 X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
erhält, die Coefficienten durch a^, ß^, . . ., y'/^ so bilden diese Grössen
^.j ß.: ' - -y ?'/ ebenfalls die Coefficienten einer orthogonalen Coordinaten-
transformation : sie können betrachtet werden als die Cosinus der
Winkel, welche die Axen eines beweglichen Coordinatensystems der
?/7 V,7 5/ i^^it flen Axen des festen Coordinatensystems der oc, y, z
bilden. Drückt man die Grössen x^ y, z mit Hülfe der Gleichungen
(2) und (3) in ^, |^, ^- aus, so ergiebt sich
«Q Oy C,J
l = aaa -\- ha a' -\- ca" a"
m =aaß^'\- haß^ + ca' ß^"
n = aay^ -\- ha y' -f" ca' y'/
r = aßa^ + hß'a; + c^"«/'
(4) m' = aßß^ + hß'ß; + cß"ß:'
n = aßy, -\- h'ß'y^' + cß" v'/
l" = aya^ -{- hy a' -\- cy" a]'
m" = avß, + hy'ß: + cy" ß'/
n = ciy/^ -j- hy y^ -f- cy y^
Wir können daher die Lage der Flüssigkeit'stheilchen oder die Werthe
der Grössen l, m, . . ., n' zur Zeit t als abhängig betrachten von den
Grössen a, h, c und der Lage zweier beweglichen Coordinatensysteme
und können zugleich bemerken, dass durch Vertauschung dieser beiden
Coordinatensysteme in dem Systeme der Grössen /, m, n die Horizontal-
reihen mit den Vertikalreihen vertauscht werden, also l, m, n' un-
geändert bleiben, während von den Grössen m und T, n und l'\ n
und m" jede in die andere übergeht. Es wird nun unser nächstes
Geschäft sein, die Differentialgleichmigen für die Veränderungen der
Hauptaxen und die Bewegung dieser beiden Coordinatensysteme aus
den in der Dirichl et 'sehen Abhandlung (§. 1, 1) angegebenen Grund-
gleichungen für die Bewegung der Flüssigkeitstheilchen abzuleiten.
2.
Offenbar ist es erlaubt, in jenen Gleichungen, statt der Derivirten
nach den Anfangswerthen ^er Grössen Xj y, z^ welche dort durch
a, &, c bezeichnet sind, die Derivirten nach den Grössen ^, rj, t, zu
setzen; denn die hiedurch gebildeten Gleichungen lassen sich als Aggre-
gate von jenen darstellen- und umgekehrt. Wir erhalten dadurch, wemi
wir für ^^ ,■—,..., ^r- ihre Werthe einsetzen
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen EUipsoides. 171
(1) ^,2 a + ^ ß -f- -,,^> y = £ ^ -5—
worin V das Potential, P den Druck im Punkte x, y, z zur Zeit i und
£ die Constante bezeichnet, welche die Anziehung zwischen zwei Massen-
einheiten in der Entfernungseinheit ausdrückt.
Es handelt sich nun zunächst darum, die Grössen links vom Gleich-
heitszeiclien in die Form linearer Functionen von den Grössen |, y\^ J
zu setzen, wozu einige Vorbereitungen nöthig sind.
Durch Differentiation der Gleichungen 2) erhält man, wenn man
zur Abkürzung
dx \ ^y o I ^'^ fc'
dx „ , dy nn I cz „ w
setzt,
d^ da _i dß _\ (^7 \ t'
dr} da , dß' , dy' , ,
dt — dt '^ ^ dt ^^ ^ dt ^ ^ ^
und wenn man hierin x, ?/, z wieder durch ^, rj, J ausdrückt
r^ (da , dß r. ^ dy \ y , /f?« ^ , ^^ß ry , ^?y A
crj /da , f/ö' ^ , dy' \ y , (d a , . d ß' 3, , dy A
?v = (;7r « + ;7f /^ + ^TT >-) ^ + (<7r « + ,Tr /^ + rff 2^ ) -J
, /da ,, , (Zß' ^„ , dy '\ c, \ >
+ (d(-'' +dr^ +dr'' )?+•'
Nun giebt aber die Diiferentiation der bekannteu Gleichungeu
«' + /5' + 7' = 1 , ««' + /5^' + ?-/ = 0, etc.
172 X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
da . ^ dß , dy ^ , d a' ^, d ß' . , dy ^
„ da" . ri" dß" , ,, dy" ^
da
r =
'■5 + ll-i'?
r =
-q^+pn + U-
a ,, . dß' r," , dy ,, (da' , , dß!' ^, , dy" ,\
/Q\ <?«" I dß" rt , ^^y" /t^o: // , ^^ ü" \ dy ,A
(^) rfT « + ,Tr Z' + IT J' = - (-rfT « + TT ^ + ^ >' )
und es wird folglich, weiin man diese letzteren drei Grössen durch
Py q, r bezeichnet,
(4)
Durch ein ganz ähnliches Verfahren ergiebt sich aus den Glei-
chungen (2)
(5) g«'+3/3'+|^/= '-r + t-K
-gF« +1F'' +W^ =-'il +i"! +^,
und aus den Gleichungen Art. 1. 3), wenn j)^^ q^, r^ die Grössen be-
zeichnen, welche von den Functionen «^, /3^, . . ., y'' ebenso abhängen,
wie die Grössen p^ q^ r von den Functionen a, ß, . . ., y"
^-
a^ y] t
et ' & ^' c
d ''
(6) -^-P.^-rL
Setzt man die Werthe ||, I7, |f aus (6) in (4) ein, so erhält man
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen EUipsoides. 173
(7) r/ = (ar - hr) | + f | + (bp, - ep) |-
r = (c,,-«2)i-+(6,>-c;,)| + ^|-
Was die geometrische Bedeutung dieser Grössen betrifft, so sind, wie
leicht ersichtlich ist, ^', ?/, ^' die Geschwindigkeitscomponenten des
Punktes x, y, z der flüssigen Masse parallel den Axen J, r], J; -öy, ^y, 07
die ebenso zerlegten relativen Geschwindigkeiten gegen das Coordi-
natensystem der J, 7], J; ferner in den Gleichungen (1) die Grössen
auf der linken Seite die Beschleunigungen und die auf der rechten
die beschleunigenden Kräfte parallel diesen Axen; endlich sind p, q, r
die augenblicklichen Rotationen des Coordinatensystems der J, rj, J um
seine Axen und p^, q^y f\ haben dieselbe Bedeutung für das Coordinaten-
system der ^^, r}^, 5^.
3.
Wenn man nun die Werthe der Grössen J', rj', J' aus (7) in die
Gleichungen (5) substituirt und mit Hülfe der Gleichungen (6) die
ä n t .
Derivirten von — , -r , — wieder durch die Grössen ^, v, t ausdrückt,
so nehmen die Grössen auf der linken Seite der Gleichungen (1) die
Form linearer Ausdrücke von den Grössen |, t], J an. Auf der rechten
Seite hat V die Form
worin H^ Ä, B, C auf bekannte Weise von den Grössen a, h, c ab-
hängen-, und man genügt ihnen daher, wenn an der Oberfläche der
Druck den constanten Wertli Q hat, indem man
^=^^ + ^(}-^-^-9)
setzt und die zehn Functionen der Zeit «, h, c\ p, g, r; p^y q^, i\ und
G SO bestimmt, dass die neun Coefficienten der Grössen 5, r;, t, auf
beiden Seiten einander gleich werden und zugleich die aus der Incom-
pressibilität folgende Bedingungsgleichung ahc = Oq^Cq befriedigt wird.
Durch Gleichsetzung der Coefficienten von -, y, in der ersten und
von — in der zweiten Gleichung ergiebt sich
174 X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
^ + 2ftrr + 2cqq, - a (r^ + r; + f + ?/) = 2 1 - 2f «^
<^r -, dr^ . ^ da n f^^ \ i 7 o r\
dt dt ' t?^ f^*
dJ)
«'^-''li + 2^^-2^r+ «j,,9, + hM - 2cp,q = 0
Aus diesen Gleicliungen erhält man die sechs übrigen durch cyclische
Versetzung der Axen, oder auch durch beliebige Vertauschungen, wenn
man nur dabei beachtet, dass durch Vertauschung zweier Axen nicht
bloss die ihnen entsprechenden Grössen vertauscht werden, sondern
zugleich die sechs Grössen p, g_, - - -, r^ ihr Zeichen ändern.
Man kann diesen Gleichungen eine für die weitere Untersuchung
bequemere Form geben, wenn man statt der Grössen J>?, j?^; ^, q/-, r, r^
ihre halben Summen und Differenzen
, p — p , q — q f r — r
«=--'2--' «'=S- «'=-^
als unbekannte Functionen einführt.
Dadurch wird das System von Gleichungen, welchen die zehn
unbekannten Functionen der Zeit genügen müssen
(«)
{c — l)iC^-\-{c + l)iP + {c — a)v'^ + {c-\-a)v^ — ^^,==8cC ""
dt'
d^
dt' "^ c
(5 + c)^ + 2^^^±^m' + (& — c + 2a)W + (Z>-c — 2a)v'^t;==0
(c-^-a)^ + 2'^^'^"[''^^^ + (c — a + 26)W + (c— a— 26)^^^ii = 0
ahc == a^h^CQ,
Die Werthe von A, B, C ergeben sich aus dem bekannten Ausdrucke
für V
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen Ellipsoides. 175
worin
Nach ausgeführter Integration dieser Differentialgleichungen hat
man noch, um die Functionen a,ß^...,y' zu bestimmen, die all-
gemeine Lösung 0, 9', G" der Differentialgleichungen
iß) 'Z^ = ,e'_2e", '»*;=-,-e + ,,e", ^ = s6-i.e'
ZU suchen, — von welchen, wie aus Art. 2, (3) hervorgeht, a, a, a";
ßj ßj /3"5 Yy y'y y" die drei particularen Auflösungen sind, die für
^ = 0 die Werthe 1, 0, 0; 0, 1, 0; 0, 0, 1 annehmen, — und zur Be-
stimmung der Functionen a^, /3^, . . ., y[' die allgemeine Lösung der
simultanen Differentialgleichungen
4.
Es fragt sich nun, welche Hülfsmittel für die Litegration dieser
Differentialgleichungen (a), (/3), {y) die allgemeinen hydrodynamischen
Principien darbieten, aus denen Dirichlet sieben Litegrale erster Ord-
nung der durch die Functionen ?, m, . . ., n zu erfüllenden Differential-
gleichungen (§. 1. (a) ) schöpfte. Die aus ihnen fliessenden Gleichungen
lassen sich mit Hülfe der oben für J', ?^', ^ gegebenen Ausdrücke leicht
herleiten.
Der Satz von der Erhaltung der Flächen giebt
{l — cfu -[- (6 + cfu =g = a f + ß h' + y h^
(1) (c — a:)H + (c + afv =Ji== a (f -f /3' /^« + / y^
(a — lyiv + (a + Ifw = l- = a(f + ß"h^ + y'W
worin die Constanten (J\ JiPj Jc^, die Anfangswerthe von (/, h, A', mit den
Constanten ^, ^', ^'' in der Abhandlung von Dirichlet überein-
kommen; er liefert also das aus den sechs letzten Differentialgleichungen
(a) leicht zu bestätigende Resultat, dass. 6 = ^, 9' = h, 9" = Je eine
Lösung der Differentialgleichmigen (ß) ist.
Aus dem Helmholtz'schen Princip der Erhaltung der Rotation
folgen die Gleichungen
17G X- Ein Beitrag zu den Untersuchungen
(h - cfu - (h + cfAi =g, = a^ g^ + /3^ h^ + y^ l^
(2) {c —dfv - (c + dfv = li^ = «; ry; + /3; /^^<^ + y[ h^"
(a - h)hv - (a + h)Hv = Ic^ = a'/g^ + ß'/h^ + y'/h^
in welchen die Constanten g^, h^, h^ den Grössen BC^, CA^, AB^
der genannten Abhandlung gleich sind.
Der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft endlich giebt
ein Integral erster Ordnung der Differentialgleichungen («)
0) ' +{h — cfu' + {c — a)h^ +{a — hfw' = 2 flT + const.
+ (/, + cftP + (c + afv' + (a + hfw'' ) '
Aus den Gleichungen (1) und (2) folgen zunächst noch zwei In-
tegrale der Gleichungen (a)
(II) g' + h' + l' = const. = «2
(III) g;' -K/^; + rf = const. = «/.
Ferner lassen sich von den Gleichungen (ß) zwei Integrale
(IV) e^ + 0'2 + e"2 = const.
(V) e^ + Q'h + Q'lc = const.
angeben, wodurch ihre Integration allgemein auf eine Quadratur zurück-
geführt wird. Zur Aufstellung ihrer allgemeinen Lösung ist es jedoch,
da sie linear und homogen sind, nur nöthig, noch zwei von der Lösung
g, h, h verschiedene particulare Lösungen zu suchen, für welchen Zweck
man die willkürlichen Constanten in diesen beiden Integralgleichungen
so wählen kann, dass sich die Rechnung vereinfacht. Giebt man beiden
den Werth Null, so hat man
(3) e'^ -f e"/.- = - ge,
und ferner erhält man, wenn man diese Gleichung quadrirt und dazu
die Gleichung
multiplicirt mit li^ -f- ]i^, addirt
— (e'/j - Q'lif = w^e'^
folglich
(4) 67^ — e'7i = öie
Durch Auflösung dieser beiden linearen Gleichungen (3) und (4)
findet sich
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen EUipsoides. 177
(5) ö _----p-^-^— e
und durch Einsetzung dieser Werthe in die erste der Gleichungen (j3)
dg
1 de "" ^ rfT , r^- -|- qh
e ^ ~ h' + /:=^ ■" Tm^F'" "^
(7) log e = i log (7/^ + /r) + « .• Jl^J-^.f ^^^ + const.
Aus dieser in (5), (G) und (7) enthaltenen Lösung der Differential-
gleichungen iß) erhält man eine dritte, indem man für |/ — 1 überall
— ]/— 1 setzt, und es ist dann leicht aus den gefundenen drei par-
ticularen Lösungen die Ausdrücke für die Functionen a, ß^...^ y"
zu bilden.
Die geometrische Bedeutung jeder reellen Lösung der Differential-
gleichungen (ß>) besteht darin, dass sie, mit einem geeigneten con-
stanten Factor multiplicirt, die Cosinus der Winkel ausdrückt, welche
die Axen der |, r]y J zur Zeit t mit einer festen Linie machen. Diese
feste Linie wird für die erste der drei eben gefundenen Lösungen
durch die Normale auf der unveränderlichen Ebene der ganzen be-
wegten Masse gebildet, für den reellen und den imaginären Bestand-
theil der beiden andern durch zwei in dieser Ebene enthaltene und
auf einander senkrechte Linien. Die Cosinus der Winkel zwischen den
Axen und iener Normalen sind demnach — , - , - : die Lage der
•' CO ' OJ ' CO ' °
Axen gegen diese Normale ergiebt sich also nach Auflösung der
Gleichungen («) ohne weitere Integration und zur vollständigen Be-
stimmung ihrer Lage genügt eine einzige Quadratur, z. B. die Litegration
. . T To- dt, welche die Drehuns: der durch die Normale und die
t
a
ü
J h'^-i-k' ^^"^ ö
Axe der | gehenden Ebene um die Normale giebt.
Ganz Aehnliches gilt von den Differentialgleichungen (y). Man
kaim auf demselben Wege aus den beiden Integralen
(VI) 6/ + e;- + e;'^ = const.
(VII) e'/j^ -f e;/^^ + e/'A-^ = const.
ihre allgemeine Lösung und folglich auch die Werthe der Grössen
a, /3 , . . ., y" zur Zeit t ableiten, und es wird dabei nur eine Qua-
dratur erforderlich sein. Es ergiebt sich dann schliesslich der Ort eines
RfEMANN's gpsamraelte mathematische Werke. I. 12
178 X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
beliebigen Flüssigkeitstheilcbens zur Zeit t aus den oben (Art. 1, 1
und 4) für die Grössen x^ y, z und die Functionen Ij m, . . ., n" ge-
gebenen Ausdrücken.
5.
Wir wollen uns jetzt Rechenschaft darüber geben, was durch die
Zurückftthrung der Difterentialgleichungen zwischen den Functionen
/, m, ..., n" (der Differentialgleichungen (a) §. 1 bei Dirichlet) auf
unsere DifPerentialgleichungen für das Geschäft der Integration ge-
wonnen ist. Das System der Differentialgleichungen (a) ist von der
sechszehnten Ordnung, und man kennt von denselben sieben Integrale
erster Ordnung, wodurch es auf ein System der neunten Ordnung,
zurückgeführt wird. Das System (a) ist nur von der zehnten Ord-
nung, und man kennt von demselben noch drei Integrale erster
Ordnung. Durch die hier bewirkte Umformung jener Differential-
gleichungen ist also die Ordnung des noch zu integrirenden Systems
von Differentialgleichungen um zwei Einheiten erniedrigt, und man
hat statt dessen nur schliesslicli noch zwei Quadraturen auszuführen.
Diese Umformung leistet also dasselbe, wie die Auffindung von zwei
Integralen erster Ordnung.
Wir bemerken indess ausdrücklich, dass hierdurch unsere Form
der Differentialgleichungen nur für die Integration und die wirkliche
Bestimmung der Bewegung einen Vorzug erhält. Für die allgemein-
sten Untersuchungen über diese Bewegung ist dagegen diese Form der
Differentialgleichungen weniger geeignet, nicht bloss, weil ihre Iler-
leitung weniger einfach ist, sondern auch desshalb, weil der Fall der
Gleichheit zweier Axen eine besondere Betrachtung erfordert. Bei
Gleichheit zweier Axen tritt nämlich der besondere Umstand ein, dass
die ihnen zu gebende Lage durch die Gestalt der flüssigen Masse nicht
völlig bestimmt ist; sie hängt dann im Allgemeinen auch von der
augenblicklichen Bewegung ab und bleibt nur dann willkürlich, wenn
diese Bewegung so beschaffen ist, dass die Axen fortwährend einander
gleich bleiben. Die Untersuchung dieses Falles ist zwar immer leicht
und bedarf daher keiner weiteren Ausführung, kann aber in speciellen
Fällen noch wieder besondere Formen annehmen, und die allgemeinen
Untersuchungen, wie z. B. der allgemeine Nachweis der Möglichkeit
der Bewegung (§. 2 bei Dirichlet), würden daher wegen der Menge
von besonders zu behandelnden Fällen ziemhch weitläufig werden.
Ehe wir zur Behandlung von speciellen Fällen schreiten, in wel-
chen sich die Differentialgleichungen (a) integriren lassen, ist es zweck-
mässig, zu bemerken, dass in einer Lösung dieser Differentialgleichun-
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen Ellipsoides. 179
gen, wie unmittelbar aus der Form dieser Gleichungen hervorgeht,
jede Zeichenänderung der Functionen n, v,.,.jiv' zulässig ist, bei
welcher nvii\ nviv, liviv, u'viv ungeändert bleiben. Es können also
erstens die Zeichen der Functionen ii\ v , iv' gleichzeitig geändert wer-
den, und dadurch werden die Grössen a, ß, . . . , y" mit den Grössen
«y? ß,i '-•) y!\ ^^so in dem System der Grössen l, m, ..., w" die
Horizontalreihen mit den Verticalreihen vertauscht. Zweitens können
gleichzeitig zwei der Grössenpaare t(,ii'] v,V'^ iv,w' mit den entgegen-
gesetzten Zeichen versehen werden, und diese Aenderung lässt sich
auf eine Aenderung in dem Zeichen einer Coordinatenaxe zurückführen,
wobei die Bewegung in eine ihr symmetrisch gleiche übergeht. In
dieser Bemerkung ist der von Dedekind gefundene Reciprocitätssatz
enthalten.
6.
Wir wollen nun den Fall untersuchen, in welchem eins der
Grössenpaare n,u; v,V'^ iv,iv fortwährend gleich Null ist, also z. B.
u = u = 0; die geometrische Bedeutung dieser Voraussetzung ist
diese, dass die Hauptaxe a stets in der unveränderlichen Ebene der
ganzen bewegten Masse liegt und die augenblickliche Kotationsaxe
auf dieser Hauptaxe senkrecht steht.
Aus den sechs letzten DifFerentiiilgleichungen (a) folgt sogleich,
dass in diesem Falle die Grössen
{^) (c — af V, (c + af Vj {a — hf iv, (a -{- hf iv
constant sind und die Gleichungen
.. (?> + c — 2a) viv + (?> + c + 2«) r' ?<;' = 0
"^ {h '- c -\- 2a) viv -{- {b ~- c — 2a) v' tu = 0
stattfinden müssen.
Bei der weiteren Untersuchung ist zu unterscheiden, ob noch ein
zweites der drei Grössenpaare Null ist oder nicht, und wir können im
Allgemeinen nur noch bemerken, dass in Folge der Gleichungen (fi)
die Grössen /*, Je, h^, h^ constant sind und folglich auch die Winkel
zwischen den Hauptaxen und der unveränderlichen Ebene der ganzen
bewegten Masse, und dass dann ferner aus den Differentialgleichungen
{§>) und {y) die Verhältnissgleichungen
9 '. h : Ix = p : q : r
folgen, wodurch die Lösungen dieser Gleichungen sich vereinfachen.
12*
180 X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
Erster Fall. Nur eins der drei Grössenpaare u,u'; v,v'] iv^w' ist gleich Null.
Wenn weder zugleich v und v\ noch zugleich w und w' Null sind,
folgt aus den Gleichungen (fi) und (v)
v' 2 (2a— b — c) {2a -\- h — c) /g — c\^
^ ' w~ (2a — & — c) (2« — l) -\- c) /a — h\^
«^ ■"" (2a + & + c) {^cT^h^^) ~ \a-\-h) ^^^^^*'
woraus sich mit Hinzuziehung von
ahc '-= const.
ergiebt, dass a, h, c und folglich auch v,Vy iv,w constant sind.
Setzen wir nun
01 2 -ji 2
s
(2a + 6 4- c) (2a — fc + c) (2a — & — c) (2a + 6 — c)
«^^^ ^ ^^' ' ^ /TT
(2a + 6 + c) (2a + & — c) (2a — 5 — c) (2a — & + c)
SO erhalten wir aus den drei ersten Differentialgleichungen (a) die drei
Gleichungen
(3) (4^2 _ 2>2 _ 3^2) ^ _|_ (^4^2 __ 352 _ ^2) 2^ _ ^^^ __ J_
(4)
Um hieraus die Werthe von S, T und a abzuleiten, bilde man aus
den Gleichungen (4) die Gleichungen
h^T-{-c's='-^ r
sds
A (6^ + s) {€' + s)
ö
rp I n O £7r /* ds
0
2b' c' 2 J A(6^ 4- s) {c' 4- s)
0
und substituire diese Werthe in der Gleichung (3)
^2 2 a'' y
(4a^ _ ?>^ _ c^) (T + ^) - 2 (h'T + c'S) = '^ - ,^,
wodurch man
/p. Dg ^ ?7r /* r/s /2s + 4a- — &^ — c^ , 1 \
^ -^ 2a'''52c''^ ~ ^ J A \ (6^~4-^)7?"4- s) ^ ■1 a^ + sj
0
erhält, wenn zur Abkürzung
(6) 4 a* — a'^ (//"^ + c^) + 7/c^ = D
gesetzt wird.
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen Ellipsoides. 181
Durch Einsetzung des Werthes von a in die Gleichungen (4)
findet sich dann
. bjj-^c;' /) S' = i^ r ^^^ (^ay- cl + h^ __ i>^ \
^V ^'-^ -- a'^ 2J A(b''-\-s)\ c'^-s" a' + s)
u
CO
{Q\ ^' ZZJ^' T)T—^^r *^^^- /•*«" — b- -\- c' ^\
\^) c2 — a' ^ ^ 2 J A (c^ + «) \ b' + 8 a' 4- sj *
0
Es bleibt nun noch zu untersuchen, welchen Bedingungen a, h, c
genügen müssen, damit sich aus den Gleichungen (7) und (8) und den
Gleichungen (2) für v, Vy iv, w reelle Werthe ergeben.
Damit ( — ) und | — j nicht negativ werden, ist es nothwfendig
und hinreichend, dass die Grösse
(4a2 -{h + cf) {Act' — Q) — cf) > 0
sei. Es muss also a^ entweder > ( ^ | oder < / — ^^\ sein.
Wenn a > ^ , müssen die Grössen S und T beide > 0 sein,
damit die Gleichungen (2) für v^v'j iv,tv' reelle Werthe liefern. Man
b -\- c
kann nun aber leicht zeigen, dass, wenn a ^ 7^ , B und die beiden
Integrale auf der rechten Seite der Gleichungen (7) und (8) immer
positiv sind. Man hat dazu nur nöthig, D in die Form zu setzen
ä' (4fr^ — ih-\- cf) + hc (2a- + hc)
und das in (7) enthaltene Integral in die Form
QO
17^»/ '^' ((^«' -c')s + «^ (4«^ + V- e) - Vc')
u
b -\- c .
und dann zu bemerken, dass aus a > --f— die folgenden Ungleich-
heiten fliessen, 4a^ — {h -\- cf > 0, 4a^ — c^ > 0, ferner
4,a' ^l'^ — c' >(b + cf + h' - c' = 2h{h + c)
und folglich
a- (4^2 + W - c") > 2& (& + c) «2 > ^ 6(6 + cf > h^c\
Aus diesen Ungleichheiten folgt, dass sowohl D, als das betrachtete
Integral nur positive Bestandtheile hat, und dasselbe gilt auch von
dem Integral auf der rechten Seite der Gleichung (8), welches aus
diesem durch Vertauschung von h und c erhalten wird. Lassen wir
;[32 X- Ein Beitrag zu den Untersuchungen
nun a die Werthe von -^— bis oo durchlaufen, so wird, wenn h^c,
T immer positiv bleiben, >S' aber nur so lange a <Ch. Die Bedingungen
für diesen Fall sind also, wenn h die grössere der beiden Axen h und c
bezeichnet,
(I) ^<a<h.
Für die Untersuchung des zweiten Falles, wenn a'^ < l — ^l?
wollen wir annehmen, dass h die grössere der beiden Axen h und c
sei, so dass a< — —. Es muss dann, damit v,v', tü,tv reell werden,
jS' < 0 und T > 0 sein. Da aus den Un^fleichheiten
I
¥>(2a + cf>Aa'-\-c'
hervorgeht, dass das Integral auf der rechten Seite der Gleichung (8)
in unserm Falle stets negativ ist, so wird die letztere Bedingung T > 0
nur erfüllt werden, wenn D (er — ci^) > 0, also c^ entweder < —\ ., ~" .^ ,
oder >- ar ist. Dieser Fall spaltet sich also wieder in zwei Fälle, und
diese sind, da —\^ ^ < a^ durch einen endlichen Zwischenraum
getrennt, so dass von einem zum andern kein stetiger Uebergang
stattfindet. Da das Integral in der Gleichung (7), so lange c'^ <i a^
ist, wegen der beiden Ungleichheiten c^ -\- s <i a^ -\- s^ Acr — c^-\-lß'^h^
nur positiv sein kann, so reduciren sich die zu erfüllenden Bedingungen
im ersten dieser Fälle auf a < — - — oder
(II) c£'b-2a und c' < '''%Zlf^
und im zweiten auf
(III) a < '-^ und f^'ß^-. fl^T-l~±^' - J^ < 0.
ü
Es ist leicht zu sehen, dass das Integral auf der linken Seite der
letzten Ungleichheit, wenn a die Werthe von 0 bis c durchläuft,
negativ bleibt, so lange a <. - ist, während es für a = c einen posi-
tiven Werth annimmt; die genaue Bestimmung der Grenzen aber,
innerhalb deren diese Ungleichheit erfüllt ist, hängt, wie man sieht,
von der Auflösung einer transcendenten Gleichung ab.
In Bezug auf das Zeichen von (7, welches bekanntlich entscheidet, ob
die Bewegung ohne äussern Druck möglich ist, können wir bemerken,
dass sich der oben gefundene Werth dieser Grösse in die Form •
über die Bewegung eines flüäbigen gleichartigen Ellipsoides. 183
* 'is' -f Ga-s 4- I) -.
^"Ä-5 — ' — ds
setzen Hisst, und also in den Fällen I und III, wo Z> > 0, jedenfalls
positiv ist, für einen negativen Werth von D aber, wenigstens so
lange dieser Werth absolut genommen unter einer gewissen Grenze
liegt, negativ wird.
7.
Ziveiter FdU. Zivei der Grössenpaare u,u; v,v'; w,w' sind (jlcich NuU.
Wir haben nun noch den Fall zu behandeln, wenn zwei der
Grössenpaare w, u\ v, v \ tv, iv fortwährend Null sind, und also nur um
eifte Hauptaxe eine Rotation stattfindet.
Wenn ausser u und u' auch v und v' fortwährend Null sind, so
reduciren sich die Gleichungen (ft) und (y) auf
{a — hy^iv = const. = r (<^ + ^fw = const. = r'
und die ersten drei Differentialgleichungen («) liefern daher die Glei-
chuniTcn
o
(1)
{b - ay ' [b + a)3 ^ dt'
d^c
dt' ^^^ c
welche verbunden mit
abc = cIq})qC^)
die Grössen a, &, c und (5 als Functionen der Zeit bestimmen. Das
Princip der Erhaltung der lebendigen Kraft giebt für diese Differential-
gleichungen das Integral- erster Ordnung
(2) i (©^ + i$i + &) + '.-w + (irw = 2^^ + --*•
woraus unmittelbar hervorgeht, dass wenn x nicht Null ist, die Haupt-
axen a und h nie einander gleich werden können.
Ausser den schon von Mac-L aurin und Dirichlet untersuchten
Fällen, wenn a = h, lässt noch der Fall, wenn die Grössen a, h, c
constant sind, eine Bestimmung der Bewegung in geschlossenen Aus-
drücken zu. In diesem Falle erhält man aus (1) durch Elimination
von c die beiden Gleichungen
184 ^- Eiii Beitrag zu den Untersuchungen
(3)
{b-i-ay '
(& - ar
b J A {b-' -\-s) {&' + s)
ü
r'2
r«
00
f7c /* ds {a^ — c2)s
(5 + a)3
(& - ar
~ « / A («^ + s) (c2 + s)
{b''-c')s _^
= Z
worin die Integrale auf der rechten Seite durch K und L bezeichnet
werden mögen; sie lassen sich auch in die Form setzen
KV «^' " — jyj^aY — 2 J A \(a''+ s) {b' + 1>) ab (c^'sj)
ü
/p.N 2 ■'^^ £7t /* ds / s — ab _L ^^ \
[p) IV- ^ - _ ^^^ "" ~2" J AT (^(a'^ -f "sH^'~+~s) ' aö(c2 4-5)"/ '
ü
Nehmen wir an^ dass h, wie in den früher betrachteten Fällen,
die grössere der beiden Axen a und 6 bezeichne, so liefern diese bei-
den Gleichungen dann und auch nur dann für t^ und r'^ positive Werthe,
wenn K positiv und abgesehen vom Zeichen grösser als L ist; und
es ist klar, dass die erste Bedingung erfüllt ist, solange c <,h. Der
zweiten Bedingung wird genügt, wenn c = a also L = 0 ist, und
folglich auch, da ^ und L sich mit c stetig ändern, innerhalb eines
endlichen Gebiets zu beiden Seiten dieses Werthes. Dieses erstreckt
sich aber nicht bis zu den Werthen h und 0; denn für c = h würde
r'^ negativ werden, für ein unendlich kleines c aber t^, da dann
CO oo
K _ /• ds L /* ds
und folglich Ly- K wird. Wächst &, während a und c endlich blei-
ben, in's Unendliche, so kann L nur dann kleiner als K bleiben,
wenn zugleich a^ — c^ in's Unendliche abnimmt; beide Grenzen für c
sind also dann nur unendlich wenig von a verschieden. Wenn da-
gegen h seiner unteren Grenze a unendlich nahe kommt, so conver-
girt die obere Grenze für c, wo t'^ = 0 wird, gegen a, die untere
Grenze aber gegen einen Werth, für welchen das Integral auf der
rechten Seite von (5) verschwindet. Zur Bestimmung dieses Werthes
erhält man, wenn man — = sin i^ setzt, die Gleichung
(~5-t-2cos2i/; + cos4T/;) {% — 2ip) + 10 sin2^ + 2 sin4i^ = 0,
und diese hat zwischen ^ = 0 und jp = — nur eine Wurzel, welche
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen Ellipsoides. 185
-£- = 0.303327 . .
a ^
giebt. Für h = a kann freilich c jeden Werth zwischen 0 und h an-
nehmen, da dann t^ wegen des Factors 6 — a immer Null wird. Man
erhält dann den von Mac-Lau rin untersuchten Fall, während sich
für iv^ == tv'^ die beiden von Jacobi und Dedekind gefundenen
Fälle ergeben.
Der eben behandelte Fall fällt für h == a mit dem Falle (I) des
vorigen Artikels zusammen und, wenn
{h -\- c -i- 2a) [h — c -\- 2a) (& -f c — 2a) (b — c — 2a) '
mit dem Falle (III). Von den bisher gefundenen vier Fällen, in denen
das flüssige EUipsoid während der Bewegung seine Form nicht ändert,
hängen also diese drei Fälle stetig unter einander zusammen, während
der Fall (II) isolirt bleibt.
8.
Die Untersuchung, ob ausser diesen vier Fällen noch andere vor-
handen sind, in denen die Hauptaxen während der Bewegung constant
bleiben, führt auf eine ziemlich weitläufige Rechnung, welche wir nur
kurz andeuten wollen, da sie nur ein negatives Resultat liefert.
Aus der Voraussetzung, dass a, h, c constant sind, kann mau zu-
nächst leicht folgern, dass ö constant ist, indem man die drei ersten
Differentialgleichungen («), multiplicirt mit a, h, c, zu einander addirt
und dann die Integralgleichung I, also den Satz von der Erhaltung
der lebendigen Kraft, benutzt.
Durch Differentiation dieser drei Gleichungen erhält man dann
lerner, wenn man die VVerthe von -7- , ^-r .... -j-r aus den sechs
' dt ^ dt ^ ' dt
letzten Differentialgleichungen («) einsetzt, die drei Gleichungen
{b — c) u (vw — v' iv) + (Z> + c) u' {v' IV — vw') = 0
(1) (c — a) V {wii — tv u) -^ {c -\- a) v' (iv' u — ivu) = 0
{a — 1)10 (uv — u v') -\- (a -{- h) tv (u' v — uv') = 0,
von denen eine eine Folge der übrigen ist.
I. Wenn nun keine von den sechs Grössen Uju',...jiv' Null
ist, folgt aus diesen Gleichungen die Gleichheit der folgenden drei
Grössenpaare, deren Werthe wir durch 2a , 21)', 2c' bezeichnen wollen
(a-c)4 + (a+c)^ = (a-6)4- + („ + t) i;' = 2a'
(6- a)^+ (6 + «) J= (6-c) ^^ + (6 + c) ^ = 26'
(c - ft) |- + (c + i) :J = (c - «) f + (c + a) '- = 2c
lg(3 X. Ein Beitrag zu deu Untersuchungen
Es ergiebt sich dann d^ — h'^ = a^ — h'~, h'" — c'^ = h^^ — c^, so dass wir
aa — d d = hh — h'h'==cc — c c = Q
setzen können, und aus den drei ersten Differentialgleichungen («)
27i:a' = const. , 2;^?^' = const. , 2(>c' = const.
wenn wir vv -\- tviv j tviv -\- uii , uu -\- vv' zur Abkürzung durch
n, %, Q bezeichnen. Aus diesen Gleichungen und der aus den Integral-
gleichungen II und III leicht herzuleitenden Gleichung
(«2 _ yi^ ^^1 _ ^2) ^ _(_ (^1 _ ^,2^ (^2 _ ^,2) y^J^if- d') (c^ - V') Q
= \ (C9- — w/)
folgt; wenn nicht a = h = c, dass 0 und folglich u^ u' , . . . , iv con-
stant sein müssen. Es ergiebt sich aber leicht, dass dann die sechs
letzten Differentialgleichungen (a) nicht erfüllt werden können; und
hierdurch ist, Avenn nicht alle drei Axen einander gleich sind, die Un-
zulässigkeit der . Annahme, dass u, ii, . . . , tv sämmtlich von Null ver-
schieden sind, erwiesen.
Die Amiahme a == h = c würde auf den Fall einer ruhenden
Kugel führen; u , v' , tv' ergeben sich = 0, ii, v, iv aber bleiben ganz
willkürlich, was davon herrührt, dass die Lage der Axen in jedem
Augenblicke willkürlich geändert werden kann.
II. Es bleibt also nur die Annahme übrig, dass eine der Grössen
u, V, . . . , tv Null ist, und diese zieht; wie wir gleich sehen werden,
immer die früher untersuchte Voraussetzung nach sich, dass eins der
drei Grössenpaare u,u' -^ y^i;'; iv^iv' verschwinde.
1. Wemi eine der Grössen u' , y', tv' , z. B. u = 0 ist, folgen aus
(1) die Gleichungen
{h — c)uviü = 0 , (h — c) uv' iv' = 0
und diese lassen nur eine von den folgenden Annahmen zu: erstens
die früher untersuchte Voraussetzung, zweitens h = c, drittens v = 0
und tv = 0 oder v' = 0 und tv = 0, was nicht wesentlich verschie-
den ist.
Wemi h= c, bleibt tt ganz willkürlich und kann also auch = 0
gesetzt werden, wodurch der früher untersuchte Fall eintritt.
Wenn v = 0 und tv' = 0, erhält man aus den Differentialglei-
chungen («)
(b — c — 2d)uv't4; = 0y (c-\-a — 2h)uv'tv = 0 , {a — })-{-2c)HjV iv=^ ^
und, wenn man die erste dieser Gleichungen zur zweiten addirt,
— {ci + ?>) tiv' w = ^\
es muss also ausser den Grössen tt', y, lo noch eine der Grössen i«, y', tv
Null sein, wodurch wieder der früher untersuchte Fall eintritt.
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen Ellipsoides. 187
2. Wenn endlich eine der (irossen w, v^ w, z. B. u = 0 ist, folgt
aus den Gleichungen (l)
u v' tv = 0 , u vw' = 0
und diese Gleichungen führen entweder zu unserer früheren Voraus-
setzung, oder zu der Annahme^ u = v' = iv' = 0, welche von der eben
untersuchten «' = v = iv' = 0 nicht wesentlich verschieden ist, oder
endlich zu der Annahme u = v =^ iv = 0. Unter dieser Voraussetzung
aber geben die Differentialgleichungen (a) v' iv' = iv u = xd v = 0,
und es müssen also noch zwei von den Grössen u\ v\ iv' Null sein,
was wieder den früher behandelten Fall liefert.
Es hat sich also ergeben, dass mit der Beständigkeit der Gestalt
nothwendig eine Beständigkeit des Bewegungszustandes verbunden ist,
d. h., dass allemal, wenn die flüssige Masse fortwährend denselben
Körper bildet, auch die relative Bewegung aller Theile dieses Körpers
immerfort dieselbe bleibt. Die absolute Bewegung im Räume kann
man sich in diesem Falle aus zwei einfacheren zusamjnengesetzt denken,
indem man sich zuerst der flüssigen Masse eine innere Bewegung er-
theilt denkt, bei welcher sich die Flüssigkeitstheilchen in ähnlichen,
parallelen und auf einem Hauptschnitte senkrechten Ellipsen bewegen,
und dann dem ganzen System eine gleichförmige Rotation um eine in
diesem Hauptschnitte liegende Axe. Wenn dieser Hauptschnitt, wie
oben angenommen, senkrecht zur Hauptaxe a ist, so sind die Cosinus
der Winkel zwischen der Umdrehungsaxe und den Hauptaxen 0, — , —
und die Umdrehungszeit , . Ferner sind 0, 6 — , c ' die auf
die Hauptaxen bezogenen Coordinaten des Endpunkts der augenblick-
lichen Rotationsaxe, und bei der innern Bewegung sind die elliptischen
Bahnen der Flüssigkeitstheilchen der in diesem Punkte an das Ellipsoid
gelegten Tangentialebene parallel, so dass ihre Mittelpunkte in dieser
Rotationsaxe liegen. Die Theilchen bewegen sich in diesen Bahnen
so, dass die nach den Mittelpunkten gezogenen Radienvectoren in
gleichen Zeiten gleiche Flächen durchstreichen, und durchlaufen sie in
der Zeit
ys/H-^
Wir kehren jetzt zurück zur Betrachtung der Bewegung der
flüssigen Masse in dem Falle, wenn Ujii] Vyv' fortwährend Null sind
und also nur um eine Hauptaxe eine Rotation stattfindet, und bemer-
ken zunächst, dass sich den Gleichungen (l) Art. 7., nach welchen
188 X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
sich die Hauptaxen in diesem Falle ändern, noch eine andere anschau-
lichere mechanische Bedeutung geben lässt. Man kaim sie nämlich
betrachten als die Gleichungen für die Bewegung eines materiellen
Punktes {a, h, c) von der Masse 1, der gezwungen ist auf einer durch
die Gleichung ahc = const. bestimmten Fläche zu bleiben und von
Kräften getrieben wird, deren Potentialfunction der Grösse
-^ t' -
{a — hy ' (« + hy
dem Werthe nach gleich und dem Zeichen nach entgegengesetzt ist.
Bezeichnen wir diese Grösse mit G, so lassen sich die Gleichun-
gen für beide Bewegungen in die Form setzen:
(1) M^^ + '^^^ + ^'<' + ^(^-^^
für alle unendlich kleinen Werthe von da, 8h, 8c, welche der Bedin-
gung ahc = const. genügen; und der Satz von der Erhaltung der
mechanischen Kraft giebt
wonach der von der Formänderung der flüssigen Masse unabhängige
Theil der mechanischen Kraft = G ist.
Damit a, h, c und folglich Form und Bewegungszustand des flüssigen
Ellipsoids constant bleiben, wenn -j- , -- , y- Null sind, ist es ofi'en-
bar nothwendig und hinreichend, dass die Variation erster Ordnung
der Function G von den veränderlichen Grössen a, h, c, zwischen wel-
chen die Bedingung ahc = const. stattfindet, verschwinde, was auf die
Gleichungen (3.) oder (4.) und (5.) des Art. 7. führt. Diese Bestän-
digkeit des Bewegungszustandes wird aber nur eine labile sein, wenn
der Werth der Function kein Minimumwerth ist; es lassen sich dann
immer beliebig kleine Aenderungen des Zustandes der flüssigen Masse
angeben, welche eine völlige Aenderung desselben zur Folge haben.
Die directe Untersuchung der Variation zweiter Ordnung für den
Fall, wenn die Variation erster Ordnung der Function G verschwindet,
würde sehr verwickelt werden; es lässt sich jedoch die Frage, ob die
Function für diesen Fall einen Minimumwerth habe, auf folgendem
Wege entscheiden.
Zunächst lässt sich leicht zeigen, dass die Function immer, welche
Werthe auch r^, t'^ und ahc haben mögen, für ein System von
Werthen der unabhängig veränderlichen Grössen ein Minimum haben
müsse; es folgt dies offenbar aus den drei Umständen, dass erstens
die Function G für den Grenzfall, wenn die Axen unendlich klein oder
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen EUipsoides. 189
unendlicli gross werden, sieh einem Grenzwerth nähert, der nicht
negativ ist, dass zweitens sich immer Werthe von a, h, c angeben
lassen, für welche G negativ wird und dass drittens G nie negativ un-
endlich werden kami. Diese drei Eigenschaften der Function G er-
geben sich aber aus bekamiten Eigenschaften der Function H. Die
Function H erhält ihren grössten Werth in dem Fall, wemi die flüssige
Masse die Gestalt einer Kugel amiimmt, nämlich den Werth 27CQ^y
wenn q den Radius dieser Kugel also yabc bezeichnet; ferner wird H
unendlich klein, wenn eine der Axen unendlich gross und folglich
wenigstens Eine andere unendlich klein wird, jedoch so, dass, wenn h
in's Unendliche wächst, Hh nicht unendlich klein wird, und folglich
in der Function G, wemi nicht zugleich a in^s Unendliche wächst, der
negative Bestandtheil schliesslich immer den positiven überwiegt.
Wenn r^ nicht Null ist, muss schon unter den Werthen von
a, hy Cy welche der Bedingung h > a genügen, ein Werth ensystem ent-
halten sein, für welches die Function ein Minimum wird; denn dann
sind die obigen drei Bedingungen, aus welchen die Existenz eines
Minimums folgt, schon für dieses Grössengebiet erfüllt, da G auch für
den Grenzfall a == b nicht negativ wird.
Man kaim nun ferner untersuchen, wie viele Lösungen die Glei-
chungen (3.) Art. 7 zulassen, welche das Verschwinden der Variation
erster Ordnung bedingen. Diese Untersuchung lässt sich leicht führen,
wenn man die Werthe der aus ihnen sich ergebenden Ausdrücke für
T^ und t'^ auch für complexe Werthe der Grössen a, &, c in Betracht
zieht. Wir können jedoch diese Untersuchung in die gegenwärtige
Abhandlung nicht aufnehmen und müssen uns begnügen das Resultat
derselben anzugeben, dessen wir in der Folge bedürfen.
Wenn x^ nicht Null ist, lassen die Gleichungen (3.) auf jeder
Seite von h = a nur Eine Lösung zu; die Variation erster Ordnung
verschwindet also auf jeder Seite dieser Gleichung nur für ein Werthen-
system, und die Function G muss für dieses ihr Minimum haben,
welches wir durch (r* bezeichnen wollen.
Wenn r^ Null ist, verschwindet die Variation erster Ordnung
immer für h = a und einen Werth von c, der für t'^ = 0 gleich a
ist und mit wachsendem t'^ beständig abnimmt. Die Variation zweiter
Ordnung lässt sich für dieses Werthensystem leicht in die Form eines
Aggregats von {da -{- öhf und {da — dhy setzen, und hierin ist der
Coefficient von {da + dh}^ immer positiv, da die Function, wie aus
den früheren Untersuchungen bekannt ist, unter allen Werthen, die sie
für 1) =^ a annehmen kann, hier ihren kleinsten Werth hat.
190 X. P-^in Beitrag zu den Untersuchungen
• Der Coefficient von (da- — dhy aber ist
c^
FTT /'rfs / s — ah _,
also nur positiv, wenn ^> 0,303327 ...und folglich t'- <£;r()^ 8,64004 ....,
aber negativ, wenn — diesen Werth überschreitet.
Die Function G hat also für dieses Werthensystem nur im ersten
Falle ein Minimum (G"^'), und die Untersuchung der Gleichungen (3)
zeigt, dass die Variation erster Ordnung dann nur für dieses Werthen-
system verschwindet; im letztern Falle aber hat sie einen Sattel werth;
sie niuss dann nothwendig noch für zwei Werthensysteme ein Mini-
mum (6r*) haben, und aus der Un?tersuchung der Gleichungen (3)
folgt, dass die Variation erster Ordnung nur noch für zwei Werthen-
systeme verschwindet, welche durch Vertauschung von h und a aus
einander erhalten werden.
Aus dieser Untersuchung ergiebt sich also, dass in dem schon
seit Mac- L aurin bekannten Falle der Rotation eines abgeplatteten
Umdrehungsellipsoids um seine kleinere Axe die Beständigkeit des Be-
wegungszustandes nur labil ist, sobald das Verhältniss der kleinern
Axe zu den andern kleiner ist als 0,303327 ...; bei der geringsten
Verschiedenheit der beiden andern würde in diesem Falle die flüssige
Masse Form und Bewegungszustand völlig ändern und ein fortwähren-
des Schwanken um den Zustand eintreten, welcher dem Minimum der
Function G entspricht. Dieser besteht in einer gleichförmigen Um-
drehung eines ungleichaxigen Ellipsoids um seine kleinste Axe ver-
bunden mit einer gleichgerichteten innern Bewegung, bei welcher die
Theilchen sich in einander ähnlichen zur Umdrehungsaxe senkrechten
Ellipsen bewegen. Die Umlaufszeit ist dabei der Umdrehungszeit gleich,
so dass jedes Theilchen schon nach einer halben Umdrehung des
Ellipsoids in seine Anfangslage zurückkehrt.
10.
Wenn die mechanische Kraft des Systems,
welche offenbar nicht kleiner als (x* sein kann, negativ ist, so kann
die Form des Ellipsoids nur innerhalb eines endlichen durch die Un-
gleichheit G K Sl begrenzten Gebiets fortwährend schwanken.
igei
1 Artikels
d'a c d'c .cG ^
dt' a dt' ' aa ^ '
dn
df"
über die Bewegung eines flüssigen gleicbartigen EUipsoides. 191
Für den Fall , dass Sl — G^* als unendlich klein betrachtet werden
kann, können wir diese Schwankungen leicht untersuchen.
Denken wir uns in der Function G für c seinen Werth aus der
Gleichung ahc == «o^oCo substituirt, so giebt die Gleichung (1) des
c d'^c ■ dG _ ^
h dt^ ' dh~~ ^ '
Die Werthe von a^h, c können nun stets nur unendlich wenig von den
Werthen, die dem Minimum von G entsprechen, abweichen, und wenn
wir die Abweiclmngen zur Zeit t mit da, d6, de bezeichnen und die
Glieder höherer Ordnung vernachlässigen, so erhalten wir zwischen
diesen die Gleichungen
^ , ^ , de _ ^
a ~^ b ' c
,.. d'da c d'Sc , c'-G ^ , d^G ., ^
^ ^ dt' a dt' ^ Ca' ' cadh
d'dh c d'-dc , c'G ,, , c'G , ^
dt' h df ' oh'' ' fach
d
m nn -
dt'
welchen man bekanntlich genügen kann, wenn man ~j7r=' — ^ ^^da,
—jjr = — ^^idh, also auch -jjr "= — ^^öc setzt und dann die Con-
stante ^^ so bestimmt, dass Eine eine Folge der übrigen wird. Die
letztere Bedingung für ^^ kommt mit der Bedingung überein, den
Ausdruck zv/eiten Grades von den Grössen da, ob
2d^G — ^^ (öa^ + db^ + öc^)
zu einem Quadrat eines linearen Ausdrucks von diesen Grössen zu
machen; und dieser genügen, da d^G und öa^ -\- öb^ -{- dc^ wesentlich
positiv sind, immer zwei positive Werthe von ^^, welche einander
gleich werden, wenn Ö^G und da^ + d?>'^ + öc^ sich nur durch einen
Constanten Praetor unterscheiden. Diese beiden Werthe von ^ft geben
zwei Lösungen der Differentialgleichungen (1), bei denen sich da, db, de
einer periodischen Function der Zeit von der Form sin (ft ^ + const.)
proportional ändern, und aus denen sich ihre allgemeine Lösung zu-
sammensetzen lässt.
Jede einzeln genommen liefert periodische unendlich kleine Oscil-
lationen der Gestalt und des Beweguugszustandes. Hieraus würde
freilich nur folgen, dass es zwei Arten von Oscillationen giebt, welche
sich desto mehr periodischen nähern, je kleiner sie sind; es ergiebt
sich jedoch die Existenz von endlichen periodischen Schwingungen aus
folgender Betrachtung.
Wenn Sl negativ ist, muss offenbar a einen und denselben Werth
192 X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
mehr als einmal amielimen, und betrachten wir die Bewegung von
dem Augenblicke an, wo a einen solchen Werth zum erstenmal an-
nimmt, so wird die Bewegung durch die Anfangswerthe -,- -,, und h
völlig bestimmt sein; es sind also auch die Werthe, welche diese
Grössen erhalten, wenn a später wieder diesen Werth amiimmt,
Functionen von ihren Anfangswerthen. Diese Functionen wollen wir
zusammengenommen durch % bezeichnen. Die Bewegung wird periodisch
sein, wenn ihre Werthe den Anfangswerthen gleich sind. In Folge
der Gleichung dbc = const. und des Satzes von der lebendigen Kraft
müssen aber, wenn h und -tt ihre Anfangswerthe wieder annehmen,
auch c, -^ und -jr wieder ihren Anfangswerthen gleich werden. Es
sind also hierzu nur zwei Bedingungen zu erfüllen; und man kami, indem
man die Derivirten der Functionen % für den Fall unendlich kleiner
Schwingungen bildet, zeigen, dass diese Bedingungsgleichungen sich
nicht widersprechen und innerhalb eines endlichen Gebiets reelle Wur-
zeln haben.
Die Grössen a, h, c lassen sich für diesen Fall periodischer
Schwingungen als Function der Zeit durch Fourier'sche Reihen aus-
drücken, in welchen freilich sämmtliche Constanten, den vonDirichlet
behandelten Fall ausgenommen, nur näherungs weise bestimmt werden
kömien. Dieses kann z. B. dadurch geschehen, dass man die oben für
den Fall unendlich kleiner Schwingungen gemachte Entwicklung auf
Glieder höherer Ordnung ausdehnt.
Es schien uns der Mühe werth, diese Bewegungen, welche den
Bewegungen, bei denen Gestalt und Bewegungszustand constant sind,
an Einfachheit zunächst stehen, wenigstens einer oberflächlichen Be-
trachtung zu unterwerfen. Wir wollen nun die Untersuchung, welche
wir im vorigen Artikel für den Fall, wenn nur um eine Hauptaxe
eine Rotation stattfindet, ausgeführt haben, auf alle der Dir ichle tischen
Voraussetzung genügenden Bewegungen ausdehnen.
11.
Um für diesen Zweck die Differentialgleichungen («) in eine über-
sichtlichere Form zu bringen, wollen wir statt der Grössen «f, v, ...,tv
die Grössen ^, h, . . ., Jc^ einführen und die Bedeutung von G dahin
verallgemeinern, dass wir dadurch den Ausdruck
h — hV , dizzKY
2£
00
+ s){b' + s){c'-\-s)
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen Ellipsoides. 193
also auch jetzt den von der Formiinderuno* iinaldilln<j^it(fMi 'IMhmI der
mechanischen Kraft bezeichnen.
Es wird dann
_dG _da , _dG
^ ^ dg ' '^ ?h^'^' ~ dk
_dG _c(r _dG
^'~~ dg/ ^'~~ ch/ ^~a/^^
und die letzten sechs Differentialgleichungen («) lassen sich daher in
die Form setzen
dt
, dG
-^^dk-
-. dG
'"dh^
dg,
dt
K
dG
dk^ '
-l^
dG
dh^
(1-)
dh
dt
-''Tg-
dG
dh^
dt ~
= Z;
cG
^9.
-V.
cG
dh.
dl-
'dt
cG
7 cG
dg '
dh^
dt ~
■ (K
(G
-^
cG
^9,
während die drei
ersten in
(2.)
d'-a f^
dG
da
2^ = 0,
a ^
d'-h (
Tf'~^ d
'i-^
6
b''
= 0,
d'c
' dt^
+
rG
de
-2^ =
C
= 0
Über
gehen.
Wir bemerken
zugleich
[, dass
aus der Int^gralgh
Eichung
n,
wenn co == 0, drei Integralgleichungen^ // = ^^ h = 0, h = 0, folgen,
d. h., dass diese Grössen immer Null bleiben, wenn sie anfangs Null
sind. Dasselbe gilt natürlich auch von den Grössen (/, Ji,, ]:.
Aus den Differentialgleichungen (1.) und (2.) ist nun leicht er-
sichtlich, dass das Verschwinden der Variation erster Ordnung der
Function G von den neun veränderlichen Grössen «, h, ..., l\, zwischen
welchen die drei Bedingungen
ahc = const., g^ -\- h^ + Ic^ = co\ gj + ^^ + ^-V" = ^/"
stattfinden, nothwendig und hinreichend ist, damit
d^a d^h d^c dg dk,
~cW' d¥^ W' 'dt^ '"^ ~(lt
Null werden und also Gestalt und Bewegungszustand des Ellipsoids
constant bleiben, wenn , , -rr, ,, Null sind. Die Fälle, in denen
dieses stattfindet, haben wir früher vollständig erörtert. Es ergiebt
sich nun aber auch hier wieder leicht, dass die Function G wenigstens
für Ein System von Werthen der unabhängig veränderlichen Grössen
ein Minimum haben müsse, da sie für den alleinigen Grenzfall, wenn
die Axen unendlich gross oder unendlich klein werden, gegen einen
Grenzwerth convergirt, der nicht negativ ist, und, wie wir schon ge-
sehen haben, immer für gewisse Werthe der unabhängig veränderlichen
Grössen negativ wird, ohne je negativ unendlich zu werden. Für den
einem solchen Minimum entsprechenden constanten Bewegungszustand
Riemann's gesammelte mathematische Werke. I. 13
194 X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
folgt aus dem Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft, dass jede
der Dirichl et 'sehen Voraussetzung genügende unendlich kleine Ab-
weichung von demselben nur unendlich kleine Schvi^ankungen zur
Folge hat, während in jedem andern Falle die Beständigkeit der Ge-
stalt und des Bewegungszustandes nur labil ist. Die Aufsuchung der
einem Minimum von G entsprechenden Bewegungszustände ist nicht
bloss für die Bestimmung der möglichen stabilen Formen einer be-
wegten flüssigen und schweren Masse wichtig, sondern würde auch für
die Integration unserer Differentialgleichungen durch unendliche Reihen
die Grundlage bilden müssen; wir wollen daher jetzt untersuchen, in
welchen von den Fällen, wo ihre Variation erster Ordnung verschwindet,
die Function G ein Minimum hat. Aus jedem von den früher ge-
fundenen Fällen, in denen das Ellipsoid seine Form behält, erhält man
zwar durch Vertauschung der Axen und Aenderungen in den Zeichen
der Grössen g, h, ..., h^ mehrere Systeme von Werthen der Grössen
«,&,..., /c^, welche das Verschwinden der Variation erster Ordnung
der Function G bewirken*, wir können aber diese hier zusammenfassen,
da die Function G für alle denselben Werth hat und in Bezug auf
unsere Frage von allen dasselbe gilt.
Ehe wir die einzelnen Fälle betrachten, müssen wir ferner noch
bemerken, dass die Untersuchung, wenn a oder «^ Null ist, eine be-
sondere einfachere Gestalt annimmt, indem dann g, h, h oder r/^, h^, ]c^
aus der Function G ganz herausfallen. Die frühere Untersuchung der
Constanten Bewegungszustände giebt nur zwei wesentlich verschiedene
Fälle, in denen eine dieser beiden Grössen Null wird. In dem im
Art. 6. behandelten Falle kann dies nur eintreten, wenn
w'^ (2a — b — c) {2a — h -\- c) /a — hy
w^ {2a -H>~4- c) {2a -\-b — c) \a -{- b)
also der Ausdruck
(3.) h^c' + a'h' + a'c' — 3a^
den wir durch E bezeichnen wollen. Null ist; und dann ergiebt sich
in der That o oder «^ gleich Null. Die Gleichung E == 0 liefert aber
b -\- c
nach a aufgelöst nur eine positive Wurzel, die zwischen — — und h
liegt, und kann also nur im Falle (I.) erfüllt werden. Ausser diesem
Falle giebt noch der im Art. 7. untersuchte Fall a oder co^ gleich Null,
wenn t^ = t^.
Es lässt sich nun zunächst zeigen, dass in den Fällen (L), (II.)
und (III.) die Function G keinen Minimumwerth haben kann, weil
sich immer, während a, h, c constant bleiben, die Grössen //, h,...jJc^
so ändern lassen, dass der Werth* der Function noch abnimmt. Da
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen Ellipsoides. 19;")
y und (j ^ Null und h^h^, ^'J'^,, den Fall E == 0 ausgenommen, nicht
Null sind, so finden zwischen den Variationen dieser Grössen die Be-
dingungen statt
dg' + 2hdh + 2kdJc = 0, d(/; + 2h^dh^ + 2/.-^dZ; = 0
und die Variation von G wird*
oder da
dG dG 7.7. dG dG ^ ,
(4.) 66r = I (^ ( /r-TT -j + ( /> 4- c ) j - ^ W ^•'^ - 27r TTT ^.'^^ •
Bildet man die Determinante dieses Ausdrucks zweiten Grades
von ög und Ög^ und substituirt darin die aus Art. 6. (1.) sich ergeben-
den Werthe
(5 ) ^
und folf^lich — ^ = ^, so findet sich diese
__ 3 («2 — ^,2) (a2 — _c2).
Sie ist also positiv im Falle (L), wenn E < 0, und im Falle (ITL), aber
negativ im Falle (L), wenn E > 0, und im Falle (IL). In den beiden
ersteren Fällen kann daher der Ausdruck (4.) sowohl positive, als
negative Werthe annehmen, in den beiden andern aber entweder nur
positive, oder nur negative. Er erhält aber für dg= — Ög den
Werth
^0' ((FW -
welcher unter den in diesen Fällen geltenden Voraussetzungen immer
negativ ist, wie man leicht sieht, wenn man ihn in die Form setzt
_ ih^' -f C-' — 2a-) {b- + 4?>c + c- 4- 2a'0 4- {4.a' — {h -\- cf) (4«* — {h — cY-) ,
4.{h-\-cYE ■'
und bemerkt, dass h^ + c^ — 2a^ stets positiv ist, wenn jt' > 0.
Wenn eine der beiden Grössen a oder w , z. B. ü9= 0 ist, wird
die Bedingungsgleichung zwischen dg^, 8h ^^ dl\
8g ^ + 8 h} + 8 k;' = 0;
der Ausdruck der Variation von G reducirt sich folglicli auf
19G X. Ein Beitrag zu den Untersuchungen
ÖG
2 h
und aus (5.) erhält man, da — ' = 0,
Durch Einsetzung dieses Werthes ergiebt sich
Ar _ __ ^^' + ^') (^^' - (^ + C)^) + (?> - C)'^ Jh' + 4?>C H- C'^) . ,
also negativ, da 5'^ + c^ — 2a^ und 4a- — (?> + cY in diesem Falle
positiv sind.
In allen diesen Fällen hat also die Function G keinen Minimum-
werth, und wir haben nun nur noch den Fall des Art. 7. zu betrachten,
wobei wir den siugulären Fall, wo b = a und t'^ > fjt^'^. 8,64004. . .,
ganz ausschliessen können. Wenn eine der beiden Grössen o" oder C9/^
Null ist, liefert dieser Fall für jeden gegebenen Werth der andern
Grösse nur Einen constanten Bewegungszustand, für welchen r- = t'-,
und die Function G muss dann für diesen ihr Minimum haben. Für
je zwei gegebene von Null verschiedene Werthe von C9^ und cof aber
liefert dieser Fall zwei constante Bewegungszustände der flüssigen
Masse, die durch Yertauschung von r" und z^ in einander übergehen;
denn man kann, um t"' und t'" aus «- und af zu bestimmen,
2 ^ 2
setzen und dabei die Zeichen von co und cj^ beliebig wählen.
Man kann aber leicht zeigen, dass in dem einen Falle, wenn a
und co^ gleiche Zeichen haben und also t- den grösseren Werth hat,
kein Minimum von G stattfindet. Die Bedingungen aus den Variationen
der Grössen^, h, ..., h^ sind jetzt
^^2 _|_ ^/^2 _^ 21cöJ> = 0, 8(j; + dh; + 21 8h^ = 0,
und die Variation von G wird daher
Diese erhält aber einen negativen Werth, wenn co und «^ gleiche
Zeichen haben und 8h = dJf^ = 0, ög^ = — dg angenommen wird;
denn es ergiebt sich
.r — f __i 1 __ a_ / L__ _ 1 \ (" + o^f ] ^^.2
~ \{h + cY {h H- ay "^ \{b 4- af {h - «)7 4«w J '^
über die Bewegung eines flüssigen gleichartigen EUipsoides. 197
und liierin ist j, — . — r^ < 71 tö und auch j-, — ; — r:r < t, — i — ^ y da für
{h -f ay (b — ay (b + c)- {h -\- ay^
c <C a nach Art. 7. (3.) /i-T.-'ys > jp^ — ^, folglich r'^ > r- ist und also
T- nur grösser als r'" sein kann, wenn c > a.
Die Function hat also auch in diesem Falle Kein Minimum und
inuss folglich in dem allein noch übrig bleibenden Falle ihr Minimum
liaben.
Dieses findet demnach statt für die im Art. 7. betrachtete Be-
wegung, wemi T^ < r' ^' (den oben angegebenen singulären Fall aus-
genommen); und in diesem Falle würde daher, während in allen an-
dern Fällen die Beständigkeit der Gestalt und des Bewegungszustandes
nur labil ist, jede der Dirichlet'schen Voraussetzung genügende unend-
lich kleine Aenderung in der Gestalt und dem Bewegungszustande der
flüssigen Masse nur unendlich kleine Schwankungen zur Folge haben.
Hieraus folgt freilich nicht, dass der Zustand der flüssigen Masse in
diesem Falle stabil ist. Die Untersuchung, unter welchen Bedingungen
dieses stattfindet, würde sich wohl, da sie auf lineare Differential-
gleichungen führt, mit bekannten Mitteln ausführen lassen. Wir müssen
jedoch auf die Behandlung dieser Frage in dieser Abhandlung ver-
zichten, die nur der weiteren Entwicklung des schönen Gedankens ge-
widmet ist, mit welchem Dirichlet seine wissenschaftliche Thätigkeit
gekrönt hat.
XL
Lieber das Verscliwindeii der Tlieta-Fuiietioiien.
(Aus Borchardt's Journal für reine und angewandte Mathematik, Bd. 18G5.)
Die zweite Abtheilung meiner im 54. Bande des matlieniatisclien
Journals erschienenen Theorie der AbeTschen Functionen enthält den
Beweis eines Satzes über das Verschwinden der O'-Functionen^ welchen
ich sogleich wieder anführen werde^ indem ich dabei die in jener Ab-
handlung angewandten Bezeichnungen als dem Leser bekannt voraus-
setze. Alles in der Abhandlung noch Folgende enthält kurze Andeu-
tungen über die Anwendung dieses Satzes^ welcher bei unserer Methode,
die sich auf die Bestimmung der Functionen durch ihre Unstetigkeiten
und ihr Unendlichwerden stützt, wie man leicht sieht, die Grundlage
der Theorie der AbeFschen Functionen bilden muss. Bei dem Satze
selbst und dessen Beweis ist jedoch der Umstand nicht gehörig be-
rücksichtigt worden, dass die '9' -Function durch die Substitution der
Integrale algebraischer Functionen Einer Veränderlichen identisch,
d. h. für jeden Werth dieser Veränderlichen, verschwinden kann.
Diesem Mangel abzuhelfen ist die folgende kleine Abhandlung bestimmt.
Bei der Darstellung der Untersuchungen über '^- Functionen mit
einer unbestimmten Anzahl von Variablen macht sich das Bedürfniss
einer abkürzenden Bezeichnung einer Reihe, wie
geltend, so bald der Ausdruck von Vr durch v complicirt ist. Man
könnte dieses Zeichen ganz analog den Summen- und Productenzeichen
bilden; eine solche Bezeichung würde aber zu viel Raum wegnehmen
und innerhalb der Functionszeichen unbequem für den Druck sein-, ich
ziehe es daher vor
fm
ü^, v^, . . ., v,a durch
\1
zu bezeichnen, also
-^(t^, v.^, . . ., Vj,) durch -0-
(^^ C^.)
X[. lieber das Verschwinden der Theta-Functionen. 199
1.
Wenn man in der Function d-i^v^j v.^, . . ., Vj,) für die p Veränder-
lichen 0 die p Integrale n^ — Cj, iL, — c.^, . . ., Uj, — Cj, algebraischer
wie die Fläche T verzweigter Functionen von z substituirt, so erhält
man eine Function von z^ welche in der ganzen Fläche- T ausser den
Linien h sich stetig ändert, beim Uebertritt von der negativen auf die
positive Seite der Linie 6,, aber den Factor e" "' ~^* -f 2 er erlangt.
Wie im §. 22 bewiesen worden ist, wird diese Function, weim sie
nicht für alle Werthe von z verschwindet, nur für x) Punkte der Fläche
T unendlich klein von der ersten Ordnung. Diese Punkte wurden
durch Yi^j ^^, . . ., rip bezeichnet, und der Werth der Function Uy im
Punkte i^„ durch «v^"^. Es ergab sich dann nach den 2p Modul-
systemen der -ö"- Function die Congruenz
(1.) (q, 6',,...,^;,)
I> 7> P
(^«w + K„ ^<) + K„ . . ., 2'«r + K,) ,
\ 1 1 1 /
worin die Grössen K von den bis dahin noch willkürlichen additiven
Constanten in den Functionen ii abhingen, aber von den Grössen e
und den Punkten rj unabhängig waren.
Führt man die dort angegebene Rechnung aus, so findet sich
(2.) 2 Kr = ^^ I (Wv+ + U~) Chly' — SyTti — ^ f],Cl^,,r.
In diesem Ausdrucke ist das Integral f (u^:^ + 'fti~)dUv' positiv durch
hy- auszudehnen, und in der Summe sind für v alle Zahlen von 1 bis
]) ausser v zu setzen; £, = + 1, je nachdem das Ende von ly auf der
positiven oder negativen Seite von a, liegt, und f',. = + 1, je nach-
dem dasselbe auf der positiven oder negativen Seite von hy liegt. Die
Bestimmung der Vorzeichen ist übrigens nur nöthig, wemi die Grössen
e nach den in §. 22 gegebenen Gleichungen aus den Unstetigkeiten
von log '0' völlig bestimmt werden sollen; die obige Congruenz (1.)
bleibt richtig, welche Vorzeichen man wählen mag.
Wir behalten zunächst die dort gemachte vereinfachende Voraus-
setzung bei, dass die additiven Constanten in den Functionen ti so
bestimmt werden, dass die Grössen K sämmtlich gleich Null sind. Um
die so gewonnenen Resultate schliesslich von dieser beschränkenden
Voraussetzung zu befreien, hat man offenbar nur nöthig, überall in den
'9'-Functionen zu den Argumenten — 7^4, — K.,, ..., — Kp hinzuzufügen.
Wenn also die Function ^{u^ — e^, u.> — e.,, . . ., Hp — Cp) für die
p Punkte ??i, Yi.,j . . ., rip verschwindet und nicht identisch für jeden WertJi
von z verschtvindety so ist
200 XI. Ueber das Verschwinden der Thcta-Functionen.
p p p
(e,, c,, . . ., c,) HE (^^ <), 2 «(/'), ..., ^ «(/') ^ .
Dieser Satz gilt für ganz beliebige Wertlie der Grössen c, und
wir haben hieraus^ indem wir den Punkt (5, z) mit dem Punkte rj^
zusammenfallen Hessen, geschlossen, dass
P—i p—i p—i
»(-2 <'' - 2 <"' ■■■,-2 «;;" ) = ^^>
^1 1 1 /
oder da die -0^- Function gerade ist,
p — 1 j^— 1 p — 1
» {2 <' 2 "'''> ■■■'2 «i"* ) = **'
welches auch die Punkte rj^, rj.^, • . ., '^Jp—i seien.
Der Beweis dieses Satzes bedarf jedoch einer Vervollständigung
wegen des Umstandes, dass die Function
d'(uj^ — e^, tk, — (?2? • • ', Up — Cj)
identisch verschwinden kann (was in der That bei jedem System von
gleich verzweigten algebraischen Functionen für gewisse Werthe der
Grössen e eintritt).
Wegen dieses Umstandes muss man sich begnügen, zunächst zu
zeigen, dass der Satz richtig bleibt, während die Punkte y] unabhängig
von einander innerhalb endlicher Grenzen ihre Lage ändern. Hieraus
folgt dann die allgemeine Richtigkeit des Satzes nach dem Principe,
dass eine Function einer complexen Grösse nicht innerhalb eines end-
lichen Gebiets gleich Null sein kann, ohne überall gleich Null zu sein.
Wenn z gegeben ist, so können die Grössen e^, e.^, . . ., e^ immer
so gewählt werden, dass
^ (wi — q, %L^ — e.^j ...jUp — ßp)
nicht verschwindet; deim sonst müsste die Function ^(v^^ t\,, . . ., Vp)
für jedwede Werthe der Grössen v verschwinden, und folglich müssten
in ihrer Entwicklung nach ganzen Potenzen von e" ^, e '^, . . ., c ^'
sämmtliche Coefficienten gleich Null sein, was nicht der Fall ist. Die
Grössen e können sich dami von einander unabhängig innerhalb end-
licher Grössengebiete ändern, ohne dass die Function
d^ (u^ — 6'i, w^ — e^? • • •? '^P — ^p)
für diesen Werth von 0 verschwindet. Oder mit anderen Worten:
man kann immer ein Grössengebiet E von 2j>> Dimensionen angeben.
XI. Ueber das Verschwinden der Theta-Functionen. 201
innerhalb dessen sich das System der Grössen c bewegen kann, ohne
dass die Function
%'{u^ — Ci, *^> — <'., • • •, ^h ~ Cj,)
für diesen Werth von z verschwindet. Sie wird also nur für p Lagen
von (sj z) unendlich klein von tler ersten Ordnung, und bezeichnet man
diese Punkte durch rj^, rj.^, . . .y rjjj, so ist
(1.) {e„ e„ ...,«„) = (2 <'"' 2 <'' • • • . 5' «f ) •
Jeder Bestimungsweise des Systems der Grössen e innerhalb U oder
jedem Punkte von E entspricht daim eine Bestimmungsweise der
Punkte rj, deren Gesammtheit ein dem (jrrössengebiete E entsprechen--
des Grössengebie^ H bildet. In Folge der Gleichung (1.) entspricht
jedem Punkte von H aber auch nur ein Punkt von E-^ hätte also //
nur 2jj — 1, oder weniger Dimensionen, so würde E nicht 2jv Dimen-
sionen haben können. Es hat folglich H 2x) Dimensionen. Die Schlüsse,
auf welche sich unser Satz stützt, bleiben daher anwendbar für be-
liebige Lagen der Punkte r] innerhalb endlicher Gebiete, und die
Gleichung
j) — 1 ji — 1 p — \
»(—2 «v", - 2 «-i"' ■■■, - 2 «y."* ) = "
\ 1 1 1 /
gilt für beliebige Lagen der Punkte y]i, y]-,) - - •) Vp—i ijuierhalb end-
licher Gebiete und folglich allgemein.
3.
Hieraus folgt, dass sich das Grössensystem (^i, c^, . . ., e^) immer
und nur auf eine Weise congruent einem iVusdrucke von der Form
V l ^ a^,'^ j j setzen lässt, wenn d- 1 v (uy — c,) j nicht für jeden
AVerth von z verschwhidet; denn Hessen sich die Punkte tju *],>,"-, ^p
auf mehr als eine Weise so bestimmen, dass der Congruenz
_^(-))-('^(^«r))
genügt wäre, so würde nach dem eben bewiesenen Satze die Function
«O-l V {ur — Cr) I für mehr als j> Punkte verschwinden, ohne identisch
gleich Null zu sein, was unmöglich ist.
202
Xr. lieber das Verschwinden der Thcta-Functionen.
Wenn '9' ( v (^Uy — 6, ) ) identisch verschwindet, muss man, um
V (c, ) I in die obige Form zu setzen,
P
M)
^UO/v+«l -^^v -6V)
betrachten, und wenn diese Function identisch für jeden Werlh z, J,, ^j
verschwindet, die Function
d'
1 1 1 /
-/o
Wir nehmen an, dass
A) ,n m — \
Vi 1 1
(1.) . identisch verschwindet,
V (V «</ + 2-/') — y^ uiP-M) — Cr ) 1
1 1 1 /
aber nicht identisch verschwindet.
Diese letztere Function verschwindet dann, als Function von ^p+i be-
trachtet, für £p—i, £p—2, • . .? £p-~my ausserdem also noch für p — m
Punkte, und bezeichnet man diese mit rj^y %, - • -p '%)—m, so ist
1 p — m-}-l /Ml /
und diese Punkte 7]^, rj^, . . ., r}p—vi können nur auf eine Weise so
bestimmt werden, dass diese Congruenz erfüllt _wird, weil sonst die
Function für mehr als 2^ Punkte verschwinden würde. Dieselbe Function
verschwindet, als Function von 2p— i betrachtet, ausser für
Vp-h^} Vpy • • •; Vp—»i+i
noch für 2^ — ^^^ — 1? Punkte und bezeichnet man diese durch
^1 ; ^2? • • ') ^P — )n—ly
SO ist
P
Przl
^(-2;<"'.r^")j-'(l(2'"!"')j' .
und die Punkte f^, c^? • • •? ^p-m-i sind durch diese Congruenz völlig
bestimmt.
XI. Ueber das Verschwinden der Thefca-Functionen. 203
Unter der gemachten Voraussetzung (1.) können also, um den
Congruenzen
und
(3.)
ZU genügen, m von den Punkten rj und m — 1 von den J'unkten f
beliebig gewählt werden, dadurch aber sind die übrigen bestimmt.
Offenbar gelten diese Sätze auch umgekehrt, d. h. die Function ver-
schwindet, wenn eine dieser Bedingungen erfüllt ist. Wenn also die
Congruenz (2.) auf mehr als eine Weise lösbar ist, so ist auch die
Congruenz (3.) lösbar, und wenn von den Punkten rj niy aber nicht
mehr, beliebig gCAvählt werden können, so können von den Punkten e
m ~ 1 beliebig gewählt werden und dadurch sind die übrigen bestimmt,
und umgekehrt.
Auf ganz ähnlichem Wege ergiebt sich, dass, wenn
ist, die Congruenzen
(4.) , (j ('•■■)) = (^(S«',"
(5.) (^■*^(_,„)J_^'J(^2?«i"
immer lösbar sind; und zwar können sowohl von den Punkten y] als
von den Punkten e m beliebig gewählt werden, und es sind dadurch
die übrigen ^> — 1 — m bestimmt, wenn
y (2' «?" -.2' <' + '•' ) )
1 1 1 /
identisch gleich Null ist.
l 1 1
aber nicht identisch gleich Null ist, wobei der Fall m = 0 nicht aus-
geschlossen ist. Dieser Satz lässt sich auch umkehren. Wenn also
von den Punkten ri tti und nicht mehr beliebig gewählt werden können.
204 XI. Uebcr das Verschwinden der Theta-Funetionen.
so ist die Voraussetzung desselben erfüllt; und es können folglich auch
von den Punkten e m und nicht mehr beliebig gewählt werden.
4,
Bezeichnen wir die Derivirte von
nach Vy mit 0-',, die zweite Derivirte nach Vv und Vfi mit
0-)
80 sind, wenn
l -O-v,^, u. s. f.,
identisch für jeden AVerth von s\ und J^ verschwindet, sämmtHche
Functionen d^' [ v {>-,) \ gleich Null. In der That geht die Gleichung
(p
^\v{ti^^ — a\'^ + Tr) I =0,
wenn s^ und z^ unendlich wenig von (5^ und ^^ verschieden sind, über
in die Gleichung
^^;. (i^ (n) j rf«« = 0.
Nehmen wir an, dass
sei, so verwandelt sich diese Gleichung nach Weglassung des Factors
m
^»,. (i^(n)j<)p,.(<r„50 = 0;
und da zwischen den Functionen g) keine lineare Gleichung mit con-
stanten Coefficienten stattfindet, so folgt hieraus, dass sämmtliche
erste Derivirten von d-(v^y V2, . » ., Vp) für v Ooy = r,) verschwinden
1
müssen.
Um den umgekehrten Satz zu beweisen, nehmen wir an, dass
V {ov = Tr) und v{vr=tv) zwci Werthsystcmc seien, für welche die
1 1
XI. Ueber das Verschwinden der Theta-Functionea.
205
Function d^ verschwindet, ohne für v (?;, == k^^^ — «^'^ + r,) und
1
V (vr = H^^^ — «^^^ + fv) identisch zu verschwinden, und bihlen den
1 ' '
Ausdruck
(2.)
<^ + /.
p
/(i)
+ ^.0
Betrachten wir diesen Ausdruck als Function von z^j so erj^iebf
sich, dass er eine algebraische Function von z^ und zwar eine rationale
Function von s^ und z^ ist, da Nenner und Zähler in T" stetig sind
und an den Querschnitten dieselben Factoren erlangen. Für z^ = ^^
und 5^ = (>i werden Nenner und Zähler unendlich klein von der zweiten
Ordnung, so dass die Function endlich bleibt; die übrigen Werthe aber,
für welche Nenner oder Zähler verschwinden, sind, wie oben bewiesen,
durch die Werthe der Grössen r und der Grössen t völlig bestimmt,
also von J^ ganz unabhängig. Da nun eine algebraische Function
durch die Werthe, für welche sie Null und unendlich wird, bis auf
einen constanten Factor bestimmt ist, so ist der Ausdruck gleich einer
rationalen von f^ unabhängigen Function von s^ und z^, xis^, z^j
multiplicirt in eine Consta nte, d. h. eine von ^^ unabhängige Grösse.
Da der Ausdruck symmetrisch in Bezug auf die Grössensysteme (s^, z^)
und (<?j, Jj) ist, so ist diese Constante gleich xio^j SJ, multiplicirt in
eine auch von t,^ unabhängige Grösse A. Setzt man nun
YAx{s,z)==q{s, z),
so erhält man für unsern Ausdruck (2.) den Werth
wo ^{Sj z) eine rationale Function von s und -s ist.
Um diese zu bestimmen, hat man nur nJHhig ^, = ^j und a^^ = .Sj
werden zu lassen; es ergiebt sich dann
((>(-^u ^i))'==
y^K {^V(tr))(lu
i>06
XI. Ueber das Verschwinden der Theta-Functionen.
oder nach Ausziehung der Quadratwurzel und Wegliebung des Factors
ds,
(4-)
9(ßi, ^i)
^K (^(^V)) 9^riSn^i)
^^, rv(tr)U,(s,,.z,)
Man hat daher aus (8.) und (4.) die Gleichung
(5-) {
Aus dieser Gleichung folgt, dass
P
,(1) „(1)
für jeden Werth von .z^ und J^ gleich Null sein muss, wenn die ersten
Derivirten der Function ^{t\,V2^...j Vp) für v(vr = r,.) sämmtUch ver-
schwinden.
5.
Wenn
(1-)
m m
identisch, d. h. für jedwede Werthe von ^ (öu, t/a) und ^ (5^,, Su), ver-
1 ' 1
schwindet, so findet man auf dem oben angegebenen Wege zunächst,
indem man g„, == .z„c, G,„ = s,a werden lässt, dass die ersten Derivirten
der Function
P / ?/^— 1 m — 1 V
-^ {v^, %\, . . ., v^;) für V iv, = V«!:"^ — V<" + rA
i 1 1
XT. Ueber das Verschwinden der Theta-Functionen. 207
sämmtlich verschwinden, dami, indem man ^,„_i — .?„,— i, (>,„_i — «S»— i
unendlich klein werden liisst, dass für
p 711 — 2 m — 2
1 1 ^ 1
auch die zweiten Derivirten sämmtlich verschwinden; und offenbar er-
giebt sich allgemein, dass die Derivirten nter Ordnung sämmtlich ver-
schwinden für
welche Werthe auch die Grossen z und die Grössen J haben mögen.
Es folgt hieraus, dass unter der gegenwärtigen Voraussetzung (1.)
für V {vy = ?v) die ersten bis mten Derivirten der Function
1
^(x\, i\,, ..., Vp)
sämmtlich gleich Null sind.
Um zu zeigen, dass dieser Satz auch umgekehrt gilt, beweisen
wir zunächst, dass wenn
Null sind, auch
I V (»•,/) I säl
d'
identisch verschwindet und die Grössen '9'^"'M v(rr) 1 sämmthch gleich
identisch verschwinden muss und verallgemeinern zu diesem Zwecke
die Gleichung §. 4, (5.).
Wir nehmen an, dass
(2) ,m—l m — l .\
identisch verschwinde.
/ P . VI in . \
aber nicht identisch verscliwinde, behalten in Bezug auf die Grössen t
die frühere Voraussetzuncr bei und betrachten den Ausdruck
2>08 XL lieber das Verschwinden der Theta-Functionen
P
(^•)
?^
1 1 1 /Ml 1 /
n
^ [ l {uf - c/p + f . ) ) ^ [^ («f - ^?'^ + fv)
In diesem Ausdrucke sind unter den Productzeichen sowohl für q, als
für q' sämmtliche Werthe von 1 bis m zu setzen, im Zähler aber die
Fälle, wo Q = q' würde, wegzulassen.
Betrachten wir diesen Ausdruck als Function von ji\, so ergiebt
sich, dass er an den Querschnitten den Factor 1 erlangt und folglich
eine algebraische Function von .e^ ist. Für 0^ = ^(, und s^ = ö^j wer-
den Nenner und Zähler unendlich klein von der zweiten Ordnung, der
Bruch bleibt also endlich*, die übrigen Werthe aber, für welche Zähler
m
und Nenner verschwinden, sind durch die Grössen |t (5,, , ^„), die Grössen
2 ' '
r und die Grössen f, wie oben (§. 3.) bewiesen, völlig bestimmt, und
folglich von den Grössen t, ganz unabhängig. Da der Ausdruck nun
eine symmetrische Function von den Grössen z ist, so gilt dasselbe
für jedes beliebige Zu' er ist eine algebraische Function von 0^^, und
die Werthe dieser Grösse, für welche er unendlich gross oder unend-
lich klein wird, sind von den Grössen g unabhängig. Er ist daher
gleich einer von den Grössen ^ unabhängigen algebraischen Function
der Grössen ^, x C^i? -i'o, . . ., .^m), multiplicirt in einen von den Grössen 0
unabhängigen Factor. Da er aber ungeändert bleibt, wenn man die
Grössen 5^ mit den Grössen ^ vertauscht, so ist dieser Factor gleich
Z (Su S27 ' ' ' y im)y multiplicirt mit einer von den Grössen ^ und den
Grössen ^ unabhängigen Constanten Ä', und wir kömien daher, wenn
wir Yä % (^1, ^2) . . ., 0m) = ^ ('^17 ^2 7 ' ' ') ^nt) sctzcu, unsemi Aus-
drucke (2.) die Form
geben, wo z/^ (.e'j, ^fg, . . ., P^m) eine algebraische von den Grössen f unab-
hängige Function der Grössen z ist, welche in Folge ihrer Verzwei-
m
gungsart sich rational in [i (s^, ^^t) ausdrücken lassen muss. Lässt
1
man nun die Punkte r] mit den Punkten s zusammenfallen, so dass
die Grössen t^ — Zu und die Grössen 6u — ^> sämmtlich unend-
XL Ueber das Verschwinden der Theta-Functionen. 209
lieh klein werden, so ergiebt sich, wenn man die Derivirten von
-O" (^1, v.,^ . . ., Vp) wie oben (§. 4, (1.)) bezeichnet,
(±)'"<::.,...,.„(f^^'^)"«--"«
{A.)t{z„z,,...,s,„)^+ ,_„ ,_^ ,p .
r/2'*'. «•('>) ''«'"
WO die Summationen im Zähler sich auf v^^ v^, . . ., v,,, beziehen. Es
ist kaum nöthig zu bemerken, dass die Wahl des Vorzeichens gleich-
gültig ist, da 'sie auf den Werth von ip (z^, z^j . . . , Zm) t (g^, ?.,...,&«)
keinen Einfluss hat, und dass statt der Grössen chi^i"\ (h&\ ..., du^^
auch, im Zähler und Nenner gleichzeitig, die ihnen proportionalen
Grössen cpiisin, z^i)^ 9^2(^/0'^/"); •••? ^p{^h^ ^/O eingeführt werden
können.
Aus der in (2.), (3.) und (4.) enthaltenen Gleichung, welche für
den Fall bewiesen ist, dass
gleich Null und
/p /W— 1 m— 1 V
\1 1 1
-(2'«*'" -2'<'" + '•■))
von Null verschieden ist, folgt, dass
(P / '" '" \ \
/p
nicht von Null verschieden sein kann, wenn die Functionen '^^'"^l v(n)
sämmtlich gleich Null sind.
Wenn also die Functionen '8'('" + ')( v (vr) ] sämmtlich gleich Null
(v{^nr~ 2'<' +''))='^
sind, so folgt aus der Gültigkeit der Gleichung
für n = m ihre Gültigkeit für n = ni -{- 1. Gilt daher die Gleichung
iür n = 0, oder ist ^ I 1/ (/•, ) I = 0, und verschwinden die ersten bis
Bikuakn'8 gesammelte matbematiache Werke. I. "14
210 XI. Ueber das Verschwinden der Theta-Fiinctionen.
fp \ p
mten Derivirten der Function %• I v{vy) ) für v{vy=r^) sämmtlich, die
Vi / 1
{m -\- l)ten aber nicht sämmtlich, so gilt die Gleichung auch für alle
grösseren Werthe von n bis n = m, aber nicht für n = m -\- 1 ; denn
fp /"^ti vi^l V \
aus -O" ( V ( > u[f:'^ — > «(-") + n ) I = 0 würde, wie wir vorher
v(y]u^l^ — V«J;'> + nj I = 0 würde,
1 1 1 /
P
schon gefunden hatten, folgen, dass die Grössen '^("*+i) I v (r,,) ) sämmt-
lich verschwinden müssten.
6.
Fassen wir das eben Bewiesene mit dem Früheren zusammen, so
erhalten wir folgendes Resultat:
Ist '^ (r^, ^2, . . ., Tp) = 0, so lassen sich (j) — 1) Punkte i]^^ i].^, . . ., i]p_i
so bestimmen, dass
(»•■ ,r,,..., »g - (^«(,."> , §«^">, . . . , 5«5r> ) ;
11 1
und umgekehrt.
Wenn ausser der Function ^ (i\, v.^, . . ., Vp) auch ihre ersten bis
wten Derivirten für v^ = r^, v^ = r^, . . , , Vp = rp sämmtlich gleich
Null, die {m +1) ten aber nicht sämmtlich gleich Null sind, so können
m von diesen Punkten i], ohne dass die Grössen r sich ändern, beliebig
gewählt werden und dadurch sind die übrigen p — 1 — m völlig
bestimmt.
Und umgekehrt:
Wenn m und nicht mehr von den Punkten 7}^ ohne dass sich die
Grössen r ändern, beliebig gewählt werden können, so sind ausser der
Function ^ (v^, v.^, . . . , Vp) auch ihre ersten bis mten Derivirten für
t'i = r^, v^ = r^j , , , ^ Vp = Tp sämmtlich gleich Null, die (m -f- l)ten
aber nicht sämmtlich gleich Null.
Die vollständige Untersuchung aller besonderen Fälle, welche bei
dem Verschwinden einer O"- Function eintreten können, war weniger
nöthig wegen der besondern Systeme von gleichverzweigten algebraischen
Functionen, für welche diese Fälle eintreten, als vielmehr desshalb,
weil ohne diese Untersuchung Lücken in dem Beweise der Sätze ent-
stehen würden, welche auf unsern Satz über das Verschwinden einer
'S" -Function gegründet werden.
Z^veite Abtlieihmg
14»
XII.
lieber die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigono-
metrische Reihe.
(Aus dem dreizehnten Bande der Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Göttingen.)*)
Der folgende Aufsatz über die trigonometrischen Reihen besteht
aus zwei wesentlich verschiedenen Theilen. Der erste Theil enthält
eine Geschichte der Untersuchungen und Ansichten über die willkür-
lichen (graphisch gegebenen) Functionen und ihre Darstellbarkeit durch
trigonometrische Reihen. Bei ihrer Zusammenstellung war es mir ver-
gönnt, einige Winke des berühmten Mathematikers zu benutzen, wel-
chem man die erste gründliche Arbeit über diesen Gegenstand ver-
dankt. Im zweiten Theile liefere ich über die Darstellbarkeit einer
Function durch eine trigonometrische Reihe eine Untersuchung, welche
auch die bis jetzt noch unerledigten Fälle umfasst. Es war nöthig,
ihr einen kurzen Aufsatz über den Begriff eines bestimmten Integrales
und den Umfang seiner Gültigkeit voraufzuschicken.
Geschiclite der Frage über die Darstellbarkeit einer wiUkürlich
gegebenen Function durch eine trigonometrische Reihe.
1.
Die vonFourier so genannten trigonometrischen Reihen, d. h. die
Reihen von der Form
«1 smx + «2 sii^ -'^" + ^3 sin 3^; -j- • • •
4" ^0 4" ^1 cos.t + &2 cos 2x -\- h^ cos 3^- -j- • • •
*) Diese Abhandlung ist im Jahre 1854 von dem Verfasser behuf seiner
Habilitation an der Universität zu Göttingen der philosophischen Facultät ein-
gereicht. Wiewohl der Verfasser ihre Veröffentlichung, wie es scheint, nicht be-
absichtigt hat, so wird doch die hiermit erfolgende Herausgabe derselben in gänz-
lich ungeänderter Form sowohl durch das hohe Interesse des Gegenstandes an
sich als durch die in ihr niedergelegte Behandlungsweise der wichtigsten Principien
der Infinitesimal- Analysis wohl hinlänglich gerechtfertigt erscheinen.
Braunschweig, im Juli 1867. . R. Dedekind.
214 ^1^- Ueber die Darstellbarkeit einer Function
spielen in demjenigen Theile der Mathematik, wo ganz willkürliche
Functionen vorkommen, eine bedeutende Rolle; ja, es lässt sich mit
Grund behaupten, dass die wesentlichsten Fortschritte in diesem für die
Physik so wichtigen Theile der Mathematik von der klareren Einsicht
in die Natur dieser Reihen abhängig gewesen sind. Schon gleich bei
den ersten mathematischen Untersuchungen, die auf die Betrachtung
willkürlicher Functionen führten, kam die Frage zur Sprache, ob sich
eine solche ganz Avillkürliche Function durch eine Reihe von obiger
Form ausdrücken lasse.
Es geschah dies in der Mitte des vorigen Jahrhunderts bei Ge-
legenheit der Untersuchungen über die schwingenden Saiten, mit
welchen sich damals die berühmtesten Mathematiker beschäftigten.
Ihre Ansichten über unsern Gegenstand lassen sich nicht wohl dar-
stellen, ohne auf dieses Problem einzugehen.
Unter gewissen Voraussetzungen, die in der Wirklichkeit näherungs-
weise zutreffen, wird bekanntlich die Form einer gespannten in einer
Ebene schwingenden Saite , wenn x die Entfernung eines unbestimmten
ihrer Punkte von ihrem Anfangspunkte, y seine Entfernung aus der
Ruhelage zur Zeit t bedeutet, durch die partielle Differentialgleichung
bestimmt, wo a von t und bei einer überall gleich dicken Saite von x
unabhängig ist.
Der erste, welcher eine allgemeine Lösung dieser Differential-
gleichung gab, war d'Alembert.
Er zeigte*), dass jede Function von x und t, welche für ^j ge-
setzt, die Gleichung zu einer identischen macht, in der Form
f{x -A- at) -\- (p {x — at)
enthalten sein müsse, wie sich dies durch Einführung der unabhängig
veränderlichen Grössen ■^" -\- at, x — at anstatt x, t ergiebt, wodurch
d ^JL
d'jj _ 1 d^ .^ 4 _i(^±_^o
dx'^ cccc dt'^ d{x — at)
Übergeht.
Ausser dieser partiellen Differentialgleichung, welche sich aus den
allgemeinen Bewegungsgesetzen ergiebt, muss nun y noch die Bedin-
gung erfüllen, in den Befestigungspunkten der Saite stets = 0 zu sein;
man hat also, wenn in dem einen dieser Punkte ^ = 0, in dem an-
dern X = 1 ist.
*) Memoires de Facademie de Berlin. 1747. pag. 214.
durch eine trigonometrische Reihe. 215
/•(«O = -<p{- at), f{l + «0 = -?'(«- «<)
und folglich
tXz) ^-cp(-z) = - q>(l - (l + z))=f{2l + £),
y = f{at + x) — f{at — x) ,
Nachdem d'Alembert die§ für die allgemeine Lösung des Problems
geleistet hatte, beschäftigt er sich in einer Fortsetzung*) seiner Ab-
handlung mit der Gleichung f{z)=f{2l-\-z)'^ d. h. er sucht ana-
lytische Ausdrücke, welche unverändert bleiben, wenn z um 21 wächst.
Es war ein wesentliches Verdienst Euler 's, der im folgenden Jahr-
gange der Berliner Abhandlungen**) eine neue Darstellung dieser
d'Alembert'schen Arbeiten gab, dass er das Wesen der Bedingungen,
welchen die Function f{z) genügen muss, richtiger erkannte. Er be-
merkte, dass der Natur des Problems nach die Bewegung der Saite
vollständig bestimmt sei, wenn für irgend einen Zeitpunkt die Form
der Saite und die Geschwindigkeit jedes Punktes (also y und ^) ge-
geben seien, und zeigte, dass sich, wenn man diese beiden Functionen
sich durch willkürlich gezogene Curven bestimmt denkt, daraus stets
durch eine einfache geometrische Construction die d'Alembert'sche
Function f{z) finden lässt. In der Tliat, nimmt man an, dass für
t = 0, y = (j{x) und || = h{x)
sei, so erhält man für die Werthe von x zwischen 0 und l
fix) -f{-£)=!)(x), fix) + /■(- x) = ^J 'h (x) dx
und folglich die Function f{z) zwischen — l und ?; hieraus aber er-
giebt sich ihr Werth für jeden andern Werth von z vermittelst der
Gleichung
f{0) = f{2l + ,).
Dies ist in abstracten, aber jetzt allgemein geläufigen Begriffen dargestellt,
die Euler'sche Bestimmung der Function f(z).
Gegen diese Ausdehnung seiner Methode durch Euler verwahrte
sich indess d'Alembert sofort***), weil seine Methode nothwendig
voraussetze, dass y sich in t und x analytisch ausdrücken lasse.
*) Ibid. pag. 220.
**) M^moires de Tacademie de Berlin. 1748. pag. 69.
***) Memoires de l'academie de Berlin. 1750. pag. 358. En effet on ne peut
ce me serable exprimer // analytiquement d'une maniere plus generale, qu'en la
supposant une fonction de t et de x. Mais dans cette supposition on ne trouve
la Solution du probleme que pour les cas oü les diff^rentes figures de la corde
vibrante peuvent etre renfermees dans une seule et nieme equation.
