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Full text of "Der Chor in den Sieben des Aischylos [microform]"

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MASTER 

NEGATIVE 

NUMBER 


00-268.50 


■  ^ 

I 


MICROFILMED  2003 

THE  CLASSICS  LIBRARY 

UNIVERSITY  OF  ILLINOIS 

AT  URBANA-CHAMPAIGN 

URBANA,  IL  61801 

AS  PART  OF  THE 

DITTENBERGER-VAHLEN 

CIC  6  PRESERVATION  GRANT 

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National  Endowment  for  the 

Humanities 


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permission  from  The  Classics  Library, 

University  of  Illinois  at  Urbana-Champaign. 


DER  CHOR 


IN  DEN 


SIEBEN  DES  AISCHYLOS 


VON 


CHRISTIAN  MUFF. 


HALLE  A/s. 
Verlag  von  Richard  Mühlmann. 
1882.    . 


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Der  Chor  in  den  Sieben  des  Aischylos. 

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V/.-;. .    .■         :.  ^    ,         V.  1—77»).      '    ■  ■  ■     ■  "  -  •-■••■ 

Die  Bühnenwand  stellt  die  Burg  der  Kadmeia  vor;  der  freie  Platz  vor  derselben  ist 
mit  Altären  und  Götterstatuen  geschmückt.  Eteokles  tritt  aus  der  mittleren  Thür  des  Palastes 
und  fordert  die  schon  in  aller  Frühe  (s.  V,  29  und  V.  66)  versammelten  Bürger  auf,  die 
Maaem  der  Stadt  gegen  den  bevorstehenden  gewaltsamen  Angriff  der  Feinde  zu  schützen. 
Als  sich  die  Männer,  Greise  und  Jünglinge  entfernt  haben,  meldet  ein  Späher,  dass  sieben 
Führer  des  feindlichen  Heeres  Theben  den  Untergang  geschworen  und  das  Los  darum  geworfen 
haben,  welches  Thor  einem  jeden  zufalle.  Der  König  möge  also  seine  Gegenraassregeln  treffen. 
Eteokles  richtet  nur  ein  kurzes  Gebet  an  die  Götter,  in  welchem  er  um  die  Rettung  der  Stadt 
fleht,  und  begiebt  sich  dann  in  den  Palast  zurück. 

:  P  a  r  o  d  o  s. 

;';  V.  78—162. 

Die  Zahl  der  Choreuten. 

Als  die  Bühne  leer  ist,  zieht  der  Chor  ein.  Derselbe  besteht  aus  Thebanischeu  Jung- 
frauen, was  durch  Stellen  wie  V.  105  f.:  idsre  naq&ivow  ixeoiov  löxov,  V.  155  f.:  xÄiezs  naq- 
■^evojv,  xlvets  navöixovg  x^'-Qotövovg  Xitäg,  V.  773 :  ^a^aelte  Tiatdeg  firieQtuv  Ted^Qafiiiivai,  u.  a. 
deutlich  bekundet  wird.  Jungfrauen  wählte  der  Dichter  offenbar  deswegen,  weil  sie  nach  ihrer 
Anlage  und  Gemütsverfassung  am  ehesten  geeignet  sind,  die  mannigfachen  Gefühle  der  Angst, 
welche  durch  die  kriegerischen  Vorgänge  erregt  werden,  zum  Ausdruck  zu  bringen*). 

Die  Zahl  der  Choreuten  lässt  sich  hier  wie  überall  nur  aus  den  Angaben  des  Stückes 
selber  mit  völliger  Sicherheit  bestimmen ;  doch  dürfen  auch  die  äusseren  Zeugnisse,  so  unzu- 
verlässig sie  in  manchen  Punkten  sind,  nicht  unberücksichtigt  bleiben. 

Der  Biograph  des  Sophokles  und  Suidas  sagen  übereinstimmend  aus,  dass  Sophokles 
die  Zahl  der  Choreuten  von  12  auf  15  erhöht  habe.  Diese  im  allgemeinen  richtige  Behauptung 
habe  ich  in  meiner  Chor.  Techu.  des  Soph.  S.  1  f.  dahin  eingeschi'änkt,  dass  bei  Sophokles 
nicht  gleich  15,  und  bei  Aischylos  nicht  immer  12  Choreuten  den  Chor  gebildet  haben. 

')  Die  Citate  nach  Ritschl's  Ausgabe  der  Septem,  Leipzig  1875. 

■  -y.  ^)   Schol.    zu   V.    78:    evTnötpog  Si   tj   Tiü>'   7Ta^9eiw)'   ^iixi'a   noo;   ipößor,  f/aiurra   elf  rrpoj   TToZio^xiay. 


Von  den  Persern  des  Aischylos,  welche  im  Jabre  473  zur  Aufitihrung  kamen'),  habe 
ich  iu  meiner  Abhandlung  De  choro  Pers.  p.  11  gezeigt,  dass  sie  einen  Chor  von  12  Personen 
hatten.  Das  erste  Auftreten  des  Sophokles  fällt  in  das  Jahr  468,  Er  siegte  mit  einer  Tri- 
logie,  zu  welcher  u.  a.  der  Triptolemos  gehörte*).  Dass  für  dieses  Erstlingswerk  noch  nicht 
die  erhöhte  Choreutenzahl  angenommen  werden  dürfe,  vermutete  Bergk  um  deswillen,  weil  es 
unwahrscheinlich  sei,  dass  ein  Anfänger,  statt  sich  in  die  überlieferten  Formen  einzuleben,  gleich 
eine  so  tiefgreifende  Veränderung  vorgenommen  habe  5).  Für  uns  ist  diese  Vermutung  zur 
Gewissheit  erhoben,  seit  wir  gesehen  haben,  dass  im  ältesten  der  uns  erhaltenen  Sophokleischen 
Stücke,  im  Aias,  der  Chor  aus  12  Salaminischen  Kriegern  besteht®).  Wann  der  Aias  gedichtet 
ist,  lässt  sich  nicht  ganz  genau  bestimmen,  aber  die  ungefähre  Zeit  lässt  sich  berechnen.  Er 
muss  nach  468  und  vor  460  entstanden  sein,  d.  h.  nach  dem  Triptolemos  und  vor  dem  Sopho- 
kleischen Vorläufer  des  Aischyleischeu  Agamemnon ''). 

Da  nämlich  im  Agamemnon,  was  schon  früher  vielfach  angenommen  wurde  und  jetzt 
von  R.  Arnoldt  bis  zur  Evidenz  erwiesen  ist*),  15  Choreuten  auftreten,  so  muss  ein  Stück  des 
Sophokles  mit  15  Choreuten  vorausgegangen  sein.  Denn  das  steht  aus  äusseren  und  inneren 
Gründen  fest,  dass  die  chorische  Neuerung  von  Sophokles  ausgegangen  ist,  und  dass  sie 
Aischylos,  in  richtiger  Erkenntnis  der  grossen  Vorteile ,  die  sie  bot,  von  seinem  jüngeren 
Nebenbuhler  angenommen  hat.  Es  hat  also  Sophokles  nach  der  Aufführung  des  Aias  und  vor 
der  Aufführung  des  Agamemnon  die  neue  Bahn  eingeschlagen,  d.  h.  spätestens  460,  frühestens 
466 ;  denn  das  Jahr  467,  das  Jahr  nach  dem  Triptolemos,  muss  mindestens  doch  dem  Aias 
reserviert  bleiben.  Dann  aber  kann  von  15  Choreuten  in  den  Sieben  vor  Theben  schlechter- 
dings nicht  die  Rede  sein.  Denn  die  Sieben  sind  unmittelbar  nach  dem  Triptolemos  im  Jahre 
467  geschrieben,  wie  durch  die  von  Franz  entdeckte  didaskalische  Notiz  des  Med.  bezeugt  wird: 
imdäxS'i]  ini  Qsaysvidov  oXv/untüSi  orj'.  irlxcc  Aäii^  OiöiTiodi  '^Emd  inl  OirßaS  ^(piyyl  aaxvQixff 
sie  sind  also  mindestens  ebenso  alt  wenn  nicht  älter  als  der  Aias,  und  stehen  auf  derselben 
Stufe  chori  scher  Entwickelung  wie  dieser. 

Das  ist  eine  trockene  aber,  wie  mir  scheint,  lehrreiche  Zusammenstellung,  ein  dürres 
aber  wichtiges  Resultat :  der  Chor  der  Sieben  besteht  aus  12  und  nicht  aus  15  Choreuten. 
Von  höherem  Wert  aber  ist  das  Zeugnis  des  Stückes  selber,  und  was  wir  soeben  behauptet, 
werden  wir  au  mehr  als  einer  Stelle  bestätigt  finden. 

Die  autistrophische  Responsion. 

Dieses  Chorlied  gehört  zu  den  schönsten,  die  Aischylos  gedichtet.  Es  ist  ausgezeichnet 
durch  lebendige  Darstellung  und  anschauliche  Schilderung,  durch  das  Hin-  und  Herwogen  der 
Gefühle  und  den  ergreifenden  Ton  in  allen  Wehklagen  und  Bittgebeten,     Aber  so  herrlich  das 

■')    Hypothesis  :    Rn'i    Alftioro;   j^ayioSiZy    AlojfvXoi   fn'xa    'i'ivfl    Ue'giiat;    rXavxio    J7nour;9i7. 

*)  Diog.  Laert.   II,  5,  23.     Plutarch.  Ciraon  c.  8.    Chrou.  Par.   ep.  56:  atp'  oO  ^ioifoxkiji;  o  Zotfillov  6  ix 

Koi.myou  iyixr^at  i^ayiodCa  FTtöv  lav  ^^VIII  fitj  HHn  äg^oviog  jt^tjvtjnt   yitf/tjtpioyo;. 

5)  Soph.  Trag.  Comment.  p.  XXVI:  .  .  censendnm  esset  Sophoclem  statim  in  prima  fabula  hoc  nova- 
visse;  quod  quidem  parum  verisimile  est;  quomodo  enim  homo  uotus  et  nondum  spectatus  liaec,  quae  populi 
arbitrio  administrabantur,  potuerit  perfieere? 

6)  Chor.  Techn.  dea  Soph.  S   71  und  77  ff. 

^   Hypoth.   Agam.  :   l>SiSaj(9}j  i6  S^äua  im   ä^jfoyTOi  'f'tioxif'ovs  oXv/iTlittii   oydotjxoaifi  Stu    SlvT^fo)- 

•)  Der  Chor  im  Agamemnon  des  Aischylos  S.  57  ff.,  67  ff. 


lied  ist,  so  traurig  ist  es  überliefert.  Der  Text  bietet  an  vielen  Stellen  keinen  Sinn,  die  Metra 
sind  oft  nicht  zu  erkennen,  die  Responsion  ist  häufig  so  gut  wie  ganz  verwischt.  Man  begreift 
daher,  dass  gerade  dies  Lied  ein  Tummelplatz  der  Aischylos-Kritiker  geworden  ist,  man  be- 
greift aber  auch,  warum  es  Heimsoeth  eine  von  ihrer  Lösung  noch  weit  entfernte  Aufgabe 
der  AischyUschen  Kritik  nennt.  Nun  liegt  es  mir  fem,  in  eine  selbständige  kritische  Behand- 
lung des  verderbten  Gesanges  einzutreten;  ich  verwerte  nur  mit  aller  Vorsicht  die  sichersten 
Ergebnisse  der  bisherigen  Forschungen ;  dagegen  lasse  ich  mir  die  Aufdeckung  der  strophischen 
Gliederung  angelegen  sein,  weil  sie  nicht  bloss  für  die  Emendation  von  hoher  Bedeutung  ist, 
so  dass  Heimsoeth  noch  sein  letztes  Universitäts-Programm  diesem  Thema  widmete  (Bonn 
1877),  sondern  weil  sie  für  die  speciellen  Untersuchungen  über  das  Auftreten  des  Chors  das 
sicherste  Fundament  abgiebt. 

Heimsoeth  lässt  das  ganze  Chorstück  antistrophisch  gebaut  sein.  Die  indirekte  Ueber- 
lieferung  S.  168,  und  zwar  statuiert  er  vor  der  unzweideutig  überlieferten  Schlussstrophe  drei 
Strophen  und  Gegenstrophen,  jede  in  drei  Abteilungen ;  aber  seine  Konstruktion  des  Textes  ist 
voller  Willkür  und  Gewaltsamkeit.  Durchgängige  Responsion  nimmt  auch  Härtung  und  im 
Anschluss  an  ihn  J.  H.  H.  Schmidt  an;  aber  auch  auf  ihre  Verteilung  ist  nichts  zu  geben,  da 
sie  sich  allzuweit  von  der  Überliefening  entfernen.  Viel  beachtenswerter,  weil  massvoller 
und  gewissenhafter,  ist  die  Restitution  von  Prien  in  seinem  Lübecker  Programm  1858,  wo  eben- 
falls, wenigstens  vom  zweiten  Verse  an,  fortlaufende  Entsprechung  hergestellt  wird.  Für  teil- 
weise Responsion  und  zwar  für  die  der  letzten  Partien  sprechen  sich  seit  Seidler,  der  sie 
zuerst  aufgedeckt  hat,  wohl  alle  Gelehrten  aus,  nur  dass  sie  in  der  Abgrenzung  wieder 
auseinandergehen. 

Um  mit  dem  Schluss  zu  beginnen,  wo  die  Sache  klar  liegt,  so  entsprechen  sich  151—  156 
und  157 — 162.  Es  liegt  eine  Differenz  in  den  drittletzten  Reihen  vor:  tTfQoqwvip  otquhIi 
OD  fiskö/uevot  ö^aQr^^are,  aber  dieselbe  ist  leicht  zu  beseitigen,  am  besten  durch  Hermanns  an- 
sprechende Konjektur  iteqoßäy^wvL  für  heQOifojvo).  Es  beginnen  dann  Cretici,  in  der  Mitte 
stehen  iambische  und  trochäische  Verse,  und  Dochmien  bilden  den  Schluss. 

Nicht  minder  deutlich  und  von  keinem  mehr  beanstandet  ist  die  Responsion  der  vor- 
hergehenden iambisch-dochmischen  Partien  135 — 142  c/:^  143 — 150.  Denn  man  hat  nur,  um 
V.  147  ieai  Jiöd^ev  mit  V.  139  ^'AQ%e(.u  (fi).a,  e  e  e  e  in  Einklang  zu  bringen,  mit  Lowinsky  xal 
Jiö&ev  w  zu  schreiben  und  die  Interjektionen  zu  streichen,  die  offenbar  nur  durch  ein  Ver- 
sehen aus  V,  135  herübergenommen  sind^). 

In  der  vorhergehenden  Partie  wird  die  Sache  schon  schwieriger.  Hermann  bildet 
von  110—119  eine  Strophe,  von  120 — 124  eine  Mcsodos,  von  125 — 134  die  Antistrophe.  Da- 
gegen ist  einmal  einzuwenden,  dass  die  Mcsodos  die  gleichmässige  Gruppierung  störend  unter- 
bricht, und  dann  hat  Hermann  am  Schlüsse  der  Antistrophe  den  Ausruf  ^'Aqxbiu  q^ika  bei- 
behalten und  verwertet,  der  sicher  gestrichen  werden  muss,  da  er  sich  V.  139  rindet  und  dort 
am  Platze  ist.  Dieselbe  Mesodos  wie  bei  Hermann  finden  wir  dann  bei  Härtung  ausgeschieden ; 
es    ist    also    auch    seine  Abteilung    zu    verworfen,    ganz    abgesehen   davon,   dass   er  die  Verse 


^)  Heimsoeth  konstituiert  in  seiner  Comment  p.  6  die  Stelle  so:  "-loifin  ipiia  >  *  c/d  xm  Ji69fy  fxyotov. 
Aber  da  der  Dichter,  wie  Heimsoeth  selber  hervorhebt,  die  Klagerufe  i  f  i  i-'  au  die  Spitze  der  Strophen  und  in 
deutliche  Responsion  gestellt  hatte,  so  ist  es  eauz  nuwahrscheiulicli,  dass  er  durch  Einschiebung  eines  eben  solchen 
Ausdrucks  die  Wirkung  seiner  Anordnung  paralysiert  haben  sollte. 


104—109  &sol  Tiolioxoi  xiL,  die  zu  der  mittleren  Partie  gehören,  von  dieser  losrcisst  und  mil? 
der  vorhergehenden  verbindet.  Das  Richtige  hat  wohl  zuerst  Ritschi  gesehen,  der  von  V.  104 
ab  einen  neuen  selbständigen  Abschnitt  anheben  und  sich  in  ihm  104 — 119  und  120 134  ent- 
sprechen liess.  Seinem  Vorgange  haben  sich  im  wesentlichen  Prien,  Weil,  Heimsoeth,  Buecheler, 
Conradt^")  und  zuletzt  Kirchhoff  angeschlossen.  Die  Gründe  für  diese  Annahme  sind  folgende: 
Die  Strophe  enthält  ein  neues  Gebet  an  alle  Götter  und  Göttinnen  mit  dem  Zeus  an  der  Spitze, 
während  in  der  Antistrophe  etliche  der  übrigen  Olympier  angerufen  werden.  Sodann  finden 
,  sich  im  Metrum  mehrere  unverkennbare  Spuren  der  Responsion,  auf  die  namentlich  Heimsoeth 
,  Comment.  p.  8  hingewiesen  hat.  Es  sind  das  iambische  und  logaödische  Reihen  von  auffallendem 
Bau,  die  von  den  sie  umgebenden  Dochmien  grell  abstechen:  V.  126  jiöliv  g)v}ia^(n>  x^deaai 
r'evaQyfSs  c^'  V.  111  navxtßS  ccqtj^ov  öäi'tuv  aXcoatv,  eine  synkopierte  iambische  Hexapodie,  (so 
auch  H.  Schmidt);  V.  130  ajVrojJoat  Tiela^ö^sad^a  od  V.  116  xtvvQOvrai  q>6vov  xaXivoi,  eine  drei- 
fach synkopierte  iambische  Hexapodie ;  V.  134  xö(>a,  xö^otaiv  ev  Tvxä^ov^^)  od  V.  119  TiQoaioTttv- 
xai  TTülAy  XaxovxsSi  dieselbe  Hexapodie;  endlich  V.  127  xal  Kvnqig  ccze  yevovs  nqofiätwQ  od 
V.  112  ^AQykloi  de  Tiöha^ia  Käö/nov,  eine  logaödische  Tetrapodie "}.  Diese  Verse  geben  den 
sichersten  Halt  für  die  Bildung  der  Strophen.  Alles  Übrige  fügt  sich  dem  so  gefundenen 
Gesetze  leicht,  und  wo  Korruptelen  vorliegen,  hat  die  Kritik  bereits  Rat  geschafft.  An  der 
anti strophischen  Responsion  wenigstens  kann  nicht  mehr  gezweifelt  werden. 

