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Full text of "1805 [i.e. Achtzehnhundertundfünf] der Feldzug von Ulm"

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1Ö05 

DER  FELDZUG 

VON  ULM 


VON 


ALFRED  KRAUSS 

K.  U.  K.  GENERALMAJOR 


MIT  32  BEILAGEN,  DARUNTER  24  SKIZZEN 


WIEN  1912 

VERLAG  VON  L  W.  SEIDEL  &  SOHN,  K.  U.  K.  HOFBUCHHÄNDLER 

I,  GRABEN  13 


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1805 
DER  FELDZUG  VON  ULM 


1806 
DER  FELDZÜG  VON  ULM 


VON 


ALFRED  KRAUSS 

K.  U.  K    GENERALMAJOR 


MIT  32  BEILAGEIs^   DARUNTER  24  SKIZZEN 


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WIEN  1912 
VERLAG  VON  L.  W.  SEIDEL  &  SOHN,  K.  U.  K.  HOFBUCHHÄNDLER 

I,  GRABEN  13 


Übersetzlingsrecht  vorbehalten.  —  Naehdruek  verboten. 


Druck  von  Christoph  Reisser's  Söhue,  Wien  V. 


Inlialt 


Seite 

Beilagenverzeichnis VII 

Vorwort IX 

I.  Vorgeschichte 1 

II.  Die  IMachtmittel  der  Kriegführenden  (innere  Zustände.  Finanzen,  Heer- 
wesen). 

A.  Frankreich: 

Innere  Zustände i'2 

Finanzen 43 

Die  französische  Armee 44 

B.  Österreich: 

Innere  Zustände 72 

Finanzen 75 

Die  österreichische  Armee 80 

C.  Das  russische  Heer 100 

D.  Die  bayrische  Armee  . 102 

III.  Der  Kriegsschauplatz  ...       103 

IV.  Operationspläne  und  Kriegsvorbereitungen. 

A.  Franzosen 108 

B.  Die  Verbündeten 118 

V.  Das  Kommando  der  österreichischen  Armee  in  Deutschland      ....  143 
VI.  Der  Vormarsch  der  Österreicher  an  die  liier 177 

VII.  Der  Marsch  der  Großen  Armee  an  den  Rhein '.    .218 

VIII.  Der  Rhein-Übergang  der  Großen  Armee  238 

IX.  Der  Vormarsch  der  Großen  Armee  an  den  Neckar 2.Ö7 

X.  Vom  2.  bis  5.  Okiober. 

Franzosen 267 

österi'eicher . 280 


—     VI     — 

Seite 

XI.  Der  6.  Oktober. 

Österreicher 297 

Franzosen    305 

Xil.  Der  7.  Oktober. 

Österreicher 310 

Franzosen    319 

XIII.  Der  8.  Oktober. 

Österreicher 325 

Franzosen 333 

Das  Gefecht  bei  Wertingen 337 

XIV.  Der  9.  Oktober. 

Österreicher 357 

Franzosen 361 

Das  Gefecht  bei  Günzburg 364 

XV.  Der  10.  und  11.  Oktober. 

Österreicher 377 

Franzosen 386 

Das  Gefecht  bei  Haslaeh 402 

XVI.  Vom  12.  bis  14.  Oktober. 

Österreicher 414 

Franzosen 438 

Die  Einnahme  von  Metnmingen 455 

Das  Gefecht  bei  Elehingen 456 

XVII.  Die  Kapitulation  von  Ulm 468 

XVlil.  Die   Gefangennahme  Wernecks    und    die  Verfolgung   des    Erzherzogs 

Ferdinand 482 

XIX.  Die  Übergabe  von  Ulm 494 

XX.  Die  Versammlung  der  französischen  Armee  zum  Marsch  nach  Wien   .  506 

Franzosen    513 

Österreicher 518 

XXI.  Verpflegung  und  Train. 

Franzosen    524 

Train 526 

Verpflegung- 530 

Etappenwesen 558 

Östen-eieher : 

Train 561 

Verpflegung 564 

XXII.  Schlußwort 580 


Beilagenverzeichnis. 


Beilage  1:  Gutachten  des  Erzherzogs  Karl  vom  4.  März  1804. 
2:  Berieht  des  Erzherzogs  Karl  vom  12.  April  1804. 
3:  Russischer  Operationsplan. 

4:  Betrachtungen    über   die  Vorbereitungen   und   künftigen   Operationen 
der  verbündeten  k.  k.   und  k.  russischen  Armeen  von  FML.  Maek. 
5:  Allgemeine  Grundsätze,  nach  welchen  die  gemeinschaftlichen  Kriegs- 
operationen der  k.    k.   Armeen   in    Deutsehland,   Italien    und  Tirol 
geleitet  werden  sollen. 
„       6:  Berieht  des  Erzherzogs  Ferdinand  vom  8.  Oktober  1805. 
„       7 :  Skizze  des  Kriegsschauplatzes. 

8:  Zur  Erläuterung  der  Operationspläne.  BeabsieTitigte  Kraftgruppierung 
und  Verwendung  der  Gruppen. 
„       9:  Marschtableau  der  österreichischen  Armee. 

„     10:  Dislokationstabelle  der  k.  k.  Armee  in  Deutsehland  vom  18.  September. 
„     11:  Dislokation  der  österreichischen  Armee  nach  deui  Entwürfe  Maeks  vom 
18.  September  und  am  30.  September. 
12:  Skizze  des  Marsches   der   Groben  Armee  von  Boulogne   bis  Ulm  und 
München. 
„     13:  Skizze  der  dem  General  Savary  aufgetragenen  Rekognoszierung. 
14:  Gruppierung    der   französischen  Armee    am   Rhein    nach    der    ersten 
Disposition  und  nach  der  Änderung  vom  30.  Augu.st. 
„     15:  Dispositionsentwurf  vom  15.  September. 
„     16:  Marsehdisposition  vom  17.  September. 
„     17:  Disposition,  vom  20.  September. 
„     18:  Situation  am  1.  Oktober,  abend. 

„     19  ••        „  .,    5- 

„     20:         „  „    «. 


—     VIII     — 

Beilage  21:  Situation  ain  7.  Oktober  abend. 

22:  Gefecht  bei  Wertingen. 

23:  Situation  am  8.  Oktober  abend. 

24:  Gefecht  bei  Günzburg. 

25 :  Situation  am  9.  Oktober  abend. 

26:  Gefecht  bei  Haslaeh. 

27:  Situation  am  11.  Oktober  abend. 

28:  Gefecht  bei  Elehingen. 

29:  Situation  am  14.  Oktober  abend. 
30:         „  „    17. 

31:  Gefecht  bei  Neresheim. 

32:  Situation  am  26.  Oktober  abend. 


Vorwort. 


Mehr  als  100  Jahre  sind  verflossen,  seit  die  alte  österreichische 
Armee  in  der  „Katastrophe  von  Ulm"  ihre  schwerste  Niederlage 
und,  sagen  wir  es  nur  offen  und  ehrlich,  eine  schmachvolle  Nieder- 
lage erlitten  hat.  Schmachvoll,  weil  ein  großer  Teil  der  Armee  ohne 
Kampf  zu  gründe  gegangen  ist. 

Alle  Hauptpersonen  dieses  Trauerspieles  der  Armee  sind  schon 
längst  vermodert ;  kein  einziger  Name  dieser  Hauptpersonen  lebt  noch 
fort,  keine  einzige  hat  Nachkommen  hinterlassen,  deren  Pietät  verletzt 
werden  könnte,  wenn  die  Geschichte  über  ihre  Vorfahren  richtet. 

Was  würde  aber  auch  die  gröbste  Verletzung  der  Pietät  be- 
deuten gegenüber  der  Pflicht  gegen  die  Armee  und  gegen  den  Staat? 

Gewiß  wäre  es  leichter,  angenehmer  und  dankbarer,  einen  der 
vielen  glücklichen  und  glorreichen  Kriege  der  Armee  zu  schildern. 
Aber  gerade  der  Pflicht  gegen  die  Armee  entsprang  der  Gedanke,  die 
Geschichte  ihres  unglücklichsten  Feldzuges  zu  veröffentlichen,  denn 
—  man  lernt  am  besten  aus  den  eigenen  Fehlern!  Daher  sind 
rückhaltlose  Offenheit  und  Ehrlichkeit  gerade  dort  am  Platze,  wo  es 
gilt,  unglückliche  Feldzüge  oder  Ereignisse  zu  Nutz  und  Frommen 
der  Nachwelt  zu  schildern. 

Aber  die  Armee!  —  könnte  man  einwerfen  —  wird  das  An- 
sehen der  Armee  dadurch  nicht  herabgesetzt? 

Nein!  Die  Völker  Österreich-Ungarns  haben  in  Hunderten  von 
Schlachten    und  Gefechten   bewiesen,    daß  ihre  Söhne  es  verstehen, 

Krause.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  D 


—     X     — 

für  Herrscher  und  Vaterland  zu  siegen  und  zu  sterben.  Nur  ein 
Reicher  kann  einen  schweren  Verlust  offen  und  ohne  Sehaden  ein- 
gestehen —  und  die  alte  österreichische  Armee  war  reich  an  Siegen 
und  an  Ehren! 

Vier  Jahre  nach  der  Schmach  von  Ulm  hat  dieselbe  Armee 
ihrem  gigantischen  Bezwinger  auf  den  blutgetränkten  Feldern  von 
Aspern,  Eßling  und  Wagram  Bewunderung  abgerungen  und  der 
Welt  bewiesen,  daß  sie  bei  Ulm  ohne  ihre  Schuld  so  ruhmlos  unter- 
legen ist.  Daß  diese  alte  österreichische  Armee  die  Franzosen  nicht 
dauernd  überwinden  konnte,  lag  nicht  an  ihr,  sondern  nur  daran, 
daß  sie  —  und  vor  allem  ihr  Staat  —  keinen  Führer  hatte,  der 
an  Napoleon,  den  größten  lü-iegsmeister  und  Staatsmann,  heran- 
reichte. Es  bedurfte  erst  des  Aufbäumens  ganz  Europas,  um  diesen 
Biesen  durch  die  große  Übermacht  niederzuringerf.'Aber  die  alte 
österreichische  Armee  ist  die  einzige,  die  sich  rühmen  kann,  den 
Kriegsgott  Napoleon,  im  Zenith  seines  Euhmes,  allein,  ohne  fremde 
Hilfe  auf  dem  Schlachtfelde  bezwungen  und  ihm  den  Euf  der  Un- 
besiegbarkeit genommen  zu  haben. 

/  Wenn  eine  Armee  unterlegen  ist,  finden  sich  immer  Kreaturen, 
die  die  unglückliche,  nutzlos  verblutete  Armee  schmähen  und  be- 
sudeln und  ihr  allein  die  Schuld  an  der  Niederlage  zumessen;  und 
doch  ist  die  Armee  immer  nur  ein  Teil  des  Staates,  so  daß  man 
ruhig  sagen  kann:  Wie  der  Staat,  so  die  Armee. 

Alle  Völker  haben  immer  mit  Blut  gebüßt,  wenn  sie  von  un- 
fähigen Ministern  regiert  und  von  einer  schlechten  und  unfähigen 
Bureaukratie  verwaltet  wurden.  Die  Geschichte  von  Ulm  zeigt  dies 
klar  und  deutlich. 

Sumpfpflanzen  gedeihen  nur  im  Sumpfe  zur  vollen  Üppigkeit. 

An  der  Niederlage  einer  Armee  sind  daher  hauptsächlich  die 
schuld,  die  sie  dahin  geführt  haben :  die  Eegierungen  und  ihre  Ver- 
waltung und  in  parlamentarisch  regierten  Ländern  nicht  zuletzt  kurz- 
sichtige Volksvertreter;  die  Armee  —  und,  weil  heute  die  Armee 
ein  Volksheer  ist,   auch   das  Volk  —    ist   dann  nur  das  Opfer,   das 


—     XI     — 

mit  seinem  Blute  die  Fehler  und  Sünden  wieder  gutmaehen  oder 
verdecken  soll ;  denn  unterliegt  die  Armee  dank  den  staatlichen  Ver- 
hältnissen, dann  ist  der  Jammer  so  groß,  daß  niemand  nach  der 
tiefsten  Ursache  forscht,  sondern  jeder  ohneweiters  zustimmt,  wenn 
man  das  unglückliche  Opfer  — ^  die  Armee  —  auch  noch  in  den 
Schmutz  zieht  und  beschimpft.  ^  »     -^ 

Dieses  Buch  ist  ehrlicher  Begeisterung  für  die  Armee  und  den 
Staat  entsprungen;  möge  die  Geschichte  dieses  unglücklichen  Feld- 
zuges zum  Nutzen  beider  gelesen  werden,  nicht  nur  in  der  Armee, 
sondern  auch  an  allen  anderen  Stellen,  die  für  eine  Niederlage  der 
Armee  haften. 


Die  Geschichte  des  Feldzuges  von  Ulm  konnte  geschrieben 
werden  dank  der  Veröffentlichung  zahlreicher  Befehle  und  Briefe 
Napoleons  und  seiner  Marschälle  und  Generale  in  „La  Campagne  de 
1805  en  Alleraagne"  von  Alombert  et  Colin  und  dank  der  dem  Ver- 
fasser zugestandenen  Benützung  der  Akten  des  k.  u.  k.  Kriegsarchives, 
die,  wenn  sie  auch  nicht  lückenlos  sind,  doch  einen  genügenden 
Einblick  in  die  Ereignisse  und  deren  Veranlassung  bieten. 

Die  eingestreuten  Ansichten  des  Verfassers  vertreten  keine  Lehr- 
meinung und  sollen  auch  nicht  als  Kritik  der  Personen  aufgefaßt 
werden:  sie  sollen  nichts  sein  als  die  zum  Nachdenken  und  zum 
eigenen  Urteil  anregenden  Ansichten  eines  einzelnen,  der  sich  dem 
Studium  dieses  Feldzuges  mit  ganzem  Eifer  gewidmet  hat.  Wo 
trotzdem  Personen  in  die  Beurteilung  einbezogen  sind,  möge  man  be- 
denken, daß  alle  Handlungen  den  Charakter  der  handelnden  Personen 
tragen,  daß  also  Sache  und  Person  leider  nie  zu  trennen  sind. 

Wien,  im  September  1911. 


I.  Vorgeschichte. 

Der  Friede  von  Luneville  (9.  Februar  1801)  hatte  dem  lang- 
jährigen Kampfe  Österreichs  gegen  das  revolutionäre  Frankreich  ein 
Ende  gemacht.  Österreich  war  aus  diesem  Kampfe  gänzlich  er- 
schöpft, aber  doch  ohne  besondere  Gebietsverluste  hervorgegangen; 
es  hatte  zwar  die  Niederlande  verloren,  dafür  aber  die  Gebiete  der 
Venetianischen  Republik,  also  Oberitalien  bis  an  die  Etsch,  Istrien, 
Dalmatien  und  Cattaro  erhalten. 

Unermeßlich  war  aber  der  Verlust  Österreichs  an  moralischem 
Ansehen  in  Deutschland  und  in  Europa  überhaupt.  Der  Glaube  an 
die  Kampffähigkeit  und  Schlagfertigkeit  Österreichs  war  ver- 
schwunden; und  da  die  verblendete  österreichische  Politik  das  In- 
teresse Deutschlands  immer  der  unheilvollen  italienischen  Idee  des 
römischen  Kaiserreichs  opferte  und  durch  kleinliche  Intrigen  den 
Mangel  an  positiver  Macht  ersetzen  wollte,  hatte  Österreich  weder 
in  Deutschland  noch  im  übrigen  Europa  einen  aufrichtigen  Freund. 

Dagegen  war  Frankreich,  dank  dem  Auftreten  Bonapartes  aus 
den  langjährigen  Kämpfen  außerordentlich  gestärkt  hervorgegangen. 
Gegen  Deutschland  hatte  es  die  Ehein-Grenze  erkämpft.  Die 
neu  entstandenen  Bepubliken  —  die  Cisalpinische,  Ligurische,  ßatavi- 
sche  und  Helvetische  Republik  —  erhielten  zwar  ihre  Unabhängig- 
keit von  Frankreich  garantiert,  waren  aber  tatsächlich  doch  nur 
Vasallenstaaten  Frankreichs,  über  deren  Machtmittel  Bonaparte  frei 
verfügte.  Alle  deutschen  Fürsten,  die  durch  Abtretung  des  linken 
Rhein-Ufers  geschädigt  worden  waren,  und  die  österreichischen 
Nebenlinien  Toskana  und  Modena  sollten  durch  eine  Neugestaltung 
in  Deutschland  entschädigt  werden,  und  zwar  Toskana  durch  das  Erz- 
bistum Salzburg. 

Im  Laufe  des  Jahres  1801  schlössen  noch  Rußland,  Neapel, 
Portugal    und    die    Türkei    mit    Frankreich    Frieden.    Da   der  am 

Krau  SS.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  1 


—     2     — 

1.  Oktober  1801  geschlossene  Präliminarfriede  auch  die  Feindselig- 
keiten zwischen  Frankreich  und  England  beendete,  so  erfreute  sicii 
Europa  Ende  1801  eines  allgemeinen  Friedens. 

Bonaparte  benützte  die  ßuhe  zur  Befestigung  des  Besitzes  der 
neuen  Erwerbungen.  Die  Batavische  Republik  wurde  durch  eine 
Verfassungsänderung  fester  mit  Frankreich  verknüpft  und  die  Cis- 
alpiuische  unter  Änderung  des  Namens  in  „Italienische  Eepublik" 
und  Übernahme  der  Präsidentschaft  durch  Bonaparte  (Januar  1802) 
eigenthch  zu  einer  französischen  Provinz  gemacht;  das  gleiche  ge- 
schah mit  der  Ligurischen  Republik  und  auch  im  Scheinkönig- 
reich Etrurien  schalteten  die  Franzosen  wie  in  einer  französischen 
Provinz. 

Die  ganz  allgemein  gehaltene  Bestimmung  des  Luneviller 
Friedens,  daß  alle  durch  Abtretung  des  hnken  Rhein -Ufers  an 
Frankreich  benachteiligten  Fürsten  in  Deutschland  zu  entschädigen 
seien,  tat  bald  ihre  Wirkung:  jeder  wollte  für  sich  möglichst  viel 
heraussehlagen.  Da  die  beiden  deutschen  Vormächte,  Österreich  und 
Preußen,  sich  über  die  Art  der  Entschädigung  durchaus  nicht 
einigen  konnten,  suchte  jeder  deutsche  Fürst  Unterstützung  im  Aus- 
lände^). Obwohl  Bonaparte  erklärte,  sich  nicht  in  die  inneren  Verhält- 
nisse Deutschlands  einmengen  und  keine  Erwerbungen  amrechten  Rhein- 
Ufer  machen  zu  wollen,  warben  doch  alle  deutschen  Kurfürsten  um 
seine  Unterstützung.  Bonaparte  benützte  diese  Haltung  der  deutschen 
Fürsten,  sich  den  jungen  Kaiser  Alexander  von  Rußland  günstig 
zu  stimmen,  um  dessen  Gunst  Österreich,  Preußen  und  Frank- 
reich gleich  lebhaft  warben.  Er  verstand  es  meisterhaft,  diesem 
Monarchen  durch  die  geheime  Konvention  vom  11.  Oktober  1801 
die  Scheinrolle  des  Schiedsrichters  Europas  zuzuschieben  und  dabei 
doch  seinen  politischen  Zweck  voll  zu  erreichen:  Verfeindung 
der  beiden  deutschen  Großmächte  und  Stärkung  der 
kleinen    deutschen    Fürsten^).     Bonapartes    politischer    Scharf- 


^)  Österreichs  Haltung  in  der  Entsehädigungsfrage  war  höchst  unklug  und 
inkonsequent.  Es  verzichtete  wohl  auf  eine  eigene  Entschädigung,  wollte  aber 
auch  Preußen  keine  oder  doch  nur  eine  geringe  zugestehen;  es  wollte  die  geist- 
lichen Kurfürsten  erhalten,  hatte  aber  doch  zur  Entschädigung  Toskanas  schon 
im  Friedensvertrage  der  Säkularisation  Salzburgs  zugestimmt. 

^)  In  dieser  Konvention  kam  man  überein,  das  Entsehädigungsgesehäft 
der  deutsehen  Fürsten  und  die  italienischen  Angelegenheiten  gemeinsam  zu 
ordnen  (Fournier,  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  30). 


blick  hatte  es  schon  damals  erkannt,  daß  der  einzige  ihm  gefähr- 
Hche  Gegner  ein  einiges  Deutschland  wäre^).  So  begann  schon 
im  Jahre  1801  das  erbärmliche  Schauspiel,  daß  bei  der  Regelung 
der  inneren  Verhältnisse  Deutschlands  alle  deutschen  Fürsten  in 
offenem  Gegensatze  zu  ihrem  Oberhaupte,  dem  römisch-deutschen 
Kaiser,  standen,  daß  jeder  auf  eigene  Faust  um  Unterstützung  in 
Petersburg  und  Paris  buhlte  und  dabei  den  anderen  den  Rang  ab- 
zugewinnen suchte.  Österreich  selbst  ließ  sich  in  ähnliche  Unter- 
handlungen ein;  nur  die  schwankende  Haltung  seiner  Politik  ver- 
hinderte den  Abschluß  eines  Übereinkommens. 

Trotz  der  mannigfachen  Übergriffe,  die  sich  Bonaparte  seit 
Abschluß  des  Präliminarfriedens  erlaubte,  hatte  England  am 
27.  März  1802  zu  Amiens  definitiv  Frieden  geschlossen,  nach  dem 
England  alle  seine  überseeischen  Eroberungen  mit  Ausnahme  von 
Ceylon  und  Trinidad  an  Frankreich,  Holland  und  Spanien,  Malta 
aber  an  den  Johanniterorden  zurückgeben  sollte. 

In  der  deutschen  Entschädigungsfrage  hatte  Rußland  Ende 
1801  einen  Plan  in  Wien  überreichen  lassen,  der  Preußen  nach 
österreichischer  Auffassung  zwei  Drittel  mehr  bewilligte,  als  seine 
Verluste  betrugen.  Der  österreichische  Protest,  der  höhnisch  ab- 
gewiesen ward,  hatte  nur  zur  Folge,  daß  Österreich  von  den 
weiteren  Verhandlungen  ganz  ausgeschlossen  wurde. 

Am  20.  Mai  1802  wurde  von  Frankreich  ein  Separatvertrag 
mit  Württemberg  geschlossen. 

Am  23.  Mai  1802  verhieß  Bonaparte  in  einer  geheimen  Über- 
einkunft Preußen  reiche  Entschädigung  und  am  24.  Mai  schloß  er 
eine  Konvention  mit  Bayern,  in  der  diesem  nebst  anderen  reichen 
Entschädigungen  auch  ein  Teil  des  Bistums  und  die  Stadt  Passau 
zugeschlagen  wurden,  also  Gebiete,  die  bisher  als  Entschädigung 
für  den  Österreich  nahestehenden  Großherzog  von  Toskana  bestimmt 
waren;  bald  nachher  folgten  Geheimverträge  Bonapartes  mit  Baden 
und  Hessen-Darmstadt. 

Am  3.  Juni  1802  einigten  sich  Frankreich  und  Rußland  auf 
einen  Österreich  nachteiligen  und  es  tief  verletzenden  Entschädigungs- 
plan.  Das  Schmachvolle  und  Entwürdigende  für  Österreich  bestand 

^)  ßonaparte  hatte  aus  Italien  an  das  DirektoriiiiTi  gesehrieben:  „Wenn 
der  deutsche  Keiehskörper  nicht  existierte,  müßte  man  ihn  eigens  zu  Frankreichs 
^lutzen  schaffen". 

1* 


_     4     — 

darin,  daß  es  als  deutsehe  Großmacht  und  als  Inhaber  der  deutschen 
Kaiserkrone  von  diesen  Abmachungen,  die  deutsche  Fürsten  mit 
fremden  Mächten  eingegangen  waren,  erst  aus  dem  „Moniteur",  der 
offiziellen  Pariser  Zeitung,  Kenntnis  erhielt. 

Der  Minister  des  Äußeren,  Graf  Ludwig  Cobenzl,  fühlte 
denn  auch  diesen  brutalen  Peitschenhieb,  schob  aber,  wie  es  zu- 
meist geschieht,  die  Verantwortung  für  den  Mißerfolg  seiner  kläg- 
lichen Politik  auf  die  Militärverwaltung,  die,  gezwungen  durch  die 
politische  Verwaltung,  aus  Ersparungsrücksichten  die  Armee  nicht 
in  schlagfertiger  Verfassung  erhielt,  somit  der  Politik  keinen  Bück- 
halt bieten  konnte^). 

Am  29.  November  1802  sehrieb  Cobenzl  an  den  Minister 
Grafen  Colloredo: 

„Von  Türken  und  Russen  haben  wir  nichts  zu  befürchten:  unser 
größter,  ja  fast  unser  einziger  Feind  ist  Frankreich.  Auch  Preußen 
steht  nur  in  zweiter  Reihe.  Und  gerade  die  Seite,  wo  Frankreich 
uns  die  kräftigsten  und  fühlbarsten  Sehläge  beibringen  könnte,  ist 
die,    wo    wir   die  wenigsten  Truppen   zur   Abwehr  haben.    Dreimal- 


^)  Zur  Charakteristik  Cobenzls.  Cobenzl  verfügte  über  eine  große 
diplomatische  Routine,  war  aber  nur  fähig,  in  den  ausgetretenen  Bahnen  des  alt- 
hergebrachten Systems  zu  wandeln.  Er  paßte  sehr  gut  in  das  alte  Regime,  wo 
geistreiehelnde  Höflinge  mit  ihrer  vollendeten  Liebenswürdigkeit  den  Scliauplatz 
beherrschten  und  den  diplomatischen  Staatsdienst  als  angenehme  Nebenbeschäfti- 
gung ansahen.  Aber  seine  Kraft  versagte,  als  er  den  Staat  in  einer  so  gefähr- 
lichen Zeit  selbständig  leiten  sollte;  er  besaß  nicht  die  Fähigkeit,  dem  staats- 
männisehen  Genie  eines  Napoleon,  der  auch  ein  vollendeter  Meister  der  diplomati- 
schen Künste  war,  standzuhalten.  So  wenig  Cobenzl  dem  französischen  Macht- 
haber imponieren  konnte,  so  wenig  gelang  es  ihm,  sieh  am  Wiener  Hofe  Ansehen 
und  Vertrauen  zu  erwerben.  Seine  altfranzösisehe  Höflingsnatur  entfremdete  ihn 
dem  Kaiser.  Seine  welschen  Manieren,  seine  allzu  brillante  Konversation,  seine 
Genußsucht  und  etwas  allzu  leichtfertige  Gesinnung  mißfielen  dem  nüchtern 
denkenden  Kaiser.  „Graf  Cobenzl",  schreibt  Erzherzog  Karl,  „verband  Leichtsinn 
und  Oberflächlichkeit  mit  Witz."  Graf  Cobenzl  sprach  schlecht  deutseh,  was  ihm 
der  Kaiser,  der  mit  Vorliebe  nur  diese  Sprache  gebrauchte,  sehr  verübelte. 

Er  war  faul  und  leichtlebig;  er  hatte  am  Wiener  Hofe  nur  eine  Stütze, 
den  Grafen  Colloredo;  aber  auch  dieser  verübelte  es  ihm,  daß  er  zu  sehr  nach 
dem  Seheine  der  Macht  geizte  und  sich  zu  stark  vordrängte,  im  Gegensatze  zu 
Thugut,  der  sich  und  seine  Tätigkeit  nie  besonders  in  den  Vordergrund  ge- 
schoben hatte.  Der  Franzose  Lacuee  drückte  dies  in  einem  Briefe  vom  27.  Juli 
1802  folgend  aus:  „L'un  (Thugut)  veut  faire  sans  paraitre,  l'autre  (Cobenzl) 
eherche  plus  a  paraitre  qu'ä  faire".  (Wertheimer,  „Geschichte  Österreichs  und 
Ungarns  im  ersten  Jahrzehnte  des  XIX.  Jahrhunderts",  S.  147.) 


—     o     — 

hunderttausend  Mann  bezahlen,  dafür  alle  Geldmittel  erschöpfen  und 
trotzdem  vor  einem  Handstreich  zittern  zu  müssen,  ist  so  empörend, 
daß  man  den  Gedanken  kaum  zu  fassen  vermag.  Ich  würde  wagen 
zu  beweisen,  daß  Bonaparte  uns  gewiß  mit  mehr  Eücksicht  be- 
handelt haben  würde,  hätte  er  uns  in  einem  Zustand  achtbarer 
Verteidigung  und  unsere  Kräfte  in  der  Lage  gewußt,  sich  den 
seinigen  gegenüberzustellen^)." 

So  sprechen  alle  schlechten  Vertreter  der  äußeren  Politik, 
wenn  sie  in  Nöten  kommen,  nachdem  sie  es  versäumt  haben,  das 
ganze  Gewicht  ihrer  Stellung  einzusetzen,  solange  es  noch  Zeit  war, 
die  Armee  vorzubereiten. 

Es  ist  aber  bezeichnend  für  den  Charakter  oder  für  die  Un- 
wissenheit dieses  Lenkers  der  Schicksale  des  Staates,  daß  er  von 
300.000  Mann  sprach,  wo  die  gesamte  unter  den  Waifen  stehende 
Macht  Österreichs,  eben  der  Ersparnisse  wegen,  nur  wenig  mehr  als 
die  Hälfte  dessen  betrug. 

„Nur  der  Drang  der  Umstände,"  sagte  Erzherzog  Karl,  „die 
wiederholten  Befehle,  die  Vorstellungen  der  Finanzen,  daß  sie  un- 
möglich eine  größere  Geldsumme  aufbringen  könnten,  als  zur  Er- 
haltung einer  solchen  Truppenzahl  erforderlieh  wäre,  machten  eine 
so  beträchtliche  Herabsetzung  des  Standes  der  Armee  notwendig, 
eine  Herabsetzung,  die  von  den  übelsten  Folgen  sein  mußte  ^)." 

Jetzt,  da  es  zu  spät  war,  wollte  Cobenzl  alle  früheren  Be- 
denken fallen  lassen,  er  wollte  sich  mit  der  Entschädigung 
Preußens,  Bayerns  und  Württembergs  einverstanden  erklären,  die 
geistlichen  Fürsten  ihrem  Schicksal  überlassen,  die  Reichsverfassung 
preisgeben,  aber  nur  retten,  was  noch  zu  retten  war.  Der  Minister 
des  deutschen  Kaisers  erbat  sich  die  Unterstützung  Rußlands  für 
die  neuen  Projekte,  mußte  aber  die  Schmach  erleben,  daß  sie  zu- 
rückgewiesen wurden,  denn  „Rußland  sehe  die  mit  Frankreich  ge- 
schlossene Übereinkunft  nicht  als  einen  bloßen  Vorschlag  an, 
sondern  müsse  darauf  bestehen,  daß  sie  innerhalb  einer  bestimmten 
Frist  zur  Durchführung  gelange". 

In  der  Verzweiflung  wollte  man  sich  auf  den  deutschen 
Reichstag  stützen.  Der  Kaiser  stellte  die  gesetzmäßige  Behandlung 
des  Entschädigungsgeschäftes  beim  Reichstage  in  Aussicht  und 
warnte  vor  eigennützigen  Gewalttaten,  die  auch  die  Mächtigsten  zu 

^)  Fournier,  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  36. 
')  Angeli,  „Erzherzog  Karl",  III.  Bd.,  S.  7. 


—     6     — 

gleichen  Schritten  zwingen  könnten.  Preußen  kehrte  sich  nicht  an 
diese  Mahnung  und  )3esetzte  am  3.  August  Münster  und  Hildesheira. 
Als  Antwort  ward  Passau  von  österreichischen  Truppen  okkupiert,  trotz 
des  Abratens  des  Erzherzogs  Karl,  der  klar  erkannte,  daß  dieser 
Entschluß  zu  neuen  Demütigungen  führen  mußte. 

Am  24.  August  1802  wurde  der  französisch-russische  Ent- 
schädigungsplan beim  Reichstage  in  Regensburg  überreicht,  mit  der 
Forderung,  ihn  binnen  zwei  Monaten  durchzuführen. 

Alle  Anstrengungen  Österreichs,  die  Annahme  dieses  Ent- 
schädigungsplanes zu  verhindern,  waren  vergebens. 

Im  November  1802  übergab  der  französische  Gesandte  in  Wien 
das  Ultimatum  Bonapartes,  wonach  der  Großherzog  von  Toskana 
Salzburg,  einen  Teil  von  Passau  und  Eichstädt,  Österreich  die  Bis- 
tümer Trient  und  Brixen  erhalten  sollten ;  dagegen  sollte  Österreich 
den  Breisgau  dem  Herzog  von  Modena  abtreten,  die  Stadt  Passau 
räumen  und  allen  seit  dem  Luneviller  Frieden  in  Italien  getroffenen 
Änderungen  zustimmen. 

Österreich  mußte  sich  beugen,  weil  es  alle  Welt  gegen  sich 
sah  und  Kaiser  Alexander  sogar  zu  verstehen  gab,  daß  er  im  Falle 
eines  Krieges  an  der  Seite  Frankreichs  gegen  Österreich  stehen 
werde;  es  mußte  am  26.  Dezember  1802  eine  Konvention  ab- 
schließen, die  dem  Entschädigungsplane  Frankreichs  und  Rußlands 
Geltung  verschaffte  und  damit  der  deutschen  Kaiserwürde  den  Todes- 
stoß gab. 


Auch  der  Friede  von  Amiens  hatte  zu  viele  der  Streitfragen 
zwischen  Frankreich  und  England  offen  gelassen,  als  daß  er  hätte 
von  Dauer  sein  können.  Schon  der  Machtzuwachs,  den  Frankreich 
während  der  Friedensverhandlungen  erfuhr,  hatte  bei  England  keine 
Anerkennung  gefunden  ;  es  wollte  diesen  Bestand  nur  stillschweigend 
dulden.  Die  Bevölkerung  Englands,  die  sich  vom  Friedensschlüsse 
ein  Aufblühen  des  Handels  erhofft  hatte,  war  schwer  enttäuscht, 
als  Bonaparte  die  englische  Einfuhr  in  Frankreich,  Holland  und 
Italien  erschwerte.  England  weigerte  sich  überdies,  Malta  zu  räumen. 
Dies  gab  Bonaparte  den  Vorwand,  Piemont  und  Elba  Frankreich  in 
aller  Form  einzuverleiben.  Ein  am  Anfange  des  Jahres  1803  ver- 
öffentlichter Bericht  des  Obersten  Sebastian!  an  Bonaparte  über  die 
Verhältnisse   in  Ägypten    strotzte   vor  Beleidigungen  Englands   und 


kam   zum   Schlüsse,    daß  Ägypten   ein   zweites  Mal    erobert  werden 
müsse  1). 

Rasch  trieben  nun  die  Ereignisse  dem  Kriege  zu.  Die  angeb- 
hchen  Rüstungen  in  den  französischen  und  holländischen  Häfen  ver- 
anlaßten  die  englische  Regierung  am  8.  März  1803,  vom  Parlament 
die  Mittel  für  die  Verteidigung  Englands  gegen  die  drohende  Laudung 
zu  fordern.  Als  ein  englisches  Ultimatum  nicht  angenommen  wurde, 
verließ  der  englische  Gesandte  am  12.  Mai  1803  Paris.  Der  Krieg 
war  erklärt. 

Bonaparte  begann  sofort  die  großartigsten  Vorbereitungen  zur 
Landung  in  England,  die  anfangs  für  den  Herbst  1803  geplant 
war.  Eine  Armee  von  150.000  Mann  wurde  in  sechs  Lagern  an  der 
Küste  Frankreichs  und  Hollands  zusammengezogen.  Viele  hunderte 
flachgehende  Schiffe  wurden  gebaut,  umfangreiche  Hafen-  und  Be- 
festigungsbauten begonnen  und  mit  ganzer  Macht  betrieben.  Holland 
mußte  seine  Flotte  in  den  Dienst  Frankreichs  stellen  und  auch  Spanien 
und  Portugal  wurden  gezwungen.  Bonaparte  Heerfolge  zu  leisten. 

Bonaparte  hatte  die  Kriegserklärung  Englands,  dessen  König 
zugleich  Kurfürst  von  Hannover  war,  mit  dem  Ende  Mai  erfolgten 
Einbruch  in  Hannovfr  beantwortet;  im  Verlauf  einer  Woche  war 
es  dem  General  Mortier  mit  12.000  Mann  gelungen,  sich  in  den 
Besitz  des  ganzen  Landes  zu  setzen  und  die  hannoverische  Armee 
zu  entwaffnen. 

Als  sich  England  an  den  Kaiser  wandte,  damit  dieser  als  Ober- 
haupt des  deutschen  Reiches  interveniere,  lehnte  man  in  Wien  unter 
dem  richtigen  Hinweis  ab,  daß  sich  die  deutschen  Fürsten  das  Recht 
angemaßt  haben,  selbständig  Krieg  zu  führen,  und  daß  die  deutschen 
Fürsten,  Hannover  eingeschlossen,  den  Kaiser  im  letzten  Kriege  im 
Stiche  gelassen  hatten,  obwohl  es  ein  Krieg  des  Reiches  war.  Übrigens 
sah  man  in  Wien  Hannover  lieber  in  französischen  Händen  als  in 
preußischen. 

Das  „Deutsche  Reich"  hatte  auch  für  diesen  neuen  Schimpf 
kein  Gefühl. 

Französische  Truppen  rückten  überdies  in  Neapel  ein  und  be- 
setzten alle  Häfen. 


0  Ägypten  war  nacli  dem  Abzüge  der  Franzosen  von  den  Engländern  be- 
setzt geblieben,  ßonaparte  hatte  nun,  wahrseheinlicli  um  Anklagematerial  gegen 
England  zu  sammeln,  seinen  Adjutanten,  den  Obersten  Sebastiani,  mit  dem  Auf- 
trage nach  Ägypten  gesandt,    ihm  über  die  Verhältnisse  im  Lande  zu  berichten. 


—     8     — 

England,  das  sich  durch  die  gewaltigen  Eüstungen  Frankreichs 
ernst  bedroht  sah  und  das  klugerweise  immer  andere  Mächte  gegen 
seine  gefährlichsten  Feinde  aufhetzte,  setzte  alles  daran,  eine 
Koalition  der  Kontinentalmächte  gegen  Frankreich  zu  stände  zu 
bringen.  Seine  Bemühungen  fielen  besonders  in  Rußland  auf  günstigen 
Boden. 

Noch  zur  Zeit,  als  Eiißland  und  Frankreich  in  der  Ordnung 
der  deutschen  Verhältnisse  Hand  in  Hand  gegangen  waren,  hatte 
die  besonders  iu  Italien  zum  Ausdrucke  gekommene  Willkür  Bona- 
partes den  Mißmut  Zar  Alexanders  erregt.  Kaum  daß  Eußland  ent- 
scheidend zur  scliraachvollen  Beugung  des  deutschen  Kaisers  und 
Österreichs  beigetragen  hatte,  wandte  es  sich  jetzt  an  diesen  Staat, 
um  im  Vereine  mit  ihm  und  Preußen  Frankreichs  Übermut  ent- 
gegenzutreten. 

Schon  im  Jahre  1802,  also  zur  Zeit,  wo  Bußland  den  deutschen 
Kaiser  und  Österreich  so  tief  demütigte,  hatten  die  russischen  Staats- 
männer gegenüber  dem  österreichischen  Vertreter  die  Ansicht  aus- 
gesprochen, daß  nur  eine  Vereinigung  Rußlands,  Preußens  und  Öster- 
reichs zum  Heil  Europas  führen  könne,  und  schon  damals  wurde 
von  den  russischen  Diplomaten  ein  Krieg  gegen  Frankreich  ins 
Auge  gefaßt.  Im  Frühjahre  1803  äußerte  sich  Kaiser  Alexander 
gegenüber  dem  in  Petersburg  weilenden  Erzherzog-Palatin  Josef: 
„In  der  Tat,  die  Franzosen  werden  sehr  insolent  und  man  wird 
genötigt  sein,  auf  Maßnahmen  zu  sinnen,  um  sie  in  Schranken  zu 
halten.  Der  Krieg  sei  allerdings  von  Übel,  aber  Eußland  sei  im 
Stande  ihn  zu  führen  und  er  würde  augenblicklich  den  Degen  ziehen, 
wenn  ein  glücklicher  Erfolg  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  in  Aus- 
sicht stünde." 

Bonaparte  hatte  inzwischen  Alexander  das  Amt  eines  Schieds- 
richters zwischen  Frankreich  und  England  angeboten.  Alexander 
lehnte  aber  ab;  er  wollte  nur  vermitteln.  Sein  im  August  1803  in 
Paris  und  London  überreichter  Vermittlungsvorschlag  war  für  Na- 
poleon unannehmbar  und  wurde  abgelehnt.  Der  Bruch  zwischen 
Frankreich  und  Rußland  war  unvermeidlich. 

Anfang  Dezember  1803  äußerte  der  russische  Kanzler  Woron- 
zoff  zum  österreichischen  Gesandten :  Der  Krieg  sei  ein  Übel,  aber 
schwer  zu  vermeiden.  Eußland  sei  gerüstet  und  halte  180.000  Mann 
bereit.  Diese  Versicherung  verdiente  auch  Glauben,  weil  schon  An- 
fang Oktober  eine  Truppenaushebung  angeordnet  worden  war. 


—     9     - 

In  einer  Denkschrift  vom  2.  Januar  1804  legte  der  russische 
Kanzler  dar,  daß  Napoleon  immer  neue  Erwerbungen  ins  Auge  fasse. 
Die  Landung  in  England  stehe  nicht  im  Vordergrunde  seiner  Unter- 
nehmungen, weil  sie  zu  große  Schwierigkeiten  biete  und  nicht  Vor- 
teile genug  verspreche,  um  aus  der  gegenwärtigen  Krise  erfolgreich 
hervorzugehen.  Nur  die  Verbindung  beider  Kaiserhöfe,  unterstützt 
von  einer  imposanten  Truppenmacht,  könne  dem  Ehrgeiz  Napoleons 
Zügel  anlegen.  Eußland  könne  Österreich  90.000  Mann  zur  Ver- 
fügung stellen  und  ein  ebenso  starkes  Reservekorps  bereithalten,  um 
Preußen  in  Schach  zu  halten. 

Rußland  und  Österreich  sollten  es  als  einen  Angriff,  folglich 
als  Casus  belli  betrachten,  wenn  sich  der  erste  Konsul  künftig  nach 
irgend  einer  Richtung  Übergriffe  erlauben  sollte.  Weil  angenommen 
werden  könne,  daß  dieser  Fall  im  Norden  oder  im  Süden  eintreten 
werde,  so  sollte  man  sich  bereithalten,  um  derartigen  Bestrebungen 
entgegentreten  zu  können.  Um  aber  nicht  nutzlos  rüsten  zu  müssen, 
dürfe  man  sich  nach  Vollendung  der  Rüstungen  nicht  mit  dem  eben 
ausgesprochenen  Zwecke  begnügen,  sondern  den  Krieg  erklären, 
wenn  Napoleon  nicht  alle  Anordnungen  zurücknehme,  die  als  eine 
Überschreitung   des  Luneviller  Friedens   angesehen  werden  müßten. 

Das  ging  den  österreichischen  Diplomaten  wieder  zu  weit. 

Die  unentschlossene  österreichische  Politik  scheute  den  offenen , 
gefahrdrohenden  Bruch  mit  Frankreich;  sie  wollte  sich  zwar  der 
Unterstützung  und  Freundschaft  Rußlands  versichern,  sie  wollte 
wohl  Frankreichs  schrankenloser  Expansion  entgegentreten,  aber 
sieh  doch  nicht  ganz  in  die  Arme  Rußlands  werfen.  Daneben  wollte 
sie  von  einem  Bündnis  mit  Preußen  nichts  wissen,-  im  Gegenteile,  sie 
wollte  Preußen  soviel  als  möglich  schädigen  und  —  selbst  reichen 
Ländergewinn,  und  zwar  nichts  Geringeres  als  Bayern  bis  zum  Inn, 
wenn  möglich  aber  bis  zur  Isar,  in  Italien  alles  Land  bis  au  die 
Adda  und  den  Po  erwerben.  Diese  sehr  schlau  scheinende,  aber 
doch  nur  schwankende  österreichische  Politik  brachte  es  dahin,  daß 
ihr  weder  Bonaparte  noch  Rußland  trauten.  Bonaparte  nahm  die 
Absicht  Österreichs  auf  Bayern  so  ernst,  daß  er  schon  anfangs 
1804  mit  dem  Kriege  drohte.  Österreich,  dessen  damalige  Politik 
nicht  mit  seinen  militärischen  Vorsorgen  übereinstimmte,  mußte  den 
Rückzug  antreten ;  es  tat  dies  unter  dem  Vorwande,  zwischen  Ruß- 
land und  Frankreich  ausgleichend  wirken  zu  wollen,  und  machte 
sich  erbötig,  wenn  Bonaparte  es  wünsche,  selbst  die  nach  Sehwaben 


—     10     — 

verlegten  zwei  Regimenter  znrückzuziehen.  Ja,  als  Bonaparte  einen 
neuen  Gewaltstreich  gegen  das  deutsche  Eeich  führte,  indem  er 
am  15.  März  1804  den  Prinzen  von  Enghien  auf  deutschem  Boden 
aufheben  ließ,  warf  sich  wohl  Rußland  zum  Rächer  der  Ehre  des 
deutschen  Reiches  auf,  aber  die  Minister  des  römisch-deutschen 
Kaisers  suchten  dem  gewalttätigen  Konsul  durch  Anbietung  einer 
nichtssagenden  Entschuldigungsformel  einen  bequemen  Ausweg  zu 
schaffen.  Bonaparte  wies  diese  Hilfe  Österreichs  stolz  zurück  und 
beantwortete  im  Vertrauen  auf  seine  Kraft  die  Note  Rußlands  am 
16.  Mai  1804  mit  den  Worten :  Rußland  wolle  allem  Anscheine 
nach  den  Krieg;  warum  erkläre  es  dies  nicht  offen  und  suche  Um- 
wege? Napoleon  wünsche  den  Frieden;  aber  im  Vertrauen  auf  Gott 
und  das  Heer  Prankreichs  brauche  er  niemand  zu  fürchten. 

Am  18.  Mai  1804  nahm  Bonaparte  die  ihm  vom  Senat  an- 
gebotene Würde  des  Kaisers  der  Franzosen  an.  Während  Preußen 
und  mehrere  andere  Staaten  die  Kaiserwürde  sofort  anerkannten, 
Rußland  klar  zeigte,  daß  es  diese  Würde  nicht  anerkenne,  schwankte 
Österreich  wieder  aus  kleinhchen  Gründen  hin  und  her.  In  Wirk- 
lichkeit fürchtete  man,  bei  sofortiger  Anerkennung  das  Mißfallen 
Rußlands  zu  erregen,  überdies  fürchtete  man,  daß  die  Annahme 
des  Kaisertitels  durch  Napoleon  dem  Ansehen  der  römisch-deutschen 
Kaiserwürde  Abbruch  tun  könnte,  weil  Napoleon  mit  der  Zeit  doch 
den  Vorrang  beanspruchen  würde.  Man  fühlte  noch  nicht,  wie  nur 
die  Macht  allein  und  nicht  irgend  ein  beschriebenes  Blatt  Papier 
einem  Titel  Ansehen  geben  könne,  man  fühlte  noch  immer  nicht, 
wie  nichtssagend,  wie  leer  der  Titel  eines  römisch-deutschen  Kaisers 
schon  geworden  war.  Erst  nach  langen  Verhandlungen  und  erst 
nachdem  Napoleon  den  Vorrang  der  römisch-deutschen  Kaiserwürde 
zugestanden  und  tiberdies  der  Annahme  des  Titels  eines  „Kaisers 
von  Österreich"  zugestimmt  hatte,  anerkannte  Österreich  die  fran- 
zösische Kaiserwürde  (August  1804).  Diese  lange,  vielleicht  „diplo- 
matisch" sehr  fein  und  geschickt  durchgeführte  Zögerung  zog  aber 
Österreich  den  Groll  Napoleons  zu,  ohne  Rußland  zufriedenzu- 
stellen :  ja,  der  Unmut  Rußlands  ging  so  weit,  daß  es  sich  weigerte, 
den  Titel  „Kaiser  von  Österreich"  anzuerkennen.  So  brachte  das 
unentschlossene,  zögernde,  allzu  kluge  Verhalten  der  österreichi- 
schen Politik  dem  Staate  nur  Schaden.  Muß  man  sich  schon 
wundern,  daß  überhaupt  eine  solche  unklare  Politik  als  gut  an- 
gesehen   werden  konnte,    so   muß  man  dies   umsomehr,    wenn  man 


—    11   — 

erfährt,  daß  der  klarste  und  hellste  Kopf  Österreichs,  der  tüchtigste 
Feldherr  und  Staatsmann,  über  den  es  verfügte,  der  noch  dazu  mit 
dem  ganzen  Gewicht  eines  kaiserlichen  Prinzen,  eines  Bruders  des 
Kaisers  auftreten  konnte,  daß  Erzherzog  Karl  diese  Politik  ent- 
schieden und  rücksichtslos  verurteilte.  Erzherzog  Karl  trat  für  so- 
fortige, rückhaltlose  Anerkennung  Napoleons  ein.  Er  allein  sah  klar, 
daß  für  Österreich  nur  ein  aufrichtiges  Freundschaftsbündnis  mit 
Frankreich  wünschenswert  sei.  „Mit  keinem  Staate",  schrieb  er  am 
23.  April  1804,  „könnte  Österreich  eine  so  natürliche,  auf  beider- 
seitigen reellen  Vorteil  gegründete  und  darum  dauerhafte  Allianz 
schließen  als  mit  Frankreich."  Er  charakterisierte  in  klaren,  treffenden 
Zügen  das  Bestreben  Englands,  Rußlands  und  Preußens,  Österreich 
fortwährend  durch  Kriege  zu  beschäftigen.  Er  enthüllte  die  geheime 
Politik  Englands,  das  die  Kontinentalmächte  nur  in  den  Krieg 
treiben  wollte,  um  die  Gefahr  einer  Landung  abzuwenden  und 
selbst  während  dieses  Kontinentalkrieges  sein  Übergewicht  zur  See 
zu  stärken  und  zu  erweitern :  er  zeigte  die  Ziele  Rußlands,  die 
Türkei  allein  zu  verschlingen,  was  natürlich  nur  möglich  war,  wenn 
Österreich  anderwärts  gebunden  oder  geschwächt  wurde.  Er  wies 
darauf  hin,  daß  Preußen  und  alle  kleinen  deutschen  Staaten  nur  aus 
der  Feindschaft  Österreichs  gegen  Frankreich  Nutzen  gezogen  hatten 
und  immer  noch  ziehen  würden^).  So  klar,  so  überzeugend  diese 
Ansichten  des  kaiserlichen  Prinzen  auch  waren,  sie  waren  in  den 
Wind  gesprochen. 

Am  3.  März  1804  legte  Erzherzog  Karl  dem  Kaiser  ein  Gut- 
achten vor  —  Beilage  1  —  in  dem  er  die  Aussichtslosigkeit  eines 
Krieges  Österreichs  im  Vereine  mit  Rußland  gegen  Frankreich  darlegte 
und   nachwies,    daß   ein   solcher  Krieg   für  Österreich  zwecklos  sei. 

So  treffend  dieses  Gutachten  des  Erzherzogs  Karl,  insbesondere 
über  den  Wert  der  Unterstützung  durch  die  Alliierten  auch  war,  es 
blieb  bei  der  politisch-militärischen  Unfähigkeit  der  Minister  fast 
wirkungslos. 

In  einer  ausführlichen  Note  vom  1.  April  1804  beantwortete 
man  die  russischen  Anträge.  Darin  wurde  behauptet,  daß  Napoleon 
seine  Pläne  auf  Norddeutschland  aufgegeben  habe  und  daß  vorläufig 
von  ihm  keine  Gefahr  drohe.  Österreich  sei  zu  einem  Angriffskrieg 
unfähig,   weil  es  kaum  200.000  Mann  habe,   die  überdies  fast  ganz 


')  Wertheiuier,  „Geschichte  Österreichs  und  ünirarns  etc.".  S.  197. 


—     12     — 

in  Böhmen,  Galizien  uud  Ungarn  lägen,  wähi-end  Napoleon  über 
350.000—400.000  Mann  verfüge.  Napoleons  Stellung  in  Franki-eich 
könne  durchaus  nicht  als  gefestigt  angesehen  werden.  Eine  feste 
Verbindung  Rußlands  und  Österreichs  würde  ihn  daher  sieher  von 
weiteren  Übergriffen  abhalten,  aber  Eußland  müsse  auch  200.000 
Mann  beistellen. 

Die  lange  Zögerung  Österreichs  hatte  den  Zaren  verstimmt, 
noch  mehr  die  wiederholt  abgegebenen  diplomatischen  Ausflüchte. 
Die  Österreich  feindlichen  Strömungen  hatten  daher  leichtes  Spiel. 
Als  Österreichs  Antwort,  auf  deren  Heschleunigung  man  in  Peters- 
burg so  sehr  gedrängt  hatte,  endlich  am  22.  April  eintraf,  konnte 
sie  der  Gesandte  lange  nicht  anbringen.  Als  dies  endlich  möglich 
war,  wurde  sie  von  den  russischen  Diplomaten  sehr  ungnädig  auf- 
genommen. Diese  fanden,  daß  Österreich  nur  ein  Schattenbild  einer 
Allianz  biete.  Man  verlange  von  Rußland,  das  nur  für  europäische 
Interessen  eintrete,  ohne  selbst  bedroht  zu  sein,  ebenso  große  An- 
strengungen, wie  Österreich  sie  biete.  Rußland  wolle  100.000  Mann 
beistellen,  mehr  nicht. 

Eußland,  das  durch  seine  Lage  ziemlich  sicher  war,  wollte 
also  einen  Angriffskrieg  gegen  Napoleon  führen,  um  dessen  Macht 
zu  brechen  (um  sich  an  seiner  Stelle  zum  Herrn  Europas  zu  machen?), 
ohne  sich  jedoch  selbst  dazu  besonders  anzustrengen.  In  Österreich 
dagegen,  das  die  Hauptlast  des  Krieges  tragen  sollte,  scheute  man 
vor  dem  Bruche  zurück ;  man  wollte  keinen  Krieg,  man  wollte 
Napoleon  nur  durch  das  Bündnis  mit  Rußland  einschüchtern  und 
nur  gezwungen  zum  Sehwerte  greifen.  Rußland  schien  fest  über- 
zeugt, daß  Napoleon  einen  Kontinentalkrieg  führen  wolle  und  die 
Landung  in  England  nur  vorspiegle.  In  Wien  war  man  gegen- 
teihger  Ansicht.  Alle  Nachrichten  über  Landungen  der  Franzosen 
in  Morea,  Sizilien  und  Sardinien  erklärte  man  als  grundlose,  von 
Franzosen  und  Engländern  ausgestreute  Gerüchte ;  von  den  Fran- 
zosen ausgestreut,  um  England  zum  Frieden  zu  bewegen  und  deren 
Flotte  abzuziehen,  von  den  Engländern,  um  die  Kaiserhöfe  zum 
Kriege  gegen  Frankreich  zu  reizen  und  so  eine  Landung  zu  ver- 
hindern. 

Rußland  wünschte  also  den  sofortigen  Bruch  mit  Napoleon, 
wogegen  man  in  Wien  nur  eine  Defensivallianz  schließen  und  jede 
Provozierung  Napoleons  vermeiden  wollte.  Im  Gegenteil,  man  hoffte 
in  Wien  noch  immer  vermitteln  zu  können. 


—     13     — 

In  Petersburg  ging  man  jetzt  aber  uubeküminert  um  Öster- 
reich seinen  eigenen  Weg.  Am  21.  Juli  1804  überreichte  der 
russische  Geschäftsträger,  ohne  daß  Österreich  vorher  verständigt 
wurde,  in  Paris  ein  förmliches  Ultimatum,  das  die  Eäumuni:- 
Neapels,  die  Entschädigimg  Piemonts  und  den  Eückzug  der  Fran- 
zosen aus  Hannover  forderte;  wenn  die  Antwort  Frankreichs  nicht 
zusagend  ausfalle,  sollte  der  Geschäftsträger  Paris  verlassen.  Napoleon 
gab  auf  dieses  Ultimatum  keine  Antwort,  weshalb  Rußland  Ende 
August  1804   den  diplomatischen  Verkehr  mit  Frankreich    abbrach. 

So  groß  die  Bereitwilligkeit  Österreichs  war,  das  Abkommen 
mit  Rußland  auf  defensiver  Grundlage  abzuschließen,  so  gab  es 
auch  noch  im  Oktober  1804  zahlreiche  Differenzen.  In  Petersburg 
herrschte  entschiedenes  Mißtrauen  gegen  Österreich  und  Österreich 
wollte  von  der  Forderung,  daß  Rußland  wenigstens  150.000  Mann 
beizustellen  habe,  nicht  abgehen;  auch  berührte  es  in  Österreich 
sehr  unangenehm,  daß  Rußland  sich  noch  immer  weigerte,  die  neue 
kaiserliche  Würde  Österreichs  anzuerkennen^). 


^)  Beer,  „Österreich  und  Rußland  in  den  Jahren  1804  und  1805"  (Archiv 
für  österreichische  Geschichte,  53.  Bd.). 

Wie  man  in  Wien  bei  Bestimmung  der  Stärke  der  russischen  Armee  vor- 
gegangen ist,  zeigt  eine  vom  26.  März  1804  stammende  Denkschrift:  „Be- 
stimmung der  Stärke  eines  russischen  Auxiliarkorps''. 

Diese  Denkschrift,  die  keine  Unterschrift  trägt,  wurde  —  nach  Inhalt  und 
Stil  zu  urteilen  —  von  Mack  verfaßt.  Sie  lautet  (Auszug): 
Französische  Kriegsmacht: 

394.815  Mann  Infanterie,  64.536  Pferde 

vompletter  Kriegsstand. 
Österreichische    Kriegsmacht    mit     Ein.schluß 

der  Grenzer  258.312  Mann  Infanterie,  53.411  Pferde 

Angenommen:  Frankreich  läßt  70.000  Mann  Garnisonen  zurück,  erhält 
aber  von  Italien  und  von  der  Schweiz  60.000  Mann  Hilfstruppen  (gering  ge- 
rechnet); Österreich  läßt  30.000  Mann  Garnisonen  zurück. 

Da  die  österreichische  Kavallerie  entschieden  besser  ist  als  die  französische, 
kann  man  die  Überzahl  durch  die  Güte  als  wettgemacht  annehmen,  also  die 
Kavallerie  unberücksichtigt  lassen. 

Daher  hat  Frankreich  385.000, 

Österreich  nur  229.000  Mann  Infanterie  verfügbar. 
Unterschied  daher  156.000  Mann  Infanterie  Überschuß  für  Frankreich. 
Festungen    erhöhen    die    Defensivkraft,    erschweren    den    Angriff,    fordern 
daher  eine  Überlegenheit  beim  Angreifer. 

Nun  haben  wir  gar  keine  Festungen  gegen  Frankreich,  dieses  aber  hat 
an    seinen  Grenzen  viele.    Daher   müssen  wir,    um  angreifen    zu  können,    eben- 


—     14    — 

In  Wien  war  man  nach  der  Annahme  des  Kaisertitels  durch 
Napoleon  um  das  Schicksal  Italiens  äußerst  besorgt.  Es  war  un- 
wahrscheinlich, daß  die  Italienische  Republik,  deren  Staatsform  sich 
von  einer  Monarchie  tatsächlich  nicht  viel  unterschied,  von  der 
Umwandlun.ii-  Frankreichs  in  eine  Monarchie  unberührt  bleiben 
werde.  Man  besorgte  mit  Recht,  daß  die  Umwandlung  Italiens  in 
ein  Königreich  den  Wunsch  zur  Ausdehnung  dieses  Königi'eiches 
über   alle  italienischen  Länder   zur  natürlichen  Folge  hal:)en  müßte. 

Alle  Anfragen,  die  man  in  Paris  über  das  Geschick  der  Italieni- 
schen Republik  stellte,  blieben  unbeantwortet. 

Diese  Besorgnis  trieb  Österreich  trotz  aller  Bedenken  immer 
mehr  und  mehr  Rußland  zu,  und  die  Gefahr,  auch  die  mögliche 
Unterstützung  Rußlands  zu  verlieren,  veranlaßte  endlich  Österreich 
zum  Abschluß  einer  Defensivkonvention  mit  Rußland;  am  6.  No- 
vember 1804  wurde  der  Vertrag  über  ein  Schutz-  und  Trutzbündnis 
gegen  Napoleon  geschlossen.  Man  sicherte  sich  gegenseitig  Beistand 
zu,  wenn  Napoleon  einen  Angriff  wagen  sollte.  Bei  dem  geringsten 
weiteren  Übergriff  Napoleons  sollte  eine  Macht  von  350.000  Mann 
unter  die  Waffen  treten,  wozu  Österreich  235.000  Mann,  Rußland 
115.000  Mann  beistellen  sollte.  Ein  Angriff  Frankreichs  auf  Neapel 
sollte  als  Casus  foederis  betrachtet  werden;  Rußland  nahm  die  Ver- 
pflichtung auf  sich,  im  Kriegsfalle  englische  Subsidien  für  Österreich 
zu  erwirken.  Im  Falle  des  Sieges  sollte  Österreich  Salzburg  und 
Bayern  bis  zum  Inn,  die  Adda-  und  Po-Grenze  und  die  Wiederein- 


soviel   überlegen    sein   als  uns  Franki-eieh  jetzt  überlegen  ist,    d.  h.  wir  müßten 
um  312.00  Mann  Infanterie  mehr  haben  als  jetzt. 

Da  so  viel  nicht  zu  erhalten  ist,  „so  will  ich  annehmen,  daß  Einsicht 
und  Erfahrung  unserer  PeldheiTen  sowie  die  Bravour  und  Beharrlichkeit  unserer 
Truppen  in  der  Art  den  französischen  überlegen  seien,  daß  wir  hoffen  dürfen, 
mit  geringerer  Zahl  glücklieh  zu  sehlagen. 

„Hienaeh  lasse  ich  nicht  nur  die  156.000  Mann  Infanterie  weg,  um  die 
wir  billig  stärker  sein  sollten  als  Pranki-eich,  sondern  ich  will  auch  noch  von 
den  156.000  Mann,  um  die  es  dermalen  wirklieh  an  Infanterie  stärker  ist  als 
wir,  56.000  absehlagen  und  annehmen,  daß  wir  es  ungeachtet  der  Vorteile,  die 
Frankreich  das  Terrain  und  die  Festungen  gewähren,  mit  einer  um  56.000  Mann 
an  Infanterie  schwächeren  Armee  mit  ihm  aufnehmen  wollen;  so  müßte  dem- 
nach der  Stand  unserer  Infanterie  um  100.000  Mann  vermehrt  werden." 

Mit  Eücksicht  auf  die  eigene  starke  Kavallerie  müßte  daher  die  russische 
Hilfsarmee  100.000  Mann  Infanterie  und  8000  Eeiter  stark  sein. 

(Kriegsarchiv,  Mem.,  1804,  III,  28.) 


—     15     — 

Setzung   des   Großherzogs   von  Toskana  erhalten.     Beide  Teile   ver- 
pflichteten sich,  nicht  einseitig  Frieden  zu  schließen. 

Mit  Abschluß  dieses  Vertrages  war  Österreich  ganz  an  Ruß- 
land ausgeliefert;  das  zeigte  sich  schon  darin,  daß  die  österreichi- 
schen Diplomaten,  die  bisher  alles  getan  hatten,  den  Ausbruch 
eines  Krieges  zu  vermeiden  —  hatten  sie  doch  gerade  deshalb  so- 
lange gezögert,  auf  die  russischen  Anträge  einzugehen  —  von  nun 
ab   den  Staat   mit   verblendeter  Leidenschaft   dem  Kriege  zutrieben. 

Die  in  Wien  herrschende  Kriegsstimmung  und  Unsicherheit 
hatte  unter  dem  Yorwand  eines  Sanitätskordons  gegen  das  gelbe 
Fieber  Truppenverschiebungen  nach  Italien,  Innerösterreich  und  Tirol 
veranlaßt. 

Kaiser  Napoleon,  der  übei:  alle  Vorgänge  in  Österreich  immer 
auf  das  beste  unterrichtet  war,  sandte  auf  die  Nachrichten  von 
Truppenansammlungen  Österreichs  in  den  westlichen  Provinzen  im 
März,  Juli  und  Dezember  1804  Offiziere  nach  Tirol,  Kärnten,  Salz- 
burg, Österreich  und  Bayern  mit  dem  Auftrage,  die  Verteilung  der 
österreichischen  Truppen  zu  erheben,  bevorstehende  Truppenmärsche, 
Rekrutierungen,  Pferdekäufe  zu  erfragen  und  Karten  zu  kaufen.  Am 
2.  Oktober  1804  gab  Napoleon  an  Berthier  den  Befehl.  Bauholz  in 
Mainz  aufzustapeln;  an  dem  Tage,  an  dem  der  Bruch  mit  Öster- 
reich sicher  zu  erkennen  sein  werde,  sollten  8000  Mann  Kastei 
gegenüber  von  Mainz  besetzen  und  8000  Mann  Kehl  in  Besitz 
nehmen,  um  den  Brückenkopf  wiederherzustellen.  ISJ^poleon  schloß 
das  Schreiben:  „Glauben  Sie  nicht,  daß  die  Voraussetzung  dieses 
Briefes  eintreten  muß;  aber  im  Augenblick  einer  Kriegserklärung 
gibt  es  so  viele  Dinge  zu  tun,  daß  es  weise  ist,  mit  den  Vorarbeiten 
einige  Jahre  früher  anzufangen." 

Beim  Neujahrsempfange  1805  herrschte  Napoleon  den  öster- 
reichischen Botschafter  an:  „Der  Kaiser  läßt  40.000  Mann  mar- 
schieren und  verkündet  dies  durch  die  Zeitungen;  mit  Drohungen 
richtet  man  bei  mir  nichts  aus,  ich  werde  80.000  Mann  marschieren 
lassen;  wenn  der  Kaiser  rüstet,  werde  ich  auch  rüsten,  wenn  er 
Truppen  in  Kriegsbereitschaft  hält,  werde  ich  desgleichen  tun,  mag 
daraus  werden  was  da  will."  Am  selben  Tage  (1.  Januar  1805) 
teilte  Napoleon  dem  Kaiser  Franz  brieflich  mit,  daß  er  beabsichtige, 
seinem  Bruder  Josef  die  Krone  Italiens  zu  übertragen.  Er  bitte 
aber  den  Kaiser  zu  bedenken,  „daß  die  Bildung  der  Armeen  in 
Kärnten   und   in  Tirol  ihn  zwingen  würde,    Armeen  in  Italien  und 


—     16     — 

am  Ehein  zu  sammelu.  Diese  kostspieligen  Maßnahmen",  sehließt 
Napoleon,  „wären  vollkommen  unnötig,  wenn  Eure  Majestät  meinen 
Wunsch  teilten,  den  Frieden  des  Festlandes  zu  erhalten  und  sich 
vor  den  Treibereien  der  Engländer  zu  hüten,  die  allein  den  Willen 
haben,  ihn  zu  stören." 

Berthier  erhielt  trotz  dieser  Friedensversicherungen,  der  Vor- 
sicht halber  Befehl,  ohne  alles  Aufsehen  Truppen  nach  Verona  zu 
senden. 

Am  2.  Januar  wußte  Tallejrand  schon,  daß  man  in  Wien  von 
der  Eückberufung  Macks  sprach  ^). 

Am  9.  Januar  sehrieb  Talleyrand:  „Die  aus  Venetien  er- 
haltenen Meldungen  geben  immer  von  großen  militärischen  Vor- 
bereitungen Xachricht.  Truppen  komjnen  im  Friaul  an.  Man  bereitet 
dort  entlang  dem  Tagliamento  Unterkunft  für  34.000  Mann;  man 
versichert,  daß  durch  Tirol  30.000 — 35.000  Mann  kommen,  um  an 
der  Etsch  Stellung  zu  nehmen.  Alle  Truppen  sollen  große  Artillerie- 
trains mitführen." 

Am  17.  Januar  1805  hielt  der  Kaiser  im  Staatsrat  bei  Be- 
sprechung des  Finanzgesetzes  eine  gegen  Österreich  gerichtete  Eede : 
„Seit  zwei  Jahren  hat  Frankreich  die  größten  Opfer  gebracht.  Ein 
allgemeiner  Krieg  auf  dem  Kontinent  würde  keine  größeren  er- 
heischen. Ich  habe  aber  jetzt  auch  die  stärkste  Armee,  eine  vollen- 
dete Militärorganisation  und  befinde  mich  jetzt  schon  in  der  Ver- 
fassung, in  die  ich  mich  sonst  im  Kriegsfalle  erst  zu  versetzen 
hätte.  Um  nun  in  Friedenszeiten  so  viele  Kräfte  ansammeln  zu 
können  —  20.000  Artilleriepferde  und  vollständige  Trains  —  be- 
durfte es  eines  Vorwandes,  der  gestattete,  all  dies  herbei zuschaifen 
und  zu  sammeln,  ohne  daß  die  übrigen  Kontinentalmächte  Verdacht 
schöpften.  Diesen  Vorwand  nun  lieferte  das  Projekt  der  Landung 
in  England.  Vor  zwei  Jahren  konnte  ich  noch  nicht  so  zu  Ihnen 
sprechen,  aber  es  war  doch  immer  mein  einziger  Zweck.  Ich  weiß 
wohl,  daß  es  30  Millionen  beim  Fenster  hinauswerfen  heißt,  wenn 
man  so  viel  Bespannungen  in  Friedenszeiten  unterhält.  Aber  dafür 
habe  ich  jetzt  auch  20  Tage  vor  allen  meinen  Feinden  voraus  und 
werde  einen  Monat  früher  im  Felde  stehen,  bevor  Österreich  auch 
nur  seine  Artillerie   bespannt   haben  wird.     Sehe  ich,    daß   die  Er- 

^)  FML.  Maek  war  naeli  seiner  Fhieht  aus  der  französischen  Kriegs- 
gefangenschaft beim  Kaiser  Franz  in  Ungnade  gefallen  und  blieb  ohne  An- 
stellung. Er  lebte  auf  seinem  kleinen  Gut  in  Böhmen. 


—     17     — 

eignisse  in  Italien  e.s  in  Bewegung  bringen,  so  erkläre  ich  ihm 
den  Krieg,  wenn  es  mit  den  Pterdeankäufen  beginnt^)." 

Diese  Rede  und  andere  Bemerkungen  Napoleons,  und  zwar  zu 
Talleyrand  im  August  1804:  „er  sei  nicht  genug  närrisch,  um  über 
den  Kanal  zu  setzen,  wenn  er  nicht  am  Rhein  ganz  sicher  wäre" 
und  im  Jahre  1810  zu  Metternich:  „Niemals  wäre  ich  töricht  genug 
gewesen,  die  Landung  in  England  zu  unternehmen,  den  Fall  aus- 
genommen, daß  eine  Revolution  in  England  ausgebrochen  wäre. 
Die  Armee  von  Boulogne  war  stets  die  Armee  gegen  Österreich. 
Ich  konnte  sie,  ohne  Verdacht  zu  erregen,  nirgend  anderswo  auf- 
stellen, imd  da  ich  sie  doch  irgendwo  formieren  mußte,  so  erfüllte 
sie  in  Boulogne  den  doppelten  Zweck  ihrer  Zusammenziehung  und 
in  England  Unruhe  zu  erregen",  werden  als  Beweis  angeführt,  daß 
Napoleon  nie  ernst  an  die  Landung  in  England  gedacht  hat.  Diese 
Folgerung  ist  doch  zu  gewagt.  Noch  gewagter  wäre  es.  sich  auf 
Äußerungen  und  Ansichten  anderer  Personen  zu  stützen.  So  soll 
Josef  Bonaparte  anfangs  1^05  geäußert  haben,  daß  schon  beträcht- 
liche französische  Truppenmassen  in  Italien  angehäuft  waren  und 
daß  sich  Napoleon  auf  dem  Kontinent  schadlos  halten  wollte,  um 
von  dem  Vorhaben  gegen  England,  dessen  Ausführbarkeit  ihm 
zweifelhaft  geworden  war,  abstehen  zu  können;  ja,  er  würde  es  leb- 
haft bedauern,  wenn  Wien  ihm  keinen  Anlaß  zum  Bruche  gäbe. 
Abgesehen  davon,  daß  Josef  Bonaparte  durchaus  nicht  der  verläß- 
lichste Übermittler  und  Beurteiler  der  Gedanken  seines  Bruders  ist, 
würde  diese  Angabe  selbst  dann  nichts  beweisen,  wenn  sie  sich 
nachweisbar  auf  gelegentliche  Äußerungen  Napoleons  stützen  könnte. 
Die  „Truppenanhäufungen"  erklären  sich  ganz  ungezwungen  damit, 
daß  Napoleon  im  Januar  1805  auf  den  Kriegsausbruch  in  Italien 
gefaßt  war;  hätte  aber  Napoleon  tatsächlich  einen  Krieg  mit  Öster- 
reich gewünscht,  dann  hätte  er  den  Anlaß  dazu  sicher  jederzeit 
herbeiführen  können. 

Die  im  Jahre  1810  gemachte  Bemerkung  kann  ebensogut 
eine  Beschönigung  der  mißglückten  Absicht  sein  als  eine  Ein- 
schläferung Englands  für  die  damals  sicher  noch  im  Innersten 
Napoleons  schlummernde  Absicht,  England  wenn  möglich  doch 
noch  auf  seinem  Boden  anzugreifen. 

Der  Bemerkung  vom  August  1804  steht  eine  andere  gleich- 
wertig gegenüber:    „Wenn    die  Landung   in  England   geglückt   ist, 

0  Memoiren  von  Miot  de  Melito,  II,  S.  245. 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von   Ulm.  o 


—     18     — 

genügen  die  Weiber  von  Straßburg.  um  Frankreich  vor  Angriffen 
zu  siciiern".  Was  seine  Bede  vor  dem  Staatsrate  anlangt,  darf  man 
das  nicht  so  genau  nehmen,  oder  eigentlich  besser  gesagt,  muß  man 
sie  eben  genauer  ansehen,  bevor  man  ihr  ganz  traut.  Es  soll  ja 
auch  heute  vorkommen,  daß  bei  Begründung  großer  Staatsausgaben 
die  Wahrheit  verhüllt  in  der  Ecke  steht;  auch  heute  w^ird  an  solchen 
Orten  mit  Vorliebe  zum  Fenster  hinausgesprochen;  das  dürfte  Na- 
poleon jedenfalls  auch  damals  getan  haben.  Er  wollte  mit  dieser 
ßede  wahrscheinlich  sowohl  die  Engländer  einschläfern  und  ihre 
Angst  vor  der  Laudung,  die  sie  zu  den  größten  Anstrengungen 
veranlaßte,  herabmindern,  als  auch  gleichzeitig  Österreich  ein- 
schüchtern und  es  abhalten,  seine  Pläne  zu  stören. 

Die  politische  Situation  war  zur  Zeit  der  Rede  vom  17.  Januar 
äußerst  kritisch.  Alles  war  im  Januar  1805  auf  den  Ausbruch  des 
Krieges  gefaßt.  Die  Kriegsvorbereituugen  waren  Ende  Januar  1805 
so  weit  gediehen,  daß  dem  Kriegsminister  Italiens  schon  die  Summen 
bewilligt  waren,  um  die  Festungen  der  Lombardei  zu  armieren  und 
die  Truppen  auf  Kriegsstand  zu  setzen.  Aber  nicht  nur  diese  poli- 
tische Situation  veranlaßt  zu  der  Auffassung,  daß  Napoleons  ßede 
nur  politische  Zwecke  verfolgte,  sondern  auch  die  Tatsache,  daß 
die  Angaben  der  Eede  falsch  und  auf  bestimmte  Effekte 
berechnet  waren.  Napoleon  hatte  nie  „20.000  Artilleriepferde  ge- 
halten" und  er  hatte  nie  einen  „vollständigen  Train"  kriegsbereit. 
20.000  Artilleriepferde  hätten  genügt,  um  200  sechsspännige  Züge 
für  Zwölfpfünder  und  4700  vierspännige  Züge  für  die  anderen  Ge- 
schützgattungen und  für  Munitions wagen  beizustellen. 

Damit  stehen  aber  die  1805  tatsächlich  bestandenen  Verhält- 
nisse in  krassem  Widerspruch.  Die  ganze  Armee  benötigte  nur  Be- 
spannungen für  40  Zwölfpfünder,  260  andere  Geschütze  und  für 
etwa  1900  Artilleriewagen.  Für  die  Artillerie  waren  daher  etwa 
9000  Pferde  nötig,  also  kaum  die  Hälfte  des  angeblichen  Pferde- 
vorrates. Trotzdem  erging  aber  am  31.  August  1805  der  Befehl, 
3769  Pferde  für  die  Train bataillone,  die  die  Bespannungen  der  Ar- 
tillerie beizustellen  hatten,  anzukaufen;  am  2.  September  wurde 
weiters  die  Aushebung  von  2750  vierspännigen  Landesfuhrwerken 
für  die  Artillerieparks  angeordnet.  Trotz  dieser  Vorsorgen  waren 
aber  doch  noch  beim  Rhein-Übergang  mehr  als  die  Hälfte  aller 
Munitionsfahrzeuge  der  Korps  mit  requirierten  Pferden  bespannt 
und  das  Korps  Davout  mußte  sogar  15  Geschütze  und  143  Munitions- 


—     19     — 

und  Parkwagen  wegen  Mangel  an  Bespannungen  in  Mannheim 
zurücklassen. 

Mit  den  Angaben  der  Rede  steht  weiter  im  Gegensatze,  daß 
Napoleon  bei  Beginn  des  Krieges  nicht  nur  keinen  organisierten 
Train  besessen  hat,  sondern  daß  er  alle  Korps  anwies.  Landeswagen 
als  Trainfiihrwerke  aufzutreiben,  daß  er  selbst  den  Befehl  gab, 
1000  nerspännige  Landeswagen  für  den  Lebensmittelpark  der  Armee 
beizustellen  und  daß  mit  Ausnahme  der  Garde  kein  Korps  seine 
ärarischen  Truppen  fuhrwerke  mid  Ambulanzen  hatte,  sondern  diese 
aus  Laudesfuhren  improvisieren  mußte.  Es  ist  mehr  als  unwahr- 
scheinlich, daß  Napoleon,  den  man  immer,  wenn  auch  nur  infolge 
oberflächlicher  Betrachtung,  als  Beispiel  und  Beweis  für  die  Train- 
losigkeit  der  Armee  anführt,  durch  zwei  Jahre  20  000  Artillerie- 
pferde und  einen  bespannten  Train  gehalten  hätte,  während  mindestens 
ein  Drittel  seiner  Kavallerie  unberitten  blieb. 

Bei  Napoleon  muß  man  vor  allem  nach  seinen  Taten  und 
Maßnahmen  u^rteilen  und  nicht  allein  nach  seinen  Worten,  die  oft 
nur  seine  Gedanken  verschleiern  sollten.  Nun  stehen  mehrere  Tat- 
sachen fest,  die  einen  untrüglichen  Schluß  zulassen.  Ein  großer 
Teil  der  Kavallerie  der  Küstenarmee  war  zu  Fuß  formiert;  er  sollte 
erst  in  England  beritten  gemacht  werden.  Die  Küstenarmee  war 
relativ  schwach  mit  Artillerie  dotiert,  die  nicht  voll  bespannt  war; 
sie  besaß  fast  gar  keinen  Train.  Napoleon  hatte  Hunderte  von 
Millionen  für  die  Verstärkung  der  Hochseeflotte,  zur  Herstellung 
einer  starken  Flottille  flachgehender  Schiffe  und  zur  Vertiefung  und 
für  die  Befestigung  der  Häfen  der  Lagerorte  ausgegeben  0- 

Der  Befehl  für  die  Formierung  der  Artillerie  der  Großen 
Armee  wurde  erst  Ende  August  erlassen,  so  daß  diese  Formierung 
nur  knapp  vor  dem  Rhein-Übergang  halbwegs  fertig  wurde.  Napoleon 
konnte  für  den  Kontinentalkrieg  weder  Magazine  noch  einen  ent- 
sprechenden Train  bereitstellen,  obwohl  er  beide  sehr  gewünscht 
hätte;  aber  es  fehlten  ihm  das  Geld  und  die  Zeit,  die  er  beide  in 
Boulogne  vertrödelt  haben  soll. 

Die  Große  Armee  war  tatsächlich  —  wie  es  Napoleon  auch 
später  zugegeben  hat  —  nur  mangelhaft  für  einen  Kontinental- 
krieg ausgerüstet:  die  ungezählten  Millionen,  die  Napoleon  für  die 

^)  In  den  Einsehiffungshäfen  sollen  1339  Kriegsfahrzeuge  aller  Art  mit 
3000  Kanonen  und  954  Transportschiffe  bereitgestellt  worden  sein  („österreichi- 
sche militärische  Zeitschrift",  1823,  2.  Heft). 

2» 


—     20     — 

Vorbereitung-  der  Landung  opferte,  hätten  aber  zur  glänzendsten 
Ausrüstung  der  Großen  Armee  vollauf  genügt. 

Das  alles  —  die  gigantischen  Vorbereitungen  der  Landung 
und  die  Vernachlässigung  der  Vorbereitung  eines  Kontinental- 
ki'ieges  —  sollte  Napoleon  nur  zum  Zweck  einer  Demonstration 
gemacht  haben?  Nein!  Man  ist  von  Napoleon  zwar  an  Großes  ge- 
wöhnt, aber  eine  Demonstration  so  gigantischer  Größe  hat  selbst 
Napoleon  nicht  unternommen.  Sie  läge  auch  gar  nicht  in  seinem 
Charakter:  Napoleon  hat  sehr  wenig  demonstriert,  er  hat  immer 
fest  zugegriffen.  Napoleon  hatte  zweifellos  die  feste  Absieht, 
in  England  zu  landen. 

Nach  allen  Äußerungen  Napoleons,  nach  seinen  Vorbereitungen 
und  nach  seinem  Verhalten  kann  man  ruhig  behaupten,  daß  er  in 
den  Jahren  1804  und  1805  tatsächlich  die  Absicht  gehabt  hat,  den 
Krieg  nach  England  hinüberzuspielen.  Die  gegen  England  ange- 
sammelte starke  Armee  setzte  ihn  allerdings  auch  in  die  Lage,  auf 
dem  Kontinente  willkürlich  zu  handeln. 

Von  dem  Verhalten  der  Kontinentalmächte  und  von  dem  Ge- 
lingen der  die  Landung  vorbereitenden  Operationen  der  Flotte 
mußte  es  abhängen,  was  Napoleon  unternahm:  die  Landung  oder 
einen  Kontinentalkrieg.  Das  konnte  natürlich,  wie  bei  allen  ähn- 
lichen Unternehmungen,  nur  der  Augenblick  entscheiden. 

Wie  ernst  man  übrigens  damals  Napoleon  in  England  ge- 
nommen hat,  zeigt  ein  Brief,  den  Gentz  am  26.  September  1805 
schrieb:  „Ein  vorgestern  angekommener  englischer  Kurier  hat  Nach- 
richten aus  London  bis  10.  September  gebracht.  Man  war  in  einem 
allgemeinen  Entzücken  über  den  Aufbruch  des  Boulogner  Lagers 
und  über  die  Perspektive  eines  nahen  Kontinentalkrieges." 

Die  Äußerung  Napoleons  gegen  Metternich,  daß  er  die  für 
einen  Kontinentalkrieg  bestimmte  Armee  nirgend  ohne  Aufsehen 
bereitstellen  konnte  als  eben  nur  zum  Scheine  gegen  England, 
konnte  von  Napoleon  nicht  ernst  gemeint  sein. 

Die  französische  Armee  hatte  einenFriedensstand  von  über  400.000 
Mann;   bei   Boulogne   waren   höchstens  130.000  Mann  konzentriert. 

Wie  das  nebenstehende  Kärtchen  zeigt,  fällt  in  einen  mit  dem 
Eadius  Straßburg-Boulogne  um  Straßburg  beschriebenen  Kreis  der 
größere  Teil  von  Frankreich. 

In  diesem  ganzen  straßenreichen  Teile  Frankreichs  hätte  die 
bei  Boulogne  konzentrierte  Kraft,  wenn  sie  tatsächlich  gegen  Öster- 


—     21     — 

reich  bestimmt  gewesen  wäre,  ohne  jedes  Aufsehen  in  beliebigen 
Gruppen  zur  Schulung  vereinigt  und  für  den  Krieg  bereitgestellt 
werden  können;  bei  geschickter  Gruppierung  hätte  ihre  Versammlung 
am  Ehein  viel  leichter  und  rascher  erfolgen  können  als  durch  den 
Marsch  der  versammelten  Armee  von  Boulogne  nach  Straßburg.  Die 
Anhäufung   der  Armee   bei   Boulogne    spricht   daher   auch  für  den 


Ernst  des  Planes  der  Landung  in  England.  Napoleon  wollte  mit 
seiner  Äußerung  —  wenn  sie  richtig  wiedergegeben  worden  ist  — 
nur  den  militärischen  Laien  Metternich  irreführen. 


Am  22.  Januar  schrieb  Napoleon  an  General  Pino:  „Bis  zu 
dieser  Stunde  weiß  ich  nicht,  ob  Österreich  Krieg  führen  will;  aber 
die   militärische    Lehre   fordert,    der   Gewalt   die   Gewalt   entgegen- 


—     22     — 

zustellen,  und  eine  vernünftiae  Politik  fordert,  sich  von  dem  Augen- 
blick  an   bereitzumachen,    als   man  von  einer  flacht  bedroht  wird." 

Die  Ende  Januar  eingelaufene  friedliche  Antwort  des  Kaisers 
Franz  auf  den  Brief  vom  1.  Januar  veranlaßte  Napoleon,  die  Truppen- 
sendungen   nach   Italien   und   die  Kriegsvorbereitungen  einzustellen. 

Im  Dezember  1804  hatte  Erzherzog  Karl  vom  Kaiser  den  Auf- 
trag erhalten,  einen  Operationsplan  gegen  Frankreich  unter  Berück- 
sichtigung der  Mitwirkung  der  Russen  auszuarbeiten. 

Erzherzog  Karl  kam  diesem  Auftrage  nur  widerwillig  nach. 
Schon  lange  hatte  er  seinen  ganzen  Einfluß  aufgeboten,  um  die 
Monarchie  vor  dem  verderblichen  Kriege  zu  l)ewahren.  In  einer 
Denkschrift  vom  12.  April  1804  —  Beilage  2  —  führte  er  dem  Kaiser 
die  Lage  der  Monarchie  in  ungeschminkter  Darstellung  vor  Augen. 
Cobenzl  setzte  aber  alle  Hoffnung  auf  Rußland,  auf  die  inneren  Zer- 
würfnisse Frankreichs  —  eine  fixe  Idee  Oobenzls,  Macks  und  ihres 
Anhanges  —  und  auf  die  unheilbare  Eifersucht  zwischen  den 
Generalen  Napoleons.  Weil  aber  die  Schwächen  des  Staates  und 
die  Mängel  der  Wehrmacht  selbst  diesem  optimistischen  .Minister 
nicht  unbekannt  sein  konnten,  schob  er  leichtfertig  die  Schuld  an 
den  Mängeln  der  Wehrmacht  auf  den  Erzherzog  Karl,  „auf  den 
einzigen  jMann,  der  noch"  —  wie  der  Herzog  Albert  von  Sachsen- 
Teschen  schrieb —  „die  Ehre  der  Monarchie  aufrecht  erhalten  hatte". 

Der  Widerstand  des  Erzherzogs  Karl  wurde  durch  eine  der 
häßlichsten  Intrigen  beseitigt.  Man  wollte  ihn  vom  Präsidium  des 
Hofkriegsrates  entfernen,  um  seinen  Einfluß  zu  schmälern. 

Um  den  friedfertigen  Kaiser  gefügig  zu  machen,  wußte  Cobenzl 
ihn  dahin  zu  bringen,  sieh  über  die  militärische  Situation  auch  von 
einer,  vom  Erzherzog  unabhängigen  geeigneten  Persönlichkeit  be- 
raten zu  lassen.  Zum  Unglück  Österreichs  war  dieser  von  Cobenzl 
empfohlene  ^lann  der  FML.  Mack,  der  seit  seiner  Flucht  aus 
Frankreich  (1800)  unangestellt  in  Böhmen  lebte.  Im  März  1804 
schrieb  Cobenzl  schon  an  CoUoredo  über  Mack,  den  er  über  die 
Mobilisierung  zu  Rate  ziehen  wollte.  Im  Herbste  1804  wurden  Mack 
bestimmte  Fragen  in  seinen  Aufenthaltsort  zugeschickt;  später 
wurde  er  nach  Wien  berufen.  Obwohl  er  seit  seinem  Abgang  nach 
Neapel  (1799)  keinen  tieferen  Einblick  in  die  österreichischen 
Heeresverhältnisse  hatte  und  ihm  das  Material  und  die  Daten 
fehlten,  die  gestellten  Fragen  gründlich  und  gewissenhaft  beant- 
worten zu  können,   kam   er   doch   in   allen   seinen  Denkschriften  zu 


—     23     — 

Schlüssen,  die  der  Kriegspartei  in  die  Hände  arbeiteten.  Dies  und 
die  Art,  wie  er  in  seinen,  im  Dezember  1804  dem  Kaiser  über- 
sendeten „Freimütigen  Betrachtuugen  über  den  alten  und  neuen 
Hofkriegsrat"  allen  vom  Erzherzog  Karl  ins  Leben  gerufenen  Ver- 
besserungen gehässig  entgegentrat,  wie  er  mit  allgemeinen  Phrasen 
und  nicht  ganz  der  Wahrheit  entsprechenden  Angaben  ein  ganz 
falsches  Bild  vom  alten  Hofkriegsrate  entwarf,  nur  um  zum  Ur- 
teil zu  kommen:  der  Erzherzog  habe  in  leichtsinniger  Weise  seine 
neue  Aufgabe  in  AngriÖ"  genommen,  zeigt  klar  und  deutlich,  daß 
sich  Mack  über  seine  Rolle  in  dem  Intrigenspiel  vollkommen  klar 
war    und  daß  er  sich  zu  dieser  Rolle  wissentlich  hergegeben  hat^). 

Während  Erzherzog  Karl  unermüdlich  vor  dem  Kriege  warnte, 
trieben  Cobenzl  und  Mack  dem  Kriege  zu;  Mack,  indem  er  in  lang- 
atmigen Denkschriften  dartat,  daß  die  Mobilmachung  und  Versamm- 
lung der  Armee  nicht  sechs  Monate  danern  würden,  wie  der  Erz- 
herzog angab,  sondern  in  viel  kürzerer  Zeit  bewirkt  werden 
könnten.  „Das  ganze  Ministerium  wünschte  den  Krieg;  die  Staats- 
kanzlei, weil  sie  in  ihrer  Geistesarmut  keinen  anderen  Ausweg  mehr 
kannte,  die  Finanzen,  weil  sie  es  bequemer  fanden,  auf  den  Deus 
ex  machina  zu  hoffen,  und  die  Hofkauzlei,  weil  ihr  Chef  dadurch 
hoffte  und  dachte,  dem  Monarchen  gefällig  zu  sein."  So  beurteilte 
FML.  Fürst  Schwarzenberg,  der  Vizepräsident  des  Hofkriegsrates 
und    spätere    Sieger   von   Leipzig,    die  Tätigkeit  des  Ministeriums  2). 

Der  unermüdlichen  Miuierarbeit  gelang  es  endlich,  den  Erz- 
herzog aus  dem  Hofkriegsrate  zu  verdrängen;  er  blieb  fortan  nur 
Kriegsminister  oder  wie  er  sich  selbst  ausdrückte:  „aus  einem  wirk- 
samen wurde  er  nun  ein  bloß  begutachtender  Minister".  Zum 
Präsidenten  des  Hofkriegsrates  wurde  der  alte  FZM.  Graf  Latour 
ernannt,  von  dem  der  französische  Gesandte  nach  Paris  berichtete, 
man  habe  von  seinen  Talenten  nur  eine  sehr  geringe  Meinung  und 
sage,  er  gebe  sich  ein  wenig  zu  sehr  dem  Weingenusse  hin. 

Mit  der  Verdrängung  des  Erzherzogs  noch  nicht  zufrieden, 
ruhten  die  Hintermänner  Maeks  nicht,  bis  es  ihnen,  trotz  dem 
heftigsten  Widerstände  des  Erzherzogs  Karl  gelungen  war,  die  Er- 
nennung des  FML.  Mack  zum  Generalquartiermeister  an  Stelle  des 
FML.  Duka  durchzusetzen  (24.  April  1805). 

^)  Wertheimer,  „Erzherzog  Karl  als  Präsident  des  Hofkriegsrates",  Archiv 
für  österreichische  Geschichte,  Bd.  GG. 
2)  Kriegsarchiv,  Mem.,  IX,  247. 


—     24     — 

Während  Österreich  und  Frankreich  um  die  Jahreswende  nahe 
daran  waren,  sich  Itahens  wegen  zu  bekriegen,  hatte  England  bei 
der  immer  drohender  werdenden  Gefahr  der  Landung  alles  daran- 
gesetzt, die  Kontinentalmächte  gegen  Napoleon  auszuspielen.  Zuerst 
gelang  es  ihm,  Schweden  auf  seine  Seite  zu  bringen.  Der  Vertrag 
vom  o.  Dezember  1804  öffuete  Stralsund  den  Engländern  für  den 
Handel,  für  die  Aufstapelung  von  Kriegsmaterial  und  für  die  Auf- 
stellung einer  hannoverischen  Legion.  Als  Preußen  daraufhin  er- 
klärte, daß  es  keinen  Angriff  auf  Hannover  von  Pommern  aus  dulden 
werde,  schloß  Schweden  am  14.  Januar  1805  einen  Vertrag  mit 
Eußland,  wonach  dieses  Truppen  in  Pommern  landen  könne.  Am 
19.  Januar  1805  begannen  die  Verhandlungen  zwischen  England 
und  Rußland  zum  Abschluß  einer  Koalition.  Am  18.  Februar  1805 
verlangte  Pitt  im  englischen  Parlament  fünf  Millionen  Pfund  für 
den  Gebrauch  auf  dem  Kontinente. 

Zur  selben  Zeit,  als  die  Clique  Oobenzl  in  Wien  alle  Mittel 
anwandte,  um  den  einzigen  Mann  kalt  zu  stellen,  der  Österreichs 
Lage  klar  erkannte  und  dessen  kluge  Haltung  Österreich  hätte  vor 
Unglück  bewahren  können,  faßte  Napoleon  den  Entschluß,  sich 
selbst  die  Krone  Italiens  aufs  Haupt  zu  setzen.  Nachdem  Talleyrand 
am  12.  März  den  Gesandten  in  Wien  beauftragt  hatte,  das  Staunen 
Napoleons  darüber  auszusprechen,  daß  die  österreichischen  Truppen 
noch  immer  nicht,  wie  versprochen,  zurückgezogen  worden  seien 
und  bekanntzugeben,  daß  der  Kaiser  über  die  Versuche  Englands 
und  Rußlands,  Österreich  fortzureißen  und  über  die  österreichischen 
Verhandlungen  in  Berlin  sehr  gut  unterrichtet  sei,  teilte  Napoleon 
in  einem  Schreiben  vom  17.  März  1805  dem  Kaiser  Franz  die  An- 
nahme der  italienischen  Königskrone  mit  den  friedlichsten  Versiche- 
rungen als  provisorische  Maßregel  mit;  am  24.  März  wurde  dies 
auch  der  österreichischen  Regierung  notifiziert. 

Diese  Nachricht  versetzte  die  österreichischen  Diplomaten  in 
Schrecken.  Obwohl  die  Tatsache  der  Krönung  Napoleons  an  den 
Verhältnissen  gar  nichts  änderte  —  ob  Italien  Republik  blieb  oder 
Königreich  wurde,  ob  die  Krone  ein  Bruder  Napoleons,  Napoleon 
selbst:  oder  sonst  jemand  trug:  Italien  war  und  blieb  Vasallenstaat 
Napoleons,  der  souverän  über  alle  Hilfsmittel  und  Kraftquellen  dieses 
Landes  verfügte  —  stießen  sich  die  Politiker  doch  an  der  Änderung 
der  äußeren  Form  und  sahen  erst  in  dieser  die  Schädigung  Öster- 
reichs und  die  Gefährdung  des  Friedens.    Die  innerste  Unwahrheit, 


—    25    — 

Zerfahrenheit  und  Unfähigkeit  der  zünftigen  österreichischen  Poli- 
tiker zeigte  sich  nirgends  klarer  als  daran,  daß  diese  Politiker  ihre 
Augen  vor  den  tatsächlichen  Verhältnissen  verschlossen  hielten  und 
Österreich  erst  in  den  Krieg  hetzten,  als  diese  im  Wesen  bestehenden 
Verhältnisse  auch  in  der  Form  aller  Welt  klar  gezeigt  wurden.  Die 
österreichischen  Politiker  ließen  nun  alle  bisherigen  Bedenken  fallen : 
sie  wollten  jetzt  den  völligen  Anschluß  an  Eußland,  obwohl  sie 
wußten,  daß  dieser  Anschluß  gleichbedeutend  mit  dem  Kriege  war. 
Nur  Erzherzog  Karl,  der  Soldat  und  Feldherr,  war  noch  mit 
aller  Entschiedenheit  für  den  Frieden.  Er  verwies,  wie  schon  so 
oft,  abermals  darauf,  daß  Österreich  ganz  und  gar  unfähig  sei,  einen 
Krieg  gegen  Napoleon,  selbst  mit  Hilfe  Eußlands,  mit  Erfolg  zu 
Ende  zu  führen  ;  er  verwies  darauf,  daß  man  sich  nie  auf  Verbündete, 
sondern  nur  auf  seine  eigene  Kraft  verlassen  könne;  daß  man  daher 
alles  daransetzen  müsse,  diese  Kraft  systematisch  und  des  Endzweckes 
voll  bewußt  zu  stärken  und  zu  organisieren,  wozu  die  Sanierung 
aller  Zweige  der  Staatsverwaltung  nötig  sei;  er  betonte,  daß  dazu 
Jahre  ernster,  durchgreifender  Arbeit  nötig  seien,  also  mehrjähriger 
Friede;  daß  Österreich  während  dieser  Zeit  leider  dulden  müsse, 
was  zu  verhindern  es  nicht  die  Kraft  besitze,  mit  der  Überzeugung, 
daß  die  Zeit  kommen  werde,  wo  die  wieder  gestählte  Kraft  alles 
Verlorene  und  Versäumte  gut  machen  werde.  Die  Diplomaten  und 
deren  Anhang,  die  den  Erzherzog  Karl  haßten,  weil  dessen  Ab- 
sichten von  allen  Staatsbeamten  ehrliche,  reelle  und  uneigennützige 
harte  Arbeit  gefordert  hätten,  wollten  sich  nicht  von  diesen  ein- 
fachen Wahrheiten  überzeugen  lassen.  Aber  Kaiser  Franz  stellte  sich 
noch  auf  des  Erzherzogs  Seite.  Demnach  fiel  die  Antwort  auf  Na- 
poleons Anzeige  sehr  versöhnlich  aus. 

In  Petersburg  war  man  mit  dieser  Haltung  Österreichs  sehr 
unzufrieden.  Im  Juni  1804  hatte  Österreich  erklärt,  daß  es  die  Ver- 
einigung Italiens  mit  Frankreich  oder  selbst  die  Errichtung  eines 
Königreiches  Italien  für  einen  Bruder  Napoleons  nicht  duldeu  könnte. 
Jetzt  geschah  das  Äußerste,  und  Österreich  blieb  doch  untätig. 

Am  11.  April  1805  war  in  Petersburg  die  Allianz  zwischen 
England  und  Rußland  perfekt  geworden,  ohne  daß  Österreich  den 
Verhandlungen  zugezogen  worden  war,  obwohl  nur  der  Beitritt  Öster- 
reichs diesem  Bunde  Wert  geben  konnte  und  obwohl  dessen  Beitritt 
der  Lage  nach  unausweichlich  geworden  war.  Dahin  hatte  es  aber 
die  Staatskunst  der  Cobenzl  und  Genossen  gebracht,  daß  man  Öster- 


—     26    ~ 

reich  einfach  ignorierte,  daß  man  es  immer  in  eine  Zwangslage 
brachte  und  es  selbst  wider  Willen  zu  einem  aussichtslosen  Kriege 
zwang.  England  und  Rußland  konnten  bei  einem  Kriege,  welchen 
Ausgang  er  immer  nehmen  mochte,  nur  gewinnen;  die  Rechnung 
mußte  Öi-terreich  allein  zahlen.  Großmütig  stellten  sie  es  Österreich 
frei,  der  Allianz  einfach  beizutreten,  es  erhalte  in  diesem  Falle  von 
England  für  jedes  Jahr  1^4  Millionen  Pfund  Subsidien  und  außer- 
dem eine  fünfmonatige  Subsidie  =  520.000  Pfund  als  Mobilisierungs- 
beitrag. 

Die  österreichischen  Diplomaten  waren  zwar  für  den  Krieg, 
weigerten  sich  aber,  dem  Vertrag  einfach  beizutreten,  weil  die  Be- 
stimmungen des  Vertrages  weit  über  die  im  Novemberabkoramen 
festgesetzten  Verpflichtungen  Österreichs  hinausgingen  und  zweifellos 
den  Ausbruch  des  Krieges  sofort  zur  Folge  haben  mußten.  Man  er- 
klärte, den  Krieg  nicht  vor  dem  Frühjahre  180G  beginnen  zu 
können.  Dem  englisch-russischen  Übereinkommen  nach  sollte  der 
Zar  nochmals  versuchen,  zwischen  Frankreich  und  England  zu  ver- 
mitteln, bevor  man  zu  den  Waffen  griff.  Österreich  wurde  ver- 
ständigt, daß  ein  Spezialgesandter  nach  Paris  gesendet  werde,  der 
direkt  mit  Napoleon  zu  verhandeln  habe;  er  solle  Napoleon  den  leb- 
haften Wunsch  des  Zaren  mitteilen,  dem  Kriege  ein  Ende  zu  machen, 
aber  auch  bekanntgeben,  daß  Rußland  mit  England  und  anderen 
Staaten  energische  Maßregeln  ergreifen  müßte,  wenn  die  Unterhand- 
lungen ohne  Erfolg  blieben.  Österreich  wurde  aufgefordert,  die 
Aktion  dieses  Gesandten  zu  unterstützen.  Die  österreichischen  Diplo- 
maten, die  zwar  zündelten,  aber  vor  dem  Brande  zurückschreckten, 
drangen  auf  Milderung  der  in  Paris  zu  stellenden  Forderungen,  weil 
sonst  der  Bruch  zweifellos  war;  die  Unterstützung  der  Forderungen 
in  Paris  lehnten  sie  aber  unbedingt  ab.  Sie  waren  selbst  bereit,  die 
Ansprüche  Österreichs  in  Italien  einzuschränken,  nur  um  Napoleon 
nicht  zu  reizen.  Dagegen  wollten  sie  die  zwischen  einzelnen  Staaten 
abgeschlossenen  Verträge,  wie  die  Friedensverträge  von  Luneville 
und  Amiens,  unter  den  Schutz  des  Völkerrechtes  gestellt  sehen,  so 
daß  alle  auch  an  den  Verträgen  nicht  beteilijrten  europäischen 
Mächte  zu  Hütern  ihrer  Einhaltung  berufen  wäreu.  Wie  wenig  er- 
kannten diese  Diplomaten  das  innerste  We^en  der  Politik  als  Kampf 
der  Interessen,  der  sich,  wie  jeder  Kampf,  über  alle  Schranken  des 
geschriebenen  Rechtes  hinwegsetzen  muß  —  wenn  kein  strafender, 
durch  Kraft  und  Macht  gestützter  Richter  hinter  dem  Rechte  steht ! 


—     27     — 

Wie  wenig  erkannten  sie  den  Charakter  Napoleons,  wenn  sie  meinten, 
daß  er  sich  durch  derartige  papierene  Schutzwände  abhalten  ließe, 
seine  überlegene  Macht  rücksichtslos  zu  gebrauchen,  wo  er  doch  nur 
einer  ebenbürtigen,  gleich  rücksichtslos  verwendeten  Kraft  Achtung 
gezollt  hätte. 

Die  zögernde  Haltung  des  Wiener  Kabinetts  verstimmte  den 
Zaren  tief,  ohne  ihn  abzuhalten,  auf  seinem  Wege  fortzuschreiten. 
Durch  Vermittlung  Preußens  war  der  russische  Spezial gesandte  schon 
auf  der  Reise  nach  Paris,  als  ein  neuer  Schritt  Napoleons  die  üe- 
müter  Europas  in  Aufregung  versetzte.  Parma,  Piacenza  und  das 
Gebiet  der  Ligurischen  Republik  waren  völlig  von  Frankreich  und 
vom  Königreich  Italien  umschlossen;  eine  Selbständigkeit  dieser 
zwerghaften  Staatswesen  war  unter  diesen  Verhältnissen  wohl  aus- 
geschlossen. Napoleon,  ein  Feind  jeder  halben  Maßregel,  dekretierte 
daher  am  4.  Juni  die  Vereinigung  dieser  Gebiete  mit  Frankreich. 

Nach  den  Krönungsfeierlichkeilen  in  Mailand  reiste  Napoleon 
an  die  Etsch,  um  die  Festungen  Verona  und  Legnago  zu  besich- 
tigen. In  Verona  wurde  Napoleon  im  Auftrage  des  Kaisers  Franz 
am  16.  Juni  von  General  Vincent  liegrüßt.  Nach  dem  Diner  sprach 
der  Kaiser  über  die  politische  Lage  in  Europa.  Er  sagte  klar  und 
bestimmt,  daß  er  keinen  Krieg  auf  dem  Kontinente  wolle,  daß  er 
mit  Österreich  in  Frieden  leben  wolle  und  daß  Rußland  Österreich 
wohl  zum  Kriege  treibe,  es  aber  dann  im  Stiche  lassen  werde  ^). 

Aber  auch  diese  Verkündigung  der  friedlichen  Absichten  Na- 
poleons blieb  ohne  Erfolg. 

Durch  eine  am  17.  Juni  in  Wien  überreichte  Note  verlangte 
Kaiser  Alexander  eine  bestimmte  Erklärung,  ob  Östermch  an  dem 
Kriege  teilnehmen  wolle  oder  nicht;  er  sei  des  ewigen  Zögerns 
müde,  zöge  sich  im  Weigerungsfalle  von  Österreich  ganz  zurück 
und  tiberließe  es  auch  im  Falle  eines  Angriffes  Napoleons  seinem 
Schicksale.  Von  Österreichs  Entschluß  hänge  das  Schicksal  Europas 
ab.  Wenn  es  sich  der  Koalition  anschließe,  dann  müsse  Preußen, 
ob  freiwillig  oder  gezwungen,  mittun.  Gleichzeitig  wurden  in  einer 
als  Operationsplan  bezeichneten  Denkschrift  (Beilage  3)  die  Besorg- 
nisse Österreichs  über  die  unzureichenden  Kräfte  der  Koalition  wider- 
legt.    Auch   der  russische  General  v.  Wintzingerode,    der  zur  Fest- 

^)  Nach  dem  Manuskript  von  „Napoleons  Besuch  an  der  Etseh-Linie  im 
Juni  1805'  von  Hauptmann  Noumann  von  SpaUart.  Dieser  Aufsatz  wird  in  den 
„Mitteilungen  des  k.  u.  k.  Kriegsarchivs''  erseheinen. 


—     28     — 

legung  eines  gemeinsamen  Operationsplanes  Mitte  Juni  in  Wien  ein- 
getroffen v/ar,  drängte  zur  Annahme  der  rassischen  Anträge.  Die 
Furcht,  sich  Rußland  für  immer  zu  verfeinden,  es  zu  einer  Annähe- 
rung an  Preußen  und  Frankreich  zu  verleiten,  uod  die  Besorgnis, 
daß  die  Unersättlichkeit  Napoleons  doch  in  Italien  zum  Zusammen- 
stoße zwischen  Frankreich  und  Österreich  führen  werde,  brachten 
die  österreichischen  Diplomaten  und  den  Kaiser  Franz  endlich  dazu, 
sich  Eußland  ganz  anzuschließen.  Nach-  einem  Vortrage  Cobenzls 
vom  2.  Juli  gab  der  Kaiser  seine  Einwilligung  zu  den  Verhand- 
lungen mit  Rußland  und  England.  FML.  v.  Maek  erhielt  den 
Auftrag,  mit  General  v.  Wiutzingerode  die  Verwendung  der  gemein- 
samen Streitkräfte  zu  vereinbaren.  Am  16.  Juli  führten  diese  Ver- 
handlungen zum  Abschlüsse  des  militärischen  Übereinkommens,  wo- 
nach die  russische  Armee  am  16.  August  die  österreichische  Grenze 
bei  Brody  überschreiten  sollte. 

Am  28.  Juli  schloß  der  österreichische  Botschafter  in  Peters- 
burg mit  der  russischen  Regierung  und  mit  dem  englischen  Bot- 
schafter Deklarationen  ab,  wonach  sich  Österreich  der  Koalition  an- 
schloß und  von  England  für  das  Jahr  1805  3  Millionen  Pfund 
Subsidien  erhielt,  wovon  die  Hälfte  sofort  als  Mobilisierungsbeitrag 
auszuzahlen  war.  Mit  diesem  Übereinkommen  war  tatsächlich  der 
Krieg  von  den  Alliierten  beschlossen,  denn  es  konnte  keinem  Zweifel 
unterliegen,  daß  das  Überschreiten  der  österreichischen  Grenze  durch 
die  Russen  für  Napoleon  die  Kriegserklärung  war.  was  auch  in 
Österreich  erkannt  wurde,  weshalb  man  alle  Mobilisierungsvor- 
kehrungen auf  den  Einmarschtag  der  Russen  basierte.  Um  so  auf- 
fallender ist  es,  daß  weder  in  dem  Vortrage  an  den  Kaiser  vom 
2.  Juli  ')  noch  in  der  darauf  gefaßten  kaiserlichen  Resolution  ^)  vom 
Kriege,  sondern  nur  von  einer  „bewaffneten  Demonstration  zur 
Unterstützung  der  Friedens-  und  Mediationsanträge"  gesprochen 
wird.  In  beiden  Schriftstücken  wird  auch  noch  von  der  Friedens- 
mission des  russischen  Spezialgesandten  gesprochen,  obwohl  dieser, 
auf  die  Nachricht  von  der  Einverleibung  Genuas  vom  Kaiser  Alex- 
ander rückberufen,  schon  längst  auf  der  Rückreise  nach  Peters- 
burg war. 

Weil  nach  dem  Antrage  Macks  in  Österreich  nur  insgeheim 
und    unter  den  verschiedensten  Vorwänden  gerüstet    wurde,    suchte 

^)  Siehe  Fournier,  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  304. 
^)  Beer,  „10  Jahre  österreichische  Politiii",  S.  496. 


—     29    — 

man  noch  durch  Verhandlungen  Zeit  zu  gewinnen.  Cobenzl  sandte 
gegen  Ende  Juli  eine  Deklaration  an  Frankreich,  Preußen  und  Ruß- 
land, in  der  die  Rüstungen  Österreichs  als  Folge  der  Rüstungen 
Napoleons  bezeichnet  werden,  so  daß  Österreich  nur  gleichen  Schritt 
mit  Frankreich  halte;  gleichzeitig  wurde  um  Aufklärung  über  die 
jüngsten  Maßnahmen  Frankreichs  in  Italien  ersucht  und  die  Ver- 
mittlung zwischen  Rußland  und  Frankreich  angetragen.  Cobenzl  be- 
zeichnete selbst  als  Zweck  der  Deklaration,  Napoleon  in  Sicherheit 
zu  wiegen  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  dieser  den  Marsch  der  Russen 
erfahre.  Aber  Napoleon  war  zu  gut  über  die  Vorgänge  in  Österreich 
unterrichtet,  um  sich  täuschen  zu  lassen. 

Am  23.  Juli  schrieb  Napoleon  an  Eugen  Beauharnais : 

„Ich  hoffe  mit  Grund,  daß  der  Krieg  nicht  stattfinden  wird : 
aber  Österreichs  Vorbereitungen  sind  derart,  daß  ich  mich  in  Be- 
reitschaft setzen  muß." 

Am  24.  Juli  wiederholte  er  an  Eugen : 

„Ich  denke  nicht,  daß  Österreich  so  unklug  wäre,  Krieg  zu 
führen  .  .  .  .,  aber  solange  der  Friede  mit  England  nicht  geschlossen 
ist,  ist  es  gut,  bereit  zu  sein;" 

und  am  27.  schrieb  er  ihm: 

„Sie  sagen,  daß  alle  Gerüchte  vom  Kriege  sprechen.  Es  ist 
nicht  nötig,  diese  Gerüchte  zu  bestreiten.  Was  übrigens  Österreich 
macht,  tut  es  wahrscheinlich  aus  Furcht;  übrigens  könnte  ich  wohl  nicht 
dulden,    daß  Österreich   sich  vorliereitet,    und   müßte  es  überfallen," 

und  am  31.  Juli  an  Talleyrand : 

„Die  aus  Italien  erhaltenen  Meldungen  sind  alle  kriegerisch 
und  Österreich  beachtet  wahrhattig  gar  keine  Mäßigung  mehr." 

Anfang  August  läßt  Napoleon  dreimal  an  Österreich,  das  letzte- 
mal  am  16.  August,  die  kategorische  Aufforderung  richten,  nicht 
mehr  allein  Friedensversicherungen  zu  geben,  sondern  auch  darnach 
zu  handeln ;  er  verlange  Abrüstung  und  daß  alle  Truppen  in  ihre 
Friedensgarnisonen  zurückkehren ;  er  fordere  weiters  von  Österreich 
strikte  Neutralität  in  seinem  Kriege  mit  England  und  lehne  jede 
Vermittlung  zwischen  Frankreich  und  Rußland  ab. 

Am  13.  August  scheint  in  Napoleon,  der  ja  schon  lange  mit 
der  Möglichkeit  des  Krieges  mit  Österreich  rechnete,  die  Krisis 
im  Entschluß  eingetreten  zu  sein.  Man  glaube  ja  nicht,  daß  selbst 
ein  im  Entschlüsse  so  starker  Mensch  wie  Napoleon  einen  großen, 
folgenschweren  Entschluß  blitzartig  faßt   oder  daß  er  einen  solchen 


—     30     — 

Entschluß  ohne  Sehwanken  in  jahrelanger  Vorbereitung  unverändert 
festhält. 

So  blieb  auch  der  Gedanke  der  Landung  nicht  unverändert 
im  Laufe  der  Zeit  bestehen.  Napoleon  mochte  wirklich  eine  Zeitlang 
die  Absicht  gehabt  haben,  nicht  selbst  nach  England  zu  gehen, 
sondern  einen  seiner  Generale  mit  der  Führung  zu  betrauen ;  er 
mochte  zeitweise  wirklich  nur  eine  Revolutionierung  Irlands  be- 
absichtigt haben,  ja  manchmal  nahe  daran  gewesen  sein,  den  Plan 
der  Landung  ganz  aufzugeben  und  dafür  Englands  voraussichtliche 
festländische  Verbündete  zu  bekriegen;  immer  und  immer  kam  er 
aber  wieder  auf  den  Plan  der  Landung  zurück,  immer  war  das  Re- 
sultat seines  Grübelns,  daß  ihm  dieser  Plan  unter  gewissen  Voraus- 
setzungen und  im  Vertrauen  auf  seinen  Stern  glücken  konnte.  Gab 
ihm  doch  die,  trotz  Nelson  und  trotz  der  großen  Distanz  von 
2800  hn  gelungene  Überschiflfung  nach  Ägypten  das  Recht  zur 
Hoffnung,  bei  guter  Vorbereitung  auch  den  nur  50  km  breiten 
Meeresarm  bei  Boulogne  zu  überwinden. 

Solche  wechselvolle  Phasen  macht  ein  Entschluß  in  jedem 
Hirne  durch, ,  selbst  bei  Napoleon ;  in  diesem  Beispiel  allerdings  in 
riesigen,  den  Mitmenschen  kaum  verständlichen  Dimensionen.  Hatte 
aber  Napoleon  einen  Entschluß  einmal  klar  gefaßt,  dann  folgte  die 
Tat  wie  ein  stürzender  Bergstrom,  alles  mit  sich  fortreißend,  was 
sich  ihm  entgegenstellte. 

Viele  Geschichtsschreiber  behaupten,  gestützt  auf  die  durch 
nichts  begründete  eigene  Ansicht  der  ündurehführbarkeit  einer 
Landung  in  England,  daß  Napoleon  schon  seit  Anfang  1805  oder 
noch  früher  zum  Kriege  gegen  Österreich  entschlossen  war  und  nur 
durch  seine  Politik  das  Odium  des  Kriegsbeginnes  von  sieh  abwälzen 
wollte,  daß  er  also  diesen  Entschluß  politisch  bis  zur  Reife  vorbe- 
reitete, und  dann,  als  er  glaubte,  daß  Österreich  nicht  mehr  zurück- 
könne, durch  die  systematische  Steigerung  in  seinen  Noten,  wie  bei 
einer  dramatischen  Handlung,  Österreich  die  Rolle  des  Friedens- 
brechers zuschob.  So  zeigt  mau  mit  dem  Finger  darauf,  daß  er  die 
Durchführung  der  Landung  immer  wieder  verschob  und  daß  er 
über  die  voraussichtliehe  Dauer  der  Übersehiffung  zu  verschiedenen 
Zeiten  verschiedene  Angaben  machte,  daß  er  somit  über  dieses 
Unternehmen  keine  klare  Vorstellung  hatte  oder  nur  flunkerte. 

Mit  mehr  Sicherheit  ist  zu  behaupten,  daß  Napoleon  schwer 
an  diesen  Entschlüssen  gerungen  hat,  daß  er  oft  und  oft  alle  Chancen 


—     31     — 

seines  Lieblingsgedankens,  seinen  Todfeind  im  eigenen  Lande  anzu- 
fallen, erwogen  hat,  daß  er  oft  optimistisch  auf  glücklichen  Aus- 
gang hoffte,  oft  aber  an  der  Ausführbarkeit  selbst  zweifelte,  denn 
sicher  erkannte  niemand  die  Bedingungen  für  das  Gelingen  so  gut  wie 
Napoleon.  Die  kleinen  Nebenhandlungen,  wie  die  Krönung  zum 
König  von  Italien  und  die  Annexion  Genuas,  standen  sieher  nicht 
mit  diesen  Plänen  in  direkter  Verbindung;  sie  sollten  nicht  den 
Zweck  verfolgen.  Österreich  zum  Kriege  zu  reizen,  denn  sonst  hätte 
Napoleon  diese  Handlungen  sicher  ganz  anders  in  Szene  gesetzt. 
Wozu  hätte  Napoleon  Österreich  Anfang  Januar  1805  beruhigende 
Versicherungen  über  das  Schicksal  der  Italienischen  Republik  ge- 
geben, wenn  er  tatsächlich  den  Krieg  wollte?  Doch  nicht,  um  sich 
dann  später  den  Schritt  zu  erschweren  und  sich  durch  den  Bruch 
des  Versprechens  selbst  ins  Unrecht  zu  setzen!  So  unlogische  Hand- 
lungen darf  man  Napoleon  am  wenigsten  zumuten.  Nein,  seine 
Anfang  Januar  1805  gegebenen  Versicherungen  waren  ehrlich  ge- 
meint und  er  wollte  sie  damals  auch  sicher  einhalten.  Als  aber  die 
Weigerung  Josefs,  auf  die  Nachfolge  in  Frankreich  zu  verzichten, 
und  die  spätere  Weigerung  seines  Bruders  Ludwig,  die  Krone  Italiens 
für  seinen  Sohn  anzunehmen,  seine  Pläne  störten,  und  als  auch  alle 
anderen  Kombinationen  Napoleons  scheiterten,  also  erst  nach  monate- 
langem Überlegen  und  Erwägen,  faßte  er  den  Entscliluß,  selbst  die 
Krone  Italiens  anzunehmen.  Am  Wesen  änderte  dieser  Entschluß 
nichts.  Jeder  König  von  Italien  wäre  ein  Vasall  Frankreichs  gewesen, 
genau  so  wie  es  der  Fürst  von  Piombiuo  und  der  König  von  Etrurien 
waren.  Wozu  hätte  Napoleon,  der  über  die  Unfähigkeit  Österreichs 
zum  Kriege  Anfang  1805  vollkommen  unterrichtet  war,  Österreich 
Zeit  gelassen,  sich  zu  rüsten,  wenn  er  zum  Kriege  entschlossen  war; 
wozu  hätte  er  Österreich  durch  die  Mitteilung  beschwichtigt,  daß 
sein  Entschluß  nur  eine  provisorische  Maßregel  sei,  wenn  er  Öster- 
reich provozieren  wollte?  Aber  Napoleon  mißachtete  das  kraftlose 
Österreich  zu  sehr,  um  durch  dessen  Verstimmungen  seine  Pläne 
stören  zu  lassen.  Am  13.  April  1805  sehrieb  er  an  den  italienischen 
Kriegsminister,  General  Pino:  „.  .  .  .  Es  will  mir  nicht  in  den  Sinn, 
daß  sich  das  Haus  Österreich  bloßstellen  wollte,  ohne  etwas  erhofiFen 
und  alles  verlieren  zu  können  ....  Es  ist  übrigens  unmöglich,  daß 
Österreich  den  Krieg  eher  beginnt  als  3  Monate  nachdem  es  seine 
Absicht  klargemacht  hat.  Die  Pferdekäufe,  die  großen  Park-  und 
Trainbewegungen  wären  sichere  Anzeichen  des  Krieges."  Man  muß 


—     32     — 

sich  nur  in  die  Situation  eines  Ciiarakters  wie  Napoleon  hineindenken 
und  dabei  berücksichtigen,  daß  ihn  ein  unbegrenztes  Selbstvertrauen 
oder,  besser  gesagt,  ein  klares  Erkennen  seines  Könnens  stützte,  um 
alle  seine  Handlungen,  Worte  und  Schriften  aus  dieser  Zeitperiode 
psychologisch  zu  erfassen  und  zu  verstehen.  Man  darf  sich  da  nicht 
zu  sehr  auf  Ansichten  und  Auffassungen  von  damaligen  Diplomaten 
(wie  Luchesini.  Metternich,  Cobenzl  etc.),  Sekretären,  Politikern  und 
Hofdamen  stützen,  um  Napoleons  innerste  Gedanken  ergründen  und 
sein  Verhalten  auslegen  zu  w^ollen.  Wo  immer  man  sich  in  die  Ge- 
schichte jener  Zeit  vertieft  und  für  die  fast  unerklärliche  Haltung 
der  europäischen  Mächte,  für  die  Entschlüsse  ihrer  Staatsmäüner 
und  Feldherren  Gründe  zu  erforschen  sucht,  immer  trifft  man  auf 
die  völlige  Verständnislosigkeit,  mit  der  man  damals  in  Europa 
diesem  Charakter,  dieser  gewaltigen,  dämonischen  Persönlichkeit 
gegenüberstand.  Diese  Diplomaten,  diese  Soldaten,  die  in  einer 
langen  systematischen,  an  Formalitäten  und  Traditionen  überreichen 
Schule  aufgewachsen  waren,  maßen  diesen  Mann  nach  ihrem  engen 
Gesichtskreis  und  unterlegten  seinen  Handlungen  ihre  eigenen,  nich- 
tigen Motive  und  Anschauungen;  dazu  kam  noch,  daß  ihr  ohnedies 
kurzer  Blick  durch  einen  unversöhnlichen  Haß  gegen  diesen  giganti- 
schen Mann,  der  sie  alle  als  Nichtigkeiten  erscheinen  ließ,  getrübt 
wurde.  Hat  doch  selbst  der  mit  politischem  und  militärischem 
Scharfblicke  begabte  Erzherzog  Karl  Napoleon  zu  dieser  Zeit 
durchaus  noch  nicht  richtig  gesehätzt;  wie  jämmerlich  haben  sich 
aber  Mack,  Cobenzl,  Gentz  und  viele  andere  in  ihrem  Eigendünkel 
und  in  ihrem  Haß  in  der  Beurteilung  dieses  Mannes  getäuscht: 
und  jetzt  sollte  sich  die  Nachwelt  vorzüglich  auf  das  Urteil  und 
die  Angaben  solcher  Zeitgenossen  stützen,  um  Napoleons  Größe  zu 
ergründen !  ^) 


')  Es  ist  nicht  der  Zweck  dieser  Studie,  die  Entschlüsse  Napoleons  in  der 
Zeitperiode  1802  bis  August  1805  zu  ergründen  und  dafür  Beweise  zu  suchen.  Dazu 
würde  ein  eigenes  Buch  nötig  sein.  Die  Vorgeschichte  sollte  nur  zeigen,  wie  die 
verkehrte  österreichische  Politik  den  schmählichen  Ausgang  des  Krieges  selbst 
verschuldete,  und  dazu  ist  es  gleichgültig,  welche  Absichten  Napoleon  tatsächlich 
hatte.  Es  wäre  schwer  zu  entscheiden,  in  welchem  Falle  die  österreichische  Politik 
als  ungeschickter  zu  bezeichnen  wäre:  wenn  Napoleon  tatsächlich  zur  Landung 
in  England  ernst  entschlossen  war  oder  wenn  er  damit  nur  flunkerte  und  Öster- 
reich in  einen  Krieg  locken  wollte.  Im  ersten  Falle  war  es  sicher  ungeschickt, 
Napoleon  von  England  auf  sich  zu  ziehen,  anstatt  ihn  anzufallen,  wenn  er  mitten 
in  diesem  riskanten  Unternehmen  steckte,  und  im  zweiten  Falle  wären  die  öster- 


—     38     — 

Am  13.  Aug-ust  dürfte  also,  wie  erwähnt,  der  Entschluß  zum 
Krieg  gegen  Österreich  das  erstemal  in  Napoleon  entstanden  sein, 
aber  noch  nicht  als  einziger  feststehender  Entschluß,  sondern  erst 
als  gleichwertig  neben  der  Absicht  der  Landung  in  England.  Für 
diese  Ansicht  sprechen  die  einzigen  untrüglichen  Zeugen:  die  Hand- 
lungen Napoleons  von  diesem  Tag  angefangen.  Hätte  Napoleon, 
wie  es  vielfach  behauptet  wird,  von  diesem  Tag  an  oder  sogar 
schon  früher  (7.  August)  die  Landung  endgültig  aufgegeben,  dann 
hätte  Napoleon  schon  von  diesem  Tag  an  für  den  Kontinentalkrieg 
gearbeitet,  was  aber  nicht  geschehen  ist;  immer  noch  blieb  die 
Armee  vor  allem  für  das  Landungsunternehmen  organisiert  und  dis- 
loziert. Am  13.  August  schrieb  Napoleon  an  Cambaceres:  „.  .  .  Tat- 
sache ist,  daß  Österreich  rüstet;  ich  will,  daß  es  abrüstet;  wenn  es 
das  nicht  tut,  werde  ich  ihm  mit  200.000  Mann  einen  Besuch  ab- 
statten, an  den  es  sieh  lange  erinnern  wird  ....  In  der  Tat,  man 
muß  ein  ganzer  Narr  sein,  um  mir  den  Krieg  zu  erklären.  Sicher! 
es  gibt  in  Europa  keine  schönere  Armee  als  die,  die  ich  habe."  Und 
am  selben  Tage  schrieb  er  an  Talleyrand:  „Mein  Entschluß  ist  ge- 
faßt, ich  will  Österreich  angreifen  und  vor  dem  künftigen  November 


reiehisehen  Politiker  der  napoleonisehen  Finte  gründlieh  aufgesessen ;  in  beiden 
Fällen  aber  dienten  sie  fremden  Interessen. 

Merkwürdig  ist  nur,  wie  die  Gesehielitssehreibung  diesem  Manne  gar  nichts 
glaubt  und  alles  zu  seinem  Nachteil  auslegt.  Die  Häufigkeit  seiner  Friedens- 
beteuerungen gegenüber  Österreich  wird  als  Zeichen  angesehen,  daß  seine  Friedens- 
liebe nicht  ehrlieh  ist,  daß  er  daher  wohl  vom  Frieden  spricht,  aber  Krieg  ineint; 
hätte  er  keine  Friedensversicherung  abgegeben,  wäre  der  Schluß  derselbe  gewesen. 
Wenn  er  dem  Admiral  Villeneuve  im  August  1805  den  Befehl  gibt,  gegen  den 
Kanal  vorzugehen,  aber  ihm  auch  für  den  Fall  ungünstiger  Verhältnisse  die 
Freiheit  läßt,  nach  Cadix  zu  gehen,  ein  Befehl,  der  dem  selbständigen  Flotten- 
führer nur  die  nötigste  Entsehlußfreiheit  wahrt,  so  wird  das  als  Beweis  dafür 
angesehen,  daß  ihm  das  Unternehmen  nicht  ernst  war!  Selbst  sein  Zorn,  seine 
Erregung,  in  die  er  kommt,  als  er  erfährt,  daß  Villeneuve  von  dieser  Freiheit 
Gebrauch  gemacht  hat,  sind  vor  dem  Forum  der  Geschichte  unecht,  berechnet. 
Napoleon,  der  im  Bewußtsein  seiner  Größe,  seine  Pläne,  seine  Absichten  oft 
Monate,  ja  Jahre  voraus  laut  hinausrief,  so  daß  Ohren,  die  hören  wollten,  sie 
vernehmen  mußten,  der  soll  in  allem  eigentlich  nichts  anderes  als  ein  großer 
Schauspieler  gewesen  sein  —  ein  „Theaterkaiser",  wie  Gentz  ihn  nannte?  Der 
gewaltigste  Kaiser,  den  es  vielleicht  je  gegeben,  ein  Theaterkaiser! 

Begreift  man  denn  den  Charakter  eines  Mannes  nicht,  der,  obwohl  tief 
unten  im  Volke  geboren,  den  römischen  Papst  zur  Kaiserkrönung  nach  Paris 
beordert  und  ihm  dann  die  Krone  aus  der  Hand  nimmt,  um  sie  sich,  hoch  auf- 
gerichtet, selbst  aufs  Haupt  zu  setzen! 

Krauss.   1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  O 


—     34    — 

in  Wien  sein,  um  den  Russen  entgegenzutreten,  wenn  sie  kommen 
sollten,  oder  ich  verlange,  daß  die  österreichischen  Truppen  nach 
Böhmen  und  Ungarn  zurückkehren  und  daß  man  mich  ruhig  Krieg 
mit  England  führen  lasse."  Am  selben  Tage  befahl  Napoleon,  dem 
österreichischen  Botschafter  in  Paris  eine  Art  Ultimatum  bekannt- 
zugeben. Talleyrand  sollte  ihm  alle  Meldungen  über  die  österreichi- 
schen Eüstungen  zur  Einsicht  geben  und,  nachdem  er  sie  gelesen,  sagen: 

„Sie  haben  soeben  eine  große  Zahl  von  Briefen  gelesen;  ich 
weiß  nicht,  welchen  Eindruck  diese  Briefe  auf  Sie  gemacht  haben; 
aber  welchen  Eindruck  glauben  Sie,  haben  sie  auf  den  Kaiser  der 
Franzosen  gemacht,  als  er  sie  in  Boulogne  las,  inmitten  seines  Lagers 
und  ganz  beschäftigt  mit  seiner  Operation  gegen  England?  Schon 
hat  er  die  Ausführung  seiner  kriegerischen  Pläne  verschoben,  da  er 
eingesehen  hat,  daß  er  nicht  mit  150.000  Mann  nach  England  über- 
gehen kann,  wenn  seine  südlichen  Grenzen  bedroht  sind.  So  hat 
denn  der  Kaiser  von  Deutschland  schon  eine  Diversion  zu  gunsteu 
Englands  gemacht!  Wohlan,  Ihr  werdet  den  Krieg  in  einem  Monat 
haben;  ja,  in  einem  Monat,  ich  sage  es  Ihnen  mit  Schmerz! 

„In  Österreich  muß  alles  in  die  Ordnung  zurückkehren,  wie  sie 
vor  drei  Monaten  bestand,  oder  Ihr  werdet  den  Krieg  in  einem 
Monat  haben.  Der  Kaiser  ist  nicht  so  einfältig,  den  Eussen  die  Zeit 
zu  lassen.  Euch  zu  Hilfe  zu  kommen;  Ihr  werdet  den  Krieg  haben 
genau  dort,  wo  Ihr  nicht  genug  Truppen  habt,  oder  dort,  wo  sie 
noch  nicht  versammelt  sind  ....  Wenn  Ihr  Herr  den  Krieg  will, 
wohlan;  aber  sagen  Sie  ihm,  daß  er  Weihnachten  nicht  in  Wien 
feiern  wird;  nicht,  daß  Ihr  nicht  eine  zahlreiche  und  starke  Armee 
habt,  aber  300.000  Mann  rasch  in  Bewegung  setzen,  das 
kann  nur  ein  einziger  Kopf  tun;  ein  Kabinett  kann  das  im 
Yergleich  dazu  nur  langsam  machen.  Und  wenn  Frankreich  sieht, 
daß  Österreich  uns  auf  Anstiften  Englands  angreift,  wird  der  Kaiser 
der  Franzosen  600.000  Mann  finden.  In  14  Tagen,  bei  Rückkehr 
des  Kuriers,  muß  der  Kaiser  der  Franzosen  nicht  nur  volle  Sicherheit 
haben,  sondern  auch  sehen,  daß  der  Kaiser  von  Deutschland  wirklich 
in  Frieden  mit  Frankreich  leben  will;  wenn  nicht,  wird  er  alle  Lager 
aufheben,  seine  Reservearmee  einberufen  und  dann  wird  der  Konti- 
nent in  Flammen  stehen  ....  Wenn  Frankreich  in  Frieden  mit 
England  wäre,  würde  es  kaum  bemerken,  wenn  25.000  Mann  in 
Tirol  stünden;  oder  es  würde  sich  den  Anschein  geben,  nichts  zu 
bemerken   und   sich  damit  begnügen,   100.000  Mann   ins  Elsaß  zu 


—    35    — 

senden.  Aber  nochmals  sei  wiederholt,  der  Kaiser  Napoleon  kann 
heute  nicht  100.000  Mann  nach  Elsaß  senden,  ohne  den  Krieg  zu 
beginnen  ....  Frankreich  kann,  wenn  es  in  Italien  bedroht  wird, 
kaum  rechtzeitig  hinkommen,  um  dort  dem  Feinde  zuvorzukommen; 
aber  es  wird  seine  Truppen  den  Ehein  passieren  lassen,  um  den 
Feind  im  Herzen  seiner  eigenen  Staaten  aufzusuchen." 

Ob  Tallejrand  dies  dem  Botschafter  tatsächlich  sagte,  kann  wohl 
nicht  ermittelt  werden,  aber  Fournier  gibt  in  „Gentz  und  Oobenzl" 
(S.  176)  an,  daß  der  französische  Gesandte  in  Wien  um  diese  Zeit 
eine  ähnliche  kategorische  Anfrage  stellte  ^). 

Am  16.  August  ermächtigte  Napoleon  Talleyrand  zum  Abschluß 
des  Vertrages  mit  Bayern.  Die  Verhandlungen  hatten  schon  im 
März  begonnen.  Am  9.  August  hatte  der  französische  Gesandte  in 
München  den  Entwurf  eines  Vertrages  eingereicht,  den  Napoleon 
jetzt  annahm.  Der  Vertrag  wurde  dann  tatsächlich  am  24.  August 
geschlossen ;  dem  Kurfürsten  von  Bayern  wurde  nicht  nur  sein 
Besitz  garantiert,  sondern  auch  eine  Vergrößerung  seines  Landes 
versprochen;  Bayern  verpflichtete  sich  dafür,  ein  Korps  von  20.000 
Mann  zu  stellen. 

Am  22.  August  erhielt  Talleyrand  den  Auftrag,  mit  Preußen 
energisch  zu  verhandeln.  Napoleon  biete  als  Preis  für  ein  Bündnis 
Hannover  an,  aber  Preußen  müsse  sich  bald  entscheiden:  „Das  ist 
ein  Anerbieten,  das  ich  in  14  Tagen  kaum  wiederholen  dürfte; 
denn  wenn  ich  einmal  meine  Lager  an  den  Küsten  aufgehoben  haben 
werde,  kann  ich  nicht  mehr  stehen  bleiben ;  ich  müßte  mein  Projekt 
der  Landung  ganz  aufgeben,  und  dann  gewänne  ich  nichts  mehr, 
wenn  ich  Hannover  an  Preußen  abträte.  Ich  verlange  eine  bestimmte 
Antwort,    denn    ich    kann  mich    auf   dem    Kontinent  nur  gesichert 


^)  Ein  Brief  des  Staatsrates  Faßbender  vom  12.  August  an  den  beurlaubten 
FML.  Fürsten  Sehwarzenberg  beweist,  daß  das  Verhalten  Napoleons  zu  dieser 
Zeit  auch  in  Wien  so  beurteilt  wurde,  daß  er  keinen  kontinentalen  Krieg  wollte. 

Faßbender,  der  den  Fürsten  über  die  politischen  Verhältnisse  in  Wien 
orientiert,  erzählt,  daß  die  österreichische  Regierung  eine  Deklaration  an  Napoleon 
und  an  alle  europäischen  Kabinette  versendet,  welche  Deklaration  auch  nicht  den 
entferntesten  Schein  einer  Drohung  enthalte.  Faßbender  sehreibt  dann: 

„Kurz,  die  Deklaration  ist  in  der  Art  abgefaßt,  daß  sobald  kein  Krieg  zu 
besorgen  ist,  denn  aus  dem  ganzen  bisherigen  Verhalten  des  Napoleon  ist  zu 
ersehen,  daß  er  es  nicht  in  seinem  politischen  Interesse  erachtet,  dermalen  Krieg 
auf  dem  Kontinent  zu  haben." 

Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  FA,  VIII,  32. 

3* 


—     36     — 

fühlen  durch  ein  festes  und  ernstes  Bündnis  mit  Preußen  oder  durch 
eine  Armee  von  200.000  Mann  am  Rhein  ^)."  Napoleon  hoffte  also 
noch  immer,  sich  durch  Preußen  den  Rücken  decken  zu  können.  Am 
selben  Tage,  am  22.  August,  schrieb  Napoleon  an  die  Admirale 
Villeneuve  und  Gautheaume :  „Stechen  Sie  in  See,  kommen  Sie  in 
den  Kanal,  und  England  ist  unser!  und  sechs  Jahrhunderte  voll 
Schimpf  und  Schande  sind  gerächt."  Daß  diese  Sprache  echt  war, 
geht  daraus  hervor,  daß  erst  am  nächsten  Tage  die  erste  Maß- 
nahme für  den  Kontinentalkrieg  angeordnet  wurde:  die  Sicher- 
stellung von  Zwieback  in  Straßburg  und  Mainz. 

Mit  dieser  Maßregel  und  mit  anderen  materiellen  Vorsorgen 
hätte  Napoleon  sicher  nicht  gewartet,  wenn  er  schon  vorher  fest 
zum  Kriege  gegen  Österreich  entschlossen  gewesen  wäre. 

In  .  dem  Briefe  vom  22.  August  erhält  Talleyrand  noch  den 
Auftrag,  dem  österreichischen  Gesandten  alle  aus  Bayern,  Dresden, 
Salzburg  und  Italien  eingelaufenen  Nachrichten  zu  zeigen  und  zu 
sagen:  „Herr  v.  Oobenzl,  wenn  all  das  nicht  bald  ein  Ende  nimmt, 
wird  der  Kaiser  von  Deutschland  in  Ereignisse  gestürzt  werden,  die 
er  verdient  haben  wird,  weil  zwei  Experimente,  deren  Resultat  so 
traurig  für  ihn  war,  ihn  nicht  auf  vernünftigere  Gedanken  bringen 
konnten."  Der  Gesandte  in  Wien  erhielt  den  Auftrag,  sobald  irgend 
eine  österreichische  Truppe  in  Bayern  einmarschiere,  seine  Pässe  zu 
verlangen. 

Am  23.  August  ist  der  Kaiser  scheinbar  schon  zum  Kriege 
gegen  Österreich  entschlossen;  er  schreibt  an  diesem  Tage  von 
Boulogne  an  Talleyrand:  „Je  mehr  ich  über  die  Situation  Europas 
nachdenke,  desto  mehr  sehe  ich,  daß  es  dringend  ist,  einen  ent- 
scheidenden  Entschluß   zu  fassen.   Ich  habe   in  Wahrheit   von   der 


^)  Dieses  Schreiben  und  der  Brief,  den  der  Marschall  Duroe  nach  Berlin 
mitnahm  (s.  S,  38)  beweisen,  daß  die  noch  oft  gelehrte  Ansicht,  Napoleon 
habe  Preußen  Hannover  angeboten,  um  sich  dessen  Neutralität  zu  siehern, 
falsch  ist.  Napoleon  hat  Hannover  an  Preußen  als  Preis  für  ein  Bündnis  ab- 
treten wollen. 

Das  spätere  Verhalten  Preußens  und  Napoleons  beweisen  übrigens,  daß 
Napoleon  nur  ein  Bündnis  mit  Preußen  angestrebt  hat.  Preußen  war  tatsächlich, 
ohne  Hannover  anzunehmen,  neutral  geblieben,  und  Napoleon  hat  die  Neutralität 
Preußens,  die  er  nach  der  falschen  Ansicht  durch  Hannover  erkaufen  wollte, 
durch  den  Marsch  Bernadottes  durch  Ansbach  selbst  schwer  verletzt.  Es  ist 
übrigens  klar,  daß  Napoleon  mit  der  Neutralität  Preußens  nicht  gedient  war, 
und  daß  nur  ein  Bündnis  für  ihn  Wert  haben  konnte. 


—     37     — 

Aufklärung  Österreichs  nichts  zu  erwarten.  Es  wird  mit  scliönen 
Phrasen  antworten  und  Zeit  gewinnen,  damit  ich  diesen  Winter 
nichts  unternehmen  könnte;  sein  Subsidienvertrag  und  seine  Koali- 
tionsakte werden  diesen  Winter  unter  dem  Vorwand  einer  be- 
waffneten Neutralität  unterzeichnet  werden  und  im  April  würde  ich 
100.000  Russen  und  Polen,  ernährt  von  England,  mit  bespannter 
Artillerie  etc.,  und  15.000—20.000  Engländer  in  Malta,  15.000  Russen 
in  Korfu  haben.  Ich  befände  mich  dann  in  einer  kritischen  Situation. 
Mein  Entschluß  ist  gefaßt. 

„Meine  Eskader  ist  am  14.  August  mit  34  Fahrzeugen  von 
Ferrol  ausgelaufen;  sie  hat  keinen  Feind  vor  sich.  Wenn  sie  ihre 
Instruktionen  befolgt,  sich  mit  der  Eskader  von  Brest  vereinigt  und 
m  den  Kanal  einläuft,  ist  es  noch  Zeit:  ich  bin  der  Herr  von 
England.  W^enn  aber  meine  Adtnirale  zögern,  schlecht  manövrieren 
und  nicht  ihre  Aufgabe  erfüllen,  habe  ich  keine  andere  Hoffnung, 
als  das  Ende  des  Winters  abzuwarten,  um  mit  der  Flottille  auszu- 
laufen. 

„Die  Operation  ist  gewagt;  sie  wäre  es  noch  mehr,  wenn 
mich  die  politischen  Ereignisse  unter  dem  Drange  der  Zeit  zwängen, 
von  hier  im  April  auszulaufen. 

„Bei  dieser  Sachlage  eile  ich  zum  Dringendsten:  ich  hebe  meine 
Lager  auf,  ersetze  meine  Bataillone  erster  Linie  durch  die  3.  Ba- 
taillone, was  mir  immer  eine  genug  beträchtliche  Armee  bei  Boulogne 
bietet,  und  am  23.  September  bin  ich  mit  200.000  Mann  in  Deutsch- 
land und  mit  25.000  Mann  im  Königreich  Neapel.  Ich  marschiere 
nach  Wien  und  lege  die  Waffen  nicht  eher  nieder,  bis  ich  Neapel 
und  Venedig  erobert  und  den  Besitz  des  Kurfürsten  von  Bayern  so 
verstärkt  habe,  daß  ich  nichts  von  Österreich  zu  fürchten  habe. 
Österreich  wird  auf  diese  Weise  sicher  im  Laufe  des  Winters  zum 
Frieden  gezwungen  werden  .  .  .  ."^) 

Am  selben  Tage  —  23.  August  —  betraute  Napoleon  den 
Marschall  Duroc    mit   der  Aufgabe,    den   König   von   Preußen   zum 


')  Dieser  Brief  und  der  Befehl  an  Marmont  vom  23.  August  (S.  115)  lassen 
erkennen,  daß  Napoleon  die  Absieht  der  Landung  in  England  selbst  mit  dem 
Abmarsch  der  Armee  von  Boulogne  nicht  fallen  gelassen  hatte.  Er  wollte  nach 
Beendigung  des  Kontinentalkrieges  im  Frühjahr  1806  auf  seinen  Lieblingsplan 
zurückkommen.  Erst  die  Vernichtung  seiner  Flotte  bei  Trafalgar  am  21.  Oktober 
1805  nahm  ihm  die  Hoffnung,  seine  Absieht  in  den  nächsten  Jahren  wieder 
aufnehmen  zu  können. 


—     38    — 

Anschluß  an  Frankreich  zu  bewegen.  Am  28.  August  schrieb 
Napoleon  an  Duroc: 

„.  .  .  .  Die  Armee  von  Hannover  hat  noch  keinen  anderen 
Befehl,  als  sich  nach  Göttingen  zu  begeben.  Wenn  ich  mich  mit 
Preußen  vergleiche,  brauche  ich  nicht  mehr  an  Hannover  zu  denken  ; 
wenn  ich  mich  mit  ihm  nicht  vergleiche,  werde  ich  in  den  festen 
Plätzen  Lebensmittel  auf  ein  Jahr,  einen  guten  Kommandanten  und 
einige  Artillerie  lassen;  und  wenn  jemand  käme  sie  zu  belagern, 
werde  ich,  bevor  die  Trancheen  beendet  sind,  über  die  belagernde 
Armee  herfallen.  Diese  Nachricht  kann  für  Sie  wichtig  sein,  weil 
man  glauben  könnte,  ich  hätte  mehr  Interesse,  Hannover  zu  ver- 
äußern, als  es  zu  behalten.  Es  wären  nur  3000  Mann,  die  mich  die 
Absage  Preußens  kosten  würde,    d.  h.  die   Garnison  von   Hameln." 

Duroc,  der  erst  am  30.  August  abreiste,  nahm  auch  ein 
Schreiben  Tallevrands  an  den  Gesandten  in  Berlin  mit,  in  dem 
es  heißt: 

„Das  Bündnis  mit  Preußen  soll  den  Frieden  von  Deutschland 
garantieren  und  das  Gleichgewicht  in  Europa  erhalten.  Preußen  soll 
dazu  bedeutend  vergrößert  werden.  Frankreich  verlangt  von  Preußen 
nichts  und  gibt  ihm  alles.  Wird  Preußen  angegriffen,  dann  ist  der 
Krieg  gemeinsam.  Das  Bündnis  ist  gegen  niemand  gerichtet:  nicht 
gegen  England  und  selbst  nicht  gegen  Österreich." 

Preußen  blieb  gegen  die  Lockungen  Napoleons  ebenso  taub, 
wie  es  den  Bemühungen  Österreichs  und  den  Drohungen  Eußlands, 
die  den  Anschluß  an  die  Koalition  wünschten,  widerstand.  Der 
König  von  Preußen  hoffte  trotz  des  Ijevorstehenden  europäischen 
Krieges  strikte  Neutralität  bewahren  zu  können,  eine  Hoffnung,  die 
Preußen   mit   der  Niederlage   im   Jahre  1806  bitter  bezahlen  sollte. 

Vom  24.  August  abend  an  beginnen  die  Befehle  Napoleons 
über  das  Zusammenziehen  von  Truppen  aus  dem  Innern  Frankreichs 
am  Ehein,  und  am  26.  August  beginnt  der  Abmarsch  der  Großen 
Armee  von  Bouiogne.  Damit  ist  der  Kaiser  im  Kriege  gegen  die 
dritte  Koalition. 

Was  Napoleon  veranlaßt  hatte,  sich  im  August  1805  zum 
Kriege  gegen  Österreich  zu  entscheiden,  geht  aus  einem  späteren 
Auftrag  des  Kaisers  klar  hervor. 

Am  11.  September  gab  Napoleon  dem  in  Berlin  weilenden 
Marschall  Duroc  Direktiven  für  die  Verhandlungen  mit  Preußen. 
Der  Kaiser  gab  dem  Marschall  bekannt,  daß  Talleyrand  einen  Brief 


—     39     — 

an  ihn  senden  werde,  und  fährt  fort:  „.  .  .  .  Ich  habe  Herrn  Talley- 
rand  alle  Gründe  mitgeteilt,  die  es  klar  machen,  daß  es,  um  einen 
großen  Krieg  zu  vermeiden,  nötig  ist,  den  Krieg  rasch  zu 
beginnen,  und  daß,  wenn  wir  das  Frühjahr  abwarten  wollten, 
wir  unfehlbar  zu  einem  langen  und  schweren  Kriege  geführt 
würden  . .  .  ." 

Österreich  hatte  indessen,  dem  Plane  Macks  entsprechend,  unter 
allerlei  Vorwänden  die  Bereitstellung  seiner  Truppen  in  Italien,  Tirol 
und  in  Oberösterreich  im  Lager  von  Wels  betrieben.  Am  8.  Sep- 
tember überschritten  30  Bataillone  und  30  Eskadronen  den  Inn,  um 
Bayern  zum  Anschluß  an  Österreich  zu  zwingen  und  als  Vorhut 
an  die  Hier  vorzueilen.  Damit  hat  auch  Österreich  den  Krieg  tat- 
sächlich begonnen. 

Englands  Politik  hatte  ihr  Ziel  erreicht.  Heller  Jubel  herrschte 
in  London,  als  dort  die  Nachricht  von  der  Aufhebung  der  Lager 
bei  Boulogne  eintraf.  Mit  Geld  hatten  die  klugen  Kaufleute  ihre 
Sicherheit  erkauft  und  damit  ihrem  Vaterlande  unzählige  Menschen- 
opfer und  ungezählte  Millionen  erspart  —  um  schnöde  3  Millionen 
Pfund  und  der  verhängnisvollen  italienischen  Leidenschaft  wegen 
hatten  die  österreichischen  Diplomaten  den  Staat  im  fremden  Interesse 
in  leichtfertiger  Weise  in  einen  ganz  aussichtslosen  Kampf  gestürzt. 
Das  ist  die  Beurteilung  der  englischen  und  österreichischen  Politiker. 
Erzherzog  Karl  hatte  alles  getan,  um  Österreich  vor  diesem  Kriege 
zu  bewahren.  Noch  am  23.  Juni  1805  schrieb  der  Erzherzog,  als 
ihm  die  Akten  über  die  Verhandlungen  mit  Rußland  zur  Kenntnis 
und  zur  Begutachtung  zugestellt  wurden,  an  den  Kaiser:  „Die  erste 
Frage,  von  deren  Entscheidung  die  Bestimmung  aller  übrigen  ab- 
hängt, besteht  darin:  Muß  man  aller  Möglichkeit  entsagen, 
mit  Frankreich  in  gutem  Einvernehmen  zu  bleiben?  Ist  es 
erwiesen  zwecklos  oder  gefährlich,  dieses  zu  versuchen?" 
So  fragte  —  leider  vergebens  —  der  beste  Soldat  des  Kaiserstaates. 
Er  hatte  darauf  hingewiesen,  daß  es  gerade  für  ernste,  den  Krieg 
nur  halbwegs  kennende  Diplomaten  ein  Gebot  der  einfachsten  Vernunft 
gewesen  wäre,  Napoleon  in  seinem  gefahrvollen  Unternehmen  gegen 
England  ja  nicht  zu  stören.  Selbst  nach  gelungener  Landung  hätte 
der  Kampf  mit  der  zur  äußersten  Tatkraft  angespornten  englischen 
Nation  Napoleon  gebunden  und  vielleicht  sogar  —  wenn  der  An- 
schlag mißlang  —  ihn  auf  den  Weg  zum  Abgrunde  geführt.   Dann 


—     40     — 

war  der  richtige  Augenblick  für  das  Eingreifen  des  durch  zielbewußte 
Arbeit  gekräftigten  Österreichs  gekommen.  Die  Sache  lag  so  einfach, 
daß  es  nicht  wundernehmen  kann,  wenn  auch  da  von  Bestechung 
gesprochen  wurde.  Aber  der  vollständige  Mangel  an  militäri- 
scher Bildung  und  die  grenzenlose  Leichtfertigkeit  der  öster- 
reichischen Diplomaten  erklärt  deren  Verhalten  auch  ohne  Be- 
stechung. Daß  auch  ein  General  vom  Range  Macks  sich  in  den 
Dienst  dieser  Politik  stellte  und  diese  mit  seiner  Autorität  stützte, 
ist  nur  durch  den  Charakter  dieses  Mannes  erklärlich '). 

Daß  der  harte  Vorwurf,  die  österreichischen  Diplomaten  seien 
leichtfertig  gewesen,  zutrifft,  könnte  an  vielen  Tatsachen  bewiesen 
werden.  Als  besonders  deutlich  nur  folgende: 

GM.  V.  Mayer,  der  1805  kurze  Zeit  Generalquartiermeister  des 
Erzherzogs  Ferdinand  war,  erzählt : 

„Zum  Generalquartiermeister  einer  Armee  ausersehen,  traf  ich 
Mitte  Juli  in  Wien  ein  und  erwartete  meine  Ernennung.  Endlich 
nach  14  Tagen  eröffnete  mir  General  Maek  das  Geheimnis  des 
Krieges  —  das  Konferenzprotokoll  mit  dem  russischen  General 
Win tzin  gerode  .... 

„Der  Staatsrat  Collen bach  kam  bei  dieser  Gelegenheit  zum 
FML.  Mack,  wo  er  mich  mit  ihm  bekanntmachte.  Das  Gespräch 
kam  auf  das  Geschäft  der  Kriegsvorbereituug,  wo  vorzüglich  auf  den 
elenden  Zustand  der  französischen  Armee,  auf  das  innere  Miß- 
vergnügen im  Lande,  auf  die  dermalige  einzige  Beschäftigung  der 
französischen  Armee,  zu  desertieren,  auf  Revolution,  auf  den  Anhang 
in  allen  Teilen  der  europäischen  Welt,  auf  die  Allianz  von  Rußland, 
Preußen,  Schweden,  vom  römischen  Reich,  Neapel  und  darauf,  daß 
die  Armee  an  der  Küste  durch  Krankheiten  in  elenden  Stand  gesetzt 
sei,  gerechnet  wurde;  Bayern  würde  man  gleich  mit  Zwang  zur 
Allianz  bringen,  und  daß  also  der  Vorteil  außerordentlich  für  uns 
sei  und  wir  nicht  geschwind  genug  gegen  Prankreich  vorrücken 
können,  da  die  französische  Armee  zu  einem  Landkrieg  gar  nicht 
gefaßt  sei  und  Napoleon  nicht  die  mindeste  Spur  habe,  daß  wir  uns 
zum  Kriege  rüsten,  sondern  glaube,  daß  wir  bloß  Lager  wegen  des 
neuen  Exerzierreglements  zusammenstellen.  Wie  mir  bei  allen  diesen 

')  Cobenzl  begründete  u.  a.  den  Entschluß  zum  Kriege  damit,  daß  man 
alles  aufbieten  müsse,  um  die. Landung  Napoleons  in  England  zu  hindern,  und 
daß  man  daher  an  Eranki-eieh  den  Krieg  erklären  müsse.  (Angeli,  „Erzherzog 
Karl",  III,  S.  21.) 


—     41     — 

diplomatischen  Annaiimen  uud  militärischen  Berechnungen  zumute 
war,  kann  ich  nicht  beschreiben,  aber  ich  verlor  keinen  Augenblick, 
allen  diesen  diplomatischen  Gründen  solche  militärische  Vorkehrungen 
und  Bewegungen  von  Seite  des  Napoleon  entgegenzustellen,  daß 
ich  keinen  einzigen  als  solid  annehmen  könnte.  Durch  diese 
Diskussion  verlor  ich  nun  gleich  das  Zutrauen  von  Mack  und  von 
CoUenbach,  welches  ich  in  eben  diesem  Augenblicke  handgreiflich 
merken  mußte,  und  man  war  gleich  einverstanden,  mich  auf  eine 
gute  militärische  Art  zu  entfernen.  Nach  zwei  Tagen  ließ  mich  der 
FML.  Mack  kommen  und  sagte  mir,  daß  ich  bestimmt  sei,  der 
russischen  Armee  nach  Brody  entgegenzugehen^)." 


„^Aus  diesem  Abschnitte  der  österreichischen  Geschichte  kann 
man  die  Lehre  ziehen,  daß  den  führenden  Diplomaten  hohe 
militärisehe  Bildung  nötig  ist.  Es  genügt  durchaus  nicht,  wenn 
sie  über  die  Uniform  und  über  die  militärischen  Kenntnisse  eines 
Leutnants  in  der  Eeserve  verfügen.  Napoleon  konnte  eine  so  durch- 
greifende Politik  treiben,  weil  er  die  militärischen  Verhält- 
nisse vollkommen  beherrschte.  Auch  Bismarck  verdankt  seine 
politischen  Erfolge  zum  großen  Teile  seinen  militärischen  Anlagen 
und  Kenntnissen. 

Anderseits  sollten  die  militärischen  Führer  und  der  Generalstab 
über  das  Wesen  der  Politik  orientiert  sein.  Mit  vollem  Eecht  über- 
nimmt man  in  Deutschland  mit  Vorliebe  Offiziere  mit  hoher  militäri- 
scher Bildung  in  den  diplomatischen  Dienst.^ 


')  Kriegsarehiv,  Mem.,  III,  68. 


IL  Die  Maclitmittel  der  Kriegfiilirenden  (innere 
Zustände,  Finanzen,  Heerwesen). 

A.  Frankreich. 

Innere  Zustände. 

Unter  der  kraftvollen  und  zielbewußten  Leitung  Napoleons, 
dessen  klarer,  alle  Gebiete  der  Staatsverwaltung  beherrschender  Yer- 
staud  iü  allem  und  jedem  schöpferisch  und  anregend  wirkte,  er- 
holte sich  Frankreich  verblüffend  schnell  von  den  anscheinend 
furchtbaren  Wunden,  die  ihm  die  Revolution  geschlagen  hatte. 
Napoleons  Feldheirngenie  hatte  Frankreich  wesentlich  vergrößert 
und  ihm  die  Hilfsquellen  der  reichsten  Teile  Europas  (der  Nieder- 
lande, Italiens)  dienstbar  gemacht. 

An  Stelle  der  Willkür  und  Unordnung,  die  unter  den  Gewalt- 
habern der  Revolution  geherrscht  hatten,  trat  eine  feste,  geregelte 
Verwaltung.  Die  rechtlichen  Verhältnisse  und  die  Sicherheit  der 
Person  kamen  wieder  zur  vollen  Geltung;  das  neue  Zivilgesetzbuch 
—  Code  Napoleon  —  an  dessen  Herstellung  Napoleon  persönlich 
mitgearbeitet  hatte,  bildet  noch  jetzt  ein  Denkmal  seiner  Verwaltung. 
Die  Religion  wurde  wiederhergestellt  und  die  Geistlichkeit,  die 
wohl  erkannte,  daß  ihre  Zukunft  nur  von  dem  neuen  Machthaber 
abhing,  stellte  ihren  großen  Einfluß  ganz  in  seinen  Dienst.  Unter 
der  „Tyrannei"  Napoleons  genossen  die  Franzosen  eine  persönliche 
Freiheit  und  eine  feste  Staatsordnung  wie  nie  zuvor. 

Der  Unterricht  wurde  in  zweckmäßiger  Weise  reorganisiert. 
Neue  Straßen  wurden  gebaut,  die  alten  in  guten  Stand  gesetzt ;  das 
Netz  optischer  Telegraphen  wurde  wesentlich  ausgebaut;  das  Fluß- 
netz wurde  durch  Anlage  von  Kanälen  ausgestaltet,  die  Sicherheit 
der  Handelsstraßen  durch  Ausrottung  der  zahlreichen  Räuberbanden 
wieder  hergestellt.  So  hoben  sieb,  dank  dieser  zielbewußten  Arbeit, 
Handel,  Verkehr  und  Industrie  zusehends. 


—     43     — 

Die  Zertrümmerung  der  allzu  großen  adeligen  Grundbesitze  in 
kleinere  Besitztümer  hatte  eine  intensivere  Bearbeitung  des  Bodens 
mit  sieh  gebracht. 

Die  Anlage  neuer  Steuerlisten,  die  Regelung  der  Steuern  und 
die  Sorge  für  ihre  pünktliche  Abstattung  brachten  Ordnung  in  den 
Staatshanshalt. 

Der  Kriegsdienst  lastete  nicht  besonders  schwer  auf  der  Be- 
völkerung, besonders  der  Bürgerstand,  der  als  Urheber  der  Revo- 
lution anzusehen  war,  war  vom  Kriegsdienste  fast  ganz  befreit  und 
stellte  nur  Freiwillige  zur  Armee,  die  dort  Ruhm  und  Ehren  zu 
•erwerben  hofften.  So  kam  es,  daß  eigentlich  die  Hauptmasse  des 
Volkes  mit  der  Regierung  Napoleons  sehr  zufrieden  war.  Nur  die 
Emigranten  und  deren  wenige  Anhänger  wünschten  eine  Änderung 
der  Regierung  herbei.  Die  große  Masse  des  Volkes  sehnte  sich 
nach  Ruhe  und  Ordnung  und  fühlte,  daß  ihm  diese  niemand  sicherer 
bringen  konnte  als  der  geniale  Soldat,  der  Frankreichs  Ruhm  und 
Macht  an  die  erste  Stelle  Europas  gebracht  hatte.  Alle  Gerüchte 
über  die  Unzufriedenheit  und  Gärung  in  Frankreich  waren  nur 
den  Wünschen  und  Äußerungen  der  Emigranten  entsprungen.  Bei 
der  vorzüglichen  Polizeiorganisation  mußte  übrigens  jeder  von  außen 
nach  Frankreich  getragene  Anschlag  auf  das  Leben  des  Herrschers 
oder  auf  die  staatliche  Ruhe  dasselbe  klägliche  Ende  nehmen  wie 
die  Verschwörung  Pichegrus. 

Finanzen. 

Die  Finanzen  waren  trotz  der  durch  die  Revolution  verur- 
sachten Zerstörung  vieler  Werte  und  trotz  der  langjährigen  Kriege 
eigentlich  in  guter  Ordnung.  Die  Bank  von  Frankreich,  die  im 
Jahre  1800  errichtet  worden  war,  diente  der  Regierung  als  Stütze 
ihrer  finanziellen  Maßnahmen.  Bei  einem  jährliehen  Budget  von 
über  500  Millionen  Franken  betrug  die  Staatsschuld  im  Jahre  1803 
etwa  1000  Millionen  Franken.  Nach  einem  im  k.  u.  k.  Kriegsarchiv 
erliegenden  Situationsbericht  aus  dem  Jahre  1804  waren  die  Ein- 
nahmen und  Ausgaben  1803  mit  589  Millionen  Franken  bilanziert, 
so  daß  also  kein  Defizit  vorhanden  war.  Die  Staatsschuld  wurde 
nach  demselben  Berichte  auf  1000  Millionen  geschätzt^).  Nach  „La 
Campagne  de  1805  en  Allemagne"  von  Alombert  und  Colin  wies 


1)  Kriegsarehiv,  Mem.,  1804,  XVII,  21. 


—     44     — 

das   Budget   für  das  Jahr  XIII   (23.   September  1804  bis   22.  Sep- 
tember 1805}  folgende  Angaben  auf: 

Im  Jahre  XI  (:^3.  September  1802  bis  'l^l.  September  1803) 
wurden  nebst  dem  Budget  von  589  V2  Millionen  Pranken  noch  30  Mil- 
lionen für  außerordentliche  JMilitärkredite   bewilligt   und   verwendet. 

Im  Jahre  XII  (23.  September  1803  bis  22.  September  1804) 
wurden  der  Regierung  700  Millionen  Franken  zur  Verfügung  ge- 
stellt, wovon  71  Millionen  für  die  Staatsschuld,  268  Millionen  für 
das  Heer,  180  Millionen  für  die  Marine  und  die  Kolonien,  181  Mil- 
lionen für  die  Staatsverwaltung  verwendet  worden  sind. 

Für  das  Jahr  XIII  war  ein  provisorischer  Kredit  von  400  Mil- 
lionen auf  die  Einnahmen  des  Jahres  XIII  bewilligt  worden. 

Die  gewaltigen  Vorbereitungen  Napoleons  für  den  Einfall  in 
England  hatten  die  Staatseinkünfte  der  Jahre  1803 — 1805  voll- 
ständig aufgezehrt.  Obwohl  also  die  Finanzwirtschaft  noch  in  Ord- 
nung war,  fehlte  es  dem  Kaiser  doch  bei  Beginn  des  Feldzuges 
von  1805  an  den  nötigen  Barmitteln.  Die  Soldzahlung  der  Armee 
war  im  Rückstände,  die  zum  Ankaufe  der  Pferde,  zur  Beschaffung 
der  Verpflegung,  zur  Auszahlung  der  Landesfuhren  nötigen  Summen 
waren  nicht  mehr  aufzutreiben,  so  daß  schon  auf  die  Staatsein- 
künfte des  Jahres  1806  gegriffen  werden  mußte  und  einzelne  Liefe- 
ranten nur  mit  Staatsdomänen  bezahlt  werden  konnten.  Da  Napoleon 
kein  Papiergeld  ausgeben  wollte,  mußte  er  zu  anderen  Mitteln  greifen, 
um  sich  bares  Geld  zu  verschaffen.  Der  Finanzminister  forderte  die 
Bank  von  Frankreich  auf,  den  größereu  Teil  ihrer  Barmittel  aus- 
zufolgen und  am  28.  August  forderte  der  Kaiser  den  Generalschatz- 
meister auf,  ihm  10  Millionen  Münze  durch  Realisierung  von  Kassen- 
scheinen zu  verschaffen. 

Dieser  Geldmangel  war  die  Hauptursache  der  mangelhaften  mate- 
riellen Ausrüstung  der  Großen  Armee;  er  verhinderte  es,  die  Armee 
in  den  Zustand  zu  versetzen,  den  sich  Napoleon  für  den  Kontinental- 
krieg gewünscht  hat;  vor  allem  litt  darunter  die  Komplettierung  des 
Pferdestandes  der  Kavallerie  und  Artillerie  und  die  Trainausrüstung 
der  Armee. 

Die  französische  Armee. 

Die  „Große  Armee",  die  Napoleon  Ende  August  1805  gegen 
die  dritte  Koalition  in  Bewegung  setzte,  wurde  von  ihm  als  die 
schönste  Armee  bezeichnet,   die  Europa  je   gesehen.    Inwieweit   sie 


-     45     — 

diese    Bezeichoung    nach    heutigen    Begriffen   verdiente,    sollen   die 
folgenden  Angaben  über  diese  Armee  dartun : 

Mannschaftsraaterial. 

Nach  dem  Konskriptionsgesetze  vom  21.  August  1798  war 
jeder  waffenfähige  Franzose  ohne  Ausnahme  für  den  Fall  kriegs- 
dienstpfiichtig,  wenn  das  Vaterland  in  Gefahr  erklärt  wurde ;  sonst 
war  aber  das  jährliche  Rekrutenkontingent  beschränkt,  und  zwar  im 
Frieden  auf  30.000,  im  Kriege  auf  60.000  Mann,  die  den  20—25 
Jahre  alten  Waffenfähigen  entnommen  wurden.  Weil  die  Zahl  dieser 
Waffenfähigen  bei  einer  Bevölkerung  von  ungefähr  32  MilHonen  viel 
größer  war  als  das  gesetzliche  Eekrutenkontingent,  wurden  die 
Rekruten  ziemlich  willkürlich  ausgehoben,  und  weil  Loskauf  und 
Stellvertretung  gestattet  waren,  entzogen  sich  vor  allem  die  besitzenden 
Klassen  der  Wehrpflicht.  Daß  ein  großer  Teil  der  also  ziemlich  will- 
kürlich ausgewählten  Rekruten  nur  mit  Unlust  diente,  ist  begreiflich^). 

In  den  Kriegsjahren  1802 — 1805  wurden  tatsächlich  über 
200.000  Mann  ausgehoben  Für  das  Jahr  1805  bewilligte  der  Senat 
80.000  Rekruten  und  überdies  noch  100.000  der  nicht  ausgehobenen 
Tauglichen  früherer  Jahrgänge. 

Das  Mannschaftsmaterial  der  Armee  war  nach  Provenienz  und 
Ausbildung  sehr  verschieden.  Neben  den  Franzosen  standen  Söhne 
der  erst  vor  kurzem  einverleibten  Gebiete.  Ein  großer  Teil  der 
Mannschaft  kannte  den  Krieg  aus  Erfahrung.  So  zählte  die  Armee 
der  Küsten  bei  einem  Stande  von  120.000  Mann  52.000  Soldaten, 
die  mindestens  einen  Feldzug  mitgemacht  hatten.  Ein  Viertel  der 
Armee  stammte  noch  aus  der  Zeit  der  königliehen'  Armee  und  aus 
den  ersten  Jahren  der  Republik,  hatte  daher  all  die  zahlreichen 
Kriege  der  Republik  mitgemacht.  Man  muß  demnach  zugeben,  daß 
die  praktische  Kriegserfahrung  in  dieser  Armee  in  hervorragendem 
Maße  vertreten  war.  Dies  hatte  aber  auch  schwere  Nachteile  zur 
Folge.  Dieser  wertvolle  Stock  der  Armee  war  wenig  unterrichtet, 
weil  während  der  Kriegsjahre  keine  Zeit  oder  keine  Lust  zur  ein- 
gehenden Schulung  der  Mannschaft  vorhanden  gewesen  ist.  Das 
mag  auf  den  ersten  Blick  lächerlich  klingen.  Wer  aber  zu  ermessen 
vermag,  was  ein  gut  geschultes  Unteroffizierskorps  für  die  Aus- 
bildung  junger   Mannschaft   ist,    und    wer    bedenkt,   daß  Hundert- 

*)  Die  Bevölkerung  Frankreichs  mit  den  ihm  angegliederten  Ländern  (den 
italienischen  Staaten,  Holland,  der  Schweiz)  betrug  über  40  Millionen. 


—     46     — 

tausende  von  Eekruten  lediglieh  auf  die  von  den  alten  Soldaten 
erhaltene  Instruktion,  auf  die  Friedensausbildung  verwiesen  vrar, 
der  wird  auch  erkennen,  wie  schwer  dieser  Mangel  ins  Gewicht 
fallen  mußte.  Die  Klagen  über  die  mangelhafte  Eignung  der  Unter- 
offiziere zur  Ausbildung  der  Rekruten  waren  allgemein.  Alombert 
und  Colin  führen  zahlreiche  Beispiele  aus  den  Rapporten  inspizierender 
Generale  an,  die  sich  alle  über  die  mangelhafte  Ausbildung  be- 
klagen. Beim  59.  Infanterieregiment  hatte  man  z.  B.  durch  In- 
struktionsstunden das  Gedächtnis  der  nur  leidlich  ausgebildeten,  aber 
sehr  routinierten  Unteroffiziere  auffrischen  wollen ;  einige  Tage  nach 
dieser  Schulung,  als  der  Adjutant  einen  alten  Sergeanten  zur  Aus- 
bildung der  Rekruten  bestimmte,  antwortete  dieser  in  seinem  pro- 
ven9ahschen  Akzent:  „Je  ne  suis  pas  dans  le  cas,  Monsieur. 
L'exercice,  je  ne  la  sais  pas ;  si  je  la  savais,  on  ne  me  la  montre- 
rait  pas;  si  je  ne  la  sais  pas,  je  ne  peux  pas  la  montrer." 

Diese  alte  Mannschaft  war  auf  die  Truppenkörper  sehr  ver- 
schieden verteilt.  So  zählte  z.  B.  ein  Bataillon  des  5.  Grenadier- 
regiments bei  einem  Stande  von  785  Mann  622,  das  zweite  Bataillon 
dieses  Regiments  bei  gleichem  Stande  nur  112  vor  dem  Feinde  ge- 
standene Mannschaften. 

In  den  Stamm  altgedienter  Soldaten  kamen  daher  oft  viele 
Hunderte  von  Rekruten,  die  in  den  Jahren  1800 — 1805  ausgehoben 
worden  waren  und  ausgebildet  werden  mußten. 

Das  Ergänzungssystem  und  die  geringe  Instruktion,  die  die 
jungen  Soldaten  erhielten,  waren  die  Ursache,  daß  die  Disziplin  in 
der  Armee  nach  heutigen  Begriffen  nicht  besonders  gut  war.  Einen 
Maßstab  dafür  liefert  die  in  geradezu  erschreckendem  Maße  vor- 
gekommene Fahnenflucht.  Alombert  und  Colin  sagen  darüber  auf 
Seite  173  des  I.  Bandes: 

„Seit  drei  Jahren  desertierten  jährlich  etwa  50  Mann  von 
jedem  Bataillon.  Es  gab  Regimenter,  wie  das  34.  Linien-,  das  6.  und 
das  17.  leichte  Regiment,  die  330—350  Deserteure  in  10  Monaten 
des  Jahres  XIII  der  Republik  zählten;  das  18.  Linienregiment  wies 
gar  678  Deserteure  in  diesem  Jahre  aus  —  fast  ein  Drittel  seines 
Standes." 

Meist  desertierten  die  Rekruten.  So  desertierten  bei  den  Linien- 
regimentern Nr.  3.  14,  30  und  96  ein  Drittel,  beim  17.  Linien- 
regiment nahezu  die  Hälfte,  beim  39.  Linien-  und  beim  4.  leichten 
Remment  mehr  als  die  Hälfte  aller  Rekruten  und  beim  34.  leichten 


—     47     — 

Regiment  desertierten  von  319  ßekriiten  282,  also  nahezu  QO^/o 
aller  Rekruten.  Alier  auch  altüediente  Leute  hatten  das  Bedürfnis,  sich 
zeitweise  der  militärischen  Zucht  zu  entziehen.  Nur  kehrten  diese 
in  der  Regel    nach  einigen  Monaten  wieder  zu  den  Fahnen  zurück. 

Das  Offizierskorps. 

Die  Revolution  hatte  im  Offizierskorps  der  französischen  Armee 
eine  gründliehe  Umwälzung  herbeigeführt.  Die  fast  durchgehends 
adeligen  Offiziere  des  aneien  regime  waren  verschwunden  und  an 
ihre  Stelle  waren  im  Staate  der  unbedingten  Gleichheit  die  Tapfersten 
der  Tapfern  getreten.  Wie  es  um  deren  Wissen  bestellt  war,  dar- 
nach fragte  in  dieser  Zeit  ewiger  Kämpie  kein  Mensch, 

So  setzte  sich  das  Offizierskorps  der  Infanterie  und  Kavallerie 
aus  den  verschiedensten  Elementen  zusammen.  Auf  5000  solcher 
Offiziere  entfielen  z.  B. : 

ungefähr  100  ganz  junge,  aus  der  Schule  von  Fontainebleau 
hervorgegangene  Offiziere  (17 — 21  Jahre  alt),  die  sich,  sehr  gut 
unterrichtet,  in  kürzester  Zeit  bei  der  Truppe  eingewöhnten  und  zu 
den  besten  Hofi'nungen  berechtigten; 

500—600  jüngere  Offiziere,  die  seit  1795  freiwillig  oder  als 
Konskribierte  in  die  Armee  getreten  waren  und  wegen  ihrer  her- 
vorstechenden Bildung,  ihrer  sozialen  Stellung  oder  wegen  hervor- 
ragender Waffentaten  bald  Offiziersstellen  erhielten.  Hievon  waren 
etwa  30  bereits  in  höheren  Chargen  (Stabsoffiziere,  Capitains),  die 
Hauptmasse  war  noch  in  den  Leutnants-  und  Unterleutnantschargen ; 

zum  Best  zählten  ältere  Offiziere,  die  vor  dem  Jahre  1794  in 
die  Armee  eingetreten  waren :  nur  ein  versehwindend  kleiner  Teil  davon 
trug  die  Epauletten  schon  in  der  königlichen  Armee;  die  große 
Masse  dieser  älteren  Offiziere  verdankte  die  Beförderung  zum  Offizier 
ihrer  Tapferkeit  oder  bestand  aus  ehemaligen  Unteroffizieren  der 
königlichen  Armee,  die  freiwillig  wieder  eingetreten  und  wegen  ihrer 
militärischen  Vorljildung  bald  Offiziere  geworden  waren. 

Weil  nur  die  Hervorragendsten  dieser  Art  es  zu  höheren  Stellen 
gebracht  hatten,  zeigte  sich  im  Durchschnittsalter  des  Offizierskorps 
der  französischen  Armee  ein  eigentümliches  Bild:  junge  Generale 
und  Oberste,  alte  Subalternoffiziere.  Das  mittlere  Alter  war:  Unter- 
leutnants 32  Jahre,  Leutnants  37  Jahre.  Kapitäne  und  Stabsoffiziere 
39  Jahre.  Etwa  90  Subalternoffiziere  hatten  das  50.  Lebensjahr 
überschritten.    Dagegen  waren   von  den    141  Generalen  der  Großen 


—     48     — 

Armee  106  jünger  als  45  Jahre.  Der  jüngste,  ein  General  der 
Artillerie,  zählte  erst  29  Lebensjahre. 

Das  Alter  der  Korpskommandanten  schwaükte  zwischen  31  und 
48  Jahren.  Es  zählten: 

Bernadotte  (diente  seit  1780),  41  Jahre; 

Marraont  (trat  1790  als  Unterleutnant  in  die  Armee),  31  Jahre; 

Davout  (1788  Leutnant),  35  Jahre; 

Soult  (1785  Infanterist.  Offizier  seit  1792),  36  Jahre; 

Lannes  (1792  als  Feldwebel  eingetreten),  36  Jahre; 

Ney  (1788  als  Gemeiner  in  ein  Husarenregiment  eingetreten), 

36  Jahre; 

Augereau  (trat  nach  abenteuerlichem  Leben  1792  in  die  fran- 
zösische ßevolutionsarmee),  48  Jahre: 
Berthier.  52  Jahre; 
Bessieres    (trat    1792    als    gemeiner    Soldat   in    die   Armee), 

37  Jahre; 

Murat  (trat  1787  als  Jäger  zu  Pferd  in  die  Armee),  34  Jahre. 

Das  Offizierskorps  der  Artillerie  und  Genietruppe  war  bei 
weitem  gleichmäßiger  ausgebildet  als  das  der  Infanterie  und  Kavallerie 
und  entsprach  seiner  Stellung  vollkommen. 

Diese  Entstehungsgeschichte  des  Offizierskorps,  das  Empor- 
wachsen auf  den  Schlachtfeldern  mußte  dieselben  Folgen  haben  wie 
bei  der  Mannschaft:  den  Mangel  an  Instruktion.  Nur  war  dieser 
Mangel  beim  Offizierskorps  von  noch  höherer  Bedeutung.  Er  konnte 
die  Manövrierfähigkeit  der  Truppenkörper  in  Frage  stellen^). 

Alombert  und  Colin  führen  auf  den  Seiten  182  und  183  des 
I.  Bandes  zahlreiche  Qualifikationsbeschreibungen  von  Offizieren  an, 
in  denen  die  Ausdrücke  „peu  instruit"  und  „point  instruit"  ab- 
wechseln. Es  war  durchaus  nicht  selten,  daß  Stabsoffiziere  als  un- 
fähig, ein  Bataillon  taktisch  zu  führen,  beschrieben  waren. 

So  kam  es,  daß  die  Truppenkommandanten  stets  trachteten,  sich 
einer  größeren  Zahl  dieser  „braves  gens.  ayant  bien  fait  la  guerre,  mais 
Sans  instruction  et  sans  moyens  pour  en  acquerir"  zu  entledigen. 

^)  „.  .  .  nos  ehefs  etaient  gene'ralement  paresseux;  les  exereices  ordinaires 
faits  tant  biens  que  mal"  (Pelleport). 

„Le  regiment  fut  rarement  reimi  pour  nianoeuvrer  en  ligne.  Point  d'eeole 
de  tirailleurs  point  d'eserime  a  la  baionnette"  (Fesensae). 

„L'instruction  et  les  manoeuvres  laissent  quelque  chose  ä  desirer"  (In- 
spizierungsberieht  des  Generals  Leval). 


—     49     — 

Die  Zusammensetzung  des  Offizierskorps  aus  jungen,  tüchtigen 
Generalen  und  Obersten  und  aus  alten,  routinierten  Subalternoffi- 
zieren sicherte  der  französischen  Armee  eine  kräftige  und  geschickte 
Führung  voll  Elan  und  Wagemut  und  eine  ungewöhnliche  Voll- 
kommenheit in  den  Einzelheiten  des  Kampfes  und  des  Felddienstes 
und  gab  der  Truppe  ihre  Erfahrung  und  ihre  Festigkeit. 

Der  Generalstab. 

Ohne  eine  besondere  einheitliche  Vorbildung  zu  erhalten, 
wurden  junge,  intelligente  und  gebildete  Offiziere,  meist  nach  Wahl 
der  Kommandanten,  in  den  Generalstab  versetzt.  Das  Verbleiben  in 
dieser  Verwendung  hing  lediglich  von  der  praktischen  Verwendbar- 
keit ab.  Berthier  entzog  seinen  Bedarf  einfach  den  Korps,  was  zu 
manchem  Konflikte  führte,  weil  die  Beschaffung  des  Ersatzes  sehr 
schwierig  war. 

Der  Mangel  eines  technisch  geschulten  Generalstabes  hatte  zur 
Folge,  daß  alle  Befehle  durch  Aufnahme  zahlreicher,  heute  selbst- 
verständlicher Details  weitschweifig  und  umständlich  werden  mußten. 
Die  mangelhafte  Ausbildung  des  Generalstabes  trat  z.  B.  besonders 
deutlich  beim  6.  Korps  Ney  hervor,  wo  mancher  Führungsfehler  nur 
diesem  Mangel  zuzuschreiben  war. 

Der  Generalstab  mußte  in  allen  Zweigen  des  Felddienstes  be- 
wandert sein  und  seinen  Dienst  von  der  Verfassung  der  Befehle  und 
deren  Überbringung,  vom  Dienst  in  den  Bureaus  der  höheren  Kom- 
mandos bis  zur  Leitung  von  Requisitionen,  Führung  von  Verpflegs- 
trains  und  Beaufsichtigung  von  Fassungen  erstrecken. 

General  Thiebault  sagt  in  seinem  Manuel  general  du  Service 
des  etats-majors :  „Neben  dem  kommandierenden  General  ist  es  der 
Generalstabschef,  der  durch  seine  Fähigkeiten  das  beste  leisten  kann, 
oder  der  durch  seine  Unzulänglichkeit  das  größte  Übel  anrichten 
kann.  Er  muß  allen  Bedürfnissen  der  Truppe  die  lebhafteste  Sorgfalt 
widmen,  kein  Bedürfnis  darf  ihm  fremd  sein." 

Diese  Universalität  des  Generalstabes  ist  auch  heute  noch  eine 
unbedingte  Forderung.  Nur  ein  Generalstab,  dessen  Offiziere  alle  die 
mannigfachen  Glieder  kennen,  aus  denen  eine  moderne  Ai'mee  be- 
steht, und  die  wissen,  was  diese  Glieder  leisten  können,  wie  sie  zu 
verwenden  sind,  was  man  von  ihnen  fordern  kann  und  muß,  wird 
ein  verläßliches  Hilfsorgan  der  höheren  Kommandanten  sein  können. 
Es  geht  nicht  an,  daß  sich  der  Generalstab  gewissermaßen  über  das 

Krau  SS.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  4 


—    50     — 

Detail  des  Armeegetriebes  hinaushebt  und  förmlich  in  den  Wolken 
schwebend  sieh  nur  die  Gefechtsleitung  und  die  sogenannte  operative 
Leitung  vorbehält,  sieh  aber  sonst  auf  die  Fachorgane  verläßt  und 
sagt:  Das  ist  Sache  der  Intendanz,  des  Pioniers,  des  Eisenbaha- 
offiziers.  Der  Generalstab  muß  die  Einheitlichkeit  unter  all  diesen 
zahlreichen  Spezialfächern  herstellen,  er  muß  jedem  seinen  Platz  in 
der  großen  Maschinerie  zuweisen:  er  muß  jederzeit  bestimmen, 
welchem  der  Armeebedürfnisse  momentan  die  größte  Wichtigkeit  zu- 
kommt: er  muß  darauf  di'ingen,  daß  sich  alle  Spezialisten  dem  großen 
operativen  Ziel  unterordnen.  Dazu  ist  unbedingt  notwendig,  daß  der 
Generalstab  alles,  was  für  die  Armee  nötig  ist,  beherrscht  und  über- 
blickt. Es  darf  keine  Spezialisten  im  Generalslab  geben,  sonst 
verdiente  dieser  Stab  nicht  mehr  den  Namen  Generalstab.  Das 
heißt  natürlich  nicht,  daß  jeder  Generalstal »softizier  ebensogut  mit 
dem  Gewehr  wie  mit  der  Kanone  und  Haubitze  schießen  können, 
daß  er  selbst  den  Bau  von  Kriegs-  und  anderen  Brücken  leiten,  daß 
er  selbst  eine  zerstörte  Bisenbahn  wiederherstellen  können  müsse 
u.  dgl.  ra.  Aber  er  muß  über  das  Wesen  aller  dieser  Zweige  ein 
reifes,  reelles  Urteil  haben:  er  muß  nicht  nur  wissen,  wie  man  die 
Waffengattungen  verwendet,  sondern  muß  beurteilen  können,  was  er 
von  jedem  Kriegsmittel  erwarten,  was  er  von  allen  Spezialisten  der 
Armee  verlangen  kann  und  was  nicht;  sonst  kann  er  mit  diesen 
nicht  disponieren.  Er  darf  von  ihnen  nicht  Unmögliches  verlangen, 
er  darf  aber  ebensowenig  gleich  den  Rückzug  antreten,  wenn  der 
Speziahst  sagt  „es  geht  nicht".  Ein  Generalstabsoffizier,  der  von 
einem  Pionieroffizier  fordern  würde,  etwa  über  die  Donau  bei  Krems 
ohne  Störung  der  Dampfschiffahrt  in  beschränkter  Zeit  eine  halb- 
permanente Brücke  zu  schlagen  und  dabei  an  eine  in  14  Tagen  her- 
stellbare Jochbrücke  denkt,  wäre  ebenso  unbrauchbar  wie  ein  General- 
stabsoffizier, der  sich  damit  zufrieden  geben  würde,  wenn  ein  tech- 
nischer Offizier  ihm  meldet,  daß  es  unmöglich  ist,  mit  Kriegsbrücken- 
material, Lokomotiven  und  beladene  Eisenbahnwaggons  zu  über- 
schiffen. 

Jeder  Spezialist  ist  meist  ein  einseitiger  Mann:  ihm  ist  die 
fachtechnische  Vollkommenheit  seiner  Arbeiten  das  Höchste  und 
ihm  fehlt  meist,  gerade  wegen  seiner  eingehenden  Spezialausbildung 
und  Spezialbeschäftigung,  der  Einblick  in  die  großen  operativen  For- 
derungen und  Verhältnisse,  denen  sein  Spezialfach  gerecht  werden 
soll  und  muß.    Fachtechuische  Musterleistungen   erfordern  aber  viel 


—     51     — 

Zeit  und  viel  Arbeitskraft;  es  wird  bei  ihnen  also  gerade  das  kost- 
barste für  die  Armee  wenig  beachtet:  Die  Zeit.  Für  die  x\rmee 
kommt  es  vor  allem  darauf  an,  daß  jedes  fachtechnische  Hilfsmittel 
möglichst  schnell  wirksam  werde.  Ein  fachtechnisehes  Kunstwerk, 
das  erst  nach  Monaten  nutzbar  wird,  ist  für  eine  Armee  im  Felde 
meist  weit  weniger  wert  als  ein  improvisiertes  Flickwerk,  das  nach 
2 — 3  Tagen  in  genügendem  Maße  brauchbar  wird. 

Dieses  notwendige,  reife,  gediegene  und  selbständige  Urteil  in 
allen,  also  auch  in  technischen  Fächern,  muß  der  Generalstab  haben, 
sonst  ist  er  weder  fähig,  mit  den  Kriegsraitteln  richtig  zu  dispo- 
nieren, noch  in  der  Lage,  die  Ausbildung  aller  Spezialisten  in  die 
Bahnen  zu  leiten,  die  sie  zu  gut  brauchbaren  Dienern  der  operativen 
Ideen  machen.  Werden  die  Spezialisten  aber  in  ihrer  Ausbildung 
sieh  selbst  überlassen  und  fühlen  sie,  daß  der  Generalstab  von  ihrem 
Metier  nichts  oder  nicht  viel  versteht,  dann  wird  ihr  Fach,  das  sich 
nicht  in  den  Organismus  des  Ganzen  einzufügen  versteht,  das  nicht 
die  Befehle  vom  Generalstab  empfängt,  sondern  diesem  das  Gesetz 
diktiert,  zum  Selbstzweck. 

Allerdings  verlangt  die  Aneignung  dieses  ürteiles  lebhaftes 
Interesse  für  alle  Bedürfnisse  der  Armee  und  ein  unausgesetztes, 
gründliches  und  eingehendes  Studium. 


Dem  erwähnten  Grundsatz  entsprechend  unterlagen  bei  der 
Großen  Armee  alle  Anstalten,  alle  Magazine  und  Spitäler  der  steten 
Überwachung  durch  den  Generalstab,  aber  auch  der  Überwachung 
durch  die  Divisions-  und  Korpskommandanten  selbst. 

Infanterie. 

Im  August  1805  zählte  die  französische  Infanterie  113  Ee- 
giraenter  mit  375  Bataillonen ;  davon  waren  87  Linieninfanterie- 
regimenter  zu  3 — 4  Bataillonen  mit  den  Nummern  von  1  bis  112 
(25  Regimenter  bestanden  nicht  mehr)  und  26  leichte  Infanterie- 
regimenter zu  2  —  4  Bataillonen  mit  den  Nummern  von  1  bis  32 
(6  bestanden  nicht). 

Jedes  Infanteriebataillon  hatte  9  Kompagnien,  und  zwar  bei  der 
Linieninfanterie  p  Füsilierkompagnien  und  1  Grenadierkompagnie, 
bei  der  leichten  Infanterie  7  Chasseurkompagnien,  1  Voltigeur-  und 
1  Karabinierkompagnie. 

4* 


—     52     — 

Die  Grenadier-  und  Karabinierkompagnien  hatten  einen  Kriegs- 
(Friedens-)  Stand  von  3  (3)  Offizieren  und  83  (75)  Mann,  alle  anderen 
Kompagnien  aber  3  (3)  Offiziere  und  123  (Füsiliere  75,  Ohasseure  68, 
Voltigeure  123)  Mann. 

Einschließlieh  der  Stäbe  sollte  ein  Eegiment  von  2  Bataillonen 
einen  Stand  von  38  (36)  Offizieren  und  2162  (1375)  Mann,  ein  Ee- 
giment zu  3  Bataillonen  einen  solchen  von  42  (39)  Offizieren  und 
3234  (2054)  Mann  haben. 

Auf  ein  Bataillon  im  Eegimentsverbande  kann  man  daher 
rechnen:  Friedeusstand  700,  Kriegsstand  1100  Mann. 

Die  Bataillone  waren  im  August  1805  meist  stark  unter  "dem 
Stande  und  wiesen  sehr  verschiedene  Stärken  auf.  Es  gab  Bataillone 
von  300  bis  400  Mann,  andere  dagegen  hatten  den  vollen  Kriegsstand. 

Von  vielen  Eegimentern  wurden  einzelne  Bataillone  al)getrennt 
verwendet.  So  hatten  10  Infauterieregimenter  je  1  Bataillon  d'elite 
als  4.  Bataillon  im  Stande.  Diese  Bataillone  wurden  abgetrennt  und 
je  2  in  ein  Grenadierregiment  vereint.  Diese  5  Eegimenter  zu  2  Ba- 
taillonen bildeten  die  Grenadierdivision  Oudinot. 

Ein  Bataillon  von  jedem  Eegimente  blieb  auch  im  Krieg  als 
Ersatzbataillon  im  Depot. 

Außer  den  regulären  Truppen  l)estanden  noch  zahlreiche  irre- 
guläre Korps,  wie  z.  B.  die  Tirailleurs  du  Po  (1  Bataillon),  leichte 
korsische  Infanterie  (5  Bataillone),  Fremdenbatailloue  (2)  etc.,  dann 
Auxiliartruppen  (1  Schweizer  Eegiment  zu  3  Bataillonen,  polnische, 
hannoverische  und  batavische  Truppen). 

Der  Gesamtstand   der  Intanterie  war  ungefähr  300.000  Mann. 

Die  Infanterie  war  mit  großkalibrigen  (16"5  mm)  Vorderlad- 
gewehren mit  Feuersteinschloß,  eisernem  Ladstoek  und  ständig  ge- 
pflanztem,  langem  Bajonett  bewaffnet^).  Die  Grenadiere  führten  neben 
dem  Bajonett  nocb  den  Infanteriesäbel.  Die  Offiziere  der  Voltigeurkom- 
pagnien,  die  Zimmerleute,  Hornisten  und  Tamboure  hatten  den  Kara- 
biner. Die  Wirkung  der  Gewehre  war  auf  200  m  gut ;  darüber 
hinaus  war  der  Schuß  unsicher  und  von  rasch  abnehmender  Wirkung. 
Die  Feuersehnelligkeit  betrug  bei  Beginn  des  Feuers  und  bei  mittel- 
mäßig geschulter  Mannschaft  zwei  Schuß  in  der  Minute ;  bei  längerem 
Schießen  konnte  man  aber  im  besten  Falle  mit  einem  Schuß  in  der 
Minute  rechnen. 

^)  Das  Gewehr  war  ohne  Bajonett  l'ö  m  lang  und  4i'4:kg  schwer;  das 
Bajonett  war  47'4  cm  lang,  das  Geschoß  31  g  schwer. 


—     53    — 

Jeder  Mann  hatte  50  Kartuschen  Taschenmunition;  in  den 
Parks  waren  für  jedes  Gewehr  abermals  50  Kartuschen  vorhanden  i). 

Eine  besondere  Sorgfalt  wendete  der  Kaiser  der  Besehuhung 
der  Infanterie  zu.  Er  forderte,  daß  jeder  Fußsoldat  wenigstens  drei 
Paar  gute  Schuhe  haben  müsse.  Im  Lager  von  Boulogne  hatte  jeder 
Mann  zwei  Paar;  vor  dem  Abmarsch  bekam  jeder  noch  ein  drittes 
Paar  und  vor  dem  Übergang  über  den  Rhein  sollte  jeder  Mann  als 
Ersatz  ein  viertes  neues  Paar  erhalten.  Zwei  Paar  hatte  der  Mann 
im  Tornister  zu  tragen. 

Die  Stabsoffiziere  und  die  über  50  Jahre  alten  Hauptleute 
waren  beritten,  alle  anderen  Offiziere  der  Infanterie  waren  unberitten. 

Taktik.  Die  Grundformation  —  Schlachtordnung  —  war  die 
dreigliedrige  Linie. 

An  sonstigen  Formationen  gab  es  bei  der  Kompagnie  (Peloton) 
die  Eeihenkolonne,  durch  einfache  Seitenwendung  formiert  (später 
wurde  die  Eeihenkolonne  die  Hauptmarschformationl,  dann  die 
Kolonne  (=  offene  Halbkompagniekolonne).  Die  Aufmärsche  erfolgten 
durch  die  Ziehung.  Die  Kolonnen  wurden  sowohl  nach  vorwärts  als 
nach  der  Flanke  formiert. 

Im  Bataillon  bildeten  je  2  Kompagnien  eine  Division.  Neben 
der  Linie  kamen  an  Formationen  beim  Bataillon  in  Verwendung 
die  Pelotonkolonne  (=  offene  Kolonne  mit  Kompagnien)  und  ge- 
schlossene Kolonnen  mit  Pelotons  und  Divisionen;  die  geschlossenen 
Kolonnen  wurden  auch  „en  masse"  genannt. 

Die  Aufmärsche  waren  durch  die  Forderung  kompliziert,  daß 
das  1.  Glied  immer  vorne  zu  stehen  komme;  in.  der  Praxis  wurden 
sie  aber  wesentlich  gegenüber  dem  Eeglement  vereinfacht.  Die  wich- 
tigsten Übungen  waren  der  Frontmarsch  in  Linie  und  rasche  Front- 
veränderungen. 

In  größeren  Verbänden  wurden  neben  der  Linie  alle  For- 
mationen verwendet,  die  durch  Aneinanderreihung  mehrerer  Bataillone 
in  offener  oder  geschlossener  Kolonne  mit  Pelotons  oder  Divisionen 
neben-  und  hintereinander  entstehen. 


'■)  Napoleon  ließ  über  die  Munitionsversorgung  der  Infanterie  am  8.  Sep- 
tember an  General  Songis  sehreiben :  „Sie  wissen,  daß  unsere  Soldaten  viel  davon 
verbrauchen;  daß  man  fast  in  allen  unseren  Kriegen  in  den  wichtigsten  Augen- 
blicken Mangel  litt;  das  darf  uns  nicht  wieder  geschehen."  Napoleon  befahl  daher 
daß  über  die  erste  Dotierung  (100  Kartuschen  für  jedes  Gewehr)  noch  zehn 
Millionen  Kartuschen  bereitzustellen  seien. 


—     54     — 

Der  Marschschritt  „pas  de  route"  betrug  nach  dem  Eegleinent 
nur  90  ^  in  der  Minute,  Schrittlänge  2  Fuß  =  (35  cm.  Der  Schnell- 
scbritt  wurde  bei  Angriffsbewegungen  angewendet  ^). 

Dem  Schießen  wurde  bei  der  Ausbildung  hohe  Bedeutung 
beigelegt.  Das  Scheibenschießen  wurde  auf  50  Toisen  (130^)  be- 
gonnen und  je  nach  der  Geschicklichkeit  bis  auf  150  Toisen  (390 '^) 
erstreckt.  Die  besten  Schützen  erhielten  Schützenabzeichen,  Die 
Feuerarten  waren  die  Salve  (Kompagniesalve),  das  Gliederfeuer  und 
das  Einzelfeuer.  Im  Gefechte  herrschte  in  der  Anwendung  der  For- 
mationen die  größte,  aus  der  Erfahrung  hervorgegangene  Freiheit. 
Die  Linie  wurde  dabei  mit  Kolonnen  und  mit  der  zerstreuten  Ge- 
fechtsart kombiniert.  Dem  Elan  der  Franzosen  entsprach  der  nach 
kurzer  Feuervorbereitung  durchgeführte  Bajonettangriff.  Als  Grund- 
satz war  allen  Soldaten  eingeprägt,  daß  „die,  die  am  längsten 
aushalten,  die  Schlachten  gewinnen". 

Märsche.  Die  französische  Armee  leistete  unter  Napoleons 
Führung  Großartiges  im  Marschieren,  ümsomehr  muß  das  Detail,  das 
über  die  Marschtechnik  bekannt  geworden  ist,  interessieren.  Die  Wichtig- 
keit, die  den  Märschen  beigelegt  wurde,  kommt  in  dem  Generalstabshand- 
buche  von  Thiebault,  das  fast  den  Charakter  eines  Dienstbuches 
trug,  klar  zum  Ausdrucke:  „Die  Märsche  sind  der  schwierigste 
und  wichtigste  Teil  des  Krieges." 

Für  die  Durchführung  der  Märsche  bestanden  keine  bindenden 
Bestimmungen.  Jeder  Korpskommandant  erließ  die  nötigen  Detail- 
anordnungen nach  seinen  Erfahrungen. 

Allgemein  gültig  waren  die  Bestimmungen  über  die  Sicherung 
durch  eine  Vorhut,  durch  Kavallerie  in  den  Flanken  und  durch 
eine  Nachhut. 

Als  Marschformationen  dienten  je  nach  der  Breite  der  Straßen 
und  nach  der  Beschaffenheit  des  Terrains  neben  den  Wegen  die 
Sektions-  oder  die  Pelotonkolonnen.  Breite:  Sektionskolonnen  10  bis 
20  Mann,  Pelotonkolonnen  20—40  Mann  bei  einer  Kompagniestärke 
von  60  bis  120  Mann.  Neben  diesen  reglementären  Marsch formationen 
begann  sich  aber  auch  die  Eeihenkolonne  von  4  bis  6  Mann  Breite 
einzubürgern. 

Die  Distanzen  in  der  Marschkolonne  waren  ziemlich  groß; 
Bataillonsdistanzen  bO^,  ßegimentsdistanzen  150 '^,  Brigadedistanzen 

^)  Bei  Märsehen  machten  die  Franzosen  etwa  4"5  km  pro  Stunde,  hielten 
also  nahezu  unser  heutiges  Marschtempo  ein. 


—     55     — 

320  ^  ^).  Das  Einhalten  dieser  Distanzen  wurde  von  Generalstabs- 
offizieren und  Adjutanten  überwacht.  Der  normale  Tagesmarsch  be- 
trug 30  km. 

Zum  Weitergeben  von  Befehlen  waren  Unteroffiziere  bestimmt 
und  geschult,  die  immer  an  derselben  Seite  der  Marschkolonne  blieben. 
Nur  diese  durften  einen  Befehl  übernehmen  und  weitergeben. 

Marschall  Davout  gab  für  sein  Korps  folgende  Detailanord- 
nungen aus: 

Distanz  zwischen  den  Bataillonen  100 '^.  Es  ist  in  zwei  ge- 
trennten Reihen  zu  marschieren,  die  Mitte  des  Weges  freilassend. 
Die  Generale  haben  darauf  zu  achten,  daß  die  Tete  derart  mit  ver- 
haltenem Schritt  marschiert,  daß  die  Truppen  in  der  Stunde  nicht 
mehr  als  eine  Postmeile  (=  4*5  hm)  machen  können.  Nach  jeder 
Meile  (=  Stunde)  ist  eine  Rast  von  wenigstens  fünf  Minuten 
zu  halten,  ohne  Rücksieht  auf  die  Rasten,  die  die  Nachhut  durch 
Trommelschlag  verlangen  kann.  Nach  drei  Viertel  des  Weges  ist 
eine  Rast  einzuschalten  ;  Dauer  je  nach  Länge  des  Marsches,  wenigstens 
aber  eine  halbe  Stunde. 

Die  von  Davout  augeordneten  stündlichen  kurzen  Rasten  sind 
von  höchstem  Wert  für  die  Marschdisziplin  und  damit  für  die  Marsch- 
leistungen der  Truppe.  Sie  verhindern  das  Austreten  und  Nach- 
laufen der  Leute.  Gerade  die  Nachzügler  stellen  aber  meist  die 
marschmarod  abfallenden  Leute. 

Kavallerie. 

Im  August  1805  bestand  die  französische  Kavallerie  aus  zwei 
Karabinier-,  12  Kürassier-,  30  Dragoner-,  24  .Chasseur-  und  zehn 
Husarenregimentern.  Alle  Regimenter  hatten  8  Kompagnien  in  vier 
Eskadronen  formiert.  Karabinieri  und  Kürassiere  waren  die  schwere, 
Chasseure  und  Husaren  die  leichte  Kavallerie.  Die  Dragoner  bildeten 
ein  Mittelding,  eine  Art  berittener  Infanterie. 

Der  Kriegsstand  sollte  betragen: 

Bei  den  56  Eskadronen  der  schweren  Kavallerie  172  Reiter, 
bei  den  136  Eskadronen  der  leichten  Kavallerie  212  Reiter  und  bei 
den  120  Dragonereskadronen  176  Reiter  und  104  ünberittene. 

Die  ganze  Kavallerie  sollte  somit  59.600  Reiter  zählen. 

Nach  dem  Standesausweis  vom  3.  August  hatten  aber  14  Es- 
kadronen  nur   52—97   Pferde   im   Stande,    10   Eskadronen   leichter 

\)  ä  75  cm. 


—    56     — 

Kavallerie  und  21  Dragonereskadronen  hatten  überhaupt  keine  Pferde. 
Auch  der  Mannschaftsstand  war  bei  weitem  nicht  vollzählig-. 

Der  tatsächliche  Stand  der  Kavallerie  betrug  am  3.  August 
nur  57.000  Mann  und  38.000  Pferde;  ein  Drittel  des  Standes  war 
also  unberitten,  die  ganze  Kavallerie  aber  mit  22.000  Pferden  unter 
dem  Kriegsstande. 

Mit  Rücksicht  auf  die  geplante  Landung  in  England  waren  bei 
jedem  Dragonerregiment  und  bei  einer  Anzahl  leichter  Regimenter 
nur  3  Eskadronen  zu  Pferd,  die  4.  aber  zu  Fuß  formiert;  diese 
sollten  in  England  durch  requirierte  Pferde  beritten  gemacht  werden. 

Die  leichte  Kavallerie  wurde  in  Divisionen  ä  4  Regimenter 
den  Korps  zugewiesen,  die  schwere  Kavallerie  und  die  Dragoner 
wurden  in  selbständige  Kavalleriedivisionen  vereint. 

Als  der  Kontinentalkrieg  sicher  bevorstand,  gab  der  Kaiser 
am  24.  August  den  Befehl,  die  Karabinier-  und  Kürassierregimenter 
mit  4  Eskadronen  auf  den  Stand  von  wenigstens  500  Reitern,  die 
Dragonerregiraenter  in  3  Eskadronen  auf  400  Reiter,  in  der  4.  un- 
berittenen Eskadron  auf  300  Mann  zu  bringen.  Obwohl  alle  in  den 
Depots  vorhandenen  ausgebildeten  Mannschaften  und  Pferde  heran- 
gezogen und  bei  den  Dragonern  zahlreiche  Rekruten  eingestellt 
wurden,  blieben  doch  viele  Regimenter  weit  unter  diesem  Stande. 
Zur  Zeit  des  Rhein-Überganges  hatten  21  Dragonerregimenter 
weniger  als  400  Reiter  (245—396  Reiter),  die  Kürassierregimenter 
378 — 500  Reiter  und  die  leichten  Kavallerieregimenter  331  bis 
457  Eeiter  '). 

Die  leichte  Kavallerie  war  wohl  vorwiegend  zur  Aufklärung 
bestimmt,  wurde  aber  von  den  Korps  mit  Vorliebe  für  den  Kampf 
zusammengehalten.  Die  schwere  Kavallerie  war  eine  reine  Schlachten- 
kavallerie und  wurde  gar  nicht  zur  Aufklärung  verwendet.  Ja  selbst 
die  Dragoner  scheinen  hierzu  wenig  geeignet  gewesen  zu  sein,  da 
Napoleon  nach  dem  Donau-Übergange  bei  Donauwörth  zwei  leichte 
Regimenter  des  Korps  Lannes  an  Murat  überwies,  „damit  er  auf- 
klären könne". 

Die  Zuweisung  der  ganzen  leichten  Kavallerie  an  die  Korps 
hatte  —  wie  später  dargetan  wird  —  manchen  Nachteil. 

Bewaffnung.  Die  Kürassiere  hatten  Brust-  und  Rücken- 
panzer und  Pistoleü,  die  Karabiniers,  die  Husaren  und  Chasseurs 
leichte   kurze  Karabiner,    die  Dragoner   lange   leichte  Gewehre   mit 

')  Alombert  et  Colin,  II,  S.  165. 


—     57     — 

Bajonett  und  Pistolen.  An  blanken  Waffen  führten  alle  Regimenter 
nur  den  Säbel  (Pallasch).  Die  Dragoner  waren  auch  für  den  Fuß- 
kampf ausgebildet. 

Die  Kavallerie  war  schlecht  beritten  und  im  Reiten  schlecht 
ausgebildet.  Ein  großer  Teil  der  Dragoner  hatte  überhaupt  keinen 
systematischen  Reitunterricht  erhalten.  Aber  diese  Kavallerie  hatte 
einen  großen  Vorteil  vor  der  gut  berittenen  und  gut  geschulten 
österreichischen  Kavallerie:  Sie  ward  von  Generalen  und  Obersten 
befehligt,  die  ihre  Truppen  geschickt  in  Flanken  und  Rücken  des 
Feindes  zu  führen  verstanden  und  im  rücksichtslosen  Drauflosgehen 
die  beste  Anwartschaft  auf  den  Erfolg  erkannten.  So  kam  es,  daß 
die  weit  bessere,  aber  mit  zu  viel  Erwägungen  und  Bedenken  ge- 
führte österreichische  Kavallerie  oft,  bevor  sie  sich  noch  in  Be- 
wegung gesetzt  hatte,  überrannt  worden  war.  Dieses  Drauflosgehen 
war  auch  gegenüber  der  damaligen  Infanterie-  und  Artilleriebewaff- 
nung einzig  richtig.  Im  Kampfe  gegen  Infanterie  zwang  sie  diese 
zur  Bildung  von  Karrees  und  hielt  die  Infanterie,  wenn  sie  nicht 
selbst  einbrechen  konnte,  bis  zum  Eingreifen  eigener  Infanterie  fest^). 

Artillerie. 

Die  französische  Armee  besaß  8  Regimenter  Pußartillerie  a  22 
und  6  Regimenter  reitender  Artillerie  ä  6  Kompagnien.  Jede  Kom- 
pagnie war  zur  Bedienung  einer  Batterie  von  6  Geschützen  bestimmt. 
Der  Effektivstand  der  Artillerie  betrug  38.000  Mann.  Außer  der 
Feldartillerie  bestanden  noch  100  Kompagnien  Küstenartillerie  und 
28  Kompagnien  Artillerie  der  Nationalgarde. 

Die  Mannschaft  der  Fußartillerie  war  mit  Infanteriesäbeln  und 
mit  dem  Dragonergewehr  (mit  Bajonett)  bewaffnet,  das  während  der 
Geschützbedienung  quer  über  dem  Rücken  getragen  wurde.  Die 
reitende  Artillerie  hatte  Kavalleriesäbel  und  Pistolen. 


^)  Es  wäre  wohl  vollkommen  verfehlt,  wenn  man  daraus  für  die  heutige 
Kavallerieverwendung  die  Lehre  ableiten  wollte,  ebenfalls  so  anzugreifen.  Gegen- 
über der  jetzigen  Infanterie-  und  Artilleriebewaffnung  wäre  das  mit  der  Opferung 
der  kostbaren  Kavallerie  gleichbedeutend,  die  in  der  Aufklärung  von  jeher  ihre 
wichtigste  Aufgabe  hatte.  Diese  Aufgabe,  die  eine  äußerst  geschickte  Führung  ver- 
langt, und  bei  der  das  einfache  Drauflosgehen  nichts  nützt,  ist  heute  noch  mehr 
im  Vordergrunde,  weil  die  früher  oft  ausschlaggebende  Rolle  der  Kavallerie  im 
Gefechte  fast  ganz  weggefallen  ist.  Kavallerie  darf  heute  nur  dann  gegen  Infan- 
terie und  Artillerie  eingesetzt  werden,  wenn  deren  volle  Überraschung  möglich 
ist  oder  wenn  der  Gefechtserfolg  auch  die  volle  Opferung  der  Kavallerie  wert  ist. 


—     58     — 

Seit  dem  Jahre  1803  war  ein  neues  Geschützraaterial  in  Ein- 
führung, dessen  Fabrikation  aber  bei  Kriegsbeginn  zu  wenig  vor- 
gesehritten war,  um  die  Artillerie  mit  dem  neuen  Geschütz  aus- 
rüsten zu  können.  Diese  zog  daher  noch  mit  dem  alten  Geschütz- 
material, Modell  Gribauval,  ins  Feld.  Es  waren  dies  glatte  Vorder- 
lader, Zwölf-,  Acht-  und  Vierpfünder  und  sechszöllige  Haubitzen  ^). 
Die  Zwölfpfünder  waren  mit  6,  alle  anderen  Geschütze  mit  4  Pferden 
bespannt.  Jeder  Vierpfünder  hatte  1,  jeder  Aehtpfünder  2,  jeder 
Zwölfpfünder  und  jede  Haubitze  3  vierspännige  Munitionswagen. 

An  Munition  befanden  sich  beim  Geschütz  (im  Protzkasten 
und  in  den  Munitionswagen): 

beim  Vierpfünder     118  Kugel-  und  50  Kartätschenschüsse, 
„      Aehtpfünder    139       „  „     60  „ 

„      Zwölfpfünder  153       „  „     60  „ 

bei  der  Haubitze  151  Kugel-  und  9  Kartätsehenschüsse. 

Eine  gleiche  Munitionsmenge  wurde  für  jedes  Geschütz  in 
den  Korpsparks  und  im  Großen  Park  nachgeführt,  so  daß  die  ge- 
samte mobile  Munitionsdotation  pro  Geschütz  320—426  Schuß  be- 
trug, eine  für  die  damalige  Bewaffnung  sicher  sehr  reiche  Manitions- 
ausrüstimg. 

Die  reitende  Artillerie  hatte  sechsspännige  Aehtpfünder  und 
sechsspännige  Haubitzen  zu  6  Zoll.  Die  Bedienungsmannschaft  war 
beritten,  ein  Teil  der  Munition  wurde  auf  Packpferden  fortgebracht. 

Totalgewicht  der  Geschütze:  Zwölfpfünder  1616  hg,  Aeht- 
pfünder 1184  hg,  Vierpfünder  678  leg  und  Haubitze  969  hg. 

Die  größte  wirksame  Schußweite  betrug  nach  dem  „Manuel 
de  l'artilleur"  von  General  Dartibie  beim  Zwölf-  und  Aehtpfünder 
500  Toisen  =  975  m,  beim  Vierpfünder  450  Toisen  =  880  m, 
bei  der  Haubitze  die  größte  Schußweite,  bei  45"  Elevation  1193  Toisen 
=  2325  m.  Kartätschen  bestanden  zwei  Gattungen ;  die  Kartätschen 
für  große  Distanzen  enthielten  41  große  Füllkugeln,  die  anderen 
112  kleine  Füllkugeln. 

Die   Wirkungsweiten    der   Kartätschen    mit   großen   Füllkugeln 

waren : 

Zwölfpfünder 780  m 

Aehtpfünder 680  „ 

Vierpfünder 580  „ 

^)  Zwölfpfünder  =  121  cm,  Aelitpfünder  —  lO'ö  cm,  Vierpfünder  =  8'4  cm, 
sechszöllige  Haubitzen  =  16"5  cm  Kaliber. 


—     59     — 

Die  Wirkungsweiten  der  Kartätschen  mit  kleinen  Füllkugeln 
waren  bei  allen  Geschützen  um  100  m  geringer. 

Nach  Morvans  „Le  soldat  imperial  1800—1814"  war  die 
Wirkung  des  Geschützfeuers  bis  600  m  sehr  gut,  bis  1200  m  ge- 
nügend, bis  1800  m  zweifelhaft  und  darüber  hinaus  nur  mehr  Zu- 
fall ^).  Die  Kartätschen  wurden  auf  Entfernungen  bis  400  m  ver- 
wendet. Gewöhnlich  begann  das  Feuer  beim  Vierpfünder  auf  600 w?, 
beim  Zwölfpfünder  auf  800  m.  Feuerschnelligkeit  2  Schuß  in  der 
Minute,  bei  sehr  geschickter  Bedienung  auch  3  Schuß. 

Der  Artillerie  waren  der  Artillerietrain,  15  Arbeiterkompagnien 
und  die  2  Pontonierbataillone  angegliedert. 

Die  Vorräte  an  Geschützmaterial,  Handfeuerwaffen  und  Munition 
waren  außerordentlich  reich.  Am  23.  September  standen  zur  Ver- 
fügung: 9664  Belagerungsgeschütze,  darunter  4640  schweren  Ka- 
libers, 3730  Feldkanoneii  und  866  Haubitzen  verschiedenen  Kalibers 
mit  je  5Ü0  Schuß  pro  Geschütz. 

Außerdem  450.000  Eeservegewehre,  42.000  Reservekarabiner 
und  131,500.000  Gewehrkartuschen.  Die  Pulvermagazine  enthielten 
8600^  Pulver  und  4000  t  Blei. 

Die  Große  Armee  war  relativ  viel  schwächer  mit  Artillerie 
dotiert  als  die  Armeen  in  früheren  Kriegen.  Napoleon  rechnete  nur 
1-74  Geschütze  auf  1000  Mann.  Bei  einem  Präsenzstande  von  211.000 
(einschließlich  der  Bayern)  besaß  die  Große  Armee  58  Zwölfpfünder, 
146  Aehtpfünder,  52  Sechspfünder,  56  Vierpfünder,  12  Dreipfünder. 
2  Einpfünder,  58  sechszöllige,  6  vierundzwanzigpfündige  und  6  sieben- 
pfündige  (bayrische)  Haubitzen;  im  ganzen  396  Geschütze  recht 
mannigfaltigen  Kalibers. 

Technische  Truppen. 

Es  bestanden:  2  Pontonierbataillone  ä  8  Kompagnien,  5  Sappeur- 
bataillone  ä  9  Kompagnien  und  9  Mineurkompagnien.  zusammen 
5660  Mann. 

Bewaffnung.  Dragonergewehr  mit  Bajonett  und  Korpssäbel 
(Faschinenmesser). 

Der  Brückentrain  bestand  aus  hölzernen  Schilfen,  die  auf  zehn- 
spännige  Hakets  (Brückenwagen)  verladen  waren,  dann  aus  Balken. 
Bohlen.  Werkzeuo-   etc.    Der   Brückentrain   bestand   aus   63   solchen 


^)  Als  Ziele  jedenfalls  große  Massen,  in  Linien  und  Kolonnen  formiert,  an- 
genommen. 


—     60     — 

Hakets,  aus  13  sechsspännigen  Hakets  (mit  Kähnen)  und  aus  288  vier- 
spännigen anderen  Wagen,  also  zusammen  aus  307  Wagen  mit 
1588  Zugpferden.  Überdies  bestand  noch  eine  Seilbrückenequipage 
mit  28  vierspännigen  Wagen  und  eine  Bockbrückenequipage  be- 
stehend aus  20  vierspännigen  Wagen. 

Das  gesamte  Brüekenmaterial  der  Pontonierbataillone  wurde  in 
Straßburg  konzentriert.  An  requirierten  Schiffen  waren  Mitte  Sep- 
tember eine  Equipage  von  60  Schiffen  in  Straßburg,  eine  zweite 
Equipage  in  Neubreisach  und  45  große  Ehein-Schiffe  auf  Wagen 
verfügbar. 

Train. 

Die  Geschütze,  die  Munitions wagen,  die  Munitionsanstalten 
und  die  wichtigsten  Teile  des  Armeetrains  sollten  von  den  16  Train- 
bataillonen,  die  der  Artillerie  angegliedert  waren,  bespannt  oder  auf- 
gestellt werden.  Es  waren  aber  außer  den  Munitionswagen  weder 
brauchbare  Wagen  noch  Pferde  vorhanden.  Infolgedessen  wurde  mit 
Dekret  vom  2.  September  die  Beistellung  von  3500  vierspännigen 
Wagen  aus  den  östlichen  Departements  angeordnet,  wovon  2500  für 
den  großen  Artilleriepark,  1000  für  den  Lebensmittelpark  der  Armee 
bestimmt  waren.  Kutscher  und  Pferde  erhielten  die  Verpflegung, 
Außerdem  sollten  die  Kutscher  täglich  0"75  Franken  und  für  jedes 
Pferd  1^2  Franken  Entschädigung  erhalten. 

Der  gesamte  Train  der  Armeekorps  —  Bagagen,  Verpflegstrains 
und  Ambulanzen  —  bestand  aus  requirierten  Landesfuhren  ohne 
festgesetzte  Zahl,  so  daß  die  Trains  der  Korps  sehr  verschieden  or- 
ganisiert waren.  Als  Eichtschnur  galt,  daß  die  Korps  jederzeit  mit  vier- 
tägigem Brotvorrat  und  für  4  Tage  mit  Zwieback  ausgerüstet  sein 
mußten.  Pferdefutter  sollte  nicht  mitgeführt  werden;  trotzdem 
müssen  aber  alle  Korps  auch  ziemliche  Mengen  Hafer  mitgeführt 
haben.  So  führte  z.  B.  das  Korps  Ney  beim  Marsch  von  Stuttgart 
über  Heidenheim  Hafer  für  etwa  8  Tage  mit  sich. 

Die  Truppen  hatten  keinen  eigenen  Truppentrain:  auch  sie 
mußten  sich  mit  requirierten  Landesfuhren  behelfen.  Für  ein 
Infanterieregiment  waren  gestattet:  5  vierspännige  Bagagewagen  und 

1  Marketenderwagen,    dann    für   jedes  Bataillon    1  Ambulanzwagen, 

2  Marketender  und  2  Wäscherinnen  mit  je  1  Packpferd.  Die  Wagen- 
zahl wurde  sehr  oft  stark  überschritten,  von  einzelnen  Korps- 
kommandanten,  wie  z.  B.    von  Davout,  dagegen  noch  mehr  restrin- 


—     61     — 

giert.  Die  Regimenter  nahmen  außer  ihrem  Train  meist  noch  einige 
leere  Landesfuhren  für  Marschraarode  und  Kranke  mit.  Der  Truppen- 
train war  somit  gering  und  bestand  nur  aus  wenigen  leistungs- 
fähigen Wagen. 

Ungemein  reich  war  die  Gebühr  an  Bagagewagen  und  Pferden 
zum  persönlichen  Gebrauch  der  Generale,  Offiziere  und  Beamten 
bemessen.  So  gebührten : 

einem  Marschall  18  Reitpferde,  2  vierspännige  Wagen  und 
10  Packpferde,  zusammen  36  Pferde ; 

einem  General  als  Korpskommandanten  18  Reitpferde,  1  vier- 
spänniger Wagen  und  6  Paekpferde,  zusammen  28  Pferde; 

einem  Divisionsgeneral  8  Reitpferde,  1  vierspänniger  Wagen 
und  6  Packpferde,  zusammen  18  Pferde; 

einem  Brigadegeneral  6  Reitpferde,  1  vierspänniger  Wagen 
und  6  Packpferde,  zusammen  16  Pferde; 

einem  Obersten  (Generalstab  und  Kavallerie)  4  Reitpferde  und 
3  Packpferde,  zusammen  7  Pferde; 

einem  Obersten  (Infanterie)  3  Reitpferde  und  3  Packpferde, 
zusammen  6  Pferde; 

einem  Bataillonskommandanten  2  Reitpferde  und  1  Packpferd, 
zusammen  3  Pferde; 

einem  Generalintendanten  8  Reitpferde,  4  vierspännige  Wagen 
und  6  Packpferde,  zusammen  30  Pferde; 

einem  Korpsintendanten  4  Reitpferde  und  1  vierspänniger 
Wagen,  zusammen  8  Pferde; 

einem  Intendanten  3  Reitpferde  und  2  Paekpferde,  zusammen 
5  Pferde; 

einem  ünterintendanten  2  Reitpferde. 

Diese  Gebühr  konnte  nicht  reluiert  werden;  Futter  und  Ver- 
pflegung gebührte  daher  nur  für  die  tatsächlich  verwendete  Anzahl 
Pferde  und  Diener. 

Zur  Geleitung  der  Trains  wurde  die  Mannschaft  der  Train- 
kompagnien verwendet,  die  mit  Dragonergewehren  samt  Bajonett 
und  mit  Kavalleriepistolen  und  Kavalleriesäbeln  bewaffnet  war. 

Armeekörper. 

An  höheren  Verbänden  bestanden  Brigaden,  Divisionen  und 
Armeekorps.  Diese  Körper  waren  aber  nicht  in  unserem  heutigen 
Sinne    gleichmäßig    und    bleibend    organisiert,     sondern    ihre    Zu- 


—     62     — 

sammen Stellung  wurde  vom  Kaiser  fallweise  festgesetzt,  wobei  er 
ihre  Stärke  und  ihre  Dotierung  mit  verschiedenen  Waffengattungen 
ganz  nach  den  jeweiligen  Verhältnissen  und  oft  nach  der  Persön- 
lichkeit des  Kommandanten  bestimmte. 

Der  Kaiser  ließ  sich  nie  abhalten,  den  höheren  Verband  je  nach 
dem  Bedarfe  zu  ändern,  vorübergehend  Gruppen  zu  biiden,  immer  aber 
trachtete   er.   den   alten  Verband   möglichst  bald  wiederherzustellen. 

Die  Infanteriedivisionen  bestanden  nur  aus  Infanterie, 
Artillerie  und  technischen  Truppen. 

Sie  waren  verschieden  stark:  6 — 11  Bataillone  mit  5600  bis 
9000  Mann  Infanterie.  Jede  Division  konnte  in  zwei  Brigaden  ge- 
teilt werden,  wozu  beim  Divisionsstabe  zwei  Brigadegenerale  ein- 
geteilt waren.  Trotz  der  verschiedenen  Stärke  sollten  alle  Divisionen 
die  gleiche  Anzahl  Geschütze  besitzen,  und  zwar  je  2  Zwölfpfünder, 
Vierpfünder  und  Hauljitzen  und  6  Achtpfünder,  zusammen  also 
12  Geschütze.  Jeder  Infanteriedivision  waren  zwei  Kompagnien  Ar- 
tillerie,  Train   und  eine  Abteilung  technischer  Truppen  zugewiesen. 

Das  Kommando  führte  ein  Divisionsgeneral,  dem  3  Adjutanten 
zugewiesen  waren. 

Dem  Divisionsgeneral  stand  der  (leneralstabschef  (eommandant- 
adjutant)  mit  2  Generalstabsoffizieren  zur  Seite.  Im  Divisionsstabe 
befanden  sich  noch  die  2  Infanteriebrigadiere  mit  je  2  Adjutanten, 
der  Artilleriekommandant  mit  1  (Tehilfen,  2  Genieoffiziere,  1  Muste- 
rungsinspektor und  2  Kriegskommissäre.  An  Administrativpersonale 
waren  je  ein  Organ  zur  Beschaffung  des  Brotes,  des  Fleisches,  des 
Pferdefutters,  des  Brennholzes,  der  Bekleidung  und  Unterkunft,  je 
ein  Organ  zum  Bau  von  Backöfen,  zur  Verwaltung  des  Spitals,  zur 
Leitung  des  Sanitätsdienstes  und  für  den  Postdienst  und  drei  Or- 
gane für  die  Verwaltung  der  Trains  (je  eines  für  die  Transporte, 
für  die  Verpflegstrains  und  für  die  Ambulanz)  vorhanden. 

Die  Kavalleriedivisiou.  Die  Kavallerie  war  in  Brigaden 
und  Divisionen  formiert.  Jede  Brigade  bestand  aus  2  Regimentern; 
2—3  Brigaden  lüldeten  eine  Kavalleriedivision  (schwere,  Dragoner- 
und  leichte).  Jeder  Division  war  eine  reitende  Batterie  von  3  bis 
4  Geschützen  Ijeigegeben. 

Die  Divisionskommandos  waren  ähnlich  wie  die  Infanterie- 
divisionskommandos  zusammengesetzt. 

Alle  leichten  Kavalleriedivisionen  waren  bei  den  Armeekorps 
eingeteilt. 


—     63     — 

Das  Armeekorps  war  die  kleinste  Einheit,  die  aus  allen  drei 
Waffen  zusammengesetzt  war. 

Die  Armeekorps  bestanden  aus  2  —  4  Infanteriedivisionen, 
einer  leichten  Kavalleriedivision,  einer  Artilleriemannschaftsreserve  und 
einem  Artilleriepark  (Geschütze  und  Munition).  Alle  anderen  Trains  des 
Korps  —  \'erpflegstrains,  Ambulanzen  und  Bagagetrains  —  waren, 
wie  schon  erwähnt,  aus  Landesfuhren  gebildet.  Auf  diesen  Trains 
wurden  fortgebracht:  ein  Vorrat  an  Schuhen.  Sanitätsmaterial,  das 
nicht  vom  Manne  getragene  Brot,  der  Zwieback  und  das  Mehr- 
ergebnis der  täglichen  Requisitionen. 

Dem  Korpskommandanten  stand  ein  sehr  reiches  Personal  zur 
Verfügung. 

Der  Korpsstab  bestand  aus :  6  Adjutanten  des  Korpskomman- 
danten, einem  Divisionsgeneral  als  Generalstabschef  und  dessen  Ad- 
jutanten (2 — 3),  aus  10 — 18  Generalstabsoffizieren,  1  Divisions- 
general der  Artillerie  mit  3  Adjutanten,  1  Brigadegeneral  der  Ar- 
tillerie mit  2  Adjutanten  und  3  Generalstabsoffizieren  der  Artillerie, 
1  Brigadegeniegeneral  mit  2  Adjutanten  und  5 — 6  Genieoffizieren, 
1  höheren  Gendarmerieoffizier  als  Chef  der  Feldpolizei  mit  einer  Gen- 
darmerieabteilung von  1  Offizier  und  98  Gendarmen,  1  General- 
wagenmeister (Hauptmann  oder  Major),  1  Revueinspektor,  1  Chef- 
kommissär, l  Kriegskommissär  und  4  Kanzleibeamten.  An  Admini- 
strativpersonal waren  vorhanden:  je  1  höheres  Organ  für  die  Brot- 
verpflegung, für  den  Bau  der  Backöfen,  für  Fleiscliverpflegang, 
Futterbeschaffung  und  für  die  Verwaltung  der  Spitäler,  1  Chefarzt, 
1  Chefchirurg,  1  Chefapotheker,  je  1  Organ  für  die  Bekleidung  und 
Unterkunft,  für  Brennmaterial,  für  die  Briefpost,  1  Kassenbeamter  und 
3  Verwalter  der  Trains  (Transporte,  Lebensmittel  und  Ambulanzen^). 

Jeder  Korpskommandant  hatte  überdies  1  Divisionsgeneral  mit 
3  Adjutanten   und  2 — 3   Brigadegenerale   mit  je   2   Adjutanten   zu 


^)  Welcher  Dienst  diesen  Organen  zukam,  vor  allem  dem  Organ  für  die 
„Transporte",  konnte  nicht  ermittelt  werden.  Nach  Alombert  et  Colin,  „La  Cham- 
pagne de  1805  en  AUemagne",  I  (Doeuments  annexes  et  eartes),  S.  44 — 94,  hatte 
jedes  Korps    und  jede  Division  unter  dem  Administrationspersonale   zugewiesen: 

{Transports:  1  inspeeteur  ou  ehef  de  division; 
Vivres:  1  sous-direeteur,  sous-inspecteur  ou  eondueteur; 
Ambulance:  1  direeteur,  eapitaine  ou  eondueteur. 
Da  bei  einigen  Korps  Generalwagenmeister  und  Wagenmeister  zur  Führung 
der  Trains  ernannt  worden  sind,  hatten  diese  Personen  scheinbar  nichts  mit  der 
militärischen  Führung  der  Trains  zu  tun. 


—     64     — 

seiner   Disposition.     Der    gesamte    Korpsstab   zählte,    abgesehen    von 
dem  Dienerpersonal  und  von  den  Fuhrleuten,  160 — ^170  Personen. 

Die  Stärke  der  Korps  war  sehr  verschieden:  sie  schwankte 
von  14.000  bis  40.000  Mann:  trotz  dieser  verschiedenen  Stärke 
hatten  doch  alle  Korps  die  gleiche  Kavalleriekraft  zugewiesen: 
eine  Division  zu  4  leichten  Eegimentern. 

Die  Garde. 

Außer   den   erwähnten  Truppen   bestand   noch   seil    Juli  1804 

die  kaiserliche  Garde.     Sie   war   nach   dem  Befehl   Napoleons   vom 

1.  September  1805  folgend  organisiert: 

Infanterie:  Grenadierbrigade       zu  4  Bataillonen!    ,,   ,  ,  ^^ 

,   .     ,  ,  I  allea4Kompao-nien 

Jägerbrigade  .,4  „  ,  ir,mv/r   " 

T,v     •    u    ü-     j         o  zu  120  Mann; 

Italienische  Brigade  ..2  ,,  ) 

Kavallerie :  Grenadiere  zu  Pferd .  .   6  Eskadronen  1 

Jäger  zu  Pferd 6  „  ,k  150  Reiter ; 

Mamelucken 1  Eskadron     j 

Gendarmerie 1  „  zu  100  Beiter ; 

Artillerie :    3  Batterien  reitender  Artillerie  zu  8  Geschützen  (4  Acht- 
pfünder,  2  Vierpfünder  und  2  Haubitzen). 
Jede    Batterie    besaß    2Q   Munitionswagen,    2  Munitionskarren 
und  4  andere  Wagen. 

In  die  Garde  wurden  die  tapfersten  Mannschaften  übersetzt. 
Um  die  Truppen  aber  nicht  zu  sehr  auszulaugeu.  wurde  ein  Teil  — 
die  Veliten  —  direkt  in  die  Garde  eingereiht.  Es  waren  dies  Frei- 
willige oder  Konskribierte,  die  200  Franken  jährlich  Zulage  von 
ihrer  Familie  erhalten  konnten. 

Der  Oberbefehl. 

Den  Oberbefehl  führte  der  Kaiser;  rJs  sein  Stellvertreter  hatte 
Murat  zu  gelten. 

Als  Chef  des  Generalstabes  und  erstes  Hilfsorgan  des  Kaisers 
fungierte  Marschall  Berthier  mit  dem  Titel  „Le  ministre  de  la  guerre, 
major  general.  expediant  les  ordres  de  Tempereur"  ^).  Er  stand  an  der 
Spitze  des  Generalstabes  des  kaiserlichen  Hauptquartiers.  Ihm  waren 
drei  Divisionsgeneraie  heigegeben.  Der  Dienst  wurde  im  Kabinett  des 
Ministers  und  in  sieljen  Bureaus  versehen,  und  zwar : 

^)  Berthier  behielt  auch  während  des  Krieges  den  Titel  und  die  Würde 
des  Kriescsministers. 


—     65    — 

1.  Für  Bewegung-,  Situationen,  Verteilung  der  Truppen,  Ge- 
saratstand ; 

2.  Innere  Details  und  administrative  Verfügungen; 

3.  Unterkunft  und  Dienst  im  Hauptquartier; 

4.  Tagesbefehle,  allgemeine  Korrespondenz; 

5.  Verkehr  mit  der  Marine; 

6.  Eapporte  und  Tagebücher; 

7.  Topographisches  Bureau. 

Nebst  dem  Generalstab  gehörten  zum  Hauptquartier  :  der  General- 
artillerieinspektor, der  Genera] genieinspektor,  der  Generalintendant, 
der  Generalmusterungsinspektor  und  der  Generalwagenmeister,  der 
oberste  Chefarzt,  der  oberste  Chefchirurg  und  oberste  Chefapotheker, 
der  Generalzahlmeister,  die  Chefs  der  Verwaltungszweige  (für  Brot, 
Fleisch  etc.,  wie  beim  Korps),  der  Telegraphendirektor,  der  General- 
direktor der  Post  und  eine  fahrbare  Druckerei. 

Neben  diesem  zahlreichen  Personal  des  Armeekommandos  hatte 
aber  der  Kaiser  auch  viele  hohe  Funktionäre  in  seiner  unmittelbaren 
Umgebung.  Außer  den  neun  Adjutanten  im  Generalsrang  hatte  er 
noch  den  General  Clarke  bei  sich,  dessen  Stellung  wohl  der  eines 
Generaladjutanten  entsprach,  der  aber  neben  diesem  Kaiser  nur  die 
Rolle  eines  ersten  Sekretärs  spielte.  Der  Oberstallmeister  Caulaincourt, 
der  Obersthofmarschall  Duroc  mit  fünf  Adjutanten,  der  erste  General- 
intendant Daru  und  viele  andere  waren  im  Hauptquartier  anwesend. 
Da  alle  diese  hohen  Funktionäre  zahlreiche  Hilfsbeamte,  Diener, 
Pferde  und  Wagen  mit  sich  führten,  war  der  Troß  des  Haupt- 
quartiers riesig.  Das  kaiserliche  Hauptquartier  zählte  mit  den  zur 
ständigen  Bewachung  bestimmten  Truppen  400  Offiziere,  5000  Mann 
und  500  Kavalleriepferde.  Die  Gesamtzahl  der  Pferde  muß  weit  mehr 
als  2000  betragen  haben. 

Man  hätte  also  in  dem  Beispiel  Napoleons  einen  Trost  für  die 
auch  jetzt  übergroßen  Armeekomraandos  —  wenn  diese  Folgerung  aus 
dem  Beispiele  nicht  falsch  wäre. 

Napoleon  überragte  seine  ganze  Umgebung  so  gewaltig,  er  be- 
herrschte das  ganze  Getriebe  des  Hauptquartiers  und  der  ganzen 
Armee  derart,  daß  einzig  nur  das  geschah,  was  er  wollte.  Alle 
anderen  waren  nur  seine  Werkzeuge,  seine  Handlanger.  Er  war  Ein- 
flüsterungen, Beeinflussungen  unzugänglich ;  bei  ihm  gab  es  keine 
Hintertüren  und  keine  Hintertreppen,  daher  fehlte  auch  die  auf 
diesen  betriebene  Politik,  Bei  ihm  schadete  dieser  Troß  hoher  Funk- 
Kraus  s.  180f),  Der  Feldzug  von  Ulm.  5 


—    G6    — 

tionäre  nichts  oder  doch  nicht  viel,  genützt  hat  er  bestimmt  auch 
nichts.  Übrigens  eilte  der  Kaiser  mit  engerem  Stabe  immer  voraus 
imd  nach  dem  Falle  Ulms  blieb  ein  großer  Teil  des  Hauptquartiers 
in  Augsljurg  zurück. 

Die  Anwesenheit  von  Generaladjutanten.  Ministern,  Obersthof- 
meistern und  ähnlichen  hohen  Funktionären  beim  Oberkommando  der 
Armee  im  Felde  ist  nicht  nur  ganz  überflüssig,  sondern,  wie  das  Bei- 
spiel von  1870  vielfach  zeigt,  sogar  schädlich. 

Im  Felde  ist  der  Monarch  vor  allem  Feldherr.  Das  ganze 
Schicksal  des  Staates  hängt  allein  vom  Erfolge  der  Armee  ab.  Die 
Leitung  der  Armee,  ja  des  ganzen  Staates  muß  daher  einheitlich 
und  auf  den  Sieg  gerichtet  sein;  keine  Nebeneinflüsse,  und  wären 
sie  sachlich  noch  so  richtig,  dürfen  den  Feldherrn  irre  machen.  Er 
soll  daher,  wenn  er  eben  kein  Napoleon  ist,  nur  einen  Berater,  nur 
einen  Vertrauten  haben,  durch  den  alles,  was  die  Armee  und 
die  Politik  betrifft,  zu  gehen  hat  und  dem  daher  alle  Personen 
des  Hauptquartiers  unterstehen  müssen:  den  Generalstal)schef. 
Die  Anwesenheit  des  Kriegsministers,  des  Chefs  des  Militärkabinetts, 
des  Ministers  des  Äußern  und  ähnlicher  hoher  Funktionäre  im  großen 
Hauptquartier  hat  1870/71  nur  Friktionen  erzeugt;  sie  hat  dem 
König  und  dem  Generalstabschef  das  Handeln  nur  schwerer  gemacht. 
Es  ist  unmöglich,  daß  so  hohe  und  einflußreiche  Funktionäre  im 
Hauptquartier,  wo  sie  in  ihrem  Wirkungskreis  eigentlich  nichts  zu 
arbeiten  haben,  untätig  bleiben  und  sich  nicht  mit  unberechtigten 
Eatschlägen    oder  selbst  mit  Intrigen  in  die  Führung  einmischen^). 

Wenn  dann  der  Minister  des  Äußern  selbst  ein  zweiter  Bis- 
marck  und  ebenso  ein  geborener  Soldat  wäre,  wie  Bismarck  es  ge- 
wesen ist,  vs^enn  der  Kriegsminister  selbst  die  Eigenschaften  eines 
Eoon  hätte,  würden  diese  hervorragenden  Männer  mit  ihrer  Ein- 
mengung nur  schaden,  so  wie  auch  Bismarck  und  Roon  1870  im 
Hauptquartier  nur  geschadet  haben.  Diese  Funktionäre  gehören  in 
die  Heimat.  Dort  ist  das  Feld  ihrer  Haupttätigkeit,  dort  allein  können 
sie  für  die  Armee  nützen.  Der  Telegraph,  das  Automobil  und  die 
Eisenbahn  machen  es  jetzt  erst  recht  möglich,  diese  Funktionäre  zu- 
rückzulassen, da  die  genannten  Mittel  zur  Verbindung  mit  dem  Mon- 
archen und  Armeekommandanten  genügen ;  ist  einmal  die  Anwesen- 

^)  Vergleiche  in  dieser  Hinsieht  den  Einfluß  des  FML.  Duka  im  Haupt- 
quartiere Schwarzenbergs  1813.  Karl  Graf  Vitzthum,  „Die  Hauptquartiere  im  Herbst- 
feldzuge 1813  auf  dem  deutsehen  Kriegsschauplätze",  S.  14. 


—     67     — 

heit  dieser  Funktionäre  im  Hauptquartier  nötig,  dann  können  sie 
bei  den  heutigen  Verbindungsmitteln  rasch  und  bequem  für  1 — 2  Tage 
dahin  gebracht  werden. 

Interessant  ist  die  Art,  wie  der  Kaiser  im  Felde  arl^eitete: 
Sobald  das  Hauptquartier  das  Marschziel  erreicht  hatte,  mußte 
das  topographische  Kabinett  des  Kaisers  in  dessen  Arbeitszimmer 
sofort  die  Karten  auflegen  und  darauf  die  Situation  der  eigenen 
Truppen  und,  soweit  sie  bekannt  war,  die  des  Feindes  mit  Nadel- 
fähnchen bezeichnen.  Oft  ließ  sich  der  Kaiser  von  besonders  wich- 
tigen Punkten  nach  den  Karten  Landschaftsskizzen  herstellen.  Im 
Jahre  1805  benutzte  Napoleon  für  den  Feldzug  von  Ulm  General- 
karten von  Deutschland  von  Chauchard  und  von  Sotzmann  (1803), 
die  Karte  von  Schwaben  1  :  86.400  von  Bohnenberger  (60  Blätter) 
und  einen  Abdruck  des  Entwurfes  der  ■  Karte  von  Schwaben  von 
Moreau  1 :  50.000  (56  Blätter),  die  Karte  von  Hessen-lJarmstadt 
1 :  30.000  von  Haas  (25  Blätter)  und  eine  Karte  der  Umgebung  von 
München.  Die  Generalkarten  waren  nur  Übersichtskarten  sehr  kleinen 
Maßstabes.  Der  große,  noch  dazu  ungleiche  Maßstab  der  anderen 
Karten  mußte  bei  den  großen  Räumen,  um  die  es  sich  handelte,  die 
Übersicht  außerordentlich  erschweren.  Vom  12.  Oktober  an  wurde 
auch  eine  im  Maße  1 :  300.000  hergestellte  Karte  von  Schwaben  ver- 
wendet^). Die  Karten  mußten  wegen  des  großen  Maßstabes  auf  dem 

^)  Trotz  der  weitreichenden  Vorsorgen  Napoleons  war  die  Ausrüstung  der 
Armee  mit  Karten  sehr  gering.  Schon  im  Jahre  1800  war  unter  der  Leitung  des 
Generals  Moreau  mit  der  Aufnahme  von  Schwaben  begonnen  worden.  Im  folgenden 
Jahre  wurde  mit  dem  Kurfürten  von  Bayern  ein  Übereinkommen  geschlossen, 
wonach  die  französischen  Kartographen  im  Vereine  mit  den  bayrischen  arbeiten 
sollten.  Der  Entwurf  der  Karten  wurde  im  Maße  1 :  50.000  hergestellt,  der  dann 
auf  1 :  100.000  reduziert  werden  sollte ;  in  diesem  Maßstabe  sollten  die  Karten 
graviert  und  vervielfältigt  werden.  Nach  dem  ersten  Entwürfe  der  Karten  war 
überdies  noch  eine  Übersichtskarte  im  Maße  1 :  300.000  herzustellen. 

Der  Entwurf  der  Karte  von  Schwaben  sollte  Ende  1805  fertig  werden. 
Als  im  August  1805  der  Krieg  immer  wahrscheinlicher  wurde,  erhielt  der  Chef 
des  De'pot  de  la  guerre,  General  Sanson,  den  Auftrag,  die  Arbeiten  zu  beschleu- 
nigen. Er  meldete,  daß  die  Karte  von  Schwaben  1:50.000  fertig,  daß  aber  die 
Übersichtskarte  1 :  300.000  erst  begonnen  worden  sei.  General  Sanson  ließ  nun 
einen  Abzug  der  Karte  1 :  50.000  für  den  Kaiser  herstellen  und  die  Arbeiten  an 
der  Übersichtskarte  beschleunigen.  Trotz  aller  Anstrengungen  konnte  aber  diese 
Übersichtskarte  erst  am  12.  Oktober  an  einige  Generale  ausgegeben  werden; 
wenigstens  sandte  an  diesem  Tage  Napoleon  eine  der  Karten  an  Murat. 

Die  Arbeiten  in  München  waren  noch  nicht  beendet,  als  die  Österreicher 
in  Bayern  einmarschierten.  Die  französischen  Topographen  mußten  daher  ebenso 

5* 


—    68     — 

Fußboden  des  Ziramers  ausgebreitet  werden.  Der  Kaiser  lag  nun  — 
wörtlich  genommen  —  oft  stundenlang  brütend  über  den  Karten. 
Die  Entfernungen  maß  er  mit  emem  auf  mehrere  Wegstunden  ge- 
öffneten Zirkel  mit  erstaunlicher  Schnelligkeit  ab.  Dabei  oder  im 
Auf-  und  Abgehen  diktierte  er  seine  Befehle  einem  seiner  Sekretäre 
so  schnell  ein,  daß  dieser  nur  mit  einer  Art  Schnellschrift  folgen 
konnte.  Die  Sekretäre  mußten  das  Eindiktierte  sofort  ins  reine 
schreiben.  Der  Kaiser  las  die  Eeinschrift  durch  und  unterfertigte  sie. 
Gewöhnlich  richtete  Napoleon  seine  Befehle  schriftlich  an  den  in  einem 
nahegelegenen  Zimmer  arbeitenden  Berthier  ;  öfter  aber  sandte  er  auch 
direkte  Befehle  an  einzelne  Korpskommandanten.  Die  Befehle  des 
Kaisers  waren,  wenn  auch  oft  ins  Detail  eingehend,  so  doch  sehr 
bestimmt  und  kurz.  Berthier  mußte  nun  auf  Grund  dieser  Befehle 
die  Ausfertigungen  an  alle  betroffenen  Stellen  herstellen  lassen,  die 
meist  von  Berthier  unterfertigt  expediert  wurden.  Über  das  An- 
geordnete mußte  endlich  Berthier  einen  Bericht  an  den  Kaiser  vor- 
legen. 

Der  Ausdruck  der  kaiserlichen  Befehle  ist  immer  außerordent- 
lich scharf,  bestimmt  und  klar ;  abgesehen  von  beizufügenden  Details 
und  Erklärungen,  ließ  sich  daran  nichts  ändern,  ohne  nicht  den 
ganzen  Sinn  zu  stören.  In  den  Reinschriften  des  Generalstabes  finden 
sich  auch  alle  charakteristischen  Sätze  des  Kaisers  wörtlich  wieder. 
Da  der  Kaiser  seinen  Entschluß  allein  faßte,  da  er  diesen  Entschluß 
auch   selbst   klar   als    Ausdruck   seines   Willens    zu   Papier    brachte. 


wie  der  französische  Gesandte  nach  Würzburg  flüchten.  Die  von  dort  nach  Paris 
gesandten  fertigen  Kartenblätter  von  Bayern  kamen  zu  spät  an;  sie  erreichten 
den  Kaiser  erst  in  München. 

Die  französischen  Generale  und  Truppen  erhielten  keine  Karten  des  Kriegs- 
schauplatzes. Jeder  mußte  sieh  mit  den  Karten  behelfen,  die  er  sich  selbst  ver- 
schaffen konnte.  Wie  es  in  dieser  Beziehung  bei  der  Armee  ausgesehen  haben 
mag,  läßt  ein  Brief  des  rührigen  Marsehalls  Davout  schließen.  Davout  schrieb  am 
24.  September  aus  Speyer  an  den  Kriegsminister:  „Ich  habe  die  Ehre,  Euer 
Exzellenz  zu  bitten,  den  Generaldirektor  des  Depot  de  la  guerre  zu  ermächtigen, 
mir  Karten  des  Landes  zur  Verfügung  zu  stellen,  das  der  Schauplatz  des  Krieges 
in  Deutschland  sein  wird.  Die  Händler  des  Landes  bieten  in  dieser  Hinsieht 
wenig  oder  gar  keine  Mittel.  Euer  Exzellenz  wissen,  wie  dringend  es  ist,  daß  mir 
diese  unentbehrlichen  Hilfsmittel  zukommen." 

Leider  fehlt  die  Antwort  auf  diesen  Brief.  Davout  dürfte  aber  nichts  er- 
halten haben.  Die  französischen  Truppen  dürften  daher  den  Feldzug  fast  ganz 
ohne  Karten  durchgemacht  haben.  Sie  haben  sieh  jedenfalls  mit  Führern  und 
mit  Rekognoszierungen  durchgeholfen. 


—     69     — 

blieb  dem  Generalstabschet  wirklich  nur  das  zu  tun  übrig,  was  sein 
Titel  ausdrückte:  „expediant  les  ordres  de  l'erapereur".  So  viel  Frei- 
heit auch  Napoleon  seinen  Korpskommandanten  in  der  Führung  ihrer 
Korps  ließ  —  er  bezeichnete  ihnen  gewöhnlich  nur.  wo  er  sie  haben 
wollte  und  was  sie  zu  tun  hatten,  das  „Wie"  überließ  er  ihnen  ganz 
—  so  wenig  Freiheit  ließ  er  dem  Generalstabschef.  Die  Art  und 
Weise,  wie  Berthier  aber  diesen  Dienst  versah,  die  große  Geschäfts- 
kenntnis, der  Überblick  über  alle  Zweige  der  Arraeeversorgung.  die 
seine  Befehle  erkennen  lassen,  die  Präzision,  Schnelligkeit  und  Gründ- 
lichkeit seiner  Arbeit  zeigen,  welch  wertvolles  Hilfsorgan  er  selbst 
für  den  Kaiser  Xapoleon  gewesen  ist. 

Dasselbe  sollte  für  die  Stellung  der  Korps-  und  Divisions- 
generalstabschefs gegenüber  ihren  Kommandanten  gelten.  Im  XVIII. 
Jahrhundert  und  besonders  in  den  Revolutionsarmeen  hatte  sich  in 
der  französischen  Armee  infolge  der  meist  überlegenen  militärischen 
Bildung  und  Energie  der  Generalstabschefs  die  Gepflogenheit  heraus- 
gebildet, daß  die  Generalstabsehefs  untereinander  und  direkt  mit 
dem  Minister  koiTespondierten.  Napoleon  stellte  diese  Gepflogenheit 
sehr  energisch  ab:  „Le  principe  est  bien  certain  que  le  chef  d'etat 
major  est  l'homme  du  general  en  chef  pour  transmettre  ses  ordres 
ä  l'armee^)." 

Hier  sei  noch  erwähnt,  daß  Generalstabschefs,  Generalstabs- 
offlziere  und  Adjutanten  in  der  französischen  Armee  grundsätzlich 
auf  Vorschlag  des  Kommandanten  ernannt  worden  sind. 

Die  kaiserlichen  Befehle  wurden  mit  unbedingtem  Gehorsam 
ausgeführt.  Obwohl  viele  Marschälle  weit  länger  als  Generale  ge- 
dient hatten  als  Napoleon  und  obwohl  sie  auch  meist  älter  an  Jahren 

^)  Dieses  Prinzip  steht  wohl  für  alle  Zeit  fest.  Auch  dort,  wo  der  General- 
Stabschef  durch  seine  überragende  Persönlichkeit  selbst  der  geistige  Leiter  eines 
Kommandos  ist,  sollte  von  diesem  Grundsätze  nicht  abgewichen  werden.  (Ver- 
gleiche in  dieser  Beziehung  das  mustergültige  Verhalten  Gneisenaus  als  General- 
stabsehef  Blüchers.  Vitzthum.  „Die  Hauptquartiere  im  Herbstfeldzuge  1813",  S.  51.) 
In  den  Jahren  1866  und  1870/71  sehen  wir  dagegen  neben  den  offiziellen,  an  die 
Armeekommandanten  gerieJiteten  Befehlen  auch  auf  die  Operationen  sieh  beziehende 
Direktiven  Moltkes  an  die  Generalstabschefs  der  Armeen  ergehen.  Da  alles  im 
großen  ganzen  glatt  abgelaufen  ist  und  weil  kein  Unglück  das  Verfehlte  dieser 
Maßregel  so  recht  hervortreten  ließ,  ist  man  jetzt  gern  geneigt,  dieser  Art  Unter- 
strömung als  mustergültige  oder  anzuempfehlende  Art  der  Verständigung  das 
Wort  zu  reden.  Es  ist  aber  nicht  einzusehen,  warum  diese  Direktiven  und  Er- 
läuterungen nicht  an  das  Kommando  selbst  gerichtet  werden.  So  aber  könnte  sieh 
leicht  eine  Art  Nebenführung  durch  die  Generalstabsehefs  entwickeln. 


—     70     — 

als  der  Kaiser  oder  gleichalterig  mit  diesem  waren,  fühlten  doch 
alle  die  unbedingte  Ülierlegenheit  dieses  Genies  und  erkannten  sie 
ohne  Neid  und  Mißgunst,  selbst  unterwürfig  an.  Alle  trachteten, 
nur  die  Zufriedenheit  ihres  Meisters  zu  erringen :  und  drückte  dieser 
einmal  seine  Unzufriedenheit  mit  einem  seiner  Generale  aus,  dann 
war  der  Getadelte  tief  betroffen  und  setzte  alles  daran,  die  Scharte 
bald  wieder  auszuwetzen. 

Verpflegung. 

Die  ersten  Befehle  Napoleons  für  den  Kontinentalkrieg  betrafen 
die  Sieherstellung  der  Verpflegung  am  Rhein  für  den  Operations- 
beginn. Die  Kürze  der  Zeit,  der  Mangel  an  Geld  und  die  Schnellig- 
keit des  Operationsbeginnes  —  die  beabsichtigte  mehrtägige  Ruhe- 
pause am  Eh  ein  ließ  Napoleon  ausfallen  —  verhinderten  die  volle 
Ausführung  dieser  Befehle.  Der  Mangel  eines  gut  organisierten  Trains 
hätte  überdies  die  Ausnützung  großer,  am  Rhein  angesammelter 
Verpflegsvorräte  kaum  möglich  gemacht.  So  bUeb  die  Armee 
während  des  Vormarsches  ganz  auf  die  Mittel  des  Kriegsschau- 
platzes angewiesen.  Diese  Mittel  genügten  vollkommen  zur  Er- 
nährung der  etwa  200.000  Mann  starken  Armee. 