216 XI] . Ueber die Darstellbarkeit einer Function
Ehe eine Antwort Euler 's hierauf erfolgte, erschien eine dritte
von diesen beiden ganz verschiedene Behandlung dieses Gegenstandes
von Daniel Bernoulli*). Schon vor d'Alembert hatte Taylor**)
gesehen, dass 7^ == aa ^-^ und zugleich y für x = 0 und für x = l
stets gleich 0 sei, wenn man y = sin — j— cos — x — und hierin für yi
eine ganze Zahl setze. Er erklärte hieraus die physikalische That-
sache, dass eine Saite ausser ihrem Grundtone auch den Grundton
einer ^, -J, \, - • - so langen (übrigens ebenso beschaffenen) Saite geben
könne, und hielt seine particuUire Lösung für allgemein, d. h. er
glaubte, die Schwingung der Saite würde stets, wenn die ganze Zahl n
der Höhe des Tons gemäss bestimmt würde, wenigstens sehr nahe
durch die Gleichung ausgedrückt. Die Beobachtung, dass eine Saite
ihre verschiedenen Töne gleichzeitig geben könne, führte nun Bernoulli
zu der Bemerkung, dass die Saite (der Theorie nach) auch der Gleichung
y = Ea^ sm— y- cos— ,— (r — p«)
gemäss schwingen könne, und weil sich aus dieser Gleichung alle be-
obachteten Modificationen der Erscheinung erklären Hessen, so hielt er
siö für die allgemeinste***). Um diese Ansicht zu stützen, untersuchte
er die Schwingungen eines masselosen gespannten Fadens, der in
einzelnen Punkten mit endlichen Massen beschwert ist, und zeigte,
dass die Schwingungen desselben stets in eine der Zahl der Punkte
gleiche Anzahl von solchen Schwingungen zerlegt werden kann, deren
jede für alle Massen gleich lange dauert.
Diese Arbeiten Bernoulli's veranlassten einen neuen Aufsatz
Euler' s, welcher unmittelbar nach ihnen unter den Abhandlungen der
Berliner Akademie abgedruckt istf). Er hält darin d'Alembert gegen-
über fest ff), dass die Function f{s) eine zwischen den Grenzen — l
und l ganz willkürliche sein könne, und bemerktftf), dass Bernoulli's
Lösung (welche er schon früher als eine besondere aufgestellt hatte)
dann allgemein sei und zwar nur dann allgemein sei, wenn die Reihe
. XTC . . 2X7t ,
a^ sin —. — |- «2 sm -y — r * * *
I ?>0 + ^1 cos ''^'^' + h^ cos -y- -\
*) Memoires de Tacademie de Berlin. 1753. p. 147.
**) Taylor de methodo incrementorum.
***) 1. c. p. 157. art. XIII.
t) Memoires de Facademie de Berlin. 1753. pag. 196.
tt) 1. c. pag. 214.
ttt) 1. c. art. 111— X.
durch eine trigonometrische Reihe. 217
für die Abscisse x die Ordinate einer zwischen den Abscissen 0 und l
ganz willkürlichen Curve darstellen könne. Nun wurde es damals von
Niemand bezweifelt, dass alle Umformungen, welche man mit einem
analytischen Ausdrucke — er sei endlich oder unendlich — vornehmen
kömie, für jedwede Werthe der unbestimmten Grössen gültig seien oder
doch nur in ganz speciellen Fällen unanwendbar würden. Es schien
daher unmöglich, eine algebraische Curve oder überhaupt eine ana-
lytisch gegebene nicht periodische Curve durch obigen Ausdruck dar-
zustellen, und Euler glaubte daher, die Frage gegen Bernoulli ent-
scheiden zu müssen.
Der Streit zwischen Euler und d'Alembert war indess noch
immer unerledigt. Dies veranlasste einen jungen, damals noch wenig
bekannten Mathematiker, Lagrange, die Lösung der Aufgabe auf
'^inem ganz neuen Wege zu versuchen, auf welchem er zu Euler's
Resultaten gelangte. Er unternahm es*), die Schwingungen eines
masselosen Fadens zu bestimmen, welcher mit einer endlichen unbe-
stimmten Anzahl gleich grosser Massen in gleich grossen Abständen
beschwert ist, und untersuchte dann, wie sich diese Schwingungen
ändern, wenn die Anzahl der Massen in's Unendliche wächst. Mit
welcher Gewandtheit, mit welchem Aufwände analytischer Kunstgriffe
er aber auch den ersten Theil dieser Untersuchung durchführte, so
Hess der Uebergang vom Endlichen zum L^nendlichen doch viel zu
wünschen übrig, so dass d'Alembert in einer Schrift, welche er an
die Spitze seiner opuscules mathematiques stellte, fortfahren konnte,
seiner Lösung den Ruhm der grössten Allgemeinheit zu vindiciren.
Die Ansichten der damaligen berühmten Mathematiker waren und
blieben daher in dieser Sache getheilt*, denn auch in spätem Arbeiten
behielt jeder im Wesentlichen seinen Standpunkt bei.
Um also schliesslich ihre bei Gelegenheit dieses Problems ent-
wickelten Ansichten über die willkürlichen Functionen und über die
Darstellbarkeit derselben durch eine trigonometrische Reihe zusammen-
zustellen, so hatte Euler zuerst diese Functionen in die Analysis ein-
geführt und, auf geometrische Anschauung gestützt, die Litinitesimal-
rechnung auf sie angewandt. Lagrange**) hielt Euler's Resultate
(seine geometrische Construction des Schwingungs Verlaufs) für richtig;
aber ihm genügte die Euler sehe geometrische Behandlung dieser
*) Miscellanea Taurinensia. Tom. I. Recherches sur la natiire et la pro-
pagatiou du son.
**) Miscellanea Taurinensia. Tom. 11. Pars math. pag. 18,
218 XII. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
Functionen nicht. D'Alembert*) dagegen ging auf die Euler 'sehe
Auffassungsweise der Differentialrechnung ein und beschränkte- sich,
die Richtigkeit seiner Resultate anzufechten, weil man bei ganz will-
kürlichen Functionen nicht wissen könne, ob ihre Differential quotienten
stetig seien. Was die Bernoulli^sche Lösung betraf, so kamen alle
drei darin überein, sie nicht für allgemein zu halten; aber während
d'Alembert**), um Bernoulli's Lösung für minder allgemein, als
die seinige, erklären zu können, behaupten musste, dass auch eine
analytisch gegebene periodische Function sich nicht immer durch eine
trigonometrische Reihe darstellen lasse, glaubte Lagrange***) diese
Möglichkeit beweisen zu können.
Fast fünfzig Jahre vergingen, ohne dass in der Frage über die
analytische Darstellbarkeit willkürlicher Functionen ein wesentlicher
Fortschritt gemacht wurde. Da warf eine Bemerkung Fourier's ein
neues Licht auf diesen Gegenstand; eine neue Epoche in der Entwicklung
dieses Theils der Mathematik begann , die sich bald auch äusserlich in
grossartigen Erweiterungen der mathematischen Physik kund that.
Fourier bemerkte, dass in der trigonometrischen Reihe
. . ( c\ ^inx + «2 si^ ^^ +. • • •
1 i ^0 ~l" ^1 ^^^ ^ + ^2 cos 2x -\- ' ' '
die Coefficienten sich durch die Formeln
7t 7t
an = — I fix) ^mnxdXj hn = — f fix) cos nxdx
—^7t 7t
bestimmen lassen. Er sah, dass diese Bestimmungsweise auch an-
wendbar bleibe, wenn die Function f{x) ganz willkürlich gegeben sei;
er setzte für fix) eine so genannte discontinuirliche Function (die
Ordinate einer gebrochenen Linie für die Abscisse x) und erhielt so
eine Reihe, welche in der That stets den Werth der Function gab.
Als Fourier in einer seiner ersten Arbeiten über die Wärme,
welche er der französischen Akademie vorlegtet), (21. Dec. 1807) zu-
erst den Satz aussprach, dass eine ganz willkürlich (graphisch) ge-
gebene Function sich durch eine trigonometrische Reihe ausdrücken lasse,
*) Opuscules mathdmatiques p. d'Alembert. Tome premier. 1761. pag. 16.
art. VII -XX.
**) Opuscules mathematiques. Tome I. pag. 42. art. XXIV.
***) Mise. Taur. Tom. III. Pars math. pag. 221. art. XXV.
t) Bulletin des sciences p. la siDc. philomatique Tome I. p. 112.
durch eine trigonometrische Reihe. 219
war diese Behauptung dem greisen Lagrange so unerwartet, dass
er ihr auf das Entschiedenste entgegentrat. Es soll*) sich hierüber
noch ein Schriftstück im Archiv der Pariser Akademie befinden.
Dessenungeachtet verweist**) Poisson überall, wo er sich der trigono-
metrischen Reihen zur Darstellung willkürlicher Functionen bedient,
auf eine Stelle in Lagrange^s Arbeiten über die schwingenden Saiten,
wo sich diese Darstellungsweise finden soll. Um diese Behauptung,
die sich nur aus der bekannten Rivalität zwischen Fourier und
Poisson erklären lässt***), zu widerlegen, sehen wir uns genöthigt,
noch einmal auf die Abhandlung Lagrange 's zurückzukommen; denn
•über jenen Vorgang in der Akademie findet sich nichts veröff'entlicht.
Man findet in der That an der von Poisson citirten Stellet) die
Formel :
j, 7/ = 2/y sin Xit dX X sin X7t + 2jY sin 2X7i dX X sin 2x7t
+ 2fY sinSXjTfZXx sinSj^jr + <?tc. + 2jY ^mnXndX ^innxTC^
de Sorte que, lorsque x = X, on aura y = Y, Y etant Fordonnee qui
repond a l'abscisse X"
Diese Formel sieht nun allerdings ganz so aus wie die Fourier 'sehe
Reihe, so dass bei flüchtiger Ansicht eine Verwechselung leicht mög-
lich ist; aber dieser Schein rührt bloss daher, weil Lagrange das
Zeichen fdX anwandte, wo er heute das Zeichen Z'AX angewandt
haben würde. Sie giebt die Lösung der Aufgabe, die endliche Sinus-
reihe
«1 sin xit + (^h sin 2x'7r -f- • • • + tin sin nx7t
so zu bestimmen, dass sie für die Werthe
1 2 n
n"-f~i ^ '«~+~l ? • • • ^ ^r+ 1
von X, welche Lagrange unbestimmt durch X bezeichnet, gegebene
Werthe erhält. Hätte Lagrange in dieser Formel n unendlich gross
werden lassen, so wäre er allerdings zu dem Fourier 'sehen Resultat
gelangt. Wenn man aber seine Abhandlung durchliest, so sieht man,
dass er weit davon entfernt ist zu glauben, eine ganz willkürliche
Function lasse sich wirklich durch eine unendliche Sinusreihe dar-
stellen. Er hatte vielmehr die ganze Arbeit gerade unternommen, weil
er glaubte, diese Avillkürlichen Functionen Hessen sich nicht durch oiue
*) Nach einer mündlichen Mittheilung des Herrn Professor Dirichlet.
**) Unter Andern in dem verbreiteten Traite de mecanique Nro. 323. p. 638.
***) Der Bericht im bulletin des sciences über die von Fourier der Akademie
vorgelegte Abhandlung ist von Poisson.
f) Mise Taur. Tom. III. Pars math. pag. 261.
220 XII. üeber die Darstellbarkeit einer Function
Formel ausdrücken, und von der trigonometrisclien Reihe glaubte er,
dass sie jede analytisch gegebene periodische Function darstellen könne.
Freilich erscheint es uns jetzt kaum denkbar, dass Lag ränge von
seiner Summenformel nicht zur Fouri er 'sehen Reihe gelangt sein sollte;
aber dies erklärt sich daraus, dass durch den Streit zwischen Euler
und d'Alembert sich bei ihm im Voraus eine bestimmte Ansicht über
den einzuschlagenden Weg gebildet hatte. Er glaubte das Schwingungs-
problem für eine unbestimmte endliche Anzahl von Massen erst voll-
ständig absolviren zu müssen, bevor er seine Grenzbetrachtungen an-
wandte. Diese erfordern eine ziemlich ausgedehnte Untersuchung*),
welche unnöthig war, wenn er die Fourier'sche Reihe kannte.
Durch Fouri er war nun zwar die Natur der trigonometrischen
Reihen vollkommen richtig erkannt**); sie wurden seitdem in der
mathematischen Physik zur Darstellung willkürlicher Functionen viel-
fach angewandt, und in jedem einzelnen Falle überzeugte man sich
leicht, dass die Fourier'sche Reihe vrirklich gegen den Werth der
Function convergire; aber es dauerte lange, ehe dieser wichtige Satz
allgemein bewiesen wurde.
Der Beweis, welchen Cauchy in einer der Pariser Akademie am
27. Febr. 1826 vorgelesenen Abhandlung gab***), ist unzureichend, wie
Dirichlet gezeigt hatf). Cauchy setzt voraus, dass, wenn man in
der willkürlich gegebenen periodischen Function f{x) für x ein com-
plexes Argument x -{- yi setzt, diese Function für jeden Werth von y
endlich sei. Dies findet aber nur Statt, wenn die Function gleich
einer constanten Grösse ist. Man sieht indess leicht, dass diese Voraus-
setzung für die ferneren Schlüsse nicht nothwendig ist. Es reicht hin,
wenn eine Function (p{x -\- yi) vorhanden ist, welche für alle positiven
Werthe von y endlich ist und deren reeller Theil für y = 0 der ge-
gebenen periodischen Function f(x) gleich wird. Will man diesen
Satz, der in der That richtig ist ff), voraussetzen, so führt allerdings
der von Cauchy eingeschlagene Weg zum Ziele, wie umgekehrt dieser
Satz sich aus der Fouri er'sehen Reihe ableiten lässt.
*) Mise. Taur. Tom. III. Pars math. p. 251.
**) Bulletin d. sc Tom. I. p. 115. Les coefficients a, d , a" , . . . etant ains-i
determinös etc.
***) Me'moires de l'ac. d. sc. de Paris. Tom. VI. p. 603.
t) Grelle Journal für die Mathematik. Bd. lY. p. 157 & 158.
tt) Der Beweis findet sich in der Inauguraldissertation des Verfassers.
durch eine trigonometrische Reihe. 221
3.
Erst im Januar 1829 erschien im Journal von Grelle*) eine Ab-
handlung von Dirichlet, worin für Functionen, die durchgehends eine
Integration zulassen und nicht unendlich viele Maxima und Minima
haben, die Frage ihrer Darstellbarkeit durch trigonometrische Reihen
in aller Strenge entschieden wurde.
Die Erkenntniss des zur Lösung dieser Aufgabe einzuschlagenden
Weges ergab sich ihm aus der Einsicht, dass die unendlichen Reihen
in zwei wesentlich verschiedene Klassen zerfallen , je nachdem sie,
wenn man sämmtliche Glieder positiv macht, convergent bleiben oder
nicht. In den ersteren können die Glieder beliebig versetzt werden,
der Werth der letzteren dagegen ist von der Ordnung der Glieder ab-
hängig. In der That, bezeichnet man in einer Reihe zweiter Klasse
die positiven Glieder der Reihe nach durch
die negativen durch
— 6i, —6,, — \y . . .,
so ist klar, dass sowohl Ea, als Eh unendlich sein müssen; denn
wären beide endlich, so würde die Reihe auch nach Gleichmachung
der Zeichen convergiren; wäre aber eine unendlich, so würde die Reihe
divergiren. Offenbar kann nun die Reihe durch geeignete Anordnung
der Glieder einen beliebig gegebenen Werth C erhalten. Denn nimmt
man abwechselnd so lange positive Glieder der Reihe, bis ihr Werth
grösser als C wird, und so lange negative, bis ihr Werth kleiner als
C wird, so wird die Abweichung von C nie mehr betragen, als der
Werth des dem letzten Zeichenwechsel voraufgehenden Gliedes. Da
nun sowohl die Grössen a, als die Grössen 1) mit wachsendem Index
zuletzt unendlich klein werden, so werden auch die Abweichungen
von C, wenn man in der Reihe nur hinreichend weit fortgeht, be-
liebig klein werden, d. h. die Reihe wird gegen C convergiren.
Nur auf die Reihen erster Klasse sind die Gesetze endlicher Sum-
men anwendbar; nur sie können wirklich als Inbegriff ihrer Glieder
betrachtet werden, die Reihen der zweiten Klasse nicht; ein Umstand,
welcher von den Mathematikern des vorigen Jahrhunderts übersehen
wurde, hauptsächlich wohl aus dem Grunde, weil die Reihen, welche
nach steigenden Potenzen einer veränderlichen Grösse fortschreiten, all-
gemein zu reden (d. h. einzelne Werthe dieser Grösse ausgenommen),
zur ersten Klasse gehören.
*) Bd. IV. pag. 157.
222 XII. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
Die Foiirier'sche Reihe gehört nun offenbar nicht nothwendig
zur ersten Klasse; ihre Convergenz konnte also gar nicht, wie Cauchy
vergeblich*) versucht hatte, aus dem Gesetze, nach welchem die Glie-
der abnehmen, abgeleitet werden. Es musste vielmehr gezeigt werden,
dass die endliche Reihe
n n
— / f{a) sin«r/« sin.T -j / f{a) sin2«r7a sin2:r -{-•••
— TT —TT
n
-\ I f{a) ^voinaäa sinw;^
7t
71 n 7t
~ I /*W (^^ ~^ n I f^^^ ^^^ ^^^^ cos:r -) / f(a) cos 2ada cos 2:r -|
2
71
H / f(s^) cosoiada cosw.^
oder, was dasselbe ist, das Integral
.'./Vw
' . {x — a)
. X — a
sin
da
-7t 2
sich, wenn n in's Unendliche wächst, dem Werthe f(x) unendlich an-
nähert.
Dirichlet stützt diesen Beweis auf die beiden Sätze:
c
1) Wenn 0 < c < y , nähert sich C (p (/3) ^^^"^y^^^ dß mit wach-
sendem n zuletzt unendlich dem Werth -^- 9^(0);
c
2) wenn 0 <h <c^~, nähert sich j'cpiß) ^^^^^~^^- dß mit
/>
wachsendem n zuletzt unendlich dem Werth 0;
vorausgesetzt, dass die Function g) (ß) zwischen den Grenzen dieser
Integrale entweder immer abnimmt, ocjer immer zunimmt.
Mit Hülfe dieser ^beiden Sätze lässt sich, wenn die Function f
nicht unendlich oft vom Zunehmen zum Abnehmen oder vom Ab-
nehmen zum Zunehmen übergeht, das Integral
*) Dirichlet in Crelle's Journal. Bd. IV. pag. 158. Quoi qu'il en soit de
cette premiere Observation, . . . ä mesure que n croit.
durch eine trigonometrische Reihe. 223
hj'fi'^)
. 2n4- 1 .
sm -' {x ~ a)
. X — a.
81 n — -^
offenbar in eine endliche Anzahl von Gliedern zerlegen, von denen
eins*) gegen ^f{x + 0), ein »anderes gegen ^f(x — 0), die übrigen
aber gegen 0 convergiren, wenn n ins Unendliche wächst.
Hieraus folgt, dass durch eine trigonometrische Reihe jede sich
nach dem Intervall 2% periodisch wiederholende Function darstellbar
ist, welche
1) durchgehends eine Integration zulässt,
2) nicht unendlich viele Maxima und Minima hat und
3) wo ihr Werth sich sprungweise ändert, den Mittel wertli zwi-
schen den beiderseitigen Grenzwerthen annimmt.
Eine Function, welche die ersten beiden Eigenschaften hat, die
dritte aber nicht, kann durch eine trigonometrische Reihe offenbar
nicht dargestellt werden; denn die trigonometrische Reihe, die sie
ausser den ün Stetigkeiten darstellt, würde in den Unstetigkeitspunkten
selbst von ihr abweichen. Ob und wann aber eine Function, welche
die ersten beiden Bedingungen nicht erfüllt, durch eine trigonometrische
Reihe darstellbar sei, bleibt durch diese Untersuchung unentschieden.
Durch diese Arbeit Dirichlet's ward einer grossen Menge wich-
tiger analytischer Untersuchungen eine feste Grundlage gegeben. Es
war ihm gelungen, indem er den Punkt, wo Euler irrte, in volles
Licht brachte, eine Frage zu erledigen, die so viele ausgezeichnete
Mathematiker seit mehr als siebzig Jahren (seit dem Jahre 1753) be-
schäftigt hatte. In der That für alle Fälle der Natur, um welche es
sich allein handelte, war sie vollkommen erledigt; denn so gross auch
unsere Unwissenheit darüber ist, wie sich die Kräfte und Zustände der
Materie nach Ort und Zeit im Unendlichkleinen ändern, so können
wir doch sicher annehmen, dass die Functionen, auf welche sich die
Dirichlet'sche Untersuchung nicht erstreckt, in der Natur nicht vor-
kommen.
Dessenungeachtet scheinen diese vonDirichlet unerledigten Fälle
aus einem zweifachen Grunde Beachtung zu verdienen.
*) Es ist nicht schwer zu beweisen, dass der Werth einer Function /", welche
nicht unendlich viele Maxima und Minima hat, stets, sowohl wenn der Argument-
werth abnehmend, als wenn er zunehmend gleich .r wird, entweder festen Grenz-
werthen f{x -}- 0) und f{x — 0) (nach Dirichlet's Bezeichnung in Dove's Reper-
torium der Physik. Bd. 1. pag. 170) sich nähern, oder unendlich gross werden
müsse.
224 XII. Ueber die Daratellbarkeit einer Futiction
Erstlich steht ^ wie Dirichlet selbst am Schlüsse seiner Abhand-
lung bemerkt, dieser Gegenstand mit den Principien der Infinitesimal-
rechnung in der engsten Verbindung und kann dazu dienen, diese
Principien zu grösserer Klarheit und Bestimmtheit zu bringen. In
dieser Beziehung hat die Behandlung desselben ein unmittelbares
Interesse.
Zweitens aber ist die Anwendbarkeit der Fourier 'sehen Reihen
nicht auf physikalische Untersuchungen beschränkt; sie ist jetzt auch
in einem Gebiete der reinen Mathematik, der Zahlentheorie, mit Er-
folg angewandt, und hier scheinen gerade diejenigen Functionen,
deren Darstellbarkeit durch eine trigonometrische Reihe Dirichlet
nicht untersucht hat, von Wichtigkeit zu sein.
Am Schlüsse seiner Abhandlung verspricht freihch Dirichlet,
später auf diese Fälle zurückzukommen, aber dieses Versprechen ist
bis jetzt unerfüllt geblieben. Auch die Arbeiten von Dirksen und
Bessel über die Cosinus- und Sinusreihen leisten diese Ergänzung
nicht; sie stehen vielmehr der Dirichlet'schen an Strenge und All-
gemeinheit nach. Der mit ihr fast ganz gleichzeitige Aufsatz Dirks en's*)
welcher offenbar ohne Kenntniss derselben geschrieben ist, schlägt
zwar im Allgemeinen einen richtigen Weg ein, enthält aber im Ein-
zelnen einige Ungenauigkeiten. Denn abgesehen davon, dass er in
einem speciellen Falle**) für die Summe der Reihe ein falsches Re-
sultat findet, stützt er sich in einer Nebenbetrachtung auf eine nur in
besoiideren Fällen mögliche Reihenentwicklung***), so dass sein Be-
weis nur für Functionen mit überall endlichen ersten Differential-
quotienten vollständig ist. Besself) sucht den Dirichlet'schen Be-
weis zu vereinfachen. Aber die Aenderungen in diesem Beweise ge-
währen keine wesentliche Vereinfachung in den Schlüssen, sondern
dienen höchstens dazu , ihn in geläufigere Begriffe zu kleiden , während
seine Strenge und Allgemeinheit beträchtlich darunter leidet.
Die Frage über die Darstellbarkeit einer Function durch eine tri-
gonometrische Reihe ist also bis jetzt nur unter den beiden Voraus-
setzungen entschieden, dass die Function durchgehends eine Integration
zulässt und nicht unendlich viele Maxima und Minima hat. Wenn die
letztere Voraussetzung nicht gemacht wird, so sind die beiden Integral-
theoreme Dirichlet's zur Entscheidung der Frage unzulänglich; wenn
aber die erstere wegfallt, so ist schon die Fourier'sche Coefficienten-
*) Crelle's Journal. Bd. IV. p. 170.
**) 1. c. Formel 22.
***) 1. c. Art. 3.
t) Schumacher. Astronomische Nachrichten. Nro. 374 (Bd. 16. p. 229).
durch eine trigonometrische Reihe. 225
bestimmung nicht anwendbar. Der im Folgenden, wo diese Frage
ohne besondere Voraussetzungen über die Natur der Function unter-
sucht werden soll, eingeschlagene Weg ist hierdurch, wie man sehen
wird, bedingt; ein so directer Weg, wie der Dirichlet's, ist der Natur
der Sache nach nicht mJiglich. ,
Ueber den Begriff eines bestimmten Integrals und den Umfang
seiner Gültigkeit.
4.
Die Unbestimmtheit, welche noch in einigen Fundamentalpunkten
der Lehre von den bestimmten Integralen herrscht, nöthigt uns.
Einiges voraufzuschicken über den Begriff eines bestimmten Integrals
und den Umfang seiner (nlltigkeit.
Also zuerst: Was hat man unter / f(.r^ de zu verstehen?
Jm
Um dieses festzusetzen, nehmen wir zwischen a und h der Grösse
nach auf einander folgend, eine Reihe von W^erthen a^^, x.^, ..., Xn—i
an und bezeichnen der Kürze wegen x^ — a durch d^ , x.^ -^ x^ durch
d\j, . . ., 7> — x,i~i durch 8,^ und durch £ einen positiven ächten Bruch.
Es wird alsdann der Werth der Summe
S = ö, f(a + e, Ö,) + d, t\x, + 8, ^,) + 8, t\x, + e, ö,) + • • •
+ Ö,i f {Xn-l + £« (5«)
von der Wahl der Intervalle 8 und der Grössen £ abhängen. Hat sie
nun die Eigenschaft, wie auch 8 und e gewählt werden mögen, sich
einer festen Grenze A unendlich zu nähern, sobald sämmtliche 8 un-
endlich klein werden, so lieisst dieser Werth
j '/••.'■) <i'-
Hat sie diese Eigenschaft nicht, so hat / /(./•) dx keine l^eden-
a
tung. Man hat jedoch in mehreren Fällen versucht, dieseui Zeichen
auch dann eine Bedeutung beizulegen, und unter diesen Erweiterungen
des Begriffs eines bestimmten Integrals ist eine von allen Mathema-
tikern angenommen. Wenn nämlich die Function f {x) bei Annäherung
des Arguments an einen einzelnen Werth c in dem Intervalle («, li)
unendlich gross wird, so kann olfenbar die Summe 6', welchen Grad
von Kleinheit man auch den 8 vorschreiben möge, jeden beliebigen
Bt£MANN's geKuniiiioIte inatheiiiatisclit' Werke. I. 15
226 XII. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
Werth erhalten; sie hat also keinen Grenz wertli^ und j f(x)dx würde
a
nach dem Obigen keine Bedeutung haben. Wenn aber alsdann
j'fQ,^dx+J'f{x)dx
a c -f- a.2
sich, wenn «j und cc.^ unendlich klein werden, einer festen Grenze
nähert, so versteht man unter / f(x) clx diesen GreuzAverth.
J fi^)
Andere Festsetzungen von Cauchy über den Begriff des bestimm-
ten Integrales in den Fällen, wo es dem Grundbegriffe nach ein sol-
ches nicht giebt, mögen für einzelne Klassen von Untersuchungen
zweckmässig sein; sie sind indess nicht allgemein eingeführt und dazu,
schon wegen ihrer grossen Willkürlichkeit, wohl kaum geeignet.
Untersuchen wir jetzt zweitens den Umfang der Gültigkeit dieses
Begriffs oder die Frage: in welchen Fällen lässt eine Function eine
Integration zu und in welchen nicht?
Wir betrachten zunächst den Integralbegriff* im engern Sinne,
d. h. wir setzen voraus, dass die Summe /S, wenn sämmtliche d un-
endlich klein werden, convergirt. Bezeichnen wir also die grösste
Schwankung der Function zwischen a und x^^ d. h. den Unterschied
ihres grössten und kleinsten Werthes in diesem Intervalle, durch Dj,
zwischen Xj^ und X2 durch D2 . . . . , zwischen Xn~i und h durch D„,
so muss
mit den Grössen ö unendlich klein werden. Wir nehmen ferner an,
dass, so lange sämmtliche d kleiner als d bleiben, der grösste Werth,
den diese Summe erhalten kann, A sei; A wird alsdann eine Function
von d sein, welche mit d immer abnimmt und mit dieser Grösse un-
endlich klein wird. Ist nun die Gesammtgrösse der Intervalle, in
welchen die Schwankungen grösser als 6 sind, == s, so wird der Bei-
trag dieser Intervalle zur Summe ö^D^ -\- ö^J).^ -\- ' ' ' ~{- ^nJhi offen-
bar > (75. Man hat daher
^s < djA + 62A H \- 8„T)n 5 A, folglich 5 ^ -^- .
kami nun, wenn 6 gegeben ist, immer durch geeignete Wahl von
durch eine trigonometrische Reihe. 227
d beliebig klein gemacht werden; dasselbe gilt daher von 8, und es
ergiebt sich also:
Damit die Summe /S', wenn sämmtliche ö unendlich klein werden,
convergirt, ist ausser der Endlichkeit der Function f{:r) noch erfor-
derlich, dass die Gesammtgrösse der Intervalle, in welchen die
Schwankungen > ö sind, was auch (5 sei, durch geeignete Wahl von
d beliebig klein gemacht werden kann.
Dieser Satz lässt sich auch umkehren:
Wenn die Function f{x) immer endlich ist, und bei unendlichem
Abnehmen sämmtlicher Grössen 8 die Gesammtgrösse s der Intervalle,
in welchen die Schwankungen der Function fix) grösser, als eine ge-
gebene Grösse (?, sind, stets zuletzt unendlich klein wird, so conver-
ffirt die Summe S, wenn sämmtliche Ö unendlich klein werden.
Denn diejenigen Intervalle, in welchen die Schwankungen > a
sind, liefern zur Summe ö^]\ + d\,/>2 + • • • + ^nThi einen Beitrag,
kleiner als 5, multiplicirt in die grösste Schwankung der Function
zwischen a und h, welche (n. V.) endlich ist; die übrigen Intervalle
einen Beitrag < (7 (Z> — a). Offenbar kann man nun erst 6 beliebig
klein annehmen und dann immer noch die Grösse der Intervalle (n. V.)
80 bestimmen, dass auch s beliebig klein wird, wodurch der Summe
(3,7), + • • • + 8nT>n jede beliebige Kleinheit gegeben, und folglich der
AVorth der Summe S in beliebig enge Grenzen eingeschlossen wer-
den kann.
Wir haben also Bedingungen gefunden, welche nothwendig und
hinreichend sind, damit die Summe S bei unendlichem Abnehmen der
Grössen ö convergire und also im engern Sinne von einem Integrale
der Function f{x) zwischen a und h die Rede sein könne.
Wird nun der Integralbegriff wie oben erweitert, so ist oftenbar,
damit die Integration durchgehends möglich sei, die letzte der beiden
gefundenen Bedingungen auch dann noch nothwendig; an die Stelle
der Bedingung, dass die Function immer endlich sei, aber tritt die
Bedingung, dass die Function nur bei Annäherung des Arguments an
einzelne Werthe unendlich werde, und dass sich ein bestimmter
Grenzwerth ergebe, wenn die Grenzen der Integration diesen Werthen
unendlich genähert werden.
0.
Nachdem wir die Bedingungen für die Möglichkeit eines bestimm-
ten Integrals im Allgemeinen, d. h. ohne besondere Voraussetzungen
über die Natur der zu integrirenden Function, untersucht haben, soll
nun diese Untersuchung in besonderen Fällen theils angewandt, theils
16*
228 ^TI- Ueber die Darstellbarkeit einer Function
weiter ausgeführt werden, und zwar zunächst für die Functionen,
welche zwischen je zwei noch so engen Grenzen unendlich oft un-
stetig sind.
Da diese Functionen noch nirgends betrachtet sind, wird es gut
sein, von einem bestimmten Beispiele auszugehen. Man bezeichne der
Kürze wiegen durch (x) den Ueberschuss von r?^ über die nächste ganze
Zahl, oder, wenn ./■ zwischen zweien in der Mitte liegt und diese Be-
stimmung zweideutig wird, den Mittelwerth aus den beiden Werth(Mi
-J und — -^, also die Null, ferner durch n eine ganze, durch j) eine
ungerade Zahl und bilde alsdann die Reihe
l,CO
so convergirt, wie leicht zu sehen, diese Reihe für jeden Werth von X]
ihr Werth nähert sich, sowohl, wenn der Argumentwerth stetig al)-
nehmend, als wenn er stetig zunehmend gleich x wird, stets einem
festen Grenzwerth, und zwar ist, wenn x = ~- (wo Py n relative Prim-
zahlen)
f(. + 0) = fU) _ -L (1 + 1 + ^, + . . .) = m - '^^
/■(x - 0) = a.) + ^^ (1 + -t + ,v. + •■•)= /■(•'■) + ^,
sonst aber überall f(x + 0) = f(x), f(x — 0) = f{x).
Diese Function ist also für jeden rationalen Werth von x, der in
den kleinsten Zahlen ausgedrückt ein Bruch mit geradem Nenner ist,
unstetig, also zwischen je zwei noch so engen Grenzen unendlich oft,
so jedoch, dass die Zahl der Sprünge, welche grösser als eine ge-
gebene Grösse sind, immer endlich ist. Sie lässt durchgehends eine
Integration zu. In der That genügen hierzu neben ihrer Endlichkeit
die beiden Eigenschaften, dass sie für jeden Werth von x beiderseits
einen Grenzwerth f(x -\- 0) und f(x — 0) hat, und dass die Zahl der
Sprünge, welche grösser oder gleich einer gegebenen Grösse a sind,
stets endlich ist. Denn wenden wir unsere obige Untersuchung an,
so lässt sich offenbar in Folge dieser beiden Umstände d stets so klein
annehmen, dass in sä'mmtlichen Intervallen, welche diese Sprünge nicht
enthalten, die Schwankungen kleiner als ö sind, und dass* die Ge-
sammtgrösse der Intervalle, welche diese Sprünge enthalten, beliebig
klein wird.
Es verdient bemerkt zu werden, dass die Functionen, welche nicht
unendlich viele Maxima und Minima haben (zu welchen übrigens die
eben betrachtete nicht gehört), wo sie nicht unendlich werden, stets
durch eine trigonometrische Reihe. 229
diese beiden Eigenschaften besitzen und daher allenthalben, wo sie
nicht unendlich werden, eine Integration zulassen, wie sich auch leicht
direct zeigen lässt.
Um jetzt den Fall, wo die zu integrirende Function f(x) für einen
einzelnen Werth unendlich gross wird, näher in Betracht zu ziehen,
nehmen wir an, dass dies für x = 0 stattfinde, so dass bei abnehmen-
dem positiven x ihr Werth zuletzt über jede gegebene Grenze wächst.
Es lässt sich dann leicht zeigen, dass xf{x) bei abnehmendem x
von einer endlichen Grenze a an, nicht fortwährend grösser als eine
endliche Grösse c bleiben könne. Denn dann wäre
a a
(IX
I fix) (Ix > c I ~
X
also grösser als c (log — — log —\ , welche Grösse mit abnehmendem
X zuletzt in's Unendliche wächst. Es muss also xf{x)y wenn diese
Function nicht in der Nähe von x = 0 unendlich viele Maxima und
^Minima hat, nothwendig mit x unendlich klein werden, damit f(x)
einer Integration fähioj sein könne. Wenn andererseits
f(^\ ^a _ f(^)dx{l-Ci)
jyx)x — a{xi-")
bei einem Werth von « < 1 mit x unendlich klein wird, so ist klar,
dass das Integral bei unendlichem Abnehmen der unteren Grenze con-
vergirt.
Ebenso findet man, dass im Falle der Convergenz des Integrals
die Functionen
../ N 1 1 f{x)dx /./ \ 1 1 1 1 1 f(x)dx
fU)x\og- = —^^ ~, f{x)x\og- log log -^ = - -— - . . .,
— 6^ log log- — dl0gl0gl0g-
/./ \ 1 1 1 1 l 1 „ 1 1 1 « 1 f'{x)dx
/ (x) X log ^ log log - • • • log«-^ - log" - = -
-.nog^+^i
nicht bei abnehmendem x von einer endlichen Grenze an fortwährend
grösser als eine endliche Grösse bleiben können, und also, wenn sie
nicht unendlich viele Maxima und Minima haben, mit x unendlich
klein werden müssen; dass dagegen das Integral ff(x) dx bei un-
endlichem Abnehmen der unteren Grenze convergire, sobald
A«)...«i.-..r-.i(..ri)--^aijii^t
für « > 1 mit X unendlich klein wird.
230 ^^I- Uebcr die Darstellbarkeit einer Function
Hat aber die Function f{x) unendlich viele Maxima und Minima,
so lässt sich über die Ordnung ihres Unendlichwerdens nichts bestim-
men. In der That, nehmen wir an, die Function sei ihrem absoluten
AVerthe nach, wovon die Ordnung des Unendlichwerdens allein ab-
hängt, gegeben, so wird man immer durch geeignete Bestimmung des
Zeichens bewirken können, dass das Integral ff\x) dx bei unendlichem
Abnehmen der unteren Grenze convergire. Als Beispiel einer solchen
Function, welche unendlich wird und zwar so, dass ihre Ordnung (die
Ordnung von ^ als Einheit genommen) unendlich gross ist, mag die
Function
ixQ,o^e^\
1
= COS G -\ e sm e
I /VI
dx ^ X
dienen.
Das möge über diesen im Grunde in ein anderes Gebiet gehörigen
Gegenstand genügen; wir gehen jetzt an unsere eigentliche Aufgabe,
eine allgemeine Untersuchung über die Darstellbarkeit einer Function
durch eine trio^onometrische Reihe.
Untersuchung der Darstellbarkeit einer Function durch eine trigo-
nometrische Reihe ohne besondere Voraussetzungen über die Natur
der Function.
7.
Die bisherigen Arbeiten über diesen Gegenstand hatten den Zweck,
die Fourier'sche Reihe für die in der Natur vorkommenden Fälle zu
beweisen; es konnte daher der Beweis für eine ganz willkürlich ange-
nommene Function begonnen, und später der Gang der Function behuf
des Beweises willkürlichen Beschränkungen unterworfen werden, wenn
sie nur jenen Zweck nicht beeinträchtigten. Für unsern Zweck darf
derselbe nur den zur Darstellbarkeit der Function nothwendigen Be-
dingungen unterworfen werden; es müssen daher zunächst zur Dar-
stellbarkeit nothwendige Bedingungen aufgesucht und aus diesen dann
zur Darstellbarkeit hinreichende ausgewählt werden. Während also
die bisherigen Arbeiten zeigten: wenn eine Function diese und jene
Eigenschaften hat, so ist sie durch die Fourier^sche Reihe darstell-
bar; müssen wir von der umgekehrten Frage ausgehen: Wenn eine
Function durch eine trigonometrische Reihe darstellbar ist, was folgt
daraus über ihren Gang, über die Aenderung ihres Werthes bei stetiger
Aenderung des Arguments?
durch eine trigonometrische Reihe. 231
Demnach betrachten wir die Reihe
a^ sin X + a.^ sin 2^ + * * *
ih^ -\- hl cos X -^ 1)2 cos 2x + • • •
oder, wenn wir der Kürze wegen
^ ?>^ = Aqj a^ sin^; + hi cos x =f= A^^ a.^ sin 2x + h^ cos 2x == Ä^, . . .
setzen, die Reihe
A, + A, + A, + ---
als gegeben. Wir bezeichnen diesen Ausdruck durch il und seinen
Werth durch fix)^ so dass diese Function nur für diejenigen Werthe
von x vorhanden ist, wo die Reihe convergirt.
Zur Convergenz einer Reihe ist nothwendig, dass ihre Glieder zu-
letzt unendlich klein werden. Wenn die Coefficienten a«, &„ mit
wachsendem n in's Unendliche abnehmen, so werden die Glieder der
Reihe 5i für jeden Werth von x zuletzt unendlich klein; andernfalls
kann dies nur für besondere Werthe von x stattfinden. Es ist nöthig,
beide Fälle getrennt zu behandeln.
8.
Wir setzen also zunächst voraus, dass die Glieder der Reihe ^
für jeden Werth von x zuletzt unendlich klein werden.
Unter dieser Voraussetzung convergirt die Reihe
C + 6" X + A, f - ^, - 4^- - -^i . . . = F {x) ,
welche man aus ^ durch zweimalige Integration jedes (TÜedes nach x
erhält, für jeden Werth von x. Ihr Werth F{x) ändert sich mit x
stetig, und diese Function F von x lässt folglich allenthalben eine
Integration zu.
Um Beides — die Convergenz der Reihe und die Stetigkeit der
Fimction Fix) — einzusehen, bezeichne man die Summe der Glieder
bis — ^-^ einschliesslich durch N, den Rest der Reihe, d. h. die Reihe
__ An-\-l Än-{-2
diircii 11 und den grössten Werth von Ä,a für m > n durch e. Als-
dann bleibt der Werth von 1\, wie weit man diese Reihe fortsetzen
möge, offenbar abgesehen vom Zeichen
< ^ \{n -f 1)^ + (n + 2)*-^ "^ ) ^ "^
und kann also in beliebig kleine Grenzen eingeschlossen werden, wenn
man ri nur hinreichend gross annimmt; folglich convergirt die Reihe.
232 ^11. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
Ferner ist die Function F{x) stetig; d. h. ihrer Aenderung kann jede
Kleinheit gegeben werden^ wenn man der entsprechenden Aenderung
von X eine hinreichende Kleinheit vorschreibt. Denn die Aenderung
von F{x) setzt sich zusammen aus der Aenderung von 11 und von iV;
offenbar kann man nun erst n so gross annehmen, dass l{j was auch
X sei, und folglich auch die Aenderung von U für jede Aenderung
von X beliebig klein wird, und dann die Aenderung von x so klein
annehmen, dass auch die Aenderung von N beliebig klein wird.
Es wird gut sein, einige Sätze über diese Function F{oi^y deren
Beweise den Faden der Untersuchung unterbrechen würden, vorauf-
zuschicken.
Lehrsatz 1. Falls die Reihe Sl convergirt, convergirt
F{x 4- « -f (3) — F{x -\. a — ß)~ F(x - « -f- ß) -f- F(x - g - ß)
4.aß
wenn a und ß so unendlich klein werden, dass ihr Verhältniss endlich
bleibt, gegen denselben Werth, wie die Reihe.
In der That wird
F{x ^ a-\- ß) - F(x -{- K — ß) — F{x — a -\- ß) + F {x — a — ß)
4«ß
■Ä,
, ^ sin n; sin ß
+ Ä,
sin 2
2«
a 1
äin2|3
2(3
+ ^l3-
in3(
X sin3^ .
3«
3ß '
oder.
um
den einfacheren
Fall,
WO
ß
= «,
zuerst
ZU
erledigen,
Fix-i-
•2«)
-2F{x)-\-Fix-
-2 a) _
= A.
4
- A. 1
^sin a\ 2
4- .
A, {^^ +
4o:o: " ' ^ \^ « y ' ^ \ 2k J '
Ist die unendliche Reihe
A, + A, + A, + -.-=fix),
die Reihe
A + A-\ h -^^«-1 = /'W + ^ri,
so muss sich für eine beliebig gegebene Grösse ö ein Werth m von n
angeben lassen, so dass, wenn n^ m, f „ < d wird. Nehmen wir nun
« so klein an, dass ma <.%, setzen wir ferner mittelst der Substitution
1, OO
und theilen wir diese letztere unendliche Reihe in drei Theile, indem wir
1) die Glieder vom Index 1 bis m einschliesslich,
2) vom Index m -\- 1 bis zur grössten unter — liegenden ganzen
Zahl, welche s sei,
3) von s + 1 ^is unendlich;
durch eine trigonometrische Reihe. ^33
zusammenfassen, so besteht der erste Theil aus einer endlichen Anzahl
stetisx sich ändernder (llieder und kann daher seinem Grenzwerth 0
beliebig genilhe\t werden, wenn man « hinreichend klein werden lässt;
der zweite Theil ist, da der Factor von £n beständig ])Ositiv ist, oö'en-
bar abgesehen vom Zeichen
^ ( /siri''"^\'^ /sin.Sfv\-'
|\ma/ \ sa )
um endlich den dritten Theil in Grenzen einzuschliessen, zerlege man
das allijfemeine Glied in
und
( /sin (n — 1) a-y^ /«in (n — 1) a\^|
'^ \ [-(n^-ija ) ~ \ na ) j
{ /vsin(H — l)of\2 /sin«fv\2l
sin (2n — 1)« «in cc
{na)
SO leuchtet ein, dass es
|(>i — ly^ aa nnaai ' nna
und folglich die Summe von n = s -{- 1 bis n = oo
welcher Werth für ein unendlich kleines a in
ö \- 1 \ über<i:eht.
1 7l7t 7^ j
Die Reihe
^ f/sin(n — l)ff\2 /sinway
^ ^" \\{n- l)a ) "" \na~)
nähert sich daher mit abnehmendem a einem Grenzwerth, der nicht
grösser als
I TT 717t
sein kann, also Null sein muss, und folglich convergirt
F{x-\-2a)-- 2F{x)-\-Fix—2a)
welches
^v N I STT f /sin(w — 1)«\''^ /sinna\2^
mit in's Unendliche abnehmendem « gegen f(j:), wodurch unser Satz
für den Fall ß = a bewiesen ist.
Um ihn allgemein zu beweisen, sei
F(,v + « + ^) - 21'\x) + F(x-ct-ß) = (« + ßy (fix) + <J,)
F{x + a-ji)- 2F{.t^ + F(x -« + /?) = (« - ßY (fix) + d,),
woraus
234 XII. lieber die Darstellbai'keit einer Function
F{x + « + /3) — Fix + a — ß)~ F{x — « + /3) + F{x — a — ß)
= 4.aß fOv) + (« + ßy ö, - (a - ßY d,.
In Folge des eben Bewiesenen werden nun d^ und d., unendlich klein,
sobald ß und ß unendlich klein werden; es wird also auch
unendlich klein, weim dabei die Coeflicienten von d\ und S^ nicht un-
endlich gross werden, was nicht stattfindet, wenn zugleich endlich
bleibt; und folglich convergirt alsdann
F{x-^ ci -j-J) - F{x-\- ci- ß) - F{x — (^ -f |3) -f F{x — g - ß)
~4aß~
gegen f(x), w. z. b. w.
Lehrsatz 2.
Fjx-i- 2<^) + F{x — 2a) — 2F(x)
2ci ' ~
wird stets mit a unendlich klein.
Um dieses zu beweisen, theile man die Reihe
2T 4 /sin na\^
in drei Gruppen, von Avelchen die erste alle Glieder bis zu einem festen
Index m enthält, von dem an An immer kleiner als £ bleibt, die zweite
alle folgenden Glieder, für welche n«< als eine feste Grösse c ist, die
* dritte den Rest der Reihe umfasst. Es ist dann leicht zu sehen, dass,
wenn cc in's Unendliche abnimmt, die Summe der ersten endlichen Gruppe
endlich bleibt, d. h. < eine feste Grösse Ö: die der zweiten < £ — , die
der dritten
Folglich bleibt
y I nnaa ccc
c< na ,
^:(iHi_!^_Z|L=-Jj»I^J'Z_W , welches = 2« ^A
< 2 (e« + 6(0 + 1)),
(sin no;\2
na J '
woraus der z. b. Satz folgt.
Lehrsatz 3. Bezeichnet man durch h und c zwei beliebige Con-
stanten, die grössere durch c, und durch A (x) eine Function, welche
nebst ihrem ersten Dilferentialquotienten zwischen h und c immer
stetig ist und an den Grenzen gleich Null wird, und von Avelcher der
zweite Differentialquotient nicht unendlich viele Maxima und Minima
hat, so wird das Integral
durch eine trigonometriache Reihe. 235
c
ft ^it / F{x) cos ft {x — a) A (x) dx ,
wenn ft in's Unendliche wächst, zuletzt kleiner als jede gegebene Grösse.
Setzt man für FU^ seinen Ausdruck durch die Reihe, so erhält
man für
c
^^ I F{x) cos ft {x — a) l (x) dx
h
die Reihe (0)
»"f^ / ( ^^ + ^' '^ + ^"^ü "t) cos/i (j; — a) A {x) dx
Nun lässt sich Ä,i cos ft (^ — d) offenbar als ein Aggregat von
cos (^a + n) (x — d), sin {^ + n) (x — a), cos (ß — it) (x — a), sin (ß — n) (x — d)
ausdrücken, und bezeichnet man in demselben die Summe der beiden
ersten Glieder durch Bft^n, die Summe der beiden letzten Glieder durch
Bft—n, SO hat man cos u (x — a) An = ^5,«+« + J^n-nj
'^!P = -(^ + nf n:..+.., ^1^ = - (<^ - nf B,_^ ,
und es werden l/«-|-n und i>\,_„ mit wachsendem n, Avas auch x sei,
zuletzt unendlich klein.
Das allgemeine Glied der Reihe ^
c
— — 1 Ä,i cos /LI ix — rt) A(,r) dx
nnj
b
wird daher
= ?i!__ r ^13^ Ur) dx 4- ^' /* ^^!^^-^ Ar:r^ rf.r
n'^ (^ _]_ ,,)2 J a^2 ^i.^) ii'^ -f- ,,. (^ _ ^y J ^^. ^W rto;
f> b
oder durch zweimalige partielle Integration, indem man zuerst A(^'),
dann A'(x) als constant betrachtet,
b b
da A(:r) und X\x) und daher auch die aus dem Integralzeichen
tretenden Glieder an den Grenzen = 0 werden.
c
Man überzeugt sich nun leicht, dass / Bf,±„ k'\x) dx, wenn ^
236 ^^^- Ueber die Daistellbarkeit einer Function
in's Unendliche wächst, was auch n sei, unendlich klein wird; denn
dieser Ausdruck ist gleich einem Aggregat der Integrale
I cos (ft + ■'OC'^ ~ ^) ^"(^^ ^^*^'? / ^"1 (^ i 'OC-^' ~" ^0 ^"(^) (^-^
b b
und wenn ft + n unendlich gross wird, so werden diese Integrale,
wenn aber nicht, w^eil dann n unendlich gross wird, ihre Coefficienten
in diesem Ausdrucke unendlich klein.
Zum Beweise unseres Satzes genügt es daher offenbar, wenn von
der Summe
V
X ) (ju, — n)"^ n-
über alle ganzen Werthe von n ausgedehnt, welche den Bedingungen
n < — c, c' <n < ^ — c'\ ^ -{- c^^' <n genügen, für irgend welche
positive Werthe der Grössen c gezeigt wird, dass sie, wemi ^ unend-
lich gross wird, endlich bleibt. Denn abgesehen von den Gliedern, für
welche — c <Cn <i c" ^ ^ — c'" < n < ft + <^^^, welche offenbar un-
endlich klein werden und .von endlicher Anzahl sind, bleibt die Reihe 0
offenbar kleiner als diese Summe, multiplicirt mit dem grössten Werthe
von
ö
f B^i±ri^" {^) d'JCj welcher unendlich klein wird.
Nun ist aber, wenn die Grössen c > 1 sind, die Summe
in den obigen Grenzen, kleiner als
1 r dx
^ J ("i — x)Kx'^ '
ausgedehnt von
— oo bis — — - , bis 1 , 1 H bis c»;
denn zerlegt man das ganze Intervall von — oo bis -(" ^^ von Null
anfangend in Intervalle von der Grösse — , und ersetzt man überall die
Function unter dem Integralzeichen durch den kleinsten Werth in jedem
Intervall, so erhält man, da diese Function zwischen den Integrations-
grenzen nirgends ein Maximum hat, sämmtliche Glieder der Reihe.
Führt man die Integration aus, so erhält man
i/W^' = J (- i^ + r^l^ + 21og . - 21og (1 - . . ) + const.
durch eine trigonometrische Reihe. 237
und folglich zwischen den obigen Grenzen einen W<'ri]i. «h'r mit ^i
nicht unendlich gross wird.
9.
Mit Ilülf«^ dieser Sätze lässt sich über die DarstellbarTvcit einer
Function durch eine trigononretrische Keihe, deren Glieder für jeden
Argumentwerth zuletzt unendlich klein werden, Folgendes feststellen:
I. Wenn eine nach dem Tntervall 27t periodisch sich wieder-
holende Function f(x) durch eine trigonometrische lleihe, deren Glieder
für jeden Werth von x zuletzt unendlich klein werden, darstellbar sein
soll, so niuss es eine stetige Function F{;r) geben, von welcher f(x)
so abhängt, dass
?L(^_f _± ß) - F(x -\- a - ß) — F{x - « -{- p) -{- F{x - a - ß)
~\iaß r f
wenn a und ß unendlich klein werden und diibef ihr VerhältnisH end-
lich bleibt, gegen f(x) convergirt.
Es muss ferner
c
fA ^ / F(x) cos ^ (x — a) X (.1") dXy
b
wenn X (x) und A' (x) an den Grenzen des Integrals = 0 und zwischen
denselben immer stetig sind, und A" (r) nicht unendlich viele Maxinia
und Minima hat, mit wachsendem ^ zuletzt unendlich klein- werden.
IL Wenn umgekehrt diese beiden Bedingungen erfüllt sind, so
giebt es eine trigonometrische Reihe, in welcher die Coefficienten zu-
letzt unendlich klein werden, und welche überall, wo sie convergirt,
die Function darstellt.
Denn bestimmt man die Grössen C, Ä^ so, dass
eine nach dem Intervall 27t periodisch wiederkehrende Function ist
und entwickelt diese nach Fourier's Methode in die trigonometrische
Reihe
p A A Ai
indem man
S-J'(F(t)-C't-A„'iyu = C
— TT
An
238 XII. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
setzt, so muss (n. Y.)
n
A, = - ""j- /Y^(0 - ^'^ — A y) cos^^ {x - t)dt
Tt
mit wachsendem n zuletzt uiiendlich klein werden-, woraus nach Satz 1
des vorigen Art. folgt, dass die Reihe
A + -1. + ^2 + • • •
überall, wo sie convergirt, gegen f(x) convergirt.(^)
III. Es sei h<x<iCj und git) eine solche Function, dass q(J)
und Q{f) für t = h und i = c den Werth 0 haben und zwischen diesen
AV^erthen stetig sich ändern, ^"(0 nicht unendlich viele Maxima und
Minima hat, und dass ferner für t = x Q(t) = 1, Q\t) = 0, Q\t) = 0,
Q"'(t) und Q^^\t) aber endlich und stetig sind; so wird der Unterschied
zwischen der Reihe
A, + A, + --- + A„
und dem Integral
sin -^-^— (•'» — t)
ää
c . {X — t)
Sin
hj^^^) in-^ P»''^
2
h
mit wachsendem n zuletzt unendlich klein. Die Reihe
A,^A, + A,-^---
wird daher convergiren oder nicht convergiren je nachdem
sm -^ {x — t)
dd
X — t
sm
1 r ^^^ "2~ ~
2
sich mit wachsendem n zuletzt einer festen Grenze nähert oder dies
nicht stattfindet.
In der That wird
n
A, + Ä, + '^'A,,= l f {F(t)- C't -- A,*-Pj ^ -nn cosn{x-t)df,
oder, da
sm — — ^ — (x - t)
dd ^
2 X/ — nnc.o^n{x — t) = 2 x,
. X — t
sin —
d^ cos 71 {x — t) 2
dt' dP
l,n \,n
ist.
durch eine trigonometrische Reihe. 239
• 2n -f 1
sin i^.c — t )
dd
X — t
Bin
\-„j{i^(i-) - Vi - ^„ ;0 ^-^ äu
Nun wird aber nach Satz W dös vorij^en Art.
• 2n + 1 ,
sin -! — ix — t)
dd
X
sin
_1. j'(j.(0 _ C't - Ä„ '{) -^.-^ A(0 ,U
— n
bei unendlichem Zunehmen von n unendlich klein, wenn l(f) nebst
ihrem ersten Differentialquotienten stetig ist^ ^"(0 nicht unendlich viele
Maxima und Minima hat, und für t = x X(t) = ^^ k\t) = 0, k"[t) == 0,
k"\t) und k""{t) aber endlich und stetig sind.(-)
Setzt man hierin A{f) ausserhalb der Grenzen ?>, c gleich 1 und
zwischen diesen Grenzen == 1 — (>(0; ^^^ offenbar verstattet ist, so
folgt, dass die Differenz zwischen der Reihe A^ -\- • • - -\- An und dem
Integral
sm -^ {x — t)
dd
X — t
sin
1 /* / i t\ — — ~~
2
Iß
mit wachsendem w zuletzt unendh'ch klein wir<l. Mail il])erzeugt sich
aber leicht durch partielle Integration, dass
sin -^ {X — t)
dd
X — t
sin
\j {'''* + A ^)- at-^ 9(t)dt.
2
h
wenn n unendlich gross wird, gegen Aq convergirt, wodurch man
obigen Satz erhält.
10.
Aus dieser Untersuchung hat sich also ergeben, dass, wenn die
Coefficienten der Reihe ii zuletzt unendlich klein werden, dann die
Oonvergenz der Reihe für einen bestimmten Werth von x nur abhängt
von dem Verhalten der Function /'(a) in unmittelbarer Nähe dieses
Wertlies.
Ob nun die Coefficienten der Reihe zuletzt unendlich klein werden,
240 XII. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
wird in vielen Fällen nicht aus ihrem Ausdrucke durch bestimmte
Integrale, sondern auf anderm Wege entschieden werden müssen. Es
verdient indess ein Fall hervorgehohen zu werden, wo sich dies un-
mittelbar aus der Natur der Function entscheiden lässt, wenn nämlicli
die Function /'(.r) durchgehends endlich bleibt uml eine Integration
zu lässt.
In diesem FaUe muss, wenn man das ganze Tntervall von — n
bis Tt der Reihe nach in Stücke von der (Irösse
dl, (3,, ().j, .. .
zerlegt, und durch D^ die grösste Schwaidvung der Function im ersien,
durch 71, im zweiten, u. s. \\, bezeichnet,
^lA + ^i^t + ^J\ ^ —
unendlich klein Averden, so bald sämmtliche () unendlich klein werden.
Tl
Zerlegt man aher das Integral //"(./) sin y? (.r — rr) (/./', in welcher
— n
Form von dem Factor — ab^^esehen die Coefficienten der Reihe ent-
rt + 2 TT
halten sind, oder w^as dasselbe ist^ / fU) sinn (x — d) dx von x == a
a
anfangend in Integrale vom Umfange — , so liefert jedes derselben zur
2
Summe einen Beitrag kleiner als — , multiplicirt mit der grössten
Schwankung in seinem Intervall, und ihre Summe ist also kleiner als
2 7C
eine Griisse, welche n. V. mit — unendlich klein wan'den muss.
In dtjr That: diese Integrale haben die Form
j
n
fix) sin n{x — a) dx.
a-\ 'in
Der Sinus wird in der ersten Hälfte positiv, in der zweiten negativ.
Bezeichnet man also den grössten Werth von fix) in dem Intervall
des Integrals durch M, den kleinsten durch 7n, so ist einleuchtend,
dass man das Integral vergrössert, wenn man in der ersten Hälfte
f{x) durch M, in der zweiten durch m ersetzt, dass man aber das
Integral verkleinert, wenn man in der ersten Hälfte /*(,/) durch m und
in der zweiten durch M ersetzt. Im ersteren Falle aber erhält man
2 ,,^ ..X . . , , , 2
n
den Werth ;^ (71/ — m), im letzteren ^- {m — M). Es ist daher dies
durch eine trigonometrische Reihe. 241
Iiitef^ral abjü^esehen vom Zeichen kleiner als " { M — t)i) und das
Integral
a-\-2n
j fix) sin n (x — a) dx
kleiner als
wenn man durch M, den grössten^ durch m^ den kleinsten Werth von
fix) im 5ten Intervall bezeichnet; diese Summe aber muss, wenn f(x)
einer Integration fähig ist, unendlich klein werden, sobald n unendlich
2 Ä
gross und also der Umfang der Intervalle — unendlich klein wird.
In dem vorausgesetzten Falle werden daher die Coefficienten der
Reihe unendlich klein.
11.
Es bleibt nun noch der Fall zu untersuchen, wo die Glieder der
Reihe ü für den Argumentwerth x zuletzt unendlich klein werden,
ohne dass dies für jeden Argumentwerth stattfindet. Dieser Fall lässt
sich auf den vorigen zurückführen.
Wenn man nämlich in den Reihen für den Argumentwerth ^- -j~ ^
und ./' — t die Glieder gleichen Ranges addirt, so erhält man die Reilie
2A^ + 2A, cos f + 2 A, cos 2t -\ ,
in welcher die Glieder für jeden Werth von t zuletzt unendlich klein
werden und auf welche also die vorige Untersuchung angewandt wer-
den kann.
Bezeichnet man zu diesem Ende den Werth der unendlichen Reihe
C + C X + A, .,- + A, ^^ -A-^ A — ^-^
4
K\
durch G(t), so dass - ' ^■' t A±__LA^';^ überall, wo die Reihen für
F(x + t) und F(x — t) convergiren, = Git) ist, so ergiebt sich
Folgendes:
I. Wenn die Glieder der Reihe Sl für den Argumentwerth x zu-
letzt unendlich klein werden, so muss
c
^^ fGit) co8^{t — a)k(t)dt,
wenn A eine Function wie oben — Art. 9 — bezeichnet, mit wachsen-
Biehann's gesammelte m-ithematische Werke. I. 16
242 XTT. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
dem ^ zuletzt unendlich klein werden. Der Werth dieses Integrals
setzt sieh zusammen aus den beiden Bestandtheilen
c c
^^ 1 ' ^'^^ cos ft (t— a) X{t) dt und ^^ l — ^— — cos /i(^ — a)l{t)cU,
wofern diese Ausdrücke einen Werth haben. Das Unendlichkleinwerden
desselben wird daher bewirkt durch das Verhalten der Function F an
zwei S3anmetrisch zu beiden Seiten von x gelegenen Stellen. Es ist
aber zu bemerken, dass hier Stellen vorkommen müssen, wo jeder Be-
standtheil für sich nicht unendlich klein wird; denn sonst würden die
Glieder der Reihe für jeden Argumentwerth zuletzt unendlich klein
werden. Es müssen also dann die Beitrage der symmetrisch zu beiden
Seiten von x gelegenen Stellen einander aufheben, so dass ihre Summe
für ein unendliches ft unendlich klein wird. Hieraus folgt, dass die
Reihe Sl nur für solche Werthe der Grösse x convergiren kann, zu
welchen die Stellen, wo nicht
c
^^ I F(x) cos ft {x — a) li^x?) dx
h
für ein unendliches a unendlich klein wird, symmetrisch liegen. Offenbar
kann daher nur dann, wenn die Anzahl dieser Stellen unendlich gross
ist, die trigonometrische Reihe mit nicht in's Unendliche abnehmenden
Coefficienten für eine unendliche Anzahl von Argumentwerthen con-
vergiren.
Umgekehrt ist
n
An = — nn — I (G(t) — A^ —\ cos nt dt
u
und wird also mit wachsendem n zuletzt unendlich klein, wenn
c
^^ I G (t) cos ^{t — a) A (t) dt
für ein unendliches /it immer unendlich klein wird.
IL Wenn die Glieder der Reihe ^ für den Argumentwerth x
zuletzt unendlich klein werden, so hängt es nur von dem Gange der
Function Git) für ein unendlich kleines t ab, ob die Reihe convergirt
oder nicht, und zwar wird der Unterschied zwischen
A,-\-A, + ..- + A„
und dem Integrale
durch eine trigonometrische Reihe. 243
ij
sin -n_e
dd =-
> . t
sin —
mit wachsendem « zuletzt unendlich klein, wenn h eine zwischen 0
und 7t enthaltene noch so kleine Constante und Q(t) eine solche Function
bezeichnet, dass Q(t) und q (f) immer stetig und für / = h gleich Null
sind, Q\t) nicht unendlich viele Maxima und Minima hat, und für
f == 0, Q{t) = 1, Q(t) = 0, Q\t) = 0, Q"{t) und Q"\t) aber endHch
und stetig sind.
12.
Die Bedingungen für die Darstellbarkeit einer Function durcii
eine trigonometrische Reihe können freihch noch etwas beschränkt
und dadurch unsere Untersuchungen ohne besondere Voraussetzungen
über die Natur der Function noch etwas weiter geführt werden. So
z. B. kann in dem zuletzt erhaltenen Satze die Bedingung, dass
()"(0) = 0 sei, weggelassen werden, wenn man in dem Integrale
. 2n+ 1
sm— „— ^
dd 2
b . t
sm
1 /* "' Y
71
0
G(t) durch G{f) — ^(0) ersetzt. Es wird aber dadurch nichts Wesent-
liches gewonnen.
Indem wir uns daher zur Betrachtung besonderer Fälle wenden,
wollen wir zunächst der Untersuchung für eine Function, welche nicht
unendlich viele Maxima und Minima hat, diejenige Vervollständigung
zu geben suchen, deren sie nach den Arbeiten Dirichlet's norli
fähig ist.
Es ist oben bemerkt, dass eine solche Function allenthalben in-
tegrirt werden kann, wo sie nicht unendlich wird, und es ist offenbar,
dass dies nur für eine endliche Anzahl von Argumentwerthen eintreten
kann. Auch lässt der Beweis Dirichlet's, dass in dem Integralaus-
drucke für das nid Glied der Reihe und für die Summe ihrer n ersten
Glieder der Beitrag aller Strecken mit Ausnahme derer, wo die Function
unendlich wird, und der dem Argumentwerth der Reihe unendlich nahe
liegenden mit wachsendem n zuletzt unendlich klein wird, und dass
16*
244 XII. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
/
1+'' sin?^±i.(,^_t)
X
X 2
wenn 0 < & < ;r und f(P) zwischen den Grenzen des Integrals nicht
unendlich wird, für ein unendliches n gegen 7r/'(.r + 0) convergirt, in
der That nichts zu wünschen übrig, wenn man die unnöthige Voraus-
setzung, dass die Function stetig sei, weglässt. Es bleibt also nur noch
zu untersuchen, in welchen Fällen in diesen Integralausdrücken der
Beitrag der Stellen, wo die Function unendlich wird, mit wachsendem
n zuletzt unendlich klein wird. Diese Untersuchung ist noch nicht
erledigt; sondern es ist nur gelegentlich von Dirichlet gezeigt, dass
dies stattfindet unter der Voraussetzung, dass die darzustellende Function
eine Integration zulässt, was nicht nothwendig ist.
Wir haben oben gesehen, dass, wenn die Glieder der Reihe ii für
jeden Werth von x zuletzt unendlich klein werden, die Function 7^(.r),
deren zweiter Differentialquotient f(x) ist, endlich und stetig sein niuss,
und dass
Fix -f fx) — 2F(^) -I- F{x — g)
a
mit a stets unendlich klein wird. Wenn nun F' {x ■\- i) — F' ((c — f)
nicht unendlich viele Maxima und Minima hat, so muss es, wenn t
Null wird, gegen einen festen Grenzwerth L convergiren oder unend-
lich gross werden, und es ist offenbar, dass
\j\r(x-\-t)~r{x-i))dt =
Fix -f a) - 2F{x) + F{x — (x)
0
dann ebenfalls gegen L oder gegen cx) convergiren muss und daher
nur unendlich klein werden kann, wenn F' (x -\- t) — F'(x — t) gegen
Null convergirt. Es muss daher, wenn f(x) für x = a unendlich gross
wird, doch immer f{ci -\- t) -{- f(a — t) bis an ^ = 0 integrirt werden
können. Dies reicht hin, damit
a — f c
mit abnehmendem f convergire und mit wachsendem n unendlich klein
werde. Weil ferner die Function J^(,/;) endlich und stetig ist, so muss
F' (x) bis an ^ = a eine Integration zulassen und (./: — a) F' {x) mit
{x — ci) unendlich klein werden, wenn diese Function nicht unendlich
viele Maxima und Minima hat; woraus folgt, dass
durch eine trigonometrische Reihe. 245
und also auch (j; — d)f(oc) bis an x = a integrirt werden kann. Es
kann daher auch ff'(jo) sinM(x' — a)djc bis an x = a integrirt werden,
und damit die Coefficienten der Reihe zuletzt unendlich klein werden,
ist oti'enbar nur noch nöthig, dass
j
fix) sin n (x — a) dx, wo 6 < a < c,
6
mit wachsendem n zuletzt unendlich klein werde. Hetzt man
f(x){x— a) = (p(x),
so ist, wenn diese Function nicht unendlich viele Maxima und Minima
hat, für ein unendliches n
I f (x) sm n {x — a)dx= j _ sni n (x — a) dx = ' ,
wie Dirichlet gezeigt hat. Es muss daher
(p{(i ^ t) -\- (p[ii — t) = fXa + t)t — f(a — 0 t
mit t unendlich klein werden, und da
/•(« + 0 + /•(« - 0
bis an t = 0 integrirt werden kann und folglich auch
f{a + t)t + f{a-t)t
mit t unendlich klein wird, so muss sowohl /'(a + t) t, als f{a — t)t
mit abnehmendem t zuletzt unendlich klein werden. Von Functionen,
welche unendlich viele Maxima und Minima haben, abgesehen, ist es
also zur Darstellbarkeit der Function f{x) durch eine trigonometrische
Reihe mit in s Unendliche abnehmenden Coefficienten hinreichend und
nothwendig, dass, wenn sie für x = a unendlich wird, f{a -{- t)t und
f{a — t) t mit t unendlich klein werden und /*(a -\- t) -\- /'(« — 0 ^^^
an t = 0 integrirt werden kann.
Durch eine trigonometrische Reihe, deren Coefficienten nicht zuletzt
unendlich klein werden, kann eine Function f{x), welche "hiebt unend-
lich viele Maxima und Minima hat, da
c
[L [i I F(x) cos ^{x — a) l (jj) dx
nur für eine endliche Anzahl von Stellen für ein unendliches /t nicht
unendlich klein wird, auch nur für eine endliche Anzahl von Argument-
wexi;hen dargestellt werden, wobei es unnöthig ist länger zu verweilen.
246 XII. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
13.
Was die Functionen betrifft, welche unendlich viele Maxima und
Minima haben, so ist es wohl nicht überflüssig zu bemerken, dass eine
Function f{x), welche unendlich viele Maxima und Minima hat, einer
Integration durchgehends fähig sein kann, ohne durch die Fourier'sche
Reihe darstellbar zu sein. Dies findet z. B. Statt, wenn /'(x) zwischen
0 und 2% gleich
d Ix'' cos — )
, — , und 0 < 1/ < 4
dx ' ^ ^ /
ist. Denn es wird in dem Integral 1 t'(x) cos n {x — a) dx mit wach-
0
senden! n der Beitrag derjenigen Stelle, wo x nahe = T/— ist, all-
gemein zu reden zuletzt unendlich gross, so dass das Verhältniss dieses
Integrals zu
1 — 2v
\ sin (2'\/n — na + ^.\ Yiin
gegen 1 convergirt, wie man auf dem gleich anzugebenden Wege finden
wird. Um dabei das Beispiel zu verallgemeinern, wodurch das Wesen
der Sache mehr hervortritt, setze man
/ f(x)dx = (p(x) cos2l^(x)
und nehme an, dass 9)(j) für ein unendlich kleines x unendlich klein
und 4}(x) unendlich gross werde, übrigens aber diese Functionen nebst
ihren Difierentialquotienten stetig seien und nicht unendlich viele
Maxima und Minima haben. Es wird dann
f(x) = q)\x) cosi^(x') — (p{x) i)'(x) ^mipipc)
und
I t'(x) cos n [x — ii) dx
gleich der Summe der vier Integrale
i / 9^' W cos (^{x) + n (x — a)\ dXy
— -kl 9(^) t'ip^) sin Nj(x) + >^ (^ — a)) dx.
Man betrachte nun, ip(x) positiv genommen, das Glied
•— i I (p(x) f'(x) sin fif{x) -\- n{x — a)) dx
durch eine trigonometrische Reihe. 247
und untersuche in diesem Integrale die Stelle, wo die Zeichenwechsel
des Sinus sich am langsamsten folgen. Setzt man
i^{x) + n{x — a)r=y^
so geschieht dies, wo ^,-, = 0 ist, und also,
gesetzt, für x = a. Man untersuche also das Verhalten des Integrals
U-f6
1 / 9^ W ^'W ^^^^ydx
für den Fall, dass 6 für ein unendliches n unendlich klein wird, und
führe hiezu y als Variable ein. Setzt man
^(«) + n{a—-a) = ß,
so wird für ein hinreichend kleines £
y = /3 + ^"(«) ^^^^ + ■■■
und zwar ist i^"(«) positiv, da i/;(^) für ein unendlich kleines x positiv
unendlich wird; es wird ferner
g = ^"(rO (x - «) = ± /2?'(«)(2/-^ ,
je nachdem x — « ^ 0, und
— i / 9^ C«^) ^' {^) sin y dx
/
ü
Lässt man also mit wachsendem n die Grösse e so abnehmen, dass
il)\a)e£ unendlich gross wird, so wird, falls
0
welches bekanntlich gleich ist sinM+Y) V^ 7 nicht Null ist, von
Grössen niederer Ordnung abgesehen
248 XII. Ueber die Darstellbarkeit einer Function
- i f<p{.c) i,'(x) sin U.{x) + n{x-ci))dx = - sin ^^ + ^) K«^*>1.
Es wird daher, wenn diese Grösse nicht unendlich klein wird, das Yer-
hältniss von
27t
j f(x) cos n {x — a) dx
0
zu dieser Grösse, da dessen übrige Bestandtheile unendlich klein wer-
den, bei unendlichem Zunehmen von n gegen 1 convergiren.
Nimmt man an, dass (p{x) und i^'(x) für ein unendlich kleines x
mit Potenzen von x von gleicher Ordnung sind und zwar q){x) mit x"
und ^'{x) mit x~^~^j so dass v > 0 und f* > 0 sein muss, so wird
für ein unendliches n
rp ja) ip' {u)
von gleicher Ordnung mit a und daher nicht unendlich klein, wenn
/Li>2i'. Ueberhaupt aber wird, wenn xil^'(x) oder, was damit iden-
tisch ist, wenn ~, für ein unendlich kleines x unendlich gross ist,
' log X o ?
sich q){x) immer so annehmen lassen, dass für ein unendlich kleines x
(p{x) unendlich klein,
q)(x) -^^1— = y(-^') ^ _ y(-^)
r dx ^ (x') Y x^ {x)
aber unendlich gross wird, und folglich I /*(^) dx bis an x = 0 er-
X
streckt werden kann, während
cos n (x — d) dx
J m
für ein unendliches u nicht unendlich klein wird. Wie man sieht,
heben sich in dem Integrale j f{x) dx bei unendlichem Abnehmen von
X die Zuwachse des Integrals, obwohl ihr Verhältniss zu den Aen-
derungen von x sehr rasch wächst, wegen des raschen Zeichenwechsels
der Function f{x) einander auf; durch das Hinzutreten des Factors
cos n {x — d) aber wird hier bewirkt, dass diese Zuwachse sich summiren.
Ebenso wohl aber, wie hienach für eine Function trotz der durch-
gängigen Möglichkeit der Integration die Fourier'sche Reihe nicht
* convergiren und selbst ihr Glied zuletzt unendlich gross werden kann,
durch eine trigonometrische Reihe. 249
— ebenso wohl können trotz der durchgängigen Unmöglichkeit der
Integration von f{x) zwischen je zwei noch so nahen Werthen un-
endlich viele Werthe von x liegen, für welche die Reihe Sl convergirt.
Ein Beispiel liefert, {nx) in der Bedeutung, wie oben (Art. 6.)
genommen, die durch die Reihe
""^ {nx)
1, oc
gegebene Function, welche für jeden rationalen Werth von x vorhanden
ist und sich durch die trigonometrische Reihe
,^„^9 _ (_ 1)9 .
> ^ ^inznxTC ,
1, j^
wo für B alle Theiler von n zu setzen sind, darstellen lässt, welche
aber in keinem noch so kleinen Grössenintervall zwischen endlichen
Grenzen enthalten ist und folglich nirgends eine Integration zulässt.
Ein anderes Beispiel erhält man, wenn man in den Reihen
^ CnCosnnx, ^ 6'„sinnna;
0, 00 1, oo
für Cy, c'i, 6'^, ... positive Grössen setzt, welche immer abnehmen und
zuletzt unendlich klein werden, während Hc« mit u unendlich gross
1,«
wird. Denn wenn das Verliältniss von x zu 2;r rational und in den
kleinsten Zahlen ausgedrückt, ein Bruch mit dem Nenner m ist, so
werden offenbar diese Reihen convergiren oder in's Unendliche wachsen,
je nachdem
^ coaniiXj ^ ainnux
0, «i— 1 0, m — 1
gleich Null oder nicht gleich Null sind. Beide Fälle aber treten nach
einem bekannten Theoreme der Kreistheilung*) zwischen je zwei noch
so engen Grenzen für unendlich viele Werthe von x ein.
In einem eben so grossen Umfange kann die Reihe fl auch con-
vergiren, ohne dass der Werth der Reihe
dAn
c' + Ä,x-y^,
welche man durch Integration jedes Gliedes aus ß erhält, durch ein
noch so kleines Grössenintervall iutegrirt werden könnte.
Wenn man z. B. den Ausdruck
'•) Disquiö. ar. pag. 036 art. 356. (Gauss 's Werke Bd. I. pag. 44J.)
2.y» XIL üeber die Daisteilbailceit einer Fnnction etc.
wo die Logarithmen so zu nehmen sind, dass sie für ^ = 0 ver-
schwinden, nach steigenden Potenzen Ton q entwickelt und darin
^ = e" setzt, so bildet der imaginäre Theil eine trigonometrische Reihe,
welche zweimal nach ./ düferentiirt in jedem Grössenintervall unend-
lich oft convergirt, während ihr erster Differentialquotient unendlich
oft unendlich wird.
In demselVien Umfange, d. h. zwischen je zwei noch so nahen
Argumentwerthen unendlich oft, kaun die trigonometrische Reihe auch
selbst dann convergiren, wenn ihre Coefficienteu nicht zuletzt unend-
lich klein werden. Ein einfaches Beispiel einer solchen Reihe bildet
die unendliche Reihe E ^m(n\ x%), wo n\, wie gebräuchlich,
= 1 . 2 . 3 . . . n,
welche nicht bloss für jeden rationalen Werth von x convergirt, indem
sie sich in eine endliche verwandelt^ sondern auch für eine unendliche
Anzahl von irrationalen, von denen die einfachsten sind sinl, cos 1
1
2 . ^"T
— und deren A iel fache, ungerade Vielfache von e, ,--, u. s. w\(^)
Inhalt.
Seite
Geschichte der Frage über die Darstellbarkeit einer Function durch eine
trigonometrische Reihe.
§. 1. Von Euler bis Fourier.
Ursprung der Frage in dem Streite über die Tragweite der d'Alem-
bert 'sehen und Bernoulli 'sehen Lösung des Problems der schwin-
genden Saiten im Jahre 1753. Ansichten von Euler, dAlembert,
Lagrange 213
§. 2. Von Fourier bis Dirichlet.
Richtige Ansicht Fourier's, bekilmi>ft vou Lag ränge. 18U7.
Cauchy. 1826 218
§. 3. Seit Dirichlet.
Erledigung der Frage durch Dirichlet für die in der Natur vor-
kommenden Functioilen, 1829. Dirksen. Bessel. 1839. . . . 221
Ueber den Begriff eines bestimmten Integrals und den Umfang seiner Gültigkeit.
§. 4. Definition eines bestimmten Integrals 225
§. 5. Bedingungen der Möglichkeit eines bestimmten Integrals 226
§. 6.' Besondere Fälle. . . . ' 227
Untersuchung der Darstellbarkeit einer Fimction durch eine trigonometrische
Reihe, ohne besondere Voraussetzungen über die Natur der Function.
§. 7. Plan der Untersuchung 230
I. Ueber die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigonometrische Reihe,
deren Coefficienten zuletzt unendlich klein werden.
§. 8. Beweise einiger für diese Untersuchung wichtigen Sätze 231
§. 9. Bedingungen für die Dai-stellbarkeit einer Function durch eine tri-
gonometrische Reihe mit in'a Unendliche abnehmenden Coefficienten. 237
§. 10. Die Coefficienten der Fourier'schen Reihe werden zuletzt unend-
lich klein, wenn die darzu.stellende Function durchgehends endlich
bleibt und eine Integiation zulässt 239
II. Ueber die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigonometrische Reihe
mit nicht in's Unendliche abnehmenden CoetBcienten.
§. 11. Zurückführung dieses Falles auf den vorigen 241
Betrachtung besonderer Fälle.
§. 12. Functionen, welche nicht unendlich viele Maxima und Minima haben. 243
§. 13. Fimctionen, welche unendlich viele Maxima und Minima haben. . -'•'
Anmerkungen.
(1) (Zu Seite 238). Die unter II. aufgestellten Sätze bedürfen einer Erläuterung:
Da die Function f\x) um 27r periodisch angenommen ist, so muss
F{x + 27r) — F{x) = cp{x)
die Eigenschaft haben, dass
fp{x -f tt -|- |3) — (p{x -{- a — ^) — cp{x — a -\- ß) -\- cp{x — a— ß)
4: aß
unter der im Text geraachten Voraussetzung sich mit a und ß der Grenze 0
nähert. Es ist daher q){x) eine lineare Function von x, und folglich lassen
sich die Coustanten C, ^4^ so bestimmen, dass
^(x) = F{x) — C'x — A^^
eine um 27t periodische Function von x ist.
Nun ist über die Function F{x) weiter die Voraussetzung gemacht, dass
für beliebige Grenzen b, c
lifi I F
F{x) coa ii{x — a)l{x)dx
b
mit unendlich wachsendem (i sich der Grenze 0 nähere, wenn X(a;) den im
Text angegebenen Bedingungen genügt, woraus folgt, dass unter den gleichen
Voraussetzungen
c
(i^ I 0 {x) cos ii(x — a) X (x) dx
'S'
b
sich der Grenze 0 nähert.
Es sei nun h <C — Tt , c'^ n , und man nehme, was zulässig ist, X{x) im
Intervall von — n h\)i -{- n = 1 an, so folgt, dass auch:
— TT 0
jitfi. I ^{x) coH (i{x — a) l{x)dx -{- ii^i I ^{x) cos/x(a; — a) ?.{x)dx
1 ^(x) coH (i{x — a) l{x)dx -{- ii^i I c^i
6 7t
-\- li[i I ^{x) coü[i{x — a)dx
n
Null zur Grenze hat. Nun kann man, wenn ft eine ganze Zahl n ist, mit
Rücksicht auf die Periodicität von ^{x) für diese Summe setzen:
c -^-n
nn I ^{x) C08}i{x — a) ly{x)dx -j- nn j ^{x) cosn(x — ä)dx
wenn in dem Intervall von h -\- 'In bis n X^ix) = X{x — 2 7r) und in dem
Intervall von n bis c X^{x) = X{x) ist, so dass X^{x) zwischen den Grenzen
Anmerkungen. 253
h -{- '2n und c den Voraussetzungen über die Function X{x) genügt. Demnach
hat das erste Glied der obigen Summe für sich den Grenzwerth 0, und folg-
lich ist auch der Grenzwerth von
) cos w(:r — a)dx
nn I ^{x
gleich Null.
(2) (Zu Seite 2.^.9). Hier scheint für die Function X{x) die Bedingung hinzugefugt
werden zu müssen, dass sie sich nach dem Tntervall 2jr periodisch wiederholt,
(die mit der nachher gemachten Annahme verträglich 'ist). In der That würde
z. B. das in Rede stehende Integral nicht sich der Grenze 0 nähern, wenn
F{t) — C't — Aq — = const. und X{t) = (x — t)'^ gesetzt würde. Dagegen
lässt sich unter der Voraussetzung der Periodicität von l{x) das Verschwinden
dieses Integrals durch Ausführung der DiiFerentiation
dd
sin {x — t)
sin \{x — t)
df
durch Anwendung des Satzes 3, Art. 8. und eines ähnlichen Verfahrens wie
in der Anmerkung (1) leicht darthun.
(8) (Zu Seite 250) der "Vyerth x = } le j gehört, wie Genocchi in einem
diese Beispiele betreffenden Aufsatz bemerkt (Intorno ad alcune serie, Torino
1875) nicht zu den Werthen von x, für welche die Reihe ^^ 8in{n!x7i) con-
1, 00
vergirt. Aber auch für x == -^ ie j ist die Reihe nicht, wie Genocchi
angiebt, convergent.
XIIL
lieber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde
liegen.
(Ans dem dreizehnton Baude der Abbandlungen der Königlichen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Göttingen.*))
Plan der Untersuchung.
Bekanntlicli setzt die Geometrie sowohl den Begriff des Raumes^
als die ersten Grundbegriffe für die Constructionen im Räume als etwas
Gegebenes voraus. Sie giebt von ihnen nur Nominaldefinitionen, wäh-
rend die wesentlichen Bestimmungen in Form voü Axiomen auftreten.
Das Verhältniss dieser Voraussetzungen bleibt dabei im Dunkeln; man
sieht weder ein, ob und in wie weit ihre Verbindung noth wendig,
noch a priori, ob sie möglich ist.
Diese Dunkelheit wurde auch von Euklid bis auf Legendre, um
den berühmtesten neueren Bearbeiter der Geometrie zu nennen, weder
von den Mathematikern, noch von den Philosophen, welche sich da-
mit beschäftigten, gehoben. Es hatte dies seinen Grund wohl darin,
dass der allgemeine Begriff mehrfach ausgedehnter Grössen, unter
welchem die Raumgrössen enthalten sind, ganz unbearbeitet blieb.
Ich habe mir daher zunächst die Aufgabe gestellt, den Begriff einer
mehrfach ausgedehnten Grösse aus allgemeinen Grössenbegriffen zu
construiren. Es wird daraus hervorgehen, dass eine mehrfach aus-
gedehnte Grösse verschiedener Massverhältnisse fähig ist und der Raum
also nur einen besonderen Fall einer dreifach ausgedehnten Grösse
bildet. Hiervon aber ist eine nothwendige Folge, dass die Sätze der
*) Diese Abhandlung ist am 10. Juni 1854 von dem Verfasser bei dem zum
Zweck seiner Habilitation veranstalteten CoUoquium mit der philosophischen
Facultät zu Göttingen vorgelesen worden. Hieraus erklärt sich die Form der Dar-
stellung, in welcher die analytischen Untersuchungen imr angedeutet werden
konnten; einige Ausführungen derselben findet man in der Beantwortung der
Pariser Preisaufgabe nebst den Anmerkungen zu derselben.
XIII. Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. 255
Geometrie sich nicht aus allgemeinen Grössenbegriffen ableiten lassen,
sondern dass diejenigen Eigenschaften, durch welche sich der Raum
von anderen denk1)aren dreifach ausgedehnten Grössen unterscheidet,
nur aus der Erfahrung entnommen werden können. Hieraus entsteht
die Aufgabe, die einfachsten Thatsachen aufzusuchen, aus denen sich
die Massverhältnisse des Raumes bestimmen lassen — eine Aufgabe,
die der Natur der Sache nach nicht völlig bestimmt ist; denn es lassen
sich mehrere - Systeme einfacher Thatsachen angeben, Avelche zur Be-
stimmung der Massverhältnisse des Raumes hinreichen; am wichtigsten
ist für den gegenwärtigen Zweck das von Euklid zu Grunde gelegte.
Diese Thatsachen sind wie alle Thatsachen nicht nothwendig, sondern
nur von empirischer Gewissheit, sie sind Hyjjothesen; man kann also
ihre Wahrscheinlichkeit, welche innerhalb der Grenzen der Beobachtung
allerdings sehr gross ist, untersuchen und hienach über die Zulässig-
keit ihrer Ausdehnung jenseits der Grenzen der Beobachtung, sowolil
nach der Seite des Unmessbargrossen, als nach der Seite des Un-
messbarkleinen urtheilen.
I. Begriff einer nfsiCh. ausgedehnten Grösse.
Indem ich nun von diesen Aufgaben zunächst die erste, die Ent-
wicklung des Begriffs mehrfach ausgedehnter Grössen, zu lösen ver-
suche, glaube ich um so mehr auf eine nachsichtige Beurtheilung An-
spruch machen zu dürfen, da ich in dergleichen Arbeiten philosophischer
Natur, wo die Schwierigkeiten mehr in den Begriffen, als in der Con-
struction liegen, wenig geübt bin und ich ausser einigen ganz kurzen
Andeutungen, welche Herr Geheimer Hofrath Gauss in der zweiten
Abhandlung über die biquadratischen Reste, in den Göttingenschen
gelehrten Anzeigen und in seiner Jubiläumsschrift darüber gegeben
hat, und einigen philosophischen Untersuchungen Herbart^s, durchaus
keine Vorarbeiten benutzen konnte. -
1.
Grössenbegriffe sind nur da möglich, wo sich ein allgemeiner Be-
griff vorfindet, der verschiedene Bestimmungsweisen zulässt. Je nach-
dem unter diesen Bestimmungsweisen von einer zu einer andern ein
stetiger Uebergang stattfindet oder nicht, bilden sie eine stetige oder
discrete Maimigfaltigkeit; die einzelnen Bestimmungsweisen heissen im
erstem Falle Punkte, im letztern Elemente dieser Mannigfaltigkeit.
Begriffe, deren Bestimmungsweisen eine discrete Mannigfaltigkeit bil-
den, sind so häufig, dass sich für beliebig gegebene Dinge wenigstens
256 XIII. Ueber die Hypothesen , welche der Geometrie zu Grunde liegen.
in den gebildeteren Sprachen immer ein Begriff auffinden lilsst, unter
welchem sie enthalten sind (und die Mathematiker konnten daher in
der Lehre von den discreten Grössen unbedenklich von der Forderung
ausgehen, gegebene Dinge als gleichartig zu betrachten), dagegen sind
die Veranlassungen zur Bildung von Begriffen, deren Bestimmungs-
weisen eine stetige Mannigfaltigkeit bilden, im gemeinen Leben so
selten, dass die Orte der Sinnengegenstände und die Farben wohl die
einzigen einfachen Begriffe sind, deren Bestimmungsweisen eine mehr-
fach ausgedehnte Mannigfaltigkeit bilden. Häufigere Veranlassung zur
Erzeugung und Ausbildung dieser Begriffe findet sich erst in der
höhern Mathematik.
Bestimmte, durch ein Merkmal oder eine Grenze unterschiedene
Theile einer Mannigfaltigkeit heissen Quanta. Bire Vergleichung der
Quantität nach geschieht bei den discreten Grössen durch Zählung, bei
den stetigen durch Messung. Das Messen besteht in einem Aufeinander-
legen der zu vergleichenden Grössen; zum Messen wird also ein Mittel
erfordert, die eine Grösse als Massstab für die andere fortzutragen.
Fehlt dieses, so kann, man zwei Grössen nur vergleichen, wenn die
eine ein Theil der andern ist, und auch dann nur das Mehr oder Min-
der, nicht das WievieJ entscheiden. Die Untersuchungen, welche sich
in diesem Falle über sie anstellen lassen, bilden einen allgemeinen von
Massbestimmungen unabhängigen Theil der Grössenlehre, wo die Grössen
nicht als unabhängig von der Lage existirend und nicht als durch eine
Einheit ausdrückbar, sondern als Gebiete in einer Mannigfaltigkeit be-
trachtet werden. Solche Untersuchungen sind für mehrere Theile der
Mathematik, namentlich für die Behandlung der mehrwerthigen ana-
lytischen Functionen ein Bedürfniss geworden, und der Mangel der-
selben ist wohl eine Hauptursache, dass der berühmte AbeTsche Satz
und die Leistungen von Lagrange, Pfaff, Jacobi für die allgemeine
Theorie der Differentialgleichungen so lange unfruchtbar geblieben sind.
Für den gegenwärtigen Zweck genügt es, aus diesem allgemeinen Theile
der Lehre von den ausgedehnten Grössen, wo weiter nichts vorausgesetzt
wird, als was in dem Begriffe derselben schon enthalten ist, zwei
Punkte hervorzuheben, wovon der erste die Erzeugung des Begriffs
einer mehrfach ausgedehnten Mannigfaltigkeit, der zweite die Zurück-
führung der Ortsbestimmungen in einer gegebenen Mannigfaltigkeit
auf Quantitätsbestiramungen betrifft und das wesentliche Kennzeichen
einer ^fachen Ausdehnunc^ deutlich machen wird.
XIII. lieber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Oriinde liege
Geht man bei einem Begriffe, dessen Bestimmungsweisen eine
stetige Mannigfaltigkeit bilden, von einer Bestimmungs weise auf eine
bestimmte Art zu einer andern über, so bilden die durchlaufenen Be-
stimmungsweisen eine einfach ausgedehnte Mannigfaltigkeit, deren
wesentliches Kennzeichen ist, dass in ihr von einem Punkte nur nach
zwei Seiten, vorwärts oder rückwärts, ein stetiger Fortgang möglich
ist. Denkt man sich nun, dass diese Mannigfaltigkeit wieder in eine
andere, völlig verschiedene, übergeht, und zwar wieder auf bestimmte
Art, d. h. so, dass jeder Punkt in einen bestimmten Punkt der andern
übergeht, so bilden sämmtliche so erhaltene Bestimmungsweisen eine
zweifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit, In ähnlicher Weise erhält man
eine dreifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit, wenn man sich vorstellt,
dass eine zweifach ausgedehnte in eine völlig verschiedene auf be-
stimmte Art übergeht, und es ist leicht zu sehen, wie man diese Con-
struction fortsetzen kann. Wenn man, anstatt den Begriff als be-
stimmbar, seinen Gegenstand als veränderlicli betrachtet, so kann diese
Construction bezeichnet werden als eine Zusammensetzung einer Ver-
änderlichkeit von n -j- 1 Dimensionen aus einer Veränderlichkeit von
n Dimensionen und aus einer Veränderlichkeit von Einer Dimension.
3.
Ich werde nun zeigen, wie man umgekehrt eine Veränderlichkeit,
deren Gebiet gegeben ist, in eine Veränderlichkeit von einer Dimension
und eine Veränderlichkeit von weniger Dimensionen zerlegen kann.
Zu diesem Ende denke man sich ein veränderliches Stück einer Mannig-
faltigkeit Ton Einer Dimension — von einem festen Anfangspunkte an
gerechnet, so dass die Werthe desselben unter einander vergleichbar
sind — welches für jeden Punkt der gegebenen Mannigfaltigkeit einen
bestimmten mit ihm stetig sich ändernden Werth hat, oder mit andern
Worten, man nehme innerhalb der gegebenen Mannigfaltigkeit eine
stetige Function des Orts an, und zwar eine solche Function, welclie
nicht längs eines Theils dieser Mannigfaltigkeit constant ist. Jedes
System von Punkten, wo die Function einen constanten Werth hat,
bildet dann eine stetige Mannigfaltigkeit von weniger Dimensionen,
als die gegebene. Diese Mannigfaltigkeiten gehen bei Aenderung der
Function stetig in einander übey; man wird daher annehmen können,
dass aus einer von ihnen die übrigen hervorgehen, und es wird dies,
allgemein zu reden, so geschehen können, dass jeder Punkt in einen
bestimmten Punkt der andern übergeht; die Ausnalimsfälle, deren
Kikmann's gtsaiiumltf matliprnatiselio Wciko. I. 17
258 XITI. üeber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.
Untersuclmng wichtig ist^ können liier unberücksiclitigt bleiben. Hier-
durcli wird die Ortsbestimmung in der gegebenen Mannigfaltigkeit zurück-
geführt auf eine Grössenbestimmung und auf eine Ortsbestimmung in
einer minderfach ausgedehnten Mannigfaltigkeit. Es ist nun leicht zu
zeigen^ dass diese Mannigfaltigkeit n — 1 Dimensionen hat, wenn die
gegebene Mannigfaltigkeit eine wfach ausgedehnte ist. Durch n malige
Wiederholung dieses Verfahrens wird daher die Ortsbestimmung in
einer 9^fach ausgedehnten Mannigfaltigkeit auf w Grössenbestimmungen,
und also die Ortsbestimmung in einer gegebenen Mannigfaltigkeit,
wenn dieses möglich ist, auf eine endliche Anzahl von Quantitäts-
bestimniungen zurückgeführt. Es giebt indess auch Mannigfaltigkeiten,
in welchen die Ortsbestimmung nicht eine endliche Zahl, sondern ent-
weder eine unendliche Reihe oder eine stetige Mannigfaltigkeit von
Grössenbestimmungen erfordert. Solche Mannigfaltigkeiten bilden z. B.
die möglichen Bestimmungen einer Function für ein gegebenes Gebiet,
die möglichen Gestalten einer räumlichen Figur u. s. w.
n. Massverhältnisse, deren eine Mannigfaltigkeit von ^^ Dimensionen
fähig ist, unter der Voraussetzung, dass die Xiinien unabhängig
von der Lage eine Länge besitzen, also jede Linie durch jede
messbar ist.
Es folgt nun, nachdem der Begriff einer wfach ausgedehnten Mannig-
faltigkeit construirt und als wesentliches Kennzeichen derselben ge-
funden worden ist, dass sich die Ortsbestimmung in derselben auf
n Grössenbestimmungen zurückführen lässt, als zweite der oben ge-
stellten Aufgaben eine Untersuchung über die Massverhältnisse, deren
eine solche Mannigfaltigkeit fähig ist, und über die Bedingungen, welche
zur Bestimmung dieser Massverhältnisse hinreichen. Diese Massver-
hältnisse lassen sich nur in abstracten Grössenbegriffen untersuchen
und im Zusammenhange nur durch Formeln darstellen; unter gewissen
Voraussetzungen kann man sie indess in Verhältnisse zerlegen, welche
einzeln genommen einer geometrischen Darstellung fähig sind, und
hiedurch wird es möglich, die Resultate der Rechnung geometrisch
auszudrücken. Es wird daher, um festen Boden zu gewinnen, zwar
eine abstracte Untersuchung in Formeln nicht zu vermeiden sein, die
Resultate denselben aber werden sich, im geometrischen Gewände dar-
stellen lassen. Zu Beidem sind die Grundlagen enthalten in der be-
rühmten Abhandlung des Herrn Geheimen Hofraths Gauss über die
krummen Flächen.