Bei  dem  ersten  Teile  des  Liedes  wird  die  Zahl  derer,  welche  strophisch  abteilen, 
wiederum  kleiner.  Es  scheiden  ausser  Hermann  noch  Weil  und  Kirchhoff  aus.  Und  doch  giebt 
es  hier  gerade  so  charakteristische  Merkmale  wie  im  zweiten  und  dritten  Abschnitt.  Oder  wer 
wollte  die  genaue  Übereinstimmung  von  V.  96—98  mit  V.  99 — 101  in  Abrede  stellen?  Beide- 
male  folgen  auf  eine  iambische  Hexapodie  eine  dochmische  Dipodie  und  eine  dochmische 
Monopodie.  Allerdings  sind  die  Dochmien  zum  Teil  erst  von  den  Kritikern  hergestellt  worden, 
aber  mit  Fug  und  Recht;  denn  auf  einmal  Baccheen  anzunehmen,  wie  es  noch  Hermann  that, 
dazu  liegt  nicht  der  geringste  Grund  vor;  und  dann  sind  wieder  die  beiden  iambischen  Tri- 
meter  96  und  99,  die  der  Med.  unverdorben  überliefert,  der  erwünschteste  Krystallisations- 
punkt.  Aber  wie  dürfen  wir  eine  Symmetrie  annehmen,  wenn  zwischen  ihr  und  der  folgenden 
strophischen  Gruppe  eine  Art  Mesodos  als  Disharmonie  in  der  Mitte  liegt?  Gelingt  es  nicht 
V.  102 — 103  M  x^fffOTT/yA/;^  in  befriedigender  Weise  strophisch  unterzubringen,  so  ist  nach  dem 
Anfang  zu  überhaupt  nichts  mehr  strophisch  gegliedert,  was  u.  a.  noch  Bergk  Philol.  Bd.  XVI 
S.  604  behauptete.  Es  liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  hier  eine  Umstellung  stattgefunden 
hat,  und  dass  die  Verse  102 — 103  in  den  Versen  94 — 95  ihr  Gegenstück  erhalten  müssen.  Be- 
zeichnend ist  schon  der  Anfang,  dort  toj,  hier  w.  Dieses  <3  ist  wohl  nichts  anderes  als  der 
Rest  des  wiederholten  ioj;  sobald  man  das  mit  Ritschi  wiederherstellt,  als  ausserhalb  der  Reihe 
stehend  betrachtet  und  die  leichte  Umstellung  dalf.iop  xQ^aoTuilr^^  vornimmt,  ist  das  geforderte 
dochmische  Versmass  gefunden.  Denn  V.  103  das  zur  Vervollständigung  fehlende  xsäv  einzu- 
schieben, haben  schon  Lachmann,  Dindorf,  Westphal  und  Weil  für  nötig  erachtet.     Aber  auch 


V 


"J  Conradt  bemerkt  Hermes  VIII  372  völlig  zutrefl'eud:  Bedeuklich  steht  es  mit  der  von  Hermann  an- 
genommenen Mesodos,  durch  die  Aischylos  schwerlich  Strophe  und  Antistrophe  von  einander  getrennt  hat. 

")  Von  L.  Dindorf  und  Weil  hergestellt  aus  der  Überlieferung:  xoüga  lolor  h'tvxai^ov. 

^)  Von  der  Verbindung  dochmischer  und  logaödischer  Verse  zu  Strophen  handelt  Christ  Metrik  2.  A. 
S.  450  ff. 


i. 


-;^ 


der  Sinn  verlangt  gebieterisch  eine  andere  Reihenfolge  der  Verse.  V.  94  ff.  sagt  einer  der 
Chorenten,  es  sei  höchste  Zeit  («x/ud^ct)  sich  an  die  Götter  zu  halten;  warum  man  noch  zögere,.-,  -'l-^^.  .. 
das  zu  thun?  Danach  sollte  man  erwarten,  dass  die  Gebete  gleich  folgten.  Aber  das  ge-  *  *'  ' 
schiebt  nicht;  es  wird  wieder  auf  den  Waffenlärm  draussen  aufmerksam  gemacht  und  aus- 
geführt, dass  es  jetzt  au  der  Zeit  sei,  sich  den  Göttern  mit  Weihgescheuken  zu  nahen.  Nun 
ist  aber  die  zweite  Aufforderung  zum  Gebet,  ttÖt  ,  sl  ft^  vvp,  dfnpl  litäv  e^o/uev,  offenbar 
schwächer  als  die  vorhergehende  axfiä^si  ßgeriov  e'xead-ai ;  sie  muss  ihr  also  voraufgehen,  weil 
sonst  keine  Steigerung  erzielt  würde.  Dazu  kommt  ein  anderes.  Die  Worte  in  V.  100  vi 
&i^eig;  iVQodujaeig  sind  kein  direktes  inniges  Gebet,  wie  man  es  nach  der  Ankündigung  axnü^et 
—  exEa!>ai  erwarten  sollte;  ein  solch  ernstliches  Flehen  beginnt  erst  mit  V.  102  tw  Salfiov 
XQvaoTii^lj}^ ',  vor  diesem  Verse  also  müssen  die  Verse  94—95  ihre  Stelle  erhalten.  Ordnet  man 
die  Partie  in  der  angegebenen  Weise,  so  dass  2  Strophenpaare  entstehen, 

<yD    dvT.:       XTVTIOV    —    Tidv, 

":'  <>TQ.:     tw  fiüxuQtg  —  uyuGioviu 

OD  dvT.:     uü  dalfiny  —  ei)ov, 

so  ist  die  Entwickelung   klar    und  folgerichtig.     Dann  folgt   ouf  die  Frage  rasch   die  Antwort, 
und  auf  die  dringende  Mahnung  das  gewün.schte  Gebet '^j. 

Zu  V.  93  lautet  das  Scholion:  nötfQOv  7iQÖa(pvyeg  lalv  71utq«}o}v  Soänov  yevaiftt&a  i} 
allo  ZI  TiQÜ^ofiav;  daraus  hat  Westphal  den  Schluss  gezogen,  und  es  stimmen  ihm  u.  a.  Weil 
und  Ritschi  bei,  dass  das  Adjectivum  tiÜvqiu  vor  noindav)  gestanden  habe  '*).  Setzen  wir  das  ein, 
so  erhalten  wir  eine  dochmische  Strophe,  welche  der  vorhergehenden  ilg  —  Otüv  genau  entspricht. 
Beide  bestehen  aus  dochmischem  Dimeter  und  Monometer,  beide  enthalten  selbständige  aber 
analoge  Fragen. 

Was  von  der  Parodos  noch  übrig  ist,  der  Anfang  V.  78 — 90,  scheint  keinerlei 
Gleichheit  des  Baues  aufzuweisen.  Nun  wäre  es  un  sich  wohl  denkbar,  dass  hier  der  anti- 
strophischen Partie  eine  astrophische  vorangeschickt  würde,  wie  das  in  der  Parodos  der  Eume- 
niden  V.  244 — 75  und  Prometheus  V.  561  ff.  der  Fall  ist.  Aber  Heimsoeth,  der  p.  11  seiner 
Commentatio  diesen  Punkt  bespricht,  bemerkt  treffend,  dass  ein  derartiger  auffallender  Wechsel 
der  metrischen  Behandlung  seinen  Grund  in  der  Verschiedenheit  des  Inhalts  habe,  und  dass 
eine  solche  hier  nicht  vorhanden  sei.  Per  totum  carmen,  sagt  er,  non  reperitur  locus,  qui 
variatae  conformationis  causam  contineat,  imo  ita  omnia  eiusdem  sunt  indolis,  ut  aut  nihil  anti- 
strophicum    fuisse    putaveris    aut  omnia.     Jedenfalls  nötigt   an  dieser  Stelle,   mitten  im  ersten 

^)  Dass  die  in  Rede  stehenden  dochniischeu  Dimeter  in  Respoiisiou  zu  setzen  teien,  hatte  bereits  Prien 
erkannt;  ich  kann  nur  die  Art  seines  Vorgehens,  die  Verbindung  von  V.  94 — 95  mit  96—98  zu  einer  und  voa 
V.  102—103  mit  V.  99—101  zur  anderen  Strophe  nicht  gutheissen.  Abgesehen  davon,  dass  er  den  charakteristi- 
schen Gleichklang  von  »«i  —  tw  aufgiebt,  indem  er  die  Partikel  gerade  da  streicht,  wo  sie  deutlich  überliefert  ist, 
thut  er  mit  seiner  Einschiebung  von  V.  94 — 95  auch  dem  Gedanken  Eintrag.  Er  lässt  die  beiden  Auflforderungeu, 
sich  an  die  Götter  zu  wenden,  neben  einander  treten,  was  unmotiviert  ist,  weil  noch  kein  Zögern  die  zweite  nötig 
machte,  und  trennt  so  die  Antwort  von  der  Frage  durch  einen  viel  zu  langen  Zwischeuraum. 

'*)  Bergk  dachte  an  nai^ilttoy  hinter  noitmaoi.  Heimsoeth  schlug  wor:  Ttai^m    ^  ii  Sqü; 


t^ 


6 


grösseren  Abschnitt,  dessen  letzte  Hälfte  antistrophisch   gebaut  ist,  nichts  dazu,  anzanehmen 
es  sei  keine  Rosponsiou  vorhanden  gewesen  '*). 

Die  Verteilung.   '■     '        " 

Für  das  Verfahren,  einzelne  Partien  dieses  Liedes  Einzelchoreuten  zuzuweisen,  hat 
Heimsoeth  nur  Hohn  und  Spott,  Die  indir.  Überl.  SS.  152,  153,  169^*).  Ob.es  auf  eine  Sinnes- 
änderung schliessen  lässt,  wenn  sich  in  der  Comment,  p.  6  der  Ausdruck  findet:  in  singulis 
huiusmodi  invocationibus  sive  exclamationibus?  Fast  alle  anderen  Gelehrten  lassen  Einzel- 
choreuten zu,  selbst  Weil  und  Kirchhoff,  die  sonst  nicht  viel  von  ihnen  wissen  wollen.  Es  ist 
aber  auch  rein  unmöglich,  sich  ihrer  an  dieser  Stelle  zu  erwehren,  so  energisch  drängen  sie 
sich  auf'^).  Wenn  V.  96  axovev  rj  ovx  dxovsr'  danidutv  xxvnov  eine  Frage  aufgeworfen  und 
V.  99  tnvTtov  dedoQxa  die  Antwort  gegeben  wird,  so  ist  das  ein  schlagender  Beweis  für  den  Per- 
sonenwechsel. Derselbe  wird  weiter  bezeugt  durch  die  kommatische  Natur  des  Liedes.  Das 
dochmische  Metrum,  die  kleinen  abgerundeten  und  selbständigen  Äusserungen,  Parallelismen 
und  Tautologieen,  Fragen  und  Antworten  sind  alles  Dinge,  die  verschiedene  Sprecher  oder 
Sänger  verlangen.  Endlich  finden  sich  zwar  nicht  im  Texte,  aber  doch  in  den  Schollen  wert- 
volle Zeugnisse.  Im  Medic.  steht  bei  V.  78  nur  x,  sonst  keinerlei  Zeichen  des  Personen- 
wechsels; die  Schollen  aber  bemerken  zu  V.  94  dxjucc^si:  nQog  dkXijlag  6e  Tavxä  (prjai,  und  zu 
V.  106:  vvv  TO  Tikiji^og.  Ist  auch  diese  letztere  Angabe  falsch,  so  zeigt  sie  doch,  dass  der 
Schreiber  derselben  von  dem  Wechsel  des  Vortrags  noch  eine  Ahnung  hatte. 

Ich  beginne  mit  der  Betrachtung  der  letzten  Partie,  weil  hier  die  Sache  besonders 
einfach  liegt.  Es  sind  zwei  kretisch-dochmische  Strophen,  die  sich  genau  entsprechen  und 
wie  dem  Inhalt  so  dem  Ausdruck  nach  grosse  Ähnlichkeit  haben.  Es  decken  sich  tut  —  iiö 
zu  Anfang,  es  laufen  parallel  TiavaQxelg  ifeoi  und  cpiiioi  daif^oveg,  es  ergänzen  einander  nöhv 
öoQinovov  fi^  TiQodcü^''  und  ufleai}E  d-^  leQtöv  drj^iiiov  u.  a.  m  ;  man  darf  hiernach  nicht  zweifel- 
haft sein,  dass  der  Dichter  Halbchöre  beschäftigt  habe.  (So  urteilen  auch  schon  Hermann, 
Ritschi,  Droysen  u.  A.). 

Dem  vorhergehenden  Strophenpaar  habe  ich  schon  oben  kommatischen  Charakter  zu- 
geschrieben, und  zwar  ergeben  sich  deutlich  sechs  Einzelchoreuten.  Weh,  weh,  ich  höre  Wagen- 
gerassel vor  der  Stadt  I  ruft  einer  im  ersten  Absatz  der  Strophe ;  dem  entspricht  genau  ein 
zweiter  in  der  Antistrophe  mit  den  Worten :   Weh,  weh,  ein  Steiuregen  trifft  die  hohe  Zinne  1 


'^3  Bergk  meint  a  a.  0.,  unter  Unistäudeu  liube  aucli  das  Ungleichartige  seine  Berechtigung,  und  hier 
finde  die  innere  Unruhe  und  Hast  sowie  die  leidenscliaftliehe  Furcht  in  den  freiereu  Formen  ihren  angemessensten 
Ausdruck;  und  Enger  lässt  sich  im  Programm  von  Ostrowo  185.S  also  vernehmen:  prior  parodi  pars  .  .  cum  ana- 
paestorum  loco  posita  sit,  recte  est  monostrophica,  neque  singulae  illae  perturbatarum  virginum  voces  et  exclama- 
tiones  quaesitu  numerorum  responsione  satis  apte  exaequarentur;  aber  ersterer  muss  doch  einräumen,  dass  die 
Symmetrie  ein  Gruudprincip  der  hellenischen  Kuust  ist, "und  letzterer  kann  nicht  umhin,  das  Vorhandensein  von 
Sparen  der  Responsiou  zuzugeben. 

'6)  Man  muss  L.  Sciimidt  beistimmen,  welcher  im  Philol  1878  Nr.  9  S.  526  sagt:  Es  mag  in  der  Ver- 
teilung an  einzelne  Choreuten  gefehlt  sein  .  .  dass  aber  die  ganze  erste  Parodos  vom  ganzen  Chore  vorgetragen 
ist,  hat  Heimsoeth  nicht  nachgewiesen. 

'')  Treffend  bemerkt  Buecheler  Rhein.  Mus.  3-2  (1877)  S.  312:  si  canticum  aliquod  choreutae  singillatim 
cecinerunt,  profecto  in  Thebauae  fabulae  parodo  id  factum  esse  conseutaueam  est.  In  ähnlichem  Sinne  spricht  sich 
van  den  Bergh  aus  Ztsch.  f.  d.  Gymu.  XIX  (1865)  S.  513  ff. 


Der  zweite  Absatz  in  der  Strophe  lautet:  Ach,  Hera,  es  erkrachen  die  Naben  der  Axen!  der 
zweite  in  der  Antistrophe :  Ach,  lieber  Apollou,  die  Schilde  erkracheu  an  den  Thoren !  Der 
Schluss  der  Strophe  bringt  die  Klage:  Liebe  Artemis,  die  Luft  erdröhnt  vom  Werfen  der  Speere! 
"Was  soll  aus  uns  werden?  Der  Schluss  der  Antistrophe  bringt  das  Gegenstück:  Du  heilige 
Gewalt,  Herrin  Onka,  rette  das  siebenthorige  Theben!  ^*). 

In  der  Mittelpartie  V.  104 — 135,  die  ich  oben  als  strophisch  gegliedert  nachgewiesen 
habe,  sind  gleichfalls  unschwer  bestimmte  Absätze  zu  unterscheiden.  Hier  ist  aber  mehr  der  Vers 
als  der  Gedanke  bestimmend.  Denn  wenn  sich  auch  an  einigen  entsprechenden  Stellen  ähaliche 
Anrufungen  und  Bitten  finden,  z.  B.  «u  Zev,  Zev  Tcazeg  cyD  av  x  ^Aqrß,  (ftv  g)€v,  und  idere  tiuq- 
9ev(ov  ixiaiov  Aö^ov  od  Qvainokig  yevov,  so  herrscht  doch  kein  durchgehender  Parallelismus, 
und  der  Inhalt  ist  nicht  mit  solcher  Deutlichkeit  in  bestimmte  Gruppen  geschieden,  dass  es 
leicht  wäre  sie  festzustellen.  Um  so  sicherer  sind  die  metrischen  Grenzen  gezogen.  Wie  drei 
Marksteine  erheben  sich  aus  der  Fülle  der  Dochmien  drei  synkopierte  iambische  Hexapodien, 
um  in  jeder  Strophe  drei  Teile  abzuschliessen,  die  natürhch  auch  dem  Sinne  nach  als  Ein- 
heiten sich  fassen  lassen.  Es  sind  das  die  Teile:  104—111  üt)  120—126,  112—115  od  127—130, 
116 — 119  c«  131—135.  Dieselbe  Einteilung  und  gewiss  aus  denselben  Gründen  hat  Kirchhofif 
getroffen,  und  derselbe  Kirchhoff  hat,  worauf  ich  mit  Vergnügen  hinweise,  den  Vermerk  dazu 
gegeben:  chori  partes  singulae.  Er  hätte  nur  gleich  bestimmter  sechs  Choreuten  ansetzen 
sollen.  Freilich  steht  dieser  Abteilung  ein  bestimmtes  Zeugnis  des  Altertums  entgegen.  Ich 
erwähnte  schon,  dass  sich  zu  V.  106  der  Vermerk  findet,  vvv  ro  nkfji^os.  Aber  der  Scholiast 
ist  wohl  nur  durch  die  etwas  grössere  Länge  der  Äusserungen  irre  geführt  worden;  ein  wesent- 
licher Unterschied  findet  sich  zwischen  dieser  Partie  und  den  angrenzenden  nicht,  am  aller- 
wenigsten in  der  metrischen  Fassung;  eine  grössere  Ruhe  ist  diesen  Absätzen  eigen,  aber  kom- 
matischer  Natur  sind  sie  doch  ^^).  Es  bleibt  also  bei  Einzelchoreuten ;  und  da  schon  sechs 
derselben  von  V.  135 — 150  beschäftigt  waren,  so  müssen  wir  hier  die  sechs  übrigen  als  Sänger 
heranziehen. 