Das  zahlreiche  Verpflegspersonal  der  Divisionen  und  Korps, 
die  Geschicklichkeit  der  Truppe  im  Requirieren  und  der  Befehl 
Napoleons,  daß  in  den  Ijefreundeten  Ländern  alles  grundsätzlich  zu 
bezahlen  sei,  konnten  bei  dem  Reichtume  des  Landes  hoffen  lassen. 
daß  die  Verpflegung  keine  Schwierigkeiten  bereiten  werde.  Die  Er- 
eignisse werden  zeigen,  wie  wenig  diese  Hoffnung  in  Erfüllung 
ging,  und  was  die  Ursachen  dafür  waren. 

Diese  lagen  gewiß  nicht  in  der  geringen  Beachtung,  die  in 
der  französischen  Armee  der  Verpflegung  geschenkt-  wurde.  Welche 
Wichtigkeit  diesem  Dienste  zugemessen  wurde,  mag  folgendes  aus 
dem  Generalstabshandbuche  des  Generals  Thiebault  dartun: 

Der  Generalstabschef  hat  sämtliche  Anordnungen  für  die 
Fassung  2 — 4  Tage  im  vorhinein  zu  erlassen.  Jedes  Regiment  ent- 
sendet zur  Passung  ein  Handlangerkoramando,  geführt  von  Ad- 
jutanten und  Fourieren  und  geleitet  von  einem  bewaffneten  De- 
tachement.  Die  Reihenfolge  der  die  einzelnen  Artikel,  wie  Brot, 
Fleisch,  Reis,  Salz,  trockenes  Gemüse,  Branntwein,  Wein,  Essig, 
Fourage,  Stroh  etc.,  fassenden  Truppenkörper  ist  jedesmal  genau 
zu  bestimmen. 


—     71     — 

„Von  der  Menge  der  Verpflegung  hängt  die  Kraft 
der  Menschen  und  der  Pferde,  von  der  Güte  der  Verpfle- 
gung deren  Gesundheit  und  von  der  Ordnung  und  Eegel- 
mäßigkeit  dieses  Dienstes  die  Ordnung  und  Disziplin  in 
der  Armee  ab. 

„Man  kann  daher  nicht  genug  für  die  ßegelmäßigkeit  der 
Fassungen  tun. 

„Die  Intendanten  haben  dazu  die  Magazine  und  Fassungen  zu 
iospizieren,  um  jeden  Mii3brauch  abzustellen. 

„Die  Ärzte  haben  die  Verpflegung  auf  ihre  Güte  zu  unter- 
suchen. 

„Die  Offiziere  der  Truppe  haben  darauf  zu  sehen,  daß  die 
Truppe  ihre  Gebühr  erhalte. 

„Außer  dem  allen  hat  neben  dem  Offizier  du  jour  noch  ein 
Generalstabsoffizier  bei  jeder  Fassung  anwesend  zu  sein, 
um  auf  die  strengste  Einhaltung  der  Vorschrift  zu  achten." 

Über  die  Requisition  sagt  das  Handbuch: 

In  den  Ort,  wo  requiriert  werden  soll,  werden  —  wenn  es 
ohne  Gefahr  möglich  ist  —  ein  General  Stabsoffizier,  ein  Intendant 
und  ein  Offizier  der  Truppe  mit  einem  Detachement  geschickt. 

Die  Verpflegstrains  müssen  in  der  Nähe  des  Feindes  unter 
Eskorte  und  unter  Kommando  eines  fähigen  Offiziers  marschieren. 
Dieser  Offizier  wird  meist  der  Truppe  entnommen;  indessen  können 
wichtige  Verpflegstrains  von  Generalstabsoffizieren  geführt 
werden. 

Man  sieht,  in  diesen  aus  der  reichsten  Kriegserfahrung  ge- 
schöpften Bestimmungen  des  Generalstabshandbuches  kommt  das 
heute  so  beliebte  Schlagwort  „Schonung  der  Truppe"  nicht  in  dem 
Sinne  zur  Geltung,  daß  die  Truppe  durch  ein  künstliches  Verptiegs- 
system  der  Fassungstätigkeit  enthoben  werden  soll;  im  Gegenteil, 
die  Schonung  der  Truppe  kam  bei  den  Franzosen  dadurch  zur 
Geltung,  daß  sie  mit  ganzer  Kraft  zu  ihrer  Verpflegung 
selbst  mitwirkte  und  daß  sich  selbst  der  Generalstab  nichi 
scheute,  Dienste  zu  leisten,  deren  Bedeutung  für  das  Wohl  und  die 
Leistungsfähigkeit  der  Truppe,  mithin  für  den  Verlauf  der  Operationen 
heute  nicht  überall  entsprechend  gewürdigt  wird. 


—     72     — 

Am  '6.  August  1805  waren  die  französischen  Truppen  und 
deren  Hilfstruppen  folgend  verteilt: 

Küstenarmee  (bei  Boulogne) 171.300  Mann,  22.136   Pferde 

im  Innern  Frankreichs 170.500      „  16.475 

eingeschifft  und  in  den  Kolonien....      18.000      „  —          „ 

in  Holland 15.000      „  1.507       „ 

„Hannover 21.000      „  3.516 

„  Italien 51.000      „  8.650       „ 

Summe...   446.800  Mann,  52.284   Pferde 
(außerdem  in  Italien  noch  10.000  Italiener). 

B.  Österreich. 

Innere  Zustände. 

•  Während  Frankreich  sich  unter  Napoleons  Leitung  aus  den 
Trümmern  des  alten  Eegimes  rasch  und  kräftig  erholte,  versank 
Österreich  nach  der  leider  nur  zu  kurzen  ßegierungszeit  Josefs  des  IL, 
dessen  Ideen  von  seinen  Völkern  meist  nicht  einmal  begriffen  worden 
sind,  in  den  alten  Sumpf  einer  verrotteten  bureaukratischen  Ver- 
waltung. 

Die  Leidenschaftlichkeit,  mit  der  die  unfähige,  zünftige  Diplo- 
matie an  der  italienischen  Politik  festhielt  und  der  daraus  ent- 
springende tibermächtige  Einfluß  der  römischen  Kirche  hatten  es 
verhindert,  daß  Österreich  im  Vereine  mit  Preußen  das  zerklüftete 
Deutschland  zur  rechten  Zeit  neu  ordnete;  die  daraus  entstandene 
Nebenbuhlerschaft  der  zwei  größten  deutschen  Mächte,  deren  dau- 
ernde Entfremdung  und  spätere  blutige  Kriege  waren  die  Folgen 
dieser  kurzsichtigen  Politik. 

Das  starrsinnige  Festhalten  der  österreichischen  Diplomatie  an 
der  alten  Weltordnung,  als  sich  in  Frankreich  der  Anbruch  einer 
neuen  Zeit  gewaltsam  und  schrecklich  ankündigte,  verwickelten 
Österreich  in  eine  lange  Eeihe  kostspieliger  und  unnützer  Kriege. 
Sie  sollten  es  schließlich  an  den  Rand  des  Verderbens  und  selbst 
um  die  Früchte  dieser  jahrelangen,  wiederholt  mit  dem  Siege  en- 
denden Kämpfe  bringen.  Europa  erlaubte  sieh  dieser  Politik  gegen- 
über eben  alles.  Der  schließliche  Trost  der  Diplomaten,  daß  Öster- 
reich allein  uneigennützig  für  Europas  Wohl  gekämpft  hätte,  ist  das 
beste   Urteil,    das   sie   über   sich    selbst   sprechen  konnten,    denn  es 


—     73     — 

gibt  für  einen  Staat  nichts  Unsinnigeres  als  idealer  Zwecke  wegen 
aussichtslose  Kriege  zu  führen. 

So  wie  die  Leitung  der  Politik,  so  lag  auch  die  Leitung  aller 
Zweige  der  Staatsverwaltung  in  den  Händen  Unfähiger.  Die  Urteile 
über  diese  Männer  lauten  sowohl  in  Briefen  von  Zeitgenossen  als 
auch  in  späteren  auf  ihre  Leistungen  gegründeten  Beurteilungen 
meist  vernichtend^). 

Erzherzog  Karl  schrieb  1802,  daß  „Männer  zu  Ministern  er- 
nannt werden,  um  die  Monarchie  en  niveau  mit  den  Fortschritten 
anderer  Staaten  zu  bringen,  welche  Männer  sich  öflfentlich  rühmen, 
in  30  Jahren  weder  ein  Buch  noch  eine  Zeitung  gelesen  zu 
haben". 

Es  ist  klar,  daß  solche  Chefs  einen  ihrer  würdigen  Beamten- 
stand hatten;  mußte  doch  jedes  wirkliche  Talent,  als  für  sie  ge- 
fährlich, unschädlich  gemacht  werden. 

So  erschienen  Beschränktheit  verbunden  mit  Servilismus, 
Liebedienerei  und  glatten  Manieren  als  die  besten  Eigenschaften,  um 
Karriere  zu  machen. 

Ein  scharfes  Urteil  hierüber  fällte  Erzherzog  Johann  (der 
Bruder  des  Kaisers)  in  seinem  Tagebuch  im  Februar  1804: 

„Die  verschiedenen  Departementschefs,  meist  Leute  von  grober 
Unwissenheit,  daher  auch  mit  allen  jenen  schädlichen  Eigenschaften 
begabt,  die  diese  mit  sich  führt,  stemmen  sich  gegen  alles,  was 
Neuerung  ist.   Sie  gehen  ihre  alten  gewohnten  Wege  und  diese  oft 


^)  Siehe  Fournier,  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  13, 106— 117.  und  Wertheimer, 
„Geschichte  Österreichs  und  Ungarns  im  ersten  Jahrzehnt  des  XIX.  Jahrhunderts". 
Unwissend,  beschränkt,  unfähig,  träge  und  schwerfällig  sind  die  gewöhnliehen 
Beurteilungen,  und  wenn  hohe  Funktionäre,  wie  der  Minister  des  Äußern  Graf 
Trautmansdorf  (Nachfolger  Thuguts  und  Vorgänger  Cobenzls),  als  „wenig  orien- 
tiert und  unerfahren,  interessieren  ihn  seine  Vergnügungen  mehr  als  seine  Ge- 
schäfte", oder  wie  der  Minister  des  Innern  Graf  Kolowrat  als  „altersschwach 
und  gebrechlich"  geschildert  wurden,  muß  man  das  noch  als  vorzügliche  Sitten- 
note ansehen.  Vom  Hofkammerpräsidenten  (Chef  der  Finanzverwaltung)  Grafen 
Ziehy  sagt  Fournier  in  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  116:  „War  es  ihm  gelungen, 
ein  paar  Millionen  aufzutreiben,  um  die  notwendigsten  Ausgaben  zu  decken,  so 
meinte  er  alles  getan  zu  haben,  und  da  es  ihm  an  den  notwendigsten  Kenntnissen 
gebrach  und  an  der  Lust,  sich  dieselben  anzueignen,  so  nahm  er  seine  Zuflucht 
zu  den  Bankiers",  und  der  frühere  Minister  des  Äußern,  Thugut,  sehrieb  am 
25.  Februar  1805  an  den  Kanzler  Grafen  CoUoredo:  „Obwohl  Ziehy  einen  Augen- 
blick der  Muße,  die  ihm  die  Tafel  und  das  Spiel  übrig  lassen,  zu  Studien  ver- 
wendet?" 


—     74     — 

sehr  unrichtig,  und  scheuen  jene,  da  sie  wohl  einsehen,  daß  sie 
nicht  im  stände  sind,  das  zu  leisten,  was  man  mit  Eecht  von  ihnen 
fordern  könnte.  Alle  diese  halten  fest  zusammen  und  bilden  eine 
mächtige  Opposition  gegen  jeden  talentvollen  Mann.  Sobald  einer 
durch  seinen  Verstand  sich  auszeichnet  und  ihnen  Verdacht  gibt, 
jemals  mit  ihnen  in  die  Schranken  treten  zu  können,  wird  er  unter- 
drückt und  dadurch  aller  Eeiz  zum  Dienst  und  alle  guten  Talente 
abgestumpft  und  abgeschreckt^)." 

Alles  war  nur  bestrebt,  sich  zu  bereichern  und  vom  Staate 
persönlichen  Nutzen  zu  ziehen.  So  schrieb  Thugut  an  Colloredo  am 
8.  September  1798: 

„ .  .  .  Das  ist  fürwahr  eine  empörende  Sache,  diese  Gier,  mit  der 
ein  jeder  sich  Hoffnung  macht,  die  Güte  Sr.  Majestät  zu  miß- 
brauchen und  sich  alles  mögliche  anzueignen,  ohne  Eücksicht  auf 
die  äußerste  Notlage  des  Staates.  .  .  ^)." 

Kein  Wunder,  daß  sich  unter  solchen  Verhältnissen  selbst  der 
Vorwurf  der  Bestechlichkeit  lautmachte. 

Erzherzog  Johann  schrieb  in  seinem  Tagebuch: 

„In  den  unteren  Stellen,  besonders  wo  keine  Aufsicht  ist, 
herrscht  Bestechlichkeit,  Veruntreuung,  Willkür,  kurz  alles  jene, 
was  im  stände  ist,  das  Volk  zu  bedrücken;  daher  kein  Wunder,  daß 
Provinzen,  welche  in  Ansehung  ihres  Bodenreichtums  sieh  empor- 
schwingen sollten,  seit  Jahren  nicht  allein. nicht  fortgeschritten  sind, 
sondern  Eückschritte  gemacht  haben  ^)." 

Die  innere  Verwaltung  entsprach  dieser  Beamtenschaft.  Erz- 
herzog Johann  urteilt  darüber; 

„Die  Geschäfte  des  Innern  werden  durch  Männer  geleitet, 
welche  teils  dem  Geschäfte  nicht  gewachsen  sind,  teils  in  Ansehung 
ihrer  Kenntnis  manchen  Zweifeln  unterliegen.  Durch  einen  lang- 
samen Geschäftsgang  werden  die  Länder  verwaltet,  nichts  verbessert, 
nichts  erfunden^)." 

Aus  der  Bevölkerung  kommende  wichtige  Anregungen  blieben 
jahrelang  unerledigt.  Der  Staatsabschluß  des  Jahres  1793  wurde 
erst  im  Jahre  1799  überreicht,  das  Staatspräliminare  wurde  meist 
erst  dann  fertiggestellt,    wenn    es  keinen  Wert  mehr  haben  konnte. 


^)  Fournier,  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  118. 

^)  Vivenot,  „Vertrauliehe  Briefe  des  Freiherrn  v.  Thugut",  II,  S.  120. 

^)  Fournier,  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  118  und  119. 


—     75    — 

Erzherzog  Karl,  der  im  Jahre  1802  alle  österreichischen  Pro- 
vinzen bereist  hatte,  um  sich  persönlich  über  die  herrschenden  Zu- 
stände zu  orientieren,  sagt  in  seinem  Bericht  über  das  Gesehene, 
daß  in  allen  Provinzen  Niedergeschlagenheit,  Mißmut  und  Unzu- 
friedenheit herrschten,  besonders  in  Galizien,  wo  noch  so  wenig  zur 
Förderung  der  Landeskultur  und  der  Industrie  geschehen  war,  daß 
sich  die  Landesbewohner  unter  der  österreichischen  Herrschaft  viel 
schlechter  befänden   als   unter   der  früheren  polnischen  Verfassung. 

Die  Straßen  waren  so  verwahrlost,  daß  sich  selbst  der  russi- 
sche Unterhändler  darüber  beklagte,  da  ihr  schlechter  Zustand 
seine  Eeise  stark  verzögerte.  Für  die  Flußschiffahrt  wurde  gar  nichts 
getan;  die  wenigen  Kanäle  verschlammten  und  versandeten. 

Handel,  Unterricht  und  Justiz  standen  auf  gleich  niedriger 
Stufe.  Mit  Polizei  und  Eeligion  sollte  das  in  Unwissenheit  erhaltene 
Volk  regiert  werden. 

„Es  sind  demnach",  sagt  Erzherzog  Karl,  „alle  bestehenden 
Zweige  der  inneren  Staatsverwaltung  gänzlich  desorganisiert  und 
so  viele  in  den  meisten  Staaten  mit  dem  größten  Vorteile  für  den 
inneren  Wohlstand,  die  Glückseligkeit  und  Bequemlichkeit  einge- 
führte öffenthche  Anstalten  sind  m  Österreich  unbekannte  Dinge^).'" 

Finanzen, 

Daß  bei  dieser  Verwaltung  auch  die  Finanzen  schlecht 
standen,  ist  klar. 

Schon  die  Kriege  mit  Preußen  hatten  der  Monarchie  schwere 
Opfer  gekostet;  trotzdem  konnte  man  1768  noch  mit  einem  Über- 
schusse von  7  Millionen  Gulden  rechnen.  Die  späteren  Kriege 
brachten  den  Staatshaushalt  wieder  ins  Schwanken.  1781  begann 
das  Defizit  chronisch  zu  werden.  Anfangs  betrug  es  zwar  nur 
1  Million  Gulden  jährlich,  stieg  aber  bald  auf  4  Millionen.  1787  bis 
1790  betrug  es  schon  ca.  20  Millionen  jährlich  und  stieg  in  den 
Kriegsjahren  1793—1798  bis  auf  90  Millionen  in  einem  Jahre. 
Die  Gesamtausgaben  betrugen  in  diesen  sechs  Jahren  808  Millionen, 
denen  nur  451  Millionen  Einnahmen  gegenüberstanden.  Das  Defizit 
betrug  daher  in  sechs  Jahren  357  Millionen  Gulden.  Das  Gleich- 
gewicht zwischen  Einnahmen  und  Ausgaben  konnte  anfangs  nur 
durch  Anleihen  und  durch  spezielle  Kriegssteuern   erhalten  werden, 

^)  Wertheimer,  „Gesehiehte  Österreichs  und  Ungarns"  etc.,  S.  H7 — 91. 


—     16     — 

die,  1788  eingeführt,  iDfolge  der  Eevolutionskriege  nicht  mehr  auf- 
gehoben wurden.  Ais  im  Jahre  1799  lieine  Anleihe  mehr  gehngen 
wollte,  mußte  der  Staat  allerhand  bedenkliche  Auswege  suchen,  um 
Zahlungsmittel  zu  erhalten.  Die  Silbermünzen  waren  schon  seit 
Jahren  stark  minderwertig;  seit  1799  wurden  selbst  die  Kupfer- 
münzen unter  dem  Werte  ausgemünzt.  Das  alles  genügte  aber  nicht. 
Die  Bankozettel  —  ein  vollkommen  unbedecktes  Papiergeld  —  mit 
deren  Ausgabe  1762  in  bescheidenen  Grenzen  begonnen  worden 
war,  wurden  jetzt  in  Massen  ausgegeben,  so  z.  B.  im  Jahre  1799 
allein  148  Millionen  Gulden. 

Der  Schuldenstand  mußte  bei  diesen  Verhältnissen  groß  sein. 
Die  meist  hochverzinsliche  Staatsschuld  stieg  1804  über  654  Millionen 
Gulden  Konventionsmünze;  an  Bankozetteln  waren  424  Millionen 
Gulden  in  Umlauf.  Diese  Masse  unbedeckter  Noten  mußte  den  Wert 
des  Geldes  drücken  und  im  Kreditwesen  Verwüstung  anrichten.  Die 
Bankozettel  wurden  1804  nur  mit  35  "/o  Disagio  genommen. 

Nach  einem  russischen  Berieht  aus  dieser  Zeit  besaß  der 
Papiergulden  nur  einen  Wert  von  45  Kreuzer  Kupfer  und  bestanden 
selbst  die  umlaufenden  Scheidemünzen  fast  nur  in  Papier  und.  in 
wenig  Kupfer^). 

Anstatt  aber  dieser  derouten  Finauzwirtschaft  durch  Hebung 
der  Leistungsfähigkeit  des  Landes,  durch  Erhöhung  der  Steuerkraft 
aufzuhelfen,  suchte  die  unfähige  Verwaltung  das  Heil  im  Ersinnen 
neuer  Steuern,  in  der  Ausgabe  neuer  Noten  und  in  ähnlichen 
Mitteln  -}. 

Die  Entwertung  des  Geldes  hatte  eine  fort  steigende  Teuerung 
der  Lebensmittel  zur  Folge.  Die  Hofkanzlei  und  die  Kommissionen 
sahen  die  Ursache  dieses  Übels  der  Teuerung  in  der  Übervölkerung 
der  Hauptstadt,  weshalb  man  dieser  steuern  müsse.  Es  nützte  nichts, 
daß  Einsichtsvolle  darauf  verwiesen,  wie  unsinnig  diese  Behauptung 
sei,  da  Wien  schon  zu  früheren  Zeiten  mehr  Einwohner  hatte  als 
damals,   ohne  daß  eine  Teuerung  eingetreten  war.    Mit  Dekret  vom 


^)  Beer,  „Die  Finanzen  Österreichs  im  XIX.  Jahrhundert". 

-)  Siehe  Foiirnier,  „Gentzund  Cobenzl",  S.  116—118.  Die  Steuern  wurden 
mit  der  Begründung  erhöht,  daß  eine  geringe  Belastung  ohnehin  für  ein  Volk 
schädlich  sei,  indem  sie  dem  Müßiggange  Tür  und  Tor  öffne  und  die  Betrieb- 
samkeit erschlaffe.  Man  zog  auch  das  letzte  Kupfer  aus  dem  Verkehr,  um  es 
anderweitig  zu  verwenden,  und  kam  selbst  auf  die  absurde  Idee,  zur  Aufbesserung 
der  Finanzen  den  Besuch  des  Praters  zu  besteuern. 


—     77     — 

30.  April  1804  wurde  angeordnet,  daß  innerhalb  eines  Umkreises 
von  vier  Meilen  keine  neue  Fabrik,  innerhall)  eines  Umkreises  von 
zwei  Meilen  kein  neues  Gewerbe  errichtet  und  vorhandene  möglichst 
aus  der  Stadt  entfernt,  die  Beschränkung  der  Ehen  aber  ernstlich 
überlegt  werden  sollte^). 

Hand  in  Hand  mit  diesen  finanziellen  Maßnahmen  sollten  auch 
Ersparungen  gemacht  werden.  Bei  der  herrschenden  Kurzsichtigkeit 
war  es  nicht  zu  verwundern,  daß  diese  Ersparungen  trotz  des  Wider- 
spruches des  Erzherzogs  Karl  hauptsächlich  an  der  Wehrmacht  ge- 
macht werden  sollten.  Ausgedehnte  Beurlaubungen  schwächten  den 
Friedensstand ;  die  Truppen,  vor  allem  die  Kavallerie,  wurden  in  die 
billigeren  östlichen  Provinzen  verlegt,  alle  Artilleriepferde  wurden 
verschleudert,  so  daß  nicht  eine  Batterie  bespannt  war.  Diese  Maß- 
regeln wären  unanfechtbar  gewesen,  wenn  man  damit  die  äußere 
Politik  in  Einklang  gebracht  hätte:  Der  Wehrlose  muß  sich  eben 
dem  stark  Bewehrten  widerspruchlos  fügen.  Das  von  Rußland, 
Preußen  und  Frankreich  bedrohte  entwaffnete  Österreich  hätte  sich 
zum  Vasallen  und  Schutzbefohlenen  des  mächtigsten  Mannes  Europas 
erniedrigen  müssen,  es  hätte  also  die  Politik  der  kleinen  deutschen 
Staaten  (Bayern,  Baden,  Württemberg)  zu  seiner  machen  und  Frank- 
reich unbedingte  Heerfolge  leisten  müssen,  bis  durch  gute  Ver- 
waltung der  Staatsorganismus  so  weit  gestärkt  gewesen  wäre,  daß 
man  mit  einer  starken  Wehrmacht  wieder  selbständige  Politik  hätte 
treiben  können  ^).  So  aber  standen  Wehrmacht  und  Politik  nicht  im 
Einklänge;  das  ohnmächtige,  schlecht  verwaltete  Österreich,  dessen 
Bevölkerung  so  unzufrieden  war,  daß  es  in  Wien  wiederholt  zu 
blutigen  Unruhen  kam,  wurde  von  allen  Mächten  mißachtet  und  vom 
selbstsüchtigen  England  nur  als  Puffer  vorgeschoben,  um  die  Schläge 
Napoleons  von  sich  abzuwenden. 

Ein  Mann  stemmte  sich  mit  ganzer  Kraft  gegen  diese  selbst- 
mörderische Staatsverwaltung.  Erzherzog  Karl  war  dieser  Mann; 
durch  Geburt  zunächst  dem  Throne  stehend,  als  sieggekrönter  Feld- 
herr  der  Stolz   der  Armee,   verehrt  vom  Volke  als  der  hellsehende. 


'■)  Fournier,  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  116 — 118. 

^)  Daß  selbst  neutrales  Schweigen  und  Dulden  nichts  Gutes  gebracht  hätte, 
lehrt  das  Beispiel  Preußens.  Napoleons  entschiedener  Charakter  kannte  eben  keine 
Neutralität,  er  kannte  nur  Freund  oder  Feind.  So  rechnete  er  Preußen,  als 
es  trotz  seiner  Werbungen  neutral  bleiben  wollte,  einfach  zu  seinen  Feinden.  Mit 
welchen  Folgen  für  Preußen,  hat  die  Zeit  1806—1812  bewiesen. 


—     78     — 

liberal  denkende  Patriot,  geachtet  in  ganz  Deutschland,  geschätzt  in 
ganz  Europa  ^j ;  daß  alle  Anstrengungen  dieses  hervorragenden  Mannes 
vergebens  waren,  daß  er  den  Intrigen  der  Regierung  und  ihrer  An- 
hänger weichen  mußte,  zeigt,  wie  tief  die  Übel  im  Staatskörper 
saßen.  Zwei  Gründe  verursachten  die  gegen  Erzherzog  Karl  gerich- 
teten Intrigen:  weil  er  den  gemütlichen  Schlendrian  bekämpfte,  der 
die  Signatur  aller  Ministerien  war  und  damit  die  bequem  Dienenden 
ängstigte,  ihre  ßuhe  zu  verlieren,  denn  sie  sollten  ja  wirklich  und 
ehrlich  arbeiten  —  und  weil  er,  der  siegreiche  Feldherr,  die  Kriegs- 
politik der  Regierung  mißbilligte  und  bekämpfte. 

Nach  dem  Frieden  von  Lunneville  rückte  Erzherzog  Karl  vor 
allem  dem  Schlendrian  in  der  Verwaltung  der  Armee  an  den  Leib. 
Er  erwü'kte  beim  Kaiser  die  Aufhebung  des  Hofkriegsrates  als  selb- 
ständige leitende  Stelle  und  seine  Einordnung  in  das  neuerriehtete 
Kriegsministerium.  Erzherzog  Karl  stand  als  Kriegsminister  und 
Präsident  des  Hofkriegsrates  an  der  Spitze  der  Heeresverwaltung. 
Seine  erste  Sorge  war,  Ordnung  in  die  beispiellos  nachlässige  Ge- 
schäftsgebarung zu  bringen.  Gab  es  doch  damals  in  der  Hofkriegs- 
buehhaltung  154.000  rückständige  Rechnungen  und  33.000  uner- 
ledigte Eingaben  ^ ). 

Man  wußte  nie.  ob  Millionen  von  Gulden,  die  den  Beamten 
anvertraut  waren,  auch  tatsächlich  verrechnet  wurden,  ob  alle  Ein- 
nahmen des  Staates  auch  tatsächlich  eingelaufen  waren.  Bei  solcher 
Unordnung  waren  Unterschleife  an  der  Tagesordnung. 

Erzherzog  Karl  klagt  darüber: 

„So  aber  mußte  auch  der  redlichste  Beamte  bei  dem  Anblick, 
daß  alles  ungescheut  und  unbestraft  sich  mit  Geldern  des  Staates 
bereichert,  ohne  daß  die  Hofkriegsbuchhaltung  nur  ein  Zeichen  ihrer 
Existenz  gegeben  hätte,  sich  zu  unerlaubten  Handlungen  verführen 
lassen^)." 

Erzherzog  Karl  verwies  aber  auch  darauf,  daß  es  vergebens 
wäre,  nur  in  der  Heeresverwaltung  allein  Ordnung  zu  schaffen;  dies 
mußte  in  allen  Zweigen  der  Staatsverwaltung  geschehen.  In  zahl- 
reichen Denkschriften  und  Berichten  an  den  Kaiser  zeigte  der  Erz- 
herzog,   welcher    Weg    zur    Gesundung  Österreichs    einzuschlagen 

^)  So  sehrieb  der  französische  Gesandte  Champagny  an  Talleyrand  (Wert- 
heimer,  Geschichte  „Österreichs  und  Ungarns"  etc.,  S.  97). 

^)  Wertheimer,  „Erzherzog  Karl  als  Hofkriegsratspräsident",  S.  27. 
^)  Wertheimer;  „Erzherzog  Karl  als  HolTcriegsratspräsident",  S.  26. 


—     79     — 

wäre:  unbedingt  friedliche  Politik,  um  die  Zeit  und  Mittel  zu  ge- 
winnen, durch  gründlichste  Reformen  im  Innern  den  Wohlstand 
des  Landes  zu  heben,  die  Staatseinkünfte  zu  vermehren,  die  Finanzen 
zu  regeln  und  das  Heer  auf  eine  hohe  Stufe  der  Kriegsbereitschaft 
zu  bringen.  Erst  dann,  wenn  das  alles  geschehen  war,  sollte  Öster- 
reich wieder  versuchen,  in  die  Geschicke  Buropas  einzugreifen.  Er 
wollte  daher  eine  Zeit  gründlichster  Arbeit  und  Sammlung  ge- 
winnen; eine  feste,  friedliche  Politik  und  ein  starkes,  gutgeschultes 
Heer,  das  die  Nachbarn  zur  Achtung  Österreichs  zwang,  sollten 
diese  Zeit  schaffen^). 

Vergebens  wehrte  sich  der  Erzherzog  gegen  die  Reduktion 
der  Armee;  weil  die  Verwaltung  unfähig  war,  das  Einkommen  des 
Staates  zu  erhöhen,  mußten  Ersparungen  gemacht  werden.  Mit  Mühe 
verhinderte  der  Erzherzog  die  Auflösung  von  Truppenkörpern;  nur 
starke  Beurlaubungen  gestand  er  zu.  So  sank  der  tatsächlich  vor- 
handene Stand  der  Armee  auf  ein  Minimum.  Die  verbrauchten 
Kriegsvorräte  waren  noch  nicht  ersetzt,  die  Grenzen  ungeschützt. 
Der  Staat  war  bei  vollster  Anspannung  aller  Kräfte  kaum  im  stände, 
die  Armee  auf  den  vollen  Priedensstand  zu  bringen;  die  Versetzung 
auf  den  Kriegsstand  war  ausgeschlossen.  Mitte  April  1805  erhielten 
der  Generalquartiermeister  FML.  Duka  und  FML.  Mack  den  Auf- 
trag, sich  über  einige  Fragen  der  Mobilisierung  zu  äußern.  FML.  Duka 
wies  in  seinem  Gutachten  nach,  daß  bei  der  Armee  selbst  in  dem 
Falle,  als  sie  nur  mit  ihrem  Friedenstand  ins  Feld  rücken  sollte, 
und  wenn  man  fürs  erste  Kriegsjahr  nur  50.000  Mann  Ersatz 
rechnete,  92.000  Mann  Abgang  vorhanden  war,  dessen  Deckung 
von  Ungarn  und  Siebenbürgen   hätte   übernommen-  werden  müssen. 


^)  Nicht  nur  Erzherzog  Karl  sah  so  klar.  Tiirst  Karl  Schwarzenberg 
äußerte  sieh,  allerdings  später,  im  selben  Sinne:  „Dem  französischen  Gouverne- 
ment wollten  wir  uns  nicht  nähern,  Preußen  konnten  wir  in  keiner  Hinsicht 
Vertrauen  einflößen  und  Rußlands  Gesinnungen  wuren  dazumal  nicht  sehr  gün- 
stig, wie  es  der  .letzte  Reiehsrezeß  beweist,  wo  das  Petersburger  Kabinett  keine 
Gelegenheit  unbenutzt  ließ,  wo  es  sieh  darum  handelte,  das  Ansehen  des  Wiener 
Hofes  herabzusetzen.  Von  mächtigen,  keine  Stütze  gewährenden  Nachbarn  um- 
geben, was  blieb  uns  für  ein  Rettungsmittel?  Ein  einziges!  Rastloses  Streben, 
die  Armee  auf  den  höchstmöglichen  Grad  von  Vollkommenheit  zu  bringen  und 
sodann  durch  ein  kluges  diplomatisches  Benehmen  jeden  fühlen  zu  lassen,  wie 
nützlich  und  wie  schädlich  man  ihm  werden  könnte,  ohne  sich  jedoch  auf  irgend 
eine  Seite  zu  sehlagen,  bis  nicht  die  tiefen  Wunden  des  Staatskörpers  vernarbt 
waren."  (Kriegsarehiv,  Mem.,  IX,  247.) 


—     80     — 

welche  Länder  aber  zur  Abstellung  von  Mannschaften  nicht  ver- 
pflichtet waren.  Die  Erreichung  des  vollen  Kriegsstandes  erschien 
daher  ausgeschlossen. 

An  Kavallerie  besaß  die  Armee  nur  37.000  Reiter  gegen  etwa 
60.000  der  Franzosen.  Wenn  die  Kavallerie  auf  vollen  Stand  ge- 
bracht werden  und  die  Armee  mit  dem  nötigen  Fuhrwesen  aus- 
gestaltet werden  sollte,  so  waren  83.000  Pferde  nötig.  Nach  der 
Konskription  vom  Jahre  1803  waren  aber  in  den  Erbländern,  die 
allein  zur  Abstellung  der  Pferde  verhalten  werden  konnten,  nur 
23.000  taugliche  Pferde  vorhanden. 

So  lagen  die  Verhältnisse,  als  die  Leichtfertigkeit  der  öster- 
reichischen Politiker  den  Staat  in  den  Kampf  trieb.  Es  kann  daher 
nicht  wundern,  daß  der  Zusammenstoß  mit  dem  Soldatenkaiser  — 
und  wie  Gentz  spöttelte,  mit  dem  Theaterkaiser  —  ein  so  schreck- 
liches Ende  nahm. 

Die  österreichische  Armee. 
Ergänzung. 

Seit  dem  Jahre  1781  war  in  den  österreichischen  Erbländern, 
deren  Bevölkerungszahl  etwa  13  Millionen  betrug,  die  Konskription 
eingeführt.  Bei  den  Konskriptionen  wurden  alle  Wehrfähigen  er- 
mittelt und  ihre  Namen  in  Listen  eingetragen,  die  jährlich  über- 
prüft und  evident  gehalten  wurden.  Jeder  Staatsbürger  war  wohl 
zum  Kriegsdienst  verpflichtet,  aber  die  gebildeten  Stände  wurden 
nicht  zum  Waffendienst  herangezogen;  auch  Loskauf  und  Stellver- 
tretung waren  gestattet. 

Jedes  Infanterieregiment  hatte  seinen  ständigen  Ergänzungs- 
bezirk, der  nach  den  Füsilierkompagnien  in  Kompagniebezirke  ge- 
teilt war.  Die  Grenadierkompagnien  wurden  aus  den  Ftisilier- 
kompagnien  ergänzt.  Nach  der  Erwerbung  Galiziens  hatte  jedes 
deutsche  Regiment  dort  einen  Aushilfsbezirk  erhalten.  Nach  dem 
Verlust  der  Niederlande  und  der  Lombardei  bekamen  die  walloni- 
schen und  italienischen  Regimenter  Ergänzungsbezirke  in  Galizien 
und  nur  einige  deutsche  Regimenter  behielten  ihre  Aushilfsbezirke. 

In  Ungarn  und  Siebenbürgen,  die  ungefähr  9  Millionen  Ein- 
wohner hatten,  blieben  die  Truppen  hauptsächlich  auf  die  Werbung 
beschränkt;  jedes  der  15  ungarischen  Infauterieregimenter  hatte 
seinen  ständigen  Werbebezirk.  Seit  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts 
stellten  auch  dort  die  Stände  fallweise  Rekruten  bei. 


—     81     — 

Die  anderen  Waffengattungen  erhielten  itire  Eekruten  aus  be- 
stimmten Infanteriebezirken.  Die  Infanterieregimenter  sollten  in 
ihren  Ergänzungsbezirken  garnisonieren. 

Die  Pferde  wurden  bei  den  Konskriptionen  klassifiziert  und  im 
Kriegsfalle  gegen  Bezahlung  assentiert. 

Die  Stellungspflicht  währte  vom  17,  bis  zum  40.  Lebensjahre. 
Die  eingereihten  Inländer  mußten  lebenslänglich  dienen,  Ausländer 
konnten  auf  6 — 10  Jahre  kapitulieren. 

Bei  jeder  Kompagnie  konnten  60  Mann  geworbene  Ausländer 
sein.  Weil  der  Friedensstand  der  Kompagnie  100  Mann  betrug, 
mußten  bei  jeder  Kompagnie  wenigstens  40  Inländer  eingereiht  werden. 
Überdies  mußten  zur  Ergänzung  auf  den  Kriegsstand  der  Kompagnie 
40  Inländer  assentiert  sein,  die  aber  im  Frieden  beurlaubt  werden 
konnten. 

Im  Jahre  1802  wurde  die  lebenslängliche  Dienstzeit  aufgehoben. 
Auch  die  Inländer  hatten  von  da  an  nur  eine  etwa  10jährige  Dienst- 
zeit. Eeengagierung  der  Ausgedienten  war  gestattet. 

Ein  charakteristisches  Merkmal  der  Organisation  der  öster- 
reichischen Armee  war  ihre  geringe  Beständigkeit.  Die  Organisation 
aller  Waffen-  und  Truppengattungen  war  im  beständigen  Wechsel 
begriffen.  Fortwährend  fanden  Neuaufstellungen,  Auflösungen,  Um- 
wandlungen und  Wiederaufstellung  eben  aufgelöster  Truppen  statt. 
Manche  Truppen  wurden  kaum  ein  Jahr  nach  ihrer  Aufstellung  auf- 
gelöst oder  umgewandelt,  um  nach  einiger  Zeit  in  anderer  Form 
wiederaufgestellt  zu  werden. 

Infanterie. 

Die  Infanterie  bestand  Anfang  1805  aus  62  Infanterieregi- 
mentern und  aus  17  Grenzinfanterieregimentern. 

Die  Infanterieregimenter  Nr.  1 — 63  ^)  bestanden  aus  je  3  Ba- 
taillonen ä  6  Füsilierkompagnien  und  aus  2  Grenadierkompagnien. 
Das  Infanterieregiment  Nr.  64  (Tiroler  Jäger)  hatte  3  Bataillone  zu 
6  Kompagnien,  die  Grenzregimenter  2  Bataillone  zu  6  Kompagnien. 

Jedes  Regiment  sollte  im  Krieg  ein  viertes  (drittes)  Bataillon 
als  Reservebataillon  aufstellen. 


^)  Die  Regimenter  Nr.  5  und  6  waren  Garnisonsregimenter  (in  Galizien), 
die  nicht  ins  Feld  rückten. 

.Krau SS.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  6 


—     82 


Nach  einer  Verordnung  vom  Jahre  1802  sollten  die  Eegimenter 
folgende  Stände  aufweisen: 

Friedens-      Kriegs-  Artillerie- 

stand stand  "    mannsehaft 

Mann  Mann         ^ewehre       ^^^^ 

ein   deutsches  Regiment   zu  20 

Kompagnien 3347  3900  3476  100 

das  Tiroler  Jägerregiment 2585  2585  2340  — 

ein    ungarisches   Regiment   (20 

Kompagnien  ^ ) 4067  4160  3836  100 

ein  Reservebataillon —  937  —  — 

Der  komplette  Friedensstand  der  Infanterie  sollte  daher  217.500 
Mann  betragen.  Anfang  1805  fehlten  aber  auf  diesen  Stand  etwa 
20.000  Mann;  außerdem  waren  ungefähr  96.000  Mann  auf  unbe- 
stimmte Zeit  beurlaubt.  Der  Kriegsstand  sollte  einschließlich  der 
Grenzer  und  der  Reservebataillone  ungefähr  360.000  Mann  betragen. 

Die  Infanterie  sollte  seit  dem  Jahre  1800  mit  einem  leichten 
Gewehr  (Modell  1798)  bewaffnet  werden.  Weil  aber  das  Geld  zur 
Beschaffung  der  Gewehre  fehlte,  ging  die  Infanterie  noch  mit  dem 
alten  Gewehr  (Modell  1784)  in  den  Krieg,  das  dem  französischen 
Gewehr  ungefähr  gleichwertig  war^).  Die  Unteroffiziere  und  Grena- 
diere  hatten   nebst   dem  Bajonett  noch   den  kurzen  Infanteriesäbel. 

Jeder  Mann  hatte  60  Patronen  Taschenmunition. 

Die  Taktik  der  österreichischen  Infanterie  war  der  französischen 
nachgebildet  und  dieser  daher  im  allgemeinen  ähnlich.  Nur  waren 
alle  reglementären  Bestimmungen  viel  verwickelter  und  umständ- 
licher. Die  Franzosen  hatten  die  an  und  für  sich  einfacheren  Evolu- 
tionen ihres  Reglements  in  der  Praxis  noch  wesentlich  vereinfacht, 
wogegen  die  Österreicher  ihre  Bxerzierformen  starr  einhielten.  Die 
Ausbildung  war  wegen  der  zahlreichen  Beurlaubungen,  die  auch 
kaum  ausgebildete  Reki'uten  traf,  recht  mangelhaft^). 


^)  46  Regimenter  ergänzten  sieh  in  den  österreiehiselien  Provinzen  („deut- 
sche" Regimenter),  15  Regimenter  in  Ungarn,  2  Regimenter  waren  Garnisons- 
regimenter. 

^)  Nur  ein  Teil  der  Regimenter  hatte  Gewehre,  die  nach  dem  Muster  1784 
neu  erzeugt  waren.  Die  Mehrzahl  führte  Gewehre  Muster  1754,  die  mit  den  Ver- 
besserungen des  Musters  1784  versehen  worden  waren. 

^)  Kriegsarehiv,  Mem.,  IX,  247,  „Erinnerungen  des  FM.  Fürsten  Sehwarzen- 
berg". 


—     83     — 

Wie  es  mit  der  Ausbildung  der  österreichischen  Infanterie  im 
Schießen  stand,  wird  am  besten  durch  den  Generalbefehl  gezei,2:t, 
den  Erzherzog  Ferdinand  am  1.  Oktober  aus  Mindelheim  erlassen  hat: 

„Da  viele  zugewachsene  Mannschaft  der  Infanterie  im  Feuer 
noch  nicht  geübt  hat,  bewillige  ich,  daß  sechs  scharfe  Patronen  pro 
Kopf  jener,  die  noch  keine  Übung  haben,  verfeuert  werden." 

Ein  Bericht  des  Erzherzogs  Karl  über  die  Inspizierungen  der 
Truppenlager  im  .Jahre  1804  läßt  erkennen,  daß  man  damals  viel 
mehr  auf  eine  den  Friedensansprüchen  nachkommende  Ausbildung 
•der  Truppen  hielt,  als  auf  die  für  das  Feld.  Er  bemühte  sich  alle 
zu  weitgehenden  Formalitäten,  wie  die  Chargenrichtung,  die  Ba- 
taillonsdecharge  bei  Beginn  des  Feuers  und  derartige  Friedensscherze 
abzustellen.  Dagegen  forderte  er  mehr  Fertigkeit  ini  Laden. 

Mit  dem  Manövrieren  war  er  nicht  zufrieden.  Er  vermißte 
Flinkheit,  Geschlossenheit  und  Korrektheit  in  den  Bewegungen.  Die 
Folge  dieser  Mängel  war  eine  vom  Erzherzog  Karl  in  seinen  Be- 
richten über  die  Lagerübungen  wiederholt  gerügte  Steifheit  und 
Langsamkeit  in  allen  Bewegungen  der  Infanterie,  welche  Schwer- 
fälligkeiten auch  mit  Ursache  gewesen  sein  mögen,  daß  die  öster- 
reichische Infanterie  überall  von  den  flinkeren  und  beweglicheren 
Franzosen  angegriffen  und  in  die  bloße  Abwehr  gedrängt  worden  ist. 

Über  die  Feldmanöver  hebt  der  Erzherzog  das  überhastete,  die 
Ordnung  und  den  Zusammenhang  lockernde  Nachstürmen  hervor, 
das  wohl  manchmal  richtig,  meist  aber  selbst  einem  geworfenen 
Feinde  gegenüber  gefährlich  sei. 

Bei  den  meisten  Offizieren  hat  er  wenig  Aufmerksamkeit  und 
wenig  richtiges  urteil  gefunden,  so  daß  sie  oft  Fehler  machten,  die 
bei  Männern,  die  so  viele  Kampagnen  gemacht  haben,  nicht  zu  er- 
vrarten  waren  ^). 

Unter  diesen  Verhältnissen  regte  FML.  Mack  sofort  nach  seiner 
Ernennung  zum  Generalquartiermeister  nicht  nur  die  Vereinfachung 
der  Evolutionen  im  Bataillon  au.  sondern  auch  damit  im  Zusammen- 
hange, trotz  des  bevorstehenden  Krieges,  die  vollständige  Neuorgani- 
sation der  Infanterie. 

Er  beantragte  am  18.  Mai,  die  Infanterieregimenter  bei  gleich- 
bleibender   Zahl    der    Kompagnien    in   5  Bataillone,    und   zwar   in 


')  Kriegsarchiv,  Mein.,  VI,   188,    „Erzherzog  Karl,  Bemerkungen  über  die 
Lager  bei  Turras,  Pesth  ete." 

6* 


—     84     — 

1  Grenadierbatailloa  und  in  4  Füsilierbatailloue  zu  4  Kompagnien 
zu  formieren.  Zur  selben  Zeit  beantragte  er  aber  Vorsorgen  gegen 
einen  befürchteten  Überfall  durch  die  Franzosen  in  Italien.  Erzherzog 
Karl  nahm  gegen  diese  Eeorganisation,  der  er  sachlich  zustimmte, 
Stellung,  indem  er  dem  Kaiser  schrieb:  „Jeder,  der  diese  beiden 
Schriften  liest  und  nur  mäßige  Kriegseinsichten  und  daraus  gezogene 
Folgeschlüsse  kennt,  muß  sich  billig  wundern,  wie  der  Verfasser 
(Mack)  in  so  auffallende  Widersprüche  und  Paradoxen  verfallen 
konnte  und  wie  es  Männer  und  Soldaten  geben  kann,  denen  solche 
nicht  augenblicks  beifallen.  Ich  bin  der  Meinung,  daß  man  in  einer 
Epoche,  wo  man  einen  nahen  Krieg,  ja  wohl  gar  einen  Überfall  zu 
befürchten  glaubt,  keine  Veränderung  in  der  Organisation  der  Truppen 
machen  soll,  weil  man  sonst  Gefahr  läuft,  in  einem  Augenblicke  in 
das  Feld  rücken  zu  müssen,  wo  die  vorige  Ordnung  der  Dinge  über 
den  Haufen  geworfen  und  keine  neue  eingeführt  oder  konsolidiert 
sein  wird."  Unbeachtet  verhallte  diese  so  selbstverständliche  Wahr- 
heit. Am  14.  Juni  genehmigte  der  schon  im  Banne  Macks  stehende 
Monarch  den  Antrag.  Bis  1.  August  sollte  die  Neuordnung  überall 
durchgeführt  sein.  Am  3.  Juli  folgte  die  Anordnung,  daß  auch  die 
Grenzregimenter  in  3  Bataillone  zu  4  Kompagnien  (anstatt  2  Ba- 
taillone zu  6  Kompagnien)  zu  formieren  sind.  Es  ist  einleuchtend, 
daß  die  Neuorganisierung  zu  einer  Zeit,  wo  viele  Eegimenter  schon 
im  Marsch  in  die  Lager  waren,  nicht  glatt  vor  sieh  gehen  konnte. 
Zur  selben  Zeit  wurde  auch  die  Vereinfachung  des  Exerzierregle- 
ments durchgeführt. 

Diese  Maßregeln  mußten  bei  den  damaligen  komplizierten 
Manövern  selbst  bei  einer  sehr  gut  und  gleichmäßig  durchgebildeten 
Mannschaft  die  Verwendbarkeit  der  Truppen  im  Gefechte  sehr  nach- 
teilig beeinflussen.  Wie  groß  mußte  der  Nachteil  erst  bei  der  Zu- 
sammensetzung der  österreichischen  Bataillone  werden!  FML.  von 
Werneck  gibt  an,  daß  alle  Regimenter  schon  unter  dem  Kriegsstande 
aus  den  Garnisonen  abrückten  und  daß  meist  nur  junge  Leute 
und  Rekruten  da  waren^). 

Die  geringe  Übung  der  Offiziere  und  Mannschaft  in  den  immer 
noch  sehr  komplizierten  vereinfachten  Manövern  macht  vor  allem  die 
geringe  Widerstandsfähigkeit  der  österreichischen  Infanterie  gegen 
die  feindlichen  Kavallerieangrifife  erklärlieh. 


1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  EA,  X,  188&. 


—     85 


Kavallerie. 


Tra  Jahre  1801  wurde  die  Kavallerie,  die  Napoleon  selbst  den 
„Stolz  der  österreichischen  Armee"  genannt  hatte  (1800),  gründlich 
reorganisiert.  Die  42  Kavallerieregimenter  zu  6 — 8  Eskadronen  wurden 
auf  34  Regimenter  zu  8  Eskadronen  und  1  ßegiment  zu  6  Eska- 
dronen (Szekler  Husaren)  vermindert.  1805  bestand  die  österreichische 
Kavallerie  aus : 

8  Kürassierregimentern  | 

6  Dragonerregimentern  /  schwerer  Kavallerie 

und  aus 

6  Ohevauxlegersregimentern  j 

12  Husarenregimentern  l  leichter  Kavallerie. 

3  Ulanenregimentern  j 

Je  2  Eskadronen  bildeten  eine  Division. 

Im  Kriege  hatte  jedes  Regiment  eine  ßeserveeskadron  auf- 
zustellen. 

Priedensstand  Kriegsstand 

^^^"*^®*  Mann     Pferde         Mann     Pferde 

schweres  Kavallerieregiment 1531     1391         1485     1429 

leichtes  Kavallerieregiment 1813     1487         1767     1710 

Die  Eskadron  sollte  im  Felde  bei  der  schweren  Kavallerie  172 
Reiter,  bei  der  leichten  200  Reiter  zählen. 

Auch  die  Kavallerie  war  dem  Sparsinne  der  Finanz  Verwaltung 
zum  Opfer  gefallen.  Zahlreiche  Beurlaubungen  und  die  Verminderung 
des  Pferdestandes  brachten  die  Kavallerie  auf  einen  so  schwachen 
Stand,  daß  sie  nicht  mehr  rechtzeitig  ergänzt  werden  konnte.  An- 
fang 1805  haben  nach  einer  Standesübersicht  für  Ende  Januar 
14.000  Pferde  auf  den  kompletten  Friedensstand  gefehlt;  etwa  6400 
Pferde  waren  undienstbar.  Es  fehlten  daher  mindestens  27.500  Pferde 
auf  den  vollen  Kriegsstand  der  Kavallerie^). 

Bewaffnung.  Kürassiere  mit  Pallasch  und  Pistolen  (nur 
16  Mann  der  Eskadron  hatten  Karabiner);  Dragoner  mit  langem 
Karabiner  ohne  Bajonett  (die  Einführung  eines  Bajonetts  war  pro- 
jektiert), Pistolen  und  Pallasch;  Husaren  und  Chevauxlegers 
mit  Karabiner  und  Säbel;  Ulanen   mit   Lanze,   Säbel  und  Pistolen. 


^)  Angeli  gibt  den  Abgang  an  Kavalleriepferden  für  diese  Zeit  in  „Erz- 
herzog Karl",  III.  Bd.,  S.  10,  sogar  mit  37.000  Pferden  an  (bei  einem  Gesamt- 
sollstand von  55.916,  mithin  etwa  zwei  Drittel). 


—     86     — 

Die  Kavallerie  war  bis  zum  Jahre  1805  in  3  Gliedern  ran- 
giert. Mack  regte  gleichzeitig  mit  der  Reorganisation  der  Infanterie 
die  Rangierung  der  Kavallerie  in  2  Gliedern  an.  So  zweckmäßig 
diese  Maßregel  an  sich  war,  so  verfehlt  war  der  Zeitpunkt  ihrer 
Durchführung.  Die  Kavallerie,  die  während  der  Märsche  gar  keine 
Zeit  hatte,  die  neue  Formation  einzuüben,  kam  somit  ungenügend 
geschult  vor  den  Feind.  Die  neue  Vorschrift  langte  z.  B.  beim 
Generalkommando  in  Padua  erst  am  30.  August  1805  ein. 

Erzherzog  Karl  war  bei  seinen  luspizierungen  der  Lager  be- 
sonders mit  den  Offizieren  der  Kavallerie  nicht  zufrieden.  Er  fand 
ihre  Reitausbildung  nicht  genügend.  VeriiachJässigter  Sitz  und 
wenig  Führung  des  Pferdes  waren  die  häufigsten  Fehler. 

Er  verlangte  bei  den  Übungen  häufige  lange  Front-  und 
Kolonnenmärsche. 

Artillerie. 

1805  bestanden  4  Artillerieregimenter  ä  16  Kompagnien;  der 
Stand  einer  Kompagnie  betrug  174  Mann,  der  eines  Regiments 
2815  Mann. 

Diese  Regimenter  waren  nur  aus  der  Bedienungsmannschaft 
formiert,  die  an  einigen  Übungsgeschützen  ausgebildet  wurden. 
Die  Geschütze,  die  in  den  Zeugsdepots  verwahrt  waren,  wurden  erst 
im  Kriegsfalle  bei  der  Formierung  der  Batterien  ausgegeben:  die 
Bespannung  der  Geschütze  stellte  das  Fuhrwesenkorps  bei.  Die  zur 
Ergänzung  der  Bedienungsmannschaft  nötigen  Handlanger  wurden 
im  Felde  der  Infanterie  entnommen^).  Daß  diese  zusammengewür- 
felte Truppe,  die  wenig  oder  gar  keine  Gelegenheit  hatte,  in  Ver- 
bänden zu  üben,  im  Felde  wenig  leisten  konnte,  war  nur  natürlich. 

An  Geschützen  waren  in  Verwendung:  einpfündige  Gebirgs- 
kanonen,  drei-,  sechs-  und  zwölfpfündige  Feldkanonen  und  sieben- 
pfündige  Haubitzen.  Die  österreichischen  Geschütze  hatten  kleinere 
Kaliber  als  die  aller  anderen  größeren  Armeen  Europas^). 

Aus  Sechspfündern  und  Haubitzen  wurden  auch  Kavallerie- 
batterien   formiert.    Diese    Geschütze    unterschieden    sich   von    den 


^)  Ein  Generalbefehl  vom  29.  September  ordnet  z.  B.  die  Abgabe  von 
18  Offizieren,  58  Unteroffizieren  und  1444  Mann  der  Infanterie  als  „Handlanger" 
zur  Eeserveartillerie  an  (Kriegsareliiv,  1805,  Deutsehland,  PA,  XIII,  131). 

^)  Das  Kaliber  war:  Dreipfünder  =  7"4  cm,  Sechspfünder  =  9  2  cm,  Zwölf- 
pfünder  =  11-6  cm,  siebenpfündige  Haubitze  —  14"7  cm. 


—     87     — 

Feldgeschützen  durch  den  Wegfall  des  Protzkastens  und  durch  die 
bessere  Bespannung.  Die  Bedienungsmannschaft  dieser  Geschütze 
wurde  teils  auf  dem  Geschütze  (Lafettenschwanz),  teils  auf  den 
Munitionswagen  fortgebracht.  Diese  Batterien  waren  daher  im 
Gegensatz  zu  den  reitenden  Kavalleriebatterien  der  Franzosen  nur 
leichtere  fahrende  Batterien. 

Die    Dreipfünder   und    die    Feldhaubitzen  waren  zweispännig. 
die     Sechspfünder     und     die    Kavalleriehaubitzen    vierspännig,     die 
Zwölfpfünder    und    die    sechspfündigen    Kavalleriekanonen     sechs- 
spännig. 
Munitionsdotierung. 

Dreipfünder  beim  Geschütz  (in  der  Protze  und  in  1  zwei- 
spännigen  Karren)  168  Schuß,  im  Munitionspark  74  Schuß, 
Summe  242  Schuß; 

Sechspfünder  beim  Geschütz  (in  der  Protze  und  in  1  vier- 
spännigen Karren)  194  Schuß,  im  Munitionspark  90  Schuß, 
Summe  284  Schuß; 

Zwölfpfünder  beim  Geschütz  (in  der  Protze  und  in  1  vier- 
spännigen Karren)  102  Schuß,  im  Munitionspark  98  Schuß, 
Summe  200  Schuß; 

Haubitze  beim  Geschütz  (in  der  Protze  und  in  1  vier- 
spännigen Karren)  90  Schuß,  im  Munitionspark  60  Schuß, 
Summe  150  Schuß; 

Kavalleriesechspfünder  (auf  dem  Geschütz,  auf  4  Pack- 
pferden für  jedes  Geschütz  und  auf  1  Munitionswagen  für  je  4  Ge- 
schütze) 118  Schuß,  im  Munitionspark  32  Schuß,  Summe  150 Schuß: 

Kavalleriehaubitze  (auf  dem  Geschütz,  auf  4  Packpferden 
für  jedes  Geschütz  und  auf  1  Munitionswagen  für  je  4  Geschütze) 
60  Schuß,   im  Munitionspark  8  Schuß,  Summe  68  Schuß. 

Im  Park  waren  für  jedes  Infanteriegewehr  36,  für  jeden  Ka- 
rabiner (Pistole)  24  und  für  jeden  Jäger  200  Schuß  vorhanden. 

In  einem  Munitionsdepot  hinter  der  Armee  sollte  für  jedes 
Geschütz  eine  zweite  Dotation  hinterlegt  werden,  so  daß  der  totale 
Munitionsvorrat  bestehen  sollte: 

für  jeden  Infanteristen  CO  Taschenmunition,  36  Park,  36  Depot, 
Summe  132  Schuß; 

für  den  Dreipfünder  242  bei  der  Armee,  242  im  Depot, 
Summe  484  Schuß; 


für  den  Sechspfünder  284  bei  der  Armee,  284  im  Depot, 
Summe  568  Schuß; 

für  den  Zwölfpfünder  200  bei  der  Armee,  200  im  Depot, 
Summe  400  Schuß; 

für  die  Haubitze  150  bei  der  Armee,  150  im  Depot, 
Summe  300  Schuß; 

für  die  Kavalleriekanone  150  bei  der  Armee,  150  im  Depot, 
Summe  300  Schuß; 

für  die  Kavalleriehaubitze  68  bei  der  Armee,  68  im  Depot, 
Summe  136  Schuß. 

Die  Gesamtdotierung  der  Geschütze  muß  somit  im  Vergleiche  zur 
heutigen  Dotation  unserer  Artillerie  als  reich,  die  mobile  Munitions- 
menge aber  im  Gegensatz  zur  damaligen  französischen  Artillerie  als 
gering  bezeichnet  werden;  die  Hauptgesehütze  hatten 
bei  den  Franzosen :  Achtpfünder  398,  Zwölfpfünder  426  Schuß 

„     „  Österreichern  aber  Sechspfünder  284,  „  200      „ 

mobil  im  Bereiche  der  Armee. 

Die  österreichischen  Geschütze  hatten  geringere  Schußweiten 
als  die  längeren  französischen  Kanonen. 

Die  Wirkung  reichte 

beim  Dreipfünder:    Kartätschen  bis  300  m,  Kugeln  von  300  bis  900  w 

„     Sechspfünder:  „  „   450  w,        „        „    400  „lOOOw 

„     Zwölfpfünder:  „  „   525m,        „      bis  1200m 

bei  der  Haubitze :  „  „   500  m,  Grauaten  bis  1500  m 

Wurf  von  450  bis  1200  m 

Über  1000  m  war  eine  Wirkung  nur  gegen  sehr  große 
Massen  und  tiefe  Kolonnen,  von  900  w  an  war  bei  langsamem,  gut- 
gezieltem Feuer  noch  genügende  Wirkung  zu  erwarten.  Die  größte 
Wirkung  ergab  sich  beim  Zielen  übers  Metall  (ohne  Aufsatz),  also 
bis  400  ml). 

Verwendung  der  Artillerie.  Während  die  Franzosen  ihre 
Artillerie  ausschließlich  den  Infanterie-  (Kavallerie-)  Divisionen  und 
den  Korps  zuwiesen,  also  mehr  zusammenhielten,  war  bei  der  öster- 
reichischen Armee  noch  die  Eegimentsartillerie  üblich. 

Jedem  Infanterieregiment  waren  sechs  Liniengeschütze,  und  zwar 
Dreipfünder    (Italien)    oder    Sechspfünder    (Armee   in  Deutschland) 


')  Diese  Wirkung  ist  gegen  die  damaligen  Ziele  gemeint,  also  gegen  lang- 
gestreckte geschlossene  Linien. 


—     89     — 

oder  Dreipfiinder  und  Eiopfünder  (beim  Korps  in  Tirol)  zugeteilt, 
die  von  einem  Artillerieoffizier  iiommandiert  wurden  und  die  einige 
Kanoniere  und  Handlanger  vom  Eegiment  zur  Bedienung  erhielten. 
Die  Grenzregimenter  führten  bei  3  Bataillonen  4,  bei  2  Bataillonen 
2  Liniengeschütze.  Weil  für  je  2  Geschütze  1  Artillerieunteroffizier 
eingeteilt  war,  mußten  die  Geschütze  immer  paarweise  verwendet 
werden.  Die  enge  Verbindung  der  Geschütze  mit  der  Infanterie, 
welche  Verbindung  natürlich  auch  im  Gefechte  bis  zum  letzten 
Augenblicke  bestand,  hinderte  die  zweckmäßige  Placierung.  Vereini- 
gung und  Wirkung  der  Geschütze  und  riß  diese  nur  zu  häufig  in 
den  Wirbel  des  Infanterienahkampfes,  was  die  Hauptursache  der 
starken  Gefechtsverluste  der  Österreicher  an  Geschützen  war. 

Jedes  Korps  und  jede  Armee  erhielt  eine  Artilleriereserve 
(sechs-  und  zwölfpfündige  Kanonen  und  Haubitzen)  zugewiesen.  An 
diese  Reserve  war  der  Munitionspark  angegliedert. 

Anfang  Januar  1805  war  keine  einzige  Batterie  bespannt. 
Alle  zur  Artiileriebespannung  bestimmten  Pferde  waren  Ersparungen 
halber  seit  Jahren  verkauft  worden. 

Fürst  Schwarzenberg  gibt  an:  „Das  ganze  Fuhrwesen  und  die 
Artilleriebespannungen  wurden  fast  ganz  aufgelöst  und  die  Pferde, 
wie  natürlich,  verschleudert i)." 

Die  Ausbildung  der  Artillerie  konnte  daher  nicht  kriegs- 
gemäß sein. 

Technische  Truppen. 

An  technischen  Truppen  bestanden  1804  ein  Pontonierbataillon 
zu  5  Kompagnien,  je  ein  Sappeur-  und  Mineurkorps  zu  4  Kompagnien 
und  das  Tschaikistenbataillou.  Das  während  der  Eevolutiouskriege 
bestandene  Pionierkorps  war  aufgelöst  worden.  An  Brückenmaterial 
waren  200  hölzerne  Pontons  in  Klosterneuburg,  100  in  Prag  und 
25  in  Krakau   vorhanden. 

Im  Juni  1805  wurde  eine  sechste  Pontonierkompagnie  errichtet 
und  im  August  1805  erging  der  Befehl,  zwei  Pionierkorps  aufzustellen: 
eines  zu  2  Bataillonen  ä  4  Kompagnien  für  Italien  und  ein  Bataillon 
zu  6  Kompagnien  in  Linz  für  Deutschland.  Die  Aufstellung  des  für 
Deutschland  bestimmten  Pionierbataillons  ging  aber  so  langsam  von 
statten,  daß  es  an  dem  Feldzuge  von  Ulm  nicht  teilnehmen  konnte. 

^)  Kriegsarehiv,  Mem..  IX.  247. 


—    90     — 

Jeder  Armee  wurden  ein  Laufbrückentraiu  (24  sechsspännige  und 
10  vierspännige  Wagen)  mit  Material  für  eine  205  m  lange  Brücke, 
ein  Brüekentrain  von  100  Pontons  auf  Landesfuhren  und  3  Pontonier- 
kompagnien  zugewiesen.  Die  schweren  Pontons  konnten  aber  dem 
Gewaltmarsche  der  Truppen  an  die  Hier  nicht  folgen,  so  daß  sie 
bei  München  zurückblieben.  Spät  erst  wurde  der  Pontontrain  über 
Mindelheim  vorgezogen,  kam  aber  nur  zum  Piückzug  des  Korps 
Jellachich  nach  Tirol  zurecht.  Die  nach  Deutschland  bestimmte 
Tschaikistenkompagnie  kam  überhaupt  nicht  dorthin.  Der  Lauf- 
brücken geschieht  nirgends  Erwähnung.  Sie  kamen  nicht  in  Ge- 
brauch. 

Die  technischen  Truppen  konnten  daher  bei  den  Operationen 
auf  dem  flußreichen  Kriegsschauplatze  und  bei  den  Kämpfen  um 
befestigte  Orte  (Ulm,  Memmingen)  gar  nicht  verwendet  werden. 

Train  und  Verpflegung. 

Während  der  Eevolutionskriege  hatten  die  kaiserlichen  Ar- 
meen meist  einen  übergroßen  Troß,  der  als  Ursache  angesehen 
worden  ist,  daß  ihre  Operationen  so  schwerfällig  und  langsam  er- 
folgten. Obwohl  der  Troß  sehr  viel  zur  Langsamkeit  beigetragen 
haben  mochte,  lag  die  eigentliche  Ursache  dazu  wohl  immer  in  den 
handelnden  und  führenden  Personen  selbst:  sie  hätten  auch  ohne 
Troß  nicht  schneller  operiert,  sondern  hätten  im  Gegenteile  die 
Operationen  wahrscheinlich  ganz  eingestellt.  Als  dann  die  jungen 
energischen  Eevolutionsgenerale,  allen  voran  Bonaparte,  ihre  train- 
und  ausrüstungslosen  Horden  gleichen  Armeen  mit  ungewohnter 
Schnelligkeit  zum  Siege  führten,  da  schob  man  die  Schuld  an  den 
Niederlagen  dem  Troß  zu  und  suchte  die  Ursache  der  Schnelligkeit 
der  französischen  Armeen  nicht  in  der  Energie  und  Tüchtigkeit 
ihrer  Führer,  sondern  im  Fehlen  jedes  Trosses.  Daß  diese  Folgerung 
grundfalsch  war,  kann  man  mit  dem  einfachen  Hinweis  auf  Friedrich 
den  Großen  dartun,  der  in  der  Zeit  des  schwerfälligsten  Trosses 
und  zur  Blütezeit  der  Magazinsverpflegung  mit  einer  Schnelligkeit 
operierte,  die  auch  Napoleon  nicht  oft  überboten  hat. 

Wenn  man  der  Sache  auf  den  Grund  geht,  findet  man  aber, 
daß  das  Armeefuhrwesen  dieser  Zeit  durchaus  nicht  übermäßig  groß 
war.  Im  Jahre  1799  zählte  z.  B.  die  Armee  in  Italien  107.000  Mann 
und  19.000  Pferde  und  davon  fielen  nur  1557  Mann  und  2726  Pferde 
auf  das  Fuhrwesen,  was   wohl  nicht  übermäßig  viel  Train  ist. 


—     91     — 

Der  „effektive  Stand  des  Fuhrwesens"  der  Armee  in  Deutseh- 
land  betrug  Ende  August  1800: 
7  Kavallerie- 


36  leichte  /  Artillerie- 

1  schwere       J 

4  Pontons- 

1  Laufbrücken- 
3  Backöfen- 
27  Transports- 

5  Proviant- 


i  84  Divisionen  mit 
>  Divisionen  l  12.886  Mann  und 
l  18.947  Pferde. 


Zieht  man  die  44  Artilleriedivisionen,  die  zur  Bespannung  der 
Geschütze  dienten,  ab,  so  bleiben  40  Divisionen  oder  etwa  6000  Mann 
und  9000  Pferde  als  Armeetrain  der  Armee  in  Deutschland^). 

Nach  einer  im  Kriegsarchiv  erliegenden  Zusammenstellung  des 
Bedarfes  der  ganzen  k.  k.  Armee  an  Fuhrwesen  —  Truppentrain 
und  Armeetrain  —  für  den  1805  bevorstehenden  Krieg  waren 
folgende  Mengen  an  Fahrzeugen  und  Pferden  nötig: 

an  Truppentrain  232  zweispännige,  1764  vierspännige  Wagen 
und  7332  Packpferde  ^) ; 

an  Armeetrain  793  zweispännige,  3226  vierspännige,  505  sechs- 
spännige Wagen  und  650  Packpferde. 

Das  gesamte  Fuhrwesen  —  Truppentrain,  Artillerietrain, 
Brückentrain,  Backofentrain  und  Verpflegstrain  —  war  daher  mit 
6672  Wagen  (mit  25.572  Zugpferden)  und  7982  Packpferden  ver- 
anschlagt, was  bei  einem  Stande  der  Armee  von  325.000  Mann 
(auf  diesen  Stand  rechnete  man  vor  Kriegsbeginn)  gewiß  nicht  als 
übermäßig  bezeichnet  werden  kann. 

Was  in  früherer  Zeit  den  Troß  so  ungeheuer  anwachsen  ließ, 
war  die  große  persönliche  Bagage  der  Offiziere  und  der  die  Armeen 
mit  Eeeht  oder  widerrechtlich  beoleitenden  Personen   und   die    um- 


1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  VII,  2. 

-)  Die  zahlreichen  Paekpferde  waren  zum  Transport  der  Zelte  und  Koch- 
geschirre bestimmt.  Da  ein  Pferd  höchstens  ein  Viertel  dessen  trägt,  was 
es  ziehen  kann,  ist  die  Verwendung  von  Packpferden  und  Tragtieren  höchst  un- 
rationell; sie  sollte  auf  das  Gebirge  beschränkt  bleiben  und  auch  dort  nur  zur 
Verbindung  der  abseits  fahrbarer  Kommunikationen  vorgehenden  Kolonnen  mit 
ihren  fahrenden  Trains  dienen.  Die  Einstellung  von  Paekpferden  in  die  normale 
Trainausrüstung  ist  daher  höchst  unpraktisch,  sie  kompliziert  überdies  den  Train 
und  dessen  Ausrüstung. 


—    92    — 

fangreiche  Anwendung  von  Packpferden  anstatt  Fuhrwerken.  Jeder 
Offizier  führte  mehrere  Packpferde  mit  seinen  persönlichen  Bedürf- 
nissen mit,  die  höheren  Offiziere  mehrere  Wagen  und  zahlreiche 
Packpferde.  Den  Armeen  folgten  Marketender,  Händler,  Wäscherinnen, 
liederliche  Weiber  u.  dgl.,  die  alle,  weil  sie  meist  ihr  ganzes  Hab 
und  Gut  mit  sich  führten,  Wagen  und  Pferde  brauchten  0-  Das 
überreiche  Ausmaß  der  gebührenden  Brot-  und  Futterportionen  läßt 
erkennen,  wo  die  Ursache  des  übermäßigen  Trosses  lag.  (Siehe 
Tabelle  auf  S.  95.)  Dieser  persönliche  Troß,  der  nur  dann  etwas 
nützte,  wenn  er  nahe  dem  Besitzer  bheb,  wenn  er  sich  also  bei 
der  Truppe  befand,  und  der  sich  überdies,  ebenso  wie  das  meist 
gedungene  Fuhrwesen,  jeder  strengen  Disziplin  entzog,  war  die  Ur- 
sache der  größten  Unordnung  in  und  hinter  den  Marschkolonnen, 
und  diese  gewohnheitsmäßige  Unordnung  war  es  wieder,  die  im 
Laufe  der  Jahrzehnte  die  in  ihr  aufgewachsenen  Generale  zu  rascher 
Führung  untauglich   gemacht  hat. 

Oberflächliche  Naturen  urteilen  nur  nach  Äußerlichkeiten,  sie 
gehen  den  Erscheinungen  nie  auf  den  Grund.  So  war  bei  diesen  der 
Train  die  Ursache  der  Langsamkeit,  sein  Fehlen  die  Ursache  der 
Schnelligkeit  der  Franzosen.  Eine  solche  oberflächliche  Natur  war 
auch  FML.  Mack.  Ohne  tiefer  in  die  Sache  einzugehen,  wollte  er 
als  Generalquartiermeister  unter  Hinweis  auf  das  Beispiel  der  Fran- 
zosen und  unter  Berufung  auf  seine  Erfahrung  den  halben  Train 
entfernen  und  die  Armee  gleich  den  Franzosen  auf  die  Eequisition 
verweisen  -). 


^)  In  der  kaiserliehen  Verordnung,  mit  der  im  Jahre  1798  die  Herabsetzung 
der  Bagagen  angeordnet  worden  war,  heißt  es  auch  u.  a. :  „Niemand  vom  Kom- 
mandierenden bis  zum  letzten  Offizier  und  Beamten  darf  seine  Frau  mit  ins 
Feld  nehmen",  was  annehmen  läßt,  daß  dies  usuell  war. 

^)  Am  7.  Juli  1805  sehrieb  Maek  an  den  Minister  Grafen  Cobenzl: 
„Ich  maehe  traurige  Entdeekungen  über  die  Frage  wegen  Verminde- 
rung des  Fuhrwesens,  der  Paekpferde  etc.  Der  Erzherzog  hat  unsere 
beiden  würdigen  Kriegspräsidenten  schon  ganz  für  sieh  gestimmt.  Haiiptsäehlieh 
dadurch,  daß  er  ihnen  vorlamentiert,  wie  bedenklich  es  wäre,  den  wichtigen 
Dienst  der  Verpflegung  Gefahren  auszusetzen.  Diese  fragen  darüber  ihre  Ver- 
pflegsbeamten,  mithin  gerade  diejenigen  Menschen,  welchen  es  daran  gelegen  ist, 
recht  viel  ärarisehes  Fuhrwesen  zu  haben,  weil  sie  dies  bequemer  finden,  als 
sieh  aus  den  anliegenden  Provinzen  damit  zu  versehen.  Mehr  als  jemals  bin  ich 
überzeugt,  daß  es  beim  alten  bleiben  wird,  wenn  Seine  Majestät  nicht  alle  Zweifel 
und  Einwendungen  damit  beantworten,-  ,daß,  wenn  die  Franzosen  durch  so  viele 


—     93    — 

Erzherzog  Karl,  der  über  alle  Erscheinungen  früherer  Kriege 
gründlich  nachdachte  und  sich  nicht  durch  Äußerlichkeiten  bestechen 
ließ,  hatte  im  Jahre  1803  die  Wichtigkeit  eines  guten,  militärisch 
geschulten  Fuhrwesens  hervorgehoben;  er  wies  darauf  hin,  daß 
lediglich  die  geringe  Schulung  des  wenig  zahlreichen  Trainpersonals 
und  die  Disziplinlosigkeit  des  gedungenen  Fuhrwerkes  die  steten 
Unordnungen  verursachten,  die  den  Armeen  so  schweren  Schaden 
brachten;  daß  es  daher  verfehlt  wäre,  diese  Unordnung  dem  Fuhrwesen 
an  und  für  sich  zur  Last  zu  legen,  sondern  daß  man  die  Grundursachen 
dieser  Unordnungen  beheben  müsse.  Man  schaÖ'e  daher,  sagte  der  Erz- 
herzog, wenn  es  auch  kostspielig  ist,  ein  zahlreiches,  gut  geschultes 
und  gut  organisiertes  militärisches  Fuhrwesen.  Ein  solches  Fuhr- 
wesen sei  für  die  Armee  unentbehrlich,  ja,  viele  Bewegungen  könnten 
nur  mit  Hilfe  eines  guten  Fuhrwesens  ausgeführt  werden^). 

Wie  es  aber  gewöhnlich  geht:  die  nüchternen,  tiefdurch- 
daehten  Darleguno-en  Erzherzog'  Karls  blieben  unberücksiehtio:t  und 


Feldzüge  den  Beweis  gegeben,  wie  es  ohne  alle  solche  Anstalten  möglieh  sei, 
Armeen  leben  zu  machen,  ohne  dabei  im  geringsten  der  Behendigkeit  ihrer  Opera- 
tionen zu  schaden,  es  bei  Ihren  Armeen  um  so  eher  möglich  sein  müsse,  wenn 
AUerhöehstdieselben  die  Hälfte  des  bisherigen  bewilligen,  und  daß  Sie  die 
Obervei-pflegsbeamten,  die  es  nicht  verständen  oder  verstehen  wollten,  wegjagen 
und  durch  bessere  zu  ersetzen  wissen  würden'.  Es  ist  höchst  notwendig,  daß 
Seine  Majestät  den  so  wichtigen  Gegenstand  bei  der  nächsten  Konferenz  in  Laxen- 
burg  zu  entscheiden  geruhen.  Wenn  Seine  Majestät  dabei  erst  viele  Diskussionen 
veranlassen,  wenn  mich  Allerhöchstdieselben  in  die  Notwendigkeit  versetzen,  erst 
lange  Verteidigungsreden  darüber  halten  zu  müssen,  so  werde  ich  neuerdings  ge- 
hässig und  Grott  weiß  was  aus  mir  und  meinem  Einfluß  werden  wird.  So  verhält 
es  sieh  mit  der  leichten  Infanterie.  Wenn  Seine  Majestät  nicht  bestimmt 
befehlen,  daß  von  Freikorps  keine  Frage  mehr  sein  soll,  daß  Sie  aber  ein 
leichtes  Bataillon  bei  jedem  Regiment  haben  wollen,  so  ist  alles  umsonst  und 
mir  wird  nichts  übrig  bleiben,  als  im  Stillen  über  das  Unglück  zu  seufzen,  daß 
Seine  Majestät  wegen  Verhältnissen,  die  Sie  nicht  ändern  können,  in  die  traurige 
Notwendigkeit  versetzt  sind,  Allerhöchst  Ihre  eigenen  Überzeugungen  und  mit 
diesen  das  Beste  Ihres  Dienstes  aufzuopfern. 

Morgen  ist  die  Konferenz  mit  Wintzingerode.  Nach  diesen  in  einigen  Tagen 
wäre  es  sehr  nötig,    daß  Seine  Majestät  jene  in  Laxenburg  abzuhalten  geruhten. 

Mäck. " 

Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  VII,  27. 

^)  Der  preußische  Oberst  Massenbaeh  schreibt  in  ,,Beti*aehtungen  und  Auf- 
schlüsse über  die  Ereignisse  der  Jahre  1805  und  1806" : 

„Was  setzte  Friedrieh  II.  in  den  Stand,  so  beschleunigte  Märsehe  zu 
machen,    so  plötzlich  von  der  Defensive  in  die  Offensive  überzugehen?   Lag  die 


—    94    — 

die  großsprecherisch  und  oberflächlich,  aber  um  so  sicherer  vor- 
gebrachten Tiraden  Macks  fanden  auch,  dank  der  von  ihm  erwirkten 
Unterstützung  Oobenzls,  Anklang. 

Mit  Armeebefehl  vom  27.  August  1805  genehmigte  der  Kaiser 
die  Verminderung  des  Trains.  Mit  demselben  Armeebefehl  wurde 
auch  die  Bagagegebühr  der  Subalternoffiziere  um  ein  geringes 
herabgesetzt.  Die  Packpferdegebühr  dieser  Offiziere  wurde  aufge- 
hoben, dafür  wurden  jeder  Kompagnie  zwei  Packpferde  für  die 
Offiziersbagagen  (75  Pfund  =^  37'5  leg  pro  Offizier)  zugewiesen.  Um 
das  Halten  der  ßeitpferde  bei  der  Infanterie  einzuschränken,,  wurde 
die  Eeluierung  der  Futterportion  mit  10  Gulden  gestattet.  Die  radikale 
Durchführung  dieser  Maßregel,  deren  Prinzip  nur  gebilligt  werden 
kann,  auch  bei  den  Generalen  und  Stabsoffizieren,  wäre  viel  zweck- 
mäßiger gewesen  als  die  Verminderung  der  Verpflegstrains. 

Der  Train  eines  Infanterieregiments  wurde  vermindert  von 
2  zwei-,  20  vierspännigen  Wagen  und  86  Packpferden  auf  2  zwei- 
spännige,  12  vierspännige  Wagen  und  50  Packpferde  (30  Zelt- 
und  20  Kesselpackpferde);  der  Train  eines  Kavallerieregiments  von 
2  zwei-,  8  vierspännigen  Wagen  und  26  Packpferden  auf  2  zwei-, 
5  vierspännige  Wagen  und  12  Zeltpackpferde  (Husaren  und  Ulanen 
hatten  keine  Zelte,  daher  auch  keine  Packpferde).  Der  Offizierstroß 
eines  Infanterieregiments  zu  fünf  Bataillonen  betrug  1805:  7  zwei- 
spännige  Wagen  und  216  Eeit-  und  Packpferde;  der  gesamte  Pferde- 
stand eines  Eegiments  betrug  daber  einschließlich  der  56  Pferde 
der  Eegimentsartillerie  388  Pferde.  In  dieser  übermäßigen  Anhäufung 
von  Pferden  bei  den  Truppenkörpern,  somit  in  den  Kolonnen  lag 
der  größte  Nachteil  der  Trainorganisation  der  österreichischen  Armee 
und  der  Mangel  dieses  Trosses  bei  den  Franzosen  bedingte  ihre 
große  Überlegenheit  im  Marschieren. 

Nebenstehende  Tabelle  zeigt  die  Brot-  und  Futtergebühr  und 
somit  die  Größe  des  Offizierstrosses  vor  1798,  nach  1798  und  im 
Kriege  1805. 


Ursache  nicht  in  seinem  immer  auf  18  Tage  hinreichenden  Brot-  und  Mehlvorrat 
und  dem  dazu  vorhandenen  vortrelfÜeh  eingerichteten  Fuhrwesen? 

Wenn  das  viele  Gepäek  der  Gresehwindigkeit  in  den  Bevyegungen  einer 
Armee  hinderlieh  ist,  die  vollständige  Anzahl  von  Backöfen  und  Proviantvfagen 
aber  die  Geschwindigkeit  ihrer  Bewegungen  befördert,  so  hätte  man  das  unnötige 
Gepäck  vermindern  und  das  nötige  Proviantfuhrwesen  vollständig  aus- 
rüsten sollen." 


95     — 


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—    96     — 

Der  Armeetrain  der  Armee  in  Deutschland  wurde  von  33  vier- 
spännigen Transportdivisionen  ä  50  Wagen,  50  sechsspännigen  Back- 
ofenzügen und  25  vierspännigen  Reqiiisitenzügen  auf  4V2  Transport- 
divisionen, 2  Backofenzüge  und  1  Eequisitenzug  restringiert. 

Die  Truppen  wurden  in  den  Kriegen  des  XVIII.  Jahrhunderts 
nur  durch  Nachschub  verpflegt.  Die  Requisition  war  ebenso  streng 
verboten  gewesen  wie  das  Kantonieren.  So  kam  es,  daß  die  Truppen 
oft  neben  großen  reichen  Ortschaften  im  Begen  lagerten  und  hun- 
gerten. Der  Verpflegszuschub  spielte  sieh  folgend  ab :  Die  Proviant- 
wagen der  Truppen  holten  in  zwei  abwechselnd  verwendeten  Partien 
jeden  zweiten  Tag  Verpflegung  vom  Kolonnenmagazin  ab.  Die  zwei- 
tägige Fourage  wurde  den  Truppen  auf  gemieteten,  den  Kolonnen- 
magazinen angeschlossenen  Wartwagen  zugeführt. 

Die  leeren  Wagen  der  Kolonnenmagazine  und  die  nicht  be- 
nützten Wart\^agen  blieben  stehen  und  erwarteten  den  Zuschub  aus 
den  Nachschubmagazinen.  Nach  Übernahme  der  Vorräte  hatten  die 
Kolonnenmagazine  der  Kolonne  in  forcierten  Märschen  zu  folgen. 

Nur  bei  längeren  Stillständen  konnten  die  Kolonnenmagazine 
auch  dazu  verwendet  werden,  Brot  aus  den  nächstgelegenen  Bäckereien 
abzuholen. 

Dieses  steife  Nachschubsystem  mit  wiederholtem  Umladen 
der  Vorräte  konnte  allerdings  nicht  klaglos  funktionieren  und  war 
nicht  im  stände,  eine  rasch  vorrückende  Armee  zu  versorgen;  es 
hatte  bisher  aber  doch  immer,  wenn  auch  kläglich,  funktioniert. 

Nun  wurde  plötzlich  das  Fuhrwerk  der  Truppe  und  des 
Armeetrains  auf  die  Hälfte  reduziert.  Die  Truppe  sollte  requirieren. 
Man  glaubte,  das  ließe  sich  einfach  dekretieren;  es  genüge  eine 
Verordnung  oder  Vorschrift,  um  eine  bisher  geknebelte,  zu  jeder 
Selbsttätigkeit  unfähige  Truppe  zu  vermögen,  es  einer  jahrelang  ge- 
schulten Truppe  gleichzutun. 

Man  wußte  nicht,  daß  die  Requisition  nicht  im  einfachen 
Wegnehmen,  im  Rauben  und  Stehlen  bestehe,  sondern  daß  sie, 
sollte  sie  ihren  Zweck  erfüllen  und  nicht  die  Disziplin  vollkommen 
zerstören,  eine  streng  geregelte  und  geordnete  Tätigkeit  sein  müsse. 
Man  beachtete  nicht,  daß  daher  vor  allem  zur  Leitung  der  Requi- 
sition ein  zahlreiches  gutgeschultes  und  geübtes  Personal  nötig  sei, 
wie  es  die  Franzosen  bei  ihren  Divisionen  und  Korps  besaßen.  Da 
weder  dieses  leitende  Personal  vorhanden,  noch  die  Truppen  in  der 
Durchführung  der  Requisition    geübt    waren,    verstanden    sie  es  — 


—     97     — 

so  lächerlich  das  klingen  mag  —  gar  nicht,  zu  requirieren.  Sie 
fanden  nichts  und  hungerten  in  Eäumen,  in  denen  nach  ihnen  die 
Franzosen  recht  gut  lebten  und  reichlieh  Verpflegung  fanden.  Die 
Eequisition  lieferte  also  den  Österreichern  nicht  viel  und  das  stark  be- 
schränkte Fuhrwesen  konnte  den  Nachschub  nicht  leisten.  So  hun- 
gerten die  Truppen  nicht  nur,  sondern  fühlten  auch  sicherlich,  daß 
dies  die  Schuld  der  Führung  war,  und  weil  die  forcierten,  zweck- 
losen Märsche  die  Kräfte  der  Truppe  rasch  verzehrten  und  den 
Stand  erschreckend  verminderten,  kam  bald  eine  hoffnungslose,  an 
jedem  Erfolge  verzweifelnde  Stimmung  über  die  Truppe,  wodurch 
aliein  deren  schlechte  Haltung  in  den  wenigen  Gefechten  erklärt 
werden  kann.  Dahin  hatte  es  die  grenzenlos  oberflächliche  und  ge- 
wissenlose Kriegsvorbereitung  Macks  gebracht^). 

Nebst  der  Bespannung  und  Führung  aller  Trains  oblag  dem 
Fuhrwesen  auch  die  Bespannung  aller  Geschütze.  Weil  das  Fuhr- 
wesen im  Frieden  nur  Ausmusterpferde  der  Kavallerie  erhielt,  keine 
einzige  Batterie  bespannt  und  daher  der  Pferdestand  des  Fuhr- 
wesens im  Frieden  sehr  gering  war,  der  Kriegsbedarf  an  Pferden 
aber  nach  der  Berechnung  des  Generalquartiermeisters  FML.  Duka 
(s.  S.  80j  durch  die  Pferdeabstellung  der  Erbländer  nicht  gedeckt 
werden  konnte,  kann  man  sich  vorstellen,  auf  welche  Schwierig- 
keiten die  Aufstellung  des  gesamten  Fuhrwesens  stoßen  mußte;  man 
sieht  aber  auch,  wie  richtig  Napoleon  die  Kriegsbereitschaft  der 
österreichischen  Armee  beurteilt  hatte. 

Armeekörper. 

Die  österreichische  Armee  kannte  keine  feste  Gliederung  der 
ßegimenter  in  höhere  Verbände;    diese    wurden^  ganz  nach  den  je- 


*)  Oberst  Massenbaeli  sehreibt  in  „Betrachtungen  und  Aufschlüsse  etc." 
über  1806: 

„Was  den  Vorsehlag,  über  Nieden  zu  marschieren,  vereitelte,  war  der 
Hunger,  der  uns  nach  Prenzlau  hindi'ängte. 

Dieser  Hunger  war  sehr  sehneidend;  eine  Armee,  die  seit  60  Jahren  an 
den  regelmäßigen  Organismus  der  Verpflegung  gewöhnt  ist,  muß  untergehen, 
wenn  dieser  Organismus  vernichtet  wird.  Unsere  Kurzsiehtigkeit  und  übel  ange- 
brachte Sparsamkeit  hatten  uns  vor  der  Schlacht  bei  Jena  nur  sechs  Baekofen\ 
und  ein  unzureichendes  Proviantfuhrwesen  zugeteilt.  Der  Organismus  des  Requi- 
sitionssystems hatte  bei  uns  nichts  weniger  als  einen  gewissen  Grad  von  Voll- 
kommenheit erreicht.  Das  Wort  requirieren  hatte  man  beständig  im  Munde; 
aber  die  Art,  wie   requiriert  werden  müsse,  verstanden  wir  nicht." 

Kraus s.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  I 


—    98     — 

weiligen  Verhältnissen  oder  Bedürfnisseo  des  Arraeekommandanten 
gebildet.  Infolgedessen  wurde  der  Wert  der  höheren  Verbände  nicht 
besonders  hoch  angeschlagen;  sie  wurden  häufig  geändert  oder  in 
der  Verwendung  zerrissen.  Aber  auch  der  Eegimeutsverband  wurde 
oft  nicht  gewahrt.  So  wurden  die  Grenadierbataillone  fast  immer 
von  ihren  Regimentern  getrennt    und    in  eigene  Brigaden  vereinigt. 

Bei  Zusammenstellung  von  Detaehements  wurde  die  nötige  Ka- 
vallerie oft  divisionsweise  mehreren  Regimentern  entnommen. 

Der  Bezeichnung  nach  kannte  man  in  der  österreichischen 
Armee  Brigaden,  Divisionen  und  Korps,  ohne  unter  diesen  Namen 
Körper  einer  bestimmten  Zusammensetzung  und  Stärke  zu  ver- 
stehen. Nur  bei  der  italienischen  Armee  waren  von  Erzherzog  Karl, 
der  den  Wert  einer  klaren,  festen  Organisation  erkannt  hatte,  diese 
Körper  gleichartig  und  bleibend  formiert  worden.  Dort  bildeten  je  2  Re- 
gimenter zu  5  Bataillonen  eine  Brigade  und  2  Brigaden  eine  Division. 

Bei  der  Armee  in  Deutschland  gab  es  neben  Brigaden,  die 
aus  2 — 3  Infanterieregimentern,  aus  4 — 6  Grenadierbataillonen  oder 
aus  2  Kavallerieregimentern  bestanden,  auch  Brigaden,  die  aus  In- 
fanterie und  Kavallerie  zusammengesetzt  waren.  Es  gab  Divisionen 
verschiedenster  Stärke,  nur  aus  Infanterie  oder  nur  aus  Kavallerie 
bestehend,  oder  aus  Infanterie  und  Kavallerie  zusammengesetzt. 

Oft  hatte  ein  Generalmajor  nur  ein  Infanterie-  oder  ein 
Kavallerieregiment  unterstellt;  in  einem  Korps  kommandierte  z.  B. 
ein  Generalmajor  eine  Brigade  zu  6  Bataillonen,  ein  zweiter  General- 
major eine  Brigade,  bestehend  aus  einem  Inlanterie-  und  einem 
Kavallerieregiment,  während  wieder  ein  aus  2  Infanterieregimentern 
bestehender  Körper  einen  Generalmajor  und  überdies  noch  einen 
Feldmarschalleutnant  vorgesetzt  hatte. 

Ebenso  war  unter  „Korps"  nicht  ein  gegliederter  organischer 
Heereskörper,  sondern  nur  ein  größerer,  willkürlich  zusammen- 
gestellter Körper  zu  verstehen,  der  meist  aus  einigen  Infanterie- und 
Kavalleriekörpern  (Divisionen,  Brigaden)  und  aus  einer  Geschütz- 
reserve formiert  wurde.  Eigentümlich  war,  daß  innerhalb  der  Korps 
meist  eine  Division  in  Vorhut  und  Reserve  zerrissen  wurde. 

Von  der  Zuweisung  eines  Erhaltungsapparates  an  die  Korps 
^oder  Divisionen  der  deutschen  Armee  war  keine  Rede. 

Diese  willkürliche,  oft  launenhafte  Bildung  der  höheren  Ver- 
bände konnte  die  Führung  und  die  Befehlgebung  in  keiner  Weise 
erleichtern  und  begünstigen. 


—    99     — 

Im  Gegensatze  zur  italienischen  Armee,  wo  wegen  der  blei- 
benden Organisation  und  der  strengen  Ordnungsliebe  des  Erzherzogs 
Karl  sowohl  im  Hauptquartier  als  auch  bei  den  Heereskörpern  eine 
straffe  Geschäfts-  und  Dienstordnung  bestand,  herrschte  in  der 
ganzen  deutschen  Armee  die  größte  Unordnung. 

Im  Armeekommando  bestanden  zwei  selbständige  Geschäfts- 
gruppen : 

der  General quartiermeisterstab  (Operationsabteilung),  dem  die 
Verfassung  der  Dispositionen  und  Befehle  für  die  Operationen  ob- 
lag, und 

die  Generaladjutantur  (Detailabteilung),  die  den  inneren  Dienst 
der  Armee  (Kommandierungen,  Stand  etc.)  zu  regeln  und  die  Aus- 
fertigung und  Absendung  der  operativen  Befehle  und  Dispositionen 
zu  besorgen  hatte. 

Wie  wenig  diese  Zweiteilung  entsprach,  hat  sich  bei  der  Armee 
in  Deutschland,  besonders  aber  am  13.  und  14.  Oktober  gezeigt. 

Zur  Entlastung  des  Armeekommandos  von  administrativen 
Diensten  wurde  bei  jedem  Armeekommando  ein  Armeegeneralkom- 
mando errichtet.  Chef  war  gewöhnlich  ein  Feldmarschalleutnant,  der 
zugleich  Generaldirektor  aller  Yerpflegsgeschäfte  war. 

Sein  Wirkungskreis  umfaßte: 

1.  das  Kommissariats-,  Kassen-,  Transport-,  Montur-  und  Aus- 
wechslungsgeschäft ; 

2.  das  Verpflegs-,  Fuhr-  und  Packwesen; 

3.  Lieferungen  und  Prestationen  (Leistungen); 

4.  das  Landeskommissariat; 

5.  die  Sanitätsanstalten  und 

6.  die  Eeehtspflege. 

Das  Armeegeneralkommando  hatte  in  allen  diesen  Dienst- 
zweigen direkt  mit  den  Truppen  und  mit  dem  Hofkriegsrat  zu 
verkehren. 


Die  österreichische  Armee  war,  nachdem  schon  im  Dezember 
1804  aus  Böhmen  2  Infanterieregimenter  nach  Innerösterreich, 
2  Regimenter  nach  Oberösterreich  verlegt  worden  waren,  Ende 
Januar  1805  folgend  verteilt: 

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—    100    — 

Österreich     unter 

und  ob  der  Enns.   8  Infanterieregimenter,  1  Kavallerieregiment 
Schwaben  und  Vor- 
arlberg     2               „  1  „ 

Tirol 3               „  —  „ 

Innerösterreich....   8                „  1  „ 

Böhmen 10               „  4  Kavallerieregimenter 

Mähren 9               „  3  „ 

Galizien 4               „  9  „ 

Ungarn 7                „  12  „ 

Siebenbürgen 2               „  3  „             . 

Kroatien,  Slavonien, 
Banat  und  Sieben- 
bürgen   17  Grenzregimenter  —  „ 

Italien 7  Infanterieregimenter  2  „ 

Dalmatien 2               „  —  „ 

C.  Das  russische  Heer. 

Da  das  russische  Hilfsheer  im  Feldzuge  von  Ulm  nicht  in 
Aktion  trat,  genügt  es  hier,  die  Stärke  der  gesamten  Heeresmacht 
Eußlands  anzuführen,  um  beurteilen  zu  können,  in  welchem  Maße 
Eußlands  Politik  mit  den  in  Aktion  gebrachten  Streitmitteln  über- 
einstimmte. 

Die  russische  Armee  war  am  Anfange  des  XIX.  .Jahrhunderts 
fortwährenden  Organisationsänderungen  unterworfen,  so  daß  es  schwer 
ist,  ihre  Stärke  und  Zusammensetzung  verläßlich  anzugeben.  Da  alle 
Bücherangaben  differieren,  werden  hier  nur  zwei  nahezu  überein- 
stimmende, also  wahrscheinlich  richtige  Quellen  aus  jener  Zeit  an- 
V  geführt. 

Im  Kriegsarchiv  erliegt  ein,  offenbar  von  einem  nach  Euß- 
land  gesandten  Offizier  stammender  Bericht  aus  dem  Jahre  1804 
(Mem.,  XVIII,  18)  über  die  russische  Armee.  Darnach  bestanden: 

'  "    *^  Infanterie: 

1   Gardeinfanterieregiment, 

\;'         90  Linieninfanterieregimenter  |  ]    jedes  Bataillon 

20  Jägerregimenter  j  zu  3  Bataillonen  i  etwa  600  Mann 

94  Garnisonsbataillone  J  stark. 


101     — 


Kavallerie: 


6  Kurassierreffimenter  -  -r^  ■,    n  ] 

■  zu     o  Eskadronen       _„„   „  ,    , 

26  Dragonerregimenter  j  I    300   Eskadronen    zu 

10  Husarenregimenter     j  f  120  Reitern. 

4  Ulanenregimenter      |  ^"  ^^  Eskadronen  | 

Artillerie: 
10   Regimenter   zu   2   Bataillonen   zu   4   Kompagnien   =  80   Kom- 
pagnien mit  je  12  Kanonen. 

Kosaken: 
50  mobile  Regimenter  zu  500  Reitern. 

Die  Bataillone  sollten  einen  Stand  von  800  Mann  haben,  waren 
aber  stark  miter  dem  Stande.  Die  Kavallerie  war  sehr  gut  beritten. 
Die  Armee  sollte  immer  marschfertig  sein,  weil  alle  Regimenter  die 
ganze  Ausrüstung  und  alle  Bespannungen  bei  sich  haben  sollten. 
Die  Ausbildung  der  Truppen  war  gering;  sie  umfaßte  nur  Kasern- 
dienst und  Paraden. 

Anfang  September  1805  war  der  Stand  der  russischen  Armee 
den  Franzosen  aus  einer  deutschen  Zeitung  wie  folgt  bekannt  (Alom- 
bert  et  Colin,  II,  S.  211). 

Garde: 
4  Gardebataillone  und  4  Gardekavallerieregimenter,  zusammen 

etwa     12.000  Mann 
13  Grenadier-  \ 

77  Musketier-  |  Regimenter,  zusammen  ungefähr   .  .  219.000     „ 
20  Jäger-         ) 

6  Kürassier- 
26  Dragoner- 
20  Husaren- 
4  sonstige  Kavallerie- 

19  Garnisonsregimenter     „  „  70.000  Mann 

Artillerie,  Pioniere,  Pontoniere  und  Genie     „  „  43.000 

Summe   der  regulären  Truppen  ungefähr  408.000  Mann 

Dazu  an  Irregulären  etwa 100.000     „ 

so  daß  die  gesamte  Wehrmacht  Rußlands  mit  ....  500.000     „ 
angenommen  werden  konnte. 


Regimenter,   zus.  beiläufig    50.000  Reiter 


—     102    — 

D.  Die  bayrische  Armee. 

Die  bayrische  Armee  bestaüd  im  August  1805  aus  12  Infan- 
terieregimentern zu  3  Bataillonen,  6  leichten  Infanteriebataillonen 
und  6  Kavallerieregimentern  zu  4  Eskadronen. 

Von  den  Bataillonen  jedes  Infanterieregiments  hatte  eines 
beim  Ausmarsche  des  Eegiments  als  Ersatzbataillon  zurückzubleiben. 

Die  Artillerie  bildete  ein  eigenes  Korps,  das  im  Felde  in  vier 
Batterien  geteilt  wurde.  Jede  Batterie  bestand  aus  12  Geschützen 
(2  Zwölfpfünder,  8  Sechspfünder  und  2  Haubitzen). 

Die  bayrische  Armee  konnte  somit  30  Bataillone  zu  700  Mann, 
6  Kavallerieregimenter  zu  460  Eeiter  und  48  Geschütze,  also  21.000 
Mann  Infanterie  und  2760  Eeiter  ins  Feld  stellen.^) 

Die  Infanterie  war  mit  alten,  schlechten  Gewehren  verschiedener 
Gattung  und  Kaliber  bewaffnet^).  Das  Kaliber  der  Geschütze  war 
trotz  der  gleichen  Bezeichnung  von  dem  der  französischen  ver- 
schieden. Munition  war  in  genügender  Menge  vorhanden. 

Im  September  1805  wurde  ein  freiwilliges  Jägerkorps  —  1035 
Mann  zu  Fuß  und  171  Eeiter  —  aufgestellt. 

Das  bayrische  Korps  bestand  im  Oktober  1805  unter  Kom- 
mando des  GLt.  Deroy  aus  6  Brigaden  (zu  2  Infanterieregimentern, 
1  leichten  Infanteriebataillon,  1  Kavallerieregiment  und  Va  Batterie. 
Der  Train  des  Korps  bestand  aus  512  Wagen  mit  1763  Pferden. 
Der  Verpflegsstand  betrug  26.231  Mann  und  4746  Pferde. 


^)  Am  1.  Oktober  1805  wurde  wohl  das  13.  Infanterieregiment  aufgestellt, 
dafür  erscheint  aber  das  11.  Infanterieregiment  nicht  in  der  Ordre  de  bataille 
des  Korps. 

^)  Nach  Heilmann,  „Der  Feldzug  von  1805  in  Bayern,  Tirol  und  Mähren ; 
Jahrbücher  für  die  deutsche  Armee  und  Marine",  62.  Bd.,  S.  14.  Nach  einer 
Meldung  des  französischen  Kapitäns  Dessalles  an  den  General  Songis  hatten  die 
bayrischen  Gewehre  das  gleiche  Kaliber  wie  die  französiehen  (Alombert  et  Colin, 
„La  Campagne  de  1805  en  AUemagne",  I,  S.  522).  Kapitän  Dessalles,  der  zur  Ein- 
holung von  Informationen  über  die  Bewaffnung  und  Munitionsvorräte  der  bayri- 
schen Armee  nach  München  gesandt  worden  war,  wußte  daher  nichts  davon,  daß 
die  bayrische  Infanterie  mit  Gewehren  verschiedener  Kaliber  ausgerüstet  war. 


IIL  Der  Kriegsscliauplatz. 

(Beilage  7.) 

Der  Schauplatz  des  Feldzuges  von  Ulm  war  der  zwischen 
Ehein,   Main,   Eegnitz   und  Isar  gelegene  Teil  von  Süddeiitschland. 

Ziemlich  dicht  bevölkert  und  von  einer  rührigen,  Ackerbau 
und  Viehzucht  treibenden  Bevölkerung  bewohnt,  bildete  das  ganze 
Gebiet  einen  günstigen  Eaum  für  die  Verwendung  großer  Armeen^). 

Nur  zwei  Bodenerhebungen  Vioten  der  Bewegung  großer  Heer- 
massen bedeutende  Schwierigkeiten:  der  Schwarzwald  und  die 
Eauhe  Alp. 

Der  Schwarz wald,  vom  Ehein-Knie  bei  Basel  bis  Durlach- 
Pforzheim  reichend,  steigt  steil  in  der  Linie  Freiburg,  Kenzingen, 
Mahlberg.  Oflfenburg,  Achern,  Bühl.  Durlach  aus  der  Ehein-Ebene 
empor,  die  er  schon  in  10  hm  Entfernung  vom  Gebirgsfuß  um 
700 — 1000  m  überragt-).  Dagegen  senkt  sich  der  Schwarzwald 
gegen  Osten  nur  so  allmählich  zum  schwäbisch-bayrischen  Hoch- 
plateau, daß  er  nach  dieser  Eichtung  nicht  den  Eindruck  eines 
hohen  Gebirgszuges  macht. 

Trotz  seiner  geringen  Breite  —  von  Freiburg  bis  zur  Wutaeh 
60  hm  und  zwischen  Durlach-Pforzheim  30  hm  —  war  der  Sehwarz- 
wald 1805  wegen  seiner  geringen  Besiedlung  und  seiner  Wegarmut 
halber  ein  beträchtliches  Hindernis  für  den  Vormarsch  einer  großen 
Armee  vom  Ehein  zur  Donau.  Nur  drei  durchlaufende  Kommuni- 
kationen übersetzten  damals  das  Gebirge  :    die  Straßen  Alt-Breisach, 


')  Die  Bevölkerung  dieses  Gebietes  und  der  Viehstand  haben  sieh  seit 
Beginn  des  XIX.  Jahrhunderts  verdoppelt.  In  Württemberg  entfielen  1802  auf 
den  Quadratkilometer  78  Einwohner,  5  Pferde,  40  Kinder  und  80  Schafe. 

'')  Die  Rhein-Ebene  liegt  östlich  Sehlettstadt  170  w,  bei  Rastatt  124  m  und 
bei  Karlsruhe  117  m  über  dem  Meere. 


—     104     — 

Freiburg,  Neustadt,  Blumberg,  Engen,  Stoekach  und  Offenburg, 
Haslach,  Hornberg  und  von  dort  entweder  über  Eottweil  oder  über 
Villingen  nach  Tuttlingen,  und  die  Linie  Oberkireh,  Oppenau  (Straße), 
dann  Fahrweg  über  den  Kniebis  nach  Freudenstadt,  von  wo  eine 
Straße  über  Pfalzgrafen weiler  nach  Nagold  führte.  Auf  dem  Kniebis 
standen  noch  mehrere  aus  den  früheren  Kriegen  stammende  Schanzen. 
Eine  Armee,  die  den  Schwarzwald  in  östlicher  Richtung  durch- 
schreiten wollte,  konnte  daher  nur  diese  drei  Wegiinien  benützen, 
die  beim  Austritt  aus  dem  Schwarzwald  eine  Frontbreite  von  80  hm 
bedingten.  Die  nördlichste  Kolonne  wäre  beim  weiteren  Vormarsch 
gegen  Osten  durch  die  Eauhe  Alp  von  den  südlichen  Kolonnen  ge- 
trennt gewesen. 

Die  Rauhe  Alp  begleitet  die  Donau  auf  ihrem  nördlichen 
Ufer  bis  an  die  Wörnitz  bei  Nördlingen  und  Donauwörth.  Sie  ragt 
als  Hochplateau  im  westlichen  Teil  etwa  300  m  über  das  Donau-Tal 
empor,  nimmt  aber  gegen  Osten  stetig  an  Höhe  ab.  Die  aufgesetzten 
Höhenzüge  erreichen  im  Westen  eine  Höhe  von  800  bis  1000  tn, 
nördlich  von  Ulm  600 — 700  m  und  östlich  der  Brenz  nur  mehr  500 
bis  600  in. 

Die  Eauhe  Alp  fällt  in  der  Linie  Eeutlingen,  Göppingen, 
Aalen  steil  und  reich  gegliedert  gegen  Norden  ab,  das  niedrige  Vor- 
land um  400—500  m  überhöhend.  Gegen  die  Donau  nimmt  die 
Höhe  des  Plateaus  ab;  die  Begleithöhen  der  Donau  dominieren  das 
Tal  durchschnittlich  um  100  m. 

Südlieh  der  Donau  ragen  zwischen  Stockach  und  Eavensburg 
von  den  Zuflüssen  des  Bodensees  vielfach  durchbrochene  Bergzüge 
bis  zu  750  m  Höhe  auf,  die  rasch  gegen  den  etwa  400  m  hoch 
liegenden  Bodensee  abfallen.  Die  diesen  Bergzügen  im  Norden  vor- 
gelagerten Bodenerhebungen  nehmen  gegen  die  Donau  stetig  an 
Höhe  ab,  so  daß  die  zum  Donau-Tal  abfallenden  Höhen  dieses  höch- 
stens um  50  on  überrageu. 

Der  nördlich  des  Schwarzwaldes,  der  Eauhen  Alp  und  der 
Donau  abwärts  Donauwörth  gelegene  Teil  des  Kriegsschauplatzes 
gehört  dem  schwäbisch-bayrischen  Hochplateau  an.  das  in  seiner 
ganzen  Ausdehnung  reich  bewaldete  Hügel-  und  Bergketten  auf- 
weist. Die  absolute  Höhe  dieser  Bergketten  erreicht  nirgends  600  m. 
Die  Flußtäler  sind  tief  eingeschnitten  und  eng;  ihre  Begleithöhen 
überragen  die  Talsohle  überall  um  100 — 150  m,  so  daß  der  Auf- 
stieg auf  die  steil  abfallenden  Höhen  schwierig  und  mühsam  ist. 


—     105    — 

Im  Journal  der  Division  Friant  (Korps  Davout)  wird  über  den 
Marsch  der  Division  am  2.  Ol^tober  erzählt:  Die  2.  Division  mar- 
schierte über  Möckmühl  nach  Pfitzhof.  Der  Marsch  war  sehr  stark 
und  wir  hatten  nur  meist  schlechte  und  enge  Hohlwege;  um  10'' 
abend  fehlte  noch  eine  große  Zahl  von  Nachzüglern.  Der  lange  Ab- 
stieg nach  Möckmühl  ist  so  steil  und  so  mit  großen  Steinen  be- 
deckt, daß  die  Eeiter  absitzen  und  ihre  Pferde  führen  mußten.  Der 
Aufstieg  auf  der  entgegengesetzten  Seite  ist  steil  und  schlecht.  Auf 
dem  Plateau  mußten  wir  mehr  als  zwei  Meilen  auf  sehr  schlechten 
Waldwegen  marschieren;  die  Artillerie  hatte  Mühe  fortzukommen, 
obwohl  eine  Sappeurkompaguie  und  die  Sappeure  der  Regimenter 
hier  den  ganzen  Tag  gearbeitet  hatten.  Alle  diese  Wege  wären  im 
Winter  und  bei  schlechtem  Wetter  unbenutzbar. 

Über  den  Marsch  am  3.  Oktober  enthält  das  Tagebuch  dieser 
Division:  Wir  kamen  in  Ernsbach  an  der  Kocher  auf  sehr  schlechten 
Wegen  an.  Die  Höhen,  in  Wirklichkeit  unbedeutend,  liegen  alle 
senkrecht  zum  Wege,  so  daß  sie  viele  Anstiege  und  Abstiege  er- 
fordern. Der  Abstieg  nach  Ernsbach  ist  sehr  steiP). 

In  dem  ganzen  Räume  nördlich  der  Donau  ist  nur  ein  größeres 
Flachland  vorhanden,  die  etwa  20  hm  lange  und  breite  sogenannte 
Ebene  von  Nördlingen  zwischen  Nördlingen,  Öttingen  und  Wemding. 

Der  Raum  südlich  der  Donau  beiderseits  der  Hier  bis  an  die 
Isar  zeigt  den  Charakter  eines  niederen  Hügellandes.  Zwischen  den 
breiten  und  flachen  Flußtälern  liegen  niedere,  reich  bewaldete  Hügel- 
landschaften, deren  höchste  Erhebungen  die  Talsohlen  um  50 — 70  m 
überhöhen.  Die  Gewässer  durchzogen  ihre  breiten  Täler  entweder 
in  vielen  Windungen  oder  in  zahlreiche  Arme  geteilt.  Die  Talsohlen 
waren  daher  an  vielen  Stellen  naß  oder  selbst  versumpft;  bei  an- 
haltendem Regen  waren  sie  leicht  Überschwemmungen  ausgesetzt. 
Die  Naturwege  dieses  Gebietes  waren  somit  bei  nasser  Witterung 
recht  unverläßliche  Verbindungen. 

Flüsse.  Die  Donau  fließt  bis  Sigmaringen  in  einem  engen 
Gebirgstal.  Unterhalb  Sigmaringen  wird  das  Tal  stellenweise  einige 
Kilometer  breit.  Abwärts  von  Ulm  ist  das  Donau-Tal  sehr  breit ;  zur 
Zeit  des  Krieges  waren  große  Teile  dieses  Tales  Moorboden  oder 
versumpft.  Nur  bei  Neuburg  treten  die  Höhen  wieder  nahe  an  beide 

^)  Pfitzhof,  wo  die  Division  am  2.  abend  war,  liegt  etwa  190,  Ernsbach 
beiläufig  186  m  hoch.  Die  zwischen  beiden  Orten  liegenden  Höhen  haben  eine 
absolute  Höhe  von  etwa  310  m.  Die  Entfernung  Pfitzhof— Ernsbach  beträgt  5  lim. 


—      106      — y 

Ufer  heran.  Die  großen  Weichlandstrecken  waren  das  ülmer  Ried 
zwischen  Ulm,  Kirchl)erg  an  der  Hier  nnd  Burlafingen,  das  Douau- 
moos  nördlich  des  Flusses  zwischen  Langenau  und  Gundelfingen, 
das  Donauried  südlich  der  Donau  von  Gundelfingen  bis  Donau- 
wörth und  das  Donaumoos  südlich  Ingolstadt.  Bei  trockener  Witte- 
rung waren  diese  Talböden  gangbar  und  auf  zahlreichen  Wegen 
passierbar;  bei  längerdauerndem  Eegen,  wie  gerade  zur  kritischen 
Zeit  im  Jahre  1805,  waren  sie  aber  weithin  tiberschwemmt  und 
dann  nur  auf  den  Chausseen  zu  durchqueren. 

Die  Donau  floß  bis  Ulm  in  einem  geschlossenen  Flußbett ;  ab- 
wärts von  Ulm  teilte  sie  sich  aber  in  mehrere  Arme,  flache,  be- 
waldete Inseln  bildend. 

Bei  Ulm  war  die  Donau  65  m  breit  und  3  m  tief,  bei  Donau- 
wörth 130  m  breit.  Sie  wurde  bei  Ulm  schiffbar. 

Brücken  bestanden  bei  Ulm  (Steinpfeiler),  Thalfingen,  Elchingen, 
Leipheim,  Günzburg  (2),  Eeisensburg,  Offlngen,  Lauingen,  Dillingen, 
Steinheim,  Hochstädt,  Gremheim,  Münster,  Donauwörth,  Neuburg 
(Stein)  und  Ingolstadt. 

Die  Hier  wurde  von  Kempten  an  für  Flöße  und  Kähne  fahr- 
bar. Von  Aitrach  abwärts  fließt  die  Hier  in  einem  breiten  Tale;  vor 
ihrer  Regulierung  bildete  sie  in  diesem  Tale  zahlreiche  Windungen, 
ihre  Ufer  waren  flach  und  an  vielen  Stellen  sumpfig.  Die  Breite  der 
Hier  betrug  an  ihrer  Mündung  in  die  Donau  etwa  30  m.  Die  Hier 
war  bei  Aitrach  (westlich  Memmingen),  bei  Steinheim,  Kellmünz, 
Hlertissen,  Oljerkircbberg  und  Unterkirchberg  überbrückt. 

Der  Lech  wird  bei  Schongau  schiffbar.  Unterhalb  Landsberg,  wo 
seine  Ufer  flach  werden  und  der  Fluß  in  das  breite  Lechfeld  tritt, 
teilt  er  sich  in  zahlreiche  Arme.  Der  Fluß  war  30 — 150  m  breit; 
unterhalb  Augsburg  nahmen  Breite  und  Teilung  des  Flusses  in  Arme 
so  zu,  daß  er  bei  Niederwasser  an  mehreren  Stellen  furtbar  war. 

Brücken  waren  bei  Füssen  (2),  Schongau,  Landsberg,  Kaufe- 
ringen. Augsburg  und  Rain. 

Der  Neckar  fließt  in  einem  ständig  engen,  von  steil  abfallen- 
den Höhen  eingeschlossenen  Tal;  er  wird  von  Kannstatt  an  schiff- 
bar. Hier  ist  er  etwa  30,  bei  Heilbronn  60  m  breit.  Der  Neckar  war 
1805  an  zahlreichen  Stellen  überbrückt.  Seine  Nebenflüsse  Kocher 
und  Jagst  sind  15 — 20  m  breit,  fließen  in  sehr  engen  und  steil- 
randigen  Tälern  und  waren  an  vielen  Stellen  überbrückt.  Im  Jahre 
1805  fehlten  durchlaufende  Talwege. 


—     107     - 

Die  Wörnitz  war  bei  jeder  an  ihr  gelegenen  Ortschaft  über- 
brückt. 

Die  Beilage  7  zeigt  die  zur  Zeit  des  Feldzuges  von  Ulm  vor- 
handenen Straßen  und  guten  Fahrwege  des  Kriegsschauplatzes. 
Innerhalb  der  Maschen  dieses  Straßen-  und  Wegnetzes  waren  nur 
minderwertige  Naturwege  vorhanden. 

Die  Skizze  zeigt  die  politischen  Grenzen  so  weit,  daß  die  Ge- 
biete Österreichs,  Frankreichs  und  seiner  Verbündeten  und  die  Ge- 
biete neutraler  Staaten  (Preußen,  Schweiz)  zu  erkennen  sind. 

Die  preußischen,  also  neutralen  Fürstentümer  Ausbach  und 
Bayreuth  sperrten  den  Eaum  zwischen  der  Donau  und  dem  Main 
bis  auf  zwei  schmale  Durchgänge  —  an  der  Donau,  über  bayrisches 
Gebiet  und  über  das  Gebiet  von  Eichstädt,  und  über  Nürnberg  — 
ganz  ab. 

Von  Würzburg  konnten  somit  französische  Truppen,  ohne 
Preußens  Neutralität  zu  verletzen,  entweder  nur  zwischen  den  Fürsten- 
tümern Ansbach  und  Bayreuth  (über  das  Gebiet  der  Eeiehsstadt 
Nürnberg)  oder  nördlich  um  das  Fürstentum  Bayreuth  herum  durch 
sächsisches  Gebiet  Böhmen  erreichen. 


IV.  Operatioiispläne  und  Kriegsvorbereitimgen. 

A.  Franzosen. 

Wie  früher  erwähnt,  war  Napoleon  der  einzige  Führer  der 
Armee.  Seinem  Kopf  allein  entsprangen  alle  Gedanken  und  Ent- 
schlüsse, er  allein  gab  alle  Befehle,  er  holte  dazu  niemandes  Eat 
ein;  niemand  hatte  Gelegenheit,  dem  Kaiser  seine  Ansicht  über  die 
zukünftigen  Operationen,  ihren  Schauplatz  und  die  dazu  angesetzte 
Kraft  auszusprechen. 

Infolgedessen  war  Napoleon  nicht  genötigt,  irgend  jemand 
einen  fertigen,  wohl  begründeten  Operationsplan  vorzulegen.  Er  kannte 
daher  diese  voluminösen,  mehr  oder  weniger  tief  begründeten  Denk- 
schriften nicht,  die  man  gewöhnlich  unter  dem  Ausdruck  Opera- 
tionsplan versteht.  Er  hatte  somit  gar  keinen  „Operationsplan"  in 
diesem  Sinne. 

Frühzeitig  entstand  im  Kopfe  Napoleons  der  richtunggebende 
Gedanke  für  einen  bevorstehenden  Krieg,  das  von  ihm  angestrebte 
Ziel  seiner  Operationen.  Nur  durch  eine  gelegentliche  Äußerung, 
durch  eine  seinen  Feinden  zugeschleuderte  Drohung  erfährt  man 
diesen  Gedanken,  an  dessen  Durcharbeitung  und  Vervollständigung 
Napoleon  unausgesetzt  zu  arbeiten  schien.  Neue  Auslassungen  weisen 
darauf  hin,  daß  dieser  Gedanke  immer  fester  wird,  daß  er  immer 
klarer,  immer  vollkommener  ausgearbeitet  im  Kopfe  Napoleons  be- 
steht, daß  der  Gedanke  nach  und  nach  erst  das  wird,  was  man  einen 
Plan  nennen  kann.  Aber  dieser  Plan  umfaßt  nur  die  Hauptziele  des 
bevorstehenden  Krieges,  den  Verlauf  der  Operationen  in  großen 
Zügen.  Deren  Details,  wenn  er  sie  auch  dank  seiner  außerordent- 
lichen Phantasie  eingehend  in  allen  möglichen  Varianten  durch- 
dachte, faßte  er  nie  zu  einem  starren  Plane  zusammen.  Nur  das 
große  Ziel   des  Krieges,    das  Leitmotiv  der  Operationen  bleiben  un- 


—     109     — 

verändert  fest;  alles  Detail  und  alle  Bewegungen  modelt  der  Kaiser 
unausgesetzt,  immer  paßt  er  sie  der  momentanen  Situation  an.  Nie 
schämt  er  sich,  einen  Irrtum  einzugestehen^),  nie  klammert  er  sich 
daher  an  eine  einmal  gefaßte  Idee,  aber  nie  auch  läßt  er  das  einmal 
festgesetzte  Ziel  des  Krieges  aus  dem  Auge.  Oft  sind  mündlich  über- 
brachte Nachrichten  Ursache  der  Änderungen  in  den  Operationen. 
Leider  ist  der  Inhalt  vieler  dieser  von  Napoleon  persönlich  in  Empfang 
genommenen  Nachrichten  verlorengegangen,  so  daß  dann  nicht 
mehr  festzustellen  ist,  was  ihn  zu  einer  plötzlichen  Änderung  seiner 
Maßnahmen  veranlaßte;  ob  eine  Nachricht  und  welche,  oder  ob  nur 
eine  neue,  oft  blitzartig  auftauchende  Beurteilung  der  Lage.  Es  heißt 
daher  die  Geistesarbeit  und  Tätigkeit  Napoleons  als  Feldherr  voll- 
kommen verkennen,  wenn  man  die  Angabe  des  Generals  Grafen 
Segur  glaubt,  daß  Napoleon  schon  Mitte  August  den  genauen  detail- 
lierten Plan  für  den  Feldzug  von  Ulm  fertig  hatte  und  daß  sich  die 
Ereignisse  auch  tatsächlich  nach  diesem  Plan  abspielten-). 


Von  allem  Anfang  an  hatte  Napoleon  den  Krieg  in  Deutsch- 
land vor  Augen:  nie  dachte  er  daran,  die  Hauptoperation  nach 
Italien  zu  verlegen.  Schon  am  27.  November  1803,  als  Preußen  die 
Anerkennung  der  Neutralität  Deutschlands  in  einem  Kampfe  Frank- 
reichs gegen  Österreich  verlangte,  sagte  Napoleon  zum  preußischen 
Gesandten:  „Ein  Feldzug  an  der  Etsch  ist  nicht  günstig  für  die 
französischen  Armeen,  so  sehr  er  auch  den  Operationen  in  Deutsch- 
land als  Ablenkung  dienen  mag;  auf  dem  Wege^  der  von  Straß- 
burg nach  Wien  führt,  müssen  die  Franzosen  die  Öster- 
reicher zum  Frieden  zwingen  und  diesen  Weg  wollen  Sie  ihnen 
untersagen!"    Und   am    30.  November  1803    schreibt  Talleyrand    in 


*)  In  einem  Briefe  vom  25.  August  an  Talleyrand  schreibt  Napoleon :  „Ich 
habe  die  Österreicher  nicht  für  so  entschlossen  gehalten,  aber  ich  habe  mich 
schon  so  oft  in  meinem  Leben  geirrt,  daß  ich  darüber  nicht  erröte." 

^)  Segur,  „De  1800  ä  1812.  ün  aide  de  camp  de  Napoleon". 

Auf  Seite  159  (der  Ausgabe  von  1891:)  erzählt  Segur:  Auf  die  Nachricht 
vom  Einlaufen  der  Flotte  Villeneuves  in  den  Hafen  von  FeiTol  ließ  Napoleon 
Daru  rufen  (am  13.  August)  und  befahl  ihm  zu  schreiben.  „Und  sodann  diktierte 
er  sogleich,  ohne  Übergang,  ohne  Nachdenken  und  Zögern  in  seiner  bündigen 
Ausdrucks  weise,  kurz  und  gebieterisch  den  Plan  des  Peldzuges  von  Ulm  bis 
Wien."  Aus  den  folgenden  Erklärungen  geht  heiTor,  daß  damit  der  ganze  Ver- 
lauf der  Ereignisse  gemeint  ist,  den  Napoleon  vorhergesehen  haben  soll. 


—     110    — 

Übereinstimmung  mit  dieser  Unterredung  an  den  französischen  Ge- 
sandten in  Berlin:  „Was  kann  Österreich  in  Italien  fürchten?  Daß 
man  ihm  Venedig  nimmt?  Aber  alles  wohl  erwogen,  was  bedeutet 
Venedig  für  Österreich?  Am  Inn  liegt  seine  schwache  Seite, 
dort  muß  ein  gut  geführter  Angriff  das  Herz  der  Monarchie 
treffen."  Am  3.  März  1804,  als  nur  die  leisesten  Anzeichen  dafür 
vorhanden  waren,  daß  Österreich  sich  England  anschließen  könnte, 
läßt  Napoleon  Talleyrand  an  den  österreichischen  Gesandten  in  Paris, 
Grafen  Philipp  Cobenzl  (Vetter  des  Ministers  des  Äußern  Grafen 
Ludwig  Cobenzl)  schreiben: 

„ Wenn  also  diese  ersten  Anzeichen  (der  Annähe- 
rung Österreichs  an  England)  durch  die  Aufrechterhaltung  der  in 
Österreich  angeordneten  militärischen  Maßregeln  sich  bestätigen 
würden,  sähe  sich  der  erste  Konsul  in  die  Notwendigkeit  versetzt, 
selbst  mit  Bayern  Vereinbarungen  zu  treffen,  wonach  er  seine  Truppen 
in  dieses  Land  einmarschieren  lassen  könnte,  um  es  mit  Nachdruck 
gegen  die  drohende  Invasion  zu  schützen."  Am  7.  März  sandte  Na- 
poleon emen  Offizier  in  die  schwäbischen  Besitzungen  Österreichs, 
dann  nach  Tirol  und  Salzburg,  um  die  Maßnahmen  Österreichs  aus- 
zukundschaften und  am  18.  Juli  den  General  Sebastiani  mit  der 
gleichen  Aufgabe.  Dieser  „wird  über  Konstanz,  Lindau,  Kempten 
längs  dem  Inn  bis  Innsbruck,  Brixen,  Villach,  Salzburg,  München 
und  Passau  reisen.  Er  wü'd  die  Ufer  des  Inn  durcheilen,  sich  nach 
Nürnberg  begeben  und  das  Eegnitz-Tal  durcheilen.  Er  wird  Kenntnis 
von  der  Situation  der  österreichischen  Truppen  nehmen,  über  die 
Vorbereitungen,  die  sie  machen  könnten ;  er  wird  die  besten  Karten 
kaufen  und  Eekognoszierungen  durchführen,  um  mich  über  alles  zu 
unterrichten,  was  mich  in  politischer  und  militärischer  Hinsicht  inter- 
essieren könnte." 

Am  2.  Oktober  1804  befahl  Napoleon  Vorbereitungen  in  Mainz 
und  Straßburg  an,  um  sich  im  Kriegsfalle  sofort  der  Brückenköpfe 
Kastei  und  Kehl  zu  bemächtigen  (S,  15). 

Am  30.  Dezember  1804  sandte  Napoleon  den  General  Eoraieu 
zu  einer  neuen  Eekognoszierung  nach  Konstanz,  Lindau,  Schwaben, 
Innsbruck,  Bozen,  Villach,  Klagenfurt,  Graz,  Laibach,  Görz  und  Triest. 

Am  27.  Mai  1805  ließ  Napoleon  an  den  Gesandten  Otto  in 
München  anläßlich  des  Beginnes  der  Allianzverhandlungen  mit 
Bayern  schreil)en:  „Der  Kurfürst  kennt  seine  Lage  zu  genau,  um 
zu    fühlen,    daß    er   nicht   neutral   bleiben   kann,    sobald   der  Krieg 


—   111    — 

zwischen  Frankreich  und  Österreich  entbrennt.  Diese  Neutralitiit 
wäre  so  sehr  zum  Nachteil  Frankreichs,  daß  wir  es  vorziehen  würden, 
Bayern  zum  Feinde  zu  haben.  Der  natürliche  Kriegsschauplatz 
Frankreichs  liegt  am  Ehein. 

„Der  Kaiser  könnte  seine  Grenze  gegem  Deutsehland  nicht  ent- 
blößen, um  300.000  Mann  an  die  Etsch  zu  werfen,  während  es 
Österreich  sehr  passend  w^äre,  seine  Armeen  nach  Friaul  und  Tirol 
zu  bringen  und  die  Etsch-Grenze  anzngreiten.  So  muß  der  erste 
an  der  Etsch  fallende  Kanonenschuß  am  Inn  sein  Echo 
finden  und  aus  diesem  Grunde  hatte  der  Kaiser  so  viel  Interesse 
daran,  Passau  nicht  an  Österreich  fallen  zu  lassen." 

Mitte  August  1805  ließ  er  dem  Gesandten  Cobenzl  u.  a.  durch 
Talleyrand  sagen: 

„ Frankreich  kann,    wenn  es  in  Itahen  bedroht  wird, 

kaum  rechtzeitig  hinkommen,  um  dort  dem  Feinde  zuvorzukommen; 
aber  es  wird  seine  Truppen  den  Ehein  passieren  lassen,  um  den 
Feind  im  Herzen  seiner  eigenen  Staaten  aufzusuchen."  (Siehe  S,  35.) 

Diese  Angaben  beweisen  deutlich  genug,  daß  Napoleon  den 
nächsten  Krieg  mit  Österreich  in  Deutschland  zu  führen  beabsich- 
tigte; sie  zeigen  auch,  daß  sich  Napoleon  als  geographisches 
Ziel  seiner  Operation  Wien,  die  feindliche  Eesidenzstadt,  auserkoren 
hat.  An  diesem  Operationsziel  hält  Napoleon  auch  fest,  als  die 
Koalition  Österreichs  mit  Eußland  immer  sicherer  hervortritt.  Seine 
Operationsidee  gestaltet  sich  immer  mehr  aus.  Die  Kooperation  der 
Österreicher  mit  den  Bussen  steigert  in  ihm  nur  die  Energie  der 
beabsichtigten  Kriegshandlung.  Wien  will  er  erreichen,  dort  will  er 
dem  Kaiser  den  Frieden  diktieren,  und  da  die  Vereinigung  der 
Österreicher  mit  den  Bussen  ihm  dies  schwieriger  macht,  so  will  er 
die  Österreicher  schlagen,  bevor  die  Bussen  herankommen,  ja  er  will, 
wenn  möglich,  Wien  vor  den  Bussen  erreichen.  In  seinem  Geiste 
setzt  sich  —  gewiß  erst,  nachdem  er  tagelang  über  den  Karten  ge- 
brütet, nach  gewissenhaftem  Abwägen  von  Baum  und  Zeit  —  der 
Wille  zur  größten  Energie  in  der  Kriegführung,  d.  h.  zur  größten 
Schnelligkeit  fest. 

Im  Februar  1805  äußerte  schon  Napoleon,  daß  er  Österreich 
nicht  fürchte:  eine  neue  Koalition  halte  er  für  unmöglich;  Bußland 
wird  Österreich  keine  große  Hilfe  gewähren,  übrigens  werde  er  früher 
in  Wien  sein  und  im  Bette  des  Kaisers  schlafen,  ehe  eine  beträcht- 
liche russische  Truppenmacbt  in  der  Nähe  erscheinen  werde. 


—     112     — 

Am  20.  März  befahl  er  dem  in  Hannover  kommandierenden 
Marsehall  Bernadotte,  Spione  in  die  polnischen  und  russischen  Pro- 
vinzen zu  senden,  um  ständig  über  die  Bewegungen  und  Marsch- 
bereitschaft der  russischen  Truppen  orientiert  zu  sein. 

Am  16.  April  1805,  also  fünf  Tage  nach  Abschluß  des  eng- 
lisch-russischen Bündnisses,  schrieb  Napoleon  an  Talleyrand: 

„Herr  Larochefoucault  (Gesandter  in  Wien)  kann  vernehm- 
lich sprechen  und  zu  verstehen  geben,  daß,  wenn  der  Wiener  Hof 
uns  glauben  läßt,  er  w'oUe  den  Krieg.  ich  wohl  den  öster- 
reichischen Truppen  nicht  die  Zeit  lassen  darf,  sich  mit  den  Eussen 
zu  vereinigen  und  zu  marschieren." 

Ende  April  meldete  der  Wiener  Gesandte,  daß  eine  russische 
Armee  von  50.000  Mann  in  Podolien  bereit  stehe,  sie  erwarte  nur 
die  Ankunft  des  Großfürsten  Konstantin,  um  zu  marschieren. 

Anfang  Mai  kam  eine  Meldung  aus  Salzburg  über  Truppen- 
bewegungen nach  Tirol,  über  die  Formierung  der  Tiroler  Mifiz  — 
10.000  Mann  schon  formiert  —  daß  die  Rekrutierung  in  Österreich 
im  lebhaften  Gange  sei,  daß  10.000 — 15.000  Pferde  angekauft  werden 
und  daß  Mack  zum  Generalquartiermeister  ernannt  worden  sei.  Die 
Kriegsgerüchte  woUtcH  in  Salzburg  nicht  verstummen.  Mitte  Mai 
kam  die  Nachricht,  daß  die  Urlauber  einberufen  worden  seien. 

Am  2.  August  meldete  der  Gesandte  in  München:  In  Tirol 
erwartet  man  außer  den  5  Regimentern,  die  schon  dort  sind,  noch 
4  Infanterie-  und  mehrere  Kavallerieregimenter.  Man  errichtet  dort 
Spitäler  und  Bäckereien.  Im  Lager  von  Pettau  stehen  10  Infanten e- 
und  5  Kavallerieregimenter.  Die  polnischen  Regimenter  sind  nach 
Mähren  vorgezogen  worden.  Die  Kavallerie  ist  in  Lagern  bei  Kaschau 
und  Krakau  vereinigt.  Artillerie-  und  Munitionstransporte  sind  unter- 
wegs nach  Italien  und  Tirol.  Die  Arbeiterzahl  in  den  Arsenalen  wurde 
verdoppelt,  Pferde  werden  gekauft.  In  Tirol,  wo  Erzherzog  Johann 
kommandieren  soll,  sind  jetzt  —  nach  einer  Wiener  Nachricht  —  mehr 
als  7  Infanterie-  und  2  Kavallerieregimenter.  Diese  Armee  kann  aber 
leicht  durch  das  Lager  von  Pettau  verstärkt  werden.  In  Tirol  sind  ein 
Artilleriepark  und  eine  Batterie  leichter  Artillerie,  vorhanden. 

Am  10.  August  meldete  der  Wiener  Gesandte :  Bei  Budweis 
wird  ein  Lager  von  30.000  bis  40.000  Mann  gebildet.  Truppen  sind 
dahin  auf  dem  Marsche.  Bei  Brück  an  der  Mur  soll  ebenfalls  ein  Lager 
errichtet  werden.    Bei  Minkendorf  ^)   ist   ein  Lager   für   die  Wiener 

^)  Heute  Münehendorf  genannt,  liegt  südöstlich  von  Wien. 


—     113     — 

Garnison  und  vier  Kavallerieregimenter  errichtet.  150  Geschütze  sind 
auf  dem  Wene  nach  Italien,  ein  anderer  starker  Train  nach  Oberöster- 
reich. Auch  bei  Wels  soll  ein  Laoer  errichtet  werden.  In  Deutsch- 
land soll  der  Kaiser  persönlich  kommandieren,  in  Tirol  der  Erzherzog 
Johann,  für  Italien  ist  noch  niemand  bestimmt.  Erzherzog  Karl  hat 
schon  Pferde  für  seine  Ausrüstung  gekauft. 

Diese  Nachrichten  und  noch  viele  andere,  die  Napoleon  im 
Laufe  des  Monates  Juli  und  Anfang  August  erhielt,  brachten  ihn 
zum  Entschlüsse,  wenn  nötig,  Österreich  anzugreifen. 

Am  13.  August  schrieb  er  an  Talleyrand: 

„Mein  Entschluß  ist  gefaßt,  ich  will  Österreich  angreifen  und 
vor  dem  nächsten  Monat  November  in  Wien  sein,  um  den  Bussen 
entgegenzutreten,  wenn  sie  eintreffen."  Dem  Botschafter  Cobenzl  ließ 
er  am  selben  Tage  sagen :  ,.Der  Kaiser  ist  nicht  so  einfältig,  um  den 
Russen  Zeit  zu  lassen,  euch  zu  Hilfe  zu  kommen",  und  fügte  pro- 
phetisch bei:  „Sagen  Sie  dem  Kaiser,  daß  er  Weihnachten  nicht  in 
Wien  feiern  wird." 

Am  16.  August  endlich  beauftragte  er  den  Münchener  Ge- 
sandten, den  Kurfürsten  von  Bayern  zum  Abschluß  des  Vertrages 
zu  drängen  und  zu  sagen  : 

„ wenn  Österreich   nicht  Tirol   räumt   und   abrüstet, 

werde  ich  meine  Küstenlager  aufheben  und  gegen  Österreich  mar- 
schieren :  der  Kurfürst  selbst  soll  Vorstellungen  machen  und  fragen, 
warum  Österreich  so  viel  Truppen  in  Tirol  aushebt,  obwohl  es  mit 
seinen  Nachbarn  im  Frieden  ist?  Daß  ich  den  größten  Teil  der 
Armee  von  Hannover  herabziehen  werde  und  daß  •  ich  selbst  drei 
Wochen  nach  der  Antwort  Österreichs,  wenn  es  nicht  abrüstet,  mit 
200.000  Mann  in  Bayern  sein  werde." 

Aus  diesen  Äußerungen  Napoleons  läßt  sich  seine  Operations- 
idee klar  erkennen :  Er  wollte  seine  gesamte  momentan  verfügbare 
Kraft,  das  waren  die  Küstenarmee,  einige  Truppen  aus  dem  Innern 
Frankreichs  und  das  Korps  in  Hannover,  so  rasch  als  möglich  nach 
Bayern  werfen  und  so  schnell  nach  Wien  vorrücken,  daß  er  die 
Österreicher  vor  dem  Eintreffen  der  Bussen  niederwerfen  könne. 
In  Italien  sollte  nur  eine  schwache  Gruppe  den  Einfall  der  Öster- 
reicher abwehren.  Seine  Absicht  war  also,  die  Österreicher  und 
Bussen  getrennt  zu  schlagen.  Wie  das  geschehen  sollte,  konnte 
er  allerdings  nicht  voraussagen,  das  hing  von  dem  Verhalten  der 
Österreicher   und   Bussen   ab.  Wie  die  Schilderung  der  Operationen 

Kr  au  SS.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  8 


—     114     — 

zeigen  wird,  hat  er  dieses  Leitmotiv  seines  Handelns  unausgesetzt 
festgehalten,  immer  tragen  seine  Anordnungen  diesem  Grundge- 
danken und  der  augenblicklichen  Lage  Eeehnung. 

Sein  Kriegsziel  war  nicht  wie  bei  allen  seinen  Gegnern  ein 
beschränktes ;  nicht  die  Eroberung  einer  Festung,  nicht  die  Einnahme 
einer  Stellung,  nicht  die  Besitznahme  einer  Provinz  war  sein  Ziel, 
sondern  die  völlige  Niederwerfung  seines  wichtigsten  Feindes 
und  somit  die  Vernichtung  der  Armee  dieses  Feindes.  Wien  war 
nur  sein  Direktionspunkt;  er  hoffte  auf  dem  Wege  dahin  den 
Hauptfeind,  die  österreichische  Armee,  sicher  zu  treffen.  Er  wußte, 
daß  er  Italien  an  der  Donau  erobern  werde.  Daher  die  Konzen- 
trierung seiner  Kraft  in  diesem  Eaum  und  gegen  den  wichtigsten 
Feind.  Das  ist  so  leicht  und  einfach  zu  begreifen  und  doch  ward 
so  viel  und  so  oft  dagegen  gesündigt.  Wir  haben  Venetien  im  Jahre 
1805  trotz  des  Sieges  von  Caldiero  bei  Ulm  und  Austerlitz  verloren 
und  im  Jahre  1866  trotz  der  Siege  von  Custoza  und  Lissa  bei 
Königgrätz.  Gegen  den  wichtigsten,  entscheidenden  Feind 
und  auf  dem  wichtigsten  entscheidenden  Kriegsschau- 
platze muß  die  Hauptkraft,  am  besten  die  ganze  Kraft, 
energisch  angesetzt  werden,  wenn  man  deshalb  auch  in  minder 
wichtigen  Eäumen  und  gegen  minder  wichtige  Feinde  Nachteile  in 
Kauf  nehmen  müßte.  Je  großartiger,  je  rücksichtsloser  man  diese 
Kraftkonzentration  durchführt,  desto  besser.  Gerade  für  Österreich- 
Ungarn,  das  von  allen  Seiten  umlauert  ist  und  das  von  jeher  auf 
mehreren  Kriegsschauplätzen  zu  kämpfen  hatte,  gilt  das  ganz  be- 
sonders; und  gerade  Österreich- Ungarn  könnte  aus  seiner  Geschichte 
in  dieser  Hinsicht  genug  gelernt  haben. 

Am  23.  August  erging,  wie  bereits  erwähnt,  der  erste  Befehl, 
der  als  Vorbereitung  des  Krieges  gegen  Österreich  angesehen  werden 
kann.  An  diesem  Tage  befahl  Napoleon  dem  General  Dejean,  Minister 
der  Kriegsverwaltung,  in  Straßburg  500.000  und  in  Mainz  200.000 
Portionen  Zwieback  herstellen  zu  lassen.  Der  Generalartillerieinspektor 
erließ  an  die  Artilleriedirektoren  in  Straßburg,  Metz,  Mainz  und 
Neu-Breisach  den  Befehl,  Artilleriematerial  und  Munition  in  stand 
zu  setzen. 

Seit  dem  20.  August  hatte  überdies  Berthier  erhoben,  wie 
weit  die  Vorräte  der  Festungen  an  der  Ostgrenze  genügten,  um  die 
Armee  mit  Artillerie  und  Munition  auszustatten,  oder  ob  die 
Artillerie  der  Küsteuarmee  an  den  Ehein  mitgenommen  werden  müsse. 


—     115     — 

Am  23.  ergingen  auch  die  vorbereitenden  Befehle  an  den 
Kommandanten  in  Holland,  General  Marmont,  und  an  den  Marschall 
Bernadotte  in  Hannover.  Marmont  erhielt  den  Auftrag,  sich  bereit 
zu  machen,  um  auf  den  nächsten  Befehl  hin  sofort  mit  20.000 
Mann  und  mit  soviel  Gespannen  als  möglich  nach  Mainz  aufzu- 
brechen :  „Die  Jahreszeit  ist  zu  weit  vorgeschritten  und  der  Winter 
zu  nahe,  um  etwas  von  den  Engländern  befürchten  zu  müssen  und 
im  Frühjahr  werden  Sie  mit  ihrer  Armee  wieder  in  Holland  zu- 
rück sein.  Es  genügt,  wenn  die  Grenzen  bewacht  sind. 

„Ich  empfehle  Ihnen,  über  all  das  das  tiefste  Geheimnis  zu 
bewahren;  denn  wenn  dieser  Fall  eintritt,  will  der  Kaiser  mit 
300.000  Mann  im  Herzen  Deutschlands  sein,  bevor  man  sich  dessen 
versieht." 

Bernadotte  erhielt  Befehl,  den  größten  Teil  seines  Korps  bei 
Göttingen  zu  sammeln  und  dort  100.000  Portionen  Zwieback  her- 
stellen zu  lassen. 

Am  24.  August  gab  Napoleon  weiter  Befehl,  die  vier  Dragoner- 
divisionen und  die  Division  der  Dragoner  zu  Fuß  zu  formieren,  damit 
sie  bereit  seien,  wenn  nötig,  am  27.  August  abzumarschieren. 

Diese  Befehle  scheinen  die  Folge  eines  am  13.  August  von 
München  abgesandten  Briefes  zu  sein,  in  dem  der  dortige  Gesandte 
auf  verläßliche  Nachrichten  hin  meldet,  daß  bei  Budweis  ein  Lager 
von  30.000  Mann  gebildet  werde,  daß  von  Wels  100.000  Mann 
nach  Braunau  am  Inn  abmarschiert  und  daß  einige  neue  Regimenter 
nach  Tirol  auf  dem  Marsche  seien.  Ein  Brief  aus  Straßburg  vom 
21.  August  meldete,  daß  die  Österreicher  große  Ankäufe  an  Getreide, 
Hafer,  Heu  und  Stroh  in  Schwaben  durchführten. 

Trotzdem  Napoleon  schon  dem  Kriege  gegen  Österreich  vor- 
arbeitet, bleibt  er  dennoch  bereit,  sofort  die  Landung  zu  versuchen, 
wenn  seine  Flotte  im  Kanal  erscheinen  sollte.  Geschütze  und  Be- 
spannungen und  ein  Teil  der  Pferde  der  leichten  Kavallerie  waren 
eingeschifft,  ebenso  ein  Teil  der  Infanterie.  Der  Befehl  zur  Aus- 
schiffung erging  erst  am  26.  August. 

Am  25.  August  hoffte  Napoleon  noch  den  Österreichern  in 
Schwaben  zuvorkommen  zu  können.  „Es  handelt  sich  darum,  20  Tage 
zu  gewinnen  und  zu  verhindern,  daß  die  Österreicher  den  Inn  über- 
schreiten, während  ich  an  den  Bhein  marschiere",  schrieb  er  an 
Talleyrand,  den  er  beauftragt,  kundzutun,  daß  er  nur  25.000  Mann 
an  seine  entblößten  Grenzen  sende. 

8* 


—     116     — 

Am  25.  August  entsandte  er  den  General  Bertraud  und  den 
Marschall  Murat  zu  Rekognoszierungen  nach  Ba^^ern, 

Bertrand  erhielt  den  Auftrag,  den  Inn,  die  Sa) zach,  den  Lech 
und  besonders  Füssen,  dann  die  Donau  bei  Donauwörth,  bei  Ingol- 
stadt und  bis  Passau,  besonders  aber  die  Straße  auf  dem  linken 
Ufer  zu  rekognoszieren.  Er  sollte  die  Beschaffenheit  der  Verbin- 
dungen von  Passau  nach  Prag  und  die  Möglichkeit  ermitteln,  mit 
einer  Armee  den  Inn  auf  dem  nördlichen  Donau-Ufer  zu  umgehen 
und  über  Freistadt  nach  Mähren  vorzurücken;  auch  sollte  Bertrand 
die  Enns  und  Traisen  rekognoszieren  und  erkunden,  ob  und  wo  die 
Österreicher  Befestigungen  anlegen.  Er  hatte  Ulm  genau  zu  reko- 
gnoszieren, und  zwar  Bevölkerung,  Lage,  militärische  Wichtigkeit 
und  die  Verbindung  Ulm — Rastatt  zu  erkunden,  ßertrand  sollte 
auch  erheben,  von  wo  an  die  Donau  schiffbar  war. 

Murat  hatte  zu  rekognoszieren :  den  Main,  Würzburg,  die  Ver- 
bindungen von  dort  an  die  Donau  nach  Ulm,  Ingolstadt  und  Re- 
gensburg, dann  Bamberg  und  die  Verbindungen  von  dort  nach  Eger 
und  Böhmen  und  an  die  Donau,  den  Böhmerwald,  die  Regnitz  und 
Donau  bis  Passau,  den  Inn  bis  Kufstein,  Ulm,  Stockach  und  die 
Sehwarzwald-Ausgänge.  Murat  sollte  den  Charakter  des  Landes,  die 
Kommunikationen,  die  Breite  der  Flüsse  erkunden.  Wenn  die  Öster- 
reicher den  Inn  schon  passiert  hätten,  sollte  er  achtgeben,  nicht  in 
ihre  Hände  zu  fallen. 

Vom  Kurfürsten  von  Bayern,  dem  er  sagte,  „Ihr  Interesse  for- 
dert, daß  sich  meine  Armee  nicht  in  Ihren  Staaten  aufhält;  es  ist 
daher  nötig,  daß  ich  sie  diesen  Herbst  rasch  durchziehen  könne", 
forderte  er  je  500.000  Zwiebackportionen  in  Würzburg  und  Ulm  und 
die  Lieferung  von  2000  Zugpferden. 

Talleyrand  erhielt  an  diesem  Tage  den  Auftrag  zum  Abschluß 
von  Verträgen  mit  Baden  und  Hessen-Darmstadt,  welche  Länder 
nicht  neutral  bleiben  dürfen.  Baden  soll  verhalten  werden.  3000, 
Hessen-Darmstadt  4000  Mann  beizustellen. 

Man  sieht,  Napoleon  denkt  an  alles!  Obwohl  er  hofft,  den 
Österreichern  zuvorzukommen  und  rasch  durch  Bayern  an  den  Inn 
vorrücken  zu  können,  läßt  er  doch  alle  wichtigen  Plußlinien  und 
alle  wichtigen  Orte  und  Straßen  Bayerns  für  den  Fall  rekognoszieren, 
wenn  es  schon  in  Bayern  zum  Zusammenstoße  kommen  sollte.  Er 
denkt  an  die  Ausgänge  des  Schwarzwaldes,  an  die  seine  Flanke  be- 
drohenden Ausgänge  aus  Tirol,  er  denkt  auch  schon  unter  Hinweis 


—     117     — 

auf  den  Feldzug  des  Marschalls  Belle-Isle^)  an  die  Möglichkeit  eines 
Einmarsches  nach 'Böhmen,  einer  Vorrückung  nach  Mähren  (gegen 
die  Russen?)  und  nach  Wien:  er  denkt  aber  auch  an  die  Bedürf- 
nisse seiner  Armee,  an  Zwieback  und  an  Zugpferde. 

So  vertieft  er  sich  immer  mehr  und  mehr  in  die  Vorbereitung 
des  Krieges  gegen  Österreich ;  seine  Energie  wird  durch  die  an 
seinem  Geiste  vorüberziehenden  Möglichkeiten  immer  höher  auf- 
gestachelt. Als  daher  neue  ^Meldungen  über  die  österreichischen 
Maßnahmen  eintreffen,  setzt  er  den  Abmarsch  um  einen  Tag  früher 
fest  und  schreibt  am  25.  an  Berthier:  „Alle  Nachrichten,  die  ich 
durch  meine  Kuriere  erhalte,  lassen  mich  den  Entschluß  fassen, 
nicht  einen  Tag  zu  verlieren.  Ich  wünsche  daher,  daß  der  Marsch 
der  Dragoner  von  morgen  an  beginnt,  daß  die  Dragoner  zu  Fuß 
gleichfalls  morgen  abmarschieren,  daß  General  Oudinot^}  ebenfalls 
morgen  abrückt,  und  übermorgen,  den  27..  will  ich  den  Abmarsch 
meiner  ganzen  Armee  beginnen.  Der  entscheidende  Augenblick  ist 
gekommen.  Ein  Augenblick  der  Verzögerung  wird  uns  die  größten 
Nachteile  bringen." 

Berthier  und  sein  Stab  müssen  Tag  und  Nacht  arbeiten,  um 
der  drängenden,    rastlosen  Energie  Napoleons   gerecht   zu  werden^). 

Wann  Napoleon  die  Meldung  erhielt,  daß  Admiral  Villeneuve 
mit  der  Flotte  nach  Cadix  gesegelt  sei.  ist  nicht  zu  finden.  Als  er 
die  Nachricht  erhalten  hatte,  soll  er  bei  Tisch  das  Glas,  das  er  in 
der  Hand  hielt,  vor  Erregung  zerbrochen  und  ausgerufen  haben : 
„Wohlan,  da  man  schon  darauf  verzichten  muß,  werden  wir  die 
Weihnachtsmette  in  Wien  hören." 

Die  weiteren  Kriegsvorbereitungen  fallen  schon  mit  dem  Marsch 
der  Armee  an  den  Ehein  überein.  Sie  werden  bei  Besprechung  dieses 
Marsches  erwähnt  werden.  Hier  seien  nur  noch  Vorbereitungen  für 
die  Ausrüstung  der  Armee  erwähnt. 

Am  31.  August  wurde  der  Ankauf  von  3769  Artilleriezugpferden 
angeordnet.  Am  2.  September  erließ  Napoleon  ein  Dekret,  wonach 
die  östlichen  Departements  3500  vierspännige  Wagen  beizustellen 
hatten,  wovon  2500  für  den  großen  Artilleriepark,  1000  für  einen 
Lebensmittelpark    bestimmt   waren.     Am    19.  September  wurde   die 


^1  Im  Befehl  an  Murat. 
^)  Kommandant  der  Grenadierdivision. 

^)  Der  Abmarsch    der  Armeekorps   beginnt  trotz  diesem  Befehle   erst  am 
28.  August. 


—     118     — 

Lieferung    von   weiteren   250  solcher  Wagen   für  die  Artillerieparks 
der  Korps  ausgeschrieben. 

Nach  Itahen  zog  Napoleon  nur  etwa  10.000 — 15.000  Mann. 
Dem  Marschall  Massena,  dem  er  das  Kommando  in  Itahen  anver- 
traute, schrieb  er  am  18.  September:  „Sie  müssen  nahe  an 
60.000  Mann  unter  Ihrem  Befehl  haben;  das  ist  ein  Drittel  mehr, 
als  ich  jemals  hatte.  Ich  kann  Ihnen  nicht  genug  empfehlen,  sich 
nicht  zu  sehr  zu  zersplittern.  Nach  meiner  Auffassung  hätten  Sie 
eine  vorzügliche  Defensivstellung,  wenn  es  Ihnen  gelänge,  sieh 
Veronas  zu  bemächtigen."  Am  23.  September  schrieb  er  ihm  nur 
noch,  was  er  an  seiner  Stelle  in  Italien  täte.  Sonst  ließ  er  ihm  ganz 
freie  Hand. 

B.  Die  Verbündeten. 

Im  Gegensatze  zu  den  Verhältnissen  auf  französischer  Seite 
finden  wir  bei  den  Verbündeten  alle  Vorbedingungen  zum  Entstehen 
monströser  Operationspläne.  Verschiedene  Personen  erhielten  vom 
Kaiser  Franz  den  Auftrag,  ihre  Ideen  für  den  bevorstehenden  Krieg 
zu  äußern  oder  selbst  Operationspläne  zu  verfassen.  Diese  Operations- 
pläne mußten  erst  nun  mit  den  Eussen  beraten  werden,  die  natür- 
lich auch  ihre  Ansichten  zur  Geltung  bringen  wollten.  Es  ist  damals 
unmäßig  viel  geschrieben  worden. 

Schon  im  November  1804  scheint  Erzherzog  Karl  einen  Ope- 
rationsplan für  den  Fall  des  Krieges  mit  Frankreich  dem  Kaiser 
überreicht  zu  haben.  Wenigstens  läßt  dies  die  Stilisierung  des  Hand- 
billetts schließen,  mit  dem  der  Kaiser  im  Dezember  1804  dem  Erz- 
herzog Karl  den  Auftrag  gab,  einen  für  Österreich  und  Eußland 
gemeinsamen  Operationsplan  zu  entwerfen.  „Euer  Liebden  werden 
aus  den  gedachten  Mitteilungen  ersehen  haben,  daß  Ich  Mich  an- 
heischig gemacht,  dem  Kaiser  Alexander  einen  gemeinschaftlichen 
Operationsplan  vorlegen  zu  lassen,  daß  man  von  dorther  in  Mich 
dringt,  dieses  sobald  als  möglich  zu  tun  und  daß  es  wirklich  in 
mancherlei  Eücksicht  vorteilhafter  zu  sein  scheint,  hierüber  nicht 
erst  die  russischen  Vorseh  läge  abzuwarten,  sondern  vielmehr  selbst 
die  ersten  Einleitungen  an  die  Hand  zu  geben.  Indem  Ich  nun  in 
dieser  Eücksicht  den  von  Euer  Liebden  bereits  entworfenen 
Operationsplan  neuerdings  erwogen,  habe  Ich  in  selbem  mit  Ver- 
gnügen jene  Einsicht  und  Klugheit  in  Auswahl  der  Mittel  bemerkt, 
wodurch   Euer  Liebden  so   oft  Mir  und   dem  Staate  ebenso  wesent- 


—     119     — 

liehe  Vorteile,  als  durch  deren  Ausführung  verschafft  haben ;  die  in 
gedachtem  Plane  angezeigten  Maßregeln  haben  daher  auch  Meinen 
vollsten  Beifall.  Allein  da  in  Gemäßheit  der  letzten  Verabredungen 
und  namentlich  des  VIII.  Artikels,  von  vs^elchem  hier  eine  Abschrift 
beifolgt,  es  nun  darauf  ankommt,  die  Operationen  Meiner  Truppen 
mit  jenen  der  Eussen  in  Übereinstimmung  zu  setzen  und  zu  einem 
gemeinsamen  Endzweck  zu  leiten,  so  sehe  Ich  Mich  in  dem  Falle, 
Euer  Liebden  zu  ersuchen,  auch  diese  neue  Ausarbeitung  zu  über- 
nehmen, um  selbe  dem  ersten  Plane  beizufügen^)." 

Im  November  1804  trat  auch  schon  Mack  auf  den  Plan.  In 
einer  von  Mack  eigenhändig  geschriebenen  Denkschrift  „Betrach- 
tungen über  die  Vorbereitungen  und  künftigen  Operationen  der  Ver- 
bündeten k.  k.  und  k.  russischen  Armeen"  kommt  Mack  zu  dem 
Schlüsse,  daß  die  russische  Armee  gemeinsam  mit  einem  englisch- 
schwedischen Korps  Hannover  zu  erobern  hätte,  was  dann  wohl  zur 
Eroberung  der  Niederlande  und  der  westlich  des  Eheins  gelegenen 
ehemaligen  deutschen  Provinzen  führen  würde.  Das  wäre  das  ein- 
zige, was  hier  gesucht  werden  könnte,  weil  die  ganze  Strecke  von 
Basel  bis  Düsseldorf  „als  unangreiflich  betrachtet  werden  muß". 
Die  Österreicher  hätten  je  eine  Hauptarmee  in  Deutschland  und  in 
Italien,  ein  Korps  in  Tirol  zu  verwenden ;  die  Armee  in  Italien  hätte 
Mantua  und  Peschiera  zu  belagern  und,  wenn  es  geht,  gegen  Mai- 
land vorzudringen ;  das  Korps  in  Tirol  hätte  in  die  Schweiz  vorzu- 
dringen und  die  italienische  Armee  zu  unterstützen ;  die  Armee  in 
Deutschland  hätte  durch  Bayern  gegen  den  Bodensee  und  dann  gegen 
die  Schweiz  zu  operieren. 

Hochinteressant  im  Zusammenhalte  mit  seinen  späteren  Hand- 
lungen sind  die  Äußerungen  Macks  in  dieser  Denkschrift  über  die 
inneren  Verhältnisse  Prankreichs  und  über  den  Wert  englischer 
Landungen  in  Frankreich. 

Die  Denkschrift,  die  die  Macksche  Eigenart,  besonders  im 
Verein  mit  späteren  Schriften,  gut  zum  Ausdrucke  bringt,  ist  in 
Beilage  4  wörtlich  aufgenommen. 

Ende  Januar  1805  überreichte  Erzherzog  Karl  den  Operations- 
plau  für  die  Verwendung  der  verbündeten  Armeen. 

Ebenso  wie  Mack,  hatte  auch  Erzherzog  Karl  die  Verwendung 
der  österreichischen  Armee  in  drei  Gruppen  geplant:  die  Haupt- 
armee in  Italien,  eine  schwächere  Nebenarmee  in  Deutsehland  und 
^)  Beer,  „10  Jahre  österreichische  Politik  1801—1810",  S.  481. 


—     120     — 

ein  Korps  in  Tirol.  Ebensowenig  wie  Mack,  hatte  er  sich  von  der 
Übertragung  taktischer  Wahrheiten  in  die  Strategie  und  somit  von 
der  damals  herrschenden  Ansicht  freimachen  können,  daß  von  der 
Beherrschung  der  hoch,  also  dominierend  gelegenen  Schweiz  der 
Besitz  der  anschließenden  Länder,  Italien  und  Süddeutschland,  abhänge. 
Ebenso  wie  Mack,  hielt  auch  Erzherzog  Karl  den  Angriff  über  den 
Rhein  für  aussichtslos.  Auch  er,  der  wirkliche  Feldherr,  konnte  sich 
demnach  nicht  ganz  frei  machen  vom  althergebrachten  gelehrten 
Wust  und  von  der  falschen  Ansicht,  daß  Italien  für  Österreich  der 
entscheidende  Eaum  sei.  Aber  Erzherzog  Karl  wollte  doch  wenigstens 
in  diesen  Räumen  die  Konzentrierung  der  gesamten  Kraft  der  Verbün- 
deten, er  wollte  jede  weitere  Zersplitterung  der  Kraft  vermieden  sehen ; 
daher  sollten  nach  seinem  Plan  alle  russischen  Kräfte  in  Süddeutsch- 
land  vereint   mit  der  schwächeren  österreichischen  Armee  kämpfen. 

Der  Erzherzog  war  nur  mit  Widerwillen  an  die  Verfassung  des 
Operationsplanes  gegangen.  In  allen  seinen  Denkschriften  und  Be- 
richten, in  allen  Besprechungen  und  Konferenzen  hatte  Erzherzog 
Karl  den  Kaiser  davor  gewarnt,  sieh  mit  den  Russen  einzulassen. 
Er  wies  auf  die  Erfahrung  hin,  daß  die  russische  Hilfe  für  Öster- 
reich immer  sehr  unverläßlieh  und  ungenügend  war,  daß  Rußland 
sich  meist  im  entscheidenden  Momente  zurückzog  und  Österreich, 
das  es  in  den  Krieg  gehetzt  hatte,  einfach  im  Stiche  ließ.  Er  konnte 
daher  auch  jetzt  das  Gefühl  kommenden  Unglückes  nicht  unter- 
drücken. Um  aber  Österreich  vor  der  Wiederholung  der  Erfahrungen 
mit  Suworow  zu  bewahren,  bezeichnete  er  als  Grundbedingung  jedes 
Bündnisses,  daß  sich  die  in  Süddeutschland  verwendete  russische 
Armee  ganz  dem  österreichischen  Oberkommando  unterordnen  müsse. 

Zur  Begutachtung  der  Mackschen  Ideen  aufgefordert,  wies  der 
Erzherzog  in  seinem  Berichte  vom  25.  Februar  an  den  Kaiser  nach, 
daß  Mack  Operationen  vorschlage,  die  nur  England  nützten  und  mit 
den  Lieblingsideen  des  russischen  Hofes  übereinstimmten,  daß  er 
die  Streitkräfte  Frankreichs  und  der  Verbündeten  unrichtig  einschätze, 
auf  die  Beschaffenheit  des  Kriegstheaters  wenig  Bedacht  genommen 
und  alles  außer  acht  gelassen  habe,  was  die  Sicherheit  und  Erhal- 
tung der  Monarchie  betreffe.  Der  Erzherzog  erklärte,  daß  er  in 
diesem  ganzen  Plane  Macks  nur  die  Tendenz  erblicke,  „das  Heil 
der  österreichischen  Monarchie  dem  englischen  Interesse  und  der 
Eigenliebe  der  Russen  hintanzusetzen"^). 

')  Wertheimer,  „Gesehiehte  Österreichs  und  Ungarns",  S.  287. 


—     121     — 

Trotz  dieser  scharfen  und  berechtigten  Kritiis  wurde  Mack  be- 
kanntlich am  24.  April  zum  Generalquartiermeister  ernannt. 

Mack  hatte  vorgeschlagen,  die  österreichische  Armee  nach  und 
nach  unter  allerlei  Verwänden  zu  komplettieren  und  gegen  Westen 
zu  verschieben  und  die  russische  Armee  während  dieser  Vor- 
bereitungen, die  unter  fortwährenden  Friedensversicherungen  erfolgen 
sollten,  in  (ializien  einmarschieren  zu  lassen.  Erzherzog  Karl  be- 
kämpfte diesen  Plan  als  völlig  verfehlt  und  gefährlich.  Er  schätzte 
Napoleon  viel  richtiger  ein  als  Mack  und  bezeichnete  es  als  un- 
sinnig, einen  Mann  wie  Napoleon,  der  jede  Bewegung  Österreichs 
genau  beobachte,  so  täuschen  zu  wollen.  Am  2.  Mai  1805  schrieb 
er  an  Kaiser  Franz:  „So  wird  unser  Zweck  auf  alle  Art  verfehlt. 
Der  Krieg  wird  sicher  ein  unglückliches  Ende  nehmen,  weil  wir 
dadurch,  daß  wir  uns  nach  und  nach  rüsten,  nur  immer  unvoll- 
kommen zubereitet,  immer  zu  schwach  sein  werden,  um  dem  Feinde 
zu  widerstehen,  und  wir  werden  überall  als  die  Urheber  des  Krieges 
erscheinen^)." 

Auch  diese  prophetischen  Worte  verhallten  ungehört.  Am  8.  Mai 
erging  eine  geheime,  von  Mack  verfaßte  Instruktion  des  Kaisers  an 
den  Hofkriegsrat:  „Die  dermalige  bedenkliche  Lage  mit  Frankreich 
erfordert  Veranlassungen,  die  nach  dem  Maße  der  Gefahren,  wovon 
wir  bedroht  sind,  zum  Teil  gleich  augenblicklich  vorgekehrt,  zum 
Teil  aber  solcherart  fürgekehrt  werden  müssen,  daß  bei  Vermehrung 
der  Gefahren  die  wirkliche  Veranlassung  ohne  allen  Verzug  ge- 
schehen könnte."  Diese  Vorkehrungen  waren  die  Einberufung  aller 
Beurlaubten,  die  Aushebung  von  etwa  25.000  Eekruten,  um  den 
Friedensstand  am  Ende  des  Jahres  1805  zu  komplettieren,  die  Ver- 
sammlung von  9  Infanterieregimentern  und  2  Kavallerieregimentern 
in  einem  Lager  bei  Pettau,  die  Ansammlung  von  Verpflegung  bei 
Pettau  für  100.000  Mann  auf  1  Monat,  die  Aufstellung  von  zehn 
Fuhrwesendivisionen  unter  dem  Vorwande  der  Verfrachtung  dieser 
Verpflegung,  eigentlich  aber  zur  Artilleriebespaniiung,  und  die  Be- 
schaffung der  Pferde  für  den  vollen  Friedensstan«!  der  Kavallerie. 

Ende  Mai  wurde  überdies  die  Zusammenziehung  eines  Lagers 
bei  Görz-Udine  angeordnet. 

Inzwischen  war  dem  russischen  Hof  der  vom  Erzherzog  Karl 
entworfene  Operationsplan  zugesandt  worden.  Weil  dieser  Plan  den 
Bussen  nicht  ganz  konvenierte,  begannen  jetzt  neben  den  diplomati- 

*)  Wertheiraer,  ..Geschichte  Österreichs  und  Ungarns",  S.  261. 


—     122     — 

sehen  Verhandlungen,  die  Österreich  zum  Ausehkiß  an  die  Koa- 
lition bewegen  sollteo,  auch  die  militärischen  Verhandlungen  über 
den  Operationsplan. 

Im  Laufe  des  Monates  Juni  langte  in  Wien  als  Antwort  auf 
den  Plan  Erzherzog  Karls  ein  Schriftstück  ein,  das  als  „General- 
skizze" des  russischen  Planes  bezeichnet  wird  und  nach  dessen  An- 
nahme durch  den  österreichischen  und  englischen  Hof  ein  detail- 
lierter Plan  verfaßt  werden  sollte.  Dieses  Schriftstück  ist  als 
treifendes  Beispiel  des  damals  üblichen  „Planemachens"  in  Beilage  3 
aufgenommen. 

Mitte  Juni  fanden  die  diplomatischen  Verhandlungen  mit 
Eußland  unter  Ausschluß  des  Erzherzogs  Karl  statt.  Erst  am 
20.  Juni  wurden  diesem  die  Verhandluogsakten  zur  Kenntnis  ge- 
bracht. 

Unterm  23.  Juni  wendet  sich  der  Erzherzog  abermals  mit 
seinen  ernsten  Mahnungen  an  den  Kaiser.  Er  sagt,  der  Krieg  sei 
unvermeidlich,  sobald  die  russische  Armee  die  österreichische 
Grenze  überschreite.  Napoleon  werde  das  sicher  als  Kriegsfall  an- 
sehen. „Ich  wiederhole  es  mit  dem  Ausdrucke  der  lebhaftesten 
Überzeugung:  Alle  halben  Maßregeln  sind  schädlich.  Ist  einmal 
das  unvermeidliche  Los  geworfen  (d.  h.  ist  man  entschlossen,  die 
russische  Armee  demnächst  in  Galizien  einmarschieren  zu  lassen), 
so  ist  keine  Anstrengung  zu  groß  und  die  verlorene  Zeit  unersetzlich. 
Eine  Armee  ist  unbrauchbar,  wenn  ein  einziger  ihrer  Bestandteile 
fehlt  oder  unvollkommen  ist."  Erzherzog  Karl  redete  also  der  plan- 
mäßigen, geregelten  Mobilisierung  das  Wort,  entgegen  den  par- 
tiellen und  halben  Maßregeln,  die  von  Mack  vertreten  wurden  und 
die  nach  Erzherzog  Karls  Ansicht  doch  nur  zu  einer  unvollständig 
ausgerüsteten  und  überhastet  zusammengezogenen  Armee  führen 
konnten.  Wie  recht  Erzherzog  Karl  hatte,  sollten  die  Ereignisse 
zeigen.  Erzherzog  Karl  setzte  dann  fort:  „Eurer  Majestät  ist  aber 
aus  dem  unterlegten  Operationsplane  bekannt,  daß  wir  durch  die 
geographische  Lage  unserer  Grenzen  gezwungen  werden,  bei  Anfang 
der  Feindseligkeiten  unsere  Hauptkraft  gegen  Italien  zu  konzen- 
trieren und  eine  nur  unbeträchtliche  Armee  in  Deutsehland  zu  ver- 
wenden. Wenn  wir  daher  nicht  Gefahr  laufen  wollen,  in  Deutsch- 
land unglücklieh  zu  sein,  so  muß  wenigstens  die  1.  russische 
Armee  mit  50.000  —  60.000  Mann  ganz  mit  der  unsrigen  vereinigt 
zwischen  der  Donau  und  dem  Bodensee  operieren." 


—     123     — 

Als  Kaiser  Franz  Anfang  Juli  sich  zum  Anschluß  an  die 
Koahtion  entschlossen  hatte,  bekam  Mack  den  Auftrag,  mit  dem 
russischen  General  Freiherrn  v.  Wintzingerode  die  militärischen  De- 
tails des  Bündnisvertrages  festzustellen  ^j.  Am  16.  Juli  wurde  das 
Protokoll  in  der  Schlußsitzung  unterfertigt,  der  noch  FML.  Fürst 
Schwarzenljerg  und  der  österreichische  Staatsrat  v.  Collenbach,  ein 
intimer  Freund  Macks,  zugezogen  waren. 

An  diesem  Protokoll  ist  merkwürdig,  daß  Wintzingerode 
scheinbar  ohne  Vollmacht  war  Bestimmtes  abzumachen,  weil  er 
immer  nur  hoffte,  daß  der  Zar  zustimmen  werde,  daß  er  über 
manches  gar  nicht  orientiert  war  und  daß  trotz  alledem  Mack  für 
Osterreich  feststehende  Verbindlichkeiten  übernommen  hat.  Die 
Hauptbestimmungen  des  Protokolles  waren: 

1.  General  Wintzingerode  gibt  zu,  daß  50.000  Mann  für  die 
1.  russische  Armee  nicht  zureichend  seien.  „So  zweifelt  derselbe 
nicht,  von  Seiner  russischen  kaiserlichen  Majestät  zu  erwirken,  daß 
Allerhöchstdieselben  für  die  1.  Armee  60  Bataillone,  40  Eskadronen, 
dann  16  Kompagnien  Artillerie,  3  Eegimenter  Donkosaken,  500  Pio- 
niere und  Pontoniere  bestimmen  werde."  Jedes  Musketierregiment 
hat  einen  ausrückenden  Stand  von  2216  Mann,  jedes  Jägerregiment 
1385  Manu,  jede  Eskadron  165  Eeiter.  Der  ausrückende  Stand  der 
1.  russischen  Armee  werde  daher  54.918  Mann  und  7920  Pferde 
betragen,  der  Verpfiegsstand  66.000  Mann  und  19.500  Pferde. 
„Was  die  Vollzähligkeit  der  Eegimenter  betrifft,  darüber  gibt  General 
Wintzingerode  die  bestimmtesten  beruhigenden  Versicherungen, 
indem  Seine  Majestät  stets  mit  der  größten  Sorgfalt  darüber  zu 
wachen  geruht  hätten,  diese  vor  langer  Zeit  zum  Ausmarsch  be- 
stimmten Eegimenter  komplett  zu  erhalten",    heißt   es  im  Protokoll. 

2.  An  Artillerie  erhahe  diese  Armee  200  Geschütze.  Über  die 
Munitionsvorräte  war  Wintzingerode  nicht  orientiert.  „Jedoch  glaubt 
er  sich  unzweifelhaft  überzeugt  halten  zu  dürfen,  daß  auf  jedes  Ge- 
schütz   wenigstens    200  Schuß   mitgeführt  werden  würden.    Ebenso 


^)  General  Ferdinand  Freiherr  v.  Wintzingerode  entstammte  einem  würt- 
tembergisehen  Adelsgescblecht.  Er  hatte  zuerst  in  der  österreichischen  Armee 
gedient  und  war  dann  in  russische  Dienste  getreten.  Die  Schematismen  der 
österreichischen  Armee  von  den  Jahren  1802—1806  führen  Wintzingerode  als 
Generalmajor  mit  dem  Eange  vom  Jahre  1802  an  mit  der  Bemerkung:  „In 
russisch-kaiserlichen  Diensten."  Der  Schematismus  vom  Jahre  1807  führt  ihn 
wieder  in  österreichischen  Diensten  als  Brigadier  in  Keszthely  an. 


•    —     124    — 

glaubt  er  auch  in  Absicht  der  Elintenmunition  zuverlässig  an- 
nehmen zu  dürfen,  daß  außer  den  60  Patronen,  die  jeder  Soldat  in 
der  Patrontasehe  mit  sich  führt,  noch  wenigstens  60  pro  Kopf  als 
Reserve  angetragen  wären." 

3.  Die  von  Wintzingerode  angegebene  Trainausrüstung  war 
sehr  reichlich. 

4.  Als  Tag  des  Aufbruches  der  Armee  und  des  Einmarsches 
in  Galizieu  bei  Brody  wurde  der  16.  August  festgesetzt.  Die  Armee 
sollte  in  sechs  Kolonnen  mit  je  2  Tagen  Distanz  marschieren;  die 
erste  Kolonne  sollte  am  16.  Oktober,  die  letzte  somit  am  26.  Oktober 
bei  Braun  au  am  Inn  anlangen. 

5.  „Es  ist  von  Seiner  Majestät  nach  Äußerung  des  Generals 
Wintzingerode  allerdings  zu  hoffen,  daß  Allerhöchstdieselben  in  Er- 
wägung der  gemeinschaftlichen  Wohlfahrt  keinen  Anstand  nehmen 
werden,  Ihre  in  Deutschland  auftretende  1.  Armee  vollkommen  in 
diejenige  Abhängigkeit  von  dem  kommandierenden  k.  k.  General  zu 
setzen,  welche  für  die  Einheit  und  Verbindung  aller  Operationen  so 
höchst  wichtig  und  unentbehrlich  ist;  jedoch  halte  er  sich  zu  dieser 
Versicherung  nur  unter  der  Voraussetzung  berechtigt,  daß  die  k.  k. 
Armee  in  Deutschland  durch  Seine  kaiserliche  Hoheit  den  Erzherzog 
Karl  oder  Seine  k.  k.  Majestät  in  Höchsteigener  Person  kommandiert 
werden  würde." 

6.  Wegen  der  2.  russischen  Armee  „zweifelt  General  von 
Wintzingerode  keineswegs,  Seine  Majestät  würden  den  Wunsch  des 
Wiener  Hofes,  diese  2.  bei  Brest  aufgestellte  Armee  nur  um  fünf 
Tage  später,  mithin  am  20.  August  aufbrechen  und  bei  Terespol 
die  österreichisch-galizische  Grenze  passieren  zu  lassen,  in  Erfüllung 
zu  setzen,  keineswegs  Anstand  nehmen."  Über  deren  Marschrichtung 
könne  er  nichts  Bestimmtes  sagen,  weil  diese  Armee  bei  der  beab- 
sichtigten Demonstration  gegen  Preußen  mitwirken  solle. 

7.  Über  das  russische  Korps  auf  Corfu  hat  General  v.  Wintzin- 
gerode keine  Instruktion ;  es  sei  ihm  nur  bekannt,  daß  es  bei  Aus- 
bruch der  Feindseligkeiten  im  Königreich  Neapel  landen  solle. 

Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  welchem  der  beiden  Unter- 
händler die  Palme  der  Oberflächlichkeit  und  Leichtfertigkeit  bei 
diesen  Verhandlungen  zuerkannt  werden  soll. 

Schon  1803  hatte  der  russische  Kanzler  hochtrabend  ge- 
sprochen, Rußland  sei  zum  Kriege  bereit  und  halte  180.000  Mann 
marschfertig;  Wintzingerode,  der  nun  Mitte  1805  über  die  Verwen- 


—     125     — 

düng-  dieser  Armee  verhandeln  sollte,  war  über  die  wirkliche  Ver- 
fassung der  russischen  Streitkräfte  gar  nicht  orientiert  und  hatte 
anscheinend  keine  Vollmacht. 

Macks  Verhalten  wird  am  besten  durch  eine  Äußerung  des 
Erzherzogs  Karl  charakterisiert.  Am  10.  Juli  hatte  Maek  das  Pro- 
tokoll der  bisherigen  Verhandlungen  mit  Wintzingerode  dem  Erz- 
herzog tiberreicht.  Dieser  informiert  den  Kaiser  am  selben  Tag  über 
die  unklaren  und  wenig  präzisen  Bestimmungen  dieses  Protokolls 
und  schreibt  u.  a. :  „Über  die  meisten  Gegenstände  finde  ich  zwischen 
unserem  und  dem  russischen  Delegierten  eine  sehr  verschiedene 
Sprache:  unsere  ist  durchwegs  sehr  verbindlich,  feierlichst  zu- 
sagend, unabänderlich;  seine  fast  überall  evasive:  er  hofft,  er 
wünscht,  er  zweifelte  nicht  u.  s.  w.  Er  verbindet  sich  zu  nichts,  sein 
Souverän  behält  volle  Freiheit,  zu  tun  und  zu  bestätigen  was  er  will. 
Ich  finde  unsere  Sprache  zu  sehr  unter  der  Würde,  die  man  sich 
selbst  schuldig  ist;  wir  reden  vertraut  zu  unseren  Alliierten,  aber 
wir  haben  von  ihnen  keine  Gnade  zu  erbitten')."  Wintzingerode 
selbst  äußerte,  Maek  habe  sich  so  entgegenkommend  gezeigt,  daß 
er  mehr  erreichte,  als  er  zu  hoffen  wagte '0- 

Tatsächlich  macht  auch  das  Protokoll  im  Vereine  mit  den 
späteren  Briefen  Wintzingerodes  an  Maek  den  Eindruck,  als  ob  es 
sieh  um  einen  gegenseitigen  persönlichen  Dienst  und  nicht  um  eine 
so  wichtige  Staatsaktion  gehandelt  hätte.  Das  außerordentliche  Ent- , 
gegenkommen  Macks  dem  Eussen  gegenüber  steht  im  schreienden 
Gegensatze  zu  der  schroffen  und  unnachgiebigen  Haltung,  die  er  in 
jeder  Beziehung  gegen  Erzherzog  Karl  an  den  Tag  gelegt  hat. 

Um  die  Leichtfertigkeit  dieser  Verhandlungen  zu  charakteri- 
sieren, soll  hier  vorgreifend  erwähnt  werden,  wie  sich  die  Unter- 
stützung durch  die  Eussen  in  Wahrheit  gestaltete. 

Am  6.  August  schrieb  Wintzingerode  an  Maek,  daß  er  leider 
die  Verstärkung  der  1.  Armee  nicht  erreichen  konnte;  sie  werde 
daher  nur  aus  54  Bataillonen  bestehen.  „Daß  dieser  kleine  An- 
stand (!)   keinen  widrigen  Eindruck  macht,   daß  Du  einen  solchen 


*)  Dieser  Berieht  des  Erzherzogs  Karl  weckte  derartige  Besorgnisse  beim 
Kaiser,  daß  dieser  am  12.  Juli  den  Erzherzog  beauftragte,  wohl  darauf  zu  achten, 
daß  mit  Wintzingerode  nichts  abgeschlossen  werde,  was  nicht  vollkommen  klar 
und  ordnungsgemäß  sei,  ein  Auftrag,  der  natürlich  mit  der  Maek  gegebenen  Voll- 
macht nicht  übereinstimmen  konnte  und  kaum  ausführbar  war. 

*)  Wertheimer,  „Geschichte  Österreichs  und  Ungarns",  S.  263. 


—     126     — 

aus  allen  Kräften  zu  verhüten  suchen  wirst,  dafür  bürgen  mir  Deine 
mir  bekannten  Gesinnungen.'" 

Die  1.  russische  Armee  sollte  bekanntlich  am  16.  August  bei 
Brody  in  GaUzien  einrücken. 

Am  23.  August  befahl  Kaiser  Franz,  die  Vorsorgen  für  die 
Bussen  zu  verschieben,  da  „noch  nichts  bekannt  ist,  ob  und  an  welchem 
Tage   die   russischen  Truppen   in   meine  Länder  einrücken  werden". 

Erst  am  4.  September,  also  mit  einer  19tägigen  Verspätung, 
überschritt  die  1,  russische  Kolonne  die  Grenze  bei  Brody. 

Am  9.  September  schrieb  Wintzingerode  aus  Lemberg  an  Mack: 

Die  1.  russische  Armee  zählt  54  Bataillone  ä  600  Mann,  somit 
32.400  Mann  Infanterie  und  40  Eskadronen  ä  120  Eeiter,  also  4800 
Eeiter.  „Du  wirst  mir  natürlich  sagen,  daß  auf  diese  Art  außer- 
ordentlich viel  von  50.000  abgehet;  aber  einige  Eegimenter  haben 
die  Kriegskomplettierung  noch  nicht  erhalten,  andere  haben  viele 
Kranke  zurückgelassen,  die  meisten  Kommandierte,  so  daß  diese, 
Artillerie,  Pioniere  und  Kosaken,  welche  nachkommen  werden,  alles 
gerechnet  nichts  an  50.000  Mann  fehlen  wird.  Alle  unsere  kleinen 
Gebrechen,  werter  Freund,  wkst  Du  gewiß  mit  Nachsicht  ansehen 
und  mir  Deinen  freundschaftlichen  Rat  nicht  verweigern,  ihnen  so 
gut  als  möglich  abzuhelfen."  Er  müsse  aber  Mack  bitten,  viel  Muni- 
tion für  die  Infanterie  sicherzustellen,  da  jeder  Mann  leider  nur 
75  Patronen  hat.  Aber  die  Magazine  waren  zu  entlegen  und  die  Zeit 
zu  kurz  (!),  um  die  Munition  noch  rechtzeitig  transportieren  zu 
können. 

Nach  einer  Meldung  des  der  1.  russischen  Armee  zugeteilten 
Generals  Strauch  vom  21.  September  aus  Andrichow  (1  Marsch  öst- 
lich von  Bielitz — Biala)  betrug  der  Totalstand  (Verpflegsstand)  der 
Infanterie  dieser  Armee  nur  30.254  Mann. 

Obwohl  die  Infanterie  von  Mistek  an  mit  Wagen  transportiert 
worden  war,  war  die  russische  Armee  erst  am  20.  Oktober  am  Inn 
versammelt,  aber  ohne  Kavallerie,  ohne  Artillerie,  ohne  Munition 
und   ohne  Train,   also    in  komplett  operationsunfähigem  Zustande^). 

^)  FZM.  Graf  Latour  an  Erzherzog  Ferdinand,  Wien,  7.  Oktober:  „Die 
russische  Armee  kommt  am  Inn  ohne  Bagagen,  ohne  Artillerie  und  ohne  Munition 
an,  daher  muß  dies  alles  für  sie  vom  österreichischen  Armeekommando  vorgesorgt 
werden."  (Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  PA,  IX,  56 Va-) 

GM.  Strauch  meldete  am  14.  Oktober  aus  Braunau  dem  FZM.  Grafen 
Latour :  Der  erste  russische  Artillerietransport  tritft  am  19.  hier  ein,  der  letzte  am 
27.  Oktober.    Die   Munitionsausrüstung    der   Russen   ist    gerins:.    Sie   haben   nur 


—     127     — 

Die  6.  Kolonne  der  Armee  Kutusows  war  so  stark  zurück- 
geblieben, daß  sie  am  24.  Oktober  Dembiea  in  Galizien,  am  16.  No- 
vember Krems  an  der  Donau  und  erst  am  17.  Dezember  Dachau 
erreichen  sollte. 

Die  2.  russische  Armee  sollte,  ebenfalls  50.000  Mann  stark, 
am  20.  August  bei  Terespol  in  Österreich  einrücken. 

Am  31.  August  meldete  der  dieser  Armee  attachierte  k.  k. 
General  Weyrother  aus  Lemberg.  daß  sie  28.000—30.000  Mann  In- 
fanterie und  20.000  Pferde  stark  am  13.  oder  17.  September  bei 
Terespol  passieren  werde. 

Am  30.  September  meldete  derselbe  General  aus  Pulawy: 

„Über  Aufbruch  und  Marschrichtung  der  2.  russischen  Armee 
konnte  ich  nichts  erfahren,  aber  General  Wintzingerode  sagte,  daß 
sie  durch  preußisches  Gebiet  vorrücken  werde." 

Diese  Armee  ist  unter  Kommando  des  Generals  Buxhöwden, 
30  Bataillone  und  55  Eskadronen  stark,  tatsächlich  erst  Anfang 
Oktober  bei  Terespol  und  Dubienko  auf  österreichisches  Gebiet  ein- 
gerückt. Am  9.  Oktober  meldete  das  Generalkommando  Brunn,  daß 
die  2.  russische  Armee  noch  immer  bei  Pulawy  stehe^). 

Die  2.  Armee  sollte  Preußisch-Schlesien  in  der  Linie  ßeutheu — 
Troppau,  in  fünf  Tagesstaffel  gegliedert,  durchschreiten.  Aber  erst  am 
19.  Oktober  gab  die  preußische  Regierung  die  Bedingungen  für  den 
Durchmarsch  der  2.  und  3.  russischen  Armee  durch  preußisches  Gebiet 
bekannt.  Die  3.  Armee  stand  um  diese  Zeit  noch  östlich  Grodno. 

Zur  Zeit,  als  die  österreichische  Armee  bei  Ulm  kapitulieren 
mußte,   standen   die  russischen  Armeen,  alle  tief  unter  dem  verein- 


150  Schuß  für  jede  Kanone,  weshalb  Munition  erzeugt  werden  muß.  Der  Mann 
hat  nur  10  Patronen  bei  sieh.  In  den  Munitionswagen  folgen  noch  30  pro  Kopf. 
Das  ist  zu  wenig.  Daher  mußte  Munition  von  den  durehmarsehierenden  Munitions- 
transporten genommen  werden.  Das  Kaliber  dieser  Munition  sei  zwar  für  die 
russischen  Gewehre  zu  klein,  es  sei  aber  doch  besser,  diese  Munition  zu  haben, 
als  die  Truppen  ganz  ohne  Munition  zu  lassen. 

Hof-  und  Staatsarehiv,  Kriegsakten,  484. 

1)  Im  Jahre  1805  bildete  der  Bug  die  Nordostgrenze  Österreichs.  Pulawy 
(heute  Nowa  Alexandria)  liegt  an  der  Weichsel,  50  km  nordwestlieh  von  Lublin. 
Dubienka  liegt  am  Bug,  100  km  östlich  von  Lublin,  Terespol  am  Bug,  westlieh 
Brest  Litowsk  (140  km  von  Pulawy  entfernt). 

Wenn  man  das  russische  Bataillon  selbst  mit  einem  Gefeehtsstande  von 
800  Mann,  die  Eskadron  mit  150  Eeitern  annimmt,  ergäbe  sich  der  Stand  der 
ganzen  2.  russischen  Armee  mit  24.000  Mann  Infanterie  und  8000  Reitern. 


—     128    — 

harten  Stande,  noch  weit  entfernt:  Die  1.  Armee  war  operations- 
iinfähig  am  Inn  über  250  hm  von  Ulm,  die  2.  Armee  an  der  Weichsel 
nahezu  lOOü  hm  vom  Kriegsschauplatze,  die  3.  Armee  bei  Grodno 
—  über  1200  hm  Luftlinie  von  Uhn  entfernt. 

Wie  recht  hatte  Erzherzog  Karl  mit  seinem  Urteil  über  den 
Wert  des  Bündnisses  mit  Rußland! 

Was  soll  man  aber  über  einen  Chef  des  Greneralstabes  sagen, 
der  auf  die  unsicheren  Angaben  und  Versprechungen  Wintzingerodes 
den  ganzen  Plan  der  Bereitstellung  der  österreichischen  Kräfte  und 
den  Beginn  der  Kriegshandlung  aufbaute! 

Am  23.  Juli  ging  der  „Hauptentwurf  aller  vorläufigen  Bisposi- 
tionen, welche  wegen  Zusaramenziehung,  Ausrüstung  und  Verpflegung 
der  Armee  zu  treifen  wären",  zur  Genehmigung  an  Kaiser  Franz. 
Dieser  Entwurf  stammt  von  FML.  v.  Mack.  Der  folgend  skizzierte 
Inhalt  entsprach  seinen,  vom  Erzherzog  Karl  als  Halbheiten  gekenn- 
zeichneten Ansichten^).  Als  Grundsatz  wurde  hingestellt,  die  Armee 
solle  gleich  nach  dem  Bekanntwerden  des  Einmarsches  der  Eussen 
in  der  Läse  sein,  allen  möglichen  Unternehmungen  Napoleons  die 
Spitze  zu  bieten,  daher  war  nötig: 

„1.  Die  Truppen  derart  in  die  Nähe  ihrer  künftigen  Bestim- 
mung zu  bringen  und  zu  sammeln,  daß  nach  aufgehobenem  Ge- 
heimnis in  kürzester  Zeitfrist  jede  Armee  auf  ihrer  Operationslinie 
gesammelt  und  mit  allen  Kriegserfordernissen  ausgerüstet  stehe. 

„2.  Daß  die  Armee  in  Deutschland  nebst  ihrer  Zusammen- 
ziehung soviel  Terrain  als  möglich  vorwärts  gewinne,  mit  Über- 
legenheit in  Bayern  einrücke,  dieses  Land  in  Besitz  nehme,  die  bayri- 
schen Truppen  in  Respekt  halte  und  auf  jeden  Fall  dem  Einmärsche 
der  französischen  zuvorkomme." 

Hiezu  sollten  die  Truppen  in  Lagern  versammelt  werden,  und 
zwar  für  Italien  bei  Laibach  (anstatt  Pettau)  50  Bataillone,  24  Eska- 
dronen bis  28.  August;  von  dort,  wenn  möglich,  gleich  Weiter- 
marsch nach  Italien. 

In  Tirol  in  mehreren  Lagern  (Bregenz,  Neumarkt,  Innsbruck, 
Bozen,  Trient)  68  Bataillone,   16  Eskadronen. 

^)  In  dieser  Zeit  wurden  viele  Entwürfe,  die  von  Maek  herrührten  und  mit 
deren  Inhalt  Erzherzog  Karl  nicht  einverstanden  war,  von  diesem  unterfertigt 
weitergeleitet.  Er  hatte  den  Kampf  gegen  das  Verhängnis  Österreichs  schon  zum 
größten  Teil  aufgegeben.  Um  das  einzige  zu  tun,  was  dieser  Situation  ent- 
sprochen hätte:  seine  Demission  zu  geben,  dazu  war  Erzherzog  Karl  zu  sehr 
Patriot  und  Pfliehtmenseh. 


129 


Für  Deutschland 
bei  "Wels  39  Bataillone,  40  Eskadronen  ' 

„    Budweis        17  „  8  „ 

„    Iglau  13  „  8  „  i  bis  26.  August. 

„    Minkendorf  —  „  24  „ 

„    Eaab  —  „  32  „ 

Die  bei  Wels  versammelten  Truppen  waren  bestimmt,  zuerst 
nach  Bayern  einzumarschieren. 

Als  Tag  des  russischen  Einmarsches  wurde  der  20.  August 
angegeben^).  Nach  diesem  Zeitpunkte  wurden  die  Aufbruehtage  der 
Truppen  so  festgesetzt,  daß  die  Nachricht  vom  Aufbruche  nur  gleich- 
zeitig mit  der  Nachricht  vom  Einmärsche  der  Russen  in  Wien  und 
Paris  eintreffen  konnte. 

Nach  diesen  Aufbruchzeiten  sollten  die  Armeen  in  fünf 
Epochen  versammelt  werden.  Es  sollten  versammelt  sein :  ^) 


in  Italien 

I 

in  Deut 

sj  bland 

in  Tirol 

bis 

BataiUone  'Eskadronen! 

1 

Bataillone   Eskadronen 

1 
Bataillone   Eskadronen 

5.  September 

64 

16 

29 

40 

. 

15.         „ 

104 

40 

46 

48 

25. 

139 

64 

59 

56 

42 

10 

5.  Oktober 

151 

80 

59 

80 

15. 

166 

96 

64 

112 

25. 

169 

96 

80 

142 

, 

Anfang 

November 

88 

148 

• 

Die  Pferdebeschaffung,  die  Rekrutierung  und  die  Ausschrei- 
bung eines  viermonatigen  Verpflegsbedarfes  sollten  erst  nach  dem 
Fall  des  Geheimnisses  beginnen. 

Leichte  Bataillone  sollten  erst  im  Frühjahre  1806  aufgestellt 
werden. 


*)  Also  schon  ein  späterer  Termin  als  im  Protokoll  vom  16.  Juli. 

*)  Die  Verteilung  der  Truppen  auf  die  Armeen  wurde  im  Detail  öfter  ab- 
geändert. Für  die  Beui-teilung  der  Operationspläne  genügt  aber  diese  Angabe 
vollkommen.  Für  die  deutsehe  Armee  wird  die  tatsächliche  Truppenstärke  später 
angegeben  werden. 

Krauss.  1805,  Der  Feldnug  von  Ulm.  9 


—     130    — 

Alle  diese  Anträge  wurden  vom  Kaiser  genehmigt.  Sie  zeigen 
deutlich,  daß  mau  damals,  trotz  den  Erfahrungen  in  den  Jahren 
1796  und  1800,  Napoleons  Eigenart  nicht  erfaßt,  ja  nicht  einmal 
begriffen  hatte.  So  recht  gemütlich  wie  bisher  gegen  die  Türken, 
stellte  man  sich  die  Versammlung  der  Armee  vor  und  glaubte  noch, 
weiß  Gott  was  für  großartige  Leistungen  zu  vollbringen.  Kann  es 
da  verwundern,  daß  der  eiserne  Wille  Napoleons  zur  größten 
Schnelligkeit  allein  schon  den  Erfolg  brachte!  Muß  man  nicht 
staunen,  daß  man  diese  Absicht  Napoleons,  die  er  ungescheut  und 
laut  in  alle  Welt  hinausposaunte,  nicht  erfuhr  oder  nicht  glaubte, 
daß  man  nicht  wußte,  wie  kriegsbereit  seine  Armee  war?  ^) 

Es  sollten  somit  verwendet  werden: 
in   Italien    110.000  Mann  und  10.000  Eeiter 

„    Tirol 33.600      „        „      1.200     „ 

(  57.200      „        „    15.800     „  Österreicher  und 

„    Deutschland  42.700      „        „      8.300     „  Bussen      


zus.  100.000  Mann  und  24.000  Reiter 

Überdies  sollte  die  2.  russische  Armee  von  50.000  Mann, 
im  Verein  mit  einer  Armee  in  Lithauen,  Preußen  zum  Anschluß  an 
die  Koalition  veraulassen  und  dann  durch  Schlesien  und  Böhmen  vor- 
gehen: 

ein  russisch-schwedisches  Korps  von  32.000  Mann  in  Pommern 
gegen  Hannover  angesetzt  werden  und  ^ 

ein  russisches  Korps  von  23.000  Manu  in  Neapel  landen. 

Seit  Ende  Juli  waren  alle  Regimenter  der  österreichi- 
schen Armee  mit  ihrem  Priedensstand  ohne  die  zahlreichen  noch 
nicht  eingerückten  Beurlaubten,  ohne  Artillerie,  ohne  Trainbespan- 
nungen, kurz,  ohne  jede  Kriegsvorbereitung  auf  dem  Marsch  in  die 
verschiedenen  Lager. 

Erst  am  27.  August  erging  der  Armeebefehl,  die  Armee  auf 
den  Kriegsfuß  zu  setzen  und  die  Reservebataillone  und  Reserve- 
eskadronen zu  errichten:    erst    am    29.  August  lieginnt  die  Pferde- 


^j  Am  4.  August  1805  schrieb  der.  Geheime  Eat  Faßbender  an  den  beur- 
laubten Hofkriegsrats-Vizepräsidenten  FML.  Fürsten  Schwarzenberg:  Der  Krieg 
ist  unvermeidlich;  in  Italien  wird  Erzherzog  Karl,  in  Deutsehland  Erzherzog 
Ferdinand  unter  der  Oberleitung  des  Kaisers  kommandieren.  „Wenn  Bonaparte 
nicht  gleich  losschlagen  will  und  kann,  da  er  seine  Truppen  nicht  zusammen 
hat,  so  wird  er  sieh  begnügen  wollen,  militärische  Positionen  am  rechten  Rhein- 
Ufer  zu  nehmen." 


—     131     — 

Stellung.  Beurlaubte,  Eekrutentransporte,  Artillerie  und  Bespan- 
nungen suchten  in  zahlreichen  Transporten  die  vorausgegangenen 
Regimenter  zu  erreichen. 

Welche  Folgen  das  hatte,  zeigt  der  Bericht  des  Erzherzogs 
Karl  vom  29.  September  über  den  Zustand,  in  dem  er  seine  italieni- 
sche Armee  gefunden. 

„Der  Armee  fehlt  es  an  Geld,  Brot,  Pferden,  Verpflegung  und 
Menschen.  Ich  greife  zu  den  äußersten  Mitteln,  aber  bisher  ist  ihr 
Erfolg  noch  wenig  befriedigend  und  ich  kann  ihrer  Wirkung  nur 
in    jener  Zeit   entgegensehen,   wo   sie   vielleicht  zu   spät  sein  wird. 

„Sowie  die  Armee  gegenwärtig  an  allem  Not  leidet,  ist  es 
meine  Pflicht  zu  erklären,  daß  sie  immobil  ist,  und  daß  ich  mich 
glücklich  schätze,  wenn  ich  es  dahin  bringe,  dem  Feinde  meine 
Schwäche  zu  verbergen,  damit  er  es  nicht  versuche,  zum  unüber- 
sehbaren Nachteil  des  Staates,  meine  Verlegenheit  zu  benützen." 

Die  Bataillone  der  Armee  in  Italien,  denen  noch  alle  Urlauber 
fehlten,  deren  Ergänzungstransporte  oft  zu  anderen  Zwecken  zurück- 
gehalten worden  waren,  zählten  Ende  September  nur  300— 400  Mann, 
anstatt  900.  Der  Artillerie  fehlten  noch  2000  Pferde;  von  der 
ganzen  Artilleriereserve  waren  nur  4  Geschütze  bespannt.  24  Ge- 
schütze konnten  mit  Puhrwesenpferden  notdürftig  bespannt  werden. 
251  Geschütze  und  732  Munitions-  und  Parkwagen  waren  noch  un- 
bespannt  oder  mit  Vorspannpferden  auf  dem  Anmärsche  nach  Italien; 
den  Eegimentern  fehlten  die  Trainbespannungen  und  die  Packpferde 
zum  größten  Teil. 

Cobenzl  schrieb  nach  der  Katastrophe  von  Ulm  —  also  nach- 
träglich, am  1 .  November  1805  —  an  den  Grafen  Colloredo : 

„Und  wie  sind  wir  durch  den  Verlust  von  50.000  Mann  um 
unsere  schönen  Hoff"nungen  betrogen  worden.  So  enorm  auch  dieser 
Verlust  ist  und  noch  mehr  die  Fehler,  die  ihn  verursacht  haben,  so 
ist  nicht  zu  glauben,  daß  aus  allem  hervorgeht,  daß  sich  die  Ge- 
samtzahl unserer  Frankreich  entgegengestellten  Truppen  auf  höchstens 
130.000  Mann  beläuft. 

„Die  Armee  ist  auf  dem  Friedensfuß  in  den  Krieg  getreten, 
sie  hatte  noch  nicht  alle  bestimmt  Beurlaubten  eingezogen,  noch 
weniger  die  auf  unbestimmte  Zeit  Beurlaubten.  Die  Bataillone  hatten 
statt  1000  Mann  nur  500.  Die  zwei  Armeen  in  Italien  und  Deutsch- 
land ohne  Tirol  hatten  257  Bataillone,  denen  128.000  Mann  fehlten. 
die  nicht  getötet  oder  gefangen  sein  können.     Die  Einberufung   er- 

9* 


—     132     — 

folgte  im  Monat  August,  wir  sind  Anfang  November;  wo  sind  diese 
128.000  Mann?!)" 

Das  zeigt  deutlich,  welche  Folgen  der  Vorgang  Macks  für  die 
Armee  hatte. 

Welcher  schwindelhafte  Taumel  damals  aber  die  leitenden 
Kreise  in  Wien  erfaßt  hatte,  geht  aus  folgender  Mitteilung  hervor, 
die  Gentz  am  27.  August  einem  seiner  Freunde  schrieb:  „Die 
ganze  österreichische  Armee  ist  an  die  Grenzen  vorgerückt.  Über 
100.000  Mann  stehen  zwischen  Klagenfurt,  der  Etsch  und  Venedig, 
ungefähr  40.000  in  Tirol,  nahe  an  100.000  bei  Wels  (!)  .... 
Mack  hat  Wunderdinge  getan  in  seiner  Sphäre.  Eine  Armee  zu 
bilden,  mit  Ordnung  und  Methode  zu  einem  Feldzuge  Vorbereitungen 
zu  machen,  gute  Pläne  entwerfen,  das  versteht  er  wie  vielleicht 
jetzt  keiner  in  Europa;  aber  ausführen  kann  und  weiß  er  uicht^)." 

In  welchem  Zustande  die  italienische  Armee  tatsächlich  noch 
Ende  September  war,  zeigt  der  vor  kurzem  zitierte  Bericht  des  Erz- 
herzogs Karl.  Bei  Wels  waren  Ende  August  höchstens  20.000  Mann 
versammelt,  der  Best  der  deutschen  Armee  war  aber  noch  bis 
Schlesien  und  Ungarn  echelonniert. 

Am  24.  August  erstattete  Mack,  der  einen  immer  größeren 
Einfluß  auf  den  Kaiser  gewonnen  hatte,  folgende  Vorschläge: 

„1.  Am  29.  August,  mithin  wenige  Tage  nach  eingelangter 
Nachricht  vom  russischen  Einmarsehe,  die  längstens  bis  26.  kommen 


^)  Kurze  Zeit  vorher  hatte  Cobenzl  allerdings  ganz  anders  geurteilt.  Am 
10.  September  1805  sehrieb  er  an  Maek:  „leh  kann  Ihnen  nicht  genug  danken 
für  Ihre  Aufmerksamkeit,  mir  über  Ihre  beiden  an  den  Kaiser  gerichteten  Be- 
richte Kenntnis  zu  geben.  Man  erkennt  in  allem,  was  von  Ihnen  stammt,  diese 
Tätigkeit  in  der  Durchführung,  diese  Ordnung  und  diesen  Scharfblick  in  den 
Maßnahmen,  die,  ich  hoffe  es,  so  wesentlich  beitragen  werden,  uns  des  Erfolges 
in  dem  großen  Kampfe  zu  versiehern,  der  sieh  vorbereitet  und  in  dem  Ihre  ersten 
Schritte  schon  die  Bewunderung  und  das  Staunen  von  ganz  Europa  erregen. 
Niemand  hätte  an  die  Möglichkeit  geglaubt,  uns  so  bald  wieder  und  mit  solchen 
Machtmitteln  auf  den  Kampfplatz  treten  zu  sehe^.  .Diese  Meinung  über  uns  allein 
kann  es  erklären,  daß  Napoleon  nach  dem  ,Monitem-  noch  am  27.  seine  Truppen 
im  Lager  von  Boulogne  übte."  Es  ist  nicht  zu  wundern,  daß  das  schließliehe  Er- 
wachen aus  dieser  Selbsttäuschung  schrecklich  war.  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutseh- 
land FA,  IX,  82.) 

^)  Nachträglich,  am  3.  November,  urteilt  der  Napoleon-Hasser  Gentz  aller- 
dings anders:  „Maek  war  ein  schwacher,  weinerlicher,  fast  niederträchtiger 
Charakter,  eine  Seele  ohne  wahre  Energie,  ein  Kopf  voll  schiefer  und  halber  Ge- 
danken." 


—     133     — 

muß,  hätten  beide  Armeekommandanten  samt  ihren  Generalqaartier- 
meistern  zu  ihren  Armeen  abzugehen. 

„2.  FML.  V.  Mack  reiset  eben  am  29.  August  ab,  eilet  bei 
Tag  und  Xacht  nach  Wels  und  trifft  dort  die  Dispositionen  zum 
Aufbruch  und  Marsehe  der  ersten  bei  Wels  versammelten  30  Ba- 
taillone und  30  Eskadronen  solchergestalt,  daß  sie  am  5.  oder  6.  Sep- 
tember den  Inu  in  zwei  oder  mehreren  Kolonnen  (wie  es  die  Nach- 
richten über  die  bayi'ischen  Truppen  erheischen  werden)  passieren 
können. 

„Er  selbst  eilet  nach  München  und  unterhandelt  gemeinsam 
mit  dem  Gesandten  über  die  Mobilmachung  der  bayrischen  Armee, 
wozu  eine  Million  in  Wechseln  und  Kreditbriefen  unbedingt 
nötig  wird. 

„3.  Erzherzog  Ferdinand  bleibt  in  Wels,  versammelt  und 
ordnet  die  dort  einrückenden  Truppen  und  erwartet  die  Eapporte 
des  FML.  v.  Mack  wegen  ihrer  Nachrückung  nach  Bayern. 

„4.  FML.  V.  Mack  muß  um  Vollmacht  bitten,  alles,  was  zu 
unserer  Verteidigung  am  Inn,  bei  Salzburg  oder  anderwärts  nötig 
sein  dürfte,  anzuordnen  und  in  Vollzug  setzen  zu  lassen. 

„5.  Da  es  nicht  nur  möglich,  sondern  sehr  wahrscheinlich 
ist,  daß  Bonaparte  seine  Hauptmacht  nach  Deutschland  verwenden 
werde,  um  hier  vor  der  Ankunft  der  Bussen  einen  entscheidenden 
Streich  auszuführen,  weil  er  in  Italien  vorderhand  sich  auf  seine 
Festungen  verlassen  kann,  so  ist  nötig,  daß  Seine  königl.  Hoheit 
der  Erzherzog  Karl  schon  dermalen  von  Seiner  Majestät  vorbereitet 
werde,  die  über  Klagenfurt  marschierenden  5  Regimenter  W.  CoUo- 
redo,  Kerpen,  Schröder,  Mitrowsky  und  Lindenau  gegen  Salzburg 
zu  dirigieren,  die  von  Wien  abrückenden  2  Eegimenter  Erzherzog 
Karl  und  Auersperg  aber  ebenfalls  gegen  Bayern  einzuleiten." 

Am  29.  August  fand  beim  Kaiser  eine  Konferenz  statt,  in  der 
ein  endgültiger  Operationsplan  festgesetzt  wurde^).  Erzherzog  Karl 
hatte  dem  Kaiser  „Allgemeine  Grundsätze,  nach  welchen  die  ge- 
meinschaftlichen Kriegsoperationen  der  k.  k.  Armee  in  Deutschland, 
Italien  und  Tirol  geleitet  werden  sollen",  vorgelegt.  Nach  längeren 

^)  An  der  Konferenz  nahmen  teil :  die  Erzherzoge  Karh  Johann  und  Fer- 
dinand, FZM.  Graf  Latour,  die  FML.  Mack.  Fürst  Sehwarzenberg,  Zaeh  und 
Graf  Grünne,  GM.  v.  Mayer,  die  Minister  Graf  Colloredo,  Graf  Cobenzl  und  der 
Staatsrat  CoUenbaeh. 

Das  Konferenzprotokoll  ist  leider  nicht  vorhanden. 


—     134    — 

Debatten  wurden  diese  Grundsätze  vom  Kaiser  genehmigt  und  jedem 
Armeekommaudo  zugestellt.  Diese  „Allgemeinen  Grundsätze"  —  Bei- 
lage 5  —  setzten  fest,  daß  in  Italien  mögliehst  bald  eine  entschei- 
dende Sehlacht  zu  suchen,  dann  Peschiera  und  Mantua  zu  nehmen 
seien.  In  Deutschland  hätte  die  Armee  sofort  soweit  als  möglich 
vorzudringen  und  sich  in  Schwaben  festzusetzen.  Die  Armee  darf 
sich  aber  vor  Vereinigung  mit  den  Eussen  in  keine  Schlacht  ein- 
lassen, sondern  muß  einem  Gefecht  ausweichen. 

Der  Stil  dieser  Grundsätze  und  ihr  Inhalt  lassen  vermuten, 
daß  sie  von  FML.  Mack  stammen  und  daß  Erzherzog  Karl  nur 
seinen  Namen  zur  Unterschrift  hergeben  mußte.  Für  diese  Auf- 
fassung spricht  auch  folgendes  Schreiben  des  Erzherzogs  Karl,  das 
am  22.  September  aus  Italien  an  den  Herzog  Albert  von  Sachsen- 
Teschen  abging: 

„Ich  habe  wenig  Hoffnung  auf  einen  Erfolg  unserer  Armee 
in  Deutschland;  trotz  der  kläghchen  Situation  Napoleons  und  der 
wenigen  Mittel,  die  er  hat  —  nach  dem,  was  man  sagte,  als  ich 
noch  in  Wien  war,  kann  er  nur  über  60.000  Mann  disponieren  — 
glaube  ich,  daß  er  uns  dort  bald  vernichtet  haben  wird,  besonders 
nach  der  Dummheit,  die  wir  gemacht  haben,  ihm  entgegenzugehen 
und  ihn  zu  reizen,  wo  die  Eussen  noch  so  weit  von  uns  entfernt 
sind."  Erzherzog  Karl  war  also  offenbar  gegen  das  isolierte  Vor- 
gehen in  Bayern  gewesen. 

Am  29.  August  reiste  Mack  nach  Wels  ab.  Am  31.  wurden 
mit  kaiserlichem  Handschreiben  die  Kommandoverhältnisse  geregelt : 

Die  Hauptarmee  in  Italien  kommandierte  Erzherzog  Karl  mit 
FML.  Zach  als  Generalquartiermeister; 

die  Armee  in  Deutschland  Erzherzog  Ferdinand  mit  GM.  von 
Mayer  als  Generalquartiermeister; 

in  Nordtirol  FML.  Freiherr  v.  Auffenberg. 

FML.  Mack  blieb  als  Generalquartiermeister  beim  Kaiser,  der 
sich  den  Oberbefehl  vorbehalten  hatte. 


Der  Vergleich  der  operativen  Absichten  Napoleons  und  der 
Verbündeten  läßt  eine  der  großen  Ursachen  der  österreichischen 
Niederlage  erkennen.  Die  Beilage  8  stellt  diese  operativen  Absichten 
graphisch  dar.  Napoleon  rechnete  mit  etwa  260.000  Mann.  Er  will 


—     135    — 

die  Österreicher  und  Bussen  getrennt  sehlagen;  dazu  will  er  Wien 
noch  im  November  vor  den  Eussen  erreichen.  Um  rasch  operieren 
und  die  Österreicher  auch  mit  Sicherheit  vernichtend  schlagen  zu 
können,  nimmt  er  den  weitaus  größten  Teil  seiner  mobilen  Kräfte, 
200.000  Mann  von  260.000,  nach  Deutschland  und  überläßt  einer 
kleinen  Armee  von  60.000  Mann  die  Sicherung  Oberitaliens;  Han- 
nover räumt  er  bis  auf  die  Festimgen  ganz,  ja  er  bietet  es  sogar 
den  Preußen  als  Preis  für  ein  Bündnis  an. 

Es  ist  ihm  gleichgültig,  wo  die  Österreicher  ihre  Hauptkraft 
anfangs  haben,  er  wird  sie  schon  auf  dem  Wege  nach  Wien  linden. 
„Ich  zweifle  nicht,"  schrieb  er  am  18.  September  an  Massena,  „daß 
der  Feind,  der  bald  die  Entfaltung  meiner  Kräfte  in  Deutschland 
erkennen  wird,  gezwungen  sein  wird,  seine  Armee  in  Italien  zu 
schwächen,  um  Wien  zu  verteidigen.  Die  Russen,  die  in  Galizien 
einmarschieren,  sind  noch  sehr  weit;  ich  hoffe,  bedeutende  Erfolge 
vor  ihrer  Ankunft  errungen  zu  haben ^)." 

Massieren  seiner  Hauptmacht  auf  dem  wichtigsten  Kriegsschau- 
platze, energisches  rasches  Vorgehen  auf  die  feindliche  Hauptstadt, 
getrenntes  Schlagen  der  feindlichen  Verbündeten  sind  die  Haupt- 
züge seiner  operativen  Absichten. 

Demgegenüber  zersplittern  die  Verbündeten  ihre  384.000  Mann, 
also  ihre  in  Summe  weit  überlegenen  Kräfte  derart,  daß  sie  nur  in 
Italien  eine  Übermacht  aufbringen.  Dazu  kommt  noch,  daß  Napoleons 
Hauptarmee  durch  den  Anschluß  der  Bayern,  Württemberger  und 
Badenser  um  mehr  als  30.000  Mann  zunahm,  die  Kraftgruppen  der 
Verbündeten  aber  nirgend  die  erhofften  Stärken  erreichten. 

Mack  sagt  in  einer  Schrift:  „Merkwürdige  Data",  die  er  nach 
dem  Feldzuge  dem  üeneral  Wintzingerode  übersandte:  „Ganz  hätte 
das  Unheil  vermieden  werden  können,  wenn  wir  nicht  in  den  un- 
heilvollen Irrtum  geraten  wären,  daß  der  Feind  große  Verstärkungen 
nach  Italien  schicke  und  dort  seine  ersten  entscheidenden  Streiche 
führen  werde,  wenn  wir  also  nicht-  unsere  Hauptkraft  nach  Italien 
angetragen  hätten,  während  der  Feind  seine  in  Deutschland  hatte." 
Diese  Äußerung  des  Hauptregisseurs  von  1805  zeigt,  daß  selbst  eine 
so  blutige  Erfahrung  oft  nicht  hinreicht,  verkehrte  Ansichten  zu 
beheben  und  die  Erkenntnis  der  Wahrheit  zu  bringen.  Nicht  in  der 
Verteilung  der  Kräfte  lag  die  Grundursache  des  Unglückes,  sondern 
im  Willen,    im   Kriegsziel.    Die   Kraftverteilung   ist    nur    eine 

*)  Korrespondenz  Napoleons,  Nr.  9233. 


—     13G     — 

Folgeerscheinung  dieses  Willens.  Die  Verbündeten  hatten  schon 
im  Plane  keine  Initiative  oder  doch  nur  eine  sehr  nebelhafte;  sie 
forschten  und  fragten,  so  wie  auch  Mack  noch  in  der  oben  zitierten 
Stelle,  vor  allem:  Was  macht  der  Feind?  und  kamen  daher  dazu, 
sich  überall  zu  decken.  Die  Worte  „Offensive  in  die  Schweiz"  und 
alle  ähnlichen  waren  nichts  als  Aufputz.  Napoleon  sagte  aber  klar 
und  deutlich:  „Ich  will."  Es  war  ihm  gleichgültig,  wo  die  Öster- 
reicher sind,  er  wird  sie  schon  treffen. 

Hätte  -Mack  den  gleichen  festen,  klaren  Willen  gehabt  wie  Na- 
poleon und  diesen  Willen  ebenso  energisch  ausgedrückt:  „Ich  will 
noch  im  November  im  Bette  des  Kaisers  in  Paris  schlafen",  dann 
wäre  es  ihm  nicht  eingefallen,  an  Italien  zu  denken,  dann  hätte  er 
alles  getan,  um  300.000  Mann  in  Deutschland  anzusetzen,  dann 
hätte  ihn  der  Ehein  samt  seinen  Festungen  nicht  gestört,  und  dann 
hätte  er  auch  die  Worte  gefunden,  um  Wintzingerode  und  den  Zaren 
zum  Au  Schlüsse  der  ganzen  russischen  Kraft  an  die  österreichische 
Hauptarmee  in  Deutschland  zu  bewegen.  Bei  gleichem  energischen 
Willen  wären  dann  die  beiden  Hauptkräfte  in  Deutschland  aufein- 
andergetroffen. Was  hätte  es  andernfalls  den  Verbündeten  geschadet, 
wenn  die  Franzosen  ihre  Hauptkraft  in  Italien  gehabt  hätten  und 
300.000  Verbündete  energisch  über  Straßburg  gegen  Paris  vor- 
gedrungen wären  mit  dem  Willen,  mit  dem  Ziel,  dem  Kaiser  Na- 
poleon in  Paris,  wo  man  ohnedies  auf  eine  Eevolution  hoffte,  den 
Frieden  aufzuzwingen  ?  Daß  die  Unangreifbarkeit  der  Rhein-Grenze  nur 
Einbildung  war,  hätte  man  allerdings  erkennen  müssen,  man  hätte  sich 
ebenso  wie  Napoleon  von  all  den  alten  Anschauungen  freimachen 
und    ähnlich   handeln   müssen  wie  alle  früheren  großen  Feldherren. 

So  aber  hatte  man  keinen  positiven,  durchgreifenden  Willen! 
Die  italienische  Armee  sollte  allerdings  den  Feind  zuerst  schlagen, 
dann  aber  sofort  in  der  Belagerung  von  Mantua  und  Peschiera  ver- 
sumpfen; die  deutsche  Armee  sollte  allerdings  nach  Bayern  voreilen, 
dann  aber  warten  oder  zurückgehen:  ja  Mack  ließ  sogar  in  der  Zeit 
vom  8.  bis  12.  September  1805  durch  den  FML.  Fürsten  Schwarzen- 
berg  bei  Kaiser  Franz  anfragen,  ob  kein  politisches  Bedenken  dagegen 
obwalte,  längs  dem  Neckar  bis  Heidelberg  und  von  dort  bis  an  den 
Main  bei  Miltenberg  einen  Kavalleriekordon  aufzustellen^).  Die  anderen 

^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  XIII,  173.  Die  Gründe  für  die 
Aufstellung  eines  Kavalleriekordons  wurden  von  FML.  Sehwarzenberg  mündlieh 
übermittelt  und  sind  somit  leider  verloren  gegangen. 


—     137     — 

Arraeesplitter  hatten  lauter  nichtige  Aufgaben,  wie  Hannover  nehmen. 
Neapel  befreien  u.  dgl.  ra.  Aber  nicht  nur  der  positive,  durch- 
greifende Wille  fehlte,  der  die  Hauptkraft  von  selbst  auf  dem  rich- 
tigen Orte  zusammengehalten  hätte,  sondern  mao  trennte  noch  dazu 
im  entscheidenden  Eaum,  in  Deutschland,  die  ohnedies  ungenügende 
Kraft  in  zwei  weit  hintereinander  folgende  Gruppen,  von 
denen  die  eine  in  unbegreiflicher  Selbstverblendung  dem  übermäch- 
tigen Feind  entgegeneilte,  somit  dessen  operativer  Absicht  entgegen- 
kam und  deren  glänzende  und  vernichtende  Durchführung  erst  er- 
möglichte. 

Diese  Fehler,  die  zum  Teil  auch  einem  Heerführer  vom  Eange 
des  Erzherzogs  Karl  zur  Last  fallen^),  sind  so  schwer  und  für  uns 
scheinbar  so  unbegreiflich,  daß  man  versuchen  muß,  ihre  Gründe 
zu  erforschen ;  denn  nur  die  Erkenntnis  des  Zusammenhanges  der 
Ereignisse  mit  den  Zeitverhältnissen  und  mit  dem  Charakter  und 
dem  Werdegange  der  handelnden  Personen  kann  uns  davor  be- 
wahren, in  ähnliche  Fehler  zu  verfallen. 

Die  jahrhundertalten  unglückseligen  römisch-italienischen  Be- 
strebungen der  deutschen  Kaiser  hatten  sich  derart  zur  Tradition 
ausgebildet,  daß  kein  österreichischer  Herrscher  und  kein  österreichi- 
scher Politiker  sich  davon  freimachen  konnte;  es  ist  eben  ein 
charakteristisches  Merkmal  der  meisten  Menschen,  daß  sie  mit  Vor- 
liebe ausgetretene  Pfade  benützen,  daß  sie  fast  nie  Erkenntnis  und 
Mut  genug  haben,  etwas  Althergebrachtes  als  schlecht  zu  erkennen 
und  über  Bord  zu  werfen ;  im  Gegenteile,  sie  verbeißen  sich  meist 
desto  mehr  in  diese  Ideen,  Schulen  u.  dgl..  je  mehr  Mißerfolge  sie 
dabei  errungen  haben ;  jeder  kleine  vorübergehende  Erfolg  stachelt 
ihre  Hartnäckigkeit  auf  und  erhöht  die  Verblendung.  So  waren  alle 
österreichischen  Politiker  in  das  italienische  Problem  verbissen ;  er- 
höht wurde  diese  Verbissenheit  durch  die  langjährigen  erfolglosen 
Kämpfe  auf  italienischem  Boden  und  durch  die  endliche  Erwerbung 
der  alten  venetianischen  Republik.  Man  tat  zwar  nichts,  um  diese 
Neuerwerbung  an  den  Staat  zu  kitten,  aber  man  zitterte  unaufhör- 
lich für  ihren  unsicheren  Besitz,  man  sah  Truppenanhäufungen,  man 
fürchtete  Überfälle,  wo  von  all  dem  keine  Rede  war.  Diese  politische 
Stimmung  mußte  natürlich  auch  die  Heeresleitung  in  Mitleidenschaft 


')  Erzherzog  Karl  war  auch  für  die  Teilung  der  Kräfte  in   drei  Gruppen. 
Vgl.  S.  119. 


—     138     — 

ziehen,  wenn  der  zum  Feldherrn  ausersehene  Mann  nicht  die  Kraft 
uod  nicht  den  Einfluß  hatte,  ihr  mit  Erfolg  entgegenzutreten.  Dazu 
kam  nun  noch,  daß  Napoleon  bisher  nur  in  Italien  gekämpft  hatte, 
daß  man  also  glauben  mochte,  er  werde  den  Streit  um  Italien  mit 
Österreich  auch  dort  auskämpfen:  die  Ereignisse  des  Feldzuges  1797 
lagen  noch  zu  frisch  im  Gedächtnisse,  wo  nach  dem  Falle  der  starken 
Festung  Mantua  das  französische  Heer  unaufgehalten  durch  die 
Alpen  nach  Wien  zog;  jetzt  besaß  man  zwischen  der  Etsch  und 
Wien  gar  keine  Festung ;  man  glaubte  also  Napoleon  gegenüber  auf 
eine  Wiederholung  von  1797  gefaßt  sein  zu  müssen.  Die  Politik  und 
die  Furcht  vor  der  drohenden  feindlichen  Offensive,  also  der  Hang 
zur  Abwehr,  zur  Defensive,  der  fast  in  jedem  Menschen  steckt,  ver- 
anlaßten,  die  Hauptkraft  dorthin  zu  senden,  wo  man  den  Feind  am 
meisten  fürchten  zu  müssen  glaubte,  und  nicht  dorthin,  wo  man 
dem  Feind  im  kurzen  Ausfalle  das  Schwert  in  den  Leib  rennen 
konnte. 

Zu  all  dem  kam  noch  die  „militärische  Schule".  Die  staunens- 
werten Erfolge,  die  Friedrich  der  Große  in  langdauernden  Kriegen 
gegen  seine  übermächtigen  Feinde  errungen  hatte,  schrieb  man  nur 
dem  Charakter  seiner  Kriegführung  und  den  Formen  zu.  die  er  bei 
seinen  Operationen  benützt  hatte.  Man  erkannte  nicht,  daß  Friedrich 
durch  die  Verhältnisse  zu  dieser  Kriegführung  gezwungen  worden 
war  und  daß  sie  nur  dank  der  Unfähigkeit  und  Zerfahrenheit  seiner 
Feinde  zum  Erfolg  geführt  hatte.  Seine  geniale  Defensive  und  seine 
weise  Selbstbeschränkung  in  den  Kriegszielen  und  in  den  Operationen, 
zu  denen  ihn  die  Beschränktheit  seiner  Kriegsmittel  zwang,  die  aber 
nur  seinen  Feinden  gegenüber  zu  bleibenden  ErfoUen  führen 
konnten,  machten  Schule;  mit  dem  Aufgebote  spitzfindigen  Geistes 
und  großer  Gelehrsamkeit  wurde  darauf  ein  ganzes  Lehrsystem  der 
Kriegführung  aufgebaut.  Eaum  und  Zeit  waren  in  der  Schätzung  für 
kriegerische  Handlungen  an  den  Extremen  angelangt :  der  Besitz 
gewisser  Eäume  galt  alles,  die  Zeit  nichts. 

Die  hohe  politische  und  militärische  Schätzung  gewisser 
Eäume  und  Lokalitäten  hatte  zur  Folge,  daß  ganze  Feldzüge  zur 
Behauptung  oder  zur  Eroberung  solcher  Eäume  oder  Punkte 
(Festungen)  geführt  wurden.  Dadurch  vernachlässigte  man  die  Zeit 
und  damit  auch  die  Schnelligkeit  der  Bewegungen.  Auch  die  Er- 
kenntnis ging  verloren,  daß  die  Niederwerfung  der  feindlichen 
militärischen  Macht,    wo    immer    sie  erfolgt,    das  gründlichste,  aber 


—     139     — 

auch  einzig  verläßliche  Mittel  ist,  den  Feind  zu  zwingen,  die  For- 
derungen zu  erfüllen,  somit  den  eigenen  politischen  Willen  durch- 
zusetzen. So  entstand  die  schleppende  Kriegführung,  bei  der  man 
immer  von  allem  Anfang  an  schon  mit  mehreren  Feldzügen 
rechnete.  (Siehe  Operationsplan  der  Russen.) 

Der  systematische  Kampf  um  Räume  und  Punkte  mußte  folge- 
richtig das  Erkennen,  Ergründen  und  Begründen  des  militärischen 
Wertes  der  Räume  zu  einer  förmlichen  Wissenschaft  ausbilden. 
Eine  Wissenschaft  aber,  der  jeder  wirkliche  Untergrund  fehlt,  muß 
sich  in  nebelhaften  Lehrsätzen,  in  Phrasen  und  Trugschlüssen  er- 
gehen, sie  muß  daher  zu  dem  führen,  was  man  mit  einem  treffenden 
Ausdrucke  „Wolkenschieben"  nennt.  Sie  führt  zum  glatten  Wider- 
sinn, der  aber  im  Gewände  der  Gelehrsamkeit  selbst  gescheite  und 
klare  Köpfe  verwirrt.  So  übertrug  man,  wie  schon  einmal  erwähnt, 
die  taktische  Bedeutung  der  Überhöhung,  des  Dominierens,  die  ja 
auch  nicht  unbedingt  ist,  auf  geographische  Räume  und  bildete  so 
den  Satz,  daß  der  Besitz  der  Schweiz  den  Besitz  der  Nebenländer 
bedeute.  Solche  Sätze  brauchen  zu  ihrer  Stütze  natürlich  andere 
„unbedingte  Wahrheiten"  und  so  stützte  oder  steigerte  man  die 
Bedeutung  dieses  Satzes  durch  die  einfache  Behauptung,  daß  die 
Rhein-Linie  von  Basel  bis  Düsseldorf  unangreifbar  sei,  dort  daher 
jede  Offensive  ihr  Ende  erreichen  müsse.  Die  Überschätzung  des 
Raumbesitzes  führte  zur  übermäßigen  Bedeutung  des  Festungskrieges, 
diese  wieder  zur  fälschlichen  Übertragung  von  Begriffen  und  Grund- 
sätzen der  Befestigungskunst  auf  operative  Verhältnisse.  Wenn  man 
etwas  hundertmal  hört  und  gar  gedruckt  liest,  wenn  man  dasselbe 
in  jungen  Jahren  von  Lehrern  gehört  hat,  die  als  bedeutende 
Männer  galten  und  unter  den  anderen  Beschränktheiten  ja  auch 
wirklich  bedeutend  erscheinen  und  selbst  Erfolge  aufweisen  konnten, 
dann  gehört  schon  ein  hohes  Maß  an  einfachem  Naturverstand,  an 
Erkennungsvermögen,  Urteil,  Auffassung  und  an  energischem  Mut 
dazu,  sich  auch  in  der  verantwortungsvollen  Stellung  als  Führer  im 
Kriege  über  diese  allgemeine  Auft&ssung  hinwegzusetzen.  Das  zeigt 
sich  deutlich  selbst  bei  Erzherzog  Karl,  der  all  diesem  gelehrten 
Wust  unterworfen  blieb;  es  zeigt  sich  auch  bei  anderen  anerkannt 
tüchtigen  und  gebildeten  Generalen.  So  wimmelt  es  in  einer  Denk- 
schrift des  Generalquartiermeisters  des  Erzherzogs  Ferdinand,  des 
GM.  V.  Mayer,  von  gelehrten  Kunstausdrücken.  Auch  das  Ein- 
fachste,   Selbstverständlichste    wird    in    kunstvoll    entwickelten    Ge- 


—     140     —  « 

dankenreihen  ausgedrückt;  der  Inn  wird  als  „natürliche  Kurtine  des 
Bollwerks  Tirol"  bezeichnet,  der  Haiiptrücken  der  Alpen  als  Kapital- 
linie des  Bollwerks:  die  Operationslinie  reicht  vom  Inn  höchstens 
bis  Stoekach.  weil  dann  alle  Tiroler  Eingänge  direkt  gedeckt  sind; 
wenn  aber  der  Feind  am  linken  Donau- Ufer  bei  Ulm  steht,  dann 
ist  höchstens  Memmingen  als  äußerster  gesicherter  Punkt 
der  Operationslinie  zu  betrachten  u.  s.  f.  Dann  fuhr  eine  ener- 
gische Faust,  geführt  von  einem  einfach  denkenden  klaren  Kopf,  in 
all  diesen  Krimskrams  —  und  Bollwerk  und  Kurtine  erwiesen  sich 
nur  als  papierene  Kulissen^). 

Diese  Entwicklung  der  damaligen  militärischen  Wissenschaft 
muß  man  beachten,  wenn  man  die  Handlungen  aller  Feldherren 
dieser  Zeit  beurteilen  und  wenn  man  die  ganze  Größe  Napoleons 
erfassen  will,  der  sich  aus  sich  selbst  heraus  über  all  diese  schein- 
bare Gelehrsamkeit  erhoben  hat. 

Heute  sind  wir  nach  dreißigjährigem  Frieden  wieder  in  einer 
Epoche,    wo    die    Neigung    besteht,    mit  nicht  voll  und  klar  präzi- 

^)  Die  Aiisdrueksweise  in  dieser  Denkschrift  des  GM.  v.  Mayer  ist  so 
eharakteristiseli  i'ür  die  damals  allgemein  üblichen  oyierativen  Ansichten,  daß 
einige  Stellen  hier  wörtlich  angeführt  werden. 

„Die  Verteidigungslinie,  welche  zugleich  die  Basis  ist,  auf  welcher  die 
Operationen  der  am  rechten  Donau-Ufer  aufgestellten  und  gegen  den  ßhein 
operierenden  Armee,  gegründet  werden,  kann  man  nach  der  geographischen  Lage 
der  Provinzen,  nach  den  vorteilhaften  Lokalitäten  und  nach  dem  höchst  nötigen  Zu- 
sammenhang mit  der  Armee  in  Italien  nicht  anders  als  in  der  Linie  des  Inn- 
Flusses  von  Kufstein  über  Braunau  bis  Passau  als  der  natürlichen  Kurtine  an 
dem  Bollwerk  (Tirol)  finden. 

„Hinter  diesem  Pluü  besteht  noch  die  letzte  Möglichkeit,  das  Verteidigungs- 
gebäude der  Monarchie  mit  dem  westliehen  und  nördlichen  Tirol  zu  erhalten  .  .  . 

„Von  dieser  aufgefundenen  Verteidigungsbasis  an  dem  Inn-Flusse  geht  die 
Operationslinie  über  München,  Landsberg,  Mindelheim,  Memmingen,  höchstens 
liis  Stockaeh,  wo  das  Maximum  zur  Verteidigung  des  nördlichen  Tirol  erreicht 
wird,  weil  die  nördlichen  Eingänge  nach  Tirol  gänzlich  gedeckt  sind.  Falls  aber 
die  feindliehe  Armee  am  linken  Donau-Ufer  bei  Ulm  stünde,  so  wäre  Memmingen 
als  der  äußerste  und  sicherste  Punkt  dieser  Operationslinie  zu  betrachten  .  .  . 

„Da  keine  der  beiden  Operationsbasen  (in  Deutschland  und  Italien)  auf 
Sicherheit  gegründet  ist,  weil  keine  einzige  Festung  vorhanden  ist,  so  folgt  ganz 
natürlich,  daß  die  von  selben  ausgehenden  Operationslinien  nur  problematisch 
sind,  keineswegs  mit  einer  Konsistenz  fortgehen,  sondern  bloß  aus  einer  Pro- 
gression glücklicher  Ereignisse  zusammengesetzt  werden  müssen,  deren  nach- 
teilige Ungründliehkeit  sich  im  zusammengesetzten  Verhältnis  beim  weiteren 
Vorrücken  vermehrt  ..."  (Kriegsarchiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIII,  106, 
Beilage  5). 


141 


sierten  und  erfaßten  Fachausdrücken  zu  anscheinend  wissenschaft- 
lichem Aufputz  Schlagworte  zu  schaflfen,  die  dem  Erkennen  des 
Wesens  des  Krieges  nur  hinderlich  und  schädlich  sind.  Je  weniger 
positives,  reelles  Wissen  man  hat,  desto  mehr  wirft  man  mit  Worten, 
wie  Basisraum,  Zwisehenbasis,  Basis  verschieben,  sich  neu  basieren. 
Echiquier,  strategischer  Überfall  u.  dgl.  herum,  ohne  die  Mühe 
aufzuwenden,  sich  darüber  klar  zu  werden,  was  man  heute  darunter 
verstehen  soll,  wie  die  Sache  wirklich  aussieht,  welche  iVrbeits- 
mittel,  Arbeitsleistung,  Befehlgebung  nötig  sind,  um  z.  B.  eine  Basis 
einzurichten  und  zu  verschieben  oder  wie  ein  Echiquier  unserer  Ar- 
meen im  allgemeinen  aussehen  wird;  man  tut  eben  die  ganze  Sache, 


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ohne  darüber  nachzudenken,  mit  der  "möglichst  hochtrabend  vorge- 
brachten Floskel  ab  und  überläßt  die  Durchführung  anderen,  meist 
ebensowenig  gründlichen  Personen.  Ein  gutes  Beispiel  der  Wirkung 
solcher  packend  gewählter  Schlagwörter  gibt  das  „Aus  zwei  Fronten". 
Man  sollte  jetzt  glauben,  daß  die  wahre  Kriegskunst  damit  erst 
entdeckt  worden  ist:  alles  schwelgt  in  „zwei  Fronten".  Niemand  will 
mehr  „umfassen",  sondern  alles  greift  ,,aus  zwei  Fronten"  an;  sogar 
bei  Kompagnien  wird  diese  hohle  Phrase  angewendet.  Man  glaubt, 
nur  das  „aus  zwei  Fronten"  aussprechen  zu  müssen,  um  schon  ein 
Anrecht  auf  Erfolg  zu  haben  oder  seinen  Zuhörern  zu  imponieren, 
und  glaubt  in  jedem  Falle,  ob  es  Sinn  hat  oder  nicht,  nur  über- 
haupt zwei  Fronten  haben  zu  müssen. 

Wäre  es  —  um  nur  ein  krasses  Beispiel  zu  geben  —  nicht 
höchst  verfehlt,  den  Aufmarsch  der  beiden  Korps  des  Südgegners 
bei  a  und  h    nur  deshalb  ohne  Eücksicht  auf  die  feindliche  Armee 


—     142    — 

und  auf  die  Beschaffenheit  des  feindlichen  Landes  anzuordnen,  weil 
die  beiden  Korps  „aus  zwei  Fronten"  in  den  beschränkten  Eaum  R 
vordringen  können,  um  sich  dann  natürlich  gegenseitig  im  Wege 
zu  stehen?  Dieses  Vorgehen  hätte  aber  auch  dann  keine  Berechti- 
gung, wenn  die  Grenze  durch  Plußhindernisse  gebildet  wird;  es 
hieße  die  taktischen  Regeln  für  den  Flußübergang  einfach  auch 
auf  die  operativen  Verhältnisse  übertragen,  also  denselben  Fehler 
begehen,  wie  er  in  der  napoleonischen  Zeitepoehe  mit  der  Schweiz 
begangen  worden  ist.  Den  Unterschied,  der  da  zu  machen  ist,  hat 
Clausewitz  in  seinem  Werke  vom  Kriege,  I.  Teil,  15.  Kapitel 
„Geometrisches  Element",  hervorgehoben. 

Es  kann  daher  nicht  genug  davor  gewarnt  werden,  sich  solcher 
tönenden  Phrasen  in  oberflächlicher  Weise  zu  bedienen;  geht  man 
aber  gründlich  vor,  dann  braucht  man  solche  Ausdrücke  nicht.  Je 
einfacher  wir  Soldaten  sprechen,  desto  besser  werden  wir  uns  ver- 
stehen und  von  anderen  verstanden  werden,  und  das  ist  doch  die 
Hauptsache.  Werden  aber  solche  Phrasen  weiter  gezüchtet,  nehmen 
sie  als  Quintessenz  militärischer  Wissenschaft  überhand,  dann  kann 
die  Folge  eine  ähnliche  werden  wie  im  Jahre  1805. 


V.  Das  Kommando  der  österreicliisclieu  iVrmee 
in  Dentscliland. 

Bei  Beurteilung  aller  Ereignisse  im  Jahre  1805  ist  zu  beachten, 
daß  Mack  seit  seiner  Ernennung  zum  Generalquartiermeister,  also 
seit  Ende  April  in  militärischer  Beziehung  die  maßgebende  Person 
der  österreichischen  Monarchie  war,  daß  sein  immer  wachsender 
Einfluß  auf  den  Kaiser  selbst  den  Einfluß  mehrerer  kaiserlichen 
Prinzen,  vor  allem  den  des  kaiserlichen  Bruders,  Erzherzog  Karl, 
ausschaltete,  und  daß  Mack  diesen  Eiüfluß  rücksichtslos  gebrauchte, 
wo  es  zu  seinem  Yorteil  und  Nutzen  war. 

Wie  bekannt,  hatten  sowohl  der  Erzherzog  Karl  als  auch 
Mack  bei  allen  Operationsentwürfen  immer  die  Ansicht  geäußert. 
daß  die  Hauptaktionen  in  Italien  stattfinden  würden,  daß  daher  dort 
die  Hauptmacht  der  Österreicher  verwendet  werden  müsse.  Ebenso 
ist  bekannt,  daß  Erzherzog  Karl  bei  den  Verhandlungen  mit  den 
Eussen  immer  die  unbedingte  Einheitlichkeit  des  .  Oberbefehles  in 
Deutschland  gefordert  hat  und  daß  Mack  seinen  Freund  Wintzin- 
gerode  bei  den  Verhandlungen  nur  dazu  brachte,  diesen  Oberbefehl 
zuzugestehen,  wenn  in  Deutschland  Erzherzog  Karl  oder  der  Kaiser 
Franz  das  Kommando  führe. 

Erzherzog  Karl  hatte  sich  vor  der  Ernennung  des  FML.  Mack 
zum  Generalquartiermeister  energisch  dagegen  verwahrt,  daß  Mack 
diese  Funktion  bei  ihm  zu  versehen  habe. 

Mack  hatte  es  bald  erreicht,  daß  er  mit  Umgehung  des  Kriegs- 
ministers, Erzherzog  Karl,  oft  allein  zum  Vortrage  beim  Kaiser  er- 
schien, so  daß  er  diesen  unbehindert  beeinflussen  konnte. 

Weil  nun  dem  FML.  Mack  die  Stelle  des  Generalquartier- 
meisters beim  berufenen  Oberkommandanten  der  Armee  verschlossen 
war,   kam   es   ihm  darauf  an,    sich  eine  andere,    Ruhm  und  Macht 


—     144    — 

versprechende  Stelle  zu  verschaffen.  Seinem  Range  nach  konnte  er 
nicht  auf  ein  Armeekommando  rechnen,  unter  einen  anderen  Kom- 
mandanten wollte  er  sich  aber  nicht  beugen.  Er  mußte  daher  den 
Kaiser  Franz,  der  selbst  nicht  den  Beruf  zum  Heerführer  in  sich 
fühlte,  dazu  bringen,  wenigstens  nominell  das  Oberkommando  zu 
führen;  üeneralquartiermeister  beim  Kaiser  war  dann  der  Posten, 
den  sich  Mack  vorbehielt.  Frühzeitig  schien  er  daher  den  Kaiser 
beeinflußt  zu  haben,  den  Erzherzog  Karl,  den  hervorragendsten  Feld- 
herrn der  kaiserliehen  Armee,  dort  zu  verwenden,  wo  die  Hauptent- 
scheidung fallen  und  aller  Voraussicht  nach  auch  Napoleon  sein 
werde,  wenn  dieser  überhaupt  ins  Feld  ziehen  sollte,  also  in  Italien^). 
Die  Bestimmung  im  Vertragsprotokoll  vom  16.  Juli,  daß  sich  die 
Eussen  nur  dem  Oberkommando  des  Erzherzogs  Karl  oder  des  Kaisers 
unterwerfen,  war  dann  die  Handhabe,  den  Kaiser  zur  Übernahme 
des  Oberbefehles  in  Deutschland  zu  bewegen ;  als  Kommandanten 
des  österreichischen  Teiles  der  Koalitionsarmee  in  Deutschland  suchte 
sich  Mack  einen,  wie  er  hoffte,  recht  gefügigen,  daher  sehr  jungen 
Prinzen  aus,  den  erst  24jährigen  Erzherzog  Ferdinand.  Seine  Äußerung 
vom  11.  Oktober  1805:  „Seine  königliche  Hoheit  möge  sich  ja 
nicht  einbilden,  kommandierender  General  zu  sein,  da  er  noch  zu 
jung  und  unerfahren  wäre  und  dieses  nicht  vorstellen  könne"  ^), 
zeigt  klar,  wie  Mack  über  den  von  ihm  selbst  ausgesuchten  Armee- 
kommandanten gedacht  hat. 

Man  muß  es  Mack  lassen,  daß  er  bei  der  ganzen  Frage  der 
Armeekommandos  sehr  schlau  vorgegangen  ist,  wie  er  überhaupt 
ein  Meister  der  Intrige  gewesen  zu  sein  seheint. 

Schon  am  24.  Juli  gab  Erzherzog  Karl  unter  dem  Siegel  der 
Verschwiegenheit  dem  Erzherzog  Ferdinand  bekannt,  daß  Erzherzog 
Karl  in  Italien  kommandieren,  der  Kaiser  aber  zur  Armee  nach 
Deutschland  gehen  werde,  deren  Kommando  dem  Erzherzog  Fer- 
dinand zugedacht  sei.  Einige  Tage  später  machte  FML.  ]\Iack  dem 
Erzherzog  Ferdinand  die  gleiche  Mitteilung^). 

Am  4.  August  konnte  der  pensionierte  Rat  Faßbender  diese 
Nachricht  dem  FML.  Fürsten  Schwarzenberg  melden.  Von  der  Ver- 


^1  Ein  Beweis  dafür,  wie  falseli  man  damals  Napoleon  beurteilt  hat,  war 
die  Ansieht,  daß  der  „Kaiser"  Napoleon  nicht  ins  Feld  ziehen,  sondern  die 
Führung  seiner  Armee  einem  seiner  Marschälle  übertragen  werde. 

2)  Siehe  S.  382. 

8)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIH,  106. 


—     145    — 

wftndung  Macks  verlautete  aber  noch  immer  nichts.  Wahrscheinlich 
erst  am  20.  August  kam  diese  Frage  beim  Kaiser  zur  Entscheidung, 
sicher  nicht  ohne  entsprechende  Vorbereitung  durch  Mack;  wenig- 
stens schreibt  GM.  v.  Mayer,  daß  ihm  Mack  schon  Ende  Juh  mit- 
geteilt habe,  er  (Mack)  werde  beim  Kaiser  bleiben  und  Erzherzog 
Johann  (später  Erzherzog  Ferdinand)  werde  die  Armee  in  Deutseh- 
land führen^). 

Ein  Bericht  Macks  vom  21.  August  an  den  Kaiser  beginnt: 

„Euer  Majestät  unterlege  ich  alleruntertänigst  den  Entwurf 
des  Handbilletts,  das  mir  Eure  Majestät  gestern  aufzutragen  geruht 
haben.  Ich  hielte  für  das  beste,  solches  au  den  Hofkriegsratsprä- 
sidenten zu  richten,  weil  dann  nur  dem  Erzherzog  eine  Abschrift 
mit  einigen  Zeilen  eigenhändiger  freundschaftlicher  Begleitung  zuzu- 
senden wäre.  Der  Erzherzog  würde  es  in  diesem  Falle  keineswegs 
übel  finden,  wenn  Eure  Majestät  ihm  selbst  zu  sagen  geruhten,  daß 
Sie  mir  die  Redaktion  dieses  Handbilletts  aufgetragen  haben. 

„Seine  königliche  Boheit  fragten  mich  gestern,  gleich  nachdem 
ich  von  Hetzendorf  zu  Höchstdemselben  zurückkam,  ob  denn  Eure 
Majestät  mir  meine  künftige  Bestimmung  nicht  eröffnet  hätten;  ich 
antwortete :  Ja !  Seine  Majestät  haben  mir  bedeutet,  daß  Sie  mich 
als  Generalquartiermeister  bei  Ihrer  Allerhöchsten  Person  verwenden 
würden  und  daß^ich  mich  von  nun  an  alle  zweiten  oder  dritten  Tag 
bei  Allerhöchstdemselben  einzufinden  hätte.  Seine  Majestät  —  sagte 
ich  —  setzten  auch  hinzu,  daß,  wenn  Sie  jemals  bemüßiget  sein 
sollten,  die  Armee  auf  lange  Zeit  zu  verlassen  und  also  Eure  könig- 
liche Hoheit  die  Oberdirektion  tibernehmen  sollten,  ich  diese  Dienst- 
leistung  bei  Eurer   königlichen  Hoheit   fortzusetzen   haben  würde." 

So  hatte  sich  Mack  für  alle  Fälle  den  Posten  des  General- 
quartiermeisters beim  Oberkommando  gesichert. 

Zum  Generalquartierraeister  des  Erzherzogs  Ferdinand  war 
GM.  V.  Mayer  bestimmt  worden. 

Trotzdem  somit  ein  vollständiges  Armeekommando  für  die 
österreichische  Armee  in  Deutschland  aufgestellt  worden  war,  trotz- 
dem das  Oberkommando  erst  in  Aktion  treten  konnte,  sobald  einmal 
die  Russen  in  Bayern  angelangt  waren,  veranlaßte  Mack  mit  seinen 
Anträgen  vom  24.  August  (s.  S.  132)  durch  das  Vordrängen  seiner  Person 
einen   schweren  Eingriff  in   die  Befugnisse   des   Armeekommandos ; 


*)  Vergleiche  auch  den  Antrag  Macks  vom  15.  August,  S.  156,  P.  4. 

ErauKs.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  10 


—     146    — 

da  bei  Mack  nicht  vorausgesetzt  werden  darf,  daß  er  sich  dessen 
nicht  voll  bewußt  war,  kann  man  diesen  Antrag  nur  als  den  ersten 
Versuch  bezeichnen,  die  tatsächliche  Führung  des  Armeekommandos 
an  sich  zu  reißen.  Ja,  es  läßt  sich  selbst  der  Verdacht  nicht  von 
der  Hand  weisen,  daß  Mack  nur  deshalb  nicht  von  der  wahnwitzigen 
Idee  des  Vorstürmens  an  die  liier  abzubringen  war,  weil  er  eine 
Situation  schaffen  wollte,  die  ihm  erlaubte,  das  Armeekommando  an 
sich  zu  reißen.  Es  ist  köstlich,  welche  ßolle  dieser  Mann  da  dem 
ernannten  Armeekommandanten  zuschiebt.  „Erzherzog  Ferdinand 
bleibt  in  Wels,  versammelt  und  ordnet  die  dort  einrückenden  Truppen 
und  erwartet  die  Rapporte  des  FML.  v.  Mack  wegen  ihrer  Nach- 
rückung nach  Bayern."  Er  scheut  sich  nur,  anstatt  „Eapporte"  offen 
und  ehrlich  „Befehle"  zu  sagen!  Da  FML.  Mack  mit  dem  Dienst 
in  einem  Armeekommando  ganz  vertraut  war,  kann  man  mit  vollem 
Eechte  sagen,  daß  er  der  verantwortliche  Urheber  der  späteren 
schweren  Konflikte  im  Armeekommando  war  und  daß  er  somit 
wissentlich  das  Interesse  der  Armee  und  des  Staates  seinem  per- 
sönlichen Ehrgeiz,  seiner  Eitelkeit,  seinem  Strebertum  opferte.  Man 
muß  nur  staunen,  daß  Kaiser  Franz  diese  Unmöglichkeit  sanktio- 
nierte. Es  ist  nicht  glaublich,  daß  ihm  die  Einsicht  dazu  fehlte;  da 
man  ebensowenig  annehmen  kann,  daß  er  einem  hypnotischen  Ein- 
flüsse Macks  unterlegen  sein  sollte,  so  bleibt  nur  eine  Erklärung: 
politische  Einflüsse  von  innen  und  von  außen  her. 

Wie  schon  in  der  Vorgeschichte  erwähnt  wurde,  war  Mack 
das  Werkzeug  der  österreichischen  Diplomaten  zur  Verdrängung  des 
Einflusses  des  Erzherzogs  Karl.  Diese  Diplomaten,  die  in  die  Fähig- 
keiten Macks  unbegrenztes  Vertrauen  setzten,  scheuten  kein  Mittel, 
ihn  beim  Kaiser  zu  unterstützen^). 

Mack,  selbst  Ausländer,  hat  es  in  allen  seinen  Stellungen  und 
immer  durch  sein  Entgegenkommen  gegenüber  den  Wünschen  der 
Verbündeten  verstanden,    sich   deren  Wohlwollen  und  deren  Unter- 


^)  Der  französische  Gresandte  in  München,  Otto,  sehrieb  am  28.  August  an 
Talleyrand: 

„General  Mack,  der  eifrigste  Anhänger  des  Krieges,  hat  schon  seit  langem 
versichert,  daß  der  Krieg  unvermeidlich  sei.  Die  Österreicher  haben  eine  so  hohe 
Meinung  von  diesem  Offizier,  daß  er  in  ihren  Augen  für  sieh  allein  eine  Armee 
aufwiegt." 

Vergleiche  noch  die  Briefe  Oobenzls,  S.  132  (Fußnote  i),  Gentz',  S.  154  (Fuß- 
note 2),  und  Collenbachs,  S.  194  (Fußnote  2). 


—     147     — 

Stützung  seiüer  persönlichen  Wünsche  zu  erwerben.  Nur  so  läßt 
sich  auch  das  große,  von  Erzherzog  Karl  gekennzeichnete  Entgegen- 
kommen bei  den  Unterhandlungen  mit  VVintzingerode  erklären. 

Die  unberechtigte  Einmischung  fremder  und  eigener  Diplomaten 
in  die  rein  militärische  Frage  der  Kommandoführung  bei  den  öster- 
reichischen Armeen  trug  —  wie  immer  —  auch  hier  schlechte 
Früchte.  Für  diese  Einmischung  unberufener  Personen  muß  Mack 
die  Verantwortung  zufallen,  da  er  sie  als  militärischer  Berater  des 
Kaisers  nicht  zurückwies,  sondern  begünstigte  und  für  sich  aus- 
nützte. 

Die  desolaten  Kommandoverhältnisse  bei  der  Armee  in  Deutsch- 
land, die  im  Verlaufe  der  Operationen  soweit  als  nötig  dargelegt 
werden,  lassen  somit  zwar  das  traurige  Ende  dieser  Armee  begreif- 
lich erscheinen,  können  aber  durchaus  nicht  zur  Entlastung 
Macks  ausgenützt  werden,  weil  er  sie  allein  verursacht  und  ver- 
schuldet hat. 

Zum  vollen  Verständnis  dieser  Vorgänge  müssen  die  beiden 
Hauptpersonen,  der  FML.  Mack  und  der  Armeekommandant,  GdK. 
Erzherzog  Ferdinand,  charakterisiert  werden. 


FML.  Karl  Mack  Freiherr  v.  Leiberich. 