XIII. Ueber die Hypothesen, welche der rifnuvtri" zu rninid« hV^rcu. 259
Massbestimmungen erfordern eine Unabhängigkeit der Grössen
vom Ort, die iu melir als einer Weise stattfinden kann; die zunächst
sieh darbietende Annahme, wejehe ich hier verfolgen will, ist wohl
die, dass die Länge der Linien unabhängig von der Lage sei, also
jede Linie durch jede messbar sei. Wird die Ortsbestimmung auf
GrJJssenbestimmungen zurückgeführt, also die Lage eines Punktes in
der gegebenen nfach ausgedehnten Mannigfaltigkeit durch n veränder-
liche Grössen x^, x.,j x.^, und so fort bis x« ausgedrückt, so wird die
Bestimmung einer Linie darauf hinauskommen, dass die Grössen ./■ als
Functionen Einer Veränderlichen gegeben werden. Die Aufgabe ist
dann, für die Länge der Linien einen mathematischen Ausdruck auf-
zustellen, zu welchem Zwecke die Grössen x als in Einheiten ausdrück-
))ar betrachtet werden müssen. Ich werde diese Aufgabe nur unter
gewissen Beschränkungen behandeln und beschränke mich erstlich auf
solche Linien, in welchen die Verhältnisse zwischen den Grössen dx
— den zusammengehörigen Aenderungen der Grössen x — sich stetig
ändern; man kann dann die Linien in Elemente zerlegt denken, inner-
halb deren die Verhältnisse der Grössen dx als constant betrachtet
werden dürfen, und die Aufgabe kommt dann darauf zurück, für jeden
Punkt einen allgemeinen Ausdruck des von ihm ausgehenden Linien-
elements ds aufzustellen, welcher also die Grössen x und die Grössen
(Ix enthalten wird. Ich nehme nun zweitens an, dass die Länge des
Linienelements, von Grössen zweiter Ordnung abgesehen, ungeändert
bleibt, wenn sämmtliche Punkte desselben dieselbe unendlich kleine
Ortsänderung erleiden, worin zugleich enthalten ist, dass, wenn sämmt-
liche Grössen dx in demselben Verhältnisse wachsen, das Linienelement
sich -ebenfalls in diesem Verhältnisse ändert. Unter diesen Annahmen
wird das Linienelement eine beliebige homogene Function ersten Grades
der Grössen dx sein können, welche ungeändert bleibt, wenn sämmt-
liche Grössen dx ihr Zeichen ändern, und worin die willkürlichen
Constanten stetige Functionen der Grössen x sind. Um die einfachsten
Fälle zu finden , suche ich zunächst einen Ausdruck für die n — 1 fach
ausgedehnten Mannigfaltigkeiten, welche vom Anfangspunkte des Linien-
elements überall gleich weit abstehen, d. h. ich suche eine stetige
Fimction des Orts, welche sie von einander unterscheidet. Diese wird
vom Anfangspunkt aus nach allen Seiten entweder ab- oder zunehmen
müssen; ich will annehmen, dass sie nach allen Seiten zunimmt und
also in dem Punkte ein i\Iiuimum hat. Es niuss dann, wenn ihre
ersten und zweiten Dili'erentialquotienten endlich sind, das Differential
17*
260 XIII. Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.
erster Ordnimg verschwinden und das zweiter Ordnung darf nie negativ
werden; ich nehme an, dass es immer positiv bleibt. Dieser Ditferential-
ausdruck zweiter Ordnung bleibt alsdann constant, wenn ds constant
bleibt, und wächst im quadratischen Verhältnisse, wenn die Grössen
(Ix und also auch ds sich sämmtlich in demselben Verhältnisse ändern;
er ist also = const. ds^ und folglich ist ds = der Quadratwurzel aus
einer immer positiven ganzen homogenen Function zweiten Grades der
Grössen rZ.r, in welcher die Coefficienten stetige Functionen der Grössen
X sind. Für den Raum wird, wenn man die Lage der Punkte durch
rechtwinklige Coordinaten ausdrückt, ds = yiJldxy-^ der Raum ist
also unter diesem einfachsten Falle enthalten. Der nächst einfache
Fall würde wohl die Mannigfaltigkeiten umfassen, in welchen sich das
Linienelement durch die vierte Wurzel aus einem Differentialausdrucke
vierten Grades ausdrücken lässt. Die Untersuchung dieser allgemeinern
Gattung würde zwar keine wesentlich andere Principien erfordern, aber
ziemlich zeitraubend sein und verhältnissmässig auf die Lehre vom
Räume wenig neues Licht werfen, zumal da sich die Resultate nicht
geometrisch ausdrücken lassen; ich beschränke mich daher auf die
Mannigfaltigkeiten, wo das Linienelement durch die Quadratwurzel aus
einem Differentialausdruck zweiten Grades ausgedrückt wird. Man kann
einen solchen Ausdruck in einen andern ähnlichen transformiren, in-
dem man für die u unabhängigen Veränderlichen Functionen von n
neuen unabhängigen Veränderlichen setzt. Auf diesem Wege wird
man aber nicht jeden Ausdruck in jeden transformiren können; denn
n -4- 1
der Ausdruck enthält n ^ Coefficienten, welche willkürliche Functionen
der unabhängigen Veränderlichen sind; durch Einführung neuer Ver-
änderlicher wird man aber nur n Relationen genügen und also nur n
der Coefficienten gegebenen Grössen gleich machen können. Es sind
dann die übrigen n — - — durch die Natur der darzustellenden Mannig-
faltigkeit schon völlig bestimmt, und zur Bestimmung ihrer Massver-
hältnisse also n — ^— Functionen des Orts erforderlich. Die Mannig-
faltigkeiten, in welchen sich, wie in der Ebene und im Räume, das
Linienelement auf die Form Yzdx'^ bringen lässt, bilden daher nur
einen besondern Fall der hier zu untersuchenden Mannigfaltigkeiten;
sie verdienen wohl einen besonderen Namen, und ich will also diese
Mannigfaltigkeiten, in welchen sich das Quadrat des Linienelements
auf die Summe der Quadrate von vollständigen Difierentialien bringen
lässt, eben nennen. Um nun die wesentlichen Verschiedenheiten sämmt-
licher in der Vorausgesetzen Form darstellbarer Maimigfaltigkeiten über-
XI 11. [Jeber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. 261
seilen zu können, ist es nötliig, die von der Darstellungsweise her-
rührenden zu beseitigen, was durch Wahl der veriinderlichen Grössen
nach einem bestimmten Princip erreicht wird.
Zu diesem Ende denke man sich von einem beUebigen Punkte aus
das System der von ihm ausgehenden kürzesten Linien construirt; die
Lage eines unbestimmten Punktes wird dann bestimmt werden können
durch die Anfangsrichtung der kürzesten Linie, in welcher er liegt,
und durch seine Entfernung in derselben vom Anfangspunkte und kann
daher clurch die Verhältnisse der Grössen dx^^ d. h. der Grössen dx im
Anfang dieser kürzesten Linie und durch die Länge s dieser Linie aus-
gedrückt werden. Man führe nun statt dx^ solche aus ihnen gebildete
lineare Ausdrücke da ein, dass der Anfangswerth de^ Quadrats des Linien-
elements gleich der Summe der Quadrate dieser Aasdrücke wird, so dass
die unabhängigen Variabein sind: die Grösse s und die Verhältnisse der
Grössen da] und setze schliesslich statt da solche ihnen proportionale
Grössen .r^ , 0^2, . . . , Xn, dass die Quadratsumme = 5^ wird. Führt man
diese Grössen ein, so wird für unendlich kleine Werthe von :/; das
Quadrat des Linienelements = Ildx\ das Glied der nächsten Ordnung in
demselben aber gleich einem homogenen Ausdruck zweiten Grades der
n — ,-— Grössen {x^ dx.^ — X2 dxAj {x^ dx.^ — x.^ äx^)^ . . ., also eine
unendlich kleine Grösse von der vierten Dimension, so dass man eine
endliche Grösse erhält, wenn mamsie durch das Quadrat des unendlich
kleinen Dreiecks dividirt, in dessen Eckpunkten die Werthe der Ver-
änderlichen sind (0, 0, 0, . . .), {x^y x.^, ^'3, . . .)> (ß^^'u ^^^2» ^*^3> • • • •)•
Diese Grösse behält denselben Werth, so lange die Grössen x und dx
in denselben binären Linearformen enthalten sind, oder so lange die
beiden kürzesten Linien von den W\^rthen <> bis zu den Werthen x
und von den W^erthen 0 bis zu den Werthen dx in demselben FläcUen-
element bleiben, und hängt also nur von Ort und Richtung desselben
ab. Sie wird offenbar = 0, wenn die dargestellte Mannigfaltigkeit^
eben, d. h. das Quadrat des Linienelements auf Edx- reducirbar ist,
und kcinu daher als das Mass der in diesem Punkte in dieser Flächen-
richtung stattfindenden Abweichung der Mannigfaltigkeit von der Eben-
heit angesehen werden. Multiplicirt mit — ;[ wird sie der Grösse
gleich, welche Herr Geheimer Hofrath Gauss das Krümmuugsmass
einer Fläche genannt hat. Zur Bestimmung der Massverhältnisse einer
nfach ausgedehnten in der vorausgesetzten Form darstellbaren Mannig-
faltiffkeit wurden vorhin )i Finnlinnou dr« Orts nnf1ii<j" LTcfuTuhM):
262 XIU. Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.
weillT also das Krümmiingsmass in jedem Punkte in n -^— Flächen-
richtungen gegeben wird, so werden daraus die Massverhältnisse der
Mannigfaltigkeit sich bestimmen lassen, wofern nur zwischen diesen
AVerthen keine identischen Relationen stattfinden, was in der That,
allgemein zu reden, nicht der Fall ist. Die Massverhältnisse dieser
Mannigfaltigkeiten, wo das Linienelement durch die Quadratwurzel aus
einem Dilferentialausdruck zweiten Grades dargestellt wird, lassen sich
so auf eine von der Wahl der veränderlichen Grössen völlig unab-
hängige Weise ausdrücken. Ein ganz ähnlicher Weg lässt sich zu
diesem Ziele auch bei den Mannigfaltigkeiten einschlagen, in welchen
das Linienelement durch einen weniger einfachen Ausdruck, z. B. durch
die vierte Wurzel aus einem Differentialausdruck vierten Grades, aus-
gedrückt wird. Es würde sich dann das Linienelement, allgemein zu
reden, nicht mehr auf die Form der Quadratwurzel aus einer Quadrat-
summe von Differentialausdrücken bringen lassen und also in dem
Ausdrucke für das Quadrat des Linienelements die Abweichung von
der Ebenheit eine unendlich kleine Grösse von der zweiten Dimension
sein, w^ährend sie bei jenen Mannigfaltigkeiten eine unendlich kleine
Grösse von der vierten Dimension war. Diese Eigenthümlichkeit der
letztern Mannigfaltigkeiten kann daher wohl Ebenheit in den kleinsten
Theilen genannt werden. Die für den jetzigen Zweck wichtigste Eigen-
thifmlichkeit dieser Mannigfaltigkeiten, derentwegen sie hier allein
untersucht worden sind, ist aber die, dass sich die Verhältnisse der
zweifach ausgedehnten geometrisch durch Flächen darstellen und die
der mehrfach ausgedehnten auf die der in ihnen enthaltenen Flächen
zurückführen lassen, was jetzt noch einer kurzen Erörterung bedarf.
In die Auffassung der Flächen mischt sich neben den inneren
Massverhältnissen, bei welchen nur die Länge der Wege in ihnen in
Betracht kommt, immer auch ihre Lage zu ausser ihnen gelegenen
Punkten. Man kann aber von den äussern Verhältnissen abstrahiren,
indem man solche Veränderungen mit ihnen vornimmt, bei denen die
Länge der Linien in ihnen ungeändert bleibt, d. h. sie sich beliebig
— ohne Dehnung — gebogen denkt, und alle so auseinander ent-
stehenden Flächen als gleichartig betrachtet. Es gelten also z. B. be-
liebige cylindrische oder conische Flächen einer Ebene gleich, weil sie
sich durch blosse Biegung aus ihr bilden lassen, wobei die innern
Massverhältnisse bleiben, und sämmtliche Sätze über dieselben — also
die ganze Planimetrie — ihre Gültigkeit behalten; dagegen gelten sie
Xül. Uebur die Ilypoihoaen, welche dgr Geometrie zu Grunde liegen. 263
als wesentlich verschieden von der Kugel, welche sich nicht ohne
Dehnung in eine Ebene verwandeln lässt. Nach der vorigen Unter-
suchung werden in jedem Punkte die innern Massverhältnisse einer
zweifach ausgedehnten Grösse, wenn sich das Linienelement durch die
Quadratwurzel aus einem Differentialausdruck zweiten Grades ausdrücken
lässt, wie dies bei den Flachem der Fall ist, charakterisirt durch das
Krümjuungsmass. Dieser Gr()sse lässt sich nun bei den Flächen die
anschauliche Bedeutung geben, dass sie das Product aus den beiden
Krümmungen der Fläche in diesem Punkte ist, oder auch, dass das
Product derselben in ein unendlich kleines aus kürzesten Linien ffe-
bildotes Dreieck gleich ist dem halben üeberschusse seiner Winkel-
summe über zwei Rechte in Theilen des Halbmessers. Die erste De-
finition würde den Satz voraussetzen, dass das Product der beiden
Krümmungshalbmesser bei der blossen Biegung einer Fläche ungeändert
bleibt, die zweite, dass an demselben Orte der üeberschuss der Winkel-
summe eines unendlich kleinen Dreiecks über zwei Rechte seinem In-
halte proportional ist. Um dem Krümmungsmass einer wfach aus-
gedehnten Mannigfaltigkeit in einem gegebenen Punkte und einer ge-
gebenen durch ihn gelegten Flächenrichtung eine greifbare Bedeutung
zu geben, muss man davon ausgehen, dass eine von einem Punkte
ausgehende kürzeste Linie völlig bestimmt ist, wenn ihre Anfangs-
richtung gegeben ist. Hienach wird man eine bestimmte Fläche er-
halten, wenn man sämmtliche von dem gegebenen Punkte ausgehenden
und in dem gegebenen Flächenelcment liegenden Anfaugsrichtungen
zu kürzesten Linien verlängert, und diese Fläche hat in dem gegebenen
Punkte ein bestimmtes Krümmuugsmass, welches zugleich das Krüm-
mungsmass der ?ifach ausgedehnten Mannigfaltigkeit in dem gegebenen
Punkte und der gegebenen Flächenrichtung ist.
4.
Es sind nun noch, ehe die Anwendung auf den Raum gemacht
wird, einige Betrachtungen über die ebenen Mannigfaltigkeiten im All-
gemeinen nöthig, d. h. über diejenigen, in welchen das Quadrat des
Linienelements durch eine Quadratsumme vollständiger Differential ien
darstellbar ist.
Li einer ebenen wfach ausgedehnten Mannigfaltigkeit ist das
Krümmungsmass in jedem Punkte in jeder Richtung Null; es reicht
aber nach der frühern Untersuchung, um die Massverhältnisse zu be-
stimmen, hin zu wissen, dass es in jedem Punkte in w —- — Flächen-
richtungen, deren Krümmungsmasse von einander unabhängig sind.
264 Xlll. Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.
Null sei. Die Mannigfaltigkeiten, deren Krümmungsmass überall = 0
ist, lassen sich betrachten als ein besonderer Fall derjenigen Mannig-
faltigkeiten, deren Krümmungsmass allenthalben constant ist. Der
gemeinsame Charakter dieser Mannigfaltigkeiten, deren Krümmungs-
mass constant ist, kann auch so ausgedrückt werden, dass sich die
Figuren in ihnen ohne Dehnung bewegen lassen. Denn offenbar wür-
den die Figuren in ihnen nicht beliebig verschiebbar und drehbar sein
können, wenn nicht in jedem Punkte in allen Richtungen das Krüm-
mungsmass dasselbe wäre. Andererseits aber sind durch das Krüm-
mungsmass die Massverhältnisse der Mannigfaltigkeit vollständig be-
stimmt; es sind daher um einen Punkt nach allen Richtungen die
Massverhältnisse genau dieselben, wie um einen andern, und also von
ihm aus dieselben Constructionen ausführbar, und folglich kaiin in den
Mannigfaltigkeiten mit constantem Krümmungsmass den Figuren jede
beliebige Lage gegeben werden. Die Massverhältnisse dieser Mannig-
faltigkeiten hängen nur von dem Wt^rthe des Krümmungsmasses ab,
und in Bezug auf die analytische Darstellung mag bemerkt werden,
dass, wenn man diesen Werth durch a bezeichnet, dem Ausdruck für
das Linienelement die Form
i + f^.^
yudx'
gegeben werden kann.
Zur geometrischen Erläuterung kann die Betrachtung der Flächen
mit constantem Krümmungsmass dienen. Es ist leicht zu sehen, dass
sich die Flächen, deren Krümmungsmass positiv ist, immer auf eine
Kugel, deren Radius gleich 1 dividirt durch die Wurzel aus dem
Krümmungsmass ist, wickeln lassen werden; um aber die ganze Mannig-
faltigkeit dieser Flächen zu übersehen, gebe man einer derselben die
Gestalt einer Kugel und den übrigen die Gestalt von Umdrehungs-
flächen, welche sie im Aequator berühren. Die Flächen mit grösserem
Krümmungsmass, als diese Kugel, werden dann die Kugel von innen
berühren und eine Gestalt annehmen, wie der äussere der Axe ab-
gewandte Theil der Oberfläche eines Ringes; sie würden sich auf Zonen
von Kugeln mit kleinerem Halbmesser wickeln lassen, aber mehr als
einmal herumreichen. Die Flächen mit kleinerem positiven Krümmungs-
mass wird man erhalten, wetm man aus Kugelflächen mit grösserem
Radius ein von zwei grössten Halbkreisen begrenztes Stück ausschneidet
und die Schnittlinien zusammenfügt. Die Fläche mit dem Krümmungs-
XIIL Ueber dio Hypoüiesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. 265
inass Null wird eine auf dem Aequator stehende Cylinderfläche sein;
die Flüclien mit negativem Krümmungsmass aber werden diesen Cylin-
der von aussen berühren und wie der innere der Axe zugewandte Theil
der Oberfläche eines Ringes geformt sein. Denkt man sich diese
Flächen als Ort für in ihnen bewegliche Flächenstücke, wie den Raum
als Ort für Körper, so sind in allen diesen Flächen die Flächenstücke
ohne Dehnung beweglich. Die Flächen mit positivem Krümmungsmass
lassen sich stets so formen, dass die Flächenstücke auch ohne Biegung
beliebig bewegt werden können, nämlich zu Kugelflächen, die mit ne-
gativem aber nicht. Ausser dieser Unabhängigkeit der Flächenstücke
vom Ort findet bei der Fläche mit dem Krümmungsmass Null auch
eine Unabhängigkeit der Richtung vom Ort statt, welche bei den
übrigen Flächen nicht stattfindet.
III. Anwendung auf den Raum.
1.
Nach diesen Untersuchungen über die Bestimmung der Massver-
hältnisse einer wfach ausgedehnten Grösse lassen sich nun die Bedin-
gungen angeben, welche zur Bestimmung der Massverhältnisse des
Raumes hinreichend und nothwendig sind, wenn Unabhängigkeit der
Linien von der Lage und Darstellbarkeit des Linienelements durch die
Quadratwurzel aus einem Differontialausdrucke zweiten Grades, also
Ebenheit in den kleinsten Theilen vorausgesetzt wird.
Sie lassen sich erstens so ausdrücken, dass das Krümmungsmass
in jedem Punkte in drei Flächenrichtungen = 0 ist, und es sind da-
her die Massverhältnisse des Raumes bestimmt, wenn die Wink^'l-
summe im Dreieck allenthalben gleich zwei Rechten ist.
Setzt man aber zweitens, wie Euklid, nicht bloss eine von der
Lage unabhängige Existenz der Linien, sondern auch der Körper
voraus, so folgt, dass das Krümmungsmass allenthalben constant ist,
ujid es ist dann in allen Dreiecken die Winkelsumme bestimmt, wenn
sie in Einem bestimmt ist.
Endlich könnte man drittens, anstatt die Länge der Linien als
unabhängig von Ort und Richtung anzunehmen, auch eine Unab-
hängigkeit ihrer Länge und Richtung vom Ort voraussetzen. Nach
dieser Autfassung sind die Ortsänderungen oder Ortsverschiedenheiten
complexe in drei unabhängige Einheiten ausdrückbare Grössen.
2.
hn Laufe der bisherigen Betrachtungen wurden zunächst die Aus-
dehnungs- oder Gebietsverhältnisse von den Massverhältnissen geson-
26(3 Xlll. Ucber die llypoiliCbL'u, welche der Geometrie zu Grunde liegen.
dert, und gefunden, dass bei denselben Ausdelinungsverhältnissen ver-
schiedene Massverhältnisse denkbar sind; es wurden dann die Systeme
einfacher Massbestimmungen aufgesucht, durch welche die Mass Ver-
hältnisse des llaumes völlig bestimmt sind und von welchen alle Sätze
über dieselben eine nothwpndige Folge sind; es bleibt nun die Frage
zu erörtern, wie, in welchem Grade und in welchem Umfange diese
Voraussetzungen durch die Erfahrung verbürgt werden. In dieser Be-
ziehung findet zwischen den blossen Ausdehnungsverhältnissen und den
Massverhältnissen eine wesentliche Verschiedenheit statt, insofern bei
erstem, wo die möglichen Fälle eine discrete Mannigfaltigkeit bilden,
die Aussagen der Erfahrung zwar nie völlig gewiss, aber nicht un-
genau sind, während bei letztern, wo die möglichen Fälle eine stetige
Mannigfaltigkeit bilden, jede Bestimmung aus der Erfahrung immer
ungenau bleibt — es mag die Wahrscheinlichkeit, dass sie nahe richtig
ist, noch so gross sein. Dieser Umstand wird wichtig bei der Aus-
dehnung dieser empirischen Bestimmungen über die Grenzen der Beob-
achtung ins ünmessbargrosse und Unmessbarkleine; denn die letztern
können offenbar jenseits der Grenzen der Beobachtung immer unge-
nauer werden, die ersteren aber nicht.
Bei der Ausdehnung der Raumconstructionen in's ünmessbargrosse
ist Unbegrenztheit und Unendlichkeit zu scheiden; jene gehört zu den
Ausdehnungsverhältnissen, diese zu den Massverhältnissen. Dass der
Raum eine unbegrenzte dreifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit sei, ist
eine Voraussetzung, welche bei jeder Auffassung der Aussenwelt an-
<»"ewandt wird, nach welcher in jedem Augenblicke das Gebiet der
wirklichen Wahrnehmungen ergänzt und die möglichen Orte eines ge-
suchten Gegenstandes construirt werden und welche sich bei diesen
Anwendungen fortwährend bestätigt. Die Unbegrenztheit des Raumes
besitzt daher eine grössere empirische Gewissheit, als irgend eine
äussere Erfahrung. Hieraus folgt aber die Unendlichkeit keineswegs;
vielmehr würde der Raum, wenn man Unabhängigkeit der Körper vom
Ort voraussetzt, ihm also ein constantes Krümmungsmass zuschreibt,
nothwendig endlich sein, so bald dieses Krümmungsmass einen noch
so kleinen positiven Werth hätte. Man würde, wenn man die in einem
Flächenelement liegenden Anfangsrichtungen zu kürzesten Linien ver-
längert, eine unbegrenzte Fläche mit constantem positiven Krümmungs-
mass, also eine Fläche erhalten, welche in einer ebenen dreifach aus-
gedehnten Mannigfaltigkeit die Gestalt einer Kugelfläche annehmen
würde und welche folglich endlich ist.
XLir. Uebcr diu Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. 267
Die Fragen über das Uiimessbargrosse sind für die Naturerkläruii^
müssige Fragen. Anders verliält es sich aber mit den Fragen über
das Unmessbarkleine. Auf der (ienauigkeit, mit welcher wir die Er-
scheinungen in's Unendlichkleine verfolgen, beruht wesentlich die Er-
kenntniss ihres (Jausalzusar^nenhangs. Die Fortschritte der letzten
Jahrhunderte in der Erkenntniss der mechanischen Natur sind fast
allein bedingt durch die Genauigkeit der Construction, welche durch
die Erfindung der Analysis des Unendlichen und die von Archimed,
(ialliliii und Newton aufgefundenen einfachen Grundbegriffe, deren
sich die heytige Physik bedient, möglich geworden ist. In den Natur-
wissenschaften aber, wo die einfachen Grundbegriffe zu solchen Con-
structionen bis jetzt fehlen, verfolgt man, um den Causalzusaramen-
hang zu erkeimen, die Erscheinungen in's riiumlicli Kleine, so weit es
das Mikroskop nur gestattet. Die Fragen über die Massverhältnisse
des Raumes im ünmessbarkleinen gehören also nicht zu den müssigen.
Setzt man voraus, dass die Körper unabhängig vom Ort existiren,
so ist das Krümmungsmass überall constant, ujid es folgt dann aus
den astronomischen Messungen, dass es nicht von Null verschieden
sein kann; jedenfalls müsste sein reciprocer Werth eine Fläche sein,
gegen welche das unsern Teleskopen zugängliche Gebiet verschwinden
müsste. Wenn aber eine solche Unabhängigkeit der Körper vom Ort
nicht stattfindet, so kann mau aus den Massverhältnissen im (irossen
nicht auf die im Unendlichkleinen schliessen; es kann dann in jedem
Punkte das Krümmungsmass in drei Richtungen einen beliebigen Werth
haben, wenn nur die ganze Krümmung jedes messbaren Raumtheils
nicht merklich von Null verschieden ist; noch complicirtere Verhält-
nisse können, eintreten, wenn die vorausgesetzte Darstellbarkeit eines
Ijinienelements durch die Quadratwurzel aus einem Diöerentialausdruck
zweiten (Jrades nicht stattfindet. Nun scheinen aber die empirischen
Regriffe, in welchen die räumlichen Massbestimmungen gegründet sind,
der Regriff' des festen Körpers und des Lichtstrahls, im Unendlich-
kleinen ihre Gültigkeit zu verlieren; es ist also sehr wohl denkbar,
dass die Massverhältnisse des Raumes im Unendlichkleinen den Vor-
aussetzungen der (ieometrie nicht gemäss sind, und dies würde nlan
in der That annehmen müssen, sobald sich dadurch die Erscheinungen
auf einfachere Weise erklären Hessen.
Die Frage über die Ciültigkeit der Voraussetzungen der (ieometrie
im Unendlichkleinen hängt zusammen mit der Frage nach dem innern
Grunde der Massverhältnisse des Raumes. Bei dieser Frage, welche
268 XIII. Uebor die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.
wohl noch zur Lehre vom Räume gerechnet werden darf^ kommt die
obige Bemerkung zur Anwendung, dass bei einer discreten Mannig-
faltigkeit das Princip der Massverhältnisse schon in dem Begriffe
dieser Mannigfaltigkeit enthalten ist, bei einer stetigen aber anders
woher hinzukommen muss. Es muss also entweder das dem Räume
zu Grunde liegende Wirkliche eine discrete Mannigfaltigkeit bilden,
oder der Grund der Massverhältnisse ausserhalb, in darauf wirkenden
bindenden Kräften, gesucht werden.
Die Entscheidung dieser Fragen kann nur gefunden werden, indem
man von der bisherigen durch die Erfahrung bewährten Auffassung
der Erscheinungen, wozu Newton den Grund gelegt, ausgeht und
diese durch Thatsachen, die sich aus ihr nicht erklären lassen, ge-
trieben allmählich umarbeitet; solche Untersuchungen, welche, wie die
hier geführte, von allgemeinen Begriffen ausgehen, können nur dazu
dienen, dass diese Arbeit nicht durch die Beschränktheit der Begriffe
gehindert und der Fortschritt im Erkennen des Zusammenhangs der
Dinge nicht durch überlieferte Vorurtheile gehemmt wird.
Es führt dies hinüber in das Gebiet einer andern Wissenschaft,
in das Gebiet der Phj^^sik, welches wohl die Natur der heutigen Ver-
anlassung nicht zu betreten erlaubt.
U e b e r s i c h t.
Seite
Plan der Untersuchung 254
I. Begriff' einer nfach. ausgedehnten Grösse*) 255
§. 1. Stetige und discrete Mannigfaltigkeiten, liestinimte Theile einer Man-
nigfaltigkeit heissen Quanta. Eintheiking der Lehre von den stetigen
Grössen in die Lehre
1) von den blossen Gebietsverhältnissen, bei welcher eine Unab-
hängigkeit der Grössen vom Ort nicht vorausgesetzt wird,
2) von den Massverhältnissen, bei welcher eine solche Unabhängig-
keit vorausgesetzt werden muss 255
§. 2. Erzeugung des Begriff's einer einfach, zweifach, . . . , nfach ausgedehn-
ten Mannigfaltigkeit 257
§. 8. Zurückführung der Ortsbestimmung in einer gegebenen Mannigfaltig-
keit auf Quantitätsbestimmungen. Wesentliches Kennzeichen einer
/ifach ausgedehnten Mannigfaltigkeit 257
II. Massverhältnisse, deren eine Mannigfaltigkeit von ?i Dimensionen fähig
'') Art. 1. bildet zugleich die Vorarbeit für Beiträge zur aiialysis situs.
Uebersicht. 269
Seite
ist*), unter der Voraussetzung, dass die Linien unabhängig von der
Lage eine Länge besitzen, also jede Linie durch jede messbar ist. . . '258
§. 1. Ausdruck des Linienelements. Als eben werden solche Mannigfaltig-
keiten betrachtet, in denen das Linienelement durch die Wurzel aus
einer Quadratsumme vollständiger Differentialien ausdrückbar ist . . 259
i?. 2. Untersuchung der nfach ausgedehnten Mannigfaltigkeiten, in welchen
das Linienelement durch die Quadratwurzel aus einem Differentialaus-
druck zweiten Grades dargestellt werden kann. Mass ihrer Abwei-
chung von der Ebenheit (Krümmungsmass) in einem gegebenen Punkte
und einer gegebenen Flächenrichtung. Zur Bestimmung ihrer Mass-
verhältnisse ist es (unter gewissen Beschränkungen) zulässig und
n 1
hinreichend, dass das Krümmungsmass in jedem Punkte in n ^
Flächenrichtungen beliebig gegeben wird 261
c?. 3. Geometrische Erläuterung 202
§. 4. Die ebenen Mannigfaltigkeiten (in denen das Kriimmungsmass allent-
halben = 0 ist) lassen sich betrachten als einen besondem Fall der
Mannigfaltigkeiten mit constantem Krümmungsmass. Diese können
auch dadurch dcfinirt werden, dass in ihnen Unabhängigkeit der nfach
ausgedehnten Grössen vum Ort (Bewegbarkeit d(n-selben ohne Dehnung)
stattfindet 203
§. ö. Flächen mit constantem Krümmungsmasse 264
III. Anwendung auf den Raum 265
§. 1. Systeme von Thatsachen, welche zur Bestimmung der Massverhältnisse
des Raumes, wie die Geometrie sie voraussetzt, hinreichen .... 265
ij. 2. In wie weit ist die Gültigkeit dieser empirischen Bestimmungen wahr-
scheinlich jenseits der Grenzen der Beobachtung im Unmessbargrossen? 205
§. 3. In wie weit im Unendlichkleinen? Zusammenhang dieser Frage mit
der Naturerklärung**) 207
*) Die Untersuchung über die möglichen Massbestimmungen einer 7ifach aus-
gedehnten Mannigfaltigkeit ist sehr unvollständig, indess für den gegenwärtigen
Zweck wohl ausreichend.
**) Der §. 3. des Art. 111. bedarf noch einer Umarbeitung und weitern Ausführung.
XIV.
Ein Beitrag zur Elektrodynamik.
(Aus Poggeudorffs AnnaleD der Physik und Chemie, Bd. CXXXl.)
Der Küiiiglichen Societät erlaube ich mir eine Bemerkung mit-
zutlieilen, welche die Theorie der Elektricität und des Magnetismus
mit der des Lichts und der strahlenden Wärme in einen nahen Zu-
sammenhang bringt. Ich habe gefunden^ dass die elektrodynamischen
Wirkungen galvanischer Ströme sich erklären lassen^ wenn man an-
nimmt, dass die Wirkung einer elektrischen Masse auf die übrigen
nicht momentan geschieht, sondern sich mit einer constanten (der Licht-
geschwindigkeit innerhalb der Grenzen der Beobachtungsfehler gleichen)
Geschwindigkeit zu ihnen fortpflanzt. Die Differentialgleichung für die
Fortpflanzung der elektrischen Kraft wird bei dieser Annahme dieselbe,
wie die für die Fortpflanzung des Lichts und der strahlenden Wärme.
Es seien S und S' zwei von constanten galvanischen Strömen
durchflossene und gegen einander nicht bewegte Leiter, e sei ein
elektrisches Massentheilchen im Leiter S, Avelches sich zur Zeit t im
Punkte (.r, y, z) befinde, e' ein elektrisches Massentheilchen von S'
und befinde sich zur Zeit t im Punkte {x , y, /). Ueber die Bewegung
der elektrischen Massentheilch'en, welche in jedem Leitertheilchen für
die positiv und negativ elektrischen entgegengesetzt ist, mache ich die
Voraussetzung, dass sie in jedem Augenblicke so vertheilt sind, dass
die Summen
Zefipc, y, z\ Z^i\x, y\ /)
über sämmtliche Massentheilchen der Leiter ausgedehnt gegen dieselben
Summen, wenn sie nur über die positiv elektrischen oder nur über
die negativ elektrischen Massentheilchen ausgedehnt werden, vernach-
lässigt werden dürfen, sobald die Function /' und ihre Differential-
quotienten stetig sind.
Diese Voraussetzung kann auf sehr mannigfaltige Weise erfüllt
werden. Nimmt man z. B. an, dass die Leiter in den kleinsten Theilen
krystallinisch sind, so dass sich dieselbe relative VortluMluug der
XIV. Ein Beitrag zur Elektrodynamik. 271
Elektricitäten in bestimmten gegen die Dimensionen der Leiter unend-
lich kleinen Abständen periodisch wiederholt, so sind, wenn ß die
Länge einer solchen Periode bezeichnet, jene Summen unendlich klein,
wie cß", wenn /' und ihre Derivirten bis zur (n — l)ten Ordnung stetig
sind, und unendlich klein wie e ' , wenn sie sämmtlich stetig sind.
Erfahrungsmässiges Gesetz der elektrodynamischen "Wirkungen.
Sind die specifischen Stromintensitäten nach mechanischem Mass
zur Zeit t im Punkte (^, y^ z) parallel den drei Axen ?/, v, tv, und
im Punkte (/, y, /) «', v\ w\ und bezeichnet r die Entfernung beider
Punkte, c die von Kohlrausch und Weber bestimmte Constante, so
ist der Erfahrung nach das Potential der von S auf S' ausgeübten
Kräfte
- cc f f ""-'+- j'-^—'^dSdS',
dieses Integral über sämmtliche Elemente dS und dS' der Leiter S
und >S" ausgedehnt. Führt man statt der specifischen Stromintensitäten
die Producte aus den Geschwindigkeiten in die specifischen Dichtig-
keiten und dann für die Producte aus diesen in die Volumelemente die
in ihnen enthaltenen Massen ein, so geht dieser Ausdruck über in
cc r dt dt
wenn die Aenderung von r" während der Zeit dt^ welche von der Be-
wegung von £ herrührt, durch d, und die von der Bewegung von a
herrührende durch d' bezeichnet wird.
Dieser Ausdruck kann durch Hinwegnahme von
cc r dt
dt
welches durch die Summirung nach e verschwindet, in
- "(-) .V ».
cc dt dt
und dieses wieder durch Addition von
(I ZI. ) r
cc dt
<lf
welches durch die Suuuuation nach t' Null wird, in
272 XIY. Ein Beitrag zur Elektrodjaiamik.
cc dt dt
verwandelt werden.
Ableitung dieses Gesetzes aus der neuen Theorie.
Nacli der bislierigen Annalime über die elektrostatische Wirkung
wird die Potential Function U beliebig vertlieilter elektrischer Massen,
wenn q ihre Dichtigkeit im Punkte (,x', y^ z) bezeichnet, durch die
Bedingung
dx^ ' oy^ ' dz- ^ ^
und durch die Bedingung, dass U stetig und in unendlicher Entfernung
von wirkenden Massen constant sei, bestimmt. Ein particulares Inte-
gral der Gleichung
dx' ~r 8y- ~^ dz^ ~ '
welches überall ausser dem Punkte {a: , y ^ /) stetig bleibt, ist
yW
r
und diese Function bildet die vom Punkte (ä/, y\ /•) aus erzeugte
Potentialfunction, wenn sich in demselben zur Zeit t diö Masse — fif)
befindet.
Statt dessen nehme ich nun an, dass die Potentialfunction V durch
die Bedingung
dt' \ox- ' Oy^ ' cz'/ ' ^
bestimmt wird, so dass die vom Punkte (x, ?/, /) aus erzeugte Po-
tentialfunction, wenn sich in demselben zur Zeit t die Masse — f(f)
befindet, ^
r
wird.
Bezeichnet mau die Coordinaton der Masse s zur Zeit t durch
Xtj ytj Zi, und die der Masse t zur Zeit t' durch ./y, y'f, Zf, und setzt
zur Abkürzung
(fc - xVf + (?A - y',')' + («, - ^'.'If^ = ^--f) = F(t, i'),
so wiril iiacli dieser Annaliino das l'otential vou £ auf t' zuv Zeit /
XTV. Ein Beitrag zur Elektrodynamik. 273
Das Potential der von sämmtliclien Massen f des Leiters S -auf
die Massen a des Leiters S' von der Zeit 0 bis zur Zeit t ausgeübten
Kräfte wird daher
p=— I'zzss'fU— [,ty.,
u
die Summen über sämmtliehe Massen beider Leiter ausgedehnt.
Da die Bewegung für entgegengesetzt elektrische Massen in jedem
Leitertheilchen entgegengesetzt ist^ so erlangt die Function F(tj f)
durch die Derivation nach t die Eigenschaft^ mit £, und durch die
Derivation nach f die Eigenschaft, mit e' ihr Zeichen zu ändern. Bei
der vorausgesetzten Vertheilung der Elektricitäten wird daher, wemi
mau die Derivationen nach t durch obere und nach f durch untere
Accente bezeichnet, UUse F^!^ (r, t), über sämmtliehe elektrische Massen
ausgedehnt, nur dann nicht unendlich klein gegen die über die elektri-
schen Massen einer Art erstreckte Summe, wenn n und n beide un-
gerade sind.
Man nehme nun an, dass die elektrischen Massen während der
Fortpflanzungszeit der Krafc von einem Leiter zum anderen nur einen
sehr kleinen Weg zurücklegen, und betrachte die Wirkung während
eines Zeitraums, gegen welchen die Fortpflanzungszeit verschwindet.
In dem Ausdrucke von F kann man dann zunächst
durch
4-v>^)
F(t — l , r) — Kr, r) = — f F' {x — (T, t)da
u
ersetzen, da LEat Fir^T) vernachlässigt werden darf. Man erhält
dadurch
I a
P = CdtZZas Cr ix — G, x)
da.
oder wenn man die Ordnung der Litegrationen umkehrt und r -(- a
für T setzt.
r
« I - (T
P = SEea Cda rdxF\x, x + o).
0 — <f
Verwandelt man die Grenzen des Innern Integrals in 0 und /, so
wird dadurch an der obern Grenze der Ausdruck
lliEMANx's gesammelt»' iiiatluniutisclit> Werke. I, 18
274 X\Y. Ein Beitrag zur Elektrodynamik.
H{t) = U^Jes' j'da CilxF'it + t, ^ + r + a)
0 — (T
hinzugefügt, und an der untern Grenze der Werth dieses Ausdrucks
für t = 0 hinweggenommen. Man hat also
r
t Tt
F = färZZes Cdar{r, r -\- ö) - H{t) + H{()).
0 0
In diesem Ausdruck kann man F\t, t + (?) durch F' (t, t + (?) — F'{r,r)
ersetzen, da
7
/ r
EEes -F\t,T)
vernachlässigt Averden darf. Man erhält dadurch als Factor von se'
einen Ausdruck, der sowohl mit s als mit s' sein Zeichen ändert, so
dass sich bei den Summationen die Glieder nicht gegen einander auf-
heben, und unendlich kleine Bruchtheile der einzelnen Glieder vernach-
lässigt werden dürfen. Es ergiebt sich daher, indem man
F\t,r + ö)- F'{x, r) durch o-j^^
ersetzt und die Integration nach a ausführt, bis auf einen zu ver-
nachlässigenden Bruchtheil
Es ist leicht zu sehen, dass H{t) und H(0) vernachlässigt werden
dürfen; denn es ist
F'(f + r.f + r + a)= ]{■'+ ^L'-r + ^(r + a) + ■■.,
folglich :
4(±) .d-^il-) ., dd-(-i)
rrr.x ^,. > ( rr \r / v \r I _. r' \r I ^^
n{t) — Z.A8B y^^^-Y^ ««^'"TtT^ + g«^' dt dt "T
Hierin aber ist nur das erste Glied des Factors von ff' mit dem
Factor in dem ersten Bestandtheile von P von gleicher Ordnung, und
dieses liefert wegen der Summation nach a nur einen zu vernach-
lässigenden Bruchtheil desselben.
Der Werth von P, welcher sich aus unserer Theorie ergiebt,
stimmt mit dem erfahrungsmässigen
XIV. Ein Beitrag zur Elektrodynamik. 275
1 cc dt dz
u
ühorein, wenn man «« = Jcr annimmt.
Nach der Bestimmung von Weber und Kohl rausch ist
c = 439450. 10^' ™^*"^f^
becunde
woraus sich a zu 41949 geographischen Meilen in der Secunde ergiebt,
wlUirend für die Liclitgeschwindigkeit von Busch aus Bradley's
Aberrationsbeobaclitungen 41994 Meilen, und von F'izeau durch directe
Messung 41882 Meilen gefunden worden sind.
Dieser Aufsatz wurde von lliemann der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften zu Göttingen am 10. Februar 1858 überreicht, wie aus einer dem Titel
des Manuscriptes hinzugefügten Bemerkung des damaligen Secretiirs der Gesell-
schaft hervorgeht, später aber wieder zurückgezogen. Nachdem der Aufsatz nach
Kiemann's Tode veröffentlicht worden war, wurde er durch Clausius (Poggen-
dorffs Annalen Bd. CXXXV p. 006) einer Kritik unterworfen, deren wesentlichster
Einwand in Folgendem besteht:
Nach den Voraussetzunffen hat die Summe:
i' = -j'zz..'4-;;, r)
dz
einen verschwindend kleinen Werth. Die Operation, vermöge deren später für die-
selbe ein nicht verschwindend kleiner Werth gefunden wird, muss daher einen
Irrthum enthalten, den Clausius in der Ausführung einer unberechtigten Um-
kehrung der Integrationsfolge findet.
Der Einwand scheint mir begründet und ich bin mit Clausius der Meinung,
dass Riemann sich denselben selbst gemacht und desshalb die Arbeit vor der
Publication zurückgezogen hat.
Obwohl damit der wesentlichste Inhalt der lliemann'schen Deduction dahin-
fallen würde, habe ich mich doch zur Aufnahme dieses Aufsatzes in die vorliegende
Sammlung entschlossen, weil ich nicht zu entscheiden wagte, ob er nicht doch
noch Keime zu weiteren fruchtbaren Gedanken über diese höchst interessante
Frage enthält. W.
18'
XV.
Beweis des Satzes, dass eine einwerthige mehr als 2 1/ flieh
periodische Function von v? Veränderlichen unmöglich ist.*)
(Aus Borchardt's Journal für reino und angewandte Matliematik, Bd. 7.1.)
. . . Den Beweis des Satzes, auf welchen Sie neulich die Unterhal-
tung lenkten, dass eine einwerthige mehr als 2>^fach periodische Function
von n Veränderlichen unmöglich ist, habe ich im Gespräch wohl nicht
ganz klar ausgedrückt, auch nur die Grundgedanken angegeben; ich
theile ihn Ihnen daher hier noch einmal mit.
Es sei f eine 2 ^^ fach periodische Function von w Veränderlichen
x^, X2J . . ., Xn und — ich darf wohl meine Ihnen bekannten Benen-
nungen gebrauchen — der Periodicitätsmodul von ./',. für die ftte Periode
a' . Es lassen sich dann bekanntlich die Grössen x in die Form
X, = ^%^, für 7/ = 1, 2, . . ., n
setzen**), so dass die Grössen | reell sind. Lässt man nun die Grössen
I die Werthe von 0 bis 1 mit Ausschluss eines von diesen Grenz-
werthen durchlaufen, so hat das dadurch entstehende 2 w fach ausge-
dehnte Grössengebiet die Eigenschaft, dass jedes System von Werthen
der w Veränderlichen einem und nur einem Werthsysteme innerhalb
dieses Grössengebiets nach den 2n Modulsystemen congruent ist. Ich
werde, um mich später kürzer ausdrücken zu können, dieses Gebiet
„das bei diesen 2 w Modulsystemen periodisch sich wiederholende Grössen-
gebiet" nennen.
Hat die Function nun noch ein 2n-|-ltes Modulsystem, welches
sich nicht aus den 2n ersten Modulsystemen zusammensetzen lässt, so
*) Auszug aus einem Schreiben Riemanns an Hrn. Weierstrass.
**) Dies ist nicht immer der Fall, sondern nur, wenn die 2 n Gleichungen,
durch welche die Grössen | bestimmt werden, von einander unabhängig sind; die
Ausnahmen sind aber leicht zu behandeln.
XV. Beweis des Satzes, dass eine einwerthige etc. 277
kann man die einem Grössensysterae nach diesem Modulsysteme con-
gruenten Grössensysteme auf innerhalb dieses Gebiets liegende nach
den 2)1 ersten Modulsystemen ihnen congruente zurückführen und da-
durch offenbar beliebig viele innerhalb dieses (iebiets liegende und
nach den 2n+l Modulsystemen einander congruente Grössensysteme
erhalten, wenn nicht zwei von -den nach dem 2n+ Iten Modulsysteme
congruente Grössensysteme auch nach den 2n ersten Modulsystemen
congruent sind. In diesem Falle würden zwischen den 2n-\- i Modul-
systemen n Gleichungen von der Form
,«=1
worin die Grössen m ganze Zahlen wären, stattfinden, und folglich,
wie ich später zeigen werde, die 2n-\- 1 Modulsysteme sich aus 2>? ^To-
dulsystemen zusammensetzen lassen.
Man theile nun für jede der Grössen ^ die Strecke von 0 bis 1
in q gleiche Theile, wodurch das bei den 2n ersten Modulsystemen
periodisch wiederkehrende Gebiet in q^" Gebiete zerfällt, in deren jedem
sich die Grössen | nur um — ändern. Offenbar müssen dann von
q
mehr als 5^" nach den 2n + 1 Modulsystemen einander congruenten und
in jenem Gebiete liegenden Grössensystemen nothwendig zwei in dasselbe
Theilgebiet fallen, so dass sich die Werthe derselben Grösse J in bei-
den keinenfalls um mehr als von einander unterscheiden. Die
Function bleibt also dann ungeändert, während keine der Grössen g
um mehr als geändert wird, und ist folglich, da q beliebig gross
genommen werden kann, wenn sie stetig ist, eine Function von we-
niger als n linearen Ausdrücken der Grössen ./■.
Es ist nun noch zu zeigen, dass sich 2;^+! Modulsysteme, zwi-
schen denen die n Gleichungen
stattfinden, aus 2 71 Modulsystemen zusammensetzen lassen.
Man kann zunächst leicht beweisen, dass sich zu einem Modul-
systeme
worin die Grössen m ganze Zahlen ohne gemeinschaftlichen Theiler
sind, immer 2 71 — 1 andere Modulsysteme 6^,, 63,. . . , 6^,, so finden lassen,
278 XV. Beweis des Satzes, dass eine eiuwerthige etc.
dass Congruenz uacli den Modulsystemen a mit Congruenz nach den
Modulsystemen h identisch ist. Es seien 9^ der grösste gemeinschaft-
liche Theiler von m^ und 7n., und K,ß zwei der Gleichung
ßnij^ — am.^ = 0^
genügende ganze Zahlen. Setzt man dann
a\ nii + (fl m.^ == c] O^
und
aal + ßal = &;^ ,
so hat man
Es lassen sich also auch umgekehrt die Modulsysteme a^ und a^ aus
den Modulsystemen h^n und q zusammensetzen, und folglich ist Con-
gruenz nach jenen mit Congruenz nach diesen gleichhedeutend. Man
kann daher die Modulsysteme a^ und «^ durch die Modulsysteme q
und hon ersetzen. Auf dieselbe Weise kann man nun, wenn Gg der
grösste gemeinschaftliche Theiler von 6^ und m^ ist, die Modulsysteme
c'i und «3 durch das Modulsystem
und durch ein Modulsystem &2«— 1 ersetzen. Durch Fortsetzung dieses
Verfahrens erhält man offenbar den zu beweisenden Satz. Der Inhalt
des periodisch sich wiederholenden Gebiets ist für die neuen Modul-
systeme h derselbe wie für die alten.
Mit Hülfe dieses Satzes lassen sich in den n Gleichungen
1
die 2n ersten Modulsysteme so durch 2n neue &^, h^y . . ., h^n ersetzen,
dass diese Gleichungen die Form
annehmen, worin p und ([ ganze Zahlen ohne gemeinschaftlichen Theiler
sind. Sind nun y^ ö zwei der Gleichung
pÖ -{- ,jy=l
genügende ganze Zahlen, so lassen sich offenbar die beiden Modul-
systeme h^ und «2«+x durch das eine Modulsystem
a , b
' 1 • 2rt+l p q
ersetzen. Sämmtliche Modulsysteme, welche sich aus den Modulsystemen
XV. Beweis des Satzes, dass eine einwerthige etc. 279
a^y a.,, . . .y a2„-\.i zuHammensetzen lassen, können also auch aus den
2/1 Modulsystemen ~, b.^, \j ..., h^n zusammengesetzt werden, und
umgekehrt. Der Inhalt des periodisch wiederkehrenden Gebiets be-
trägt für diese 2n Modulsysteme nur — von dem für die 2n ersten
Modulsysteme a. Hat die Function nun ausser diesen Modulsystemen
noch ein durch ähnliche ganzzahlige Gleichungen mit ihnen verbun-
denes, so lassen sich wieder 2n neue Modulsysteme finden, aus wel-
chen sich alle diese Modulsysteme zusammensetzen lassen, und der In-
halt des periodisch sich wiederholenden Gebiets wird dabei wieder auf
einen aliquoten Theil reducirt. Wenn dieses Gebiet unendlich klein
wird, so wird die Function eine Function von weniger als n linearen
Ausdrücken der Veränderlichen und zwar von n — 1 oder n — 2 oder
11 — m, jenachdem nur eine, oder zwei oder m Dimensionen dieses
Grössengebiets unendlich klein werden. Soll dies aber nicht eintreten,
so muss die Operation schliesslich abbrechen, und man wird also zu
2n Modulsystemen gelangen, aus welchen sich sämmtliche Modul -
Systeme der Function zusammensetzen lassen.
Göttingen, den 26ten October 1859.
XYI.
Estratto di una lettera scritta in lingua Italiana il di
21 Gennaio 1864 al Sig. Professore Enrico Betti.
(Annali di Matematica, Ser. 1. T. VII.)
Carissimo Amico
. . . Per trovare Tattrazione di un cilindro omogeneo retto ellissoi-
dale qualunque, io considero, introduceiido coordiiiate rettangolari x., y, z^
il cilindro ilifinito limitato della diseguaglianza:
1 _ ^ _ ^! > 0
ripieno di massa di densita costante +1, se ^ < 0, e di densitä
— 1, se ^ > 0. Allora se poniamo, come e solito, il potenziale nel
punto Xy y, z eguale di, V q
dv_ ^ dv__ ^ dv _
dx ~" ■'^' dy ~ ' Tz ~~ ^'
si ha per ^ = 0, F = 0, X = 0, Y= 0.
Z e eguale al potenziale dell' ellisse:
colla densita 2, e si trova col metodo di Diriclilet, se denotiamo con
(7 la radice maggiore delF equazione:
1 ^ yl — = F =0
a^ -\- s h'^ -\- s s '
con I):
4 r VFds ^
a
X ed F si possono determinare dalle equazioni:
dz dx ' dz dy
XVr. Estratto di una lettcra acrittu in lingua Italiana etc. 281
e dalle condizioni:
X = 0, Y=()
per z = 0.
Per effettuare questa determinazione conviene di sostituire invece di
QO 00
4 1,2/ esteso per il contorno intero di un pezzo del Piano degli
s, che contiene il valore ö senza contenere veruii altro valore di dira-
mazione o di discontinuitä della funzione sotto il segno integrale. Se
denotiamo le radici di F=0 in ordine di grandezza con ö, a , a",
questi valori sono tutti reali e in ordine di grandezza:
ö^ 0, a\ — Ij'^j a", — a\
in modo che:
(? > 0 > <?' > — 5^ > (?" > — a^ .
Posto
viene
F=t
Z=2
~ ox ~ J j)yj " ^'
ax dz ^s^.ifs-z^
ma:
ü
e:
dt .
s -TT— ds
ex
Dunque si trova per integrazione parziale:
CO
Se si prende la via delF integrazione come nella espressione di Z ü
valore delF integrale sodisfa sempre alla condizione:
ax_az
dz dx '
ma puo differire di funzioni di a; e di y, la funzione sotto segno in-
tegrale essendo discontinua anche per ^ = 0. Dunque occorre una
determinazione olteriore della via dell' integrazione.
282 XVI. Estratto di vitia lettere scritta in lingua Italiana etc.
Nella espressioue di -^ = -~ la funzione sotto segno integrale
e continua per 6' = 0; dunque il pezzo del piano degli s, per il ciii
contorno Tintegrale e esteso^ deve contenere 6= (> e puo contenere
o no 6= 0, ma nessimo altro dei valori sopra notati. Nella espres-
sioue di X questo pezzo deve essere determinato in modo che X sia = 0
per ^ = 0; e al'finche ciö avvenga, dovendo contenere s = (T, deve anche
contenere la maggiore radice di is = 0 (la quäle e la maggiore radice
di f = 0, se
ed e = 0, se:
i-5-|<o-
1_- _^>0j
ma nessun allra radice di ts = 0. Perche per ^ = 0 le radici di
F =0 coincidono coUe radici di ^s = 0, e se la via dell' integrazione
passasse tra due valori di discontinuitä che coincidono per 3 = 0,
doverebbe per ^ = 0 passare per questo valore in modo che Fintegrale
nella espressione di X diverrebbe infinito ed il valore nonostante il
fattore s rimarrebbe finito. —
Vostro aif"'° Amico Riemann.
XVII.
lieber die Fläche vom kleinsten Inhalt bei gegebener
Begrenzung.*)
1.
Eine Fläche lässt sich im Sinne der analytischen Geometrie dar-
stellen, indem man die rechtwinkligen Coordinaten x, y, z eines in ihr
beweglichen Punktes als eindeutige Functionen von zwei unabhängigen
veränderlichen Grössen j) und q angiebt. Nehmen dann j> und (£ be-
stimmte constante Werthe an, so entspricht dieser einen Combination
immer nur ein einziger Punkt der Fläche. Die unabhängigen Variabein
j) und q können in sehr mannigfacher Weise gewählt werden. Für
eine einfach zusammenhängende Fläche geschieht dies zweckmässig
wie folgt. Man lässt die Fläche längs der ganzen Begrenzung ab-
nehmen um einen Flächenstreifen, dessen Breite überall unendlich klein
in derselben Ordnung ist. Durch Wiederholung dieses Verfahrens wird
die Fläche fortwährend verkleinert, bis sie in einen Punkt übergeht.
Die hierbei der Reihe nach auftretenden Begrenzungscurven sind in
sich zurücklaufende, von einander getrennte Linien. Man kann sie
dadurch unterscheiden, dass man in jeder von ihnen der Grösse j)
einen besondern constanten Werth beilegt, der um ein ünendlichkleines
zu- oder abnimmt, je nachdem man zu der benachbarten umschliessen-
den oder umschlossenen Curve übergeht. Die Function j> hat dann
einen constanten Maximalwert!! in der Begrenzung der Fläche und
einen Minimalwerth in dem einen Punkte im Innern, in welchen die
*) Dieser Abhandlung liegt ein Manuscript Riemann's zu Grunde, welches
nach der eigenen Aousserung des Verfassers in den Jahren 1860 und 1861 ent-
standen ist. Dieses Manuscript, welches in gedrängter Kürze nur die Formeln
und keinen Text enthält, wurde mir von Riemann im April 1866 zur Bearbeitung
anvertraut. Es ist daraus die Abhandlung hervorgegangen, welche ich am
6. Januar 1867 der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften /ai Göttingen ein-
gereicht habe, und welche im 13. Band der Abhandlungen dieser Gesellschaft ab-
gedruckt ist. Diese Abhandlung kommt hier in sorgfältiger Ueberaibeitung zum
zweiten Male zum Abdruck. K. Hatteudorff.
284 XVII. lieber die Fläche vom kleinsten Inhalt
allmählich abnehmende Flache zuletzt zusammenschrumpft. Den U eber-
gang von einer Begrenzung der abnehmenden Fläche zur nächsten
kann man dadurch hergestellt denken^ dass man jeden Punkt der Curve
(}-)) in einen bestimmten unendlich nahen Punkt der Curve (p -\- dp)
übergehen lässt. Die Wege der einzelnen Punkte bilden dann ein
zweites System von Curven^ die von dem Punkte des Minimalwerthes
von p strahlenförmig nach der Begrenzung der Fläche verlaufen. In
jeder dieser Curven legt man q einen besondern constanten Werth bei,
der in einer beliebig gewählten Anfangscurve am kleinsten ist und
von da beim Uebergange von einer Curve des zweiten Systems zur
andern stetig wächst, wenn man zum Zweck dieses Ueberganges irgend
eine Curve (]i) in bestimmter Richtung durchläuft. Beim Uebergange
von der letzten Curve {q) zur Anfangscurve ändert sich q sprung-
weise um eine endliche Constante.
Um eine mehrfach zusammenhängende Fläche ebenso zu behan-
deln, kann man sie zuvor durch Querschnitte in eine einfach zu-
sammenhängende zerlegen.
Irgend ein Punkt der Fläche lässt sich hiernach als Durchschnitt
einer bestimmten Curve des Systems (p) mit einer bestimmten Curve
des Systems (q) auffassen. Die in dem Punkte {p, q) errichtete Nor-
male verläuft von der Fläche aus in zwei entgegengesetzten Richtungen,
der positiven und der negativen. Zu ihrer Unterscheidung hat man
über die gegenseitige Lage der wachsenden positiven Normale, der
wachsenden p und der wachsenden q eine Bestimmung zu treifen. Ist
nichts anderes festgesetzt, so möge, von der positiven x-A.'^q aus ge-
sehen, die positive ?/-Axe auf dem kürzesten Wege in die positive
^-Axe übergeführt werden durch eine Drehung von rechts nach links.
Und die Richtung der wachsenden positiven Normale liege zu den
Richtungen der wachsenden p und der wachsenden q, wie die positive
.r-Axe zur positiven y-A.xe und zur positiven ^-Axe. Die Seite der
Fläche, auf welcher die positive Normale liegt, soll die positive Seite
der Fläche genannt werden.
2.
Ueber das Gebiet der Fläche sei ein Integral zu erstrecken, dessen
Element gleich ist dem Element dp)dq multiplicirt in eine Functional-
determinante, also
wofür zur Abkürzung geschrieben werden soll
J'J'Wd'j).
bei gegebener Begrenzung. 285
Denkt man sich f und g als unabhängige Variable eingeführt, so
geht das Integral über in ff dfdgy und es lässt sich die Integration
nach f oder nach g ausführen. Die wirkliche Einsetzung von f und g
als unabhängigen Variabein verursacht aber Schwierigkeiten oder
wenigstens weitläufige Unterscheidungen, wenn dieselbe Werthecom-
bination von /' und g in mehreren Punkten der Fläche oder in einer
Linie vorhanden ist. Sie ist ganz unmöglich, wenn f und // com-
plex sind.
Es ist daher zweckmässig, zur Ausführung der Integration nach
/' oder g das Verfahren von Jacobi (Crelle's Journal Bd. 27 p. 208)
anzuwenden, bei welchem p und q als unabhängige Variable beibe-
halten werden. Um in Beziehung auf f zu integriren^ hat man die
Functionaldeterminante in die Form zu bringen
dp Öq
weil die Integration durch eine in sich zurücklaufende Linie erstreckt
wird. Dagegen ist
und erhält zunächst
J
f
"''■dp
dp
in der Richtung der wachsenden |) zu nehmen, d. h. von dem Minimal-
punkte im Imiern durch eine Curve (q) bis zur Begrenzung. Man er-
hält f . und zwar den Werth, den dieser Ausdruck in der Begrenzung
annimmt, da, an der untern Grenze des Integrals - = 0 ist. Folg-
lieh wird
ffW'hi) -Jf% <h =ff'^fi
und das einfache Integral rechts ist in der Richtung der wachsenden
q durch die Begrenzung erstreckt. Andererseits hat man nach der
eingeführten Bezeichnung ((lfdg) = — (dgdf), und daher
ff Wdy) = - ff {dg df) = - fgdf,
wobei das einfache Integral rechts ebenfalls in der Richtung der wach-
senden q durch die Begrenzung der Fläche zu nehmen ist.
28G XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
3.
Die Flilche^ deren Punkte durcli die Cnrvensysteme (p)^ (q) fest-
gelegt sind^ soll in der folgenden Weise auf einer Kugel vom Radius 1
abgebildet werden. Im Punkte {p^ q) der Flilclie, dessen rechtwinklige
(Joordinaten x, y, z sind^ ziehe man die positive Normale und lege zu
ihr eine Parallele durch den Mittelpunkt der Kugel. Der Endpunkt
dieser Parallelen auf der Kugeloberfläche ist die Abbildung des Punktes
{x, «/; d). Durchläuft der Punkt {x, y, i) auf der stetig gekrümmten
Fläche eine zusammenhängende Linie, so wird auch die Abbildung
derselben auf der Kugel eine zusammenhängende Linie sein. Auf die-
selbe Weise erhält man als Abbildung eines Flächenstücks ein Flächen-
stück, als Abbildung der ganzen Fläche eine Fläche, welche die Kugel
oder einen Theil derselben einfach oder mehrfach bedeckt.
Der Punkt auf der Kugel, welcher die Richtung der positiven
x-Axe angiebt, werde zum Pol gewählt und der Anfangsmeridian durch
den Punkt gelegt, welcher der positiven y-Axe entspricht. Die Ab-
bildung des Punktes (x, ?/, z) wird dann auf der Kugel festgelegt
durch ihre Poldistanz r und den Winkel (p, welchen ihr Meridian mit
dem Anfangsmeridian einschliesst. Für das Vorzeichen von (p gilt die
Bestimmung, dass der der positiven ^-Axe entsprechende Punkt die
Coordinaten r ==-—-, (p = -{- ' haben soll.
4.
Hiernach erhält man als Differential- Gleichung der Fläche
(1) cosrdx + sinr cosg) dy + sinr sincpdz = 0.
Sind y und ^ die unabhängigen Variabein, so ergeben sich für
r und (p die Gleichungen
1
cos r == - -
±T/^+(gr+(ifr
sm r cos (p = —-
ex
v^m^m'
d X
Tz
sin r sm (p =
v^^(Sr+(Mf'
in welche^ gleichzeitig entweder die oberen oder die unteren Vor-
zeichen gelten.
bei gegebener Begrenzung. 287
Ein Parallelogramm auf der positiven Seite der Fläche, begrenzt
von den Curven (p) und (j) + dp)^ {q) und (q + dq)^ projicirt sich
auf der i/^ -Ebene in einem Flächenelemente, dessen Inhalt gleich dem
absoluten Werthe von {dydz) ist. Das Vorzeichen dieser Functional-
determinante ist verschieden, je nachdem die im Punkte (/), q) errichtete
positive Normale mit der positiven x-Kilq einen spitzen oder stumpfen
Winkel einschliesst. In dem ersten Falle liegen iiemlich die Pro-
jectionen von dp und dq in der ?/^- Ebene ebenso zu einander wie die
positive ?/-Axe zur positiven ^-Axe, im zweiten Falle umgekehrt. Daher
ist die Functionaldeterminantc im ersten Falle positiv, im zweiten
negativ. Und der Ausdruck
(dy dz)
cos r ^ ^ ^
ist immer positiv. Er giebt den Inhalt des unendlich kleinen Parallelo-
c'ramms auf der Fläche. Um also den Inhalt der Fläche selbst zu
erhalten, hat man das Doppelintegral
''^-ff^A'^i"'-^
über die ganze Fläche zu erstrecken.
Soll dieser Inhalt ein Minimum sein, so ist die erste Variation
des Doppelintegrals = 0 zu setzen. Man erhält
ex cöx ^^ dx ddx
und es gilt das obere oder das untere Zeichen vor der Wurzel, je
nachdem (dydz) positiv oder negativ ist. Die linke Seite lässt sich
schreiben
d
jj
^ ( — sin r cos cp dx) (dy dz)
-r,- ( — sin r sin (p öx) (dydz)
dx 7^- •( — sinr cos 9) (dydz)
— / / öx S- ( — sin >• sin cp) (dydz).
Die beiden ersten Integrale reduciren sich auf einfache Integrale, die
in der Richtung der wachsenden q durch die Begrenzung der Fläche
zu nehmen sind, nemlich
/ öx ( — sin y cos (p dz + sin r sin cp dy).
288 XVI r. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
Der Werth ist = 0^ da iu der Begrenzung öx = 0 ist. Die Bedingung
des Minimum lautet also
n'äx {^^'^"^1 + g(.inr^siny)\ ^^^^^^ _ ^_
Sie wird erfüllt, wenn
(2) — sin r sin cp dy + sin r cos (p dz = d^
ein vollständiges Differential ist.
5.
Die (loordinaten r und cp auf der Kugel lassen sich ersetzen durch
eine complexe Grösse i] = tg - e'P'\ deren geometrische Bedeutung
leicht zu erkennen ist. Legt man nemlich an die Kugel im Pol eine
Tangentialebene, deren positive Seite von der Kugel abgekehrt ist, und
zieht vom Gegenpol eine Gerade durch den Punkt (r, (p), so trifft
diese die Tangentialebene in einem Punkte, der die complexe Grösse
2^1 repräsentirt. Dem Pol entspricht t] = 0, dem Gegenpol i] == oo.
Piir die Punkte, welche die Richtungen der positiven y- und der posi-
tiven S'-Axe angeben, ist r] = -{- 1 und resp. == -[- /.
Führt man noch die complexen Grössen
7] = tg - e-'i"', s ^= y -\- zi, s = y — zi
ein, so gehen die Gleichungen (1) und (2) über in folgende:
(1*) (1 — riri) dx + ri ds + 7} ds = 0,
(2*) (1 + fin) dii — n ds + n ds = 0.
Diese lassen sich durch Addition und Subtraction verbinden. Dabei
werde
x + ^i = 2X, ^ — ji = 2X'
gesetzt, so dass umgekehrt x == X -{- X' ist. Das Problem findet dann
seinen analytischen Ausdruck in den beiden Gleichungen
(3) ds —ridX+\ dX == 0,
(4) ds + l dX — ridT'= 0.
Betrachtet man X und X' als unabhängige Variable und stellt
die Bedingungen dafür auf, dass ds und ds vollständige Differentiale
sind, so findet sich
dX' ' iiX ^
d. h. es ist r] nur von A'^, r]' nur von X' abhängig, und deshalb um-
gekehrt X eine Function nur von rjj X' eine Function nur von tf.
bei gegebener Begrenzung. 280
Hiernach ist die Aufgabe darauf zurückgeführt, rj als Function der
complexen Variabein X oder umgekehrt X als Function der complexen
Variabein rj so zu bestimmen, dass zugleich den Grenzbedingungen
(ienüge geleistet werde. Kennt man rj als Function von X, so ergiebt
sich daraus i]\ indem man in dem Ausdrucke von rj jede complexe
Zahl in die' conjugirte verwandelt. Alsdann hat man nur noch die
Gleichungen (3) und (4) zu integriren, um die Ausdrücke für s und s
zu erlangen. Aus diesen erhillt man endlich durch Elimination von \-
eine Gleichung zwischen x, y, z, die Gleichung der Minimalfläche.
6.
Sind die Gleichungen (P>) und (4) integrirt, so lässt sich aucli der
Inhalt der MinimalflUche selbst leicht angeben, nemlich
« -JJit- ^^y'^) -ff l^ (''y^')-
Die Functionaldeterminante (dydz) formt sich in folgender Weise um
^ ^ ^ \cs ds CS CS J • ^
=»= — (dsds)
i [ , \ \dxdx f -j j ,■
Danach erhält man
i' i* fc^cxcx . CS es' . CSCS\,j 7 /
= 2 iTd^'-l + V^'". + ^'^ {dnH)-
fj \drj örf ' CT} cri * Crj orj J ^ ' '^
Zur weiteren Umformung dieses Ausdruckes kann man // aus Y
und Y'j z aus Z und Z' ebenso zusammensetzen wie x aus X mid A",
so dass die Gleichungen gelten
^=f%^n, r=J%dn,
'-fll"n'''=f>^-
a; = X + X', jt = X - X;
2/= }■+ r, \)i= y- r,
IIikmaxn's gos.iiuiiH'lto matluiiiatixtlie Werk«
290 XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
Alsdann erhält man schliesslich
(5) S = — ifJ[{dXdX) + {dYdY) + {dZdZ')\
= \JJ[{dxdi) + iclyd^)) + {dzdi)\.
7.
Die Minimalfläche und ihre Abbildungen auf der Kugel wie in
den Ebenen, deren Punkte resp. die complexen Grössen t], X, Y, Z
repräsentiren, sind einander in den kleinsten Theilen ähnlich. Man
erkennt dies sofort, wenn man das Quadrat des Linearelementes in
diesen Flächen ausdrückt. Dasselbe ist
auf der Kugel sin r^ d log r] d log 7]\
in der Ebene der t] drj dr]
in der Ebene der X j- ■^, dr] dt] /
in der Ebene der Y -- t^"^, dri dri ,
0 71 crj ' ' '
in der Ebene der Z :ä~ ä~^ ^^V ^^v\
in der Minimalfläche selbst
,7^2 _,_ ^y2 _^ ^j^2 _ ^^x + dxy + {dY+ dYf + (dz + dzy
= 2{dXdX' + dYdY' + dZdZ')
2 1^^ . ^ 4- ^ ^ 4- ^-^ ^^ dn dri
\^7\ cr\ ^^ drj dri ^^ dri cn j ' '
Es ist nemlich nach den Gleichungen (3) und (4), wenn man darin 7}
und rj' als unabhängige Variable ansieht:
dX ds 2 '^^'
'dri dri ' cri ^
, dX' CS '2 ^^
' dri' dri' ' dri'
und deshalb
dX' +dY' +dZ'^ =0,
dX^-\-dY'"-\-dZ/^=0.
Das Verhältniss von irgend zwei der obigen quadrirten Linearelemente
ist unabhängig von dr} und dri , d. h. von der Richtung des Elementes,
und darin beruht die in den kleinsten Theilen ähnliche Abbildung.
Da die Linearvergrösserung bei der Abbildung in irgend einem Punkte
nach allen Richtungen dieselbe ist, so erhält man die Flächenver-
grösserung gleich dem Quadrat der Linearvergrösserung. Das Quadrat
des Linearelementes in der Minimalfläche ist aber gleich der doppelten
bei gegebener Begrenzung. 291
Summe der Quadrate der entsprechenden Lineareleraente in den Ebenen
der X, der Y und der Z. Daher ist auch das Flächenelement in der
Minimalfläche gleich der doppelten Summe der entsprechenden Flächen -
elemente in jenen Ebenen. Dasselbe gilt von der ganzen Fläche und
ihren Abbildungen in den Ebenen der X, Y, Z.
8.
Eine wichtige Folgerung lässt sich noch aus dem Satze von der
Aehnlichkeit in den kleinsten Theilen ziehen, wenn man eine neue
complexe Variable rj^ dadurch einführt, dass man auf der Kugel den
Pol in einen beliebigen Punkt (rj == a) verlegt und den Anfangsmeridian
beliebig wählt. Hat dann r]^ für das neue Coordinatensystem dieselbe
Bedeutung wie rj für das alte, so kann man jetzt ein unendlich kleines
Dreieck auf der Kugel sowohl in der Ebene der 7] als in der der rji
abbilden. Die beiden Bilder sind dann auch Abbildungen von ein-
ander und in den kleinsten Theilen ähnlich. Für den Fall der directen
Aehnlichkeit ergiebt sich ohne Weiteres, dass -^ unabhängig ist von
der Richtung der Verschiebung von t^, d. h. dass rj^ eine Function der
complexen Variabein rj ist. Den Fall der inversen (symmetrischenj
Aehnlichkeit kann man auf den vorigen zurückführen, indem man statt
rji die conjugirte complexe Grösse nimmt. Um nun rj^ als Function
von rj auszudrücken, hat man zu beachten, dass i?i = 0 ist in dem
einen Punkte der Kugel, für welchen rj = a, und rj^^ = oc in dem dia-
metral gegenüberliegenden Punkte, d. h. für 7] = ?- Danach ergiebt
sich rji = c — j- — ^ • Zur Bestimmung der Constanten c dient die Be-
merkung, dass, wenn t^^ = ß ist für ?^ = 0, daraus r]^ = — -37 gefunden
1 c
wird für rj = oc. Es ist also ß = — ca und — ~W ^^ ~f d. h.
ß= — ". Hieraus ercriebt sich cc = 1 und daher c = e^^ für ein
reelles 9. Die Grössen a und G können beliebige Werthe erhalten:
« hängt von der Lage des neuen Pols, 9 von der Lage des neuen
Anfangsmeridians ab. Diesem neuen Coordinatensystem auf der Kugel
entsprechen die Richtungen der Axen eines neuen rechtwinkligen
Systems. Es mögen in dem neuen System 0*^, s^, s\ dasselbe be-
zeichnen wie Xj s, s' in dem alten. Dann erlangt man die Transfor-
mationsformeln
19'
292 XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
(6) (1 + aa) x^ = (1 -^ aa)x + (X- s + as,
(1 + aa) s, e-^' = — 2ax + s — ah\
{\ -\- aa) s\e^'' = — 2ax—a"-s-{- s.
9.
Aus den Transformationsformeln (6) berechnen wir
\(^V J crii rj drj
oder
(^^^^-^i)' F&7 = (^i^g^)' aS
Hiernacli empfiehlt es sich^ eine neue complexe Grösse n einzuführen,
welche durch die Gleichung definirt wird
und die von der Lage des Coordinatensystems (x^ ?/, ^) unabhängig
ist. Gelingt es dann^ ti als Function von tj zu bestimmen, so erhält
man
:i^ ist der Abstand des zu rj gehörigen Punktes der Minimalfläche von
einer Ebene, die durch den Anfangspunkt der Coordinaten rechtwinklig
zur Richtung rj == 0 gelegt ist. Man erhält den Abstand desselben
l^unktes der Minimalfläche von einer durch den Anfangspunkt der Co-
ordinaten gelegten Ebene, die rechtwinklig auf der Richtung ij = a
steht, indem man in (8) ^-j_ ^- e statt y} setzt. Speciell idso für
a = i und a = i
+ ¥J'(,z log ,/)''(''' ~?)'^'"«''' •
bei gegebener Begrenzung. 293
10.
Die Grösse u ist als Function von rj zu bestimmen, d. h. als ein-
werthige Function des Ortes in derjenigen Fläche, welche, über d'w
»^-Ebene ausgebreitet, die Minimalfläche in den kleinsten Theilen ähn-
lich abbildet. Daher kommt es vor allen Dingen auf die Unstetig-
keiten und Verzweigungen in dieser Abbildung an. Bei der Unter-
suchung derselben hat man Punkte im Innern der Fläche von Be-
grenzungspunkten zu unterscheiden.
Handelt es sich um einen Punkt im Innern der Minimalfläche, so
lege man in ihn den Anfangspunkt des Coordinatensystems (x, y, z),
die Axe der positiven x in die positive Normale, folglich die ^/^-Ebene
tangential. Dann fehlen in der Entwicklung von ./' das freie Glied
und die in y und ,r multiplicirten Glieder. Durch geeignet gewählte
Richtung der y-Axe und der ^^-Axe kann man auch das in yz multipli-
cirte Glied verschwinden lassen. Die partielle Difl'erentialgleichung der
Minimalfläche reducirt sich unter dieser Voraussetzung für unendhch
kleine Werthe von y und z auf x '2 + ö-i = 0. Das Krümmungsmass
ist also negativ^ die Haupt-Krümmungsradien sind einander entgegen-
gesetzt gleich. Die Tangentialebene theilt die Fläche in vier Quadran-
ten, wenn die Krümmungshalbmesser nicht 00 sind. Diese Quadranten
liegen abwechselnd über und unter der Tangentialebene. Beginnt die
Entwicklung von x erst mit den Gliedern nter Ordnung (k > 2), so
sind die Krümmungsradien 00, und die Tangentialebene theilt die Fläche
in 2n vSectoren, die abwechselnd über und unter jener Ebene liegen
und von den Krümmungslinien halbirt werden.
Will man nun X als Function der complexen Variabein }' an-
sehen, so ergiebt sich in dem Falle der vier Sectoren
log X = 2 log 1'^ -\- fiinct. cont.,
in dem Falle der 2n Sectoren
log X = n log F + 1- c.
Und da luich (8) und (0) Vt7 = .- - - ist, so bejnnnt die Entwick-
-^ ^ '^ (li 1 — rjT} ' "
hing von r] im ersten Falle mit der ersten, im zweiten mit der
(n — Ijten Potenz von Y. Umgekehrt wird also, wenn y als Function
von r] angesehen werden soll, die Entwicklung im ersten Falle nach
_i
ganzen Potenzen von t;, im zweiten nach ganzen Potenzen von )^'*~*
fortschreiten. D. h. die Abbildung auf der j;-Ebene hat an der be-
treft'enden Stelle keinen oder einen (n — 2) fachen Verzweigungspunkl,
je nachdem der erste oder der zweite Fall eintritt.
294 XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
Was u betrifft, so ersjiebt sich -ji — ^ = -jt— -r^lr, also mit
' ° d log 1 d log 7} d log 1 '
Hülfe der Gleichung (9)
/ du y _ _ o, II ^^ /iiV^
l^diogY^ ~ ^^ (^7? i-7?2\^rfry
ri'
oder
Demnach ist in einem (n — 2)fachen Verzweigungspunkte der Ab-
bildung auf der ?^-Ebene
11.
Die weitere Untersuchung soll zunächst auf den Fall beschränkt
werden j dass die gegebene Begrenzung aus geraden Linien besteht.
Dann lässt sich die Abbildung der Begrenzung auf der 7^-Ebene wirk-
lich herstellen. Die in irgend welchen Punkten einer geraden Be-
grenzungslinie errichteten Normalen liegen in parallelen Ebenen, und
daher ist die Abbildung auf der Kugel ein grösster Kreis.
Um einen Punkt im Innern einer geraden Begrenzungslinie zu
untersuchen, legt man wie vorher in ihn den Anfangspunkt der Co-
ordinaten, die positive ^-Axe in die positive Normale. Dann fällt die
ganze Begrenzungslinie in die ?/^- Ebene. Der reelle Theil von X ist
demnach in der ganzen Begrenzungslinie = 0. Geht man also durch
das Innere der Minimalfläche um den Anfangspunkt der Coordinaten
herum von einem vorangehenden bis zu einem nachfolgenden Begrenzungs-
punkte, so muss dabei der Arcus von X sich ändern um nit^ ein gan-
zes Vielfaches von 7t. Der Arcus von Y ändert sich gleichzeitig
um TT. Man hat also, wie vorher
log X = n log Y -|- f. c.
log 7] =(n — 1) log F -)- f. c.
Dem betrachteten Begrenzungspunkte entspricht ein (n — 2) facher Ver-
zweigungspunkt in der Abbildung auf der ?^ -Ebene. In dieser Ab-
bildung macht das auf den Punkt folgende Begrenzungsstück mit dem
ihm vorhergehenden den Winkel (n — 1) tc.
12.
Bei dem Uebergange von einer Begrenzungslinie zur folgenden hat
man zwei Fälle zu unterscheiden. Entweder treffen sie zusammen in
bei gegebener Begrenzung. 295
einem im Endlichen liegenden Schnittpunkte, oder sie erstrecken sich
ins Unendliche.
Im ersten Falle sei ktc der im Innern der Minimalfläche liegende
Winkel der beiden Begrenzungslinien. Legt man den Anfangspunkt
der Coordinaten in den zu untersuchenden Eckpunkt, die positive
a:-Axe in die positive Normale, so ist in beiden Begrenzungslinien der
reelle Theil von X = 0. Beim Uebergange von der ersten Begrenzungs-
linie zur folgenden ändert sich also der Arcus von X um mn^ ein
ganzes Vielfaches von ;r, der Arcus von Y um an. Man hat daher
,MogX = logr+f.c.
(l--^)log-'*^'=log>) +f. c.
Erstreckt sich die Fläche zwischen zwei auf einander folgenden
Begrenzungsgeraden ins Unendliche, so lege man die positive x-Axa
in ihre kürzeste Verbindungslinie, parallel der positiven Normalen im
Unendlichen. Die Länge der kürzesten Verbindungslinie sei Ä, und
ccTt der Winkel, welchen die Projection der Minimalfläche in der yz-
Ebene ausfüllt. Dann bleiben die reellen Theile von X und^Hog?^
im Unendlichen endlich und stetig und nehmen in den begrenzenden
Geraden constante Werthe an. Hieraus ergiebt sich (für y = oo, z = cx))
X=-.^log, + f.c.
Y=—~ - +f.c.
Legt man die i\-Axe eines Coordinatensystems in eine begrenzende
Gerade, die rt^-Axe eines andern Systems in die zweite begrenzende
Gerade u. s. f., so ist in der ersten Linie logi^i, in der zweiten log »;^,
u. s. f. rein imaginär, da die Normale zu der betreffenden Axe der a\j
der X. u. s. f. senkrecht steht. Es ist also iöi-— ' — in der ersten Be-
r log rjy
7) - *
grenzungslinie reell, i-^-j — '— in der zweiten u. s. f. Da aber auch für
ein beliebiges Coordinatensystem {x, y, z) immer
ist, so findet sich, dass in jeder geraden Begrenzungslinie
296 XVII. lieber die Fläche vom kleinsten Inhalt
ontweder reelle oder rein imaginäre Werthe besitzt.
13.
Die Minimalflilclie ist bestimmt, sobald man eine der Grössen ?(,
rjy Xj Y^ Z durch eine der übrigen ausgedrückt hat. Dies gelingt in
vielen Fällen. Besondere Beachtung verdienen darunter diejenigen, in
welchen -y, eine algebraische Function von i? ist. Dazu ist nöthig
d log Tj ^ ' ^
und hinreichend, dass die Abbildung auf der Kugel und ihre symmetri-
schen und congruenten Fortsetzungen eine geschlossene Fläche bilden,
Avelche die ganze Kugel einfach oder mehrfach bedeckt.
Im Allgemeinen aber wird es schwierig sein, direct eine der
Grössen ii, t], X, I", Z durch eine der übrigen auszudrücken. Statt
des^sen kann man aber auch jede von ihnen als Function einer neuen
zweckmässig gewählten unabhängigen Variablen bestimmen. Wir führen
eine solche unabhängige Variable t ein, dass die Abbildung der Fläche
auf der i^-Ebene die halbe unendliche Ebene einfach bedeckt, und zwar
diejenige Hälfte, für welche der imaginäre Theil von t positiv ist. In
der That ist es immer möglich, t als Function von ii (oder von irgend
einer der übrigen Grössen t?, X, Y, Z) in der Fläche so zu bestimmen,
dass der imaginäre Theil in der Begrenzung = 0 ist, und dass sie in
einem beliebigen Begrenzungspunkte (ii == V) unendlich von der ersten
Ordnung wird, d. h.
, COnSt. . r, . ,N
t == -^j-~^ + f. c. {u = h).
Der Arcus des Factors von ~- ^r ist durch die Bedingung be-
stimmt, dass der imaginäre Theil von t in der Begrenzung == 0, im
Innern der Fläche positiv sein soll. Es bleibt also in dem Ausdrucke
von t nur der Modul dieses Factors und eine additive Constante will-
kürlich.
Es sei t = a^, a,2,... für die Verzweigungspunkte im Innern der
Abbildung auf der 7^-Ebene, t = h^, h^j ... für die Verzweigungspunkte
in der Begrenzung, die nicht Eckpunkte sind, ^ = q, Cg, ... für die
Eckpunkte, ^ = 6i, Cg, ... für die ins Unendliche sich erstreckenden
Sectoren. Wir wollen der Einfachheit wegen voraussetzen, dass die
sämmtlichen Grössen a, &, c, e im endlichen Gebiete der ^-Ebene
liegen.
bei gegebener Begrenzung. 297
Dann hat man
für ^ = a log '^^^ = (~ — l) log (t — aj + f. c,
„ t==h log|^ = (;--l)log(^~&) + f.c,
„ t = c log^ = (y - l) loga - c) + f. c,
„ f=e '' = 1/4^ loga-e) + f.c.
Man kann die Untersuchung auf den Fall n = 3, m = 1 be-
schränken, d. h. auf einfache Verzweigungsi)unkte, und den allgemeinen
Fall aus diesem dadurch ableiten, dass man mehrere einfache Ver-
zweigungspunkte zusammenfallen lässt.
Um den Ausdruck für -jj zu bilden, hat man zu beachten, dass
längs der Begrenzung dt reell, du entweder reell oder rein imaginär
ist. Demnach ist l-jj) reell, wenn t reell ist. Diese Function kann
man über die Linie der reellen AVerthe von t hinüber stetisr fortsetzen,
indem man die Bestimmung trifft, dass für conjugirte Wertlie t und f
der Variabein auch die Function conjugirte Werthe haben soll. • Als-
dann ist l-jrj für die ganze ^- Ebene bestimmt und zeigt sich ein-
werthig.
Es seien a\, d^, ... die conjugirten Werthe zu a^^ a.^, . . ., und
das Product (t — a^) {t — o.,) . . . werde mit n(t — a) bezeichnet.
Alsdann ist
(11) « ^ const. ^jynJE^inW:^^^) ^0L .
Die Constanten n, h, c etc. müssen so bestimmt werden, dass für
t = e «=|/i|log(<-c) + f.
wird. Damit u für alle Werthe von t ausser (C, h, c, c endlich und
stetig bleibe, muss für die Anzahl dieser letztgenannten Weiihe eine
Relation bestehen. Es muss die Differenz der Anzahl der Eckpunkte
und der in der Begrenzung liegenden Verzweigungspunkte um 4 grösser
sein als die doppelte Differenz der Anzahl der innern Verzweigungs-
punkte und der ins Unendliche verlaufenden Sectoren. Setzt man zur
Abkürzung
n(t — a) n(t — d) n{t — ?>) = ^(0,
298 XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
d. h.
= const.]/^,
du
dt ""^* V xit)
SO ist die ganze Function (p(t) vom Grade v — 4^ wenn xi^) vom
Grade v ist. Hier bedeutet v die Anzahl der Eckpunkte vermehrt um
die doppelte Anzahl der ins Unendliche verlaufenden Sectoren.
14.
Es ist noch rj als Function von t auszudrücken. Direct gelangt
man dazu nur in den einfachsten Fällen. Im Allgemeinen ist der fol-
gende Wesc einzuschlagen. Es sei v eine noch näher zu bestimmende
DO O
Function von t, die als bekannt vorausgesetzt wird. In den Gleichungen
(8), (9), (10) kommt es wesentlich an auf yj , wofür man auch
schreiben kann ^ -j-, . Der letzte Factor lässt sich ansehen als
dv d log 7]
Product der beiden Factoren
die der Differentialgleichung erster Ordnung genügen
(13) ^:f-^.f=l-
sowie der Differentialgleichung zweiter Ordnung
(14)
1 d'Jc,
dv^ \ dv^
Gelingt es also, die eine oder die andere Seite dieser letzten
Gleichung als Function von t auszudrücken, so lässt sich eine homogene
lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung herstellen, von welcher
l\ und k^ particuläre Integrale sind. Es sei Ä das vollständige Inte-
gral. Wir ersetzen -^-r, durch das ihm gleichbedeutende
o dv- °
dv d^h dJc dH
dt dt^ dt dt'
/dv\^
\dtJ
und erhalten für 7j die Differentialgleichung
^^^) dt dt' dt' dt \dt) Vk, dv']'''
Von der Gleichung (15) seien zwei von einander unabhängige
particuläre Integrale Z^ und Zg gefunden, deren Quotient /C : K^ = H
bei gegebener Begrenzung. 299
ein von Bögen grösster Kreise begrenztes Abbild der positiven t Halb-
ebene auf der Kugelfläche liefert. Dasselbe leistet dann jeder Ausdruck
von der Form
(16) 7] = e
worin 9 reell und a, a conjugirte complexe Grössen sind.
Die Function v ist so zu wählen, dass für endliche Werthe von t die
1 d^k
Unstetigkeiten von -r- -r-^- nicht ausserhalb der Punkte a, a, b, c, e
liegen.
Setzt man
/|.TX dv ^^ __^L ^^ 1
so wird die Function -j -r^ im Endlichen unstetig nur für die Punkte
a, a, hj Cy und zwar für jeden unendlich in erster Ordnung. Man
erhält nemlich für t = c
2yt — c
Folglich :
(c)
rj — r]c = const. (t — c)y.
und hieraus:
^^1 ^ Vj^ ^ ^^°^** (^ — ^^0
1^=1 (yy-i)r(^)
k dv~ ^ t — c
Entsprechende Ausdrücke erhält man für t = a, a, h, in denen c resp.
durch a, a, hj und y durch 2 zu ersetzen ist.
Eine ähnliche Betrachtung lehrt, dass für t = e die Function
T Si^ stetig l'leibt.
Für ^ = oo ergiebt sich
/: c?!;2 \ 2 ^ -^y \2 V^
1 (Z^^
Demnach lautet der Ausdruck iTir -=- ^-^ wie fol<:jt:
1 d--^/j , Vf(yy- i-) f'ig)
k dv' ^ ^ {t — g) "■ ^^*
Die Summe bezieht sich auf alle Punkte rj = a, a\ hj c, und bei
a, a'j h ist 2 statt y zu setzen. F(0 ist eine ganze Function vom
Grade (2v — G), in der die ersten beiden Coefficienten sich folgender-
massen bestimmen. Man bringe dv in die Form
)00 XVI r. Uebor die Fläche vom kleinsten Inhalt
dt
-v + 4
tt ,-1+4
folglich
oder
dv = =t '^ dv.
oder kürzer = a dv^.
Dann ergiebt sich durch Differentiation
dv' l\dvj J — « - ^^2 l\dv'J J "T" \dvj dv'"'
h
(diM d' [fdA-^l -2 A7^\i d'' [fdriY^l . __A.dHcih
\dv) dV'l\dv) J=.« V^; ^ L W J + '^ ' dv^''
(driVi d^ VfdrA-^ _
\dvj dv\ WdvJ J
(dri\\ d' [{^IvY^ _.-2,. + 8 ^, iYY-J)r{fj)
\dvj dv\ WdvJ J "~ ^ ^ "4 J_ g '-
Die Function auf der linken Seite ist endlich für t = oo. Folg-
lich hat man rechts in der Entwicklung von f^^'' + ^ jr(^f;^ ujid yQj^
""' die Coefficienten von f und resp. von t einander gleich zu
2r + 8 1 d-A- ^ d''(Kh
t -r -r^> — «' — 7^
IC dv dv'
oder
dv'
. ^ d' (a')
setzen. Die Entwicklung von a '^ —rY giebt nach einfacher Rechnung
d'ic^h , ( V . c,\,^r + 5d{t-^+'f{t))
«'^-i^=n-2+2j^ dt
Hiernach bleiben in F{t) noch 2v — 7 unbestimmte Coefficienten.
Es ist aber wichtig zu bemerken, dass dieselben reell sein müssen.
Denn Avir haben in §. 12 gefunden, dass du reell oder rein imaginär
ist in allen geraden Begrenzungslinien der Minimalfläche und folglich
auch an jeder Stelle in der Begrenzung der Abbildungen. Vermöge
der Gleichung (17) gilt dasselbe von dv. Daraus lässt sich beweisen,
dass für reelle Werthe von t die Function -r- t •> nothwendigerweise
k dv' °
reelle Werthe besitzt.
Um diesen Beweis zu führen, betrachten wir die Abbildung auf
der Kugel vom Radius 1 und nehmen irgend einen Theil der Begren-
zung, also den Bogen eines gewissen grössten Kreises. Im Pole dieses
grössten Kreises legen wir die Tangential-Ebene an und bezeichnen
bei gegebener Begrenzung. 301
sie als die Ebene der 7]^. Dann lassen sich die Constanten Grössen
^u ^1? ^1 s^ bestimmen, dass
e, t H — a,
ist, und wir erhalten zwei Funcj^ionen /c\ = 1/ l^^L und /j„ = >/, l/^'^ ,
die particuläre Integrale der Differentialgleichung (I5j sind. Folglich
haben wir
k dv'^ h dv'
Der eben betrachtete Theil der Begrenzung bildet sich in dfr
1^1 -Ebene ab durch die Gleichung
und wenn man dies in 1c\ einführt, so erkennt man leicht, dass in dem
tra<f liehen Begrenzunt^stheile , -y^ reell ausfällt. Folglich gilt das-
o o o ^. ^-y-' r> r>
l d'^k
selbe von -y- y-., , und da diese Betrachtung für jedes einzelne Begren-
k dv- ' o J r»
zungsstück angestellt werden kann, so ist , , ., reell in der ganzen
Begrenzung.
Nun fallt aber bei einem reellen oder rein imaginären dv die
Function , -jAl- auch dann reell aus, wenn man allgemeiner
/,• dv^ ' ^
setzt und den Modul ^^ constant nimmt. Damit also die Axe der
reellen t sich auf der Kugel vom Radius 1 wirklich in Bögen grösster
Kreise abbilde, muss für jeden Begrenzungstheil (»j = 1 sein. Dies
liefert ebenso viele Bedingungsgleichungen, als einzelne Begrenzungs-
linien gegeben sind.
Bei dieser Untersuchung ist, wie schon im vorigen Paragraphen,
vorausgesetzt, dass die Werthe a, h, c, c sämmtlich endlich seien. Trifft
dies nicht zu, so bedarf die Betrachtung einer geringen Modification.
Anmerkung. Die Aufgabe ist hiermit vollständig formulirt. Im einzelnen
Falle kommt es nur darauf an, die Dittorentialgleichung (15) wirklich aufzustellen
und zu integriren. Uebrigens ist es nicht unwichtig, zu bemerken, dass die An-
zahl der in der Lösung auftretenden willkürlichen reellen Constanten ebenso gross
ist wie die Anzahl der Bedingungsgleichungen, welche vermöge der Natur der
Aufgabe und vermöge der Daten des Problems erfüllt sein müssen. Wir bezeich-
nen die Anzahl der Punkte (t, h, c, e resp. mit J, i>, 6\ E und beachten, dass
2^1 + 7i-|-4 = (7-|-2i/' = v ist. In der Ditterentialgleichung (15) treten
2A -\- B -\- A:C -\- b K — 10 willkürliche reelle Constanten auf, nemlich: die Win-
302 XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
kel y, deren Anzahl C ist; die 2^ — 7 Constanten der Function F{t)] die reellen
Grössen &, c, e, von denen man dreien beliebige Werthe geben kann, indem man
für t eine lineare Substitution mit reellen Coefficienten macht. Zu diesen willkür-
lichen Constanten kommen bei der Integration noch 10 hinzu, nemlich G reelle
Constanten in ?;, ein Factor von du und je eine additive Constante in den Aus-
drücken für x^ y, z. Die Lösung enthält also 2 yl -}- Ji -f- 4 C -|- 5 jfc' reelle Con-
btanten von unbestimmtem Werthe.
Die Daten des Problems bestehen in den Coordinaten der Eckpunkte und
den Winkeln, welche die Richtungen der ins Unendliche verlaufenden Begren-
zungslinien festlegen. Diese Daten sprechen sich in 3C-|- ^E Gleichungen aus.
Dazu kommen C ~\- iJ Bedingungsgleichungen, die erfüllt sein müssen, damit die
Axe der reellen t sich auf der Kugel vom Radius l in C -|- JiJ Bögen grösster
Kreise abbilde. Wenn also die Zahl der Bedingungj^gleichungen ebenso gross sein
soll wie die Zahl der unbestimmten Constanten, so fehlen noch ebenso viele Glei-
chungen, wie Punkte a, «', b vorhanden sind. Nun ist aber die Differential-
gleichung (15) so beschaffen, dass in der Umgebung jedes dieser Punkte das In-
tegral einen Logarithmus enthalten kann. Ein solcher ist nach der Natur der
Aufgabe nicht zulässig, und damit er nicht auftrete, ist für jeden der genannten
Punkte Eine Bedingungsgleichung zu erfüllen.
In der That ist hiernach die Anzahl der Bedingungsgleichungen ebenso gross
wie die Anzahl der unbestimmten Constanten in der Lösung.
Beispiele.
15.
Die Begrenzung bestehe aus zwei unendlichen geraden Linien,
die nicht in einer Ebene liegen. Ihre kürzeste Verbindungslinie habe
die Länge Ä, und es sei ajt der Winkel, welchen dije Projection der
Fläche auf der rechtwinklig gegen jene Verbindungslinie gelegten
Ebene ausfüllt.
Nimmt man die kürzeste Verbindungslinie zur :r-Axe, so hat in
jeder der beiden Begrenzungsgeraden x einen constanten Werth.
