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Full text of "Die Unfehlbarkeit Homer's und der Kampf gegen dieselbe [microform] : ein Beitrag zur Geschichte der homerischen Poesie"

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zur 


Geschichte  der  homerischen  Poesie 


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Wie  vertraut  die  Grieclien,  Tomehmlich  die  Athener,  des  V.  Jahrhunderts 

mit  den  homerischen  Dichtungen  gewesen. 

':i»4--'  Wir  können  uns  hent  zu  Tage,  auch  wenn  wir  uns  noch  so  sehr  bemühen,  die  bezüg- 
lichen, aus  dem  Alterthum  auf  uns  gelangten  Notizen  zu  sammeln  und  zu  einem  Gesammtbilde 
snsammen  zu  stellen,  höchstens  einen  annähernd  richtigen  Begriff  davon  machen,  wie  allgemein 
verbreitet  gerade  in  der  Blühtezeit  des  hellenischen  Lebens  die  Kenntniss  der  homerischen  Dich- 
tungen gewesen.  Denn  keinem  Dichter  irgend  eines  Volkes,  überhaupt  keiner  Schrift,  selbst  die 
Bibel  nicht  ausgenommen,  ist  es  jemals  wieder  gelungen,  in  gleicher  Weise  Aller  Herzen  sich  zu 
erobern.  Den  Athenern  namentlich  waren  die  homerischen  Gesänge  so  zu  sagen  in  Fleisch  und 
Blut  übergegangen. 

Von  mehreren  Männern,  z.  B.  von  Sokrates,  Aristophanes  u.  a.  m.,  ist  uns  berichtet 
worden,  sie  hätten  im  alltäglichen  Leben  homerischer  Verse  in  ih/en  Reden  sich  bedient.  Und 
daran  zu  zweifeln  haben  wir  gar  keinen  Grund,  zeugt  ja  doch  für  die  Richtigkeit  der  Angabe 
auch  die  alte  Komödie.  Soll  die  Komödie  beim  Volke  Beifall  finden,  so  muss  ihre  Sprache 
volksthümlich  sein  und  müssen  auch  die  Gegenstände,  die  sie  mit  ihrem  Spotte  geisselt,  volks- 
thümlich,  d.  h.  allbekannt  sein.  Dass  nun  gerade  die  alte  Komödie  einer  ganz  ausserordentlichen 
Belebtheit  von  Seiten  des  athenischen  Volkes  sich  erfreute,  wer  vermag  das  zu  leugnen?  „Erst 
der  unglückliche  Ausgang  der  Expedition  nach  Sizilien",  sagt  ein  Literarhistoriker  '),  „setzte  der 
Volkskraft  dieser  Komödie,  der  reifsten  Frucht  der  ochlokratischen  Bildung  und  ihrem  bevorzugten 
politischen  Organ,  ein  Ziel."  Betrachten  wir  denn  also  den  von  ihr  behandelten  Stoff,  die  von 
ihr  angewandte  Sprache  näher !  Wenn  wir  die  Fragraentensammlung  der  Komiker  von  Meineke 
nachschlagen,  so  finden  wir  eine  ganze  Reihe  von  Titeln,  die  uns  zeigen,  dass  der  Stoff  der 
betreffenden  Komödien  den  homerischen  Dichtungen  entnommen  war.  Von  Theoporap  werden 
erwähnt  die  Stücke  ^Odoaaeu^,  IlrjveXÖTnj,  Zsip^vei;^  'A^&aca;  von  Kratinos  ^OSumr^c,  deren 
Zweck  die  Verspottung  der  Odyssee  war  ^) ;  von  Philyllios  JlXuvrptac  ^  Nauaixda ;  von  Nibophon 
Setp^vez't  von  Kallias  und  Diokles  K6xXcd7:s<:\  von  Nikochares  KivraupcK',  von  Plato  M£viXa<K\ 
von  Strattis  C>tXoxT-^TTjz  etc.  Dass  unter  allen  aristophanischen  Stücken  sich  kein  derartiges 
findet,  darf  nicht  auffallen,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Tendenz  derselben  durchwegs  eine  poli- 
tische ist.  Dafür  ist  aber  die  Sprache  des  Aristophanes  mit  einer  Fülle  von  homerischen  Aus- 
drücken, namentlich  Glossen,  Verstheilen  und  ganzen  Versen,  sowie  von  Parodien  auf  Homerstellen 
gewürzt.  Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  ich  die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  im  Einzelnen 
nachweisen.  Nur  auf  vier  aristophanische  Stellen  möchte  ich  den  Leser  besonders  aufmerksam 
machen.     Die  erste  ist  Ranae  1034.     Aischylos  sagt  daselbst  (von  V.  1030  an) : 


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1)  Nicolai,  Geschichte  der  griech.  Literatar,  I.  pag.  110. 

2)  Seogebosch,  Homerica  Dissertatio  Prior,  p.  174.    Lauer,  Gesch.  der  homerischen  Poesie,  p.  34. 


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8)  ^<rret!wc  Trawü  napinAe^s  tä  'Oßrjpou  —  sagt  der  Scholiast.  £»?  ol  (liv  ist  ein  häafig  Torkommender 
Yorsanfang,  rgl.  x.  B.  Ilias  VII.  464;  vi<po<:  noXißoto  IL  XVII.  243;  änwtrdßevoi  II,  XVI.  301.  Der  Vers  aöräp 
iTtel  xard  ßijp^  xrX.  z.  B.  Ilias  I.  464  etc.  Die  beiden  unten  folgenden  Verse  dfprjrwp,  ä'^ifturm^  xrl.  finden  sich 
D.  IX.  63  n.  64. 


H^-.  X    T        &c  da^ihfiot  rÄv  itoojTtov  ol  yewaiot  yrji'ivfjvTu, 

^  . '^•..                        ^OpftlK  fdv  yäp  TcXtrac  d^*fjfiTv  xarideti»  fpdvtav  i  äxi^tadatf  ^*V-2>|'-;- 

'                             Mouoaioc  di'i$au(iaeK  «  vöowv  xdi  j(pifjajw6z,  ^ EModoz  dk    '  ^\,*      -j  *t  'f.)>V 

v    •    ,                         r^C  ipTcurla^,  xapnSiV  Sipazy  dp&rouc  S  dk  de'uK " OfOjpoz  J     ■  *-  J^;;!  . 

Td$eif,  dpträff  önXiaeiz  dvdpwv ;  v        -C:J'^^^ 

„Woher  aber  hat  der  göttliche  Homer  Ehre  und  Rahm  bekommen,  als  daher,  dass  er      '^  ^^* 
Gutes  gelehrt:  Aufetellung,  Tapferkeit  und  Ausrüstung  der  Männer  ?"    Nicht  nur  der  Inhalt  dieser    -•  '.■'^^;  ; 
Worte,  sondern  eben  so  sehr  die  äussere  Form,  ich  meine  die  Emphasis  der  Frage,  zeugen  daffir,  '  v"^  ' 

dass  Homer  vor  allen  andern  geehrt  und  berühmt  gewesen.     Pax  1088  sqq.  fragt  der  Seher    ^    ■  '-;' 
Hierokles :  Ildiov  yäp  xarä  /pi^apbv  kxaüaaze  pcqpa  ^toiatv ;  ^  -'  >^ 

Dieser  Yers  ist  in  Hinsicht  sowohl  auf  die  Worte  als  das  Metrum  Parodie  eines  homerischen 
Hexameters.     Trygaeos  antwortet  ihm  : 

^OviKp  xdXXiarov  dr/Trou  TzsitoiTjxev  "OfJOjpo^ 

at^  ol  pkv  vitpoz  kj^dpbv  dnwadfisvot  noki/ioto 

Elpfji^v  elXovTO  xai  Idpuaavß^  lepeitp. 

aöräp  inet  xard  p^p   kxdrj  xai  anXdyjy   kndaavroy 

itnavdov  derrdsaatv  ifo)  ^  5dov  ijyepdveoov. 

^prr^apoX6y(p  ff  oddet^  ididou  xwdwva  <pativ6v. 
Auf  eine  köstliche  Weise  also  wird  der  Weissj^er  von  Profession  von  einem  gewöhn- 
lichen „Burger**  Athens  aus  dem  Felde  geschlagen,  indem  dieser  mit  rascher  Geistesgegenwart 
aus  dem  ihm  so  wohlbekannten  Homer  einen  Orakelspruch,   und  zwar  ebenfalls  im  heroischen 
Metrum,  zusammenschmiedet.^)     Hierokles  versucht  dagegen  Einsprache  zu  erheben : 

Ou  psxixoi  TOüTeuv  od  yäp  tou^  eine  ZißuXXa  — 
aber  es  wird  ihm  verdeutet,  der  weise  Homer  sei  ein  viel  besserer  Gewährsmann  und  ein  neuer 
Xpi^op6<:  aus  demselben  citiert: 

dXX'  6  ao(p6<z  toi  v^  At  ''Oprjpo^  de$tdv  eJjKv 

d<pp-^TO}p,  d&ipurco^,  dviart6<:  iauv  ixelvo^y 

8^  noXipou  Ipazai  knidtjpioo  dxpu6evToz. 
Nub.  1056  sqq.  beruft  sich  der  ''A8txo<z  A6j-o(:  wegen  einer  Behauptung  auf  Homer  und 
will  damit  jedenfalls  in  den  Augen  des  Volkes  einen  Gewährsmann  ersten  Ranges  anführen : 

Eh'  iv  dyopq.  r^v  diaTptßijv  <//iyet(r  ij'to  ff  inatvw. 

el  ydp  novTjpbv  ^v,  ''0p7jpo<:  oddino-^  äv  inolet 

TÖv  Ni<rrop'  dyopr^v  äv  oddk  rou^  aofobz  äizavrac;. 

Merkwürdig  ist  in  dieser  Stelle  noch,  aber  dem  Volksglauben  ganz   entsprechend,  der 

in  der  Form  eines  Axioms  ausgesprochene  Gedanke,  dass  in  den  homerischen  Dichtungen  nichts 

moralisch  Schlechtes  sich  finde.    Am  interessantesten  von  allen  ist  aber  jenes  Fragment  aus  dem 

ersten,  427  v.  Chr.  aufgeführten  Stücke  AatzaX^<;.    Ein  Vater,  der  von  der  neumodigen  Erziehung 


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dardi  die  Sophisten  nichts  hält,  der  im  Gegentheil  ein  Anhänger  der  altm  Schnle  ist,  examiniert  -  .%>j  ^  r^^rf 
seinen  Sohn  im  Homer  nnd  zwar  fragt  er  ihn,  um  ihm  recht  auf  den  Zahn  zn  fühlen,  nach  der  ^'^^:W^^^C 
Bedeotnng  einiger  Glossen t^-.         ,^_    .,  _  ,    ^  ;^   .        ;,.3^'>* 

np^  Täura  ab  Xi$ov  'O/jn^pitotK  xXuTtat,  Ti  »aXoHat  x6pofißa ;  , , .  .rl  xcdoot/  dfjtxvrpfä  xdp^va*  '•  > . ., ' 

Homer  gilt  also  dem  Aristophanes  nnd  mit  ihm  all  den  Verehrern  der  alten ,  frommen  Zeit  als  . '         . 

.      ..     Lieblingsdichter,  seine  Dichtungen  gleichsam  als  Präservativmittel  gegen  iUe  ätzende  nnd  zer- 
•   't'>1'       setzende  neue  Lehre. 
-«£Jf,;r";   "  Was  hat  uns  nun  aber  der  Blick  auf  die  alte  Komödie  gezeigt?   Man  erinnere  sich  der 

,'i  ^  zu  Anfang  von  mir  aufgestellten  Sätze,  dass  Stoff  und  Sprache  jeder  Komödie,  wenn  anders  sie 
*  -  recht  wirken  solle,  volksthümlich  sein  müssen;  femer,  dass  die  alte  Komödie  in  ganz  ausser- 
ordentlicher Weise  auf  das  gesammte  Volk  gewirkt,  dasselbe  ergötzt  habe.  Und  nunmehr,  da 
ich  nachgewiesen,  dass  Stoff  und  Sprache  derselben  zu  einem  guten  Theil  homerisch  gewesen, 
wird  der  Schluss  wohl  berechtigt  sein,  dass  das  gesammte  athenische  Volk  Sprache  und  lohalt 
der  homerischen  Dichtungen  von  Grund  aus  gekannt  habe. 

Kein  anderer  Grund  war  es  natürlich,  der  die  Tragiker  bewog,  die  Stoffe  zu  den  heitern, 


^jlils  t^  die   tragischen    Trilogien    abschliessenden    Satyrdramen    dem    homerischen  Epos  zu  entnehmen. 

^ -.\  -  Quelle  für  das  einzige  uns  vollständig  erhaltene  Satyrdrama,  den  KuxAtofp  des  Euripides,  ist  das 

|lri:>     .  neunte  Buch  der  Odyssee.     Von  Aeschylos  wird  ein  Satyrdrama  mit  dem  Titel  Ktpxrj  erwähnt, 

£*  i*.  ,  der  auch  auf  einen  dem  Homer  entnommenen  Stoff  hinweist 

eil   .'  .  Wollen  wir  aber  trotz  alledem  noch  Bedenken  tragen,  jene  alte  üeberlieferung:  Sokrates, 

!^,^- ,'  Aristophanes  u.  a.  m.  hätten  in  der  Umgangssprache  homerischer  Verse  sich  bedient,  buchstäblich 

.  *-.  /  zu  nehmen,  so  überzeugen  uns  die  platonischen  Dialoge.     Diese  sind  doch  gewiss  Nachahmungen 

von  philosophischen  Unterredungen,  wie  sie  der  wirkliche  Sokrates  mit  Zeitgenossen  hielt.  Nun 
sehe  man  aber  bei  Plato  nach,  wie  hier  in  ganz  gleicher  Weise  wie  bei  Aristophanes  homerische 
Worte,  Verstheile  und  Verse  sich  finden.  Und  zwar  redet  Sokrates,  oder  wer  es  sonst  ist,  bald 
einfach  in  homerischen  Worten,  indem  er  den  Dichter  nennt  oder  auch  nicht  nennt,  weiter  aber 
?%'    i  0^6"*  ^6^   Inhalt  der  betreffenden  Worte  kein   Urtheil  fällt.     „Sprachliche  Citate"  möchte  ich 

^V»«.     '    -      ^i®^®  ®'^^  Klasse  von  Homercitaten  überschreiben.     Vgl.  Phaedr.  p.  260.  A.  Ourot  dTtoßkijrov 
^  g;  ijzw:  elvat  Set  =  Ilias  HI.  65;   ibid.  p.  264.  A.  0äidpe,    <piXfi  xetpaX^  =  Ilias  Vm.  281. 

^'-  •_:  .  .  Teuxpef  ^Utj  xt<paXij\   ibid.  p.  266.  B.  pzi  ?/vtov  oMrce  deoco  =  per   I^ta  ßäivs  Seo7o  Od. 

.V.    -  V.  193;  Protag.  p.  340.  A.     „Ich  werde  dich  also,  dünkt  mich,  zu  Hülfe  rufen,  wie  Homeros 


fc'V^>  ',    -  erzählt,  dass  Skamandros  vom  Acbilleus  bedrängt  den  Simoeis  zu  Hülfe  gerufen  und  gesagt  habe  : 

^^  •-*  Bruder,  o  lass  uns  Beide  vereint  den  gewaltigen  Mann  dort 

^1^^;    '  Bändigen!*) 

^'^-t" ' '  Dergestalt  rufe  auch  ich  dich  herbei,  damit  Protagbras  uns  den  Simonides  nicht  ganz  werf 

fei^'v  r  ■  in  den  Staub.«  ') 

^^0^  Charm.  p.  173.  A.     „So  höre  denn,  sprach  ich,  meinen  Traum,  ob  er  aus  der  Pforte 

K!  b-i;^  ^0*^  Hom  kommt   oder  aus-  der  von  Elfenbein",  womit  zu  vergleichen  Odyss.  XIX.  562  sqq. ; 

'■^i-'  Apol.  p.  34  D.  „Denn  auch  ich,  wie  Homeros  sagt,  nicht  der  Eiche  entstammte  ich,  oder  dem 

^'■■j;.  Felsen,  sondern  Menschen"  =  Odyss.  XIX;  163;  Ale.  IL  p.  141.  D.  /&iCd  ts  xai  npfoiCä  = 

^Ij^  ;: .   '    n.  n.  303 ;  Krat.  p.  407.  D.  öfpa  Xdr^at  oJot  Em6<ppovo^'^''nmot  =  II.  V.  221 ;  ibid.  p.  415.  A. 

^   ;  4)     Ilias  XXL  308  u.  309. 

?:.%  5)     Im  griechischen  Text  ixTtip<nj,  ein  Seht  homerischer  Aasdrnck,  z.  B.  Ilias  I.  19.    Uehrigens  ist  die 

^i.;   ~  üebertragnng  dieser,  sowie  anderer  längerer  Stellen  der  allbekannten  Scbleiermacber'schen  Uebersetzung  Plato'» 

'..  entnommen.     Für  die  Homerrerse  habe  ich  die  Donner'sche  Uebersetzung  Torgezogen. 