Im  ersten  Teile  der  Parodos  ist  au  chorischem  Einzelvoitrag  vollends  nicht  zu  zweifeln. 
Räumt  ihn  doch  hier  sogar  Kirchhoff  ein,  wiewohl  er  darauf  verzichtet,  Responsion  herzustellen. 
Auf  Grund  der  oben  getroffenen  strophischen  Entsprechung  verteile  ich  also :  die  Strophen 
94—95  c/2  102 — 105  verlangen  zwei  Choreuten;  die  Strophen  96—98  c/d  99  —  101,  die  selbst  der 
Scholiast  für  das  Eigentum  verschiedener  Sänger  erklärt  hat,  ebenfalls  zwei;  die  Strophen 
91 — 92  OD  93—94  wieder  zwei;  das  sind  sechs.     Die  Analogie,    die  gleiche  Natur  der  vorher- 

•*)  Die  sechsfache  Teilung  und  die  Verwendung  von  sechs  Choivuteii  findet  sich  schon  bei  Hermann, 
nur  dass  er  von  den  15  Choreuteu,  aus  welchen  er  den  Chor  bestehen  lässt,  die  sechs  letzten  beschäftigt,  was 
sicherlich  falsch  ist.  Es  können  nur  die  Choreuten  1  —  6  oder  7—12  sein  Zu  meiner  Freude  statuiert  auch 
Heimsoeth  Comraeut.  p.  6  eine  zweimalige  Dreiteilung,  eine  divisio  tripartita.  Ritschi  fasst  die  Verse  135 — 138 
OD  153—156  als  Einheiten  zusammen  und  beschäftigt  bloss  vier  Choreuten;  diese  Annahme  lässt  so  wenig  der 
Inhalt  wie  die  Rücksicht  auf  die  scenische  Anordnung  zu.  Dasselbe  gilt  von  der  Verteilung  Donners,  der  ohne 
jedes  Princip,  ohne  Beachtung  der  Responsion  die  Partie  fünf  Choreuten  zuweist.  Kirehhoff  endlich  übergiebt  jede 
Strophe  als  ein  Ganzes  dem  Gesamtchore. 

'°)  Auf  das  Zeugnis  des  Scholiastcn  gestützt  weist  Ritschi  diese  Partie  dem  Gesamtchor  zu;  ebenso 
verfährt  Buecheler,  welcher  Rhein.  Mus.  32  (1877)  S.  312  schreibt:  verum  ubi  dei  invocantur  omnes  ut  respiciant 
7ia^9iriav  ixt'awy  iö;(or,  lios  versus  non  una  virgo  sed  chorus  cantat  universus,  aut  ut  aliquid  largiar,  dimidiatus; 
auch  Bergk  erklärt  a.  a.  0.  eine  Verteilung  für  völlig  unstatthaft,  und  ihm  schliesst  sich  van  den  Bergh  Ztschr. 
f.  d.  Gym.  XIX  (1865)  543  ff.  au. 


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8 


gehenden  Verse  und  die  natürliche  Konsequenz,  dass  weun  die  Hälfte  der  Chorenten  inx  Solo- 
gesang sich  ablöst,  die  andere  Hälfte  dasselbe  thut,  macht  es  einleuchtend,  dass  Chor.  1 — 6,  a 
bis  ff,  in  die  Partie  78—90  sich  geteilt  haben.  Wie  das  im  einzelnen  geschehen  ist,  lasst  sich 
bei  der  jetzigen  Beschaffenheit  des  Textes  freilich  nicht  mit  Sicherheit,  nicht  einmal  mit  Wahr- 
scheinlichkeit bestimmen.  So  lange  man  nicht  die  völlig  verwischte  Responsion  dieser  Verse 
wiederherstellt,  darf  man  kaum  wagen  sechs  Choreuten  unterzubringen.  Wenn  ich  es  im  Texte 
doch  versuche,  thue  ich  es  mit  aller  Zaghaftigkeit.  Der  Übelstand  ist  zu  beklagen,  ändert  aber 
an  dem  Resultat  nichts,  dass  die  ganze  Parodos  mit  Ausnahme  der  beiden  Schlussstrophen  von 
Einzelchoreuten  vorgetragen  worden  ist  *"). 

Die  Parodos  wäre  also  nach  meiner  Ansicht  in  folgender  Weise  vorgetragen  worden; 


(^,a)  veoxotu  O^Qeofiui  (poßeqä  ftsya/C  «z^- 
f^iei^eitai  OTQcttoi;  oxqutoneSov  Ximov. 
Q€l  Tiokvs  Öde  ledig  TtQÖÖQOfiog  mnäiug. 

(r  /S)  aiO^SQia  xövtS  fte  nsiO-ei  (puveia, 
avuvöog  outfrjg  etv/itog  <xy)€?.og. 

(/}  y)  yag  ijdt]  d'  e^iug  nedC  dnlöxtvn^  w  — 
ti  ■/^qif.imei  ßndv  noratäv,  ß^ifiei  ö^  — 
aftuxezov  dixuv  i'öumg  omnimov. 

(^  6')  idt  iii  9-eoi,  Idu  tat  0-eai, 

sliHÖet^  oQotievov  xaxov  ulsvaitrs. 

(^  £  )  noTÜxai  ßnu   ('ti«^  reixiojv 


iOTQ.    a  ) 


80 


(dvT.  a) 


85 


.<■■•-'. 


(jy  g)   6  /.st'xaOTTtg  oqvvvtui  kaog  ev  — 
TiQSTii;  ini  Tiökiv  diioxoiv  nööa. 
xig  ante  ovaezui;  tlg  uq'  tTtuQxiafi 

noTSQu  örjz^  iyw  nc'aiiiu  noTiTÜaio 
ßqixi]  öuiftöviDV, 

UXOVtl     /;    OVX    dxOVFZ^    UOTliÖMV    /.[CTTOV; 

TitTihiJv  xu}   nr£fpe()v 

no'c\  £1  (.ir^  vvi\  du(fi  Xirui''  f^ofiev; 

xii'TiOY  dfÖDQxa'  nurayog  oux  tyog  öooos- 

xi  (tiifig;  naktä  — 

X^wv  ^ß/;*,  riQodiuosig  yüv  xuv   rsay; 


90 


<       f 


95 


(axQ.  /?*) 

[dvx.  ß') 

axQ.  y 

dvx.  y 

OXQ.    d 

dvT.  6' 


*)  Aus  Weckleius  Jabre.*bericht  über  die  griech.  Tragiker  1880  ersehe  ich,  dass  Moriz  Schmidt  im 
Bulletin  de  TAcademie  Imperiale  de  St.  Petersbourg  t.  XXVI  p.  44—69  die  Parodos  der  Septem  ebenfalls  behandelt, 
fünfSyzygien  angenommen  und  für  dieselbe  Vortrag  von  Einzelchoreuten  und  Ab.chluss  durch  Hemichorienvortrag 
angesetzt  hat.  So  stimmen  wir  in  der  Ansicht  über  die  Behandlung  im  allgemeinen  überein,  in  der  wirklichen 
Gestaltung  aber  weichen  wir,  wie  ich  aus  den  dort  mitgeteilten  Proben  ersehe,  völlig  von  einander  ab,  und  bei 
der  souveränen  Willkür,  mit  der  Schmidt  den  Text  verändert  und  abteilt,  dürfte  Weckleins  Urteil  wohl  nicht  zu 
hart  Bein,  dass  von  einer  endgültigen  Entscheidung  der  Frage  keine  Rede  sein  könne,  kaum  von  einer  Weiter- 
führung derselben.  Das  Eine  aber  ist  mir  in  Schmidts  Ansätzen  von  hohem  Interesse  gewesen,  dass  er  die  Au- 
fangspartie,  welche  ich  sechs  Choreuten  reservieren  zu  müssen  glaube,  wirklich,  freilich  nach  gewaltsamen  Ver- 
änderungen des  Textes,  unter  seclis  Sänger  verteilt  hat. 


9  .      S-'     vV^^>'- 

jj  ««     tcJ)  i^taxageg  eveÖQOi,  mcfiä^ei  ßQeTeiov      h  100         orp.  e        *- .Vi* 

exea9ttt'  ri  ftikXoftsv  ayaorovoc;  /•" :  ■;. 

jj  iß'   i<a)  dalfiov  xQvao7f^lt]§,  IVrid',  emde  rav  -  avr.  s  ' 

de  TtoXiv,  UV  not   svquXr^ocv  i'd-ov. 


'■>'-■ 


7j  a'     &soi  noXioxoc.  iV,  i'w  növreS,  etaiders  naqO^ivuv         105       (tt^,  a 
Ixeaiov  löxov  dovXoawag  vneQ. 
xvfia  Tiegl  tizoXiv  doxf^okocpotv  ävÖQOJV 
'    :         xaxXcc^ei  nvoals^AQeos  OQfisvov. 

.  "  av  ä*  aXV,  (o  Zsv  Zev,  näisg  napreXeg,  110 

"V'-' :  nävtwg  uqtj^ov  däio)v  alwaiv. 

Tj  ß      ^AQyeioi  öe  nolia/aa  Kaö/nov 
,ii;_--,:  xvxkovvTCCL'  (poßog  6  aQrjcuv  OTtXoiv 

'■jV-  aoßel'  dctt  de  wt  ysvvv  m7iio)v 

%_■  xivvQOvrai  qiövov  x"^**'Ot'  H^ 

'  ;  j^  Y       erCTce  d'ayr^voQsg  nqeTiovxeg  otqcctov 

-i"  doQvaaolg  aayalg. 

Tcvkaig  euraaTOiitoig 
TiQoaiarawai  nähuf  Xaxövxeg. 
;  7]  8'     Gv  t',  ö>  z/ioyeveg  q)ilcfiaxov  xQÜTog,  ^vainokig  ysvov,     120        uvr.  u 

IlaXlag,  6  -3^  'inniog  Tiovtojiiedtov  ccva^ 
iX&vßolq»,  TloaeiöaMv,  (.laxavä 
inikvaiv  (püßo)v,  enikvaiv  öidov. 

Gv  T,  AQTjg,  (psi  (fsv,  Käö/iiov  eTiiovvfiov  \2b 

nokiv  (pvKa^ov  xrßeaai  t'  ivaQytog. 
T]  €      xal  KvTiQig  axe  yevovg  TiQOfiäxMQ, 
aXevaov'  aei^ev  yaq  e§  at/narog 
yey6vaf4ev'  Inalai  ff«  S-eoxlt'noig 

äiJTOcaai  rceXaZö/.ieGi^a.  130 

r^  g       xul  av,  AvxeC  ava§,  Avxeiog  yevov 
GTQatio  oaui)  atovMv  airag. 
GV  T,  0)  Aarona 
xoQa,  röiotaip  ei'  zvxci^ov, 
j;  C       e  e  e  e,  t^oo        GtQ.  ß 

bzoßov  aQuarorv  a^i(pi  ttoIiv  xlvio. 
r^   j^       10  noxvi    riQa, 

elaxov  a^oyiov  ßQid^Ofihmv  x*'«««« 
r^   d'      Aqt£(.ii  (fiXa, 

SoQizivaxTog  ald-r^Q  6^  iTii/iiaiveTai.  140 

Ti  7i6?ug  au{j.i  naGxei;  tL  yerrfiejat; 
Tvol  öi  relog  fi'  inayei  &eog; 
}^  I.       £  e  £  e.  ovT.  ß 

axqoßohov  6^  enäl^etov  Xi&ag  e^x^^«*« 


i  10 


xovaßog  iv  nvlacg  xcchcodtTMv  oaxioiv. 
rj  iß'    xccl  Jiöd-ev  cJ  ^ 

nokefiöxQavTOv  ayvov  relog  ev  Hixxfxi  — 
fft,  av  ixttxaiq   uvaJa  "Oyxa,  tiqo  Ttolewü 
emanvkov  k'dos  iniQQvov.  '     -  '        '  •  "■;         ^^ 


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tuj  tekeiot  fiXsiai  xe  yäs  zuaH^t  nvQ  —  '  :  ''c/ 

yofpvlaxeg,  nokiv  doqinovov  f.it]  nqodüii)-  "      % 

eveQoßäyfwvi  axqcnn^.  ■   ^;' 

xkvexe  naq&hun),  xXvete  navdixovg 
XEiQOTOvovg  Xirag. 

t;Iuix-  B.  iu)  cplloi  dai/iioveg  ccvt.  y 

kvTtjgioi  T   ccfKpißavteg  noXiv,  dsi^ai)-   wg 
<piXon6lecg,  nkkead-e  (P  leQwv  dr^fiiwv, 
jiteXöfievoi  d'  aqrj^aTS.  160 

(piXo9-vtu)v  de  toi  nöXeog  OQylcov 
/nvrjOTOQsg  ears  f.ioi. 


--'/'■' 


■ ■ •■  ä'>. 

Wenn  hier  sämtliche  Mitglieder  des  Chores  zweimal  hinter  einander  im  Einzelgesang 
sich  ablösen,  so  ist  dieser  Vorgang  geradeso  begreiflich  wie  der  analoge  im  Oidipus  auf  Kolonos. 
Bei  Sophokles  eilen  die  Greise  in  aufgelöster  Reihe  hastig  herbei,  um  den  Fremdling  zu  suchen, 
der  es  gewagt  hat,  den  heiligen  Hain  zu  betreten,  und  unterreden  sich  erst  unter  einander 
und  dann  mit  dem  Fremdling ;  bei  Aischylos  begiebt  sich  eine  Schaar  von  Jungfrauen  von  Angst 
getrieben  auf  die  Königsburg,  um  bei  den  Göttern  Hülfe  zu  suchen.  Dass  sie  dabei  nicht  in 
der  gewöhnlichen  Weise  xatu  atoixovg  oder  xara  l^vya  aufgestellt  einziehen,  sondern  einzeln, 
eine  hinter  der  andern,  ist  an  sich  ganz  natürlich**),  ausserdem  auch  dadurch  bedingt,  dass 
der  Chor  sofort  nach  seinem  Einzug  durch  die  scaoöot  auf  die  Bühne  emporsteigt.  Zu  dieser 
Annahme  berechtigen  verschiedene  Gründe.  In  ihrer  furchtbaren  Angst  sind  die  Mädchen  auf 
die  Burg  gelaufen,  um  bei  den  alten  Götterbildern  Schutz  zu  suchen,  V.  93,  95,  166,  193,  224, 
234*').  Nun  haben  diese  Götterbilder  auf  der  Bühne  ihre  naturgemässe  Stelle  und  sind  für 
sie  wiederholt  bezeugt"),  auf  der  Orchestra  wären  sie  absichtlich  und  nur  für  diesen  speciellen 
FaU  angebracht.  Es  hält  sich  also  der  Chor  vor  seinem  Erscheinen  bis  zum  Beginn  des  ersten 
Stasimons  auf  der  Bühne  auf.  Aber  auch  noch  anderes  spricht  hierfür.  Vor  dem  Stasimon 
singt  der  Chor  kein  Lied,  das  mit  Tanz  zu  begleiten  wäre,  er  ist  also  der  Orchestra  nicht 
weiter    benötigt.      Wenn    er   ferner   auf  die  Warte   geeilt  ist,  TccvSe  noxl  axonav  V.  223,  und 

2')  Bei  Passow  index  Vratisl.  1832  findet  sich  der  zutreffende  Gedanke:  Quis  iam  existimet  instructia 
ordinibus  eo  progressas  esse  mulierculas  trepidaa? 

^)  An  letzterer  Stelle  hat  man  unter  \v>jilna  mit  dem  Scholiasten  die  Gemeinschaft  der  durch  Bild- 
säulen repräsentierten    Götter  zu  verstehen,  nicht  mit  Hermann  die  Gemeinschaft  der  abwesenden  Bürger;   s.  Weil. 

^)  PoUux  'd  123:  To  Si  iinoaxtjvioy  ttioai  xai  ayaifjaiiots  xixoofitjio,  und  Vitruv.  De  Archit.  V,  8,  1 :  tragicae 
scenae  deformantur  columnis  et  fastigiis  et  signis  reliquisque  regalibus  rebus.  Über  das  vnoaxrjrtov  in  der  Stell© 
des  Pollux  handelt  eingehend  Wieseler,  Ersch  und  Gruber  Griechenland  Bd.  IV  S.  221. 


•TS. 


11 

TOn  da  ans  die  Staubwolken  des  anrückenden  Heeres  erblickt  und  den  Waffenlärm  hört,  V.  81  ff., 
84  £L,  88  £,  97  ff.,  so  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  er  auf  der  Höhe  des  Bnrgplatzes  und  nicht 
in  d«n  tiefer  liegenden  Räume  davor  verweilt.  Und  endlich  spricht  der  Umstand  lant  dafür, 
dass  V.  247  Eteokles  ihm  befiehlt,  erst  von  den  Götterbildern  wegzutreten  und  dann  einen  Bitt- 
gesang anzustimmen.  Denn  die  bezeichnenden  Worte  ixrog  ovo*  ayaXfiänov  würden  keinen 
rechten  Sinn  haben,  wenn  sie  nicht  auf  eine  Veränderung  des  Standpunktes,  auf  ein  Verlassen 
der  Bühne  gingen.  Auch  Oberdick  Programm  von  Münster  1878  fasst  die  Sache  so  auf;  er 
schreibt:  chorus,  sicut  a  rege  iussus  erat,  in  orchestram  descendit.  Bergk  PhiloL  XVI  1860 
S.  604  ff.  Hess  es  wenigstens  fragüch,  ob  der  Chor  auf  der  Orchestra  oder  auf  der  Bühne  er- 
schienen sei.  Schliesslich  verweise  ich  auf  die  lehrreichen  Bemerkungen,  welche  Schönbom 
Die  Skene  der  Hellenen  S.  127  ff.  über  den  Einzug  des  Chors  auf  die  Bühne  gegeben  hat. 
Nur  wenn  der  Chor  seinen  eigentlichen  Schauplatz  bezieht,  kommt  er  aus  dem  Bereich  der 
Götterbilder.  Das  geschieht  aber,  wie  gesagt,  erst  vor  dem  Stasimon;  während  der  Parodos, 
des  Kommos  und  der  Stichomythie  ist  der  Chor  auf  dem  Proscenium,  und  zwar  schaart  er 
sich  in  einzelnen  Gruppen  um  die  Bildsäulen  der  Götter,  teils  an  ihnen  niedersinkend,  teils  sie 
umfJEtssend.  So  sagt  der  Chor  selber  V.  93:  nöxeqa  Sijr  iyio  notiTieao)  ßgirrj  dai/aöva/v;  und 
V.  114:  dxiuä^ei  ßgetetov  e'xsa&ai;  und  Eteokles  macht  es  den  Weibern  V.  166  zum  Vorwurf 
ßqkcT]  Treaovaag  TiQog  noXiaaovxorv  d-ewv  aveiv  xtL,  fragt  sie  241  höhnisch  naJuvoTOfieis  cev 
&iyyävova  dyalfiazcov,  und  verlangt  schliesslich  ixrds  ova  äyak^äxfav  £vxov. 