Ebenso ist cp in jeder der beiden Begrenzungsgeraden constant. Li
unendlicher Entfernung ist die positive Normale für den einen Sector
parallel der positiven, für den andern Sector parallel der negativen
x-Axe. Die Begrenzung bildet sich auf der Kugel in zwei grössten
Kreisen ab, die durch die Pole i] = 0 und 7^ = oo gehen und den
Winkel ajc einschliessen.
Hiernach hat man
X = log 7]
lÄ ( \\
^ - - 27^ (^ - ? j
lA (\ \
bei gegebener Begrenzung. 303
folglich ^ = -.iJLxog(X).
2 an \n J
(a)
-^i^'°g(-.f)'
worin man die Gleichung der Schrauben fläche erkennt.
Der Inhalt der Fläche ist unendlich gross. Soll also von einem
Minimum die Rede sein, so ist dies so zu verstehen. Der Inhalt jeder
andern Fläche von derselben Begrenzung ist ebenfalls unendlich gross.
Aber wenn man den Inhalt der Schraubenfläche abzieht, so kann die
Differenz endlich sein, und die Schraubenfläche hat die Eigenschaft,
dass diese endliche Differenz positiv ausfällt.
In demselben Sinn hat man die Minimal-Eigenschaft immer auf-
zufassen, wenn die Fläche unendliche Sectoren besitzt.
16.
Die Begrenzung bestehe aus drei geraden Linien, von denen zwei
sich schneiden und die dritte zur Ebene der beiden ersten parallel läuft.
Legt man den Anfangspunkt der Coordinaten in den Schnittpunkt
der beiden ersten Geraden, die positive x-Axe in die negative Normale,
so bildet jener Schnittpunkt auf der Kugel sich ab im Punkte rj = oo.
Die Abbildung der beiden ersten Geraden sind grösste Halbkreise, die
von 7^ = 0» bis rj = 0 laufen. Ihr Winkel sei «;r. Die Abbildung
der dritten Linie ist der Bogen eines grössten Kreises, der von r] = 0
ausgeht, an einer gewissen Stelle umkehrt und in sich selbst bis zum
Punkte rj = 0 zurückläuft. Dieser Bogen bilde mit den beiden ersten
grössten Halbkreisen die Winkel — ßit und yit^ so dass ß und y ab-
solute Zahlen sind und ß -{- y = a sich ergiebt. Um die Abbildung
auf der halben ^- Ebene zu erhalten, setzen wir fest, dass f= <x> sein
soll für ?2 = oo, dass dem unendlichen Sector zwischen der ersten und
dritten Linie t = h, dem unendlichen Sector zwischen der zweiten und
dritten Linie t = c, dem Umkehrpunkte der Normalen auf der dritten
Linie t = a entsprechen soll. Dabei sind a, h, c reell und c^ a ^ b.
Diesen Bestimmungen entspricht rj = (t — ^Y {t — cy. Der Werth a
hängt von h und c ab. Man hat nemlich
dlog n _ ß(<-c)-hy(<-&)
dt {t — b){t — c)
c6 -4- by
und dieses muss für den Umkehrpunkt = 0 sein, also a = ßT / '
Man hat weiter nach Art. 12. und 13.
,7,, _ -1 Ai (7-~6) iß -f y) {t - a)^ dt
((ff — y 27r " («_6)(«-c)»
304 XVIT. Lieber die Fläche vom Ideinsten Inhalt,
oder wenn man c — ?) = j annimmt
du 1
Folglich
\^^nogr;j ^ ^^
r^ =
(i -?>)(<- c)
W ?^ = - Y j
. r _dt L • r ^1^
dt
(i'-&)(t'-c)
17.
Die Begrenzung bestehe aus drei einander kreuzenden geraden
Linien, deren kürzeste Abstände A, B, (J sein mögen. Zwischen je zwei
begrenzenden Linien erstreckt sich die Fläche ins Unendliche, Es
seien aTt, ßjt, yjt die Winkel der Richtungen, in welchen die Grenz-
linien des ersten, des zweiten, des dritten Sectors in's Unendliche ver-
laufen. Setzt man fest, dass für die drei Sectoren der Minimalfläche
im Unendlichen die Grösse t resp. =0, oo, 1 sein soll, so erhält man
du y'cp (t)
dt t{l — t)
(p(t) ist eine ganze Function zweiten Grades. Ihre Goefficienten
bestimmen sich daraus, dass
d log
d',
dlog
du
7/100^(1-^/)
ffir t = 1 -^-'•"-- - ,= l/^-
r 2 TT
sein muss.
Danach ergiebt sich
bei gegebener Begrenzung. 305
Je nachdem die Wurzeln der Gleichung (p (t) = 0 imaginär oder
reell sind, hat die Abbildung auf der Kugel einen Verzweigungspunkt
im Innern eder zwei Umkehrpunkte der Normalen auf der Begrenzung.
Die Functionen l\ = y t' ^"^ ^'^- = ^ T/t"" werden nur für
die drei Sectoren unstetig, wenn man - .-, = (p (t) nimmt. Und zwar
ist die Unstetigkeit von /^ der Art, dass
-- + -
für ^ == 0 t '' ' \
^ — — L
für f = oü r ^ - \
für ^ = 1 (1 — 0 ' ' K
einändrig und verschieden von 0 und oo wird. Zq und l\^ sind particu-
läre Integrale einer homogenen linearen Differentialgleichung zweiter
Ordnung, die sich ergiebt, wenn man , y-r^ aus seinen Unstetigkeiten
als Function von t darstellt und t statt v als unabhängige Variable in
-j-r^ einführt. Hat man das particuläre Integral A'^ gefunden, so ergiebt
sich h^ aus der Differentialgleichung erster Ordnung
Das vollständige Integral der homogenen linearen Differential-
gleichung zweiter Ordnung werde mit
id) h = Q
bezeichnet. Diese Function genügt wesenthch denselben Bedingungen,
die in der Abhandlung über die Gauss'sche Reihe F{a^ /3, y, x) als
Definition der F-Functiou ausgesprochen sind*). Sie weicht von der
P-Function darin ab, dass die Summe der Exponenten — 1 ist, nicht
+ 1 wie bei P.
Man kann die Function Q mit Hülfe einer Function P und ihrer
ersten Derivirten ausdrücken. Zunächst ist nemlich
1 a
2 2
a |3
2 2
1 y
2 2
1 «
2 "^ 2
_3 . ^
2 ' 2
1 . y
2 "^ 2
*) Beiträge zur Theorie der durch die fiauss'sche Reihe F {a^ ß, y, .«) dar-
stellbaren Functionen. (S. 02 dieser Sammlung.)
UiEMAN^r's gesammelte inaUjornatische Wirke. I. 20
306
XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
cc — ß — y — 1
Setzt man nun
2 2
Q
0
a-\-ß-y- 1
6 = P
0
a-ß-Y+1
2
cc + ß-Y-\-l
SO lassen sich die Constanten a, &, c so bestimmen^ dass
1_ >L
2
(«) fc = r' ^ (1 - 0^ '' ((« + &0 " + c^ (1 - 0 %)
wird. In der That hat man nur diesen Ausdruck in die Differential-
gleichung (c) einzusetzen und die Differentialgleichung zweiter Ordnung
für a zu beachten, um zu der Gleichung zu gelangen
F{t) = a{a + CO) {1 — t) + (a + h) (a + b — cy) t
V^ermöge der Eigenschaften der Function 6 kann man setzen
''-"a-0'-(-/^-«^.^) = i,
und folglich muss F{t) = (p{t) sein. Hieraus ergeben sich drei Be-
dingungsgleichungen für a, h, e, die eine sehr einfache Form an-
nehmen, wenn man
a+-c=p, b ^ ^ c = q, a + h — f
setzt. Die Bedingungsgleichungen lauten dann
2)p — aa(p + q + rf = ^ ,
qq-ßß(P + Q + rf = ^.
rr — yy(p + q-\- ^f = -^ •
Mit Hülfe der Function
c = ~ r
A==P
a ß 1 y
Y """ 2" Y ~7 T
^ 1 JL _j_ -^
2 2 2' 2
deren Zweige A^ und L ^^^^' Differentialgleichung genügen
bei gegebener Begrenzung. 307
^^ dlogt '^2 ^log« ■" ^'
kann man 1c noch einfacher ausdrücken, neralich
Es würde nicht schwer sein, die einzelnen Zweige der Function k
m der Form von bestimmten Integralen herzustellen. Der Weg dazu
ist in art. VII. der Abhandlung über die Function P vorgezeichnet.
In dem besondern Falle, dass die drei begrenzenden geraden Linien
den Coordinatenaxen parallel laufen, ist a = ß = y = Y' l^ann er-
hält man
Der Zweig A^ dieser Function ist
= (-^y yt^ + ii- 1)* const,
und daraus ergiebt sich
7.-, = 1/2 t^ (t - l/]/<* + it- if [ p + qf - l-~ VW-'^)} -
Mit Hülfe dieser beiden Functionen lassen sich dX, dY, dZ folgender-
massen ausdrücken
dX = — i/tj \ p (1 _ ^p '
iX = ip + q- rf ]/^4^ + (- ]> + q + rf ]/'-^
+ i (J' + 3? + r) {p - q + r) log' J^A^ ,
{;,) iY=-(p-q + rf ti -{-p + q + rf f-i
1 I
iZ = (j, _ q + rf (1 - 0^ + (P + q - >f (1 —0" ^
+ i i^p + q + >') 1- p + q + 0 log 1 + v"! - ^
1 — V 1 — «
20*
308 XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
Wenn p, q, r reell sind, so geben die doppelten Coefficienten von
i in den drei Grössen rechts die rechtwinkligen Coordinaten eines
Punktes der Fläche.
18.
Die Begrenzung bestehe aus vier sich schneidenden geraden Linien^
die man erhält^ wenn von den Kanten eines beliebigen Tetraeders
zwei nicht zusammenstossende weggelassen werden. Die Abbildung
auf der Kugeloberfläche ist ein sphärisches Viereck, dessen Winkel
(CTT, ßjt, yit, Ö7t sein mögen. Es ergiebt sich
. Cdt Cdt
~ V(t — a) (* -^'b) (t —"c) {t — d) ~ V^j'
wenn die reellen Werthe t == a, 6, Cj d die Punkte der ^- Ebene be-
zeichnen, in welchen sich die Eckpunkte des Vierecks abbilden.
Soll die in §. 14 entwickelte Methode zur Bestimmung von t]
angewandt werden, so hat man hier speciell (p(t) = 1^ %{t) = A(^),
folglich V = j, und
-\ /dv 7 -\ /dv
Die Functionen ]i\ und ^2 genügen der Differentialgleichung
-j iL Ka -j Cl fC^ ^
^ dv " dv
und sind particuläre Integrale der Differentialgleichung zweiter Ordnung
±d^^ {ac-i)A'{a) (_^J^-_i)^' (&)
/• dv" t — a ' t — b
, iVY - i) A'(c) , {SS - i) A'(^) , .
H tzr~c- H '--jz^-TT + ^•
Die Function F(t) des §. 14 ist hier vom zweiten Grade, aber die
Coefficienten von t"^ und von t sind gleich Null, also h eine Constante.
In der letzten Gleichung hat man auf der linken Seite t als unab-
hängige Variable einzuführen und erhält
_ (auj- -1) A>) , {ßß -1) A;^:^) , (yy - i) A-Cc) {öd-i)A'{d) ,
t-a "f" t-b "• f—c "^ t — d '
als die Differentialgleichung zweiter Ordnung, welcher h Genüge leisten
muss.
Sind x^ Uj z als Functionen von t wirklich ausgedrückt, so treten
in der Lösung noch 16 unbestimmte reelle Constanten auf, nemlich
die vier Grössen a, h, c, d, von denen wie oben, drei beliebig ange-
nommen werden können, die vier Grössen «, /i, 'y, ö, die Grösse //,
i
bei gegebener Begrenzung. 309
ferner 6 reelle Constanten in dem Ausdrucke für rj, ein constanter
Factor in du und je eine additive Constante in x, y, z. Zur Bestim-
mung dieser 16 Grössen sind 16 Bedingungsgleichungen vorhanden,
nemlich 4 Gleichungen, welche ausdrücken, dass die vier Begrenzungs-
linien in der Ebene der y\ sich auf der Kugel in grössten Kreisen ab-
bilden, und 12 Gleichungen, welche aussagen, dass x, ?/, z in den 4
Eckpunkten gegebene Werthe haben.
In dem speciellen Falle eines regulären Tetraeders ist die Abbil-
dung auf der Kugel ein regelmässiges Viereck, in welchem jeder Winkel
= -|;r. Die Diagonalen halbiren sich und stehen rechtwinklig auf ein-
ander. Die den Eckpunkten diametral gegenüberliegenden Punkte der
Kugeloberfläche sind die Ecken eines congruenten Vierecks. Zwischen
beiden liegen vier dem ursprünglichen ebenfalls congruente Vierecke,
die je zwei Eckpunkte mit dem ursprünglichen, zwei mit dem gegen-
überliegenden gemein haben. Diese sechs Vierecke füllen die Kugel-
oberfläche einfach aus. Es wird also -^^ eine algebraische Function
von r\ sein. (^ ÖUa> ih^juf-.^,^ »X^-v T^ )
Man kann die gesuchte Minimalfläche m)er ihre ursprüngliche
Begrenzung dadurch stetig fortsetzen, dass man sie um jede ihrer
Grenzlinien als Drehungsaxe um 180'^ dreht. Längs einer solchen
Grenzlinie haben dann die ursprüngliche Fläche und die Fortsetzung
gemeinschaftliche Normalen. Wiederholt man die Construction an den
neuen Flächentheilen , so lässt sich die ursprüngliche Fläche beliebig
weit fortsetzen. Welche Fortsetzung man aber auch betrachte, immer
bildet sie sich auf der Kugel in einem der sechs congruenten Vierecke
ab. Und zwar haben die Abbildungen von zwei Flächentheilen eine
Seite gemein oder sie liegen einander gegenüber, je nachdem die
Flächentheile selbst in einer Grenzlinie an einander stoss^n oder au
gegenüberliegenden Grenzlinien eines mittleren Flächentheils gelegen
sind. In dem letzteren Falle köimen die betreffenden Flächentheile
durch parallele Verschiebung zur Deckung gebracht werden. Daher
niuss ( V,— ) unverändert bleiben, wenn rj mit vertauscht wiril.
\d log Tj/ ' ' Tj
Legt man den Pol (r] = 0) in den Mittelpunkt eines Vierecks,
den Anfangsmeridian durch die Mitte einer Seite, so ist für die Eck-
punkte dieses Vierecks
Tti ;{«»
. c ±-7- . c ± -T-
und
. C 1/3
V2
310 XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
Punkte, denen entgegengesetzte Werthe von r] angehören, haben die-
selbe rc-Coordinate. Es muss also (ji - ) bei der Vertauschung von
Y] mit — y] unverändert bleiben. Hiernach erhält man
/_du \2 _
\d\ogrj) ~
Die Constante C^ muss reell sein, damit du'^ in der Begrenzung
reelle Werthe besitze.
Zu demselben Resultate gelangt man auf dem folgenden Wege.
Die Substitution
Xri' + ri-' + ^ySi J V^ + V
liefert auf der ^- Ebene eine Abbildung, die von einer geschlossenen
überall stetig gekrümmten Linie begrenzt wird. Die Rechnung zeigt,
dass d log t in der Begrenzung rein imaginär ist. Folglich ist die
Abbildung der Begrenzung in der ^- Ebene ein Kreis um den Mittel-
punkt t = 0. D.er Radius dieses Kreises ist = 1. Den Eckpunkten
Tli
entspricht t = -j^ 1; tlen Eckpunkten
— n
entspricht ^ = -j- /. Geht man an irgend einer dieser vier Stellen
durch das Innere der Minimalfläche von einer Grenzlinie zur folgenden,
so ändert sich dabei der Arcus von dt um jr. Daher kann man, wie
in §. 13., auch hier setzen
* du C2
dt ~ y(i^ — 1) (f' 4- 1) ^
und es muss Cl rein imaginär sein, damit dti^ in der Begrenzung reell
ausfalle. Es findet sich C, == 3"|/3C^i
Dieser Ausdruck stimmt mit dem vorher aufgestellten für { t!,— — ) .
° \d log 7}/
Zur weitern Vereinfachung nehme man
(^-+4)' = "^ v' + r'
2/1
V" -t- A y ' ...
und beachte, dass
/ du \2 j. /duy dX -.,
Dann ergiebt eine sehr einfache Rechnung
bei gegebener Begrenzung. 311
w 2jV"»gvv ''/' ^' *^J v'<»(t-<»)(i -?*»)'
wenn p = — — (1 — i l/3) eine dritte Wurzel der Einheit Ijezeichnet.
Die reelle Constaiite C = — 6\ bestimmt sich aus der gegebenen Länge
o
der Tetraederkanten.
19.
Endlich soll noch die Aufgabe der Minimalfläche für den Fall
l)ehandelt werden, dass die Begrenzung aus zwei beliebigen Kreisen
besteht, die in parallelen Ebenen liegen. Dann kennt man die Uichtung
der Normalen in der Begrenzung nicht. Daher lässt sich diese auch
nicht auf der Kugel abbilden. Man gelangt aber zur Lösung der
Aufgabe durch die Annahme, dass alle zu den Ebenen der Grenzkreise
parallel gelegten ebenen Schnitte Kreise seien. Und es wird sich zeigen,
dass unter dieser Annahme der Minimalbedingung Genüge geleistet
werden kann.
Legt man die ::t;-Axe rechtwinklig gegen die Ebenen der Grenz-
kreise, so ist die Gleichung der Schnittcurve in einer parallelen Ebene
und «, ß, y sind als Functionen von x zu bestimmen. Zur Abkürzung
werde
gesetzt, so dass
dF . dF . . dF
cos r = n -K— , sm r cos w = n -0— , sm r sm op == n ^—
ex ^ ^ cy ^ ^ cz
ist. Dann lässt sich die Bedingung des Minimum in die Form bringen
dx ~^ dy ~^ dz
oder nach Ausführung der Differentiation
H-4.2(2.'+«-- + ^''-y) = 0.
Schreibt man d' -\- ß'' — y = ~ q und beachtet, dass F = 0 ist,
so geht die letzte Gleichung über in
312 XVII. Ueber die Fläche vom kleinsten Inhalt
(0 ^ä^-ä^^ + 2^ = ö
und giebi nach einmaliger Integration
i f + 2 f"-^ + const. = 0.
q dx ^ J q ^
Die Integrationsconstante ist von x unabhängig. Nimmt man anderer-
seits I — unabhängig von y und z, so muss die Integrationsconstante
eine lineare Function von y und s- sein, weil — ,<-- eine solche ist.
^ ^ q ex
Man hat also
I- + 2 /'— + 2ay + 2hz + const.
€X ' J q ^ ^ ' '
Vergleicht man damit das Resultat der directen Differentiation von F,
nemlich
so ergiebt sich
cx ^ dx ^ dx ' dx
da dß ,
dx ^^ dx ^
und wenn man j qclx = m setzt:
• « = — am -{- d, ß = • — hm -\- e.
Eüernacli hat man
^ = _ 2av '^'^ — 26^ "^ -4- ^
dx^ "^ '^ dx '^ dx* dx'^'
und diese Ausdrücke sind in die Gleichung (l) einzuführen. Nach ge-
höriger Hebung erhält man
^ dx' dxdx^^^ ^'
eine Gleichung, die sich weiter vereinfacht, wenn man beachtet, dass
y-<l + ci^' + ß' = ^1 +f{ni) - ^ + /'W,
f{m) = (a^ + ¥) m- — 2 (ad -{- he) m + d' + ei
Nimmt man hieraus -^ und ^-^, so geht die Differentialgleichung,
Cl X Cl X
welche die Bedingung des Minimum ausdrückt, über in folgende:
Zur Ausführung der Integration setze man ^ = p und betrachte
cl X
bei gegebener Begrenzung. 313
q als unabhängige Variable. Dadurch erhält man für p^ als Function
von q eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung, nemlich
2 ^ dq
oder
q'dip'')—p'diq')
k ^ ^? - f + ^^I + '^ («' + ^'0 </ == 0
21/2
+
2032 —
qdq
(a^
^^h')q''
2y'q
*
' +
2cq^ —
rf2
(«'
'-\-h^')q:^
21/7
-*
-M
qdq
(a'^
+ b')q''
Das Integral lautet
(«) !? = 7 - •* ("' + ^'^ 2 + »'•■•
Darin ist für ^> wieder y7 zu setzen, wodurch man erhält
dx = '"'
dm =
Also ergiebt sich
(0) m = I , - — — ,
y == am — d -\- y — q cos i^,
s = hm — e + y — g sin 1^.
Man hat demnach Xj y, z als Functionen von zwei reellen Variabein
q und i\} ausgedrückt. Die Ausdrücke sind, abgesehen von algebrai-
schen Gliedern, elliptische Integrale mit der obern Grenze q. Nach
der oben entwickelten allgemeinen Methode hätte man x^ y, z erhalten
als Summen von zwei conjugirten Functionen zweier conjugirten coni-
plexen Variabein. Danach liegt die Vermuthung nahe, dass diese
complexen Ausdrücke mit Hülfe der Additionstheoreme der elliptischen
Functionen sich je in einen einzigen Integralausdruck mit der Varia-
bein q zusammenziehen lassen.
Und dies ist leicht zu bestätigen. Man hat nemlich aus den For-
meln für die Richtungscoordinaten r und 9) der Normalen
aF ££' .
n ^^ 2r/,,- ^^ dy "i dz ^ ^^ y -\- zi -\- a -\- ßi ^^ 2./W
V ?I! _ I^ • y — zi -{- a- ßi~ ^
dy dz
Verbindet man damit die Definitionsgleichung von q, nemlich:
(i/ + £ /• 4- « -f ßi) (^y - zi + a- ßi) = — q,
so ergiebt sich
314
XVII. Ucber die Fläche vom kleinaten Inhalt
-1 -1. .—
{ij + Zi) + (« + ß-i) = (- qf n' V
i) + (« - ßi) = (- 5)' ri ^ V-
cotg r
oder
1
Ferner hat man
dF
dx
1/© + ©^ ''-'
p-2aq(:y + cc)-2hq{z + ß)
. r r
Sin- COS -
Auf der rechten Seite sind für y -\- a und s -\- ß die eben gefundenen
Ausdrücke in rj und t] einzuführen. Dadurch geht die Gleichung über
in folgende:
| = (.-,/[(« + ,,)(fy+(«-^oÖ-)-]
+(-.r-(i/^'-^)-
Quadrirt man beide Seiten dieser Gleichung und setzt für —, seinen
Werth aus (m), so ergiebt sich nach gehöriger Reduction
(P)
= Sc-2(a + bi) (V -^) -2(a- hi)(r, -i,)
Die so gefundene Gleichung^ welche den Zusammenhang von q, rj^ r{
angiebt, kann man als Integral einer Differentialgleichung für t] und ri
ansehen und q als Integrationsconstante auffassen. Die Differential-
gleichung ergiebt sich durch unmittelbare Differentiation in folgender
Form
- V-i ((« + 4.) (0' - (. - »0 (4)')
+
+ T/-2((« + 6O(^)*-(«-?'0(fy)'
Mit Hülfe der primitiven Gleichung (j?) lassen sich aber die Factoren
von — und — ?- anders ausdrücken. Man braucht nur die linke Seite
ri 71
bei gegebener Begrenzung. 315
von (j)) in zweifacher Weise zu einem yollstiindigen Quadrat zu er-
gänzen, indem man das fehlende doppelte Product das eine mal positiv,
das andere mal negativ hinzufügt. Dadurch erhält man
= ± 2 ]/[2c + (a + &i)i - (a - bt)rij,
= + 2 "[/[2c + (a _ Ji) i, _ (a + 6»),']- '
Nimmt man die Quadratwurzeln mit gleichen Vorzeichen, so geht die
Differentialgleichung über in
0
[1/2 c-^-ia-^bt)- —{a — h i) tj
2r}
2>?'l/2c + (a — hl) — , — (a -f- H) n'
Ihr Integral in algebraischer Form ist in der Gleichung (|>) ausgesprochen
oder, was auf dasselbe hinauskommt, in den beiden Gleichungen
V-^l ((« + ^ 0 n —{a — U) ri) = yrj'[{a + hi) + 2cri—(a—hi)rj'']
In transscendenter Form lautet das Integral
const. = / . ^ ^ — zz =-
^^^ J 2y7i[{a-{'bi)-\-2cri-ia-hi)7)'^
+
J
dr)'
2 Vv^[{a — bi) + 2 cV - (a + bt) r?"] '
und die Integrationsconstante lässt sich ausdrücken
const. = ' ^^
/■
2Vq[l~+2cq-{a'^b^q']'
was aus der Gleichung (r) leicht hervorgeht, wenn man rj oder rj' con-
stant und zwar = 0 nimmt. Man erkennt darin das Additionstheorem
der elhptischen Integrale erster Gattung.
XVIII.
Mechanik des Ohres.
(Aus Henle und Pfeuffer's Zeitschrift für rationelle Medicin, dritte Reihe, J5d. 20.)*)
1. Ueber die in der Physiologie der feineren Sinnesorgane anzuwen-
^ dende Methode.
Für die Physiologie eines Sinnesorganes sind ausser den allge-
meinen Naturgesetzen zwei besondere Grundlagen nöthig, eine psycho-
physische, die erfahrungsgemässe Feststellung der Leistungen des
Organes, und eine anatomische, die Erforschung seines Baues.
Es sind demnach zwei Wege möglich, um zur Kenntniss seiner
Functionen zu gelangen. Man kann entweder vom Baue des Organes
ausgehen und hieraus die Gesetze der Wechselwirkung seiner Theile
und den Erfolg äusserer Einwirkungen zu bestimmen suchen,
oder man kann von den Leistungen des Organes ausgehen und
diese zu erklären versuchen.
Bei dem ersten Wege schliesst man von gegebenen Ursachen auf
die Wirkungen, bei dem zweiten sucht man zu gegebenen Wirkungen
die Ursachen.
Man kann mit Newton und Her hart den ersten Weg den syn-
thetischen, den zweiten den analytischen nennen.
Synthetischer Weg.
Der erste Wejy lie«:t dem Anatomen am nächsten. Mit der Unter-
Ä c5 O
suchung der einzelnen Bestandtheile des Organs beschäftigt, fühlt er
*) Der grosse Mathematiker, den ein früher Tod unserer Hochschule und der
Wissenschaft entriss, beschäftigte sich, angeregt durch die von Helmholtz be-
gründete neue Lehre von den Tonempfindungen, in seinen letzten Lebensmonaten
mit der Theorie des Gehörorgans. Was sich darüber aufgezeichnet in seinen Pa-
pieren vorfand und hier mitgetheilt wird, berührt allerdings nur einen kleinen und
minder wesentlichen Theil der Aufgabe; doch rechtfertigt sich ohne Zweifel die
Verööentlichung dieses Fragments durch die Bedeutung des Verfassers und durch
den Werth seiner Aussprüche, wie seines Beispiels für die methodische Behand-
lung des Gegenstandes. Den ersten Abschnitt und den grössten Theil des zweiten
hat der Verf. in Reinschrift hinterlassen; der Schluss des ZAveiten, vom letzten Ab-
sätze auf S. 326 an, wurde aus zerstreuten Blättern und Sätzen, in welchen R.
seine ersten Entwürfe niederzulegen pflegte, zusammengestellt. Die Bemerkung,
in welcher er sich gegen die Helmholtz 'sehe Theorie von den Bewegungen des
Ohres erklärt, würde erst durch seine eigene Ausführung verständlich geworden
sein; Riemann's gesprächsweise Aeusserungen lassen vermuthen, dass die Ver-
schiedenheit der beiderseitigen Ansichten erst bei dem Problem der Uebertragung
der Schallschwingungen auf die Organe der Schnecke hervorgetreten sein würde,
und dass R. das dabei zu lösende mathematische Problem als ein hydraulisches
aufgefasst habe. Schering. Henle.
XVIII. Mechanik des Ohres. 317
sich veranlasst, bei jedem einzelnen Theile zu fragen, welchen Einfiuss
er auf die Thätigkeit, des Organs haben möge. Dieser Weg würde
auch in der Physiologie der Sinnesorgane mit demselben Erfolg ein-
geschlagen werden können, wie in der Physiologie der Bewegungs-
organe, wenn die physikalischen Eigenschaften der einzelnen Theile
sich bestimmen Hessen. Die Bestimmung dieser Eigenschaften aus den
J3eobachtungen bleibt aber bei mikroskopischen Objecten immer mehr
oder weniger ungewiss und jedenfalls im höchsten Grade ungenau.
Man ist daher zu einer Ergänzung nach Gründen der Analogie
oder Teleologie genöthigt, wobei die grösste Willkür unvermeidlich ist,
und aus diesem Grunde führt das synthetische Verfahren in der Phy-
siologie der Sinnesorgane selten zu richtigen und jedenfalls nicht zu
sichern Ergebnissen.
Analytischer Weg.
Bei dem zweiten Wege sucht man zu den Leistungen des (3rganes
die Erklärung.
Das Geschäft zerfällt in drei Theile.
1. Das Aufsuchen einer Hypothese, welche zur Erklärung der
Leistungen genügt.
2. Die Untersuchung, in wie weit sie zur Erklärung noth-
w endig ist.
3. Die Vergleichung mit der Erfahrung, um sie zu bestätigen
oder zu berichtigen.
I. Man muss das Instrument gleichsam nacherfinden und in so
fem die Leistungen des Organs als Zweck, seine Schöpfung als Mittel
zu diesem Zweck betrachten. Aber der Zweck ist kein vermutheter,
sondern ein durch die Erfahrung gegebener, und wenn man von der
Herstellung des Organs absieht, kann der Begriff der Endursachen ganz
ausser dem Spiele bleiben.
Zu den thatsächlichen Leistungen des Organs sucht man in dem
Baue des Organs die Erklärung. Bei dem Aufsuchen dieser Erklärung
hat man zuvörderst die Aufgabe des Organs zu analysiren; hieraus wer-
den sich eine Reihe von secundären Aufgaben ergeben, und erst nach-
dem man sich überzeugt hat, dass sie gelöst sein müssen, sucht man
die Art und Weise, wie sie gelöst sind, aus dem Baue des Organs
zu schliessen.
H. Nachdem aber eine Vorstellung gewonnen worden ist, welche
zur Erklärung des Organs ausreicht, darf man nicht unterlassen zu
untersuchen, in wie weit sie zur Erklärung not h wendig ist. Man
muss sorgfältig unterscheiden, welche Voraussetzungen unbedingt oder
vielmehr in Folge unbezweifelter Naturgesetze nothwendig sind, und
318 XVIII. Mechanik des Ohres.
welche Vorstellungsarten vielleicht durch andere ersetzt werden können^
das ganz willkürlich Hinzugedachte aber ausscheiden. Nur auf diese
Weise können die nachtheiligen Folgen der Benutzung von Analogien
bei dem Aufsuchen der Erklärung beseitigt werden, und auf diese
Weise wird auch die Prüfung der Erklärung an der Erfahrung (durch
Aufstellung von zu beantwortenden Fragen) wesentlich erleichtert.
III. Zur Prüfung der Erklärung an der Erfahrung können theils
die Folgerungen dienen, die sich aus ihr für die Leistungen des Organs
ergeben, theils die bei dieser Erklärung vorauszusetzenden physikali-
schen Eigenschaften der Bestandtheile des Organs. Was die Leistungen
des Organs betrifft, so ist eine genaue Vergleichung mit der Erfahrung
äusserst schwierig, und man muss die Prüfung der Theorie meist auf
die Frage beschränken, ob kein Ergebniss eines Versuchs oder einer
Beobachtung ihr widerspricht. Was dagegen die Folgerungen über die
physikalischen Eigenschaften der Bestandtheile betrifft, so können diese
von allgemeiner Tragweite sein und zu Fortschritten in der Erkenntniss
der Naturgesetze Anlass geben, wie dies z. B. bei dem Aufsuchen der
Erklärung der Achromasie des Auges durch Euler der Fall war.
Für die beiden eben einander gegenübergestellten Forschungsweisen
gelten übrigens die Bezeichnungen synthetisch und analytisch nur a
potiori. Genau genommen ist weder eine rein synthetische, noch eine
rein analytische Forschung möglich. Denn jede Synthese stützt sich
auf das Ergebniss einer vorausgehenden Analyse und jede Analyse
bedarf zu ihrer Bestätigung oder Berichtigung durch die Erfahrung
der nachfolgenden Synthese. Bei dem ersten Verfahren bilden die all-
gemeinen Bewegungsgesetze das vorausgesetzte Ergebniss einer früheren
Analyse.
Das erste vorzugsweise synthetische Verfahren ist für die Theorie
der feinern Sinnesorgane deshalb zu verwerfen, weil die Voraus-
setzungen für die Anwendbarkeit des Verfahrens zu unvollständig er-
füllt sind, die Ergänzung der Voraussetzungen durch Analogie und
Teleologie hier aber völlig willkürlich bleibt.
Bei dem zweiten vorzugsweise analytischen Verfahren kann die
Hülfe der Teleologie und Analogie zwar auch nicht ganz entbehrt,
wohl aber bei ihrer Benutzung die Willkürlichkeit vermieden werden,
indem man
1) die Anwendung der Teleologie auf die Frage beschränkt, durch
welche Mittel die thatsächlichen Leistungen des Organs ausgeführt
werden, nicht aber bei den einzelnen Bestandtheilen des Organs die
Frage nach dem Nutzen auf wirft;
XVni. Mechanik des Ohres. 319
2) die Anwendung von Analogien (das „Dichten von Hypothesen")
sich zwar nicht, wie Newton will, gänzlich versagt, aber hinterher
die Bedingungen, die zur Erklärung der Leistungen des Organs erfüllt
sein müssen, heraushebt, und die zur Erklärung nicht nöthigen Vor-
stellungen, welche durch Benutzung der Analogie herbeigeführt worden
sind, davon absondert.
Nach diesen Principien müssen nun für unsern Zweck zuvörderst
die Leistungen des Gehörorgans festgestellt werden. Mit welcher
Schärfe, Feinheit und Treue das Ohr die Wahrnehmung des Schalles,
seines Klanges und Tones, seiner Stärke und Richtung vermittelt,
dieses muss durch Beobachtung und Versuch so genau, wie irgend
möglich, bestimmt werden.
Ich setze diese Thatsachen als bekannt voraus. In dem Buche
„die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage
für die Theorie der Musik ^' von Helmholtz, findet man die Fort-
schritte zusammengestellt, welche in der so äusserst schwierigen Er-
mittelung der Thatsachen, die die Wahrnehmung der Tcme betreifen,
in neuester Zeit gemacht worden sind und zwar vorzüglich von Helm-
holtz selbst.
Da ich den Folgerungen, welche Helmholtz aus den Versuchen
und Beobachtungen zieht, entgegen zu treten vielfach genöthigt bin,
so glaube ich um so mehr gleich hier aussprechen zu müssen, wie
sehr ich die grossen Verdienste seiner Arbeiten über unsern Gegenstand
anerkenne. Sie sind aber meiner Ansicht nach nicht in seinen Theorien
von den Bewegungen des Ohres zu suchen, sondern in der Verbesserung
der erfahr ungsmässigen Grundlage für die Theorie dieser Bewegungen.
Ebenso muss ich auch den Bau des Ohres hier als bekannt voraus-
setzen, und bitte den geneigten Leser, nöthigenfalls ein mit Abbildungen
versehenes Handbuch der Anatomie zur Hülfe zu nehmen. Die Er-
gebnisse der neuesten Forschungen über den Bau der Schnecke und
des Ohres überhaupt findet man dargestellt in der vor Kurzem er-
schienenen dritten Lieferung des zweiten Bandes von He nie 's Hand-
buch der "Anatomie des Menschen.
Ich betrachte es hier allein als meine Aufgabe, jene psychophysi-
schen Thatsachen aus diesen anatomischen Thatsachen zu erklären.
Die Theile des Ohres, die für unsern Zweck in Betracht kommen,
sind die Paukenhöhle und das Labyrinth, welches aus dem Vorhofe,
den Bogengängen und der Schnecke besteht. Wir verfahren nun so,
dass wir zunächst aus dem Baue dieser Theile zu schliessen suchen,
was jeder derselben zu den Leistungen des Ohres beitragen möge, dann
aber bei jedem einzelnen Theile wieder von- cler durch ihn zu lösenden
320 XVIII. Mechanik des Ohres.
Aufgabe ausgehen und zunächst die Bedingungen aufsuchen, deren
Erfüllung zu einer genügenden Lösung der Aufgabe erforderlich ist.
2. Paukenhöhle.
Man hat längst erkannt, dass der Apparat in der Paukenhöhle
die Wirkung hat, den Druck der Luft auf das Labyrinthwasser ver-
stärkt zu übertragen.
Nach den oben entwickelten Principien müssen wir nun aus den
in der Erfahrung gegebenen Leistungen des Organs die Bedingungen
ableiten, welche bei dieser Uebertragung erfüllt werden müssen. Es
ergeben sich diese vorzüglich aus der Feinheit des Ohres in der Wahr-
nehmung des Klanges und aus der grossen Schärfe, welche das Ohr,
zumal das unverkümmerte Ohr des Wilden und des Wüstenbewohners,
besitzt. Versteht man unter Klang die Beschaffenheit des Schalles,
welche von Stärke und Richtung desselben unabhängig ist, so wird
diese offenbar durch den Apparat völlig treu mitgetheilt, wenn er die
Druckänderung der Luft in jedem Augenblick in constantem
Verhältniss vergrössert auf das Labyrinthwasser überträgt.
Es ist unverfänglich, dies als Zweck des Apparats anzusehen,
wenn man nur dabei nicht unterlässt, zugleich aus den Leistungen des
Ohres zu bestimmen, wie weit man durch die Erfahrung berechtigt d. h.
genöthigt ist, die wirkliche Erfüllung dieses Zwecks vorauszusetzen.
Wir wollen dies sogleich thun, vorher jedoch für die Beschaffen-
heit der Druckänderung, von welcher der Klang abhängt, einen mathe-
matischen Ausdruck suchen. Die Curve, welche die Geschwindigkeit
der Druckänderung als Function der Zeit darstellt, bestimmt die Schall-
welle vollständig bis auf ihre Richtung, also auch Stärke und Klang
des Schalles. Nimmt man nun statt dieser Geschwindigkeit den Loga-
rithmus von dieser Geschwindigkeit, oder wenn man lieber will, von
deren Quadrat, so erhält man eine Curve, deren Form von Richtung
und Stärke des Schalles unabhängig ist, die aber den Klang vollständig
bestimmt und daher „Klangcurve" heissen möge.
Löste der Apparat seine Aufgabe vollkommen, so würden die
Klangcurven des Labyrinthwassers mit den Klangcurven der Luft völlig
übereinstimmen. Durch die Feinheit des Ohres in der Wahrnehmung
des Klanges halten wir uns nun zu der Annahme berechtigt, dass die
Klangcurve durch die Uebertragung nur sehr wenig geändert werde
und also das Verhältniss zwischen den gleichzeitigen Druckänderungen
der Luft und des Labyrinthwassers während eines Schalles sehr
nahe constant bleibe.
Eine lanirsame Veräiiderlichkeit dieses Verhältnisses ist damit sehr
XVIII. Mechanik des Ohres. 321
wohl vereinbar und wahrscheinlich. Sie würde nur eine Veränderlich-
keit des Ohres in der Schätzung der Schallstärke zur Folge haben, deren
Annahme die Erfahrung durchaus nicht verbietet. Würde die Klang-
curve merklich geändert, so scheint eine solche Feinheit des Gehörs,
wie sie sich z. B. in der Wahrnehmung geringer Verschiedenlieiten der
Aussprache zeigt, mir kaum denkbar. Die unmittelbare Beurtheiluug
der Feinheit der Klangwahrnehmungen und besonders die Schätzung
der den Klangverschiedenheiten entsprechenden Verschiedenheiten der
Klangcurve bleibt freilich immer sehr subjectiv.
Die Verschiedenheit des Klanges dient uns aber auch, die Ent-
fernung der Schallquelle zu schätzen. Von dieser Klangverschiedenheit
können wir die mechanische Ursache, die Veränderung der Klangcurve bei
der Fortpflanzung des Schalles in der Luft durch Rechnung bestimmen.
Wir können indess dies hier nicht weiter verfolgen und wollen
von dem Uebertragungsapparat nur fordern, dass er keine groben Ent-
stellungen des Klanges bewirke, obgleich wir glauben, dass seine Treue
viel grösser ist, als man gewöhnlich annimmt.
I. Der Apparat in der Paukenhöhle (im un verkümmerten Zu-
stande) ist ein mechanischer Apparat von einer Empfindlichkeit, die
Alles, was wir von Empfindlichkeit mechanischer Apparate kennen,
himmelweit hinter sich lässt. '
In der That ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass durch
denselben Schallbewegungen treu mitgetheilt werden, die so klein sind,
dass sie mit dem Mikroskop nicht wahrgenommen werden könnten.
Die mechanische Kraft der schwächstöh Schälle, welche das Ohr
noch wahrnimmt, lässt sich freilich kaum direct ii?6hätzen; aber man
kann mit Hülfe des Gesetzes, nach welchem die Stärke des Schalles
bei seiner Verbreitung in der Luft abnimmt, zeigen, dass das Ohr
Schälle wahrnimmt, deren mechanische Kraft Millionen Mal kleiner ist,
als die der Schälle von gewöhnlicher Stärke.
In Ermangelung anderer von Fehlerquellen freier Beobachtungen
berufe ich mich auf die Angabe von Nicholson, nach welcher das
Rufen der Schildwachen von Portsmouth 4 bis 5 englische Meilen weit
zu Ride auf der Insel Wight bei Nacht deutlich gehört wird. Wenn
man erwägt, welche Vorrichtungen Co Iladon nöthig hatte, um die
Verbreitung des Schalles im Wasser wahrzunehmen, so wird man zu-
geben , dass von einer erheblichen Verstärkung des Schalles durch Fort-
pflanzung im Wasser nicht die Rede sein kann und dass hier in der
That die mechanische Kraft des Schalles umgekehrt proportional dem
Quadrat der Entfeniung und wahrscheinlich noch schneller abnimmt.
Da die Entfernung von 4 bis 5 Meilen etwa 2000 Mal so gross ist
IliEMANN's gesammelte mathematische Werke. I. 21
322 * XVIII. Mechanik des Ohres.
als die Entfernung von 8 bis 10 Fuss, so ist die mechanische Kraft der
das Trommelfell treffenden Schallwellen hier vier Millionen Mal kleiner^
als in der Entfernung von 8 bis 10 Fuss von der Schildwache und die
Bewegungen sind 2000 Mal kleiner. Man muss zugeben, dass bei den
Schall-Empfindungen durchaus nichts von Verhältnissen, wie 1 zu
1000 Millionen oder 1 zu Tausend bemerkt wird. Nach den neueren
Untersuchungen über das Verhältniss der psychischen Schätzung der
Schallstärken zum physischen oder mechanischen Mass der Schallstärke
bildet dies jedoch durchaus keinen Einwand gegen die eben erhaltenen
Resultate. Wahrscheinlich ist dies Abhängigkeitsverhältniss gerade so,
wie das unserer Schätzung der Lichtstärke oder Grösse der Fixsterne
zu der mechanischen Kraft des uns von ihnen zugesandten Lichtes.
Hier hat man bekanntlich aus den Stern -Aichungen geschlossen, dass
die mechanische Kraft des Lichtes im geometrischen Verhältnisse ab-
nimmt, wenn die Grösse des Fixsternes in arithmetischer Reihe steigt.
Theilte man dem analog die Schälle, von denen von gewöhnlicher
Stärke bis zu den eben noch wahrnehmbaren, in Schälle von der ersten
bis zur achten Grösse, so würde die mechanische Kraft für die Schälle
zweiter Grösse etwa y^^^,, für die dritter Yj^^; . . • ., für die achter
Vio.0000007 ^®^^ ^^^^^ Millionten Theil so gross sein, als für die Schälle
erster Grösse, und die Weite der Bewegungen würde für die Schälle
erster, dritter, fünfter, siebenter Grösse sich wie 1 : y^j : y^Q^ : y^o^Q ver-
halten.
Ich habe oben bei der Betrachtung der das Ohr treffenden Schall-
wellen vor dem Trommelfell Halt gemacht, weil Einige eine Dämpfung
der stärkeren ScHälle (durch Spannung des Trommelfells?) annehmen.
Ich muss jedoch gestehen, dass mir diese Meinung als eine völlig will-
kürliche Vermuthung erscheint. Es mögen allerdings, wenn ein star-
ker Knall die Membranen des Labyrinths zu verletzen droht, Schutz-
vorrichtungen wirksam werden-, aber ich finde in der Beschaffenheit
der Gehörseindrücke durchaus nichts Analoges mit dem Beleuchtungs-
grad des Gesichtsfeldes beim Auge, und wüsste durchaus nicht, was
eine fortwährend veränderliche Reflexthätigkeit des M. tensor tympani
für das genaue Auffassen eines Musikstücks nützen sollte. Meiner An-
sicht nach hat man durchaus keinen Grund, bei dem Schalle in 10 Fuss
Entfernung von der Schildwache ein anderes Verhältniss zwischen den
Bewegungen 'der Luft vor dem Trommelfell und den Bewegungen der
Steigbügelplatte anzunehmen, als in der Entfernung von 20,000 Fuss;
aber selbst wenn man eine ziemlich starke Veränderlichkeit der
Spannung des Trommelfells annimmt, werden unsere Schlüsse dadurch
nicht beeinträchtigt. Wenn nun die Bewegungen der Steigbügelplatte
XVIII. Mechanik des Ohres. 323
in der Entfernung von 10 Fuss von der Schildwache wahrscheinlich
zu den eben mit blossen Augen noch wahrnehmbaren gehören, so wer-
den die Bewegungen in der Entfernung von 20,000 Fuss bei einer
2000 fachen Vergrösserung eben wahrnehmbar sein.
II. Soll der Paukenapparat so kleine Bewegungen treu mittheilen,
wie er es der Erfahrung nach thut, so müssen die festen Körper, aus
denen er besteht, an den Stellen, wo sie auf einander wirken sollen,
völlig genau auf einander schliessen; denn offenbar kann ein Körper
einem anderen eine Bewegung nicht mittheilen, sobald er um mehr
als die Weite der Bewegung von ihm absteht.
Es wird ferner nur ein kleiner Theil der mechanischen Kraft der
Schallbewegung durch anderweitige Arbeit, wie Spannung von Gelenk-
kapseln und Membranen, für das Labyrinth verloren gehen dürfen.
Ein solcher Verlust wird vermieden durch die äusserst geringe
Breite des freien Randes der Membran des Vorhofsfensters. WUre
dieser Rand breiter, so würden die Schwingungen der Steigbügelplatte
beinahe ganz durch Schwingungen dieses Randes ausgeglichen werden,
und auf die Membranen der Schnecke und des Schneckenfensters nur
eine geringe Wirkung stattfinden.
Die Wirkung dieses Membranenrandes auf die Steigbügelplatte
wird wegen der geringen Breite des Randes für die verschiedenen
Lagen der Steigbügelplatte während der Schallbewegung sehr verschie-
den sein. Man muss daher, wenn sie den Klang nicht entstellen soll,
annehmen, dass die Elasticität der Membran sehr gering ist, und die
Steigbügelplatte nicht durch sie, sondern durch andere Kräfte in die
richtige Gleichgewichtslage gebracht wird.
IIL Da die Theile des Paukenapparates, um die erfahrungs-
gemässe Schärfe des Ohres möglich zu machen, fortwährend mit mehr
als mikroskopischer Genauigkeit in einander greifen müssen, so schei-
nen Correctionsvorrichtungeu wegen der Ausdehnung und Zusammen-
ziehung der Körper durch die Wärme durchaus unentbehrlich. Die
Temperaturänderungen mögen innerhalb der Paukenhöhle nur sehr
klein sein-, dass sie aber stattfinden, ist nicht zu bezweifeln. Für die
Temperaturvertheilung im menschlichen Körper gilt, wenn die äussere
Temperatur hinreichend lange constant gewesen ist, nahe das Gesetz,
dass der Abstand der Temperatur an einer beliebigen Stelle des Kör-
pers von der Kirntemperatur propoi-tional ist dem Abstände der
äusseren Temperatur von der Hirntemperatur. Dieses Gesetz ergiebt
sich aus dem New ton' sehen und der Voraussetzung, dass der Wärme-
leitungscoefficient und die specifische Wärme innerhalb der in Be-
tracht kommenden Temperaturen constant sei, eine Voraussetzung, die
21*
324 XVIII. Mechanik des Ohres.
wahrscheinlich nahe erfüllt ist. Man kann durch dieses Gesetz aus
dem Abstände der Temperatur der Paukenhöhle von der Hirntempera-
tur auf die Temperaturänderungen schliessen. Wenn sich nun auch
der Temperaturunterschied zwischen Paukenhöhle, und Hirn nicht be-
stimmen lässt, so kann man doch aus mehreren Gründen, aus den
Communicationen mit der äusseren Luft durch den äusseren Gehör-
gang und die Tuba, auch wohl aus der Art und Weise der Blutver-
sorgung der Paukenhöhle, mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen,
dass ein merklicher Temperaturunterschied stattfindet.
Dagegen hat der Pyramidenknochen, weil er den Can. caroticus
enthält, wahrscheinlich sehr nahe die Temperatur des Hirns, und wir
müssen daher annehmen, dass die innere Auskleidung der Pauken-
höhle ein sehr schlechter Wärmeleiter und Strahler ist.
Von den übrigeu, die Paukenhöhle umgebenden Knochen lässt
sich freilich wohl nicht behaupten, dass sie eine so hohe Temperatur
besitzen, wie das Hirn oder die Pyramide. Doch enthalten sie bedeu-
tende Wärmequellen in Blutleitern, grossen Arterien und Venen und
sind, wie die Pyramide, durch Schleimhaut und Periost gegen die Aus-
strahlung in die Paukenhöhle geschützt. Wir dürfen daher annehmen,
dass ihre Temperatur merklich höher ist als die der Paukenhöhle.
Wenn nun die äussere Temperatur sinkt, so wird nach dem oben
angeführten Gesetze der Abstand von der Hirntemperatur allenthalben
im Körper in demselben Verhältniss (auf das Doppelte) steigen, die
Paukenhöhle wird sich in Folge dessen merklich, die umgebenden
Knochen nur sehr wenig abkühlen, und die Gehörknöchelchen werden
sich merklich zusammenziehen, während die Wände der Paukenhöhle
fast ungeändert bleiben.
Viel mehr als dieses, dass die Gehörknöchelchen sich beim Sin-
ken der äusseren Temperatur viel stärker abkühlen und zusammen-
ziehen, als die W^ände der Paukenhöhle, dürfte sich über den Einfluss
der Temperatur auf den Paukenapparat bei unserer gänzlichen Unbe-
kanntschaft mit den thermischen Eigenschaften seiner Bestandtheile
nicht feststellen lassen.
IV. Ich werde nun zunächst die Veränderungen zu bestimmen
suchen, welche bei einem Sinken der äusseren Temperatur in der Lage
der Gehörknöchelchen eintreten, damit alle zur Berührung bestimmten
Theile des Apparates fortfahren, genau auf einander zu schliessen. Der
Theil des Gehörknöchelsystems, der am unveränderlichsten mit der
Wand der Paukenhöhle verbunden ist, ist das Ambos-Paukengelenk.
Durch Abkühlung werden alle Entfernungen in festen Körpern kleiner,
also auch die Entfernung des Ambos-Steigbügelgelenks von dieser Ge-
XVIII. Mechanik dos Ohres. 325
lenkfläche. Vom Hammer ist wahrscheinlich das obere Griffende der-
jenige Theil, welcher, wenigstens parallel dem Paukenfellring, die ge-
ringsten Verschiebungen zulässt. Da nun bei der Abkühlung die Ent-
fernung des Ambos-Paukengelenks von dem am unveränderlichsten
befestigten Punkt des oberen Hammergriffs im Paukenfell nahe unge-
ändert bleibt, die Entfernungen dieser Punkte vom Ambos-Hammergelenk
aber beide abnehmen, so muss sich am Ambos-Hammergelenk der Winkel
zwischen den nach diesen Punkten gehenden Linien etwas weiter offnen.
Bei diesen beiden Aenderungen in der Lage der Gehörknöchelchen
wird der Hammer ein wenig in der Richtung vorn-median-hinten und
gleichzeitig (um das Gelenkknöpfchen des Amboses in seiner Höhe zu
erhalten) sehr wenig in der Richtung vorn-oben -hinten gedreht. Der
lange Fortsatz des Hammers würde dabei in der Fissur nach oben
und medianwärts bewegt werden, wenn er gegen Griff und Kopf des
Hammers eine und dieselbe Lage behielte. Durch die Wirkung der
Abkühlung wird er aber stärker gekrümmt und dem Hammergriff
genähert, so dass er sich während der Temperaturänderung wahrschein-
lich nur allmählich ein wenig aus der Fissur herausbewegt.
V. Wir haben eben die Bedingungen aufgestellt, denen die Lage
der Gehörknöchelchen wahrscheinlich genügt, damit sie fortwährend
genau auf einander schliesserr und dabei weder im Rande der Vor-
hofsmembran, noch im Paukenfell eine merkhch ungleichmässige Span-
nung erzeugen. Wir fragen nun nach den Mitteln, durch welche
den Gehörknöchelchen jederzeit die richtige Lage gegeben und gesichert
wird. (Es wird dies meist durch einander entgegengesetzte Kräfte
geschehen, welche bei der richtigen Lage des Knöchelchens sich das
Gleichgewicht halten und es, wenn es aus ihr entfernt würde, in sie
zurücktreiben würden.)
Es ist klar, dass diese in den beiden die Lage der Gehörknöchel-
chen regulirenden Muskeln, in den Gelenkkapseln, Ligamenten, den
Schleimhautfalten und den beiden Membranen, mit denen die Gehör-
knöchelchen verwachsen sind, gesucht werden müssten.. Bei diesem
Aufsuchen der Ursachen einer bestimmten Wirkung auf die Gehör-
knöchelchen ergeben sich jedoch, namentlich wenn man die Schleim-
hautfalten mit in Betracht zieht, oft mehrere Wege zur Erzielung der
Wirkung als möglich. Um aus diesen verschiedenen Möglichkeiten die
wahrscheinlichste herauszufinden, ist es vor allen Dingen nöthig, sich
durch anatomische Untersuchungen an frischen Präparaten ein unge-
fähres ürtheil über die Elasticität und Spannung der Bänder, Häute etc.
zu verschaffen, was mir unmöglich ist. Man darf jedoch auch hoffen,
durch sorgfältige Entwicklung der Consequenzen der verschiedenen
326 XVIII. Mechanik des Ohres.
Hypothesen bei den falschen auf Unwahrscheinlichkeiten zu stossen
und diese so zu excludiren.
Es ist ^für unsere jetzige Untersuchung zweckmässig^ zu unter-
scheiden zwischen dem lauschenden, zum genauen Hören adaptirten
Ohr und dem nicht lauschenden Ohr, und für bestimmte Fragen zwi-
schen dem Ohr des Neugeborenen und des Erwachsenen. Wir machen
die Unterscheidung zwischen dem lauschenden und nicht lauschenden
Ohr, wenn die Steigbügelplatte durch den Zug des M. tensor tympani
ein wenig gegen das Labyrinthwasser gedrückt wird, so dass der Druck
im Labyrinthwasser ein wenig stärker ist als in der Luft der Pauken-
höhle; es werden dabei die Theile der festen Körper, deren Berührung
gesichert werden soll, ein wenig gegen einander gedrückt. Diejenigen
nun, welche eine solche fortwährende Spannung des Apparates (das
Paukenfell etwa ausgenommen) für unwahrscheinlich halten, mögen
annehmen, dass bei den Temperaturänderungen die Gehörknöchelchen
durch die Wirkung der Haft- und Gelenkbänder und die allmähliche
Aenderung der Contraction der Muskeln ihre Lage ändern, ohne gegen
einander gedrückt zu werden, weil wir gefunden haben, dass nur dann
das genaue Ineinandergreifen aller Theile des Apparats gesichert ist.
Es bleibt dann unsere Untersuchung für das lauschende, zum
genauen Hören absichtlich vorgerichtete Ohr giltig, während daneben
doch immer die Möglichkeit bestehen bleibt, dass das Ohr (des Wachenden?)
fortwährend, wenn auch vielleicht in geringerem Grade, adaptirt ist.
Der Gehörknöchelapparat besteht aus einem aus zwei Theilen
(Hammer und Ambos) zusammengesetzten, um eine Axe drehbaren
Körper und aus einem mit diesem Körper articulirenden, auf das
Wasser des Yorhofsfensters drückenden Stempel (dem Steigbügel).
Das eine Ende der Umdrehungsaxe, der kurze Fortsatz des Amboses,
ist mittelst des Ambos-Paukengelenks an der hintern Wand der Pau-
kenhöhle befestigt, das andere Ende, der lange Fortsatz des Hammers,
ragt, nur von Weichtheilen umgeben, in eine Spalte zwischen dem
vordem obern Ende des Paukenfellrings und dem Felsenbein und legt
sich in eine Furche dieses Ringes. (Wenigstens ist es so beim Ohr
des Neugeborenen.)
Die Bestimmung der relativen Lage der Gehörknöchelchen gegen
die Paukenhöhle wird sehr erleichtert durch das Verfahren von Henle,
die Paukenhöhle sich so gedreht zu denken, dass die Umdrehungsaxe hori-
zontal von hinten nach vorn geht und das Vorhofsfenster vertical steht.
Wird der Stiel des Hammers durch Steigerung des Druckes der
Luft auf das mit ihm verwachsene Trommelfell nach innen getrieben,
so wird die Basis des Steigbügels gegen die Membran des (ovalen)
XVIII. Mechanik des Ohres. 327
Vorhofsfensters gedrückt, der Druck im Labyrinthwasser gesteigert und da-
durch die Membran des (runden) Schneckenfensters nach aussen getrieben.
Damit der Apparat die kleinsten Druckänderungen der Luft, in
stets gleichem Verhältniss vergrössert, dem Labyrinthwasser mitthei-
len könne, ist es vor allen Dingen nöthig, dass der Druck des
Steigbügels stets in völlig gleicher Weise auf das Labyrinth-
wasser wirke. Zu diesem Ende muss
1.) der Druck der Basis stets Eine und dieselbe Fläche treffen
und die Richtung der Bewegung unveränderlich sein;
2.) es dürfen keine Anheftungen des Steigbügels an die Wand des
Vorhofsfensters stattfinden, wenigstens keine solchen, die irgend einen
merklichen Einfluss auf seine Lage und Bewegung ausüben könnten;
3.) der Steigbügel darf nie aufhören, gegen die Membran des
Vorhofsfensters zu drücken.
Wie man bei einiger Ueberlegung leicht finden wird, würden die
Druckänderungen der Luft entweder gar nicht oder nach völlig ver-
änderten Gesetzen auf das Labyrinthwasser wirken, sobald Eine dieser
Bedingungen verletzt würde.
um die Erfüllung der 3. Bedingung zu sichern, muss durch den
M. tensor tympani, welcher den Hammerstiel nach innen zieht, der
Druck gegen die Membran des Vorhofsfensters stets auf einer solchen
Höhe erhalten werden, dass er die grössten, beim Hören zu erwarten-
den Druckänderungen beträchtlich übertrifft. Wahrscheinlich wird am
Schnecken- oder Vorhofsfenster eine Wirkung dieses Druckes, sei es
die Spannung oder Krümmung (Ausdehnung, Formänderung) der Mem-
bran empfunden und durch den M. tensor tympani der für das genaue
Hören günstigste Druck hergestellt.
Der Druck hängt nur von der Lage des Hammerstiels ab, und um
die erforderliche Einstellung dieses Stiels zu bewirken, muss der Zug
des Muskels gerade so stark sein, dass er der Wirkung der Spannung
des Paukenfells bei dieser Einstellung das Gleichgewicht hält. Ob die
Spannung des Paukenfells dabei grösser oder kleiner ist, darauf kommt
gar nichts an ; nur muss sie, wie wir jetzt zeigen wollen, so gross bleiben,
dass nur ein sehr kleiner Theil der mechanischen Kraft der das Ohr
treffenden Wellen an die Luft im Innern der Paukenhöhle verloren geht.
Wenn eine in freier Luft ausgespannte Membran von einer Schall-
welle getroften wird, so entstehen eine Schwingung der Membran, eine
zurückgeworfene Luftwelle und eine weitergehende (gebrochene) Luft-
welle. Wie sich die mechanische Kraft der Schallwelle auf diese drei
Wirkungen vertheilt, hängt von der Spannung der Membran ab. Ist
diese Spannung sehr gering, so sind die beiden ersten Wirkungen
328 XVJII. Mechanik des Obres.
sehr schwach, und es geht die Schallwelle fast unverändert 'weiter. Ist
dagegen die Membran so stark gespannt, dass ihre Bewegungen nur
sehr klein sind gegen die Schwingungen der Lufttheilchen in der auf
sie trejßpenden Schallwelle, so kann sie der Luft auf der hintern Seite
nur sehr kleine Bewegungen mittheilen und folglich auch ihren Druck
nur wenig verändern, und es wird fast die ganze Druckänderung auf
der vordem Seite zur Spannung der Membran verwandt. Ausserdem
aber entsteht, wenn die Membran in freier Luft ausgespannt ist,
eine zurückgeworfene Welle.
Die Lage des Linsenbeines gegen das Vorhofsfenster kann also
nicht unverändert bleiben; aber es kann durch Drehung des Amboses
um seinen Befestigungspunkt (das Paukengelenk) bewirkt werden, dass
das Linsenbein sich nur parallel der Längsaxe des Vorhofsfensters
verschiebt, und also nur in dieser Richtung eine Drehung des Steig-
bügels um das Centrum der Ambosgelenkfläche nöthig ist, um die
Steigbügelplatte an ihrem Platze zu erhalten. Da nun nur für diese
Richtung eine Vorrichtung (der M. stapedius) vorhanden ist, den Steig-
bügel um das Ambosgelenkknöpfchen willkürlich zu drehen, für die
darauf senkrechte aber nicht, so darf man wohl vermuthen, dass die
letztere Vorrichtung eben dadurch überflüssig gemacht worden ist, dass
das Ambosgelenkknöpfchen fortwährend in derselben Höhe erhalten wird.
VL Dem Zuge der Sehne des M. tensor tympani wird zum Theil
das Gleichgewicht gehalten durch die Befestigung des Hammergriffs im
Paukenfell und des Paukenfells im Sulcus tympanicus. Die Anheftung
des Paukenfells an dem Hammergriff reicht aber (nach v. Tröltsch und
Ger lach) nur wenig höher, als der Insertionspunkt der Sehne, und ihr End-
punkt liegt selbst schon höher als die Endigungen des Sulcus tympanicus.
Offenbar kann also die Befestigung des Paukenfells im S. t. dem
M. tensor tympani allein nicht das Gleichgewicht halten. Zum Gleich-
gewicht des Hammers ist vielmehr erforderlich, dass auf den oberhalb
des Insertionspunkts gelegenen Theils ein gleich grosses entgegengesetzt
gerichtetes Drehungsmoment wirke, wie auf den unterhalb gelegenen Griff.
Man kann diese zur Herstellung des Gleichgewichts nöthige Kraft suchen
L) entweder in der Verbindung des Paukenfells mit den ober-
flächlichen Schichten der Haut des äusseren Gehörgangs,
2.) oder in der Wirkung der hinteren Paukenfelltasche,
3.) oder vielleicht in dem Zusammenwirken der Anheftungen des
Hammerkopfes an die Paukenhöhlen wand durch den Ambos einerseits
und anderseits durch das Lig. superius Arnoldi. Diese Anheftungen
bilden einen etwa gegen die Spitze des kurzen Fortsatzes gerichteten Winkel
und drücken, wenn sie gespannt sind, diese Spitze gegen das Paukenfell.
Dritte Abtlieiluiig
XIX.
Versuch einer allgemeinen Auffassung der Integration und
Differentiation.*)
In dem folgenden Aufsatze ist der Versuch gemacht, ein Ver-
fahren aufzustellen, mittelst dessen man aus einer gegebenen Function
einer Veränderlichen eine andere Function derselben Veränderlichen
ableiten könne, deren Abhängigkeit von jener ursprünglichen sich durch
eine Zahl ausdrücken lässt und die für den Fall^ dass diese Zahl eine
ganze positive, negative oder null ist, bezüglich mit den DiflFerential-
quotienten, Integralen und der ursprünglichen Function übereinstimmt.
Die Resultate der Differential- und Integral-Rechnung vrerden zwar als
Grundlage hier vorausgesetzt, aber nicht in der Weise, dass diejenigen
derselben, die für alle Differentiale und Integrale, deren Ordnung durch
eine ganze Zahl ausgedrückt wird, gelten, auch auf die gebrochenen
Ordnungen ausgedehnt würden; sondern sie sollen nur einerseits zur
Begründung des oben angedeuteten Verfahrens benutzt werden und
andrerseits als Wegweiser dienen dasselbe zu finden.
Zu diesem letzteren Zwecke wollen wir einmal die Reihe der
Differentialquotienteu etwas näher betrachten. Es ist klar dass man
hiebei nicht von der gewöhnlichen Definition derselben ausgehen kann,
die sich auf ihr recurrentes Bildungsgesetz gründet, da mau ja durch
dasselbe unmöglich auf andere Glieder der Reihe, als auf solche, die
ganzen Indices entsprechen, gelangen kann; man rauss sich also nach
einer independenten Bestimmung derselben umsehen. Ein Mittel dazu
*) Diese Abhandlung trägt im Manuscript das Datum U. Jan. 1847. und
stammt also aus Riemanns Studienzeit. Riemann dachte ohne Zweifel nicht
an ihre Veröffentlichung, auch stützt sich die Betrachtung auf Grundlagen, deren
Haltbarkeit er in späteren Jahren nicht mehr anerkannt haben würde. Immerhin
ist die Arbeit für Riemanns Entwicklungsgang charakteristisch, und die Resultate
sind bemerkenswerth genug, um die Aufnahme in diese Sammlung zu recht-
fertigen.
332 XIX. Versuch einer allgemeinen Auffassung
bietet uns die Entwicklung der Function, welche aus der ursprüng-
lichen durch Vermehrung der Veränderlichen um einen beliebigen Zu-
wachs entsteht^ nach ganzen positiven Potenzen dieses Zuwachses dar.
Denn da die bekamite Entwicklung
(wo %4-Ä) das bedeutet, was aus %) wird, wemi man darin statt x
X -\^h setzt) für jeden beliebigen Werth von h gültig ist, so müssen
die Coefficienten in derselben einen ganz bestimmten Werth haben;
man kann dieselben also zur Definition der Differentialquotienten ver-
wenden. Demgemäss stellen wir folgende Definition auf: der nte
Differentialquotient der Function %) ist gleich dem Coefficienten von
li'^ in der Entwicklung von % + ;o nach ganzen positiven Potenzen
von h, multiplicirt in einen nach x constanten, nur von n abhängigen
Factor, nemlich in 1.2 n. Diese Betrachtungsweise der Differential-
quotienten führt sehr leicht zur Feststellung einer allgemeinen Operation,
in welcher die Differentiation und Integration enthalten ist und welche
wir (da die Bezeichnung und Benennung derselben als die Grenze des
Quotienten verschwindender Grössen bei dieser Betrachtungsweise keinen
Sinn hat) durch ^^ bezeichnen und nach dem Vorgange von Lagrange
in der Benennung „fonctions derivees" Ableitung benennen wollen.
Wir verstehen nemlich unter d*' z oder unter dem Ausdruck „i'te
Ableitung von %) nach x^^ den Coefficienten von If in einer nach Po-
tenzen von A, deren Exponenten um eine ganze Zahl von einander
abstehen, rückwärts und vorwärts in's Unendliche fortlaufenden Ent-
wicklung von %_j_Ä), multiplicirt in einen nach x constanten, nur von
V abhängigen Factor, d. h. wir definiren d^'^z durch die Gleichung
(2) ^(^_^,)=^ hjj h\
In dieser Definition muss nun natürlich der von v allein abhängige
Factor h^ so bestimmt werden, dass für den Fall, dass die Exponenten
von h ganze Zahlen sind, die Reihe (2) in die (1) übergeht, weil
nur dann die Differentialquotienten wirklich als besondere Fälle in den
Ableitungen enthalten sind-, sollte dies nicht möglich sein, so wäre
diese Definition unserm Zwecke, eine Operation, welche die Differen-
tiation als besonderen Fall in sich schliesst, festzustellen, nicht ent-
sprechend, und wir müssten uns also nach einem anderen Wege, ihn
zu erreichen, umsehen.
der Integration und Differentiation. 333
Bevor wir aber diesen Factor zu bestimmen suchen, wollen wir
erst Einiges über die Reihen von der angegebenen Form vorausschicken,
da sie, wie man sieht, die Grundlagen dieses ganzen Versuchs einer
Theorie der Ableitungen bilden.
Man hat wohl die Behauptung aufgestellt, man könne auf die
Reihen im Allgemeinen gar keine sicheren Schlüsse gründen, sondern
nur unter der Bedingung, dass man den darin vorkommenden Grössen
solche Zahlenwerthe beilege, dass die Reihe convergire, d. h. dass sich
ihr (wenigstens genäherter) Werth durch eine wirkliche Ziffernaddition
finden lasse. Nun können wir aber, wenn, wie hier immer voraus-
gesetzt wird, die Coefficienten einem bestimmten Gesetze gehorchen,
jeden einzelnen Theil derselben genau angeben; sie ist folglich eine
in allen ihren Theilen genau begrenzte, also bestimmte Grösse; und
ich sehe darin, dass der Mechanismus der Ziffernaddition nicht aus-
reicht, diesen ihren bestimmten Werth zu finden, keinen Grund, warum
wir nicht die Gesetze, die für die Zahlengrössen als solche erwiesen
sind, auf sie anwenden und die Resultate, die wir dadurch erhalten,
als richtig ansehen sollten.
Um an einem Beispiele zu zeigen, dass man für eine Reihe von
der Form (2) wirklich einen Werth finden kann, wollen wir durch ein
Verfahren, das in vielen Fällen für diesen Zweck anwendbar ist, die
Function x^' in eine nach gebrochnen Potenzen von {x — h) fortlaufende
Reihe entwickeln, eine Entwicklung, deren wir ohnehin im Lauf der
Untersuchung bedürfen.
Die Reihe, die .t" gleich sein soll und die wir der Kürze wegen
durch z bezeichnen, sei
^c„{x-h)".
enn z = .
r^', so ist
§-:=^-"-s
glich
dz
es muss also auch
^[{ii - «)c« - 6 (« + 1) c«+i] (pc. -hy = o
sein. Dieser Bedingung ist oö'enbar Genüge geleistet, sobald
(P' - «) Ca — h{a+r) c„ + i = 0.
Nun sind aber alle Ausdrücke, welche dieser Differentialgleichung ge-
nügen in den verschiedenen Werthen von kxf' enthalten, es musg
334 XIX. Versuch eiuer allgemeinen Auffassung
also die Reihe ^, in der das Gesetz
(^ — a) Ca — h (a -{- 1) Ca-\-i = 0
stattfindet, notli wendig einem derselben gleich sein; um diesen zu
finden, machen wir
Ca-l (X — hy- ' + Ca {X — hf =p,
P = c«+i (.r - &)« + ^ + c,. + 2 {x - hY + ^ ,
also
p -{- 2)' = z = kx'' ;
folj^lich
o
^^~-^d^ = ^^ — ^)^^(^ — ^y = ^^ ^p — ^ j|-
Diese Differentialgleichungen haben zum allgemeinen Integral
— / Xx~^~^ dx + \ =px^^' = Ca{x — hyx-^
+ Ca-l (X — hy-^X-^'
/ Xx-^'-^ dx + 7^2 =px~^' = Ca + i {x — lY^^ x-^
+ Ca 4-2 ix — &)« + 2^-^*
Substituirt man hierin für X seinen Werth und — für x. so erhält
V
man
px-^' = Ca{^ — a) h"~^' Cif-"-^ (1 — ijY dij + \
= Cah''^'''(l — yy y^'~-" + Ca-i'b"-'^~^'{l—yy-^y'''-''+^ + ••
PX-''' = — C« (^ — ß) 6«-^* / y^C-a-1 1^1 _ yY ^y _|_ l^
= c«4-i h" + ^-^'- (1 — yy + ^ y^^-cc-i
+ Ca + 2 &« + 2-^' (1 — iy)« + 2 |/,«-«-2 -I- ..
In dem Falle, dass ^ > a > — 1, verschwinden nun offenbar die Aus-
drücke rechts bezüglich für y == 0 und ^ = 1 , und die beiden Inte-
grale werden ihnen also, das erste von 0 bis y, das zweite von 1 bis y
genommen, genau gleich sein, wenn dieselben zwischen diesen Grenzer
continuirlich sind. Es könnte scheinen, als ob diese Bedingung ver
letzt wäre, so bald einige oder alle Glieder einer Reihe in's Positive
oder Negative über alle Grenzen hinaus wachsen; daraus würde aber
da sich dieselben gegenseitig aufheben können, nur folgen, dass siel
durch eine wirkliche Addition ein bestimmter Werth für die Reihe
nicht finden lässt. Da wir nun den Schluss, als ob die Reihe in einen
solchen Falle überhaupt keinen bestimmten Werth. habe, nach den
Obigen nicht zugeben, so können wir die Continuität oder Disconti
nuität der Reihen px~^' und px~^' nur durch die Betrachtung dej
der Integration und Differentiation. 335
ihnen gleichen Integrale erfahren.*) Bekanntlich kann nun aber ein
Ausdruck nur discontinuirlich werden, wenn sein Differential unendlich
wird; der Ausdruck (1 — ?/)•"- «-^ ?/" ^^^ ^t>er für alle endlichen
Werthe von y einen endlichen Werth, wenn die Exponenten ^ — a — 1
und a positiv sind; die Integrale ändern sich also dann stetig, und
aus der Betrachtung der singulären Integrale für y = \ und ^ = 0
ersieht man, dass dies auch noch stattfindet, so lange beide Exponen-
ten grösser als — 1 bleiben. Es ist demnach für den Fall, dass
ft > « > — 1 und y endlich ist,**)
A- == zx-^' =poc-^' + j/o.—'" = (ft — ci)Ca h"-f / (1 — yy-"-^ y" dy
u
(wo n das bekannte bestimmte Integral bezeichnet). Dies Resultat
gilt, wie bemerkt, nur, wenn ^ > « > — 1 ; es lässt sich aber auf
alle Werthe von ft und a ausdehnen, wenn man das FI einer negativen
Zahl (wie im Lauf dieser Untersuchung immer angenommen werden
soll) als durch das Gesetz n{n) = — -j—- TI{n +1) aus den positiven
abgeleitet definirt. Denn erstens muss es nach dem Gesetz, welches
angenommener Massen zwischen den Coefficienten der Reihe stattfindet,
für jeden Werth von a gelten, wenn nur einer derselben ^ (^ j ist; es
ist also, wenn fi positiv ist
ft = CO
hx^=y Ijrr^ — T ^~" C^' — ^Y
^ I n{a)n{(i — a) ^ ^
« = 00
oder _
n^i ~ ^ II {fx — a) n{a) J
daraus aber erhält man durch ?? malige Differentiation nach x
n{fi — n) ^ n{(i — cc) "^77 (a — n) '
wodurch das Gesetz auch für negative Werthe von ^ erwiesen ist.
*) Behandelt man die Integrale vor der Substitution von — statt ,r, so wer-
y
den sie für x = 0 discontinuirlich. Man erkennt aber auch unter dieser Form
leicht, dass die ihnen zugehörigen Constanten für positive und negative Werthe
von X dieselben Werthe haben müssen, da der Werth der Integrale bei dem
Uebergange des a; von -f oo zu — oo sich stetig ändert.
**) Für den Fall, dass ?/ = ± co, also x = 0, ist der Werth beider Inte-
grale CO; folgHch l' = cc — 00, d. h. beliebig, was offenbar aus der blossen Be-
trachtung dieses Falles hervorgeht.
336 XIX. Versuch einer allgemeinen Auffassung
Es ist also ganz allgemein.
(3)
Tl{a) ~ ^ Hill — a) n{a)
Bemerkenswert!! ist es, dass man clurcli diese Formel, eine Reihe für
x^' nicht erhält, wenn ^ eine negative ganze Zahl ist, da der Ausdruck
links dann 0 wird, worauf wir später zurückkommen werden. Man
sieht auch dass es Reihen von dieser Form giebt, die der Null oder
einer Constanten, für jeden Werth von x, gleich sind.
Nach dieser Protestation gegen das Verdammungsurtheil, welches
man den divergirenden Reihen gesprochen hat, wollen wir jetzt den
eingeschlagenen Weg zur Feststellung des Begriffs der Ableitungen
weiter verfolgen. Man sieht, dass der Zweck, den wir uns gesetzt
haben, dass nemlich die Differentiation als besonderer Fall in der Ab-
leitung enthalten sein soll, erfüllt ist, so bald nur die Function ky für
alle ganzen positiven Werthe von v = —- ^ und für alle ganzen
negativen Werthe =0 ist- denn dann geht die Reihe (2) in die
Reihe (1) über; dieser Bedingung kann aber offenbar durch unendlich
viele verschiedene Functionen von v genügt w^erden-, man kann ferner
durchaus nicht annehmen, dass es nur Eine Entwicklung derselben
Function nach denselben Potenzen von Ji gebe, d. h. dass nur Ein
System von Coefficienten einer Reihe von einer bestimmten Form
einen bestimmten Werth gebe; man muss vielmehr unendlich viele
verschiedene Systeme als möglich voraussetzen; wir haben also, un-
beschadet unseres Zweckes, sowohl unter den verschiedenen möglichen
Functionen von v für äv als unter verschiedenen möglichen Systemen
von Coefficienten die Wahl, und es ist offenbar am zweckmässigsten
diese Wahl womöglich so zu treffen, dass die Ableitungen noch meh
reren Gesetzen gehorchen, die bei einer andern Wahl nur für Ab-
leitungen mit ganzen Indices gültig sein würden.
Hierzu dienen folgende Betrachtungen.
Da der Ausdruck Zh dlz h" alle in dieser Form möglichen Ent
Wicklungen % + /,) umfassen soll, so muss
ah
alle in dieser Form möglichen Entwicklungen von — "^^^^^ umfassen
und ebenso
dx "^ dx
der Integration und Differentiation. 337
alle Entwicklungen dieser Form von — -^?-±-^. Bekanntlich sind nun
— ^'^j ^'^ und — ^1 — ~ identisch; beide Ausdrücke umfassen also genau
dieselben Reihen; es müssen also auch /m-j-i {v -\- \) Cx z und
/.:,. /" genau dieselben Werthe Jiaben, d. h. sie sind einander gleich;
setzt man nun ky^\ (^ + 1) = /^v^ was der obigen Hauptbedingung
offenbar nicht widerspricht, da für ganze Werthe von v vermöge der-
selben dies Gesetz stattfinden muss, so erreicht man dadurch , dass
auch für die Ableitungen mit gebrochenen Indices
dx
ist und folglich allgemein, wenn n eine ganze Zahl ist,
(4) ^ ^^' + % = fl^^-
Aus dem angenommenen Gesetze für /Cv folgt, dass
ist, es hat also die Function //(i*)/:, ,die wir durch Z^ bezeichnen wollen, für alle
Werthe von v, die um ganze Zahlen von einander abstehen, stets denselben
Werth. Wir können daher für die zweckmässigste Wahl der Function
Iv nicht mehr aus der Betrachtung einer einzelnen Entwicklungsform,
sondern nur aus der Combination verschiedener Schlüsse ziehen; dem-
gemäss wollen wir versuchen, ob wir sie so wählen können, dass
Cx OxZ = Cx Z ist.
Lässt man zu diesem Zwecke x in der Formel (2) noch einmal
wachsen, und bezeichnet man diesen Zuwachs durch /c, so ist
und dieser Ausdruck bezeichnet alle nach denselben Potenzen von h
und h möglichen Entwicklungen von z^x + h + k)- Es ist aber auch
// t= CO 1= OO V u
Nun bezeichnet der letzte Ausdruck (ß) zwar nicht alle möglichen
Entwicklungen dieser Form von z (,r -{- f, + k) , da *die Gleichung (3)
RiEMANN-'s gesammelte mathematische Wrrko. I. 22
338 XIX. Versuch einer allgemeinen Auffassung
nur Eine Entwickluntr von - :^ — ■ — r- ffiebt, ohne dass dies die einziu'
mögliche zu sein brauchte; es müssen aber alle in ihm enthaltenen
Entwicklungen auch in (a) enthalten sein; stellt man also für die
Function l das Gesetz ?(« + )> =l,ilv auf; so werden alle Werthe
von rl > auch Werthe von ri'^l-? sein^ obgleich der letzte Ausdruck
auch noch andere Werthe haben kann.
Es' ist also
(5) ai'a:> = a£+"^
unter der ausgesprochenen Beschränkung.
Aus ?(,, + ,,) = /(,,)?(,,) folgt aber
?(u-f r-f-TT) = l(u + r)l7l = luly Ire
und allgemein, dass das Product der l verschiedener Zahlen gleich ist
dem / ihrer Summe, oder wenn man die einzelnen Factoren einander
gleich setzt \mv) = C)? so oft m eine ganze Zahl ist; bezeichnet man
nun — durch tc, so ist
1{un == kan) = ?'" = C oder hm\ = iv .
Das Gesetz ?(av) = fv ist also für alle rationalen Werthe von ^, und
folglicb (nach dem bekannten Gesetz der Interpolation) allgemein gültig.
Da nun für ganze Werthe von v Ir = 1 sein muss, so ist ?^, = V .
Sollen demnach die Gesetze (4) und (5) für die Ableitungen im
Allgemeinen gelten, und die Differentiation in der Ableitung als be-
sonderer Fall enthalten sein, so müssen wir die Ableitungen unter
denjenigen Functionen von x wählen, die der Gleichung
^i^+i>) —Zj m^ ^^^ — Zj my) ^^^
genügen. Diese Wahl wird am zweckmässigsten auf diejenigen unter
ihnen fallen, welche am geschmeidigsten für die Rechnung sind; ver-
sucht man aber die Entwicklung einiger Functionen von x -\-'h in
Reihen, die nach gebrochenen Potenzen von 1i fortlaufen, so wird man
sehen, dass am leichtesten und einfachsten Entwicklungen in solche
li" + ^
Reihen sind, in denen der Coefficient von 7:^7 — r-~v das Differential des
' U{y -f- 1)
Coefficienten von ^^7— ist: wir wollen also obige Begrenzung der Ab-
leitungen dahin beschränken, dass das Zeichen c'xZ den Coefficienten von
y=^ nicht in allen möglichen Entwicklungen von ^(r-f-A) bezeichnen
der Integration und Diflferentiation. 339
soll, sondern nur in solchen, in denen der Coefficient von -^, — ,—, das
^ ' /T(v-J-1)
Differential des Coefficienten von 7=7-, ist. *)
n{v) ^
Hieraus folgt zunäclist, dass Ein Werth von dlz nur einer Ent-
wicklung angehören kann; denn gesetzt, ein W*erth von c^z, pr, ge-
hörte zwei Entwicklungen, a und h, an, so müssten diese beiden Ent-
wicklungen in allen folgenden Gliedern übereinstimmen, da diese durch
Differentiation aus p,, entstehen. Bezeichnen wir nun die vorhergehen-
den Glieder in a durch ih — 1, Pv— 2...,^^ ^ durch g,. — 1, ^» — 2 • .., so
müssen p,— 1 und qv — i beide zum Differential pv haben; sie kön-
nen also nur um eine Constante verschieden sein, d. h.
qr-l=Pr-l+Ku
ebenso muss
sein. Die Entwicklung h ist also
m = l 7i = CO m=l
— « -r ^ ^rn^ jj^^^ jj(7_^_„,)— " 1- ^ ^'« n{v - m)'^
m==o w = 0 111 = cc
nun soll aber für alle Werthe von (x -\- h) a = h sein, was bekannt-
lich nur stattfinden kann, wenn alle Constanten null sind; dann aber
sind beide Entwicklungen identisch.
Ist py ein Werth von dlzy so ist j9,. + K yrr— — -^—r (wo n positiv
und ganz und K eine endliche Constante ist) ebenfalls ein Werth des-
selben; denn die Reihe
"V/ I 7^ x--^-n \ hv -^ hv fx -\-h)-n
un(t es findet in ihr das Gesetz statt.
,^^^'n(v) — % + /';
*) Aus (4) folgt zwar, dass wenn ^ ^U-— eine Entwicklung von Z{x-^/i)
jiLi n{v)
• i. 'ST? ^'^x^ /i»-fi
ist, > — - — — — ^ ebenfalls eine Entwicklung von :^(.r-f ä) ist, aber nicht
M^ dx n{v-\-l) °
dass diese beiden Entwicklungen identisch sind. Durch die gemachte Annahme
erreicht man auch, dass die Ableitungen mit ganzen negativen Indices, die nach
dem Bisherigen noch gar keinen Sinn hatten, mit den Integralen zusammenfallen,
wie weiter unten bewiesen werden wird.
22*
340 XIX. Versuch einer allgemeinen Auffassung
Den Inbegriff aller Werthe von c^^z, die sich durch Addition von Aus-
drücken von der Form K ^, — - — — r aus einander ableiten lassen, wol-
len wir ein System von Werthen nennen; es sind also alle Werthe
von d^^z, die demselben Systeme angehören, in dem Ausdruck
(6) P' + 'S'^'i^i^^'
7?= CO
enthalten (wo iT« endliche Constanten bedeuten).
Wir wollen nun einen We*rth von ^' iS zu bestimmen suchen.
Bekanntlich ist
sobald 5'(j.) zwischen den Grenzen x und k continuirlich ist, setzt man
hierin x + h für h und entwickelt die Glieder der Reihe mittels (3)
nach Potenzen von h^ so erhält man
'^^"^ ~\^^ ^^(.") V'^ ^n- ^) "^ [ä.vJik) /T(- ^ + 1)
und in dieser Reihe ist der Coefficient von -^=pr^ das Differential des
Coefficienten von „. ^--r •, er ist folglich ein Werth von ^^'<^, den
wir durch p„ bezeichnen wollen. Differentiirt man nach k, so er
hält man
Nun verschwinden alle Glieder der obigen Reihe für h = X] das In-
tegral wird also von Ic bis ^ genommen = Pju sein, wenn es zwischei
den Grenzen continuirlich ist; dies ist aber, da z zwischen den Gren
zen X und Je continuirlich sein soll und — ^ — 1> — 1, offenbar dei
Fall und es ist also
ein Werth von d'^Zj sobald ^ zwischen den Grenzen x und Ic continuirlich un((
ft negativ ist. Der derselben Entwicklung angehörige Werth von
X
k
dt.
der Jntc'f'ration und Differentiation. 341
Mau sieht leicht, dass, je nachdem man dem Ic verschiedene Werthe
giebt, verschiedene Entwicklungen von ^(.r-f/o daraus hervorgehen,
aber alle diese Entwicklungen gehören demselben Systeme an. Denn
aus dem Werth
geht offenbar
k
ß'
ij
X
7t7=-^-z-i\- / (^ — 0 " ' ^it)cU
hervor durch Addition von
da nun 2 zwischen x und k^ und also auch zwischen h und A^ con-
tinuirlich ist; so sind alle jene Integrale endliche und ZAvar nach x
constante Grössen. Man wird demnach durch das angewandte Ver-
fahren stets auf dasselbe System von Werthen gelangen; beschränken
wir also den Begriff" der Ableitungen auf dies System von Werthen,
so haben wir die Bestimmung derselben auf bekannte Werthe zurück-
geführt und werden mittels dieser Definition die Eigenschaften der-
selben und ihre Werthe für bestimmte Functionen ableiten können.
Es ist demnach
1. ^;> = f(x - 0--^ %) dt + 2^ir. ^
l - v) ^
wenn Kn endliche willkürliche Constanten sind,*) v negativ, und 2
zwischen den Grenzen x und Je continuirlich ist; für einen Werth von
7f aber der > 0 ist, bezeichnet ^^^ dasjenige, was aus ^^~'" ^ (wo m > v)
durch m malige Differentiation nach x hervorgeht,**) ein Werth, wel-
cher stets auch der Gleichung
*) Alle diese willkürlichen Functionen wollen wir durch cpv bezeichnen; wir
machen zugleich darauf aufmerksam, dass (wenn w positiv imd ganz) jede
Function q)v auch eine Function cpv— 71 ist.
**) Die Definition
^v
V /^"^(^
/j = 0
welche mit der gegebenen identisch ist, würde zwar für alle Werthe von v gel-
ten; wir haben ihr aber die gewählte ihrer grösseren ^Geschmeidigkeit wegen vor-
gezogen.
342 XIX. Versuch einer allgemeinen Auffassung
n= CK «^ „ = 1
genügen muss.*) Hieraus folgt
X {m) n = 1
«-^ n = m
und
4 ^% = ^ ■
5.
ferner
dx'"
6. <^,^ =67/^^ + 9),,.
Das Umgekehrte findet aber nur statt, wenn ^ eine ganze posi-
tive oder V eine ganze negative Zahl ist. In diesem Falle sind also
beide Ausdrücke identisch. Aus der Definition folgt noch (wenn c eine
Constante bedeutet)
7. dl (p + q) = dlp + dlq
8. Cxicp) = cdlp
9. dx-\-c^ = dxZ
10. dlxS = dlzc~\
Zwei Werthe von d^z und dxZ, in denen die Constanten K, K^, etc.
sämmtlich einander gleich sind, sollen correspondirende Werthe heissen.
Alle derselben Entwicklung von z-^x + h) angehörigen Werthe sind cor-
respondirende.
Wir wollen nun zu der Bestimmung der Ableitungen bestimmter
Functionen von x übergehen. Dabei kann es natürlich nur darauf
ankommen, einen AVerth Einer Ableitung zu finden, da sich aus
diesem ihr allgemeiner Werth durch Addition der Function cp sofort
ergiebt, und zwar wird dieser Werth, wenn die Umformung des Aus-
drucks 1. überhaupt etwas nützen soll, ein einfacherer, als dieser Aus-
druck, also eine explicite Function von x in endlicher Form sein
*) Ob die obige Formel 1. alle Werthe enthält die dieser Gleichung genügen,
hängt offenbar davon ab, ob die Functionen cpv die einzigen sind, welche, statt
dxZ substituirt, die Reihe 2. zu Null machen. Nun lässt sich zwar ohne Schwie-
rigkeit zeigen, dass keine algebraische Function von .t, die nicht in cpv enthalten
ist dies leistet; ob aber überhaupt keine Function dieser Bedingung genügt, dar-
über konnte ich bis jetzt zu keinem Resultat gelangen.
der Integration und Differentiation. 343
müssen. Diese Umformung wird also im Allgemeinen darin bestehen,
dass man das x aus dem Integralzeichen herauszuschaffen sucht.
Betrachten wir nun zuerst die Function a".
Ist ^ positiv, so ist x'' für alle Werthe von x continuirlich; es
wird also
x'
0
immer ein Werth von dl{x^') sein; dies Integral ist aber
0
Da das mte Differential hiervon -^, r xf^~'''~"' = dl "Ux'') ist,
71 (jLt — V — VI) -^ \ J 7
(4), so ist für jeden Werth von v
Ist ^ negativ, so ist x^ für x = 0 discontinuirlich, für alle andern
Werthe aber continuirlich; in dem Ausdrucke (1) müssen also x und Ic
stets gleiches Zeichen haben. Nun erhält man aber durch m malige
partielle Integration
X
k
X
= 77? i^^^lrr, ■ A i\^ — 0-'-'-'" ^+'" dt + 9,.,
il(— v — 1 — m)n{iL-\-m) ) ' i -TM
h
so lange — v — w > 0 ist, wodurch sich also, wenn — i^ > — ^ ist,
diejenigen Integrale worin ^ < — 1 ist, auf solche zurückführen lassen,
in denen der Exponent von ^ > — 1 ist; ist er > — 1, so gehört ^
k
{x — t)-''-^-'" tf'+'^ dt
0
zu den Functionen cpv, und es ist also
j'
JT(— V — 1 — m) n{(i -\-m) J ^ ^ n{^ —
ein Werth von dl{x^'), wenn — v> — ft, welches Resultat nach dem
dd^z
dx
Ist aber ^ + m = — 1, so ist
(jesetze c^ z = —^ für jedes v gelten muss.
344 XIX. Versuch einer allgemeinen Auffassung etc.
'k k
-^-^^— ^ dt+(p,.
ü
1
=]ogxx^'-' +xf'-' r'^^'~-~'^ ^^
ü
= log^ x^'-'' — {W(}i — v)— W(0) ) :(f-^ .
Verallgemeinert man auch das hieraus erhaltene Resultat durch Differen-
tiation, so hat man folgende Werthe für ^.r(^'^'),
wenn ^ nicht eine negative ganze Zahl ist,
12. ?:(,.:'■) = ^^- -^--^ [iog^,r"-' -(1^(ft-,.)-'P(0)>"--]^
wenn ^ eine ganze negative Zahl ist.
Es ist zu bemerken, dass aus der Formel 12. die Formel 11. her-
vorgeht, sobald man nur die Constanten, die für diesen Fall ~ werden,
einer geeigneten Behandlung unterwirft, was auch in dem Fall ge-
schehen muss, wo fft — v) und ^ beide ganze negative Zahlen sind.
Man übersieht leicht, dass die aus diesen Formeln für verschiedene
Werthe von v hervorgehenden Werthe correspondirende sind; dies ist
auch der Grund warum wir in 12. nicht, wie wir es für den Fall \l ==
einer negativen ganzen Zahl konnten, den blos x^'-~^ enthaltenden
Theil in die Function (py einschlössen.
Wendet man ein ähnliches Verfahren auf e^ an, so erhält man
X CO
13. -dl{f) = i*e\x—t)-'-' dt = ^^__l__ ^^ e- i\-Uj-^-^dy = e.
— 00 Ü
Die Ableitungen von log^ ergeben sich durch dieselbe Methode,
noch leichter aber und zwar sogleich für alle Werthe von v aus 6.
und 12.
14. S(log^) =ä^^^^-^ = ^^^)(log^^-^-['J^(-^^)-'P•(0)]^-'•)•
Durch Anwendung der Regeln 7 bis 10 findet man aus 13. und 14.
mit der grössten Leichtigkeit auch die Ableitungen von sinrr, cos^, igx
und arc (tg == x).
Schliesslich bemerken wir noch, dass sich die aufgestellte Theorie
mit derselben Sicherheit auch auf den Fall ausdehnen lässt, wo mau
den in Rede stehenden Grössen imaginäre Werthe beilegt.
XX.
Neue Theorie des Rückstandes in electrischen Bindungs-
apparaten. *)
1.
Vorbemerkung.
Herrn Professor Kolilrausch ist es gelungen, die Bildung des
Rückstandes in electrischen Bindungsapparaten scharfen Messungen zu
unterwerfen und darauf eine den Beobachtungen genügende Theorie
dieser Erscheinung zu gründen, welche in Poggendorff's Annalen**)
veröffentlicht worden ist. Die Genauigkeit dieser Messungen reizte
mich, ein aus andern Gründen wahrscheinliches Gesetz für die Be-
wegungen der Electricität an denselben zu prüfen; in der Form, welche
ihm für diesen Zweck gegeben wurde, ist es auf die Bewegungen der
Electricität in allen ponderabeln Körpern anwendbar, jedoch nur unter
der Voraussetzung, dass die in Betracht kommenden ponderabeln Kör-
per gegen einander ruhen und keine merklichen thermischen und
magnetischen (oder voltainductorischen) Wirkungen und Einflüsse statt-
finden. Behuf unbeschränkter Anwendbarkeit bedarf es noch einer
Umarbeitung und Ergänzung, mit welcher ich mich an einem andern
Orte beschäftigen werde.
Im folgenden Aufsatze, welcher einem Schreiben an Herrn Professor
Kohlrausch entnommen ist, ist diese neue Theorie des electrischen
Rückstandes indess nicht selbstständig, sondern im Anschlüsse an Seine
Theorie entwickelt worden; ich war bestrebt, jene Theorie, nicht ge-
radeswegs die Erscheinungen auf sie zurückzuführen. Ich habe daher
die von Herrn Professor Kohlrausch in seiner Abhandlung gebrauchten
*) Die hier mitgetheilte Abhandlung stammt aus dem Jahre 1854; ihre Ver-
öffentlichung unterblieb wahrscheinlich, weil der Verfasser nicht gern auf eine
ihm angerathene Abänderung derselben eingehen wollte.
**) Bd. 91. pag. 56.
346 XX. Neue Theorie des Rückstandes
Begriffe: electrisclies Moment der isolireiiden Wand, Spannung, Ge-
sammtladimg , disponible Ladung, Rückstand, überall durch die hier
zu Grunde gelegten Begriffe ausgedrückt und auch sonst in mancher
Hinsicht die dortige Betrachtungsweise berücksichtigt.
2.
Das der Rechnung zu Grunde gelegte Gesetz.
Es bezeichne t die Zeit, x, y, z rechtwinklige Coordinaten, q die
Dichtigkeit der Spannungselectricität zur Zeit' t im Punkte {x, y, z),
u den 47rten Theil des (Gauss'schen) Potentials aller wirkenden
electrischen Massen im Punkte (x, y, z) zur Zeit ^, also die Grösse
1 r Q dx dy dz
wenn q dx dy dz die Spannungselectricität des Elements dx' dy dz zur
Zeit t bedeutet. Man hat dann
Die hier anzuwendenden Gesetze für die Bewegungen der Electrici-
tät im Innern eines homogenen ponderabeln Körpers unter den er-
wähnten Umständen sind nun folgende:
I. Die electromotorische Kraft im Punkte (x, y, z) zur Zeit t
setzt sich zusammen aus zwei Bestandtheilen, aus einem dem Coulomb'-
schen Gesetz gemässen, dessen Componenten proportional
du du du
dx' d y^ dz
sind, und einem andern, dessen Componenten proportional sind
dQ dg dQ
X cy Gz
so dass ihre Componenten gleichgesetzt werden können
_fi«_^^|i, _|^_^^|i, _|if_^^?i,
ex ^^ dx dy ^^ dy dz ^^ cz
wo j3/3 nur von der Natur des ponderabeln Körpers abhängt.