—  «  ^ 


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/4  ^'  daccYuaooTßC  fävt«  =«  lU  VI.  264;  Soph.  p.  268.  D.  ravn^c  rij^  ^t^ficu:  n  x<ü  afftarec 
as  IL  VI.  211 ;  SjEip.  p.  174.  D.  2üv  rt  do,  Iffj^  ip^oftivto  vph  6  too -ßoüXtuoöpa^  S  tt 
kpoüfjtev  =  n.  X.  224;  ibid.  p.  220.  C.  Kai  zauTa  ftkv  d^  ratkar  olov  d*  aZ  x6ff  ipe^  xal 
(kXij  xapttpiK  ävrfjp  =  Odyss.  IV.  242;  Phileb.  p.  62.  D.  Ms9m  dij  rac  ^üfmaa<K  /4eey  tic 
^t^  r^<7  "^Ofi^poo  xai  fuiXa  7coa^nx^<:  /:itajrajrxela(:  l>7to8oj(^v\  womit  zxx  vergL  II.  IV.  452  u.  453. 
^*v^^.^.,  V.      ;,.  .  WZ  ^  ^rc  x^^f^PP^  TToiafiot  xar  Spea^i  ßiovTe<:     .  -,  ^^  >  .-li^  ^*f^ 

^-    V  ■  i^  /juffj'dpeecav  aupßdXkerov  5ßptpov  üdatp.  .,.-♦.>■ 

Politeia  p.  328.  £.  iiretäij  ivraüäa  ^drj  eJ  r^c  ^ktxia^,  3  d^  im  y'^pao<:  oddtp  (paabt 
glvcu  ol  nocfjzai^) 

Aa  einem  Orte  (Kriton  p.  44.  A.  u.  B.)  lässt  Plato  den  Sokrates  sogar  in  homerischen 
Versen  träumen.    „Es  luun  mir  vor^«  erzählt  letzterer  daselbst,  ,,als  ob  eine  schöne,  wohlgestaltete  t 
Frau  mit  weissen  Kleidern  angethan  auf  mich  zu  käme,  mich  anriefe  und  nyr  sagte :  ^Q  Utoxpars^^ 
Tjpari  xtv  rpauT<p  O&'trjv  ipißtokov  «roro;**  =  II.  XII.  363.    —   Zu  einem  feinen   Wortspiele 
verwendet  Platon  im  Symp.  p.  198.  C.  jene  homerischen  Verse  in  Odyss.  XI.  632  sqq.:       , 

kpk  de  ^Xcopou  di<K  ^psh 
pij  poi  Fopyeir^v  xe^akijv  decvoio  Jtsiwpou  -  :  . 
i^  'AidcK  Tzip^eiev  dyauij  üepatipovsta. 
„Denn  gar  an  den  Gorgias'',  heisst  es  an  der  angeführten  Stelle  des  Gastmahles,  y^\x6.t  die  Rede 
mich  erinnert,  sodass  mir  ordentlich  jenes  homerische  begegnet  ist:  mir  ward  bange,  Agathon 
möchte  da^  gorgische  Haupt,  das  gewaltige  im  Reden,  am  Ende  seiner  Reden  gegen  meine  Rede 
loslassen  und  mich  selbst  zum  Steine  verstummen  machen."  Natürlich  liegt  die  Ironie  nicht  nur 
darin,  dass  das  homerische  Adjectiv  fopj^eio^  (der  Gorgo  gehörig)  interpretirt  wird  wie  FopYtsio^ 
(dem  Gorgias  gehörig)  und  dass  Sokrates  demnach  dafüj  substituirt  Fopfioü  —  nein,  die  Wirkung 
mnsete  bei  dem  homerkundigen  athenischen  Leser  deshalb  noch  eine  viel  grössere  sein,  weil  der- 
selbe bei  den  platonischen  Worten :    Fop^riou  xefaXijv  Setvou sofort  noch  das  iteXwpou 

sich  hinzudachte. 

Geradezu  sarkastisch  ist  das  Homercitat  im  Protag.  p.  315.  B.  Sokrates  erzählt  dort, 
wie  er  in  das  Haus  des  Kallias,  jenes  bekannten  Maecenas  der  Sophisten  gekommen  sei  und 
da  Sophisten  und  Schüler  derselben  zu  Häuf  angetroffen  habe.  Nachdem  er  einige  derselben 
aufgezählt,  fährt  er  fort :  Tov  dk  per  elaevoi^aa,  ifrj  "OpTjpor;,  '/rmiav  rbv  'HXelov  xtX.  Die  Worte 
sind  entnommen  dem  XI.  Gesänge  der  Odyssee  (Xixucd)  572  oder  601.  Sehr  richtig  bemerkt 
Schleiermacher :  „Der  unterrichtete  Athener  dachte  sich  das  Uebrige  hinzu  und  ihm  entging  audi 
der  Stachel  der  Anspielung  nicht,  dass  sie  aus  .der  Reise  in  die  Unterwelt  genommen  isf*. 

Die  letzten  zwei  platonischen  Stellen  haben  uns  wieder  unvermerkt  eben  dahin  zurück- 
geleitet, wohin  uns  schon  die  Komödie  geführt  hatte,  ich  meine  auf  das  Feld  der  homerischen 
Parodie.  Und  da  will  ich  denn  der  Vollständigkeit  wegen  auch  gleich  noch  des  parodischen 
Epos  Erwähnung  thnn.  ^)  Dasselbe  lehnt  sich ,  soweit  wir  davon  Kunde  haben ,  ganz  an  die 
homerischen  Dichtungen  an.  Ganz  natürlich !  Denn  es  ist  ja  das  Wesen  der  Parodie,  dass  sie 
die  möglichst  nnversehrt  erhaltene  Form  einer  allbekannten  erhabenen  Dichtung  mit  einem  andern, 
gewöhnlich  gemeinem  Inhalte  anfüllt.     Das  bekannteste  aller  parodischen  Epen,  die  Bazpaj^ 


6)  Der  Aasdrnck  inl  yijpao^  obdtp  kommt  bei  Homer  and  Hesiod  Sfters  ror. 

7)  ÄosfÜhrlich  hat  diesen  Gegenstand  behandelt  A.  Weland,  de  praecipois  parodiar.  Homeric.  scripto- 
riboB  apad  6r.     Eine  kurze  üebersicht  gibt  Laaer  p.  27  sqq. 


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Aber  was  war  es  denn,  was  die  Griechen  des  V.  Jahrhunderts  so  mächtig  zu  Homer 
i  '  hinzog,  so  gewaltig  zum  Studium  desselben  antrieb?     Es  waren  der  Gründe  viele;   wenn  ich 

,    ',         mir  aber  jenes  kunstsinnige  Geschlecht,    das  da  einen  Sophokles,  Aristophanes ,  Plato,  Phidias 
hervorgebracht,   recht  vergegenwärtige,   so  möchte  ich  in   erster  Linie  als   Grund   nennen   die 
poetische  Vollendung  der  homerischen  Dichtungen.     Diese  wusste  man  im  V.  Jahr- 
jf  .;;i-  -^  .  hunSert  vor  Chr.  eben  so  gut  oder  noch  viel  besser  zu  würdigen  als  heut  zu  Tage.     Aeschylus 

*  ■'):.  „ '  nannte  nach  dem  Zeugnisse  des  Athenaeus  seine  Tragödien  zBfidpj  rwv'^OfJcfjpoo  fieyäktüv  deimcav, 
...  :,.  -  ^  Brosamen  der  grossen  Mahlzeiten  des  Homeros.  Sein  Zeitgenosse  Pindar  singt  in  Nem.  VII.  20 
If  .V-  *Exoi  ^^  nXiov  Ihtofiai  \  kAyov  Vduaaso^f  9/  Tidßev,  diä  xov  ädüenij  yeviffd^  "Ofjcfjpov   \   inei 

■^'  -^v  ^eudeai  ol  Tzorav^  ts  fxa^avqi  \  asfivhv  Ineari  zv  aa(pia  dh  xXiTnet  Ttapäyoura  fiudoK.   Und  in 

1  Isthm.  in.  55  sqq.    dXX*  "OfJT^pSc;  toi  Tszi/zaxev  dt    dv^pwnaiv  (sc.  Äiavra  zbv  TeXa/aiouof:)  Sc 

fy.  adröu  |  izäaav  dpSwaau;  dperäu  xarä  ^dßdov  iippaaev  j   ^süiteatcDV   initov  Xotnoi^   d^opetw  j 

V '"    .         TouTo  ydp  d&dvaxov  ^ojväeu  ipTiet.  \  et  «c  e5  etTrjj  n,  xal  Tzdyxap^iov  knt  ^96va  xai  diä  itöurou 
'•aJ  ßißoaeev  J   Ip^patcDV  dxTK;  xaXmv  äaßearof;  ahi.    Und  auch  der  grosse  Perikles  nennt  in  der 

;^'/r'  Leichenrede  (Thnk.  II.  41),  die  er  den  ersten  Opfern  des  peloponnesischen  Krieges  hielt,  den 
Homer  einen  Lobredner,  der  es  verstehe,  wenn  er  auch  Erdichtetes  singe,  die  Zuhörer  zu  ergötzen : 
„Unter  grossen  redenden  Beweisen  und  gewisslich  nicht  unbezeugt  haben  wir  unsere  Macht  ent- 
faltet und  werden  davon  von  den  Lebenden  und  Zukünftigen  bewundert  werden,  und  wir  bedürfen 
':%;7'  weder  eines  Homers  als  Lobredners  noch  sonst  eines  andern,  der  mit  seinen  Gesängen  zwar  für 
den  Augenblick  ergötzt,  dessen  Vorstellung  von  den  Thatsachen  aber  bald  durch  die  Wirklich- 
keit wird  Lügen  gestraft  werden,  sondern  etc."  °)  Diese  Worte  enthalten  also  ja  nicht,  "wde  es 
beim  ersten  Anblick  scheinen  könnte,  ein  geringschätziges  Urtheil  über  Homer,  sondern  der  Sinn 
ist:  Die  gegenwärtige  Blühte  unseres  Staates  ist  über  jedes  Lob  des  geschicktesten  Dichters 
(au{  dessen  Lobsprüche  ihr,  Athener,  bis  anhin  so  viel  gegeben)  weit  erhaben. 


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8)  Sympos.  III.  5. 

9)  Nach  der  üebenetzong  Ton  Wahrmand. 


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/BKM/M^o,  bildet  eme  Parallele  sax  fliae  imd  <He  Z^t  seiner  Abfassiuig  wird  gewöhidieh  in's  V. 
Jabrbmidert  gesetzt. 

Das  Ergebnis«  unserer  bishoigen  Betrachtung  ist  die  Schlnssfolgerang,  dass  in  d«v 
d»naHgen  Zeit,  im  V.  Jahrhundert  vor  Chr.,  die  Kenntniss  der  homeriatsheii 
Dichtungen  auf  eine  ganz  beispiellose  Weise  durch  das  ganze  griechische 
Volk,  namentlich  aber  das  athenische,  verbreitet,  und  dass  selbst  die  ge-  '  f 
wohnliche  Umgangssprache,  vornehmlich  die  athenische,  von  der  homerischen 
^:  Sprache  wie  von  einem  Sauerteig  ganz  und  gar  durchdrungen  war.  Ja,  wenn  wir 
anch  nicht  gerade  annehmen  dürfen,  dass  es  viele  gegeben,  die  gleich  jenem  Niceratus  bei 
Xenophon")  den  ganzen  Homer  auswendig  wussten,  so  dürften  wir  doch  mit  der  Behauptung 
nicht  so  gewaltig  irren,  dass  gewiss  die  meisten  athenischen  Büi^er  einen  grossen  Theil  jener 
Dichtungen  im  Gedächtniss  hatten. 

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II. 

Waniin  Homer  ein  so  allgemein  beliebter  Dichter  war. 


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10)  Dio  Chrys.  LV.  p.  284.  Beisk.  Toörojre  5.navTi(;  <paatv  oJ  'Eiijjve^,  ZvQO^opov  'Oßyjpou  ^r^Aanijv 
ytvio^at  xal  a^ödpa  iotxivat  xavd  r^v  -KoiTjeai.  Loogin.  de  sabl.  XIII.  3 :  Movoq  'Hpodow^  Vßjjptxiinato^  fyentvo ; 
Srrjoi^opo^  tn  Tcpönpov  o  re  ^Apx0.oxo^y  tzcu/twv  dk  toutiuv  fidXum  6  IlXdrwv,  dnd  toü  'Oßijpaw  ixtinou  vdßccrtK 
c2c  alnov  fwpca^  oaa^  rtaparponä^  dno^ersuffd/isvoi.  und  so  artheilte  m«n  gewist  schon  im  V.  and  VI.  J»brhdt. 
T.  Chr.     Vgl.  Übrigens  Laaer,  p.  23. 

11)  Panegyr.  %  159. 

12)  Sengebuscb,  Hom.  Dissert.  I.  p.  145. 


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Als  grOsster  IMchter,  Dichter  xot' i^ojIP^v,  wird  Homer  sehr  oft  einfaxsh  4  yrofl^ 

Ä^A^..  Wenn  nan  aber  Klassiker  ersten  Ranges  neidlos  dem  Homer  die  Palme  zuerkennen,  w&aa  sie 

^;^^-^.'''yihn  als  ihren  Meister,  sich  selber  als  seine  Schüler  bezeichnen,  so  bedarf  es  keiner  weitläoflgen 

':  :./^'  Beweisfährang  mehr,  dass  das  Epitheton  '^OfOjptxö^  als  ein  höchst  ehrenvolles  galt.    Es  wnrde 

•  aber  sowbhl  Dichtem  als  Prosaikern  ertheilt,  z.  B.  dem  Stesichoms,  Archilochos;  dem  Herodot 

:. '  im  Superlativ:  "^Ofv/jpaanaxiK  und  dem  Plato  in  einem  wo  möglich  noch  hohem  Grade.*?)  )ioch 

mehr!     Der  homerische  Greist  liess  sich  auch  befruchtend  auf  Maler  und  Bildhauer  herab.   Der 

Bildhauer  grösster,   Phidias,  schöpfte  nach  seinem  eigenen   Geständniss  das   Ideal   zu   seinem 

grössten  Werke,  zu  dem  olympischen  Zeus,  der  in  späten  Zeiten  noch  1iuch  Andersgläubigen, 

wenn  sie  ihm  pahten,  heilige  Ehrfurcht  einflösste,  aus  Homer,  nämlich  aus  Ilias  I.  528 — 530: 

nSo  der  Kronid'  und  winkte  sofort  mit  den  dunkelen  Brauen ; 
und  die  ambrosischen  Locken  des  Königes  wallten  hernieder 
Von  dem  unsterblichen  Haupt,  und  die  Höh*n  des  Olympos  erbebten." 
Ein  zweiter  Grand  ist  die  hohe  nationale  Bedeutung,  die  Homer  durch  die  Perser-  ->'.:; 

kriege  bekommen.    In  den  Schlachten  bei  Marathon  und  Salamis  u.  a.  hatten  die  Griechen  den  >.  '4 

Kampf  mit  den  Barbaren  siegreich  bestanden  und  von  einem  ähnlichen  Kampfe  der  Griechen 
mit  Asiaten  singt  ja  auch  Homer  in  seiner  Ilias.  ^Ich  glaube  aber  auch,**  sagt  der  Redner 
Isokrates  ''),  ^dass  die  Dichtung  Homers  einen  grossem  Ruhm  erlangt  habe,  weil  er  schön  die- 
jenigen, so  mit  den  Barbaren  gekämpft,  gepriesen  hat,  und  dass  desswegen  unsere  Vorfahren 
seine  Kunst  zu  hohen  Ehren  bringen  wollten,  sowohl  in  den  musischen  Wettkämpfen,  als  auch 
im  Jugendunterrichte,  damit  wir  durch  öfteres  Anhören  der  Heldengesänge  die  gegen  jene  be- 
stehende Feindschaft  uns  einprägen  und  indem  wir  der  Tapferkeit  jener,  die  den  Feldzug  gemacht, 
nacheifern,  nach  gleichen  Thaten  trachten  wie  jene.**  Auch  Herodot  zeugt,  wenn  auch  indicect, 
für  meine  obige  Behauptung.  »Denn  wenn  er  I.  1 — 5  erzählt,  dass  die  Perser  die  Anfänge  des 
von  ihnen  gegen  die  Griechen  geführten  Krieges  von  der  Zerstörang  Troja's  herleiten,  so  ist  es 
klar,  dass  das  von  den  Griechen  erdichtet  und  einigen  gelehrten  Persera  (Uepaiwv  ol  Xöytoi 
nennt  sie  Herodot  I.  1)  weiss  gemacht  worden  ist.  Eben  dahin  gehört,  was  VII.  42  und  43 
erzählt  wird,  wie  Xerxes  zur  Burg  von  Ilion  hinaufstieg  und  der  ilischen  Athene  opferte,  wie 
die  Magier  den  Heroen  Todtenopfer  J^rachten ,  wie  das  Heer  der  Perser  im  Gebiete  von  Ilion 
beim  Idaberge  und  Skamanderflusse  durch  Donnerschläge  erschreckt,  durch  Blitze  getroffen,  durch  -\' 

göttlichen  Schrecken  gelähmt  wurde.**  '^)  Nehmen  wir  das  aber  an,  so  steht  fest,  dass  schon 
vor  der  Abfassung  des  herodotischen  Geschichtswerkes  die  Griechen  die  Perserkriege  in  enge 
Beziehung  brachten  zu  dem  trojanischen  Kriege,  ein  Umstand,  der  gewiss  ungemein  dazu  bei- 
tragen musste,  den  Homer  populär  zu  machen. 