Mack  stand  1805  im  54.  Lebensjahre^). 
Zur  Beurteilung  des  Einflusses  seiner  Person  auf  die  Ereignisse 
des   ünglücksjahres   1805    ist    es   ganz   gleichgültig,    was  Mack   in 

^)  Maek,  geboren  am  25.  August  1752  zu  Nennslingen  in  Franken  (Bayern), 
trat  17  Jahre  alt  als  Fourier  (Schreiber)  beim  2.  Earabinierregiment  ein,  wo 
sein  Onkel,  Rittmeister  v.  Leiberieh,  diente.  Nach  zwei  Jahren  wurde  Mack 
Korporal,  (iewandt  mit  der  Feder,  machte  er  sieh  in  der  Adjutantur  nützlich, 
wurde  bald  Unterleutnant  und  vier  Jahre  später  Oberleutnant.  Als  der  Regiments- 
inhaber, FM.  Graf  Lacj'  einen  Offizier  verlangte,  der  im  Dienst  erfahren,  ge- 
schickt mit  der  Feder  und  im  Situationszeiehnen  sei,  wurde  ihm  Mack  genannt. 
Maek  wurde  Sekretär  Laeys  und  machte  mit  diesem  den  \ftrriri:«eh£n,  Krieg  1778 
mit,  wurde  1781  Hauptmann  im  Generalquartiermeisterstab  und  1789  als  Plügel- 
adjutant  im  geheimen  Militärkabinett  des  Kaisers  angestellt.  Bei  der  Belagerung 
Belgrads  machte  sieh  Maek  als  Generalstabschef  Laudons  besonders  verdient, 
wofür  er  das  Ritterkreuz  des  Maria-Theresien-Ordens  erhielt  und  mit  dem  Prä- 
dikat „V.  Leiberieh"  in  den  Freiherrnstand  erhoben  wurde. 

1792  wurde  Maek  dem  Armeekommandanten  Prinzen  Josua  Koburg  als 
Generaladjutant  beigegeben  und  machte  den  Krieg  in  den  Niederlanden  mit. 
1794  leitete  er  als  General quartiermeister  des  Kaisers  den  Krieg   in  den  Nieder- 

10* 


—     148     — 

früheren  Jahren  geleistet  hat.  Nicht  eine  Lebensgeschichte  soll  hier 
gegeben  werden,  sondern  nur  sein  Charakterbild,  soweit  es  sich 
nach  so  langer  Zeit  feststellen  läßt.  Es  liegt  vollkommen  ferne, 
Mack  schlecht  zu  machen  oder  schlecht  erscheinen  lassen  zu  wollen; 
er  ist  eine  der  Unglücksgestalten,  die  das  Schicksal  in  schweren  Zeiten 
auf  falsche  Posten  gestellt  hat.  Aber  betont  soll  sein,  daß  er  mit 
seinem  Unglücksgenossen  Benedek  nicht  verglichen  werden  darf. 
Abgesehen  von  kleinen  Charakterschwächen,  wie  sie  jeder  Mensch 
hat,  steht  Benedeks  Heldengestalt  rein  und  klar  vor  uns.  Sein  Ver- 
hängnis war  nur  der  leuchtende  Glanz  seiner  Heldentaten,  der  aller 
Augen  geblendet  hatte  und  vermuten  ließ,  er  sei  auch  der  berufenste 
Heerführer. 

Mack  aber  hat  sein  Unglück  selbst  verschuldet.  Nachdem 
ihn  die  politischen  Umtriebe  einer  Intrigantenclique  aus  dem  Dunkel 
hervorgezogen  hatten,  drängte  er  sich  selbst  an  die  Spitze  und  ge- 
brauchte seine  Ellbogen  in  der  rücksichtslosesten  Weise,  um  den 
einzig  Würdigen  und  von  der  ganzen  Armee  Verehrten  von  der 
höchsten  Stelle  zu  verdrängen.  Ihn  hat  das  verdiente  Schicksal  er- 
reicht, aber  nicht  ohne  den  Staat,  dessen  leitende  Stellen  seinen 
wahren  Unwert  nicht  rechtzeitig  erkannten,  in  härtester  Weise  mit- 
zutreflfen. 

landen.  Im  Jahre  1796  sollte  er  über  Betreiben  der  Engländer  zum  Oberkomman- 
danten in  Portugal  ernannt  werden.  Bevor  dies  aber  geschah,  wurde  er  im  Ok- 
tober 1796  als  Peldmarsehalleutnant  zum  Generalquartiermeister  der  Rhein-Armee 
ernannt. 

Im  August  1798  wurde  Mack,  wieder  über  Betreiben  der  Engländer,  zum 
Oberkommandanten  der  neapolitanischen  Armee  ernannt.  Anfang  Oktober  kam 
er  in  Caserta  an.  Ende  November  1798  übersehritt  er  mit  38.(X)0  Mann  die 
Grenze  und  marschierte  auf  Eom.  Da  sieh  die  Franzosen  unter  General  Cham- 
pionet  ohne  Widerstand  zurückzogen,  konnte  der  König  von  Neapel  am  29.  No- 
vember in  Rom  einziehen.  Als  aber  nun  Maek  den  Franzosen,  in  viele  schwache 
Kolonnen  verzettelt,  folgte,  kehrte  Championet  um,  warf  sieh  mit  Übermacht  auf 
die  einzelnen  Kolonnen  und  warf  sie  zurück.  Der  Rückzug  der  Neapolitaner 
artete  bald  in  regellose  Flucht  aus.  Im  befestigten  Lager  von  Capua  sammelte 
Maek  seine  Armee  wieder.  Als  aber  die  Stimmung  seiner  Truppen  und  der  Be- 
völkerung von  Neapel  immer  bedrohlicher  wurde,  schloß  er  mit  den  Franzosen 
Anfang  Januar  1799  einen  längeren  Waffenstillstand,  sah  sieh  aber  veranlaßt, 
vor  der  darob  erbosten  Bevölkerung  im  Lager  des  feindlichen  Generals  Schutz 
zu  suchen.  Er  wurde  als  Kriegsgefangener  nach  Frankreich  abgeführt.  1800  ent- 
floh er  aus  Paris,  wo  er  sieh,  nach  Angabe  der  Franzosen  als  Gefangener  auf 
Ehrenwort,  ganz  frei  bewegen  konnte.  Nach  seiner  Rückkehr  aus  der  Gefangen- 
schaft blieb  er  bis  zum  Jahre  1805  ohne  Verwendung. 


—     149     — 

Um  jeden  Schein  von  Ungerechtigkeit  und  Übelwollen  zu  ver- 
meiden, soll  das  Charakterbild  Macks  in  den  wichtigsten  Zügen  nur 
nach  seinen  eigenen  Taten  und  Äußerungen  und  nach  Mitteilungen 
und  Urteilen  von  Zeitgenossen  festgestellt  werden.  Es  soll  daher 
immer  eine  Reihe  von  Charaktereigenschaften  angeführt  und  durch 
Beispiele  erhärtet  werden. 

Mack  war  lebhaften  Geistes,  von  einer  krankhaften  Ehrsucht 
beseelt  und  von  seiner  Begabung  und  Fähigkeit  im  vollsten  Maße 
durchdrungen.  Da  er  die  Gabe  besaß,  durch  eine  glänzende  Bered- 
samkeit den  Mangel  positiven,  gründlichen  Wissens  und  Könnens 
zu  verdecken,  galt  er  allen  wenig  scharfblickenden  Zeitgenossen  als 
ein  grundgescheiter,  ja  genialer  Mann  —  als  der  „große  Denker". 
Seine  Bedeweise  und  seine  Schriften  zeigten  das  falsche  Pathos  und 
die  falsche  Begeisterung,  die  immer  in  Superlativen  schwelgen,  und 
weil  er  alles,  selbst  das  Unsinnigste  in  seinem  Größenwahn  und 
im  Glauben  an  seine  Unfehlbarkeit  mit  verblüffender  Sicherheit  von 
sich  gab,  waren  auch  alle  oberflächlichen,  der  Sache  nicht  auf  den 
Grund  gehenden  Zuhörer  und  Leser,  vor  allem  aber  die  österreichi- 
schen Diplomaten,  von  der  Eichtigkeit  der  Mackschen  Darlegungen 
überzeugt  und  von  seiner  Genialität  entzückt.  Unermüdlich  am 
Schreibtische  tätig,  schrieb  Mack  über  alles  und  jedes  langatmige, 
schwerverständliche  und  deshalb  meist  für  gediegen  und  grund- 
gelehrt gehaltene  Denkschriften. 

Oberflächlich,  leichtfertig,  leichtgläubig  und  optimistisch, 
wußte  er  mit  leeren,  hochtönenden  Worten  und  Phrasen  über  alle 
auch  tatsächlich  vorhandenen  Schwierigkeiten,  über  alle  drohenden 
Gefahren  leicht  und  glatt  hinwegzukommen  und  die  Sache  immer 
so  darzustellen,  wie  er  oder  einflußreiche,  maßgebende  Per- 
sonen es  wünschten;  er  war  derart  von  seiner  Unfehlbarkeit  durch- 
drungen, daß  er  solche  willkürlich  aufgestellte  Darstellungen  als 
tatsächlich  bestehend  ansah  und  von.  deren  unzweifelhaften  Richtig- 
keit auch  dann  noch  überzeugt  war  oder  überzeugt  schien,  wenn  die 
Ereignisse  ihre  vollkommene  Haltlosigkeit  schlagend  dargetan 
hatten.  Seine  Leichtfertigkeit  brachte  es  mit  sich,  daß  er  alles,  was 
angeordnet  war,  ohne  Rücksicht  auf  die  oft  lange  Zeit  der  Durch- 
führung einfach  als  schon  geschehen  oder  schon  existierend  annahm 
und  darauf  seine  Pläne  und  Maßnahmen  weiter  aufbaute. 

Die  Art  seiner  Beredsamkeit,  die  ihm  von  mancher  Seite  die 
Bezeichnung  „Schwätzer"  eingetragen  hat,    wird  durch  alle  folgen- 


—     150    — 

den  Zitate  und  durch  einige  wörtlich  wiedergegebene  Berichte  und 
Denkschriften  vollkommen  klar  vor  Augen  geführt  werden,  ebenso 
die  ihm  eigene  falsche  Begeisterung. 

Minister  Thugut  schrieb  am  24.  Februar  1794  an  den  Minister 
Grafen  Colloredo: 

„Ich  hoffe,  daß  uns  Mack  mit  dieser  Gärung  und  oft  wenig 
überlegten  Leichtfertigkeit  der  Gedankeu  und  Entwürfe  keine  neuen 
Schwierigkeiten  anstiftet^)." 

Leichtfertigkeit  war  es  wohl,  was  den  gewiegten  General- 
stäbler veranlaßte,  im  Jahre  1804  ohne  Kenntnis  der  grundlegenden 
Angaben  über  Standesverhältnisse,  Kriegsvorräte  und  Mobilisierungs- 
vorsorgen ein  bestimmtes  Urteil  über  die  Mobilisierung  des  Heeres 
uüd  dessen  Verwendung  abzugeben,  und  zwar  ein  Urteil,  das  dem 
des  Erzherzogs  Karl,  dem  allein  diese  Daten  zur  Verfügung  standen, 
absichtlich  entgegengesetzt  lautete.  Fürst  Schwarzenberg  bestätigt, 
daß  Mack  in  voller  Unkenntnis  dieser  Daten  war,  die  nur  der  Erz- 
herzog kannte,  der  aber  von  der  Berufung  Macks  nichts  wußte. 
„Oh  unerhörter  Leichtsinn!"  sagte  Fürst  Schwarzenberg;  „konnte  man 
Mack  für  schwach  oder  gar  für  niederträchtig  genug  halten,  in  dem 
Augenblicke,  wo  ihn  sein  Monareh  auffordert,  über  die  wichtigsten 
Angelegenheiten  des  Staates  seine  Meinung  zu  äußern,  sich  durch 
persönliche  Rücksichten  bestechen  zu  lassen,  so  mußte  man  ihn  für 
einen  Elenden  halten,  der  nie  dazu  geeignet  war,  in  solch  einem 
Momente  befragt  zu  werden 2)."  Fürst  Schwarzenberg  hat  damit 
ohne  Absicht  ein  scharfes  Urteil  über  Mack  gesprochen.  Ein  General 
durfte  sich  zu  einer  derartigen  Intrige  überhaupt  nicht  hergeben ; 
Mack  mußte  verlangen,  daß  der  Erzherzog  Karl  von  den  Aufträgen, 
die  Mack  erhielt,  verständigt  werde,  damit  dieser  die  zur  Abgabe 
eines  Urteils  unbedingt  nötigen  Daten  vom  Kriegsministerium  er- 
halten könne;  Mack  mußte  dann  seine  begründete  Meinung  ohne 
Rücksicht  auf  irgend  eine  Person  und  deren  Wünsche  nach  bestem 
Wissen  und  Gewissen  abgeben.  So  aber  mußte  er  im  Zusammen- 
halte mit  den  Folgen  seiner  Ratschläge  den  Vorwurf  der  Leicht- 
fertigkeit tragen. 

Erzherzog  Karl  sagte  über  Mack:  „Weil  der  Erzherzog  sich 
bestimmt   und  unverhohlen    einem   Bruche   mit  Frankreich    wider- 


1)  Vivenot,  „Vertrauliehe  Briefe  des  Freiherrn  v.  Thugut",  I,  S.  80.  Minister 
Graf  Colloredo  war  der  leitende  Staatsminister,  seine  Stellung  entsprach  also  der 
eines  Ministerpräsidenten.  Thugut  war  Minister  des  Äußern. 

^)  Kriegsarehiv,  Mem.,  IX.  247. 


—     151     — 

setzte,  wurden  die  Anstalten  zu  dem  beschlossenen  Kriege  dem 
General  Mack  übertragen,  dessen  Geistesschwäche  und  Dünkel 
nirgends  Schwierigkeiten,  folglich  auch  kein  Bedürfnis  fanden,  sich 
anzustrengen,  um  selbe  zu  überwinden^)." 

Seiner  Leichtfertigkeit  entsprang  das  Verhalten  gegen  den 
GM.  V.  Mayer,  der  ihn  auf  die  Haltlosigkeit  seiner  Ansichten  über 
Napoleon  aufmerksam  gemacht  hatte  (s.  S.  40). 

GM.  V.  Mayer  erzählt  aber  noch  weiter: 

„Als  ich  Mack  am  25.  August  zur  Festsetzung  eines  einheit- 
lichen Operationsplanes  drängte,  sagte  Mack,  indem  er  mich  um- 
armte : 

,0h  mein  lieber  Freund,  wenn  wir  zwei  hinauskommen,  so 
werden  wir  es  schon  gut  machen  und  Erzherzog  Karl  soll  mit 
seiner  Armee  machen  was  er  will.' 

„Über  diese  Erklärung  erstaunte  ich  nicht  wenig  und  mir 
wurde  vor  der  Zukunft  noch  mehr  bange,  als  ich  schon  alle  gute 
Hoffnung  durch  die  aufgestellten  diplomatischen  Grundsätze  des 
Collenbach  und  Mack  verloren  hatte.  Ich  brachte  alle  möglichen 
Gründe  vor,  wie  notwendig  es  sei,  daß  beide  Armeen  nach  einem 
gemeinschaftliehen  Plane  operieren  und  daß  wir  uns  selbst  dadurch 
aus  aller  Verantwortung  setzen  müssen.     Hierauf  antwortete  Mack: 

jFreund,  Sie  und  ich  haben  das  Wort  vom  Kaiser,  daß  wir 
außer  aller  Verantwortung  bleiben.' 

„Ich  erwiderte,  wenn  auch  diese  Verantwortung  nicht  be- 
stehe, so  müssen  wir  uns  gleich  bei  der  Welt  außer  aller  Verantwortung 
setzen,  denn  ich  sehe  zu  gut,  wie  es  gehen  wird;  allein  auch  dies 
half  nichts  und  seine  Schlußrede  war: 

,Was  kümmert  uns  die  Welt?'^)" 

Am  27.  August  war  der  Befehl  ergangen,  jede  Kompagnie 
auf  200  Mann  zu  bringen;  ein  Befehl,  dessen  Durchführung  un- 
möglich war,  weil  die  Truppen  nicht  einmal  den  normalen  Kriegs- 
stand erreichen  konnten.  Trotzdem  nahm  Mack  den  Befehl  einfach 
als  durchgeführt  an  und  rechnete  schon  in  der  Sitzung  am 
29.  August  mit  diesen  fiktiven  Ständen.  Ja,  er  rechnete  in  dieser 
Sitzung  auch  mit  dem  Anschluß  von  18.000  Bayern  als  einer 
sicheren  Tatsache. 


')  Wertheimer,  „Erzherzog  Karl  als  Hofkriegsratspräsident",  S.  33. 
^)  Kriegsarehiv,  Mem.,  III,  68. 


—     152    — 

Nach  der  Katastrophe  von  Uhu  sagte  Mack  zu  seiner  Recht- 
fertigung : 

„Hat  doch  Oberst  Dedovich  schon  am  21.  September  Befehl 
erhalten,  Ulm  gegen  Anlauf  zu  schließen.  Er  hatte  dazu  alle  erforder- 
lichen Mittel  und  anstatt  der  14  Tage,  die  er  verlangte,  18  Tage 
ruhiger  Arbeit  (die  Arbeit  konnte  aber  tatsächlich  erst  am  29.  Sep- 
tember beginnen  und  Oberst  Dedovich  beklagte  sich,  daß  er  keine 
Arbeiter  hatte)  und  hat  geleistet,  was  er  versprochen  hat."  Alle 
Augenzeugen  sagen  aber  übereinstimmend  aus,  daß  Ulm  durchaus 
nicht  gegen  den  Anlauf  genügend  geschlossen  war. 

Ebenso  hatte  Mack  in  den  letzten  kritischen  Tagen  in  fliegender 
Hast  die  Befestigung  von  Memmingen  und  Ingolstadt  anbefohlen. 
Ohne  sich  um  die  Durchführbarkeit  dieser  Befehle  weiter  zu 
kümmern,  rechnete  er  in  der  B'olge  mit  der  Verteidigungsfähigkeit 
dieser   nicht   einmal   armierten,   nur   ganz  flüchtig  befestigten  Orte. 

Er  rechtfertigte  sich  über  die  mangelhafte  Versorgung  Ulms 
mit  Verpflegung: 

„Ich  hatte  dem  Landeskomraissär  und  der  Verpflegsdirektion 
gleich  am  Anfang  eine  so  starke  Ausschreibung  und  so  schleunige 
Einlieferungstermine  anbefohlen,  und  da  sollte  ich  nicht  die 
moralische  Gewißheit  haben,  daß  alsbald  für  die  ganze  Armee 
ergiebige  Vorräte  nach  Ulm  geschafft  würden?" 

Als  Beleg  der  schwatzhaften  und  leeren  Beredsamkeit  Maeks 
diene  folgendes:  Am  21.  August  richtete  Mack  an  den  Kaiser  einen 
Bericht,  worin  er  erwähnt,  er  habe  eben  vom  GM.  v.  Mayer  gehört, 
daß  Erzherzog  Ferdinand  Nachricht  erhalten  hätte,  Napoleon  sei  mit 
der  Küstenarmee  aufgebrochen  und  marschiere  eiligst  gegen  die 
Schweiz  und  Straßburg.  Mack  fügt  dann  bei: 

„Ich  glaube  die  Nachricht  noch  nicht,  halte  sie  jedoch  für 
möglich,  ohne  im  geringsten  den  Mut  dadurch  zu  verlieren,  denn 
stärker  kann  er  im  ganzen  nicht  sein,  als  wir  es  sein  werden,  und 
es  würde  nur,  wenn  er  seine  Hauptmasse  gegen  Deutschland  zieht, 
erforderhch  sein,  von  den  nach  Italien  in  Marsch  befindlichen 
Truppen  (wie  es  füglich  geschehen  kann)  einen  Teil  nach  Deutseh- 
land zu  dirigieren,  alsobald  Salzburg,  Braunau  und  andere  Pimkte 
gut  zu  verschanzen  und  sich  am  Inn  oder  an  der  Salza  einer  Position 
zu  versichern,  nicht  um  ihn  in  derselben  zu  erwarten,  sondern  wenn 
er  sich  nähert,  ihn  anzugreifen,  wo  wir,  so  Gott  will,  ihn  schlagen 
—  oder  wenn  es  mißlänge,    uns   in  unsere  verschanzte  Position  zu- 


—     153     — 

rückziehen  —  und  es  neuerdings  mit  ihm  aufnehmen  würden.  Nur 
gehört  dazu  Eurer  Majestät  alles  beseelende  Gegenwart,  eine  ver- 
doppelte Tätigkeit  und  die  möglichst  schleunige  Überraschung  der 
Bayern^)." 

General  Graf  Segiir,  der  von  Napoleon  einigemal  als  Parla- 
mentär zu  Mack  nach  Ulm  geschickt  worden  war,  erzählt  in  seinen 
Memoiren : 

„Mack  war  mit  dem  Reste  seiner  Soldaten,  deren  Zahl  er 
nicht  einmal  kannte,  ohne  Lebensmittel  und  ohne  Eückzug  in 
Ulm  und  auf  dessen  verschanzten  Höhen  geblieben.  Man  hörte  ihn 
ausrufen,  er  wolle  sich  hier  verteidigen,  die  Aufmerksamkeit  von  der 
Flucht  des  Erzherzogs  ablenken;  daß  die  Russen  vor  acht  Tagen 
ihm  zu  Hilfe  gekommen  sein  werden  und  daß  dann  Napoleon,  seiner- 
seits zwischen  zwei  Feuer  genommen,  gezwungen  sein  werde,  zu 
fliehen  oder  sich  zu  ergeben.  Solcherart  war  das  Gerede  Macks, 
denn  in  seinem  Elend  fehlten  ihm  trotz  des  Mangels  der 
Taten  durchaus  noch  nicht  die  Worte^)." 

Diesen  für  einen  Ohet  des  Generalstabes  gewiß  nicht  emp- 
fehlenswerten Charaktereigenschaften,  die  alle  im  Verlaufe  der  Schil- 
derung des  Feldzuges  noch  scharf  erkennbar  sein  werden,  gesellten 
sich  aber  noch  andere  zu. 

Intrigant  und  immer  auf  den  eigenen  Vorteil  bedacht,  scheute 
Mack,  in  dem  Streben  vorwärts  zu  kommen,  vor  keinem  Mittel  zurück. 

Minister  Thugut  schrieb  am  6.  September  1798  über  Mack  an 
den  Grafen  Colloredo : 

„Ich  danke  Euer  Exzellenz  ergebenst  für  die  Mitteilung  des 
Briefes  von  Mack,  den  ich  die  Ehre  habe,  hier  rückzusenden.  Das 
Auftreten  eines  neuen  Schreiers,  der  in  allen  Ecken  Wiens  herum- 
intrigiert, ist  gewiß  eine  große  Unannehmlichkeit.  In  Petersburg 
würde  ein  General,  dem  man  bekanntgegeben  hätte,  der  Kaiser 
wünsche,  daß  er  sich  unverzüglich  an  diesen  oder  jenen  Bestim- 
mungsort begebe,  es  sich  sicherlich  nicht  habe  einfallen  lassen,  mit 
unnützen  Wegen  Zeit  zu  verlieren.  Übrigens  wird  es  immer  von 
Seiner  Majestät  abhängen,  ihm  ernsthaft  zu  sagen,  er  verlange,  daß 
er  sich  unverzüglich  nach  Neapel  begebe  und  nicht  warte,  bis 
Neapel    vielleicht    zu    gründe    gegangen    sei,    während   er   in  Wien 


1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  VIIJ,  20V2- 

2)  Segur,  „De  1800  :i  1812.  Un  aide  de  eaiiip  de  Napoleon",  S.  174. 


—     154    — 

schwätzt.  Aber  wenn  wir  von  der  Güte  Seiner  Majestät  nicht  erreichen 
können,  daß  er  sich  entsinnt,  daß  er  der  Herr  ist,  und  wenn  das  Über- 
maß der  ünfolgsamkeit  und  Unordnung  täglich  wächst,  dann  gibt  es 
nichts  mehr  zu  sagen  und  nichts  würde  uns  retten  können^)." 

Wie  Mack  sich  an  der  Intrige  gegen  den  Erzherzog  Karl  be- 
teiligt hat,  ist  in  großen  Zügen  schon  erwähnt  worden ;  es  soll  nur 
noch  beigefügt  werden,  daß  Mack  während  dieser  Zeit  wiederholt 
mit  dem  Minister  Cobenzl  insgeheim  konferierte  und,  um  von  den 
Anhängern  des  Erzherzogs  Karl  nicht  gesehen  zu  werden,  in 
schlechten  Kleidern  und  heimlich  durch  die  Basteiplbrte  der  Staats- 
kanzlei zum  Minister  kam  ^). 

Erzherzog  Karl  setzte  bekanntlich  der  Ernennung  Macks  zum 
Generalquartiermeister  den  nachhaltigsten  Widerstand  entgegen.  Es 
kam  zwischen  dem  Erzherzog  und  Mack  zu  einem  heftigen  per- 
sönlichen Zusammenstoß,  weil  Erzherzog  Karl  ihn  als  einen  Intri- 
ganten bezeichnet  hatte,  der  ohne  sein  Wissen  nach  Wien  ge- 
kommen sei  und  gegen  seine  Person  arbeite.  Mack,  der  des  Kaisers 
schon  sicher  war,  sandte  dem  Erzherzog  als  Antwort  sein  Gesuch 
um  Entlassung  aus  dem  kaiserlichen  Dienst.  Dann  ging  er  aber 
zum  Kaiser,  bat  ihn  wegen  des  Auftrittes  mit  Erzherzog  Karl  um 
Verzeihung  und  verstand  es,  den  etwas  verstimmten  Kaiser  wieder 
ganz  für  sich  zu  gewinnen.  Der  Kaiser  schrieb  darauf  an  Erzherzog 
Karl,  er  möge  das  Gesuch  dem  FML.  Mack  mit  einigen  gnädigen 
Worten  zurücksenden,  er  benötige  diesen  Mann.  Erzherzog  Karl, 
der  das  Spiel  durchschaute,  sandte  das  Gesuch  dem  FML.  Mack  mit 
den  düiTen  Worten  zurück,  daß  er  es  nicht  für  nötig  gehalten,  das 
Gesuch  dem  Kaiser  vorzulegen.  Am  nächsten  Tage  dankte  Mack 
dafür  schriftlich;  nur  die  Besorgnis,  mit  der  Ungnade  und  Ver- 
achtung des  Erzherzogs  belastet  zu  sein,  habe  ihn  zu  dem  Ent- 
schlüsse bringen  können,  den  er  vor  einigen  Tagen  „mit  zitternder 
Hand  und  blutendem  Herzen"  niedergeschrieben^). 

^)  Yivenot,  „Vertrauliehe  Briefe  des  Freiherrn  von  Thiigiit".  11,  S.  119. 

^)  Foiirnier,  „Gentz  und  Cobenzl",  S.  157. 

Gentz  sehrieb  am  6.  Juli  1805  an  den  Historiker  Johannes  v.  Müller: 
„.  .  .  Genug,  nehmen  Sie  es  vorderhand  als  Tatsache  hin,  es  ist  Cobenzl,  dem 
wir   es   zu  verdanken  haben,    daß   Mack  jetzt  an  der  Spitze  des  Militärwesens 

steht Maek  hat  jetzt  offenbar  das  Heft  in  der  Hand  und  wird  es,  da  er 

äußerst  vorsichtig  zu  Werke  geht  und  mit  dem  Kaiser  und  allen  Ministern  gut 
steht,  wahrscheinlich  lange  behalten." 

*)  Wertheimer,  „Geschichte  Österreichs  und  Ungarns  etc.",  S.  233. 


—     155     — 

Der  Kaiser  drängte  den  Erzherzog,  in  die  Ernennung  Macks 
zu  willigen ;  er  versicherte  ihn  seiner  vollsten  Unterstützung,  wenn 
Mack  es  wagen  sollte,  ihm  gegenüber  die  Sehranken  seines  Wir- 
kungskreises zu  überschreiten.  Endlich  gab  der  Erzherzog  nach.  Das 
Handbillett  des  Kaisers  an  Mack  schloß  mit  den  charakteristischen 
Worten:  „Sie  werden  alle  Ihre  Aufmerksamkeit  dahin  richten,  alles 
zu  vermeiden,  was  dem  Erzherzog  Anlaß  zur  Unzufriedenheit  gegen 
Sie  geben  und  Mich  in  den  unangenehmen  Fall  setzen  könnte,  Sie 
von  dem  ehrenvollen  Posten,  auf  welchen  Sie  nur  durch  mein  Zu- 
trauen berufen  sind,  wieder  zu  entfernen^)." 

Einmal  Generalquartiermeister,  arbeitete  Mack  systematisch 
daran,  sich  zum  alleinigen  unmittelbaren  Ratgeber  des  Kaisers  zu 
machen,  hiezu  vor  allem  den  Einfluß  des  Erzherzogs  Karl  ganz  zu 
beseitigen  und  sich  an  dessen  Stelle  den  maßgebenden  Einfluß  auf 
alle  militärischen  Angelegenheiten  zu  verschaffen.  Am  15.  August 
legte  Mack  dem  Kaiser  Vorschläge  vor,  die  diese  Absicht  verwirk- 
lichen sollten.  Diese  Vorschläge,  die  Mack  in  Form  einer  Skizze  zu- 
sammengestellt hatte,  lauteten : 

„1.  Bitte  an  Seine  Majestät,  von  nun  an  die  Oberdirektion  aller 
Armeesachen  selbst  zu  übernehmen,  besonders  da  Seine  Majestät 
schon  längstens  in  der  Konferenz  erklärt  haben,  daß  Sie  solche  im 
Kriege  selbst  führen  würden,  und  nichts  natürlicher  sowie  nichts 
notwendiger  sein  kann,  als  daß  Seine  Majestät  in  allen  wichtigen 
Kriegsvorbereitungen  wesentlichen  Einfluß  nehmen. 

„2.  Seine  kaiserliche  Hoheit  den  Erzherzog  Karl  nunmehr  pro- 
visorisch vom  Kriegsministerium  zu  entheben,  damit  er  sich  aus- 
schließlich den  wichtigen  Geschäften  der  Armee  widmen  könne. 
Den  PML.  Erzherzog  Ferdinand  mit  jenen  der  deutschen  Armee 
zu  beauftragen.  Beide  hätten  sich  in  allen  ihre  Armee  betreffenden 
Berichten  oder  Anfragen  unmittelbar  an  Seine  Majestät  zu  ver- 
wenden, von  AUerhöchstdemselben  die  Erledigung  darüber  zu  er- 
halten, und  so  würden  auch  Seine  Majestät  in  allen  die  Armee  be- 
treffenden Gegenständen,  insoweit  sie  von  höherer  Wichtigkeit  sind, 
Ihre  Befehle  und  Anordnungen  selbst  an  Ihren  Hofkriegsrat  und 
andere  Hofstellen  erlassen. 

„3.  Das  provisorische  Kriegsministerium  dem  PM.  Collo- 
redo    (welchen    Seine    Majestät    vielleicht    zum     Staats-    und    Kon- 


'j  Fournier,  „(rentz  und  Cobenzl",  S.  158. 


—     156     — 

ferenzminister  zu  ernennen  geneigt  sein  würden)  zu  übertragen  und 
ihm  den  FML.  Diedtmann  und  Obstlt.  Pensquens  beizugeben. 

„4.  Daß  Seine  Majestät  geruhten,  mich  zum  Generalquartier- 
meister bei  Ihrer  Allerhöchsten  Person  zu  ernennen  und  die  anderen 
Generalquartiermeister  an  mich  anzuweisen. 

„5.  Daß  Seine  Majestät  die  Gnade  hätten,  mir  die  Stunde  zu 
bestimmen,  wo  ich  von  nun  an  täglich  meine  Berichte  und  Expe- 
ditionen Allerhöchstdenenselben  unterlegen  und  mich  für  jene  des 
folgenden  Tages  um  Ihre  Befehle  anfragen  könnte. 

„6.  Ob  Seine  Majestät  zu  befehlen  geruhen,  daß  ich  die  Hand- 
billetts, die  zu  obiger  Einleitung  nötig  wären,  entwerfen  soll? 

„7.  Daß  Seine  Majestät  die  Einrückung  in  Bayern  gleich  in 
den  ersten  Tagen  des  September  zu  veranlassen  geruhen  möchten,  damit 
die  Einverleibung  der  bayrischen  Armee  keiner  Gefahr  ausgesetzt 
werden  möge." 

Punkt  8  bespricht  das  vorzunehmende  Avancement  in  der  Ge- 
neralität und  Punkt  9  den  Wunsch  des  Erzherzogs  Johann,  das 
Kommando  über  das  Korps  bei  Trient,  die  beiden  Korps  der  Mitte 
und  die  ganze  Tiroler  Landesbewaffnung  zu  erhalten,  woran  Mack  die 
Bemerkung  anschließt :  „Wenn  Seine  Majestät  diesem  Wunsche  will- 
fahren, so  wäre  es  gut,  wenn  Allerhöchstdieselben  vorläufig  gegen 
den  Erzherzog  Karl  einige  Worte  darüber,  als  über  eine  heilsame 
Sache,  fallen  lassen  möchten^)." 

Minister  Thugut  schrieb  am  8.  September  1798  an  Grafen 
Colloredo : 

„Baptiste^)  hat  mir  einige  vertrauliche  Mitteilungen  gemacht, 
die  mich  über  den  Beweggrund  des  großen  Jammergeschreies  auf- 
klärten, das  Mack  erhebt,  weil  er  nach  Neapel  gehen  soll;  er  hat 
Baptiste  durchblicken  lassen,  er  würde  gerne  ein  Landgut  in  Un- 
garn erlangen  und  er  bildet  sich  ein,  daß  Ihre  Majestät  die  Kaiserin 
ihm  dazu  verhelfen  werde').  Das  ist  fürwahr  widerlich  zu  sehen, 
mit  welcher  Gier  jeder  die  Güte  Seiner  Majestät  zu  mißbrauchen 
hofft  und  sich  alles,  was  nur  möglich,  anzueignen  sucht,  ohne  Rück- 
sicht auf  die  äußerste  Notlage  des  Staates !  Übrigens  hat  Seine 
Majestät  Mack  gegenüber  durchblicken  lassen,  er  könne  hoffen,  daß 


^)  Angeli,  „Ulm  und  Austerlitz",  Mitteilungen  des  k.  u.  k.  Kriegsarehivs, 
I.  Jahrgang,  S.  444. 

^)  Der  neapolitanische  Gesandte  in  Wien. 

^)  Die  Kaiserin  war  die  Tochter  der  Königin  von  Neapel. 


—     157     — 

ihm  am  Ende  des  Krieges  das  gezahlt  werden  würde,  was  ihm  nach 
seiner  Behauptung  noch  für  sein  Landgut  in  Böhmen  geschuldet 
wird  und  dies  müßte  ihm  mehr  als  genug  sein.  Aber  das  ist  eine 
der  schönen  Errungenschaften  unserer  Zeit,  in  der  man  sich  all- 
mählich jedes  Schamgefühls  entledigte,  daß  man  Belohnungen  fordert, 
bevor  man  Dienste  geleistet  hat.  Dies  ist  immer  das  Sicherste; 
denn  nachher  —  macht  man,  was  man  will  ....  Es  ist  leicht 
möglich,  daß  sich  Mack  schon  morgen  in  Baden  zeigt,  um  Seine 
Majestät  zu  belästigen"^). 

Charakteristisch  für  Mack  ist,  daß  er  in  einem  Sehreiben  vom 
9.  September  1798  vor  seiner  Abreise  nach  Neapel  vom  Kaiser 
unter  Berufung  auf  frühere  Verdienste  das  Kommandeurkreuz  des 
Maria-Theresien- Ordens  verlangte,  „weil  in  Neapel  sehr  wohl  be- 
kannt wäre,  daß  viele  Generale  von  meinem  Range  und  selbst  Ge- 
neralmajore in  Eurer  Majestät  Armee  den  Kommandeurorden  be- 
sitzen, welches  natürlicherweise  bei  den  dortigen  Generalen  und 
Offizieren  die  Betrachtung :  warum  ist  denn  dieser  höhere  Ordens- 
grad nicht  auch  ihm  zu  teil  geworden?  erzeugen  und  das  mir  nötige 
Zutrauen  in  manchen  Gemütern  schwächen  würde".  Wie  wenig  der 
Verlauf  dieses  Feldzuges  die  Forderungen  Macks  nach  einem  Gut 
und  Orden  gerechtfertigt  hat,  ist  ja  bekannt. 

In  dem  Berichte  vom  21.  August  1805  an  Jen  Kaiser,  der  teil- 
weise auf  S.  145  und  152  zitiert  ist,  bringt  Mack  sich  selbst  zur  Be- 
förderung in  Antrag,  will  also  wieder  vor  der  Leistung  belohnt  sein: 
er  schreibt:  „Von  meiner  Person  würde  ich  gewiß  nicht  wagen, 
hier  Erwähnung  zu  machen,  wenn  nicht  Graf  Oobenzl^j.  welcher 
mich  mit  gütigem  Vertrauen  beehrt,  mich  dazu  mit  der  bestimmten 
Erklärung  aufgemuntert  hätte,  daß  er  nicht  aufhören  werde.  Eure 
Majestät  um  meine  Beförderung  zu  bitten.  Ich  kann  Eurer  Majestät 
hierüber  nur  meine  ehrerbietigste  Versicherung  wiederholen,  daß  ich, 
so  schmeichelhaft  außerdem  diese  allerhöchste  Gnade  für  mich  sein 
würde,  höchst  betrübt  darüber  sein  müßte,  wenn  Lamberti  nicht 
mit  mir  befördert  werden  sollte,  der  einer  der  ältesten  Feld- 
marschalleutnants  ist,  und  ein  Generaladjutant  Eurer  Majestät,  wenn 
er  auch  nicht  öflfeutlich  erscheint,  im  Stillen  viele  gute  Dienste 
leisten  kann." 


1)  Vivenot,  II,  S.  119. 

-)  Der  Minister  des  Äußern. 


—     158    — 

So  merkwürdig  ein  solcher  Antrag  an  und  für  sich  ist,  so 
gewinnt  er  noch  an  Interesse,  wenn  man  die  Ernennungsvorschläge 
Macks  mit  dem  Schematismus  von  1805  vergleicht. 

Maek  war  1805  dem  ßange  nach  der  63.  Feldmarschall- 
leutnant; 31  seiner  Vordermänner  waren  angestellt,  31  waren  un- 
an  gestellt. 

Mack  beantragte  die  Beförderung  des  Hofkriegsratspräsidenten 
PZM.  Grafen  Latour  zum  Feldmarschall ;  dann  die  Beförderung  der 
FML.  Graf  Lamberti  (Generaladjutant  des  Kaisers),  Fürst  Auers- 
perg  (Kapitän  der  Arcierenleibgarde),  Karl  Prinz  von  Lothringen 
(kommandierender  General  in  Lemberg)  und  Fürst  v.  Ligne  (un- 
angestellt),  alle  rangälter  als  Mack;  weiter  aber  auch  die  Beförde- 
rung des  FML.  Fürsten  Licbtenstein,  der  sein  zweiter  Hintermann, 
und  des  FML.  Fürsten  v.  Schwarzenberg,  Vizepräsidenten  des  Hofkriegs- 
rates, der  gar  der  83.  Feldmarschalleutnant  war.  Man  erkennt  wohl, 
daß  er  nur  hochfürstliche  und  sehr  einflußreiche  Personen  vorschlug: 
Latour  sollte  den  Antrag  unterstützen,  Lamberti  sollte  ihm  Vorspann- 
dienst leisten.  Lichtenstein  und  Schwarzenberg  sollten  ihn  schieben. 
Das  war  aber  selbst  dem  guten  Kaiser  Franz  offenbar  zu  viel :  er 
beförderte  außer  dem  zum  Armeekommandanten  ausersehenen  Erz- 
herzog Ferdinand  niemand. 

Der  Verlauf  des  Feldzuges  1805  hat  auch  diesmal  die  Zurück- 
haltung gerechtfertigt. 

FML.  Freiherr  v.  Abele,  der  den  Feldzug  von  Ulm  als  Major 
des  Generalquartiermeisterstabes  im  Armeekoramando  mitgemacht 
hat,  erzählt  folgenden  Vorfall: 

,.  Einige  Tage  vor  dem  Abgehen  des  Erzherzogs  (von  Ulm) 
ließ  mich  FML.  Gyulai  rufen  und  teilte  mir  mit,  daß  ich  im  Auf- 
trage Macks  mich  in  die  Wohnung  des  Erzherzogs  zu  verfügen  und 
mich  daselbst  immer  aufzuhalten  habe.  Ich  sollte  mich  beim  Erz- 
herzog melden,  daß  ich  dazu  bestimmt  sei,  zwischen  letzterem  und 
Mack  eine  mündliche  Korrespondenz  zu  unterhalten,  mit  einem 
Worte,  ich  sollte  alles,  was  Mack  vom  Erzherzog  zu  wissen  wünsche, 
diesem  mitteilen  und  des  Erzherzogs  Antwort  hierauf  wieder  Mack 
überbringen.  Bei  dem  Umstände,  als  die  Uneinigkeit  und  das  Zer- 
würfnis zwischen  Mack  und  dem  Erzherzog  schon  den  höchsten 
Grad  erreicht  hatten,  schien  der  mir  erteilte  Auftrag  mehr  einer 
Spionage  gleichzukommen,  denn  auch  in  den  Augen  anderer  schien 
es,  als  ginge  der  mir  gegebene  Befehl  außerdem  auch  dahin,    alles 


—     159     — 

andere  noch,  was  in  des  Erzherzogs  Haus  vorging,  zu  beobachten 
und  Macii:  zu  hinterbringen.  Ein  so  unseliger  Auftrag  konnte  mii- 
nicht  anders  als  höchst  unangenehm  sein  und  verletzte  mein  Ehr- 
gefühl, da  man  mir  leicht  zumuten  konnte,  daß  ich  mich  zum  Spion 
Macks  hergegeben  hatte.  Um  mich  doch  wenigstens  halbwegs  mit 
Ehren  herauszuziehen,  schien  es  mir,  ohne  mich  dem  Befehle  zu 
widersetzen,  das  beste,  mich  nicht  in  der  Wohnung  des  Erzherzogs 
aufzuhalten.  Ich  l)egab  mich  daher  zum  Erzherzog,  meldete  mich  bei 
seinem  ersten  Adjutanten,  Obersten  Bianchi,  teilte  diesem  den  Zweck 
meiner  Sendung  mit  und  ersuchte  ihn,  dem  Erzherzog  anzuzeigen, 
daß  ich  mich  nicht  in  seiner  Wohnung,  sondern  in  einem  nahe- 
liegenden Hause  aufhalten  und  dann  nur  zum  Erzherzog  kommen 
würde,  wenn  er  mich  zu  sprechen  wünsche.  So  geschah  es  denn 
auchi)." 

Gegen  alle  einflußreichen  Personen  war  Maek  je  nach  deren 
Stellung  voll  grob  -  schmeichelnder  Ergebenheit,  von  überfließend 
zärtlicher  oder  von  herablassender,  oft  aufdringlicher  und  würdeloser 
Freundschaft.  Er  war  einer  der  Charaktere,  die  jedem  mit  innigsten 
Freundschaftsbezeigungen  entgegenkommen,  jeden  mit  ausgebreiteten 
Armen  empfangen  und  vielleicht  gar  umarmen  —  einer  der  Charak- 
tere, vor  denen  man  besonders  auf  der  Hut  sein  muß.  Wenn  es  aber 
eine  solche  liebenswürdig  empfangene  Person  wagte,  anderer  An- 
sicht zu  sein  als  er,  dann  kannte  sein  Grimm  und  sein  Haß  keine 
Grenzen,  dann  schonte  er  auch  das  Interesse  der  Armee  und  des 
Staates  nicht,  um  den  anderen  zu  demütigen. 

Es  wurde  bereits  erwähnt,  wie  Mack  den  GM.  v.  Mayer  in 
Wien  mit  überschwenglicher  Freundschaft  empfing  und  bei  der  ersten 
Meinungsdiflferenz  sofort  sein  Verhalten  änderte  ^). 

Als  GM.  V.  Mayer  zur  Armee  in  Bayern  einrückte,  beschwor 
er  Mack,  der  ihn  abermals  freudigst  umarmte,  auf  Geheiß  des  Erz- 
herzogs Ferdinand,  die  Truppe  nicht  an  die  Hier  zu  hetzen,  sondern 
mit  der  Armee  am  Lech  stehen  zu  bleiben.  Sie  kamen  dabei  beide 
so  in  Hitze,  daß  sie  in  Unfrieden  schieden.  GM.  v.  Mayer  ging  zur 
Ausführung  eines  Auftrages  nach  Tirol.    Als  der  Kaiser  Mitte  Sep- 


^)  Aus  der  Biographie  des  FML.  Franz  Abele  Freilierrn  von  und  zu  Lilien- 
berg. Generalstabshauptmann  Franz  Freiherr  v.  Abele  stellte  die  von  seinem 
Großvater  selbst  eindiktierte  Biogi'aphie  dem  Verfasser  zur  Verfügung. 

2)  S.  41. 


—     160    — 

* 

tember  nach  Landsberg  kam,  verlangte  Mack  in  einer  Konferenz  die 
sofortige  Enthebung  Mayers  vom  Posten  des  Generalquartiermeisters. 
Obwohl  Erzherzog  Ferdinand  für  Majer  eintrat,  stellte  Mack  die 
Alternative,  er  oder  Maver.  Der  Kaiser  wollte  Mayer  zum  General- 
quartiermeister beim  Erzherzog  Johann  in  Tirol  macheu.  Mack  blieb 
bei  seiner  Weigerung;  er  könne  Mayer  überhaupt  nicht  bei  der 
Armee  dulden.  Der  Kaiser  soll  —  nach  Angabe  Mayers  —  endlich 
eingewilligt  haben,  mit  der  Motivierung,  daß  „die  Engländer  als  eine 
Bedingnis  den  Mack  verlaugt  haben";  da  er  aber  Mayer  absolut  nicht 
kränken  wolle,  so  müsse  dieser  als  Brigadier  bei  der  Armee  bleiben. 

Mack  schreibt  selbst  in  seiner  Rechtfertigung  des  Feldzuges 
1805: 

„Vorher  hatte  ich  an  eben  diesen  Bianehi^)  stets  die  freund- 
schaftlichsten, vertraulichsten  und  beinahe  kriechenden  Bitten  ver- 
schwendet, daß  er  doch  seinen  Einfluß  bei  Seiner  königlichen  Hoheit 
dahin  verwenden  möge,  mir.  weil  ich  ausschließlich  verantworten 
sollte,  auch  ausschließlich  ihr  aufrichtig  gnädiges  Vertrauen  zu 
schenken." 

Er  erzählt  auch  selbst,  daß  er  mit  FML.  Gyulai  und  FML. 
Fürsten  Schwarzenberg  in  heftigen  Streit  geriet,  als  sie  ihn  in  Ulm 
von  der  Idee  des  Eückzuges  Napoleons  abbringen  wollten.  Noch 
öfters  läßt  sich  in  den  Akten  dieselbe  Erscheinung  verfolgen:  Mack 
ist  gegen  jeden  höchst  liebenswürdig  und  übertrieben  freundlich,  bis 
es  einem  einfällt,  ihn  von  irgend  einer  Leichtfertigkeit  a])bringen 
zu  wollen,  worauf  er  heftig  und  übelwollend  wird. 

In  solchen  Momenten  grenzte  das  Verhalten  Maeks  hart  an 
das  Krankhafte.  FML.  Franz  Freiherr  v.  Abele  erzählt: 

„Am  10.  Oktober  verfügte  ich  mich  bei  Tagesanbruch  zu 
unseren  Vorposten,  die  zum  Teil  auch  auf  dem  Ulm  beherrschenden 
und  allenthalben  freie  Aussicht  gewährenden  Galgenberg  standen, 
um  mich  von  da  aus  womöglich  über  die  Stellung  der  Franzosen 
zu  unterrichten.  Ich  sah  deutlich  des  Feindes  Vorposten,  auch  ein- 
zelne seiner  größeren  Truppenabteilungen. 

„Nach  allem  was  ich  wahrsfenommen  hatte,  herrschte,  wenisr- 
stens  bei  mir.  kein  Zweifel  mehr :  wir  waren  zwar  noch  nicht,  doch 
konnten  wir  in  wenigen  Tagen  vollkommen  eingeschlossen  werden. 

„Sogleich  begal)  ich  mich  zu  Mack  und  erstattete  ihm  von 
den  gemachten  Wahrnehmungen  ausführlichen  Bericht;  gleichzeitig 

^)  Oberst  Bianehi,  Generaladjutant  des  Erzherzogs  Ferdinand. 


—     161     — 

sprach  ich  mich  wiederholt  dahin  aus,  daß  es  das  beste  wäre,  mit 
der  Armee,  die  doch  noch  20.000  Mann  stark  sei,  Ulm  zu  verlassen 
und  sich  beizeiten  vereint  mit  dem  Korps  des  PML.  Jeliachich 
auf  Tirol  zurückzuziehen.  Mack  hörte  mich  anfänglich  gelassen  an, 
aber  plötzlich  fuhr  er  mich  heftig  mit  den  Worten  an:  ,Sie  werden 
mir  bei  schwerer  Verantwortung  beweisen,  daß  noch  20.000  Mann 
da  sind.' 

„Damit   bewies  Mack   seine   vollständige  Unkenntnis   über  die 
Stärke   seiner  ihm   unterstehenden  Armee ;    vielleicht   schlug  er  sie 
höher  an,   als   ich   dies  im  Eingange  meines  Vorschlages  bemerkte. 
Seine  Aufregung  steigerte  sich  über  diese  Enttäuschung  derart,  daß 
ich  besorgte,  Mack  sei  gar  wahnsinnig  geworden.  Er  schrie,  lärmte 
und  gebärdete  sich  überhaupt  in  einer  Art,    daß   man  nicht  anders 
vermuten  konnte,  als  er  habe  den  Verstand  verloren.  In  seiner  Auf- 
regung  drohte   er   auf  mich  zuschreitend  einzudringen,  und  da  ich 
eine  Tätlichkeit  von  seiner  Seite  befürchtete,  wich  ich  gegen  die  Tür 
zurück,  in  der  Absieht,    mich  zu  entfernen.    Er  verfolgte  mich  aber 
sogar   auch    dahin,    stellte  sich  vor  die  Tür  und  verwehrte  mir  den 
Ausgang.  Doch  mit  einem  Male  ward  er  ruhig,  sein  erregtes  Wesen 
legte  sich  und  nach  einer  Pause  der  Ruhe  und   des  Stillschweigens 
sagte  er   in   ruhigem,   ja   sogar  teilnehmendem  Tone  zu  mir:    ,Der       j        ^ 
arme  Napoleon'.  Der  plötzliche  Umschwung  seiner  Gemütsstimmung       '      (i.i 
und  seines  Benehmens  sowie  die  mir  unverständliche  Äußerung  be-       ! 
züglieh  Napoleons  überraschten  mich  so  sehr,  daß  ich  unwillkürlich       i 
ausrief:  ,Was  ist  mit  Napoleon?'  Mack  erwiderte  mir: 

„In   ganz  Frankreich   ist   die  Eevolution  wider  Napoleon,    die 
preußische  Armee  operiert  nur  zwei  Meilen  im  Rücken  der  französi- 
schen ;  dieser  Tage  stoßen  die  Russen  zu  uns  und  dann  ist  Napoleon      | 
verloren.'  i 

„Über  diese  beinahe  wahnwitzige  Rede  Macks  stand  mir,  wie 
man  zu  sagen  pflegt,  der  Verstand  stille.  Ich  wußte  nicht,  was  ich 
davon  halten  solle  und  erwiderte  Mack  darauf:  ,Gott  gebe,  daß  es 
wahr  sei!"^)"  j 


^)  Aus  der  Biographie  des  FML.  Franz  Preiherrn  Abele  von  und  zu 
Lilien  berg. 

Die  angeführte  Erinnerung  muß  sieh  aber  auf  den  14.  oder  15.  Oktober 
beziehen.  Am  10.  Oktober  standen  keine  Franzosen  vor  Ulm  und  das  Korps 
Jeliachich  befand  sich  noch  in  Ulm.  Auch  die  Nachrichten  von  der  Revolution 
in  Frankreich  erhielt  Mack  erst  am  14.  Oktober. 

Krauss.   1805,  Der  Feldziig  vou  Ulm.  11 


—     162     — 

Fühlte  Mack  sich  einmal  seines  Einflusses  auf  hohe  Personen, 
wie  z.  B.  auf  den  Kaiser  sicher,  dann  scheute  er  sich  nicht,  aller 
Welt  deutlich  zu  zeigen,  daß  er  den  Kaiser  beherrsche,  dann  stellte 
er,  das  Ansehen  selbst  seines  Kaisers  nicht  schonend,  ostentativ 
seinen  Willen,  seine  Befehle  als  den  Willen  und  die  Befehle  des 
Kaisers  hin,  indem  er  einfach  im  Namen  des  Kaisers  befahl,  sicher, 
daß  es  seinem  Einflüsse  gelingen  werde,  den  Monarchen  nachträglich 
zur  Deckung  seines  eigenmächtigen  Vorgehens  zu  bringen.  Im  Ver- 
trauen auf  seinen  Einfluß  auf  den  Kaiser  wurde  er  auch  gegen  hoch- 
stehende Personen  unbotmäßig  und  überhebend. 

Er  scheute  es  nicht,  sich  selbst  auf  Kosten  Österreichs  die 
Gunst  ausländischer  Personen  und  Monarehen  zu  erwerben,  um  dann 
deren  Einfluß  für  seine  Zwecke  auszunützen. 

So  schrieb  Thugut  am  13.  März  1794  an  CoUoredo: 

„ Diese  Korrespondenz   zwischen  Mack   und  Möllendorf, 

die  miteinander  die  Darlegungen  vereinbaren,  die  Mack  Seiner 
Majestät  macht,  und  die  Schliche,  die  gleichzeitig  Lucchesini  seiner- 
seits anwenden  soll  —  die  Herren  de  Wallis  und  de  Ferraris  — 
die  anderen  Persönlichkeiten,  die  man  leicht  erraten  kann,  die  den 
preußischen  Gesandten  anflehen,  den  Kaiser  gegen  dessen  Willen 
zu  führen,  um  ihn  dem  Willen  des  Berliner  Hofes  Untertan  zu 
machen.  .  .  .  ^)." 

Im  Sommer  1794  versuchten  die  Engländer  den  Prinzen  von 
Sachsen-Koburg  vom  Oberkommando  der  österreichischen  Armee  zu 
verdrängen,  um  eine  ihnen  genehme  Persönlichkeit  an  der  Spitze 
der  Armee  zu  sehen.  Um  dies  zu  erreichen,  wünschten  sie  den 
jungen  Erzherzog  Karl  als  Armeekommandanten,  gegen  den  früher 
(im  Jahre  1793)  gerade  das  englische  Kabinett  protestiert  hatte.  Da 
der  junge  Armeekommandant  aber  einen  erfahrenen  älteren  General 
an  seiner  Seite  brauchte,  wurde  von  österreichischer  Seite  General 
Olerfayt  vorgeschlagen :  doch  ließen  die  Engländer  wissen,  daß  dies 
nicht  der  von  ihnen  gewünschte  Mann  sei,  obwohl  sie  vorher  sehr 
viel  Vertrauen  zu  dessen  Begabung  an  den  Tag  gelegt  hatten. 

Thugut,  der  die  Unterhandlungen  führte,  schreibt  darüber 
weiter  am  13.  August  1794  an  Colloredo : 

„Ich  habe  mich  wohl  gehütet,  das  Thema  weiterzuführen,  doch 
könnte  ich  schon  jetzt  wetten,  daß  die  Engländer,  wenn  wir  auf  die 

1)  Vivenot,  I,  S.  82.  FM.  Graf  Möllendorf  war  1794  Kommandant  der 
preußischen  Armee  am  Ehein,  Lucchesini  preußischer  Gesandter  in  Wien. 


—     163     — 

Unterredung  zurückkommen,  sicherlich  erklären,  man  möge  ihnen 
Mack  wieder  geben.  In  all  dem  erkenne  ich  mit  Sicherheit  das 
meisterhaft  gesponnene  Gewebe  dieser  allmächtigen  Liga  und  ver- 
stehe jetzt  mehrere  Bemerkungen  Fischers,  dessen  Hersendung  sicht- 
lich mit  demselben  Plan  wie  dem  Seiner  königlichen  Hoheit  in  Zusammen- 
hang stand.  Es  sollte  die  Annahme  der  Pläne  Preußens  von  Seiner 
Majestät  erreicht  werden,  die  seinerzeit  von  Mack  nach  den  Ideen 
Malmesburys  ausgeheckt  worden  waren. 

„Ich  muß  zugeben,  daß  dies  alles  sehr  geschickt  erdacht  ist  und 
verstehe  ebensogut,  daß  es  den  fremden  Höfen  sehr  nützlich  wäre, 
wenn  die  Interessen  Seiner  Majestät  Leuten  anvertraut  würden,  deren 
man  völlig  sieher  ist  und  die  man  sich  enge  verbunden  hat^);" 

weiter  am  11.  August  1794: 

„...Da  der  Wechsel  im  Oberkommando  wieder  in  Frage 
steht,  ereignete  sieh  das,  was  ich  erwartete,  d.  h.,  daß  die  Eng- 
länder deutlich  Mack  für  die  Führung  unter  dem  Erzherzog  in 
jedem  Falle  mit  dem  General  Browne  bezeichneten...^),'* 

und  am  21.  August  1796: 

„...Es  ist  gewiß,  wie  Euer  Exzellenz  es  bemerken,  daß  Mack 
keine  24  Stunden  mit  Bellegarde  leben  könnte  und  dies  unbedingt 
ein  Ding  der  Unmöglichkeit  wäre.  Bezüglich  des  sittlichen  Wertes 
glaube  ich,  daß  Mack  und  Lindenau  zum  mindesten  sich  die  Wage 
halten  und  das  gleiche  Maß  an  Vertrauen  verdienen,  und  ich  würde 
den  zweiten  noch  aus  dem  Grunde  für  vorziehenswert  halten,  daß 
es  zum  mindesten  nicht  sehr  wahrscheinlich  ist,  Lindenau  verriete 
uns  an  Preußen,  das  er  so  schwer  verletzt  hat,  während  Mack  mit 
Leib  und  Seele  den  Preußen  ergeben  ist  und  keinen  anderen  Abgott 
hat  als  sein  teures  Preußen.  Geruhen  Eure  Exzellenz  sieh  der  Eänke 
Macks  mit  Möllendorf  zu  erinnern,  dem  er,  man  kann  es  sagen,  den 
Feldzugsplan  verriet,  mit  dessen  Durchführung  ihn  Seine  Majestät 
im  Frühjahr  1794  beauftragt  hatte.  Geruhen  Eure  Exzellenz  sich 
der  unerhörten  Art  zu  entsinnen,  in  der  Mack  gegen  die  Befehle 
Seiner  Majestät  in  England  pflichtwidrig  handelte;  seiner  Bänke 
mit  Lord  Malmesbury;  der  entehrenden  Abreise,  zu  der  er  die 
Kühnheit  hatte.  Seine  königliche  Hoheit  zu  bewegen,  indem  er  ihn 
bewog,   mit  Extrapost   nach  Wien  zu  reisen,   um  Seine  Majestät  zu 


1)  Vivenot,  L  S.  121. 

2)  Vivenot,  I,  S.  123. 

11* 


—     164     — 

überreden,  sich  in  die  Fallen  zu  stürzen,  die  ihm  die  Preui3en 
stellten  u.  s.  w.  Ich  Ijin  sieher,  daß  in  Überlegung  dieser  Tatsachen 
Eure  Exzellenz  wie  ich  denken  werden,  daß  es  unmöglich  ist.  daß 
es  nach  derlei  Taten  je  in  Frage  kommen  könne,  sich  Maeks  zu  be- 
dienen, und  noch  weniger,  ihn  je  in  die  Nähe  Seiner  königlichen 
Hoheit  zu  stellen.  Es  entgeht  keineswegs  der  Klugheit  Eurer  Ex- 
zellenz, wie  gefährlich  es  ist,  Personen  von  so  hohem  Eang  an 
Menschen  von  solcher  Verderbtheit  auszuliefern.  Es  gibt  kaum 
Talente,  die  so  bedeutende  Charakterfehler  ausgleichen  könnten,  ob- 
gleich ich  nach  dem  von  Mack  erteilten  Rat,  Landrecy  zu  belagern, 
und  nach  der  Schlacht  vom  18.  Mai  sogar  weit  davon  entfernt  bin, 
eine  besondere  ]Meinung  von  dessen  Führertalenten  zu  haben  ^)." 

Die  Engländer  hatten  ihn  denn  auch  1796  für  das  Ober- 
kommando der  portugiesischen  Armee  vorgeschlagen  und  die 
Übertragung  des  Kommandos  der  neapolitanischen  Armee  1798  an 
Mack  erfolgte  nicht  ohne  Zutun  der  englischen  Regierung. 

Nach  diesen  Beispielen  aus  früherer  Zeit  wü-d  man  den  Ver- 
lauf der  Verhandlungen  mit  dem  russischen  General  Wintzingerode 
besser  verstehen. 

Nach  den  Aufzeichnungen  des  GM.  v.  Mayer  herrschte  1805 
in  Wien  die  Meinung  vor,  daß  Collenbach  und  Mack  die  Haupt- 
triebtedern  des  Krieges  im  Interesse  Englands  seien,  und  man  fügte, 
sagt  GM.  V.  Player,  wie  gewöhnlich  auch  den  Verdacht  der  Be- 
stechung hinzu.  Über  diesem  Verda'cht,  durch  Geld  bestochen  zu 
sein,  steht  nun  Mack  allerdings  erhaben  da  —  aber  die  Engländer 
haben  ihn  doch  für  sich  und  ihre  Interessen  gewonnen,  indem  sie 
ihn  in  seine  führende  Stellung  brachten. 

Oberst  Graf  Neipperg  sagt  über  Mack: 

„Mack  hatte  sich  in  untergeordneten  Verhältnissen  einen  ver- 
dienten Ruf  erworben,  welcher  selbst  seinen  kläglichen  Feldzug 
in  Neapel  und  seine  Katastrophe  in  Capua  überlebte.  Der  englische 
Einfluß  und  die  Partei,  welche  den  Krieg  wollte,  haben  ihn  aus 
seiner  Zm-ückgezogenheit  herausgerissen  und  brachten  ihn  an  das 
militärische  Ruder  ^)." 

Den  Engländern  war  es  natürlich  ganz  gleichgültig,  ob  Mack 
ein  guter  oder  schlechter  Heerführer  war,   wenn   er  nur  Österreich 


1)  Yivenot,  I,  S.  330. 

2j  Kriegsaiehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  XUl,  46. 


—     165     — 

in  den  Krieg-  trieb,  dadurch  Napoleon  von  der  Küste  entfernte  und 
von  seinem  Landungsprojekt  abbrachte. 

Erzherzog  Karl  schrieb  am  6.  September  1806  an  den 
Kaiser  ^) : 

„...Euer  Majestät  erlauben  mir,  bei  der  Entscheidung  dieser 
Angelegenheit  mich  jedes  Gutachtens  zu  enthalten.  Nachdem  im 
Herbste  verflossenen  Jahres  der  hier  anwesende  englische  Gesandte 
geschrieben,  daß  FML.  Mack  durch  meine  Abneigung  gegen  ihn  in 
seinen  Operationen  und  Entwürfen  gehemmt  sei;  nachdem  das  eng- 
lische Ministerium  diesen  Brief  zur  Kenntnis  des  europäischen 
Publikums  gebracht  hat,  so  glaube  ich  vor  den  Augen  Eurer 
Majestät  und  der  Welt  meine  vollkommene  Unparteihchkeit  nicht 
besser  zu  rechtfertigen,  als  indem  ich  Euer  Majestät  bitte,  durch 
wen  immer  sich  ein  Gutachten  abstatten  zu  lassen..." 

Mack  war  von  einer  geradezu  unverwüstlichen  Unverfrorenheit 
und  Unempfindlichkeit  gegen  Mißerfolge ;  kein  Mißerfolg  konnte  ihm 
die  Augen  über  seine  Unfähigkeit  öffnen,  nie  legte  er  selbst  einen 
strengeren  Maßstab  an  seine  eigenen  Leistungen  und  Fehler.  Wenn 
die  Armee  und  der  Staat  auch  in  Gefahr  kamen,  durch  ihn  zu  gründe 
gerichtet  zu  werden,  so  mußte  nach  seiner  Meinung  doch  alles  gut 
sein,  was  er  machte.  Immer  versuchte  er  mit  der  größten  Ungeniert- 
heit alle  Schuld  an  seinen  Mißerfolgen  anderen  Personen  aufzu- 
halsen. 

Der  Feldzug  Macks  in  Neapel  hatte  bekanntlich  einen  jämmer- 
lichen Ausgang  genommen;  die  etwa  38.000  Mann  starke  neapoli- 
tanische Armee  wurde  von  den  15.000  Franzosen  Ohampionets  in 
kurzer  Zeit  in  alle  Winde  zersprengt.  Dieses  Ende  wirkte  um  so 
überraschender,  als  Mack  vorher  die  neapolitanische  Armee  als 
schön  und  gut  bezeichnet  und  in  bombastischen  Worten  einen  guten 
Ausgang  verkündet  hatte.  Nach  dem  Debacle  gab  er  allem  die 
Schuld  am  Mißerfolge,  den  schlechten  Generalen,  der  Feigheit  der 
Armee,  der  Yerräterei  der  Neapolitaner  —  nur  Mack  allein  sollte 
kein  Vorwurf  treffen,  obwohl  er  die  Armee,  die  er  nicht  kannte,  in 
viele  weitgetrennte  Kolonnen  zersplittert  hatte,  anstatt  sie  zusammen- 
zuhalten. 


^)  Es  handelte  sieh  da  um  ein  Gutachten  über  die  Armeeführung  Maeks, 
das  von  Erzherzog  Karl  für  die  kriegsgerichtliche  Untersuchung  wider  FML.  Mack 
abverlangt  worden  war. 


—     166     — 

Trotz  diesem  ausgesprochenen  Mißerfolge  wagte  er  es  doch 
1805  wieder,  sich  in  eine  führende  Stellung  zu  drängen.  Nach  dem 
Peldzuge  von  Ulm  lag  die  Schuld  des  Mißerfolges  natürlich  wieder 
nur  an  den  anderen.  General  Graf  Segur  erzählt  in  seinen  Memoiren 
über  eine  Begegnung  mit  Mack  im  Vorzimmer  Napoleons  im  Kloster 
von  Elchingen:  „Als  Mack  aus  dem  Zimmer  des  Kaisers  kam  und 
mich  bemerkte,  rief  er  aus:  ,Es  ist  grausam,  entehrt  zu  sein  in 
der  Meinung  so  vieler  tapferer  Offiziere.  Ich  habe  übrigens  meine 
geschriebene  und  unterzeichnete  Ansieht  in  der  Tasche,  nach  der 
ich  mich  dagegen  gewehrt  habe,  daß  man  meine  Armee  zersplitterte : 
aber  ich  habe  sie  nicht  kommandiert,  der  Erzherzog  Ferdinand 
war  da.'^)" 

Bei  der  Abreise  Macks  von  Ulm  am  21.  Oktober  begleiteten 
ihn  alle  Generale  und  sein  Stab  zum  Wagen.  Mack  verabschiedete 
sich  mit  den  Worten :  ,.Ich  habe  die  österreichische  Monarchie  ge- 
rettet und  begebe  mich  nun  zu  Seiner  Majestät  nach  Wien-).'' 

Auch  lange  nach  dem  Feldzuge  von  Ulm  fehlte  Mack  noch 
jede  Selbsterkenntnis. 

Nach  Yerhängung  der  kriegsgerichtlichen  Untersuchung  schrieb 
Mack  an  Kaiser  Franz: 

„Die  einzige  Gnade,  die  ich  von  Eurer  Majestät  noch  zu  bitten 
wage,  ist  ein  Kriegsgericht,  vor  welchem  ich  meinen  Anklägern 
antworten  und  zugleich  mich  selbst  über  Rücksichten,  Schonungen, 
Unentschlossenheit  etc.,  wozu  ich  mich  gegen  die  Überzeugung 
meines  Gewissens  vor  und  seit  dem  Ausbruche  des  Krieges  durch 
hohen  Eang  und  hohe  Geburt  verleiten  ließ,  anklagen  werde.  Aber 
auch  die  Personen,  welchen  ich  oft  meine  Überzeugungen  opferte, 
so  groß  und  erhaben  sie  sind,  werde  ich  anklagen:  wie  der  eine 
schon  vor  Ausbruch  des  Krieges  das  Unglück  der  Armee  in 
Deutschland  gründete,  der  andere  seit  dem  Ausbruche  des  Krieges 
förderte. 

„Ich  werde,  ich  will  das  Opfer  meiner  Anklagen  sein,  denn 
nach  allem,  was  vorgefallen,  kann  das  Leben  keinen  Wert  für  mich 
haben,  und  ich  kann  wenigstens  hoffen,  Euer  Majestät  und  Ihre 
Monarchie  endlich  und  vielleicht  noch  in  rechter  Zeit  vor  den 
schrecklichen,   immer   mehr  um   sich   greifenden  Folgen   zu   retten, 


0  Segur,  ,.De  1800  ä  1812.  Un  aide  de  eauip  de  Napoleon".  S.  211. 
■^)  Biographie  des  FML.  Franz  Freiherrn  Abele  von  und  zu  Lilienberg. 


—     IGT     — 

die  Ihre  Eächsten  Verwandten  hervorgebracht  halben  und  immer  mehr 
und  mehr  hervorzubringen  fortfahreu  werden^)." 

Mack  behauptete  am  16.  November  1806,  daß  er  in  der  letzten 
Sitzung  vor  seinem  Abgange  zur  Armee  (29.  August)  die  Aufstellung 
eines  Intermediärkorps  von  6  Infanterie-  und  2  Kavallerieregimentern 
in  Brixen  für  die  k.  k.  Armee  in  Deutschland  vorgeschlagen  habe, 
was  aber  verworfen  wurde.  Erzherzog  Ferdinand  und  GM.  v.  Mayer 
sagen  aber  beide  übereinstimmend  aus,  daß  dieser  Vorschlag,  d.  h. 
die  Verstärkung  der  Armee  in  Deutschland  von  ihnen  ausging,  die 
Zustimmung  Erzherzog  Karls  und  EML.  Zachs  fand,  aber  von  Mack 
heftig  bekämpft  worden  war.  Mack  begründete  dies  nach  Angabe 
des  Erzherzogs  Ferdinand  damit,  daß  Napoleon  höchstens  70.000 
Mann  gegen  uns  anrücken  lassen  könne,  da  er  30.000 — 40.000 
Mann  an  den  Küsten,  20.000  bei  Paris  lassen  müsse,  seine  Armee 
schon  20.000  Kranke  zähle,  er  Holland  und  Hannover  besetzt  halten 
und  auch  Verstärkungen  nach  Italien  senden  müsse ^). 

Mack  war  es  auch,  der  die  bereits  nach  Deutschland  dirigierten 
Eegimenter  wieder  nach  Italien  zurückbeorderte,  so  daß  sie  dann  zu 
spät  kamen.  Die  Schuld  an  der  Schwäche  der  deutschen  Armee 
trugen  aber  nach  seinen  späteren  Rechtfertigungen  doch  alle  anderen, 
nur  nicht  er  selbst^). 

Am  25.  August  1806  schrieb  er  an  den  Kaiser: 

„Warum  vertrauten  sie  (die  Generale)  gar  nicht  im  geringsten 
auf  meine  lange  und  ausgebreitete  Erfahrung,  die  keiner  von  ihnen 
haben  konnte,  weil  keiner  von  ihnen  in  dem  Fall  gewesen  war,  sie 
wie  ich  zu  erlangen !  .  .  .  .  und  so  fühle  ich  auch;  wie  meine  Ge- 
nerale, unkundig  in  der  Partie  des  Kriegswesens,  um  die  es  sich 
handelte,  bloß  aus  treuestem  Eifer  größeres  Übel  abzuwenden,  sich 
bis  zur  Verletzung  der  Subordination  verleiten  lassen  und  wne  sie 
in  derselben  beharren  konnten*)." 


M  Xriegsarehiv.  1805,  Deutsehland  FA,  XIII,  164. 

'0  Kriegsarelnv,  1805,  Deutschland  FA,  XIII,  106. 

Leider  ist  das  Protokoll  über  die  Konferenz  vom  29.  August,  das  am 
5.  Oktober  1805  dem  Kaiser  Franz  übergeben  worden  ist  (Kriegsarehiv,  Kriegs- 
ministerialakten,  1805,  X,  26),  weder  im  Kriegsarelnv  noch  im  Hof-  und  Staats- 
arehiv zu  finden  gewesen. 

^)  Vergleiche  damit  die  Angaben  der  Maeksehen  Reehtfertigungssehrift, 
S.  423,  Fußnote  ^ 

*)  Der  Vorwurf  der  Subordinationsverletzung  war,  wie  die  gerichtliche 
Untersuchung  ergeben  hat,  vollkomiuen  unberechtigt.  Siehe  darüber  die  Angaben 
bei  Angeli:  „Ulm  und  Austerlitz",  Mitteilungen  des  Kriegsarehivs,  I.  Jahrgans:, 
S.  486. 


—     168     — 

Das  Verwerflichste  ist  aber,  daß  Mack  zum  Schlüsse  die  Armee, 
die  er  ohne  Schlacht,  durch  schlecht  eingeleitete,  übermäßig  forcierte 
Märsche,  durch  unnötiges  Hin-  und  Hermarschieren,  durch  Verpflegs- 
mangel  und  verfehlte  Operationen  vollständig  ruiniert  hatte,  schmähte 
und  ihre  Haltung  mit  als  Ursache  des  Unglücks  darstellte.  Er  sagt 
in  den  „Merkwürdigen  Data"^): 

„Es  ist  im  höchsten  Grade  beklagenswert,  daß  mehr  als  jemals 
ein  erklärter  Hang  nach  Bequemlichkeit,  ein  Abscheu  gegen  alles, 
was  mit  dieser  nicht  vereinbar! ich  ist.  frech  ihr  Haupt  in  der  Armee 
emporzuheben  wagen  durfte.  Die  Offiziere,  besonders  die  höheren 
Grade,  tragen  daran  fast  allein  die  Schuld.  Bei  sehr  vielen  be- 
stimmten leider  bloß  Rücksichten  auf  ihre  eigenen  Personen,  ihre 
Pferde  und  Equipagen  das  Maß  ihres  Eifers,  ihres  Willens,  ihrer 
Urteile;  die  Erhaltung  der  Soldaten  und  Dienstpferde  ist  der  Vor- 
wand, den  sie  schrecklich  mißbrauchten." 

Also  auch  Ulm  hatte  diesen  Mann  noch  nicht  über  seine  Un- 
fähigkeit aufgeklärt.  Ja,  Mack  beschleunigte  die  Überg'abe  Ulms 
nur,  um  rasch  zum  Kaiser  zu  kommen  und  ihm  seinen  Rat  zu  er- 
halten, und  als  er  die  russische  Armee  bei  Braunau  passierte,  wagte 
er  es  noch  immer,  als  Ratgeber  Kutusows  aufzutreten  ;  von  St.  Polten 
aus  sandte  er  richtig  schon  einen  Operationsplan  über  die  fernere 
Kriegführung ! 

Es  ist  nur  unbegreiflich,  daß  man  diesen  Charakter  in  Wien 
nicht  rechtzeitig  erkannte,  obwohl  Erzherzog  Karl  und  andere  ihn 
wiederholt  richtig  abgeschätzt  hatten. 

Napoleon  brauchte  mit  Mack  nur  kurze  Zeit  zu  verkehren, 
(während  dessen  Getangenschaft  in  Paris),  um  ihn  in  seiner  ganzen 
Nichtigkeit  zu  erkennen: 

„Mack  ist  einer  der  mittelmäßigsten  Menschen,  die  ich  in 
meinem  Leben  gesehen  habe.  Voll  Eigendünkel  und  Eigenliebe,  hält 
er  eich  zu  allem  fähig.  Er  ist  nichts  mehr;  aber  es  wäre  zu 
wünschen,  daß  er  einst  in  Zukunft  einem  unserer  guten  Generale 
entgegengestellt  würde,  er  würde  schöne  Dinge  sehen;  er  ist 
prahlerisch  und  das  ist  alles.  Es  ist  das  einer  der  unfähigsten 
Menschen,  die  es  gibt,  wozu  noch  kommt,  daß  er  Unglück  hat^)." 


^)  Beilage  zu  einem  Briefe  Macks    an  General  Wintzingerode,   datiert  von 
Selowitz,  16.  November  1806.  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIII,  80. 
2)  Bourrienne,  „Memoires",  III,  S.  275. 


—     169     — 

Nach  anderen  Angaljen  bezeichnete  Napoleon  ihn  als  Ohar- 
latani). 

Napoleon,  der  Maeks  Charakter  und  Wertlosigkeit  so  richtig 
beurteilte,  beeilte  sich  denn  auch,  den  gefangenen  General  nach  der 
Übergabe  von  Ulm  mit  Aufträgen  zu  Kaiser  Franz  zu  senden,  ohne 
Mack  durch  Ehrenwort  zu  binden.  Napoleon  ließ  also  Mack  frei, 
offenbar  in  der  Überzeugung,  daß  dieser  General  an  der  Seite  des 
Kaisers  Franz  der  französischen  Armee  viel  nützlicher  sein  konnte 
als  in  der  Gefangenschaft.  Erzherzog  Karl  ist  überzeugt  gewesen, 
daß  Napoleon  nur  aus  diesem  Grunde  ihn  so  gnädig  behandelte 
und  an  den  Kaiser  aljsandte  ^). 

Menschenkenntnis  ist  die  Eigenschaft,  die  Monarchen  groß 
machen  kann,  auch  wenn  sie  sell)st  nicht  alle  Fähigkeiten  zur 
Größe  in  sich  vereinigen  sollten.  Wilhelm  I.  hat  seine  Menschen- 
kenntnis, die  ihn  die  richtigen  Männer  wählen  und  an  ihnen  fest- 
halten ließ,  groß  gemacht,  und  mit  Recht  wird  ihm  die  Geschichte 
den  Beinamen  „der_Große"  geben.  Diese  Menschenkenntnis  kann  man 
sieh-tcher^mchlTin  Abgeschlossenheit  erwerl^en;  man  erhält  sie  nur 
im  regen  Verkehr  mit  Menschen  und  nur  dann,  wenn  man  sich 
nicht  von  seiner  einmal  erwählten  Umgebung  allein  beraten  läßt. 
Das  Unglück  des  Kaisers  Franz  war,  daß  er  in  der  Wahl  seiner 
Eatgeber  oft  Mißgriffe  machte  und  daß  er  die  einzigen  ihm  mit 
treuem  Rate  zur  Seite  Stehenden,  seine  Brüder  Karl  und  Johann, 
von  sich  verdrängen  ließ  —  weil  ihr  Rat  nicht  immer  ange- 
nehm klingen  mochte.  •^Die  Wahrheit  ist  eben  meist  bitter: 
Schmeichler  und  Hofschranzen,  die  sich  nur  im  Scheine  der  ungetrübten 
fürstlichen  Gnade  sonnen  wollen,  waren  von  jeher  die  größten 
Feinde  und  schlechtesten  Diener  der  auf  einsamer  Höhe  stehenden 
Herrscher.  Ein  treuer  Diener  seines  Kaisers  darf  es  nicht  scheuen, 
ihm  auch  dann  die  Wahrheit  zu  sagen,  wenn  diese  bitter  klänge 
und  er  deswegen  in  Gefahr  käme,    die  Gnade  seines  Herrn  zu  ver- 


^)  Wertheimer,  „Geschichte  Österreichs  und  Ungarns  etc.",  S.  231.  Danach 
soll   sieh  Napoleon  geäußert  haben:  „Ce  Mack  n'est  pas  qu'un  eharlatan." 

^)  Bei  der  Waffenstreckung  der  österreichischen  Armee  am  20.  Oktober 
soll  Napoleon  dem  FML.  Mack  zugerufen  haben: 

„Ich  könnte  Sie  hängen  lassen,  denn  Sie  haben  Ihr  mir  gegebenes  Ehren- 
wort, sich  von  Paris  nicht  zu  entfernen,  gebrochen ;  Sie  haben  mir  aber  zu  gute 
Dienste  geleistet,  deshalb  erlaube  ich  Ihnen  auch  hinzugehen,  wohin  Sie  wollen." 

Biographie  des  PML.  Franz  Preiherrn  Abele  von  und  zu  Lilienberg. 


—     170     — 

lieren.  Lieber  ein  treuer  Diener  seines  Fürsten  in  Ungnade  sein, 
als  das  Wohl  des  Fürsten  und  des  Staates  um  ein  fürstliches 
Gnadenlächelu  verkaufen. 


> 


Mack  war  ein  Schüler  des  FM.  Grafen  Lacy,  )jei  dem  er  schon 

als  Oberleutnant  Sekretärdienste  versah  und  dessen  Generalquartier- 

q^     meister  er  im  Türkenkriege  von  1788  war.     Von  ihm  lernte  er  die 

ß^unst,    Kriegspläne  zu  entwerfen   und   die   Ausübung   dieser   Kunst 

bildete  seine  hauptsächliche  Tätigkeit. 

Eine  für  diese  Schule  charakteristische  Episode  läßt  sich  aus 
dem  Türkenkriege  1788  anführen. 

Als  ein  türkisches  Heer  bei  Mehadia  auf  österreichisches 
Gebiet  eingedrungen  war  und  das  dort  stehende  Korps  zurück- 
gedrängt hatte,  kam  FM.  Graf  Lacy  mit  seiner  Armee  diesem  Korps  zu 
Hilfe.  Beide  Heere  lagerten  einander  in  einem  Tale  gegenüber.  Der 
Feldmarschall  entdeckte  nun  eine  nahe  dem  türkischen  Heere  liegende, 
von  den  Türken  unliesetzt  gebliebene  Anhöhe,  die  für  einen  Au- 
griff viele  Vorteile  bot.  Mack  erhielt  den  Auftrag,  alle  Anordnungen 
für  einen  Angriff  zu  entwerfen,  der  unter  Benützung  dieser  Anhöhe 
auf  das  türkische  Lager  durchgeführt  werden  sollte.  Am  folgenden 
Tage  wurden  die  Generale,  die  hiebei  die  wichtigsten  Aufgaben  er- 
hielten, versammelt,  um  den  Plan  an  Ort  und  Stelle  zu  erklären 
nnd  festzusetzen,  was  jeder  am  nächstfolgenden  Tage  zu  machen 
haben  werde.  Als  Mack  mit  der  Verlesung  des  Planes  und  Lacy 
mit  seinen  Erklärungen  kaum  bis  zur  Hälfte  gekommen  waren,  be- 
setzte eine  starke  türkische  Abteilung  mit  zahlreichem  Geschütz  die 
so  wichtige  Anhöhe.  Der  ganze  schön  entworfene  Plan,  dessen  Ent- 
wurf, Ausgabe  und  Durchführung  im  Angesichte  des  Feindes  drei 
Tage  beanspruchten,  war  vereitelt  worden.  An  seine  Stelle  trat  ein 
Plan  für  den  Rückzug. 

Dieselbe  Art,  Tage  voraus  komplizierte  und  detaillierte  Pläne 
zu  schmieden,  ohne  Rücksicht  auf  die  möglichen  Gegenaktionen  des 
Feindes,  übte  Mack  in  den  folgenden  Kriegsjahren  und  1805  auch 
gegen  Napoleon.  War  ein  Plan  durch  den  Feind  vereitelt  worden, 
nun  so  wurde  eben  ohne  jede  Entmutigung  ein  neuer,  noch  besserer 
entworfen.  Das  „Planemachen"  schien  für  ihn  nicht  Mittel,  sondern 
Zweck  zu  sein. 

Erzherzog  Karl  schrieb  am  1.  Oktober  aus  Italien  an  den 
Herzog   von  Sachsen-Teschen :    ..Seit  Mack  alles   leitet,    kann   man 


—     171     — 

sich  nicht  helfen;  ich  glaube,  daß  er  jeden  Tag  einen  neuen 
Plan  hat." 

Wie  recht  der  Erzherzog  urteilte,  wird  der  Verlauf  des  Feld- 
zuges dartun. 

Aber  nicht  nur  der  Erzherzog  Karl  hatte  sich  ein  richtiges 
Urteil  über  Mack  gebildet;  auch  Pernerstehende  mußten  schon  da- 
mals Mack  und  seine  Fähigkeiten  richtig  geschätzt  haben. 

Ein  Franzose,  der  von  Wien  aus  die  französische  ßegierung 
mit  Nachrichten  versorgte,  meldete  am  4.  September  1805,  daß 
Mack  zur  Führung  der  Armee  in  Deutsehland  ausersehen  sein  solle. 
Er  fügte  bei: 

„Es  wäre  zum  mindesten  unklug,  unter  den  obwaltenden  Um- 
ständen einen  General  zu  verwenden,  der  dafür  gilt,  einiges  Talent 
in  der  Kanzlei  entfalten  zu  können,  der  aber  in  allen  seinen  Unter- 
nehmungen gescheitert  ist,  sei  es  durch  Ungeschicklichkeit  oder 
aber  wegen  entschiedenen  Unglücks^)." 


Diese  Charakterschilderung  zeigt  Mack  als  das  Urbild  eines 
skrupellosen  und  egoistischen,  krankhaft  veranlagten  Strebers. 

Das  Charakterbild  Macks  wurde  so  eingehend  geschildert,  weil 
beim  Soldaten  und  besonders  beim  Feldherrn  der  Charakter  gleich- 
wertig neben  dem  Wissen  steht  und  hier  an  diesem  krassen  Bei- 
spiele durch  den  Verlauf  der  Operationen  gezeigt  werden  soll,  wie 
dieser  Charakter   den  Mißerfolg   notwendig  zur  Folge  haben  mußte. 


^)  Wertheim  er,  „Geseliiehte  Österreichs  und  Ungarns  etc.",  S.  231. 

Wer  sieh  über  den  Charakter  Maeks  noch  genauer  informieren  will,  lese 
die  Rechtfertigung  Macks  über  die  Kapitulation  von  Ulm  (Raumers  „Historisches 
Taschenbuch",  1873)  und  vergleiche  deren  Inhalt  mit  den  in  diesem  Buche  wieder- 
gegebenen Dokumenten  und  Tatsachen. 

Außer  dieser  Denkschrift,  die  erwiesenermaßen  von  Mack  selbst  stammt, 
gibt  es  auch  eine  Schrift  „Verteidigung  des  österreichischen  Feldzuges  von  1805. 
Dem  Hofkriegsrat  übergeben  von  dem  Generalfeldzeugmeister  (!)  v.  Mack.  Wien 
1806."  In  der  Vorrede  gibt  der  Herausgeber  an,  daß  er  nicht  wisse,  ob  die 
Schrift  das  eigenhändige  Werk  Macks  sei,  wofür  das  Manuskript  starke  Vermutung 
gebe,  oder  ob  irgend  ein  Freund  hier  in  seinem  Namen  auftrete.  Die  Schrift 
enthält  so  viel  Unrichtigkeiten,  V-erdrehungen  und  direkt  lügenhafte  Angaben, 
daß  es  widerstrebt,  Mack  mit  diesem  Machwerk  in  Verbindung  zu  bringen;  auch 
nur  eine  sehr  sonderbare  Freundschaft  könnte  solche  Mittel  zur  Rechtfertigung 
Macks  anwenden.  Die  Schrift  seheint  vielmehr  ein  heimtückischer  Angriff  auf 
den  unglücklichen  Mack  gewesen  zu  sein. 


—     172     — 

Charaktere  wie  ^laek  kommen  sehr  häufig  vor  —  häufiger  als 
man  glaubt  —  und  gedeihen  besonders  dort,  wo  Oljerfläehlichkeit, 
Ehrsucht  und  Cliquenwirtschaft  herrschen  und  die  Herzensgüte  und 
geringe  Menschenkenntnis  hoher  Personen  ihr  Überwuchern  be- 
günstigen. 

Solche  skrupellose  Charaktere  erwecken,  wenn  sie  mit  guten 
Geistesgaben  und  geschwätziger  Beredsamkeit  gepaart  sind,  leicht 
den  Schein  von  Gescheitheit  und  Genialität;  sie  können  daher  ge- 
rade dann  für  den  Staat  ganz  besonders  gefährlich  werden. 


Erzherzog  Ferdinand  von  Österreich-Este^). 

Erzherzog  Ferdinand  war  im  Alter  von  24  Jahren  berufen 
worden,  ein  Armeekommando  zu  führen;  er  kam  also  in  noch  jüngeren 
Jahren  zu  dieser  schwierigen  Aufgabe  als  Napoleon.  Er  hatte  die 
Feldzüge  1799  und  1800  in  Deutschland  mit  Auszeichnung  mit- 
gemacht. 

Als  er  seine  Ernennung  zum  Armeekommandanten  erfuhr,  bat 
er  den  Kaiser  unter  Berufung  auf  seine  Jugend  und  ünerfahrenheit, 
ihm  dieses  Kommando  nicht  anzuvertrauen,  sondern  ihn  als  Feld- 
marschalleutnant  bei  der  Armee  des  Erzherzogs  Karl  zu  verwenden. 
Der  Kaiser  verwies  ihm  das  geringe  Selbstvertrauen  und  sagte, 
daß  er  selbst  zur  Armee  kommen  werde,  der  Erzherzog  aber 
Mack,  Mayer  und  andere  tüchtige  Generale  an  seiner  Seite  haben 
werde. 

Der  Erzherzog  führt  in  seiner  Geschichte  des  Feldzuges  ^)  an, 
daß  ihn  nicht  nur  das  Gefühl  der  eigenen  UnzulängUchkeit  zu 
seiner  Bitte  veranlaßt  habe,  sondern  auch  die  Voraussicht  der 
Kollisionen  mit  dem  FML.  Mack  und  mit  den  russischen  Generalen. 

Als  der  Erzherzog  erkannte,  daß  er  der  ihm  zugedachten  Ver- 
wendung nicht  entgehen  könne,  widmete  er  sich  den  Vorarbeiten 
mit  dem  größten  Eifer. 


')  Erzherzog  Ferdinand  von  Österreich-Este  war  am  25.  April  1781  als 
Bruder  des  Herzogs  Franz  des  TY.  von  Modena  in  Mailand  geboren  und  trat 
1799  aus  der  Militärakademie  zu  Wr.-Xeustadt  in  die  Armee  ein.  1800  wurde  er 
Kommandant  einer  Kavalleriedivision. 

2)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  XIII,  106. 


—     173     — 

Im  Armeekommando  standen  somit  zwei  Personen  an  der  Spitze 
■der  Leitung: 

Der  junge,  unerfahrene  Armeekommandant  und  FML.  v.  Mack, 
der  im  vorgerückten  Alter  stand,  auf  seine  reiche  Erfahrung  pochte 
und  die  tatsächliche  Armeeleitung  beanspruchte. 

Interessant  ist  es  nun,  im  Verlaufe  der  Operationen  zu  ver- 
folgen, wie  klar  und  treffend  der  unerfahrene  Jüngling  stets  urteilte 
und  wie  wenig  anderseits  die  Urteile  und  Anordnungen  des  auf  seine 
Erfahrung  pochenden  Mack  den  tatsächlichen  Verhältnissen  ent- 
sprachen, eine  glänzende  Illustration  zu  dem  Ausspruche  Friedrichs 
des  Großen  über  „die  Erfahrung"  ^). 

*)  Der  Begriff  Erfahrung  wird  meist  mißbraucht.  Man  versteht  darunter 
gewöhnlich  lange  gelebt  und  viel  mitgemacht  zu  haben. 

Friedrich  der  Große  sagt  darüber  in  seinen  „Betrachtungen  über 
die  Taktik  und  über  einige  Seiten  der  Kriegführung": 

„Was  lohnt  es  zu  leben,  wenn  man  nur  vegetiert?  Was  lohnt  es  zu  sehen, 
wenn  man  nur  Tatsachen  in  seinem  Gedächtnis  anhäuft?  Was  nützt  mit  einem 
Worte  die  Erfahrung,  wenn  sie  nicht  durch  Nachdenken  fruchtbar  gemacht  wird? 

„Vogetius  sagt:  ,Der  Krieg  soll  uns  zum  Studium,  der  Friede  zur  Übung 
dienen.'  Er  hat  recht. 

„Die  Erfahrung  erfordert  eine  gründliehe  Untersuchung ;  erst  nach  wieder- 
holter Prüfung  gelangen  die  Künstler  zur  Erkenntnis  der  Grundbedingungen  und 
in  den  Augenblicken  der  Muße,  zur  Zeit  der  Ruhe,  heißt  es  nur  Stoffe  für  die 
Erfahrung  vorzubereiten.  Diese  Untersuchungen  sind  das  Erzeugnis  eines  streb- 
samen Geistes.  Aber  wie  selten  ist  dieses  Streben  und  wie  häufig  sieht  man  hin- 
gegen Menschen,  welche  alle  ihre  Glieder  abgenützt,  aber  niemals  Gebrauch  von 
ihrem  Geiste  gemacht  haben.  Das  Nachdenken,  die  Fähigkeit,  Ideen  zu 
verbinden,  das  ist  es,  was  den  Mensehen  vom  Lasttier  unterscheidet.  Ein 
Maultier,  welches  während  zehn  Feldzügen  des  Prinzen  Eugen  den  Paeksattel 
getragen  hat,  wird  dadurch  noch  kein  besserer  Taktiker  geworden  sein.  Zur 
Schande  der  Menschheit  muß  man  gestehen,  daß  viele  in  einem  sonst  so  ehren- 
vollen Beruf  alt  werden,  ohne  bessere  Fortschritte  zu  machen  als  dieser  Maulesel. 

„Dem  hergebrachten  Gange  des  Dienstes  folgen,  Sorge  für  Tisch  und 
Nahrung  tragen,  marschieren,  wenn  marschiert  wird,  sieh  lagern,  wenn  gelagert 
wird,  sieh  schlagen,  wenn  alle  anderen  sich  schlagen,  das  heißt  bei  einer  großen 
Zahl  von  Offizieren  gedient  und  Krieg  geführt  haben,  unter  den  Waffen  grau 
geworden  sein." 

Nach  dieser  Erklärung  des  wahrhaft  erfahrenen  großen  Feld  he  rrn  ist 
also  das  Erleben  Nebensache,  das  richtige  Ergründen  der  Ereignisse  aber 
die  Hauptsache,  um  von  Erfahrung  sprechen  zu  können. 

Moltke,  der  den  Feldzug  1859  nicht  mitgemacht,  also  nicht  uiiterlcbt  hat, 
hat  die  Ereignisse  dieses  Krieges  gründlicher  und  folgerichtiger  durchdacht,  als 
es  die  Österreicher  und  Franzosen  getan  haben;  er  hat  daher  aus  diesem  Kriege 
bessere  Erfahrung  geschöpft  als  seine  späteren  Gegner. 


—     174    — 

In  der  Konferenz  am  29.  August  (s.  S.  133)  war  Erzherzog 
Ferdinand  mit  den  vorgetragenen  „Grundsätzen",  also  mit  dem  ge- 
meinsamen Operationsplane  nicht  ganz  einverstanden. 

Er  erzählt  selbst  darüber: 

,,In  dieser  Konferenz  wurde  der  Operationsplan  des  Erzherzogs 
Karl  vorgelesen  und  von  Seiner  Majestät  sanktioniert.  Der  Kaiser 
fragte  hierauf,  wer  etwas  dazu  zu  Ijemerken  hätte,  worauf  ich  mich 
folgend  äußerte:  Da  die  ganze  österreichische  Armee  erst  mit  Ende 
Oktober  in  Oberösterreich  versammelt  sein  könnte,  bis  dahin  auch 
das  1.  russische,  aus  50.000  Mann  bestehende  Hilfstruppenkorps  am 
Inn  eintrefl'en  sollte,  so  war  ich  der  Meinung,  mit  den  ersten  sich 
versammelnden  30.000 — 40.000  Mann  nicht  weiter  als  höchstens  in 
die  Gegend  von  München  vorzurücken  und  bloß  leichte  Detachements 
zur  Erkundung  der  feindlichen  Bewegungen  und  zur  Eintreibung 
von  Requisitionen  weiter  vorzupoussieren.  Ich  unterstützte  meine 
Meinung  mit  folgenden  Gründen :  Bonaparte,  welcher  200.000  Mann 
an  den  Küsten  versammelt  hat,  wird  sich  wenigstens  mit  150.000 
von  da  gegen  uns  in  Marsch  setzen  und  diese  könnten  nach  Ver- 
hältnis der  Entfernung  vor  Ende  Oktober  bei  München  sein.  Da  es 
weiter  nach  dem  Operationsplane  selbst  entschieden  war,  in  diesem 
Falle  sich  in  kein  Gefecht  vor  Vereinigung  mit  den  Bussen  einzu- 
lassen, so  stellte  ich  den  nachteiligen  Eindruck  vor,  den  es  auf  die 
Truppen  machen  würde,  den  Peldzug  mit  einem  Rückzuge  zu  beginnen. 

„GM.  V.  Mayer  stimmte  mir  zu  und  führte  aus.  daß  die 
italienische  Armee  zu  stark  sei,  man  sollte  einen  großen  Teil  in 
Tirol  aufstellen,  um  ihn  sowohl  in  Italien  als  auch  in  Deutschland 
verwenden  zu  können.  Dem  stimmten  auch  Erzherzog  Karl  und  FML. 
Zach  bei  und  Avurde  dies  auch  vom  Kaiser  genehmigt. 

„Meinem  Antrage,  den  Erzherzog  Karl  auch  billigte,  setzte 
Mack  entgegen: 

„Napoleon  könne  höchstens  mit  70.000  Mann  gegen  uns  vor- 
rücken, da  er  30.000—40.000  Mann  an  den  Küsten.  20.000  Mann 
bei  Paris  lassen  müßte,  sich  in  seiner  Armee  bei  20.000  Kranke  be- 
fanden, er  Holland  und  Hannover  besetzt  lassen  müsse  und  er  end- 
lich auch  einige  Verstärkungen  nach  Italien  senden  würde. 

„Hierauf  erwiderte  ich,  Napoleons  Hauptzweck  müsse  sein,  uns 
womöglich  vor  Vereinigung  mit  den  Russen  zu  schlagen,  er  mithin 
alle  Kräfte  aufbieten,  die  Küsten  aber,  dann  Holland  und  Hannover 
nur  schwach  besetzt  lassen  würde. 


—     175     - 

„Mack  rechnete  auch  die  eigene  Stärke  zu  hoch.  Er  rechnete 
jede  Kompagnie  mit  200  Mann,  jede  Eskadron  auf  130  Eeiter.  Wohl 
war  vor  einigen  Tagen  ein  Befehl  hiezu  ergangen,  die  Truppen  auf 
diesen  Stand  zu  bringen.  Allein  wie  weit  war  die  Ausführung  davon? 
Keine  Kompagnie  konnte  stärker  sein  als  120  Mann  und  die  Eska- 
dron höchstens  100  Eeiter.  FML.  v.  Mack  rechnete  auch  ganz 
sicher  auf  12.000—18.000  Bayern. 

„Endlich,  da  FML.  v.  Mack  das  Einrücken  in  Bayern  als 
militärisch  notwendig,  Cobeuzl  als  politisch  möglich  erklärten,  wurde 
der  Beschluß  gefaßt,  daß  FML.  v.  Mack  am  8.  September  einmar- 
schiere. " 

Diese  Darstellung,  die  vom  GM.  v.  Mayer  in  seinen  Aufzeich- 
nungen ähnlich  erzählt  wird,  zeigt  in  deutlichster  Weise,  wie  sehr 
der  junge  Erzherzog  im  Urteil  dem  FML.  v.  Mack  überlegen  war. 
Bei  der  Besprechung  des  Feldzuges  wird  sich  diese  Überlegenheit 
noch  so  deutlich  zeigen,  daß  man  ohneweiters  behaupten  kann,  das 
Schicksal  der  k.  k.  deutschen  Armee  wäre  weit  besser  geworden, 
wenn  Erzherzog  Ferdinand  tatsächlich  das  Armeekommando  hätte 
ausüben  können. 

Man  kann  sich  bei  diesen  Verhältnissen  nicht  wundern,  daß 
der  Erzherzog  als  tatsächlich  ernannter,  daher  verantwortlicher  Armee- 
kommandant bestrebt  war,  seinen  Einfluß  auf  den  Gang  der  Opera- 
tionen auszuüben,  und  daß  er,  als  Mack  ihm  dies  in  seiner  über- 
hebenden und  schonungslosen  Weise  verwehrte,  wenigstens  alles  tat,  • 
um  Mack  in  seinem  die  Armee  verderbenden  Handeln,  soweit  es 
ging,  zu  zügeln. 

Dieses  merkwürdige,  in  der  Kriegsgeschichte  wohl  einzig  da- 
stehende Verhähnis: 

ein  mit  anerkennenswertem  militärischen  Urteil  begabter 
kaiserlicher  Prinz  als  ernannter,  verantwortlicher  Armeekommandant, 
der  es  vergebens  versucht,  sich  gegenüber  dem  ihm  au  Charge  nach- 
stehenden Generalstabschef  des  bei  der  Armee  nicht  anwesenden 
Armeeoberkommandanten  in  der  gänzHch  verfehlten  Führung  der 
Armee  zur  Geltung  zu  bringen, 

mußte  unbedingt  zu  schweren,  die  Armee  schädigenden  Kon- 
flikten führen,  selbst  dann,  wenn  der  Generalstabschef  des  Armeeober- 
koramandanten  nicht  ein  so  ränkevoller  und  überhebender  Charakter 
gewesen  wäre,  wie  Mack. 


—     176     — 

Die  Schuld  an  diesen  Konflikten  und  an  ihren  Folgen 
muß  dem  Urheber  dieser  Situation  zufallen,  und  das  war 
FML.  V.  Mack. 

Angesichts  dieser  Befehlsverhältnisse  gewinnt  die  Äußerung, 
die  Mack  über  die  Verantwortung  der  Führung  der  Armee  in 
Deutschland  gegen  GM.  v.  Mayer  gemacht  hatte  (S.  151),  wirk- 
lichen Untergrund.  Der  junge  und  unerfahrene  kaiserliche  Prinz 
sollte  die  Verantwortung  für  eintretende  Mißerfolge  tragen;  den 
Lohn  für  eitungene  Erfolge  hätte  Mack  schon  rechtzeitig  und  nach- 
drücklichst für  sich  reklamiert. 


VI.  Der  Vormarscli  der  Österreiclier  an  die  Hier. 

Seit  Mitte  Juli  waren,  wie  schon  erwähnt  wurde,  fast  alle  Re- 
gimenter der  österreichischen  Armee  auf  dem  Marsch  in  die  Lager 
von  Wels,  Pettau  (später  Laibach),  Budweis,  Brück  an  der  Mur, 
Minkendorf,  Krakau  und  Kaschau.  Weil  die  allgemeine  Einberufung 
der  Beurlauljten  und  die  Pferdekäufe  zur  Komplettierung  der  Kavallerie 
den  sofortigen  Kriegsausbruch  provozieren  mußten,  daher  nach  dem 
Mackschen  Plane  erst  nach  dem  Einmärsche  der  Russen  angeordnet 
werden  sollten,  traten  alle  Regimenter  den  Marsch  mit  unvollstän- 
digem Friedensstand  an.  Mitten  in  diese  Marschbewegung  kamen 
nun  die  Anordnungen  zur  Neuorganisierung  der  Infanterie,  zur  Än- 
derung der  Formierung  und  über  die  Exerzitien  der  Infanterie  und 
der  Kavallerie  und  zur  Verminderung  des  Truppentrains. 

Während  des  Marsches  ergingen  die  Befehle  zur  Auflassung 
der  für  Kaschau,  Krakau,  Brück  an  der  Mur,  Minkendorf  und  Bud- 
weis befohlenen  Lager;  die  dahin  bestimmten  Truppen  hatten  den 
Marsch  sofort  in  das  Lager  von  Wels  fortzusetzen.  Ebenso  erhielten 
die  nach  Laibach  bestimmten  Truppen  den  Befehl,  nach  Italien 
weiterzumarschieren. 

Nach  und  nach  wurden  die  Beurlaubten  eingezj3gen  und  im 
Vereine  mit  den  ebenso  nach  und  nach  ausgehobenen  Rekruten  und 
angekauften  Pferden  den  im  Marsche  befindlichen  Regimentern  nach- 
gesendet. Das  Regimentsgeschütz,  für  das  die  Pferde  erst  nach  und 
nach  beschafft  werden  konnten,  wurde  teils  mit  Vorspan npferden  bei 
den  Regimentern  mitgeführt,  teils  zur  vollständigen  Ausrüstung  zu- 
rückbehalten :  daher  mußten  entweder  die  militärischen  Bespannungen 
allein   oder   die  bespannten  Geschütze  den  Regimentern  nachfolgen. 

Erst  am  27.  August  wurde  mit  Armeebefehl  angeordnet,  die 
Armee   auf  den  Kriegsfuß   zu   setzen.     Erst  von    diesem   Zeitpunkt 


Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm. 


12 


—     178     — 

an  wurden  alle  Kriegsvorbereitungen  oifen,  ohne  Heimlichkeit  und 
Einschränkung  durchgeführt. 

Jeder,  der  eine  nur  halbwegs  richtige  Vorstellung  über  die 
Mobilisierung  und  Versammlung  einer  Armee  von  300.000  Mann  hat, 
und  der  nur  die  geringste  Phantasie  besitzt,  um  sich  vorstellen  zu 
können,  was  diese  an  Arbeitsleistung  von  den  Truppen  erfordern, 
wird  sich  klar  darüber  sein,  wie  dieser  Maeksche  Aufmarsch  jeder 
militärischen  Ordnung  Hohn  sprechen  mußte;  wie  die  unvermeid- 
lichen zahllosen  Eeibungen  und  die  Willkür,  die  bei  der  Unmög- 
lichkeit, für  jeden  der  vielen  kleinen  Transporte  zu  sorgen,  ein- 
treten mußte,  allmählich  jede  Disziplin  und  das  Vertrauen  in  die 
höhere  Führung  zerstören  mußten. 

Nach  der  Konferenz  vom  29.  August  begab  sich  Maek  nach 
Wels,  um  den  Überfall  Bayerns  einzuleiten. 

FML.  Fürst  Schwarzenberg  wurde  als  Spezialgesandter  nach 
München  beordert;  er  sollte  den  Kurfürsten  von  Bayern  zum  An- 
schluß an  die  Koalition  bewegen.  Die  bayrischen  Truppen  soüten 
nach  der  Forderung  Macks  nicht  als  geschlossenes  Korps  verwendet, 
sondern  auf  die  österreichischen  höheren  Verbände  aufgeteilt  werden. 
Da  Bayern  schon  am  24.  August  den  Allianzvertrag  mit  Frankreich 
abgeschlossen  hatte,  kam  dieser  Versuch  zur  Köderung  Bayerns  zu 
spät.  Er  versetzte  aber  den  Kurfürsten  in  die  peinlichste  Situation. 
Er  wagte  es  nicht,  den  Antrag  Österreichs  unter  Hinweis  auf  die 
Allianz  mit  Frankreich  kurz  abzuweisen.  Er  hatte  sieh  übrigens 
selbst  nur  schweren  Herzens  zu  der  Allianz  mit  Frankreich  ent- 
schlossen, denn  auf  einer  Seite  war  das  mächtige  Frankreich,  auf 
der  anderen  die  Möglichkeit  einer  allgemeinen  europäischen  Allianz 
gegen  Napoleon  zu  Ijerücksichtigen. 

Die  richtige  Abschätzung  der  Machtmittel  Frankreichs  und 
Österreichs  und  der  Hinweis  Napoleons,  daß  Bayern  an  seiner  Seite 
in  jedem  Falle  sicherer  sei  als  an  der  Seite  Österreichs,  das  schon 
seit  Jahrzehnten  einen  Teil  Bayerns  erwerben  wolle,  hatten  den  Kur- 
fürsten zum  Bündnis  mit  Frankreich  bewogen.  Nun  war  er  bestrebt, 
Österreich  solange  als  möglich  hinzuhalten.  In  diesem  Streben  griff 
die  bayrische  Regierung  zu  einem  Mittel,  das  selbst  bei  Anerkennung 
der  Zulässigkeit  politischer  Rücksichtslosigkeit  und  bei  voller  Be- 
rücksichtigung der  Lage  Bayerns,  in  der  es  sich  um  die  Existenz 
der  Dynastie  und  die  Selbständigkeit  handelte,  nicht  gutgeheißen 
werden  kann. 


—     179     — 

Mit  dem  französisch-bayrischen  Vertrag  in  der  Tasche  und  in 
der  Absicht,  diesen  Vertrag  auch  einzuhalten,  erklärte  der  Kurfürst 
sich  zum  Anschluß  an  die  Koalition  und  zur  Angliederung  seiner 
Armee  an  die  österreichische  bereit.  Diese  von  Österreich  später  mit 
Eecht  als  verräterisch  bezeichnete  Haltung  war  auch  politisch  un- 
klug, weil  die  damit  bezweckte  Täuschung  Österreichs  nicht  lange 
Zeit  aufrechtzuerhalten  war  und  diesem  doch  nur  das  moralische 
Eecht  zur  schärfsten  Vergeltung  gab.  Es  sei  aber  hier  vorweg  be- 
merkt, daß  die  bayrischen  Staatsmänner  die  europäischen  Verhältnisse 
sehr  richtig  abgeschätzt  hatten,  da  der  Erfolg  ihnen  glänzend  recht 
gegeben  hat :  denn  Österreich  hat  es  dann  im  Jahre  1815,  wie  immer 
vorher,  aus  anderen  Gründen  unterlassen,  nach  vollständiger  Nieder- 
werfung Napoleons  die  Konsequenzen  aus  der  Haltung  der  kleinen 
deutschen  Fürsten  zu  ziehen.  Kein  "Wunder,  daß  sich  diese  kleinen 
Staatswesen  dem  Eücksichtslosen  anschlössen,  von  dem  sie  im  Falle 
des  Unterliegens  keine  Schonung  erwarten  konnten. 

Mack  traf  am  2.  September  vormittag  in  Wels  ein,  wo  er  am 
3.  alle  Generale  und  Eegimentskommandauten  der  im  Lager  stehen- 
den Truppen  versammelte,  um  ihnen  die  Disposition  für  den  Marsch 
an  den  Inn  bekanntzugeben.  Die  österreichischen  Truppen  rückten 
unter  dem  Oberbefehl  des  FML.  Grafen  Klenau  in  zwei  Kolonnen 
in  Bayern  ein. 

Die  südliche  Kolonne,  FML.  Graf  Klenau,  15  Bataillone  und 
16  Eskadronen,  sollte  am  7.  September  Braunau  erreichen,  die  nörd- 
liche, FML.  Gottesheim,  15  Bataillone  und  14  Eskadronen,  am 
selben  Tage  bei  Schärding  eintreffen.  Am  8.  hatten  beide  Kolonnen 
den  Lin  zu  überschreiten. 

An  alle  Truppen  erging  der  Befehl,  im  Sinne  der  neuen  Be- 
stimmungen über  den  Train,  die  überzähligen  Proviant  wagen  und 
Zelte  bei  Wels  zurückzulassen. 

In  seinem  Berichte  vom  3.  September^)  meldet  Mack  das  Ver- 
fügte an  den  Kaiser  und  sagt,  daß  die  übrigen  Eegimenter  in  einigen 
Tagen  nachrücken  werden.  Easches  Nachrücken  sei  nötig,  „um  die 
ganze  Armee  bald  nach  Bayern  und  die  Teten  derselben  bald  an 
die  Hier  zu  bringen,  um  nach  den  eintretenden  Umständen  solche 
jenseits    oder    diesseits   dieses   Flusses   ohne  Zeitverlust   zusammen- 


M  Kriegsarehiv,    1805,  Deutschland   FA,  IX,  1.    Von  Mack  eigenhändig 
gesehrieben. 

12* 


—     180     — 

ziehen,  mittlerweile  aber  und  für  so  lange,  als  es  die  Umstände  ge- 
statten, zum  Teile  jenseits  der  Hier,  größtenteils  aber  zwischen  der 
Hier  und  dem  Lech  und  die  schwere  Kavallerie  zwischen  dem  Lech 
und  der  Isar  kantonieren  zu  können  .  .  ."  Mack  sagt  weiter,  daß 
er  am  3.  abend  nach  Salzburg  abreisen,  am  5.  früh  nach  Wels 
zurückkommen  und  am  7.  abend  in  Braunau  eintreffen  werde. 

Zum  Schlüsse  des  Berichtes  rät  Mack  dem  Kaiser,  die  iS'eu- 
tralität  der  Schweiz  anzunehmen,  weil  dann  die  42  Bataillone  aus 
dem  westlichen  und  nördlichen  Tirol  ohneweiters  zur  Armee  in 
Deutschland  herangezogen  werden  könnten,  wodurch  diese  in  stand 
gesetzt  wäre,  sich  bis  zum  Eintreffen  der  Bussen  an  der  Hier  oder 
vielleicht  noch  weiter  vorwärts  zu  behaupten,  während  die  Armee 
in  Italien  nicht  geschwächt,  also  in  ihrer  Offensivoperation  nicht  ge- 
hindert werden  würde. 

Am  3.  September  abend  reiste  Maek  tatsächlich  nach  Salz- 
burg ab,  um  dort  wegen  der  Befestigungsarbeiten  anzuordnen.  Nach 
seiner  Eückkehr  gab  er  die  Befehle  für  den  Einmarsch  in 
Bayern  aus. 

Die  Kolonne  Klenau  hatte  über  Marktl,  Altötting,  Hohenlinden 
nach  München  vorzugehen,  vor  welcher  Stadt  sie  am  13.  September 
emtreffen  sollte. 

Die  Kolonne  Gottesheim,  die  den  Inn  bei  Schärding  über- 
setzen sollte,  hatte  über  Lengheim,  Eggenfelden,  Landshut  nach 
Freising  zu  marschieren,  wo  sie  am  13.  September  eintreffen 
sollte.  Mit  Rücksicht  auf  die  Eichtung  des  Inn-Flusses  mußte  diese 
Kolonne,  um  mit  Klenau  annähernd  auf  gleicher  Höhe  zu  bleiben, 
sehr  starke  Märsche  hinterlegen.  Das  Detail  der  Instradierung  zeigt 
die  Beilage  9. 

An  FML.  Graf  Klenau  erging  eine  geheime  Instruktion,  nach 
der  die  bayrischen  Truppen  zur  Übergabe  zu  zwingen  seien;  wenn 
sie  sich  vor  den  Österreichern  zurückziehen  sollten,  war  ihnen  durch 
Detachements  und  Patrouillen  der  Eückzug  zu  verlegen.  Auf  keinen 
Fall  sollten  aber  dabei  die  Feindseligkeiten  von  österreichischer 
Seite  begonnen  werden. 

Zur  selben  Zeit  erging  au  GM.  Graf  Wolfskeel,  der  in  Vor- 
arlberg kommandierte,  der  Befehl,  am  10.  September  mit  (3  Kom- 
pagnien Tiroler  Jäger,  3  Bataillonen  Hildburghausen  und  3  Eska- 
dronen nach  PfulJendorf,  Biberach  und  Waldsee  vorzurücken,  um 
den   Bayern   den   Eückzug   gegen  Westen   zu  verlegen   und  als  Be- 


—     181     — 

obachtungskorps  zu  dienen.  Hiezu  waren  ein  Detacheraent  nach 
Stoekach  und  Kavallerie  bis  über  die  Donau  vorzusenden  und  alle 
Bewegungen  der  Franzosen  in  der  Schweiz  und  in  Deutschland  zu 
erkunden. 

2  Bataillone  Hildburghausen,  1  Bataillon  Tiroler  Jäger  und 
1  Eskadron  sollten  am  11.  September  in  Feldkirch  eintreffen,  wo 
sie  zum  Korps  Jellachich  zu  stoßen  hatten.  Die  Infanterieregimenter 
Stein,  Beaulieu  und  Kaiser,  deren  vorderste  Abteilungen  in  Inns- 
bruck waren,  hatten  den  Marsch  ohne  Aufenthalt  nach  Feldkirch 
fortzusetzen.  FML.  Freiherr  v.  Jellachich,  der  das  Kommando  des 
bei  Feldkirch  in  Vorarlberg  zu  sammelnden  Korps  übernehmen 
sollte,  erhielt  den  Auftrag,  sofort  nach  Feldkirch  zu  eilen  und  „also- 
bald  an  die  Herstellung  der  dem  Herrn  Feldmarschalleutnant  ohne- 
hin wohlbekannten  dortigen  Position  Hand  anlegen  zu  lassen". 

Das  zunächst  den  Kolonnen  Kienaus  folgende  Korps  FML.  Graf 
Riesch  sollte  in  drei  Kolonnen  an  den  Inn  vorgehen.  Die  nördliche 
Kolonne,  13  Bataillone  und  16  Eskadronen,  sollte  bis  13.  September 
bei  Schärding,  die  mittlere  Kolonne,  12  Bataillone  und  16  Eska- 
dronen, bis  13.  September  bei  Braunau  eintreffen,  die  südliche  Ko- 
lonne, 8  Bataillone  und  16  Eskadronen,  im  Marsche  nach  Salzburg 
am  14.  September  Frankenmarkt,  Vöklamarkt  und  Vöklabruck  er- 
reichen. 

Über  den  Vormarsch  des  Korps  Riesch  nach  Bayern  schreibt 
Mack  in  seinem  Berichte  aus  Wels  vom  6.  September,  12^  nacht, 
an  den  Kaiser^):  „Da  sich  kaum  denken  läßt,  daß  der  ^Marsch 
durch  Bayern  einigem  Anstand  unterliegen  könnte,-  werde  ich  diese 
drei  Kolonnen  von  den  oben  benannten  drei  Punkten  unverzüglich 
weiter  vorrücken  lassen.  Diese  fünf  Kolonnen  (die  zwei  Kolonnen 
Kienaus  und  die  drei  des  Korps  Riesch)  werden  sodann,  wenn  sie 
sich  vorwärts  vereinigen,  schon  eine  Armee  von  63  Bataillons  und 
78  Eskadronen  und  mit  den  für  Vorarlberg  bestimmten  Truppen 
von  84  Bataillons  und  84  Eskadronen  formieren,  die  allen  Ereig- 
nissen um  so  ruhiger  wird  entgegensehen  können,  da  sie  nur  12  bis 
15  Tage  nach  ihrer  Versammlung  annoch  11  Bataillons  Verstär- 
kung und  4  neue  Kavallerieregimenter  anzuhoffen  haben  wird,  übri- 
gens  aber   eine   französische   Übermacht   selbst  bei  der  äußersten 

^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deatseliland  PA,  IX,  5.  Von  Mack  eigenhändig  ge- 
sehrieben. Man  beachte  die  schwer  verständliehe  Schreibweise  Maeks.  Fast  das 
ganze  Zitat  ist  ein  Satz. 


—     182    — 

Anstrengung  und  Bpschleunigung,  die  man  von  dem  Kaiser  Napoleon 
allerdings  erwarten  muß,  nach  allen  auf  Entfernung,  Mobil- 
machangs-, Verpflegungs-  und  Marschmöglichkeiten  gegründeten 
Kombinationen  nicht  zu  besorgen  sein  kann,  bevor  die  k.  k.  Armee 
ihre  letzte  Verstärkung  und  endlich  die  Russen  erlangen  wird,  be- 
sonders wenn  die  Neutralität  der  Schweiz  anerkannt  —  mithin 
auch  das  Korps  des  FML.  Auffenberg  nach  Deutschland  gezogen 
oder  aber  im  Fall  Eure  Majestät  diese  Neutralität  nicht  anerkennen 
wollten,  von  Allerhöchstdemselben  der  Entschluß  gefaßt  würde,  die 
42  Bataillone  aus  dem  westlichen  Tirol  und  dem  Vorarlbergischen 
ohneweiters  in  die  Schweiz  einrücken  zu  lassen  und  dadurch  einen 
Teil  der  feindliehen  Kräfte  an  sich  zu  ziehen,  denn  ohne  Neu- 
tralität und  ohne  Einrückung  dürfte  sehr  zu  besorgen  sein,  daß  der 
Feind,  ohne  seines  Orts  mehr  als  vielleicht  ein  paar  kleine  Demon- 
strationskolonnen durch  die  Schweiz  gegen  Tirol  agieren  zu  lassen, 
seine  ganze  konzentrierte  Macht  gegen  Eurer  Majestät  zwischen 
dem  Bodensee  und  der  Donau  oder  in  dieser  Gegend  aufgestellte 
Armee  verwenden  und  diese  in  eine  bedenkliche  Lage  versetzen 
könnte,  während  als  jene  42  Bataillone  untätig,  mithin  ohne  Nutzen 
auf  ihrer  Defensive  angeheftet  sein  würden ..." 

Der  Kaiser,  dem  scheinbar  ob  der  fieberhaften  Geschäftigkeit 
Macks  Bedenken  aufstiegen,  gab  dem  Erzherzog  Karl  den  Auftrag, 
ihm  über  den  Bericht  Macks  vom  6.  Septemlier  seine  Ansicht  be- 
kanntzugeben. 

Erzherzog  Karl  kam  diesem  Auftrage  durch  folgende  „Kritische 
Beurteilung"  nach^): 

„Zur  richtigen  Beurteilung  aller  vom  FML.  Mack  bis  jetzt  ge- 
troffenen Dispositionen  führen  folgende  Betrachtungen: 

„Der  Feldmarschalleutnant  durchgreift  alle  Autoritätsrechte 
eines  mit  einer  unbegrenzten  Vollmacht  versehenen  kommandieren- 
den Generals: 

„1.  Er  bestimmt  die  Einteilung  der  Divisionen  und  Brigaden. 

„'L  Er  setzt  alle  Truppen  in  Bewegung  und  rückt  auf  diver- 
gierenden Linien  nach  Bayern. 

„3.  Er  kündigt  seine  Vorrückung  bis  Stockach  an. 

„4.  Er  entblößt  das  ganze  nördliche  Tirol,  schickt  die  Truppen 
aus  dem  Inn-Tal  nach  Vorarlberg;  weist  den  FML.  Jellachich  an  sich 
an.  überträgt  ihm  die  Organisation  der  Landmiliz,    zu   w^elcher  von 

0  Kriegsarehiv,  1805,  Deutseliland  FA,  IX,  9V-i- 


—     183    — 

Seiner  Majestät  der  General  Wolfskeel  unter  der  Direktion  des 
FML.  Hiller  ernannt  war;  befiehlt  ihm,  hierüber  dem  Hofkriegsrat 
Pläne  eiuzuschieken,  nachdem  dieser  Gegenstand  schon  ordnungs- 
mäßig hier  verhandelt  worden;  weist  Gelder  auf  die  Provinzial- 
kassen  an. 

„5.  Ernennt  den  Grafen  Eichhold  zum  Landeskommissär  in 
Bayern  gegen  den  ausdrücklichen  Befehl  des  obersten  Kanzlers. 

„6.  Bestimmt  das  Personale  und  entwirft  die  Organisation 
eines  neu  zu  kreierenden  Landeskommissariates. 

„7.  Schlägt  den  vom  Generalstabe  quittierten  Major  Volkmann 
zum  Gubernialrat  vor. 

„8.  Eequiriert  Landarbeiter  in  Salzburg. 

„9.  Erhöht  und  bestimmt  den  Sold  der  Truppen. 

„10.  Läßt  den  bayrischen  Generalen  die  Aufnahme  in  kaiser- 
liche Dienste  mit  Beibehaltung  ihres  Charakters  zusichern. 

,.11.  Bedroht  mit  schwerer  Eache  die  bayrischen  Truppen,  die 
den  Anforderungen  ihres  Landesherrn  gehorchen. 

„12.  Gebietet  über  alle  militärischen,  politischen  und  Zivil- 
gegenstände unter  dem  Schutzwort:    Auf  Allerhöchsten  Befehl. 

„Es  läßt  sich  schwer  denken,  daß  FML.  Mack  diese  große 
Verantwortlichkeit  ohne  unumschränkte  Vollmacht  seines  Sou-. 
veräns  auf  sich  genommen  haben  würde.  Er  erscheint  demnach 
von  dieser  Seite  gerechtfertigt. 

„Nach  militärischen  Grundsätzen  sind  die  bisherigen  Be- 
wegungen ohne  Zusammenhang  und  ohne  Kenntnis  des  Landes  und 
der  Entfernungen. 

„Was  soll  die  Kolonne  aus  8  Bataillonen  und  16  Eskadronen 
gegen  Salzburg  und  auf  der  Straße  nach  Innsbruck? 

„Warum  gegen  alle  bisherige  Übereinkunft  das  ganze  nörd- 
liche Tirol  entblößen,  bevor  die  Armee  solid  an  der  Hier  aufgestellt 
ist,  und  sich  der  Gefahr  aussetzen,  Vorarlberg  ebenso  leichtsinnig 
verlassen  zu  müssen,  als  man  es  leichtsinnig  besetzt  hat? 

„Was  bedeutet  die  Kooperation  von  ein  paar  Bataillonen  und 
zwei  Eskadronen  Husaren  aus  der  Gegend  von  Bregenz  in  einer 
Entfernung  von  mehr  als  50  Meilen? 

„Was  sollen  die  Streifereien  bis  und  über  Stockach  ohne  solider 
Operation? 

„Schwerlich  mehr  als  plündern  und  brandschatzen  auf  deut- 
schem Boden? 


—     184    — 

„Wie  ist  es  möglich,  durch  kleine  Detachements  und  Patrouillen 
fremden  Truppen  in  ihrem  eigenen  Lande  den  Rückzug  abschneiden 
und  sie  zur  Übergabe  zwingen  zu  wollen? 

„Was  kann  eine  Eskadron  Husaren  zur  Festhaltung  der  bayri- 
schen Truppen  beitragen,  die  sich  von  ßiberach  bis  über  die  Donau 
ausbreiten  muß? 

„Wie  läßt  sich  der  paradoxe  Gedanke  rechtfertigen,  in  der 
Schweiz  eine  Invasion  zu  machen,  ohne  Italien  verhältnismäßig  er- 
obert zu  haben? 

„Es  ist  möglich  und  gewiß  wünschenswert,  daß  diese  außer- 
ordentlichen Operationen  keine  üblen  Folgen  nach  sich  ziehen;  daß 
die  Bayern  so  äußerst  herabgesunken  seieu,  um  keine  der  vielfältigen 
Blößen  zu  unserer  Beschämung  zu  benützen;  es  ist  möglich,  daß 
der  Mißgriff  in  unserer  Bewegung  bayrischerseits  gar  nicht  voraus- 
gesetzt, gar  nicht  geahnt  wurde;  aber  unmöglich  ist  es,  dergleichen 
Dispositionen  mit  einem  Vielleicht  zu  rechtfertigen. 

„In  politischer  Hinsicht  muß  man  abermals  vermuten,  daß 
FML.  Mack  besondere  Weisungen,  Daten  und  Belehrungen  erhalten 
habe,  ohne  deren  Kenntnis  es  unmöglich  wird,  den  sonderbaren 
Gang  seiner  getroffenen  Einleitungen  zu  beurteilen." 

Der  Einmarsch  der  Kolonnen  Kienaus  vollzog  sich  in  der  an- 
befohlenen Weise. 

GM.  Wolfskeel  hatte  aber  nach  seiner  Meldung  über  den  Ein- 
marsch anstatt  3  Bataillone  Hildburghausen  nur  2  Bataillone  dieses 
Eegiments  zur  Verfügung.  Er  nahm  acht  dreipfündige  Kanonen  mit 
Hilfe  von  Yorspannpferden  mit. 

Die  Bayern  setzten  dem  Einmärsche  gar  keinen  Widerstand 
entgegen.  Sie  hatten  sich  außer  Fühlung  mit  den  österreichischen 
Truppen  auf  München  zurückgezogen. 

FML.  V.  Mack,  der  den  Rückzug  der  bayrischen  Truppen  bei 
seinem  Eintreffen  am  Inn  erfuhr  und  dem  das  Gerücht  zugegangen 
war,  daß  der  Kurfürst  vor  einigen  Tagen  von  München  nach  Würz- 
burg abgereist  sei,  berichtet  darüber  am  8.  September,  11 '^  nacht, 
aus  Braunau  an  den  Kaiser^):  Er  habe  noch  keine  Nachricht  von 
Schwarzenberg  aus  München  erhalten.  Die  bayrischen  Truppen  sollen 
sich  vom  Inn  nach  München  zurückgezogen  haben.  Dort  und  bei 
Ulm  soll  die  bayrische  Armee  gesammelt  werden,  um  sich  dann 
hinter  die  Donau  zurückzuziehen.    Die  Donau  sei  als  Demarkations- 


^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  IX,  7. 


—     185     — 

linie  zwischen  den  bayrischen  und  den  k.  k.  Truppen  gedacht.  Mack 
sei  mit  dieser  Lösung  absolut  nicht  einverstanden  und  er  wolle  daher 
den  Rückzug  der  Bayern  hinter  die  Donau  vereiteln. 

Zu  diesem  Zweck  erteilte  er  dem  FML.  v.  Gottesheim  den 
Befehl,  sofort  ein  Detachement  von  3  Bataillonen,  4  Eskadronen  und 
4  Geschützen  über  Landshut  nach  Neuburg  abzusenden,  das  Tag 
und  Nacht  so  lange,  wenn  nötig  auch  über  die  Donau  marschieren 
müsse,  bis  es  den  Bayern  die  nach  Norden  führenden  Wege  verlegt 
hatte.  Ein  zweites  Detachement  von  2  Bataillonen,  2  Eskadronen 
und  2  Geschützen  wurde  nach  Straubing  zur  Besetzung  der  Donau- 
Brücke  entsandt.  FML.  Gottesheira  sollte  mit  seiner  Kolonne  dem 
ersten  Detachement  folgen.  An  das  Generalkommando  Prag  erging 
der  Befehl,  spätestens  drei  Tage  nach  Erhalt  des  Befehles  4  Ba- 
taillone Gemmingen-Lifanterie  und  2  Eskadronen  Hohenlohe-Dragoner 
über  Pilsen,  Waldmünchen  nach  Straubing  in  Marsch  zu  setzen. 

Am  8.  September  erfolgte  auch  die  Weiterinstradierung  aller 
über  den  Inn  vorgehenden  Kolonnen. 

Danach  sollte  die  Kolonne  Klenau  am  17.  September  Lands- 
berg und  am  21.  Memmingen-Mindelheim  erreichen. 

Vom  Korps  Kiesch  hatten  die  zwei  nördlichen  Kolonnen  den 
beiden  Kolonnen  Kienaus  zu  folgen  und  am  18.  September  Hohen- 
linden  und  Landshut  zu  erreichen.  Die  südliche  Kolonne  sollte  in 
starken  Märschen  über  Salzburg,  Waging  naeli  Wasserburg  mar- 
schieren, wo  sie  mit  der  Vorhut  am  18.  eintreffen  sollte. 

Knapp  vor  Absendung  des  Berichtes  vom  8.  September  erhielt 
Mack  einen  Brief  des  FML.  Fürsten  Schwarzenberg  aus  München 
vom  8.  September  2^  früh,  wonach  sich  der  Kurfürst  entschlossen 
habe,  seine  Truppen  der  Koalition  beitreten  zu  lassen  unter  der  Be- 
dingung, daß  eine  bayrische  Garnison  in  München  verbleibe  und 
die  bayrischen  Truppen  ein  eigenes  Korps  unter  Führung  bayrischer 
Generale  bilden  sollten. 

Mack  reiste  in  der  Nacht  zum  9.  September  von  Braunau  nach 
Haag  ab,  von  wo  er  dem  FML.  v.  Gottesheim  Gegenbefehl  senden 
wollte. 

Die  Täuschung  Macks  über  die  Haltung  Bayerns  dauerte  nicht 
lange.  Schon  am  10.  September  sandte  er  aus  Alt-Ütting  einen  Be- 
richt an  den  Kaiser,  in  dem  er  sich  in  starken  Worten  über  den 
Wortbruch  des  Kurfürsten  ausspricht^). 

1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutseliland  FA,  IX,  9V3. 


—     186    — 

Am  12.  oder  13.  September  erhielt  Mack.  wahrscheinlich  vom 
Gesandten  aus  Stuttgart,  die  Nachricht  vom  Beginn  des  Rhein-Über- 
ganges der  Franzosen.  Diese  Nachricht  veranlaßte  ihn,  den  Vor- 
marsch aller  Kolonnen  zu  beschleunigen.  Die  ohnedies  oft  schon 
sehr  stark  bemessenen  Märsche  —  Marschleistungen  von  30.  35, 
40  lern  waren  schon  im  bisherigen  Entwurf  den  Truppen  zugemutet, 
allerdings  neben  kleinen  Märschen  von  16  bis  20  hn  und  neben 
einigen  Easttagen  —  wurden  bei  Entfall  aller  Easttage  noch  wesent- 
lich gesteigert.  Leider  sind  nicht  alle  Marschpläne  vorhanden,  so 
daß  man  sich  kein  genaues  Bild  dieser  Marschbewegung  machen 
kann.  Die  Zusammenstellung  Beilage  9  zeigt  aber,  daß  immer  neben 
schwachen  Märschen  einige  abnorm  starke  Märsche  vorgeschrieben 
waren,  was  den  Eindruck  macht,  als  ob  Mack  sich  nicht  die  Zeit 
gelassen  hätte,  die  Marschbewegung  mit  dem  Zirkel  in  der  Hand 
gewissenhaft  zu  entwerfen,  sondern  die  ^larschstalionen  nur  nach 
dem  Gefühl  und  unter  dem  verblüffenden  Eindrucke  der  Nachricht 
in  voller  Nervosität  bestimmt  hätte. 

Charakteristisch  für  Mack  ist,  daß  er  noch  am  6.  September 
trotz  „der  äußersten  Anstrengung  und  Beschleunigung",  die  er  vom 
Eaiser  Napoleon  erwarten  muß.  „nach  allen  auf  Entfernung, 
Mobilmachungs-.  Verpflegungs-  und  Marschmöglichkeiten  gegrün- 
deten Kombinationen"  nicht  besorgen  kann,  daß  die  Franzosen  früher 
angreifen  könnten  als  die  Bussen  anlangen,  also  nicht  vor  Ende 
Oktober,  und  daß  ihn  nun,  kaum  eine  Woche  später,  die  falsche, 
weit  verfrühte  Nachricht  vom  Ehein-Übergange  der  Franzosen  doch 
derart  ins  Boshorn  jagen  konnte,  daß  er  seine  Truppen  über  Hals 
und  Kopf  an  die  Hier  hetzte.  Es  wurde  also  entweder  am  6.  Sep- 
tember nur  sehr  oberflächlich  kombiniert,  so  daß  Mack  seinen  „Kom- 
binationen" jetzt,  am  13.  September,  nicht  mehr  traut,  oder  die 
Meldung  über  den  Ehein- Übergang  wurde  gar  nicht  überprüft; 
wahrscheinlich  dürfte  beides  der  Fall  gewesen  sein. 

Über  die  Maßnahmen  berichtete  Mack  aus  München,  16.  Sep- 
tember, 12^  nacht,  an  den  Kaiser^).  Er  schreibt,  der  Kaiser  werde 
schon  vom  General  Grafen  Crenneville  die  wichtigen  Nachrichten 
über  den  französischen  Ehein  -  Üljergang  und  Macks  Gegenmaß- 
regeln vernommen  haben.  Die  Nachricht  wurde  zwar  durch  den 
beigelegten  Bericht  des  Stuttgarter  Gesandten  als  unbegründet  befun- 

^)  Kiiegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  IX,  66' .^.  Von  Maek  eigenhändig 
eesehrieben. 


—     187     — 

den^);  weil  aber  darin  vermutet  wird,  daß  der  Übergang  zwischen  dem 
15.  und  18.  September  erfolgen  dürfte  und  nach  den  vorliegenden 
Umständen  jeden  Tag  als  möglich  angenommen  werden  muß,  „habe 
ich  an  den  getroffenen  Dispositionen  nichts  geändert;  mithin  mar- 
schieren die  Kolonnen  unaufhaltsam  ihren  Bestimmungen  an  die  Hier 
entgegen  und  werden  vielleicht  dort  noch  einige  Zeit  oder  wenigstens 
einige  Tage  der  Euhe  genießen,  die  ich  ihnen  dermalen  ohne  mög- 
lichen großen  Nachteil  für  Eurer  Majestät  Allerhöchsten  Dienst  nicht 
gewähren  könnte". 

Mack  schreibt  dann,  daß  die  bayrische  Bevölkerung  die  Truppen 
sehr  gut  aufnehme,  für  Ordnung  und  Disziplin  sehr  dankbar  sei 
und  auch  die  kleinen  Bankozettel  von  einem  bis  5  Gulden  sehr 
gerne,  die  höheren  dagegen  nur  widerwillig  nehme.  Er  fordert  daher 
viele  Millionen  kleiner  Bankozettel.  Mack  fährt  dann  fort:  „Eurer 
Majestät  weise  und  große,  in  Ihrem  Befehlsschreiben  mir  bedeutete 
Grundsätze,  ,mit  Vorrückung  und  Ausdehnung  der  Armee  so  be- 
hutsam zu  Werk  zu  gehen,  daß  die  feindliche  Übermacht  uns  nir- 
gends überraschen  könne,  noch  die  Armee  der  Notwendigkeit  eines 
die  Truppen  decouragierenden  und  ermattenden  Rückzuges  aus- 
gesetzt werde',  waren  stets  der  Leitfaden  aller  meiner  bisherigen 
Dispositionen  und  werden  es  fortdauernd  unabweichlieh  sein.  Aber 
eben  um  nach  diesen  Grundsätzen  zu  handeln  und  sich  den  un- 
aussprechlichen Vorteil  vereinigter  Kräfte  zu  erhalten,  müssen  wir 
mit  menschenmöglichster  Tätigkeit  die  Hier  suchen  und  dort  zu 
siegen  oder  zu  sterben  entschlossen  sein,  denn  nur  die  Behauptung 
dieses  Flusses  deckt  alle  Eingänge  von  Vorarlberg  und  Tirol ;  jede 
rückwärtige  Stellung  aber  würde  Truppen  für  die  Eingänge  nach 
Tirol  erfordern.  Bestimmt  man  dazu  nur  geringe  Zahl,  so  werden 
die  Eingänge  forciert,  Jammer  und  Lärm  verbreitet  sich  im  Innern 
von  Tirol  und  sogar  im  Rücken  der  italienischen  Armee;  schickt 
man  viele  Truppen  (die  meiste  Infanterie)  dahin,  so  beschäftigt  sie 
der  Feind  durch  unbedeutende  —  aber  tätige  Detachements,  wirft 
mit  seiner  Hauptmacht  die  traurigen  geschwächten  Reste  der 
Armee  über  den  Inn  zurtick,  jagt  sie  noch  vor  Ankunft  der  Russen 
gegen  Wien  und  das  Unglück  wäre  gemacht. 

„Wenn  mau  übrigens  auf  gleiche  Zahl  und  wenigstens  auf 
gleiche  Güte  rechnen  kann,    so  wäre   es  um   so  unverantwortlicher, 

^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  IX,  66Vo&.;  Sehreiben  des  Ge- 
sandten in  Münehen  an  Maek  vom  14.  September. 


—     188     — 

sich  Dicht  soweit  vorwärts,  als  nach  der  Lokalität  nicht  nur  möglich, 
sondern  zugleich  einleuchtend  vorteilhaft  ist,  aufstellen  zu  wollen, 
denn  angenommeu  auch  (wie  man  es  immer  als  möglich  annehmen 
muß),  daß  man  mit  gleicher  Zahl  und  Güte  geschlagen  würde,  so 
wäre  doch  gewiß  schon  der  Vorteil  unermeßlich,  um  soviel  weiter 
von  Wien  entfernt  zu  sein,  sich  stets  mit  zusammengehaltenen 
Kräften  in  einer  nahen  rückwärtigen  Position  neuerdings  aufstellen 
—  neuerdings  verteidigen  und  entweder  neuerdings  vorwärts  ver- 
helfen oder  wenigstens  nur  allmählich  den  heranrückenden  Eussen 
in  gesetzten  Schritten  entgegengehen  —  mithin  das  schreckliche 
Zurückweichen  gegen  Wien  vermeiden  zu  können. 

„Was  übrigens  die  gleiche  Zahl  betrifft,  die  wir  bis  zur  Ankunft 
der  Eussen  haben  werden,  so  geruhen  Eure  Majestät  Allerg nädigst 
zu  erlauben,  daß  ich  sie  durch  folgende  einfache  Berechnung  beweise. 

„Ich  gebe  die  Wahrheit  der  höchsten  Zahl,  die  von  französi- 
schen Blättern  jetzt  angekündigt  wird,  nämlich  40.000,  die  schon 
an  den  Ehein  disponiert  sind,  70.000,  die  nachfolgen  und  20.000, 
die  aus  Hannover  kommen,  in  allem  also  130.000  Mann  unbedingter- 
weise zu  und  berechne  dagegen  die  nach  Deutschland  bestimmten 
Truppen  Eurer  Majestät  folgendermaßen : 

„Dermalen  sind  5  Kolonnen  auf  dem  Marsche  gegen  die  Hier : 

63  Bataillons,      78  Eskadronen 

Mit  diesen  Kolonnen  wird  sich  an 
der  Hier  alsobald  das  Korps  von 
Peldkirch  vereinigen  mit 21  „  8  „ 

Von  Wels  werden  etwa  10—12 
Tage  später  neuerdings  an  der 
Hier  eintreffen U  „  32  „ 

Wieder  einige  Tage  später  werden 
von  Wels  noch  6  Grenzbatail- 
lone und  das  Gemmingsche  In- 
fanterieregiment aus  Böhmen 
anlangen ...      10  „  —  „ 

Zu  gleicher  Zeit  kann  das  Aunen- 
bergsche  Korps  aus  dem  west- 
lichen Tirol  eintreffen  mit 2P)        „  —  „ 

Auf  diese   folgen  von  Wels    noch 

5  Kavallerieregimenter  mit —  „  38-  „ 

Sinnme 126  Bataillons,     156  Eskadronen 

^)  Eandbem erkling  von  der  Hand  Maeks : 

..Wenn  dieses  Aiiffen bergsehe  Korps  noch  nicht  aus  Tirol  nach  Deutseh- 
land in  Marsch  gesetzt  sein  sollte,  so  darf  ich  Euer  Majestät  in  tiefster  Ehrfurcht 


—     189     — 

Diese  betragen : 

126  Bataillons     ä  800  Mann 100.800 

156  Eskadronen  ä  140       „    21.840 

Artillerie 4.000 

Summe....  126.640 
„Alles,  was  nach  dieser  Rechnung  fehlt,  besteht  in  3360  Mann, 
weil  ich  8  Bataillons  Siebenbürger,  die  zu  der  deutschen  Armee 
annoch  bestimmt  sind,  nicht  in  Anschlag  bringen  wollte,  da  sie  erst 
zu  gleicher  Zeit  mit  den  Eussen  eintreffen  können.  Dafür  aber  darf 
ich  mir  doch  ohne  Leichtsinn  zu  vermuten  erlauben,  daß  die  Zahl 
der  130.000  Franzosen  auch  nicht  so  ganz  gewissenhaft  und  von 
französischen  Blättern  gewiß  nicht  zu  gering  angegeben  sein 
werde. 

„Man  kann  mir  nicht  einwenden,  daß  unsere  Bataillons  und 
Eskadronen  nicht  komplett  sind,  denn  die  französischen  sind  es 
ebensowenig^) ;  auch  würde  es  noch  unbilliger  sein,  mir  den  Ein- 
wurf machen  zu  wollen,  daß  unsere  Streitkräfte  sich  nur  nach  und 
nach  versammeln,  weil  bei  dem  glücklichen  Vorsprung,  den  wir 
gewonnen  haben,  die  Erscheinung  und  Aufstellung  der  Franzosen 
auch  nur  nach  und  nach  geschehen  kann  und  wir  alle  mögliche 
positivste  Gewißheit  haben,  wenigstens  stets  mit  gleicher  Zahl  Wider- 
stand leisten  zu  können.  Nach  dieser  Berechnung  darf  ich  um  so 
zuversichtlicher  hoffen,    daß  Eure  Majestät  meine  Beharrlichkeit  für 

bei  dem  Ziel  der  großen  Sache  beschwören,  alsobald  die  schleunigsten  Befehle 
deswegen  zu  geben." 

Am  selben  Tage  unterschrieb  der  Kaiser  in  Wien  den  Befehl,  daß  PML. 
Auffenberg  mit  3  Regimentern  (15  Bataillonen)  sofort  nach  Landeek  zur  Ver- 
fügung des  Erzherzogs  Ferdinand  abzumarschieren  habe. 

^)  Hier  erkennt  man  die  Art,  wie  Mack  sich  selbst  und  den  Kaiser  betrog. 
Er  gibt  die  Stärke  der  Franzosen  einfach,  ohne  sich  in  die  Berechnung  nach 
Bataillonen  einzulassen,  mit  130.(X)0  Mann  zu.  Dann  berechnet  er  die  Stärke  der 
österreichischen  Armee  nach  falschen  Ständen  auf  126.000  Mann  und  weist  so 
nach,  daß  die  Armeen  fast  gleich  stark  sein  werden.  Dem  Einwurfe,  daß  seine 
Berechnung  falsch  sei,  weil  die  österreichischen  Bataillone  und  Eskadronen  nicht 
die  angenommene  Stärke  besäßen,  will  er  mit  dem  Hinweis  begegnen,  daß  auch 
die  französischen  nicht  komplett  seien,  was  zweifellos  zutreffen  mochte.  Nur  war 
die  Stärke  der  Franzosen  ohne  Rücksieht  auf  den  Stand  der  Bataillone  und  Es- 
kadronen mit  130.000  Mann  zugegeben,  wogegen  die  österreichische  nur  bei 
vollem  Stande  die  Zahl  von  1"26.000  Mann  erreicht  hätte.  Tatsächlich  mußte 
somit  die  österreichische  Armee  weit  schwächer  als  126.000  Mann,  also  auch 
weit  schwächer  als  die  Franzosen  sein. 


—     190    — 

die  Aufstellung  aii  der  Hier  und  die  Tätigkeit,  womit  ich  sie  zu  er- 
reichen gesucht,  nicht  nur  Allergnädigst  zu  genehmigen  —  sondern 
vielleicht  mit  Allerhöchstihrer  gewohnten  Huld  und  Gnade  mir  es 
als  verdienstlich  anzurechnen  Allergnädigst  geruhen  werden,  daß  ich 
mich  durch  keine  der  Oppositionen,  die  ich  seit  geraumer  Zeit  dar- 
über erdulden  mußte,  irremachen  ließ,  sondern  nur  meiner  Über- 
zeugung und  meinem  Gewissen  folgte. 

„In  sehr  kurzer  Zeit  hoffe  ich,  an  dieser  bedeutenden  Hier  (!) 
so  fest  etabliert  zu  sein,  um  allen  möglichen  feindlichen  Unter- 
nehmungen nachdrücklichsten  Widerstand  leisten  zu  können.  Morgen 
werde  ich  die  allgemeine  Versammlung  und  Dislokation  der  Armee 
ausarbeiten  und  expedieren  und  hoffe  in  der  morgigen  Nacht  den 
Major  Koudelka  vom  Generalstab  an  Eure  Majestät  damit  abfertigen 
und  ihm  Instruktionspunkte,  die  er  Allerhöchstdenenselben  münd- 
lich deutlicher  zu  erläutern  haben  wird,  mitgeben  zu  können. 

„Diese  Dislokation  wird  solchergestalt  en  Ordre  debataille 
genommen  werden,  daß  die  Armee  zwar  ganz  bequem  untergebracht 
—  aber  dennoch  in  einigen  wenigen  Tagen  sich  zu  versammeln 
vermögend  sein  wird,  um  den  Kampf  auf  Leben  und  Tod  für  ihren 
angebeteten  und  anbetungswürdigsten  Monarchen  mit  freudigstem 
Mute  zu  bestehen,  dessen  Allerhöchste  Gegenwart  allein  noch  er- 
mangelt, den  vortrefflichsten  Geist  der  Truppen  auf  den  möglichst 
höchsten  Grad  zu  bringen  und  sie  unüberwindlich  zu  machen." 

Mack  schließt  mit  der  Meldung,  daß  er  nach  Ulm  und  Mem- 
mingen reise,  um  deren  Befestigung  zu  veranlassen^). 

Man  kann  sich  nicht  wundern,  daß  der  gütige  Kaiser  Franz 
dieser  Art  von  Beredsamkeit  nicht  gewachsen  war.  Wie  leichtfertig 
aber  der  tatsächliche  Armeekommandant  seinen  Monarchen  beraten 
hat,  zeigt  ein  Vergleich   der   Stärkeberechnung  Macks   mit  dem  auf 


^)  Maek  sandte  eine  Abschrift  dieses  Berichtes  und  aller  folgenden  Berichte 
an  seinen  Gönner,  den  Minister  des  Äußern  Grafen  Cobenzl.  Das  Begleitschreiben, 
von  Mack  eigenhändig  gesehrieben,  lautete: 

„Euer  Exzellenz  beide  verehrteste  Sehreiben  mit  ihren  Beilagen  habe  ich 
richtig  zu  erhalten  die  Ehre  gehabt.  Wie  schmeichelhaft  mir  Euer  Exzellenz 
gütiger  Beifall  sei,  wäre  ich  mit  Worten  auszudrücken  nicht  vermögend.  Möchten 
Hoehdieselben  auch  mit  dem  Inhalt  meines  hier  anverwahrten  6.  Berichtes  und 
besonders  mit  der  Aufstellung  an  der  Ill^er  ebenso  gütig  zufrieden  sein(!). 

„Ich  erneuere  Euer  Exzellenz  von  Herz  und  Seele  meine  innigste  unver- 
brüchliche Verehrung  und  Anhänglichkeit.  Mack." 

Hof-  und  Staatsarchiv,  Kriegsakten,  483. 


—     191     — 

S.  295  angegelieneu  Stande  der  Armee  vom  6.  Oktober.  Bis  zu 
diesem  Tage  hatte  nur  die  Kavallerie  einige  Gefangene  vor  dem 
Feind  eingebüßt.  Man  hätte  diesen  „Irrtum"  Macks  verzeihen 
können,  wenn  er  ihn  in  Wien  nur  nach  Sehätzungen,  Mutmaßungen 
und  falschen  Berichten  begangen  hätte.  So  aber  kam  dieser  Bericht 
aus  der  Mitte  der  marschierenden  Armee,  wo  eine  einzige  Besichti- 
gung einer  vorbeimarschierenden  Truppe  genügt  hätte,  Mack  die 
Unrichtigkeit  seiner  Angaben  klarzumachen.  Für  die  Truppen  hatte 
aber  dieser  Tag  und  Nacht  schreibende,  reisende  und  rekognoszie- 
rende Armeekomraandant  keine  Zeit.  Er  schien  eben  einer  Berichti- 
gung seiner  falschen  Ansichten  um  jeden  Preis  aus  dem  Wege  ge- 
gangen zu  sein.  Das  ist  eine  Erscheinung,  die  man  bei  allen  Mack 
ähnlichen  Charakteren  beobachten  kann:  sie  wollen  von  der  Un- 
richtigkeit ihrer  Ansichten  und  Gefühle  gar  nicht  über- 
zeugt sein;  sie  verschließen  sich  jedem  Gegenbeweis,  auch  dem 
der  Tatsachen  absichtlich;  sie  haben  eben  immer  recht  und  wenn 
darüber  alles,  was  ihnen  anvertraut  ist,  zu  gründe  gehen  sollte. 

In  der  Nacht  zum  18.  September  verfaßte  Mack  abermals 
einen  Bericht  an  den  Kaiser,  den  er  um  2^  30^  früh  von  München 
absendete  ^). 

Mack  legte  mit  diesem  Berichte  die  versprochene  Dislokations- 
übersicht und  Ordre  de  bataille  der  Armee  nach  ihrer  Versammlung 
an  der  Hier  vor  und  sagte  dazu,  „durch  das  unter  Kommando  des 
FML.  Fürsten  Schwarzenberg  angetragene  respektable  Korps  d' Avant- 
garde glaube  ich  Eurer  Majestät  Allerhöchsten  Absichten  mit  diesem 
vortrefflichen  General  entsprochen  zu  haben,  was  aber  bei  den 
älteren  Generalen  Sensation  machen  wird^)". 

Mack  gibt  dann  seiner  Sorge  Ausdruck,  daß  er  noch  nichts 
vom  Abmarsch  Auffenbergs  höre  und  bittet  daher  dringend,  den 
Marsch  dieses  Korps  anzubefehlen. 

Weiter  schlägt  er  vor,  da  Napoleon  nichts  nach  Italien 
sendet;    auf   Kosten    der   italienischen  Armee  ein  Korps  von  25  bis 


1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA.  IX.  SeVs-  Von  Mack  eigenhändig 
gesehrieben. 

^  FML.  Fürst  Sehwarzenberg,  der  Vizepräsident  des  Hofkriegsrates  und 
spätere  Sieger  von  Leipzig,  war  einer  der  rangjüngeren  Generale  der  Armee, 
daher  eigentlieh  nieht  zur  Führung  eines  Korps  berufen.  Er  war  aber  einer  der 
einflußreiehsten  und  beim  Kaiser  in  höchster  Gnade  stehenden  Generale. 


—     192     — 

30  Bataillone  zu  bilden,    das  jederzeit  zur  deutschen  Armee  heran- 
gezogen werden  könnte,   und  sagt  weiter: 

„Es  ist  nicht  möglich,  daß  Italien  dadurch  gefährdet  werden 
könnte,  denn  erwiesenermaßen  hat  Bonaparte  im  südlichen  Frank- 
reich fast  gar  keine  Truppen.  Wann  aber  könnten  jene  von  Boulogne 
dahin  gelangen,  um  unsere  italienische  Armee  zu  erreichen?  Eüie 
Offensive  unserer  Armee  in  Italien  kann  die  deutsche  keineswegs 
retten,  da  jene  nur  einen  Festungskrieg,  mithin  nur  einen  lang- 
wierigen führen  kann  und  Bonaparte  deswegen  keinen  Mann  nach 
Italien  schicken  wird,  bis  er  nicht  seine  Alisichten  auf  unsere 
deutsehe  Armee  ausgeführt  hätte.  Zwar  geben  die  ersten  Nachrichten 
an,  daß  70.000  Franzosen  nach  Italien  marschieren,  schon  aber 
kommen  andere,  weit  glaubwürdigere,  daß  nichts  dahin  marschiere, 
sondern  alles  an  den  Ehein.  Ich  werfe  mich  Euer  Majestät  zu  Füßen, 
um  AUerhöehstdieselben  bei  dem  Heil  Ihrer  Völker  zu  bitten,  keine 
Gegenvorstellung  über  diese  unwidersprechliche  Wahrheit  zu  hören. 
Die  Anhäufung  unserer  Hauptmacht  nach  Italien  weiß  Bonaparte 
nur  zu  gut  und  wird  gewiß  daraus  Nutzen  zu  ziehen  suchen.  Wie 
ewig  beklageuswürdig  würde  es  sein,  in  Deutschland  unglücklich 
zu  werden,  bloß  weil  in  Italien  mehr  war,  als  nötig  ist.  Nur 
ein  alsobaldiger  Machtbefehl  Eurer  Majestät  wegen  schleunigster 
Aufstellung  jenes  Intermediärkorps  kann  diesem  unermeßlichen 
Unglück  vorbeugen,  denn  wenn  Allerhöchstdieselbe  (vergeben  Eure 
Majestät  meine  Kühnheit  wegen  dem  Heil  der  großen  Sache)  erst 
Eat  einholen,  so  geschieht  nichts  oder  es  geschieht  zu  spät.  Nicht 
einen  Maun  hat  Bonaparte  gegen  uns  im  ganzen  mehr  als  wir. 
Aber  wenn  er  200.000  Mann  in  Deutschland  und  nur  100.000  in 
Italien  hat,  wir  nur  130.000  in  Deutschland  und  180.000  in  Italien, 
so  stehen  wir  in  der  augenscheinlichsten  Gefahr,  in  Deutschland 
zu  gründe  zu  gehen  und  unsere  italienische  Übermacht  kann  uns 
auf  keine  Weise  retten. 

„Wie  schrecklich  wäre  es,  durch  solche  Fehler  die  Lage  der 
Umstände  gefährden  zu  wollen,  die  doch  gewiß  dermalen  unmöglich 
beruhigender  und  glückUcher  sein  könnte,  da  alle  Besorgnis  —  vor 
Ankunft  der  Eussen  mit  überlegenen  feindlichen  Kräften  kämpfen 
zu  müssen  —  verschwunden  ist,  diese  Besorgnis,  die  Eure  Majestät 
vor  und  seit  dem  großen  Entschluß   so  viel  von  Ihrer  Euhe  kostet. 

„Der  Freude  des  ersten  Sieges  können  Eure  Majestät  sich  nun- 
mehr mit  vollem,  unwidersprechhchem  Eecht  überlassen  und  da  von 


—     193     — 

der  guten  Grundlage  so  vieles  abhängt,  so  läßt  sieh  wohl  auf  küut- 
tige  Freude  entweder  des  Sieges  der  Friedenserhaltung  und  endlicher 
Herstellung  dauerhafter  Ruhe  —  oder  jene  der  notgedrungenen  und 
rechtmäßig  erkämpften  Siege  mit  aller  Zuversicht  hofien. 

„Verzeihen  mir  Eure  Majestät  gnädigst  diese  Abweichung.  Ich 
hatte  so  oft  Gelegenheit,  Ihre  Bekümmernisse,  diese  so  verehrungs- 
würdigen Bekümmernisse  eines  für  das  Wohl  seiner  Völker  schla- 
genden zärtlichen  ßegentenherzens  zu  bemerken,  daß  ich  sie  mir 
nicht  versagen  konnte. 

„Durch  Ihre  Weisheit,  Ihre  Energie  und  Tätigkeit  haben  sich 
Eure  Majestät  diesen  ersten  w^ichtigen  Sieg  verschafft. 

,.Eure  Majestät  sind  also  auch  gewiß  entschlossen,  in  diesen 
erhabenen  Grundsätzen  fortzuwandeln,  und  daher  darf  ich  es  um  so 
zuversichtlicher  wagen,  Allerhöchstdemselben  den  Vorschlag  zu  unter- 
legen, baldmöglichst  Ihre  Infanterie  noch  mit  30.000  Mann,  nämlich 
mit  20  Feuergewehren  pro  Kompagnie  zu  vermehren^),  gleich  in 
ein  paar  Monaten  wären  wieder  ebenso  viele  Eekruten  auszuheben, 
so  daß  bis  zum  Frühjahr  annoeh  eine  Reservearmee  von  40  bis 
50  Bataillons  im  Mittelpunkt  zwischen  der  deutschen  und  italieni- 
schen Armee  formiert  werden  und,  wo  es  zur  Abwendung  unglück- 
licher oder  zur  besseren  Beförderung  glücklicher  Umstände  nötig 
werden  dürfte,  verwendet  werden  könne. 

„Wie  sehr  diese  nur  energische  Verfügung  selbst  für  die  Er- 
haltung des  Friedens  mit  einem  Gegner  wie  Bonaparte  vorteilhaft 
werden  könne,  geruhen  Eure  Majestät  am  besten  Allergnädigst  zu 
erkennen.  Ich  wünschte  daher  auch,  daß  dieser' Veranlassung  alle 
möglichste  Publizität  gegeben  würde." 

Details  will  Mack  vorlegen,  „wenn  Eure  Majestät  meine  Alier- 
untertänigste  Bitte  (gewiß  die  inständigste  Bitte  der  ganzen  Armee) 
zu  gewähren  und  uns  in  den  ersten  Tagen  Oktobers  mit  Ihrer  Aller- 
höchsten Gegenwart  auf  6 — 8  Tage  zu  begnadigen  und  zu  beglücken 
geruhen  wollten". 


^)  Maek  meinte  damit  eine  abermalige  Erhöluing  des  Kompagniestandes 
um  20  Feuergewehre.  Der  ursprüngliche  Stand  war  160  Gewehre;  mit  Armee- 
befehl vom  27.  August  wurde  er  auf  180  erhöht,  was  mit  den  20  Unteroftizieren 
der  Kompagnie  einen  Mannsehaftsstand  von  200  ausmachte.  Nun  sollte  der  Feuer- 
gewehrstand auf  200  gebracht  werden,  der  Mannsehaftsstand  der  Kompagnie 
somit  auf  220  Mann. 

Kraus.s.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  13 


—     194    — 

Man  muß  sich  angesichts  dieses  Berichtes  nur  fragen,  warum 
Mack  erst  jetzt  auf  diese  Wahrheiten  kam.  Boulogne  war  schon  im 
Jahre  1804  von  Italien  ebensoweit  entfernt  wie  zur  Zeit  der  Ver- 
fassung des  Berichtes  und  auch  die  anderen  Wahrheiten  waren  schon 
damals  richtig  und  erkennbar.  Wie  aber  Mack  wieder  sofort  seinen 
Charakterfehlern  unterlag,  zeigt  der  Antrag  mit  der  Verstärkung 
aller  Kompagnien  um  20  Mann.  Woher  sollte  diese  Mannschaft  ge- 
nommen werden?  Der  Effektivstand  der  Armee  war  erschöpft,  die 
Rekrutierung  war  ohnedies  schon  auf  das  äußerste  angespannt 
worden,  um  nur  die  Eeservebataillone  halbwegs  aufstellen  zu  können, 
und  wenn  selbst  Rekruten  in  genügender  Zahl  zu  haben  gewesen 
wären :  wann  hätte  diese  Maßregel  für  die  Armee  wirksam  werden 
können  ^)  ? 

Von  welchem  Siege  Mack  spricht,  konnte  nicht  klargestellt 
werden.  Zusammenstoß  mit  dem  Feinde  hatte  es  noch  keinen  gegeben; 
die  Bayern  hatten  sich  den  Mackschen  Absichten  ohne  jeden  Kampf 
mit  Erfolg  entzogen.  Wo  und  über  wen  dieser  Sieg  errungen  worden 
ist,  bleibt  daher  dunkel,  außer  man  bringt  diesen  Bericht  doch  mit 
einem  Brief  Collenbachs  vom  11.  September  an  Mack  in  Verbindung, 
in  dem  es  heißt:  „Meinen  Glückwunsch  zu  dem  Sieg  über  die 
Bayern."  Wie  Mack  dazu  kam,  von  einem  Sieg  über  die  Bayern  zu 
sprechen  —  Oollenbach  konnte  das  doch  nur  von  Mack  haben  — 
ist  unerklärlich^). 


^)  Im  Juli  1805  war  der  Abgang  an  Mannschaft  für  den  Kriegsstand  ein- 
schließlich der  Eeservebataillone  und  der  ßeserveeskadronen  mit  100.300  Mann 
berechnet  worden.  (Standesüberschlag  vom  6.  Juli.  Kriegsarehiv,  1805,  Deutseh- 
land, VII,  1.)  Schon  dieser  Abgang  konnte,  wie  FML.  Duka  nachgewiesen  hatte 
(vgl.  S.  79),  durch  die  Eekrutierung  nicht  gedeckt  werden. 

^)  Dieser  für  die  Beurteilung  Maeks  wichtige  Brief  lautet: 

„Meinen  Grlüekwunseh  zu  dem  Sieg  über  die  Bayern.  Wer  diesen  ßonaparte 
sehlagen  will,  muß  einen  Kurfürsten  von  der  Pfalz  bloß  durch  die  Furcht  schon 
von  weitem  bezwingen  können.  Seine  Majestät  scheinen  sehr  zufrieden  sowohl 
mit  dem  Efifekt  als  mit  den  Anstalten  dazu 

„Kaiser  Napoleon  hatte,  soviel  wir  wissen,  den  30.  von  der  Küste  noch 
nichts  oder  nichts  Wesentliches  weggezogen.  Es  wird  zwar  von  Truppen,  die  im 
Elsaß  ankommen,  gesprochen,  bisher  aber  ist  meist  nur  von  denen,  die  ankommen 
sollen,  die  Rede;  außer  was  aus  Garnisonen  am  unteren  Rhein  zusammengerafft 
werden  konnte  und  einiges  aus  den  inneren  Provinzen.  Nun  wird  er  schwerlich 
eher  mit  einer  bedeutenden  Macht  nach  Bayern  kommen  als  die  Russen. 

„Hier  spricht  alles  von  den  schönen  Armierungsanstalten  des  Generals 
Maek!    Das  Publikum  ist  martialisch   gesinnt,    als  wenn   der  Geist  des  Generals 


195     — 


PZM.  Grat 
Kolowrat  in 
Memmin  oen. 


Die  von  Mack  vorgelegte  Ordre  de  bataille  und  Dislokation  der 

Armee  war  (siehe  Beilagen  10  und  11): 

Avantgardekorps,  PML.  Fürst  Schwarzenberg  in  Waldsee. 
27  Bataillone  und  40  Eskadronen  in  Radolfzell,  Engen,  Tutt- 
lingen, Stockach,  Mößkirch,  Siegmaringen,  Scheer,  Mengen, 
Pfullendorf,  Markdorf,  Ravensburg,  Waldsee,  Aulendorf,  Saul- 
gau,  Schussenried,  Biberach,  Wurzach,  Ochsenhausen. 

21  Bataillone  und  16  Eskadronen  in 

1.  Treffen  '  Ulm,    Weißenhorn,    Illertissen,    lUer- 
eichheim,  Memmingen,  Kempten. 

21  Bataillone   und  16  Eskadronen  in 
Leipheim,     Günzburg,     Ichenhausen, 

2.  Treffen  ^  Eoggenburg,     Thannhausen,     Krum- 
bach, Babenhausen,  Günz,  Ottobeuren, 

Tingau. 

Reserven,  FML.  Freiherr  v.  Werneck  in  Buehloe.  26  Bataillone 
und  40  Eskadronen  in  Wertingen,  Burgau,  Zusmarshausen, 
Biburg,  Augsburg,  Pfaffenhausen,  Schwabmünchen,  Türkheim, 
Buehloe,  Landsberg,  Kaufbeuren,  Schongau. 
Detachiertes  Korps,  FML.  Freiherr  v.  Jellachich.  21  Ba- 
taillone und  16  Eskadronen  in  Lindau,  Merseburg,  Buchhorn, 
Tettnang. 

Von  diesen  Truppen  waren  Ende  September  noch  nicht  ein- 
gerückt :  6  Bataillone  und  2  Eskadronen  des  Avantgardekorps,  8  Eska- 
dronen des  1.,  18  Bataillone  und  16  Eskadronen  des  2.  Treffens, 
8  Bataillone  und  8  Eskadronen  des  Eeservekorps. 

Nach  dieser  Dislokation  sollte  das  Ende  September  nur  21  Ba- 
taillone und  38  Eskadronen  starke  Avantgardekorps  auf  einen  Raum 
von  45  km  Breite  und  90  hm  Tiefe,  die  zwei  Treffen  auf  eine  Breite 
von  80  hm,   und  die  ganze,  Ende  September  nur  84  Bataillone  und 

Hitzig  (Scherzname  Maeks?)    in    die   Leute    gefahren    wäre Meine  Frau 

küßt  Sie  und  dankt  mit  mir.  Ihr  Beifall  macht  sie  so  stolz,  daß  ich  nun  bei  ihr 
den  Staatsrat  Unrecht  abgeben  muß. 

„Auch  ich  bin  stolz,  die  Freundschaft  eines  Mannes  zu  besitzen,  den  mein 
Vaterland  mit  mir  verehrt  und  von  dem  die  Nachwelt  laut  sprechen  wird,  wenn 
alle  Staatskanzleien  vermodert  und  vergessen  sein  werden." 

Ist  es  nicht  sonderbar,  wie  schlecht  man  in  Wien  noch  am  11.  September 
über  den  Marsch  der  Franzosen  unterrichtet  war? 

Darf  man  sich  wundern,  daß  dieser  Weihrauch  einem  so  eiteln  Manne  wie 
Maek  die  Sinne  umnebelte? 

13* 


—     196    — 

102  Eskadronen,  also  höchstens  50.000  Mann  Infanterie  und  10.000 
Reiter  starke  Armee  auf  einen  Eaum  von  220  hn  Tiefe  (Engen — 
Ingolstadt)  und  130  hn  Breite  (Peldkirch— Ulm)  verteilt  werden.  Zu 
ihrer  Versammlung  bei  ülra  wären  wenigstens  acht  Tage  nötig 
gewesen. 

Auffallend  ist  bei  dieser  Dislokation  weiter,  daß  die  noch  weit 
rückwärts  marschierenden  Peterwardeiuer  und  Deutsch-Banater  Grenzer 
ihre  Einteilung  ganz  vorne  bei  Tuttlingen,  Stockach  und  Radolfzell 
erhalten  hatten. 

Am  18.  September  reiste  Mack  nach  Ulm,  wo  er  am  19.  dem 
Chevauxlegersregiment  Eosenberg  den  Befehl  gab,  nach  Hechingen 
vorzugehen  (Beilage  11)  und  je  eine  Eskadron  nach  Mannheim  und 
Straßburg  zur  Aufklärung  vorzusenden.  Beim  Zusammentreffen  mit 
den  Franzosen  sei  nicht  mit  den  Feindseligkeiten  zu  beginnen.  Das 
Infanterieregiment  Württemberg  werde  Befehl  erhalten,  am  27.  Sep- 
tember mit  drei  FüsiUerbataillonen  von  Burgau  aufzubrechen  und  am 
1.  Oktober  in  Hechiugen  einzutreffen.  Das  Regiment  sei  dem  Kom- 
mandanten von  Eosenberg-Ohevauxlegers  unterstellt,  „um  soviel  wie 
möglich  vor  und  seitwärts  Terrain  zu  gewinnen,  wenigstens  sich 
aber  in  seiner  Stellung  zu  behaupten,  außer  Übermacht  zwinge  ihn 
zum  Eückzug". 

In  einem  vom  19.  September,  lO''  nacht,  aus  Ulm  datierten 
Berichte  bittet  Mack  den  Kaiser  auf  neue  Nachrichten  hin  abermals, 
30  Bataillone  von  der  italienischen  Armee  in  Eilmärschen  über  Inns- 
bruck und  Füssen  nach  Deutsehland  zu  beordern.  Er  sagt,  daß  nach 
Aussage  vieler  Kaufleute  und  Eeisenden  die  Nachricht,  70.000 
Franzosen  gingen  nach  Italien,  absichtlich  verbreitet  worden  sei.  Er 
fährt  dann  fort: 

„Alles  und  alles,  nur  vielleicht  10.000—12.000  Mann  aus- 
genommen, die  an  den  südlichen  Küsten  und  in  südlichen  Gegenden 
Frankreichs  standen,  zieht  sich  an  den  Ehein  und  nicht  mehr  lange, 
so  werden  zwei  französische  Hauptarraeen,  die  eine  wahrscheinlicher- 
weise bei  Hünningen,  die  andere  bei  Mannheim  und  Mainz  diesen 
Strom  passieren,  von  welchen  die  erstere  gegen  Eure  Majestät  an 
der  Hier  aufgestellte  Armee  zu  operieren,  die  andere  über  Würzburg 
gegen  Böhmen  vorzudringen  die  Absicht  haben  dürfte. 

„Diesen  oder  anderen  Absichten  werden  wir  zu  begegnen  ver- 
mögend sein,  wenn  wir  die  angetragenen  Verstärkungen  aus  Italien 
und  wenn  wir  sie   (wo   es  jetzt   noch   möglich   ist)   in  rechter  Zeit 


—     197     — 

erhalten.  Aber  unvermeidlich  würden  wir  in  Deutschland  unterliegen 
müssen,  wenn  sie  nicht  erfolgten,  und  ich  darf  mit  ehrerbietigster 
Freimütigkeit  zu  wiederholen  wagen,  daß  es  unsere  eigene  größte 
Schuld  —  mithin  unverantwortlich  sein  würde. 

„Eure  Majestät  geruhen  sich  Allergnädigst  zu  erinnern,  daß 
mir  einstens  in  dem  ersten  Yerteilungsentwurf  der  Streitkräfte  zwischen 
Italien,  Tirol  und  Deutschland  nicht  der  geringste  Einfluß  gestattet, 
sondern  daß  er  Eurer  Majestät  unmittelbar  vorgelegt  und  mir  nur 
als  eine  von  Allerhöchstdenselben  sanktionierte  Basis,  auf  welcher 
ich  die  Marscheinleitungen  zu  treffen  hatte,  zugestellt  wurde.  Ob  es 
schon  damals  zweckmäßiger  gewesen  wäre,  gleich  von  allem  Anfang 
ein  Drittel  aller  Truppen  für  Deutschland,  ein  Drittel  für  Italien  und 
ein  Drittel  als  intermediäre  Eeserve  anzutragen,  so  mußte  ich  mir 
doch  aus  Rücksichten,  die  Eurer  Majestät  nur  zu  sehr  bekannt  sind, 
Gegenvorstellungen  versagen  und  konnte  es,  ohne  gegen  mein  Ge- 
wissen zu  handeln,  so  lange  als  es  möglich  und  wahrscheinlich 
war,  daß  Frankreich  seine  von  den  Küsten  zurückziehende  Armee 
teilen  oder  vielleicht  sogar  mehr  davon  nach  Italien  als  nach 
Deutschland  disponieren  würde.  Diese  Möglichkeit,  diese  Wahrschein- 
lichkeit bestand  anfänglich,  so  lange  man  zu  besorgen  hatte,  daß 
Bonaparte  das  Geheimnis  des  Abschlusses  mit  Rußland  und  des 
russischen  Einmarsches  alsobald  durchdringen  und  ungesäumt  seine 
Truppen  von  den  Küsten  zurückziehen  würde.  Alsdann  wäre  es,  weil 
er  die  physische  Zeit  und  Möglichkeit  dazu  gehabt  hätte,  wahrschein- 
lich gewesen,  daß  er  seine  Hauptmacht  nach  Italien  ziehen  würde, 
um  von  jener  Seite  gegen  Eurer  Majestät  Erbstaaten  einen  ent- 
scheidenden Hauptstreich  auszuführen^). 

'■)  Vergleiche  damit  die  Darlegungen  Maeks  in  dem  Berichte  vom  18.  Sep- 
tember, S.  192. 

Interessant  ist  es,  diese  Klagen  Maeks  mit  einem  Briefe  zu  vergleichen, 
den  der  französische  Gesandte  in  Wien  am  25.  August  nach  Paris  sandte.  Er 
schreibt:  Das  Lager  von  Budweis  wird  nicht  stattfinden:  auch  das  von  Minken- 
dorf v?urde  vyiderriifen.  Die  Truppen  dieser  beiden  Lager  erhielten  Befehl,  nach 
Wels  zu  marschieren.  Das  Lager  von  Pettau  ist  nach  Laibaeh  verlegt,  die  Eegi- 
menter  sind  schon  dahin  im  Marsehe.  Die  Wiener  Garnison  marschiert  in  wenigen 
Tagen  ab,  dafür  kommen  Kroaten  aus  Ungarn. 

Man  sagt,  der  Kaiser  werde  selbst  die  Armee  in  Italien  kommandieren  mit 
Maek  als  Generalstabschef.  Erzherzog  Karl  wird  allgemein  als  Kommandant  der 
Armee  in  Deutsehland  genannt. 

„Der  General  Mack  soll  sieh  bald  nach  Italien  und  Tirol  begeben,  um 
dort    die   letzten    im    Hofkriegsrat   oder    vielmehr  von  dem  General  Maek 


—     198     — 

„Durch  sein  Verweilen  an  den  Küsten  aber  hat  er  alle  Mög- 
lichkeit dazu  verloren  und  es  bleibt  ihm  nur  noch  die  HoflfnuDg  auf 
die  mögliche  Ausführung  eiüer  solchen  Absicht  in  Deutschland. 
Noch  hielt  ich  zurück  mit  meinen  Vorstellungen,  solange  das  ob- 
angeführte  Gerücht  des  Marsches  von  70.000  Franzosen  nach 
Italien  nur  einigen  Glauben  behielt;  aber  von  dem  Augenblicke, 
wo  sich  dieses  widerlegte,  würde  ich  mich  der  schwersten  Verant- 
wortlichkeit ausgesetzt  haben,  fernerhin  zu  schweigen.  Nur  die 
42  Bataillone  aus  Vorarlberg  und  aus  dem  westlichen  Tirol  und  eine 
Verstärkung  von  30  Bataillonen  aus  Italien  können  und  werden  uns 
in  die  Möglichkeit  setzen,  allen  Absichten  des  Feindes  mit  dem 
gehörigen  Nachdrucke  zu  begegnen.  Die  Armee  in  Deutschland  wird 
sodann  (weil  die  acht  JSiebenbürger  Bataillone  nur  erst  zu  gleicher  Zeit 
mit  den  Eussen  kommen)  aus  156  Bataillonen,  die  italienische  aber 
mit  dem  südlichen  Tirol  annoch  aus  164  Bataillonen  bestehen,  mithin 
immer  noch  stärker  als  jene  in  Deutsehland  sein,  während  als  alle 
moralische  Gewißheit  besteht,  daß  der  Feind  nur  ein  Drittel  seiner 
Kräfte  in  Italien  und  zwei  Drittel  derselben  in  Deutschland  ver- 
wenden wird,  für  Italien  aber  (selbst  wenn  es  möglich  wäre,  daß 
sich  die  erste  Nachricht  von  dem  Marsche  der  70.000  Franzosen 
nach  Italien  noch  bestätigte)  nicht  das  geringste  zu  besorgen  sein 
kann,  weil  es  ganz  unmöglich  ist,  daß  sie  die  Etsch  früher  erreichten, 
als  es  nach  Eintreffung  der  Eussen  möglich  sein  würde,  aus  Deutsch- 
land wieder  Verstärkungen  nach  Italien  zu  bringen. 

„Jeder  unparteiische  Eichter  mag  urteilen,  ob  der  Vorteil  dieser 
Eepartition  nicht  immer  noch  auffallend  für  Italien  bliebe,  besonders 
da  man  dort  schon  seit  so  langer  Zeit  Verteidigungsanstalten  aller 
Art  getroffen  hat.  Aber  auch  mit  einer  minderen  Zahl,  als  wir  sie 
in  Deutschland  haben  sollten,  hoffe  ich  zu  Gott  und  Eurer  Majestät 
Gegenwart,  daß  Allerhöchstdieselben  den  großen  Kampf  glücklich 
bestehen  und  bis  zur  Ankunft  der  Eussen  wenigstens  keinem  be- 
deutenden, nicht  bald  wieder  herzustellenden  Unglück  ausgesetzt 
werden  sollen. 


allein  gefaßten  Dispositionen  zur  Durchführung-  zu  bringen;  denn  es  ist 
sieher,  daß  für  alles,  was  die  Verteilung  der  Truppen,  die  mili- 
tärischen Bewegungen,  die  Reglements  und  Verordnungen  betrifft, 
der  General  vom  Kaiser  die  weitesten  Befugnisse  erhalten  hat, 
und  daß  der  Widerstand,  den  er  zuerst  beim  Erzherzog  Karl  ge- 
funden hat,  jetzt  Null  ist." 


—     199    — 

„Nur  ist  von  diesem  Augenblick  die  äußerste  Tätigkeit  das 
dringendste  Gesetz  und  daher  muß  ich  Eure  Majestät  auch  auf  das 
allerinständigste  untertänigst  bitten,  daß  Allerhöchstdieselben  die 
Beschleunigungsmaßregeln,  welche  ich  in  dem  Handbillettentwurfe 
aufgeführt,  zu  genehmigen  und  gnädigst  versichert  zu  sein  geruhen 
mögen,  daß  durch  solche  Maßregeln  niemand  zu  gründe  gehe,  wie 
ich  hoffe,  daß  Eure  Majestät  sich  bald  bei  Allerhöchst  Ihrer  Ankunft 
zu  der  Armee  werden  überzeugen  können,  wo  ich  selbst  Eure 
Majestät  um  strenge  Nachfrage  und  Untersuchung  untertänigst  bitten 
werde,  weil  ich  leider  nur  zu  sehr  besorgen  muß,  daß  ich  wieder 
als  Unbesonnener  und  als  ein  Verderber  der  Truppen  angeklagt 
worden  sei.  Wer  solche  Mittel  (wenn  sie  nötig  werden,  um  einen 
höheren  Zweck  zu  erreichen)  vernachlässigt,  wird  sich  leicht  durch 
eigene  Schuld  in  Unglück  stürzen  und  sodann  nicht  einmal  Trost 
in  seinem  Gewissen  finden^)  " 

Dieser  Bericht  fordert  zu  einigen  Bemerkungen  heraus. 

1)  Kriegsarchiv,'  1805,  Deutsehland  PA,  IX,  66V4. 
Der  Entwurf  des  Handbilletts  enthielt: 

a)  Den  Auftrag,  sofort  mit  Kurier  anzuordnen,  daß  30  Bataillone,  somit 
6  der  rückwärtigen  Regimenter  der  italienischen  Armee  sofort  in  starken  Märsehen 
über  Innsbruck  und  Füssen  zur  Armee  in  Deutsehland  abrücken.  Tornister  auf 
Wagen,  Verpfiegszubuße. 

b)  Vorkehrungen  hinsichtlich  Verpflegung,  damit  die  1.  russische  Armee 
aus  Mähren  über  Iglau,  Neuhaus,  Tabor,  Strakonitz,  Klattau  nach  Waldmünehen 
dirigiert  werden  könne.   (Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  IX,  66 V4«-) 

Das  Begleitsehreiben  der  an  den  Minister  Grafen  Cobenzl  gesandten  Ab- 
schrift dieses  Berichtes  lautete: 

„Vergeben  Euer  Exzellenz,  wenn  ich  durch  einen  neuen  Kurier  schon 
wieder  mit  SoUizitationen  komme  und  sie  Ihrer  Unterstützung  auf  das  aller- 
angelegentlichste  empfehle.  Durch  unsere  eigene  Schuld  würden  wir  unglücklich 
werden,  wenn  wir  nicht  die  Maßregeln  ergreifen,  die  die  Umstände  ebenso  ein- 
leuchtend als  dringend  erfordern. 

„Wenn  ich  mir  bisher  etwas  vorzuwerfen  gehabt,  so  ist  es  meine  Besorgnis, 
der  hohen  Person,  deren  Anordnungen  ich  angreifen  muß,  neuerdings  mißfällig 
zu  werden.  Aber  noch  ist  nichts  versäumt,  wenn  alles  mit  der  nötigen  Tätigkeit 
veranlaßt  wird.  Und  warum  sollten  wir  dies  nicht,  wenn  unser  gegenwärtiges 
und  zukünftiges  Heil  so  wesentlich  davon  abhängen  kann. 

..Ich  setze  meine  ganze  Hotfnung  auf  Seine  Majestät  selbst  und  auf  die 
Weisheit  der  beiden  verehrungswürdigsten  Herren  Minister,  die  Sie  darüber  hören 
werden.  Diese  Hoffnung  gibt  mir  freudigen  Mut  und  solange  nicht  jene,  wird 
mich  auch  dieser  gewiß  nicht  verlassen. 

„Ulm,  am  19.  September  1805,  9h  abend.  Maek." 

Hof-  und  Staatsarehiv,   Kriegsakten,   484.    Von    Maek    selbst   gesehrieben. 


—     200     — 

Wie  es  klar  wird,  daß  sieh  das  Ungewitter  über  der  deutschen 
Armee  zusammenzieht,  wird  Maek  unruhig  und  versucht  es  sofort, 
den  wesenthchen  Teil  der  Verantwortung  von  sich  ab  auf  Erzherzog 
Karl  zu  wälzen.  Er  scheut  sich  nicht  anzudeuten,  daß  er  wohl  immer 
der  Meinung  war,  daß  die  Hauptkraft  nach  Deutschland  gehöre,  daß 
er  aber  nur  aus  gewissen  Rücksichten  Gegenvorstellungen  unterlassen 
mußte.  Dieses  jesuitische  Vorgehen  muß  gebrandmarkt  werden.  Mack 
hatte  sich  mit  allen  Mitteln  in  die  leitende  Stellung  an  die  Seite 
des  ^Monarchen  gedrängt ;  er  ging  dabei,  wie  bereits  erwähnt  worden 
ist,  mit  der  größten  Rücksichtslosigkeit  gegen  den  Erzherzog  Karl 
vor.  Jetzt  behauptet  er,  daß  er  in  dieser  hervorragenden  Vertrauens- 
stellung nur  aus  persönlicher  Rücksicht  auf  den  Erzherzog  Karl, 
gegen  seine  bessere  Einsieht,  geschwiegen  habe.  Mack  hat  also  nie 
gefühlt,  wie  erbärmlich  dieses  Verhalten  für  ihn  gewesen  wäre,  viel 
erbärmlicher  als  der  schwerste,  in  gutem  Glauben  begangene  Fehler. 
Er  glaubt  für  diese  Unterlassung  weniger  verantwortlich  zu  sein 
als  für  eine  unglückliche  Tat.  Dieser  Glaube  ist  aber  weit  verbreitet. 
Das  Beharrungsvermögen  im  Althergebrachten,  die  Scheu  vor  Neue- 
rungen haben  zum  großen  Teil  ihre  Ursache  in  diesem  leider  be- 
rechtigten Glauben.  Für  das,  was  man  tut,  ist  man  unbedingt  ver- 
antwortlich ;  fällt  es  schlecht  aus,  muß  man  somit  die  Folgen  tragen ; 
für  das,  was  man  unterläßt,  d.  h.  für  das  Fortwursteln  im  Alten  wird 
man  aber  leider  nicht  verantvvortlich  gemacht.  Kein  Wunder,  daß 
sich  viele  Menschen  an  das  Fortwursteln  im  Alten,  an  den  alten 
Schimmel  halten  und  jeden,  der  sie  zwingen  wollte,  etwas  Positives, 
Verantwortungsvolles  zu  tun,  geradezu  als  ihren  Feind  betrachten. 
Man  muß  daher  jeden,  insbesondere  Männer  in  leitenden  Stellungen 
vor  allem  für  das  verantwortlich  machen,  was  sie  gegen  ihre 
Pflicht  unterlassen  haben.  Einer  der  schönsten  und  besten  Sätze 
des  Exerzierreglements  lautet :  „Ein  Fehlgreifen  in  der  Wahl  des 
Entschlusses  schadet  weniger  als  Zaudern  und  Unterlassen";  daher 
sollte  man  aber  auch  das  „Unterlassen"  rücksichtsloser  zur  Verant- 
wortung ziehen  als  das  „Fehlgreifen".  Leider  wird  in  der  Regel  das 
Umgekehrte  geübt.  Wird  aber  etwas  aus  niedrigen,  persönlichen 
Gründen,  wie  z.  B.  aus  Rücksicht  auf  einflußreiche  Personen,  um  oben 
nicht  anzustoßen,  oder  aus  Rechthaberei,  Unfehlbarkeitsdünkel  u.  dgl. 
unterlassen,  dann  sollte  man  gegen  Personen,  die  solches  verschulden, 
desto  rücksichtsloser  vorgehen,  in  je  einflußreicheren  Stellen  sie  diese 
Unterlassungen  begangen  haben. 


—     201     — 

Mack  mißbraucht  das  Wort  „Tätigkeit"  in  jedem  seiner  Be- 
richte. Es  ist  merkwürdig,  wie  viele  Menschen  die  einfachsten  und 
klarsten  Begriffe  ganz  falsch  auffassen.  Das  Verhalten  Macks,  das 
ruhelose  Herumreisen  und  Rekognoszieren,  das  fortwährende  Ändern 
der  Befehle,  das  ununterbrochene  Berichtesehreiben  sind  ebensowenig 
„Tätigkeit"  wie  das  Abhetzen  der  Truppen;  .^^ack  hat  nur  eine 
fieberhafte,  ihn,  seine  Umgebung  und  die  Truppen  ruinierende 
Geschäftigkeit  entwickelt;  schon  ist  zu  ihm  die  Volkesstimme 
gedrungen,  die  ihn  den  „Verderber  der  Truppen"  nennt;  wie  die 
Folge  zeigen  wird,  mit  vollstem  Rechte. 

Mack  wirft  in  seinem  Berichte  auch  die  Frage  der  Neutralität 
Preußens  auf  und  sagt,  daß  die  Absicht  der  Russen,  Preußen  mit 
Gewalt  von  der  Neutralität  abzubringen,  sehr  gefährlich  sei;  dagegen 
dtirfte  es  Rußland  wohl  gelingen,  den  Neutralitätsschutz  der  kleinen 
deutschen  Staaten  durch  Preußen  zu  verhindern,  was  wichtig  wäre, 
um  dadurch  „zugleich  den  Weg  durch  Hannover  gegen  Holland 
offen  zu  behalten,  wohin  sodann  der  Krieg  mit  Nachdruck  gespielt 
werden  könnte  und  gespielt  werden  müßte,  weil  es,  wie  ich  oft 
gesagt,  für  Frankreich  keinen  empfindlicheren  Punkt  geben  kann 
als  diesen^)".  Man  sieht,  wie  diese  von  Jugend  auf  eingesogenen 
Ideen  den  Mann  nicht  loslassen,  wenn  er  auch  zeitweise,  wie  im 
Berichte  vom  18.  September  unter  der  Wucht  der  drohenden  Er- 
eignisse klar  und  einfach  denkt. 

Mack  schließt  dann  seinen  Bericht: 

„Ulm  als  Festung  habe  ich  zwar  sehr  ruiniert  gefunden,  aber 
gegen  einen  Anlauf  wird  es  in  der  Zeit  von  3  Wochen  wieder  hin- 
länglich haltbar  gemacht  sein;  immer  ein  großer  Vorteil,  besonders 
wegen  der  Kommunikation  mit  beiden  Ufern  der  Donau. 

„Von  Memmingen  gibt  mir  der  Oberst  Dedovich,  welelier  es 
gestern  schon  gesehen,  die  erfreulichsten  Nachrichten.  Ich  reise 
heute  nacht  dahin  ab,  um  morgen  alles  zu  untersuchen  und  anzu- 
ordnen. " 

Die  Artillerie  für  Ulm  und  Memmingen  will  Mack  aus  Braunau 
nehmen,  „diesem  erbärmlichen  Neste,  welches  gar  keiner  Verteidigung 
fähig  ist". 

Während  Mack  die  Armee  derart  an  die  Hier  führte,  erwartete 
ihr  Kommandant  in  Wien  den  Befehl  oder  vielmehr  die  Erlaubnis, 
zur  Armee  abzugehen. 

M  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA.  IX,  6-4^4. 


—     202     — 

Erzherzog  Ferdinand  war  mit  den  Maßnahmen  Macks  durchaus 
nicht  einverstanden.  Er  ging  deshalb  zum  Erzherzog  Karl  und  gab 
ihm  dies  bekannt;  besonders  war  er  damit  nicht  einverstanden,  daß 
die  Armee  an  den  Lech  vorgezogen  wurde,  weil  dies  der  erste 
Schritt  zu  ihrer  Aufopferung  sei.  Er  erklärte  dem  Erzherzog  Karl, 
daß  es  ihm  unmöglich  sei,  unter  solchen  Verhältnissen  ohne  be- 
stimmte Instruktion  zur  Armee  abzugehen.  Er  legte  daher  am 
11.  September  dem  Erzherzog  Karl  und  am  13.  September  dem 
Kaiser  folgendes  vor: 

1.  Die  ganze  Infanterie  der  Armee  wäre  zwischen  Inn  und 
Lech  zu  verlegen,  und  zwar  südlich  der  Straße  Mühldorf,  München, 
Friedberg;  die  schwere  Kavallerie  hätte  am  rechten  Inn-Ufer  zu 
bleiben,  die  leichte  Kavallerie  bei  der  Infanterie,  nur  einige  ihrer 
ßegimenter  wären  über  den  Lech  vorzusenden. 

2.  Die  Infanterie  der  Brigade  Wolfskeel  hat  nach  Bregenz  zurück- 
zukehren. Die  Husaren  könnten  bis  zu  ihrer  Ablösung  vorne  bleiben. 

3.  P'alls  der  Feind  über  die  Hier  vorgeht,  hätte  die  eigene 
Armee,  wenn  sie  ihm  gewachsen  ist,  ihm  am  Lech  entgegenzutreten, 
wenn  nicht,  dann  hätte  sie  sich  zurückzuziehen,  weil  die  Bussen 
nicht  vor  dem  9.  November  am  Inn  versammelt  sein  könnten. 

Am  16.  September  wurde  Erzherzog  Ferdinand  zum  Kaiser 
berufen. 

Der  Kaiser  teilte  ihm  mit,  Mack  habe  gemeldet,  daß  die  Fran- 
zosen bei  Kehl  über  den  Ehein  gegangen  seien  und  gegen  Offenburg 
vorrückten  und  daß  Mack  infolgedessen  alle  Truppen  in  forcierten 
Märschen  an  die  Hier  ziehe,  um  dort  den  Franzosen  zuvorzukommen. 
Erzherzog  Ferdinand  stellte  hierauf  dem  Kaiser  vor,  daß  der  in 
diesem  Augenblick  geschehene  Übergang  der  Franzosen  über  den 
Bhein,  wo  sie  noch  nicht  ihre  ganze  Armee  am  Bhein  haben 
konnten,  wahrscheinlich  nur  erfolgte,  um  Nachrichten  einzuziehen 
und  Eequisitionen  durchzuführen.  Was  aber  die  forcierten  Märsche 
anlange,  halte  er  diese  für  sehr  übel  angebracht,  weil  es  sich  jetzt 
vor  allem  darum  handle,  die  Armee  erst  auf  den  Kriegsfuß  zu 
organisieren,  wozu  ihr  noch  alles  mangle,  während  die  einrückenden 
Transporte  von  Beurlaubten,  Bekruten,  Artillerie,  Munition,  Pferden 
u.  s.  w.  in  die  Unmöglichkeit  versetzt  würden,  ihre  Begimenter  einzu- 
holen. Der  Kaiser,  der  diesen  Darlegungen  zustimmte  und  sichthch 
mit  der  überstürzten  Vorrückung  Macks  nicht  einverstanden  war, 
gab  dem  Erzherzog  den  Befehl,  zur  Armee  abzugehen. 


—     203     — 

Noch  am  16.  abend  erhielt  der  Erzherzog  Ferdinand  folgendes 
Handschreiben  des  Kaisers: 

„Sie  werden  die  aus  30  Bataillonen  und  oO  Eskadronen  be- 
stehende Avantgarde  meiner  Armee  in  Deutschland,  welche  dermalen 
schon  bis  an  die  Hier  vorgerückt  sein  wird,  an  selber  aufstellen  und 
allenfalls,  soweit  es  zweckmäßig  befunden  werden  wird,  einen  Teil 
derselben  oder  einzelne  Truppen  davon  vorrücken  lassen,  um  jede 
schwächere  feindliche  Avantgarde  zu  verhindern,  weiter  vorzu- 
dringen   

„Die  Armee  ist  in  enge  Kantonierungen  dermaßen  zu  verlegen 
und  alle  Dispositionen  so  zu  treffen,  daß  selbe  vor  der  Vereinigung 
mit  den  Eussen  oder  nicht  eher  durch  die  ganze  französische  Armee 
angegriffen  werde,  bevor  sie  durch  erhaltene  hinlängliche  Ver- 
stärkung derselben  gewachsen  sein  wird.  Auch  will  ich,  daß  mit 
meiner  Armee  nicht  ohne  Ursache  zurückgewichen,  dieselbe  nach 
den  nun  bestimmten  Grundsätzen  erforderlichenfalls  aufgestellt,  so  wenig 
als   möglich    verteilt   und    durch   unnütze  Strapazen  ermüdet  werde. 

„Was  ich  wegen  Verstärkung  der  unter  Euer  Liebden  Kom- 
mando zu  stehen  habenden  Armee  an  den  Hofkriegsrat  erlassen 
habe,  ersehen  Sie  aus  der  Anlage  und  werden  Sie  in  den  vorzu- 
nehmenden militärischen  Operationen  sich  des  Rates  der  bei  der 
Armee  befindlichen  ¥ML.  Mack  und  GM.  Mayer  bedienen." 

In  dem  Handschreiben  war  auch  angeordnet,  daß  von  den 
k.  k.  Truppen  keine  Feindseligkeiten  zu  beginnen  seien,  sondern  daß 
man  die  Franzosen  damit  anfangen  lasse. 

Am  selben  Tage  scheint  der  Kaiser  den  Entschluß  gefaßt  zu 
haben,  selbst  auf  einige  Zeit  zur  Armee  zu  gehen,  weil  Minister 
Graf  Cobenzl  den  PML.  Mack  am  17.  September  benachrichtigt,  daß 
der  Kaiser  am  19.  zur  Armee  abreisen  werde,  um  sich  etwa  10  Tage 
bei  ihr  aufzuhalten. 

Bevor  der  Kaiser  Wien  verließ,  gab  er  Befehl  zur  Beschleuni- 
gung der  Nachrückung  aller  Truppen,  einschließlich  der  russischen 
Armee  (dieser  Befehl  wurde  schon  am  21.  vom  Generalkommando 
Wien  weitergegeben).  Diesen  Anordnungen  nach  sollten  die  In- 
fanterieregimenter Deutschmeister  und  Gyulai  und  die  sechs  Grenz- 
regimenter mit  Vorspann  derart  befördert  werden,  daß  sie  in  der 
Zeit  vom  4.  bis  13.  Oktober  bei  Dachau  nordwestlich  München  ein- 
treffen konnten.  Hiezu  waren  täglich  1378  Vorspannswagen  und 
350  Paar  angeschirrte  Pferde  nötig. 


—     204     — 

Auch  die  Infanterie  der  russischen  Armee  sollte  nach  diesem 
Befehl  mit  Vorspannswagen  befördert  werden;  sie  wurde  auch  tat- 
sächlich von  ]Mistek  an  der  mährisch-schlesischen  Grenze  mit  Wagen 
befördert,  wozu  täglich  2523  Vorspannswagen  nötig  waren ^). 

Erzherzog  Ferdinand  traf  am  19.  September  in  München  ein. 
Er  sandte  sofort  an  Mack  den  Befehl  ab,  nach  München  zu  kommen. 

Am   20.  September  berichtete   der  Erzherzog   an   den  Kaiser: 

„Bei  meiner  Ankunft  in  Alt-Ötting  ■^)  am  19.  dieses  fand  ich, 
daß  FML.  Maek  bereits  alle  zum  Hauptquartier  gehörigen  Branchen 
und  Departements  mit  sich  nach  München  genommen,  für  seine 
Person  aber  nach  Ulm  und  Memmingen  gegangen  sei.  Ich  habe 
mich  daher  hieher  begeben  und  FML.  Mack  zu  mir  berufen. 

„Die  Avantgarde,  bestehend  aus  30  Bataillonen  und  30  Eska- 
dronen, ist  bereits  größtenteils  über  die  Hier  gesetzt  worden,  ihre 
Detacheraents  streifen  bis  Stockaeh  und  Mößkirch,  der  noch  übrige 
Teil  der  Armee,  33  Bataillone  und  48  Eskadronen,  war  im  Marsche 
gegen  den  Lech  und  die  Hier  begriffen,  um  sich  längs  der  Hier  zwischen 
Memmingen  und  Ulm  auszudehnen.  Mit  dieser  geringen  hier  aus- 
gewiesenen Stärke  sieh  auf  so  weite  Entfernung  vorzuwagen  und 
den  widrigen  Eindruck  plötzlicher  Rückmärsche  bloßzugeben,  ist 
wider  den  Geist  der  Anordnungen  Eurer  Majestät,  wider  die  3Iög- 
lichkeit  irgend  eines  bedeutenden  Vorteils,  wider  die  Grundsätze 
eigener  Sicherheit  und  alles  desjenigen,  was  zum  guten  Bestand  der 
Armee  erforderlich  und  nützlich  ist.'' 

Erzherzog  Ferdinand  ließ  daher  alle  33  Bataillone  und  48  Es- 
kadronen halten,  um  sie  zwischen  dem  Lech  und  München  zu  ver- 
sammeln. Weiter  sprach  er  die  Absicht  aus,  auch  die  Vorhut  nach 
und  nach  ohne  Aufsehen  hinter  die  Bier  zurückzunehmen^). 

Erzherzog  Ferdinand  gibt  an.  daß  in  der  ganzen  Administration 
die  größte  Unordnung  herrschte,  da  sich  ^lack  nie  darum  ge- 
kümmert hatte;  das  Administrationspersonal  war  erst  auf  dem  Wege 
zur  Armee. 

Erzherzog  Ferdinand  erhielt  von  Mack  den  Dislokationsentwurf 
für  die  Armee,  in  dem  auch  alle  noch  nachrückenden  Truppen  auf- 
genommen waren.  Nach  diesem  Entwürfe  (Beilage  10)  war  die 
Armee  in  ein  Avantgardekorps,  in  ein  1.  und  in  ein  2.  Treffen  und 

1)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutsebland,  VIII,  6  und  IX,  iVI._. 

^)  35  hm  westlieli  von  Braimau  am  Inn. 

=*)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutseliland  F  A,  IX,  24. 


—     205     — 

in  eine  Reserve  gegliedert  udcI  sollte  im  Räume  südlich  der  Donau, 
von  Radolfzell.  Engen.  Tuttlingen  bis  an  den  Lech  kantonieren. 

Erzherzog  Ferdinand  sagte  dazu:  „Diese  Dislokation  war  wohl 
sehr  schön  entworfen,  nur  war  dabei  nicht  an  den  Fall  gedacht, 
daß  Napoleon  mit  seiner  ganzen  Armee  eher  da  sein  könnte  als 
ein  großer  Teil  der  österreichischen  Truppen." 

Mack  ließ  sich  durch  den  Kefehl.  nach  München  zu  kommen, 
in  seinem  Beginnen  nicht  stören.  Er  sandte  am  20.  September  aus 
Memmingen  an  den  Erzherzog  einen  Bericht,  in  dem  er  meldet, 
daß  er  Memmingen  in  Verteidigungsstand  setzen  lasse.  In  14  Tagen 
dürfte  der  Platz  so  weit  sein,  daß  er  gegen  Handstreich  verteidi- 
gungsfähig ist.  (Danach  hätte  also  Memmingen  in  der  ersten 
Oktoberwoche  gegen  Handstreich  geschlossen  sein  sollen.)  Heute 
nacht  reise  er  nach  Kempten,  das  für  die  Position  an  der  Hier 
äußerst  wichtig  sei.  um  auch  dieses  in  Verteidigungszustand 
versetzen  zu  lassen.  Er  werde  am  21.  abend  im  Hauptquartier 
Mindelheim  eintreffen.  „Die  Gründe,  welche  von  mir  fordern. 
die  Defensionslinie  von  Ulm.  Memmingen  und  Kempten  zu  unter- 
suchen und  alsobald  alle  nötigen  Anstalten  zu  treffen,  sind  von 
der  höchsten  Wichtigkeit.  Schon  lange  sehnte  ich  mich,  durch 
die  Vorrückung  der  Truppen  in  die  Möglichkeit  dieser  Untersuchung 
gesetzt  zu  werden.  Jeder  geringste  Zeitverlust  könnte  bei  den 
vorliegenden  Umständen  von  den  nachteiligsten  Folgen  sein."  Er 
bittet  dann  den  Erzherzog,  sich  ins  Hauptquartier  nach  Mindelheim 
zu  begeben. 

Bei  der  Abfertigung  des  Kuriers  erfuhr  Mack.  daß  Erzherzog- 
Ferdinand  die  Kolonnen  des  FML.  Riesch  habe  halten  lassen. 

„Ich  werfe  mich  Eurer  königlichen  Hoheit  zu  Füßen."  schrieb 
Mack  daher,  „um  Sie  bei  dem  Heil  der  großen  Sache  zu  beschwören, 
daß  Höchstderselbe  den  Befehl  wegen  ohngesäumter  F'ortsetzung  des 
Marsches  alsobald  zu  erneuern  geruhen  möchten.  Geschieht  dies 
nicht,  so  habe  ich  hier  bei  der  Armee  nichts  mehr  zu  tun  und  eile 
nach  Wien,  um  meinen  Kopf  dem  Richterstnhl  meines  Monarchen 
darzubieten,  welchen  ich.  um  mein  Gewissen  zu  retten,  schon  lange 
in  die  Schanze  zu  schlagen  gelernt  habe." 

Dieses  Schreiben  spricht  eine  so  deutliche  Sprache,  daß  jede 
Bemerkung  dazu  überflüssig  ist.  Erzherzog  Ferdinand  bemerkte  dazu 
nur,  daß  der  Nachsatz  einen  erhitzten  Kopf  beweise,  der  keinen 
Widerspruch  gegen  seine  Ideen  dulden  wollte. 


—     206     — 

Am  21.  September  erließ  Mack  von  Mindelheim  aus  die  In- 
struktion zur  BefestifTung'  Ulms.  „Die  allerhöchste  Absicht",  sagte 
Mack,  „ist.  daß  die  vorhinnige  Festung  Ulm  innerhalb  14  Tagen 
wieder  gegen  allen  Anlauf  geschlossen  und  durch  Wiederaushebung 
der  rasierten  wichtigsten  Erdwerke,  vor  allem  die  Kommunikation 
mit  beiden  ufern  der  Donau  sichergestellt  werde." 

4000  Arbeiter,  dann  Holz,  Fuhrwerk  und  Schanzzeug  waren 
beizustellen. 

Von  diesem  Moment  an  war  Ulm  für  Mack  befestigt. 

Wie  sehr  sich  aber  Mack  damit  täuschte,  zeigt  eine  Meldung 
des  Leiters  der  Befestigungsarbeiten.  Genieoberst  Dedovich  vom 
27.  September.  Er  meldete,  daß  er  nur  950  Zivilarbeiter  und  800 
Militärarbeiter  habe  anstatt  der  zugesagten  4000  Zivilarbeiter,  daß  ihm 
Schanzzeug  fehle  und  daß  die  württembergischen  Beamten  unter 
Berufung  auf  die  Reichs  verfassung  ihm  Unterstützung  zum  Festungsbau 
versagen.  Auch  verlangte  er  Geld,  da  er  keines  habe,  um  die  Arbeiter 
zu  zahlen,  Material  und  Werkzeug  zu  kaufen'). 

Man  sieht,  auch  ein  Befehl  des  Armeekoramandos  genügt 
nicht,  Festungen  aus  nichts  herbeizuzaubern.  Es  genügt  daher  nicht, 
einfach  zu  befehlen.  Man  muß  ein  Urteil  darüber  haben,  was  man 
befehlen  kann  und  muß  auch  mit  der  ganzen  Macht  des  Armee- 
kommandanten für  die  Durchführbarkeit  sorgen. 

Erzherzog  Ferdinand  verständigte  am  21.  September  den 
FML.  Mack.  daß  der  Kaiser  an  diesem  Tage  abend  in  Landsberg 
eintreffe,  daß  Mack  daher  nicht  nach  Mindelheim,  sondern  nach 
Landsberg  kommen  solle.  Erzherzog  Ferdinand  motivierte  dann  seine 
Befehle  mit  dem  Hinweis  auf  das  kaiserliche  Handschreiben  vom 
16.  September.  Er  sei  daher  außer  stände,  seine  Befehle  zurück- 
zunehmen, umsoweniger,  als  der  Kaiser  so  nahe  sei. 

Erzherzog  Ferdinand  suchte  noch  vor  dem  Eintreffen  des 
Kaisers  eine  Zusammenkunft  mit  Mack,  um  —  lassen  wir  dem  Erz- 
herzog das  Wort  —  Mack  nochmals  vorzuhalten,  wie  gewagt  es 
sei,  mit  einem  bloßen  Armeekorps  soweit  vorzugehen,  „umsomehr, 
als  wir  bis  dahin  schon  die  sichersten  Nachrichten  hatten,  daß 
Bonaparte  bereits  seine  ganze  Küstenarmee  nebst  dem  größten  Teile 
der  im  Hannoverschen  und  Holland  verlegten  Truppenkorps  in 
Marsch  gegeu  den  Ehein  gesetzt  hatte;  alle  diese  auf  wenigstens 
150.000  Mann  zu  berechnenden  Truppen  konnten  berechnetermaßen 

^)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  FA,  IX,  51. 


—     207     — 

spätestens  bis  10.  Oktober  an  der  Hier  sein  (wie  es  in  der  Folge 
bewiesen  wurde),  wohingegen  österreichiseherseits  durch  die  bereits 
allenthalben  angeordneten  forcierten  Märsche  mit  Inbegriff  der  aus 
Tirol  nach  Deutschland  beorderten  Truppen  kaum  60.000  Mann  zu- 
sammenkommen konnten. 

„Zugleich  wollte  ich  auch  dem  PML.  Mack  vorstellen,  wie 
wenig  eine  durch  forcierte  Märsche  aus  den  entferntesten  Provmzen 
kommende,  weder  mit  Artillerie  noch  Paekpferden  etc.  versehene 
Armee  geeignet  sei,  im  Monat  Oktober  einen  Feldzug  anzufangen, 
ohne  erst  die  nötige  Zeit  sowohl  zum  Ausruhen  als  zu  ihrer  inneren 
Organisation  zu  gewinnen. 

„Zweitens  hoffte  ich  den  FML.  Mack  dahin  bewegen  zu  können, 
den  mit  dem  General  Mayer  entstandenen  Wortwechsel  zu  vergessen, 
um  dadurch  einen  in  seinem  Fach  von  ihm  selbst  als  sehr  geschickt 
anerkannten  Offizier  wegen  einer  Persönlichkeit  nicht  aus  seiner 
Wirksamkeit  zu  bringen,  da  ich  mir  zugleich  vornahm,  dem  General 
Mayer  seinen  gegen  einen  Vorgesetzten  allerdings  begangenen  Fehler 
ernstlich  vorzuhalten.  In  einem  mehr  als  zwei  Stunden  langen 
Gespräch,  in  welchem  ich  dem  FML.  Mack  weder  in  dem  einen 
noch  anderen  Punkte  nur  im  mindesten  von  seiner  gefaßten  Meinung 
abbringen  konnte,  überzeugte  ich  mich,  wie  falsch  dieser  Mann  in 
militärischer  Hinsicht  berechnete,  wie  wenig  er  den  Geist  sowohl 
seiner  als  der  feindliehen  Armee  kenne,  daß  er  von  jenem,  was  zur 
inneren  Ordnung  einer  Armee  notwendig  ist,  gar  keine  Begriffe 
habe,  da  er  es  für  Kleinfügigkeit  und  unter  seiner  Würde  hielt, 
sich  mit  diesem  zu  beschäftigen,  kurz  ich  sah  einen  Menschen, 
welcher,  ohne  gute  Ursache  dazu  zu  haben,  so  sehr  von  seinen  alle 
anderen  Menschen  überwiegenden  militärischen  Talenten  eingenommen 
war,  daß  er  diese  allein  für  100.000  Mann  wert  hielt ^}." 

Am  21.  September  traf  der  Kaiser  in  München  ein,  von  wo 
er  sofort  auf  einen  Bericht  Macks  die  zum  Halten  befohlenen 
Truppen  des  Korps  ßiesch  wieder  in  Marsch  setzen  ließ,  weil  die 
Franzosen  nun  doch  nicht  mehr  vor  dem  Eintreffen  der  Russen,  die 
sicher  vom  16.  bis  24.  Oktober  in  Dachau  eintreffen  dürften,  die 
Hier  erreichen  konnten. 

Man  sieht  hier  wieder  ein  Beispiel  dafür,  daß  ein  Befehl  bloß 
abgefertigt  zu  sein   brauchte,    um  Mack  zu   veranlassen,    schon   mit 

1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIII,  106.  Vergleiche  damit  den  Briei 
des  französischen  Gesandten  in  München  vom  28.  August  1805,  S.  146,  Fußnote  1. 


—     208     — 

dessen  Durchfühniiig  zu  rechnen.  Vor  wenigen  Tagen  war  erst  der 
Befehl  ergangen,  den  riesigen  Wagentransport  der  russischen  In- 
fanterie einzuleiten  und  schon  stützte  sich  Mack  in  der  Führung  der 
österreichischen  Armee  darauf,  daß  dieser  Transport  auch  tatsächlich 
rechtzeitig  durchgeführt  sein  werde.  Allerdings  übersah  er  dabei, 
daß  Kavallerie,  Artillerie  und  Train  dieser  Bewegung  der  russischen 
Infanterie  nicht  zu  folgen  vermochten,  daß  die  russische  Armee 
daher  erst  zu  einem  viel  späteren  Zeitpunkte  operationsbereit 
sein  werde. 

Die  Schnelligkeit,  mit  der  Mack  auf  den  Kaiser  einzuwirken 
verstand,  erklärt  sich  damit,  daß  der  Kaiser  vom  Staatsrat  Oollen- 
bach  begleitet  war,  mit  dem,  ebenso  wie  mit  dem  Minister  Oobenzl, 
Mack  in  direktem  Nebenverkehr  gestanden  sein  muß. 

Am  23.  September  ließen  die  zahlreich  einlaufenden  Meldungen 
immer  deutlicher  erkennen,  daß  Napoleon  alle  disponiblen  Kräfte 
gegen  den  Rhein  in  Marsch  gesetzt  hatte.  Der  Kaiser  erließ  daher 
an  diesem  Tage  Handschreiben  an  Erzherzog  Karl  und  an  den  Hof- 
kriegsrat, in  denen  bestätigt  wird,  daß  Napoleon  höchstens  10.000 
bis  12.000  Mann  nach  Italien  sandte,  alles  andere,  auch  Bernadotte, 
gegen  den  Rhein  und  Frankfurt  a.  M.  heranziehe. 

Aus  diesem  Grunde  sei  die  Verstärkung  der  deutschen  Armee 
dringend  nötig,  weshalb  sofort  fünf  Regimenter^)  in  Eilmärschen  — 
nur  jeder  fünfte  oder  sechste  Tag  durfte  als  Rasttag  angesetzt 
sein  —  über  Innsbruck  nach  Füssen  zu  senden. 

An  das  Armeekomraando  in  Deutschland  erging  der  Befehl  zur 
Versammlung  eines  Truppenkorps  unter  Kommando  des  FML.  Kien- 
mayer bei  Neuburg  und  Ingolstadt.  Aufgabe  dieses  Korps  war  „an- 
fänglich die  kurbajrischen  Truppen  entweder  zu  ihrer  Vereinigung 
mit  den  k.  k.  Waffen  zu  vermögen  oder  aber  zu  desarmieren  und  auf- 
zulösen, mithin  unschädlich  zu  machen  und  sodann  das  französische 
Korps  d'armee  des  Marschalls  Bernadotte  zu  beobachten". 


^)  Wenzel  CoUoredo,  Kerpen,  Schröder,  Mittrowsky  und  Lindenau. 

Das  Kommando  der  italienischen  Armee  sandte  anstatt  der  Regimenter 
Colloredo,  Sehröder  und  Lindenau  die  Regimenter  Czartoryski,  Duka  und  Klebeck, 
weil  diese  zur  Zeit  des  Eintreffens  des  Befehls  für  den  Abmarsch  nach  Deutseh- 
land günstiger  situiert  waren  als  die  im  Befehle  genannten.  Es  hätte  daher 
genügt,  zu  befehlen,  daß  5  Regimenter  mit  25  Betaillonen  schleunigst  nach 
Deutschland  zu  senden  seien.  Die  Wahl  der  Regimenter  war  dem  Armeekom- 
mando zu  überlassen. 


—     209     — 

Das  Korps  war  zu  bilden  aus : 
dem    Infanterieregimente    Gemmingen 

und      einer      Division      Hohenlohe- 

Dragouer,   „die  schon  nach  Amberg 

dirigiert  sind^)  " 4  Bataillone    2  Eskadronen 

Merveldt-Ülanen,  „die  auch  schon  nach 

Eiehstädt  dirigiert  siod" —         „  8  „ 

dem  Infanterieregimente  Josef  Colloredo 

aus  Pfaffenhofen 3         „  —  „ 

der  Grenadierbrigade  General  Thelen  aus 

Augsburg^) 2         „  — 

dem  Infanterieregimente    Gyulai,    „das 

am  29.  September  in  Brauiiau  eintrifft"  5         „  —  „ 

dem  Infanterieregimeute  Deutschmeister, 

„das  am  27.  September   in  Braunau 

eintrifft"   5         „  —  „ 

Liechtenstein- Husaren      aus     Schwab- 
münchen   —         „  8  „ 

Erzherzog  Ferdinand-Kürassieren,   „die 

am  22.  September  in  Braunau  waren"  —         „  8  „ 

Karl  Lothringen-Kürassieren,    „die  am 

22.  September  in  Schärding  waren". —         „  8  „ 

Zusammen  also ...  19  Bataillone  34  Eskadronen 

Das  Korps  sollte  mit  aller  Beschleunigung  versammelt  werden^). 

Dieser  Befehl  zeigt  die  leichtfertige  Befehlgebung  Macks  in 
krassester  Weise.  Ein  Korps,  das  erst  aus  allen  Weltgegenden 
regimenterweise  gesammelt  werden  mußte,  von  dem  nur  2  Bataillone 
und  8  Eskadronen  (die  Brigade  Thelen  und  Merveldt-Ülanen)  in 
1 — 2  Märschen  Ingolstadt  erreichen  konnten,  während  alles  andere 
erst  aufgesucht  werden  mußte,  somit  erst  nach  längerer,  oft  ganz 
unsicherer  Zeit  zum  Korps  stoßen  konnte,  sollte  die  Bayern  ein- 

^)  Das  Regiment  Geminingen  konnte  nach  dem  Befehle  Maeks  vom  8.  Sep- 
tember am  13.  oder  14.  September  von  Prag  abmarschiert  sein,  daher  bei  Amberg 
(ea.  225  km)  bestenfalls  am  25.  oder  26.  September  eintreffen.  Tatsächlich  kam 
es  noch  später  dorthin. 

*)  Das  3.  Bataillon  der  Brigade  war  als  Garnison  in  München  geblieben, 
das  4.  Bataillon  (Grenadierbataillon  Gemmingen)  war  erst  im  Anmärsche. 

3)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  PA  IX,  41.  Von  Mack  eigenhändig 
gesehrieben. 

Krau  SS.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  14 


—     210    — 

fangen^)!  Das  Korps  Kienmayer  kam  denn  auch  erst  bei  seinem 
Eückzuoe  zusammen,  ein  Teil,  wie  das  Eegiment  Gemmingen  und 
Holienlohe-Dragoner,  hat  es  nie  erreicht.  Zu  solchen  Befehlen  wußte 
sich  Mack  die  Unterschrift  seines  Kaisers  zu  verschaffen ! 

Am  23.  September  hatte  Mack  überdies  die  Idee  gefaßt,  auch 
Ingolstadt  zu  befestigen,  obwohl  dessen  Festungswerke  fast  voll- 
ständig rasiert  worden  waren.  Um  die  Artillerie  für  diesen  Platz  zu 
gewinnen,  veranlaßte  Mack  den  Kaiser,  am  24.  September  die  Auf- 
lassung der  Festungen  Eger  und  Braunau  zu  verfügen.  Die 
transportablen  Geschütze  waren  aus  Eger  über  Tirschenreit,  Weiden, 
Waldmünchen  und  Straubing  unter  Bedeckung  des  in  Eger  befind- 
lichen Bataillons  Erbach  nach  Ingolstadt  zu  instradieren.  Die 
Geschütze  von  Braunau  sollten  an  die  Hier  gezogen  werden. 

Am  24.  September  wurde  eine  Instruktion  an  den  Hofkriegsrats- 
präsidenten abgesandt,  die  enthielt: 

1.  Die  Formierung  der  Eeservebataillone  und  die  Ausbildung 
der  ausgehobenen  ßekruten  sind  mit  allen  Mitteln  zu  beschleunigen. 

2.  Sollten  für  die  Eeservebataillone  nicht  genug  Offiziere  vor- 
handen sein,  so  sind  auch  pensionierte  Offiziere  zum  Eintritt  auf- 
zufordern. 

3.  Bis  Anfang  November  muß  die  Hälfte  der  Eekruten  jedes 
Eeservebataillons  ausgebildet  und  ausgerüstet  sein  und  den  Eegi- 
mentern  nachgeschickt  werden.  Mit  diesen  400  Eekruten  setzt  dann 
jedes  Eegiment  seine  Füsilierkompagnien  auf  den  künftigen  kom- 
pletten Kriegsstand  von  200  und  die  Grenadierkompagnien  von 
140  Feuergewehren, 

4.  Anfang  November  sind  neuerdings  400  Eekruten  pro  Eegi- 
ment auszuheben,  um  die  Eeservebataillone  für  eine  Eeservearmee 
zu  komplettieren^). 

5.  Auch  die  Grenzkompagnien  sind  durch  Nachsendung  von 
20  Mann  pro  Kompagnie  auf  den  Stand  von  200  Feuergewehren  zu 
bringen. 

^)  So  war  z.  B.  das  Infanterieregiment  Josef  Colloredo  am  23.  September 
nicht  mehr  in  Pfaffenhofen,  sondern  schon  in  Türkheim  westlieh  von  Landsberg, 
und  am  24.  September,  an  dem  es  frühestens  den  Befehl,  nach  Ingolstadt  zu 
marschieren,  erhalten  konnte,  hatte  es  eben  seine  Kantonierungsstation  Mindel- 
heim  erreicht,  um  vielleicht  sofort  am  25.  den  Eüekmarseh  über  Augsburg  an- 
treten zu  müssen. 

^)  Vergleiche  den  Berieht  Maeks  vom  18.  September  (S.  193). 


—    211     — 

6.  Jedes  Grenzregiment  —  ausgenommen  die  Siebenbürger  — 
hat  bis  Mitte  Januar  1806  noch  ein  Feldbataillon  von  4  Kompagnien 
zu  200  Feuergewehren  bereitzustellen^). 

Der  Inhalt  dieser  von  Mack  eigenhändig  geschriebenen  In- 
struktion liefert  abermals  den  Beweis,  daß  Mack  keine  Ahnung  von 
der  YerfassuDg  der  ihm  unterstellten  Truppen  hatte.  Er  fand  es 
nicht  der  Mühe  wert,  sich  über  eine  so  wichtige  Sache,  wie  den 
Stand  der  Truppen,  zu  informieren.  Er  wußte  nicht,  daß  in  der 
Armee  Eegimenter  waren,  wo  jedes  Bataillon  400  und  mehr 
Mann  brauchte,  um  den  Stand  von  200  Gewehren  pro  Kompagnie 
zu  erreichen.  Da  er  aber  schon  wiederholt,  auch  von  Erzherzog 
Ferdinand,  aufmerksam  gemacht  worden  war,  daß  er  den  Stand  der 
Bataillone  viel  zu  hoch  annehme,  macht  es  den  Eindruck,  als  ob  er 
die  Wahrheit  nicht  wissen  wollte  und  als  ob  er  sich  erst  recht  in  seine 
Ansicht  verbohrte  —  eine  Erscheinung,  die  bei  solchen  Charakteren 
immer  auftritt :  Sie  haben  unbedingt  recht,  und  wenn  sie  nur  einen 
Schritt  machen  müßten,  um  die  ihrer  Ansicht  entgegengesetzte 
Wahrheit  selbst  zu  sehen,  so  wird  dieser  Schritt  nicht  gemacht  — 
weil  sie  eben  recht  behalten  müssen.  Daß  solche  Charaktere  die 
schönste  und  beste  Armee  in  kurzer  Zeit  ruinieren  können,  nein, 
müssen,  zeigt  das  Beispiel  von  1805. 

Nachdem  Mack  so  den  Kaiser  wieder  ganz  in  seine  Hand  be- 
kommen und  als  Beweis  seiner  Macht  die  Absetzung  des  GM.  von 
Mayer  vom  Posten  des  Generalquartiermeisters  erzwungen  hatte,  ließ 
ihm  die  notwendige  „Tätigkeit"  keine  Euhe  und  er  reiste,  trotzdem 
der  Kaiser  noch  in  Landsberg  blieb,  am  25.  September  wieder  ab, 
um  —  zu  rekognoszieren. 

Am  27.  mittag  traf  er  in  Lindau  ein.  Am  selben  Tage  sandte 
er  einen  Bericht  an  den  Kaiser  nach  Landsberg.  Er  hebt  die 
Wichtigkeit  der  Stadt  Lindau  für  die  Verteidigungsstellung  Ulm — 
Memmingen  wegen  der  Deckung  des  Passes  ins  Vorarlbergische 
hervor.  In  der  Nacht  werde  er  nach  Konstanz  fahren,  „um  auch 
diesen  für  die  Operationen  in  die  Schweiz  so  interessanten  Ort  zu 
untersuchen",  dann  nach  Stockach,  „um  nähere  Nachrichten  von 
unseren  Vorposten  zu  erlangen,  ob  die  Franzosen,  wie  es  verlautet, 
den  Khein  wirklich  bei  Straßbiu-g  und  Speyer  übersetzt  haben  (!)". 
von  da  aber  über  Mößkirch  nach  Hechingen  zum  Obersten  Grafen 
Civalart  (Kommandant  von  Eosenberg-Chevauxlegers)  und  dann  nach 

1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  IX,  72. 

14* 


—    212    — 

Ulm  und  über  Memmingen  nach  Mindelheim  ins  Hauptquartier.  Er 
sagt  dann  weiter,  es  unterliege  keinem  Zweifel,  daß  Bernadotte,  mit 
dem  sich  auch  ^larmont  vereinigt  haben  soll,  auf  beiden  Ufern  des 
Main  nach  Würzburg  und  Bamberg  vorrücken  werde,  wahrschein- 
lich nur  zum  Schutze  des  Kurfürsten  von  Bayern  (!);  für  Böhmen 
wäre  dieser  Marsch  nur  dann  gefährlich,  wenn  Preußen  den  Durch- 
marsch gestatten  würde,  was  aber  nicht  wahrscheinlich  sei.  In  einem 
Zug  erwähnt  er  aber  dann,  daß  der  Durchmarsch  Bernadottes 
durch  das  neutrale  Hessen-Kassel  den  Verbündeten  dasselbe  Eecht 
gebe.  „Nach  den  großen  Maßregelu,  die  Eure  Majestät  mit  der  Ver- 
mehrung Ihrer  Kriegsmacht  genommen  haben,  würde  mich  die 
Nichtteilnahme  Preußens  keineswegs  in  Verlegenheit  bringen,  nur 
wünschte  ich,  daß  wir  sicher  vor  Preußen  wären,  daß  alle  russi- 
schen Truppen  unaufgehalten  nach  Deutschland  kämen  und  daß  ein 
großer  Teil  derselben  gegen  Niederdeutschland  und  besonders  gegen 
Holland  operieren  könnte.  Nach  Ankunft  der  Russen  würde  sieh 
sodann  wohl  auch  leicht  die  Möglichkeit  finden  lassen,  in  die 
Schweiz  einzurücken,  besonders  da  Allerhöchstdieselben  die  Neutralität 
der  Schweiz  meines  Wissens  ohnehin  noch  nicht  so  ganz  be- 
stimmt anerkannt  haben  und  die  Weigerung  der  Russen  wohl 
vielleicht  genug  Entschuldigung  darbieten  würde. 

„Die  großen  Möglichkeiten,  die  uns  Eurer  Majestät  unaus- 
sprechlich wohltätige  Gegenwart  verschafft  hat,  berechtigen  mich 
allerdings  schon  jetzt  zu  Hoffnungen  auf  offensive  Unternehmungen, 
die  ich  mir  sonst  keineswegs  hätte  erlauben  dürfen  (!)...  .^)" 

Während  das  unheilschwangere  Gewitter  schon  über  den  Rhein 
heranzog,    das    diesen    unseligen  General    und   die   ihm  anvertraute 


^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  IX,  73.  Von  Maek  eigenhändig 
gefertigt. 

Das  Begleitsehreiben  der  Abschrift  dieses  Berichtes  an  Cobenzl  lautete: 
„Indem    ich  Euer  Exzellenz    die    anverwahrte  Abschrift    meines  Berichtes 
an  Seine  Majestät  unterlege,  empfehle  ich  Hoehdenenselben  zugleich  dessen  Inhalt 
und  darf  auf  Ihre  hohe  Unterstützung  um  so  zuversichtlicher  hoffen,  da  niemand 
besser  als  Euer  Exzellenz  die  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  beurteilen  kann. 

„Möchte  ich  nur  bald  so  glücklieh  sein,  mit  unserem  anbetungswürdigen 
Allergnädigsten  Herrn  auch  Euer  Exzellenz  recht  wohl  und  gesund  bei  der  Armee 
zu  sehen  und  Hoehdenenselben  mündlieh  die  Versicherung  meiner  treuesten  Ver- 
ehrung und  Anhänglichkeit  erneuern  zu  können. 

„Lindau,  am  27.  September  1805  abend.  Mack,  FML." 

Hof-  und  Staatsarchiv,  Kriessakten,  481.  Von  Mack  selbst  gesehrieben. 


—     213     — 

unglückliche  Armee  zerschmettern  sollte,  reiste  der  tatsächliche  Kom- 
mandant der  österreichischen  Armee  ruhelos  umher,  um  harmlose 
Orte  ins  Blaue  hinein  zu  rekognoszieren  und  bei  den  Vorposten 
Nachrichten  einzuziehen.  Diese  Sucht,  sich  an  Orte  und  an  das 
Terrain  zu  klammern,  zeigt,  daß  Mack  keine  Ahnung  von  der  Art 
hatte,  in  der  Napoleon  Krieg  führte ;  denselben  Beweis  ergibt  seine 
Ansicht  über  den  Zweck  des  Marsches  Bernadottes,  abgesehen 
davon,  daß  die  Sicherheit,  mit  der  Mack  darüber  spricht,  seine  Un- 
fähigkeit, militärisch  zu  urteilen,  nur  noch  mehr  unterstreicht. 

Der  Wunsch,  daß  ein  großer  Teil  der  russischen  Kräfte  durch 
Niederdeutschland  gegen  Holland  operieren  sollte,  zeigt,  daß  die 
Forderungen  Macks  in  den  Berichten  vom  17.  und  19.  September 
die  Hauptkraft  in  Süddeutschland  zu  vereinigen,  nicht  seiner  mili- 
tärischen Einsicht  entsprangen,  sondern  nur  der  nervösen  Angst,  die 
durch  die  ersten  Meldungen  über  Napoleons  Vormarsch  in  Mack 
erregt  worden  war. 

Die  Instruktion  vom  24.  September  (s.  S.  210),  die  sich  bei 
näherer  Prüfung  nur  als  eine  verspätete  und  stückweise  durch- 
geführte Kriegsvorsorge  entpuppt,  nennt  er  hochtrabend  „die  großen 
]\Iaßregeln  zur  Verstärkung  der  Kriegsmacht",  sieht  diese  schon  als 
durchgeführt  an  und  legt  daher  auch  keinen  besonderen  Wert  mehr 
auf  den  Anschluß  Preußens  an  die  Koalition.  Ist  das  nicht  Leicht- 
fertigkeit im  höchsten  Maße? 

Unverblümt  rät  Mack  seinem  Kaiser,  das  gegebene  Wort  — 
die  Neutralität  der  Schweiz  solange  anzuerkennen,  insolange  dies 
auch  von  Napoleon  geschehe  —  zu  brechen ;  als  aber  Napoleon 
ganz  unerwartet  die  Neutralität  des  preußischen  Ansbach  verletzt 
und  dadurch  Mack,  der  sich  auf  den  Glauben  an  diese  Neutralität 
verlassen  hat,  in  arge  Verlegenheit  versetzt,  äußert  sich  Mack  in 
den  stärksten  Ausdrücken  über  dieses  nach  seiner  Ansicht  treulose 
und  rücksichtslose  Vorgehen. 

Zum  Vergleiche  sei  auch  die  Auffassung  des  nominellen  Armee- 
kommandanten über  die  Lage  zu  dieser  Zeit  angeführt.  In  seinem 
Bericht  an  den  Kaiser  aus  Mindelheim  vom  28.  September  gibt  Erz- 
herzog Ferdinand  bekannt,  daß  GM.  Graf  Nostitz,  der  mit  Merveldt- 
Ulanen  bei  Eichstädt  steht,  den  am  25.  September  begonnenen  Ab- 
marsch der  bei  Amberg  gestandenen  etwa  12.000  Mann  starken 
bayrischen  Truppen  meldet. 

Bernadotte  sei  schon  bei  Würzburg  eingetroffen. 


—     214     — 

Marmont  ging  gleichfalls  schon  bei  Mainz  über  den  ßhein 
und  soll  zwischen  dem  27.  und  29.  September  über  Mildenberg  in 
Bischofsheim  eintreffen. 

„Der  Endzweck  der  Yorrückung  dieser  zwei  feindlichen  Korps 
ist  noch  nicht  genau  bekannt  und  es  wird  sich  erst  in  der  Folge 
zeigen,  ob  sie  sich  gleich  der  Donau  nähern  und  gegen  Kienmayer 
rücken  oder  ob  sie  sich  gegen  Böhmen  wenden,  was  aber  unwahr- 
scheinlich, weil  entfernt  vom  Zusammenhang  ihrer  Operation  ist." 
FML.  Kienmayer   erhielt  Befehl,   diese  zwei  Korps   zu   beobachten. 

„Ganz  sicher  ist  es,"  fährt  Erzherzog  Ferdinand  fort,  „daß 
bei  Bedrohung  unseres  rechten  Flügels  auf  diese  Weise  die  Stellung 
an  der  Hier  sehr  ausgesetzt  ist  und  es  in  der  P'olge  dem  Feinde 
gelingen  könnte,  auf  unsere  Hauptkomraunikation  noch  vor  der  Ver- 
einigung mit  den  übrigen  Truppen  zu  kommen." 

Wie  einfach  und  klar  beurteilt  der  junge,  wenig  erfahrene 
Erzherzog  die  Situation,  wie  vorsichtig  und  bescheiden  drückt  er 
sich  trotzdem  aus. 

Nach  diesem  Berichte  war  das  Armeekommando  bis  28.  Sep- 
tember auch  in  Kenntnis,  daß  Lannes  am  25.  September  mit 
10.000  Grenadieren  bei  Kehl  über  den  Ehein  gegangen  war  und 
Detachements  gegen  den  Kniebis  vorgeschickt  hatte;  ferner  daß  am 
selben  Tag  eine  andere  Kolonne  unbekannter  Stärke  bei  Daxland 
überging,  die  sicher  schon  am  26.  in  Karlsruhe  angelangt  war. 

Gleichzeitig  meldete  der  Erzherzog  Ferdinand,  daß  das  Korps 
Auffenberg  zwischen  dem  1.  und  3.  Oktober  am  linken  Flügel  der 
Armee,  die  Eegimenter  Erzherzog  Karl  und  Auersperg  erst  zwischen 
dem  5.  und  7.  Oktober  eintreffen  sollen^). 

Am  29.  erhielt  der  Erzherzog  die  Meldung,  daß  sich  bei 
Würzburg  Bernadotte  mit  Marmont  und  mit  den  Bayern  zu  einem 
wenigstens  40.000  Mann  starken  Korps  vereinigen  solle.  Die  Absicht 
dieser  Gruppe  war  zwar  noch  nicht  klar  zu  ersehen,  aber  der  Erz- 
herzog sah  sich  doch  genötigt,  den  Kaiser,  als  den  Armeeober- 
kommandanten, zu  fragen,  was  zu  geschehen  habe,  wenn  Bernadotte 
gegen  Böhmen  vorgehen  sollte;  ob  Kienmayer,  dessen  Korps  dann 
zu  verstärken  wäre,  mit  der  Verteidigung  Böhmens  betraut  werden 
wird  oder  ob  dies  Sache  der  ßussen  sein  Averde. 

Am  30.  September  nachmittag  kam  Mack  von  seiner  Eundreise 
in  Mindelheim  au.    Da   er   sehr   müde  war,   begab   er  sich  erst  am 

0  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  IX,  52. 


—     215    — 

1.  Oktober  zu  Erzherzog  Ferdinand,  zu  dem  er  fast  ausschließlich 
nur  von  Lindau  und  den  dort  anzulegenden  Befestigungen  sprach ; 
er  verlangte  den  sogleich  zu  erteilenden  Befehl,  die  in  Kuf stein 
befindliche  Artillerie  schleunigst  nach  Lindau  zu  ziehen.  Der  Erz- 
herzog gab  ihm  zu  bedenken,  daß  eine  in  einer  Bergfeste  unter- 
gebrachte Artillerie  nicht  zum  schnellen  Transporte  geeignet  sei 
und  daß  Kufstein  selbst  noch  wichtig  werden  könnte.  „Als  ich 
dann  dem  FML.  Mack  über  unsere  ganze  Lage,  über  die  Bewe- 
gungen des  Feindes  und  über  das,  so  allenfalls  zu  veranlassen  wäre, 
sprechen  wollte,  antwortete  er  mir,  daß  er  gleich  nach  Ingolstadt 
abreisen  wolle,  um  diesen  Ort  nebst  einigen  anderen,  die  in  dortiger 
Gegend  hiezu  anwendbar  sein  sollten,  zu  befestigen:  alldort  hoffe 
er  nähere  Nachrichten  vom  Feind  einzuziehen  und  sich  nach  seiner 
Rückkehr  mit  mir  darüber  zu  besprechen^)." 

Mack  sandte  tatsächlich  noch  am  1.  Oktober  einige  Offiziere 
nach  Lindau  zur  Befestigung,  „dieses  wegen  der  Kommunikation  mit 
Bregenz  und  Feldkirch  sowie  für  die  Defensionslinie  Memmingen — 
Ulm  sehr  wichtigen  Ortes",  und  reiste  Nachmittag  nach  Neuburg 
und  Ingolstadt  ab. 

Ende  September  waren  79  Bataillone  und  78  Eskadronen,  also 
etwa  die  Hälfte  der  für  Deutschland  bestimmten  österreichischen 
Armee,  zwischen  dem  Bodensee,  der  Donau  und  dem  Lech  in  150  hn 
Tiefe  (Engen  Landsberg)  und  130  hn  Breite  versammelt,  wogegen 
66  Bataillone  und  64  Eskadronen  noch  im  forcierten  Anmarsch  aus 
Tirol  und  Oberösterreich  an  die  Hier  waren  und  19  Bataillone  und 
34  Eskadronen  sich  als  Korps  Kienmayer  bei  Ingolstadt  sammeln 
sollten.  Die  ganze  Armee  zählte  somit  Ende  September  165  Bataillone 
und  176  Eskadronen')  (siehe  Beilage  11). 

Ulm,  Memraingen,  Kempten  und  Lindau  sollten  befestigt  werden; 
Ingolstadt  und  wahrscheinlich  noch  Donauwörth  und  Neuburg  wurden 
vom  FML.  Mack  auf  ihre  Eignung   zur  Befestigung  rekognosziert. 

Der  Armeekommandant  saß  ohne  Generalquartiermeister  voll 
Sorge  um  die  Zukunft  im  Hauptquartier  Mindelheim,  empfing  täglich 
Meldungen,  die  ihm  die  herannahende  Gefahr  immer  deutlicher  er- 
kennen ließen,  und  gab  sich,  da  ihm  jede  Tätigkeit  verschlossen 
blieb,  wenigstens  die  größte  Mühe,  die  in  voller  Unordnung  befind- 
liche Armee   halbwegs   in  Ordnung   zu    bringen;    vergebene  Mühe, 

1)  Kriegsaiehiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIII,  106. 
*)  1  Bataillon  war  als  Garnison  in  München. 


—    216     — 

weil  Maek  ununterbrochen  neue  Anordnungen  traf,  die  den  Truppen 
die  zu  ihrer  Organisierung  so  nötige  Euhe  raubte. 

Die  Eegiraenter  waren  alle  tief  unter  dem  vorgeschriebenen 
Kriegsstande,  hatten  ihr  Liniengesehütz  unbespannt  und  mußten  es 
daher  mit  Yorspannpferden  fortschaffen,  hatten  keinen  regelmäßig 
bespannten  Train  und  erhielten,  weil  kein  genügendes  und  zweck- 
mäßig organisiertes  Armeefuhrwesen  bestand,  auch  keinen  regel- 
mäßigen Yerptlegszusehub.  Sie  sollten  requirieren,  aber  weder  die 
wenigen  bei  der  Armee  anwesenden  Kriegskommissäre  und  Yerpflegs- 
beamten  noch  die  Truppen  wußten  wie,  wo  und  was  sie  requirieren 
sollten.  Die  Truppen  hungerten  in  dem  reichen  Lande,  in  dem  später 
die  dreimal  so  starke  französische  Armee  verhältnismäßig  gut  ver- 
pflegt war.  Der  Hunger  und  die  starken  Märsche,  die  in  fühlbarer 
Nervosität  vom  Lenker  der  Armee  noch  immer  gesteigert  wurden, 
nahmen  die  Truppen  außerordentlich  in  Anspruch  und  verminderten 
ihren  Stand  in  erschreckender  Weise.  Besonders  die  Kavallerie  litt 
außerordentlich.  Schon  am  Lech  hatten  die  Eegimenter  zahlreiche 
gedrückte  Pferde,  deren  Zahl  bald  so  zunahm,  daß  die  Eskadronen 
nur  mehr  50  und  weniger  Eeiter  zählten.  Infolge  der  beschleunigten 
Märsche  konnten  die  Ergänzungen  und  Transporte  aller  Art  die 
Truppen  nicht  einholen;  selbst  Generale  und  Generalstabsoffiziere 
waren  nicht  im  stände,  mit  ihren  eigenen  Pferden  die  Truppen  ein- 
zuholen. Die  zahlreichen  Eequisitionsdetachements  blieben  zurück 
und  konnten  ihre  Eegimenter  nicht  mehr  finden.  Die  Eequisitions- 
detachemets  und  die  Bewachung  der  zahh-eichen  Yorspannswagen, 
das  Mitführen  der  requirierten  Eeit-  und  Packpferde,  für  die  keine 
Sättel  vorhanden  waren,  minderten  den  Stand  der  Truppen,  die 
wegen  der  unrationellen  Trainverminderung  mit  großem  Troß  und 
kleinem  Stande  an  der  Hier  eintrafen.  Überall  fand  man  Leute,  die 
ihr  Eegiment  suchten,  es  aber  weder  erfragen  noch  finden  konnten^). 

Das  richtige  Gefühl  der  Truppe  für  die  Notwendigkeit  der  von 
ihr  geforderten  Leistungen  ließ  sie  das  rhapsodische  in  der  Marsch- 
anordnung erkennen,  da  neben  normalen  Tagesmärschen  plötzlich 
ohne  jede  Nötigung  bis  zu  50  hm  starke  Gewaltmärsche  angesetzt 
wurden;  die  Unordnung,  die  in  allen  Zweigen  der  Truppenversorgung 
herrschte,  zwang  die  Truppen,  sich  selbst  zu  helfen,  und  weil  sie 
zur  geordneten  und  geregelten  Selbsthilfe  nicht  erzogen  waren,  artete 

^)  Kriegsarehiv,  Mein.  XXVIIl",  327.  GM.  v.  Mayer,  „Geschichte  des  Feld- 
zuges 1805  bis  zum  15.  Oktober". 


—     217     — 

diese  Selbsthilfe  nur  zu  oft  in  Gewalttaten  aus,  die  die  ohnedies  nur 
äußerlich  mit  Stock  und  harten  Strafen  aufgezwungene  Disziplin  tief 
schädigten.  All  das  zusammen  untergrub  das  Vertrauen  in  die 
Armeeführung,  zerstörte  den  guten  Geist  der  Truppen  und  trug  dem 
Urheber  dieser  Zersetzung  den  verdienten  Namen  eines  Armee- 
verderbers  ein. 

Diese  ungeregelte  forcierte  Marschbewegung  hat  die  Armee 
im  Laufe  von  zwei  Monaten  ruiniert,  bevor  sie  mit  dem  Feind  in 
Kontakt  getreten  ist.  Das  muß  beachtet  werden,  um  die  Ursachen 
der  ^Haltung  der  Truppen  in  den  wenigen  Gefechten  richtig  zu  er- 
fassen. Diese  Erscheinung  ist  um  so  interessanter  und  lehrreicher,  als 
zur  selben  Zeit  die  feindliche  Armee  eine  weit  größere  Gewalt- 
leistung vollführt  hat,  ohne  daß  diese  zerstörenden  Folgen  aufge- 
treten sind.  Die  Ursachen  für  die  Zersetzung  der  österreichischen 
Armee  und  für  die  Widerstandsfähigkeit  der  französischen  Armee 
gegen  weit  größere  Zumutungen  werden  nach  Darstellung  des 
Marsches  der  französischen  Armee  noch  deutlicher  hervortreten. 


VII.  Der  Marsch  der  Großen  Armee  an  den  Ehein, 

(Beilage  12.) 

Wie  schon  erwähnt,  erließ  Napoleon  am  24.  August  die  ersten 
Befehle  für  den  Marsch  der  Armee  an  den  Ehein.  Er  ordnete  die  Zu- 
sammenziehung von  vier  Kürassierregimentern  aus  dem  Innern  Prank- 
reichs bei  Schlettstadt  an  —  wo  General  d'Hautpoul  aus  ihnen  eine 
Division  zu  formieren  hatte  —  und  den  Abmarsch  der  Kürassier- 
division Nausouty  von  Lille  über  Avesnes,  Sedan,  Verdun,  Toul, 
St.  Die  nach  Schlettstadt. 

Die  Division  Nausouty  brach  am  28.  August  von  Lille  auf. 

Am  25.  August  befahl  Napoleon  den  Abmarsch  der  vier  Dragoner- 
divisionen, der  Division  Oudinot  und  der  Dragoner  zu  Fuß  für  den 
26.  August  an;  eine  Dragonerdivision  hatte  nach  Speyer,  alles  andere 
nach  Straßburg  zu  marschieren. 

Am  26.  August  bestimmte  Napoleon  die  Ordre  de  bataille  der 
gegen  Österreich  marschierenden  Armee,  der  er  den  Namen  Große 
Armee  beilegte. 

Die  Große  Armee  bestand  danach  aus  7  Infanterie-  und  einem 
Kavalleriekorps. 

1.  Korps,  Marsehall  Bernadotte,  2  Infanteriedivisionen  und  eine 
leichte  Kavalleriedivision; 

2.  Korps,  General  Marmont,  3  Infanteriedivisionen  und  eine 
leichte  Kavalleriedivision; 

3.  Korps,  Marschall  Davout,  3  Infanteriedivisionen  und  eine 
leichte  Kavalleriedivision; 

4.  Korps,  Marsehall  Soult,  4  Infanteriedivisionen  und  eine 
leichte  Kavalleriedivision; 

5.  Korps,  Marschall  Lannes,  2  Infanteriedivisionen  und  eine 
leichte  Kavalleriedivision; 

6.  Korps,  Marschall  Ney,  3  Infanteriedivisionen  und  eine  leichte 
Kavalleriedivision; 

7.  Korps,  Marschall  Augereau,  2  Infanteriedivisionen. 


—     219     — 

Kavalleriereserve,  Marschall  Prinz  Miirat,  4  Dragonerdivi- 
sionen zu  2  Brigaden  a  3  Eegimentern;  Division  Nansoiity,  6  schwere 
Kavallerieregimenter  (3  Brigaden);  Division  d'Hautpoul,  4 Kürassier- 
regimenter (2  Brigaden)  und  die  Division  Dragoner  zu  Fuß,  bestehend 
aus  4  Eegimentern  zu  2  Bataillonen. 

Am  selben  Tage  (26.)  erteilte  Napoleon  den  Befehl  zum  Ab- 
märsche der  Großen  Armee.  Marmont  sollte  mit  seinem  Korps  von 
20.000  Mann  am  2.  September  nach  Mainz  aufbrechen,  das  er  nach 
20  Marschtagen  zu  erreichen  hatte.  Am  27.  Septenaber  sollte  er  dort 
sein  Korps  versammelt  haben. 

Bernadotte  sollte  sein  Korps  bis  7.  September  bei  Göttingen 
konzentriert  haben.  Nur  die  Festung  Hameln  sollte  besetzt  bleiben 
und  auf  6  Monate  verproviantiert  sein.  Das  Korps  hatte  erst  auf 
neuen  Befehl,  voraussichtlich    nach  Würzburg,  weiterzumarschieren. 

Die  Korps  Davout,  Soult  und  Ney  sollten  divisionsweise 
abmarschieren,  und  zwar:  am  2S.  August  die  ersten,  am  30.  und 
31.  August  die  zweiten  und  dritten  Divisionen;  am  1.  September  die 
vierte  Division  Soults  und  die  Division  Gazan  des  Korps  Lannes. 

Davout  war  nach  Hagenau,  Soult  nach  Straßburg,  Ney  und 
Gazan  nach  Schlettstadt  dirigiert. 

Der  Kaiser  hatte  drei  Marschlinien  für  diese  drei  Korps  aus- 
mitteln  lassen  und  bestimmte,  daß  die  Kolonnen  nach  etwa  24  Marsch- 
tagen am  Rhein  einlangen  sollten,  so  daß  die  Armee  gegen  den 
23.  September  am  Rhein  versammelt  sein  könne. 

Die  kaiserliehe  Garde  hatte  am  31.  August  von  Paris  aufzu- 
brechen und  am  22.  September  in  Straßburg  einzutreffen. 

Nach  diesen  Befehlen  entwarf  Berthier  den  ^larschplan,  den 
er  für  8 — 10  Tage  den  Truppen  bekanntgab.  Die  nächsten  Befehle 
hatten  sie  in  bestimmten  Orten  zu  erhallen. 

Nach  dem  Marschplan  hatten  zu  marschieren  (Beilage  12) : 
auf  der  nördlichen  Marschlinie :  die  4.  Dragonerdivision  nach  Speyer, 
Eintreffen  23.  September ;  das  Korps  Davout  nach  Hagenau, 
Eintreffen  25.  bis  28.  September; 
auf  der  mittleren  Marschlinie:  die  1.  Dragonerdivision  nach  Straß- 
burg, Eintreffen  19.  September;  die  Grenadierdivision 
Oudinot  nach  Straßburg,  Eintreffen  am  21.  September; 
das  Korps  Soult  nach  Straßburg,  Eintreffen  23.  bis  28  Sep- 
tember : 


—     220     — 

auf  der  südlichen  Marsehlinie:  die  2.  und  3.  Dragonerdivision  nach 
Straßburg-,  Eintreffen  21.  und  22.  September;  die  Dra- 
goner zu  Fuß  nach  Straßburg,  Eintreffen  23.  September; 
das  Korps  Ney  nach  Schlettstadt,  Eintreffen  24.  bis  26.  Sep- 
tember; die  Division  Gazan  nach  Schlettstadt,  Eintreffen 
29.  September. 

Die  Division  Nansoutj  auf  der  mittleren  und  südlichen  Linie 
nach  Schlettstadt,  Eintreffen  18.  September. 

Die  Division  d'Hautpoul  traf  in  der  Zeit  vom  7.  bis  18.  Sep- 
tember bei  Schlettstadt  ein. 

Zur  Vorbereitung  des  Marsches  hatten  sofort  Offiziere  und  In- 
tendanten vorauszueilen,  um  die  Unterkünfte  auszumitteln  und  die 
Verpflegung  sicherzustellen. 

Der  Kaiser  hatte  genaue  Marschanordnun,gen  getroffen,  wonach 
die  Truppen  in  größter  Ordnung  marschieren  mußten,  geführt  von 
allen  Divisions-  und  Brigadegeneralen,  die  er  für  die  Marschdisziplin 
verantwortlich  machte.  Er  befahl  den  Generalen,  darauf  zu  sehen, 
daß  den  Truppen  bei  der  täglichen  Einquartierung  keine  unnützen 
Wege  zugemutet  würden ;  sie  waren  daher  möglichst  vereint  an  der 
Marschlinie  so  unterzubringen,  daß  sie  keine  Strecke  des  Weges 
zweimal  machen  müßten.  Die  Generale  hatten  dafür  zu  sorgen,  daß 
die  Truppen  gut  einquartiert  und  gut  verpflegt  wurden,  hatten  aber 
auch  auf  strenge  Mannszucht  zu  achten.  Als  der  Kaiser  erfuhr,  daß 
bei  einer  Division  die  Generale  nicht  bei  der  Division  marschierten, 
die  Truppen  in  einem  Departement  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Be- 
quemlichkeit untergebracht  worden  waren,  erhielten  der  Divisions- 
general und  der  Präfekt  sofort  eine  kaiserliche  Eüge;  er  forderte 
von  den  Generalen  ebenso  wie  von  den  politischen  Beamten,  daß 
sie  das  Recht  der  Truppen  wahrten. 

Schon  bei  Beginn  des  Marsches  wurden  Anordnungen  und 
Vorsorgen  getroffen  zur  Ausmittlung  und  Vorbereitung  der  Lager  und 
Kantonierungen  am  Ehein.  zur  Sicherstellung  der  Verpflegung  für  den 
dort  beabsichtigten  mehrtägigen  Aufenthalt  der  Armee  und  zur  Sicher- 
stellung von  Schuhen  und  Mänteln,  Bei  Straßburg,  wo  über  80.000  Mann 
versammelt  werden  sollten,  mußte  weitreichend  vorgesorgt  werden; 
dort  war  auch  das  Material   für  zwei  ßhein-Brücken  bereitzustellen. 

Aber  schon  am  28.  August  zeigte  sich,  daß  Napoleon  eine 
Änderung  der  Marschrichtung  der  Armee  im  Sinne  hatte.  An  diesem 
Tage  schrieb  er  an  General  Dejean: 


—     221     — 

„  .  .  .  Verlieren  Sie  nicht  einen  Augenblick,  in  Landau,  Straß- 
burg und  Speyer  Wein  und  Branntwein  in  Beschlag  nehmen  zu 
lassen.  Landau  wird  einer  der  wichtigsten  Versammlungspunkte 
sein  .  .  .  Ich  habe  von  Ihnen  500.000  ßationen  Zwieback  in  Straß- 
burg verlangt.  Ich  sehe  kein  Hindernis  dagegen,  sie  folgend  zu 
teilen:  200.000  in  Straßburg,  200.000  in  Landau  und  100.000  in 
Speyer  .  .  .  Denken  Sie  an  die  Ambulanzen  und  beschäftigen  Sie 
sich  ohne  Aufschub  mit  den  Einzelheiten  der  Einrichtung  dieser 
riesigen  Armee.  Ich  sage  Ihnen,  aber  nur  Ihnen  allein,  daß  ich 
damit  rechne,  den  Rhein  am  27.  September  zu  überschreiten ;  richten 
Sie  alles  danach  ein." 

Am  selben  Tag  —  also  am  28.  August  —  entsendete  er  den 
General  Savary,  die  drei  Straßenlinien  zu  rekognoszieren,  die  von 
Mühlburg,  Germersheim  und  Speyer  am  Rhein  an  die  Donau-Strecke 
Ulm,  Gundelfingen,  Dillingen  führen.  Beilage  13. 

Er  sollte  auf  die  Benützbarkeit  der  Straßen  für  den  Marsch 
der  Truppen,  besonders  der  Artillerie,  und  auf  die  Beschaffenheit 
des  Neckar  bei  Stuttgart,  Kannstatt  und  Heilbronn  achten ;  auch 
sollte  er  eine  Straße  für  Etappenzwecke  ausmitteln. 

Am  30.  August  diktierte  Napoleon  Berthier  den  Befehl  ein, 
mit  dem  der  Aufmarsch  der  Armee  am  Rhein  aus  dem  Räume  von 
Schlettstadt,  Hagenau  nach  Norden  in  den  Raum  Straßburg,  Speyer 
verschoben  wurde. 

Die  Beilage  12  zeigt  die  neuen  Marschlinien  der  Korps  an  den 
Rhein,  die  Beilage  14  die  Situation  der  Armee  am  Rhein  nach  der 
ersten  Disposition  und  nach  der  Abänderung  vom.  30.  August. 

Was  mochte  die  Sinnesänderung  Napoleons  herbeigeführt  haben? 