Man  darf  annehmen,  dass  die  Götterbilder  links  und  rechts  vom  Haupteingange  des 
Palastes  symmetrisch  geordnet  gestanden  haben,  und  ebenso  symmetrisch  wird  die  Gruppierung 
des  Chors  gewesen  sein.  Es  werden  sechs  Choreuten  auf  der  rechten,  sechs  auf  der  linken 
Seite  gestanden  haben,  die  einen  mit  dem  Koryphaios,  die  anderen  mit  dem  Parastates. 

Dass  die  Jungfrauen  nicht  alles  sehen,  was  sie  schildern,  ist  klar;  sie  sehen  aber  vieles 
davon,  weil  sie  auf  der  Akropolis  stehen,  und  das  übrige  ergänzen  sie  bei  ihrer  Aufregung 
leicht.  Der  Scholiast  sagt  also  zu  viel,  wenn  er  zu  V.  79  bemerkt:  xavxa  ök  ^avraCöfievai 
keyovaiv  wg  dlr;&ij,  und  zu  V.  80:  cpavTa^ovrai  de  xavia  ndvia.  Weil  weiss  sich  besser  in  ihre 
Lage  zu  versetzen:  nonne  audita  in  maius  interpretantur,  etiam  non  audita  se  audire  putaut, 
futura  animis  praecipiunt?  —  Ohne  Zweifel  stellte  der  Chor  in  Gesten  und  tanzartigen  Bewe- 
gungen die  geschilderten  Vorgänge  lebhaft  dar;  es  bezeugt  das  die  grosse  Erregung,  die 
durchweg  herrscht,  und  der  durchgehende  kommatische  Ton.  Nun  findet  sich  bei  Athenaios  I, 
22  ff.  folgende  Notiz:  'yiQKnoxkijg  yovv  (pr^aiv  ort,  Tekeatt^s  6  Alaxukov  ogxf/Ov^g  o'vto>g  rjv 
teX^ivrjg  wäre  iv  xcp  OQx^^o&ac  xoug  emd  eni  Qrßag  tpavegd  Tioi^aai  td  Tigäyfiata  öl  OQXJ^oeatg. 
Sind  damit  wirkliche  Tänze  und  nicht  bloss  mimisch-orchestische  Bewegungen  gemeint,  so  hat 
man  von  der  Parodos  abzusehen  und  au  die  Stasimen  zu  denken;  auf  alle  Fälle  aber  ist  aus 
jener  Angabe,  wofern  sie  wahr  ist,  der  Schluss  zu  ziehen,  dass  Telestes  nicht  ein  blosser 
Choreut,  wie  Weil  meint,  sondern  der  Koryphaios  in  den  Sieben  des  Aischylos  gewesen  ist. 

Was  schliesslich  den  Namen  des  Liedes  anbetrifft,  so  hat  man  es  nicht  etwa  mit  Bergk 
a.  a.  0.  Pseudoparodos  oder  Proparodos,  sondern  schlechtweg  Parodos  zu  nennen.  Denn  wenn 
auch  der  Chor  anoQddr^v  einzieht  und  sich  nicht  in  der  Orchestra  sondern  auf  der  Bühne  auf- 
stellt, das  Lied  ist  doch  ein  in  sich  geschlossener,  wohl  begrenzter  und  den  Prolog  vom  ersten 
Epeisodion  scheidender  Chorgesang,  zu  dessen  Klängen  der  Chor  einzieht  und  sich  aufstellt. 
S.  Oehmichen  a.  a.  0.  S.  12  f. 

2* 


^.;v 


r 


12 
1.  E  p  e  i  s  o  d  i  o  n. 


^  ■(■ 


r  V.  163—269.    ;: 

Eteokles  tritt  aus  dem  Palast  und  tadelt  die  Weiber,  dass  sie  schreien  und  wehklagen. 
Durch  ihr  ängstliches  Hin-  und  Herfliehen  bewirkten  sie  Feigheit,  nützten  den  Feinden  draussen 
und  schadeten  der  belagerten  Stadt.  Darum  verbiete  er  jedermann  ein  solches  Gebahren  bei 
Strafe  des  Steiaigungstodes.  Und  zum  Schluss  bemerkt  er:  Die  Männer  werden  für  die  Dinge 
da  draussen  Sorge  tragen;  richte  du  nur  drinnen  keinen  Schaden  an.  Hast  du  es  gehört,  oder 
spreche  ich  zu  einer  tauben?    An  diese  Aufforderung  zu  reden  schliesst  sich  der 


1.  K  o  m  m  o  s. 

V.  184^227.  r  ..:^ 


Derselbe  besteht  aus  drei  sich  genau  entsprechenden  Paaren  dochmischer  Strophen 
und  dazwischen  geschobenen  Dialogpartien  von  je  drei  iambischen  Trimetern,  und  zwar  ist 
die  Anordnung  die,  dass  je  einer  Strophe  des  Chors  je  drei  Trimeter  des  Eteokles  folgen. 
Freilich  nicht  in  der  Ueberlieferung.  In  dem  zweiten  dem  Eteokles  zufallenden  Satz  steht  bei 
V.  200  im  Mediceus  x  am  Rande,  und  über  der  Lücke  zwischen  ^eojv  und  alX  findet  sich 
heoxk  eingeschoben.  Eteokles  sagt  dann:  Betet,  dass  die  Mauer  den  feindlichen  Speer  ab- 
halte; der  Chor  wirft  ein:  Ist  das  nicht  Sache  der  Götter?  Und  Eteokles  erwidert  gegen- 
sätzlich: Aber  von  den  Göttern  heisst  es  ja,  dass  sie  die  Tempel  einer  eroberten  Stadt  ver- 
lassen. Von  Seiten  des  Inhalts  ist  an  dieser  Versabteilung  nichts  auszusetzen ;  aber  die  Form, 
der  autistrophische  Bau  der  ganzen  Stelle  spricht  dagegen.  Hermann  meint  zwar,  eine  solche 
kleine  Unsymmetrie  müsse  geduldet  werden,  und  Ritschi  stimmt  ihm  bei.  Allein  Unsymme- 
trien  von  dieser  Art  sind  mir  nicht  bekannt.  Es  kommt  vor,  dass  in  einer  antistrophisch  ge- 
gliederten Partie  den  Versen  der  einen  Person  Verse  einer  anderen,  Versen  eines  Schauspielers 
Verse  des  Chors  entsprechen.  Es  ist  dies  der  Fall  im  zweiten  Kommos  des  Aias  248  ff.,  wo 
folgendes  Verhältnis  obwaltet 

Strophe  und  Autistrophe  1 :  AC  «yD  AC. 

Strophe  und  Antistrophe  2:  ATATAC  ^  ACACAT. 

Strophe  und  Antistrophe  3:  AT  c/j  AC. 
Weiter  gehört  hierher  der  vierte  Kommos  des  Oid.  auf  Kolonos  1447  ff.:  Oid.  Antig. 
Oid.  1^  Oid.  Chor  Oid.  cn  Oid.  Ant.  Oid.,  wo  Wecklein  autfallenderweise  schon  darin  einen 
Verstoss  gegen  die  Symmetrie  findet,  dass  ich,  wie  ich  fest  überzeugt  bin,  aus  guten  Gründen 
den  mittleren  Dialogvers  dem  Chor  statt  der  Antigone  gegeben  habe.  Eine  analoge  Erschei- 
nung haben  wir  im  fünften  Kommos  desselben  Stücks,  wo  in  Strophe  ß'  1724 — 36  Antigone 
und  Ismene  beschäftigt  sind,  in  der  Antistrophe  ß'  dagegen  der  Chor  für  die  Antigone  und 
Antigone  für  die  Ismene  eintritt.  Dieselbe  Abgrenzung  findet  sich  Oid.  Tyr.  649  f.;  hier  ent- 
sprechen sich:  Ch.  Oid.  Ch.  Oid.  Ch.  Oid.  Ch.  Oid.  Ch.  cr>  Ch.  Jok.  Ch.  Jok.  Ch.  Jok.  Ch. 
Oid.  Ch.  Man  vergleiche  ferner  Hiket.  734  ff.,  Prometheus  589  ff.,  Pers.  256  ff.  Aus  all  diesen 
Beispielen  geht  hervor,  dass  in  antistrophischen  Teilen  wohl  ein  Wechsel  der  Person  eintritt, 
aber  keine  Zerreissung  sich  entsprechender  Verse,  und  also  auch  keine  disharmonische  Verviel- 
fältigung der  Personen.     Eine  wirkliche  Verletzung  dieses  Gesetzes  findet  sich  erst  bei  Aristo- 


,       Li^       **    U..- 


»  ..  !■ 


(, 


13 


)r'y\ 


Kpv:^?,. 


f. 


phanes,  z.  B.  Wespen  291  ff.  und  Thesmophoriazusen  667  ff,  (S.  Christ  Metrik'  636,  Amoldt ' 
die  Chorp.  b.  Aristpph.  S.  29  und  109  ff.)  Hier  giebt  es  innerhalb  der  sich  deckenden  Par- 
tien verschied^  abgegrenzte  Stellen  mit  verschiedenen  Personen.  Bei  den  Tragikern  aber 
findet  sich  eine  solche  Komposition  nicht;  wir  dürfen  also  jene  drei  Verse  nicht  zerreissen, 
sondern  müssen  sie  zusammen  dem  Eteokles  geben,  wie  dies  schon  seit  Lachmann  viele 
Gelehrten  gethan  haben.  Aber  nun  entsteht  eine  andere  Schwierigkeit.  Verba  ipsa  obstant, 
sagt  Weil,  und  lütschl  bemerkt,  ovxovv  könne  den  Einwurf  nicht  andeuten,  den  Eteokles  sich 
machen  musste.  Aber  warun»  nicht?  Betet,  sagt  Eteokles,  dass  die  Mauer  den  feindlichen  Speer 
abhalte;  fürwahr  nicht  (ovxow)  von  den  Göttern  wird  das  ausgehen.  Das  giebt  guten  Sinn, 
während  Kirchhoffs  ovxovv  in  diesen  Zusammenhang  nicht  passt.  Sobald  aber  ovxow  richtig 
ist,  kann  alV  ovv  nicht  beibehalten  werden;  man  erwartet  eine  Begründung,  keinen  neuen  Ein- 
wurf. Das  fühlten  u,  a.  Härtung,  der  xai  yaq,  und  Dindorf,  der  enei  vorschlug.  Ich  bin  der 
Meinung,  es  muss  xovg  yciq  d^eovg  gelesen  werden;  dann  wird  die  nötige  Begründung  gegeben, 
und  das  rovg,  das  jetzt  im  Anfang  der  folgenden  Zeile  steht,  dort  aber  ganz  sinnlos  ist  und 
auf  grund  der  Schohen  zu  dieser  Stelle  mit  Frey,  Heimsoeth,  Weil  u,  a.  in  vaoi'S  verändert 
werden  muss,  erhält  dann  seine  passende  Stelle.  Auch  ist  der  Grund  der  Verderbnis  leicht 
einzusehen.  Sobald  jemand  auf  den  Gedanken  kam,  ovxovv  i^swv  sei  eine  Frage  und  werde  vom 
Chor  gestellt,  gaben  Worte  wie  tovg  yaq  &tovs  ff-  keinen  Sinn  mehr  und  wurden  durch  den 
Einwurf  «AA'  ovv  verdrängt.     Ich  lese  also : 

ETEOKAH^ 
ixvQyov  aziyeiv  svxBO&e  Tiokifxiov  Öoqv. 
ovxovv  T«(J'  haxai   tiqös  O^hov'  totg  yaQ  O-iorg 
vaovg  älovor^g  Ttolsog  ex'/.ei7ieiv  löyo^. 
,  Sonach  haben  wir  von  V.  184—227  drei  sich  genau  entsproehenJe  autistrophische  Par- 

tien, von  denen  respondieren : 

Str.  u.  Antistr.  a    184—192  ^  193—204, 
und  zwar  184 — 189  od  193 — 198  dochm.  Strophen  des  Chors, 
190-192  c/:  199-204  iamb.  Trim.  des  Eteokles. 
Str.  u.  Antistr.  /y'  202-208  ^  209—215, 
und  zwar  202—205  ^  209—212  dochm.  Strophen  des  Chors, 
206—208  OD  213-215  iamb.  Trim.  des  Eteokles. 
Str.  u.  Antistr.  /  216—221  oo  222—227, 
und  zwar  216-218  er.  222—224  dochm.  Strophen  des  Chors, 
219-221  OD  225-227  iamb.  Trim.  des  Eteokles  **j. 
Der  Chor    führt    in    diesem  Kommos   wiederholt  aus,  wie  sehr  ihn  der  Kriegslärm  er- 
schreckt habe,  wie  er  zur  Burg  geeilt  sei,  bei  den  Götterbildern  Schutz  zu  sucben,  wie  er  auf 
die  HimmUschen  all  seine  Hoffnung  setze,    und  wie  ihm  niemand  seine  Bitten  und  Gebete  ver- 
argen dürfe.     Eteokles  dagegen  schilt  ihn  um  seiner  Angst  und  Verzagtheit  willen,    heisst  ihn 
nicht  auf  die  Götter  sondern  auf  die  Männer  und  die  abwehrende  Kraft  der  Speere  vertrauen 
und  verbietet  ihm  das  laute  Klagen  und  Schreien. 

Um  die  richtige  Verteilung  der  kommatischen  Chorstrophen  zu  finden,  muss   man  die 
dem  Sinn  wie  der  scenischen  Darstellung  nach  eng  mit  ihnen  verbundene 

^)  Dieselbe  Anordnung  giebt  Oehmichen  De  compos.  epis.  S.  51  f. 


^-  .  j.. 


1-^'  '    •■  ..         y  ■    14 


:^;'       '  Stichomythische  Partie 

Ä^    '  ^.  228—246 

hinzunehmen.    In   derselben   fallen    auf  den  Anteil  des  Chors  10  Trimeter,  weiche  selbständig 
sind,  einander  nicht  voraussetzen  und  bedingen  und   zum  Teil   so  hart   an  Tautologie  streifen 
dass  man  schon  um  deswillen  an  Einzelvortrag  denken  müsste,  wenn  nicht  die  Aufregung  der 
Scene  und  der  klagende  Ton,    der   namenthch   die  erste  Hälfte  durchzieht   und   ihr  fast  das 

'.■\^,  Dialogische  nimmt  (V.  228 — 238),  eine  allgemeine  Beteiligung  forderte. 

p-  >  Nicht  ganz    so    deutlich  sprechen  die   letzten  Verse.     Hier   möchte    man  meinen,   auf 

den  "Wunsch  des  Königs  243,  dass  du  mir  doch  einen  kleinen  Dienst  leisten  wolltest,  könne 
nur  der  berufene  Vertreter  der  Weiber  antworten:  sprich  schnell,  und  bald  werde  ich  es 
wissen;  und  wenn  der  König  241  sagt:  und  doch  schwatzest  du  mir  wieder  entgegen  {nahv- 
axofielg  at),  und  247 :  dieses  Wort  nehme  ich  statt  der  früheren  von  dir  an  (tojJt'  uvt 
ixeiviov  TovnoQ  aiQoi'fiat  ae^€v),  so  möchte  es  scheinen,  dass  die  späteren  wie  die  früheren 
Verse  vom  Koryphaios  recitiert  seien.  Allein  man  wolle  nicht  vergessen,  dass  dieser  Chor  wie 
viele  andere  eine  Gemeinschaft  bildet,  die  einheitlich  denkt  und  fühlt,  und  dass  darum  die 
•  Meinungsäusserung  des  einzelnen  auch  für  die  übrigen  gethan  wird.    Erheischt  aber  die  sticho- 

mythische Partie  10  Choreuten,  so  bleiben  noch  zwei  übrig,  und  diese  fehlen  gerade  um  den 
Vortrag  der  drei  Strophenpaare  zu  übernehmen.  Andere  freilich  haben  sie  dem  Chore  oder 
Halbchören  zugewiesen,  aber  ich  habe  früher  gezeigt,  dass  wohl  rein  lyrische  Strophen,  die 
innerhalb  eines  Kommos  sich  finden,  dem  Chore  oder  grösseren  Teilen  desselben  gegeben  werden 
können,  wie  z,  B.  Aias  221  ff.,  (was  Hense  zuerst  bestritt,  später  jedoch  einräumte),  nicht 
aber  Strophen,  die  im  dochmischen  Metrum  vcrfasst  sind  und  mehr  den  Charakter  des  Ge- 
sprächs als  des  Liedes  haben.  (Chor.  Techn.  des  Soph.  S.  41  ff.  Arnoldt  Chor.  Techn.  des 
Eurip.  S.  224.)  Letzteres  aber  ist  hier  der  Fall.  Es  müssen  also  einzelne  angesetzt  werden, 
und  das  sind  der  Koryphaios  und  der  Parastates.  Warum  ich  gerade  sie  für  diesen 
ersten  Teil  reserviere,  braucht  kaum  gesagt  zu  werden.  Die  Länge  sowie  der  bedeutendere 
Inhalt  der  Strophen  fordert  die  Führer,  und  die  antistrophische  Responsion  lässt  die  Aktion 
symmetrisch  aufgestellter  Choreuteu  vermuten.  Das  sind  eben  Koryphaios  und  Parastates;  in 
ihnen  kommen  beide  Halbchöre  zum  Wort;  wir  haben  also  für  diese  Scene  Hemichorienstellung 
anzunehmen.  Dass  jeder  Führer  dreimal  das  Wort  ergreift,  während  alle  übrigen  Choreuten 
nur  je  einmal  sprechen,  hat  nichts  Auffallendes;  sie  sind  die  eigentlichen  Vertreter  und  Wort- 
führer des  Chors.  Sonach  gebe  ich  die  jedesmalige  Strophe  dem  Koryphaios,  die  jedesmalige 
Antistrophe  dem  Parastates,  und  zwar,  da  dochmisches  Metrum  vorliegt,  zu  parakatalogischem 
Vortrag.     (Chor.  Techn.  des  Soph.  S.  42.  j*'^; 

Einige  Herausgeber,    wie  Härtung  und  J.  H.  H.  Schmidt,  nennen  die  Partie  184—227 
ganz   allgemein    den   zweiten  Chorgesang;   Ritschi  spricht  wenigstens   von   commatica  in  Doch- 

^)  Droysen  giebt  Strophe  und  Antistrophe  «'  dem  Chore,  Strophe  ß'  der  Führerin  1,  Antistrophe  ß'  der 
Führerin  2,  Strophe  /  und  Antistrophe  y  ^^^  Führerin  2,  die  10  stichomythischea  Verse  den  übrigen  10  Personen 
des  Chors.  Letzteres  ist  richtig;  aber  die  Verteilung  der  eigentlich  kommatischen  Partie  ist  offenbar  verfehlt. 
Denn  eitiinal  unterscheidet  sich  das  erste  Strophenpaar  seinem  Charakter  nach  in  nichts  vom  zweiten  und  dritten, 
lässt  also  nicht  die  Annahme  des  Gesamtchors  zu.  Sodann  ist  es  ganz  unsymmetrisch,  der  ersten  Führerin  nur 
eine,  der  zweiten  drei  Strophen  zuzuweisen.  Vielleicht  liegt  ein  Druckfehler  vor,  vielleicht  soll  über  Strophe 
y  nicht  Führerin  2,  sondern  Fülireriu  1  gelesen  werden;  aber  die  ganz  verschiedene  Beurteilung  der  sechs  gleich- 
artigen Stroplien  bleibt  immer  ein  Missgrift' 


15 


7*  ;7-';:-'C4^f^: 


•'X 


mien.  Aber  es  liegt  ein  wirklicher  Kommos  vor.  Es  ist  ein  Wechselgespräch  zmschen  der 
Bühne  und  der  Orchestra;  das  Moment  des  i>Qrjvog,  das  vom  Aristoteles  ausdrücklich  gefordert 
"wird,  findet  sich  in  reichem  Masse,  und  in  den  bewegten  Dochmien  kommt  die  Lyrik  vollauf 
zur  Geltung.     Chor.  Techn.  des  Soph.  S.  41  ff.,  Arnoldt  Chor  des  Agam.  S.  57. 