IL Die Stromintensität ist der electromotorischen Kraft propor-
tional, also
wenn a eine von der Natur des ponderabeln Körpers abhängige Con-
stante und |, rj, g die Componenten der Stromintensität sind.
in electrischen Bindungsapparaten. 3-47
Mit Zuziehung der phoronomischen Gleichung
It < fk f l'j + I? = 0
erhält man daher für u die Gleichungen
und
oder, wenn man die Länge ß und die Zeit a zur Einheit nimmt,
a^ ^ ^ \dx^' ^ cy'^ dzV ^'
Dies giebt für u eine partielle Differentialgleichung, welche in
Bezug auf t vom ersten^ in Bezug auf die Raumcoordinaten vom vier-
ten Grade ist, und um von einem bestimmten Zeitpunkte an it allent-
halben im Innern des ponderabeln Körpers zu bestimmen, werden
ausser dieser Gleichung noch eine Bedingung in jedem Punkte des-
selben für die Anfangszeit und für die Folge in jedem Oberflächen-
punkte zwei Bedingungen erforderlich sein.
*) Hienach sind die Gleichungen für das Gleichgewicht (in einem electrisirten
isolirten Leiter)
dx ^^ dx cy oy dz ^^ dz '
oder
für die Stromausgleichung oder das bewegliche Gleichgewicht im Schliessungs-
bogen constanter Ketten
dt
oder
Wenn die Länge ß gegen die Dimensionen des Körpers sehr klein ist, so nimmt
u — const. im ersteren Falle, und q im zweiten von der Oberfläche ab sehr schnell
ab und ist im Innern allenthalben sehr klein, und zwar ändern sich die Grössen
mit dem Abstände p von der Überfläche, so lange deren Krümmungshalbmesser
gegen ß sehr gross bleibt, nahe wie e ^. Dieser Fall wird bei den metaUischen
Leitern angenomen werden müssen.
348 XX. Neue Theorie des liückbtandes
3.
Plausible Auffassung dieses Gesetzes.
Das Bewegungsgesetz der Electricifät ist unter voriger Nummer durch Be-
griffe, welche jetzt in der Lehre von der Electricität gebräuchlich sind, aus-
gedrückt worden. Diese Auffassung desselben ist jedoch einer Umarbeitung
fähig, durch welche, wie es scheint, ein etwas treueres und vollständigeres
Bild des wirklichen Zusammenhangs gewonnen wird.
Statt eine Ursache anzunehmen, welche im Punkte {x, y, z) die positive
Electricität in den Richtungen der drei Axen mit den Kräften
und die negative mit den entgegengesetzten treibt, kann man auch eine Ur-
sache annehmen, welche im Punkte {x^ y, z) die positive Electricität mit dei
Intensität §ßQ zu vermindern und die negative zu vermehren strebt, und diese
Ursache kann man in einem Widerstreben des Ponderabile gegen das Ent-
halten von Spannungselectricität oder den electrischen Zustand suchen.
Ebenso kann man auch die electromotorische Kraft, deren Componenten
du du du
dx^ d y ^ dz
sind, durch eine Ursache von der Intensität u im Punkte {x, y, z) ersetzen
welche die Dichtigkeit der Electricität gleichen Zeichens zu vermindern unt
die der entgegengesetzten zu vermehren strebt.
Es ist aber dann, um der Grösse q eine reelle Bedeutung zu geben, nich1
nöthig zweierlei Electricitäten anzunehmen und q dx dy dz als den Ueberschuss
der positiven Electricität des Elements dxdydz über die negative zu betrach
ten, sondern man kann im Wesentlichen zu der Franklin 'sehen Auffassung'
der electrischen Erscheinungen zurückkehren, am einfachsten wohl durch fol
gende Annahme:
Das Ponderabile, welches Sitz der Electricität ist, erfüllt den Raum stetig*)
und mit gleichmässiger electrischer Capacität, welche seinem Leitungs-
widerstände umgekehrt proportional ist, und von welcher die Dichtigkeit de:-
wirklich in ihm enthaltenen Electricität immer nur um einen unmerklich klei
nen Bruchtheil abweicht. Bei überschüssiger oder fehlender Electricität (positive
oder negativer Spannungselectricität) geräth das Ponderabile in einen positi'
oder negativ electrischen Zustand, vermöge dessen es die Dichtigkeit der in ihm
enthaltenen Electricität zu vermindern oder zu vermehren strebt und zwar mii
einem Drucke, welcher gleich ist der Dichtigkeit seiner Spannungselectricität, ^
multiplicirt in einen von der Natur des Ponderabile abhängigen Factor (sein
antelectrische Kraft). Ihrerseits geräth bei auftretender Spaunungselectricita',
*) Auf einem andern Blatt findet sich hierzu fol i, ende Bemerkung: Insofern die
Ponderabile (Kupfer, Glas) als Sitz der Electricität betrachtet und ihm eine be
stimmte electrische Capacität und ein bestimmter Leitung.^widerstand beigeleg
wird, muss als von ihm eingenommener Raum der ganze Raum, in welchem sicl
die specifische Eigenthümlichkeit desselben geltend macht, nicht etwa der Or
von Kupfer- oder Glasmoleculen angesehen werden.
in electrischen Bindungsapparaten. 349
die Electricität in einen Zustand, Spannung, vermöge dessen sie ihre Dich-
tigkeit zu vermindern (oder bei negativer Spannung zu vermehren) strebt und
dessen Grösse u in jedem Augenblicke abhängt von sämmtlichen Massen Span-
nungselectricität nach der Formel
1 r q' dx dy dz
oder auch vermittelst des Gesetzes
d'^u d^u d^u _
d^^'^ dj^'^ dV^~ ~ ^
und der Bedingung, dass u in unendlicher Entfernung von Spannungselectricität
unendlich klein bleibt. Die Electricität bewegt sich gegen die ponderabeln Kör-
per mit einer Geschwindigkeit, welche in jedem Augenblicke der aus diesen
Ursachen hervorgehenden electromotorischen Kraft gleich ist.
Uebrigens müssen diese Bewegungsgesetze der Electricität, wenn deren Ver-
hältniss zu Wärme und Magnetismus in Rechnung gezogen werden soll, vor-
bemerktermassen selbst noch abgeändert und umgeformt werden, und dann
wird eine veränderte Auffassung dieser Erscheinungen nöthig.*)
4.
Behandlung des Problems der Rüekstandsbildung. Ausdruck der
zu bestimmenden Grössen durch das Potential.
Indem ich mich nun zur Untersuchung der Rückstandsbildung
wende, beschäftige ich mich zunächst damit, die zu bestimmenden
Grössen durch das Potential, oder vielmehr, was die Rechnung ver-
einfacht, durch die ihm proportionale Function « auszudrücken. Zu
grösserer Bequemlichkeit für die an abstracte Grössenbetraclitung min-
der gewöhnten Physiker habe ich das Potential als das Mass einer
Ursache, Spaimung, betrachtet, welche die Dichtigkeit der Electricität
im Punkte (a;, y, z) zu vermindern strebt, und diese im Punkte
(a;, 2/, z) = w, also die Componenten der durch sie bewirkten electro-
motorischen Kraft
du du du
d x"* dy^ cz
gesetzt. Man muss dann als Spannungseinheit die im Innern einer
Kugel vom Radius 1 durch auf der Oberfläche vertheilte Electricität
von der Dichtigkeit 1 entstehende Spannung annehmen oder als Ein-
heit der electromotorischen Kräfte die von der Masse 4;r in der Ent-
*) Dieser ganze Artikel ist im Manuscript durchgestrichen, wahrscheinlich
nur aus dem Grunde, weil der Verfasser durch die Eigenthümlichkeit der hier
vorgetragenen Auffassung, welche auf das Innigste mit seinen naturphilosophischen
Principien zusammenhängt, bei den Physikern damals Anstoss zu erregen be-
fürchtete.
350 XX. Neue Theorie des Rückstandes
fernungseinheit erzeugte. Zur Vereinfacliung der Rechnung ist fernei
als Zeiteinheit «, als Längeneinheit ß eingeführt worden; macht mar
die Einheit der electromotorischen Kräfte auf die hier angenommene
Weise von der electrisehen Masseneinheit abhängig^ so sind a und ßß
electromotorische Kraft\
die Maasse für den Leitungswiderstand ( =
Stromintensität
,. ,-,,•■, -rr n, f Druck des Ponderabile \ ,
die antelectrische Kratt I == ^. , ,. ., — r, — -, 5 -, — , . .,..-7 I de;-
\ Dichtigkeit der fepannungselectricitat/
ponderabeln Sitzes.
Zur Discussion der vorliegenden Beobachtungen genügt die Lö
sung der Aufgabe: die Aenderungen der Spannungselectricität im Li
nern einer überall gleich dicken homogenen Wand zu bestimmen^ wem
die Oberflächen mit vollkommenen Leitern belegt sind^ gleiche Mengei
entgegengesetzter Electricität empfangen und keine electromotorischt
Kraft besitzen (keine Contactwirkung in ihnen stattfindet), und ihrt
Dimensionen gegen die Dicke der Wand als unendlich gross betrachtei
werden dürfen (d. h. der Einfluss des Randes und der Krümmung ver-
nachlässigt werden darf).
Legt man den Anfangspunkt der Coordinaten in die Mitte de]
Wand, die x-Axe auf ihre Oberflächen senkrecht und bezeichnet ihre
halbe Dicke durch a, so wird der Ausdruck für die Wand a > ^ > — a
u eine blosse Function von x und
^ cx-
folglich
unc
J ^^''-(ji).-(!rX''
Die zwischen zwei Werthen von x über der Flächeneinheit enthalten*^
Electricitätsmenge ist also, geometrisch ausgedrückt, gleich der Diffe
renz zwischen den Tangenten der Neigungen der Spannungscurv^e, d. h
der Curve, deren Ordinate für die Abscisse x gleich u ist; diese Curv«
ist gerade, wo keine Spannungselectricität vorhanden ist, nach oben
(oder für Orte mit grösseren Ordinaten) convex, wo positive, nach
unten, wo negative stetig vertheilt ist, und gebrochen für einen Wertli
von X, bei welchem eine endliche Menge angehäuft ist.
Die durch eine Ladung erzeugte oder durch eine Entladung ver
nichtete Spannung wird daher stets dargestellt durch eine Curve vo]
der Form Ä, d. h. ist sie in den Belegungen Ua, U—a i-^iifl folglich h
der Mitte
Ua + U—a
in electrischen Bindungsapparaten.
351
SO ist sie im Innern
^^) + - («'« — ^^o) •
Durch das Eindringen der Electricität in's Innere erhält die Spannungs-
ciirve die Form B. Für die Flächeneinheit ist die Gesammtmenge
der geschiedenen Electricitäten gleich der Tangente ihrer Neigung in
der Mitte
das electrische Moment
+ «
vJo
jQXdX = Ua - U-a - « {^^ ^ + (^)_^) = «« " U-a ,
- — rt
also gleich der Spannungsdifferenz der Oberflächen.
Durch eine Entladung wird die Spannung in den Belegungen
aufgehoben. Die vernichtete Spannung ist daher in den Belegungen
= Ua, II-
im Innern
die disponible Ladung für die Flächeneinheit
die bleibende Spannung im Innern
= U — U^ — ^(Ua — %),
und für die Flächeneinheit der verborgene Rückstand
= (-)
— —(Ua — tQ,
0 «
die der Oberfläche (x = d) durch die Entladung mitgetheilte Electrici-
tätsmenge
a
A B C B
1) Spannungscurve der Gesammtladung
2) „ der disponiblen Ladung
3) „ des Rückstandes.
Gesammtladung: = ac, disponible Ladung: ah, Rückstand
hc.
352 ^^- Neue Theorie des Rückstandes
5.
Lösung der Aufgabe im einfachsten Falle, wo kein Ab- und Zufluss
durch die Oberflächen stattfindet.
Nach dieser Uebersicht und geometrischen Darstellung der ge-
suchten Grössen gehe ich zu ihrer Bestimmung durch Rechnung nach
dem angegebenen Gesetze über. Ich behandle zunächst den Fall, wo
anfangs im Innern keine freie Electricität vorhanden ist, und den
Oberflächen auf der Flächeneinheit die Masseneinheit mitgetheilt wird,
später aber kein Ab- und Zufluss durch die Oberflächen stattfindet.
Die Bedingungen zur Bestimmung von tt sind:
M^ t>0, a> x> —a -^^^ — Q, —- -\- Q — — = 0
;>0,x=±« g^ = 0, g^ + g^, = 0
welche letzteren ausdrücken, dass in den Oberflächen sowohl die
Electricitätsmengen, als der Durchfluss, und folglich die electromotorische
Kraft = 0 sein soll.
Diesen Bedingungen genügen zwei Ausdrücke, der eine für kleine,
der andere für grosse Werthe von t brauchbar.
Setzt man zur Abkürzung
J
und
00
J
so genügt erstens
zweitens
Die hieraus sich ergebenden Bestimmungen sind:
für die Vertheilung der Electricität^')
*) Vergl. JacobiFundamenta nova theoriae functionum ellipticarum. §§. 61,6o
in electrischen Bindungöappaiaten. 55S
_ (a(2n-— 1) — X)» (a{2n — l)-|-x)2
^ = - S = Ä 2(- ^)"-<«"~^"~- '"^""^
für die Gesammtladung
für die disponible Ladung
2
TT TT
für den Rückstand
e
* 10 u\
du\ Ua — 1*— a
2a
e ^^ aa
Zurückführ iing der allgemeinen Aufgabe auf diesen einfachsten Fall.
Um auf diesen einfachsten Fall den Fall zurückzuführen, wo Ab-
und Zufluss durch die Oberflächen stattfindet^ bezeichne %{t) den Aus-
druck für die Spannungsdifferenz u — u^ zur Zeit t in diesem ein-
fachsten Falle; für negative Werthe von t sei %{{) = 0.
Soll nun die Spannung bestimmt vrerden, welche entsteht, wenn
den Oberflächen {x = + a) zur Zeit 0 die Mengen + ii, darauf zur
Zeit t' die Mengen + ^i , zur Zeit t" die Mengen + ^" , . . . mitgetheilt
werden, so hat man
^ - ^<o = ^xit) + iix(t - n + i^"%(t - n -f . . . ;
denn dieser Werth genügt sämmtlichen zu seiner Bestimmung ge-
gebenen Bedingungen.
Findet ein stetiger Ab- und Zufluss von Electricität statt, so wird
^'o=fx{t-r)'^d.
Hif.mann's gesammelte matliematische Worke. I. 23
$54 X.X. Neue Theorie des Rückstandes
wenn + T~ ^^ ^i^ i^ Zeitelement dx durch die Oberflüche (x = + o)
nach Innen strömende Electricitätsmenge bezeichnet.
Beide Ausdrücke kann man zusammenfassen in dem Ausdruck
t
''o= / %(i'—'^)ä^:
wenn man durch + ä^i die im Zeitelement dx auf der Oberfläche
(ä" = + a) hinzukommende Electricitätsmenge bezeichnet^ wo diese
dann einen endlichen Werth hat oder dx proportional ist, je nachdem
eine plötzliche Ladung oder Entladung, oder ein stetiger Ab- oder
Zufluss stattfindet.
Aus diesem Ausdrucke für die Spannung folgt
Qt
= JQf^rd^, Lt= l Lt-td^i, rt= Irt-td^.
Ü - 0 0
In diesen Formeln sind die Zeiten in Theilen von a, die Längen
in Theilen von ß ausgedrückt; um bekannte Maasse einzuführen, hat
man nur a und x durch ,, ; ,, : t und x durch —j zu ersetzen.
7.
Vergleichung der Rechnung mit den Beobachtungen.
Um nun die erhaltenen Formeln mit dem wirklichen Verlaufe der
Rückstandsbildung zu vergleichen, wie er durch die in Poggendorff's
Annalen veröfi'entlichten Messungen des Herrn Professor Kohlrauscli
mit so grosser Genauigkeit festgestellt worden ist, geht man wohl am
zweckmässigsten von der Thatsache aus, dass die Ladungscurve einer
Parabel nahe kommt mit allmählich abnehmendem Parameter, d. h.
dass die Grösse -'^ ,_, ^- langsam abnimmt.
yt °
Zufolge der für Lt abgeleiteten Formel ist L^ — Lt für sehr kleine
Werth e von t proportional yt und zwar
yt ^ yn y aaoc
Zufolge der Messungen muss man annehmen, dass diese Proportionalität
näherungsweise noch während der Beobachtungen stattfindet.
Man wird daher die Zeit ^a in roher Annäherung aus den Be-
obachtungen bestimmen können, und dann ist in der That
t
7 * r>« 7*
■Lo — e lA
in electrischen Bindungsapparaten. 355
eine Function, welche mit wachsendem t langsam abnimmt. Nichts-
destoweniger würde ^" mit wachsendem t zunehmen, wenn man
— einen merklichen Werth beilegte. Dasselbe scheint sich auch zu
ergeben, wenn man einen beträchtlichen Verlust durch die Luft an-
nimmt, wenigstens wenn man dafür das Coulom bische Gesetz zu
Grunde legt.
Man wird daher für die erste Bearbeitung der Beobachtungen die
Zeit a (d. h. den Leitungswiderstand des Glases für die dem Coulom bi-
schen Gesetz gemässen electromotorischen Kräfte) unendlich gross an-
nehmen, den Verlust durch die Luft vernachlässigen und sich zunächst
darauf beschränken müssen, zu untersuchen, in wie weit sich durch
gehörige Bestimmung von -^a den Beobachtungen genügen lässt.
Sobald man sich überzeugt hat, dass die Voraussetzungen der
Rechnung näherungs weise richtig sind, ist eine schärfere Vergleichung
der Rechnung mit den Beobachtungen verlorene Arbeit, wenn man
nicht die Gelegenheit hat, die Quellen der Differenzen zwischen Rech-
nung und Beobachtung an der Hand der Erfahrung aufzusuchen, um
die wegen der Abweichungen von den Voraussetzungen der Rechnung
nöthigen Correctionen anzubringen. Da mir nun zu einem experi-
mentellen Studium des Gegenstandes die Mittel fehlen, so musste ich
von einer weiteren Verfolgung desselben vorläufig abstehen.
8.
Verhältniss dieses Problems zur Electrometrie und zur Theorie
verwandter Erscheinungen.
Die Grösse -— , bei der Flasche h etwa — — , giebt den Quotien-
aaa^ 2000' ^
antelectrische Kraft , ^, i t^i i . ^ ^ > nr
ten v^" .- — -■ r- des Glases der Jb lasche m absolutem Mass,
Leitungswiderstand
wenn als Längeneinheit die Flaschendicke, als Zeiteinheit die Secunde
angenommen wird. Für diese Bestimmung ist es gleichgültig, wie
man die Einheit der electromotorischen Kräfte von der Einheit der
electrischen Massen abhängig macht; die Constanten a und ßß wür-
den aber den Leitungswiderstand und die antelectrische Kraft in einem
andern Masse als dem Web er 'sehen geben, wo die Einheit der electro-
motorischen Kräfte durch die dem Ampere'schen Gesetz gemässen
Wirkungen der Masseneinheit festgesetzt wird.
Zur. Vergleichung des hier untersuchten Falles mit den Erschei-
nungen an guten Leitern kann die Betrachtung des Beharrungszustandes
356 X.X. Neue Theorie des Rückstandes in electrischen Bindimgsapparaten.
bei constant erhaltener Spannungsdifferenz der Oberflächen (oder con-
stantem Zufluss) dienen. Für diesen ist
die Dichtigkeit im Innern: Q = — ^^^ = e^' — e~^,
ex
die Spannung: xt = u^ — &" -]- e-"" -\- x {&' + <^~")?
die Spannungsdifferenz der Oberflächen:
Ua — u-a = 2 (a(e« + e-«) — (ß« — e"«)) .
die Gesammtladung : (p, *) == e« -(- e— « — 2,
\(J X/ Q
der Kuckstand: I ^ ) — — = — _- — — 2,
\c.v/q 2 a a '
die in der Zeiteinheit durchfliessende Menge:
oder gleich proportionalen Grössen , wobei zur Vereinfachung, wie oben,
als Zeiteinheit a, als Längeneinheit ß, als Spannungseinheit die Span
nung im Innern einer Kugel vom Radius 1 bei auf der Oberfläche
vertheilter J]lectricität von der Dichtigkeit 1 angenommen ist.
Besonders wichtig scheint mir die Prüfung des vermutheten Ge
setzes und eventualiter die J^estimmung der Constanten a und ß bei
den Gasen zu sein. Die Beobachtungen von Riess*) und Kohlrausch**),
nach welchen für den Electricitätsverlust an die Luft in einem ge
schlossenen Räume das Gesetz Coulomb^s nicht gilt, können vielleicht
als Ausgangspunkt für diese Untersuchung dienen und es wäre fü •
dieselben wohl zunächst ein System von Messungen über den Electri
citätsverlust im Innern eines einigermassen regelmässigen geschlossenem
Raumes zu wünschen.
*) Pogg. Ann. Bd. 71. pag. 359,
**) Pogg- Ann. Bd. 72. pag. 374.
XXL
Zwei allgemeine Sätze über lineare Differentialgleichungen
mit algebraischen Coefficienten.
(20. Febr. 1857.)
Bekanntlich lässt sich jede Lösung einer linearen homogenen
Differentialgleichung nter Ordnung in u von einander unabhängige
particulare Lösungen linear mit constanten Coefficienten ausdrücken.
Sind die Coefficienten der Differentialgleichung rationale Functionen
der unabhängigen Veränderlichen x, so wird jeder Zweig der, allgemein
zu reden, vielwerthigen Functionen, welche ihr genügen, sich linear
mit constanten Coefficienten in n für jeden Werth von x eindeutig
bestimmte Functionen ausdrücken lassen, welche freilich dann längs
eines gewissen Liniensystems unstetig sein müssen. Sind die Coef-
ficienten aber algebraische Functionen von x, welche sich rational in
X und eine ft-werthige algebraische Function von x ausdrücken lassen,
so gehört zu jedem Zweig dieser fi-werthigen Function eine Gruppe
von n von einander unabhängigen particularen Ijösungen, so dass in
diesem Falle jeder Zweig einer Lösung der Differentialgleichung als
ein linearer Ausdruck von höchstens ^n eindeutigen Functionen sich
darstellen lässt, welcher aber von ihnen immer nur n einer Gruppe
angehörige enthalten wird. Aus diesen Vorbemerkungen wird man,
da sich jede nicht homogene lineare Differentialgleichung leicht in eine
homogene von der nächst höhern Ordnung verwandeln lässt, ersehen,
dass die folgenden Sätze alle linearen Differentialgleichungen mit al-
gebraischen Coefficienten umfassen.
Es seien y^, !/2;---)2/« Functionen von x, welche für alle com-
plexen Werthe dieser Grösse einändrig und endlich sind, ausser für
a, &, c, .., g, und welche durch einen Umlauf des x um einen dieser
Verzweigungswerthe in lineare Functionen mit constanten Coefficienten
von ihren früheren Werthen übergehen.
Zu ihrer näheren Bestimmung scheide man die Gesammtheit der
complexen Werthe in zwei Gebiete durch eine in sich zurücklaufende
358 XXI. Zwei allgemeine Sätze über lineare Differentialgleichungen
Linie, die der Reihe nach durch sämmtliche Verzweigungswerthe
{g,..j c, h, a) geht, so dass in jedem dieser Gebiete die Functionen
völlig gesondert und stetig verlaufen, und betrachte die Werthe der
Functionen in dem auf der positiven Seite dieser Linie liegenden Ge-
biete als gegeben. Durch einen positiven Umlauf des x um a gehe
nun y^ in E A^l^ji'^ ij^ in ZÄf^yi, ...; ?/„ in ZA^^^yi über und ähn-
2 = 1 * "
lieh durch einen positiven Umlauf am h yv in UB^py,-, etc., durch
einen positiven Umlauf um g y,, in ZG! yi.
Bezeichnet man nun zur Abkürzung das System der w Werthe
(^15 2/2; ••;!/«) durch (y) das System der wn Coefficienten
12 n
j(n) j(w) ^ ^ ^ jin)
1 2 * * * n
durch (Ä)j das System der B durch (_B), . . ., der G durch (G), und
die aus (i/) mittelst des Coefficientensystems (Ä) gebildeten Werthe
£Äf\j,-, 2:Af^y,, ..., ZA^fy, durch {A)(xj„ y,,.., y„) = {Ä){y), so
findet zwischen diesen Coefficientensystemen die Gleichung
(1) {G){F)...{B){A) = (p)
statt, wenn man durch (0) ein Coefficientensystem bezeichnet, das
nichts ändert, oder in welchem die Coefficienten der abwärts nach
rechts gehenden Diagonale = 1 und alle übrigen = 0 sind. In der
That, durchläuft x die ganze Grenzlinie so, dass es sich von einem
Verzweigungswerth zum folgenden auf der positiven Seite bewegt, dann
aber jedesmal um diesen Verzweigungswerth positiv herum, so gehen
die Functionen {y) nach und nach m{G){ij), {G)(F)(y), schliesslich in
(G)(F) ..(B)(Ä){y) über. Es hat aber denselben Erfolg, wenn x die
negative Seite der Grenzlinie oder die ganze Begrenzung des negativer-
seits liegenden Gebiets durchläuft, wobei (y^, y^^ .., y«) ihre früheren
Werthe wieder annehmen müssen, da sie in diesem Gebiet allenthalben
einändrig sind.
Ein System von n Functionen, welches die eben angegebenen Eigen-
schaften hat, werde durch
bezeichnet.
Man betrachte nun als zu einer Klasse gehörig sämmtliche Systeme,
für welche die Verzweigungswerthe und die um sie stattfindenden
init algebraischen Coefficienten.
359
Substitutionen gegebene der Gleicliung (Ij genügende Wertlie haben,
was, wie sich bald ergeben wird, für unendlich viele Systeme der Fall
ist. Nach einem leicht zu beweisenden, von Jacobi vielfach ange-
wandten Satze lässt sich jede Substitution, allgemein zu reden, in drei
Substitutionen zerlegen, von denen die letzte die inverse der ersten ist,
und in der mittleren die Coefficienten ausser der Diagonale sämmtlich
= 0 sind, so dass durch sie jede von den Grössen, auf welche sie
angewandt wird, nur einen Factor erhält. Es lässt sich also z. B.
(Ä) = («)
Ai, 0 .. 0
0, A^.. 0
(«)-i
, 0, 0 . . A, .
setzen, wenn («)~^ die inverse Substitution von (a) bezeichnet. Die
Grössen l werden dabei die ^Wurzeln einer durch (Ä) völlig bestimm-
ten Gleichung nien Grades. Für den Fall, dass diese Gleichung gleiche
Wurzeln hätte, müsste man der mittleren Substitution eine etwas ab-
geänderte Form geben; wir wollen aber zur Vereinfachung diesen Fall
vorläufig ausschliessen und annehmen, dass er bei der Zerlegung der Sub-
stitutionen (Ä), (B), . . . , (G) nicht eintritt. Die Substitution (a) kann in
(«)
0, k,..o
.0, 0,..l„
durch Hinzufügung einer nur multiplicirenden Substitution verwandelt
werden; in dieser Form aber sind, wie die Gleichungen, durch welche
sie bestimmt wird, zeigen, alle möglichen Werthe derselben enthalten.
Durch einen positiven Umlauf des x um a gehen die Werthe der
Functionen y aus (Piy P2j • -, Pn) i^^ {^)(p) über. Die Werthe der durch
die Substitution {cc)~^ aus (y) gebildeten Functionen
gehen daher aus {cc)~^(p) in
(«)-'(^)(p) =
., z>
0 = («)-K2/)
A„0,
0, L,
(ay^(p)
0,0, .An
über, oder (z^, z.,, . ., ^„) in {X,2,, A.^^; • '.L^n)-
Wenn eine Function z durch einen positiven Umlauf des x um a
den Constanten Factor A erhält, so kann sie durch Multiplication mit
einer Potenz von (x — a) in eine Function verwandelt werden, die in
der Umgebung von a einändrig ist. In der That erhält (x — ay durch
360 XXI. Zwei allgemeine Sätze über lineare Differentialgleichungen
einen positiven Umlauf des x um a den Factor cf'^^'] bestimmt man
also ^ so dass e^'^'^' = A, oder setzt man ^ == ^^, so wird ^(x — «)--"
eine für x = <i einändrige Function. Diese Function lässt sich also
nach ganzen Potenzen von (x — a) entwickeln, und z selbst nach Po-
tenzen, die sich von ^ um ganze Zahlen unterscheiden.
Demnach sind 0^, z^, . .^ Zn nach Potenzen von x — a entwickel-
bar, deren Exponenten in der Form
logXj , log^2 , log^« ,
Im ' ' 27r^ ' ^ ' 27e* '
enthalten sind, wenn m eine ganze Zahl bedeutet. Wir wollen nun
annehmen, dass die Functionen %j nirgends unendlich von unendlich
grosser Ordnung werden, so dass diese Reihen auf der Seite der fallen-
den Potenzen abbrechen müssen, und bezeichnen durch ft^, ft^, . ., fi„
die niedrigsten Potenzen in diesen Reihen, so dass
endliche von 0 verschiedene Werthe haben. Offenbar kann die Diffe-
renz zweier von den Grössen ^i, /u,^,, .., ft« nie eine ganze Zahl sein,
da die Werthe der Grössen A^, A^, . ., A„ sämmtlich von einander ver-
schieden sind; dagegen werden die Werthe der entsprechenden Ex-
ponenten bei zwei zu derselben Klasse gehörigen Systemen sich nur
um ganze Zahlen unterscheiden können, da die Grössen A^, A^, .., A„
durch (^) völlig bestimmt sind. Diese Exponenten können dazu die-
nen, die verschiedenen Functionensysteme derselben Klasse von einan-
der zu unterscheiden, oder doch sie zu gruppiren, und es genügt, wenn
sie bekannt sind, statt (^) die Substitution («) anzugeben, da die
Grössen A^, Ag,.., A« schon durch sie bestimmt sind: wir werden uns
daher zur genaueren Charakteristik des Systems (2/1, 2/2? • •; 2/«) des Aus-
drucks
a h ... g
(«)(/3)...(^)
Q\ H^ v^ ... Q^ X
. y^n Vn '" Qn
bedienen, in welchem die Grössen der übrigen Verticalreihen für die
Verzweigungswerthe h,..,g die analoge Bedeutung haben sollen, wie
die der ersten für a. Es liegt dabei auf der Hand, dass jedes System
als ein specieller Fall eines andern betrachtet werden kann, in welchem
die entsprechenden Exponenten zum Theil oder sämmtlich niedriger sind.
Es ist nun nicht schwer zu beweisen, dass zwischen je n -(- 1 Sy-
stemen, die derselben Klasse angehören, eine lineare homogene Glei-
mit algebraischen Coefficienten. 361
chung mit ganzen Functionen von x als Coefficienten stattfindet. Wir
unterscheiden die entsprechenden Grössen in diesen n + 1 Systemen
durch obere Indices. Nehmen wir an, dass zwischen ihnen die /? Glei-
chungen stattfinden:
so müssen die Grössen a^, «i, . ., ein proportional sein den Determinanten
der Systeme, welche man erhält, wenn man in dem Systeme der
n{n + 1) Grössen tj der Reihe nach die Ite, 2te, . .,n + Ite Vertical-
reihe weglässt. Eine solche Determinante E + tfl^ yf - - y'^^ erhält
durch einen positiven Umlauf des x um ^a den Factor Det. (Ä) und
kann für x = a nicht unendlich von unendlich grosser Ordnung wer-
den; sie lässt sich also nach um 1 steigenden Potenzen von x — a
entwickeln. Um den niedrigsten Exponenten in dieser Entwicklung zu
bestimmen kann diese Determinante in die Form gesetzt werden
Det.(«)^±^;^^/;^.^;:^
In letzterer Determinante ist das erste Glied
multiplicirt in eine Function, die für x = 0 einen endlichen und von 0
verschiedenen Werth hat. Der niedrigste Exponent in der Entwick-
lung dieses Gliedes nach Potenzen von {x — a) ist daher
(1) I (2) , , {n)
und hieraus erhält man durch Permutation der oberen Indices die nie-
drigsten Exponenten in den Entwicklungen der übrigen GHeder. Offenbar
ist der gesuchte Exponent allgemein zu reden gleich dem kleinsten von
diesen Werthen und jedenfalls nicht kleiner. Bezeichnen wir den klein-
sten dieser Werthe durch ^, den ähnlichen Werth für den zweiten
Verzweigungswerth durch v,..., für den letzten durch p, so ist
eine Function von x, welche für alle endlichen complexen Werthe ein-
ändrig und endlich bleibt und für x = oo unendlich gross höchstens
von der Ordnung — (^ -{- v -{ \- q) wird, folglich eine ganze Function
höchstens vom Grade — (f* + ^ + • • + (>)• Diese Grösse muss daher,
3G2 XXI. Zwei allgemeine Sätze über lineare Differentialgleichungen
wenn die Function nicht identisch verschwindet^ eine ganze, nicht
negative Zahl sein.
Die partiellen Determinanten, welchen die Grössen a^, a^, . ., a^ pro-
portional sind , verhalten sich demnach wie ganze Functionen, multipli-
cirt mit Potenzen von x — a, x — b, . ., x — g, deren Exponenten in
den verschiedenen Determinanten sich um ganze Zahlen unterscheiden.
Die Grössen o^, a^,.., a,^ verhalten sich daher selbst wie ganze
Functionen und können in den Gleichungen (2) durch diese ersetzt
werden, wodurch man den zu beweisenden Satz erhält.
Die Derivirten der Functionen y^yV-iy * -y Vn nach x bilden offenbar
ein derselben Klasse angehöriges System, denn die Dijfferentialquotienten
der Functionen {Ä){\j^, y.^, . ., ?/„), in welche {y^, tj.^, . ., y^) durch einen
positiven Umlauf des x um a übergehen, sind
^ ^ \dx ^ dx ^ ^ dx /
da die Coefficienten in {A) constant sind. Durch diese Bemerkung
erhält man aus dem eben bewiesenen Satz die beiden Corollare:
„Die Functionen y eines Systems genügen einer Differentialgleichung
nter Ordnung, deren Coefficienten ganse Functionen von x sind."
und :
„Jedes derselben Klasse angchörige System lässt sich in diese Functionen
und ihre n — 1 ersten Differentialquotienten linear mit rationalen
Coefficienten ausdrüchen.'^
Mit Hülfe des letzteren lässt sieb ein allgemeiner Ausdruck für
sämmtliche Systeme einer Klasse bilden, aus welchen man sofort sehen
würde, dass die Anzahl sämmtlicher Systeme, wie oben behauptet,
unendlich ist; es soll indess hier nur angewandt werden zur Aufsuchung
aller Systeme, in welchen nicht bloss die Substitutionen, sondern auch
die Exponenten dieselben sind. Für ein beliebiges S^^stem F^, ¥2, ..., Y^
mit denselben Substitutionen und denselben Exponenten wie ^1, 2/2; ••; ^n
hat man nach demselben, wenn man die Derivirten nach Lagrange
bezeichnet, w lineare Gleichungen von der Form:
Co Y, = h^yi + hy^ H V'^n-iy^
<^o5^2 = ^o?/2 + hy'^ H 1- '^n-iy\
(n-l)
(^o'Yn = \yn + \y,^ H h 'bn-iy^^ '^
wobei die Coefficienten ganze Functionen von x sind. Die Function
c^ hängt nur von den Functionen y ab, und für den Grad der
Functionen h ergiebt sich ein endliches Maximum, so dass sie nur eine
endliche Anzahl von Coefficienteja habeji. Damit umgekehrt die aus
mit algebraischen Coefficienton. ^ 363
diesen Gleichungen sich ergebenden Functionen 1\, Y2J -f ^ri die ver-
langten Eigenschaften haben, müssen diese Coefficienten so beschaffen
sein, dass für die Verzweigungswerthe ihre Exponenten nicht niedriger
sind als die der Functionen y und dass sie für alle anderen Werthe
von X endlich bleiben. Diese Be,dingungen liefern für die Coefficienten
der Potenzen von x in den Functionen h ein System linearer homogener
Gleichungen. Die Auflösung dieser Gleichungen ergiebt, wenn sie zur
Bestimmung der Coefficienten hinreichen, als allgemeinsten Werth der
Functionen (Y) den Werth const {ij), wenn dies nicht der Fall ist,
aber einen Ausdruck von der Form:
mit den willkürlichen Constanten A', /ti, ...^Jim- Von diesen willkür-
lichen Constanten kann man eine nach der andern als Function der
übrigen so bestimmen, dass das Anfangsglied in der Entwicklung einer
der Functionen {a)-'(Y), {ß)-'(Y), . ..,{d-)-'{Y) Null wird, wodurch
die Exponentensumme jedesmal wenigstens um eine Einheit erhöht
wird, so dass schliesslich die Exponentensumme wenigstens um m er-
höht und die Anzahl der willkürlichen Constanten um ebenso viel ver-
mindert ist. Auf diese Weise kann man aus jedem Systeme von
w Functionen ein anderes mit höheren Exponenten ableiten, welches
durch die Substitutionen und die Exponenten in seiner Charakteristik
bis auf einen allen Functionen gemeinschaftlichen constanten Factor
völlig bestimmt ist. Es werde nun auch dieser Factor dadurch be-
stimmt, dass man den Coefficienten der niedrigsten Potenz von x — a
in der Entwicklung der ersten von den Functionen {cc)~^(y) gleich 1
setzt, so dass die Functionen y eindeutig bestimmt sind.*)
Man hat dann nur nöthig scharf aufzufassen, wie sich der Verlauf dieser
Functionen mit der Lage eines der Verzweigungswerthe, z. B, a ändert, um
zu dem Satz zu gelangen, dass die Grössen y ein ähnliches System von
Functionen wie von x auch von a bilden mit den Verzweigungswerthen
h, c, d, . . . , <7, .1' und Substitutionen die aus (yl), (B), . . ., (F) zusammengesetzt
sind. Für den Fall, dass es unmöglich ist, die Functionen mit a so zu än-
*) Bis hierher reicht ein vollständig ausgearbeitetes Manuscript Riemann's.
Da wo die kleingedruckten Worte beginnen, steht am Rande die Bemerkung „von
hier an nicht richtig". Ich glaubte aber trotzdem nicht, diese Stelle ganz unter-
drücken zu dürfen, weil sie doch die Keime zu einer Weiterentwicklung der darin
angedeuteten wichtigen Theorie enthält. — Auf einigen Blättern, welche Entwürfe
zu der vorstehenden Abhandlung enthalten, finden sich die Grundzüge zu einer
Weiterführung der vorstehenden Untersuchungen, die ich im Nachfolgenden in mög-
lichst unveränderter Form mittheile. W.
364 - XXI. Zwei allgemeiue Sätze über lineare Differentialgleichungen
dern, dass sänimtliclie Substitutionen constant bleiben, — weil die Anzahl der
in ihnen enthaltenen willkürlichen Constanten geringer ist als die Anzahl der
hierfür zu erfüllenden Bedingungen — , kann man das System als einen be-
sonderen Fall eines Systems mit niedrigeren Exponenten betrachten, in welchem
für diese speciellen Werthe von a, b, ..., g die Coeflicienten einiger Anfangs-
glieder in den Reihen für («)—!(?/), (^)— i(y), . . . , ('&')— 1(^) verschwinden.
In Folge dieses Satzes bilden die Grössen 2/i » 2/2 ' • •» 2/« Functionen von
p Veränderlichen a, b, . .^ g, x, welche, wenn sämmtliche veränderliche Grössen
wieder ihre früheren Werthe annehmen, entweder die früheren Werthe wieder
erhalten, oder in lineare Ausdrücke ihrer früheren Werthe übergehen, mit
einem constanten Coefficientensystem, das aus den j^ — 2 beliebig gegebenen
Systemen (A), (B), (C), ..., (F) irgendwie zusammengesetzt ist.
Auf eine weitere Untersuchung dieser Functionen von mehreren Veränder-
lichen und der Hülfsmittel, welche der letzte Satz für die Integration linearer
Differentialgleichungen bietet, muss ich für jetzt verzichten und bemerke nur
noch, dass ein Integral einer algebraischen Function als ein specieller Fall der
hier behandelten Functionen betrachtet werden kann, und dass man durch An-
wendung dieser Principien auf ein solches Integral auf Functionen geführt
w^ird, welche die allgemeinen -^'-Reihen mit beliebigen Periodicitätsmoduln dar-
stellen.
Bestimmung der Form der Differentialgleichung.
Es wird die nächste Aufgabe der auf diese Principien zu gründen-
den Theorie der linearen Differentialgleicliungen sein, die einfachsten
Systeme jeder Klasse aufzusuchen, und zu diesen Ende zunächst die
Form der Differentialgleichung näher zu bestimmen. Verstehen wir
unter den obigen Functionen y''^\ y^^\ ..., y^^'^ jetzt, wie Lagrange, die
successiven Derivirten der Function y so werden die Gleichungen (2)
die Differentialgleichung, welcher sie genügen, darstellen. Der Grad
der ganzen Functionen, welche für die Coefficienten gesetzt werden
können, bestimmt sich f olgendermassen : durch jede Differentiation nach
X werden sämmtliche Exponenten der Charakteristik, vorausgesetzt dass
keiner eine ganze Zahl ist, um die Einheit erniedrigt. Es bleibt daher:
allenthalben endlich und einändrig, wenn man
— _, n .n — 1— -^ n .n — 1 — ^ w.n— 1
ft = A: ^i ^ — - ; V =- 2.iVi — -— ;..*,(> = ^iQi ^—
setzt. Für x = (x> wird, da die Functionen y endhch und einändrig
bleiben, ^ + 2/1 ^2^^ "41" ^^ unendlich klein von der Ordnung: n.{n— 1).
Der Grad der ganzen Function Xq ist daher
r = (m — 2) 2 ^
wenn m die Anzahl der Verzweigungs werthe und s die Summe der
Exponenten in der Charakteristik bezeichnet.
mit algebraischen Coefficienten. 365
Wenn in dem System der n . w + 1 Grössen \j statt der letzten
Verticalreihe die w + 1 — ^te weggelassen wird, so muss die aus ihnen
gebildete Determinante allgemein zu reden mit um t höheren Potenzen
von X — a, X — h^ . . ., x — (j multiplicirt werden und wird dadurch
eine ganze Function vom Grade r + {m — 1)^ [nur für t =w ist dieser
Grad r + {m — 2)n\.
Die Differentialgleichung lässt sich daher, wenn man das Product
(^x — a) (x — h) .., (x — g) durch w bezeichnet in die Form:
Xnij + coXn-iy + '-'Co-X^y'-^ = 0
setzen, so dass die Grössen Xt ganze rationale Functionen vom Grade
r -\- {in — 1)^ sind. [X„ vom Grade r + (m — 2)w].
Man untersuche jetzt, welchen Bedingungen die Coefficienten die-
ser Functionen genügen müssen, damit nur für die Werthe a, h,...,g
eine Verzweigung eintritt und die Unstetigkeitsexponenten für sie die
gegebenen Werthe haben. Eine Verzweigung findet so lange und nur
so lange nicht statt, als sich alle Lösungen der Differentialgleichung
nach ganzen Potenzen der Aenderang von x entwickeln lassen, oder
so lange die Entwicklung von v/ nach dem Mac-Laurin'schen Satz
n willkürliche Constanten enthält. Dies ist immer der Fall, wenn a«
von 0 verschieden ist. Man hat daher nur den Fall ein = 0 zu unter-
suchen. Setzt man die Differentialgleichung in die Form:
hy + h{oo — a)y + h, {x - afy' -\ Ylni,^ - d)'^y^-^ = 0
so müssen, damit um x = a die Function y den vorgeschriebenen
Charakter hat, ^^, ^^,, . ., fi„ sämmtlich Wurzeln der Gleichung
sein. Dieses liefert n Bedingungen für die Functionen X und erfor-
dert überdies, da alle Grössen \i endlich und unter einander ungleich
sind, dass ha für x = a nicht 0 sei. Aehnliches gilt für die übrigen
Wurzeln 6, c, . ., ^ von o = 0. Es kann sonach X^ = 0 mit w = 0
keine Wurzel gemeinschaftlich haben.
Ist nun (für eine Wurzel von X^ = 0) a,^ = 0, a„_i aber von 0
verschieden, so können (für diese) ?/, /,...,?/(" ~ 2) willkürlich ange-
nommen werden, dann aber ist y("-^^ durch die Differentialgleichung
Ony'"^ + ««-1 ?/"-^^ H h a^y = 0
bestimmt, so dass n — 1 willkürliche Constanten in den n — 1 ersten
Gliedern der Mac-Laurin^schen Reihe auftreten, die letzte Constante
aber frühestens im n+ Iten. Man nehme an, dass sie zuerst im
n -\- hien erscheine.
366 XXI. Zwei allgemeine Sätze über lineare Differentialgleichungen
Eliminirt man dann aber in der hien Derivirten der Differential-
gleichung:
an 2/(" + '^ + {ha, + a, _ i) y(- + ^' "i) + • • • = 0 '
die Grössen ?/(« + '' — 2)^ ...., yi'^ — '^) mittelst der vorhergehenden Deri-
virten und der Differentialgleichung selbst, so müssen die Coefficienten
von y(« + '' — 1)^ y^"~'^\ y''"~'''^\ • •} y sämmtlich verschwinden, da diese
Grössen von einander unabhängig sind. Man erhält also
hd, + an-i = 0,
also d,i von 0 verschieden und " ausserdem noch n — 1 Gleichungen,
und es ergeben sich n Bedingungsgleichungen für die Coefficienten der
Functionen X.
Man setze nun zweitens voraus, dass a,i und a«_i gleichzeitig
verschwinden, an — 2 aber endlich bleibt, so dass die n — 2 ersten
Gheder der Mac-Laurin'sche Reihe n — 2 willkürliche Constanten
enthalten, und nehme an, dass die folgende im n + /i — Iten, die
letzte im n -{- li — Iten zuerst auftrete. Alsdann ergeben sich, damit
y{n-\-h — 2) ^j^(j y{n + h' — 2) y^^ ^^^^ Wcrthcn der niedrigeren Differential-
quotienten unabhängig werden, die Gleichungen:
Cln=^, -^-^-^ a'n -\-hdn-l-\r an-2 = 0,
- dn -\-}ldn-l+.an-2 = 0,
2
also dn und d^ — i von Null verschieden, und ausserdem 2n — 3 Glei-
chungen. Es werden also zwei Linearfactoren von a« = 0 und man
erhält 2n Bedingungen für die Functionen X
Auf ähnliche Art findet man für den Fall wenn a,, a^-i, an — 2
gleichzeitig verschwinden, a«_3 aber endhch bleibt, und die drei letzten
willkürlichen Constanten zuerst im n -{- h — 2ten, n -\- li — 2ten,
n + /r — 2ten Gliede auftreten, die Bedingungen:
a'n == 0 , dn = 0, al _ 1 = 0 ,
■ r^~-^ ^'^ H lT2~' "~^ ' han-2 + On-S =0
für h, li, h" und ausserdem noch 3n — 6 Gleichungen, so dass a« drei
und nur drei gleiche Wurzeln hat, und 3w Bedingungen erfüllt wer-
den müssen. Durch Verallgemeinerung dieser Schlüsse ergiebt sich
offenbar, dass jeder Linearfactor von X^ n Bedingungen zwischen den
Functionen X zur Folge hat.*)
*) Ueber das Verhalten der Differentialgleichung für unendliche Werthe von
X findet sich im Rie mann 'sehen Manuscript nichts; die Abzahlung der Constauten
ist nur angedeutet; das Folgende ist daher so gut als möglich vom Herausgeber
mit algebraischen Coefficienten. 367
Für unendlich grosse Werthe von x sind die Functionen y endlich
und stetig vorausgesetzt; um die hieraus fliessenden Bedingungen zu
erhalten, transformire man die Differentialgleichung durch Einführung
einer neuen Variablen . für x. Dadurch erhält man:
+ (< - 1) (/ - 2) ^(^^r'-^ — 5- + • • •
und die Differentialgleichung erhält die Form:
«„r» Jl + (» - 1 .».a„r"-> - «„-il^"'-^) ^^ +
dl"
+ • • + «„2/ = 0
Nun ist da vom Grade r + mn^ at vom Grade r -\- mn — n -\- t,
r/„ vom Grade /• -|- *ww — 2m in x. Wenn man also die vorstehende
Gleichung mit |'+"'« — 2« multiplicirt, so bleiben der erste und der
letzte Coeflicient für 1 = 0 endlich und dieselbe erhält die Form:
worin «,,, a«-i; . . ., «0 Functionen sind, welche für J = 0 endlich
bleiben. Nun lässt sich aber, wenigstens unter der Voraussetzungr
dass X^ nur ungleiche Factoren, und die oben mit h bezeichnete ganze
Zahl den Werth 1 hat, nachweisen, dass «„ — 1 durch ^ theilbar ist.
Dies ist bewiesen, wenn man gezeigt hat, dass in dem Ausdruck
{n — 1) naa — xün-i
sich die (r + mn)iQ Potenz von x forthebt. Zu diesem Zweck zerlege
man die echt gebrochene Function ^^^— ^ = — ^ in Partialbrüche :
an to X,
an (o Xq y^ I X — a ' y^ I X — a
worin sich die erste Summe auf alle Wurzeln «, h, . . der Gleichuncj
w = 0, die zweite auf alle Wurzeln a, ß, . . von X„ = 0 erstreckt.
Nun muss in Folge der oben für den Punkt a aufgestellten Bedingungs-
gleichung für X = a
ergänzt. Ich bemerke noch, dass man etwas einfVicher mid allgemeiner zum Ziel
gelangt, wenn man von vorn herein einen der gegebenen Verzweigungswerthe ins
Unendliche verlegt. \Y^
368 XXI. Zwei allgemeine Sätze über Imeäre Differentialgleichungen
an ~i (x — a) n .71 — 1
an
— 2J^
sein , woraus sich für Ä der Werth Ä = ~^^-^ 2J^ ergiebt.
Ebenso folgt aus der für den Punkt a gültigen Bedingung:
a'n + ün-i = 0 : A = — 1^
woraus man erhält:
n . n — 1 ^
an
ttn X < X — a -^1 X — a
Lässt man nun in — "~^ x unendlich werden, so ers-iebt sich, wenn
an ; o ;
man die Coefficienten der höchsten Potenzen von x in a„ und a„ _. i
durch A„j Än — i bezeichnet:
An — i n.n — 1 . ^ X
— . — = m . — r s — r = n(n — 1)
An 2 ^ ^
•
womit der Nachweis der obigen Behauptung geführt ist.
Damit also für unendliche Werthe von x die Functionen y end-
lich und stetig bleiben, müssen wir noch die Bedingungen stellen,
dass an— 2 durch h,^,..,a^ durch 5""~^ theilbar seien, deren Zahl
~- 1 betragt.
Hiernach müssen die Coefficienten der Functionen X im Ganzen
(m -\- r) n -{ '—^ 1 Bedingungen erfüllen. Die Anzahl dieser
Coefficienten beträgt, wenn man, was freisteht, einen derselben = 1
annimmt :
2'V+(»»-2)i+i)+^— ^-1
t = 0
/ ii\/ ii\i/ ^^7i.n -}- 1 . n.n — 1 .
= (r + l){n + Ij + (m — 2) — -^— -\ ^ 1.
Es bleiben also, wenn man für r seinen Werth setzt,
(m — 2) n^ — s — n.(m — 1) + 1
von ihnen willkürlich. Nun involviren die Functionen y, als Integrale
einer Differentialgleichung wter Ordnung n.n Integrationsconstanten.
Von diesen kann, da ein gemeinschaftlicher constanter Factor aller
Functionen y unbestimmt bleiben muss, eine = 1 gesetzt werden, so
dass im Ganzen in dem Functionensystem (y) {m — l)n{n — 1) — s
willkürliche Constanten bleiben, die Verzweigungswerthe und die Un-
stetigkeitsexponenten , die als gegeben betrachtet werden, nicht mit-
gerechnet.
mit algebraischen Coefficienten. 369
Um nun die Frage zu entscheiden, in wie weit das Functionen-
system (y) durch die in seiner Charakteristik enthaltenen Grössen be-
stimmt ist, müssen wir die Anzahl der dadurch gestellten Bedingungen
bestimmen und diese mit der Anzahl der verfügbaren Constanten ver-
gleichen. Diese Bedingungen bestehen, nachdem die Verzweigungs-
punkte und die Unstetigkeitsexponenten gegeben sind, nur noch darin,
dass um die Verzweigungspunkte herum die gegebenen Substitutionen
(«), (/3), . . ., (-O-) stattfinden. Jede dieser Substitutionen enthält aber, da
man in jeder Horizontalreihe Einen Coefficienten beliebig wählen kann,
n.n — U unbestimmte Coefficienten, zwischen denen in Folge der Re-
lation (1) n^ Bedingungsgleichungen bestehen. Von diesen letzteren ist
Eine eine identische Folge der Annahme, dass s eine ganze Zahl sei,
(vgl. die Abhandlung „Beiträge zur Theorie etc." Art. 3. S. 67) und
demnach haben die in dem Functionensjstem (y) enthaltenen Con-
stanten m.n.^ii — 1) — n -f- 1 Bedingungen zu befriedigen. Diese
Zahl darf also nicht grösser sein als (m — l).n.(n — 1) — s, woraus
sich ergiebt, dass s im Allgemeinen nicht grösser sein darf als n — 1.
Für den Fall s = n — 1 ist die Anzahl der Bedingungsgleichungen
ebenso gross als die Anzahl der verfügbaren Constanten.
a
lilEMANN*s gcsamincltc niatliomatifclie Wt'rke. 1. ' 24
XXII.
Oommentatio mathematica, qua respondere tentatur qüaestioni
ab 111™^ Academia Parisiensi propositae:
„Trouver quel doit etre Fetat calorifique dun corps solide homo-
gene indefini pour qu'un Systeme de courbes isothermes, ä un instant
donne, restent isothermes apres un temps quelconque^ de teile sorte
que la temperature d'un point puisse s'exprimer en fonction du temps
et de deux autres variables independantes."*)
Et bis principiis via sternitur ad majora.
1.
Quaestionem ab ill""^ Academia propositam ita tractabimus, ut
primum quaestionem generaliorem solvamus:
quales esse debeant proprietates corporis motum caloris determi-
nantes et distributio caloris, ut detur systema linear um quae sem-
per isothermae maneant,
deinde
ex solutione generali hujus problematis eos casus seligamus, in
quibus proprietates illae evadant ubique eaedem, sive corpus sit
homogeneum.
Pars prima.
2.
Priorem quaestionem ut aggrediamur, considerandus est motus
caloris in corpore qualicunque. Si ii denotat temperaturam tempore
*) Diese Beantwortung der von der Pariser Akademie im Jahr 1858 gestell-
ten und 1868 zurückgezogenen Preisaufgabe wurde von Riemann am 1. Juli
1861 der Akademie eingereicht. Der Preis wurde derselben nicht zuerkannt, weil
die Wege, auf denen die Resultate gefunden wurden, nicht vollständig angegeben
sind. Von der Ausführung einer beabsichtigten ausführlicheren Bearbeitung des
Gegenstandes wurde Riemann durch seinen Gesundheitszustand abgehalten.
XXIT. Commentatio inathematica , qua respondere tentatur etc. 371
^ in puncto (x^, X2j,x^ aequationem generalem, secundum quam haec
functio n variatur, hujus esse forniae constat,
r. ( du . du . du\
7\( ^^ _i_ ?ü _j_ du\
^ / du _. ^^ _i_ du\
, "^ r^.l g^ -t- ^3,2 g^ i- ^3,3 ^J __ g^
"^ ^ ~ dx, ' '~'^dt'
Qua in aequatione quantitates a conductibilitates resultantes, h calorem
specilicum pro unitate voluminis, sive productum ex calore specifico
in densitatem designant et tauquam functiones pro lubitu datae ipsa-
rum x^j x^y Xo. spectantur. Disquisitionem nostram ad eum casum
restringimus, in quo conductibilitas eadem est in binis directionibus
oppositis ideoque inter quantitates a relatio
intercedit. Praeterea quum calor a loco calidiore in frigidiorem migret
necesse est ut forma secundi gradus
/^l,l? <^2,2> ^3,3\
\^2,3; %,1' ^1,2/
sit positiva.
3.
lam in aequatione (I) in locos coordinatorum rectangularium Xj^,
^2} •^3
tres variabiles independentes quaslibet novas s^, Sg, s^ introducamus.
Haec transformatio aequationis (I) facillime inde peti potest quod
haec aequatio conditio est necessaria et sufficiens, ut, designante du
variationem quamcunque infinite parvam ipsius u, integrale
^^^ ^J J f^ ^'' ' ^ ^ ^^' ^^^' ^^^'' '^ i ff^^^ ^^ ^^ ^^' ^^^ ^^''
per corpus extensum, solum a valore variationis du in superficie pen-
deat. Introductis novis variabilibus haec expressio (Ä) transibit in
{B) ö IJJ ^ b,, ,' —- 1^ ds, ds^ ds, -{- Cj hhj^ du ds, ds^ ds.,
posito brevitatis causa
y ^^^ _ j 2 i
^_^~ds^ds^ds, — ^^''»'^ ^^ d_s^ ds, ds, — ^ •
j^ - r.r, dx,^ dx.j y^i ^cxi dx.^ dx._^
24*
372 XXII. Commentatio mathematica, qua respondere tentatur
Quodsi formarum secundi gradus
(1) (^^'^^ ^-'2> ^3,3\ /9\ /^1,1J ^2,2» ^3,3\
determinantes sunt Ä^ B et l'oriiiae adjunctae
,3N /«l.l; «2.2> «3,3\ /4>^ /ft,n /32,2; A.3\
V«,,3, «3,1, «i,J VA,3; A,n ft,2/
invenietur
et
ideoque
et
.^j — ox^ cx.^ dx^
i, t'
/i k
J
^5 1
Unde facile perspicitur transformationem aequationis (I) reduci
posse ad transformationem expressionis 2Ja,^t'dXidXi-.
Quae quum ita sint, problema nostrum generale hoc modo solvero
possumus, ut primum quaeramus, quales esse debeant functiones 6,,,' et
h ipsarum s^, s^,? %? ^^ ^ ^^ ^^^^ harum quantitatum non pendert;
possit. Qua quaestione soluta expressio Z! ßt,idSi dSi' formari poteri \
Tum ut, datis valoribus quantitatum a,, ,' et quantitatis h, inveniamu;.,
num ti functio temporis et duarum tantum variabilium fieri possit tt
quibusnam in casibus, quaerendum est, an expressio illa U ß,,i' ds,d^.'
in formam datam transformari possit; et hanc quaestionem infra vid( -
bimus eadem fere methodo tractari posse, qua Gauss in theoria
superficierum curvarum usus est.
4.
Primum igitur quaeramus, quales esse debeant functiones &,,,'et k
ipsarum 5^, 5^, S3, ut «* ab una harum quantitatum non pendere possi.^.
Ut denotationem simpliciorem reddamus, quantitates Sj, .Sg, s^ per cc, ß, y
designemus et formam (2) per
\a, h\ c)
si i* a ;^ non pendet, aequatio differentialis erit formae
(II) a rr-z + 2c 7-—Fr^ + ?>--^ + ^^— + /^ö-5- — f^öT = F =0
^ ^ da^ ' oaö^ ' C^^ ' Va ^ ' d^ dt
quaestioni ab lUma Academia Parisiensi propositae. 373
posito
da j^ de . db' ^^ i ^_^ i ^^ f
Tribueiido ipsi y valores determinatos diversos ex aeqiiatione (II)
inter sex quotientes differentiales ipsius ii obtinebnntur aequationes
diversae, quariim coefficientes a y non pendent. Quodsi ex bis aequa-
tiouibus m sunt a se independentes
I\ = 0, ^2 = 0, . . ., F,n = 0,
ita ut caeterae oinnes ex iis sequantur, aequatio JF^ = 0 necesse est pro
quo vis ipsius y valore ex bis m aequationibus fluat unde F formae
esse debet
c,F, + c,F,-\ \-c,„F,n
qua in expressione solae quantitates c a. y pendent.
lam casus singulos, quando 7H est 1,2,3,4 paulo accuratius exa-
minemus simulque aequationes a y independentes, in quas aequatio
li" = 0 dissolvitur, in formas simpliciores redigere curemus.
Casus primus, ni = 1.
Si m = 1, in aequatione (II) rationes coefficientium a y non pen-
debunt. At introducendo in locum ipsius y novam variabilem fkdy
semper effici potest, ut Z; fiat == 1, quo pacto coefficientes omnes a y
evadent independentes. Porro introducendo in locos ipsarum a, ß novar
variabiles semper effici potest, ut a et & evanescant. Hoc enim eve-
niet, si expressio hda^ — 2c da dß -f- adß'^ (quae quadratum expressionis
differentialis linearis esse nequit, si (2) est forma positiva) in formam
mdadß' redigitur et quantitates a, ß' tanquam variabiles indepen-
dentes sumuntur.
Aequatio igitur difi'erentialis (II) hoc in casu in formam
2 c
d'^u , du , j,du du
redigi potest et in forma (2) a, h tum erunt = 0, cl et V functiones
lineares ipsius 7, et c a y independens. Caeterum patet, teniperaturam
in hoc casu semper a y independentem manere, si temperatura initialis
sit functio quaelibet solarum a et /3.
Casus secundus, m = 2.
Si aequatio (II) in duas aequationes a y independentes discinditur,
ope alterius -^ ex altera ejici potest. Brevitatis causa haec ita ex-
liibeatur
(l) ^u = 0
illa
374 XXII. Commentatio mathematica, qua respondere tentatur
(2) ^» = ai
denotantibus- z/ et A expressiones characteristicas ex da et dji coniiatas.
Aequationem priorem facile perspicitur mutatis variabilibus inde-
pendentibus ita transformari posse iit sit z/
vel = da
valoribus e = 0, f == 0 non exclusis.
Quoniam sit
0 = ^^ ^u = zl dtu = /i Au
ex bis duabus aequatiouibus (1) et (2) sequitur
(3) zlAu = 0.
lam duo distinguendi sunt casus, prout haec aequatio (3) vel ex
aequatione (1) fluat, (a), sive sit
JA = ®A
denotante ® novam expressionem characteristicam, vel non fluat, {ß),
novamque aequationem a, ^ii independentem sistat.
Casum priorem (a) ut saltem pro una forma ipsius z/ perscru-
temur, supponamus
^ =^dad(i+eda + fdi^.
Tum ^ Au ope aequationis ^ii==0 ad expressionem reduci potest,
quae solas derivationes secundum alteram utram variabilem contineat
et coefficientes omnes cifrae aequales habere debeat. Ponamus, quum
terminus da dß continens ope aequationis ^u = 0 ejici possit,
A = ad 4- hd. A~ cd -\- dd.
formemusque expressionem
^A ~ AzJ.
In hac expressione quum coefficientes ipsarum d'^, d. evanescere debeant
invenitur 0-0 = 0, 0— = 0, unde si casus speciales a = 0^ h = 0 ex-
cluduntur, mutatis variabilibus independentibus effici potest, ut sit
a = 6 = 1. Tum autem invenitur ponendo coefficientes ipsarum d^, d .
in expressione reducta zfA cifrae aequales
unde poni potest
de n ^^ ^^ 9^/"
Fß~'^d^' d~oi~'^dß'
quaestioni ab Illma Academia Parisiensi propositae. 375
dm ^ , r^dn
y/ = ,7« + r^ + 2-^ a„ + 2 ^-^ a^
denotantibus m, n functiones ipsarum «, /3 quae jam duabus aequa-
tionibus differentialibus sufficere debent, ut coefficientes ipsarum daj d^
in expressione reducta zfA evanescant.
Prorsus simili modo in reliquis casibus specialibus formae sim-
plicissimae ipsarum J et A inveniuntur conditioni
satisfacientes. Sed huic disquisitioni prolixiori quam difficiliori hie non
immoramur.
Caeterum patet in hoc casu temperaturam semper a y independen-
tem mauere, si temperatura initialis est functio quaelibet ipsarum
a et ß aequationi z/if = 0 satisfaciens; sequitur enim ex aequationibus
Ju = 0
. du
^« = ji
0 = ®/lu = zJ All = /ictU =—^j- et proin aequatio z/if = 0 sub-
sistere pergit, si initio valet et functio u secundum aequationem
All = . variatur. Tum autem satisfit legi motus caloris sive aequa-
tioni F = 0.
5.
Restat casus specialis alter (ß) quando zJ Au = 0 a zJii = 0 est
independens. Ut simul et casus sequentes ni = 3, ni = 4: amplectemur,
suppositionem generaliorem examinemus, praeter aequationem z/w = 0
haberi aequationem differentialem quamlibet linearem @u = 0, ipsum
^- non continentem et a z/u == 0 independentem.
Si z/ est formae dud^ + e^« + fd^ij ope aequationis /du = 0 ex-
pressio 0 a derivationibus secundum ambas variabiles liberari potest.
lam duo distinguendi sunt casus.
Si ex expressione 0 omnes quotientes dififerentiales secundum
alteram utram variabilem ex. gr. secundum ß simul excidunt, obtinetur
aequatio differentialis solos quotientes differentiales secundum a con-
tinens formae
V
sin minus, semper elici poterit aequatio diflPerentialis formae
376 XXII. Coramentatio mathematica, qua respondere tentatur
(2) 2-1? = «
sive solos quotientes difFerentiales secuudum t continens.
Nam in hoc casu expressiones Au, J^hi, A^u, . ., quibus quotientes
differentiales ipsius u secundum t aequales sunt, ope aequationum
ziu = Q, @u = 0 semper ita transformari possunt, ut solos quotientes
differentiales secundum alteram utram variabilem contineant eosque non
altiores quam @u. Quorum numerus quum sit finitus^ eliminando ae-
quationem formae (2) obtineri posse manifestum est. Coefficientes a,
utriusque aequationis sunt functiones ipsarum «, ß.
Observare conveniet, alteram utram harum aequationum semper
valere etiamsi z/ non sit formae Ca c^ + e c« + /'r-y. Casus specialis,
quando J = d^-\- eca -\- fcß ad utrumque casum referri potest, quum
ope aequationis /In = 0 tum ex &Uj tum ex Au omnes derivationes
secundum ß ejici possint, quo facto aequatio utriusque formae facile
obtinetur. Si f = 0, hie casus sicuti casus zi == da ad casum priorem
referendus est.
lam casum posteriorem accuratius perscrutemur.
Solutionem generalem aequationis
e terminis formae f(t)e^* conflatam esse constat, denotante f(t) functio-
nem integram ipsius i^ et A quantitatem a t non pendentem, facileque
perspicitur, hos terminos singulos aequationi (I) satisfacere debere.
lam demonstrabimus, fieri non posse ut sit A functio ipsarum x^, x^, x.^.
Sit Jcf" terminus summus functionis f{t) distinguanturque duo
casus.
P. Quando A aut realis est aut formae ^ -\- vi et ^^v functiones
unius variabilis realis a ipsarum x^, x^, x.^, substituendo u = f{t)€^^
in parte laeva aequationis (I) coefficiens ipsius ^« + 2ß'i< invenitur
_ 7./^V 'V du du
~^\dJ 2j ^'''' dx^ dx/
Sed haec quantitas evanescere nequit, nisi
du du du ^
dx^ dx^ dx^
sive a = const., quum forma
ut supra monuimus, sit forma positiva.
quaestioni ab 111™» Acadernia Parisiensi propositae. 377
2\ Quando k est formae ^i -{- vi et n, v sunt functiones inde-
pendentes ipsarum ^Tj, X2, x^, quantitates ^ -\- vi et ^i — vi pro varia-
bilibus independentibus a et ^ sumi poterunt contiiiebitque ipsum 11
praeter terminum f{t)t^^ etiam terminum complexum conjiigatum
cp{t)e^^. Quodsi
d'^u , 7 d^u , d'^u , du , ,.ru
est; ex aequatione zJu = 0 substituendo 11 = f\t)€f'^ et aequando
coefficientem ipsius ^" + ^e"^ cifrae, obtinetur a = 0 et perinde c = 0
substituendo u = (p{t)c^K Fnde ope aequationis z/w = 0 aequatio
ylii = -— ita transformari potest, ut solos quotientes differentiales
secundum alteram utram variabilem contineat. Sed substituendo
eoefficiens summi cujusque horum quotientium difFerentialium invenitur
= 0, unde et hi quotientes differentiales ex aequatione Ju = yr
omnos excidere debent, q. e. a., quum ii ex hyp. non sit constans.
In casu igitur posteriori fun^^tio u coniponitur e numero finito
terminorum formae f(t)e^-^ , in quibus l est constans et f\t) functio
integra ipsius t.
In casu priori quando habetur aequatio formae
(1) 2'-B=«'
functio u erit formae
-=2
^rlh
denotantibus Pxi Ihy -" solutiones particulares aequationis (1) et gj, g'g, . .
constantes arbitrarias sive functiones solarum /3 et t. Quodsi haec
expressio in aequatione
substituitur, obtinetur aequatio formae
in qua quantitates Q sunt quotientes differentiales ipsarum q ideoque
functiones solarum ß et t^ quantitates P autem functiones solarum
a et ß. At tali aequationi supra vidimus, si ex n terminis compona-
tur, subjacere ^i aequationes Hneares inter functiones Q ei n — ^ ae-
quationes inter functiones F, quarum coefficientes sint functiones solius
/3, denotante ft quempiam numero rum 0, 1, 2, . ., n. Obtinebuntur
378 XXII. Commentatio mathematica qua respondere tentatur
igitiir expressiones ipsanmi ^ per quotientes diiferentiales ipsariim q
secundum ß ab ipsa a liberae.
lam casus singulos problematis nostri ad Imnc casum pertinentes
perlustremus.
Quando m = 2 et z/ est formae da d^ -{- eda -\- fdß aequatio re-
dueta zJylu = 0, si a quotientibus differentialibus secundum ß libera
evadit, formam induet:
dci^ ' Ca^ ' da
unde n erit formae
ttj> -{- hq ~\- c
denotantibus a, hj c functiones solarum ß Qi t, p Qi q autem functiones
solarum a et ß. lam in locum ipsius a variabilis independens q in-
troduci potest. Quo pacto obtinetur
u =- ap -\- h a -\- c
ubi jam sola p est functio ambarura variabilium a et ß. Substituendo
hanc expressionem in aequationibus
/iu = 0 , . Ali = -5:r
üt
coefficientium formae facile eruuntur.
Restat casus quando jam una aequationum, in quas aequatio F'= 0
discinditur^ formam (1) habet, ideoque formam
d'^u , du ^
da^ ' dcc
Tum erit u == ap + h denotantibus a ei h functiones solarum ß et f,
et p functionem solarum a et ß. Si in locum ipsius a variabilis in-
dependens x> introducitur, prodibit
u = a K ~\- 0, ^2 = ^' •
Invenimus igitur, si m sit == 2 sive aequatio F = 0 in duas ae-
quationes
z/«f = 0
j du
Au = -oT
öt
dissolvatur, esse aut A A = SA, aut functionem ti compositam esse e
numero finito terminorum formae f{t)e^\ in quibus k constans et f{t)
functio integra ipsius t est, aut formam induere
9(ft 0 x(«, ß) + «9>i(A t) + ^,{ß, t),
si m = 3, functionem u aut esse e numero finito terminorum f\t)e^^
conÜatam aut formae
<p{ß,t)a + <f,{ß,t).
quaestioni ab 111^» Academia Parisiensi propositae. 379
Casus denique m = 4 nullo negotio penitus absolvi potest.
Si enim praeter aequationem Aa = --^ habentur tres aequationes
inter
d^u d'^u d^u du du,
d^'' dVdß\ dß''' ä^' Wß'
aut prodibit aequatio forraae
du . du ^
'Wi + '^ß-^
et proin variabiles iiidependentes ita eligere licebit^ ut u fiat functio
imius tantum variabilis, aut
d^u d^u d'^u
ideoque etiam An, A^u, ylhi per ^^ ^-ö exprimi poterunt. Tum au-
tem emerget aequatio formae
d'^u . i^d'^u . du ^
unde u habebit formam
2)6^' -\- qe^'^ -\- r vel (/> -f- qt)c^-< -\- r
constatque per praecedentia /l et ft esse constantes.
lam sumta p pro variabili independente « et substitutis bis ex-
du . . .
pressionibus in aequatione Au == -^ invenitur fieri non posse ut q sit
functio ipsius a, siquidem A et ft sint inaequales. Ergo p et q vice
variabilium independentium fungi possunt. Praeterea ex aequatione
All = ^- invenitur r = const.
In boc igitur casu u aut est functio ipsius t et unius tantum
variabilis, aut alteram utrani formarum
ae^*-\- ße^'^ + const. (« + /3/)e'-' + const.
induet, valore ft = 0 non excluso.
Postquam formae quas functio ti induere potest inventae sunt,
aequationes Fr = 0, quas brevitati consulentes perscribere noluimus,
facillimae sunt formatu. Unde in singulis quibusqne casibus et forma
et forma adjuncta
innotescet. Si jam in expressionibus Zlß,,i dSidsi in locos quanti-
tatum 6'i, S.J, ^3 functiones quaelibet ipsarum x^y x^, x.^ substituuntur,
380 XXII. Commentatio mathematica, qua respondere tentatur
manifesto obtinebuntur casus omnes, in quibus tt functio temporis et
duarum tantum variabiliura fieri possit. Unde quaestio prior soluta erit.
Superest iit quaeramus, quando expressio 2J ß,^i' dSi dsi in l'ormara
datam ÜKi^i dx^dxi' transformari possit.
Pars secunda.
De transformatione expressionis Eh,,i' dSidSi in formum
i, i'
datam 2J «,.,' dx^ dxc.
Quum quaestio ab IIP"* Academia ad corpora liomogenea restricta
sit, in quibus conductibilitates resultantes sint constantes, evolvamus
primum conditiones, ut expressio ^^1)1,1 dSidsc, aequando quantitates 0'
functionibus ipsarum x, in formam U ai,i' dxt dXt y constantibus coeffi-
cientibus a,,i' affectam transformari possit. Deinde de transformatione
in formam quamlibet datam pauca adjiciemus.
Expressionem Ea^^i'dXidXi', si est, id quod supponimus, forma
positiva ipsarum dx, semper in formam 2J dx^ redigi posse constat.
Unde si E hi^c ds^ds^' in formam E a^^i' dXi dxi transformari potest,
t, i ' i, i
redigi etiam potest in formam E dx^ et vice versa. Quaeramus igitur,
quando in formam E dx^ transformari possit.
Sit determinans E -V\,^ \^^ . . .'bn,n=^ ^ et determinantes par-
tiales = /3,,t'-, quo pacto erit E ß,^^ &,,,' = B et E /3,,i' ht,i" = 0, si i">i",
Si E hl t' dSi dsi = E dx pro valoribus quibuslibet ipsarum dx,
substituendo d -\- Ö pro d invenitur etiam E h.c dSt ösi = E dXt dxt
pro valoribus quibuslibet ipsarum dx et dx.
Hinc si quantitates ds^ per dXi et quantitates dXt per quantitates
dsc exprimuntur, sequitur
et proinde
V
Unde porro deducitur, quoniam sit
quaestioiii ab 111'"» Academia Parisiensi propositae. 381
dx dx ^ ^,, 'sn ^^i ^**' ^^^
B
(^) ^ d8^ ds^. ~ ^'''' ' W ^ ^ ^ —
et (lifferentiando formulam (3)
•^ d'^x dx ■ ^7 ^*a; ^ dh,,i'
laDi ex his ipsarum
expressionibus eruitur
,^s 2 V ^'^ ^ = ^^.i' , ^Ki':_ _ ^^'.r
et si haec quantitas per Pi,i,i" designatur
Quantitatibus p,^ ,-, ," iteriim differentiatis obtinetur
<^s^-, ^s^„ j^ ds^.ds^n ds^ds^... ^j ds^.ds^.., ds^ds^..
unde tandem prodit, substitutis valoribus modo inventis (6) et (4)
'^'Kr , ^%;r' ^'Kr' ^^^^^
cs.ds.n "^ ds,d8,n CS,. ÖS., csds...
+ i_^ (i'r, ,•,."■ iV,,,," — i'v,,,,'" i>^', ,■,.") "5^ = 0
r, v'
Hujus modi igitur aequationibus functiones h satisfaciant necesse
est, quando Z!h,^,' dSids,' in formam Edx^ transformari potest: partes
laevas harum aequationum designabimus per
Ut indoles harum aequatiomim melius perspiciatur, formetur ex-
pressio
ddy^h,,r ds, ds,' — 2ddy^h,,r ds, ds,- + dd^h,,,- 8s, ds,'
determinatis variationibus secuiidi ordims d^^ ddj d^ ita, ut sit
d'V />,,,- ds, ds,' — ^ V^M' ds, d's,- — d^h,,,- ds, d's,- = 0
(5' V ?>,,,' ds, dsf — 2dy]h,^,' ds, ö's, = 0
(3' V />,,,' ds, ds,- — 2dV ?>,,,■ ds, d's, = 0,
382 XXTT. Commentatio niathematica, qua respondere tentatur
denotante d' variationem quamcunque. Quo pactö liaec expressio iu-
venietur
(II) = ^{^^\ ^"^'") {äs, 8s,' — ds,' ÖS,) (dsr dsr' - ds," ^v).
lam ex hac formatione hujus expressionis sponte patet, mutatis
variabilibiis independentibus transmutari eam in expressionem a nova
forma ipsius U h,^ i' ds, ds,' eadem lege dependentem. At si quantitates
h sunt constantes, omnes coefficientes expressionis (II) cifrae aequales
evadunt. Unde si U h,^ ,■ ds, ds^ in expressionem similem constantibus
coefficientibus affectam transformari potest expressio (II) identice eva-
nescat necesse est.
Perinde patet^ si expressio (II) non evaneseat, expressionem
^(tt', t"t"') {ds^ Ss^. ~ ds^. Ss;) {ds^.. Ss^ ds^,,. 8s^..)
mutatis variabilibus independentibus non mutari^ insuperque immutatam
manere si in locos variationura ds,, ös, expressiones ipsarum lineares
quaelibet independentes ads, -\- ßös,, yds, -\- dös, substituantur. Va-
lores autem maximi et minimi hujus functionis (III) ipsarum ds,, ds,
neque a forma expressionis U h,^ ,• ds, ds,' neque a valoribus variationum
ds,, ÖS, pe]idebunt, unde ex bis valoribus dignosci poterit, an duae
bujusmodi expressiones in se transformari possint.
Disquisitiones haece interpretatione quadam geometrica illustrari
possunt, quae* quamquam conceptibus inusitatis nitatur, tarnen obiter
eam addigitavisse juvabit.
Expressio Y^h,^i' ds, ds,' spectari potest tanquam elementum line-
are in spatio generaliore n dimensionum nostrum intuitum transcen-
dente. Quodsi in hoc spatio a puncto (s^, s^, . . s„) ducantur omnes
lineae brevissimae, in quarum elementis initialibus variationes ipsarum
s sunt ut a ds^ -\- ß8s^\ a ds^ -\- ßös.^: . , .: a dSn + ß^Sn, denotantibus
« et /3 quantitates quaslibet, liae lineae superficiem constituent, quam
in spatium vulgare nostro intuitui subjectum evolvere licet. Quo pacto
expressio (III) erit mensura curvaturae hujus superficiei in puncto
(^O S,, .., Sn){').
Si jam ad casum w = 3 redimus, expressio (IT) est forma secimdi
gradus ipsarum
ds^ 8^ — J.% ds^, ds.^ ös^ — ds^'^s.^, ds^ ös^ — ds.^ ds^
unde in hoc casu sex obtinemus aequationes , quibus functiones h
satisfacere debent, ut Hh,^,' ds, ds,- in formam constantibus coefficien-
quaestioni ab Illma Academia Parisieusi propositae. 383
tibus gaudentem transforraari possit. Nee difücile, ope notionum modo
traditarum, est demonstratu , has sex conditiones, ut lioc fieri possit,
sufficere. Observandum tarnen est ternas tantum esse a se indepen-
dentes.
Tarn ut quaestionem ab Hl"* Academia propositam persolvamus,
in bis sex aeqiiationibus formae functionum h, methodo supra exposita
inventae, sunt substituendae, quo pacto omnes casus invenientur, in
quibus temperatura u in corporibus homogeneis functio temporis et
duarum tantum variabilium fieri possit.
Sed angustia temporis non permisit hos ealculos perscribere.
Contenti igitur esse debemus, postquam methodos quibus usi sumus
exposuimus, solutiones singulas quaestionis propositae enumerasse.
Si brevitatis causa casum simplicissimum, quando temperatura u
secundum legem
^^^ Jocf "T TxJ "^ dxi ~ ^^ 'dl
variatur, solum respicimus, ad quem casus reliquas facile reduci posse
constat: casus m = 1 tum tantum evenire potest, quando w est con-
stans aut in lineis rectis parallelis, aut in circulis helicibusve, ita ut
coordinatis rectangularibus 0j rcoaq), rsinq) rite electis, poni possit
a = r^ ß = .'i -\- cp . const.
Casus m = 2 locum inveniet si u == f(a) + 9^(ß), casus m == 3,
si « = «e^' + /"(/J), denotante A constantem realem, casus denique
m = 4, ut jam supra invenimus, si u est aut = a&-^ + ß^^^ + const.,
aut =(«-(" ßt)(^^ + const., aut = f{ci).
lam ut formae functionis u penitüs innotescant, annotari tantum
opus est, temperaturam tif nisi sit formae ac^-^ , tum tantum functionem
temporis et unius variabilis esse posse, quando sit constans aut in
planis parallelis, aut in cylindris eadem axi gaudentibus, aut in sphae-
ris concentricis. Si u est formae «^^', ex aequatione diiferentiali (1)
sequitur
€x^ ' dxl ' cx^
et perinde in casu quarto substituendo valores ipsius n in aequatione
diiferentiali (I), functiones « et ß facile determinantur, dummodo ani-
madvertas, in hoc casu ac^' et ße^'^ esse posse quantitates complexas
conjugatas.('^)
Anmerkungen.
1) (Seite 382). Diese Untersuchungen hängen aufs Innigste zusammen mit der
Abhandlung „lieber die Hypothesen welche der Geometrie zu Grunde liegen"
(S. 254). Die folgende Ausführung Riemann 'scher Vorschriften, welche einen
Auszug aus einer (umgedruckten) Untersuchung R. Dedekind über diesen
Gegenstand bildet, wird zur Erleichterung des Verständnisses des Textes bei-
tragen.
Es sei das Quadrat des Linienelements im Räume von w Dimensionen
ds^ = ^ b, , ds, ds.
wenn
Dann ergeben sich zur Bestimmung der kürzesten Linien die Diiferential-
gleichungen
(1) .v^-.^-i''^2'^?5^
.^^ '^ dr ^J CS,, dr dr
i i, i' i"
und
Vi, .^^ = 1
^ •'• dr dr
l, l'
=jy^^K,,'ds,ds,
die Länge der kürzesten Linie selbst von einem willkürlichen festen Punkt 0
bis zu einen variablen Punkt bedeutet.
Man führe nun ein System neuer Variablen ein vermittelst der Substitution
.T, = rci, a?2 = rc2, . . ., x,^ == rc^,
worin die Grössen e< die Bedeutung haben:
'dt
\drJo
so dass zwischen denselben die Relation besteht:
und dass dieselben längs einer jeden, vom Punkt 0 auslaufenden kürzesten
Linie constant sind.
Ist nun, in den neuen Vaiaablon ausgedrückt, das Quadrat des Linien-
elements
ds^ = ^^ a^^, dx^ dx^.
Anmerkungen. 385
80 folgt leicht, indem man längs einer von 0 auslaufenden kürzesten Linie
fortschreitet
(2) ^ ":'■'•'•■ = 2 <'■''''■ = '■
Drückt man die Differentialgleichungen der kürzesten Linien in den neuen
Variablen aus, so ergiebt sich
t t, i /"
woraus folgt
wenn zur Abkürzung gesetzt ist
^ /'''''' ex. "^ dx^ dx^^ '
die Gleichung (3) läset sich auch so schreiben :
da,. ^^r\da
Setzen wir nun zur Abkürzung
i ' t ^
so lässt sich die Gleichung (3') schreiben:
Setzt man ferner
so folgt hieraus:
und hieraus:
d(o,, d(o„ .«r-T ;^ /^o),. dl
^ - — + V — (^^ - —\ ^ = 0
woraus hervorgeht, dass die ö — homogene Functionen der (— l)ten
Ordnung sind. Bezeichnen wir eine solche mit f{x^^ a;^, . . »t«), so hat man
f{tx^, tx.,, . . txj = t-^ f{x,, x^, . . x^).
Setzt man daher voraus, dass die Coefficienten a^ ^. und ihre Ableitungen im
Punkte 0 bestimmte endliche Werthe haben, so folgt, wenn man ^ = 0 setzt,
c<a cco^
dass die Function /identisch verschwinden muss, dass also ö — =^ - — i>t.
^ cXy c -i-^^
Bismann's gesammelte mathematische Werke. I. 25
386 XXII. Commentatio mathematica etc.
Es ist also auch
r
und daraus ergiebt sich mit Hülfe von (3'):
^^ dar,. ' .^^ doc. *
2
da,, , 'sr-T da. ..
J—L /y ly . ^
'. <
X, ^, = > --r— ^ X.X,, = 0
und durch Integration der DiiFerentialgleichungen der kürzesten Linie:
i i
Bedeuten nun t^ ^, == t^, ^ irgend welche Functionen von x^ , x.j,, . .,rc^^, welche
mit ihren Ableitungen bis zur dritten Ordnung einschliesslich im Punkt 0 be-
stimmte endliche Werthe haben, und besteht die identische Gleichung
i, i'
so folgen daraus, wenn man dreimal difFerentiirt, und nach der Differentiation
x^ = 0 setzt, die für den Punkt 0 gültigen Gleichungen:
d^ct' , dt^- . et ..
Setzt man hierin t^ ^, == p ^ ^, , so ergiebt sich für den Punkt 0
^ dPc,t',c- , dp •, •. dp • •.
Aus der ersten derselben erhält man durch Addition von j)^- ^ j- = 0
da, ,,
= 0, im Punkt 0,
/ ö'a^ ,. c'a^ ^„ ö'a^ ^.„ \ d'^a,. ^„. d^a^.,, ^, d'^a. ,,
2 I ^ \ -iL I i'_i ) = i-ii ] i_ii i i^:*-.
\dx^ncx^.<. dx^.„dx^. dx^.dx^'>J dx^dx^, dx^cx^,, dx^dx^.,,
Vertauscht man hierin i und i , addirt und bezeichnet mit S die Summe der
d'^a^ ,'
sechs Derivirten von der Form 7^^ 7^ , so folgt
■d^a,. ,.. d'a.
(5)
dx,,
" =
aus der zweiten
/ d^a, ,.
d'a,
d'a
\dx^dx, dx^n dx^;, )
und da S sich nicht ändert, wenn man t", i" mit t, l vertauscht:
2/, ;^2,
(^) dx^dx, dx,,dx..,^
d''\e . ^'«..." . d'^a^,,, d^a
(7) '21 I 11: I ''!_ = L2-' I 1-iI- -1 "Lil^ = 0
^ ' dx^..dx^n, ' dx^,.,dx^, dx^cx,, Ix^dx, cx^cx,, cx^vx,., '
im Punkt 0.
Anmerkungen. 387
Nun ist das Quadrat eines vom Punkt 0 aubgehenden Linienelementes
t, i
Für ein vom Punkt öx^, Öx.^, . ., 8xn, der dem Punkt 0 unendlich nahe ist,
ausgehendes Linienelement haben wir
^''- = 2 «Iv ''*■. <^^.- + 2* (4^")/ "■•••■ d^.dx,
1,1 , i ,1
Hierin verschwindet nach (5) das zweite Glied auf der rechten Seite, und das
dritte Glied lüsst sich nach (6) so schreiben:
^dd ^ a^^< 8x^8x^. = \dS ^^ a^ ^dx^dx^. ,
i, i' i, i
wenn die Variationen zweiter Ordnung ddx^, ddx^, ddx^^ 8dx^ gleich Null
sind. Unter derselben Voraussetzung erhält man leicht aus (7)
dd^ a^^^. dx^dx^, -\- 2dd ^ a^ ^. dx^d x^ = 0,
i, i i, i'
wodurch sich ergiebt:
d d ^^ a^^ j. ö x^ 8 x^.
= ^ Idd^a^^^. 8xjx^. — 2d8 '^a^^^. dxjx^. + 8 8 ^ a^ ^. dx^dxA ,
welches wieder in die Form gebracht werden kann:
|- > p-; — ' {dx^8x^.. — 8x^dx^,) {dx^. 8x^:< — 8x^^. dx^-) ,
1,1 ; l ,1
wenn die Summe nur auf die von einander verschiedenen Paare der Indices t, i
und der Indices t', l" ausgedehnt wird. Hieraus folgt endlich:
rf6'2 = dS,-'
(8) .1^ c'a^ ,.
'^ ^ 2j ä^:ra^^'^^'^^'" ~ sx^dx^;)idx^.sx^... - 8x.dx,..).
1,1 ; t ,1
Werden nun an Stelle der Variablen x^ beliebige andere eingeführt, so
bleiben die Gleichungen (4), (5), (6), (7) nicht bestehen, noch werden die Variationen
zweiter Ordnung ddx^,d8x^, 8dx^, 88x^ verschwinden. Wir müssen daher darauf
ausgehen, die Bedingungen, auf denen die Bildung des Ausdrucks (8) beruht in
eine Form zu bringen, welche bei Einführung beliebiger Variablen ungeändert
bleibt. Dies erreichen wir, wenn wir an Stelle der Gleichungen (5), (6), (7) die
folgenden setzen:
dd^a^^.8x,Sx^. = 8d^a^.dx,dx^. = - 2d8 ^a^^^. dxjx,. ,
i, t' i, i i, t'
woraus hervorgeht:
26*
388 XXII. Commentatio mathematica etc.
(9)
'»'■ 1,1 1,1
und wenn wir die Variationen zweiter Ordnung so bestimmen, dass für eine
beliebige Variation 8' die Gleichungen erfüllt sind:
^'^\^' ^^^^^^' = ^\^' dd'x^Sx, + ^a, ,. dx^öd'x,,
1,1 t,i' i,i'
(^ 2\ c ^\ ^^V = ^\ c d 8'x^ dx, ,
^2\c' dxj'x, = ^a^,, dxjd'x.,
i, i t, i'
woraus folgt:
(10) S' ^a^ ^. dx^8x^, — d^a^ ^, d'xjx^. — d ^ct^ ^, dx^d'x^, = 0,
i, i' i, i' i, i
und wenn man d == d setzt:
(11)
ö' ^ a^^: dx^ dx^. — 2d ^ a^^. dx^ 8'x^, = 0
t, C i, t'
Die Bedingungen (9), (10), (11) sind für beliebige Variable x^ nach demselben
Gesetz gebildet.
Aus (10), (11) folgen noch für die Variationen zweiter Ordnung die Glei-
chungen :
i t, i'
2 2^^., ,dSx,==- ^p,, ,^ , dx^ 8x,
i t,t'
2^a,., 88x^ = - ^P,,,,, dxjx,
i i, i
woraus man leicht den Ausdruck erhält:
dd^a^ ^,Sx^8x^, — 2d8 ^a^ ^. dxjx^, -f 88 ^a,,,> dx^dx^.
i, t' i, i I, i
= ^ (tt', ^"^"') {dx^Sx^. — 8x^dx^,) {dx^,, 8x^n, — 8x^ndx^,.,)^
1 1', i" t'"
wenn das Summenzeichen ebenso verstanden wird wie oben, und (ii, i" i") die-
selbe Bedeutung hat, wie im Riemann'schen Text.
Aus diesem Ausdruck erhalten wir nun das Krümmungsmaass unseres all-
gemeinen Raumes. Es seien nemlich
ds =y 2J^a^^^. dx^dx^, , Ss = 1/2;«,^^' ^OJ^^rc^.
Anmerkungen. 389
zwei Liuienelemeutc in demselben , und
008-9-
dsds
der Cosinus des Winkels den sie einschliesyen.
Der Flächeninhalt des von denselben gebildeten unendlich kleinen Dreiecks
ist dann
A = V dsds sin-Ö"
und es ergiebt sich
4A^' ^^a,,d,r^cLc.^a,,öxJj'^. - [^ a^,. dx^d x^J'
, I, i' /. i' i, i'
^ ^ Ki' ^c",i ^t\i'(^i,i") {d^,Sx^>. — 8x^dx^.<) {dx^.Sx^ dx^.dx^...),
t i", i i"
wi^s für das Krümmungsmaass den Ausdruck giebt:
d d ^ «, . 8 X, S X .
dd^^k^ • bx^8x. - 'Idd^a^ ^. dx^Öx,. + ^ Ö ^ a^ ^. dx^dx^.
, t,i' , ■ i,t' t, i'
^a, ^.dx^dx, ^a,^.Sx^dx, - (^'^ a, , dxj x,y
i, i t, t' I, i
Es ist nun noch nachzuweisen, dass dieser Ausdruck mit dem übereinstimmt,
den Gauss für das Krümmungsmaass einer Fläche aufstellt, wenn wir eine
Fläche betrachten, welche von solchen kürzesten Linien gebildet wird, in deren
Anfangs dementen die Variationen der x sich verhalten wie
ci dXi -j- ß ^^i ' ^ <^^2 + ß ^^2 :•..:« dx^ -\- ß ^.r , ,
wenn a und ß beliebige Grössen bedeuten.
Wir setzen wie oben x^ = rc^, so dass die c^ in jeder vom Punkt 0 aus-
laufenden kürzesten Linie constant sind, und r die Länge dieser kürzesten Linie
bis zu einem unbestimmten Punkt bedeutet. Dann ist, wie oben gezeigt,
i, l' i, i
Legen wir nun zwei feste Systeme der Grössen c^ zu Grunde, c^^^ und c- und
betrachten ein veränderliches System
(12) c, = «cf + ^-;. ■
80 haben wir hiernach:
«2 4- 2aß co8(/^\ r) -f ß- = 1
wodurch die Grössen c^ in Functionen einer einzigen Variablen übergehen, für
welche wir den Winkel g? nehmen können, den das Anfangselement von r mit
dem Anfangselement von r^^ bildet, und der sich aus dem Ausdruck ergiebt
390 XXIT, Commentatio mathematica etc.
Wenn sich mm die Grössen r, c^ um die unendlich kleinen Grössen dr, de
ändern, welche der Bedingung genügen:
2'«r.o.rfe, = 0,
SO ergiebt sich mit Hülfe der Gleichungen (4)
^ \ i c. ^^.' = 2^ <!' ^. ^^^.' = 0 .
'. t' t,i'
Ferner haben wir
dx^ = r dc^ -\- Cj dr,
also : ^
rfs^ = ^ a^ j. fLr^ <Z.«j. = dr'^ + r=^ ^^ a^^. dc^dc^. = dr^ + r^fid(p^,
i, i i, i'
wenn zur Abkürzung
^ a^ ^dc^dc^, ^ fidcp''
i, i
gesetzt wird.
Nun haben wir aber:
cos^ = y^«W.c^c;?), - sintpcZ^) = Va;^).c[ö)6Zc.
t, t' l, t'
und aus (12) folgt ein Ausdruck von der Form
dc^ = acf ^hc^',
also :
— %incp dcp = a -\- h cosqp ,
0 = a cosqp 4" ^•
Hieraus durch Elimination von a und h:
sinqp dc^ = cZqp (c^ cosqp — cJ^M •
Daraus folgt weiter
J(p2 = ^a;o),(Zc,^c
und mithin
^a^^^'dcjc^.
i, t
Bezeichnen wir diesen Ausdruck durch —-, so erhalten wir die Form, welche
Gauss dem Linienelement auf einer beliebigen Fläche gegeben hat, nämlich:
ds^^ == dr^ 4" in^dcp'^
(Disquisitiones generales circa suiDerficies curvas art. 19) und für das Krümmungs-
maass ergiebt sich
1 d'^m
m 01
Anmerkungen. 391
Ist nun die Oberfläche im Punkt r == 0 stetig gekrümmt^ so i«t in diesem
Punkt
dm c^m
'" = "' w^'' a77 = »'
und daher in diesem Punkt
Für die Function ^i ergiebt sich hieraus für denselben Punkt
Die beiden ersten dieser Gleichungen sind in Folge von (13), (5) befriedigt;
aus der dritten ergiebt sich
Vi.
2„(^^^o''''^''''^''^
k = - ii
^a^^\dc.dc.
t, '
was mit dem oben gefundenen Ausdruck übereinstimmt.
2) (Zu Seite 383). Die vollständige Verification der hier aufgestellten Schluss-
resultate scheint noch verwickelte Rechnungen zu erfordern, die ich aus den
sehr unvollständigen vorhandenen Bruchstücken nur zum Theil herstellen konnte.
Was sich daraus entziffern Hess, theile ich hier mit in der Hoffnung, dass es
bei einem erneuten Versuch, die Resultate vollständig herzuleiten, als Grund-
lage dienen könne.
Wir beantworten zunächst die Frage, in welchen Fällen die Temperatur
ausser von der Zeit nur von Einer Veränderlichen abhängt. In diesen Fällen
hat die Differentialgleichung, nach welcher die Bewegung der Wärme geschieht,
die Form
.,, d'^u , T_du du
Cci^ Cd et
Wenn nun die Coefficienten «, Jj nicht Functionen der einzigen Variableu
a sind, so zerfällt diese Differentialgleichung in die beiden folgenden:
,d'^u.^,du du „c'-u . j„du
da^ du dt ' Cd' ca
worin a\ h\ a" , h" nur von cc abhängen.