Dem  französischen  Generalstab  waren  im  Monat  August  zahl- 
reiche Nachrichten  über  die  neue  Organisation  der  österreichischen 
Armee  und  über  deren  Verteilung  zugekommen.  Nach  diesen  ]Mel- 
dungen  konnte  der  Generalstab  bis  29.  August  folgende  Truppen- 
verteilung feststellen : 

Lager  von  Wels 79   Bataillone    und  72  Eskadronen 

in  Tirol  und  Schwaben  ...   64  „  ^8  „ 

Lager  bei  Laibach 75  „  „74  „ 

in  Italien 74  „  „22  „ 

im  Innern  noch 82  „  „08  „ 

Die  Armee  in  Italien,  zu  der  voraussichtlich  die  Truppen  in 
Italien,    im   Lager   von  Laibach   und   in   Südtirol    bestimmt    waren, 


—     222     — 

wurde  daher  auf  wenigstens  160  Bataillone  und  100  Eskadronen 
geschätzt.  Die  Armee  in  Deutschland  schien  sich  aus  110 — 120  Ba- 
taillooen  und  ebensoviel  Eskadronen  zu  formieren.  Zu  jeder  dieser 
Armeen  mußte  man  wohl  einen  Teil  der  noch  im  Innern  befind- 
lichen Truppen  rechnen :  aber  immerhin  kannte  man  damit  doch  im 
großen  die  Kraftverteiluug  des  Feindes. 

Über  die  Bataillone  wußte  man,  daß  ihre  Kriegsstärke  1000 
Mann  betrage.  Die  Stärke  der  österreichischen  Armeen  wurde  daher 
sehr  überschätzt. 

Von  den  Eussen  wußte  man,  daß  zwei  Armeen  formiert  wurden, 
eine  gegen  Preußen,  die  andere  unter  Kommando  des  Grafen  Kutusow 
zum  Einmarsch  nach  Galizien  bestimmt.  Die  Nachrichten  gaben  die 
Stärke  der  zweiten  Armee  auf  60.000—90.000  Mann  an;  sie  sollte 
am  19.  August  in  sechs  Kolonnen  in  Galizien  einmarschieren. 

Klar  ging  aus  dieser  Zusammenstellung  der  Nachrichten  her- 
vor, daß  Böhmen  ganz  von  Truppen  entblößt  worden  war  und  daß 
daher  die  Armee  in  Deutschland  sich  wahrscheinlich  ihre  Anlehnung 
mehr  gegen  Tirol  suchen  werde.  Um  sich  über  die  Möglichkeit  des 
Eingreifens  des  Tiroler  Korps  in  einen  Kampf  in  Schwaben  zu 
orientieren,  gab  Napoleon  am  29.  August  Befehl,  die  Wege  von 
Bregenz  nach  Ulm  zu  rekognoszieren.  Bekannt  war,  daß  die  Wege, 
die  aus  Tirol  ins  Ehein-Tal  führten,  schwierig  waren  und  sich  nur 
wenig  für  den  Marsch  eines  stärkeren  Korps  eigneten.  Bis  an  die 
Hier  hatte  daher  eine  vom  Ehein  vorgehende  französische  Armee  nicht 
viel  für  ihre  rechte  Flanke  zu  fürchten.  Eine  ernstere  Bedrohung 
aus  Tirol  war  erst  beim  Vormarsch  östlich   der  Hier  möghch. 

Diese  Nachrichten  geben  keinen  Aufschluß  über  die  Gründe, 
die  Napoleon  zu  der  Änderung  seines  ersten  Marschbefehles  ver- 
anlaßten ;  denn  alles  das  war,  wenn  auch  nicht  so  genau,  schon  vor 
Hinausgabe  des  ersten  Marschbefehles  bekannt. 

Man  ist  daher  nur  auf  Mutmaßungen  beschränkt.  Unbedingt 
unrichtig  ist  aber  die  häufig  vertretene  Ansicht,  daß  Napoleon  den 
Schwarzwald  umgehen  wollte,  um  das  schwierige  Debouchieren  an- 
gesichts der  an  der  Hier  stehenden  österrei(;hischen  Armee  zu  ver- 
meiden; unrichtig  wäre  es  auch,  die  Verschiebung  der  Armee  nach 
Norden  mit  der  Stadt  Ulm  und  der  Katastrophe  in  Verbindung  zu 
bringen,  die  dann  dort  die  Armee  Macks  ereilte. 

Am  28.  August,  an  dem  Napoleon  zum  erstenmal  den  Gedanken 
der  Verschiebung  der  Armee  erkennen  läßt,  und  am  30.  August,  an 


-     223     — 

welchem  Tage  er  den  Befehl  dazu  gab,  hatte  die  österreichische 
Armee  den  Inn  noch  nicht  übersehritten.  Napoleon  konnte  daher 
nicht  wissen,  daß  die  österreichische  Armee  früher  an  der  Hier, 
also  nahe  den  Schwarzwald-Ausgäogen  stehen  werde,  als  die  fran- 
zösische Armee  den  Ehein  übersetzen  konnte;  dagegen  waren  Napoleon 
die  Schwierigkeiten,  die  der  Schwarzwald  dem  Durchmarsch  einer 
großen  Armee  darbot,  schon  vor  dem  ersten  Befehle  vollkommen 
bekannt.  Aber  selbst  wenn  Napoleon  dieses  frühe  Eintreflfen  der 
Österreicher  an  der  Hier  bestimmt  vorausgesehen  hätte,  würde  er 
nicht  einen  Augenblick  vor  der  Schwierigkeit  des  Debouchierens  an- 
gesichts des  Feindes  zurückgeschreckt  sein,  wenn  das  frontale  Auf- 
treffen  im   Sinne  seines  allgemeinen  Planes  gelegen  gewesen  wäre. 

Auch  die  Anwesenheit  starker  österreichischer  Kräfte  in  Tirol 
konnte  nicht  die  Veranlassung  der  Marsch änderung  gewesen  sein, 
weil  Napoleon  schon  am  25.  August  in  einem  Brief  an  den  Kur- 
fürsten von  Bayern,  also  vor  der  Hinausgabe  seines  ersten  Marsch- 
befehls, von  25  Regimentern  in  Tirol  spricht,  also  von  weit  mehr 
Kräften,  als  nach  den  späteren  Nachrichten  tatsächlich  in  Tirol 
sein  sollten. 

Die  Marschänderung  ließe  sich  vielleicht  aus  der  allgemeinen 
operativen  Absicht  Napoleons  erklären,  die  Österreicher  und  Eussen 
getrennt  zu  schlagen. 

Der  Befehl  vom  30.  August  läßt  zum  erstenmal  die  Absicht 
der  Abdrängung  der  Österreicher  von  den  anmarschierenden  Eussen 
erkennen.  Bisher  war  die  Absicht  Napoleons  allgemeinerer  Natur : 
er  wollte  die  Österreicher  nur  vor  der  Vereinigung  mit  den  Eussen 
schlagen,  gleichgültig  wo  und  wie.  Waren  die  Russen  zum  Zeit- 
punkte des  Zusammenstoßes  der  Franzosen  und  Österreicher  noch 
weit  entfernt,  dann  war  es  auch  gleich,  aus  welcher  Eichtung 
Napoleon  die  Österreicher  angriff,  er  mußte  nur  rascher  sein  als  die 
Eussen,  er  mußte  daher  auf  dem  kürzesten  Wege  die  Österreicher 
aufsuchen.  Am  25.  August  hoffte  Napoleon  bekanntlich,  den  Ehein 
überschreiten  zu  können,  bevor  die  Österreicher  den  Inn  passierten^). 
Er  wollte  ihnen  da  auf  dem  direkten  kürzesten  Weg  entgegen- 
gehen und  das  war  der  über  Straßburg,  wo  übrigens  die  einzige 
bestehende  Brücke  zwischen  Basel  und  Mainz  den  Ehein  übersetzte. 
Nach  der  Ausgabe  der  ersten  Marschbefehle  könnte  nun  Napoleon 
verläßliche  Nachricht  über  die  Absicht  der  Österreicher,  demnächst 

1)  Brief  an  Talleyrand,  s.  S.  115. 


—     224     — 

in  Bayern  einzubrechen,  erhalten  haben.  Diese  Absicht  schien  da- 
mals in  Wien  schon  bekannt  gewesen  zu  sein;  hat  doch  der  pen- 
sionierte [Staatsrat  Faßbender  sie  schon  am  4.  August  dem  Feld- 
marsehalleutnant  Fürsten  Schwarzenberg  geschrieben  ^).  Der  Gesandte 
Otto  in  München  konnte  schon  am  28.  August  schreiben,  „ .  .  .  man 
glaubt,  daß  ein  beträchtliches  Korps  auf  Giinzburg  vorrücken 
wird"^).  Napoleon  war  nun  über  alle  Vorgänge  in  Wien  durch  seine 
Agenten  so  vorzüglich  unterrichtet,  daß  er  über  die  Politik  und 
Absichten  der  österreichischen  Regierung  viel  besser  orientiert  war 
wie  sein  in  Wien  wohnender  Gesandter.  Es  wäre  daher  immerhin 
möglich  gewesen,  daß  Napoleon  die  Absicht  des  Einmarsches  nach 
Bayern  frühzeitig  erfahren  hätte.  Die  Meldungen  über  die  Stärke 
der  Österreicher  in  Tirol  und  bei  Wels  und  die  Meldung  über  die 
großen  Naturalienankäufe  in  Schwaben  ließen  vielleicht  auch  auf 
den  baldigen  Vormarsch  der  Österreicher  nach  Bayern  schließen. 
Dieser  "\'ormarsch  der  Österreicher  erschien  Napoleon  sicher  nur 
dann  als  berechtigt,  wenn  die  Russen,  über  die  er  nur  sehr  wider- 
sprechende Meldungen  besaß,  schon  so  nahe  waren,  daß  die  Ver- 
einigung der  Verbündeten  bald  erfolgen  könnte.  Tatsächlich  hatte 
der  Stuttgarter  Gesandte  am  26.  August  gemeldet,  daß  etwa 
90.000  Eassen  am  19.  August  die  Grenze  bei  Brody  überschritten 
hätten.  Von  dem  Moment  an,  als  Napoleon  hoffen  konnte,  daß  ihm 
die  Österreicher  in  Bayern  entgegenkommen  werden,  verlor  der 
kürzeste  Weg  lür  ihn  an  Wert;  es  kam  jetzt  für  ihn  darauf  an, 
die  Österreicher  aus  einer  Richtung  anzugreifen,  welche  es  ihm  er- 
möglichte, sie  von  den  möglicherweise  schon  ziemlieh  nahen  Russen 
zu  trennen.  Im  Räume  südlich  der  Donau  liegen  nun  mehrere  Fluß- 
hindernisse nahe  hintereinander,  deren  Verteidigung  gegen  die 
frontal  anrückenden  Franzosen  den  Russen  die  Zeit  verschaffen 
konnte,  noch  rechtzeitig   heranzukommen;    wenn  es  Napoleon  auch 

1)  Kriegsareliiv,  1805,  Deutschland,  VIII,  33.  Die  betreffende  Stelle  des 
Briefes  lautet:  „Wenn  Bonaparte  nicht  gleich  losschlagen  will  und  kann,  da  er 
seine  Truppen  nicht  beisammen  hat,  so  wird  er  sieh  begnügen  wollen,  militärische 
Positionen  am  rechten  Ehein-Ufer  zu  nehmen;  wir  können  und  werden  wahr- 
scheinlich hiebei  die  Hände  nicht  in  den  Schoß  legen,  sondern  noch  einen 
Sehritt  weiter  tun;  der  erste  ist.  Bayern  zu  besetzen,  alsdann  ist  ein  form- 
loser Krieg." 

^]  Diese  Meldung  konnte  frühestens  am  1.  oder  2.  September  in  die  Hände 
Napoleons  gelangt  sein.  Ihr  Inhalt  war  aber  so  unsicher,  daß  er  darauf  kaum 
so  schwerwiegende  Änderungen  verfügt  hätte. 


—    225    — 

gelungen  wäre,  die  Österreicher  von  einem  Hindernisse  zu  ver- 
treiben, so  führte  sie  ihr  direkter  Eückzug  doch  hinter  das  nächste 
Flußhindernis  und  den  Russen  entgegen.  Ein  Abdrängen  der  nach 
Bayern  vorgehenden  Österreicher  konnte,  da  die  Schweiz  und 
Tirol  für  Napoleons  Absicht  der  raschen  Yorrückung  gar  keine 
Vorteile  boten,  nur  durch  den  Vormarsch  der  Franzosen  auf  dem 
nördlichen  Donau- Ufer  erreicht  werden.  Hier,  wo  nur  der  Neckar 
ein  bedeutendes  Hindernis  bildete,  konnte  Napoleon  alle  rechts- 
seitigen Nebenflüsse  der  Donau  umgehen  und  er  mochte  darauf 
rechnen,  daß  es  seiner  Schnelligkeit  gelingen  werde,  die  Österreicher 
vielleicht  von  den  Eussen  ab  gegen  Tirol  zu  drängen.  Die  Vor- 
rückung auf  dem  linken  Donau-Ufer  hatte  weiters  noch  den  Vorteil, 
daß  sich  die  Armee  früher  mit  Bernadotte  und  Marmont  vereinigen 
konnte,  worauf  Napoleon  bekanntlich  immer  großen  Wert  gelegt 
hat.  Die  Neutralität  von  Ansbach  war  für  ihn,  wie  die  Folge  ge- 
zeigt hat,  kein  Hindernis.  Als  kleinere,  von  ihm  aber  sicher  nicht 
als  wesentlich  angesehene  Vorteile  kamen  noch  die  Umgehung  des 
immerhin  schwierigen  Schwarz waldes  und  die  Vermeidung  einer  Flan- 
kierung seiner  Armee  aus  Tirol  in  Betracht. 

Man  wird  ohneweiters  zugeben,  daß  auch  diese  Begründung 
der  Änderung  der  Marschauordnung  gezwungen  ist,  weil  sie  auf 
nicht  nachweisbaren  Voraussetzungen  beruht.  Für  diese  plötzliche 
und  so  schwerwiegende  Entschlußänderung  läßt  sich  somit  überhaupt 
keine  einwandfreie  Erklärung  geben,  wenn  man  nur  nach  rein  mili- 
tärischen Gründen  forscht.  Es  drängt  sich  aber  die  Überzeugung  auf, 
daß  Napoleon  zu  dieser  Änderung  der  operativen  Anlage  seines  Vor- 
marsches ganz  allein  durch  die  Rücksicht  auf  die  Verpflegung 
seiner  Armee  veranlaßt  worden  ist.  Wie  die  zuerst  geplante  Ver- 
sammlung der  Armee  bei  Straßburg  beweist,  wollte  Napoleon  seine 
Armee  auch  im  Vormarsche  durch  Bayern,  den  er  rasch  zu  absol- 
vieren hoffte,  möglichst  eng  vereint  haben.  Mit  dieser  eng  vereinten 
Armee  konnte  er  die  Österreicher,  was  sie  auch  immer  tun  wollten 
—  ob  sie  am  Inn  stehen  blieben  oder  in  Bayern  einrückten  oder 
selbst  gegen  den  Ehein  vorgingen  —  und  wo  immer  er  sie  traf, 
mit  Übermacht  angreifen.  Von  dieser  einfachen  Wahrheit  konnten  ihn 
sicher  keine  neuen  Nachrichten  und  keine  neuen  militärischen  Beur- 
teilungen der  Lage  und  der  geographischen  Verhältnisse  abbringen. 
Erst  die  Überzeugung  von  der  vollständigen  Unzulänglichkeit  seiner 
Verpflegs-  und  Trainvorsorgen,  die  die  Armee  ganz  auf  die  Requi- 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  15 


—     226     — 

sition  verwies,  hat  Napoleon  gezwungen,  die  Absicht  des  eng- 
massierten Vormarsches  aufzugeben  und  seine  Armee  in  ein  breites 
Echiquier  auseinanderzuziehen.  Weil  dieser  Grund  selbst  für  Na- 
poleon ein  zwingender  war,  muß  man  davon  überzeugt  sein,  daß 
er  allein  eine  stichhaltige  Erklärung  für  die  IMarschänderung  abgibt. 

Wir  sind  nur  zu  sehr  gewöhnt,  alle  kriegerischen  Handlungen 
fast  ausschließlich  mit  Eücksicht  auf  den  Kampf  zu  beurteilen,  ob- 
wohl nur  zu  häufig  andere  zwingende  Rücksichten,  und  zwar  meist 
zum  Schaden  des  Erfolges  der  entscheidenden  Kämpte  die  Hand- 
lungen der  Feldherren  bestimmen. 

Wir  begehen  deshalb  auch  bei  unseren  kriegsgeschichtlichen 
Studien  den  Fehler,  daß  wir  glauben,  jeder  operative  Entschluß 
müsse  durch  irgend  eine  tiefdurchdachte  strategische  Beurteilung 
der  militärischen  Lage  hervorgerufen  sein ;  infolgedessen  wird  nur 
nach  solchen  Gründen  gesucht,  und  weil  man  sie  unbedingt  finden 
will,  werden  sie  sehr  oft  nachträglich  gewaltsam  konstruiert.  So  er- 
gibt sich  dann  oft  eine  ganze  Kette  von  Trugschlüssen,  wogegen 
man  den  einfachen  und  naheliegenden,  aber  allerdings  sehr  prosai- 
schen Grund:  Die  Truppen  müssen  essen,  um  leben  und 
kämpfen  zu  können,  achtlos  beiseite  läßt. 

Diese  Forderung  ist  aber  so  zwingend,  daß  nicht  nur  einzelne 
operative  Entschlüsse,  sondern  oft  auch  der  ganze  Charakter  der 
Kriegführung  durch  diese  Forderung  begründet  sind;  so  hat  die 
ruckweise  Kriegführung  Napoleons  1812  ebenso  ihren  Grund  in  Ver- 
pflegsrücksichten  wie  der  sogenannte  Positionskrieg  in  Ostasien.  Nur 
die  Schwierigkeit  der  Armeeversorgung  hat  den  Japanern  ihr  Ver- 
halten diktiert,  obwohl  man  versucht  ist,  dahinter  auch  tiefsinnige 
strategische  Ursachen  zu  wittern. 

So  war  z.  B.  der  ganze  langwierige  zweite  Teil  des  deutsch- 
französischen  Krieges  nur  die  Folge  des  Unvermögens  der  Deutschen, 
den  Widerstand  von  Paris  rasch  zu  brechen,  und  das  hatte  seine  Ur- 
sache wieder  darin,  daß  für  deu  frühen  Beginn  einer  kräftigen  Be- 
schießung der  im  November  1870  noch  unfertigen  Ports  nicht  vor- 
gesorgt worden  war.  Ohne  frühzeitiges  Vordenken,  ohne  frühzeitige 
Vorbereitung  des  Transportes  schwerer  Geschütze  und  ihrer 
Munition  ist  aber  eine  solche  Aktion  unmöglich.  Das  Unterlassen 
dieser  Vorsorgen  —  wohl  war  niemand  auf  das  rasche  Niederwerfen 
der  französischen  Armee  gefaßt  —  war  also  die  eigentliche,  aller- 
dings  unscheinbare   und   daher   leicht  zu  übersehende  Ursache  des 


—     227     — 

langen  Widerstandes   von  Paris    und    damit   der  Langwierigkeit  des 
deutsch- französischen  Krieges. 

Genügt  nicht  dieses  einzige  Beispiel,  um  die  hervorstechende 
Wichtigkeit  der  Heeresversorgung  zu  beweisen  und  alle  Generalstabs- 
offiziere anzueifern,  sich  dem  gründlichsten  Studium  der  Heeresver- 
sorgung zu  widmen? 


Das  Korps  Marmont  hatte  den  Abmarsch  von  Alkmar  divisions- 
weise am  1.  September  begonnen.  Am  23.  September  trafen  die 
letzten  Teile  des  Korps  bei  Mainz  ein.  setzten  aber  den  Marsch  nach 
Würzburg  sogleich  fort,  weil  inzwischen  der  Befehl  eingelangt  war, 
daß  das  Korps  spätestens  am  30.  September  bei  Würzburg  ver- 
sammelt sein  sollte. 

Am  2.  Oktober  war  das  Korps  bei  Würzburg  mit  20.000  Mann 
und  40  Kanonen  marschbereit.  Das  Korps  hatte  in  30  Tagen  640  hn 
zurückgelegt,  somit  täglich  21  hn.  Während  der  ganzen  Marsch- 
bewegung hatten  die  Kolonnen  3 — 5  Easttage. 

Marmont  hatte  den  Rhein  und  Main  zum  Nachschub  aus- 
genützt. Das  Korps  hatte  auf  Fuhrwerken  die  1 72  fache  Geschütz- 
dotation und  800.000  Gewehrpatronen  bei  sich.  Eine  halbe  Geschütz- 
dotation und  1,000.000  Gewehrpatronen  schwammen  auf  dem  Main 
und  wurden  für  den  5.  Oktober  in  Würzburg  erwartet;  zwei  Ge- 
schützdotationen und  2,000.000  Gewehrpatronen  waren  auf  dem  Rhein 
nach  Mainz  transportiert  worden. 

Marmont,  der  seinem  Korps  nach  Mainz  vorausgeeilt  war,  hatte 
überdies  für  die  Armierung  von  ]\Iainz  Sorge  zu  tragen  gehabt. 

Marschall  Bernadotte  hatte  nach  dem  am  11.  September  expe- 
dierten Befehle  nach  Würzburg  zu  marschieren.  „Der  Kaiser  wünscht, 
daß  seine  Truppen  bei  der  Ankunft  in  Würzburg  nicht  ermattet 
seien.  Seine  Majestät  zieht  es  daher  vor,  daß  sie  2—3  Tage  später 
ankommen,  d.  h.  zwischen  dem  23.  und  27.  September,  anstatt  sie 
schon  am  23.  September,  aber  abgehetzt  eintreffen  zu  lassen." 

Trotz  diesem  klaren  und  deutlichen  Befehle  wählte  Bernadotte. 
der  am  17.  September  von  Münden  aufbrach,  nicht  den  direkten 
Weg  nach  Würzburg,  sondern  nahm  Direktion  über  Kassel  und 
Gießen  nach  Frankfurt.  Er  mußte  auf  einen  neuen  Befehl  hin,  von 
Frankfurt  abbiegend,  über  Schlüchtern  und  Hammelburg  nach  Würz- 
burg marschieren,  wo  er  am  27.  September  eintraf.  Das  Korps  hatte 

15* 


—     228     — 

somit   in    11  Tagen   310  Z;m,    das  sind  28  Jcm    täglich    zurücklegen 
müssen,  ohne  nur  einmal  rasten  zu  können. 

Die  große  Marschbewegung  von  Boulogne  an  den  Ehein  wurde 
von  den  vier  Korps  und  der  Kavallerie  in  vollster  Ordnung  und  in 
vorzüglicher  Haltung  durchgeführt.  Alles  war  im  allgemeinen  auf 
das  beste  vorbereitet.  In  den  wenigen  Fällen,  wo  berechtigte  Klagen 
erhoben  wurden,  griff  der  Kaiser  sofort  tadelnd  ein. 

Die  Marschdisziplin  der  Truppen  war  nach  den  Meldungen  der 
Generale  vorzüglich,  was  von  den  politischen  Behörden  voll  bestätigt 
wurde.  Kur  eine  besondere  Art  von  Desertionen  hatte  sich  geltend 
gemacht.  Ein  großer  Teil  der  Truppen  durchzog  ihre  Heimat,  Dies 
benützten  zahlreiche  Soldaten,  um  noch  vor  deiji  Krieg  ihre  An- 
gehörigen aufzusuchen.  Vernünftige  Generale,  die  diesen  mensch- 
lichen Zug  voll  würdigten,  ließen  es  da  nicht  auf  die  Verletzung 
der  Disziplin  ankommen,  sondern  trugen  diesen  Verhältnissen  von 
oben  her  Rechnung,  indem  sie  alle  Soldaten,  die  es  wünschten,  auf 
einige  Tage  beurlaubten,  mit  der  Verpflichtung,  an  einem  bestimmten 
Orte  zum  weitermarschierten  Regiment  einzurücken. 

Bei  der  Division  Dupont  des  Korps  Ney  hatten  infolge  dieser 
Beurlaubungen  die  Regimenter  oft  nur  einen  Stand  von  100  bis  150 
Mann.  Am  festgesetzten  Tage  war  alles  wieder  da.  Die  Beurlaubten 
hinterlegten  dazu  oft  G(3waltmärscLe  von  25  Lieues  (112  Am).  „Muß 
man  nicht  solche  Soldaten  bewundern",  sagte  Dupont  in  seinem  Be- 
richte. Soult  meldete  beim  Rhein-Übergange,  daß  in  seinem  Korps 
noch  30 — 40  solcher  Deserteure  fehlten,  daß  aber  täglich  einige 
davon  zurückkamen. 

Viele  Disziphnarvergehen  ließen  sich  vermeiden,  wenn  die 
Kommandanten  es  verstünden,  mehr  auf  die  Psyche  der  Soldaten 
Rücksicht  zu  nehmen  und  so  nicht  nur  die  Schädigung  der  Disziplin 
zu  vermeiden,  sondern  sich  auch  die  Liebe  und  Anhänglichkeit  ihrer 
Soldaten  zu  erwerben,  die  dadurch  fühlen,  daß  ihr  Kommandant  in 
ihnen  auch  den  Menschen  und  dessen  Gefühle,  Schwächen  und 
Leidenschaften  berücksichtigt.  Manche  Offiziere  nennen  das  Paktieren 
mit  der  Mannschaft  und  verwerfen  dies  daher  vollkommen.  Aber  hier 
gilt  dasselbe  wie  in  der  Medizin :  Die  Hauptwirksamkeit  der  Ärzte 
sollte  in  der  Hygiene  liegen,  also  in  der  Voraussicht,  die  das  Um- 
sichgreifen schwerer  Krankheiten  durch  zweckmäßige  vorbeugende 
Maßnahmen  verhindert.  Das  ist  wohl  für  die  Allgemeinheit  weit 
nützlicher   als   die  glänzendste  Heilung  oder  Eindämmung  schwerer 


229     — 


Krankheiten  durch  drastische  Mittel.  Allerdings,  der  Ruhm  des 
Arztes  ist  geringer,  weil  sein  Wirken  stiller  ist,  ohne  glänzende,  auf 
Kosten  der  anderen  errungene  Erfolge;  die  Eeklanae  ist  allerdings 
größer,  wenn  man  die  Krankheit  nicht  verhindert  —  sondern  besiegt. 

Nach  den  ersten  Befehlen  Napoleons  sollten  die  Truppen  einige 
Tage  auf  dem  linken  Rhein-Ufer  in  Kantonnements  bleiben.  Die  Mel- 
dungen über  den  Vormarsch  der  Österreicher  an  die  Hier  veran- 
laßten  ihn  dann,  diesen  Halt  ausfallen  zu  lassen. 

Am  24.  September  abend  war  die  Große  Armee  folgend  gruppiert: 

Lannes  mit  der  Grenadierdivision  und  2  Regimentern  seiner 
Kavallerie  bei  Straßburg; 

Murat  mit  5  Kavalleriedivisionen  (Division  d'Hautpoul  und 
Dragonerdivisionen  1 — 4)  und  mit  den  Dragonern  zu  Fuß  zwischen 
Straßburg  und  Schlettstadt; 

das  6.  Korps  Ney  hatte  seine  3  Divisionen  in  Hagenau,  Zabern 
und  Saarburg; 

das  4.  Korps  Soult  hatte  seine  4  Divisionen  in  Germersheim, 
Lembach,  Bitsch  und  St.  Avold; 

das  3.  Korps  Davout  hatte  seine  3  Divisionen  in  Kaisers- 
lautern, Homburg  und  Saarlouis; 

die  Garde  und  die  Division  Gazan  des  5.  Korps  waren  in 
Luneville  und  Nancy. 

Die  nachfolgende  Tabelle  gibt  eine  Übersicht  über  den  Marsch 
der  Korps  und  Kavalleriedivisionen  (Marsehlängen,  Marschdauer,  Zahl 
der  Rasttage,  durchschnittliche  Tagesleistung) : 


Heereskörper 


Marschlänge 
in   Kilo- 
metern 


Dauer  des 
Marsches 
in  Tagen 


Darunter 
Rasttage 


Durchschnitt- 
liche tägliche 
Marschleistung 
in  Kilometern 
(Rasttage  ein- 
gerechnet) 


Division  Oudinot 

Korps  Davout 

Korps  Soult 

Korps  Ney 

Division  Gfazan 

1.  Dragonerdivision 

2.  „  

3.  „  

4.  „  

Division  der  Dragoner  zu  Fuß  ^) 
Division  Nansouty 


600 
650 
625 
590 
590 
550 
580 
580 
590 
650 
460 


27 
30 
28 
27 
28 
25 
27 
27 
27 
29 
20 


22-2 

21-7 

22-3 

21-8 

21 

22 

21-5 

21-5 

218 

22-4 

23 


^)  Von  Calais  über  St.  Omer,  St.  Pol  und  Sehlettstadt  nach  Straßbui-g. 


—     230     — 

Die  Marschälle,  die  während  des  Marsches  in  Paris  waren, 
trafen  am  23.  September  am  Ehein  ein,  um  alles  für  die  Truppen 
vorzubereiten  :  Kantonnements,  Spitäler,  Lebensmittel  und  Futter.  Sie 
versuchten  vor  allem  die  Zwiebackerzeugung  zu  beschleunigen,  aber 
mit  wenig*  Erfolg,  weil  das  Mehl  fehlte  und  auch  das  Geld,  es  zu 
kaufen.  Die  von  Napoleon  für  die  Korps  geforderte  Versorgung  mit 
Zwieback  konnte  dank  dem  Eingreifen  der  Marschälle  und  des  General- 
intendanten Petiet  im  letzten  Augenblicke  beendet  werden.  Murat, 
Lannes  und  Ney  fanden  ihren  Bedarf  in  Straßburg ;  Soult  hatte  nur 
für  einen  Tag  Zwieback  anstatt  der  geforderten  4  Tage,  behauptete 
aber,  daß  sich  Davout  auf  seine  Kosten  eine  Reserve  von  7  bis  8 
Rationen  zugeeignet  habe. 

Der  Geldmangel  erschwerte  auch  die  Aufstellung  der  Artillerie, 
die  wegen  des  Pferdemangels  erst  im  letzten  Augenblick  eintreffen 
konnte.  Die  Vorräte  an  Schuhen  und  Mänteln  und  die  Ambulauz- 
einrichtungen,  deren  Ankauf  Napoleon  befohlen  hatte,  trafen  erst  in 
Deutschland  bei  den  Korps  ein.  Die  Truppen  konnten  den  Sold  nur 
mit  größter  Mühe  bis  zum  23.  September  zahlen;  das  Geld  für  den 
Ankauf  der  den  Truppen  bewilHgten  Gratifikationen  an  Schuhen  und 
Mänteln  war  nicht  vorhanden.  Wohl  hatten  die  meisten  Soldaten 
ein  Paar  Schuhe  an  den  Füßen  und  ein  neues  Paar  im  Tornister, 
manche  hatten  alier  nur  ein  einziges,  und  die  Absicht  des  Kaisers, 
die  ganze  Infanterie  reich  mit  Schuhen  auszustatten,  konnte  nicht 
erfüllt  werden. 

Die  Transportmittel  hatten  zu  vielen  Klagen  Anlaß  gegeben. 
Der  Artillerietrain  hatte  während  des  Marsches  infolge  der  schlechten 
Witterung  und  der  stellenweise  sehr  schlechten  Wege  viele  Pferde 
verloren.  Beim  4.  Korps  Soult  fehlten  400  solcher  Pferde,  so  daß 
Soult  einen  Teil  der  Munitionswagen  am  Rhein  stehen  lassen  mußte. 
Davout  mußte  sogar  Kanonen  zurücklassen.  „Der  Mangel  an  Zug- 
pferden" —  meldet  der  Generalstabschef  des  3.  Korps  —  „veranlaßte 
den  Marschall  Befehl  zu  geben,  in  Mannheim  Kanonen  mit  ihren 
Munitionswagen  und  viele  andere  Wagen  zurückzulassen;  man  ließ 
bei  diesem  Park  zwei  Artilleriekompagnien  zurück."  Diese  Artillerie 
traf  erst  am  24.  Oktober  in  Freising  beim  Korps  wieder  ein. 

Viele  Geschütze  und  Munitions wagen  waren  nur  mit  requi- 
rierten Pferden  bespannt.  Der  ganze  Train  bestand  aus  Landesfuhr- 
werken mit  ihren  Zivilkutschern.  Dieser  nicht  militärische  Train 
verursachte  zahlreiche  Unordnungen.  Marschall  Davout  schrieb  dar- 


—     231     — 

über  an  Berthier,  daß  die  Kutscher  mit  den  Pferden  der  Artillerie- 
bespannungen in  Menge  desertierten,  da  das  Geld  fehlte,  um  ihnen 
die  versprochene  Bezahlung  zu  leisten.  Er  sagt  dann,  daß  dasselbe 
bei  den  anderen  Landesfuhrwerken  eintreten  werde.  Soult  schrieb: 
„Es  fehlen  mir  500  Pferde,  ungeachtet  der  700  zu  requirierenden 
Pferde,  die  man  braucht,  um  alle  Fuhrwerke  zu  bespannen." 

Die  requirierten  Fuhrwerke,  die  man  zur  großen  Verzweiflung 
der  Eigentümer  und  Kutscher  nach  Deutschland  mitnehmen  sollte, 
hatten  den  großen  Nachteil,  daß  sie  unbedeckt  waren.  Davout  ver- 
langte, 600  solcher  Fuhrwerke,  die  zum  Zwiebacktransport  bestimmt, 
aber  dazu  ungeeignet  waren,  in  Frankreich  zurücklassen  zu  dürfen, 
weil  er  sie  nicht  verwenden  könnte. 

Viele  Kutscher  flohen  mit  ihren  Pferden,  weil  sie  lieber  ihi'en 
Wagen,  ja  oft  auch  die  Pferde  im  Stiche  ließen,  als  der  Armee  nach 
Deutschland  zu  folgen.  Am  1.  Oktober,  am  Tage  nach  Beendigung 
des  Überganges  über  den  ßhein,  meldete  Soult,  daß  300  Pferde  mit 
ihren  Kutschern  verschwunden  seien.  Man  requirierte  nun  den  Ersatz 
in  Baden  und  Württemberg, 

Davout  organisierte  sich  Divisionsambulanzen  aus  requirierten 
Wagen,  aus  gekauften  Medikamenten,  Instrumenten  und  Leinwand^). 

Diese  Erfahrungen  der  Franzosen  sind  sehr  begreiflich.  Weil 
mit  vollem  Grund  angenommen  werden  kann,  daß  die  zivilen  Pferde- 
eigentümer und  Kutscher  heute  ebenso  ungern  in  einen  Krieg  ziehen, 
wie  dies  die  Franzosen  1805  taten,  so  müssen  natürlich  auch  die 
gleichen  Erscheinungen  wie  damals  erwartet  werden.  Die  Bezahlung 
dieser  Leute  wird  auch  heute  vorne  bei  der  Armee  nur  ebenso  un- 
regelmäßig erfolgen  können  wie  1805  bei  den  Franzosen.  Als  Er- 
schwernis tritt  dazu,  daß  wegen  der  allgemeinen  Wehrpflicht  heute 
nur  kriegsdienstuntaugliche,  sehr  alte  oder  minderjährige  Kutscher  zu 
finden  sein  dürften.  Weil  auch  die  Deutschen  1870/71  sehr  schlechte 
Erfahrungen  mit  der  Leistungsfähigkeit  solcher  Trains  gemacht 
haben,  kann  man  getrost  behaupten,  daß  Trains  mit  zivilen  Kutschern 
und  Landesfuhrwerken  mih'tärisch  sehr  wenig  brauchbar  und  unver- 
läßlich sind.  Weil  es  aber  unmöglich  ist,  den  ganzen  Wagenbedart 
einer  Armee  im  Frieden  anzuschafien  und  zu  magazinieren,  und  weil 
das  landesübliche  Fuhrwerk  immer  verwendbarer  ist  als  alle  be- 
sonders konstruierten  militärischen  Wagentjpen,  so  ist  der  zweck- 
mäßigste Vorgang  zur  Bildung  der  Trains  im  Kriege,   landesübliche 

*)  Alombert  et  Colin,  „La  Caiupagne  de  1805",  II.  Bd.,  S.  6—10. 


—     232     — 

Wagen  und  Pferde  im  Mobilisierungsfalle  zu  kaufen  und  sie  mit 
Soldaten  als  Kutschern  zu  besetzen.  Auf  solchen  Fuhrwerken  kann 
man  alles,  was  bei  der  Armee  nöti^  ist,  transportieren ;  es  genügt, 
diese  Wagen  im  Bedarfsfalle  nur  etwas  herzurichten  und  wenn  nötig 
mit  Piachen  zu  versehen.  Die  Japaner  haben  im  russischen  Kriege 
alle  Arten  von  Armeebedürfnissen  auf  solchen  landesüblichen  Fuhr- 
werken transportiert,  noch  dazu  auf  zweirädrigen  Karren. 

Napoleon  war  bei  seiner  Ankunft  am  Rhein  mit  der  Ausrüstung 
der  Armee  gar  nicht  zufrieden.  Im  ganzen  war  auch  die  admini- 
strative Situation  der  Armee  am  Tage  des  Einmarsches  in  Deutsch- 
land tatsächlich  nicht  glänzend,  ja  es  war  hohe  Zeit,  daß  besonders 
die  Kavallerie  bald  nach  Deutschland  einrückte,  weil  kaum  mehr  die 
Möglichkeit  bestand,  sie  am  linken  Rhein-Ufer  zu  ernähren.  Diese 
Nahrungssorgen  waren  gewiß  mitbestimmend,  daß  Napoleon  die  so 
wünschenswerte  Ruhepause  am  Rhein  entfallen  ließ,  um  möglichst 
bald  die  reichen  Bestände  Deutschlands  zur  Verpflegung  der  Armee 
auszunützen. 

In  „La  Campagne  de  1805"  wird  auf  Seite  245  des  I.  Bandes 
die  Lehre  aus  diesen  Tatsachen  gefolgert:  ,,8o  wichtig  auch  der 
Unterhalt  und  die  Verproviantieruug  sind,  so  schuldig  auch  der 
Kommandant  wäre,  der  sie  vernachlässigt,  so  muß  man  sich  doch 
hüten,  im  Augenblicke  des  Handelns  sie  als  unerläßlich  anzusehen. 
Man  ist  zu  sehr  geneigt,  ihnen  eine  überwiegende  Bedeutung  bei- 
zumessen :  Wenn  das  Genie  Napoleons  unseren  Waffen  nicht  den 
Triumph  von  Ulm  und  Austerlitz  verschafft  hätte,  welche  Schlüsse 
hätte  man  nicht  aus  dieser  so  ungenügenden  Vorbereitung  ge- 
zogen ! " 

Es  ist  nur  schade,  daß  aus  solchen  historischen  Beispielen 
meist  falsche  Lehren  gezogen  werden.  Ist  doch  auch  die  zitierte 
Stelle,  so  richtig  sie  im  allgemeinen  ist,  durch  den  ganz  einseitigen 
Schlußsatz  vollkommen  verdorben :  Es  wäre  nämlich  ebenso  schlecht, 
nein,  sogar  viel  schlechter,  aus  dem  Triumph  von  Ulm  und  Auster- 
litz den  Schluß  zu  ziehen,  daß  diese  Versorgung  der  Armee  eine 
geringe  Bedeutung  habe;  der  Schlußsatz  lädt  zu  diesem  Glauben 
förmlich  ein  und  tatsächhch  wird  auch  von  sehr  vielen  unter  falscher 
Berufung  auf  Napoleon  und  besonders  auf  1805  die  Armeeversorgung 
als  nebensächlich  betrachtet.  Zur  Erreichung  des  grandiosen  Erfolges 
bei  Ulm  gehörte  nicht  nur  das  ganze,  einzig  dastehende  Genie  Na- 
poleons, nicht  nur  sein  Vertrauen  in  dieses  Genie,  sondern  auch  die 


—     233     — 

ganze  Erbärmlichkeit  der  Führung  der  gegnerischen  Armee.  Napoleon 
hatte  das  Vertrauen  in  seine  Kraft  nicht,  wie  es  heute  nur  möglieh 
wäre,  am  grünen  Tische  gewonnen,  sondern  in  mehreren  Feldzügen 
und  bei  zwei  Unternehmungen  —  Expedition  nach  Ägypten  und 
Alpenübergang  —  wo  er  derartige  Schwierigkeiten  zu  besiegen  ver- 
stand, daß  er  das  vollste  Eecht  auf  den  Glauben  an  sich  haben 
durfte.  Dieser  Mann  hat  aber  auch  voll  erkannt,  was  er  1805  ge- 
wagt hat;  er  mußte  es  wagen,  weil  ihm  keine  andere  Wahl  blieb, 
weil  er  weder  die  Zeit  noch  die  ungezählten  Millionen  hatte,  um 
den  Krieg  gegen  Österreich  ebenso  materiell  vorzubereiten,  wie  er 
den  gegen  England  beabsichtigten  vorbereitet  hatte.  Napoleons  Genie 
hat  die  Feldzüge  von  Ulm  und  Austerlitz  trotz  der  mangelhaften 
Verpflegs-  und  Trainausrüstung  gewonnen  und  durchaus  nicht, 
weil  er  diese  Vorsorgen  vernachlässigt  hat.  Nur  eine  Irrlehre 
könnte  unter  Berufung  auf  1805  und  auf  Napoleon  den  Wert  der 
materiellen  Vorsorgen  mißachten. 

Es  wäre  daher  Macksche  Leichtfertigkeit,  wollte  man  heute 
diese  Heeresversorgung,  die  ins  Ungemessene  gestiegen  ist,  einfach 
mit  Phrasen  und  j^roßen  Gebärden  abtun,  obwohl  alles  davon  abhängt, 
mit  welcher  Gründlichkeit  und  Überlegung  man  den  Krieg  vorbe- 
reitet hat.  Was  man  in  dieser  Zeit  der  Vorbereitung  versäumt,  das 
holt  man  nach  Kriegsausbruch  niemals  ein ;  die  Folgen  könnte  viel- 
leicht nur  ein  napoleonisches  Genie  unschädlich  machen. 

Gerade  das  Beispiel  von  Ulm  zeigt  jedem  klar  blickenden  und 
verständigen  Menschen,  daß  in  einer  ungenügenden  Ausrüstung  und 
Verpflegung  der  Truppen  die  größte  Gefahr  liegt. . 


Die  beiden  großen  Marschbewegungen  des  Jahres  1805,  der 
Marsch  der  Österreicher  vom  Inn  an  die  Hier  und  der  Marsch  der 
Großen  Armee  von  Boulogne  an  den  Ehein  fordern  ihres  verschie- 
denen Erfolges  wegen  zum  Vergleiche  heraus. 

Die  Länge  des  Marsches  betrug  für  die  Österreicher  von  Wels 
über  Schärding,  Landshnt  und  Augsburg  nach  Ulm  etwa  350  hn^),  für 
die  Franzosen  vom  Ärmelkanal  bis  an  den  Khein   im  Mittel  600  km. 


^)  Von  Wels  über  ßraunau,  München  und  Landsberg  bis  Menimingen  sind 
nur  300  km.  Allerdings  waren  die  Truppen  aus  den  entferntesten  Teilen  der 
Monarchie  heranmarsehiert,  aber  diese  Märsehe  waren  mit  dem  Marsche  ganzer 
Armeekolonnen  nicht  zu  vergleichen. 


—     234     — 

Die  Österreicher,  im  -ganzen  etwa  50.000  Mann  Infanterie  und 
etwa  10.000 — 12.000  Eeiter^),  marschierten  in  zahh-eichen  kleinen 
Gruppen  neben-  und  hintereinander.  Die  stärksten  Gruppen,  die  Ko- 
lonnen Klenau  und  Gottesheim,  betrugen  jede  etwa  10.000  Mann  In- 
fanterie und  2000  Reiter  und  waren  fast  ohne  Artillerie.  Diesen 
vordersten  Kolonnen  folgten  die  anderen  Teile  der  Armee  oft  regi- 
menterweise nach. 

Die  Franzosen  —  über  120.000  Mann,  über  14.000  Reiter  und 
über  4000  Artilleriepferde  —  marschierten  auf  drei  Marschlinien  in 
3—4  Tagesstaffeln  von  ungefähr  2000  Reitern  und  10.000—12.000 
Mann. 

Sowohl  die  Österreicher  als  die  Franzosen  hatten  fast  gar  keinen 
organisierten  Train.  Die  Österreicher  maßten  aber  das  umfangreiche 
Truppen- und  Offiziersgepäck  mit  Vorspaonswagen  und  Yorspannspferden 
befördern.  Der  Troß  war  nicht  wesentlich  kleiner,  dafür  aber  un- 
geregelter und  ungeordneter  als  früher.  Die  Franzosen  hatten  fast 
gar  keine  Truppenbagagen. 

Der  Abmarsch  der  Österreicher  von  Wels  begann  am  5.  Sep- 
tember ;  die  ersten  Kolonnen  trafen  an  der  Hier  am  20.  September 
ein.  Die  Tagesleistung  dieser  Kolonnen  betrug  daher  etwa  20  hm. 
Die  Marschbewegung  der  Österreicher  war  aber  eigentlich  nie  be- 
endet; Mitte  Oktober  waren  noch  beträchtliche  Teile  der  etwa 
60.000  Mann  starken  Armee  im  Marsche. 

Der  Marsch  der  Franzosen  begann  am  26.  August.  Am  29.  Sep- 
tember war  auch  die  letzte  Staffel  am  Rhein  angelangt.  Tages- 
leistungen 21—23  hn  (s.  S.  229). 

Erfolg  des  Marsches:  Die  Österreicher  kamen  in  zerrüttetem 
Zustand  an  der  Hier  an,  die  Franzosen  erreichten  den  Rhein  in 
vollster  Ordnung  und  setzten  den  Marsch  sofort  an  die  Donau  fort. 

Die  Ursache,  daß  die  Franzosen  ihren  weit  längeren  und  stär- 
keren Marsch  ohne  jeden  nachteiligen  Einfluß  auf  die  Truppen  hinter- 
legten, wogegen  die  Österreicher  durch  ihren  weit  kürzeren  und  ge- 
ringeren Marsch  ruiniert  wurden,  lag  nur  allein  in  den  Marsch- 
anordnungen und  in  der  Marschtechnik. 

Die  zweckmäßigen,  zielbewußten  und  daher  nicht  jeden  Augen- 
blick Änderungen  unterworfenen  Marschanordnungen  der  Franzosen 

^)  Ein  großer  Teil  der  ungefähr  80.000  Mann  starken  österreichischen 
Armee  war  durch  Tirol  gekommen  (Wolfskeel,  Auffenberg  und  Jellaehieh  und 
die  Eegimenter  Erzherzog  Karl,  Auersperg,  Czartoryski  und  Mittrovsk^O- 


—     235     — 

und  ihre  vorzügliche,  mit  Marsehdisziplin  verbundene,  nicht  schablonen- 
hafte Marschtechnik  waren  die  Bedingung  ihrer  Marschleistungen. 
Bei  ähnlichen  Bedingungen  hätten  die  österreichischen  Truppen 
gleiches,  wenn  nicht  besseres  geleistet,  denn  es  gibt  nicht  viele 
Völkerstärame,  die  ein  zäheres  Soldatenmaterial  liefern  als  die  Völker 
der  österreichisch-ungarischen  Monarchie.  Die  Schuld  an  der  Zer- 
rüttung der  österreichischen  Truppen  hatte  ausschließlieh  die 
Führung.  Man  darf  eben  nicht  glauben,  daß  nur  die  Beine  allein 
marschieren:  man  muß  mit  Verstand  marschieren:  und  da 
könnten  wir  noch  viel,  sehr  viel  von  den  Franzosen  Napoleons  lernen. 
Die  Märsche  dürfen  vor  allem  nicht  gedankenlos  angeordnet 
und  schablonenhaft  durchgeführt  werden.  Wir  sind  aber  stark  in 
Gefahr,  in  diese  Fehler  zu  verfallen.  Ob  im  Winter,  ob  im  Sommer, 
ob  bei  Hitze  oder  bei  Regen,  ob  25  oder  40  hn  weit  marschiert 
werden  soll  —  nur  zu  oft  sind  die  Anordnungen  und  die  Durch- 
führung der  Märsche  in  allen  diesen  Fällen  schablonenhaft  gleich. 
So  hatte  einmal  ein  Eegiraent  an  einem  abnorm  heißen  Maitag  einen 
Marsch  von  35  hm  zu  hinterlegen.  Es  wurden  die  obligaten  ßasten 
gehalten:  die  kleine  Rast  von  10  Minuten  und  die  lange  Rast  nach 
Zurücklegen  des  größeren  Teiles  des  Marsches.  W^ährend  der  Rast 
konnte  sich  die  Mannschaft  im  Orte  nach  Belieben  dem  Biergenusse 
hingeben.  Bei  Fortsetzung  des  Marsches  zeigten  sich  bald  die  Folgen. 
Die  Leute  traten  in  großer  Zahl  aus.  Weil  die  Kolonne,  wie  es 
immer  geschieht,  einfach  weitermarschierte,  mußten  die  Zurück- 
gebhebenen  nachlaufen.  Als  die  Hitze  drückend  zu  werden  anfing, 
waren  diese  Leute  die  ersten,  die  raarschunfähig  wurden.  Immer 
mehr  Leute  blieben  an  der  Straße  liegen.  Endlich  wurde  unter  diesem 
Zwang  eine  halbstündige  Rast  eingeschoben,  die  aber,  an  der  freien 
Straße  gehalten,  nicht  viel  nützte.  Am  Abend,  nach  6^,  traf  das 
Regiment  am  Marschziel  ein.  Etwa  300  Mann,  ein  Viertel  des  Standes, 
fehlten.  Allerdings  rückten  alle  im  Laufe  der  Nacht  ein.  Das  Regi- 
ment hatte  Glück  gehabt.  Dasselbe  Regiment  hatte  ein  anderes  Mal 
nach  einer  im  Lager  zugebrachten  Regennacht  ungefähr  25  hn  bei 
strömendem  Regen  in  seine  Garnison'  zu  marschieren.  Nach  den 
ersten  15  hm  wurde  eine  IVaStündige  Rast  bei  einem  einzeln  stehenden 
Wirtshaus  angeordnet.  Die  Bitte,  doch  weiterzumarschieren  und 
nur  einige  ganz  kurze  Rasten  einzuschalten,  war  umsonst.  Bis  auf 
die  Haut  naß,  mußte  das  warm  marschierte  Regiment  seine  lange 
Rast  fröstelnd  und  ohne  Erholung  zu  finden  halten. 


—     236     — 

Ein  anderes  Regiment  hatte  an  einem  heißen  Augusttag  einen 
Eeisemarsch  von  28  hm  zurückzulegen.  Das  Regiment  war  etwa 
3  Stunden  seit  Beendigung  der  langen  Rast  unterwegs.  Der  Kom- 
mandant des  Queuebataillons  sah,  daß  die  Truppe  wieder  dringend 
einer  Rast  zum  Wassernehmen  bedurfte.  Als  sich  das  Regiment  eben 
einer  Ortschaft  näherte,  sandte  er  den  Adjutanten  mit  der  Meldung 
vor,  daß  die  Queueabteiluugen  dringend  einer  Wasserrast  in  dem 
Orte  bedürften.  Der  Kommandant  ließ  antworten,  er  werde  schon 
selbst  ermessen,  wann  eine  Rast  nötig  sei.  Das  Regiment  marschierte 
durch  den  Ort,  an  zahlreichen  Brunnen  und  bereitgestellten  Wasser- 
gefäßen vorbei.  Als  die  Queue  etwa  eine  halbe  Stunde  vom  Orte 
entfernt  war,  kam  der  Befehl:  „Rast".  Weit  und  breit  kein  Wasser, 
kein  Schatten. 

Die  Begründung  für  diese  unzweckmäßige  Rast  lautete :  weil 
es  im  Reglement  heißt,  man  soll  in  Ortschalten  nicht  rasten^).  Daß 
der  Marsch  ein  Reisemarsch  war,  daß  der  Zweck  der  Rast  sein 
sollte,  Wasser  zu  nehmen,  das  man  doch  mir  im  Orte  leicht  er- 
halten konnte,  war  Nebensache,  denn  „das  Reglement  sagt".  Da- 
gegen wurde  die  Meldung  des  Bataillonskommandanten,  also  seine 
tätige  Mitwirkung  bei  der  Führung  der  Kolonne,  vom  Kolonnen- 
kommandanten als  Eingriff  in  sein  Bestimmungsrecht  abgewiesen. 

Das  sind  nur  einige  Beispiele,  denen  jeder  sicherlich  mehrere 
aus  seiner  Erfahrung  anfügen  könnte.  Unser  größter  Feind  ist  die 
Gedankenlosigkeit.  Daher  sind  alle  einschränkenden  regleraentären 
Bestimmungen,  die  doch  immer  nur  zur  Schablone  werden  müssen 
und  somit  die  Gedankenlosigkeit  förmlich  züchten,  gefährhch.  Die 
Reglements  sollen  neben  den  formellen  Bestimmungen  nur  ver- 
nünftige allgemeine  Ratschläge  geben;  die  einzige  imperative 
Bestimmung  für  die  Märsche  sollte  sein,  daß  alle  Offiziere  ver- 
pflichtet  sind,   zur   vernünftigen  Führung   der  Truppe  mitzuwirken, 


^)  Diese  Begründung  war  natürlich  nicht  zutreffend.  Im  Dienstreglement, 
IL  Teil,  vom  Jahre  1874  stand  allerdings :  „In  Ortschaften  selbst  aber  soll  nur 
bei  schlechtem  Wetter  und  kalter  Jahreszeit  gerastet  werden."  Die  zur  Zeit  des 
Marsches  gültige  3.  Auflage  dieses  Eeglements  bestimmte  aber  ausdrücklich,  daß 
auch  dann  in  Ortschaften  gerastet  werden  könne,  wenn  es  die  Wasserversorgung 
der  Truppen  erheische.  Aber  jung  gewohnt,  alt  getan.  Scharf  ausgesprochene 
reglementäre  Bestimmungen  wirken  auch  dann  noch  lange  nach,  wenn  sie  schon 
längst  wegen  ungünstiger  Erfahrungen,  die  man  mit  ihnen  machte,  gemildert 
worden  sind. 


—     237     — 

indem  sie  durch  rechtzeitige  Meldungen  den  Kolonnenkommandanten 
über  die  Bedürfnisse  der  Truppe  informieren.  Gerade  die  zu  Fuß 
marschierenden  Offiziere  können,  wenn  sie  nicht  nur  einfach  mecha- 
nisch mitmarschieren,  ihren  berittenen  Kommandanten  wertvolle 
Unterstützuug  bieten. 

Die  Notwendigkeit  häufiger,  etwa  stündlicher,  nur  einige  Mi- 
nuten dauernder  Halte,  die  den  Zweck  haben  sollen,  das  Austreten 
aus  Eeih  und  Glied  und  damit  das  entkräftigende  Nachlaufen  hint- 
anzuhalten, wäre  ebenso  zu  betonen  wie  die  Notwendigkeit,  bei 
großer  Hitze  kurze  Wasserrasten  in  Ortschaften  einzuschalten.  Werden 
—  wie  es  das  Reglement  bestimmt  —  berittene  Offiziere  rechtzeitig 
in  Orte  vorausgesandt,  um  das  Bereitstellen  von  Wasser  an  der  Straße 
zu  veranlassen,  dann  brauchen  solche  Wasserrasten  nur  3 — 5  Mi- 
nuten zu  dauern,  besonders  wenn  die  Truppe  an  Ordnung  und  Appell 
gewöhnt  ist. 

Die  Betrachtungen  über  die  Märsche  im  Jahre  1805  zeigen, 
daß  das  französische  Generalstabsbuch  sehr  recht  hat,  wenn  es 
anführt : 

„Die  Märsche  sind  der  schwierigste  und  wichtigste  Teil  des 
Krieges." 


VIII.  Der  Rhein-Übergang  der  Großen  Armee. 

(Beilagen  15,  16  und  17.) 

Sobald  Napoleon  die  ganze  Armee  von  den  Küsten  in  Marsch 
gesetzt  hatte,  begab  er  sich  nach  Paris.  Vorher  bestimmte  er  noch 
den  Marschall  Prinzen  Mm-at  zu  seinem  Stellvertreter  bei  der  Armee 
am  Ehein.  Murat  sollte  während  der  Abwesenheit  des  Kaisers  den 
Befehl  führen.  Murat  wurde  angewiesen,  sich  nach  Straßburg  zu 
begeben,  wo  er  am  8.  September  eintraf.  Am  10.  September  meldete 
Murat,  daß  bei  Wels  etwa  60.000  Mann,  bei  Braunau  etwa  10.000 
bis  12.000  ^laun  und  am  Bodensee  etwa  15.000  Mann  stehen. 
80.000  Bussen  seien  an  der  Grenze  Galiziens.  Der  Plan  der  Öster- 
reicher gehe  dahin,  vor  allem  in  Italien  zu  handeln. 

Am  12.  September  traf  von  Murat  aus  Straßburg  die  tele- 
graphische Depesche  ein: 

„Die  Österreicher  haben  den  Inn  überschritten  und  Otto^)  hat 
München  verlassen.  Ich  erwarte  die  Befehle  Eurer  Majestät.  Murat." 

Eine  zweite  telegraphische  Depesche  meldete:  „Die  Öster- 
reicher marschieren  auf  München",  und  bestätigte  die  Abreise  des 
Gesandten  von  München  und  die  Flucht  des  Kurfürsten  nach  Würzburg. 

Der  Kaiser  befahl  hierauf  am  13.  September,  daß  Murat  sofort 
Hüningen,  Beifort,  Neu-Breisach  und  Schlettstadt  armiere  und  Ar- 
tillerie bereit  halte,  um  Kehl  zu  besetzen,  wenn  es  nötig  werde.  Er 
solle  sich  bereit  halten,  mit  dem  in  Straßburg  befindlichen  Infan- 
terieregiment, den  drei  Dragonerregimentern,  dem  am  15.  September 
eintreibenden  1.  Husarenregiment  und  einiger  Artillerie  über  den 
Rhein  zu  setzen,  wenn  es  der  Kaiser  für  nötig  erachte.  Der  Kaiser 
wolle  aber  einen  Entschluß  erst  nach  Eintreffen  des  Kuriers  mit 
genaueren  Nachrichten  fassen.  Weiter  ordnete  der  Kaiser  an,  Kund- 
schafter nach  Donaueschingen,  Kempten,  Stockach  und  in  die  Schwarz- 
wald-Pässe zu  senden. 


^)  Französischer  Gesandter  in  München. 


—    239     — 

Bis  zum  13.  September  war  nicht  vorauszuseheo,  daß  die 
Österreicher  bis  an  die  liier  voreilen  würden.  Man  müßte  im  Gegen- 
teil v^ernünftigerweise  annehmen,  daß  sie  sich  mit  der  Besetzung 
Münchens,  der  Hauptstadt  Bayerns,  begnügen  würden.  Napoleon 
dürfte  sich  somit  nni  diese  Zeit  mit  dem  Entwürfe  des  Vormarsches 
seiner  Armee  gegen  die  bei  München  vermuteten  Österreicher  be- 
schäftigt haben.  Wenigstens  ist  ein  Entwurf  dieses  Vormarsches 
vorhanden^).  Danach  sollten  (Beilage  15) 

das  1.  und  2.  Korps  von  Würzburg  über  Nürnberg  nach 
Eegensburg, 

Davout  von  Mannheim  über  Mergentheim,  Ansbach  nach 
Dietfurt, 

Ney   von  Selz   über  Crailsheim,   Weißenburg  nach  Ingolstadt, 

Lannes  von  Straßburg  über  Gmünd,  Nördlingen  nach  Neu- 
burg und 

Soult  von  Landau  über  Aalen  nach  Donauwörth  marschieren. 

Die  Korps  sollten  den  Ehein  am  28.  September  überschreiten ; 
Soult  sollte  am  9.  Oktober,  die  anderen  Korps  sollten  am  16.  Oktober 
die  Donau  erreichen. 

Die  Skizze  zeigt,  wie  Napoleon  bestrebt  war,  die  bei  München 
angenommenen  Österreicher  zu  umgehen,  um  sie  von  ihrem  Rückzug 
auf  die  Russen  abzudrängen. 

Am  15.  September  verständigte  Berthier  den  Prinzen  Murat 
vom  Abschluß  eines  Vertrages  mit  dem  Kurfürsten  von  Baden. 
„Wenn  der  Kurfürst  von  Ihnen  Hilfe  verlangen  sollte,  weil  er  sich 
durch  das  Husarenregiment,  das  in  Stockach  ist.  bedroht  fühlt,  sind 
Euer  Hoheit  ermächtigt,  aber  für  diesen  Fall  allein,  die  nötige  Menge 
Kavallerie  und  Artillerie  unter  einem  Brigadegeneral  über  den  Rhein 
zu  setzen,  um  sich  mit  den  badischen  Truppen  zu  vereinigen 
und  dieses  Kurfürstentum  zu  schützen.  Der  Kaiser  wäre  aber  sehr 
behindert,  wenn  man  zu  dieser  Maßregel  genötigt  wäre;  sie  darf 
daher  nur  bei  äußerster  Notwendigkeit  eintreten Der  strikte 

^)  Dieser  Marsehentwiirf,  der  ohne  Datum  aufgefunden  wurde,  ist  in  der 
Korrespondenz  Napoleons  Nr.  9254  mit  dem  Datum  vom  22.  September  versehen. 
Alombert  und  Colin  weisen  in  ihrem  II.  Bande,  S.  29,  nach,  daß  dieses  Datum 
falsch  ist  und  der  Entwurf  vor  dem  15.  September  verfaßt  worden  sein  muß. 
Außer  den  dort  angeführten  Gründen  spricht  die  ganze  Endgruppierung  im 
Vereine  mit  dem  im  ganzen  Feldzuge  festgehaltenen  Grundgedanken  Napoleons, 
die  Österreicher  von  den  Russen  abzudrängen,  für  die  Zeit  vom  12.  bis  15.  Sep- 
tember, 


—     240     — 

Befehl  des  Kaisers  ist,  daß  seine  Dispositionen  nicht  ohne  äußerste 
Notwendigkeit  gestört  werden.  Der  Kaiser  sähe  es  als  ein  Unglück 
an,  wenn  er  gezwungen  wäre,  den  Ehein  vor  der  festgesetzten  Zeit 
zu  überschreiten  und  bevor  die  Armee  angekommen  ist.  und  das 
vor  allem  wegen  der  Armee  in  Italien." 

Napoleon  sieht  dem  Vorstürzen  der  Österreicher  mit  größter 
Euhe  zu.  Er  läßt  sich  dadurch  nicht  zu  dem  gleichen  Fehler  ver- 
leiten, in  unfertigem  Zustand  loszuschlagen.  Zuerst  muß  die  ganze 
Kraft  versammelt  sein,  dann  soll  sie  aber  auch  ohne  Aufenthalt  auf 
den  Feind  losstürzen.  Bei  ihm  ist  daher  die  Schnelligkeit  nicht  ein 
kopfloses,  stückweises  Voreilen  der  Armee,  nicht  ein  Sammeln  weit 
vorne  wie  bei  Mack,  sondern  seine  Schnelligkeit  besteht  in  der 
wohlüberlegten  und  geordneten  Ausnützung  der  Kraft  der 
Truppen  zu  ihrer  Versammlung  hinter  dem  letzten  deckenden 
Hindernis,  dem  Ehein,  und  zur  raschen  Vorbewegung  der  ver- 
sammelten Armee. 

Bis  zum  17.  September  kam  Napoleon  in  Kenntnis,  daß  die 
Österreicher  München  und  Landshut  besetzt  hatten  und  daß  aus 
Vorarlberg  ein  Korps  von  8000  bis  10.000  Mann  unter  General 
Wolfskeel  in  Schwaben  eingebrochen  sei,  um  die  bayrischen  Städte 
in  Schwaben,  vor  allem  Ulm  zu  besetzen. 

Gerüchtweise  verlautete,  daß  die  Österreicher  bis  an  den  Schwarz- 
wald vorzugehen  beabsichtigen^). 


^)  Der  Gesandte  in  ßegensburg  liatte  am  11.  September,  7  h  abend,  folgenden 
Berieht  nach  Straßbm-g  abgesendet: 

„Man  ist  in  Regensburg  noch  ohne  offizielle  Nachricht  vom  Einmarsch 
der  österreichischen  Truppen  in  Bayern,  aber  im  folgenden  vorläufig  die  Aussagen 
von  Eeisenden: 

„General  Mack  hat  nach  Übernahme  des  Armeekommandos  in  Oberöster- 
reich am  7.  September  den  Kurfürsten  von  Bayern  sowie  die  bayrischen  Kom- 
mandanten entlang  des  Inn  angefangen  von  Passau  verständigt,  daß  er  am 
8.  September  den  Inn  passieren  werde,  um  in  Bayern  einzumarschieren,  was  tat- 
sächlich in  mehreren  Kolonnen  geschehen  ist. 

„Der  Kurfürst  von  Bayern  hat  sogleich  München  verlassen Alle 

bayrischen  Truppen  haben  sieh  nach  Franken  zurückgezogen 

„Die  Österreicher  marschieren  in  3  Kolonnen  über  Sehärding,  Braunau  und 
Mühldorf;  sie  dirigieren  sieh  auf  Landshut,  Freising  und  München,  um  zuerst 
die  Position  an  der  Isar  und  dann  jene  am  Lech  einzunehmen  und  sieh  in  die- 
selbe Position  zu  stellen  wie  im  März  1799  bei  Wiederbeginn  der  Feindseligkeiten. 

„Nach  der  Vereinigung  mit  den  Truppen  aus  Tirol,  die  über  Füssen, 
Sehongau  und  Landsberg   debouchieren  werden,   wird  die  österreichische  Armee 


—     241     — 

Die  Bayern  hatten  sich  vor  den  Österreichern  hinter  die  Donau 
zurückgezogen  der  Kurfürst  war  nach  Würzburg  abgereist.  Die 
letzte  Meldung  Murats«  gab  die  Stärke  der  Armee  des  Erzherzogs 
Ferdinand  mit  beiläufig  60.000  Mann  an;  die  Armee  von  Kregenz 
sei  25.000  Mann  stark.  Von  den  Russen  wußte  Na^joleon  durch  eine 
vom  7.  September  datierte  Meldung  aus  Wien,  daß  am  1.  September 
noch  keine  russische  Kolonne  die  österreichische  Grenze  überschritten 
hatte.  Er  wußte  weiter,  daß  Preußen  sich  ihm  nicht  anschließen 
wolle;  er  rechnete  es  daher  zu  seinen  Feinden. 

Am  17.  September  diktierte  Napoleon  den  ersten  Befehl  zum 
Ehein-Übergang  der  Großen  Armee.  (Beilage  16.)  Nach  diesem  Befehls- 
entwurf sollte  der  Übergang  am  25.  beginnen.  Es  sollten  übergehen : 

Lannes  und  die  Eeservekavallerie  bei  Straßburg, 

Ney  bei  Rastatt, 

Soult  bei  Germersheim  und 

Davout  bei  Mannheim^). 

Nach  dem  Übergange  sollte  Lannes  am  29.  September  von 
Kehl  über  den  Kniebis  nach  Ulm  vorgehen  und  weil  er  50  Lieues 
(=  225  hn)  zu  hinterlegen  hatte,  in  Ulm  am  9.  Oktober  eintreffen. 

Ney,  der  am  27.  von  Rastatt  aufbrechen  sollte,  hatte  gleich- 
falls 50  Lieues  zu  bewältigen,  sollte  daher  am  7.  Oktober  bei  Ulm  sein. 

Soult  sollte  von  Bruchsal  erst  am  29.  September  abmarschieren 
und  bei  Aalen  am  9.  Oktober  ankommen, 

Davout  am  29.  September  Mannheim  verlassen  und  am  10.  Ok- 
tober Nördlingen  erreichen. 

Bernadotte  und  Marmont,  die  auch  ana  9.  Oktober  bei 
Weißenburg  eintreffen  sollten,  hatten,  weil  die  Entfernung  dahin 
50  Lieues  betrug,  am  30.  September  oder  2.  Oktober  von  Würzburg 
aufzubrechen. 

Am  9.  Oktober  sollten  nach  dieser  Disposition  somit  stehen : 
die  Korps  Lannes  und  Ney   bei   Ulm,   das   Korps   Soult  bei  Aalen, 

nach  den  neuen  Befehlen,  die  sie  erhalten  wird,  die  Stellung  von  Ulm  einnehmen 
und  sodann  jene  am  Schwarzwald,  um  der  französischen  Armee  zuvorzukommen 
und  sie  in  der  vom  Erzherzog  Karl  1799  eingenommenen  Linie  zu  erwarten, 
d.  h.  vom  Bodensee  hinter  Stoekaeh  Biberaeh  bis  zur  Donau." 

*)  Nach  dem  Entwürfe  dieses  Befehles  sollten  die  Dragoner  zu  Fuß  auf 
einer  bei  Neu-Breisaeh  zu  schlagenden  Brücke  übergehen,  nach  einem  späteren 
Absatz  desselben  Befehles  aber  bei  Straßburg.  Der  zur  Täuschung  des  Feindes 
bei  Neu-Breisaeh  beabsichtigte  Brückenschlag  mußte  wegen  Mangel  an  Brücken- 
material unterbleiben. 

Krau  SS.   1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  16 


—     242     — 

Davout  bei  Nördlingen.  Bernadotte  und  Marmont  bei  Weißenburg, 
die  Kavalleriereserve  und  die  Garde,  die  von  Straßburg  über  Ludwigs- 
burg folgen  sollten,  bei  Gmünd. 

Napoleon  hatte  sieh  also  durch  den  Vormarsch  der  Öster- 
reicher über  München  hinaus  doch  veranlaßt  gesehen,  auch  seinen 
Vormarsch  zu  beschleunigen.  Alles  kam  jetzt  darauf  an,  die  Situa- 
tion auszunützen.  Er  beschloß  daher,  den  Rhein-Übergang  nicht,  wie 
bisher  beabsichtigt,  am  28.  oder  27.  September,  sondern  schon  am 
25.  September  zu  beginnen,  somit  die  früher  geplante  Euhepause 
am  Rhein  ausfallen  zu  lassen. 

Diese  Disposition  zeigt  weiter  klar,  daß  Napoleon  mit  seiner 
Änderung  der  Marschrichtung  vom  30.  August  nicht  dem  Schwarz- 
wald ausweichen  wollte  und  auch  nicht  das  Debouchieren  aus  den 
Schwarzwald-Defiles  angesichts  der  Österreicher  fürchtete,  weil  er  in 
dieser  Disposition,  als  er  schon  wußte,  daß  ein  österreichisches  Korps 
westlich  der  Hier  stand,  dieses  Debouchieren  seinem  schwächsten 
Korps,  Lannes.  zumutete.  Er  fand  eben  darin  die  Abhilfe,  daß  Ney  in 
der  Staffel  links  vorwärts  von  Lannes  marschierte,  diesen  daher  immer 
wirksam  unterstützen  konnte.  Die  Skizze  zeigt  auch  deutlich,  wie 
Napoleon  durch  diesen,  aus  der  zweiten  Situation  am  Rhein  resul- 
tierenden Vormarsch  jede  Verteidigungsstellung  der  Österreicher 
hinter  Hier  und  Lech  flankierte  und  auch  jede  solche  hinter  Isar 
und  Inn  nördlich  der  Donau  umgehen  konnte^). 


^)  Wie  Murat  die  Situation  am  17.  September  beurteilte  und  wie  dieses 
Urteil  mit  dem  des  österreichischen  Armeekommandanten,  Erzherzog  Ferdinand, 
übereinstimmte,  zeigt  sein  Bericht  an  den  Kaiser  Napoleon  vom  17.  September. 
Darin  heißt  es: 

„. . . .  Sieh  er  ist,  daß  die  Österreicher  den  Inn  am  8.  überschritten  und 
Landshut  und  München  besetzt  haben,  sowie  daß  am  14.  September  von  Bregenz 
•2000  Mann  in  Ravensburg  eingetroffen  sind.  Man  glaubt  allgemein,  daß  die  2000 
Mann  von  Ravensburg  nach  Ulm  gehen  und  daß  die  Armee  von  Wels  Stellung 
am  Lech  nehmen  wird."  Er  sagt  dann:  „Wird  die  österreichische  Armee  den 
Lech  passieren?  Wird  sie  ihre  alten  Stellungen  an  den  Ausgängen  des  Schwarz- 
waldes einnehmen?  Ich  kann  das  nicht  denken,  ülm  und  Ingolstadt  sind  nicht 
mehr  befestigt,  ihr  rechter  Flügel  wäre  durch  die  Donau  nicht  solide  genug 
gesichert.  Müßten  sie  nicht  den  Marsch  der  Armeekorps  von  Mainz  und  von 
Landau  auf  Ulm,  Donauwörth  und  Ingolstadt  fürchten,  während  die  von  Hagenau, 
Brumath  und  Straßburg  die  Ausgänge  des  Sehwarzwaldes  bedrohen  würden? 
WoUten  sie  sieh  dem  aussetzen,  in  der  Flanke  angegriffen  zu  werden  und  es 
riskieren,  in  die  Berge  Tirols  geworfen  zu  werden  ?  Würden  unsere  so  angelegten 
Bewegungen  sie  nicht  zu  einem  sicheren  Rückzug  hinter  den  Lech  zwingen  oder 


—     243     — 

Am  18.  September  forderte  Napoleon  Murat  auf,  ihm  ja  sofort 
zu  melden,  wenn  die  Österreicher  Ulm  und  Donauwörth  erreicht 
haben  werden ;  auch  sollte  Murat  die  Route  Straßburg,  Knieljis,  Ulm 
rekognoszieren  lassen,  ob  sie  von  Fuhrwerken  leicht  passiert  werden 
könne.  ^) 

Napoleon,  der  somit  die  Absicht  der  Österreicher,  an  die  Hier 
zu  marschieren,  kannte,  dachte  trotzdem  noch  au  deu  Vormarsch 
eines  Teiles  seiner  Armee  durch  den  Schwarzwald  nach  Ulm. 

Am  18.  September  telegraphierte  Murat:  „Eine  Meldung  von 
gestern,  die  ich  von  der  Gesandtschaft  in  Stuttgart  erhalten  habe, 
zeigt  an,  daß  die  Österreicher  den.  Lech  überschritten  haben  und 
seit  der  Nachricht  von  der  Aufhebung  der  Boulogner  Lager  ihre 
ganze  Armee  in  forcierten  Märschen  vorziehen."  Napoleon,  der  diese 
Meldung  noch  am  18.  September  erhielt,  trug  Murat  neuerdings 
auf,  Schiffe  für  zwei  Brücken  anzusammeln ;  er  verbot,  daß  bayrische, 
württembergisehe  oder  badische  Truppen  nach  Straßburg  gelassen 
werden,  selbst  dann,  wenn  sie  von  den  Österreichern  an  den  Rhein 
zurückgedrängt  werden  sollten. 

Am  19.  September  telegraphierte  ^lurat:  „Die  Österreicher  haben 
Biberach  und  Riedlingen  besetzt.  Diese  Nachricht  ist  offiziell. "  Die 
anderen  Nachrichten  über  den  Marsch  an  die  Hier  nach  Ulm  und 
Memmingen  waren  überdies  mehrfach  bestätigt  worden. 

Am  20.  September  erhielt  Napoleon  durch  Murat  einen  Brief 
des   Stuttgarter    Gesandten    vom    17.  September,    in    dem   gemeldet 


zu  einer  Änderung  der  Front  gegen  die  Donau?  und  könnten  sie  dieses  letzte 
Manöver  ausführen,  ohne  sieh  zwischen  zwei  Feuer  zu  stellen,  weil  wir  dann  auf 
beiden  Donau-Ufern  handeln  würden,  alle  ihre  Verbindungen  nach  Tirol  absehneidend. 
Könnte  man  weiters  glauben,  daß  sie  sieh  einer  Niederlage  aussetzen  würden, 
auf  eine  so  große  Entfernung  von  ihren  Verbündeten?  Müßte  es  ihnen  nicht  im 
Gegenteile  ratsam  sein,  eine  Schlacht  bis  zur  Ankunft  der  Russen  zu  vermeiden? 
Alle  diese  Überlegungen  überzeugen  mich,  daß  der  Kaiser  von  Deutsehland  den 
Kaiser  der  Franzosen  in  der  Stellung  von  Landsberg  und  Friedberg  erwarten 
wird  .  .  .  ." 

Er  mußte  schon  am  nächsten  Tage  den  Übergang  der  ÖsteiTeieher  über 
den  Lech  melden  und  somit  sein  Vertrauen  in  die  vernünftige  Führung  der 
Österreicher  desavouieren. 

^)  Napoleon  beruft  sieh  in  diesem  Briefe  nur  auf  den  Berieht  Murats  vom 
15.  September.  Das  Telegramm  Murats  vom  18.  September  dürfte  Napoleon  somit 
erst  nach  Absendung  des  Briefes  erhalten  liaben.  Napoleon  hat  daher  den  Vor- 
marsch der  Österreicher  gegen  Donauwörth  und  Ulm  nur  gemutmaßt  oder  er 
hatte  Nachrichten  von  anderer  Seite  erhalten. 

16-^ 


—     244     — 

wurde,  daß  das  Korps  General  Klenau  am  15.  September  den  Lech 
passiert  habe;  eine  Kolonne  habe  am  Abend  Zusmarsliausen  erreicht. 
Diese  Kolonne  werde  für  den  16.  September  in  Günzbm-g-  erwartet, 
ihre  Torhut  solle  am  17.  September  Ulm  erreichen.  Die  Bayern 
unter  General  Wrede  seien  gestern  (16.  September)  von  Ulm  gegen 
Würzburg  abmarschiert.  Das  von  Bregenz  über  Bavensburg  an- 
marschierte Korps  habe  am  15.  abend  Biberach  besetzt  und  dürfte 
sieh  mit  dem  Korps  Klenau  vereinigt  haben.  Man  sage,  daß  sie  bis 
Stoekach  vorgehen  dürften.  Ein  Gerücht  laute,  daß  am  6.  Oktober 
die  erste  russische  Kolonne  von  15.000  Mann  bei  Linz  ankommen 
werde,  der  noch  fünf  Kolonnen  gleicher  Stärke  folgen  sollen. 

In  einem  Briefe  des  Gesandten  in  Regensburg  vom  gleichen 
Tage  (17.  September)  wird  mitgeteilt,  daß  Klenau,  der  die  Vorhut 
der  österreichischen  Armee  kommandiert  und  unter  dem  der  General 
Gotteslieim  steht,  am  21.  September  Memmingen  erreichen  solle 
und  daß  die  österreichische  Armee  sich  am  22.  September  an  der 
Hier  befinden  werde,  von  wo  sie  sich  in  Marsch  setzen  wird,  um 
dieselbe  Stellung  einzunehmen  wie  im  Frühjahre  1799,  100.000 
Bussen  sollen  in  Mähren  angekommen  sein  und  dürften  durch 
Böhmen  in  die  Oberpfalz  marschieren,  wo  sie  in  10 — 14  Tagen 
sein  könnten. 

Napoleon  antwortete  darauf  sofort  am  20.  September:  „Ich 
habe  Ihren  Brief  vom  18.  erhalten  mit  der  Nachricht,  daß  sich  die 
Österreicher  Ulm  nähern.  Ich  wünsche  lebhaft,  schon  am  Rhein  zu 
sein  und  endlich  anzufangen,  die  Unverschämtheit  der  Herren  Öster- 
reicher zu  zähmen."  Trotz  dieser  gewiß  fieberhaften  Ungeduld  ver- 
meidet der  Kaiser  jede  nur  zur  Abhetzung  der  Truppen  führende 
Überstürzung  und  jedes  teilweise  Ausspielen  seiner  Kraft. 

Am  20.  September  telegraphierte  Murat:  „Die  Österreicher 
haben  gestern,  9^"  vormittag,  Pfullendorf  und  Stockach  besetzt.  Diese 
Nachricht  ist  offiziell." 

Diese  Meldung  bewog  Napoleon,  den  Befehl  vom  17.  nicht 
expedieren  zu  lassen  und  seine  Disposition  für  den  Rhein-Übergang 
und  für  den  Vormarsch  an  die  Donau  zu  ändern.  Am  20.  erließ 
Napoleon  folgenden  Befehl  an  Berthier  (Beilage  17): 

„Der  Generalstabschef  wird  dem  General  Songis  durch  einen 
vor  Mitternacht  abgehenden  Kurier  Befehl  geben,  eine  Brücke  bei 
Speyer  und  eine  zweite  gegenüber  von  Pforzheim  zwischen  Lauter- 
burg und  Rheinzabern    zu    schlagen.    Diese    zwei   Brücken   müssen 


—     245     — 

zwischen  Mitternacht  auf  den  25.  September  und  9^  morgen  des 
25.  September  geschlagen  sein. 

„Der  Generalstabschef  wird  dem  General  Davout  beisanntgeben, 
daß  meine  Absicht  ist,  daß  er  bei  Mannheim  übergehe,  wenn  ich 
dazu  den  Befehl  geben  werde,  und  daß  er  sich  über  Heidelberg  und 
Neekarelz  auf  Nördlingen  dirigiere.  Es  ist  nicht  meine  Absicht,  daß 
er  über  Sinsheim  marschiert,  das  für  das  Korps  Soult  bestimmt  ist- 
Er  kann  Erkundigungen  einziehen  und  selbst  die  Weglinie  reko- 
gnoszieren lassen,  aber  unter  der  Vorsicht,  sich  nicht  zu  verraten. 
Die  über  Mergentheim  führende  Straße  soll  wenn  möglich  vermieden 
werden,  weil  sie  sich  zu  weit  entfernt;  man  sehe  aber  zu,  ob  man 
nicht  einen  guten  Weg  von  Neckarelz  auf  Ilzhofen  und  von  da  über 
Dinkelsbühl  nach  Nördlingen  findet.  Das  Ziel  ist.  diesen  Marsch 
möglichst  kurz  zu  machen  und  sein  Korps  beständig  nahe  dem  des 
Marschalls  Soult  zu  halten. 

„Sie  werden  dem  Marschall  Soult  bekanntgeben,  daß  sein  Haupt- 
quartier nach  Speyer  zu  verlegen  ist,  wenn  ich  ihm  dazu  Befehl 
geben  werde;  das  wird  wahrscheinhch  am  24.  September  geschehen; 
daß  er  von  Speyer  dem  Wege  von  Heilbronn,  Öhringen,  Hall,  Aalen 
folgen  soll;  daß  es  rätlich  sei,  wenn  kein  Hindernis  besteht,  diese 
Weglinie  möglichst  geheim  rekognoszieren  zu  lassen. 

„Dem  Marschall  Ney,  daß  er  den  Rhein  zwischen  Hagenbach 
und  Mühlburg  überschreiten  soll,  bei  dem  Dorfe  Pforz,  an  der  Stelle, 
die  er  für  den  Brückenschlag  am  günstigsten  hält;  daß  er  den  Weg 
über  Durlach,  Pforzheim,  Stuttgart,  Gmünd  und  Giengen  nehmen 
müsse.  Es  ist  nötig,  daß  er  diesen  Weg  rekognoszieren  lasse. 

„Endlich  befehlen  Sie  dem  Prinzen  Murat,  den  Weg  von 
Kniobis  über  Oberkirch,  Freudenstadt,  Horb,  Eottenburg,  Tübingen, 
Grötzingen,  Nürtingen  nach  Göppingen  rekognoszieren  zu  lassen,  die 
Anzahl  der  Tage  zu  ermitteln,  die  er  braucht,  um  dort  anzukommen, 
und  auch  den  gegenwärtigen  Zustand  des  Talausganges  der  Kinzig 
rekognoszieren  zu  lassen. 

„Sie  werden  diese  Marschälle  verständigen,  daß  ihre  Brücken 
in  der  Nacht  vom  24.  zum  25.  September  geschlagen  werden 
müssen.  Napoleon." 

Nach  diesem  kaiserlichen  Befehl  und  nach  einer  Notiz 
Berthiers : 

Davout  marschiert  von  Mannheim  über  Heidelberg,  Neckarelz 
nach  Nördlingen; 


—     246     — 

Soult  marschiert  von  Speyer  über  Heilbronn,  Öhringen,  Hall 
nach  Aalen; 

Ney  marschiert  von  Pforz  über  Durlach,  Pforzheim,  Stuttgart, 
GmüQd  und  Giengen, 
fertigte  Berthier  die  Befehle  an  die  Korpskoramandanten  aus. 

Diese  Befehle  bestimmten  (Auszug): 

Dann  es  überschreitet  die  Brücke  bei  Straßburg  am  25.  Sep- 
tember um  5''  früh  mit  zwei  leichten  Kavallerieregimentern  und  der 
Grenadierdivision  Oudinot;  er  marschiert  am  26.  nach  Eastatt  oder 
selbst  nach  Ettlingen.  Hinter  ihm  wird  Murat  mit  fünf  Kavallerie- 
divisionen und  den  Dragonern  zu  Fuß  folgen.  Der  Marsehall  Ney 
überschreitet  den  Rhein  am  26.  bei  Durlaeh.  „Wenn  die  Bewegungen 
des  Feindes,  die  man  nicht  voraussehen  kann,  Sie  glauben  machten, 
daß  man  etwas  an  diesen  Dispositionen  ändern  solle,  erhalten  Sie 
Befehl  vom  Prinzen  Murat,  da  Sie  nicht  ohne  Befehl  angreifen  dürfen. 
Sie  verpflegen  sich  vom  Lande,  das  zu  ihrer  Rechten  liegt." 

Murat  geht  am  25.  September  hinter  Lannes  bei  Straßburg 
über,  und  zwar  die  Division  d'Hautpoul,  die  die  Ausgänge  der 
Kinzig  und  Kniebis  aufklärt,  dann  vier  Dragonerdivisionen  und  die 
Dragoner  zu  Fuß.  Kantonnements  vorwärts  von  Kehl.  Die  Dragoner 
zu  Fuß  bleiben  zur  Herstellung  eines  Brückenkopfes  voraussichtlich 
bis  28.  September  bei  Kehl. 

Die  Division  Nansouty  geht  mit  dem  Korps  Davout  am  25.  bei 
Mannhelm  tiber. 

„Die  Absicht  des  Kaisers  ist,  daß  sich  Lannes  nicht  mit  dem 
Feind  einlasse.  Wird  er  aber  zum  Kampf  gezwungen,  dann  ist  er 
von  Ihnen  und  von  Ney,  der  am  26.  bei  Durlach  übergeht,  zu 
unterstützen." 

Soult  wird  am  26.  September  bei  Speyer  übersetzen  und  auf 
Heilbronn  vorgehen. 

Murat  soll  alle  Marschälle  über  den  Feind  orientieren  (weil 
bisher  alle  Meldungen  in  Straßburg  zusammenliefen). 

„Der  Kaiser  hält  viel  darauf,  den  Rhein  zur  oben  bestimmten 
Zeit  zu  überschreiten;  aber  alles  ist  von  den  Bewegungen  des 
Feindes  abhängig  und  Seine  Majestät  will  sich  keinesfalls  in  par- 
tielle Affären  einlassen,  außer  bei  absoluter  Notwendigkeit.  Es  muß 
allseits  Sicherheit  und  Geheimhaltung  herrschen." 

Ney  passiert  am  26.  auf  einer  bei  Durlach  zu  schlagenden 
Brücke.     Am    27.   hat   er  sein  Hauptquartier  in  Durlach.     Ney  hat 


—     247     — 

Lannes  vor  sich  und  wird  derselben  ßoute  auf  Stuttgart  folgen 
müssen. 

Zur  Linken  geht  Soult  über  Speyer  vor;  er  requiriert  zu  seiner 
Linken,  so  daß  alles  Land  von  Speyer,  Hilsbach  und  Heilbronn  bis 
zu  Ihrer  Marschlinie  Ihre  Bedürfnisse  decken  soll.  Lannes  requiriert 
zu  seiner  Rechten. 

Soult  hat  sein  Hauptquartier  am  25.  in  Speyer.  Am  26.  Sep- 
tember läßt  er  dort  eine  Brücke  schlagen  und  beginnt  am  selben 
Tag  den  Übergang,  so  daß  er  am  29.  September  alle  Divisionen 
hintereinander  zwischen  Heilbronn  und  Speyer  hat.  Er  requiriert  zu 
seiner  Linken. 

Davout  hat  am  2b.  September  bei  Mannheim  einzutreffen. 
Nansouty,  der  nach  Oggersheim  dirigiert  ist,  tritt  unter  seinen  Be- 
fehl. Am  26.  ist  sein  Hauptquartier  in  Mannheim:  Heidelberg  ist 
zu  besetzen.  Er  hat  seine  Divisionen  zwischen  Heilbronn  und  Mann- 
heim zu  placieren.  Er  ist  berechtigt,  sich  noch  vor  dem  30.  September 
bis  Neckarelz  auszudehnen.  Er  requiriert  zu  seiner  Linken, 

An  alle  Korps  war  gleichlautend  befohlen: 

Eine  etwa  nötige  Abänderung  dieser  Befehle  erfolgt  durch 
Murat,  dann:  Jede  Truppe  muß  für  4  Tage  Brot  haben  und  jedes 
Korps  für  4  Tage  Zwieback,  der  nicht  verzehrt  werden  darf,  weil 
er  für  einen  Schlaehttag  oder  für  die  Zeit  dienen  soll,  wo  die 
Truppen  so  versammelt  sind,  daß  die  Beschaffung  der  Lebensmittel 
Schwierigkeiten  macht. 

Dem  Befehl  an  Davout  war  überdies  beigefügt :  „Ohne  die 
Beschleunigung  des  Vormarsches,  hätte  der  Kaiser  gewünscht,  daß 
alle  Kolonnen  der  Armee  für  12  Tage  Zwieback  in  ihrem 
Train  hätten." 

General  Songis  erhielt  Befehl,  in  der  Nacht  vom  25.  September 
zum  26.  bei  Durlach  und  Speyer  Brücken  schlagen  zu  lassen. 

Der  große  Artilleriepark  sollte  am  28.  September  unter  Be- 
deckung der  Dragoner  zu  Fuß    den   Rhein  bei  Straßburg   passieren. 

Die  Große  Armee  werde  ihren  Nachschub  an  Munition  und 
sonstigen  Bedarf  über  Mainz  an  sich  ziehen.  Alle  Trains  und 
Transporte,  die  der  Armee  von  Straßburg  nachgesendet  werden, 
dürfen  nicht  bei  Straßburg  den  Rhein  überschreiten,  sondern  bei 
Speyer,  wo  die  Etappenstraße  der  Armee  beginnt. 

Napoleon  ordnete  noch  an,  daß  Würzburg  und  Forchheim, 
deren  Befestigung    in  stand  zu  setzen    und    zu  armieren    seien,    als 


—     248     — 

Depotpunkte  für  die  Armee  hergerichtet  werden.  Er  ließ  sorgen, 
daß  Munition  auf  dem  Main  nach  Würzburg  transportiert  werden 
könne  und  befahl,  in  Würzburg  Gewehrmunition  und  500.000  Eationen 
Zwieback  herzustellen '). 

Nach  diesen  Befehlen,  wenn  auch  nicht  bei  genauer  Ein- 
haltung aller  Zeiten,  erfolgte  der  Übergang  der  Großen  Armee  über 
den  Ehein. 

SoDgis  hatte  gemeld(?t,  daß  es  unmöglich  sei,  die  Brücken  bis 
26.  September  herzustellen.  Napoleon,  der  dieses  Hindernis  voraus- 
sah, hatte  aber  schon  vorher  am  21.  Murat  befohlen,  daß  in  diesem 
Falle  der  Marsch  der  Korps  Ney  und  Soult  um  einen  Tag  später 
erfolge;  Lannes  bleibe  dann  einen  Tag  in  Eastatt  stehen.  Der  somit 
dann  vorgeschobenen  Gruppe  Lannes-Murat  gab  er  folgende 
Direktive: 

„ . .  .  Wenn  der  Feind  sich  Freudenstadts  bemächtigt  haben 
sollte,  der  Hauptstellung  auf  der  Eoute  des  Kniebis,  dann  bleibt 
die  Division  Lannes  in  Stellung  in  der  Gegend  von  Oberkirch   und 


^)  Was  Napoleon  veranlaßt  hat,  die  Festungen  Würzburg  und  Porehlieim 
in  stand  zu  setzen,  zu  besetzen  und  für  3  Monate  auszurüsten,  kommt  in  keinem 
seiner  Befehle  zum  Ausdrucke.  Napoleon  hat  aber  eine  Zeitlang  daran  gedacht, 
den  Nachschub  der  Armee  über  Mainz  und  Würzburg  zu  leiten. 

Im  Befehl  an  Bernadotte  vom  28.  September  heißt  es : 

„Es  ist  nötig,  daß  der  Kurfürst  von  Bayern  einen  guten  Kommandanten 
nach  Forehheim  an  der  ßegnitz  gibt  mit  einer  genügenden  Garnison  und  für 
2 — 3  Monate  Lebensmittel.  Geben  Sie  ihm  gleichfalls  bekannt,  daß  er  Würzburg 
in  Verteidigungsstand  setze,  damit  der  Kaiser  falls  eine  Armee  vor  diesem 
Platze  erseheint,  im  stände  sei,  sie  zu  entsetzen,  bevor  die  Besatzung  Zeit  hat, 
ihre  Lebensmittel  aufzuzehren." 

Wiederholt  vraren  Meldungen  eingetroflen,  daß  eine  rassische  Armee  durch 
Böhmen  vorgehen  werde.  Die  beiden  festen  Plätze  Forehheim  und  Würzburg 
konnten  also  die  Flanke  der  etwa  gegen  die  Donau  einschwenkenden  französi- 
schen Armee  sichern.  Da  Forehheim  in  dem  schmalen  bayrischen  Gebietsstreifen 
zwischen  den  preußischen  Fürstentümern  Ansbach  und  Bayreuth  lag,  war  dieser 
Platz,  solange  Preußen  neutral  blieb,  von  besonderer  Bedeutung. 

Kaiser  Napoleon  hatte  auch  die  Möglichkeit  erwogen,  daß  der  Krieg  nach 
Böhmen  hinüberspiele  (Rekognoszierung  jMurats).  Für  diesen  Fall  hätte  seine 
Etappenstraße  von  Mainz  entlang  dem  Main  über  Würzburg,  Bamberg  und  Bayreuth 
geführt ;  hatte  doch  Napoleon  selbst  die  Ausnützung  des  Main  als  Schiffahrtslinie 
erwogen  und  die  Verhältnisse  dafür  ermitteln  lassen.  Da  wären  Würzburg  und 
Forehheim  wichtige  Stützpunkte  für  den  Nachschub  zur  Armee  geworden. 

Die  Besetzung  von  Würzburg  und  Forehheim  war  also  eine  Vorsichtsmaß- 
regel, die  den  Zweck  halte,  Napoleons  Operationsfreiheit  zu  erhöhen,  die  einzige 
Rolle,  die  Napoleon  den  Festungen  zugestand. 


—     249     — 

erwartet  dort  die  Ankunft  der  anderen  Divisionen.  Aber  ich  denke, 
daß  der  Feind  nicht  so  unklug  gewesen  sein  wird.  Wenn  der  Feind 
am  Kniebis  nur  mit  schwachen  Kräften  wäre,  überlasse  ich  es 
Ihrem  Einvernehmen  mit  Lannes,  ihn  zu  vertreiben.  Indessen 
wünsche  ich  keinesfalls  eine  etwas  ernstere  Aktion 
auf  dieser  Seite. . .  Wenn  es  geschehen  sollte,  daß  die  Öster- 
reicher eine  Bewegung  auf  Stuttgart  machen  und  wenn  Württem- 
berg auch  weiter  zu  uns  steht,  wünsche  ich,  daß  eine  starke  Ko- 
lonne durch  den  Kniebis  vorgehe  und  Freudenstadt  besetze^)". 

Erst  mit  der  Disposition  vom  20.  September  gab  somit 
Napoleon  den  Vormarsch  durch  den  Schwarzwald  ganz  auf,  obwohl 
er,  wie  die  Direktive  an  Murat  dartut,  unter  einer  bestimmten  Vor- 
aussetzung noch  daran  denkt,  eine  Kolonne  über  Preudenstadt  zu 
senden,  wozu  er  diese  Linie  auch  rekognoszieren  läßt.  Der  geplante 
Vormarsch  vom  Rhein  ist  im  großen  ähnlich  mit  dem  am  17.  ge- 
geplanten; nur  wird  keine  Kolonne  mehr  direkt  auf  Ulm  dirigiert, 
wo  jetzt  der  Feind  gemeldet  ist,  sondern  Ney  und  Lannes  sollten, 
Ulm  nördlich  umgehend,  nach  Giengen  marschieren.  Lannes  sollte 
dazu  über  Eastatt  vor  das  Korps  Ney  gesetzt  werden.  Die  Armee 
sollte  daher  in  der  Strecke  Giengen — Ingolstadt  die  Donau  erreichen. 
Napoleon  hielt  also  auch  dem  Vormarsche  der  Österreicher  au  die 
Hier  gegenüber  seinen  Grundgedanken  fest;  nur  zeigt  ein  Blick  auf 
die  Skizze,  Beilage  17,  daß  Napoleon  jetzt  seine  ganze  Armee  schon 
in  den  Eücken  der  an  der  Hier  stehenden  Österreicher  du'igiert, 
wozu  ihn  das  Voreilen  der  Österreicher  geradezu  herausfordert. 
Denn  es  war  sicher  nicht  anzunehmen,  daß  die  Österreicher,  die 
soeben  mit  Gewaltmärschen  an  die  Hier  vorgeeilt  waren,  bei  der 
ersten  Bedrohung  wieder  zurückgehen  würden.  In  dieser  Auffassung 
schreibt  denn  auch  Napoleon  am  27.  September  an  Talleyrand: 

„ . . .  Hier  marschiert  alles  mit  vollen  Kräften.  Die  Österreicher 
sind  an  den  Aasgängen  des  Schwarzwaldes;  Gott  gebe,  daß  sie  dort 
bleiben.  Meine  einzige  Sorge  ist,  daß  wir  ihnen  zu  viel  Angst 
machen  könnten.  Keine  14  Tage  und  wir  werden  manches  erleben." 

Und  am  selben  Tag  an  Bernadotte: 

„...Nach  meiner  Schätzung  müßten  Sie  heute  in  Würzburg 
sein.  Der  Kaiser  von  Deutschland  hat  gar  keine  Entsendung  auf 
das  rechte^)  Donau-Ufer  unternommen    und    die   Russen  sind  nicht 

^)  Brief  Napoleons  an  Murat  vom  21.  September. 
*)  Sollte  heißen  auf  das  „linke"  Donau-Ufer. 


—     250     — 

angekommen.  Ich  bin  im  stände,  überallhin  Front  zu  machen.  Ich 
habe  den  Bhein  bei  Mannheim,  Speyer  und  gegenüber  von  Durlach 
überschritten.  Wenn  Sie  diesen  Brief  erhalten  werden,  wird  meine 
Armee  am  Neckar  sein;  stark,  zahlreich  und  in  der  Lage,  allem  zu 
widerstehen.  Von  Würzburg  werden  Sie  sich  gegen  die  Donau 
wenden,  den  Weisungen  entsprechend,  die  der  Kriegsminister 
diesen  Abend  an  Sie  senden  wird.  Sie  werden  den  Marschall 
Marmont  zu  Ihrer  Eechten  und  die  Bayern  auf  Ihrer  linken  Seite 
halten.  Ich  werde  mich  dem  General  Marmont  mit  meiner  ganzen 
Armee  anschließen  und  wenn  ich  das  Glück  habe,  daß  die  öster- 
reichische Armee  noch  3  oder  4  Tage  an  der  Hier  und  im  Schwarz- 
wald verschläft,  werde  ich  sie  umgangen  haben  und  ich  hoffe, 
daß  dann  nur  Trümmer  entkommen  werden ...  Es  ist  Zeit,  den 
großen  Schlag  zu  führen.  Vor  dem  12.  Oktober  wird  Österreich  ver- 
loren sein." 

Sollten  die  Österreicher  aber  doch  infolge  der  drohenden  Um- 
gehung rechtzeitig  zurückgehen,  mit  welcher  vernünftigen  Haltung 
des  Feindes  Napoleon  rechnete,  dann  traf  dieser  Marsch  immerhin 
noch  die  Flanke  der  österreichischen  Armee. 

Am  25.  September  früh  überschritt  Lannes  den  Rhein  bei 
Straßburg  und  ging  an  diesem  Tage  bis  Bühl,  am  26.  nach  Rastatt 
vor,  wo  er  Befehl  erhielt,  am  27.  zu  bleiben  und  bis  Wildbad  auf- 
zuklären. Ein  Bataillon  war  von  Bühl  nach  Freudenstadt  vor- 
gesendet worden. 

Murat  folgte  am  25.  der  Gruppe  Lannes,  und  zwar  mit  der 
2.  Dragonerdivision  nach  Oberkirch,  der  1.  Dragonerdivision  nach 
Offenburg,  der  4.  Dragonerdivision  nach  Ettenheim.  Die  Kürassier- 
division d'Hautpoul  und  die  3.  Dragonerdivision  blieben  hinter 
diesen  Divisionen  bei  Wildstädt  und  Altenheim,  die  Dragoner  zu 
Fuß  bei  Kehl. 

Die  ausgesandten  Dragonerdetachements  trafen  nur  feindliche 
Kavalleriepatrouillen.  An  der  Enz  sollten  am  26.  feindliche  Kavallerie- 
abteilungen in  Nagold,  Wildberg,  Pforzheim  und  Veihingen  an- 
gekommen, eine  Patrouille  sogar  bis  Durlach  vorgegangen  sein.  Am 
27.  erreichte  das  nach  Freudenstadt  dirigierte  Grenadierbataillon  diesen 
Ort;  das  dort  gestandene  österreichische  Bataillon,  300  bis  400  Mann 
stark,  zog  sich  auf  Verlangen  der  Franzosen  ohneweiters  zurück. 

Auf  die  Nachricht  von  der  Anwesenheit  von  etwa  2000  Öster- 
reichern im  Schwarzwald  und  eines  Kavallerieregiments  bei  Biberach 


—     251     — 

sandte  Murat  am  28.  September  ein  Dragonerregiraent  und  ein  Bataillon 
Dragoner  zu  Fuß  von  Offenburg  auf  Biberaeh  und  eine  Dragoner- 
brigade von  Oberkirch  über  Oppenau  vor.  Wenn  möglich  sollte 
Freudenstadt  genommen  werden. 

Die  Truppen  fanden  aber  nur  schwache  feindliche  Kavallerie- 
detachements  vor,  die  sich  überall,  ohne  die  Ankunft  der  Franzosen 
abzuwarten,  zurückgezogen  hatten.  Es  kam  daher  nirgends  zu  einem 
Gefecht.  Da  überdies  die  Meldung  von  der  Besetzung  von  Freuden- 
stadt durch  das  Grenadierliataillon  eintraf,  kehrten  alle  Dragoner- 
a))teilungen  noch  am  selben  Tage  zurück.  Das  war  die  einzige  größere 
Aktion  im  Schwarzwalde.  Murat  konnte  melden,  daß  sich  im  Schwarz- 
walde nirgend  stärkere  feindliche  Kräfte  befänden. 

Das  6.  Korps  (Ney)  hat  den  Bhein  am  27.  September  auf  der 
zwischen  Pforz  und  Maxau  geschlagenen  Schiffbrücke  passiert.  Seine 
erste  Division  kam  nach  Ettlingen,  die  zweite  nach  Durlach,  die 
dritte  nach  Karlsruhe.  Die  Kavallerie  war  etwas  gegeu  Pforzheim 
vorgeschoben. 

Vom  4.  Korps  (Soult)  war  am  26.  September  eine  .Vorhut, 
bestehend  aus  je  einem  Infanterie-  und  Kavallerieregiment,  bei  Ehein- 
hausen  überschifft  worden,  die  am  27.  bis  über  Heideisheim  vor- 
rückte. In  der  Nacht  zum  27.  wurde  die  Brücke  bei  Rheinhausen 
geschlagen,  die  am  27.  September  von  der  1.  und  2.  Infanteriedivision 
und  von  der  Kavallerie  passiert  wurde.  Die  Tete  dieser  Kolonne  er- 
reichte an  diesem  Tage  Bruchsal.  Die  3.  Infanteriedivision  passierte 
die  Brücke  am  28.,  die  4.  Division  am  30.  September. 

Das  3.  Korps  (Davout)  konnte  keine  Brücke  über  den  Rhein 
herstellen.  Davout  ließ  daher  alle  erlangbaren  Schiffe  zusammen- 
bringen und  eine  fliegende  Brücke  herstellen.  Er  überschiffte  in  der 
Nacht  vom  25.  zum  26.  September  eine  Vorhut  von  einem  Infanterie- 
und  einem  Kavallerieregiment.  Vom  26.  September  an  wurde  täglich 
eine  Division  des  Korps  mit  einem  Teil  der  Kavallerie  überschifft. 
Am  29.  September  folgte  auf  die  gleiche  Weise  die  Division  Nan- 
souty  über  den  Rhein. 

Die  Überschiffung  des  Korps  Davout  mit  einem  Stande  von 
22.000  Mann.  42«  lO  Reitern  und  etwa  30  Geschützen  in  4  Tagen  ist 
bei  den  beschränkten  Überschiffungsmitteln  jedenfalls  eine  Leistung, 
die  der  Energie  Davouts  ein  glänzendes  Zeugnis  ausstellt. 

Am  29.  September  war  somit  bis  auf  eine  Division  des  4.  Korps 
die  ganze  Große  Armee  östlich  des  Rheins  auf  deutschem  Boden. 


—     252     — 

Die  Ordre  de  bataille  der  Großen  Armee  und  ihr  Stand  zur 
Zeit  des  Ehein-Überganges  waren  ^) : 

1.  Korps  Marschall  Bernadotte: 

1.  Division:  3  Eegimenter  zu  3  Bataillonen,  somit  9  Bataillone 
von  650  bis  720  Mann  =  6177  Mann; 

2.  Division:  3  Eegimenter  zu  3  Bataillonen,  somit  9  Bataillone 
von  607  bis  645  Mann  =  5659  Mann ; 

Kavalleriedivision:  4  Eegimenter  zu  3  Eskadronen,  somit 
12  Eskadronen  von  118  bis  148  Eeitern  =  1665  Eeiter; 

1  Pontonierkompagnie,  34  Geschütze. 

Summe  des  1.  Korps:  11.836  Mann  Infanterie,  1665  Eeiter, 
34  Geschütze. 

Verpflegsstand:  16.000  Mann,  4150  Pferde. 

Krankenstand:  10 "/o  des  Yerpflegsstandes. 

Angegliedert  war  das  bayrische  Korps  mit  18.600  Mann 
Infanterie,  2400  Eeitern  und  48  Geschützen. 

Summe  des  1.  Korps  und  der  Bayern:  30.436  Mann  Infanterie, 
4065  Eeiter,  82  Geschütze. 

Verpflegsstand:  42.230  Mann,  8215  Pferde. 

2.  Korps  Genera]  Marmont: 

1.  Division:  2  Eegimenter  zu  2,  1  Eegiment  zu  3  Bataillonen, 
somit  7  Bataillone  von  733  bis  813  Mann  =  5301  Mann; 

2.  Division:  2  Eegimenter  zu  3,  1  Eegiment  zu  2  Bataillonen, 
somit  8  Bataillone  von  502  bis  782  Mann  =  5393  Mann; 

3.  Division:  5  Eegimenter  zu  2  Bataillonen,  somit  10  Bataillone 
von  509  1  )is  591  Mann  =  5563  Mann ; 

Kavalleriedivision:  3  Eegimenter  zu  3,  1  Eegiment  zu  2  Eska- 
dronen, somit  11  E^^skadronen  zu  121  bis  195^)  Eeitern  =  1634  Eeiter; 

Pontoniere,  Sappeure  und  Mineure;  26  Geschütze. 

Summe  des  2.  Korps:  16.257  Mann  Infanterie,  1634  Eeiter  und 
26  Geschütze. 

Verpflegsstand:  21.500  Mann,  3700  Pferde. 

Krankenstand:  9'17o  des  Verpflegsstandes. 

^)  Nach  Alombert  et  Colin:    „La  Campagne   de  180.5  en  Allemagne", 
S.  158.  Die  Verpflegsstände  wurden  unter  Beriieksielitigung  der  normierten  Stände 
ermittelt ;  Personal  und  Pferde  des  Requisitionsfuhrwerkes  sind  nicht  berüeksiehtigt. 

^)  Die  schwächsten  und  stärksten  Bataillone  und  Eskadronen  sind  durch 
fetten  Druck  bezeichnet. 


—     253     — 

3.  Korps  Marschall  Davout: 

1.  Division:  5  Begimenter  zu  2  Bataillonen,  somit  10  Bataillone 
von  775  bis  908  Mann  =  8214  Mann; 

2.  Division:  5  ßeuimenter  zu  2  Bataillonen,  somit  10  Bataillone 
von  452  bis  889  Mann  =  7461  Mann; 

3.  Division:  4  Eegimenter  zu  2  Bataillonen,  somit  8  Bataillone 
von  791  bis  896  Mann  =  6728  Mann; 

Kavalleriedivision:     4    Regimenter     zu    3    Eskadronen,     somit 
12  Eskadronen  von   108  bis  153  Eeitern  =  1492  Reiter; 
Pontoniere  und  Sappeure;  48  Geschütze. 

Summe  des  3.  Korps:  22.400  Mann  Infanterie,  1492  Reiter, 
48  Geschütze. 

Verpfleg-sstand:  26.500  Mann,  3000  Pferde  ^j. 
Krankenstand:  67o  des  Verpflegsstandes. 

4.  Korps  Marschall  Soult: 

1.  Division:  5  Regimenter  zu  2  Bataillonen,  somit  10  Bataillone 
von  771  bis  890  Mann  =  8604  Mann; 

2.  Division:  5  Regimenter  zu  2  Bataillonen,  somit  10  Bataillone 
von  752  bis  945  Mann  =  8710  Mann; 

3.  Division:  1  Regiment  zu  3,  3  Regimenter  zu  2  Bataillonen. 
2  selbständige  Bataillone,  somit  11  Bataillone  von  683  bis  948  Mann 
=  8768  Mann; 

4.  Division:  1  Regiment  zu  3,  4  Regimenter  zu  2  Bataillonen, 
somit  11  Bataillone  von  750  bis  929  Mann  =  9154  Mann; 

Kavalleriedivision:  1  Regiment  zu  4,  2  Regimenter  zu  3  Eska- 
dronen, somit  10  Eskadronen 2)  von  115  bis  135  Reitern  =  1214  Reiter; 

Sappeure;  36  Geschütze. 

Summe  des  4.  Korps:  35.236  Mann  Infanterie,  1214  Reiter  und 
36  Geschütze. 

Verpfleg-sstand:  40.000  Mann,  3000  Pferde 3). 

Krankenstand:  3'7''/o  des  Verpflegsstandes. 

^)  Der  Grund  für  den  geringen  Pferdestand  lag  iui  geringeren  Stand  der 
Kavallerie  und  im  Fehlen  des  größten  Teiles  der  Artilleriepferde,  die  durch 
requirierte  ersetzt  werden  mußten.  Überdies  blieben  bekanntlieh  von  diesem  Korps 
viele  Geschütze  und  Artilleriefuhrwerke  am  Rhein  stehen. 

*)  Das  zum  4.  Korps  gehörige  16.  Chasseurregiment  überschritt  den  Rhein 
erst  am  14.  Oktober. 

ä)  Geringer  Stand  der  Kavallerie.  Es  fehlte  noch  ein  ganzes  Regiment. 
Das  Korps  hatte  wenig  Artilleriepferde. 


—     254     — 

5.  Korps  Marschall  Lannes: 

1.  Division:  5  Grenadierregimenter  zu  2  Bataillonen,  somit 
10  Bataillone  von  662  bis  747  Mann  =  7028  Mann; 

2.  Division:  8  Eegimenter  zu  3,  1  Regiment  zu  2  Bataillonen, 
somit  11  Bataillone  von  500  bis  715  Mann  =^  6944  Mann; 

Kavalleriedivision:    4    Eegimenter    zu    3   Eskadronen,     somit 
12  Eskadronen  von  110  bis  115  Reitern  =  1349  Reiter; 
Pontoniere,  Sappeure  und  Mineure ;  34  Geschütze. 

Summe  des  5.  Korps:  13.972  Mann  Infanterie,  1349  Reiter  und 
34  Geschütze. 

Verpflegsstand:  17.500  Mann,  2600  Pferde. 
Krankenstand:   7'4%   des  Yerpflegsstandes. 

6.  Korps  Marschall  Ney: 

1.  Division:  3  Regimenter  zu  2  Bataillonen,  somit  6  Bataillone 
von  831  bis  882  Mann  =  5146  Mann ; 

2.  Division :  1  Regiment  zu  3,  3  Regimenter  zu  2  Bataillonen, 
somit  9  Bataillone  von  599  bis  871  Mann  =^-  6899  Mann; 

3.  Division:  1  Regiment  zu  3,  3  Regimenter  zu  2  Bataillonen, 
somit  9  Bataillone  von  677  bis  914  Mann  =  7069  Mann; 

Kavalleriedivision:  3  Regimenter,^)  zu  3  Eskadronen,  somit 
9  Eskadronen  von  114  bis  129  Reitern  :=  1071  Reiter; 

Pontoniere;  30  Geschütze. 

Summe  des  6.  Korps:  19.114  Mann  Infanterie,  1071  Reiter  und 
30  Geschütze. 

Verpflegsstand :  22.500  Mann,  2600  Pferde. 

Krankenstand:  6'87o  des  Yerpflegsstandes. 

Eeservekavallerie  Marschall  Prinz  Murat: 

1.  schvs'ere  Division  Nansouty:  6  Regimenter  zu  3  Eskadronen, 
somit  18  Eskadronen  von  126  bis  167  Reitern  =  2732  Reiter: 

2.  schwere  Division  d'Hautpoul:  4  Eegimenter  zu  3  Eskadronen, 
somit  12  Eskadronen  von  129  bis  144  Reitern  =  1645  Reiter; 

1.  Dragonerdivision  Klein:  6  Regimenter  zu  3  Eskadronen,  somit 
18  Eskadronen  von  107  bis  161  Reitern  =  2330  Reiter; 

2.  Dragonerdivision  Walter:  6  Regimenter  zu  3  Eskadronen, 
somit  18  Eskadronen  von  84  bis  153  Reitern  =  2052  Reiter; 

')  Später  kam  noch  das  4.  Regiment  dazu. 


—     255     — 

3.  Dragonerdivision  Beaumont:  6  Eegimenter  zu  3  Eskadronen, 
somit  18  Esijadronen  von  104  bis  131  Reitern  =  2080  Eeiter; 

4.  Dragonerdivisiou  Bourcier:  6  Regimenter  zu  3  Eskadronen, 
somit  18  Eskadronen  von  105  bis  164  Reitern  =  2280  Reiter; 

Dragoner  zu  Fuß :  4  Regimenter  zu  2  Bataillonen,  somit 
8  Bataillone  von  548  bis  885  Mann  =  5505  Mann;  28  Geschütze. 

Summe  der  Reservekavallerie:  5505  Mann  zu  Fuß,  13.119  Reiter, 
28  Geschütze. 

Verpflegsstand :  22.000  Mann,  15.700  Pferde. 

Kaiserliche  Garde: 

4134  Mann  Infanterie,  1637  Reiter,  24  Geschütze. 
Verpflegsstand:  6500  Mann,  2100  Pferde. 

Großer  Artilleriepark: 

1366  Mann  Artillerie  und  56  Geschütze. 

Verpflegsstand :  3500  Mann,  2400  Pferde. 

Summe  der  Großen  Armee:   147.000  Mann  Infanterie,  25.500 

Reiter,  364  Geschütze  (Verpflegsstand :  202.000  Mann,  43.000  Pferde). 

Dazu  noch  etwa  8000  Mann  Badenser  und  Württemberger  und  das 

7.  Korps  (Marschall  Augereau)  mit  12.500  Mann  und  1184  Pferden. 


Diese  Ordre  de  bataille  zeigt,  daß  alle  Truppen  tief  unter  dem 
vollen  Kriegsstande  geblieben  sind,  obwohl  man  sich  überall  die 
größte  Mühe  gegeben  hatte,  den  Kriegsstand  zu  erreichen.  Sie  zeigt 
aber  vor  allem  die  große  Verschiedenheit,  die  sich  trotz  dem  gleich 
normierten  Kriegsstande  bei  den  Truppen  durch  ungleiche  Einflüsse 
(^Abkommandierungen.  Krankenstand,  Verluste  etc.)  einstellen  muß. 
Diese  Verschiedenheit  muß  allen  Ersätzen  zum  Trotz  bestehen  und 
muß  überdies  noch  fortwährenden  Schwankungen  unterliegen. 

Die  Unterschiede  sind  sehr  bedeutend.  Die  Differenz  zwischen 
den  schwächsten  und  stärksten  Abteilungen  in  der  ganzen  Armee 
ist  496  Mann  bei  den  Bataillonen  und  111  Reiter  bei  den  Eskadronen. 
Die  stärksten  Bataillone  und  Eskadronen  sind  mehr  als  doppelt  so 
stark  wie  die  schwächsten.  Innerhalb  desselben  Korps  sind  die  größten 
Unterschiede  437  Mann  bei  den  Bataillonen  (3.  Korps)  und  74  Reiter 
bei  den  Eskadronen  (2.  Korps). 


—     256    — 

Die  starken  Schwankungen  im  Stande,  die,  wie  erwähnt,  immer 
auftreten  müssen  und  auch  1866  und  1870/71  aufgetreten  sind, 
lassen  erkennen,  daß  alle  Einrichtungpn,  die  auf  die  Gleichheit  aller 
Einheiten  gegründet  sind,  der  Wirkhchkeit  nicht  Eechnung  tragen, 
daher  unkriegsmäßig  sind.  Hiezu  gehört  vor  allem  das  Verpflegs- 
system,  das  auf  die  gleichen  Wagenpartien  für  einzelne  Abteilungen 
(Eegimenter,  Bataillone,  Eskadronen  etc.)  basiert  ist.  Dieses  System 
muß  entweder  eine  beträchtliche  Verschwendung  der  mitgeführten 
Verpflegung  mit  sich  bringen,  wenn  als  Basis  des  Inhaltes  der 
Wagenpartie  die  stärkste  Einheit  angenommen  wird  —  oder  aber  die 
stärkeren  Einheiten  schädigen,  wenn  eine  schwächere  als  Maßstab 
für  die  Füllung  aller  Wagenpartien  gewählt  wird. 


IX.  Der  Yormarscli  der  Großen  Armee  an  den 

Neckar. 

(Beilage  18.) 

Am  26.  September  traf  Kapoleon  in  Straßbm'g  ein.  Das  erste 
war,  daß  er  dem  administrativen  Minister  General  Dejean  seine  Un- 
zufriedenheit ausdrückte,  weil  die  vom  Kaiser  vorgeschriebenen 
Mengen  Zwieback  noch  nicht  bereit  und  die  militärischen  Trains 
noch  nicht  zur  Stelle  waren. 

Napoleon  war  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  über  die  österreichische 
Armee  vortrefflich  orientiert.  Er  hatte  einen  genauen  Marschplan 
aller  fünf  österreichischen  großen  Kolonnen  (Klenau,  Gottesheim 
und  Korps  FML.  Graf  Eiesch)  erhalten,  wonach  die  Kolonne  Klenau 
am  21.  September  Memraingen,  die  Kolonne  Gottesheim  am  21.  Ulm 
und  die  drei  Kolonnen  des  Korps  ßiesch  am  25.  September  Zusmars- 
hausen,  Augsburg  und  Landsberg  erreichen  sollten.  Er  wußte  von 
der  Beschleunigung  des  Marsches  dieser  fünf  Kolonnen  und  kannte 
aus  einer  Abschrift  der  Lieferungsvorschreibung  die  Stärke  der 
ö.sterreichischen  Armee.  Diese  war  danach :  252  Kompagnien,  75  Es- 
kadronen, mit  einem  Verpflegsstande  von  47.000  Mann  und  13.000 
Pferden. 

Andere  Meldungen  gaben  wohl  die  Gesamtkraft  der  öster- 
reichischen Armee  weit  stärker  an,  was  zutreffend  sein  mochte,  weil 
man  wußte,  daß  beträchtliche  Kräfte  aus  Tirol  im  Anmärsche  waren 
und  auch  noch  aus  Oberösterreich  folgten. 

Da  aber  die  höchsten  Schätzungen  die  österreichische  Armee 
mit  75.000  Mann  Infanterie  und  12.000  Eeitern  angaben,  so  konnte 
Napoleon  seiner  großen  Überlegenheit  an  Kraft  sicher  sein. 

Napoleon  wußte  weiter,  daß  Mack  das  Oberkommando  tatsäch- 
lich führte  und  daß  dieser  in  Ulm  und  Memmingen  war;  daß  die 
Österreicher   die  Absicht   haben  sollten,    sich   hinter    der   Hier  von 

Krau  SS.  180.5,  Der  Feldzug  von  Ulm.  17 


—     258     — 

Ulm  bis  über  Memmingen  hinaus  zu  verschanzen.  Er  wußte  auch, 
daß  in  Ulm  und  Memmingen  seit  dem  24.  September  an  Befesti- 
gungen gearbeitet  wurde.  Er  war  über  den  Zustand  der  Werke  von 
Ulm  genau  unterrichtet. 

Nach  einer  Meldung  schienen  die  Österreicher  über  die  fran- 
zösischen Maßnahmen  schlecht  unterrichtet  zu  sein.  Es  sei  wenig- 
stens sicher,  daß  Mack  schon  in  München  die  Nachricht  vom  Rhein- 
Übergang  erhalten  und  geglaubt  habe,  und  daß  dies  allein  die 
Ursache  seiner  Überstürzung  sei,  Schwaben  zu  erreichen.  Manche 
Truppen  sollten  nach  der  Meldung  Märsche  von  13  französischen 
Meilen  (58'5  hm)  gemacht  haben. 

Napoleon  wußte,  daß  Erzherzog  Karl  nach  Italien  abgegangen 
war,  daß  Kaiser  Franz  am  21.  September  in  München  angekommen 
war  und  am  22.  nach  Landsberg  weiterreiste. 

Napoleon  war  auch  darüber  informiert,  daß  Truppen  der  ita- 
lienischen Armee  nach  Deutschland  herangezogen  werden  sollten; 
er  schrieb  darüber  am  29.  September  an  Massena:  „Meldungen  aus 
der  Schweiz  sagen,  daß  Österreich,  was  es  in  Südtirol  hat,  in  Marsch 
setzt,  um  die  Armee  an  der  Hier  zu  verstärken.  Ich  bin  erfreut  über 
diese  Nachricht,  weil  ich  über  alles  froh  bin,  was  die  Ihnen  gegen- 
überstehenden Truppen  vermindert." 

Am  27.  September  ergingen  neue  Befehle  : 
an  das  6.  Korps  (Ney),    am   28.  September   nach    Stuttgart   abzu- 
marschieren, dabei  am  28.  Pforzheim,  am  29.  Vaihingen, 
am  30.  Stuttgart  zu  erreichen.     Ney  sollte  trachten.  Ge- 
fangene  zu   machen   und   seine  Divisionen    so  nahe  bei- 
einander halten,  daß  er  sein  Korps  in  höchstens  2  Stunden 
vereinigen  könne.  Soult  werde  am  29.  in  Heilbronn  sein; 
an   das   4.  Korps   (Soult),    über   Wiesloch,   Sinsheim,  Heilbronn, 
Öhringen,  Hall,  Geildorf.  Abtsgmünd  und  Aalen  zu  mar- 
schieren.   „.  .  .  .In  Heilbronn  angekommen,    stellen  Sie 
eine  Kolonne   auf  den  Weg  nach  Stuttgart.     Stellen  Sie 
auch  Zwischenposten  auf,    damit  Sie,  wenn  nötig,    rasch 
dem  Korps  Ney  bei  Stuttgart  zu  Hilfe  eilen  können  .  .  ."; 
an  das  3.  Korps  (Davout),  über  Heidelberg,  Neckarelz,  Möckmühl, 
Ingelfingen,    Geislingen,   Crailsheim,  Dinkelsbühl,  Frem- 
dingen und  Nördingen  zu  marschieren. 
Am  28.  September  erhielt  Lannes  (5.  Korps)  den  Befehl,  nach 
Ludwigsburg  zu  marschieren,  wo  er  am  1.  Oktober  einzutreffen  hatte. 


—    259    — 

Murat  erhielt  Befehl,  die  4.  Dragonerdivision  Bourcier  bei 
Offenburg  und  Oberkirch  zu  belassen  und  gegen  Freiburg  aufzu- 
klären, mit  drei  Dragouerdivisionen  und  der  Division  d'Hautpoul  über 
ßastatt  nach  Stuttgart  abzumarschieren,  wo  er  am  2.  Oktober  ein- 
treffen sollte.  Während  dieses  Marsches  hatte  Murat  Eskadronen  an 
den  Ausgängen  des  Gebirges  solange  stehen  zu  lassen,  bis  der 
Große  Artilleriepark  am    2.  Oktober  Bruchsal   erreicht   haben  wird. 

Die  Dragoner  zu  Fuß  hatten  am  29.  von  Kehl  aufzubrechen 
und  zum  Schutze  des  ihnen  folgenden  großen  Artillerieparks  in  fünf 
Märschen  nach  Heilbronn  zu  marschieren. 

Diesen  Befehlen  entsprechend  stand  Ney  am  30.  September 
mit  2  Divisionen  bei  Stuttgart,  mit  einer  Division  bei  Kannstatt  und 
Türkheim;  seine  Kavallerie  war  gegen  Eßlingen,  Grötzingen  und 
Böblingen  vorgeschoben.  Das  Korps  hatte  im  Vormarsch  Fühlung 
mit  österreichischer  Kavallerie  gewonnen.  Weil  auch  die  Franzosen 
Auftrag  hatten,  nicht  von  den  Waffen  Gebrauch  zu  machen,  wurden 
die  österreichischen  Posten  durch  einfaches  Vormarschieren  zurück- 
gedrängt. Dabei  verstanden  es  die  Franzosen  meisterhaft.  Gefangene 
zu  machen,  indem  sie  kleine  Abteilungen  einfach  umringten  und 
den  remonstrierenden  österreichischen  Offizieren  erklärten,  diese 
Leute  wären  desertiert.  So  hatten  die  Truppen  Neys  acht  Mann  von 
Eosenberg-Chevauxlegers  gefangen.  Nach  Aussage  der  Gefangenen 
war  die  österreichische  Armee  60.000  Mann  stark. 

Ney  meldete  am  30.  September:  „Nach  genug  sicheren  Mel- 
dungen sind  die  österreichischen  Truppen  durch  die  forcierten 
Märsche,  die  sie  bald  nach  Vorarlberg,  bald  nach  Stockach,  Biberach, 
Ulm  und  Memmingen  machen  mußten,  sehr  ermüdet  und  abgehetzt." 

Am  30.  September  erhielt  Ney  von  Napoleon  Nachricht,  daß 
Lannes  nach  Ludwigsburg  marschiere  und  Murat,  der  über  Rastatt 
folge,  bereit  sei,  ihn  zu  unterstützen.  „Im  übrigen  ist  es  meine  Ab- 
sicht" —  schließt  Napoleon  —  „daß  Sie  nicht  über  Stuttgart  vor- 
gehen und  daß  Sie  sich  dort  nicht  in  eine  ernste  Aktion  einlassen." 

Das  4.  Korps  (Soult),  das  von  Speyer  über  Bruchsal,  Eppingen 
nach  Heilbronn  marschierte,  erreichte  am  29.  September  mit  der 
Tetedivision  Heilhronn  und  stand  am  30.  September  mit  der  Vorhut 
bei  Thalheim,  mit  drei  Divisionen  bei  Heilbronn  und  mit  der  4.  Di- 
vision bei  Heideisheim. 

Am  1.  Oktober  war  das  ganze  4.  Korps  bei  Heilbronn  ver- 
einigt. 

17* 


—     260     — 

Das  3.  Korps  (Davout)  war  über  Heidelberg,  Neekargmünd 
und  Obrigheim,  wo  eine  Brüciie  über  den  Neckar  geschlagen  werden 
mußte,  nach  Mosbach  vormarschiert.  Am  30.  September  stand  dieses 
Korps  mit  der  Vorhut  bei  Möckmühl  und  mit  allen  drei  Divisionen 
bei  Mosbach  und  Obrigheim  vereinigt.  Die  Division  Nansouty  stand 
noch  bei  Mannheim. 

Lannes,  der  auch  noch  am  29.  bei  Eastatt  stehen  geblieben 
war,  marschierte  am  30.  September  nach  Pforzheim  (45  Jcm)  und 
am  1.  Oktober  nach  Ludwigsbiirg  (40  Jcm). 

Murat  hatte  seine  vier  Kavalleriedivisionen  am  30.  im  Eaume 
Durlach,  Rastatt,  die  Dragoner  zu  Fuß  bei  EttUngen ;  am  1.  Oktober 
waren  seine  Divisionen  im  Eaume  Vaihingen,  Pforzheim. 

Somit  stand  die  ganze  französische  Armee  am  1.  Oktober  in 
zwei  Gruppen:  die  Hauptkraft,  3.,  4.,  5.,  6.  Korps  und  die  Kavallerie- 
reserve, am  Neckar  in  der  ca.  65  Jcm  breiten  Front  Stuttgart  — 
Mosbach;  der  linke  Flügel,  1.,  2.  Korps  und  die  Bayern  bei  Würzburg 
und  Bamberg,  75  Jim  vom  linken  Flügelkorps  der  Hauptgruppe 
entfernt. 

In  dieser  Gruppierung  hatte  das  Gros  der  Armee  am  1.  Ok- 
tober Easttag. 


Diese  nach  den  Originalbefehlen  gegebene  Darstellung  läßt 
erkennen,  daß  die  bisherige  Auffassung,  Napoleon  habe  bei  Beginn 
des  Eheiu- Überganges  durch  die  Korps  Lannes  und  Murat  im 
Sehwarzwalde  demonstrieren  lassen,  um,  gedeckt  und  gesichert 
durch  diese  Demonstration,  mit  der  Hauptkraft  den  Schwarzwald  zu 
umgehen,  vollkommen  unrichtig  ist.  Diese  Verwendung  des  Kavallerie- 
korps wurde  oft  als  ein  großartiges  Beispiel  dieser  Art  Kavallerie- 
verwendung zur  „Verschleierung"  hingestellt^).  Dieses  Beispiel  ist 
nicht  mehr  aufrecht  zu  erhalten  oder  doch  nur  als  Beweis  dafür, 
wie  oft  solche  Handlungen  falsch  beurteilt  und  ausgelegt  werden, 
wenn  man  nicht  tiefer  in  die  Beweggründe  des  Handelnden  einzu- 
dringen vermag. 

Napoleon  lag  es  vollkommen  fern,  im  Schwarzwalde  demon- 
strieren zu  lassen.  Dieser  Begriff  kommt  in  seinen  Befehlen  gar 
nicht  vor;  nur  einmal  spricht  er  von  einer  Täuschung  des  Feindes 
und   das   nur   bei   dem  zur  Irreführung   des  Feindes  beabsichtigten 

^)  Vergleiche  auch  „Moltke,  Benedek  und  Napoleon",  S.  27. 


—     261     — 

Bau  einer  Brücke  bei  Neu-Breisaeh,  der  aber  schließlich  aus  Mangel 
an  Brückenmaterial  unterblieb. 

Der  Begriff  Demonstration  erfordert,  daß  dort,  wo  demonstriert 
werden  soll,  im  Bedarfsfall  auch  scharf  augegangen  wird.  Jede 
Demonstration  erzeugt  daher  die  Gefahr  eines  ernsten  Engagements. 
Napoleon  wollte  es  aber  nach  seinen  Direktiven  an  Murat  (S.  249) 
im  Sehwarzwald  überhaupt  nicht  zu  einem  ernsteren  Kampfe  kommen 
lassen. 

Eine  Demonstration  hätte  wohl  erfordert,  daß  Lannes  und  Murat 
durch  den  Schwarzwald  etwa  bis  an  den  oberen  Neckar  vorgegangen 
wären  und  von  dort  erst  gegen  Stuttgart  angeschlossen  hätten. 

Aber  auch  das  längere  Verweilen  der  Korps  Lannes  und  Murat 
bei  Rastatt  und  Straßburg  war  nicht  beabsichtigt  gewesen,  sondern 
nur  die  Folge  der  Unmöglichkeit,  die  Brücken  bei  Pforz  und  Speyer 
schon  für  den  25.  September  fertigzustellen. 

Lannes  und  Murat  blieben  dann  lediglich  zum  Schutze  der 
Brücke  bei  Straßburg  bis  zur  genügenden  Fertigstellung  des  Brücken- 
kopfes bei  Kehl  stehen.  Lannes  wurde  hiezu  nach  Rastatt  hinaus- 
geschoben, von  wo  er  Kehl  noch  rechtzeitig  zu  decken  vermochte 
und  doch  auch  in  zwei  Märschen  Stuttgart  erreichen  konnte,  und 
Murat  blieb  stehen,  weil  er  die  vormarschierte  Infanterie  leicht  ein- 
holen konnte.  Er  mußte  übrigens  noch  bei  seinem  Abmarsch  eine 
Dragonerdivision   zum  Schutze   der  Arbeiten   ))ei  Kehl  zurücklassen. 

Die  Richtigkeit  der  Behauptung,  daß  das  längere  Verweilen 
Lannes'  und  Murats  bei  Rastatt-Kehl  nicht  von  Haus  aus  beabsich- 
tigt war.  also  etwa  eine  Demonstration  sein  sollte,  ergibt  sich  aus 
dem  Befehle  vom  20.  September,  nach  dem  Lannes  vor  dem  Korps 
Ney  nach  Stuttgart  marschieren  sollte;  erst  wegen  der  Reibungen 
Iteim  Brückenschlag  und  weil  Meldungen  über  die  Anwesenheit 
stärkerer  feindlicher  Kräfte  im  Schwarzwald  einlangten,  wird  Lannes 
bei  Rastatt  zurückgehalten  und  kommt  sodann  hinter  das  Korps  Ney. 

Daß  Napoleon  Straßburg  eine  besondere  Wichtigkeit  beilegte, 
beweisen  das  Verbot,  geworfene  bayrische,  württembergische  oder 
badensische  Truppen  nach  Straßburg  passieren  zu  lassen,  und  die 
Verlegung  der  Etappenlinien  über  Speyer,  um  jeden  Verkehr  durch 
Kehl  zu  verhindern  und  es  somit  ganz  geschlossen  halten  zu  können. 

Napoleon  hat  auch  wiederholt  die  Herstellung  des  Brücken- 
kopfes bei  Kehl  urgiert  und  die  Arbeiten  sofort  nach  seiner  An- 
kunft besichtigt. 


—     262     — 

Der  längere  Aufenthalt  so  starker  Kräfte,  besonders  der  starken 
Kavallerie  östlich  Straßburg,  konnte  den  Feind,  wenn  er  hievon 
Kenntnis  erhielt,  wohl  auch  glauben  lassen,  die  Franzosen  gingen 
über  den  Schwarzwald  vor.  Diese  Möglichkeit  berechtigt  aber  nicht, 
von  einer  Demonstration  zu  sprechen. 

Auf  so  unsichere  Möglichkeiten  aber  einen  Plan  zu  gründen, 
war  durchaus  nicht  Napoleons  Eigenart. 


Vom  28.  September  an  erließ  der  Kaiser  die  Befehle  für  den 
weiteren  Vormarsch. 

Am  28.  September  ging  der  Befehl  für  die  entferntesten  Korps, 
Bernadotte   und  Marmont   ab.    Der   Befehl   beginnt   mit   der  Orien- 
tierung über  den  beabsichtigten  Vormarsch  der  Armee : 
Das  Korps  Davout  (3.)  marschiert  über  Mosbach,  Möckmühl,  lugel- 
fingen,    Crailsheim,    Dinkelsbühl,   Fremdingen,   Öttingen 
und   Monheim,    wo   es   am   8.  Oktober   sein   wird,    nach 
Neuburg. 
Das   Korps    Soult  (4.)   marschiert   über   Heilbronn,    Öhringen,  Hall, 
Rosenberg,  Zöbingen,  Nördlingen  und  Hoppingen,  wo  es 
am  8.  Oktober  ankommt,  nach  Donauwörth. 
Das  Korps  Ney  (6.)  marschiert  über  Stuttgart,  Eßlingen,  Göppingen, 
Weißenstein,    Heidenheim,    wo    es    am    7.  Oktober    an- 
kommen wird. 
Das  Korps  Lannes  (5.)  marschiert  über  Ludwigsburg,  Groß-Beutels- 
bach,   Plüdershausen,   Gmünd,  Aalen,  Neresheim,  wo  es 
am  8.  Oktober  eintreffen  wird. 
Dann  heißt  es  in  diesem  Befehl  an  Bernadotte: 
„Sie  haben  mit  Ihrem  Korps  auf  der  Straße  von  Ansbach  auf 
Eichstädt  vorzugehen.  Der  General  Marmont  wird  einen  Parallel  weg 
zu  Ihnen  nehmen,  höchstens  3—4  französische  Meilen  (14 — IS  km) 
von  Ihnen  entfernt,  so  daß  es  ihm  möglich  sein  wird,  mit  dem  Mar- 
schall Davout  Verbindimg   herzustellen,    wodurch   alle   sechs  Korps 
der  Armee  untereinander  vereint   sein  werden.    Die  Bayern   können 
entweder   links   von  Ihnen   als   dritte  Kolonne  marschieren  oder  als 
Avantgarde  und  einen  Tagmarsch  vor  Ihnen  und  Marmont." 

Bernadotte    sollte    am    8.  Oktober  Eichstädt,    Marmont   am    7. 
Treuchtlingen  erreichen. 


—     263     — 

„Dieser  Marsch  allein  zeigt  genug"  —  schließt  der  Befehl  — 
„was  die  Absicht  des  Kaisers  ist:  Seine  Majestät  will  die  Donau 
zwischen  Donauwörth  und  Ingolstadt  vor  dem  Feinde  überschreiten 
oder  wenn  der  Feind  Schwaben  und  Bayern  räumt,  ihn  während 
des  Marsches  in  seiner  Flanke  angreifen  und  so  rasch  als  möglich 
Bayern  zurückerobern. 

„Der  Feind  hat  heute  seinen  rechten  Flügel  auf  Ulm  und  seinen 
linken  an  den  Bodensee  gestützt.  Seine  erste  Linie  hält  alle  Aus- 
gänge des  Schwarzwaldes  besetzt." 

»  Auf  einen  alarmierenden  Bericht  von  Bernadotte  über  den  An- 
marsch der  Russen,  die  nur  mehr  8 — 10  Märsche  entfernt  sein 
sollen,  läßt  der  Kaiser  antworten: 

„Was  die  Russen  anlangt,  lassen  alle  eingelaufenen  Meldungen 
den  Kaiser  glauben,  daß  sie  (die  Russen)  noch  weit  von  Ihnen  ent- 
lernt  sind;    daß   ihre   erste  Kolonne    nicht   mehr  als  30.000  Mann, 

darunter   24.000  Kombattanten   zählt Übrigens,    selbst  wenn 

sie  acht  Märsche  von  Ihnen  entfernt  wären,  wäre  nichts  zu  fürchten, 
wir  wären  immer  in  der  Lage  auf  sie  zurückzukommen,  wenn  es 
dazu  Zeit  ist." 

Vom  Kurfürsten  von  Bayern  verlangt  der  Kaiser,  daß  er  die 
Feste  Forchheim  (zwischen  Nürnberg  und  Bamberg)  mit  einer 
Garnison  von  300  bis  400  Mann  unter  einem  tüchtigen  Komman- 
danten besetze  und  für  3 — 4  Monate  verproviantiere. 

Am  30.  September  ergingen  die  Befehle  an  Davout,  Soult  und 
Murat. 

Davout  (3.  Korps)  sollte  am  2.  Oktober  aufbrechen  und  über  Möck- 
mühl,  Ingelfingen,  Crailsheim,  Dinkelsbühl  nach  Öttingen 
marschieren,  wo  er  spätestens  am  6.  oder  7.  Oktober  ein- 
treffen sollte.  Er  sollte  sich  sobald  als  möglich  in  Besitz 
der  Wörnitz-Brücke  bei  Harburg  setzen. 
Soult  (4.  Korps)  sollte  am  2.  Oktober  aufbrechen  und  über  Öhringen, 
Hall   und  Ellwangen    nach  Nördlingen    marschieren,    wo 
er  am  6.  Oktober  einzutreffen  hatte. 
Die  1.  Division  sollte  von  Hall  über  Gaildorf  und  Abtsgmünd 
marschieren,    um    den    rechten   Flügel   der   Armee   unterstützen   zu 
können,   wenn   dieser  vom  Feinde  von  Ulm  her  angegriffen  würde. 
Murat  sollte  mit  den  drei  Dragonerdivisionen,  die  am  2.  Ok- 
tober in  Stuttgart  einzutreffen  hatten,  am  3.  Oktober  nach  Göppingen 
marschieren.  Eine  Division  hatte  alle  Zugänge  nach  Ulm  an  der  Fils 


—     264     — 

zu  sperren,  aber  ohne  diesen  Fluß  zu  übersehreiten,  „um  den  Feind 
nicht  zu  sehr  zu  alarmieren".  Die  zweite  Division  hatte  am  5.  Ok- 
tober Geißlingen  zu  besetzen  und  alle  Wege  auf  15  hn  von  dieser 
IStadt  aufzuklären;  die  3.  Division  endlieh  hatte  nach  Heidenheim 
zu  marschieren,  das  sie  am  (3.  erreichen  sollte. 

Murat  wurde  verständigt,  daß  Nej  (6.  Korps)  am  4.  von 
Stuttgart  aufbrechen  und  über  Göppingen,  Weißenstein  und  Heiden- 
heim, Launes  (5.  Korps)  von  Ludwigsburg  über  Schorndorf  und 
Gmünd  marschieren  werde. 

Die  4.  Dragonerdivision  Bourcier  hatte  die  Fahrt  des  Kaisers 
von  Straßburg  nach  Ludwigsburg  zu  decken;  sie  sollte  sich  am 
2.  Oktol)er  bei  Rastatt  sammeln,  um  über  Stuttgart  zu  Murat  zu 
stoßen;  sie  dürfe  aber  ihre  Posten  bei  Oberkirch  und  Offenburg  erst 
in  der  Nacht  vom  \.  zum  2.  Oktober  einziehen. 

Mit  dem  Abend  des  1.  Oktoljer  wurde  jeder  Verkehr  durch 
Straßburg  und  Kehl  eingestellt;  alles  hatte  von  diesem  Zeitpunkt 
an  über  Speyer  zu  marschieren. 

Die  Übereinstimmung  in  dem  Zeitpunkt  der  Sperrung  von 
Kehl  und  des  Wegziehens  der  Division  Bourcier  sprechen  für  die 
Richtigkeit  der  früher  ausgesprochenen  Ansicht,  daß  Lannes  und 
Murat  und  später  Bourcier  nur  den  Zweck  erfüllten,  Straßburg — 
Kehl  zu  decken. 

Der  rechte  Flügel  der  Armee  —  Ney  und  Lannes  —  sollte 
am  2.  Oktober  bei  Stuttgart — Ludwigsburg  stehen  bleiben  und  auf- 
schließen. 

So  begann  das  Einschwenken  der  Armee  gegen  die  Donau. 

Einen  tiefen  Einblick  in  des  Kaisers  Art,  Situationen  zu  be- 
urteilen, erlaubt  sein  Schreiben  aus  Straßburg  vom  30.  September 
an  Angerau: 

„...Die  österreichische  Armee  ist  an  den  Ausgängen  des 
Schwarzwaldes;  einschließlich  der  Truppen,  die  in  der  Gegend  von 
Konstanz  sind,  ist  sie  etwa  100.000  Mann  stark.  Aber  die 
Nachrichten,  die  ich  gestern  erhielt,  melden,  daß  der  Kaiser  von 
Deutschland,  nachdem  er  einen  großen  Kriegsrat  abgehalten  hat, 
nach  Wien  zurückgekehrt  sei.  Gott  gebe,  daß  seine  Armee  fortfahre, 
in  derselben  Stellung  noch  8  Tage  zu  bleiben,  oder,  was  noch 
besser  wäre,  daß  sie  auf  den  Rhein  vorgehe^).    Sie    werden  fühlen, 

^)  Angesichts  dieses  Wunsches  verliert  die  Annahme  einer  Demonsü'ation 
im  Sehwarzwald  jeden  Halt,    da  ja  eine  Demonstration  den  Zweck  gehabt  hätte, 


—     265     — 

wie  sehr  ich  das  wünschen  muß,  wenn  Sie  wissen,  daß  der  General 
Marmont,  der  Marschall  Bernadotte  und  die  Truppen  des  Kurfürsten 
von  Bayern  in  starken  Märschen  auf  Ingolstadt  sind;  daß  das  Korps 
des  Marsehalls  Davout,  das  den  Rhein  bei  Mannheim  passiert  hat, 
in  vollem  Marsch  auf  Donauwörth  und  schon  vier  Märsehe  vom 
Ehein  entfernt  ist;  daß  das  Korps  des  Marschalls  8oult,  das  bei 
Speyer  übergegangen  ist,  schon  Heilbronn  erreicht  hat  und  sich 
gleichfalls  an  die  Donau  zwischen  Ulm  und  Donauwörth  dirigiert, 
daß  die  Marschälle  Laniies  und  Ney,  die  Korps  der  Dragoner  und 
meine  Garde  in  Stuttgart  angekommen  sind.  Ich  selbst  werde  diese 
Nacht  abreisen,  um  mich  an  die  Spitze  dieses  Korps  zu  stellen  und 
um,  gestützt  auf  Soult,  Ulm  zu  umgehen.  Wehe  den  Öster- 
reichern, wenn  sie  mich  einige  Märsche  gewinnen  lassen!  Ich  hoffe, 
sie  umgangen  zu  haben  und  mich  mit  meiner  ganzen  Armee 
zwischen  Lech  und  Isar  zu  befinden;  aber  ich  setze  voraus,  daß  die 
Abreise  des  Kaisers  schon  ein  Wink  ist  und  daß  die  Österreicher 
sich  bestreben  werden,  Bayern  zu  räumen ..." 

Der  Kaiser  nimmt  die  höchste  Schätzung  der  feindlichen 
Kraft  ztu'  Grundlage  seiner  Beurteilung.  Er  hofft  wohl,  daß  der 
Feind  die  für  die  Franzosen  günstige  Situation  weiter  erhält,  ja,  sie 
durch  ein  Vorgehen  gegen  den  Bhein  für  die  Franzosen  noch  ver- 
bessere; er  setzt  aber  voraus,  daß  der  Feind  das  Vernünftigste 
machen  wird  und  sieh  der  drohenden  Umgehung  entzieht.  Nach 
dieser  Voraussetzung  richtet  er  sein  Handeln  ein,  bereit,  auch 
die  erhoffte  günstige  Situation  sofort  auszunützen,  wenn  sie  der 
Feind  gegen  die  bessere  Vernunft  darbieten  sollte. 

In  diesem  Befehle  kommt  zum  erstenmal"  die  Absicht  klar 
zum  Ausdruck,    Ulm   und   den   dort   stehenden  Feind  zu  umgehen. 

Am  30.  September  erläßt  der  Kaiser  seine  Proklamation  an  die 
Armee,  die  zugleich  seine  Kriegserklärung  an  die  Koalition  dar- 
stellt. Diese  Proklamation  ist  ein  Beispiel  der  packenden  Beredsam- 
keit des  Kaisers:  sie  lautet: 

„Soldaten!  Der  Krieg  gegen  die  dritte  Koalition  hat  begonnen. 
Die  österreichische  Armee  hat  den  Inn  übersehritten,  die  Verträge 
gebrochen,  unseren  Verbündeten  angegriffen  und  aus  seiner  Haupt- 
stadt vertrieben. 


den  Feind  glauben  zu  machen,  die  französische  Armeß  rücke  durch  den  Sehwarz- 
wald vor.  Beim  Gelingen  der  Demonstration  hätte  aber  der  Feind  kaum  den 
Entschluß  gefaßt,  gegen  den  Kliein  vorzurücken. 


—     266     — 

„Ihr  habt  in  starken  Märsehen  zur  Verteidigung  unserer 
Grenzen  herbeieilen  müssen.  Aber  schon  habt  ihr  den  Rhein  hinter 
euch.  Wir  werden  nicht  eher  ruhen,  bis  wir  nicht  die  Sicherheit 
der  Unabhängigkeit  des  Deutschen  Reiches  erreicht,  bis  wir  nicht 
unseren  Verbündeten  geholfen  und  den  Übermut  der  ungerechten 
Angreifer  gebrochen  haben.  Wir  schließen  nur  gegen  sichere  Bürg- 
schaft Frieden.  Unser  Edelmut  wird  nicht  mehr  unsere  Politik 
schwächen. 

„Soldaten!  Euer  Kaiser  ist  in  eurer  Mitte;  ihr  seid  nichts  als 
die  Vorhut  der  großen  Nation.  Wenn  es  nötig  ist,  wird  sie  sich 
auf  meinen  Ruf  erheben,  um  diese  neue  Liga  zu  vernichten  und  zu 
zerschmettern,  die  der  Haß  und  das  Geld  Englands  gesponnen 
haben. 

„Aber,  Soldaten,  wir  werden  Gewaltmärsche  zu  leisten, 
Beschwerlichkeiten  und  Entbehrungen  aller  Art  zu  er- 
tragen haben.  Welche  Hindernisse  man  uns  aber  auch  entgegen- 
stellt —  wir  werden  sie  überwinden!  Wir  werden  uns  auch  keine 
Rast  gönnen,  bevor  wir  nicht  unsere  Adler  auf  dem  Gebiet  unserer 
Feinde  aufgepflanzt  haben." 

Die  Skizze  Beilage  18  stellt  die  Situation  beider  Teile  am 
1.  Oktober  dar.  Diese  zeigt  deutlich,  daß  die  österreichische  Armee 
aus  der  gefährlichen  Lage  nur  mehr  durch  einen  Rückzug  nach 
Tirol  hätte  mit  Sicherheit  gerettet  werden  können. 

Der  linke  Flügel  der  französischen  Armee  war  bei  Würzburg 
und  Bamberg  ebensoweit  von  München  entfernt  wie  die  vordersten 
Abteilungen  der  österreichischen  Armee.  Während  aber  die  Fran- 
zosen am  2.  Oktober  den  energischen  Vormarsch  in  der  Richtung 
auf  München  antraten,  hätte  die  weit  zerstreute  österreichische 
Armee  zum  Rückmarsch  auf  München  erst  gesammelt  werden 
müssen,  was  um  so  länger  gedauert  hätte,  als  der  tatsächliche 
Armeekommandant  —  PML.  Mack  —  am  1.  Oktober  auf  der  Fahrt 
nach  Ingolstadt  war,  um  diesen  Ort  zu  rekognoszieren.  Bevor  da 
Befehle  gegeben  und  ans  Ziel  gelaugt  sein  konnten,  mußten  die 
Franzosen  schon  2 — 3  Märsche  Vorsprung  gewönnen  haben.  Dem 
linken  Flügel  der  Franzosen  stand  es  überdies  immer  frei,  über 
Regensburg  noch  weiter  nach  Osten  auszuholen,  um  den  Öster- 
reichern den  Rückzuo'  zu  verlegen. 


X.  Vom  2.  bis  5.  Oktober. 

(Beilage  19.) 

Franzosen. 

Am  rechten  Flügel  blieb  das  Korps  Ney  (6.)  bei  Stuttgart 
stehen.  Seine  Kavallerie  stieß  bei  Göppingen  auf  eine  Abteilung 
österreichischer  Kavallerie,  griff  sie  an  und  nahm  einen  Offizier  und 
12  Mann  gefangen,  weil  die  Österreicher  die  Feindseligkeiten  nicht 
beginnen  durften  und  daher  keinen  Widerstand  leisteten.  Mit 
diesem  Angriffe  der  Franzosen  hatten  die  Feindseligkeiten  nunmehr 
begonnen.  Ney  erhielt  am  2.  Oktober  den  Befehl,  am  3.  über 
Eßlingen,  Göppingen  und  Weißenstein  nach  Heidenheim  zu  mar- 
schieren, w"o  er  am  6.  Oktober  einzutreffen  hatte. 

Lannes  (5.  Korps)  blieb  mit  seiner  Grenadierdivision  bei 
Ludwigsburg. 

Die  Kavallerie  Murats  traf  in  der  Umgebung  von  Stuttgart 
ein.  Murat,  der  sich  über  einige  Unklarheiten  im  Befehle  vom 
30.  September  aufgehalten  hatte,  erhielt  vom  Kaiser  am  2.  Oktober 
aus  Ettlingen  ein  Schreiben  mit  der  Aufklärung,  daß  er  den  Marsch 
der  Korps  Ney  und  Lannes  in  der  Flanke  gegen  Ulm  zu  decken 
habe.  Der  Kaiser  setzte  dann  fort: 

„Wenn  der  Feind  die  Offensive  ergreifen  sollte,  ist  es  nötig, 
daß  ich  zur  rechten  Zeit  verständigt  werde,  um  einen  Entschluß  zu 
fassen  und  nicht  genötigt  zu  sein,  den  zu  wählen,  der  dem  Feinde 
paßte." 

Dieser  Satz  drückt  klar  und  deutlich  aus,  daß  Napoleon  sich 
nie  von  den  Maßnahmen  des  Feindes  abhängig  machen,  daß  er 
sich  somit  nie  in  die  einfache  Abwehr  drängen  lassen  wollte. 
Dieses  Festhalten  der  Initiative  muß  man  beachten,  wenn  man  sich 
über  die  nicht  immer  ausgesprochenen  Beweggründe  Napoleons 
klar  werden  will. 


—     268     — 

Die  Garde  erreichte  nach  einem  Marsche  von  50  km 
Vaihingen. 

Das  4.  Korps  (Soult)  erreichte  mit  zwei  Divisionen  Öhringen, 
mit  ejner  Division  Ammertsweiler.  Diese  Division  sollte  bereit  sein, 
im  Bedarfsfalle  den  rechten  Flügel  der  Armee  zu  unterstützen. 
Eine  Division  war  bei  Heilbronn  geblieben. 

Das  3.  Korps  (Davout)  stand  am  Abend  des  2.  mit  zwei 
Divisionen  bei  Sindringen  mit  der  3.  Division  und  der  Division 
Nansouty  in  der  Gegend  von  Mosbach. 

Das  2.  Korps  (Marmont)  w-ar  am  2.  Oiftober  bei  Mergent- 
heira,  das  1.  bei  Ochsenfurt;  die  Bayern  unter  Deroy  blieben  noch 
bei  Bamberg. 

Am  2.  Oktober  schrieb  Napoleon  aus  Ettlingen  an  Bernadotte : 

„Der  Feind  hat  eine  ziemlich  starke  Armee  in  Tirol;  er  be- 
festigt dort  alle  Ausgänge.  Eine  andere  Armee  verschanzt  sich  an 
der  Hier.  Mein  Plan  ist,  wenn  er  unschlüssig  ist  und  Zeit  ver- 
trödelt, vor  ihm  hinter  den  Lech  zu  kommen,  um  ihm  den  Rück- 
zug abzuschneiden  und  ihn  an  den  Rhein  oder  nach  Tirol  zu 
drängen.  Wir  werden  sehen,  welchen  Entschluß  der  Feind  fassen 
wird . . .  Achten  Sie  nicht  darauf,  was  die  Feinde,  sei  es  in 
Hannover  oder  anderswo  machen  könnten;  sie  sind  noch  nicht  in 
Bereitschaft.  Wenn  wir  uns  die  100.000  Österreicher,  die  vor  uns 
stehen,  vom  Halse  geschafft  haben,  können  wir  uns  nach  einer  an- 
deren Seite  wenden . . .  Meine  letzten  Nachrichten  lauten,  daß  der 
Feind  noch  an  der  Hier  ist.  wo  er  Memmingen  befestigt')." 

Von  Berthier  ließ  er  am  2.  an  Bernadotte  schreiben:  „Wenn 
der  Feind  die  Donau  übersetzt,  um  sich  gegen  Sie  zu  wenden, 
werden  Sie  ihn  angreifen  und  dafür  Sorge  tragen,  daß  Ihre  Verbin- 
dung mit  Davout  stets  erhalten  bleibe  und  in  diesem  Falle  wird  die 
ganze  Armee  eine  Bewegung  auf  Sie  durchführen." 

Die  Befehle  vom  30.  September  bedeuten  eine  Beschleunigung 
des  Marsches  gegenüber  den  Absichten  des  Kaisers,  wie  sie  in  dem 
Schreiben  an  Bernadotte  vom  28.  September  ausgesprochen  sind. 
Nach  diesem  Schreiben  sollte  Soult  Hoppingen  —  15  hm  südöstlich 
Nördlingen  —  und  Davout  ^lonheim  —  22  hm  südöstlich  von 
Ottingen  -  am  8.  Oktober  erreichen,  nach  dem  Befehle  vom  30. 
aber  Nördlingen  und  Öttingen  schon  am  6.  Oktober. 

^)  Bernadotte  hatte  über  die  Landung  der  Russen  in  Pommern  und  über 
die  Gerüchte  vom  Anmärsche  der  Eussen  durch  Böhmen  sremeldet. 


—     269     — 

Am  3.  Oktober  ging  Miirat  entsprechend  dem  Befehle  vom 
30.  September  mit  seiner  Tetedivision  bis  Göppingen.  Ney  machte 
nur  einen  kleinen  Marsch  nach  Eßlingen.  Die  Grenadier- 
division blieb  bei  Ludwigsburg*  stehen,  die  Division  Gazan  traf 
bei  Ludwigsburg  ein.  Ebenso  erreichten  die  Garde  und  die 
Division  d'Hautpoul  die  Gegend  von  Ludwigsburg  ^). 

Das  4.  Korps  (Soult)  kam  mit  zwei  Divisionen  nach  Hall, 
mit  einer  Division  in  die  Gegend  von  Gaildorf;  die  4.  blieb  weit 
rückwärts  und  nächtigte  l:iei  Weinsberg. 

Das  3.  Korps  (Davout)  erreichte  Laßbach-Ingelfingen,  die  Di- 
vision Nansouty  Möckmühl. 

Das  2.  Korps  (Marmont)  erreichte  Eothenburg,  das  1.  Korps 
(Bernadotte)  Utfenheim  auf  preußischem  Boden ;  die  Bayern  kamen 
nach  Herzogenaurach. 

Preußen  protestierte  gegen  den  Durchmarsch  der  Franzosen 
und  verweigerte  die  Lieferung  von  Lebensmitteln  selbst  gegen  Be- 
zahlung, zog  aber  keine  weiteren  Konsequenzen  aus  der  Verletzung 
seiner  Souveränität. 

Lannes  (5.  Korps)  erhielt  an  diesem  Tage  Befehl,  Kavallerie- 
detachements  über  Gmünd  nach  Heidenheim  und  Aalen  vorzusenden 
und  bis  4.  Oktober  festzustellen,  ob  der  Feind  in  Nördlingen  oder 
Heidenheim  stehe  oder  ob  der  Feind  tatsächlich,  wie  gemeldet  worden, 
vor  2  Tagen  von  Nördlingen  abgezogen  sei.  Lannes  sollte  am 
4.  Oktober  frühmorgens  nach  Aalen  abmarschieren  und  dort  am  6. 
eintreffen.  Dem  Korps  Lannes  hatten  die  Garde,  die  Division  d'Haut- 
poul und  das  kaiserliehe  Hauptquartier  zu  folgen. 

Davout  (3.  Korps)  erhielt  den  Befehl,  Soült  oder  Bernadotte 
zu  unterstützen,  wenn  der  Feind  mit  starken  Kräften  bei  Nördlingen 
stünde  oder  gegen  Neuburg  abziehe,  um  sich  auf  Bernadotte  zu 
werfen. 

Soult  (4.  Korps)  wieder  erhielt  den  Auftrag,  in  diesem  Falle 
von  Nördlingen  an  die  Wörnitz  zu  eilen,  Donauwörth  zu  besetzen 
und  bereit  zu  sein,  dem  Feinde  den  Rückweg  nach  Neuburg  zu 
verlegen.  „Meine  Absicht  ist,  wenn  wir  den  Feind  treffen" 
—  schließt  Napoleon  seine  Weisung  an  Soult  —  „ihn  von  allen 
Seiten  zu  umringen." 


^)  Die  Division  Gazan  und  die  Garde  waren  am  24.  September  noch  bei 
Luneville  und  Nancy.  Sie  legten  somit  in  9  Tagen  250 — '210  km,  also  täglich 
27-8—30  km  zurück. 


-     270     — 

Der  4.  Oktober.  Murat  siing  mit  drei  Dragonerdivisionen  nach 
Söhnstetten,  Weißenstein  und  Gingen  (östlich  Göppingen)  vor  und 
klärte  in  der  Eiehtung  nach  Ulm,  auf  etwa  5—10  1cm,  bis  zur  Linie 
Heidenheim,  Gerstetten,  ürspring,  Wiesensteig  auf.  Die  Dragoner 
stießen  nirgend  auf  den  Feind. 

Murat  meldete  aber,  daß  nach  Aussage  eines  Deserteurs  in 
Ulm  nur  ein  Infanterieregiment  stehe,  daß  Mack  dort  sei  und  daß 
die  Truppen  von  Stoekach  zurückgezogen  worden  seien.  Landleute 
haben  weiters  ausgesagt,  daß  am  2.  Oktober  in  Donauwörth  nur 
wenige  Husaren  waren,  daß  aber  am  4.  Oktober  sechs  Infanterie- 
regimenter und  viel  Kavallerie  donauabwärts  auf  Lauingen  marschiert 
seien,  so  daß  in  Ulm  nur  wenig  Truppen  blieben,  Murat  schließt: 
„Aus  allen  diesen  Nachrichten  ist  zu  ersehen,  daß  der  Feind  seinen 
Rückzug  zu  machen  scheint ;  aber  ich  glaube,  daß  seine  Hauptkräfte 
noch  an  der  Hier  sind,  weil  ich  überzeugt  bin,  daß  sie  an  die  Aus- 
gänge des  Sehwarzwaldes  dirigiert  waren." 

Das  6.  Korps  (Ney)  gelangte  am  4.  nach  Göppingen,  mit 
seiner  Tetedivision  aber  in  die  Kavallerie  Murats  hinein  nach 
Gingen  und  Donzdorf. 

Da  Ney  und  Murat  unabhängig  voneinander  auf  derselben  Straße 
marschierten,  gab  es  viele  Reibungen,  die  Murat  bewogen,  beim 
Kaiser  um  Regelung  der  Kommandoverhältnisse  zu  bitten.  Im  Inter- 
esse der  Truppen  und  der  Ordnung  ist  es  eben  dringend  gelegen, 
alle  auf  einer  Straße  marschierenden  Körper,  Truppen  und  Trains 
einem  einheitlichen  Kolonnenkommando  zu  unterstellen,  eine  Forde- 
rung, gegen  die  auch  heute  noch  oft  gesündigt  wird. 

Das  5.  Korps  (Lannes)  erreichte  mit  der  Kavallerie  Lorch, 
mit  den  beiden  Divisionen  Oudinot  und  Gazan  die  Gegend  von 
Schorndorf. 

Vom  4.  Korps  (Soult)  erreichte  die  1.  Division  Gaildorf,  die 
Hauptkolonne  mit  der  Tete  Eosenberg  und  die  4.  Division  Öhringen. 

Das  3.  Korps  (Davout)  nächtigte  bei  Ilshofen  und  nörd- 
lich davon;  die  Division  Nansouty  angeschlossen  an  das  Korps. 

Das  2.  Korps  (Marmont)  blieb  in  der  Gegend  von  Rothen- 
burg, das  1.  Korps  (Bernadotte)  erreichte  Ober-Dachstetten ;  die 
Bayern  erreichten  Fürth. 

Während  des  Vormarsches  vom  2.  Oktober  hatte  Napoleon 
allen  Korps  anbefohlen,  ununterbrochen  Verbindung  zu  erhalten  und 
an  Soult,    Davout  und   Bernadotte  auch  genaue   Weisung   gegeben, 


—     271     — 

wie  sie  sich  gegenseitig  zu  unterstützen  hätten,  wenn  einer  von 
ihnen  auf  starke  Kräfte  des  Feindes  stieße.  Er  schrieb  täglich  an 
alle  von  ihm  getrennten  Marschälle,  um  sie  über  die  Situation  bei 
ihren  Nachbarkorps  zu  unterrichten  und  immer  neue  Anhaltspunkte 
für  das  Verhalten  bei  einem  Angriffe  des  Feindes  zu  geben. 

Nach  den  eingelaufenen  Nachrichten  wurde  in  Ulm  an  drei 
ßedouten  nur  saumselig  gearbeitet ;  auch  sollen  sich  die  Österreicher 
bei  Donauwörth  und  Ingolstadt  verschanzen.  In  Nördlingen  sei  keine 
feindliche  Infanterie.  Das  Infanterieregiment  Colloredo  sei  über  Dil- 
lingen nach  Donauwörth  marschiert. 

„Der  Kaiser  glaubt,  daß  der  Feind  noch  hinter  der  Donau  ist 
und  daß  er,  wie  alles  glauben  läßt,  keine  offensive  Bewegung  unter- 
nommen hat",  schreibt  Berthier  an  Murat. 

Dieser  Auffassung-  entsprechend  bereitete  der  Kaiser  durch 
seine  Befehle  vom  4.  Oktober  den  bevorstehenden  Donau-Über- 
gang vor. 

Murat  erhielt  den  Befehl,  mit  seinen  drei  Dragonerdivisionen 
nach  Ileidenheim  zu  marschieren  und  die  Ebene  von  Nördlingen 
aufzuklären ;  er  sollte  bei  Greislingen  durch  die  4.  Dragonerdivision 
ersetzt  werden,  die  die  Armee  in  der  Planke  gegen  Ulm  zu  sichern 
hatte.  Murat  hatte  auch  zu  trachten,  die  von  Soult  bei  Nördlingen 
gemeldete  feindliche  Kavallerie  —  mehrere  Eskadronen  Husaren  — 
abzusehneiden,  indem  er  ihnen  den  Eückweg  nach  Donauwörth  ver- 
legt. „Ich  setze  da  voraus"  —  sagt  Napoleon  —  „daß  der  Feind 
keine  beträchtlichen  Kräfte  bei  Nördlingen,  sondern  nur  eine  vor- 
geschobene Kolonne  zur  Aufklärung  der  Ebene  hat:  mit  einem 
Worte,  daß  seine  Absicht  noch  fortwährend  ist,  hinter  der  Donau 
zu  bleiben  .  .  .  Aber  meine  Absicht  ist,  daß  man  mit  diesem  Unter- 
nehmen nicht  zaudere,  bis  der  Feind  etwa  6000  Mann  Infanterie 
zur  Stelle  hat.  Das  was  für  mich  wichtig  ist,  ist  Nachrichten  zu 
haben.  Entsenden  Sie  also  Kundschafter  und  Spione  und  vor  allem 
machen  Sie  Gefangene." 

Napoleon  legt  also  keinen  besonderen  Wert  auf  kleine,  wenn 
auch  siegreiche  Teilgefechte;  sie  sind  ihm  nur  das  Mittel,  sich 
Nachrichten  zu  verschaffen.  „Machen  Sie  Gefangene"  ist  die  stän- 
dige Aufforderung  an  seine  Unterkomraandanten. 

An  Soult.  Davout,  Marmont  und  Bernadotte  ergehen  am  4.  Ok- 
tober Befehle,  sich  in  ihrem  Marschbereich  auf  der  Wörnitz,  Alt- 
raühl  und  Donau  Schiffe  und  Kähne  zu  verschaffen  und  mitzuführen. 


—     272     — 

An  Soult  sehreibt  Napoleon :  „Berthier  hat  Ihnen  heute  die 
Situation  der  Armee  bekanntgegeben.  Er  gab  Ihnen  Befehl,  daß 
meine  Brüekenequipage  am  6.  oder  7.  Oktober  bei  Nördlingen  ein- 
zutreffen hat.  Sagen  Sie  mir  nicht,  daß  dies  nnmöglich  ist. 
Eequirieren  Sie  alle  Pferde,  die  dazu  nötig  sind.  Setzen  Sie  die  Pon- 
toniere  auf  Wagen ;  lassen  Sie  die  Equipagen  Tag  und  Nacht  mar- 
schieren und  machen  Sie  es  so  wenigstens  möglich,  daß  ich  am  6. 
oder  7.  mindestens  5  bis  6  Fahrzeuge  iu  Nördlingen  habe,  wenn  schon 
nicht  die  ganze  Equipage.  Es  gibt  auf  der  Wörnitz  Holz,  Schiffe  im 
Bau,  Nachen.  Trachten  Sie,  sich  all  dessen  zu  bemächtigen,  um  mir 
auch  andere  Übergangsmittel  zu  schaffen,  die  mich  in  stand  setzen, 
mich  einiger  Holzbrüeken  auch  dann  zu  bemächtigen,  wenn  der 
Feind  2  oder  3  ihrer  Joche  zerstört  haben  sollte,  und  es  möglich 
machen,  die  Brücken  in  wenig  Stunden  wiederherstellen  zu  lassen  .  .  ." 

Die  Equipage  war  am  4.  abend  im  Großen  Artilleriepark  bei 
Heilbronn,  also  ungefähr  120  hm  von  Nördlingen  entfernt.  Napoleon 
verlangt  da  somit  eine  ganz  besondere  Leistung.  Als  Menschen- 
kenner weiß  er,  daß  dieser  Forderung  sogar  vom  energischen  Soult 
Bedenken  und  Schwierigkeiten  entgegengesetzt  werden  dürften.  Er 
beugt  diesen  daher  vor  durch  seinen  Ausruf:  „Sagen  Sie  mir  nicht, 
daß  dies  unmöglich  ist."  Napoleon,  bei  dem  es  kein  „Unmöglich" 
gab,  wenn  sein  energischer  Wille  forderte,  gibt  Soult  auch  gleich 
das  Mittel  an  und  die  Machtvollkommenheit,  alles  aufzubieten,  um 
der  Forderung  zu  entsprechen^). 

^)  Soult  gab  sieh  die  größte  Mühe,  die  Forderung  des  Kaisers  zu  erfüllen. 

Am  5.  Oktober  meldete  er:  „Ich  habe  Befehle  gegeben,  um  alle  Schiffe 
der  Brüekenequipage  mit  größter  Sehneiligkeit  vor/Aibringen.  Relais  sind  auf  dem 
Wege  bereitgestellt.  Ich  rechne  darauf,  daß  die  Schiffe  morgen  abend  in  Nörd- 
lingen ankommen  werden." 

Am  6.  früh  schrieb  der  Generalstabschef  Soults  an  den  Kommandanten 
der  Artillerie  des  4.  Korps: 

„Der  Herr  Marsehall  legt  so  viel  Wert  auf  die  Ankunft  der  Brüeken- 
equipage, die  vom  großen  Artilleriepark  vorkommt,  daß  er  es  vorziehen  würde, 
einige  Wagen  des  Korpsartillerieparks  zurückzulassen,  als  die  Equipage  nicht  an- 
kommen zu  sehen. 

„Ich  habe  hier  (Ellwangen)  und  auf  dem  Wege  nach  Nördlingen  Pferde 
verlangt.  Wenn  die  Pferde  nicht  pünktlich  beigestellt  werden  sollten,  müßte  man 
selbst  einige  Munitionswagen  ausspannen  lassen,  um  wenigstens  sechs  Schiffe 
nach  Nördlingen  zu  bringen." 

Dieser  Befehl  gibt  ein  gutes  Beispiel  für  den  wechselnden  Wert  der  Kriegs- 
mittel. Hier  waren  die  Pontons  sogar  ein   wichtigeres  Kriegsmittel  als  Munition. 

Am  6.  abend  erreichte  die  Vorhut  Soults  Donauwörth  und  war  am  7.  vor- 
mittag  im  Besitze  zweier  Donau-Brücken  (Donauwörth  und  Münster).  Damit  fiel 


—     273     — 

An  Bernadotte  schreibt  er:  „Alles  geht  gut.  Etwa  40  Maun 
vom  Eegimeiit  Latour  sind  gefangen  worden.  Prinz  Murat  säubert 
heute  mit  seinen  Dragonerdivisionen  die  Ebene  von  Ulm;  das  wird 
uns  wahrscheinlich  Neuigkeiten  bringen.  Es  scheint,  daß  der  Feind 
schon  einiges  auf  Donauwörth  und  Ingolstadt  in  Bewegung  gesetzt 
hat;  indessen  ist  seine  Bewegung  schwach  und  ich  glaube  sie  nicht 
ganz.  Er  hält  noch  immer  Stockaeh,  Memmingen  und  Tirol  besetzt." 

Dann  folgt  der  Auftrag  zur  Sammlung  von  Schiffen  mit  dei- 
Bemerkung :  „Wenn  ich  mir  auf  irgend  eine  Weise  die  Mittel  dazu 
verschaffen  könnte,  wollte  ich  die  Donau  gleichzeitig  an  drei  Punkten 
überschreiten." 

5.  Oktober.  Murat  ging  am  5.  mit  drei  Dragonerdivisionen 
nach  Heidenheim  vor.  Während  des  Marsches  sandte  er  aus  Geis- 
lingen eine  Meldung,  die  nur  Mutmaßungen  enthielt.  Aber  auch  am 
Abend  war  er  nicht  im  stände,  Positives  zu  melden.  Den  drei  Divi- 
sionen, die  ihre  Patrouillen  nur  auf  ganz  kurze  Entfernung  aus- 
sandten, ist  es  nur  gelungen,  einen  Gefangenen  zu  machen.  Ein 
einziges,  energisch  auf  Ulm  vorgehendes  Detachement  hätte  verläß- 
liche Nachrichten  bringen  müssen.  So  aber  stützt  sich  die  Meldung 
Murats  vom  Abend  ganz  auf  die  Aussagen  des  einen  Gefangenen 
und  auf  Angaben  von  Landbewohnern.  Der  Gefangene  hatte  an- 
gegeben, daß  bei  Ulm  drei  Regimenter  .stünden  und  am  4.  dort 
mehrere  Kavallerieregimenter  erwartet  worden  sind.  Nach  den  Aus- 
sagen von  Landleuten  sollte  der  Feind  starke  Kräfte  bei  Ulm  haben, 
da  er  seit  zwei  Tagen  dort  seine  Kräfte  sammle,  die  er  an  der  Hier 
und  bei  Memmingen  hatte.  Der  Postmeister  von  Denkenthal ^)  gab 
an,  daß  sich  fast  die  ganze  österreichische  Armee  jetzt  bei  Ulm  befinde. 

Murat,  der  einen  Angriff  der  Österreicher  aus  Ulm  besorgte, 
schob  die  Dragoner  zu  Fuß  nach  Süssen,  nördlich  von  Geis- 
lingen vor. 

Die  Unternehmung  gegen  Nördlingen  hatte  Murat  aufaegeben. 
weil  bei  Nördlingen  nicht  mehr  als  300 — 400  Mann  sein  sollten. 

Er  griff  daher  mit  einer  Division  nur  bis  Neresheim,  16  lern 
südwestlich  Nördlingen  aus,    von  wo  ein  schwaches  österreichisches 


der  Wert  der  Pontons  als  Kriegsmittel  derart,  daß  Soult  sie  in  seinen  Meldungen 
und  Befehlen  überhaupt  nicht  mehr  erwähnt.  Es  ist  daher  leider  nicht  festzu- 
stellen, ob  Soult  das  unmöglich  Seheinende,  die  Pontons  am  6.  abend  in  Nörd- 
lingen zu  haben,  zuwege  gebracht  hat. 

^)  An  der  Straße  Ulm— Stuttgart,  etwa  12  lern  von  Ulm  entfernt. 

Krau 8  8.  180."),  Der  Feldzug  von  Ulm.  lö 


—     274     — 

Kavalleriedetacheraent  vertrieben  worden  war.  Das  war  das  ganze 
Ergebnis  der  Aufklärung  dreier  Kavalleriedivisionen,  also  etwa  von 
6000  Eeitern.  Dieser  geringe  Erfolg  kann  nur  auf  zwei  Ursachen 
zurückgeführt  werden :  entweder  auf  den  Befehl  Napoleons  an  Murat 
vom  30.  September,  „den  Feind  nicht  zu  sehr  zu  alarmieren",  oder 
aber  auf  die  geringe  Eignung  der  Dragoner  zum  Aufklärungsdienste. 
Hier  soll  nur  auf  die  geringe  Entfernung  aufmerksam  gemacht  werden, 
auf  die  meistens  selbst  die  leichte  Kavallerie  der  Korps  zur  Aufklärung 
vorgeschoben  worden  ist.  Die  weitere  Darstellung  wird  noch  Anhalts- 
punkte  zur  Beurteilung   der  damaligen  Kavallerieverwenduug  geben. 

Das  Korps  Ney  (6.)  stand  am  Abend  des  5.  Oktobers  kon- 
zentriert bei  Giengen-Herbrechtingeu  und  klärte  bis  Gundelfingen  auf. 

Dem  Marschall  Ney  kamen  am  5.  folgende  Nachrichten  durch 
Landleute  und  Spione  zu. 

Die  Gegend  von  Blaubeuren  war  bis  auf  Kavalleriepatrouillen 
frei  vom  Feinde,  ebenso  Langenau  nordöstlich  Ulm.  Aus  der  Rich- 
tung von  Riedlingen  und  Ehingen  seien  am  4,  Oktoljer  30.000  Öster- 
reicher nach  Ulm  marschiert.  Die  Brücken  von  Leipheim  und  Günz- 
hurg  sind  abgebrochen.  Viele  Truppen  marschierten  von  Günzburg 
durch  Leipheim  nach  Ulm;  diese  Nacht  sollte  auch  ein  Artillerie- 
park folgen,  Leipheim  sei  von  600  Mann  besetzt. 

Eine  Nachricht  aus  Münsingen  vom  4.  Oktober  lautete,  daß 
Erzherzog  Ferdinand  und  Mack  in  Ulm  angekommen  seien.  Daß 
Mack  der  Ansicht  sei,  die  Franzosen  wollten  bei  Ulm  über  die 
Donau  gehen,  was  man  ihnen  wohl  verwehren  würde.  Viele  Truppen 
seien  von  Memmingen,  Ottobeuren  und  Obergünzburg  nach  Ulm 
herangezogen  ^)  und  die  Werke  von  Ulm  mit  Liniengeschütz  besetzt 
worden.  Man  sagt,  daß  Truppen  nach  Albeck  und  Nördlingen  ab- 
gegangen seien,  um  die  Franzosen  in  der  Flanke  anzugreifen. 

Am  5.  Oktober  zeigte  sich  der  Nachteil  der  ungeregelten  Kom- 
mandoverhältnisse auf  der  Linie  Göppingen,  Heidenheim  in  besonders 
starkem  Maße. 

Das  Korps  Ney  hatte  einen  sehr  starken  Marsch  ^). 

Am  6.  Oktober  früh  meldete  General  Malher:  „Seit  24  Stunden 
haben  weder  Offiziere  noch  Mannschaft  meiner  Division  einen  Bissen 


^)  Diese  Meldung  war  ricMg.  Sie  bezog  sieh  auf  die  Konzentrierung  der 
österreichischen  Armee,  die  am  2.  Oktober  von  Erzherzog  Ferdinand  angeordnet 
worden  war  (S.  283). 

^)  Die  Entfernung  Göppingen — Giengen  beträgt  45  hm. 


—    275     — 

genossen.  Einige  Vorräte,  die  ich  auf  Wagen  habe,  und  die  aus- 
geschriebenen Requisitionen  sind  nicht  eingetroffen.  Ich  bitte,  den 
Korpsintendanten  zu  veranlassen,  daß  er  mir  etwas  verschafft,  sei  es 
auch  nur  \^  Portion  zum  Frühstück. 

„Niemals  hat  meine  Division  auf  dem  Marsche  mehr  gelitten;  wir 
sind  gestern  früh  um  6^  von  Göppingen  aufgebrochen  und  erst  heute 
um  3^2^  früh  hier  eingetroffen,  so  sehr  haben  uns  Dragoner,  Trains 
und  andere  Divisionen,  die  wir  kreuzten,  aufgehalten." 

Lannes  (5.  Korps)  schob  am  5.  seine  Kavallerie  bis  Aalen 
und  Mögglingen  vor  und  kam  mit  der  Grenadierdivision  bis  Gmünd. 
Gazan  und  die  Garde  erreichten  Lorch;  die  Kürassierdivision 
d'Hautpoul  folgte  unmittelbar  hinter  der  Garde.  Das  kaiserliche 
Hauptquartier  kam  nach  Gmünd. 

Das  Korps  Soult  (4.)  erreichte  mit  der  Kavallerie  und  zwei 
Divisionen  Ellwangen  (Vorhut  Zöbingen),  mit  einer  Division  Abts- 
gmünd, die  4.  Division  Hall.  Der  Große  Artilieriepark  sollte  am 
5.  von  Heilbronn  nach  Öhringen  marschieren.  Für  die  Brücken- 
equipage hatte  Soult  Relais  stellen  lassen. 

Um  P  nachmittag  meldete  Soult  von  Ellwangen,  daß  bei 
Nördliügen  ein  österreichisches  Korps  von  5000  bis  6000  Mann 
stehen  solle  und  daß  noch  andere  Truppen  dort  erwartet  werden. 
Weiters  meldete  er:  „Gestern  abend  waren  300  österreichische  Ulanen 
unter  Oberst  Graf  Wallmoden  in  Ellwangen.  Ich  hatte  15  Chasseure 
dahin  gesandt.  Der  Kommandant  der  Österreicher,  der  sagte,  es  sei 
noch  kein  Krieg  erklärt,  trat  an  die  Chasseure  den  halben  Ort  ab, 
die  dort  ihrem  Auftrage  gemäß  die  Nacht  hindurch  Brot  für  das 
Korps  backen  ließen.  Heute,  am  5.,  um  5^  früh  verließen  die  Öster- 
reicher die  Stadt  und  stellten  sich  hinter  ihr  auf.  Um  Ö^  früh  betrat 
unsere  Vorhut  die  Stadt,  der  die  2.  Division  unmittelbar  folgte.  Der 
Kommandant  der  Ulanen  verlangte  von  neuem  zu  unterhandeln  und 
bezeugte  sein  Erstaunen,  daß  er  uns  fortwährend  vorgehen  sehe. 
Der  Kommandant  der  Vorhut  antwortete,  daß  es  nicht  weniger 
staunenswert  sei,  sie  selbst  in  diesem  Lande  zu  sehen."  Soult  machte 
dann  dieser  Unterhaltung  ein  Ende  und  ließ  dem  Obersten  Wallmodea 
mitteilen,  daß  die  Franzosen  in  den  Österreichern  nichts  als  Feinde 
sehen  und  daß  er  danach  sein  Verhalten  regeln  könne.  Die  Öster- 
reicher zogen   sich  darauf  zurück,   um  davon  Meldung  zu  erstatten. 

Dieser  Vorfall  läßt  im  Vergleiche  mit  späteren  Ereignissen  er- 
kennen, daß  die  Menschen  im  allgemeinen,  die  Diplomaten  und  Sol- 

18* 


—     276     — 

daten  aljer  im  besonderen  nichts  oder  nicht  viel  aus  der  Geschichte 
der  Menschheit  lernen.  1805  betraten  sowohl  die  österreichischen 
als  auch  die  französischen  Truppen  ohne  Kriegserklärung  neutralen 
Boden.  Die  Feindseligkeiten  wurden  8  Tage  später  von  den  Fran- 
zosen ohne  formelle  Kriegserklärung  begonnen.  Die  österreichischen 
Truppen  kamen  durch  die  Weisung,  die  Feiudseligiieiten  nicht  zu 
beginnen,  in  die  nachteiligsten  Situationen.  Eine  solche  Weisung 
konnten  nur  militärisch  gänzlich  ungebildete  Diplomaten  veranlassen, 
und  nur  Generale,  die  die  Erkenntnis  der  wahren  Forderungen  der 
Kriegführung  durch  eine  gänzlich  verkehrte  Schule  verloren  hatten, 
konnten  eine  solche  Weisung  ohne  Widerspruch  und  ohne  Bedenken 
annehmen. 

Im  Jahre  1809  betraten  österreichische  Truppen  ohne  Kriegs- 
erklärung in  Italien  französischen  Boden. 

Als  dann  1866  die  Preußen  dasselbe  taten,  waren  alle  öster- 
reichischen Diplomaten.  Völkerrechtslehrer  und  auch  Generale  ent- 
rüstet über  diesen  schnöden  Vorgang,  der  „gegen  alles  Herkommen 
verstieß",  wie  das  österreichische  Generalstabswerk  sagt.  1877  über- 
schritten wieder  die  Bussen  ohne  vorherige  Überreichung  einer 
Kriegserklärung  die  Grenzen  des  türkischen  Reiches  und  als  1904 
die  Japaner  ohne  Kriegserklärung  die  Feindseligkeiten  eröffneten, 
lähmte  starres  Entsetzen  alle  europäischen  Formenmenschen,  die  sich 
den  Kriegsbeginn  nur  nach  allen  Eegeln  der  Etikette  und  nach  Er- 
füllung aller  sogenannten  völkerrechtlichen  Formalitäten  vorstellen 
konnten.  Daß  aber  die  Bussen  von  Treulosigkeit,  von  asiatischer 
Tücke  und  Hinterlist  sprechen  konnten  und  daß  sich  ihnen  zahl- 
reiche Gebildete  aller  Völker  und  Länder  voll  Entrüstung  anschlössen, 
zeigt,  wie  bald  die  Geschichte  selbst  der  eigenen  Taten  in  Ver- 
gessenheit gerät :  man  wußte  nicht  mehr,  daß  man  dasselbe  „Ver- 
brechen" 27  Jahre  vorher  begangen  hatte  ^).  Jetzt  nur  noch  die 
Frage:  Ist  das  überhaupt  ein  „Verbrechen"?  Nein!  es  ist  die  ein- 
fachste Vernunft,  so  zu  handeln,  und  kein  Verbrechen.  Die  formelle 
Herausforderung  zum  Kampf  mag  ritterlich  sein  —  sie  stammt  auch 


^)  1809  und  1866  wurde  die  Kriegserklärung  gleichzeitig  mit  dem  Ein- 
marsch auf  feindliches  Gebiet  bei  den  Grenztruppen  überreicht.  1877  wurde  die 
Kriegserklärung  am  gleichen  Tag,  an  dem  die  Russen  um  4ii  früh  in  Rumänien 
einmarschierten,  dem  türkischen  Botsehafter  in  Petersburg  übergeben.  Wenn  man 
da  von  diplomatischen  Feinheiten  oder  Spitzfindigkeiten  absieht,  geschah  in  allen 
Fällen  dasselbe  wie  1904  von  den  Japanern,  aber  nur  nicht  so  gründlich. 


—     277     — 

aus  der  romantischen  Eitterzeit  —  vernünftig  ist  es  aber  nicht,  den 
anderen  auf  den  Angriff  vorzubereiten  und  damit  auf  die  beste  Form 
des  Angriöes  zu  verzichten,  auf  den  Überfall.  Der  einzelne  mag 
sich  beim  Duell  diesem  Porrazwang,  dieser  Ritterlichkeit  beugen; 
insolange  der  Krieg  eine  persönliche  Angelegenheit  der  Fürsten, 
also  ein  Duell  der  beiden  Herrscher  war,  konnte  diese  romantisch- 
ritterliche  Form  des  Kriegsbeginnes  als  usuell  angesehen  werden  — 
vernünftiger  handelte  aber  auch  damals  schon  der  Fürst,  der  sieh 
über  solche  Bedenken  hinwegsetzte ;  heute  aber,  wo  es  sich  um  den 
Kampf  der  Völker  und  Staaten  auf  Leben  und  Tod  handelt,  wo  das 
Wohl  des  ganzen  Volkes  vom  Ausgange  des  Krieges  abhängt,  haben 
die  Diplomaten  nicht  mehr  das  Recht,  im  Namen  des  von  ihnen 
vertretenen  Volkes  unvernünttig  zu  handeln;  und  unvernünftig  ist 
es,  Hort,  wo  um  das  Wohl  eines  Volkes  gekämpft  wird,  nur  korrekt 
und  formgerecht  sein  zu  wollen.  Der  Überfall  in  der  vollendet- 
sten Form  ist  die  einzig  vernünftige  Art  des  Kriegs- 
beginnes. Sie  ist  auch,  was  die  Humanität  betrifft,  die  einzig 
wünschenswerte.  Überfallen  kann  in  diesem  Sinne  nur  der  Starke, 
der  Kriegsbereite.  Es  ist  daher  gegen  die  Humanität,  dem  Schwachen 
und  Unvorbereiteten  durch  diplomatischen  Firlefanz  Zeit  und  Ge- 
legenheit zu  geben,  sich  zu  rüsten  und  kriegsbereit  zu  machen. 
Während  bei  einem  Überfalle  der  Krieg  in  kurzer  Zeit  mit  wenig 
Menschenopfern  beendet  sein  kann,  wird  er  im  anderen  Falle, 
weil  der  Widerstand  des  Schwachen  gekräftigt  und  gerade  von 
Humanitätssehwärmern  unterstützt  werden  kann,  langwierig  und 
blutig  werden. 

Die  Franzosen  haben  daher  1805  die  Unklugheit  ihres  Feindes 
nur  in  vernünftiger  Weise  ausgenützt.  Soult  hat  sich  übrigens  noch 
viel  zu  ritterlich  benommen.  Bei  einiger  Geschicklichkeit  wäre  es 
ihm  sicher  gelungen  —  ohne  das  Unrecht  falscher  Vor- 
spiegelung zu  begehen  —  den  erstaunten  Grafen  Wallmoden 
samt  seinen  300  Ulanen  gefangenzunehmen.  Armeen  marschieren  ja 
doch  nicht  zum  Scherz ! 

Das  3.  Korps  (Davout)  erreichte  am  5.  Oktober  Mönchs- 
roth :  die  Kavallerie  war  bis  nahe  an  Üttingen  vorgeschoben  mit 
Detachements  in  Wallerstein,  Nördlingen,  Fremdingen  und  Thann- 
hausen.  Die  Division  Nansouty  nächtigte  vereint  mit  dem  Korps  bei 
Mönchsroth.  Davout  meldete  am  5.  Oktober  früh  aus  Ilshofen,  daß 
am  4.  eine  feindliche  Kolonne  von  18  Bataillonen  und  4  Kavallerie- 


—     278     — 

regimentera  in  Neresheim,  eine  andere  schwächere  Kolonne  bei 
Harburg  (nördlich  Donauwörth)  waren.  Der  Feind  ist  auf  allen 
Punkten  in  Bewegung  auf  Nördlingen,  Harburg  und  Donau- 
wörth ^). 

Über  den  anstrengenden  Marsch  des  am  schwenkenden  Flügel 
befindhchen  Korps  Davout  sagt  der  Eapport  vom  5.  Oktober:  „Man 
marschierte  immer  den  ganzen  Tag  und  einen  Teil  der  Nacht,  und 
wenn  man  nicht  mehr  weiter  konnte,  mußte  man  haltmachen,  wo 
man  sich  gerade  befand ;  denn  oft  war  es  den  Divisionen  unmöglich, 
den  anbefohlenen  Bestimmungsort  zu  erreichen." 

Aus  Mönchsroth  meldete  Davout,  er  habe  den  Eindruck,  daß 
sich  die  Österreicher  nicht  auf  dem  nördlichen  Donau-Ufer  schlagen 
wollten.  Seine  Patrouillen  trafen  200—300  Ulanen  bei  Ellwangen, 
die  sich  zurückzogen,  und  etwa  80  zwischen  Öttingen  und  Harburg. 

Das  2.  Korps  (Marmont)  erreichte  nach  einem  anstrengenden 
Marsch  auf  schlechten  Wegen  Feuchtwangen.  Die  Preußen,  die  an- 
fangs unfreundlich  waren,  hatten  Befehl  erhalten,  die  Franzosen  nach 
Kräften  zu  unterstützen ;  das  äußerte  sich  vor  allem  in  der  Be- 
schaffung von  Lebensmitteln. 

Das  1.  Korps  (Bernadotte)  lagerte  ungefähr  5  hm  südlich  von 
Ansbach  bei  Desmannsdorf.  Der  Kommandant  von  Ansbach  hatte 
gegen  den  Durchmarsch  protestiert.  Bernadotte  nahm  den  Protest 
höflich  zur  Kenntnis,  marschierte  aber  ruhig  weiter. 

Die  Bayern  erreichten  Sehwabach. 

Die  Große  Armee  stand  sonach  am  Abend  des  5.  Oktobers  auf 
dem  120  km  langen  Bogen  Schwabach,  Ansbach,  Feuehtwangen, 
Ellwangen,  Aalen,  Giengen,  der  rechte  Flügel  nur  30,  der  hnke 
etwa  130  hm  von  Ulm  entfernt. 

Die  Absicht  Napoleons  war,  die  Donau  zwischen  Donauwörth 
und  Ingolstadt  zu  überschreiten,  um  so  in  den  Eüeken  der  Öster- 
reicher zu  kommen,  wenn  diese  an  der  Hier  stehen  blieben.  Trotz 
dieser  Absicht  zeigen  aber  seine  Befehle,  daß  er  dem  Feind  auch 
das  Vernünftigste  zumutete,  nämlich  hinter  den  Lech  zurückzugehen; 
er  wappnete  sich  aber  auch  gegen  einen  Angriff  aus  Ulm,  über 
Donauwörth  oder  über  Ingolstadt.  Er  gibt  allen  Korpskommandanten 
Direktiven  für  diese  drei  Möghchkeiten,  also  für  den  Fall,  als  sein 
rechter  Flügel  oder  Soult  (seine  Mitte)  oder  sein  linker  Flügel  mit 
Macht  angegriffen  würde. 

^)  Die  ganze  Meldung  war  falsch. 


—    279     — 

Für  diese  Möglichkeiten  stellt  sich  die  Gruppieruüg  am  5. 
folgend  dar : 

Für  das  Übersetzen  der  Donau  bei  Donauwörth-Ingolstadt 
standen  Ney  und  Murat  etwa  40,  Soult  und  Davout  50  hn  von 
Donauwörth,  Marmont,  Bernadotte  und  die  Bayern  60—75  km  von 
Neuburg  und  Ingolstadt  entfernt.  Die  ganze  Armee  konnte  daher 
in  2  Tagen  an  diese  Donau-Strecke  gebracht  werden. 

Ein  Angriff  der  Österreicher  über  Donauwörth  konnte  von 
beiden  Seiten,  und  ein  Angriff  über  Neuburg-Ingolstadt  von  Davout 
und  Soult  in  die  Flanke  genommen  werden. 

Ein  österreichischer  Angriff  aus  Ulm  wäre  auf  das  6.,  5.,  4. 
Korps,  auf  die  Garde  und  auf  Murat  getroffen.  Das  Korps  Davout  stand 
nicht  zu  weit  entfernt,  um  noch  rechtzeitig  herankommen  zu  können. 

Die  Absicht  Napoleons  war  weiters,  den  Feind  von  allen 
Seiten  zu  umschließen.  Dieses  Streben  wird  in  diesem  Feldzug  auch 
wiederholt  in  die  Tat  umgesetzt  zum  Bew^eise  dafür,  daß  Napoleon 
—  wie  es  ja  eigentlich  ganz  selljstverständlich  ist  —  den  Wert  einer 
Umklammerung  des  Feindes,  der  in  dem  neuen  Schlagwort  „aus 
zwei  Fronten"  zum  Ausdrucke  kommen  soll,  erkannt  und  auch  aus- 
genützt hat.  Der  konzentrische  Vormarsch  gegen  die  Donau-Strecke 
Donauwörth — Ingolstadt  und  die  Weisungen  Napoleons  zum  Zu- 
sammenwirken der  Kolonnen  bei  einem  Zusammenstoße  mit  dem 
Feinde  zeigen  ebenso  deutlich,  daß  ihm  die  Vereinigung  kouzentrisch 
vormarschierender  Kolonnen  auf  dem  Gefechtsfelde  durchaus  nicht 
fremd  war  und  daß  er,  wenn  nötig,    davon  auch  Gebrauch    machte. 

Am  5.  Oktober  schrieb  Napoleon  an  den  Gesandten  Otto  nach 
Würzburg : 

„Ich  reise  im  Augenblicke  von  Ludwigsburg  ab.  Ich  werde 
morgen,  den  6.,  in  Nördlingen  auf  dem  Gebiete  Bayerns  sein.  Meine 
Korps  sind  im  Eilmarsch,  auch  die  Bayern  und  die  Korps  Berna- 
dotte und  Marmont,  die  sich  auf  Ney  und  Soult  stützen. 

„Am  7.  oder  8.  werden  wir  alle  zwischen  Donauwörth  und 
Ingolstadt  sein ;  noch  nie  wird  eine  so  große  Menge  von  Truppen 
auf  einem  so  kleinen  Eaume  manövriert  haben." 

Die  Entfernung  Donauwörth— Ingolstadt  beträgt  hi  der  Luft- 
linie 50  km. 

Der  Vergleich  mit  der  Frontbreite  großer  Armeen  in  anderen 
Kriegen  gibt  die  Möglichkeit,  die  bei  Napoleon  so  oft  vorkommen- 
den Ausdrücke  „Masse"  and  „massieren"  richtig  zu  verstehen. 


—     280     — 

Napoleon  sagt,  daß  seine  auf  50  hn  Front  vereinigte  Armee 
(200.000  Mann)  auf  kleinem  Eaume  manövrieren  werde. 

1870  nehmen  die  über  400.000  Mann  starken  deutschen 
Armeen  am  14.  August  eine  Front  von  70  1cm  ein.  Beim  Marsch 
auf  Sedan  hat  die  über  230.000  Mann  starke  deutsche  Heeresmacht 
anfangs  (am  26.  August)  eine  Front  von  40  hn  Breite,  die  sich 
mit  dem  Tordringen  nach  Norden  immer  mehr  —  bis  auf  11  hm 
—  verengt.  Das  deutsche  Generalstabswerk  sagt  darüber,  daß  die 
Armeen  in  breiter  Front  vorrückten. 


Österreicher. 

Bis  1.  Oktober  war  das  Österreichische  Armeekommando  recht 
gut  über  die  französische  Armee  orientiert.  Zahlreiche  sich  gegen- 
seitig bestätigende  und  ergänzende  Meldungen,  die  in  der  Zeit  vom 
29.  September  bis  1.  Oktober  eintrafen,  ließen  erkennen,  daß  die 
Franzosen  in  mehreren  Kolonnen  bei  Kehl.  Lauterburg,  Speyer  und 
Mannheim  den  Rhein  passiert  hatten;  daß  Kavallerie  unter  Murat 
und  siel)en  Grenadierbataillone  bis  zum  Kniebis  vorrückten  (falsche  Mel- 
dung) und  daß  die  anderen  Kolonnen  über  Eastatt  und  Pforzheim, 
Durlach,  Ettlingen  und  Heilbronn  und  über  Heidelberg  vormarschiert 
seien.  Man  glaubte,  daß  die  bei  Mannheim  Übergegangenen  zum 
linken  Flügelkorps  der  Ehein-Armee,  Marsehall  Davout,  gehörten. 
Man  wußte,  daß  Marschall  Lannes  am  27.  mit  10.000  Mann  in 
Eastatt,  Ney  mit  3000  Mann  in  Karlsruhe.  Murat  in  Kork  bei  Kehl 
waren.  Während  fünf  Tagen  sollten  nach  der  Verpflegsansage  täglich 
8000  Mann  Bruchsal  passieren. 

Marmont  sei  bei  Mainz  über  den  Ehein  gegangen  und  über 
Frankfurt  nach  Würzburg  marschiert,  wo  er  sich  Ende  September 
mit  Bernadotte  vereinigen  werde.  Man  wußte  auch,  daß  die  Bayern 
sich  den  Franzosen  anschlössen  und  bei  Bamberg  standen. 

Am  29.  September  nachmittag  war  ein  französisches  Lager  bei 
Heilbronn  bemerkt  worden. 

Über  die  Stärke  der  Franzosen  kamen  sehr  zutreffende  Mel- 
dungen. So  wurde  von  mehreren  Seiten  übereinstimmend  gemeldet, 
daß  die  Eheinarmee  wenigstens  150.000  Mann  zähle.  Die  geringste 
Angabe  für  diese  Armee  war  130.000  Mann.  Die  Gruppe  Bernadotte- 
Marmont  wurde  mit  wenigstens  30.000  Mann  angegeben,  nach  an- 
deren Meldungen  mit  37.000—40.000  Mann.  Die  Bayern  hatte  Mack 


—     281     — 

selbst  auf  18.000 — 20.000  Mann  geschätzt.  Die  Gesamtarmee  der 
Franzosen  mußte  daher  178.000—210.000  Mann  stark  angenommen 
werden.  Damit  stimmte  eine  Nachricht  des  Stuttgarter  Gesandten, 
daß  die  französische  Armee  etwa  225.000  Mann  zähle. 

Man  wußte  endlich,  daß  französische  Offiziere  die  Festungen 
Würzburg,  Forchheim  und  Bamberg  besichtigt  hatten  und  daß  Würz- 
burg befestigt  und  verproviantiert  werde ^). 

Man  muß  zugeben,  daß  das  österreichische  Armeekommando 
sehr  gut  über  den  französischen  Vormarsch  unterrichtet  war. 

FML.  Mack  trug  am  1.  Oktober  nachmittag  vor  seiner  Ab- 
reise nach  Ingolstadt  (s.  S.  215)  dem  Erzherzog  Ferdinand  auf,  so- 
bald die  Nachricht  über  die  Beschleunigung  des  Marsches  der  Russen 
mit  Vorspann  eintreffe,  sofort  den  aus  Italien  anmarschierenden  Re- 
gimentern den  Befehl  zu  senden,  nach  Italien  zurückzukehren.  Der 
Erzherzog  widersetzte  sich  diesem  Auftrag  aus  mehreren  Gründen; 
vor  allem  weil  nur  der  Kaiser,  der  den  Abmarsch  dieser  Truppen 
angeordnet  hatte,  Gegenbefehl  geben  konnte,  dann  weil  dieser  plötz- 
liche Gegenbefehl  an  die  im  forcierten  Marsche  zur  Armee  be- 
griffenen Regimenter  nur  das  Vertrauen  in  die  Führung  untergraben 
mußte,  und  endlich  weil  die  Armee  in  Deutsehland  auch  mit  den 
Russen  und  mit  diesen  Verstärkungen  nicht  zu  stark  war,  was  die 
täglich  einlaufenden  Nachrichten  über  die  Stärke  der  Franzosen  er- 
kennen ließen.  Mack  blieb  bei  seinem  Willen,  und  zwar,  wie  Erz- 
herzog Ferdinand  angibt,  mit  der  Begründung,  um  nicht  dem 
Erzherzog  Karl  zu  mißfallen,  dessen  Armee  er  sonst  zu  sehr 
schwäche !  ^) 

Im  Laufe  des  2.  Oktobers  wurde  im  österreichischen  Haupt- 
quartier bekannt,  daß  die  Franzosen  am  30.  September  in  Stuttgart 
und  Ludwigsburg  eingetroffen  seien ;  die  ganze  französische  Armee 
solle  bis  längstens  8.  Oktober  bei  Ulm  vereinigt  werden.  Napoleon 
sei  am  27.  September  in  Straßburg  angekommen  und  habe  die  Be- 
festigungsarbeiten bei  Kehl,  wo  6000  Bauern  arbeiten,  besichtigt. 
Die  bei  Offenburg  gestandenen  Franzosen  seien  über  Rastatt  ab- 
marschiert; die  ganze  Armee  ziehe  sich  über  Rastatt  nach  Pforzheim, 
wohin  sich  auch  Napoleon  begeben  werde.  Die  Absicht  der  Franzosen 
sei,  die  österreichische  Armee  von  den  Russen  abzuschneiden. 

1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIII.,  124. 

^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  XIII.,  106,  „Geschichte  des  Feldzugess 
1805"  von  Erzherzog  Ferdinand. 


—     282     — 

Zur  Bestätigung  dessen  meldete  ein  Rittmeister,  daß  er  sich 
am  30.  September  vor  den  anrückenden  Franzosen  von  Vaihingen 
nach  Göppingen  .zurückziehen  mußte^). 

Am  2.  Oktober  traf  auch  die  Nachricht  ein.  daß  die  Russen 
den  Vorschlag  des  Transportes  ihrer  Infanterie  mit  Wagen  ange- 
nommen haben  und  daß  sie  somit  zwischen  dem  16.  und  24.  Ok- 
tober bei  Dachau  eintrefien  werden. 

Am  selben  Tage  traf  auch  ein  an  den  Kaiser  gerichteter  Be- 
richt des  Erzherzogs  Karl  vom  27.  September  aus  Lonigo  ein,  in  dem 
der  Erzherzog  anzeigte,  daß  5  Infanterie-  und  2  Kavallerieregi- 
menter abgegangen  seien.  Das  erste  dieser  Regimenter  werde 
am  2.,  das  letzte  am  13.  Oktober  bei  Innsbruck  eintreffen.  An  Ge- 
schütz könne  Erzherzog  Karl  nichts  mitgeben,  weil  er  selbst  zu 
dieser  Zeit  erst  vier  bespannte  Geschütze  habe. 

Da  die  ersten  drei  Infanterieregiraenter  noch  vor  Ankunft  der 
Russen  bei  Dachau  an  die  Armee  anschließen  konnten,  sandte  Erz- 
herzog Ferdinand  nur  den  beiden  letzten  Infanterieregimentern  und 
der  Kavallerie  Gegenbefehl. 

Erzherzog  Ferdinand  berichtete  darüber  dem  Kaiser  am  2.  Ok- 
tober, indem  er  den  Auftrag  Macks  bekanntgab  und  mitteilte,  daß 
er  die  vordersten  drei  Regimenter  zur  Armee  heranziehe  :  „Die  gegen- 
wärtigen feindlichen  Bewegungen  sind  allerdings  von  der  Art,  daß 
ich  vor  diesem  Augenblicke,  bevor  noch  die  Ankunft  der  Russen 
wirklich  in  Erfüllung  gekommen  ist,  mich  des  V^orteils  solcher  Ver- 
stärkungen nicht  zu  berauben  getraue.  Es  scheint  aus  den  ferneren 
feindlichen  Vorrückungen  keinem  Zweifel  zu  unterliegen,  daß  ihre 
Absicht  dahin  gehe,  meine  rechte  Flanke  zu  bedrohen  und  zu  um- 
gehen.    Nachdem  der  Feind  Freudenstadt,    Kniebis  und  die  Höhen 


1)  Kriegs^rehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  XIII,  124. 

GM.  Freiherr  v.  Ulm  meldete  am  2.  Oktober  aus  Ulm: 

Der  eben  eingerückte  Rechnungsführer  vom  Train  Baumgartner,  der  in 
Kannstatt  war,  meldet,  daß  beim  Zollhaus  auf  der  Straße  nach  Vaihingen  am 
1.  Oktober  feindliehe  Kavallerie  vom  1.  und  3.  Husarenregiment  eingetroffen  ist. 
Sie  sagten,  daß  sie  heute  (1.  Oktober)  noch  nach  Kannstatt  und  Eßlingen  ein- 
rücken werden. 

Die  Franzosen  sind  in  Stuttgart  und  Ludwigsburg  eingerückt.  Von  Kann- 
stadt nach  Eßlingen  sei  eine  Kolonne  von  6000  bis  8000  Mann  Infanterie  mar- 
schiert. In  Kannstatt  habe  sie  eine  Requisition  von  25.000  Laib  Brot  und 
30.000  Pfund  Fleisch  ausgeschrieben.  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA, 
X,  12.) 


—    283     — 

des  Schwarzwaldes  besetzt  hat,  geschehen  seine  weiteren  Fortschritte 
von  dieser  Seite  äußerst  langsam.  Ganz  anders  sind  aber  seine  Be- 
wegungen im  Zentrum.  Schon  am  1.  dieses  wurde  Stuttgart  besetzt 
und  neueren  Nachrichten  zufolge  vereinigen  sich  dort  mehrere  Ko- 
lonnen, die  an  Stärke  bis  30.000  Mann  ausmachen  sollen.  Berna- 
dotte  und  Marmout  haben  die  ,Teten  ihrer  vorrückenden  Kolonnen 
bis  Bischofsheim  am  29.  September  vorgebracht  und  man  kann  noch 
nicht  die  eigentliche  Bestimmung  derselben  erkennen,  ob  sie  ihre 
Eichtung  gegen  Donauwörth  oder  über  P'orchheim  nach  Böhmen 
nehmen  werden.  Letzteres  scheint  zwar  minder  besorglieh  für  uns 
zu  sein,  weil  sie  sich  dann  zu  sehr  teilen  und  zu  dem  Hauptend- 
zweck schwächen  würden^)." 

Weil  alle  Meldungen  bestätigten,  daß  der  Feind  mit  starken 
Kräften  über  Stuttgart  vorgehe,  erließ  der  Erzherzog  Ferdinand,  der 
am  lieljsten  mit  der  ganzen  Armee  hinter  den  Lech  zurückgegangen 
wäre,  in  Abwesenheit  Macks  am  2.  Oktober  Befehle,  um  Ulm  als 
den  wichtigsten  Punkt  zu  sichern. 

Das  Korps  FML.  Graf  Eiesch  sollte  die  Division  FML.  Graf 
Gyulai  —  11  Bataillone,  16  Eskadronen  —  bei  Ulm  aufstellen  und 
von  der  Division  FML.  Freiherr  v.  Kerpen  4  Bataillone  nach  Leip- 
heim  und  je  3  Bataillone  nach  Günzburg,  Weißenhorn  und  Ichen- 
hausen  senden,  wo  sie  am  5.  Oktober  eintreffen  sollten. 

Das  Korps  FML.  Freiherr  v.  Auffenberg.  10  Bataillone 
und  8  Eskadronen,  sollte  am  6.  Oktober  im  Räume  Zusmarshausen, 
Burgau,  Wertingen, 

das  Korps  FML.  Freiherr  v.  Werneck  mit  10  Bataillonen 
und  8  Eskadronen  bei  Krumbach,  Thannhausen,  Schwabraünchen 
vereinigt  sein. 

FML.  Klenau  (Avantgarde)  erhielt  Befehl,  seine  Truppen  so 
bereit  zu  halten,  daß  «r  mit  einem  Marsche  Ulm  oder  Memmingen 
erreichen  konnte. 

Erzherzog  Ferdinand  sandte  die  Mitteilung  hievon  durch  einen 
Offizier  an  Mack  mit  der  Aufforderung,  schleunigst  nach  LFlm  zu 
kommen. 

In  einer  Bemerkung  zu  dieser  Dislokation  sagt  Erzherzog  Fer- 
dinand, daß  die  Konzentrierung  keine  engere  sein  konnte,  weil 
sich  die  Truppen  in  den  Orten  selbst  durch  Requisition  verpflegen 
mußten. 


»)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  14. 


—     284     — 

Diese  Bemerkung  ist  von  hohem  Wert  und  von  hohem  Inter- 
esse. Sie  enthüllt  uns  hier  in  diesem  Falle  den  Beweggrund  zu  einer 
Handlung,  der  man  sonst  die  tiefsinnigsten  strategischen  oder  ope- 
rativen Gedanken  unterlegen  könnte.  Die  Bemerkung  läßt  erkennen, 
warum  Maek  für  seine  Armee  eine  so  außerordentlich  weite  Kan- 
tonierung  festsetzte:  die  Eücksicht  auf  die  Verpflegung  zwang  dazu. 
Er  mußte  diese  Eücksicht  nehmen,  weil  er  sich  selbst  des  Mittels  be- 
raubt hatte,  seine  Armee  auch  bei  längerem  Stillstehen  konzentrierter 
bereithalten  zu  können  —  seines  Trains.  Die  einem  ganz  oberfläch- 
lichen Urteil  entsprungene  Maßregel  der  Verminderung  des  Trains 
zwang  im  Vereine  mit  der  operativen  Absicht  Macks  der  Armee 
eine  Haltung  auf,  die  eine  rasche  und  rechtzeitige  Versammlung  der 
Armee  verhinderte. 

Nicht  allein  das  unstete  Wesen  Macks  war  daher  die  Ursache, 
daß  die  österreichische  Armee  immer  in  die  Hinterhand  kam  und  keine 
günstig  erscheinende  Situation  ausnützen  konnte,  sondern  hauptsäch- 
lich die  weite  Kantonierung,  die  der  Armee  durch  die  Verpflegs- 
vorsorgen  aufgezwungen  wurde.  Erzherzog  Ferdinand  konnte  die 
Armee,  als  er  sie  gegen  Ulm  zusammenzog,  nicht  enger  konzen- 
trieren, weil  der  tatsächliche  Armeeführer  und  Generalstabschef  des 
Armeeoberkommandanten  in  oberflächlicher  Beurteilung  der  Armee- 
bedürfnisse keine  Ahnung  davon  hatte,  was  seine  Armee  zu  ihrer 
Versorgung  brauchte  und  wie  eine  mangelhafte  Versorgung  das  Ver- 
halten der  Armee  bestimmend  beeinflussen  muß.  So  rächt  sich 
jede  Oberflächlichkeit!  Auch  der  Generalstabschef  eines  Armeeober- 
kommandos muß  nach  dem  französischen  Generalstabshandbuch  „die 
lebhafteste  Sorgfalt  allen  Bedürfnissen  der  Armee  widmen, 
keines  darf  ihm  fremd  sein." 

Man  könnte  da  einwenden :  Ja,  Napoleon  hatte  eine  ebenso 
mangelhaft  ausgerüstete  Armee  und  wie  hat  er  operiert.  Eichtig! 
Aber  gerade  im  Nachsalze,  d.  h.  in  der  Art  der  Kriegführung  liegt 
der  Unterschied.  Napoleon  wußte,  daß  die  Armee  einen  guten  zahl- 
reichen Train  brauchte,  und  hätte  ihn  sicher  nicht  leichtfertig  weg- 
geworfen, wenn  er  ihn  besessen  hätte.  Er  hatte  keinen  Train  und 
auch  keine  Vorräte,  um  einen  improvisierten  Train  zu  füllen.  Er 
wußte  aber  weiter,  daß  er  in  diesem  Falle  die  Armee  unausgesetzt 
in  Bewegung  halten  mußte,  weil  nur  dann  zu  hoffen  war,  die  ver- 
derblichen Folgen  des  Mangels  eines  gut  organisierten  Verpflegs- 
trains  zur  Not  zu  vermeiden,  wenn  die  Truppen  täglich  neue  Bäume 


—     285     — 

zu  ihrer  Ernähruno-  heranziehen  konnten.  Berthier  schreibt  daher 
auch  am  28.  September  an  den  Kurfürsten  von  Bayern:  „Der  Kaiser 
hat  den  Grundsatz,  seine  ganze  Armee  in  Bewegung  zu  halten  und 
sie  immer  in  dei'  Hand  zu  haben,  um  sie  je  nach  Bedarf  dorthin 
zu  führen,  wohin  ihn  die  Fehler  des  Feindes  rufen." 

Mack  wollte  seine  mangelhaft  ausgerüstete  und  in  der  Aus- 
nützung des  Landes  ungeübte  Armee  monatelang  in  einem  be- 
schränkten ßaume  halten  lassen.  Dazu  brauchte  er  aber  unbedingt 
Magazine  und  zu  ihrer  Füllung  und  zur  Ausgabe  der  Vorräte  an 
die  Truppen  einen  reichen  Armeetrain.  Weil  er  weder  Magazine 
noch  einen  Arraeetrain  hatte,  mußte  Mack  —  ebenso  wie  Napoleon  — 
seine  Armee  auf  einem  großen  Eaum  ausbreiten  und  weil  die  alj- 
wartende  Haltung  ihn  von  den  Maßnahmen  des  Feindes  abhängig 
machte,  mußte  er  folgerichtig  mit  der  Konzentrierung  seiner  Armee 
immer  zu  spät  kommen. 


Am  2.  Oktober  gab  Mack  in  Neuburg  dem  FML.  Kienmayer 
den  Befehl,  3  Bataillone  Gemmingen  und  2  Eskadronen  Hohenlohe- 
Dragoner,  die  aus  Böhmen  im  Anmärsche  zum  Korps  Kienraayer 
waren,  nach  Amberg  zurückzusenden,  um  die  Bayern  zu  beobachten. 
Sie  sollten  das  Gerücht  aussprengen,  daß  ein  starkes  österreichisches 
Korps  folge  und  eine  starke  Kolonne  Bussen  aus  Böhmen  im  An- 
märsche sei. 

Am  3.  Oktober  berichtete  Mack  dem  Kaiser  aus  Ingolstadt: 
Er  hoffe,  daß  der  Platz,  obwohl  er  am  meisten  ruiniert  ist,  in  sehr 
kurzer  Zeit  wieder  in  haltbaren  Stand  hergestellt  werden  könne, 
„Sehr  bald  werden  wir  auf  solche  Weise  an  Lindau,  Memmingen, 
Ulm  und  Ingolstadt  eine  ganz  gute  Defensionslinie  haben,  die  uns, 
wenn  wir  weiter  vorne  unglücklich  wären,  aufnehmen  und  wieder 
aufhelfen  könnte,  und  "wenn  nur  die  Bussen  wirklich  in  der  Zeit  der 
neueren  Marschdisposition,  mithin  zwischen  16,  und  24.  Oktober  in 
Dachau  eintreffen,  so  dürfen  wir  alles  Gute  für  unsere  Umstände 
unter  jeder  Betrachtung  hoffen,  so  zwar,  daß  ich  es  für  meine  Pflicht 
gehalten,  Seiner  königlichen  Hoheit  dem  Erzherzog  vorzuschlagen^), 
den  von  Euer  Majestät  letztbeorderten  5  Infanterie-  und  2  Kavallerie- 
regimentern Gegenbefehle  zu  senden  und  solche  zu  der  italienischen 
Armee  zm'ückkehren  machen  möchte,  damit  Seine  königliche  Hoheit 

*)  Vergleiche  damit  die  Angaben  des  Erzherzogs  Ferdinand,  S.  281. 


—     286     — 

der  Erzherzog  Karl  umsomehr  vermögend  seien,  bei  dem  Ausbruche 
des  Krieges  alsobald  zu  einer  nachdrückUchen  Offensive  zu  schreiten." 

Zum  Schlüsse  des  Berichtes  äußerte  Mack  Besorgnisse  vor 
Preußen  und  bat,  dieses  um  jeden  Preis  durch  Versprechungen  zu 
gewinnen^). 

Erzherzog  Ferdinand  begab  sich  am  3.  Oktober  über  Mem- 
miugen  nach  Ulm.  In  Memmingen  fand  er  die  Befestigungen  mittel- 
mäßigen Profils  'so  weit  hergestellt,  daß  sie  in  einigen  Tagen  fertig 
sein  konnten.  Sie  schützten  den  Ort  wohl  gegen  einen  Handstreich, 
hatten  aber  keinen  hohen  fortifikatorischen  Wert.  Mit  Geschütz 
konnte  Memmingen  überhaupt  nicht  versehen  werden,  weil  keines 
vorhanden  war. 

Am  3.  Oktober  traf  die  Meldung  ein,  daß  die  Franzosen 
Freudenstadt  und  Offeuburg  geräumt  haben  und  in  der  Eichtung 
auf  Eastatt  abmarschiert  seien.  Weiters  meldete  der  Eittmeister,  der 
am  oO.  September  vor  den  Franzosen  nach  Göppingen  zurück- 
gewichen war,  daß  ihn  die  Franzosen  am  2.  Oktober  angegriffen 
haben.  Damit  waren  die  Feindseligkeiten  begonnen  worden^). 


^)  Kriegsavehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  X,  19.  Von  Maek  selbst  geschrieben. 

Der  Begleitbrief  zur  Abschrift  dieses  Berichtes  an  Cobenzl  lautete : 

,.Buer  Exzellenz  geruhen  hier  die  Abschrift  eines  neuen  Berichtes  an  Seine 
Majestät  zu  finden  und  solchen  mit  Ihrer  gewohnten  Güte  und  Nachsieht  auf- 
zunehmen. 

„Wie  tröstlieh  ist  es  für  mich,  zu  mir  sagen  zu  können,  daß  ich  in  der 
heutigen  Staatskanzlei,  wenn  meine  militärischen  Betrachtungen  mich  auf 
politische  führen,  nicht  mehr  als  ein  Verbrecher  erseheine,  daß  meine  gute  Ab- 
sieht nicht  verkannt  and  nur  etwa  mit  nachsichtiger  Grüte  und  Freundschaft  über 
meine  Kannegießereien  gelacht  werden  wird  (!). 

,Jeh  erneuere  Euer  Exzellenz  die  Versicherung  meiner  innigsten  Verehrung 
und  Anhänglichkeit  und  sehne  mich  unaussprechlich  nach  dem  glücklichen  Augen- 
blicke sie  Euer  Exzellenz  recht  bald  mündlich  erneuern  zu  können. 

..Ingolstadt,  am  3.  Oktober  1805.  Maek,  FML." 

Hof-  und  Staatsarchiv,  Kriegsakten,  464.  Von  Mack  selbst  gesehrieben. 

Charakteristisch  ist  hier  der  devote  und  unwürdige  Ton,  den  der  Chef  des 
Generalstabes  und  Generalstabsehef  des  Armeeoberkommandanten;  der  General- 
stabsehef  des  Kaisers,  gegenüber  dem  Minister  des  Äußern  anschlägt.  Ist  es 
da  ein  Wunder,  daß  selbst  die  unfähigsten  Minister  Lust  bekamen,  sieh  in  die 
Führung  der  Armeen  einzumischen? 

^)  Diese  Begebenheit  zeigt,  zu  welchen  Lächerlichkeiten  der  politische  Ein- 
fluß auf  die  Operationen  führte. 

Seit  8.  September  marschierten  österreichische  Truppen,  seit  25.  September 
auch    französische  Truppen    außerhalb    der  Grenzen   ihrer  Eeiehe   auf  neutralem 


—     287     — 

Am  4.  Oktober  besichtigte  der  Erzherzog-  die  Werke  von 
Ulm.  Er  sagte  darüber:  „Ich  besah  die  Werke  von  Ulm,  die  sich 
in  sehr  schlechtem  Zustande  befanden.  Von  den  alten  Werken  war 
sehr  vieles  rasiert;  selbe  nur  einigermaßen  zur  Verteidigung  her- 
zustellen war  eine  Arbeit,  die  Monate  erforderte.  An  einigen  Orten, 

Boden,  der  aber  der  Kampfplatz  beider  Armeen  sein  mußte.  Die  österreieliisehen 
Truppen  hatten  die  Weisung,  die  Feindseligkeiten  nicht  zu  eröffnen,  sondern  dies 
den  Franzosen  zu  überlassen.  Am  1.  Oktober  proklamierte  Napoleon  seiner 
Armee  die  Kriegserklärung  an  die  Koalition  und  am  2.  begannen  die  Franzosen 
die  Feindseligkeiten  mit  dem  Angriff  auf  die  österreichische  Kavallerie  bei  Göp- 
pingen. Am  3.  Oktober  erhielt  das  österreichische  Armeekommando  die  Meldung 
darüber  und  am  5.  Oktober  behob  die  Meldung  des  Obersten  Wallmoden  über  die 
erfolgte  Kriegserklärung  jeden  Zweifel  darüber,  daß  es  Napoleon  mit  dem  Krieg 
Ernst  sei. 

An  dem  gleichen  Tag,  also  am  5.  Oktober,  wurde  in  Wien  ein  Schrift- 
stück unterzeichnet,  das  das  Armeekommando  ermächtigte  anzugreifen,  wenn  sieh 
Gelegenheit  dazu  ergäbe,  da  die  Erklärung  des  französischen  Gesandten  vom 
30.  September  auf  dem  deutsehen  Eeiehstag  eigentlich  als  Kriegserklärung 
gelten  könne. 

Diese  merkwürdigen  Verhältnisse  nützte  denn  auch  Maek  zu  seiner  Recht- 
fertigung aus. 

Mack  behauptete,  daß  seine  Maßnahmen  (welche?)  die  Franzosen  veran- 
laßt haben,  Bernadotte  und  Marmont  schleunigst  nach  Würzburg  zu  ziehen,  um 
die  Bayern  zu  retten  (!),  wofür  er  glaube,  Beifall  zu  verdienen,  da  er  dadurch  den 
allergünstigsten  Augenblick  gewann,  um  die  von  Bernadotte,  Marmont  und  den 
Bayern  weit  getrennte,  nunmehr  den  Rhein  passierende,  aber  noch  nicht  ganz  ver- 
sammelte französische  Armee  anzugreifen.  Der  Augenblick,  wo  ich  die  Erlaubnis 
zum  Angriff"  aus  Wien  erwartete,  war  vorhanden,  und  bei  der  Nachrieht  von  der 
Allerhöchsten  Ankunft  Seiner  Majestät  glaubte  ich  wirklich,  daß  sie  diesen  End- 
zweck hatte.  (I) 

Der  günstige  Augenblick  blieb  unbenutzt,  weil  man  glaubte,  daß  die  poli- 
tische Lage  die  Kriegserklärung  noch  nicht  erlaubte.  Sie  erfolgte  erst  6-8  Tage 
später,  als  wir  schon  angegriffen  waren.  (Aus  Macks  Denkschrift:  ,,Die  Kapitu- 
lation von  Ulm",  in  Raumers  Taschenbuch,  1878.) 

Man  beachte,  wie  Mack  .sich  zu  rechtfertigen  sucht,  indem  er  die  Schuld 
auf  andere  schiebt  und  wie  er  dabei  die  Tatsachen  willkürlich  gruppiert. 

Der  Kaiser  kam  in  der  zweiten  Hälfte  September  zur  Armee;  die  Erlaubni.s 
zum  Angriff"  kam  am  10.  oder  11.  Oktober  nach  Ulm.  6 — 8  Tage  vorher  bezieht 
sich  daher  auf  die  Zeit  vom  2.  bis  i.  Oktober.  Um  diese  Zeit  war  Mack  auf  seiner 
Rekognoszierungsfahrt  nach  Ingolstadt  und  dachte  an  nichts  weniger  als  an  einen 
Angriff.  Seine  Armee  war  auch  damals  zu  jedem  Angriff  unfähig.  Als  auf  Be- 
treiben des  Erzherzogs  am  4.  Oktober  der  Angriff  beschlossen  wurde,  konnte  die 
Ai'mee,  die  dank  der  Initiative  des  Erzherzogs  schon  seit  dem  2.  Oktober  auf 
dem  Marsche  war,  um  sich  bei  Ulm  zu  sammeln,  nicht  vor  dem  8.  Oktober  ver- 
sammelt sein. 


—    288    — 

besonders  l»eini  Frauenlor,  war  die  Stadt  noch  ganz  offen  und  die 
Chaussee  bloß  durch  einen  Laufgraben  abgeschnitten.  Ulm  konnte 
so  wenig  wie  ]\Iemmingen  mit  Artillerie  versehen  werden  und  for- 
derte zu  seiner  Verteidigung  viel  mehr  Geschütz  als  Memmingen. 
Die  bei  Ulm  so  nötigen  äußeren  Werke,  wie  der  Michelsberg  und 
die  Ziegelhütte  waren  mit  einer  kaum  3  Schuh  hohen  Feldver- 
sehanzung  versehen." 

Die  Nachrichten  ließen  erkennen,  daß  der  Feind  den  Schwarz- 
wald ganz  geräumt  hatte  und  von  Stuttgart  über  Geislingen  gegen 
Heidenheim  Direktion  nahm. 

Der  zu  Mack  gesandte  Offizier  kam  unverrichteter  Dinge  zu- 
rück; er  hatte  ihn  nicht  finden  können,  weil  Mack  schon  nach 
Mindelheim  abgereist  sein  sollte. 

Erzherzog  Ferdinand,  der  erkannte,  daß  nun  keine  Zeit  mehr 
zu  verlieren  war,  um  alle  Truppen  bei  Ulm  zu  sammeln,  sandte  am 
4,  Oktober   früh   dem  FML.  Jellachich   aus  Ulm   folgenden  Befehl: 

„Der  Feind  hat  den  Schwarzwald  geräumt.  Er  zieht  sich  aber 
dergestalt  gegen  meine  rechte  Flanke,  daß  schon  am  2.  Oktober 
Ney,  der  den  rechten  französischen  Flügel  befehligt,  in  Stuttgart  war. 

„Ihre  Aufstellung  bei  Bregenz  ist  daher  unnütz.  Sie  haben 
sogleich  Ihre  Infanterie  und  sechs  Eskadronen  Blankenstein-Husaren 
zwischen  Wurzaeh  und  Leutkirch  zu  sammeln. 

„Ein  Bataillon  und  zwei  Eskadronen  bleiben  bei  Lindau  zum 
Schutze  der  Arbeiten." 

Dieser  Befehl  wurde  in  Bregenz  am  5.  um  9^  vormittag 
präsentiert  ^). 

Um  Mack  möglichst  bald  zu  sprechen,  eilte  nun  der  Erzherzog 
nach  Mindelheim. 

In  lUertissen  begegnete  er  Mack.  Er  teilte  Mack  alle  ein- 
gelaufenen Nachrichten  und  seine  Anordnungen  mit  und  legte  ihm 
nochmals  den  Gedanken  nahe,  die  Armee  hinter  den  Lech  zurück- 
zunehmen. Mack  lehnte  das  als  Rückzug  entschieden  ab.  Mack  wollte 
die  Armee  unbedingt  bei  Ulm  konzentrieren,  um  den  Feind  unver- 
züglich anzugreifen. 

Der  Erzherzog  machte  Mack  auf  die  Gefahren  aufmerksam,  die 
der  Armee  drohten,  wenn  dieser  Angriff  mißlänge.  Da  aber  Mack 
durchaus  nicht  hinter  den  Lech  zurückgehen  wollte,  erklärte  der 
Erzherzog  dem  Angriff  über  Ulm  zuzustimmen,  betonte  aber,  daß  in 

^)  Kriegsarehiv,  1805,  Tirol  FA,  X,  5. 


—     289     — 

diesem  Falle  keine  Zeit  zu  verlieren  sei;  die  Konzentrierung  müsse 
schnell  erfolgen,  um  den  Feind,  der  noch  in  mehreren  Kolonnen 
gegen  Donauwörth  marschiere,  in  der  Flanke  anzugreifen,  bevor  er 
alle  Kräfte  vereinigt  haben  könne.  Maek  stimmte  zu  und  nun  wurden 
sofort  alle  Befehle  ausgefertigt,  um  bis  7.  und  8.  Oktober  das  Korps 
ßiesch  bei  Ulm,  Werneck  mit  Auffenberg  zwischen  Günzburg  und 
Leipheim,  Schwarzenberg  bei  Göggiingen  und  Grimmelfingen  auf 
beiden  Ufern  der  Donau  sehr  enge  zu  konzentrieren'). 

FML.  Jellachich  sollte  je  ein  Bataillon  in  Lindau  und  Mem- 
mingen zurücklassen  und  für  die  Beobachtung  des  Gegners  zwischen 
Bodensee  und  Donau  sorgen,  mit  allen  anderen  Kräften  —  18  Ba- 
taillone und  8  Eskadronen  —  nach  Biberach  marschieren  ^). 

Nach  Ausfertigung  der  Befehle  fuhr  Mack  nach  Ulm,  der 
Erzherzog  nach  Mindelheira  weiter. 

Am  5.  Oktober  langten  Meldungen  ein.  die  bestätigten,  daß 
im  ganzen  Schwarzwalde  kein  Franzose  mehr  stehe;  alles  sei  über 
Rastatt  abmarschiert.  Bei  Kehl  werde  an  Verschanzungen  gearbeitet. 

Sonach  war  klar,  daß  aus  der  Richtung  des  Schwarzwaldes 
keine  Gefahr  drohe. 

Die  Meldungen  schilderten  auch  Stimmung  und  Zustand  der 
französischen  Armee  als  sehr  schlecht. 

Am  5.  Oktober  langte  von  FML.  Kienmayer  eine  sehr  wichtige 
Meldung  ein : 

„Meldung  des  Obersten  Graf  Wallraoden,  Ellwangen, 
3.  Oktober,  6^  früh. 

„Allen  Meldungen  nach  ist  die  Hauptmacht  der  Franzosen  gegen 
Ulm  vorgerückt.    Bonaparte  soll  bei  der  Armee  seiii.    Gestern  hatte 

^)  Vor  seiner  Abreise  von  Mindelheim  hatte  Maek  am  4.  Oktober  an  das 
Korps  Werneek  Befehl  gesandt,  die  Grenadierbrigade  Hohenfeld  sogleich  über 
Krumbaeh  nach  Weißenhorn  abzusenden,  wo  sie  am  5.  abend  eintreifen  müsse, 
mit  den  übrigen  Truppen  aber  am  5.  nach  Memmingen  abzumarschieren.  Beide 
Gruppen  hätten  dort  weitere  Befehle  abzuwarten.  Welche  Absieht  diesem  Befehle 
Macks  zu  gründe  lag,  ist  nicht  zu  erraten.  Mit  dem  wenige  Stunden  später  in 
lUertissen  gefaßten  Entschluß,  die  Armee  bei  Ulm  zu  konzentrieren,  hatte  der 
Befehl  jedenfalls  nichts  zu  tun,  weil  das  Korps  nach  diesem  Entschlüsse  bei 
Günzburg  konzentriert  werden  sollte.  Bei  Erhalt  des  neuen  Befehles  war  aber  ein 
Teil  der  Grenadierbrigade  schon  im  Marsehe  nach  Westeo.  Solche  nutzlose  Hin- 
und  Hermärsehe  waren  an  der  Tagesordnung;  sie  lassen  sieh  aber  an  der  Hand 
der  Akten  selten  so  klar  nachweisen  wie  hier. 

'■')  Kriegsarchiv,  1805,  Tirol  FA,  X,  5.  Dieser  Befehl  wurde  am  5.  Oktober 
um  12  h  301  mittag  in  Bregenz  präsentiert. 

Kraus 8.  1805,  Der  Feldziig  vou  Ulm.  19 


—     290     — 

die  Kolonne  Ney  Rasttag  in  Stuttgart.  In  Schwäbisch-Hall  ist  gestern 
ein  Korps  von  10.000  Mann,  meist  Infanterie,  angesagt  worden.  Das 
Korps  soll  von  Heilbronn  heute  eintreffen.  Im  Amt  Vellberg,  zwei 
Stunden  von  Hall,  sind  Requisitionen  für  das  Korps  der  Großen 
Armee  von  Mannheim  zusammengebracht.  Es  scheint  somit,  daß  sich 
der  linjje  Flügel  der  Grande  armee  bis  hieher  erstrecken  soll.  Von 
Bernadotte  und  Marmont  ist  hier  nichts  zu  hören." 

Der  Meldung  waren  zwei  Briefe  aus  Heilbronn  vom  1.  Oktober 
beigelegt;  deren  Inhalt  war:  Am  29.  September  war  die  1.  Division 
des  Korps  Soult  in  Heilbronn  eingerückt  und  lagerte  östlich  der 
Stadt.  Die  anderen  Divisionen  des  Korps  lagen  zwischen  Heilbronn 
und  Eppingen.  Morgen  (2.  Oktober)  sollen  diese  nachrücken.  Stadt 
und  Amt  Heilbronn  haben  zu  liefern  85.000  Portionen  Brot,  25.000 
Portionen  Fleisch,  24.000  Pfund  Salz,  3600  Zentner  Heu,  6000 
Säcke  Hafer,  6000  Krug  Branntwein,  800  Zentner  Stroh  und  100 
vierspännige  Wagen.  In  Stuttgart  ist  gestern  (30.  September)  Mar- 
schall Ney  mit  6000  Mann  eingerückt.  Der  linke  Flügel  unter  Davout 
steht  bei  Mosbach.  In  Heilbronn  wurde  am  1.  Oktober  die  Kriegs- 
erklärung Frankreichs  an  Österreich  und  Rußland  feierlich  an  die 
Truppen  proklamiert. 

FML.  Kienmayer  fügte  dieser  Meldung  bei,  daß  bei  Donau- 
wörth eine  gute  Brücke  und  bei  Neuburg  eine  fast  unzerstörbare 
steinerne  Brücke  vorhanden  seien.  Bis  Regensburg  bestehen  noch 
mehrere  Brücken.  Er  bat  um  Weisungen  über  die  Zerstörung  der 
Brücken  und  für  sein  Verhalten  gegen  den  Feind.  Bernadotte  und 
Marmont  seien  am  30.  September  persönlich  noch  in  Würzburg  ge- 
wesen^). 


1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  X,  18. 

Am  5.  Oktober  sandte  Erzherzog  Ferdinand  noch  mehrere  andere  im 
Armeehauptquartier  Mindelheim  eingelangte  Meldungen  dem  FML.  Maek  nach. 
Diese  Meldungen  lauteten: 

Ellwangen,  3.  Oktober,  772^^  abend. 

Soeben  erhalte  ich  Meldung,  daß  der  Feind  heute  in  Hall  eingerückt  ist. 
Ich  gehe  morgen  nach  Nördlingen  zurück. 

Wallmoden,  Oberst. 

Von  FML.  Kienmayer  abgesandt  Neuburg,  am  4.  Oktober. 
Bopfingen,  4.  Oktober,  12h  mittag. 

Das  Korps,  das  gestern  in  Schwäbisch-Hall  war,  ist  das  4.  Korps  Soult 
nach  beiliegendem  Requisitionsschreiben.    Stärke  der  Kolonne  nach  Aussage  von 


—     291     — 

FML.  Kienmayei:  erhielt  daraufhin  den  Befehl,  sein  Korps  bei 
Neuburg-  zu  sammeln,  aber  leichte  Kavallerie  auf  dem  linken  iJonau- 
Ufer  zu  belassen,  um  festzustellen,  ob  Bernadotte  gegen  die  Donau 
oder  gegen  Böhmen  marschiere.  Er  sollte  weiters  alle  Übergänge 
ijber  die  Donau  beobachten  lassen  und  vor  überlegenem  Feind  auf 
München  zurückgehen. 

Die  bei  Landsberg  eingetroffene  Artilleriereserve  —  35  Ge- 
schütze —  erhielt  Befehl,  nach  Ulm  zu  marschieren. 

Das  Hauptquartier  erhielt  Weisung,  nach  Ulm  abzugehen,  wo 
es  am  8.  Oktober  einzutrefl'en  hatte. 

Beim  Korps  Kienmayer  erging  am  5.  der  Anftraof  nach  Ingol- 
stadt, die  Brücke  dort  mit  einer  Kompagnie  zu  besetzen,  den  ßest 
der  Bataillone  in  Bereitschaft  zu  halten.  Die  Brücken  bei  Groß- 
mehring.  Yohburg,  Neustadt  und  Kehlheira  waren  durch  Kavallerie- 
detacheraents  zu  besetzen.  Bei  Annäherung  des  Feindes  waren  die 
Brücken  abzuwerfen,  alle  Schiffe  am  diesseitigen  Ufer  zu  sichern. 

Reisenden  15.000  Mann.  Die  Requisition  ist  aber  so  groß,  daß  entweder  in  Hall 
Magazine  errichtet  werden  oder  noch  andere  Kolonnen  folgen. 

Wallmoden,  Oberst. 

Von  FML.  Kienmayer  abgesandt  Neuburg,  am  5.  Oktober,  3h  früh.  (Das 
Requisitionsschreiben  wird  auf  Seite  545,  Fußnote  ^,  wörtlich  angeführt.) 

Aalen,  4.  Oktober,  ^Iz"'^  früh. 

Gestern  nachmittag  sind  18.000  Mann  Infanterie  von  Stuttgart  nach  Göp- 
pingen marschiert.  Starke  Kavallerie  ist  gestern  10 h  vormittag  von  Stuttgart  nach 
Göppingen  marschiert.  In  Stuttgart  sollen  sich  noch  8000  Mann  befinden. 

Gestern  soll  Napoleon  in  Stuttgart  angekommen  sein. 

ValOii  vormittag.  Eine  Patronille  meldet  von  Heidenheim,  daß  vom  Feinde 
nichts  dort  ist.  Doch  erwartet  man  schon  seit  2  Tagen  den  Anmarsch  einer  feind- 
lichen Kolonne  von  Göppingen,  Weißenstein,  Böhmenkirch  nach  Heidenheim. 

Fröhlich,  Major. 

Von  FML.  Kienmayer  abgesandt  Neuburg,  am  5.  Oktober,  3  h  früh. 

Kundschaftsnaeh richten:  Das  Gros  der  feindliehen  Truppen  ist  in 
Stuttgart  und  soll  sich  von  Kann  statt  aus  nach  Schorndorf  ziehen.  Der  Feind  be- 
zahlt Fleisch  und  Brot,  dagegen  muß  die  Pourage  gratis  geliefert  werden.  Die 
requirierten  Wagen  bezahlt  der  Feind  mit  6  Carolin,  auch  die  abgenommenen 
Pferde. 

Die  stärkste  Kolonne  soll  bei  Heilbronn  herauskommen. 

Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  258. 

Man  muß  doch  zugeben,  daß  das  österreichische  Armeekommando  ganz 
vorzüglich  mit  Nachrichten  versorgt  war. 

Oberst  Graf  Wallmoden  war  Kommandant  des  ülanenregiments  Merveldt 
Nr.  1. 

19* 


—     292    — 

Auf  die  Nachricht  vom  Anmärsche  Bernadottes  durch  das  Ans- 
bacher Gebiet  zog  FML.  Kienmayer  am  5.  Oktober  vormittag  seine 
zvrei  Kürassierregimenter  sofort  auf  das  rechte  Ufer  zurück;  nur  eine 
halbe  Eskadron   sollte   zm*  Aufklärung  nördlich  der  Donau  bleiben. 

Die  Beilage  19  zeigt  die  Situation  beider  Teile  am  Abend  des 
5.  Oktobers.  Die  Situation  der  Österreicher  ist  nicht  genau  festzu- 
stellen, vpeil  die  Regimenter  in  fortwährender  Verschiebung  waren 
und  weder  die  Befehle  vom  4.  Oktober,  noch  Berichte  über  die 
Marschbewegungen  vorliegen.  Da  aber  die  Befehle  am  4.  ziemlich 
spät  ausgegeben  wurden  —  in  Bregenz  z.  B.  wurde  der  Befehl  am 
5.  Oktober  um  12^  30^  nachmittag  präsentiert  —  so  konnten  die 
Truppen  zum  größten  Teil  ihre  für  den  5.  Oktober  schon  angeord- 
neten Bewegungen  nicht  mehr  rechtzeitig  ändern.  Die  tatsächliche 
Situation  der  Armee  dürfte  daher  wenig  von  der  abgewichen  sein, 
die  nach  den  Befehlen  des  Erzherzogs  Ferdinand  vom  2.  Oktober 
am  5.  Oktober  abend  hätte  eintreten  sollen. 

Die  Skizze  läßt  erkennen,  daß  tatsächlich  nur  die  Befolgung 
des  Vorschlages  des  Erzherzogs  vom  4.  Oktober,  die  Armee  hinter 
den  Lech  zurückzunehmen,  die  Österreicher  vor  der  Abdrängung 
nach  Tirol  bewahren  konnte.  Weil  aber  ein  großer  Teil  der  Fran- 
zosen zur  Donau-Strecke  Donauwörth — Neubnrg  näher  stand  als  die 
Österreicher  zum  Lech,  so  hätte  der  Rückzug  wahrscheinlich  hinter 
die  Isaf  fortgesetzt  werden  müssen.  Erzherzog  Ferdinand  hatte 
daher  die  Situation  vollkommen  klar  erkannt. 

Der  endlich  gefaßte  Entschluß,  die  Armee  auf  Ulm  zu  kon- 
zentrieren, mußte  die  Umgehung  der  österreichischen  Armee  durch 
die  Franzosen  zur  vollendeten  Tatsache  machen  und  das  Mißlingen 
des  Angriffes  über  Ulm  das  Schicksal  der  Armee  besiegeln,  denn 
sie  hätte  dann  gar  keinen  Rückzug  mehr  offen  gehabt.  Der  Erz- 
herzog hatte  diesem  Entschluß  auch  nur  zugestimmt,  weil  er  er- 
kannte, daß  Mack  starrköpfig  bei  Ulm  stehen  bleiben  wollte  und 
weil  in  diesem  Falle  nur  der  Angriff  die  Armee  vielleicht  vor 
der  Gefahr  der  völligen  Umschließung  bewahren  konnte. 

Während  sich  also  die  österreichische  Armee  nach  Westen 
gegen  Ulm  zusammenzog,  um  nach  dem  8.  zum  Angriff  gegen  die 
Flanke  der  Franzosen  zu  schreiten,  drängte  Napoleon  mit  seiner 
Armee  gegen  die  Donau-Strecke  Donauwörth — Ingolstadt  vor;  am  9., 
an  welchem  Tage  die  Österreicher  den  Angriff  beginnen  konnten, 
mußte  er  aller  Voraussicht  nach    schon    Herr  der  Donau  sein,  weil 


—    293    — 

seine  Truppen  wesentlich  näher  zu  ihr  standen  als  die  entfernteren 
Teile  der  Österreicher  zu  Ulm. 

Was  soll  man  weiter  über  die  Tätigkeit  Macks  sagen? 
Während  die  wichtigsten  Nachrichten  einlaufen,  die  alsogleich  Ent- 
schlüsse und  Befehle  fordern,  jagt  der  tatsächliche  Leiter  der 
Operationen  von  Ort  zu  Ort,  so  daß  ihn  der  nachgesandte  Offizier 
nicht  finden  kann.  Dadurch  gehen  kostbare  Tage  für  den  Entschluß 
verloren;  nur  der  Entschlossenheit  des  Erzherzogs,  der  auf  die  Ge- 
fahr eines  Konfliktes  mit  Mack  die  Befehle  zur  Konzentrierung  der 
Armee  gibt,  ist  es  zu  danken,  daß  die  Armee  überhaupt  noch  bei 
Ulm  zusammenkommt. 

Der  Auftrag  Macks,  die  am  19.  September  unter  schwerer 
Beschuldigung  des  Erzherzogs  Karl  verlangten  Verstärkungen  nach 
Italien  zurückzusenden,  weil  der  Marschplan  feststellt,  daß  die  Bussen 
in  der  Zeit  vom  16.  bis  24.  Oktober  bei  Dachau  eintreffen  sollen,  und  das 
vom  Erzherzog  Ferdinand  angeführte  Motiv  dieses  Auftrages  werfen 
nicht  nur  ein  grelles  Licht  auf  den  Charakter  dieses  Mannes,  sondern 
zeigen  auch,  daß  der  harte  Vorwurf  der  Leichtfertigkeit,  der  ihm 
von  vielen  Seiten  gemacht  worden  ist,  voll  berechtigt  war^). 

Die  Österreicher  waren,  wie  der  kurze  Auszug  der  wichtigsten 
Meldungen  dargetan  hat.  sehr  gut  über  die  Marsehgruppierung  der 
Franzosen  unterrichtet.  Berthier  war  daher  im  L-rtum,  als  er  am 
5.  Oktober  an  Soult  schrieb:  „...Der  Feind  fängt  erst  heute  an, 
unsere  Bewegungen  zu  bemerken  und  vereinigt  sich  bei  Ulm." 
Dieser  Irrtum  war  verzeihlich,  denn  Berthiers  vernünftiger  Sinn 
konnte  es  einfach  nicht  fassen,  daß  die  Österreicher  trotz  voll- 
ständiger Kenntnis  der  Situation  so  töricht  waren,  bei  Ulm  zu 
bleiben.  Denselben  Irrtum  begeht  aber  auch  das  französische  Geschichts- 
werk, indem  es  sagt^):  „Bis  zu  diesem  Tage  verdeckte  die  von  Ney, 
Murat  und  Lannes  gebildete  Gruppe  den  Rest  der  Armee  viel  mehr 
noch  gegen  die  Auskundschaftung  als  gegen  die  Angriffe  des 
Feindes.  Die  Nachrichten,  die  man  von  Ulm  erhielt,  so  nichtssagend 
sie  auch  über  die  Kräfte  des  Feindes  waren,  bezeugten  doch  alle 
die  Unwissenheit  Macks  über  unsere  Bewegungen." 

Kann  man  sich  ein  schärferes  Urteil  über  die  Armeeführung 
Macks  denken,  als  diese  beiden,  um  100  Jahre  auseinanderliegenden 

0  Vergleiche  den  Bericht  Macks  vom  19.  September  (S.  196—199)  mit 
diesem  Verhalten. 

^)  Alombert  et  Colin,  U,  S.  58. 


—     294     — 

Ansichten  in  Verbindung  mit  der  Tatsache,  daß  das  österreichische 
Arraeekommando  schon  am  2.  Oktober  genau  über  die  Kräfte- 
gruppierung Napoleons  unterrichtet  war,  so  genau,  als  man  es  sich  im 
Kriege  nur  wünschen  kann?  Nein!  denn  dieses  Urteil  ist  vernichtend. 

Berthier  hat  übersehen,  daß  auch  die  Franzosen  fast  alle  ihre 
Nachrichten  nicht  der  aufklärenden  Tätigkeit  ihrer  Kavallerie,  son- 
dern nur  Kundschaftern  und  Aussagen  von  Landleuten  verdankten. 
Um  wie  viel  mehr  Nachrichten  mußte  diese  Quelle  auf  deutschem 
Eeichsboden  dem  Heere  des  Deutschen  Kaisers  liefern,  wo  nur  die 
Fürsten  und  nicht  die  großen  Massen  der  Bevölkerung  mit  den 
Franzosen  sympathisierten ^) ! 

Tatsächlich  begnügte  sich  auch  die  Kavallerie  beider  Teile  nur 
damit,  solche  Nachrichten  zu  sammeln  und  weiterzuleiten.  Die 
Tätigkeit  der  Kavallerie,  die  wir  unter  dem  Begriff  „Aufklärung" 
verstehen,  also  das  Aufsuchen  des  Feindes,  das,  wenn  nötig,  ge- 
waltsame Eindringen  in  seine  Marsch-  und  Nächtigungszone,  das 
stete  Umschwärmen  seiner  Kolonnen  wurde  weder  bei  den  Franzosen 
noch  bei  den  Österreichern  ausgeübt. 

Wegen  der  geringen  Wirkung  der  Infanteriegewehre  und  des 
hohen  Kampfwertes  der  Kavallerie  wäre  aber  gerade  damals  die 
Ausübung  dieser  Tätigkeit  leicht  und  erfolgreich  gewesen. 

Interessant  sind  die  Standesverhältnisse  der  österreichischen 
Armee  am  5.  Oktober. 

In  einer  von  Mack  herrührenden  Berechnung  des  Standes  der 
österreichischen  Armeen  heißt  es: 

Die  Kompagnien  der  Infanterie  sind  bereits  auf  den  Stand 
von  180  Gemeinen  gesetzt  und  da  sie  jede  20  Chargen  haben,  so  muß 
die  Kompagnie  für  200,  jedes  Bataillon  zu  vier  Kompagnien  aber 
auf  800  Mann  angenommen  werden. 


^)  Wie  weit  diese  Unterstützung  der' Österreicher  durch  die  Bevölkerung 
ging,  ist  aus  folgendem  zu  ersehen : 

Am  25.  September  sehrieb  der  österreichische  Gesandte  v.  Sehall  in  Karls- 
ruhe an  einen  Erzherzog  (zweifellos  an  Erzherzog  Ferdinand),  daß  der  badisehe 
Minister  des  Äußern  ihn  vertraulich  verständigt  habe,  der  Ehein- Übergang  der 
Franzosen  werde  noch  am  25.  September  beginnen.  Am  nächsten  Tage  solle 
schon  die  ganze  Rhein- Ai-mee  der  Franzosen  auf  deutschem  Boden  stehen. 

(Kriegsarehiv,  Militärfeldakten,  1805, 10'82.  Der  Brief  ist  nicht  präsentiert, 
so  daß  man  nicht  erkennt,  ob  und  wann  er  in  die  Hände  des  Erzherzogs 
Ferdinand  gelangt  ist.) 


—     295     — 

Die  Grenadiere  haben  zwar  mit  Inbegriff  der  Chargen  nur 
140,  mithin  das  Bataillon  560  Mann.  Wenn  man  aber  den  großen 
und  kleinen  Stab  nicht  besonders  in  Anschlag  bringt,  so  kann,  um 
nach  einer  runden  Zahl  zu  berechnen,  jedes  Grenadierbataillon  auf 
600  angenommen  werden. 

Von  der  Kavallerie  betragen  die  Eskadronen  der  leichten  mit 
den  Chargen  150,  jene  der  schweren  aber  130.  Im  Durchschnitt 
können  sie  daher  auf  140  Berittene  angenommen  werden. 

Nach  diesem  Maßstab  ergibt  sich  folgende  Berechnung  für  die 
Armee  in  Deutschland*: 

72  Füsilierbataillone     ä  800  Mann 57.600  Mann. 

15  Grenadierijatailloue  ä  600      „      9.000      „ 

162  Eskadronen  ä  140  Reiter  . 22.680      „     22.680  Pferde 

89.280  Mann,  22.680  Pferde 

*  Nota:  Hierunter  ist  Gemmingen  und  Nassau  begriffen'). 

Dagegen  zeigt  eine  Standesübersicht  vom  6.  Oktober  folgende 
Daten : 

unter  22  abgesondert  nachgewiesenen  Grenadierbataillonen 
hatte  nur  eines  einen  Gesamtstand"),  der  dem  oben  angenom- 
menen Mannschaftsstand  nahekommt  (612  Mann);  14  Bataillone 
hatten  einen  Gesamtstand  von  mehr  als  500  Mann  (von  505  bis  571) 
und  7  Bataillone  von  weniger  als  500  Mann  (496  bis  463  Mann). 

Von  28  Infanterieregimentern,  deren  Stand  bekannt  ist,  hatte 
kein  einziges  Bataillone  mit  dem  Mannschaftsstande  von  800  Mann. 
Nur  5  Bataillone  waren  stärker  als  700  Mann  (Gesamtstand 
715  bis  788  Mann),  nur  17  Bataillone  stärker  als  600  Mann  (618 
bis  656  Mann).  48  Bataillone  blieben  unter  der  Starke  von  600  Mann 
(596  bis  527  Manu)  und  25  Bataillone  unter  dem  Stande  von 
500  Mann  (481  bis  412  Mann);  11  Bataillone  erreichten  mit  ihrem 
Gesamtstande  nicht  einmal  die  Hälfte  des  angenommenen 
Mannschaftsstaudes,  waren  daher  schwächer  als  400  Mann  (389  bis 
349  Mann). 

Der  Feuergewehrstand  der  Bataillone  war  um  26  bis  86  ge- 
ringer als    der  hier  angegebene.     So  zählte  das  stärkste  Grenadier- 

^)  „Ausweis  über  die  Stärke  der  k.  k.  Kriegsmacht,  welche  mit  I.Oktober 
1805  im  Felde  stellen  wird."  Ohne  Datum. 

Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  X,  3'/2-  Unter  Gemmingen  ist  das 
Infanterieregiment,  unter  Nassau  das  Kürassierregiment  dieses  Namens  vorstanden. 

*)  Unter  Gesaratstand  wird  der  Stand  mit  den  Offizieren  verstanden. 


—     296     — 

bataillon  nur  575  Feiierge wehre,  das  schwächste  433;  das  stärkste 
Füsilierbalaillon  hatte  738,  das  schwächste  318  Feiiergewehre. 