Homers  Dichtungen  galten  aber  den  Griechen  der  alten  gläubigen  Zeit  und  so  auch  den 
Griechen  des  V.  Jahrhunderts  bis  zum  peloponnesischen  Kriege,  ja  einem  grossen  Theile  des 
Volkes  auch  später  noch,  ebenfalls  als   Religionsbuch,   als   heilige   Schrift    Und  zwar 


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waoren  sie  in  ihren  Augen  sowohl  der  dogmatische,  als  der  ef^isii^  KanraV  üra  jenes  zu 
beweisen,  bemfe  ich  mich  einfach  aof  die  schon  so  viel  besprochene  Herodotstelle  (II.  53) : 
„Woher  aber  jeder  einzelne  Gott  gekommen,  oder  ob  nnmer  alle  waren,  und  von  was  für  Gestak, 
ein  j^licher,  das  war  ihnen  eher  nicht  bekannt,  als  seit  gestern  and  ehegestern,  dass  ich  so  sage. 
Nämlich  Hesiod  and  Homer  siad,  meines  Dafürhaltens,  am  400  Jahre  älter  als  ich  und  nicht 
"drüber.  .Und  diese  sind  es,  welche  den  Hellenen  die  Abstammung  and  Verwandtschaft  ihrer 
Götter  gedichtet  (ol  nodjaavrez  deajrovlT^v  "EXXrjatv)^  den  Göttern  ihre  Beinamen  (intovufua^) 
gegeben,  Ehren  and  Künste  aasgetheilt  and  ihre  Gestalten  bezeichnet  haben".  Die  eigentliche 
Bedeatang  dieser  Worte  ergiebt  sich  aas  dem  vorhergehenden  Kapitel  (11.  52).  Die  Pelasger, 
erzählt  Herodot  daselbst,  riefen  zuerst  bei  ihren  Opfern  nor  die  Götter  überhaupt  an,  ohne  die 
einzelnen  zu  benennen;  denn  die  Eiozelnamen  waren  ihnen  noch  unbekannt.  Nach  einer  langen 
Zeit  aber  erfuhren  sie  letztere  von  den  Aegyptiem  und  brauchten  sie  von  nun  an  mit  Zustim- 
mung* des  Orakels  in  Dodona  beim  Opfern.  Von  den  Pelasgem  empfiengen  sie  nachher  die 
Hellenen.  Vor  Homer  also  und  Hesiod,  das  ist  offenbar  Herodot's  Ansicht,  war  den  Hellenen 
nur  das  Dasein  von  himmlischen  Mächten  bekannt  und  deren  Einzelnamen;  ihr  ganzer  Gottes- 
dienst bestand  in  Opfern,  die  jenen  himmlischen  Mächten  gemeinsam  dargebracht  wurden.  Durch 
Homer  und  Hesiod  wurden  diese  Mächte  zu  leibhaftigen  Göttern  und  traten  zu  einander  in  ein 
bestimmtes  verwandtschaftliches  Verhältniss ;  der  Gottesdienst  wurde  zu  einem  formlichen  Cultus 
ausgebildet.  Was  wir  von  unserm  Standpunkte  aus  über  die  Ausbildung  des  griechischen  Poly- 
theismus urtheilen,  kann  natürlich  hier  nicht  in  Frage  kommen;  es  handelt  sich  vielmehr  an 
diesem  Orte  nur  darum,  welches  die  Meinung  der  Griechen  des  V.  Jahrhunderts  gewesen.. 

Gleicher  Weise  schöpften  sie  aus  Homer  auch  ihre  Ethik.  Der  Satz:  „Er,  Homer, 
sagt  es,  darum  ist  es  sittlich  gut"  begegnet  einem,  wenn  man  die  schriftlichen  Denkmäler  jener 
Zeit  durchliest,  allüberall.  Man  lese  z.  B.  jene  aristophanischen  Stellen  in  Pax  1088.  sqq.  und 
namentlich  in  Nub.^1055.  sqq.  nach  (siehe  oben  pag.  4).  Der  schon  einmal  erwähnte  Niceratus 
im  xenophontischen  Symposion  erzählt,  er  habe,  vom  Vater  dazu  gezwungen,  damit  er  ein  braver 
Mann  (xaXd<:  xdya&6<:)  würde,  den  ganzen  Homer  auswendig  gelernt  und  habe  ihn  noch  in  seinem 
Gedächtnisse  und  thue  sich  viel  zu  gute  auf  die  genaue  Kenntniss  Homers,  welche  sehr  hoch  zu 
schätzen  sei.  Und  in  seiner  Rede  gegen  Leokrates  '^)  spricht  sich  Lycurg  über  Homer  folgender- 
massen  aus :  „Ich  will  euch  aber  auch  den  Homer  als  Zeugen  stellen,  den  lob'  ich  mir.  Ihn  hielten 
nämlich  euere  Väter  in  dem  Masse  für  einen  edeln  Dichter,  dass  sie  ein  Gesetz  erliessen,  an  den 
jeweilen  im  fünften  Jahre  stattfindenden  Panathenäen  dürfen  von  allen  Dichtem  einzig  und  allein 
seine  Dichtungen  von  Rhapsoden  vorgetragen  werden  und  damit  wollten  sie  den  Hellenen  gegenüber 
so  recht  klar  zeigen,  dass  sie  die  besten  Thaten  am  meisten  schätzen.  Mit  Recht;  denn  die 
Gesetze  lehren  ihrer  Kürze  wegen  nicht,  sie  befehlen  nur,  was  man  thun  müsse,  die  Dichter  aber 
ahmen,  nachdem  sie  die  besten  der  Thaten  ausgewählt,  das  menschliche  Leben  nach  und  über- 
reden solcher  Gestalt  mit  Wort  und  Darstellung  die  Menschen,  Denn  Hektor  hat,  wo  er  die 
Troer  zum  Kampf  für's  Vaterland  ermuthigt,  folgendes  gesagt  (II.  XV.  494  sqq.)  : 

„„Auf  denn,  kämpft  an  den  Schiffen  vereint!    Wer  dann,  von  dem  Wurfspeer 

Oder  dem  Schwerte  getroffen,  den  Tod  und  das  Schicksal  erreichte, 

Fahre  hin  !    Im  Kampf  um  die  heimische  Erde  zu  sterben. 

Bringt  ihm  Ruhm ;  ihm  bleiben  in  Wohlfahrt  Kinder  und  Gattin, 

Bleiben  das  Haus  und  die  Habe  zurück  in  blühendem  Stande, 

Wenn  die  Achäer  zu  Schiff  heimziehen  in  der  Väter  Gefilde.""  '*) 

13)  §  102  sqq.     14)  Nach  Donner.  2 


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Indem  euere  Vocfeihren,  ihr  Männer,  diese  Dichtungen  hörten  und  solche  Thaten  nschahmtea, 
iraren  «ie  so  brav,  dass  sie  nicht  nur  für  ihr  engeres  Vaterland,  sondern  für  ganz  Griecheniaod, 
tls  das  gemeinsame,  sterben  wollten**  etc.  Si  *?'5*f  \  '  / 

Dagegen  befremdet  es  uns,  wenn  im  V.  Jahrhundert  noch  Homer  den  meisten  ab  erste 
•|ir^,     Autorität  in  jedem  Zweige  des  menschlichen  Wissens,  also  eigentlich  als  infallibel 
%•'"-.■      galt.     Und   doch  war  es  erwiesener  Massen  so    und    zwar  ans   begreiflichen  Gründen  vorab  in 
Geschichte  und  Geographie.    Die  griechische  Historiographie  hat  sich  ja  mittelbar  aus  den  home- 
rischen Epen  entwickelt,  so  nämlich,  dass  den  Homer  zunächst  die  kyklischen  Dichter  und  diese 
5\  :  '        sodann   die  Logographen,   die  Sagenschreiber  (in  der  zweiten  Hälfte  des  VI.  und  in  der  ersten 
des  V.  Jahrhunderts),  fortsetzten.    Die  Werke  dieser  Logographen  tragen  in  vielen  Beziehungen 
noch  den  Stempel  der  homerischen  Epen.     Zur  eigentlichen  Geschichtschreibong  ist   die  Logo-  ■>   ''^ 
graphie  entwickelt  worden  durch  Herodot.     Aber  wie  oft  erinnert  noch  dieser  an  Homer!     Mit 
gutem  Grunde  nannte  ihn  das  Alterthum  'ö//3y^«ö«-aro<r.     Nach  diesem  Autor  nun  war  'es  gar 
nichts  ungewöhnliches,  dass  Städte  und  Staaten,  um  die  Berechtigung  irgend  welcher  Ansprüche       .  •  '  *i 
darzuthun,  auf  Homer  sich  beriefen.     Von   mehreren  Beispielen  ")  will  ich  nur  eines  anführen. 
Als  Gelon  von  Syrakus,  von  den  Hellenen  um  Hülfe  gebeten  'ß),  diese  zugesagt  hatte,  wenn  man 
ihm  den  .Oberbefehl  übertrage,  verweigerte  das  der  spartanische  Gesandte  mit  den  Worten:  ^H  .fs; 

xe  fiij    ol/juu$ete  6  IJeXojridrj^  'Aj'a/ii/ivojv  noMfJLtvfx:  ZTzapxvqraz  r^v  ijyefiovc^v  dirapaup^a^ai  -  v' 

bnb  riAa>v6(z  re  xat  Suprjxoaiwv  xtX.  Die  anfänglichen  Worte  erinnern  sprachlich  '^)  und  inhaltlich        .•:  ^- 
an  Homer.    Gelon  verlangt  nun  doch  wenigstens  die  Hälfte  des  Oberbefehles,  nämlich  den  Ober-  ^■^■ 

befehl  entweder  zu  Land  oder  zur  See.     Da  erhebt   sich   der  athenische  Gesandte  und  erklärt,         ,-  .v 
die  Athener  würden  es  sich  gefallen  lassen,  wenn  Sparta  den  gesammten  Oberbefehl  für  sich  in         ;;  v 
Anspruch  nähme;   werde  dieser  aber  getheilt,   so  gebühre  ihnen  allein  der  Oberbefehl  zur  See. 
„Umsonst  hätten  wir  ja  dann  die  grösste  Seemacht  unter  den  Hellenen  erworben,  wenn  wir  den       .  >>  ■*• 
Syrakusiern  die  Führung  einräumen  müssten,  wir  Athener,   das  älteste  Volk  in  diesem  Bunde,  ,-•: 

die  einzigen  Hellenen,  die  ihr  Stammland  nie  verlassen  und  von  welchen  auch  dem  Heldensänger  >»' 

Homer  zufolge  der  trefflicl^te  Mann  gen  Ilion  kam,  ein  Heer  aufzustellen  und  zu  ordnen. '®)  So 
ist*s  denn  auch  kein  Schimpf,  wenn  wir  solches  sagen'S  Wie  hätten  die  Athener  es  wagen 
dürfen,  ohne  sich  lächerlich  zu  machen,  die  Billigkeit  ihrer  Forderungen  aus  Homer  zu  beweisen, 
wenn  dessen  Dichtungen  nicht  als  älteste  Geschichtsquelle  bei  dem  Volke  unbedingten  Glauben 
genossen  ? 

Dass  es  auf  dem  Grebiete  der  Geographie  ähnlich  gewesen,  erhellt  aus  der  scharfen 
Polemik,  die  Herodot  gegen  diejenigen  führt,  die  z.  B.  an  das  Dasein  des  Oceans  glauben  (H.  23) : 
„Wer  aber  von  dem  Oceatf  erzählt  hat,  hat  sich  mit  jener  wunderbaren  Geschichte  in  das  Gebiet 
der  Falfeln  begeben  und  kann  uns  durchaus  nicht  überzeugen.  Denn  ich  weiss  Wenigstens  von 
keinem  Fluss  Oceanus  und  glaube  nur,  dass  Homer  oder  einer  der  Dichter  vor  ihm  den  Namen 
erfunden  und  in  der  Dichtung  eingeführt  hat".  Namentlich  aber  ist  zu  vergleichen  IV.  36: 
„Ich  muss  aber  lachen,   wenn  ich  sehe,  wie  schon  so  Viele  den  Umkreis   der  Erde  gezeichnet       '    'V 


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16)    Vgl.  V.  94.     VU.  148.  159.  161.    IX.  27.  '^  i'-^^ 

16)  Vn.  159  u.  161.                                                                                            '  •'  f 

17)  111m  VII.   126.     ^  ze  fiiy'  olfiut^ete  yipiov  hcKTjXdTa  IlTjleu^.                                                             " ,  \'y 

18)  Vgl.  Ilias  II.  652  sqq.     „Diesen  gebot   als  Herrscher  Menestheus,  Peteos'  Sprössling.  |  Dem  kam  ,    '^' 
nimmer  aaf  Erden  ein  Sterblicher  gleich  in  der  Kunde,  |  Rosse  zu  lenken  im  Kampf  and  beschildete  Männer  ra 
ordnen.  |  Nestor  mass  sich  allein,  der  bejahrtere  Mann,  mit  Menestheus." 

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11   — 


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19)     Aasfahrlicher  bei  Sengebusch,  Hom.  Diss.  Prior,  p.  42. 
ijtt-  .^ ,  "  20)     Im  hohen  Norden  lebenden.    In  der  nachfolgenden  Homerstelle  ist  „aufwachsen**  geradezu  unrichtig, 

i"^: '        deren  ■nki'&ouai  bedeutet :   „sie  werden  geworfen''.     Um  so  grösser  mnss  sowohl  Homers  Antorit&t.  als  Herodots 
Glaube  gewesen  sein. 


Mb«n  und  keiner  das  auf  verständige  Weise  gethan  hat;  lassm  sie  doch  den  Ooeanos  in  ihrer 
Zeichnung  rings  nm  die  Erde  strömen,  die  gerundet  ist,  wie  auf  der  Drehbank,  and  machen  dabei 
Asia  nnd  Europa  einander  gleich".  ^  »^^iS^i^r,  v-.irT>i.i,i^ 

Man  wärde  aber  se^r  irren,  wenn  man  annähme,  Herodot  habe  nun  einer  freiem  An-  "^-f^ 
schamufg  Bahn  gebrochen.    Gegen  den  alten  Aatoritätsglauben  hat  noch  der  grosse  Eratosthenes  ^* 
(ungefähr  250  v.  Chr.)  zu  kämpfen.  ")     „Jeder  Dichter",  sagt  derselbe,   „will  ergötzen,  nicht    .    ' ^\'^ 
belehren.     Homer  und  die  andern  alten  Dichter  kennen  wohl  Hellas;  was  darüber  hinaus  liegt, 
kennen  sie  zum  grössten  Theil  nicht.     Thöricht  wäre  es  also,  alle  die  G^enden ,  die  uns  z.  B. 
in  der  Odysee  genannt  werden ,    aufsuchen    zu    wollen.     Homer    wollte    aber  damit  auch  nicht 
bestimmte  Gegenden  schildern,    um   sie  furchtbarer  oder  wunderbarer  uns  malen  zu  können". 
Von  nun  an  "halten  die  Gelehrtesten  allerdings  zu  Eratosthenes ,   z.  B.  Aristarch;    aber  Leute, 
die  den  alten  gläubigen  Standpunkt  vertheidigten ,    fanden  sich  auch  jetzt  noch  immer  imd  ich 
kann  da  gerade  den  Zeitgenossen  Aristarch's,  das  Haupt  der  pergamenischen  Schule,  Krates  aus 
Mallos,   nennen.     Derselbe  nahm  an,  Homer  habe  vollständige  Kenntniss  in  der  Astronomie, 
Mathematik,  Medizin,  Geographie,  in  der  chaldäischen  Sprache  u.  dgl.  m.  gehabt.    Aehnlich  der 
unter  Kaiser  Augustus  lebende  Strabo  auf  dem  Felde  der  Geographie. 

Noch  eine  Stelle  aus  Herodot  als  Beleg  dafür,  dass  Homer  auch  im  Gebiete  der  Natur- 
wissenschaften als  höchste  Instanz  pflegte  angerufen  zu  werden.  Herodot  äussert  sich  nämlich 
IV.  29:  „So  halte  ich  auch  dafür,  dass  darum  dem  dortigen ^o)  ungehörnten  Rindvieh  keine 
Homer  wachsen,  und  für  meine  Meinung  zeugt  auch  ein  Wort  Homers  in  der  Odysee,  das 
also  lautet: 

Libyen  auch,  wo  die  Lämmer  sogleich  aufwachsen  mit  Höraera  (IV.  85), 
was  ganz  richtig  gesagt  ist,  dass  in  heissen  Ländern  die  Hörner  schnell  herauskommen". 

Jetzt  freilich  verwundern  wir  uns  nicht  mehr,  wenn  der  Dichter,  der  am  grossartigsten 
und  herrlichsten  von  Schlachten  und  Kriegen  gesungen,  der  grösste  Meister  und  beste  Lehrer 
der  Strategik  sein  musste.  Aristophanes  nennt  gerade  das  das  Hauptverdienst  des  Homeros, 
8rt  XP^*^'  idida^Sy  rarste,  dpsxdi:,  6TZ?.iasiiz  dvdpwv.  In  dem  platonischen  Dialoge  „Jon"  (darauf, 
ob  er  acht  sei  oder  unächt,  kommt  es  hier  nicht  an)  sollte  der  Rhapsode  dem  Sokrates  erklären, 
was  Besonderes  man  denn  durch  die  Rhapsodenkunst  verstehen  lerne.  Er  giebt  mehrere  Ant- 
worten, aber  stets  wird  er  von  Sokrates  des  Irrthums  überführt.  Da  steift  er  sich  schliesslich 
darauf:  was  ein  Stratege  sagen  müsse,  das  wisse  er;  ein  guter  Rhapsode  sei  ein  guter  Feldherr, 
denn  er  lerne  die  Feldherrenkunst  aus  Homer;  er,  Jon,  sei,  weil  der  beste  Rhapsode,  auch  der 
beste  Feldherr  aller  Griechen.  Auch  dieser  Glaube,  dass  man  die  Strategik  aus  Homer  erlernen 
könne,  hat  noch  Jahrhunderte,  ja  bis  in  unsere  Zeit  fortgedauert.  Der  um  die  Mitte  des  zweiten 
Jahrhunderts  nach  Chr.  lebende  Polyainos  sagt  in  der  Einleitung  zu  seinen  ZrpaTTjy^fiaxa 
(Edit.  Wölfflin,  p.  4  u.  5) ,  schon  Homer  ermahne  einen  durch  die  oft  vorkommenden  Worte 
„mit  Arglist  oder  gewaltsam"  (^  d6X(p  ijl  ßijifi) ,  dass  man  erst  zu  Kunstmitteln  und  Listen 
und  erst,  wenn  diese  nichts  verfangen,  zur  Gewalt  greifen  müsse.  So  verfahre  namentlich  der 
von  ihm  so  hoch  gepriesene  Held  Odysseus.  Und  da  er  von  Homer  weggeht,  sagt  er:  'AkXä 
xalka  fiiv,  ^  3aa  ToiaoTa,  diddaxwv  "Ofxripoz  dpxsizo). 


v--y---     •■ 


—     12    -^ 


Rössel  berichtet  fc  der  Vorrude  sii  seinem  r>Abr4g4  de  tart  de  guerrt"^^  dass  Napoleon  L 
jefonden  habe,  man  könne  die  Kriegskanst  beim  Lesen  Homer's  erlernen. 