1.  S  t  a  s  i  rn  o  n. 

V.  270—349. 

Nachdem  Eteokles  in  den  Palast  zurückgegangen  ist,  verlässt  der  Chor  dem  Befehle 
des  Königs  gehorchend  die  Götterbilder  auf  der  Bühne,  stellt  sich  in  Halbchören  auf  der 
Orchestra  auf  und  stimmt  den  geforderten  Bittgesang  an.  Dieses  Lied,  das  gleich  vielen  an- 
deren in  seiner  Länge  an  die  Ursprünge  der  Tragödie  erinnert,  denen  Aischylos  so  nahe  stand, 
besteht  aus  drei  logaödischen  Strophenpaaren  und  erheischt  Vortrag  und  Tanz  ^^)  durch  Halb- 
chöre.    Dafür  spricht  zunächst  der  Parallelismus  des  Inhalts. 

Str.  «':  Ich  bin  in  grosser  Angst  vor  den  Feinden:  rettet  die  Stadt,  ihr  Götter! 
:  -  Antistr.  «';  Ein  besseres  Land  könnt  ihr  nicht  finden:  rettet  die  Stadt,  ihr  Götter! 

Str.  /?':  Bejammernswert  wäre  es,  wenn  die  Stadt  zerstört,  die  Weiber  gemisshandelt 
würden. 

Antistr.  ß' :  Bejammernswert  wäre  es,  wenn  die  Jungfrauen  gemisshandelt  würden, 
und  man  in  der  eroberten  Stadt  sengend  und  brennend  wütete. 

Str.  y  :  In   der  eroberten  Stadt  giebt   es  Röcheln,  Gewimmer,  wüstes  Durcheinander. 

Antistr.  y  :  Leid  trifft  die  Schaffnerin,  der  man  die  Früchte  vertilgt,  Leid  die  Jung- 
frau, die  dem  Herrn  gehorchen  muss. 

Giebt  man  alles  dem  Gesamtchor,  so  lässt  man  ihn  wiedeiholt  und  hintereinander  das- 
selbe sagen;  lässt  man  die  Strophen  vom  Chor,  die  Antistrophen  vom  Halbchor  singen,  so 
spürt  man  nichts  von  lästiger  Wiederholung ;  im  Gegenteil,  statt  abstosseuder  Tautologie  entsteht 
dann  ein  wohlthuender  harmonischer  Einklang. 

Aber  wir  haben  diesmal  noch  einen  besonders  zwingenden  Grund,  Halbchöre  zu  be- 
schäftigen. 

Die  2X3  Trimeter,  die  nach  Schluss  des  Stasimons  den  Dialog  wieder  einleiten, 
350 — 352  und  353—355,  verlangen  deutlich  zu  ihrem  Vortrag  zwei  gesonderte  Personen.  In 
den  drei  ersten  Versen  wird  die  Ankunft  des  Boten,  in  den  drei  letzten  die  des  Eteokles  ge- 
meldet. Diese  heben  sich  ausserdem  von  jenen  durch  das  einschneidende,  eine  neue  Person 
anzeigende  ttal  fi^v  ab  *^).  Die  Verse  entsprechen  sich  sodann  dem  Ausdruck  und  der  Form 
nach.  Dem  xaromrjg  tritt  der  aVß|,  dem  nev&w  veav  (pegei  das  ayyelov  ?.6yor  uai^elv,  dem 
anovdr]  diwxtav  Tco/nnifxovg  x*'ößff  Tiodcöv  das  otiovStj  de  xai  rov  avyxaraQTi^ei  rcööa  an  gleicher 
Stelle  mit  beabsichtigtem  Gleichklang  gegenüber.    Nun  hat  der  Med.   vor  350  und  353  die 


^)  Dieses  Stasimon  meint  ohne  Zweifel  Flach,  wenn  er  in  seinem  Vortrag  „Der  Tauz  bei  den  Griechen'^ 
S.  21  schreibt:  „So  tanzt  der  Jungfrauenchor  in  Aeschyloa  Septem  beim  Anstürmen  der  Argiver  ein  aufgeregtes 
Tanzlied  in  der  Hoffnung,  dass  die  heimathlichen  Götter  der  Stadt  beistehen  werden." 

2^  Ähnlich  Hiller  Deutsche  Litteraturzeitung  1881  Nr.  15:  wenn  xai  uijy  eine  Person  bei  Sophokles  und 
Euripides  ankündige,  so  pflegten  diesen  Worten  keine  andere  Worte  desselben  Chorführers  vorauszugehen ;  (Elektra 
1422,  Hippol.  1151);  so  sei  es  auch  hier. 


(C-  _  «v  .-    ■       t-i. 


16 

Randbemerkung  HMl'^);  aber  wir  wissen,  und  auch  Hiller  hat  das  a.  a.  0.  bemerkt,  ^e  WMÜg 
auf  solche  Notizen  zu  geben  ist.  Diese  Trimeter  sind  gesprochen  worden,  und  in  Masse  spridkt 
der  Chor  nicht,  und  dann  ist  es  nicht  Sache  der  Halbchöre,  sondern  der  Führer,  neu  auftretende 
Personen  anzumelden.  **)  Es  können  also  nur  die  beiden  Halbchorführer  in  Betracht  kommen, 
der  Koryphaios  und  sein  Parastates. 

Steht  diese  Thatsache  fest,  und  ich  wüsste  nicht,  was  sie  erschüttern  könnte,  so  sind 
wir  berechtigt,  auf  Halbchorformation  zu  schliessen,  und  diese  Aufstellung  stützt  wieder  die 
obige  Annahme  vom  Vortrage  des  Stasimons  durch  Halbchöre.  Für  Sophokles  hat  dies  Ar- 
gument besonders  Hense  mit  Scharfsinn   geltend  gemacht.      S.  Rhein.  Mus.  Bd.  32.  S.  509  ff. 

In  der  Überlieferung  findet  sich  nichts,  was  für,  aber  auch  nichts,  was  gegen  die  hemi- 
chorische  Teilung  der  Strophenpaare  spräche.  Denn  wenn  im  Medic,  vor  270  das  Zeichen  i. 
steht,  so  will  das  nicht  viel  bedeuten.  Endlich  ist  die  Verbindung  der  einzelnen  Strophen  der 
Art,  dass  recht  gut  abwechselnde  Sänger  angenommen  werden  können.  Denn  dass  es  der 
einen  Gruppe  erlaubt  ist,  die  Ausführungen  der  anderen  mit  yÜQ,  de  und  ähnlichen  Partikeln 
fortzusetzen  und  zu  begründen,  habe  ich  Chor.  Techn.  d.  Soph.  S.  27,  97,  140  und  öfter,  dann 
in  der  Abhandlung  De  choro  Persarum  p.  20  gezeigt,  und  Hense  hat  Rhein.  Mus.  Bd.  32.  511 
unbedingt  zugestimmt"").  j      ^i,\ 

2.  E  peisodion.  ,   •       - 

V.  350—700. 

Dieses  Epeisodion,  zu  dem  die  schon  besprochenen  zwei  chorischen  Abschnitte  von  je 
drei  Versen  gehören,  ist  eine  der  prachtvollsten  Scenen  der  griechischen  Litteratur  und  der 
Kern-  und  Mittelpunkt  der  Sieben  gegen  Theben.  Dem  Aischylos  selber  hat  sie  ausnehmend 
gefallen,  wie  man  aus  Aristoph.  Frösche  1019  schliessen  darf,  am  Euripides  aber  hat  sie  einen 
Tadler  gefunden,  Phoeniss.  788.  Man  kann  Handlung  in  ihr  vermissen,  aber  die  lebendige 
Schilderung  und  die  treffende  Charakteristik  muss  man  bewundern. 


'^'^)  Auch  in  deu   neueren  Scholien   heisst  ea   zu  dieser  Stelle:   tö  ijtiijfooioy  tüy  Tiaq^fvtav  tovio  qnjai   n^6s 

70   fTtfoy. 

^)  Trotzdem  hält  der  Recensent  von  Kirchhoffs  Aeschylus  Philol.  Kundschau  Nr.  35  Sp.  1111  an  Halb- 
chören fest.  Das  kommt  davon,  wenn  man  die  chorischen  Untersuchungen  so  wegwerfend  behandelt.  Aus  Arnoidts 
Chor.  Technik  des  Euripides  hätte  R.  in  Br.  ersehen  können,  dass  sich  an  derartigen  Stellen  in  der  Bezeichnung 
't^/uix  eine  Ahnung  des  richtigen  Sachverhaltes  vorfindet,  dass  wir  aber  statt  der  volltönenden  Halbchöre  die 
recitierenden  Führer  derselben  anzusetzen  haben.  Es  ist  dies  u.  a.  der  Fall  Troades  V.  163  ff.  (Arnoldt  S.  143) 
und  Jon  V.  185  fiF.  (Arnoldt  S.  161—169).  Zu  meiner  Verwunderung  setzt  auch  Kirchhoff  über  alle  sechs  Verse 
als  ein  einheitliches  Ganzes,  was  sie  doch  sicher  nicht  sind,  seinen  beliebten  Dux  chori,  während  das  Richtige 
schon  lange  erkannt  war.  Weil  hatte  zu  346  angemerkt:  bis  terni  trimetri  nou  totis  hemichoriis,  ut  in  libris  et 
editionibus  fieri  solet,  sed  singulis  choreutis  tribuendi;  und  von  den  Übersetzern  hatten  Droysen  und  Donner  die 
erste  und    sweite  Halbchorführeriu  passend  verwertet. 

*•)  Eine  ganz  andere  Verteilung  unter  Halbchöre  giebt  Westphal  Proleg.  S.  161,  und  Oberdick  hat  sie 
im  Programm  von  Münster  1878  wieder  aufgeuoranieu  und  verteidigt.  Eine  eingehende  Würdigung  derselben  ist 
hier  nicht  möglich;  ich  bemerke  nur,  dass  jene  Anordnung  schon  darum  unannehmbar  ist,  weil  sie  die  in  sich 
wohlgefligten  und  regelrecht  verlaufenden  Strophen  in  lauter  einzelne  Teile  zerreisst,  und  statt  eines  zusammen- 
hängenden lyrischen  Ergusses  eine  Anzahl  kommatischer  Kola  ergiebt  und  auf  diese  Weise  den  Charakter  des 
Stasimons  gänzlich  zerstört. 


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17 


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Die  Frage,  ob  in  dieser  Scene  die  Reden  des  Boten  und  des  Königs  in  Responsion 
stehen,  hat  die  Gelehrten  vielfach  beschäftigt  und  ist  yon  den  einen  bejaht,  von  den  andern 
verneint  worden.  Heimsoeth  erklärt  sich  (Die  Wiederherst.  S.  436)  mit  Entschiedenheit  da- 
g^en  und  verspottet  die  Zahlenrechnung,  aber  die  Mehrzahl  der  Kritiker  hat  nach  Ritschl's 
Vor|5ang  Abschnitte  angenommen  und  herzustellen  gesucht,  die  durch  metrische  Entsprechung/ 
und  äussere  Sjrmmetrie  abgerundet  sind.  Und  dies  Bestreben  ist  unzweifelhaft  richtig.  Des 
Aischylos  erwiesene  grosse  Vorliebe  für  Responsion;  die  Natürlichkeit  und  Berechtigung* des 
Vorgangs,  dass  in  einem  wohl  abgewogenen  Kunstwerk  bedeutungsvolle  zu  Paaren  vereinigte 
Reden  und  Gegenreden  sich  decken;  die  schon  durch  die  Handschriften  gebotene  annähernde 
und  durch  die  Kritik  vielleicht  noch  herstellbare  Gleichheit;  endlich  die  klar  vorliegende 
Responsion  der  je  ein  Paar  Reden  abschhessenden  Chorlieder :  dies  alles  spricht  für  strophische 
Komposition  der  ganzen  Partie.  Nur  müssen  gewisse  Grenzen  eingehalten  werden.  Wenn 
Weil  zu  V.  346  sich  dahin  äussert,  mihi  non  solum  binae  dictiones,  sed  etiam  bina  dictionum 
paria  a  poeta  exaequata  esse  videntur,  so  kann  das,  wie  die  Dinge  jetzt  liegen,  nicht  zugegeben 
werden.  Die  Wechselreden  1  und  2,  3  und  4,  5  und  6  sind  nicht  im  entferntesten  einander 
gleich,  auch  nicht  gleich  zu  machen.  Weü  selber  statuiert:  20,  20  otq.  a.  15.  15  avTiaio. 
a.  15  (15)  OTQ.  ß'.  (20.)  20.  avTiatq.  ß'.  Quintum  sermonum  par  male  habitum  est  in  hbris, 
sed  id  quoque  versuum  numero  cum  sexto  congruisse  suspicari  licet.  Aber  niemand  wird  so 
etwas  eine  antistropsische  Responsion  nennen.  Nur  so  viel  ist  wahrscheinlich,  dass  sich  je 
zwei  aufeinanderfolgende  Reden  des  Boten  und  des  Königs,  die  zusammen  ein  Paar  ergeben, 
genau  entsprochen  haben.  Es  wäre  ja  ganz  aischyleisch  und  würde  herrlich  zu  dem  Streben 
der  Tragiker  passen,  auch  dialogische  Partien,  die  von  respondierenden  Chorstrophen  einge- 
schlossen werden,  in  demselben  Umfang  erscheinen  zu  lassen,  so  dass  sich  hier  20.  20  c^  20. 
20;  15.  15.  zn  15.  15;  27.  27  c/3  27.  27  entsprächen,  aber  eine  solche  Übereinstimmung  lässt 
sich  ohne  die  grösste  Gewaltsamkeit  nicht  durchführen.  Eine  ganz  genaue  Responsion  liegt 
dagegen  in  den  Chorhedern  vor.  Es  entsprechen  sich  die  dochmischen  Strophen  «'  «'  398 — 402 
c«  433 — 437,  die  dochmisch-logaödischen  ßf  ß'  462 — 466  cn  502 — 506,  und  die  dochmischen 
y'  y'  544 — 548  c/D  607 — 611.  Der  siebenten  Rede  des  Königs,  die  der  siebenten  Botenrede 
sich  anschlicsst'^),  folgt  eine  astrophische  Partie  von  sechs  iambischen  Trimetern. 

Die  Einsicht  in  eine  richtige  Verteilung  dieser  sieben  Chorstellen  wird  wesentlich  er- 
leichtert, wenn  man  auf  den  grossen  Unterschied  zwischen  den  sechs  ersten  und  der  siebenten 
achtet.  Während  in  den  Strophen  Wünsche,  Flüche,  Bitten,  Gebete  enthalten  sind,  und  keinerlei 
direkte  Hinwendung  zu  den  handelnden  und  redenden  Personen  stattfindet,  spricht  in  den 
Trimetern  der  Chor  direkt  mit  dem  König,  indem  er  ihn  auffordert,  keinen  Brudermord  zu 
begehen.  Ein  so  wichtiges  Thema  kann  nur  der  berühren,  dem  es  obliegt,  den  Chor  zu 
repräsentieren,  der  Koryphaios,  wie  denn  auch  Weil,  Droysen,  Kirchhoff  u.  a.  den  Führer 
.angesetzt  haben.  Denselben  Führer  oder  ihn  und  seineu  Parastaten  auch  für  die  Strophen  zu 
verwenden,  ist  völlig  unstatthaft.  Die  Strophen  sind  nicht  gesprochen,  auch  nicht  parakata- 
logisch  vorgetragen,  sondern  gesungen  worden,  da  der  Inhalt  nicht  kommatische  r,  sondern  rein 
lyrischer  Natur    ist,    und  da    den    dochmischen  Versen   iambische,    trochäische,  kretische    und 

")  Nicht  dem  siebenten  Paar  Wechselreden.  Es  giebt  nur  sechs  Paare,  da  der  Bote  nach  seiner  siebenten 
Rede  fortgeht,  und  also  Eteokles  mit  seiner  siebenten  Rede  die  zweite  Hälfte  des  grossen  Epeisodious  beginnt. 
S.  Oehmichen  S.  34  und  72. 


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18 


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logaödische  zugesellt  sind.    Man  würde  also  ein  Recht  haben  den  Gesamtchor  heraazu^ein^ 
wenn  nicht  der  Parallelismus  der  Gedanken  Halbchöre  förmlich  aufzwange. 

Strophe  a'.    Mögen  die  Götter  meinem  Vorkämpfer  Glück  verleihen! 

Anti Strophe  er'.    Es  komme  um,  wer  der  Stadt  Böses  androhtl  * 

i; 'irit' ;^  r  Strophe  ß'.     Ich  wünsche  den  einen  Glück,  den  anderen  alles  Verderben. 
'i/y  "^ ,     Antistr op  he  ß'.  Ich  hoflfe,  dass  der  Feind  sein  Haupt  an  den  Mauern  zerschellen  werde. 
AV'      ■}  Strophe  /.    Ihr  Prahlen  erschreckt  mich;  dass  doch  ein  Gott  sie  im  Lande  vertilgte! 