Durch Einführung einer neuen Variablen an Stelle von cc lässt sich die
zweite dieser Gleichungen in die Form ^ ^ = ^ bringen, so dass u die Form
erhält Ui a -{- u^, wenn Mj , u.^ Functionen der Zeit allein sind. Die erste der
obigen Gleichungen nimmt dann die Gestalt an
, .du du
{ca + Ci) W-- = TTT »
^ da et
worin c, q Constanten sind. Daraus folgt nun weiter
du. d u.,
also hat u die Form ac^^ -\- const.
392 XXII. Commentatio m'4thematica etc.
Wenn aber in der Differentialgleichung (1) die Coefficienten «, h schon
Functionen von a allein sind, so können wir unbeschadet der Allgemeinheit
6=0 annehmen (durch Einführung einer neuen Variablen für a), und da die
Differentialgleichung (1) durch Transformation aus der Gleichung
c^u c^u , d^u f u
dV^ "^ Fp "^ Fz'' ~~ dt
hervorgegangen sein muss, so kommt unsere Aufgabe auf die folgende zurück:
Es sollen alle Functionen cc der Coordinaten x, y, z gefunden werden, die
den beiden Differentialgleichungen .
^ = ä^^ + ä? + ä^ = '' ^ = te) +W +lä7; =^^")
zugleich genügen.
Wir setzen zur Abkürzung:
Cd da c cc .>..>. 9
c X -^ ' oy -^^ dz >/ i-ii
und haben nun vier Fälle zu unterscheiden:
1. Wenn p, q, r von einander unabhängige Functionen der Coordinaten
ic , 2/ , ^ sind , so ist a eine Function von m , cp (m) , und wir können p, q, r als
Ul
labhängige
Variable
an
Stelle von
X, y, z
• einführen. Setzen
wir
so
s =
> folgt:
= K — px
X =
—
qy — rz,
ds
Tp' y =
ds =
CS
— xdp
z = —
— y d^. — ^
ds
dr'
■dr,
a =
s -
ds
-^dp-
CS
,cs _
dr~
cp{m).
Setzt man
s = ip{m) + i
und bestimmt die Function ip{m) aus der Differentialgleichung
tp{m) — 2mip'{ni} = qp(m),
so ergiebt sich für t die partielle Differentialgleichung erster Ordnung
dt dt dt
t — p ^ q- r-^ = 0,
cp cq er
deren allgemeine Lösung ist:
wenn % eine willkürliche Function bedeutet und zur Abkürzung
gesetzt wird.
Wir haben also
"^ p ' P
ds
X ^j- = 2pip'{m) + X- ßx'iß) — YX (y)
(2) - 2/ = 1^ = 2q^'{m) + xiß)
eq
' ds
— z = j^ = 'ir^'im) -\- x{y)
Anmerkungen. 393
Nun folgt aus der Gleichung
dx * dy ^ dz
durch Einführung von j), Q, ^ als unabhängige Variable
^^ _^^^ xdz_dx_ d^dz_ .d_x cy dy dx
dq dr dq dr * dr dp~^ dr dp dp rq~ cp Wq"^ *
oder durch Substitution von (2)
VI ( 12 t/;' {mY + 16 w i/;' {in) 7p" (?w))
und da vi, ß, y von einander unabhängige Variable sind, so spaltet sich diese
Gleichung in die drei folgenden:
^^ dß'^'ry'^ [dßdy) {i-fß^-^y^'
(4) (^^4-l)e;^ + 2|5y||^+(y^ + l)J^=^,^^
(5) in (l2i/)' (w)^ + 16 m ip'im) i/;"(»0) + ^'i "/»^(^t/j'Cw) + Am7p"(m)) -f Z; = 0 ,
worin k, l\ unbestimmte Constanten bedeuten. Führt man an Stelle der
Function x eine neue Function Xi ein durch die Gleichung
so gehen die Gleichungen (3), (4) in folgende über:
(6)
dß^ dy'' \dßdy/ (i -^ ß'^ -\- y-^f ^
(T) iß'^ + ^) 1^ + ^^^5f^ + (y^ + ^) ^ = '-
Diese Gleichungen können aber nur dann zusammen bestehen, wenn Xi eine
lineare Function von ß, y, und folglich Ä:' = 0 ist; denn betrachten wir
^^ P a^ ^ay' dß' dy
als rechtwinklige Coordinaten, so ist (6) die Differentialgleichung einer Fläche
mit constantem Krümmungsmass, (7) die einer Mininialfläche, zwei Eigen-
schaften , die bekanntlich nur bei der Ebene zusammentreffen.
Hieraus ergiebt sich, wenn «, ö, c Constanten bedeuten, für x ein Ausdruck
von der Form :
X = a-^bß-\- cy -\. \ k, yr+ß^~rfy
und die Gleichungen (2) gehen in folgende über:
^A-, 4- 2ymip'{m)
X -{- a = —
y + h = -
Vl + ß' + Y'
394 XXII. Commentatio mathematica etc.
- (u-, +2j/wV(»0)y
Vi + ß' + y'
{X + ay + (!/ 4- by + (^ + cy = (i-/.-, + 2>^7/,'(m))%
woraus folgt , dass die Flächen a = const. oder vi = const. concentrischc
Kugeln sind.
2. Wenn zwischen den Variablen p, q, r eine von den Coordinaten x^ y, z
freie Gleichung besteht, so kann r als Function von p, q angesehen werden,
und wir haben
clr = a dp -{- h dq,
wenn
dr dr da db
~ dp' ~ dq' dq ~ dp
gesetzt wird. Hieraus folgt:
dp dp , ,dp dq ^<1 X i^Q ^f dr , ,dr
cz dx dy dz dx dy dz dx dy
Wenn nun nicht
(8) p' -\- q^ -\- r^ = const.
ist, so wird a von denselben beiden Variableu abhängen wie p, q, r, und
daraus geht hervor:
r = aj) -\- bq
und durch Differentiation:
da, db ^ da, db
^ dp dp ^ dq cq
dadbdadb^^
(9) ^- TS ^- ,^ == 0.
^ ' dp cq dq Op
Setzen wir nun, wie vorhin, auch in dem Fall, wo die Gleichung (8) be-
steht,
s = (X — xp) — yq — zr ,
ds = — xdp — y dq — z dr = — (^ + az) dp — {y -\- bz) dq ,
so folgt, dass auch s nur von p, q abhängt, und es ergiebt sich
(10) ^^ = -(x + az), || = -(;, + i.).
Führt man nun in der Gleichung
dp di dr_^
dx dy dz
p, q, z als unabhängige Variable ein, so folgt
dp dq \dq dz dq dz) \dp dz dp dz/ '
und daraus mit Hülfe von (10)
' idi^' + ^^ - ''^Kd-^^ Fi) + d^^' + ''^
+ l^o (1 + b') - 2 ab Ä- + 1^2 (1 + et') = 0.
' dp^ cpcq dq^
Da nun a, 6, 8 von z unabhängig sind, so zerfällt diese Gleichung in die bei-
den folgenden:
Anmerkungen. 395
(12) I« (j + 6^) _ ah (^ " + I*) + Ii (1 + «■') = 0.
^ ' dp \rq cp/ oq
Betrachten wir nun p^ q, r als rechtwinklige Coordinaten, so ist (12) die
Differentialgleichung einer Minimalfläche, welche nach (8) oder (9) zugleich
eine Kugel oder eine in die Ebene abwickelbare Fläche sein müsste. Dies
kann nur vereinigt sein, wenn die Fläche eine Ebene ist, und daher a, b Con-
stanten sind, die man bei passender Bestimmung der Richtung der 2-Axe
gleich Null annehmen kann. Demnach ergiebt sich aus (11)
('«) S + l^ = «'
und ferner wie im ersten Fall
m = p'^ -f q'\ r = 0,
- ^ = 1^ = ^'{m)2p + xiß) - ßziß).
ds
— 2/ = ^ == '/''O'O 2^i -h X(ß) ,
wenn ß == — gesetzt wird.
Aus (13) folgt daher
_ s
ym(4rip'{m) + 4mV'(wO) + (1 + ß')' x" iß) == 0,
eine Gleichung, die in die beiden folgenden zerfällt:
)/m ^4 if)' (tu) -j- 4 m xp" {m)j = k ,
X'iß) = ^
Vi + ß^'
worin /.; constant ist. Die Integration dieser letzteren Gleichung ergiebt, wenn
a, b willkürliche Constanten sind.
^(ß) = kYi + ß' + ci-\-bß.
Demnach haben wir
2 ip' (m) Ym -f- k
X -\- a =
!/ + ?> =
yi-\-ß'
(2ip\7n)ym -j- k)ß
Vi-\-ß'
(x + ay + (?/ + ^y = (2 V ("0 V"^ 4- ^•)''
Die isothermen Flächen sind daher in diesem Fall Cylinder mit kreisförmigem
Querschnitt und gemeinschaftlicher Axe.
Der dritte Fall, in dem p, q, r Functionen einer und derselben Variablen
sind, kann nicht vorkommen. Ist nemlich
so folgt aus den Gleichungen
396 ■ XXII. Commentatio mathematica etc.
dg dr ,dr* dp dp di\
dz dy dx~ dz^ dy ~ dx'
und die Gleichung A == 0 liefert
was sich offenbar widerspricht.
Es bleibt also nur der vierte Fall, in dem p, g, r constant sind, und daher
die Schaar der isothermen Flächen aus parallelen Ebenen besteht.
Von der allgemeineren Frage, wann die Temperatur ausser von der Zeit
nur von zwei Variablen abhängig ist, lässt sich der erste Fall, der im Text
durch m = 1 charakterisirt ist, in folgender Weise beantworten.
Wir haben in diesem Fall die quadratische Form
\a\ b', c'/
in der a, b' lineare Functionen von y sind, während c von y unabhängig ist.
Ferner ist die Determinante
0 , c', ?>' I
c' , 0 , a\=2ab'c — c c c
b' , a, c \
constant. Die adjungirte Form zu dieser ist
— {ada -f b'dß — cdyY + 2{2ab' — cc)dadß ,
in der 2 ab' — cc von y unabhängig ist.
Nun können wir durch Einführung einer neuen Variablen an Stelle von y,
welche eine lineare Function von y ist, diese Form in die einfachere trans-
formiren:
(ada -\- cdyY -j- 2mdadß,
in der a eine lineare Function von y, c und m von y unabhängig sind. Es
sind nun die Fälle aufzufinden, in welchen diese Form in eine andere mit con-
stanten Coefficienten, oder speciell in die Form dx''^ -\- dy^ -f- dz^^ transformir-
bar ist.
Zu dem Ende bilden wir die Gleichungen (tt', i" l") = 0 (S. 381), welche
in diesem Fall die Gestalt annehmen:
(2.2) ,nc {Z\ - J^) + (^ _ |i) (o 1^ + .„ 1?) = 0 ,
^ ' ^ \ca^ ccccy/ \dy da/ \ da cyl
/„ ov ^ /^'"^«^ « c-m \ . ^ dm (dm d a\ m /dacV ^
(3.3) 2mc ( 2 ^^) + 4C^ (g^ - «gjj - - (^) = 0 ,
Anmerkungen, 397
/ d*a^ d^ac\ . ^ de / de da , d a\
(2,3) +2e(c--«^)(^-«^)-2m^^
/o ^v o a^ac ^ dae dm ^ de dae
(3. 1) 2,»c ^^ - 2e -^ -g-- - 2» ^ ^ = 0 ,
(1.2) 2,„ (20 g^-^ - .gp- J + [c 3p - «gp) = 0.
Aus (1,2) folgt, dass c -p-^ — " öö^ » ^^^^ auch -^-^ von y unabhängig ist; setzt
man daher a = «j + yao, so folgt dass a^ von der Form ist c /"(«), und /"(a)
von ß unabhängig.
Wir haben daher
{ada + edy)' + 2)ndadß = (a^ da -\- c {f{a)da-\- dy)y + 2mdadß;
führt man also statt y eine neue Variable y -|- j f{a)da ein, so geht die
quadratische Form in eine andere von derselben Gestalt über, in der nur a
von y unabhängig ist. Bei dieser Annahme erhält die Gleichung (2,2) die
Form
d^^ e de dm
"'da'
da Ca
US in Verbindung
mit
(1,1) hervorgeht:
aiog
da
de
da
— =
d logw
= 7{
Ca
' ^ß ^
log m
^Tß-'
daraus
. '
ce
c a
= mcp(ß)
cc , ,
Es sind nun drei Fälle zu unterscheiden.
1) wenn cp{ß) = tp{a) = 0 ist, so ist c = const. und aus (1,2) folgt
^^— ' = 0. Führt man also an Stelle von y eine neue Variable cy -f- fada
C ß ^
ein, so erreicht man, dass in der quadratischen Form a = 0, c = 1 wird, und
aus (3,3) folgt dann
^ = 0, 2. = .«.)*(,).
Führt man daher an Stelle von a, |3 die Variablen J;f(a) fZa, J%{ß)dß ein,
so erhält man die quadratische Form
dy2 -\- dadß,
welche durch die Substitution a = x -\- iy , ß = x — iy , y = z übergeht in
dx' + dy^ 4- dz'.
Die isothermen Curven a = const., ß = const. sind also in diesem Fall parallele
gerade Linien.
398 XXII. Commentatio mathematica etc.
2) Wenn (p{ß) == 0, tp{cc) nicht = 0 ist, so ist c von a unabhängig, und
aus (1,2) folgt, dass — - von ß unabhängig ist. Auf ähnliche Weise, wie oben
erreicht man nun^ dass a verschwindet, und ferner ergiebt sich
1 de
^ dß~ '"'
wodurch die Gleichungen (1,1) . . . (1,2) sämmtlich befriedigt sind. Führt mau
I — 7-r , c als neue Variable an Stelle von a, ß ein, so erhält man die quadrati-
J ip{ci) y r 1
sehe Form ß-dy- -\- daclß, welche in dx^ -j- diß -\- dz^ übergeht durch die
Substitution
X + iy = ß, X — iy = a — ßf, z = ßy.
Hieraus kann man aber mittelst der Gleichungen a ■-= const., ß = const. keine
reellen Curven erhalten. Der Fall ^/^(o;) = 0, (p{ß) nicht = 0 ist von diesen
nicht wesentlich verschieden.
3) Wenn weder ip{cc) noch (p{ß) verschwindet, so führe man für a, ß die
dj^
iß)
neuen Variablen / —r-z^ I — tt;^ ein, wodurch man erreicht, dass
cc cc cc cc
ida c ß ca c ß
also c = f{u -\- ß) , m == /'(a -j- ß) wird.
Nun folgt aus (1,3)
Ol cac
dß dlogcm
dß dß '
und daraus durch Integration
ac = f^(p{cc) -j- tp{a)
durch Einführung der Variabein y -{- l cp{oc) da statt y erreicht man dass
qp(a) = 0 und mithin ac = i/;(a) wird. Dann folgt aus (1,2):
Pf"
I^ = _ ^(«)2.
Da nun die eine Seite dieser Gleichung nur von a, die andere nur von
a -\- ß abhängt, so muss jede derselben einer Constanten /<;- gleich sein, woraus
sich für die Function f die Differentialgleichung zweiter Ordnung ergiebt:
wonach die Gleichungen (1 , 1) . . (1 , 2) alle befriedigt sind. Die einmalige Inte-
gration dieser Gleichung ergiebt, wenn /^ eine neue Constante bedeutet:
Setzen wir nun a = x -[- iy , ß = x — iy , und führen für y eine neue
Variable y — ik j ^2 ^^^^ ^^ erhalten wir
{cdy -i- aday -{- 2mdcidß== [f dy + j dyf + '^f'idx' -f dy-)
= f'dy'' + Udydy + 2f' dx' + l^\dy\
Anmerkungen. 399
Setzen wir ferner
woraus folgt
I = ~ v^r-k\ r = /••? ^' + ~ .
so gellt unsere quadratische Form über in
(y cly + k, dy)' + /■•? a^cZy'-' + tZ|^
Beziehen wir dieselbe auf Polarcoordinaten , indem wir setzen:
4 = r, 1;y = fp, /.:, ?/ + j' y = .- ,
so nimmt sie die Form an:
Die Curven a = const., ß = const. werden daher
r = const. , 0 — -ry qp = const.
worin k auch = 0 sein kann.
In dem Specialfall A-, = 0 erhalten wir 4 = -j- und die quadratische Form
wird
- 2ki^dy' -\- 2kdydy + dk\
oder indem wir an Stelle von ^, - — , Y — 2kiY wieder a, |3, y schreiben :
y — 2ki
ady' -f dßdy + rfa^^
welche in die Form dx- + f??/^ + ^^^ übergeht durch die Substitution
X -\- iy = ß -\- ay — -^y%
X ~ iy = y ,
Z ^ Ci — |y2;
aber den hieraus sich ergebenden Gleichungen
z -\- {{x ~ iyY = a = const.,
(.r + 'iy) — o^i^ — iy) -f tV (^ — iy)^ = 1^ = const.
entsprechen keine reellen Curven
In den übrigen Fällen ist es mir nicht gelungen die Rechnung vollständig
durchzuführen. W.
XXIII.
SuUo svolgimento del quoziente di due serie ipergeometriche
in frazione continua infinita.*)
I.
Avendo una frazione continua infinita della forma
« +
1 +
1 +
che per valori di x abbastanza piccoli converge e rappressenta la fun-
zione fix), si vede facilmente, cbe la ridotta m^^"^^ e uguale al quo-
ziente — di due funzioni intere ^^^ e g,n, i cui gradi sono ambedue
n, se m = 2n -\- 1, e n e n — 1, se m = 2n. La diiferenza tra la
ridotta e la funzione f(x'^, se x e infinitesimo, e infinitesima dell' ordine
jj-^esimo^ Ma affinche questo avvenga, debbono essere sodisfatte tante
condizioni, quante sono le quantitä ajbitrarie contenute nella funzione
fratta uguale alla ridotta.
Dunque la ridotta m^«"»* puö determinarsi mediante la condizione
di coincidere nei primi m termini dello svolgimento secondo le potenze
di X colla funzione da svolgere e mediante i gradi del numeratore e
del denominatore, che sono per m = 2n -\- 1 ambedue n q n q n — 1
per m = 2n,
IT.
Questo modo di determinare la ridotta conduce immediatamente
alF espressione della ridotta, quando si tratta di svolgere il quoziente
delle Serie ipergeometriche
*) Die Bearbeitung dieses Fragments, dessen Entstehung in den October 1863
fällt, rührt von H. A. Schwarz in Göttingen her.
XXIII. SuUo svolgimento del quoziente di due serie etc. 401
ove si faccia uso delle praprieta caratteristiche esposte nella memoria
[Beiträge zur Theorie der durch die Gauss'sche Reihe F{ay ß^y^x)
darstellbaren Functionen].
Infatti, poiche per x infinitesimo 77 — ^^ divieni infinitesimo
dellordine m e Qq,,, delFordine a, Tespressione q,nP — 2),nQ diviene
infinitesima deirordine m -\- a^ e si dimostra facilmente, che questa
espressione ha tutte le proprietä caratteristiche di una funzione
sviluppabile in serie ipergeometrica in modo che si abbia
q2n+lP—p2n+lQ
\«— 1 ß —n y J \a —n—1 ß y ) ^
\a — n ß — n y )
dove Tny Qn denotano ciö che divengono P, Q, quando si mutano
a, a in a -{- n, a — n. Ora, se facciamo variare continuamente x e
le funzioni di x, in modo che l'indice del valore complesso x percorra
un giro intorno l'indice di 1, q,ny Pm riprendono gli stessi valori, mentre
P, Q, Pn, Qu si convertono in altri rami di queste funzioni.
Dunque: se designiamo con P', Q', Pn, Q'n altri rami corrispon-
denti di queste funzioni, abbiamo anche
, . q.2n+lP' —p2n-{-lQ' = X''Pn^l
^^ q2nP'-p2nQ' = ^« ft.
Dalle equazioni (1) e (2) s^ottiene:
«2«+l QK+1-Q'KW ^2n QQn-Q'Qn'
Dunque, per trovare per quali valori di x, -— e ^""^^ convergano
verso* -^ , basta ricercare quando -jPr e -j7~ ^^^ crescere indefinito di
X convergano verso zero.
[IILJ
A questo scopo conviene introdurre Tespressioni di P„ e Qn per
integrali definiti. Ponendo
[ — a — ß' — y = a
— d — ß — y = h
— a —ß' — y =c\
puö esprimersi
Kikmann's gesammclto raatheniatischc Werke. I. 2G
402 XXIII. Sullo svolgimento del quoziente di due serie
1
Pn per ra-« + '» (1 —oc)y rs" + " (1 — s)^ + « (1 — asy-'^ds']
0
1
<3« per nr« + « (1 — o;)!' /'s« + i + «(l — 5)^ + «(l — rr5)'^-«6?sl.
0
Per avere il valore generale delle funzioni P,^, Qn bisognerebbe
moltiplicare gli integrali per fattori costanti, ma possiamo sostituire
nelle equazioni (1) gli integrali comprendendo i fattori costanti nelle
funzioni intere j^m, dm- Quanto ai valori delle funzioni sotto il segno
integrale, e indifferente qualunque valore si prenda, purche si pren-
dano per s% (1 — 5)^, (1 — xsy gli stessi valori in ogni integrale.
[Nun bleiben die Ausdrücke für —^ auch unverändert, wenn für
J-vi
P', Q\ Fn, Qn dieselben linearen Verbindungen dieser Grössen und der
Grössen P, Q, P,„ §« : ÄP+ BP', ÄQ + BQ\ ÄPn+BP;, ÄQ,+ BQ'n,
gesetzt vs^erden, wo A und B i^wei Constanten bezeichnen, von wel-
chen B nicht gleich Null ist. Solche correspondirende Functionen er-
geben sich, wenn die obigen Integrale anstatt von 0 bis 1 von irgend
einem der vier Werthe 0, 1, 7 , 00 zu irgend einem dieser vier Werthe
und zwar alle auf demselben Wege erstreckt werden.]
Dunque si possono prendere per Pn, Q'n gli stessi integrali estesi
da uno ad uno intorno di — .
X
Gli integrali [durch welche der letzten Annahme zufolge P„, Qn,
Pn, Q'n ausgedrückt sind, ändern bei einer continuirlichen Variation
des Weges der Integration zwischen den angegeben Grenzen ihren
Werth nicht] purche il cammino d'integrazione non oltrepassi Tindice
di — , e possiamo disporre del cammino deir integrazione in modo
che si possa piü facilmente trovare il limite verso il quäle converge il
valore delF integrale col crescere di n.
* . s(l — s)
A questo scopo -7 7 ' ' '
■'■ 1 — xs
[Hier bricht der Text ab. Es lassen sich aber aus einigen Hand-
zeichnungen und Formeln die Schlüsse, deren Riemann sich bedient
hat, etwa in folgender Weise herstellen.
Man setze:]
1 — X8
[und betrachte in der Ebene der complexen Grösse s die Curven,
längs denen der Modul von e-^^'^ einen constanten Werth hat. Für
ipergeometriche in frazione continua infinita. 403
sehr kleine Werthe dieses Moduls umgeben diese Curven die Punkte 0
und 1 nahezu wie concentrische Kreise mit kleinen Radien. Für sehr
grosse Werthe des Moduls umgeben diese Curven den Punkt s = —
und den Punkt s = <X). In beiden Fällen bestehen die Curven also
aus zwei getrennten Theilen. Lässt man den Modul von kleinen
Werthen an wachsen, so werden die getrennten Theile, welche die
Punkte 0 und 1 umgeben und demselben Werthe des Moduls ent-
sprechen, einander immer näher rücken, bis sie nur eine Curve bil-
den, welche einen Doppelpunkt hat. Für diesen Doppelpunkt muss
l"(s) gleich Null sein. Eine ähnliche Betrachtung findet statt, wenn
man den erwähnten Modul von sehr grossen Werthen an abnehmen
lässt.
Es ergeben sich folgende Gleichungen:]
f(s) - log(l - s) - log(| - x) ,
' ^^^ ~i — S ' 1 _ _ SS s(l — s) (1 — xs) '
s
[Für f\s) = 0 ist also]
1 — 25 + ^6-- = 0, s{l — xs) = l — s, l — 2s + s'^ = {l — x)s'^ = {l — sy
- — 1 = yi-^ = 1 — xs
s '
1 — s
1 — xs
[Es werde nun mit yl — x derjenige Werth der Quadratwurzel be-
zeichnet, dessen reeller Bestandtheil positiv ist, wobei der Fall, dass
X reell und > 1 ist, von der Betrachtung ausgeschlossen wird. Femer
mögen (7, (?' die beiden Wurzeln der quadratischen Gleichung
l-~2s + xs" = 0,
1 , *l
a = ,-, 7 6 =
1 4- yi — X 1 — y 1 — X
bezeichnen, so dass der Modul von a kleiner ist als der Modul
von ö .
Dann ist
>fio)
ö' = ( — y — y , c/(«') = (?'- = ( — j. — V .
\i + yi-xj ^ \i-yi-xj
Man denke sich nun den Punkt s = 0 mit dem Punkte 5 = 1 so
durch eine Linie verbunden, dass dieselbe den Punkt s = a enthält
und dass bei dem Fortschreiten auf dieser Linie der Modul von e^^'^
II uf dem Wege von s = 0 bis s = a beständig im Zunehmen, auf dem
404
XXIII. SuUo svolgimento del quoziente di due serie
Wege von s = a bis 5=1 aber beständig im Abnehmen begriffen ist.
Eine solche Linie kann als Integrationsweg für die von s = 0 bis
s = 1 zu erstreckenden Integrale dienen, durch welche die Functionen
Pny Qn ausgedrückt werden.
Für diejenigen Integrale hingegen, welche an die Stelle der
Functionen Fn, Qn gesetzt werden, kann ein Integrationsweg dienen,
welcher vom Punkte 5=1 zunächst nach dem Punkte s = ö' führt,
von dort nach dem Punkte s = 1 zurückführt und hierbei den Punkt
s = — umschliesst. Dieser Integrationsweg kann so gewählt werden,
dass der Modul von e-^^^^ sein Maximum auf dieser Linie nur im Punkte
s = a' erreicht.
In den nachstehenden Figuren, zu denen sich Entwürfe von
Riemann's Hand vorgefunden haben, sind die Integrationswege durch
punktirte Linien angedeutet.
Es handelt sich nun darum, einen Ausdruck zu finden, welche]
den Werth des Integrals
/
ga + n(^l _ gy-\-n(^l __^gy-nß^g
für unendlich grosse Werthe von n asymptotisch darstellt.
Man setze
s«(i — sY {1 — xsy = (p(s),
so ist zu berechnen
/ e«/(*') (p(s)
ds für n = oo.
Diejenigen Theile des Integrationsweges, welche nicht in der Nähi
des singulären Werthes s = a liegen, ergeben zu dem Werthe de
Integrales einen Beitrag, welcher für unendlich grosse Werthe von o
nicht allein unendlich klein wird, sondern auch — weil der reelle Be
standtheil von n (/"(ö) — f(s)) unter den angegebenen Voraussetzungei
über jedes Mass hinaus wächst — unendlich klein wird im Verhältnis
ipergeometriche in frazione continua infinita. 405
zu dem Theile des Integrals, welches sich auf einen in der Nähe des
Werthes s = ö liegenden Theil des Integrationsweges bezieht. Aus
diesem Grunde genügt es zur Auffindung eines für lim w = oo gelten-
den asymptotischen Ausdruckes für das erwähnte Integral, die Sum-
mation auf einen in der Nähe dea Werthes s = a liegenden Theil des
Integrationsweges zu beschränken. Man setze daher, mit h eine Grösse
bezeichnend, deren Modul nur kleine Werthe annehmen soll:]
s == a -\- h
nf{s) = nflo) + nf^ h' + n{h')
V-
nf ''^
2
'*{P
e«/W (p (s) ds = e»/^^) 9 ( (^ + -^-j=^====^ \ e""' --j^J^^
(. z \ ^^ dz
2
[Wird nun der in der Nähe des Punktes s = C liegende Theil des
Integrationsweges geradlinig angenommen und zwar so, dass der von
den beiden Tangenten der Curve
mod ef^"^ = mod e-^^"^
im Punkte s = ö gebildete rechte Winkel durch denselben halbirt wird,
so convergiren für -lim n = oo die Grenzen der auf die Variable z
sich beziehenden Integration beziehlich gegen die Werthe — oo und
+ oc, und es ist daher der Beitrag, den die in der Nähe des Werthes
s = a liegenden Elemente des betrachteten Integrales für sehr grosse
Werthe von n zu dem Werthe des Integrals ergeben, asymptotisch gleich
Nun ist
2
— OD '2
2
1
T(r-
-ü)
1
ft + c
9W==
<ya + &
(1-
-X)-' .
406 XXIII. Sullo svolgimento del quoziente di diie serie etc.
1
Es ist demnacli der asymptotische Werth von / e''f^'^q){s)ds gleich
Durch analoge Schlüsse wird der asymptotische Werth von / e^-^'''^ (p(s)ch
als 1
Yn Vi - fl —xj ^ ^
gefunden.
Unter den angegebenen Voraussetzungen ergiebt sich also für den
Quotienten P^ : P« der asymptotische Werth:]
[Für alle Werthe von x, mit Ausnahme derjenigen, welche reell und
grösser als 1 sind, sowie mit Ausnahme des Werthes x = 1, con-
vergirt daher der Quotient Fn : Fn mit unendlich zunehmendem n gegen
Null.
Dasselbe gilt, wenn a in a -|- 1 verwandelt wird, von dem Quo-
tienten Qn : Q'n.
Hiermit ist bewiesen, dass die Näherungswerthe des Kettenbruches
von der in I angegebenen Form^ in welchen der Quotient
entwickelt werden kann, für alle Werthe von x, welche nicht reell
und ^ 1 sind, mit wachsendem Index gegen den Werth dieses Quo-
tienten convergiren.]
XXIV.
lieber das Potential eines Ringes.
Um die Wirkung eines beliebigen Körpers, dessen Theile eine
Anziehung oder Abstossung umgekehrt proportional dem Quadrate der
Entfernung ausüben, für jeden Punkt ausserhalb dieses Körpers zu
bestimmen, hat man bekanntlich eine Function V der rechtwinkligen
Coordinaten x', y, z dieses Punktes zu suchen, welche den Namen des
Potentials oder der Potentialfunction der wirkenden Massen führt und
dV cV dV
deren Differentialquotienten 0— » ^— , ^ den Componenten der be-
^ ex cy dz ^
schleunigenden Kraft im Punkte x^ y, z gleich oder entgegengesetzt
sind, je nachdem die Masseneinheit eine gleiche um die Längeneinheit
entfernte Masse mit der Einheit der Kraft anzieht oder abstösst. Zur
Bestimmung dieser Function, welche der Bedingung
S2 Y r,^V r-V
Cl) ^ + ^ + ^ = 0
genügen muss, ist es hinreichend, wenn in jedem Punkte der Ober-
fläche des Körpers noch eine Bedingung gegeben ist, und es bietet
sich die Aufgabe liäufig in der Form dar, dass nicht die Vertheilung
der Massen im Körper, sondern gewisse Bedingungen, denen ihre
Wirkung in der Oberfläche genügen soll, gegeben sind, z. B. dass V
einer willkürlich gegebenen Function gleich werden soll, also in jedem
Punkte der Oberfläche die ihr parallele Componente gegeben ist, oder
dass in jedem Punkte in Einer gegebenen Richtung die Componente
einen gegebenen Werth erhalten soll. Das Verfahren um diese Auf-
gabe zu lösen besteht bekanntlich darin, dass man aus particularen
Lösungen der Differentialgleichung (1)
ft, Q,, •••, Q.„ •••
einen allgemeinen Ausdruck
a,Q,+a,Q, + --- + a,.Q„ + ... = R
mit den willkürlichen Constanten r/j, (^^ . . ., iiny ... zusammensetzt,
welcher ebenfalls der Differentialgleichung (1) genügt, und dann diese
408 XXIV. lieber das Potential eines Ringes,
Constanten so bestimmt/ dass die Grenzbedingungen erfüllt werden.
Die Ausdrücke R convergiren im Allgemeinen nur für gewisse Werthe
der Coordinaten x, y, Zj so dass für jeden bestimmten Ausdruck der
ganze unendliche Raum durch eine Fläche s in zwei Theile zerfällt, in
deren einem dieser Ausdruck convergirt, während er in dem andern
allgemein zu reden (d. h. von einzelnen Punkten und Linien abgesehen)
divergirt. So z. B. wird der Ausdruck
X/ ^n e ^"^ cos an X cos ßn V
für eine bestimmte auf der ^-Axe senkrechte Ebene zu convergiren
aufhören. Führt man statt x, y, s Polarcoordinaten ein und entwickelt
V nach Potenzen des Radiusvectors, wo dann bekanntlich die Coef-
ficienten der wten Potenz sich aus den Kugelfunctionen niex Ordnung
multiplicirt mit willkürlichen Constanten zusammensetzen, so erhält
man eine Reihe, welche für eine bestimmte Kugelfläche, die den Pol
zum Mittelpunkt hat, zu convergiren aufhört. Es ist nun beachtens-
werth, dass einer bestimmten Form der Entwicklung M schon eine
bestimmte Schaar von Grenzflächen der Convergenz entspricht (im
ersteren Falle eine Schaar paralleler Ebenen, im zweiten eine Schaar
concentrischer Kugelflächen), während es von den Werthen der Coef-
ficienten abhängt, für welche Fläche dieser Schaar die Divergenz
eintritt.
OjßFenbar muss nun der Ausdruck li für das ganze Gebiet, wo die
Function V bestimmt werden soll, convergiren, weil man nur dann
diesen Ausdruck in die Grenzbedingungen einsetzen kann um die will-
kürlichen Constanten in ihm zu bestimmen. Andererseits aber lässt
sich leicht zeigen, dass ein Ausdruck, welcher der Differentialgleichung
(1) genügt, nur da wo er zu convergiren aufhört, eine willkürlich ge-
gebene Function darstellen kann. Folglich muss die Form des Aus-
drucks B so bestimmt werden, dass die Oberfläche des Körpers eine
der ihm angehörenden Grenzflächen der Convergenz ist.
Es soll zunächst für einen Ring mit kreisförmigem Querschnitte
diese Aufgabe gelöst werden, was für manche physikalische Unter-
suchungen nicht unerwünscht sein dürfte.
1.
Legt man die ^-Axe in die Axe des Ringes und den Anfangspunkt
der Coordinaten in den Mittelpunkt des Ringes, so erhält die Gleichung
der Ringoberfläche die Form
. (y?+7' ± ay -f ^2 == c\
XXIV. Ueber das Potential eines Ringes. 400
Ich suche zunächst statt x, y, z solche Variahehl einzuführen,
(lass eine derselben in der Oberfläche des Ringes einen constanten
Werth erhält und zugleich die Differentialgleichung (1) eine möglichst
einfache Form behält.
Führt man in der {x^ ?/)-Ebe5ie Polarcoordinateu ein, indem man
X = r COS9 , y = r sinqp
setzt, SO wird die Differentialgleichung (1)
fi'^V f]V ?)^V r)^V
•die Grenzgleichung von (p unabhängig, nemlich
und
(,. _ af + ^^ = c\
also in der (r, ;s)- Ebene die Grenze durch zwei mit dem Radius c um
die Punkte ( — a, 0) und (a, 0) beschriebenen Kreise gebildet.
Ich führe nun statt r und z zwei neue Veränderliche q und il?
ein, indem ich für r -\- zi eine Function einer complexen Grösse pe'^'
setze ,
r -\- zi = f{Qe'^')
und die Grösse ge'^'' als Function von r -\- zi so bestimme, dass ihr
Modul Q in jedem der beiden Grenzkreise einen constanten Werth er-
hält und sie ausserhalb der beiden Kreise allenthalben stetig und end-
lich bleibt.
Diesen Bedingungen wird genügt, wenn man
und
ß = — y = Yaa — cc
setzt; denn es wird dann
(«+,-+.0(«+---)=^-^— ^fi^-(« + .)^'
Diese Grösse wird von 1^' unabhängig, wenn
und zwar
= (a + ry->^ = (a + /3)(« + y).
Ebenso wird die Grösse
(— a + r + zi) (— a + r — ei)
410 XXIV. Ueber das Potential eines Ringes.
von i' unabhängig und zwar
= (-a + ß)i-a-{-y),
wenn
Es entsprechen also den Werthen
99 = i> 99 = r-^>
zwei um die Punkte (— a, 0), (a^ 0) mit den Radien
Via + ß)(a + y), >/(- a + ß) (- a + y)
beschriebene Kreise. Sollen beide Radien = c werden, so muss
{a + ß){a + y)-{-a^ß){-a + Y) = Mß + /) = 0,
also y = — ß, aa — ßß = cc, also ß = Yaa — cc sein.
2.
Die Umformung der Differentialgleichung (I) kann dadurch er-
leichtert werden, dass man V==r''^U setzt, wodurch
= r" g + (2f. + 1) r/'-i |Lf + j,j,,.,.-2 j;^
und ^ so annimmt, dass das zweite Glied wegfällt, also ^ = — 4.
Die Differentialgleichung (I) wird dann
Bezeichnet man nun der Kürze wegen die complexen Grössen
r -\- si durch y und ge^' durch r] und die conjugirten Grössen durch
1/ und ri' j so erhält man
y -\- y • 2/ — y
2
dU
cy
folglich
~"2 \g,. dzV' dydy' ~'^\dr'' ~^ dz'J
Xdr^ ' c z~ J ^^ ' ^ J cycy ^
ferner
2 5
XXIV. UcLcr das Potential eiues llinges. 411
oder (da tjt] = q\ logt? = log() + ti, log V == log() — ^/)
Die partielle DifFerentialgleichung wird also
_ _1_ \ 2
9
2
3.
Es ist jetzt leicht, U in eine Reihe von particuliiren Integralen
dieser Differentialgleichung zu entwickeln, welche gleichzeitig für alle
Werthe von g) und 4* convergirt oder divergirt. Zu dem Ende hat
man nur diesen particuliiren Integralen die Form zu gehen
COS^^, ; COS
• mit • n w ,
sin ^ sin ^ '
multiplicirt in eine Function P von q^ welche der Differentialgleichung
genügt. Die Bestimmung der willkürlichen Constanten ergiebt sich
dann durch die Fourier'sche Reihe.
Setzt man *
so wird
dP ^ dP ^__Q
d log Q dt 2
d^P I ^ + 9 I d'^P ^
. + -^VT=itt+X)^ + t
dlogQ' \ 2 / dV ' 2 dt ^ ^ ^ df' ^ dt
und die Differentialgleichung (11) geht über in
U {fl + 1) -^^' 4- ^3 il' _ (,,^^^^ff. _j_ ^^,, ^_ |)p_ 0.
Diese Differentialgleichung enthält nur Glieder von zwei ver-
schiedenen Dimensionen in Bezug auf t und lUsst sich folglich nach
dem seit Euler bekannten Verfahren durch hypergeometriscli ■ li' ili« n
integriren. Die Lösung lässt sich auf sehr mannigfaltige Art durch
andere hypergeometrische Reihen ausdrücken, nemlich durch solche,
deren viertes Element den Werth oder den reciprokeu Werth folgender
412 XXIV. Ueber das Potential eines Ringes.
neun Grössen liat^
-('-•)'.
('"•)'(;;-::)■=-<-■
QQ, 1 -
1
V 2 J'
99'
(^ - A' (1 - qY (1 4- qY
V + 9/ 49 ^ 49 ^
und zwar giebt es nach jeder dieser achtzehn Grössen vier verschie-
dene Entwicklungen, welche der Differentialgleichung genügen, von
denen indess je zwei dieselbe particulare Lösung darstellen. Im All-
gemeinen wird man nach der kleinsten dieser Grössen entwickeln.
Entwickelt man nach einer solchen, welche für ^ == 1 verschwindet,
so zeigt sich, dass von den beiden particulären Lösungen die eine für
^ = 1 unendlich wird. Da V endlich bleiben soll, so muss in dem
Werth von P der Coefficient dieser particulären Lösung verschwinden
und F der für (> = 1 endlich bleibenden proportional sein. Von den
verschiedenen Ausdrücken derselben will ich Einen anzuführen micli
begnügen und durch ]?^'^ bezeichnen, nemlich
p«,m_(i _ ^p)'^ + ^2^±^'^J^(n4:m-f|, n + \, 2n + 1, 1 - qq).
Da sich in den Werth en der P"'^ die ersten drei Elemente der hyper-
geometrischen Reihen nur durch ganze Zahlen unterscheiden, so lassen
sich alle P«'"^ linear in zwei derselben P^'^, P^^^ ausdrücken (Comm.
Gott. rec. Vol. 11*)), welche ganze elliptische Integrale erster und
zweiter Gattung sind**) und vielleicht arg bequemsten nach dem Princip
des arithmetisch-geometrischen Mittels, d. h. durch wiederholte Trans-
formationen zweiter Ordnung, gefunden werden.
*) Gauss' Werke Bd. 111. S. 131. W.
**) Sämmtliche Pn,m lassen sich durch ganze elliptische Integrale im weitern
Sinne ausdrücken.
XXV.
Gleichgewicht der Electricität auf Cylindern mit kreisförmigem
Querschnitt und parallelen Axen.*)
Das Problem, die Vertheilung der statischen Electricität oder der
Temperatur im stationären Zustand in unendlichen cylindrischen Leitern
mit parallelen Erzeugenden zu bestimmen, vorausgesetzt dass im ersteren
Fall die vertheilenden Kräfte, im letzteren die Temperaturen der Ober-
flächen constant sind längs geraden Linien, die zu den Erzeugenden
parallel sind, ist gelöst, sobald eine Lösung der folgenden mathe-
matischen Aufgabe gefunden ist:
In einer ebenen, zusammenhängenden, einfach ausgebreiteten, aber
von beliebigen Curven begrenzten Fläche >S' eine Function u der recht-
winkligen Coordinaten x^ y so zu bestimmen, dass sie im Innern der
Fläche S der Differentialgleichung genügt:
und an den Grenzen beliebige vorgeschriebene Werthe annimmt.
Diese Aufgabe lässt sich zunächst auf eine einfachere zurück-
führen :
Man bestimme eine Function t, = i, -\- 7]i des complexen Argu-
ments z = X -\- yi, welche an sämmtlichen Grenzcurven von S nur reell
ist, in je einem Punkt einer jeden dieser Grenzcurven unendlich von
der ersten Ordnung wird, übrigens aber in der ganzen Fläche S end-
lich und stetig bleibt. Es lässt sich von dieser Function leicht zeigen,
dass sie jeden beliebigen reellen Werth auf jeder der Grenzcurven ein
und nur einmal annimmt, und dass sie im Innern der Fläche S jeden
complexen Werth mit positiv imaginärem Theil wmal annimmt, wenn
n die Anzahl der Grenzcurven von S ist, vorausgesetzt dass bei einem
positiven Umgang um eine der Grenzcurven ^ von — oo bis + cx) geht.
Durch diese Function erhält man auf der obern Hälfte der Ebene,
welche die complexe Variable ^ repräsentirt, eine nfach ausgebreitete
*) Von dieser und den folgenden Abhandlungen liegen ausgeführte Manuscripte
von Riemann nicht vor. Sie sind aus Blättern zusarameDgestellt, welche ausser
wenigen Andeutungen nur Formeln enthalten. W.
414 XXV. Gleichgewicht der Electricität auf Cylindern
Fläche Tj welche ein cönformes Abbild der Fläche S liefert, und
welche durch die Linien begrenzt ist, die in den n Blättern mit der
reellen Axe zusammenfallen. Da die Flächen S und T gleich vielfach
zusammenhängend sein müssen, nemlich w-fach, so hat T in seinem
Innern 2n — 2 einfache Verzweigungspunkte, (vgh Theorie der AbeT-
schen Functionen, Art. 7. S. lOG) und unsere Aufgabe ist zurückgeführt
auf die folgende:
Eine wie T verzweigte Function des complexen Arguments t, zu
finden, deren reeller Theil u im Innern von T stetig ist und an den
n Begrenzungslinien beliebige vorgeschriebene Werthe hat.
Kennt man nun eine wie T verzweigte Function lo =li -\- ig von
t,j welche in einem beliebigen Punkt a im Innern von T logarithmisch
unendlich ist, deren imaginärer Theil ig ausser in £ in T stetig ist
und an der Grenze von T verschwindet, so hat man nach dem Green'-
schen Satze: (Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Functionen
einer veränderlichen complexen Grösse Art. 10. S. 18. f.)
2 7t J CT}
dl
wo die Integration über die n Begrenzungslinien von T erstreckt ist.
Die Function g aber lässt sich auf folgende Art bestimmen. Man
setze die Fläche T über die ganze Ebene ^ fort, indem man auf der
unteren Hälfte (wo 5 einen negativ imaginären Theil besitzt) das
Spiegelbild der oberen Hälfte hinzufügt. Dadurch erhält man eine die
ganze Ebene J wfach bedeckende Fläche, welche An — 4 einfache Ver-
zweigungspunkte besitzt und welche sonach zu einer Klasse algebraischer
Functionen gehört, für welche die Zahl p = n — 1 ist. (Theorie der
AbeFschen Functionen Art. 7. und 12. S. 106, 112.)
Die Function ig ist nun der imaginäre Theil eines Integrals dritter
Gattung, dessen ünstetigkeitspunkte in dem Punkt e und in dem dazu
conjugirten f' liegen, und dessen Periodicitätsmoduln sämmtlich reell
sind. Eine solche Function .ist bis auf eine additive Constante völHg
bestimmt und unsere Aufgabe ist somit gelöst, sobald es gelungen ist,
die Function g von 0 zu finden.
Wir werden diese letztere Aufgabe unter der Voraussetzung weiter
behandeln, dass die Begrenzung von S aus ?^ Kreisen gebildet ist. Es
können dabei entweder sämmtliche Kreise ausser einander liegen, so
dass sich die Fläche S ins Unendliche erstreckt, oder es kann ein Kreis
alle übrigen einschliessen, wobei >S' endlich bleibt. Der eine Fall kann
durch Abbildung mittelst reciproker Radien leicht auf den andern zu-
rückgeführt werden.
mit kreisförmigem Querschnitt und parallelen Axen. 415
Ist die Function ^ von z in S bestimmt, so lässt sich dieselbe
über die Begrenzung von S stetig fortsetzen, dadurch dass man zu
jedem Punkt von S in Bezug auf jeden der Grenzkreise den harmoni-
schen Pol nimmt und in diesem der Function f den conjugirt imaginären
Werth ertheilt. Dadurch wird das Gebiet S für die Function ^ er-
weitert, seine Begrenzung besteht aber wieder aus Kreisen, mit denen
man ebenso verfahren kann, und diese Operation lässt sich ins Unend-
liche fortsetzen, wodurch das Gebiet der Function 5 mehr und mehr
über die ganze ^- Ebene ausgedehnt wird.
Im Folgenden bedienen wir uns, um auszudrücken, dass zwei
Grössen a, d conjugirt imaginär sind, des Zeichens:
a 1^ d ,
die dadurch ausgedrückte Verknüpfung zweier Grössen bleibt bestehen,
wenn beiderseits conjugirt imaginäre Grössen addirt werden, oder wenn
mit solchen multiplicirt oder dividirt wird; auch kann beiderseits die
AVurzel gezogen werden, wenn dieselbe richtig erklärt wird.
Ist nun 5 p g' und entsprechen den Werthen J, g' die Werthe
Zy z, SO ist, wenn r der Radius eines der Grenzkreise von S ist, und
z im Mittelpunkt desselben den Werth ]) hat:
z — p ^ r
woraus sich ergiebt: z A- b
wenn a, &, c, d Constanten bedeuten. Hieraus:
'^'' cz -\-d
ben. Hi
dz ,_ ac — 6c dz'
d^^r {cz +dy'dY
1 , 1 cz -i-d
Setzt man also:
'l/dz Yad — bc l/dz'
V M y df
z _i_ 1 az -{- b
'l/dz ' Yad — bc l/dz'
V di V dT
y\
\z
di , r d^
und bezeichnet die Werthe, welche y, y^ für t,' annehmen mit //, y'i
so ergiebt sich:
^ ' yad — bc
^^ ' yad-bc
416 XXV. Gleichgewicht der Electricität auf Cylindern etc.
woraus:
d'y , ^ df ^"^ dt''
(2)
dt' ' yad-hc
„d'y\ . , d^y'
folgt aus
d'y. , "
dt' "i~
dt'' ' '^ df
Nun
Yad — hc
(3)
z
V
durch Differentiation:
äy.
y dt
-^^f=l
oder
(4)
und
(5)
ebenso:
y dt'
1 dHj
y dt'
1 d^y
y' dt''
_ 1 ,<j'y;
2/'. dr^
Hieraus
und
aus
(1), (2) folgt weiter:
(6)
1
y
d'y
dt'
1 d^y,
~ 2/1 dt'
1 1 d^y 1
d'y\
dtr
Setzen wir also
/r7\ d^y
(7) d# = «2/
SO ist s eine Function von J die für conjugirt imaginäre Werthe von
S selbst conjugirt imaginäre Werthe erhält, und die sich also nichi
ändert^ wenn man in der Fläche T und ihrer symmetrischen Fortsetzung
auf beliebigem Weg zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Mithin ist s eim
wie T verzweigte algebraische Function von J; y und ^/i sind particulär(
Lösungen der linearen Differentialgleichung (7) und z ist das Verhältnis;-
derselben. Nimmt man umgekehrt die algebraische Function s in 1
beliebig an, jedoch so dass sie in conjugirten Punkten conjugirt imaginäre
Werthe erhält und mithin für reelle Werthe von f reell wird^ und nimmi
irgend zwei particuläre Lösungen von (7), so liefert die Function 0 == —
ein conformes Abbild der Fläche T, welches durch Kreise begrenzt wird
Die dabei auftretenden unbestimmten Constanten hat man dadurch zi
bestimmen, dass dieses Abbild in seinem Innern von singulären Punktei
frei und mithin in der ^- Ebene einfach ausgebreitet ist, und dass di*
Grenzkreise gegebene Lagen erhalten.
I
XXVI.
Beispiele von Flächen kleinsten Inhalts bei gegebener
Begrenzung.*)
I.
Es soll die Fläche vom kleinsten Inhalt bestimmt w^den, welche
begrenzt ist von drei Geraden, die sich in zwei Punkten schneiden, so
dass die Fläche zwei Ecken in ihrer Begrenzung und einen ins Un-
endliche verlaufenden Sector besitzt.
Die Winkel, welche die drei geraden Linien mit einander bilden,
seien aity /Jtt, yn. Auf der Kugel wird die gesuchte Fläche abgebildet
durch ein sphärisches Dreieck, dessen Winkel «jr, ßn, yjt sind, so dass
« + /^ + r > 1 ist.
Es mögen mit «, ?>, c die Punkte bezeichnet werden, welche in
der Ebene der complexen Variablen t den beiden Ecken und dem ins
Unendliche verlaufenden Sector entsprechen. (Ueber die Fläche vom
kleinsten Inhalt, Art. 13. S. 296.) Dann hat man:
const. dt
f
oder
u = const. log
Nimmt man, was freisteht, a = 0, ?> = c», c = 1 an, so folgt hieraus:
dn = const. ; n = const. loff — — ^
{\ — 1)^1 " 1 -f vT
*) Für das erste dieser Beispiele findet sich auf eineni einzebien Blatt in
Riemann's Nachlass das Resultat kurz aber voUstüiulig angegeben. Bezüglich
des zweiten liegt nur eine Bemerkung vor, in der nicht mehr als die Möglichkeit
der Lösung ausgesprochen ist. Für die Ausführung ist daher der Herausgeber ver-
antwortlich. Einige besondere Fülle des letzteren Problems sind von H. A.Schwarz
behandelt. (Bestimmung einer speciellen Minimalfläche. Berlin 1871.^
HiEMANN'ä gesammelte mathematische Werke. 1. 27
418 XXVI. Beispiele* von Flächen kleinsten Inhalts
und die letztere Constante hat den Werth l/l , wenn C den kürzesten
V 27r '
Abstand der beiden einander nicht schneidenden Linien bedeutet.
Setzt man nun nach Art. 14. der genannten Abhandlung (S. 298)
SO sind diese Functionen in allen Punkten der ^- Ebene, ausser 0, oo, 1
endlich und einändrig, und wenn man das Verhalten dieser Functionen
in der Umgebung der singulären Punkte nach der an erwähnter Stelle
(S. 299) angegebenen Methode untersucht, so erkennt man, dass \,\
zwei Zweige der Function
1 a
1 ß
y
4 ~ ¥
4 2
2
4^2
- + ^
4^2
+ 1
sind, und für i] hat man den Quotienten zweier Zweige dieser Function
zu setzen.
n.
Die gesuchte Fläche vom kleinsten Inhalt sei begrenzt von zwei
in parallelen Ebenen gelegenen geradlinigen Polygonen ohne ein-
springende Ecken und mit je einem Umlauf. In diesem Falle wird die
Fläche zweifach zusammenhängend sein, und kann erst durch einen
Querschnitt in eine einfach zusammenhängende verwandelt werden.
Die Abbildung der Minimalfläche auf der Kugel wird begrenzt sein
durch zwei Systeme von Bögen grösster Kreise, deren Ebenen senk-
recht stehen auf den Ebenen der Grenzpolygone, und welche dem-
nach in zwei diametral entgegengesetzten Punkten der Kugelfläche zu-
sammenlaufen. Jeder dieser beiden Punkte entspricht den sämmtlichen
Ecken der beiden Grenzpolygone. An jeder Polygonseite findet sich
Ein Umkehrpunkt der Normale, welcher dem Endpunkt des betrefien-
den Kreisbogens entspricht. Das Bild der Minimalfläche wird also die
Kugelfläche vollständig und einfach bedecken.
Projiciren wir die Kugelfläche auf ihre Tangentialebene in einem
der Punkte in welchem die Begrenzungsbögen zusammenlaufen, so er-
halten wir als Bild der Minimalfläche ein Flächenstück ZT, welches
die Ebene der complexen Variablen t] völlig ausfüllt, und begrenzt isi
einerseits durch ein System geradliniger Strecken, welche sternförmig
vom Nullpunkt auslaufen, bis zu gewissen Punkten C^, 6^, ..., Cn-
andrerseits von einem System ähnlicher Strecken, welche von gewissen
anderen Punkten Ci, C2, . .; Cm nach dem unendlichen fernen Punki
bei gegebener Begrenzung. 41
verlaufen, und deren Verlängerungen daher im 0 -Punkt zusammen-
treffen (wenn n und m die Anzahlen der Ecken der beiden gegebenen
l^lygone bedeuten).
Diese zweifach zusammenhängende Fläche soll nun in der Ebene
einer complexen Variablen t auf eine die obere Halbebene doppelt
bedeckende Fläche T^ abgebildet werden, so dass den beiden Be-
grenzungen die reellen Werthe von t entsprechen. Diese Fläche muss,
damit sie zweifach zusammenhängend sei, zwei Verzweigungspunkte
enthalten. Fügen wir zur Fläche T^ ihr Spiegelbild in Bezug auf die
reelle Axe hinzu, so erhalten wir eine die ganze ^- Ebene doppelt be-
deckende Fläche T deren vier Verzweigungspunkte conjugirt imaginären
VVerthen von t entsprechen. Durch Einführung einer neuen Variablen
f an Stelle von t, die mit t durch eine in Bezug auf beide Variable
quadratische Gleichung zusammenhängt, lässt sich erreichen, dass die
Verzweigungspunkte den Werthen ^' = -|- ^■, + -r- entsprechen, worin
fi reell und < 1 ist, und dass ausserdem einem beliebigen reellen Werth
von ^ ein gegebener reeller Werth von t' in einem der beiden Blätter
entspricht.
Wir haben also t als Function der complexen Variablen i] so zu
bestimmen, dass sie in jedem Punkt der Fläche H einen bestimmten,
stetig mit dem Ort veränderlichen, Werth hat, in den beiden Be-
grenzungen von H reell ist, und in je einem Punkt der beiden Be-
grenzungslinien unendlich von der ersten Ordnung wird. Setzen wir
diese Function über die Begrenzung hinaus dadurch stetig fort, dass
wir derselben an symmetrisch zu beiden Seiten einer jeden Begrenzungs-
strecke gelegenen Punkten conjugirt imaginäre Werthe ertheilen, so
hat, wie man leicht erkennt, die Function — jf für conjugirt imagi-
näre Werthe von t selbst conjugirt imaginäre Werthe. Sie ist also
in der ganzen Fläche T einwerthig und, einzelne Punkte ausgenommen,
stetig, muss mithin eine rationale Function von f und
z/(<) = V{i + 1') (1 + m^)
sein.
Bezeichnen wir die reellen Werthe von t, welche den Punkten
C'i , O^, . . . , C„, Ci, CV, . . . , C^n entsprechen, mit c, , r^, . . , (J„, c'i, ci, . ., c;„,
die gleichfalls reellen Werthe, welche den mit dem Nullpunkte, bezw.
unendlich fernen Punkte zusammenfallenden Ecken der Fläche H ent-
sprechen, mit &i, h^j .., hny ?>i, fe, .., Kij so muss ^^^^ iincndlich
klein in der ersten Ordnung werden für
r = Cj, ^2, .., C«, Ci, C2^ .., Cfn j
27*
420 XXVI. Beispiele von Flächen kleinsten Inhalts
unendlicli gross in der ersten Ordnung für
t = l\y h.^, . ., ha, . ., h'ij 1)2, . ., h'm
und in den Verzweigungspunkten
' = + '•' ±i-
Wir können demnach setzen:
dt yir-\- 1') (1 + F^) '
worin cp eine rationale Function von t und z/(^) bedeutet, welche unendlicl
klein wird in den Punkten c, Cj unendlich gross in den Punkten h, J)
und welche dadurch bis auf einen constanten reellen Factor bestimmt ist
Damit übrigens eine solche Function (p existire, muss eine Bedingungs
gleichung zwischen den Punkten c, c\ hj h' bestehen, vermöge dereii
einer dieser Punkte durch die übrigen bestimmt ist. (Theorie de •
AbeTschen Functionen Art. 8. S. 107.) Ueberdies kann nach dem
oben Bemerkten von den Punkten c, c ^ h, l> einer beliebig angenommen
werden. Die zu log?^ hinzutretende additive Constante ist bestimmt
wenn der zu einem der Punkte c gehörige Werth von ri, rj^, gegebeji
ist, wonach sich ergiebt:
logi; — log 7^0= / -y^
(p{t, J(t))dt
In diesem Ausdruck bleiben, nachdem tJq und c festgesetzt sind,
noch 2n + 2m unbestimmte Constanten, nemlich 2n + 2m — 2 voii
den Werthen c, c, h, &', der Modul k und ein reeller constantt r
Factor in (p.
Für diese Constanten ergeben sich zunächst zwei Bedingungei ,
welche besagen, dass der reelle Theil des Integrals
(p{t, J(t))dt
/
*
über eine geschlossene, beide Verzweigungspunkte i, -^ einschliessen
Linie verschwinden soll und dass der imaginäre Theil desselben Int -
grals den Werth 2;r^ haben soll. Für die 2n + 2m — 2 übrig bh i-
benden Constanten erhält man eine ebenso grosse Zahl von Bedingung* n
aus der Forderung, dass den Punkten c, c die gegebenen Punkce
C, C in der t^- Ebene entsprechen sollen.
Wir denken uns nun die ^-Axe senkrecht gegen die Ebenen dir
beiden Grenzpolygone gelegt, und untersuchen die Abbildung d 3r
Minimalfläche in der Ebene der complexen Variablen X, nachdem d e-
selbe durch einen von einer Begrenzung zur andern gelegten Sehn tt
bei gegebener Begrenzung.- 421
in eine einfach zusammenhängende verwandelt ist. Der reelle Theil
von X ist dann in den beiden Begrenzungen und in jedem /u den-
selben parallelen Schnitt der Fläche constant. Der imaginäre Theil
wächst, während man auf einem solchen Schnitt herumgeht, beständig,
und zwar im Ganzen um eine cpnstante Grösse. Daraus folgt, dass
das Bild unserer Fläche in der X- Ebene von einem Parallelogramm
begrenzt ist, welches die Ebene einfach bedeckt, von dem zwei Seiten,
welche der Begrenzung der Fläche entsprechen, der imaginären Axe
parallel sind. Die beiden andern Seiten, die -den Rändern des Quer-
schnitts entsprechen, können zwar krummlinig sein, kommen aber
durch eine Verschiebung parallel der imaginären Axe mit einander zur
Deckung.
Dieses Parallelogramm muss sich auf die obere Hälfte 1\ der
Fläche T so abbilden lassen, dass die beiden der imaginären Axe
parallelen Seiten desselben den beiden Rändern von 1\, die beiden
anderen Seiten den beiden Ufern eines Querschnitts von T^ entsprechen.
Eine solche Abbildung wird daher vermittelt durch die Function
X = ic f—==JL==- -f c
worin die Constante C reell ist, C beliebig angenommen werden kann,
wenn über die Lage des Anfangspunkts auf der x-Axe verfügt wird.
Ist h der senkrechte Abstand der beiden parallelen Grenzebenen, so
ergiebt sich:
7 .^r idt
h
=-./
0
wodurch die Constante C bestimmt ist.
Hiernach ist die Aufgabe, abgesehen von der Bestimmung der
Constanten, gelöst, denn man hat nach den Formeln S. 292
wodurch die Coordinaten x, y, z der Minimalfläche als Functionen
zweier unabhängiger Variablen dargestellt sind.
Für die in r] vorkommenden Constanten ergeben sich noch zwei
Bedingungen, welche besagen, dass die reellen Theile der Integrale,
durch welche Y und Z ausgedrückt sind, über eine den Nullpunkt
einschliessende geschlossene Curve in der j^ -Ebene erstreckt, den Wertb
0 haben müssen.
422 XXVI. Beispiele von Flächen kleinsten Inhalts
Nimmt man h und die Richtungen der begrenzenden Geraden als
gegeben an, so hängen unsere Ausdrücke, abgesehen von den additiven
Constanten in X, Y, Z, von n -\- m — 2 unbestimmten Constanten
ab, für welche man die Entfernungen der Punkte C, C vom Null-
punkt in der ?^- Ebene annehmen kann, zwischen denen nach dem so-
eben Bemerkten zwei Relationen bestehen müssen. Ebenso gross ist
aber auch die Anzahl der Constanten, welche die gegenseitige Lage
der Grenzpolygone bestimmen. Man kann nemlich, indem man zwei
Polygonseiten zur Fixirung des Coordinaten-Anfangspunkts festhält,
jeder der n + m — 2 übrigen noch eine Parallelverschiebung in ihrer
Ebene ertheilen.
Einfachere Gestalten nehmen die Resultate an, wenn wir gewisse
Symmetrieen in den Verhältnissen der begrenzenden Vielecke voraus-
setzen. Es möge im Folgenden der Fall betrachtet werden, dass die
beiden Vielecke regulär seien und die beiden Endflächen einer gerade
abgestumpften geraden Pyramide mit regulär -vieleckiger Basis bilden.
Die Umkehrpunkte der Normalen liegen in diesem Fall sämmtlich
in den Mittelpunkten xler begrenzenden Geraden, und fallen daher
paarweise in dieselbe durch die Axe der Pyramide gehende Ebene.
Legen wir die «/-Axe senkrecht gegen eine der begrenzenden Ge-
raden, so wird in der i^-^bene ein Punkt C und ein Punkt C in der
reellen Axe liegen, auf welcher sie die Abstände t^q, tjq vom Nullpunkt
haben mögen. Die Punkte 0, bezw. C liegen auf zwei concentrischen
Kreisen, auf welchen sie die Ecken je eines regulären Polygons bilden,
und zwar so, dass immer ein Punkt C und ein Punkt C auf demselben
Radius-Vector liegt.
Da nun in der Begrenzung der Fläche T ein Punkt beliebig an-
genommen werden kann, so mag festgesetzt sein, dass dem auf der
reellen Axe gelegenen Punkt C der Punkt ^ = 0 in einem der beiden
Blätter von T entspreche. Es folgt dann aus der Symmetrie, dass das
zwischen G und C liegende Stück der reellen Axe in der ?^-Ebene in
der Fläche T einer Linie entspricht, welche vom Punkte ^ = 0 im
ersten Blatt nach dem Verzweigungspunkt t = i, und von da zurück
zum Punkte ^ = 0 im zweiten Blatt längs der imaginären Axe ver-
läuft. Demnach hat die Function (p{ty ^(f)) für rein imaginäre Werthe
von t selbst rein imaginäre Werthe, und dem Punkte C entspricht
der Werth ^ = 0 im zweiten Blatt.
Nun wird die Fläche H durch die Substitution rjrj' = fJQrjQ auf eine
mit H congruente Fläche H' abgebildet in der Weise dass die Punkte C in
die Punkte C übergehen und umgekehrt (nur in vertauschter Ordnung).
bei gegebener Begrenzung. 423
Hieraus ergiebt sich, dass den beiden in der Fläche H gelegenen Punkten
rj und Tj' == ^^ über einander liegende Punkte in beiden Bliiiieni der
Fläche T entsprechen. Und da d log rj -\- d log rj' = 0 ist, so niuss
q)(t, ^(f)) in übereinander liegenden Punkten beider Blätter denselben
Werth haben, ist also rational ih t ausdrückbar und hat zufolge der
oben gemachten Bemerkung die Form til)(t^)y wenn ^ eine rationale
Function bedeutet.
Dies veranlasst uns, die Fläche T auf eine Fläche S abzubilden
durch die Substitution:
JL±11. = .'^
wonach der oberen Hälfte der Fläche T ein die 6' -Ebene einfach be-
deckendes Blatt entspricht, welches längs der reellen Axe zwischen den
Punkten s = 1 und s = , und zwischen den Punkten s = — 1,
s == — aufgeschlitzt ist. Die Ränder dieser beiden Schlitze ent-
sprechen den Grenzen der Fläche H. Für X ergiebt sich hiernach der
Ausdruck
~^^J >/(l — s') (1 — kH'')
wenn
ds
"=]
1/(1 - s2)(l -k'^s^)
ist, während sich y] als algebraische Function von s darstellen lässt.
Für eine Begrenzung durch Quadrate findet man
n=^n
ms) (1 — m s)
(1 -|- ms) (1 -f- wi s)
den Ecken des Quadrats in der einen Begrenzung entsprechen die
Punkte s = — , s = -- an beiden Rändern des Schlitzes, den ümkehr-
punkten der Normalen die Punkte 6 == 1 , ^ == ^- und ein an beiden
Rändern des Schlitzes gelegener Punkt 6' = , der aus der Gleichung
— -^ = 0 zu bestimmen ist, und man hat:
ds '
1 > m > w > m > k. *)
*) Es lässt sich die vorstehende Betrachtung auf viele Fälle ausdehnen, in
denen die beiden Polygone nicht regulär sind. So behält der obige Ausdruck für
7] seine Gültigkeit für die Begrenzung durch zwei Rechtecke, deren Mittelpunkt^
424 XXVI. Beispiele von Flächen kleinsten Inhalts
Für die Begrenzung durch gleichseitige Dreiecke ergiebt sich:
/l — ms\i (i — ks\l
^ — ^\l + ms) Vr-fk's) '
Um für diesen letzteren Fall die Möglichkeit der Constanten-
bestimmung zu untersuchen setze man zunächst s = + l, wodurch
sich ergiebt:
c^v^., vi=i^i^
also:
^0 ^1 + ^''^ ^1 +
und für den besonderen Fall, dass beide Dreiecke congruent sind
^0^0 = 1 ; C=l.
Den Ecken des Dreiecks in der einen Begrenzung entsprechen die
Punkte s = — an beiden Rändern des Schlitzes und der Punkt -5-, so
m Je '
dass ]c < m < 1 sein muss. Der erste Umkehrpunkt der Normalen
findet statt für s = 1, die beiden andern entsprechen einem Punkte
s = — an beiden Rändern des Schlitzes, so dass
n erhält mai
die Bestimmung:
sein muss. Für n erhält man zunächst aus der Gleichung , = 0.
9 km(m -\- 2 k)
u = i ' j
2m + k '
woraus für jedes Werthsystem von h, m, welches der Bedingung
0<A;<m< 1
genügt, ein Werth von n hervorgeht, welcher zwischen h und m liegt.
Man erhält aber zwischen m^ n, h noch eine zweite Gleichung,
welche ausdrückt, dass für s = — ri^ = tjq werden soll. Diese Glei-
chung ist:
/l — m\2 1 — k /n — w\2 n — k
\1 -f m/ 1 -j- ^ \n -{- m/ n -{- k
und wenn man aus diesen beiden Gleichungen n eliminirt, so erhält
man folgende Relation zwischen h und m:
'^ \k{l + m') -f 2m) ~ ^ U + 2m) '
aus welcher k durch ni zu bestimmen ist.
in einer zu ihrer Ebene senkrechten Linie liegen, vorausgesetzt dass der Modul
von 7777' für die Umkehrpunkte der Normalen denselben Werth hat. Dies findet
z. B. statt wenn beide Rechtecke congruent sind.
bei gegebener Begn ll/un;^^ 425
Für 1c = 0 ist die linke Seite dieser Gleichung Null, die rechte
~ , für k = m ist der Unterschied zwischen linker und rechter Seite
(1 — my
m(3 + m'Y
also positiv für in <C 1. Es existirt daher zu jedem Werth von m der
kleiner als 1 ist, eine ungerade Anzahl von Werthen von h < m. Da
sich nun ferner leicht ergiebt dass die Function
zwischen Ic = 0 und it = m nur Ein Maximum hat, so folgt, dass für
jedes m < 1 Ein und nur Ein unseren Bedingungen genügender Werth
von Ic gefunden werden kann, und darnach ergiebt sich auch nur Ein
zugehöriger Werth von n. Für die beiden Grenzen m = 0 und ni = 1
erhält man *fc = n = m.
Für die Functionen X, Y, Z finden sich hiernach, wenn man
über die additiven Constanten verfügt, die Ausdrücke:
y. h /* llS
= A r
s2) (1 — k^s')
y Jl /• dS / 1_\
~^^J yä - s2) (1 - kH^) V nl
~ 8^J >/(l - s2) (1 - k'^s') V ~^ n) '
1
Die beiden noch übrigen Constanten, m und y'^o^'o bestimmt man
aus den gegebenen Längen der Dreieckseiten. Bezeichnen wir diese
mit a und ?>, so ergiebt sich:
ds
VTT — s'-») (1 - k^s'')
1
1
m
("+!)
1
In dem besonderen Fall a == h ist rjQrjo = 1 und es bleibt zur H'
Stimmung der Constanten m die eine transcendente Gleichung
j_
ff»
a i /' ds / I ^\
Ä ~ 2kJ y(i -s''){i -k^s^) V nl'
426 XXVI. Beispiele von Flächen kleinsten Inhalts etc.
Lässt man in dem Ausdruck zur ilecliten ni von 0 bis 1 gehen, so
behält derselbe positive Werthe, wird aber an beiden Grenzen unendlich
gross. Er muss also für einen zwischenliegenden Werth von m ein Mini-
mum haben. Daraus folgt, dass es für das Verhältniss y- eine untere
Grenze giebt, jenseits der die Aufgabe keine Lösung mehr hat, während
für jeden Werth von -^ , der über dieser Grenze liegt, zwei Werthe
von m, also zwei Lösungen der Aufgabe existiren. Es ist anzunehmen,
dass nur der kleinere der beiden Werthe von m einem wirklichen
Minimum des Flächeninhalts entspricht.
XXVII.
Fragmente über die Grenzfalle der elliptischen Modul-
functionen.
I.
Additamentum ad g""' 40.
[Fundamenta nova theoriae functionum ellipticariim.]
Formulae in hoc §° propositae in eo casu, nbi modulus ipsius q
unitatem aeqiiat, consideratione satis dignae videntur, quippe quae
functiones unius variabilis pro quovis argumenti valore discontinuas
praebeant.
Series quidem propositae magna ex parte pro niodulo ipsius q
unitati aequale non convergunt^ sed integrando series convergentes inde
derivari possunt; itaque primo integralia formularum 1 — 7 proponamus
(48) j\\ogh - log4>/2") !L2 = _ 41og(l + </) + -* lpg(l + f)
0
- -g log (1 + q') + \^ log (1 + a*) - . .
(40) J
ü
(50) J'log ^ iL« = 4 log (1 + 2) + i log (1 + 2^) ^ ^ ,„g ( 1 + g.^ ^ .
(51) /(^- l)^ = -41og(l-g) + ilog(l-3^')-5log(l-5^) + .
0
- + 2^l0gr+|. + Yl0g^-|^. + y l0gr+,3, + -
(52) /'^^ dq_ i_+yq _ 4 i+yj^ 4 1_+»^^
0
. ., 1 — yqi , 4t" 1 — yq^i ,4t, t — i/o*i ,
= 4dog^-pp|-. + - log ^-^. + -j- log j ;p-^. +.
(53) J(2^_iyi?_ _41„g(l+^)^4,^g(l^^,)_4,^g(l_^^,^_^.
0
= — 2 i log— -,-^ + -« los r-r-V- — .T log , , -V + • •
428 XXVII. Fragmente über die Grenzfälle
(54) j'(^i^'- l) ^ = -I log(l + a^) + l log(l + ./)
= - Y log t + ^H + T 1°§ T+Yi
- T log r-TsBi + T l^g i--|:i«i ~ ■ ■ ■
ubi logarithmos ita sumendos esse manifestum est, ut evanescant positc
'q = 0.
Functiones eaedem ad dignitates ipsius q evolutae adhibitis Cl
Jacobi denotationibus hoc modo repraesentantur
(55)/(logfc-log4y2)!^ = -42'f^,(3^-^-^2
4.P
4 16 "^
3
-^a
Sp 'L^ n^Gp
64 ^ 256
(56) J-logr^ = 82'^2^
0
(57) j'log^^ = 42'5f)(r-|2^^-iä^'-i3'--5!^2--
ü
(58) /Y^^ iV^^l V ^in)a''^'--^''''
0
(59) r?^ i^ _ 8 y
(4wj — 1)^
(4w — l)'^n
(4w — 1)'«
(60) J(^_l)^. = _4 2'^
ly'n
4- 4 V^ ^Wg
^ 2' + ^4
2^"^^(4»i— 1)2«
(61) fh_VlK .\dq___,^^{n)q^'ZT"L
J \ ^ / 3 ~~ ^ 2(4m-l)2n
0
Accuratiori functionum propositarum disquisitioni tanquam lemiia
antemittimus theorema sequens generale.
Si series
«0 + ^1 + «2 H
der elliptischen Modulfunctionen. 429
eo quo scripsimus ordine summata summam habet convergentem, functio
ipsius r hac serie
«0 + fh ^' + «■> ^' H
expressa, convergente r versus limitem 1, convergit versus valorem
eundem.
Hinc facile deducitur
Si functio f{q) complexae quantitatis q pro modulis ipsius q uni-
tate minöribus exhibeatur per seriem
hanc seriem pro valore q^^ cujus modulus sit unitas, si habeat sum-
mam, exprimere valorem eum, quem functio [(cj) nanciscatur conver-
gente q versus q^ ita, ut modulus tantum mutetur, i. e. secundum
notam repraesentationem geometricam, appropinquante puncto, per quod
quantitas q repraesentatur, in linea ad limitem spatii, pro quo functio
est data, normal i.
Quamobrem hos tantum valores functionum propositarum hie re-
spicimus, etiamsi evolutiones 48 — 54 latius pateant.
Sit brevitatis gratia U) aut absolute minima quantitatura a quan-
titate X numero integro distantium, aut, si x ex numero integro et
fractione — composita est, =^(), porro E{x) numerus integer maximus
non major quam x: obtinemus e 48, attribuendo ipsi q valorem
(62) J\\ogh-\og4yq)
dq
— 21og4cos~ + -log4cos-^ log4cos —
+ -log4cos-^
. . /x\ , ^7ii/2x\ Ani/3x\ . Ani /Ax\
- ^^^ 12.) + 4" (2^/ ~ -T\2^)+W\2n)-'
vix
(— l)"log4 cos
^2^' T ^' [+«2'--^e-:)]-
Pars imaginaria hujus seriei convergit, quicunque est valor ipsius
X, pars realis, si ^ est numerus surdus, non convergit, sin minus,
denotando literis m, n numeros integros iuter se primos, et ponendo
— == - ita exhiberi potest
430 XXVTI. Fragmente über die Grenzfälle
1*^ si n est impar, aequalis fit,
2 S — 1/cOS 2 2
> 5 — lose 4 cos r— T, locf 4
9i
Sin
n
2^ si n est par, designante j9 nunierum imparem
2 _i^ 2(-lMog4cos 2
,, Sm TT —
+ ^ (- ^)' 0°« :t?i + '«^« + ^- 2'?^)
quae formula rnanifesto ita est intelligenda, functionem propositam^
subtracta functione
'^(- 1)^10
si convergat q modo supra stabilito versus limitem g^, convergere ver-
sus limitem finitum, ejusque valorem assignat,
Perinde obtinetur
(63) J _logÄ:^=-21ogtg- — -tg— --logtg—
+^(©-(l^+i))+-
1, <»
(G4) / log— ^==21og4cosy + -log4 cos-y- + -..
^ , , ./a;\ , 47r^ /SicX , 47r* /5a?\ ,
- OD, OO Ij <»
(65) y'(y^_i)i? = _21og4sin-|-^ + |log4.in2f!
— -log4sin-- +•
der olliptiachen ModiiU'unctionon. 431
A • { ^ I 1\ I 4 Tri /3a; , 1\
+ ^'^ ((;. + 1) - (;: + !)) + T ((f: + 1) - f: + d)
+ ^(6l+:)-6i^+!))+-
({\{X\ r^^fcK dq ^, , rc2 2 Sx^ 2, , 5a;'^ ,
^ J 't' y = - ^i^g^gl + 3 logtg— — - logtg- + . . .
+4«<(.^)-(f.+i))-*-F(©-e+3)+-
+ |'logtg(^^)^+...
+4K(.^+i)-(f,+:))+T(G^+i)-g+i))+-
(07) J(?^'_l)l. = _21og4cos^^ + ?log4cos?f'
— ^log4cos-^- +
= - V log tg (-- f^ j + 2 log tg (—f-j
-i,ogtg(^^r + ...
+f(e+i)-(^+i))--
(68) l'(^ylM - l) 1 = log4 cos ^^ + * log 4 cos 3^«
^ log4cos5a:^ +
- i log tg (.r + ;)' + { log tg (2.; + ;)■'
-; log tg (3^ + !)>•.
432 XXVII. Fragmeute über die Grenzralle
-f((V'+i)-(~+i))+-
Posito X = — 27C fit pars iinaginaria formulae 65
P si n est uumerus par
Ü, CO 1, H— 1
2^ si n est numerus impar
0,00 1.2rt — 1
quam patet liabere valorem finitum, nisi w est =^ 0 mod 4.
Convergentia summae
«0 + ^1 + « > + «3
postulat, ut data quautitate quam vis parva f assiguari possit terminus
«Ä, a quo summa usque ad terminum quemvis a,n extensa nanciscatur
valorem absolutum ipso s minorem. lam posito brevitatis gratia
f « -f 1 = ^« + 1
f « + 3 = (In -f 1 + «II -f 2 + «« + 3
functio
/'(>•) = «0 + ^1 ^" + ^2 >'' H
facile sub Lac forma exhibetur
= «0 + ^^1 >• + ^•> '•' H h ^« '"" + ^^ + 1 C»""^' - *'""^')
Unde patet convergente r versus limitem 1 functionem f(r) tandem
quavis quantitate minus a valore seriei
^0 + «1 + ^2
distare. Summa terminorum altioris gradus quam w, quum sint f«-f i,
f„ 4-ä, . . ex hyp. omues omisso sigTio < f , differentiaeque r" + * — r" +- . .
omues positivae, manifesto evadit quantitate absoluta
< f (,.«+1 _ ^.« + 2) _|_ f (,.«+2 __ ,.. + 3) . . .
summa autem terminorum uon altioris gradus quam n est functio al-
der elliptischen Modulfanctionen. 433
gebraica ipsius r, quam constat appropinquaudo r unitati summae
«0 + «1 + «2 H h «u
quantumvis appropinquari posse; unde patet appropinquando r unitati
(lifferentiam functionis f{f) a valore seriei
«0 + «1 H
infra quantitatem quamvis datam descendere.
Ex hoc theoremat^^ quod CP Abel tribueudum esse Cl"" Dirichlet
modo (1852 Sept. 14) quum antecedentia jam essent scripta monuit,
facile deducitur
IL
logA- = log4)V^ + 2'(-l)%' 7^. ^ = r--
1) a; =5 - — 3r, n ungerade.
0, X 1,2«
U 1.2 h
0 l,2n ' 1,2»«
u 1,2« * 1,11 — 1 1,2«
L^ == y (- 1) « r _ _ 1 y ^ ._
' U. 2«— 1
0,Ji-l
1, » — 1
1. H— 1
u.«— 1 1,« — 1
RiutAXX's gesammelte mathematische Werke. I. 28
434 XXVIT. Fragmente über die Grenzfalle
2) X = ---TC j m, n ungerade.
q — q^, 2m^ X / .s- n ° i _ «"
1 .
— 1 .7 ^ -.2 m«
1,4/1-1
= ^ + f*- +
^ ],4n 1, 4n— 1 0,2«— 1
= Ä + ^i + 2.2.i^^(-rr(;!^-E(^,m,^l mod.2«.
= ^ + -(^^ + ^, + 22'^(|^)(- 1)"- ^^-i^d^jC- 1).)
l,n — '1 l,n — 1
3) x = T7—7t, m ungerade.
low. = ^-^^ ^ y-' + ^ locf^+n
t .s
1,8«— 1 '
-A+ ^t + 2J 2, — ■^, „2,„, ^ 1 ( 1)
1,8«— 1
V — 1 .7 ^ -.2 ?/i S ^ — —
8«
= ^ + f*- +
^ 1,8« l,8w-l 0,4«-l
t EE 2r7n + 4w mod. 8w
r
1,4.71-1
■~{Sn{(-iy-^(r-l)-{-iyr) + 8n{-m4n-l))
= A + ^i + 2^1og{l-a^"")=^i-iy
2w+ 1, 2n — 1
der elliptischen Modulf unctionen. 435
= A + l i-4^ log (- ««"") ± (- 1).
0, 2 n — 1
=^+^-4i:(:';:+i)(.',)(-i)'2-
0, 2 n — 1
(x) = absolut kleinster Rest von x.
1) x==—Jty m ungerade.
iog7.:' = 4/y y--L„_i_
0, 00 1,4/i— I ^^^li).,
1 , , 2 7rf
a = e
J21
} t t 1 s a
ardx 1 1
Ji 1,1« 1,4«— 1 0,'J«-1
1 - j«^'"" ^ 1 -
ß „2 //i s a
^2»
0,2« — 1
ff
0, n — 1
L_ = _ V V? (yß2m.a^ i '^„2m»
0, 2«— 1
= ^[l0g(l + ««(2.+ 1)) _ log(l + «-"'(2-+1))]
0, « — 1
0, ?t— 1
2) ic = — , n ungerade. a = e
° 9 - «. 4«' ^^ ^ .1 Zj l- x«» 1 - ««""
^ +
^ 1,2« 1,2/1—1 0,« — 1 \ "
1) t = m(2r + 1) mod. 2n
2) <^w«(2r+ l) + 72
28*
436 XXYII. Fragmente über die Grenzfälle
= ^ + 8 2* log (1 - «»<- + ") f^ ('- -^j:
0, 7t —.1
= yl + 8 V K^) (log(l — «2»'^+»'") — log(l — «-2"'-'+'"''))
n
••^
— 4 V(^-J (log(l — «-'"'■^■+('"+i>«) — log(l — «-2'»-^+^'«+^)«))
'•'^
-^ + 4-2'(^)( )
7
m^ EE 1 mod. ^?
71 — 1
=(-i)'»+'fei^+-('^-^-42'^(f+i));
'."-i^
1) ri; = — jr, n ungerade.
' 0, «— 1 '
0 1'^" 1,7? — 1
= log|4| + 22log(l - «^'■"') (- 1)' i^«
1,71—1
-22log(] -«^'■'"+»)(- ly^w
1, W — 1
der elliptischen Modulf unctionen. 437
..•^
2ä.-
2) x= —Ttj )i ungerade, m ungerade, « =e*"
»TT (Z — g'o ^n'* ' ^(Zo — (Z .^ .^ 4n« + s «2"*« i j
l,4w — 1 '
= A +
1,4«— 1 0,L'«— l
^ l,4n 1,4«— 1 1,2/1—1
1) ^ ^ 2nir mod. 4?^
2) t = 2mr + 2n
=^A-2^ log (1 - «-''0 ^ (- ir (^^) 4n
l,2w — 1
+ 2^ log(l - «»».'■ + ^".) (- !/• ('-^^)
=^-2..2'(-i)'((-^')-p)5V-')
1,2«— 1 ^
l,2 7i— 1
m\i ^ 1 mod. 2n
l,n — 1
3) X' = ,— 7t , m un<(eracle.
l,4rt — 1 '
,y 1,2« ' . l,4n— 1 1,4«— 1
= ^ + 2;ri_2' (- ly i^^^-^) ' '»/' = 1 «»«d. 4n .
Erläuterungen zu den vorstehenden Fragmenten
von li. Dedekind.
Die Entstehimgszeit (September 1852) des ersten der beiden Frag-
mente macht es wahrscheinlich, dass Riemann darauf ausging, für
die Abhandlung über die trigonometrischen Reihen Beispiele von
Functionen zu finden, die unendlich oft in jedem Intervall unstetig
werden, und es ist möglich, dass die zweite Untersuchung, welche sich
auf einem kaum leserlichen Blatt findet, demselben Zwecke dienen sollte.
Die hier von Riemann benutzte Methode zur Bestimmung des Ver-
haltens der in der Theorie der elliptischen Functionen auftretenden
Modulfunctionen für dei;i Fall, dass das complexe Periodenverhältniss
K'i log 2
K ni
sich einem rationalen Werthe nähert, gestattet aber eine sehr inter-
essante Anwendung auf die sogenannte Theorie der unendlich vielen
Formen der 'O'-Functionen, nemlich auf die Bestimmung der bei der
Transformation erster Ordnung auftretenden Constanten, welche be-
kanntlich von Jacobi und Her mite auf die Gauss 'sehen Summen,
also auf die Theorie der quadratischen Reste zurückgeführt ist. Dti
ich diese Bemerkung erst in den letzten Tagen vor dem Abdruck ge-
macht habe, so ist keine Zeit übrig geblieben, die Correctheit dcj
Riemann'schen Formeln in den reellen Theilen genau zu prüfen; dti
sie sich aber sämmtlich aus der im Folgenden angedeuteten Unter
suchung ergeben müssen, so wird hoffentlich ihre Mittheilung auch ohne
diese Prüfung gerechtfertigt erscheinen.
Den Mittelpunkt der Theorie dieser Modulfunctionen, welche mai
auch ganz unabhängig von der der elliptischen Functionen aufstellei
kann, bildet gewissermaassen die Function
— i.
riip) = l''77(l - 1-0 = g^^nil - q'^)
wo zur Abkürzung
gesetzt ist, und wo das Productzeichen sich auf alle positiven ganze] i
Erläuterungen zu den vorstehenden Fragmenten. 439
Zableii V erstreckt. Da diese Function der complexen Variablen
G) = X -^ yi, deren Ordinate y stets positiv ist, im Innern des hier-
durch bej^renzten, einfach zusammenhängenden Gebietes nirgends Null
oder unendlich gross wird, so sind auch alle Potenzen von rj((o) mit
beliebigen Exponenten, und ebenso \ogr}{c}) durchaus einwerthige
Functionen von ta, sobald ihr Werth an einer l)estimmten Stelle fest-
gesetzt ist. Die Function log?^(w) Soll dadurch definirt werden, dass,
wenn ij über alle Grenzen wächst, also q = l unendlich klein wird,
logi?(«) — ^' = 0
wird. Nun ist bekanntlich (Fundam. nova §. 30.)
'j(2a>)^(|),(q--^)=l^N(a.)?,
n-2— ;
(:) •
> ,1
"{-2-)
' 1
V n rj{(o)
(I)
also nach der obigen Festsetzung:
lüg rj (2 co) + log ri (|-) + log rj (^--^ ") == ^^' + 3 log rj («)
log ]c = log 4 + ""^r' + 4 log rj (2 CO) — 4 log yj (Vte?)
log//=^ + 41og,(f)-41og,(l4^)
i^s V = - T + ^ i^g ^ i^r) - 2 ^^^' ^^'^^^
wo die Logarithmen linker Hand (wie in den Fund, nova y<. 1
einwerthige Functionen von c? so definirt sind, dass
log/c — log4 - ^' = log/.: — \og4Yq,
2K
los:/:' und log^^
mit q unendlich klein werden.
Aus diesem Verhalten der Functionen ergiebt sich nun mit Hülfe
der Transformation erster Ordnung der 0-- Functionen ihr Verhalten
bei AnnäheruniT von w an einen reellen rationalen Werth, also bei
440 Erläuterungen zu den vorstehenden Fragmenten.
Annäherung von q an eine bestimmte Einlieitswurzel q^ (die irratio-
nalen reellen Wertlie gehören in gewissem Sinne gar nicht mit zur
Begrenzung des Gebietes der Variablen co). Setzt man
00
= 2 7?(«)l'' sin ^'jr 77(1 — l'"'' + 0(l — p>'-^')
so wird, wenn man die nach s genommene Derivirte durch einen Accent
bezeichnet,
Sind nun a^ ß, y, d vier der Bedingung
ad — ßy=l
genügende ganze Zahlen, so ist bekanntlich
wo c eine von a, ß, y, d und der Wahl der Quadratwurzel abhängige
achte Einheitswurzel bedeutet, deren Bestimmung von Her mite auf
die Gauss'schen Summen zurückgeführt ist. (Liouville^s Journal,
Sene IL T. III. 1858.) Für ^ = 0 ergiebt sich hieraus
also
Man kann daher, wenn ß^O ist,
setzen, wo die einwerthige Function
so definirt werden soll, dass ihr imaginärer Theil zwischen den Grenzen
+ -r- liegt, während log/S''^ reell zu nehmen ist; dann wird h eine
durch a, ß, y, d vollständig bestimmte ganze Zahl sein, welche die-
selbe bleibt, wenn diese vier Zahlen mit ( — 1) multiplicirt werden.
Die vollständige Bestimmung dieser ganzen Zahl h leistet offenbar noch
sehr viel mehr, als die Bestimmung der obigen Einheitswurzel c.
Um dies zu erreichen, lasse man cj = x -\- yi dem rationalen, in
kleinsten Zahlen ausgedrückten Werthe —^ sich so annähern, dass mit
y auch
Erläuterungen zu den vorsteheiultii Kra^'mcntcn. 441
y
unendlich klein wird, so wird
CO
«-fßo) ^ ^ ß(«4-|J«)
der Art unendlich gross, dass q = P ' unendlich klein, und folglich
\ogri(o) ^ =0
wird. Bei dieser Annäherung wird mithin
0 = log^(<o) + ^ log-^/ + j logß- + i,p^^q-p-) + -,.r - T^
und da alle Glieder mit Ausnahme der beiden letzten nur von den
beiden Zahlen «, ß abhängen, so kann man
hß — a — d = 2(- a, ß)
setzen, wo 2( — ^^, ß) und, wie sich leicht zeigen Hesse, auch ( — c(, ß)
selbst eine lediglich von den beiden relativen Primzahlen «, ß abhängende
ganze Zahl bedeutet, durch deren Einführung der Annäherungssatz die
Form
1 , nw
lo2
(II) . ^ = l^^'^K«) + r2^^7^^)+2-^ ni
+ - log 7rH p^V"'"'
annimmt, wo 7n. und n^O zwei beliebige relative l^rinizahlcn bedeuten,
und angenommen wird, dass co ^= x -\- yi in der angegebenen Weise
sich dem Werth — nähert, nemlich so, dass mit u auch
{nx — my^
y
unendlich klein wird. Ersetzt man m, n durch — 7/i, — w, so er-
giebt sich
(III) (— m, — u) = — (/M, n)
ausserdem folgt aus der obigen Definition des Symbols ( — «, /3), weil
h eine ganze Zahl und aÖ - 1 (mod. ß) ist, allgemein
(IV) 2m{m, n)^w^+ 1 (mod. n).
Zugleich nimmt die obige Gleichung für die Transformation erster
Ordnung der Function log>?(ö) die folgende Form an:
(V) 'og,a-J--J^) =
log.W + |log^±f " + jlog^^ + '-^:^}±^^.i.
Die Fundamentaleigenschaffcen des Symbols (m, n) ergeben sich
442 Erläuterungen zu den vorstehenden Fragmenten.
nun auf folgende Weise. Aus der Definitiou von log?;(«) folgt im
mittelbar
log 7^(1 + 09) = logi?((a) + ^'
Bei Annäherung von a an — nähert sich nun 1 + w dem Wertli
— - — , welcher gleichfalls in den kleinsten Zahlen ausgedrückt ist, unc
folglich wird nach dem obigen Annäherungs-Satze
0 = log 7^ ( 1 + «) + ^ ^ , ""^ - . + i log "^ ''
^ '^ ' ^ ' 12 7i(nco— vi) ' 2 °
CO — vi) ' 2 ° ni
, 1 1 2 I 2 [ni + n , n) — vi — n
+ I l°g'* + 12« ''' '
woraus durch Vergleichung
(m + ?i, n) = (m, ?^)
also allgemein
(VI) (m\ n) = {m, n) wenn m e^ w (mod. n)
folgt. Aus dem allgemeinen Transformations -Satze (V) ergiebt sie]
ferner
lo^^ n {^) = log n («) + ^- log (— CO i) + 1^-L^^ ,
oder, da für co = i
(VII) (0, l) = (m, 1) = 0
folgt,
log V {-^) = log 7^(t0) + -| l0g(— 09 0;
nähert sich nun hierin co dem Werth , also dem Werth ,
n ^ (o VI
SO ergiebt sich, wenn m ebenfalls von 0 verschieden ist, aus den
Annäher ungs- Satze fll)
0 = logT^ I 1 -J- --^ J_ -loff —
^ ' \ (o / ' 12m{nco — vi) ' 2 ^ covii
I 1 1 2 1 2(— n, vi) -\- n .
+ - log m^ + -^ 1 AZr_ jj.^.
durch Vergleichung mit dem ursprünglichen Annäherungs- Satze (II)
unter genauer Berücksichtigung der über die Logarithmen gemachten
Festsetzungen ergiebt sich das Resultat
(VIII) 2m{m, n) — 2n{~ w, m) = 1 + m^ + n^ + ?>mn
wo das obere oder das untere Zeichen zu nehmen ist, je nachdem mi
positiv oder negativ ist. Dasselbe ist nur ein specieller Fall d( s
folgenden, welches man erhält, wenn man in dem allgemeinen Tran -
formations - Satze (V) , die Variable co sich dem Werth — annähei ti
lässt: Sind w, n und m , n, zwei Paare von relativen Primzahlen, ^t)
Erläuterimgon zu den vorstchcudcn Fragment fii. 443
wird, wenn
n' == ntii — mn'
gesetzt und m" durch die Congruenzen
mm' ^ niy um" n (niod. n')
bestimmt wird,
2nn{m\ n") — 27in\m, «) + 2nn'{m\ n)
wo das obere oder das untere Zeichen zu nehmen ist, je nachdem
nun" positiv oder negativ ist. Aber offenbar ist der Werth des Sym-
bols (^)H, n) schon durch die Sätze (VI), (VIT), (VIJI) vollständig be-
stimmt, und man findet denselben durch eine Art Kettenbruch -Ent-
wicklung.
Es ergiebt sich ausserdem, dass allgemein
( — m, n) = — {m, w), (m, — n) = (m, n)
ist; der erstere dieser beiden Sätze kann auch daraus abgeleitet wer-
den, dass log>^( — (aj mit log »^(oj) conjugirt ist, wenn Wj die mit co
conjugirte complexe Grösse bedeutet.
Man kann ferner ohne Verletzung dieser Sätze die Bedeutung des
Symbols (w*, n) auch auf den Fall n = 0 ausdehnen, woraus, da m
stets relative Primzahl zu n sein soll, nt == + 1 folgt, und es er-
giebt sich
(±1,Ö) = ±1.
Es ist endlich allgemein
(nij n) = {m, n) wenn mm ~.zi 1 (mod. n) .
Diese Zahlen (v>/, n), deren Theorie die Untersuchungen von Her-
mite über die von ihm mit g?(G>), i/'(w), xio) bezeichneten Functionen
in sich schliesst (Sur la theorie des equations modulaires. 1859), be-
sitzen die merkwürdigsten zahlentheoretischen Eigenschaften; aber es
ist nicht leicht, einen allgemeinen Ausdruck für dieselben zu Hnden.
Mit Hülfe der von Riemann in dem zweiten Fragmente angewandten
Methode gelingt es aber einen solchen Ausdruck in Form einer end-
lichen Summe aufzustellen.