Diese  28  Infanterieregimenter  wiesen  tatsächlich  einen  Ge- 
samtstand von  nur  68.939  Mann  auf.  Nach  der  früher  erwähnten 
„Annahme"  Macks  sollten  sie  aber  einen  ausrückenden  Mann- 
schaftsstand von  97.000  Mann  haben,  d.  h.  die  Infanterie  war 
um  mehr  als  ein  Drittel  schwächer,  als  Maek  „angenommen"  hat. 

Der  vorgeschriebene  Kriegsstand  (vom  Jahre  1802)  dieser 
28  Regimenter  hätte  99.800  Mann  betragen  sollen. 

Bei  der  Kavallerie  hatten  8  leichte  Regimenter,  also  64  Eska- 
dronen, einen  Stand  von  über  100  Reitern  bei  jeder  Eskadron  (von 
102  bis  123  Reitern).  Von  7  schweren  Regimentern  mit  56  Eska- 
dronen hatten  nur  die  Eskadronen  von  2  Regimentern  100  und 
]  13  Reiter;  40  Eskadronen  waren  schwächer  als  100  Reiter  (83  bis 
97  Reiter). 

Der  ausrückende  Stand  dieser  120  Eskadronen  betrug 
12.700  Reiter. 

Nach  der  „Annahme"  Macks  sollte  er  16.800  Reiter  (Mann- 
schaft allein)  betragen.  Auf  vollem  Kriegsstand  hätten  die  15  Re- 
gimenter 23.700  Reiter  zählen  sollen^). 

Der  tatsächliche  Stand  der  Kavallerie  betrug  somit  nur  etwas 
mehr  als  die  Hälfte  des  vorgeschriebenen  Kriegsstandes.  Die  Tat- 
sache, daß  die  Infanterie  der  deutschen  Armee  mit  nahezu  einem 
Drittel,  die  Kavallerie  mit  nahezu  der  Hälfte  unter  dem  im 
Jahre  1802  festgesetzten  Kriegsstand  geblieben  ist,  läßt  auf  den 
Wert  der  von  Maek  mit  hochtrabenden  Worten  angeregten  Er- 
höhung dieses  Kriegsstandes  um  20  Mann  bei  jeder  Kompagnie  und 
10  Reiter  bei  jeder  Eskadron  sehließen. 

Wie  es  mit  der  Artillerie  um  diese  Zeit  bei  der  Armee  bestellt  war, 
zeigt  eine  Meldung  des  FML.  Jellachich  vom  5.  Oktober.  Er  meldet, 
daß  weder  die  Linien-  noch  die  Reserveartillerie  eingerückt  sei.  Das 
Korps  hatte  nur  Dreipfünder  zugewiesen.  Nur  das  Regiment  Hild- 
burghausen hatte  seine  Kanonen,  mit  Vorspannpferden  bespannt,  bei 
sich.  Jellachich  meldete  weiter,  daß  seine  Artillerie  schon  diesseits 
des  Arlberges  sein  solle,  er  wisse  aber  nichts  Bestimmtes;  er  habe 
Befehl  gegeben,  daß  sie  nach  Biberach  nachrücke. 


^)  Die  Stände  der  noch  anmarschierenden  Infanterieregimenter  Mittrovsky 
und  Klebeck,  aller  Grrenzregim enter  und  der  Nassau-Kürassiere  fehlen. 


XI.  Der  6.  Oktober. 

(Beilage  20.) 

Österreicher. 

Am  5.  Oktober,  also  gleich  nach  seiner  Ankunft  in  Ulm,  ver- 
faßte Mack  die  „Disposition  zu  dem  Übergang  der  Armee  über  die 
Donau  bei  Ulm   und   zu   ihren  künftigen  Operationen". 

Die  Disposition  lautete: 

„Die  Hauptarmee  wird  nach  den  bereits  erteilten  Befehlen 
längstens  bis  8.  Oktober  am  rechten  Donau-Ufer  rechts  und  links 
vom  Einfluß  der  Hier  solchergestalt  sehr  enge  konzentriert  sein,  daß 
sie  in  der  Zeit  von  etlichen  wenigen  Stunden  auf  den  mehreren  be- 
stehenden Brücken  die  Donau  passieren  und  die  zubereitete  Position 
von  Ulm  beziehen  könne. 

„Die  eintretenden  Umstände  werden  sodann  entscheiden,  ob  es 
rätlieher  sein  werde,  einer  oder  der  anderen  der  vorrückenden  feind- 
lichen Kolonnen  entgegenzugehen,  um  die  Vereinigung  derselben  zu 
verhindern  und  sie  zurückzuwerfen,  oder  rätlicher,  die  Ankunft  der 
rassischen  Armee  und  ihre  Vereinigung  mit  dem  Korps  des  FML. 
Kienmaver  zu  erwarten,  um  alsdann  erst  die  offensiven  Operationen 
gemeinschaftlich  zu  beginnen. 

„Immer  aber  würde  es.  auch  wenn  der  Entschluß  gefaßt  würde, 
bis  zur  Ankunft  der  Eussen  in  der  Position  bei  Ulm  auf  der  De- 
fensive zu  bleiben,  von  der  höchsten  Wichtigkeit  sein,  daß  jedem 
feindlichen  Korps,  das  die  vor  Ulm  stehende  Armee,  ohne  sie  an- 
zugreifen, nur  beschäftigen  und  anheften  wollte,  um  mit  anderen 
Korps  ober-  oder  unterhalb  Ulm  die  Donau  zu  passieren  und  unsere 
Armee  aus  ihrer  Position  zu  manövrieren,  alsobald  aus  dieser  ent- 
gegengerückt und  wenn  man  es  sich  vom  Halse  geschaflft,  ohnverweilt 


—    298     — 

den  feindlichen  Kolonnen,  welche  die  Donau  passiert  hätten  oder 
passieren  wollten,  im  Eüeken  marschiert  würde. 

„Zu  diesem  Ende  ist  es  wesentlich  notwendig,  von  der  Armee 
bei  Ulm  rechterhand  die  Vorposten  bis  in  die  Gegend  von  Giengen 
auszudehnen ;  ein  Intermediärkorps  auf  halbem  Wege  zu  halten  und 
stets  das  äußerste  anzuwenden,  damit  diese  wegen  der  Beleuch- 
tung aller  Schritte  des  Feindes  sehr  wichtige  Gegend,  wenn  sie  auch 
augenblicklich  verlassen  werden  müßte,  alsobald  wieder  gewonnen 
würde.  Ebenso  müßte  sich  hnks  gegen  Eßlingen  und  vorwärts  gegen 
Blaubeuren  und  Geislingen  benommen  werden. 

„Das  Korps  des  FML.  Jellachich  hat  sich  mit  der  aller- 
möglichsten  Beschleunigung  rechts  an  die  Donau  bei  Biberach  zu 
ziehen,  eine  Avantgarde  aber  bei  Stockach  zu  halten,  welche  die  von 
Donaueschingen  kommende  Straße  beobachten  sowie  jene,  die  von 
Hechingen  an  die  Donau  führt.  Sollte  auf  diesen  Straßen  nichts  oder 
nichts  Bedeutendes  vom  Feinde  heranrücken,  so  hätte  FML.  Jella- 
chich mit  seinem  Korps  bei  Riedlingen  oder  Ehingen  die  Donau  zu 
passieren  und  gegen  die  rechte  Flanke  des  gegen  Ulm  vorgerückten 
oder  vorrückenden  Feindes  tätig  zu  operieren. 

„Passierte  aber  eine  feindliche  Kolonne  die  Donau,  so  hat  er 
sie,  im  Falle  sie  nicht  äußerst  überlegen  wäre,  anzugreifen  und  zu- 
rückzuwerfen. Müßte  er  hingegen  vor  gar  überlegener  Zahl  oder 
nach  einem  erlittenen  Unfall  sich  zurückziehen,  so  wirft  er  vor  allem 
nach  Memmingen,  wohin  er  schon  dermalen  ein  Bataillon  abzu- 
schicken hat,  annoch  drei  Bataillone  und  eine  Eskadron  von  Klenau 
in  die  Garnison.  Er  selbst  aber  mit  dem  Hauptkorps  nimmt,  wenn 
es  nötig  wäre  und  nur  so  allmählich  als  es  möglich  ist,  seinen 
Eückzug  gegen  Lindau. 

„Korps  des  FML.  Kienmayer.  Dieses  versammelt  sich  vor- 
wärts Neuburg  oder  Donauwörth  und  trachtet,  wenn  es  selbst  keine 
feindliche  Kolonne  gegen  sich  hätte,  links  seitwärts  gegen  Ulm  vor- 
zudrängen, mithin  gegen  die  linke  Flanke  des  Feindes  mit  mög- 
lichster Tätigkeit  zu  operieren.  Sollte  es  einer  allzu  großen  Übermacht 
weichen  müssen  oder  einen  Unfall  haben,  so  wäre  die  meiste  In- 
fanterie und  Artillerie  nach  Ingolstadt  zu  werfen,  wo  der  Ingenieur- 
Major  Logdmann  augenblickhch  trachten  muß,  die  vorhandenen  Öff- 
nungen —  wäre  es  auch  nur  dm'ch  Palisaden  —  zu  sehließen,  weil 
sich  sodann  eine  brave  Garnison  einem  Feinde,  der  kein  Belagerungs- 
geschütz mit  sich  führt,  immer  gut  verteidigen  kann.  Nur  muß  die 


—     299     — 

Vorsicht  getroffen  werden,  vieles  Schlachtvieh  nach  Ingolstadt  zu 
verschaffen,  damit,  wenn  es  am  Brote  mangeln  sollte,  es  wenigstens 
nicht  an  Fleisch  ermangeln  möge. 

„Die  Kavallerie  trachtet,  sich  auf  dem  rechten  Ufer  der  Donau 
die  Kommunikation  mit  Ingolstadt  so  lange  nur  möglich  offenzu- 
halten; wenn  sie  aber  vor  feindlicher  Übermacht  zurückweichen 
muß,  nimmt  sie  ihren  Rückzug  gegen  Landshut,  wo  schon  um  den 
14.  dieses  die  1.  Kolonne  der  russisch-kaiserlichen  Infanterie  ein- 
treffen und  sonach  alsobald  das  Weitere  veranlaßt  werden  wird. 

„Russisch-kaiserliche  Armee.  Diese  wird  von  Braunau  in 
der  geradesten  Direktion  nach  Landshut  und  von  da  nach  Neuburg 
oder  Ingolstadt  eingeleitet,  umsomehr,  da  es  viel  leichter  ist,  mit 
Vorspann  und  Lebensmitteln  in  jener  Gegend  für  selbe  aufzukommen. 
Gleich  mit  der  ersten  ankommenden  Kolonne  vereinigt  sieh  das 
Kienmayersche  Korps,  oder  im  Falle  die  Infanterie  nach  Ingolstadt 
geworfen  wäre,  wenigstens  die  Kavallerie  desselben.  Von  den  bis 
dahin  eintretenden  Umständen  wird  alles  übrige  abhängen  und  be- 
sonders ob  die  Russen  links  gegen  Ulm  zu  verwenden  sein  werden 
oder  vielleicht  rechts  gegen  Amberg,  im  Falle  die  Bernadottesche 
Armee  wirklich  ernstliche  Absichten  gegen  Böhmen  haben  sollte. 
Um  die  russischen  Generale,  Stabsoffiziere  und  Adjutanten  mit  Reit- 
pferden zu  versehen,  muß  das  Oberamtskommissaiiat  alsobald  400 
Stücke  derselben  ausschreiben  und  nach  Landshut  verschaffen. 

..Artillerie.  Die  Artillerie  für  die  russische  Armee  ist  nach 
Landshut  abzuschicken  und  für  dieselbe  auch  ein  guter  Teil  der  drei- 
pfündigen Kanonen  zu  verwenden,  damit  der  k.  k.  Armee  nicht  allzu 
viele  Sechspfünder  entzogen  werden  mögen,  hingegen  müssen  der- 
selben auch  6  Zwölfpfünder  und  einige  siebenpfündige  Haubitzen  bei- 
gegeben werden,  welche  dermalen  augenblicklieh  nach  Ingolstadt 
mit  der  größten  Beschleunigung  abzuschicken  sind,  damit  sie  mittler- 
weile entweder  der  FML.  Kienmayer  selbst  bei  seinem  Korps  oder 
aber  in  Ingolstadt  verwenden  könne.  Die  noch  ankommenden  zwei 
Kavalleriebatterien  sind  ebenfalls  nach  Landshut  zu  disponieren  und 
der  russischen  Armee  oder  wenn  sie  ehender  ankämen  als  diese, 
mittlerweile  dem  FML.  Kienmayer  beizugeben. 

„Alle  übrige  Reserveartillerie  ist  mit  der  äußerst  möglichen  Be- 
schleunigung alsogleich  nach  Ulm  abzuschicken^)." 

*)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  X,  31a. 


—     300     — 

Die  Disposition  schließt  mit  einer  ganz  allgemein  gehaltenen 
Weisung  für  die  Verpflegung.  An  Brot,  Hafer  und  Heu  sollte  so- 
viel als  möglich  nach  Ulm  geschafft  werden;  daher  sollte  überall, 
besonders  aber  in  Ulm,  Mindelheim,  Memmingen  und  Augsburg  Tag 
und  Nacht  gebacken  werden.  So  viel  Schlachtvieh  war  aufzubringen 
und  nach  Ulm  zu  schaffen,  daß  voller  Überschuß  herrsche  und  auch 
fehlendes  Brot  durch  Fleisch  ersetzt  werden  könne. 

Dem  Erzherzog  Ferdinand  wurde  eine  Abschrift  dieser  Dis- 
position zugestellt.  Im  Begleitschreiben  bittet  Mack  den  Erzherzog, 
die  Instruktionen  an  Kieumayer  und  Jellachich  schleunigst  zu  expe- 
dieren, den  Kommandanten  der  Artilleriereserve  zu  verständigen  und 
alles  mögliche  zu  tun,  um  den  Marsch  rückwärtiger  Regimenter  zu 
beschleunigen,  „denn  es  nimmt  das  Ansehen,  daß  der  Feind  mit 
Macht  gegen  Ulm  anzudrängen  und  vielleicht  diesen  wichtigen 
Punkt,  solange  noch  seine  Befestigung  prekär  ist,  uns  zu  nehmen 
die  Absicht  habe,  da  er  heute  sogar  unseren  zu  Dornstadt  auf  der 
Straße  gegen  Geislingen  ausgestellten  Posten  zurückgeworfen  hat, 
welchen  aber  FML.  Gyulai,  da  er  mit  einiger  Verstärkung  hineilte, 
gleich  wieder ,  dort  etablierte. 

„Morgen  werden  wir  womöglich  eine  Eekognoszierung  machen 
und  Eure  königliche  Hoheit  vielleicht  abends  bei  Ihrer  Ankunft  etwas 
Näheres  melden  können^)." 

Maek  disponierte  also  ganz  unbekümmert  um  die  Tätigkeit  des 
Feindes  auf  Wochen  voraus  —  ein  Beweis  dafür,  daß  er  die  Krieg- 
führung Napoleons  trotz  den  Feldzügen  von  1796  und  1800  nicht 
begriffen  hatte. 

Erzherzog  Ferdinand  bemerkt  sehr  richtig  zu  dieser  merk- 
würdigen „Disposition" :  „Man  ersieht  aus  ihr,  daß  FML.  Mack  von 
dem  Hauptgrundsatz  der  Verabredung,  sogleich  nach  Vereinigung 
der  Armee  bei  Ulm  die  in  Marsch  begriffene  Kolonne  des  Feindes 
anzugreifen,  schon  zum  Teil  abgegangen  ist;  er  setzt  darin  schon 
den  Fall  als  möglich  an,  bei  Ulm  die  Russen  abzuwarten.  Diese 
konnten  erst  zwischen  24.  und  30.  Oktober  bei  Ulm  eintreffen  — 
und  was  mußte  ein  unternehmender  Feind,  der  seine  Armee,  uns 
bereits  so  nahe,  beisammen  hatte,  in  dieser  Zeit  nicht  alles  aus- 
führen?" 


^)  Kriegsarehiv,    1805,    Deutschland    PA,   X,    31.     Von    Maek   selbst   ge- 
sehrieben. 


—     801     — 

Das  Begleitschreiben  zeigt,  wie  Macls  die  Eollen  im  Haupt- 
quartier verteilte.  Er  faßt  die  Entschlüsse,  entwirft  die  Dispositionen 
und  fordert  den  Erzherzog  auf.  alles  vorzukehren,  damit  jeder  bald 
seinen  Beiehl  erhalte  und  damit  bei  Durchführung  der  Dispositionen 
alles  klappe.  Kurz,  er  usurpiert  für  sich  die  Obliegenheiten  des  Armee- 
kommandanten und  schiebt  den  Armeekommandanten  schön  sachte  aut 
den  Platz  des  Generalstabschefs.  Schwerer  hat  sich  noch  nie  die 
dünkelhafte  Überhebung   eines  Generalstabschefs  gerächt  wie   hier! 

Die  zwischen  dem  Armeekommaudanten  und  seinem  despoti- 
schen Batgeber  fast  unausgesetzt  bestehende  räumliche  Trennung 
erschwerte  die  Armeeleitung  gerade  in  der  Zeit,  wo  Einheit  des 
Willens  und  Easehheit  der   Befehlgebung   dringend    geboten  waren. 

Erzherzog  Ferdinand  erhielt  in  Mindelheim  am  6.  früh  die 
Meldung  des  FML.  Kienniayer  vom  5.  Oktober,  daß  20  000  Bayern 
am  5.  bei  Fürth  eingetroffen  waren  und  daß  Bernadotte,  dessen  Korps 
ebenfalls  20.000  Mann  stark  sei,  trotz  dem  Proteste  der  Preußen 
durch  Ansbach  marschiere  und  am  5.  zwischen  Ansbach  und  Pappen- 
heim nächtigen  w^erde. 

Kienmayer  meldete  weiters,  daß  er  infolgedessen  seine  Truppen 
hinter  die-  Donau  zurückgezogen  und  das  Eegiment  Gemmingen  an- 
gewiesen habe,  wenn  nötig,  nach  Böhmen  zurückzugehen ;  ferner 
meldete  er.  daß  der  französische  General  Bertrand  vor  kurzem  die 
Donau  rekognosziert  habe,  besonders  genau  den  Abschnitt  Donau- 
wörth— Eegensburg. 

Erzherzog  Ferdinand  sandte  von  Mindelheim  den  aus  Tirol  an- 
marschierenden Eegimentern  Czartoryski,  Mittrovsky  und  Klebeek  den 
Befehl,  sofort  nach  ihrem  Eintreffen  in  Kaufbeurfen  in  starken  Mär- 
schen nach  Ulm  weiterzumarschieren.  Die  Tornister  sollten  auf 
Wagen  befördert  werden ;  der  Mannschaft  wurde  eine  Verpflegszubuße 
gewährt. 

Der  Erzherzog  fuhr  sodann  von  Mindelheim  ül»er  Memmingen 
nach  Ulm.  Dort  war  inzwischen  bei  Mack  eine  Meldung  des  FML. 
Freiherrn  v.  Auffeniterg  aus  Günzburg  eingetroffen,  daß  die  Fran- 
zosen auf  dem  linken  Donau-Ufer  gegen  Günzburg  vorgingen:  Pa- 
trouillen hätten  bereits  Gundelfingen  und  Stotzingen,  das  Gros  Giengen 
erreicht.  Er  habe  sofort  alle  drei  Brücken  bei  Günzlmrg  abtragen 
lassen'). 

^)  Auflfenberg  meinte  jedenfalls  die  zwei  Brücken  bei  Günzburg  und  die 
Brücke  bei  ßeisensburg. 


—     302     — 

Mack  sandte  an  FML.  v.  Werneck  den  Befehl,  sofort  mit  allen 
Kräften  „dringend"  nach  Günzbiirg  abzumarschieren,  um  „bei  Günz- 
burg  eine  Position  zu  nehmen,  durch  welche  Sie  die  beiden  Brücken 
der  Donau  decken.  Jenseits  der  Donau  schicken  Sie  gegen  Giengen, 
wo  der  Feind  steht,  Kavaileriepatrouillen  aus." 

FML.  Auftenberg  erhielt  den  Befehl,  bei  den  Brücken  nur 
den  Belag  zu  entfernen,  um  sie  rasch  wiederherstellen  zu  können'). 

An  FML.  Kienmayer  sandte  Mack  am  6.  den  Befehl: 

„Die  dermalige  Lage,  in  der  ich  mich  hier  befinde,  ist  fol- 
gende: Der  Feind,  welcher  mit  seiner  Hauptmacht  bei  Stuttgart  und 
Heilbronn  stand,  zog  sich  seither  über  Geislingen  auf  Heidenheim 
und  bedroht  überhaupt  sich  von  mir  rechts  ab  gegen  die  untere 
Donau  und  gegen  Sie  zu  ziehen.  Bei  diesen  Umständen  sammle  ich 
hier  bei  Ulm  den  größten  Teil  der  Armee  und  werde  am  9.,  wenn 
nicht  unvorhergesehene  Dinge  eintreten,  den  Feind  in  seinem  Rücken 
angreifen. 

„Sollten  Sie  bis  dahin  sich  noch  am  linken  Donau-Üfer  haben 
erhalten  können  und  vielleicht  die  von  Ansbach  vorrückenden  feind- 
lichen Truppen  noch  genugsam  entfernt  wissen,  so  hätten  Sie  zu 
trachten,  links  seitwärts  gegen  Ulm  vorzudringen,  mithin  gegen  die 
linke  Flanke  des  Feindes  mit  möglichster  Tätigkeit  zu  operieren. 
Übersetzt  aber  der  Feind  zwischen  mir  und  Ihnen  die  Donau,  so 
haben  Sie  den  übergegangenen  Feind  nach  Ihren  Kräften  und 
sonstigen  wichtigen  Rücksichten  zu  beobachten  und  womöglich  an- 
zugreifen '^)." 

Hier  fällt  die  unrichtige  und  unklare  Sprache  auf.  Eine  feind- 
liche Armee,  die  von  Stuttgart  gegen  Donauwörth,  Neuburg  vorgeht, 
zeigt  gegen  Ulm  ihre  rechte  Flanke  und  nicht  den  Rücken.  Ist 
diese  Armee   aber   schon   so   weit   nach  Osten  gekommen,    daß  ein 


^)  Maek  hatte,  der  Fassung  der  beiden  Befehle  nach  zu  schließen  eine  Auf- 
stellung des  Korps  Werneek  auf  dem  südliehen  Donau-Ufer  vor  Augen,  denn 
sonst  wäre  die  Unterbrechung  der  Brücken  durch  FML.  Auflfenberg  sinnwidrig. 
Durch  eine  solche  Position  war  es  natürlich  unmöglich,  die  Donau-Brücken  .,zu 
decken" ;  man  konnte  sie  damit  höchstens  sperren. 

-)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIIl,  106,  Beilage  96 V2-  Erzherzog 
Ferdinand  seh  reibt :  Am  6.  soll  dieser  Befehl  an  Kienmayer  abgesandt  worden 
sein.  Der  Befehl  muß  an  diesem  Tag  abgegangen  sein,  denn  in  einem  Befehl 
an  Kienmayer  vom  7.  Oktober  heißt  es :  „Hier  muß  ich  ebenfalls  von  dem  Ihnen 
gestern  mitgeteilten  Unternehmen  abgehen,  neue  Umstände  veranlassen  mich,  die 
Armee  bei  Günzburg  zu  sammeln  ..." 


—     303     — 

Angriff  aus  Ulm  ihren  Rücken  treffen  muß,  dann  ist  os  unmöglich, 
von  Neuburg  her  gegen  ühn  vordringend,  ihre  linke  (nördliche) 
Flanke  anzugreifen.  In  Befehlen  dürfen  Begriffe  und  Worte  nicht 
so  willkürlich  durcheinandergeworfen  werden.  Das  ist  immer  ein 
Beweis  für  die  unklare  Vorstellung  und  den  unklaren  Willen  des 
Befehlgebers. 

Am  Abend  des  6.  Oktobers  traf,  vom  FML.  Kienmayer  gesandt. 
ein  Bataillon  mit  zwei  Geschützen  bei  Donauwörth  ein,  wo  die 
Kavallerie  bereits  hinter  den  Fluß  zurückgegangen  war  und  die 
Brückendecke  abgeworlen  hatte. 

Am  6.  Oktolier  sandten  sowohl  Erzherzog  Ferdinand  als  Mack 
Berichte  an  den  Kaiser  ab. 

Der  Vergleich  der  beiden  Berichte  gibt  so  treffliche  Aufklärung 
über  die  ganze  Anlage  dieser  zwei  Generale,   daß   sie   hier   folgen : 

Mack  schreibt  aus  Ulm  am  6.  Oktober  abend:  „Von  Seiner 
königlichen  Hoheit  dem  Erzherzog  Ferdinand  wissen  Eure  Majestät, 
daß  der  Feind  (auf  eine  sehr  schändliche  Weise)  die  Feindseligkeiten 
angefangen  hat.  Gestern  und  heute  manövrierte  er  gegen  Ulm,  aber 
wir  standen  fest  und  er  zog  sich  wieder  zurück  (!)  ^).  Jetzt  fängt  er 
an,  sich  gegen  Günzburg  zu  ziehen,  ist  aber  noch  3  Stunden 
davon  entfernt  und  morgen  früh  findet  er  dort  25  Bataillone,  die 
die  Brücke  verteidigen.  Er  scheint  alle  seine  Hoffnungen  darauf  zu 
gründen,  uns  durch  Bedrohung  unseres  Rückens  und  unserer  Kom- 
munikationen von  Ulm  wegzubringen;  aber  feste  werden  und  können 
wir  hier  stehen,  weil  Memmingen  bereits  verteidigungsfähig  ist, 
mithin  unsere  Zufuhr  nicht  längs  der  Donau  kommt.  Auch  wenn 
er  viel  weiter  unterhalb  die  Donau  passierte  und  sogar  gegen  den 
Inn  vorrückte,  würden  wir  keineswegs  das  rechte  Uier  suchen,  noch 
weniger  Ulm  verlassen,  wohl  aber  auf  dem  linken  abwärts  rücken, 
mithin  seine  eigene  Kommunikation  gefährden  und  ihn  zwischen  uns 
und  die  Russen  bringen.  Wenn  ich  jemals  Hoffnung  auf  glücklichen 
Erfolg  gehabt,  so  habe  ich  sie  jetzt  und  Eurer  Majestät  großen  und 
weisen  Entschlüssen  sind  wir  sie  allein  schuldig.  Oh !  hätten  doch 
Eure  Majestät  die  Armee  nicht  wieder  verlassen  müssen,  A\elcher 
Sie  den  ersten  Sieg,  den  uns  Gott  vielleicht  noch  vor  Ankunft  der 
Russen  schenken  wird,   vorbereiteten.  Bis  morgen  abend  werden 

^)  Diese  Stelle  des  Beiiehtes  bezieht  sieh  auf  die  Vertreibung  des  öster- 
reichischen Postens  bei  Dornstadt  (s.  S.  300)  ist  daher  eine  der  für  Mack 
charakteristischen  Großsprechereien. 


—     304     — 

wir  nahe  an  80  Bataillone  versammelt  haben  und  sodann 
nicht  verweilen,  im  Rücken  des  Feindes  tätig  zu  werden, 
der  uns  im  Rücken  nehmen  will.  Erlauben  mir  Eure  Majestät 
die  alleruntertänigste  Bitte,  uns  ja  gewiß  bis  22.  Allerhöchst  Ihre 
beglückende  Gegenwart  wieder  zu  schenken,  die  gewiß  unseren  Um- 
ständen, wenn  sie  wider  alle  bessere  Hofifnung  wanken  sollten, 
alsobald  wieder  aufhelfen  oder  wenn  sie  günstig  bleiben,  unser  Glück 
bald  auf  einen  hoben  Grad  emporbringen  würde  ')." 

Erzherzog  Ferdinand  berichtet  am  6.  Oktober  früh  aus  Mindel- 
heim:  „Die  soeben  eingelangten  Berichte  des  FML.  Kienmayer  eile 
ich  Euer  Majestät  alleruntertänigst  zu  überreichen.  Ihr  Inhalt  ist 
von  der  äußersten  Wichtigkeit  und  dürfte  vielleicht,  um  den 
späteren  Begebenheiten  zuvorzukommen,  einige  von  Wien  aus  zu 
treffende  Anstalten  in  Böhmen  fordern. 

„Auf  die  Gewißheit,  daß  die  sämtliche  französische  Armee  sich 
vollkommen  rechts  ziehe,  durch  das  Württembergische  und  den 
fränkischen  Kreis  die  untere  Donau  und  selbst  Böhmen  bedrohe, 
habe  ich  mit  Übereinkommung  des  FML.  Mack  meine  Hauptforce 
bei  Ulm  dergestalt  gesammelt,  daß  bis  zu  dem  8.  dieses  eine  an- 
sehnliche Macht  dort  beisammen  sein  wird,  mit  welcher  ich  den 
vermöge  letzteingegangener  Nachrichten  bei  Göppingen  vereinigten 
rechten  Flügel  unter  General  Ney  mit  dem  Centro  unter  »Soult  an- 
greifen kann,  im  Falle  noch  bis  dahin  die  getrennte,  von 
ihrem  linken  Flügel  und  dem  Bernadotteschen  Korps  weit 
abgesonderte  feindliche  Armee  noch  fortfährt,  die  näm- 
lichen Gründe  eines  Angriffes  auf  sie  darzubieten. 


*)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  F  A,  X,  43V3.  Von  Mack  selbst  ge- 
sehrieben. 

Auch  von  diesem  Beriehte  sandte  Maek  eine  Abschrift  an  Cobenzl.  Der 
Begleitbrief  lautete: 

„In  der  Vermutung,  daß  es  Seiner  Majestät  nieht  unangenehm  sein  vpürde, 
in  den  eingetretenen  Umständen  aueh  meine  Meinung  und  Stimmung  zu  kennen, 
habe  ich  gut  zu  tun  geglaubt,  solehe  in  einem  kleinen  Berichte,  wovon  ich  Euer 
Exzellenz  eine  Abschrift  beilege,  auszudrücken. 

„Ich  bitte  Euer  Exzellenz  mir  ja  gevpiß  das  Glück  und  Vergnügen  zu  ver- 
sehaifen,  Ihnen  bis  22.  wieder  einmal  mündlieh  meine  Treue,  innigste  Verehrung 
versichern  zu  können. 

„Ulm,  am  6.  Oktober  1805. 

Mack,  FML." 

Hof-  und  Staatsarehiv,  Kriegsakten,  484.  Von  Maeks  Hand  geschrieben. 


—     305     — 

„Solcher  wird  um  so  nötiger,  als  das  kühne  Vorhaben,  mit 
welchem  sich  der  Feind,  der  königlich  preußischen  Neutralität  Trotz 
bietend,  Böhmen  nähert,  durch  einen  Angrifif  in  seinen  Kücken  oder 
rechte  Flanke  allein  aufgehalten  werden  kann. 

„FML.  Kienmayer,  so  bei  Neuburg  und  Ingolstadt  stehet,  wird, 
wenn  der  Feind  ihn  mit  großer  Übermacht  angreifen  sollte,  über 
Landshut  seinen  Rückweg  an  die  kommende  kaiserlich  russische 
Armee  nehmen.  Ich  aber  werde  mit  der  Hauptarmee  bei  Ulm 
bleiben,  um  von  da  aus  im  Eücken  der  französischen  Armee  zu 
operieren. 

„Diesen  Augenblick  gehe  ich  nach  Ulm  und  lasse  das  Haupt- 
quartier dahin  tblgen.  Von  dort  aus  werde  ich  im  stände  sein,  Euer 
Majestät  umständlichere  Berichte   allergehorsamst   zu  unterlegen')." 

Es  ist  wohl  nicht  nötig,  über  den  unterschied  in  diesen  Be- 
richten viel  Worte  zu  verlieren.  Ausdrücklich  soll  nur  darauf  ver- 
wiesen werden,  daß  der  Erzherzog  das  richtige  Gefühl  hatte,  die 
Versammlung  der  Armee  werde  zu  spät  zu  stände  kommen,  ein 
Gefühl,  das  Mack  in  seiner  Selbstüberhebung  vollkommen  fremd  blieb. 

Franzosen. 

Am  5.  Oktober  war  eine  Reihe  von  Befehlen  ergangen. 

Das  6.  Korps  (Ney)  sollte  am  7.  Oktober  über  Neres- 
heim  auf  Donauwörth  marschieren.  „General  Dumas,  den  ich  Ihnen 
sende",  heißt  es  im  Befehle  Berthiers,  „wird  mit  Ihnen  die  Route 
festsetzen,  die  Sie  nehmen,  angesichts  dessen,  daß  dies  eine  Quer- 
verbindung ist,  die  rekognosziert  werden  muß^)." 

Ney  sollte,  wenn  der  Feind  bei  Donauwörth  Widerstand 
leistete,  am  8.  Oktober  angreifen  und  die  Straße  Donauwörth — Ulm 
etwa  bei  Erlingshofen  sperren. 

Murat  erhielt  Befehl,  am  7.  Oktober  Donauwörth  zu  erreichen. 
Wenn  der  Feind  dort  stark  wäre,  sollte  Murat  die  Korps  Soult  und 
Ney  erwarten,  die  Befehl  hatten,  dort  anzugreifen.  Wenn  aber  der 
Feind  so  schwach  wäre,  daß  Murat  mit  seinen  6000 — 8000  Dragonern 
Donauwörth  und  die  Brücke  nehmen  konnte,  dann  war  er  ermächtigt, 


0  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  40. 

*)  General  Dumas  war  mareehal  des  logis  der  Großen  Armee;  zu  seinen 
Obliegenheiten  gehörte  auch  die  Festsetzung  der  Marsehlinien  der  Kolonnen,  die 
Verfassung  der  Marsehtableaus  und  aller  Anordnungen  für  die  Märsehe. 

Kr  au  SS.  1805,   Der  Feldzug  von  Ulm.  20 


—     306     — 

es  zu  tun.  Er  erhielt  Auftrag,  in  diesem  Fall  alle  nötiiren  Arbeiten 
durchzuführen.  Sollte  es  unmöglich  sein,  sich  der  Brücke  zu  be- 
mächtigen, weil  der  Feind  das  rechte  Ufer  sehr  stark  besetzt  hielt, 
dann  hatte  er  das  Donau-Ufer  auf  zwei  Meilen  beiderseits  Donauwörth 
zu  besetzen,  alle  Kähne  und  Schiffe,  deren  er  habhaft  werden 
konnte,  zu  sammeln,  damit  man  am  8.  Oktober  an  den  Übergang 
denken  könne.  Murat  sollte  Ney,  Davout  und  Soult  mit  Nachrichten 
versehen  und  mit  Marmont  Verbindung  herstellen. 

Die  Dragoner  zu  Fuß  erhielten  den  direkten  Befehl,  am  7. 
in  Heidenheim  zu  bleiben,  um  den  etwa  aus  Uhn  vorbrechenden 
Feind  aufzufangen.  Die  Division  Gazan  sollte  am  7.  zu  ihrer  Unter- 
stützung bei  Aalen  stehen  bleiben,  die  Division  d'Hautpoul  am  7. 
abend  in  Nördlingen  sein. 

Um  10^  nacht  sandte  Berthier  noch  die  Nachricht,  daß  der 
Feind  bei  Nördlingen  stehen  solle  und  daß  Soult  ihn  am  6.  Oktober 
dort  angreifen  werde;  Murat  solle  dem  Feind  den  Eückzug  ab- 
schneiden. Es  sei  wahrscheinlich,  daß  Soult  schon  am  6.  in  Donau- 
wörth sein  werde.  Es  müsse  versucht  werden,  sich  des  Überganges 
schon  am  7.  zu  bemächtigen. 

Um  lO''  30^  nacht  schrieb  der  Kaiser  aus  Gmünd  an  Murat, 
General  Bourcier  solle  mit  der  4.  Dragonerdivision  alle  Zugänge 
nach  Ulm  auf  3  Meilen  vor  der  Stadt  absperren,  „da  es  sehr 
wichtig  ist,  unsere  Bewegungen  dem  Feinde  zu  verschleiern". 
Boureier  sollte  auch  am  7.  vor  Ulm  bleiben. 

Lannes  (5.  Korps)  hatte  am  7.  in  Bopfingen  einzutreffen, 
das  kaiserliche  Hauptquartier  und  die  Garde  sollten  Nördlingen 
erreichen. 

Soult  (4.  Korps)  erhielt  Befehl,  am  7.  nach  Donauwörth 
zu  marschieren  und  sich  den  Übergang  über  die  Donau  zu  erzwingen. 
„Sollte  der  Feind  so  unklug  sein,  Sie  bei  Nördlingen  abzuwarten, 
hofft  der  Kaiser,  daß  Sie  ihn  auf  gute  Weise  behandeln.  Wenn  er 
mit  starken  Kräften  bei  Nördlingen  stünde,  würden  Sie  sicher  Davout 
verständigen,  der  Ihnen  seine  Kavallerie  und  einen  Teil  seines  Korps 
senden  würde.  Marschall  Davout,  der  längs  der  Wörnitz  gegen  die 
Brücke  bei  Harburg  vorginge,  wäre  in  der  Lage,  den  Feind  abzu- 
schneiden." 

Davout  (3.  Korps)  sollte,  sobald  er  sicher  war,  daß  bei 
Nördlingen  nichts  vom  Feinde  stehe,  was  Soult  aufhalten  könnte, 
über  Öttingen  auf  Monheim  marschieren,  um,  wenn  nötig,  Marmont 


—     307     — 

und  Bernadotte  zu  unterstützen,  weil  bei  Eichstädt  ein  feindliches 
Korps  von  12.000  bis  15.000  Mann  steht;  wenn  der  Feind  sich 
hinter  die  Donau  zurückgezogen  hätte,  sollte  Davout  im  Laufe  des 
7.  Oktobers  die  Brücke  bei  Neuburg  oder  eine  andere  zwischen 
Neuburg  und  der  Lech-Mündung  nehmen.  War  das  geglückt,  dann 
sollte  Davout  sofort  mit  seinem  ganzen  Korps  übergehen  und  Mar- 
mont  und  Bernadotte  davon  verständigen,  damit  sie  folgen. 

Nach  diesen  Befehlen  sollte  also  der  Donau-Übergang  bei  Donau- 
wörth durch  Soult  und  Murat,  bei  Neuburg  durch  Davout  spätestens 
am  7.  Oktober  forciert  werden.  Napoleon,  der  schon  durch  seine 
ursprünglichen  Forderungen  den  Truppen  große  Marschleistungen 
zugemutet  hatte,  steigerte  seine  Anforderungen,  je  näher  die  Korps 
der  Donau  kamen,  immer  mehr  und  mehr  ^).  Er  fordert  diese  starken 
Marschleistungen,  weil  er  erkannte,  daß  sich  die  Truppen  nur  durch 
ihren  Schweiß  viel  Blut  ersparen  konnten,  da  die  günstige  Situation 
—  der  Feind  in  Konzentrierung  gegen  Ulm,  also  nach  Westen, 
während  er  ihn  im  Osten  umgehen  wollte  —  nicht  lange  anhalten 
konnte.  Ein  bis  zwei  Tage  Verzögerung  und  die  Armee  hätte  viel- 
leicht den  Donau-Übergang  der  ganzen  feindlichen  Armee  in  schwerem 
Kampfe  abringen  müssen. 

Diese  Erkenntnis,  die  sich  auch  auf  die  Marschälle  übertragen 
hatte,  veranlaßte  am  6.  Oktober  einen  förmlichen  Wettlauf  der 
vordersten  Korps  auf  Donauwörth. 

Murat  ertährt  am  5.  während  des  Marsches,  daß  Donauwörth 
von  den  Österreichern,  die  sich  auf  Ulm  konzentrieren,  nicht  besetzt 
sei.  Er  entschließt  sich,  Donauwörth  noch  am  6.  .Oktober  zu  be- 
setzen. Die  Division  Klein  erhält  daher  Befehl,  Donauwörth  sofort 
aufklären  zu  lassen  und  wenn  es  noch  unbesetzt  sein  sollte,  um 
Mitternacht  aufzubrechen  und  Donauwörth  und  die  Brücke  in  Besitz 
zu  nehmen. 

Soult  (4.  Korps)  hatte  am  6.  früh  erfahren,  daß  die 
Österreicher  —  es  war  nur  ein  Kavalleriedetachement  dort  —  Nörd- 
lingen  geräumt  und  eilig  auf  Donauwörth  abgezogen  seien.  Er  gab 
daher  seinen  zwei  vorderen  Divisionen  Befehl,  nach  Donauwörth  zu 


^)  Vergleiche  die  Situationen  naeli  den  Befehlen  vom  17.  und  20.  Sep- 
tember, nach  denen  die  Korps  am  9.  Oktober  die  Linie  Weißenburg— Nördlingen — 
Ulm  erreichen  sollten,  und  nach  dem  Befehl  an  Bernadotte  vom  28.  September, 
nach  dem  die  Korps  Davout  und  Soult  schon  am  8.  Oktober  die  weiter  vorne 
liegende  Linie  Monheim — Hoppingen  zu  erreichen  hatten. 

20* 


—     308     — 

marschieren,  sich  der  Wöriiitz-  und  Donau-Brücken  zu  bemächtigen 
und  möglichst  viele  Kähne  und  Holzvorräte  zu  sammeln. 

Der  Kaiser,  der  die  Meldungen  beider  Marschälle  über  ihre 
Absichten  erhielt,  spornte  beide  noch  mehr  an,  indem  er  jedem 
Nachricht  über  die  Anstrengungen  des  anderen  gab. 

Berthier  schrieb  am  6.  früh  an  Murat:  „Der  Feind  hat  Nörd- 
lingen  während  der  Nacht  geräumt.  Die  Division  Vandamme  ist  im 
Eilmarsch  nach  Donauvpörth,  wo  sie  am  Abend  eintreffen  dürfte.  Sie 
haben  Donauwörth  so  bald  als  möghch  zu  erreichen",  und  an  Soult 
schrieb  der  Kaiser  am  6.  Oktober:  „Murat  ist  im  Eilmarsch  auf 
Donauwörth;  er  wird  es  heute  abend  oder  morgen  früh  erreichen. 
Senden  Sie  die  Pontons  zur  Brücke  von  Harburg  und  lassen  Sie  für 
diese  einen  Weg  von  dort  zur  Donau  abwärts  der  Lech-Mündung 
rekognoszieren.  Meine  Absicht  ist,  meine  Schiffbrücke  abwärts  der 
Lech-Mündung  zu  schlagen,  um  diese  Position  zu  umgehen;  aber 
wenn  ich  die  Brücke  bei  Donauwörth  nehmen  kann,  wird  mich  das 
nicht  hindern,  das  auf  der  Stelle  auszunützen."  Man  sieht,  der  Kaiser 
hat  immer  zwei  Eisen  im  Feuer.  Er  will  die  Brücke  bei  Donauwörth 
nehmen,  er  sorgt  aber  trotzdem  auch  für  eine  Schiffbrücke. 

Die  österreichische  Kavallerie,  die  von  Nördlingen  auf  Donau- 
wörth, verfolgt  von  der  Kavallerie  Soults,  zurückgegangen  war,  zog 
sich  noch  am  Abend  des  6.  Oktobers  auf  das  südliche  Donau-Ufer 
zurück  und  begann  die  Brückendecke  abzuwerfen.  Gegen  8^  abend 
besetzte  die  Vorhut  Soults  Donauwörth  und  beschoß  die  an  der 
Brücke  arbeitenden  Österreicher.  Das  vor  kurzem  eingetroffene  öster- 
reichische Bataillon  erwiderte  dieses  Feuer  und  setzte  auch  seine 
zwei  Kanonen  ins  Feuer.  Das  Feuergefecht  dauerte  etwa  eine 
halbe  Stunde.  Ein  Detachement,  bestehend  aus  einem  Bataillon, 
2  Eskadronen  und  2  Geschützen  wurde  zur  Brücke  bei  Münster 
dirigiert.  Das  Korps  nächtigte  mit  der  2.  Division  Vandamme  bei 
Möttingen  und  mit  den  anderen  drei  Divisionen  bei  Nördlingen.  Die 
Vorhut  hatte  am  6.  Oktober  45  hn,  das  Gros  der  2.  Division  etwa 
40  Tim  hinterlegt. 

Murat  erreichte  am  Abend  des  6.  Oktobers  Diemantstein, 
16 /cm  westlich  Donauwörth; 

Lannes  mit  der  Grenadierdivision  Neresheim,  die  Garde 
Bopfingen ; 

Davout  stand  am  Abend  mit  seinem  Korps  bei  Öttingen  und 
hatte  seine  Vorhut  bis  Harburg  vorgeschoben; 


—    309     — 

Marmont  nächtigte  bei  Wassertrüdingen  und  Bernadotte 
bei  Gunzenhausen.  mit  der  Kavallerie  bei  Weißenburg,  die  Bayern 
bei  Spalt. 

Die  Situation  am  6.  Oktober  abend  —  Beilage  20  —  zeigt 
uns  die  Armee  auf  der  80  Itm  breiten  Front  Giengen — Spalt.  Fünf 
Korps  und  der  größte  Teil  der  Kavalleriereserve  nehmen  nur  eine 
Front  von  50  hm  ein  (Spalt— Diemantstein). 

Am  rechten  Flügel  hatten  das  6.  Korps,  die  Dragoner  zu  Fuß, 
die  4.  Dragonerdivision  und  die  Division  Gazan  das  Herausbrechen 
des  Feindes  aus  Ulm  zu  verwehren,  somit  die  Flanke  der  Armee  zu 
sichern.  Das  Zentrum  der  Armee  hatte  mit  einer  weit  vorgetriebenen 
Vorhut  bereits  Donauwörth  in  Besitz  genommen.  Der  linke  Flügel 
einschließlich  des  Korps  Davout  war  im  Begriffe,  gegen  die  Donau 
bei  Neuburg — Ingolstadt  vorzugehen,  somit  die  Lech-Linie  zu  um- 
gehen und  deren  Verteidigung  unmöglich  zu  machen. 

Die  Situation  der  Österreicher  am  6.  abend  läßt  sich  nicht 
genau  feststellen.  Die  Gruppen  Auflfenberg  (Zusmarshausen)  und 
Werneck  (Krumbach)  waren  im  Marsche  nach  Günzburg.  An  der 
Brücke  von  Donauwörth  stand  nur  ein  Bataillon.  Kienmayer,  bei  dem 
das  Eegiment  Deutschmeister  eingerückt  war,  stand  bei  Neuburg 
und  Ingolstadt.  Die  Verhältnisse  lagen  daher  für  den  Übergang  der 
Franzosen  bei  Donauwörth  sehr  günstig. 


XII.  Der  7.  Oktober. 

(Beilage  21.) 

Österreicher. 

Am  7.  Oktober  um  3 ''.früh  kam  Mack,  begleitet  von  den 
FML.  Fürsten  Schwarzenberg  und  Grafen  Gjulai,  zu  Erzherzog 
Ferdinand  und  äußerte  seine  Besorgnisse  über  die  Gefahren,  die  die 
Armee  bedrohten,  wenn  der  von  Ulm  aus  beabsichtigte  Angriff  miß- 
lingen sollte,  vporauf  ihn  der  Erzherzog  bereits  am  4.  Oktober  bei 
Illertissen  aufmerksam  gemacht  hatte.  Mack  las  hierauf  dem  Erz- 
herzog seine  neue  „Disposition"  —  so  nennen  sowohl  Erzherzog- 
Ferdinand  als  Oberst  Bianchi  dieses  Schriftstück  —  vor.  Sie  lautet: 

„Betrachtungen    über    die    Lage    der    gegenwärtigen    Um- 
stände, 
^ülm,  am  7.  Oktober  1805. 

„Es  ist  beinahe  erwiesen,  daß  der  Feind  die  Absicht  habe,  sein 
Spiel  von  Marengo  zu  erneuern,  mithin  die  Armee  im  Eücken  zu 
fassen  und  von  den  Erblanden  abzuschneiden. 

„Da  wir  Meister  von  Ulm  sind  und  dieser  Platz  bereits  in  Ver- 
teidigungsstand ist,  so  würde  es  ein  leichtes  sein,  ihm  diese  toll- 
kühne Absicht  teuer  bezahlen  zu  machen,  weil  man  längs  dem  linken 
Donau-Ufer  nur  gegen  ihn  abwärts  operieren  dürfte,  wo,  wenn  man 
das  Glück  hätte,  ihn  zu  schlagen,  sein  Schicksal  schrecklich  werden 
müßte,  während  das  unsrige,  wenn  wir  geschlagen  würden,  niemals 
sehr  unglücklich  ausfallen  könnte,  da  wir  gegen  Ulm  einen  gesicherten 
Eückzug  hätten. 

„Nur  setzet  sich  diesem  Entwurf  eine  wichtige  Betrachtung  ent- 
gegen, diese  nämlich,    daß    von  Ulm   angefangen   weit  abwärts  auf 


—     311     — 

dem  linj^en  Ufer  das  Land  sehr  gebirgig  und  durchschnitten,  über- 
dies aber  vom  Feinde  bereits  ausgezehrt  ist. 

„Zwar  haben  wir  den  Vorteil,  auf  der  Donau  abwärts  unsere 
Bedürfnisse  nachkommen  lassen  zu  können,  aber  da  man  an  der 
Donau  selbst  nicht  operieren  kann,  weil  die  dem  Feind  und  seiner 
Art  Krieg  zu  führen,  so  vorteilhaften  Gebirge  allzu  nahe  gegen  den 
Strom  hinreichen,  so  würde  unsere  Subsistenz  immer  sehr  vielen 
Beschwerlichkeiten  unterliegen. 

„Es  handelt  sieh  also  sehr  wichtig  um  die  Entscheidung  der 
Frage,  ob  es  nicht  ratsamer  wäre,  mit  der  zusammengehaltenen 
Armee  auf  dem  rechten  Donau- Ufer  zu  bleiben,  dem  längs  dem 
linken  vorrückenden  Feind  immer  einigen  Vorsprung  zu  lassen, 
jedoch  niemals  mehr,  als  daß  man,  wenn  er  irgendwo  mit  einem 
beträchtlichen  Korps  die  Donau  passiert,  gleich  auf  solches  herfallen 
könnte. 

„Höchst  aufmerksam  al)er  müßte  man  zugleich  sein,  ob  der 
Feind  nicht  gegen  Ulm  zurückkehre,  und  sich  stets  bereit  halten, 
mit  ihm  eljenfalls  wieder  die  Donau  aufwärts  zu  ziehen,  und  zu 
diesem  Ende  müßte  ein  Korps  leichter  Truppen  unter  einem  ge- 
schickten General  stets  auf  gleicher  Höhe  mit  der  Armee  auf  dem 
linken  Donau-Ufer  vorrücken,  und  alle  seine  Schritte  beleuchten, 
uuj,  wenn  der  Feind  unikehrte  auch  wieder  gegen  Ulm  aufwärts 
ziehen  zu  können. 

„Eine  wichtige  Ursache,  welche  noch  für  diesen  Operations- 
entwurf spricht,  ist  die  unbegreifliche  Verzögerung  des  von  Braunau 
für  Ulm  und  Memmingen  bestimmten  Artillerietransportes,  dessen 
Zug  gefährdet  werden  könnte,  wenn  die  Armee  auf  dem  linken 
Donau- Ufer  operierte,  während  es  für  jetzt  und  künftig  von  der 
höchsten  Wichtigkeit  ist,  Ulm  und  Memmingen  damit  zu  versehen, 
da  sodann  beide  Plätze  die  Belagerung  einer  Armee,  die  mit  keinem 
Belagerungstrain  versehen  ist,  lange  Zeit  auszuhalten  vermögend 
sind,  ein  Vorteil,  welcher,  um  von  dem  ganzen  Lande  zwischen  der 
Donau,  Tirol  und  dem  Bodensee  Meister  zu  bleiben,  mithin  auch 
Tirol  zu  decken  und  dennoch  alle  Kräfte  stets  vereinigt  zu  halten, 
von  der  höchsten  Wichtigkeit  ist. 

„Wenn  dieser  Entwurf  vorgezogen  würde,  hätte  vor  allem 
folgendes  zu  geschehen : 

„FML.  Jellachich  müßte  augenblicklich  Befehl  erhalten,  mit 
dem  Gros  seines  Korps  Tag  und  Nacht  zu  marschieren,  mithin  nach 


—     312    — 

ein  paar  Stunden  genossener  Erholung  und  Erfrischung  immer  wieder 
aufzubrechen  und  alles  mögliche  anzuwenden,  damit  er  Ulm  mit 
der  erdenklichsten  Beschleunigung  erreiche.  Er  läßt  vorwärts  bei 
Stockach  und  Tuttlingen  nur  ein  kleines  Beobachtungskorps  von  einer 
Division  Kinsky,  einer  Division  Blankenstein  (welche  von  Feldkirch 
vorwärts  zu  ziehen  ist)  mit  2  Bataillonen  und  2  Kompagnien 
Jägern  unter  dem  Kommamdo  des  Generals  Wolfskeel  zurück,  um 
jene  vorwärtige  Gegend  zwischen  dem  Bodensee  und  der  Donau 
und   auch  jenseits   diesem  Strome   zu  beobachten  und  auszuspähen. 

„Vor  feindlicher  Übermacht  nimmt  dieser  seinen  Bückzug  nach 
Memmingen  und  muß  übrigens  alles,  was  nur  möglich  an  Aus- 
schreibungen, die  das  Landeskommissariat  dort  alsobald  zu  machen 
hat,  nach  Ulm  und  Memmingen  verschaffen.  —  Nach  Lindau  läßt 
PML.  Jellachich  das  zu  Feldkirch  gebliebene  Bataillon  abrücken, 
gibt  ein  Bataillon  als  Garnison  nach  Memmingen  und  mit  allen 
übrigen,  beiläufig  also  mit  16  Bataillonen,  10  Kompagnien  Jäger  und 
6  Eskadronen  Klenau  kommt  er  nach  Ulm,  bezieht  bei  Anrückung 
eines  beträchtlichen  Feindes  das  soeben  angefangene  und  Tag  und 
Nacht  fortzusetzende  kleine  verschanzte  Lager  und  verteidigt  sich  so- 
lange als  möglich  mit  der  äußersten  Hartnäckigkeit  in  demselben,  oder 
wenn  er  es  wider  Verhoffen  verlassen  müßte,  zieht  er  sich  nach 
Ulm  und  schränkt  sich  auf  die  Verteidigung  des  Platzes,  des  Michel- 
berges und  der  Ziegelscheuerverschanzungen  ein. 

„Hätte  er  aber,  wie  der  Fall  leicht  eintreten  kann,  keinen  be- 
trächtlichen Feind  gegen  sich,  so  sucht  er  alles,  was  ihn  nur  beob- 
achten und  ausspähen  will,  zurückzuwerfen,  trachtet  sodann  im 
Bücken  des  an  der  Donau  abwärtsrückenden  Feindes  und  gegen 
seine  Kommunikationslinie  mit  Stuttgart  tätig  zu  sein  und  gebraucht 
nur    die   nötige  Vorsicht,   von  Ulm   nicht  abgeschnitten  zu  werden. 

„Die  Armee  hält  sich  in  diesem  Augenblick  zwischen  Ulm 
und  Günzburg,  poussiert  jedoch  eine  starke  Avantgarde  alsobald 
gegen  Wertingen,  um  die  Donau-Brücken  bei  Dilhngen  zu  beobachten, 
von  welchen  sowie  von  allen  unterhall)  Günzburg  und  Dillingen  bis 
zu  dem  Einfluß  des  Lech  vorhandenen  Brücken  sogleich  ein  guter 
Teil  der  Hölzer  abgetragen  und  auf  das  diesseitige  Ufer  geschafft 
werden  müssen,  zu  welchem  Ende  diese  Hauptavantgarde  eine  kleinere 
so  weit  vorwärts  poussieren  muß,  daß  sie  sieh  mit  den  Posten  des 
FML.  Kienmayer  bei  dem  Einfluß  des  Lech  in  Kommunikation 
setzen  könne. 


—     313     — 

„Das  Korps  des  Fürsten  Schwarzenberg  bleibt  mittlerweile,  bis 
das  Jeliachichsche  eintrifft,  vor  Ulm,  trachtet,  sieh  längs  der  Donau 
die  Straße  bis  gegenül)er  von  Leipheim  und  Günzl)urg  vollkommen 
freizuhalten  und  hiedurch  seine  alsobaldige  Vereinigung  mit  der 
))ei  Günzburg  stehenden  Armee  sicherzustellen. 

„General  d'Aspre  mit  einem  fliegenden  Korps  von  etlichen 
Bataillonen  und  einigen  Eskadronen  Kavallerie  aller  Waffen  hätte  das 
obgedachte  jenseits  der  Donau  auf  gleicher  Höhe  mit  der  Armee 
vorrückende  Korps  zu  führen. 

„FML.  Kienmayer  hätte  sich  zwar  solange  nur  möglich  ien- 
seits  der  Donau  zu  halten  und  dem  Feinde,  welcher  gegen  die  Donau 
oder  längs  der  Donau  vorrückt,  alle  mögliche  Jalusie  zu  geben,  also- 
bald  aber  mit  zwei  Bataillonen  den  haltbaren  Posten  Eain  zu  be- 
setzen, die  nötige  Kavallerie  dahin  zu  schicken  und  sich  die  Kom- 
munikation obgedachtermaßen  mit  der  Armee  zu  verschaffen.  Wenn 
er  seinen  Eüekzug  üVter  die  Donau  nehmen  muß,  besetzt  er  Ingol- 
stadt reichlich  mit  Infanterie  und  zieht  sich  mit  seinem  Korps  nach 
den  bis  dahin  eintretenden  umständen  entweder  gegen  die  Armee 
oder  gegen  die  ankommenden  Bussen. 

„Nach  Ingolstadt  muß  mit  menschenmöghchster  Beschleunigung 
alles  transportable  Geschütz,  was  noch  zu  Braunau  geblieben,  nebst 
der  nötigen  Munition  bei  Tag  und  Nacht  verschafft  werden,  weil  es 
möglich  ist,  daß  der  Transport  von  Eger  abgeschnitten  oder  sehr 
verzögert  werden  könnte^)." 

Mack   verlangte   die   schleunigste  Durchführung   dieser  Ideen . 


•)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  XIII,  3.  Von  Mack  eigenhändig 
gesehrieben. 

Der  erste  Gesehütztransport  ging  erst  am  7.  Oktober  von  Braunau  ab.  Die 
Entfernung  Braunau— Ingolstadt  ist  etwa  160  km,  also  mindestens  5  —  6  Marseh- 
tage.  Der  erste  Gesehütztransport  konnte  daher  im  günstigsten  Fall  am  11.  oder 
12.  Oktober  in  Ingolstadt  eintreffen.  Obwohl  Maek  wußte,  daß  Bernadotte  schon 
am  5.  Oktober  südlieh  Ansbach  war  —  90  km  von  Ingolstadt  —  gab  er  doch 
diesen  Befehl.  Er  hatte  somit  entweder  noch  immer  keine  Begritfe  darüber,  wie 
Napoleons  Heere  marschierten,  oder  er  hatte  sich  überhaupt  nicht  die  Mühe 
genommen,  die  Entfernungen  abzuzirkeln  und  zu  kalkulieren,  ob  der  Befehl  aus- 
führbar sei.  Am  7.  abend,  also  wenige  Stunden  später,  sandte  Maek  von  Günz- 
burg einen  Generalstabsoffizier  mit  dem  Befehl  ab,  alle  Geschütz-  und  Munitions- 
transporte, die  in  zwei  Tagen  Landsberg  erreichen  können,  nach  Mindelheim  zu 
dirigieren,  alle  anderen  Transporte  nach  Braunau  zurückzusenden.  So  war  die 
Oberflächlichkeit  Maeks  die  Ursache  der  widersprechendsten  Befehle. 


—     314     — 

Erzherzog  Ferdinand,  der  diesen  Entschluß  als  den  ersten 
Schritt  ansah,  die  Armee  hinter  den  Lech  zurückzuführen, 
stimmte  zu. 

Es  wurden  daher  sogleich  die  nötigen  Befehle  ausgefertigt. 

F]\[L.  Jellachich  erhielt  bei  Orientierung  über  die  allgemeine 
Absicht  den  Befehl,  den  GM.  Grafen  Wolfskeel  mit  2  Bataillonen 
Beaulieu,  2  Kompagnien  Tiroler  Jäger  und  je  einer  Division  von 
Blankenstein-Husaren  und  Klenau-Chevauxlegers  bei  Stockach,  ein 
Bataillon  Stain  in  Lindau,  ein  Bataillon  Beaulieu  in  Memmingen  zu 
belassen  und  mit  allen  anderen,  also  mit  4  Bataillonen  Kaiser. 
4  Bataillonen  Hildburghausen,  3  Bataillonen  Stain,  einem  Bataillon 
Beaulieu,  den  4  Grenadierbataillonen  dieser  Regimenter,  4  Kom- 
pagnien Tiroler  Jäger  und  6  Eskadronen  Klenau  schleunigst  nach 
Ulm  zu  marschieren  und  dort  die  Truppen  des  FML.  Fürsten 
Schwarzenberg  abzulösen. 

General  d'Aspre  erhielt  den  Auftrag,  ein  „Fliegendes  Korps", 
bestehend  aus  3  Bataillonen  Württemberg.  3  Kompagnien  Tiroler 
Jäger  und  je  2  Eskadronen  Schwarzen berg-Ulaneu,  Hohenzollern- 
Kürassieren  und  Eosenberg-Oheveauxlegers  bei  Thalfingen  zu 
sammeln  und  über  Langenau  auf  Riedhausen  zu  marschieren,  um 
auf  gleiche  Höhe  mit  der  bei  Günzburg  sich  sammelnden  Armee 
zu  kommen.  Das  „Fliegende  Korps"  sollte  die  auf  dem  rechten 
Donau-Ufer  bleibende  Armee  stets  auf  dem  linken  Ufer  kotoyieren 
und  den  Feind  aufklären,  besonders  ob  er  nicht  etwa  wieder  nach 
Ulm  zurückkehre. 

FML.  Kienmayer  wurde  verständigt,  daß  die  Absicht  des 
Angriffes  über  Ulm  aufgegeben  worden  war  und  daß  dagegen  jetzt 
die  Absicht  bestände,  „die  Armee  bei  Günzburg  zu  sammeln,  alles 
nur  mögliche  an  sich  zu  ziehen  und  mit  vereinigter  Macht,  mit 
einer  imponierenden  Armee  sich  längs  dem  rechten  Donau- Ufer 
hinab,  dem  Feinde  nachrückend  zu  nähern,  um  dort,  wo  es  die 
künftigen  Begebenheiten  fordern,  eine  entscheidende  Schlacht  ein- 
leiten zu  können".  Kienmayer  sollte,  zum  Rückzug  gezwungen,  nicht 
auf  Laudsbut.  sondern  auf  München  zurückweichen  und  die  an- 
marschierenden Eegimenter  aufnehmen^). 

Die  Befehle  für  die  Versammlung  der  Armee  wurden  teils 
mündlich,  teils  schriftlich  erlassen. 


*)  Dieser  Befehl  ging  am  7.  an  Kienmayer  ab  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutseh- 
land FA,  X,  50). 


—     315    — 

Es  sollteu  stehen: 

Das  Korps  FML.  Werneck: 

Division  Auffenberg,  9  Bataillone  und  8  Eskadronen,  bei  Wer- 
tingen 1) ; 

Division  Hohenzollern,  10  Bataillone  und  8  Eskadronen,  bei 
Burgau  ^j ; 

Division  Kerpen,  7  Bataillone,  bei  Gimzburg^J. 

Das  Korps  FML.  Riesch: 

Division  Gyulai,  17  Bataillone  und  14  Eskadronen,  bei 
Leipheim^); 

Division  Laudon,  16  Bataillone  bei  Günzburg^); 

Division  Hessen-Homburg,  16  Eskadronen,   bei  Ichenhausen ^). 

Das  Korps  FML.  Schwarzenberg: 

Division  Gottesheim,  4  Bataillone  und  14  Eskadronen,  bei 
Eieden '') : 

Division  Liechtenstein,  9  Bataillone  und  6  Eskadronen,  bei 
Bühl»); 

Division  Klenau,  8  Bataillone  und  die  Artilleriereserve,  bei 
Günzburg  ^). 

Ein  Vergleich  dieser  Zusammensetzung  der  Armee  mit  der 
Ordre  de  bataille  vom  18.  September  zeigt,  wie  gründlich  und  will- 


^)   3  Bataillone  Eeuß-Greitz,   6  Grenadierbataillone  und  Albert-Eürassiere. 

'"')  i  Bataillone  Spork,  6  Grenadierbataillone  und  Latour-Olievauxlegers; 
zwei  dieser  Grenadierbataillone  (Erzherzog  Karl  und  Auersperg)  trafen  erst  am 
9.  bei  Burgau  ein. 

^)  4  Bataillone  Kaunitz  und  3  Bataillone  Jellaehieli. 

•*)  4  Bataillone  Rieseh,  4  Bataillone  Erzherzog  Max,  je  3  Bataillone  Stuart, 
Reuß-PIauen  und  Erbach,  6  Eskadronen  Blankenstein-Husaren  und  8  Es- 
kadronen Palatinalhusaren. 

*)  Je  4  Bataillone  Erzherzog  Ludwig  t»nd  Proon.  Erzherzog  Karl  und 
Auersperg  konnten  erst  am  9.  eintreffen. 

*)  Hohenzollern-  und  Erzherzog  Franz-Kürassiere. 

')  4  Grenadierbataillone,  6  Eskadronen  Hohenlohe-Dragoner  und  8  Es- 
kadronen Mac'k-Kiirassiere. 

^)  4  Bataillone  Kolowrat,  4  Bataillone  Manfredini,  1  Bataillon  Tiroler 
Jäger,  Schwarzenberg-Ulanen. 

®)  4  Bataillone  Kainer,  4  Bataillone  Freiich. 


—    316     — 

kürlich  die  Zusammensetzang  der  Korps  und  Divisionen  gewechselt 
wurde. 

Die  Armee  sollte  nach  diesen  Befehlen  auf  einem  Eaume  von 
40  km  Breite  (Wertingen — Bühl)  versammelt  werden. 

Im  Falle  eines  Alarmes  sollte  die  Armee  auf  den  Höhen 
zwischen  Günzburg  und  Ichenhausen,  die  Günz  vor  der  Front,  in 
Stellung  gehen,  und  zwar  das  Korps  Werneek  als  linker  Flügel  an 
der  Donau,  ßieseh  im  Zentrum  und  Scbwarzenberg  am  rechten 
Flügel.  Danach  sollte  die  Front  gegen  Osten  genommen  werden. 
Mack  dachte  also  schon  an  die  Möglichkeit  eines  Angriffes  der 
Franzosen  vom  Lech  her. 

Mack  begab  sich  sofort,  nachdem  die  Befehle  fertiggestellt 
waren,  am  Morgen  des  7.  Oktobers  nach  Günzburg,  um  persönlich 
das  Abgehen  der  Vorhut  nach  Wertingen  zu  Teran lassen. 

Gleich  nach  der  Abfahrt  Macks  traf  eine  Meldung  Wernecks 
aus  Günzburg  ein,  daß  ein  feindliches,  etwa  3000  Mann  starkes 
Korps  gegen  Lauingen  hinabgezogen  sei.  Werneek  schlug  vor,  die 
unnötigen  Brücken  bis  Donauwörth  zu  zerstören,  meldete,  daß 
Donauwörth  ohne  österreichische  Besatzung  sei  und  fragte  an,  ob 
er  nicht  die  Brücke  von  Donauwörth   zerstören    oder  besetzen  solle. 

Er  meldete  weiter:  „Der  Feind  ist  ins  Ansbachische  eingerückt; 
er  dürfte  daher  anstatt  nach  Böhmen  zu  gehen,  sich  mit  der  Stärke 
der  Armee  an  die  Donau  und  vorzüglich  auf  Donauwörth  werfen." 
Er  bat  schließlich  um  Zusendung  von  Infanteriemunition  und  Ee- 
servegeschütz,  weil  das  Korps  keines  habe. 

Erzherzog  Ferdinand  konnte  nur  antworten,  daß  Mack  selbst 
auf  dem  W^gQ  nach  Günzburg  sei. 

Später  meldete  Werneek,  daß  Lauingen  vom  Feinde  besetzt 
sei  und  eine  starke  Kolonne  auf  Dillingen  marschiere.  Da  der  Feind 
dadurch  die  kürzere  Linie  auf  Augsburg  gewinne,  habe  er  vorläufig 
die  Grenadierbrigade  GM.  Mayer  nach  Zusmarshausen  beordert,  um 
dort  das  Vorrücken  des  Feindes  aufzuhalten.  Bei  Donauwörth,  von 
wo  Kanonendonner  gehört  worden  war,  sollen  die  Österreicher  ge- 
worfen sein. 

In  Ulm  traf  weiters  eine  vom  FML.  Kienmayer  am  6.  Ok- 
tober weitergegebene  Meldung  des  Obersten  Graf  Wallraoden  ein, 
wonach  das  Korps  Soult  am  6.  Nördlingen  und  am  7.  Donauwörth 
erreichen  dürfte.  FML.  Kienmayer  fügte  bei,  alle  Meldungen 
stimmten  dahin  überein,  daß  der  Feind  die  Donau  bei  Donauwörth, 


—     317     — 

Neuburg  und  Ingolstadt  passieren  wolle.  Kienmayer  meldete  ferner, 
daß  er  bei  Neuburg  2  Bataillone  Colloredo  habe  und  noch  2  Gre- 
nadierbataillone erwarte   und   daß  er  Ingolstadt  mit  1  Bataillon  und 

1  Eskadron   besetzt   halte.     Am  6.  noch   sende   er  1  Bataillon   mit 

2  Kanonen  nach  Donauwörth,  von  dem  er  glaube,  daß  es  für  die 
Armee  wichtig  sei;  er  könne  aber,  da  er  nur  3  Bataillone  in  Neu- 
burg habe,  nur  1  Bataillon  dahin  senden,  um  die  Brücke  abzu- 
tragen und  den  Übergang  zu  verwehren.  Er  vermutet  auch,  daß 
Donauwörth,  das  für  die  Absicht  des  Armeekommandos  sehr  wichtig 
ist,  von  der  Hauptarmee  besetzt  werde. 

Mack  hatte  bei  seinem  Eintreffen  in  Günzburg  den  Inhalt  der 
Meldung  Wernecks  erfahren  und  von  Kienmayer  Nachrieht  erhalten, 
daß  der  Feind  auch  schon  Donauwörth  besetzt  habe.  Er  gab  daher 
sofort  Befehl,  daß  FML.  Freiherr  v.  Auffenberg  noch  am  7.  abend  nach 
Wertingen  abzumarschieren  habe.  Diesem  sollte  gegen  Mitternacht 
FML.  HohenzoUern  und  nach  einigen  weiteren  Stunden  FML.  Kerpen 
folgen  ^). 

Er  meldete  diese  Verfügungen  dem  Erzherzog  nach  Ulm  und 
fügte  bei:  „Nun  ist  es  von  der  höchsten  Wichtigkeit,  daß  Eure 
königliche  Hoheit  augenblicklieh  die  Hälfte  dessen,  was  in  und 
bei  Ulm  ist,  aufbrechen  und  die  andere  Hälfte  bis  auf  einige  Bataillone, 
die  in  Ulm  zurückbleiben  müssen,  gegen  Morgen  folgen  lassen,  für 
Ihre  eigene  höchste  Person  aber  morgen  vormittag  sich  nach 
Burgau  begeben. 

„Ich  bitte  Euere  königliche  Hoheit,  auch  die  Reserveartillerie 
und  Munition  schleunigst  anherzubeordern,  ferners  Brot  und  Hafer 
aus  allen  Gegenden  herbeischaffen  zu  lassen. 

„Haben  Eure  königliche  Hoheit  die  höchste  Gnade,  augen- 
blicklich die  FML.  Schvvarzenberg,  Gyulai  und  Klenau  rufen  zu 
lassen  und  mit  ihnen  und  Bianchi  alles  zu  veranstalten.  Gut  wäre 
es  immer,  wenn  mit  d'Aspre  noch  ein  Soutien  auf  dem  linken  Ufer 
abwärts  rückte,  um  zu  wissen,  was  der  Feind  näher  gegen  Ulm 
zurückgelassen  hat^)." 

Auffallend  an  der  Befehlgebung  Maeks  ist.  daß  er  nie  die 
gesamte,  für  eine  Aufgabe  bestimmte  Kraft  einheitlich  in  Bewegung 

1)  Maek  dürfte  also  den  Befehl  Wernecks,  daß  GM.  Mayer  nach  Zusmars- 
hausen  marschieren  solle,  widerrufen  haben. 

2)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  58.  Von  Mack  selbst  ge- 
sehrieben. 


—     318     — 

setzt,  sondern  sie  immer  iu  Grappen  teilt,  die  einander  ohne  gemein- 
samen Oberbefehl  auf  mehrere  Stunden  getrennt  folgen.  Sie  ver- 
lieren dann  entweder  den  Zusammenhang  oder  die  ersten  Staffeln, 
bleiben  wegen  der  häufigen  Entschlußänderungen  ihrem  Schicksal 
überlassen  und  werden  geschlagen. 

Gegen  Abend  des  7.  Oktobers  scheint  Mack  doch  schon  etwas 
kleinlaut  geworden  zu  sein.  Sein  Bericht  an  den  Kaiser  ist  wenigstens 
ungewöhnlich  bescheiden  gehalten.  „Seit  meinem  Kurier  von  gestern 
abend",  schreibt  er,  „sind  unsere  Umstände  bedenklich  geworden. 
Es  bestätigt  sich  die  unglückliche  Nachricht,  daß  Bernadotte  das 
Ansbachische  forciert  habe,  wodurch  er  mehrere  Märsche  gewinnt, 
um  welche  er  früher  an  die  Donau  gelangt.  Die  französische  Armee 
scheint  ihm  die  Donau  abwärts  entgegenzuziehen  und  hat  bereits 
Donauwörth  besetzt.  Sie  sucht  ihre  Vereinigung  mit  ihm,  wird 
sodann  die  Donau  passieren  und  unsere  Vereinigung  mit  den  Russen 
zu  verhindern  suchen. 

„Wir  werden  alles  mögliche  tun,  um  sie  zu  schlagen  oder  unsere 
Vereinigung  mit  den  Eussen,  ohne  zu  schlagen,  dennoch  zu  finden, 
aber  durch  dieses  unglückselige  Ereignis,  das  niemand  für  möglieh 
gehalten  hätte,  ist  alles  weit  schwerer  geworden^)." 

FML.  V.  Kienmayer  meldete  am  7.  Oktober  um  5^  30^  früh, 
daß    Bernadotte    mit    14.000    Mann,    5    Kavallerieregimentern    und 


^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  58 Va-  Von  Maek  selbst  ge- 
schrieben. 

Am  11.  Oktober  sehrieb  der  Minister  des  Äußern,  Graf  Cobenzl,  an 
FML.  Maek: 

„Ihr  Berieht  vom  6.  Oktober  hat  ims  mit  den  schönsten  Hoffnungen  er- 
füllt; der  vom  7.  zeigt  einige  Sehvfierigkeiten  dureh  ein  unvorhergesehenes  Er- 
eignis,  die    aber   nicht  nnübersteigbar  sind,  besonders  für  einen  Mann  wie  Sie. 

„Sie  werden  sieh  mit  Bernadotte  versöhnen,  wenn  die  Verletzung  preußischen 
Territoriums  die  Preußen  auf  unsere  Seite  bringt."  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutseh- 
land FA,  X,  271.) 

Der  Charakter  Macks  tritt  scharf  hervor,  wenn  man  seine  Äußerungen 
über  den  Marsch  Bernadottes  dureh  Ansbach  mit  seiner  Eechtfertigungssehrift, 
„Die  Kapitulation  von  Ulm"  in  Eaumers  Taschenbuch,  1873  vergleicht. 

In  dieser  Denkschrift  sagt  er  zuerst,  daß  ihn  die  Neutralitätsverletzung 
überrascht  habe  und  für  ihn  ungünstig  war,  später  aber,  daß  er  bei  Ulm  auch 
dann  geblieben  wäre,  wenn  er  den  Marsch  Bernadottes  durch  Ansbach  voraus- 
gesehen hätte;  zuerst  war  die  Neutralitätsverletzung  die  Schuld  seines  Unglücks 
und  dann  war  sie  als  ein  Glück  zu  betrachten,  was  ihm  auch  Cobenzl  und 
Lamberti  geschrieben  hatten! 


—    ai9   — 

starker  Artillerie  vom  5.  auf  den  6.  südlich  von  Ansbach  gelagert 
habe.  Für  den  6.  Oktober  sei  das  Lager  zwischen  Gunzenhausen 
und  Treuchtlingen  angesagt  gewesen;  2000  .Mann  von  Nürnberg 
anmarschierend,  waren  für  Weißenburg  angesagt.  Bernadotte  scheine 
Direktion  gegen  Monheim  und  Donauwörth,  die  übrigen  scheinen 
Direktion  nach  Eichstädt  und  Neuburg  zu  nehmen.  Eine  andere 
Kolonne  von  20.000  Franzosen  wurde  tür  den  5.  abend  bei  Feueht- 
wangen  erwartet;  deren  weitere  Direktion  ist  unbekannt \). 

Kieiimayer  ließ  je  ein  Bataillon  und  je  eine  Eskadron  in  Neuburg 
und  Ingolstadt  und  beorderte  zwei  Bataillone  und  leichte  Kavallerie 
nach  Eain   als  Eückhalt   für  das  in  Donauwörth  stehende  Bataillon. 

Dieses  Bataillon  hatte  noch  vormittag,  als  die  Franzosen  den 
Südausgang  der  Brücke  bei  Donauwörth  mit  10 — 12  Kanonen  unter 
Feuer  nahmen  und  auf  die  Nachricht  vom  Übergange  französischer 
Kavallerie  bei  Münster  die  Donauwörther  Brücke  verlassen  und  sich 
nach  Rain  zurückgezogen.  Von  dort  sandte  FML.  K^ienmayer  um 
1^  mittag  den  Befehl  nach  Neuburg  und  Ingolstadt,  am  Abend  mit 
allen  Truppen  nach  Aichach  abzumarschieren  und  soviel  Naturalien 
mitzunehmen,  als  Wagen  aufzutreiben  wären.  Da  der  Feind  schon 
vor  Rain  am  Lech  stehe,  solle  die  Flanke  gegen  Rain  besonders 
gesichert  werden.  FML.  Kienmayer  sprach  in  diesem  Befehle  die 
Absicht  aus.  Rain  bis  in  die  Nacht  hinein  zu  halten. 


Franzosen. 

Am  7.  Oktober  waren  die  Dragoner  Murats  um  2^  früh  auf- 
gebrochen; sie  hatten  Befehl,  um  b^  früh  ungefähr  8  km  vor  Donau- 
wörth einzutreffen.  Während  des  Marsches  erhielt  Murat  Meldung, 
daß  Donauwörth  durch  die  Vorhut  des  4.  Korps  besetzt  und  die  Brücke 
zerstört  sei.  Daraufhin  gab  er  sofort  der  rechten  Flügeldivision 
(General  Walther)  Befehl,  nach  Münster  zu  eilen  (7  Jcm  oberhalb 
Donauwörth)  und  sich  dort  der  Brücke  zu  bemächtigen.  Er  selbst 
eilte  dahin;  er  fand  die  Brücke  intakt  und  nnbesetzt.  Murat  diri- 
gierte darauf  die  Division  Walther  über  die  Brücke  in  den  Rücken 
des  bei  Donauwörth  stehenden  Feindes,  und  zwar  mit  der  Dnektion 
auf  Rain,  wo  Murat  die  Lech-Brücke  vor  den  Österreichern  erreichen 
wollte.  Bevor  aber  diese  Bewegung  wirksam  wurde,  räumten  die 
Österreicher,  als  Soults  Artillerie  das  Feuer  begann.  Donauwörth. 

0  Diese  Meldung  traf  am  8.  Oktober  im  Hauptquartier  Günzburg  ein. 


—     320     — 

Murat  begab  sieh  nach  Donauwörth,  wo  seine  beiden  anderen 
Dragonerdivisionen  eingetroffen  w'aren.  Ein  Bataillon  Dragoner  zu 
Fuß  löste  das  Detachement  des  Korps  Soult  in  Münster  ab.  Bei 
Donauwörth  waren  inzwischen  zwei  Bataillone  Soults  überschifft 
worden;  ihnen  folgten  150  Dragoner  der  Division  Klein,  die  auf 
Eain  vorgingen.  Diesen  schloß  sich  Murat  persönlich  an;  der  Division 
Walther  sandte  er  Befehl.  Direktion  auf  Oberndorf,  oberhalb  Rain 
zu  nehmen,  dort  den  Lech  zu  durchführten  und  sodann  gegen  Eain 
in  den  Rücken  des  Feindes  vorzugehen. 

Die  Österreicher  hatten  sich  indessen  hinter  den  Lech  zurück- 
gezogen und  zwei  Joche  der  Brücke  bei  Rain  zerstört.  Das  Dragoner- 
detachement  der  Division  Klein  ging  bei  Oberndorf  über  den  Lech; 
es  stieß  auf  einige  hundert  österreichische  Ulanen  und  auf  öster- 
reichische Infanterie.  Unter  dem  Schutz  abgesessener  Plänkler  gingen 
die  Dragoner  langsam  vor,  wurden  aber  ))ei  Pessenburgheim  an 
der  Straße  Rain — Aichach  schon  in  der  Dunkelheit  von  Ulanen 
attackiert  und  zum  Zurückgehen  auf  Rain  gezwungen.  Als  die 
Dragoner  nach  einiger  Zeit  wieder  vorgingen,  waren  die  Ulanen 
verschwunden,  sie  hatten  nur  den  Rückzug  der  Österreicher  gedeckt. 
Das  Dragonerdetachement  und  die  inzwischen  eingetroffene  Division 
Walther  nächtigten  bei  Rain,  wo  die  Brücke  noch  in  der  Nacht 
wiederhergestellt  wurde.  Das  Korps  Kienmayer  hatte  Rain  geräumt 
und  sich  nach  Aichach  zurückgezogen. 

Soult  meldete  am  7.  an  den  Kaiser,  daß  die  Brücke  bei  Donau- 
wörth um  4:^  nachmittag  wiederhergestellt  sein  werde.  Bei  Donau- 
wörth sei  ein  Bataillon  Colloredo  mit  800 — 900  Reitern  gestanden. 
Kienmayer,  dessen  Korps  nach  Aussage  des  Postmeisters  von  Donau- 
wörth 25.000  Mann  stark  sei,  befinde  sich  in  der  Richtung  über 
Rain.  Gefangene  versicherten,  daß  in  Ulm  noch  starke  Kräfte  stünden 
und  daß  Mack  und  Erzherzog  Ferdinand  in  Konstanz  seien. 

Kaiser  Napoleon  war  sofort  nach  Besetzung  Donauwörths  durch 
Soult  von  Nördlingen  dahin  geeilt,  nachdem  er  noch  vorher  an 
Davout  den  Befehl  gesandt  hatte,  so  schnell  als  möglich  Monheim 
zu  erreichen,  um  die  Donau  von  Donauwörth  bis  Neuburg  zu 
decken^). 

^)  In  diesem  Befehle  drückte  Napoleon  dem  Marsehall  Davout  seine  Un- 
zufriedenheit darüber  aus,  daß  er  seine  Zwölfpfünder  und  soviel  Munition  in 
Mannheim  zurückgelassen  hatte;  er  hätte  sich,  ebenso  wie  alle  anderen,  requi- 
rierter Pferde  bedienen  sollen. 


—    321     — 

Von  Doüauwörth  ergingen  Befehle: 

An  Davoiit:  Verständigung  vom  Donau- 0 bergang  Murats  und 
Soults.  Der  Kaiser  wolle  den  Lech  forcieren.  Davout  habe  daher 
Neuburg  anzugreifen.  Ein  späterer  Befehl  sagt:  Der  Lech  wird 
wahrscheinlich  noch  heute  nacht  passiert.  Dadurch  wird  ])avouts 
Übergang  bei  Rennertshofen  erleichtert;  er  solle  Schiflfmühlen  nehmen 
und  sie  abtragen  lassen,  um  Pontons  zu  erhalten.  Am  8.  habe  er 
nach  Neuburg  zu  marschieren,  wo  die  Brücke  sofort  herzustellen  ist. 
Am  9.  werde  Bernadotte  Ingolstadt  erreichen,  Davout  solle  ihn 
nötigenfalls  unterstützen.  Wenn  er  am  8.  eine  Brigade  schon  auf 
das  rechte  Ufer  bringen  könnte,  würde  er  Gefangene  machen  und 
vielleicht  eine  feindliche  Kolonne  abschneiden. 

An  die  Division  Legrand  (3.  Division  Soults):  Hat  morgen 
5''  früh,  nach  Rain  zu  marschieren. 

An  die  Division  St.  Hilaire  (1.  Division  Soults):  Hat  am  8. 
um  7^  früh  die  Brücke  von  Donauwörth  zu  passieren  und  vorwärts 
der  Brücke  Stellung  zu  nehmen. 

An  die  Division  Suchet  (4.  Division  Soults):  Aufbruch  am  8. 
bei  Tagesgrauen,  marschiert  nach  Donauwörth. 

An  Lannes:  Dirigieren  Sie  Oudinot  über  die  Brücke  bei 
Münster.  Ihre  leichte  Kavallerie  soll  diese  Brücke  bei  Tagesgrauen 
überschreiten  und  die  Straße  Dillingen — Augsburg  aufklären. 

An  Gazan:  Hat  sobald  als  möglich  von  Aalen  über  Neresheim 
an  die  Brücke  von  Münster  zu  rücken. 

An  Baraguay  d'Hilliers  (Dragoner  zu  Fuß)  und  Bourcier 
(4.  Dragonerdivision):  Am"  8.  nach  Neresheim  zu  marschieren. 

An  die  Garde  und  an  die  Kürassierdivisionen  d'Hautpoul 
und  Nansouty:  Am  8.  nach  Donauwörth   zu  marschieren. 

Au  Bernadotte:  „Die  Absicht  des  Kaisers  ist,  daß  Sie 
am  9.  Ingolstadt  nehmen,  die  Brücke  herstellen  und  die  Bayern 
übersetzen  lassen." 

Das  Korps  Ney,  das  bekanntlich  nach  dem  Befehle  Napoleons 
vom  5.  Oktober  (S.  305)  am  7.  nach  Donauwörth  marschieren 
sollte,  war  an  diesem  Tage  um  G^  früh  aus  seiner  Aufstellung  bei 
Giengen  aufgebrochen,  um  nach  dem  Befehle  Neys  eine  Aufstellung 
an  der  Donau,  mit  dem  rechton  Flügel  bei  Lauingen,  mit  dem 
linken  bei  Höchstädt  zu  beziehen.  Während  des  Marsches  muß  nun 
ein  neuer  Befehl  Napoleons  eingetroffen  sein,  weil  mehrere  Befehle 
Neys  vom  7.  Oktober  vorliegen,  in  denen  es  heißt:    „Der  Marschall 

Krau 8  8.  1805,  Der  FeUlzug  von  Ulm.  21 


-     322     — 

hat  den  Befehl  erhalten,  sich  soviel  als  möglich  Donauwörth  zu 
nähern."  Ney  dirigierte  daher  das  ganze  Korps  nach  Höchstädt, 
wo  es  bereit  sein  mußte,  am  8.  um  5^  früh  nach  Donauwörth  ab- 
zumarschieren. Das  Korps  traf  in  der  Zeit  zwischen  Mittag  und  b^ 
nachmittag  bei  Höchstädt  ein. 

Am  7.  Oktober  früh  —  die  Stunde  ist  nicht  angegeben  —  hatte 
nun  aber  Berthier  an  Ney  einen  Befehl  gesandt,  der  das  gerade  Gegen- 
teil von  dem  verlangte,  was  das  6.  Korps  am  7.  Oktober  tat^). 

„Der  Kaiser  findet  Sie  bei  Giengen  sehr  gut  placiert",  beginnt 
der  Befehl.  Er  sagt  weiter,  daß  Soult  bald  die  Donau  passieren 
werde;  der  Feind  scheine  bei  Neuburg  sehr  stark  zu  sein,  um  den 
Lech  zu  verteidigen.  Die  Absicht  des  Kaisers  ist,  jetzt  Ulm  anzu- 
greifen, und  zwar  Ney  auf  dem  linken,  Soult  auf  dem  rechten  Ufer. 
Da  Soult  erst  morgen  früh  marschieren  könne,  sollte  Ney  melden, 
was  inzwischen  bei  Ulm  geschieht.  „Der  Kaiser  wird  gleichzeitig", 
sehließt  der  Befehl,  „auf  Augsburg  und  Landsberg  marschieren 
lassen,  um  alles  das  abzuschneiden,  was  der  Feind  noch  an  der 
liier  stehen  hätte.  Bemächtigen  Sie  sich  Gundelfingens  und  Lauingens 
sowie  einer  oder  zweier  Brücken  über  die  Donau,  so  daß,  wenn 
Seine  Majestät  nach  den  einlaufenden  Nachrichten  Sie  gegen  den 
oberen  Lech  marschieren  lassen  wollte,  Sie  es  durch  einen  Flanken- 
marsch tun  könnten." 

Dieser  Befehl  ist  an  Ney  tatsächlich  abgeschickt  worden  und 
auch  an  ihn  gelangt,  da  das  Original  im  Archiv  des  Prinzen  von 
der  Moskva  liegt. 

Trotzdem  ließ  Ney  am  8.  um  1^45Mrüh  die  Divisionen  ver- 
ständigen, daß  das  Korps  am  8.  in  seiner  Stellung  bei  Höchstädt 
bleiben  werde.  Lauingen.  Dillingen,  Steinheim,  Blindheim  und  Grem- 
heim  waren  durch  Abteilungen  zu  besetzen. 

Es  scheint  also,  daß  Ney,  auf  dessen  augenblickliche  Situation 
der  erhaltene  Befehl  gar  nicht  mehr  paßte,  sich  nicht  entschließen 
wollte,  sofort  noch  Giengen  zurückzumarschieren  und  es  daher  vor- 
zog, auf  einen  neuen  Befehl  zu  warten. 

Der  Befehl  läßt  die  Absicht  des  Kaisers  deutlich  erkennen. 
Der  Kaiser  war  am  7.  früh  über  die  Situation  der  Österreicher  nicht 


^)  Von  den  vielen  Befehlen,  die  Berthier  am  7.  Oktober  ausfertigte,  sind 
nur  zwei  Befehle  aus  Nördlingen  abgesandt  worden :  Dieser  Befehl  an  Ney,  und 
der  auf  Seite  320  erwähnte  Befehl  an  Davout.  Alle  anderen  ergingen  bereits 
aus  Donauwörth.  Dieser  Befehl  mußte  daher  am  7.  Oktober  früh  abgegangen  sein. 


—     323     — 

klar.  Jedenfalls  standen  sehr  starke  Kräfte,  vielleicht  sogar  schon 
die  Hauptkräfte,  östlich  des  Lech.  Sicher  standen  aber  auch  noch 
starke  Kräfte  an  der  Hier,  deren  Stützpunkt  an  der  Donau  augen- 
scheinlich Ulm  war.  Der  Kaiser  wollte  nun  diese  beiden  feindlichen 
Gruppen  trennen.  Der  linke  Armeeflügel  (Davout,  Marraont  und 
Bernadotte)  sollte  die  Verteidigung  des  Lech  durch  die  östliche 
Gruppe  der  Österreicher  unmöglich  machen  und  sollte  überdies  den 
noch  an  der  Hier  verbliebeneu  Teilen  des  Feindes  den  Rückweg  über 
Augsburg  und  Landsberg  verlegen.  Ney  und  Soult  sollten  die  Öster- 
reicher an  der  Hier  bei  Ulm  auf  beiden  Ufern  angreifen.  Dem 
Feinde  mutete  nun  der  Kaiser  das  für  diese  Absieht  nachteiligste 
Verhalten  zu,  also  daß  er  schon  im  vollen  Marsche  sei,  die  ge- 
fährliche Stellung  an  der  Hier  zu  räumen  und  sich  östlich  des  Lech 
zu  vereinigen.  In  diesem  Falle  konnte  es  bei  Augsburg  oder  Lands- 
berg zur  Schlacht  kommen,  wozu  der  Kaiser  auch  das  Korps  Ney 
heranziehen  wollte. 

Dieser  Absicht  entsprechen  auch  alle  am  7.  und  in  den 
nächsten  Tagen  gegebenen   Befehle. 

Am  Abend  des  7.  Oktobers  war  die  Situation  der  Franzosen 
(Beilage  21): 

Eine  starke  Gruppe  —  3.,  4.  Korps  und  drei  Dragonerdivi- 
sionen —  stand  an  der  Donau  bei  Donauwörth,  Monheim  und  hatte 
bereits  mit  stärkeren  Kräften  auf  dem  rechten  Donan-Ufer  festen  Fuß 
gefaßt.  Zwei  Kürassierdivisionen  und  die  Garde  waren  im  Marsche 
nach  Donauwörth. 

Eine  andere  Gruppe  —  6.  Korps,  Dragoner  zu  Fuß  und 
4.  Dragonerdivision  — '  stand  im  Bogen  um  Ulm'  bei  Geislingen, 
Heidenheim  und  Höchstädt. 

Das  5.  Korps  war  bereit,  sowohl  nach  Donauwörth  (Münster) 
zu  marschieren  als  auch  Nev  zu  unterstützen. 

Eine  dritte  Gruppe  endlieh  —  das  1.,  2.  Korps  und  die 
Bayern  —  war  im  Marsch  auf  Ingolstadt. 

Ein  Blick  auf  die  Skizze  mit  der  Situation  vom  7.  Oktober 
abend  zeigt,  daß  dem  größten  Teil  der  österreichischen  Armee,  bei 
der  ausgesprochenen  Absicht  des  Kaisers  Napoleon,  die  Österreicher 
abzuschneiden,  der  Rückzug  über  Augsburg  auf  München  tatsächlich 
schon  verlegt  war,  und  daß  es  auch  schon  sehr  fraglieh  erschien, 
ob  die  Österreicher  noch  rechtzeitig  über  Landsberg  hätten  ent- 
kommen können. 

21* 


—     324     — 

Am  7.  Oktober  erließ  der  Kaiser  von  Nördlingen  aus  von 
neuem  den  Befehl,  daß  jedes  Korps  stets  4  Tage  Brot  und  4  Tage 
Zwieback  bei  sich  haben  müsse.  „Der  Kaiser  weiß",  schließt  der 
Befehl,  „daß  einige  Korps  durchaus  nicht  diese  Menge  an  Lebens- 
mitteln haben.  Die  Korpsintendanten  und  Generalstabsehefs  müssen 
alle  nötigen  Maßregeln  ergreifen,  damit  jedes  Korps  diesem  Befehl 
entspreche,  einem  für  den  Erfolg  der  Operationen  so  wich- 
tigen Befehle." 

Die  Stärke  der  französischen  Armee  war  am  7.  Oktober: 

1.  Korps 17.700  Mann 

2.  „     20.800  „ 

3.  „     27.500  „ 

4.  „     41.300  „ 

5.  „     17.800  „ 

6.  „     24.400  „ 

Beservekavallerie    22.000  „ 

Garde 6.200  „ 

Bayern 23.800  „ 

Zusammen. .  .201.500  Mann 

Die  französische  Armee  war  somit  im  Gegensatze  zur  öster- 
reichischen, deren  Stände  sichtlich  dahinschwanden  und  die  weit 
schwächer  war,  als  sie  ihr  Führer,  allerdings  ganz  willkürlich,  an- 
nahm, tatsächlich  so  stark,  wie  sie  Kaiser  Napoleon  von  allem  An- 
fang an  in  seinem  Plan  eingestellt  hatte. 


XIII.  Der  8.  Oktober. 

(BeUagen  22  und  23.) 

Österreicher. 

FML.Kienmayer,  der  wie  früher  erwähnt,  alle  Truppen  von  Neuburg 
und  Ingolstadt  nach  Aichach  gezogen  hatte,  war  entschlossen,  am 
8.  Oktober  nach  Schwabhausen  zurückzugehen  und  in  dieser  Stellung 
seiner  Bauptaufgabe  nachzukommen,  München  zu  decken  und  sic^ 
die  Vereinigung  mit  den  Russen  zu  sichern.  Ein  Bataillon  und  ein 
Kürassierregiment  hatte  er  nach  Pfaffenhofen  zur  Sicherung  der 
Straße  Ingolstadt— München  detachiert.  Am  7.  Oktober  war  das  Peter- 
wardeiner Grenzregiment  mit  drei  Bataillonen  in  Aichach  eingerückt. 
FMLf  Kienmayer  meldete  diese  Absicht  am  8.  um  2^  früh  nach 
Ulm.  Er  berichtete  weiter  über  das  Gefecht  bei  ßain  (7.  Oktober 
abend),  durch  das  sich  die  Franzosen  den  Weg  nach  Augsburg  ge- 
öffnet hatten.  Nach  Aussagen  von  Gefangenen  sollte  Napoleon  am 
7.  in  Donauwörth.  Murat  an  der  Lech-Brücke  bei  Eain  gewesen  sein. 
Das  Broder  Grenzregiment  sollte  am  9.  zum  Detachement  ein- 
rücken, dagegen  hatte  Kienmayer  vom  Regiment  Gyulai  gar  keine 
Nachricht.  Schließlich  meldete  Kienmayer  nach  dem  Berichte  des 
in  Ingolstadt  stehenden  GM.  Caramelli  und  des  Geniemajors 
Logdmann,  der  von  Mack  mit  der  Verteidigungsinstandsetzung  des 
Ortes  betraut  worden  war,  daß  Ingolstadt  „auf  keine  Art  zu  ver- 
teidigen sei"  ^). 

0  Kriegsarehiv,  1805.  Deutsehland  FA,  X,  GOVs-  Diese  Meldung  wurde 
erst  am  10.  Oktober  in  Ulm  präsentiert.  Die  Entfernung  Aichach — Ulm  beträgt 
nur  90  km.  Auch  wenn  der  direkte  Weg  über  Augsburg  von  den  Franzosen 
verlegt  gewesen  wäre  (das  geschah  erst  am  8.  abend),  würde  das  späte  Ein- 
treffen der  Meldung  nicht  gerechtfertigt  sein.  Es  seheint  vielmehr  die  Folge  der 
schlappen    Handhabung   des  Verbindungsdienstes    gewesen    zu    sein.  Wiederholt 


—     326     — 

Während  des  Marsches  nach  Schwabhausen  erhielt  Kienmayer 
zwei  Befehle  von  Mack  aus  Günzburg  vom  7.  Oktober,  die  ihn  ver- 
anlaßten,  wieder  nach  Aichach  zurückzukehren. 

Er  meldete  seine  Umkehr  nach  Aichach  am  8.  Oktober  nach- 
mittag mit  dem  Zusätze,  daß  er  von  dort  die  Verbindung  mit 
Auffenberg  nach  Wertingen  suchen  werde.  Der  Feind  stehe  in  der 
Eichtung  auf  Eain  bei  Thierhaupten.  Kienmayer  betonte  nochmals, 
daß  Ingolstadt  nicht  verteidigungsfähig  sei,  und  bat  unter  Hinweis 
darauf,  daß  es  von  Ingolstadt  näher  nach  Landshut  sei  als  von 
Aichach,  nach  München  zurückgehen  zu  dürfen. 

In  Aichach  trafen  ihn  drei  am  7.  Oktober  von  Ulm  abgegangene 
Befehle,  darunter  der  nach  den  „Betrachtungen  über  die  Lage  der 
gegenwärtigen  Umstände"  verfaßte  Befehl^). 

Am  Abend  wurde  Kienmayer  bei  Aichach  von  der  Division 
Vandamme  (Korps  Soult)  angegriffen. 

Die  Franzosen  ))esetzten  alle  Waldungen  um  Aichach  herum. 
Da  Kienmayer  daraus  auf  die  Absicht  schloß,  ihn  am  9.  bei  Aichach 
anzugreifen,  er  die  Stellung  bei  Aichach  für  schlecht  und  wegen 
des  drei  Meilen  langen  Defiles  bis  Schwabhausen  für  gefährlich 
hielt,  ging  er  noch  am  8.  abend  nach  Schwabhausen  zurück  mit 
der  Absicht,  wenn  nötig  selbst  bis  Dachau  zu  weichen. 

Das  Detachement  Auffenberg,  bestehend  aus  7  Grenadier- 
bataillonen, 3  Bataillonen  Eeuß-Greitz  und  4:\l^  Eskadronen  Albert- 
Kürassieren,  war  am  7.  Oktober,  8^  abend,  von  Günzburg  ab- 
marschiert und  erreichte  nach  einem  anstrengenden  Nachtmarseh 
um  7^^  früh  Wertingen.  Es  hatte  im  Sinne  der  Armeedisposition 
vom  7.  Oktober  ^)  als  Avantgarde  der  Armee  die  Bewegungen  des 
Feindes  bei  Donauwörth  zu  beobachten. 

Im  Laufe  der  Nacht  zum  8.  Oktober  scheinen  das  Selbstver- 
trauen und  die  Sicherheit  Macks  in  bedenklichem  Maße  ins  Wanken 
gekommen  zu  sein. 

läßt  sieh  nachweisen,  daß  Kuriere,  die  an  einen  Ort  dirigiert  waren,  dort  einfach 
warteten,  wenn  sie  den  Empfänger  nicht  antrafen.  Das  scheint  auch  hier  der 
Fall  gewesen  zu  sein.  Allerdings  dürfte  der  fast  ununterbrochene  Ortswechsel 
Maeks  diesen  Vorgang  verursacht  haben. 

^)  Dieser  Befehl  ist  auf  S.  314  angeführt.  Kienmayer  wurde  damit  an- 
gewiesen, seinen  Bückzug  nicht  nach  Landshut,  sondern  nach  München  zu 
nehmen.  Die  beiden  Befehle  von  Maek  und  die  zwei  anderen  aus  Ulm  stam- 
menden Befehle  fehlen  leider  in  den  Akten  des  Kriegsarehivs. 

^)  „Betrachtungen  über  die  Lage   der  gegenwärtigen  Umstände",   S.  310. 


—     327     — 

In  dieser  Nacht  erhielt  Erzherzog  Ferdinand  ein  Schreiben 
Macks  mit  dem  Wunsche,  alle  Trappen  von  Ulm  nach  Günzburg 
marschieren  zu  lassen.  Die  Truppen  hatten  aber  schon  am  7.  den 
Befehl  zum  Marsche  nach  Ulm  erhalten  ^).  um  al)er  dem  Wunsche 
Macks  doch  zu  entsprechen,  gab  Erzherzog  Ferdinand  dem  Fürsten 
Seh  Warzenberg  Befehl,  nur  ein  Infanterie-  und  ein  Kavalierieregiraent 
bis  zum  Eintreffen  des  Korps  Jellachich  in  Ulm  zu  belassen,  selbst 
aber  schon  am  8.  früh  nach  Günzburg  abzurücken.  FML.  Jellachich 
erhielt  Befehl,  seinen  Marsch  zu  beschleunigen. 

Am  8.  Oktober  um  b^  früh,  als  Erzherzog  Ferdinand  eben 
nach  Günzburg  abgehen  wollte,  traf  ein  Generalstabsoffizier  mit 
einem  Schreiben  Macks  beim  Erzherzog  in  Ulm  ein  und  bat  im 
Namen  Macks,  dieses  Schreiben  zweimal,  für  den  Kaiser  und  für 
Kutusow  abschreiben  zu  lassen  und  die  Abschriften  zu  fertigen. 

Dieses  Schreiben  lautete : 

„Bonapartes  einzigste  Tollkühnheit  und  der  ganz  unerwartete 
Durchbruch  einer  seiner  Armeen  durch  das  preußische  Fürstentum 
Ansbach,  wodurch  sie  5 — 6  Märsche  gewann,  läßt  uns  keine  Hoff- 
nung mehr,  unsere  Vereinigung  mit  der  kaiserlich  russischen  Armee 
zu  erlangen  und  es  würde  in  diesem  Augenblicke,  wo  die  beiden 
feindlichen  Armeen  bereits  vereinigt  und  von  Donauwörth  Meister 
sind,  höchst  gefährlich  sein,  solche  suchen  oder  auch  nur  die  kaiser- 
hch  russischen  Kolonnen  in  der  Verfassung,  wie  sie  ankommen,  den 
Inn  passieren  lassen  zu  wollen,  da  die  k.  k.  Armee  in  der  Gegend 
von  Günzburg  erst  übermorgen  versammelt  sein  kann,  folglich  im 
Angesicht  der  stärkeren  feindlichen  Armee  nicht  wagen  darf,  den 
Lech-Fluß,  an  welchem  sie  sieh  zwischen  uns  und  der  kaiserlieh 
russischen  Armee  festsetzen  will,  zu  passieren,  ohne  sich  der  augen- 
scheinlichen Gefahr  einer  Niederlage  auszusetzen. 

„Unsere  Lage  ist  kritisch,  aber  nicht  hoffnungslos,  wir  finden 
in  dem  Lande  vom  Lech  bis  tief  in  Schwaben  auf  längere  Zeit 
zu  leben,  als  uns  nötig  sein  kann,  bis  die  russsiehe  Armee  am  Inn 
mit  allem  versehen  und  tätig  zu  werden  vermögend  sein  wird. 

„Wir  haben  vollkommen  zusammengehaltene  Kräfte,  um  den 
Feind,  wenn  er  den  Lech  passierte,  angreifen  und  schlagen  zu 
können.  Wir  können,  da  wir  Meister  von  Ulm  sind,  den  Vorteil, 
auch  von  beiden  Ufern  der  Donau  Meister  zu  bleiben,  nicht  ver- 
lieren und  im  allerschlimmsten  Fall  würden  wir  uns  geradezu  über 

1)  Siehe  S.  314. 


—     328     — 

die  Donau  gegen  das  Ansbachische  und  Böhmen,  also  gegen  den 
Main  zurückziehen,  wo  keine  feindliche  Armee  oder  wenigstens  keine 
solche,  die  uns,  auch  wenn  wir  geschlagen  wären,  überlegen  wäre, 
aufgestellt  sein  kann.  Wir  werden  auf  solche  Weise  dem  Zeitpunkt, 
wo  die  russische  Armee  organisiert  sein  wird  und  der  Feind  sich 
teilen  muß,  entgegenharren  und  sodann  leicht  die  Möglichkeit  finden, 
ihn  entweder  diesseits  der  Donau  anzugreifen  oder  jenseits  diesem 
Strome  in  seine  Kommunikation  zufallen,  und  hätten  wir  das  Glück, 
ihm  diese  abzuschneiden  oder  ihn  zu  schlagen,  so  würde  sein 
Schicksal  zwischen  zwei  feindlichen  Armeen  weit  schrecklicher  sein, 
als  das  unsrige  fast  jemals  werden  könnte,  wenn  nur  Preußen  nicht 
gegen  uns  ist, 

„Diesem  nach  wäre  es  notwendig,  daß  die  russischen  Kolonnen 
hinter  dem  Inn  sich  sammelten,  ihre  eigene  Kavallerie  und  Ar- 
tillerie erwarteten  und  zugleich  die  etlichen  k.  k.  Kavallerie-  und  In- 
fanterieregimenter nebst  der  Artillerie  und  Munition,  die  noch  für 
die  k.  k.  Armee  unterwegs  ist,  an  sich  zögen,  sowie  auch  die 
noch  rückwärts  befindlichen  Pontons ;  nur  würde  an  Munition,  be- 
sonders an  Flintenmunition  der  k.  k.  Armee  soviel  als  möglich  über 
Salzburg  oder  eine  andere  Straße  durch  Tirol  mit  Tau-  und  Nacht 
fortdauernden  Yorspannsablösungen  zugeschickt  werden  müssen,  weil 
ihr  diese  am  leichtesten  ermangeln  dürfte,  ob  sie  schon  dermalen 
zureichend  damit  versehen  ist  und  das.  was  sie  hat,  soviel  nur  mög- 
lich zu  sparen  sich  bestreben  wird. 

„Sobald  nur  die  kaiserlich  russische,  noch  mit  k.  k.  österreichi- 
schen Regimentern  verstärkte  Armee  ausgerüstet  sein  wird,  kann 
und  wird  sie  alsobald  tätig  werden,  der  Feind  muß  sich  teilen  und 
alsdann  wird,  so  Gott  will,  der  Augenblick  kommen,  ihm  das 
Schicksal  zu  bereiten,  das  er  verdient')." 

Zur  Beurteilung  dieses  Schreibens  mögen  folgende  Bemerkungen 
des  Erzherzogs  Ferdinand  dienen:  „Beim  Lesen  war  ich  nicht  wenig 
überrascht,  des  FML.  Mack  Gesinnungen  so  rasch  verändert  zu  sehen, 
ohne  durch  ein  wesentliches  Ereignis  hiezu  bestimmt  zu  sein.  Es 
war  das  erstemal,  wo  er  einsah,  daß  die  Vereinigung  mit  der  russi- 
schen Armee  nicht  mehr  möglich  wäre.  Er  schreiljt  dieses  dem 
Durchbruch  der  Franzosen  durch  preußisches  Gebiet  zu :  allein  Bona- 
partes Hauptmacht   marschierte   nicht    durch  dieses   und  Bernadotte 


^)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  F  A,  X,  63. 


—     329     — 

wäre  von  Würzburg  durch  das  Hohenlohische  über  Ellwangen  und 
Nördlingen  ebenso  rasch  nach  Donauwörth  gekommen  als  durch 
das  Ausbachische  .  .  .  Allein  FML.  Mack.  in  dessen  Kopf  sich  die 
widersprechendsten  Ideen  so  schnell  aufeinander  folgten,  daß  keine 
zur  Reife  gelangen  konnte,  kam  von  der  Idee,  die  Vereinigung  mit 
den  Russen  vor  allem  zu  suchen,  sehr  bald  ab,  wie  es  die  Folge  er- 
weisen wird.  Da  dieses  ganze  Papier  durch  eine  erhitzte  Einbildung 
geschrieben  war,  so  fand  ich  es  nicht  für  gut,  es  zu  fertigen  \)." 
Erzherzog  Ferdinand  begab  sich,  begleitet  vom  FML.  Fürsten 
Schwarzenberg  und  Grafen  Gyulai,  sofort  nach  Güuzburg,  um  Mack 
seine  zu  großen  Besorgnisse  zu  nehmen  und  ihn  zu  überzeugen,  daß 


1)  Ki-iegsarehiv,  1805,  Deutschland  F  A,  XIII,  106. 

Diese  ganze  Stelle  ist  etwas  unklar,  denn  Maek  hatte  bisher  auf  die  Ver- 
einigung mit  den  Russen  gar  keinen  Wert  gelegt.  Oberst  Bianehi,  der  General- 
adjutant des  Erzherzogs,  gibt  in  seinem  Tagebuehe  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutseh- 
land, PA,  XIII,  1-26)  Aufschluß.  Er  sagt  unterm  8.  Oktober :  „Sollte  der  Feind  nicht 
bald  gegen  Augsburg  vorrücken,  so  vrerden  wir  trachten,  am  10.  weiter  gegen 
Zusmarshausen  zu  marschieren,  um  den  Lech  zu  gewinnen  und  nach  Möglichkeit 
die  Vereinigung  mit  den  Russen  zu  erreichen,  welche  heute  Mack  als  einen 
der  wesentlichsten  Gegenstände  zum  erstenmal  erkannte." 

Solange  Mack  der  Weg  zur  Vereinigung  mit  den  Russen  offen  gestanden 
war,  legte  er  keinen  Wert  darauf;  erst  als  er  die  Möglichkeit  der  Vereinigung 
vei'scherzt  hatte  und  ihm  der  Plan  Napoleons  aufdämmerte,  stellte  er  die  Ver- 
eitlung der  Vereinigung  als  schweres  Unglück  hin.  Am  8.  Oktober  erkannte  Maek 
somit  beides  zum  erstenmal:  die  hohe  Bedeutung  der  Vereinigung  mit  den  Russen, 
die  daher  anzustreben  war,  und  ihre  Unmöglichkeit.  Durch  das  Eingreifen  des 
Erzherzogs  gewann  er  wieder  Mut  und  wollte  nun  die  Vereinigung  doch  durch 
den  Marsch  über  den  Lech,  dann  über  Nördlingen  versuchen.  Bald  aber  gab  er 
die  Absicht  der  Vereinigung  wieder  ganz  auf  und  wollte  den  Anmarsch  der 
Russen  bei  Ulm  abwarten. 

Welche  konfuse  Ansichten  die  Berichte  Macks  in  Wien  erzeugt  hatten, 
läßt  ein  Brief  Cobenzls  an  den  Erzherzog  Karl  erkennen.  Der  am  15.  Oktober 
geschriebene  Brief  enthält  die  Stelle:  „Wenn  der  Marsch  der  Franzosen  durch  die 
Markgrafsehaft  Ansbach  der  Armee  Seiner  Majestät  die  Gelegenheit  eines 
fast  sicheren  Sieges  benahm,  so  ist  das  Resultat,  welches  diese  Unklugheit 
Bonapartes  hatte,  von  einer  noch  ganz  anderen  Bedeutung  als  der  Vorteil,  den 
man  über  die  Marschälle  Soult  und  Ney  hätte  erringen  können."  Charakteristisch 
ist,  was  Erzherzog  Karl  unten  in  Italien  darüber  dachte  und  schrieb,  und  zwar 
sowohl  über  den  entgangenen  Sieg  als  auch  über  den  Anschluß  Preußens  :  „Man 
merkt  wohl,  daß  Cobenzl  die  militärischen  Operationen  wie  ein  Minister  be- 
urteilt." Erzherzog  Karl  bezweifelte  auch  -  und  mit  Recht  — ,  daß  sich  Preußen 
der  Verletzung  seines  Gebietes  halber  der  Koalition  anschließen  werde,  (Brief  an 
den  Herzog  von  Teschen  vom  22.  Oktober  aus  S.  Stefano.) 


—     330     — 

es  auch  jetzt  noch  das  beste  sei,  „mit  der  Armee  so  schnell  als 
möglieh  donauabwärts  zu  marschieren,  um  dem  Feinde  bei  seinem 
Donau-Übergange  zuvorzukommen,  falls  das  aber  nicht  mehr  möglich 
sein  sollte,  über  Landsberg  und  längs  dem  Gebirge  abzumarschieren, 
um  sich  mit  Kienmayer  und  den  Russen  zu  vereinigen.  In  diesem 
Falle  sollte  Jellachich  Ulm  verlassen,  den  GM.  Wolfskeel  an  sich 
ziehen,  sein  Korps  bei  Memmingen  versammeln  und,  wenn  vom  Feinde 
bedrängt,  sich  nach  Tirol  zurückziehen^)." 

Es  gelang  dem  Erzherzog  auch  tatsächlich,  Mack  zu  be- 
ruhigen und  zu  überzeugen.  Mack  zog  sein  Schreiben  zurück  und 
verfaßte  ein  dem  Inhalt  nach  wohl  ähnliches,  aber  im  Tone  viel  zu- 
versichtlicheres Schreiben  an  Kutusow,  dessen  Abschrift  Erzherzog 
Ferdinand  mit  einem  Bericht  an  den  Kaiser  absandte.  Siehe  Bei- 
lage 6. 

Das  Schreiben  wurde  durch  den  General  Grafen  Orenneville  an 
Kutusow  abgesandt  und  der  General  beauftragt,  den  Anschluß  aller 
noch  anmarschierenden  Truppen  an  Kienmajer  oder  an  die  Russen 
zu  veranlassen. 

An  PML.  Kienmayer  erging  der  Befehl : 

„Ich  stehe  heute  bei  Günzburg  und  werde  morgen,  wenn  es 
die  Umstände  erlauben,  hier  verbleiben,  um  die  Armee  hier  zu 
sammeln. 

„Die  eintretenden  Umstände  werden  mein  weiteres  Benehmen 
bestimmen,  indessen  gedenke  ich,  wenn  es  mir  noch  möglich  werden 
sollte,  den  Lech  zu  gewinnen,  um  die  Vereinigung  mit  Ihnen  und 
mit  den  Russen  zu  suchen. 

„Sollten  diesem  Vorsatze  durch  einen  schnellen  Übergang  bei 
Donauwörth  zu  große  Hindernisse  in  den  Weg  kommen  und  die 
feindliche  Armee  eine  sehr  überlegene  sein,  so  werde  ich  in  an- 
gemessener Entfernung  auf  Gelegenheit  harren,  entweder  selbst  den 
Feind  anzugreifen,  wenn  er  sich  auf  die  Russen  werfen  wollte,  oder 
mich,  einer  entscheidenden  Schlacht  entziehend,  auf  das  linke  Donau- 
Ufer  begeben,    um    abend    unterhalb  wieder  rückkehren  zu  können. 

„Es  ist  unmöglich,  Ihnen  bestimmt  heute  bekanntzugeben,  was 
ich  eigentlich  tun  werde  müssen ;  die  Umstände  können  solche  allein 
entscheiden.  Obiges  ist  ohngefähr  dasjenige,  was  meine  Hauptabsicht 
dermalen  ist^)." 

')  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  F  A,  XIII,  106. 
2)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  X,  69. 


—     331     — 

PML.  Mack  hatte  sich  sofort  nach  der  Besprechung  mit  Erz- 
herzog Ferdinand  an  die  Ausarbeitung  einer  neuen  „Haupt- 
disposition" gemacht.  Sie  lautete: 

„Die  Armee  stellet  sich  zu  Leipheim,  Günzburg  und  Burgau 
auf  und  trachtet,  sich  die  Brücken  von  Leipheim  und  (uinzburg  frei- 
zuhalten, zu  welchem  Ende  General  d'Aspre  mit  seinem  Korps 
jenseits  der  Donau  aufgestellt  bleiben  muß.  FML.  v.  Auflfenberg 
läßt  morgen  abend  das  Gros  seines  Korps  gegen  Burgau  zurück- 
ziehen und  nur  ein  kleines  fliegendes  Korps  bei  Wertingen  stehen. 
FML.  Kienmayer  locket  den  Ffind  stets  am  Lech  aufwärts,  schickt 
aber  zwei  seiner  Kavallerieregimenter  bei  Augsburg  über  den  Lech 
zu  der  Armee,  wo  er  den  Lärm  verbreitet,  daß  die  ganze  Armee 
ankommen  würde  und  Quartiere  für  Seine  königliehe  Hoheit  und  das 
Hauptquartier  anbefehlen  läßt. 

„Er  selbst  mit  der  übrigen  Kavallerie  und  mit  der  Infanterie 
ziehet  stets  am  Lech  aufwärts  und  deckt  mit  letzterer  Tirol  oder  sucht, 
wenn  letzteres  nicht  bedroht  ist,   seine  Vereinigung  mit  den  Russen. 

„Wenn  der  Feind  genug  am  Lech  vorwärts  und  bis  Augsburg 
und  München  gelocket,  die  Armee  aber  ausgerastet  und  mit  zwei 
bis  drei  Tagen  Brot  und  Hafer  versehen  sein  wird,  etwa  übermorgen 
am  10.  abend,  passiert  sie  auf  den  drei  Brücken  von  Günzburg  und 
Leipheim  die  Donau  und  dringt  unaufhaltsam  nach  Giengen  vor, 
macht  sich  Meister  von  diesem  so  wichtigen  Posten,  während  als 
in  eben  dieser  Nacht  General  d'Aspre,  mit  einigen  Bataillonen  ver- 
stärkt, Lauingen  und  Dillingen  angreift  und  die  dortigen  Kom- 
munikationsbrücken des  Feindes  zerstört.  80  wie  wir  Meister  von 
Giengen  und  Dillingen  sind,  ist  dem  Feinde  seine  Hauptkommuni- 
kation abgeschnitten.  Wir  haben  den  Rücken  frei  und  Bonaparte  be- 
findet sich  zwischen  zwei  feindlichen  Armeen.  Alle  schwere  Bagage 
wird  ohnverweilt  nach  Memmingen,  sodann  weiter  nach  Kempten 
und,  wenn  es  nötig,  nach  Tirol  abgeschickt^)." 

Auf  diese  Disposition,  die  um  10 '^  vormittag  beim  Erzherzog 
Ferdinand  anlangte,  wurde  aber  nichts  veranlaßt.  Der  nachmittag 
von  Wertingen  herübertönende  Kanonendonner  scheint  ihre  weitere 
Bearbeitung  verhindert  zu  haben. 

Der  Befehl  an  FML.  Kienmayer  zeigt  klar,  daß  dem  öster- 
reichischen Feldherrn  die  Initiative  schon  vollkommen  entrissen  war. 

1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  64.  Von  :Maeks  Hand  ge- 
sehriftben. 


—     332     — 

Mit  allen  seinen  Absichten  war  er  ganz  von  den  ^Maßnahmen  des 
Feindes  abhängig.  Bei  dem  hartnäckigen  Widerstände  Macks  gegen 
den  einzig  vernünftigen  Gedanken,  die  österreichische  Armee  der 
drohenden  Umklammerung  zu  entziehen,  war  ihr  Schicksal  schon 
an  diesem  Tage  besiegelt.  Ja,  es  erscheint  sehr  fraglich,  ob  es  der 
Armee  überhaupt  noch  hätte  gelingen  können,  selbst  über  Tirol  zu 
entkommen. 

Der  Vergleich  des  Befehles  an  Kienmayer  mit  der  zur  selben 
Zeit  ausgearbeiteten  Hauptdisposition  Blacks  läßt  die  Desorganisation 
der  Führung  der  österreichischen  Armee  erkennen.  Während  der 
Armeekoramandant  dem  abgetrennten  FML.  Kienmayer  nur  ganz 
allgemein  seine  Absichten  für  die  Zukunft  mitteilt  und,  wie  natür- 
lich, vor  definitivem  Entschluß  die  Beendigung  der  Versammlung 
der  Armee  abwarten  will,  verfaßt  der  Generalstabschef  eine  be- 
stimmte Disposition,  die  wieder  einem  zu  voreilig  gefaßten  Entschluß 
entspringt,  einem  Entschlüsse,  der  dem  vom  Erzherzog  in  letzter 
Linie  erwähnten  Ausweg  entsprach. 

Im  Laufe  des  8.  Oktobers  trafen  die  Meldung  Kienraayers  vom 
7.  Oktober  (S.  318)  und  mehrere  Marschpläne  über  nachrückende 
Eegimenter  und  über  die  Russen  ein.  Danach  sollten  das  wallachisch- 
illyrische  Grenzregiment  (3  Bataillone)  am  13.,  die  zwei  Wallachen- 
Grenzregimenter  (4  Bataillone)  am  14.  Oktober  Dachau  erreichen. 
Am  12.,  13.,  15.  und  17.  Oktober  sollte  je  ein  Kavallerieregiment 
bei  Neumarkt  ^)  eintreffeA.  Über  die  russische  Armee  erfuhr  das 
Armeekommando,  daß  die  31.000  Mann  Infanterie  zählende  Armee 
seit  dem  27.  September  im  Eilmarsche  mit  Vorspann  begriffen  sei. 
Die  1.  Kolonne  sollte  am  11.  Oktober,  die  5.  Kolonne  am  21.  Ok- 
tober am  Inn  eintreffen.  Die  6.  Kolonne  war  erst  in  Galizien.  Die 
Artillerie  und  Kavallerie,  die  ebenfalls  in  fünf  Kolonnen  marschierten, 
sollten  mit  der  1.  Kolonne  am  25.  Oktober,  mit  der  5.  Kolonne  am 
2.  November  am  Inn  eintreffen. 

General  d'Aspre  meldete  aus  Riedhausen,  daß  der  Feind  über 
Lauingen  und  Dillingen  gegen  Donauwörth  abziehe.  Er  erhielt 
daraufhin  den  Befehl,  gegen  Giengen,  Gundelfingen  und  Lauingen 
aufzuklären. 

FML.  Jellachich  erreichte  am  8.  mit  seinen  vordersten  Truppen 
Ulm.  Er  meldete  noch  am  selben  Tage,  daß  nach  einer  Kundschafts- 
nachricht 12.000  Mann  und  800  Reiter  in  der  Gegend  Radelstetten, 

^)  35  km  südöstlich  von  Landshiit. 


—     335     — 

nordwestlich  von  Ulm,  Lager  beziehen  werden  und  daß  der  Feind 
Ulm  angreifen  wolle.  Jellachich  meldete  überdies,  daß  er  die  „Position" 
von  Ulm  und  die  Befestigungen  besichtigt  habe.  Die  Position  er- 
fordere sehr  viel  Truppen,  vor  allem  Kavallerie,  die  Befestigungen 
seien  bei  weitem  noch  nicht  haltbar;  nur  die  Stadt  halte  er  infolge 
ihrer  Außengräben  noch  für  teilweise  verteidigungsfähig. 

Am  8.  Oktober  war  eine  neue  Ordre  de  bataille  festgesetzt 
worden,  die  alle  Verbände  wieder  durcheinanderwarf.  So  wurde  z.  B. 
die  Division  Auffenberg,  die  mit  7  Grenadierbataillonen  ^),  3  Ba- 
taillonen Eeuß-Greitz  und  4V2  Eskadronen  Albert-Kürassieren  eben 
bei  Wertingen  im  Kampfe  stand,  nach  der  neuen  Ordre  de  bataille 
aus  4  Grenadierbataillonen,  3  Bataillonen  Eeuß-Greitz,  4  Bataillonen 
Spork  und  8  Eskadronen  Latour-Chevauxlegers  formiert ;  die  Division 
Kerpeu  sollte  nach  der  Ordre  de  bataille  vom  8.  aus  den  lufanterie- 
regimenteru  Kaunitz  und  Jellachich,  der  auf  4  Bataillone  herab- 
gesetzten Grenadierbrigade  Hohenfeld  und  aus  8  Eskadronen  Albert- 
Kürassieren  bestehen.  Das  Korps  Rieseh  blieb  unverändert;  nur  das 
Regiment  Nassau-Kürassiere,  das  sich  an  Kienmayer  anschließen 
mußte,  schied  aus  der  Ordre  de  bataille  des  Korps.  Beim  Korps 
Sehwarzenberg,  zu  dem  sechs  Eskadronen  Klenau-Ohevauxlegers  vom 
Korps  Jellachich  stießen,  wurden  die  Divisions-  und  Brigadeverbände 
völlig  verworfen.  (FML.  Klenau  erhielt  die  Grenadierbrigade. 
FML.  Liechtenstein  Kavallerie  und  Tiroler  Jäger  unterstellt,  zusammen 
5  Bataillone  und  20  Eskadronen,  FML.  Gottesheim  aber  16  Bataillone 
und  6  Eskadronen  ^) 

Es  ist  wohl  begreiflich,  wie  dieser  beständige,  durch  nichts 
gerechtfertigte  Wechsel  in  der  Zusammensetzung  aller  höheren  Ver- 
bände, der  den  Truppen  ganz  unnötige  Märsche  aufnötigte  und  den 
Generalen  jedes  Interesse  an  ihren  Truppen  nahm,  das  Gefüge  der 
ganzen  Armee  lockern,  die  Befehlgebung  erschweren  und  das  Ein- 
reißen von  Unordnung  begünstigen  mußte. 

Franzosen. 

Napoleon  wußte  am  Morgen  des  8.  Oktobers,  daß  das  deta- 
chierte Korps  Kienmayer,    dessen  Stärke  mit  12.000—25.000  Mann 


^)  6  Bataillone  formierten  die  Brigade   GM.  Hohenfeld;    das   7.  Bataillon 
war  von  der  Division  Hohenzollern  zugeteilt. 

^)  Vergleiche  damit  die  Ordre  de  bataille  vom  7.  Oktober,  S.  315. 


—     334    — 

angegeben  wurde,  im  Rückzug  nach  Aichach  und  Augsburg  sei 
und  daß  die  Hauptkraft  der  Österreicher,  die  sich  seit  dem  5.  Ok- 
tober in  der  Richtung  auf  Ulm  sammelte,  am  6.  Oktober  noch  bei 
Ulm  gestanden  war.  Nichts  deutete  darauf  hin,  daß  sich  darin  etwas 
geändert  habe.  Bei  Donauwörth  gefangene  Soldaten  hatten  aus- 
gesagt, daß  bei  Ulm  noch  starke  Kräfte  stünden  und  auch  das 
Armeekommando  noch  westlich  des  Lech  sei.  Das  Korps  Ney  und 
Dragoner  umschlossen  Ulm  auf  dem  nördlichen  Donau-Ufer;  nichts 
deutete  darauf  hin,  daß  Kräfte  des  Feindes  in  dieser  Richtung  vor- 
brechen sollten. 

Napoleon  beurteilte  die  Situation  dahin,  daß  die  Österreicher 
das  Vernünftigste  und  zugleich  für  seinen  Plan,  sie  von  den  Russen 
zu  trennen,  Ungünstigste  anstreben  würden,  d.  h.  sich  über  Augs- 
burg oder  über  Landsberg  und  Füssen  an  den  Inn  zurückzuziehen. 
Er  hielt  es  aber  auch  nicht  für  ausgeschlossen,  daß  die  Österreicher 
es  versuchen  könnten,  von  Ulm  aus  nach  Norden  vorzustoßen,  ob- 
wohl in  diesem  Fall  ihre  Trennung  von  den  Russen  gesichert  wäre. 

Er  beabsichtigte  daher,  den  Österreichern  so  schnell  als  mög- 
lich den  kürzesten  Weg  über  Augsburg  und  Landsberg  zu  verlegen 
und  Ulm  auch  von  Norden  her  einzuschließen. 

Dieser  Absicht  entsprechend,  ging  am  8.  um  6  ^  früh  der  Be- 
fehl an  Ney  ab,  „sofort  abzumarschieren,  um  eine  Stellung  einzu- 
nehmen, sei  es  die  von  Giengen,  sei  es  irgend  eine  andere,  die  den 
doppelten  Vorteil  gibt,  sowohl  die  Straße  Ulm,  Heidenheira,  Ellwangen, 
als  auch  die  Ulm,  Gundelfingen,  Donauwörth  zu  überwachen". 

Wenn  der  Feind  ihm  günstige  Gelegenheit  gäbe,  sollte  Ney 
bei  voller  Deckung  der  beiden  genannten  Straßen  angreifen. 

Die  Division  Gazan  des  5.  Korps,  die  am  8.  von  Aalen  nach 
Neresheim  dirigiert  war,  die  Dragoner  zu  Fuß  und  die  Dragoner- 
division Bourcier  wurden  Ney  zu  diesem  Zweck  unterstellt. 

Wenn  Ney  gezwungen  wäre,  sich  defensiv  zu  halten  oder  gar 
zurückzugehen,  sollte  eine  Division  unbedingt  über  Heidenheim  und 
Aalen  dirigiert  werden,  um  den  Großen  Artilleriepark  und  die  Etappen - 
Straße  zu  sichern. 

Der  Befehl  schließt:  „Da  es  wahrscheinlich  ist,  daß  der  Über- 
gang über  den  Lech  und  die  Besetzung  Augsburgs  den  Feind  er- 
nüchtern, ist  es  nötig,  daß  Sie  immer  hiuter  sich  eine  Donau-Brücke 
haben,  um  sich  durch  einen  Flankenmarsch  an  den  Lech  zu  bringen, 
wenn  es  nötig  ist." 


—     335     — 

Lannes  erhielt  den  Befehl,  mit  seiner  Kavalleriedivision,  von 
der  zwei  Regimenter  an  Murat  abzugeben  waren,  und  mit  der 
Grenadierdivision  Oudinot  über  Münster  nach  Wertingen  zu  mar- 
schieren, eine  Vorhut  auf  der  Straße  nach  Burgau  vorzutreiben  und 
über  Dillingen  Verbindung  mit  Ney  herzustellen. 

Murat  sollte  mit  den  Dragonerdivisionen  Klein  und  Beaumont 
und  den  zwei  Kürassierdivisionen  nach  Zusinarshausen  und  Burgau 
marschieren.  Er  wurde  ermächtigt,  zwei  Kavallerieregimenter  vom 
Korps  Lannes  zu  nehmen,  „um  für  den  Marsch  der  schweren 
Kavallerie  aufklären  zu  können".  Murat  sollte  starke  Kolonnen  aut 
Burgau  senden,  um  diesen  Ort  zu  besetzen  oder  wenn  feindliche 
Infanterie  dort  stünde,  sie  zu  erkunden.  Die  Straße  Augsburg— Ulm 
sollte  er  durch  starke  Detachements  absperren  lassen,  um  jeden  Ver- 
kehr von  Augsburg  nach  Ulm  zu  unterbinden. 

Falls  nichts  Neues  vorfalle,  dürfte  Murat  den  Befehl  erhalten, 
am  9.  die  Straße  Landsberg — Ulm  abzuschneiden,  also  nach  Mindel- 
heim  zu  marschieren. 

Soult    erhielt    den  Befehl: 

„Der  Wille  des  Kaisers  ist,  daß  Sie  Ihre  drei  Divisionen ') 
nach  Augsburg  dirigieren,  jedoch  nachdem  Sie  sich  versichert  haben, 
daß  der  Feind  nicht  mit  starken  Kräften  bei  Aichach  stehe  und 
Marschall  Davout  Herr  von  Neuburg  und  der  dortigen  Brücke  sei." 

Diese  Befehle  wurden  am  frühen  Morgen  des  8.  expediert. 

Je  länger  jedoch  Napoleon  die  Situation  überdachte,  desto 
mehr  lestigte  sich  in  ihm  die  Überzeugung,  daß  bei  einem  Durch- 
bruche der  Österreicher  nach  Norden  nichts  zu  befürchten  sei,  da  er 
diesem  immer  rechtzeitig  entgegentreten  konnte,  daß  dagegen  ein 
Rückzug  des  Feindes  über  Augsburg  oder  Landsberg  wahrschein- 
lich und  auch  vernünftig  sei,  und  daß  es  der  größten  Anstrengungen 
der  Franzosen  bedürfte,  diesen  Rückzug  zu  verhindern,  wenn  er 
schon  begonnen  worden  war. 

Daher  änderte  er  die  Aufgabe  des  Korps  Ney  in  einem  zweiten, 
um  die  Mittagsstunde  abgesandten  Befehle : 

„Es  ist  unmöglich,  daß  der  Feind,  unterrichtet  von  dem  Über- 
gang über  die  Donau  und  dem  Lech  sowie  über  den  Schrecken, 
der  das  Korps,  das  er  jenseits  des  Lech  hatte,  ergriffen  haben  muß, 
nicht  ernsthaft  an  den  Rückzug  denkt.  Es  ist  zu  glauben,  daß  er 
ihn  zuerst  über  Augsburg  versuchen  werde,    aber   bald  wird  er  er- 

0  Die  vierte  war  noch  weit  rückwärts. 


—     336     — 

kennen,  daß  dazu  keine  Zeit  meJir  ist,  und  er  wird  versuchen,  ihn 
über  Landsberg  durchzuführen,  wo,  wenn  unsere  Truppen  recht- 
zeitjo-  eintreifen,  er  sich  entscheiden  muß.  den  Kampf  anzunehmen 
oder  endlich  nach  Tirol  zu  entweichen ;  aber  es  ist  wahrscheinlich, 
daß  er  sich  entschließen  wird,  zu  kämpfen.  In  dieser  Voraussetzung 
wünscht  der  Kaiser,  daß  Ihr  Korps  an  der  Schlacht  teilnehme. 

„Seine  Majestät  glaubt  nicht,  daß  der  Feind  unsinnig  genug 
sein  wird,  auf  das  linke  Donau-üfer  zu  übergehen,  da  alle  seine 
Magazine  in  Memmingen  sind  und  weil  er  das  größte  Interesse  hat. 
sich  nicht  von  Tirol  zu  trennen,  das  er  durch  diese  Bewegung  völlig 
preisgeben  würde. 

„Der  Wille  des  Kaisers  ist  daher,  daß  Sie  heute  zur  Brücke 
von  Günzburg  marschieren,  die  Sie  mit  Ihrer  Vorhut  besetzen.  Ver- 
suchen Sie  alles,  um  sich  mit  den  Divisionen  Gazans  und  Bourciers 
zu  vereinigen. 

„Unterweisen  Sie  den  General  Baraguay  d'Hilliers  \),  daß  er. 
falls  der  Feind  die  Narrheit  begehen  sollte,  bei  Heidenheim  dnrch- 
zubrechen.  auf  der  Straße  Heidenheim,  Aalen.  Ellwangen  zurück- 
gehe, den  Großen  Park  und  die  Etappenstraße  decke  und  alle 
Detachements,  die  dort  marschieren.,  an  sich  ziehe.  Er  kann  so  leicht 
20.000  Mann  stark  werden." 

Ney  erhielt  weiter  den  Auftrag,  alle  Donau-Brücken  in  seinem 
Rücken  wiederherzustellen,  um  so  im  stände  zu  sein,  wenn  der  Feind 
tatsächlich  von  Ulm  über  Augsljurg  oder  Landsberg  zurückgehen 
sollte,  „durch  einen  Flankenmarsch  sich  immer  auf  gleicher  Höhe 
und  in  seiner  Flanke  zu  halten  und  ihn  in  dem  Augenblick  anzu- 
greifen, sobald  Soult.  Davout  und  Lannes  ihn  erreicht  haben  und 
ihn  angreifen.  Sie  halten  indessen  eine  Division  in  Gundelfingen, 
damit  Sie  Ihnen  als  Vorhut  diene,  wenn  der  Kaiser  durch  andere 
Umstände  bestimmt  wird,  Sie  über  Lauingen  und  Albeck  nach  Ulm 
marschieren  zu  lassen." 

Napoleon  schrieb  überdies  am  8.  an  Nej:  „.  .  .  Ich  kann 
nicht  glauben,  daß  der  Feind  einen  anderen  Plan  haben  könnte, 
als  sich  über  Augsburg  oder  Landsberg  oder  selbst  über  Füssen 
zurückzuziehen.  Gleichwohl  könnte  er  zögern,  und  in  diesem  Fall 
ist  es  an  uns,  so  zu  handeln,  daß  nicht  ein  Mann  entkomme  ^j." 

^)  Kominandant  der  Division  Dragoner  zu  Fuß. 

^)  Dieser  Brief  gelangte  nicht  in  die  Hände  Neys.  sondern  wurde  irrtüm- 
lich an  Lannes  zugestellt. 


—     337     — 

Nach  dem  ersten  Befehle  solUe  sich  also  Ney  mit  seiner 
ganzen  Kraft  bei  Giengen  —  20  hm  von  Günzburg  und  etwa  24  hm 
von  Lauingen,  wo  die  nächsten  Donau-Brücken  lagen,  entfernt  — 
aufstellen  und  die  Straßen  Ulm — Aalen  und  Ulm — Donauwörth 
decken;  nach  dem  zweiten  Befehle  sollte  er  sich  der  Brücken  bei 
Gnnzbi]rg  bemächtigen  und  bereit  sein,  entweder  den  von  Ulm  auf 
Augsburg  oder  Landsberg  abziehenden  Feind  in  der  Flanke  zu  be- 
gleiten oder  über  Albeck  und  Langenau  auf  Ulm  zu  marschieren. 
Die  Sicherung  der  Straße  von  Ulm  auf  Donauwörth  ergab  sich 
durch  die  Aufstellung  Neys  von  selbst,  die  Sicherung  der  Straße 
nach  Aalen  sollten  die  Dragoner  zu  Fuß  allein  besorgen.  Napoleon 
erwartete  die  Schlacht  bei  Augsburg  oder  wahrscheinlicher  bei  Lands- 
berg und  wollte  dazu  die  Korps  Lannes,  Murat,  Soult,  Davout  und 
Ney,  also  etwa  130.000  Mann  versammeln;  diese  Kraft  schien  ihm 
vollauf  genügend  zu  sein,  da  seinem  Kalkül  nach  der  Feind  zirka 
80.000  Mann  in  die  Schlacht  bringen  konnte. 

Nach  den  Befehlen  des  Kaisers  waren  am  8.  Oktober  drei 
Kavalleriedivisionen  unter  Murat  und  das  Korps  Lannes  im  Marsche 
auf  Wertingen. 

Murat  war  um  8^  früh  mit  zwei  Divisionen  von  Donauwörth 
abmarschiert  und  hatte  die  dritte  Division  (Klein),  die  bei  Rain 
genächtigt  hatte,  während  des  Marsches  an  sich  gezogen.  Bei 
Mertingen  trafen  zwei  Husarenregimenter  vom  5.  Korps  (Lannes) 
bei  der  Kolonne  ein,  die  sofort  als  Vorhut  vorausgesandt  wurden. 
Die  Kolonne  marschierte  weiter  über  Druisheim,  Holzen,  Hirschbach 
gegen  Wertingen. 

Lannes  war  mit  der  Kavalleriedivision  und  mit  der  Grenadier- 
division Oudinot  bei  Münster  über  die  Donau  gegangen.  Zwei 
Husarenregimenter  sandte  er  nach  Mertingen  zu  Murat.  Mit  den 
anderen  Truppen  brach  er  gegen  1  ^  mittag  über  Pfafifenholen  nach 
Wertingen  auf. 

Da  die  Division  Auffenberg  seit  7''  früh  bei  Wertingen  stand, 
mußte  es  somit  dort  noch  am  8.  zum  Kampfe  kommen. 

Das  Gefecht  bei  Wertingen. 

(BeUage  22.) 

FML.  Auffenberg,  der  nach  elfstündigem  Nachtmarsche  bei 
Wertingen  eingetroffen  war,  ließ  sofort  die  drei  Tore  der  Stadt  mit  je 

Krau  SS.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  oZ 


—     338     — 

einem  Grenadierbataillon  besetzen:  die  übrigen  sieben  Bataillone  wurden 
in  den  Gassen  der  Stadt  aufgestellt  und  rasteten.  Die  Kavallerie 
(472  Eskadronen)  nahm  vor  dem  Ort  Aufstellung  und  sollte  partien- 
weise abfüttern.  Nach  der  Eelation  Aufifenbergs  wurden  auch 
Patrouillen  abgesendet.  Wohin  und  mit  welchem  Auftrage  die 
Patrouillen  entsendet  worden  sind,  ist  nicht  gesagt.  Im  Ort  erfuhr 
Auffenberg,  daß  die  Franzosen  die  Donau  am  7.  bei  Donauwörth  mit 
70.000 — 80.000  Mann  tiberschritten  hätten  und  auf  der  Straße  nach 
Augsburg  bis  Nordendorf  vorgerückt  seien. 

Alle  ausgeschickten  Patrouillen  brachten  Nachricht,  daß  der 
Feind  nirgend  zu  sehen  sei.  Die  Eelation  enthält  aber  auch  die  An- 
gabe Aufi'enbergs,  daß  man  auf  den  Höhen  gegenüber  von  Wertingen 
nur  einige  wenige  Vedetten  stehen  sah '). 

Nach  12  ^  mittag  erhielt  Auffenberg  die  Nachricht,  daß  einige 
hundert  Franzosen  in  Pfaffenhofen  eingerückt  seien,  dort  requirierten 
und  für  3000  Mann  Quartier  angesagt  hätten. 2)  Er  sandte  daraufhin 
ein  Detachement,  bestehend  aus  2  Eskadronen,  2  Kompagnien  Reuß- 
Greitz  und  2  Grenadierkompagnien  unter  GM.  Dienersberg  nach 
Pfaffenhofen  ab,  um  den  Feind  zu  vertreiben. 

Auf  die  Meldung  vom  Anmärsche  des  Feindes  —  wann  diese 
eingelangt  war,  ist  nicht  zu  ermitteln  —  stellte  GM.  Graf  Hohen- 
feld,  der  Kommandant  der  Grenadierbrigade,  3  Bataillone  vor  der 
Straße  Wertingen — Binswangen  auf,  Front  nach  Nordost,  1  Bataillon 
rechts  davon  an  die  Stadt  gelehnt,  IV2  Bataillone  vor  dem  Tore 
nach  Pfaffenhofen  und  1  Bataillon  vor  das  Augsburger  Tor,  Front 
nach  Ost.  Das  Eegiment  Eeuß-Greitz  blieb  noch  im  Orte  stehen. 
FML.  Auffenberg  gab  keine  Disposition  für  den  Fall  des  feindliehen 
Angriffes  aus. 

Murat,  der  schon  beim  Abmärsche  von  Donauwörth  seine 
Divisionen  verständigt  hatte,  daß  man  sicher  auf  den  Feind  treffen 
werde,  erhielt  bei  Holzen  die  Meldung,  daß  der  Feind  Wertingen 
mit  12.000  Mann  besetzt  habe.  Er  ließ  daraufhin  die  Vorhut  vor- 
gehen, um  die  feindliche  Stellung  zu  rekognoszieren:  indessen 
marschierten  seine  drei  Divisionen  bei  Hirschbach  auf. 


^)  Die  Patrouillen  können  daher  nicht  weit  vorgerückt  sein.  Die  Ent- 
fernung von  Wertingen  nach  Nordendorf,  wo  der  Teind  stehen  sollte,  beträgt 
12  km  und  selbst  Donauwörth,  wo  70.000—80.000  Mann  übergegangen  sein  sollten, 
war  nur  20  hn  von  Wertingen  entfernt. 

^)  Es  müssen  dies  Abteilungen  des  5.  Korps  gewesen  sein. 


—     339     — 

Um  2^  30^  nachmittag  meldete  die  leichte  Kavallerie,  daß 
Truppen  aller  Waffen  Wertingen  und  die  Höhen  am  linken  Ufer 
der  Zusam  Ijesetzt  hielten  und  mit  Vorposten  bei  Gottmannshofen 
stünden . 

Murat  setzte  seine  Divisionen  auf  Wertingen  in  Marsch  und 
marschierte  etwa  um  4*^  nachmittag  nördlich  von  Blionsbaeh  noch- 
mals auf.  Die  Husaren,  unterstützt  durch  Artillerie,  vertrieben  die 
bei  Gottmannshofen  stehenden  Vorposten,  die  sich  auf  Wertingen 
zurückzogen.  Einige  Dragonerabteilungen  saßen  ab  und  gingen  gegen 
Wertingen  vor.  Nach  heftigem  Kampfe  drangen  sie  in  die  am  rechten 
Ufer  der  Zusam  gelegene  Vorstadt  ein  und  nahmen  die  vor  der 
Stadt  liegende  Zusam-Brücke. 

Während  die  Husaren  die  Zusam  unterhalb  Wertingen  über- 
setzten und  gegen  die  vor  dem  Pfaffenhofener  Tore  stehenden 
Bataillone  vorgingen,  sollte  die  Division  Klein  Wertingen  im  Süden 
umgehen.  Da  die  Zusam  wegen  ihrer  Steilufer  nicht  zu  überschreiten 
war,  mußte  die  Division  bis  Roggden  ausbiegen,  wo  sie  eine  Brücke 
fand.  Obwohl  die  Division  während  ihres  Flankenmarsches  von  südlich 
Wertingen  stehender  Artillerie  beschossen  wurde,  kam  sie  ohne  be- 
deutende Verluste  nach  Eoggden. 

Inzwischen  griff  Lannes  in  den  Kampf  ein.  Als  die  Grenadier- 
division Oudinot  in  der  Gegend  von  Pfaffenhofen  anlangte,  wurde 
Kanonendonner  in  der  Eichtung  Wertingen  hörbar  ^).  Lannes  dirigierte 
seine  Truppen  auf  die  Höhen  über  Ober-Thürheim  und  eilte  voraus, 
um  sich  zu  orientieren.  Er  sandte  seine  Chasseurbrigade  vor.  Die 
Chasseure  trafen  auf  2  Eskadronen  Kürassiere  —  wahrscheinlich 
vom  Detachement  Dienersberg  —  und  warfen  sie.  Die  Infanterie, 
die  vor  sich  die  4  Kompagnien  des  GM.  Dienersberg  zurücktrieb, 
rückte  auf  dem  Rücken  längs  der  Waldlisiere  vor,  mit  der  Absicht, 
den  linken  Flügel  des  Feindes  zu  umfassen  und  ihn  von  der  Straße 
nach  Günzburg  abzuschneiden. 

Somit  war  es  Absicht  der  beiden  französischen  Führer,  den 
Feind  von  allen  Seiten  zu  umfassen. 

Den  in  Wertingen  kämpfenden  Dragonern  war  es  inzwischen 
gelungen,   bis  an  die  Westlisiere  von  Wertingen  vorzudringen,   weil 


')  Lannes  wollte  auf  halbem  Wege  nach  Wertingen,  also  etwa  bei  Pfaffen- 
hofen stehen  bleiben,  um  seine  Artillerie,  die  über  Donauwörth  kommen  sollte, 
zu  erwarten.  Den  Kanonendonner  von  Wertingen  konnte  er  etwa  um  4  h  nach- 
mittag gehört  haben,  um  welche  Zeit,   ft-iihestens,  Murat  üottmannshofen  angriff. 

22* 


—     340     — 

Auffeaberg,  durch  die  Umgehungsbeweaungen  der  Franzosen  ver- 
anlaßt, alle  Truppen  aus  diesem  Ort  auf  die  Höhen  zurückgenommen 
hatte. 

Der  drohende  Anmarsch  der  Division  Oudinot  bewog  Aufifen- 
berg,  der  sich  den  Rückzug  oÜenhalten  wollte,  alle  Truppen  auf 
die  Höhen  südwestlich  Wertingen  zurückzuziehen. 

Da  um  diese  Zeit  die  Division  Klein  ßoggden  schon  erreicht 
hatte  und  im  Begriffe  war,  die  Höhen  zu  gewinnen,  gab  Murat  der 
3.  Dragonerdivision  Befehl,  durch  Wertingen  zum  Angriff  vorzugehen. 
So  kam  es,  daß  die  im  Zurückgehen  begriffenen  österreichischen 
Bataillone  gleichzeitig  von  Wertingen  und  Eoggden  her  angegriffen 
wurden.  Klein  warf  zwei  Kürassiereskadronen,  die  die  Attacke  stehenden 
Fußes  abwarteten,  über  den  Haufen  und  auf  die  österreichische  In- 
fanterie. Es  gelang  dieser,  einige  Attacken  abzuwehren.  Die  Division 
Beaumont  entwickelte  sich  westlich  von  Wertingen  und  warf  sich 
auf  ein  Karree,  das  gesprengt  und  dessen  Trümmer  auf  die  übrigen 
Truppen  geworfen  wurden.  Da  die  Grenadiere  Oudinots  Direktion 
auf  Binswangen  nahmen,  kamen  die  durch  fortgesetzte  Attacken  auf- 
gehaltenen österreichischen  Bataillone  in  Gefahr,  ganz  abgeschnitten 
zu  werden.  Sie  zogen  sich  daher  gegen  den  Wald  von  Binswangen 
zurück.  General  Klein  ließ  aber  einen  Teil  seiner  Kavallerie  durch 
den  Wald  und  um  diesen  herum  an  die  Straße  Binswangen — Eppis- 
burg  vorgehen,  so  daß  er  einem  beträchtlichen  Teile  der  feindlieheft 
Infanterie  den  Eückzug  verlegte. 

Immer  mehr  und  mehr  löste  sich  die  Ordnung  bei  der  zurück- 
gehenden Infanterie  Auffenbergs.  Bis  zum  Eintritt  der  Dunkelheit 
ununterbrochen  verfolgt  und  attackiert,  verloren  die  Truppen  schließlich 
jeden  Zusammenhalt;  nur  Trümmer  entkamen  der  feindlichen  Ver- 
folgung. 

Das  erste  Gefecht  des  Feldzuges  hatte  mit  einer  empfindlichen 
Niederlage  der  österreichischen  Waffen  geendet. 

Nach  der  Eelation  Auffenbergs  war  das  Regiment  Eeuß-Greitz, 
das  sich  als  letzte  aus  Wertmgen  zurückgezogene  Truppe  der  Um- 
klammerung nicht  mehr  entziehen  konnte,  nahezu  aufgerieben  worden; 
ebenso  2  Grenadierbataillone.  Die  übrigen  5  Grenadierbataillone  hatten 
einen  Verlust  von  ungefähr  850  Mann  zu  beklagen;  6  Geschütze 
gingen  verloren. 

Die  Franzosen  gaben  an.  daß  sie  2200  Gefangene,  10  Kanonen 
und  6  Fahnen  erbeuteten. 


—     341     — 

Die  Verluste  der  Franzosen  waren  unliedeutend;  das  Korps 
Murat  verlor  nur  etwa  100  Mann  und  90  Pferde,  Oudinot  etwa 
30  Mann. 

Von  den  Franzosen  nächtigte  die  Kavallerie  in  Villenbach, 
Zusamaltheim.  Roggden  und  Wertingen,  das  5.  Korps  bei  Binswangen. 


Wenn  man  nach  den  Ursachen  der  vernichtenden  Niederlage 
Auffenbergs  forscht,  wird  man  wohl  sofort  geneigt  sein,  vor  allem 
die  große  französische  Übermacht   als  Hauptursache   zu  bezeichnen. 

Die  Stärke  der  Division  Aufienbergs  betrug  —  nach  dem  Standes- 
ausweis vom  6.  Oktob(?r  berechnet  —  etwa  5000  Mann  Infanterie 
und  400  Reiter;  nach  Angabe  eines  gefangenen  Offiziers  hatte  sie 
6  Geschütze,  die  Franzosen  wollten  10  Geschütze  erbeutet  haben  und 
nach  der  Organisation  sollte  die  Division  18  Geschütze  besitzen  (je 
2  bei  jedem  Grenadierbataillon  und  4  für  das  Regiment  zu  3  Ba- 
taillonen). Weil,  wie  bekannt,  die  Artillerie  in  größter  Unordnung 
mobilisiert  hatte  und  viele  Regimenter  ihre  Artillerie  noch  nicht 
besaßen,  kann  nicht  festgestellt  werden,  wieviel  Geschütze  die  Division 
wirklich  bei  sieh  gehabt  hat. 

Die  Stärke  der  Franzosen  betrug  dagegen  etwa  8000  Mann 
Infanterie  und  6000  Reiter  mit  21  Geschützen.  Von  dieser  Truppen- 
maeht  kam  aber  nur  ein  Teil  in  den  Kampf;  von  der  Kavallerie 
kämpften  nur  die  beiden  Dragonerdivisionen  und  die  leichte  Kavallerie 
des  Korps  Lannes,  also  etwa  4000  Reiter;  auch  von  der  Division 
Oudinot  können  nur  die  Tetebataillone  ins  Gefecht  gekommen  sein, 
weil  ihre  Tete  erst  nach  b^  30^  nachmittag  eingegriffen  haben  konnte. 
Die  Österreicher  waren  um  diese  Zeit  schon  im  Rückzug  auf  die 
Höhen.  Nach  kaum  einer  Stunde,  also  etwa  6^  30^  abend  war  der 
Kampf  zu  Ende.  Die  Verfolgung,  der  die  einbrecliende  Dunkelheit 
eine  Grenze  setzte  (etwa  7^^  abend),  dauerte  nur  kurze  Zeit.  Auch 
der  minimale  Verlust  Oudinots  spricht  dafür,  daß  seine  Truppen  nicht 
stark  ins  Feuer  gekommen  sind. 

Die  in  den  Kampf  getretene  Übermacht  der  Franzosen  dürfte 
somit  nicht  bedeutend  gewesen  sein. 

Die  Hauptursachen  der  schweren  Niederlage  müssen  daher 
anderswo  liegen;  sie  sind  moralischer  und  nicht  materieller  Natur. 

Auflfenberg  stand  am  5.  Oktober  abend  bei  Zusraarshausen. 
Wertingen  oder  war  im  Marsche  dahin.  Am  (3.  Oktober  mußte  er  nach 


—     342     — 

den  am  4.  Oktoloer  nachmittag  in  Illertisseii  ausgefertigten  Befehlen 
nach  Günzburg  abmarschieren.  Am  7.  wurde  nun  Aufifenberg.  dessen 
Division  nach  der  Ordre  de  bataille  vom  7.  Oktober  zum  größten 
Teil  aus  neuen  Truppen  bestand,  über  Hals  und  Kopf  wieder  nach 
Wertingen  geschickt,  so  daß  er  die  ganze  Nacht  hindurch  marschieren 
mußte  ^).  Der  ihm  von  Mack  erteilte  Befehl  ist  leider  nicht  erhalten 
geblieben.  Die  der  Division  zugedachte  Aufgabe  kann  daher  nicht 
festgestellt  werden;  sie  dürfte  aber,  wie  bei  allen  Befehlen  Macks, 
nicht  klar  und  bestimmt  ausgesprochen  gewesen  sein.  Die  Division 
wurde  auf  die  Nachricht  vom  l)e vorstehenden  Übergang  der  Franzosen 
bei  Donauwörth  als  Vorhut  nach  Wertingen  vorgeschoben,  ohne 
bestimmte,  klare  Absicht,  ohne  dort  einen  bestimmten  Zweck  zu 
erfüllen.  Das  Korps  Werneck  sollte  in  einigen  Stunden  folgen,  auch 
ohne  bestimmten  Zweck,  daher  ohne  daß  sich  der  Armeeführer  über 
dessen  Aufgabe  klar  war. 

Nach  dem  Operationsplane  vom  7.  Oktober  früh  wollte  man  den 
nördlich  der  Donau  im  Marsche  nach  Osten  vermuteten  Feind  auf 
dem  südlichen  Ufer  begleiten  und  über  ihn  herfallen,  sobald  er  die 
Donau  überschreiten  wollte.  Hiezu  sollte  eine  starke  Vorhut  nach 
Wertingen  vorgeschoben  werden,  die  alle  Brücken  von  Günzburg 
bis  zur  Lech-Mündung  unbrauchbar  machen  und  Verbindung  mit 
Kienmayer  herstellen  sollte. 

Diese  Aufgabe  scheint  aber  Auffenberg  nicht  erhalten  zu  haben, 
weil  er  nach  dem  Eintreffen  in  Wertingen  keine  Miene  machte,  ihr 
zu  entsprechen.  Er  kam  nach  Wertingen  und  wartete  scheinbar  auf 
den  Rest  des  Werneckschen  Korps. 

Als  ihm  nun  der  Anmarsch  der  Franzosen  gemeldet  wurde, 
wartete  er  weiter;  ohne  bestimmte  Aufgabe,  ohne  einen  Zweck  zu 
erfüllen  —  denn  auch  das  Festhalten  Wertingens  war  nicht  seine 
Aufgabe  —  stellte  er  sich  irgendwie  bei  Wertingen  auf,  ohne  eine 
planmäßige  Gefeehtsdisposition  zu  erlassen,  und  wartete  weiter:  auf 
den  Feind  und  vielleicht  noch  auf  FML.  Hohenzollern,  der  spätestens 


^)  Auffenberg  hatte  aus  Tirol  die  Infanterieregimenter  Spork,  Erzherzog 
Ludwig  und  Froon  sowie  zwei  Eskadronen  Blankenstein-Husaren  mitgebracht. 
Kaum  eingetroffen,  erhielt  er  andere  Truppen  zugewiesen.  Am  6.  Oktober  bestand 
seine  Division  aus  den  Infanterieregimentern  Eeuß-Greitz,  Württemberg  und  Spork 
und  dem  Chevauxlegersregiment  Latour ;  mit  der  Ordre  de  bataille  vom  7.  Oktober 
traten  an  Stelle  der  Eegimenter  Spork  und  Württemberg  sieben  Grenadierbataillone 
und   an  Stelle    des  ßesiments  Latour   viereinhalb   Eskadronen  Albert-Kürassiere. 


—     343     — 

am  8.  Oktober  mittag  bei  Wertingen  hätte  eintreffen  müssen,  der 
aber,  weil  ihn  der  Befehl  nur  nach  Burgau  wies,  dort  um  8''  früh 
stehen  geblieben  war.  Als  Beweis  für  das  ziel-  und  zwecklose  Vor- 
schieben Auffenbergs  nach  Wertingen  muß  man  folgendes  ansehen : 
In  der  Nacht  zum  6.  Oktober,  als  Mack  den  Übergang  der  Franzosen 
bei  Donauwörth  erfahren  hatte,  gab  er,  nach  seinem  Schreiben  an 
den  Kaiser  und  Kutusow  (S.  321)  zu  schließen,  den  Plan,  donau- 
abwärts  zu  marschieren  und  den  Feind  beim  Übergang  über  den 
Strom  anzugreifen,  auf  —  er  mußte  es  wohl  tun,  weil  die  Armee 
noch  nicht  versammelt  war.  Anstatt  aber  nun  die  schwache,  nach 
Wertingen  vorgeschobene  Vorhut,  die  jetzt  dort  gar  keinen  Zweck  mehr 
hatte,  sofort  zurückzuberufen,  ließ  er  sie  nur  20  k7n  von  Donauwörth 
entfernt  stehen  und  vielleicht  auch  ohne  Verständigung  davon,  daß 
der  Abmarsch  der  Divisionen  Hohenzollern  und  Kerpen  unterbleibe 
und  sie  somit  nicht  auf  Unterstützung  rechnen  könne  ^).  Was  sollte 
also  das  Detachement  Auffenberg  bei  Wertingen  tun?  Sollte  es  über 
den  Feind  aufklären?  Dazu  fehlte  die  nötige  Kavallerie,  weil  die 
schwere  Kavallerie  vor  allem  eine  Kampfwaffe  und  zur  Aufklärung 
wenig  geeignet  und  ausgebildet  war.  Oder  sollte  er  die  Versammlung 
der  Armee  bei  Günzbnrg  sichern?  Sollten  diese  zehn  schwachen  Ba- 
taillone (he  französische  Armee  aufhalten?  Wenn  Mack  daran  gedacht 
haben  sollte  —  das  Gefecht  bei  Wertingen  zeigt,  wie  völlig  verfehlt 
ein  solcher  Gedanke  ist^). 

Diese  Zwecklosigkeit  des  Detachements  Auffenberg  bei  Wertingen 
kam  auch  in  der  ganzen  Gefechtsführung  zum  Ausdrucke.  FML.  von 
Auffenberg  muß  ein  tüchtiger  General  gewesen  sein,  sonst  hätte  man 
ihn  sicher  nicht  zur  selbständigen  Kommandoführung  in  Tirol  be- 
stimmt. Seine  völlig  ziel-  und  planlose,  rein  passive  Gefechtsführung 
dürfte  daher  die  Folge  der  gleichen  Armeeführung  sein.  Jeder  Feld- 
herr hat  solche  Unterführer,   wie  er  sie  verdient.    Unter  der  pläne- 

^)  FML.  V.  Auffenberg  erwähnt  in  seiner  Gefeehtsrelation  darüber  gar  nichts ; 
er  spricht  weder  davon,  daß  diese  Divisionen  ihm  folgen  sollten,  noch  daf5  er  ver- 
gebens auf  ihr  Eintreffen  wartete.  Vielleicht  war  ihm  die  Absieht,  sie  folgen  zu 
lassen,  überhaupt  nicht  mitgeteilt  worden. 

^)  Berthier  sehrieb  am  9.  Oktober  an  Bernadotte:  „In  der  Voraussetzung, 
dalJ  wir  die  Donau  nicht  passieren  würden,  kam  eine  feindliche  Division  von 
zwölf  Grenadierbataillonen  auf  drei  Meilen  an  Donauwörth  heran,  was  zum  Gefechte 
von  Wertingen  führte."  Die  Entsendung  erfolgte  aber  gerade  auf  die  Nachricht 
vom  Übergänge  bei  Donauwörth.  Dieser  Versuch  Berthiers,  die  Entsendung  Auffen- 
bergs zu  begründen,  gibt  eine  treffende  Kritik  für  sie  ab. 


—    ;}44    — 

strotzenden,  aber  doch  ziel-  und  planlosen  unsicheren  Führuug  Macks 
mußten  selbst  gute  Führergaben  verkümmern  und  konnten  nicht  zur 
Geltung  kommen.  Der  zerstörende  Einfliiij  einer  solchen  Führung 
macht  sich  eben  auf  Generale  und  Truppen  in  gleicherweise  geltend; 
seine  Folge  ist  die  moralische  Zerrüttung  der  ganzen  Armee  ^). 

Dagegen  sehen  wir  auf  Seite  der  Franzosen  alle  Teile  der 
Armee  nach  dem  vom  Anfang  an  festgehaltenen  Plane  Napoleons 
zielbewußt  handeln.  Alle  Generale,  ja  alle  Truppen  wissen,  was  der 
Kaiser  will,  und  kennen  seine  Absicht,  die  Bussen  und  Österreicher 
zu  trennen ;  sie  wissen,  daß  diese  Absicht  nur  durch  große  Marsch- 
leistungen zu  erreichen  ist.  Die  Franzosen  überstehen  daher  auch 
im  Vertrauen  in  die  Führung  weit  größere  Marschleistungen  als 
die  Österreicher,  ohne  durch  sie  so  stark  erschüttert  zu  werden  wie 
die  österreichischen  Truppen.  Alle  Führer  sind,  beseelt  von  dem 
Geiste  und  der  Führung  Napoleons,  von  unzähmbarem  Angriffs- 
drang erfüllt.  Die  tüchtigsten  unter  ihnen  übertragen  die  Absicht 
des  Kaisers,  die  Österreicher  von  den  Bussen  zu  trennen,  sie  zu 
umringen,  auch  auf  ihre  Handlungen  im  Kampfe.  So  auch  bei 
Wertingen,  'wo  Murat  und  Lannes  ohne  gemeinsamen  Oljerbefehl 
doch  verständig  zusammenwirken,  um  die  Österreicher  allseitig  zu 
umfassen.  Ja!  aber  Lannes  und  Murat  gehörten  eben  zu  den 
tüchtigsten  Unterführern  Napoleons,  wird  man  sagen.  Sicher;  aber 
alle  diese  von  Napoleon  zu  Königen  und  Herzogen  gemachten  Generale 
verdankten  nicht  nur  diese  Titel,  sondern  auch  ihren  Buhm  der 
Führung  Napoleons.  Viele  von  ihnen  waren  schon  Generale,  bevor 
Napoleon  das  erste  Mal  als  Armeeführer  die  Welt  verblüffte;  keiner 
hatte  sich  besonders  hervorgetan,  keiner  hatte  unter  der  schwäch- 
lichen oder  mittelmäßigen  Führung  der  Bevolutionsgenerale  besonders 
hervorragende  Taten  vollbracht;  und  doch  waren  sie  alle  tüchtig, 
jeder  nach  seiner  Art!  Es  Ijedurfte  aber  erst  der  meisterhaften, 
alles  mit  sich  fortreißenden,  schlummernde  Kräfte  aufrüttelnden 
Führung  Napoleons,  es  bedurfte  seiner  aufpeitschenden  Energie,  um 
die  Tüchtigkeit  dieser  Generale,  die  Tüchtigkeit  der  ganzen  Armee 
fiei  zu  machen,  sie  den  P'esseln  der  Gewohnheiten  und  der  mensch- 


^)  Davout,  dieser  tüchtige  und  kriegserfahrene  General,  meldete  am  9.  Ok- 
tober dem  Kaiser:  „General  Kienmayer  hat  sieh  eiligst  auf  München  zurück- 
gezogen. Alle  Bewegungen,  die  Iman  bei  seinen  Truppen  und  selbst  in  seinem 
Hauptquartier  bemerkt  hat,  zeigen  Besorgnis,  Unsicherheit  und  Unentsehlossen- 
heit,  was  ganz  besonders  die  moralische  Haltung  der  Truppen  schädigt." 


—     345     — 

liehen  Schwächen  zu  entreißen.  Wo  diese  Einwirkung  Napoleons 
fehlte,  wo  diese  glänzenden  Marschälle  selbständig  auftraten,  ver- 
sagten sie  fast  alle,  von  Massena.  dem  „Schoßkind  des  Sieges",  bis 
zu  Ney,   „dem  Tapfersten  der  Tapferen". 

So  schlummerten  sicher  auch  in  der  unglücklichen  österreichi- 
schen Armee  all  die  gleichen  Vorzüge,  die  gleiche  Tüchtigkeit,  nur 
konnten  sie  bei  der  Führung  Macks  nicht  zur  Geltung  kommen. 
Alle  Generale  wie  Auffenberg,  Hohenfeld,  Riesch  und  Wenieck,  die 
sich,  streng  genommen,  schmachvoll  benahmen,  sie  waren  sicher 
gute,  wenn  nicht  sogar  tüchtige  Generale,  die  unter  Napoleons 
Führung  vielleicht  ebenso  berühmt  geworden  wären  wie  dessen 
Marschälle,  unter  der  ziel-  und  planlosen  Leitung  Macks  aber  Ehre 
und  Ruhm  verloren^). 

Nicht  die  Übermacht  der  Franzosen  war  daher  die  eigentliche 
Ursache  der  Niederlage  Auffenbergs.  Murat  hätte  bei  Wertingen 
auch  dann  angegriffen,  wenn  er  allein  geblieben  und  nicht  durch 
Lannes  unterstützt  worden  wäre:  er  hätte  auch  dann  Auffenberg 
geschlagen,  wenn  auch  vielleicht  nicht  so  vernichtend.  Die  Weg- 
nahme Wertingens  durch  wenige  abgesessene  Dragonerabteilungen 
läßt  diesen  Schluß  zu. 

Die  Grundursache  der  schweren  Niederlage  Auffenbergs  lag 
vielmehr  in  der  ziel-  und  planlosen  Armeeführung  Macks,  die  das 
Detachement  Auffenberg  zav ecklos  einem  Zusammenstoße  mit  über- 
legenen Kräften  aussetzte  und  die,  sich  auf  die  Unterführer  fort- 
pflanzend, die  passive,  ziel-  und  planlose  Gefechtsführung  Auffen- 
bergs und  die  schlechte  Haltung  der  Truppen  verschuldete;  sie  lag 
iu  dem  Zusammentreffen  dieser  Führung  Macks  mit  der  energischen, 
einem  ganz  bestimmten  Ziele  zustrebenden  Armeeführuug  Napoleons, 
die  sieh  ebenso  auf  die  Unterführer  fortpflanzend,  das  aktive,  fast 
immer  zum  rücksichtslosen  Angriffe  führende  Verhalten  dei-  Fran- 
zosen zeitigte.  Dieser  Unterschied  wird  noch  bei  den  späteren  Ge- 
fechten deutlich  zutage  treten. 

Immer  wemi  eine  so  ziel-  und  planlose  Führung,  ähnlich  jener 
Macks,  mit  einer  energischen  und  zielbewußten  teindlichen  Führung 


1)  Napoleon  soll  am  14.  September  1809  zu  FML.  Graf  Bubna  gesagt  haben : 
„Ne  eroyez  pas  qiie  vos  generaiix  sont  plus  maladroits  que  les  miens,  mais  vous 
n'avez  personne  pour  les  faire  mareher.  Je  dis  aux  miens :  Marehez,  et  ils  marchont : 
le  chef  vous  manque!" 

Kireheisen,  „Peldzugserinnerungen  1809  •,  S.  74. 


—     346     — 

zusammentraf,  ergaben  sich  ähnliche  ziel-  und  zwecklose  Detaehie- 
rungen  und  ähnliche  zwecklose  Opferungen  starker  Detachements. 
Die  Division  Abel  Douay  bei  Weißenburg  1870  und  das  Detachement 
Sassulitsch  am  Yalu  1904  sind  Beispiele  dafür.  Umgekehrt  lassen 
solche,  meist  schon  bei  Beginn  des  Krieges  vorkommende  zwecklose 
Detachierungen  auf  eine  ziel-  und  planlose  Armeeführung  schließen. 


Das  Gefecht  von  Wertingen  war  für  Napoleon  von  außer- 
ordentlicher Wichtigkeit.  Nicht  nur,  daß  es  als  erster  größerer 
siegreicher  Zusammenstoß  den  Geist  der  ganzen  Armee  günstig 
beeinflußte,  brachte  es  auch  sehr  wertvolle  Nachrichten.  Die  Aus- 
sagen von  Gefangenen  gaben  Aufschluß  über  die  Zusammensetzung 
der  Division  Auffenberg,  und  darüber,  daß  diese  Division  am 
7.  Oktober  abend  von  Günzburg  abmarschiert  und  General  Mack 
am  7.  in  Günzburg  gewesen  sei.  Murat  meldete  weiter  :  Alle  Trains 
sollen  nach  Zusmarshausen  zurückgesendet  worden  sein.  Es  scheine, 
daß  der  Feind  den  Eückzug  über  Zusmarshausen  und  Augsburg  be- 
absichtigte und  daß  Auffenberg  seine  linke  Flanke  zu  decken  hatte. 
Jetzt,  nach  dem  Gefecht  bei  Wertingen,  dürfte  der  Feind  über  Landsberg 
zurückgehen.  Der  Feind  scheint  Günzliurg  stark  besetzt  zu  haben,  wird 
es  aber  zweifellos  noch  in  dieser  Nacht  räumen.  Anderseits  spreche 
aber  die  Tatsache,  daß  die  bei  AVertingen  geschlagenen  Truppen 
erst  vor  kurzer  Zeit  von  Landsberg  nach  Günzburg  marschiert  sind, 
um  heute  von  Günzburg  in  Wertingen  anzukommen,  dafür,  daß  der 
Feind  seine  Kraft  vereinigt  hat,  um  uns  anzugreifen. 

Ferner  erfuhr  der  Kaiser  durch  Aussagen  eines  gefangenen 
Offiziers,  daß  die  vor  einiger  Zeit  in  Günzburg  zerstörte  Donau-Brücke 
durch  die  bei  Wertingen  geschlagenen  Truppen  vor  ihrem  Abmarsch 
von  Günzburg  wieder  hergestellt  worden  war;  daß  General  Mack 
am  6.  Oktober  in  Ulm  war,  wo  auch  Erzherzog  Ferdinand  erwartet 
wurde;  daß  das  Gros  der  österreichischen  Armee  zwischen  Mem- 
mingen und  Ulm  sein  solle  und  daß  man  die  österreichische  Armee 
in  Deutschland,  samt  den  Truppen  in  Tirol  auf  60.000 — 70.000  Mann 
schätze. 

Napoleon  konnte  daraus  mit  Sicherheit  schließen,  daß  die 
österreichische  Armee  noch  westlich  des  Lech  stehe  und  daß  ihr 
der  Weg  über  Augsburg  schon  verlegt  war. 


—     347     — 

Während  sich  diese  Ereignisse  im  Zentrum  der  französischen 
Armee  abspielten,  war  das  Korps  Soult  vereint  mit  der  Dragoner- 
division Walther  beiderseits  des  Lech  auf  Augsburg  vorgerückt.  Die 
1.  Division  des  4.  Korps  —  General  St.  Hilaire  —  marschierte  am 
westlichen  Lech-Ufer.  Die  2.  und  3.  Division,  denen  sich  die  Division 
Walter  anschloß,  marschierten  östlich  des  Lech  auf  der  Ohausse  von 
Kain  über  Schöuleiten,  Affing  nach  Augsburg. 

An  der  Straßengabel  bei  Schönleiten  um  4^  nachmittag  an- 
gelangt, hatte  Soult  eine  Abteilung  Ulanen  angreifen  lassen,  die  die 
Vortruppe  eines  etwa  5000 — 6000  Mann  starken  feindlichen  Korps 
bildete,  da.s  bei  Aichach  gemeldet  war.  Um  diese  Zeit  traf  ein 
Schreiben  Napoleons  ein,  in  dem  er  die  Ansicht  aussprach,  das  bei 
Rain  gestandene  feindliche  Korps  sei  nach  Augsburg  zurückgegangen. 
In  diesem  Schreiben  orientierte  der  Kaiser  den  Marschall  Soult  über 
die  Aktionen  der  Marschälle  Murat,  Lannes  und  Ney  und  fügte  bei, 
daß  er  die  Division  Suchet  (die  4.  des  4.  Korps)  am  Abend,  je  nach 
den  Nachrichten,  die  er  in  zwei  Stunden  haben  werde,  dirigieren 
wolle.  Soult  solle  sich  keine  Enhe  gönnen,  bis  er  das  von  ßain 
zurückgedrängte  feindliche  Korps  aufgehoben  habe;  der  Kaiser  rechne 
auf  wenigstens  3000 — 4000  Gefangene. 

Soult  wußte,  daß  die  Hauptmasse  des  von  Rain  zurückgegangenen 
Feindes  bei  Aichach  stand.  Er  hielt  sich  daher  nach  den  beiden 
Befehlen  vom  8.  Oktober,  und  zwar  nach  dem  Befehle  vom  8.  früh 
(S.  335)  und  nach  dem  eben  erwähnten,  um  4''  eingetroffenen  Befehle 
verpflichtet,  zuerst  den  Feind  bei  Aichach  zu  schlagen  und  dann 
erst  nach  Augsburg  zu  marschieren,  urasomehr,  als  er  Nachricht 
hatte,  daß  sich  feindliche  Kräfte  bei  München'  und  bei  Friedberg 
konzentrieren  sollten.  Da  er  von  Aichach  über  Friedberg  nach  Augs- 
burg marschieren  wollte,  so  hoffte  er  die  bei  Friedberg  stehenden 
feindUchen  Kräfte  zu  umgehen.  Dagegen  sandte  Soult  die  Division 
Walther  direkt  nach  Augsburg,  wohin  er  überdies  die  Division 
St.  Hilaire  im  Marsche  wußte.  Er  meldete  dies  alles,  und  daß  er 
von  Davout  nichts  wisse,  um  4*^  30^  nachmittag  an  den  Kaiser. 

Die  um  4^  nachmittag  bei  Schönleiten  angegriffenen  feindlichen 
Ulanen  wurden  wohl  zurückgetrieben,  aber  in  der  Nähe  von  Aichach 
stieß  die  Kavallerie  Soults  vor  8^  abend  auf  überlegene  feindhche 
Kavallerie;  der  Kampf  Itlieb  unentschieden.  Die  Infanterii»  traf  erst 
nach  8^  abend  vor  Aichach  ein,  weshalb  Soult  den  Angriff  auf  den 
9.  verschob.  Ein  Gefangener  sagte  aus,  daß  alle  Truppen  aus  Rain, 


—     348     — 

Neuburg'  und  logolstadt  sich  nach  München  zurückzögen,  um  sich 
mit  den  Bussen  zu  vereinigen;  daß  FML.  Kienmayer  bei  Aichach 
sei  und  daß  sich  das  Korps  Klenau  über  Landsberg,  General  Gottes- 
heim nach  Böhmen  zurückziehen  sollen,  endlich  daß  man  glaube, 
Mack  werde  sich  nach  München  begel)en. 

Ein  aus  München  gekommener  Reisender  gab  an,  daß  er  einen 
Marschplan  der  russischen  Armee  gesehen  habe.  Die  1.  Kolonne 
solle  nach  diesem  .Marsehplan  am  16.  Oktober  bei  Dachau  eintreflfenj 
die  2.  am  18.,  die  3.  am  20.,  die  4.  am  22.  und  die  5.  am  24.  Oktober. 
Im  ganzen  zähle  die  Armee  45  Bataillone,  zu  deren  Transport  täglich 
über  2000  Wagen  beigestellt  werden  müssen. 

Soult  sandte  darüber  um  8''  abend  Meldung  und  fügte  bei, 
daß  er  am  9.  bei  Tagesanbruch  Aichach  angreifen  und  sodann 
nach  Augsburg  marschieren  werde,  wo  er  zu  früher  Stunde  einzu- 
treffen hoffe. 

Noch  um  Mitternacht  ging  die  Antwort  darauf  von  Donau- 
wörth ab.  Der  Kaiser  drückte  ihm,  nicht  ganz  gerecht,  sein  Miß- 
fallen darüber  aus,  daß  er  sich  vom  entscheidenden  Punkt  entfernt 
habe^);  er  hätte  in  Augsburg  sein  sollen,  von  wo  er  sofort  einen 
Marsch  gegen  Ulm  hätte  machen  sollen.  Er  solle  so  früh  als  möglich 
nach  Augsburg  abrücken.  Sein  Korps  sei  bestimmt,  zwischen  Lech 
und  Donau  zu  operieren;  Bernadotte,  Marmont  und  Davout  werden 
auf  dem  östlichen  Lech-üfer  operieren.  J)er  Kaiser  werde  Davout 
sofort  nach  Augsburg  dirigieren  und  vielleicht  auch  Marmont.  Die 
Schwierigkeit  bei  dieser  Versammlung  der  Truppen  liege  nur  in  der 
Verpflegung. 

Die  Division  Walther  konnte,  als  sie  gegen  Mittag  den  Befehl 
Murats  erhielt  vor  dem  Korps  Soult  nach  Augsburg  zu  marschieren,  nicht 
mehr  die  Tete  des  Itereits  im  Marsche  befindlichen  Korps  erreichen ; 
.sie  schloß  sich  daher  an  dieses  an.  Nach  dem  Abbiegen  des  Korps 
Soult  nach  Aichach  nahm  Walther  Direktion  Augsburg.  Bei  Affing 
traf  er  auf  feindliche  Kavallerie,  die  geworfen  wurde.  Der  einge- 
brochenen Dunkelheit   halber   blieb   die  Division    bei  Affing  stehen. 

^)  Soult,  der  dieses  Selireiben  ßertliiers  am  9.  Oktober  früh  bei  seinem 
Eintreffen  bei  Friedberg  erhielt,  rechtfertigte  sieh  damit,  daß  er  den  Feind  nicht 
bei  Aichach,  so  nahe  in  seiner  Flanke  stehen  lassen  konnte  und  beruft  sieh 
auch  auf  die  Befehle  des  Kaisers. 

Wenn  Soult  gewußt  hätte,  weiche  große  Bedeutung  Napoleon  der  raschen 
Besetzung  Augsburgs  zusehrieb,  hätte  er  sieh  wahrscheinlich  nicht  nach  Aichach 
abziehen  lassen. 


—     349     — 

Eine  interessante  und  lehrreiche  Episode  spielte  sich  l)ei  der 
Division  St.  Hilaire  ab.  General  Graf  Segur  erzählt  darütter  in  seinen 
Memoiren : 

„Am  8.  Oktober  erhielt  ich  vom  Kaiser  Napoleon  den  Befehl, 
zum  General  St.  Hilaire  zu  reiten,  der  im  Marsch  auf  Augsburg  war, 
um  dem  General  den  Befehl  zu  bringen,  sich  schnellstens  dieser 
Stadt  zu  Ijemäehtigen.  Ich  traf  die  Division  nicht  weit  von  ihrem 
Marschziel  in  der  Höhe  von  Markt.  St.  Hilaire  hatte  soeben  halt- 
gemacht, da  ihn  der  von  West  herüberschallende  Kanonendonner 
unsicher  gemacht  hatte,  ob  er  sich  nicht  dahin  wenden  solle.  Aber 
auf  den  von  mir  überbrachten  Befehl  hin  nahm  er  seinen  Marsch 
wieder  auf.  Da  kam  von  Wertiugen  ein  Adjutant  Murats  angesprengt 
mit  der  Auftorderung,  Murat  zu  unterstützen. 

„St.  Hilaire,  ein  Mann  von  Herz  und  Verstand,  faßte  sofort 
seinen  Entschluß.  ,Sie  hören,  die  Kanonen  rufen;  was  auch  der 
gegenteilige  Befehl  sei,  der  Fall  war  unvorhergesehen  und  es  ist 
ein  Grundsatz,  diesem  Eufe  zu  folgen.'  Sofort  ließ  er  gegen  Wertingen 
abschwenken. 

„Aber  nach  kurzer  Zeit  fragte  er  mich  —  wie  das  meist  in 
solchen  Fällen  geschieht  —  bedrückt  durch  die  auf  ihm  lastende 
Verantwortung,  was  ich  davon  denke.  Ich  wulJte  zwar  nichts,  wies 
aber,  da  mir  mein  Auftrag  am  Herzen  lag,  auf  die  Wichtigkeit  hin, 
die  der  Kaiser  diesem  Befehl  zumesse.  Die  Ängstlichkeit  des  Ge- 
nerals nahm  zu.  Er  ließ  halten,  dann  verkehren  und  nahm  wieder 
Direktion  Augsburg.  Der  Adjutant  Murats,  der  noch  da  war,  stellte 
ihm  a))er  nun  so  energisch  die  Gefahr  für  Mm-at  vor,  daß  St.  Hilaire 
zum  zweitenmal  den  Weg  nach  Wertingen  nahm.  Plötzlich  wandte 
sich  St.  Hilaire  an  mich:  ,Sie  sind  dem  Kaiser  beigegeben,  Sie 
müssen  seine  Beweggründe  kennen.'  —  Ich  antwortete:  .Er  hat  sie 
mir  nicht  anvertraut,  aber  es  ist.  sicher,  daß  wir  die  Österreicher 
umgehen  und  daß  es  von  größter  Wichtigkeit  ist,  Augsburg,  das  an 
der  Eückzugiinie  liegt,  zu  besetzen.'  St.  Hilaire  wurde  wieder 
schwankend,  ließ  verkehren  und  Richtung  auf  Augsburg  nehmen. 

„Aber  da  trug  der  Westwind  den  Kanonendonner  viel  deutlicher 
herüber  und  belebte  wieder  die  Zweifel  des  Generals.  Er  unterbrach 
den  Marsch  von  neuem.  .Mein  Gott,'  rief  er  aus,  , welche  Lage! 
Der  Kanonendonner  nähert  sieh.  Der  Kaiser  wußte  von  diesem  Kampfe 
nichts,  als  er  Sie  absandte.'  Ich  mußte  bejahen.  ,Es  ist  sein  Schwager.' 
fuhr  er  fort,  ,und  ich  sollte  ihn  verlassen,  wenn  er  mich  ruft,  wenn 


—     350     — 

er  vielleicht  zerschmettert  wird?  Das  ist  unmöglich.'  Und  zmn 
drittenmal  wendete  er  die  Kolonne  gegen  Wertiugen.  Ich  war  nun 
selbst  unsicher  geworden  und  verzichtete  darauf,  ihn  zu  beeinflussen, 
als  sein  Generalstabschef  sagte,  daß  sich  die  Nacht  nähere  und  die 
Division  doch  nicht  mehr  rechtzeitig  ankommen  könne.  Ich  machte 
daher  dem  General  die  Vorstellung,  daß  er  dem  Befehle  des  Kaisers 
noch  nachkommen  könne,  zu  Murat  dürfte  er  doch  schon  zu  spät 
kommen ...  St.  Hilaire  sah  dies  ein  und  ließ  abermals  gegen  Augsburg 
wenden. 

„Nach  einiger  Zeit,  als  ich  sicher  war,  daß  er  des  Kaisers  Auf- 
trag erfülle,  nahm  ich,  da  es  schon  spät  war,  den  Rückweg  nach 
Donauwörth  auf  ...  Es  war  2^^  früh,  als  ich  dem  Kaiser  Meldung 
erstattete,  auf  der  Karte  den  Punkt  bezeichnete,  wo  ich  St.  Hilaire 
verlassen  hatte  und  die  Stunde  bestimmte,  zu  der  er  Augsburg  er- 
reicht haben  dürfte. 

„Am  Morgen  des  9.  bei  Tagesanbruch  ritten  wir  schon  gegen 
Wertingen,  als  mich  Duroc^)  fragte:  ,Was  gab's  denn  gestern  mit 
St.  Hilaire?'  Ich  erzählte  ihm  alles.  , Haben  Sie  also  dem  Kaiser 
gemeldet,  daß  St.  Hilaire  noch  gestern  abend  Augsburg  besetzt 
habe?'  Ja!  ,Ach!'  antwortete  Duroc,  ,das  Gegenteil  ist  geschehen. 
Kurz  nach  Ihrem  Abreiten  ließ  ihn  ein  letzter  Zweifel  abermals  nach 
Wertingen  umkehren,  wo  er  erst  spät  in  der  Nacht  eintraf^).'" 

Diese  Haltung  St.  Hilaires  zeigt,  wie  notwendig  dem  höheren 
Truppenführer  Charakterstärke  und  Mut  der  Verantwortung  sind. 
Was  nützt  alles  Wissen,  wenn  diese  Eigenschaften  fehlen;  das  Wissen 
zeigt  dem  charakterschwachen  General  nur  die  Gefahren,  die  bei 
jedem  Entschluß,  bei  jeder  kriegerischen  Handlung  für  ihn  und  seine 
Truppe  entstehen,  es  zeigt  ihm  klar  alle  Gründe,  die  für  und  gegen 
die  verschiedenen  Entschlüsse  sprechen,  und  so  wird  er,  wie  St.  Hi- 
laire, schwach  und  schwankend,  tut  nichts  oder  wenn  er  etwas  tut, 
nur  etwas  Halbes  und  daher  Schlechtes. 

Für  General  St.  Hilaire  war  die  Bntschlußtassung  allerdings 
nicht  leicht.  Er  hatte  Befehl  von  seinem  Korpskommandanten,  am 
8.  Augsburg  zu  erreichen.  Während  des  Marsches  hörte  er  rechts, 
wo  er  Murat  im  Marsch  auf  Zusmarshausen  wußte,  Kanonendonner. 


^)  Es  muß  ein  anderer  Würdenträger  gewesen  sein,  da  Duroc  um  diese 
Zeit  noch  in  Berlin  weilte. 

^)  Segur,  „ün  aide  de  eamp  de  Napoleon",  S.  177 — 179.  Die  Erzählung 
Segurs  ist  zwar  etwas  gekürzt,  aber  in  den  wichtigsten  Teilen  wiedergegeben. 


—     351     — 

Zur  selben  Zeit  erreichte  ihn  ein  Befehl  des  Kaisers,  der  ihn  er- 
kennen ließ,  daß  der  Kaiser  auf  die  Besetzung  von  Augsburg  hohen 
Wert  legte.  Keiner  dieser  Befehle  enthielt  eine  Andeutung  darüber, 
wie  der  Kaiser  die  allgemeine  Lage  beurteilte,  was  seine  Absicht 
war  und  welche  Aufgabe  dementsprechend  der  Division  zufiel.  Wie 
weit  St.  Hilaire  über  die  allgemeine  Situation  und  Absicht  des  Kaisers 
orientiert  war,  ist  daher  nicht  bekannt.  Daß  es  sich  aljer  ganz  all- 
gemein darum  handelte,  den  Österreichern  den  ßückzug  zu  verlegen, 
dürfte  ihm  bekannt  gewesen  sein.  Zu  allem  Überfluß  kam  noch  die 
Aufforderung  Murats,  ihn  zu  unterstützen. 

Das  „mareher  au  canon"  ist  ein  Grundsatz  von  so  allgemeiner 
Gültigkeit,  der  besonders  in  der  damaligen  französischen  Armee  be- 
achtet worden  ist,  daß  niemand,  am  allerwenigsten  Napoleon,  dem 
General  einen  Vorwurf  gemacht  hätte,  wenn  er  nach  Wertingen 
marschiert  wäre,  selbst  dann  nicht,  wenn  daraus  bei  Augsburg  ein 
Nachteil  entstanden  wäre.  Die  Aufforderung  Murats  hätte  den  Ge- 
neral überdies  noch  vollkommen  gedeckt.  In  einem  Schreiben  Berthiers 
an  Soult  vom  8.  Oktober,  S^  abend,  heißt  es  denn  auch  :  „Der  Kaiser 
denkt,  daß  die  Division  St.  Hilaire  am  Kampfe  (bei  Wertingen)  teil- 
genommen hat,  weil  sie  sich  in  der  gleichen  Höhe  befand." 

Anders  müßte  die  Beurteilung  sein,  wenn  St.  Hilaire  durch 
den  Befehl  in  den  Gedankengang  Napoleons  eingeweiht  gewesen 
wäre.  Wenn  er  gewußt  hätte,  daß  Napoleon  die  österreichische  Armee 
noch  bei  Ulm  annahm  und  sie  im  Eückzug  über  Augsburg  ver- 
mutete, daß  somit  die  Verlegung  des  Eückweges  bei  Augsburg  Auf- 
gabe der  Division  war,  dann  hätte  St.  Hilaire  mit  vollem  Rechte  den 
Kanonendonner  bei  Wertingen  unbeachtet  lassen  und  nach  Augsburg 
marschieren  können,  ja  müssen. 

Die  Rückzuglinie  des  Feindes  wäre  in  diesem  Falle  die 
Chaussee  Ulm,  Burgau,  Zusmarshausen.  Augsburg  gewesen.  Sie  wäre, 
da  Murat  bei  Wertingen  aufgehalten  worden  war,  was  der  Kanonen- 
donner verkündete,  nur  bei  Augsburg  zu  verlegen  gewesen.  Das  Ge- 
fecht bei  Wertingen,  in  der  Flanke  der  feindliehen  Rückzuglinie, 
konnte  dann  nur  von  untergeordneter  Bedeutung  sein;  aber  selbst 
wenn  sehr  starke  feindliche  Kräfte  über  Wertingen  im  Marsche 
waren,  so  konnten  sie  nur  auf  Augsburg  oder  auf  Donauwörth 
Richtung  nehmen.  Für  beide  Fälle  war,  bei  der  Absicht  des  Kaisers, 
die  Sperrung  von  Augsburg  unerläßlich:  sie  war  wichtiger  als  die 
Unterstützung  Murats. 


—     352     — 

Aus  diesem  Beispiel  ergibt  sich  nur,  wie  wichtig  es  ist,  einem 
höheren  Führer,  der  einen  lür  den  allgemeinen  Plan  des  Feldherrn 
bedeutungsvollen'  Auftrag  erhält,  die  Absicht  und  die  Beurteilung 
der  Lage  mitzuteilen.  Bei  dem  einfachen  Auftrag,  einen  Ort  zu  er- 
reichen, könnte  der  Unterführer  bei  irgend  einem  unvorhergesehenen 
Zwischenfall,  ohne  daß  ihn  die  geringste  Schuld  trifft,  dem  Feld- 
herrn das  Konzept  verderben. 

Bei  Beurteilung  des  Verhaltens  St.  Hilaires  muß  man  auch 
berücksichtigen,  daß  er  keine  Kavallerie  hatte,  sich  somit  nicht  über 
die  Verhältnisse  in  Augsburg  orientieren  konnte. 

So  kam  es,  daß  Augsburg,  das  am  8.  Oktober  in  den  Gedanken 
Napoleons  eine  so  große  EoUe  spielte  und  mit  dessen  Besetzung  er 
ein  ganzes  Korps  betraute,  am  8.  abend  unbesetzt  blieb.  Die  Ur- 
sache dafür  kann  nur  in  der  Fassung   der  Befehle  gesucht  werden. 

Auch  am  rechten  Flügel  war  der  letzte  Befehl  des  Kaisers 
nicht  erfüllt  worden. 

Wie  bereits  erwähnt,  hatte  Ney  vor,  am  8.  Oktober  vorläufig 
bei  Höchstädt  zu  warten. 

Der  um  6^  früh  von  Donauwörth  abgefertigte  Befehl,  bei 
Giengen  oder  sonstwo  die  Straßen  von  Ulm  nach  Ellwangen  und 
Donauwörth  zu  sperren^),  mußte  spätestens  um  8^  bei  Ney  angelangt 
sein,  weil  die  Entfernung  Donauwörth — Höchstädt  auf  der  geraden 
Chaussee  kaum  20  Jcm  beträgt.  Aber  erst  um  2^  nachmittag  setzte 
Ney  das  Korps  in  Marsch,  so  daß  die  Truppen  bei  dem  starken 
Marsche  (36  km)  voraussichtlich  erst  spät  in  der  Nacht  ihr  Ziel  er- 
reichen konnten.  Es  macht  den  Eindruck,  als  ob  Ney  im  Glauben, 
doch  vielleicht  noch  bei  Donauwörth  nötig  zu  werden,  mit  dem 
Rückmarsche  nach  Giengen  absichtüch  gezögert  hat. 

Es  hatten  zu  marschieren : 

die  1.  Division  nach  Hausen  und  Bissingen: 

„     2.         „  „      Burgberg,  mit  einem  Bataillon  nach  Stetten: 

„     3.         „  „      Brenz,  mit  einem  Bataillon  nach  Gundel- 

fingen.  Die  Brücken  von  Lauingen  und  Dillingen  waren  zu  besetzen  ; 

die  Division  Gazan  nach  Mediingen  (sie  marschierte  aber 
nach  Mörslingen); 

die  Dragoner  zu  Fuß  nach  Herbrechtingen; 

die  Dragonerdivision  Bourcier  nach  Bolheim,  mit  einem 
Regiment  nach  Dettingen; 

')  S.  334 


—     353     — 

das  Hauptquartier  nach  Mediingen  (es  kam  aber  ebenfalls 
nach  Mörslingen). 

Sofort  nach  dem  Eintreffen  der  1.  Division  in  Hausen  sollte 
ein  Detachement  von  8  Kompagnien  mit  einer  Eskadron  und  mit 
einem  Geschütz  zu  einer  scharfen  Eekognoszierung  gegen  Ulm 
vorgehen. 

Der  zvpeite  Befehl  des  Kaisers  vom  8.  Oktober  mittag,  nach 
Günzburg  zu  marschieren  (S.  335),  mußte  spätestens  um  2  oder  3^ 
nachmittag  in  den  Händen  des  Marschalls  Ney  gewesen  sein,  so 
daß  Zeit  genug  gewesen   wäre,   die  Marschanordnungen   zu  ändern. 

Ney  tat  aber  nichts  dergleichen ;  er  ließ  sein  Korps  im  Marsch 
auf  Giengen,  obwohl  es  nach  Günzburg  viel  näher  gewesen  wäre 
als  nach  Burgberg  und  Hausen. 

Da  Ney  durch  die  Befehle  Napoleons  genau  in  dessen  Ab- 
sichten eingeweiht  war,  müßte  man  das  Verhalten  Neys,  voraus- 
gesetzt, daß  die  Befehle  tatsächlich  rechtzeitig  eingetroifen  sind,  als 
direkten,  durch  nichts  zu  rechtfertigenden  Ungehorsam  Ijezeichnen. 
Ney  hatte  gar  keine  Nachrichten  erhalten,  die  ihm  neue,  dem  Kaiser 
unbekannte  Umstände  enthüllten  und  ihn  daher  berechtigt  hätten,  von 
dessen  Befehlen  abzuweichen.  Das  weite  Zurückhalten  der  Division 
Gazan  und  des  Hauptquartiers  spricht  dafür,  daß  Ney  noch  immer  auf 
einen  Gegenbefehl  und  auf  den  Marsch  nach  Donauwörth  rechnete. 

Das  widerwillige  Eingehen  Neys  auf  die  Befehle  des  Kaisers 
hatte  nur  Nachteile  im  Gefolge.  Der  späte  Abmarsch  am  8.  bedingte 
bei  dem  starken  Marsche  (Höchstädt — Bissingen  36  km)  das  späte 
Eintreffen  am  Marschziele ;  die  Division  Dupont  traf  erst  am  9.  um 
3^^  früh  bei  Hausen  und  Bissingen,  die  Division  Malher  um  2^  früh 
an  der  Brenz  ein.  Der  Nachtmarsch  bei  strömendem  Regen  und  auf 
aufgeweichten  schlechten  Wegen  hatte  die  Disziplin  der  Truppen  bei 
der  Division  Dupont  wesentlich  geschädigt.  Zahlreiche  Nachzügler 
blieben  zurück.  ISie  kamen  vom  Wege  ab  und  hatten  westlich 
Stotzingen  ein  Gefecht  mit  österreichischer  Kavallerie^)  zu  bestehen. 
Erst  bei  Morgengrauen  konnten  die  Nachzügler  gesammelt  werden. 
Das  Korps  mußte  aber  am  9.  Oktober  bald  wieder  aufbrechen,  um 
doch  endlich  dem  Befehle  des  Kaisers  zu  entsprechen. 

Auf  dem  hnken  Flügel  der  Armee  hatte  Davout,  der  bei  Neu- 
burg übergehen  sollte,  am  9.  sein  Korps  bei  Aichach  zu  versammeln. 


*)  Wahrscheinlich  vom  Detachement  GM.  d'Aspre. 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  .23 


—     354     — 

Seine  Vorhut  übersehiffte  westlich  Neuburg  bei  Steppberg- :  am  Abend 
des  8.  stand  das  ganze  Korps  bei  Neuburg,  wo  die  Brücke  wieder- 
hergestellt worden  war,  viel  zu  weit  rückwärts  für  die  drängende 
und  energische  Ungeduld  Napoleons,  der  gehofft  hatte,  daß  Ka- 
vallerie und  Vorhut  Davouts  schon  am  8.  abend  Aichach  erreichen 
dürften. 

Marmont  war  am  Abend  mit  seinem  Korps  bei  Nassenfeis 
nördlich  von  Neuburg,  Bernadotte  bei  Eichstädt.  Marmont  hatte 
wegen  des  schlechten  Wetters  von  Pappenheim  die  große  Straße 
über  Eichstädt  (Marschlinie  des  1.  Korps)  genommen,  hoffend,  daß 
es  ihm  gelingen  würde,  noch  rechtzeitig  dem  1.  Korps  Platz  zu 
machen.  Es  gelang  ihm  nicht.  Dadurch  wurde  das  1.  Korps  wesent- 
lich in  seinem  Marsch  aufgehalten  und  konnte  an  diesem  Tage  nur 
Eichstädt  erreichen.  So  konnten  weder  Marmont  noch  Bernadotte 
dem  Willen  des  Kaisers  entsprechen,  schon  am  8.  Oktober  Ingolstadt 
in  Besitz  zu  nehmen. 

Am  8.  abend  ging  ein  Befehl  des  Kaisers  au  Bernadotte  ab, 
durch  den  dieser  über  die  Ereignisse  bei  Wertingen  und  über  die 
Aufgaben  Soults  und  Neys  informiert  wurde.  Üljer  Ney  sagt  der 
Befehl,  daß  bei  Günzburg  noch  starke  feindliche  Kräfte  stünden, 
die,  wie  der  Kaiser  hoffe,  noch  schlecht  enden  würden.  Bernadotte 
erhielt  den  Auftrag,  sich  Ingolstadts  zu  versichern,  sich  gegen  alle 
diesseits  des  Inn  auftretenden  feindlichen  Kräfte  zu  wenden  und 
auch  gegen  feindliche  Truppen,  die  sich  etwa  auf  dem  linken  Donau- 
üfer  der  Altmühl  nähern  könnten.  Marmont  sei  zu  beauftragen,  so- 
fort nach  dem  Überschreiten  der  Donau  bis  halben  Wegs  nach 
Augsburg  vorzurücken. 

Berthier  schließt  den  Befehl  mit  dem  charakteristischen  Satz: 
„Ich  werde  Ihnen  die  Befehle  des  Kaisers  zukommen  lassen,  denn 
die  Begebenheiten  wechseln  jeden  Augenblick  und  die  Ereignisse 
drängen  sich  mit  großer  Schnelligkeit." 

Dieser  Satz  läßt  erkennen,  wie  der  Kaiser,  obwohl  er  seine 
allgemeine  Absicht  festhielt,  seine  Handlungen  immer  der  wechseln- 
den Situation  anpaßte,  so  daß  sich  seine  Befehle  nur  für  die  nächsten 
Stunden  geben  ließen;  der  Satz  erklärt  es,  warum  sich  die  Befehle 
mit  der  wechselnden  Situation  so  oft  änderten  und  warum  sie  sich 
so  oft  widersprachen. 

Am  8.  Oktober  ergingen  auch  Befehle  zur  Besetzmig  der  Haupt- 
orte der  Etappenstraße,  und  zwar  Heilbronn,  Ellwangen  und  Donau- 


—     355     — 

wörth  durch  württembergische  Truppen.  Die  Depots  der  Dragoner 
waren  in  Nördlingen,  die  der  Kürassiere  in  Harburg  vereinigt.  In 
diesen  Depots  wurden  alle  marschunfähigen  Mannschaften  und  Pferde 
gesammelt  und  bis  zur  Erlangung  ihrer  Marschfähigkeit  gepflegt. 
In  diesen  Depots  war  immer  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Mann- 
schaften und  Pferden  in  Verpflegung. 

Die  Situation  am  8.  Oktober  abend,  Beilage  23,  stellt  sich 
folgend  dar: 

Die  österreichische  Armee  stand  mit  ihrer  Hauptmasse  bei 
Günzburg  versammelt  oder  war  noch  im  Anmärsche  dorthin.  Jellachich 
hatte  mit  einem  Teil  seines  Korps  Ulm  schon  erreicht,  der  andere 
Teil  war  noch  im  Anmärsche.  Kienmayer  stand  mit  seinem  Korps 
bei  Aichach,    war  aber  im  Begrifi"e,    nach  Dachau  abzumarschieren. 

Eine  beträchtliche  Kraft  war  noch  im  Marsche  zur  Armee  zu 
einer  Zeit,  als  diese  schon  nahezu  eingeschlossen  war. 

Von  der  französischen  Armee  stand  eine  Gruppe  von  etwa 
40.000  Mann  unter  Ney  auf  dem  nördlichen  Donau-Ufer,  bereit, 
gegen  Ulm  vorzugehen  und  im  Begriffe,  nach  dem  letzten  Befehle 
des  Kaisers  zum  Angriff  auf  GünzJjurg  zu  schreiten. 

Im  Zentrum  waren  die  Franzosen  mit  starken  Kräften  bis 
Wertingen  und  Aichach  vorgedrungen  und  hatten  so  Kienmayer 
endgültig'  von  der  Hauptkraft  abgedrängt.  Obwohl  Augsburg  noch 
nicht  besetzt  war,  konnte  man  den  Eückweg  über  Augsburg  für  die 
Österreicher  als  gesperrt  ansehen.  Mehr  als  100.000  Mann  waren 
für  den  9.  Oktober  im  Marsch  auf  Zusmarshausen  und  Augsburg 
angesetzt  (Murat  und  Lannes,  das  ganze  4.  Korps,  das  3.  und 
2.  Korps). 

Das  1.  Korps  und  die  Bayern,  zusammen  etwa  40.000  Mann 
stark,  waren  im  Marsch  über  Ingolstadt,  um  alles  abzuwehren,  was 
vom  Inn  anmarschierte.  Der  russischen  Armee  konnte  somit  eine 
ebenbürtige  Gruppe  rechtzeitig  entgegentreten. 

Murat  hat  für  seinen  Vormarsch  nach  Zusmarshausen  drei 
schwere  Kavalleriedivisionen,  zwei  Dragoner-  und  eine  Kürassier- 
division, also  etwa  6000  Reiter  zur  Verfügung  gehabt.  Trotzdem 
waren  ihm  für  diesen  Marsch  noch  zwei  leichte  Kavallerieregimenter 
vom  Korps  Lannes  zugewiesen  worden,  „pour  eclairer  la  marche  de 
votre  grosse  cavalerie".  Diese  Verfügung  gewährt  einen  Einblick  in 
die  Verfassung  und  Verwendung  der  französischen  Kavallerie.  Sie 
zeigt,    daß    die  schwere  Kavallerie    zur  Aufklärung   wenig   geeignet 

23* 


—     356     — 

und  ausgebildet,  daß  sie  vielmehr  vor  allem  als  Kampfwaffe  für  die 
Schlacht  bestimmt  war. 

Wie  wichtig  die  Rolle  der  schweren  Kavallerie  für  den  Kampf 
war,  beweist  das  Gefecht  von  Wertingen.  Die  Bestimmung  für  den 
Kampf  verlangte  aber  das  Zusammenhalten  dieser  Kavallerie,  die 
Verwendung  zur  Aufklärung  dagegen  hätte  die  Zersplitterung  eines 
großen  Teiles  der  für  sie  wenig  geeigneten  schweren  Kavallerie  er- 
fordert. Die  geringe  Eignung  der  schweren  Kavallerie  zur  Auf- 
klärung, welcher  Mangel  durch  diese  Verfügung  zweifellos  zu  er- 
kennen ist,  und  das  Streben,  diese  Kavallerie  für  den  Kampf  zu- 
sammenzuhalten, geben  den  Schlüssel  zur  Beurteilung  der  Kavallerie- 
verwendung Napoleons  ^). 

Sie  bestärkt  vor  allem  in  der  Auffassung,  daß  die  Belassung 
der  Dragoner  vor  Straßburg  eine  rein  defensive  Maßregel  zum  Schutze 
der  Straßburger  Brücke  war  und  nicht  eine  Demonstration  zur  Ver- 
schleierung des  Anmarsches  der  Armee  gegen  Stuttgart.  Für  die 
erste  Aufgabe,  zu  der  die  Dragoner  vorzüglich  geeignet  waren, 
brauchte  keine  weitreichende  Aufklärung  betrieben  zu  werden;  die 
Aufgabe,  zum  Zwecke  der  Verschleierung  zu  demonstrieren,  hätte 
nebst  dem  weiteren  Vorrücken  des  ganzen  Kavalleriekorps  auch  eine 
möglichst  weit  —  etwa  bis  Stockach,  Reutlingen  —  vorgetriebene 
kecke  Aufklärung  erfordert,  um  beim  Feinde  den  Glauben  an  das 
Vorgehen  starker  Kräfte  in  dieser  Richtung  zu  erwecken.  In  diesem 
Falle  hätte  aber  Napoleon,  nach  dem  Beispiele  von  Wertingen  zu 
schließen,  Murat  auch  leichte  Kavallerie  zugewiesen. 

Die  geringe  Eignung  der  schweren  Kavallerie  zur  Aufklärung 
erklärt  auch,  warum  Napoleon  gerade  die  Dragoner  zur  Deckung 
Straßburgs  zurückgelassen  hat.  Es  lag  nichts  daran,  wenn  sie  hinter 
die  Korps  Ney  und  Lannes  kamen,  die  durch  ihre  leichte  Kavallerie 
weit  besser  zur  Aufklärung  befähigt  waren,  dagegen  konnten  die 
Dragoner  noch  immer  rechtzeitig  vorkommen,  wenn  sie  zum  Kampfe 
vorne  nötig  werden  sollten. 


^)  Daß  natürlich  auch  die  schwere  Kavallerie  zur  Aufklärung  verwendet 
worden  ist  und  auch  oft  den  Auftrag  dazu  erhielt,  ändert  nichts  an  dieser  Tat- 
sache. Es  wurde  ja  auch  schon  damals  selbst  die  leichte  Infanterie  in  beschränk- 
terem Maße  zur  Aufklärung  ausgenützt. 


XIV.  Der  9.  Oktober. 

(Beilagen  24  und  25.) 

Das  Wetter,  das  schon  längere  Zeit  recht  schlecht  war,  wurde 
vom  9.  Oktober  an  fast  unerträglich.  Am  9.  Oktober  fiel  ununter- 
brochen ein  starker,  eisiger  und  mit  Schnee  untermischter  Regen, 
der  die  Truppen  in  kurzer  Zeit  ganz  durchnäßte.  Am  10.  trat  eisig 
kalter  Wind  dazu,  so  daß  der  Regen  in  einen  breiigen,  weichen 
Schnee  überging;  auf  den  Wegen  und  Feldern  lag  bald  eine  hohe 
Schicht  wässerigen  Schnees,  der  sich  unter  jedem  Tritt  in  Wasser 
verwandelte.  Die  Truppen  litten  unter  diesen  Witterungsverhältnissen 
außerordentlich. 

Österreicher. 

FML.  Kienmayer  war  am  8.  Oktober  abend  von  Aichach  nach 
Sehwabmünchen  abmarschiert,  wo  er  am  9.  früh  eintraf;  nachdem 
die  Truppen  abgekocht  hatten,  setzte  er  um  12''  mittag  den  Rück- 
marsch nach  Dachau  fort. 

In  der  Nacht  vom  8.  auf  den  9.  Oktober  um  1^  kam  GM.  Graf 
Hohenfeld,  der  Kommandant  der  Grenadierbrigade  Aiififenbergs,  nach 
Günzburg  zum  Erzherzog  Ferdinand  mit  der  Meldung  über  die  ver- 
nichtende Niederlage  der  Division  Auffenberg  bei  Wertingen.  Auf 
die  Frage  nach  seinen  Truppen  antwortete  der  General,  er  wisse  nicht, 
wo  sie  seien.  Der  Erzherzog  mußte  ihn  hart  anlassen,  sofort  seine 
Truppen  aufzusuchen,  sie  zu  sammeln  und  zu  ordnen. 

Hier  sei  gleich  bemerkt,  daß  FML.  Auffenberg,  der  dem  Ge- 
fechte zu  Fuß  Ijeigewohnt  hatte,  erst  am  Morgen  des  9.  völlig  er- 
schöpft in  Burgau  eintraf,  von  wo  er  sodann,  ohne  Meldung  zu  er- 
statten, nach  Memmingen  und  dann  nach  Tirol  abreiste.  Erst  später 


—     358     — 

erhielt  der  Erzherzog  eine  am  9.  in  Burgau  verfaßte  Gefechtsrelation 
Auffenliergs. 

Gleich  nach  der  Meldung  des  GM.  Hohenfeld  wurden  die 
Truppen  alarmiert;  von  den  Alarmplätzen  wurden  sie  sogleich  nach 
Burgau  dirigiert,  wo  sie  auf  den  Höhen  zwischen  der  Mindel  und 
der  Kammelach  eine  Aufstellung  beziehen  sollten. 

Der  Gedankengang,  der  Mack  dabei  leitete,  war  folgender :  Aus 
allen  Nachrichten  war  zu  ersehen,  daß  die  ganze  französische  Armee 
in  der  Gegend  von  Donauwörth  versammelt  sei.  Die  .Meldungen  Kien- 
mayers und  das  Gefecht  von  Wertingen,  in  dem  gegen  6000  französi- 
sche Eeiter  gezeigt  worden  waren,  ließen  auf  die  Absicht  Napoleons 
schließen,  mit  dem  größten  Teil  seiner  Armee  bei  Donauwörth  über 
die  Donau  zu  gehen,  sich  zum  Meister  der  ganzen  Lech-Linie  bis 
an  den  Fuß  der  Tiroler  Gebirge  zu  machen  und  dadurch  die  öster- 
reichische Armee  von  den  Eussen  und  von  Kienmayer  zu  trennen, 
um  die  Armee  mit  überlegener  Macht  anzugreifen,  bevor  die  Eussen 
den  Franzosen  über  München  in  den  Rücken  fallen  könnten.  Unter 
dieser  Annahme  wurde  vermutet,  daß  Napoleon  eine  starke  Avant- 
garde gegen  Burgau  senden  werde,  um  die  Lage  der  k.  k.  Armee 
zu  rekognoszieren.  Mit  der  Aufstellung  bei  Burgau  hatte  Mack  nun 
die  Absicht,  nicht  nur  diese  allenfalls  vorrückende  feindliche  Avant- 
garde zurückzuwerfen,  sondern  hauptsächlich  noch  in  der  folgenden 
Nacht  aus  dieser  Stellung  aufzubrechen  und  über  Zusmarshausen 
und  Augsburg  oder  wenn  dieser  Weg  vom  Feinde  schon  zu  stark 
besetzt  sein  sollte,  ül)er  Landsberg  in  forcierten  Märschen  auf  das 
rechte  Ufer  des  Lech  zu  gelangen^). 

Bei  Tagesanbruch  ritten  Erzherzog  Ferdinand'  und  FML.  Mack 
nach  Burgau  vor,  um  die  Stellung  auszusuchen.  Weil  das  Terrain 
nicht  günstig  schien  und  weil  die  Franzosen  die  Verfolgung  unter- 
ließen, so  daß  ein  Angriff  am  9.  nicht  zu  befürchten  war,  wurde 
der  Plan,  die  Armee  bei  Burgau  aufzustellen,  fallen  gelassen.  Mack 
wählte  eine  andere  Stellung  aus,  deren  linker  Flügel  sich  bei  Eeisens- 
burg  an  die  Donau  lehnte  und  deren  rechter  Flügel  bei  Limbach, 
5  lim  südlich  von  Eeisensburg,  lag.  Die  Truppen,  die  schon  zum 
großen  Teil  bei  Burgau  angelangt  oder  dahin  auf  dem  Marsche 
waren,  mußten  umkehren. 

Die  Korps  Werneck  und  Eiesch  bezogen  die  neue  Aufstellung, 
das  Korps  Schwarzenberg  stand  bei  Günzburg  in  Eeserve. 

^)  Kriegsarehiv,  1905,  Deutsehland  FA,  XIIL  106. 


—     359     — 

General  d'Aspre  erhielt  den  Befehl,  sogleich  die  drei  Bataillone 
Württemberg  und  die  Division  HohenzoUern-Kürassiere  bei  der  Brücke 
von  Leipheim  auf  dem  rechten  Donau-Üfer  aufzustellen.  „Sie  für  Ihre 
Person",  heißt  es  in  dem  Befehle,  „müssen  sich  in  ßiedhausen  auf- 
stellen und  durch  Ihre  Aufstellung  die  Donau-Brücke  bei  Günzburg 
decken,  auch  im  Fall  eines  Rückzuges  denselben  über  Günzburg 
nehmen."  Er  sollte  weiter  den  Feind  aufklären  und  nach  Günzburg 
melden^).  Dieser  Befehl  hatte  den  Zweck,  das  Detachement  bei  dem 
bevorstehenden  Marsch  an  den  Lech  sogleich  an  die  Armee  heran- 
ziehen zu  können. 

Die  gegen  Wertingen  und  Zusmarshausen  ausgesandten  Patrouillen 
brachten  Meldung,  daß  sie  den  Feind  nicht  getroffen  hatten;  er 
scheine  nach  allen  Nachrichten  gegen  Augsburg  abgezogen  zu  sein. 
Am  9.  traf  auch  eine  Meldung  des  GM.  Grafen  Spangen  aus  Füssen 
ein,  daß  seine  Brigade  mit  je  einem  Regiment  am  13.,  16.  und 
18.  Oktober  in  Ulm  eintreffen  werde^).  GM.  Spangen  erhielt  Befehl, 
mit  den  Regimentern  von  Mindelheim,  wo  sie  am  10.,  13.  und 
15.  sein  sollten,  nach  Memmingen  zu  marschieren,  wo  er  unter 
Befehl  des  FML.  Jellaehich  trete. 

Die  große  Bagage  der  Armee  wurde  bei  AVeißenhoru  ge- 
sammelt; sie  sollte  beim  Abmarsch  der  Armee  über  Memmingen 
nach  Tirol  gesandt  werden.  ^ 

FML.  Mack  hatte  aber  inzwischen  einen  neuen  Plan  ent- 
worfen. Da  er  die  ganze  französische  Armee  bei  Donauwörth  im 
Übergang  vermutete,  hielt  er  den  Marsch  an  den  Lech  nicht  mehr 
für  ausführbar.  Er  wollte  nun  in  der  Nacht  zum  10.  Oktober  bei 
Günzburg  über  die  Donau  setzen  und  dann  auf  dem  linken  Ufer 
gegen  Neuburg,  Ingolstadt  und  Regensburg  marschieren,  um  dort 
irgendwo  die  Donau  abermals  zu  überschreiten  und  sich  mit  Kien- 
mayer und  mit  den  Russen  zu  vereinigen.  Er  entwarf  hiezu  sofort 
die  Disposition.  Sie  lautete  (Auszug): 

„Disposition  für  den  Übergang  der  Armee  über 
die  Donau. 

„Die  Armee  übersetzt  heute  nacht  auf  der  Günzburger  Chaussee- 
brücke die  Donau   und   marschiert  auf  der  Chaussee  über  Gundel- 


')  Dem  General  cVAspre  blieben  für  diese  Aufgabe  nur  die  zwei  Kom- 
pagnien Tiroler  Jäger  und  die  vier  Eskadronen  leichter  Kavallerie. 

*)  Es  waren  das  die  drei  von  der  italienischen  Armee  nach  Deutschland 
beorderten  Infanterieregimenter. 


—     360     — 

fingen  nach  Giengen.  Die  zweite  Brücke  bei  Günzburg  und  die  von 
Leipheim  werden  mit  eingehender  Nacht  abgebrochen  und  die 
Hölzer  in  die  Donau  versenkt. 

„Mit  eingehender  Nacht  hat  alle  fahrende  Bagage  nach  Ulm 
aufzubrechen,  jenseits  der  Stadt,  bei  der  Chaussee,  die  nach  Neren- 
stetten  und  Giengen  führt,  aufzufahren  und  mit  Anbruch  des  Tages 
den  Marsch  über  Nerenstetten  nach  Giengen  fortzusetzen.  Sie  erhält 
eme  Bedeckung  von  Eosenberg-Chevauxlegers. 

„Um  10^  nacht  bricht  das  Korps  Eiesch  auf;  diesem  folgt  die 
ßeserveartillerie  und  Munition,  auf  diese  das  Korps  Werneck  und 
endhch  das  Korps  Schwarzenberg,  das  nach  dem  Übergang  die 
Brücke  zu  zerstören  hat. 

„Die  bei  Burgau  stehende  Avantgarde  wird  bei  eingebrochener 
Nacht  eingezogen,  bis  auf  ein  Detachement  von  65  Reitern  unter 
einem  sehr  geschickten  Eittmeister,  das  bis  Tagesanbruch  in  mög- 
lichst breiter  Front  recht  viele  Feuer  zu  unterhalten  hat.  Vor 
Tagesanbruch  geht  es  bei  Elchingen  und  Thalfingen  über  die  Donau 
zurück  und  zerstört  die  dortigen  Brücken.  Wenn  dieses  Detachement 
seine  Aufgabe  gut  erfüllt,  erhält  jeder  Mann  einen,  jeder  Unter- 
offizier zwei  Dukaten  Belohnung. 

„Alle  nicht  hier  bei  Günzburg  befindliche  schwere  und  leichte 
Artilleriereserve  und  Munition,  desgleichen  die  Pontons  fahren  augen- 
blicklich nach  erhaltenem  Befehl  nach  Ulm,  von  wo  sie  vor  der 
Bagage  nach  Giengen  marschieren. 

„Alles,  was  der  Armee  nicht  unumgänglich  nötig  ist,  fährt 
alsobald  nach  Memmingen,  wohin  auch  heute  abend  die  bereits  nach 
Weißenhorn  disponierte  schwere  Bagage  abzufahren  und  weitere 
Befehle  vom  FML.  Jellachich  zu  erwarten  hat. 

„Alles,  was  sich  sonst  diesseits  des  Lech-Flusses  bei  Landsberg, 
Mindelheim  etc.  an  Truppen,  Artilleriegut,  Bagage  etc.  befindet, 
begibt  sieh  ebenfalls  nach  Memmingen. 

„General  d'Aspre  besetzt  heute  nach  eingegangener  Nacht 
Gundelfiügen ;  sobald  alle  Kolonnen  der  Armee  Gundelfingen  passiert 
haben,  drängt  er  mit  seinem  Korps  nach  Lauingen,  Dillingen,  Höchstädt, 
Blindheim  und  bis  Donauwörth  abwärts,  vertreibt  überall  den  Feind 
und  zerstört  alle  Brücken. 

„Ulm  wird,  weil  es  nicht  mehr  möglich  ist,  den  Platz  mit 
Artillerie  zu  versehen,  morgen  früh  verlassen;  FML.  Jellachich  zieht 
sieh   mit    zwei  Eskadronen  und  den  Infanterieregimentern  Beaulieu 


—     361     — 

und  Stain  nach  Meramingen,  wo  er  morgen  nacht  eintreffen  muß. 
Er  zerstört  die  Brücken  bei  Ulm.  FML.  Jellachich,  "  der  die  von 
Tirol  anmarschierenden  drei  Regimenter  an  sich  zieht,  hält  sich  bei 
Memmingen  solange  als  möglich.  Kann  er  sich  dort  nicht  mehr 
halten,  dann  läßt  er  in  Memraingen  eine  Garnison  von  fünf  Bataillonen, 
vs^ährend  er  sich  mit  dem  Detachement  Wolfskeel  nach  Lindau  und 
Vorarlberg  zurückzieht. 

„Die  Infanterieregimenter  Kaiser  und  Hildburghausen  mit 
6  Eskadronen  Klenau  und  4  Eskadronen  Rosenberg-Chevauxlegers 
unter  GM.  Richter  brechen  morgen  um  3^  früh  von  Ulm  auf, 
rücken  unaufhaltsam  gegen  Geislingen  vor,  trachten  den  dort  schwach 
gemeldeten  Feind  zu  vertreiben  und  schicken  Streifparteien  gegen 
Stuttgart  aus,  die  den  Lärm  verbreiten,  daß  die  ganze  Armee 
nachfolge." ') 

Diese  Disposition  wurde  am  9.  um  4^  nachmittag  beim  Erzherzog 
Ferdinand  in  Günzburg  präsentiert.  Während  sie  für  die  Truppen 
abgeschrieben  wurde,  griff  das  Korps  Ney  Günzburg  an, 

Franzosen. 

Der  Kaiser,  der  wohl  den  Glauben  hegte,  daß  der  Feind  vor 
allem  den  Rückzug  über  Augsburg  suchen  würde  und  für  diesen 
Fall  seine  Anordnungen  getroffen  hatte,  dachte  aber  auch  an  die 
anderen  Möglichkeiten  —  an  den  Rückzug  Macks  über  Landsberg 
oder  nach  Tirol  und  auch  an  den  Abmarsch  der  Österreicher  auf 
dem  nördlichen  Donau-Ufer.  Weil  der  Kaiser  die  ganze  leichte 
Kavallerie,  das  Hauptmittel  zur  Aufklärung,  an  die  Korps  verteilt 
hatte  und  weil  die  schwere  Kavallerie  aus  den  früher  erwähnten 
Gründen  versammelt  gehalten  wurde,  war  er  für  seine  Entschlüsse 
jetzt,  wo  jede  wechselnde  Situation  rasche  Befehlgebung  forderte, 
ganz  auf  die  Meldungen  seiner  Korpskommandanten  angewiesen. 
Diese  verwendeten  ihre  Kavallerie  aber  nur  für  ihre  beschränkteren 
Ziele  und  waren  auch  oft  nicht  in  der  Lage,  den  ganzen  Gedanken- 
gang des  Kaisers  zu  erfassen  und  danach  das  für  den  Kaiser 
Wichtigste  auszukundschaften  und  zu  melden. 

Über  die  Situation  bei  Wertingen,  Augsburg  und  Aichach  war 
der    Kaiser    wohl    unterrichtet.    Aber    gerade    aus    der    wichtigsten 

^)    Kriegsarehiv,    1905,    Deutsehland    PA,  X,    73.    Von    Maek    selbst    ge- 
sclirieben. 


—     362     — 

Gegend,  von  dem  Korps,  das  aller  Voraussieht  nach  am  nächsten 
zur  Hauptkraft  des  Feindes  stand,  von  Ney,  war  keine  Meldung 
eingelangt.  Der  Kaiser  wußte  nicht,  ob  Nej  den  Befehl,  Günzburg 
zu  nehmen,  erhalten  und  ausgeführt  habe  und  was  er  vom  Feinde 
getroffen;  es  war  somit  für  Napoleon  schwer,  das  Dunkel  der  Lage 
zu  durchdringen.  Nach  Süden  waren  seine  vordersten  Truppen  noch 
nicht  an  die  Straße  Günzburg — Augsburg  gelangt.  Dem  Feinde 
standen  daher  —  soweit  Napoleon  das  am  8.  abend  be- 
urteilen konnte  —  noch  alle  vorerwähnten  Wege  offen.  Ney 
allein  konnte  durch  seinen  Angriff  auf  Günzburg  und  durch  seine 
Beobachtung  Ulms  Klarheit  bringen,  und  gerade  von  dort  fehlte 
jede  Nachricht.  Der  Kaiser  ließ  daher  Ney  durch  einen  um  Mitter- 
nacht abgegangenen  Befehl  über  die  Situation  der  übrigen  Korps 
unterrichten  und  ihm  auftragen: 

......  Es  ist  wichtig,  daß  Sie  bald  in  Günzburg  ankommen, 

um  alle  Bewegungen  des  Feindes  von  Ulm  auf  Augsburg  und  von 
Ulm  auf  Donauwörth  zu  unterbrechen;  seien  Sie  sehr  achtsam, 
wenn  der  Feind  auf  dem  rechten  Ufer  manövriert,  damit  Sie  rasch 
und  parallel  mit  ihm  marschieren  können.  Werfen  Sie  die  Division 
Gazan  auf  das  rechte  Ufer.  Endlich  verlieren  Sie  nicht  aus  den 
Augen,  daß  es  nach  dem  Plane  des  Kaisers,  den  Feind  zu  um- 
schließen und  ihm  den  Rückzug  zu  verwehren,  nötig  ist,  die  eigene 
Stärke  etwas  zu  verheimlichen." 

Schließlich  erhielt  Ney  den  Auftrag,  sich  immer  zwischen 
dem  Feinde  und  Donauwörth  zu  halten,  ob  der  Feind  nun  nach 
Donauwörth  oder  Augsburg  marschiere. 

Am  9.  Oktober  mittag  folgte  diesem  Befehl  ein  zweiter: 

„Wir  ha))en  noch  immer  keine  Nachricht  von  Ihnen  und 
wissen  nicht,  wo  Sie  die  Nacht  zugebracht  haben." 

Ney  erhielt  Befehl,  die  Division  Gazan  und  die  Dragoner  zu 
Fuß  nach  Augsburg  zu  senden,  wo  sie  am  10.  eintreffen  sollten. 
(Von  Herbrechtingen  über  Dillingen  nach  Augsburg  sind  70  Am. 
Der  Befehl  war  daher  für  die  Dragoner  zu  Fuß  kaum  durchführbar.) 
Dann  heißt  es  im  Befehle  weiter: 

„Was  Ulm  betrifft,  ist  es  unmöglich,  daß  es  der  Feind  stark 
besetzt  hält.  Wenn  er  es  nur  mit  3000 — 4000  Mann  besetzt  hat, 
senden  Sie  eine  Division  dahin,  ihn  zu  vertreiben;  ist  er  dort  viel 
stärker,  marschieren  Sie  mit  Ihrem  ganzen  Korps  hin  und  schließen 
Sie   es   ein.    Sodann   richten   Sie   sich   nach   den  Bewegungen   des 


—     303     — 

Feindes,  sei  es  auf  Angst)urg  oder  Landsberg  oder  Memmingen. 
Meiden  Sie  über  alles  zweimal  im  Tage  dem  Kaiser;  Sie  können  sich 
denken,  was  ihm  das  für  die  allgemeine  Entschlußfassung  bedeutet." 

Der  Kaiser  scheint  also  in  seiner  Ansicht  vom  Eückzuge  des 
Feindes  gegen  den  Lech  noch  mehr  bestärkt  worden  zu  sein,  da  er 
zwei  Divisionen  von  Ney  nach  Augsburg  heranziehen  will.  Wie 
recht  er  damit  hatte,  zeigt  der  am  8.  und  9.  Oktober  beim  öster- 
reichischen Arraeekommando  bestandene  Plan. 

Dieser  Auflassung  des  Kaisers  entsprachen  auch  seine  übrigen 
Befehle.  Vor  allem  betraute  er  Murat  mit  dem  Oberbefehl  über  alle 
westlich  des  Lech  stehenden  Truppen  und  verstärkte  Lannes  durch 
Zuweisung  der  Divisionen  St.  Hilaire  und  Suchet  vom  4.  Korps.  Die 
Division  Suchet  erhielt  Befohl,  nach  Wertingen  zu  marschieren. 
Lannes  sollte  zwischen  Zusmarshausen  und  Augsburg  Stellung 
nehmen.  Murat  wurde  angewiesen,  die  Division  Walther  zwischen 
Augsburg  und  Landsberg  aufzustellen  und  alle  Kräfte  bereitzuhalten 
für  den  Fall,  als  Augsburg  am  10.  angegriffen  werden  sollte.  „Sicher, 
der  Feind  dürfte  im  Marsche  von  Ulm  auf  Augsburg  sein  und  in 
diesem  Falle  muß  Soult  rasch  verständigt  werden,  damit  er  sich 
mit  Lannes  vereinige.  Wenn  der  Feind  stark  ist,  darf  sich  der 
Marschall  Lannes  nicht  in  einen  ernsten  Kampf  einlassen,  bevor  er 
mit  Soult  vereinigt  ist"',  lautete  die  Direktive  für  den  Fall  eines 
Zusammenstoßes. 

Marmont  erhielt  unter  der  Anspornuug:  „Die  Augenblicke  sind 
kostbar;  jede  verlorene  Stunde  raubt  uns  einen  Teil  des  Erfolges 
unserer  Märsche",  den  Befehl,  noch  am  9.  an  die  Kreuzung  der 
Straßen  Neuburg — Augsburg  und  Rain — München  zu  marschieren. 

Bernadotte  wurde  angewiesen,  ohne  einen  Augenblick  zu  ver- 
lieren, mit  seinem  Korps  und  mit  den  Bayern  im  Gewaltmärsche,  Tag 
und  Nacht  marschierend,  München  zu  erreichen,  die  Isar-Brücken  zu 
besetzen  und  die  Straßen  nach  Wien  und  Landsljerg  zu  sperren. 
Der  Kaiser  hoffe,  daß  die  Vorhut  am  10.  abend  ^München  erreiche. 
In  Ingolstadt  solle  Bernadotte  2000  Franzosen  und  6000  Bayern 
belassen,  die  sich  dort  verschanzen. 

Das  große  Hauptquartier  und  die  Garde  hatten  nach  Augsburg, 
die  Kürassierdivision  d'Hautpoul  nach  Mertingen  zu  marschieren. 
Donauwörth  blieb  durch  ein  Detachement  besetzt. 

Der  Kaiser  ging  für  seine  Person  am  9.  nachmittag  nach 
Zusmarshausen,  wo  er  nächtigte. 


—     364     — 

Marmont  kam  am  9.  nicht  über  Neuburg,  Bernadotte  nicht 
über  Ingolstadt  hinaus. 

Der  Auftrag  an  das  Korps  Ney,  sich  der  Brücken  bei  Günz- 
burg  zu  bemächtigen,  führte  am  9.  zum 

Gefecht  bei  Günzburg. 

(Beilage  24.) 

Nach  den  Anordnungen  des  Marschalls  Ney  hatten  am  9.  Ok- 
tober zu  marschieren : 

Die  1.  Division  (Dupont)  und  die  leichte  Kavallerie  von 
Hausen  nach  Albeck,  wo  die  Division,  den  Flötzbach  vor  der  Front, 
Stellung  zu  nehmen  hatte ;  die  Vorhut  war  soweit  als  möglich  gegen 
Ulm  vorzusenden;  Thalfingen  und  Haslach  waren  durch  Posten  zu 
besetzen : 

die  2.  Division  (Loison)  von  Burgberg  nach  Langenau,  wo  sie 
auf  den  Höhen  nördlich  des  Ortes  Stellung  nehmen  sollte;  sie  hatte 
zu  versuchen,  sich  der  Brücken  bei  Elchingen  und  Thalfingen  zu 
bemächtigen ; 

die  3.  Division  (Malher)  von  Dillingen  und  Gundelfingen 
auf  der  Chaussee  nach  (iünzburg  und  ßeisensburg  und  von  Brenz 
über  Bächingen  und  Riedhausen  nach  Günzburg;  die  Division  sollte 
Stotziugen  und  die  Brücken  bei  Dillingen  und  Lauiugen  besetzt 
halten  und  auch  versuchen,  sich  der  Brücke  von  Leipheim  zu  be- 
mächtigen : 

die  Division  Gazan  nach  Gundelfingen; 

die  Dragonerdivision  Bourcier  nach  Nerenstetten. 

Die  Dragoner  zu  Fuß  hatten  bei  Herbrechtingen  stehen  zu 
bleiben. 

Das  Eekognoszierungsdetachement  der  1.  Division  (s.  S.  353) 
war  bei  Albeck  auf  feindliche  Kavallerie  getroffen,  die  sich  zurückzog. 
Bei  Haslach  stellten  sieh  ihm  mehrere  Bataillone  entgegen.  Nach 
kurzem  Gefechte  zog  sich  das  Detachement  nach  Albeck  zurück,  wo 
es  das  Eintreffen  der  Division  Dupont,  die  erst  bei  Einbruch  der 
Dunkelheit  anlangte,  abwartete. 

Am  10.  meldete  Dupont  dem  Marschall  Ney,  daß  das  Eeko- 
gnoszierungsdetachement bei  Haslach  auf  überlegene  Kräfte  gestoßen 
war.  In  einer  späteren  Meldung  vom  10.  Oktober  spricht  Dupont 
von  der  Vereinigung  beträchtlicher  feindlicher  Truppen  bei  Ulm. 


—     365     — 

General  Malher  ließ  seine  Division  um  9^  vormittag  in  drei 
Kolonnen  abrücken.  Die  rechte  Kolonne,  bestehend  aus  12  Voltigeur- 
und  Karabinierkompagnien ,  hatte  von  Stotzingen  zur  Brücke  von 
Leipheim  vorzugehen  und  diese  zu  nehmen.  Die  Mittelkolonne, 
bestehend  aus  drei  Eegimentern,  hatte  über  ßiedhausen  gegen  die 
Brücke  bei  Günzburg^),  die  linke  Kolonne,  ein  Regiment  stark,  von 
Gundelfingen  auf  der  Chaussee  gegen  die  Brücke  von  Reisensburg 
vorzugehen. 

Die  rechte  Kolonne,  die  keinen  direkten  Weg  vorfand,  geriet 
in  die  Sümpfe  und  kehrte  nach  vergeblichen  Versuchen,  durchzu- 
dringen, nach  Riedhausen  zurück,  wo  sie  erst  in  der  Nacht  eintraf. 
Die  Mittelkolonne  stieß  auf  dem  Marsche  von  Riedhausen  nach 
Günzburg  zuerst  auf  den  allein  rekognoszierenden  GM.  d'Aspre,  der 
gefangengenommen  wurde,  dann  auf  die  Division  Tiroler  Jäger  des 
GM.  d'Aspre,  die  sieh  vor  der  Übermacht  laugsam  zurückzog. 

Bei  Günzburg  waren,  wie  bekannt,  beide  Brücken  für  den  ge- 
planten Übergang  über  die  Donau  wieder  in  stand  gesetzt  worden. 

Die  österreichische  Armee  war  im  Begriff,  ihre  Aufstellung 
bei  Günzburg  zwischen  Reisensburg  und  Limbach  zu  beziehen,  als 
die  Meldung  vom  Anrücken  starker  französischer  Kräfte  über  Ried- 
hausen eintraf.  Das  eben  in  Günzburg  einrückende  Infanterieregiment 
Erzherzog  Karl  wurde  an  die  nur  schwach  besetzte  Brücke  bei 
Günzburg  dirigiert  und  der  noch  nördlich  der  Donau  befindlichen 
Division  Tiroler  Jäger  der  Befehl  gesandt,  den  Vormarsch  des  Feindes 
solange  aufzuhalten,  bis  die  Vorbereitungen  getroffen  waren,  um  die 
Brücken  zu  sichern  und  abzutragen. 

Als  aber  die  Meldung  einlangte,  daß  auch  auf  der  Chaussee 
von  Gundelfingen  Franzosen  anrückten,  scheint  das  Abbrechen  der 
Brücken  überhastet  durchgeführt  worden  zu  sein,  denn  als  die  Jäger 
an  der  Donau  anlangten,  waren  beide  Günzburger  Brücken  ungangbar. 
Bei  der  westlichen  Günzburger  Brücke  war  der  Brückenteil  über 
den  nördlichen  Arm  ganz  zerstört,  bei  der  Brücke  über  den  Hauptarm 
waren  drei  Felder  abgetragen.  Bei  der  Chausseebrücke  war  der 
Belag  zunächst  des  südlichen  Ufers  entfernt.    200  Jäger  und  2  Ge- 


*)  Gemeint  war  die  Brücke  nördlich  Günzburg.  Die  Oliausseebrüeke,  die 
sich  etwas  östlich  Günzburg  befindet,  war  in  der  Disposition  unberücksichtigt 
geblieben,  was  den  ungenau  gezeichneten  Karten  zur  Last  fällt.  Jedenfalls  wäre 
eine  genaue  Rekognoszierung  der  Brücken  bei  Günzburg  vor  Beginn  des  Unter- 
nehmens angezeigt  gewesen.     • 


—     366     — 

schütze,  die  somit  abgeschnitten  waren,  fielen  den  Franzosen  in 
die  Hände. 

Inzwischen  hatten  2 — 3  österreichische  Bataillone  und  etwa 
20  Geschütze  an  der  Brücke  nördlich  Güuzburg  Aufstellung  ge- 
nommen. Als  die  Franzosen  ^egen  3^  nachmittag  aus  dem  Walde 
traten,  erhielten  sie  heftiges  Artilleriefeuer;  die  vier  Geschütze,  die 
sie  ins  Feuer  brachten,  konnten  der  überlegenen  österreichischen 
Artillerie  nicht  standhalten.  Trotz  des  heftigen  Artilleriefeuers  gingen 
aber  die  Franzosen  vor,  durchfurteten  den  Donau-Arm  und  eröffneten 
von  der  Insel  aus  das  Feuer.  Nach  und  nach  brachten  sie  vier  Bataillone 
auf  der  Insel  in  den  Kampf.  Die  Österreicher  verstärkten  ihre  im 
Kampf  stehenden  Truppen  noch  durch  die  Greuadierbrigade  Hohen- 
feld^).  Als  der  Kampf  schon  längere  Zeit  gedauert  hatte,  erhielt 
FML.  Graf  Gyulai  den  Befehl,  nach  Wiederherstellung  der  Chaussee- 
brücke mit  7  Bataillonen  und  14  Eskadronen  über  die  Donau  vor- 
zubrechen, den  Feind  zu  vertreiben  und  so  den  Weg  für  den  in  der 
Nacht  durchzuführenden  Übergang  freizumachen^).  FML.  Gyulai 
hatte  hiezu  das  Eegiment  Kaunitz  bei  der  Brücke  bereitgestellt;  als 
das  Regiment  nach  Herstellung  der  Brücke  den  Vormarsch  begann 
(es  war  schon  nach  6^  abend),  brach  auf  der  Chaussee  eine  starke, 
geschlossene  französische  Kolonne  aus  dem  Walde,  stürmte  über 
die  Brücke  und  warf  das  Eegiment  Kaunitz  auf  Günzburg  zurück. 
Erst  eine  Attacke  von  zwei  Eskadronen  brachte  die  Franzosen  zum 
Stehen.  Das  Regiment  Jellachich  hatte  auf  die  Nachrieht  vom  Vor- 
brechen der  Franzosen  die  Lisiere  von  Günzburg  besetzt.  Die 
Franzosen  —  es  war  die  linke  Kolonne,  das  59.  Linieninfanterie- 
regiment —  griffen  das  Regiment  Jellachich  an,  aber  das  Eingreifen 
österreichischer  Kavallerie  veranlaßte  die  Franzosen  zum  Zurück- 
gehen; sie  blieben  auf  den  Höhen  südlich  der  Chausseebrücke  stehen, 
wo  sie  alle  folgenden  Kavallerieangriffe  abwiesen.  Erst  nach  S^  abend 
verstummte  der  Kampflärm. 

Inzwischen  hatte  General  Malher  erkannt,  daß  es  unmöglich 
war,  bei  Günzburg  selbst  die  Donau  zu  überschreiten  oder  die  zer- 
störte Brücke  herzustellen.  Da  somit  der  Kampf  auf  der  Insel  zwecklos 

^)  Die  Brigade  bestand  aus  den  vier  auch  bei  Wertingen  gestandenen 
(irenadierbataillonen  Stuart,  CoUoredo,  Erbaeh  und  Kaunitz. 

^)  Dem  FML.  Gryulai,  der  eine  Division  des  Korps  Rieseh  befehligte,  v?aren 
für  diese  Aktion  zugewiesen:  die  Brigade  Odoneil  des  Korps  Werneek  (Infanterie- 
regimenter Kaunitz  und  Jellachich^  und  die  Kavalleriebrigade  Mecsery  seiner 
DiTision  (14  Eskadronen).  • 


—     367     — 

erschien,  erhielt  die  Mittelkolonne  Befehl,  nach  ßiedhausen  zurück- 
zugehen. Als  General  Malher  während  des  Rückzuges  Melduug  vom 
Erfolge  der  linken  Kolonne  erhielt,  gab  er  sofort  allen  Truppen  der 
Division  Befehl,  zur  Chausseebrücke  zu  rücken.  ^ 

Durch  den  Verlauf  des  Gefechtes  wsly  der  Plan  Macks,  bei 
Güuzburg  über  die  Donau  zu  gehen,  unausführbar  geworden.  Erz- 
herzog F'erdinaud  schlug  daher  vor,  die  Donau  noch  in  derselben 
Nacht  bei  Elchingen  zu  überschreiten  und  sodann  über  Heidenheim 
und  Nördlingen  an  die  untere  Donau  zu  marschieren,  oder,  da  man 
für  diesen  Marsch  schon  einen  Tag  verloren  hatte,  den  Rückzug 
sofort  über  Mindelheim  und  Landsberg  oder  über  Memmingen  und 
Füssen  durchzuführen. 

Mack  wollte  vom  zweiten  Vorschlag  absolut  nichts  wissen,  aber 
auch  zum  Donau-Übergang  bei  Elchingen  konnte  er  sich  nicht  ent- 
schließen. Er  gab  den  Übergang  vorläufig  ganz  auf  und  befahl  der 
Armee,  am  Abend,  während  der  Kampf  noch  wütete,  sofort  nach 
Ulm  zurückzumarschieren ,  wo  sie  nach  seinem  Ausspruch  „in 
Abrahams  Schoß"  sein  werde  und  von  wo  es  immer  Zeit  wäre,  den 
weiteren  Marsch  nach  Hoidenheim  anzutreten. 

Der  Rückzug  konnte  nicht  planmäßig  durchgeführt  werden. 
Wegen  des  steten  Wechsels  der  Ordre  de  bataille,  wegen  des  Vor- 
marsches nach  Burgau  und  des  während  dieser  Bewegung  einge- 
leiteten Rückmarsches  nach  Günzburg,  der  bis  in  die  Nacht  zum 
10.  dauerte,  wegen  der  Besetzung  der  Stellung  bei  Günzburg  und 
der  mitten  daraus  zur  Verteidigung  der  Brücken  nach  und  nach  not- 
wendig gewordenen  Truppenverschiebuugen,  endlich  wegen  des  Ge- 
fechtes selbst  wußte  am  Abend  des  9.  Oktobers,  als  der  Rückzug- 
befehl erfolgte,  niemand,  wo  eigenthch  die  Brigaden,  Regimenter  und 
Bataillone  standen.  Dazu  kam,  daß  in  Günzburg  Truppen  von  Reisens- 
burg  und  von  der  Augsburger  Straße  zusammenkamen  und  daß 
durch  (las  Zurückfluten  des  Regiments  Kaunitz  und  durch  eine  im 
(Galopp  durch  Günzburg  zurückgehende  Kavalleriebatterie  bei  ein- 
brechender Dunkelheit  eine  Panik  in  Günzburg  entstand.  So  wurde 
der  Rückmarsch  der  Armee,  ohne  daß  zu  ibrem  Glücke  der  Feind 
nachdrängte,  schon  regellos  und  ohne  Ordnung  begonnen. 

Als  nun  die  Truppen  in  tiefer  Nacht  durch  Nersingen  zogen, 
tönte  plötzlich  Gefechtslärm  von  Elchingen  her.  Dort  hatte  um 
1^  30^  nacht  eine  Brigade  der  2.  Division  des  Korps  Ney  die  von 
einem  Bataillon  Spork  besetzte  Brücke  genommen. 


—     368     — 

General  Loison  hatte  voo  Langenau,  wo  er  eine  Brigade  be- 
ließ, den  Vormarsch  nach  Ober- Elch  ingen  fortgesetzt,  um  dem  Auf- 
trage gemäß  die  Brücke  zu  nehmen.  Er  fand  diese  nur  von  einer 
Kompagnie  besetzt.  Der  rasch  durchgeführte  Angrifif  brachte  die 
Brigade  in  den  Besitz  der  Brücke.  Die  inzwischen  herangerückten 
drei  anderen .  Konapagnien  des  Bataillons  Spork  und  dessen  drei- 
pfündige Kanone  waren  kaum  aufmarschiert,  als  sie  angegriffen 
wurden.  Der  Dreipfünder  konnte  nur  mehr  drei  Schuß  abgeben ;  er 
wurde  von  den  Franzosen  genommen.  Nach  längerem  Feuerkampf 
zogen  sich  die  Österreicher  zurück.  Die  Franzosen  begnügten  sich 
mit  der  Besetzung  der  Brücke. 

Der  Gefechtslärm  von  Elchingen  und  die  daraus  fühlbar  ge- 
wordene Gefahr  eines  Flankenangriffes  scheinen  die  Ordnung  und 
Disziplin  der  zurückmarschierenden  Truppen  ganz  aufgehoben  zu 
haben.  Nach  den  Schilderungen  von  Augenzeugen  sollen  die  Truppen 
am  10.  Oktober  früh  in  aufgelöster  Ordnung  und  gänzlich  erschöpft 
in  Ulm  angekommen  sein^).  Oberst  Bianchi,  der  Generaladjutant  des 
Erzherzogs,  gibt  in  seinem  Tagebuch  an:  Am  10.  Oktober  früh 
kam  die  Armee  nach  Ulm  und  bezog  dort  das  unordentlichste  Lager, 
das  man  je  gesehen;  vorerst  mußte  alles  ein  Tor  passieren,  wo  sieh 
alles  schoppte  und  drängte  2). 

Bei  Günzburg  war  im  Laufe  der  Nacht  die  ganze  Division 
Malher  eingetroffen.  General  Malher  ließ  bei  Tagesanbruch  Günzburg 
einschheßen ;  die  österreichische  Nachhut  hatte  es  aber  schon  vorher 
geräumt. 

In  Günzburg  fielen  300  Verwundete  und  etwa  150  Nachzügler 
in  die  Hände  der  Franzosen.  1000  Gefangene,  darunter  ein  General, 

^)  ,,Am  9.  hörten  wir  den  Sehlaehtlärm  von  Günzburg.  Um  IIb  nacht 
begannen  die  geschlagenen  Österreicher  in  größter  Unordnung  wieder  in  Ulm 
einzutreffen.  Infanterie  und  Kavallerie  untereinander  in  kleinen  Haufen  und  ein- 
zelnen Soldaten;  die  Verwirrung  war  allgemein.  Schon  am  10.  fürchteten  die 
Österreicher  einen  Überfall.  Es  blieb  aber  ruhig.  Die  Witterung  war  schrecklich; 
schon  am  9.  begann  es  zu  regnen  und  regnete  ununterbrochen  bis  zum  14.  Ok- 
tober fort.  Dazu  wehte  ein  eisiger  Wind,  der  den  Regen  zeitweise  in  Schnee 
verwandelte. 

„Die  Truppen  litten  schrecklich.  Die  Regimenter  kamen  alle  24  Stunden 
nach  Ulm,  um  sich  zu  trocknen.  Ihre  Schuhe  und  Mäntel  waren  zerrissen,  ihre 
Waffen  mit  dickem  Rost  überzogen." 

„Ulms  Schicksale  in  dem  letzten  Kriege;  aus  dem  Tagebuch  eines  Augen- 
zeugen (eines  der  ersten  Bürger  Ulms).''  Voss,  Zeiten,  7.  Bd.,  1806,  Juliheft. 

-)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  FA,  XIII,  1-26. 


—     369     — 

und  6  Geschütze   waren   die  Trophäen   des  Tages.    Der  Verlust  der 
Österreicher  betrug  gegen  2000  Mann. 

Viel  größer  noch,  als  es  dieser  Verlust  der  Österreicher  ahnen 
ließ,  war  der  Erfolg  des  Gefechtes  von  Günzburg.  Die  ganze  öster- 
reichische Armee  hatte  vor  einem  keck  geführten  Regiment  das 
Feld  geräumt  und  hatte  in  einem  nächtlichen,  zur  förmlichen  Flucht 
ausartenden  Eückzuge  große  Einbuße  an  moralischem  Gehalt  erlitten. 
Das  österreichische  Armeekoramando,  das  ohnedies  schon  sehr  oft 
seine  Absichten  gewechselt  hatte,  war  abermals  gezwungen,  seinen 
Plan  zu  ändern.  Wie  zerstörend  dieses  fortwährende  Ändern  der  Pläne 
auf  die  Armee  wirkte,  wird  die  Schilderung  der  künftigen  Ereignisse 
zeigen. 


Beim  Gefechte  von  Günzburg  lassen' sich  die  Ursachen  der 
österreichischen  Niederlagen  viel  deutlicher  erkennen  als  beim  Ge- 
fechte von  Wertiugen. 

Bei  Günzburg  hatte  der  Sieger  keine  Übermacht  in  den  Kampf 
gebracht.  Höchstens  7000—8000  Mann  und  8  Geschütze  zählte  die 
ganze  Division  Malher,  von  der  aber  die  rechte  Kolonne  gar  nicht 
in  den  Kampf  eingriff.  Bei  der  westlichen  Brücke  standen  3  franzö- 
sische Regimenter  und  4  Geschütze  in  aussichtslosem  Kampfe  gegen 
etwa  10  Bataillone  und  20  Geschütze;  aussichtslos  war  der  Kampf, 
weil  die  Herstellung  der  Brücke  unmöglich  war.  Die  Hauptkraft  der 
Division  konnte  also  nur  geringe  Kräfte  der  Österreicher  festhalten. 
Die  Entscheidung  brachte  der  kühne  Angriff  der  zwei  Bataillone  des 
Infanterieregiments  Nr.  59.  Der  Angriff  dieser  höchstens  löOO  bis 
1600  Mann  starken  Kolonne  traf  zuerst  auf  vier  Bataillone  Kaunitz 
(2300  Mann):  an  der  Brücke  waren  überdies  noch  3 — 4  Bataillone 
verschiedener  Regimenter  aufgestellt.  Nachdem  diese  Truppen  zurück- 
geworfen waren,  stießen  die  59er  auf  drei  Bataillone  Jellachich 
(1000  Mann)  und  auf  die  Kavalleriebrigade  Mecsery.  Da  auch  starke 
österreichische  Artillerie  in  Tätigkeit  trat,  waren  an  der  Chaussee- 
brücke weit  überlegene  österreichische  Kräfte  tatsächlich  im  Kampfe. 
Überdies  waren  aber  bei  Günzburg  noch  Truppen  zur  Verfügung 
Macks,  die  der  ganzen  Division  Malher  mehrfach  überlegen  waren; 
zählte  doch  die  österreichische  Armee  bei  Günzburg  wenigstens 
43  Bataillone  und  76  Eskadronen  mit  etwa  36.000  Mann  Infanterie 
und  7600  Reitern. 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  ^^ 


—     370     — 

Hier  kann  also  nur  die  planlose  Gefechtsführung-,  als  Folge 
der  planlosen  Armeeführung,  die  Ursache  der  Niederlage  sein,  um- 
somehr,  als  sich  die  österreichischen  Bataillone  nach  Angabe  der 
Franzosen  gut  und  mit  Bravour  geschlagen  haben. 

Die  Günzburger  Brücken  waren  am  5.  Oktol)er  auf  Befehl  des 
FML.  V.  Auflfenberg  abgetragen  worden.  Am  6.  und  7.  Oktober 
wurden  die  Brücken  wiederhergestellt,  denn  sie  waren  der  Armee, 
die  sich  bei  Günzburg  sammelte,  sehr  nötig.  Am  9.,  als  der  Plan 
gefaßt  worden  war,  mit  der  Armee  bei  Günzburg  überzugehen,  ge- 
wannen die  Brücken  an  Bedeutung;  sie  waren  daher,  um  sie  für 
den  Übergang  offenzuhalten,  unbedingt  gegen  Norden  zu  sichern. 
Das  geschah  aber  nicht.  Im  Gegenteil!  Auf  die  Nachricht  vom  An- 
märsche der  Franzosen  wurden  die  für  die  Durchführung  des 
Planes  des  Armeekoramandos  so  wichtigen  Brücken  abermals  ab- 
gebrochen —  obwohl  man  wenige  Stunden  später,  in  der  Nacht, 
über  sie  abmarschieren  wollte.  Hervorgehoben  muß  werden,  daß 
Mack  mehrere  verläßliche  Meldungen  erhalten  hatte,  daß  die  Haupt- 
kraft der  Franzosen  bei  Donauwörth  und  östlich  davon  die  Donau 
überschreite,  daß  somit  nur  eine  Nebengruppe  im  Marsch  auf  Günz- 
burg sein  konnte.  Als  dann  endlich  am  Abend  FML.  Gyulai  den 
Befehl  bekam,  den  Feind  vom  linken  Ufer  zu  vertreiben,  mußte  die 
Brücke  im  feindlichen  Feuer  hergestellt  werden  —  damit  die  Fran- 
zosen über  sie  zum  Angriife  vorbrechen  konnten. 