AntiStrophe  y.  ihr  Götter,  erhört  uns,  wendet  das  Unheil  des  Speeres  auf  die 
Angreifer!  /    t'-v 

'  ;.;  Man  sieht,  der  Inhalt  ist  in  allen  Äusserungen  ziemlich  der  gleiche:  möge  uns  Glück, 
ihnen  Verderben  beschieden  sein.  Bringt  derselbe  Chor  alles  vor,  so  ist  das  eintönig,  formel- 
haft; dagegen  fällt  alles  Unschöne,  Tautologische  weg,  sobald  man  Hemichorien  singen  läset. 

Auf  die  Mahnung  des  Koryphaios,  er  solle  sich  vor  dem  Brudermoi^le  hüten,  erwidert 
Eteokles  in  drei  Trimetern  (664—666),  es  könne  wohl  einer  Leid  sonder  Schande  ertragen, 
aber  nicht  Leid  und  Schande  zusammen'*).  Daran  schliesst  sich  wieder  eine  antistrophisch 
gegliederte  Partie,  deren  Gestaltung  diese  ist:  ^ 

öT^.  a:  3  Trim.  c/d  dvziazQ.  a  :  3  Trim.  ,vi*-  « .  . 

OTQ.  ß' :  3  Trim.  c/d  ävxiatQ.  ß' :  3  Trim.  ,'(*!'' 

Es  könnte  allerdings  auf  den  ersten  Blick  zweifelhaft  sein,  ob  die  drei  einleitenden  oder  die 
drei  schliessenden  Trimeter  des  Eteokles  zum  Zweck  der  Responsion  zu  verwerten  seien"),  aber 
eine  nähere  Betrachtung  entscheidet  sich  für  die  zweite  Annahme.  Die  stichomythische  Partie 
693 — 700  steht  ganz  für  sich,  da  mit  den  Worten  ndd-ov  ywai^iv  eine  neue  Wendung  des 
Gesprächs  anhebt.  Ganz  deutlich  schliesst  sich  dagegen  die  letzte  Rede  des  Eteokles  (690—692) 
an  die  letzte  Strophe  des  Chors  an.  Dieser  hatte  mit  den  Worten  geschlossen:  vvv  d'  m  ^el, 
und  mit  unmittelbarer  Beziehung  darauf  sagt  Eteokles :  i^i^saav  yccg  Oidinov  xaTevyfiara.  Enger 
kann  die  Verbindung  beider  Kommata  gar  nicht  sein.  Gehören  aber  die  Verse  690 — 92  zur 
Antistr.  ßf,  so  fallen  die  drei  Trimeter  664 — 66  aus  der  strophischen  Gebundenheit  heraus  und 
bilden  mit  den  sechs  Trimetern  des  Koryphaios  658—663  ein  gesondertes  astrophisches  Stück 
des  Epeisodions,  wie  sie  auch  ihrem  Inhalt  nach  eng  zusammengehören.  '    ' 

Es  gilt  nun  noch,  den  oder  die  Sänger  der  vier  Strophen  zu  bestimmen.  Denn  dass 
sie  gesungen  und  nicht  bloss  deklamiert  worden  sind,  geht  daraus  hervor,  dass  sich  zu  den 
zwei  und  drei  dochmischen  Dimetem  je  eine  logaödische  synkopierte  Tetrapodie  gesellt.  Wenn 
nun  weiter  derselbe  Gedanke,  den  der  Koryphaios  kurz  vorher  in  schlichter  und  direkter  Form 
ausgesprochen  hatte,  Eteokles  soUe  sich  vor  dem  Brudermorde  hüten,  in  Str,  a  wiederkehrt, 
nur  in  mehr  lyrischer  Färbung  und  unter  Anwendung  prächtiger,  schwungvoller  Ausdrücke; 
wenn  diese  hochpoetische  Fassung  in  den  drei  anderen  Strophen  sich  wiederholt;  wenn  in  Str.  und 
Antistr.  a  dasselbe  Thema  behandelt  wird :  stehe  ab  von  unerlaubtem  Blute ;  wenn  sich  Str. 
und  Antistr.  ß'  beide  bemühen  dem  Eteokles  nachzuweisen,  dass  die  Götter  noch  versöhnlich 
seien  und  alles  gnädig  wenden  würden,  wofern  er  nur  nichts  überstürze:  so  ist  es,  meine  ich. 


^  Vergl.  zu  d.  St.  Wecklein,  Studien  zu  Aeschylus  S.  61  f. 

^)  Wenn  Weil  beide  Stellen  mit  der  strophischen  Partie  in  Verbindung  setzt  (duae  chori  strophae 
duaeque  antietrophae  includuntur  quinqae  Eteoelis  trimetromm  ternionibus),  so  ist  das  nicht  statthaft;  man  ver- 
zichtet dann  aaf  Herstellung  einer  genauen  Entsprechung. 


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.^^|i^t  tBclir  zweifelhaft,  dass  Halbchöre  die  Strophen  und  Antistrophcn  abwechselnd  gesungen 


'  ;--:  ':,  Den  Schloss  des  Epeisodions  bilden  acht  stichomythische  Trimeter,  und  zwar  antwortet 
Eteokles  mit  je  einem  auf  je  einen  des  Chors.  Im  ersten  Verse  ruft  der  Chor:  Folge  den 
Wttbem,  wenn  auch  ungern.  Damit  lenkt  er  die  Aufmerksamkeit  des  Königs  auf  das,  was 
folgen  soll.  Dieser  fordert  auch,  man  solle  sagen,  was  man  verlange,  nur  solle  man  nichts 
Unmögliches  von  ihm  verlangen  und  wenig  Worte  machen.  Wenn  es  dann  heisst:  gehe  nicht 
hin  zum  siebenten  Thore,  so  kann  diese  gewünschte  bündige  Antwort  nur  von  dem  gegeben 
werden,  der  so  eben  um  Gehör  gebeten  hatte.  Dasselbe  gilt  von  den  übrigen  Äusserungen. 
Sie  besprechen  ein  wichtiges  Thema  im  geschlossenen  System  mit  dem  König,  sie  müssen  also, 
wie  das  schon  Weil,  Droysen,  Kirchhoff  u.  a.  erkannt  haben,  alle  vier  dem  Koryphaios  ge- 
geben werdet. 

SchUesslich  fragt  es  sich  noch,  welchen  Namen  wir  den  chorischen  Partieen  von  398 
ab  zu  geben  haben.  Ritschi  spricht  von  xoinficctixd  des  Chores.  Aber  wirklich  kommatischen 
Charakter  könnte  man  doch  nur  in  der  zweiten  Hälfte  des  ganzen  Abschnitts  von  667  ab 
finden;  in  der  ersten  Hälfte  wird  mittels  der  Chorstrophen  keine  Gemeinschaft  mit  der  Bühne 
nnterhalten;  und  auch  in  der  zweiten  Hälfte  fehlt  die  Klage,  fehlt  die  Unterbrechung  durch 
Personen  der  Bühne.  Amoldt  pflegt  solche  Chorlieder  innerhalb  des  Epeisodions,  die  kein 
ganzes  ChorUed  sind,  Wechselgesänge  zu  nennen,  Chor.  Techn.  d.  Eurip.  S.  31  £f.  223  ff.  Doch 
das  ist  kein  charakteristischer  Ausdruck;  Wechselgesänge  können  auch  ganze  Chorlieder  sein. 
Mit  dem  blossen  Ausdruck  Chorgesang,  wie  er  sich  z.  B.  bei  J.  H.  H.  Schmidt  findet,  wird 
die  Sache  eben  so  wenig  gefördert.  Es  empfiehlt  sich  nach  dem  Vorgange  von  Westphal, 
Proleg.  S.  9  und  S.  189,  solche  Gesänge  epeisodische  Chorlieder  zu  nennen,  wie  ich 
das  schon  in  ähnlichen  Fällen  bei  Sophokles  (Chor.  Technik  S.  44  und  244)  gethan  habe.  Auch 
Oehmichen  denkt  so  a.  a.  0.  S.  20:  strophas  post  singulas  nuntii  et  Eteocü  orationes  a 
choro  cantatas  quoniam  eodem  modo  quo  reliqua  interscaenia  ad  distinquendas  singulas  scaenae 
particulas  accommodatas  videmus,  in  interloquiorum  numero  reponendas  puto. 

^  2.   Stasimon. 

701—772. 

Str.  und  Antistr.  a  geben  eine  deutlich  gegliederte  Einheit.  Str.  a  sagt :  Ich  fürchte, 
dass  der  Fluch  des  Vaters  in  folge  des  brudermordenden  Streites  sich  erfüllt;  und  Antistr.  «' 
setzt  hinzu:  Es  ist  aber  ein  Fremdling,  das  Chalyberschwert,  das  ihnen  die  Lose  zuteilt.  Das 
ist  ein  Gedanke  in  zwei  selbständigen  Absätzen,  womit  Hemichorienvortrag  am  besten  ver- 
einbar ist. 

Beim  zweiten  und  dritten  Strophenpaare  scheint  diese  Annahme  unmöglich.  Der  Über- 
lieferung nach  sind  Antistr.  ß'  und  Str.  y  deshalb  untrennbar  verbunden,  weil  Antistr.  ß'  das 
Subject  ^ä'iog,  Str.  y  das  Prädikat  eyeivaTO  enthält.  Ist  diese  Lesart,  nökiv,  xQcm^d-slg  ix 
giUtav  aßovXiav  richtig,  so  muss  allerdings  ein  und  derselbe,  und  das  könnte  nur  der  Gesamt- 
chor sein,  OTQ.  y  wie  dmOTQ.  //  gesungen  haben,  und  alles  andere  müsste  ihm  selbstverständlich 
ebenso  zufallen.  Aber  die  Konstruktion  der  Sätze  ist  eine  andere,  wie  Hermann  und  Ritschi 
erkannt  haben.  Jener  schreibt  zu  731 :  d'  a  recentiore  manu  scriptum  in  G.  Eiecit  particulam 
Porsonus.     Servanda  est:    refertur  enim    ad  fiiv,  quod  poni  dcbuerat,  l^nokktovog  ftiv  ßi<}.     Es 

n:. .  •  ; 

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/  20 

ist  also  nach  fikvet  ein  Komma,  und  nach  noXiv  ein  Punkt  zu  setzen,  so  dass  die  Worte  ton 
ItinöXkatvos  bis  noXiv  eine  Zeitangabe  zu  fihei  enthalteu,  und  der  Gedanke  entsteht:  die  aUo 
Übertretung  währt  schon  bis  ins  dritte  Geschlecht,  seitdem  Laios  wider  Willen  des  Apollo  — 
handelte.  Dieses  Yerbum  fehlt  allerdings;  bei  solch  allgemeinen  Ausdrücken  aber  kommt  das 
öfter  vor,  und  hier  ist  der  Wegfall  bei  der  Länge  der  Participialkonstruktipn  besonders  bor 
greiflich.  Dann  aber  steht  auch  Antistr.  ß'  als  ein  selbständiges  GHed  da,  das  für  sich  be- 
trachtet und  verstanden  werden  kann,  und  dann  dürfen  auch  Str.  und  Antistr.  ßf  Halbchören 
gegeben  werden.  Dasselbe  gilt  von  Str.  und  Antistr.  y',  welche  in  fortschreitender  Steigerung 
zwei  Seiten  desselben  Themas,  „Folgen  der  Ehe  zwischen  Laios  und  lokaste",  behandeln.  Str.  y'r 
Ermordung  des  Vaters,  Blutschande  der  Mutter ;  Antistr.  y  :  Unglück  des  Oidipus,  Tod  seiner 
Söhne,  Schaden  der  Bürgerschaft. 

In  Strophe  d'  macht  Hemichorion  A  eine  allgemeine  Bemerkung,  wie  sie  das  Unglück 
des  Königshauses  nahe  legt:  Grosses  Leid  trifft  Hochgestellte,  an  Armen**)  geht  es  vorüber;  in 
Antistrophe  d'  wendet  Hemichorion  ß  diesen  allgemeinen  Satz  ausdrückUch  auf  Oidipus  an. 
(Du  hast  Recht),  denn  wer  war  jemals  mehr  bewundert  und  geehrt  als  Oidipus. 

Dem  glücklichen  Oidipus  setzt  nun  in  Strophe  e  der  Chor  den  unglücklichen  gegen- 
über; als  er  seine  Schandthat  verübt  hatte,  sagt  er,  beging  er  ein  doppeltes  Übel:  erstens, 
er  beraubte  sich  seiner  Augen:  und  zweitens  (Antistrophe  e'),  er  verfluchte  seine  Söhne.  Hier 
ist  es  nicht  leicht  Halbchöre  anzusetzen,  da  in  Strophe  «'  die  Disposition  für  beide  Strophen 
gegeben  wird,  es  also  natürlich  ist,  dass  der,  welcher  beide  Teile  ankündigt  und  den  ersten 
bringt,  auch  den  zweiten  nennt.  Ich  kann  also  nichts  dagegen  haben,  wenn  man  den  Ge- 
samtchor für  diese  Syzygie  festhält,  meine  aber  doch,  dass  Halbchöre  darum  möglich  seien, 
weil  der  zweite  Punkt  so  auf  der  Hand  lag,  dass  ihn  das  andere  Hemichorion  einfallend  er- 
gänzen konnte").  Westphal  hat  Proleg.  S.  114  ff.  auch  in  diesem  Stasimon  terpandrische 
Komposition  gefunden  und  folgende  Teile  aufgestellt:  ÜQOoi^iov,  ^pz«,  ^Oficpalös,  2q)Qayig, 
^Enikoyog.  Es  ist  nicht  mehr  nötig,  dieses  Verfahren  im  einzelnen  zurückzuweisen,  seit  es  im 
allgemeinen  bei  Arnoldt  Chor  des  Agam.  S.  40  f.  die  eingehendste  Widerlegung  gefunden  hat. 

3.  Epeisodion. 
V.  773-812. 

Derselbe  Bote,  der  schon  früher  da  war,  kehrt  wieder  (s.  d.  Scholion  zu  d.  St.)  und 
fordert  zunächst  die  Mädchen  auf  ruhig  zu  sein;  das  Staatsschiff  habe  den  Sturm  und  das 
Toben  des  Meeres  überstanden;  die  Mauer  gewähre  Schutz;  man  habe  an  den  Thoren  pas- 
sende Einzelkämpfer  aufgestellt,  das  siebente  Thor  aber  habe  der  hohe  Herrscher  Apollon  sich 
erwählt,  um  an  dem  Geschlechte  des  Oidipus  den  alten  Fluch  des  Laios  zu  vollenden.  Aus 
dieser  Rede  des  Boten  hat  Weil  zwei  Verse,  778 — 79,  areyei  de  bis  ngoOTÜTatg,  für  den  Chor 
reklamiert,  weil  sie  für  den  Boten  nicht  passten.  Allein  nur  der  Bote  kann  sich  über  die 
kriegerischen  Vorgänge  draussen  so  detaillirend  aussprechen,  wie  es  hier  geschieht ;  er  musste 
auch  nach  den  allgemein  gehaltenen  Wendungen  etwas  Positives  vom  Stande  der  Dinge  sagen; 

3*)  Nach  der  ansprechenden  Verbesserung  von  Kirchhoff:  la  S'oloä  nfvo/iivovt  na^/^x""'- 
*')  Ähnlich  Christ  Teilimg  des  Chores  S.  48:    überdies  ist  nirgends  die  Antistrophe  mit  der  Strophe  so 
verkettet,  dass  sie  nicht  passend  von  einer  anderen  Gruppe  von  Sängern  vorgetragen  werden  könnte. 


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.  f.    .  .^.b  ■K'.  lÄ 


.21  I 

UQ^  -SddiessHch  bedurfte  er  solcher  Beruhigungen,  um  allmählich  zu  der  Kehrseite  überzu- 
leiten^ pi^egen  hätte  es  sich  für  den  Chor  nicht  geziemt,  im  Tone  des- Wunsches  zu  fragen, 
■ob'a'«|ich  Eihzelkämpfer  dieThore  beschützten,  da  er  den  Eteokles  beschworen  hatte  (V.  695), 
das  siebente  Thor  nicht  zu  besetzen.  Endlich  kommt  ein  äusseres  Merkmal  hinzu.  Vor 
784  steht  das  Zeichen  x,  vorher  nicht.  Es  ist  also  die  alte  Vers-Anordnung  beizubehalten  und 
hinter  xa>UJiff  ein  d'  einzuschieben,  wie  Dindorf,  Härtung  u.  a.  nach  der  Überlieferung  einiger 
Codices  gethan  haben. 

Die  Verse  784 — 801  sind  durch  Hermann  mannigfach  umgestellt  worden.  Und  das 
that  not.  Die  handschriftliche  Überlieferung,  welche,  von  einer  kleinen  Änderung  abgesehen, 
auffallenderweise  von  Kirchhoff  beibehalten  wird,  ist  schlechterdings  unhaltbar.  So  können  die 
Verse  nokcg  aeafaarai'  ßaailews  d'  ofiöoTiOQOi  \  ävÖQes  rsSräoiv  ex  xeiQwv  amofxäxmv  unmöglich  zu 
Anfang  stehen;  denn  dann  könnte  der  Chor  nicht  noch  fragen:  rives;  und  mit  noch  weniger 
Becht  könnte  er  sagen :  fiävrig  el(u  töjv  xaxcSv.  Und  wenn  der  Bote  versichert :  avSQsg  Tedväaiv 
und  ovd'  dfopilexTüig  firjv  xatsOTiodr^fihot-,  was  soU  da  der  Chor  noch  wünschen :  ßaQea  d'  ovv 
ofiiüS  tpQccaov;  er  weiss  ja  das  Schlimmste.  Die  Verse  sind  offenbar  durcheinander  geworfen, 
und  Hermann  hat  gezeigt,  wie  die  Ordnung  herzustellen  ist.  Er  setzt,  und  Weil  ist  ihm  darin 
gefolgt,  den  Vers  mit  der  un verschleierten  Wahrheit  dahin,  wo  die  unverschleierte  Wahrheit 
gefordert  wird,  hinter  die  Worte:  ßaQea  d'  ovv  etc.  Das  Übrige  findet  sich  dann  leicht  Der 
Vers  Ttohg  aeamarai,  den  man  seit  Person  gestrichen  hatte,  weil  es  gegen  die  Sitte  der  Tra- 
giker verstösst,  in  einer  Stichomythie  der  Frage  einen,  der  Antwort-  zwei  Verse  zuzuweisen, 
muss  beibehalten  werden.  Man  hat  nur  mit  Hermann  ^'Ayy.  ßaoiHoiv  S^  ojuootiÖqocv  -  XoQ.Tivun'\ 
^'Ayy.  OldiJiovyhovg -'"Ayy.  tibttmxsv  alua  zu  lesen,  und  man  gewinnt  die  spannendste  Unterredung. 
Dann  ist  immer  das  Brüderpaar  gemeint,  aber  immer  das  Prädikat  weggelassen,  so  dass  der  Chor 
nur  ahnt  und  rät,  nicht  hört  und  weiss,  und  also  mit  Recht  sagen  kann :  fiävTig  elfii  iwv  xaxüiv. 
Findet  aber  avögsg  Tsd-väaiv  hinter  ßagea  d'  ovv  seine  Stellung,  so  fehlt  vorher  ein  milderer 
Ausdruck  für  den  Gedanken,  dass  sie  tot  sind.  Der  ist  in  dem  Verse  enthalten :  nsTiMxev  alfxa. 
Der  Chor  ruft  darauf:  exeld^i,  xrjkd^ov ;  der  Bote  meldet:  avdqsg  tsOvüoiv,  und  folgerichtig  bricht 
dann  der  Chor  in  die  Worte  aus :  ovrcog  ddslipaTg  x^Qf^i^  tjvaiQOvr'  ayav.  So  ist  alles  in  schönster 
Ordnung,  und  Hermann  hatte  wohl  Grund  das  stolze  Wort  unter  seine  Vorschläge  zu  setzen: 
non  dubito,  qui  sensum  habent  tragicorum  lectione  bene  subactum,  re  diligenter  considerata 
facile  ad  meam  sententiam  perductum  iri,  was  freilich  Härtung  nicht  gehindert  hat,  den  grossen 
Philologen  zu  bespötteln. 