Bedeutet r einen positiven echten Bruch, der sich der Einheit
nähert, so kann man bei normaler Annäherung von a an
0) — = yi = 77^^ , Q = rq;.
rcc
setzen, wo logr reell und « = 1 " = 6' " ist. Gleichzeitig wird
log via,) = ^' + 2" '"g ( 1 - 2") = ^' + 2^ '°fc' ( 1 - '••«"")
444 Erläuterungen zu den vorstellenden Fragmenten.
wo die Logarithmen rechter Hand für r = 0 verschwinden, oder nac i
der Umformung von Jacobi (Fund, nova §. 39)
WO V wieder alle positiven ganzen Zahlen durchlaufen muss. Näheit
sich nun r dem Wertlie 1, so wird nach dem Annäherungs-Satze (11)
GnMog
_1_ Hoo-^ -4- (^^^' ^^)^^'
' 4 »47r- "T" 6w
WO alle Logarithmen reell zu nehmen sind; durch den Uebergang zi r
conjugirten Grösse erhält man gleichzeitig
0 = — > ^ + - loj]j lo<? -
^ ' ^^ 6>rlog —
"T" 4 &47r'^ ßn
fol<»;lich wird für r = 1
2^'
oder
hm > — = ^-V-^ — ,
j^ V 3n '
wo zur Abkürzung
1 ._ 1
gesetzt ist. Es lässt sich nun beweisen, dass die Reihe
V
wenn ihre Glieder nach wachsenden v geordnet werden, au di
noch für /' = 1 convergirt und an dieser Stelle stetig ist, d. h. di ss
sie sich dem Grenzwerth
nähert, wo al den aus «, für r =\ hervorgehenden Coefficienten 1 e-
deutet. Durch Vereinigung von je zwei Gliedern a,., welche den . n-
dices v.= sn -{- 6 und i/ = (s + l)n — (5 entsprechen, wo 0 < (? < ,^ ,
ergiebt sich nemlich leicht, dass der Modul der Summe
Av = a^ -\- a.^ -\- ' ' -\r cLv
für alle Werthe von r einschliesslich r = 1 unterhalb einer von r i) q<
\
Erläuterungen zu den vorstehenden Fragmenten. 445
V unabhängigen, endlichen Constanten bleibt, woraus die obige Be-
hauptung nach einem Satze folgt, den ich durch Verallgemeinerung
der Ab einsehen Principien gefunden habe (Dirichlet, Vorlesungen
über Zahlentheorie, 2. Aufl., §. 143. Anm.). Es ist daher
und die Summe rechter Hand liisst sich nach der von Riemann an-
gewandten, von Dirichlet herrührenden Methode (liecherches sur
diverses applications etc. §. 1 in Cr eile's Journal Bd. 19) in Form
einer endlichen Summe bestimmen, weil
all = ür -I- „
und (wenn n positiv vorausgesetzt wird)
«;' + «;' + ••• + K = f>
ist. Durch Anwendunsc der Gleichung
1
— = I x^~^ dx
0
ergiebt sich auf diese Weise
1
(w, n) 7t i /* f{x)
3n ~ J 1 _ .-r»
wo
V
i,?t
(resetzt ist. Durch Auflösung in Partialbrüche und Ausfühnintr der
Integration folgt
(ü!i|)-' = _ 2" A«-"") log (1 - «""),
wo / ein vollständiges Restsystem (mod. w) mit Ausschluss von / < '
durchläuft, und der imaginäre Theil der Logarithmen zwischen + —,
also
zu nehmen ist, wenn der Deutlichkeit halber der von x um eine ganze
Zahl abstehende, zwischen + y liegende Werth nicht mit (a:), sondern
mit ((.^•)) bezeichnet wird. Durch Anwendung der Transformation
0,n — 1
440 Erläuterungen zu den vorstehenden Fragmenten. ~
erhält man den auch für v = n geltenden Ausdruck
und hieraus folgt leicht
/■(«-"") = ^«;' «-""' = [-']- [t\ = - 2m ((I - D)
wenn allgemein mit [f] der in der Reihe 6 = 0, 1, 2 . . . (w — 1) be-
findliche Rest der Zahl t nach dem Modul n bezeichnet wird. Mai]
erhält daher, Avenn, wie oben vorausgesetzt wurde, n positiv ist,
(^ = 2' ( M - [- *^ ! ((t - 1)) = 2.^ ((1 - i)) ((^' - i))
wo t ein vollständiges Restsystem (mod. n) zu durchlaufen hat. Diesei
Ausdruck für (ni, n) in Form einer endlichen Summe lässt sich nocl:
umformen und bedeutend vereinfachen, was aber hier unterbleiben soll
Es sollen hier nur noch zum Schluss die Formeln zusammengestelH
werden, die sich aus dem Hauptsatze IL und dem Formelsystem I. füi
die Annäherung von ca an den Werth — ergeben, woraus die Riem.ann'
sehen Resultate folgen müssen. In demselben ist zur Abkürzung ge-
setzt
Ä = TTr-T T J -^ = 17 log : \- - log M^ .
Es folgt dann:
0 = log,(a,) +2A + B +^ J2(m, ») - m j
0 = logj)(2fi,) + ^ + B + llog2 + ^j(2m,«)-«j
wenn n^l (mod. 2]
0 = Yogri{2a,) +4A + B + J^ [^ {«'' y) - ''j
wenn n^O „
Ö = log,(f) + A + B +^J2K2«)-«j
wenn m ^ 1
2
wenn m^O „
O = logrim^)+ Ä + B +^{2(m + «, 2w)-m-wl
wenn m -\- n =^1 (mod. 2
0 = log,C-±^) + 4^ + I?-|log2 + ^(2(^t^,«)-^^")
wenn m -\- n^O (mod. 2^
O = log^(f) +4^ + Ji-ilog2 + ^{2(f,«)
Erläuterungen zu den vorstehenden Fragmenten. 447
und hieraus:
I. wenn m :^ n^ 1 (mod. 2)
2 (2m, n) + (m, 2n) + 2 ("' + '\ n) = G(m, n)
log^ = V2Ä - 210.2 + ':;' + ^ |(--±^, .) _ (2.., .)j
log// = 12^ - 21og2 + ^^ [2('" + ^ n) - (m, 2«)j
log^^= - 12.4-2iy+ 21og2 + i;^ \^{m, n) - 2('" + ^ ^) j
IL wenn ?>i : : 0, n —^. 1 ( niod. 2)
2(2m, n) + 2(y, n) + (;m + n, 2n) = Q>(m, n)
log/.- = '^ + l[^ {(.. + n, 2n) - 2{2m, n)}
log// = _ 12^1 + 21og2 + ll jfm + », 2^0 - 2(", >^)}
^og ^ = — 2i>' + If^ (w, n) — (w + ??, 2n)\
IIL wenn w^ EzEE 1 , n^^O (mod. 2)
4/m, y) "I~ (^^'' ^*^) ~f" (^^' + *^ 2w) = 6(/;/, m)
log/; =-X2A + 21og2 +, !^' + fi {(m + «, 2«) - 4(,«, |)}
logr= , +|1 [(,„ + „, 2«)- K2«)j
log?= - 27i + "^ {(»», «) - («» + n, 2n)j
XXVIII.
Fragment aus der Analysis Situs.
Zwei Einstrecke werden derselben oder verschiedenen Gruppen zu-
gerechnet, je nachdem das eine stetig in das andere übergehen kann
oder nicht.
Je zwei Einstrecke, welche durch dasselbe Punktepaar begrenzt
werden, bilden zusammen ein zusammenhängendes unbegrenztes Ein-
streck und zwar kann dies die ganze Begrenzung eines Zweistrecks
bilden oder nicht, je nachdem sie derselben oder verschiedenen Gruppen
angehören.
Ein inneres, zusammenhängendes, unbegrenztes Einstreck kann,
einmal genommen, entweder zur ganzen Begrenzung eines innern Zwei-
strecks ausreichen oder nicht.
Es seien %, %, .., am m innere zusammenhängende unbegrenzte
w- Strecke, welche, einmal genommen, weder einzeln noch in Verbin-
dung ein inneres n -\- 1- Streck vollständig begrenzen können, und
&i, &2J • ' > ^m '^yi ebenso beschaffene ^^-Strecke, deren jedes mit einen]
oder einigen der a zusammengenommen ein inneres n -\- 1 - Streck voll-
ständig begrenzen kann, so kann jedes innere zusammenhängend«
w-Streck, welches mit den a die ganze Begrenzung eines inneren w + 1
Strecks bilden kann, dies auch mit den h und umgekehrt.
Bildet irgend ein unbegrenztes inneres w- Streck mit den a zu
sammengenommen die ganze Begrenzung eines inneren n -j- 1 - Strecks
so können in Folge der Voraussetzungen die a nach und nach elimi
nirt und durch die h ersetzt werden.
Ein ^^Streck A heisst in ein anderes B veränderlich, wenn durcl
A und durch Stücke von B ein inneres w -f- 1 - Streck vollständig be
grenzt werden kann.
Wenn im Innern einer stetig ausgedehnten Mannigfaltigkeit mi^
Hülfe von m festen, für sich nicht begrenzenden, ?^-Strecksstücke}
jedes unbegrenzte n- Streck begrenzend ist, so hat diese Mannigfaltig
keit einen m + 1- fachen Zusammenhang ^^ter Dimension.
XXVIII. Fragment aus der Analysis Situs. 44'.'
Eine stetig ausgodelinte zusammenhängende Mannigfaltigkeit lieisst
einlach zusammenhängend, wenn der Zusammenhang jeder Dimension
einfach ist.
Ein Querschnitt einer begrenzten stetig ausgedehnten Maimig-
faltigkeit Ä heisst jede im Innern derselben verlaufende zusammen-
hängende Mannigfaltigkeit B von weniger Dimensionen, deren Be-
grenzung ganz in die Begrenzung von Ä fällt.
Der Zusammenhang eines >i-Strecks wird durch jeden einfach zu-
sammenhängenden u — w- streckigen Querschnitt entweder in der witen
Dimension um 1 erniedrigt oder in der m — 1 ten Dimension um 1
erhöht.
Der Zusammenhang fiter Dimension kann nur geändert werden,
indem entweder unbegrenzte nicht begrenzende ft- Strecke in begrenzte
oder begrenzende in nicht begrenzende verwandelt werden, ersteres in
sofern zur Begrenzung eines |u,-Strecks, letzteres in sofern zur Be-
grenzung eines ^ -f- 1-Strecks neue Theile hinzukommen.
Abhängigkeit des Zusammenhangs der Begrenzung J> einer stetig
ausgedehnten Mannigfaltigkeit Ä von dem Zusammenhang derselben.
Die unbegrenzten innerhalb B nicht begrenzenden Vielstrecke
zerfallen in solche, welche innerhalb Ä nicht begrenzen, und solche,
welche innerhalb Ä begrenzen. Untersuchen wir zunächst, wie der
Zusammenhang von B durch einen einfach zusammenhängenden Quer-
schnitt von Ä geändert wird.
Ä sei von der ^^ten, der Querschnitt q von der mten Dimension,
a eine Hülle eines Punktes von q von der n — 1 — m ten Dimension,
welche q nicht schneidet, p die Begrenzung von q.
Der Zusammenhang von Ä wird in der )i — 1 — m ten Dimension
um 1 vermehrt, wenn a innerhalb^' nicht begrenzt, in der n — wi ten
Dimension um 1 vermindert, wenn a innerhalb Ä' begrenzt
Ä = i _J j wenn a innerhalb Ä' nicht begrenzt (a)
= ( j wenn a innerhalb Ä' begrenzt (ß)
*)
*) Es finden sich im Manuscript hier noch uinifje Zeichen, deren Bedeutung
und Zusammenhang ich nicht entziffern konnte.
ßiKMANN's gesammelte matliematisdie Werke. I. 29
450 XXV in. Fragment aus der Analysis Situs.
Aenderung
I. a innerhalb A nicht begrenzend ^,q^ ^ ^^^^ _g
a innerhalb B' nicht begrenzend A>;, + 1\ (n m 1 m \
folglich p innerhalb B begrenzend. \_|_x/ \ _\\ +1/
IL a innerhalb A' begrenzend
a innerhalb B' nicht begrenzend ( j ( _i 1 )
folglich p innerhalb B begrenzend. "■"
III. a innerhalb A' begrenzend
a innerhalb B' begrenzend ( i ) ( i i )
folglichjp innerhalb ^ nicht begrenzend.
Zwei Vielstreckstheile (Raumtheile) heissen zusammenhängend oder
einem Stück gehörig, wenn sich von einem inneren Punkt des einen
durch das Innere des Vielstrecks (Raumes) eine Linie nach einem
inneren Punkt des andern ziehen lässt.
Lehrsätze aus der Theoria Situs.
(1.) Ein Vielstreck von weniger als n — 1 Dimensionen kann nicht
Theile eines n-Strecks von einander scheiden. Ein, zusammenhängendes
w-Streck hat entweder die Eigenschaft, durch jeden n — 1- streckigen
Querschnitt in Stücke zu zerfallen oder nicht. Den Inbegriff der er-
steren bezeichnen wir durch a.
Wird ein unter a gehöriges w-Streck durch einen n — 2-streckigen
Querschnitt in ein anderes verwandelt, so ist dies zusammenhängend
und gehört entweder zu a oder nicht.
Diejenigen ?^- Strecke a, welche durch jeden n — 2-streckigen
Querschnitt unter die Nicht-« versetzt werden, bezeichnen wir durch a^.
(2.) Wird ein Vielstreck A durch einen |Lt-streckigen Querschniti
in ein anderes A' verwandelt, so bildet jeder Querschnitt von mehr
als ^ -\- 1 Dimensionen von A einen Querschnitt von A' und um-
gekehrt.
Wird eins der w- Strecke % durch einen n — 3 -streckigen Quer-
schnitt in ein anderes verwandelt, so gehört dies zu den a (2), kanr
aber entweder zu den a^ gehören oder nicht.
Diejenigen unter den a^, welche durch jeden n — 3-streckigei
Querschnitt unter die Nicht -% versetzt werden, bezeichnen wir durch a^
Fährt man auf diese Weise fort, so erhält man zuletzt eine Kate
gorie an — 2 von n- Strecken, welche diejenigen der an — z umfasst, die
durch jeden einstreckigen (linearen) Querschnitt unter die Nicht-a^«-.;
versetzt werden. Diese w-Strecke a„_2 nennen wir einfach zusammen
XXVIII. Fragment aus der Analysis Situs. 451
I
hängend. Die ?i- Strecke a^ sind also einfach zusammenhängend, in
sofern von Querschnitten von n — ft — 2 oder weniger Dimensionen
abgesehen wird und sollen bis zur n — ft — 2ten Dimension einfach
zusammenhängend genannt werden.*)
Ein j^Streck, welches nicht bis zur n — Iten Dimension einfach
zusammenhängend ist, kann durch einen n — 1 -streckigen Querschnitt
zerlegt werden, ohne in Stücke zu zerfallen. Das entstandene n-
Streck kann, wenn es nicht bis zur n — Iten Dimension einfach zu-
sammenhängend ist, durch einen ähnlichen Querschnitt weiter zerlegt
werden, und offenbar lässt sich dies Verfahren fortsetzen, so lange
man nicht zu einem bis zur n — Iten Dimension einfach zusammen-
hängenden gelangt ist. Die Anzahl der Querschnitte, durch welche
aine solche Zerlegung des n-Strecks in ein bis zur ersten Dimension
3infach zusammenhängendes bewerkstelligt wird, kann zwar nach der
Wahl derselben verschieden ausfallen, offenbar aber muss sie für eine
jrattung von Zerlegungen am kleinsten werden.
*) In Ueberein Stimmung mit dem Folgenden sollten wohl die w- Strecke a
ils zusammenhängend bis zur n — [i — Iten Dimension bezeichnet sein.
29'
XXIX.
Convergenz der jp-fach unendlichen Theta- Reihe.*)
Es kann die Untersuchung der Convergenz einer unendKchen Reihe
mit positiven GHedern immer reducirt werden auf die Untersuchung
eines bestimmten Integrals nach folgendem Satlz:
Es sei
«1 + % + «^3 H
eine Reihe mit positiven abnehmenden Gliedern^ ferner f(x) eine iiit
wachsendem x abnehmende Function, so ist:
a-\- 1
/■(«) >Jmdx > f(cc + 1)
a
und mithin:
« + 1
m + fW + ••• + /■(») >J'f{x)dx > /■(!) + f(9) + ...+ f(n + 1).
0
Die Reihe
m + /■(!) + /'(s) + • • ■ •
convergirt und divergirt daher gleichzeitig mit dem Integral
Q
f(x) dx.
0
Ist nun f{n) positiv und an <if{ri), so wird die Reihe:
«1 + »2 + % H
ebenfalls convergiren, sobald jenes Integral convergirt. Daraus f( Igt
der Satz:
Ist an<Cf(x), sobald n^x ist, so convergirt die Reihe 27««, so-
bald das Integral Jf(x)dx convergirt.
0
*) Diese und die folgende Abhandlung sind einer Vorlesung entnomi len,
welche Riemann in den Jahren 1861 u. 1862 gehalten hat. Der Bearbeitung 1 egt
ein von G. Roch geführtes Heft zu Grunde.
XXIX. Convcrgciiz der 7>-fucli uin-adliclieu Tliotii-iioiho. 453
Setzt man nun x = 9O/), f{x) = fiMll)) = F{y), so erhält man
J mdx ^ j' F{y) <p'iy)dy .
0
AVenn mm die beiden Variablen x-, y gleiehzeiti«,' ab- und zuneh-
men (und zwar bis unendlich) so wird nach den gemachten Voraus-
setzungen mit wachsendem y F(y) abnehmen, (p(y) wachsen. Darnach
liehen die oben gefundenen Bedingungen der Convergenz in folgende
über:
Die Reihe Za^ convergirt, wenn für n > (p(y) a„ < l\y\ oder, was
ilasselbe ist, wenn für a„ ^ F{y) n < (p{y) ist und das Integral
jF(:y)<p'(y)dy
(onvergirt.
Ist nun an>F{y)j so sind es auch a^, a.^j .., «n-i. Ist also
'i„^i <F{y), so ist n die Anzahl der Keihenglieder, welche grösser
als F{y) sind. Daher lässt sich der Satz auch so ausdrücken: •
Sind F{i)), (p (y) zwei Functionen, von denen die erste mit wachsen-
dem y abnimmt, die zweite (ins Unendliche) zunimmt, und ist die An-
zahl der Glieder einer Reihe mit positiven Gliedern, die gleich oder
grijsser als F{y) sind, kleiner als (p(j/), so convergirt die Reihe, wenn
das Integral j F{y) (p\y)dy convergirt.
ij
Es sollen nun solche Functionen für die ^^-fach unendliche '9"-Reihe
p p p
» \ p Zi El' tti. i Wi mi 4- 2Z» vit Vt
—^^11 '1
e
m
aufgesucht werden, in der wir, ohne die Allgemeinheit zu beeinträch-
tigen, zunächst voraussetzen können die Grössen Wj, ,• und Vi seien reell.
Das allgemeine Glied dieser Reihe:
p p i>
Zi Z\' cit, i Uli m«' -+- 2 Zi nu Ct
11 1
e
ist grösser als e~'''' wenn
p p p
1 1 1
Für unsern Zweck kommt es also darauf an, festzustellen, wie viele
Combinationen der ganzen Zahlen m,, ;//., .., in,, dieser Ungleichung
genügen.
454 XXIX. Convergonz der _2j- lach unendlichen Theta-Ileihe.
Zu dem Ende betrachten wir zunächst das mehrfache bestimmt!
Integral
Ä = I j '" I dx^ dx^ . . dXp
dessen Begrenzung gegeben ist durch die Ungleichung
1 1
Das Integral wird immer, und nur dann einen endlichen Werth haben,
wenn die homogene Function zweiten Grades
]) p
^i J^i eil, i Xi Xi
1 1
in eine Summe von 2> positiven Quadraten zerlegt werden kann. Denn i^ t
— ^ ^ at, i x,xc = i{-\-i\-\ f- ^1
so ist die Begrenzung des Integrals bestimmt durch die Ungleichung,
und das Integral A wird:
Die Functionaldeterminante ist eine endliche Constante und von den
Variablen t kann keine absolut grösser als 1 werden.
Wären andrerseits die t^ nicht alle positiv, oder würden einioj
in der transformirten Form fehlen, so würden im IntegralJ. auch un-
endliche Werthe von t vorkommen und somit Ä selbst unendlich werdej .
Dieses Ergebniss wird in Nichts geändert, wenn wir statt der obc n
angenommenen Begrenzung des Integrals Ä die folgende nehmen:
— ^ ^a^^i'XcXi' — 2^ a,x, < 1,
t i' i
wenn die a^ beliebige reelle Grössen sind. Betrachten wir nun d e
Ungleichung
i t' i
oder, indem wir -j^ = Xt setzen,
— ^ ^ ai, t' XcXi — 2^ ~x,<l,
i i' t
so folgt zunächst, dass für jedes endliche h nur eine endliche Anzajil
von Combinationen der ganzen Zahlen m^^m^j . .,mp dieser Ungleichui g
genügen, denn die Xi müssen alle innerhalb gewisser endlicher Grenze ii
XXIX. Convcrgcnz der yj- lach uncmUiuhfn IMicta -Rnilie. 455
bleiben, und innerhalb solcher Grenzen giebt e« nur eine entUiche An-
zahl rationaler Zahlen mit gegebenem Nenner h.
Es sei also ^u die Anzahl der zulässigen Combinatiouen der
Zahlen m.
Betrachtet man nun die über alle diese Combinationen erstreckt«
Summe
h h h
~h
so ist dieselbe für jedes endliche h endlich und nähert sich mit un-
endlich wachsendem h der Grenze Aj von der wir nachgewiesen haben,
dass sie gleichfalls endlich ist, falls die Function — ^ ^ai, «• Xt Xc durch
y positive Quadrate darstellbar ist. Setzt mau diese Summe daher
gleich A + /;, so ist Ic eine endliche Grösse, die mit unendlich wachsen-
dem h gegen 0 convergirt. Es ist also
3* = U + &)/»",
und dies ist die Anzahl n der Glieder der Theta- Reihe, welche > c'~'*'
sind. Es ist sonach
n <{A-\- K)hi',
worin K eine Constante ist, der man, wenn man nur das /*, von dem
man ausgeht, gross genug annimmt, einen beliebig kleinen Werth er-
theilen kann. Die Functionen i^(7/), (p{y) können also folgendermassen
angenommen werden
und da das lnte<?ral
/
e-'y\A + K)piß-^dy
convergirt, so gilt das gleiche von der '9"-Keihe unter der angegebenen
Voraussetzung. Hieraus schliesst man : Diej;-fach unendliche Theta-
Reihe convergirt für alle Werthe der Variablen i\j v^y..,Vpy
falls der reelle Theil der quadratischen Form im Exponenten
wesentlich negativ ist.
XXX.
Zur Theorie der Aber.sclieu Fiinctioneii für den Fall p = 3.
Es sei (c^, 6'2, .., Cp) ein Grössensystem, welches die Eigenschaft
hat, dass
ist. Nach Art. 23. der Abhanclliing über die Theorie der Ab ersehen
Functionen (S. 127) lässt sich unter dieser Voraussetzung die Con-
gruenz befriedigen
fe, e,, . ., e,) ^ (V„(;i, . . ., ^'«r) ^ {-2<' -' -T"l')
11 P ß
durch gewisse Punkte i^^, %, .., y]2p — 2, welche durch eine Gleichung
q) = 0 verknüpft sind. Sind daher it^^ nnd U/,i die Werthe, welche die
Integrale erster Gattung U/^i für zwei unbestimmte Werthsysteme s, z
und 5i; ^1 annehmen, so verschwindet die Function
^(u^ — u\ — e^, . . . , Up — ti'p ~ Cp)
als Function von s, s betrachtet für (5, £) == (s^, z^) und in den j|j — 1
Punkten r]^, %,--, yjp -1, als Function von 5^, s^ betrachtet für (sj^, 2^ = (s, z)
und in den Punkten rj^^, . ., r]2jj — 2' Ist also (/i, /*2, • -, fp) ein Grössen-
system von denselben Eigenschaften wie (q, 62, .., Cp) so wird die
Function
(r\ '9-(Mi — u\ — e,,. .) ^{u^ —u\-{-e,,. .)
^ -^ -^K — w'i — /; , . .) ^K — "s + /;,..)'
die sowohl in Bezug auf s, z als in Bezug auf 6\, z^ rational ist, in je
einem durch eine Gleichung cp = 0 verknüpften Punktsystem unendlich
gross und unendlich klein von der ersten Ordnung werden, und wird
daher darstellbar sein in der Form
p p
y! Cv 9 vis, Z) ^ C^. 9),, (Si, Z^)
(2)
^ K %' («' '^) ^ K %' («1 ' ^1 )
1 1
worin die Coefficienten ?>, c von 5, z und s^, z^ unabhängig sind.
XXX. Zur Theorie der Aberschen Functionen für den i'all i> =- 3. \i}1
Wenn nun die Grössensysteme 6', f die Eigenschaft haben, «las^
^'^ (/;,/;, .•,/•.)-(-/;, -/., ..., -f,)
ist, so fallen die Punkte, in dene;i die Function (1) oder (2) Null i<'s[).
unendlich wird, paarweise zusammen und wir erhalten eine Function,
welche nur in j) — 1 Punkten unendlich gross und unendlich klein
von der zweiten Ordnung wird. Hiernach ist die Function
p p
l 1
1 1
wie die Fläche T' verzweigt und nimmt beim Ueberschreiten der Quer-
schnitte Factoren an, welche = + 1 sind. Die auf diese Weise be-
stimmten Functionen
welche in j> — 1 Punkten unendlich klein in der ersten Ordnung wer-
den, heissen Abel' sc he Functionen. Sie entstehen aus den Functionen
cp durch paarweises Zusammenfallen der 0- Punkte und ^Vurzelziehen.
Die Anzahl dieser Functionen ist im Allgemeinen eine endliche.
Es verlangt nemlich die Congruenz (ß), dass die GrössensysteniS
Cj f von der Form seien
K^^ + i^i^i.iH \-i^pi'p,i, ••••, ^p'y + ih^ii-p-\ ^i^P^p^p)
worin die s, e ganze Zahlen bedeuten, welche auf ihre kleinsten Reste
(modulo 2) reducirt werden können. Die Bedingung 0- (e^ , 6'^, . . , Cp) = 0
wird durch ein solches Grössensystem im Allgemeinen nur erfüllt wenn
(4) f 1 £'1 + 6, 82 -\ h £jj 4 ^ 1 (mod. 2)
ist. Solche Zahlensysteme s, s existiren aber 2^"~^(2^ — 1), und so
gross ist daher auch im Allgemeinen die Zahl der Abel'schen Functionen.
Der Zahlencomplex
Au ^-2, •', ^p\
.p.
heisst die Charakteristik der Function
V
p
und wird mit
{y£c,v.{s,z))
458 XXX. Zur Theorie der Abcrschcn Functionen für den Fall p = 3.
bezeichnet. Man nennt die Charakteristik ungerade, wenn die Cougruenz
(4) erfüllt ist, sonst gerade. Die Anzahl der geraden Charakteristiken
beträgt 2^-1(2-^+1) und diesen entsprechen im Allgemeinen keine
AbeFschen Functionen.
Unter der Summe zweier Charakteristiken versteht man die Cha-
rakteristik, welche durch Addition entsprechender Elemente entsteht,
wonach die Elemente immer auf 0 oder 1 reducirt werden können.
Summe und Differenz zweier Charakteristiken sind daher identisch.
Es soll nun zunächst die Gleichung F{s^ z) = 0 durch Einführung
neuer Variablen in eine symmetrische Form gebracht werden. Ist
jj > 3, so existiren mindestens drei von einander linear unabhängige
Functionen cp, und man kann daher die Gleichung F{s, z) =^ 0 um-
formen durch Einführung der Variablen
(falls zwischen diesen keine identische Gleichung besteht, was im All-
gemeinen nicht der Fall ist).
Genügen die Functionen cp^, cp.,^ cp.^ nicht besonderen Bedingungen,
so gehören zu jedem Werth von | 2p — 2 Werthe von ^ und um-
gekehrt, da jede der beiden Functionen
9^1 — Wiy 9^2 — V^6
für ein constantes 5, resp. t] in 2p — 2 Punkten verschwindet. Die
resultirende Gleichung i^(J, rj) = 0 ist also in Bezug auf jede der
Variablen vom Grade 2p — 2. Da ausserdem dieser Grad erhalten
bleiben muss, wenn für |, rj irgend eine lineare Substitution gemacht
wird, so kann in dieser Gleichung kein Glied in Bezug auf |, rj zu-
sammengenommen die (2p — 2)te Dimension übersteigen. Die übrigen
Functionen q) werden, durch J, rj ausgedrückt, in Functionen über-
gehen, in denen kein Glied die (2p — 5)te Dimension überschreiten
kann, wie man daraus erkennt dass / j^rdi] endlich bleiben muss
dl,
für unendliche Werthe von J und iq.
Die Anzahl der Constanten, die in einer solchen Function (2p — 5)ten
Grades vorkommen, ist = (p — 2) {2p — 3). Bestimmt man r von
ihnen so, dass die Functionen (p für die r Werthepaare (y, d) wo
-7^-r- , -TT- zugleich verschwinden, ebenfalls 0 werden, so müssen i) Con-
stauten übrig bleiben, da es p linear unabhängige Integrale erster
Gattung giebt. Es ist demnach
XXX. Zur Theorie der Aberbchcn Functiuucn für den Füll j> -= a. 459
(i)-2)(2i,-3)=i, + r
und lolglich:
r = 2(2;-l)Cp- 3).
Zu demselben Ergebniss gelangt man auf folgendem Wege: Die
Function -^ wird in {2]} — 2)X2p — 3) Punkten unendlich klein von
der ersten Ordnung, und diese Zahl ist == w -f- 2r, wenn w die An-
zahl der einfachen Verzweigungspunkte ist. Andrerseits ist (Theorie
der AbePschen Functionen Art. 7.)
w = 2(n +i9 — 1), n = 22) — 2
w = 2(3i)- 3)
mithin :
r = (l}--i) (2p - 3) - i w = 2(p - 1) (j, -3).
Werden nun silnimtliche Functionen (p durch |, rj ausgedrückt, so
müssen die beiden Gleichungen:
identisch werden, also:
Es muss mithin eine Function 9)3 geben, die in Bezug auf |, rj nur
von der {2p — 6) ten Dimension ist. Diese Function qp wird also für
(2}) — 2) (2p — 6) = 2r der Gleichung F = 0 genügende Werthepaare
von I, rj verschwinden und wird demnach nur in den r Punktpaaren
[y, d) gleich Null werden können.
Endlich geht durch Einführung der neuen Variablen J = — ,
z
rj = -^ und Multiplication mit ^^^^-^ die Gleichung F == 0 in eine
homogene Gleichung vom Grade 2}) — 2 für die drei Veränderlichen
X, y, z über:
F{x'Vj%) = 0.
Für den Fall^ = 3 ist die Gleichung F(i >?) = <^ oderi^\./,y,^) = 0
vom vierten Grad; es ist r = 0 und die Function (p.^ reducirt sich auf
eine Constante. Keine der Functionen (p kann den ersten Grad über-
steigen und der allgemeine Ausdruck dieser Functionen ist
(p = cl + C7] +€\
oder, wo es nur auf die Verhältnisse solcher Functionen ankommt,
(p = ex -{- c y -j- c Zy
worin c, c', c' Constanten sind. Jede Function 9 wird in vier Punkten
460 XXX. Zur Theorie der Aberschcn Fuuctioiien für den Fall j^ = 3.
uneiidlich klein von der ersten Ordnung und es giebt 28 solcher
Functionen, deren Nullpunkte paarweise zusammenfallen. Die Quadrat-
wurzeln aus diesen sind die AbeFsclien Functionen und wir haben zu
untersuchen, wie sich die Charakteristiken diesen 28 Functionen zu-
ordnen.
Führen wir als Variable x, y, z drei solche Functionen tp ein,
welche zweimal unendlich klein in der zweiten Ordnung werden, so
dass Yx, Yijy Yz Abel'sche Functionen sind, so hat die daraus hervor-
gehende Gleichung F(x, y, z) = 0 die Eigenschaft, in ein vollständiges
Quadrat überzugehen, wenn x oder y oder s = 0 gesetzt werden. Es
sei daher
für x = 0 : F = {y — azf {y — a zf
für y = 0 : F = [z ~ ßxf [z — ß' xf
für z = 0 : F = (x — yyf (x — yyf'
8ind nun a, h, c die Coefficienten von x^, y^, z'^ in F(^Xj y, z), so ist:
und folglich:
(5) aa ßß' yy = + 1.
Kennt man daher die Grössen a, a, ß, ß\ y, /, so kann man alle Glie-
der der Function F{x, y, z) bilden, welche nicht das Product xyz
enthalten, und F enthält ausserdem nur noch ein Glied xyzt, worin t
eine lineare homogene Function von x^y,z ist.
Wenn nun in der Gleichung (5) das obere Zeichen gilt, so kann
man den ersteren Theil von F immer darstellen als das Quadrat einer
homogenen Function zweiten Grades von x, y, z. Denn setzen wir
/■= ai^ix^ -f a2,2r + ^^^^^^ + ^CL2,3y^ + ''2a3,i^x + 2ai.2^2/;
so ergeben sich zur Bestimmung der Coefficienten a/,;^ die Gleichungen:
« « == , a -f- a = — Z ,
«2,2 «2,2
' ' «3,n ^ ' ' ' «3,3 '
«1,1 ' ' ' «1,1 '
welche immer befriedigt werden können, wenn aa ßß'yy == 1 ist.
Unter dieser Voraussetzung geht also F = 0 über in
(6) p — xyzt = 0.
Setzt man i^ = 0, so erhält man aus f^==() wieder zwei Paare einander
gleicher Wurzeln und demnach ist auch Y^ ^^^^ AbeFsche Function
und zwar eine solche, dass Y^V^^ ^ii^^ rationale Function von x^y,z ist.
XXX. Zur Theorie der Aberschen Functionen für den Fall /> = 3. 461
Sind daher (a) (h) (c) (d) die Charakteristiken von |/,/ , [/ //, Yz, YT,
so muss
(„+.+c.+.)=(r)
oder
(d) =• (a + /> + c)
sein. Es muss also die Summe der Charakteristiken der drei Functionen
Yxy YVj Y^ ®i^^ ungerade Charakteristik sein.
Ist umgekehrt diese Voraussetzung erfüllt, und ist |/7 diejenige
Abel'sche Function, die zu der Charakteristik {a -\-h -\- c) gehörte, so ist
Yxyzt eine Function, die beim U eberschreiten der Querschnitte sich
stetig ändert und mithin rational durch x', ^, z darstellbar ist, diese
Function kann al)er den zweiten Grad nicht übersteigen, und daher
ergiebt sich auch immer unter dieser Voraussetzung eine Gleichung
von der Form (G). Diese Gleichung kann nicht identisch sein, wenn
Y'X, YVj V^i V^ verschiedene AbeFsche Functionen sind.
Da es 28 AbeFsche Functionen giebt, so kann die Gleichung
F = {) auf mehrere Arten in die Form (6) gebracht werden. Wir
wollen zunächst untersuchen, ob das Paar AbeFscher Functionen
]/7, yt durch ein anderes Paar YPi V~(i ersetzt werden kann.
Es möge also jP = 0 durch Einführung von x, y, Py q in die
Form gebracht werden:
i'' — xypq = Oy
dann muss, wenn ein constanter Factor passend bestimmt wird, die
identische Gleichung bestehen:
/-' — xyzt = j^'- — xypq
oder:
(f - t) {f + t) = A-lK^t - pq).
Es muss demnach /' — i^ oder f -\- t durch xij theilbar sein und
kann sich, da beide vom zweiten Grade sind, nur um einen Constanten
Factor davon unterscheiden. Sei demnach
t-f = ccxy,
^ ^ <t + f)=-^t.+pq,
woraus:
iP = axy+f,
' ^ 2a f -\- a^xy + ^t = PQ-
Die linke Seite dieser letzteren Gleichung muss also in zwei lineare
Factoren zerfallen: denken wir uns diese Function entwickelt in der
Form
f'\.\^''' + '''-',-'//" + fh,:\s'-^ + 2ch,sy^ + 2a3,izx + 2ai,2iry,
462 XXX. Zur Theorie der AbeFschen Functionen für den Fall p == 3.
SO sind die Coefficienten 6?,, ^ Functionen zweiten Grades von a; da aber
die Determinante
'V^h «1,1 «2,2 0^3,3
verschwinden muss, so erhält man eine Gleichung 6ten Grades für «^
von der leicht einzusehen ist, dass sie die Wurzeln a = 0 und « = oo
hat, entsprechend den beiden Zerlegungen zt und xy.
Es bleibt also eine Gleichung vierten Grades übrig, deren Wurzeln
vier Functionenpaare p, q liefern, welche die verlangte Eigenschaft
haben.
Aus der zweiten Gleichung (8) folgt noch mit Hülfe von (6)
pqst = zH^ + 2afzt + «Y' = {^t + «/')',
so dass man die gewünschte Form der Gleichung F =0 auch durch
die Functionen p, q, z, t herstellen kann. Gehen wir demnach von
zwei beliebigen Abel'schen Functionen ]/^, ]/?/ aus, so erhalten wir
6 Paare solcher Functionen:
yxy, yzt, Vmu Vm2, Vms^ VmI:
welche die Eigenschaft haben, dass durch je zwei derselben die Glei-
chung F =0 auf die Form gebracht wird :
p — xy^t == 0.
Diese 6 Functionen müssen beim üeberschreiten der Querschnitte die-
selben Factoren annehmen, da sonst nicht das Product von zweien
derselben rational sein könnte. Solche 6 Producte von je zwei Abel'-
schen Functionen nennen wir zu einer Gruppe gehörig. Da die
Factor ensysteme an den Querschnitten für Producte von AbeFschen
Functionen durch die Summen der Charakteristiken bestimmt sind, so
folgt, dass die Charakteristiken aller Paare einer Gruppe dieselbe
Summe ergeben müssen, welche die Gruppencharakteristik heisst.
Aus den Gleichungen (8) und (6) ergiebt sich, noch
2/"= ^^^ - ccxy = 2V^ yVt,
woraus:
pq = a^xy + 2ayicyV^t + ^t
oder:
(9) Y^q = yVt-\- aY^j ,
woraus man den Schluss zieht, dass jedes Product einer Gruppe linear
durch zwei Producte derselben Gruppe ausgedrückt werden kann.
Ordnet man sämmtliche 28 Abel 'sehe Functionen zu Paaren, so
28 27 n
erhält man — ~ — == G . 63 Paare, welche zu 6 und 6 in 63 Gruppen
XXX. Zur Theorie der Abel'schen Functionen für den Fall p = 8. 40;;
zerfallen. Jede der von (^^^ verschiedenen 63 Charakteristiken k;uiii
Gruppencharakteristik sein.
Um die Charakteristiken der G Paare einer Gruppe zu erhalten,
hat man daher die betreffende Gruppencharakteristik auf 6 Arten in
zwei ungerade Charakteristiken zu zerlegen. Als Beispiel hierfür diene
die Gruppe mit der Gruppencharakteristik (qqa):
/001Y_ /101\ /100\ _ /011\ /010\ /111\ , /iio\
_ /111\ /iio\ _ /oii\ /oio\ /ioi\ /ioo\
— Voio; -T- Voio; — Viio;"T" Vno; — vnoy + Vnoy*
Wenn drei Paare AbePscher Functionen bekannt sind, so erhält
man die übrigen Paare derselben Gruppe durch Auflösung einer cubi-
schen Gleichung, und man kann mit ihrer Hülfe sämmtliche übrigen
Abel'schen Functionen mit ihren Charakteristiken bestimmen.
Um dies durchzuführen, nehmen wir an, es seien l/a;|, Vyrjy YJl
drei Paare einer Gruppe, so dass |, rj, t, als lineare homogene Functionen
von X, yy z gegeben sind.
Durch passende Bestimmung constanter Factoren kann die Glei-
chung (9) in der Form angenommen werden:
(10) ^ i^ + -/y^ + yrj_o,
woraus sich ergiebt:
zl == x^ + yr] + 2yxly7]
oder
(11) 4:xiyri = {zt, — x^ — yrjf,
so dass
(12) f^,^^,.^^,,,,
wird.
Um alle in die Gruppe Yööl, Yy^l gehörigen Paare zu finden hat
man nach dem Obigen eine biquadratische Gleichung zu lösen, von
der aber eine Wurzel, dem Paare ]/<^5 entsprechend, bereits bekaimt ist.
Die Rechnung wird daher symmetrischer, wenn man zunächst die Paare
der Gruppe ]/a;^, in welche auch das Paar ]/?/| gehört, aufsucht.
Ist Ypq ein weiteres unbekanntes Paar dieser Gruppe, so hat man
neben der Gleichung (11) eine mit ihr identische:
(13) 42/IP3 = ,p^
wenn (nach 8)
^=r+2kyl,
worin A eine noch unbekannte Constante bedeutet. Hieraus erhält luan
464 XXX. Zur Theorie der Aberscben Functionen für den Fall p == 3.
mittelst (11) und (12)
und clemnacli ist (von dem Factor X abgesehen)
pq = ,,;| + y^ - ,jj + ^'' + 1>A
= (H-{'-)u- + A.v)-.?g;
für :z; -j- A?/ = 0 und .z = 0 muss eine der beiden Functionen p, q.
etwa p verschwinden^ woraus, wenn ^ einen weiteren unbekannten
Coefficienten bedeutet^ folgt:
(14) p = X -{- ly -\- ^z,
und hieraus weiter, da p und s nicht identisch sind,
; n- Y -t- ^
also mit Hülfe von (13):
(15) I +.;>- + i. = ._ .2
, , „ ~ a-p,
ax + «A?/ + a^^ + 1 + ^ + X = 0,
oder indem man /la, ^la durch Z>, c ersetzt:
(16) ax + 6»/ + c^ + I + 1 + 1 = 0,
wonach man, da es auf einen constanten Factor bei p und q nich
ankommt, erhält:
,. = «a: + % + c. = -(l + f + |),
2 = i + l + «^ = -(«* + *y + l)-
Da es vier Paare p, q giebt, so müssen sich vier Systeme a, h, i
bestimmen lassen.
Um hierzu zu gelangen berücksichtige man, dass zwischen dei
6 Functionen x, y, z, 5, V} S ^^'^i homogene lineare Gleichungen be
stehen, die wir durch w^ == 0, Wg = ö? u^ = 0 bezeichnen. Wir leite i
hieraus mit den unbestimmten Coefficienten ?i, h, l^ eine lineare Com
bination her:
\u^ + l^iL, + ^3^3 = ax-\- ßy + yz + « | + ß' n + /J = 0
worin «, /3, }^, «', /3', / lineare homogene Ausdrücke in l^, l,, I3 sind
Diese Relation wird die Form (16) haben, wenn die Bedingungen er
füllt sind:
aa =ßß' = yy,
woraus man vier Werthsysteme für die Verhältnisse 1^ : h : l^ erhält.
XXX. Zur Theorie der Aberschen Functionen für den Fall ;; »= :). 465
Man gelangt am elegantesten zum Ziel, wenn man sich die
Functionen |; ^, f durch drei Gleichungen von der Form gegeben
denkt:
^ + ?/ + ^+ i + n + i =0,
(17) ax + ß!/ + yz + ^ + j + ^^ 0,
ax + ß'!/+y,+ l + -j + |. = 0.
Dass die Coefficienten in den ersten dieser Gleichungen die Werthe 1
haben, kann man durch Hinzufügung constanter Factoren zu Xy y, z^
l, 7], 5 bewirken, wobei zugleich die Gleichung (10) ihre Form nicht
ändert.
Aus den Gleichungen (17) muss als identische Folge eine vierte
von der gleichen Form sich ergeben:"
(18) ax + fy + y"z + -K + ^.. + 4 = 0.
Um also a\ ß" , y" zu erhalten, hat man die Coefficienten A, A', A"
aus folgenden Gleichungen zu bestimmen:
r «" = A'«' + A«+1, il = il-i-l+i
(19) r/3" = r /i' + A/? + 1 , J',', = I + i- + 1 ,
rf ^ i'r + Aj. + 1 , \, = ^ + 1 + 1.
Durch Multiplication zweier entsprechender von diesen Gleichungen
ergiebt sich
A"^> = r' + A^ + a'(A + ^) + A (« + }) + ;; («' + A) + i,
(20) r^ = Z'^' + A^ + AA'(| + J) + A (/} + -J) + r(/3' + A) + 1 ,
^'2 _ ^'. + ^. + ^^' (1, + V-) + A (r + \) + r (/ + ;.) + 1 .
Eliminirt man aus je zweien derselben A", so ergeben sich für , ,
die folgenden beiden linearen Gleichungen:
o=M«+i-^-;)+i(«'+7--/^'-;')
4. (iL I « _ _ 7'. _ y\
woraus A, A' eindeutig berechnet werden können.
Biemann's gcaaiuniflte uiutheinatiscbe Werke. I. 30
466 XXX. Zur Theorie der Aberschen Functionen für den Fall jj == 3.
Aus einer der Gleichungen (20) erliillt man A" abgesehen von *
Vorzeichen und aus (19) endlich a\ ß", y ebenfalls bis auf das aller
gemeinschaftliche Vorzeichen^ welches der Natur der Sache nach un
bestimmt bleibt. *)
Hat man auf diese Weise d' ^ ß", y", so erhält man in der Gruppe
Yxr], Yy^ die folgenden vier Paare AbeTscher Functionen:
yax'+Jij+J^, y^ + f + r^
V^^+ß'y + 7^, V^ + j + y^
•
Ycc-x^ßY+y'^, yi„ + j, + y',.
Auf die gleiche Weise ergeben sich in der Gruppe Vx^^ Yi^ di<
Paare :
y^ + !/ + ^,
Y^ + y + ^
Yax + ßy + yz, y ~ + ßy +
Ydx + ßTy'+r'^, Y-^.' + ß'y + y
und in der Gruppe Y V^y V^V ^i® Paare:
Y^ + y + '^, Y^ + v + ^
Y'^^-vw+v^^, y «^ + y +
Ya'x + ß'y + r^, ]/dx + 'l. +
Ya"x^J^f+Yi, l/c/'x + l^+K,
*) Setzt man zur Abkürzung:
1, 1, 1
1
a
1
u
ßo kann man a", (5", y" aus den Gleichungen
1, 1, 1
«, ß, y
= («,
ß, y),
«', ß\ y
, p, y
, (3', y'
y I etc.
au a
r' = («,|3,y)(«,ß.y):(|, J,7)Q-,|,-;)
und den analogen Gleichungen bestimmen.
XXX. Zur Theorie der AbeVschen Functionen für den Füll ;> = 3. 4G7
SO (lass ausser den gegebenen (> Abelsclien Functionen 10 weitere
bestimmt sind. Um die Charakteristiken derselben zu erbalten hat
man nur zu beachten, dass die drei hier betrachteten Gruppen vier
AbeTsche Functionen gemeinschaftlich enthalten. Bildet man also die
entsprechenden Gruppen der Charakteristiken, so müssen diese vier
Charakteristiken gemeinschaftlich haben und diese hat man den
Functionen ^'•'
V^ + y + ^, y^x+ ]h/ + yz, Yaj; + ß'i/ + yz, ^a'x-^- ß"y + y"z
in einer beliebigen Weise zuzuordnen. Die Charakteristiken der übrigen
AbeFschen Functionen sind dadurch vollständig bestimmt, weil sie
mit diesen in den drei Gruppen in derselben Weise gepaart auftreten
müssen, wie die entsprechenden Abel'schen Functionen. Diese Cha-
rakteristiken lassen sich in folgender Weise symmetrisch darstellen.
Es seien die Charakteristiken der Gruppen "[///t, V-s^S, Yxrj resp.
mit (p), (q), (r) bezeichnet, ferner mit (d), (e), (/), {g) die Charakteri-
stiken der vier Functionen
y^ + ?/ + ^> y«^ -{■ ßy + y^y V(^'^ + ß'y + r^, yax + P'y + y"z
und mit {n -\- p) die von '^x. Hiernach erhält man folgende Aus-
drücke für die Charakteristiken:
(}/,r ) = (n + iO , {Vil)= (« + <i) , {V^ = (« + r)
(^ I) ^^n + q + r) , iVri) = (n + r + ;.), (Vi) = (n + p + q)
(yV^r:fJy--fy,) = (c), (]/ax + l + I) = (p + e),
(yT^^+Ji+Vi) = (f), (l/«'^ + } + 7) = ip + n
(y^^'+j^r+f^) = (.y), iy^^ + } + f) = 0' + !»,
(21)
iV¥+¥+i) =('z + '0, iVT+n + d =(>- + <i),
{V^+ßi'+j) =0+'^)' {VJ+ }+y') =('•+')■
Nehmen wir beispielsweise an:
468 XXX. Zur Theorie der Abersclien Functionen für den Fall j) = 3.
(VI) -uro)' (y.)=(;^;:)' (yi)-{\ro)
was statthaft ist, weil hiernach Yx^, Yj/r], Y^l i^ dieselbe Gruppe
(ooo) o^^^ören, so folgt:
00 = (oio)' (^i) = (oio)^ (0 - (ooo)^ (^0 - (llo) •
Die vollständigen Gruppen {p), (</) sind:
/0 11\_/100\ nil\ /101\ /110\ /()10\ /OOlN
VOlOy' — \ll()) + \iOi)) — \\li))^\10()) — y)l\) + \00l)
=(i;';)+a:;!)=(;;i)+("'.')=c;i;')+o
/001\_/100\ /101\ /101\ /100\ /010\ , /011\
Voioy' — viio; + Vioo; — uioy + Viooy — \^oii/ + Vooi;
= Voiij + voüi) = vi 11/ + (io 0=^(111) + (loi)
woraus man erhält:
und die Charakteristiken der in (21) zusammengestellten Functionen
sind, in der gleichen Reihenfolge geschrieben:
(loi)' (loc))' (uo)^
/ioo\ /iio\ /ioo\
• viooy' Vio^^v' \iit)y'
/oio\ /ooi\ /oii\ A)oi\
voiiy' vooiy' \i)i)\)' \o\\)'
/ii()\ /ioi\ /'iii\ /'lOiN
Von/' \(){)i)' \i)()\)' \oi\)'
/iii\ /ioo\ /iio\ /ioo\
Viii;' Vioi;' Vioi;' vmr
/oio\ /ooi\ /oii\ /ooi\
Viiir \i^i/' \ioir VI117
Es gilt nun von drei AbeTschen Functionen einer Gruppe, von
denen keine zwei einem Paare angehören, der Satz, dass die Summe
ihrer Charakteristiken immer eine gerade Charakteristik ist; denn be-
trachten wir z. B. die drei Functionen "[/a;, YVj Y^ ^^^ drücken % tj, J
linear durch x, y, z aus, so kann die Gleichung (10) in der Form an-
genommen werden:
XXX. Zur Theorie der Aberschen Functionen für den Fall p = 3. 409
yx(ax + hy + cz) + iZ/^«'^ + 6'// + c'.-j + ^^ ziii'j^W y -\- c £) = 0.
Setzen wir hierin der Reihe nacli x = 0, \j = 0, r = 0, so erhalten wir
für die Produete der Wurzeln der quadratischen Gleichungen, die sich
für das Yerhältniss der beiden andern Variablen ergeben, die Werthe:
c" a h'
~~ir' ~ c"> ~ a
deren Product = — 1 ist. Dies aber ist nach S. 4G0, 461 das Kriterium
dafür, dass die Summe der Charakteristiken der Functionen j/^, )/*/, "^ z
eine gerade Charakteristik sei.
Gestützt auf diesen Satz kann man beweisen, dass die IG AbeT-
schen Functionen, die wir oben bestimmt haben, verschieden sind von
den 12 in der Gruppe "j/xj vorkommenden Functionen. Denn ist Y^
ein in die Gruppe '^ x% gehöriges Paar, so sind die Charakteristikan
(|/,^) + (>/|) + {}/p) , {Vii) + iVn) + iVp) , (V^) + (Vt) + iVi')
ungerade und es kann nach dem soeben bewiesenen Satze yp in keiner
der drei Gruppen
iV^v) = (Vyl) , (V^i) = iV^i) , (Vit) = (V^)
vorkommen.
Die IG oben bestimmten Functionen liefern daher alle A heischen
Functionen, die niclit in der Gruppe |/.x-| enthalten sind, und wenn wir
die noch fehlenden G Functionen dieser Gruppe aufsuchen, so sind
damit sämmtliche 28 AbePsche Functionen bestimmt.
Um diese zu erhalten setzen wir
t = x + y + z, n==^ + y] + z,
und gehen aus von der Gleichung:
(22) VfH=V^ + Vyi,
welche sich leicht aus (10) und (17) ergiebt. Wir setzen die Functionen
t, ^, y, ^h ni 5
an Stelle von
^, y, ^1 ^; »^ 5
in der vorigen Iktrachtung, und erhalten zunächst zwischen diesen
Variablen die Gleichung:
(23) ^ - A' — // - ?( + ^? + S == 0,
neben welcher noch drei andere bestehen müssen von der Form
(24) ai + hx + c^ + du + V r] + dl = 0
mit der Bedingung
ad = hV == cc.
470 XXX. Zur Theorie der AbeVschen Functionen für den Fall 2^ = 3.
An Stelle der Gruppen (p + 5 + ^); {p)y G/) W treten jetzt die fol-
genden : ^ _
{Y'tu) = {yx_n) = Wy}) = (0,
(25) ■ ^^^) " ^^y^ ^ ^'^'^^ = (^' + '^ + '■)'
iVtri) = iVux) = (n + d+p + r).
In der ersten dieser Gruppen^ in (r), kommen folgende Paare von
Charakteristiken vor:
(r) = (n + p) + {n -{- r + p) = {n + q) + (n + r + q)
= {d) + (r + d) = (e) + (r + e) = (f) + {r + f) = (g) + (r + g),
und aus der Gleichung (23) erhalten wir folgende AbePsche Functionen:
yi^^y^vj, y^+iTi = v-i
deren Charakteristiken sind:
(w + r), {n+2^ + q), (q + d), (p + d),
die sich in folgender Weise in die drei letzten Gruppen (25) vertheilen:
(p + ^ + ^0 = (^^ + ^0 + (^^ + p + a),
{n + d-\-q + r) = {n 4- r) + (q + d),
(n + d+p + r)=={n + r) + {p + d).
Die Charakteristiken der noch nicht bestimmten AbeTschen' Functionen
müssen nun, wie oben bewiesen, in der Gruppe (p -\- q -}- '^) enthalten
sein. Bezeichnen wir daher diese Charakteristiken mit (Jc^, (Jci), (h'l),
(^2); (^''2), (^"'2), so muss sich ergeben:
iP + a + r) = {h + h) = (A + V2) = (Jh + K)
und diese Charakteristiken kommen nicht in der Gruppe (r) vor.
Die Vergleichung der Gruppen (25) mit den Gruppen (p -\- q -\- ^),
(p)} Ö)? W lehrt nun aber, dass in denselben sämmtliche ungerade
Charakteristiken überhaupt vorkommen müssen, und ferner dass die
drei noch übrigen Paare der Gruppen (p -\- q -\- r)^ (^ + ^ + ^ + ^);
(n -{- d -\- p -\- r) je eine Charakteristik gemein haben müssen.
Nun kommt die Charakteristik (q + e) weder in der Gruppe (r)
noch in (i? + ^ + ^) vor, und daraus folgt, dass man (Ji\) so aus-
wählen kann, da.>is entweder
ih + 2 + c) = (n + d + q + r)
(K + i + e) = (n + d+p + r).
Aus ersterer Annahme würde folgen:
(fcO = (n + r + d + e).
Dies aber ist nicht möglich, denn wir haben in der Gruppe (jp)
die Paare:
XXX. Zur Theorie der Abel'schen Functiouon für dm Füll ;> -^ ;< 171
(n + r), (n + r+pj
(d), (d + p)
(0; (c +P)
und daher ist nach dem oben (S. 4G8, 4(3l)) bewiesenen Satz
(n + ri- d + e)
gerade. Demnach ergiebt sich
{K) = (n + d+c+p + q + r),
und hieraus:
Jc., = (n + d + c).
Ebenso schliesst man:
(k\) = (n + d + f + p + q + r), (kV) = in -{- d + f),
(Ici) = (n + d + ij+p + q + r), (K) = in + d + g),
und es enthält die Gruppe (n -\- d -\- p -\- r) die Paare:
(^■i), (M + e) ; (/,■; I, (q + /) ; (Ä:','), (q + g) ,
woraus für die Gruppe (n + <? + (/ + >) die Paare folgen:
(Ä^i), (i> + ^0; (A),ip + f)-, {^'i),{p + u)'
Nach den Resultaten der früheren Betrachtung ergeben sich aus
einer Gleichung von der Form (24) die vier AbeTschen Functionen:
yat + hx + cy = )/— {au + 6'^~+7ij,
yaT^b'r[+ cy = ]/— (a w + ftx -fc'i) ,
Yat -{- hx -{- c'i = Y— {au + Ürj + cy),
deren Charakteristiken resp. sind:
(K), (ß^, (p + e), (q+c)
und unsere Aufgabe ist daher gelöst, wenn es gelungen ist, die Coef-
ficienten a, h, c, a, h', c zu bestimmen.
Nun ist aber die Function, deren Charakteristik (p -f- e) ist, oben
bereits bestimmt: sie ist:
1/
" + 1 + 7
und wenn wir
. = «.. + I + } = - (f + /?// + yz)
setzen, so können wir die Coefficienten a, h, c, a', h', c dadurch be-
stimmen, dass wir v in folgender zweifachen Form darstellen:
V = at -{- h'i] + cij = — au — hx — c^.
Dies erreichen wir iiuf folgende Weise: mittelst
ii = i + t] + 2 = — X — y — t
eliminiren wir aus den beiden Ausdrücken von v die Variablen z und
f, wodurch sich ergiebt:
4r72 XXX. Zur Theorie der Aberschen Functionen für den Fall p = S.
' y \ y/ ' |3 y
V + yu = - t,[l — y) + yi] — ßfj.
Indem man hieraus r] und // eliminirt, folgt:
J — ßy ' 1 — ^y a 1 — ßy
nnd auf die gleiche Weise:
^, = ^ ^ ~ "y I ^ P - y ^, «(ß — y)
a — y ^^(3a — y "^ a — y
woraus sich ergiebt:
1 — ory , |5 — y
1 — (3y ^ (5 o:— y '
_ aiß - y) , _ 1 1 - «y
a — y al — py
Hiernach lassen sich die beiden Abel'schen Functionen
yat -}- hx -\- cy, Yau -|- hx + cy
bilden. Ersetzt man darin t und ii durch ihre Ausdrücke in x, y, z,
I, rj, l, so ergeben sich nach Unterdrückung constanter Factoren für
die Function, die zur Charakteristik (/t^) gehört, die beiden Ausdrücke :
-|/. X , y , z l/ ^ . ^ I ^
F 1 - |3y ' 1 - ya "T" 1 - a^ ' F^ a(y - |3) ' ß(y - a) "" 1 - a |3'
und für die zur Charakteristik (Ic^) gehörige Function:
-l/ g I ^ ', g l/"j^ j 2/__ j L
V «(1— ßy) ' ß(l — y«) "f" y(l— a|3) ' K y — ß "^ y — a "^ y(l —aß)
Die zu den Charakteristiken (//i)^ (/4); (/^ij, (/t2) gehörigen Functionen
ergeben sich hieraus sofort dadurch, dass tian a, ß, y durch a\ ß\ y
re'sp. a , ßl\ /' ersetzt, womit sämmtliche AbeFsche Functionen nebst
ihren Charakteristiken bestimmt sind. Die Charakteristiken (A^), (A-g),
(/c'i), (Ai), (/vi), (74') würden sich bei dem oben gewählten Beispiel
folgendermaassen gestalten:
(^.)=a;2). ('.^^)=C19> ('.^-o^GlS-^
Da nun, wie oben gezeigt, d\ ß'\ y" durch «, ^, y^ a, ß', y aus-
gedrückt werden können, bo sind hiernach sämmtHche AbeFsche
Functionen mit allen ihren algebraischen Beziehungen ausgedrückt durch
3p — 3 = 6 Constanten, welche man als die Moduln der Classe
für den Fall p = 3 ansehen kann.
Anhang.
Fragmente philosophischen Inhalts.
Die philosophischen Speculationen, deren Ergebnisse, so weit sie
sich aus dem Nachlass zusammenstellen lassen, hier mitgetheilt sind,
haben Riemann einen grossen Theil seines Lebens hindurch begleitet,
lieber die Zeit der Entstehung der einzelnen Bruchstücke lässt sich
schwer etwas Sicheres feststellen. Die vorhandenen Entwürfe sind
weit entfernt von einer zusammenhängenden, zur Publication bereiten
Ausarbeitung, wenn auch manche Stellen darauf deuten, dass Riemann
zu gewissen Zeiten eine solche beabsichtigt hat; sie genügen allenfaNs
um den Standpunkt Riemann's zu den psychologischen und natur-
philosophischen Fragen im Allgemeinen zu characterisiren, und den
Gang anzudeuten, den seine Untersuchungen genommen haben, leider
aber fehlt fast jede Ausführung ins Einzelne. Welchen AVerth Rie-
mann selbst diesen Arbeiten beigelegt hat, ergiebt sich aus folgender
Notiz :
„Die Arbeiten, welche mich jetzt vorzüglich beschäftigen, sind
1. In ähnlicher Weise w^ie dies bereits bei den algebraischen
Functionen, den Exponential- oder Kreisfunctionen, den elliptischen
und Abel'schen Functionen mit so grossem Erfolge geschehen ist, das
Imaginäre in die Theorie anderer transcendenter Functionen einzuführen;
ich habe dazu in meiner Inauguraldissertation die nothwendigsten all-
gemeinen Vorarbeiten geliefert. (Vgl. diese Dissertation Art. 20.)
2. In Verbindung damit stehen neue Methoden zur Integration
partieller Differentialgleichungen, welche ich bereits auf mehrere phy-
sikalische Gegenstände mit Erfolg angewandt habe.
3. Meine Hauptarbeit betrifft eine neue Auffassung der bekannten
Naturgesetze — Ausdruck derselben mittelst anderer Grundbegriffe —
wodurch die Benutzung der experimentellen Data über die Wechsel-
wirkung zwischen Wärme, Licht, Magnetismus und Electricität zur
Erforschung ihres Zusammenhangs möglich wurde. Ich wurde dazu
hauptsächlich durch das Studium der Werke New ton 's, Euler's
und — andrerseits — Her hart 's geführt. Was letzteren betrifft, so
konnte ich mich den frühesten Untersuchungen Herbart's, deren Re-
476 Fragiiiente philosophischen Inhalts.
siiltate in seinen Promotions- und Habilitationstliesen (vom 22. u. 2r.
October 1802) ausgesprochen sind, fast völlig anscliliessen, musste aber
von dem späteren Gange seiner Speculation in einem wesentliche i
Punkte abweiclien, wodurch eine Verschiedenheit in Bezug auf sein 3
Naturphilosophie und diejenigen Sätze der Psychologie, welche derc i
Verbindung mit der Naturphilosophie betreffen, bedingt ist."
Ferner an einer andern Stelle zu genauerer Bezeichnung des Stan( -
punktes:
„Der Verfasser ist Herbartianer in Psychologie und Erkenntnis^-
theorie (Methodologie und Eidolologie), Herbart's Naturphilosophie
und den darauf bezüglichen metaphysischen Disciplinen (Ontologie und
Synechologie) kann er meistens nicht sich anschliessend'
Nee viea dona tibi studio diaperta fideli
Intellecta prius quam sint, contemta relinquas.
Lucretius.
I. Zur Psychologie und Metaphysik.
Mit jedem einfachen Denkaot tritt etwas Bleibendes, Substantielles
in unsere Seele ein. Dieses Substantielle erscheint uns zwar als eine
Einheit, scheint aber (in sofern es der Ausdruck eines räumlich und
zeitlich ausgedehnten ist) eine innere Mannigfaltigkeit zu enthalten; ich
nenne es daher „Geistes masse'^ — Alles Denken ist hiernach Bil-
dung neuer Geistesmassen.
Die in die Seele eintretenden Geistesmassen erscheinen uns als
Vorstellungen; ihr verschiedener innerer Zustand bedingt die verschie-
dene Qualität derselben.
Die sich bildenden Geistesmassen verschmelzen, verbinden oder
compliciren sich in bestimmtem Grade, theils unter einander, theils
mit älteren Geistesmassen. Die Art und Stärke dieser Verbindungen
hängt von Bedingungen ab, die von Herbart nur zum Theil erkannt
sind und die ich in der Folge ergänzen werde. Sie beruht haupt-
sächlich auf der inneren Verwandtschaft der Geistesmassen.
Die Seele ist eine compacte, aufs Engste und auf die mannig-
faltigste Weise in sich verbundene Geistesmasse. Sie wächst beständig
durch eintretende Geistesmassen, und hierauf beruht ihre Fortbilduntr.
Die einmal gebildeten Geistesmassen sind unvergänglich, ihre Ver-
bindungen unauflöslich; nur die relative Stärke dieser Verbindungen
ändert sich durch das Hinzukommen neuer Geistesmassen,
Die Geistesmassen bedürfen zum >l^ortbestehen keines materiellen
Trägers und üben auf die Erscheinungswelt keine dauernde Wirkung
aus. Sie stehen daher in keiner Beziehung zu irgend einem Theile
der Materie und haben daher keinen Sitz im Räume.
Dagegen bedarf alles Eintreten, Entstehen, alle Bildung neuer
Geistesmassen und alle Vereinigung derselben eines materiellen Trägers.
Alles Denken geschieht daher an einem bestimmten Ort.
(Nicht das Behalten unserer Erfahrung, nur das Denken strengt
an, und der Kraftaufwand ist, soweit wir dies schätzen können, der
geistigen Thätigkeit proportional).
478 Fragmente philosophischen Inhalts.
Jede eintretende Geistesmasse regt alle mit ihr verwandten Geistes -
massen an und zwar desto stärker^ je geringer die Verschiedenheit
ihres inneren Zustandes (Qualität) ist.
Diese Anregung beschränkt sich aber nicht bloss auf die ver-
wandten Geistesmassen ^ sondern» erstreckt sich mittelbar auch auf die
mit ihnen zusammenhängenden (d. h. in früheren Denkprocessen mit
ihnen verbundenen). Wenn also unter den verwandten Geistesmasse i
ein Theil unter sich zusammenhängt^ so werden diese nicht blos m -
mittelbar, sondern auch mittelbar angeregt und daher verhältnissmässi^*
stärker als die übrigen.
Die Wechselwirkung zweier gleichzeitig sich bildenden Geiste>'-
massen wird bedingt durch einen materiellen Vorgang zwischen deii
Orten wo beide gebildet werden. Ebenso treten aus materiellen Ur-
sachen alle sich bildenden Geistesmassen mit unmittelbar vorher gt -
bildeten in unmittelbare Wechselwirkung; mittelbar aber werden alle
mit diesen zusammenhängenden älteren Geistesmassen zur Wirksan -
keit angeregt, und zwar desto schwächer, je entfernter sie mit ihnen
und je weniger sie unter sich zusammenhängen.
Die allgemeinste und einfachste Aeusserung der Wirksamkeit
älterer Geistesmassen ist die Reproduction, welche darin besteht, dai-s
die wirkende Geistesmasse eine ihr ähnliche zu erzeugen strebt.
Die Bildung neuer Geistesmassen beruht auf der gemeinschaftlichen
Wirkung theils älterer Geistesmassen, theils materieller Ursachen, und
zwar hemmt oder begünstigt sich alles gemeinschaftlich Wirkende nach
der inneren Ungleich artigkeit oder Gleichartigkeit der Geistesmasse i,
welche es zu erzeugen strebt.
Die Form der sich bildenden Geistesmasse (oder die Qualität der
ihre Bildung begleitenden Vorstellung) hängt ab von der relativen B^ -
wegungsform der Materie in welcher sie gebildet wird, so dass gleicl e
Bewegungsform der Materie eine gleiche Form der in ihr gebildete ii
Geistesmasse bedingt, und umgekehrt gleiche Form der Geistesmas; e
eine gleiche Bewegungsform der Materie, in welcher sie gebildet i^t,
voraussetzt.
Sämmtliche gleichzeitig (in unserem Cerebrospinalsystem) si( li
bildenden Geistesmassen verbinden sich in Folge eines physischen
(chemisch-electrischen) Processes zwischen den Orten, wo sie sich bilde i.
Jede Geistesmasse strebt eine gleichgeformte Geistesmasse zu e '-
zeugen. Sie strebt also diejenige Bewegungsform der Materie herz i-
stellen, bei welcher sie gebildet ist.
I. Zur Psychologie und Metaphysik. 470
Die Annahme einer Seele als eines einheitlichen Trägers des Blei-
benden, welches in den einzelnen Acten des Seelenlebens erzeugt wird
(der Vorstelhmgen), stützt* sich
1. auf den engen Zusammenhang und die geg.Mist'iiigt- Dunli-
dringung aller Vorstellungen. Um aber die Verbindung einer bestimm-
ten neuen Vorstellung mit anderen zu erklären, ist die Annahme eines
einheitlichen Trägers allein nicht ausreichend; vielmehr muss die
Ursache, wesshalb sie gerade diese bestimmten Verbindungen in dieser
bestimmten Stärke eingeht, in den Vorstellungen, mit welchen sie sich
verbindet, gesucht werden. Neben diesen Ursachen aber ist die An-
nahme eines einheitlichen Trägers aller Vorstellungen überflüssig ....
Wenden wir nun diese Gesetze ffeistiger Vorjjäntre, auf welche die
Erklärung unserer eigenen inneren Wahrnehmung führt, zur Erklärung
der auf der Erde wahrgenommenen Zweckmässigkeit, d. h. zur Er-
klärung des Daseins und der geschichtlichen Entwicklung an.
Zur Erklärung unseres Seelenlebens mussten wir annehmen, dass
die in unseren Nervenprocessen erzeugten Geistesmassen als Theile
unserer Seele fortdauern, dass ihr innerer Zusammenhang ungeändert
fortbesteht, und sie nur in sofern einer Veränderung unterworfen sind,
als sie mit anderen Geistesmassen in Verbindung treten.
Eine unmittelbare Consequenz dieser Erklärungsprincipien ist. es,
dass die Seelen der organischen Wesen, d. h. die während ihres Lebens
entstandenen compacten Geistesmassen, auch nach dem Tode fortbestehen.
(Ihr isoiirtes Fortbestehen genügt nicht). Um aber die planmässige
Entwicklung der organischen Natur, bei welcher offenbar die früher
gesammelten Erfahrungen den späteren Schöpfungen zur Grundlage
dienten, zu erklären, müssen wir aimehmen, dass diese Geistesmassen
in eine grössere compacte Geistesmasse, die Erdseele, eintreten und
dort nach denselben Gesetzen einem höheren Seelenleben dienen, wie
die in unseren Nervenprocessen erzeugten Geistesmassen unserem eigenen
Seelenleben.
Wie also z. B. bei dem Sehen einer rothen Fläche die in einer
Menge einzelner Primitivfasern erzeugten Geistesmassen zu einer ein-
zigen compacten Geistesmasse sich verbinden, welche gleichzeitig in
unserem Denken auftritt, so werden auch die in den verschiedenen
Individuen eines Pflanzengeschlechts erzeugten Geistesmassen, welche
aus einer klimatisch wenig verschiedenen Gegend der Erdoberfläche in
die Erdseele eintreten, zu einem Gesammteindruck sich verbinden.
Wie die verschiedenen Sinneswahrnehmungen von demselben Gegen-
stande sich in unserer Seele zu einem Bilde desselben vereinigen, so
480 Fragmente philosophischen Inhalts.
werden sämmtliclie Pflanzen eines Theils der Erdoberfläche der Erd-
seele ein bis ins Feinste ausgearbeitetes Bild von dem klimatischen
und chemischen Zustande desselben geben.* * Auf diese Weise erklärt
sich, wie aus dem früheren Leben der Erde sich der Plan zu späteren
Schöpfungen entwickelt.
Aber nach unseren Erklärungsprincipien bedarf zwar das Fort-
bestehen vorhandener Geistesmassen keines materiellen Trägers , aber
alle Verbindung derselben, wenigstens alle Verbindung verschieden-
artiger Geistesmassen kann nur mittelst neuer in einem gemeinschaft-
lichen Nervenprocesse erzeugter Geistesmassen geschehen.
Aus Gründen, die später entwickelt werden sollen, können wir
das Substrat einer geistigen Thätigkeit nur in der ponderablen Materie
suchen.
Nun ist es eine Thatsache, dass die starre Erdrinde und alle^
Ponderable über ihr nicht einem gemeinschaftlichen geistigen Processc
dient, sondern die Bewegungen dieser ponderablen Massen aus anderr
Ursachen erklärt werden müssen.
Hiernach bleibt nur die Annahme übrig, dass die ponderableii
Massen innerhalb der erstarrten Erdrinde Träger des Seelenlebens de]-
Erde sind.
Sind diese dazu geeignet? Welches sind die äusseren Bedingungen
für die Möglichkeit des Lebensprocesses? Die allgemeinen Erfahrungen
über die unserer Beobachtung zugänglichen Lebensprocesse müssen
dabei die Grundlage bilden; aber nur in soweit es uns gelingt, sie zu
erklären, können wir daraus Schlüsse ziehen, welche auch auf ander?
Erscheinungskreise anwendbar sind.
Die allgemeinen Erfahrungen über die äusseren Bedingungen de^
Lebensprocesses in dem uns zugänglichen Erscheinungskreise sind:
1. Je höher und vollständiger entwickelt der Leben sprocess, dest >
mehr bedürfen die Träger desselben des Schutzes gegen äussere B( -
Wegungsursachen, welche die relative Lage der Theile zu veränder i
streben.
2. Die uns bekannten physikalischen Processe (Stoffwechsel), welch o
dem Denkprocesse als Mittel dienen:
d) Absorption von elastischen durch liquide Flüssigkeiten.
h) Endosmose.
c) Bildung und Zersetzung von chemischen Verbindungen.
d) galvanische Ströme.
3. Die Stoff'e in den Organismen haben keine erkennbare kri-
stallinische Structur, sie sind theils fest (sehr wenig spröde) thei s
1. Zur Psychologie und Metaphysik. 481
gelatinös, theils liquide oder elastische Flüssigkeiten, immer aber porös,
d. li. von elastischen Flüssigkeiten merklich durehdrincrbar.
4. Unter allen chennschen Elementen sind nur die vier sogenannten
organischen allgemeine Träger des Lebensprocesses, und von diesen
sind wieder ganz bestimmte Veibindungen, die sogenannten organi-
sirenden, Bestandtheile der organischen Körper (Proteinstoflfe, Cellu-
lose etc.)
5. Die organischen Verbindungen bestehen nur bis zu einer be-
stimmten oberen Temperaturgrenze, und. nur bis zu einer bestimmten
unteren köimen sie Träger des Lebensprocesses sein.
ad. 1. Veränderungen in der relativen Lage der Theile werden in
stufenweise geringerem Grade bewirkt durch mechanische Kräfte, durch
Temperaturveränderungen, durch Lichtstrahlen; hiemach können wir
die Tliatsachen, deren allgemeiner Ausdruck unser Satz ist, folgender-
maassen ordnen:
1. Die Fortpflanzbarkeit der niederen Organismen durch Theilung.
Die bei den höheren Thierorganismen allmählich abnehmende Re-
productionsfähigkeit.
2. Die Theile der Pflanze sind gegen Temperaturänderungen desto
empfindlicher, je intensiver und je höher entwickelt der Lebenspjrocess
in ihnen ist. Li den höheren Thierorganismen herrscht, und zwar in
den wichtigsten Theilen am vollkommensten, eine fast constante Wärme.
3. Die Theile des Nervensystems, welche selbständiger Denk-
thätigkeit dienen, sind gegen alle diese Einflüsse möglichst geschützt.
Die zuerst aufgeführte Thatsache hat ihren Grund offenbar darin,
dass die relative Lage der Theile desto eher von Vorgängen im Linern
der Materie bestimmt werden kann, je weniger sie von äusseren Be-
wegungsursachen bestimmt wird. Diese Unabhängigkeit von äusseren
l^ewegungsursachen findet aber innerhalb der lirdrinde in einem weit
hi')lieren Grade statt, als es sich durch organische Eim*ichtuu!i:('n misser-
lialb der Erdrinde irgend erreichen Hess.
Unter den folgenden Thatsachen, welche wir im Zusammenhang
betrachten, sind die unter 4. und 5. zusammengestellten anscheinend
unserer Annahme entgegen; in der That würden sie es sein, wenn
diesen von uns wahrgenommenen Bedingungen für die Möglichkeit
eines Lebensprocesses eine absolute Gültigkeit beizulegen wäre und
nicht bloss eine relative für unsern Erfahrungskreis, (iegen ersteres
aber sprechen folgende Gründe:
L Man müsste alsdann die ganze Natur, mit Ausnahme der Erd-
oberfläche für todt halten, denn auf allen and<'rn Himmelskörpern
JKiemann's gpsainmelte iiiathematische Werke. 1. 31
482 Fragmente philosophischen Inhalts.
herrschen Wärme- und Druekverhältnisse, unter welchen die organischen
Verbindungen nicht bestehen können.
2. Es ist ungereimt, anzunehmen, dass auf* der erstarrten Erdrinde
Organisches aus Unorganischem entstanden sei. Um das Entstehen der nie-
dersten Organismen auf der Erdrinde zai erklären, muss man schon ein
organisirendes Princip, also einen Denkprocess unter Bedingungen anneh-
men, unter welchen die organischen Verbindungen nicht bestehen konnten.
Wir müssen daher annehmen, dass diese Bedingungen nur für den
Lebensprocess unter den jetsiigen Verhältnissen auf der Oberfläche der
Erde gültig sind, und nur in soweit es uns gelingt, sie zu erklären,
können wir daraus die Möglichkeit des Lebensprocesses unter anderen
Verhältnissen beurtheilen.
Weshalb also sind nur die vier organischen Elemente allgemeine
Träger des Lebensprocesses? Der Grund kann nur in Eigenschaften
gesucht werden, durch welche sich diese vier Elemente von allen
übrigen unterscheiden.
1. Eine solche allgemeine Eigenschaft dieser vier Elemente findet
sich nun darin, dass sie und ihre Verbindungen von allen Stoffen am
schwersten und zum Theil bis jetzt gar nicht condensirt werden können.
2. Eine andere gemeinsame Eigenschaft derselben ist die grosse
Mannigfaltigkeit ihrer Verbindungen und deren leichte Zersetzbarkeit.
Diese Eigenschaft könnte a,ber ebenso wohl Folge, als Grund ihrer
Verwendung zu Lebensprocessen sein.
Dass aber die erstere Eigenschaft, schwer condensirt werden zu
können, diese vier Elemente vorzugsweise geeignet macht, Lebens-
processen zu dienen, wird einigermassen schon unmittelbar aus den
unter 2. und 3. zusammengestellten thatsächlichen Bedingungen des
Lebensprocesses erklärlich, noch mehr aber wenn man die Erschei-
nungen bei der Condensation der Gase zu liquiden Flüssigkeiten und
festen Körpern auf Ursachen zurück zu führen sucht. . . .
Zend-Avesta in der That ein lebendig machendes Wort,*) neues
Leben schaffend unserem Geiste im Wissen wie im Glauben; denn wie
mancher Gedanke, welcher, einst zwar im EntAvicklungsgang der Mensch-
heit mächtig wirkend, nur durch Ueberlieferung in uns fortdauerte
ersteht jetzt auf einmal aus seinem Scheintode in reinerer Form zu
neuem Leben, neues Leben enthüllend in der Natur. Denn wie un-
ermesslich erweitert sich vor unserm Blick das Leben der Natur, wel-
ches bisher nur auf der Oberfläche der Erde sich ihm kund that, wi«
*) Vgl. Fochner, Zend-Avesta, I, Vorrede S. V.
I. Zur Psychologie und Metaphyt^ik. 483
unaussprechlich erhabener erscheint es als bisher. Was wir als den
Sitz sinn- und bewusstlos wirkender Kräfte betrachteten, das erscheint
jetzt als- die Werkstatt der höchsten geistigen Thätigkeit. In wunder-
barer Weise erfüllt sicli, was unser grosser Dichter als das Ziel,
welches dem Qeist des Forschers vorschwebte, in vorschauender Be-
geisterung geschildert hat.
Wie Fechner in seiner Nanna die Beseeltheit der Pflanzen dar-
zuthun sucht, so ist der Ausgangspunkt seiner Betrachtungen im Zend-
Avesta die Lehre von der Beseeltheit der Gestirne. Die Methode,
deren er sich bedient, ist nicht die Abstraction allgemeiner Gesetze
durch die Induction und die Anwendung und Prüfung derselben in der
Naturerkliirung, sondern die Analogie. Er vergleicht die Erde mit
unserem eigenen Organismus, von welchem wir wissen, dass er be-
seelt ist. Er sucht dabei nicht bloss einseitig die Aehnlichkeiten auf,
sondern lässt auch ebenso sehr den Unähnlichkeiten ihr Recht ange-
deihen, und kommt so zu dem Resultat, dass alle Aehnlichkeiten dar-
auf hinweisen, dass die Erde ein beseeltes Wesen, alle Unähnlich-
keiten aber darauf, dass sie ein weit höher stehendes beseeltes Wesen,
als wir, sei. Die überzeugende Kraft dieser Darstellung liegt in ihrer
allseitigen Durchführung im Einzelnen. Der Gesammteindruck des vor
uns aufgerollten Bildes von dem Leben der J^rde muss der Ansicht
Evidenz geben und ersetzen, was den einzelnen Schlüssen an Strenge
fehlt. Diese Evidenz beruht wesentlich auf der Anschaulichkeit des
T^ildes, auf seiner grösstmöglichen Ausführung ins Einzelne. Ich
würde daher der Fechner 'sehen Ansicht zu schaden glauben, wenn
ich hier den Gang, welchen er in seinem Werke nimmt, im Auszug
darzulegen versuchte. Bei der folgenden Besprechung der Fechner'-
schen Ansichten werde ich also von der Form, in welcher sie vor-
getragen sind, absehen und nur das Substantielle derselben ins Auge
fassen, und mich dabei auf die erstere Methode, die Abstraction all-
gemeiner Gesetze durch Induction und ihre Bewährung in der Natur-
erklärunsc stützen.
Fragen wir zunächst: woraus schliessen wir die Beseeltheit eines
Dinges (das Stattfinden eines fortdauernden einheitlichen Denkprocesses
in ihm). Unserer eigenen Beseeltheit sind wir unmittelbar gewiss, bei
Anderen (Menschen und Thieren) schliessen wir sie aus individuellen
zweckmässigen Bewegungen.
Ueberall, wo wir wohlgeordnete Zweckmässigkeit auf eine Ursache
zurückführen, suchen wir diese Ursache in einem Denkprocesse; eine
andere Erklärung haben wir nicht. Das Denken selbst aber kann ich
wenigstens nur für einen Vorgang im Innern der pouderablen Materie
31*
484 Fragmente philosophischen Inhalts.
halten. Die Unmogliclikeit, das Denken aus räumlichen Bewegungen
der Materie zu erklären, wird bei einer unhefan«cenen Zerefliederunix
der inneren Wahrnehmung wohl Jedermann einleuchten; doch mag
die abstraete Möglichkeit einer solchen Erklärung hier zugegeben
werden.
Dass auf der Erde Zweckmässigkeit wahrgenommen werde, wird
niemand läugnen. Es fragt sich also, wohin haben wir den Denk-
process, welcher die Ursache dieser Zweckmässigkeit ist, zu ver-
legen.
Es ist hier nur von bedingten (in begrenzten Zeiten und Räumen
stattfindenden) Zwecken die Rede; unbedingte Zwecke finden ihre Er-
klärung in einem ewigen (nicht in einem Denkprocess erzeugten) Wollen.
Die einzige Zweckmässigkeit, deren Ursache wir Wahrnehmen, ist die
Zweckmässigkeit unserer eigenen Handlungen. Sie entspringt aus dem
Wollen der Zwecke und dem Nachdenken über die Mittel.
Finden wir nun einen aus ponderabler Materie bestehenden Kör-
per, in w^elchem ein System von fortlaufenden Zweck- und Wirkungs-
bezügen vollkommen zum Abschluss kommt, so können wir zur Er-
klärung dieser Zweckmässigkeit einen fortwährenden eiiiheitlichen Denk-
process in demselben annehmen; und diese Hypothese wird die wahr-
scheinlichste sein, wenn 1) die Zw^eckmässigkeiten nicht schon in
Theilen des Körpers zum Abschluss kommen, und 2) kein Grund vor-
handen ist, die Ursache derselben in einem grösseren Ganzen, welchem
der Körper angehört, zu suchen.
Wenden wir dies auf die in Menschen, Thieren und Pflanzen wahr-
genommene Zweckmässigkeit an, so ergiebt sich, dass ein Theil dieser
Zweckmässigkeiten aus einem Denkprocess im Innern dieser Kih-per zu
erklären ist, ein anderer Theil, die Zweckmässigkeit des Organismus,
aber aus einem Denkprocess in einem grösseren Ganzen.
Die Gründe hierfür sind:
1. Die Zweckmässigkeit der organischen Einrichtungen findet
nicht in den einzelnen Organismen ihren Abschluss. Die Gründe für
die Einrichtung des menschlichen Organismus sind offenbar in der Be-
schaffenheit der ganzen Erdoberfläche, die organische Natur mit ein-
gerechnet, zu suchen.
2. Die organischen Bewegungen wiederholen sich unzählbar, tlieils
in verschiedenen Individuen neben einander, theils in dem Leben eines
Individuums oder eines Geschlechts nach einander. Für die Zweck-
mässigkeit, welche in ihnen für sich schon liegt, ist also nicht in je-
dem Fall eine besondere, sondern eine gemeinsame Ursache anzunehmen.
I. Zur Psychologie und Metaphysik. 485
3. Die organischen Einrichtungen erhalten theils (bei Menschen
iiiul Thieren) im Leben der einzelnen Individuen, theils (bei Pflanzen
und Embryonen) im Leben der einzelnen Geschlechter keine Fortbildung.
Die Ursache ihrer Zweckmässigkeit ist also nicht in einem gleich-
zeitig fortlaufenden Denkprocess zu suchen.
Nach Abzug dieser (organischen) Zweckmässigkeiten bleibt nun
bei Menschen und Thieren anerkannter Maassen, bei Pflanzen nach
Fechner's Ansicht, noch ein abgeschlossenes System in einander greifen-
der veränderlicher Zweck- und Wirkungsbezüge übrig-, und diese Zweck-
mässigkeit ist aus einem einheitlichen Denkprocesse in ihnen zu er-
klären.
Diese Folgerungen aus unseren Principien werden durch unsere
innere Wahrnehmun««: bestätit^t.
Nach denselben Principien aber müssen wir die Ursache der in
den Organismen wahrgenommenen Zweckmässigkeiten in einem ein-
heitlichen Denkprocesse in der Erde suchen aus folgenden Gründen:
a) Die Zweck- und Wirkungsbezüge in dem organischen Leben
auf der Erde zerfallen nicht in einzelne Systeme, sondern es
greift alles in einander. Sie können daher nicht aus meh-
reren besonderen Denkprocessen in Theilen der Erde erklärt
werden.
h) Es ist, so weit unsere Erfahrung reicht, kein Grund vorhanden,
die Ursachen dieser Zweckmässigkeiten in einem grösseren
Ganzen zu suchen. Alle Organismen sind nur zum Leben auf
der Erde bestimmt. Der Zustand der Erdrinde enthält daher
sämmtliche (äussere) Gründe ihrer Einrichtung.
6') Sie sind individuell. Nach allem was die Erfahrung darüber
lehrt, müssen wir annehmen, dass sie sich auf andern Himmels-
körpern nicht wiederholen.
d) Sie bleiben nicht während des Lebens der Erde. Es treten
vielmehr im Lauf desselben immer neue, vollkommenere Or-
ganismen auf. Wir müssen also die Ursache in einem gleich-
zeitig zu höheren Stufen fortschreitenden Denkprocesse suchen.
Vom Standpunkt der exacten Naturwissenschaft, der Natur-Erklärung
aus Ursachen ist also die Annahme einer Erdseele eine Hypothese zur
Erklärung des Daseins und der geschichtlichen Entwicklung der organi-
schen Welt.
„Wenn der Leib der niederen Seele stirbt" sagt Fechner, „nimmt
die obere Seele sie aus ihrem Anschauungsleben in ihr Erinnerungsleben
486
P^-agmente philosophischen Inhalts.
auf.'' Die Seeleu der gestorbenen Geschöpfe sollen also die Elemente
bilden für das Seelenleben der Erde.
Die verscliiedenen Denkprocesse scheinen sich hauptsächlich zu
unterscheiden durch ihren zeitlichen Rhythmus. Wenn die Pflanzen
beseelt sind, so müssen Stunden und Tage für sie sein, was für uns
Secunden sind; der entsprechende Zeitraum für die Erdseele, wenigstens
für ihre Thätigkeit nach aussen, umfasst vielleicht viele Jahrtausende.
Soweit die geschichtliche Erinnerung der Menschheit reicht, sind alle
Bewegungen der unorganischen Erdriiide wolil noch aus mechanischen
Gesetzen zu erklären.
Antinomien.
Thesis. Antithesis.
Endliches, Vorstellbares. Unendliches, Begriffssysteme die
an der Grenze des Vorstellbaren
liegen.
I.
Endliche Zeit- und ßaumele- Stetiges.
mente.
ii:
Freiheit, d. h. nicht das Ver- Determinismus,
mögen, absolut anzufangen, son-
dern zwischen zwei oder mehreren
gegebenen Möglichkeiten zu ent-
scheiden.
Damit trotz völlig bestimmter Niemand kann beim Handeln
Gesetze des Wirkens der Vor- die Ueberzeugung aufgeben, dass
Stellungen Entscheidung durch Will- die Zukunft durch sein Handeln
kür möglich sei muss man anneh- mitbestimmt wird,
men, dass der psychische Mechanis-
mus selbst die Eigenthümlichkeit
hat oder wenigstens in seiner Ent-
wicklung annimmt, die Nothwen-
digkeit derselben herbeizuführen.
in.
Ein zeitlich wirkender Gott Ein zeitloser, persönlicher, all-
(Weltregierung). wissender, allmächtiger, allgütiger
Gott (Vorsehung).
I. Zur Rsychologic uiul Metaphysik.
487
IV.
T h e s i 8.
Unsterblichkeit.
Freiheit ist sehr wohl vereiii-
biir mit strenger (Gesetzmässigkeit
des Naturlaufs. Aber der Begriff
eines zeitlosen Gottes ist daneben
nicht haltbar. Es muss vielmehr
die Beschränkung, welche Allmacht
und Allwissenheit durch die Frei-
heit der Geschöpfe in der oben
festgestellten Bedeutung erleiden,
aufgehoben werden durch die An-
nahme eines zeitlich wirkenden
Gottes, eines Lenkers der Herzen
und Geschicke der Menschen, der
Begriff der Vorsehung muss er-
gänzt und zum Theil ersetzt wer-
den durch
regier ung.
den Begriff' der Welt-
Antithesis.
Ein unserer zeitlichen Erschei-
nung zu Grunde liegendes Ding an
sich mit transcendentaler Freiheit,
radicalem Bissen, intelligiblem Cha-
rakter ausgestattet.
Allgemeines Verhältniss der Begriffssysteme der Thesis und
Antithesis.
Die Methode, welche Newton zur Begründung der Infinitesimal-
rechnung anwandte, und welche seit Anfang dieses Jahrhunderts von
den besten Mathematikern als die einzige anerkannt worden ist, welche
sichere Resultate liefert, ist die Grenzmethode. Die Methode besteht
darin, dass man statt eines stetigen Uebergangs von einem Werth
einer Grösse zu einem andern, von einem Orte zu einem andern, oder
überhaupt von einer Bestimmungsweise eines Begriffs 'zu einer andern
zunächst einen Uebergang durch eine endliche Anzahl von Zwischen-
stufen betrachtet und dann die Anzahl dieser Zwischenstufen so wachsen
lässt, dass die Abstände zweier aufeinanderfolgender Zwischenstufen
säramtlich ins Unendliche abnehmen.
Die Begriffssysteme der Antithesis sind zwar durch negative Prä-
dicate fest bestimmte Begriffe, aber nicht positiv vorstellbar.
488 Fragmente philosophischen Inhalts.
Eben desslialb, weil ein genaues und vollständiges Vorstellen dieser
Begriffssysteme unmöglich ist, sind sie der directen Untersuchung und
Bearbeitung durch unser Nachdenken unzugänglich. Sie können aber
als an der Grenze des Vorstellbaren liegend betrachtet werden, d. h.
man kann ein innerhalb des Vorstellbaren liegendes Begriffssystem
bilden, welches durch blosse Aenderung der Grössenverhältnisse in das
gegebene Begriffssystem übergeht. Von den Grössenverhältnissen ab-
gesehen bleibt das Begriffssystem bei dem üebergang zur Grenze un-
geändert. In dem Grenzfall selbst aber verlieren einige von den Cor-
relativbegriffen des Systems ihre Vorstellbarkeit, und zwar solche,
welche die Beziehung zwischen andern Begriffen vermitteln.
II. Erkenntnisstheoretisches.
Versuch einer Lehre von den Grundbegriffen der Mathematik und
Physik als Grundlage für die Naturerklärung.
Naturwissenschaft ist der Versuch, die Natur durch genaue
Begriffe aufzufassen.
Nach den Begriffen, durch welche wir die Natur auffassen, werden
nicht bloss in jedem Augenblick die Wahrnehmungen ergänzt, sondern
auch künftige Wahrnehmungen als noth wendig, oder, insofern das
Begriffssystem dazu nicht vollständig genug ist, als wahrscheinlich
vorher bestimmt; es bestimmt sich nach ihnen, was „möglich" ist (also
auch was „nothwendig" oder wessen Gegentheil unmöglich ist) und es
kann der Grad der Möglichkeit (der „Wahrscheinlichkeit") jedes ein-
zelnen nach ihnen möglichen Ereignisses, wenn sie genau genug sind,
mathematisch bestimmt werden.
Tritt dasjenige ein, was nach diesen Begritfeii nothwendig oder
wahrscheinlich ist, so werden sie dadurch bestätigt, und auf dieser
Bestätigung durch die Erfahrung beruht das Zutrauen, welches wir
ihnen schenken. Geschieht aber Etwas, was nach ihnen nicht erwartet
wird, also nach ihnen unmöglich oder unwahrscheinlich ist, so ent-
steht die Aufgabe, sie so zu ergänzen oder, wenn nöthig, umzuarbeiten,
dass nach dem vervollständigten oder verbesserten Begriffssystem das
Wahrgenommene aufhört, unmöglich oder unwahrscheinlich zu sein.
Die Ergänzung oder Verbesserung des Begriffssystems bildet die „Er-
klärung" der unerwarteten Wahrnehmung. Durch diesen Process wird
unsere Auffassung der Natur allmählich immer vollständiger und rich-
tiger, geht aber zugleich immer mehr hinter die Oberfläche der Er-
scheinungen zurück.
Die Geschichte der erklärenden Naturwissenschaften, soweit wir
sie rückwärts verfolgen können, zeigt, dass dieses in der That der
Weg ist, auf welchem unsere Naturerkenntniss fortschreitet. Die Be-
griffssysteme, welche ihnen jetzt zu Grunde liegen, sind durch all-
mählige Umwandlung älterer Begriffssysteme entstanden, und die Gründe,
welche zu neuen Erklärungsweisen trieben, lassen sich stets auf Wider-
sprüche oder Unwahrscheinlichkeiten, die sich in den älteren Erklärungs-
weisen herausstellten, zurückführen.
400 Fragmente philosophischen Inhalts.
Die Bikluiig neuer Begriffe, soweit sie der Beobachtung zugänglich
ist, geschielit also durch jenen Process.
Es ist nun von Ilerbart der Nachweis geliefert worden, dass
auch die zur Weltauffassung dienenden Begriffe, deren Entstehung wir
weder in der Geschichte, noch in unserer eigenen Entwicklung ver-
folgen können, weil sie uns unvermerkt mit der Sprache überliefert
werden, sämmtlich, in soweit sie mehr sind als blosse Formen der
Verbindung der einfachen sinnlichen Vorstellungen, aus dieser Quelle
abgeleitet werden können und daher nicht (wie nach Kant die Kate-
gorien) aus einer besonderen aller Erfahrung voraufgehenden Be-
schaffenheit der menschlichen Seele hergeleitet zu werden brauchen.
Dieser Nachweis ihres Ursprungs in der Auffassung des durch die
sinnliche Wahrnehmung Gegebenen ist für uns desshalb wichtig, weil
nur dadurch ihre Bedeutung in einer für die Naturwissen-
schaft genügenden Weise festgestellt werden kann....
Nachdem der Begriff für sich bestehender Dinge gebildet worden
ist, entsteht nun beim Nachdenken über die Veränderung, welche dem
Begriffe des für sich Bestehens widerspricht, die Aufgabe, diesen schon
bewährten Begriff so weit als möglich aufrecht zu erhalten. Hieraus
entspringen gleichzeitig der Begriff der stetigen Veränderung, und der
Begriff der Causalität.
Beobachtet wird nur ein Uebergang eines Dinges aus einem Zu-
stand in einen anderen, oder, allgemeiner zu reden, aus einer Be-
stimmungsweise in eine andere, ohne dass dabei ein Sprung wahr-
genommen wird. Bei der Ergänzung der Wahrnehmungen kann man
nun entweder annehmen, dass der Uebergang durch eine sehr grosse
aber endliche Anzahl für unsere Sinne unmerklicher Sprünge geschieht,
oder dass das Ding durch alle Zwischenstufen aus dem einen Zustand
in den andern übergeht. Der stärkste Grund für die letztere Auf-
fassung liegt in der Forderung, den schon bewährten Begriff des für
sich Bestehens der Dinge so weit als möglich aufrecht zu erhalten.
Freilich ist es nicht möglich, sich einen Uebergang durch alle Zwischen-
stufen wirklich vorzustellen, was aber, wie bemerkt, genau genommen
von allen Begriffen gilt.
Zugleich aber wird nach dem früher gebildeten und in der Er-
fahrung bewährten Begriffe des für sich Bestehens der Dinge geschlossen,
das Ding würde bleiben, was es ist, wenn nichts Anderes hinzukäme.
Hierin liegt der Antrieb , zu jeder Veränderung eine Ursache zu suchen.
II. Erkenntoissthcoretisches. 491
I. Wann ist unsere Auffassung der Welt wahr?
„Wenn der Zusammenhang unserer Vorstellungen d«'ui Zusammen-
hange der Dinge entspricht."
Die Elemente unseres IJildes von der Welt sind von den ent-
sprechenden Elementen des abgebildeten Realen gänzlich verschieden.
Sie sind etwas in uns; die Elemente des Realen etwas ausser uns.