Wie  mit  Geschichte,  Geographie,  Natm^ssenschaften ,  Kriegskunst,  so  stand  es,  wie 
schon  gesagt,  mit  dem  ganzen  menschlichen  Wissen.  Im  10.  Bache  der  Politeia  (p.  598.  D.) 
sagt  Plato :  „Wir  hören  ja  von  gewissen  Leaten,  dass  die  Tragiker  and  ihr  Führer  Homer  all» 
Künste  verstehen  und  alles  menschliche,  was  sich  auf  Tagend  and  Schlechtigkeit  begeht,  wd 
das  Göttliche  dazu.**  -.y.'X> 


m. 

Wie  die  Ghiechen  die  gründliche  Eenntniss  Homers  sich  erwarben. 

Aus  all  den  in  Kapitel  II.  angeführten  Gründen  wurde  Homer  im  V.  Jahrhundert  als 
Schulbuch  verwendet.  Ich  verweise  besonders  auf  die  oben  schon  einmal  angeführte  Stelle  aus 
Isokrates^')  und  auf  jenes  Fragment  aus  den  JatraX^z,  wo  ein  Vater  seinen  Sohn  in  homerischen 
Glossen  prüft.     Hiefür  zeugt  auch  ein  Vers  des  Xenophanes: 

'£$  dp)r^<:  xad^  "Ofxrjpov  iizs).  fjsfxaf^ijxam  tzuvts^. 
Bei  Plutarch  finden  wir  über  den  jungen  Alcibiades  folgende  Anekdote :  Alcibiades  kam  zu 
einem  Schulmeister  und  bat  ihn  um  einen  Homer.  Als  er  bekannte,  er  habe  keinen,  gab  er  ihm 
eine  Ohrfeige.  Da  aber  ein  anderer  gesagt,  er  habe  einen  von  ihm  selbst  berichtigten  Homer, 
sprach  er :  Und  du  bist  Elementarlehrer,  während  du  doch  im  Stande  bist ,  den  Homer  zu 
berichtigen,  und  unterrichtest  nicht  an  höhern  Klassen  ?  ^^) 

Und  darüber,  wie  Homer  im  Jugendunterrichte  verwendet  worden,  giebt  uns  am  besten 
Auskunft  eine  Stelle  im  platonischen  Protagoras.  ^^)  Es  wird  daselbst  die  Erziehung  der  Jugend 
einlässlich  erörtert  und  anter  anderm  gesagt :  „Hernach ,  wenn  sie  den  Knaben  in  die  Schale 
schicken,  schärfen  sie  dem  Lehrer  weit  dringender  ein,  für  die  Sittsamkeit  der  Kinder  zu  sorgen, 
als  für  ihr  Lesen  und  für  ihr  Spiel  auf  der  Lyra.  Die  Lehrer  also  haben  hierauf  Acht  und 
auch  wenn  die  Kinder  nun  lesen  gelernt  haben  und  auch  das  Geschriebene  verstehen,  wie  vorher 
nur  den  Ton :  so  geben  sie  ihnen  auf  den  Bänkchen  die  Gedichte  der  trefflichsten  Dichter  zu 
lesen  und  lassen  sie  einlernen,  in  denen  viele  Zurechtweisungen  enthalten  sind  und  Erläuterungen, 
auch  Lob  und  Verherrlichung  alter  trefflicher  Männer,  damit  der  Knabe  sie  bewundernd  nach- 
ahme und  sich  bestrebe,  auch  ein  solcher  zu  werden."  Wenn  Homer  hier  auch  nicht  gerade  mit 
Namen  genannt  ist,  so  ist  doch  bei  jenen  „trefflichsten  Dichtern"  vorzugsweise  an  ihn  zu  denken. 

Und  was  der  Knabe  gelernt,  wurde  im  Jünglings-  und  Mannesalter  stets  wieder  auf- 
gefrischt durch  die  bei  allen  möglichen  festlichen  Gelegenheiten,  mochten  sie  öffentlicher  oder 
privater  Natur  sein,  stattfindende  Recitation  der  Rhapsoden.  2*)  Schon  vor  Solon  müssen  viele 
derselben  die  homerischen  Dichtungen  an  den  Panathenäen  vorgetragen  haben.    Durch  Solon  aber 


21)  Panegyrikos  §  n159. 

22)  Sengebosch,  Hom.  Dissert.  I.  p.  196.  Ich  glaube  den  Sinn  der  ziemlich  schwierigen  Stelle  richtig 
wiedergegeben  zu  haben.  Sie  lautet  übrigens :  kripou  dk  ^«rawo^  ^stv  'Oßtjpov  b(p  'aüroü  dtwp^ta^ivov,  eTr^ 
Jtfyjt  YpdfifiaTa  dtSdffxei^,  'Opyipov  iTzoitop&ouv  Ixaatö^  &v,  xai  od^l  voö^  viou^  izaideöeiq ; 

23)  p.  325.  £.  sqq. 

24)  Lauer,  p.  5  o.  13. 


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wurde  gesetzlich  bestimmt,  dass  an  dem  genannten  Feste  einzig  and  allein  Homer-Rhapsoden 

zogelassen  mid  angehalten  werden  sollten,  in  ihrem  Vortrage  einander  so  abzulösen,  dass  ein    ^'v/^y^fv^" 

zosammenhängendes  Ganze  entstünde.**)    Auch  an  andern  Festtagen  der  Athener  scheinen  die    tj^'y^^^r^ 

homerischen  Epen  recitiert  worden  zu  sein,  u.  a.  nach  Hesychius  (s.  v.  Bpauipatvioiz)  in  Brauron,  ;     :V 

an  welchem  Feste  wissen  wir  nicht.    Dass  desgleichen  die  Rhapsoden  auch  in  Städten  ausser 

Attika  auftraten,  versteht  sich  eigentlich  von  selber,  ist  aber  zum  üeberfluss  noch  ausdrücklich  .      ; 

bezeugt  durch  Herodot  Y.  67  und  durch  den  Verfasser  des  «Jon"  (gleich  am  Anfang).    Letztere 

Stelle  namentlich  lässt  uns  vermuthen,  dass  sie   eben  von  Ort  zu  Ort  z(^en  und  allenthalben 

das  am  meisten  gefeierte  Fest  zu  ihren  Vorträgen  auswählten. 

Selbst  zu  geselligen  Unterhaltungen  musste  der  Dichterheros  den  Stoff  liefern.  Schon 
seit  früher  Zeit  pflegte  man  nämlich,  wie  wir  einander  jetzt  Räthsel  aufzulösen  geben,  bei  den 
jriechen  sich  gegenseitig  Probleme  aus  Homer  zum  Lösen  vorzulegen.  Es  waren  veraltete 
Wörter,  über  deren  Bedeutung  man  schon  damals  nicht  mehr  im  Klaren  war  (Glossen);  dunkle 
Stellen ;  man  begehrte  auch  wol  Dinge  zu  wissen,  die  der  Dichter  verschwiegen  hatte  u.  dgl.  *_•) 
Eine  Spielerei  allerdings,  aber  wie  ungemein  geeignet,  den  Homer  sich  mehr  und  mehr  einzuprägen ! 

Auf  die  privaten  Homerstudien,  zu  welchen  der  Weg  natürlich  einem  jeden  offen  stand, 
trete  ich  nicht  näher  ein,  da  ich  in  diesem  Kapitel  nur  zeigen  wollte,  wie  die  grosse  Menge  zu 
jener  erstaunlichen  Kenntniss  des  homerischen  Epos  gelangt  sei. 


IV. 

Einzelne  Männer  der  Wissenschaft  beginnen,  gegen  die  homerische 

Autorität  sich  au&ulehnen. 

Was  die  alte,  gläubig-fromme  Zeit  von  Homer  hielt,  ist  weiter  oben  gezeigt  worden: 
von  Anfang  bis  zu  Ende  wurde  so  zu  sagen  Wort  für  Wort  seiner  Dichtungen  für  wahr  gehalten.^ 
Mit  dem  peloponnesischen  Kriege  begann  das  Zeitalter  des  Zweifels,  begann  man  an  allem  Her- 
gebrachten, bis  dahin  Geglaubten  zu  rütteln,  an  die  Stelle  des  bisherigen  gläubigen  Idealismus 
trat  kritische  Nüchternheit.  Da  wurde  denn  auch  die  homerische  Poesie  einer  strengen  Kritik 
unterworfen.  Zwar  die  Plänkeleien  der  Sophisten  haben  nach  meiner  Ansicht  im  Ganzen  wenig 
zu  bedeuten.  Von  Protagoras  wird  z.  B.  erzählt,  er  habe  den  Anfang  der  Ilias  sowohl  als  der 
Odyssee  getadelt,  weil  Homer  daselbst,  statt  zur  Göttin  gefleht,  derselben  befohlen  habe.  ^^ 
Im  übrigen  ist  es  bekannt,  dass  die  Sophisten,  die  ein  Hauptgewicht  auf  die  Redekunst  l^ten, 
so  gut  wie  später  die  Rhetoren  ihre  Stoffe  aus  Homer  nahmen,  da  den  ^vrotv  löyo^  zum  xpecrrwv 
zu  machen  suchten.  So^  werden  dem  Gorgias  die  zwei  Declamationen  zugeschrieben  ^Eyxtofuov 
'EXivrj<^  und  ^AnoXoyia  Uakafii^doiiz.  '*^)  Die  Sophisten  gingen,  um  es  kurz  zu  sagen,  fast  überall 
darauf  aus,  dem  Homer,  der  anerkannter  Massen  der  erste  Dichter  war,  Irrthümer  nachzuweisen. 
Ungleich  höher  ist  es  anzuschlagen,  wenn  Männer  der  Wissenschaft  durch  ernste  Studien  dahin 


25)  Lycurg.  Leoer.  §  102    und   Diog.  t.    LaSrte   in  Vita   Solonis   I.  57.     Ueber   letztere   Stelle   vgl. 
Sengeb.,  Hom.  Diss.  II.  p.  107.  / 

26)  Lauer,  p.  9. 

-27)  Mriviv  äeiSe,  ^ed  und  "AvSpa  fiot  iwene,  Moutra. 

28)  Palamedes,  Held  des  nachhomeriscben  troiscben  Sagenkreises. 


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29)  II.  II.  569  tind  570.     „Die  von  Mykenae  kamen,  der  Stadt  mit  den  prangenden  Häosern,   ]   Auch 
Ton  der  reichen  Korinthos,  Kleonäs  stattlicher  Feste." 

30)  lüas  n.  576  sqq.  und  609  sqq. 

31)  Vgl.  hierüber  die  Programmarbeit   von  Dr.  Rassow:     „Ueber    die   Beortheilang    des    Homerischen 
Epos  bei  Plato  and  Aristoteles.     Stettin  1850."  —  Sengebuscb,  Hom.  Diss.  I.,  p.   129  sqq. 


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~    M    — 

gebracht  worden,  gegen  die  Autorität  Homer's  sich  anfzBlehoen.   Hie  oad  daigieog  e»  dfflUjOBAt 
80   glaobenestarken  Herodot  schon  so.    Von  dem  grossen  Thukydidee  d&rften  wir  es  viVAiif- 
setsen,  anch  wenn  wir  nicht  ganz  bestimmte  Beweise  hätten.    Dieser  Greschichtscfareiber  anerkannt 
zwar  das  Zengniss  Homers  für  die  Zeit,  in  welcher  der  Dichter  gelebt    So  sagt  er  am  A^twge 
(I.  3)  jseines  Gechichtswerkes,  die  homerischen  Dichtungen  beweisen,  dass  der  Name  Hellenen  ja 
nicht  etwa  von  Anbeginn  ein  allgemeiner  gewesen.    Und  bald  darauf  (I.  13)  wird  Homer  Stiert, 
um  zu  zeigen,  dass  Korinth  schon  frühe  einen  Hafen  hatte  und  reich  war.  ^°)    Die  Erzählungen 
aber  des  Dichters  über  frühere  Reiten,  d.  h.  über  die  Zeiten  des  trojanischen  Krieges,  benutzt 
er  entweder  äusserst  vorsichtig  oder  verweist  sie  entschieden  in  das  Reich  der  Sage.   I.  9  handelt 
der  Geschichtschreiber  von  der  grossen  Macht  Agamemnons,  namentlich  der  Seemacht.    Derselbe 
habe  die  Griechen  wohl  mehr  durch  Furcht,  die  er  ihnen  eioflösste,  zu  dem  Unternehmen  gegen    ,  ^ '-«sl 
Troja  vereinigt,  als  dass  sie  es  ihm  zu  Liebe  gethan.     „Denn  es  zeigt   sich,  dass  er  für  seiue      ''-'i ' 
eigene  Person  mit  der  grössten  Anzahl  von  Schiffen  erschien  und  überdiess  noch  den  Arkadiero    """  *ii 
solche  gestellt  hat.  3°)    So  erzählt  nämlich  Homer,  —  wenn  dieser  überhaupt  als  Gewährsmann     %, 
gelten  kann.     Auch   lässt  er  ihn  in  der  Stelle,   wo  von  der  Vererbung  des  Szepters  die  Rede     .-. 
ist  (II.  n.  108)  ,'%■ 

Inseln  viele  beherrschen  und  sämmtliche  Gaue  von  Argos.  "  yv  ^     .     j-'f^^^^. 

Und  gleich  darauf  (I.  10)  äussert  er  sich  über  den  Zug  der  Griechen  gegen  Troja:    „Darf  man  c^V 

der  Schilderung  Homers  auch  hierin  Glauben  schenken,   obgleich  es  selbstverständlich  ist,  dass  Vf; 

er  als  Dichter  die  Dinge  in's  Grössere  und  Schönere  ausmalt,  so  erscheint  selbst  unter  dieser 
Voraussetzung  der  Zug  ziemlich  ärmlich.  Homer  erzählt  nämlich  etc."  Auf  eine  oben  schon 
berührte,  sehr  bezeichnende  Stelle  (II.  41)  will  ich  nur  verweisen.  Die  historische,  auf  genauer 
und  kritischer  Benutzung  der  Quellen  beruhende  Darstellung  und  die  dichterische  Erzählung 
werden  einander  entschieden  gegenübergestellt  in  L  21  :  „Trotzdem  möchte  einer  nicht  fehlgehen, 
wenn  er  zumeist  das  für  wahr  hält,  was  ich  nach  den  angeführten  Beweisgründen  mitgetheilt 
habe,  und  weder  dem  mehr  Glauben  schenkt,  was  die  Dichter  in's  Grossartige  aosschmückend  J 

davon  gesungen  haben,  noch  auch  dem,  was  die  Sagenschreiber  (Xoyoj'pd^oc)  darüber  aufgezeichnet,  '^^, 

mehr  mit  Rücksicht  auf  das  der  Einbildungskraft  Schmeichelnde,   als  auf  die  Wahrheit,  Uner-  \v:p. 

weisliches  nämlich  und  unter  dem  Einfluss  der  Zeit  in's  Unglaubliche  und  Fabe^iafte  Umgebildetes  ;  .. -e^ 

er  soll  vielmehr  glauben,    dass   mein   Befund  den  glaubwürdigsten  Zeugnissen   entspreche    und  .- 'Ifc 

80  treu  sei,  wie  es  bei  Dingen  aus  alter  Zeit  eben  möglich  ist." 

Wie  auf  dem  Felde  der  Geographie  und  Geschichte  Herodot  und  Thukydides,  und  zwar 
letzterer  ganz  entschieden,  sich  vom  Autoritätsglauben  lossagten,  so  auf  dem  Gebiete  der  Philo- 
sophie frühe  schon  Pythagoras,  Heraklit,  Xenophanes.  ^')  Namentlich  hatte  es  sich  der  letztere, 
dessen  langes,  wohl  neunzigjähriges  Leben  zwischen  580 — 480  v.  Chr.  fällt,  zur  Lebensaufgabe 
gemacht,  den  Volksglauben  zu  bekämpfen  und  eine  reinere  Erkenntniss  zu  verbreiten.    Zu  diesem  { /^ 

Behufe  musste  er  besonders  der  homerischen  Poesie  den  Krieg  ankünden,   was  er  denn  auch         ..^x 
entschieden  gethan.     „Xenophanes  hat  aber",   erzählt  Diogenes  von  Lagrte,   „sowohl  in  Hexa-  ^j,^ 

metem,  als  Elegien  und  Jamben  geschrieben  gegen  Hesiod  und  Homer,  indem  er  das  tadelt,  was 


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'    /—    16    — 

dkiselb^  über  die  Götter  gesagt".    Und  bei  Sextus  Empirikos  beisst  es  eiomal:   „Homer  aber 
und  Hesiod,  nach  dem  Urtheil  des  Rolophoniers  Xenophanes,     .$:'^  t«M -^^j^ff*?:^^« 

v^^  #'^^'        xAimew  /iot^eöetv  re  xa}  dXXijXoiK  änaxtueat,*  -^^^^^^ '--''' ^  ^■';-^\p}ir\ 

An  einer  andern  Stelle:    „daher  sagt  auch  X^ophanes,  den  Homer  and  Hesiod  flidehid:'   ^-^^  y 


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";^^:^/      <;  '  "öötfa  ;rayo'  dv^pamoiatv  dveidea  xal  <p^o<:  iariv,  .'    '^^'. 