Dass  die  folgenden  Verse  zoiavta  xaiQaiv  —  dvarcÖTfiovg  cpoQOvfuevoi  (796 — 801)  nicht 
mit  Blomfield  dem  Chore  zu  geben  sind,  liegt  auf  der  Hand ;  Härtung  hat  daran  erinnert,  dass 
Botenberichte  mit  dergleichen  allgemeinen  Betrachtungen  zu  schliessen  pflegen. 

Nach  der  überlieferten  Reihenfolge  fallen  dem  Chor  fünf,  nach  der  von  Hermann  vor- 
geschlagenen sechs  Verse  zu.  Für  die  Bestimmung  des  Sprechers  ist  das  gleichgiltig.  Es  kann 
die  Verse  nur  der  Chorführer  recitiert  haben.  Das  Ganze  macht  den  Eindruck  einer  lebhaften 
von  zwei  Personen  geführten  Wechselrede.  Dann  spricht  noch  etwas  Besonderes  für  den  Einen, 
den  Koyphaios.  786  sagt  der  Vertreter  des  Chors :  7TaQa(pQov(ä  (pößip  köyov;  darauf  mahnt  der  Bote ; 
q>Qovovaa  vvv  äxovaov ;  dann  aber  ist  es  klar,  dass  dieselbe  Chorperson  fortfährt :  oc  'yw  rälaiva. 

Den  Schluss  des  Epeisodions  bildet  ein  anapästisches  aus  Dimetern  sowie  eingestreuten 
Monometern    und  Paroimiaken    bestehendes    Hypermetron.      Denn    dass    solche    anapästischen 


*:a 


:  "«'idö-.'*    y 


/ 


22 


,  Systeme,  welche  den  Stasimen  vorangehen,  nicht  diesen,  sondern  den  TOrhergehenden  Epei- 
^  sodien  zuzuweisen  sind,  hat  R.  Anioldt  Chor  des  Agamemnon  S.  26  ff,  unter  Zurückweisung 
der  entgegengesetzten  Westphalschen  Behauptung  deutlich  gezeigt,  und  unabhängig  ron  ihm 
ist  Oehmichen  in  seiner  Schrift  De  compositione  epeisodiorum  S.  28  f.  zu  demselben  Resultate 
gekommen.  Auch  was  Arnoldt  als  ein  charakteristisches  Merkmal  dieser  Anapästen  anfuhrt, 
dass  sie  nämlich  meistens  mit  marschierender  Bewegung  des  Chores  verbunden  seien  und  von 
den  epischen  Abschnitten  zu  den  lyrischen  überleiteten,  trifft  hier  zu:  der  Chor  geht  während 
des  Vortrags  der  Anapästen  in  die  Halbchorstellung  über,  und  das  Klageüed,  das  im  Stasimon 
enthalten  ist,  wird  insofern  angekündigt,  als  der  Chor  zunächst  zweifelnd  fragt:  Ihr  stadt- 
schützenden Götter,  soll  ich  jubeln  über  die  Rettung  der  Stadt,  oder  soll  ich  klagen  über  den 
Fall  der  Fürsten?'^)  dann  aber  durch  den  erklärenden  Zusatz  oV  dijt  oq^ejs  xar  ijtüwvfilav 
(xketvoi  T  ireov)  xai  TioXvveixsls  wAovr'  daeßel  diavoitf  dem  zweiten  Punkte,  der  Klage,  den 
Vorrang  zugesteht.  Für  ausgemacht  darf  schliesslich  gelten,  dass  dieses  Hypermetron  vom 
Koryphaios  melodramatisch  vorgetragen  worden  ist"). 


\  3.  Stasimon. 

V.  812—837.  .  j      '    ' 

Ein  Stasimon  ist  dieses  Lied  darum,  weil  es  zwei  Scenen,  die  mit  dem  Botenbericht, 
und  die,  in  welcher  die  Schwestern  erscheinen,  von  einander  trennt.  Der  Umstand,  dass  das 
Lied  ein  Klagesang  ist,  hindert  nicht,  es  Stasimon  zu  nennen.  Wie  es  Stasimen  mit  hypor- 
chematischem  Charakter  giebt,  so  auch  solche  mit  threnetischem '^).  Es  bezeichnet  aber  der 
Chor  selbst  den  Klagesang  als  einen  Grabgesang  in  Strophe  a  mit  den  Worten:  erevl«  tl^ßt^ 
fikkos,  was  in  den  Schollen  also  umschrieben  wird:  iniTVfißiSiov  d-gfjvov  ezev^a.  Diese  Auffas- 
sung will  Weil  nicht  gelten  lassen.  Er  schreibt :  Vulgo  ad  praesens  Carmen  (haec  verba)  refe- 
runtur.  At  sie,  ne  dicam  ieiuna  evadere  quae  gravissime  dicta  sunt,  non  intellegere  me  fateor, 
qui  possint  iUa  invito  aoristo  sie  accipi:  nam  longe  diversa  sunt  Sophoclea  illa  eq>Qi^^  egtorcy 
nsqixaq^S  <J'  avemö/nav^  quibus  ea  significantur  quae  ante  cantum  fieri  coeperunt.  Imo 
proxime  superius  carmen  dicit,  quo  fratrum  caedem  mutuam  quasi  fatidico  horrore  instincta, 
d'vcäs,  exhorruerat;  ideoque  addit  ^  dvaoQvig  clds  ^wavUa  öoqÖs:  nam  ex  eo,  quod  Eteocles 
et  Polynices  eandem  sibi  portam  sumpserant,  fatalem  certaminis  eventum  praesagiit.  Vides 
scribendum  esse  jjd"  aifioaxayüg  vexQovg  exXavaa.  Aber  einmal  bezeugt  der  Scholiast  die  Rich- 
tigkeit der  Lesart  STSv^a  —  xi.vovaa,  indem  er  paraphrasiert  xlvovaa  .  .  inirvfißiöiov  S-qtjvov 
ecev^a,  (og  if^viäg,  und  dann  darf  der  Ausdruck  irev^a  unbedenklich  auf  den  vorliegenden  Ge- 
sang bezogen  werden.  Der  Chor,  der  schon  Klagen  ausgestossen  hatte,  wie  w  fiilaiva  xal 
TsXeia  yevsog  OidLnov  t'  aqä,  hat  ein  Recht  zu  sagen:  ich  stimmte  ein  Klagelied  an;  er  ist 
bereits  im  Klagen  mitten  darin.  Auch  wird  durch  Weils  Vorschläge  die  Situation  nur  ver- 
schlimmert.    Liesse  man  den  Chor    singen:  ^^  .  .  k'xkavaa   dva^oQwg  ^avörrag,    so  müsste    er 

*)  Wie  angemessen  dieses  Schwanken  des  Chors  ist,  empfand  schon  der  Scholiast:  ip^ovi/jwf  6  notrjirit 
ftiarjv  öSov  tS^uey,  xoV  ato^eiatji   rtjf  TtoXftoi  ononov  (iJyfiTOi)  tÖ    9^tjytiv  xol   ov](  oaCtj  tna/itvoiaiv  in    aySfäaiv  tv^naaa9at. 

3^)  Oehmichen  1.  1.  p.  29:  a  coryphaeo  aolent  pronuntiari. 

38)  Von  der  entgegengesetzten  Ansicht,  die  ich  früher  hegte  (Soph.  Techn.  S.  196),  bin  ich  durch  Hense  • 
(Recens.  meines  Buches,  Jahrb.  f.  Phil.  1878,  I  S.  15)  abgebracht  worden. 


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23  '   A^.^v. 


sdion  während  des  früheren  Gesanges  von  dem  unseligen  Ende  der  Brüder  genaue  Kunde  ge- 
habt haben;  die  hat  aber  der  Bote  erst  kurz  vor  diesem  Stasimon  gebracht;  das  fühlt  Weil 
selber,  daher  seine  gezwungene  Erklärung:  quasi  fatidico  horrore  instincta.  Es  ist  also  die 
Überlieferung  beizubehalten. 

Die  beiden  ersten  iambisch-trochäischen  Strophen  sind  von  Halbchören  gesungen  wor- 
den •').  Man  stelle  nur  die  Eingänge  neben  einander.  „0  du  dunkler  und  nun  erfüllter  Fluch 
des  Oidipus",  heisst  es  in  der  Strophe ;  und  in  der  Antistrophe  steht  derselbe  Gedanke  :  „Das 
Fluchwort  vom  Vater  her  hat  es  durchgesetzt,  hat  nicht  versagt".  Geben  wir  dies  einer  an- 
deren Gruppe  von  Sängern,  so  erhalten  wir  eine  wirkungsvolle  Steigerung.  Für  Hemichorien- 
Vortrag  sprechen  auch  noch  andere  Parallelismen  des  Ausdrucks.  Der  Vers  814  der  Strophe 
xcotöv  fis  xagdiav  zi  jieQtniTvei  xQvog  hat  sein  Gegenstück  au  Vers  823  der  Antistrophe  fiiqifiva 
ä'  dfig)i  ntoliv,  und  dem  einen  Schluss  jj  dvaoqvig  äös  ^wavlia  doQog  ist  der  andere  jjld-e 
<f  alaxra  ni^fiar   ov  Xöytp  nahe  verwandt. 

Die  beiden  letzten  iambischen  Strophen  an  Halbchöre  zu  verteilen  ist  darum  unmöglich, 
weil  mit  einem  am  Ende  der  Strophe  nicht  abgeschlosseuäa  und  ohne  Hinzunahme  des  Folgenden 
unverständlichen  Satze  in  die  Antistrophe  übergegangen  wird.  Einer  also  singt  die  Syzygie ;  aber 
wer?  Der  Gesamtchor  oder  der  Führer?  Man  könnte  sich  für  diesen  aus  folgenden  Gründen  ent- 
scheiden :  Während  in  den  vorhergehenden  Strophen  Reflexionen  über  das  Unglück  in  allgemein 
gehaltenen  Klagewendungen  angestellt  werden,  so  dass  das  Ganze  ein  lyrischer  Erguss  ist,  haben 
die  Ausführungen  in  der  zweiten  Syzygie  einen  mehr  scenischen  Charakter,  mehr  persönliche  Fär- 
bung. Die  beiden  Leichname  werden  herbeigetragen,  wie  der  Scholiast  richtig  gesehen  hat : 
OQV  o  xoQos  Tct  aia^ura  ßaara^ö^eva.  Dieser  Wechsel  der  Scenerie  zwingt  den  Chor  das 
Stasimon  abzubrechen  und  der  veränderten  Situation  mit  verändertem  Ton  Rechnung  zu  tragen. 
^%  „Da  liegt  das  Leid  vor,  zwiefach  vollendet;  was  soll  ich  sagen?  Was  ist  es  anders  als  uueud- 
:^  -  hebe  Mühsal?  Wohlan,  ihr  Lieben  —  (Str.)  Lasset  des  Gramgeleites  Ruderschlag  um  euer 
''.'  Haupt  ertönen,  dass  es  bis  zum  Acheron  hin  dem  schwarzen  Nachen  folgt  (Antistr.)".  Das  Lied 
ist  also  nicht  die  Fortsetzung  des  vorigen  /nikog,  des  d-Qtjvog  iTiiTvußiÖLog  (812 — 827),  sondern 
die  Aufforderung  zu  einem  neuen  d^QTJvog,  wie  ihn  der  Anblick  der  toten  Brüder  erheischt. 
Solch  einen  Befehl  aber  erteilt  für  gewöhnlich  der  Führer,  er  scheint  also  hier  als  Säuger  aufzu- 
treten*"). Allein  es  empfiehlt  sich  doch  mehr,  den  Gesamtchor  zu  beschäftigen.  Es  kommt  vor, 
dass  sich  die  Choreuten  untereinander  zu  etwas  auffordern  {tpiUai,  Iqiaaez),  und  dann  wird 
durch  diese  Annahme  der  Übelstand  vermieden,  dass  zwei  längere  im  Inhalt  und  Metrum  ver- 
schiedene Äusserungen  (828 — 837  und  838 — 851)  dem  Koryphaios  zufallen. 


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*)  Im  Programm  von  Münster  1878  weist  Oberdick,  welcher  Westphals  terpandrische  Theorie  billigt, 
die  erste  Syzygie  des  dritten  Stasimons  nach  Westphalscher  Art  den  Halbchören,  die  zweite  dem  Gesamtchor  zu. 
**)  Hermann  sah  zuerst,  dass  hier  antistrophische  Form  vorliege,  und  das  haben  nach  ihm  alle  Forscher 
zagegeben.  Nur  hat  man  sich  über  die  Art  der  Abteilung  noch  nicht  geeinigt.  Weil  hält  dafür,  und  Dindorf 
echliesst  sich  ihm  an,  von  der  Strophe  sei  der  Anfangs-  und  der  Schlussvers  weggefallen,  und  die  Antistrophe 
beginne  mit  den  Worten:  äXiä  YÖiar,  <piXtai.  Wäre  diese  Vermutung  richtig,  dann  dürfte  man  wie  beim  ersten 
Strophenpaare  Halbchöre  annehmen  bezw.  dem  Koryphaios  den  Parastates  als  Sänger  zugesellen.  Aber  für  Her- 
manns die  Strophen  eng  verbindende  Abteilung  spricht  einmal  der  Umstand,  dass  vor  toS'  ainoSijla  nichts  vermisst 
wird,  und  dann  ist  die  aus  melischen  lamben  bestehende  Strophe  schwerlich  so  gebildet  gewesen,  dass   sie  logaö- 

fi;  ','  _■   disch  anfing  und  schloss,  sondern  sie  hat  iambisch  eingesetzt  und  eine  logaödische  clausula  gehabt.    Immerhin  ist 

'l'  /       das  Strophenpaar  noch  sehr  der  bessernden  Hand  bedürftig. 


24 

E  X  o  d  o  s. 

.  V.  838—1065. 

Die  Exodos  beginnt  mit  einem  anapästischen  Hypermetron,  schliesst  mit  anapästiachen 
Systemen  und  zerfällt  in  zwei  Unterabteilungen,  den  Kommos  bis  988  und  die  Wechselrede 
zwischen  dem  Boten  und  der  Antigene  bis  1039.     S.  Oehmichen  S.  34  und  73. 

Das  anapästische  Hypermetron  838 — 857  muss,  da  in  ihm  das  Auftreten  zweier 
Schauspieler,  der  Antigene  und  Ismene,  gemeldet  und  zum  Anstimmen  der  Totenklage  au%e- 
fordert  wird,  unbedenklich  dem  Koryphaios  überwiesen  werden.  Beim  Anblick  der  Leichen 
ermahnten  sich  die  Choreuten  unter  einander,  das  Totenlied  zu  singen;  ehe  das  geschieht, 
erscheinen  die  trauernden  Schwestern ;  da  nimmt  der  Führer  das  Wort,  um  mit  dem  abbrechen- 
den aXld  yäq  auf  sie  als  ein  neues  Moment  hinzuweisen.  Sie  kommen,  sagt  er,  um  laut  za. 
klagen,  uns  aber  geziemt  es,  vor  ihrer  Klage  das  Hadeslied  anzustimmen*^). 

Die  Klagelieder  V.  852 — 988.  Weil  irrt,  wenn  er  die  Anapästen  des  Koryphaios  zu 
dem  Threnos  hinzuzieht;  dagegen  unt#scheidet  er  mit  Recht  zwei  Teile;  der  erste  reicht  bis 
V.  931,  der  zweite  bis  V.  988. 

Der  Medio'  hat  den  Strich,  der  die  neue  Person  anzeigt,  vor  den  Versen  852,  856, 
858,  870,  872  (vor  nsTilayfxhovs),  872,  875,  890,  901;  die  Note  i  vor  890  und  915;  'Jf/«x. 
vor  897;  la^i.  vor  908  und  924;  civr.  vor  920.  '-^--^ 

Im  zweiten  Abschnitt  hat  der  Med.  die  Angabe  la^i.  vor  932  und  943,  und  den  Ab- 
teilungsstrich vor  den  meisten  der  Verse.  —  Diese  Angaben  sind  völlig  wertlos.  Ich  weise  nur 
darauf  hin,  dass  vor  932  ein  x  steht,  wo  die  Rede  ununterbrochen  fortläuft,  und  ein  Per- 
sonenwechsel gar  nicht  möglich  ist,  und  dass  dasselbe  x  vor  V.  915  sich  findet,  wo  in  der 
Antistrophe  keine  Interpunktion  eintritt,  und  also  ebenfalls  an  Wechsel  der  Personen  nicht  zu 
denken  ist.  Aber  so  viel  geht  doch  aus  den  Notizen  des  Med.  hervor,  dass  man  schon  im 
Altertum  durchfühlte,  wie  sich  hier  verschiedene  Schauspieler  und  Vertreter  des  Chors  am 
Klagegesang  beteiligten,  und  wie  ein  lebhafter  Personenwechsel  stattfand ;  nur  ein  klares  Prin- 
zip erkennen  wir  in  ihnen  nicht.    Darum  hat  auch  keiner  der  Neuereu  an  ihnen  festgehalten**). 