Aber die Verbindungen zwischen den Elementen im Bilde und im Ab-
gebildeten müssen übereinstimmen, wenn das Bild wahr sein soll. Die
Wahrheit des Bildes ist unabhängig von dem (Jrade der Feinheit des
Bildes; sie hängt nicht davon ab, ob die Elemente des l^ildes grössere
oder kleinere Mengen des Realen repräsentiren. Aber die Verbindungen
müssen einander entsprechen; es darf nicht im Bilde eine unmittelbare
Wirkung zweier Elemente auf einander angenommen werden, wo in
der Wirklichkeit nur eine mittelbare stattfindet. In diesem Fall würde
das Bild falsch sein und der Berichtigung bedürfen; wird dagegen ein
Element des Bildes durch eine Gruppe von feineren Elementen ersetzt,
so dass seine Eigenschaften theils aus einfacheren Eigenschaften der
feineren Elemente, theils aber aus ihrer Verbindung sich ergeben und
also zum Theil begreiflich werden, so wächst dadurch zwar unsere
Einsicht in den Zusammenhang der Dinge, aber ohne dass die frühere
Auffassung für falsch erklärt werden müsste,
II. Woraus soll der Zusammenhang der Dinge gefunden werden?
„Aus dem Zusammenhange der Erscheinungen.^'
Die Vorstellung von Sinnendingen in bestimmten räumlichen und
zeithchen Verhältnissen ist dasjenige, was beim absichtlichen Nach-
denken über die Natur vorgefunden wird oder für dasselbe gegeben
ist. Es ist jedoch bekanntlich die Qualität der Merkmale der Sinnen-
dinge, Farbe, Klang, Ton, Geruch, Geschmack, Wärme oder Kälte,
etwas lediglich unserer Empfindung Entnommenes, ausser uns nicht
Existirendes.
Dasjenige, woraus der Zusammenhang der Dinge erkannt werden
muss, sind also quantitative Verhältnisse, die räumlichen und zeit-
lichen Verhältnisse der Sinnendinge und die Intensitätsverhältnisse der
Merkmale und ihrer Qualitätsunterschiede.
Aus dem Nachdenken über den beobachteten Zusammenhang dieser
Grössenverhältnisse muss sich die Erkenntniss des Zusammenhangs der
Dinge ergeben.
492 Fragmente philosophischen Inhalts,
Causalität.
I. Was ein Agens zu bewirken strebt muss durch den Bcgritf
des Agens bestimmt sein; seine Action kann von nichts Anderem als
von seinem eigenen Wesen abhängen.
IL Dieser Forderung wird genügt, wenn das Agens sich selbst
zu erhalten oder herzustellen strebt.
III. Eine solche Action ist aber nicht denkbar, wenn das Agens
ein Ding, ein Seiendes ist, sondern nur wenn es ein Zustand oder ein
Verhältniss ist. Findet ein Streben etwas zu erhalten oder her-
zustellen Statt, so müssen auch Abweichungen, und zwar in verschie-
denen Graden, von diesem Etwas möglich sein; und es wird in der
That, in sofern dieser Bestrebung andere Bestrebungen widerstreiten,
nur möglichst nahe erhalten oder hergestellt werden. Es giebt aber
keine Grade des Seins, eine gradweise Verschiedenheit ist nur von Zu-
ständen oder Verhältnissen denkbar. Wenn also ein Agens sicli
selbst zu erhalten oder herzustellen strebt, so muss es ein Zustand
oder ein Verhältniss sein.
IV.' Eine solche Action eines Zustandes kann selbstredend nur
auf solche Dinge stattfinden, die eines gleichen Zustandes fähig sind.
Auf welche von diesen Dingen sie aber stattfindet und ob sie über-
haupt stattfindet, kann aus dem Begriff des Agens nicht geschlossen
werden. *)
*) Diese Sätze gelten nur wenn einem einfachen Realgrund das Wirken zu-
geschrieben werden soll.
Wenn zwei Dinge a und h durch einen äusseren Grund in Verbindung treten,
so kann entweder an die Verbindung, das Verbundensein, selbst, oder auch an
die Veränderung ihres Grades, eine Folge c geknüpft sein. Die einfachste An-
nahme ist, dass die Folge c an das Verbundensein geknüpft ist.
Es ist unnöthig, diese Betrachtungen weiter fortzuführen. Ihr Princip besteht
darin, dass man den Satz festhält: „Was ein Agens zu bewirken strebt, muss
durch den Begriff des Agens bestimmt sein", diesen Satz aber nicht, wie Leibnitz
oder Spinoza auf Wesen mit einer Mannigfaltigkeit von Bestimmungen, sondern
auf Realgründe von mögliehst grösstcr Einfachheit anwendet.
Man pflegt im Deutschen sowohl actio als effectus durch Wirkung zu übersetzen.
Da das Wort in der letzteren Bedeutung viel häufiger vorkommt, so entsteht
leicht eine Undeutlichkeit, wenn man es für actio braucht, wie z. B. bei der ge-
bräuchlichen Uebersetzung von „actio aequalis est reactioni", „principium actionis
miiiimae." Kant sucht sich dadurch zu helfen, dass er neben Wirkung, Wechsel-
wirkung, den lateinischen Ausdruck actio, actio mutua in Klammern hinzufügt.
Man könnte vielleicht sagen: „die Kraft ist gleich der Gegenkraft", „Satz vom
klciusten Kraftaufwands" Da aber in der That uns ein einfacher Ausdruck für
agere, ein auf etwas Anderes gerichtetes Streben, fehlt, so möge mir der Ge-
brauch des Fremdworts gestattet sein.
II. Erkenninibstheoretisches. 493
Sehr richtig heinerkt Kant, dass durch die Zergliederung des Be-
griffs von einem Dinge weder gefunden werden könne, dass es sei,
noch dass es die Ursache von etwas Anderem sei, dass also die Be-
griffe des Seins und der Causaljtät nicht analytisch seien und nur aus
der Erfahrung entnommen werden können. Wenn er aber später
sich zu der Annahme geniHhigt glaubt, dass der Causalbegriff aus
einer aller Erfahrung vorausgehenden Beschaffenheit des erkennenden
Subjects stamme, und ihn desshalb zu einer blossen Regel der Zeit-
folge stempelt, durch welche in der Erfahrung mit jeder Wahrnehmung
als Ursache jede beliebige andere als Wirkung verknüpft werden
könnte, so heisst dies das Kind mit dem Bade ausschütten. (Freilich
müssen wir die Causalitätsverhältnisse aus der Erfahrung entnehmen;
aber wir dürfen nicht darauf verzichten, unsere Auffassung dieser Er-
fahrungsthatsachen durch Nachdenken zu berichtigen und zu ergänzen.)
Das Wort Hypothese hat jetzt eine etwas andere Bedeutung als
bei Newton. Man pflegt jetzt unter Hypothese alles zu den Ersc^hei-
nungen Hinzugedachte zu verstehen.
Newton war weit entfernt von dem ungereimten TJedanken, als
könne die Erklärung der Erscheinungen durch Abstraction gewonnen
werden.
Newton: Et hacc de deo; de quo utique ex phaenomenis disserere
ad philosophiam exi)erimentalem pertinet. llationem vero harum (ira-
vitatis proprietatum ex phaenomenis nondum potui deducere, et Hypo-
theses non fingo. Quicquid enim ex Phaenomenis uon deducitur,
Hypothesis vocanda est.
Arago, Oeuvres completes T. 3. 505:
Une fois, une seule fois Laplace s'elanca dans la region des con-
jectures. Sa conception ne fut alors rien moins qu'une cosmogonie.
Laplace auf Napoleons Frage, wesshalb in seiner Mec. cel. der
Name Gottes nicht vorkomme: Sire, je n'avais pas besoin de cette
hypothese.
Die Unterscheidung, welche Newton zwischen Bewegungsgesetzen
oder Axiomen und Hypothesen macht, scheint mir nicht haltbar. Das
Trägheitsgesetz ist die Hypothese: Wenn ein materieller Punkt allein
in der Welt vorhanden wäre und sich im Kaum mit einer bestimmten
Geschwindigkeit bewegte, so würde er diese Geschwindigkeit beständig
behalten.
III. Naturphilosophie.
1. Molecularmeehanik.
Die freie Bewegung eines Systems materieller Punkte m^^, nk, . . .
mit den rechtwinkligen Coordinaten oc^pVi^^i'-) ^2 72/2? ^2 5 ••• ^^^^ welche
parallel den drei Axen die Kräfte Xj, Y^y Z^\ Xg, Y>^y Z.a ... wirken
geschieht den Gleichungen gemäss:
/■K\ d'-^x^ ^^^Vi (^'^i
Dies Gesetz kann auch so ausgesprochen werden: die Beschleunigungen
bestimmen sich so^ dass
dt~ inj ' V (Zi^" ^^ij -f- y ^n2 ^,fj ]
ein Minimum wird; denn diese Function der Beschleunigungen nimmt
ihren kleinsten Werth 0 an, wenn die Beschleunigungen sämmtlich
den Gleichungen (1) gemäss bestimmt werden, d. h. die Grössen
—rrr, • • • sämmtüch = 0 sind, und sie nimmt auch nur dann einen
d'x^ X^
Minimumwerth an; denn wäre eine dieser Grössen, z. B. -7—
' ^ dt^ m^
nicht gleich Null, so könnte man -,.^ immer stetig so ändern, dass
der absolute Werth dieser Grösse und folglich ihr Quadrat abnähme.
Die Function würde also dann kleiner werden, wenn man zugleich
alle übrigen Beschleunigungen ungeändert liesse.
Diese Function der Beschleunigunc^en unterscheidet sich von
2».p)" +©)+©)
nur um eine Constante, d. h. eine von den Beschleunigungen unab-
hängicfe Grösse.
III. Naturphilofophio. 49f)
Wenn die Kräfte nur von Anzieluin<^eii und Abstossungen zwischen
den Punkten herrühren, welche Functionen der Entfernung sind, und
der tte Punkt und der t'ie Punkt sich in der Entfernung r mit der
Kraft ft,i-(r) abstossen oder mit der Kraft — fi,i(j') anziehen,* lassen
sich bekainitlich die Componenten der Kräfte ausdrücken durch die par-
tiellen Derivirten einer Function von den Coordinaten sämmtlicher Punkte
I'=2F,,,(r.,,)
woriii F,,i-{r) eine Function bedeutet, deren Derivirte f,,t-(r), und für
L und i je zwei verschiedene Indices zu setzen sind.
Substituirt man diese Werthe der Componenten
V _ ^ V _^ 7 —^L
in obiger Function der Beschleunigungen und multiplicirt dieselbe mit
dt-
-— , wodurch die Lage ihrer Maxim a und Minima nicht geändert wird,
so erhält man einen Ausdruck, der sich von
nur um eine von den Beschleunigungen unabhängige Grösse unter-
scheidet. Wenn die Lage und die Geschwindigkeiten der Punkte zur
Zeit t gegeben sind, so bestimmt sich diese Lage zur Zeit t -\- dt so,
dass diese Grösse möglichst klein wird. Es findet demnach ein Streben
statt, diese Grösse möglichst klein zu machen.
Dieses Gesetz kann man nun aus Actionen erklären, welche die
einzelnen Glieder dieses Ausdrucks möglichst klein zu machen streben,
wenn man annimmt, dass einander widerstreitende Bestrebungen
sich so ausgleichen, dass die Summe der Grössen, welche die
einzelnen Actionen möglichst klein zu erhalten streben, ein
Minimum wird.
Nimmt man an, dass die Massen der Punkte Wj, m.^y . . ., w/« sich
verhalten wie die ganzen Zahlen /r^, h,, . . ., Z*„, so dass m, = Ä*,^, so
besteht der Ausdruck, welcher möglichst klein wird, aus der Summe
der Grössen
. f(("S)"+(.'S)'+(''':-;y
für sämmtliche Massentheilchen ft und der Grösse P^ + j/. Wenn man
also mit Gauss die Grösse
496 Fragmente philosophischen Inhalts.
als Maass der Abweichung des Bewegungszustaiides der Masse ^ zur
Zeit t + dt von ihrem l^ewegungsziistand zur Zeit t betrachtet^ so er-
giebt die Zerlegung der Gesammtaction in Bezug auf jede Masse eine
Action, welche die Abweichung ihres Bewegungszustandes zur Zeit
t + dt von ihrem Bewegungszustande zur Zeit t möglichst klein zu
machen strebt, oder ein Streben ihres Bewegungszustandes, sich zu
erhalten, und ausserdem eine Action, welche die Ojlrösse — P mögliclist
klein zu erhalten strebt.
Diese letztere Action lässt sich zerlegen in Bestrebungen, die ein-
zelnen Glieder der Summe EFi^i^Vi^i-) möglichst klein zu erhalten,
d. h. in Anziehungen und Abstossungen zwischen je zwei Punkten,
und dies würde zu der «gewöhnlichen Erklärun«; der BeAvegunocs«;esetze
aus dem Gesetz der Trägheit und Anziehungen und Abstossungeji zurück-
führen-, sie lässt sich aber bei allen uns bekannten Naturkräften auch
auf Kräfte, welche zwischen benachbarten llaumelementen thäti«: sind,
zurückführen, wie im folgenden Artikel an der Gravitation erläutert
werden soll.
2. Gravitation und Lieht.
Die Newton'sche Erklärung der Fallbewegungen und der Be-
wegungen der Himmelskörper besteht in der Annahme folgender Ur-
sachen:
1. Es existirt ein unendlicher Raum mit den Eigenschaften, welche
die Geometrie ihm beilegt, und ponderable Körper, welche in ihm
ihren Ort nur stetig verändern.
2. In jedem ponderablen Punkte existirt in jedem Augenblicke
eine nach Grösse und Richtung bestimmte Ursache, vermöge der er
eine bestimmte Bewegung hat (Materie in bestimmtem Bewegungs-
zustande). Das Maass dieser Ursache ist die Geschwindigkeit.*)
Die hier zu erklärenden Erscheinungen führen noch nicht auf die
Annahme verschiedener Massen der ponderablen Körjier.
3. In jedem Punkt des Raumes existirt in jedem Augenblicke
eine nach Grösse und Richtung bestimmte Ursache (beschleunigende
Kraft), welche jedem dort befindlichen ponderablen Punkte eine be-
*) Jeder materielle Körper würde, wenn er sich im Ilanm allein befände,
entweder seinen Ort in demselben nicht verändern oder mit nnveränderlichcr Ge-
schwindigkeit in gerader Linie durch denselben sich bewegen.
Dieses Bewegungsgesetz kann nicht aus dem Princip des zureichenden Grun-
des erklärt werden. Dass der Körper seine Bewegung fortsetzt, nmss eine Ur-
sache haben, welche nur in dem inneren Zustand der Materie gesucht werden kann.
III. Naturphilosophie. 497
stimmte, und zwar allen dieselbe Bewegung mittheilt, die sich mit der
Bewegung, die er schon hat, geometrisch zusammensetzt.
4. In jedem ponderablen Punkt existirt eine der Grösse nach
bestimmte Ursache (absolute Schwerkraft), vermöge welcher in jedem
Punkte des Raumes eine dem Quadrat der Entfernung von diesem
ponderablen Punkte umgekehrt und seiner Schwerkraft direct propor-
tionale beschleunigende Kraft stattfindet, die sich mit allen andern dort
stattfindenden beschleunigenden Kräften geometrisch zusammensetzt.*)
Die nach Grösse und Richtung bestimmte Ursache (beschleunigende
Schwerkraft), welche nach 3. in jedem Punkte des Raumes stattfindet,
suche ich in der Bewegungsform eines durch den ganzen unendlichen
Raum stetig verbreiteten Stofi'es, und zwar nehme ich an, dass die
Richtung der Bewegung der Richtung der aus ihr zu erklärenden Kraft
gleich, und ihre Geschwindigkeit der Grösse der Kraft proportional sei.
Dieser Stoff kann also vorgestellt werden als ein physischer Raum,
dessen Punkte sich in dem geometrischen bewegen.
Nach dieser Annahme müssen alle von ponderablen Körpern durch
den leeren Raum auf ponderable Körper ausgeübte Wirkungen durch
diesen Stoff fortgepflanzt werden. Es müssen also auch die Bewegungs-
formen, in denen das Licht und die Wärme besteht, welche die
Himmelskörper einander zusenden, Bewegungsformen dieses Stoffes sein.
Diese beiden Erscheinungen, Gravitation und Lichtbewegung durch den
leeren Raum, aber sind die einzigen, welche bloss aus Bewegungen
dieses Stofltes erklärt werden müssten.
Ich nehme nun an, dass die wirkliche Bewegung des Stoffes im
leeren Raum zusammengesetzt ist aus der Bewegung, welche zur Er-
klärung der Gravitation, und aus der, welche zur Erklärung des Lichtes
angenommen werden muss.
Die weitere Entwicklung dieser ITv])ofhese /»'rfällt in zwei Tlicile,
insofern aufzusuchen sind
1. Die Gesetze der Stoffbewegungen, welche zur Erklärung der
Erscheinungen angenommen werden müssen.
2. Die Ursachen, aus welchen diese Bewegungen erklärt werden
klumen.
Das erste Geschäft ist ein mathematisches, das zweite ein meta-
*) Derselbe ponderable Punkt würde an zwei verschiedenen Orten Bewegungs-
ilndfuunj^en erleiden, deren Ilichtun«^ mit der Richtung der Kräfte zusanimenflillt,
und deren Grössen sich verhalten wie die Kräfte.
Die Kraft, dividirt durch die Bewcgungsilnderung gicht daher bei demselben
ponderablen Funkt stets denselben Quotienten. Dieser Quotient ist bei verschie-
denen ponderablen Punkten vorschieden und heisst ihre Masse.
Bikhamn's gesammelte mathcmatiacbe Werke. I. 32
498 Fragmente philosophischen Inhalts.
physisches. In Bezug auf letzteres bemerke ich im Voraus, dass als
Ziel desselben nicht die Erklärung aus Ursachen, welche die Entfernung
zweier Stoffpunkte zu verändern streben, zu betrachten sein wird.
Diese Erklärungsmethode durch Anziehungs- und Abstossungskräfte
verdankt ihre allgemeine Anwendung in der Physik nicht einer un-
mittelbaren Evidenz (besonderen Vernunftgemässheit), noch, von Electri-
cität und Schwere abgesehen, ihrer besonderen Leichtigkeit, sondern
vielmehr dem Umstände, dass das Newton'sche Anziehungsgesetz gegen
die Meinung des Entdeckers so lange für ein nicht weiter zu erklären-
des gegolten hat.*)
I. Gesetze der Stoffbewegung, welche nach unserer Annahme
die Gravitations- und Lichterscheinungen verursacht.
Li dem ich die Lage eines Raumpunktes durch rechtwinklige Co-
ordinaten x^y x.^, x^ ausdrücke, bezeichne ich die dort parallel den-
selben zur Zeit t stattfindenden Geschwindigkeitscomponenten der Be-
wegung, welche die Gravitationserscheinungen verursacht, durch n^y n^, ^(3,
der Bewegung, welche die Lichterscheinungen verursacht, durch u\, tv.2y w^y
der wirklichen Bewegung durch v^, v^y v^, so dass v = u -f- w. Wie
sich aus den Bewegungsgesetzen selbst ergeben wird, behält der StoflP,
wenn er in Einem Zeitpunkte überall gleich dicht ist, stets allenthalben
dieselbe* Dichtigkeit, ich werde diese daher zur Zeit t überall = 1 an-
nehmen.
a. . Bewegung, welche nur GraYitationsersclieinnngen vonirsaclit.
Die Schwerkraft ist in jedem Punkte durch die Potentialfunction
F bestimmt, deren partielle Differentialquotienten ^7 ^j ^ ^j^ Com-
ponenten der Schwerkraft sind, und dieses V ist wieder bestimmt durch
folgende Bedingungen (abgesehen von einer hinzufügbaren Constanten):
1. dx, dx.dXo (tt-t: + ^ + ^-^1 ist ausserhalb der anziehenden
Körper = 0 und hat für jedes ponderable Körperelement einen un-
veränderlichen Werth. Dieser ist das Product aus — Ait in die ab-
solute Grösse der Anziehungskraft, welche nach der Attractionstheorie
*) Newton says: „That gravity should be innate, inherent, and esseutial
to matter, so that one body may act upon another at a distance through a va-
cuum, without the mediation of anything eise, by and through which their action
and force may be conveyed from one to another, is to me so great an absurdity.
that I believe no man who has in philosophical matters a competent faculty ol
thinking can ever fall into it." See the third letter to Bentley.
lir. Naturphilosophie. 499
demselben beigelogt werden niuss, und durch dm bezeichnet wer-
den soll.
2. Wenn alle anziehenden Körper sich innerhalb eines endlichen
Haunies befinden, sind in unenjllicher Entfernung r von einem Punkt
dieses Raumes r^ — , t-,^—. r t. — unendlich klein.
cxy ex,/ cx^
dV
Nach unserer Hypothese ist nun . — = u und folglich
d V = ?<i dx^ + iL^ dx.^ -\- n.^ dx^ .
Dieses schliesst die Bedingungen ein:
^ ^ 6*0:3 dx,^ ' dx^ dx.^ ' dx<^ dxi '
(-) (£; + fx + W ^^' '^^^ ^""^ = ~ ^"'''"'
(3) rii^ = 0, riL^ = 0, rti.^ = 0, für r = oo-
Umgekehrt sind auch die Grössen ii, wenn sie diesen Bedingungen ge-
nügen, den Componenten der Schwerkraft gleich. Denn die Bedingungen (1)
enthalten die Möglichkeit einer Function U, von welcher das Differen-
tial d U = «1 dXi + ^*2 <^*^'2 + % ^^^3 u^^^ 3-lso die Differentialquotienten
-.7- = u, und die übrigen ergeben dann U= F-)- const.*)
an
*) Diese Function U ist also durch die Erfahrung (aus den relativen Be-
wegungen) mittelst der allgemeinen Bewegungsgesetze gegeben, aber nur abge-
sehen von einer linearen Function der Coordinaten, weil wir nur relative Be-
wegungen beobachten können.
Die Bestimmung dieser Function gründet sich auf folgenden mathematischen
Satz: Eine Function V des Ortes ist innerhalb eines endlichen Kaumes bestimmt
(abgesehen von einer Constanten), wenn sie nicht längs einer Fläche unstetig
sein soll und für alle Elemente desselben 1 ^ — 2 ' ~ — 2 "•" 0^2 ) ^'-^i ^-^'a ^^-''a »
\0 X 0 X ^ v X 1
der Grenze entweder V oder deren Differentialquotient für eine Ortsänderung nach
Innen senkrecht auf die Begrenzung gegeben ist. Wobei zu bemerken:
oV
1. Wird dieser Diü'erentialquotient im Begrenzungselement ds durch ^ —
bezeichnet, so muss in letzterem Falle I >^ ^^-^ äx^dx.,dx^ durch den ganzen
^ — ds durch dessen Begrenzung sein; übrigens aber können in
beiden Fällen sämmtliche Bestimmungsstücke willkürlich angenommen werden und
sind daher zur Bestimmung nothwendig.
2. Für ein Raumelement, wo 7^ r; — 7 unendlich gross wird, ist das Product
.^J cx^
beider durch — I -- rZs in Bezug auf die Begrenzung dieses Elements zu ««61260.
J ^P
32*
500 Fragmente philosophischen Inhalts.
b. Bewegung, welche nur Lichtersclieiiuiiigeii yerursacht.
Die Bewegung^ welche im leeren Raum zur Erklürung der Liclit-
ersclieinungen angenommen werden muss , kann betrachtet werden
(zufolge eines Theorems) als zusammengesezt aus ebenen Wellen^ d. h.
aus solchen Bewegungen , wo längs jeder Ebene einer Schaar paralleler
Ebenen (Wellenebenen) die Bewegungsform constant ist. Jedes dieser
Wellensysteme besteht dann (der Erfahrung nach) aus Bewegungen
parallel der Wellenebene, die sich mit einer für alle Bewegungsformen
(Arten des Lichts) gleichen constanten Geschwindigkeit c senkrecht zur
Wellenebene fortpflanzen.
Sind für ein solches Wellensystem 1^, Ig? I3 rechtwinklige Co-
ordinaten eines Raumpunktes, die erste senkrecht, die andern parallel
zur Wellenebene, co^, co.^, co^ die ihnen parallelen Geschwindigkeits-
componenten in diesem Punkte zur Zeit tj so hat man:
^ = 0 ^ ~ = 0
Der Erfahrung nach ist erstlich:
«i = 0,
zweitens ist die Bewegung zusammengesetzt aus einer nach der posi-
tiven und einer nach der negativen Seite der Wellenebene mit der Ge-
schwindigkeit c fortschreitenden Bewegung. Sind o' die Geschwindigkeits-
componenten der ersteren, a" die der letzteren, so bleiben die a unge-
ändert, wenn t um dt und ^^ um cdt wächst, die co', wenn t um dt
und Ij um — cdt wächst, und man hat ca = co -\- co". Hieraus folgt:
(^ + ^©'^^ = *^' (¥-'^0'« = «'
also
Diese Gleichungen geben folgende symmetrische:
3. Wenn nur innerhalb eines endlichen Raumes y" 77—^ einen von 0 ver-
ßchiedenen Wei-th hat, so kann die Grenzbedingung dadurch ersetzt werden, dass
dV
in unendlicher Entfernung E von einem Punkte dieses Raumes .R tt— unendlich
klein sein soll.
III. Naturphilosophie. 501
welche, ausgedrückt durch diis ursprüngliche Coordiuatensystem , in
Gleichungen von derselben Form übergehen, d. h. in
1^ + 1^ + 1^=0,
Diese Gleichungen gelten für jede den Punkt (x^, x^, x.^) zur Zeit t
durchschreitende ebene Welle und folglich auch für die aus allen zu-
sammengesetzte Bewegung.
c. Bcwcjyuug, welche beiderlei Erscheiiiiiiigeii verursacht.
Aus den gefundenen Bedingungen für ti und to Hiessen folgende
Bedingungen für v oder Gesetze der Stoifbewegung im leeren Kaume:
(1) l'-^ + 1^ + f '■* = 0,
^ ^ dxi * dx.2 ' dx.^ '
(?f-c.(a, + ^j. + ?i))05-^:;) = o
(II) (,3 _ , c {fx + ci + ii:)) (g _ gl) = 0
(a-co(^^ + ^i + ^i.))(g-g) = o
wie sich leicht ergiebt, wenn man die Operationen ausführt.
Diese Gleichungen zeigen, dass die Bewegung eines 8toffpunktes
nur abhängt von den Bewegungen in den angrenzenden Kaum- und
Zeittheilen, und ihre (vollständigen) Ursachen in den Einwirkungen
der Umgebung gesucht werden können.
Die Gleichung (I) beweist unsere frühere Behauptung, dass bei
der HtoÜ'bewegung die Dichtigkeit ungeändert bleibe; denn
( -^ + ^!~ -\- -^ ) dx, dx., dx\ dt.
welches zufolge dieser Gleichung = 0 ist, drückt die in das llauni-
element dx^ dx.^ dx^ im Zeitelement dt einstr(")mende Stoffmenge aus,
und die in ihm enthaltene Stoffmenge bleibt daher constant.
Die Bedingungen (II) sind identisch mit der Bedingung, dass:
{cf — cc (ol^ + cl + ei)) (t^i dx^ + V., dx., + r^ dx^)
gleich einem vollständigen Differential dW sei. Nun ist:
{d} — cc (dl, + dl, + cD) {tü.dx, + tv.dx, + w,dx,) = 0
und folglich
502 Fragmente philosophischen Inhalts.
dW= {ct — cc (cx^ + dl^ + dX)) 0*1 doo^ + 1(2 dx2 + ^3 ^^3)
oder, da (aj, + d^ + ^4) ^^= 0 ,
~^ dt' '
d. Geiiieinsclijiftlichcr Ausdruck für die Gesetze der Stoifbewcgung uud der
Einwirkung" der Schwerkraft auf die Bewegung der ponderablen Körper.
Die Gesetze dieser Erscheinungen lassen sich zusammenfassen in
der Bedingung, dass die Variation des Integrals
/ [2 m - 4(6 - ö"+ te - m (k-m -. "- *. ■«
+ JV (^ ^^j dx^ äx., dx.^ + Ait dmj dt + 27tJ dm^ (^y^-j dt
unter geeigneten Grenzbedingungen 0 werde.
In diesem Ausdrucke sind die beiden ersten Integrale über den
ganzen geometrischen Raum, die letzteren über alle ponderablen Körper-
elemente auszudehnen, die Coordinaten jedes ponderablen Körperelements
aber als Functionen der Zeit, und tj^, 7^.^, 7^3, Fals Functionen von^i,^2,:r3
und t so zu bestimmen, dass eine den Grenzbedingungen genügende
Variation derselben nur eine Variation zweiter Ordnung des Integrals
hervorbringt.
Alsdann sind die Grössen -wj (= v) gleich den Geschwindigkeits-
componenten der Stoffbewegung, und V gleich dem Potential zur Zeit
t im Punkte (x^, x^, x^.
3. Neue mathematische Principien der Naturphilosophie.*)
Obgleich die Ueberschrift dieses Aufsatzes bei den meisten Lesern
schwerlich ein günstiges Vorurtheil erwecken wird, so schien sie mir
doch die Tendenz desselben am besten auszudrücken. Sein Zweck ist,
jenseits der von Galiläi und Newton gelegten Grundlagen der Astro-
nomie und Physik ins Innere der Natur zu dringen. Für die Astronomie
kann diese Speculation freilich unmittelbar keinen praktischen Nutzen
haben, aber ich hoffe, dass dieser Umstand auch in den Augen der
Leser dieses Blattes dem Interesse keinen Eintrag thun wird.
*) Gefunden am 1. März 1853.
III. Naturphilosophie. 503
Der Grund der allgemeinen Bewegungsgesetze für Ponderabilien,
welche sich im Eingange zu New ton 's Principien zusammengestellt
finden, liegt in dem inneren Zustande derselben. Versuchen wir aus
unserer eigenen inneren Wahrnehmung nach der Analogie auf den-
selben zu schliessen. Es treten *in uns fortwährend neue Vorstellun«^s-
o
massen auf, welche sehr rasch aus unserm Bewusstsein wieder ver-
schwinden. Wir beobachten eine stetige Thätigkeit unserer Seele.
Jedem Act derselben liegt etwas Bleibendes zu Grunde, welches sich
bei besonderen Anlässen (durch die Erinnerung) als solches kuudgiebt,
ohne einen dauernden Einfluss auf die Erscheinungen auszuüben. Es
tritt also fortwährend (mit jedem Denkact) etwas Bleibendes in unsere
Seele ein, welches aber auf die Erscheinungswelt keinen dauernden
Einfluss ausübt. Jedem Act unserer Seele liegt also etwas Bleibendes
zu Grunde, welches mit diesem Act in unsere Seele eintritt, aber in
demselben Augenblick aus der Erscheinungswelt völlig verschwindet.
Von dieser Thatsache geleitet, mache ich die Hypothese, dass der
Weltraum mit einem Stoff erfüllt ist, welcher fortwährend in die pon-
derablen Atome strömt und dort aus der Erscheinungswelt (Körper-
welt) verschwindet.
Beide Hypothesen lassen sich durch die Eine ersetzen, dass in allen
l)onderablen Atomen beständig Stoff aus der Körperwelt in die Geistes-
welt eintritt. Die Ursache, wesshalb der Stoff dort verschwindet, ist
zu .suchen in der unmittelbar vorher dort gebildeten Geistessubstanz,
und die ponderablen Körper sind hiernach der Ort, wo die Geisteswelt
in die Körperwelt eingreift. *)
Die Wirkung der allgemeinen Gravitation, welche nun zunächst
aus dieser Hypothese erklärt werden soll, ist bekanntlich in jedem
Theil des Raumes völlig bestimmt, wenn die Potentialfunction P
sämmtlicher ponderablen Massen für diesen Theil des Raumes gegeben
ist, oder was dasselbe ist, eine solche Function P des Ortes, dass die
im Innern einer geschlossenen Fläche S enthaltenen ponderablen Massen
T- I ^-dS sind.
4:7t J CP
Nimmt man nun an, dass der raumerfüllende Stoff eine incom-
pressible homogene Flüssigkeit ohne Trägheit sei, und dass in jedes
ponderable Atom in gleichen Zeiten stets gleiche, seiner Masse pro-
*) In jedes ponderable Atom tritt in jedem Auf^enblick eine bestimmte, der
Gravitationskraft proportionale Stottmenge ein und verschwindet dort.
Es ist die Consequenz der auf Herbart'scheni Boden stehenden Psychologie,
dass nicht der Seele, sondern jeder einzelnen in nns gebildeten Vorstellung Sub-
stantialität zukomme.
504 Fragmente philosophischen Inhalts.
portionale Mengen einströmen, so wird offenbar der Druck, den das
ponderable Atom erfährt, (der Geschwindigkeit der Stoff bewegung an
dem Orte des Atoms proportional sein?)
Es kann also die Wirkung der allgemeinen Gravitation auf ein
ponderables Atom durch den Druck des räum erfüll enden Stoffes in der
unmittelbaren Umgebung desselben ausgedrückt und von demselben ab-
hängig gedacht werden.
Aus unserer Hypothese folgt nothwendig, dass der raumerfüllende
Stoff die Schwingungen fortpflanzen muss, welche wir als Licht und
Wärme wahrnehmen.
Betrachten wir einen einfach polarisirten Strahl, bezeichnen durch
X die Entfernung eines unbestimmten Punktes desselben von einen
festen Anfangspunkte, durch y dessen Elongation zur Zeit t, so muss,
weil die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Schwingungen im von
Ponderabilien freien Raum unter allen Umständen sehr nahe constant
(gleich a) ist, die Gleichung:
y = f(x + «0 + ^(.'^ — ^0
wenigstens sehr nahe erfüllt werden.
Wäre sie streng erfüllt, so müsste
dl
dt
sein; offenbar kann aber unserer Erfahrung auch durch die Gleichung:
genügt werden, wenn auch cp{t — r) nicht für alle positiven Werthe
von t — t gleich 1 ist (mit wachsendem t — r ins Unendliche abnimmt),
wofern es nur für einen hinreichend grossen Zeitraum sehr wenig von
1 verschieden bleibt
Man drücke die Lage der Stoff punkte zu einer bestimmten Zeit t
durch ein rechtwinkliges Coordinaten System aus, und es seien die Co-
ordinaten eines unbestimmten Punktes 0 x, y, z. Aehnlicher Weise
seien, ebenfalls in Bezug auf ein rechtwinkliges Coordinatensystem die
Coordinaten des Punktes 0' x, y, z. Es sind dann x, y , z Functionen
von x,y, z und ds'^ == dx''^ + dy"^ -\- dz^ wird gleich einem homogenen
Ausdruck zweiten Grades von dx, dy, dz. Nach einem bekannten
Theorem lassen sich nun die linearen Ausdrücke von dx, dy, dz
«1 dx + /3j dy + Ti dz = ds^
«2 dx + ft dy -\- y.^dz = ds^
«3 dx + ft dy -\-y,^dz = ds^
111. Naturphilusuphie. 505
stets und nur auf Eine Weise so bestimmen, dass
dx' + diß + dz^' = Gldsl + G^dsl + Gldsl
wird, während
ds' = dx^ + dy' + dz' = dsi + dsl + di .
Die Grössen G^ — 1, G2 — 1, (r.^ — 1 heissen dann die Hauptdilata-
tionen des Stofftheilchens in 0 beim Uebergange von der ersteren Form
zur letzteren; ich bezeichne sie durch A^, A^, A3.
Ich nehme nun an, dass aus der Verschiedenheit der früheren
Formen des Stofftheilchens von seiner Form zur Zeit t eine Kraft resul-
tirt, welche diese zu verändern strebt, dass der Einiluss einer früheren
Form (caeteris paribus) desto geringer wird, je länger vor t sie statt-
fand) und zwar so dass von einer gewissen Grenze an alle früheren
vernachlässigt werden können. Ich nehme ferner an, dass diejenigen
Zustände, welche noch einen merklichen Einfluss äussern, so wenig
von demjenigen zur Zeit t verschieden sind, dass die Dilatationen als
unendlich klein betrachtet werden können. Die Kräfte, welche A^, A^, Aj
zu verkleinern streben, kömien dann als lineare Functionen von Aj, A^,, A3
angesehen werden; und zwar erhält man wegen der Homogeneität des
Aethers für das Gesammtmoment dieser Kräfte (die Kraft, welche Aj
zu verkleinern strebt, muss eine Function von A^, X.,j A.j sein, welche
unverändert bleibt, wenn man A^ mit A3 vertauscht, und die übrigen
Kräfte müssen aus ihr hervorgehen, wenn L mit A^, A3 mit A^ ver-
tauscht wird) folgenden Ausdruck:
ÖA^ (aAj + hX, + hl,) + ÖL, (hX, + aX, + hX,) -f ÖX^ {hX, + hX, + flA3)
oder mit etwas veränderter Bedeutung der Constanten
ÖX, {a (A, + A, + A,) + M,) + d X, {a (A. + X, + X,) + W,)
-^SX,{a{X, + X, + x;) + hX,)
= i d (rt(A, + X, + x;f + 6(Aj + a5 + A3)) -
Man kann nun das Kraftmoment, welches die Form des unendlich
kleinen Stoft'tlieilchens in 0 zu verändern strebt, als resultirend be-
trachten aus Kräften, welche die Länge der in 0 endenden Linien-
eiemente zu verändern streben. Man gelangt dann zu folgendem Wir-
kungsgesetz: Bezeichnet dV das Volumen eines unendlich kleinen Stoff-
theilchens in 0 zur Zeit t, dV das Volumen desselben Stofftheilchens
zur Zeit t', so wird die aus der Verschiedenheit beider Stoflfzustände
herrührende Kraft, welche ds zu verlängern strebt, durch
av —dV . j ds — ds
dV ' ds
ausgedrückt.
506 Fragmente philosophischen Inhalts.
Der erste Theil dieses Ausdrucks rührt von der Kraft her, mit
welcher ein StofFtheilchen einer Yolumänderung ohne Formänderung,
der zweite von der Kraft, mit welcher ein physisches Linienelement
einer Längen änderung widerstrebt.
Es ist nun kein Grund vorhanden, anzunehmen, dass die Wirkungen
beider Ursachen nach demselben Gesetz mit der Zeit sich änderten;
fassen wir also die Wirkungen sämmtlicher früheren Formen eines
Stofftheilchens auf die Aenderung des Linienelements ds zur Zeit t
zusammen, so wird der Werth von —jj , welchen sie zu bewirken
streben ,
t t
Wie müssen nun die Functionen i/^ und (p beschaffen sein, damit Gra-
vitation
werde ?
vitation, Licht und strahlende Wärme durch den Raumstoff vermittelt
Die Wirkungen ponderabler Materie auf ponderable Materie sind:
1) Anziehungs- und Abstossungskräfte umgekehrt proportional dem
Quadrat der Entfernung.
2) Licht und strahlende Wärme.
Beide Classen von Erscheinungen lassen sich erklären, wenn man
annimmt, dass den ganzen unendHchen Raum ein gleichartiger Stoff'
erfüllt, und jedes Stofftheilchen unmittelbar nur auf seine Umgebung
einwirkt.
Das mathematische Gesetz, nach welchem dies geschieht, kann zer-
lallt gedacht werden
1) in den Widerstand, mit welchem ein Stofftheilchen einer Volum-
änderung, und
2) in den Widerstand, mit welchem ein physisches Linienelement
einer Längenänderung widerstrebt.
Auf dem ersten Theil beruht die Gravitation und die electrostatische
Anziehung und Abstossung, auf dem zweiten die Fortpflanzung des
Lichts und der Wärme und die electrodynamische oder magnetische
Anziehung und Abstossung.
Bcrnliard Riomanii's Lobciislaiif.
HiEUANN's gesammelte mathcmatischo Werke. II.
Die nachfolgende Darstellung von Riemanns Lebenslauf bezweckt
keineswegs, die Bedeutung seiner wissenschaftlichen Leistungen und
deren Verhältniss zu dem früheren und gegenwärtigen Zustande der
Mathematik in's Licht zu stellen, sie ist vielmehr nur für solche Leser
bestimmt, welche einige Nachrichten über den Bildungsgang, den Cha-
rakter und die äusSerlichen Schicksale des grossen Mathematikers zu
erhalten wünschen, dessen Werke jetzt zum ersten Male vollständig
gesammelt erscheinen.
Georg Friedrich Bernhard Riemann ist am 17. September 182lJ
in Breselenz, einem Dorfe im Königreich Haimover bei Damieuberg
nalie der Elbe, geboren. Sein Vater Friedrich Bernhard Riemann, ge-
boren in Boitzenburg an der Elbe in Mecklenburg, der als Lieutenant
unter Wallmoden an den Befreiungskriegen Theil genommen, war dort
Prediger und mit Charlotte, der Tochter des Hofrath Ebell aus Han-
nover verheirathet; er siedelte später mit seiner Familie nach der etwa
drei Stunden entfernten Pfarre Quickborn über. Bernhard war das
zweite von sechs Kindern. Schon früh wurde seine Lernbegierde durch
den Vater geweckt, der ihn bis zum Abgange auf das Gymnasium fast
allein unterrichtete. Als Knabe von fünf Jahren interessirte er sich
sehr für Geschichte, für Züge aus dem Alterthum, und ganz besonders
für das unglückliche Schicksal Polens, welches sein Vater ilmi immer
von Neuem erzählen musste. Sehr bald aber trat dies in den Hinter-
grund, und sein entschiedenes Talent für das Rechnen brach sich Bahn;
er kannte kein grösseres Vergnügen, als selbst schwierige Exempel zu
erfinden und dann seinen Geschwistern aufzugeben. Später, vom zehn-
ten Jahre Bernhards an, liess sich der Vater bei dem Unterrichte der
Kinder von dem Lehrer Schulz unterstützen; dieser gab guten Unter-
richt im Rechnen und in der Geometrie, musste sich jedoch bald sehr
anstrengen, seines Schülers rascher, oft besserer Lösung einer An}
gäbe zu folgen.
Im Alter von dreizehn und einem halben Jahr wurde Bernhard
von dem Vater confirmirt und verliess darauf das elterliche Haus^ in
510 B. Riomann's Lebenslauf.
welchem ein ernster^ frommer Sinn und liäuslich angeregtes Leben
herrschte. Die Eltern sahen ihre Hauptaufgabe in der Erziehung ihrer
Kinder; die innigste Liebe verband Riemann mit seiner Familie und
liat sich durch sein ganzes ferneres Leben erhalten; sie spricht sich
in seinen Briefen aus, die er an die entfernten Lieben richtet, wo er
an Allem, was das Elternhaus betrifft, auch an den kleinsten Vor-
gängen das lebhafteste Interesse zeigt, und auch sie treulich alle seine
Freuden und Leiden theilen lässt.
Zu Ostern 1840 kam Riemann nach Hannover, wo seine Gross-
mutter lebte, und wo er zwei Jahre — bis zum Tode derselben —
die Tertia des Lyceums besuchte. Anfangs hatte er, wie es nach
seiner bisherigen Erziehung zu erwarten war, mancherlei Schwierig-
keiten zu überwinden, doch werden bald seine Fortschritte in den ein-
zelnen UnterrichtsgegenstJlnden gelobt, und immer ist er ein fleissiger
und folgsamer Schüler. Namentlich aus dieser* Zeit sind zahlreiche
Briefe Riemann's an die geliebten Eltern und Geschwister erhalten, in
welchen er, oft mit glücklichem Humor, von den Schulereignissen be-
richtet. Vorwiegend ist aber die Sehnsucht nach dem Elternhause;
wenn die Ferien herannahen, so bittet er inständig um die Erlaubniss,
dieselben in Quickborn zubringen zu dürfen, und lange vorher sinnt
er auf Mittel, die Reise mit möglichst wenigen Kosten bewerkstelligen
zu können; zu den Geburtstagen der Eltern und Geschwister macht
er kleine Einkäufe und ist eifrig darauf bedacht, sie damit wirklich
zu überraschen. Er lebt in Gedanken noch ganz in dem häuslichen
Kreise. Bisweilen klingt aber auch eine wehmüthige Klage durch, wie
schwer es ihm werde, mit fremden Menschen zu verkehren, und die
Schüchternheit, welche, eine natürliche Folge seines früheren abge-
schlossenen Lebens, ihn zu seinem Kummer auch den Lehrern bis-
weilen in falschem Lichte erscheinen lässt, hat ihn auch später nie
gänzlich verlassen und oft angetrieben, sich der Einsamkeit und seiner
Gedankenwelt zu überlassen, in welcher er die grösste Kühnheit und
Vorurtheilslosigkeit entfaltet hat.
Nach dem Tode der Grossmutter wurde Riemann, wie es scheint
auf seinen eigenen Wunsch, Ostern 1842 von dem Vater auf das
Johanneum zu Lüneburg gebracht, wo er zwei Jahre in Secunda und
zwei Jahre in Prima bis zu seinem Abgange nach der Universität
blieb. Gleich in die erste Zeit seines dortigen Aufenthaltes fiel der
grosse Brand von Hamburg, der tiefen Eindruck auf ihn machte, und
über den er ausführlich an seine Eltern berichtete. Die grössere Nähe
bei seiner Heimath und die Möglichkeit, die Ferien in Quickborn in
seiner Familie zu verleben, trug dazu bei, die fernere Schulzeit zu einer
B. Riemann's Lebenslauf. f)|l
glücklichen für ihn zu maclicn. Freilich war die Hin- und Herreise,
die zum «^rössten Theil zu Fuss gemacht wurde, mit Anstrengungen
verhunden, denen sein Kör})er nicht immer gewachsen war; schon in
dieser Zeit spricht sich in den schönen Brieten seiner Mutter, die er
leider hald verlieren sollte, ängstliche Sorge um seine Gesundheit aus,
und oft wiederholen sich ihre herzlichen Ermahnungen, zu grosse
kiu'perliche Anstrengungen zu vermeiden. Er wohnte sjKiter hei dem
(»ymnasiallehrer Softer, der sich lehhaft für ihn interessirte, und an
dem er, wie aus seinen Briefen hervorgeht, einen väterlichen Freund
und Beschützer gefunden hat. Er hekam gute Zeugnisse auch in an-
deren Fächern, in Mathematik aber immer glänzende, beim Abgange
die Eins. Seine grosse Begabung für diese Wissenschaft wurde von
dem trefflichen Director Schmalfuss erkannt; dieser lieh ihm mathe-
matische Werke zum Privatstudium und wurde oft überrascht und in
Erstaunen gesetzt, wenn Riemann dieselben schon nach wenigen Tagen
zurückbrachte und dann in der Unterhaltung zeigte, dass er sie durch-
gearbeitet und vollständig aufgefasst hatte. Diese neben seinen Schul-
arbeiten betriebenen Studien müssen ihn weit über die Grenzen des
Gymnasial-Unterrichtes hinaus in das Gebiet der höheren Mathematik
geführt haben; die Bekanntschaft mit der höheren Analysis hat er,
soviel bekannt ist, durch das Studium der Euler'schen Werke erworben;
auch Legendre's Theorie des Nombres soll er in dieser Zeit gelesen haben.
Im Alter von neunzehn und einem halben Jahr bezog Kiemann
Ostern 184G die Universität Göttingen. Der seinem geistlichen Berufe
von Herzen ergebene Vater hegte den natürlichen Wunsch, er möge
sich der Theologie widmen, und wirklich Hess Riemann sich am 25.
April als Studiosus der Philologie und Theologie immatriculiren; zu
diesem mit seiner deutlich hervorgetretenen Neigung und Begabung
für die Mathematik nicht im Einklänge stehenden Entschlüsse wird
vor Allem die Rücksicht auf die Mittellosigkeit der kinderreichen Familie
und die Hoffnung beigetragen haben, früher eine Anstellung zu finden
und dadurch seinem Vater eine Erleichterung zu gewähren. Neben
den philologischen und theologischen Vorlesungen hörte er aber auch
mathematische, und zwar gleich im Sommersemester über die numeri-
sche Auflösung der Gleichungen bei Stern, und über Erdmagnetismus
bei Goldschmidt, sodann im Wintersemester 1846 — 1847 über die
Methode der kleinsten Quadrate bei Gauss, und über bestimmte Inte-
grale bei Stern. Er sah bei dieser fortgesetzten Beschäftigung mit
der Mathematik bald ein, dass die Neigung zu derselben zu mächtig
in ihm war, und erwirkte von seinem Vater die Erlaubuiss, sich ganz
seinem Lieblingsstudium widmen zu dürren.
512 B. Riemann's Lebenslauf.
Obgleich nun Gauss seit fast einem halben Jahrhundert unbestritten
den Rang des grössten lebenden Mathematikers einnahm, so beschränkte
sich seine zwar sehr anregende Lehrthätigkeit doch nur auf ein
kleines Feld, welches mehr der angewandten Mathematik angehörte,
und für Riemann war bei dem vorgeschrittenen Standpunkte seines
Wissens eine wesentliche Bereicheruno^ desselben und eine Befruchtuno-
mit neuen Ideen damals in Göttingen nicht mehr zu erwarten. Er
bezog daher Ostern 1847 die Universität Berlin, wo Jacobi, Lejeune
Dirichlet und Steiner durch den Glanz ihrer Entdeckungen, welche sie
zum Gegenstande ihrer Vorlesungen machten, zahlreiche Schüler um
sich versammelten. Er blieb dort zwei Jahre, bis Ostern 1849, und
hörte unter Anderem bei Dirichlet Zahlentheorie, Theorie der bestimm-
ten Integrale und der partiellen Differentialgleichungen, bei Jacobi
analytische Mechanik und höhere Algebra. Leider sind nur sehr wenige
Briefe aus dieser Zeit erhalten; in einem derselben (vom 29. Nov. 1847)
spricht er seine grosse Freude darüber aus, dass Jacobi sich gegen
seine anfängliche Absicht noch entschlossen habe, Mechanik vorzutragen.
In einen näheren Verkehr mit ihm trat Eisenstein, bei dem er in dem
ersten Jahre Theorie der elliptischen Functionen hörte. Riemann hat
später erzählt, dass sie auch über die Einführung der complexen Grössen
in die Theorie der Functionen mit einander verhandelt haben, aber
o'änzlich verschiedener Meinung über die hierbei zu Grunde zu legenden
Principien gewesen seien; Eisenstein sei bei der formellen Rechnung
stehen geblieben, während er selbst in der partiellen Differential-
gleichung die wesentliche Definition einer Function von einer com-
]dexen Veränderlichen erkannt habe. Wahrscheinlich sind diese, für
seine ganze spätere Laufbahn maassgebenden Ideen zuerst in den
Ilerbstferien 1847 gründlich von ihm verarbeitet.
Von dem übrigen Leben Riemann's während seines zweijährigen
Aufenthaltes in Berlin ist nur wenig aus den Briefen zu ersehen. Die
grossen politischen Ereignisse des Jahres 1848 ergriffen auch ihn
mächtig; er war Augenzeuge der März-Revolution und hatte als Mit-
glied des von den , Studenten gebildeten Corps die Wache im könig-
lichen Schlosse vom 24. März Morgens 9 Uhr bis zum folgenden Tage
Mittags 1 Uhr.
Ostern 1849 kehrte Riemann, nachdem er noch die Ankunft der Frank-
furter Kaiser-Deputation in Berlin erlebt hatte, nach Göttingen zurück.
Er besuchte in den drei folgenden Semestern noch einige naturwissen-
schaftliche und i^hilosophische Vorlesungen, unter anderen mit gröss-
tem Interesse die genialen Vorlesungen über Experimental-Physik von
Wilhelm Weber, an welchen er sich später eng anschloss, und der ihm
B. Riemann's Lebenslauf. 51. ^
bis zu seinem Tode ein treuer Freund und Rathgeber gewesen ist. In
dieser Zeit müssen bei gleichzeitiger Beschäftigung mit philosophischen
»Studien, welche sich namentlich auf Herbart richteten, die ersten
Keime seiner naturphilosophischen Ideen sich entwickelt haben; dies
scheint wenigstens, soweit es sich nur um das Streben nach einer ein-
lieitlichen Naturauffassung handelt, aus einer Stelle eines Aufsatzes
„lieber Umfang, Anordnung und Methode des naturwissenschaftlichen
Unterrichts auf Gymnasien" hervorzugehen, den er im November 1850
als Mitglied des pädagogischen Seminars verfasste, und in welchem er
sagt: „So z. B. lässt sich eine vollkommen in sich abgeschlossene
luathematische Tlieorie zusammenstellen, welche von den für die ein-
zelnen Punkte geltenden Elementargesetzen bis zu den Vorgängen in
dem uns wirklich gegebenen continuirlich erfüllten Räume fortschreitet,
ohne zu scheiden, ob es sich um die Schwerkraft, oder die Electricität,
oder den Magnetismus, oder das Gleichgewicht der Wärme handelt."
Im Herbst 1850 trat er auch in das kurz vorher gegründete mathe-
matisch-physikalische Seminar ein, welches von den Professoren Weber,
Ulrich, Stern und Listing geleitet wurde, und betheiligte sich nament-
lich an den physikalischen experimentellen Hebungen, obgleich er da-
durch von seiner Hauptaufgabe, der Ausarbeitung der Doctordissertation,
oft abgezogen wurde. Theils diesem Umstände, theils aber auch der
fast ängstlichen Sorgfalt, welche Riemann auf die Ausarbeitung seiner
für den Druck bestimmten Schriften verwendete, und die ihn auch
später bei der Verötfentlichung seiner Arbeiten wesentlich gehemmt
hat, wird es zuzuschreiben sein, dass er seine Abhandlung „Grundlagen
für eine allgemeine Theorie der Functionen einer veränderHchen com-
plexen Grösse" erst im November des folgenden Jahres 1851 der philo-
sophischen Facultät einreichen konnte. Dieselbe fand eine sehr an-
erkennende Beurtheilung von Gauss, welcher Riemann bei dessen Besuch
mittheilte, dass er seit Jahren eine Schrift vorbereite, welche denselben
Gegenstand behandele, sich aber freilich nicht darauf beschränke. Das
Examen war am Mittwoch den 3. December, die öffentliche Disputation
und Doctor- Promotion am Dinstag den IG. December. An seinen
Vater schreibt er: „Durch meine jetzt vollendete Dissertation glaube
ich meine Aussichten bedeutend verbessert zu haben ; auch hoffe
ich, dass ich mit der Zeit fliessender und rascher schreiben lerne,
namentlich wenn ich melir Umgang suche und auch erst Gelegen-
heit habe, Vorträge zu halten; ich habe daher jetzt guten Muth."
Zugleich entschuldigt er sich in Rücksicht auf die Kosten, die er
dem Vater verursacht, dass er sich nicht eifriger um die durch
Goldschmidf s Tod erledigte Observatorstelle an der Sternwarte bemüht
Kisuanm's gesammelte mathematische Werke. II. 33
514 B. RiemaTin's Lebenslauf.
liabe/"^) und theilt mit, dass seiner Habilitation als rrivatdoeent Nichts
im Wege stehe, sobald er die Habilitationsschrift fertig habe. Es
scheint schon früh seine Absicht gewesen zu sein, zum Gegenstande
derselben die Theorie der trigonometrischen lleihen zu wählen, allein
es vergehen bis zu seiner Habilitation doch wieder zwei und ein halbes
Jahr.
In den Herbstferien 1852 hielt sich Lejeune Dirichlet, dem er
noch von Berlin her wohl bekannt war, eine Zeit lang in Göttingen
auf, und Riemann, der eben von Quickborn dorthin zurückgekehrt war,
hatte das Glück, ihn fast täglich zu sehen. Gleich bei seinem ersten
Besuche in der Krone, wo Dirichlet wohnte, und am folgenden Tage
in einer Mitta^js^jesellschaft bei Sartorius von Waltershausen, in wel-
eher auch die Professoren Dove aus Berlin .und Listing gegenwärtig
waren, fragte er Dirichlet, den er nächst Gauss als den grössten da-
mals lebenden Mathematiker anerkannte, um Rath wegen seiner Arbeit.
„Am anderen Morgen — schreibt Riemann an seinen Vater — war
Dirichlet etwa zwei Stunden bei mir; er gab mir die Notizen, die ich
zu meiner Habilitationsschrift bedurfte, so vollständig, dass mir die
Arbeit dadurch wesentlich erleichtert ist; ich hätte sonst auf der
Bibliothek nach manchen Sachen lange suchen können. Auch meine
Dissertation ging er mit mir durch und war überhaupt äusserst freund-
lich gegen mich, wie ich es bei dem grossen Abstände zwischen mir
und ihm kaum erwarten durfte. Ich hoffe, er wird mich auch später
nicht vergessen." Einige Tage darauf traf auch Wilhelm Weber von
der Wiesbadener Naturforscher- Versammlung wieder in Göttingen ein;
es wurde in grösserer Gesellschaft ein sehr lohnender Ausflug nach
dem einige Stunden entfernten Hohen Hagen gemacht, und am folgen-
den Tage trafen Dirichlet und Riemann abermals im Weber'schen
Hause zusammen. Solche persönliche Anregung war im höchsten Grade
wohlthuend für Riemann, und er schreibt selbst hierüber an seinen
Vater: „Du siehst, dass ich hier im Ganzen noch nicht sehr häuslich
gelebt habe; aber ich bin dafür des Morgens desto fleissiger bei der
Arbeit gewesen, und finde, dass ich so weiter gekommen bin, als
wenn ich den ganzen Tag hinter meinen Büchern sitze."
*) Einer Mittheilung von W. Weber zufolge wünschte Gauss selbst nicht,
dass Riemann diese Stellung übernähme; er zweifelte zwar nicht an seiner theo-
retischen und praktischen Befähigung für dieselbe, aber er hatte schon damals
eine so hohe Meinung von Riemann's wissenschaftlicher Bedeutung, dass er be-
fürchtete, derselbe möchte durch die mit dieser Stellung verbundenen zeitrauben-
den und zum Theil untergeordneten Dienstgeschllfte von seinem eigentlichen Arbeits-
felde gar zu sehr abgelenkt werden.
B. Riemann's liCbenslanf. 515
In jenen Tagen schreibt er auch von seiner Habilitation und von
dem Anfange seiner Vorlesungen, wie von unmittelbar bevorstehenden
Dingen, und er würde gewiss auch viel rascher in seiner äusserlichen
Laufbahn fortgeschritten sein, wenn ihm öfter eine solche treibende
Anregung zu Theil geworden wäre. Offenbar fallt in den Anfang des
Jahres 1853 eine fast ausschliessliche Beschäftigung mit Naturphilo-
sophie; seine neuen Gedanken gewinnen eine feste Gestalt, auf die er
nach allen Unterbrechungen stets wieder zurückgekommen ist. End-
lich ist auch die Habilitationsschrift fertig, und er schreibt an seinen
jüngeren Bruder Wilhelm am 28. December 1853: „Mit meinen Arbei-
ten steht es jetzt so ziemlich ; ich habe Anfangs December meine
Habilitationsschrift*) abgeliefert und musste dabei drei Themata zur
Probevorlesung vorschlagen, von denen dann die Facultät eines wählt.
Die beiden ersten hatte ich fertig und hoffte, dass man eins davon
nehmen würde; Gauss aber hat das dritte**) gewählt, und so bin ich
nun wieder etwas in der Klemme, da ich dies noch ausarbeiten muss.
Meine andere Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Electrici-
tät, Galvanismus, Licht und Schwere hatte ich gleich nach Beendigung
meiner Habilitationsschrift wieder aufgenommen und bin mit ihr so
weit gekommen, dass ich sie in dieser Form unbedenklich veröffent-
lichen kann. Es ist mir dabei aber zugleich immer gewisser geworden,
dass Gauss seit mehreren Jahren auch daran arbeitet, und einigen
Freunden, u. A. Weber, die Sache unter dem Siegel der Verschwiegen-
heit mitgetheilt hat, — Dir kann ich dies wohl schreiben, ohne dass
es mir als Anmaassung ausgelegt wird — ich hoffe, dass es nun für
mich noch nicht zu spät ist und es anerkannt werden wird, dass ich
die Sachen vollkommen selbständig gefunden habe."
Um diese Zeit wurde Riemann im mathematisch -physikalischen
Seminar Assistent von W. Weber und hatte als solcher die Hebungen
der Neueintretenden zu leiten, auch einige Vorträge zu halten. Ueber
den weiteren Fortgang seiner Arbeiten schreibt er am 26. Juni 1854
aus Quickborn seinem Bruder: „Um Weihnachten habe ich Dir von
Göttingen aus, wie ich glaube, geschrieben, dass ich meine Habilitations-
schrift Anfang December vollendet und an den Decan abgegeben hätte,
sowie auch dass ich bald darauf mich wieder mit meiner Untersuchung
über den Zusammenhang der physikalischen Grundgesetze beschäftigte
und mich so darin vertiefte, dass ich, als mir das Thema zur Probe-
vorlesung beim Colloquium gestellt war, nicht gleich wieder davon
*) Ueber die Darstellbarkeit einer Function durch eine trigonometrische lleihe.
**) Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.
33*
516 B. Rioiiiann's Lebenslauf.
loskommen konnte. Ich ward nun bald darauf krank, tbeils wohl in
Folge zu vielen Grübelns, theils in Folge des vielen Stubensitzens bei
dem schlechten Wetter; es stellte sich mein altes Uebel wieder mit
grosser Hartnäckigkeit ein und ich kam dabei mit meinen Arbeiten
nicht vom Fleck. Erst nach mehreren Wochen, als das Wetter besser
wurde und ich wieder mehr Umgang suchte, ging es mit meiner Ge-
sundheit besser. Für den Sommer habe ich nun eine Gartenwohnung
gemiethet und habe seitdem gottlob über meine Gesundheit nicht zu
klagen gehabt. Nachdem ich etwa vierzehn Tage nach Ostern mit
einer andern Arbeit, die ich nicht gut vermeiden konnte, fertig ge-
worden war, ging ich nun eifrig an die Ausarbeitung meiner Probe-
vorlesung und wurde um Pfingsten damit fertig. Ich erreichte es in-
dess nur mit vieler Mühe, dass ich mein Colloquium gleich machen
konnte und nicht noch wieder unverrichteter Sache nach Quickborn
abreisen musste. Gausses Gesundheitszustand ist nemlich in der letzten
Zeit so schlimm geworden, dass man noch in diesem Jahre seinen
Tod fürchtet und er sich zu schwach fühlte, mich zu examiniren. Er
wünschte nun, dass ich, weil ich doch erst im nächsten Semester lesen
könnte, wenigstens noch bis zum August auf seine Besserung warten
möchte. Ich hatte mich schon in das Unvermeidliche gefügt. Da ent-
schloss er sich plötzlich auf mein wiederholtes Bitten, „um die Sache
vom Halse los zu werden" am Freitag nach Pfingsten Mittag das
Colloquium auf den andern Tag um halb elf anzusetzen und so war
ich am Sonnabend um eins glücklich damit fertig. — Lass Dir nun
noch in aller Eile erzählen, was es mit der andern Arbeit, die mich
um Ostern beschäftigte, für eine Bewandtniss hat. In den Osterferien
war Kohlrausch — ein Sohn vom Oberschulrath und Vetter und Schwager
von Schmalfuss — der jetzt Professor in Marburg ist, auf vierzehn
Tage bei Weber zum Besuch, um mit ihm gemeinschaftlich eine ex-
perimentelle Untersuchung über Electricität zu machen, da Weber zu
dem einen Theil dieser Untersuchung, Kohlrausch zu dem anderen
Theil derselben die Vorarbeiten gemacht und die Apparate erdacht und
construirt hatte. Ich nahm an ihren Experimenten Theil und lernte
bei dieser Gelegenheit Kohlrausch kennen. Kohlrausch hatte nun einige
Zeit vorher sehr genaue Messungen über eine bis dahin unerforschte
Erscheinung (den electrischen Rückstand in der Leidener Flasche) ge-
macht und veröffentlicht und ich hatte durch meine allgemeinen Unter-
suchungen über den Zusammenhang zwischen Electricität, Licht und
Magnetismus die Erklärung davon gefunden. Ich sprach nun mit K.
darüber und dies war die Veranlassung, dass ich die Theorie dieser
Erscheinung für ihn ausarbeitete und ihm zuschickte. Kohlrausch hat
B. Riemann'b Lebeuslauf. 517
mir null jetzt st'lir l'rcuiitllicli geiiiitwürtet, mir lUigL'bulL'ii, meine Arbeit
an Foggontlorff, den ILerausgeber der Annalen der Physik und Chemie,
in Berlin zum Druck zu schicken, und mich eingeladen ihn in diesen
llerbstferien zu besuchen, um die Sache weiter zu verfolgen. Mir ist
diese Sache deshalb wichtig, weil es das erste Mal ist, wo ich meine
Arbeiten auf eine vorher noch nicht bekannte Erscheinung anwenden
konnte, und ich hoffe, dass die Verööeiitlichung diesel- Arbeit dazu
beitragen wird, meiner grösseren Arbeit eine günstige Aufnahme zu
verschalfen. Hier in Quickborn werde ich mich nun wohl theils mit
dem Druck dieser Arbeit, da mir die Correcturbogen wahrscheinlich
zugeschickt werden, theils mit der Ausarbeitung einer Vorlesung für
nächstes Semester beschäftigen müssen."
Zu dem ersten Theile dieses Briefes ist noch zu bemerken, dass
Riemann die Ausarbeitung seiner Probevorlesung über die Hypothesen
der (jleoraetrie sich durch sein Streben, allen, auch den nicht mathe-
matisch gebildeten Mitgliedern der Facultät möglichst verständlich zu
bleiben, wesentlich erschwert hat; die Abhandlung ist aber hierdurch
in der That zu einem bewunderungswürdigen Meisterstück auch in der
Durstellung geworden, indem sie ohne Mittheilung der analytischen
Untersuchung den Gang derselben so genau angiebt, dass sie nach
diesen Vorschriften vollständig hergestellt werden kann. Gauss liatte
gegen das übliche Herkommen von den drei vorgeschlagenen Thematen
nicht das erste, sondern das dritte gewählt, weil er begierig war zu
hören, wie ein so schwieriger Gegenstand von einem so jungen Manne
])ehandelt werden würde; nun setzte ihn die Vorlesung, welche alle
seine Erwartungen übertraf, in das grösste Erstaunen, und auf dem
Rückwege aus der Facultäts- Sitzung sprach er sich gegen Wilhelm
Weber mit höchster Anerkennung und mit einer bei ihm seltenen Er-
regung über die Tiefe der von Riemann vorgetragenen Gedanken aus.
Nach einem längeren Aufenthalte in Quickborii kehrte Riemann
im September nach Göttingen zurück, um an der Naturforscher- Ver-
sammlung Theil zu nehmen; auf Webers und Stem's Aufforderung
entschloss er sich, in der mathematisch -physikalisch -astronomischen
Section einen Vortrag über die Verbreitung der Electricität in Nicht-
leitern zu halten. Er schreibt darüber an seinen Vater: „Mein Vor-
trag kam am Donnerstag an die Reihe, und da für diese Sitzung
unserer Section kein anderer angekündigt war, so arbeitete ich die
Sache noch den Abend vorher etwas weiter aus, um die gewöhnliche
Zeit der Sitzungen einigermaassen auszufüllen. Ich hatte anfangs nur
das Gesetz, welches ich mittheilen wollte, kurz angeben wollen, wandte
es aber nun noch auf mehrere Erscheinungen an und zeigte die Ueber-
518 B. Riemann's Lebenslauf,
eiiistimmuiig mit der Erfahrung. Mein Vortrag war nun Ireilich in
diesem letzten Theile weniger fliessend, aber ich ghiube doch, dass der
Eindruck des Ganzen durch Hinzufügung desselben gewonnen hat; ich
sprach ungefähr % Stunden. — Dass ich bei der Versammlung einmal
öffentlich gesprochen habe, hat mir wieder etwas mehr Muth zu meiner
Vorlesung gemacht; doch habe ich zugleich gesehen, wie gross der
Unterschied ist, ob man schon längere Zeit vorher mit seinen Ge-
danken in's Reine gekommen ist, oder noch unmittelbar vorher daran
gearbeitet hat. Ich hoffe in einem halben Jahre schon mit mehr Ruhe
an meine Vorlesungen zu denken, und mir nicht wieder meinen Auf-
enthalt in Quickborn und mein Zusammensein mit Euch so dadurch
verleiden zu lassen, wie das letzte Mal." Auch mit Kohlrausch war
er in Göttingen wieder zusammengetroffen; nach einem weiteren Brief-
wechsel entschloss sich aber Riemann, auf die Veröffentlichung seines
Aufsatzcis über den Rückstand in der Leidener Flasche zu verzichten,
vermuthlich weil er nicht gern auf eine ihm angerathene Abänderung
desselben eingehen wollte. Statt dessen erschien in Poggendorff's An-
nalen der Aufsatz über die Theorie der Nobili'schen Farbenringe, über
welchen er an seine ältere Schwester Ida schreibt: „Es ist dieser
Gegenstand deshalb wichtig, weil sich hiernach sehr genaue Messungen
anstellen und die Gesetze, nach denen die Electricität sich bewegt, sehr
genau daran prüfen lassen."
In demselben Briefe vom 9. October 1854 schreibt er mit grosser
Freude von dem Zustandekommen seiner ersten Vorlesung, zu welcher
über sein Erwarten viele Zuhörer, etwa acht, sich gemeldet hatten.
Der Gegenstand derselben war die Theorie der partiellen Differential-
gleichungen mit Anwendungen auf physikalische Probleme; als Vorbild
dienten ihm der Hauptsache nach die Vorlesungen, welche Dirichlet
unter gleichem Titel in Berlin gehalten hatte, lieber seinen Vortrag
schreibt er am 18. November 1854 seinem Vater: „Mein Leben hat
hier jetzt nach und nach eine ziemlich regelmässige und einförmige
Gestalt angenommen. Meine Collegia habe ich bis jetzt regelmässig
halten können, meine anfängliche Befangenheit hat sich schon ziem-
lich gelegt und ich gewöhne mich daran, mehr an die Zuhörer, als
an mich dabei zu denken, und in ihren Mienen zu lesen, ob ich vor-
wärts gehen oder die Sache noch weiter auseinander setzen muss."
Es ist indessen keinem Zweifel unterworfen, dass der mündliche Vor-
trag ihm in den ersten Jahren seiner akademischen Lehrthätigkeit
grosse Schwierigkeiten verursachte. Seine glänzende Denkkraft und
vorahnende Phantasie Hess ihn meist, was besonders bei zufälligen
mündlichen Unterhaltungen über wissenschaftliche Gegenstände zum
B. Kiemiiiin'ö Lebenslauf. 519
Vor.sclieiii kiuu, sehr grosse Scliritie iielimeii, denen man nichl so leicht
folgen konnte, und wenn man ihn zu einer näheren Erörterung einiger
Zwischenglieder seiner Schlüsse aufforderte, so konnte er stutzig wer-
den und es verursachte ihm einige Mühe, sich in den langsameren
Gedankengang des Anderen zu fügen und dessen Zweifel rasch zu be-
seitigen. So hat ihn auch bei seinen Vorlesungen die Beobachtung
der Mienen seiner Zuhörer, von der er oben schreibt, oft empfindlich
gestört, wenn er, bisweilen ganz gegen sein Erwarten, sich genöthigt
glaubte, einen für ihn fast selbstverständlichen Punkt noch besonders
zu beweisen. Dies hat sich aber nach längerer Hebung verloren, und
die verhältnissmässig grosse Zahl seiner Schüler ist nicht blos der An-
ziehungskraft seines durch die tiefsinnigsten Werke berühmt gewordenen
Namens, sondern auch seinem Vortrage zuzuschreiben, auf den er sich
stets sehr sorgfältig vorbereitete, und durch welchen es ihm gelang,
seine Zuhörer über die grossen Schwierigkeiten hinwegzuführen, die
sich dem Eindringen in die von ihm geschaffenen neuen Princii)ien
entgegenstellen.
Am 23. Februar 1855 starb Gauss, und bald darauf wurde Lejeune
Üirichlet von Berlin nach Göttingen berufen. Bei dieser (Jelegenheit
wurde von mehreren Seiten, aber vergeblich dahin gewirkt, dass
Riemami zum ausserordentlichen Professor' ernannt werden möchte;
erreicht wurde nur, dass ihm eine Remuneration von jährlich 200 Tha-
ler von der Regierung ausgesetzt wurde; so gering diese Summe war,
eine so wichtige Erleichterung gewährte sie Riemann, der in dieser
und der nächsten Zeit wohl oft mit düsterem Blick in die Zukunft
schaute. Es begann eine Reihe von traurigen Jahren, in denen ihn
ein schmerzlicher Schlag nach dem anderen traf. Noch im Jahre 1855
verlor er seinen Vater und eine Schwester, Clara; die alte, so innig
geliebte Heimath in Quickborn wurde verlassen, seine drei Schwestern
zogen zu dem Bruder Wilhelm nach Bremen, der dort Postsecretair
war und von jetzt an die Sorge für die Erhaltung der Familie über-
nahm.
Riemann wandte sich jetzt mit erneutem Eifer wieder seinen schon
in den Jahren 1851 und 1852 begonnenen Untersuchungen über die
Theorie der AbeFschen Functionen zu und machte dieselbe zum ersten
Male von Michaelis 1855 bis Michaelis 185G zum Gegenstände seiner
Vorlesungen, an denen drei Zuhörer, Schering, Bjerknes und sein
College Dedekind Theil nahmen. Im Sommer 185(5 wurde er zum
Assessor der mathematischen Classe der Göttinger Gesellschaft der
Wissenschaften ernannt; als solcher überreichte er am 2. November
seine Abhandlung über die Gauss'sche Reihe und schrieb an demselben
520 B« R-iemann's Lebenslauf.
Tage seinem Bruder: „Auch hoffe ich, dass meine Arbeiten mir Früchte
tragen sollen. Meine Abhandlung ist, wie ich Dir schon schrieb, jetzt
zum Druck fertig, und vielleicht wird sie die Societät in ihren Schrif-
ten drucken lassen, allerdings eine grosse Ehre, da, diese in den letzten
50 Jahren nur mathematische Abhandlungen von Gauss enthalten haben.
Die mathematische Section der Societät, bestehend aus Weber, Ulrich
und Dirichlet wird wenigstens nach Weber's Aeusserungen wohl auf
den Druck meiner Abhandlung antragen. — Mit meinen Vorlesungen,
d. h. mit dem Besuch derselben, bin ich ziemlich zufrieden, besonders
bei der geringen Zahl der neu angekommenen Studenten. Es sind gar
keine Mathematiker unter diesen und das ist auch wohl der Grund,
dass Dedekind und Westphal ihre Privatvorlesungen nicht zu Stande
bekommen haben. Die Anzahl meiner Zuhörer betrug nun an den vier
Tagen, an denen ich gelesen habe, erst drei, dann vier und die letz-
ten beiden Male fünf; doch war hierunter wohl ein Hospitant. Sehr
lieb ist es mir, dass ich diesmal auch einige Zuhörer aus den ersten
Semestern habe, nicht wie sonst bloss aus dem sechsten und späteren
Semestern, weil ich dies als ein Zeichen betrachte, dass meine Vor-
lesungen leichter verständlich werden. Bei alledem kann ich noch
nicht behaupten, dass meine Vorlesungen zu Stande gekommen sind;
denn es hat sich noch Niemand bei mir gemeldet und ist also immer
noch möglich, dass meine Herrn Zuhörer mich im Stiche lassen. —
Meine freie Zeit werde ich von jetzt an ganz auf die Arbeit über die
Abel'schen Functionen, von der ich Dir erzählt habe, verwenden. Kurz
vor meiner Wiederankunft hier in Göttingen ist auch der Haupt-
redacteur des mathematischen Journals, der Dr. Borchardt aus Berlin,
hier gewesen und hat mir durch Dirichlet und Dedekind die Auf-
forderung zugehen lassen, ihm doch so bald wie möglich eine Dar-
stellung meiner Untersuchungen über die AbeFschen Functionen, sie
sei so roh wie sie wolle, zu schicken. Weierstrass ist jetzt stark im
Publiciren, doch enthält das jetzt veröffentlichte Heft, von dem Scherk
mir erzählte, nur die ersten Vorbereitungen zu seiner Theorie."
In der That widmete er sich nun mit allen Kräften der Aus-
arbeitung dieses Werkes, so dass er die ersten drei kleineren Abhand-
lungen am 18. Mai, die vierte grössere am 2. Juli 1857 im Manuscript
nach Berlin abschicken konnte; allein durch die übermässige An-
strengung hatte seine Gesundheit sehr gelitten, und er befand sich am
Ende des Sommersemesters in einem Zustande geistiger Abspannung,
der seine Stimmung im höchsten Grade verdüsterte. Zur Erfrischung
und Stärkung seiner Gesundheit nahm er für einige Wochen seinen
Aufenthalt in Harzburg, wohin ihn sein Freund Ritter (damals Lehrer
B. Riemann's Lt-ltj-nslaul", 521
an dem Polyteclinicum zu lliuiiiuvt'r, jctzl ^l«Jlt•^i^s()r in Aachen) aiit
einige Tage begleitete, und wohin ihm später .sein College Dedekind
folgte, mit dem er viele Spaziergänge und auch grössere Ausflüge in
den llarz machte. Auf solchen Spaziergängen erheitert« sich seine
Stimmung, sein Zutrauen zu Anderen und zu sich selbst wuchs; sein
harmloser Scherz und seine rückhaltlose Unterhaltung über wissen-
schaftliche Gegenstände machten ihn zu dem liebenswürdigsten und
anregendsten Gesellschafter. In dieser Zeit wandten sich seine Ge-
danken wieder der Naturphilosophie zu, und eines Abends nach der
Rückkehr von einer anstrengenden Wanderung griff er zu Brewster's
Life of Newton, und sprach lange mit Bewunderung über den Brief
an Bentley, in welchem Newton selbst die Unmögliclikeit unmittelbarer
Fern Wirkung behauptet.
Bald nach seiner Rückkehr nach (jJöttingeji wurde er am 9. No-
vember 1857 zum ausserordentlichen Professor in der philosopliischen
Facultät ernannt, und seine Remuneration von 2iK) Thaler auf oOO
Thaler erhöht. Aber fast gleichzeitig erschütterte ihn auf das Tiefste
der Tod seines innig geliebten Bruders Wilhelm; er übernimmt nun
ganz die Sorge für seine drei noch lebenden Schwestern und dringt
inständig darauf, dass sie noch im Laufe des Winters zu ihm nach
Göttingen übersiedeln; dies geschah auch im Anfang März 1868, aber
erst nachdem ihnen die jüngste Schwester, Marie, noch durch den Tod
entrissen war. Nach so vielen Schicksalsschlägen trug das Zusammen-
leben mit den Schwestern wesentlich zur Besserung seiner tief nieder-
gedrückten Gemüthsstimmung bei, und die Anerkennung, welche von
nun an, wenn auch langsam, seinen Werken auch in weiteren Kreisen
zu Theil wurde, hol) allmälich sein gesunkenes Selbstvertrauen und
Hess ihn frischen Mutli zu neuen Arbeiten finden. Schon vorher hatte
er den später viel besprochenen Aufsatz „Ein Beitrag zur Electro-
dynamik*' verfasst, über weichen er seiner Schwester Ida schreibt:
„Meine Entdeckung über den Zusammeidiang zwischen Electricität und
Licht habe ich hier der Königl. Societät übergeben. Nach manchen
Aeusserungen, die ich darüber vernommen, muss ich schliessen, dass
Gauss eine andere von der meinigen verschiedene Theorie dieses Zu-
sammenhangs aufgestellt und seinen nächsten Bekannten mitgetheilt
hat. Ich bin aber völlig überzeugt, dass die meinige die richtige ist
und in ein paar Jahren allgemein als solche anerkannt werden wird."
Er hat bekanntHch diese Arbeit bald wieder zurückgezogen und auch
später nicht veröffentlicht, wahrscheinlich weil er selbst mit der in ihr
enthaltenen Ableitung nicht mehr zufrieden war.
In den Herbstferien 1858 machte er die Bekanntschaft der italieni-
522 B. Riemann's Lebenslauf.
sehen Mathematiker Brioschi^ Betti und Casorati, welclie damals eine Reise
durch Deutsehland maehten und auch einige Tage in Göttingen verweil-
ten 5 diese Verbindung sollte später in Italien wieder angeknüpft werden.
In diese Zeit fiel die Erkrankung Dirichlet's, welcher seinen langen
Leiden am 5. Mai 1859 erlag. Er hatte von Anfang an das leb-
hafteste persönliche Interesse für Riemann empfunden und bei allen
Gelegenheiten bethätigt^ wo er auf eine Verbesserung der äusserliehen
Verhältnisse Riemann's hinwirken konnte. Inzwischen war des Letz-
teren wissenschaftliche Bedeutung so allgemein anerkannt, dass die
Regierung nach Dirichlet's Tode von der Berufung eines auswärtigen
Mathematikers absah; Ostern 1859 wurde für Riemann eine Wohnung
in der Sternwarte eingeräumt, am 30. Juli wurde er zum ordentlichen
Professor ernamit und im December einstimmig zum ordentlichen Mit-
gliede der Gesellschaft der Wissenschaften erwählt. Schon vorher, am
11 . August, hatte die Berliner Akademie der Wissenschaften ihn zum corre-
spondirenden Mitgliede in der physikalisch-mathematischen Classe ernannt,
und dies veranlasste ihn, im September in Dedekind's Gesellschaft nach
Berlin zu reisen, wo er von den dortigen Gelehrten, Kummer, Borchardt,
Kronecker, Weierstrass mit Auszeichnung und grosser Herzlichkeit
aufgenommen wurde. Eine Folge seiner Ernennung, welcher später,
im März 1866, die Wahl zum auswärtigen Mitgliede gefolgt ist,*) und
dieses Besuchs war es, dass er im October seine Abhandlung über die
Häufigkeit der Primzahlen der Berliner Akademie einreichte und einen,
nach seinem Tode veröffentlichten Brief über die vielfach periodischen
Functionen an Weierstrass richtete.
Einen Monat später übergab er der Göttinger Gesellschaft der
Wissenschaften seine Abhandlung über die Fortpflanzung ebener Luft-
wellen von endlicher Schwingungsweite.
In den Osterferien 1860 machte er eine Reise nach Paris, wo er
sich vom 26. März ab einen Monat aufhielt; leider war das Wetter
sehr rauh und unfreundlich, noch in der letzten Woche gab es mehrere
T^ge hinter einander Schnee und Hagel, so dass die Besichtigung von
Merkwürdigkeiten oft geradezu unmöglich war. Dagegen war er sehr
zufrieden mit der freundlichen Aufnahme von Seiten der Pariser Ge-
*) Bezüglich der äusserliehen Auszeichnungen, deren Riemann theilhaftig
geworden ist, mag hier noch bemerkt werden, dass die Baierische Akademie der
Wissenschaften ihn am 28. November 1859 zum correspondirenden , am 28. No-
vember 1863 zum ordentlichen Mitgliede, ferner dass die Pariser Akademie ihn
am 19. März 1866 zu ihrem correspondirenden Mitgliede ernannte; ebenso wurde
er am 14. Juni 1866, kurz vor seinem Tode, von der Londoner Royal Society zu
deren auswärtigem Mitgliede erwählt.
B. Riemann's Lilxi. J:itif Fj23
lehrten Serret, Bertrand, llermite, Pui.stux imd Briut, hei welchem er
einen Tag auf dem Lande in Chatenay mit Bouquet sehr angenehm
verlebte.
In demselben Jahre vollendete er seine Abhandlung über die Be-
wegung eines flüssigen Ellipsoides und wendete sich der Bearbeitung
der von der Pariser Akademie gestellten Preisaufgabe über die Theorie
der VV^iirmeleitung zu, für welche er durch seine Untersuchungen über
die Hypothesen der Geometrie schon früher die Grundlagen gewonnen
hatte. Im Juni 1861 sandte er seine in lateinischer Sprache abgefasste
Lösung unter dem Motto „Et bis principiis via sternitur ad majora"
ein; dieselbe errang indessen den Preis nicht, weil es ihm an Zeit ge-
fehlt hatte, die zur Durchführung nöthige Rechnung vollständig mit-
zutheilen.
Das in den letzten Jahren ungetrübte, glückliche Leben, dessen
Uiemann sich erfreuen durfte, erreichte seinen Höhepunkt, als er sich
am 3. Juni 1862 mit Fräulein Elise Koch aus Körchow in Mecklen-
burg-Schwerin, einer Freundin seiner Schwestern verheirathete; es war
ihr beschieden, die bevorstehenden Jahre des Leidens mit ihm zu
theilen und durch unermüdliche Liebe zu verschönern. Schon im Juli
desselben Jahres befiel ihn eine Brustfellentzündung, von welcher er
scheinbar zwar sich rasch erholte, welche aber doch den Keim zu einer
Lungenkrankheit zurückliess, die sein frühes Ende herbei führen sollte.
Als ihm von den Aerzten ein längerer Aufenthalt im Süden zur Heilung
angerathen war, gelang es der dringenden Verwendung von Wilhelm
Weber und Sartorius von Waltershausen, von der Regierung nicht nur
den erforderlichen Urlaub, sondern auch eine ausreichende Unterstützung
zu einer Reise nach Italien für ihn auszuwirken, welche er im No-
vember 1862 antrat. Durch Sartorius von Waltershausen auf das
Wärmste empfohlen, fand er das freundlichste Entgegenkommen in
der Familie des Consuls Jäger, in Messina, auf deren Villa in der Vor-
stadt Gazzi er den Winter verlebte. Sein Befinden besserte sich rasch,
und er konnte Ausflüge nach Taormina, Catania und Syracus unter-
nehmen. Auf der Rückreise, welche er am 19. März 1863 antrat, be-
suchte er Palermo, Neapel, Rom, Livorno, Pisa, Florenz, Bologna,
Mailand; bei längerem Aufenthalte in diesen Städten, deren Kunst-
schätze und Alterthümer sein grösstes Interesse erweckten, machte er
zugleich Bekanntschaft mit den bedeutendsten Gelehrten Italiens, und
namentlich schloss er sich mit inniger Freundschaft an Professor Enrico
Betti in Pisa an, den er schon im Jahre 1858 in Göttingen kennen
gelernt hatte. Ueberhaupt bildet der mehrjährige Aufenthalt Riemann's
in Italien, so traurig die nächste Veranlassung desselben auch war,
524 B. lliemaun's Lebenslauf.
einen wahren Lichtpunkt in seinem Leben; nicht allein, dass ihn das
Schauen aller Herrlichkeit dieses entzückenden Landes, von Natur und
Kunst, unendlich beglückte, er fühlte sich dort auch als freier Mensch
dem Menschen gegenüber, ohne alle die hemmenden Rücksichten, die
er in Gottingen auf Schritt und Tritt nehmen zu müssen meinte; dies
Alles und der wohlthätige Einfluss des herrlichen Klimas auf seine
Gesundheit stimmte ihn oft recht froh und heiter und liess ihn dort
viele glückliche Tage verleben.
Mit den besten Hoffnungen verliess er das ihm so lieb gewordene
Italien, allein er zog sich auf dem Uebergange über den Splügen, wo
er unvorsichtiger Weise eine Strecke lang zu Fuss durch den Schnee
ging, eine heftige Erkältung zu, und nach der Ankunft in Göttingen,
welche am 17. Juni erfolgte, war sein Befinden fortwährend so schlecht,
dass er sich sehr bald zu einer zweiten Reise nach Italien entschliessen
musste, welche er, am 2L August 1863 antrat. Er wandte sich zu-
nächst nach Meran, Venedig, Florenz, dann nach Pisa, wo ihm am
22. December 1863 eine Tochter geboren wurde, welche nach seiner
älteren Schwester den Namen Ida erhielt. Unglücklicher Weise war
der Winter so kalt, dass der Arno zufror. Im Mai 1864 bezog er
eine Villa vor Pisa; hier verlor er Ende August seine jüngere Schwester,
Helene; er selbst wurde von der Gelbsucht befallen, welche auch eine
Verschlimmerung seines Brustleidens zur Folge hatte. Eine Berufung
nach Pisa an Stelle von Professor Mosotti, welche schon im Jahre 1863
durch Vermittlung von Betti an ihn ergangen war, hatte er tlieils
auf den Rath seiner Göttinger Freunde, hauptsächlich aber wohl aus
dem Grunde abgelehnt, weil er die mit der ihm angetragenen Stellung
verbundenen Pflichten bei seinem angegriffenen Gesundheitszustande
nicht vollständig erfüllen zu können befürchtete und deshalb sich ausser
Stande fühlte, die Annahme des Rufes vor sich zu verantworten. Das-
selbe Pflichtgefühl erweckte den dringenden Wunsch in ihm, nach
Göttingen zurückzukehren und sich wieder seinem Lehramte zu wid-
men, und nur auf die ernsten Vorstellungen der Aerzte und seiner
Freunde entschloss er sich dazu, auch den folgenden Winter in Italien
zuzubringen, welchen er zu Pisa in angenehmem geselligen und wissen-
schaftlichen Verkehr mit den dortigen Gelehrten Betti, Felici, Novi,
Villari, Tassinari, Beltrami verlebte; in jener Zeit arbeitete er auch an
seiner Abhandlung über das Verschwinden der Theta-Functionen. Den
Mai und Juni 1865 brachte er bei schlechtem Befinden in Livorno,
den Juli und August am Lago Maggiore, den September in Pegli bei
Genua zu, wo durch ein gastrisches Fieber eine bedeutende Ver-
schlimmerung seines Zustandes eintrat.
B. Riomann's Lebenslauf. 525
Unter diesen Umstünden konnte Riemann .seiinMu immer lebhafteren
Wunsche, nach Göttingen zurückzukehren, nicht länger widerstehen;
er langte am 3. October an und verlebte daselbst den Winter bei er-
1 rüglich gutem Befinden, welches ihm meistens gestattete, einige Stun-
den tüglicli zu arbeiten. Er vollendete die Abhandlung über das Ver-
schwinden der Theta-Functionen und übertrug seinem früheren Schüler
Ilattendorff 'die Ausarbeitung der Abhandlung über die Minimalflüchen;
er sprach auch öfter den Wunsch aus, vor seinem Ende noch über
einige seiner unvollendeten Arbeiten mit Dedekind zu sprechen, fühlte
sich aber stets zu schwach und angegrifiPen, um denselben zu einem
Besuche in Göttingen zu veranlassen. In den letzten Monaten be-
schüftigte er sich mit der Ausarbeitung einer Abhandlung über die
Mechanik des Ohres, welche leider nicht vollendet und nur als Frag-
ment nach seinem Tode von Henle und Schering herausgegeben ist.
Die Vollendung dieser Abhandlung sowie einiger anderen Arbeiten
lag ihm sehr am Herzen, und er hoffte durch einen Aufenthalt von
einigen Monaten am Lago Maggiore, wohin ihn ausserdem grosse
Sehnsucht nach dem ihm so lieb gewordenen Lande trieb, die dazu
erforderlichen Krüfte noch sammeln zu können. So entschloss er sich
am 15. Juni 18GG, in den ersten Kriegstagen, zu seiner dritten Reise
nach Italien; dieselbe Avurde schon in Cassel unterbrochen, weil die
Eisenbahn zerstört war, doch gelangte er mit Fuhrwerk glücklich bis
Giessen, von wo die Weiterreise keine ferneren Hindernisse fand. Am
28. Juni traf er am Lago Maggiore ein, wo er in der Villa Pisoni in
Selasca bei Intra wohnte. Rasch nahmen seine Krüfte ab, und er
selbst fühlte mit voller Klarheit sein Ende herannahen; aber noch am
Tage vor seinem Tode arbeitete er, unter einem Feigenbaum ruhend
und von grosser Freude über den Anblick der herrlichen Landschaft
erfüllt, an seinem letzten, leider unvollendet gebliebenen Werke. Sein
Ende war ein sehr sanftes, ohne Kampf und Todesschauer; es schien
als ob er mit Literesse dem Scheiden der Seele vom Körper folgte:
seine Gattin musste ihm Brod und Wein reichen, er trug ihr Grüsse
an die Lieben daheim auf und sagte ihr: küsse unser Kind. Sie betete
das Vater Unser mit ihm, er konnte nicht mehr sprechen; bei den
Worten Vergieb uns unsere Schuld richtete er glüubig das Auge nach
oben; sie fühlte seine Hand in der ihrigen külter werden, und nach
einigen Athemzügen hatte sein reines, edeles Herz zu schlagen auf-
geh(*>rt. Der fromme Siim, der im Vaterhaus gepflanzt war, blieb ihm
durch das ganze Leben, und er diente, wenn auch nicht in derselben
Form, treu seinem Gott; mit der grössten Pietüt vermied er, Andere
in ihrem Glauben zu stören; die tägliche Selbstprüfung vor dem An-
526 B. Riemann's Lebenslauf.
gesichte Gottes war, nach seinem eigenen Ausspruche, für ihn eine
Hauptsache in der Religion.
Er ruht auf dem Kirchhofe zu Biganzolo, wohin Selasca einge-
pfarrt ist. Sein Grabstein trägt die Inschrift:
Hier ruhet in Gott
GEORG FRIEDRICH BERNHARD RIEMANN, Prof. zu Göttingen,
geb. in Breselenz 17. Sept. 1826, gest. in Selasca 20. Juli 1866.
Denen die Gott lieben müssen alle Dingre zum Besten dienen.
PROSPECTUS.
BepertoriiiiTL
der literarischen Arbeiten aus dem Gebiete
der
reinen nnd angewandten Matliematik
„Originalberichte der Verfasser"
gesammelt und herausgegeben
von
Dr. Leo Koenigsberger und Dr. Gustav Zeuner.
Die grosse Schwierigkeit, welche das Referiren über Arbeiten An-
derer auf dem Gebiete der reinen und äuge wandten Mathematik darbietet,
und die Thatsache, dass bei der überaus grossen Ausdehnung dieser
Wissenschaften auch hervorragende Gelehrte selten im Stande sind, Werth,
Zweck und Ziel vou Arbeiten zu beurtheilen, welche verschiedenen Dis-
ciplineu ihrer Wissenschaft angehören, haben in uns den Gedanken angeregt,
ein periodisch erscheinendes Sammelwerk ins Leben zu rufen,
„in welchem die Autoren über die von ihnen selbst
geschriebenen Bücher und Abhandlungen längere oder
kürzere, sachliche Referate geben."
Wir brauchen, um den Werth derartiger Referate hervorzuheben,
nur an die in den comptcs rcndus gegebeneu Berichte der französischen
Akademiker oder an die in den „Göttinger gelehrten Anzeigen" von Gauss
veröffentlichten Referate über seine eignen Arbeiten zu erinnern, um erken-
nen zu lassen, von welch hoher Bedeutung es ist, von den Autoren selbst
das Ziel ihrer Arbeiten dargestellt und die Bedeutung der Resultate der-
selben hervorgehoben zu sehen; wir weisen aber andrerseits auch auf den
Werth hin, den es für den Verfasser haben muss, einen Weg geöffnet zu
sehen, der ihm erlaubt, durch eigne Darstellung eineu grössern Leserkreis
auf die von ihm gewonnenen Resultate, sowie auf Zweck und Ziel seiner
Arbeiten aufmerksam zu machen.
Die Referate sollen sich über das ganze Gebiet der Mathematik
erstrecken, der reinen Mathematik und aller angewandten Theile derselben,
wie Astronomie und Geodäsie, mathematische Physik, analytische und
technische Mechanik, aller mathematischen Zweige der Ingenieurwissen-
schafteu, der mathematischen Statistik u. s. f. und überdies gedenken wii-
<lle Berichte in derjenigen Sprache drucken zu lassen, in welcher sie uns
vom Verfasser zugehen und von der sich annehmen lUsst, dass sie Gelehrten-
kreisen aller Länder zugänglich ist, wobei wir neben der deutschen, vor-
zugsweise die französische, englische und italienische Sprache iiji Auge haben.
Unserm Unternehmen wird wohl auch eine entschiedene Bedeutung
in Rücksicht auf die Geschichte der mathematischen Wissenschaften zu-
gesprochen werden dürfen, wenn auch nur einigermassen auf Vollständigkeit
in der Sammlung der Referate über mathematische Schriften aller Länder
gerechnet werden könnte; wir beginnen deshalb, um unser „Repertorium"
erst hinreichend bekannt werden zu lassen, mit den Referaten über die
vom 1. Januar 1875 ab erschienenen Bücher und Abhandlungen und wen-
den uns nunmehr an alle Schriftsteller auf dem Gebiete der reinen und
angewandten Mathematik mit der ergebensten Bitte, über die im letzten
Jahre von ihnen veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten, mögen die-
selben als selbständige Schriften oder in Zeitschriften erschienen sein, recht
bald und über die weiteren Veröffentlichungen womöglich unmittelbar nach
deren Erscheinen Referate an die Unterzeichneten gefälligst einsenden zu wollen.
DijKSDEN, königl. Polytechnikum.
Dr. Leo Köiiigsberger. Dr. Gustav Zeuner.
Bezugnehmend auf die obigen Ausführungen der Herren Heraus-
geber des „Repertoriums" beschränken wir uns darauf zu erklären, dass,
was in unsern Kräften steht, geschehen soll, um dem Unternehmen eine
möglichst grosse Verbreitung zu geben und richten auch unsererseits an
die Herren Autoren die ergebenste Bitte, durch eine recht grosse, womög-
lich allgemeine Betheiligung und eine regelmässige Zusendung der Berichte
diesem Unternehmen einen wissenschaftlichen Werth zu sichern, damit das
„Repertorium" nach einiger Zeit ein unentbehrliches Nachschlagebuch für
jeden Forscher auf dem Gebiete der exacten Wissenschaften werde.
Wir werden das ,, Repertorium" zunächst in zwanglosen Heften er-
scheinen lassen und bitten die Herren Schriftsteller, ihre Referate einem
der beiden Herren Herausgeber
Dr. Leo Koenigsberger Dr. Gustav Zeuner
Geh. Hofrath und Professor der Mathematik Geh. Bergrath und Professor der Mechanik
Dresden, Königl. Polytechnikum
gütigst zukommen zu lassen.
Bestellungen auf das ^^Repertorntm^\ für welches ein möglichst niedriger
Preis gestellt ^v er den wird, nehmen alle Buchhandlungen des In- und Aus-
landes entgegen.
Die Verlagsbuchhandlung
B. G. Teubner in Leipzig.
RETURN Astronomy/Mathematics/Statistics Library
TO^ 100 Evans Hall 642-3381
L0ANPERI0D1
7DAYS
2
3
4
5
6
P^EA^^a^fflffiE^mow
Subiftd to rpr^v
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA, BERKELEY
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