3f^s;rTetv  fxot^euetv  re  xai  dXX-^Xou^  dnareuetv.^ 
^ext^ß  fährt  auch  einige  Verse  des  Timon  an,  unter  denselben  folgenden:  ..,'?-  '        ;'"        ' 

■"-■  S£tvo<pdvr)(:  öitdzo^<K,  ofjcrjpandTTjz  imaxanm)^ 

S:    -y  und  erklärt  die  Worte  bfja)paKdrrj(;  k7tiax(üimj(:  „Verspotter  homerischen  Betruges,  Irrthums" 
C;*        S/JO^pandn^  dk  kTzuncanrzrjv,  ine),  ttjv  nap  '^Opr^pip  dndrqv  Stiaupev. 
'  -f  ■■   '  :,:'?v  ■■"     -  .  ■  ■  ■  ■     ■  -  '    ' 

AUegorische  Deutung  Homers. 

--|!  -,':   .  Wo    immer   heilige    Schriften    allegorisch    erklärt   werden,    darf   man    ohne   Bedenken 

annehmen,  dass  die  Tradition  mit  der  wissenschaftlichen  Forschung  in  Conflikt  gerathen,  dass 
sich  zwischen  ihnen  beiden  eine  Kluft  befestigt  hat.  Die  allegorische  Deutung  nun  sollte  eben 
eine  Brücke  über  die  Kluft  bilden.  Die  Erklärer  der  heiligen  Schrift  können  dabei,  j§.  nachdem 
sich  ihr  Herz  mehr  der  Tradition  oder  der  Wissenschaft  zuneigt,  einen  doppelten  Weg  einschlagen. 
Im  ersten  Falle  wird  nämlich  die  Wissenschaft,  im  zweiten  die  Tradition  aufs  Prokrustesbett 
gelegt.  Mitunter  können  auch  die  beiden  Spielarten  der  „Vermittler"  nicht  recht  unterschieden 
werden,  alldieweil  sie  es  sich  meistens  sehr  angelegen  sein  lassen,  mit  der  Sprache  ihre  innersten 
Gedanken  eher  zu  verhüllen  als  zu  offenbaren.  Derartige  Leute  also  gab  es  im  V.  Jahrhundert 
vor  Chr.  schon.  Wen  die  Sache  besonders  interessiert,  der  findet  mehrere  Proben  bei  „Lauer, 
Geschichte  der  homerischen  Poesie"  pag.  50  ff.  Niceratus  musste  dem  Stesimbrotus  aus  Thasos, 
dem  Anaximander  und  vielen  andern  viel  Geld  bezahlen,  auf  dass  sie  ihn  in  der  allegorischen  Aus- 
l^ekunst  unterrichteten.  ^^)  Es  wird  uns  des  weitem  berichtet,  dass  hauptsächlich  Anaxagoras 
von  Klazomenae,  der  Freund  des  Perikles,  und  sein  Schüler  Metrodorus  von  Lampsacus  Meister 
in  allegorischer  Deuterei  gewesen.  Diogenes  von  Laerte  erzählt  (II.  11):  „Es  scheint  aber 
Anaxagoras  zuerst  behauptet  zu  haben,  dass  die  homerische  Poesie  über  Tugend  und  Gerechtigkeit 
handle;  weiter  aber  noch  bildete  die  Lehre  aus  Metrodorus  aus  Lampsacus,  sein  Vertrauter,  der 
auch  zuerst  sich  mit  der  physikalischen  Erklärung  des  Dichters  abgegeben."  Und  über  Metro-  , 
dorus  speziell  äussert  sich  der  christliche  Apologet  und  Gnostiker  Tatianos  in  seinem  Buche 
0  npb<:  ''EXXtjvü^  Ifffoz :  „Und  auch  Metrodorus  aus  Lampsacus  hat  in  dem  Buche  „Ueber  Homer*' 
allzo  einfältig  sich  ausgesprochen,  indem  er  Alles  auf  All^orie  zurückführt.  Denn  weder  Hera 
noch  Athene,  noch  Zeus  sei  das,  sagt  er,  was  die  glauben,  so  ihnen  Heiligthümer  und  Haine 
w  .  gestiftet,  sondern  Stoffe  der  Natur  und  Verbindungeü  von  Elementen  {^uaecm;  bizootdaei^  xcu 
ij  *  '  ar<H][tia)v  duixoofjdjaev;).  Und  auch  Hektor  und  Achilleus  offenbar  und  Agamemnon  und  über- 
*^V"    haupt  alle  Griechen  und  Barbaren  mit  der  Helena  und  dem  Paris,  werdet  ihr  sagen,  bezeichnen 

V}l^:.  — '. 

'^  t  32)    Xenoph.  Sympos.  III.  6. 


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4: 


-   ,,,  -  ^  - 

ebenfalls  Erscheioungen  der  Natur  and  seien  nur  der  (dichterischen)  Öekonomie  wegen  angeführt 
1^  worden;   keiner  aber  der  vorgenannten  Menschen  habe  je  gelebt**.    Nach  Hesychins  «rkl&rte 
^'   Metrodoms  den  Agamemnon  allegorisch  als  Aether. 

Die  allegorische  Erklärung  vegetierte  übrigens  noch  lange.    Beispiels  halber  erwähne  ich 
nnr,  dass  Aristarchs  Gegner,  Krates  ans  Mallos,  ihr  noch  huldigte.  ...  f, 

■  1     "  ■-i' 


VI. 

Die  ünhaltbarkeit  der  homerischen  Autorität  wird  methodisch-wissenschaftlieh 

nachgewiesen. 


y^.- 


^ 


Indem  ich  nunmehr  dazu  übergehe,  die  Art  und  Weise,  wie  Plato,  dieser  genialste 
Denker,  über  Homer  geurtheilt,  bemerke  ich  von  vorne  herein,  dass  ich  dabei  nur  die  Politeia 
benutzen  werde.  Denn  einerseits  spricht  Plato  in  dieser  Schrift  seine  Ansichten  so  vollständig 
und  unumwunden  aus,  als  man  es  nur  wünschen  kann:  anderseits  thürmen  sich  demjenigen,  der 
die  zahlreichen,  in  den  übrigen  Dialogen  zerstreuten  ürtheile  über  Homer  sammeln  und  verwerthen 
will,  beinahe  unüberwindliche  Hindernisse  entgegen. 

Für's  erste  ist  der  Kampf,  welche  von  jenen  Dialogen  acht,  welche  unächt  seien,  bis 
zur  Stunde  noch  nicht  ausgekämpft;  Natürlicher  Weise  aber  dürfen,  wenn  es  sich  darum  handelt, 
Plato's  selbsteigen^  Urtheil  über  die  homerischen  Dichtungen  ausfindig  zu  machen,  die  Zeugnisse 
der  unächten  Schriften  nicht  in  Betracht  fallen.  Halten  wir  uns  aber  auch  nur  an  die  unbe- 
strittenen, die  „Normalschriften"  des  Autors,  so  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  wir  da  nicht 
gewöhnliche  wissenschaftliche  Abhandlungen  haben,  aus  denen  man  nur  irgend  einen  Satz  heraus- 
nehmen und  ohne  Bedenken  als  des  Verfassers  Meinung  und  Urtheil  bezeichnen  dürfte.  Nein, 
wir  haben  es  da,  wie  Schaarschmidt  sich  an  einem  Orte  sehr  treffend  ausdrückt,  mit  philoso- 
phischen Dramen  zu  thun.  Es  treten  darin  verschiedene ,  eigenartig  gestaltete  Persönlichkeiten 
auf  und  vertheidigen  verschiedene  Ansichten.  Durch  den  Mund  welcher  Person  lässt  nun  Plato 
seine  selbsteigenen  Gedanken  aussprechen?  Durch  den  des  Sokrates.  Einverstanden.  Aber  dieser 
Sokrates,  wie  oft  greift  er  zu  den  Waffen  der  Ironie,  der  Persiflage!  ^')  Wie  oft  ist  man  ver- 
sucht, wenn  man  ihn  etwas  in  so  ganz  ernstem  Tgne  vortragen  hört,  das  für  seine  wirkliche 
Meinung  zu  halten  und  wenn  man  aufblickt,  so  sieht  man  erst,  wie  ein  schalkhaftes  Lächeln 
seinen  Mund  umkräuselt.  Im  Theätet  sind  drei  sehr  bezeichnende  Stellen.  P.  152.  E.  „Und 
hierüber  (dass  alles  in  beständiger  Bewegung  und  Fluss)  stimmen  alle  Weisen  ausser  Parmenides  T  ' 

überein ,    Protagoras  sowohl  als  Heraklit  und  Empedokles ,    und  so  auch  von  den  Dichtem  die  <  i 

Anführer  von  beiden  Dichtungsarten :    Epicharmus  der  komischen  und  der  tragischen  Homeros. 
Denn  wenn  dieser  sagt:  'QxeavSlf  ts  ^ewv  xiveatv  xai  fxrjripa  Trj^uvy^*)  will  er  andeuten,  dass  '    '. 

alles  entsprungen  ist  aus  dem  Flusse  und  der  Bewegung.     Oder    scheint   er  dir  nicht  dieses  zu        -        r! 
meinen?  —  Th.   Allerdings  auch  mir.  —  Sokr.    Wer  dürfte  nun  wohl  gegen  ein  solches  Heer 
und  seinen  Anführer  Homeros  etwas  bestreiten,  ohne  sich  lächerlich  zu  machen  ?  —  Th.  Leicht 
ist  es  nicht,  o  Sokrates".    Die  zweite  Stelle  p.  153.  C.  sqq.    „Und  soll  ich  über  dies  Alles  nun  .  ^ 

noch  den  letzten  Stein  hinzutragend  beweisen,  dass  unter  der  goldenen  Kette  Homeros  nichts  anderes 


■  \v<; 


33)  Die  Politeia  bildet  io  dieser  Hinsicht  eine  Ausnahme.  :'■':' 

34)  Ilias  XIV.  201.  ,  '--S,^; 


.  ^  »^ 


^ 


—  17  i-  ■  ■••^-r': 

Torsteht  als  die  Sonne  und  also  andeutet,  so  lange  der  ^esammtd  Umkreis  in  Bewegung  ist  und 

die  Sonne ,   ist  and  besteht  Alles  anter  den  Göttern  sowohl  als.  Menschen ,   wenn  aber  dieses 

feststünde  wie  gebanden,    würden  alle  Dinge  vernichtet  werden  und  wie  man  sagt  drunter  and 

drüber  gehen?**    Und  die  dritte  Stelle  p.  194  C.  sqq.:    „Wenn  jemandes  Wachs  in  der  Seele 

stark  aufgetragen  ist  und  reichlich  und  glatt  and  gehörig  erweicht,  dann  und  bei  solchen  Menschen 

sind  alle  ans  den  Wahraehmangea  kommenden  and  in  dieses  Mark  der  Seele,  wie  Homer,  die 

Aehnlichkeit  mit  dem  Wachse  andeatend,  sagt  ^'),  eiogezeichneten  Abdrücke,    da  sie  rein  sind 

*%^;w und  Tiefe  genug  haben,    aach  dauerhaft  und  solche  Menschen   siud  zuerst  gelehrig  etc."    Nun 

?<^^      -bezeichnet  der  bei  Homer  häufig  vorkommende  Ausdruck  kdaiov  x^p  die  zottige  Brust,  als  Zeichen 

;  ;  -der  Mannhaftigkeit,  des  Muthes  und  vorzüglicher  Leibeskraft,   ist  also   ein  lobendes  Epitheton 

^,^    '        für  einen  Hellen.     Sokrates  aber  meint:    „Wenn  nun  jemandes  Mark  rauh  ist,  welches  der  in 

'If  ,r  .>      allen  Dingen  weise  Dichter  gar  loben  will, bei  dem  werden  die  Abbilder  undeutlich". 

-■i.i^  Das  ist  ja,  rufst  Du  erstaunt,  die  reinste  allegorische  Deutung,   wie  wir  sie  im  vorigen 

f/  :  Kapitel  kennen  gelernt!  Diese  Art,  den  Homer  zu  erklären,  hätte  also  Sokrates,  resp.  Plato,  zn 

;:V  der  seinigen  gemacht?     Nein,  nichts  als  Ironie,  pure  Persiflage !  Das  hat  schon  Ast  gesehen.  '•) 

•  ^'  Er  sagt  nämlich:    .,Die  Dialektik  ist,  wie  schon  erinnert,   durchaus  ironisch,  nicht  selten  ganz 

*  •,.    ,       satyrisch,  vorzüglich  gegen  die  Anhänger  des  heraklitischen  Dualismus,  mit  denen  Piaton,  wie  er 

;;  ■ '        selbst  andeutet,  in   besonderer  Entzweiung  gelebt  zu  haben  scheint.     Daher  die  Zuröckführung 

'♦/i-  der  heraklitischen  Sätze  auf  Homeros,    den  all  weisen,    den  er  selbst  als  Herakliteer  bezeichnet. 

'■t,  Vieles,  wie  die  goldene  Kette,  die  Iris,  Tochter  des  Thauraas  (p.  155.  D)  u.  a.  scheint  Persiflage 

;.'^  -  zu  sein  auf  die  allegorische  Auslegung  des  Homeros  und  Hesiodos,   deren  sich  die  Philosophen 

|#'5;' '-^.         bedienten,  um  ihre  Behauptungen  durch  das  Ansehen  der  ältesten,  allgemein  verehrten  Dichter 

k'v«-;  *^  bekräftigen;  die  Ironie  und  Persiflage  erhellt  vornehmlich  daraus,  dass  Piaton  selbst  auf  das 

~    -    '  Zeugniss  des  Homeros  so  grosses  Gewicht  legt,  seine  Worte  aber  auf  eine  ganz  künstliche  Weise 

erklärt  etc." 

Und  das  bestätigt  auch  wieder  der  neueste  Forscher,  Schaarschmidt.  ^^)     In  Kap.  IV, 

betitelt:    „Darlegaifg  des  Massstabes  für  die  Echtheit  platonischer  Schriften,    insbesondere  der 

literarischen   Zwecke  Plato's,    nebst  der  sich  daraus   ergebenden  Classificirung  aller  ihm  znge- 

,>'.  schriebenen  Werke"  auf  Seite  108.  äussert  er  sich  also:    „Die  feine  Ironie  femer,  mit  welcher 

>  C^'  V       diese  Schriften  gewürzt  sind, ihre  häufige  Beziehung  auf  Dinge,  die  uns  nur  zum  Theil 

:^i:  .  -  oder  auch  gar  nicht  bekannt  sind,  endlich  das  Unbestimmte,  Flüssige,  Doppelsinnige  mancher 
v-/  Auslassungen  legt  dem  Streben,  eine  scharfbegränzte  und  vollständige  Einsicht  in  den  eigentlichen 

.  ^^  Lehrinhalt  der  platonischen  Philosophie  zu  gewinnen,  nicht  geringe  Hindernisse  in  den  Weg." 

.;;   ^       Diese  Bemerkungen  gelten  in  vollem  Umfange  auch  hinsichtlich  der  Beurtheilung  des  Homeros. 
s  .  Es  ist  femer  auch  wohl  zu  beachten,  dass  der  wissenschaftlichen  Beweisführung  bei  Plato 

"^  ;. .  in  ganz  eigenthümlioher  Weise  die  poetische  oder  mythische  zur  Seite  geht;  diese  beginnt,  wo 
'y*:,;'  jeoe  entweder  schwer  oder  unmöglich  wini. '^)  Stellen  also,  wie  am  Schlüsse  des  Gt)rgias 
ii','  (P*  523.  A.  526.  D.)  oder  des  Phaedon  (pag.  112.  A.)  können  begreiflicherweise  nicht  als  Be- 

weise dafür  angeführt  werden,  dass  Piaton  an  die  Wahrheit  der  homerischen  Mythen  geglaubt. 


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-w-^-; 

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'^>;^."    -  36)    toSto  tö  t^  fpi^X^  xiap.  xdap  {xfjp)  heisst  Herz,  XTjp6<:  Wachs. 

'^^i'  ^    Pl*to*8  Leben  und  Schriften,  Leipzig  1816  (p.  191.) 

87)    Die  Sammlung  der  Platonischen  Schriften   znr  Scheidung  der  echten  von  den  xmechten  nntersncht 
▼oa  C.  Schaarschmidt. 
j;;  38)    Nicolai,  p.  190.  ,8 


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39)  „Höre  also  eine  gar  schöne  Erz&hlang,  welche  Da  zwar,  wie  ich  glaube,  für  einen  Mythos  halten 
wirst,  ich  aber  für  eine  wahre  Erz&hlang;    denn  als  wahr  werde  ich  Dir  sagen,  was  ich  Dir  sagen  will  o.  s.  w.** 

40)  Schleiermacher,  Einleitung  zum  „Staat",  p.  8. 


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^    ;  '  W^  er  «neh^an  der  zuerst  citierten  Stelle  des  Gorgias  bestimmt  erklärt,  "Wtti^^W  jätJrt'^IßrdltMen 

•  ■ .    .  ■  ■•  .  werde,  sei  wahr.  ^•)     Er  meint  eben  nur,  der  tiefere  Sinn  des  betreffenden  Mythos  sei  wahr. 