Dabei  traten  die  Franzosen  durchaus  nicht  überraschend  auf. 
Am  9.  zwischen  2  und  3^  früh  kämpfte  österreichische  Kavallerie 
bei  Stotzingen  gegen  Nachzügler  der  1.  Division.  Schon  in  den 
Vormittagstunden  stießen  die  Tiroler  Jäger  und  leichte  Kavallerie 
auf  die  gegen  Eiedhausen  vorgehende  französische  Mittelkolonne. 
Nach  Angabe  des  GM.  v.  Mayer  hörte  man  in  Günzburg  seit  10'' 
vormittag  das  Feuer  vom  Kampfe  der  Tiroler  Jäger.  „Aber  man 
hörte  im  Hauptquartier  geduldig  zu  und  war  unbesorgt",  sagt 
GM.  Mayer.  Während  dieser  Zeit  schrieb  Mack  seine  Disposition  für 
den  Donau-Übergang  nach  Norden,  von  wo  der  Gefechtslärm  her- 
übertönte, indessen  zu  gleicher  Zeit  die  Armee  eine  Stellung  vor 
Günzburg,  Front  nach  Osten,  besetzte  und  die  Donau-Brücken  ab- 
brach! Welche  Widersprüche  und  welche  Planlosigkeit! 

Man  kann  auch  nicht  behaupten,  daß  Mack  kein  Glück  hatte. 
Napoleon  hatte  in  Unkenntnis  darüber,  daß  fast  die  ganze  Armee 
Macks  bei  Günzburg  versammelt  sei,    Ney    beauftragt,    die  Brücken 


—     371     — 

von  Günzburg  zu  nehmen,  aber  auch  eine  Division  gegen  Ulm  bei  Albecis: 
als  Vorhut  bereitzustellen.  Dieser  Befehl  setzte  somit  eine  schwache 
Gruppe  von  höchstens  14.000—15.000  Mann  zur  Vorrückung  gegen 
eine  Armee  von  über  40.000  Mann  an,  die  im  Besitze  von  sechs 
Donau-Brücken^)  war.  Maek  konnte  aus  seinen  Nachrichten  be- 
stimmt wissen,  daß  nur  eine  schwächere  Nebengruppe  gegen  Günz- 
burg anmarschiere,  daß  er  also  die  schönste  Gelegenheit  habe,  im 
kecken  und  energischen  Angriff  einen  leichten  Teilerfolg  zu  er- 
ringen, der  Wertingen  wettmachen  konnte.  Das  war  Glück! 
Macks  Glück  war  aber  noch  weit  größer. 

Ney,  der  den  kaiserlichen  Befehlen  in  diesen  Tagen  allem 
Anseheine  nach  nur  widerwillig  gehorchte,  sandte  nicht  nur  eine 
Division  nach  Albeck,  sondern  auch  eine  zweite  nach  Langenau — 
Elchiugen,  so  daß  nach  Günzburg  nur  eine  Division  mar- 
schierte, 7000— 8000  Mann  gegen  mehr  als  40.000  Mann.  —  Selbst 
damit  war  aber  Macks  Glück  noch  nicht  erschöpft.  Von  diesen 
8000  Mann,  die  in  drei  Kolonnen  vorgingen,  blieben  etwa  1000  Mann 
(die  12  Elitekompagnien  starke  rechte  Kolonne)  in  den  Sümpfen 
stecken  und  kamen  nicht  ins  Gefecht.  Die  starke  Mittelkolonne  hatte 
sich  in  einen  aussichtslosen  Kampf  derart  verbissen,  daß  sie  nur 
schwer  von  der  Insel  über  den  Donau -Arm  zurückkonnte;  ein  über 
die  Chausseebröcke  durchgeführter  energischer  Angriff  hätte  diese 
Kolonne  vielleicht  auf  der  Insel  vernichten  können. 

Auch  das  war  Glück,  daß  dieser  schwache  französische  An- 
griff nicht  etwa  aus  einer  mit  den  Plänen  Macks  nicht  überein- 
stimmenden Richtung  erfolgte.  Nein,  just  aus  der  Eichtung  erfolgte 
der  Angriff  dieser  Minderheit,  in  der  Mack  nach  wenigen  Stunden 
mit  der  ganzen  Armee  vorbrechen  wollte.  Wenn  er  daher  alles  zum 
planmäßigen  Angriff  über  die  Donau  gesandt  hätte,  was  schon  am 
Nachmittao;  dazu  bereit  war,  würde  nicht  ein  Sehritt  in  falscher, 
den  Hauptplan  schädigender  Richtung  erfolgt  sein.  Er  hätte  den  be- 
absichtigten Abmarsch  auf  das  linke  Ufer  nur  etwas  früher  be- 
gonnen und  mit  einem  schönen  Teilsieg  eröffnet. 

Aber  all  das  Glück  nützte  nichts.  So  wie  bei  Wertingen  die 
Bataillone  nur  gerade  irgendwo  hingestellt  worden  sind  und  sieh 
dort  wehrten,  da  man  nun  einmal  im  Kriege  stand,  ebenso  wurden 
auch    hier   bei   Günzburg    die   nächsten   Truppen,    wie    sie    gerade 


')  ßeisensburg,  Günzburg  (2),  Leipheim,  Elehingen  und  Thalfingen. 

24* 


—     372     — 

kamen,  an  die  Brücken  beordert,  nm  dort  zu  kämpfen.  Es  wurde 
daher  auch  hinübergeschossen  —  weiter  nichts.  Als  dann  endlich 
in  dem  Befehl  an  Gyulai  ein  positiver  Wille,  ein  positiver  Entschluß, 
den  Feind  zu  vertreiben  und  ihn  dazu  anzugreifen,  auftauchte,  war 
es  leider  zu  spät.  Bis  sich  die  Truppen,  die  von  ihnen  fremden 
Generalen  geführt  wurden,  aus  ihrem  gewohnten  passiven  Verhalten 
zum  Elan  des  Angriffes  aufschwangen,  hatte  sie  der  schon  im 
Schwung  der  Initiative  befindliehe  Feind  über  den  Haufen  geworfen. 
Es  genügt  eben  nicht,  einer  Truppe  zu  liefehlen:  Greife  an!  Sie  muß 
auch  den  Schwung  zum  Angriff,  den  Elan,  von  oben,  vom  Armee- 
führer erhalten;  dessen  Initiative  allein,  die  er  sich  nie  entwinden 
lassen  darf,  kann  die  Truppe  zu  einem  Angriff  fortreißen,  der  alle 
Hindernisse  überwindet.  Diese  Initiative  liegt  aber  wieder  nur  im 
Angriffe.  Wenn  daher  der  Armeeführer  nicht  selbst  zum  rück- 
sichtslosen Angriff  entschlossen  ist  und  die  Verteidigung  nur 
zum  gelegentlichen  3Iittel  für  den  Augriff  ausnützt,  kann  er 
auch  von  seinen  Truppen  nicht  den  wuchtigen  Schwung  zum 
entscheidenden  Angriff  erwarten.  Dieser  energische  klare  Wille 
des  Feldherrn,  der  in  allen  seinen  Maßnahmen  und  im  Ton  seiner 
Befehle  zum  Ausdrucke  kommt,  pflanzt  sich  durch  die  Unterführer 
aller  Grade  wie  ein  Fluidum  bis  in  die  äußersten  Enden  der  Armee 
fort;  der  gleiche  feste  Wille  zum  Angriff  beherrscht  sie,  vom  Führer 
bis  zum  Mann  in  Eeih  und  Glied.  Ebenso,  nur  noch  viel  rascher 
und  vollständiger,  pflanzen  sich  aber  Entschlußlosigkeit,  Unsicher- 
heit und  Wankelmut  vom  Führer  auf  die  Truppen  fort,  lähmen 
deren  Angriffsfreudigkeit  und  führen  schließlich  immer  zum  Ab- 
warten des  feindlichen  Angriffes.  Die  Franzosen  von  1870  haben 
das  deutlich  bewiesen,  die  doch  noch  ganz  dieselben  waren  wie 
die  Franzosen  Napoleons  I.  und  die  Franzosen  von  1859,  die  den 
Euf  des  französischen  Elans  begründet  haben.  Von  Elan  war  1870, 
einige  kleine  Beispiele  ausgenommen,  keine  Spur.  Im  russisch- 
japanischen Kriege  haben  es  die  Russen  nicht  einmal  verstanden, 
energisch  anzugreifen,  im  Gegensatze  zu  den  Japanern,  deren  An- 
griffe von  einer  geradezu  überwältigenden  Energie  zeugen.  Der 
Charakter  der  obersten  Führung  stand  damit  tiberall  im  Einklang. 
Weil  dieser  Wille  zum  Angriff  Mack  fremd  war,  gab  er  den 
Plan,  nördlich  der  Donau  flußabwärts  zu  marschieren,  sofort  auf, 
als  die  erste  Handvoll  Franzosen  bei  Günzburg  auf  dem  südlichen 
Ufer  stand. 


—     373     — 

Es  fragt  sich  nun  nur  noch,  ob  dieser  Plan  überhaupt  Aus- 
sicht hatte,  zu  gelingen. 

Wenn  es  Mack  gelungen  wäre,  die  Division  Malher  über  den 
Haufen  zu  werfen,  hätte  er  bei  Achtung  der  Neutralität  Preußens 
entweder  nur  südlich  von  Ansbach,  also  knapp  an  der  Donau,  oder 
aber  nördlich  um  das  Ansbachische  herum  über  Würzburg  und 
Nürnberg  abmarschieren  können. 

Von  Günzburg  längs  der  Donau  bis  Ingolstadt,  wo  die  letzten 
französischen  Truppen  gemeldet  worden  waren,  sind  110  km,  über 
Heidenheim,  Nördlingen  und  Eichstädt  nach  Ingolstadt  150  lim  zu- 
rückzulegen. Da  nun  Napoleon  spätestens  am  10.  Oktober  Meldung 
vom  Durchbruche  Maeks  erhalten  hätte,  so  wären  Soult,  Marmont, 
Davout  und  Bernadotte,  die  in  der  Linie  Augsburg — München^) 
höchstens  50 — 70  hm  von  Ingolstadt  entfernt  standen,  in  der  Lage 
gewesen,  sich  mit  ihren  100.000  Mann  den  Österreichern  vor- 
zulegen. Da  Donauwörth,  Nördlingen  und  Ingolstadt  besetzt  waren, 
hätten  deren  Besatzungen,  zusammen  etwa  8000 — 10.000  Mann, 
den  Marsch  der  Österreicher  wesentlich  verzögert.  Lannes,  Murat 
und  Ney,  nach  Vernichtung  der  Division  Malher  etwa  60.000 
Mann  stark,  hätten  der  einmal  bis  Nördlingen  oder  Donauwörth 
vorgedrungenen  österreichischen  Armee  den  Eückweg  nach  Ulm 
verlegt. 

Je  weiter  nach  Norden  Mack  ausgeholt  hätte,  desto  weniger 
Chancen  hatte  er  zu  entkommen.  Während  er  z.  B.  über  Nörd- 
lingen nach  Eichstädt  125  lim  Weg  hatte,  waren  von  Aichach  dort- 
hin nur  50,  von  Augsburg  65  und  von  München.  90 /^m  zu  hinter- 
legen. Je  weiter  nach  Norden,  desto  mehr  verschlechtert  sich  dieses 
Verhältnis  für  die  Österreicher. 

Der  Plan  Macks  war  somit  auch  ein  wenig  überlegter, 
Napoleon  gegenüber  aussichtsloser  Gedanke.  Um  überhaupt  zur  Hoff- 
nung auf  Gelingen  berechtigt  zu  sein,  hätte  man  Herr  der  Brücken 
von  Neuburg  und  Ingolstadt  sein  müssen. 

Mack  hat  diesen  Plan,  bei  dem  er  nie  mit  ganzem  Herzen 
war,  ebenso  leicht  fallen  gelassen,  als  er  ihn  gefaßt  hatte. 

Die  Armee  war  endlich  am  10.  Oktober  dort,  wo  Mack  sie 
von  allem  Anfange  haben  wollte,  bei  Ulm. 

*)  Am  10.  war  wohl  noch  niemand  in  München;  um  aber  jeden  Sehein 
von  Voreingenommenheit  zu  vermeiden,  soll  an.genommen  werden,  daß  Bernadotte 
den  Willen  des  Kaisers,  am  10.  abend  in  München  zu  sein,  erfüllt  gehabt  hätte. 


—     374     — 

Die  Situation  am  Abend  des  9.  (Beilage  25)  war  somit  für  die 
Österreicher  höchst  ungünstig  geworden.  Der  österreichische  Armee- 
führer hatte  die  Absicht  des  Abmarsches  an  den  Inn  vorläufig  auf- 
gegeben. Damit  und  mit  dem  Eückmarsch  nach  Ulm  kam  er  den 
Absichten  seines  Gegners  entgegen,  da  dieser  jetzt  nicht  nur  Zeit 
für  die  vollständige  Trennung  der  Österreicher  und  Russen  gewann, 
sondern  Mack  auch  noch  den  einzigen  Rückweg  verlegen  konnte, 
den  Rückweg  nach  Tirol. 


Zum  Schlüsse  wäre  nur  noch  die  Frage  zu  erörtern,  warum 
denn  Napoleon  am  9.  Oktober  Lannes  und  Murat  auf  Augsburg 
verwies,  anstatt  sie,  da  doch  der  Rückzug  der  Österreicher  von  Ulm 
über  Günzburg  nach  Augsburg  führte,  nach  Günzburg  zu 
dirigieren,  wo  sie  im  Zusammenwirken  mitNey  der  österreichischen 
Armee  vielleicht  schon  am  9.  Oktober  eine  vernichtende  Niederlage 
beigebracht  hätten.  Anstatt  sie  also  dem  im  engsten  Kontakte  mit 
der  feindlichen  Hauptarmee  stehenden  Ney  zu  Hilfe  zu  senden, 
hielt  er  sie  zurück  und  trug  ihnen  auf,  ja  bereit  zu  sein,  sich  mit 
Soult  zu  vereinigen,  der  doch  ganz  ungefährdet  war. 

So  ähnlich  klingt  in  leichtem  Tadel  die  Darlegung  bei  Alom- 
bert  et  Colin,  Bd.  HI,  S.  35—37. 

Wenn  Napoleon,  so  sicher  wie  wir  heute,  am  8.  abend  oder 
am  9.  früh  gewußt  hätte,  daß  die  ganze  österreichische  Armee  in 
der  Stärke  von  höchstens  45.000  Mann  bei  Günzburg  vereinigt  war, 
dann  hätte  er  sicher  Ney  den  Auftrag  gegeben,  unter  bloßer  Beob- 
achtung von  Ulm  mit  ganzer  Kraft  auf  Günzburg  anzugreifen  (natür- 
lich von  mehreren  Punkten  aus,  also  über  Lauingen,  direkt  auf 
Günzburg  und  über  Leipheim)  und  er  hätte  auch  Lannes  und  Murat 
gewiß  zur  Unterstützung  Neys  nach  Günzburg  dirigiert,  also  etwa 
60.000  Mann  gegen  die  45.000  Österreicher  angesetzt.  Wenn  man 
so  urteilt,  dann  hat  Napoleon  allerdings  einen  unbegreiflichen  Fehler 
gemacht. 

Die  Verhältnisse  lagen  aber  am  8.  und  9.  Oktober  1805  ganz 
anders. 

Napoleon  wußte  vor  allem  nicht,  daß  die  ganze  österreichische 
Armee  bei  Günzburg  stand  oder  sich  dort  sammle.  Alle  Nachrichten 
ließen  schließen,  daß  die  Hauptkraft  noch  an  der  Hier  und  bei 
Ulm  stehe;  bei  Günzburg  nahm  er  nur  ein  Korps  an. 


—    375     — 

Weiters  konnte  Napoleon  auch  nicht  über  die  Stärke  der  Öster- 
reicher genau  orientiert  sein.  Er  schätzte,  daß  sie  80.000  Mann  in 
die  Schlacht  bringen  köunten.  Wenn  er  also  selbst  verläßlich  gewußt 
hätte,  daß  die  ganze  österreichische  Armee  sich  bei  Günzburg  ver- 
einige, hätte  er  sich  gesagt,  daß  die  60.000  Mann,  die  er  sofort  auf 
Günzburg  versammeln  konnte,  nicht  hingereicht  hätten,  ihm  den  Er- 
folg zu  verbürgen.  Das  konnte  vielmehr  nur  eine  Konzentrierung, 
wie  er  sie  angeordnet  hatte,  auf  Augsburg.  Es  hatte  ja  auch  Ney 
den  Auftrag,    dem    Feind   in  der  Flanke  nach  Augsburg  zu  folgen. 

Endlich  urteilte  Napoleon  nicht  mit  dem  beschränkteren  Ge- 
sichtskreise seiner  Korpskommandanten.  Er  mußte  die  Verhältnisse  des 
ganzen  Kriegsschauplatzes  berücksichtigen ;  die  Korpskommandanten 
berücksichtigten  nur  das  ihnen  Naheliegende;  es  zog  Lannes  daher 
vielleicht  wirklich  mehr  nach  Günzburg,  wo  er  den  nächsten  Feind 
wußte,  als  nach  Augsburg,  wo  ihn  der  Kaiser  unter  bestimmten 
Voraussetzungen  haben  wollte.  So  sollen  auch  die  Korpskora- 
mandanten  sein.  Sie  sollen,  wie  alle  ihre  Truppen  immer  auf  den 
Feind  losdrängen,  sie  sollen  vor  Begierde  brennen,  selbst  allein 
und  ohne  Unterstützung  einen  übermächtigen  Feind  anzugreifen, 
um  ihn  ja  nicht  entkommen  zu  lassen.  Diese  Begierde  darf  aber  nie 
so  weit  gehen,  die  Absichten  des  Feldherrn  zu  durchkreuzen.  Dar- 
aus folgt  abermals  der  hohe  Wert  einer  verständnisvollen,  den  Unter- 
führern die  nötige  Freiheit  lassenden  Befehlgebung. 

Napoleon,  der  den  Feind  80.000  Mann  stark  an  der  Hier  und 
bei  Ulm  vermutete,  mußte  sich  sagen,  daß  diese  80.000  Mann,  wenn 
sie  über  Augsburg  an  den  Inn  zurückmarsehieren  wollten,  unmög- 
lich auf  der  einzigen  Chaussee  Ulm,  Günzburg,  Zusmarshausen, 
Augsburg  anmarschiert  kämen,  sondern  daß  sie  wahrscheinlich  auf 
mehreren  Weglinien  aus  dem  Räume  Landsberg,  Memmingen,  Ulm 
anrücken  dürften. 

Diesen,  vernünftigerweise  dem  Feinde  zugeschriebenen  An- 
marschverhältnissen gegenüber  konnte  Napoleon  unmöglich  die 
höchstens  8000—9000  Mann  Infanterie  und  10.000  Reiter  starke 
Gruppe  Murats  zur  Unterstützung  Neys,  der  sich  erst  den  Übergang 
über  die  Donau  erkämpfen  mußte,  nach  Günzburg  versenden^).  Eine 
starke   feindliche   Gruppe   mit   zwei,    durch   einen   Fluß   getrennten 

^)  Napoleon  konnte  nur  die  8000  Grenadiere  bei  Wertingen  annehmen. 
Daß  tatsächlich  auch  die  Division  St.  Hilaire  am  9.  friili  dort  war,  konnte  Na- 
poleon noch  nicht  wissen. 


—     376     — 

gleich  schwachen  Gruppen  anzugreifen,  das  war  nicht  Napoleons 
Gepflogenheit.  Ney  allein  nach  Günzburg  senden,  ja!  das  war 
napoleonisch.  Nej  sollte  durch  seinen  Angriff  den  Feind  auskund- 
schaften und  dessen  Eückzug  stören.  Ney  sollte  diesen  Angriff,  wenn 
es  ging,  rechtzeitig  abbrechen,  wenn  der  Feind  sich  zu  mächtig 
zeigte;  das  läßt  die  Fassung  aller  Befehle  Napoleons  erkennen.  Das 
darf  nicht  mit  einer  gewaltsamen  Eekognoszierung  verwechselt 
werden  (s.  S.  410),  denn  Ney  hatte  mit  ganzer  und,  wie  Napoleon 
immer  erinnerte,  mit  versammelter  Kraft  anzugreifen. 

Der  Angriff  sollte  Ney  in  den  Besitz  der  Brücken  von  Günz- 
burg setzen,  damit  er,  wenn  nötig,  zur  Entscheidungsschlacht  nach 
Augsburg  oder  Landsberg  heraneilen  könne. 

Napoleon  mußte  bei  dieser  Beurteilung  der  Dinge  Murat  auf- 
merksam machen,  den  Anschluß  an  Soult  bei  Augsburg  nicht  zu 
versäumen.  Napoleon,  der  immer  sicher  gehen  wollte,  hat  bei  seinen 
Anordnungen  auch  an  die  Möglichkeit  eines  gleichzeitigen  Angriffes 
Kienmayers  von  Osten  her  gedacht,  ja,  er  hat  selbst  mit  der  Mög- 
lichkeit des  Eingreifens  der  Bussen  gerechnet. 

Das  ist  das  Charakteristische  der  napoleonischen  Kriegführung: 
Scheinbar  schrankenlos  kühn  im  Entwerfen  eines  Entschlusses  und 
vorsichtig  in  der  Durchführung,  vorsichtig  nicht  in  dem  Sinne  des 
zaghaften  Heranschleichens  und  Zauderns,  sondern  im  Denken  an 
alle  Hindernisse  und  Zufälle,  die  sich  der  Durchführung  des  Ent- 
schlusses in  den  Weg  stellen  könnten. 


XV.  Der  10.  und  11.  Oktober. 

(Beilagen  26  und  27.) 

Österreicher. 

Die  österreichische  Armee  war  am  10.  früh,  wie  schon  er- 
wähnt, nach  dem  nächtlichen  Eückzug  in  vollkommen  zerrüttetem 
Zustande  bei  Ulm  angelangt  und  hatte  mit  dem  größten  Teil  auf 
dem  nördlichen  Donau- Ufer  eine  Aufstellung  bezogen^). 

Mit  Ausnahme  des  Korps  Kienmayer,  das  seinen  ßückzug  am 

10.  Oktober  bis  München  fortsetzte,  und  mit  Ausnahme  des  kleinen 
Detachements  Wolfskeel  war  somit  am  10.  Oktober  die  ganze 
deutsche  Armee  bei  Ulm  vereinigt. 

Am  10.  Oktober  abend  traf  das  erste  der  aus  Italien  heran- 
gezogenen Infanterieregimenter  (Czartoryski,  4  Bataillone),  in  Mem- 
mingen ein^). 

Alle  Truppen,  auch  die,  die  noch  nicht  im  Feuer  gestanden 
waren,  hatten  schon  stark  gelitten.  Manche  Truppen  wiesen  ganz 
außerordentlich  starke  Einbußen  auf.  So  zählte  das  drei  Bataillone 
starke    Infanterieregiment   Jellachich    nach    dem  Frührapporte    vom 

11.  Oktober  anstatt  2800  Mann  nur  mehr  800  Mann,  worunter  nur 
596  Feuergewehre,  also  199  Feuergewehre  bei  einem  Bataillon.  Das 
Eegiment  Kaunitz  zählte  mit  Stab  und  vier  Füsilierbataillonen  anstatt 
3700  Mann  nur  1932  Manu,  darunter  1693  Feuergewehre,  also  424 
Gewehre  bei  einem  Bataillon.  Das  Grenadierbataillou  Jellachich  zählte 
anstatt  620  Mann  nur  4  Offiziere  und  108  Mann,  darunter  91  Ge- 
wehre. Ein  Oberleutnant  kommandierte  dieses  Bataillon. 


1)  Siehe  Beilage  26. 

2)  Nach  dem  Standesausweis  vom  10.  Oktober  hatte  das  Regiment  1810 
Mann,  darunter  42  Offiziere  und  1484  Feuergewehre.  Das  Regiment  (Grenadier- 
bataillon und  drei  Füsilierbataillone)  sollte  einen  Mannsehafts-Gef e eh ts stand 
von  2960  xMann  und  einen  Gesamtstand  von  etwa  3300  Mann  liaben. 


—     378     — 

Das  Inlianterieregiment  Eeuß-Greitz  mußte  noch  stärker  gelitten 
haben,  da  es  bei  Wertingen  nahezu  ganz  vernichtet  worden  ist.  Das 
Grenadierbataillon  Erzherzog  Ludwig  erschien  in  der  Ordre  de  ba- 
taille  vom  12.  Oktober  überhaupt  nicht  mehr.  Auch  die  Truppen- 
listeu  der  Korps  Werneck  und  Jellachich  und  die  Triippeneinteiluug 
der  in  Ulm  gefangenen  Armee  führen  dieses  Bataillon  nicht  au. 

FML.  Rouvroj,  der  Artilleriechef  der  Armee,  meldete  am 
11.  Oktober,  daß  der  elende  Zustand  der  Pferde  die  Artilleriereserve 
operationsunfähig,  ja  fast  unfähig  zu  jeder  Bewegung  mache. 

Solche  Stände  und  Zustände,  die  sonst  nur  ganz  ausnahms- 
weise bei  einzelnen  Truppenkörpern  uach  blutigen  Schlachten  oder 
zum  Schlüsse  eines  langen,  kampfreichen  Feldzuges  einzutreten 
pflegen,  waren  hier  die  Folge  der  Hin-  und  Hermärsche  und  zweier 
unbedeutender  Gefechte. 

Wie  tief  die  Zerrüttung  der  Armee  schon  an  diesem  Tage 
gewesen  sein  muß,  geht  aus  der  Angabe  des  FML.  Mack  in  seinem 
Prozesse  hervor,  daß  die  Zerrüttung  und  Ermüdung  der  Armee  am 
10.,  11.  und  12.  Oktober  gar  keine  Bewegung  gestattet  habe. 

Trotz  diesem  Zustande  der  Truppen  warf  Mack  sie  in  der  Auf- 
stellung bei  Ulm  gänzlich  durcheinander.  Korps-,  Divisions-  und 
selbst  Brigadeverbände  wurden  ohne  jeden  Anlaß  und  ohne  jeden 
Grund  zerrissen. 

Am  10.  Oktober  faßte  Mack  den  Entschluß,  noch  am  selben 
Tage  nach  Heidenheim  abzumarschieren.  An  Kienmayer  schrieb  er 
am  10. :  „Heute  gehet  die  Armee  auf  Heidenheim  und  wird  durch 
diesen  Marsch  die  Vereinigung  mit  Ihnen  oder  vielleicht  die  freie 
rückwärtige  Kommunikation  suchen.  FML.  Jellachich  wird,  weil 
der  Feind  wieder  mit  seiner  Hauptmacht  gegen  die  Donau 
zurückgekehrt,  beordert,  auf  dem  linken  Ufer  dieses  Flusses  auf- 
wärts die  Pässe  von  Tirol  zu  gewinnen." 

Dieses  Schreiben  ist  vollkommen  unverständlich.  Woher  konnte 
Mack  die  Ansicht  nehmen,  daß  die  französische  Hauptmacht  gegen 
die  Donau  zurückkehre  ?  Es  hatte  keine  einzige  Bewegung  der  Fran- 
zosen stattgefunden,  die  Mack  zu  diesem  Schlüsse  berechtigt  hätte. 
Auch  wußte  man  schon  damals  im  österreichischen  Hauptquartier, 
daß  bei  Günzburg  nur  ein  Teil  des  Korps  Ney  aufgetreten  war.  Das 
Schreiben  wird  erst  verständlich,  wenn  man  beachtet,  daß  der  Weg 
von  Ulm  zu  den  Pässen  von  Tirol  nicht  auf  dem  linken  Donau- 
Ufer  aufwärts  führt.     Wozu  war   also    dem  Korps  Jellachich   dieser 


—     379     — 

Umweg  zugedacht  ?  Doch  nur  deshalb,  weil  der  direkte  Weg  längs 
der  Hier  nicht  mehr  sicher  genug  erschien.  Mack  hat  somit  jeden- 
falls darauf  gerechnet,  daß  die  bei  Wertingen  und  Augsburg  auf- 
getretene französische  Hauptmacht  gegen  Ulm  vorrücken  werde,  wie 
er  es  ja  schon  am  9.  früh  erwartet  hatte  und  dagegen  bei  Burgau 
und  Günzburg  Aufstellung  nehmen  wollte.  Diesen  Vormarsch  der 
Franzosen  auf  Ulm  nannte  er  nun  euphemistisch :  gegen  die  Donau 
zurückkehren.  Diesem  Zurückkehren  gedachte  er  sich  durch  den 
Marsch  nach  Heidenheim  zu  entziehen. 

Diesem  Entschluß  entsprechend  erhielt  vor  allem  am  10.  die 
bei  Weißenhorn  gesammelte  große  Bagage  den  Befehl,  über  Mem- 
mingen nach  Kempten  zu  marschieren  und  den  Weg  über  Füssen 
nach  Tirol  rekognoszieren  zu  lassen'). 

Am  Abend  fand  eine  Besprechung  aller  Generale  der  Armee 
statt,  bei  der  Mack  seinen  Plan  bekanntgab,  mit  der  Armee  über 
Heidenheim  abzumarschieren.  Bei  dieser  Gelegenheit  teilte  der  Erz- 
herzog dem  FML.  Mack  mit,  daß  er  soeben  ein  Handbillett  des 
Kaisers  vom  5.  Oktober  erhalten  habe,  das  die  Stellung  Macks  gegen- 
über dem  Armeekommandanten  regle.  Dieses  Handbillett  wies  den 
Erzherzog  an,  den  Bat  des  FML.  Mack  jederzeit  zu  befolgen,  d.  h. 
es  stellte  den  Armeekommandanten  tatsächlich  unter  den  Befehl  des 
FML.  Mack.  Das  Handschreiben  lautete: 


„Lieber  Herr  Vetter! 

„Aus  Meinen  heute  an  Sie  ergehenden  Befehlen  werden  Sie 
ersehen,  um  was  für  wichtige  Gegenstände  es  sich  handelt. 

„Bei  Meiner  Anwesenheit  in  Landsberg  haben  Sie  Mir  aus 
einer  sehr  lobenswürdigen  Bescheidenheit  den  Wunsch  geäußert, 
zu  Ihrer  Beruhigung  eine  Weisung  von  Mir  für  den  Fall  zu  er- 
halten, daß  Sie  einer  verschiedenen  Meinung  mit  dem  FML.  Mack 
in  solchen  Gegenständen  sein  sollten,  die  die  Operationen  der  Ihnen 
anvertrauten  Armee  betreffen. 


*)  Der  Kommandant  des  Aruieetrains  hatte  am  10.  Oktober  aus  Weißen- 
horn gemeldet: 

Die  Kriesrskasse  und  die  Bagage  des  Erzherzogs  Ferdinand  wurden  schon 
am  9.  nach  Memmingen  gesandt.  Alles  andere  steht  bei  Obenhausen  und  Unter- 
Roth. Feindliche  Patrouillen  sind  bei  Waldstetten,  Wettenhausen,  ja  selbst  bei 
Kissendorf  gesehen  worden.  (Kriegsarchiv,  1805,  Deutschland  PA,  X,  87.) 


—     380     — 

„Ich  habe  Ihnen  damals  gesagt,  es  überlegen  zu  wollen;  nun 
aber,  da  es  sich  um  Fassung  solcher  Entschlüsse  Ihrerseits  handelt, 
wovon  das  Wohl  Meiner  Monarchie  abhängt,  und  die  sich  doch  nur 
nach  genauer  Kombinierung  aller  Umstände  in  loko  ergreifen  lassen, 
so  glaube  Ich  Ihnen  selbst  einen  wahren  Dienst  zu  leisten,  wenn  Ich 
Sie  ersuche  —  nachdem  Sie  dafür  gesorgt  haben  werden,  daß  alles  reif- 
lich überlegt  werde  —  den  Rat  des  obgenannten  Feldmarschallleutnants 
zu  befolgen,  der  Mir  schon  in  mehreren  Vorfall enheiten  wichtige 
Dienste   geleistet   und   in   seinem  Geschäfte  viele  Erfahrung  besitzt. 

„Sobald  Meine  Umstände  Mir  zulassen  werden.  Mich  wieder  zu 
der  Armee  zu  begeben,  werde  Ich  es  mit  vielem  Vergnügen  tun  und 
bitte  Sie,  indessen  versichert  zu  sein  von  den  Gesinnungen,  mit 
welchen  Ich  zeitlebens  sein  werde 

Ihr  ergebener 

Franz." 

Dieser  kaiserliche  Befehl  hätte  nichts  an  sich  gehabt,  wenn 
durch  ihn  die  Macht  an  den  wirklich  geistig  Höher-  oder  auch  nur 
Hochstehenden  und  an  einen  Charakter  gefallen  wäre,  der  jederzeit 
die  Sache  über  seine  Person  gestellt  hätte.  Ein  solcher  Charakter 
war  aber  Mack  nicht,  ebensowenig  wie  er  geistig  alle  bei  der  Armee 
eingeteilten  Generale  überragte.  Ehrsüchtig,  aber  nicht  im  Interesse 
der  Sache,  sondern  nur  in  seinem  persönlichen  Interesse,  kannte 
seine  Herrsch-  und  Rachsucht  keine  Grenzen,  wenn  er  einmal  die 
Macht  besaß.  Darum  gebrauchte  er  auch  diese  Macht  ohne  jede  Rück- 
sicht auf  Rang  und  Stellung  und  ohne  jede  Rücksicht  auf  das  Wohl 
der  Armee  und  auf  das  Interesse  seines  Kaisers  nur  zur  Befriedi- 
gung seiner  Eitelkeit  und  Ehrsucht.  Sein  weiteres  Verhalten  gibt 
den  Beweis  hiefür. 

Nach  der  Besprechung  am  Abend  des  10.  Oktobers  scheint 
FML.  Mack  an  der  Disposition  für  den  Marsch  nach  Heidenheim 
gearbeitet  zu  haben.  Die  Arbeit  an  dieser  Disposition  ist  jedoch 
plötzlich,  bevor  sie  beendet  war,  abgebrochen  worden.  Mack  scheint 
während  der  Arbeit,  also  in  der  Nacht  zum  11.  Oktober,  den  Ent- 
schluß geändert  und  beschlossen  zu  haben,  mit  der  Armee  bei  Ulm 
zu  bleiben. 

Nach  diesem  unfertigen  Entwürfe  sollte  der  Abmarsch  nach 
Heidenheim    am    11.  Oktober   um   3^  nachmittag   beginnen.    Zuerst 


—     381     — 

sollte  das  halbe  Korps  Schwarzenberg  als  Vorhut  abmarschieren. 
Nach  Einbruch  der  Dunkelheit  sollte  der  ßest  des  Korps  Schwarzen- 
berg mit  der  Bagage,  um  Mitternacht  das  Korps  Eiesch  und  zum 
Schluß,  um  3^  früh,  das  Korps  Werneck  folgen.  Die  Anordnungen 
für  Jellachich  und  Wolfskeel,  für  die  Festung  Ulm  und  für  die 
Demonstration  gegen  Stuttgart  waren  ähnlich  entworfen  wie  in  der 
Disposition  vom  9.  Oktober  nachmittag. 

Dem  neuen  Entschluß  entsprechend,  bei  Ulm  zu  bleiben,  ent- 
warf nun  Mack  noch  in  der  Nacht  zwei  Schriftstücke.  Das  erste 
trägt  die  Bezeichnung  „Augenblicklich  notwendige  Befehle  und  Ex- 
peditionen" und  enthält  folgende  Weisungen: 

1.  Zelte  herbeikommen  zu  lassen. 

2.  Von  jedem  Korps  die  Hälfte  sogleich  in  der  Stadt  unter- 
zubringen. Jeder  Kompagnie  sind  vier  Häuser  zuzuweisen.  Der  Haupt- 
mann nimmt  ein  kleines  Zimmer  für  sich,  ein  Zimmer  bestimmt  er 
für  alle  anderen  Offiziere;  alle  übrigen  Räume  sind  für  die  Unter- 
offiziere und  Gemeinen.  Von  der  Kavallerie  sind  zwei  Drittel  in  die 
nächsten  Ortschatten  zu  verlegen  (folgt  die  Zuweisung  der  Orte). 
Infanterie  und  Kavallerie  müssen  so  bereit  sein,  daß  sie  bei  einem 
Alarm  sofort  auf  ihre  Lagerplätze  abrücken  können. 

3.  Auf  der  Stelle  eine  Eskadron  nach  Weißenhorn,  eine  nach 
Mindelheim  zu  senden;  die  erste  stellt  Vorposten  gegen  Günzburg, 
die  zweite  auf  halbem  Wege  gegen  Landsberg  auf  und  schickt 
Patrouillen  an  den  Lech.  Nach  Memmingen  ist  sofort  eine  Garnison 
von  vier  Bataillonen  zu  verschicken^). 

Das  zweite  Schriftstück,  „Punkte,  um  deren  Gewährung  ich 
untertänigst  bitte",  lautet: 

1.  „Die  Armee  augenblicklich  in  drei  Korps  zu  formieren, 
solcherart,  daß  jedes  seine  leichten,  seine  Linientruppen  und  seine 
Eeserve  habe,  mithin  alsobald  eine  Avantgarde  und  ein  Korps  de 
Reserve,  die  jedes  beiläufig  ein  Viertel  des  Ganzen  betragen,  for- 
mieren könne."  Das  Korps  Jellachich,  ebenso  formiert,  muß  wenigstens 
6 — 8  Eskadronen  haben. 

2.  Alsobald  die  Korpskommandanten  mit  der  Formierung  leichter 
Bataillone  zu  beauftragen. 

3.  Jeden  Kapport  mir  alsobald  zuzuschicken,  damit  ich  mein 
Gutachten  beisetzen  könne. 


')  Kviegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  XIII,  ad  4. 


—     382     — 

4.  Alle  Befehle,  die  sich  auf  die  Operationen  beziehen,  mir 
vorher  zur  Einsicht  zu  senden. 

5.  Die  Ernennung  des  FML.  Gyulai  zum  Generalquartierraeister 
zu  vollziehen  ^). 

Als  Oberst  Bianchi  mit  FML.  Gyulai  am  11.  Oktober  früh  zu 
Mack  kam,  wendete  sich  dieser  voll  Begeisterung  an  Bianchi.  zeigte 
ihm  diese  beiden  Schriftstücke,  an  denen  er  eben  noch  gearbeitet 
hatte,  und  forderte  Bianchi  auf,  sie  sogleich  an  die  Korps  und 
Divisionen  zu  senden.  Mack  beteuerte  voll  Hitze,  daß  ihn  nun 
nichts  von  seinem  Plane,  bei  Ulm  zu  bleiben,  abbringen  werde. 
Oberst  Bianchi,  der  am  Morgen  des  11.  die  Verschanzungen  und 
die  Aufstellung  der  Truppen  besichtigt  hatte,  erwiderte,  daß  dann 
die  Armee  vor  allem  eine  geordnete  Stellung  beziehen  müsse.  Mack 
wollte  gar  nicht  glauben,  daß  man  ihn  bei  Ulm  angreifen  werde; 
er  sagte: 

Es  regnet,  es  schneit,  der  Feind  steckt  ruhig  in  seinen 
Wohnungen  und  wir  werden  ein  ähnliches  tun.  Er  wolle  bei  Ulm 
bleiben,  wo  er  in  Abrahams  Schoß  sei  und  den  FML.  Werneck  mit 
seinem  Korps  nach  Stuttgart  und  weiter  bis  Straßburg  senden.  Er 
habe  vom  Kaiser  die  alleinige  Vollmacht  zum  Kommando  der  Armee 
erhalten,  er  allein  sei  für  jeden  Vorgang  verantwortlich.  „Seine 
königliche  Hoheit  möge  sich  ja  nicht  einbilden,  kommandierender 
General  zu  sein,  da  er  noch  zu  jung  und  zu  unerfahren  sei  und 
dieses  nicht  vorstellen  könne.  Er  wisse  wohl,  daß  Seine  Majestät 
dem  Erzherzog  diese  höchste  Verfügung  schon  in  Landsberg  be- 
kanntgemacht  und  den  Erzherzog  somit  ihm  untergeordnet  habe. 
Daß  es  keineswegs  Seiner  königlichen  Hoheit  anständig  war,  ihm 
solches  bis  gestern  abend  zu  verbergen  und  erst  jetzt  dies  Geständnis 
an  den  Tag  zu  legen  ^)." 


1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA.  XIII,  4.  In  Angeli:  „Ulm  und 
Austerlitz",  S.  451,  wörtlich  angeführt. 

Am  10.  Oktober  um  9h  abend  schrieb  Mack  auch  einen  Befehl  an  das  Re- 
giment Hohenlohe-Dragoner,  daß  die  Mannschaft  eines  soeben  eingerückten  Naeh- 
richtendetaehements  sieh  am  11.  Oktober  um  8h  früh  auf  dem  Galgenberg  ein- 
zufinden habe,  da  sie  eine  neue  Aufgabe  selber  Art  erhalten  werde. 

Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  X,  85.  Von  Mack  eigenhändig  ge- 
i=chrieben. 

Dieser  Befehl  ist  für  den  Armeekommandanten  Mack  charakteristisch. 

^)  Tagebuch  des  Obersten  Bianchi,  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  PA, 
XIII,  107«  und  Angeli,  S.  451. 


—     383     — 

Mack  sprach  diese  schwere  Beschuldigung  aus,  obwohl  er  zur 
selben  Zeit  ein  ebenfalls  vom  5.  Oktober  datiertes  Handschreiben  des 
Kaisers  erhalten  hatte,  worin  es  heißt: 

„Ich  trage  Ihnen  hiemit  auf,  mit  dem  Ihnen  angewohnten  Eifer 
sowie  mit  der  Mir  so  oft  bewiesenen  Treue  und  Anhänglichkeit  an 
Mich  und  das  Beste  des  Staates,  dem  Erzherzog  in  allem  mit  Rat 
und  Tat  an  die  Hand  zu  gehen,  l)is  Ich  selbst  das  Kommando  der 
Armee  in  Deutschland  zu  übernehmen  im  stände  sein  werde^)." 

Allem  Anscheine  nach  hat  Maek  sich  durch  Vermittlung  von 
Collenbach  und  Cobenzl  diese  beiden  Handschreiben  des  Kaisers  ver- 
schafft. 

Das  Verhalten  Macks  kann  nur  richtig  beurteilt  werden,  wenn 
man  sich  vor  Augen  hält,  daß  der  Erzherzog  auf  Macks  Vor- 
schlag zum  Armeekommandanten  ernannt  worden  war  und  daß 
Maek  diese  Anschuldigung  zu  seiner  Entlastung  auch  bei  der  Unter- 
suchung aufrecht  hieh,  obwohl  die  Absendung  beider  Handbillette, 
ihr  Datum  und  ihre  Fassung  das  Gegenteil  beweisen-}. 

,Mack.  der  bisher  wenigstens  den  Schein  gewahrt  und  keine 
Disposition  ohne  Wissen  des  Armeekommandanten  hinausgegeben 
hatte,  schaltete  von  jetzt  an  ganz  selbständig;  er  gab  alle  Befehle 
direkt  hinaus  und  brachte  sie  in  der  Regel  erst  nachträglich  oder 
gar  nicht  zur  Kenntnis  des  ernannten  Armeekommandanten.  In 
seinem  Dienstverkehre  mit  dem  Erzherzog  spielte  er  sich  auf  den 
Vorgesetzten  hinaus,  seine  Zuschriften  haben,  obwohl  sie  in  die  Form 
der  Bitte  gekleidet  sind,  einen  schroffen  Befehlston.  So  vollführte 
FML.  Maek  den  kaiserlichen  Auftrag,  „dem  Erzherzog  mit  Rat  und 
Tat  an  die  Hand  zu  gehen"! 

Der  Erzherzog,  der  alle  persönlichen  Regungen  unterdrückte, 
fügte  sich  dem  kaiserlichen  Willen;  wie  schwer  ihm  das  gemacht 
worden  ist,  läßt  sein  Schreiben  an  den  Kaiser  vom  12.  Oktober  er- 
kennen : 


0  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  256. 

*)  Der  Sehlußvortrag  im  Prozesse  Macks  an  den  Kaiser  enthält  folgende 
Stelle:  Daß  Maek  als  Generalquartiermeister  des  Kaisers  zur  Armee  abgehen  sollte, 
daß  aber  „nach  der  eigenen  Angabe  des  FML.  Maek  die  Beschränkung 
beigefügt  war,  daß  derselbe  nur  insolange  das  vollkommene  Pouvoir  über  die 
Armee  haben  solle,  bis  Seine  königliche  Hoheit  der  Erzherzog  Ferdinand  allda 
eintreffen  und  das  Kommando  übernehmen  werde,  woi'auf  FML.  Maek  alsdann 
Höchstdemselben  untergeordnet  sein  solle". 

Kriegsarchiv,  Hofkriegsratsakten,  1807,  156/6. 


—     384     - 

„ Hier   muß  ich  nun  Euer  Majestät  aus  Gewissenspflicht 

und  um  dem  Zutrauen  Eurer  Majestät  zu  entsprechen,  die  Be- 
nehmungsart  des  FML.  Maek  schildern.  Alle  Tage  macht  er  zwei 
ganz  verschiedene  Pläne,  deren  Ausführung  er  mir  ganz  überträgt; 
diese  stete  Veränderung  der  Pläne,  wovon  doch  keiner  zur  gänzlichen 
Ausführung  kommt,  hat  die  Truppen  durch  unaufhörliches  Hin-  und 
Hermaschieren  sehr  abgemattet  und  viel  Unordnung  verursacht:  ich 
und  die  Herren  Generale,  welchen  ich  größtenteils  die  Gerechtigkeit 
widerfahren  lassen  muß,  strengen  uns  aufs  äußerste  an,  um  die  so 
nötige  Ordnung  wiederherzustellen;  FML.  Mack  bekümmert  sich  um 
nichts,  gibt  seine  widersprechenden  Befehle  einen  nach  dem  anderen 
und  hört  hierüber  keine  Vorstellung  an,  und  im  eigentlichen  Ver- 
stände machte  ich  bisher  seinen  Generalquartiermeister " 

Es  folgt  ein  kurzer  Bericht  über  das  unglückliche  Gefecht  von 
Günzburg,  worauf  Erzherzog  Ferdinand  fortsetzt : 

„Die  Beschreibung  der  Affäre  werden  Eure  Majestät  aus  der 
Eelation  ersehen,  die  ich  Eurer  Majestät  unterlege,  da  FML.  Mack 
bloß  die  der  gestrigen  glücklichen  Affäre^)  verfaßte(!). . 

„Als  ich  das  Schreiben  Eurer  Majestät  erhalten  hatte,  teilte  ich 
den  Sinn  davon  dem  FML.  Mack  mit,  damit  er  meine  Bemerkungen, 
die  ich  jedoch  in  Zukunft  nach  dem  Willen  Eurer  Majestät  jeder- 
zeit machen  werde,  nicht  als  Widersprüche  seiner  Pläne  ansehen 
könne.  Die  Art,  womit  sich  gedachter  Peldmarschalleut- 
nant  hierauf  benahm,  will  ich  Euer  Majestät  hier  nicht 
schildern;  sie  betrifft  mich  bloß  persönlich  und  ich  bin  be- 
reit, alles  aufzuopfern,  um  das  Beste  des  Dienstes  Eurer  Majestät 
und  die  allgemeine  Sache  zu  befördern.  Nur  muß  ich  Eurer  Majestät 
hier  anzeigen,  daß  ich  mit  aller  Aufopferung  und  Anstrengung  bloß 
dahin  werde  wirken  können,  denen  schon  bestehenden  und  durch 
die  Anordnungen  des  FML.  Mack  sich  täglich  vermehrenden  Un- 
ordnungen einigermaßen  Schranken  zu  setzen .  .  . 

„Ich  kann  als  treuer  Soldat  Euer  Majestät  nach  meinem  Ge- 
wissen auch  die  dermalige  Lage  unserer  Armee  nicht  verhehlen; 
diese  ist  auch  nach  der  Meinung  der  geschicktesten  Männer  äußerst 
kritisch;  nicht  der  Feind,  aber  unser  bisheriges  Benehmen  selbst 
setzte  uns  in  selbe;  wir  erhielten  zwar  gestern  einen  Vorteil  über 
eine  Division  des  Feindes,  aber  unterdessen  kann  die  große  feind- 
liche Armee  gegen  die  Bussen  wirken.  Die  Vereinigung  mit  selben 

1)  Das  glückliche  Gefecht  bei  Haslaeh  am  11.  Oktober  1805. 


—     385    — 

ist  uns  nun  äußerst  erseh wert  und  wendet  Bonaparte  sich  ganz  auf 
uns,  so  werden  wir  ihm  ebensowenig  widerstehen  können.  Die 
weiteren  Pläne  des  FML.  Macii  kann  ich  Euer  Majestät  nicht'  be- 
stimmen, da  er  heute  (12.  Oktober)  bereits  drei  ganz  verschiedene 
entwarf  und  zur  Ausführung  hinausgab.  Es  ist  mögüch,  daß  gltick- 
Hche  Ereignisse  uns  aus  jener  Verlegenheit  reißen,  in  die  wir  uns 
selbst  stürzten,  aber  die  Wahrscheinlichkeit  spricht  nicht  für  uns. 
Jedoch  muß  ich  Euer  Majestät  versichern,  daß  Generale  und  Truppen 
vom  besten  Willen  sind  und  daß,  wenn  es  aufs  Raufen  ankommen 
wird,  sie  gewiß  das  Äußerste  tun  werden;  allein  die  abgematteten 
physischen  Kräfte  und  die  Lage,  die  doch  von  mehreren  eingesehen 
wird,  sind  zwei  auf  den  Geist  der  Armee  sehr  wirkende  Gegen- 
stände ..." 

Die  österreichische  Armee  war  somit  am  10.  untätig  bei  Ulm 
stehen  geblieben. 

Am  10.  Oktober  um  10^  nacht  traf  in  Landsberg  am  Lech 
der  erste  Artillerietransport  von  Kufstein  ein.  Er  sollte,  da  erst 
Vorspannpferde  aufzubringen  waren,  am  11.  Oktober,  11^  vormittag, 
nach  Buchloe  weiterraarschieren. 

Am  11.  Oktober  früh  erhielt  FML.  Werneck  das  Aviso, 
„daß  er  mit  seinem  ganzen  Korps  zu  einer  geheimen  Expedition 
bestimmt  sei,  welche  spätestens  übermorgen  nacht,  die  Witterung 
möge  sein  welche  sie  wolle,  ihm  anbefohlen  werden  wird". 

An  GM.  Wolfskeel  erging  gleichzeitig  der  Auftrag  „sich 
solcherart  der  Donau  zu  nähern,  daß  er  auf  den  ersten  Befehl  also- 
bald  auf  mehreren  Punkten  die  Donau  passieren,  sich  bei  Eottweil 
vereinigen  und  mit  der  äußersten  Beschleunigung  gegen  den  ßhein 
vorrücken  könne,  worüber  er  die  nötigen  Instruktionen  und  Befehle 
vielleicht  längstens  in  ein  paar  Tagen  erhalten  dürfte".  GM.  Wolfs- 
keel verfügte  über  272  Bataillone  und  4  Eskadronen  und  —  die 
Entfernung  von  der  Armee  zum  Rhein  betrug  etwa  180  hnl 

GM.  Wolfskeel  meldete  am  12.,  daß  seine  Truppen  an  der 
Donau  zu  dieser  Expedition  bereitstünden.  Er  müsse  aber  bemerken, 
daß  seine  Truppen  im  Vereine  mit  seinen  zwei  schlechtbespannten 
Dreipfündern  so  schwach  seien,  daß  deren  Vorrückung  gegen  den 
ßhein  kaum  den  erhofften  Erfolg  haben  dürfte. 

Dem  Generalkommando  Innsbruck  wurde  befohlen,  alle  dispo- 
niblen Feldgeschütze,  Artillerie-  und  Gewehrmunition  mit  Vorspann- 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ului.  25 


—     386     — 

ablösungen  bei  Tag  und  Nacht  nach  Ulm  zu  schicken^).  Alle  noch 
in  Kufstein  befindliche  transportable  Artillerie  sei  sogleich  nach 
Memmingen  zu  senden.  Für  die  Verteidigung  der  Tiroler  Pässe  sei 
zu  sorgen  2). 

Außerdem  verlangte  Mack,  soviel  Mehl  und  Hafer  als  möglich, 
Geld,  Rekruten  und  Eemonten  zur  Armee  zu  senden. 

Bei  Ulm  herrschte  die  größte  Unordnung.  Weil  alle  Verbände 
zerrissen  waren,  wußte  kein  General,  wo  er  eigentlich  zu  be- 
fehlen habe. 

FML.  Gottesheim  erwähnt  in  seiner  am  12.  Oktober  verfaßten 
Relation  über  das  Gefecht  von  Haslaeh,  daß  seine  Regimenter  „auf 
verschiedenen  Punkten  der  Position  verteilt  waren".  Die  Regimenter 
Rainer  und  Manfredini  kämpften  außerhalb  seines  Sehkreises. 

Mack  begnügte  sich  damit,  Dispositionen  und  Befehle  zu 
schreiben ;  um  alles  andere  kümmerte  er  sich  nicht. 

Unter  diesen  Verhältnissen  erfolgte  am  11.  Oktober  um  1"^ 
nachmittag  der  Angrifif  der  Division  Dupont. 

Ostlich  des  Lech  war  Kienmayer  noch  in  München;  er  hielt 
Landshut  und  Vilsbiburg  besetzt. 

Franzosen. 

Ney  hatte  noch  in  der  Nacht  zum  10.  Oktober  Meldung  über 
die   Kämpfe   bei   Günzburg   und  Elchingen   an  den  Kaiser  gesandt. 

^)  Nach  einer  Meldung  des  Artillerieehefs  der  Armee,  des  FML.  Rouvroy, 
vom  11.  Oktober  waren  im  Artilleriepark  bei  Ulm  89  Gresehütze  und  510  Ar- 
tilleriefuhrwerke, für  jedes  Geschütz  waren  180  Schuß  und  für  jeden  Mann  der 
Infanterie  36  Gewehrpatronen  vorhanden.  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA, 
X,  104V2.) 

Nach  dem  Artillerieausrüstungsentwurfe  sollte  die  Armee  in  Deutsehland 
für  97  Bataillone  und  158  Eskadronen  165  Liniengesehütze,  80  schwere  Ge- 
schütze und  72  Kavalleriegesehütze  haben.  (Kriegsarchiv,  1805,  Deutschland  FA, 

xni,  120.) 

^)  Welche  Wirkung  der  Befehl  hatte,  Kufstein  der  Geschütze  zu  entblößen, 
zeigt  ein  Bericht  des  mit  der  Verteidigung  von  Tirol  betrauten  FML.  Ohasteler 
an  Erzherzog  Ferdinand  vom  16.  Oktober. 

FML.  Ohasteler  äußert  darin  Besorgnisse  für  die  Nordgrenze  Tirols.  Kuf- 
stein ist  jetzt  von  allem  Geschütz,  von  der  ganzen  Munition  und  Verpflegung 
entblößt;  er  fürchte,  daß  alle  Anstrengungen,  das  jetzt  zu  bessern,  umsonst  sein 
werden ;  der  zweite  Gesehütztransport  von  Kufstein  sei  dem  Feind  in  die  Hände 
gefallen. 

Man  hatte  also  jetzt  nirgend  Geschütze. 


—     387     — 

Er  meldete:  „Der  Feind  ist  bei  Ulm  viel  stärker  als  man  gedacht 
hat;  er  hat  bei  Günzburg  eine  Verstärkung  von  15.000  Mann  er- 
halten, die  von  Schafifhausen  kam;  es  scheint,  daß  Ulm  den  linken 
Flügel  der  feindlichen  Schlachtlinie  bilden  wird."  Ney  kann  damit 
nur  eine  Schlaehtliuie  an  der  Hier,  Front  nach  Ost,  gemeint  haben. 

Lannes  hatte  am  9.  abend  gemeldet,  daß  er  mit  Ney  bei 
Günzburg  Verbindung  hergestellt  habe.  „Weil  die  Östen-eicher  die 
Brücke  bei  Günzburg  abwechselnd  zerstört  und  wiederhergestellt 
haben,  mache  dieser  Vorgang  glauben,  daß  sie  die  Absicht  hatten, 
einige  Bewegungen  gegen  Ney  auszuführen.  Indessen  zeigt  der  häu- 
fige und  fast  tägliche  Wechsel  ihrer  Generale  genügend  die  Unruhe 
an,  in  der  sie  sich  befinden:  auch  ich  zweifle  nicht,  daß  sie  sich 
auf  Augsburg  zurückziehen  werden." 

Von  Soult  war  die  Meldung  eingelangt,  daß  nach  Angabe  von 
Reisenden  und  Deserteuren  Erzherzog  Karl  bei  Ulm  eingetroffen 
sei^)  und  daß  Erzherzog  Ferdinand  und  Mack  mit  der  Hauptkraft 
der  Armee  noch  an  der  Hier  stünden.  Napoleon  wußte  weiter  aus 
einer  Meldung  des  Generals  Duraas.  den  er  nach  Ingolstadt  gesandt 
hatte,  daß  in  der  bayrischen  Oberpfalz  mit  Ausnahme  eines  schwachen 
Detachements  bei  Amberg  (Infanterieregiment  Gemmingen)  nichts 
vom  Feinde  stehe. 

Am  10.  Oktober  blieben  alle  Korps  mit  Ausnahme  des  1.  und 
2.  Korps  stehen.  Für  das  3.  und  4.  Korps  war  dies  der  erste  Rast- 
tag seit  dem  Abmärsche  vom  Neckar  (2.  Oktober). 

Beim  6.  Korps  (Ney)  wurde  der  bei  Albeck  stehenden  Division 
Dupont  eine  Dragonerbrigade  (zwei  Regimenter)  zugeteilt.  Die 
übrigen  vier  Regimenter  der  4.  Dragonerdivision  hatten  nach 
Langenau,  die  Dragoner  zu  Fuß  nach  Stotzingen  zu  marschieren. 
Die  3.  Division  besetzte  mit  einem  Regimente  Leipheim. 

Bei  der  Gruppe  Murat  war  die  Division  Suchet  von  Wertingen 
nach  Zusmarshausen  marschiert.  Gegen  Mittag  des  10.  Oktobers  war 
die  Division  Klein  mit  Murat  von  Zusmarshausen  nach  Burgau  vor- 
geritten, wo  sie  am  Abend  in  Erfahrung  brachte,  daß  der  wenig- 
stens 20.000  Mann  starke  Feind  nach  Ulm  abgezogen  sei. 

Am  10.  Oktober,  anscheinend  nachmittag,  wurde  an  Murat 
der  Befehl  gesandt,  daß  ihm  der  Kaiser  das  Kommando  über  den 
rechten  Flügel  der  Armee  übertrage,  der  aus  dem  Reservekorps  und 

*)  Das  Eintreffen  des  Regiments  Erzherzog  Karl  war  jedenfalls  Ursache 
dieses  falschen  Grerüehtes. 

25* 


—     388     — 

den  Korps  Ney  und  Lannes  bestehe;  Murat  habe  am  11.  mit  Lannes 
und  mit  der  Kavallerie  nach  Mindelheim  zu  marschieren.  „Sie 
werden  sie  (Ney  und  Lannes)  so  dirigieren,  daß  sie  sich  immer 
gegenseitig  unterstützen...  Marschieren  Sie  vorsichtig  und  greifen 
Sie  immer  in  Masse ^)  an." 

Murat  hatte  die  Kürassierdivision  Nansouty  am  11.  Oktober 
nach  Augsburg  zu  senden. 

An  Ney  erging  um  6^  abend  Befehl.  Clm  zu  zernieren.  „Es 
bleibt  anzustreben,  Ulm  in  Besitz  zunehmen,"  heißt  es  in  dem  Be- 
fehle, „v^'as  unter  allen  Gesichtspunkten  wichtig  ist.  Seine  Majestät 
läßt  Ihnen  freie  Hand,  zu  marschieren  wie  Sie  wollen,  um  Ulm  im 
Laufe  des  morgigen  Tages  zu  zernieren." 

Nach  der  Wegnahme  von  Ulm  sollte  Ney  keine  Befehle  er- 
warten, er  sollte  dem  Feind  auf  Memmingen  oder  wohin  dieser 
sonst  marschiere,  folgen.  Mindelheim  werde  von  Lannes,  Landsberg 
von  Soult  besetzt  werden.  Man  werde,  wenn  nötig,  auf  Kempten 
oder  selbst  auf  Füssen  marschieren.  Der  Befehl  sehließt: 

„Da  Seine  Majestät  sich  nach  München  begeben  wird,  wo 
unsere  Truppen  diesen  Abend  eintreffen,  um  dort  die  Eussen  zu 
erwarten,  die  demnächst  ankommen  werden,  überträgt  er  das  Kom- 
mando über  den  ganzen  rechten  Armeeflügel,  bestehend  aus  dem 
Korps  Lannes,  dem  Ihrigen  und  der  Eeservekavallerie,  dem  Prinzen 
Murat." 

Soult  erhielt  den  Auftrag,  am  11.  Oktober  mit  seinen  zwei 
Infanteriedivisionen  und  der  Dragonerdivision  Walther  nach  Lands- 
berg zu  marschieren. 

Am  linken  Armeeflügel  marschierten  am  10.  Oktober  Marmont 
nach  Gundelsdorf,  Bernadotte  nach  Hohenkammer  und  Pfaffenhofen 
(32—40  hn). 

Am  Abend  begab  sieh  Napoleon  nach  Augsburg. 


Am  10.  Oktober  war  somit  ein  großer  Umschwung  in  dem 
Verhalten  Napoleons  eingetreten.  Bisher  hatte  er  seine  Aufmerk- 
samkeit fast  nur  der  österreichischen  Hauptarmee  an  der  Hier  zu- 
gewendet. 

Am  9.  Oktober  um  10^  vormittag  war  an  Bernadotte  der  Be- 
fehl abgegangen,   München  im  Gewaltmarsche  bis  10.  abend  zu  er- 

^)  Zu  verstehen  ist  jedenfalls:  mit  vereinten  Kräften. 


—     389     — 

reichen;  am  10.  bestimmte  Napoleon  den  Prinzen  Murat  zum  Kom- 
mandanten des  rechiten  Armeeflügels  und  sprach  in  einem  Befehle 
von  seiner  Abreise  nach  München. 

Was  mochte  diese  Sinnesänderung  verursacht  haben?  Hatte 
Napoleon  seine  Absicht  geändert  oder  aufgegeben? 

Einige  Briefe  Napoleons  vom  10.  und  11.  lassen  den  Gedanken- 
gang des  Kaisers  erkennen. 

Am  10.  Oktober  schrieb  Napoleon: 

An  seinen  Bruder  Josef^): 

,^Wir  werden  heute  abend  oder  spätestens  morgen  in  München 
sein.  Die  Russen  beginnen  anzukommen.  Der  Feind  schwächt 
sich  stark  in  Italien,  um  Truppen  hieher  zu  senden...  Ich  halte 
die  österreichische  Armee  in  Ulm  eingeschlossen;  sie  wurde  gestern 
von  Ney  geschlagen." 

An  den  Prinzen  Eugen^): 

„Der  Feind,  den  ich  bei  Ulm  in  die  Enge  getrieben  habe  und 
umschlossen  halte,  wurde  gestern  abend  von  Ney  geschlagen  und 
zersprengt." 

Am  11.  Oktober  schrieb  der  Kaiser: 

An  Murat  um  8^  früh: 

„Ich  halte  die  Dinge  auf  Ihrer  Seite  noch  nicht  für  beendet. 
Der  Feind,  eingeschlossen  wie  er  ist,  wird  sich  schlagen.  Er  erhält 
Verstärkungen  aus  Tirol  und  Italien  und  könnte  Ihnen  daher  in 
wenigen  Tagen  mehr  als  40.000  Mann  entgegenstellen.  Daher  müssen 
Ihre  Kavalleriereserve,  die  Korps  Lannes  und  Ney,  die  zusammen 
50.000 — 60.000  Mann  ausmachen,  möglichst  nahe  beieinander  mar- 
schieren, so  daß  sie  in  6  Stunden  vereinigt  sein  und  den  Feind 
vernichten  können.  Die  Russen  kommen  in  Eile.  Gehen  Sie  also  den 
Feind  überall  an,  wo  immer  er  ist,  aber  mit  Vorsicht  und  ge- 
schlossen. Wenn  er  Ihnen  entwischt,  wird  er  am  Lech  aufgehalten 
werden." 

An  den  Gesandten  Otto  nach  Würzburg^): 

„Die  Armee  des  Erzherzogs  Ferdinand  ist  vollkommen  um- 
gangen und  Prinz  Murat  ist  ihm  auf  den  Fersen.  Alle  Übergänge 
über  den  Lech  sind  von  Soult  besetzt  .  .  . 


*)  „Correspondanee  de  Napoleon  ler",  Nr.  9359. 
^)  „Correspondanee  de  Napoleon  ler",  Nr.  9360. 
^)  „Correspondanee  de  Napoleon  ler",  Nr.  9365. 


—     390     — 

„Ich  erwarte  bestimmtere  Nachrichten  über  die  Russen,  um 
mich  auf  sie  zu  werfen  und  mich  ihrer  so  bald  als  möglich  zu  ent- 
ledigen." 

An  Bernadotte  um  3^"^  nachmittag: 

„Melden  Sie  mir  auch  Bestimmtes  über  diese  berühmten 
Bussen.  Ich  erwarte  das,  um  einen  Entschluß  zu  fassen.  Ich  werde 
mit  90.000  .Mann  über  sie  herfallen  und  ich  hoffe,  sie  mit  Gottes 
Hilfe  zu  veranlassen,  ihren  Weg  nach  Frankreich  fortzusetzen^)." 

An  Massena'O: 

„Wenn  Sie  Erfolg  haben,  könnten  Sie  in  14  Tagen  am  Taglia- 
mento  sein.  Auf  alle  Fälle  hoffe  ich,  zu  dieser  Zeit  im  stände  zu  sein, 
der  österreichischen  Armee  (des  Erzherzogs  Karl)  in  den  Eücken  zu 
fallen.  Ich  hätte  damit  schon  angefangen,  wenn  ich  hier  nicht  durch 
50.000  Russen  von  neuem  gebunden  wäre,  die  soeben  angekommen 
sind." 

Und  endlich  an  Augereau^): 

Die  Armee  des  Erzherzogs  Ferdinand  ist  abgeschnitten  und 
von  den  Russen  und  den  österreichischen  Truppen  am  Inn  ganz 
abgetrennt.  Der  Prinz  Murat  verfolgt  sie  mit  dem  Korps  Ney  und 
Lannes. 

„Vereinigen  Sie  Ihr  Korps  sofort  bei  Freiburg  (im  Breisgau). 
Es  wäre  möglich,  daß  die  Armee  des  Erzherzogs  Ferdinand  keinen 
anderen  Ausweg  hätte,  als  sieh  in  die  Schweiz  oder  gegen  Sie  zu 
werfen.  Wenn  Sie  Freiburg  bis  24.  oder  25.  Oktober  erreichen,  ist 
kein  Zweifel,  daß  Sie  noch  Arbeit  finden  könnten ;  mit  Ihren  12.000 
Mann  wären  Sie  eine  kräftige  Unterstützung  und  könnten  dem 
Feinde  großen  Schaden  zufügen." 

Diese  Briefe  zeigen  deutlich,  daß  Napoleon  an  seinem  Plane, 
die  Österreicher  und  Russen  getrennt  zu  schlagen,  festhielt,  sie 
zeigen  aber  auch,  daß  er  am  9.  und  10.  Oktober  Nachrichten  er- 
halten haben  muß  —  falsche  Nachrichten  —  daß  die  Russen  schon 
am  Inn  eingetroffen  seien. 

Diese  Nachrichten  ließen  ihm  nun  die  Russen  aus  mehreren 
Gründen  als  den  wichtigeren  und  gefährlicheren  Teil  der  Verbün- 
deten erscheinen. 


^)  „Correspondance  de  Napoleon  Jer",  Nr.  9366.    Napoleon  wollte   damit 
sagen,  daß  er  hoffe,  die  Russen  gefangenzunehmen. 

^)  „Correspondance  de  Napoleon  ler",  Nr.  9369. 
^)  „Correspondance  de  Napoleon  Jer",  Nr.  9368. 


—     391     — 

Vor  allem  erschienen  sie  ihm  stärker  als  die  öst(MTeiehische 
Armee  an  der  Hier.  Alle  Nachrichten  über  die  Russen  hatten  die 
Armee  Kutusows  auf  wenigstens  50.000  Mann  angegeben.  Dazu 
kam  noch  das  Korps  Kienmajer,  das  nach  glaubwürdigen  Angaben 
auf  15.000  — 20.000  Mann  angenommen  werden  mußte  und  das  durch 
anmarschierende  österreichische  Truppen  noch  verstärkt  werden 
konnte.  Man  mußte  daher  die  Inn- Armee  der  Verljündeten  auf  70.000 
Mann  schätzen,  wogegen  die  Hler-Armee  nach  den  letzten  Angaben 
höchstens  40.000  Mann  stark  sein  sollte. 

Die  Inn-Armee  Ijestand  dieser  Schätzung  nach  überdies  zum 
größten  Teil  aus  noch  frischen  Truppen  —  den  Eussen  —  deren 
moralischer  Halt  noch  nicht  durch  Niederlagen  gebrochen  war  und 
die  auch  im  ßufe  standen,  die  beste  Infanterie  der  Welt  zu  haben. 
Stachelt  doch  Napoleon  in  der  Proklamation  vom  21.  Oktober  seine 
Armee  für  den  kommenden  Kampf  mit  den  Eussen  auf,  indem  er 
ihr  zuruft:  „Zum  zweiten  Male  soll  jetzt  die  Frage  entschieden 
werden,  die  schon  in  der  Schweiz  und  in  Holland  gestellt  war:  Ob 
die  französische  Infanterie  die  zweite  oder  die  erste  in  Europa  sei." 
Dagegen  hatte  die  östeiTeichische  Hler-Armee  schon  zu  deutliche 
Anzeichen  schwerer  Erschütterung  an  den  Tag  gelegt. 

Die  Inn-Armee  hatte  noch  volle  Operationsfreiheit.  War  sie 
auch  durch  die  Lage  Macks  gezwungen,  rasch  zu  dessen  Hilfe 
heranzueilen,  so  konnte  sie  dies  doch  noch  auf  verschiedenen  Wegen 
tun  und  sich  auch  der  französischen  Übermacht  entziehen,  wenn 
es  die  Lage  zuließ  oder  erforderte.  Mack  dagegen  war  verloren.  Durch 
60.000  Mann  Murats  gebunden,  konnte  ihn  nichts  mehr  retten,  wenn 
einmal  die  russische  Armee  zurückgeworfen  war.-  weil  dann  Na- 
poleons siegreiche  Armee,  zwischen  der  Armee  Macks  und  ihrer 
Heimat  stehend,  alle  Verbindungslinien  und  somit  alle  möglichen 
Eückzuglinien  Macks  beherrschte. 

Nur  diese  Schätzung  konnte  Napoleon  veranlassen,  sein  Ver- 
halten zu  ändern,  Mack  dem  Prinzen  Murat  zu  überlassen  und  sich 
selbst  gegen  die  Eussen  zu  wenden.  Er  verlangte  nur  von  Otto  und 
Bernadotte  noch  bestimmtere  Nachrichten,  um  sich  mit  Bernadotte 
(40.0U0  Mann),  Davout  (30.000  Mann)  und  Marmont  (20.000  Mann), 
zusammen  90.000  Mann,  auf  die  Eussen  zu  werfen,  sobald  sie  den 
Inn  überschritten. 

Napoleon  wollte  also  60.000  Mann  gegen  Mack.  90.000  Mann 
gegen  die  Eussen  verwenden;  am  Lech  sollten  Soult  bei  Landsberg. 


—     392     — 

die  Garde  und  zwei  Kürassierdivisionen  bei  Augsburg  die  Leeh- 
Brücken  sperren  und  Mack  abfassen,  wenn  es  diesem  gelänge,  dem 
Prinzen  Murat  zu  entwischen.  Sie  sollten  gleichzeitig  eine  starke 
Eeserve  für  beide  Teile  der  Großen  Armee  sein. 

Die  Absicht  Napoleons,  den  Russen  mit  seiner  Hauptkraft  ent- 
gegenzugehen, sobald  sie  gegen  München  anrückten,  entsprang  dem 
Willen,  sich  nicht  zwischen  die  beiden  feindlichen  Armeegruppen 
einzwängen  und  von  beiden  zugleich  angreifen  zu  lassen,  sondern 
sie  zu  trennen  und  so  auseinanderzuhalten,  daß  ihr  Zusammenwirken 
schon  der  Entfernung  nach  unmöglich  wurde.  Dagegen  wollte  Na- 
poleon freie  Hand  haben,  seine  Kraft  dort  zu  verwenden,  wo  es 
nach  dem  Verhalten  seiner  Gegner  notwendig  war. 

Diese  Absicht  Napoleons,  die  ucausgeführt  blieb,  weil  sich  bald 
herausstellte,  daß  die  Nachrichten  über  die  Russen  falsch  waren, 
bildet  eine  treffende  Grundlage  für  den  in  letzter  Zeit  so  oft  ange- 
führten  „Grundsatz"  Moltkes: 

„um  die  Vorteile  der  inneren  Operationslinie  auszunützen,  muß 
man  notwendig  so  viel  Raum  haben,  daß  man  dem  einen  Gegner 
auf  mehrere  Märsche  entgegenrücken  kann  und  Zeit  behält,  sich 
sodann  erst  dem  anderen  zuzuwenden.  Wird  dieser  Raum  wesentlich 
verengt,  so  entsteht  die  Gefahr,  daß  man  es  mit  beiden  zugleich  zu 
tun  bekommt.  Eine  Armee,  die  auf  dem  Schlachtfeld  in  Front  und 
Flanke  angegriffen  ist,  steht  auch  auf  der  inneren  Operationslinie, 
aber  der  strategische  Vorteil  ist  in  den  taktischen  Nachteil  um- 
geschlagen." 

Theoretiker,  die  nun  einmal  ohne  hochtrabende  Fachausdrücke, 
ohne  Schlagwörter  nicht  leben  können,  haben  die  von  Napoleon  im 
Oktober  1805  angewendete  Art,  den  getrennten  Feind  getrennt  zu 
schlagen,  mit  dem  Namen  „auf  der  inneren  Linie  operieren" 
bezeichnet.  Selbstverständlich  machte  der  Begriff  „innere  Linie" 
auch  den  Gegensatz  notwendig,  die  „äußeren  Linien".  Wie  unnötig 
solche  hochtrabende  und  khngende  Ausdrücke  sind,  zeigen  die  eben 
ausgeführten  Darlegungen,  die  vollkommen  verständlich  sein  dürften, 
obwohl  —  oder  weil?  —  sie  diese  Fachausdrücke  nicht  enthalten. 
Wie  schädlich  solche  Schlagwörter  sind,  wird  dadurch  bewiesen,  daß 
über  den  Begriif  der  Sinn  verloren  ging.  So  wie  Mack  zufrieden 
war,  den  „wichtigen  Raum"  an  der  Hier  zu  besitzen,  so  waren 
andere  zufrieden,  „auf  der  inneren  Linie  zu  stehen",  sie  zu  be- 
sitzen, ohne  die  Konsequenzen  dieses  Besitzes  zu  ziehen.  Ein  klarer, 


—     393     — 

vernünftiger  Soldatenkopf  —  Moltke  —  mußte  kommen,  um  den 
Nebel  der  inneren  und  äußeren  Linie  mit  seinem  oben  zitierten 
Ausspruch,    der   kein  Grundsatz   Moltkes   ist,    zu    durchleuchten. 


Man  würde  aber  vollkommen  fehlgehen,  wenn  man  glauben 
wollte,  daß  Napoleon  ohne  Sehwanken  und  ohne  inneren  Kampf  zu 
seinen  Ansichten  und  Absichten  gekommen  ist.  Die  Briefe  an  Otto 
und  Bernadotte  zeigen,  daß  Napoleon  den  ersten  Nachrichten  nicht 
ganz  traute,  sich  zwar  vorbereitete,  aber  erst  handeln  wollte,  wenn 
neue  und  bestimmtere  Meldungen  die  ersten  Nachrichten  über  den 
Anmarsch  der  Eussen  bestätigten. 

So  war  der  Kaiser  auch  über  die  Armee  Macks  nicht  voll- 
ständig orientiert ;  er  wußte  nur.  daß  sie  noch  östlich  des  Lech  war. 
Erst  nach  und  nach,  und  zwar  sehr  langsam,  lüftete  sich  in  der 
Folge  der  Schleier  der  Unklarheit  und  Unsicherheit. 

In  Augsburg  erhielt  der  Kaiser  eine  zweite  Meldung  des  Mar- 
schalls Ney  über  das  Gefecht  bei  Gtinzburg: 

„Die  Österreicher  hatten  wenigstens  30.000  Mann  bei  Günz- 
burg,  geführt  vom  Erzherzog  Ferdinand.  Mack  war  ebenfalls  dort 
und  noch  14  Generale. 

„Nach  Aussage  des  Generals  d'Aspre  hatten  die  Österreicher 
einen  großen  Schlag  gegen  mein  Korps  vor,  aber  der  Angriff  auf 
Günzburg  hat  alles  vereitelt.  Der  Rückzug  der  Österreicher  vollzieht 
sich  auf  Biberach." 

Diese  Meldung  zeigte  an,  daß  die  Hauptkraft  der  österreichi- 
schen Armee  noch  bei  Ulm  stehen  müsse.  Andere  Meldungen 
scheinen  den  Anmarsch  von  Verstärkungen  aus  Tirol  bestätigt  zu 
haben. 

Darauf  ging  um  Mitternacht  von  Augsburg  der  Befehl  an 
Lannes  ab* 

„Alle  Nachrichten,  die  der  Kaiser  erhält,  lassen  ihn  glauben, 
daß  der  Feind  bei  Ulm  oder  etwas  oberhalb  eine  Schlacht  liefern 
wolle.  Aber  die  Nachrichten  vom  Kampfe  bei  Günzburg  sind  nicht 
so,  wie  sie  Seine  Majestät  erhoffte.  Der  Kaiser  will  daher,  daß  Sie  den- 
selben Weg  wie  Priuz  Murat  einschlagen,  also  über  Burgau,  um  Sie 
immer  nahe  dem  Marschall  Ney  zu  haiton.  damit  Ihre  beiden  Korps 
sieh  vereint  schlagen.  Wenn  der  Feind  über  Mommingeu  ab- 
marschiert, wird  er  bei  Landsberg  aufgehalten  werden." 


—     394     — 

Murat  muß  zur  selben  Zeit  einen  ähnlichen  Befehl  erhalten 
haben,  da  er  statt,  wie  befohlen,  nach  Mindelheim  zu  rücken,  am  11. 
nach  Weißenhorn  marschiert  ist. 


Die  Unsicherheit  Napoleons  ist  auffallend. 

Am  10.  erhält  JMurat  zuerst  den  Befehl,  mit  der  Kavallerie  und 
mit  Lannes  nach  Mindelheim  zu  gehen,  offenbar  in  der  Meinung, 
Mack  könnte  dort  abziehen.  Murat  sollte  das  Korps  Ney  so  nahe 
halten,  daß  er  vereint  schlagen  könne. 

Um  6^  abend  erhält  Ney  den  Befehl,  Ulm  zu  zernieren  und 
um  Mitternacht  werden  Lannes  und  Murat  anstatt  nach  Mindelheim 
nach  Burgau  und  Weißenhorn  dirigiert;  Napoleon  beginnt  schon 
an  eine  Schlacht  an  der  Hier  zu  glauben. 

Diese  Unsicherheit  in  der  Befehlgebung  wird  im  Kriege  wohl 
nie  ganz  zu  vermeiden  sein.  Sie  brachte  für  die  Trappen  Murats 
auch  manche  Unannehmlichkeiten  mit  sich;  diese  Unsicherheit  in 
der  Befehlgebung,  die  da  selbst  einem  Napoleon  begegnet  ist,  darf 
aber  durchaus  nicht  mit  dem  Verhalten  Macks  verwechselt  werden. 
Napoleon  hielt  sein  Ziel,  seinen  allgemeinen  Kriegsplan  unverändert 
fest  und  paßte  seine  täglichen  Befehle  zur  Erreichung  dieses  Zieles 
dem  Bilde  an,  das  er  sich  aus  den  Nachrichten  über  die  Situation 
des  Feindes  zusammenstellte.  Es  ist  klar,  daß,  wenn  man  einen  Feind 
fangen  will,  man  nicht  ins  Blaue  laufen  darf.  Das  fortwährend 
wechselnde  und  unsichere  Bild,  das  sich  Napoleon  über  das  Ver- 
halten des  Feindes  nur  machen  konnte,  war  der  Anlaß  für  die  oft 
unvermeidlichen  Änderungen  der  Befehle.  Bei  Mack  hat  sich  aber 
nicht  diese  Art  der  Änderung  der  Befehle  bemerkbar  gemacht, 
sondern  bei  ihm  wechselten  täglich  die  grundlegenden  Ent- 
schlüsse für  das  Verhalten  der  Armee.  Heute  zum  Angriff"  auf  die 
rechte  Flanke  des  Feindes  entschlossen,  wollte  er  den  nächsten  Tag 
bei  Ulm  stehen  bleiben,  am  dritten  Tage  den  Feind  während  des 
Donau-Überganges  anfallen,  am  vierten  über  den  Lech  zurückgehen 
u.  s.  f.  Die  aus  dem  Wechsel  der  allgemeinen  Absicht  hervorgehende 
Änderung  der  Befehle  bedeutet  bei  Mack  daher  etwas  ganz  anderes 
als  die,  die  man  bei  Napoleon  beobachten  kann. 

Worin  lag  aber  die  Ursache  der  in  diesem  Feldzuge  wiederholt 
auftretenden  Unsicherheit  Napoleons?  Das  mangelhafte  und  unsichere 
Bild,   das   sich  Napoleon  über  das  Verhalten,    die  Situation  und  die 


—     395     — 

Absicht  des  Feindes  machen  konnte,  kann  nicht  dem  Mangel  an 
Nachrichten  überhaupt  zugeschrieben  werden,  denn  Napoleon  erhielt 
sehr  viele  und  zum  Teil  recht  gute  Kleidungen.  Die  Quelle  dieser 
Meldungen  war  im  allgemeinen  allerdings  nicht  einwandfrei :  Aus- 
sagen von  Landleuten,  Reisenden,  Spionen  etc.  Aber  auch  die  Mel- 
dungen der  Kavallerie  sind,  was  die  Daten  über  Stärke  der  Truppen 
und  ihr  Verhalten  betriift,  immer  sehr  un verläßlich.  Es  soll  nur  an 
die  zahlreichen,  auch  im  Frieden  vorkommenden,  vollkommen  aus 
der  Luft  gegriffenen  Meldungen  erinnert  werden. 

Diese  Fehler  können  nur  eingedämmt  werden,  wenn  man  die 
Kavallerie  strenge  dazu  erzieht,  nur  nackte  Tatsachen  zu  melden 
und  in  den  Meldungen  jede  Kombination,  jede  Beurteilung,  jede  Auf- 
nahme von  Meinungen  und  Ansichten  des  Meldenden  zu  vermeiden. 
Der  Meldende  soll  gewöhnt  sein,  nur  das  aufzunehmen,  wofür  er 
mit  seinen  Sinnen  einstehen  kann. 

Aber  nicht  nur  die  Meldungen  der  Kavallerie  sind  unver- 
läßlich, auch  die  Meldungen  größerer  Heereskörper,  die  mit  dem 
Feind  im  Kampfe  gestanden  waren,  sind  nicht  verläßlicher.  So 
meldete  Auffenberg,  daß  er  bei  Wertingen  von  50.000  Franzosen 
angegriffen  worden  sei ;  er  überschätzte  den  Feind  daher  nahezu  um 
das  Vierfache.  Auch  General  ^Malher  und  Klarschall  Ney  konnten 
erst  dann  Nachrichten  über  die  beiläufige  Stärke  der  bei  Gtinzburg 
gestandenen  Österreicher  geben,  als  sie  Angaben  von  Stadtbewohnern 
und  von  Gefangenen  erhalten  hatten.  Dasselbe  trifft  bei  Dupont  für 
das  Gefecht  bei  Haslach  zu  ^). 

Sicher  und  unzweifelhaft  richtig  sind  nur  die  Meldungen  der 
Kavallerie,  daß  sie  nicht  auf  den  Feind  gestoßen- ist.  Der  Fall,  daß 
eine  Kavallerieabteilung,  die  auf  den  Feind  getroffen  war.  gemeldet 
hätte,  daß  sie  auf  keinen  Feind  gestoßen  sei,  ist  noch  nicht  vor- 
gekommen und  wird  auch  kaum  vorkommen.  Diese  sogenannten 
negativen  Meldungen  können,  von  den  richtigen  Punkten  gesandt, 
oft  die  ganze  Kriegslage   klären^). 

*)  Dieselbe  Erscheinung  zeigt  sieh  auch  in  anderen  Kriegen.  Die  Meldung 
des  FML.  Grafen  Stadion,  dali  er  mit  seinen  20.000  Mann  am  20.  Mai  1859  vor 
40.000  Franzosen  Montebelio  räumen  mulite  —  General  Forey  hatte  nur  7000 
Mann  —  und  die  Meldung  des  Generals  Sehildner-Schuldner,  in  der  er  nach  der 
ersten  Sehlacht  von  Plevvna  die  15.000  Mann  Osman  Paschas  auf  50.000  schätzte, 
sind  besonders  schöne  Beispiele. 

0  Die  Bezeichnung  dieser  Meldungen  als  negative  Meldungen  ist  zwar 
unrichtig,  denn  auch  ihr  Inhalt  ist  ja  positiv:  Der  Feind  ist  nicht  bei  X;  sie 
wird  aber  allgemein  angewendet. 


—    396     — 

Napoleon  vermutete  die  Österreicher  im  Rückzug  an  den  Lech, 
und  zwar  entweder  über  Augsburg  oder  über  Landsberg.  Den  Weg 
über  Augsburg  hatte  Napoleon  vom  8.  Oktober  an  in  seiner  Macht. 
Laudsberg,  Mindelheim  und  Memmingen  waren  aber  dem  Feinde 
noch  ofifen,  sie  waren  daher  für  Napoleon  äußerst  wichtige  Punkte, 
die  auch  wiederholt  in  seinen  Befehlen  genannt  worden  sind. 

Landsberg  und  Mindelheim  sind  ungefähr  60  hm,  die  Hier  Ijei 
Kellmünz  und  Memmingen  etwa  70  km  von  Wertingen  entfernt. 
Meldungen,  daß  diese  Orte  vom  Feinde  frei  sind,  und  Angaben  der 
Landesbewohner,  daß  alle  Truppen  gegen  Ulm  und  noch  keine  gegen 
Osten  abmarschiert  sind,  hätten  Napoleon  schon  am  10.  Oktober 
aufklären  können,  daß  der  Feind  weder  an  der  Hier  stehe,  noch 
über  ^lemmingen  oder  Landsberg  abmarschiert  sei. 

Napoleon  hat  diese  Nachrichten  sicher  auch  lebhaft  erstrebt, 
aller  er  hatte  kein  Mittel,  sie  sich  zu  verschaffen. 

Und  doch  war  die  französische  Armee  so  reich  an  Kavallerie ! 

Wie  schon  einmal  dargetan,  war  die  schwere  Kavallerie  zur 
Aufklärung  weniger  geeignet  und  wurde  auch,  wie  schon  ihr  Name 
Reservekavallerie  andeutet,  für  den  Kampf  zusammengehalten.  Die 
eigentliche  Auf  klärungskavallerie  war  auf  die  Korps  gleichmäßig  ver- 
teilt. Den  Korpskommandanten  Lannes,  Murat  und  Ney  war  es  gewiß, 
obwohl  sie  in  vorderster  Linie  standen,  ganz  gleichgültig,  ob  der 
Feind  bei  Mindelheim  oder  Memmingen  im  Abzüge  sei;  sie  inter- 
essierten sich  nur  um  den  Feind,  der  in  ihrer  Nähe  stand  und  den 
sie  bekämpfen  mußten.  Sie  klärten  daher  nur  für  ihre  beschränkteren 
Zwecke  auf.  Weil  den  Kommandanten  der  Infanteriekorps  nur  leichte 
Kavallerie  zur  Verfügung  stand,  die  Kavallerie  damals  aber  einen 
sehr  hohen  Gefechtswert  hatte,  beklagten  sich  die  Korpskommandanten 
nur  regelmäßig,  daß  sie  zu  wenig  Kavallerie  besäßen  und  waren 
daher  durchaus  nicht  geneigt,  den  größten  Teil  ihrer  Kavallerie  auf 
große  Entfernungen  zur  Aufklärung  zu  entsenden.  Sie  hielten  auch 
die  leichte  Kavallerie  für  die  Schlacht  zusammen. 

Wenn  Napoleon  eine  leichte  Kavalleriedivision  oder  zwei  solcher 
Divisionen  zu  seiner  Verfügung  gelassen  und  dafür  den  Korps 
Dragonerdivisionen  zugewiesen  hätte,  die  für  die  beschränkteren  Auf- 
klärungszwecke vollständig  genügten,  dann  hätte  er  das  Mittel  ge- 
habt, sich  die  so  wichtigen  Nachrichten  zu  verschaffen.  Eine  auf 
Memmingen,  Mindelheim  vorgesandte  Kavalleriedivision  konnte  wohl 
bald  feststellen,  daß  dort  außer  einem  Bataillon  in  Mindelheim  nichts 


—     397     — 

vom  Feinde  stand,  daß  alle  Truppen,  die  in  dieser  Gegend  gestanden 
waren,  gegen  Ulm  und  noch  keine  Truppen  gegen  Tirol  oder  Lands- 
berg abmarschiert  waren.  Eine  nach  Landslierg  vorgetriebene  Ab- 
teilung leichter  Kavallerie  hätte  dort  am  10.  keinen  anderen  Feind 
getroffen  als  einen  von  München  nach  Memmingen  marschierenden 
Artillerietransport;  eine  Meldung  von  höchster  Bedeutung  für  Na- 
poleon, denn  solange  Truppen  und  Transporte  über  Landsberg  an 
die  Hier  gingen,  war  ein  Eückmarsch  in  dieser  Richtung  sehr  un- 
wahrscheinlich. 

Da  Napoleon  wußte,  daß  bis  10.  Oktober  über  Ulm  keine  öster- 
reichischen Truppen  nach  Norden  abmarschiert  waren,  daß  am  9.  bei 
Günzburg  beträchtliche  feindliche  Kräfte  standen,  die  nach  dem 
Kampfe  gegen  Westen  abzogen,  so  hätten  die  Nachrichten  aus  Lands- 
berg und  Memmingen,  daß  kein  Feind  dort  war,  seinem  scharfen 
Blicke  sicher  die  richtige  Lage  des  Feindes  enthüllt. 

So  kann  man  also  die  Verteilung  der  ganzen  leichten  Auf- 
klärungskavallerie an  die  Unterkommandanten  und  das  daraus  folgende 
Zusammenhalten  der  ganzen  Kavallerie  für  die  Sehlacht  als  die 
eigentliche  Ursache  der  unsicheren  Führung  ansehen. 

Der  Arraeekommandant  muß  immer  und  unter  allen 
Verhältnissen  über  Kavalleriekörper  verfügen,  die  er  jeder- 
zeit zur  Aufklärung  der  für  die  Armeeführung  wichtigen 
Räume  verwenden  kann. 

Ein  lehrreiches  Beispiel  dafür  gibt  die  Schlacht  bei  Gravelotte. 
Das  große  Hauptquartier  hatte  in  der  Voraussetzung,  daß  der  rechte 
französische  Flügel  bei  Amanvillers  stünde,  den  umfassenden  Angriff 
gegen  diesen  Ort  durch  die  IL  Armee  angeordnet:  Dem  Kommando 
dieser  Armee  standen  nebst  der  zahlreichen  Divisionskavallerie  vier 
Kavalleriedivisionen  zur  Verfügung.  Zwei  davon,  die  12.  und  die 
Gardedivision,  gehörten  in  den  Verband  des  XIL  und  des  Garde- 
korps, wurden  daher  von  den  Korpskommandanten  für  ihre  Zwecke 
verwendet^).  Das  Armeekomraando  unterstellte  aber  auch  seine  zwei 
Kavalleriedivisionen,  die  ö.  und  6.,  den  Kommandanten  der  in  zweiter 
Linie  vorrückenden  Korps  X  und  III,  die  gar  kein  Aufklärungs- 
bedürfnis hatten. 

Die  Korpskomraandanten  der  ersten  Linie,  die  vom  Armee- 
kommando  einen   strikten  Angriffsbefehl   auf  Amanvillers  erhielten, 

*)  Erst  der  spätere  wiederholte  Befehl:  Kavalleriedivisionen  vor!  veranlaßte 
die  Loslösung  dieser  Divisionen  von  ihren  Korps. 


—     398     — 

hatten  natürlich  auch  kein  Interesse  daran,  die  nördlich  davon  ge- 
legeneu Orte  St.  Privat,  Eoncourt  und  Montois  aufzuklären  :  dieses 
Interesse  konnte,  da  das  linke  Flügelkorps  am  Anfang  wegen  der 
Schwenkung  weit  zurückblieb,  nur  das  Armeekommando  haben.  Eine 
Kavalleriedivision  dorthin,  also  in  die  vermutliche  Flanke  der  fran- 
zösischen Armee  vorgesandt,  hätte  die  ^Meldungen  gebracht:  Saint 
Marie-aux-chenes  besetzt,  Auboue  und  Montois  frei,  Roncourt  be- 
setzt. Diese  Meldungen,  die  gezeigt  hätten,  daß  die  französische 
Stellung  unbedingt  über  Amanvillers  hinausreichte,  hätte  den  Deut- 
schen viel  Blut  erspart. 


Nach  den  letzten  Befehlen  Napoleons  sollte  also  das  6.  Korps 
Ulm  zernieren;  Murat  und  Lannes  hatten  über  Burgau  so  vorzu- 
rücken, daß  sie  Ney  unterstützen  konnten. 

Ney  befahl  am  10.  Oktober,  daß  der  General  Dupont  mit  seiner 
Division  (der  1.  Division  des  6.  Korps),  mit  einem  Husaren- 
regiment und  mit  zwei  Dragonerregimentern  Ulm  auf  dem  linken 
Donau-Ufer  einzuschließen  habe.  Die  Dragoner  zu  Fuß  hatten  von 
Stotzingen  nach  Albeck  zu  marschieren  und  die  Division  Dupont  zu 
unterstützen. 

Dupont  wurde  von  Ney  angewiesen,  die  bewaldeten  Höhen 
hinter  dem  Haslaeher  Hofe^)  zu  besetzen,  seinen  rechten  Flügel  bis 
an  die  Blau  auszudehnen  und  die  Aufstellung  seiner  Eeserve  —  der 
Dragoner  zu  Fuß  —  mit  deren  Kommandanten  zu  regeln.  Dupont 
sollte  es  vermeiden,  seine  Division  gegen  überlegene  Kräfte 
auszuspielen.  Am  11.  Oktober  folgte  ein  Schreiben  von  Ney, 
daß  sich  Dupont  Wagenleitern,  Bretter  und  Balken  verschaffen 
solle,  um,  wenn  nötig,  zum  gewaltsamen  Angriff  auf  Ulm  vorgehen 
zu  können. 

Über  den  Feind  wurde  Dupont  in  diesem  Schreiben  informiert: 
„Der  Feind  ist  derart  in  Schrecken  geraten,  daß  es  wenige  Bei- 
spiele dafür  gibt.  Er  zieht  sich  auf  Biberach  zurück,  um  sich  in  das 
obere  Tirol  retten  zu  können,  da  ihm  alle  EückzugUnien  über 
Kempten  und  Füssen  abgeschnitten  sind.  Es  wäre  daher  möglich,  daß 
der  Erzherzog  Ferdinand  nur  eine  schwache  Garnison  in  Ulm  ge- 
lassen habe." 


')  .....  Vous  oeeuperez  les  hauteurs  boisees  en  arriere  d'Haslaeherliof 


—     399     — 

Die  anderen  Divisionen  des  Korps  Nej^  sollten  auf  dem  rechten 
Donau-Ufer  gegen  Ulm  vorgehen,  und  zwar  an  der  Tete  die  3.  Divi- 
sion, dahinter  die  2.  Division,  der  die  2.  Dragonerdivision  zu  folgen 
hatte.  Die  3.  Division  hatte  um  S^  früh  von  Günzljurg  aufzubrechen. 
In  Leipheim  sollten  die  Divisionen  neue  Befehle  erhalten. 

Die  Gruppe  .Murat  —  1.  Dragonerdivision  (Klein),  ein  Husaren- 
regiment und  eine  Grenadierbrigade  —  sollte  von  Burgau  nach 
Weißenhorn  marschieren,  das  2.  Husarenregiment  .Murats  nach 
Mindelheim  aufklären. 

Das  Korps  Lannes  hatte  Burgau  zu  erreichen. 

Es  sollten  also  nach  den  Befehlen  Neys  am  11.  Oktol)er  je 
zwei  Divisionen  auf  dem  nördlichen  und  südlichen  Donau-Ufer  gegen 
Ulm  zum  Angriffe  vorgehen.  Eine  Unterstützung  dieser  Truppen 
durch  Murat  und  Lannes  war  nach  den  Dispositionen  dieser  beiden 
Marschälle  ausgeschlossen. 

Die  Befehle  Neys  an  Dupont  und  an  Baraguay  d'Hilliers 
waren  in  der  Nacht  zum  11.  Oktober  durch  einen  Generalstabsoffizier 
von  Günzburg  nach  Albeck  und  Stotzingen  zu  überbringen.  Dieser 
Offizier  sollte  zuerst  nach  Stotzingen  und  dann  nach  Albeck  reiten. 
Er  verirrte  sich  aber  in  der  Nacht  derart  in  den  mit  Wasser  bedeckten 
Mooren,  daß  er  erst  zwischen  9  und  lO*"  vormittag  in  Albeck  bei 
Dupont  ankommen  konnte  und  dann  erst,  nach  Angabe  Baraguays, 
zwischen    12    und   l'^   mittag   in  Stotzingen   den   Befehl   übergab^). 

Die  Division  Dupont  brach  um  11^  vormittag  von  Albeck 
gegen  Ulm  auf.  Sie  stieß  gegen  1''  nachmittag  bei  Haslach  auf 
den  Feind. 

Baraguay  d'Hilliers  dirigierte  die  bei  Steffen  stehende  Brigade 
über  Nerenstetten  nach  Albeck,  die  andere  Brigade  von  Stotzingen 
nach  Langenau.  Weil  aber  auf  Neys  Befehl  stärkere  Abteilungen 
bis  Brenz  und  Mediingen  detachiert  worden  waren,  die  vor  dem 
Abmarsch  eingezogen  werden  mußten,  konnte  die  nach  Albeck  be- 
stimmte Brigade  erst  um  3**  nachmittag  aufbrechen,  und  da  die 
Entfernung  Steffen,  Nerenstetten,  Albeck  ungefähr  20  h)i  beträgt, 
konnte  sie  erst  nach  6  Stunden  Marsch,  also  um  9^  abend  bei 
Albeck  eintreffen.  Die  andere  Brigade  erreichte  Langenau  auch  erst 
nach  Einbruch  der  Dunkelheit. 


*)  Wie  immer  stimmen  die  Zeitangaben  nicht  überein.  Der  Generalstabs- 
offizier gab,  allerdings  erst  1806  gelegentlich  der  Untersuchung  an,  daß  er  den 
Befehl  schon  um  11h  vormittag  in  Stotzingen  übergeben  habe. 


—     400     — 

Die  Dragoner  zu  Fuß  konnten  daher  die  Division  Dupont  in 
dem  Kampfe  bei  Haslach,  der  gegen  8^  abend  beendet  war,  nicht 
unterstützen. 

Auf  dem  rechten  Donau- Ufer  marschierte  die  3.  Division,  Ge- 
neral Malher,  von  Günzburg  nach  Fahlheim  und  Leipheim.  die 
2.  Division,  General  Loisou,  von  Langenau  nach  Günzburg  und  die 
Dragonerdivision  Bourcier  von  Langenau  nach  Leipheim.  Die  Di- 
vision Gazan,  für  die  der  Befehl  des  Marschalls  Ney  für  den  IL 
keine  Bestimmungen  enthält,  scheint  bei  Gundelfingen  stehenge- 
blieben zu  sein. 

Am  IL  Oktober  vormittag  kamen  Murat  und  Lannes  nach 
Günzburg.  Dort  erhielt  Murat  folgendes  Sehreiben  Napoleons,  datiert 
von  Augsburg,  11.  Oktober,  8^  früh : 

„Ich  ließ  diese  Nacht  dem  Marschall  Lannes  den  Befehl  geben, 
nach  Burgau  zu  marschieren.  Ich  halte  die  Dinge  auf  Ihrer  Seite 
noch  nicht  für  beendet.  Der  Feind,  eingeschlossen  wie  er  ist,  wird 
sich  schlagen.  Er  erhält  Verstärkungen  aus  Tirol  und  Italien  und 
könnte  Ihnen  daher  in  wenigen  Tagen  mehr  als  40.000  Mann  ent- 
gegenstellen. Daher  müssen  Ihre  Kavalleriereserve,  die  Korps  Lannes 
und  Ney,  die  zusammen  50.000 — 60.000  Mann  ausmachen,  möglichst 
nahe  beieinander  marschieren,  so  daß  sie  in  6  Stunden  vereinigt 
sein  und  den  Feind  vernichten  können. 

„Die  Eussen  kommen  in  Eile.  Gehen  Sie  also  den  Feind 
überall  an,  wo  immer  er  ist,  aber  mit  Vorsicht  und  geschlossen. 
Wenn  er  Ihnen  entwischt,   wird   er  am  Lech   aufgehalten  werden." 

Dieses  Sehreiben  scheint  Murat  veranlaßt  zu  haben,  Ney  den 
mündliehen  Befehl  zu  geben,  nicht  über  Leipheim  vorzugehen  und 
auch  die  Divisionen  Dupont  und  Baraguay  d'Hilliers  nach  Günzburg 
auf  das  rechte  Ufer  heranzuziehen.  Tatsächlich  blieb  die  Division 
Malher  bei  Fahlheim  und  Leipheim  stehen  und  Dupont  erhielt  von 
Ney  den  Befehl:  „Da  es  die  Absicht  des  Prinzen  Murat  ist,  alle 
seine  Kräfte  auf  dem  rechten  Donau-Üfer  zu  vereinigen  und  den 
Feind  anzugreifen,  der  sich  verteidigen  zu  wollen  scheint,  wird  nur 
ein  Beobachtungsdetachement  von  1  Bataillon  und  2  Eskadronen 
Husaren  auf  dem  linken  Ufer  vor  Ulm  bleiben  ....  General  Dupont 
wird  infolgedessen  sofort  seine  Stellung  bei  Albeck  verlassen,  um 
entweder  über  die  Brücke  von  Elchingen  oder  über  die  von  Günz- 
burg auf  das  rechte  Donau-Ufer  überzugehen.  Wenn  die  Sümpfe 
unpassierljar  sein  sollten,    haben    auch  die  Kavallerie  und  Infanterie 


—     401     — 

bei  Giindelfingen  überzugehen  (die  Artillerie  und  der  Train  hatten 
unbedingt  bei  Gundelfingen  tiberzugehen).  Die  Division  des  Generals 
Baraguay  d'Hilliers  wird  der  Division  Dupont  in  derselben  Direktion 
vorangehen^}." 

Daß  eine  Weisung  Murats  die  Ursache  dieses  Befehles  war  — 
weder  Ney  noch  Murat  erwähnen,  daß  eine  solche  Weisung  erfolgte  — 
wird  durch  die  Fassung  der  Meldung  Murats  vom  12,  an  den  Kaiser 
sehr  wahrscheinlich,  in  der  er  den  isolierten  Angriff  Duponts  auf 
Ulm  zu  erklären  sucht.  Er  sagt,  daß  Ney  am  10.  Befehl  gegeben 
hat,  Ulm  auf  dem  linken  Ufer  der  Donau  anzugreifen;  zugleich 
wollte  Ney  selbst  auf  dem  südlichen  Ufer  angreifen.  „Das  schlechte 
Wetter  oder  andere  Umstände  ließen  ihn  diese  erste  Disposition 
ändern.  Er  blieb  am  11.  bei  Günzburg  und  Leipheim  und  sandte 
Dupont  den  Befehl,  den  Angriff  zu  unterlassen  und  seine  Aufstellung 
bei  Albeck  zu  behalten;  aber  dieser  General  war  schon  mit  dem 
Feind  im  Gefecht,  als  er  diesen  Befehl  erhielt." 

Diesen  Befehl,  nicht  anzugreifen  und  bei  Albeck  stehenzu- 
bleiben, erwähnt  sonst  niemand,  weder  Ney  noch  Dupont;  er  ist 
auch  in  der  Dokumentensammlung  des  französischen  Werkes  von 
Alombert  und  Colin  nicht  enthalten.  Dagegen  erhielt  Dupont  in 
Gegenwart  des  Kommandanten  der  1.  Brigade  der  Dragoner  zu  Fuß 
nach  9*"  abend  in  Albeck  den  oben  angeführten  Befehl  Neys,  auf 
das  rechte  Donau-Ufer  zu  marschieren. 

Nach  „Lettres  et  documents  pour  servir  ä  l'histoire  de  Joachim 
Murat"  bestanden  zu  dieser  Zeit  starke  Mißhelligkeiten  zwischen 
Murat  und  Ney.  Dieser  beugte  sich  nur  widerwillig  unter  die  Be- 
fehle Murats  und  der  Prinz  wieder  wollte,  stolz  auf  das  besondere 
Vertrauen  seines  Kaisers,  seine  Anordnungen  schnell  und  gut  befolgt 
sehen.  Am  11.  soll  der  Zwist  zwischen  Murat  und  Ney  einen  so 
hohen  Grad  erlangt  haben,  daß  es  beinahe  zu  einem  Zweikampf 
dieser  beiden  Marschälle  gekommen  wäre.  Dieses  Verhältnis  zwischen 
den  beiden  Führern  mag  auch  die  Ursache  mancher  Unordnung  in 
der  Befehlgebung  gewesen  sein. 

Sei  dem  wie  ihm  wolle,  sicher  ist,  daß  in  dieser  Zeit  in  der 
ganzen  Führung  des  rechten  Flügels  der  französischen  Armee  eine 
außerordentliche  Unsicherheit  herrschte,  deren  Wirkung  durch  Fehler 
in  der  Zustellung  der  Befehle  noch  bedeutend  gesteigert  worden  ist, 

')  Der  anhaltende  Regen  hatte  die  Donau-Niederungen  weithin  über- 
schwemmt. 

Krause.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  26 


—     402     — 

Diese  Verhältnisse  verursachten  das  isolierte  Vorgehen  der  schwachen 
Division  Dupont  gegen  die  bei  Ulm  konzentrierte  österreichische 
Armee,  was  für  den  österreichischen  Armeetührer  ein  unerhörter 
Glücksfall  war,  der  bei  zielbewußter  und  energischer  Ausnützung 
und  bei  den  gegen  den  9.  Oktober  wesentlich  geänderten  allgemeinen 
Verhältnissen  vielleicht  zur  Rettung  der  schon  abgeschnittenen 
Armee  hätte  führen  können^). 

Wie*  Mack   diesen  Glücksfall  ausnützte,    wird   die  Schilderung 
des  Gefechtes  bei  Haslach  zeigen. 


Das  Gefecht  bei  Haslach. 

(Beilage  26.) 

Die  Division  Dupont  war  am  11.  Oktober  um  11^  vormittag 
von  Albeck  gegen  Ulm  aufgebrochen.  Sie  bestand  aus  dem  9.  leichten, 
dem  32.  und  96.  Linieninfanterieregiment,  jedes  zu  2  Bataillonen, 
zusammen  6  Bataillone  mit  5150  Mann,  und  aus  dem  1.  Husaren-, 
dem  15.  und  17.  Dragonerregiment,  zusammen  1050  Eeiter.  Die  Di- 
vision hatte  14  Geschütze. 

Die  Division  stieß  bei  Haslach  auf  die  feindlichen  Vorposten, 
die  zurückgedrängt  wurden.  Von  Haslach  aus  sandte  Dupont  an  den 
Kommandanten  von  Ulm  die  schriftliche  Aufforderung  zur  Übergabe 
des  von  den  Franzosen  umschlossenen  Ortes. 

Von  den  Höhen  bei  Haslach  mußten  beträchtliche  österreichi- 
sche Kräfte  sichtbar  gewesen  sein,  die  zwischen  Böfingen  und  Ör- 
lingen  in  Stellung  waren. 

Die  Aufstellung  der  Österreicher  vor  Ulm  zeigt  die  Bei- 
lage 26. 

Dupont  ließ  seine  Division  bei  Haslach  aufmarschieren,  das  9. 
leichte   Regiment   vorwärts   Haslach,    das    32.  Linienregiment  links 


^)  Die  Änderung  der  Verhältnisse  besteht  darin,  daß  auf  dem  linken  Donau- 
üfer  nur  mehr  zwei  sehwache  Divisionen  —  wenn  Gazan  bei  Gundelfingen  war, 
höchstens  drei  Divisionen  —  und  nicht  alle  fünf  Divisionen  Neys  standen,  daß 
Lannes  und  Murat  bei  Günzburg  für  die  Verfolgung  oder  Abdrängung  der  Öster- 
reicher ungünstiger  standen  als  bei  Wertingen,  daß  Soult  schon  nach  Landsberg, 
Davout  gegen  Dachau,  Marmont  nach  Augsburg  abmarschiert  waren,  und  endlich 
daß  Napoleon  durch  die  falschen  Nachrichten  über  die  Russen  vielleicht  ver- 
anlaßt worden  wäre,  mit  dem  Abmarsch  der  östlichen  Korps  nach  Norden  zu 
zögern. 


—     403     — 

davon ;  das  96.  Regiment  und  die  Dragoner  blieben  in  Reserve.  Das 
1.  Husarenregiment  deckte  die  linke  Flanke. 

Die  Österreicher  hatten  einige  Bataillone  des  Regiments  Riese 
zur  Unterstützung  der  Vorposten  vorgesandt.  Diese  wurden  aber  von 
den  Franzosen  geworfen,  die  nun  ihren  Angriff  gegen  den  rechten 
österreichischen  Flügel  bis  BöJQngen  fortsetzten. 

Diesem  Angriff  wurden  nach  und  nach  alle  Bataillone  des 
österreichischen  rechten  Flügels  und  mehrere  Eskadronen  entgegen- 
geworfen. Erst  nach  langem,  hartem  Kampfe  gelaug  es  der  großen 
österreichischen  Übermacht,  das  32.  Regiment  zurückzudrängen  und 
zwei  Kanonen  zu  erobern.  Das  32.  Regiment  setzte  sich  bei  Haslach 
fest  und  hielt  dort  stand.  Zur  Zeit,  als  der  Kampf  am  südlichen 
Flügel  schon  begonnen  hatte,  wurden  österreichiseherseits  Truppen 
über  Jungingen  vordirigiert,  anscheinend  um  den  rechten  französi- 
schen Flügel  zu  umfassen.  Dupont,  der  die  Reserve  rechts  neben 
das  9.  leichte  Regiment  vorzog,  entschloß  sich,  diesem  Angriffe  zu- 
vorzukommen. Beide  Regimenter  gingen  so  rasch  zum  Angriflfe  vor, 
daß  sie  die  österreichischen  Kolonnen  überraschten,  bevor  diese  zur 
Entwicklung  kamen.  Bei  diesem  ersten  Angriffe  sollen  2000  Ge- 
fangene in  die  Hände  der  Franzosen  gefallen  sein.  Die  Österreicher 
zogen  aber  immer  neue  Kräfte  heran.  Fünfmal  wurde  Jungingen 
von  den  Franzosen  genommen  und  wieder  verloren. 

Der  Kampf  hatte  schon  lange  getobt,  als  von  beiden  Seiten 
Kavallerie  eingriff.  Zuerst  attackierte  das  Regiment  Rosenberg  die 
französische  Inftinterie;  als  dieses  Regiment  von  den  sofort  herbei- 
geeilten Dragonern  geworfen  war,  erschien  weit  überlegene  öster- 
reichische Kavallerie,  die  die  Dragoner  umringte  und  im  Hand- 
gemenge gegen  die  Waldungen  nördlich  Haslach  zurückwarf. 

Die  große  Übermacht  der  Österreicher  machte  sich  endlich 
trotz  dem  tropfenweisen  Einsetzen  der  Truppen  geltend;  nach 
langem  Kampfe  wurde  auch  der  rechte  französische  Flügel  nach 
Haslach  zurückgedrängt. 

Während  noch  bei  Haslach  gekämpft  wurde,  war  österreichi- 
sche Kavallerie  in  der  Verfolgung  der  Husaren  und  Dragoner  bis 
Albeck  vorgedrungen,  wo  sie,  auf  den  Train  der  Division  Dupont 
stoßend,  große  Verwirrung  anrichtete. 

Um  diese  Zeit  —  es  mochte  nach  5^  nachmittag  gewesen 
sein  —  traf  General  Baraguay  d'Hilliers  mit  seinem  Stabe  bei 
Albeck  ein.   Als   er  die  Unordnung  sah,  ließ  er  sofort  die  französi- 

26* 


—     404     — 

sehe  Kavallerie  sammeln  und  die  ungeordneten  österreichischen 
Reiter  vertreiben.  Da  seine  Kolonnen  noch  weit  rückwärts  waren, 
konnte  er  den  vorne  kämpfenden  Truppen  keine  Hilfe  bringen^). 

Bis  zum  Einbrüche  der  Dunkelheit  hielt  sich  Dupont  bei  Has- 
lach,  dann  aber  zog  er  seine  erschöpften  Truppen,  die  schwer  ge- 
litten hatten,  nach  Albeck  zurück.  Auf  dem  Rückzuge  verlor  die 
Division  alle  Zwölf-  und  Achtpfünder,  die  beim  Übersetzen  von 
Gräben  umstürzten  und  nicht  mehr  aufgerichtet  werden  konnten. 

Beide  Teile  schrieben  sich  den  Sieg  zu. 

Dupont  sprach  in  seinem  Bericht  und  in  sonstigen  Briefen 
nur  von  dem  Siege,  den  seine  Division,  die  das  Gefechtsfeld  be- 
hauptete, über  mehr  als  25.000  Österreicher  davontrug.  Er  be- 
hauptete, 7000  Mann  gefangen,  3  Kanonen  und  2  Fahnen  erbeutet 
zu  haben;  von  den  Gefangenen  sollen  ihm  3000  durch  die  öster- 
reichische Kavallerie  wieder  abgejagt  worden  sein^).  Er  verschwieg 
dagegen  den  Verlusf  des  größten  Teiles  seiner  Artillerie;  allerdings 
verlor  er  nur  zwei  Geschütze  im  Kampfe;  aber  der  Eückzug  war 
die  Folge  des  Kampfes  und  liegengelassene  Geschütze  sind  ebenso 
verloren  wie  die  vom  Feind  eroberten. 

Mack  wieder  berichtete  am  12.  Oktober  an  den  Kaiser,  daß 
die  Armee  am  11.  mittag  vor  Ulm  von  der  französischen  Obser- 
vationsarmee  unter  Ney  auf  ihrem  rechten  Flügel  mit  großer  Heftig- 
keit angegriffen  wurde. 

„Unser  rechter  Flügel  schlug  alle  Angriffe  mit  großer  Stand- 
haftigkeit  ab,  während  der  Generalquartiermeister  FML.  Mack  einen 
beträchtlichen  Teil  unseres  linken  Flügels  vorrücken  ließ  und  der  feind- 
lichen Rechten  in  den  Bücken  führte,  von  dem  zwei  feindliche  Ka- 
vallerie- und  zwei  Infanterieregimenter  fast  gänzlich  aufgerieben  wurden. 

„Der  Feind  zog  sich  in  größter  Unordnung  längs  der  Donau 
zurück  und  ließ  nahe  an  1500  Tote  auf  dem  AValplatz. 

„Wir  haben  800 — 900  Gefangene  gemacht,  11  Kanonen  und 
20  Munitionswagen  erobert. 


^)  In  Albeek  erhielt  Baraguay  d'Hilliers  die  Mitteilung  Diiponts  vom  Ab- 
märsche der  1.  Division  nach  Ulm.  Dupont  versprach,  nach  seiner  Ankunft  bei 
Haslach  dem  General  Baraguay  die  Aufstellung  der  1.  Division  bekanntzu- 
geben lind  forderte  diesen  auf,  seine  Ankunft  in  Albeek  zu  melden. 

^)  In  dem  französischen  Bulletin  vom  15.  Oktober  1805  wird  die  Zahl  der 
Gefangenen  nur  mit  1500  angegeben ;  von  erbeuteten  Kanonen  und  Fahnen  ist 
darin  gar  nicht  die  Rede. 


—    405     — 

„Gleich  morgen  werden  wir  längs  der  Donau  abwärts  gegen 
diese  feindliche  Observationsarmee  vorrücken  und  unseren  Sieg  tätig 
verfolgen,  zu  gleicher  Zeit  aber  ein  starkes  Korps  gegen  Stuttgart, 
mithin  auf  die  Hauptkommunikationslinie  des  Feindes  und  fliegende 
Korps  vielleicht  bis  gegen  Straßburg  vordrängen  und  allenthalben 
Lärm  und  Entsetzen  verbreiten  lassen^)." 

Mack  hoffte  so  den  Feind  zu  zwingen,  sich  zu  teilen,  sich 
also  nicht  mit  ganzer  Kraft  auf  die  Russen  zu  werfen;  er  hoffte, 
daß  die  Russen  Zeit  haben  würden,  sich  zu  sammeln,  mit  Kien- 
mayer zu  vereinigen  und  dann  gemeinsam  mit  seiner  Armee  gegen 
die  Franzosen  vorzugehen. 

In  Wirklichkeit  hat  Dupont,  wie  nicht  anders  möglich,  eine 
empfindliche  taktische  Niederlage  erlitten,  wofür  der  Verlust  von 
9  Geschützen,  31  Munitionsfuhrwerken  und  2  Adlern  deutlich 
Zeugnis  ablegt.  Noch  klarer  tritt  die  Niederlage  der  Division  durch 
ihr  Verhalten  in  den  nächsten  Tagen  hervor. 

Aber  auch  die  österreichische  Armee  hatte  schwer  gelitten 
und  ihren  Erfolg  sehr  teuer  erkauft.  Am  12.  Oktober  waren  schon  über 
1100  Verwundete  nach  Ulm  eingeliefert  worden.  Die  Armee  hatte 
gegen  den  inferioren  Gegner  unbedingt  zahlreiche  Gefangene  ein- 
gebüßt. 

An  dem  Gefechte  bei  Haslach  mochten  österreichischerseits 
wenigstens  18.000— 20.000  Mann  Infanterie  und  etwa  2000— SOOOReiter 
teilgenommen  haben.    Es    war   also  auf  Seite  der  Österreicher  eine 


1)  Eigenhändig  geschriebene  Eelation  Maeks.  (Eriegsarebiv,  1805,  Deutseh- 
land FA,  X,  110  und  109.) 

Erzherzog  Ferdinand  sehreibt  in  seinem  Berieht  an  den  Kaiser  vom 
1-2.  Oktober  (s.  S.  384).  „Wir  hatten  das  Grliick,  den  Feind  gänzlich  zurück- 
zuschlagen, wie  es  Eure  Majestät  aus  der  vom  FML.  Mack  selbstverfaßten  Relation 
ersehen  werden ;  nur  muß  ich  hier  bemerken,  daß  die  Anzahl  der  Toten,  Ge- 
fangenen und  eroberten  Kanonen  übertrieben  ist  und  daß  die  Tournierung  des 
rechten  Flügels  eigentlich  durch  den  Fürsten  Sehwarzenberg  angeordnet  und 
durch  ihn  und  FML.  Klenau  ausgeführt  wurde.  Jedoch  war  FML.  Mack  gegen- 
wärtig." (Mack  attackierte  an  der  Spitze  seines  Regiments  mit.  Tatsächlich  fielen 
nur  5  Kanonen  und  23  Artilleriewagen  in  die  Hände  der  Österreicher.) 

Ein  Ulmer  Bürger  erzählt  in  „Ulms  Schicksale  in  dem  letzten  Kriege" : 

Alles  jubelte  über  den  Sieg,  versehwieg  aber  den  Einwohnern,  daß  die 
Franzosen  sich  auf  dem  rechten  Donau -Ufer  gegen  Roggenburg  und  Weißenhorn 
hinaufzogen  und  die  Stadt  von  dieser  Seite  einschlössen,  obwohl  die  Naehneht 
schon  in  der  Stadt  verbreitet  war. 


—     406     — 

nahezu  vierfache  Übermacht  im  Kampfe  und  trotzdem  konnte  Dupont 
mit  einem  Schein  von  Anrecht  auf  den  Sieg  Anspruch  erheben: 
Er  hatte  reiche  Trophäen  erbeutet  und  hatte  Haslach  erst  nach 
Einbrach  der  Dunkelheit  und  nach  dem  Erlöschen  des  Kampfes 
freiv^illig  geräumt. 


Dieses  Gefecht  bei  Haslach  zeigt  die  schon  bei  Besprechung 
der  Gefechte  von  Wertingen  und  Günzburg  erwähnten  Ursachen 
der  österreichischen  Niederlagen  besonders  deutlich. 

Die  Ziel-  und  Planlosigkeit  Macks,  der  von  der  Absicht,  über 
Heidenheim  abzuziehen,  mitten  im  Schreiben  der  Disposition  ab- 
springt, bei  Ulm  bleiben  und  nach  Stuttgart  und  Straßburg  vor- 
stoßen will,  trägt  abermals  ihre  Früchte. 

Immer  voll  der  abenteuerlichsten,  aber  erst  in  2 — 3  Tagen 
durchzuführenden  Entschlüsse,  hatte  er  keine  Zeit,  sich  mit  den 
augenblicklichen  Bedürfnissen  der  Armee  zu  befassen.  Er  warf  die 
Truppen  in  der  Aufstellung  bei  Ulm  so  genial  durcheinander,  daß 
kein  General  wußte,  wo  er  den  Befehl  führen  sollte,  und  da  kein 
General  auf  irgend  einem  Punkte  des  Gefechtsleldes  das  Kommando 
führen  mußte,  so  scheint  während  des  Gefechtes  die  obere  Führung 
fast  ganz  versagt  zu  haben,  umsomehr,  als  auch  der  Armeeführer 
es  vorzog,  an  der  Spitze  seines  Regiments  eine  Attacke  zu  reiten, 
anstatt  die  oberste  Führung  im  Gefecht  auszuüben.  Diese  kleine 
Episode  zeigt  schon,  daß  diesem  General  jede  Eignung  zum  Armee- 
kommandanten abging;  denn  so  viel  Urteil  kann  man,  bei  aller 
Achtung  vor  der  persönlichen  Tapferkeit,  von  jedem  zur  höheren 
Führung  berufenen  Offizier  erwarten,  daß  diese  Art  von  Tapferkeit 
oder  Betäubung  der  Nerven  für  seine  einzige  Aufgabe,  für  die 
Führung,  von  höchstem  Nachteile  sein  muß. 

Das  Einsetzen  der  Person  eines  höheren  Führers  ist  nur  dann 
gerechtfertigt,  wenn  diese  Persönlichkeit  seine  letzte  Eeserve  dar- 
stellt, die  er  einsetzt,  um  an  einem  einzigen  entscheidenden  Punkte 
den  Sieg  herbeizuführen.  Solche  Situationen  werden  aber  äußerst 
selten  vorkommen  und  meist  nur  dann,  wenn  es  sich  nur  um  die 
Wegnahme  einer  vom  Feinde  gehaltenen  Ürtlichkeit  handelt. 
Skobelew  in  der  dritten  Schlacht  bei  Plewna). 

Das  Fehlen  jeder  höheren  Führung  im  Gefecht  und  die  Plan- 
losigkeit Macks,   der   sich   damit  begnügte,   den  Feind  abzuwehren. 


—     407     — 

hatten  zur  Folge,  daß  die  österreichischen  Regimenter  nach  und 
nach  in  den  Kampf  traten;  bei  den  Franzosen  hatte  dagegen  der 
zwar  undurchführbare,  aber  doch  klare  und  eine  positive  Leistung 
fordernde  Befehl:  Ulm  zu  zernieren,  eine  zielbewußte,  die  Kraft  zu- 
sammenhaltende Gefechtsleitung  zur  Folge.  So  kam  es,  daß  durch 
Stunden  hindurch  eine  absolute  französische  Minderheit  die  ein- 
zelnen österreichischen  Bataillone  und  Regimenter  mit  relativer 
Übermacht  erdrückte,  was  besonders  in  den  zahlreichen  Gefangenen 
zum  Ausdruck  kam.  Wenn  das  Gefecht  um  1 — 2  Stunden  später 
begonnen  hätte,  wäre  trotz  der  riesigen  Übermacht  Macks  eine  neue 
österreichische  Niederlage  zu  verzeichnen  gewesen,  weil  die  Nacht 
den  Österreichern  nicht  die  Zeit  gelassen  hätte,  ihre  Überlegenheit 
auch  wirklicli  zur  Geltung  zu  bringen. 

Obwohl  das  Gefecht  von  Haslach  kein  Sieg  der  Franzosen 
war,  hätte  es  für  sie  von  höchster  strategischer  Bedeutung  sein 
können,  wenn  Dupont  die  ganze  Situation  sofort  am  11.  abend 
erfaßt  haben  würde. 

Trotzdem  also,  bei  voller  Kenntnis  der  Situation,  der 
Befehl  Napoleons  an  Ney,  Ulm  zu  nehmen,  und  umsomehr  der 
daraus  folgende  an  Dupont,  Ulm  auf  dem  linken  Donau-Ufer  zu 
zernieren,  als  ein  vollkommen  verfehlter  bezeichnet  werden  müßte, 
hat  dieser  bestimmte,  eine  positive  Leistung  fordernde  Befehl  bei 
dem  passiven  Verhalten  des  Feindes  einen  vollen  strategischen  und 
einen  aehtungswerten  taktischen  Erfolg  erzielt.  Der  strategische 
Erfolg  bestand  in  der  Klarstellung,  daß  die  ganze  österreichische 
Armee  bei  Ulm  stehen  müsse.  Daß  dieser  Erfolg  von  Dupont  nicht 
erkannt  und  nicht  ausgenützt  worden  ist,  ändert  nichts  an  dieser 
Tatsache. 

Dupont  sollte  es  nach  dem  erhaltenen  Befehle  vermeiden, 
seine  Division  gegen  überlegene  Kräfte  auszuspielen. 

Das  Gefecht  von  Haslach  gibt  nun  den  Beweis  dafür,  daß  ent- 
weder ein  solcher  Befehl  nur  schwer  zu  befolgen  ist,  da  man  die 
Überlegenheit  des  Feindes  meist  erst  dann  erkennt,  wenn  man 
schon  geschlagen  ist  und  selbst  dann  nicht  immer  sofort,  oder  aber 
dafür,  daß  Dupont  mit  Absicht  und  vollem  Bewußtsein  ungehorsam 
war  und  dadurch  die  Pläne  seines  Feldherrn  in  Gefahr  brachte. 

Dupont  behauptet  in  einem  Briefe  —  Alombert  et  Colin,  III, 
S.  512  —  schon  bei  seinem  Eintreffen  bei  Albeck  gewußt  zu  haben, 
daß  die  ganze  österreichische  Armee,  ausgenommen  ihre  Detache- 


—     408     — 

ments,  vor  ihm  auf  dem  Michelsberge  stehe').  Dupont  behauptet 
dies  jedenfalls  nur,  um  seine  Heldentat  noch  mehr  hervortreten  zu 
lassen;  er  will  daher  bewußt  die  feindliche  Armee  mit  seiner 
Division  ang-egriffen  haben.  Dabei  zeiht  er  sich  unbewußt  und  un- 
gerechterweise mehrerer  schwerer  Nachlässigkeiten,  ja  militärischer 
Verbrechen. 

Wenn  Dupont  tatsächlich  sofort  bei  seinem  Eintreffen  bei 
Albeck  erfahren  hätte,  daß  die  ganze  feindliche  Armee  bei 
Ulm   auf  dem   nördlichen   Ufer   konzentriert   stehe,    dann    hätte   er 

1.  diese  äußerst  wichtige  Tatsache  sofort  mit  größter  Be- 
schleunigung dem  Marschall  Ney  und.  wenn  er  Napoleons  Aufenthalt 
wußte,  auch  direkt  dem  Kaiser  melden  müssen  und 

2.  am  11.  Oktober  nicht  angreifen  dürfen. 

Dupont  hat  die  Tatsache,  daß  die  österreichische  Armee  bei 
Ulm  konzentriert  steht,  aber  merkwürdigerweise  weder  am  9.  noch 
am  10.  und  11.,  ja  selbst  nicht  einmal  am  12.  gemeldet.  Wenn 
Dupont  diese  Tatsache  am  9.  oder  10.  gemeldet  hätte,  dann  würde 
ihm  Ney  sicher  nicht  am  10.  abend  den  Befehl  gesandt  haben,  diese 
Armee  bei  Ulm  am  11.  allein  anzugreifen;  dann  wären  die  Divisionen 
Loison,  Gazan  und  Bourcier  bestimmt  nicht  auf  das  südliche  Ufer, 
sondern  das  ganze  Korps  Ney  und  wahrscheinlich  auch  das  Korps 
Lannes  auf  das  nördliche  Ufer  gezogen  worden. 

Hätte  Dupont  diese  Meldung  am  11.  oder  selbst  am  12.  Ok- 
tober erstattet,  dann  hätten  Ney,  Murat  und  Napoleon  nicht  noch 
am  12.  Oktober  der  Meinung  sein  können,  daß  die  feindliche  Armee 
an  der  Hier  stehe  und  daher  dort  angegriffen  werden  müsse,  wozu 
Ney  am  13..  wie  später  dargetan  werden  wird,  selbst  die  Division 
Dupont  auf  das  südliche  Ufer  heranziehen  wollte. 

Wenn  Dupont  sich  daher  in  seinem  Briefe,  wie  Alombert  und 
Colin  auf  Seite  42  des  HI.  Bandes  sagen  „mit  Recht",  über  die 
merkwürdige  Situation  wundert,  die  um  diesen  Zeitpunkt  dem  Irr- 
tume  Napoleons  entsprang,  daß  der  Feind  gegen  Süden  abge- 
zogen sei,  so  muß  nur  klargestellt  werden,  daß,  nach  diesem  Briefe 
beurteilt,  Dupont  ganz  allein  die  Schuld  an  diesem  Irrtum  und  somit 
an  der  ganzen,  den  Erfolg  der  Armee  in  Frage  stellenden  Situation 


-)  Dupont  gibt  in  diesem  Brief  an,  daß  er  am  8.  die  Position  bei  Albeek 
bezogen  habe,  was  unrichtig  ist,  da  er  erst  am  9.  abend  dort  eintraf.  Dieser 
Irrtum  läßt  erkennen,  daß  der  Brief,  dessen  Datum  nicht  angegeben  ist,  jeden- 
falls lange  nach  dem  Gefechte  geschrieben  wurde. 


—     409     — 

trug,  da  er  die  ihm  angeblich  bekannte  Konzentrierung  der  öster- 
reichischen Armee  nicht  gemeldet  hatte.  Zu  dieser  schweren  Schuld 
fügte  er  dann  noch  die  kopflose  Tollheit,  dieser  Armee  durch  seinen 
mißglückten  AngrifiF  zu  zeigen,  daß  nur  schwache  Kräfte  auf  dem 
nördlichen  Ufer  vor  Ulm  stehen. 

Gegen  diese  indirekte  Selbstbeschuldigung  soll  der  groß- 
sprecherische General  Dupont  in  Schutz  genommen  werden,  indem 
behauptet  wird,  daß  er  selbst  nach  Beendigung  des  Gefechtes 
von  Haslaeh  noch  nicht  volle  Klarheit  über  die  Situation  des  Feindes 
gewonnen  hatte  und  nicht  wußte,  daß  die  ganze  österreichische 
Armee  bei  Ulm  gestanden  war. 

Über  die  Stärke  der  Österreicher  bei  Ulm  hat  Dupont  am 
10.  Oktober  zwei  Meldungen  eingesandt.  In  der  ersten  Meldung  gab 
er  an,  daß  das  Eekognoszierungsdetachement  auf  überlegene  Kräfte 
gestoßen  war,  in  der  zweiten  Meldung,  daß  bei  Ulm  beträchtliche 
feindhche  Truppen  vereinigt  seien  (S.  364). 

Alle  Angaben  Duponts  über  die  Stärke  der  bei  Haslaeh  im 
Kampfe  gestandenen  österreichischen  Kräfte  stammen  aus  späteren 
Tagen.  Das  erste  vorhandene  Schriftstück,  in  dem  Dupont  behauptet, 
25.000  Österreicher  geschlagen  zu  haben,  ist  vom  13.  Oktober  datiert^). 

Er  erwähnt  darin  nichts  von  der  „ganzen  österreichischen 
Armee".  Am  selben  Tage  sandte  er  seinen  Gefechtsbericht  an  Ney^), 
worin  er  angibt,  daß  gefangene  Offiziere  aussagten,  die  ganze 
Armee  hätte  auf  dem  Michelsberge  gelagert. 

Die  Meldung  Neys  an  Berthier  vom  12.  Oktober,  die  auf  die 
erste  Nachricht  von  Dupont  abgegangen  war,  enthält  keine  Angaben 
über  die  Stärke  der  Österreicher  bei  Ulm,  was  nur  damit  erklärt 
werden  kann,  daß  Dupont  in  seiner  Meldung  an  Ney  nichts  über 
die  Stärke  der  ihm  gegenüber  gestandenen  Kräfte  erwähnt  hatte. 
Noch  am  13.  Oktober  mußte  Berthier  einen  Generalstabsobersten  zu 
Dupont  senden,  um  dessen  Situation  kennen  zu  lernen  und  ihm  den 
Auftrag  zu  geben,  eine  genaue  Eelation  über  sein  Gefecht  zu  senden. 

Kurz  und  gut,  es  hat  den  Anschein,  als  ob  Dupont  erst  durch 
die  Aussagen  gefangener  Offiziere  klar  geworden  wäre,  daß  er  die 
ganze  österreichische  Armee  bei  Ulm  vor  sich  gehabt  habe. 

Also  auch  das  Gefecht  bei  Haslaeh  hatte  ihm  erst  dann  Gewiß- 
heit gebracht,    daß   überlegene  Kräfte  bei  Ulm  standen,    als  er  ge- 

')  Brief  Duponts  an  den  General  Sanson.    Alombert  et  Colin,  III,  S.  523. 
2)  Alombert  et  Colin,  III,  S.  511,  Fußnote  1. 


—     410     — 

schlagen  war,  iiud  die  ganze  Wahrheit  erfuhr  er  erst  noch  später 
durch  die  Angaben  gefangener  Offiziere;  um  Gefangene  und  deren 
Aussagen  zu  gewinnen,  war  es  aber  nicht  notwendig,  ein  so  blutiges 
Gefecht  zu  wagen. 

Diese  Darlegungen  ergeben  mehrere  Lehren.  Sie  zeigen,  daß 
es  selbst  dem  knapp  vor  der  feindlichen  Hauptkraft  stehenden  TJnter- 
kommandanten  nicht  immer  möglich  ist,  zu  erkennen,  daß  er  die 
feindliche  Hauptkraft  vor  sich  habe ;  um  wie  viel  weniger  kann  dies 
der  weit  rückwärts  befindliche  Armeekommandant  erkennen,  der  ja 
vor  allem  auf  die  Meldungen  seiner  Unterkommandanten  angewiesen 
ist.  Man  muß  im  Kriege  meist  in  Unkenntnis  der  feindlichen 
Situation  handeln;  wollte  man  warten,  bis  man  erschöpfende  Nach- 
richten über  den  Feind  erhält,  dann  verliert  man  nur  zu  leicht  die 
Initiative.  Es  gibt  daher  nur  eine  Richtschnur  für  das  zielbewußte 
Handeln:  den  eigenen  Entschluß  und  Willen  oder  die  eigene 
Aufgabe.  Danach  muß  man  handeln  und  dabei  dem  Feinde  die 
vernünftigste  Gegenhandlung  zumuten.  Macht  dann  der  Feind  eine 
Dummheit,  was  sich  ja  bei  Klärung  der  Lage  zeigen  wird,  dann 
um  so  besser. 

Scharfe  Rekognoszierungen  versprechen  wenig  Erfolg.  Die 
scharfe  Rekognoszierung  des  acht  Kompagnien  starken  Detachements 
ergab  nur,  daß  es  auf  überlegene  Kräfte  gestoßen  war;  das  waren 
aber  schon  etwa  3 — 4  Bataillone.  Diese  scharfe  Rekognoszierung 
brachte  also  keine  wichtigen  Nachrichten  und  bewahrte  nicht  einmal 
die  Division  Dupont  vor  ihrem  nutzlosen  Angriff.  Ihr  Erfolg  stand 
daher  mit  den  aufgewandten  Mitteln  in  keinem  Verhältnisse.  Auch 
der  Angriff  Duponts  hatte  eigentlich  durch  die  Stärkeverhältnisse 
und  seine  sonstige  Zwecklosigkeit  den  Charakter  einer  „gewaltsamen 
Rekognoszierung".  Da  aber  Dupont  erst  spät,  scheinbar  erst  am 
13.  erkannte,  daß  er  die  ganze  österreichische  Armee  ror  sieh  ge- 
habt hatte,  bleibt  auch  diese  Rekognoszierung  ohne  Erfolg.  Weil  man 
bei  der  scharfen  Rekognoszierung  nur  dann  einen  Erfolg  erwarten 
kann,  wenn  man  mit  seiner  ganzen  Kraft  angreift,  am  den 
Feind  zu  zwingen,  auch  seine  Kräfte  zu  zeigen  und  zu  entwickeln, 
kann  die  scharfe  Rekognoszierung  nur  zu  leicht  zu  einer  ernsten 
Niederlage  des  Detachements  führen.  Flunkert  man  aber  nur  herum, 
dann  zeigt  der  Feind  keine  Kräfte  und  man  hat  die  Truppen  um- 
sonst molestiert.  Also  entweder  eine  ernste  Niederlage  des  Ee- 
kognoszieruugsdetachements  und  doch  wenig  Klarheit  über  die  feind- 


—     411     — 

liehe  Situation,  oder  keine  Bloßstellung  des  Detachements,  aber  dann 
natürlich  auch  gar  kein  Erfolg. 

Weiter  ersieht  man  aus  dem  Gefechte  bei  Haslach,  daß  der 
Befehl,  nur  dann  anzugreifen  wenn  man  nicht  auf  überlegene  Kräfte 
trifft,  eine  leere,  aber  sehr  beliebte,  in  den  meisten  Befehlen  wieder- 
kehrende Phrase  ist,  die  die  Schuld  eines  Mißerfolges  auf  die  Schultern 
des  ünterkomraandanten  abwälzt,  denn  er  hätte  eben  rechtzeitig 
erkennen  sollen,  daß  der  Feind  überlegen  ist.  Diese  Erkenntnis 
kommt  aber  meist  erst  mit  der  Niederlage  oder  mit  dem  Mißerfolg. 
Einen  schneidigen  ünterkommandanten  bewahrt  diese  Phrase  daher 
nicht  vor  dem  Unglück,  einem  zaghaften  Unterführer  aber  lähmt 
sie  nur  zu  leicht  den  Entschluß  und  die  Energie. 

Der  Fall  Dupont  lehrt  weiter,  wie  vorsichtig  man  beim  Studium 
der  Kriegsgeschichte  die  Schilderungen  der  Hauptakteure  beurteilen 
muß.  Es  ist  eine  leider  nur  zu  allgemeine  menschliche  Schwäche, 
seine  eigenen  Verdienste  und  Leistungen  nicht  nur  selbst  zu  hoch 
einzuschätzen,  sondern  noch  zur  künstlichen  Hebung  dieser  Ver- 
dienste nachzuhelfen,  wobei  man  es  meist  mit  der  Wahrheit  solange 
nicht  genau  nimmt,  bis  man  selbst  an  seine  Übertreibungen  und 
Unwahrheiten  glaubt.  Er  lehrt  aber  auch,  daß  man  mit  solchen  Un- 
wahrheiten sich  selbst  oft  am  wenigsten  dient.  Wenn  Dupont  ein- 
fach eingestanden  hätte,  daß  er  keine  Ahnung  hatte,  was  er  angriff, 
so  wäre  seine  schneidige  Führung  und  Haltung  nicht  weniger  zu 
bewundern,  als  wenn  er  bewußt  die  ganze  österreichische  Armee 
angegangen  hätte;  im  zweiten  Falle  müßte  man  ihm  aber,  wie  früher 
dargetan,  mit  Eecht  schwere,  diesen  Ruhm  gänzlich  vernichtende 
Vorwürfe  machen. 


Zur  Zeit,  als  die  Division  Dupont  bei  Ulm  auf  starke  öster- 
reichische Kräfte  gestoßen  war,  erreichten  die  übrigen  Teile  der 
Armeegruppe  Murats  ihre  Marschziele.  Die  Kavallerie  fand  Weißen- 
horn  und  Mindelheim  schwach  besetzt. 

Das  Korps  Soult  traf  bei  Landsberg  auf  das  Kürassierregiment 
Kronprinz  Ferdinand,  das  nach  Memmingen  eilen  sollte;  Soult  ließ  es 
angreifen.  Das  Regiment  wurde  mit  einem  Verluste  von  120  Mann 
und  2  Geschützen  in  der  Richtung  auf  Füssen  zurückgeworfen ;  es 
kam   überhaupt   nicht  mehr  zur  Armee.    Soult  erfuhr  in  Landsberg 


—     412     — 

überdies,  daß  am  10.  die  Militärkasse  und  ein  Brückentrain,  am 
11.  früh  ein  Artillerietransport  von  Landsberg  nach  Memmingen 
abmarschiert  seien.  Endlich  konnte  er  nebst  diesen  wichtigen  Nach- 
richten noch  melden,  daß  sich  nach  Angabe  eines  von  München 
gekommenen  Reisenden  der  Marsch  der  Russen  verzögert  habe,  so 
daß  die  schon  seit  8  Tagen  sichergestellten  Wagen  am  10.  Oktober 
wieder  abbestellt  worden  waren  ^). 

Am  linken  Armeeflügel  erhielt  Marmont  den  Befehl  nach 
Augsburg,  Davout  nach  Dachau  zu  marschieren.  Davout,  den  der 
Befehl  erst  am  11.  gegen  Mittag  erreichte,  konnte  am  11.  nur  mit 
der  Vorhut  bei  Dachau  eintreffen. 

Die  Kürassierdivision  d'Hautpoul  hatte  am  11.  an  das  Korps 
Davout  anzuschließen. 

Bernadotte  erreichte  am  11.  mit  der  Vorhut  Kalteherberg,  mit 
dem  Gros  Heimhausen.  Er  meldete,  daß  das  schlechte  Wetter  und 
die  Unfähigkeit  der  Bayern,  so  schnell  wie  die  Franzosen  zu  mar- 
schieren, die  Ursachen  seien,  daß  er  München  noch  nicht  besetzen 
konnte;  eine  schlechte  Ausrede,  da  gerade  die  Vorhut,  die  die 
größten  Märsche  zurücklegte,  aus  Bayern  bestand.  Bernadotte  hätte 
übrigens  jederzeit  die  besser  marschierenden  Franzosen  vorauseilen 
lassen  können.  Napoleon  wäre  gewiß  sehr  zufrieden  gewesen, 
wenn  ihm  Bernadotte  gemeldet  hätte,  daß  wenigstens  seine  zwei 
französischen  Divisionen  München  schon  am  11.  Oktober  abend  be- 
setzen würden. 

Die  Situation  am  Abende  des  11.  Oktobers  (Beilage  27)  zeigt 
also  die  österreichische  Armee  bei  Ulm  vereinigt,  ihr  gegenüber  nur 
die  geschlagene  Division  Dupont  und  die  Dragoner  zu  Fuß;  das 
Korps  Kienmayer  bei  München. 

Die  französische  Armee  war  in  zwei  Gruppen  geteilt:  Die  West- 
gruppe unter  dem  Oberbefehl  Murats  stand  vor  Ulm,  die  Ostgruppe, 
Bernadotte  und  Davout,  war  im  Marsch  auf  München.  Am  Lech 
standen,  nach  beiden  Seiten  verwendbar,  Soult  bei  Landsberg, 
Marmont,  die  Garde  und  die  Kürassierdivision  Nansouty  bei  Augsburg. 

Die  Etappenstraße  reichte  über  Donauwörth  bis  Augsburg. 


*)  Dagegen  meldete  Bernadotte  am  11.  abend,  daß  die  erste  russische 
Kolonne  am  12.  in  München  ankommen  solle,  was  ein  österreiehiseher  Offizier 
bestätigt  habe.  General  Rivaud  wieder  meldete  am  11.  aus  Ingolstadt,  daß  die 
ersten  Staffeln  der  Eussen  am  10.  in  Ried  in  Oberösterreieh  ankommen  sollten 
und  am  11.  nach  Bayern  einrücken  dürften. 


—     413     — 

Ein  Blick  auf  die  Situationsskizze  Beilage  27  zeigt,  daß  Mack 
vona  11.  Oktober  an  jeder  Ausweg  schon  verschlossen  war.  Was  er 
auch  immer  unternehmen  mochte,  Napoleon  konnte  ihm  bei  seiner 
raschen  Entschlußfassung  und  der  großen  Marschtüehtigkeit  der 
Franzosen  selbst  dann  den  Eückweg  verlegen,  wenn  die  Nachricht 
über  den  Abmarsch  Macks  1 — 2  Tage  verspätet  zu  seiner  Kenntnis 
gekommen  wäre.  Napoleon  war  somit,  trotz  seiner  Unsicherheit  über 
den  Aufenthalt  der  österreichischen  Armee,  seinem  Ziele  nahe,  die 
Österreicher  allseitig  zu  umringen. 


XVL  Vom  12.  Ms  14.  Oktober. 

(Beilagen  28  und  29.) 

Österreicher. 

Jeder  Fessel  bar  und  ermutigt  durch  den  Erfolg  vom  11.  Ok- 
tober, begann  nun  Mack  im  „Planemachen"  zu  schwelgen. 

Vor  allem  wurde  am  12.  Oktober  eine  neue  Ordre  de  bataille 
verfaßt  und  ausgegeben,  die  wieder  alle  Verbände  und  Kommando- 
verhältnisse änderte. 

Diese  Ordre  de  bataille  war  folgende: 

Linker  Flügel. 

Korps  Sehwarzenberg. 
Avantgarde  FML.  Klenau. 
Brigade  Liechtenstein: 

Sehwarzenberg-Ulanen 8  Eskadronen 

Tiroler  Jäger .    3  Kompagnien 

Brigade  Stieker: 

ßainer 5  Bataillone 

Frelieh 5  „ 

Treffen  FML.  Gottesheim. 

Brigade  Eiehter: 

Hildbiirghausen 4  Bataillone 

Kaiser 4         „ 

Brigade  Weidenfeld: 

Kolowrat 4  Bataillone 

Manfredini 4         „ 

Brigade  Speth: 

Hohenlohe-Dragoner 6  Eskadronen 

Klenau-Chevauxlegers 6  ., 


—     415     — 

Reserve  FML.  Klenau. 
Brigade  Fresnel: 

Kolowrat-Grenadiere 1  Bataillon 

Hildburghausen 1  „ 

Manfredini-Grrenadiere 1  „ 

Kaiser-Grrenadiere 1  ,, 

Maek-Kürassiere 8  Eskadronen 

Mitte. 

Korps  Bieseh. 
Avantgarde  FML.  Hessen-Homburg. 
Brigade  Mecsery: 

Blanken  Stein-Husaren 6  Eskadronen 

Tiroler  Jäger 3  Kompagnien 

Erbaeh 3  Bataillone 

Erzherzog  Ludwig 3  „ 

Erbaeh-Grenadiere 1  Bataillon 

Treffen  FML.  Laudon. 

Brigade  Ghenedegg: 

Riese 4  Bataillone 

Erzherzog  Max 4  ,. 

Brigade  Auersperg: 

Erzherzog  Karl 4  „ 

Auersperg 4         „ 

Brigade  Hermann: 

Hohenzollern-Kürassiere 8  Eskadronen 

Reserve  FML.  Hessen-Homburg. 
Brigade  Ulm: 

Froon-Infanterie 4  Bataillone 

Auersperg-Grenadiere 1  Bataillon 

Erzherzog  Karl-Grenadiere 1  „ 

Colloredo-Grenadiere 1  „ 

Froon-Grenadiere 1  „ 

Erzherzog  Franz-Kürassiere 8  Eskadronen 

Rechter  Flügel, 

Korps  Werneek. 
Avantgarde. 
Brigade  Vogel: 

Rosenberg-Ghevauxlegers 6  Eskadronen 

Tiroler  Jäger 3  Kompagnien 

Brigade  Odonel : 

Kaunitz 5  Bataillone 

Jellaehieh 4         „ 


—     416     — 

Treffen  FML.  Hohenzollern. 

Brigade  Hohenfeld: 

Württemberg 3  Bataillone 

Eeuß-Greitz 3  „ 

Spork 4 

Brigade  Weeber: 

Stuart 3  Bataillone 

Reuß-Plauen 3  „ 

Brigade  Rohan: 

Latour-Chevauxlegers 8  Eskadronen 

Palatinal-Husaren 8  „ 

Reserve  FML.  Latour. 

Brigade  Sinzendorf: 

Reuß-Greitz-Grenadiere 1  Bataillon 

Spork-Grenadiere 1  „ 

Stuart-Grenadiere 1  „ 

Reuß-Piaiien-Grenadiere 1  „ 

Brigade  Dienersberg : 

Albert-Kürassiere 8  Eskadronen 

Korps  FML.  Jellachich. 

Avantgarde  GM.  Mayer: 

Blankenstein-Husaren 2  Eskadronen 

Tiroler  Jäger 3  Kompagnien 

Beaulieu 3  Bataillone 

Treffen  GM.  Wolfskeel: 

Stein 3  Bataillone 

Mittrowsky 4  „ 

Duka 4 

Rosenberg-Ohevauxlegers 2  Eskadronen 

Reserve  GM.  Spangen: 

Mittrowsky-Grenadiere 1  Bataillon 

Duka-Grenadiere 1  „ 

Czartoryski-Grenadiere 1  „ 

Klenau-Chevauxlegers 2  Eskadronen 

Die  gesperrt  gedruckten  Truppenkörper  kamen  gegenüber  der  Ordre  de 
bataille  vom  8.  Oktober  neu  in  das  betreffende  Korps.  Innerhalb  der  Korps  wurden 
aber  fast  alle  Divisions-  und  Brigadeverbände  verv?orfen. 

Einzelne  Truppen,  z.  B.  Palatinal-Husaren  und  Tiroler  Jäger,  kamen  über- 
haupt nicht  mehr  in  ihren  neuen  Verband. 

Aber  auch  diese  Ordre  de  bataille  war  nicht  von  Bestand.  Noch  am  12.  Ok- 
tober erhielt  Werneck  den  Befehl,   die  Regimenter  Jellachich   und  Kaunitz,  und 


—     417     — 

einige  Standen  später  einen  zweiten  Befehl,  noch  zwei  Grenadierbataillone  an 
FML.  Jellaehieh  abzugeben. 

PML.  Eiesch  bemerkt  in  einem  Berichte:  Am  13..  im  Augenblicke  des  Ab- 
marsches, nahm  FML.  Mack  meinem  Korps  trotz  meines  Protestes  vier  Eskadronen 
Blanken stein-Husaren  ab,  die  zu  PML.  Jellaehieh  stießen.  Die  Tiroler  Jäger  und 
Kronprinz  Ferdinand- Kürassiere  kamen  überhaupt  nie  zu  meinem  Korps. 

GM.  T.  Mayer  hatte  bisher  eine  Grenadierbrigade  des  Korps  Werneck 
kommandiert.  Von  seiner  Avantgarde  befand  sieh  nur  ein  Bataillon  Beaulieu  in 
Ulm,  alles  andere  stand  noch  im  Detaehement  Wolfskeel  bei  Tuttlingen. 

Das  Eegiment  Czartoryski  war  am  11.  in  Memmingen,  die  Regimenter 
Mittrowsky  und  Duka  sollten  am  14.  und  16.  Oktober  dort  eintreffen. 

Im  erbeuteten  Gepäck  des  Generals  Dupont  war  der  Befehl  Na- 
poleons gefunden  worden,  daß  alle  Transporte  nicht  mehr  die  Linie 
Stuttgart,  Heidenheim,  sondern  die  Etappenstraße  über  Ellwangen  und 
Nördlingen  zu  benützen  haben.  Dieser  Befehl  ließ  Mack  vermuten, 
daß  Napoleon  für  seine  VerV)indungen  besorgt  sei  und  sie  deshalb 
weiter  nach  Norden  verlegte.  Er  entschloß  sich  daher,  gegen  die 
Verbindungslinie  der  Franzosen  vorzustoßen. 

Hiezu  sollte  FML.  Werneck  mit  seinem  Korps  noch  am  12. 
mittag  aufbrechen,  über  Geislingen  nach  Stuttgart  vordringen  mid  von 
dort  bis  gegen  Kehl  streifen  lassen,  um  die  feindliche  Verbindung 
zu  unterbrechen  und  Schrecken  zu  verbreiten.  Mit  dem  Reste  der 
Armee  wollte  Mack  am  13.  Oktober  nach  Heidenheim  vorstoßen. 

Zu  Mittag  verlas  Mack  die  Disposition  hiefür  vor  den  ver- 
sammelten Generalen.  Als  Werneck,  der  die  Unmöglichkeit  dieses 
Unternehmens  erkannte,  behauptete,  daß  sein  Korps  der  Übermüdung 
halber  und  wegen  des  Mangels  an  Verpflegung  nicht  am  12.  ab- 
marschieren könne,  wurde  Mack  heftig  und  erklärte  schließlich,  daß 
er  Werneck  des  Kommandos  entheben  und  das  Korps  selbst  nach 
Stuttgart  führen  werde.  Als  aber  Erzherzog  Ferdinand  bemerkte, 
daß  Mack  als  Verfasser  aller  Dispositionen  im  Oberkommando  bleiben 
müsse,  fügte  sich  Mack,  gab  den  Zug  nach  Stuttgart  auf  und  faßte 
den  Entschluß,  am  13.  Oktober  mit  der  ganzen  Armee  gegen  Dupont 
zum  Angriffe  vorzugehen. 

Der  hiezu  am  12.  Oktober  um  2^  nachmittag  ausgegel»ene  ge- 
heime Generalbefehl  sagte: 

„Morgen  früh  wird  der  gestern  geschlagene  Feind  in  seiner 
Position  hinter  Albeck  und  Langenau  neuerdings  angegriffen, 

„Die  Korps  der  FML.  ßiesch  und  Schwarzenberg  formieren 
sieh  mit  anbrechendem  Tag   in   größter  Stille   hinter  den  Anhöhen 

Kranes.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  ^i 


—     418     — 

bei  JuDgingen  und  Lehr:  das  erstere  auf  200 — 300 '^  rechts  der 
Chaussee,  das  andere  auf  ebensoviel  Distanz  links  derselben,  Iteide 
mit  Zügen  links  abmarschiert. 

„Das  Korps  Werneck,  mit  halben  Kompagnien  aus  der  Mitte 
abmarschiert,  formiert  um  eben  dieselbe  Zeit  sich  auf  der  Anhöhe 
von  Ober-Haslach  und  hält  sich  bereit,  auf  ersten  Befehl  auf  der 
Chaussee  gegen  Albeck  vorzurücken,  wo  es  auf  den  Anhöhen  dies- 
seits des  bei  Albeck  fließenden  kleinen  Baches  in  zwei  Treffen, 
deren  Flügel  durch  seine  Kavallerie  gedeckt  sind,  aufmarschiert  und 
durch  rechts  und  links  auf  beträchtliche  Distanz  sich  verteilende 
leichte  Truppen  Scheinangriffe  auf  die  Position  des  Feindes  macht, 
auch  rechts  gegen  Langenau  starke  Parteien  ausschickt  und  dort 
ebenfalls  mit  dem  Angriffe  droht. 

„Während  als  diese  Demonstrationen  von  dem  Werneckscheo 
Korps  gegen  die  Front  der  feindlichen  Position  geschehen,  werden 
die  beiden  anderen  Korps  gegen  die  Hagenhöfe  und  sodann  gegen 
Hörvelsingen  und  Bernstadt  marschieren,  den  Feind  auf  seinem 
rechten  Flügel  tournieren  und  angreifen. 

„Vom  Werneckschen  Korps  werden  die  zwei  schwachen  In- 
fanterieregimenter Jellachich  und  Kaunitz  an  den  FML.  Jellachich 
abgegeben,  welcher  die  Verschanzungen  und  die  Festung  damit  be- 
setzt. Seine  übrigen  Truppen  läßt  er  nach  angebrochenem  Tag  auf 
dem  rechten  Donau-Ufer  vorsichtig  vorrücken  und  den  Feind  von 
dieser  Seite  alarmieren^)." 

Aber  auch  dieser  Befehl  kam  nicht  zur  Durchführung. 

Am  Abend  des  12.  Oktober  traf  die  Meldung  des  GM.  Mecsery^) 
ein,  daß  starke  feindliche  Kavallerie  Weißenhorn  besetzt  habe,  so 
daß  die  Straße  von  Ulm  nach  Memmingen  für  eigene  Truppen  nicht 
mehr  benutzbar  sei. 

Mack,  dem  nun  Bedenken  über  seine  Verbindung  mit  Tirol 
kamen,  gab  noch  am  Abend  an  Schwarzenberg  den  Befehl,  am  13. 
früh  FML.  Klenau  auf  Weißenhorn  vorzusenden.  FML.  Jellachich 
sollte  die  Hälfte  seines  Korps  über  Fahlheim  vorsenden,  den  Feind 
gegen  Leipheim  und  Günzburg  zurückdrängen  und  Verbindung  mit 
Klenau  halten^). 


')  Eriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  X,  120. 

^)  Stand  mit    drei  Eskadronen  Blankenstein-Husaren    bei  Ober-Kirehberg 
südlieh  Ulm  im  Aufkläningsdienste. 

3)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  X,  118  a. 


—     419     — 

Als  um  Mitternacht  die  Meldung  vom  Abzüge  des  Feindes 
aus  Albeck  und  Langenau  eintraf,  wurden  um  2''  früh  Entschluß 
und  Befehle  abermals  geändert. 

FML.  Jellachich  sollte  sein  Detachement  nicht  längs  der 
Donau  auf  Günzburg,  sondern  längs  der  Hier  nach  Ober-Kirchberg 
senden.  Alle  Brücken  aufwärts  von  Kirchberg  waren  abzubrechen. 
FML.  Jellacbieh  selbst  sollte  mit  seinem  Korps  auf  der  Chaussee 
nach  Ochsenhausen  abmarschieren,  den  GM.  Wolfskeel  an  sich 
ziehen  und  wenn  nötig  seinen  Rückzug  auf  Lindau  nehmen^). 

Weitere  Befehle  ergingen  um  2^  früh: 

An  FML.  Schwarzenberg  und  Klenau: 

Klenau  müsse  wohl  den  Feind  rekognoszieren,  aber  sehr  vor- 
sichtig zu  Werke  gehen  und  sich  nicht  allzu  weit  von  Ulm  ent- 
fernen. Für  die  anderen  Truppen  Schwarzenbergs  bleibe  das  Be- 
fohlene aufrecht,  nur  habe  er  den  Brückenkopf  von  Ulm  angemessen 
besetzt  zu  halten^). 

An  Werneck:  „Es  bleibt  dabei,  daß  FML.  Werneck  mit  der 
Hälfte  seines  Korps  nach  Heidenheim  abrückt;  er  muß  aber  auch 
die  andere  Hälfte  seiner  Truppen  2 — 3  Stunden  später  folgen  lassen. 
Er  soll  heute  noch  Heidenheim  erreichen  und  dort  Posto  fassen. 
Die  rechte  Flanke  ist  zu  siehern,  obwohl  nur  wenig  vom  Feinde 
auf  dem  linken  Donau-Ufer  sein  soll.  Das  Korps  FML.  Eiesch  wird 
ihm  um  lO''  zur  Verstärkung  nachrücken^)." 

An  FML.  Eiesch:  Die  Hälfte  des  Korps  Eiesch  hat  sich  um 
9^  vormittag  in  Marsch  zu  setzen  und  dem  FML.  Werneck  nach 
Heidenheim  als  Soutien  zu  folgen.  Diese  erste  Hälfte  hat  FML. 
Laudon  zu  führen.  Wann  FML.  Eiesch  mit  der  anderen  Hälfte  folgen 
soll,  wird  befohlen  werden.  FML.  Laudon  muß  ein  sehr  starkes  De- 
tachement längs  der  Donau  abwärtsrücken  lassen,  das  alle  Brücken 
zu  zerstören  hat^). 

Nach  diesen  Befehlen  marschierten  am  13.  Oktober  von 
Ulm  ab: 

FML.  Jellachich  mit  seiner  Vorhut  längs  der  Hier,  mit  dem 
Gros  nach  Ochsenhausen.  Am  14.  rückte  das  Korps  nach  Leutkirch, 
Wurzach  weiter;    die  Vorhut   stieß   an  diesem  Tage   wiederholt  auf 

')  Kriegsareliiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  128. 

2j  Kriegsarelüv,  1805,  Deutschland  PA,  X,  129. 

3)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  130. 

*)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  131. 

27* 


—     420     — 

feindliehe  Truppen;  sie  konstatierte  den  Vormarsch  einer  5000  bis 
6000  Mann  starken  feindlichen  Kolonne  über  die  Hier  nach  Ochsen- 
hausen; 

FML.  Klenau  mit  einigen  Bataillonen  und  Eskadronen  gegen 
Weißenhorn.  Um  dem  Befehle,  vorsichtig  zu  sein,  zu  entsprechen 
und  nicht  in  einen  Kampf  verwickelt  zu  werden,  blieb  Klenau  etwa 
8  hm  südlich  Ulm  stehen;  endlich 

FML.  Wer  neck;  er  brach  am  13.  Oktober  um  5^  30^  früh 
von  Ulm  auf  und  sammelte  sein  Korps  bei  Ober-Haslach,  von  wo  es 
um  7^  früh  über  Albeek,  Nerenstetten  nach  Herbrechtingen  abmar- 
schierte. Die  Vorhut  wurde  bis  Heidenheim,  mit  einem  Teile  sogar 
bis  Ober-Kochen  vorgeschoben  und  eine  starke  Seitenhut  (5  Bataillone 
und  2  Eskadronen)  nach  Giengen  detachiert.  Während  dieses  bei 
strömendem  Eegen  durchgeführten  Ißstündigen  Marsches  gelang  es 
dem  Korps,  in  Langenau,  Heidenheim  und  Giengen  kleine  feindliche 
Posten  aufzuheben  und  einige  Hundert  Gefangene  zu  machen  und 
bei  Mergelstetten  südlich  Heidenheim  ein  feindliches  Bataillon  zu 
werfen^). 

Das  Korps  Werneck,  das  nach  der  Berechnung  Macks  vom 
1.  Oktober  einen  Stand  von  19.000  Gewehren  und  3900  Säbeln 
haben  sollte,  zählte  am  13.  Oktober  nur  7300  Gewehre  und  1600 
Säbel,  also  nur  wenig  mehr  als  ein  Drittel  des  vollen  Standes^). 


^)  Herbreehtingen  ist  von  Ober-Haslach  etwa  26,  Heidenheim  32  Tcni 
entfernt. 

Wenn  das  Korps  Werneek  16  Stunden  brauchte,  um  diesen  Marsch  zu  be- 
wältigen, so  spricht  das  nicht  für  eine  gute  Marschtechnik  der  österreichischen 
Infanterie. 

^)  Der  Standesausweis  vom  13.  Oktober  gibt  folgende  Aufschlüsse: 

Infanterieregiment  ßeuß-Plauen,  3  Bataillone,  hatte  anstatt  2400  Feuer- 
gewehren nur  819,  also  283  bei  jedem  Bataillon; 

Infanterieregiment  Württemberg,  3  Bataillone,  hatte  anstatt  2400  Feuer- 
gewehren nur  1096,  also  365  bei  jedem  Bataillon ; 

Infanterieregiment  Stuart,  3  Bataillone,  hatte  anstatt  2400  Feuergewehren 
nur  972,  also  324  bei  jedem  Bataillon; 

Infanterieregiment  Eeuß-Greitz,  3  Bataillone,  hatte  anstatt  2400  Feuer- 
gewehren nur  217,  also  72  bei  jedem  Bataillon; 

Infanterieregiment  Spork,  4  Bataillone,  hatte  anstatt  3200  Feuergewehren 
nur  2079,  also  520  bei  jedem  Bataillon; 

Infanterieregiment  Kaunitz,  4  Bataillone,  hatte  anstatt  3200  Feuergewehren 
nur  1151,  also  288  bei  jedem  Bataillon; 

Grenadierbataillon  Stuart  hatte  anstatt  600  Feuergewehren  nur  178; 

(Fortsetzimg  der  Fußnote  siehe  S.  421.) 


—     421     — 

FML.  Laiidon,  der  Werueck  um  9^  vormittag  folgen  sollte, 
hatte  seine  Truppen  —  16  Bataillone,  11  Eskadronen  —  die  natür- 
lich nicht  mehr  der  Ordre  de  bataille  vom  12.  entsprachen,  eben 
gesammelt,  um  abzumarschieren,  als  er  direkten  Befehl  vom  FML. 
Mack  erhielt,  anstatt  Werneck  zu  folgen,  über  Elehingen  nach  Gundel- 
fingen  zu  marschieren  und  alle  Donau-Brücken  abzubrechen.  Laudon 
marschierte  auch,  wie  er  dem  FML.  Eiesch  meldete,  dahin  ab^). 

FML.  Eiesch  erhielt  inzwischen  den  schriftlichen  Befehl 
Macks:  „Die  Bagage  der  Armee  sammelt  sich  heute  4*^  nachmittag 
auf  der  Straße  nach  Albeck,  um  dahin  zu  marschieren,  wo  sie  über 
Nacht  bleibt  und  mit  anbrechendem  Tag  nach  Heidenheim  fortrückt, 
um  womöglich  Nördlingen  zu  gewinnen.  Diese  Bagage  marschiert 
unter  Bedeckung  der  zweiten  Hälfte  Ihres  Korps  und  Sie  haben  für 
die  Ordnung  dieses  Marsches  zu  sorgen ^j." 

FML.  Eiesch  hatte  diesen  Befehl  noch  nicht  durchgelesen,  als 
er  zu  FML.  Mack  berufen  wurde. 

Dieser  übergab  ihm  eine  Disposition  folgenden  Inhaltes: 

Die  Eeserveartillerie  fährt  unter  Bedeckung  von  zwei  Es- 
kadronen und  einem  Bataillon  des  Korps  Eiesch  gegen  Mittag  (des  13.) 
über  Albeck  nach  Heidenheim,  am  14.  nach  Nördlingen. 

Die  Bagage  der  Armee  folgt  um  4''  nachmittag  nach  Albeck, 
wo  sie  nächtigt,  und  am  14.  über  Heidenheim  soweit  als  möglich 
gegen  NördHngen. 


Grenadierbataillon  Spork  hatte  anstatt  600  Feiiergewehren  niu-  20 ; 

Grenadierbataillon  Kaunitz  hatte  anstatt  600  Feuergewehren  nur  100; 

Grenadierbataillon  Reuß-Greitz  hatte  anstatt  600  Feuergewehren  nur  360; 

Grenadierbataillon  Eeuß-Plauen  hatte  anstatt  600  Feuergewehren  nur  300; 

Latour-Chevauxlegers,  8  Eskadronen,  hatten  611  Eeiter,  also  76  Reiter  in 
jeder  Eskadron ; 

Rosenberg-Chevauxlegers,  6  Eskadronen,  hatten  420  Reiter,  also  70  Reiter 
in  jeder  Eskadron  ; 

Palatinal-Husaren.  6  Eskadronen,  hatten  360  Reiter,  also  60  Reiter  in  jeder 
Eskadi'on ; 

Albert-Eürassiere,  8  Eskadronen,  hatten  222  Reiter,  also  28  Reiter  in  jeder 
Eskadron. 

Kriegsarehiv.  1805,  Deutsehland  FA,  X,  188  c.  Dieser  Standesausweis  hat 
zwar  kein  Datum,  er  kann  sieh  aber  der  Ordre  de  bataille  nach  nur  auf  den 
18.  Oktober  beziehen. 

*)  Relation  des  FML.  Grafen  Riesch.  Kriegsarchiv,  1805,  Deutschland  FA, 
X,  158. 


—     422     — 

FML.  Ei  esc  h  gibt  die  Bedeckung  an  die  Reserveartillerie  und 
an  die  Bagage.  Mit  den  übrigen  Truppen  aber  zieht  er  selbst  längs 
dem  linken  Donau-Ufer  abwärts  und  dem  FML.  Laudon  nach,  der 
heute  alle  Brücken  von  Elchingen  bis  Gundelfingen  abbrechen  läßt. 
FML.  Eieseh  übernachtet  zu  Elchingen,  schickt  ein  starkes  De- 
taehement  zur  Brücke  von  Leipheim,  dehnt  morgen  früh  seine  In- 
fanterie längs  der  Donau  bis  Gundelfingen  aus.  um  sieh  zu  über- 
zeugen, ob  alle  Brücken  zerstört  sind. 

B'ML.  Laudon  dagegen  zieht  morgen,  den  14.,  in  mehreren 
Abteilungen  längs  dem  linken  Donau-Ufer  weiter  abwärts  und  zerstört 
wieder  alle  Brücken  von  Lauingen  bis  Donauwörth. 

FML.  Eieseh  nimmt  am  14.  sein  Quartier  in  Gundelfingen, 
FML.  Laudon  aber  zu  Hochstädt.  Das  Hauptquartier  wird  morgen 
in  Hausen  sein. 

FML.  Fürst  Schwarzenberg  läßt  4—6  Bataillone  und  4  Eska- 
dronen als  Besatzung  in  Ulm  und  marschiert  am  14.  um  10^  vor- 
mittag nach  Albeck  und  Langenau. 

Angefügt  waren  „Geheime  andere  Anmerkungen  für 
die  Korpskommandanten": 

„1.  Die  Armee  wird  das  ganze  Rieschisehe  Korps  stets  auf 
obige  Weise,  nämlich  in  einer  verlängerten  Flankenposition  längs 
der  Donau  zur  Seite  haben,  sie  selbst  aber  auf  der  nächsten  zur 
Donau  parallelen  Chaussee,  wie  es  die  Umstände  erfordern,  schneller 
oder  minder  schnell  abwärts  ziehen. 

„2.  Sollte  der  Feind  in  starker  Anzahl  auf  dem  linken  Donau- 
Ufer,  z.  B.  bei  Donauwörth  etabliert  sein,  so  wird  das  Eieschische 
Korps  zur  Armee  eingezogen;  diese  selbst  nimmt  alsdann  ihre 
Direktion  in  weiterer  Entfernung  von  der  Donau  und  nähert  sich 
durch  die  Oberpfalz  gegen  Böhmen. 

„3.  Ist  Donauwörth  nicht  besetzt  oder  man  kann  davon 
Meister  werden,  so  würde,  wenn  man  nicht  mit  der  Armee  zu 
passieren  rätlich  fände,  dort  oder  weiter  unterhalb  ein  starkes  Korps 
Kavallerie  von  wenigstens  10 — 12  Eskadronen  über  die  Donau  ge- 
setzt, das  in  einzelnen  Eskadronen  das  ganze  Land  zwischen  der  Isar 
und  dem  Lech  in  breiter  Ausdehnung  durchstreift,  allenthalben  das 
Gerücht  von  dem  Anzug  unserer  Armee  verbreitet,  alle  Zufuhren 
aufhebt  und  über  die  Donau  zu  der  Armee  schickt,  auf  vielen  Punkten, 
wo  nur  Brücken  oder  Furten  zu  finden  sind,  die  Isar  passiert  und 
gegen  den  Inn  vorstreift,    um  alle  Zufuhr  des  Feindes  aufzufangen, 


—     423     — 

mithin  auch  die  am  Inii  stehende  russische  Armee  dazu  zu  er- 
leichtern, weil  der  Feind  durch  Aufhebung  seiner  Zufuhr  an  der 
Behendigkeit  seiner  Vorrückung  gegen  den  Inn  gehindert  werden 
würde  ^)." 

Das  halbe  Korps  Eiesch  marschierte  nach  diesem  Befehl  um 
2*"  nachmittag  über  Thalfingen  nach  Elchingen  ab;  die  Reserve- 
artillerie kam  noch  am  13.  abend  bis  Herbrechtingen,  setzte  in  der 
Nacht  den  Marsch  fort  und  erreichte  am  14.  Ober-Kochen  nördlich 
Heidenheim  ^). 

Das  merkwürdigste  an  dieser  ganzen  Eeihe  von  Befehlen  ist 
der  plötzliche  Entschluß,  das  Korps  Jellachich  nach  Vorarlberg  zu- 
rückzusenden. Dieser  Entschluß  ist  in  der  Nacht  zum  13.  Oktober 
entstanden;  bei  allen  früheren  Plänen  war  dem  Korps  Jellachich 
die  Rolle  zugedacht,  am  südlichen  Donau-Ufer  vorzugehen.  Plötzlich 
wurde  am  13.  nach  Mitternacht  der  Befehl  gegeben,  Jellachich 
habe  nicht  längs  der  Donau  vorzugehen,  sondern  längs  der  Hier 
nach  Lindau  abzurücken.  Was  diesen  sonderbaren  und  unerklär- 
lichen Befehl  veranlaßt  hat,  ist  nicht  zu  ermitteln^). 


0  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  X,  133. 

Dieser  Befehl  seheint  dem  FML.  Werneek  gar  nieht  nachgesendet  worden  zu 
sein,  da  er  wiederholt  meldete,    er   habe  die  Disposition-  vom  13.  nieht  erhalten. 

^)  FML.  Eouvroy  berichtete  an  diesem  Tag  über  die  traurige  Besehafien- 
heit  der  Bespannungen.  In  Ulm  war  kein  Hafer  gewesen,  auf  dem  Wege  wenig 
zu  finden,  die  Eeserveaiiillerie  braucht  aber  täglich  5000  Haferportionen.  Die 
Pferde,  die  durch  die  forcierten  Märsehe  nach  Ulm  schon  abgehetzt  waren,  ver- 
sagen langsam  den  Dienst.  Auf  dem  Marsehe  nach  Ober-Kochen  (allerdings  55  l'm) 
sind  über  100  Pferde  umgestanden.  Ersatz  ist  nieht  aufzutreiben,  da  die  Fran- 
zosen alle  Pferde  mitgenommen  haben.  Die  Eeserveartillerie  ist  operationsunfähig; 
8  Wochen  Ruhe,  gute  Wartung  und  Futter  wären  nötig,  um  sie  wieder  in  stand 
zu  setzen. 

^)  In  seiner  Denkschrift,  „Die  Kapitulation  von  Ulm"  (Raumers  Taschen- 
buch, 1873),  führt  Mack  den  Beweis,  daß  die  Stärke  der  Armee  von  35.(XX)  bis 
40.000  Mann  für  ihn  die  beste  war,  weshalb  Kienmayer  und  Jellachich 
abdetaehiert  wurden  (!).  (Vergleiche  damit  den  Bericht  Macks  vom  18.  Sep- 
tember, S.  191.) 

GM.  V.  Mayer  erzählt  in  seinen  Aufzeichnungen  ,,Aas  meinem  Leben" 
(Kriegsarchiv,  Memoiren,  1805,  3/68)  folgende  Begebenheit: 

Am  12.  Oktober  1805  wurden  alle  Generale  des  Korps  Werneek  zu  Maek 
berufen,  der  ihnen  eröffnete,  daß  das  Korps  nach  Stuttgart  zu  marschieren  be- 
ordert werden  wird,  um  Lebensmittel  einzutreiben.  Das  Korps  sollte,  falls  ihm 
der  Feind  den  Rückweg  nach  Ulm  verlege,  über  Riedlingen  gegen  Vorarlberg  ab- 
marschieren. Alle  Generale  wurden  ob  dieser  Idee  stutzig.  FML.  Werneek  forderte 


—     424     — 

Die  Absendung  der  Eeserveartillerie  und  der  Armeebagage 
nach  Nördlingen  und  die  Eücksendung  des  FML.  Jellachich  nach 
Lindau  sprechen  dafür,  daß  es  Mack  diesmal  mit  dem  Alimarsch 
der  Armee  von  ühn  nicht  nur  Ernst  war,  sondern  daß  er  auch  da- 
mit rechnete,  von  den  Franzosen  vielleicht  nach  Böhmen  ab- 
gedrängt zu  werden  (Punkt  2  der  geheimen  Anordnungen). 

Nur  zu  bald  wandte  sich  Mack  von  dieser  richtigen  Auf- 
fassung der  allgemeinen  Lage  ab. 

Ln  Laufe  des  13.  Oktobers  erhielt  FML.  Mack  eine  große 
Zahl  von  zutreJSfenden  Nachrichten.  Ein  Kundschafter  meldete,  daß 
man  am  11.  in  Günzburg  davon  sprach,  daß  die  Franzosen  be- 
absichtigen, mit  30.000—36.000  Mann  der  österreichischen  Armee 
den  Weg  über  Memmingen  nach  Tirol  abzuschneiden. 

Ein  Hauptmann  Wend  meldete  am  13.  Oktober,  3^  früh,  daß 
bei  Leipheim  etwa  4000  Franzosen  lagerten.  Die  französischen 
Divisionen  vom  Zentrum  und  vom  linken  Flügel,  auch  ein  Teil  der 
Divisionen  vom  rechten  Flügel,  die  vorgestern  (11.  OktoV»er)  bei 
Albeck  standen,  sind  gestern  von  3^  früh  bis  l''  nachmittag  durch 
Günzburg  gegen  Weißenhorn  marschiert.  Der  übrige  Teil  des 
rechten  Flügels,  der  bei  Albeck  stand,  zieht  sich  ins  Blau -Tal. 
Napoleon  wurde  gestern  in  Günzburg  erwartet.  Gestern  abend  war 
kein  Mann  mehr  in  Günzburg,  alles  war  gegen  Weißenhorn  vorge- 
rückt. Auf  dem  linken  Ufer  über  Langenau  —  Albeck  ist  kein  Feind 
zu  sehen. 


Mayer  auf,  seine  Ansieht  darüber  zu  äußern,  und  als  Mayer  das  Unsinnige  dieses 
Gedankens  nachwies  und  erklärte,  daß  nur  der  schleunige  Eüekzug  über  Lands- 
berg die  Armee  noch  retten  könne,  verlangte  er,  daß  Mayer  den  Plan  des  Rück- 
zuges niederschreibe.  Mayer  tat  dies  zwar,  fügte  aber  bei.  Mack  kenne  seine 
Schrift  und  werde  die  Idee  schon  deshalb  ablehnen,  weil  sie  von  ihm  stamme. 
FML.  Werneek  schrieb  daher  das  Ganze  ab  und  begab  sieh  damit  zu  Mack. 
Dieser  soll  aber  gesagt  haben:  Oh,  das  kommt  vom  Mayer,  es  ist  nicht  annehm- 
bar, sondern  wir  wollen  den  Feind  angreifen  und  gewiß  schlagen.  Der  Marsch 
nach  Stuttgart  wurde  fallen  gelassen  und  ein  Angriffsplan  entworfen. 

Mayer  erzählt  dann:  „Ich  wurde  vom  Kommando  der  Grenadierbrigade 
enthoben  und  wurde  mit  dem  Kommando  der  Avantgarde  jener  Kolonne  betraut, 
die  am  rechten  Donau-Ufer  vorgehen  sollte.  Ich  stand  am  13.  um  4h  früh  zum 
Abmarsch  bereit,  als  ich  Befehl  erhielt,  längs  der  Hier  aufwärts  zu  marschieren 
und  den  Marsch  Jellachiehs  nach  Bregenz  zu  sichern." 

Bei  dieser  Erzählung  kommt  man  unwillkürlich  auf  den  Gedanken,  daß 
Jellachich  nach  Lindau  geschickt  wurde,  um  den  zu  diesem  Zweck  zu  dessen 
Korps  versetzten  GM.  Mayer  unauffällig  von  der  Armee  zu  entfernen. 


—     425     — 

Mack  scheint  weiter  auch  eine  Meldung  über  den  Vormarsch 
der  Franzosen  von  Landsberg  über  Mindelheim    erhalten  zu  haben. 

Die  weitaus  bedeutendste  Nachricht  brachte  aber  der  Spion 
Schulmeister.  Er  traf,  nach  seiner  Aussage  vor  dem  Kriegsirericht. 
an  einem  Sonntage  zwischen  9  und  10''  aus  dem  französischen 
Hauptquartier  in  Ulm  ein  und  eröffnete  dem  FML.  Mack  in  Gegen- 
wart der  FML.  Schwarzenberg  und  Gyulai,  daß  Napoleon  den  Plan 
habe,  mit  einem  Teile  seiner  Armee  gegen  Memmingen  und 
Kempten  vorzugehen,  um  die  Garnisonen  Memmingen  und  Ulm  zu 
trennen    und    von    Tirol    abzuschneiden,    mit    einem  anderen  geo-en 

"  DO 

Elchingen  und  Albeck  vorzudringen,  um  sich  der  Anhöhen  um 
Ulm  zu  bemeistern.  Als  Mack  diese  Nachricht  belachte,  bot  sich 
Schulmeister,  wie  FML.  Fürst  Schwarzenberg  eidlich  bestätigte,  als 
Geisel  für  die  Richtigkeit  seiner  Mitteilungen  an  '). 

Da  kam  der  Oberlandeskommissär  der  Armee  Baron  Steinherr 
zu  Mack  mit  der  Erzählung,  daß  er  von  einem  württembergischen 
Beamten  gehört  habe,  daß  vor  einiger  Zeit  neun  Kuriere  für 
Napoleon  an  einem  Tage  durch  Stuttgart  passiert  seien  und  daß 
man  dort  im  Stillen  davon  spreche,  die  Engländer  wären  in  Boulogne 
gelandet  und  in  Paris  oder  irgendwo  sei  eine  Eevolution  aus- 
gebrochen. Diese  erfreulichen  Nachrichten  erschienen  Mack  sehr 
sympathisch  und  er  war  daher  sofort  bereit,  sie  zu  glaulien;  er  sagte,  er 
werde,  wenn  diese  Nachrieht  wahr  sei,  in  Ulm  bleiben.  Steinherr 
machte  Mack  aufmerksam,  daß  seine  Mitteilungen  nur  auf  einem 
bloßen  Gerüchte  beruhen,  er  möge  daher  auf  so  vage  Nachrichten 
keine  militärische  Disposition  gründen. 

Aber  weder  diese  Warnung  noch  die  Vorstellungen  der 
FML.  Schwarzenberg  und  Gyulai  konnten  Mack  abhalten,  sich 
immer  mehr  und  mehr  der  fixen  Idee  eines  feindlichen  Rückzuges 
an  den  Rhein  hinzugeben. 

Mafk  fand  die  feindlichen  Marschanordnungen,  vor  allem  den 
„retrograden  Marsch  mehreren  Kolonnen  an  die  Hier",  ganz  unver- 
ständlich und  war  der  Überzeugung,  daß  der  Feind  bei  der  Ab- 
sicht, die  österreichische  Armee  einzuschließen,  nicht  nach  Mem- 
mingen und  Weißenhorn,  sondern  auf  beiden  Ufern  nach  Ulm 
marschieren  müßte.  So  kam  Mack  zu  der  Auslegung,  daß  der  Feind 
auf  die  schlechten  Nachrichten  aus  der  Heimat  und  wegen  der  be- 


1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA.  XIII,  107  (/.  Der  13.  Oktober  1805 
war  ein  Sonntae. 


—     426     — 

«fröhlichen  Lage,  in  die  er  sich  zwischen  der  österreichischen  und 
der  russischen  Armee  gebracht  hatte,  in  vollem  Rückzug  an  den 
Rhein  sei  und  nur  noch  retten  wollte,  was  zu  retten  war.  Einmal 
bei  dieser  Idee  angelangt,  verbohrte  sich  Mack  immer  mehr  und 
mehr  in  diesen  „Traum  vom  feindlichen  Rückzug",  wie  er  diese 
Idee  später  selbst  nannte,  wies  alle  Einwände  schroff  ab  und  ver- 
stand es,  alles,  selbst  die  klarsten  Anzeichen  für  seinen  Irrtum,  als 
Beweis  für  den  französischen  Rückzug  auszulegen. 

Unter  solchen  Umständen  entstand  am  13.  Oktober  abend  aus 
seiner  nimmermüden  Feder  das  folgende  klassische  Beweisstück  für 
die  Charakteranlage  Macks^): 

„Ulm,  am  13.  Oktober  abend. 

„Meine  Überzeugungen! 

„Bonaparte  steckt  mit  einer  Hauptkolonne  zu  Weißenhorn,  er 
hat  wegen  Beschwerlichkeit  des  Terrains  die  größte  Mühe,  bis  an 
die  Hier  zu  gelangen,  die  er  zu  übersetzen  wünschte. 

„Ein  Blick  auf  die  Karte  beweiset,  daß  er  nicht  ohne  Unsinn 
nach  Weißenhorn  hätte  vorwärts  eilen  können,  um  wieder  nach 
Günzburg  zurückzukehren  und  die  Donau  durch  einen  weiten  Um- 
weg zu  übersetzen.  Herwärts  von  Günzburg  ist  die  Übersetzung 
wegen  Beschwerlichkeit  des  Terrains  ganz  unmöglich. 

„Was  wir  tun  sollten,  wäre,  ihn  bei  Weißenhorn  oder  wenig- 
stens an  dem  Tage,  wo  er  die  Hier  passieren  wird,  anzugreifen. 
Vielleicht  wird  er  sie  auch  morgen  noch  nicht  passieren,  denn  es 
ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  er  erst  Memmingen  nehmen  werde,  um 
die  Kolonne,  die  dorten  passiert,  auf  dem  linken  Ufer  der  Hier  vor- 
rücken und  sich  seinen  Übergang  decken  zu  lassen.  So  wäre  der 
günstigste  Augenblick  ihn  aufzureiben  und  er  selbst  wird  uns, 
wenigstens  in  seinem  Herzen,  auslachen,  daß  wir  es  nicht  taten. 

„Die  gegen  Memmiugen  vorrückende  Kolonne  und  seine  Stille 
auf  dem  linken  Donau -Ufer  sind  die  überzeugendsten  Probabilitäten 
seines  Rückzuges. 

„Wenigstens  müssen  wir  nunmehr  augenblicklich  daran 
denken,  die  Portsetzung  seines  Rückzuges  zu  beunruhigen  und  so 
schrecklich  für  ihn  zu  machen,  als  er  es  verdient.  Unsere  Armee 
muß  mit  ihm  den  Rhein  erlangen,  vielleicht  irgendwo  mit  ihm 
passieren,  besonders  wenn  eine  Revolution  ausgebrochen  wäre. 

Mack,  FML." 

ij  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIII,  6. 


—     427     — 

Aus  dieser  Überzeugung  erflossen  nun  am  13.  abend  und  am 
14.  Oktober  nach  und  nach  Befehle,  die  dartun,  daß  Macks  Über- 
zeugung trotz  der  einlaufenden  Hiobsposten  nicht  nur  nicht  wankend 
wurde,  sondern  an  Festigkeit  zunahm. 

Am  13.  abend  ergingen  folgende  Befehle: 

An  FML.  Jellachich:  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  eine 
beträchtliche  feindliche  Kolonne  von  Mindelheim  nach  Memmingen 
vorrücken  dürfte.  Er  solle  daher  nach  Memmingen  Befehl  senden, 
es  in  der  Nacht  oder  am  14.  früh  zu  räumen.  Er  selbst  solle 
trachten,  hinter  (d.  h.  südlich)  den  Weg  zu  kommen,  den  der 
Feind  von  Memmingen  aufnehmen  wird.  Er  solle  sich  aber  nicht 
zu  weit  gegen  Lindau  ziehen  und  bereit  sein,  den  Feind  zu  ver- 
folgen, wenn  dieser  wirklich  gegen  den  Ehein  zurückgeht^). 

An  die  FML.  Eiesch  und  Laudon: 

„Es  ist  nicht  unmöghch,  daß,  wenn  der  Feind  wirklich  durch 
innere  Unruhen  zum  Eückzug  genötigt  sein  sollte,  eine  seiner 
Kolonnen  und  vielleicht  die  Bernadottesche  von  Donauwörth  über 
Nördlingen  gegen  Mannheim  ihren  Eückzug  nehmen  dürfte." 

Sie  sollten  daher  im  Vormarsch  auf  Donauwörth  zwar  vor- 
sichtig sein,  sobald  aber  der  Marsch  über  Nördlingen  sicher  sei, 
„mit  größter  Tätigkeit,  jedoch  vorsichtig"  ohneweiters  bis  zum 
Ehein  verfolgen  ^). 

An  FML.  "Wer neck: 

„Bei  der  keineswegs  ganz  unbegründeten  Wahrscheinlichkeit, 
daß  der  Feind  wegen  innerer  Unruhen  seinen  Eückzug  gegen  den 
Ehein  nehme",  könnte  die  Kolonne  Bernadotte  über  Nördlingen  gegen 
Mannheim  ziehen.  Eeserveartillerie  und  Bagage  haben  daher  nicht  nach 
Nördlingen,  sondern  nur  halben  Wegs  nach  Aalen  zu  marschieren  ^). 


0  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X.  132. 

Dieser  Befehl  traf  um  10 h  naeht  in  Oehsenhausen  ein.  Jellachich  konnte 
aber  juit  3Iemuiingen  nicht  mehr  in  Verkehr  treten. 

Unerklärlich  ist  der  in  Macks  Verhalten  liegende  Widerspruch. 

Wenige  Tage  vorher  hatte  Mark  erklärt,  Memmingen  sei  in  der  Verfassung, 
als  Stützpunkt  gegen  die  vom  Schwarzwald  erwarteten  Franzosen  zu  dienen,  und 
jetzt,  wo  dieser  „feste  Platz"  für  die  im  Rückzüge  gewähnten  Franzosen  ver- 
hängnisvoll werden  müßte,  gibt  er  Befehl,  ihn  vor  den  zurückgehenden  Franzosen 
ohne  Widerstand  zu  räumen. 

2)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  133  e. 

3)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  X,  133/'. 


—    428     — 

An  FML.  Sehwarzenberg: 

Das  Detachement  Klenau  nach  Ulm  heranzuziehen  und  auf  dem 
rechten  Donau-Ufer  Vorposten  gegen  Günzburg  und  Weißenhorn  auf- 
zustellen^). 

FML.  Eiesch  war  am  13.  um  2''  nachmittag  von  Ulm  auf- 
gebrochen. Der  Abmarsch  war  nicht  ohne  Zwischenfall  erfolgt.  Eben 
als  GM.  Mecsery  den  Abmarsch  beginnen  wollte,  kam  GM.  v.  Mayer 
und  gab  dem  abmarschierenden  ßegiment  Blankenstein-Husaren  den 
Befehl,  bei  ihm  zu  bleiben.  GM.  Mecsery  meldete  dies  dem  FML. 
Eiesch,  der  sofort  zu  Mack  schickte.  Mack  ließ  aber  erwidern,  die 
Blankenstein-Husaren  hätten  von  ihm  Befehl,  bei  FML.  Jellachich 
zu  bleiben.  Der  Korpskomraandant  hatte  von  dieser  im  letzten 
Augenblick  verfügten  Änderung  der  Ordre  de  bataille  keine 
Kenntnis-). 

Nach  einem  äußerst  beschwerlichen  Marsch  erreichte  Eiesch 
mit  seiner  Vorhut  Thalfingen,  als  aus  der  Eichtung  von  Elchhigen 
heftiges  Geschütz-  und  Gewehrfeuer  hörbar  wurde.  FML.  Eiesch 
eilte  hierauf  mit  der  Vorhut,  nachdem  er  Befehl  gegeben  hatte,  drei 
Joch  der  Thalfinger  Donau-Brücke  abzusägen,  vor;  er  fand  Laudon 
bei  Elchingen  im  heftigen  Kampfe  mit  dem  Feinde,  der  Ober-El- 
chingen besetzt  hielt.  Eiesch  ließ  ein  Infanterieregiment  und  ein 
Kürassierregiment  der  Vorhut  südlich  Ober-Elchingen  aufmarschieren. 
Da  aber  Laudon  inzwischen  den  schwachen  Feind  aus  Ober-Elchingen 
vertrieben  hatte,  kamen  die  Truppen  des  FML.  Eiesch  nicht  mehr 
ins  Gefecht.  Der  Feind  zog  sich  —  es  war  schon  spät  am  Abend 
—  über  die  Brücke  auf  das  südliche  Donau-Ufer  zurück,  wo  er  den 
Südausgang  der  Brücke  besetzte.  FML.  Eiesch  betraute  ein  Detache- 
ment von  zwei  Bataillonen  und  zwei  Kanonen,  das  sich  beim  Fischer- 


ei Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  136. 

^)  FML.  Eiesch  bemerkt  zu  seiner  Ordre  de  bataille  vom  13.  Oktober: 

Am  13.  Oktober,  im  Augenblick  des  Aufbruches  nahm  FML.  Mack  meinem 
Korps  vier  Eskadronen  Blankenstein-Husaren  ab  und  zum  Korps  Jellachich  ob- 
wohl ich  lebhaft  dagegen  Vorstellungen  machte.  Die  Jäger  habe  ich  überhaupt 
nicht  erhalten.  Die  drei  Bataillone  des  Regiments  Erzherzog  Ludwig  hatten 
kaum  200  Gewehre,  da  sie  bei  Günzburg  und  Haslach  schwer  gelitten  hatten. 
Zwei  Eskadronen  und  ein  Bataillon  waren  als  Bedeckung  zum  Artilleriepark 
kommandiert.  Kronprinz  Ferdinand-Kürassiere  sind  nie  zum  Korps  gekommen. 

Die  Eskadronen,  von  denen  zahlreiche  Abkommandieningen  stattgefunden 
hatten,  waren  höchstens  40—50  Reiter  stark.  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland 
FA,  X,  126.) 


—     429     — 

haus  aufstellte,  mit  der  Bewachung  der  Brücke.  Das  Detacheraent 
sollte  in  der  Nacht  die  Brücke  soviel  als  möglich  zerstören. 

FML.  Laudon,  der  am  13.  noch  Gundelfingen  erreichen  sollte, 
war  durch  diesen  Kampf  bis  in  die  Nacht  aufgehalten  worden.  Da 
überdies  Meldungen  eingelaufen  waren,  daß  der  Feind  nach  Aus- 
sage von  Gefangenen  und  Landleuten  mit  starken  Kräften  bei  Leip- 
heim  auf  dem  nördlichen  Donau-Ufer  stehe,  behielt  FML.  Eiesch 
die  Division  Laudon  bei  Elchingen,  umsomehr,  als  von  seiner  Ko- 
lonne erst  die  Vorhut  bei  Elchingen  eingetroffen  war.  Ein  Detache- 
raent von  vier  Bataillonen  (Infanterieregiment  Erzherzog  Maximilian) 
und  zwei  Eskadronen  wurde  unter  Kommando  des  Oljersten  Biber 
nach  Riedheim  detachiert;  es  sollte  nach  Leipheim  aufklären  und 
wenn  möglich  die  dortige  Brücke  zerstören. 

FML.  Eiesch  beriet  sich  sodann  mit  den  Generalen  Laudon 
und  Mecsery,  ob  die  Brücke  von  Elchingen  noch  in  der  Nacht  zu 
nehmen  und  zu  zerstören  sei  oder  erst  am  nächsten  Tage.  Die  drei 
Generale  kamen  überein,  in  der  Nacht  nicht  anzugreifen. 

Am  13.  abend  muß  man  in  Ulm  den  Kanonendonner  von 
Elchingen  gehört  haben. 

Die  Verhältnisse,  die  damals  im  österreichischen  Armeekom- 
mando geherrscht  haben  und  die  Gemütsverfassung  des  ernannten 
Armeekommandanten  werden  am  besten  an  dem  Brief  erkannt,  den 
Erzherzog  Ferdinand   am    13.  Oktober   an  Erzherzog   Karl   schrieb: 

„In  einem  ganzen  Buche  könnte  man  unsere  Lage  und  die 
Tollheit  von  Mack  nicht  beschreiben.  Mack,  wenigstens  ein  kom- 
pletter Narr,  hat  es  durch  sein  ewiges  Hin-  und  Hermarschieren, 
Plauändern  u.  s.  w.  dahin  gebracht,  daß  wir  ohn6  geschlagen  zu 
sein  au  point  sind,  die  ganze  Armee  in  nichts  auflösen  zu  sehen. 
Seine  Majestät  der  Kaiser  haben  ihm  plein  pouvoir  gegeben  und  ich 
bin  in  der  unangenehmsten,  ich  kann  wohl  sagen,  verzweifeltsten 
Lage  der  Welt,  ich  muß  unter  meinen  Augen  und  sozusagen  durch 
meine  Unterschrift  die  ganze  Armee  zu  gründe  gehen  sehen ^)." 

In  der  Nacht  und  am  14.  Oktober  trafen  wichtige  Meldungen 
von  Werneck  und  Eiesch  ein.  Worneck  meldete,  daß  General  Dupont 
mit  ungefähr  4000  Mann  in  Brenz  stehe ;  er  habe  deshalb  Giengen 
besetzt;  er  wolle  morgen  nach  Aalen  oder  vielleicht  selbst  bis  Ell- 
wangen vorrücken,  wo  ein  großes  feindliches  Depot  sein  solle. 


^)  Wertheimer,  „Geschichte  Österreichs  i;nd  Ungarns  I."  S.  300. 


—    430     — 

ßiesch  meldete  um  8^  15^  abend  von  Elchingen,  daß  es  wegen 
der  grundlosen  Wege  unmöglich  sei,  längs  der  Donau  weiterzu- 
marschieren.  Bis  jetzt  ist  erst  die  Avantgarde  hier;  er  fürchte,  daß 
das  Geschütz  gar  nicht  durch  Thalfingen  durchkommen  könne^). 
Weiters  meldete  Eiesch,  daß  Laudon  den  Feind  aus  Elchingen  über 
die  Donau  geworfen  habe,  daß  dieser  aber  das  Südende  der  Brücke 
stark  besetzt  halte;  er  habe  daher  dafür  gesorgt,  einen  Übergangs- 
versuch des  Feindes  zu  verhindern.  Die  Zerstörung  der  Brücke  wäre 
ohne  ein  Hauptengagement  nicht  möglich,  unterbleibe  daher.  Er 
werde,  wenn  bis  14.  Oktober,  6^  früh  kein  Befehl  eintreffe,  mit 
dem  ganzen  Korps  über  Langenau.  Niederstotzingen  und  Gundel- 
fingen  donauabwärts  vorrücken^). 

Ein  Beobachtungsoffizier  soll  vom  Turm  des  Ulmer  Münsters 
am  13.  nachmittag  Bagagen  und  Artillerie  im  Marsch  von  Weißen- 
horn  über  die  Hier  bei  Kirchberg  gesehen  haben.  (Angabe  Maeks 
in  seinem  Prozeß.) 

Diese  Nachrichten  bestärkten  Mack  derart  in  der  Idee  des 
feindlichen  Rückzuges,  daß  er  den  Abmarsch  des  Korps  Schwarzen- 
berg  einstellte  und  den  folgenden  Generalbefehl  ausfertigte,  der  an 
alle  Korps   abgesandt  wurde,    mit   dem   Beisatze,    die  Durchführung 

^)  FML.  Graf  Eiesch  berichtete  über  diesen  Marsch  in  seiner  Relation: 
„Der  Landweg  längs  dem  Donau-Ufer,  weichen  ich  zufolge  Disposition  nehmen 
mußte,  war  der  grundloseste,  den  ich  je  sah  —  vorzüglich  und  über  alle  Be- 
schreibung schlecht  war  die  Strecke  bis  Thalfingen;  schmale  Hohlwege,  die  mit 
Wasser  bis  an  die  Brust  der  Pferde  angefüllt  und  dabei  durch  die  großen  Steine 
unpraktikabel  waren,  führten  zwischen  einer  Kette  von  Anhöhen  und  dem  Donau- 
Ufer,  meistens  durch  dickes  Gebüsch  fort,  welches  selbst  für  die  Infanterie  un- 
durchdringlich war  und  sie  daher  bis  über  die  Sehenkel  durch  Wasser  und  Morast 
waten  mußte. 

„Zum  Beweis  der  Grundlosigkeit  dieses  Weges  mag  das  Beispiel  hinreichen, 
daß  drei  Fuhrkneehte  in  den  Pfützen  des  Weges  in  der  Nacht  ertranken  und 
ein  Pulverkarren  von  Erzherzog  Karl,  unter  dem  das  Ufer  der  Donau  losbrach, 
in  den  Strom  stürzte". 

Das  Abschwenken  auf  die  Chaussee  war  ohne  Umkehren  unmöglich,  da 
nur  noch  schlechtere  Waldwege  zur  Chaussee  führten,  die  mit  Geschütz  nicht 
benützt  werden  konnten.  FML.  Eiesch,  dessen  Korps  für  den  Marsch  nach 
Heidenheim  als  Mitte  bestimmt  war,  hatte  die  Gegend  von  Jungingen  und  Ober- 
Haslach  rekognoszieren  lassen,  nicht  aber  das  Donau-Ufer.  Nach  Empfang  des 
neuen  Befehles  mußte  er  sofort  abmarschieren,  hatte  daher  keine  Zeit,  den  Weg 
zu  erkunden.  (Kriegsarchiv,  1805,  Deutschland  FA,  X,  158.) 

-)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  PA,  X,  275.  Diese  Meldung  muß 
spätestens  am  14.  früh  bei  Mack  eingetroffen  sein. 


—    431     — 

nur  vorzubereiten   und   erst   auf  einen   zweiten  Befehl   hin   zu  voll- 
ziehen. 

„Generalbefehl,  Ulm,  am  14.  Oktober. 

„Die  feindliehe  Armee  zieht  sich  gegen  don  Ehein  zurück, 
zwei  Kolonneu  derselben  passieren  die  Hier  zu  Memmingen  und 
Illertissen,  die  dritte,  vermutlich  die  Bernadottsche,  durch  das  bei 
München  und  Dachau  stehende  Korps  des  FML.  Kienmayer  an- 
geheftet, dürfte  in  diesem  Augenblick  die  Donau  bei  Donauwörth 
passieren  oder  mit  dem  Gros  schon  passiert  haben  und  ihren  Marsch 
über  Nördlingen  gegen  Mannheim  nehmen.  Die  mittlere  feindliche 
Kolonne  wird  nach  zurückgelegter  Hier  die  Donau  bei  Ehingen  und 
Riedlingen  übersetzen  und  ihren  Eückzug  über  Stuttgart  gegen  Karls- 
ruhe nehmen ;  die  linke  aber,  nachdem  sie  die  Donau  oberhalb  der 
mittleren  Kolonnen  passiert  haben  wird,  sich  über  Villingeu  nach 
Straßburg  zurückziehen. 

„Die  Disposition  zur  allgemeinen  Verfolgung  des  Feindes  ist 
folgende : 

„Jedes  der  vier  Korps  der  Armee  wird  alsobald  zwei  leichte 
fliegende  Korps  zusammensetzen,  die  jedes  aus  zwei  leichten,  best 
berittenen  und  starken  Eskadronen,  zwei  Bataillonen  und  zwei  drei- 
pfündigen Kanonen  bestehen  muß;  das  eine  dieser  leichten  Korps 
wird  den  Feind  stets  in  seinem  Eücken  verfolgen,  das  andere  sich 
auf  die  eine  seiner  Flanken  werfen,  hiemit  durch  Seitenwege  sich 
auf  gleicher  Höhe  mit  der  feindlichen  Kolonne  zu  setzen,  ihr  die 
Lebensmittel  abzuschneiden  und  sie  Tag  und  Nacht  zu  beunruhigen 
suchen. 

„Das  Jellachichsche  Korps  wird  die  linke  Kolonne  des  Feindes, 
das  Schwarzenbergsche  und  das  Wernecksche  die  mittlere  und  Kien- 
mayer die  rechte  Kolonne  über  sich  nehmen. 

„Jellachich  hat  bereits  seine  Instruktion.  Fürst  Schwarzenberg 
schickt  das  eine  seiner  leichten  Korps  der  mittleren  feindlichen  Ko- 
lonne in  den  Eücken.  das  andere  wirft  er  auf  ihre  rechte  Flanke. 
Mit  seinem  Hauptkorps  marschiert  er  selbst  über  Geislingen  nach 
Stuttgart. 

„Von  dem  Werneckschen  Korps  werden  die  obigen  zwei  kleinen 
leichten  Korps  in  Eilmärschen  g^gen  Stuttgart  abgeschickt,  von 
welchen  sich  das  eine  schleunig  links  gegen  Eßlingen  und  so  weiter 
gegen  die  Straße  von  Tübingen,    welche  die  mittlere  feindliche  Ko- 


—     432     — 

lonne  nehmen  muß,  zu  werfen  hat,  das  andere  aber  vorsichtig  ge- 
rade gegen  Stuttgart  vordringt,  die  Württembergschen  Truppen  mit 
sieh  zu  vereinigen  und  sodann  gleich  die  Straße,  auf  welcher  der 
Feind  gegen  Stuttgart  zieht,  unsicher  zu  machen  sucht.  Beide  Korps, 
das  Schwarzenbergsche  und  Wernecksche.  nachdem  sie  sich  jenseits 
dem  Neckar  in  der  Gegend  von  Stuttgart  vereinigt  haben  werden, 
welches  früher,  als  der  Feind  dort  anlangt,  geschehen  kann,  fassen 
Position  auf  seiner  Straße  und  werden  ihn  aufreiben  oder  wenn  dort 
ein  enger  Paß  zu  finden  ist,  vieheicht  zur  Übergabe  zwingen. 

„Die  Bernadottsche  Armee  wird  durch  das  Kienmayersche 
Korps  im  Rücken  und  auf  der  rechten  Flanke  verfolgt,  von  dem 
Eieschsehen  aber  auf  der  linken  kotoyiert.  Was  ihre  Bestimmung 
sei,  ist  aus  dem  Vorgesagten  zu  entnehmen  und  gute  Generale  wissen 
alles  Übrige. 

„Die  Peserveartillerie  kehrt  gleich  nach  Ulm  zurück,  nur 
werden  2  Zwölfpfünder  und  2  Haubitzen  zu  jedem  der  drei  Korps 
gegeben.  Jedes  dieser  drei  Korps  behält  sein  Kavalleriegeschütz,  von 
dem  Liniengeschütz  aber  schickt  es  die  Hälfte  nach  Ulm,  jene  der 
Werneckschen  und  Rieschschen  Korps  werden  von  den  Korpskom- 
mandanten an  sich  gezogen. 

„Jeder  Korpskommandant  muß  seine  Verpflegung  durch  Re- 
quisitionen mittels  seiner  leichten  Korps  und  mittels  auszuschickender 
Detachements  sich  verschaffen. 

Mack,  FML.O." 

FML.  Riesch  wurde  nicht  verständigt,  daß  der  Abmarsch  der 
Armee  über  Heiden  heim  unterbleibe. 

Mack  rechtfertigte  dies  später  in  seiner  bei  Raumer  erschienenen 
Denkschrift  („Die  Kapitulation  von  Ulm"),  daß  dies  Sache  des  Ge- 
neraladjutanten gewesen  sei,  der  beurteilen  können  muß,  wem  etwas 
mitzuteilen  ist  und  was. 

Am  14.  Oktober  vormittag  mußte  der  Geschützdonner  von  El- 
chingen, wo  das  Korps  Riesch  von  Ney  am  frühen  Morgen  ange- 
griffen worden  war,  in  Ulm  hörbar  gewesen  sein.  Um  diese  Zeit 
mußte  auch  die  Meldung  des  FML.  Riesch  vom  13.  abend  bei  Mack 
eingetroffen  sein.  Am  Nachmittag  wurden  auch  die  Vorposten  auf 
dem  rechten  Ufer   von   überlegenen    feindlichen  Kräften   angegriffen 


1)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  XIII,  91,  Beilage  13,  AA. 


—     433     — 

und  nach  längerem  Kampfe  bei  Pfuhl  in  den  Brüclfenkopf  von  ülm 
zurückgedrängt. 

Trotz  diesen  deutlichen  Anzeichen  steigender  Gefahr  gab  Mack 
am  14.  abend  den  im  früheren  Befehl  angezeigten  zweiten  Befehl 
aus.  Er  lautete: 

„Generalbefehl,  Ulm,  am  14.  Oktober  abend. 

„Der  Rückzug  des  Feindes  unterliegt  keinem  Zweifel  mehr. 
Der  hinausgegebene  Generalbefehl  ist  also  nach  seiner  ganzen  Aus- 
dehnung in  Vollzug  zu  setzen. 

„Das  Schwarzenbergsche  Korps  marschiert  morgen  früh  nach 
Geislingen ;  die  zwei  kleinen  Korps  vollziehen,  was  im  ersten  General- 
befehl enthalten  ist. 

„PML.  Werneck  trachtet  Streifpartien  nach  Ellwangen  aus- 
zuschicken, um  dort  reiche  Beute  zu  machen. 

„FML.  Riesch  muß  die  Bernadottsche  Armee  gemeinschaftlich 
mit  Kienmayer  auf  ihrem  Rückzug  über  Nördlingen  aufreiben. 

„Die  Bagage  und  Reserveartillerie  haben,  vrie  schon  im  vorigen 
Generalbefehl  gesagt  worden,  alsobald  nach  Ulm  zurückzukehren. 

Mack.  FML.i)." 

So  wurde  die  Gefahr  der  Einschließung  Ulms  immer  größer 
und  jeder  einsichtsvolle  General  der  Armee  mußte  erkennen,  daß  die 
hartnäckig  festgehaltene  Absicht  Macks,  bei  ülm  zu  bleiben  und  die 
Armee  zur  Verfolgung  des  Feindes  gegen  Stuttgart  anzusetzen,  die 
Einschließung  und  Gefangen n ah m"fe  der  Armee  zur  Folge  haben  mußte''^}. 

Als  daher  am  14.  abend  die  Verbindung  mit  Werneck  unter- 
brochen war  und  die  erste  Nachricht  von  der  Niederlage  des  Korps 
Riesch  bei  Elchingen  und  von  dessen  Rückzug  nach  Ulm  bei  Erz- 
herzog Ferdinand  eintraf,  begab  sich  dieser  mit  mehreren  Generalen 
zu  FML.  Mack  und  unternahm  einen  letzten  A^ersuch,  Mack  zum 
Abzüge  von  Ulm  zu  bewegen.  Er  teilte  ihm  mit,  daß  nur  mehr  der 
einzige  Weg  auf  der  Straße  gegen  Geislingen  und  Aalen  offen  sei. 
Als  Mack  bei  seiner  Weigerung  blieb,  erklärte  Erzherzog  Ferdinand, 


»)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  XIII,  91,  Beilage  13,  BB,  und  X,  233. 

"O  „Am  14.  oder  15.  gab  Maek  eine  Proklamation  an  die  Bevölkerung 
Ulms  heraus.  Sie  war  das  Unglaublichste!  Von  einem  Rückzug  der  Franzosen 
sprach  er,  obwohl  es  einem  Blinden  klar  war,  daß  die  Franzosen  die  Stadt  immer 
enger  umschlossen."  „Ulms  Schicksale  in  dem  letzten  Krieg  etc." 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  28 


—        434:        — 

daß  er  unmöglich  dem  Feiude  den  Triumph  lassen  könne,  ein  Mit- 
glied des  Kaiserhauses  in  Ulm  mit  der  Armee  zu  fangen.  Da  er 
ohnedies  bei  der  Armee  überflüssig  sei,  indem  Maek  alles  nach 
seinem  Willen  regle,  werde  er  mit  einem  Teile  der  in  Ulm  ebenfalls 
unnötigen  Kavallerie  am  14.  abend  Ulm  verlassen,  um  sich  zum 
Korps  des  FML.  Werneck  durchzusehlagen. 

Mack  suchte  den  Erzherzog  zum  Bleuten  zu  Itewegen,  beteuerte 
abermals,  daß  der  Feind  zweifellos  im  vollen  Eückzug  an  den  Rhein 
sei  und  versicherte  mündlich  und  schriftlich,  „ich  stehe  mit  meinem 
Kopfe  dafür,  daß  Eure  königliche  Hoheit  in  der  Festung  Ulm  nichts 
zu  besorgen  haben,  dagegen  stehe  ich  für  nichts,  wenn  Sie  diesen 
Ort  verlassen"^). 

Erzherzog  Ferdinand  ließ  sich  aber  von  seinem  Entschlüsse 
nicht  abbringen.  Er  sandte  sofort  zwei  Eskadronen  Klenau-Chevaux- 
legers  auf  der  Straße  nach  Geislingen  zur  Aufklärung  voraus,  und 
als  dic'se  meldeten,  daß  die  Straße  frei  vom  Feinde  sei,  brach  der 
Erzherzog,  begleitet  vom  FZM.  Kolowrat  und  FML.  Fürsten  Sehwarzen- 
berg,  mit  11  Eskadronen  um  11^  nacht  von  Ulm  nach  Geislingen  auf. 

Über  die  Situation,  die  am  14.  Oktober  abend  im  österreichi- 
schen Armeekommando  bestand,  gibt  ein  Bericht  den  besten  Auf- 
schluß, den  Erzherzog  Ferdinand  am  18.  Oktober  von  Öttingen  an 
den  Kaiser  gesandt  hat. 

Der  Bericht  beginnt: 

„Die  Lage,  in  welche  die  Armee  seit  meinem  letzten  Berichte 
geraten,  ist  ganz  so  als  ich  es  damals  wagte.  Eurer  Majestät  die 
Ursachen  meiner  bangen  Besorgungen  zu  unterlegen.  FML.  Mack, 
ungeachtet  der  einstimmigen  Gegenvorstellungen  aller  Generale,  deren 
Urteil  man  befragte,  war  von  dem  starren  Vorsatz,  sich  auf  Ulm 
selbst  noch  im  letzten  bedrängtesten  Augenblick  einzuschränken, 
nicht  abzubringen.  Die  vielen,  sehr  oft  im  Hauptplan  sich  wider- 
sprechenden Märsche,  welche  Mangel  an  Lebensmitteln  begleitete, 
setzten  die  Truppen  auf  einen  so  kraftlosen  Zustand  herab,  daß  am 
Ende  gegenwärtig  dieselbe  ganz  aufgelöst  und  vollkommen  uudienstbar 
gemacht  worden.  Dahin  bloß  durch  eigene  Anstalt  gebracht,  näherte 
sich  Bonaparte  nach  dem  Gefecht  vom  11.  dieses  wieder  dem  un- 
befestigten Ulm,  wo  diese  Eüekmärsche  von  Augsburg  an  die  Hier 
dem  FML.  Mack  unwiderleglichste,  aber  auch  auffallendste  Mut- 
maßung —  daß  Bonaparte  im  vollen  Rückzug  sei  —  hervorbrachten. 

^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  149. 


—    435    — 

„In  dieser  grundlosen  Vermutung-  behauptete  FML.  Mack  mit 
Härte  und  ausdrücklichem  Befehl  seine  den  Dienst  so  verderbliche 
Idee,  keine  Gegenvorstellung  ward  angenommen,  er  hielt  sich  an 
Ulm,  in  dem  er  von  allen  Seiten  durch  Übermacht  eingeschlossen 
und  in  die  Enge  gebracht  worden.  Aber  auch  noch  in  diesem  ver- 
derblichen Vorhaben  lag  das  allerfehlerhafteste  der  Ausführung:  die 
Kräfte  wurden  getrennt,  teilweise  unter  den  Augen  der  Festung  ge- 
schlagen und  aufgerieben.  Als  durch  derlei  außerordentliche,  jedem 
Mann  in  der  Armee  auffallende  Benehmungen,  Ulm  am  14.  nach- 
mittag von  allen  Seiten  umzingelt  wurde,  FML.  Werneck  mit  einem 
Dritteil  der  Armee  bei  Heidenheim  stand,  FML.  Riesch  mit  dem 
zweiten  Dritteil  bei  Langenau,  stellte  ich  die  Folgen  dieser  traurigen 
Lage  in  Ansehung  der  (Tefaugennehmung  meiner  Person  dem  FML. 
Mack  angelegendst  vor  und  frug  ihn  um  seinen  Rat ;  aber  auch  noch 
in  diesem  Augenblicke  zeigte  sich  bei  diesem  Manne  die  unerklär- 
barste VerStockung  aller  Begriffe,  er  behauptete  nochmals  in  Gegen- 
wart mehrerer  Herren  Generale,  daß  Bonaparte  sich  zurückziehe,  daß 
er  sieh  in  der  übelsten  Lage  befinde  und  in  Eile  den  anderen  Tag 
die  Donau  und  Hier  verlassen  werde.  Bei  dieser  Fortdauer  solcher 
Erklärungen  konnte  ich  es  nicht  mehr  wagen,  mich  der  größten 
Gefahr,  gefangen  zu  werden,  auszusetzen.  Ich  gab  daher  dem  FML. 
Mack  zu  erkennen,  daß  ich  samt  FZM.  Kolowrat  in  der  Nacht  mit 
11  EskadronenKavallerie  unter  Kommando  des  FML.  Fürsten  Schwarzen- 
berg  durchbrechen  und  in  das  Freie  zu  kommen  suchen  werde. 
Diesen  Vorsatz  führte  ich  auch  glücklich  aus  und  kam  nach  mühsam 
und  ununterbrochen  fortgesetzten  Märschen  am  16.  in  der  Nacht 
über  Geislingen  nach  Aalen.  Von  hier  aus  suchte  ich  mich  mit  FML. 
W^erneck  zu  vereinigen  und  den  ganzen  bei  Aalen  stehenden  Ar- 
tilleriepark in  Sicherheit  zu  bringen.  Aber  auch  dies  war  nicht  mehr 
möglich,  zu  erreichen " 

Im  Osten  des  Lech  hatte  FML.  Kienmayer  in  der  Nacht  vom 
11.  zum  12.  Oktober  München  vor  den  anmarschierenden  Truppen 
Bernadottes  geräumt  und  war  am  12.  bis  Ampfing  zurückgegangen, 
von  wo  er  den  Rückzug  an  den  Iini  fortsetzte. 

FML.  Werneck  erwartete  am  14.  Oktober  vergebens  die  An- 
kunft des  Korps  Riesch  sowie  weitere  Befehle.  Nur  das  Schreiben 
Macks  vom  13.,  in  dem  von  der  Wahrscheinlichkeit  des  Rückzuges 
der  Franzosen  die  Rede  war,  traf  um  die  Mittagszeit  bei  Werneck 
ein.  Von  der  durch  marschierenden  Artilleriereserve  erfuhr  Werneck, 

28* 


—     436     — 

daß  bei  Elchingen  Kanonendonner  hörbar  gewesen  war:  aber  erst 
spät  abend  erhielt  er  Kunde  von  dem  Kampf  und  der  Niederlage 
des  FML.  Eiesch.  Da  es  bereits  spät  war,  die  Nachrichten  auch 
nur  sehr  unbestimmt  lauteten,  konnte  Werneck  nach  seiner  Angabe 
dem  Korps  Eiesch,  von  dessen  Entsendung  und  Aufgabe  er  keine 
Kenntnis  hatte,  nicht  zu  Hilfe  eilen. 

So  kam  es,  daß  das  Korps  Werneck  bei  Herbrechtingen  und 
das  Korps  Schwarzenberg  in  Ulm  untätig  zusahen,  wie  das  Korps 
Eiesch  zur  Deckung  der  Flanke  einer  Armeekoloune,  die  nj^ht 
existierte,  ein  unnützes  Gefecht  lieferte  und  eine  schwere  Niederlage 
erlitt.  Das  zwecklose  Gefecht  bei  Elchingen  und  die  Niederlage  des 
Korps  Eiesch  belasten  somit  vor  allem  das  Armeekominando. 

FML.  Jellachich  trat  am  14.  schon  mit  den  Vortruppen 
Soults  —  es  war  dies  die  an  diesem  Tage  nach  Ochsenhausen  mar- 
schierende 3.  Division  des  Korps  Soult  —  in  Fühlung.  Es  gelang 
Jellachich  aber  doch,  Leutkirch  und  Wurzach  zu  erreichen.  Er  war 
also  mit  knapper  Not  dem  Schicksal  entronnen,  nach  Ulm  zurück- 
geworfen zu  werden. 

Am  14.  Oktober  wurde  auf  Befehl  Macks  auch  die  zweite 
Donau-Brücke  bei  Ulm  abgetragen  und  damit  die  Verbindung  beider 
Ufer  ganz  unterbrochen.  Nach  Angabe  eines  Bürgers  von  Ulm  in 
„Ulms  Schicksale  in  dem  letzten  Kriege;  aus  dem  Tagebuche  eines 
Augenzeugen  (eines  der  ersten  Bürger  Ulms)"  war  am  6.  Oktober 
unterhalb  der  „steinernen  Brücke",  die  über  das  Westende  der  Insel 
führte,  eine  zweite  Brücke  geschlagen  w'orden.  Diese  „steinerne  Brücke" 
scheint  nur  Steinpfeiler  besessen  zu  haben,  da  Mack  und  zwei  Tage- 
bücher^) anführen,  daß  diese  Brücke  abgebrannt  worden  ist. 

Der  Verfasser  von  „Ulms  Schicksale"  gibt  an,  daß  die 
steinerne  Brücke  schon  am  12.  Oktober  nachmittag,  die  zweite 
Brücke,  die  in  den  Brückenkopf  führte,  am  14.  Oktober  abgebrochen 
worden  ist;  daß  somit  vom  15.  Oktober  an  die  Verbindung  beider 
Ufer  unterbrochen  war.  Nach  dem  einen  der  erwähnten  Tage- 
bücher^) wurden  ))eide  Brücken  erst  in  der  Nacht  vom  15.  zum 
16.  Oktober  zerstört. 

Die  Angabe  des  Bürgers  erscheint  aus  mehreren  Gründen 
glaubwürdiger. 

1)  Eriegsarehiv.  1805,  Deutsehland  FA.  XIII,  48  u.  91  (beide  offenbar 
vom  gleichen  Autor)- 

2)  XIII,  48. 


—     437     — 

Vor  allem  endete  die  steinerne  Brücke  ungeschützt  westlich 
des  alten  Brückenkopfes  (nach  Angabe  des  Tagebuches,  XIII,  48, 
wurde  zuerst  auch  nur  der  südliche,  vom  rechten  Ufer  zur  be- 
festigten Insel  führende  Teil-  der  Brücke  zerstört).  Es  wäre  daher 
begreiflich,  daß  man  diese  Verbindung  früher  unterbrach  als  die 
geschützte  hölzerne  Brücke.  Das  Tagebuch  enthält  auch  andere  Un- 
richtigkeiten in  den  Zeitangaben  und  schließlich  muß  man  an- 
nehmen, daß  die  Zerstörung  der  alten  Stadtbrücke  und  die  gänzliche 
Unterbrechung  der  Verbindung  mit  dem  rechten  Ufer  auf  die  Ein- 
wohner der  8tadt  mehr  Eindruck  machten  und  daher  besser  festge- 
halten wurden,  als  es  bei  dem  unbekannten  Schreiber  des  Tage- 
buches, der  aber  jedenfalls  Offizier  war,  der  Fall  gewesen  sein 
dürfte.  Im  Kriegsarchiv  erliegen  noch  drei  Tagebücher  von  Offizieren, 
darunter  eines  von  einem  Hauptmann  des  Generalquartiermeister- 
stabes verfaßt.  Keines  davon  nimmt  von  der  Zerstörung  der  Brücken 
Notiz,  Beweis  dafür,  daß  die  Zerstörung  der  Brücken  und  die 
Unterbrechung  der  Verbindung  mit  dem  rechten  Donau- Ufer  auf 
die  Offiziere  der  ganz  auf  dem  nördlichen  Ufer  versammelten  Armee 
keinen  besonderen  Eindruck  gemacht  haben. 

Die  Zerstörung  der  Brücken  stand  im  Widerspruche  mit  dem 
ganzen  bisherigen  Verhalten  Macks  und  mit  seiner  so  bestimmt  ge- 
äußerten Auffassung  der  Kriegslage.  Jetzt  erst  sollten  die  so  oft 
betonte  Bedeutung  Ulms  und  die  „Beherrschung  beider  Donau-Ufer", 
derentwegen  die  Armee  an  die  Hier  vorgestürmt  war,  zum  Aus- 
druck und  zur  Verwertung  kommen.  Aber  jetzt,  wo  der  vermeint- 
liche Rückzug  des  Feindes  forderte,  sieh^  auf  beiden  Ufern  auf  seine 
Kolonnen  zu  werfen,  jetzt  werden  diese  Vorteile  durch  die  aus 
freiem    Willen   Macks   bewirkte  Zerstörung  der  Brücken  vernichtet. 

Die  Zerstörung  der  Ulmer  Brücken  war  um  so  bedeutungs- 
voller, als  der  ununterbrochene  ßegen  in  allen  Flüssen  starkes 
Hochwasser  zur  Folge  hatte.  Die  ganze  Niederung  zwischen  der 
Brücke  von  Elchingen,  die  übrigens  am  16.  Oktober  abgeschwemmt 
wurde,  und  den  Höhen  von  Elchingen  war  in  einen  reißenden 
Strom  verwandelt.  Die  nächste  sichere  Verbindung  der  französischen 
Heeresteile,  die  durch  die  Donau  getrennt  vor  Ulm  standen,  war 
die  Chaussee  Günzburg,  Gundelfingen,  Brenz,  Langenau  und 
Albeck.  Mack  hätte  daher  1805  ungewöhnlich  günstige  Verhältnisse 
zur  Ausnützung  des  Vorteiles  der  Beherrschung  beider  Donau -Ufer 
gehabt;   er  hatte,  wie  in  so  vielem,   auch   da  Glück,  das  ungenützt 


—     438     — 

blieb.  Inkonsequenz  und  Zusaramenhanglosigkeit  sind  das  charakteri- 
stische Merkmal  aller  Äußerungen  und  Handlungen  Macks. 

Mack  gibt  uns  da  ein  treffendes  Beispiel  über  die  verhängnis- 
volle Wirkung  hochtönender,  aber  leerer  Phrasen.  Die  „Beherrschung 
beider  Stromufer"  ist  auch  eine  dieser  eingebürgerten  und  beliebten 
Phrasen,  mit  deren  Anwendung  oberflächliche  Naturen  gar  keine 
bestimmte  Vorstellung  verbinden.  So  war  es  auch  bei  Mack  der 
Fall.  Er  warf  mit  dieser  Phrase  nur  herum,  ohne  sich  zu  einer  be- 
stimmten Vorstellung  zu  zwingen,  worin  eigentUch  diese  Beherrschung 
zum  Ausdrucke  kommen  sollte,  wozu  und  wie  sie  auszunützen  wäre. 

Er  unterließ  es  daher,  die  zahlreichen  Donau-  und  lUer- 
Brücken  nächst  Ulm  entweder  in  Besitz  zu  nehmen  oder  rechtzeitig 
zu  zerstören. 

Als  dann  die  Zeit  gekommen  war,  die  Beherrschung  beider 
Flußufer  auszuüben,  hielt  die  Phrase  den  auf  Mack  einstürmenden 
Eindrücken  nicht  mehr  stand  und  er  zerstörte  mit  den  Brücken, 
ohne  dazu  gezwungen  zu  sein,  seine  Freiheit,  sich  mit  ganzer  Kraft 
auf  die  getrennten  feindlichen  Gruppen  zu  werfen. 

Der  Mißbrauch  solcher  Phrasen,  über  deren  Bedeutung  in 
jedem  konkreten  Falle  man  sich  erst  klar  werden  müßte,  erzieht 
aber  nur  zu  leicht  oberflächliche  Naturen,  die  sich  dann  wieder  mit 
dem  einlachen  Gebrauch  dieser  Phrasen  zufrieden  geben. 

Solche  Phrasen  sollten  daher  beim  Studium  sorgfältig  ver- 
mieden werden. 

Franzosen. 

12.  Oktober.  Am  11.  Oktober  meldete  Murat  dem  Kaiser, 
daß  Mindelheim  und  Weißenhorn  nur  schwach  besetzt  seien;  der 
Feind  scheine  seine  Kräfte  hinter  der  liier  und  bei  Ulm  zu  haben. 
Am  12.  abend  werde  er  (Murat)  alle  Truppen  im  Eaume  Weißen- 
horn— Fahlheim  vereinigt  haben  und  am  13.  früh  an  die  Hier 
marschieren,  den  Feind  hinter  die  Hier  werfen  und  dann  den  Über- 
gang über  den  Fluß  erzwingen.  Nach  allen  Meldungen  habe  der 
Feind  9  Kavallerie-  und  15  Infanterieregimenter,  was  ungefähr 
35.000  Mann  ausmache^). 

Napoleon,  der  diese  Meldung  am  12.  früh  erhalten  haben  muß, 
schloß  aus  ihr  und  aus  der  Meldung  Soults  über  den  Marsch  öster- 

0  Murat  bestätigt  in  einer  Meldung  vom  12.  früh:  „Nach  allen  Meldungen 
scheint  der  Feind  hinter  der  Hier  und  bei  Ulm  vereinigt  zu  sein." 


—     439     — 

reichischer  Truppen  und  Trains  über  Landsberg  nach  Memmingen, 
daß  die  Österreicher  nicht  an  den  Eückzug  dächten  und  daß  sie  in 
diesem  Falle  das  einzig  folgerichtige  täten:  daß  sie,  zu  einer  Schlacht 
entschlossen,  den  Angriff  der  Franzosen  hinter  der. Hier,  mit  dein 
linken  Flügel  bei  Ulm  an  die  Donau  gelehnt,  erwarten  würden. 

Wer  sich  nur  halbwegs  in  die  Situation  dieser  Tage  vertieft, 
wird  erkennen,  daß  diese  Folgerung  Napoli'ons  ganz  natürlich  war, 
ja  daß  er,  ohne  willkürliche  Annahmen  zu  machen,  nicht  anders 
schließen  konnte. 

Napoleon  hatte  bisher  dem  österreichischen  Armeefühi'er  da.s 
Vernünftigste  zugemutet:  er  glaubte,  daß  dieser  seine  Armee  der 
Umgehung,  die  von  der  übermächtigen  französischen  Armee  drohte, 
durch  den  Eückzug  über  Augsburg  oder  Landsberg,  oder  diu'ch  den 
Eückzug  nach  Tirol  entziehen  werde.  Den  Eückzug  nördlich  der 
Donau  hielt  er  vom  9.  Oktober  an  für  ein  wahnwitziges  Unter- 
nehmen. Am  8.  und  9.  Oktober  ließen  tatsächlich  alle  Anzeichen  auf 
die  Absicht  der  Österreicher  schließen,  über  den  Lech  zurückzugehen 
und  wie  uns  bekannt  ist,  hat  diese  Al)sicht  auch  wirklich  bestanden. 
Die  Gefechte  von  (iünzburg  und  Haslach  hatten  nicht  die  ge- 
wünschte Klarheit  gebracht.  Napoleon  mußte  daher  immer  noch  mit 
der  Absicht  Macks  rechnen,  gegen  Osten  abzurücken.  Da  brachten 
die  Meldungen  Soults  und  Murats  Lieht  in  die  unklare  Situation. 
Über  Landsberg  marschierten  österreichische  Truppen  und  Trains 
an  die  Hier.  Wollte  man  das  österreichische  Armeekommaudo  nicht 
als  völlig  kopflos  aimehmen,  dann  war  das  der  klare  Beweis  dafür, 
daß  die  (Österreicher  nicht  an  den  Eückzug  dachten.  Weil  nun  Ulm 
unzweifelhaft  stark  besetzt  war  und  weil  die  französischen  Truppen 
beiderseits  der  Donau  schon  ziemlich  nahe  vor  Ulm  standen,  mußte 
die  österreichische  Armee,  w^ollte  sie  Ulm  als  Flügelabschluß  aus- 
nützen, hinter,  d.  h.  westlich  der  Hier  stehen.  Da  die  Österreicher 
Ulm  und  Memmingen  befestigt  und  Verstärkungen  aus  Tirol  und. 
wie  die  Meldung  Soults  zeigte,  auch  über  Landsberg  herangezogen 
hatten,  so  war  nichts  natürlicher,  als  daß  der  Feind,  gestützt  auf 
Ulm  und  Memmingen,  die  Schlacht  auf  den  Höhen  westlich  der 
Hier  erwarte.  Diese  falsche  Annahme  wurde  nun  durch  alle  Mel- 
dungen Murats,  Lannes  und  Neys  bestätigt.  Napoleon  hatte  noch 
gar  keinen  Anlaß,  dem  FML.  Mack  dip  wahnwitzige  Idee  zuzu- 
schreiben, seine  Armee,  die  Napoleon  noch  immer  auf  40.000  bis 
60.000  Mann  einschätzte,  in  der  .Mäusefalle  Ulm  zusammenzudrängen. 


—     440     — 

Wäre  die  französische  Kavallerie  in  dem  Maße  zur  Aufklärung 
tauglich  gewesen  und  verwendet  worden,  wie  man  es  sich  gewöhn- 
lich von  der  Kavallerie  Napoleons  vorstellt,  dann  hätten  wohl  einige 
Regimenter  genügt,  schon  am  11.  oder  12.  festzustellen,  daß  hinter 
der  Hier  nichts  vom  Feinde  stand.  Die  vorwiegende  Ausnützung  der 
Kavallerie  als  Kampfwaflfe  hat  es.  wie  schon  einmal  dargelegt,  ver- 
schuldet, daß  die  Kavallerie  wenig  zur  Aufklärung  verwendet  worden 
ist.  Weil  auch  heute  noch  nicht  überall  der  Wert  der  Kavallerie 
für  die  Aufklärung  richtig  gewürdigt  wird  und  da  sogar  die  aus 
den  letzten  Kriegen  unrichtig  abgeleiteten  Folgerungen  laut  wurden, 
die  Kavallerie  habe  sich  überlebt,  sei  hervorgehoben  :  Die  wichtigste 
Aufgabe  der  Kavallerie  war  schon  zur  Zeit  Napoleons  die  Auf- 
klärung; die  wichtigste,  ja  einzige  Aufgabe  der  Kavallerie  ist 
und  wird  immer  die  Aufklärung  sein.  Der  Kampf  ist  nur  Mittel  zur 
Erfüllung  dieser  Aufgabe.  Den  Kampf  konnten  und  können  immer 
noch  Infanterie  und  Artillerie  allein  tragen.  Die  Infanterie  kann 
wohl  auch-  zur  Not  aufklären,  aber  aufklären  im  großen  kann  nur 
die  Kavallerie  allein.  Sie  kann  es  absolut  —  daran  ändert  kein  Fort- 
schritt in  der  Bewaffnung  etwas.  Allerdings  wird  die  Sache  immer 
schwieriger,  es  gehört  immer  mehr  klarer  Soldatenverstand  dazu,  die 
im  Aufklärungsdienste  verwendeten  Kavallerieabteilungen  so  zu  führen, 
daß  sie  positiven  Erfolg  haben  und  nicht  unnütz  am  Infanteriefeuer 
zerschellen.  Mit  dem  Reiten  allein  geht  es  nicht  mehr.  Überall  wo  die 
Kavallerie  im  Aufklärungsdienste  versagt  hat.  liegt  die  lJr.sache  nicht 
an  der  Kavallerie  als  Waffengattung,  sondern  an  den  handelnden 
Personen :  An  der  schlechten  Ausbildung  der  Kavallerie  zur  Auf- 
klärung und  an  der  Unfähigkeit  ihrer  Führer.  Der  Kavallerieoffizier 
muß  heute  nicht  nur  ein  vorzüglicher,  verständnisvoller  Terrainreiter 
sein,  sondern  auch  ein  hochgebildeter,  mit  der  Eigenart  aller  Waffen, 
mit  der  eigenen  Organisation  und  mit  der  des  Feindes,  mit  den 
eigenen  und  fremden  Marsch-,  Nächtigungs-  und  Kampfgewohn- 
heiten vertrauter  Offizier  sein;  er  muß  selbst  über  das  Wesen  der 
Bewegung  großer  Armeen  orientiert  sein ;  er  muß  fähig  sein,  die 
Wichtigkeit  von  Kommunikationen,  Örtlichkeiten  und  Hindernissen 
für  seinen  Heereskörper,  ja  selbst  für  die  ganze  Armee  annähernd 
richtig  zu  beurteilen.  Nur  wenn  der  Kavallerieoffizier  mit  diesem 
Wissen  und  mit  diesen  Fähigkeiten  Entschlossenheit,  physische  Aus- 
dauer und  unermüdliche  Hartnäckigkeit  verbindet,  die  immer 
einen  neuen  Weg  versucht,  wenn  der  erste  verschlossen  ist  —  nur 


—     441     — 

dann  wird  er  fähig  sein,  die  Kavallerie  vor  allem  zur  Aufklärung- 
gut  auszubilden  und  vor  dem  Feinde  zur  Aufklärung  gut  zu  führen 
—  nur  dann  v^^ird  die  Kavallerie  im  stände  sein,  das  Auge  der 
höheren  Führer,  ja  selbst  des  Armeekoramandanten  zu  vertreten. 
Die  Fähigkeit  einer  von  solchen  Offizieren  geführten  Kavallerie  zur 
Aufklärung  ist  absolut  und  kann  durch  gar  keine  Errungenschaften 
der  Waffentechnik  aufgehoben  und  durch  gar  keine  anderen  Mittel, 
wie  Kundschafter,  Automobil  oder  Luftschiff,  ersetzt  werden. 

Allerdings  darf  die  Führung  von  der  Kavallerie  nichts  Unmög- 
liches erwarten  und  verlangen;  man  darf  nicht  verlangen  —  wie 
man  es  in  Befehlen  so  oft  hört  —  daß  die  Kavallerie  die  Absicht 
des  Feindes  melden  solle. 

Eine  solche  Kavallerie  wird  es  bei  guter  Verwendung  fast  nie 
nötig  haben,  sich  in  aussichtslosem  Kampfe  für  höhere  Zwecke  auf- 
zuopfern, außer  zur  Eettung  zurückgehender  Infanterie  und  Artillerie. 

Wäre  die  deutsche  Kavallerie  1870  vor  den  Schlachten  bei 
Metz  in  gleicher  oder  nur  ähnlicher  Weise  wie  nach  Gravelotte  zur 
Aufklärung  verwendet  worden,  dann  wäre  es  bei  Yionville  nicht 
nötig  gewesen,  die  Brigade  Bredow  in  ihrem  Todesritte  zu  opfern, 
weil  genug  Infanterie  zur  Stelle  gewesen  wäre;  dann  wäre 
aber  auch  der  tapferen  deutschen  Infanterie  manches  blutige  Opfer 
erspart  worden.  Der  tatsächliche  Erfolg  dieses  Rittes  war  doch  nur 
ein  Zufall  und  nicht  eine  absolute  Folge  des  moralischen  Eindruckes 
attackierender  Kavallerie.  Der  Erfolg  läßt  sich  nur  für  das  eine  Bei- 
spiel aufstellen,  wo  die  brave  deutsche  Kavallerie  auf  die  Franzosen 
vom  16.  August  1870  aufgetioffen  ist.  Nur  durch  die  tiefe  Demorali- 
sation und  Erschütterung  der  damaligen  französischen  Armee  wird 
es  begreiflich,  daß  dieser  Effekt  erzielt  wurde.  Zwei,  drei  tüchtige 
Unterkommandanten  auf  dem  rechten  Fleck  und  der  Erfolg  wäre 
unter  sonst  gleichen  Umständen  Null  gewesen.  Der  Erfolg  einer 
Attacke  gegen  Infanterie  hängt  gar  nicht  von  der  Tüchtigkeit  und  dem 
Todesmute  der  attackierenden  Kavallerie  ab;  seine  Ursachen  liegen 
ganz  allein  in  der  moralischen  Verfassung  der  attackierten  Infanterie. 
So  hatte  die  mit  ebensoviel  Schneid  und  Begeisterung  gerittene 
Attacke  der  Brigade  Michel  bei  Wörth  den  gleichen  materiellen  Er- 
folg wie  die  der  Brigade  Bredow  —  beide  Brigaden  waren  nahezu 
vernichtet  —  aber  der  moralische  Eindruck  und  damit  die  Wirkung 
auf  don  Vcrlaut  der  Schlacht  ist  bei  der  Brigad(^  Michel  dank  der 
Tüchtigkeit   einiger  deutscher  Bataillonskommandanten  ausgeblieben. 


—     442     — 

Das  Einsetzen  der  Kavallerie  als  geschlossene  Kampfkörper  in 
der  Schlacht  ist  meist  ein  Zeichen  dafür,  daß  sie  vorher  ihrer  Auf- 
Idärungsaufgabe  nicht  gerecht  wurde,  aus  Schuld  des  Führers  oder 
aus  eigener  Schuld. 

Die  mangelhafte  Verwendung  der  preußischen  Kavallerie  1866 
und  der  deutschen  Kavallerie  1870  zur  Aufklärung  war  durch  das 
Zurückhalten  der  großen  Kavalleriekörper  für  die  Verwendung  in 
der  Schlacht  verursacht. 

Am  13.  August  1870  sandte  Prinz  Friedrich  Karl  nur  die 
5.  Kavalleriedivision  zur  Aufklärung  über  die  Mosel,  und  diese  nur 
mit  dem  von  ihm  selbst  als  schwächlich  erkannten  Befehl,  „auf 
Thiaucourt  vorzugehen  und  Spitzen  in  nördlicher  Richtung  vorzu- 
treiben, welche  die  Straße  Metz — Verdun  beobachten  können". 

Prinz  Friedrich  Karl,  der  eine  große  Schlacht  östlich  der  Mosel 
erwartete,  hatte  es  am  13.  August,  nach  Angabe  seines  Tagebuches, 
unterlassen,  auch  die  6.  Kavalleriedivision  zur  Aufklärung  über  die 
Mosel  zu  senden,  um  „mehr  Kavallerie  zur  Schlacht  bei  Metz  zur 
Hand  zu  haben."  ') 

Dieser  Auffassung  über  die  Kavallerieverwendung  war  es  zu- 
zuschreiben, daß  drei  Kavalleriedivisionen  der  2.  Armee  —  6.,  Garde 
und  12.  —  an  den  Infanteriekolonnen  klebten  und  nur  eine  zaghaft 
über  die  Mosel  vorgritf. 

Die  Folgen  waren  die  Unsicherheit  der  deutschen  Führung 
am  15.  und  16.  August,  die  schweren  Blutopfer  der  deutschen  In- 
fanterie bei  Vionville  und  die  Nötigung  zum  Einsetzen  der  Kavallerie 
in  den  [nfanteriekampf. 

Wären  mindestens  drei  dieser  Kavalleriedivisionen  zur  energischen 
Aufklärung  über  die  Mosel  vorgesendet  worden,  dann  wären  am 
16.  August  genug  Infanteriedivisionen  zm'  Stelle  gewesen,  um  die 
Franzosen  schon  an  diesem  Tage  mit  Sicherheit  nach  Metz  zurück- 
zuwerfen. 

Die  grundsätzliche  Verwendung  der  russischen  Kavallerie  im 
Kriege  1877/78  zum  Vorpostendienste  und  die  brigadeweise  Ver- 
wendung der  Kasakon  zum  Feuergefeeht  als  berittene  Infanterie 
haben  dieselben  Folgen  gezeitigt  wie  die  Verwendung  der  napoleoni- 
schen Kavallerie  als  Schlachtenwatfe :  es  wurde  nicht  oder  schlecht 
aufgeklärt.    Der  Schaden   war   für   die  russische  Armee  weit  größer 

^)  „Prinz  Friedrich  Karl  von  Preußen,  Denkwürdigkeiten  aus  seinem 
Leben",  II,  S.  163. 


—     443     — 

als  der  Gewinn,  den  die  so  verwendete  Kavallerie  brachte.  Weil  die 
Eiissen  im  allgemeinen  aus  dem  russisch-türkischen  Kriege  nichts 
gelernt  haben,  kann  auch  das  Versagen  ihrer  Kavallerie  in  Ostasien 
nicht  zur  Abgabe  des  Urteils  berechtigen,  die  Kavallerie  habe  über- 
haupt abgewirtschaftet. 


Napoleon  zog  sofort  die  Konsequenzen  aus  der  Auffassung,  daß 
die  Österreicher  an  der  Hier  stünden.  Er  faßte  den  Entschluß,  die 
Österreicher  mit  allen  Kräften,  die  am  Lech  und  westlieh  davon 
standen,  anzugreifen,  die  Abwehr  der  doch  noch  weit  entfernten 
Russen  aber  den  Korps  Bernadotte  und  Davout  zu  überlassen. 

Infolgedessen  erging  eine  Eeihe  von  Befehlen. 

An  Murat,  12.  Oktober,  9^^  vormittag: 

„Marschall  Soult  marschiert  heute  auf  Memmingen,  wo  er  erst 
morgen  spät  abend  ankommen  kann. 

„Mein  Wille  ist,  daß,  wenn  der  Feind  fortfährt,  in  seinen 
Stellungen  zu  bleiben,  und  sich  bereit  macht,  die  Schlacht  anzu- 
nehmen, sie  nicht  morgen  stattfinde,  sondern  erst  übermorgen,  damit 
der  Marschall  Soult  und  seine  30.000  Mann  daran  teilnehmen  und 
damit  er  die  rechte  Planke  des  Feindes  überflügle,  ihn  angreife. 
indem  er  ihn  umgeht,  ein  Manöver,  das  uns  einen  gewissen  und 
entscheidenden  Erfolg  sichert. 

„Inzwischen  lassen  Sie  eine  Brücke  über  die  Donau  nahe  ihrer 
Linie  schlagen  gegenüber  Albeck  zur  Verbindung  mit  Dupont  und 
damit  ich,  wenn  der  Feiird  dort  lebhaft  angreift  od-er  sich  aufs  linke 
Ufer  zurückzieht,  am  selben  Tage  übergehen  könne." 

Weiter  befahl  Napoleon,  die  Waffen  und  Munition  zu  visitieren, 
alles  heranzuziehen,  was  beim  Train  detachiert  ist;  die  Trains  hinter 
Burgau  zu  senden,  wo  sie  abseits  der  freizuhaltenden  Straßen  pai- 
kieren  sollen ;  die  Orte  für  die  großen  Ambulanzen  (Peldspitäler) 
festzustellen  und  die  Ärzte  dahin  zu  senden,  und  für  Brot.  Wein 
und  Betten  für  die  Verwundeten  zu  sorgen. 

„Ich  spreche  nicht",  heißt  es  dann  weiter,  „von  den  Ambulanzen 
der  Truppen,  die  ihnen  auf  höchstens  400  Toisen  folgen^).  Das  wird 
kein  Scharmützel,  das  wird  auch  kein  Angriff  auf  eine  Kolonne  sein, 
während  sie  marschiert:  das  wird  ein  Angriff  sein  gegen  eine  Armee, 


*)  Toise,  alte  französische  Klafter,  gleich  l'öö  m. 


—     444     — 

die  vielleicht  viel  zahlreicher  ist  als  Sie  glauben  und  von  dessen 
Gelingen  die  größten  Erfolge  abhängen.  Ich  werde  persönlich  dabei 
sein.  Lassen  Sie  mein  Hauptquartier  errichten,  wo  Sie  es  am  besten 
halten.  Ich  reise  sofort  ab,  wenn  ich  die  Befehle  für  meinen  rechten 
Flügel  gegeben  haben  werde.  Ich  werde  morgen  früh  im  Haupt- 
quartier sein,  das  Sie  mir  bestimmt  haben')." 

An  Marschall  Soult: 

„Der  Feind  steht  an  der  Hier,  links  gestützt  auf  Ulm,  rechts 
auf  Memmingen.  Prinz  Murat  steht  gegenüber  mit  dem  linken  Flügel 
bei  Weißenhorn,  mit  dem  rechten  bei  Albeck.  In  dieser  Lage  ist  der 
Wille  des  Kaisers,  daß  Sie  mit  Gewaltmärschen  nach  Memmingen 
marschieren.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  Sie  morgen  Memmingen 
ohne  besonderen  Widerstand  nehmen.  In  diesem  Falle  besetzen  Sie 
sofort  Memmingen  und  senden  einen  Posten  naoJi  Pleß,  wo  sich  die 
Straßen  von  Ulm  und  Weißenhorn  nach  Memmingen  vereinigen. 
Wenn  der  Feind  die  Stellung  hinter  der  Hier  absolut  halten  wollte, 
ist  der  Wille  des  Kaisers,  ihm  am  14.  Oktober  die  Schlacht  zu 
liefern." 

An  Marmont,  12.  Oktober,  ll""  vormittag: 

Sofort  nach  Empfang  des  Befehles  mit  seinen  zwei  französi- 
schen Divisionen  über  Steppbach,  Gessertshausen,  Ustersbach,  Ziemets- 
hausen  nach  Thannhausen  zu  marschieren.  Am  13.  Marsch  nach 
Illertissen  mit  dem  Hauptziel,  sich  mit  dem  ganzen  Korps  rechts  (?) 
von  Weißenhorn  zu  befinden,  bereit  für  die  am  14.  bevorstehende 
Schlacht. 

An  die  Garde  und  an  die  Kürassierdivision  Nansouty: 

Nach  Burgau  zu  marschieren. 

Um  Mittag  erhielt  Berthier  Befehl,  Augsburg  durch  die  bata- 
vische  Division  (General  Duraonceau)  des  2.  Korps  besetzen  zu  lassen. 
General  Eivaud  habe  am  13.  mit  dem  54.  Infanterieregiment  von 
Ingolstadt  nach  Eain  zu  rücken,  um  bereit  zu  sein,  die  Lech-Brticke 
nach  beiden  Seiten  zu  verteidigen. 

„Obwohl  ich  nicht  glaube,"  schließt  Napoleon,  „daß  Rivaud 
angegriffen  werden  könnte,  sondern  daß  alles  das  nur  Vorsichtsmaß- 

^)  Nach  einer  Zusammenstellung  der  Stärke  der  österreiehisehen  Armee 
nach  dem  10.  Oktober  wurde  sie  im  kaiserlichen  Hauptquartier  auf  25  Regimenter 
a  2800  Mann  und  auf  15  Kavallerieregimenter  ä  800— 1000  Mann  geschätzt;  das 
ergab  somit  eine  Stärke  von  rund  85.000  Mann. 


—     445     — 

regeln  sind,  werden  diese  Dispositionen  gegen  Teile  des  Feindes,  die 
vielleicht  unserer  Verfolgung  könnten  entschlüpfen  wollen,  am  Platze 
sein." 

Nach  Absendung  dieser  Befehle  scheint  der  Kaiser  wieder  aus- 
giebig über  den  Karten  gebrütet  zu  haben,  denn  erst  nach  9^  abend 
ergehen  die  Befehle  an  Davout  und  Bernadotte. 

Der  Befehl  an  Davout  weist  diesen  an,  wenn  nötig  Bernadotte 
zu  unterstützen;  der  Kaiser  würde  aber  wünschen,  daß  Davout  bei 
Dachau  1  »leiben  könnte.  Wenn  Davout  sicher  sei,  daß  Bernadotte  am 
13.,  14.  und  15.  Oktober  die  Unterstützung  seines  ganzen  Korps 
nicht  benötigen  werde,  dann  solle  er  je  eine  Division  gegen  Lands- 
berg und  Augsburg  so  verschieben,  daß  sie  in  einem  Marsche  diese 
Orte  erreichen  könnten.  Die  3.  Division  bliebe  bei  Dachau.  Das  habe 
den  Zweck,  daß  Davout  rasch  die  Lech-Übergänge  besetzen  könne, 
wenn  es  dem  Feinde  gelänge,  das  Korps  Soult  oder  das  Korps  Mar- 
mont  zu  überrennen  und  daß  Davout  Zeit  gewinne,  den  Best  des  Korps 
heranzuziehen  und  auch,  wenn  nötig,  Bernadotte  zu  unterstützen. 

Der  Befehl  lautet  dann  weiter: 

-Am  13.  Oktober  werden  alle  Vorbereitungen  beendet  sein, 
am  14.,  dem  Schlachttage,  wird  der  Feind  vernichtet,  denn  er  ist 
von  allen  Seiten  eingeschlossen.  Der  Kaiser  glaubt  nicht,  daß  der 
Feind  mehr  als  80.000 — 90.000  Mann  habe,  aber  er  greift  ihn  mit 
mehr  als  100.000  Mann  an. 

„Nach  Beendigung  dieser  Affäre  wird  Seine  Majestät  zurück- 
kehren, um  sofort  den  Inn  zu  überschreiten,  dann  werden  Marschall 
Bernadotte  und  Sie  zwei  große  tätige  Korps  sein  und  die  anderen 
Ihre  Helfer  .  .  . 

.,Nach  allen  Nachrichten,  die  wir  haben,  können  die  Russen 
nicht  vor  dem  18.  oder  19.  Oktober  vor  München  kampfbereit  sein 
und  das  Korps  des  Marschalls  Bernadotte,  vereinigt  mit  dem  Ihrigen, 
stellt  ein  viel  stärkeres  Korps  dar  als  das  des  Feindes  zu  dieser 
Zeit,  und  es  ist  wahrscheinlich,  daß  sich  der  Kaiser  mit  40.000 
Mann  im  Laufe  des  17.  Oktober  mit  Ihnen  vereinigt  und  Sie  ver- 
stärkt .  .  . 

„Wenn  der  Marschall  Bernadotte  und  Sie  vom  Korps  Kien- 
niayer  geschlagen  würden,  müßten  Sie  den  Lech  verteidigen,  um 
dem  Kaiser  Zeit  zu  verschaffen,  seine  Anstalten  zu  treffen.  In  der 
anderen  Voraussetzung,  wenn  einer  der  Flügel  der  an  die  Hier  mar- 
schierenden Armee  geschlagen  würde,  müßten  Sie  auch  an  den  Lech 


—     440     — 

marschieren,  um  ihn  von  der  anderen  Seite  zu  verteidigen  und  ebenso 
dem  Kaiser  Zeit  zu  verschafien,  seine  Verfügungen  zu  treffen:  aber 
schließlich  muß  ich  Ihnen  sagen,  daß  das  Gros  der  Armee,  die  an 
der  Hier  sein  wird,  erst  im  Laufe  des  14.  Oktober  geschlagen  sein 
könnte;  Sie  könnten  daher  erst  im  Laufe  des  15.  und  16.  Oktober 
am  Lech  nötig  sein ;  so  könnten  Sie,  in  dem  Falle,  wenn  morgen 
der  Marschall  Bernadotte  Ihre  Hilfe  brauchte,  um  den  Feind  anzu- 
greifen, der  hinter  der  Leiznach  ist,  mit  dem  größten  Teil  Ihrer 
Kraft  am  13.  und  14.  marschieren  und  am  15.  zurückkehren,  um 
bereit  zu  sein,  die  xinordnungen  durchzuführen,  von  denen  ich  eben 
gesprochen  habe. 