,'"    ^     ^  ''^'  Aus  all  dem  Gesagten  geht  wohl  zur  Evidenz  hervor,  dass   man  die  in  platonischen 

Dialogen  enthaltenen  ürtheile  über  Homer  nicht  nur  sammeln,  zusammenstellen  und  hernach 
'daraus  folgern  kann,  wie  Plato  selber  über  den  Dichter  geurtheilt.  Es  bedarf  da  vielmehr  eines  'y'''j;.5 
tiefen  Studiums  Piatos,  eines  ernsten  Eingehens  auf  die  platonische  Frage,  und  dann,  aber  auch 
dann  erst  kann  die  oben  angedeutete  Aufgabe  mit  Erfolg  gelöst  werden.  Muss  ich  nun  aber  auch 
verzichten,  an  diesem  Orte  alle  bei  Plato  vorkommenden  Homercitate  zu  besprechen,  so  darf 
ich  doch,  indem  ich  alle  die  frühern  Dialoge  mit  der  Politeia  vergleiche,  den  Satz  ohne  Bedenken 
aussprechen:    In  all  jenen  frühern  Dialogen  ist  kein  ernster,   ofifener  Tadel  gegen  Homer  ans- 

'    ■"  gesprochen,  wie  dies  in  der  Politeia  so  oft  der  Fall  ist.  An  einem  einzigen  Orte  (Phaedr.  p.  243.  A.) 

scheint  mir  eine  leichte  Rüge  versteckt  zu  liegeu.  „Es  giebt  aber~,  heisst  es  dort,  „für  die  in 
Dichtungen  über  die  Götter  sündigenden  eine  alte  Reinigung,  von  welcher  Homer  nichts  wusste, 
Stesichorus  aber.  Denn  als  er  der  Augen  beraubt  ward,  blieb  ihm  nicht,  wie  dem  Homer,  die 
Ursache  unbekannt,  sondern  als  ein  den  Musen  Vertrauter  erkannte  er  sie  und  dichtete  sogleich 
«ein:  „„Unwahr  ist  diese  Rede,  denn  nie  bestiegst  Du  die  zierlichen  Schiffe,  noch  kamst  Du  je 
•  zur  Feste,  von  Troja""  und  nachdem  er  den  ganzen  sogenannten  Wiederruf  gedichtet,  ward  er 
alsbald  wieder  sehend.**  Schleiermacher  sacht  diese  Stelle  folgender  Massen  zu  erklären:  „Offenbar 
soll  hier  ein  Vorzug  des  Stesichorus  vor  dem  Homer  angedeutet  werden;  ebenso  auch  vielleicht 
in  dem  [jiotja(x6<:  etwas  liegen,  was  Plato  dem  Homer  abspricht.  Vielleicht  also  hier  schon  die 
erste  Spur  des  Vorzugs,  den  er  der  lyrischen  Dichtkunst  einräumte  vor  der  epischen."  Sprechen 
wir  es  nur  noch  deutlicher  aus.  Beide  Dichter,  sagt  Piaton,  haben  darin  gefehlt,  dass  sie  über 
Götter  und  Heroen  sich  frevelhaft  geäussert  und  beide  sind  dafür  bestraft  worden.  Nur  war  des 
Stesichorus  Strafe  bloss  eine  vorübergehende,  weil  er  zur  Erkenntniss  kam  und  eine  Palinodie 
dichtete  — '-  Homer  dagegen  blieb,  weil  er  in  seinem  Vergehen  verharrte,  blind.  Die  folgenden 
Worte  bestätigen  die  Richtigkeit  meiner  Auffassung.  „Ich  will  nun  gerade  hierin  weiser  sein,  als 
jene.  Denn  bevor  ich  wegen  der  Übeln  Rede  über  den  Eros  etwas  leide,  will  ich  versuchen  ihm 
den  Wiederruf  zu  geben  mit  entblösstem  Haupte  und  nicht  wie  damals  vor  Scham  verhüllt."  — 
In  der  Politeia  ist  es,  wie  schon  gesagt,  anders.  Schon  im  ersten  Buche,  das  doch  in  vielen 
Beziehungen  noch  den  früheren  Werken  gleicht  *°),  findet  sich  ein  scharfes  Urtheil  über  Homer. 
Sokrates  sagt  dort  einmal  (p.  334.  A.):  „Als  ein  Listiger  also,  wie  es  sich  zeigt,  ist  uns  der 
Gerechte  zum  Vorschein  gekommen ;  und  Du  magst  das  von  Homeros  gelernt  haben,  denn  auch 
dieser  lobt  des  Odysseus  mütterlichen  Grossvater  Autolykos  und  sagt  von  ihm,  dass  er  hoch  vor 
den  Menschen  berühmt  war  durch  Verstellung  und  Schwur.  So  scheint  also  die  Gerechtigkeit 
nach  Dir  sowohl,  als  nach  dem  Homeros  und  dem  Simonides  eine  Ueberlistung  zu  sein  und  zwar 
aum  Nutzen  der  Freunde  und  zum  Schaden  der  Feinde." 

Den  strengsten  Rügen  aber  wider  den  Dichterheros  begegnen  wir  im  II.,  HI.  und  X. 
Buche.  Eröffnet  wird  das  Gefecht  im  H.  Buch  durch  Glaukon's  Bruder,  Adeimantos,  welcher 
in  seiner  Rede  nachweist,  wie  irrige  Meinungen  von  den  Dichtem,  namentlich  von  Homer  und 
Hesiod,  in  Hinsicht  auf  Gerechtigkeit  und  Ungerechtigkeit  verbreitet   werden.     Auf  sie   berufen 


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sich  diejenigen,  welclie«  wenn  sie  die  Gerechtigkeit  loben  wollen,  nar  die  daraas  r^nltier^iden  Vor-     ~ 

*.  theile  erwähnen  *')  und  umgekehrt  nur  die  furchtbaren  den  Ungerechten  treffenden  Strafen  einem 
';i  Tormalen,  wollen  sie  die  Ungerechtigkeit  tadeln.  *^)  Die  Dichter  stellen  femer  die  Gerechtigkeit 
als  schön  zwar,  aber  schwer  und  mähselig  dar,  und  die  Ungerechtigkeit  als  leicht  und  süss,  wenn 
auch  allerdings  schändlich.  Doch  schämen  sie  sich  nicht,  die  Bösen  zu  ehren,  wenn  diese  reich 
sind  und  vielvermögend.  Nach  ihnen  hätten  die  Götter  auch  den  Guten  Unglück  zuertheilt; 
die  Ungerechten  dagegen  könnten  mifdem  erstohlenen  Gelde  jene  umstimmen  und  so  den  von 
Bechts  wegen  ihnen  zukommenden  Strafen  entrinnen.  Denn  nach  Homer  seien  ja  lenksam  selber 
die  unsterblichen  Götter  und  vermöge  durch  Gelübde  und  Opfer  der  Sterbliche  dieselben  umzu- 
lenken. ^^)     Solche  Lehren  hätten  namentlich  auf  die  Jugend  einen  schädlichen  Einfluss. 

Diesen  Vorwürfen  pflichtet  Sokrates  nicht  nur  bei,  sondern  verstärkt  sie  noch.  Denn 
hatte  Adeimantos  nur  Privatverhältnisse  im  Auge  gehabt,  so  lenkt  Sokrates  unsere  Augen  auf 
einen  Staat  und  weist  nach,  wie  gefährlich  da  die  genannten  Dichter  seien.  In  einer  gesunden 
Stadt  finden  wir  sie  aber  nicht,  sondern  erst  in  einer  üppigen,  wo  es  Polster,  Salben,  Räucher- 
werk und  dgl.  giebt.  Da  kommen  dann  herein  Jäger  und  Schaukünstler,  Dichter  und  deren 
Diener:  Rhapsoden,  Schauspieler,  Tänzer  u.  s.  w.  Eine  solche  Stadt  kommt  aber  auch  in  dep 
Fall,  Kriege  zu  führen  und  muss  also  Wehrmänner  haben.  Wie  müssen  diese  erzogen  werden?  • 
Die  Märchen,  die  man  den  Kindern  erzählt,  müssen  sorgfältig  gewählt  sein,  denn  im  Jugendalter 
bildet  sich  das  Gepräge  der  Seele.  Da  dürfen  die  Menschen  also  nicht  Vorstellungen  aufnehmen» 
die  denen  entgegengesetzt  sind,  welche  sie  später  haben  sollen.  Man  muss  folglich  Aufsicht  führen 
Hber  die,  welche  Märchen  und  Sagen  dichten.  Von  denen  aber,  die  Mütter  und  Wärterinen 
jetzt  den  Kindern  erzählen,  sind  die  meisten  zu  verwerfen.  Nicht  minder  verwerflich  jedoch  sind 
diejenigen,  welche  Homer,  Hesiod  und  die  andern  Dichter  uns  erzählt  haben,  denn  sie  enthalten 
imrichtige  und  unwürdige  Darstellungen  über  Götter  und  Heroen.  So  sind  die  Geschichten  von 
Uranos  und  Kronos  gefälscht.  Was  Zeus  dem  Kronos  gethan,  sollte,  wenn  es  wahr  wäre,  un- 
verständigen und  jungen  Leuten  gar  nicht  oder  nur  sehr  wenigen  erzählt  werden.  Solche  Ge- 
schichten geben  ein  böses  Beispiel,  sie  untergraben  die  Achtung  der  Kinder  vor  den  Eltern.  Die 
Erzählungen  von  Kämpfen  der  Götter  **)  gegen  einander  gefährden  die  Eintracht  unter  den  Bürgern. 
Dichter,  die  so  erzählen,  sind  in  der  Stadt  nicht  zuzulassen.  —  Wie  Gott  ist,  so  muss  er  in 
jeder  Dichtung  auch  dargestellt  werden.  Nun  ist  aber  Gott  gut;  als  solcher  kann  er  für  die 
Menschen  nur  Geber  des  Guten,  nicht  aber  des  Uebeln  sein.  Also  ist  die  Geschichte  von  den  zwei 
Fässern,  so  da  stehen  an  der  Schwelle  Kronions,  *^)  unwürdig.  Auch  den  wollen  wir  nicht  loben, 
der  da  dichtete,  Athene  und  Zeus  hätten  gemacht,  dass  Pandaros  Schwüre  und  Verträge  ge- 
brochen. *•)  Entweder  sollen  diese  Thaten  gar  nicht  als  Gottes  Thaten  erzählt  werden,  oder 
'  auf  andere  Weise.  Dies  also  wäre  eines  von  den  Gesetzen  in  Bezug  auf  die  Götter,  kraft  dessen 
nur  so  darf  geredet  und  gedichtet  werden,  dass  Gott  nicht  an  Allem  Ursache  ist,  sondern  nur  an 
dem  Guten. 


41)  Vgl,  Odyss.  XIX.  109  sqq. 

42)  Vgl.  namentlich  den  Schloss  des  XI.  Gesanges  der  Odyssee. 

43)  II.  IX.  497.  sqq. 

44)  Vgl.  Ilias  XV.  18  sqq. 

45)  II.  XXIV.  527.  sqq. 

46)  n.  IV.  85  sqq. 


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^'^iT'^«  ^>  Gott  ist  ferner  einfach  und  wahr  in  Wort  und  That.    Er  kann  nicht  einem  Zauberer 

gleich  bald  in  dieser,  bald  in  jener  Gestalt  erscheinen.  Alles  Vollkomraene  nimmt  die  wenigste 
Veränderung  an ;  Gott,  weil  ganz  vollkommen,  wird  also  am  wenigsten,  wird  gar  nicht  von  aussen 
her  verwandelt  werden.  Er  wird  sich  aber  ebensowenig  selbst  verwandeln,  denp  er  könnte  sich 
ja  nur  in  ein  Schlechteres  verwandeln.  ■  Er  kann  auch  nicht  täuschen  oder  lügen.  Dieses  also 
muss  die  zweite  Vorschrift  sein,  nach  der  von  den  Göttern  muss  geredet  und  gedichtet  werden^ 
dass  sie  weder  selbst  als  Zauberer  sich  verwandeln,  noch  auch  uns  durch  Täuschungen  verleiten 
in  Wort  und  That. 

„Wenn  wir  also",  heisst  es  am  Schlüsse  des  II.  Buches,  „noch  so  viel  anderes  an 
Homeros   loben,   so  wollen  wir  doch   das  nicht  loben,   wie  Zeus   dem  Agamemnon   den  Traum 

sendet  *') Wenn  einer  dergleichen  sagt  von  den  Göttern,  wollen  wir  zürnen und 

nicht  leiden,  das  ein  Lehrer  solches  zum  unterrichte  der  Jugend  gebrauche,  wenn  unsere  Wächter 
sollen  gottesfürchtig  und  gottähnlich  werden,  soweit  es  dem  Menschen  nur  irgendwie  möglich  ist.^ 

Die  furchtbaren  Schilderungen,  fährt  unser  Autor  im  III.  Buche  fort,  die  Homer  *^)  und 
andere  Dichter  von  der  Unterwelt  geben,  dienen  dazu,  die  Kämpfer  feige  zu  machen  und  müssen 
daher  entfernt  werden.  „Wir  wollen",  heisst  es  wörtlich,  „den  Homer  sowohl  als  die  andern 
•  Dichter  bitten,  nicht  zu  zürnen,  wenn  wir  dieses  und  dergleichen  Alles  ausstreichen,  nicht  als 
ob  es  nicht  dichterisch  wäre  und  dem  Volke  angenehm  zu  hören,  sondern  weil  es,  je  dichterischer, 
desto  weniger  darf  gehört  werden  von  Knaben  und  Männern,  welche  sollen  frei  gesinnt  sein  und  die 
Knechtschaft  mehr  scheuen  als  den  Tod."  Aus  dem  gleichen  Grunde  sind  die  schauerlichen  Namen 
für  die  Unterwelt  und  was  dort  vorkommt,  zu  vermeiden.  Jammer  und  Wehklagen  um  die  Todten 
ist  abzuschaffen,  einerseits,  weil  diese  zu  keinem  traurigen  Loose  eingehen;  anderseits,  weil  ein 
Trefflicher  am  meisten  sich  selbst  genügt  und  es  ihm  also  am  wenigsten  schrecklich  ist.  Söhne 
und  Brüder  zu  verlieren.  Wenn  nun  aber  Homer  den  Achilleus  masslosem  Schmerze  sich  hin- 
geben *'),  wenn  er  sogar  die  Göttin  Thetis  *°)  und  der  Götter  höchsten,  Zeus  *'),  jammern  lässt, 
so  muss  das  auf  Menschen,  die  jene  Worte  lesen  oder  hören,  einen  üblen  Einfluss  ausüben.  Auch 
das  wollen  wir  dem  Homeros  nicht  durchgehen  lassen,  wenn  er  die  seligen  Götter  in  unermessliches 
Lachen  ausbrechen  lässt.  *2)  Denn  wenn  jemand  in  heftiges  Gelächter  ausbricht,  so  folgt  auch 
inmier  auf  dergleichen  ein  heftiger  Umschlag. 

Die  zukünftigen  Wehrmänner  haben  femer  Besonnenheit  notwendig  und  diese  besteht 
für  die  dem  grossen  Haufen  angehörenden  vornehmlich  darin,  dass  sie  den  HeiTschenden  unter- 
würfig sind,  hinwiederum  aber  ihre  eigenen  Begierden  beherrschen.  Lobenswerth  sind  darum  Stellen 
bei  Homer,  wo  Besonnenheit  gelobt  und  gelehrt  wird  "'),  aber  nicht  dienlich  ist  es  für  Jünglinge 
zu  hören,  wie  unehrerbietig  Achilleus  zum  Agamemnon  redet  '*)  oder  wie  Odysseus,  der  weiseste 


47)  Ilias  II.  6  sqq.    Homentellen,   wo  too  Yenrandlangen   der  Götter  erzlhlt  ist,   lassen  sidi  mit 
Leichtigkeit  riele  finden.* 

48)  Odyss.  XL  488  sqq.  Iliss  XX.  64  nnd  65.  XXUI.  103  and  104.  Odyss.  X.  495.  II.  XYIL  362  ond 
363.  XXra.  100  und  101.  Odyss.  XXIV.  6  sqq. 


49) 

II.  XXIV.  10  sqq.     XVm.  23  sqq. 

60) 

IL  XVin.  54. 

51) 

11.  XVI.  433. 

52) 

IL  I.  599. 

53) 

IL  IV.  412  sqq.  431.     Odyss.  XX.  18. 

64) 

D.  I.  226 

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Mann,  das  von  allem  di^  'seligste  Wonne  nennt,  wentf  voll  Tor  jedön  ^e  Tische  stelin  mit  Brod 
und  Fleisch  und  geschöpfeten  Wein  ans  dem  Kroge  fleissig  der  Schenk  umträgt  mid  nmher  ein- 
giesst  in  die  Becher  *')  u.  dgl.  m.  ")  Verderblich  ist's,  wenn  Götter  und  Heroen  als  bestechlich 
und  geldgierig  geschildert  werden,  wenn  z.  B.  Achilleus  Geschenke  genommen  von  Agamemnon 
und  wiederum  für  einen  Preis  auch  den  Leichnam  losgegeben,  anders  es  aber  nicht  gewollt.  '') 
Achilleus,  der  Sohn  einer  Göttin  und  des  höchst  verständigen  Peleus,  des  dritten  vom  Zeus  her, 
und  der  Zögling  des  weisen  Chiron,  ist  überhaupt  von  Homer  auf  eine  der  Wahrheit  völlig  widw- 
sprechende  Weise  geschildert  worden.  Zum  Apollon  lässt  er  ihn  sagen:  „O  des  Betrags,  Fem- 
treffer! verderblichster  unter  den  Göttern!  Wäre  mir  Macht,  Dich  za  strafen,  verlieh'n,  mir 
büsstest  Du  wahrlich!"  '®)  Auch  gegenüber  dem  Flussgotte  fügte  er  sich  nicht,  sondern  war 
bereit  zu  kämpfen.  Den  Hektor  schleifte  er  um  das  Grabmal  des  Patroklos  und  schlachtete  auf 
des  letztem  Scheiterhaufen  Gefangene. 

„Das  wollen  wir",  fahrt  Plato  fort,  „ja  nicht  glauben  oder  erzählen  lassen,  dass  irgend 
ein  Göttersohn  und  Heros  es  gewagt.  Ruchloses  und  Frevelhaftes  auszuüben,  dergleichen  man 
ihnen  jetzt  anlügt;  sondern  wir  wollen  die  Dichter  noch  nöthigen  zu  erklären,  entweder  dass 
solches  nicht  dieser  Männer  Thaten  oder  dass  sie  selbst  nicht  Söhne  der  Götter  sind,  beides 
zusammen  aber  nicht  zu  sagen  noch  darauf  auszugehen,  unsere  Jagend  zu  überreden,  dass  die 
Götter  Unheil  erzengen  und  dass  Heroen  um  nichts  besser  sind  als  Menschen.  Denn  dergleichen 
ist  weder  fromm  noch  wahr.  Desshalb  muss  man  dergleichen  Erzählungen  ruhen  lassen,  damit 
sie  unserer  Jugend  nicht  zu  grosse  Leichtigkeit  zum  Schlechten  einflössen.^ 

In  Hinsicht  auf  die  äussere  Form  unterscheidet  Piaton  drei  Gattungen  der  Poesie:  Die 
einfache  Erzählung,  die  in  Darstellung  gekleidete  und  die  gemischte  Dichtungsgattung.  Zur  ersten 
Gattung,  wo  der  Dichter  allein  redet,  gehören  vorzüglich  die  Dithyramben;  zur  zweiten  Gattung, 
wo  der  Dichter  redet,  als  wäre  er  eine  andere  Person,  sind  zu  rechnen  Tragödie  und  Komödie 
und  zur  dritten  endlich  das  Epos  (in  dem  übrigens  das  meiste  auch  Darstellung  ist  —  vide  393  B). 

Unsere  Wehrmänner  nun,  heisst  es  weiter,  sollen  von  allem  entbunden  nur  für  die  Frei- 
heit ,des  Staates  vollkommen  schaffen  und  sich  keiner  andern  Sache  befleissigen,  die  nicht  hiezu 
beiträgt.  Darum  dürfen  sie  eben  gar  nichts  anderes  verrichten  oder  nachahmend  darstellen ;  wenn 
aber  ja  darstellen,  dann  mögen  sie  nur,  was  dahin  gehört,  gleich  von  Kindheit  an  nachahmen, 
tapfere  Männer,  besonnene,  fromme,  edelmüthige  und  anderes  der  Art,  Unedles  aber  nichts  weder 
verrichten  noch  auch  nachzuahmen  geschickt  sein,  noch  sonst  etwas  Schändliches,  damit  sie  nicht 
von  der  Nachahmung  das  Sein  davon  tragen.  Sie  dürfen  z.  B.  kein  Weib  darstellen,  auch  nicht 
Mägde  und  Knechte,  noch  schlechte  Männer.  Bloss  die  guten  und  wackeren  Männer  wird  ein 
Verständiger  nachahmen,  wenn  er  in  der  Erzählung  auf  Reden  derselben  kommt.  Sein  Vor- 
trag wird  also  meistens  einfache  Erzählung  und  nur  zu  einem  ganz  kleinen  Theil  Darstellung 
sein.  —  Welchen  Dichter  wollen  wir  nun  in  unsera  Staat  aufnehmen?  Nur  denjenigen,  der  in 
einfacher  Erzählung  dichtet,  wie  anmuthig  auch  die  gemischte  Dichtungsgattung  und  die  in  Dar- 
stellung gekleidete  sei  und  wie  grossen  Beifall  namentlich  die  letztere  bei  dem  grössten  Theile 
des  Volkes  finden  mag.     Denn  in  unserem  Staate  gibt  es  keinen  zweigestaltigen  oder  gar  viel- 


55)  Odyis.  IX.  8  sqq. 

56)  Odyss.  XU.  342.     II.  XIV.  293.  sqq. 

67)  IL  3UX.  278    sqq.  .  II.  XXIV.  578.  sqq. 

68)  II.  XXII.  15  und  20. 


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gestaltigen  Mann.    Einem  Manne  also,  so  schliesst  dieser  Abschnitt,  der  sich  künstlicher  Weise  . 
vielgestaltig  zeigen  kann  und  alle  Dinge  nachahmen,  wenn  ans  der  selbst  in  die  Stadt  käme  and    -^^i, 
anoh  seine  Dichtungen  ans  darstellen  wollte,  würden  wir  Verehrang  bezeigen,  als  einem  heiligen      >V,' 
und  wunderbaren  und  anmuthigen  Manne,  würden  ihm  aber  sagen,  dass  ein  solcher  bei  uns  ia     >.' \ 
der  Stadt  nicht  sei  und  auch  nicht  hineinkommen  dürfe  und  würden  ihn,   nachdem  wir  sein 
Haupt  mit  vieler  Salbe  begossen  und  mit  Wolle  bekränzt,  in  eine  andere  Stadt  geleiten,  selbst 
aber  uns  mit  dem  strengeren  und  minder  anmuthigen  Dichter  und  Fabellehrer  der  Nützlichkdt 
wegen  begnügen,  der  uns  des  würdigen  Mannes  Vortrag  nachahmend  darstellt  und  was  er  sagt, 
nach  jenen  Vorschriften  redet,  denen  wir  schon  anfänglich  Gesetzeskraft  gegeben  haben,  als  wir 
uns  daran  machten,  die  Krieger  zu  erziehen.     Und  wie  mit  den  Dichtem,  so  wollen  wir  es  mit 
den  Malern,  Baumeistern  u.  dgl.  halten,   damit  nicht  unsere  Wehrmänner,  wenn  sie  bei  lauter 
Bildern  des  Schlechten  wie  bei  schlechtem  Futter  aufgezogen,  vieles  täglich,  wiewohl  auf  einmal 
nur  wenig,  von  vielerlei  abpflücken  und  geniessen,  am  Ende  sich  unvermerkt  Ein  grosses  Uebel 
in  ihrer  Seele  angerichtet  haben.  Sondern  solche  Künstler  müssen  wir  suchen,  welche  eine  glück- 
liche Gabe  besitzen,  der  Natur  des  Schönen  and  Anständigen  überall  nachzuspüren,  damit  unsere 
Jünglinge, .  wie  in  einer  gesunden  Gegend  wohnend,  von  allen  Seiten  gefördert  werden,  woher  ihnen 
nur  gleichsam  eine  milde,  aus  heilsamer  Gegend  Gesundheit  herwehende  Luft  irgend  etwas  von 
schönen  Werken  für  das  Gesicht  oder  Gehör  zuführen  möge,  und  so  unvermerkt  gleich  von 
Kindheit  an  sie  zu  Aehnlichkeit ,    Freundschaft  und  Uebereinstimmung  mit  der  schönen  Rede 
anleiten. 

Fassen  wir  die  Urtheile,  die  Plato  im  II.  und  III.  Buch  der  Politeia  über  Homer  fällt, 
zusammen,  so  wird  das  Resum^  ungefähr  folgendermassen  lauten: 

Homer,  der  gegenwärtig  die  Grundlage  des  Jugendunterrichts  bildet,  eignet  sich  dazu 
durchaus  nicht  und  zwar  eines  Theils  wegen  seines  Inhaltes,  anderen  Theils  wegen  seiner  Form. 
Der  Inhalt  nämlich  ist  dazu  angethan,  über  Götter  und  Heroen  falsche  und  geradezu  feindliche 
Vorstellungen  in  den  Heraen  der  Knaben  zu  pflanzen  und  durch  das  böse  Beispiel  sie  zu  ver- 
derben. Der  Form  nach  gehören  die  homerischen  Dichtungen  grössten  Theils  der  in  Darstellung 
gekleideten  Gattung  an.  Indem  in  dieser  Dichtungsgattung  der  Dichter  „redet,  als  wäre  er  eine 
andere  Person",  d.  h.  uns  individuell  gestaltete  Personen  vorführt,  die  ihren  Lagen  und  Cha- 
rakteren angemessene  Gefühle  und  Gedanken  aussprechen,  und  hinter  dieselben  selbst  zurück- 
tritt, kommt  er  öfters  in  den  Fall,  schlechte  Personen  den  Hörern  vorzuführen.  Und  dadurch 
wirkt  er  wiederum  verderblich  auf  die  Jugend. 

Aber  so  wenig  Plato  den  Homer  als  ^heilige  Schrift^*  betrachtet  und  als  solche  im 
Jugendunterrichte  verwendet  wissen  wollte,  eben  so  wenig  Hess  er  ihn  als  Urquell  und  erste 
Autorität  in  allem  menschlichen  Wissen  gelten.  Erscheint  er  uns  also  dort  als  Nachfolger  na- 
mentlich des  Xenophanes,  so  hat  er  hier  auch  die  zum  Theil  schon  von  Herodot,  dann  aber  be- 
sonders von  Thukydides  auf  dem  Gebiete  der  Geographie  und  Geschichte  begonnene  Opposition 
aufgenommen,  sie  über  das  ganze  menschliche  Wissen  ausgedehnt  und  wissenschaftlich  begründet. 
Diese  Begründung  ist  so  geistreich  und  originell,  dass  ich  nicht  umhin  kann,  sie,  wenigstens  in 
den  Hauptzügen,  wiederzugeben. 

Plato  unterscheidet  bei  jedem  Dinge  dreierlei:  BegriflF  oder  Wesen  Qdia^  eldo<:^  rb  3v)j 
Werk  {ipfoy)  und  Nachbildung  (jxifjTjaK;).  Jedes  davon  hat  seinen  eigenen  Regenten  ijtntazdxrjz) 
oder  Bildner;  den  Begriff  Tisch  z.  B.  hat  der  Wesenbildner  {^ozoupyo^;)  geschaffen,  d.  i.  wohl 
Gott.    Das  Werk  aber,  das  wir  heissen  Tisch,  ist  verfertigt  von  dem  Werkbildner  (di^/juoup^6f)t 


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nämlich  von  dem  Tisohler  und  die  Nacbbfldnng  Tisch  endlich  Taniankt  ihr  Dasein  dem  Nacb<'< 
bildner  (/«/c^t^c)  d.  h.  dem  Maler  oder  dem  darstellenden  Dichter.  Den  Nachbildner  vergleicht 
..Flato  mit  eifern,  der  einen  Spiegel  hemmträgt  und  so  die  Sonne  macht  nnd  was  am  Himmel  ist 
*tind  die  Erde  und  sich  selbst  und  die  übrigen  lebendigen  Wesen  nnd  Geräthe  und  Gewächse. 
Er  bildet  die  „Werke"  nach  und  zwar  bloss  nach  dem  Scheine.  Gar  weit  also  von  der  Wahr- 
heit ist  die  Nachbildnerei ;  und  desshalb  wie  es  scheint  macht  sie  auch  alles,  weil  sie  von  jeg- 
lichen nur  ein  weniges  trifft  und  das  im  Schattenbild.  Der  Maler  z.  B.,  das  läugnen  wir  doch 
nicht,  der  wird  uns  Schuster,  Tischler  und  die  .andern  Handwerker  nachbilden,  ohne  irgend  etwas 
von  diesen  Künsten  zu  verstehen;  aber  doch,  ist  er  nur  ein  guter  Maler  und  zeigt,  wenn  er^inen 
Tischler  gemalt  hat,  ihn  nur  höbsch  von  fem,  so  wird  er  doch  Kinder  wenigstens  und  unkluge 
Leute  anführen,  dass  sie  das  Gemälde  für  einen  wirklichen  Tischler  halten.  Berichtet  daher 
einer,  er  habe  einen  Menschen  gesehen,  der  alles  verstehe,  so  wollen  wir  ihm  gleich  sagen,  er 
sei  von  einem  Nachbildner  angeführt  worden. 

Lasst  uns  nun  die  Tragödie  vornehmen  und  ihren  Anführer  Homer,  weil  wir  doch  immer 
von  einigen  hören,  dass  diese  Dichter  alle  Künste  verstehen  und  alles  Menschliche,  was  sich  auf 
Tugend  und  Schlechtigkeit  bezieht  und  das  Göttliche  dazu.  Denn  nothwendig  müsse  der  gute 
Dichter,  wenn  er,  worüber  er  dichtet,  gut  dichten  solle,  als  ein  Kundiger  dichten  oder  er  werde 
nicht  im  Stande  sein  zu  dichten.  Wir  müssen  also  zusehen,  ob  diese  etwa  von  diesen  Nach- 
bildnern hintergangen  worden  sind,  und  wenn  sie  ihre  Werke  sehen,  nicht  merken,  dass  diese  im 
dritten  Grade  von  der  Wahrheit  abstehen  und  leicht  sind  auch  einem  der  Wahrheit  nicht  Kundigen 
zu  dichten,  weil  sie  nämlich  Erscheinungen  {ipavcdafiaza)  dichten,  nicht  Wirkliches,  oder  ob  sie 
vielleicht  Recht  haben  und  die  guten  Dichter  das  alles  wirklich  verstehen,  wovon  sie  den  Meisten 
scheinen  gut  zu  reden.  '^) 

Wäre  ein  solcher  Dichter  wirklich  im  Stanfle,  Werke  zu  bilden  und  nicht  bloss  Schatten- 
bilder, so  würde  er  sich  jenen  zuwenden;  er  würde  es  versuchen,  viel  treffliche  Werke  als  Denk- 
male von  sich  zu  hinterlassen  und  würde  weit  lieber  der  Gepriesene  als  der  Lobredner  sein 
wollen.  Aber  wo  ist  ein  Dichter  der  wirklich  Werke  ausgeführt  hat?  Hat  Homer  z.  B.  irgend 
wen  gesund  gemacht  oder  hat  er,  wie  Asklepios,  heilkundige  Schüler  hinterlassen  ?  Welche  Stadt 
hat  durch  ihn  eine  bessere  Einrichtung  bekommen,  wie  z.  B.  Lacedäraon  durch  Lykurg?  Welchen 
Krieg  hat  er  glücklich  zu  Ende  geführt?  Werden  irgend  welche  Erfindungen  auf  ihn  zurück- 
geführt? Hat  er  nach  Art  des  Pythagoras  Schüler  durch  seinen  Umgang  ausgebildet,  die  den' 
Nachkommen  eine  homerische  Lebensweise  überliefern  konnten  ?  Nichts  von  alle  dem.  Und  so 
dürfen  wir  denn  mit  Fug  und  Recht  behaupten:  Alle  Dichter  von  Homeros  an  sind  nur  Ver- 
fertiger von  Schattenbildern  und  wenn  man  die  poetischen  Farben  wegnimmt,  so  steckt  nicht 
viel  dahinter. 

Dafür  noch  ein  anderer  Beweis.  Es  giebt  eine  gebrauchende,  verfertigende  und  nach- 
bildende Kunst.  Derjenige,  der  etwas  gebraucht,  weiss,  wie  es  beschaffen  sein  muss,  z.  B.  der 
Reiter,  wie  Zaum  und  Gebiss  sein  müssen.  Der  Verfertiger,  der  Sattler  und  Schmied,  machen 
es  nach  den  Anweisungen  des  Gebrauchenden.     Der  Nachbildner  aber  liefert,    weil  er  mit   den 


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59)  Nur  beilSufig  sei  hier  bemerkt,  dass  gerade  die  Aasführang  dieses  Gedankens  den  Angelpunkt  des 
Jon  bildet,  mag  Verfasser  dieses  Dialoges  sein,  -wet  da  will;  man  vergleiche  nnr  Jon  541.  D.  mit  Polit.  599  A. 
und  B.  Die  über  das  Wesen  der  Dichtkunst  handelnden  Stellen,  besonders  die  bekannte  Yergleichang  mit  dem 
Magnet,  sind  gewiss  ironisch  aofzafassen. 