„Sie  fühlen  wohl,  daß  es  nötig  ist,  den  Feind  auf  mehr  als  einen 
Marsch  von  München  zu  vertreiben,  und  wenn  das  im  Laufe  des  13. 
und  14.  geschähe,  hätten  Sie  danach  den  15.  und  16.  Euhe,  denn  es 
ist  wahrscheinlich,  daß  Sie  am  17.  Oktober  an  den  Inn  marschieren 
werden ;  Sie  werden  für  diese  Operation  neue  Befehle  erhalten. 

„Der  Kaiser  hat  es  für  gut  gehalten,  daß  ich  Ihnen 
den  allgemeinen  Plan  seiner  Absichten  vor  Augen  führe, 
damit  Sie  unter  allen  Umständen  im  Sinne  dieses  Planes 
handeln  können." 

Man  sieht,  wie  Napoleon  seine  Befehlgebung  den  Verhältnissen 
anpaßt.  Den  Marschällen,  die  weit  von  ihm  unter  Verhältnissen  ope- 
rieren müssen,  die  er  nicht  rechtzeitig  zu  übersehen  vermag,  gibt 
er  seinen  Plan  bekannt  mit  ihren  möglichen  Hauptaufgaben  und 
überläßt  es  ihnen,  im  Sinne  dieses  Planes  zu  handeln,  ganz  so  wie 
wir  es  auch  heute  verlangen. 

An  Bernadotte  ergeht  eine  Abschrift  dieses  Befehles  mit  fol- 
gender Ergänzung : 

„Wille  des  Kaisers  ist,  daß  Sie  den  Feind  auf  einen  starken 
Marsch  von  München  vertreiben ;  danach  werden  Sie  sich  ausruhen 
und  Ihre  Artillerie  und  Munition  in  stand  setzen. 

„Sie  können,  im  Falle  Sie  den  Feind  angreifen,  um  ihn  auf 
einen  Tagmarsch  von  München  zurückzuwerfen,  über  den  Marschall 
Davout  disponieren,  ohne  sich  vom  Plane  des  Kaisers  zu  entfernen. 

„Ich  kann  Ihnen  nicht  genug  anempfehlen,  das  vor  Ihnen  be- 
findliche feindliche  Korps  gut  zu  überwachen,  da  es  die  Absicht 
haben  könnte,  dieselbe  Direktion  zu  nehmen,  die  das  Regiment  Fer- 
dinand-Kürassiere und  die  Nassau-Husaren  genommen  haben,  um 
auf   den   noch   offenen    Straßen   nach   Ulm   zu  marschieren.     Es  ist 


—     447     — 

wahr,  man  macht  nicht  ähnliche  Operationen  mit  so  entmutigten 
Truppen  wie  es  die  feindliehen  sind;  vielmehr  ist  vorauszusehen, 
daß  das  Korps  Kienmayer  die  Absicht  habe,  sich  mit  den  Russen 
zu  vereinigen,  um  den  Inn  zu  verteidigen  und  Wien  zu  schützen  .  .  . 

„Der  Feind  hat  starke  Kräfte  bei  Ulm,  und  wenn  er  abzieht. 
muß  mehr  als  die  Hälfte  davon  in  unsere  Gewalt  fallen. 

„Ich  habe  befohlen,  daß  der  Brüekentrain  am  14.  abend  in 
München  sei,  weil  es  besonders  wichtig  ist,  den  Inn  zu  übersetzen 
und  Herr  von  Passau  zu  sein,  was  uns  blutige  Kämpfe  ersparen 
wird,  die  nötig  wären,  wenn  der  Feind  einmal  hinter  diesem  Fluß 
in  guter  Stellung  ist. 

„In  dem  Falle,  als  die  feindliehe  Armee  an  der  Hier  entwischt 
wäre,  hätte  sie  den  Weg  nehmen  können,  sei  es  über  Füssen,  sei 
es  über  fSchongau,  die  einzigen  Punkte,  wo  sie  den  Lech  übersetzen 
könnte,  und  von  da  nach  Tölz,  um  die  Isar  zu  übersetzen,  dann  über 
Holzkirchen  und  längs  der  Mangfall  und  über  den  Inn  bei  Eosenheim. 

„Der  Kaiser  Ijefiehlt,  daß  Sie  sogleich  ein  bayrisches  Kavallerie- 
regiment, 2  Infanterieregimenter  und  6  Kanonen  unter  einem  guten 
General  absenden,   um   sich  der  Brücke   bei  Tölz  zu  bemächtigen." 

Dieser  Befehl  zeigt,  wie  Napoleon  seine  Marschälle  auf  die 
wichtigsten  Möglichkeiten  aufmerksam  macht  und,  wenn  nötig,  auch 
Vorsichtsmaßregeln  für  sie  trifft.  Der  Befehl  für  den  Brücken- 
train läßt  das  weite  Vordenken  Nanoleons  in  materieller  Beziehunff 
erkennen.  Selbst  noch  im  Vormarsch  auf  Ulm  begriffen,  trifft  er 
schon  die  Maßregel  für  die  Forcierung  des  Inn,  mit  der  er  bei 
raschem  Szenenwechsel  leicht  zu  spät  kommen  könnte. 

Um  10^  30^  nacht  verließ  der  Kaiser  bei  strömendem,  mit 
Schnee  vermischtem  Eegen  Augsburg  und  fuhr  nach  Burgau.  Der 
Troß  des  Hauptquartiers  blieb  in  Augsburg  zurück'). 


^)  Am  12.  abend  oder  am  13.  früh  muß  Napoleon  auch  den  Armeebefehl 
vom  13.  Oktober  unterschrieben  haben,  der  in  der  (Augsburger)  „Allgemeinen 
Zeitung"  veröffentlicht  wurde.  Er  lautet: 

„Die  feindliehe  Armee,  betrogen  durch  unsere  Manöver  und  durch  ,die 
Schnelligkeit  unserer  Bewegungen,  ist  völlig  umgangen;  sie  sehlägt  sieh  nur 
noch  zu  ihrer  Rettung.  Sie  würde  gerne  entwischen  und  in  ihre  Heimat  zurück- 
kehren; es  ist  dazu  zu  spät!  Die  kostspieligen  Versehanzungen  an  der  Hier,  da 
sie  uns  aus  dem  Sehwarzwald  erwartete,  wurden  ihr  unnütz,  denn  wir  kommen 
durch  die  Ebenen  Bayerns. 

„Soldaten!  Ohne  diese  Armee,  die  vor  euch  steht,  wären  wir  heute  in 
London ;  wir  hätten  sechs  sehimpfvolle  Jahrhunderte  gerächt  und  den  Meeren  die 


—     448     — 

Auch  an  diesem  Tag  ergaben  sich  vor  Ulm  manche  Ab- 
weichungen von  den  kaiserhehen  Befehlen. 

General  Dupont  hatte,  wie  früher  schon  erwähnt,  am  11.  um 
\)^  abend  in  Albeck  den  Befehl  erhalten,  mit  seiner  Division  und 
mit  den  Dragonern  zu  Fuß  auf  das  rechte  Donau-Ufer  abzumar- 
schieren. Als  er  am  12.  Oktober  früh  morgens  auf  dem  Marsche  nach 
Günzburg  war,  erhielt  er  Gegenbefehl  von  Ney,  er  solle  auf  dem 
linken  Donau-Ufer  bleiben  und  eine  ihm  passende  Aufstellung 
nehmen.  Dieser  Gegenbefehl  war  von  Murat  veranlaßt  worden.  Als 
am  11.  nachmittag  andauerndes  Geschützfeuer  aus  der  Richtung  von 
Albeck  nach  Günzburg  herübertönte,  hatte  Murat  doch  Bedenken, 
das  linko  Donau-Ufer  entgegen  dem  Befehle  des  Kaisers  ganz  zu 
entblößen.  Er  beauftragte  daher  Ney,  die  Division  Dupont  dort  zu 
belassen.  Anstatt  Dupont  aber  an  Albeck  zu  binden,  stellte  Ney  ihm 
frei,  sich  eine  passende  Stellung  zu  wählen^).  Dupont  ging  hierauf 
hinter  die  Brenz  zurück,  womit  er  die  Straße  nach  Aalen  für  den 
Abzug  Wernecks  freigab. 

Das  Korps  Ney  verschob  sich  nur  wenig  gegen  Ulm;  die 
3.  Division  marschierte  nach  Ober-Fahlheim  und  besetzte  nach  A'er- 
treibung  einer  kleinen  österreichischen  Brückenwache  die  Brücke  von 

Freiheit  wieder  geschenkt.  Englands  Bundesgenossen  sind  es,  gegen  die  ihr  euch 
morgen  sehlagen  werdet:  Wortbriiehigkeit  habt  ihr  zu  rächen! 

„Soldaten !  Der  morgige  Tag  wird  hundertmal  berühmter  sein  als  der  von 
MarAigo,  die  entfernteste  Nachkommenschaft  wird  aufzeichnen,  was  jeder  von 
Buch  an  diesem  denkwürdigen  Tage  tut. 

„Eure  Enkel  werden  noch  nach  Jahrhunderten  genau  wissen,  was  eure 
Korps  morgen  getan  haben;  ihr  werdet  die  Bewunderung  der  künftigen  Gene- 
rationen sein. 

„Soldaten!  Wollte  ich  den  Feind  nur  besiegen,  so  hielte  ich  es  für  un- 
nötig, euren  Mut  und  eure  Liebe  zum  Vaterland  und  zu  mir  anzurufen.  Aber 
ihn  nur  besiegen,  genügt  nicht  eurer  und  eures  Kaisers  Würde:  Nicht  ein  Mann 
der  feindliehen  Armee  darf  entkommen;  ihre  treulose  Regierung  erfahre  ihre 
Katastrophe  nur  durch  eure  Ankunft  unter  den  Mauern  Wiens  und  ihr  Gewissen 
sage  ihr  bei  dieser  traurigen  Nachricht,  daß  sie  die  Eidschwüre  des  Friedens  und 
die  Gelegenheit,  Europas   Bollwerk  gegen   die  Kasaken  zu  sein,   verraten  habe." 

Dieser  Befehl  beweist  klar  und  überzeugend,  daß  Napoleon  noch  um  diese 
Zeit  die  österreichische  Armee  an  der  Hier  zwischen  Memmingen  und  Ulm 
wähnte,  daß  Dupont  daher  nicht  gemeldet  haben  konnte,  daß  die  ganze  öster- 
reichische Armee  bei  Ulm  stehe. 

^)  Dieser  Vorgang  ließe  sieh  nur  damit  erklären,  daß  Ney  über  den  so- 
genannten Sieg  bei  Haslaeh  und  den  Zustand  der  Division  Dupont  wohl  unter- 
richtet war. 


—     449     — 

Elchingen  mit  einer  schwachen  Abteilung.  Die  2.  Division  mar- 
schierte nach  Kadeltshofen,  6  hm  südlich  Ober-Fahlheim.  Lannes 
rückte  mit  seinen  drei  Divisionen  —  Grenadiere,  Suchet  und  die 
wieder  zum  Korps  eingerückte  Division  Gazan  —  in  die  Gegend  von 
Weißen  hörn. 

Am  12.  traf  die  französische  Kavallerie  nur  schwache  feind- 
liehe Kavalleriepatrouillen  östlich  von  der  Hier,  die  sich  auf  Ulm 
zurückzogen.  Mural  meldete  dies  noch  am  12  abend  und  fügte  bei: 
Ein  gefangener  Artillerieoffizier  versicherte,  daß  die  österreichische 
Armee,  80.000  Mann  stark,  ganz  auf  dem  linken  Donau-Üfer  ver- 
einigt sei  und  daß  keine  Truppen  an  der  Hier  seien.  In  diesem  Falle 
werde  er  am  13.  die  Brücken  von  Ober-Kirchberg  und  Regglisweiler 
besetzen.  Er  glaube  nicht,  am  13.  angegrifi'en  zu  werden.  Die  Brücke 
von  Leipheim  sei  hergestellt;  Nej  habe  Auftrag,  sich  der  Brücken 
von  Elchingen  und  Thalfingen  zu  bemächtigen.  Wenn  sich  der  Feind 
entschlösse,  bei  Albeck  durchzubrechen  und  abzumarschieren,  werde 
er  eiligst  über  Günzburg  vorgehen,  um  vor  dem  Feinde  eine  gün- 
stige Position  zu  erreichen  oder  ihn  in  der  Flanke  anzufallen. 

Marmont,  Soult.  die  Garde  und  Nansouty  marschierten  an  diesem 
Tag  an  die  Hier  ab. 

Östlich  vom  Lech  erreichten  Davout  Dachau  und  das  Korps 
Bernadotte  am  12.  früh  München.  Kienmayer,  der  etwa  20.000  Mann 
stark  war,  zog  sich  gegen  den  Inn  zurück.  Bernadotte  ließ  die  Vor- 
hut noch  etwa  20  hn  über  München  vorrücken,  wobei  ihr  zahlreiche 
Gefangene  in  die  Hände  fielen. 

Bernadotte  meldete  am  12.  um  Mitternacht,  daß  die  erste  russi- 
sche Kolonne,  etwa  20.000  Mann  stark,  an  diesem  Tag  in  Neu- 
ötting  eingetroffen  sein  solle,  wo  sie  Aufenthalt  nehme. 

Davout  meldete,  die  erste  russische  Kolonne  —  5  Bataillone 
stark  —  soll  heute  an  der  österreichischen  Grenze  ankommen. 

Aus  Regensburg  ging  am  12.  eine  Meldung  ab,  daß  die  erste 
Kolonne  der  Russen  —  6000  Mann  stark  —  am  11.  Braunau  er- 
reichen sollte^). 

13.  Oktober.  In  den  ersten  Morgenstunden  des  13.  Oktober 
spielte  sich  eine  interessante  Episode  ab. 

*)  Drei  Meldungen,  aus  verschiedenen  Quellen  stammend,  geben  die  wich- 
tigste Tatsache  fast  gleichlautend  an.  Die  Stärkeangaben  differieren  aber  sehr 
stark,  eine  Mahnung,  sich  auf  solche  nicht  zu  sehr  zu  verlassen. 

Krauss.  1805,  Der  Feldzng  von  Ulm.  ^ 


—     450     — 

Lannes  sandte  am  12.  um  ll^^  30^  nacht  folgende  Meldung  an 
Murat  ab :  Die  Vorposten  haben  emen  Mann  arretiert,  der  Depeschen 
an  den  Baron  Fugger  bringen  sollte.  Nach  den  Aussagen  des  Mannes 
ist  die  ganze  feindliehe  Armee  bei  Ulm  auf  dem  linken  Ufer.  In 
Ulm  ist  nur  eine  Eeserve  von  4000  bis  5000  Mann,  die  Kräfte  auf 
dem  rechten  Donaii-Üfer  sind  wenig  beträchtlich. 

„Alles  scheint  daher  zu  bestätigen,  daß  der  Feind  die  Absicht 
habe,  sich  durch  Franken  zurückzuziehen,  und  es  ist  für  mich  nicht 
zweifelhaft,  daß  er  seine  Bewegung  diese  Nacht  beginnt. 

„Sie  werden  es  gewiß  angezeigt  halten,  der  Division  Dupont 
zu  Hilfe  zu  eilen  und  einen  großen  Teil  Ihrer  Kräfte  auf  das  linke 
Donau-Ufer  zu  werfen ;  ich  speziell  halte  diese  Bewegung  als  die 
dringendste  und  ich  bitte  Sie  selbst,  sie  anzubefehlen. 

.,Eure  Hoheit  finden  es,  ich  bin  dessen  sicher,  auch  angezeigt, 
sofort  Seine  Majestät  von  der  Sachlage  zu  verständigen  und  ihn  zu 
bitten,  die  Vorbereitung  von  Lebensmitteln  an  den  Punkten  anzu- 
befehlen, wohin  wir  marschieren  müssen." 

Murat  wollte  den  Anträgen  des  Marschalls  Lannes,  die  — 
nebenbei  bemerkt  —  vollkommen  den  Tatsachen  entsprachen,  nicht 
nachkommen.  Die  Gründe,  die  ihn  dabei  leiteten,  kommen  in  seiner 
am  13.  um  4*"  früh  aus  Pfafi"enhofen  nach  Burgau  gesandten  Mel- 
dung zum  Ausdrucke.  Sie  lautete: 

„Ich  habe  die  Ehre,  Eurer  Majestät  einen  eben  eingetroffenen 
Brief  des  Marschalls  Lannes  und  zwei  Ijei  einem  Spione  saisierte 
Briefe  zu  übersenden.  Der  Spion  behauptet,  daß  der  Feind  die  Ab- 
sicht habe,  sieh  über  Albeck  zurückzuziehen.  Obwohl  der  vorgestern 
gelieferte  Kampf  des  Generals  Dupont  unsere  Schwäche  auf  dem 
linken  Ufer  und  unsere  Pläne  auf  dem  rechten  Ufer  enthüllt  hat, 
glaube  ich  nicht  an  das,  was  der  Spion  sagt  und  teile  nicht  die 
Meinung  des  Marschalls  Lannes.  Die  Österreicher  könnten  ihre  Be- 
wegung erst  beginnen,  nachdem  sie  über  die  Division  Dupont  hinweg- 
passiert haben,  die  sich  sicher  schlagen  und  ihnen  den  Durchzug 
heftig  streitig  machen  würde,  und  ich  bin  noch  nicht  verständigt, 
daß  man  sich  gestern  in  dieser  Gegend  geschlagen  hätte.  Der  Feind 
sollte  sich  so  plötzlich  zu  einer  Bewegung  entschließen,  die  ihn  voll- 
kommen von  Tirol  trennte  und  die  ihn  einem  Flankenangriff  aus- 
setzte! Er  sollte  sich  dazu  entschließen,  wenn  eine  einzige  Division 
ihm  4000  Gefangene  angesichts  des  Michelsberges  abnahm,  wo  seine 
Armee  vereinigt  war,    wenn   er  gestern  dieselbe  Division   nicht  an- 


—     451     — 

gegriffen  bat,  wenn  er  in  Unkenntnis  ist,  wo  sich  die  Hauptkraft 
unserer  Armee  befindet,  uud  wenn  sieb  der  Erzherzog  Ferdinand 
mit  seiner  Armee  vor  der  Division  Halber  zurückgezogen  hat .  .  .  ! 
Ich  denke  im  Gegenteile,  daß  er  entschlossen  ist,  in  seiner  gegen- 
wärtigen Stellung  das  Schicksal  einer  Schlacht  abzuwarten  und  ich 
wäre  nicht  überrascht,   noch    diesen  Morgen  augegriffen  zu  werden. 

„Die  Stellung,  die  ich  inne  habe,  ist  sehr  gut,  und  ich  wäre 
ohne  Unruhe,  wenn  der  Feind  mit  allen  seinen  Kräften  gegen  mich 
marschierte,  wissend,  daß  meine  linke  Flanke  gesichert  ist  und  daß 
Soult  gegen  Memmingen  vorgeht.  Der  Entschluß  des  Feindes,  sich 
hinter  die  Donau  zurückzuziehen,  ist  der  einzige,  den  er  fassen 
konnte,  um  den  Augenblick  seiner  Vernichtung  zu  verzögern.  Diese 
ist  sicher,  sobald  wir  Herren  der  Brücken  von  Elchingen  und  Thal- 
fingen sein  werden.  Dann  sind  wir  vereinigt  mit  Dupont  und  wir 
können  nach  Belieben  auf  beiden  Ufern  der  Donau  manövrieren  .  .  . 

„Ich  wäre  kaum  im  stände,  die  von  Lannes  vorgeschlagenen 
Bewegungen  sofort  zu  beginnen,  da  die  Truppen  nach  starken 
Märschen  und  bei  schlechtem  Wetter  erst  um  10 *•  abend  ihre  Stel- 
lung erreicht  haben. 

„Der  Kaiser  könne  nach  seiner  Ankunft  die  Bewegung  an- 
befehlen, wenn  er  sie  für  gut  finde,  aber  er  —  Murat  —  könne 
sieh  dazu  nicht  so  leichthin  entschließen,  da  er  von  dem  Marsehe 
Soults  und  Marmonts  zu  seiner  Linken  wisse  und  er  damit  den 
allgemeinen  Plan  des  Kaisers  stören  würde.  Er  werde  sich  daher 
beschränken,  die  Besitznahme  der  Brücke  von  Elchingen  zu  be- 
treiben^)." 

Lannes  hat,  wie  wir  jetzt  wissen,  mit  seinen  Ansichten 
die  Tatsachen  vollkommen  richtig  beurteilt:  Die  Österreicher  hatten 
wirklich  die  Absicht,  am  13.  früh  den  Abmarsch  zu  beginnen,  und 
sie  haben  ihn  auch  tatsächlich  begonnen. 

Trotzdem  kann  man  Murats  Verhalten  als  der  Sachlage  ent- 
sprechend ansehen.  Die  Versammlung  der  österreichischen  Armee 
auf  dem  linken  Donau-Ufer  war  bisher  nur  durch  die  Aussagen 
eines  gefangenen  Offiziers  und  eines  angehaltenen  feindlichen  Spions 
bekannt  geworden.  Diese  Nachricht  widersprach  allen  liisher  über 
die  österreichische  Armee  eingelaufenen  Meldungen.    Trotzdem  war 

^)  Diese  Meldung  Murats  beweist,  daß  Dupont  bis  zum  13.  Oktober  nichts 
darüber  gemeldet  hatte,  daß  ihm  am  11.  Oktober  bei  Haslaeh  die  ganze  öster- 
reiehisehe  Armee  gegenübergestanden  war. 

29* 


—     452     — 

diese  Nachricht  glaubwürdig  und  Mural  glaubte  sie  daher  auch.  Da- 
gegen wollte  Murat  nicht  so  ohneweiters  an  die  Absicht  der  Öster- 
reicher, auf  dem  nördlichen  Donau-Üfer  abzumarschieren,  glauben. 
Er  hatte  vollkommen  recht,  daß  diese  Absicht  mit  dem  bisherigen 
Verhalten  des  Feindes  nicht  in  Einklang  zu  bringen  war;  trotzdem 
hatte  sie  tatsächlich  bestanden,  ein  Beweis  dafür,  daß  der  Feind 
souverän  ist  und  die  größten  Ungereimtheiten  machen  kann,  daß 
man  daher  auch  auf  diese  gefaßt  sein  muß.  Murat  glaubte  diese 
Nachricht  nicht  in  dem  Maße,  um  ihr  zuliebe  alle  Pläne  des  Kaisers 
durch  eine  Bewegung  zu  stören,  die  die  Armee  gerade  im  ent- 
scheidenden Momente  in  zwei  weit  getrennte  Flügel  trennen  mußte. 

Man  muß  eben  berücksichtigen,  daß  Murat  über  Marmont  und 
Soult  nicht  disponieren  konnte.  Zog  er  daher  jetzt  Lanues  und  Ney 
voreilig  aufs  nördliche  Donau-Ufer,  dann  mußte  auf  dem  südlichen 
Ufer  gerade  vor  Ulm  eine  gefährliche  Lücke  entstehen.  Er  überließ 
daher  diesen  Entschluß  dem  Kaiser,  der  jeden  Augenblick  eintreffen 
mußte.  Murat  beschränkte  sich  nur  darauf,  die  Sicherheit  zu  schaffen, 
daß  er  den  Abmarsch  des  Feindes  auf  dem  nördlichen  Ufer  recht- 
zeitig verhindern  konnte.  Das  konnte  er,  wenn  er  Herr  der  Brücken 
bei  Elchingen,  Thalfingen  und  Leipheim  war.  In  diesem  Falle  konnte 
Ney  die  Division  Dupont,  die  bei  Albeck  die  Straßen  nach  Aalen 
und  Donauwörth  sperrte,  rechtzeitig  unterstützen. 

Da  ergibt  sich  der  einzige  Fehler  in  der  Gedanken- 
folge Murats.  Er  nahm  Dupont  bei  Albeek  an,  wo  dieser  die  ihm 
zugedachte  ßolle  wirklich  gespielt  hätte:  Werneck  hätte  nur  nach 
hartem  Kampf  nach  Heideuheim  abmarschieren  können.  So  stand 
aber  Dupont  tatsächlich  wegen  der  Freiheit,  die  ihm  Ney  an- 
scheinend ohne  Wissen  Murats  gelassen  hatte,  20  Tcm  weiter  östlich 
bei  Brenz  und  überließ   somit    die  Straße  nach  Aalen   dem  Feinde. 

Ney  hatte  also  abermals  durch  leichte  Auffassung  eines  Be- 
fehles Napoleons,  der  die  Division  Dupont  nach  Albeck  vries,  Ver- 
hältnisse herbeigeführt,  die  den  Plänen  des  Kaisers  hätten  gefährlich 
werden  können.  Dieser  Fall  zeigt  auch,  wie  mangelhaft  der  General- 
stab im  Korps  Ney  gearl^eitet  hat,  da  bis  13.  früh  Murat  nicht  in 
Kenntnis  darüber  war,  daß  Dupont  seit  12.  früh  nicht  mehr  bei 
Albeck  stand.  Da  sich  solche  Zwischenfälle  gerade  bei  diesem  Korps 
häuften,  konnten  sie  ihre  Ursache  nur  in  einer  wenig  genauen  Tätig- 
keit des  Generalstabes  haben,  was  ganz  dem  Charakterbilde  Neys, 
der  wenig  auf  strenge  Zucht  und  Ordnung  hielt,  entsprach. 


—    453     — 

Die  nächsten  Befehle  Napoleons,  der  am  13.  früh*  in  Pfaflfen- 
hofen  eintraf,  beweisen,  daß  er  der  Haltung  .\rurats  zustimmte. 
Lannes  erhielt  den  Auftra«-,  die  Brücke  von  Ober- Kirchberg  zu 
nehmen  und  gegen  Ulm  und  Memmingen  aufzuklären.  Die  Division 
Oudinot  erfüllte  diesen  Auftrag  noch  am  13.  Oktober:  sie  stieß  dabei 
nur  auf  österreichische  Kavallerie,  die  gegen  Ulm  zurückging.  Am 
13.  Oktober  um  2^  nachmittag  erhielt  Ney  Befehl,  sich  noch  vor 
Einbruch  der  Nacht  in  Besitz  der  Brücke  von  Elchiugen  zu  setzen, 
sein  Hauptquartier  in  der  Abtei  von  Elchingen  zu  nehmen  und 
Dupont  zu  l)efehlen.  sich  wieder  bei  Albeck  aufzustellen.  Er  sollte 
weiter  mit  seiner  Vorhut  Burlafingeu  besetzen  und  seine  Truppen  so 
aufstellen,  daß  sie  ))ereit  seien,  auf  lieiden  Ufern  der  Donau  in  Ver- 
wendung zu  treten. 

Die.ser  Befehl  wurde  am  13.  Oktober  nochmals  wiederholt.  Ney 
befolgte  auch  diesen  Befehl  nur  mangelhaft.  Am  13.  giug  ein  Ba- 
taillon der  3.  Division  nach  Ober-Elchingen  vor.  stieß  dori,  auf  die 
Kolonne  des  F3IL.  Laudon  und  mußte  sieh  nach  längerem  Gefecht 
auf  das  südliche  Ufer  zurückziehen,  wo  es  sich  damit  begnügte,  dem 
Feinde  den  Übergang  über  die  Brücke  zu  verwehren. 

Am  Abende  des  13.  stand  die  Division  Dupont  noch  bei  Brenz, 
das  Korps  Ney  ganz  auf  dem  südlichen  Donau- Ufer,  und  zwar  mit 
der  3.  Division  bei  Burlatingen.  mit  der  2.  bei  Kadeltshofen :  der 
Nordausgang  der  Brücke  von  Elchingen  war  in  den  Händen  der 
Österreicher.  Dem  Abmärsche  der  Österreicher  aus  Ulm  stand  daher 
tatsächlich  nichts  im  Wege.  Ney,  dessen  Korps  nun  schon  seit  einigen 
Tagen  keine  an  .strengen  den  Märsehe  hinterlegt  hatte,  war  also  aber- 
mals dem  Befehle  des  Kaisers  nicht  nachgekommen.  Diesmal  aber 
hielt  der  Kaiser  mit  seinem  Tadel  nicht  zurück.  In  einem  Schreiben 
Berthiers  wurden  dem  Marschall  Ney  seine  Unterlassungen,  an- 
gefangen vom  isolierten  Angriff  Duponts,  vorgehalten.  Das  Sehreiben 
schließt  mit  dem  kategorischen  Befehl,  die  Höhen  von  Albeek  und 
Elchingen  in  Besitz  zu  nehmen,  und  sobald  Lannes  die  Höhe  von 
Pfuhl  genommen  haben  werde,  also  etwa  am  14.  gegen  10^  vormittag, 
die  Brücke  von  Thal  fingen  zu  besetzen. 

Lannes  erhielt  den  Auftrag,  am  14.  Oktober  um  10''  vormittag 
die  Höhe  bei  Pfuhl  zu  besetzen;  dem  General  Marmont  wurde  be- 
fohlen, sich  bei  Wullenstetten  beiderseits  der  Hier  aufzustellen,  alle 
von  Ulm  kommenden  Kommunikationen  zu  sperren  und  seine  Vor- 
posten bis  nahe  an  Ulm  heranzuschieben. 


—     454     — 

Der  Kaiser  wollte  also  dem  Feinde  vor  allem  den  Weg  nach 
Tirol  abschneiden. 

Marmont  konnte  dem  Befehle  nicht  nachkommen:  seine  zwei 
Divisionen  erreichten  am  13.  abend  nach  24stündigem  Marsche,  der 
Auflösung  nahe,  ßoggenburg  und  Krumbach.  Nach  dem  Nacht- 
mar.sche  zählten  die  beiden  Divisionen  am  13.  früh  kaum  3000  Mann. 
Bis  zum  Abend  waren  zwei  Drittel  des  Standes,  etwa  8000  Mann, 
wieder  gesammelt.  Um  den  Stand  der  Divisionen  nicht  nochmals  zu 
gefährden,  wollte  Marmont  erst  am  14.  früh  weitermarschieren, 
ßoggenburg  ist  etwa  56  km  von  Augsburg  entfernt.  56  km  in 
24  Stunden  bei  strömendem,  kaltem  Eegen  und  auf  schlechten 
Wegen  zurückzulegen  ist  eine  ganz  ansehnliche  Marschleistung. 

Man  sieht  also,  daß  auch  Napoleon  die  Angabe  des  aufgefan- 
genen feindlichen  Spions,  daß  die  Österreicher  den  Abmarsch  auf 
dem  linken  Donau-Ufer  beabsichtigen,  nicht  ganz  glaubwürdig  fand, 
da  er  sich  doch  vor  allem  zur  Einschließung  von  Ulm  auf  dem  süd- 
lichen Ufer  entschloß.  Er  trug  aber  der  Möglichkeit  dieses  Ab- 
marsches doch  insofern  Rechnung,  als  er  die  auch  von  Murat  schon 
eingeleiteten  Bedingungen  schuf,  sich  rechtzeitig  diesem  Vormärsche 
vorzulegen. 

An  Soult  erging  am  13.  der  Befehl:  „Ich  verständige  Sie,  daß 
die  feindliche  Armee  in  Ulm  ist;  es  ist  unbedingt  nötig,  daß  Sie 
herankommen,  den  linken  Flügel  der  Armee  bilden  und  dem  Feinde 
den  Weg  über  Biberach  sperren.  Der  Kaiser  erwartet,  daß  Ihr  Korps 
so  bald  als  möglich  in  der  Gegend  von  Ulm  ist." 

Soult  erreichte  am  13.  abend  Memmingen,  das  er  von  allen 
Seiten  einschloß.  In  Memmingen  war  knapp  vor  der  Ankunft  der 
Franzosen  das  Eegiment  Mittrowskj  eingetroffen.  Soult  forderte  den 
Kommandanten  des  Ortes  zur  Übergabe  auf;  gleichzeitig  traf  er 
jedoch  alle  Vorkehrungen,  die  Stadt  am  14.  früh  anzugreifen. 

Östlich  des  Lech  war  es  der  Vorhut  Bernadottes  am  13.  ge- 
lungen, bei  Parsdorf.  östlich  München,  einen  Artilleriepark  von 
17  schweren  Geschützen  aufzuheben  und  über  1000  Gefangene  zu 
machen.  Ein  Itayrisehes  Detachement  besetzte  Tölz.  Kienmayer  hatte 
seinen  Rückzug  hinter  den  Inn  fortgesetzt. 

In  der  Nacht  zum  14.  dürften  bei  Napoleon  Meldungen  über 
das  Auftreten  stärkerer  österreichischer  Kräfte  auf  dem  linken  Donau- 
Ufer  bei  Elchingen  und  Langenau  eingetroffen  sein.  Wenigstens 
gingen  am  14.  um  2"^  und  um  4^  früh  an  Ney  fast  gleichlautende 


—    455     — 

Befehle  ab:  „Der  Kaiser  will  unbedinot  die  Höhen  von  Albock  wieder 
in  Ihrem  Besitze  sehen.  Er  wird  Sie  unterstützen.  Es  wäre  nur  sehr 
vorteilhaft,  den  Feind  in  einen  Kampf  außerhalb  der  Verschanzungen 
von  Ulm  zu  verwickeln"^). 

Lannes  erhielt  die  Verständigung,  daß  Ney  bei  Tagesanbruch 
aufs  linke  Donau-Ufer  übergehen  werde,  um  Albeck  wieder  zu  nehmen, 
und  da  dies  zu  einer  ernsten  Affäre  führen  könnte,  habe  er  auf  den 
ersten  Kanonenschuß  zur  Brücke  von  Elchingen  zur  Unterstützung 
zu  marschieren^). 

Die  Befehle  des  Kaisers  führten  am  14.  Oktober  zwei  wichtige 
Ereignisse  herbei :  die  Einnahme  von  Memmingen  und  das  Gefecht 
von  Elchingen. 

Die  Einnahme  von  Memmingen. 

In  Memmingen,  das  ein  Bataillon  Beaulleu  als  Besatzung  hatte, 
waren  am  10.  abend  das  Infanterieregiment  Czartoryski  und  am 
13.  nachmittag  das  Regiment  Mittrowsky,  die  aus  Tirol  im  An- 
märsche waren,  eingerückt.  Die  Besatzung  bestand  somit  aus  elf 
Bataillonen.  Am  13.  trafen  überdies  etwa  90  Reiter  von  Palatinal- 
husaren  und  8  dreipfündige  Kanonen  in  Memmingen  ein.  Das  Kom- 
mando führte  dort  GM.  Graf  Spangen. 

Soult.  dessen  Truppen  am  13.  nachmittag  vor  Memmingen  ein- 
getroffen waren,  bemächtigte  sich  noch  in  der  Nacht  der  Iller- 
Brücken  nordwestlich  Steinheim  und  bei  Aitrach. 

Am  14.  sandte  er  auf  den  Befehl  Napoleons  vom  13.  die 
1.  und  3.  Division  nach  Ochsenhausen  ab,  indessen. die  2.  Division 
und  die  Dragonerdivision  Walther  Memmingen  zerniert  hielten.  Als 
GM.  Spangen    der   zweimaligen   Aufforderung    zur   Übergabe    nicht 

*)  Ney  scheint  somit  Bedenljen  gegen  die  Wegnahme  der  Höhen  von 
Elehingen  und  Albeek  geäußert  zu  haben,  weil  dies  zu  einem  größeren  Kampfe 
führen  konnte. 

''')  Der  ßel'ehl  setzt  fort:  „Ihre  Truppen  seien  bereit,  je  nach  Umständen 
Ney  zu  unterstützen  oder  sieh  dem  Sehlaehtfelde  zu  nähern.  Wenn  der  Feind 
auf  dieser  Seite  (südliches  Ufer)  aus  Ulm  heraustritt,  können  wir  ihm  entgegen- 
marsehieren  und  ihn  über  den  Haufen  werfen.  Wenn  er  dagegen  nicht  hier 
heraustritt  und  sich  stark  mit  dem  Marsehall  Ney  einläßt,  können  wir  ihn  auf 
gleicher  Höhe  begleiten,  mit  Ausnahme  des  Generals  Marmont,  der  diesseits  bleibt, 
auf  das  linke  Ufer  übergehen  und  alle  Höhen  um  Ulm  nehmen.  Wenn  der  Feind 
den  Marsehall  Ney  und  gleichzeitig  den  General  Gazan  (bei  Pfuhl)  angreift,  wird 
das  zu  Ereignissen  führen,  die  uns  sehr  nützen  würden.'' 


—     456     — 

nachkam,  eröffnete  gegen  Mittag  die  französische  Artillerie  das  Feuer 
gegen  den  Ort.  Die  österreichischen  Dreiplünder  waren  bald  zum 
Schweigen  gebracht.  Als  nun  auch  die  Infanterie  sich  zum  Angriff 
gegen  das  Augsburger  Tor  anschickte,  kapitulierte  die  Besatzung, 
weil  —  wie  GM.  Graf  Spangen  angab  —  die  Verschanzungen  keinen 
nachhaltigen  Widerstand  erlaubten,  nur  30 — 40  Patronen  pro  Gewehr 
vorhanden  waren  und  ein  Entsatz  nicht  zu  erwarten  war. 

Am  Altend  des  14.  Oktobers  erfolgte  die  Übergabe  der  Stadt, 
bei  der  4600  Mann  und  8  Kanonen  den  Franzosen  in  die  Hände  fielen. 

Der  „feste  Platz"  Memmingen  hatte  somit  den  Verlust  einer 
ziemlich  beträchtlichen  Truppenkraft  verursacht. 

Die  Einnahme  von  Meramingen  hatte  den  Franzosen  nur  vier 
Tote  und  ein  Dutzend  Verwundete  gekostet. 

Die  nach  Ochsenhausen  marschierenden  Divisionen  stießen  mit 
den  Sicherungstruppen  des  Korps  Jellachich  zusammen,  das  von 
Ochsenhausen  nach  Leutkirch  und  Wurzach  im  Marsche  war.  FML. 
Jellachich  schloß  aus  allen  Meldungen  und  Anzeichen  darauf,  daß 
Memmingen  schon  am  14.  eingeschlossen  war.  „Sobald  er  darüber 
sichere  Nachricht  haben  werde,  werde  er  sich  befleißen,  Memmingen 
womöglich  zu  entsetzen."  Die  „sichere  Nachricht"  kam  am  15. 
mittag  zugleich  mit  der  Kunde  von  der  Kapitulation  des  Ortes. 
GM,  Spangen  war  somit  vielleicht  etwas  zu  rasch  und  Jellachich 
wieder  zu  langsam  im  Entschluß  gewesen.  Der  Kommandant  eines 
festen  Platzes  soll  sich  solange  halten,  als  überhaupt  die  Möglich- 
keit dazu  vorhanden  ist,  hier,  solange  die  Infanterie  überhaupt  noch 
Patronen  hatte,  und  wenn  ein  Truppenkoraraandant  einen  Kameraden 
unterstützen  will,  dann  muß  seine  Hilfe  rasch  kommen,  sonst  kommt 
sie  leicht  zu  spät.  Auch  da  gilt  das  Sprichwort:  Doppelt  gibt,  wer 
rasch  gibt. 

Allerdings  war  Memmingen  kein  ..fester  Platz"  und  das 
„Korps"  Jellachich  zählte  nur  5500  Mann  Infanterie  und  900  Eeiter. 

Das  Gefecht  bei  Elchingen ^). 

(Beilage  28.) 

Wie  bekannt,  hatten  die  FML.  Laudon  und  Riesch  am  13. 
abend  eine  französische  Abteilung  —  es  war  dies  das  von  Ney  nach 

^)  Nach  den  französischen  Berichten  und  nach  der  Gefeehtsrelation  des 
FML.  Rieseh.  ( Eriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  156.) 


—     457     — 

Elchingen  gesandte  Bataillon  —  ül)er  die  Donau  auf  das  südliche 
Ufer  zurückgeworfen  und  den  Nordeingang  der  Brücke  mit  2  Ba- 
taillonen und  2  Geschützen  besetzt.  Eine  Beratung  der  Generale 
Rieseh,  Laudön  und  Mecsery  hatte  zur  Folge,  daß  man  von  der  Ab- 
sieht, auch  den  Südausgang  der  Brücke  noch  in  der  Nacht  gewaltsam 
in  Besitz  zu  nehmen,  abkam,  um  nicht  die  Anwesenheit  starker 
Kräfte  zu  verraten  —  man  wollte  ja  beim  Feinde  vorbeimarschieren 
—  und  um  den  Feind  nicht  selbst  zum  Angriffe  zu  reizen,  was  ver- 
mieden werden  sollte,  weil  der  größte  Teil  der  Kolonne  Eiesch  noch 
im  Anmärsche  war.  Man  begnügte  sich  daher  mit  der  Sperrung  der 
Brücke  und  mit  der  Entsendung  eines  Detachements  von  4  Bataillonen 
und  2  Eskadronen  unter  Oberst  Biber  zur  Brücke  von  Leipheim. 

In  der  Nacht  zum  14.  kam  der  Befehl  Macks  vom  13.  abend 
(s.  S.  427)  in  Elchiugen  an. 

Bei  Tagesanbruch  meldete  Oberst  Biber  aus  Riedheim,  daß  der 
Feind  sehr  stark  —  mit  10.000  Mann  —  bei  Leipheim  stehe  und 
daß  er  daher  seinen  Auftrag,  die  Brücke  zu  zerstören,  nicht  er- 
füllen konnte'). 

FML.  Rieseh  entschloß  sich  daher  sofort,  bei  Tagesanbruch 
über  Langenau  aufzubrechen  und  die  Flanke  der  Armee  auch  gegen 
Leipheim  zu  sichern.  Die  Brücke  bei  Elchingen  sollte  durch  eine 
Nachhut  solange  als  tunlich  gehalten  werden.  Dieser  Entschluß  W'Urde 
dem  Armeekommando  nach  Hausen  gemeldet. 

Bevor  alier  dieser  Entschluß  ganz  zur  Tat  werden  konnte  — 
es  war  erst  die  Vorhut  unter  GM.  v.  Mecser}'  aufgebrochen  — 
griffen  die  Franzosen  an. 

Ney  hatte  seiner  2.  Division  (General  Loison),  die  südlich  Fahl- 
heim bei  Kadcltshofen  stand,  befohlen,  sofort  aufzubrechen  uud  nach 
Nersingen  zu  marschieren.  Die  Division  brach  um  8^  abend  auf  und 
traf  gegen  Morgen  des  14.  Oktobers  bei  Leibi  ein.  Dort  erhielt  sie 
von  Ney  den  Befehl,  die  Brücke  und  die  Höhen  von  Elchingen  zu 
nehmen.  Die  Tete  lanate  um  8''  früh  an  der  Waldlisiere  vor  der 
Brücke  an.  Drei  Geschütze,  die  sofort  ins  Feuer  gesetzt  wurden, 
unterstützten  das  Vorgehen  der  Infanterie,  die  vor  allem  die  Brücken- 
decke wiederherstellen  sollte.  Bevor  dies  aber  noch  ganz  geschehen 
war,  stürmte  schon  die  französische  Infanterie  über  die  Brücke  vor 
und  warf  die  Österreicher  zurück. 


')  Bei  Leipheim  standen  am  13.  abend  und  14.  früh  die  Dragoner  zu  Fuß. 
also  etwa  5000  Mann. 


—     458     — 

FML.  Eiesch,  dem  schon  seit  Tagesbeginn  über  die  Bewegungen 
des  Feindes  südlich  der  Brücke  von  Elchingen  gemeldet  worden  war, 
schloß  auf  einen  Angriff  des  Feindes  von  dieser  Seite  her.  Zu 
gleicher  Zeit  meldete  Mecsery  das  Vorgehen  starker  feindlicher  Ka- 
vallerie von  Leipheim  ^). 

FML.  Eiesch  befahl  daraufhin  dem  FML.  Laudon,  sich  im  An- 
schluß an  seinen  linken  Flügel  bei  Göttingen  aufzustellen  und  den 
von  Leipheim  kommenden  Angriff  abzuwehren. 

Eiesch  selbst  besetzte  Ober-Elchingen  und  das  Kloster  El- 
chiugen  mit  je  einem  Bataillon  und  den  nördlich  Elchingen  liegenden 
Wald  mit  zwei  Bataillonen.  Di^  Hauptkraft  seiner  Infanterie  mar- 
schierte derart  nördlich  von  Elchingen  auf,  daß  ihr  rechter  Flügel 
an  den  besetzten  Wald  gelehnt,  der  linke  Flügel  in  der  Eichtung  auf 
(iöttingen  zurückgezogen  war.  Die  Artillerie  stand  auf  der  Höhe 
nördlich  Elchingen. 

Gegen  9''  vormittag  —  es  trafen  noch  immer  Abteilungen  der 
Kolonne  Eiesch  von  Thalfingen  her  ein  —  sandte  FML.  Eiesch 
^Meldung  nach  Hausen,  „daß  der  Feind  ihn  von  der  Brücke  bei 
Elchingen  her  mit  einem  Angriffe  bedrohe;  daß  er  alles  aufbieten  werde, 
Elchingen  zu  behaupten  daß  er  aber  fürchte,  in  diesem  Vorhaben 
durch  den  gegen  Langenau  anrückenden  Feind  gehindert  zu  werden". 

Die  Franzosen  gingen  nach  Wiederherstellung  der  Brücke  mit 
dem  2.  Bataillon  des  6.  leichten  Infanterieregiments  gegen  Ober- 
Elchingen,  mit  dem  1.  Bataillon  dieses  Eegiments  gegen  das  Kloster 
und  mit  dem  1  Bataillon  des  39.  Linienregiments  gegen  die  Höhen 
zwischen  Ober-  und  Unter-Elchingen  zum  Angriffe  vor.  Dieses  Ba- 
taillon erreichte  wohl  bei  der  Kapelle  St.  Wolfgang  die  Höhen,  traf 
aber  dort  auf  weit  überlegene  Infanterie,  wurde  wiederholt  von  öster- 
reichischer Kavallerie  attackiert  und  nach  längerem  Kampf  in  den 
Wald  zurückgeworfen.  Glücklicher  waren  die  Franzosen  in  Ober- 
Elchingen.  Es  gelang  ihnen,  im  Orte  festen  Fuß  zu  fassen. 

FML.  Eiesch  beschloß,  die  Frai^zosen  aus  dem  Ort  und  über 
die  Donau  zurückzuwerfen.  Er  begründet  diesen  Entschluß  in  seiner 
Gefechtsrelation  folgend :  „Nach  der  Disposition  vom  13.  hatte  ich 
den  Marsch  der  Armee  nach  Heidenheim,  Nördlingen  in  der  rechten 
Flanke  zu  decken ;  ich  mußte  also  die  Armee  in  vollem  Marsche 
dahin  vermuten.  Ich  sah  daher  die  Wichtigkeit  ein,  mich  bei  El- 
chingen auf  das  hartnäckigste  zu  halten,  umsomehr,  als  ich  erwarten 

^)  Palselie  Meldung. 


—     459     — 

durfte,  daß  mau  auf  meine  wiederholten  Berichte  ein  angemessenes 
Korps  auf  dem  Wege  gegen  Hausen  zu  raeüier  Unterstützung  und 
Aufnahme  würde  aufgestellt  oder  den  Befehl  an  mich  erlassen  haben, 
wann  es  Zeit  sei,  der  Armee  als  Arrieregarde  zu  folgen." 

Als  aber  GM.  Mecserj^  meldete,  daß  der  Feind  wirklich  gegen 
Langenau  zum  Angriff  vorrücke,  gab  FML.  Riesch  diese  Absicht 
wieder  auf.  Er  begründete  den  Entschlußwechsel  in  seiner  Relation 
folgend :  „Ich  konnte  nunmehr  an  keine  Unternehmung  von  meinem 
rechten  Flügel  denken,  da  ich  durch  diese  dezidierte  Bewegung  be- 
fürchten mußte,  der  Feind  habe  im  Sinne,  mich  von  der  Armee  gänzlich 
zu  trennen;  ich  begnügte  mich  daher  mit  dem  Besitz  von  Elchingen 
und  war  bedacht,  die  üefahr  von  meinem  linken  Flügel  abzuwenden." 

GM.  Mecsery  erhielt  zum  zweitenmal  den  Befehl,  an  den  linken 
Flügel  anzuschließen,  damit  er  nicht  isoliert  aufgerieben  werde.  Das 
Infanterieregiment  Riese  wurde,  wahrscheinlich  zur  Verbindung  mit 
der  Armee,  nach  Albeck  detachiert. 

Die  Franzosen,  die  im  Angriff'  nicht  innehielten,  eroberten 
indessen  nach  und  nach  ganz  Ober-Elchingen  und  das  Kloster;  sie 
waren  damit  Herren  des  Höhenrandes. 

Inzwischen  hatten  die  leichte  Kavalleriebrigade  des  6.  Korps 
(3.  Husaren-  und  10.  Ohasseurregiment^),  das  2.  Bataillon  des  39. 
Linienregiments  und  die  2.  Brigade,  General  Roguet,  bestehend  aus 
dem  69.  und  76.  Linienregiment,  die  Brücke  überschritten  und  sich 
östlich  von  Ober-Elchingen  entwickelt. 

General  Loison  befahl  nun  dem  39.  Linienregiment,  die  Höhen 
bei  St.  Wolfgang  zu  nehmen  und  hiezu  in  gleicher  Höhe  mit  der 
Brigade  Roguet  vorzugehen,  die  östlich  der  Abtei  geradeaus  auf  die 
Höhen  vorzugehen  halte.  Der  Angriff'  dieser  drei  Regimenter,  die 
durch  die  Kavallerie  unterstützt  wurden,  brachte  die  Höhen  in  den 
Besitz  der  Franzosen,  die  nun  dicht  vor  der  österreichischen  Haupt- 
stellung angelangt  waren. 

Jetzt  gab  Ney  den  Befehl,  den  Wald  Großer  Forst  zu  nehmen 
und  immer  den  rechten  Flügel  der  Österreicher  anzugreifen. 

Das  18.  Dragonerregiment  und  die  leichte  Kavallerie  warfen 
zuerst  die  schwache  österreichische  Kavallerie  zurück  und  wandten 
sieh  dann  gegen  den  linken  Flügel  der  österreichischen  Infanterie, 
die  Karrees  bildete ;  diese  wurden  nun  aber  von  der  Brigade  Roguet 

^)  iS'ach  dem  üefeehtsbeiiehtc  des  Brigadiers  war  jedes  der  beiden  Ke- 
giiuenter  am  14.  früh  etwa  140  Reiter  stark. 


—     460     — 

in  der  Front  augegriffeu.  Durch  die  geglückte  Umfassung  des  öster- 
reichischen linken  Flügels  wurde  der  bei  Laugenau  stehende  GM. 
Mecsery  von  der  Hauptkraft  des  Korps  Riesch  abgedrängt. 

Die  vereinten  Angrifie  der  Brigade  Eoguet  und  der  Kavallerie 
brachten  die  Österreicher  zum  Weichen  :  die  Karrees  zogen  sich  längs 
des  Waldes  gegen  Westen  zurück. 

Da  FML.  Riesch  zu  dieser  Zeit  vom  Regiment  Riese,  das  auf 
dem  Wege  nach  Albeck  von  französischer  Kavallerie  (19.  Dragoner- 
regiment) angefallen  worden  war,  die  Meldung  erhielt,  daß  franzö- 
sische Kavallerie  gegen  Albeck  vorgehe,  entschloß  er  sich  zum 
Rückzuge. 

Er  begründet  diesen  Entschluß  in  seiner  Relation : 

„Da  ich  nun  auf  meiner  linken  Flanke  gänzlich  überflügelt 
war  und  der  Feind  sich  da  befand,  von  woher  ich  nach  der  Dis- 
position Unterstützung  hätte  erwarten  sollen,  so  wollte  ich  es  nicht 
darauf  ankommen  lassen,  durch  einen  nunmehr  zwecklosen  Wider- 
stand auch  gegen  Thalfingen  tourniert  und  endlich  ganz  eingeschlossen 
zu  werden." 

FML.  Riesch  entschloß  sich  zum  Rückzuge  nach  Ulm,  um  von 
dort  den  Anschluß  an  Jellachich  zu  gewinnen. 

Als  die  Österreicher  zu  weichen  begannen,  befahl  General 
Loison  der  Brigade  Villatte  (6.  leichtes  Regiment  und  39.  Linien- 
regimeut),  die  sich  gesammelt  hatte,  sich  nach  links  zu  ziehen  und 
sich  der  zwei  Wäldchen  zu  bemächtigen,  die  in  der  Richtung  auf 
Kesselbronn  liegen^).  Die  Brigade  Roguet  hatte  nördlich  des  Waldes 
zu  verfolgen. 

Das  6.  leichte  Regiment  ging  von  Elchingen  südlich  des  Großen 
Forstes  vor,  wogegen  sich  das  39.  Linienregiment  dem  linken  Flügel 
der  Brigade  Roguet  anschloß  und  im  nördlichen  Teile  des  Waldes 
Großer  Forst  vorrückte.  Die  Brigade  Roguet  ging  nördlich  des 
Waldes  Großer  Forst,  mit  dem  rechten  Flügel  gegen  die  Wald- 
parzelle, vor. 

Von  der  Kavallerie  schloß  sich  ein  Teil  —  das  18.  Dragoner- 
regiment —  der  Brigade  Roguet  an,  wogegen  sich  die  anderen  Re- 
gimenter —  19.  und  20.  Dragonerregiment,  10.  Ohasseur-  und 
3.  Husarenregiment  —  gegen  GM.  Mecsery  und  Oberst  Biber  wandten, 
diese  gegen  Langenau  zurückwarfen  und  gegen  Giengen  abdrängten. 

*)  Gemeint  waren  ilaniit  jedenfalls  das  Westende  des  Großen  Forstes  und 
die  westlieh  davon  geleiiene  Waldparzelle. 


—     461     — 

Die  Franzosen  verfolgten  das  Korps  Eiesch  unter  steten 
Kämpfen  bis  in  die  Gegend  von  Iiingingen,  zogen  sich  aber  dann 
auf  Befehl  Neys  nach  Albeck  zurück. 

Während  des  Kampfes  der  Division  Loison  hatte  die  Division 
Malher  (3.,  Korps  Ney)  bei  Elchingen  die  Donau  überschritten  und 
war  südlich  des  Großen  Forstes  bis  Thalfingen  vorgegangen,  ohne 
aber  ernstlich  ins  Gefecht  zu  treten.  Die  Division  ging  am  Abend 
nach  Ober-Elchingen  zurück. 

Die  Division  Dupont  hatte  am  14.  in  den  ersten  Morgen- 
stunden den  Befehl  erhalten,  Albeck  v^^ieder  zu  nehmen.  Sie  mar- 
schierte um  1^  früh  von  Brenz  ab.  Dupont  fand  Langenau  von  den 
Österreichern  besetzt  —  wahrscheinlich  von  der  Vorhut  GM.  Mecsery. 
Die  Vorhut  Duponts  entwickelte  sich  gegen  Langenau.  Als  aber 
nach  kurzer  Zeit  der  Marsch  einer  feindlichen  Kolonne  auf  der 
Chaussee  bei  Nerenstetten  gemeldet  wurde ^),  entschloß  sich  Dupont, 
den  Kampf  abzubrechen  und  an  die  Brenz  zurückzugehen,  um  so 
die  Kommunikationen  der  Armee  über  Gundelfingen  und  Günzburg 
zu  decken.  Dupont  meldete  dann,  daß  bei  Langenau  ein  feindliches 
Korps  von  20.000  Mann  war,  das  unter  Befehl  des  Erzherzogs  Fer- 
dinand Ulm  verlassen  hatte. 

Am  Abend  des  14.  Oktobers  stand  das  Korps  Ney  bei  Albeck, 
Langenau  und  Ober-Elchingen,  mit  der  Division  Dupont  bei  Brenz. 

Das  Korps  Eiesch  hatte  bei  Elchingen  4500  Gefangene  und 
4  Kanonen  eingebüßt.  Am  Abend  kamen  die  Trümmer  des  Korps 
bei  Ulm  an.  wo  FML.  Eiesch  zu  seinem  lebhaften  Erstaunen  erfuhr, 
daß  ein  Teil  der  Armee  in  Ulm  geblieben  sei  und  nur  Werneck  und 
Jellachich  abmarschiert  waren. 


Die  Niederlage  des  Korps  Eiesch  bei  Elchingen  wäre  sicher 
vermieden  worden,  wenn  FML.  Eiesch  am  13.  abend,  ohne  Eüek- 
sicht  auf  die  Folgen,  seiner  Aufgabe  entsprochen  hätte.  FML.  Eiesch 
hatte  die  Flanke  der  Armee  zu  sichern  und  dazu  alle  Donau-Brücken 
abzubrechen.  Es  war  vorauszusehen,  daß  man  dabei  mit  dem  Feinde 
zusammentreffen  werde.  Je  rascher  man  jedesmal  die  feindlichen 
Brückenbesatzungen  überrannte,  desto  eher  war  zu  hoffen,  die  Brücken 
zu  zerstören,    ohne   in   einen   ernsten  Kampf  verwickelt  zu  werden. 

^)  Das  konnte  nur  die  Artillerieveserve  sein,  die  am  14.  Oktober,  lOt  vor- 
mittag, Herbreehtingen  erreichte. 


—     462     — 

Ließ  maa  aber  dem  Feinde  Zeit.  Kräfte  heranzuziehen,  dann  kam 
man  in  Gefahr,  mit  starken  feindlichen  Kräften  zusammenzutreffen 
oder  auf  die  Zerstörung  der  Brücken  verzichten  zu  müssen. 

Je  entschiedener,  je  rücksichtsloser  man  daher  seiner  Aufgabe 
nachging,  desto  weniger  Gefahr  lief  man. 

Wie  dem  Tüchtigen,  dem  Entschlossenen  das  Glück  gelächelt 
hätte,  zeigt  sich  auch  in  diesem  Falle.  Am  13.  abend  hätte  der 
Augriff,  dank  der  Lässigkeit  Neys,  nur  ein  französisches  Bataillon 
getroffen,  das  schon  von  Laudon  vom  nördlichen  Donau- CJfer  zurück- 
gedrängt worden  war  und  das  die  Zerstörung  der  Brücke  nicht  hätte 
verhindern  können.  Am  14.  früh  aljer  waren  schon  zwei  französische 
Divisionen  in  der  Nähe  der  Brücke. 

Bei  Beratungen  mehrerer  Generale,  mögen  die  Beratungen 
noch  so  klug  geführt  werden,  kommt  selten  ein  ganzer  Ent- 
schluß zu  Stande. 

Aber  auch  am  14.  Oktober  hatte  FML.  Graf  Eiesch  Aussicht, 
seinen  Auftrag  zu  erfüllen,  wenn  er  bei  seinem  Entschlüsse  ge- 
blieben wäre,  dem  Feinde  Elchingen  zu  entreißen  und  ihn  über  die 
Donau  zurückzuwerfen. 

Wie  erinnerlich,  ließ  FML.  Eiesch  diesen  Entschluß  fallen,  als 
die  Meldung  Mecserjs  vom  Anmärsche  der  Franzosen  gegen  Langenau 
eintraf,  weil  er  dem  Feinde  die  Absieht  zuschrieb,  ihn  von  der 
Armee  trennen  zu  wollen.  Dieses  Beispiel  zeigt  —  gleich  vielen  an- 
deren —  wie  fruchtlos  und  schädlich  es  ist,  die  Absicht  des 
Feindes    erraten    und   danach   seine  Entschlüsse   fassen  zu  wollen. 

Die  eigene  Aufgabe  und  der  eigene  Wille  allein  sind  ver- 
läßliche Grundlagen  für  den  Entschluß. 

Da  am  14.  Oktober  tatsächlich  keine  französischen  Truppen  bei 
Leipheim  die  Donau  überschritten  haben,  mußte  der  Anmarsch  der 
Division  Dupont  die  Meldung  des  GM.  Mecsery  und  damit  die  Be- 
sorgnisse des  FML.  Eiesch  veranlaßt  haben  ^).  Dupont  aber  mußte 
während  seines  Aufenthaltes  vor  Langenau  und  während  seines  Eüek- 

^)  Die  Angaben  des  Aufsatzes  ,.Das  Treffen  von  Elchingen"  von  GM.  Loeff  1er 
(Heft  11  der  „Mitteilungen  des  Ulmer  Vereines  für  Kunst  und  Altertum"),  daß  Oberst 
Biber  durch  starke,  bei  Leipheim  übergegangene  Kräfte  zurückgedrängt  und  von 
Neys  Kavallerie  abgeschnitten  wurde,  dann  daß  die  Division  Malher  die  Donau  bei 
Leipheim  überschritt  und  über  Unter-Klchingen  angriff,  müssen  nach  den  französi- 
schen Akten  berichtigt  werden.  Bei  Leipheim  übersehritten  am  14.  Oktober  keine 
französischen  Truppen  die  Donau ;  die  Division  Malher  ging  bei  Elchingen  über 
die  Donau  und  kam  nicht  mehr  in  den  Kampf. 


—     463     — 

raarsches  den  Kanonendonner  von  Elchingen  gehört  haben :  trotzdem 
marschierte  er  nach  Brenz  zurück. 

Das  Auftreten  Dupouts  gibt  interessante  psychologische  Auf- 
schlüsse. 

Die  Unfähigkeit  Diiponts  zum  Angrifi"  am  14.  Oktober  läßt 
die  tiefe  Erschütterung  erkennen,  die  seine  Division  im  Gefechte  bei 
Haslach  erlitten  hat. 

Trotz  den  .schweren  Verlusten  hatte  die  Division  Dupont  Haslach 
erst  nach  dem  Erlöschen  des  Kampfes  freiwillig  geräumt  und  sich 
in  Fühlung  mit  dem  siegreichen  Feind  in  der  Xacht  vom  11.  zum 
12.  Oktober  bei  Albeck  gehalten.  Die  Division  kann  daher  unmittel- 
bar nach  dem  Gefechte  nicht  in  dem  Maße  kampfunfähig  gewesen 
sein  wie  am  14.  Oktober.  Ihr  moralischer  Halt  muß  noch  groß  ge- 
wesen sein,  um  eine  Nacht  in  der  Nahe  des  Gefechtsfeldes  in 
Fühlung  mit  dem  Feind  auszuharren.  Somit  hat  erst  der  Al)marsch 
der  Division  von  Albeck,  der  sieh  der  Truppe  als  ein  Kückziig  dar- 
stellen mußte,  im  Vereine  mit  der  schlechten  Witterung  und  der  im 
Korps  Ney  sehr  schlecht  bestellten  Verpflegung  den  moralischen  Halt 
der  Division  derart  erschüttert,  daß  der  Gegenbefehl  vom  12.  Oktober 
Dupont  nicht  mehr  veranlassen  konnte,  nach  Albeck  zurückzukehren. 
Er  konnte  nur  mehr  den  Eückzug  fortsetzen.  Einmal  von  Albeck 
zurückgegangen,  konnte  die  Division,  die  im  stände  gewesen  wäre, 
bei  Albeck  auszuharren  und  am  13.  gegen  Werneck  wahrschein- 
lich auch  wieder  einen  ernsten  Kampf  zu  bestehen,  die  aufgegebene 
Aufstellung  nicht  mehr  zurückgewinnen :  es  fehlte  ihr  der  moralische 
Aufschwung,  ans  dem  Eückzug  in  den  zum  Angriff  führenden  Vor- 
marsch überzugehen,  und  diesen  Mangel  an  moralischem  Gehalt  hat 
nicht  die  ehrenvolle  Niederlage  bei  Haslach,  sondern  der  Abmarsch 
von  Albeck  verschuldet.  Erst  dieser  Abmarsch  macht  das  Gefecht 
von  Haslach  zu  einer  vollen  Niederlage  Duponts.  Ausharren  hätte 
er  bei  Albeck  können,  dazu  hat  die  Kraft  der  Truppe  noch  gereicht, 
und  da  „die  Truppen,  die  am  längsten  ausharren,  die  Schlachten 
gewinnen",  hätte  das  Ausharren  bei  Albeck  Dupont  berechtigt,  von 
einem  Erfolg  von  Haslach  zu  sprechen. 

Dupont  hat  aber  nur  einem  Befehle  gehorcht,  könnte  man  ein- 
wenden. Sicher!  Hier  wäre  aber  Dupont  berechtigt  gewesen,  nach 
den  nui  ihm  bekannten  Verhältnissen  diesen  Befehl  nicht  zu  be- 
folgen^). Er  war  mit  weit  überlegenen  feindlichen  Kräften  im  Kampfe 

*)  Dienstreglement,  I.  Punkt  68. 


—     464     — 

gewesen ;  er  w  ußte.  daß  Napoleon  die  österreichische  Armee  ein- 
schließen wollte  und  daß  er  mit  den  Dragonern  zu  Fuß  allein  nörd- 
lich der  Donau  stand.  Er  durfte  daher  nicht  von  Albeck  ab- 
marschieren, und  wenn  Ney  noch  einige  dringende  Befehle  ab- 
iresandt  hätte.  Er  durfte  nicht,  bevor  er  sieh  nicht  überzeugt 
hatte,  daß  der  bei  Haslach  im  Kampfe  gewesene  Feind  auf  das 
südliche  Ufer  abmarschiert  sei.  Seine  Division  konnte  die  Macht 
Murats  nicht  entscheidend  verstärken,  ihr  Abmarsch  von  Albeck 
gefährdete  aber  den  ganzen  Feldzugsplan  des  Kaisers. 

Es  gäbe  zwar  eine,  allerdings  auch  nur  sehr  matte  Entschul- 
digung für  Dupont:  daß  er  tatsächlich  am  12.  früh  zur  Zeit  des 
Abmarsches  noch  keinen  Überblick  über  die  Verhältnisse  bei  Ulm 
hatte,  daß  er  tatsächlich  keine  Ahnung  hatte,  daß  dort  die  ganze 
Armee  Macks  stand.  Dupont  zerstörte  diese  Entschuldigung  später 
allerdings  selbst,  indem  er  behauptete,  schon  am  10.  gewußt  zu 
haben,  daß  die  ganze  Armee  vor  ihm  gestanden  sei.  Da  aber  Dupont 
ein  sehr  tüchtiger  General  war,  kann  man,  wie  früher  gesagt,  an- 
nehmen, daß  diese  Angabe  nur  eine  nachträgliche  Schönfärberei  sei. 

Am  14.  fürchtete  sich  nun  Eiesch  vor  der  kampfunfähigen 
Division  Dupont  und  gab  seine  Angriffsidee  auf,  die  allein  Erfolg 
versprach,  und  Dupont  wieder  zog  sich  vor  den  äußersten  Enden  des 
Korps  Eiesch   nach  Brenz  und  auf  seine  defensive  Aufgabe  zurück. 

Hätte  FML.  Eie&ch  die  Charakterstärke  gehabt,  bei  seinem 
offensiven  Entschlüsse  zu  bleiben  und  sich  gegen  die  drohende  Um- 
fassung links  nur  zu  sichern,  wäre  er  vielleicht  ehrenvoller  aus  dem 
Kampfe  hervorgegangen.  Im  Kriege  kommt  es  viel  häufiger 
auf  Charakterstärke  an,  als  auf  wohlgefaßte  Erwägungen 
uud  Beurteilungen  der  Situation. 

Dupont  wieder  hätte  an  dem  Gefechte  von  Elchingen  ent- 
scheidenden Anteil  nehmen  können,  und  zwar  durch  seine  einfache 
Anwesenheit,  wenn  er  vor  Langenau,  selbst  ohne  ernst  anzugreifen, 
ausgehalten  hätte.  Er  hätte  dadurch  überdies  seiner  Divi>ion  den 
abermaligen  Eückmarsch  nach  Brenz  und  den  späteren  Vormarsch, 
dem  General  Loison  aber  starke  Unruhe  erspart. 

General  Loison  klagte  am  14.  abend  bei  Ne}',  daß  seine  Truppen 
ermüdet  und  daß  sie  schon  3  Tage  ohne  Brot  seien.  Der  Feind 
stehe  stark  in  Langenau').  Da  Patronen  fehlen  und  von  Dupont 
keine  Nachricht  zu  erhalten,  sei  die  Situation  sehr  traurig! 

0  Dort  stand  am  14.  abend  kein  Ö.sterreieher. 


—     465     — 

Auch  siegreiche  Generale  sehen  mitunter  Gespenster! 

Diese  Äußerung  des  Generals  Loison  gibt  aber  zu  einer 
weiteren  Schlußfolgerung  Anlaß.  Sie  beweist,  daß  General  Loison 
sich  seines  entscheidenden  Sieges  am  14.  abend  nicht  voll  bewußt 
gewesen  ist,  denn  im  entgegengesetzten  Falle  hätte  er  keinen  An- 
laß gehabt,  sich  so  zu  äußern.  Durch  diese  Äußerung  wird  erst  die 
verwunderliche  Tatsache  erklärlich,  daß  Marschall  Nej  die  siegreiche 
Division  Loison,  die  bis  .Jungingen  verfolgt  haben  soll,  zur  Nächti- 
gung um  6  lim  bis  Albeck,  die  Division  Malher,  die  bis  über  Thal- 
fingen vorgerückt  war,  bis  Ober-Elchingen  zurückgenommen  hat. 
Warum  blieb  das  Korps  nicht  wenigstens  bei  Haslach  und  Thal- 
fingen stehen?  Sollte  auch  Nej  nicht  den  Eindruck  eines  vollen 
Sieges  gehabt  haben? 

Das  Verhalten  Duponts  nach  dem  Gefechte  von  Haslach  und 
das  des  Generals  Loison  und  des  Marschalls  Ney  nach  dem  Gefechte 
bei  Elchingen  zeigen,  daß  nicht  nur  die  Truppen  siegen,  die 
länger  aushalten,  sondern  daß  auch  vor  allem  die  Führer  Sieger 
bleiben,  die  länger  den  Eindrücken  des  Kampfes  zu  widerstehen 
vermögen.  Man  muß  daher  nicht  nur  siegen,  sondern  man  muß  auch 
nach  dem  Kampfe  Sieger  sein  und  bleiben  wollen.  Hätte  Dupont 
mit  diesem  Willen  bei  Haslach  ausgehalten  und  hätte  er  auch  dem 
Befehle  Neys  zum  Abmarsch  widerstanden,  dann  wäre  er  nicht  nur 
in  seinen  Berichten,  sondern  tatsächlich  der  Sieger  von  Haslach  ge- 
wesen. Die  Österreicher  haben  ihn  bis  12.  Oktober  früh  und  hätten 
ihn  auch  später  nicht  daran  gehindert,  bei  Haslach  zu  bleiben. 
Loison  und  Ney  hatten  erst  nach  voller  Beendigung  des  Kampfes 
den  Willen  oder  das  Gefühl,  Sieger  zu  bleiben,  verloren.  Sie  hielten 
somit  länger  aus  als  ihr  Gegner,  der  den  Kampf  schon  bei  Ober- 
Elchingen  als  zwecklos  aufgegeben  hatte  und  nur  mehr  daran 
dachte,  nach  Ulm  zu  kommen.  Sie  blieben  somit  die  Sieger  von 
Ober-Elchingen,  obwohl  ihre  Stimmung  am  Abend  des  14.  diesem 
Hochgefühle  kaum  entsprochen  haben  dürfte. 

Am  Abend  des  16.  August  1870  hat  wohl  niemand  bei  den 
Deutschen  das  Gefühl  gehabt,  Sieger  zu  sein.  Aber  weder  der  auf 
dem  Schlachtfeld  eingetroffene  Armeekomraandant  Prinz  Friedrich 
Karl,  noch  die  Korpskoramandanten,  noch  die  Truppen  wollten  das 
mit  Strömen  von  Blut  erkaufte  und  verteidigte  Terrain  aufgeben. 
Sie  wollten  am  nächsten  Tage  den  Kampf  um  den  Sieg  fortsetzen. 
Als  aber  am  17.  August  der  Tag  anbrach,  sahen  die  Deutschen,  daß 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  30 


—     466     — 

die  eigentlich  bis  zum  Schluß  im  Vorteile  gewesenen  Franzosen 
das  Schlachtfeld  geräumt  hatten.  In  dieser  Nacht  erst  kam  der 
ganze  Heldenmut  der  tapferen  Streiter  vom  16.  August  und  ihrer 
Führer  zum  Ausdrucke;  diese  Nacht  erst  brachte  ihnen  einen  der 
glänzendsten  Siege,  der  je  errungen  worden  ist.  Im  stärkeren 
Willen,  nach  dem  Kampfe  das  Schlachtfeld  zu  behaupten,  liegt  oft 
ganz  allein  der  Begriff  des  Sieges. 

Auffallend  ist  weiters  die  Tatsache,  daß  in  den  drei  Gefechten, 
die  das  6.  Korps  zu  bestehen  hatte  —  Günzburg,  Haslach  und 
Eichingen  —  immer  nur  eine  Division  in  den  Kampf  trat,  obwohl 
Napoleon  seine  Generale  unausgesetzt  ermahnt  hatte,  nur  mit  ver- 
einter Kraft  zu  schlagen.  Bei  Günzburg  und  Haslach  lag  die  Ur- 
sache dafür  hauptsächlich  in  der  Auffassung,  die  sich  Ney  über  die 
operative  Lage  gebildet  hatte  und  die  ihn  veranlaßte,  seine  Haupt- 
kraft anderwärts  zu  verwenden.  Am  14.  bestand  aber  die  Möglich- 
keit, mehr  Truppen  ins  Gefecht  zu  bringen.  Die  2.  Division,  die 
höchstens  7000  bis  8000  Mann  zählte,  begann  etwa  um  9^^  vormittag 
die  Brücke  zu  übersehreiten.  Ihr  Übergang  konnte  höchstens  l^g  bis 
2  Stunden  in  Anspruch  genommen  haben.  Unmittelbar  hinter  der 
2.  Division  folgten  die  Dragonerdivision  Bourcier  und  zwei  leichte 
Eegimenter,  zusammen  kaum  1400  Eeiter,  die  zum  Übergang  wieder 
höchstens  1  Stunde  gebraucht  haben  können.  Die  Brücke  konnte 
daher  nach  12^  mittag  für  die  3.  Division  frei  sein.  War  diese 
Division,  die  nur  6  hm  von  der  Brücke  entfernt  bei  Ober-Fahlheim 
genächtigt  hatte,  nahe  der  Brücke  für  den  Übergang  bereitgestellt, 
so  konnte  sie  spätestens  um  l''  nachmittag  auf  den  Höhen  westlich 
Ober-Elchingen  —  2  hm  von  der  Brücke  entfernt  —  mit  ihrer 
Tete  in  den  Kampf  eingreifen. 

Bei  Elchingen  scheint  nur  mangelhafte  Befehlgebung  die  Ur- 
sache gewesen  zu  sein,  daß  die  Division  Loison  den  Kampf  allein 
durchkämpfen  mußte. 

Noch  etwas  gibt  Anregung  zum  Nachdenken. 

Die  Befehle  Napoleons  an  Ney  lassen  erkennen,  welchen  großen 
Wert  der  Kaiser  auf  den  Besitz  der  Höhen  von  Elchingen  und 
Albeck  legte.  Es  muß  daher  wunderlich  erscheinen,  daß  er  nur  das 
Korps  Ney  über  die  einzige  Brücke  von  Elchingen  sandte  und  es 
allein  mit  der  wichtigen  Aufgabe  betraute,  die  Höhen  zu  nehmen, 
obwohl  bei  Leipheim  eine  Brücke  und  die  Division  Dragoner  zu  Fuß 
zur  Verfügung  standen. 


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Zur  Unterstützung  Neys  wurde  das  ziemlich  entfernte  Korps 
Lannes  herangezogen  und  ebenfalls  an  die  Brücke  von  Elehingen 
befohlen. 

Was  mochte  Napoleon  veranlaßt  haben,  die  günstige  Situation 
der  Dragoner  zu  Fuß  nicht  auszunützen  und  sie  nicht  über  Langenau 
auf  Albeck  zu  dirigieren? 

Das  Zurückhalten  einer  Reserve  bei  Leipheim.  um  sie  auf 
beiden  Donau-Ufern  einsetzen  zu  können  und  um  die  Chaussee 
nach  Augsburg  verläßlich  zu  sperren,  erklärt  das  Verhalten  des 
Kaisers  nicht  vollkommen;  denn  das  nach  Elchingen  dirigierte  Korps 
Lannes  konnte  während  seines  Anmarsches  als  Reserve  angesehen 
werden  und  ein  Angriff  von  Ulm  auf  dem  südlichen  Ufer  mußte 
vor  allem  dieses  Korps  treffen  und  es  zwingen,  seinen  weiteren 
Flankenmarsch  aufzugeben.  Die  dahinterstehende  Dragonerdivision 
konnte  daran  nichts  ändern  und  sie  konnte  dem  etwa  bei  Burla- 
fingen  in  einen  Kampf  verwickelten  Korps  Lannes  nicht  viel  früher 
Unterstützung  bringen  als  das  am  14.  Oktober  früh  von  Roggen- 
burg nach  Weißenhorn  marschierende  Korps  Marmont.  Dagegen 
konnte  das  über  eine  einzige  Brücke  defilierende  Korps  Ney,  das 
aller  Voraussicht  nach  auf  starke  feindliche  Kräfte  stoßen  mußte, 
nur  durch  die  Dragonerdivision,  und  zwar  nur  durch  deren 
Vormarsch  von  Leipheim  über  Langenau  nach  Albeck  wirksam 
unterstützt  werden. 

Die  vorhandenen  Befehle  geben  leider  keinen  Aufschluß  über 
die  Motive  des  Kaisers. 


Auf  dem  südlichen  Donau-Ufer  hatte  die  Division  Gazan  die 
Höhe  bei  Pfuhl  besetzt  und  ein  feindliches  Detachement  in  den 
Brückenkopf  von  Ulm  zurückgeworfen.  Die  beiden  anderen  Divisionen 
des  Marschalls  Lannes  standen  östlich  von  Pfuhl.  Auch  die  1.  und 
3.  Dragonerdivision  waren  näher  gegen  die  Donau  herangezogen 
worden. 

Marmont  hatte  die  Hier  erreicht.  Er  konnte  melden,  daß  kein 
österreichisches  Korps  längs  der  Hier  zurückgegangen  sei.  Da- 
gegen sei  es  sicher,  daß  in  der  Nacht  des  12.  ein  Korps  von 
lO.üOOMann  (das  Korps  Jellachich)  gegen  Biberach  a))gezogen  sei. 

Die  Beilage  29  zeigt  die  Situation  am  14.  Oktober  abend. 


30" 


XVII.  Die  Kapitulation  Yon  Ulm. 

(BeUage  30.) 

Am  15.  früh  besetzten  Truppen  des  Korps  Sehwarzenberg, 
dessen  Kommando  FML.  Klenau  übernommen  hatte,  die  vor- 
geschobenen Verschanzungen  von  \]\m. 

Am  15.  Oktober  meldete  der  schon  einmal  genannte  Haupt- 
mann Wend,  daß  am  14.  kein  Feind  mehr  in  Weißenhorn  war. 
Nur  ein  Artilleriepark  mit  Bedeckung  habe  dort  genächtigt.  Da- 
gegen sei  der  Feind  am  14.  bei  Kirchberg  gestanden,  wo  er  die 
Brücke  wiederherstellte.  Ebenso  ließ  der  Feind  die  Brücise  bei 
Gögglingen  wiederherstellen,  angeblich  mit  der  Absicht,  darüber 
nach  Blaubeuren  zu  ziehen. 

Vormittag  meldete  aber  auch  der  Feldkriegskommissär  Mandel 
dem  FML.  Mack.  daß  der  Feind  bei  Kirchberg  sei,  mit  der  ausge- 
sprochenen Absicht,  Ulm  noch  am  15.  einzuschließen.  Mack  ver- 
wies ihn  zur  Euhe  mit  dem  Bedeuten,  daß  das  alles  zwar  richtig 
sein  könne,  da  der  Feind  aber  im  vollen  Rückzüge  sei,  so 
geschehe  das  alles  bloß,  um  seinen  bei  Weißenhorn  stehenden  Ar- 
tillerietrain zu  decken. 

Mack  hatte  also  von  den  beiden  Meldungen  sofort  die  ihm 
günstigere  geglaubt  und  suchte  durch  diese  die  anderen  ungünstigeren 
Nachrichten  zu  entkräften. 

Mack  war  somit  noch  am  15.  Oktober,  zur  Zeit,  als  Ney  schon 
den  Kreis  auch  im  Norden  von  Ulm  zu  schließen  begann,  von  der 
Idee  des  Eückzuges  der  Franzosen  beherrscht;  er  erklärte  die  Ein- 
schheßung  Ulms  ganz  einfach  damit,  es  sei  selbstverständlich,  daß 
der  nach  Frankreich  zurückgehende  Feind  sich  gegen  einen  Anfall 
aus  Ulm  durch  dessen  Einschließung  sichern  müsse. 


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Mack  gab  daher  sogar  den  Befehl,  die  Kriegskasse,  das  Kriegs- 
und Landeskommissariat,  das  Armeegepäck  und  die  Artilleriereserve 
von  Heidenheim  nach  ühii  zurückkehren  zu  lassen.  Dieser  Befehl 
sollte  gar  nicht  mehr  abgesendet  werden. 

Am  14.  Oktober,  9*"  abend,  erging  aus  dem  kaiserlichen  Haupt- 
quartier Ober-Fahlheim  ein  (ieneralbefehl  an  Lannes,  Ney.  Murat 
und  Marmont. 

Danach  sollte  Lannes  derart  über  die  Brücken  von  Elchingen 
und  Thalfingen  auf  das  nördliche  Donau-Ufer  abmarschieren,  daß 
er  1  Stunde  vor  Tagesanbruch  bei  Elchingen  eintreffen  könne. 

Ney  sollte  sein  Korps  in  dem  Maße  in  Marsch  setzen,  als  es 
bei  Albeck  und  Elchingen  durch  Truppen  des  Korps  Lannes  abgelöst 
V7urde;  das  Korps  war  bis  Mittag  zum  Angriff  gegen  den  Michels- 
berg in  Schlachtstellung  bereitzustellen. 

Bis  S^  früh  sollten  noch  die  Garde,  die  Dragonerdivision  Klein 
und  die  Kürassierdivision  Nansouty  auf  dem  nördlichen  Donau-Ufer 
bereitgestellt  sein. 

Der  Kaiser  werde  selbst  vom  Kloster  Elchingen  aus  den  Befehl 
zum  Angriffe  geben. 

Die  Dragonerdivision  Beaumont  und  General  Marmont  erhielten 
die  Aufgabe,  Ulm  auf  dem  rechten  Ufer  einzuschließen. 

In  einem  Befehle  vom  15.  erhielt  Marmont  noch  die  Weisung, 
daß,  wenn  er  dem  Feinde  den  Austritt  aus  Ulm  nicht  verwehren 
könnte,  der  wichtigste  zu  sperrende  Weg,  der  auf  Günzburg  sei.  Es 
wäre  daher  besser,  den  Feind  nach  Memmingen  entweichen  zu 
lassen;  er  sei  dann  sofort  zu  verfolgen. 

Am  15.  Oktober  früh  gab  Napoleon  die  allgemeine  Dispo- 
sition aus: 

Die  Korps  Ney  und  Lannes  w'erden  sich  in  Schlachtform  auf- 
stellen. 

Das  Korps  Ney  wird  seir>en  rechten  Flügel  an  den  Wald  von 
Mähringen  lehnen,  sein  Zentrum  gegenüber  von  Lehr,  den  linken 
Flügel  vorwärts  von  Jungingen  entwickeln. 

Das  Korps  Lannes:  Division  Suchet  rechter  Flügel,  Division 
Gazan  Zentrum,  Division  Oudinot  linker  Flügel.  Der  rechte  Flügel 
schließt  an  Ney  an,  der  linke  steht  ä  cheval  der  Straße  von 
Albeck^. 

^)  Der  Marseli  der  Division  Gazan  und  Oudinot  hatte  sieh  so  verzögert, 
daß  der  Angriff  am  15.  mittag,  oline  ihr  Eintreffen  abzuwarten,  begonnen  wurde. 


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Die  Garde  und  die  Division  Nansouty  stehen  bei  Haslach,  die 
Dragonerdivision  Bourcier  bei  Lehr  und  Mähringen  bereit. 

Bei  dem  Vormarsche  Neys  und  der  Division  Suchet  des  Korps 
Lannes  in  die  zugewiesenen  Stellungen  wurden  die  österreichischen 
Vortruppen  hinter  die  Verschanzungen  zurückgeworfen. 

Nachdem  die  Division  Malher  (3.  des  Korps  Ney)  südlich  von 
Lehr  beiderseits  der  Chaussee  Ulm — Stuttgart  und  die  Division  Loison 
(2.  des  Korps  Ney)  beiderseits  der  Straße  Ulm — Albeck  entwickelt 
waren,  begann  gegen  Mittag  der  Angriff  auf  die  Verschanzungen. 
Die  Division  Malher  nahm  im  ersten  Anlaufe  die  Schanzen  auf  dem 
Michelsberg  und  drang  gegen  die  Stadt  vor;  eine  Abteilung  drang 
zugleich  mit  den  zurückgehenden  österreichischen  Truppen  in  Ulm 
ein.  wurde  aber  durch  das  Eingreifen  frischer  Truppen  wieder  aus 
Ulm  hinausgedrängt.  Die  Division  Loison  war  längs  der  Albecker 
Straße  vorgegangen,  hatte  die  Verschanzungen  genommen  und  war 
bis  an  die  Umwallung  von  Ulm  vorgedrungen.  Die  Division  setzte 
sich  schließlich  auf  den  Höhen  fest,  ließ  Geschütze  auffahren  und 
Ulm  beschießen. 

Die  Division  Suchet  war  vor  Jungingen  aufmarschiert;  um  3^ 
nachmittag  setzte  sie  sich  in  Bewegung,  um  an  dem  Kampfe  teil- 
zunehmen. Ein  Eegiment  drang  dabei  durch  ein  Stadttor  in  Ulm 
ein.  Nur  dem  energischen  Eingreifen  eines  Hauptmannes,  der  die 
Franzosen  angriff  und  durch  das  Tor  zurückdrängte,  war  es  zu 
danken,  daß  Ulm  nicht  schon  am  15.  in  die  Hände  der  Franzosen 
gefallen  war.  160  Franzosen,  darunter  der  Eegimentskommandant, 
wurden  gefangen  genommen. 

Am  15.  nachmittag  war  der  ßest  der  k.  k.  Armee  in  die  Stadt 
Ulm  zurückgedrängt.  Die  beherrschenden  Höhen  waren  in  den  Händen 
der  Franzosen,  die  von  ihnen  aus  die  Stadt  unter  Feuer  nahmen. 
Noch  am  15.  abend  besetzte  Murat  Grimmelfingen  und  die  Division 
Suchet  Söflingen.  Auf  dem  rechten  Ufer  umschloß  Marmont  den 
Brückenkopf;  das  Korps  Soult  erreichte  am  16.  Laupheim,  mit  den 
vordersten  Truppen  Dellmensingen,  ]2  hn  vor  Ulm.  Ulm  und  die 
Armee  waren  somit  von  allen  Seiten  eingeschlossen. 

Als  die  ersten  Granaten  in  die  Stadt  einschlugen,  entstand  die 
größte  Verwirrung.  Da  für  diesen  Fall  in  keiner  Weise  durch  Be- 
fehle gesorgt  worden  war,  wußte  niemand,  was  er  zu  tun  hatte. 
Keine  Disposition  regelte  die  Besetzung  der  Wälle;  daher  besetzte 
sie  wer  gerade  wollte  und  wo  er  wollte.  Die  übrigen  Truppen  suchten 


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sich  in  den  Straßen  der  Stadt  so  gut  als  möglich  zu  decken.  Für 
die  Sicherung  der  ohnedies  knappen  Verpflegung  und  .Munition  gegen 
Brand  war  ebensowenig  gesorgt  wie  für  die  Beseitigung  der  Leichen 
und  Pferdekadaver  ^). 

Nachmittag  kam  der  erste  französische  Unterhändler,  die  Über- 
gabe der  Stadt  zu  fordern.  Mack,  der  ihn  allein  empfing,  hielt  das, 
noch  ganz  in  der  Idee  des  Rückzuges  befangen,  für  eine  Kriegslist 
und  wies  die  Aufforderung  kurz  ab. 

Auf  die  Nachricht  von  der  Ankunft  des  Parlamentärs  ver- 
sammelten sich  alle  Generale  bei  FML.  Mack,  um  ihn  zu  bewegen, 
vor  allem  die  Armee  zu  retten  und  dazu,  wenn  nötig.  Ulm  zu  opfern. 
Mack  wies  dieses  Ansinnen  zurück.  Er  erließ  sofort  einen  General- 
befehl folgenden  Inhaltes: 

„Ich  mache  im  Namen  Seiner  Majestät  alle  Herren  Generale, 
Stabs-  und  Oberoffiziere  auf  ihre  Ehre,  ihre  Pflicht  und  ihr  eigenes 
Glück  verantwortlich,  das  Wort  .Übergabe'  nicht  mehr  hören  zu 
lassen,  sondern  nur  an  die  standhafteste  und  hartnäckigste  Ver- 
teidigung zu  denken,  die  ohnehin  nicht  lange  dauern  kann,  weil  in 
einigen  wenigen  Tagen  schon  die  Avantgarden  zweier  mächtiger 
Armeen,  einer  k.  k.  und  einer  russischen,  vor  Ulm  erscheinen  werden, 
um  uns  zu  befreien.  Die  feindliche  Armee  ist  in  der  schrecklichsten 
Lage,  teils  durch  die  Witterung,  teils  durch  Mangel  an  Lebens- 
mitteln. Es  ist  unmöglich,  daß  sie  länger  als  einige  wenige  Tage  in 
der  Gegend  aushalten  könne.  Sie  kann  nur  in  sehr  schmalen  Ab- 
teilungen stürmen,  da  wir  fast  allenthalben  sehr  breite  Wassergräben 
haben ;  nichts  ist  also  leichter  als  die  Stürmenden  totzuschlagen  oder 
gefaugen/unehmen.  Wir  haben,  wenn  es  uns  etwa  an  Lebensmitteln 
fehlen  sollte,  mehr  als  3000  Pferde,  um  uns  zu  nähreu.  Ich  will 
selbst    der  erste  sein,    Pferdefleisch    zu  essen,    und  ich  hotfe,    daß 


^)  Ein  Einwohner  von  Ulm  schildert  die  Zustände  in  der  Stadt  folgend: 
„Das  Bild  der  Stadt  war  greulich !  Viele  tausend  Mensehen  hatten  Quartier 
auf  der  Straße  aufgeschlagen,  wo  sie  kochten  und  sehliefen.  Überall  standen 
Wagen  und  Pferde  herum.  Mehr  als  dreißig  tote  Pferde  lagen  herum,  die  nicht 
fortgeschafft  werden  konnten,  da  alle  Tore  gesperrt  waren.  Aus  demselben  Grunde 
lagen  seit  beinahe  8  Tagen  12  Leichen  in  den  Häusern  und  mehr  als  iOO 
in  den  Spitälern.  Die  ganze  Stadt  war  eine  Kloake,  in  der  ein  pestllenzialischer 
Gestank  herrsehte."  „Ulms  Schicksale  in  dem  letzten  Kriege;  aus  dem  Tage- 
buche eines  Augenzeugen  (eines  der  ersten  Bürger  Ulms)".  Voß,  Zeiten,  1806, 
Juliheft. 


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jedermann  gerne  mit  mir  gemeinsame  Sache  machen  wird.  Auch 
von  den  braven  Einwohnern  der  Stadt  hoffe  ich  es  und  versichere 
sie  nochmals,  daß  ihnen  alles  reichlich  vergütet  und  vergolten 
werden  solle')." 

Die  Erklärungen  der  (ienerale,  denen  Mack  in  so  hochtraben- 
den Worten  entgegentrat,  scheinen  aber  doch  den  Optimismus  Macks, 
wenn  er  noch  echt  war,  erschüttert  zu  haben. 

Er  forderte  jetzt  den  rangältesten  General,  FML.  Graf  Rieseh 
auf,  das  Armeekommando  zu  übernehmen,  was  dieser,  wie  begreiflich, 
entschieden  ablehnte. 

Mack  übergab  nun  den  Generalen  eine  schriftliche  Erklärung 
seiner  Ansichten  und  forderte  sie  auf,  ihre  Gegenerklärung  ebenfalls 
schriftlich  abzugeben. 

Die  Erklärung  Macks  lautete^): 

„Der  Feind  fordert  Ulm  auf,  nachdem  er  schon  letzthin  einen 
Sturm  darauf  machen  wollte  und  heute  wirklich  einen  gemacht  hat, 
welcher  abgeschlagen  wurde,  wie  wir  durch  die  Aussage  eines 
gefangenen  Obersten  wissen,  welcher  den  Sturm  führte.  Es  ist 
deutlich,  daß  er  Ulm  haben  will,  um  Meister  von  der  Hier  zu 
bleiben,  mithin  von  einem  großen  Teile  Deutschlands,  wo  wir  keine 
ruhigen  Winterquartiere  und  für  Tirol  sehr  vieles  zu  besorgen  haben 
werden. 

„Behaupten  wir  aber  Ulm  und  die  Hier,  so  muß  der  Feind 
über  den  Rhein  zurückgehen  und  unser  Glück  ist  auf  immer  ge- 
macht^). Er  kann  uns  nicht  über  höchstens  8  Tage  eingeschlossen 
halten,  weil  sich  sonsten  die  Russen  nähern  und  ihm  ein  schreck- 
liches Schicksal  zubereiten  würden.  Auf  so  lange  haben  wir  zu  leben, 
weil  wir  oOUO  Pferde  haben.  Wir  haben  nur  einige  schmale  Strecken, 
wo  der  Feind  anlaufen  kann,    zu  verteidioen.    und   haben   zu  deren 


^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,   X,  278,  und  XIII,   91,  Beilage  7. 

„Am  20.  Oktober  (es  muß  früher  gewesen  sein)  kam  diese  Proklamation 
unter  die  Bevölkerung. 

„Die  kälter  Denkenden  sahen  das  Widersinnige  dieser  Proklamation  ein 
und  konnten  sieh  nur  schwer  der  Kritik  enthalten."  „Ulms  Schicksale  in  dem 
letzten  Kriege  etc." 

2)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  XIII,  91,  Beilage  8. 

^)  Da  die  Donau-Brücken  seit  dem  14.  Oktober  abgebrochen  waren,  konnte 
von  der  Behauptung  der  Hier  umsoweniger  die  Rede  sein,  als  die  Franzosen 
Memmingen  besetzt  hatten  und  mit  einem  Korps  an  der  unteren  Hier  standen. 


io     — 

Verteidigung  15.000  Maiin^).  Wenn  es  uns  auch  an  Munition  fehlen 
sollte,  so  haben  wir  Bajonette,  die  gegen  Stürmende  die  besten 
Waffen  sind;  da  die  Strecken,  die  wir  zu  verteidigen  haben,  sehr 
schmal  sind,  so  können  wir  viele  Reserven  haben,  und  wenn  nur 
ein  Drittel  der  Truppen  brav  ist,  so  kann  es  nicht  fehlen.  Der  Feind 
muß  in  dieser  schrecklichen  Witterung  zu  gründe  gehen,  kann  mit 
vielen  Truppen  deshalb  auch  nicht  bleiben,  weil  die  ganze  Gegend 
ausgezehrt  ist. 

„Ich  bin  also  der  vollen  Überzeugung,  daß  es  unsere  Pflicht 
ist,  uns  zu  halten  und  Ulm  nicht  zu  übergeben.  Nur  eine  ein- 
stimmige Widersetzlichkeit  meiner  Kameraden,  für  welche  sie  Seiner 
Majestät  verantworthch  sein  mögen,  würde  meinen  Entschluß  ändern." 

Diese  Erklärung  konnte  trotz  ihres  sicheren  Tones  keinen  Ein- 
druck auf  die  Generale  machen,  und  sie  nicht  von  der  Richtigkeit 
der  Angaben  überzeugen.  Die  Gegenerklärung  der  Generale  brachte 
daher  auch  eine  den  Ansichten  Macks  entgegengesetzte  Meinung 
zum  Ausdrucke.  Sie  lautete: 

„Wir  Unterfertigte  sind  der  entgegengesetzten  Meinung  und 
glauben,  daß  wir  durch  einen  freien  Abzug,  wodurch  wir  eine  so 
namhafte  Truppe  retten.  Seiner  Majestät  unserem  Allergnädigsten 
Kaiser  einen  größeren  Dienst  leisten,  als  wenn  wir  das  bei  weitem 
nicht  geschlossene  Ulm,  welches  keiner  wahren  Verteidigung  fähig 
ist,  hartnäckig  halten  wollten,  und  werden  dies  auch  durch  Gründe 
darzutun  wissen. 

Richter,  GM.  Gyulai,  FML.  Stipsics,  FML. 

Riesch,  FML.        Moritz  Fürst  Liechtenstein,  GM.        Klenan,  FML. 
Erbprinz  zu  Hessen-Homburg,  FML.  Laudon,  FML. 

Gottesheim,  FML." 

Die  Generale  begründeten  ihre  Gegenerklärung  eingehend. 
Die  wichtigsten  Gründe  waren : 

Nach  Angabe  des  mit  der  Befestigung  von  Ulm  betrauten 
Genieobersten  Dedovieh    könne  Ulm    gar    nicht    als  Festung   ange- 

')  Vergleiche  damit  die  Stärke  der  in  Ulm  gefangenen  Armee:  25.365 
Mann  (Offiziere  und  Mannsehalt).  S.  S.  499. 

Diese  Angabe  Maeks  ist  um  so  merkwürdiger,  als  ihm  vom  Major  Preiherni 
V.  Abele  niich  dem  auf  Seite  160  geschilderten  Vorfalle  ein  Standesausweis 
überbraeht  worden  war,  der  die  Stärke  der  Armee  in  Ulm  mit  22.600  Mann 
(einschließlich  der  Kranken  und  Verwundeten  aber  25.000  Mann)  angab. 

Biographie  des  FML.  Franz  Freiherrn  Abele  von  und  zu  Lilienberg. 


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seheu  werden.  Ulm  sei  nicht  zu  verteidigen,  da  kein  Festungsgeschütz 
vorhanden  sei^). 


^)  Maek  blieb  trotz  allen  entgegengesetzten  Ansichten  und  Tatsachen  hart- 
näckig bei  der  Meinung  und  Behauptung,  daß  Ulm  haltbar  gewesen  sei.  Die 
Franzosen  kamen  nach  der  am  17.  und  18.  Oktober  durchgeführten  Rekognoszie- 
rung Ulms  zu  dem  Urteil:  „Der  Platz  Ulm  konnte  somit  als  eine  Falle  für  die 
österreichische  Armee  bezeichnet  werden."  Das  Urteil  Napoleons  ist  in  der  Fuß- 
note S.  496  wiedergegeben.  Die  österreichischen  Generale  führten  unter  anderem 
auch  an,  daß  am  15.  Oktober  abend  eine  abgeschnittene  Abteilung  der  Mack- 
Kürassiere  beim  Gögglinger  Tor  über  den  Wall  kletterte,  ein  Beweis,  daß  Ulm 
nicht  als  genügend  geschützt  angesehen  werden  konnte.  Die  Beschießung  Ulms 
hatte  gezeigt,  wie  wehrlos  die  Stadt  war.  Das  alles  nützte  nichts,  Maek  blieb 
auch  noch  nach  dem  Kriege  bei  seiner  Meinung,  daß  Ulm  ein  wichtiger  vertei- 
digungsfähiger Platz  war. 

So  schrieb  Maek  am  15.  November  1805  an  PML.  Schwarzenberg: 

„Von  der  Verteidigungsmöglichkeit  (Ulms),  wenn  man  sich  verteidigen  zu 
wollen  die  Entschlossenheit  hatte,  rede  ich  nicht,  denn  Sie  mein  verehrungs- 
würdigster  Fürst  wissen  allzu  wohl,  was  eine  feindliehe  Armee,  die  kein  Belage- 
rungsgeschütz hat,  und  ihre  Feldmunition,  wenn  sie  bald  mit  einer  nur  zehn 
Märsche  entfernten  Armee  zu  tun  bekommen  kann,  nicht  fruchtlos  versehwenden 
wird,  auf  eine  Oarnison  von  15.000  Mann  zu  unternehmen  vermögend  sein 
könne,  wenn  diese  einen  breiten  Wall  und  einen  Wassergraben  von  ungeheurer 
Breite  und  Tiefe  vor  sieh  und  nur  einige  wenige  sehmale  zugängliche  Stellen  zu 
verteidigen  hat.  So  hoch  hatte  ich,  als  ich  meinen  Entschluß  der  Verteidigung 
eröffnete,  die  Garnison  angenommen;  die  Zahl  wurde  widersprochen  und  kaum 
10.000  zugestanden,  während  als  sich  leider,  oh!  leider  etliche  20.000  fanden. 
Ebenso  ging  es  mit  Artillerie  und  Munition.  Ich  behauptete,  daß  doch  wenig- 
stens 30  Kanonen  mit  zureichender  Munition  vorhanden  sein  müssen;  man 
widersprach  es  auch  und  es  fanden  sieh  nach  der  Hand  51  mit  100  Kugel-  und 
30  Kartätschenpatronen  für  jede  ..."  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  XI,  ßS^/o-) 

In  „Punktationen  zu  meiner  Relation"  sehrieb  Maek: 

„In  jedem  Sinne  der  Befe^tigungskunst  ist  Ulm  das  erbärmlichste  Bieoque. 
Aber  wenn  der  Feind  keine  Belagerungsartillerie  hat  und  vor  8  Wochen  keine 
beisehatfen  kann ;  wenn  er  erst  Millionen  (!)  Faschinen  machen  müßte,  um 
einen  Generalsturm  zu  versuchen;  wenn  eine  Hilfsarmee  von  60.000  Mann  (!) 
nur  12  Märsche  entfernt  ist;  wenn  er  seine  Feldmunition  nicht  fruchtlos  ver- 
feuern kann,  um  bei  der  —  ihm  drohenden  Sehlacht  mit  der  Hilfsarmee  Mangel 
daran  zu  leiden;  wenn  er  durch  seine  Einschließung  einen  großen  Teil  seiner 
Truppen  durch  Nässe,  Kot  und  Hunger  oder  vergebliehe  Stürme  zu  gründe 
richten  müßte,  alsdann  ist  Ulm  das  fürchterlichste,  unüberwindlichste 
verschanzte  Lager,  in  welchem  sieh  eine  brave  Besatzung  gegen  vielfache 
Zahl  solange  halten  kann,  als  sie  ihr  Leben  durch  Nahrungsmittel  zu  fristen 
vermögend  ist."  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  XIII,  165.) 

Die  Hartnäckigkeit,  mit  der  Maek  trotz  allen  anderen  Ansichten  und  Tat- 
sachen an  dem  Glauben  festhielt,  Ulm  sei  verteidigungsfähig,  wird  dadurch  er- 
gänzt,  daß    er    über   die   ihm    zu  Gebote  stehenden  Machtmittel  nicht  orientiert 


—     475     — 

Die  Muiiitionsvorräte  seien  gering;  auch  fehlen  die  nötigen 
Verpflegsvorräte. 

Ulm  sei  größtenteils  aus  Holz  gebaut,  so  daß  es  eine  Be- 
schießung nicht  aushalten  könne. 

Die  Ansicht  Maeks  vom  Rückzuge  der  Franzosen  sei  falsch : 
der  Feind  halte  Ulm  mit  ganzer  Macht  eingeschlossen. 

Ein  Entsatz  durch  die  Eussen  und  durch  FML.  Kienmaver 
sei  der  Entfernung  nach  nicht  vor  3  Wochen  zu  erwarten.  Weil 
aber  Napoleon  70.000  Mann  vor  Ulm  habe,  könne  er  immer  einen 
Teil  davon  mit  Bernadotte  vereioigen  und  den  Entsatz  verhindern^) 

^  on  dem  Auüenblicke  der  Übernahme  dieser  Gegenerklärung 
an  war  Mack  zur  Übergabe  von  Ulm  entschlossen,  wenn  er  auch 
für  seine  Person  ostentativ  die  Ansicht  aussprach,  Ulm  sei  unbe- 
dingt zu  halten.  Er  beugte  sich  also  scheinbar  widerwillig  der  An- 
sicht der  Generale,  indem  er,  wie  seine  spätere  Verteidigung  bewies. 
die  Gegenerklärung  der  Generale  als  die  von  ihm  erwähnte  „Wider- 
setzlichkeit seiner  Kameraden"  ansah. 

war.  An  Geschützen  waren  in  Ulm  nur  59  Feldgeschütze,  und  zwar  16  drei- 
pfündige, 41  seehspfünclige  Kanonen  und  2  siebenpfündige  Haubitzen.  Für  jedes 
Geschütz  waren  nur  60 — 70  Schuß  vorhanden.  Die  Infanterie  hatte  nur  mehr 
einen  Teil  der  Tasehenmunition.  Maek  war  weder  über  die  Zahl  der  verfügbaren 
Geschütze  noch  über  die  Munitionsvorräte  orientiert. 

An  Verpflegung,  über  die  Mack  ebenfalls  nicht  orientiert  war,  waren 
wohl  Vorräte  für  11  Tage  vorhanden.  Aber  bei  einem  Bombardement  war  der 
Ausbruch  eines  verheerenden  Brandes  und  damit  die  Zerstörung  der  Vorräte  un- 
vermeidlich. Mack  hatte  gar  nicht  gesorgt,  sieh  über  die  Vorräte  der  Bewohner 
zu  orientieren  und  die  Vorräte  gegen  Feuer  zu  siehern.  Er  schwätzte  nur  von 
Pferdefleisch,  ohne  zu  bedenken,  daß  auch  das  Futter  fehlte,  die  Pferde  bis  zu 
ihrer  Verwertung  am  Leben  zu  erhalten.  Er  übersah,  daß  bei  dem  Mangel  jeder 
Ordnung  und  Sanitätspolizei  in  Ulm  nach  kurzer  Zeit  der  Aufenthalt  unmöglich 
werden  mußte. 

Die  Befestigungen  Ulms  stammten  aus  den  Jahren  1617 — 1624.  Sie 
wurden  in  den  Jahren  1797—1799  vollständig  umgebaut  und  mit  Vorwerken  auf 
den  Höhen  versehen.  18<X)  wurden  die  Befestigungen  fast  vollständig  geschleift; 
nur  die  Tortüruie,  die  alte  Stadtmauer,  der  Stadtgraben  und  das  steinerne  Werk 
auf  der  Donau-Insel  blieben  erhalten;  an  einzelnen  Stellen  war  aber  auch  die 
Mauer  umgelegt  und  der  Graben  ausgefüllt.  Der  Graben  war  stellenweise  bis 
40  m  breit,  aber  trocken.  Oberst  Dedovich  richtete  die  Gräben  zur  Bewässerung 
her.  (Nach  GM.  v.  Loefi'lers  ..Treff"en  von  Ek-hingen",  Heft  11  der  „Mitteilungen  des 
Ulmer  Vereines  für  Kunst  und  Altertum".) 

1)  Kriegsarehiv.  1805,  Deutschland  FA,  X,  159.  Bei  Angeli,  S.  484,  wört- 
lich aufgenommen. 


—     476     — 

Er  sandte  noch  am  15.  den  GM.  Fürsten  Liechtenstein  mit 
einem  schriftlichen  Kapitulationsantrage  zu  Ney,  indem  er  sich  er- 
bot, Ulm  ge,oen  freien  Abzug  der  Armee  zu  übergeben.  Dieser  An- 
trag wurde  von  Napoleon,  der  die  ivriegsgefangenschaft  der  Armee 
forderte,  am  16.  früh  kurz  abgewiesen.  Die  Gegenforderung  Napo- 
leons, die  Armee  gefangen  zu  geben,  wurde  abgelehnt.  Merkwürdig 
und  für  den  Charakter  Macks  bezeichnend  ist,  daß  diese  beiden 
Schriftstücke,  Kapitulationsantrag  und  Abweisung  der  Forderung 
Napoleons,  wohl  von  Mack  selbst  konzipiert  aber  nicht  von  ihm  ge- 
fertigt worden  waren.  Er  überließ  die  Unterschrift  dieser  beiden 
Schriftstücke  den  drei  ältesten  Feldmarschalleutnants. 

Mack  sandte  nun  am  16.  den  GM.  Fürsten  Liechtenstein  zu 
Napoleon,  um  mit  diesem  direkt  zu  verhandeln.  Fürst  Liechtenstein 
brachte  folgende  Zugeständnisse:  Die  österreichische  Armee  ist 
kriegsgefangen;  wenn  aber  die  Russen  am  16.  Oktober  schon  den 
Lech  passiert  haben  sollten,  hat  sie  freien  Abzug  nach  Osterreich. 
Sollte  es  Mack  a).)er  vorziehen,  so  wäre  Napoleon  auch  bereit.  3  oder 
4  Divisionen  durch  5 — 6  Tage  unbeweglich  vor  Ulm  stehen  zu 
lassen  ^). 

Mack  antwortete  in  einem  Schreiben  an  Berthier,  daß  er  den 
Platz  an  niemand  übergeben  würde  als  an  den  Kaiser  selbst.  Er 
lade  Seine  Majestät  daher  ein,  sich  noch  am  16.  unter  dem  Schutze 
seiner  Garden  nach  Ulm  zu  begeben;  er  wäre  glücklich,  den  Kaiser 
in  Ulm  empfangen  zu  können  und  ihm  die  tiefgefühlten  Versiehe- 
rungen seiner  Ergebenheit  und  Bewunderung  erneuern  zu  können. 
„Die  Österreicher  würden  die  Waffen  für  2  Tage  niederlegen, 
d.  h.  bis  übermorgen,  wo  sie  ausziehen  könnten,  ihre  Waffen  wieder 

^)  Grleiehzeitig  mit  diesem  Antrage  brachte  GM.  Fürst  Liechtenstein  ein 
Sehreiben  Berthiers  an  Mack,  worin  es  heißt:  „Wenn  Sie  die  Hoffnung  hätten, 
von  zwei  Armeen  entsetzt  zu  werden,  wie  Sie  es  in  Ihrem  Brief  an  den  Kaiser 
sagen,  und  wenn  Ulm  ein  haltbarer  Platz  wäre,  dann  hätten  Sie  nicht 
die  Kapitulation  angeboten,  den  Platz  gegen  die  Bedingung  zu  übergeben,  daß 
die  Armee  kriegsgefangen  sei,  sich  aber  nach  Österreich  begebe 
ohne  jedoch  bis  zur  Auswechslung  zu  dienen." 

Dieses  Schreiben  beweist,  wie  es  auch  die  spätere  Untersuchung  dargetan 
hat,  daß  Mack,  der  seinen  Generalen  gegenüber  die  Notwendigkeit  betonte,  Ulm 
um  jeden  Preis  zu  halten,  und  sich  den  Ansehein  gab,  nur  gezwungen  davon 
abzugehen,  dem  Feind  insgeheim  bessere  Bedingungen  anbot,  als  er  es  offiziell 
durch  die  Generale  zuließ.  Er  suchte  somit  seine  Untergebenen  und  wohl  auch 
seinen  Kriegsherrn  durch  eine  falsche  Hravour  und  Standhaftiekeit  zu  täuschen. 


—     477     — 

tibernehmen  und  frei  wären,  sieh  mit  der  Hauptarmee  zu  vereinigen 
und  zu  dienen  wie  vorher." 

Diese  Antwort  befriedigte,  wie  lieg-reiflich,  den  Kaiser  gar 
nicht.  Als  fühlbares  Zeichen  dafür  ließ  er  Ulm  am  16.  nachmittag 
erneuert  beschießen. 

Am  16.  Oktober,  also  zur  Zeit,  als  er  mit  dem  Feind  über  die 
Kapitulation  verhandelte,  erließ  Mack  folgenden  Generalbefehl : 

„Vor  jedem  Tor  müssen  auf  den  alten  Wällen  alsogleich  Bat- 
terien eingeschnitten  und  soviel  nur  möglich  Geschütz  dahin  ver- 
schafft werden,  damit  man,  wenn  der  Feind  Batterien  in  der  Nähe 
errichten  sollte,  die  vor  den  Toren  liegenden  Werke  zu  beschießen, 
seine  Arbeiten  verhindern  und  seine  Batterien  schweigen  machen 
könne. 

„Es  müssen  hinlängliche  Pfosten  zum  Überlegen  der  Gräben  von 
den  Außen  werken  in  Bereitschaft  gehalten  werden,  die  Toreingänge 
sind  zu  beiden  [Seiten  mit  Mistwänden  zu  belegen,  daß  nur  für  drei 
Mann  Raum  bleibe.  In  die  Häuser,  von  welchen  man  die  Vorwerke 
beschießen  kann,  müssen  Schußscharten  eingeschnitten,  diese  Häuser 
von  den  Inwohnern  ausgeleeret  und  bloß  für  die  Truppen  bestimmt 
werden.  Für  den  Vollzug  dessen  haben  die  Herren  Feldmarschall- 
leutnants und  ihre  ihnen  unterstehenden  Herren  Generale  mit  Zu- 
ziehung der  Ingenieuroffiziere  zu  haften. 

„Die  Truppen  müssen  an  und  hinter  dem  ßampart  zug-,  halb- 
kompagnie-  und  kompagnieweise  in  den  Häusern  einquartiert  werden. 
Sie  haben  auf  zwei  Tage  Brot  und  auf  einen  Tag  Fleisch  zu  fassen 
und  können  letzteres  in  den  nächsten  Häusern  an  ihren  Quartieren 
durch  die  Stadtbewohner  kochen  lassen. 

„Die  Herren  Feldmarschalleutnants  haben  auch  mehrere  Offi- 
ziere mit  kleinen  Detachements  in  der  Stadt  herumzuschicken,  das 
Rindvieh  ohne  Ausnahme  allenthalben  wegnehmen  und  auch  das 
Stroh,  was  man  findet,  in  das  Magazin  zusammentragen  zu  lassen. 
Das  Vieh  ist  bei  der  Haupt  wache  zu  sammeln  und  muß  dem  Haupt- 
mann von  der  Wache  gegen  Quittung  übergeben  werden. 

„Die  Regimenter  haben  alsogleich  durch  den  Weg  ihrer  Herren 
Feldmarschalleutnants  einen  Frührapport,  worin  der  ausrückende 
Stand  genau  auszuweisen  ist,  einzureichen. 

Auf  Allerhöchsten  Befehl: 
Mack,  FML." 


—     478     — 

Bei  Beurteilung  dieses  Befehles  ist  zu  bedenken,  daß  die  Fran- 
zosen seit  dem  15.  Oktober  nachmittag  Herren  der  Ulm  beherrschen- 
den Höhen  waren,  von  wo  aus  die  französischen  Batterien  nicht  nur 
die  Wälle,    sondern  die   ganze  Stadt   unter  Feuer   nehmen   konnten. 

Am  17.  Oktober  lief  ein  neuer  Antrag  des  Kaisers  ein.  Um 
die  Schrecken  eines  Angriffes  auf  die  Stadt  zu  vermeiden,  wolle  er 
zugestehen,  daß  die  österreichische  Armee  fünf  Tage  in  Ulm  bleibe, 
unter  der  Voraussetzung,  daß  ein  Tor  des  Platzes  den  Franzosen 
übergeben  werde.  Wenn  innerhalb  dieser  fünf  Tage  eine  zum  Ent- 
sätze Ulms  fähige  Kraft  eintreffe,  stimme  der  Kaiser  nicht  nur  dem 
freien  Abzüge  der  österreichischen  Armee  zu,  sondern  auch  dem, 
daß  sie  ihre  Waffen  gebrauche,  um  dem  Vaterlande  zu  dienen.  Trifft 
innerhalb  dieser  fünf  Tage  keine  Entsatzarmee  ein,  so  ist  die  Armee 
kriegsgefangen. 

Ohne  nun  die  Generale  weiter  zu  befragen,  ging  Mack  auf 
diesen  Antrag  ein.  Er  forderte  aber  acht  Tage  anstatt  der  zugestan- 
denen fünftägigen  Frist. 

Nach  längeren  Verhandlungen  ging  Napoleon  auch  auf  die  ge- 
forderten acht  Tage  ein.  General  Graf  Segur,  der  als  Adjutant  Na- 
poleons die  Verhandlungen  mit  Mack  vermittelte,  erzählt  in  seinen 
Memoiren,  daß  Mack,  als  ihm  die  acht  Tage  bewilligt  worden  waren, 
eine  ganz  unverständliche  Freude  an  den  Tag  legte  und  ihm  auf- 
trug, dem  Kaiser  für  seine  Großmut  zu  danken.  Mack  versicherte 
dem  Grafen  Segur,  daß  er  viel  auf  seine  Achtung  gebe  und  daß  er 
ihm  daher  zeigen  werde,  was  er  geschrieben  habe  und  wozu  er  ent- 
schlossen war.  Dabei  zog  Mack  einen  Bogen  Papier  hervor,  auf  dem 
nichts  stand  als  die  Worte: 

„Acht  Tage  oder  den  Tod!  Mack." 

Graf  Segur  schreibt  über  dieses  Verhalten  Macks :  „Ich  blieb 
starr  vor  Staunen,  als  ich  den  Ausdruck  von  Glück  sah,  der  auf 
dem  Gesichte  Macks  erglänzte.  Ich  war  erschüttert  und  betroffen 
von  dieser  kindischen  Freude  über  ein  so  leeres  Zugeständnis.  An 
welchen  erbärmlichen  Strohhalm  glaubte  dieser  unglückliche  General 
in  seinem  vollständigen  Schiffbruch  seine  verlorene  Ehre,  die  Ehre 
seiner  Armee  und  das  Heil  Österreichs  klammern  zu  können." 

Die  Verhandlungen  dauerten  den  ganzen  Tag.  Endlich  kam  am 
17.  Oktober  die  Kapitulation  zu  stände ;  deren  wichtigste  Artikel  lauteten  : 

Artikel  1.  Ulm  wird  mit  der  ganzen  Artillerie  und  mit  allen 
Magazinen  übergeben. 


—     479     — 

Artikel  2.  Die  Garnison  verläßt  Ulm  mit  allen  militärischen 
Ehren  und  legt  dann  die  Waffen  ab.  Die  Offiziere  werden  gegen 
Ehrenwort  entlassen,  die  Armee  geht  nach  Frankreich  in  die  Ge- 
fangenschaft. 

Artikel  5.  Wenn  bis  zum  25.  Oktober  mitternacht  österreichi- 
sche oder  russische  Truppen  die  Stadt  von  welcher  Seite  immer  ent- 
setzen, kann  die  Garnison  mit  ihren  Waffen,  mit  ihrer  Kavallerie  und 
Artillerie   abziehen,    um   sich  mit  den  Entsatztruppen  zu  vereinigen. 

Artikel  6.  Das  Stuttgarter  Tor  wird  am  18.  um  7^^  früh  der 
tranzösischen  Armee  übergeben,  ebenso  wie  die  Quartiere  für  eine 
Brigade. 

Artikel  7.  Die  französische  Armee  kann  die  große  Donau- 
Brücke  benützen,  um  nach  freiem  Ermessen  von  einem  Ufer  auf  das 
andere  zu  verkehren^). 

Artikel  10.  Die  Artikel  1  und  2  treten  erst  in  Geltung,  wenn 
es  der  kommandierende  General  der  österreichischen  Truppen  will, 
unter  der  Bedingung,  daß  der  25.  Oktober  mitternacht  nicht  über- 
schritten wird.  Wenn  sich  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  eine  Armee  ein- 
findet, stark  genug,  um  die  Blockade  aufzuheben,  wird  es  der  Armee 
nach  Artikel  5  freistehen,  zu  machen  was  sie  will. 

Ulm,  am  17.  Oktober  1805. 

Berthier.  Mack. 

Am  18.  um  lO''  vormittag  besetzte  eine  französische  Brigade 
das  Stuttgarter  Tor.  Damit  waren  Ulm  und  die  österreichische  Armee 
den  Franzosen  ausgeliefert^). 

Der  Kapitulationsvertrag  illustriert  den  Charakter  Macks  auf  das 
deutlichste. 

Jeder  ernste,  reell  denkende  Mann  muß  die  Nichtigkeit  dieses 
Vertrages  sofort  erkennen.  Selbst  der  einfältigste  Mensch  muß  sich 
darüber  klar  sein,  daß  Napoleon  trotz  des  Vertrages  alle  Anstren- 
gungen gemacht  hätte,  ein  anrückendes  Entsatzheer  zu  schlagen  und 
zm'ückzuwerfen,  bevor  es  mit  der  eingeschlossenen  Armee  zusammen- 


')  Der  Vertrag  enthält  bei  diesem  Artikel  die  Bemerkung  des  FML.  Maek, 
daß  die  Brücke  abgebrannt  sei  und  daß  sieh  Maek  verpflichte,  die  rasche  Wieder- 
herstellung der  Brücke  zu  betreiben. 

■'')  Schon  während  der  Verhandlungen  sehrieb  Berthier  an  alle  in  Frank- 
reich befindlichen  Marschälle:  „Geben  Sie  Ihren  Truppen  bekannt,  daß  die  erste 
österreichische  Armee  gewesen  ist." 


—     480     — 

wirken  konnte.  Wäre  ihm  das  nicht  gelungen,  d.  h.  hätte  das  Bnt- 
satzheer  die  Franzosen  geschlagen  und  wäre  es  vor  Ulm  erschienen, 
dann  hätte  Mack  keinen  Vertrag,  also  auch  nicht  die  Zustimmung 
Napoleons  gebraucht,  um  aus  Ulm  herauszutreten  und  seine  Armee 
zu  verwenden  wo  und  wie  er  wollte.  Wenn  also  Mack  wirklieh  an 
den  Entsatz  innerhalb  8  Tagen  geglaubt  hat.  wäre  es  eine  grenzen- 
lose Leichtfertigkeit  gewesen,  den  Franzosen  zu  gestatten,  in  seiner 
sogenannten  Festung  Ulm  festen  Fuß  zu  fassen.  Hat  er  aber  an 
diese  8  Tage  nicht  geglaubt  und  wollte  er  durch  den  Vertrag 
nur  die  französische  Armee  durch  diese  Zeit  vor  Ulm  binden,  ohne 
sich  der  Gefahr  eines  Sturmes  auszusetzen,  dann  erscheint  wieder 
seui  späteres  Verhalten  im  grellen  Widerspruch  mit  diesem  Ziele 
des  Vertrages. 

Die  Hartnäckigkeit,  mit  der  Mack  von  einem  Entsatz  durch  die 
Bussen  sprach,  wird  noch  unverständlicher^  wenn  man  bedenkt,  daß 
er  weder  das  Truppenkommando  in  Tirol  noch  den  FML.  Kienraayer 
und  Kutusow    über   die  Schicksale   seiner  Armee   verständigt   hatte. 

Erzherzog  Johann,  der  Kommandant  in  Tirol,  meldete  am 
16.  Oktoljer  an  den  Kaiser,  daß  er  am  12.  von  Reisenden  Nachricht 
vom  Donau-Übergange  der  Franzosen  und  vom  Gefechte  von  Wer- 
tingen und  von  Flüchtigen  die  Kunde  erhalten  habe,  daß  die  Fran- 
zosen in  Augsburg  eingerückt  seien.  Von  der  deutsehen  Armee  habe 
er  bisher  noch  keine  einzige  offizielle  Nachricht  erhalten. 

Am  Inn  erfuhr  man  erst  am  17.  Oktober  von  zwei  Eeisenden 
die  Niederlage  Macks  bei  Günzburg  und  den  Rückzug  der  Armee 
nach  Ulm. 

Die  x^rtikel  5  und  10  des  Vertrages  erscheinen  also  nur  als 
gedankenloser  Selbstbetrug  eines  oberflächlichen  und  optimistischen 
Charakters,  der  schon  in  der  wohlklingenden  Zusammenstellung  leerer 
Worte  eine  Tat  und  einen  Erfolg  erblickt.  Napoleon  ging  lächelnd 
auf  diesen  Selbst):)etrug  Macks  ein  ;  er  nützte  da  und  auch  später 
die  Charakterschwäche  seines  Gegners  klug  aus. 

Nun  erliegt  im  Kriegsarchiv  im  Faszikel  1805,  Tirol  FA,  X, 
unter  der  Nummer  52  ein  Bericht  des  GM.  v.  Mayer  an  den  FML. 
Freiherrn  v.  Jellacbich,  daß  bei  seinen  Vorposten,  die  in  der  Gegend 
von  Isny  standen,  ein  Gemeiner  vom  Eegimente  Hildburghausen  ein- 
getroffen sei,  der  folgendes  angab: 

Er  sei  vom  FML.  Mack  aus  Ulm  nach  Landsberg  (wahr- 
scheinlich zu  FML.  Kienmayer,  sagt  GM.  v.  Mayer)  gesandt  worden, 


—     481     — 

um  einen  Zettel  zu  überbringen.  Bei  Landsberg  sei  er  auf  Fran- 
zosen getroffen,  bei  denen  er  sieh  als  Deserteur  meldete.  Er  wurde 
entwaffnet,  entkam  aber  und  traf  endlich  die  Vorposten  Mayers. 

Dieser  Infanterist  übergab  dem  GM.  v,  Mayer  einen  von  ^laek 
geschriebenen  Zettel  folgenden  Inhalts: 

„Wir  sind  bis  zum  25.  Oktober  frei  aus  der  Stadt  zu  ziehen, 
wenn  Österreicher  oder  ßussen  vor  Ulm  erscheinen,  es  sei  wo  es 
wolle.  M." 

GM.  V.  Mayer  fügte  bei,  daß  der  ganzen  Lage  nach  ein  Ent- 
satz der  augenscheinlich  eingeschlossenen  Armee  unmöglich  sei. 

Wie  recht  Mayer  hatte,  beweist  ein  Befehl  des  Hofkriegsrats- 
präsidenten FZM.  Grafen  Latour  an  den  Kommandanten  des  von 
Araberg  gegen  Böhmen  zurückgegangenen  Detachements  (Gemmingen- 
Infanterie  und  zwei  Eskadronen  Hohenlohe-Dragoner).  In  diesem  am 
18.  Oktober  von  Wien  abgegangenen  Befehle  wird  mitgeteilt,  daß  nach 
der  schon  vollzogenen  Vereinigung  des  Korps  Merveldt  (früher  Kien- 
mayer) mit  den  ßussen  ein  Angriff  mit  vereinter  Kraft  auf  den 
Feind  zwischen  Isar,  Lech  und  Donau  zu  machen  beschlossen  worden 
ist,  der  wahrscheinlich  am  23.,  24.  oder  25.  statthaben  werde^). 

Eine  andere  bezeichnende  Tatsache  ist,  daß  —  wie  früher  er- 
wähnt —  die  Armeegruppe  am  Inn  erst  am  17.  Oktober  durch  zwei 
Reisende  die  erste  Nachricht  über  das  Gefecht  bei  Günzburg  und  den 
Rückmarsch  der  Armee  nach  Ulm  erhalten  hatte.  Über  die  Ereignisse 
bei  Ulm  vom  10.  an  war  man  am  Inn  gar  nicht  orientiert.  Mack 
hatte   dafür  nie  gesorgt^). 

Der  Brigadier  GM.  Mayer  war  also  in  der  Lage,  die  Situation 
der  Armee  zu  überblicken. 

Jeder  Leser  möge  nun  mit  sich  selbst  ins  klare  kommen,  ob 
der  Armeekommandant  Mack  tatsächlich  an  die  Möglichkeit  eines 
solchen  Entsatzes  glaubte  und  darauf  hoffte  oder  ob  er  damit  nur 
seine  Eolle  des  durch  die  Unbotmäßigkeit  seiner  Generale  zur  Über- 
gabe gezwungenen  Helden  zu  Ende  spielte. 

Die  Situation  am  17.  Oktober  abend  ist  in  der  Beilage  30  dar- 
gestellt. 


1)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  167  */»• 
*)  Kriegsarehiv,  Hofkriegsratsakten,  1805. 

Kranss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  31 


XVIII.  Die  Gefangennalime  Wernecks  und  die 
Verfolgung  des  Erzherzogs  Ferdinand. 

(Beilage  31.) 

FML.  V.  Werneek  war  bekaantlich  am  14.  Oktober  bei  Her- 
breehtingen  stehen  geblieben,  wo  er  Befehle  und  die  nachrückenden 
Kolonnen  erwartete. 

Am  15.  früh  erhielt  er  dort  den  Generalbefehl  Maeks  vom 
14.  Oktober  (s.  S.  431),  worin  ihm  die  Verfolgung  der  mittleren  Ko- 
lonne des  zurückgehenden  Feindes  aufgetragen  wurde. 

Am  15.  um  10^  vormittag  traf  GM.  Mecsery  mit  den  Eesten 
der  Infanterieregimenter  Erzherzog  Maximilian,  Auersperg  und  Erbach 
und  mit  einigen  Eskadronen  in  Herbrechtingen  ein^).  Von  diesem 
erfuhr  Werneek  die  geänderte  Aufgabe  des  Korps  Eiesch  und  dessen 
Niederlage  bei  Elchingen  sowie  daß  durch  diese  Niederlage  das  Korps 
Werneek  von  Ulm  abgeschnitten  sei. 

Diese  Nachrichten  waren  nur  schwer  mit  dem  Inhalt  des  Be- 
fehles Macks  in  Übereinstimmung  zu  bringen,  „dessen  Angabe,  der 
Feind  sei  im  Rückzuge  nach  Frankreich,  das  Gepräge  der  bestimmten 
Gewißheit  an  sich  trug".  (Aus  dem  Berichte  Wernecks.) 

„Wie  nun  immer  die  Sache  lag  —  sagt  FML.  v.  Werneek  in 
seiner  Relation^)  — so  mußte  ich  zum  Angriff  gegen  Langenau  und 
Albeck  schreiten,  um  den  zurückgehenden  Feind  zu  schädigen,  oder, 
wenn  er  nicht  zurückging,  der  Armee  in  ülm  zum  Rückzug  zu 
helfen,  umsomehr.  als  ich  Nachricht  erhielt,  der  Feind  zeige  sich 
auch  stark  in  Ellwangen  und  Nördlingen." 

^)  G-M.  Meesery  hatte  bekanntlich  die  Vorhut  des  FML.  Rieseh  im  Gefecht 
bei  Elehingen  kommandiert  und  war  samt  dem  gegen  Leipheim  dirigierten  De- 
taehement  Oberst  Biber  abgedrängt  worden. 

2)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  PA,  X,  187. 


—     483     — 

FML.  Werneck  ließ  daher  sein  Korps  am  15.  um  11  •>  vor- 
mittag in  2  Kolonnen  abrücken,  und  zwar  eine  Kolonne,  11  Bataillone. 
10  Eskadronen  stark,  unter  FML.  <iraf  Hohenzollern  über  Her- 
maringen und  Brenz  auf  Langenau,  die  andere,  12  Bataillone  und  13  Es- 
kadronen, unter  FML.  Graf  Baillet  de  Latour  über  Hausen  und 
Nerenstetten  auf  ADteck.  FML.  Graf  Hohenzollern  sollte  Langenau 
nur  „falsch,  also  mit  wenig  Truppen  angreifen"  und  vor  allem  Albeck 
im  Rücken  fassen.  Allen  Truppen  wurde  „vorzüglich  der  Gebrauch 
des  kalten  Gewehres  empfohlen,  sowie  nicht  viel  Zeit  durch  lang- 
wieriges Plänkeln  zu  verlieren". 

Da  am  15.  Oktober  die  Division  Dupont  im  Marsche  von  Brenz 
über  Langenau  gegen  Ulm  war,  kam  es  bei  Albeck  zum  Kampfe 
mit  der  westlichen  Kolonne  Werneeks. 

Als  die  Vorhut  Duponts  eben  die  Einmündung  der  Straße  von 
Langenau  in  die  Chaussee  Ulm,  Aalen  erreichte,  die  Queue  noch  in 
Langenau  steckte  —  gegen  b^  nachmittag  —  erfolgte  der  Angriff 
Werneeks.  Dupont  entwickelte  seine  Division  in  die  Flanke  und  ließ 
sein  Queueregiment   gegen    die  östliche  Flanke  Werneeks  vorgehen. 

In  diesen  Kampf  griff  auch  die  Dragonerdivision  Klein  ein, 
die  auf  dem  Marsehe  nach  Ulm  gegen  4^  nachmittag  bei  Albeck 
eingetroffen  war. 

Bei  Einbruch  der  Nacht  brach  Werneck  den  Kampf  ab  und 
ging  nach  Nerenstetten  zurück.  Ein  Detachement  unter  GM.  Dieners- 
berg —  2  Bataillone  und  2  Eskadronen  —  wurde  nach  Langenau 
dirigiert. 

Die  Kolonne  FML.  Graf  Hohenzollern  hatte  um  6^  abend 
Brenz  erreicht,  wo  sie  den  ]\farsch  einstellte,  um  erst  am  16.  gegen 
Langenau  vorzugehen.  Die  Division  Dupont  nächtigte  bei  Albeck. 

Am  16.  früh  erhielt  FML.  v.  Werneck  zwei  Befehle :  den  Ge- 
neralbefehl Macks  aus  Ulm  vom  14.  abend,  der  feststellte,  daß  der 
Rückzug  des  Feindes  zweifellos  sei,  und  einen  Befehl  des  Erzherzogs 
Ferdinand  aus  Aalen,  der  Meldung  verlangte,  welche  Befehle  Wer- 
neck aus  Ulm  erhalten  habe. 

P\ML.  Werneck  schloß  aus  der  Anwesenheit  des  Erzherzogs  in 
Aalen  darauf,  daß  der  Rückzug  des  Feindes  erdichtet  war.  Er  be- 
schloß deshalb  und  weil  ihm  der  Marsch  auf  Ulm  unmöglich  er- 
schien, den  Rückzug  nach  Aalen  zu  Erzherzog  Ferdinand. 

Erzherzog  Ferdinand  war  von  Ulm  über  Geislingen,  Gmünd 
nach  Aalen   geritten,    wo   er   am  16.  Oktober  um   5''   früh  ankam. 

31* 


—     484     — 

Dort  fand  er  die  Artilleriereserve  unter  Bedeckuno-  von  5  Eskadronen 
und  2  Kompagnien. 

Auf  die  Meldung  Werneeks  über  das  Gefecht  bei  Albeck  und 
über  die  Unmöglichkeit,  nach  Ulm  durchzudringen,  sandte  Erzherzog 
Ferdinand  an  Werneek  den  Befehl,  nach  Öttingen  zurückzugehen. 

Werneck  hatte  indessen  den  Rückmarsch  nach  Herbrechtingen 
schon  am  16.  vormittag  angetreten  und  auch  dem  FML.  Grafen 
Hohenzollern  Befehl  gesandt,  sofort  nach  Herbrechtingen  zu  mar- 
schieren. Dieser  Rückmarsch  erfolgte  nur  langsam,  hart  bedrängt 
durch  französische  Infanterie  und  Kavallerie,  gegen  die  wiederholt 
Front  gemacht  werden  mußte.  General  Klein  forderte  Werneck  zur 
Übergabe  auf.  Werneck  gab  gar  keine  Antwort.  Um  5^  nachmittag 
trafen  beide  Kolonnen  Werneeks  bei  Herbrechtingen  zusammen.  Die 
westliche  Kolonne  hatte  durch  die  unausgesetzt  nachdrängenden 
Dragoner  Kleins  vier  Bataillone  eingebüßt,  und  zwar  zwei  Batail- 
lone der  Nachhut  und  die  zwei  Bataillone  des  Detachements  GM. 
Dienersberg. 

Werneck  stellte  nun  seine  Truppen  auf  den  Höhen  von  Her- 
brechtingen auf,  um  den  nachdrängenden  Feind  aufzuhalten.  Das 
gelang  auch  bis  in  die  Nacht  hinein,  solange  nur  feindliche  Ka- 
vallerie angegriffen  hatte.  Um  9^^  abend  traf  aber  das  leichte  In- 
fanterieregiment Duponts  ein,  das  nach  kurzem  Kampfe  Herbrech- 
tingen  nahm  und  dadurch  einen  beträchtlichen  Teil  der  Infanterie 
Werneeks  abschnitt  und  gefangen  nahm. 

Werneck  setzte  noch  in  der  Nacht  den  Rückmarsch  auf  Heiden- 
heim fort. 

Auf  französischer  Seite  waren  inzwischen  alle  Vorkehrungen 
getroffen,  um  das  Entweichen  Werneeks  zu  hindern. 

Schon  am  15.  Oktober,  3^  30^  früh,  war  an  General  Rivaud 
der  Befehl  ergangen,  nach  Donauwörth  zu  marschieren  und  bereit 
zu  sein,  mit  Hilfe  der  Depots  den  Abmarsch  österreichischer  Kräfte 
zu  hindern,  die  etwa  über  Heidenheim  entwischten. 

In  der  Nacht  zum  16.  Oktober,  als  schon  die  Meldung  über 
das  Gefecht  bei  Albeck  eingelaufen  war,  erhielt  Murat  im  Haupt- 
quartier von  Napoleon  mündlich  den  Befehl,  sieh  nach  Albeck  zu 
begeben  und  das  dort  von  Dupont  gestellte  österreichische  Korps  zu 
schlagen  und  zu  verfolgen.  An  Truppen  wurden  ihm  zugewiesen : 
die  Division  Dupont  mit  dem  1.  Husarenregiment  und  die  Dragoner- 
division Klein,    die   schon   bei   Albeck   standen,   die    Gardejäger   zu 


—     485    — 

Pferd  uud  die  zwei  Karabinierregimenter  der  Division  Nansouty, 
die  schon  nach  Albeck  dirigiert  worden  waren. 

Am  16.  Oktober,  10^  30^  vormittag,  erging  an  General 
Dumonceau  der  Befehl,  mit  der  batavischen  Division  sofort  von 
Augsburg  nach  Donauwörth  zu  marschieren,  wo  er  spätestens  am 
17.  ankommen  müsse.  Eine  österreichische  Kolonne  ist  über  Neren- 
stetten  entwischt;  sie  könnte  nach  Nördlingen  marschieren. 
Dumonceau  habe  mit  Eivaud  zusammen  diese  Kolonne  anzugreifen, 
wenn  sie  sich  nach  Böhmen  oder  Passau  wenden  sollte. 

Murat,  der  sich  sofort  nach  Erhalt  des  Befehles  nach  Aalen 
begeben  hatte  und  schon  den  Angriff  am  16.  leitete,  zog  auch  noch 
die  zwei  Chasseurregimenter  des  5.  Korps  heran.  (Brigade  General 
Fauconnet.) 

Am  Abend  des  16.  nächtigte  Murat  tür  seine  Person  in 
Hausen,  seine  vordersten  Truppen  (das  9.  leichte  Infanterieregiment) 
waren  in  Herbrechtingen,  das  Gros  seines  Korps  stand  in  Hürben, 
Bissingen  und  Hausen. 

Murat  berichtete  am  17.  früh  von  Hausen  über  seinen  Erfolg 
an  den  Kaiser. 

Der  Kaiser  antwortete  noch  am  17.  um  2^  nachmittag: 

Ihre  Meldung  erhalten.  Beglückwünsche  Sie.  „Aber  keine 
Ruhe!  Verfolgen  Sie  den  Feind  mit  dem  Degen  in  den  Rippen  und 
schneiden  Sie  ihm  alle  Wege  ab.  Das  22.  Ohasseurregiment  soll 
heute  in  Nördlingen  angekommen,  das  16.  Ohasseurregiment  auf 
dem  Marsche  von  Heilbronn  nach  Ellwangen  sein  ^). 

„General  Rivaud  soll  Donauwörth  schon  erreicht  haben,  die 
batavische  Division  wird  heute  abend  in  Donauwörth  eintreffen. 
Ziehen  Sie  all  das  an  sich  und  folgen  Sie  dem  Feind  überall,  wo- 
hin er  marschiert." 

Napoleon  betont  dann,  daß  er  mit  Ungeduld  Meldungen 
darüber  erwarte,  ob  der  Feind  nicht  auf  der  Etappenstraße  Unheil  ge- 
stiftet habe.  Diese  Meldungen  seien  für  ihn  von  der  größten  Wichtigkeit, 
weil  er  danach  seine  Maßnahmen  regeln  wolle.  Zum  Schlüsse  gibt 
er  Murat  eine  leichte  Rüge:  „Es  scheint  mir,  daß  Sie  an  dem  Orte-) 
hätten  nächtigen  sollen,  wo  das  9.  leichte  Regiment  war,  um  bei  Tages- 
anbruch dem  Feinde  folgen  zu  können  und  ihn  zu  überholen." 

^)  Diese  beiden  Regimenter  hatten  nicht  rechtzeitig  den  Anschluß  an  ihre 
Korps  gefunden  und  waren  jetzt  erst  auf  dem  Marsehe  zur  Armee. 
^)  Herbreehtingen. 


—     486     — 

Murat  dirigierte  am  17.  die  Chasseurbrigade  Fauconnet  über 
Bartholomä  und  Essingen  nach  Aalen,  das  1.  Husarenregiment  über 
Heidenheim  nach  Aalen;  beide  hatten  die  Aufgabe,  das  im  Eüekzug 
aufEllwangen  vermutete  österreichische  Korps  unausgesetzt  anzugreifen 
und  zu  stellen,  damit  Murat,  der  über  Neresheim  und  Nördlingen  vor- 
gehen werde,  die  Zeit  gewinne,  sich  den  (Österreichern  vorzulegen. 

An  General  ßivaud  sandte  Murat  Befehl,  mit  allen  verfügbaren 
Truppen  sotort  nach  Nördlingen  zu  marschieren,  die  Brücke  bei 
Donauwörth  aber  besetzt  zu  halten.  Der  Kommandant  von  Nörd- 
lingen wurde  über  die  Situation  orientiert  und  ihm  aufgetragen, 
nach  Fremdingen  aufzuklären.  General  Beaumont  erhielt  Befehl,  mit 
seiner  Dragonerdivision  über  Giengen  und  Heidenheim  zu  folgen, 
um   alle   zurückgebliebenen    österreichischen   Truppen   aufzuheben  ^). 

Das  Korps  Werneck  hatte  inzwischen  den  Eüekzug  die  ganze 
Nacht  hindurch  fortgesetzt  und  war  mit  der  Tete  um  4^  früh, 
mit  der  Queue  um  lO''  vormittag  bei  Ober-Kochen  eingetroffen  ^j. 

In  Ober-Kochen  erhielt  Werneck  den  Befehl  des  Erzherzogs 
Ferdinand,  über  Ebuat,  Neresheim  und  Trochtel fingen  nach  Öttingen 
zu  marschieren.  Das  Korps,  dessen  Truppen  schon  nahezu  erschöpft 
waren,  trat  daher  den  Weitermarsch  nach  kurzer  ßast  an.  Um  3^ 
nachmittag  traf  das  Gros  des  Korps  bei  Neresheim  ein,  die  Queue 
erst  um  5*".  In  Neresheim  war  für  6000  Mann  Quartierkost  sicher- 
gestellt. Bevor  aber  diese  zur  Verteilung  kommen  konnte,  griffen 
die  Franzosen  um  ö'^  30^  nachmittag  an.  (Beilage  31.) 

Die  Division  Klein,  die  an  der  Tete  der  nach  Neresheim  diri- 
gierten Kolonne  war,  rückte  am  17.  Oktober  um  9^"  vormittag  von 
Herbrechtingen  ab.  Sie  traf  den  Feind  erst  bei  Neresheim.  Beim 
Anrücken  der  Dragoner  besetzten  die  Österreicher  die  Höhen  nörd- 
lich des  Egau-Baches,  und  zwar  mit  dem  linken  Flügel  am  Walde 
bei  der  Kirche  (Kloster)  von  Neresheim.  mit  dem  rechten  Flügel 
au  dem  Graben,  der  von  Dössingen  zur  Straßenbrücke  westlich 
Neresheim  herabzieht.  Den  linken  Flügel  zwischen  Kloster  und  Ort 

^)  Die  Dragonei'division  Beaumont,  die  bisher  beim  Korps  Marmont  ge- 
standen war,  wurde  am  17.  durch  die  Division  Walther  ersetzt  und  über  Leip- 
heim  dirigiert,  wo  sie  am  18.  um  10  h  vormittag  einzuti-effen  hatte.  Die  Division 
Beaumont  war  nun  entweder  noch  am  17.  Murat  zugewiesen  worden  oder  sie 
wurde  von  ihm  eigenmächtig  verwendet. 

'^)  Das  Korps  hatte  kaum  6000  Mann.  Da  es  6  Stunden  brauchte,  um  bei 
Ober-Koehen  versammelt  zu  sein,  dürfte  die  Marschordnung  bei  dem  Nacht- 
marsehe ganz  verlorengegangen  sein. 


—     487     — 

bildete  Infanterie,  den  rechten  westlich  des  Ortes  Kavallerie.  Beim 
Kloster  stand  eine  Batterie. 

Die  Nähe  der  Nacht  und  die  große  Entfernung  der  Division 
Dupont  bewog  den  General  Klein,  mit  seiner  Division  allein  anzu- 
greifen. Er  wollte  damit  verhindern,  daß  der  Feind  unter  dem 
Schutze  der  .Nacht  ungeschädigt  abziehe.  Die  Division  zählte 
1800  ßeiter  und  5  Kanonen.  General  Klein  stellte  vor  allem  drei 
seiner  Kanonen  der  österreichischen  Batterie  gegenüber;  die  zwei 
anderen  Kanonen  postierte  er  aber  westlich  der  Höhe  A  560  der- 
art, daß  sie  die  österreichische  Kavallerie  unter  Feuer  nehmen 
konnte,  gegen  die  österreichische  Artillerie  aber  gedeckt  war.  Zwei 
Dragonerregimenter  gingen  nun  gegen  Neresheim  vor;  ein  Eegiment 
dirigierte  Klein  über  die  Brücke  gegen  die  P'ront  der  österreichischen 
Kavallerie,  mit  drei  Regimentern  aber  ging  General  Klein  westlich 
der  Brücke  über  die  Egau  und  westlich  des  Grabens  gegen  Ohmen- 
heim vor.  Diese  Bewegung  veranlaßte  den  FML.  Werneck,  der  einen 
Kampf  für  zwecklos  hielt,  seine  Aufstellung  zu  räumen  und  sich 
über  Ohmenheim  nach  Trochtelfingen  zurückzuziehen.  Als  General 
Klein  die  österreichische  Kavallerie  auf  der  Straße  nach  Ohmenheim 
im  Marsche  sah,  gab  er  Befehl  zur  Attacke,  Direktion  Kirche  von 
Ohmenheim.  Die  österreichische  Kavallerie  wurde  geworfen;  der 
einschwenkende  linke  Flügel  Kleins  traf  auf  österreichische  Infanterie 
und  schnitt  sie  von  Ohmenheim  ab.  Da  kurz  darauf  die  anderen  drei 
Dragonerregimenter  über  Neresheim  herankamen  und  so  die  öster- 
reichische Infanterie  von  allen  Seiten  einschlössen,  streckten 
2000  Mann  mit  dem  General  Graf  Sinzendorf  die  Waffen. 

Der  Umweg  über  Neresheim  war  somit  dem'  Korps  Werneck 
verhängnisvoll  geworden.     Werneck  führt  in  seiner  Relation  an: 

„Wenn  mir  Neresheim  nicht  ausdrücklich  anbefohlen  worden 
wäre,  so  wäre  ich  von  Ober-Kochen  direkt  nach  Trochtelfingen 
marschiert.  Hier  hätte  ich  einen  Marsch  gewoimen  und  den  Feind 
leicht  abgehalten." 

Dieses  Beispiel  zeigt,  daß  es  nicht  gut  ist,  unter  allen  Ver- 
hältnissen zu  genau  zu  befehlen.  Ein  solcher  Befehl  wird  dem 
ünterkommandanten  nur  zu  leicht  zur  gefährlichen  Fessel.  Es  war 
an  und  für  sich  gleichgültig,  auf  welchem  Wege  FML.  v.  Werneck 
nach  Ottingen  kam,  wenn  er  nur  überhaupt  noch  dahin  kommen 
konnte.  Der  Befehl  des  Erzherzogs  hätte  daher  zweckmäßiger  nur 
den  Auftrag  enthalten,  nach  (')ttingen  zu  marschieren. 


—     488     — 

Anderseits  durfte  sieh  Werneck  durch  den  Befehl,  über  Neres- 
heim  zu  marschieren,  nicht  binden  lassen,  falls  er  schon  in  Ober- 
Kochen  erkannt  hatte,  daß  dieser  Umweg  sein  Korps  in  Gefahr 
brächte.  Für  ihn  war  auch  nach  diesem  Befehl  die  Hauptsache,  nach 
Öttingen  zu  kommen.  Er  mußte  daher  den  kürzesten  noch  freien 
Weg  dahin  einschlagen.  Es  scheint  aber,  daß  Werneck  gedankenlos 
gehorcht  hat  und  daß  der  Gedanke,  direkt  nach  Trochtelfingen  zu 
marschieren,  ihm  erst  nach  dem  Gefechte  l)ei  Neresheim,  also  nach- 
träglich gekommen  ist. 

General  Klein,  der  bei  der  Verfolgung  über  Ohmenheim  die 
Zerrüttung  des  österreichischen  Korps  erkannt  hatte,  sandte  einen 
Parlamentär  zu  FML.  Werneck  mit  der  Aufforderung,  die  Waffen 
zu  strecken,  da  das  österreichische  Korps  von  allen  Seiten  um- 
schlossen sei.  In  Begleitung  eines  gefangenen  österreichischen 
Offiziers  nahm  der  Parlamentär  zuerst  den  Weg  gegen  Nördlingen. 
Sie  stießen  hiebei  auf  französische  Kavalleriepatrouillen,  die  von 
Nördlingen  zur  Aufklärung  vorgeritten  waren.  Bei  Trochtelfingen 
trafen  sie  endlich  Werneck,  der  sich  die  Entscheidung  für  den  18. 
vorbehielt. 

FML.  V.  Werneck  gibt  an,  in  der  Nacht  persönlich  gegen 
Kirchheim  und  Wallerstein  rekognosziert  und  dort  Franzosen  ge- 
troffen zu  haben. 

Am  18.  früh  entdeckte  FML.  v.  Werneck,  daß  seine  Kavallerie 
nicht,  wie  ihr  befohlen,  bei  Trochtelfingen  Lager  bezogen  habe,  son- 
dern über  Marktofflngen  gegen  Öttingen  weitermarschiert  war.  Er 
hatte  somit  nach  seiner  Angabe  nur  mehr  1500  Mann  Infanterie 
und  etwa  100  Reiter  zur  Verfügung.  Die  Meldung  des  mit  dem 
Parlamentär  angekommenen  Offiziers  über  die  Anwesenheit  französi- 
scher Kavallerie  auf  der  Straße  nach  Nördlingen  und  das  Ergebnis 
seiner  Rekognoszierung  gegen  Kirchheim  machten  Werneck  glauben, 
daß  er  tatsächlich  allseits  von  französischer  starker  Kavallerie  um- 
schlossen sei.  Da  seine  erschöpfte  Infanterie  ohne  Unterstützung 
starker  Kavallerie  nicht  im  stände  war,  sich  der  französischen  Ka- 
vallerie zu  entziehen,  entschloß  sich  Werneck  am  18.  früh  zur  Ka- 
pitulation. Der  Kapitulationsvertrag  lautete  ^) : 

1.  Das  Korps  de  reserve  unter  Befehl  des  Herrn  FML.  Werneck 
legt  die  Waffen  nieder,  ist  kriegsgefangen  und  wird  nach  Frank- 
reich geführt. 

^)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  185  ad. 


—     489     — 

2.  Die  Herren  Offiziere  sind  kriegsgefangen  auf  Ehrenwort 
und  gehen  nach  Österreich.  Sie  dürfen  vor  geschehener  Auswechs- 
lung weder  gegen  die  französische  Armee  noch  gegen  deren  Al- 
liierte kämpfen. 

3.  Die  Pferde  der  Kavallerie,  die  Kanonen  mit  allem  Zugehör 
und  die  Munition  werden  der  französischen  Armee  überliefert. 

4.  Alle  Regimenter,  Bataillone,  Eskadronen  und  Detacliements, 
welche  von  dem  Armeekorps  des  Herrn  FML.  Werneck  getrennt 
sind,  legen  die  Waffen  nieder  und  werden  kriegsgefangen.  Die 
Artikel  2,  3  und  5  sind  auch  für  sie  gültig. 

5.  Alle  Pferde  und  Equipagen,  welche  den  Offizieren  gehören, 
bleiben  deren  Eigentum^). 

6.  Alle  französischen  Kriegsgefangenen,  die  sich  zu  Trochtel- 
fingen  oder  an  anderen  von  den  Truppen  des  Armeekorps  des 
FML.  Werneck  besetzten  Orten  befinden,  werden  sogleich  zurück- 
gegeben. 

Trochtelfingen,  am  18.  Oktober  1805. 
Beillard.  Werneck,  FML. 

Der  Artikel  4  des  Vertrages  sollte  dem  FML.  v.  Werneck  böse 
Früchte  tragen.  Als  Murat  den  Abzug  der  österreichischen  Ka- 
vallerie erfuhr,  wollte  er  den  ganzen  Vertrag  nicht  eher  anerkennen, 
bevor  nicht  die  Kavallerie  sich  dem  Vertrag  unterworfen  habe.  Er 
forderte  daher  von  FML.  Werneck,  daß  er  an  den  FML.  Grafen 
Hohenzollern  Befehl  sende,  sich  der  Kapitulation  zu  unterwerfen  und 
sich  daher  zu  ergeben.  FML.  v.  Werneck  tat  dies  wirklich. 
FML.  Graf  Hohenzollern  beantwortete  diesen  merkwürdigen  Befehl 
noch  am  18.  folgend: 

„Ich  kann  meine  Überraschung  ül»er  die  Aufforderung,  mich 
mit  der  Kavallerie,  die  bei  Ihrem  Korps  war,  zu  ergeben,  nicht 
verbergen.  Als  ich  Sie  verließ,  hatten  Sie  in  meiner  Gegenwart  jede 
Kapitulation  abgelehnt.  Ich  versuchte  die  Kavallerie  zu  retten,  es 
gelang.  Ich  begreife  nicht,  mit  welchem  Rechte  ich  kriegsgefangen 
sein  sollte,  da  ich  bei  Ihren  Verhandlungen  nicht  anwesend  war 
und  mich  nie  denselben  unterworfen  habe.  Jetzt,  seit  gestern,  bin 
ich  von  Ihnen  getrennt  und  es  kommt  mir  nicht  mehr  zu,  Ihre  Be- 
fehle zu  befolgen.  Ich  erhalte  sie  von  Seiner  königlichen  Hoheit, 
unserem  Armeekommandanten." 


^)  Neben  diesem  Punkte  steht  im  Original  von  Werneeks  Hand  beigefügt: 
S'entend  ce  qui  fait  parti  du  eorps  d'armee. 


—     490     — 

Man  weiß  nicht,  üljer  welchen  der  beiden  Generale  man  sich 
mehr  wundern  soll,  über  HohenzoUern,  der  einfach  bei  Nacht  mit 
der  Kavallerie  davonreitet  und  seinen  die  Kapitulation  ablehnenden 
Korpskommandanten  und  die  Infanterie  im  Stiche  läßt,  um  sich  zu 
retten,  oder  über  Werneck,  der  persönlicher  Vorteile  willen  auch 
Teile  seines  Korps  in  die  Kapitulation  einbezieht,  die  sich  noch  da- 
vor retten  konnten. 

FML.  V.  Werneck  hat  später  auch  das  Sonderbare  seines  Ver- 
haltens gefühlt,  denn  er  rechtfertigte  in  seinen  Berichten  den  Ar- 
tikel 4  des  Vertrages  damit,  daß  er  gute  Kapitulationsbedingungen 
erhalten  und  das  Schicksal  der  gefangenen  Offiziere  erleichtern 
wollte!  Die  Absendung  der  Befehle  an  abgetrennte  Teile,  sich  zu 
ergeben,  rechtfertigte  er  damit,  daß  niemand  den  Befehl  eines 
kriegsgefangenen  Generals  zu  befolgen  brauchte  ^). 

Am  18.  Oktober  kapitulierten  noch  mehrere  abgetrennte 
Teile  des  Korps  Werneck  und  der  größte  Teil  der  Artilleriereserve 
bei  Kirch  heim  und  Wallersteiu,  wo  sich  ihnen  General  ßivaud  mit 
Truppen  aus  Donauwörth  und  Nördlingen  vorgelegt  hatte. 

Nur  Erzherzog  Ferdinand  erreichte  mit  seiner  Kavallerie, 
mit  der  des  FML.  Grafen  HohenzoUern  und  mit  einigen  versprengten 
Infanteriealjteilungen  des  Korps  Werneck  am  18.  Oktober  ()ttingen. 

Der  Erzherzog  hatte  anfangs  die  Absicht,  durch  salzburgisches 
Gebiet  über  Pappenheim  gegen  ßegensburg  abzuziehen.  Auf  die 
Nachricht  aber,  daß  Franzosen  bei  Neuburg  über  die  Donau  ge- 
gangen seien,  entschloß  er  sich  zur  Durehquerung  des  preußischen 
Gebietes  von  Ansbach. 


')  Diese  Eeehtfertigung  ist  natürlieli  vollkommen  haltlos.  Tatsächlich  haben 
mehrere  kleine  Detaehements  den  Befehl  des  FML.  Werneck  befolgt  und  die 
Waffen  gestreckt;  überdies  behaupteten  die  Franzosen,  hintergangen  worden  zu 
sein  und  bedrohten  alle  früher  beim  Korps  Werneck  gestandenen  „wortbrüchi- 
gen" Offiziere  mit  der  vollen  Strenge  des  Kriegsgebrauehes. 

Auch  das  Verhalten  Wernecks  gegen  die  Franzosen  ist  nicht  einwandfrei. 
Es  ist  ja  ein  großes  Unglück,  einen  solchen  Vertrag  absehließen  zu  müssen ;  aber 
selbst  der  beste  General  kann  im  Kriege  dieses  Unglück  haben.  Welche  Bedin- 
gungen man  nun,  gezwungen  oder  freiwillig,  in  den  Vertrag  aufnimmt,  man  halte 
sie  ehrlieh  und  treu  auch  dem  Feinde.  Nimmt  man  in  einen  solchen  Vertrag 
Bedingungen  auf,  die  man  selbst  nicht  erfüllen  kann  und  von  denen  man  hofft, 
daß  andere  sie  nicht  halten  werden,  dann  ist  man  hinterhältig;  geschieht  dies 
aber  gar  aus  Eigennutz,  um  selbst  Vorteil  daraus  zu  ziehen,  dann  darf  man 
auch  vom  Feinde  weder  Achtuns:  noch  Treue  erwarten. 


—     491     — 

Murat  hatte  inzwischen  —  am  18.  früh  —  ein  Sehreiben 
Napoleons  erhalten:  Ich  erwarte  mit  Ungeduld  Meldun«-  aus  Heiden- 
heim, ob  meine  Verbindung  frei  ist  und  ob  mein  Park,  meine  Kasse 
in  Heilbroim  und  meine  Kavalleriedepots  in  Sicherheit  sind.  „Mar- 
schieren Sie  doch  vorwärts!" 

Diesem  Drängen  gegenüber  gab  es  keine  Rast.  Murat  setzte 
überdies  alles  daran,  des  Erzherzogs  habhaft  zu  werden,  den  er 
mit  etwa  20.000  Mann  im  Rückzug  über  Ellwangen  und  Ansbach 
vermutete.  Er  ordnete  daher  für  den  18.  Oktober  den  Vormarsch 
auf  Nördliugen  an.  Die  Kapitulation  Wernecks  und  der  Detache- 
ments  bei  Kirchheim  und  Wallerstein  hielt  ihn  aber  auf  und  hinderte 
ihn,  am  18.  über  Wallerstein  vorzugehen. 

Um  ll*"  nacht  erfuhr  Murat.  daß  der  Erzherzog  in  Öttingen 
sei.  Er  befahl  daher  für  den  19..  1^  früh,  den  Vormarsch  s<Mner 
Hauptkraft  über  (»ttingen  und  Gunzenhausen.  Die  Chasseurregiraenter 
Nr.  16  und  22  sollten  weiter  links  von  Ellwangen  über  Dinkels- 
bühl und  Ansbach  nach  Nürnberg  vorstoßen.  Die  Generale  Rivaud 
und  Dumonceau  sandte  er  mit  ihren  Truppen  nach  Pappenheim  und 
Dietfurt,  um  den  Österreichern  den  Weg  an  die  Donau  zu  verlegen. 
Dorthin  dirigierte  er  auch  die  Division  Oudinot.  die  ihm  vom 
Kaiser. zugewiesen  worden  war^).  Dagegen  betahl  er  den  Dragoner- 
divisionen Bourcier  und  Beaumont,  die  zu  weit  rückwärts  waren 
und  deren  er  nicht  mehr  bedurfte,  zu  halten  und  die  Befehle  des 
Kaisers  einzuholen. 

Erzherzog  Ferdinand  war  am  19.  Oktober  früh  morgens  von 
Öttingen  abmarschiert^).  Bei  Gunzenhausen  sollte  gerastet  werden.  Doch 

^)  Der  Befehl  des  Kaisers  hiezu  lautete: 

Elehingen,  am  18.  Oktober,  Ih  früh.  Marsehall  Lannes  hat  sieh  so- 
fort nach  Heidenheiin  zu  begeben.  Heute  abend  muß  er  mit  der  Grenadierdivision 
und  den  Kürassieren  Nansoutys  dort  sein;  von  da  begibt  er  sieh  nach  Aalen,  um 
den  Feind  zu  verfolgen.  Erzherzog  Ferdinand  ist  mit  20.000  Mann  aus  Ulm  ent- 
kommen: sein  Marsch  wird  aber  durch  einen  Artilleriepark  von  500  Wagen 
verzögert . . . 

^)  Die  Marschordnung  war: 

,,     .   r-         ._,,,,  f      Aufbruch 

MaeK-Kui;i"ii  re,    i  hskadronen <         rj^  r  ... 

Artilleriereserve  und  Bagase )       Aufbruch 

l    5h  301  früh. 

Brigade  Dienersberg:  > 

Albert-Kürassiere,  7  Eskadronen I       Aufbruch 

Hohenzollern-Kürassiere,  2  Eskadronen ,        -j^  r  ■■. 

Blankenstein-Husaren,  2  Eskadronen  mit  dem  Reste  der  Palatinal- 
husaren I 

(Fortsetzung  der  Fußnote  8iehe  S.  492.) 


—     492    •— 

bald  erschien  die  Dragonerdivision  Klein  an  der  Altmühlbrücke,  deren 
Abbrucli  die  Preußen  verweigert  hatten.  Während  der  Verhandlungen 
der  Preußen  mit  General  Klein  setzten  die  Österreicher  den  Marsch 
nach  Schwabach  fort,  wo  die  Infanterie  erst  am  20.  früh  eintraf. 
Die  Division  Klein  folgte  bis  Ober-Erlbach. 

Am  20.  setzten  die  Österreicher  den  Rückmarsch  über  Nürn- 
berg nach  Eschenaii  fort.  Kaum  hatten  die  Österreicher  Nürnberg 
passiert,  als  ihre  Queue  von  der  Vorhut  des  Generals  Klein 
(1.  Husarenregiment  und  Gardejäger)  ereilt  wurde.  Klein  ließ  sofort 
attackieren,  nahm  500  Mann  gefangen  und  warf  sich  dann  auf 
den  Artillerietrain.  Nach  dem  Eintreffen  der  Dragonerdivision  und 
der  Karabiniers  ging  Klein  gegen  das  bei  Eschenau  stehende  Gros 
der  Österreicher  vor.  Obwohl  diese  sechs  Geschütze  ins  Feuer 
brachten,  wurden  sie  geworfen  und  die  Geschütze  genommen.  In 
diesen  Kämpfen  wurde  der  Rest  der  österreichischen  Infanterie,  die 
von  dem  ununterbrochenen  Marsche  bei  strömendem  Regen  gänz- 
lich erschöpft  war,  zersprengt  und  gefangengenommen.  Klein  er- 
beutete an  diesem  Tage  1500  Gefangene  und  33  Geschütze.  Die 
österreichische  Kavallerie  setzte  den  Rückmarsch  noch  in  der  Nacht 
über  Gräfenberg  bis  Pegnitz  fort. 

Am  21.  Oktober  versuchte  die  leichte  Kavallerie  Murats,  die 
Verfolgung  der  österreichischen  Kavallerie  fortzusetzen,  gal»  sie 
aber  bald  als  aussichtslos  auf 

Die  Trümmer  der  österreichischen  Kavallerie,  in  11  seh  wache 
Eskadronen  mit  etwa  1000  Reitern  formiert,  erreichten  am  22.  Ok- 
tober Eger^). 

Brigade  Eohan:  1 

von  Eeuß-Greitz-,  Stuart-  und  Kaunitz-Infanterie  je  eine  Division  \   tu      \ 

Erzherzog  Max,  1  Bataillon  .•  . )       vJ.  ^-H?^^ 

Eeuß-Plauen,  1  Bataillon <"  nun. 

Spork,  1  Bataillon  und  1  Division | 

Brigade  Lederer:  i 

Latour-Glievauxlegers,  5  Eskadronen l       Aufbruch    , 

Klenau-Clievauxlegei's,-  4  Eskadronen |       8t  früh. 

SeHvyarzenberg-Ulanen,  1  Eskadron ' 

Die  Stärke  der  Truppen  des  Erzherzogs  vyar  daher:  3  Bataillone,  4  Di- 
visionen, 28  Eskadronen. 

(Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  166V2-  Marschzettel  für  den 
19.  Oktober.  Öttingen,  am  18.  Oktober  1805.) 

1)  Bis  24.  Oktober  erhöhte  sich  der  Stand  der  Kavallerie  durch  Nach- 
zügler auf  2467  Mann  und  2297  Pferde,  wovon  aber  575  Mann  und  503  Pferde 
vollkommen  undienstbar  waren. 

Von  der  Artilleriereserve  gelangten  118  Mann  und  84  Pferde  nach  Eger. 
Sie  hatte  auf  dem  ßückzuse  2031  Mann  und  2010  Pferde  verloren. 


—     493     — 

Mural,  dessen  Truppen  von  den  Anstrengungen  des  Marsches 
ganz  erschöpft  waren,  gab  die  weitere  Verfolgung  auf.  Die  Dragoner- 
division hatte  vorn  16.  bis  20.  Oktober  abend  von  Albeck  über 
Heidenheim,  Nördlingen,  Nürnberg  nach  Esehenau  über  170  hm, 
also  34  hm  täglich  zurückgelegt;  die  Infanteriedivision  Dupont.  die 
am  20.  Nürnberg  erreichte,  hinterlegte  in  derselben  Zeit  von  Albeck 
bis  Nürnberg  ca.  145  Am,  also  nahezu  30 /fm  täglich  auf  stark  durch- 
weichten Straßen  und  bei  st)-ömendem  Regen. 

Murat  konnte  dem  Kaiser  am  22.  Oktober  melden,  daß 
12.000  Gefangene  —  darunter  9  Generale  —  120  Kanonen,  über 
500  Munitions-  und  Bagagewagen  und  11  Fahnen  erbeutet  und 
über  800  französische  Gefangene  befreit  worden  waren. 

Die  Verfolgung  Murats  kann  als  Beispiel  dafür  angesehen 
werden,  was  eine  zum  Fußgefechte  gut  ausgebildete  Kavallerie  in 
der  Verfolgung  leisten  kann.  Von  Heibrechtingen  an  kam  die  fran- 
zösische Infanterie  in  der  Verfolgung  gar  nicht  mehr  zur  Tätigkeit. 
Die  Dragoner  vertraten  ihre  Stelle,  wo  es  nötig  war  —  wie  bei 
Neresheira  und  Esehenau  —  auch  zum  Feuergefecht  zu  greifen. 
Allerdings  braucht  die  Kavallerie,  um  zum  Angriff  befähigt  zu 
sein,  auch  der  blanken  Watfe,  des  Bajonetts,  denn  nur  im  Bajonett 
kommt  die  Fähigkeit  zum  Nahkampfe  und  damit  der  Gedanke  und 
der  Ansporn  zum  entscheidenden  Kampf  zum  Ausdrucke.  Da  der 
Säbel  zum  Nahkampf  zu  Fuß  unbrauchbar  ist,  wäre  es  vielleicht 
zweckmäßig,  an  den  Gewehren  der  Kavallerie  eine  ganz  kurze  und 
leichte,  festsitzende  Bajonettklinge  anzubringen.  Diese  kleine  Klinge 
wird  die  Kavallerie  moralisch  zum  Sturm  befähigen  und  ihr  daher 
die  Kraft  geben,  besetzte  Örtlichkeiten  zu  nehmen,  was  in  der  Ver- 
folgung oft  von  entscheidender  Bedeutung  sein  kann. 

Sobald  Murat  den  Entschluß  gefaßt  hatte,  die  Verfolgung  ein- 
zustellen, dirigierte  er  alle  ihm  unterstellten  Truppen,  also  die  Gre- 
nadierdivision Oudinot,  die  batavische  Division,  den  General  Eivaud 
und  die  ganze  Kavallerie  nach  Ingolstadt,  wohin  er  sich  die  Be- 
fehle des  Kaisers  erbat. 

Am  25.  Oktober  änderte  das  Korps  Murat  seine  Direktion  und 
marschierte  nach  Neustadt  a.  d.  Donau. 


XIX.  Die  Übergabe  von  Ulm. 

Trotz  den  Ivapitulationsverhandlungen  hatte  Napoleon  nichts 
unterlassen,  um  die  Einschließung  von  Ulm  zu  vervollständigen  und 
zu  sichern. 

Auf  dem  nördlichen  Ufer  umschlossen  vier  Divisionen  der  Korps 
Ney  und  Lannes  die  Stadt.  Eine  Dragonerbrigade  der  Division 
Bourcier  wurde  am  17.  nach  Geislingen  gesandt,  um  die  Verbindung 
mit  Stuttgart  herzustellen,  da  einige  Nachrichten  angaben,  daß 
österreichische  Truppen  gegen  Westen  abgezogen  waren  ^). 

Auf  dem  südlichen  Donau-Ufer  wurde  die  Einschließung  durch 
die  Dragonerdivision  Walther  vervollständigt.  Soult  erhielt  den  Be- 
fehl, am  18.  nach  Landsberg  abzumarschieren,  um  dort  bereit  zu 
sein,  sich  gegen  die  Bussen  zu  wenden. 

Am  18.  Oktober  erhielt  Ney  den  Auftrag,  ein  Kavallerieregiment 
nach  Blaubeuren,  Marmont  ein  Kavalleriedetachement  nach  Eiedlingen 
zu  senden  und  bis  Biberach  aufzuklären.  Die  Division  Suchet  sollte 
am  19.  nach  Günzburg,  die  Garde  am  18.  nach  Augsburg  abmar- 
schieren. 

Am  18.  Oktober  trafen  zwei  Meldungen  von  Davout  und  Ber- 
nadotte  ein.  Davout  meldete :  Füssen  ist  von  4  Bataillonen  und  500 
Eeitern  besetzt.  In  der  Gegend  von  Füssen  sollen  5000 — 6000  Mann 
stehen.  Der  Feind  Ijewacht  alle  Eingänge  nach  Tirol.  Am  15.  Ok- 
tober   waren    erst    15.000  Bussen    zwischen    Öttino-    und  Mühldorf 


^)  „  .  .  .  son  objet  est  d'ouvrir  nos  Communications  avee  Stuttgart."  Der 
Befehl  enthält  weiter  den  Auftrag,  mit  Hilfe  des  französischen  Gesandten  in 
Stuttgart  Lebensmittel  und  Wagen  aufzutreiben  und  sie  zu  den  Zernierungstruppen 
nach  Ulm  zu  senden.  Der  Befehl  sehließt  mit  deio  Satze:  „Nicht  eine  Minute 
darf  verloren  werden,  da  nichts  wichtiger  und  nichts  dringender  ist  als  die  Er- 
füllung dieses  Auftrages." 


—     495     — 

versammelt.    Die   anderen    Kolonnen    werden   in   einigen   Tagen   er- 
wartet. 

Die  Meldung-  Bernadottes  lautete :  Es  ist  sicher,  daß  sich  der 
Feind  zwischen  Mühldorf  und  Neu-Ötting  konzentriert,  einschließ- 
lich der  Russen  35.000  Mann  stark.  Man  erwartet  von  Tag  zu  Tag 
den  Rest  der  ersten  russischen  Armee.  Sie  soll  am  18.  Oktober  ganz 
vereinigt  sein.  Man  schätzt  sie  auf  50.000  .Mann,  aber  nach  allen 
Angaben,  die  ich  habe,  dürfte  sie  nicht  stärker  als  35.000  .Mann 
sein.  Sie  ist  in  schlechtem  Stand  und  ohne  Kavallerie  und  Artillerie. 
General  Kutusow  kommandiert  alle  Truppen  am  Inn ;  auch  Kien- 
mayer ist  ihm  unterstellt.  Man  zeigt  die  nahe  Ankunft  einer  zweiten 
russischen  Armee  von  40.000  Mann  an,  die  jetzt  zwischen  Wien 
und  Wels  sein  soll.  Die  Zahl  ist  jedenfalls  übertrieben,  auch  dürfte 
diese  Armee  kaum  vor  3  Wochen  ankommen. 

General  Bertrand  hatte  Befehl,  die  Donau-Brücke  in  Ulm  wieder- 
herzustellen. Er  meldete,  daß  die  Brücke  ))is  19.  mittag  fertig  sein 
dürfte.  Bertrand  meldete  ferner,  daß  in  Ulm  etwa  200  verwundete 
Franzosen  und  6000—8000  verwundete  Österreicher  lägen  und  daß 
die  österreichische  Armee  schon  auf  eine  Viertelportion  gesetzt 
worden  sei.  General  Mack  versichere,  daß  er  12.000  Mann  Infanterie, 
3000  Eeiter  und  50  Kanonen  in  Ulm  habe.  Es  ist  nötig,  mehr  Ord- 
nung in  der  Stadt  zu  halten. 

General  Mack  ist  tief  ergriffen,  aber  hauptsächlich  über  die 
Kapitulation  Ulms,  zu  der  er,  wie  er  sagt,  von  den  anderen  über- 
redet, ja  fast  gezwungen  worden  ist.  Dagegen  scheint  er  durch  den 
so  plötzlichen  und  fast  vollständigen  Untergang  seiner  Armee  wenig 
erschüttert  worden  zu  sein. 

So  schildert  General  Bertrand  den  Eindruck,  den  er  von  Mack 
erhalten  hatte. 

Zur  Zeit,  als  Napoleon  alle  Anstalten  traf,  um  jeden  Entsatz 
von  Ulm  zu  verhindern,  und  während  er  schon  anfing,  seine  Kräfte 
gegen  die  Bussen  in  Bewegung  zu  setzen,  war  Mack  in  Ulm  nur 
darauf  bedacht,  die  Schuld  an  der  Übergabe  Ulms  anderen  zuzu- 
schieben. 

Am  19.  Oktober  forderte  Mack  den  FML.  Grafen  Gjulai  auf, 
ein  Dokument,  an  dem  er  noch  in  Gegenwart  Gyulais  schrieb,  durch 
seine  Unterschrift  zu  bestätigen  und  auch  andere  Generale  zur  Unter- 
schrift zu  veranlassen. 


—    496     — 

Diese  Schrift  lautete: 

„Ulm,  am  17.  Oktober  1805. 

„Nach  meiner  Überzeugung  sollte  keine  andere  Bedingung  als 
der  freie  Abzug,  ohne  gefangen  zu  sein,  gehört  oder  alle  Unter- 
handlung abgebrochen  werden.  Mack,  FML." 

Mack  wollte  also  noch  2  Tage  nach  dem  Abschlüsse  der  Ka- 
pitulation, die  er  allein  gefertigt  und  deren  Verhandlung  er  ohne 
Zuziehung  anderer  Generale  mit  großem  Eifer  betrieben  hatte,  die 
Ansicht  aufrecht  erhalten,  daß  er  persönlich  gegen  die  Preisgabe  der 
Armee  gewesen  war.  Die  Generale  sollten  durch  ihre  Unterschrift 
bestätigen,  daß  sie  Mack  zur  Preisgabe  dieser  Ansicht  und  zum  Ab- 
schlüsse der  ungünstigen  Kapitulation  gezwungen  hätten.  Wie  be- 
greiflich, wurde  dieser  Zumutung  nicht  entsprochen. 

Am  19.  Oktober  nachmittag  begab  sich  Mack  nach  Elchingen, 
wo  ihn  Napoleon  empfing.  Über  die  Verhandlungen  des  Kaisers  mit 
Mack  liegen  keine  verläßlichen  Aufzeichnungen  vor^). 

Mack  selbst  gab  später  an,  daß  er  erst  vom  Kaiser  sichere 
Nachrichten  über  die  hoifnungslose  Lage  Ulms  erhalten  habe^).  Er 
habe  in  dieser  Unterredung  erst  die  Überzeugung  gewonnen,  daß  es 
zwecklos  wäre,  Ulm  länger  zu  halten;  er  erkannte  aber  aus  den 
Äußerungen  Napoleons,  daß  die  österreichisch-russische  Armee  am 
Inn   in    großer  Gefahr   schwebe,   wenn  sie  etwa  ohne  Kenntnis  der 


^)  Nach  Angabe  Maeks  (Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehhmd  PA,  X,  246)  hat 
ihn  Napoleon  mit  den  Worten  empfangen : 

Wie  konnten  Sie  sieh  dazu  verrennen,  sieh  in  einem  so  elenden  Platz  wie 
Ulm  verteidigen  zu  wollen,  der  nicht  einmal  den  Namen  Festung  verdient? 

Maek  antwortete,  daß  die  Kapitulation  nicht  seiner  Überzeugung  entspringe, 
sondern  durch  die  Verhältnisse  ihm  aufgezwungen  woiden  sei.  Ohne  diese  würde 
er  sich  wohl  halten  bis  zur  Ankunft  der  russischen  Armee.  (Maek  soll  auch  dem 
Kaiser  gegenüber  auf  das  Pferdefleisch  gepocht  haben.) 

Napoleon  erwiderte:  Aber  noch  einmal,  das  ist  gar  keine  Festung  und 
Sie  wollten  sich  darin  gegen  meine  Armee  verteidigen? 

Maek:  Und  ich  hätte  mich  da  verteidigt,  weil  diese  im  Sinne  der  Be- 
lestigung  elende  Festung  ein  sehr  starkes  verschanztes  Lager  ist,  eingeschlossen 
mit  breiten  und  tiefen  Wassergräben,  die  selbst  eine  zehnmal  überlegene  Armee 
ohne  Belagerun gsartillei'ie  nicht  übersehreiten  kann. 

^)  Vergleiche  damit  die  Gegenerklärung  der  Generale  Macks  vom  15.  Ok- 
tober und  deren  Begründung.  Daß  Mack  sich  dieser  Ansieht  schrotf  verschlossen 
hatte,  war  eben  seine  Sache. 


—     497     — 

Verhältnisse  in  Bayern  eindringen  sollte.  Als  der  Kaiser  Maek  noch 
den  Antrag  stellte,  ihn  mit  einer  besonderen  Mission  zu  Kaiser  Franz 
zu  senden,  war  Maek  rasch  entschlossen  :  Er  mußte  vor  allem  bal- 
digst nach  Wien  abreisen  können,  um  die  österreichisch-russische 
Armee  vor  dem  Verderben  zu  retten  und  seine  wertvollen  Dienste 
dem  Kaiser  zu  erhalten.  Dieser  Mann,  dessen  Eigendünkel  selbst 
durch  das  größte  Unglück  nicht  zerstört  werden  konnte,  hielt  seine 
Person  eben  für  wertvoller,  als  die  in  Ulm  eingeschlossenen  Arraee- 
reste:  er  hatte  die  Stirne,  mit  neuen  Ratschlägen  vor  seinen  gütigen 
Monarchen  zu  treten;  er  fürchtete  nicht  die  Frage:  Wo  haben  Sie 
meine  Armee?  Brachte  er  doch  sieh  selbst  zurück,  den  Mann,  der 
allein  eine  Armee  von  100.000  Mann  wert  war! 

Das  Resultat  der  Unterredung  Napoleons  mit  Maek  war  ein 
Übereinkommen  zwischen  Berthier  und  Maek.  das  folgenden  Wort- 
laut hat: 

,,Marschall  Berthier  gibt  als  Bevollmächtigter  des  Kaisers  sein 
Ehrenwort : 

„1.  Daß  die  österreichische  Armee  heute  jenseits  des  Inn  ist 
und  daß  Marschall  Bernadotte  mit  seiner  Armee  zwischen  München 
und  dem  Inn  steht. 

„2.  Daß  Marschall  Lannes  mit  seinem  Korps  den  Erzherzog 
Ferdinand  verfolgt  und  gestern  in  Aalen  war. 

„3.  Daß  Prinz  Murat  mit  seinem  Korps  gestern  in  Nördlingen 
war,  daß  die  Generale  Werneck,  Hohenzollern,  Baillet  und  sieben  andere 
Generale  mit  ihren  Korps  bei  Trochtelfingen  kapituliert  haben. 

„4.  Daß  ^larschall  Soult  zwischen  Ulm  und  Bregenz  steht  und 
die  Wege  von  Tirol  überwacht ;  daß  es  daher  auch  von  dort  keine 
Möglichkeit  gibt,  Ulm  zu  helfen. 

„Der  Generalquartiermeister  FML.  Maek  ist.  diesen  Erklärungen 
Glauben  schenkend,  bereit,  im  Laufe  des  morgigen  Tages  Ulm  zu 
räumen,  gegen  die  Bedingung: 

„Daß  das  ganze  Korps  des  Marschalls  Ney,  zusammengesetzt 
aus  12  Infanterie-  und  4  Kavallerieregimentern,  Ulm  und  dessen 
Umkreis  von  10  Meilen  bis  zum  25.  Oktober  mitternacht,  zu  welchem 
Termin  die  Kapitulation  abläuft,  nicht  verlasse. 

„Infolgedessen  wird  morgen  um  3^  nachmittag  die  österreichi- 
sche Armee  vor  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  mit  allen  militärischen 
Ehren  defilieren ;  sie  wird  die  Waffen  niederlegen  und  die  Offiziere, 

KrauBs.  180,5,  Der  Feldzug  von  Ulm.  32 


—     498     — 

die  ihre  Waffen  behalten,  werden  die  Befehle  erhalten,  um  sich  auf 
den  beiden  Wegen  über  Kempten  und  üiier  Bregenz  durch  Tirol 
nach  Österreich  zu  begeben. 

„In  zwei  Exemplaren  zu  Elchingen,  den  19.  Oktober  1805. 

Marschall  Berthier.  FML.  Mack." 

Zweifellos  hat  hier  der  Menschenkenner  Napoleon  ein  diplo- 
matisches Meisterwerk  geleistet.  Wie  richtig  er  den  Charakter  Macks 
erkannt  hatte,  läßt  schon  das  nach  kurzer  Begegnung  im  Jahre  1800 
gefällte  Urteil  erkennen  (s.  S.  168).  Napoleon  scheint  nun,  den  Cha- 
rakter ]\lacks  ausnützend,  diesen  dazu  gebracht  zu  haben,  daß  er 
gegen  die  Erlaubnis,  sofort  nach  Wien  abreisen  zu  dürfen,  Ulm  und  die 
Armee  unverzüglich  dem  Kaiser  Napoleon  auslieferte.  Es  macht  sogar 
den  Eindruck,  daß  Napoleon  es  absichtlich  unterlassen  hat,  Mack  durch 
Ehrenwort  zu  binden,  in  diesem  Kriege  nicht  mehr  gegen  die  Fran- 
zosen zu  dienen.  Vielleicht  hatte  die  besondere  ]\Iission  Blacks  an 
den  Kaiser  Franz  nur  den  Zweck,  Mack  der  österreichisch-russi- 
schen Armee  zum  Nutzen  Napoleons  zu  erhalten. 

Als  ^laek  dieses  neue  Übereinkommen  den  Generalen  mitteilte, 
brach  deren  Entrüstung  laut  hervor.  FML.  Graf  Eiesch  protestierte 
im  Namen  des  Kaisers  gegen  dieses  A'orgehen  Macks:  bei  den  fol- 
genden erregten  Erörterungen  soll  es  nach  den  Ergebnissen  der 
Untersuchung  fast  zu  Tätlichkeiten  zwischen  den  FML.  Mack,  Eiesch 
und  Laudon  gekommen  sein.  Mack  berief  sich  aber  schließlich  auf 
seine  unumschränkte  Vollmacht  und  daß  er  allein  für  alles,  also  auch 
für  die  vorzeitige  Übergabe  Ulms  verantwortlich  sei.  Da  die  Generale 
außer  stände  waren,  sich  der  Übergabe  mit  Gewalt  zu  widersetzen, 
mußten  sie  sich  in  das  Unvermeidliche  fügen. 

Am  20.  Oktober  streckte  die  Armee  die  Waffen. 

Die  französischen  Korps  der  Einschließungsarmee  hatten  sieh 
hiezu  auf  dem  Michelsberge  aufgestellt.  Zwischen  ihnen  hindurch 
defilierte  die  ganze  österreichische  Armee  von  2^  nachmittag  an 
mit  klingendem  Spiele  vor  dem  Kaiser  Napoleon.  Nach  der  Defilierung 
hatten  die  Truppenkörper  auf  bestimmten  Plätzen  die  Waffen  abzu- 
legen, die  Kavallerie  und  Artillerie  auch  ihre  Pferde  abzugeben.  Die 
entwaffneten  Truppen  kehrten  nach  Ulm  zurück.  51  Bataillone  und 
1874  Eskadronen  streckten  so  die  Waffen. 

Über  die  Stärke  dieser  Truppen  differieren  die  Angaben,  Die 
österreichischen,    allerdings    nicht   zuverlässigen    Angaben   sprechen 


—     499     — 

von  23.000  ]\Jann  und  59  Kanonen,  die  Franzosen  dagegen  gaben 
in  ihrem  Bulletin  vom  21.  Oktober  die  Stärke  der  in  Ulm  gefangenen 
Armee  mit  83.000  Mann,  3000  Verwundeten  und  mit  65  Geschützen 
an.  Nach  einer  regimenterweisen  Aufstellung  (Alorabert  et  Colin, 
m,  S.  864)  wurden  in  Ulm  18  Generale,  912  Offiziere  und  24.435 
Mann  gefangengenommen,    60  Kanonen  und  40  Fahnen    erbeutet^). 


^)  Truppeneinteilung  der  Besatzung  von  Ulm. 
Korps  ßieseli : 


Ulm,  am  18.  Oktober. 


FML.  Laudon  . 
GM.  Genedegg 

GM.  Auersperg 
GM.  Ulm  .    .    . 


GM.  Fresnel 


Kiese 4  Bataillone 

Erzherzog  Ludwig   ....      2.         ,i 

Froon 4  „ 

Erzherzog  Karl 2_         „ 

Auersperg 4  „ 

Erzherzog  Karl-Grenadiere  1  Bataillon 
Proon-Grenadiere  ....  1  „ 
Auersperg-Grenadiere  .  . 
Josef  CoUoredo-Grenadiere 
Manfredini-Grenadiere  .  . 
Hildbui'ghausen  -Grenadiere 
Kolowrat-Grenadiere  .  .  . 
Frelieh-Grenadiere  .... 
Kaiser-Grenadiere  .... 
Erzherzog  Franz-Kürassiere 
Hohenzollern-Kürassiere  . 
Blankenstein-Husaren     .    . 


1 
1 
1 
1 
1 
1 
1 
6  Eskadronen 


n 


^/^  Eskadron 


Korps  Klenau: 


GM.  Stieker     . 

GM.  Fürst 
Liechtenstein 


26  Bataillone,  8'/4  Eskadronen 

Kolowrat 4  Bataillone 

Manfredini 4_        „ 

Hildburghausen 4  „ 

Kaiser ^         „ 

Erzherzog  Rainer     ....  4  „ 

Frelieh        4  „ 

Tiroler  Jäger 1.  Bataillon 

Maek-Kürassiere 1  Eskadron 

Hohenlohe-Dragoner    ...  2  Eskadronen 

Sehwarzenberg-Ülanen    .    .  7  „ 


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25  Bataillone,  10  Eskadronen 

Alle   Generale   und   Regimentskommandanten   haben   sieh   morgen  um  9^ 

vormittag  bei  FML.  Maek  einzufinden. 

Gottesheim,  FML. 

Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  166. 

Nach   dieser  Truppeneinteilung  bestand  also   die  Armee  noch  aus  51  Ba- 
taillonen und  I8V4  Eskadronen. 

32* 


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71/ 


—    500     — 

Die  Franzosen  hatten  alles  vom  19.  abend  an  derart  vorbereitet, 
daß  schon  am  21.  Oktober  der  erste  Transport  Gefangener  nach 
Stuttgart  abging.  Die  anderen  Transporte  folgten  am  22.  und  23. 
Oktober.  Die  erste  Staffel  der  Offiziere  ging  am  21.  Oktober  nach 
Kempten  ab. 

An  dem  Tage,  an  dem  die  Armee  die  Waffen  streckte  und  ihre 
Geschütze  und  Ehrenzeichen  unter  den  Augen  Macks  dem  Feinde 
ausliefern  mußte,  schrieb  der  Urheber  all  dieser  Schmach  einen  Be- 
richt an  seinen  Kriegsherrn,  aus  dem  der  ganze  unselige  Charakter 
dieses  Mannes  spricht.  Der  Bericht  lautet: 

„Alleruntertänigster  Bericht. 
„Die  schrecklichste  Nachricht,  die  Euer  Majestät  jemals  traf, 
bin  ich  Unglücklicher  in  dem  traurigen  Fall,  AUerhöchstdenenselben 
geben  zu  müssen,  dieser  nämhch,  daß  Eurer  Majestät  Armee  in 
Deutschland,  die  zwei  Korps  von  Kienmayer  und  Jellachich  ausge- 
nommen, beinahe  ganz  aufgerieben  und  in  die  Hände  des  Feindes 
gefallen  ist.  Es  mögen,  vom  Erzherzog  und  mir  angefangen,  Fehler 
vorgefallen  sein,  durch  welche  das  Unglück  vergrößert  wurde;  aber 
immer  hätte  es  beinahe  unvermeidlich  so  kommen  müssen,  weil  in 
jeder  Stellung,  die  wir  gehabt  hätten,  die  fast  doppelte  französische 
Zahl  uns  ein  ähnliches  Schicksal  zuzubereiten  das  leichteste  Spiel 
gehabt  hätte.  Wären  wir  auch  bis  am  Inn  rückwärts  gestanden,  so 
würden  wir,  da  seine  Große  Armee  schon  vor  langer  Zeit  ihre  Ver- 
einigung mit  seiner  Bernadotteschen  erreicht  hatte,  längstens  gegen 
Wien  zurückgeworfen,  die  Tiroler  Pässe  wären  genommen  und  die 
Italienische  Armee  zum  Eückzuge  gezwungen  worden.  Es  ist  nunmehr 
erwiesen,  daß  der  französische  Kaiser  alles  und  alles,  was  er  von 
seiner  Kriegsmacht  nur  mobil  machen  konnte,  in  Deutschland  auf- 
gehäuft und  nach  Italien  gar  nichts  an  Verstärkungen  abgeschickt, 
sondern  nur  was  schon  dort  war,  dortgelassen  hat.  Selbst  die  Truppen 
von  Brest  ziehen  unter  dem  General  Augereau  nunmehr  durch  die 
Schweiz,  mithin  gegen  Tirol.  Er  hat  hier  in  Deutsehland  sechs  Corps 
d'armee,  wovon  das  schwächste  von  28  Bataillonen  ist;  zwar  sind 
sie  nur  von  600  Mann,  aber  die  170  Bataillone,  die  sie  ausmachen, 
betragen  102.000  Mann.  Beinahe  seine  ganze  Kavallerie  ist  hier;  in 
Italien  nur  10  Eegimenter,  mithin  etwa  30  unserer  Eskadronen, 
während  als  er  deren  in  Deutschland  wenigstens  120  hat,  die  man 
auf  16.000  anschlagen  muß.  Wenn  man  dazu  seine  6000  Garden  und 


—    501     — 

15.000  Bayern  rechnet,  so  beträgt  die  ganze  Zahl  140.000,  mithin 
beinahe  das  Doppelte  der  ünsn'oen,  während  als  wir  in  Italii*n  bei 
weitem  eine  doppelte  Zahl  der  Franzosen  haben. 

,.Das  Unglück  ist  groß,  denn  es  ist  nunmehr  unvermeidlich,  daß 
nicht  ein  Teil  der  Staaten  Eurer  Majestät  dem  Feinde  preisgegeben 
werden  müsse,  aber  keineswegs  ist  es  irreparabel,  keineswegs  der 
Fall  auf  irgend  andere  Bedingnisse  als  die  mäßigsten,  welche  vorhin 
schon  angenommen  waren,  Frieden  zu  machen.  Nur  muß  von 
diesem  Augenblicke  nichts  mehr  exponiert,  die  russische 
Armee  muß  freiwillig  nach  und  nach  allenfalls  bis  Wien  zurück- 
gezogen, die  zweite  russische  Armee  muß  gegen  Prag  dirigiert,  liei 
beiden  Hauptstädten  und  vielleicht  auch  vorwärts  Budweis  unverweilt 
verschanzte  Lager  angelegt  werden.  Von  der  italienischen  Armee 
muß  wenigstens  ein  Drittel  der  Infanterie  nach  Tirol  und  in  die 
Salzburger  Pässe  geworfen  und  wenn  der  Feind  die  Etseh  passierte, 
müssen  20  Bataillone  nach  Venedig  disponiert,  die  ganze  übrige  In- 
fanterie und  die  Kavallerie  gegen  Graz,  und,  wenn  es  nötig  wäre, 
bis  an  die  ungarische  Grenze  zurückgezogen  werden,  um  die  un- 
garische Insurrektion  an  sich  zu  ziehen,  die  Euer  Majestät  ohne 
Zweifel  bei  diesen  Umständen  bereits  anbefohlen  haben,  sowie  die 
Bewaffnung  und  Marschfertigkeit  der  Grenzer. 

„So  unaussprechlich  unglücklich  ich  war,  so  wage  ich 
dennoch  Euer  Majestät  noch  Rat  zu  geben,  weil  nieman  d  vor- 
handen sein  dürfte,  der  so  wie  ich  von  den  Umständen 
unterrichtet  ist.  Ich  habe  gestern  eine  höchst  merkwürdige  Unter- 
redung mit  dem  Kaiser  von  Frankreich  gehabt.  Er  hat  mich  auto- 
risiert, alsobald  abzureisen,  um  Eurer  Majestät  seinen  Wunsch  nach 
Frieden  zu  eröffnen.  Er  wollte  anfäuglich.  daß  Euer  Majestät  allein 
mit  ihm  unterhandeln  sollten,  gab  aber  auf  die  bestimmten  Er- 
klärungen, die  ich  ihm  machte,  daß  es  Eure  Majestät  nicht  könnten, 
nicht  wollten  und  keineswegs  dazu  gezwungen  wären,  bald  nach  und 
will  es  gemeinschaftlich  mit  Rußland.  Ich  sagte  ihm  auch,  daß  es 
auf  keine  anderen  Bedingnisse  als  diejenigen,  die  mit  Rußland  kon- 
zertiert wären,  geschehen  würde,  denn,  setzte  ich  hinzu :  Votre  Ma- 
jeste  nous  a  ruinee  et  prise  une  armee  de  50.000  hommes.  mais 
150.000  Rnsses  sont  au  marche  ä  notre  secours,  et  Votre  Majeste 
sait,  que  la  raaison  d'Autriche  ne  manque  pas  de  ressources  pour 
mettre  sur  pied  des  nouvelles  armees.  II  y  a  80  bataillons  de  reserve 
deja  dresses  maintenant,    qui  formeront  d'abord  une  nouvelle  armee 


—     502    — 

formidable.  Er  antwortete:  Je  ne  connais  pas  les  propositions;  on 
ne  me  les  a  pas  manifeste;  je  suis  curieiix  de  les  apprendre.  Ich 
sprach  ihm  vor  allem  von  einer  besseren  Grenze  für  uns  in  Italien 
und  von  der  Entschädigung  des  Königs  von  Sardinien.  Die  letztere 
vervrarf  er  gänzlich  und  behauptet,  sie  nicht  schuldig  zu  sein.  Über 
die  erstere  machte  er  geradezu  keine  Einwendung  und  sagte  über- 
haupt: Je  suis  pret  a  faire  des  sacritices,  et  meme  des  grandes  sa- 
crifices  sur  le  continent,  raais  qu'on  fasse  cause  commune  avec  moi, 
pour  en  faire  faire  aussi  ä  l'Angleterre.  Pourquoi  vouloir  toujours 
peser  sur  raa  preponderance  continentale,  sans  vouloir  se  reunir  avec 
moi  contre  la  toutepuissance  maritime  de  l'Angleterre? 

„Die  bittersten  Vorwürfe,  die  er  uns  macht,  sind  die  wegen  des 
Kurfürsten  von  Bayern,  seines  Alliierten,  Ich  sagte  ihm,  daß 
diese  Allianz  uns  nicht  bekannt  gewesen  wäre  und  setzte  hinzu:  Si 
l'Electeur  au  lieu  de  trahir  le  prince  ISchwarzenberg,  lui  avait  montre 
son  traite  dalliance  avec  Votre  .Majeste.  il  maurait  expedie  un 
courrier,  j'en  aurais  expedie  un  a  Vienne,  et  arrete  la  marche  des 
troapes  jusqu'ä  nouvel  ordre.  Als  ich  ihm  sagte,  daß  mir  kein  Bayer 
entwischt  wäre,  wenn  ich  hätte  durch  preußisches  Territorium  pas- 
sieren dürfen,  und  daß  seine  mit  Bernadotte  gefundene  frühere  Ver- 
einigung dies  zu  gründe  gerichtet  habe,  antwortete  er:  Pourquoi  avez- 
vous  respecte  cette  partie  du  territoire  prussien,  qui  n'a  jamais  ete 
respecte  pendant  la  derniere  guerre?  Ich  versetzte:  Nous  autres 
n'osons  pas  permettre  ce  que  Votre  Majeste  se  permet  avec  sa  puis- 
sance  preponderante  et  ä  ee  que  je  sais  la  Prusse  avait  declaree 
qu'elle  prendrait  les  armes  contre  quelleconque  des  trois  puissance 
qui  oserait  violer  sa  neutralite^)". 

*)  Das  von  Maek  geschriebene  Konzept  dieses  Berichtes  erliegt  im  Hof- 
iind  Staatsarehiv  unter  Vorträge.  1805,  IX — XII. 

Nach  seiner  Ankunft  in  Wien  mußte  FML.  Mack  auf  Befehl  des  Kaisers 
über  die  Ursache  der  Niederlage  Aufschluß  geben.  Der  Berieht  über  die  Angaben 
Maeks  lautete: 

„Aufschlüsse  über  die  Unfälle  der  k.  u.  k.  Armee  bei  Ulm,  gegeben 
von  FML.  Baron  Maek  den  27.  Oktober  1805. 
„Die  Grundursachen  dieser  unglücklichen  Ereignisse  müssen  teils  a)  in  der 
vorausgehenden  fehlerhaften  inneren  Organisation  der  Armee,  teils  h)  in  voraus- 
gehenden fehlerhaften  Dispositionen  oder  c)  in  dem  Benehmen  Seiner  königliehen 
Hoheit  des  Erzherzogs  Ferdinand  und  der  Hochseiben  Umgebenden  und  endlich 
d)  in  der  Gefälligkeit  und  Nachgiebigkeit  des  FML.  Mack  gegen  das  Ansehen 
königlicher  Hoheiten  gesucht  werden. 

(Fortsetzung  der  Fußnote  siehe  S.  .503.) 


—     503     — 

Mack,  der  vor  Ungeduld  brannte,  so  schnell  als  möglich  zu 
Kutusow  und  nach  Wien  zu  kommen,    verließ  am    21.  Oktober  früh 

,.a)  Fehlerhafte  innere  Organisation  der  Armee. 

„Durch  den  Verkauf  der  Offiziersstellen  erhielt  die  Armee  unwissende  Buben 
zu  Offizieren;  gediente  und  brave  Offiziere  wurden  mißmutig  gemacht,  weil  sie 
von  unwissenden  jungen  Leuten  übersprungen  und  im  Avancement  gehemmt 
wurden.  Der  Infanterie  fehlte  es  an  gehöriger  Übung  und  Disziplinierung  in 
Friedenszeiten.  Leichte  Infanterie,  mit  der  die  Franzosen  Wunder  tun,  mangelt 
bei  der  Armee  gänzlich*). 

„Dies  alles  hatte  zur  Folge,  daß  ganze  Korps  österreichischer  Infanterie 
an  ein  paar  hundert  französische  Flankier  sich  ergaben**). 

„&)  Vorausgehende  fehlerhafte  Dispositionen. 

..Man  zog  verhältnismäßig  zu  viele  und  die  besten  Truppen  nach  Italien- 
Die  schlechtesten  aber  und  bei  weitem  zu  wenige  Truppen  wurden  nach  Deutsch- 
land geschickt,  wo  man  doch  wußte,  daß  die  ganze  Macht  des  Feindes  herein- 
breche (!).  (Vergleiche  damit  die  Rechtfertigung  Maeks  in  seiner  Denkschrift 
,Die  Kapitulation  von  Ulm'  auf  Seite  423,  Fußaote  ^) 

„c)  Das  Beneh  men  Seiner   königlichen   Hoheit   des   Erzherzogs  Fer- 
dinand. 

..Seine  königliehe  Hoheit  waren  steter  Gegner  der  Absichten,  Pläne  und 
Unternehmungen  des  FML.  Mack.  Schon  bei  dem  ersten  VoiTÜcken  mußten  des- 
wegen die  Kolonnen  haltmachen,  wodurch  sie  dann  später  an  ihren  Bestimmungs- 
orten, die  Artillerie  aber  in  Memmingen  und  Ulm  gar  nicht  eintraf  (!).  Natürlich 
schloß  sieh  alles  an  das  Ansehen  eines  Erzherzogs  an.  alle  Generale  waren  daher 
Gegner  des  FML.  Mack  und  selbst  sein  B'reund  Fürst  Sehwarzenberg  verließ  ihn. 
Durch  das  Benehmen  und  die  offenen  Reden  Seiner  königliehen  Hoheit  und  Hoeh- 
dessen  Anhänger  verbreitete  sich  endlieh  eine  allgemeine  Mutlosigkeit  bei  der 
Armee***). 

..d)  Gefälligkeit  und  Nachgiebigkeit  des   FML.  Mack  gegen   das  An- 
sehen königlicher  Hoheiten.    . 

..Um  königliche  Hoheiten  zu  gewinnen,  stellte  Mack  Menschen  an,  die  er 
wußte,  daß  sie  ihnen  angenehm  wäi'en  und  von  welchen  er  zugleich  Dankbarkeit 
erwartete,  die  ihm  aber  dann  allenthalben  entgegenhandelten.  Um  niemanden 
gegen  sieh  aufzubringen,  stand  er  von  der  Forderung  mehrerer  Truppen  für 
Deutschland  ab  und  ließ  selbst  die  auf  dem  Marsch  aus  Italien  Begriffenen  halt- 
machen. Grob  gefehlt  sei  es  endlieh  gewesen,  daß  er  nicht  gleich  nach  der  Ab- 
reise Eurer  Majestät  von  der  Armee  einen  Kurier  mit  der  Bitte  nachschickte,  ent- 
weder ihn  oder  Seine  königliche  Hoheit  von  der  Armee  wegzunehmen." 

Der  Vergleich  dieser  Angaben  Macks  mit  seinen  früheren  Berichten  und 
mit  den  Tatsachen  zeigt,  wie  willkürlich  Älack  bei  seiner  Rechtfertigung  Tat- 
sachen und  Geschehnisse  gruppierte  und  auslegte. 

*)  Er  sagte,  die  ganze  Infanterie  wäre  elend  gewesen,  gar  nicht  zu  braueben. 
**)  Dies    war    am  Micbelsberg    bei  Ulm,     wo  sich,     nachdem    der    Erzherzog  Ferdinand 
oben  war  und  von  dort  wegritt,  20U0  Mann  an  200  Pläukler  ergaben. 

♦**)  Er    klagte    besonders   über    den  Bianchi,    w-elcher    ötfentlich    sagte,    daß  die  Familie 
ihm  den  Erzherzog   anvertraut  hätte,    er   ihn  also   keiner  Gefahr  aussetzen   könnte. 
(Hof-  und  Staatsarchiv,  Vorträge,  1805,  IX— Xll.) 


—     504     — 

Ulm,  kam  am  22.  Oktober  diireh  Parsdorf  östlich  von  München  und 
traf  am  23.  Oktober  in  Braunau  ein,  wo  er  Ivotusow  über  die  Fran- 
zosen orientierte  und  ihm  mit  seinem  Rat  zur  Seite  stand.  Kutusow 
meldete  an  diesem  Tage  dem  Kaiser  Franz,  daß  er,  Mack  und  FML. 
Merveldt  überein  gekommen  seien,  mit  der  Armee  vor  den  Fran- 
zosen nach  Lambaeh  und  nach  und  nach  über  Linz  und  Enns  zu- 
rückzugehen und  alle  Brücken  hinter  sich  zu  zerstören. 

Mack  reiste  dann  nach  Wien  weiter.  Von  St.  Polten  sandte  er 
am  26.  einen  Plan  für  die  weiteren  Operationen  „Reflexions  ulteri- 
eures  du  General  Mack"  an  Kutusow  ab^). 


')  Das   von  Maek  selbst  geschriebene  Original  dieses   Planes    erliegt  im 
Kriegsarehiv  im  Faszikel  1805,    Deutsehland  FA,    X,  unter  der  Nummer  214V4. 
In  diesem  Plane  kommt  Maek  zu  folgenden  Anträgen: 
«)  Alle  Inn-Brüeken  sind  so  gründlieh  als  möglieh  zu  zerstören.  Nur  die 
Brücken  bei  Sohärding  und  Braunau  sind  nur  zur  Zerstörung  vorzubereiten. 

b)  Außer  Braunau,  das  schon  in  Verteidigungsstand  ist,  sind 
Passau,  Schärding,  Burghausen  und  Salzburg  in  Yerteidigungsstand  zu  setzen, 
also  zu  befestigen. 

c)  Die  österreichischen  Truppen  hätten  diese  Orte  zu  besetzen,  mit  Vor- 
truppen  westlieh  des  Inn.  Die  russische  Armee  hätte  bei  Bied  zu  stehen,  um  jede 
Brückenbesatzung  unterstützen  zu  können. 

d)  Alle  Trains  wären  nach  Linz  zu  senden. 

e)  Die  Aitillerie  muß  gegen  diesen  Feind  vermindert  werden.  Ein  Gresehütz 
für  jedes  Bataillon  genügt.  Die  reitende  Artillerie,  die  Positionsartillerie  und  die 
Haubitzen  sind  auf  die  halbe  Anzahl  herabzusetzen.  Das  ist  das  französische 
System;  da  aber  die  östen*eichisehen  und  russischen  Bataillone  schwächer  sind 
als  die  französischen,  sind  sie  noch  immer  stärker  an  Artillerie  wie  die  fran- 
zösischen. Somit  dürfte  die  österreichische  Artillerie  für  beide  Armeen  (für  die 
österreichische  und  für  die  russische)  genügen.  Die  ganze  russische  Artillerie 
wäre  hinter  die  Donaji  zurückzusenden. 

Dieses  Schriftstück  liefert  den  Beweis,  da  13  Mack  selbst  durch  seine  bis- 
herigen Erfahrungen  noch  nichts  gelernt  hatte.  Er  glaubte  also  noch  immer,  daß 
Napoleon  seinen  Feinden  Zeit  ließe.  Orte  zu  befestigen,  er  glaubte  noch  immer 
an  die  ^ilöglichkeit,  eine  Armee  kurz  vor  dem  Zusammenstoß  neu  organisieren 
zu  können.  Abermals  kam  es  ihm  nur  darauf  an.  das  ..französische  System"  nach- 
zuahmen, ohne  dessen  Geist  zu  erfassen. 

Wie  wetterwendisch  Maek  in  seiner  Auffassung,  in  seinen  Äußerungen  und 
Handlungen  war,  zeigt  sein  Verhalten  betretfs  Braunau.  In  seinem  Berichte  vom 
19.  September  nennt  er  Braunau  ein  ..erbärmliches  Nest,  welches  gar 
keiner  Verteidigung  fähig  ist'  (S.  201),  weil  er  dessen  Kanonen  für  Ulm 
und  Memmingen  haben  will.  Er  beantragt  daher  ohne  Bedenken  die  Auflassung 
dieser  Festung.  .Jetzt,  am  26.  Oktober,  ist  Braunau,  weü  es  in  seinen  Plan  paßt, 
..schon  in  Verteidigungsstand",  obwohl  er  es  des  größten  Teiles  seiner  Geschütze 
beraubt  hatte. 


—     505     — 

Damit  war  endlich  —  für  Osterreich  und  seinen  Monarchen 
leider  viel  zu  spät  —  der  Tätigkeit  Macks  ein  Ziel  gesetzt.  Als  er  in 
Wien  ankam,  wurde  er  sofort  interniert  und  am  28.  Oktober  nach 
Selowitz  in  Mähren,  am  23.  November  1805  in  die  Festung  Josef- 
stadt gebracht. 

Die  österreichische  Armee  in  Deutschland  war  vernichtet.  Sie 
war  nicht  im  Kampfe  unterlegen,  sondern  wie  Erzherzog  Ferdinand 
in  zweien  seiner  Berichte  an  den  Kaiser  schrieb:  .,FML.  Maek  hat 
durch  seine  falschen  Maßregeln  eine  vom  guten  Geiste  beleljte  und 
über  50.000  Mann  starke  Armee,  ohne  sich  in  eine  Hauptschlacht 
einzulassen,  aufgeopfert^)"  und 

„Nicht  der  Feind,  aber  unser  bisheriges  Benehmen  selbst 
setzte  uns  in  diese  äußerst  kritische  Situation^)"  und — könnte  man 
ergänzen  —  hat  unsere  Armee  ruiniert  und  geschändet. 

Über  50.000  Mann  hatten  die  Franzosen  in  den  unbedeuten- 
den Gefechten  und  bei  Ulm  gefangen.  Die  Zahl  der  von  ihnen  er- 
beuteten Geschütze  und  Fahnen  ist  nicht  mit  Sicherheit  festzu- 
stellen. 

Der  erste  Teil  der  Kriegsidee  Napoleons  war  erfüllt;  es  galt 
nun  die  Russen  zu  schlaoen 


^)  Kriegsarchiv,  1805,  Deutschland  E'A,  X,  167.  ^/g;    Eerielit  aus  Öttingen 
vom  18.  Oktober. 

")  Bericht  vom  12.  Oktober. 


XX.  Die  Versammlimg  der  französischen  Armee 
zum  Marsch  nach  Wien. 

(Beilage  32.) 

Napoleon  ruhte  nicht  einen  Augenblick  auf  den  errungenen 
Lorbeeren  aus.  Die  rastlose  Energie  des  Willens,  die  allein  den 
Feldherrn  wirklich  groß  machen  kann,  veranlaßte  Napoleon  schon 
unmittelbar  nach  Abschluß  der  Kapitulation  vom  17.  Oktober,  den 
Vormarsch  nach  Wien  vorzubereiten. 

Wie  bereits  erwähnt,  befahl  Napoleon  noch  am  17.  Oktober, 
daß  Soult  nach  Landsberg  zu  marschieren  habe.  Soult  hatte  am  17. 
die  Anwesenheit  des  Korps  Jellachich  bei  Leutkirch  gemeldet  mid 
sprach  die  Ansicht  aus,  daß  das  4.  Korps  sich  gegen  diesen  Feind 
wenden  sollte.  Soult  marschierte  auf  Grund  des  Befehles  vom 
17.  Oktober  am  18.  von  Laupheim  nach  Ochsenhausen  ab  und 
wollte  am  19.  Memmingen,  am  21.  Landsberg  erreichen.  Soult  mel- 
dete dies  dem  Kaiser  und  wiederholte,  daß  Jellachich  mit  20.000 
bis  25.000  Mann  die  Aufgabe  haben  solle,  Ulm  zu  unterstützen. 
Soult  wollte  das  unter  Festhaltung  seiner  Bestimmung  verhindern 
und  erbat  sich  dazu  die  Bewilligung  des  Kaisers. 

Inzwischen  war  am  18.  von  Elchingen  auf  die  erste  Meldung 
Soults  der  Befehl  an  ihn  abgegangen: 

„Der  Wille  des  Kaisers  ist,  daß  Sie  sich  nach  Landsberg  be- 
geben, weil  Ihr  Korps  bestimmt  ist,  am  Inn  verwendet  zu  werden. 
Wenn  der  Kaiser  seinen  Entschluß  neuer  Nachrichten  wegen  ändern 
sollte,  werden  Sie  morgen  in  Memmingen  rechtzeitig  verständigt 
werden.  Marschall  Augereau,  der  Ende  Oktober  am  Bodensee  an- 
kommen wird,  wird  das  Land  in  unserem  Eücken  säubern .  .  . 

„Nach  der  jetzigen  Lage  müssen  Sie  an  den  Inn  marschieren; 
wir   dürfen   dem    Feinde   nicht   die  Initiative  lassen.    Wenn 


—     507     — 

der  Kaiser  die  Bussen  geschlageD  iaaben  wird  und  wenn  er  auf 
Wien  marsciiiert.  wird  sich  alles,  was  in  Tirol  ist,  sehr  schnell  zu- 
rückziehen." 

Dieser  Befehl  dürfte  noch  nicht  bei  Soult  angelangt  gewesen 
sein,  als  dieser  den  Entschluß  faßte.  Jellachich  anzugreifen.  Er  mel- 
dete dies  dem  Kaiser  (anscheinend  am  19.  Oktober):  Ich  habe  ge- 
meldet, daß  der  Feind  auf  Wurzach  und  Leutkirch  marschiert  ist. 
Ochsenhausen  durchschreitend  erfahre  ich,  daß  seine  Vorposten  bis 
an  die  Eoth,  zwei  Meilen  von  Ochsenhausen  vorgetrieben  waren. 
Ein  Lager  der  Vorhut  war  bei  Wurzach,  ein  anderes  bei  Wolfsegg. 
Bei  Leutkirch  sollen  sich  zwei  Infanterieregimenter  befinden.  Kom- 
mandant ist  Jellachich,  der  in  Wolfsegg  sein  soll,  der  aber  auch 
schon  Leutkirch  erreicht  haben  soll.  Er  hat  15.000—20.000  Mann. 
Ich  kann  besonders  nach  der  Kapitulation  von  Ulm  dieses  Korps 
nicht  unbeachtet  lassen.  Ich  entschließe  mich  daher,  es  anzugreifen. 
Auch  Erzherzog  Ferdinand  soll  bei  dieser  Kolonne  sein;  er  dinierte 
heute  im  Kloster  Gutenzeil.  Ich  glaube  daher  recht  zu  tun,  einen 
Marsch  auf  Leutkirch  und  Wolfsegg  zu  machen,  anstatt  direkt  nach 
Landsberg  zu  marschieren.  Wenn  ich  mich  irren  sollte,  bitte  ich 
um  Nachsicht. 

Tatsächlich  ergingen  auch  am  20.  Oktober  Befehle,  um  am 
21.  die  Kavallerie  und  zwei  Divisionen  auf  Leutkirch  in  Marsch  zu 
setzen. 

Vor  dem  Abmarsch  scheint  aber  ein  Befehl  Napoleons  vom 
20.   Oktober   bei   Soult   eingetroffen   zu   sein,    der   folgend    beginnt: 

„Der  Kaiser  kann  nur  Ihren  Eifer  und  alle  von  Ihnen  ge- 
troffenen Anordnungen  loben;  er  beauftragt  mich,  Ihnen  seine  Zu- 
friedenheit auszudrücken.  Aber  Seine  Majestät  wünscht,  daß  Sie 
sich  nach  Augsburg^)  begeben,  da  Sie  die  Bestimmung  haben,  die 
Bussen  am  Inn  zu  bekämpfen.  Indessen  stellt  Ihnen  Seine  Majestät 
noch  einen  Tag  für  Ihre  Bewegung  zur  freien  Verfügung..." 

Nach  Orientierung  über  die  Lage  schließt  das  Schreiben: 

„Es  scheint,  nach  den  Meldungen,  die  der  Kaiser  erhalten 
hat,  daß.  wenn  Sie,  anstatt  nach  Biberach  zu  marschieren,  sich  auf 
das  Korps  geworfen  hätten,  das  Sie  getroffen  haben,  Sie  noch 
8000 — 9000  Mann  gefangengenommen  hätten,  alles  das.  was  jetzt 
von  der  80.000  Mann  starken  österreichischen  Armee  ent- 
kommen ist." 


')  Sollte  wohl  Landsberg  heißen. 


—     508     — 

Dieser   Schriftwechsel   ist   in    mehrfacher  Hinsieht  interessant. 

Soult  ließ  sieh  durch  den  Mißerfolg,  den  seine  selbständige 
Bntschlußfassung  bei  Aichach  und  Augsburg  hatte,  da  sie  ihm  das 
Mißtallen  des  Kaisers  eintrug,  nicht  abschrecken,  auch  ein  zvveites- 
mal  in  einer  schwierigen  Situation  bei  Festhaltung  der  Absicht  des 
Feldherrn  selbständig  zu  denken  und  zu  handeln.  Sollte  ich  mich 
irren,  sagt  er  schlicht  und  einfach,  dann  bitte  ich  um  Nachsicht. 
Er  hält  seine  Idee  nicht  rechthaberisch  für  die  einzig  richtige:  aber 
er  will,  soweit  es  die  Absicht  des  Feldherrn  zuläßt,  seiner  Über- 
zeugung folgen. 

Nuj-  Korpskommandanten,  die  diesen  Mut  haben,  werden  ihren 
Führer  voll  unterstützen.  Sie  werden  zwar  nicht  immer  gerade  das 
Beste  machen,  aber  es  genügt,  wenn  sie  etwas  Vernünftiges  tun. 
Das  vernüüflige  und  verständnisvolle  Zusammenwirken  aller  Unter- 
führer trägt  aber  viel  zum  Erfolge  bei. 

Napoleon  anerkennt  diesen  Mut  seines  Marschalls,  obwohl  er 
anderer  Ansicht  ist.  Er  läßt  Soult  seine  Zufriedenheit  und  Zustim- 
mung ausdrücken  und  gibt  ihm  eine  allerdings  sehr  beschränkte 
Zeit  frei,  seinen  Entschluß  durchzuführen. 

(ileichzeitig  orientierter  aber  Soult  über  die  höhere  Auffassung,  die 
er  als  Oberfeldherr  hat  und  nach  der  er  von  diesem  Korps  anderes 
fordern  muß.  Nach  Niederwerfung  Macks  sind  die  Russen  der  wich- 
tigste Teil  des  Feindes,  gegen  den  der  Kaiser  alle  Kräfte  vereinigen 
will.  Ihm  ist  das  Korps  Jellachich  jetzt  Nebensache,  da  es  schon 
südlich  des  Korps  Soult  steht,  somit  vor  dessen  Angriff  nach  Tirol 
auszuweichen  vermag;  dorthin  darf  aber  Soult  nicht  abgelenkt 
werden,  da  das  zur  Zersplitterung  der  an  den  Inn  bestimmten 
Kraft  führen  müßte.  Er  sagt:  Bei  den  Eussen  und  bei  Wien  liegt 
die  Entscheidung  auch  für  Tirol  und  seine  Sicherung  gegen  Tirol 
überläßt  er  den  rückwärtigen  Korps:  Augereau,  der  erst  anmarschiert, 
und  Ney,    der  ohnedies  noch  längere  Zeit  ))ei  Ulm  gebunden  ist. 

Zum  Schlüsse  läßt  der  Kaiser  durchblicken,  daß  der  richtige 
Augenblick  zum  selbständigen  Handeln  von  Soult  versäumt  worden 
ist.  Dieser  Augenblick  war  am  13.  Oktober  eingetroten.  Soult  wußte, 
daß  der  Kaiser  die  Österreicher  durch  ihn  von  Tirol  abdrängen 
wollte  und  daß  sein  Korps  den  rechten  Flügel  der  Österreicher 
umgehen  sollte.  Als  Soult  daher,  bei  Memmingen  angelangt,  Mel- 
dung vom  Marsch  einer  österreichischen  Kolonne  von  Oehson- 
hausen    nach    Süden    erhielt,    wäi-e    er    im    Sinne    der  Absicht  des 


—    509     — 

Kaisers  berechtigt  gewesen,  vom  Befehl  abzuweichen  und  anstatt 
nach  Ochseuhausen  zu  marschieren,  sich  dem  abmarschierenden 
Feinde  —  dem  schwachen  Korps  Jellachich  —  vorzulegen.  Jetzt 
aber,  am  20.  Oktober,  war  es  dazu  zu  spät. 

Soult  hat  dann  in  der  Folge  seine  Absicht  fallengelassen  und 
ist  direkt  nach  Landsberg  marschiert,  wo  sein  Korps  am  23.  abend 
vereinigt  stand.  Die  Gründe,  die  ihn  dazu  veranlaßten,  sind  aus 
seiner  Meldung  vom  23.  zu  ersehen:  Jellachich  stand  nicht  ver- 
einigt, sondern  zerstreut  mit  Detachements  von  2000  bis  3000  Mann 
bei  Wolfegg,  Wangen.  Isny,  Immenstadt  und  Füssen.  Ein  Angriff 
hätte  somit  bedeutend  mehr  Zeit  erfordert,  als  vom  Kaiser  zu- 
gestanden war. 

Das  Korps  J(^llachich  zählte  um  diese  Zeit  5183  Mann  und 
1123  Eeiter').  Es  stand  mit  schwachen  Detachements  bei  Ravens- 
burg (GM.  Wolfskeel),  Wurzach  und  Leutkirch,  mit  der  Hauptkraft 
bei  Isny  und  Immenstadt. 

Am  18.  Oktober  marschierte  die  Garde,  am  19.  die  Division 
Suchet  von  Ulm  nach  Augsburg  ab.  Am  21.  iolgten  die  Division 
Gazan  und  die  Dragonerdivision  Walther  und  am  22.  das  Korps 
Marmont. 

Am  21.  Oktober  rückten  die  Division  Oudinot  und  die  Ka- 
valleriedivisionen Beaumont  und  Nansouty  von  Nördlingen  über 
Donauwörth  nach  Ingolstadt  ab  ^j. 

^)  Nach  dem  Standesausweis  vom  22.  Oktober  bestand  das  Korps  aus 

5  Bataillonen  Stein 2008  Mann 

3  „         Beaulieu 1207      „ 

4  „         Jellaehieh 914      „ 

1  Bataillon      Tiroler  Jäger 718      „ 

1  „  Versprengter 336      ,. 

Summe  .    .   .  5183  Mann 

2  Eskadronen  Klenau-Chevauxlegers 374  Reiter 

2  „  ßosenberg-Clievauxlegers 152      „ 

6  „  Blankenstein-Husaren      485       „ 

1  Eskadron      Versprengter 112      „ 

Summe  .    .    .  1123  Reiter 
Die  Stärke  der  Bataillone    sehwankte  somit  zwischen  228  und  718  Mann, 

die  der  Eskadronen    zwischen    76  und  187  Reitern.    (Kriegsarehiv,    Militiir-Peld- 

akten,  1805,  10/447.) 

*)  Marsehall  Lannes  meldete  am  20.  aus  Nördlingen :  Murat  hat  mich  nicht 

mehr  nötig;    daher    setze   ich    mich    mit  den  Divisionen  Oudinot,  Nansouty  und 

Beaumont  über  Donauwörth  nach  Ingolstadt  in  Marsch. 


—     510     — 

Nach  den  in  der  Zeit  vom  21.  bis  23.  Oktober  erlassenen  Be- 
fehlen des  Kaisers  sollte  die  Armee  am  26.  Oktober  abend  an  der 
Isar  folgend  bereitstehen  (Beilage  32): 

Kaiserliches  Hauptquartier  und  Garde  in  München, 

1.  Korps  und  Bayern  in  München  (ein  Detachement  in Tölz), 

2.  „  in  München, 

3.  „  „    Freising, 

4.  „  (3  Divisionen)  östlich  München, 

5.  „  (3  Divisionen)  *)  in  Landshut, 

6.  „  (2  Divisionen)  in  Ulm; 

das  7.  Korps  Augereau  sollte  bis  26.  Oktober  bei  Freiburg 
im  Breisgau  versammelt  sein; 

2.  Dragonerdivision  Walther  in  München, 

3.  „  Beaumont  in  München, 

4.  „  Bourcier  in  Augsburg, 

1.  Kürassierdivision  Nansouty  in  Landshut, 

2.  „  d'Hautpoul  in  München; 

die  Gruppe  Murat:  Division  Dupont,  1.  Dragonerdivision, 
Karabi nierbrigade,  Ohasseurbrigade  Milhaud^),  Gardejäger  zu  Pferd 
in  Neustadt  2j. 

Besetzt  vs^urden:  Ingolstadt  durch  den  Rest  der  Dragoner 
zu  Fuß  *),  Donauvrörth  durch  ein  bayrisches  Infanterieregiment,  ßain 
und  Landsberg  durch  je  ein  bayrisches  Bataillon,  Augsburg  durch 
eine  württembergische  Brigade  (4  Bataillone,  1  Eskadron,  8  Ge- 
schütze), Ulm  durch  eine  bayrische  Brigade. 

Die  badischen  Truppen  (4  Infanterieregimenter,  1  Ba- 
taillon und  6  Geschütze)  wurden  nach  Donauwörth  gesendet,  wo 
sie  am  2.  November  eintreffen  sollten. 

Die  Etappenstraße  war  von  Donauwörth  in  zwei  Linien 
fortgeführt  worden,  und  zwar  über  Augsburg  nach  München  und 
über  Neuburg  und  Ingolstadt  nach  Landshut. 

Augsburg  wurde  als  Mittelpunkt  der  großen  Armeeverwaltung 
(Etappenhauptort)  eingerichtet,  zu  welchem  Zwecke  die  Befestigungen 


^)  Die  Division  Suchet  blieb  beim  5.  Korps. 

^)  Bestehend  aus  dem  16.  und  22.  Ohasseurregiment. 

^)  Die  Gruppe  Murat  wurde  am  26.  Oktober  aufgelöst. 

*)  Eine  Brigade  der  Dragoner  zu  Fuß  war  nach  der  Kapitulation  Maeks 
nach  Ulm  gezogen  und  mit  erbeuteten  österreichischen  Pferden  beritten  gemacht 
worden.  Die  berittenen  Dragoner  rückten  dann  zu  ihren  Eegimentern  ein. 


—     511     — 

der  Stadt  in  stand  gesetzt  und  mit  österreichischon  Kanonen  armiert 
wurden. 

Napoleon  war  somit  am  26.  Oktol)er  mit  ungefähr  150.000 
Mann  bereit,  an  den  Inn  abzurücken,  wo  die  Verbündeten  höciistens 
50.000  Mann  zur  Verteidigung  des  österreichischen  Kaiserstaates  zur 
Verfügung  hatten. 

Zwei  Monate  nach  dem  Alimarsche  der  Großen  Armee  von 
Boulogne  und  einen  Monat  nach  ihrem  ßhein-Cbergang  war  die 
eine  Armee  der  Verbündeten  vernichtet  und  Napoleon  bereit,  sich 
gegen  deren  zweite  Armee  zu  wenden. 

Der  Feldzug  von  Ulm  ist  eine  der  energischesten  Kriegshand- 
lungen, die  die  Kriegsgeschichte  kennt.  Allerdings  kommt  hier  die 
Energie  nicht  in  der  Kampftätigkeit  zum  Ausdruck,  denn  es  fehlt 
die  Entscheidungsschlacht ;  sie  liegt  vielmehr  in  der  staunenswerten 
Marschleistung  der  französischen  Armee. 

Im  Feldzuge  von  Ulm  liefert  die  Kriegsgeschichte  ein  glän- 
zendes Beispiel  dafür,  wie  zwei  verschiedene  Feldherren  durch  das- 
selbe Streben  und  durch  denselben  Begriff  zu  entgegengesetzten  Er- 
folgen geführt  werden  können.  Napoleon  und  Mack  hatten  erkannt, 
daß  schnelles  Marschieren  von  höchster  Wichtigkeit  sei:  jeder  wollte 
dem  anderen  durch  seine  Schnelligkeit  zuvorkommen.  Napoleon  er- 
reichte damit  einen  der  glänzendsten  Erfolge,  Mack  dagegen  ruinierte 
dadurch  seine  Armee  vollständig.  Dieses  Eesultat  war  nicht  Zufall, 
denn  der  Erfolg  ist  Napoleon  in  den  meisten  Kriegen  treu  geblieben. 
Der  Erfolg  muß  daher  seinen  Grund  in  tieferliegenden,  nicht  auf 
den  ersten  Blick  erkennbaren  bewegenden  Kräften,  haben ^). 

')  Die  Analogie  zwischen  Napoleon  und  Mack  ließe  sieh  noch  weiter  führen. 
So  betont  der  englische  Militärsehriftsteller  Oberst  Maude  in  seiner  Studie  „Die 
Entwicklung  der  modernen  Strategie",  deutseh  vom  Professor  Julius  N estler, 
Seite  101,  daß  Napoleon  sieh  über  Lage  und  Absicht  des  Feindes  ebensolchen 
Irrtümern  hingab  wie  Mack  und  daß  Macks  Befehle  durchaus  nicht  bombastischer 
waren  als  die  Befehle  und  Bulletins  Napoleons,  in  denen  er  seinen  Truppen  noch 
vor  der  Schlacht  den  Sieg  verkündete.  Oberst  Maude  zweifelt  nicht,  daß  wir 
ebenso  vor  Macks  echt  soldatischer  Ansprache,  mit  der  er  den  gesunkenen  Mut 
seiner  Leute  zu  heben  suchte,  in  Bewunderung  versinken  würden,  wie  vor  denen 
Napoleons,  wenn  Macks  Bemühungen  von  Erfolg  gekrönt  gewesen 
wären.  Ja!  wenn  der  Erfolg  .  .  .!  Aber  mit  dieser  billigen  Betrachtung  kann 
man  doch  nicht  ernstes  Studium  betreiben.  Der  Erfolg  hätte  also  ebensogut  Mack 
zu  teif^werden  können  wie  Napoleon,  und  dann  wäre  alles  gut  gewesen,  was 
Mack  getan   und  unterlassen   hat  und   alles  schlecht  oder   minder  gut,    was  Na- 


—     512     — 

Es  genügt  eben  nicht,  zu  wissen,  daß  man  schnell  marschieren 
soll,  daß  man  eng  massiert  oder  in  breitem  Echiquier  vorrücken  solle, 
daß  Breite  und  Tiefe  des  Marschechiquiers  im  Verhältnisse  stehen 
müssen  u.  dgl.  m. ;  es  genügt  nicht,  gute  Ideen  zu  haben,  tätig  und 
energisch  scheinen  zu  wollen  und  infolgedessen  Tag  und  Nacht 
herumzureisen  und  Dispositionen  zu  schreiben. 

Das  alles  bedeutet  nichts  oder  nur,  wie  Goethe  das  Nach- 
ahmen der  Äußerlichkeiten  großer  Männer  geißelt,  das  „Wie  er  sich 
räuspert  und  wie  er  spuckt",  also  nur  wertlose  Äußerlichkeiteo,  wenn 
sie  nicht  alle  erfüllt  und  belebt  werden  durch  die  unfaßbare  und 
undefinierbare  Entschiedenheit  des  Willens,  die  sich  wie  ein  Fluidum 
vom  Führer  auf  alle  Untergebenen  bis  in  die  Truppe  hinein  über- 
trägt, die  allein  im  stände  ist,  in  der  Truppe  den  Willen  zum  Siege 
zu  wecken  und  sie  befähigt,  alle  Schwierigkeiten  zu  überwinden  und 
alle  Entbehrungen  zu  ertragen. 

Um  den  vollen  Überblick  über  diesen  Feldzug  zu  geben  und 
die  bei  Napoleon  wirkende  Entschiedenheit  des  Willens  im  Gegen- 
satz zum  Mangel  dieses  Willens  bei  den  Österreichern  hervorzuheben, 
sollen  nun  noch  kurze  Übersichtsskizzen  über  die  Operationen  beider 
Teile  gegeben  werden. 

poleon  tat.  Wenn  man  bisher  Kriegsgesehiehte  so  betrieben  hätte,  dann  wäre  sie 
wohl  wertlos  gewesen,  weil  sie  sieh  nur  an  Äußerlichkeiten  gehalten  haben  würde. 

Maek  und  Napoleon  haben  in  diesem  Feldzuge  tatsächlich,  rein  äußer- 
lieh genommen,  oft  ähnliches  oder  gleiches  getan.  Maek  und  Napoleon  hatten 
unfertige  Armeen,  ihre  Artillerien  waren  bei  Beginn  des  Peldzuges  nur  teilweise 
bespannt  und  zum  großen  Teil  nur  mit  requirierten  Pferden.  Beide  haben  von 
ihren  Truppen  große  Marschleistungen  gefordert,  die  Truppen  beider  mußten  oft 
unsicher  hin-  und  hermarsehieren.  Sowohl  Napoleon  als  Maek  wußten  nicht  viel 
über  den  Feind ;  in  dieser  Beziehung  war  Maek  dem  andern  sogar  voraus,  da 
er  viel  besser  über  den  Feind  orientiert  war  als  Napoleon.  Beide  verwiesen  ihre 
Truppen  auf  die  Requisition  und  hatten  keine  Magazine ;  infolgedessen  hungerten 
auch  Franzosen  und  Österreicher  brüderlich.  Beide  Feldherren  wechselten  ihre 
Absichten  und  Pläne.  Napoleon  und  Maek  hofften  in  gleicher  Weise  auf  die  Mit- 
wirkung der  Preußen.  Beide  arbeiteten  täglich  bis  tief  in  die  Nacht  hinein,  beide 
beherrschten  Feder  und  Wort  und  von  beiden  sind  daher  großsprecherische  Be- 
fehle und  Berichte  vorhanden! 

Trotz  alledem !  welcher  tief  innerliehe  Unterschied  besteht  zwischen  diesen 
beiden  Gegnern !  Dieser  Unterschied  liegt  auch  trotz  der  anseheinenden  äußer- 
liehen Ähnlichkeit  zwischen  allen  Handlungen  Maeks  und  Napoleons;  ihn  heraus- 
zufinden, herauszufühlen  und  zu  seiner  eigenen  Charakterbildung  zu  verwerten, 
ist  Sache  des  wahren  Studiums  der  Kriegsgeschichte.  Erzählen  und  schildern 
läßt  sieh  das  nicht  —  das  muß  jeder  selbst  fühlen. 


—     513     — 

Franzosen. 

Napoleons  Absicht  ist,  die  Entscheidung  auf  dem  Wege  von 
Straßburg  nach  Wien  herbeizuführen;  er  will  die  Verbündeten  ge- 
trennt schlagen  und  dazu  so  schnell  auf  Wien  vorgehen,  daß  er 
die  Österreicher  vor  dem  Eintreffen  der  Eussen  vernichten  könne. 
Um  diese  Absicht  zu  erreichen,  konzentriert  er  die  Hauptmasse  seiner 
sofort  verfügbaren  Kräfte  in  Süddeutschland.  Er  sendet  nicht  nur 
die  Armee  von  Boulogne  dahin,  sondern  auch  die  Korps  von  Holland 
und  Hannover  und  Truppen  aus  dem  Innern  Frankreichs.  Er  ent- 
blößt Hannover  bis  auf  die  Festungen  ganz  von  Truppen,  obwohl  er 
weiß,  daß  eine  Aktion  der  Verbündeten  zur  Wiedergewinnung  dieses 
Landes  bevorstehe.  Er  will  sich  den  Besitz  Hannovers  durch  den 
Sieg  im  entscheidenden  ßaume  sichern  und  nur  dann  zur  Befreiung 
der  etwa  belagerten  Festungen  eilen,  wenn  in  Süddeutschland  die 
Entscheidung  gefallen  war.  In  Italien  beläßt  Napoleon  nur  die  dort 
stehenden  Truppen,  die  er  durch  einige  Verstärkungen  aus  Süd- 
frankreich auf  etwa  60.000  Mann  bringt. 

Napoleon  massiert  somit  mehr  als  200.000  Mann  in  dem 
fiaume,  in  dem  er  die  Entscheidung  herbeiführen  will,  und  läßt  nur 
60.000  Mann  zum  Schutze  Italiens  an  der  Etsch.  Der  klare,  einfache 
und  entschiedene  Wille  Napoleons,  seinen  wichtigsten  Feind  ins 
Herz  zu  treffen,  bevor  dieser  Unterstützung  fände,  löst  also  von  selbst 
auch  die  entschiedene  Handlungsweise,  die  Vereinigung  der  Kraft 
aus.  Napoleon  verstärkt  seine  Hauptarmee  noch  durch  die  Angliede- 
rung  der  Truppen  der  süddeutschen  Staaten  (Bayern,  Württemberg 
und  Baden),  die,  um  ihr  Dasein  besorgt,  sich  dem  Starken  an- 
sehließen, um  mehr  als  30.000  Mann. 

Die  Absicht  Napoleons  beflügelt  ihn  zur  größten  Schnelligkeit. 
Durch  einen  großartigen  Marsch  bringt  er  seine  Armee  an  den 
ßhein  und  Main.  Zuerst  will  er  seine  Armee  mit  Ausnahme  der 
von  Norden  kommenden  Korps  Bernadotte  und  Marmont,  die  er 
nach  Würzburg  leitet,  bei  Straßburg  bereitstellen,  um  in  engem 
ßaum  rasch  an  den  Inn  vorzueilen.  Verpflegsrücksichten  zwingen 
ihn  aber,  von  dieser  Absicht  abzugehen  und  seine  Armee,  die  fast 
ausschließlich  von  der  Requisition  leben  muß,  in  die  breite  Front 
Schletlstadt — Mannheim  auseinanderzuziehen.  Das  ist  aber  nur  eine 
Änderung  der  Form,  die  Absicht  bleibt  gleich. 

Der  Einmarsch  der  Österreicher  in  Bayern,  den  Napoleon  schon 
am  12.  September  erfährt,    steigert  nur   die  Tatkrait  Napoleons;    er 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  33 


—     514     — 

entschließt  sich  zu  einer  schnelleren  Vorrückung-.  indem  er  den  am 
Rhein  beabsichtigten  kurzen  Halt  ausfallen  läßt. 

Das  isolierte  Vorgehen  der  Österreicher  und  die  Situation  der  fran- 
zösischen Armee  laden  zu  einer  Umfassung  der  Österreicher  ein,  was 
zur  Folge  hat,  daß  sich  Napoleons  allgemeine  Absicht,  die  Öster- 
reicher und  die  Bussen  getrennt  zu  schlagen,  zu  dem  bestimmteren 
Gedanken  ausbildet,  die  Österreicher  zu  umgehen,  sich  somit  zwischen 
sie  und  die  anmarschierenden  Eussen  einzuschieben  und  so  beide 
getrennt  zu  schlagen.  Die  Durchführung  dieser  Absicht  paßt  Na- 
poleon, wie  natürlich,  der  Vorrückung  der  Österreicher  an.  Solange 
es  den  Anschein  hat,  daß  die  Österreicher,  der  Vernunft  entsprechend, 
bei  München  stehen  blieben,  denkt  er  daran,  seine  Armee  nördlich 
der  Donau  auf  Regensburg — Donauwörth  vorzuziehen^);  als  es  sieher 
ist,  daß  die  Österreicher  über  München  hinaus,  also  etwa  bis  zum 
Lech  vorgehen,  will  er  seine  Armee  an  die  Donau-Strecke  Ulm — 
Ingolstadt  vorgehen  lassen^);  als  es  endlich  klar  wurde,  daß  die 
Österreicher  in  unbegreiflicher  Verblendung  auch  den  Lech  über- 
schritten und  an  die  Hier  und  nach  Ulm  vorgehen,  läßt  Napoleon 
seine  Armee  gegen  die  Donau-Strecke  Donauwörth — Ingolstadt  vor- 
rücken, also  schon  ganz  in  den  Rücken  der  Österreicher^). 

Am  25.  September  beginnt  bei  Straßburg  der  Übergang  der 
Franzosen  über  den  Rhein.  Weil  aber  der  Unke  Flügel  der  Armee 
durch  das  späte  Fertigwerden  der  Brücken  aufgehalten  worden  war, 
muß  der  rechte  Flügel  —  Lannes  und  Murat  —  bei  Rastatt,  Straß- 
burg stehen  bleiben.  Er  soll  Straßburg  decken,  aber  jeden  ernsteren 
Kampf  im  Schwarzwald  vermeiden.  Napoleon  sähe  es  sogar  gerne, 
daß  die  Österreicher  gegen  den  Rhein  bei  Straßburg  vorgingen,  denn 
je  weiter  sie  in  dieser  Richtung  vorwärts  kamen,  desto  sicherer  und 
leichter  mußte  seine  Absicht,  sie  von  den  Russen  abzudrängen,  ge- 
lingen. 

Als  sich  daher  der  linke  Flügel  der  französischen  Armee  dem 
Neckar  nähert,  läßt  Napoleon  auch  Lannes  und  Murat  über  Pforz- 
heim nach  Stuttgart  herankommen. 

Da  der  linke  Flügel  einen  bedeutend  weiteren  Weg  zurückzu- 
legen hat,  bleibt  der  rechte  Flügel,  der  auch  mit  dem  Flankenschutz 
gegen  Ulm  betraut  ist,    bei  Stuttgart   stehen.     Der  Kaiser,    der  an- 

^)  Entwurf  vom  15.  September,  S.  239  und  Beilage  15. 
^)  Disposition  vom  17.  September,  S.  211  und  Beilage  16. 
*)  Disposition  vom  20.  September,  S.  244  und  Beilage  17. 


—     515     — 

nimmt,  daß  dem  Vorstürmen  der  Österreicher  ein  bestimmter  Zweck 
zu  gründe  liege,  ist  auf  einen  Flankenangriff  der  Österreicher  ge- 
faßt: er  sorgt  daher  für  die  Möglichkeit,  das  4.  Korps  zur  Unter- 
stützung des  rechten  Flügels  heranzuziehen. 

Am  3.  Oktober  setzt  sich  auch  der  rechte  Flügel  wieder  in 
Marsch.  Um  diese  Zeit  hat  Napoleon  die  Absicht,  falls  die  Öster- 
reicher Zeit  vertrödeln,  vor  ihnen  hinter  den  Lech  zu  kommen,  ihnen 
den  Rückzug  abzuschneiden  und  sie  gegen  den  Rhein  oder  nach 
Tirol  zu  drängen'). 

Im  weiteren  Vormärsche  schiebt  Napoleon  seine  Armee  immer 
mehr  gegen  die  Donau-Strecke  Donauwörth — Ingolstadt  zusammen. 
Er  ist  auch  jetzt  noch  auf  einen  Angriff  der  Österreicher  über  Donau- 
wörth gefaßt;  er  weist  daher  Soult  und  Bernadotte  sowie  den  zwi- 
schen ihnen  marschierenden  Davout  an,  sich  gegenseitig  zu  unter- 
stützen. Als  es  klar  wird,  daß  man  Donauwörth  vor  dem  Feinde 
erreichen  könnte,  spornt  Napoleon  den  Ehrgeiz  seiner  Generale  auf 
das  äußerste  an,  so  daß  Donauwörth  von  der  Vorhut  Soults  schon 
am  6.  abend  besetzt  wird.  Am  7.  Oktober  wird  die  Donau  von 
Soult  und  Murat  überschritten  und  die  schwache  österreichische 
Uferbesatzung  bei  Rain  über  den  Lech  zurückgedrängt. 

Napoleon,  der  wußte,  daß  vor  einigen  Tagen  die  Hauptkraft 
der  Österreicher  noch  an  der  Hier  gestanden  war,  hofft  zwar,  daß 
diese  dort  bleiben  werde ;  er  nimmt  aber  an.  daß  sie  angesichts  der 
umfassenden  Bewegung  der  überlegenen  französischen  Armee  den 
Rückzug  hinter  den  Lech  antreten  werde.  Es  kommt  ihm  vor  allem 
darauf  an,  den  Österreichern  die  kürzeste  Rückzuglinie  über  Augs- 
burg zu  verlegen.  Er  dirigiert  daher  am  8.  Oktober  Murat  und  Lannes 
über  Wertingen  auf  Zusmarshauseo,  das  Korps  Soult  mit  drei  Divi- 
sionen beiderseits  des  Lech  gegen  Augsburg;  dagegen  sendet  er 
das  Korps  Nej  auf  dem  nördlichen  Donau-Ufer  gegen  Ulm  vor, 
damit  die  beiden  Straßen  von  Ulm  nach  Aalen  und  von  Ulm  nach 
Donauwörth  gesperrt  seien. 

Das  Gefecht  von  Wertingen  am  8.  Oktober  hatte  ergeben,  daß 
die  feindliche  Hauptkraft  tags  vorher  noch  bei  Ulm — Günzburg  ge- 
standen war.  Die  Reste  der  Division  Auffenberg  hatten  sich  auch 
in  der  Richtung  auf  Günzburg  zurückgezogen. 

Trotzdem  setzt  Napoleon  noch  immer  voraus,  daß  die  Öster- 
reicher das  Vernünftigste  tun  und  sich  seiner  Umgehung  entziehen 

»)  Brief  an  Bernadotte  vom  1*.  Oktober,  s.  S.  268. 

33* 


—     516    — 

werden.  Noch  stand  es  der  österreichischen  Armee  —  wenn  sie 
entsprechend  versammelt  war  —  frei,  sich  den  Rückzug  über 
Augsburg  zu  erzwingen  oder  aber  über  Landsberg  abzuziehen. 

Napoleon  gibt  daher  Ney  den  Auftrag,  sich  der  Brücken  bei 
Günzburg  zu  bemächtigen  und  bereit  zu  sein,  die  etwa  abziehende 
österreichische  Armee  in  der  Planke  zu  begleiten;  auch  Davout  wird 
auf  Aichach  geleitet,  um  so  zu  der  bei  Augsburg  erwarteten  Schlacht 
die  Korps  Soult,  Lannes,  Ney,  Davout  und  Murat  zu  vereinigen. 

Als  am  9.  auch  die  Straße  über  Augsburg  durch  die  Korps 
Lannes,  Murat  und  Soult  verläßlich  gesperrt  und  Ney  bei  Günzburg 
auf  starke  österreichische  Kräfte  gestoßen  war,  die  sich  auf  Ulm 
zurückzogen,  bestimmte  Nachrichten  über  die  österreichische  Haupt- 
kraft aber  fehlten,  setzt  Napoleon  den  Rückzug  der  Österreicher 
über  Landsberg  voraus.  Soult  erhält  daher  den  Befehl,  am  11.  nach 
Landsberg  vorzugehen;  Murat  und  Lannes  sollten  auf  Mindelheim, 
Ney  auf  beiden  Ufern  der  Donau  zur  Einschließung  Ulms  vorgehen. 
Bernadotte  hatte  mit  den  Bayern  München  zu  erreichen  und  sollte 
den  Rücken  der  Armee  gegen  die  Russen  sichein.  Davout  hatte  zur 
Unterstützung  Bernadottes  nach  Dachau  zu  marschieren;  Marmont 
erhielt  als  Marschziel  Augsburg. 

Am  10.  Oktober,  an  welchem  Tage  diese  letzten  Befehle  ge- 
geben worden  waren,  wähnt  Napoleon,  durch  falsche  Nachrichten 
irregeführt,  die  Russen  schon  im  Marsch  auf  München.  Da  die 
spärlichen  und  widersprechenden  Meldungen  über  den  Aufenthalt 
der  österreichischen  Armee  in  Napoleon  den  Glauben  weckten, 
daß  Mack  schon  im  Abzug  nach  Süden  sei,  faßt  er  den  Entschluß, 
die  Bekämpfung  der  österreichischen  Armee  dem  Prinzen  Murat  zu 
überlassen,  dem  dazu  die  Korps  Lannes,  Ney  und  ein  Teil  der  Re- 
servekavallerie zur  Verfügung  standen.  Napoleon  selbst  will  den 
Russen  entgegengehen. 

Auch  dieser  Entschluß  entspricht  der  allgemeinen  Absicht 
Napoleons;  er  hält  die  schon  nahe  geglaubten  Russen  jetzt  für  die 
wichtigere  Gruppe,  weshalb  er  sich  selbst  gegen  sie  wenden  will. 
Getrenntes  Schlagen  der  Österreicher  und  der  Russen  ist  auch  der 
Grundgedanke  dieses  Entschlusses. 

Schon  am  12.  Oktober  erkennt  aber  Napoleon  seinen  Irrtum. 
Meldungen  Murats  und  Soults  zeigten,  daß  die  Österreicher  nicht 
an  den  Rückzng  dachten,  sondern,  wie  Murat  bestimmt  meldete, 
hinter  der  Hier  standen.  Auch  die  Nachrichten  über  die  Russen  er- 


—      Dil       — 

wiesen  sich«  als  falsch.  Miirat  hatte  seine  Absicht  gemeldet,  den 
Feind  am  13.  anzugreifen. 

Napoleon  hemmt  jedoch  diesen  Angriff,  weil  er  Zeit  ge- 
winnen will,  damit  das  Korps  Soult  herankomme.  Er  sendet  es 
nach  Memraingen,  um*  den  Österreichern  auch  den  Eückzug  nach 
Th'ol  zu  verlegen  und  sie  ganz  zu  umgehen.  Auch  das  Korps  Mar- 
mont  wird  an  die  Hier  gebracht. 

Als  sieh  in  der  Folge  herausstellte,  daß  auch  diese  Meldung 
Murats  falsch  war  und  daß  die  Österreicher  bei  Ulm  stehen,  trifft 
Napoleon  sofort  Anstalten,  die  Armee  Macks  in  Ulm  einzuschließen, 
was  auch  gelingt. 

Napoleon  erklärt  seiner  Armee  seinen  Irrtum  in  seiner  Pro- 
klamation vom  21.  Oktober: 

„Soldaten,  ich  habe  euch  eine  große  Schlacht  vorhergesagt; 
aber  dank  den  schlechten  Maßnahmen  des  Feindes  konnte  ich  den- 
selben Erfolg  erreichen,  ohne  etwas  zu  wagen^)." 

Unmittelbar  nach  der  Kapitulation  Macks  setzte  Napoleon 
seine  Armee  in  Marsch,  um  sich  gegen  die  Russen   zu  wenden. 

Napoleons  ganzes  Handeln  wird  daher  von  dem  Willen  ge- 
leitet, die  Österreicher  vor  ihrer  Vereinigung  mit  den  Russen  zu 
schlagen.  Er  paßt  seine  Operationen  den  jeweiligen  Situationen  nur 
soweit  an,  als  es  notwendig  ist.  seine  Absicht  zu  erreichen:  wo  die 
Nachrichten  ihm  k^in  zuverlässiges  Bild  über  die  Situation  des 
Feindes  geben  —  und  das  ist  oft  der  Fall  —  setzt  er  beim  Feinde 
das  vernünftigste,  somit  das  für  seine  eigene  Absicht  ungün- 
stigste Handeln  voraus.  Napoleon  kennt  aber  nur  ein  Gesetz  für 
seine  Handlungen:    seinen  Willen,  seine  Absicht. 

Die  ganze  Tatkraft  Napoleons  kommt  in  den  Marschleistungen 
zum  Ausdruck.  Die  Beilage  12  stellt  den  tatsächlichen  Verlauf  des 
Marsches  der  Großen  Armee  dar.  Als  Beispiele  der  gewaltigen 
Marschleistungen  seien  angeführt: 

Korps  Davout:  Abmarsch  von  der  Küste  mit  der  I.Division 
am  28.  August,  mit  der  3.  Division  am  31.  August. 

Ankunft  des  Korps  bei  Dachau  am  12.  Oktober. 

Der  Marsch  des  Korps  dauerte  daher  für  die  1.  Division  4G,  für 
die  3.  nur  43  Tage;  das  Korps  legte  in  dieser  Zeit  über  980  Äw  zurück. 

Die  Tagesleistung  beträgt  somit  bei  der  1.  Division  21'3,  bei 
der  3.  Division  228  km. 


*)  „Correspondanee  de  Napoleon  1«'  9405. 


—     518     — 

Während  dieser  ganzen  Zeit  hatte  das  Korps  6  Easttage  (vier  auf 
dem  Marsche  zum  Rhein,  einen  am  Neckar  und  einen  bei  Aiciiach). 

Korps  Marmont:  Abmarsch  von  Schagen  mit  der  1.  Division 
am  1..  mit  der  2.  Division  am  2.  September.  Ankunft  vor  Ulm  am 
14.  Oktober. 

Der  Mai-sch  dauerte  daher  für  die  1.  Division  44,  für  die 
2.  Division  43  Tage.  Die  zurückgelegte  Strecke  beträgt  beiläufig 
1000  hm.  Die  1.  Division  hatte  somit  eine  Tagesleistung  von  22"7, 
die  2.  Division  von  23'2  hm  aufzuweisen. 

Korps  Soult:  Abmarsch  der  1.  Division  von  Boulogne  am 
28.  August,  der  3.  Division  am  31.  August. 

Das  Korps  traf  am  23.  Oktober  das  zweite  Mal  bei  Laudsberg  ein. 

Der  Marsch  dauerte  daher  für  die  1.  Division  des  Korps  57, 
für  die  3.  Division  54  Tage.  Weil  das  Korps  in  dieser  Zeit  nahezu 
1200  hm  zurückgelegt  hat,  beträgt  die  Tagesleistung  der  1.  Di- 
vision 21,  die  der  3.  Division  222  hm. 

Während  dieser  ganzen  Zeit  hatte  das  Korps  nur  7  Rasttage 
(3  auf  dem  Marsche  zum  Rhein.  2  am  Rhein,  je  einen  Rasttag  am 
Neckar  und  bei  Augsburg). 

Napoleon  konnte  am  19.  Oktober  aus  Elchingen  der  Kaiserin 
Josefine  schreiben: 

„Ich  habe  meine  Absicht  erreicht.  Ich  habe  die  österreichische 
Armee  bloß  durch  Märsche  vernichtet.  .  .  Ich  werde  mich  sofort  auf 
die  Russen  werfen ;  sie  sind  verloren.  Ich  bin  zufrieden  mit  meiner 
Armee.  Ich  habe  nicht  mehr  als  1500  Mann  verloren,  wovon  zwei 
Drittel  nur  leicht  verwundet  sind^)." 

Napoleon  sagt  auch  mit  vollem  Rechte  von  dieser  gewaltigen 
Marschbewegung:  „Nur  durch  Märsche  und  Manöver  wurden  diese 
großen  Erfolge  erreicht",  und  seine  Soldaten  behaupteten:  „Der 
Kaiser  hat  eine  neue  Art,  Krieg  zu  führen,  gefunden:  er  nützt  nur 
unsere  Beine  aus  und  nicht  unsere  Bajonette." 