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Gebraocheoden  nicht  im  Umgänge  steht,  nichts  Praktisches,  sondern  nur  ein  Spiel.    Aber  doch 
-t/^;^      wird  er  drauf  los  nachbilden,   ohne  zu  wissen,   wie  jedes  gut  oder  schlecht  ist,  sondern,  wie  e« 
fi^ytj^     scheint,  was  dem  Volke  und  den  Unkundigen  als  schön  erscheint,   das  bildet  er  nach.    Dieset 


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also,  schliesst  Plato,  ist  ans  ziemlich  klar  geworden,  dass  der  Nachbildner  nichts  der  Red0,r^^ 
Werthes  versteht  von  dem,  was  er  nachbildet,  sondern  die  Nachbildung  eben  nur  ein  Spiel  ist^'-J 
und  kein  Ernst  und  dass,  die  sich  mit  der  tragischen  Dichtung  beschäftigen  in  Jamben  sowohl 
als  in  Hexametern,  insgesammt  Nachbildner  sind  so  gut  als  irgend  einer.  Die  Nachbildnerei  hat 
es  in  unserer  Seele  nicht  mit  der  Vernunft  und  dem  Verstände,  sondern  mit  etwas  davon  Fernem 
zu  thun.  Selbst  also  schlecht  und  mit  Schlechtem  sich  verbindend  erzeugt  die  Nachbildnerei 
auch  Schlechtes.  Das  gilt  auch  von  der  Dichtkunst  ^)  Sie  bildet  uns  doch  freiwillig  oder  ge- 
zwungen handelnde  Menschen  nach,  welche  durch  diese  Handlangen  glauben,  sich  Gutes  oder 
Schlimmes  erhandelt  zu  haben,  und  in  dem  Allem  betrübt  sind  oder  erfreut.  In  diesen  Dingen 
ist  der  Mensch  voller  Widersprüche.  Der  Weise  wird  z.  B.,  wenn  er  einen  Sohn  verloren,  aller- 
dings Schmerz  empfinden,  aber  gegen  denselben  ankämpfen,  weil  es  ihm  Vernunft  and  Gesetz 
gebieten.  Diese  nämlich  ermahnen,  möglichst  rahig  zu  bleiben  bei  allen  Unfällen,  weil  man  ja 
nicht,  wisse,  was  an  dem  gegenwärtigen  Unfall  gut  oder  übel,  weil  von  dem  unwilligen  Ertragen 
jedenfalls  kein  Vortheil  entstehe,  weil  auf  solche  menschliche  Dinge  kein  grosser  Werth  zu  legen  - 
sei  und  endlich  namentlich,  weil  durch  den  übermässigen  Schmerz  die  Vernunft  gehindert  werde, 
sich  über  das  Geschehene  zu  berathen,  und  wie  beim  Würfelspiel  die  Angelegenheiten  dem  Wurfe 
gemäss  aufs  Beste  ^u  bestellen.  Nun  aber  bilden  die  Dichter  gerade  das  Entgegengesetzte  nach, 
die  gereizte  und  wechselvolle  Stimmung.  Der  Dichter  bringt  also  Schlechtes  hervor,  wenn  man 
auf  die  Wahrheit  schaut,  und  wendet  sich  an  eben  Solches  in  der  Seele  und  nicht  an  das  Beste. 
Also  dürfen  wir  mit  Recht  den  Dichter  aus  unserm  Staate  vertreiben,  wo  er  doch  nur  schädlich 
wirken  würde. 

Die  Dichtkunst  verdirbt  aber  auch  die  Wohlgesinnten:  wir  empfinden  eine  Lust,  wenn 
wir  einen  Helden  klagen  hören  und  doch  würdep  wir  uns  selber  so  zu  klagen  schämen.  Femer 
wird  unser  Verstand  dadurch  geschwächt  und  das  Thränenreiche  gestärkt,  so  dass  wir,  wenn  wir 
selber  in's  Unglück  kommen,  nicht  mehr  mit  der  rechten  Ruhe  es  ertragen.  Ebenso  ist's  mit 
dem  Spasshaften,  den  Possen.  Zuerst  schämt  man  sich  vor  dergleichen;  nach  und  nach  ver- 
liert man  die  Scheu  und  schliesslich  entblödet  man  sich  nicht,  selber  gelegentlich  einen  Spass- 
macher  vorzustellen.  Und  so  verhält  es  sich  auch  mit  allem  der  Begierde  oder  der  Lust  und 
Unlast  Verwandtem.  Denn  die  dichterische  Nachahmung  nährt  und  begiesst  alles  dieses,  was 
doch  sollte  ausgetrocknet  werden. 

Wenn  man  also  Lobredner  des  Homeros  antrifft,  welche  behaupten,  dieser  Dichter  habe 
Hellas  gebildet  und  bei  der  Anordnung  und  Förderung  aller  menschlichen  Dinge  müsse  man  ihn 
zur  Hand  nehmen,  um  von  ihm  zu  lernen,  und  das  ganze  eigene  Leben  nach  diesem  Dichter  ein- 
richten und  durchführen:  so  mögest  Du  sie  Dir  gefallen  lassen  und  mit  ihnen,  als  die  so  gut 
sind,  wie  sie  nur  immer  können,  vorlieb  nehmen,  auch  ihnen  zugeben,  Homeros  sei  der  dichterischeste 
und  erste  aller  Tragödiendichter,  doch  aber  wissen,  dass  in  dem  Staate  nur  der  Theil  von  der 
Dichtkunst  aufzunehmen  ist,   der  Gesänge  an  die  Götter  und  Loblieder  auf  treffliche  Männer 


60)    iton^rij^  Tcä^  oro^^dZevai  ipu^^ayutYioi^t  oö  didaaxaXiaq  X°^piv  erklärte   nach  Strabo's   Zengoiss  Er»< 
toithenei. 


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hervorbringt     Wirst   Da   aber   die  süssliche   Mose  anfnehmen ,    dichte  sie  nun  Gesänge  oder     ^^; 
gesprochene  Verse:    so  werden  Dir  Lust 'und  Unlust  im  Staate  das  Regiment  führen  statt  des    v - 
Gesetzes  nnd  der  jedesmal  in  der  Gemeine  f&r  das  Beste  gehaltenen  vernünftigen  Gedanken. 

va. 

Sehlassbetrachtung. 

In  vorstehendem  Kapitel  habe  ich  versucht,  von  dem  Kampfe,  den  Plato  gegen  die  der 
freien  Forschung  hinderliche  Autorität  Homer's  aufgenommen  und  dorchgestritten  ,  ein  Bild  zu 
geben.  Warum  ich  unter  den  Kämpen  für  Befreiung  des  griechischen  Geistes  aus  den  beengenden 
Fesseln  der  Tradition  dem  greisen  Philosophen  die  Palme  zuerkannt,  wird  wohl  keinem  mehr 
verborgen  sein.  Plato  hat  vor  seinen  Vorgängern,  einem  Xenophanes,  Herodot,  Thukydides, 
einmal  das  voraus,  dass  er  nicht  nur  hie  und  da  einen  vereinzelten,  sondern  auf  der  ganzen 
Fronte  einen  allgemeinen  Angriff  g^en  den  Alles  dominierenden  Einfluss  Homers  gemacht.  Ja 
•  er  griff  mit  Homer  auch  überhaupt  alle  dramatischen  und  epischen  Dichter  an.   Und  ein  zweites 

Hauptyerdienst  besteht  darin,  dass  seine  Beurtheilung  der  homerischen  Epen  von  Anfang  bis 
zu  Ende  einen  streng  wissenschaftlichen  und  darum  leidenscbaftlosen  Charakter  hat.  Am 
schärfsten  hat  er  sich  meines  Wissens  im  U.  Buche  ausgesprochen  (pag.  379.  D.) ,  wo  er  sagt : 

„Also  ist  es  nicht  anzunehmen,  weder  von  Homeros  noch  von  irgend  einem  andern 
Dichter,  wenn  einer  so  unverständig  fehlt  in  Bezug  auf  die  Götter  etc.'* 

Aber  man  halte  damit  die  Sprache  eines  der  früheren  Philosophen,  z.  B.  des  Heraklit, 
zusammen !  Derselbe  äussert  sich  einmal  (bei  Diog.  L.  9.  1 .),  Homer  verdiente  aus  den  Wett- 
kämpfen hinausgeworfen  und  mit  Ruthen  gehauen  zu  werden. 

Dieser  gereizten  Polemik  stellt  Plato  nachdrücklich  seine  eigene  ruhige  Beweisführung 
gegenüber  (p.  607.  B.)  „Zwar  ist  es  mir",  äussert  er  sich  am  betreffenden  Orte,  „wohl  bekannt, 
dass  zwischen  der  Dichtkunst  und  der  Philosophie  ein  alter  Hader  besteht.  Möge  aber  Nieman  d 
glauben,  dass  ich  mich  davon  habe  bestimmen  lassen,  da  ich  jene  aus  unserm  Staate  auswies. 
Denn  wenn  nur  die  der  Lust  dienende  Dichtkunst  etwas  anzuführen  webs,  wesshalb  auch  ihr 
ein  Platz  zukommt  in  einem  wohlgestalteten  Staate,  werden  wir  sie  mit  Freuden  aufnehmen. 
Aber  was  uns  wahr  dünkt,  preiszugeben,  wäre  doch  nicht  ohne  Frevel.  Nicht  wahr,  Freund'', 
wendet  er  sich  an  den  Glaukon,  ^ zieht  sie  dich  nicht  auch  an,  und  am  meisten,  wenn  sie  dir 
in  Homeros  erscheint?** 

Eine  solch  edle  Mässigung  verdient  um  so  mehr  hervorgehoben  zu  werden,  weil  es  sonst 
nicht  Jedermanns  Sache  ist ,  sine  ira  ac  studio  über  das  zu  urtheilen ,  worüber  man  lange  Zeit 
verblendet  war,  weil  sich  sonst  insgemein  Liebe  in  Hass  zu  verwandeln  pflegt.  Und  Plato 
gesteht  ja  selbst  unumwunden,  dass  er  in  früheren  Tagen  den  Homer  bewundert  und  verehrt 
habe,  wie  nur  Einer.  Er,  der  in  seiner  Jugend  selber  Dichtungen  verfasst  haben  soll,  gehörte 
eben  vordem  zu  Denjenigen,  die,  hingerissen  von  der  poetischen  Pracht  Homers,  Alles,  aber 
auch  Alles  an  dem  Liebliogsdichter  schön  und  wahr  fanden.  Aber  es  ist  mit  ihm  eine  Wand- 
lung vorg^angen,  das  beweist  deutlich  folgende  Stelle  (607.  D.  sqq.): 

„Doch  wollen  wir  auch  ihren  Schutzmännern,  so  viele  deren  nicht  selbst  Dichter  sind» 

sondern  nur  Dichterfreunde,   gern  vergönnen,  auch  in  ungebundener  Rede  für  die   darstellende 

.     Poesie  sprechend  zu  beweisen,  dass  sie  nicht  nur  anmuthig  sei,  sondern  auch  förderlich  für  die 

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Staaten  und  das  gesammte  menschliche  Leben  and  wir  woUoi  unbefangen  and  wohlmeinend  zu- 
hören. Denn  es  wäre  ja  onser  eigener  Vortheil,  wenn  sieh  zeigte,  sie  sei  nicht  nur  Mtgenehm, 
sondern  anch  heilsam.  —  Wie  sollte  es  nicht  nnaer  Vortheil  sein !  sagte  er.  —  Wenn  aber  etwa 
nicht,  lieber  Freund :  dann  werden  wohl  auch  wir,  wie  diejenigen,  welche  einmal  verliebt  waren, 
wenn  sie  glauben,  dass  ihnen  die  Liebe  nicht  mehr  förderlich  sei,  sich  mit  Mühe  zwar,  aber  doch 
zurückziehen,  so  auch  wir  wegen  der  Liebe,  die  wir  früher  vermöge  unserer  Erziehung  in  so 
trefflichen  Staaten  zu  dieser  Dichtung  h^en,  ihr  zwar  wohlwollend  helfen,  um  in's  Licht  zu 
setzen,  dass  sie  gar  vortrefflich  und  vollkommen  wahr  sei;  so  lange  sie  aber  ihre  Yertheidignng 
nicht  zu  Stande  bringt,  wollen  wir,  indem  wir  ihr  zuhören,  mit  dieser  Rede  und  diesem  Zauber- 
spruch uns  selbst  ansprechen  ans  Furcht,  wieder  in  jene  kindische  und  gemeine  Liebe  zurück- 
zufallen, und  wollen  als  sicher  annehmen,  dass  man  sich  um  diese  Dichtkunst  nicht  ernsthaft 
bemühen  dürfe,  als  ob  sie  selbst  ernsthaft  sei  und  die  Wahrheit  treffe,  dass  vielmehr  der  Hölrer, 
der  um  die  richtige  Verfassung  seiner  selbst  besorgt  ist,  sich  gar  sehr  vor  ihr  zu  hüten  habe, 
und  so  von  der  Dichtkunst  zu  denken,  wie  wir  es  ausgesprochen  haben.  —  In  allen  Stücken, 
sprach  er,  stimme  .ich  Dir  bei.  —  Denn  gross,,  fuhr  ich  fort,  lieber  Glaukon,  gross  und  nicht, 
wie  es  gewöhnlich  genommen  wird,  ist  der  Kampf  darum,  ob  man  gut  werde  oder  schlecht;  so 
dass  wed^t*  durch  Ehre  noch  Geld  noch  irgend  eine  Gewalt,  ja  auch  nicht  einmal  durch  die 
Dichtkunst  angeregt,  jemand   sollte  die  Gerechtigkeit  und  die  übrige  Tugend  vernachlässigen.*' 

Plato  hat  sich  also,  das  geht  aus  den  eben  angeführten  Worten  unwiderleglich  hervor, 
nach  heftigen  inneren  Kämpfen  erst  zu  einer  freiem  Betrachtung  des  homerischen  Epos  empor- 
geschwungen. Aber  er  ist  nicht  etwa  aus  einem  Bewunderer  ein  Feind  geworden.  Noch  immer 
hegt  er  wie  in  der  Jugendzeit  Freundschaft  und  Verehrung  gegenüber  Homer  und  diese  hindern 
ihn  fast,  so  rückhaltlos  über  denselben  sich  zu  äussern.  (Pol.  p.  595.  B.)  Den  dichterischen 
Werth  der  homerischen  Schöpfungen  anerkennt  er  freudig,  wie  aus  vielen  Aussprüchen  hervor- 
geht (vgl.  namentlich  pag.  387.  B).  Er  anerkennt  gleichfalls  die  Trefflichkeit  der  Stellen,  deren 
Inhalt  mit  seinen  philosophischen  Ansichten  harmoniert  (p.  389.  E.  390.  D.  383.  A.)  Doch  davon 
ist  auch  schon  im  vorigen  Kapitel  die  Rede  gewesen;  nur  eine  Stelle  (p.  404.  B.)  sei  hier  noch 
angeführt,  weil  sie  nicht  nur  für  meine  so  eben  ausgesprochene  Behauptung  mitzeugt,  sondern 
weil  sie  namentlieh  auch  beweist,  wie  gründliche  Forschungen  in  Homer  Plato  angestellt,  ganz 
nach  Art  der  spätem,  alezandrinischen  Gelehrten.  Dass  die  Nahrung  der  Krieger,  meint  er,  eine 
einfache  sein  müsse,  keine  luxuriöse,  wenn  sie  ihren  Körper  stärken  solle,  könne  man  schon  bei 
Homer  lernen.  Dort  würden  die  Helden  weder  mit  Fischen,  trotzdem  die  Griechen  am  Helles- 
ponte lagem,  noch  mit  gekochtem,  sondern  nur  mit  geröstetem  Flebch  bewirthet  und  von  Ge- 
würzen oder  Süssigkeiten  komme  bei  Homer  nirgends  etwas  vor.  ^'. 

Eigenthümlich  ist  die  Art  und  Weise,  wie  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  dw 
Florentiner  Professor  Riccius")  seinen  Auditoren  die  platonische  Kritik  der  homerischen  Epen 
zu  erklären  versuchte:  „Quidni  igitur  verisimUe  haheamus  Platonem  ipsum^  ejusdem  cauaae 
inqndsioney  in  Somern  scripta  censorem  egiase^  eumque  e  republica  eiia  exilio  mulctastef 
Oredite^  auditore«,  tarn  /adle  hominum  animia  irrepit  invidia,  ut  eaccvhiaa  saepe  faUat 
laterderque  ae  velutiper  cuniculos  vel  in  bonorum  animos  se  insinuet  eosque  vel  nocentes  euhigai. 
De  ea  beatns  Ambrosius  verissime  adßrmavity  quod  sanctos  etiam  viros  adurat.  Non  valde 
igitur    mirandum   erit^    si  Platonem   (etsi  concederemus    morum  innocentia   vitaeque  pro- 


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61)    Angeli  MarUe  Riceii  Disaert  Hom.    Corarit  et  praefatos  est  F.  G.  Born.    Lipsiae  1784. 


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hitßUfuiut  mtefferrifmany  de  qua  re  pUrique  amhigwnt)  aemulatio  tranmm'aum  egtrii,  vt^pu 
Eionurum  aUguando  Umit  oculia  adapiearett  impulerit. 

Dass  es  nicht  Neid  und  Elifersacbt  war,  welche  den  Plato  za  seinem  Urtheile  angetrieben, 
davon,  denke  ich,  ist  wohl  Jedermann  fiberzengt,  der  auf  den  vorhergehenden  Seiten  das  rahige, 
.  ,  objektiv  gehaltene  Urtbeil  des  Philosophen  über  Homer  und  die  Dichter  nberhaapt  gelesen.  Dar^  c 
i'ifjgpfS^  liegt  doch  den  Worten  des  Ricdos  die  Wahrheit  zu  Grande,  dass  Plato  seine  eigenen 
philosophischen  Dramen,  in  denen  nur  Nachbildungen  des  Gaten  enthalten  sind,  in  den^  die 
Mythen  soi^ftltig  gewählt  und  geläutert  dem  Leser  geboten  werden,  an  die  Stelle  der  homerisdien 
Mythen  und  der  leidenschaftlichen,  mit  Nachbildungen  schlechter  Männer  und  schlechter  Thaten 
gesättigten  Dramen  gesetzt  wissen  wünschte.  Der  Einwurf,  das  wäre  ja  eine  Inconseqnenz,  nach- 
dem er  einmal  die  darstellende  Poesie  überhaupt  verworfen,  ist  nicht  stichhaltig,  denn  im  IIL 
Buche  (p.  395.  C.  und  396.  C.)  gestattet  er  eine  Art  der  fiifjajatZi  diejenige  nämlich  tapferer, 
besonnener,  frommer,  edelmüthiger  Männer.  Und  solch'  nachahmende  Dichtungen  sind  Plato*8 
Dialoge;  vom  Verfasser  selbst  werden  sie  die  schönste,  beste  und  wahrste  Tragödie  genannt  und 
als  Lektüre  für  die  Jugend  aufs  wärmste  empfohlen.*^) 


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62)    üeber  den  Zweck  tob  Plato's  Sehriftstellerei  h»t  gani  Tortrefflieb  gehandelt  Sehaanehmidt  p.  183  eq. 
Die  coletzt  berührten  platonüchen  Stellen  finden  sieh  Legg.  VIL  p.  811.  C — £.  und  817.  B. 


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