Österreicher. 

Da  die  Österreicher  sich  vor  allem  in  Italien  bedroht  fühlten, 

sollte    die    Hauptkraft    ihrer    Armee    dort    verwendet    werden;     sie 

sollte    zuerst    die    Festungen    nehmen     und    dann    die    Lombardei 

«  erobern.     Eine  schwächere  österreichische  Armee  sollte  vereint  mit 


^)  „Correspondanee  de  Napoleon  le«"  9393.'" 


—     519     — 

einer  russischen  Armee  in  Süddeutsebland  auftreten.  Diese  kom- 
binierte Armee  hatte  kein  ausgesprochenes  Operationsziel;  sie  sollte 
entweder  in  die  Schweiz  oder  gegen  Holland  vorgehen.  Eine  zweite 
russische  Armee  sollte  Preußen  zum  Anschluß  an  die  Koalition  be- 
wegen und  dann,  vereint  mit  den  Preußen,  Hannover  und  Holland 
erobern.  Dasselbe  Ziel  —  Eroberung  von  Hannover  —  hatte  auch 
die  in  Pommern  gelandete  russisch-schwedische  Armee.  Ein  russi- 
sches Korps  sollte  in  Neapel  landen. 

Die  große  Zahl  sekundärer  Aufgaben  führte  zur  Zei'splitterung 
der  Kraft. 

In  Süddeutschland  wurden  den  200.000  Mann  Napoleons  nur 
etwa  120.000  Mann  (70.000  Österreicher  und  50.000  Russen)  ent- 
gegengestellt. 

Aber  auch  diese  Kraft  trat  nicht  vereint  auf. 

Mack  hielt  es  für  unerläßlich,  so  rasch  als  möglich  an  die  Hier 
vorzueilen  und  Ulm  zu  besetzen,  um  beide  Donau-Ufer  zu  beherrschen. 

Er  verband  mit  dem  Voreilen  an  die  Illei'  keine  besondere 
operative  Absicht.  ]Mack  wollte  nur  den  Franzosen  darin  zuvor- 
kommen, den  „wichtigen"  Raum  zwischen  dem  Bodensee  und  der 
Donau  in  Besitz  zu  nehmen;  er  sah  in  dem  Gelingen  dieser  Ab- 
sicht schon  einen  großen  strategischen  Erfolg. 

Mack  hatte  keine  klai-e  Vorstellung,  was  die  österreichi- 
sche Armee  in  diesem  Räume  oder  aus  ihm  heraus  zu  tun 
hätte,  und  gab  sich  auch  keine  Mühe,  eine  solche  Vorstellung  zu 
gewinnen.  Wenn  er  nur  im  glücklichen  Besitze  dieses  „wichtigen" 
Raumes  war,  dann  war  e.s  Sache  der  Franzosen,  ihm  diesen  Besitz 
zu  entreißen.  Mack  überließ  daher  von  Haus  aus  die  Entwicklung 
der  weiteren  Ereignisse  der  Zukunft  und  dem  —  Feinde. 

Mack  wartete  zum  Vormarsch  an  die  Hier  nicht  einmal  die 
Versammlung  der  österreichischen  Armee  ab.  geschweige  denn  die 
Ankunft  der  Russen.  Mit  den  ersten  25.000  Mann  eilte  er  an  die 
Hier  vor;  sie  sollten  nebenbei  auch  die  bayrische  Armee  fangen. 
Alle  anderen  Truppen  folgten  diesem  vorprellenden  Korps  nach. 
Die  Armee  wurde  im  Räume  Stockach.  Lindau.  Landsberg.  Ulm  in 
einer  ausdruckslosen,  keine  operativen  Gedanken  zeigenden  Gruppie- 
rung aufgestellt. 

Kaum  trafen  die  ersten  Nachrichten  über  den  A'ormarsch  der 
Franzosen  ein,  als  Mack  die  Schwäche  seiner  x\rmee  fühlte;  er 
forderte   daher   die   Angliederung   des   für  Tirol   bestimmten   Korps 


—     520     — 

Auffenberg  und  von  fünf  Infanterieregiraentern  der  italienischen  Armee. 
Den  Monat  September  verbrachte  Mack  damit,  Ulm.  Memraingen, 
Kempten.  Lindau  und  Konstanz  zu  rekognoszieren  und  Befehle  zu 
deren  Befestigung  zu  geben.  Am  1.  Oktober,  zur  Zeit,  wo  die  fran- 
zösiche  Armee  schon  den  Neckar  erreicht  hatte,  forderte  ihn  der 
Armeekoramandant  auf.  einen  Entschluß  zu  fassen,  wie  man  dem 
anmarschierenden  Feinde  begegnen  werde.  Obwohl  das  österreichi- 
sche Hauptquartier  über  Stärke  und  Anmarsch  der  Franzosen  gut 
unterrichtet  war,  erklärte  Mack,  das  habe  noch  Zeit,  er  müsse  zu- 
erst noch  Ingolstadt,  Donauwörth  und  Neuburg  rekognoszieren  und 
befestigen.  Vorher  schon  war  auf  die  Nachricht  von  der  An- 
sammlung der  Korps  Bernadotte  und  Marraont  bei  Würzburg  das 
Korps  Kienmayer  gebildet  worden,  das  die  Donau  von  Ingolstadt  bis 
Donauwörth  sichern  sollte.  Es  bestand  hauptsächlich  aus  Truppen, 
die  noch  im  Aumarsche  waren. 

Erst  am  4.  Oktober  kam  Mack  zu  einem  Entschluß.  Er  wollte 
die  Franzosen,  deren  rechten  Flügel  er  im  Vormarsch  über  Stutt- 
gart gegen  Heidenheim  wußte,  in  der  rechten  Flanke  angreifen  und 
hiezu  die  Armee  bis  8.  Oktober  bei  Ulm  beiderseits  der  Donau  ver- 
einigen^). 

Aber  schon  in  der  am  5.  Oktober  von  Mack  zusammengestellten 
Disposition  für  den  Angriff  wurde  der  Entschluß  verwässert,  indem 
Mack  angreifen  oder  die  Küssen  bei  Ulm  abwarten  wollte. 

Am  7.  Oktober  ließ  Mack,  dem  die  Folgen  eines  mißglückten 
Angriffes  Besorgnisse  einflößten,  die  Absicht,  auf  dem  linken  Donau- 
Ufer  anzugreifen,  ganz  fallen.  Er  wollte  die  auf  dem  linken  Donau- 
Ufer  abwärtsziehenden  Franzosen  auf  dem  südliehen  Donau- Ufer 
begleiten  und  über  sie  herfallen,  sobald  sie  die  Donau  übersehritten. 

Am  8.  Oktober  wurde  auch  dieser  Entschluß  hinfällig,  da  die 
Franzosen  bei  Donauwörth  schon  auf  das  südliche  Ufer  gelangt 
waren.  Mack  wollte  jetzt  mit  der  Armee  auf  dem  nördlichen  Donau- 
Ufer  stromabwärts  ziehen  und,  den  Franzosen  ausweichend,  die  Ver- 
einigung mit  den  Bussen  suchen. 


^)  Am  4.  Oktober,  also  am  Tage  der  Entsehlußfassung,  war  die  französi- 
sche Armee  schon  in  der  Linie  Söhnstetten,  Schorndorf,  Rosenberg,  Ilshofen  an- 
gelangt, am  8.  Oktober,  an  dem  die  Konzentrierung  der  Armee  zum  Angriff 
gegen  den  von  Stuttgart  vorgehenden  rechten  Flügel  der  Franzosen  beendet 
sein  sollte,  sehlugen  die.  Franzosen  die  Division  Auffenberg  bei  Wertingen  süd- 
lieh der  Donau. 


—     521     — 

Am  9.  Oktober  früh  schob  Mack  seine  Armee  auf  die  Nach- 
richt vom  Gefecht  bei  Wertingen  nach  Burgau  vor,  von  wo  er  noch 
in  der  Nacht  zum  10.  Oktober  über  Augsburg  oder  Landsberg  ab- 
marschieren vs^ollte. 

um  die  Mittagstunde  des  9.  Oktobers  änderte  Mack  seinen 
Entschluß  abermals,  weil  er  den  Marsch  an  den  Lech  nicht  mehr 
für  ausführbar  hielt.  Er  wollte  mm  in  der  Nacht  zum  10.  Oktober 
bei  Günzburg  über  die  Donau  gehen,  auf  dem  linken  Ufer  gegen 
Regensburg  ziehen,  dort  aufs  südliche  Ufer  zurückkehren  und  sich 
mit  Kienmajer  und  mit  den  Russen  vereinigen.  Der  Angriff  Neys 
auf  Günzburg  vereitelte  die  Durchführung  dieses  Entschlusses.  Die 
Armee  ging  nach  Ulm  zurück. 

Am  10.  Oktober  faßte  Mack  den  Entschluß,  noch  au  diesem 
Tage  mit  der  Armee  über  Heidenheim  abzumarschieren,  also  Ulm 
zu  verlassen.  Der  Abmarsch  wurde  aber  auf  den  11.  Oktober  nach- 
mittag verschoben. 

In  der  Nacht  zum  11.  Oktober  entschloß  sich  Mack,  bei  Ulm 
zu  bleiben  und  dort  die  Russen  zu  erwarten.  Ein  Korps  wollte  er 
über  Stuttgart  gegen  Straßburg  vorstoßen  lassen. 

Am  11.  Oktober  wurde  der  Angriff  der  Division  Dupont  bei 
Haslach  abgewiesen. 

Ermutigt    durch    das    Gefecht    bei    Haslach,    faßte    .Mack    am 

12.  Oktober  den  Entschluß,  gegen  die  Verbindungslinien  Napoleons, 
und  zwar  gegen  Stuttgart  und  Ellwangen  vorzustoßen.  Auf  die 
Vorstellungen  seiner  Generale  ließ  er  die  Absicht,  ein  Korps  nach 
Stuttgart  zu  senden,    fallen.    Am  12.  mittag  war  seine  Absicht  am 

13.  Oktober  die  bei  Haslach  geschlagene  Division  Dupont  mit  der 
ganzen  Armee  anzugreifen. 

In  der  Nacht  zum  13.  Oktober  faßte  Mack  auf  die  Meldung 
vom  Abzüge  Duponts  den  Entschluß,  mit  der  Armee  über  Heiden- 
heim abzumarschieren,  also  Ulm  zu  verlassen. 

Während  des  Abmarsches  der  Armee  gab  aber  Mack  diese 
Absicht  wieder  auf. 

In  der  Idee  des  Rückzuges  der  Franzosen  befangen,  faßte  er 
schon  am  13.  abend  den  Entschluß,  bei  Ulm  zu  bleiben  und  die 
zurückgehenden  französischen  Kolonnen  an  den  Rhein  verfolgen  zu 
lassen. 

Von  diesem  Entschlüsse  konnte  Mack  nichts  abbringen ;  weder 
die  Vorstellungen  des  Armeekommandanten  noch  die  Niederlage  des 


—     522     — 

Korps  Riesch  bei  Elchingen  öffneten  ihm  die  Augen.  Dieser  Ent- 
schluß führte  zur  Eiuschließung  Ulms  und  zur  Kapitulation  der 
Armee. 

Die  Unklarheit  und  die  Nebelhaftigkeit  des  Willens  waren 
Ursache,  daß  Mack  zu  keinem  festen  Entschluß  kam.  Er  hatte  zwar 
Pläne,  aber  keinen  Plan  —  er  faßte  zwar  Entschlüsse,  aber  keinen 
Entschluß.  Er  hatte  die  Initiative  gleich  anfangs  dem  Feinde  über- 
lassen und  kam  daher  Napoleon  gegenüber  mit  allen  seinen  Plänen 
zu  spät.  Das  plan-  und  ziellose  Handeln  übertrug  sich  auf  die 
Unterkommandanten  und  auf  die  Truppen  und  war  somit  die  Ursache 
ihres  Versagens. 

Es  kann  somit  nicht  wundernehmen,  daß  der  Feldzug  von  Ulm 
bei  dem  Kräfteverhältnis  und  bei  diesem  Unterschied  in  der 
Führung  so  kläglich  für  die  österreichische  Armee  endete. 


Interessant  ist  die  Verwertung  der  Festungen  durch  Napoleon. 

Als  im  Oktober  1804  der  Krieg  gegen  Österreich  drohte,  war 
eine  der  ersten  Sorgen  Napoleons,  sich  die  Brücken  bei  Straßburg 
und  bei  Mainz  durch  Brückenköpfe  zu  sichern. 

Kurz  nach  dem  Beginne  des  Abmarsches  von  Boulogne  erhält 
Murat  Anfang  September  den  Befehl,  alle  Bhein-Festungen  in  Ver- 
teidigungsstand zu  setzen:  Marmont  mußte  zu  dem  gleichen  Zwecke 
nach  Mainz  vorauseilen. 

Obwohl  Napoleon  der  Stärke  seiner  Armee  nach  sicher  sein 
konnte,  den  Krieg  nach  Deutschland  Und  Österreich  zu  spielen, 
sicherte  er  sich  also  seinen  Rücken  und  den  Rhein  durch  die 
Festungen. 

Auf  die  Nachricht  vom  Einbrüche  der  Österreicher  in  Bayern 
befahl  Napoleon,  die  Festung  Straßburg  unbedingt  geschlossen  zu 
halten,  auch  wenn  seine  Verbündeten  an  den  Rhein  zurückgedrängt 
werden  sollten;  er  will  es  nicht  darauf  ankommen  lassen,  daß  der 
Feind  gleichzeitig  mit  den  zurückgehenden  Bayern  und  Württem- 
bergern über  den  Rhein  dringe. 

Als  die  Große  Armee  den  Rhein  überschritt,  war  eine  seiner 
ersten  Sorgen,  den  Brückenkopf  bei  Kehl  herzustellen  und  diese 
Arbeit  zu  sichern. 

Obwohl  Straßburg  zum  Ausgangspunkte  der  Etappenstraße  be- 
sonders geeignet  war  (stabile  Rhein-Brücke,  Festung),  obwohl  Straß- 


—     523     — 

bürg  als  der  wichtigste  Depotplatz  für  die  xVrmee  in  Betracht  kam, 
ordnete  Napoleon  an,  daß  vom  1.  Oktober  mitternacht  aii  niemand 
mehr  die  Brücke  von  Straßburg  und  den  Brückenkopf  passieren  dürfe. 
Er  wollte  Straßburg  als  Festung  ganz  geschlossen  halten  und  ver- 
legte daher  die  Etappenstraße  über  Speyer,  wo  nur  eine  Kriegs- 
brücke stand. 

Napoleon  ordnete  für  alle  Fälle  die  Instandsctznng  von  Würz- 
burg und  Forehheim  an ;  Würzburg  sollte  ihm  den  schiffbaren  Main 
beherrschen.  Forchheim  die  Lücke  zwischen  Ansbach  und  Bayreuth 
schließen.  Beide  Festungen  hätten  an  Bedeutung  gewonnen,  wenn 
die  Ereignis.-e  die  Große  Armee  nach  Böhmen  geführt  hätten. 

Die  Festung  Hameln  in  Hannover  sollte  dem  Willen  Napoleons 
Ausdruck  geben,  das  Land  in  Besitz  zu  behalten.  Sie  sollte  den 
Feind  zur  Belagerung  verleiten;  Napoleon  wollte  dann  noch  recht- 
zeitig heraneilen,  ihn  zu  schlagen. 

Obwohl  also  Napoleon  entschlossen  war,  seine  Überlegenheit 
auszunützen,  um  durch  eine  schnelle  Vorrückung  den  Krieg  nach 
Österreich  selbst  zu  verlegen,  sicherte  er  sich  doch  durch  die 
Festungen  den  Besitz  wichtiger  Punkte  und  Linien. 

Er  baute  aber  seine  operativen  Pläne  nicht  auf  die  Festungen 
auf,  er  ließ  sich  durch  sie  nicht  wie  sein  Gegner  verleiten,  die  Ver- 
wendung der  Armee  von  der  Lage  der  Festungen  abhängig  zu 
machen. 

Nach  der  Gefangennahme  der  österreichischen  Armee  sicherte 
sich  Napoleon  sofort  den  Rücken,  indem  er  den  Hauptdepotplatz 
Augsburg  in  stand  setzen  und  armieren  und  bei  Rain  und  Lands- 
berg Brückenköpfe  anlegen  ließ. 


XXL  Verpflegung  und  Train. 

Die  Verpflegung  der  Armeen  und  das  Mittel  zum  Transport 
der  Verpflpgsvorräte.  der  Train,  nehmen  auf  den  Verlauf  der  kriege- 
rischen Ereignisse  großen  Einfluß,  viel  größeren  Einfluß,  als  man 
gewöhnlich  nach  unserer  mangelhaften  Kenntnis  der  Beweggründe 
der  Feldherren  und  nach  der  mangelhatten  Kenntnis  der  Organisation 
und  Durchführung  des  Verpflegs-  und  Traindienstes  annimmt. 

Weil  sich  die  Vernachlässigung  dieser  Zweige  des  militärischen 
Dienstes  im  Felde  auf  Napoleon  stützt,  da  gerade  Napoleon  —  wie 
gleich  gesagt  sein  soll  mit  Unrecht  —  als  Muster  angerufen  wird, 
um  die  Mißachtung  und  Vernachlässigung  von  Verpflegung  und 
Train  zu  rechtfertigen,  soll  am  Feldzuge  von  Ulm  gezeigt  werden, 
welch  großen,  oft  bestimmenden  Einfluß  diese  auf  die  Entschlüsse 
und  Maßnahmen  der  Feldherren  ausüben  und  wie  gerade  Napoleon 
ihre  Bedeutung  ganz  erkannt  und  gewürdigt  hat. 

Es  sollen  daher  die  Vorbereitung  und  Durchführung  der  Ver- 
pflegung und  das  Train wesen  der  Franzosen  und  Österreicher,  soweit 
es  die  dürftigen  Grundlagen  gestatten,  dargestellt  und  Folgerungen 
aus  den  Tatsachen  gezogen  werden. 

Franzosen. 

Napoleon  hatte  seine  Küstenarmee  für  die  Überschitfung  nach 
England  organisiert  und  ausgerüstet.  Er  erkaonte  wohl,  daß  die 
Landung  nur  Aussicht  auf  Erfolg  habe,  wenn  es  dem  Admiral 
Villeneuve  gelänge,  das  Gros  der  englischen  Flotte  zu  täuschen  und 
vom  Kanal  abzuziehen.  Auf  einen  siegreichen  Kampf  seiner  Flotte 
mit  der  englischen  Hauptflotte  unter  Nelson  hat  Napoleon  nicht  ge- 
rechnet. Dies  ist  dadurch  bewiesen,  daß  er  seinen  Plan  zur  Landung 
auf    die    Irreführung    des    nach    Westindien    gelockten    englischen 


—     525     — 

Admirals  aufbaute.  Napoleon  hätte  daher  die  Landung  unternommen, 
ohne  vorher  die  Seeherrschaft  ernmgen  zu  haben;  er  rechnete 
ebensowenig-  mit  einer  ständigen  und  sicheren  Verbindung  der  ge- 
landeten Armee,  mit  der  Heimat  wie  bei  der  Expedition  nach 
Ägypten.  Napoleon  war  sicher,  nach  geglückter  Landung  seiner 
150.000  Mann  starken  Armee  alles  Nötige  in  England  zu  finden, 
also  Pferde  für  die  Kavallerie  und  Artillerie,  Wagen  für  den  Train, 
Verpflegung  und  Material  zur  Munitionserzeugung;  er  war  sicher, 
mit  dieser  Armee  in  kurzer  Zeit  jeden  Widerstand  der  Engländer 
zu  brechen  und  diese  zum  Frieden  zu  zwingen,  trotz  der  Flotte 
Nelsons  und  trotz  der  ungebrochenen  Seeherrschaft  der  Engländer. 
Daraus  folgte  natürlich,  daß  Napoleon  beabsichtigte,  nur  das  Not- 
wendigste mitzunehmen,  damit  die  Überschiffung  möglichst  rasch 
beendigt  sein  könne.  Die  Armee  sollte  daher  nur  das  Notwendigste 
an  Verpflegung.  Munition  und  Train  mitnehmen.  Die  Kichtigkeit 
dieser  \'oraussetzung  wird  dadurch  bestätigt,  daß  Napoleon  sofort, 
nachdem  er  zum  Kriege  gegen  Österreich  entschlossen  war,  die 
Anfertigung  von  Zwieback,  die  Aushebung  von  3750  vierspännigen 
Wagen,  den  Ankauf  von  5000  Trainpferden,  die  Bereitstellung  der 
Beschirrungen,  die  Sicherstellung  der  Munitionsvorräte  für  die  Armee 
und  die  Vorbereitung  eines  Brückentrains  anordnete.  Diese  An- 
ordnungen waren  nötig,  weil  das  alles  bei  der  Laadungsarmee  nicht 
vorhanden  war. 

Am  28.  August  ging  an  Marraont  der  Befehl  ab : 

,, Da   der  Kaiser   einen   Herbstfeldzug   unternehmen 

will,  haben  wir  keine  Zeit,  uns  die  Lebensmitteltrains.  Ambulanzen 
und  andere  Trains  zu  verschaffen,  die  doch  für  die  Armee  so  nötig 
sind.  Das  alles  kann  Ihnen  Holland  liefern :  setzen  Sie  daher  alles 
dazu  ins  Werk." 

Wir  müssen  also  festhalten :  Die  Küstenarmee  hatte  Ende 
August  keine  Verpflegsvorräte.  keinen  Train,  nur  wenig  Artillerie- 
bespannungen, keinen  Brückentram,  keine  Ambulanzen;  auch  in  den 
Festungen  am  Rhein  fehlten  die  großen  Verpflegsmagazine.  die  für 
den  Beginn  eines  Kontinentalkrieges  nötig  gewesen  wären. 

Als  sich  daher  Napoleon  Ende  August  zum  Kriege  gegen 
Österreich  entschloß,  mußte  er  mit  dieser  Situation  rechnen.  Napoleon 
erkannte  selbstverständlich  die  Nachteile  dieser  \'erfassung  der  Armee 
vollkommen;  da  er  aber  auch  erkannte,  daß  diesen  Mängeln  nur 
nach    einer   langen    \'orbereitungszeit    abgeholfen    werden    könnte, 


—     526     — 

diese  Zeit  ihm  angesichts  der  Rüstungen  Österreichs  und  Rußlands 
nicht  zur  Verfügung  stand,  konnte  diese  ungünstige  Verfassung  der 
Armee  seinen  Entschluß  zum  Kriege  nicht  beeinflussen.  Er  mußte 
an  Abhilfen  denken. 

Train. 

Als  Ersatz  für  den  fehlenden  ärarischen  Train  ließ  Napoleon 
die  Trains  aus  Landesfuhrwerken  zusammenstellen.  Die  Korps  er- 
hielten den  Auftrag,  sich  ihren  Train  —  die  Artillerieparks  und 
Lebensmitteltrains  —  aus  Laudesfuhren  zu  bilden,  während  ihnen 
die  Ambulanzen  zugewiesen  werden  sollten.  Sie  mußten  in  der  Folge 
auch  diese  aus  requirierten  Wagen  zusammenstellen.  Für  den  Großen 
Artilleriepark  wurden  2500,  für  einen  Lebensmittel  park  der  Armee 
1000  vierspännige  Wagen  requiriert. 

Am  23.  August  war  der  Befehl  an  Marmont  ergangen,  bei 
seinem  Abmarsch  aus  Holland  soviel  Bespannungen  als  möglich 
mitzunehmen.  Außer  diesen  Vorsorgen  hatte  Napoleon  auch  2000 
Zugpferde  vom  Kurfürsten  von  Bayern  verlangt.  Das  alles  liefert 
den  Beweis,  daß  Napoleon  mit  dem  Armeetrain  durchaus  nicht 
sparen  wollte. 

Leider  liegen  keine  sicheren  Daten  vor.  wie  viele  Wagen  auf 
diese  Art  von  der  Armee  mitgenommen  worden  sind.  Alles  was 
sich  über  den  Train  der  französischen  Armee  nach  verbürgten  Nach- 
richten sagen  läßt,  ist  folgendes: 

Jedes  Regiment  (1500— 2000  Mann  stark)  hatte  2— 5  Bagage- 
wagen. 1  Ambulanzwagen  für  jedes  Bataillon,  einige  Lebensmittel- 
wagen und  zeitweise  1 — 2  Fleischwagen.  Jeder  General  hatte 
1 — 2  Wagen.  Das  war  der  ganze  „Truppentrain". 

Dieser  Truppentrain  hätte  aus  ärarischen  Trainfuhrwerken  be- 
stehen sollen.  Weil  diese  aber  nicht  rechtzeitig  zur  Armee  kommen 
konnten,  mußte  auch  dieser  Train  fast  ganz  aus  requirierten  Bauern- 
wagen gebildet  werden. 

Im  Laufe  der  Märsche  mochte  der  Bagagetrain  wohl  zu- 
genommen haben.  Marschall  Davout  sah  sich  wenigstens  am 
6.  Oktober  veranlaßt,  einen  eigenhändig  geschriebenen  scharfen  Befehl 
zu  erlassen,  wonach  bei  seinem  Korps  gestattet  waren :  Ein  Wagen 
für  den  Divisionär  und  dessen  Generalstab,  ein  Wagen  für  die 
Brigadegenerale,  3  Wagen  für  jedes  Regiment  einschließlich  aller 
Offiziere,    3  Wagen   für    den   Korpsintendanten    und    seine   Organe, 


1 


—     527     — 

2  Wagen  für  das  Hauptquartier  des  Marschalls  und  2  Wagen  für 
seinen  Generalstab.  Der  Befehl  schließt:  „Alle  Wagen,  die  ent- 
gegen diesem  Befehle  dem  Korps  folgen,  werden  vernichtet  und  in 
die  Gräben  geworfen." 

Alle  Bedürfnisse  der  Truppen,  die  über  diese  karge  Ausrüstung 
hinausgingen,  wurden  auf  den  Trains  der  Korps  fortgebracht,  die 
hinter  der  Truppenkolonne  marschierten.  Wie  groß  diese  Trains  waren, 
läßt  sich  nicht  feststellen.  Ihre  Stärke  schwankte  wohl  je  nach  dem 
Bedarfe,  mochte  aber  im  Laufe  der  Operationen  eher  größer  geworden 
sein,  weil  viele  Trains  bei  den  starken  Märschen  zurück  blieben  und 
durch  neuformierte  Trains  vorübergehend  ersetzt  werden  mußten. 

Einige  Angaben  lassen  auf  die  Größe  dieser  improvisierten 
Trains  schließen. 

Marschall  Davout  meldete  vor  dem  Rhein-Übergang,  daß  viele 
der  für  sein  Koips  requirierten  Wagen  offen  und  ohne  Decken 
seien,  sich  daher  für  den  Zwiebacktransport  nicht  eigneten ;  er  bat, 
600  dieser  Fuhrwerke  entlassen  zu  dürfen^).  Eine  andere  Quelle 
gibt  an:  20.000  Wagen  mit  ihren  Kutschern  und  Pferden,  die  in 
einigen  unserer  Departements  in  Requisition  gesetzt  wurden,  machten 
sich  auf  den  ersten  Ruf  auf  und  eilten  an  den  Rhein  ^). 

Wie  die  spätere  Darstellung  zeigen  wird,  wurden  diese  Fuhr- 
werke über  den  Rhein  mitgenommen.  Französische  Wagen  und 
Wagen  aus  Holland,  Baden,  Württemberg  und  Bayern  gelangten  mit 
der  Armee  bis  Wien  und  Brunn. 

Eine  beim  österreichischen  Armeekommando  eingelaufene  Kund- 
schaftsnachricht lautete:  „Die  Franzosen  haben  wenig  Bagagen  bei 
sich,  aber  jede  Kolonne  hat  etliche  hundert  leere  vierspännige  Wagen 
und  in  Kisten  gepackt  viel  Zwieback^)." 

Schon  erwähnt  wurde,  daß  für  den  Großen  Artilleriepark  2500, 
für  den  Lebensmittelpark  der  Armee  1000  vierspännige  Wagen 
requiriert  worden  sind.  Der  Generalartillerieinspektor  Songis  verlangt 
aber  Mitte  September  noch  lOÜO  vierspännige  Wagen  für  den 
Großen  Artilleriepark^). 

»)  Alombert  et  Colin,  11,  S.  10, 

^)  Kurze  historische  Darstellung  des  Feldzuges  Napoleons  des  I.  in  Deutseh- 
land im  Jahre  1805  von  zwei  Offizieren  des  napoleonisehen  Generalstabes. 

8)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutsehland  FA,  X,  46V2. 

■•)  Überdies  hatte  die  Gesellschaft  Breidt,  die  zur  Wagenbeistellung  ver- 
pflichtet war,  noch  einige  Trainbrigaden  aufzustellen,  die  aber  erst  nach  der 
Kapitulation  Ulms  zur  Armee  kernen. 


—     528     — 

Trotzdem  die  Armee  also  aus  Fraukreieh  zahlreiche  Landes- 
fuhren mitnahm,  wurden  in  Deutschland  überall  Pferde  und  Wagen 
requiriert.  Nach  den  im  Kriegsarchiv  vorhandenen  Meldungen  haben 
z.  B.  Soult  100  vierspännige  Wagen  in  Karlsruhe  und  100  in  Heil- 
bronn, Ne}'   250  vierspännige  Wagen  in  Stuttgart  requiriert. 

FML.  Rouvroy,  der  Kommandant  der  Artilleriereserve,  meldete 
am  14.  Oktober  aus  Ober-Kochen  und  am  16.  Oktober  aus  Aalen, 
daß  er  JVIunitionswagen  stehen  lassen  mußte,  da  er  keine  Pferde  für 
die  gefallenen  des  Parkes  auftreiben  konnte.  Alle  Pferde  und  Wagen 
der  von  der  Artilleriereserve  durchzogenen  Strecke  (Herbrechtingen. 
Heidenheim,  Aalen)  waren  von  den  Franzosen  mitgenommen  worden. 

Diese  Ansaben  lassen  schließen,  daß  der  Armeetrain  der 
200.000  Mann  starken  Armee,  wie  nicht  anders  möglich, 
ziemlich  beträchtlich  war. 

Dieser  aus  Landesfuhren  gebildete  Train  zeigte  in  seiner  Ver- 
wendung schwere  Nachteile.  Als  die  Fuhrwerke  über  den  Rhein 
mitgenommen  wurden,  Verpflegung  und  Geldeutschädigungen  aus- 
blieben, desertierten  die  Kutscher  mit  ihren  Pferden  in  großer  Zahl. 
Der  Generalstabschef  Murats  verlangte  am  20.  September  vom  General- 
intendanten pünktliche  Bezahlung  der  Kutscher  und  gute  Verpflegung, 
da  dies  das  einzige  Mittel  sei,  die  Desertionen  zu  verhindern. 
Marschall  Soult  meldete  am  1.  Oktober,  daß  bei  seinem  Korps  seit 
dem  Rhein-Übergang,  also  in  4  Tagen,  300  Trainpferde  verschwunden 
sind.  In  den  Trains  war  die  Ordnung  nur  schwer  aufrechtzuer- 
halten. Davout  sah  sich  daher  veranlaßt,  am  4.  Oktober  zu  befehlen, 
daß  bei  jeder  Division  ein  Wagenmeister,  beim  Korps  ein  General- 
wagenmeister das  Kommando  über  den  Train  zu  führen  habe.  Das 
Korps  habe  besonders  in  Feindes  Nähe  in  größter  Ordnung  zu 
marschieren,  damit  es  nicht  wie  eine  Völkerwanderung  (colonie) 
aussehe. 

Marschall  Davout  berichtete  über  die  Formierung  seines  Trains  : 

„Es  ist  unmöglich,  bestimmte  Angaben  über  die  vom  Departe- 
ment Rhin  et  Moselle  gesandten  Wagen  und  Pferde  zu  machen. 
Die  Kondukteure  sind  ohne  Kontrolle  und  in  der  größten  Unordnung 
mit  ihren  Konvois  angekommen.  Kutscher  haben  ihre  Pferde  preis- 
gegeben und  sind  desertiert;  andere  sind  mit  ihren  Pferden  und 
Wagen  durchgegangen,  andere  haben  während  des  Weges  sehr  gute 
Pferde  gegen  schlechte  ausgetauscht.  Die  Wagen  und  Geschirre 
haben  viel  Reparatur    nötig;    es    ist    unerläßlich,    die  Wagen  vorne 


—     529     - 

und  hinten  zu  schließen,  denn  ohne  diese  Vorsorgen  kann  mau   sie 
nicht  beladen.  Es  ist  nicht  weniger  notwendig,  sie  zu  bedecisen." 

Ein  weiterer  Übelstand  war,  daß  die  meisten  Fuhrwerke 
schwere  vierspännige  Wagen  waren,  wie  sie  damals  zum  Frachten- 
verkehr auf  den  Straßen  verwendet  wurden.  Auf  guten  trockenen 
Straßen  entsprachen  diese  Wagen  vorzüglich;  sowie  die  Kolonnen 
aber  auf  mindere  Wege  kamen  und  wie  die  Witterung  anhaltend 
schlecht  wurde,  konnten  sie  den  Kolonnen  während  der  starken 
Märsche  nicht  folgen  und  blieben  zurück. 

Am  7.  Oktober  hatte  General  Baraguay  d'Hilliers  dem  Armee- 
kommando zu  berichten,  welche  Wagen  an  diesem  Tage  durch 
Heidenheim  fuhren.  Er  meldete  unter  anderem  „13  Wagen  der 
1.  Dragonerdivision  mit  zusammen  51  tonneaux  Zwieback".  Ein 
Wagen  hatte  somit  etwa  4  t  oder  40  q  Ladung^).  Es  ist  einleuch- 
tend, daß  so  schwere  Wagen  auf  minderen  Wegen  den  Truppen 
nicht  zu  folgen  vermochten. 

So  meldete  Davout  am  6.  Oktober : 

„Mein  Zwiebackvorrat  ist  noch  2  Märsehe  hinter  mir," 
und  am  10.  Oktober: 

..Der  letzte  Stillstand  in  Aichach  hatte  die  wohltätigsten  Folgen, 
da  er  es  den  Lebensmittelparks  möglich  machte,  das  Korps  einzuholen''. 

Die  Disposition  des  5.  Korps  für  den  12.  Oktober  enthält  fol- 
gende Stelle: 

„Die  Wagen  mit  den  Lebensmitteln  und  Getränken,  deren 
Requisition  dem  Korpsintendanten  in  Burgau  gelingt,  haben  hinter 
der  Ambulanz  zu  marschieren.  Außerdem  haben  die  zurück- 
gebliebenen Lebensmittel  wagen  ihren  Marsch  mögliehst  zu 
beschleunigen." 

Am  20.  Oktober  schreibt  der  Generalstabschef  des  5.  Korps  an 
den  Korpsintendanten : 

„Wäre  es  nicht  möglich,  unseren  Zwieback-  und  Branntwein- 
konvoi wieder  zu  finden?  Schicken  Sie  jemand  auf  die  Suche." 

Die  Schwere  der  Fuhrwerke  war  die  Ursache,  die  Trains  oft 
auf  bessere  Wege  zu  verweisen,  als  es  die  Wege  waren,  die  von  den 
Kolonnen  benützt  werden  mußten.  Die  große  Wichtigkeit  dieser  Trains 
veranlaßte  dann,  mit  ihrer  Führung  Generalstabsoffiziere  zu  betrauen. 

*)  Da  das  metrische  Maßsystem  schon  1799  in  Frankreich  eingeführt 
■worden  war,  konnte  General  Baraguay  d'Hilliers  unter  dem  Ausdruck  „tonneau" 
nur  die  Tonne  zu  1000  kg  verstanden  haben. 

KrauKS.  180,5,  Der  Feldzug  vou  Ulm.  34 


—    530     — 

So  heißt  es  in  einem  Befehl  des  Generalstabsehefs  des  5.  Korps 
an  einen  Generalstabsoffizier  (6.  Oktober) : 

„Der  Lebensmittelpark,  mit  dessen  Führung  Sie  beauftragt 
waren,  hat  heute  in  Ebnath  zu  näehtigeu," 

und  am  7.  Oktober  richtete  er  an  einen  Generalstabsmajor  fol- 
genden Befehl: 

......  Da   dieser  Weg   für  die  Wagen    unbenutzbar  ist,    hat 

der  Herr  Marschall  angeordnet,  daß  der  Artilleriepark  und  der  Ver- 
pflegstrain  über  Nördlingen  nach  Donauwörth  marschieren.  Sie  haben 
den  Marsch  dieser  Trains  zu  leiten,  auf  deren  Ankunft  der  Marschall 
das  größte  Gewicht  legt.  Er  rechnet  auf  Ihren  Eifer  und  daß  Sie  nichts 
von  den  Truppen  anderer  Korps  wegnehmen  lassen,  daß  kein  Wagen 
die  Kolonne  verlasse  und  daß  alles  so  rasch  als  möglich  ankomme." 

Welche  Bedeutung  Napoleon  den  Trains  zumaß  und  wie  sehr 
er  über  die  Nachteile  der  requirierten  Trains  im  klaren  war,  zeigt 
ein  Diktat  Napoleons  an  den  Generalartillerieinspektor  General  Songis 
vom  1.  September : 

„Aber  wie  soll  man  3000  oder  4000  Bauernwagen  führen? 
Hier  ist  angegeben,  womit  man  sich  beschäftigen  muß :  Man  teile 
sie  in  Brigaden  von  50  Fuhrwerken  und  stelle  an  die  Spitze  jeder 
Brigade  einen  Brigadier.  Für  je  500  Wagen  wäre  ein  Train-  oder 
Artillerieoffizier,  für  je  1000  Wagen  ein  Artillerieoffizier  als  Komman- 
dant zu  bestimmen." 

Napoleon,  der  Kaiser  und  Kommandant  einer  200.000  Mann 
starken  Armee,  nahm  sich  also  noch  die  Zeit,  Anhaltspunkte  für  die 
Gliederung  und  Führung  der  großen  Parks  zu  geben!  Die  Sache 
muß  somit  doch  wichtig  sein ! 

Um  das  Trainwesen  abzuschließen,  sei  hier  auch  bemerkt,  daß 
zur  Versehung  des  Frachtdienstes  auf  der  Etappenstraße  in  Ent- 
fernung von  je  3  Wegstunden  oder  13  hm  ßelais  von  je  60  vierspän- 
nigen Wagen  aufgestellt  wurden,  so  daß  der  Etappentrain  für  die 
damals  etwa  360  hm  lange  Etappenstraße  Straßburg,  Speyer,  Heil- 
bronn, Donauwörth,  Augsburg  etwa  1800  vierspännige  Wagen  be- 
tragen mochte. 

Verpflegung. 

Schwieriger  als  beim  Train  war  die  Abhilfe  für  die  fehlende 
Verpfl-'gung.  Der  Verpllegstrain  hätte  in  noch  reicherem  Maße  aus 
Laudesfuhren  gebildet  werden  können;  aber  die  Massen  an  Vorräten, 


—     531     — 

die  nötig  gewesen  wären,  um  diesen  Train  zu  füllen,  konnten  nicht 
beschafft  werden. 

Napoleon  mußte  sich  deshalb  auch  diesmal  auf  die  Vorräte  des 
Kriegsschauplatzes  verlassen,  obwohl  er  klar  erkannte,  daß  die  Größe 
seiner  Armee  ihre  Verpflegung  vom  Lande  wesentlich  schwieriger 
machen  werde  als  in  seinen  frühereu  Feldzügeu.  In  diesen  Feld- 
zügen hatte  es  sieh  doch  immer  nur  um  Armeen  von  höchstens 
HO.OOO — 40.000  Mann  gehandelt.  Jetzt  war  die  Armee  mehr  als 
fünfmal  so  stark. 

Die  außerordentlich  scharfe  Auffassung  und  Voraussicht,  die 
Napoleon  in  allen  Zweigen  der  Kriegskunst  bekundete,  zeigte  ihm 
aber  auch  da  die  Mittel,  diese  Schwierigkeit  zu  überwinden. 

Er  erkannte  vor  allem,  daß  der  Herbst  die  günstigste  Jahres- 
zeit war,  um  unter  solchen  Bedingungen  Krieg  zu  führen.  Im  Herbste 
waren  die  Ergebnisse  der  Ernten  noch  zum  geringsten  Teil  auf- 
gezehrt und  überdies  mußte  man  sich  damals  in  »Stadt  und  Land 
für  den  Winter  mit  reichen  Vorräten  versehen,  weil  der  Verkehr 
im  Winter  meist  stark  unterbunden  war. 

Er  erkannte  weiter,  daß  die  Ausnutzung  der  Landesmittel  nur 
dann  zur  Verpflegung  seiner  großen  Armee  ausreichen  werde,  wenn 
er  seine  Truppenmassen  solange  als  möglich  in  vielen  Kolonnen 
maschieren  ließ.  Er  erkannte  also  die  Notwendigkeit,  getrennt  zu 
marschieren. 

Die  Erkenntnis  dieser  Notwendigkeit  war,  wie  schon  auf 
Seite  225  bemerkt  worden  ist,  Anlaß,  daß  Napoleon  die  geplante  Mas- 
sierung seines  Heeres  bei  Straßburg  aufgab,  sobald  er  über  die 
traurige  Lage  der  Verpflegsvorsorgen  unterrichtet  vpar,  und  daß  er 
seine  Armee  in  weit  getrennten  Korpskolonnen  nach  Deutschland 
einrücken  ließ.  Bei  der  Stärke  seiner  Kolonnen  konnte  aber  die  weite 
Trennung  der  Korps  allein  auch  nicht  genügen.  Die  Kolonnen 
mußten  auch  jeden  Tag  in  neue  Gebiete  kommen,  um  genug  Ver- 
pflegsvorräte  zu  finden ;  daher  waren  auch  für  die  Verpflegung  starke 
Märsche  geboten^).  Da  die  operative  Absicht  des  Kaisers  und  diese 


^)  Die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  ist  leicht  einzusehen.  Wenn  ein  Korps 
einen  Raum  von  100  km  Tiefe  durchschreiten  soll  und  in  den  Ortschaften  beider- 
seits seiner  M:irsehlinie  seinen  Bedarf  für  5  Tage  aufbringen  kann,  dann  muß 
das  Korps,  wenn  es  von  den  Landesmitteln  allein  leben  soll,  diesen  Raum  in 
5  Tagen  durchschritten  haben,  also  täglich  20  hm  marschieren.  Marschiert 
das  Korps  langsamer,  z.  B.  nur  14  km  täglich,  dann  werden  die  Mittel  des  Landes 

34* 


—     532     — 

Verhältnisse  für  die  Verpflegung  der  Armee  starke  Märsche  erfor- 
derten, die  Herabminderung  der  Marschleistung  die  Verpflegung  nur 
noch  erschweren  mußte,  blieb  Napoleon  auch  gegenüber  allen 
Klagen  seiner  Marschälle  ungerührt.  Er  ließ  am  12.  Oktober  an  alle 
Korpskommandanten  schreiben:  „Die  Schnelligkeit  der  Märsche  muß 
natürlich  Verpflegsschwierigkeiten  im  Gefolge  haben,  besonders 
wegen  des  Brotes.  Aber  da  die  Armee  gerade  dieser  SchnelHgkeit 
einen  Teil  ihrer  Erfolge  verdankt,  dürfen  wir  nicht  langsamer 
werden.  Wenn  Brot  mangelt,  so  ist  ein  gutes  Mittel,  die  Fleiseh- 
portion  auf  das  Doppelte  oder  Dreifache  zu  erhöhen.  Wollen  Sie 
alle  Eessourcen  des  Landes  ausnützen,  damit  die  Verpflegung  des 
Soldaten  auf  die  eine  oder  andere  Weise  gesichert  sei^)." 


zur  Verpflegung  des  Korps,  das  sieh  7  Tage  in  dem  Eaume  von  100  km  auf- 
hält, nicht  hinreichen ;  marschiert  das  Korps  aber  schneller,  also  z.  B.  25  km 
täglich,  dann  kann  der  Marsehraum  das  Korps  nicht  nur  erhalten,  sondern 
es  sogar  mit  einem  Überschuß  von  1  Tag  Verpflegung  versehen.  Bei  einer 
raschen  Vorrückung  muß  allerdings  die  Aufbringung  der  Lebensmittel  gut  or- 
ganisiert sein;  sie  darf  nicht  zu  stark  zentralisiert  sein,  soll  daher  durch  die 
auf  einem  größeren  Räume  verteilten  Truppen  selbst  besorgt  werden.  Allerdings 
wird  bei  einer  raschen  Vorrückung  nicht  darauf  zu  rechnen  sein,  daß  man  alle 
Lebensmittel  genußfertig  erhält;  vor  allem  wird  es  unmöglich  sein,  daß  die  Be- 
völkerung in  so  kurzer  Zeit  die  großen  Massen  von  Brot  liefere,  die  für  ein 
Korps  nötig  sind.  Da  müssen  die  Truppen  entweder  selbst  in  der  Lage  sein,  das 
Brot  zu  backen  —  Peldbacköfen  —  oder  sie  müssen  mit  dem  Mehl  und  den 
daraus  herstellbaren  Gerichten  vorlieb  nehmen. 

Extreme  Marschleistungen,  bei  denen  die  Zeit  zur  Aufbringung  der  Ver- 
pflegung fehlt,  müssen  selbstverständlich  Verpflegsschwierigkeiten  zur  Folge 
haben,  wenn  die  Truppen  ausschließlich  auf  die  Mittel  des  Landes  an- 
gewiesen sind. 

\)  Es  heißt  der  Menschenkenntnis  des  Kaisers  ein  schlechtes  Zeugnis  aus- 
stellen, wenn  man  wie  der  englische  Oberst  Maude  in  seinem  Werke  „Die  Ent- 
wicklung der  modernen  Strategie  seit  dem  XVIIL  Jahrhundert  bis  zur  Gegen- 
wart" (deutseh  von  Professor  Julius  Nestler)  sagt: 

„Darauf  erhielt  er  keine  Antwort  (Davout  auf  seinen  Brief  wegen  Er- 
sehießens  einiger  Marodeure ;  s.  S.  552)  —  und  dieser  Umstand  mit  Berthiers  Brief 
an  Marmont  (S.  553)  in  Verbindung  gebracht,  enthüllt  nur  zu  klar  den  maehiavel- 
listisehen  Plan  des  Kaisers.  Hunger  war  die  treibende  Kraft  —  was  lag  daran, 
wenn  die  Einwohner  litten  und  die  schwächeren  Leute  unter  den  Soldaten 
starben?  Die  Überlebenden  mußten  wie  ein  Rudel  Wölfe  ihrer  Nahrung  nach- 
jagen; so  und  nur  so  konnte  der  Kaiser  den  Massen  Beweglichkeit,  das 
Geheimnis  seiner  Strategie  einflößen." 

Es  ist  ohneweiters  klar,  daß  eine  hungernde  Armee  nie  nach  vorne 
durchgeht.  Das  Mittel  wäre  auch  gar  zu  einfach. 


—     533     — 

Da  Napoleon  erkannte,  daß  die  Truppen  nicht  von  der  Hand 
in  den  Mund,  also  nicht  von  den  täglichen  Eeqnisitionen  direkt 
leben  konnten,  mußten  die  Truppen  einen  viertägigen  Brotvorrat 
bei  sich  führen,  der  täglich  zu  ergänzen  war^).  In  der  weiteren  Er- 
kenntnis, daß  das  Zusammenziehen  der  Truppen  zur  Schlacht  und 
ihr  längeres  Beisammenbalten  die  Verpflegung  vom  Lande  nahezu 
ausschlössen,  mußten  die  Truppen  einen  mehrtägigen  Reservevorrat 
an  Zwieback  mit  sich  führen. 

Napoleon  schwächte  also  die  Folgen  des  Mangels  an  Verpflegs- 
trains  durch  folgende  Maßnahmen  ab :  Leben  durch  Requisition  vom 
Lande  und  Sicherstellung  der  Kontinuität  dieser  Verpflegung  dadurch, 
daß  ein  mehrtägiger  Vorrat  auf  Landesfuhren  bei  den  Korps  mit- 
geführt wurde;  getrenntes  Marschieren  der  Korps  in  starken  Märschen, 
um  täglich  frische,  unausgenützte  Räume  zu  erreichen ;  Mitführen 
eines  Reservevorrates  für  die  Zeit  der  Konzentrierung  der  Korps  zu'" 
Schlacht ;  Ausnützung  aller  Hilfsquellen  des  Landes,  ohne  Rücksicht 
auf  die  gebührenden  Artikel  und  Mengen,  also  Ersatz  der  fehlenden 
wichtigen  Artikel  durch  andere,  z.  B.  des  Brotes  durch  Fleisch  und 
umgekehrt. 

Die  Anordnungen  Napoleons  waren  demnach : 

Alle  Korps  hatten  den  Rhein  mit  4tägigem  Brotvorrat  zu  über- 
schreiten. Sie  hatten  auf  Wagen  für  4  Tage  Zwieback  mitzunehmen, 
der  nicht  zur  regelmäßigen  Verpflegung  verwendet  werden  durfte, 
sondern  nur  bestimmt  war  „für  die  Verpflegung  an  einem  Schlaehttag 
und  in  dem  Falle,  wenn  Sie  genötigt  sind,  Ihre  Truppen  zusammen- 
zuziehen, wenn  also  die  Verhältnisse  Ihnen  nicht  erlauben,  sich 
weiter  auszudehnen"  ^). 

Der  Kaiser  ließ  aber  beifügen : 

„Ohne  die  übergroße  Eile  der  Bewegung  hätte  der  Kaiser  ge- 
wünscht, daß  alle  Kolonnen  der  Armee  für  12  Tage  Zwieback  bei 
sich  hätten." 


^)  Es  handelte  sich  natürlich  nicht  um  Brot  allein.  Die  Truppen  führten 
ihre  volle  Verptiegung  für  4  Tage,  also  Brot,  Gremüse.  Gewürze,  Getränke,  meist 
auch  Fleisch  und  Hafer  mit  sieh. 

^)  Befehl  an  Davout  vom  20.  September.  Gleich  oder  ähnlich  lautende 
Befehle  ergingen  an  diesem  Tag  an  alle  Korpskommandanten.  (Alombert  ef 
Colin,  II,  290.) 

Napoleon  wiederholte  diesen  Befehl  am  7.  Oktober  mit  dem  Beisatze:  ..was 
so  wichtig  für  den  Erfolg  der  militärischen  Operationen  ist". 


—     534     — 

Dieser  Beisatz  beweist,  daß  Kaiser  Napoleon  im  Jahre  1805 
nur  aus  der  Not  eine  Tugend  gemacht  hat  und  daß  die  kleinen 
Verpflegstrains  seiner  Armee  durchaus  nicht  einem  seiner  Grund- 
sätze entsprachen. 

Den  Korps  war  aufgetragen,  ihre  Eequisition  auf  einer  Seite 
ihrer  Marschlinie  durchzuführen ;  so  hatte  z.  B.  Ney  zur  Linken 
seiner  Marschlinie  bis  zur  Marschlinie  Soults,  dieser  wieder  zur 
Linken  bis  zur  Marschlinie  Davouts  zu  requirieren  ^).  Im  Lande  der 
Alliierten  sollten  alle  gelieferten  Vorräte  Ijar  bezahlt  oder  quittiert 
werden,  damit  sie  nachträglich  gezahlt  werden  könnten.  Die  für  den 
Transport  der  requirierten  Vorräte  aufgenommenen  Wagen  sollten 
immer  wieder  in  ihre  Heimat  entlassen  und  durch  neu  aufgenommene 
Wagen  ersetzt  werden. 

Napoleon  gab  ferner  am  15.  September  Befehl,  in  Würzburg 
300.000  Portionen  Zwieback  sicherzustellen  ^j. 

Nirgend  finden  sich  Anordnungen,  auch  Pferdefutter  mitzu- 
nehmen. Die  Pferde  sollten  ganz  auf  die  örtlichen  Vorräte  gewiesen 
sein.  Trotzdem  nahmen  alle  Korps  Hafer  in  größerer  Menge  mit  sich. 
So  fuhren  am  7.  Oktober  durch  Heidenheim:  10  Haferwagen  der  1., 
7  der  2.  und  15  der  3.  Dragonerdivision,  12  für  das  Hauptquartier 
Murats  und  54  für  das  Korps  Ney.  Alle  diese  Wagen  waren  vier- 
spännig und  mochten  wenigstens  mit  je  15 — 20  q  beladen  gewesen 
sein,  so  daß  z.  B.  das  6.  Korps  mindestens  einen  etwa  Stägigen 
Hafervorrat  mit  sich  führte. 

Napoleon  gab  somit  nur  ganz  allgemeine  Anordnungen  und 
überließ  es  dem  Geschmack  und  der  Erfahrung  seiner  Marschälle, 
die  Verpflegung  ihrer  Korps  zu  organisieren. 

Die  Durchführung  der  Verpflegung  bei  den  Korps  zeigt  denn 
auch  große  Verschiedenheiten. 


^)  Diese  Art  der  Zuweisung  von  ßequisitionsräumen  hat  sieh  nicht  bewährt 
und  zu  zahlreichen  Reibungen  geführt.  Es  war  vor  allem  unnatürlich,  daß  ein 
Korps  Ortschaften,  die  knapp  rechts  seiner  Marschlinie  lagen,  nicht  ausnützen 
sollte.  Jede  Veränderung  der  Marschgruppierung  hatte  Differenzen  zwischen  den 
Korps  zur  Folge.  Daher  waren  auch  die  Klagen  über  Eingriffe  und  Übergriffe 
anderer  Koi-ps  sehr  häufig. 

^)  Der  Befehl  hiezu  war  an  Berthier  gerichtet  und  lautete:  „Sagen  Sie 
dem  Herrn  Otto,  daß  es  nötig  ist,  in  Würzburg  300.000  Portionen  Zwieback  her- 
stellen zu  lassen  und  die  Zitadelle  zu  verproviantieren,  damit  man  den  militäri- 
schen Operationen  die  ganze  erforderliehe  Schnelligkeit  geben  könne.  Sagen  Sie 
ihm,  daß  er  um  Gottes  willen  nicht  einen  Augenblick  verliere.  Es  ist  dringend 
nötig,  nicht  einen  Augenblick  zu  verlieren,  um  Zwieback  zu  haben." 


—     535     — 

Marschall  Key,  der  sich  im  allgemeinen  wenig  um  Ordnung 
und  Disziplin  in  seinem  Korps  kümmerte,  begnügte  sich  damit,-  eine 
sehr  eingehende  Instruktion  über  die  Durchführung  der  Quartier- 
verpflegung hinauszugeben,  die  regelmäßig  eintreten  sollte,  wenn  die 
Truppen  nicht  aus  Magazinen  fassen  konnten.  Diese  Fassungen  aus 
Magazinen  waren  nur  während  des  Aufenthaltes  in  Stuttgart  mög- 
lich, wo  das  Korps  einige  Tage  stehen  blieb. 

Die  Quartierverpflegung  konnte  nur  solange  angewendet  werden, 
solange  das  Korps  weit  vom  Feind  entfernt  war,  somit  Quartiere 
beziehen  konnte  und  auch  täglich  in  neue,  noch  wenig  berührte  Orte 
kam.  Als  das  Korps  aber  vom  8.  Oktober  an  in  derselben  Gegend 
blieb  und  wegen  der  Nähe  des  Feindes  in  erhöhter  Kampfbereit- 
schaft lagern  mußte,  konnte  die  Quartierverpflegung  dem  Korps 
nicht  mehr  nützen.  Da  Ney  auf  das  Mitführen  von  Vorräten  und 
ihre  regelmäßige  Ergänzung  keinen  besonderen  Wert  gelegt  hatte, 
die  wenigen  Ortschaften  das  Korps  auf  die  Dauer  nicht  erhalten 
konnten,  mußten  Verpflegsschwierigkeiten  eintreten,  besonders  als 
noch  die  Division  Gazan  des  5.  Korps  am  11.  Oktober  in  denselben 
Eaum  (nach  Günzliurg)  verlegt  wurde. 

Der  Korpsintendant  meldete  am  9.  Oktober  an  Ney : 

„ .  .  .  .  Es  ist  ganz  unmöglich,  den  4tägigen  Brotvorrat  zu 
erzielen;  weit  entfernt  davon,  weiß  ich  nicht  einmal,  wie  ich 
überhaupt  die  tägliche  Verpflegung  des  Korps  aufbringen  soll,  wenn 
es  in  den  jetzigen  Positionen  bleibt.  Da  das  Korps  rund  herum  von 
anderen  Truppen  umgeben  ist,  so  kann  nur  ein  Vormarsch  neue 
Lebensmittel  zugänglich  machen.  Sie  dürfen  nicht,  Herr  Marschall, 
sich  auf  eine  Intendanz  verlassen,  der  weder  eigene  Mittel  noch 
Landesressourcen  zur  Verfügung  stehen 

„ . .  . .  Ich  habe  an  den  Generalintendanten  einen  Kurier  ge- 
schickt, damit  er  uns  mit  Gewaltmärschen  aus  den  im  Rücken  der 
Armee  von  ihm  dirigierten  Trains  Aushilfe  schicke." 

Am  11.  werden  seine  Klagen  noch  lebhafter;  er  meldet: 

„ . . . .  Da  die  Divisionen  morgen  außerhalb  Günzburg  stehen 
werden,  schlage  ich  vor,  daß  ich  morgen  hier  bleibe,  um  die  von 
mir  ausgeschriebene  Requisition  durchzuführen.  Aber  ich  erfahre 
soeben,  daß  morgen  die  Division  Gazan  hier  einrücken  soll :  dann 
kann  ich  nicht  mehr  auf  die  Mittel  der  Stadt  rechnen  und  ich  muß 
fürchten,  daß  dann  die  Verpflegung  total  versagen  müßte.  Wenn  Sie 
dieser  Unannehmlichkeit  vorbeugen  wollen,  bitte  ich  zu  veranlassen, 


—     536     — 

daß  die  Division  Gazaii  an  einen  anderen  Ort  dirioiert  und  außerdem 
mir  eine  Eskadron  zurückgelassen  wird,  mit  der  ich  die  vorgeschrie- 
benen Lieferungen  erzwingen  könnte." 

General  Bourcier,  Kommandant  der  4.  Dragonerdivision,  meldet 
am  9.  Oktober  aus  Bolheim  an  Marschall  Berthier: 

„ .  .  .  .  Ich  habe  bisher  nur  mit  der  größten  Schwierigkeit 
Verpflegung  für  meine  Division  finden  können:  seit  einigen  Tagen 
hat  sie  weder  Brot  noch  Fleisch  und  auch  nur  sehr  wenig  Hafer 
bekommen.  Die  Dörfer,  wo  wir  kantonierten,  waren  stets  schon  durch 
die  vorausmarschierenden  Truppen  ausgesogen," 

und  am  10.  Oktober  an  Ney: 

„Seit  einigen  Tagen  hat  die  Division  weder  Brot  noch  Fleisch 
erhalten,  bloß  ein  wenig  Käse.  Ich  bitte  mich  zu  ermächtigen, 
in  Börslingen,  Setzingen  und  Wettingen  zu  kantonieren,  vielleicht 
finde  ich  in  diesen  Orten  etwas.  Ich  habe  einige  Offiziere  in  die 
nächsten  Orte  zu  meiner  Rechten  gesandt,  um  zu  rekognoszieren, 
ob  sie  Ressourcen  bieten,  woran  ich  sehr  zweifle,  da  sie  bereits 
belegt  waren.  Die  Erschöpfung  meiner  Pferde  veranlaßt  mich  zu 
bitten,  Herr  Marschall,  die  Verpflegung  nehmen  zu  dürfen,  wo  sie 
sich  findet." 

Beim  5.  Korps  (Lannes)  und  bei  der  Reservekavallerie 
(Murat)  scheinen  keine  Direktiven  für  die  Durchführung  der  Ver- 
pflegung erlassen  worden  zu  sein,  da  nur  eine  Reihe  nach  und  nach 
erlassener  Befehle  vorhanden  ist.  Die  wichtigsten  dieser  Befehle 
folgen  hier: 

Korps  Lannes.  Am  3.  Oktober  ergingen  in  Ludwigsburg  an 
den  Korpsintendanten  folgende  Befehle: 

1.  „ .  .  .  .  Treffen  Sie  Ihre  Anordnungen,  damit  das  ganze 
Korps,  das  sich  heute  vereinigen  soll,  die  Division  d'Hautpoul  und 
die  Garde,  die  dem  Korps  folgen  werden,  zusammen  ungefähr  26.000 
Mann,  beständig,  al?o  sowohl  während  ihres  Aufenthaltes  bei  Ludwigs- 
burg als  während  der  künftigen  Märsche,  mit  4  Tagen  Brot  und 
2  Tagen  Fleisch  versehen  seien. 

„Der  Marschall  wünscht  auch,  daß  die  Kavallerie  während  der 
Märsche  mit  eintägigem  Hafervorrat  versehen  sei." 

2.  „ .  .  .  .  Ich  teile  Ihnen  mit,  daß  das  Korps  morgen  bei 
Tagesanbruch  nach  Schorndorf  abmarschieren  wird;  es  wird  den 
Marsch  nach  Gmünd  und  Aalen  fortsetzen,  wo  es  am  6.  Oktober 
eintreffen  soll. 


—     537     — 

„Sorgen  Sie  dafür,  daß  die  KavalleriedivisioD,  die  Grenadier- 
division, die  Division  Gazan,  die  iaeute  eintreffen  soll,  und  die  ganze 
Artillerie  des  Korps  heute  abend  mit  Brot  auf  4  Tage,  mit  Fleisch 
für  2  Tage  und  mit  Hafer  auf  1  Tag  versehen  seien. 

„Sorgen  Sie  auch,  um  täglich  diesen  Vorrat  wieder  zu  er- 
gänzen." 

3.  „ .  .  .  .  Da  die  Division  Gazan,  die  um  3^^  nachmittag  hier 
hätte  eintreffen  sollen,  noch  nicht  hier  ist,  ändert  der  Marschall 
seine  Yerpflegsdisposition  vollständig.  Lassen  Sie  alles  Brot,  das  in 
den  Magazinen  von  Ludwigsburg  und  Osweil  ist,  auf  Wagen  ver- 
laden und  der  Division  Oudinot  folgen,  die  mit  Tagesanbruch  nach 
Schorndorf  abmarschiert.  Das  gleiche  gilt  für  Zwieback  und  Brannt- 
wein. Der  General  Oudinot  wird  eine  Wache  für  diesen  Konvoi  bei- 
stellen. Die  Division  Gazan  soll  sich  selber  verpflegen. 

„Sie  haben  sich  sodann  mit  einem  Beamten  von  der  Division 
Oudinot  nach  Schorndorf  zu  begeben  und  auf  dem  Wege  dahin  und 
in  der  Umgebung  dieses  Ortes  alles  für  die  Verpflegung  des  Korps 
vorzubereiten.  Ihr  Marsch  ist  durch  eine  Kavalleriebrigade  gedeckt, 
die  heute  um  lO''  nacht  aufbricht." 

In  Schorndorf  erhielt  der  Korpsintendant  am  4.  Oktober  den 
Befehl : 

„ . . . .  Sie  müssen  an  der  Queue  jeder  Division  das  bei  den 
Verteilungen  erübrigende  Brot  nachführen  lassen ;  selbstverständlich 
müssen  auch  der  Zwieback  und  Branntwein  stets  den  Kolonnen 
folgen.    Der  General  Oudinot  hat  die  Wachen   hiefür   beizustellen." 

Am  5.  Oktober  erging  in  Lorch  an  General  Gazan  der 
Befehl : 

„ .  .  .  .  Der  Marschall  Lannes  will,  daß  Sie  Ihre  Truppen  aus 
den  Mitteln  Ihrer  Nächtigungsorte  erhalten,  so  daß  Sie  beständig 
den  Vorsprung  von  4  Tagen  Brot  und  2  Tagen  Fleisch  haben, 
d.  h,  Sie  müssen  täglich  nachfassen  lassen," 

und  an  den  Korpsintendanten : 

„ .  .  .  .  Der  Marschall  ist  um  so  beunruhigter,  daß  wir  nicht 
den  4tägigen  Brotvorrat  haben,  als  auch  unsere  Zwiebackbestände 
nicht  vollständig  sind.  Die  Marschordnung  ist  noch  immer  die  gleiche. 
Die  Grenadiere  brechen  um  4^^  früh  auf. 

„Jedem  Mann  ist  eine  Flasche  Wein  auszugeben.  Die  Landes- 
fuhrenkutscher und  Pferde  müssen  geradeso  verpflegt  werden  wie 
die  Armee." 


—     538     — 

An  den  Bürgermeister  von  Aalen  wurde  am  5.  ein  ßequisitions- 
schreiben  g-erichtet : 

„Die  Gemeinde  hat  bis  morgen  2^  nachmittag  je  30.000  Por- 
tionen Brot,  Fleisch  und  Reis  für  das  5.  Korps  zu  liefern.  Sie  können 
auch  die  umliegenden  Dörfer  zm'  Lieferung  heranziehen^)." 

Am  7.  Oktober  schrieb  der  Generalstabschef  aus  Donauwörth 
an  den  General  Gazan: 

„ .  .  . .  Der  Marschall  fordert  Sie  auf,  sich  selbst  Brot  zu  ver- 
schaffen und  soviel  als  möglich  mitzuführen.  Wir  leiden  hier  auch 
schon  großen  Mangel ;  also  kümmern  Sie  sich  selbst,  es  ist  Ihr 
eigenstes  Interesse." 

Am  17.  Oktober  erhielt  der  Bürgermeister  von  Schelkingen  ein 
Requisitionsschreiben  lolgenden  Inhalts: 

„Nach  dem  Befehle  des  Kommandanten  des  5.  Korps  hat  der 
Bürgermeister  von  Schelkingen  sofort  4000  Laib  Brot  zu  3  Pfund, 
40  Säcke  Hafer  und  10  Rinder  zu  liefern.  Das  alles  muß  pünktlich 
um  ()^  abend  auf  dem  Platze  von  Blaubeuren  abgeliefert  werden. 
Sollte  die  Lieferung  nicht  pünktlich  erfolgen,  wird  sich  eine  starke 
Abteilung  zur  militärischen  Durchführung  der  Requisition  nach 
Schelkingen  begeben. 

„Der  Bürgermeister  hat  die  ganze  Nacht  Brot  backen  zu  lassen, 
um  morgen  den  18.  Oktober  5000  Laib  Brot  zu  3  Pfund  liefern  zu 
können,  die  nach  Söflingen  zu  senden  sind,  wo  sie  um  die  Mittags- 
stunde zu  übergeben  sind." 

Ein  ähnliches  Sehreiben  ging  am  gleichen  Tag  an  den  Bürger- 
meister von  Blaubeuren  ab.  Dieser  Ort  hatte  am  17.  Oktober  6300 
Laib  Brot  zu  2  Pfund  und  16  Säcke  Hafer,  am  18.  Oktober  7000 
Laib  Brot  zu  3  Pfund  zu  liefern^). 

Am  20.  Oktober  erging  in  Nördlingen  an  den  Korpsintendanten 
der  Befehl : 

„Das  Korps  wird  am  22.  und  23.  in  Ingolstadt  ankommen. 
Reisen  Sie  morgen  früh  mit  Post  dahin  und  bereiten  Sie  100.000 
Portionen  Brot  und  ebensoviel  Zwieback  vor;  Sie  können  auch  alle 
Städte  und  Dörfer  der  Umgebung  zu  dieser  Lieferung  ausnützen. 
Bei  der  Durchreise  durch  Donauwörth  stellen  Sie  dort  das  Brot  für 


^)  Die  Stadt  Aalen  zählte  samt  den  zum  Stadtgebiete  gehörenden  Weilern 
3000  Einwohner.  Es  entfielen  somit  zehn  Portionen  auf  den  Einwohner. 

^)  Schelkingen  hatte  750,  Blaubeuren  1700  Einwohner.  (Eöder,  „Geogr.- 
?tat.-top.  Lexikon  von  Sehwaben",  1800.) 


—     539     — 

die  Grenadierdivision  und  zwei  Kavalleriedivisionen  sicher,  die  morgen 
dort  ankommen  sollen. 

„Treiben  Sie  auch  eine  große  Anzahl  Wagen  für  den  Trans- 
port des  Zwiebacks  auf')." 

Kavalleriekorps  Murat.  Am  25.  September  erließ  .Murat 
folgenden  Tagesbefehl : 

„Die  Fleischversorgung  muß  bei  jeder  Division  einheitlich  ge- 
regelt werden,  wozu  die  Schlachtviehparks  den  Divisionen  beim 
Übergang  über  die  Brücke  bei  Kehl  folgen." 

Am  30.  September  erging  an  alle  Divisionäre  der  Befehl : 

„Sobald  Sie  Ihre  Kantonnements  erreichen,  müssen  Sie  stets 
sofort  Requisitionen  ausschreiben,  so  daß  der  Soldat  immer  für  vier 
Tage  Lebensmittel  hat.  Diese  Maßregel  ist  äußerst  wichtig." 

Am  1.  Oktober  erhielt  General  Beaumont,  Kommandant  der 
3.  Dragonerdivision,  den  Befehl : 

„Schreiben  Sie  in  Neuenburg  Brot  für  4  Tage  und  Schlacht- 
vieh für  2  Tage  aus.  Alles  muß  sogleich  oder  im  Laufe  der  Nacht 
geliefert  werden.  Requirieren  Sie  in  Ihren  Kantonnements  Fuhrwerke 
zum  Transport  des  Brotes,  das  die  Dragoner  nicht  selbst  tragen 
könnten.  Ihr  Intendant  hat  die  Requisition  durchzuführen.  Während 
seiner  Abwesenheit  hat  Ihr  Generalstabschef  zu  sorgen,  daß  der 
Bürgermeister  Empfangsscheine  erhält,  damit  nachträglich  gezahlt 
werden  könne." 

Am  2.  Oktober  erging  der  Befehl : 

..Morgen  Q^  früh  haben  sich  die  Quartiermeister ^1  der  Regi- 
menter zur  Fassung  von  Brot,  Wein  und  Branntwein  in  Stuttgart 
einzufinden.  Jede  Division  hat  1  Unteroffizier  und  6  Reiter  als 
Eskorte  für  die  Wagen  zu  senden.  Brot  und  Wein  sind  nach  der 
Ankunft  sofort  zu  verteilen.  Der  Branntwein  darf  ohne  Befehl  des 
Prinzen  Murat  nicht  angegriffen  werden." 


^)  Nach  dem  „Geogr.-stat.-top.  Lexikon  von  Bayern",  Ulm  179G,  hatte 
Ingolstadt  (zwei  Infanterieregimenter  eingerechnet)  7000  Einwohner.  Nach 
Hoeeks  „Statistischer  Darstellung  der  königlieh  bayrischen  Staaten",  Nürnberg 
1807,  hatte  Ingolstadt  -IKX)  Einwohner.  Ohne  Garnison  mochte  die  Stadt 
also  1805  kaum  4500  Einwohner  gehabt  haben,  mit  der  nächsten  Umgebung 
höchstens  8000—10.000.  Es  wurden  daher  für  den  Einwohner  wenigstens  zehn 
Portionen  Brot  und  10  Portionen  Zwieback  angefordert. 

2)  Als  „Quartiermeister"  wurden  Offiziere  (Kapitäne  oder  Leutnants)  ver- 
wendet. Sie  versahen  den  Dienst  unserer  Proviantofriziere. 


—     540    — 

Am  4.  Oktober  befahl  Murat  in  Göppingen : 

„.  .  .  Die  Truppen  sind  morgen  beim  Einwohner  gegen  Quittung 
zu  verpflegen.  Die  Generale  haben  daher  ihre  mobilen  Vorräte  voll- 
zählig zu  halten  und  müssen  noch  die  größte  Sorge  tragen,  sie 
während  der  Nacht  auf  die  vorgeschriebene  Anzahl  der  Portionen 
zu  ergänzen." 

General  Bourcier,  der  zn  dieser  Zeit  noch  Murat  unterstellt 
war,  erhielt  an  diesem  Tage  den  Befehl: 

„Sie  haben  morgen  mit  Ihrer  Division  von  Stuttgart  aufzu- 
brechen und  für  4  Tage  Brot  und  Hafer  mitzunehmen." 

Aus  diesen  Befehlen  ersieht  man,  daß  Lannes  und  Murat  der 
Verpflegung  große  Aufmerksamkeit  widmeten.  Man  findet  denn  auch 
von  ihnen  keine  Klagen  über  die  Unmöglichkeit,  ihre  Truppen  zu 
verpflegen ;  ihre  Truppen  scheinen  demnach  immer  in  genügendem 
Maße  verpflegt  worden  zu  sein. 

Allerdings  lagen  an  der  Marschlinie  dieser  Korps  die  größten 
und  reichsten  Orte,  aber  auf  diesen  Marschlinien  fand  auch  die 
größte  Anhäufung  von  Truppen  statt,  so  daß  Napoleon  hier  persön- 
lich zur  Regelung  der  Verpflegung  eingriff. 

Am  29.  September  hatte  Napoleon  befohlen : 

An  Lannes: 

„.  .  .  Die  schwere  Kavalleriedivision  Hautpoul  und  die  Garde, 
etwa  10.000  Mann,  die  mit  dem  Korps  Lannes  zusammen  ungefähr 
26.000  Mann  Verpflegsstand  haben,  müssen  verpflegt  werden. 

„Der  Marschall  Lannes  muß  daher  alles  Vorsorgen,  um  am 
2.  Oktober  mittag  in  Ludwigsburg  100.000  Brotportionen,  d.  i.  auf 
4  Tage  für  diese  Truppen,  fertig  zu  haben. 

„Der  Kaiser  erkennt  die  Schwierigkeiten  dieser  Beschaffung 
an,  und  daß  viel  Geschicklichkeit  zur  Ausführung  notwendig  sein 
wird,  da  die  Marschälle  Murat  und  Ney.  die  in  Stuttgart  kantoniereu 
werden,  auch  ein  großes  Brotquantum  herstellen  lassen  müssen ; 
aber  er  verläßt  sich  auf  den  Eifer  und  auf  die  erprobten  Fähig- 
keiten des  Marschalls  Lannes." 

An  Ney : 

„.  .  .  Sie  müssen  am  2.  Oktober  in  der  Lage  sein,  Brot  für 
4  Tage  an  Ihr  ganzes  Korps  zu  verteilen,  so  daß  es  mit  dem  Zwie- 
back, den  es  mitführt,  für  8  Tage  Lebensmittel  hat. 

„Am  2.  Oktober  wird  Prinz  Murat  mit  drei  Dragonerdivisionen 
und  mit  der  Division  Dragoner  zu  Fuß  in  Stuttgart  sein,  zusammen 


—     541     — 

15.000  Mann.  Dieses  Korps  soll  ebenso  wie  das  Kor[)S  des  Mar- 
schalls Ney  am  2.   Oktober  Brot  für  4  Tage  in  Stuttgart  vorfinden. 

^Der  Kaiser  veri^ennt  durchaus  nicht  die  Schwierigkeiten,  die 
das  bereiten  wird,  und  daß  die  ganze  Tatkraft  des  Marschalls  Xey 
notwendig  sein  wird,  diese  Versorgung  zu  erzielen,  umsornehr,  als 
das  bei  Ludwigsburg  debouchierende  Korps  Lannes  und  die  kaiser- 
liche Garde  sich  in  Ludwigsburg  ebenfalls  auf  4  Tage  mit  Brot  ver- 
sorgen müssen. 

„In  Ludvvigsburg,  Stuttgart  und  Umgebung  müssen  daher 
240.000  Portionen  Brot  beschafft  werden,  und  zwar  140.000  in 
Stuttgart  und  100.000  in  Ludwigsburg  i)." 

Leider  konnte  nicht  festgestellt  werden,  was  diese  Orte  tat- 
sächlich geliefert  haben. 

Diese  beiden  Befehle  sind  Musterwerke  der  Befehlgebung 
Napoleons. 

Sie  zeigen  vor  allem,  daß  Napoleon  mit  seinem  scharfen  Ver- 
stände sowohl  die  Bedeutung  aller  militärischen  Maßnahmen  als  auch 
die  Schwierigkeiten,  die  ihrer  Durchführung  entgegenstanden,  richtig 
erkannte. 

Daher  ließ  er  diese  Befehle,  die  sich  nur  mit  der  Verpflegung 
befaßten,  nicht  von  Berthier  oder  vom  Generalintendanten  ausfertigen 
und  er  richtete  sie  auch  nicht  an  die  Korpskommandos  oder  an  die 
Korpsintendanten.  Er  sandte  diese  Befehle,  die  er  selbst  eindiktierte 
und  fertigte,  an  die  Person  seiner  glänzenden  Marschälle  und  Korps- 
kommandanten Ney  und  Lannes.  Weil  er  aber  erkannte,  daß  auch 
diese  energischen  Männer  den  zahllosen  Schwierigkeiten  der  weder 
Ehre  noch  Ruhm  versprechenden  Durchführung  der  Aufträge  unter- 
liegen würden,  beugt  er  dem  vor,  indem  er  die  Schwierigkeiten  selbst 
betont,  aber  gleichzeitig  sein  Vertrauen  ausspricht,  daß  die  Energie 
und  der  gute  Wille  seiner  bewährten  Marschälle  alle  Hindernisse 
überwinden  werden. 


^)  Am  2.  Oktober  meldete  der  österreichische  Kriegskonzipist  Mandel  aus 
Heehingen  (eingetroffen  in  Ulm  am  5.  Oktober): 

„Am  1.  Oktober  war  Ney  mit  30.000  Mann  und  12  Kanonen  in  Stuttgart. 

....  Ney  nennt  sieh  eommandant  en  ehef  der  6.  Armee.     Gestern  verlangte  er 

in  Stuttgart  140.000  Portionen  Brot,    140  Zentner  Reis,  2500  Säcke  Hafer,  2400 

Zentner  Heu   und    250  vierspännige  Wagen."    (Kriegsarehiv,  1805.    Deutschland 

FA,  XIII,  124.) 

Die  Stadt  Stuttgart  hatte  1805  höchstens  22.000  Einwohner,  das  Oberaint 
Stuttgart  etwa  18.000  Einwohner.  Ludwigsburg  hatte  etwa  6000  Bewohner. 


—     542     — 

Er  stachelt  so  den  Ehrgeiz  seiner  sonst  nur  nach  Waffentaten 
lechzenden  Marschälle  auf  und  verspricht  ihnen  den  höchsten  Lohn 
—  seine  kaiserliche  Zufriedenheit  —  auch  für  diese  wenig  Glanz 
bietenden  Aufgaben.  Napoleon  wußte  eben  auch,  daß  das  unmöglich 
Scheinende  nur  dann  zu  erreichen  war,  wenn  alle:  Generale,  Inten- 
danten, Truppenkommandanten  und  Truppen  mit  dem  festen  Willen 
zusammenwirkten,  das  Verlangte  zu  leisten :  dieses  zielbewußte, 
energische  Zusammenwirken  aller  war  nur  zu  erzielen,  wenn  die 
Korpskommandanten  selbst  alles  daransetzten,  den  Auftrag  zu  er- 
füllen. Der  Menschenkenner  Napoleon  wußte,  daß  nur  die  so  auf- 
gestachelte Energie  der  Korpskoramandanten  im  stände  war,  alle 
Organe:  Generale,  Truppen  und  Intendanten  zur  vollen  Entfaltung 
ihrer  Kraft  und  ihrer  Tätigkeit  zu  zwingen. 

Heute  könnte  diese  Art  Befehlgebung  allein  nicht  genügen. 
Napoleons  allumfassendes  Genie  leistete  die  Arbeit  eines  ganzen 
Generalstabes.  Ein  gut  organisierter  und  gut  vorgebildeter  General- 
stab muß  uns  heute  das  Genie  Napoleons  ersetzen. 

So  wie  Napoleon  die  Bedeutung  aller  militärischen  Maßnahmen 
und  die  Schwierigkeiten  ihrer  Durchführung  erkannte,  so  muß  dies 
heute  ein  guter  Generalstab  vermögen ;  so  wie  Napoleon  den  Willen 
hatte,  alle  von  ihm  erkannten  Schwierigkeiten  zu  überwinden,  so  wie 
er  dazu  die  Tätigkeit  aller,  auch  der  Marschälle  anspornte,  so  muß 
es  heute  ein  guter  Generalstab  tun.  Er  muß  dazu  vor  allem  selbst 
den  Willen  haben,  jede  Arbeit  zu  leisten,  keine  darf  ihm  zu 
gering  erscheinen;  er  muß  selbst  den  Willen  haben,  alle  von 
ihm  erkannten  Schwierigkeiten  zu  überwinden,  und  muß  es  verstehen, 
diesen  Willen  allen  Organen  der  Armee  einzuimpfen.  Er  muß  dazu 
erzogen  werden,  alle  Schwierigkeiten  wohl  zu  erwägen  und  zu  er- 
kennen, aber  mit  dem  festen,  mit  dem  Wachsen  der  Schwierigkeiten 
nur  gesteigerten  Willen,  sie  zu  überwinden. 

Trotz  der  Unterstützung  eines  solchen  Generalstabes  wird  es 
für  den  Führer  einer  modernen  Armee  gut  sein,  sich  dieser  Muster 
napoleonischer  Befehlgebung  zu  erinnern,  denn  auch  er  wird  wieder- 
holt seine  Armee-  und  Korpskommandanten  auf  gleiche  Art  zur 
höchsten  Leistung  anspornen  müssen. 

Am  gründlichsten  bereiteten  Soult  und  Davout  die  Ver- 
pflegung ihrer  Korps  vor,  wie  diese  Marschälle  von  allen  am 
strengsten  auf  Disziplin  und  Ordnung  sahen. 


—     543     — 

Soult  und  Davoiit  hielten  sehr  darauf,  ihre  Truppen  in  ge- 
ordneter und  regelmäßiger  Weise  durch  Passungen  zu  verpflegen. 
Sie  trachteten,  durch  vorausgesendete  Intendanten  und  durch  die 
Vorhut  das  notwendige  Brot,  Fleisch,  Futter  und  Brennholz  sicher- 
zustellen, das  dann  gleichmäßig  an  die  Divisionen  verteilt  wurde. 
Soult  regelte  dies  besonders  streng;  er  befahl,  daß  in  der  ßegel 
bloß  der  Korpsintendant  und  nicht  einmal  die  Divisionsintendanten 
(las  Recht  der  Ausschreibung  von  Requisitionen  hatten.  Auch  Landes- 
fuhren wurden  für  die  Intendanz  requiriert.  Allerdings  ließen  diese 
beiden  Marschälle  ihre  Divisionen  auch  grundsätzlich  vereint  lagern. 

4.  Korps  Soult.  Am  26.  September  erheß  Soult  im  Befehl 
für  den  Rhein-Übergang  folgende  Anordnungen : 

„Jedes  Bataillon  und  jedes  Kavallerieregiment  darf  nur  einen 
Wagen  für  das  Gepäck  der  Offiziere  haben.  Desgleichen  gebührt  je 
ein  Wagen  für  den  Generalstab  jeder  Division  und  ein  Wagen  für 
jeden  Divisions-  und  Brigadegeneral.  Jedes  Regiment  darf  einen 
Wagen  für  den  Transport  Kranker  haben. 

„Keine  Requisition,  welcher  Art  sie  auch  sei  und  welchen 
Gegenstand  sie  auch  betreffe,  darf  durch  jemand  anderen  gemacht 
werden  als  durch  den  Korpsintendanten  nach  den  Befehlen  des 
Korpskommandanten.  Nur  in  dringenden  Fällen,  die  eine  Über- 
tragung dieser  Befugnisse  für  voraus  bestimmte  Gegenstände  nötig 
machen,  dürfen  die  Divisionsintendanten  im  Namen  des  Korps- 
intendanten Requisitionen  durchführen,  sind  aber  verpflichtet,  noch 
am  selben  Tage  genau  zu  melden." 

Soult  vereinigte  also  die  Beschaffung  der  Verpflegung  in  einer 
Hand. 

Bald  zeigten  sich  aber  die  Nachteile  dieser  zu  weitgehenden 
Zentralisierung  der  Verpflegsleitung  und  Verpflegsdurchführung. 
Schon  am  ersten  Tage  waren  einige  Regimenter  ohne  Verpflegung 
geblieben.  Soult  gab  daher  am  29.  September  folgenden  Befehl  an 
den  Korpsintendanten: 

„Die  Generale  Vandamme  und  Legrand  haben  mir  gemeldet, 
daß  ihre  Truppen  nicht  alle  ihnen  gebührenden  Lebensmittel  er- 
halten haben. 

„Um  für  die  Zukunft  zu  verhindern,  daß  die  in  dieser  Sache 
gegebenen  Befehle  unausgeführt  bleiben,  wollen  Sie  den  Divisions- 
intendanten stets  über  die  Requisitionen  mitteilen,  die  Sie  im  Be- 
reiche der  Divisionen   anordnen,   damit   die  Divisionsintendanten  die 


—     544     — 

Einlieferung  überwachen  und  wenn  nötig  bei  ihren  Generalen  selbst 
die  Anwendung  von  Waffengewalt  ansuchen. 

„Um  das  Herumführen  der  Lebensmittel  und  Zeit- 
verlust zu  vermeiden,  wäre  es  vielleicht  zweckmäßig,  die 
Requisitionen  ganz  oder  teilweise  den  Divisionen  zu  über- 
lassen, besonders  wenn  das  Korps  nicht  eng  vereint  ist;  die 
Anwendung  dieser  Maßregel  wird  aber  immer  von  der  Situation 
des  Korps  abhängen. 

„Die  Stadt  Wimpfen.  3  Meilen  von  Heilbronn,  bietet  große 
Ressourcen.  Sie  haben  es  anterlassen,  dort  Brot.  Lebensmittel  und 
Wagen  zu  requirieren.  Wollen  Sie  über  die  Leistungsfähigkeit  dieser 
Gemeinde  Erkundigungen  einziehen  und  ihr  sofort  eine  Requisition 
auferlegen  ^). 

„Ich  habe  dem  General  Margaron  in  Weinsberg  aufgetragen, 
dort  10.000  Portionen  Brot  zu  requirieren  und  ein  Detachement 
nach  Öhringen  zu  senden,    das    dort  20.000  Portionen  requiriert  ^j. 

„Wollen  Sie  mir  sofort  melden,  wenn  Sie  sicher  sind,  daß 
alle  ausgeschriebenen  Requisitionen  erfüllt  worden  sind,  da  die  späte 
Anforderung  mir  große  Unruhe  verursacht.  Melden  Sie  mir  auch, 
ob  der  Zwieback  und  der  Branntwein  aus  Landau  schon  im  Trans- 
porte sind  und  wann  Sie  auf  deren  Ankunft  rechnen." 

Die  Stadt  und  das  Oberamt  Heilbronn,  die  zusammen  15.000 
bis  16.000  Einwohner  zählten,  hatten  zu  liefern:  85.000  Rationen 
Brot.  25.000  Eationen  Fleisch,  24.000  Pfund  Salz,  3600  Zentner 
Heu,  6000  Säcke  Hafer,  5000  Maß  Branntwein,  800  Zentner  Stroh 
und  100  vierspännige  Wagen. 

Am  30.  September  erhielt  der  Korpsintendant  den  Befehl : 

„.  .  .  In  Heilbronn  ist  ein  Magazin  mit  Hafer,  Heu  und  Stroh 
für  8000  Pferde  auf  einen  Monat  anzulegen.  Sie  müssen  auch  die 
notwendigen  Transportmittel  sicherstellen,  um  aus  diesem  Magazin 
die  bei  den  Divisionen  befindlichen  Ausgabsmagazine  für  den  täg- 
lichen Gebrauch  zu  füllen." 

Die  Marschdisposition  für  den  3.  Oktober  enthielt  folgende  Stelle : 

„.  .  .  Der  Korpsintendant  hat  dem  8.  Husarenregiment  einen 
Beamten   mitzugeben,    der   in  Hall  ein  Eequisitionsschreiben    auf  je 

*)  Wimpfen  hatte  damals  2000—2200  Einwohner.  Diese  und  die  folgenden 
Angaben  sind  dem  „Geographischen  Lexikon  von  Sehwaben"  von  Röder,  Ulm  1800, 
entnommen. 

^)  Weinsberg  zählte  damals  1400,  Öhringen  3160  Einwohner. 


545     — 


60.000  Portionen  Brot,  Fleisch  und  Branntwein,  200  Meterzentner  Salz 
und  Fourage  für  8000  Pferde  auf  einen  Monat  zu  übergeben  hat; 
ferner  sind  100.000  Bündel  Lagerstroh,  das  nötige  Brennholz,  die 
Fuhrwerke  für  den  Transport  und  200  Zugpferde  für  die  Artillerie 
zu  requirieren.  Ferner  muß  die  Stadt  ein  Spital  für  200  Kranke 
einrichten  und  1200  Paar  Schuhe  bester  Qualität  liefern^)." 

^)  Oberst  Graf  Wallmoden  meldete  am  4.  Oktober  aus  Bopfingen  dem  öster- 
reichischen Armeekommando,  daß  am  2.  Oktober  das  Korps  Soult  in  Sehwäbiseh- 
Hall  war  und  legte  zur  Bekräftigung  ein  an  die  Stadt  Hall  gerichtetes  Requisi- 
tionssehreiben  bei  (s.  S.  290,  Fußnote  1). 

Dieses  Requisitionssehreiben  lautete: 

„Grande  armee. 

4eme  eorps. 

„D'apres  les  ordres  de  Monsieur  le  Mareohal  Soult,  eommandant  du  4enie 
eorps  d'armee. 

,,Le  eommissaire  ordonnateur  en  ehef  imperial  et  royal  reque'rit  Monsieur 
le  Grand  Bailly  du  Grand  Baillage  de  Hall  de  faire  fournir  sans  delais  ei  apres 
et  par  les  eommunes  de  son  urrondissement  les  quantites  des  vivres,  fourages  et 
d'antres  objets  egalement  stipules  ci  apres: 

Savoir: 
Soixante  milles  rations   de  pain   du   poid   d'imt;  livre  et 

demie  ou  90.000  livi-es. 
Soixante   dix  boeufs   du  poids   de  500  ehaeun   ou  trente 

einq  eents  livres  de  viande. 
Quatre  milles  pintes  ou  bouteilles  d'eau  de  vie. 
Cent  quintaux  de  riz. 
Deux  eents  quintaux  de  sei. 
Cent  quintaux  de  legumes  secs. 
Quatre  eents  seaux  de  bierre. 

un   quart  sera  paye  |  Trente  six  milles  quintaux  de  foin. 

danslejour,  lesecond  j  Vingt  milles  quintaux  de  fourage. 

quart   le  12.,    et  les  |  Cent  einquante  milles  boisseaux  d'avoine. 

restants  le  14.  et  15.  '  Cent  milles  bottes  de  paille  pour  le  eouehage  des  ti-oupes. 

Cinquante  voitures  a  quatre  roues  eouvertes  de  cereeaux 
et  de  toile,  attelee  ehaeune  de  quatres  chevaux  pour  le 
Service  des  ambulanees. 

Cent  voitures  ordinaires. 

Deux  eents  ehevaux  de  traits  avee  leurs  harnois  en 
braneards. 

Cinq  eents  livres  de  eharpie. 

„Tous  ces  objets  seront  livres  entre  les  mains  des  employes  des  subsistanee 
preposes  ä  cet  effet,  lesquels  seront  tenus  des  livrer  des  recepisses  en  bonne  fagon 
vises  des  commissalres  de  guerre. 

„Rendu  d'urgenee,  Monsieur  le  Grand  Bailly  sera  personellement  respon- 
sable du  moindre  retard. 

„Au  quartier  general  ä  Öhringen  le  10.  vendemiaire,  an  14." 

Hall,  bis  zum  Jahre  1803  freie  Reichsstadt,  zählte  1«04  etwa  5000  Ein- 
wohner; das  Oberamt  Hall  (Stadt  und  ehemaliges  Amt  In  der  Schicht)  hatte  etwa 
8000  Einwohner. 

Die  Bewohner  trieben  Ackerbau,  Viehzucht  und  Viehmast.  Das  gemästete 
Vieh  ging  bis  nach  Paris.  Die  Saline  von  Hall  lieferte  jährlieh  70.000—80.000 
Zentner  Salz.  (Neu-Wirtemberg,  Ulm  1804.) 


a    fournir    dans    le 

jour  meme  avant  six 

heures  du  fixe 


ä    fournir     dans 
jour 


le 


Krau  SS.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm. 


35 


—     546     — 

Solche  Massen  konnten  natürlich  nicht  so  rasch  geliefert  werden, 
als  es  wünschenswert  gewesen  wäre.  Da  aber  das  ganze  Korps  in 
großer  Tiefe  auf  derselben  Marschlinie  marschierte,  konnten  die  rück- 
wärtigen Divisionen  auch  später  eingelieferte  Artikel  verwerten.  80 
ging  am  6.  Oktober  von  Nördlingen  folgendes  Schreiben  des  General- 
stabschefs an  den  Kommandanten  der  Queuedivision  des  Korps, 
General  Suchet: 

„Der  Marschall  bittet  Sie,  das  Unmögliche  zu  leisten,  um  uns 
Lebensmittel  zu  senden;  ich  schicke  Ihnen  ein  Verzeichnis  dessen, 
was  in  Ellwangen  und  längs  der  Straße  an  Lieferungen  ausge- 
schrieben wurde.  Ellwangen  allein  hätte  60.000  Verpflegsportionen 
liefern  sollen,  hat  aber  fast  nichts  abgeführt. 

„Baldern  und  Zöbing  sollten  20.000  Portionen  und  500  Pinien 
Branntwein  liefern. 

„Wenn  Sie  uns  wenigstens  einen  Teil  dieser  Vorräte  verschaffen 
könnten,    würden  Sie   uns   aus  einer  großen  Verlegenheit  retten^)." 

Woran  es  gelegen  sein  mochte,  daß  die  am  5.  ausgeschriebenen 
Eequisitionen  (Ellwangen,  Zöbingen  und  Baldern)  so  wenig  Erfolg 
hatten,  läßt  sich  aus  den  Ereignissen  dieses  Tages  schließen. 

Am  4.  abend  war  ein  kleines  Kavalleriedetachement  der  2.  Di- 
vision des  4.  Korps  in  Ellwangen  eingetroffen,  wo  es  auf  300  bis 
400  österreichische  Eeiter  traf.  Da  diese  noch  nicht  über  den  Be- 
ginn des  Krieges  orientiert  waren,  räumten  sie  den  Franzosen  einen 
Teil  "des  Ortes  ein,  was  die  Franzosen  dazu  ausnützten,  in  der  Nacht 
Brot  backen  zu  lassen. 

Am  '5.  früh  marschierte  die  2.  Division  durch  Ellwangen  durch 
und  veranlaßte  nach  längeren  Verhandlungen  den  Eückzug  der 
Österreicher  nach  Bopfingen. 

Soult  ließ  nach  Bopfingen  und  Nördlingen  aufklären,  wo  nach 
Versicherung  von  Einwohnern  7000 — 8000  Mann  des  österreichischen 
Korps  Klenau  stehen  sollten ;  man  behauptete  sogar,  daß  für  die 
Nacht  noch  Verstärkungen  erwartet  würden. 


^)  Die  Stadt  Ellwangen  hatte  4500,  das  Oberamt  Ellwangen  einschließlich 
der  Stadt  etwa  11.000  Einwohner.  Zöbing,  das  halben  Wegs  zwischen  Ellwangen 
und  Nördlingen  liegt,  war  ein  Marktflecken  mit  630  Einwohnern ;  Baldern,  3  km 
südwestlich  Zöbing,  war  ein  kleines  Dorf  mit  dem  Kesidenzschloß  des  Grafen 
von  Oettingen-Baldern.  („Geographie  und  Statistik  Wirtembergs",  Ulm  1804,  und 
„Geogr.-stat.-top.  Lexikon  von  Sehwaben"  von  Eöder,  Ulm  1800.) 


—     547     — 

Soult  begab  sich  nach  Abtsgmünd  zur  1.  Division  und  kehrte 
erst  dann  nach  Ellwangen  zurück,  wo  inzwischen  nachmittag  die 
3.  Division  eingetroffen  war. 

Am  6.  marschierte  d^s  Korps  mit  allen  Divisionen  um  6^ 
früh  ab. 

Die  enge  Fühlung  mit  feindlicher  Kavallerie,  die  Erwartung 
eines  Zusammenstoßes  mit  starken  feindlichen  Kräften  ließen  die 
Sorge  um  die  Verpflegung  zurücktreten,  so  daß  die  Anforderungen 
an  die  Ortsbebörden  wahrscheinlich  erst  in  den  späten  Xachmittags- 
stunden  erfolgten.  Der  Umfang  der  Anforderungen  verzögerte  dann 
natürlich  die  Einlieferung,  so  daß  die  am  6.  zeitig  früh  abmarschieren- 
den Divisionen  nur  wenig  mitnehmen  konnten. 

Am  5.  Oktober  erging  an  General  St.  Hilaire,  den  Komman- 
danten der  in  Abtsgmünd  nächtigenden  1.  Division,  folgender  Befehl: 

„Sie  haben  für  Ihre  Division  im  Amte  Lauchheim,  wo  Sie 
morgen  durchmarsehieren  werden,  10.000  Portionen  Brot  und  Schlacht- 
vieh für  10.000  Portionen  zu  requirieren;  Sie  haben  weiter  15.000 
vollständige  VerpÜegsportionen  von  dem  Ort  Offingen,  wohin  Sie 
morgen  kommen,  zu  verlangen.  Sie  haben  anzuordnen,  daß  alles 
nach  Offin  gen  eingeliefert  werde,  um  es  an  Ihre  Division  auszu- 
geben oder  nach  meinen  Anordnungen  für  die  anderen  Divisionen 
zu  verwerten,  falls  diese  die  Verpflegung  noch  nötiger  hätten. 

„Sorgen  Sie,  daß  diese  Eequisitionen  bis  morgen  abend  ein- 
geüefert  sind^)." 

Am  7.  Oktober  befahl  Soult  dem  General  Vandamrae,  sofort 
für  die  Bewachung  der  von  den  Österreichern  in  Donauwörth  ge- 
lassenen Magazine  zu  sorgen  und  ihren  Inhalt  durch  einen  Beamten 
feststellen  zu  lassen. 

Die  Verpflegung  wurde  aber  auch  beim  4.  Korps  schlecht,  als 
man  in  Fühlung  mit  dem  Feinde  trat,  die  Intendanten  nicht  mehr 
vorausgeschickt  werden  konnten  und  die  mitgeführten  Vorräte  wegen 
der  starken  Märsche  nicht  zur  Hand  waren. 

So  meldete  Soult  am  9.  Oktober  mittag-  aus  Augsburg: 

„Seit  gestern  manuelt  das  Brot.  Ich  hoffe  es  in  Augsburg  für 
zwei  Tage  zu  erhalten.  Ich  ließ  in  Augsburg  6000  Paar  Schuhe  an- 
fordern ;  ich  hoffe,  wohl  ein  Drittel  davon  zu  erhalten,  was  genügen 
wird." 


1)   Das  Amt  Lauehheim    zählte   2250,    der   Ort   Marktoffingen    1220  Ein- 
wohner. (Geogr.-stat.-top.  Lexikon  von  Sehwaben,  Ulm  1792.) 

35* 


—     548     — 

Auch  ein  Schreiben  des  Divisionsintendanten  an  den  General 
Vandamme  vom  10.  Oktober  gibt  darüber  Aufschluß.   Es  lautet: 

„.  .  .  .  Ich  habe  mit  der  allergrößtea  Mühe  in  Augsburg  für 
1  Tag  Brot  und  2  Tage  Branntwein  aufgetrieben ;  dabei  ist  unsere 
Division  die  einzige,  die  überhaupt  etwas  liekommt. 

„Ich  habe  die  größten  Besorgnisse  für  die  Zukunft,  besonders 
wegen  des  Brotes. 

„Ich  werde  noch  etwas  versuchen :  einen  Mehlvorrat  sammeln 
und  diesen  durch  die  der  Division  beigegebeneu  Bäcker  verarbeiten 
lassen.  Aber  ich  habe  bloß  3  Säcke  Mehl  und  brauche  eiue  ge- 
nügend starke  Truppenabteilung,  um  mehr  requirieren  zu  können. 

„Ich  bitte  um  wenigstens  20  Infanteristen  und  6  Eeiter;  ich 
werde  dann  morgen  in  den  Dörfern  Mehl  requirieren,  bei  Nacht 
backen  lassen  und  das  täglich  wiederholen," 

Die  Nähe  des  Feindes  machte  sich  auch  bei  den  Trains  be- 
merkbar: die  Kutscher  begannen  zu  desertieren.  Am  13.  enthält 
wenigstens  der  in  Landsberg  ausgegebene  Befehl  folgende  Stelle : 

„.  .  .  .  Die  Regimenter  haben  einige  Marschmarode  für  die 
Brot-  und  Branntwein  wagen  zurückzulassen. 

„Den  Kutschern  und  Pferden  der  Landesfuhren  ist  die  Ver- 
pflegung möglichst  regelmäßig  zu  geben,  damit  sie  nicht  desertieren. 
Auch  sind  ihre  Pferde,  wo  nur  möglich,  ebenfalls  unter  Dach  zu 
bringen. 

„Der  Korpsintendant  läßt  soviel  an  Verpflegung  folgen,  als  er 
auftreiben  kann.  Er  wird  die  Verteilung  von  Mehl  anordnen,  damit 
die  Truppe  es  in  Ermangelung  des  Brotes  verzehren  könne." 

Von  allen  Korpskommandanten  wendete  Marschall  Davout 
der  Verpflegung  die  größte  Sorgfalt  zu.  Er  hatte  in  ähnlicher 
Weise  gesorgt  wie  Soult,  nur  daß  er  den  Dienst  der  Requisition 
nicht  so  zentralisieren  wollte  wie  dieser.  Seine  am  27.  September 
gegebene  Instruktion  enthält  folgende  wesentliche  Bestimmungen: 

Der  Korpsintendant,  die  Intendanten  der  Divisionen  und  der 
Vorhut  haben  das  Recht  zu  Requisitionen. 

Der  Korpsintendant  schreibt  Requisitionen  aus,  wenn  es  sich 
um  die  Errichtung  großer  Magazine  für  das  ganze  Korps  handelt: 
in  diesem  Falle  werden  eigene  Magazinverwalter  bestimmt,  die  auch 
die  Ausgabe  an  die  Truppen  besorgen. 

Wenn  es  dem  Korpsintendanten  nicht  möglich  ist,  im  vor- 
hinein   die    Verpflegung    für    das    ganze    Korps    vorzubereiten,    so 


—    549     — 

müssen  die  Divisionsintendanten  die  Eeqnisitionen  durchführen;  ist 
ein  Regiment  zu  weit  vom  Divisionsstab  entfernt,  so  ist  der  Oberst 
ermächtigt,  selbst  zu  requirieren,  aber  er  muß  Dokumente  darüber 
sofort  und  im  Dienstweg  an  das  Korpskommando  senden. 

In  Ausnahrasfällen  können  auch  kleinere  Abteilungen  —  mit 
einer  schriftlichen  Ermächtigung  des  Eegimentskommandanten  ver- 
sehen —  sel))St  ihren  Unterhalt  requirieren. 

Die  Requisition  wurde  in  der  Regel  von  der  Vorhut  ausge- 
schrieben, die  auf  einen  Tagmarsch  vorausmarschierte. 

Da  Davout  auch  allen  anderen  administrativen  Notwendigkeiten 
persönlich  große  Sorgfalt  widmete,  mußten  dies  auch  alle  Unter- 
kommandanten und  Hilfsorgane  tun.  Daher  war  das  Ergebnis  der 
Verpflegstätigkeit  anfangs  sehr  gut.  So  konnte  Davout  am  29.  Sep- 
tember melden: 

„Unsere  Verpflegung  ist  sehr  befriedigend,  obwohl  der  General- 
intendant uns  nur  22.000  Rationen  Zwieback  übergeben  hat.  Mann- 
heim und  Heidelberg  liefern  davon  140.000  Rationen').  Ich  habe 
Hoffnung,  daß  Worms  mir  in  sehr  wenig  Tagen  100.000  liefern 
wird;  so  wird  meine  Versorgung  in  dieser  Richtung  auf  7— 8  Tage 
reichen.  Das  Land,  das  wir  besetzt  haben,  wird  uns  durch  die  Re- 
quisition 4  Tage  Brot  liefern,  das  daher  bis  zum  4.  Oktober  reichen 
wird.  Überall  liefert  man  das  Angeforderte  ohne  Schwierigkeiten, 
ausgenommen  im  Gebiete  von  Darmstadt;  aber  man  liefert,  wenn 
auch  unwillig.  Die  Fleischversorgung  wurde  nicht  verzögert.  Die 
Futterversorgung  ist  auf  gleiche  Weise  gesichert.  Die  Truppen  halten 
ihre  regelmäßigen  Fassungen  wie  in  Frankreich ;  sie  führen  sie  auch 
mit  bester  Ordnung  durch." 

Am  3.  Oktober  meldete  Davout  aus  Nesselbach: 

„Die  Verpflegung  steht  gut.  Alle  Divisionen  haben  heute  Brot 
und  Fleisch  liis  zum  6.  Oktober;  in  Ilshofen  habe  ich  noch  Brot  bis 
zum  9.  Oktober  ^).  Ich  schreibe  die  Ergiebigkeit  der  Requisitionen  der 
guten  Disziplin  des  Korps  zu.  Ich  habe  ungefähr  200.000  Portionen 
Zwieback  mit,  aber  wir  marschieren  schnell  und  auf  schlechten  Wegen. 
Dieser  Zwieback  wird  mich  erst  am  7.  oder  8.  Oktober  einholen." 


^)  Mannheim  hatte  -21.000,  Heidelberg  10.000  Einwohner.  („Geographisches 
Lexikon  vom  Kur-  und  Oberrheinischen  Kreis"  von  Bundschuh,  1805.) 

*)  Ilshofen  war  ein  kleines  Städtehen  von  450  Einwohnern,  das  zum  Ge- 
biet der  ehemaligen  Eeichsstadt  Hall  gehört  hatte.  ISJesselbaeh  liegt  etwa  10  km 
nordvfestlieh  Ilshofen. 


—     550     — 

Der  Tagesbefehl  vom  4.  Oktober  (in  Ilshofeo  erlassen)  be- 
stimmt : 

„Die  Divisionen  und  die  Parks  fassen  in  Ilshofen  Heu  für 
einen,  Hafer  für  zwei  Tage.  Der  Korpsintendant  betraut  einen  Be- 
amten mit  der  Leitung  der  Fassung.  Der  Überschuß  an  Fourage 
vrird  der  Division  Nansouty  zur  Verfügung  gestellt." 

Am  6.  Oktober  meldete  Davout : 

„Ich  sehe  Verlegenheiten  in  der  Verpflegung  voraus.  Der 
General  Dumonceau  ^)  hat  die  Durchführung  einer  Requisition  ver- 
hindert, die  ich  zu  meiner  Linken  ausgeschrieben  hatte.  Man  hat 
mir  40.000  Portionen  Brot  entführt,  die  ich  auf  meinem  Wege  sicher- 
gestellt hatte.  Der  Zwieback  ist  noch  auf  zwei  Tagmärsche  zurück. 
Ich  werde,  wenn  nötig,  alle  Hindernisse  zu  überwinden  trachten, 
die  sieh  der  Verteilung  von  Mehl  entgegenstellen." 

Davout  ließ  weiter  verlautbaren,  daß  die  in  den  benachbarten 
Orten  vorgekommenen  Unordnungen  die  Landleute  veranlaßt  haben, 
zu  fliehen,  wodurch  die  Eequisitionen  verhindert  wurden. 

Der  am  6.  Oktober   in  Öttingen   ausgegebene  Befehl   bestimmt : 

„Der  Korpsintendant  wird  das  hier  vorrätige  Fleisch  und 
Brot  auf  die  2.  und  3.  Division  aufteilen.  Zwei  Regimenter  Kavallerie 
werden  ihm  zugewiesen,  um  Lebensmittel  und  Wagen  in  der  Stadt 
und  in  deren  Umgebung  zu  requirieren.  Er  hat  Wagen  bereit- 
zustellen, um  den  Zwieback  und  alle  aufgebrachten  Vorräte  ohne 
Aufenthalt  nach  Monheim  zu  senden. 

„Die  zwei  Kavallerieregimenter  haben  am  Abend  zu  ihrer  Divi- 
sion nach  Monheim  einzurücken." 

Am  8.  Oktober  wurde  eine  Fassung  für  2  Tage  in  Neuburg 
angeordnet,  wozu  alle  Truppen  ihre  Fassungskommandos  zu  senden 
hatten  ^). 

Trotz  der  außerordentlichen  Sorgfalt  und  Tätigkeit  Davouts  stellten 
sich  doch  vom  8.  Oktober  Schwierigkeiten  in  der  Verpflegung 
ein,  als  Folge  der  starken  Märsche  (Zurückbleiben  der  Verpflegs- 
trains)  und  der  Fühlung  mit  dem  Feinde,  die  es  unmöglich  machte, 
die  Intendanten  zur  Ausschreibung  der  Requisitionen  vorauszusenden. 


^)  Kommandant  der  batavisehen  Division  des  Korps  Marmont. 

^)  Neuburg,  das  also  etwa  60.000  Verpflegs-  und  6000  Futterportionen 
liefern  sollte,  hatte  nicht  ganz  6000  Einwohner.  („Geogr.-stat.-top.  Lexikon  von 
Bayern",  Ulm  1796.)  Nach  Hoeek,  „Statistische Darstellung  der  königl.  bayr.  Staaten", 
hatte  Neuburg  1807  nur  4384  Einwohner. 


—     551     — 

So  lautete  der  am  9.  Oktober  in  Aichach  ausgegebene  Befehl : 

Morgen  4^  früh  hat  von  jedem  Eegiment  ein  Unteroffizier 
zur  Fassung  requirierter  Vorräte  (Brot,  Eeis  und  Branntwein)  nach 
Aichach  zu  kommen.  Wie  viel  ausgegeben  wird,  kann  noch 
nicht  bestimmt  werden,  da  noch  nicht  alles  eingeliefert 
worden  ist. 

Am  selben  Tage  meldete  General  Dumas,  Generalquartiermeister 
im  kaiserlichen  Hauptquartier,  an  den  Kaiser: 

......  Heute  nacht   ist   ein  schöner  Train    des  Korps  Davout 

mit  Brot  und  Zwieback  durch  Neuburg  marschiert.  Er  enthält  sechs 
Tage  Vorrat  für  das  ganze  Korps." 

Am  10.  schrieb  Davout,  daß  der  Aufenthalt  des  Korps  bei 
Aichach  —  das  Korps  rastete  1  Tag  bei  Aichach  —  wohltätige 
Folgen  hatte,  weil  die  Lebensmitteltrains  das  Korps  einholen  konnten^). 

Am  10.  meldete  der  Divisionskommandant  General  Gudin,  er 
habe  das  menschenmögliche  getan,  um  Brot  zu  beschaffen ;  aber 
er  konnte  höchstens  2000  Portionen  auftreiben,  wogegen  seine 
Division  7000  Mann  habe. 

Bei  Aichach  und  Dachau  ließ  Davout  auf  allen  Mühlen  der 
Umgebung  Getreide  für  sein  Korps  mahlen.  Sein  Befehl  vom  11.  Ok- 
tober an  den  General  Gudin  zeigt,  mit  welchen  Schwierigkeiten  er 
trotz  der  bisher  bestandenen  Disziplin  seiner  Truppen  zu  kämpfen 
hatte : 

„  .  .  .  .  Der  Marsehall  hat  erfahren,  daß,  während  er  seine 
ganze  Sorgfalt  darauf  richtet,  dem  Korps  Lebensmittel  zu  verschaffen, 
einzelne  Soldaten  die  Mühlen  plündern,  so  daß  die  Gefahr  naheliegt, 
daß  die  Müller  ihre  Mühlen  verlassen  werden.  Der  Herr  Marschall 
befiehlt,  in  jede  Mühle  eine  Wache  von  1  Unteroffizier  und  3  bis 
4  Mann  zu  legen  .  .  .  Die  Truppen  müssen  davon  überzeugt  sein, 
daß  ein  gleichbleibendes,  unkluges  Verhalten  sie  aller  Hilfsmittel 
des  Landes  berauben  wird." 

Je  länger  das  3.  Korps  im  selben  Räume  blieb,  desto  schwie- 
riger wurde  trotz  aller  Umsicht  Davouts  die  Beschaffung  der  Ver- 
pflegung. 

General  Gudin  meldete  am  IG.  Oktober: 

„Ich  soll  mich  mit  Verpflegung  bis  zum  20.  Oktober  versehen. 
Aber  alle  Versuche,  die  ich  dazu  machen  könnte,  wären  vergebens. 

*)  Selbst  am  19.  Oktober  trafen  noch  zurückgebliebene  Teile  des  VerpÜegs- 
trains  beim  Korps  ein. 


—     552     — 

Es  ist  mir  bei  Anwendung  aller  denkbaren  Mittel  gelungen,  Brot 
oder  Mehl  bis  zum  16.  zu  verteilen,  aber  auf  mehr  bleibt  mir  nicht 
die  leiseste  Hoffnung. 

„Trotz  den  schärfsten  Befehlen  steigt  die  Unordnung  unauf- 
hörlich ....  Seit  dem  Donau-Übergange  haben  die  Truppen  ihr  Ver- 
halten ganz  geändert  und  wenn  das  noch  lange  währt,  geht  die 
Disziplin  völlig  verloren." 

Marschall  Davout  meldete  am  11.  Oktober: 

„  .  .  .  .  Es  ist  dringend  notwendig,  energische  Maßnahmen  zu 
ergreifen,  um  dem  Plündern  und  Marodieren  eine  Grenze  zu  setzen, 
die  den  Gipfel  des  Übermaßes  erreicht  haben ;  ich  bitte  um  die  Er- 
mächtigung, einige  Plünderer  zum  abschreckenden  Beispiel  erschießen 
zu  lassen;" 

und  am  17. : 

„Über  die  Verpflegung  der  Truppen  muß  ich  melden,  daß  das 
1.  und  3.  Korps  hier  nur  von  Tag  zu  Tag  leben,  so  daß  es  un- 
möglich ist,  die  Korps  hier  so  mit  Verpflegung  zu  versehen,  wie  es 
Seine  Majestät  wünscht." 

Zahlreiche  Meldungen  zeigen,  daß  das  Korps  zur  Zeit  seines 
Aufenthaltes  bei  Aichach  und  Dachau  genötigt  war,  die  Verpflegung 
aus  einem  größeren  Räume  zusammenzusuchen.  Allerdings  muß 
beachtet  werden,  daß  dieser  Eaum  schon  von  den  Österreichern  bei 
ihrem  Durchmarsch  ausgenützt  worden  war. 

So  meldete  der  Brigadegeneral  Petit  am  14.  Oktober: 

„Weilbach  wird  264  lg  Brot,  12  Säcke  Erdäpfel,  2  Kühe, 
2  Fässer  Bier  und  4  Schafe  liefern.  Dieses  Dorf  hat  bereits  zwei 
Requisitionen  der  vorausgegangenen  Divisionen  und  drei  österreichi- 
sche Requisitionen  aosgehalten.  Der  Ort  ist  heute  in  äußerster  Not ^)." 

Der  außerordentlichen  Tatkraft  Davouts  und  der  dadurch  an- 
gespornten Tätigkeit  aller  Generale  des  Korps  war  es  aber  doch  ge- 
lungen, am  20.  Oktober  Brot  bis  einschließlich  den  25.  bereit  zu 
haben  (Meldung  Davouts  an  den  Kaiser  vom  20.  Oktober). 

Marmont  und  Bernadotte  verwendeten  von  allen  Korps- 
kommandanten scheinbar  die  geringste  Sorgfalt  auf  die  Verpflegung. 


^)  Die  Landgemeinde  Unter-Weilbaeli  bei  Dachau  hatte  nach  der  Volks- 
zählung vom  1.  Dezember  1900: 

179  Einwohner,  ö'J  Pferde,  297  Einder,  282  Schafe  und  93  Sehweine.  Das 
Dorf  konnte  daher  1805  höchstens  150  Einwohner  haben.  Der  Viehstand  hat  sieh 
seither  wenigstens  verdoppelt. 


—     553     — 

Sie  beschränkteu  sich  meist  darauf,  dem  Kaiser  über  die  schlechte 
Verpflegung  zu  klagen. 

Schon  am  28.  September  schrieb  Bernadotte  an  Berthier: 

„  .  .  .  .  Die  Requisitionen  sind  fast  immer  illusorisch,  wenn 
man  auf  dem  Marsch  ist ;  ich  setze  sehr  wenig  Hoffnung  in  dieses  Hilfs- 
mittel." 

Wie  unrecht  Bernadotte  damit  urteilte,  haben  Soult  und  Davout 
bewiesen,  die  bei  weitaus  stärkeren  Märschen,  als  Bernadotte  hinter- 
legte, ihre  Korps  sehr  gut  verpflegten.  Daß  aber  bei  dieser  Ansicht 
des  Korpskommandanten  den  Requisitionen  und  ihrer  richtigen 
Durchführung  beim  1.  Korps  kein  besonderer  Wert  beigelegt 
worden  ist,  nimmt  nicht  wunder.  Die  Folge  war  steter  Verpflegs- 
mangel. 

Berthier  antwortete  auf  diese  Bemerkung  Bernadottes  am  2.  Ok- 
tober : 

„Es  ist  unmöglich,  Sie  aus  Magazinen  zu  ernähren ;  das  hat  es 
nie  gegeben,  und  gerade  dem  Umstände,  daß  die  französische  Armee 
keine  Magazine  hat.  verdankt  sie  einen  Teil  ihrer  Erfolge.  Seine 
Majestät  hat  zwar  einige  Zwiebackmagazine  in  Würzbm'g  vorbereiten 
lassen,  aber  für  bestimmte  Fälle.  Die  ganze  französische  Armee,  ja 
selbst  die  Österreicher  leben  bloß  von  Requisitionen." 

Marmont  schrieb  am  30.  September  aus  Wüizburg: 

„Mein  Korps  lebt  hier  beim  Bürger;  es  besteht  kein  Magazin 
in  Würzburg.  Der  vorausgesandte  Intendant  hat  keine  Einkäufe  ge- 
macht, weder  Brot  noch  Zwieback  backen  lassen  ;  ich  habe  große 
Sorgen  wegen  der  Verpflegung   bei  den  bevorstehenden  Märschen." 

Den  häufigen  Klagen  Marmonts  gegenüber  schrieb  Berthier  am 
11.  Oktober: 

„In  allen  seinen  Briefen  klagt  der  General  ^larmont  über  die 
Verpflegung.  Ich  wiederhole  ihm,  daß  es  in  diesem  Invasionskriege 
keine  Magazine  gibt.  Es  ist  Pflicht  der  Korpskommandanten,  sich 
die  Lebensmittel  in  dem  Lande  zu  verschaflen,  das  sie  durchziehen. 
I)er  General  Marmont  hat  doch  Befehl  gehabt,  sich  mit  Brot  und 
Zwieback  auf  8  Tage  zu  versehen;  er  kann  also  nur  auf  die 
Mittel  rechnen,  die  er  sich  selbst  verschafft.  So  geht  es  allen  Korps 
und  der  General  Marmont  kennt  am  besten  die  Art  des  Kaisers. 
Krieg  zu  führen." 

Wie  wenig  Berechtigung  die  Klagen  des  Generals  Marmont 
über  die  Unmöglichkeit,    Verpflegung   im  Lande   zu   finden,   hatten. 


—     554     — 

beweist  er  selbst  mit  seiner  Angabe  über  den  Reichtum  der  Eessoureen 
des  Dorfes  Pfuhl. 

Pfuhl,  das  etwa  3  hm  nordöstlich  Ulm  auf  dem  rechten  Donau- Ufer 
liegt,  hatte  1805  ungefähr  600  Einwohner.  Unter  den  i^ewohnern 
befanden  sich  sehr  viele  Weber  und  nur  14  Bauern.  Der  zum  Ort 
gehörige  (Grundbesitz  war  nur  877  bayrische  Joch  (=  298  ha)  groß. 
Im  Orte  waren  100  Pferde,  340  Binder  und  130  Schafe  vorhanden^). 

Marmont  gibt  nun  in  seinen  Memoiren  an: 

„Auf  der  Höhe  bei  Pfuhl  lagerten  über  12.000  Mann  meines 
Korps.  Dieses  Dorf  hatte  keine  40  Häuser  und  wir  blieben  5  Tage 
dort.  Der  kleine  Ort  mußte  die  Mittel  zum  Unterhalt  des  ganzen 
Korps  liefern  und  dennoch  fehlte  es  den  Soldaten  an  nichts." 


Diese  Sammlung  von  Befehlen  und  Meldungen  zeigt,  in  welcher 
Weise  der  allgemeine  Befehl  Napoleons  von  den  Korpskommandanten 
aufgefaßt  und  durchgeführt  worden  ist.  Man  kann  aus  ihr  auch  teil- 
weise die  erreichten  Resultate  erkennen. 

Einige  Äußerungen  von  Augenzeugen  werden  das  Bild  der 
Folgen  dieser  Art  der  Verpflegung  ergänzen. 

Der  Marschall  Bugeaud,  der  den  Feldzug  als  Yelite  in  der 
kaiserlichen  Garde  mitgemacht  hat,  schrieb  aus  Augsburg  an  seine 
Schwester : 

„Ich  denke,  daß  10.000  Mann,  die  in  einem  Dorf  ankommen, 
leicht  für  jeden  etwas  zu  essen  finden  können.  Was  mir  Sorge 
macht,  das  sind  die  Bedrückungen  und  der  Raub,  die  man  an  den 
Bauern  begeht.  Ihr  Geflügel,  ihr  Holz,  ihr  Speck  werden  ihnen  mit 
Willkür  und  Gewalt  genommen.  Ich  mache  das  nicht  mit,  aber  wenn 
ich  sehr  ausgehungert  bin,  sehe  ich  ruhig  zu  und  lasse  mir  meinen 
Teil  am  Raube  schmecken." 

General  Thiebault,  Brigadegeneral  in  der  Division  St.  Hilaire 
des  4.  Korps,  sagt  in  seinen  Memoiren : 

„Die  Nacht,  die  unserem  Abmarsch  von  Memmiugen  folgte^), 
gab  der  Disziplin  einen  schweren  Stoß  und  wir  sollten  bald  den  Be- 
weis davon  haben.  Die  bisher  so  tüchtigen  Truppen  fingen  an, 
furchtbar  zu  plündern;  und  nach  dem  Witz:  ,Der  Feind  ist  wie  die 


')  „Greogr.-stat.-topogr.  Lexikon  von  Sehwaben",  Ulm  1792. 
^)  Die  Naeht  vom  14.  zum  15.  Oktober. 


—     555     — 

Getreidegarbe :  je  mehr  man  drischt,  desto  mehr  gibt  er  her',  hatten 
sie  die  Gewohnheit,  die  Bauern  zu  prügeln  und  ihnen  ihr  Geld  ab- 
zunehmen. Man  sollte  nicht  glauben,  bis  zu  welcher  Meisterschaft 
sie  die  Plünderung  trieben.' 

General  Fezensac,  der  den  Feldzug  in  der  Division  Malher 
(Korps  Ney)  als  Unterleutnant  beim  Infanterieregiment  Nr.  59  mit- 
gemacht hat,  schrieb  in  seinen  „Souvenirs  militaires"  : 

„Zu  keiner  anderen  Epoche,  ausgenommen  den  Feldzug  in  Ruß- 
land, habe  ich  so  viel  gelitten,  noch  die  Armee  in  einem  solchen 
Zustande  der  Unordnung  gesehen. 

„Die  Märsche  von  40  hm  konnte  man  bei  dem  elenden  Wetter 
(Eegen  und  Schnee)  und  den  schlechten  Wegen  nicht  in  weniger 
als  15  Stunden  zurücklegen.  Die  Truppen  kamen  regelmäßig  erst  in 
der  Nacht  in  ihren  Biwaks  an,  wo  sie  selten  eine  entsprechende 
Nahrung  erhielten. 

„Wohl  brachte  Napoleon  am  7.  Oktober  in  Erinnerung,  daß 
immer  Brot  auf  4  Tage  vorhanden  sein  muß,  aber  wo  es  nehmen? 
Dieser  kurze  Feldzug  war  für  mich  wie  die  Abkürzung  aller  fol- 
genden. Das  Übermaß  der  Ermüdung,  der  Mangel  an  Lebensmitteln, 
die  Ungunst  der  Jahreszeit,  die  Unordnung,  verursacht  durch  die 
Marodeure,  nichts  fehlte  und  ich  machte  in  einem  Monat  die  Probe 
dessen  durch,  was  ich  während  meiner  ganzen  Laufbahn  erleben 
sollte.  Die  Brigaden  und  selbst  die  Regimenter  waren  oft  zerstreut, 
der  Befehl,  sie  an  einem  Punkte  zu  vereinigen,  kam  spät,  weil  er 
viele  Hindernisse  überwinden  mußte.  Darum  mußte  das  Regiment 
Tag  und  Nacht  marschieren  und  ich  sah  in  diesem  Feldzuge  das 
erstemal  Soldaten  während  des  Marsches  schlafen.  Man  kam  so  in 
seine  Stellung,  ohne  etwas  gegessen  zu  haben  und  ohne  dort  Lebens- 
mittel zu  finden.  Der  Generalstabschef,  Marschall  Berthier,  sagte 
wohl :  ,In  dem  Invasionskriege,  den  der  Kaiser  führt,  gibt  es  keine 
Magazine,  es  ist  Sache  der  Korpskommandanten,  sich  die  Lebens- 
mittel zu  verschaffen  in  dem  Lande,  das  sie  durchziehen',  al)er  die 
Generale  hatten  weder  die  Zeit  noch  die  Mittel,  sich  regelmäßig  den 
Bedarf  so  großer  Massen  zu  verschaffen^).  Das  hieß  doch  die  Plün- 
derung begünstigen,  und  die  Länder,  die  wir  durchzogen,  haben  es 
grausam  gefühlt." 


*)  Soult  und  Davout  haben  bewiesen,   daß   die  Generale  Zeit  dazu  hatten, 
wenn  sie  wollten. 


—     556     — 

General  Segur,  der  dem  Kaiser  Napoleon  am  13.  Oktober  über 
Günzburg  nach  Pfaffenhofen  gefolgt  war,  schrieb  darüber  in  seinen 
Erinnerungen : 

„Die  grundlosen  Wege  waren  besät  mit  unseren  steckengeblie- 
benen elsässischen  Wagen,  deren  Kutscher  verzweifelt  waren,  und 
mit  niedergvbrochenen.  vor  Hunger  und  Ermattung  verendenden 
Pferden.  Eechts  und  links  des  Weges  Hefen  unsere  Soldaten  ohne 
Ordnung  querfeldein,  teils  Lebensmittel  suchend,  teils  in  den  wild- 
reichen Gefilden  jagend." 

Diese  Beobachtungen  Segurs  beziehen  sich  ebenso  wie  die 
Schilderungen  Fezensacs  auf  das  6.  Korps  —  Marschall  Ney  —  bei 
dem.  wie  schon  einmal  erwähnt  wurde,  am  wenigsten  auf  Ordnung, 
Disziplin  und  regelmäßige  Verpflegung  gesehen  worden  war. 

Zu  den  Schilderungen  Thiebaulds  und  Fezensacs  muß  man 
allerdings  bemerken,  daß  es  sich  bei  Bedrückung  der  Bevölkerung 
hauptsächlich  um  die  Erpressung  von  Geld  und  Wertsachen  ge- 
handelt hat,  die  von  den  alten  Soldaten  der  französischen  Republik 
gewohnheitsmäßig  betrieben  wurde.  Die  „Requisition  der  Lebens- 
mittel" stand  mit  diesen  Plünderungen  nicht  oder  nur  wenig  im 
Zusammenhange.    . 

Die  französische  Armee  hat  somit,  ausgenommen  von  den  ge- 
ringen über  den  Rhein  mitgenommenen  Vorräten,  ausschließlich 
vom  Lande  gelebt.  Die  Beschaffung  der  Lebensmittel  erfolgte  ent- 
weder als  Qiiartierverpflegung  oder  durch  vorausgesandte  Intendanten 
und  Detachements.  Aus  den  eingelieferten  Vorräten  hatten  dann  die 
Truppen  zu  fassen.  Wo  dieser  Vorgang  streng  geregelt  wurde,  wo 
die  Anforderungen  an  die  Behörden  gestellt  wurden  und  wo  die 
Truppen  bei  den  Fassungen  strenge  Ordnung  und  Zucht  hielten,  wie 
beim  Korps  Davout,  konnte  die  Verpflegung  während  des  Vormarsches 
weit  vom  Feinde  und  bei  vollkommen  friedlich  gesinnter  Bevölkerung 
der  alliierten  Länder  rechtzeitig  und  in  genügender  Menge  geliefert 
werden,  besonders  wenn  bar  gezahlt  oder  wenn  durch  rechtsgültige 
Anweisungen  auf  nachträgliche  Bezahlung  quittiert  wurde.  Aber 
schon  die  zu  weitgehende  Zentralisierung  dieser  Verpflegsbeschaffung, 
wie  beim  Korps  Soult.  wo  nur  durch  die  Korpsintendanz  requiriert 
werden  sollte,  hinderte  die  rechtzeitige  Durchführung  der  Requisi- 
tionen. Die  Truppen  litten  schwer  unter  dieser  unzweckmäßigen 
Durchführung  eines  richtigen  Grundsatzes.  Wo  sich  die  höheren 
Kommandanten  wenig  oder  gar  nicht  um  die  Verpflegung  kümmerten, 


—     557     — 

und  auch  in  Fühlung  mit  dem  Feinde,  als  es  unmöglich  wurde,  die 
Intendanten  vorauszusenden,  versagte  die  Requisition  ganz  und  artete 
in  die  ungeregelte  Selbsthilfe  der  einzelnen  aus.  Diese  Selbsthilfe 
hatte  wieder  zur  Folge,  daß  die  Bewohner  ihre  Orte  verließen,  womit 
die  geregelte  Requisition  ganz  unmöglich  geworden  war.  Der  Befehl 
Davouts  vom  6.  Oktober  warnte  daher  die  Truppen  vor  solchen  Aus- 
schreitungen. , 

Als  die  Requisition  beim  Korps  Davout  wegen  der  Fühlung 
mit  dem  Feinde  zu  versagen  begann,  wurde  die  Verpflegung  durch 
die  gerade  eintreffenden  Lebensmitteltrains  wieder  auf  einige  Tage 
gesichert.  Der  lange  Aufenthalt  des  3.  Korps  bei  Aichach  und 
Dachau  machte  immer  mehr  Zuschübe  aus  entfernteren  Gegenden 
nötig  und  trotzdem  konnte  das  Korps  seine  Verpflegung  nur  von 
Tag  zu  Tag  sichern.  Die  Not  zwang  nun  zu  einer  immer  weiter- 
gehenden Dezentralisierung  der  Requisitionstätigkeit,  wodurch  deren 
Ergebnis  wieder  besser  wurde. 


Diese  Zusammenstellung  zeigt,  welche  Sorgfalt  Napoleon  und 
seine  tüchtigsten  Marschälle  der  Verpflegung  ihrer  Truppen  zu- 
wandten. 

Die  Sorge  für  die  Verpflegung  hat  auch  bei  Napoleon  sehr  oft 
bestimmenden  Einfluß  auf  die  Operationen  gewonnen.  Es  seien  nur 
die  Fälle  kurz  wiederholt,  in  denen  dieser  Einfluß  sicher  nach- 
gewiesen werden  kann. 

Rücksichten  auf  die  Verpflegung  veranlassen  Napoleon,  am 
30.  August  die  Versammlung  der  Armee  bei  Straßburg  und  den 
beabsichtigten  konzentrierten  Vormarsch  aufzugeben  und  seine  Korps, 
die  er  den  Rhein  in  der  Strecke  Straßburg — Mannheim  übersetzen 
läßt,  in  breiter  Front  an  die  Donau  vorrücken  zu  lassen. 

Die  Unmöglichkeit,  seine  Armee  und  vor  allem  die  Kavallerie 
am  Rhein  einige  Tage  zu  verpflegen,  ist  mit  Ursache,  wenn  nicht 
sogar  Veranlassung,  daß  der  Kaiser  den  beabsichtigten  mehrtägigen 
Halt  am  Rhein  ausfallen  läßt. 

Am  8.  Oktober  mitternacht  verständigt  Napoleon  den  Marschall 
Soult,  der  angewiesen  ist,  schleunigst  nach  Augsburg  zu  marschieren, 
daß  er  Davout  und  vielleicht  auch  Marmont  dorthin  dirigieren 
werde.  „Die  Schwierigkeit  bei  dieser  Versammlung  der  Truppen  liege 
nur  in  der  Verpflegung",  fügt  er  bei  (s.  S.  348). 


—     558     — 

Er  will  also  diese  Versammlung  der  Truppen  der  Verpflegung 
wegen  nur  anordnen,  wenn  er  unbedingt  muß,  und  dann  erst  im 
letzten  Augenblick. 

Napoleon  vermeidet  überhaupt  bei  den  Operationen  gegen  Ulm 
jede  frühzeitige  Massierung  seiner  Korps,  und  als  endlich  zum  Schlüsse 
doch  mehrere  Korps  nahe  um  Ulm  konzentriert  sind,  läßt  er  un- 
mittelbar nach  dem  Abschlüsse  der  Kapitulatipn  Macks  Teile  seiner 
Armee  von  Ulm  an  den  Lech  abrücken  (s.  S.  509). 

Der  Wille,  sofort  gegen  die  Russen  vorzurücken,  und  die  Sorge 
um  die  Verpflegung  dieser  versammelten  Massen  veranlassen  Na- 
poleon zu  dieser  Eile. 

Die  operativen  Absichten  Napoleons  und  die  von  ihm  gegen 
die  Verpflegsschwierigkeiten  angewandten  Aushilfen  stehen  sich  also 
nicht  entgegen,  sondern  fallen  zusammen  und  erzeugen  so  die  größte 
Schnelligkeit  der  Operationen. 

Napoleon  wird  nicht  wie  sein  Gegner  in  seinen  Maßnahmen 
von  den  Verpflegsschwierigkeiten  beherrscht,  sondern  er  beherrscht 
auch  die  Verpflegssorgen  vollkommen  und  weiß  daher  alle  Schwierig- 
keiten zu  meistern.  Er  wird  durch  die  Verpflegsschwierigkeiten  nicht 
gehemmt,  sondern  vorwärts  geführt,  wogegen  sein  Feind,  dem  das 
Verständnis  für  die  Bedürfnisse  seiner  Armee  fehlt,  auf  Schritt  und 
Tritt  durch  solche  Schwierigkeiten  gefesselt  wird. 

Etappenwesen. 

Um  jede  Überrumplung  von  Kehl  und  Straßburg  unmöglich 
zu  machen,  hatte  Napoleon  schon  am  30.  September  befohlen,  daß 
vom  1.  Oktober  nacht  angefangen  niemand  mehr  durch  Straßburg  und 
Kehl  nach  Deutschland  passieren  dürfe.  Alle  Transporte  waren  von 
diesem  Zeitpunkt  an  über  die  bei  Speyer  geschlagene  Brücke  zu 
dirigieren. 

Am  3.  Oktober  erging  der  Befehl  zur  Organisierung  der  Etappen- 
straße. Dieser  Befehl  bestimmte:  Als  Etappenstraße  der  Armee  hat 
die  Straße  Speyer,  Bruchsal,  Eppingen,  Heilbronn,  Öhringen,  Hall, 
Gaildorf,  Ellwangen,  Bopfingen,  Nördlingen  zu  dienen.  Niemand  darf 
ohne  Befehl  des  Kommandanten  von  Speyer  und  ohne  eine  von 
diesem  ausgestellte  Marschroute  die  Ehein-Brücke  bei  Speyer  über- 
schreiten. Die  Etappenstationen  sollen  5—6  Meilen  (=  22'5 — 27  hn) 
voneinander  entfernt  sein.  Jede  Station  erhält  einen  Kommandanten, 


—     559     — 

jede  zweite  überdies  einen  Adjutanten  und  einen  Intendanten.  In 
diesen  Orten  —  bestimmt  wurden  dazu  am  4.  Oktober  Eppingen, 
Öhringen,  Gaildorf  und  Bopfingen  —  sind  auch  Verpflegsmagazine 
zu  errichten.  Alle  Transporte  haben  dort  Lebensmittel  auf  2  Tage 
zu  erhalten.  Für  den  Sicherungsdienst  erhält  jede  Etappenstation 
eine  Gendarmerieabteilung,  bestehend  aus  einem  Leutnant,  einem 
Unteroffizier  und  15  Gendarmen.  Der  Marsch  der  Ergänzuugs- 
transporte,  der  Trains,  der  Kranken-  und  Gefangenentransporte  ist 
strenge  zu  regeln.  Der  Dienst  der  verschiedenen  Armeekolonnen  muß 
sich  nahe  hinter  dem  Zentrum  der  Armeefront  in  die  Etappenstraße 
vereinigen. 

Am  5.  Oktober  wurde  ein  General  zum  Kommandanten  zwischen 
Rhein  und  Neckar  mit  dem  Sitz  in  Stuttgart  bestimmt. 

Als  Etappentruppen  wurden  die  Kontingente  von  Baden  (etwa 
5000—6000  Mann)  und  Württemberg  (etwa  7000  Mann)  verwendet, 
denen  auch  die  Eskortierung  der  Kriegsgefangenen  oblag. 

Am  8.  Oktober  wurden  bei  Donauwörth  und  Nördlingen  die 
Depots  der  Kürassiere,  Karabiniers  und  Dragoner  aufgestellt,  wohin 
alle  maroden  Pferde  und  Mannschaften  abzugeben  waren. 

Am  9.  Oktober  erhielt  Donauwörth  einen  General  als  Komman- 
danten und  eine  Besatzung. 

Am  11.  Oktober  wurde  die  Etappenstraße  von  Nördlingen  über 
Donauwörth  bis  Augsburg  verlängert.  Augsburg  erhielt  einen  General 
als  Kommandanten  und  die  batavische  Division  als  Garnison ;  zwei 
Bataillone  Württemberger  kamen  als  Besatzung  nach  Rain  am  Lech. 

Am  23.  Oktober  wurde  Augsburg  als  Hauptdepotstation  be- 
stimmt. Die  Hauptverwaltung  der  Armee  und  der  Große  Artillerie- 
park hatten  in  Augsburg  zu  bleiben,  dessen  Befestigungen  inner- 
halb 10  Tagen  in  stand  zu  setzen  und  zu  armieren  waren.  Bei 
Laodsberg  und  bei  Rain  waren  Brückenköpfe  zu  bauen^). 


^)  Dem  kaiserlielien  Hauptquartier  sollte  von  nun  an  nicht  mehr  die  Haupt- 
verwaltung, sondern  nur  ein  verminderter  administrativer  Stab  folgen.  Dieser  Stab 
sollte  umfassen:  einen  Oberkontrollor,  7  Intendanten  (je  einen  für  Lebensmittel, 
Fourage,  Spitäler,  2  für  Gefangene  und  2  disponible),  8  Ärzte  mit  2  kleinen  Am- 
bulanzen, 3  Trainorgane,  6  Verpflegsbeamte  (3  für  Lebensmittel,  3  für  Fourage), 
9  Gendarmen,  einen  Postbeamten,  eine  fahrbare  Druckerei  und  4  leere  Wagen. 
Der  Chef  dieser  Verwaltung  hatte  Befehle  nur  von  Berthier  zu  empfangen;  er 
hatte  stets  mögliehst  nahe  dem  Marsehall  Berthier  zu  logieren. 

(Fortsetzung  der  Fußnote  siehe  8.  560.) 


—     560     — 

In  Augsburg  waren  innerhalb  14  Tagen  1,000.000  Portionen 
Zwieback,  2,000.000  Portionen  Mehl,  300.000  Boiseaux  (=  39.000  hl) 
Hafer  und  100.000  Pinten  (=  930  hl)  Branntwein  und  Backöfen 
mit  einer  täglichen  Leistungsfähigkeit  von  80.000  Portionen  bereit- 
zustellen. Napoleon  fügte  dem  betrefifenden  Befehl  an  den  General- 
intendanten bei: 

„ Ich   kann   Ihnen   diese  wichtigen  Dinge   nicht   genug 

ans  Herz  legen;  die  geringste  Nachlässigkeit,  die  geringste  Ver- 
zögerung könnten  die  traurigsten  Folgen  für  die  Armee  und  für  das 
Kaiserreich  haben." 

In  Augsburg  waren  weiter  einzurichten :  ein  Waffenmagazin  für 
20.000  Gewehre,  zwei  große  Munitionsmagazine,  ein  Konstruktions- 
arsenal und  ein  Magazin  mit  50.000  Paar  Schuhen,  die  in  Augs- 
burg, Ulm,  Donauwörth  und  in  anderen  Orten  herzustellen  waren. 
Außerdem  sollten  in  diesen  Orten  noch  15.000  Paar  Schuhe  für  die 
Korps  erzeugt  werden. 

In  Augsburg  und  in  München  waren  so  viele  Spitäler  als 
möglich  zu  errichten,  und  zwar  getrennt  für  Kranke  und  Verwundete. 
Außerdem  waren  noch  Spitäler  zu  errichten  in  Ulm  (zwei,  eines  für 
Kranke    und    eines    für  Verwundete),    Günzburg,    Donauwörth   und 


Wie  reich  die  Armee  mit  Verpflegspersonal  versehen  war,  zeigt  der  Stand 
der  Hauptverwaltung  beim  kaiserliehen  Hauptquartier.  Sie  umfaßte: 
den  Generalintendanten  Petiet  mit  2  berittenen  Sekretären ; 
eine   Abteilung  für  Brotbesehaffung :    28  Beamte,    56  Diener   und   Hand- 
werker, 12  Reitpferde; 

eine  Abteilung  für  Pleisehbesehaffung :  20  Beamte,  3  Diener,  1  Reitpferd; 
„  ,,  ,,     Fourage:  20  Beamte,  6  Diener,  1  Reitpferd; 

„  „  „     Brennholz:  8  Beamte,  6  Diener,  1  Reitpferd; 

„  „  „     Lagerbedürfnisse:   14  Beamte,   25  Diener,  1  Reitpferd; 

„  ,,  „     Spitäler :  24  Beamte,  4  Ärzte,  36  Diener,  4  Reitpferde ; 

„  „  „     die  Kasse:  15  Beamte,  6  Diener,  2  Reitpferde; 

„  „  „     die  Transporte:  22  Beamte,  15  Diener,  1  Reitpferd; 

„  „  „     die  Post:  11  Beamte,  23  Diener,  1  Reitpferd; 

die  Druckerei:  3  Beamte,  6  Diener. 

Zusammen  168  Beamte,  182  Diener  und  Handwerker,  27  Reitpferde. 
Leider  finden  sich  nirgend  Daten  über  die  Wirksamkeit  dieser  Hauptver- 
waltung. Nur  zahlreiche  Befehle,  die  an  den  Generalintendanten  gerichtet  waren 
und  die  Verpflegung  der  nicht  im  Korpsverbande  stehenden  Armeeteile  betrafen 
(Garnisonen,  Depots,  Ergänzungstransporte),  lassen  vermuten,  daß  die  Beamten  der 
Hauptverwaltung  wahrscheinlich  zur  Besorgung  solcher  Aufträge  abgesandt 
worden  sind. 


—     561     — 

Ingolstadt.  Die  Spitäler  in  Landsberg,  Memmingen  und  Neuburg 
waren  aufzulassen  und  nach  Augsburg  zu  evakuieren. 

Die  Kranken  durften  vom  23.  Oktober  an  nur  mehr  bis  Augs- 
burg abgeschoben  werden. 

Von  Donauwörth  wurden  zwei  Etappenstraßen  eingerichtet, 
und  zwar  über  Neuburg,  Ingolstadt  nach  Landshut  und  über  Augs- 
burg nach  München. 

Am  23.  Oktober  wurden  auch  die  Relais  auf  der  ungefähr 
400  hm  langen  Etappenstraße  Straßburg.  Speyer,  Donauwörth,  Augs- 
burg dauernd  organisiert.  Auf  je  3  Meilen  (==  13"5  hni)  war  ein 
Eelais  von  60  vierspännigen  Fuhrwerken  aufzustellen.  Von  diesen 
Wagen  waren  je  20  für  Munition  und  Bekleidung  bestimmt,  20  für 
andere  Bedürfnisse  der  Armee.  Der  Transport  hatte  Tag  und  Nacht 
zu  erfolgen.  Die  leer  zurückfahrenden  Wagen  konnten  für  den  Ver- 
wundeten- oder  Gefangenentransport  ausgenützt  werden.  Kutscher 
und  Pferde  waren  vom  Lande  zu  ernähren. 

Der  Etappentrain  bestand  demnach  aus  etwa  1800  vierspännigen 
Wagen.  Nimmt  man  an,  daß  die  Wagen  jeden  Tag  die  Strecke  von 
13  hm  durchschnittlich  dreimal  zurücklegten,  so  ergäbe  sieh  bei 
einer  Belastung  der  Wagen  mit  20  g  eine  tägliche  Transportmenge 
von  1800  q  für  alle  Bedürfnisse  der  Armee. 

Von  Augsburg  zur  Armee  sollte  die  Kompagnie  Breidt  den 
Transport  der  Güter  übernehmen.  Am  24.  Oktober  hofifte  Napoleon, 
daß  die  Wagen  der  Kompagnie  nach  14  Tagen  in  Augsburg  ein- 
getroffen sein  könnten. 

Österreicher. 

Train- 
Auf  den  Seiten  90 — 95  wurde  das  Trainwesen  der  österreichi- 
schen Armee  geschildert.  Es  sei  kurz  wiederholt: 

Für  die  österreichische  Armee  war  ziemlich  reich  an  Train 
gesorgt.  Der  Truppentrain  bestand  aus  den  ärarischen  Proviant  wagen, 
Kassenwagen.Feldschmiedewagen  und  aus  Packpferden  lür  Kessel  und 
Zelte.  Zum  Truppentrain  gehörte  auch  die  Privatbagage  der  Offiziere 
und  Parteien  (Wagen  und  Packpferde).  Für  jede  Kompagnie  und 
jede  Eskadron  war  ein  vierspänniger  Proviantwagen  bestimmt.  Be- 
spannungen und  Packpferde  sollten  im  Mobilisierungsfalle  vom  Ärar 
beigestellt  werden. 

Krauss.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  36 


—     562     — 

Das  Fuhrwesen  sollte  an  Armeetrain  91  Transportdivisionen  zu 
50  vierspännigen  Wagen,  156  sechsspännige  Baekofenzüge  und  78 
vierspännige  Requisitenzüge  aufstellen. 

Mit  dem  Armeebefehl  vom  27.  August  1805  wurde  der  Truppen- 
ti-ain  bedeutend  vermindert.  Die  Zahl  der  Proviantwagen  wurde  auf 
die  Hälfte  herabgesetzt,  so  daß  nur  mehr  jede  Division  der  Infanterie 
und  der  Kavallerie  einen  Wagen  hatte;  auch  die  Anzahl  der  Pack- 
pferde wurde  nahezu  auf  die  Hälfte  vermindert.  Dagegen  wurde  die 
persönliche  Bagage  der  Offiziere  nur  sehr  wenig  eingeschränkt.  Bloß 
die  Bagage  der  Kompagnieoffiziere  wurde  etwas  herabgesetzt.  Die 
drei  Offiziere  einer  Kompagnie  sollten  nur  mehr  zwei  Packpferde 
für  ihre  persönliche  Bagage  mitführen;  sonst  blieb  die  Bagage- 
gebühr der  Offiziere  unverändert. 

Besonders  gründlich  wurde  der  Armeetrain  eingeschränkt.  An- 
statt der  91  Transportdivisiouen  wurden  nur  20  aufgestellt:  die 
deutsche  Armee,  für  die  ursprünglich  33  in  Aussicht  genommen 
waren,  sollte  sich  mit  4^2,  also  mit  225  vierspännigen  Wagen  be- 
gnügen. Anstatt  50  Backofenzügen  wurden  für  die  deutsche  Armee 
nur  zwei  bestimmt.  Aber  selbst  dieser  geringe  Armeetrain  konnte 
für  die  Armee  nicht  verwertet  werden,  da  er  nicht  rechtzeitig  auf- 
gestellt und  zur  Armee  gebracht  werden  konnte.  Die  Armee  war 
also  eigentlich  ohne  Armeetrain. 

FML.  Mack  hatte  die  Verminderung  des  Trains  verlangt,  indem  er 
sich  auf  das  Beispiel  Napoleons  berief.  Die  Armee  sollte  sich,  ebenso 
wie  die  französische,  der  Hilfsmittel  des  Kriegsschauplatzes  bedienen, 
sie  sollte  ihren  Bedarf  an  Verpflegung  und  an  Wagen  requirieren  '). 

Erst  am  29.  August  gab  der  Hofkriegsrat  bekannt,  daß  der  Ankauf 
der  Pferde  eingeleitet  worden  sei.  Dabei  ergaben  sich  aber  sehr 
große  Schwierigkeiten. 

Nach  einer  Zuschrift  des  Hofkriegsrates  an  das  Armeegeneral- 
kommando der  deutschen  Armee  vom  24.  September  stellte  sieh  der 
Bedarf  der  deutschen  Armee  auf: 
5158  Artilleriezuopferde, 
1352  Pferde  für  Pioviantwagen, 

1776       „         „    das    ordinäre  Transportfuhrwesen  (8  Divi- 
sionen zu  222  Pferden), 
820  Zugpferde  als  Eeserve  (10 7o),  dann 


1)  Siehe  Seite  92. 


—     563     — 

1973  Packpferde  (für  Kochgeschirre  und  Bagagen  der  Kom- 
pagnieoffiziere), 
197  Paekpferde  als  Reserve  (10%) 


Summe  9133  Zugpferde  und  2170  Packpferde. 

Bedeckung  mit  J]nde  August: 

Aus  Niederösterreich,  Oberösterreich,  Böhmen  und  Mähren 
sollen  6689  Zugpferde,  von  einem  Handlungshaus  1000  Zugpferde 
gestellt  werden. 

Galizien  soll  1631  Packpferde  stellen. 

Die  acht  Fuhrwerksdivisionen  sind  schon  1074  Pferde  stark. 

Daher  Abgang  auf  den  Bedarf  noch  370  Zug-  und  539  Pack- 
pferde. 

„Da  aber  viele  dieser  Pferde  noch  auf  dem  Wege  sind,  muß 
sich  die  Armee  in  Bayern  behelfen." 

Mit  dieser  Schlußbemerkung  setzte  sich  der  Hofkriegsrat  über 
den  Mangel  der  Artilleriepferde  und  des  Trains  —  am  24.  Sep- 
tember! —  hinweg^). 

Bei  der  italienischen  Armee  fehlten  am  25.  September  fast 
alle  Packpferde  und  2000  Zugpferde  der  Artillerie.  Alle  Proviant- 
wagen hatten  nur  Vorspann  ''). 

Der  Zustand  des  Trains  entsprach  also  vollkommen  dem  Werte, 
der  ihm  vom  Chef  des  Generalstabes  Mack  zugemessen  worden  war. 

Mack  hielt  seine  Verpflichtung,  für  die  Armee  zu  sorgen,  mit 
der  Erwirkung  der  Trainverminderung  erledigt.  Er  kümmerte  sich 
weiter  nicht  mehr  um  Train  und  Verpflegung. 

Der  Erfolg  der  Verminderung  des  Trains  war  durchaus  nicht 
der  von  Mack  erwartete.  Mack  hatte  gehofi"t,  seine  Armee  damit 
beweglicher  zu  machen ;  sie  wurde  aber  wegen  des  Trainmangels 
unbeweglich  und  operationsunfähig. 

Da  der  Befehl  zur  Verminderung  des  Trains  alle  Regimenter 
schon  im  Marsch  an  die  Grenze  traf,  sollten  zahlreiche  Proviant- 
wagen, Ausrüstungsgegenstände  und  Bagagen  in  irgend  einer  Marsch- 
station zurückgelassen  werden.  Es  ist  daher  begreiflich,  daß  die 
Eigentümer  dieser  Bagagen,  Truppenkörper  und  Offiziere,  dieser 
Anordnung  nur  widerwillig  gehorchten  und  sie,  wo  nur  möglich, 
umgingen.  Alle  Eegimenter  waren  vor  Annahme   des  Kriegsstandes 

*)  Kriegsarehiv,  Armeeakten,  Deutsehland. 
^)*  Kriegsarehiv,  Miliiärfeldakten  9/55. 

36* 


—     564     — 

aus  ihren  Garnisonen  abmarschiert.  Sie  hatten  daher  noch  nicht 
ihren  ständigen  Train  bei  sich,  sondern  mußten  sich  mit  Vorspaun- 
pferden  zur  Bespannung  der  Wagen  und  mit  Vorspannwagen  an- 
statt der  Packpferde  behelfen.  Die  Umgehung  der  Mackschen  An- 
ordnungen war  daher  leicht;  man  nahm  eben  die  Bagagen  auch 
weiter  auf  Vorspannwagen  mit.  Da  die  Truppen  ausschheßlich  auf 
die  Selbstverpflegung  verwiesen  waren,  mußten  sie  die  aufgebrachten 
Verpflegsvorräte  auf  den  Proviantwagen,  und  weil  diese  dazu  nicht 
mehr  genügten,  auch  auf  Landesfuliren  mitnehmen.  So  kam  es,  daß 
die  Truppentrains  mit  der  laugen  Dauer  der  Märsche  immer  größer 
wurden ;  sie  bestanden  überdies  aus  zwangsweise  gepreßten  Vorspann- 
wagen, zu  deren  Bezahlung  die  Truppen  keine  Mittel  hatten  oder 
doch  nur  die  in  Bayern  wertlosen  Bankozettel. 

Im  Gegensatze  zu  den  Franzosen  finden  wir  daher  bei  der 
österreichischen  Ai'mee  einen  sehr  zahlreichen,  aber  völlig  unorgani- 
sierten wilden  Truppen train  oder,  besser  gesagt,  „Troß",  dagegen 
gar  keinen  Armeetrain.  Der  Truppentrain  enthielt  zahlreiche  Pack- 
pferde, besonders  die  Offizierspackpferde,  deren  Führer  sich  jeder 
Disziplin  und  Ordnung  entzogen,  weil  die  Pferde  Privateigentum 
waren. 

Dem  Beispiele  Maeks,  des  tatsächlichen  Armeekommandanten 
folgend,  sah  übrigens  niemand  auf  Disziplin  und  Ordnung  beim 
Train,  diesem  „Übel  jeder  Armee".  Wozu  sollten  daher  die  Trains 
selbst  Ordnung  halten? 

Verpflegung. 

Für  die  Verpflegung  der  Armee  hatte  Mack  nur  verfügt : 
Die  Truppen  haben  sich  durch  die  Requisition  zu  verpflegen. 
Mack  hatte  im  Gegensatze  zu  Napoleon  diese  Verfügung  erlassen, 
ohne  sich  über  ihre  Wirkung  klar  zu  sein  und  ohne  für  mobile 
Vorräte  der  Truppen  und  die  Reservevorräte  der  Korpskommandanten 
Sorge  zu  tragen.  Die  Armee  sollte  also  von  der  Hand  in  den  Mund 
leben.  Dabei  wollte  Mack  die  Armee  längere  Zeit  an  der  Hier  und 
bei  Ulm  in  abwartender  Haltung  stehen  lassen.  Dazu  waren  aber 
große  Verpflegsvorräte,  also  Magazine  nötig.  Magazine  waren  ja  auch 
vorhanden,  aber  nicht  dort,  wo  die  Armee  sie  brauchte. 

Am  1.  Oktober  war  der  Stand  der  österreichischen  Verpflegs- 
magazine  in  Schwaben ; 


—     565     — 

Ulm  12.200  M  Körnerfrucht  und  9160  hl  Hartfutter:  bis  zum 
8.  Oktober  war  die  Einlieferung  von  1000  Zentnern  Mehl  zu  er- 
warten.  Auf  allen  Mühlen  der  Umgebung  wurde  gemahlen. 

Günzburg  3000-3700  A^  Eoggen. 

Lau  in  gen  4880  hl  Hartfutter. 

Donauwörth  3700— 4880  7iZ  Roggen  und  15.000— 18.000  äZ 
Hartfutter  ^). 

Es  waren  also  ziemlich  bedeutende  Vorräte  an  Brotfrucht  vor- 
handen, aber  weit  von  der  Hauptmasse  des  Heeres  entfernt  und 
unvermahlen.  Da  das  Bindemittel  zwischen  diesen  Magazinen  und 
den  Truppen,  der  Verpflegstrain.  fehlte,  konnten  die  Vorräte  nicht 
zu  den  Truppen  gelangen.  Der  größte  Teil  der  Vorräte  mußte  vor 
den  anmarschierenden  Franzosen  mit  Schiff  nach  Regensburg  ge- 
rettet werden.  Schon  am  29.  September  erging  der  Befehl,  alles  zum 
Abtransport  vorzubereiten  ^). 

Der  geregelte  Magazinsbetrieb;  die  Vermahlung  der  Körner- 
frucht und  der  Ankauf  weiterer  Vorräte  hätten  überdies  ein  zahl- 
reiches Verpflegspersonal  verlaugt.  Dieses  fehlte  der  Armee. 

Erzherzog  Ferdinand  hat  nach  seinem  Eintreffen  bei  der 
Armee  dem  Kaiser  berichtet,  daß  die  Administration  der  Armee,  um 
die  sich  Mack  gar  nicht  kümmere,  in  größter  Unordnung  sei  und 
daß  das  Verwaltungspersonal  der  Armee  noch  fast  ganz  fehle,  alles 
Polgen  des  überhasteten  und  materiell  nicht  vorbereiteten  Einmarsches 
in  Bayern. 

Die  Unmöglichkeit,  die  Armee  aus  den  wenigen  und  ungünstig 
gelegenen  Magazinen  zu  ernähren,  zwang  das  Armeekommando,  die 
Armee  auf  einen  ganz  außerordentlich  großen  Raum  zu  verteilen. 
Die  kaum  50.000  Mann  starke  Armee  kantonierte  am  28.  September 
in  einem  Räume  von  100  hm  Tiefe  und  80  km  Breite,  wobei  vom 
detachierten  Korps  Kienmayer  ganz  abgesehen  ist. 

Als  Erzherzog  Ferdinand  Anfang  Oktober  die  Notwendigkeit 
erkannte,  die  Armee  zu  versammeln,  hinderte  ihn  die  Rücksicht  auf 
die  Verpflegung  der  Truppen,  die  Armee  so  eng  zu  konzentrieren 
als  er  es  wünschte  und  für  nötig  hielt.  Trotz  starken  Märscheu  kam 
diese  kleine  Armee  nicht  mehr  rechtzeitig  zusammen.  Das  öster- 
reichische Arraeekommando  kam  mit  allen  seinen  Entschlüssen  zu 
spät  oder  eigentlich  zu  früh,    denn   bis   die   zum  jedesmaligen  Ent- 

')  Kriegsarchiv,  1805,  DpAitsehland  FA,  X,  7. 
2)  Kriegsarehiv,  1805,  Militärfeldakten,  3/179. 


—     566     — 

Schluß  gehörige  Versammlung  der  Truppen  beendet  war,  war  der 
Entschluß  auch  schon  durch  das  Fortschreiten  des  Feindes  undurch- 
führbar geworden.  Als  die  Armee  endlich  am  9.  Oktober  bei  Günz- 
burg  vereinigt  war,  war  ihr  auch  schon  jeder  Ausweg  verschlossen. 
Aber  trotz  diesen  Opfern  an  operativer  Freiheit  war  die  Verpflegung 
der  Truppen  schlecht,  denn  auch  das  Eequirieren  der  Truppen  ging 
nicht  glatt  von  statten.  Vor  allem  fehlte  den  Truppen  das  zur  Durch- 
führung der  Requisition  nötige  Verpflegspersonal.  Da  Alack  und 
seine  Unterführer  es  weiter  vollkommen  unterlassen  hatten,  für  die 
geordnete  und  geregelte  Durchführung  der  Requisitionen  Direktiven 
hinauszugeben,  so  waren  die  bisher  auf  die  Zuweisung  der  Ver- 
pflegung von  oben  her  gewöhnten,  also  unselbständigen  Truppen, 
ganz  sich  selbst  überlassen.  Es  fehlten  ihnen  für  die  Requisitionen 
die  Übung,  die  Anleitung  und  das  besonders  geschulte  Personal. 
Kein  Wunder,  daß  die  Requisitionen  der  Österreicher  somit  den 
Charakter  der  regellosen  Selbsthilfe  trugen  und  die  Bevölkerung  arg 
bedrückten,  ohne  die  Bedürfnisse  der  Truppen  ganz  zu  decken.  Da 
weiters  die  österreichischen  Truppen  sich  in  zahlreichen  Staffeln  auf 
denselben  Marschlinien  folgten  und  wegen  des  Trainmangels  nur  die 
an  den  Marschlinien  gelegenen  Orte  ausnützen  konntea,  so  mußten 
die  später  folgenden  Truppen  empfindlichen  Mangel  leiden.  Starke, 
unregelmäßige  Märsche  und  schlechte  Verpflegung  wirkten  dann 
zusammen,  um  die  Disziplin  der  Truppen  zu  lockern  und  ihre  Kräfte 
zu  vermindern.  Mit  der  Abnahme  der  Disziplin  und  mit  der  Zu- 
nahme der  Nachzügler  wuchsen  die  Bedrückung  der  Bevölkerung 
und  die  Verwüstung  des  Anlandes  der  Marsch straßen. 

GM.  V.  Mayer  schildert  die  Folgen  dieser  Art  von  Requisi- 
tion folgend : 

„  .  .  .  .  Als  endlich  Nachricht  anlangte,  daß  Kienmayer  ge- 
worfen sei  und  die  Franzosen  Anstalten  trafen,  bei  Donauwörth 
überzugehen,  da  wurde  die  Armee  auf  einmal  in  außerordentlichen 
und  unordentlichen  Märschen  zwischen  Ulm,  Weißenhorn  und  Günz- 
burg  zusammengezogen,  und  da  die  Truppen  nur  Ton  Requisitionen 
lebten,  die  sie  in  jedem  Orte  selbst  machen  mußten  und  da  sie  den 
andern  Tag  wieder  marschierten,  ohne  noch  die  erste  Requisition 
an  sich  gezogen  zu  haben,  so  wurden  Kommandierte  zurückgelassen, 
die  erst  in  1 — 2  Tagen  nachrücken  konnten.  In  der  neuen 
Station  geschah  dasselbe,  die  Kommandierten  fanden  ihre  Regimenter 
nicht   mehr,   ebensowenig   wie   das   zahlreiche    Fuhrwerk.     Die   Be- 


—     567     — 

Spannung  der  Artillerie  war  elend,  durch  die  Märsehe  herab- 
gekommen, kurz  man  kann  sagen,  daß  die  Armee  desorganisiert 
zwischen  Lech  und  Hier  herummarsehierte,  und  man  brauchte  nicht 
scharfblickend  zu  sein,  um  zu  erkennen,  daß  diese  Armee  durch 
ihre  vollkommen  schlechte  Organisation  und  dia-ch  die  unzweck- 
mäßigen übertriebenen  Märsche  sich  selbst  geschlagen  habe\)." 

Man  beurteile  diese  Schilderung  nur  unter  Berücksichtigung 
der  Tatsache,  daß  die  Korps  Davout  und  Soult  viel  stärkere  Märsche 
leisteten  und  auch  nur  von  der  Eequisition  lebten,  und  man  wird 
zu  dem  Schlüsse  kommen,  daß  nicht  die  Nötigung  zur  Requisition 
an  sich  die  Ursache  der  Unordnung  war,  sondern  ihre  unzweck- 
mäßige, ungeregelte  und  schlecht  überlegte  Durchführung. 

So  blieb^denn  auch  die  Ausnützung  des  Landes  für  die  Armee  — 
wenigsteus  die  geregelte  —  weit  hinter  dem  Bedarfe  der  Armee  zurück. 

Die  österreichischen  Truppen  haben  in  Bayern  nach  ihren 
Nachweisungen  requiriert: 

20.300  Portionen  Hausmannskost  samt  Brot  und  Trank, 

87.300  Pfund  Fleisch, 

77.000  Maß  Bier  und  Wein, 

693.000  Portionen  Brot, 

458.000  Portionen  Hafer  und 

2,500.000  Pfund  Heu  2). 

Wenn  man  den  durchschnittliehen  Verpflegsstand  der  öster- 
reichischen Armee  sehr  niedrig  mit  50.000  Mann  und  20.000  Pferden 
annimmt,  so  zeigt  sich,  daß  nur  für  die  Pferde  in  genügendem 
Maße  durch  die  Requisition  gesorgt  worden  ist,  da  die  Armee  etwa 
35  Tage  in  Bayern  stand  und  die  requirierten  Vorräte  an  Hafer  auf 
23  Tage,  an  Heu  auf  40  Tage  für  20.000  Pferde  hinreichten. 

Für  50.000  Mann  und  35  Tage  hätte  aber  die  Armee  1,750.000 
Verpflegsportionen  gebraucht,  so  daß  zum  Beispiel  an  Brot  nur  wenig 
mehr  als  ein  Drittel  des  Bedarfes  aufgebracht  worden  ist. 

Die  österreichische  Armee  muß  daher  sehr  stark  Hunger  ge- 
litten haben. 

Man  kann  sich  d,arüber  gar  nicht  verwundern,  wenn  man  das 
einzige  vorhandene  Dokument  sieht,  das  Aufschluß  gibt,  wie  einfach 
sich  Mack.  der  Anreger  der  Requisitionen,  ihre  Durchführung  ge- 
dacht hat. 


»)  Kriegsarchiv,  Meiaoires,  28/327,  1805. 
^)  Kriegsarchiv,  Armeeakten,  1805. 


—     568     — 

Am  14.  Oktober,  also  am  Tage  vor  der  Einschließung  Ulms, 
sandte  Mack  eine  Eskadron  von  Ulm  auf  Eequisition  aus.  Die  offene 
Order  der  Eskadron  bestimmte,  daß  je  ein  Zug  nach  Geislingen, 
Göppingen  und  Dettingen^);  nach  Wiesensteig  und  Weilheim;  nach 
Owen,  Nirdingen  bis  Urach  ^) ;  nach  Schelkingen  zur  schärfsten 
Eequisition  von  Brot  und  Schlachtvieh  zu  entsenden  sei.  Alle  Ochsen 
und  Kälber  waren  einzutreiben,  alles  gebackene  Brot  war  wegzu- 
nehmen und  die  Bauern  sollten  angehalten  werden,  Tag  und  Nacht 
Brot  zu  backen.  Alles  war  schleunigst  nach  Ulm  zu  schaffen'). 

Je  20 — 30  Reiter  hatten  also  in  einem  45—50  hm.  tiefen 
Räume  die  schleunigste  Requisition  von  Schlachtvieh  und  Brot  zu 
besorgen  und  die  Bewohner  anzuhalten,  unausgesetzt  Brot  zu  backen; 
diese  Lieferungen  sollten  von  den  Bewohnern  ohne  jede  Vergütung 
geleistet  werden  *) ! 

Wenn  also  Mack,  dem  die  Armee  das  richtige  Prinzip  ver- 
dankte, die  Ressourcen  des  Kriegsschauplatzes  zu  ihrer  Erhaltung 
zu  verwerten,  so  falsche  Vorstellungen  über  die  Durchführbarkeit 
der  Requisitionen  und  über  deren  Bedingungen  gehabt  hat,  wie  muß 
es  erst  bei  den  übrigen  Generalen  und  Offizieren  in  dieser  Hinsicht 
bestellt  gewesen  sein !  In  den  Akten  des  Kriegsarchivs  findet  man 
denn  auch  nicht  die  geriogsten  Spuren  dafür,  daß  sich  auch  nur 
ein  General  der  österreichischen  Armee  um  die  Verpflegung  seiuer 
Truppen  gesorgt  oder  gekümmert  hätte;  der  stete  Wechsel  der 
Ordre  de  bataille  hätte  auch  jede  Sorge  wirkungslos  gemacht. 

So  dürftig  diese  Darstellung  der  Verpflegsverhältnisse  der 
österreichischen  Armee  auch  ist,  kommt  man  durch  sie  doch  zur 
Erkenntnis,  daß  vor  allem  die  desolaten  Verpflegsverhältnisse  die 
Handlungsfreiheit  des  österreichischen  Armeekommandos  behinderten. 
Die  Niederlage  der  österreichischen  Armee  war  bei  ihrer  trostlosen 
Führung  selbstverständlich ;  es  wäre  vergebliche  Mühe,  darüber  Be- 
trachtungen anzustellen.  Daß  aber  die  Niederlage  eine  so  schmähliche 
für   die  Armee   wurde,    daß   die  Haltung   der  Truppen   ihrem  alten. 


^)  Die  Übersichtskarte  1  :  750.000  zeigt  zwischen  Ulm  und  Stuttgart  zwei 
Dettingen,  ein  drittes  etwa  251cm  nordöstlich  von  Ulm. 

-)  Göppingen,  Weilheim,  Owen  und  Urach  sind  je  i5— 50  lern  von  Ulm 
entfernt,  und  zwar  in  der  Richtung  auf  Stuttgart. 

=*)  Kriegsarehiv,  1805,  Deutschland  FA,  X,  144. 

*)  Vergleiche  damit  den  Befehl  Davouts  vom  6.  Oktober  zur  Requisition  in 
Öttingen.  S.  550. 


—     569     — 

so  oft  bewährten  Rufe  gar  nicht  entsprach,  daß  dieser  Feldzug  von 
Ulm  das  traurigste  Blatt  der  Geschichte  der  ruhmvollen,  alten 
Armee  füllen  muß.  das  wird  allein  von  der  kopflosen,  oberflächlichen 
und  leichtfertigen  Art  verschuldet,  in  der  für  die  Verpflegung  drr 
Armee  gesorgt  worden  ist.  I)ie  Armee  wäre  bei  dieser  Führung 
auch  bei  guter  Verpflegung  unterlegen,  aber  sie  wäre  auf  dem 
Schlachtfeld  in  Ehren  untergegangen,  sie  hätte  fallend  noch  dem 
Feind  und  der  Welt  Achtung  abgerungen.  So  aber  ergaben  sich 
die  demoralisierten  Truppen  bei  jedem  Zusammenstoße  scharenweise 
und  fast  widerstandslos.  Das  ist  die  Wirkung  des  Hungers,  des 
Hunü:ers  durch  Schuld  der  Führer,  durch  Schuld  der  Interesse- 
losigkeit  und  Unwissenheit  der  Generale  und  Offiziere.  Gute 
Truppen  müssen  auch  hungern  können,  gewiß!  aber  hungern 
um  eines  hohen  Zweckes,  eines  großen  Zieles  wegen,  und  trotz 
der  größten  Sorgfalt  des  Armeekommandanten  und  seines 
Generalstabes,  nicht  aber  wegen  deren  Leichtfertigkeit. 

Diesen  Unterschied  fühlt  die  Truppe  mit  Sicherheit  heraus  und 
darum  darf  man  auch  ihren  Hunger  nicht  ))agatellisieren.  Darum 
müssen  Führer  und  Generalstab  in  der  Sorge  für  die  Ver- 
pflegung der  Truppen  aufgehen,  sie  müssen  für  die  Truppen 
unausgesetzt  tätig  sein,  ohne  sich  aber  in  deren  rücksichts- 
loser Ausnutzung  im  geringsten  hindern  zu  lassen.  Eine 
Truppe,  die  weiß,  daß  ihre  Führer  für  sie  sorgen,  wird  diese  nie 
im  Stiche  lassen,  wenn  sie  auch  Gewaltleistuiigen  und  Hunger 
fordern. 


Vergleicht  man  die  Einrichtungen  beider  Armeen  und  ihre 
Wirkung,  so  ergeben  sieh  folgende  Schlüsse: 

Train:  Die  Beweglichkeit  der  Kolonnen  wird  nur  durch  Trains 
beeinflußt,  die  in  ihnen  eingeteilt  die  Märsche  mitmachen.  Je  größer 
diese  Trains  sind,  desto  mehr  behindern  und  erschweren  sie  den 
Marsch  der  Kolonnen ;  je  ungleichartiger  ihre  Zusammensetzung  ist 
und  je  undisziplinierter  die  Elemente  dieser  Trains  sind,  desto  nach- 
teiliger ist  ihre  Einwirkung  auf  den  Marsch  der  Kolonnen.  Die 
Größe  des  hinter  den  Kolonnen  marschierenden  Trains  beeinflußt 
den  Marsch  natürlich  gar  nicht,  es  wäre  denn,  daß  der  Kolonnen- 
kommandaut  etwa  täglich  auf  zurückgebliebene  Trains  wartete.  Dann 
liegt   aber    die    Ursache    der    Marsehverzögerung   nicht    im    Train. 


—     570     — 

sondern  im  Kolonnenkommandanten.  (Vergleiche  die  Verhältnisse 
beim  Korps  Davout.  Kleiner  Truppentrain,  zahlreicher  Korpstrain, 
großartige  ^larschleistungen,  Zurückbleiben  des  Trains.) 

In  den  Kolonnen  werden  immer  eingeteilt  sein  müssen:  die 
Truppentrains,  die  Munitionstrains  und  Verpflegstrains. 
Die  Größe  dieser  Trains  muß  daher  vor  allem  möglichst  herabgesetzt 
werden.  Die  Trnppentrains  sollen  nur  aus  dem  Notwendigsten 
bestehen.  Das  Notwendigste,  weil  alle  Tage  nötig,  ob  man  marschiert, 
ruht  oder  kämpft,  sind  die  zur  Sicherstellung  der  Verpflegung  nötigen 
Fuhrwerke,  also  Küchenwagen  und  Proviantwagen.  Alles  andere: 
Munition,  Bagage,  Sanitätsmaterial,  technisches  Material  etc.  wird 
nur  zeitweise  in  größeren  Mengen  gebraucht,  es  ist  daher  nicht 
nötig,  das  alles  ständig  bei  der  Truppe  raitzuführen.  Es  genügt, 
wenn  der  Bedarf  jedesmal  zudisponiert  wird.  Will  man  daher  den 
Truppentrain  mögliehst  klein  machen,  dann  muß  man  Munition, 
Bagagen  und  Sanitätsmaterial  ganz  aus  ihm  ausscheiden.  Das  geht 
selbstverständlich  ohneweiters.  wenn  Mann  und  Eeiter  dementsprechend 
ausgerüstet  werden.  Wenn  man  dem  Infanteristen  ebensoviel  oder 
gar  mehr  Patronen  gibt  als  jetzt  innerhall)  der  Truppe,  also  beim 
Manne  und  auf  Truppenfahrzeugen  vorhanden  sind,  dann  werden 
die  Munitionswagen  der  Truppen  überflüssig ;  wenn  man  jeden  Mann 
etwas  besser  mit  dem  nötigsten  Sanitätsmaterial  ausrüstet  und  wenn 
die  Truppe  reich  mit  Sanitätshilfspersonal  versehen  wird,  das  Sanitäts- 
material bei  sich  trägt,  ist  die  Ausrüstung  der  Truppen  mit  einem 
Sanitätstrain  unnötig. 

Bei  zielbewußter  Festsetzung  der  Mannesrüstung  müßte  die 
Reduktion  des  Truppentrains  möglich  sein. 

Demnach  wären  die  Munitions wagen,  der  Bagagetrain  und 
auch  die  Sanitätsfuhrwerke  aus  dem  Truppentrain  (aus  der  Truppen- 
kolonne) auszuscheiden. 

Das  Prinzip,  einen  Munitionsvorrat  auf  Wagen  immer  un- 
mittelbar bei  der  Truppe  mitzuführen,  hat  sich  dort  überlebt,  wo 
die  Munitionsanstalten  so  zweckmäßig  organisiert  sind,  daß  sie  jeder- 
zeit, in  kleine  Einheiten  zerlegt,  den  Truppen  zugeteilt  werden 
können. 

So  sind  z.  B.  in  Österreich-Ungarn  die  Munitionsanstalten  so 
organisiert,  daß  selbst  einem  isolierten  Eegiment  ein  Teil  einer 
Munitionskolonne  mitgegeben  werden  kann  und  auch  bei  einem  zum 
Gefechte    führenden    Marsch    regelmäßig    zudisponiert    wird.     Der 


—     571     — 

Munitioiisersatz  wird  dadurch  unnötig  kompliziert:  bei  dem  isolierten 
ßegirnente  befinden  sich  dann  dessen  Kompagniemunitioiiswagen, 
die  es  z.  B.  acht  Tage  hindurch  unnütz  in  seiner  Kolonne  eingeteilt 
mitgenommen  hat,  und  die  von  rückwärts  her  zudisponierte  Munitions- 
kolonne. 

Der  ßegimentskomraandant  müßte  also  unmittelbar  vor  und 
während  des  Gefechtes  mit  den  Kompagniemunitionswagen  und 
mit  dem  Zuge  der  Munitionskolonne  disponieren.  Dies  wird  dazu 
führen,  daß  man  die  Kompagniemunitionswagen  und  die  Munitions- 
kolonne örtlich  vereinigt  und  unter  einheitlichen  Befehl  stellt,  um 
die  Disponiei'ung  und  den  Munitionsersatz  zu  vereinfachen. 

Wenn  das  aber  am  Gefechtstage  möglich  und  zweckmäßig  ist. 
dann  ist  das  umsomehr  an  den  Marschtagen  der  Fall. 

Den  im  engen  Verbände  kämpfenden  Eegimentern  kann  jederzeit 
leicht  ein  Teil  einer  Munitionskolonne  zudisponiert  werden,  besonders 
wenn  diese  zum  Teil  aus  leichten  (Kompagnie-)  Munitionswagen 
bestünden. 

Die  Möglichkeit,  detachierten  Bataillonen  oder  Kompagnien 
ausnahmsweise  einige  Munition.swagen  mitgeben  zu  können,  kann 
wohl  nicht  für  die  Organisation  des  Truppentrains  der  ganzen 
Armee  maßgebend  sein.  Hat  der  Mann  übrigens  mindestens  IGO 
Patronen  Taschenmuiiition,  dann  brauchen  auch  detachierte  Bataillone 
und  Kompagnien  keine  Munitionswagen. 

Der  Bagagetrain  kommt  beim  Marsche  ganzer  Armeen  höchst 
selten,  vielleicht  alle  14  Tage  einmal  zur  Truppe  Daher  wäre  es 
zweckmäßiger,  diesen  Train  seines  Charakters  als  Truppentrain  zu 
entklei<len  und  ihn  als  Bekleidungstrain  bei  Bedarf  zur  Truppe 
vorzusenden.  Die  Bagagen  der  Offiziere  müßten  auf  das  reduziert 
werden,  was  Offizier,  Otflziersdiener  und  Reservepferde  mit  .sich  führen 
können.  Nachschaffungen  auf  dem  Kriegsschauplatz  und  Sendungen 
aus  der  Heimat  müssen  den  Vorrat  des  Offiziers  ergänzen. 

Der  Truppentrain,  der  immer  in  der  Kolonne  bleibt,  muß 
unbedingt  vollkommen  militärisch  organisiert  sein,  und  zwar  ganz 
gleichartig;  er  soll  daher  aus  leichten  und  doch  leistungsfähigen 
Wagen  bestehen.  Jede  Komplizierung  durch  Einstellung  von  vier- 
spännigen  schweren  Wagen  oder   gar  von  Tragtieren  ist  schädlich. 

Der  vierspännige  Zug  ist  für  den  Truppentrain  schlecht,  weil 
er  nur  bei  sehr  schweren  Wagen  rentabel  ist,  denn  sonst  bringen 
4  Pferde  mit  2  leichten  Wagen  mehr  fort  als  der  vierspännige  Zug. 


—     572     — 

Schwere  AVagen  siud  aber  im  Truppentraiu  sehr  gefährlich,  weil  sie 
nur  auf  guten  Straßen  tortkomraen. 

Tragtiere  vergrößern  den  Train  bedeutend,  ohne  seine  Leistungs- 
fähigkeit in  gleichem  Maße  zu  steigern,  denn  ein  Pferd  zieht  leicht 
das  Vierfache  dessen,  was  es  mit  Anstrengung  trägt.  Die  Kom- 
plikation in  Ausrüstung  und  Ausbildung  ist  noch  größer  als  beim 
vierspännigen  Zug,  weil  die  Pferde  nur  l)ei  sorgfältiger  Packung 
dauernd  dienstfähig  bleiben.  Tragtiere  sollen  daher  nur  dort  ver- 
wendet werden,  wo  sie  unbedingt  nötig  sind:  im  Gebirge,  abseits 
fahrbarer  Wege.  Die  Annahme,  daß  Tragtiere  den  Truppen  im 
Manövrierland  aufs  (jefechtsfeld  zu  folgen  vermögen,  dürfte  nicht 
zutrefi'en  ;  zumindest  kann  in  fahrbarem  Terrain  ein  leichter  Wagen 
an  die  Truppe  ebenso  nahe  herankommen  wie  ein  Tragtier:  soweit 
sie  gedeckt  oder  verdeckt  vorkommen.  Im  feindlichen*  Feuer  kann 
auch  ein  Tragtier  nicht  vorgeführt  werden.  Den  Truppentrain  der 
ganzen  Armee  aber  nur  deshalb  überall  und  dauernd  zu  komplizieren, 
um  auch  dann  Munition  oder  Sanitätsmaterial  nahe  an  die  Truppen 
heranbringen  zu  können,  wenn  einige  Bataillone  oder  Kompagnien 
im  Manövrierterrain  in  so  schwierige  Terrainpartien  gelangen,  daß 
die  Wagen  nicht  so  weit  an  die  Truppe  heranfahren  könnten, 
als  es  das  feindliche  Feuer  erlaubt,  hieße  übers  Ziel  schießen.  In 
solchen  Ausnahmsfällen  müssen  Ausnahmsmaßregeln  aushelfen  :  man 
wird  in  solchen  seltenen  Fällen  die  Munition  oder  das  Sanitäts- 
material die  gewiß  nur  kurzen  Strecken  vom  Wagen  zur  Truppe 
oder  zum  Hilfsplatz  durch  Mannschaft  (Detachements)  oder  durch 
die  Bespannung  der  Wagen  tragen  lassen.  Eine  besondere  Aus- 
rüstung, wie  Sättel  o.  dgl.,  wäre  dazu  nicht  nötig;  einige  Säcke 
genügen  vollauf. 

Ist  das  Terrain  aber  so  wegarm  und  so  gebirgig,  daß  die 
Fuhrwerke  nur  auf  wenigen  guten  Kommunikationen  fortkommen 
können,  dann  muß  die  Ai'mee  für  diesen  Kaum  besonders  ausgerüstet 
werden,  und  zwar  mit  Tragtiertrains,  die  je  nach  Bedarf  den  abseits 
fahrbarer  Wege  kämpfenden  Truppen  Munition  und  Sanitätsmaterial 
zutragen . 

Jede  unrationelle  Vermehrung  der  Pferde  durch  Tragtiere  hat 
weiter  noch  die  böse  Folge,  daß  alle  in  die  Kolonne  einzureihenden 
Verpflegstrains  bedeutend  anwachsen  müssen. 

Alle  Trains,  die  nur  fallweise  zur  Truppe  kommen .  also 
Munitionstrains,  Verpflegstrains  mit  Ersatzvorräten,  technische  Trains 


—      O  <  5 


und  Sanitätstrains,  müssen  bei  tiefen  Kolonnen  iu  die  Kolonnen  ein- 
geteilt werdeu,  um  rechtzeitig  zu  den  vordersten  Truppen  zu  ge- 
langen. Auch  diese  Trains  sollen  daher  vollkommen  militärisch 
organisiert  sein.  Gedungene  oder  gesetzlich  verpflichtete  Baaerntrains 
müssen  den  Marsch  der  Kolonnen  weit  mehr  gefährden  als  die 
gleiche  Zahl  militärischer  Trains^). 

Daraus  folgt,  daß  der  ganze  Armeetrain  militärisch  organisiert 
sein  soll.  Bestehen  auch  nur  Teile  dieses  Trains  aus  Bauernwagen, 
daim  werden  diese  undisziplinierten  Trains  nicht  nur  ihren  Zweck 
kaum  erfüllen,  sondern  auch  den  Marsch  der  anderen  Trains  und 
der  ganzen  Kolonnen  sehr  behindern.  Diese  Erfahrung  winvle  in 
allen  Kriegen  gemacht,  besonders  deutlich  im  Kriege  1870/71.  Je 
größer  die  Heermassen  und  je  tiefer  die  Kolonnen  werden,  desto 
mehr  müssen  sich  die  Nachteile  der  Bauerntrains  fühlbar  machen; 
desto  zwingender  wird  daher  die  Forderung,  auch  den  ganzen 
Arraeetrain  militärisch  zu  organisieren.  Damit  ist  natürlich  nicht 
gemeint,  daß  die  Unzahl  nötiger  Wagen  schon  im  Frieden  vorrätig- 
gehalten  werden  sollte.  Der  leichte  Bauernwagen  ist  ein  sehr  gutes, 
vielleicht  das  beste  Trainfuhrwerk.  Aber  Wagen  und  Pferde  müssen 
im  Kriegsfall  angekauft  und  mit  Soldaten  als  Kutscher  besetzt 
werden.  Diese  Kutscher  sind  mit  Repetierpistolen  und  mit  Kara- 
binern zu  bewaflfnen,  so  daß  der  Train  an  Stelle  der  wehrlosen  und 
disziplinlosen  Bauern  gut  bewaffnete  und  disziplinierte  Soldaten  er- 
hält, die  zu  seiner  Verteidigung  vorzüglich  mitwirken  können.  Ein 
in  dieser  Art  gut  organisierter  Armeetrain  wird  bei  guter  Dis- 
ponierung keine  Gefahr  lür  die  Kolonnen  bilden,  auch  wenn 
große  Teile  in  die  Kolonnen  eingereiht  werden  müssen. 

Gedungenes  Fuhrwerk  kann  nur  auf  den  Etappenstraßen  ohne 
besondere  Gefahr  verwendet  werden.  Auf  guten  Etappenstraßen 
können  die  Etappentrains  auch  aus  sehr  schweren  Wagen  gebildet 
werden.  Die  Organisierung  von  Relais  auf  den  Etappenstraßen  wird 
meist  von  großem  Vorteil  sein,  weil  die  Pferde  nach  ihrer  Güte  auf 
die  verschieden  schwierigen  Strecken  verteilt  werden  können  und 
weil  sie  immer  in  die  gleichen  Nächtigungsorte  zurückkehren,  daher 
die  gewohnten  Stallungen  beziehen,  das  gleiche  Wasser  erhalten 
und  regelmäßiger  gefüttert  werden  können.  Die  Pferde  leisten  unter 
solchen  Verhältnissen  viel  mehr,  als  bei  der  Verwendung  der 
Etappentrains  über  große  Strecken. 

')  Vergleiche  den  Ausspruch  des  Erzherzogs  Karl  auf  Seite  93. 


—     574     — 

Verpflegung.  Beide  Armeen  haben  sich  im  Feldznge  1805 
nach  demselben  Grundsätze  verpflegt;  beide  sollten  nur  von  den 
Vorräten  des  Kriegsschauplatzes  leben.  Der  verschiedene.  Erfolg 
dieses  Vorganges  bei  beiden  Armeen  läßt  erkennen,  daß  es  nicht 
genügt,  einen  richtigen  Grundsatz  anzunehmen,  sondern  daß  auch 
dessen  Anwendung  und  Durchführung  richtig  sein  müssen. 

Die  Korps  der  französischen  Armee  führten  den  Grundsatz  des 
Lebens  vom  Lande  auf  die  verschiedensten  Arten  durch.  Die  Er- 
fahrungen dieser  Korps  lassen  den  Schluß  zu,  daß  die  Ausnützung 
der  Eessourcen  des  Kriegsschauplatzes  allein  die  gute  Ernährung 
einer  großen  Armee  nicht  zu  sichern  vermag. 

Nur  die  kombinierte  Anwendung  aller  Mittel  kann  die  Vei- 
pfleguug  in  allen  Lagen  möglich  machen,  also:  reiche  und  zweck- 
mäßige Ausrüstung  der  Truppen  und  der  Heereskörper  mit  mobilen 
Vorräten,  Ausnützung  der  Landesressourcen  und  Nachschub  von 
Verpflegung.  Der  Nachschub  großer  Verpflegsmassen  ist  immer 
schwierig,  sehr  teuer  und  erfordert  selbst  bei  den  wesentlich  besseren 
Nachsehubmitteln  von  heute  eine  gewaltige  und  zeitraubende  Arbeits- 
leistung. Je  mehr  man  daher  den  Nachschub  durch  volle  Aus- 
nützung der  Landesressourcen  entlastet,  desto  besser,  sicherer  und 
billiger  wird  die  Verpflegung  des  Heeres  sein.  Die  zweckmäßige 
Ausnützung  der  Ressourcen  des  Kriegsschauplatzes  ist  somit  die 
Bedingung  einer  guten  Verpflegung. 

Jedes  Verpflegssystem,  das  nicht  auf  die  Ausnützung  des 
Landes  aufgebaut  ist,  das  diese  Ausnützung  daher  auch  nur  im 
geringsten  erschw^ert  oder  die  Verpflegsorgane  zur  Hofifnung  auf  die 
ihnen  bequemere  Zustellung  der  Verpflegung  zur  Truppe  gewöhnt, 
muß  für  die  Armee  und  ihre  Erfolge  schädlich  werden. 

Jede  Zentralisierung  der  Requisition  bei  den  Divisionen  und 
Korps  erschwert  die  Ausnützung  des  Landes  für  die  Truppe  selbst 
dann,  wenn  ganze  Divisionen  vereint  lagern.  Noch  größer  müssen 
die  Nachteile  dieser  Zentralisierung  der  Requisition  werden,  wenn 
die  Truppen,  was  ja  jetzt  die  Regel  ist,  auf  einen  größeren  Raum 
verteilt,  in  mehreren  Ortschaften  untergebracht  sind. 

Diese  Zentralisierung  kommt  in  der  Theorie  vor  allem  dadurch 
zur  Geltung,  daß  man  mit  Vorliebe  an  die  Anlage  von  Magazinen 
(sogenannter  Marschmagazine)  durch  die  Intendanzen  denkt.  In 
diesen  Magazinen  sollen  die  von  einem  größeren  Gebiete  zu  liefernden 
Vorräte    von    den   Bewohnern   augesammelt   werden,   um   dann    mit 


—     oio     — 

den  Verptiegstrains  den  Truppen  zugeführt  zu  werden.  Es  ist  klar, 
daß  diese  Magazine  selten  rechtzeitig  fertig  werden.  Diese  Art  der 
Aufbringung  der  Landesmittel  ist  auch  nur  weit  vom  Feind  und 
bei  friedfertiger  Bevölkerung  möglieh. 

Daher  muß  die  Truppe  dort,  wo  sie  nächtigt,  die  Requisition 
selbst  durchführen.  Dazu  braucht  sie  ein  zahlreiches  und  gut  ge- 
schultes Verpflegspersonal.  Je  zahlreicher  das  Verpflegspersonal  der 
Truppen  ist,  desto  weniger  wird  bei  guter  VerpMegsbeschaflfung 
die  Truppe  selbst,  d.  h.  Offiziere  und  Mannschaft  der  Kompagnien, 
in  Mitleidenschaft  gezogen  werden  müssen.  Die  Truppe  übt  nur 
durch  ihre  Anwesenheit  einen  hohen  moralischen  Druck  auf  die 
Bevölkerung  aus,  sie  gibt  der  Anforderung  ihrer  Organe  Gewicht 
und  Rückhalt.  Wenigstens  zwei  Proviantoffiziere  für  jedes  Infanterie- 
regiment, noch  besser  aber  ein  Proviantoffizier  für  jedes  Bataillon 
und  je  zwei  Proviantoffiziere  für  jedes  Kavallerie-  und  Artillerie- 
regiment und  einige  berittene  Unteroffiziere  (Stabsführer)  bei  jedem 
Regiment  sind  nötig,  um  die  Requisition  zu  leiten  und  durch- 
zuführen. Die  Anforderung  ist  stets  an  die  Ortsbehörden  zu  stellen : 
die  abzuliefernden  Mengen  sind  genau  anzugeben.  Fehlen  die  Be- 
hörden, dann  sind  diese  sofort  aus  einflußreichen  und  angesehenen 
Einwohnern  neu  zu  bilden. 

Bare  Bezahlung  des  Eingelieferten  oder  wenigstens  Ausfolgung 
von  Anweisungen  auf  bestimmte  Kassen,  wobei  die  Preise  im  Feindes- 
land in  ausreichender  Weise  festzusetzen  sind,  werden  die  Requisition 
außerordentlich  ))egünstigen.  Strenge  und  rücksichtslose  Strafen 
werden  selbst  eine  feindselig  gesinnte  Bevölkerung  veranlassen,  ihre 
Vorräte  abzuliefern ;  die  Strafen  können  um  so  rücksichtsloser  an- 
gewendet werden,  je  humaner  und  disziplinierter  das  Land  ausgenützt 
wird.  Selbstverständlich  ist.  daß  mit  der  Verpflegung,  ob  sie  requiriert 
oder  nachgeschoben  wird,  auf  das  sorgsamste  gespart  werden  muß. 
Denn  wenn  einmal  die  Truppen  sehen,  daß  es  nicht  nötig  ist,  mit 
den  Vorräten  zu  sparen,  dann  ist  der  Verschwendung  und  Vernichtung 
der  unersetzlichen  und  für  den  Ausgang  der  Operationen  so  wichtigen 
Lebensmittel  nicht  mehr  Einhalt  zu  tun. 

So  meldete  General  Gudin  am  IG.  Oktober  an  Marschall  Davout: 

„ Ich  lege  einen  Abschnitt   meines  Befehles  (wegen  des 

Marodierens  und  Plünderns)  bei;  ich  fürchte  aber,  daß  er  nicht  viel 
nützen  wird,  denn  der  Soldat  ist  in  der  Verpflegung  so  begehrlich 
geworden,  daß  ihm  die  Ration  nicht  mehr  genügt." 


—     576     — 

Kaiser  Napoleon  sah  sieh  veranlaßt,  am  24.  Oktober  folgenden 
Armeebefehl  hinauszugeben : 

„ Der  Lebensmittel-  und  Fouragebedarf  der  Armee  wird 

täglich  größer;  es  ist  dringend  nötig,  den  Verptiegsdienst  zu  regeln, 
um  den  Mißbräuchen  vorzubeugen,  zu  denen  die  unberechtigten 
Fassungen  Anlaß  geben.  Daher  sind  die  Stände  genau  festzustellen 
und  in  Zukunlt  am  1.  jedes  Monats  zu  berichtigen,  damit  man  die 
Fassungen  regeln  und   den  Bedarf  im  vorhinein  bestimmen  könne." 

Damit  ist  wohl  über  alle  Verpflegssysteme,  deren  Wesen  ein 
Haushalten  mit  der  Verpflegung  ausschließt,  ein  einwandfreies  Urteil 
gefällt,  ein  Urteil,  das  bei  unseren  Millionenheeren  um  so  dringender 
zu  beachten  ist. 

Die  Truppe  darf  daher  nur  ihren  Tagesbedarf,  der  sich  nach 
ihrem  Stande  richtet,  verbrauchen,  wobei  es  sich  selbstverständlich 
nicht  um  jede  einzelne  Portion  handeln  kann:  eine  zweckmäßige, 
automatisch  eintretende  Abrundung  der  Gebühr  des  Truppenkörpers 
wird  die  Berechnung  der  Gebührsätze  und  die  Verrechnung  er- 
leichtern, ohne  in  eine  Verschwendung  von  Vorräten  auszuarten. 
Der  Tagesbedarf  soll  stets  schon  bei  der  Truppe  vorhanden  sein 
und  durch  die  Requisition  der  Truppe  täglich  wieder  ersetzt  werden. 
Was  die  Truppe  selbst  nicht  aufbringen  kann,  hat  sie  aus  den 
mobilen  Vorräten  des  Heereskörpers  zu  fassen.  Diese  Fassungen 
müssen  streng  geregelt  sein  und  es  muß  bei  ihnen  genau  dieselbe 
Disziplin  und  Ordnung  herrschen  wie  beim  Exerzieren  der  Truppe 
und  wie  im  Gefecht.  Alle  ^achteile  und  Schwierigkeiten,  die  man 
so  gerne  den  Fassungen  vorwirft,  haben  ihre  Ursachen  nicht  in  der 
Fassung  an  sich,  sondern  in  der  Truppe,  die  faßt.  Nur  schlecht 
disziplinierte  Truppen,  deren  Offiziere  und  Mannschaften  nicht  zur 
unbedingten  Ordnung  erzogen  sind  und  die  Wichtigkeit  einer  ge- 
regelten Verpflegstätigkeit  nicht  begreifen,  werden  nicht  in  Ordnung 
fassen  und  unter  den  Nachteilen  dieser  ungeregelten  und  ungeleiteten 
Fassungen  leiden. 

Zur  Leitung  der  Fassungen  muß  ein  Organ  bestimmt  werden, 
das  allen  Proviantoffizieren  der  Truppen  übergeordnet  ist,  das  mit 
den  weitesten  Vollmachten  und  mit  diskretionärer  Gewalt  zur  Auf- 
rechterhaltung der  Ordnung  auf  dem  Fassungsplatze  ausgestattet 
ist.  Diesem  Offizier,  etwa  einem  im  Hauptmanns-  oder  Majorsrange 
stehenden  Divisionsproviantoffizier,  müßte  eine  größere  Anzahl  von 
Hilfsorganen   zur  Besorgung   der  Ausgabe   der  Verpflegsartikel   und 


—     577     — 

eine  Abteilung  Feldgendarmen  oder  eine  Wache  zur  Aufrecht- 
erlialtung  der  Ordnung  beigegeben  werden.  Die  Hilfsorgane  (Offiziere, 
Unteroffiziere  und  Soldaten  der  Verptiegstruppe)  haben  die  Verpflegs- 
artikel  nach  einer  strenge  einzuhaltenden  Fassungseinteilung  und 
gegen  Quittierung  der  empfangenden  Proviantoffiziere  auszugeben. 
Von  den  fassenden  Truppen  haben  nur  ein  Proviantolfizier,  einige 
Stabsführer  und  einige  Leute  mit  den  unbedingt  nötigen  Proviant- 
wagen zur  Fassung  zu  erscheinen ;  die  Truppe  selbst  hat  daher  mit 
der  Fassung  nichts  zu  tun.  Je  geschickter  die  Verpflegsorgane  der 
Truppe  (Proviantoffiziere  und  Stabsführer)  die  Requisition  betreiben, 
desto  weniger  werden  sie  fassen  müssen,  desto  schneller  werden  sie 
also  mit  der  ihnen  immerhin  lästigen  Fassung  fertig  sein. 

Die  Intendanzen  haben  die  mobilen  Vorräte  durch  Requisition 
und  Nachschub  zu  ergänzen.  Sie  schreiben  zur  Füllung  der  Ver- 
pflegstrains  Requisitionen  nur  außerhalb  der  Nächtigungsräume  der 
Truppen  und  in  Orten  aus,  die  weit  mehr  Verpflegung  liefern  können 
als  die  dort  nächtigenden  Truppen  brauchen.  Die  Intendanzen  wirken 
so  auf  dem  Wege  der  Fassungsvorräte  helfend  und  ausgleichend, 
ohne  in  die  Selbsttätigkeit  der  Truppen  hindernd  einzugreifen. 

Die  Verpflegung  einer  Armee  im  Felde  kann  nur  ein  „System 
von  Aushilfen"  sein.  Daher  muß  ein  kriegsmäßiges  Verpflegssystem 
elastisch  sein.  Ein  starres  Verpflegssystem,  das  auf  einen  regel- 
mäßigen Staffelturnus  aufgebaut  ist  und  bei  dem  den  Truppen  täglich 
ihr  ganzer  Bedarf  bis  zu  dem  grammweise  bemessenen  Gewürz  zu- 
gestellt werden  soll,  ist  daher  nicht  kriegsmäßig.  Ebensowenig 
ist  eine  strenge  Scheidung  in  normale  und  Konservenverpflegung 
denkbar. 

Die  unausgesetzt  notwendigen  Aushilfen  und  Abhilfen  fordern 
die  rege  Mitwirkung  aller  Teile  der  Armee  zur  Befriedigung  ihrer 
Bedürfnisse.  Die  volle  Selbsttätigkeit  der  Truppen  ist  die  Bedingung 
der  genügenden  Verpflegung  einer  größeren  Armee.  Zur  guten 
Verpflegung  jeder  Armee  ist  aber  auch  die  volle  Mit- 
wirkung aller  Generale,  vom  Armeekommandanten  bis  zum 
Brigadier,  und  die  aufopfernde,  selbstlose  Tätigkeit  des 
ganzen  Generalstabes  nötig.  Eine  Armee,  bei  der  Generale  und 
Generalstab  es  unter  ihrer  Würde  finden,  sich  um  die  Verpflegung 
zu  kümmern,  wird  immer  hungern  und  selten  siegen.  Napoleon  und 
sein  hervorragendster  Marschall,  Davout,  mögen  allen  als  Beispiel 
und  als  nachahmenswerte  Muster  dienen. 

Krause.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  37 


—     578     — 

Wer  Nap'ileoü  und  dessen  Sorgfalt  für  die  Verpflegung  anders 
beurteilt,  tut  diesem  Kriegsmeister  Unreclit.  Allerdings  wußte  Napoleon 
immer,  was  er  tat  und  warum  er  es  tat.  So  charakterisierte  Napoleon 
seinen  Vorgang  im  Jahre  1805  selbst  am  besten  in  einem  Sehreiben 
vom  24.  Oktober  an  den  GeneraUntendanten  Petiet: 

„Wir  sind  ohne  Magazine  marschiert.  Wir  waren  durch  die 
Umstände  dazu  gezwungen.  Wir  haben  hiefür  eine  äußerst  günstige 
Jahreszeit  gehabt;  aber  obwohl  wir  immer  siegreich  waren  und  ob- 
gleich wir  Gemüse  in  den  Feldern  fanden,  haben  wir  viel  gelitten. 
Zu  einer  Jahreszeit,  in  der  wir  keine  Erdäpfel  in  den  Feldern 
gefunden  hätten  oder  wenn  die  Avmee  einige  Unglücksfälle  erlitten 
hätte,  würde  uns  der  Mangel  an  Magazinen  ins  größte  Unglück  ge- 
stürzt haben." 

Napoleon  hatte  die  (iefahr,  die  darin  gelegen  war,  den  Krieg 
schlecht  vorbereitet  und  schlecht  ausgerüstet  zu  beginnen,  vollkommen 
erkannt.  Er  wußte  aber,  daß  seine  Armee  der  des  Feindes  weit 
überlegen  war;  er  wußte,  daß  die  Jahreszeit  knapp  nach  der  Ernte 
und  vor  Anbruch  des  Winters  die  Gefahren  der  schlechten  Ver- 
pflegsausrüstung etwas  herabminderte.  Diese  klare  Erkenntnis  der 
Verhältnisse  und  der  möglichen  Abhilfen,  sein  Selbstvertrauen  und 
sein  Kraftbewußtsein  ließen  ihm  das  unternehmen,  was  er  klar  als 
Wagnis  erkannte  und  nicht  die  Mißachtung  von  Train  und  Ver- 
pflegung, wie  viele  glaubten  und  noch  glauben.  Die  klare  Erkenntnis 
der  Mängel  seiner  Kriegsvorbereitung  und  ihrer  Folgen  und  damit 
die  Anpassung  seiner  Operationen  an  sie  hat  die  Verhältnisse,  an 
denen  die  österreichische  Armee  wegen  des  Mangels  dieser  Er- 
kenntnis zu  gründe  gegangen  ist,  füi-  seine  Armee  weniger  gefährlich 
gemacht.  Dieses  Wagnis  dürfte  aber  ein  zweitesmal  niemand  ge- 
lingen, außer  man  hätte  das  wohl  unerhörte  Glück,  auf  einen  zweiton 
Mack  zu  treffen. 

Hier  muß  nochmals  auf  die  bereits  Seite  232  angeführte  Stelle 
aus  „La  Oampagne  de  1805  en  Alemagne"  :  „Wenn  das  Genie  Na- 
poleons unseren  Waffen  nicht  den  Triumph  von  Ulm  und  Austerlitz 
verschafft  hätte,  welche  Schlüsse  hätte  man  nicht  aus  dieser  so  un- 
genügenden Vorbereitung  gezogen!"  gegriffen  werden. 

Das  Schicksal  der  österreichischen  Armee  schließt  das  Beispiel 
erst  vollkommen ;  es  zeigt,  wohin  es  führt,  wenn  eine  Armee,  derem 
Führer  nicht  ein  Genie  gleich  dem  Napoleons  zu  Gebote  steht,  auch 
noch  in  materieller  Beziehung  vernachlässigt  wird. 


—     579     — 

Eine  Armee,  für  deren  materielle  Bedürfnisse  verständig  in 
ausreichendem  Maße  gesorgt  wird,  geht  mit  ihrem  Führer  in  Ehren 
unter,  wenn  die  operative  und  taktische  Führung  des  Feindes  weit 
überlegen  ist  —  eine  Armee  aber,  bei  welcher  der  schlechteren  Führung 
auch  noch  die  Vernachlässigung  oder  Mißachtung  der  materiellen 
Vorsorgen  zur  Seite  steht,  muß,  wie  die  österreichische  1805,  un- 
rühmlich zu  gründe  gehen ;  ihre  schuldtragenden  Führer  aber  be- 
laden sich  mit  schwerer  Schuld  und  mit  Schimpf  und  Schande. 


31* 


XXn.  Schlußwort. 

Der  Krieg  von  1805  ist  einer  der  interessantesten  Kriege  der 
Neuzeit. 

Das  erstemal  steht  Napoleon,  der  bisher  mir  kleine  Armeen  von 
höchstens  45.000  Mann  ins  Feld  geführt  hatte,  an  der  Spitze  einer  ge- 
waltigen Heeresmacht  von  über  200.000  Kriegern.  Im  ersten  Teil  des 
Krieges  gelingt  es  ihm  die  eine,  über  70.000  Mann  starke  Armee  seiner 
verbündeten  Feinde  ohne  Schlacht  fast  ganz  zu  vernichten;  im  zweiten 
Teil  des  Krieges  zerschmettert  er  in  seiner  ersten  großen  Schlacht  — 
in  der  Schlacht  bei  Austerlitz  —  seine  Feinde  vollkommen. 
Diese  große  Schlacht  ist  die  einzige,  in  der  ein  gi'oßangelegter 
Gegen angrifif  gelingt;  sie  ist  die  einzige,  in  der  ein  Durchbruch  durch 
die  feindliche  Schlachtfront  den  entscheidenden  Sieg  herbeiführte. 
Dieser  Krieg  ist  der  erste,  in  dem  Napoleon  auch  an  die  Verpflegung 
einer  gewaltigen  Heeresmacht  zu  denken  hatte. 

Es  ist  daher  klar,  daß  dieser  Krieg  eine  Fülle  von  Belehrung 
bieten  muß,  besonders  deshalb,  weil  man.  dank  den  reichen 
französischen  Quellen,  dem  Kriegsmeister  ziemlich  tief  in  die  Karten 
sehen  kann. 

Wo  der  Verfasser  Folgerungen  aus  den  Ereignissen  ziehen 
konnte,  wurden  dessen  Ansichten  den  Schilderungen  der  Ereignisse 
unmittelbar  angeschlossen. 

Aus  dem  Verlauf  des  ganzen  Feldzuges  kann  man  drei  große 
Lehren  ziehen. 

Die  erste  betrifft  die  Politik. 

Ib05  stand  ein  großer  Staatsmann,  der  zugleich  einer  der 
größten  Feldherren  war,  den  Diplomaten  alter  Schule  gegenüber. 

Der  Staatsmann  Napoleon  hatte  ein  klares,  bestimmtes, 
großes  Ziel:  die  Niederwerfung  der  maritimen  Übermacht 
Englands. 


—    581     - 

Gestützt  auf  eine  starke,  dem  Volk  entsprungene  Heeresmacht 
geht  dieser  Staatsmann  gerade  und  ohne  viele  Winkelzüge  auf  sein 
Ziel  los.  Ohne  jede  Bemäntelung  schleudert  er  seinen  Gegnern,  die 
von  England  ins  erste  Treffen  gestellt  worden  waren,  seine  Ab- 
sichten entgegen ;  er  beherrscht  zwar  als  großer  Menschenkenner 
alle  Schliche  und  Winkelzüge  der  zünftigen  Diplomatie,  gebraucht 
sie  aber  fast  nie  oder  doch  nur,  wo  es  gut  ist,  die  Diplomaten  mit 
gleichen  Waffen  zu  bekämpfen. 

Gegen  Ende  August  1805  erkannte  Napoleon,  der  über  alle 
Vorgänge  in  Wien  vorzüglich  unterrichtet  war,  daß  der  Kontinental- 
krieg unvermeidlich  war,  weil  Österreich  dem  Kriege  mit  Prankreich 
unaufhaltsam  zutrieb,  trotz  allen  Warnungen  Napoleons  und  trotz 
dessen  Abneigung  gegen  einen  solchen  Krieg. 

Sobald  dieser  große  Staatsmann  erkannt  hatte,  daß  der  Kon- 
tinentalkrieg früher  oder  später  unvermeidlich  sei,  kommt  er  seinen 
Feinden  rasch  zuvor.  Er  wollte  diesen  unvermeidlichen  Krieg 
nicht  hinausschieben  und  den  Riß  nicht  nur  verkleistern,  wie  es 
Diplomaten  so  gerne  tun,  sondern  er  wollte  diesen  unvermeidlichen 
Krieg  austragen  zu  einer  Zeit,  die  ihm  in  seine  Politik  paßte  und 
ihm  vor  allem  militärisch  günstig  war.  Er  wollte  deshalb  den 
Kontinentalkrieg  im  Winter  abtun,  der  ohnedies  die  Landung  in 
England  ausschloß,  um  sich  im  Frühjahre  wieder  seinem  politischen 
Ziele  zuzuwenden :  der  Niederwerfung  Englands,  Er  w^ollte  demnach 
den  Verbündeten  keine  Zeit  lassen,  ihre  Armeen  zu  rüsten  und  zu 
vereinigen,  sondern  sie  gerade  dann  und  dort  angreifen,  wo  sie  am 
wenigsten  Widprstand  leisten  konnten  und  wo  sein  Angritf  am 
raschesten  zum  Ziele  führen  mußte. 

Nur  Nelson  hat  England  davor  bewahrt,  daß  Napoleon  sein 
politisches  Programm  mit  Erfolg  beendete.  Wie  gewollt,  waren  die 
Kontinentalmächte  noch  vor  dem  Ende  des  Jahres  1805  nieder- 
geworfen, und  hätte  Napoleon  einen  einzigen  Admiral  besessen,  der 
mehr  gegolten  hätte  als  sein  Titel,  dann  wäre  England  nie  das 
Weltreich  von  heute  geworden.  Nur  die  Vernichtung  seiner  Flotte 
bei  Trafalgar  und  die  Unmöglichkeit  während  des  Krieges  mit  Eng- 
land eine  neue  Flotte  zu  schaffen,  haben  Napoleon  verhindert,  sein 
politisches  Ziel  weiter  zu  verfolgen  und  damit  der  Welt  zu  beweisen. 
wie  richtig  der  Soldat  als  Politiker  1805  gehandelt  hat. 

Die  Engländer  haben  es  in  rücksichtslosem  Egoismus  ver- 
standen,   die    Kontinentalmächte    in    den    Krieg    mit  Prankreich  zu 


—     582     — 

hetzen.  Sie  haben  die  Politik  immer  als  ein  kaufmännisches  Geschäft 
betrachtet,  das  bekanntlich  als  höchstes  Ziel  den  Gewinn,  den  reinen 
Nutzen  ansieht ;  die  englische  Politik  ist  daher  auch  immer  nur  auf 
diesen  Gewinn  losgegangen,  nie  hat  sie  sich  durch  im  Staatenleben 
unfaßbare  und  wertlose  Gefühle  und  Begriffe,  wie  Legitimitätsprinzip, 
politisches,  privates  und  Fürsteureeht,  Humanität,  Edelmut,  fremde 
Volksinteressen  u.  dgl.  beeinflussen  oder  mildern  lassen.  Die  englische 
Politik  hat  nur  vor  der  realen  Kraft  haltgemacht,  wenn  die  Bilanz 
ergeben  hat,  daß  der  unsichere  Gewinn  das  Risiko  nicht  wert  ist. 
Es  ist  selbstverständlich,  daß  eine  solche  Politik  ihre  blutigen  Ge- 
schäfte, soweit  sie  unsicher  sind,  heber  durch  andere  besorgen  läßt- 

So  hat  König  Eduard  VII.,  der  die  Geschichte  Englands  mit 
Erfolg  studiert  hat,  (he  altenglische  Politik  auch  gegen  Deutschland 
angewendet,  weil  dieses  in  Handel  und  Industrie  Englands  ge- 
fährlicher Nebenbuhler  geworden  ist.  Nur  waren  1908  die  kon- 
tinentalen Rollen  anders  verteilt.  Die  russischen  Diplomaten  scheinen 
sich  am  leichtesten  für  dieses  Spiel  gewinnen  zu  lassen,  da  sie  1805 
und  1908  an  der  Spitze  der  Landsknechte  Englands  standen.  An 
Stelle  Österreichs,  das  1805  nur  widerwillig  dem  Drucke  Rußlands 
folgte,  war  1908  Frankreich  getreten.  Dasselbe  Frankreich,  dessen 
größter  Herrscher  1805  „sechshundertjährige,  von  England  erduldete 
Schmach"  rächen  wollte  und  gegen  das  sich  damals  dieselbe 
englische  Politik  richtete,  die  es  1908,  durch  seine  Diplomaten  an 
England  gelehnt  und  durch  das  Bündnis  mit  Rußland  gezwungen, 
unterstützen  wollte. 

Nur  die  Unfertigkeit  des  russischen  Heeres  und  die  gewaltige 
Heeresmacht  Deutschlands  und  Österreich-Ungarns  haben  das 
englische  Spiel  verdorben;  nur  sie  haben  die  Franzosen  davor  be- 
wahrt, daß  sie  in  gleicher  Weise  für  Englands  kaufmännischen 
Gewinn  verbluteten  wie  die  Völker  Österreichs  im  Jahre  1805. 

Es  ist  nur  wunderlich,  daß  diese  englische  Politik  immer 
kontinentale  Diplomaten  findet,  die  ihr  dienen. 

Man  muß  aber  zugeben,  daß  diese  englische  Politik,  vom 
Standpunkte  Englands  aus  betrachtet,  die  einzig  vernünftige  und 
wie  die  Geschichte  beweist,  erfolgreiche  ist. 

Auf  österreichischer  Seite  taumelten  die  Diplomaten  in  den 
aussichtslosen  Krieg.  Aus  Furcht  vor  dem  Kriege  mit  Napoleon 
buhlten  sie  förmlich  um  die  Gunst  und  Freundschaft  Rußlands,  auf 
dessen    fragwürdige  Hilfe    sie  nicht  verzichten  wollten.    Alle  Rück- 


—     5«o     — 

sic;htslosig-keiten  Eußlands  wurden  still  geduldet,  um  nur  ja  nicht 
das  Bündnis  zu  gefährden.  Kein  Wunder,  daß  EiiCland  immer 
herausfordernder  und  rücksichtsloser  gegen  Österreich  auftrat,  obwohl 
es  ohne  dieses  seine  im  Dienste  Englands  gegen  Napoleon  gehegten 
Absichten  nicht  erreichen  konnte,  da  ohne  Osterreich  ein  Krieg 
Rußlands  gegen  Frankreich  undenkbar  war. 

-^Nur  der  beste  österreichische  General,  Erzherzog  Karl, 
vertrat  nicht  den  Krieg,  wie  man  glauben  sollte,  sondern  den 
Frieden  mit  Frankreich,  weil  dieser  gute  General  wußte  und  fühlte, 
daß  Politik  und  Heeresraacht  im  Einklänge  stehen  müssen.  Daher 
vertrat  er  die  Ansicht,  daß  das  Heer  verstärkt  und  verbessert  werden 
müsse,  bevor  man  sich  in  einen  Krieg  stürzte,  und  daß,  weil  das 
Heer  doch  nur  ein  Teil  des  Staates  sei,  vor  allem  der  ganze  Staat 
durch  Reformen  in  der  Verwaltung  und  in  den  Finanzen  gekräftigt 
und  gestärkt  werden  müsse:  und  da  den  dazu  nötigen  Frieden 
wieder  nur  ein  starkes  Heer  sichern  konnte,  so  war  eben  die  Grund- 
fordernng  der  in  Zukunft  aktiven  Politik:  ein  starkes  und  gut 
organisiertes,  kriegsbereites  Heer.  ^ 

Politik  und  Heeresmacht  müssen  also  im  Einklang  stehen.  Es 
ist  unsinnig,  ohne  kriegsbereites  Heer  eine  aktive,  in  die  Welt- 
ereignisse (Mngr<'ifende  Politik  führen  zu  wollen;  es  ist  aber  ebenso 
widersinnig,  ein  starkes  Heer  kriegsbereit  zu  halten  und  politisch  zu 
schlafen.  Dieser  Einklang  fordert  somit  vor  allem,  daß  eine  Regierung, 
die  etwas  in  der  Welt  gelten  will,  ihre  ganze  Kraft  einsetze,  um 
das  Instrument  für  die  entsprechende  Politik  zu  schaffen,  ein  kriegs- 
bereites, starkes  Heer.  Er  fordert  aber  weiter,  daß  der  Lenker  der 
Politik  es  verstehe,  der  Verwendung  dieses  Instruments  richtig  vor- 
zuarbeiten und  diese  Verwendung  im  Laufe  der  Ereignisse  zu  fordern, 
nie  aber  zu  hemmen. 

Die  richtigste  Verwendung  einer  starken,  kriegsbereiten  Armee 
ist  der  Überfall  des  unfertigen  Gegners.  Die  Politik  soll  daher  dahin 
arbeiten .  einen  früher  oder  später  unvermeidlichen 
Krieg  so  vorzubereiten  und  auszutragen,  daß  der  unfertige  Gegner 
mit    weit  überlegenen  Kräften  überfallen  werden  könne. 

Man  hat  oft  geäußert,  Napoleon  habe  es  leicht  gehal)t.  zu 
siegen,  weil  er  immer  eine  große  Übermacht  ins  Feld  stellen  konnte. 
Darauf  kann    man    rmr  mit  Erzherzog  Karls  Ausspruch   antworten: 

„Schwachköpfe  wollten  Bonapartes  Ruhm  durch  die  Bemerkung 
schmälern,   daß  er  die  meisten  Erfolge  seiner  überlegenen  Kraft 


—     584     — 

verdanke.  Gibt  es  wohl  ein  größeres  Lob  für  den  Staatsmann,  als 
daß  er  keinen  Krieg  oder  Feldzug  begann,  ohne  solch  einer  Über- 
legenheit sieher  zu  sein?  Selbst  dort,  wo  seine  Streitkräfte  im  ganzen 
mit  den  feindlichen  gleich  stark,  ja  sogar  oft  schwächer  waren,  wie 
z.  B.  in  den  Feldzügen  von  1796  und  1814.  wußte  er  sich  die  Über- 
legenheit auf  den  entscheidenden  Punkten  in  verhängnisvollen  Mo- 
menten zu  verschaffen." 

Daher  würden  auch  die  Soldaten  und  Diplomaten  fehlgehen, 
die,  um  einen  Krieg  recht  billig  zu  machen,  rechnen  würden:  der 
Feind  hat  10  Divisionen,  daher  genügen  12  Divisionen  für  den 
Krieg.  Nein!  20  Divisionen  wären  in  diesem  Falle  gerade  ge- 
nügend. Der  gleich  mit  20  Divisionen  begonnene  Krieg  wird  viel 
billiger  werden  —  an  Blut  und  an  Geld  —  als  der  mit  12  Divi- 
sionen begonnene  und  mit  20  mühsam  zu  Ende  geführte.  Man  er- 
kenne diese  Wahrheit  nur  an  den  Kriegen  1805  —  wo  der  merk- 
würdige Aufmarsch  in  der  Wirkung  einer  partiellen  Mobilisierung 
gleichkam  —  1877/78  (Russen),  1878  (Österreich-Ungarn),  am 
Burenkrieg  der  Engländer  und  am  russisch-japanischen  Krieg 
(Russen). 

Erzherzog  Karl  hatte  auch  den  wahren  Wert  des  Bündnisses 
mit  Rußland  erkannt.  Er  hatte  davor  gewarnt,  sein  Heil  von  einem 
Bündnis  zu  erwarten,  liesonders  aber  von  einem  Bündnis  mit  Ruß- 
land, weil  noch  unausgetragene  Difi'erenzeu  die  Aufrichtigkeit  dieses 
Bündnisses  zweifelhaft  erscheinen  ließen.  Er  hatte  sich  dagegen  ge- 
stemmt, dieses  fragwürdige  Bündnis  durch  Preisgabe  der  Würde  des 
Staates  zu  erkaufen,  zu  vergessen,  welche  Demütigung  Österreich 
noch  vor  Jahresfrist  von  Kußland  erdulden  mußte  und  sieh  würdelos 
den  Herausforderungen  und  Ansprüchen  Rußlands  zu  fügen.  Er  er- 
kannte, daß  dieses  Bündnis  Österreich  nicht  vor  dem  Kriege  be- 
wahren, sondern  es  gegen  seinen  Willen  in  einen  Krieg  treiben 
werde.  Der  Erzherzog  berief  sich  auch  auf  die  Geschichte,  die  größte 
Lehrmeisterin  der  Menschheit.  Umsonst !  Denn  alle  Minister  des  Kaisers 
Franz  waren  von  Jugend  auf  gewöhnt,  nur  Rechte  auszuüben  und 
keine  Pflichten,  auch  nicht  die  Pflicht,  zum  Wohle  der  Gesamtheit 
etwas  zu  lernen. 

Preußen  wollte  1805  neutral  bleiben,  es  wollte  den  Krieg 
um  jeden  Preis  vermeiden.  Die  Diplomaten  und  der  König  hofiften, 
in  Frieden  leben  zu  können,  während  Teile  Preußens  vom  Kriege 
umbrandet    werden    mußten.     Sie  hofften    vielleicht   auch  zu  ernten, 


—     585     — 

ohne  zu  säen ;  sie  wollten  wohl  Hannover  erwerben,  aber  keinen 
Preis  dafür  zahlen,  sie  wollten  es  erwerben,  ohne  seinen  früheren 
Besitzer,  England,  zu  verletzen. 

Die  Diplomaten  sahen  es  nicht  ein,  daß  es  für  Preußen  ein- 
fach unmöglich  war,  in  einem  mitteleuropäischen  Krieg,  in  einem 
Kriege,  der  auf  Deutschlands  Boden  ausgekämpft  werden  mußte, 
neutral  zu  bleiben. 

Der  unbedingte  Wille  zum  Frieden  ließ  Preußen  das  schroffe 
Verhalten  Eußlands  und  selbst  die  Verletzung  seines  Gebietes  durch 
die  Franzosen  ertragen. 

Preußen  hat  damit  den  Krieg  nicht  vermieden,  aber  sein  Ver- 
halten 1806  schwer  gebüßt. 

Die  Lehre,  die  man  aus  all  dem  ziehen  kann,  ist: 
y'Man  treibe  seine  Politik  so  skrupellos,  rücksichtslos  und 
egoisttFTch  wie  die  Engländer.-^Der  Leiter  der  Politik  trachte  aber 
dabei,  die  Politik  wie  ein  Staatsmann  (Napoleon,  Pitt,  Bismarck) 
zu  führen  und  verzichte  darauf,  nur  Diplomat  zu  sein.  Dazu  ge- 
hört vor  allem,  daß  er  ein  positives  Ziel  hat  —  die  Erhaltung 
des  so  beliebten  Status  quo  ist  kein  solches  Ziel  —  und  den  Mut, 
dem  Unvermeidlichen  ins  Auge  zu  seheij^  Er  darf  da  allerdings 
nicht  nur  alle  Reibungen  vertuschen  und  alle  Schwierigkeiten  durch 
Nachgeben  und  Selbstentäußerung  beseitigen.  Das  tun  wohl  Diplo- 
maten gern,  ein  Staatsmann  tut  so  etwas  nie,  denn  er  weiß, 
daß  nur  der  Energische,  Starke  und  Selbstbewußte  in  der  Welt  ge- 
achtet und  beachtet  wird.'^Eine  Politik,  die  nicht  den  Mut  hat,  an 
ihr  letztes  Mittel,  an  den  Krieg  zudenken,  wird  immer  schwäch- 
lich sein.  Ein  wirklicher  Staatsmann  treibt  aber  nie  eine  schwäch- 
liche Politikf^weil  er  weiß,  daß  fortwährende  Nachgiebigkeit,  ab- 
sichtliches Nichtbeachten  und  Vertuschen  von  üngehörigkeiten  und 
Herausforderungen,  Aufdrängen  einer  Freundschaft,  die  nicht  an- 
genommen und  nicht  erwidert  wird,  einen  Kriegsausbruch  nicht 
verhindern,  sondern  eher  begünstigen,  weil  dieses  Verhalten  nicht 
als  ehrliche  Friedensliebe,  sondern  immer  als  Schwäche  und  Furcht 
vor  dem  Kriege  ausgelegt  werden  wird.  Dieses  Verhalten  muß  den 
andern  daher  nur  anregen,  in  seinem  aufreizenden,  aber  ungefähr- 
lichen Verhalten  fortzufahren,  bis  die  Situation  gerade  dann  zum 
Kriege  drängt,  wenn  es  der  immer  Nachgiebige  und  Nachsichtige 
gar   nicht    erwartet.     Ein  Staatsmann    wird   daher,   ohne  leicht- 


—     586     — 

fertig  mit  dem  Sehwert  zu  rasseln,  doch  deutlieh  zeigen  und  fühlen 
lassen,  daß  er  den  Krieg  nicht  fürchtet,  und  so  sehr  er  auch  die 
Greuel  eines  Krieges  verabscheuen  mag,  wird  er  doch  immer  mit 
einem  Kriege  rechnen  und  nicht  danach  streben,  ihn  um  jeden 
Preis,  selbst  um  den  Preis  der  Würde  und  des  Ansehens  seines 
Staates  zu  vermeiden. 

\^Ein  Staatsmann  muß  daher  dieses  letzte  Mittel  einer  starken 
Politik  —  denKrieg  —  und  das  Instrument  dazu  —  die  Armee 
—  gut  kennen.  Er  muß  somit  militärisch  gebildet  oder  militärisch 
sehr  befähigt  sein;  er  muß  wissen,  was  der  Gebrauch  der  Armee 
von  der  Politik  fordert,  er  muß  wissen,  wie  schon  die  Politik 
einen  unvermeidlichen  Krieg  zum  siegreichen  Ausgange  vorbereiten 
soll,  denn  eine  schlecht  geführte  Politik  kostet  die  Armee  nutzlos 
vergossene  Ströme  von  Blut.  Ein  Staatsmann  wird  in  der  Politik 
nicht  eiufaeh  „fortwursteln",  bis  ihm  der  Krieg  vielleicht  gerade 
dann  aufgezwungen  wird,  wenn  Staat  und  Heer  am  wenigsten  kriegs- 
bereit sind,  wie  im  Jahre  1805:  er  darf  daher  wohl  nicht  mit  dem 
Krieg  als  Drohung  spielen,  aber  er  darf  ihn  auch  nicht  fürchten, 
wenn  ihn  das  Wohl  oder  das  Ansehen  des  Staates  fordern.  Fehlt 
dem  Lenker  der  Politik  aber  das  militärische  Wissen,  treibt  er  daher 
seine  Politik  ohne  die  innige  Beziehung  auf  einen  jederzeit  mög- 
lichen Krieg,  dann  kann  er  vielleicht  ein  geriebener  Diplomat  sein, 
ein  großer  Staatsmann  wird  er  nie.  Er  wird  nur  wieder  gegen  Diplo- 
maten bestehen  können,  einem  Staatsmanne  wird  er  immer  unterliegen.  ^ 
Napoleon  sagte  zum  österreichischen  Gesandten: 
„Nicht  daß  Ihr  nicht  eine  zahlreiche  und  starke  Armee  habt, 
aber  300.000  Mann  rasch  in  Bewegung  setzen,  das  kann 
nur  ein  einziger  Kopf  tun;  ein  Kabinett  kann  das  im  Vergleiche 
dazu  nur  langsam  machen." 

Wohl  dem  Staate  daher,  wo  der  Monarch  die  Fähigkeiten  hat. 
Staatsmann  und  Feldherr  zugleich  zu  sein. 


Die  zweite  Lehre  betrifft  die  Entschlußfassung  militärischer 
Führer. 

In  den  meisten  Menschen  steckt  der  Hang  zur  Defensive,  zur 
reinen  Abwehr  irgend  einer  Unbill. 

Das  kommt  im  gewöhnlichen  Leben  der  Menschen  in  allen 
Berufen  zum  Ausdrucke:    schlägt  einmal  ein  Individuum   aus  dieser 


—     587     — 

Art,  ist  es  ein  energischer  und  rücksichtslos  zum  Angrifl"  auf  seine 
Mitmenschen  gestimmter  Charakter,  dann  wird  es  in  seinem  Beruf 
immer  herv^orragen  und  besonders  erfolgreich  sein. 

Dieser  Hang  zur  Defensive  kommt  auch  in  der  Schulung  zum 
Truppenführer  trotz  dem  entgegengesetzten  Streben  zum  Ausdrucke. 
Wir  Soldaten  sind  auch  im  allgemeinen  danach :  Obwohl  wir  wissen, 
dal]  nur  der  Angriff  Erfolg  bringt,  beherrscht  uns  doch  im  all- 
gemeinen unsere  Natur,  nämlich  der  Hang  zur  einfachen  Abwehr 
der  vom  Feind  erwarteten  oder  gefürchteten  Handlungen ;  daher 
fallen  auch  die  meisten  bei  den  geringsten  Schwierigkeiten  in  die 
Abwehr  oder  sie  greifen  zwar  an,  aber  nicht  mit  ganzem  Herzen 
und  nur  mit  einem  unklaren  und  daher  leicht  seh  wankenden  Willen; 
sie  greifen  eben  an,  um  sich  zu  verteidigen  und  weil  sie  einmal  ge- 
lernt haben :  die  beste  Verteidigung  sei  der  Angriff",  aber  nicht  weil 
sie  der  unbändige  Wille  beheiTScbf,  dem  Feinde  den  eigenen  Willen 
aufzuzwingen. 

Schlägt  einer  ans  dieser  Art,  ist  ihm  der  Angriff'  Natur,  um 
den  anderen  den  eigenen  Willen  aufzuzwingen,  so  daß  er  sich  nur 
ein  oder  das  andere  Mal  vei'teidigt,  um  um  so  sicherer  und  energischer 
nach  seinem  Willen  angreifen  zu  können,  dann  wird  er  je  nach 
seinen  sonstigen  Fähigkeiten  immer  ein  vorzüglicher  Soldat  und 
Führer  sein. 

In  der  Schulung  kommt  der  Hang  zur  Abwehr  zum  Ausdruck, 
indem  man  immer  hört  und  lernt,  zuerst  zu  ergründen:  Was  macht 
der  Feind?  um  danach  sein  Handeln  einzurichten.  Steht  doch  auch 
an  der  Spitze  aller  unserer  Dispositionen,  gewissermaßen  als  Voraus- 
setzung alles  tbigenden.  nicht  der  eigene  Wille  oder  die  eigene 
Aufgabe,  sondern:  „Der  Feind.  .  ."  So  kommt  es.  daß  man  sich 
immer  zuerst  den  Kopf  zerbricht,  was  wohl  der  Feind  machen  wird, 
um  danach  sein  Handeln  einzurichten,  und  da  man  selbst  eine  Un- 
zahl Möglichkeiten  erdenkt,  so  kommt  man  entweder  zu  gar  keinem 
klaren  Entschluß  oder  man  gebiert  endlich  mit  Sehmerzen  einen 
Entschluß,  um  ihn  bei  der  geringsten,  der  Voraussetzung  nicht  ent- 
sprechenden feindlichen  Gegenwirkung  fallen  zu  lassen  oder  dem 
feindlichen  Handeln  anzupassen.  Meist  macht  aber  der  Feind  etwas 
ganz  anderes  als  das,  was  man  ihm  unterlegt  hat.  Weil  man  aber 
seinen  Entschluß  auf  dem  Wege  der  Ableitung  aus  den  wahrschein- 
lichen fehidlichen  Handlungen  gewonnen  hat,  so  stimmt  jetzt  diese 
Voraussetzung  nicht    und  man  gibt  nun  ganz  unwillkürlich  der  tat- 


—     588     — 

sächlichen  Handlung  des  Feindes  nach,  obwohl  sie  gar  nicht  die 
Grundlage  des  Entschlusses  ist,  d.  h.  man  paßt  nun  seinen  Entschluß 
der  geänderten  feindlichen  Handlung  an.  Das  läßt  sich  bei  Kriegs- 
spielen und  bei  Manövern  beobachten  und  aus  der  Kriegsgeschichte 
erkennen.  So  geht  meist  die  Initiative  verloren,  die  man  doch  immer 
im  Munde  führt,  aber  im  Wesen  nie  hat. 

Im  Kriege  ist  fast  immer  selbst  die  Situation  des  Feindes 
unbekannt,  oder  wenn  sie  bekannt  wird,  so  ist  sie  doch  unsicher 
und  meist  veraltet,  weil  ein  großer  Teil  der  Meldungen  ungenau 
oder  sogar  falsch  ist  und  die  Meldungen  oft  einige  Tage  brauchen, 
bis  sie  ans  Ziel  kommen.  Die  Absicht  des  Feindes,  das  was  er 
augenblicklich  anstrebt,  was  er  also  aus  einer  vielleicht  sogar  genau 
bekannten  Situation  heraus  tun  will  und  wird  —  das  weiß  man  nie! 

Mau  muß  also  im  Kriege  immer  in  voller  Unkenntnis 
der  feindlichen  Situationen  und  Absichten  handeln. 

Gerade  der  Feldzug  von  Ulm  zeigt  das  in  der  deutlichsten 
Weise.  Selbst  Napoleon,  dieser  Meister  des  Krieges,  bleibt  mit  seiner 
Sehergabe  machtlos  gegenüber  der  Machtvollkommenheit  seines 
Feindes,  das  Unvernünftigste  und  Unglaublichste  zu  machen.  Er 
irrt  sich  unauss-esetzt  über  das,  was  der  Feind  tun  wird,  er  unter- 
schiebt dem  feindlichen  Führer  immer  falsche  Absichten,  er  handelt 
daher  immer  in  voller  Unkenntnis  der  feindlichen  Situationen  und 
Absichten. 

Aber  Napoleon  hatte  in  diesem  Nebel  eine  feste  Richtschnur: 
vSeinen  Willen,  seine  eigene  allgemeine  Absicht:  die  Öster- 
reicher von  den  Russen  zu  trennen  und,   wenn  möglich,  abzufangen. 

Dieser  klare  Wille  hat  alle  Handlungen  Napoleons  beherrscht 
und  hat  all  die  zahlreichen  Irrungen  Napoleons  unschädlich  gemacht. 

Daraus  ergibt  sich  die  eigentlich  selb.stverständliche  Lehre: 

Der  eigene  Wille,  die  eigene  Aufgabe  und  die  eigene 
Situation  müssen  die  Grundlage  aller  Entschlüsse  und 
Handlungen  sein.  Das  sind  die  einzig  sicheren  Daten  und  man 
darf  vernünftigerweise  nur  auf  das  Sichere  aufbauen. 

Dieser  Wille,  diese  Aufgabe  müssen  dann  alle  Maßnahmen  be- 
herrschen. Der  Feind  und  seine  Gegenhandlungen  dürfen  bei  der 
Entschlußfassung  nur  soweit  beachtet  werden,  als  man  sich  klar 
wird,  welche  die  für  die  eigene  Absicht  (oder  Aufgabe)  gefähr- 
lichste oder  ungünstigste  feindliche  Handlung  wäre  und  diese  dann 
bei  seinen  Anordnungen  beachtet. 


—     589     — 

So  hat  Napoleon  sich  immer  iilargemacht.  welche  feindliche 
Handlungsweise  ihm  für  die  Erreichung  seiner  Absicht,  die  Öster- 
reicher von  den  Russen  abzudrängen,  am  ungünstigsten  sei  und 
gegen  diese  traf  er  dann  seine  Maßnahmen. 

Napoleon  wollte  die  Donau  bei  Donauwörth — Ingolstadt  über- 
schreiten. Die  österreichische  Kraft  wußte  er  in  der  Gegend  von 
Ulm,  vermutete  aber  auch  starke  Kräfte  am  Lech.  Das  Ungünstigste 
für  seine  Absicht  —  Ulm  zu  umgehen  (s.  8.  265)  —  wäre  ein 
Angriff  der  Österreicher  über  die  Donau;  daher  traf  er  seine  Maß- 
nahmen dagegen:  Er  sicherte  sich  gegen  Ulm  und  gab  seinen 
Marschällen  Anleitungen,  wie  sie  sich  bei  einem  österreichischen 
Angriff  gegenseitig  zu  unterstützen  hätten.  Die  Armee  blieb  aber, 
seinem  Willen  entsprechend,  im  Marsch  auf  Donauwörth— Ingolstadt. 

Der  Befehl  Napoleons  an  Murat  vom  2.  Oktober  läßt  diesen 
Gedankengang  des  Kaisers  fühlen.  Er  will  den  Feind  umgehen.  Das 
Ungünstigste  für  diese  Absicht  wäre,  wenn  der  Feind  selbst  zur 
Offensive  über  die  Donau  vorginge.  Aber  auch  in  diesem  Falle 
wird  er  sich  nicht  einfach  der  feindliehen  Handlung  beugen,  son- 
dern seine  Grundidee  der  Abdrängung  der  Österreicher  festhalten. 
Deshalb  sagt  auch  Napoleon  in  diesem  Befehl  an  Murat,  als  er  diesem 
seine  Aufgabe  klarstellte  (s.  S.  267): 

„Wenn  der  Feind  die  Offensive  ergreifen  sollte,  ist  es  nötig, 
daß  ich  zur  rechten  Zeit  verständigt  werde,  um  einen  Entschluß  zu 
fassen,  und  nicht  genötigt  zu  sein,  den  zu  wählen,  der  dem  Feinde 
paßte." 

Napoleon  will  daher  nur  die  Tatsache  der  feindlichen  Offen- 
sive rechtzeitig  wissen,  sein  Entschluß  soll  aber  nur  von  seinem 
Willen,  von  seiner  Grundidee  diktiert  werden.  Das  ist  Festhalten 
der  Initiative, 

Als  dann  Napoleon  ohne  Kampf  Herr  von  Donauwörth  und 
Rain  geworden  war,  sagte  er  sich,  das  Ungünstigste  wäre,  wenn 
die  Österreicher  schon  im  Rückzug  über  Augsburg  begriffen  wären 
und  wenn  Kienmayer  mit  ihnen  in  der  Richtung  auf  Augsburg  zu- 
sammenwirkte. Daher  kam  ihm  alles  darauf  an,  Augsburg  zu 
nehmen  und  so  den  Österreichern  den  Rückweg  zu  verlegen. 

Einmal  Herr  von  Augsburg,  kamen  die  gleichen  Erwägungen 
für  Landsberg  in  Betracht.  Er  dirigierte  Soult  dahin  u.  s.  w..  immer 
bleibt  sein  Wille  maßgebend  und  nur  die  Detailmaßnahmen  werden 
der  jeweiligen  Situation  angepaßt. 


—     59Ü     — 

Das  gleiche  gilt  aber  für  alle  Verhältnisse,  nur  daß  bei 
Unterkommandanten  aller  Grade  die  Aufgabe  an  die  Stelle  des 
eigenen  allgemeinen  Willens  tritt.  Diese  Aufgabe  ist  unbedingt  zu 
lösen,  selbst  um  den  Preis  einer  taktischen  Niederlage.  Das  ist  selbst- 
verständlich, alle  wissen  das,  und  doch  handelt  man  sehr  oft  ent- 
gegengesetzt. Schuld  daran  sind  der  in  jedem  Menschen  steckende 
Hang  zur  Abwehr  und  unsere  Schulung. 

Die  Truppen  üben  Tag  für  Tag  das  Gefecht.  Bei  jedem  Ma- 
növer bis  hinauf  zu  den  Armeemanövern  muß  täglich  ein  Kampf 
absolviert  werden.  Die  etwa  dem  Manöver  unterlegte  Aufgabe,  die 
ja  meist  nur  supponiert  ist,  tritt  daher  gegen  den  Kampf  ganz  zu- 
rück, d.  h.  der  Kampf  wird  nicht  zur  Erfüllung  der  Aufgabe  ge- 
führt, sondern  er  ist  Selbstzweck.  Da  man  im  Gegensatze  zum 
Krieg  immer  sicher  weiß,  daß  man  täglich  auf  den  Feind  trifft, 
werden  alle  Anordnungen  nur  mit  ßücksicht  auf  den  sicheren 
Kampf,  und  zwar  nur  mit  Rücksicht  auf  die  Eigenheiten  des  Ma- 
növerkampfes, wo  nicht  die  Truppen,  sondern  die  Schiedsrichter 
entscheiden,  erlassen.  So  entstehen  die  oft  unverständlichen  Zerrbilder, 
weil  die  Richtschnur  des  Handelns  fehlt  oder  unberücksichtigt  bleibt, 
die  Aufgabe,  derentwillen  man  eben  auch  einen  Kampf  führen 
muß  —  wenn  man  auf  den  Feind  trifft.  Im  Kriege  trifft  man 
aber  nicht  gar  so  oft  auf  den  Feind.  Wochenlang  muß  man  mar- 
schieren und  oft  Aufgaben  erfüllen,  die  der  mangelnden  feindlichen 
Gegenwirkung  halber  zu  keinem  Kampfe  führen,  bis  man  endlich 
einmal  in  ein  Gefecht  tritt.  Wollte  man  sich  da  jedesmal,  wie  im 
Frieden,  nur  mit  Rücksicht  auf  einen  Kampf  gruppieren,  dann 
würde  man  im  Kriege  sehr  oft  den  kürzeren  ziehen  und  den 
Truppen  ganz  unnötige  Anstrengungen  aufhalsen. 

Im  Feld/-uge  von  Ulm  fanden  nur  wenige  kleine  Gefechte 
statt.  Der  Feldzug  wurde  ohne  Schlacht  vollständig  entschieden, 
und  zwar  so  gründlich,  wie  wenig  andere  Feldzüge. 

1870  kamen  die  deutschen  Korps  bis  Sedan.  also  im  Laufe 
eines  Monats  ein-  bis  zweimal  in  den  Kampf,  ein  Korps  sogar 
gar  nicht. 

Da  sich  aber  bei  den  Kriegsspielen  die  Sache  in  der  Regel 
ähnlich  entwickelt  wie  bei  den  Manövern,  da  man  auch  dort  oft 
die  Aufgabe  über  den  Kampf  vernachlässigt,  wird  das  nur  zu 
leicht  gefährliche  Gewohnheit.  Im  Kriege  könnte  sich  das  bitter 
rächen. 


—     591     — 

Der  Grundsatz,  daß  der  eigene  Wille  die  Richtschnur  für  das 
Handeln  sein  soll,  daß  man  diesen  Willen  fassen  muß.  bevor  man 
zu  klügeln  beginnt,  was  der  Feind  alles  machen  könnte,  gilt  auch 
für  die  Gefechtsführung.  Will  man  Herr  der  Situation  bleiben,  dann 
muß  man  schon  vor  Beginn  des  Gefechtes  klar  entschlossen  sein, 
wie  man  das  Gefecht  führen  will,  man  muß  eine  bestimmte,  klare 
Gefechtsidee  besitzen,  sonst  unterliegt  man  zu  leicht  den  Eindrücken 
der  feindlichen  Maßnahmen.  Diese  Gefechtsidee  darf  aber  nicht  nur 
ein  beiläufiger  Gedanke  sein,  sie  darf  auch  nicht  nur  ganz  allge- 
meiner, unklarer  Natur  sein,  wie  z.  B.  ich  will  den  Feind  an- 
greifen, ich  will  einen  Flügel  angreifen  u.  s.  w.  —  sondern  sie  muß 
klar  und  bestimmt  den  Zweck  und  das  Ziel  des  Kampfes  in  sieh 
fassen. 

So  wollte  Murat  bei  Wertingen  den  Feind  von  Haus  aus  auf 
beiden  Flügeln  umringen  und  fangen,  so  wollte  Napoleon  von  allem 
Anfang  in  dem  für  den  14.  erhofften  Kampf  an  der  Hier  die  Öster- 
reicher von  Tirol  abdrängen.  Eine  solche  Idee  genügt  vollkommen 
zur  zielbewußten  Disponierung  der  Truppen;  sie  genügt  auch  bei 
halbwegs  entsprechender  Charakterstärke  allen  Zwischenfällen  des 
Gefechtsverlaufes  gegenüber. 

Bei  selbständig  in  den  Kampf  tretenden  Unterkommandanteu 
muß  aber  auch  diese  Gefechtsidee  von  der  Aufgabe  beherrscht 
bleiben,  sollen  sich  nicht  endlich  Situationen  ergeben,  denen  die 
Festigkeit  des  Kommandanten  nicht  mehr  stand  hält. 

FML.  Riesch  bei  Elchingen  und  General  Dupont  nach  dem 
Gefecht  bei  Haslach  geben  gute  Beispiele. 

FML.  Riesch  hatte  vor  allem  unterlassen,  seiner  Aufgabe  eni- 
sprechend  noch  am  13.  abend  die  Brücke  bei  Elchingen  zu  nehmen 
und  zu  zerstören. 

Das  rächte  sich  am  14.,  da  die  Franzosen  zum  Angriffe  vor- 
gingen, bevor  Riesch  einen  Entschluß  gefaßt  hatte.  Die  Aufgabe 
Riesch'  hätte  jetzt  gefordert,  daß  er  seiner  Gefechtsführung  die  Ab- 
sicht zu  gründe  legte,  die  Franzosen  um  jeden  Preis  über  die 
Donau  zurückzuwerfen  und  die  Brücke  zu  zerstören.  Er  tat  dies 
nicht,  sondern  er  nahm  auf  den  Höhen  eine  Aufstellung,  um  fran- 
zösische Angriffe  von  Elchingen  und  Leipheim  abzuwehren.  Erst 
nachdem  die  Franzosen  Ober-Elch ingen  und  das  Kloster  schon  ge- 
nommen hatten,  wollte  er  —  nach  seiner  Relation  —  einen  Augen- 
blick lang    die  Franzosen  aus  dem  Orte  hinaus  und  über  die  Donau 


—    592     — 

zurückwerfen.  Aber  dieser  schon  im  Gefechte,  zu  spät  und  müh- 
sam geborene  Gedanke  hielt  nicht  mehr  stand,  als  die  —  noch 
dazu  falsche  —  Meldung  eintraf,  daß  die  Franzosen  mit  starken 
Kräften  bei  Leipheim  über  die  Donau  gegangen  seien  und  gegen 
Langenau  vorrückten. 

Der  Gefechtsführung  Eiesch'  fehlte  daher  von  allem  Anfang 
an  die  klare  Entschlossenheit  über  den  Endzweck  des  Kampfes.  Als 
er  in  der  Folge  für  seinen  linken  Flügel  und  für  seinen  Rückzug 
besorgt  wurde,  gab  er  den  Kampf  verloren  und  brach  das  Gefecht  ab. 

Dupont  wollte  am  11.  bei  Haslach.  nachdem  er  Ulm  vergebens 
zur  Übergabe  aufgefordert  hatte,  die  vor  Ulm  sichtbaren  österreichi- 
schen Truppen  nach  Ulm  hineinwerfen  und  Ulm  seinem  Auftrage 
gemäß  einschließen.  Als  daher  der  Angriff  seines  linken  Flügels 
anfangs  erfolgreich  war,  dagegen  die  Österreicher  über  Jungingen 
vorgingen,  warf  er  sich  mit  seinem  rechten  Flügel  und  mit  seiner 
Reserve  auf  diese.  Sein  klarer  Wille,  die  Österreicher  nach  Ulm 
hineinzuwerfen,  befähigte  ihn  zu  seiner  energischen  Gefechtsführung. 

Als  Dupont  aber  nach  dem  Gefechte  seine  Aufgabe.  Ulm  aul 
dem  linken  Ufer  einzuschließen,  ganz  außer  acht  ließ,  begann  sein 
Verhängnis. 


Die  dritte  Lehre  betrifft  die  Erziehung  der  für  den  Thron  be- 
stimmten Prinzen. 

Kaiser  Franz  war  nicht  so  glänzend  begabt,  um  aus  sich  selbst 
ein  großer  Herrscher  werden  zu  können:  und  doch  lagen  die  Ver- 
hältnisse für  ihn  so,  daß  Kaiser  Franz  eine  hervorragende  geschicht- 
liehe Fürstengestalt  hätte  werden  können,  wenn  er  eine  Eigen- 
schaft besessen  hätte,  die  allein  genügt,  auch  einen  mittelmäßig  be- 
gabten P'ürsten  groß  zu  machen:  Menschenkenntnis. 

Die  Menschenkenntnis  befähigt  den  Herrscher,  sieh  aus  der 
Fülle  der  ihn  umdrängenden  Menschen  die  Fähigsten  und  Würdig- 
sten als  Ratgeber  und  Gehilfen  auszuwählen. 

Kaiser  Franz  hatte  zu  seiner  Rechten  Ratgeber,  die  nicht  nur 
geistig  hoch  standen  und  als  Charaktere  hervorragten,  sondern  ihm 
und  dem  Glanz  seines  Hauses  als  seine  Brüder  nahestanden,  die 
Erzherzoge  Karl  und  Johann.  Vor  allem  Erzherzog  Karl.  Dieser 
hatte  sieh  nicht  nur  als  Hc^führer  bewährt,  sondern  sich  auch  in 
der  Verwaltung   als   hellsehender   und  zielbewußter  Reformator  und 


—     593     — 

Organisator  gezeigt,  dessen  Wirken  segensreiche  Früchte  getragen 
hätte,  wenn  es  vom  Kaiser  mit  ganzer  Kraft  gestützt  und  unter- 
stützt worden  wäre. 

Kaiser  Franz  hatte  aber  leider  auch  zur  Linken  Ratgeber, 
denen  Erzherzog  Karl  und  sein  Ziel  verhaßt  waren:  all  die  Minister 
und  hohen  Beamten,  die  ihre  angenehmen,  einflußreichen  und  gut- 
dotierten Stellen  verlieren  mußten,  wenn  Erzherzog  Karl  durchdrang, 
denn  sie  hätten  dann  Würdigeren  und  Besseren  Platz  machen  müssen. 

In  dem  Kampf  unterlag  Erzherzog  Karl. 

Bar  jeder  Menschenkenntnis  und  daher  ein  Werkzeug  seiner 
unfähigen  und  charakterlosen  Umgebung,  traute  der  Kaiser  mehr 
der  Clique,  die  ihn  umgab,  als  seinem  treuesten  und  besten  Rat- 
geber, dem  Erzherzog  Karl.  Allerdings  klang  der  ehrliche  Rat  des 
Erzherzogs  immer  unangenehmer,  als  die  Äußerungen  der  schmeich- 
lerischen Räte  des  Kaisers. 

Der  Mangel  an  Menschenkenntnis  war  auch  die  Ursache,  daß 
der  Kaiser  den  Charakter  Macks  nicht  erkannte  und  sich  von  dessen 
Geschwätzigkeit  und  plumper  Lobhudelei  so  ganz  gefangennehmen 
ließ.  Nur  der  Mangel  an  Menschenkenntnis  war  Ursache,  daß  der 
Kaiser  sich  in  der  Beurteilung  dieses  Mannes  so  schwer  täuschen 
konnte. 

Menschenkenntnis  in  dem  Maße,  wie  sie  Napoleon  besessen 
hat,  ist  allerdings  nur  den  Größten  eigen.  Aber  erwerben  läßt  sie 
sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  jedermann,  so  weit  wenig- 
stens, daß  man  sich  nicht  gerade  unfähige  und  charakterlose  Räte 
wählt  und  sich  nicht  von  diesen  ganz  und  gar  beherrschen  läßt. 
Menschenkenntnis  kann  man  aber  nur  im  Umgang  mit  Menschen 
erwerben,  also  in  einem  Verkehr  mit  Menschen,  der  es  zum  Ziele 
hat,  die  Menschen  in  ihren  Schwächen  und  Fehlern  zu  erkennen 
und  zu  ergründen. 

Steht  der  Monarch  einmal  aul  seiner  einsamen  Höhe,  an  die 
sich  gerade  Schmeichler  und  lobhudelnde  Egoisten  herandrängen, 
dann  ist  es  zu  spät,  denn  nur  ein  schon'  geübter  Blick  vermag  die 
dicken  Masken  der  Streber  zu  durchdringen. 

Menschenkenntnis  bringt  auch  die  Fähigkeit  mit  sich,  zur 
rechten  Zeit  und  an  rechter  Stelle  zu  belohnen,  aber  auch  zum 
warnenden  Beispiel  zu  strafen. 

Wenn  es  aber  für  Unfähige  gefahrlos  ist,  sieh  zum  höchsten 
Gipfel  der  Macht  hinaufzudrängen ;  wenn  der  Unfähige,  nachdem  er. 

Krau  SS.  1805,  Der  Feldzug  von  Ulm.  38 


—     594     — 

am  Steuer  des  Staates  stehend.  Unheil  geschaffen  hat.  nicht  zer- 
schmettert in  das  Nichts  geworfen  wird,  sondern  mit  Würden  und 
Ehren  bedeckt  und  mit  reichem  materiellen  Gewinn  nur  vom  Gipfel 
der  Macht  herabgleitet,  um  es  bei  nächster  Gelegenheit  wieder  zu 
versuchen,  hinaufzukriechen,  dann  müssen  sich  gerade  die  unwür- 
digsten Streber   zur  Macht   drängen  und  die  Würdigen  verdrängen. 

So  hat  denn  auch  Erzherzog  Karl  in  seinem  tiefen  Schmerz 
über  das  von  Unfähigen  und  Unwürdigen  verschuldete  Unglück  des 
Vaterlandes  am  10.  November  1805  an  den  Herzog  von  Sachsen- 
Tesehen  geschrieben: 

..Alle  Tage  sehe  ich  schwärzer;  alles  ist  verloren  —  wenn  der 
Kaiser  nicht  Mack,  Cobenzl  und  Collenbach  hängen  läßt^)." 

Eine  der  wichtigsten  Lehren  des  Feldzuges  von  Ulm  ist  daher, 
die  Erziehung  der  für  den  Thron  berufenen  Prinzen  so  zu  leiten. 
daß  sie  sich  die  wichtigste  Eigenschaft  der  Fürsten  erwerben: 

Menschenkenntnis. 


*)  Wertheimer,  „Geschichte  Österreichs  und  Ungarns  etc.",  S.  237. 
Die  Stelle  lautet  im  Original:   „Tous  les  jours  je  vois  plus  noir,  tout  est 
perdu  —  s'il  ne  fait  pas  pendre  Mack,  Cobenzl  et  Collenbach." 


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BRIGHAM  YOUNG  UNIVERSITY 


3  1197  22468  1855