Die  modernen  Aufstellungen  lassen  sich  im  wesentlichen  auf  zwei  zurückführen,  auf 
die  von  Hermann  und  die  von  Weil.  Hermann  lässt  in  der  ersten  Hälfte  nur  Halbchöre  sich  ab- 
lösen; Weil  führt  schon  hier  die  beiden  Schwestern  ein,  und  zwar  giebt  er  852—55  der  Anti- 
gene, 858 — Gl  der  Ismene,  864—69  der  Antigene,  875—80  der  Ismene,  886—89  der  Antigene, 
897  —900  der  Ismene,  908 — 11  der  Antigene,  920—924  der  Ismene.  Der  Hermannschen  Ab- 
teilung folgen  Ritschi,  Härtung,  H.  Schmidt,  Droysen,  Enger  u.  a. ;  der  Weilschen  Dindorf  in 
den  poet.  scen.   (früher  hatte  er   sich  an  Hermann  angeschlossen),   und  Kirchhoff.    Für  Her- 


*')  Eine  auffallende  Notiz  findet  sich  im  Medic.  vor  V-  847  Tw,  SvaaStXtfÖKnai  naoüv.  Da  heisst  ea:  tö 
hfQov  fttfoi  70V  xopov.  Aber  das  ist  ganz  verkehrt.  Derselbe  Koryphaios,  der  die  ersten  Anapästen  recitiert,  re- 
citiert  auch  die  letzten ;  indem  er  die  leidtragenden  Schwestern  anredet,  giebt  er  noch  einmal  die  Versicherung  ab, 
dass  er  die  Klage  beginne,  und  dass  sie  ihm  von  Herzen  komme. 

'2)  Eine  lichtvolle  Zusammenstellung  und  Betrachtung  der  in  den  Handschriften  des  Aristophanes  über- 
lieferten Bezeichnung  HMIXOP  findet  sich  bei  R.  Arnoldt,  Die  Chorpartieen  bei  Aristophanes  S.  180  flf.  Arnoldt 
ist  dort  zu  dem  analogen  Resultate  gekommen,  dass  jener  Bezeichnung  die  richtige  Beobachtung  zu  Grunde  liegt, 
dass  an  solchen  Stellen  nicht  der  Gesamtchor  ungeteilt  thätig  sein  könne. 


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25 

ttfc,  ohne  Zweifel  V.  843  i^/^äff  d^  dUnj  ngorsffov  gnjfitjg  tov  dvaneXaSw  d^^  v/j.vov  'Eqivvos 
IjüB^kiiainend  gewesen.  Der  Scholiast  deutet  die  Worte  also:  dUaiov  rifiäs  n^toxataQXf- 
«(9«f'  |i^  itgowtovaäaas,  vncotovsiv  Se  ixelvag,  und  Hermann  bemerkt  dazu:  jtQoreQOv  <pr]nr^ 
eaw  poto  ante  luctom  sororum.  Hermann  drückt  sich  vorsichtig  ans,  puto.  Können  die  Worte 
nödi  etwas  anderes  bedeuten?  So  wie  sie  dastehen,  nicht.  Aber  Weil  bezweifelt,  dass  sie 
zMditig  überliefert  sind.  Er  schreibt:  At  mos  erat  (SIkij),  feminas  genere  prozimas  cantom 
fonebrem  praeire,  ceteras  succinere :  ini  di  areväxovro  ywalxeg.  Ab  hoc  more  Aeschylum  non 
discessisse  par  est,  quod  etiam  verbo  emfdlnsiv  significari  videtur.  Itaqne  ijiaxovaaaag  aut 
tale  quid  excidisse  suspicor.  Fortasse  plura  habuit,  sed  male  interpretatus  est  auctor  scholii 
dlxcaov  rjfiaS  JtQOxaräQxeo-^ai.  x.  t.  X.  —  Aber  so  bestechend  diese  Vermutung  auch  ist, 
eine  so  wichtige  Entscheidung,  wie  die  Personenabteilung  ist,  lässt  sich  auf  sie  nicht  gründen. 
Auch  habe  ich  einiges  gegen  die  Vermutung  einzuwenden.  1.  Es  ist  doch  ein  grosser  Unter- 
schied zwischen  den  Klageweibern  bei  gewöhnlichen  Begräbnissen  und  den  Weibern  des  Chors 
in  der  Tragödie.  Jene  mögen  wehklagen,  wie  ihnen  die  Leidtragenden  vorklagen,  iniarevaxea&ai, 
sie  sind  Nebenpersonen,  der  Chor  aber  spielt  eine  wichtige  Rolle  im  Stück  und  geht  selbständig 
vor.  Er  hat  die  Ehtwickelung  mit  reger  Teilnahme  durchlebt,  hat  gebangt  und  gehofiEt  und 
nun  das  Schreckliche  erfahren:  wer  wollte  ihm  nicht  das  Recht  einräumen,  seinem  Schmerze 
sofort  und  selbst  noch  vor  den  Schwestern  Luft  zu  machen?  2.  Weim  der  Chor  nichts  weiter 
thun  wollte,  als  was  ihm  Weil  zumutet,  hni<nsvä%sad^ai  =  enifielneiv,  so  könnte  er  unmöglich 
von  einem  dvaxkXados  vfivog  ^Egirvog  und  einem  ncciav  litd<f  ix^QÖg  sprechen ;  er  weiss  ja  nicht, 
ob  der  Klagesang  der  Schwestern  von  dieser  Art  sein  wird.  3.  Wer  die  Tiefe  und  Wahrheit 
seiner  Schmerzensausbrüche  so  geflissentlich  hervorhebt,  wie  es  der  Chorführer  in  den  Worten 
thnt:  xlaltü,  arkvoixcti,  xai  dolog  ovöeig,  firj  \  q)Qsv6g  OQ&üig  fis  liyaivecv,  der  muss  nun  auch 
wirkh'ch  in  längerer  Ausführung  seiner  Ergriffenheit  Worte  leihen,  sonst  wäre  das  eine  wert- 
lose Versicherung.  Ich  halte  also  dafür,  däss  nichts  ausgefallen  und  nichts  verdorben  ist,  und 
dass  nach  dem  Vorgange  des  Scholiasten  Hermann  die  Worte  richtig  gedeutet  hat. 

Das  zeigt  schliesslich  auch  die  grosse  Verschiedenheit  des  Tons  im  ersten  und  zweiten 
Teile  des  Threnos.  Der  erste  Teil  besteht  zumeist  aus  längeren  Partien,  die,  so  sehr  sie  auch 
den  threnetischen  Charakter  ..beibehalten,  doch  eine  ruhigere  Reflexion  bieten.  Es  ist  daher 
kein  Zufall,  dass  in  der  ganzen  langen  Partie  die  toten  Brüder  nur  einmal,  V.  860,  direkt 
angeredet  werden.  Mit  einem  Schlage  ändert  sich  das  beim  Beginne  des  zweiten  Teiles.  Die 
Toten  werden  gerufen,  gefragt  und  beklagt  ^  es  wird  nur  vorgebracht,  was  sich  auf  sie,  auf 
das  Haus,  auf  ihr  und  der  Schwestern  Unglück  bezieht;  wo  einmal  auch  das  Leid,  das  die 
Stadt  getroffen,  angeführt  wird,  geschieht  es  nur,  um  das  Leid  der  Geschwister  in  desto  hel- 
leres Licht  zu  setzen,  978  ff.;  dazu  folgen  die  Äusserungen  schnell,  in  fliegender  Hast  auf- 
einander, als  ob  sie  Schritt  halten  wollten  mit  den  Schlägen  auf  Wange  und  Brust;  und  die 
vielen  Interjektionen  des  tiefsten  Schmerzes  stempeln  die  Klagen  ebenfalls  zu  solchen,  wie  man 
sie  von  den  nächsten  Leidtragenden  erwartet.  Endlich  können  nur  die  Schwestern  sagen:  w 
novog  —  ta  xaxä  —  Stöfiaai  —  xai  x^ovi  —  TtQo  Tiavntüv  d'  ifioL  (979)  xal  %6  TCQoata  y  ifioL  (980), 
und  nur  sie  können  fragen  und  antworten:  jtov  a<ps  &rjao(i£v  x^^vög;  —  önov  Tifiuörcaov  (986  f.). 
Es  ist  also  die  ganze  zweite  Hälfte  den  beiden  Schwestern  zuzuweisen. 

Dann  aber  muss  man  dieselben  von  der  ersten  Hälfte  ausschliessen.  Sie  würden  sonst 
ganz  verschiedene  Gesichter  zeigen,  und  mit  der  leidenschaftlichen  Erregung  der  zweiten  Hälfte 

4- 


Y 


>* '«' 


.     '^b-T::^^«l'^vi.  jäHHBL  .  '  .  .  iO)K*;^iii^\;A^i}S^.. 


26 

-würde  die  reservierte  der  ersten  schlecht  kontrastieren.    Man  betrachte  z.  B.  Antvettr.  /  Y;  897;' 
das  ist  eine  allgemein  gehaltene  Reflexion,  die  zu  dem  persönlichen  Schmerz  der  Ismene,  'N&^$0 
nämlich   giebt  man  die  Stelle),  absolut   nicht   passt,   so   wenig   wie   die   rhetorisch   gebi^teikf 
Äusserung  886  ff.  sich  für  die  Antigone  schicken  will.     Nach  dem  allen  halte  ich  di^&r,  daiw 
Autigone  und  Ismene  erst  von  932  ab  das  Wort  ergreifen. 

Bei  der  Verteilung  der  einzelnen  Kola  hat  man  insbesondere  die  Responsionverhältnisse 
zu  beachten.  Es  entsprechen  sich  zunächst  852 — 857  co  858 — 863.  Von  diesen  Strophen  ist 
die  jedesmalige  erste  Hälfte  iambisch-trochäisch,  die  zweite  anapästisch  gehalten.  Dazu  sind 
die  beiden  Abschnitte  in  jeder  Strophe  durch  starke  Interpunktion  getrennt,  und  sie  unter- 
scheiden sich  endlich  dem  Inhalt  nach.  852 — 55  wird  Wehe  gerufen  über  die  Unseligen,  die 
das  väterliche  Haus  mit  Gewalt  zerstört  haben;  dann  setzt  der  zweite  Abschnitt,  den  charak- 
teristischen Ausdruck  /ueleoi  mit  di^a  aufnehmend  und  bekräftigend,  ein:  ja,  die  Unseligen, 
welche  beim  Sturze  der  Stadt  traurigen  Tod  gefunden  haben *^). 

In  demselben  Verhältnis  stehen  die  beiden  Abschnitte  der  Antistrophe  zu  einander. 
Im  ersten  858—861  wird  über  die  Zerstörung  des  Hauses  und  die  durch  das  Schwert  herbd;- 
gefuhrte  Versöhnung  geklagt,  im  zweiten  aber  wird  dem  beigepflichtet:  nur  zu  Wahres  hat 
vollendet  der  hehre  Rachefluch  des  Vaters.  —  Von  diesen  vier  Absätzen  sind  1  und  3  ge- 
sungen, 2  und  4  recitiert. 

864 — 874  o3  875 — 885  bilden  ein  zweites,  iambisch-logaödisches  Strophenpaar,  und 
auch  in  diesem  sind  wieder  verschiedene  Kola  zu  unterscheiden.  Nur  beweist  hier  Vers  866 
das  ö^a  nichts  für  Wechsel  der  Person;  der  Gedanke  war  noch  nicht  zu  Ende  geführt;  das 
dt'  svwvvficov  wird  erst  verständlich  durch  das  folgende  6ftoaTiläYxvü)v  ts  Tileugco/idviav ;  wir 
dürfen  also  da  keinen  Absatz  machen,  zumal  auch  in  der  Antistrophe  an  der  betreffenden 
Stelle  kein  Grund  dazu  vorliegt.  Koordinierte  Sätze  wie:  Wehklage  hallt  durch  die  Stadt,  es 
jammert  die  Burg,  es  jammert  die  männerüebende  Flur,  schliessen  sich  bequem  zu  einem  ein- 
heitlichen Ganzen  zusammen.  —  Hermann  und  Ritschi  haben  noch  einem  anderen  Gedanken- 
paar Selbständigkeit  gegeben,  868 — 869  cyD  879 — 880,  ebenfalls  mit  Unrecht.  Der  Relativsatz 
879  dl  u)v  schliesst  sich  auf  das  engste  an  xziava  an;  und  in  der  Strophe  lässt  sich  zwar  bei 
dem  Fehlen  des  vorhergehenden  Verses  867  nichts  Bestimmtes  sagen,  immerhin  aber  sind  die 
Worte  alaZ  Saifiivioi  etc.  so  geartet,  dass  sie  sehr  wohl  zu  dem  Vorhergehenden  gehört 
haben  können.  Wir  haben  also  nicht,  wie  Hermann  meint,  in  jeder  Strophe  der  Syzygie  ß'  vier, 
sondern,  wie  schon  Weil  und  Kirchhoff  gesehen  haben,  nur  zwei  Abschnitte,  864 — 869  c«  875 — 880 
und  870 — 74  wd  881 — 885  als  selbständige  Glieder  zu  bezeichnen. 

Die  Syzygie  y'  wird  von  der  Strophe  886 — 896  und  der  Antistrophe  897—907  gebildet, 
und  jede  der  Strophen  hat  wieder  zwei  selbständige  Teile.  Bei  V.  890  der  Strophe  hebt  ein 
neuer  Gedanke  an.  Vorher  spricht  der  Chor  von  den  Brüdern,  die  schwertgetroffen  daliegen, 
dann  versichert  er,  seine  von  Herzen  kommenden  Klagen  geleiteten  den  Jammer  des  Hauses 
um  diese  Herrscher.  Noch  deutlicher  tritt  die  Verschiedenheit  in  der  Ailtistrophe  zu  Tage. 
Erst  heisst  es:  man  muss  von  den  Unglücklichen  aussagen,  dass  sie  den  Bürgern  und  den 
Feinden  viel  Übles  gethan  haben;    dann  wird  das   Schicksal   des  armen  Weibes  beklagt,  das 

**)  Zu  diesem  S^ia,  das  kurz  hintereinander  dreimal  vorkommt,  856,  865  und  908,  bemerkt  Dindorf  im 
lex.  Aeschyl. :  Sijja  in  responsione,  repetito  quo  alter  usus  erat  vocabulo.  Das  kann  so  sein,  musa  aber  nicht  so 
sein,  wie  sich  im  folgenden  zeigen  wird.  ^ 


:l3av-  :  27 


S^buie  geboren.  Das  sind  deatlich  2  X  2  »  4  Absclinitte,  die  sich  auch  insofern  von 
eiUp^lBr  aMieben,  als  im  ersten  Abschnitte  allemal  iambische  Verse,  im  zweiten  aber  logaödische 
iuKt'^'äioriambische  verwandt  sind. 

Bei  der  vierte*  Syzygie,  Strophe  und  Antistrpphe  (f,  908-919  c«  920—931,  kehrt 
dasselbe  Verhältnis  wieder.  I;  Ja  Brüder,  und  ganz  verloren  in  unseliger  Trennung.  U.  Die 
Feindschaft  ist  zu  Ende,  ihr  Blut  h^t  die  Erde  getrunken.  I.  Sie  haben  ihr  Teil  an  dem  gott> 
verhängten  Teile  erlost;  unter  dem  Erdhügel  dehnt  sich  ihr  Reichtum  an  Land  unermesslich 
weit  aus.  U.  Das  ganze  Geschlecht  ist  geschlagen;  die  Ate  hat  ihr  Siegeszeichen  aufgestellt; 
der  Badiegeist  ist  durch  den  Tod  der  Brüder  befriedigt.  So  ergeben  sich  die  vier  selbstän- 
digen Kola:  908—911  od  920—923  und  912—919  c«  924—931. 

Das  sind  in  Summa  16  Abschnitte.  Wie  hat  man  die  nun  zu  verteilen?  Der  Gesamt- 
chor ist  durch  die  wiederholt  nachgewiesene  Verschiedenheit  der  singenden  Personen  aus- 
geschlossen. Bloss  Halbchöre  anzunehmen  verbietet  der  Umstand,  dass  die  lyrischen  Masse 
(meist  iambische  Strophen)  zweimal  durch  kleine  anapästische  Systeme  unterbrochen  werden, 
welche  k^in  Chor  und  kein  Halbchor,  sondern  nur  ein  Einzelner  vorträgt.  Es  muss  aber  um 
dieser  metrischen  Besonderheit  willen  das  erste  Stropheupaar  für  sich  betrachtet  und  behan- 
delt werden.  Kirchhoff  hat  das  bereits  gesehen:  er  nennt  die  Strophen  schüchtweg  arg.  und 
avrunq.,  nicht  ocq,.  I  und  dvr.  I  und  lässt  axq.  I  erst  bei  V.  865  beginnen.  Schade  nur,  dass 
seine  übrige  Verteilung  nicht  richtig  ist.  Davon,  dass  Antigene  und  Ismene  im  ganzen  ersten 
Teile  nicht  auftreten,  war  vorher  die  Rede,  und  dann  ist  nicht  einmal  der  Dux  chori  an  seinem 
Platze.  Wenn  die  entsprechenden  ersten  Hälften  zweier  Strophen  verschiedenen  Personen  ge- 
hören, (bei  Kirchhüff  Antigene  und  Ismene),  so  können  die  entsprechenden  letzten  nicht  der- 
selben Person  gehören.  Wir  haben  also  statt  des  dux  chori  die  duces  chori,  den  Koryphaios 
und  den  Parastates  zu  setzen  und  die  lyrischen  Anfänge  den  Hemichorien  zu  überweisen,  dann 
verwirklichen  wir  die  nicht  zwar  überlieferten,  aber  im  Text  genugsam  bezeugten  Intentionen 
des  Dichters.  Es  bleiben  noch  12  chorische  Sätze  übrig,  von  denen  allemal  vier  auf  je  ein 
Strophenpaar  kommen.  Es  ist  nicht  denkbar,  dass  sich  Halbchöre  in  der  Weise  in  sie  geteilt 
haben  sollten,  dass  immer  A  die  erste,  B  die  zweite  Hälfte  der  Strophe  bezw.  Antistrophe 
sang;  es  hätte  dann  immer  jedes  Hemichorion  seine  eigene  Weise  kopiert,  statt  die  des  an- 
deren in  treuer  Nachahmung  wieder  vorzuführen.  Nein,  die  konsequent  durchgeführte  Gliede- 
rung in  kleine  Absätze  sowie  die  kommatische  Natur  des  Threnos  sprechen  deutlich  für  Vor- 
trag der  Einzelchoreuten. 

Ich  fürchte  nicht,  dass  man  wieder  den  alten  Vorwurf  erhebe,  ich  habe  der  von  mir 
angenommenen  Zwölfzahl  zu  Liebe  zwölf  Äusserungen  unterschieden.  Ich  bin  mir  bewusst, 
die  Dinge  so  betrachtet  zu  haben,  wie  sie  lagen.  Dass  ich  aber  einige  Genugthuung  empfinde, 
wenn  meine  frühere  Hypothese  durch  diese  Stelle  gestützt  wird,  wer  will  mir  das   verargen? 

Selbst  über  die  Reihenfolge  der  Sänger  lassen  sich  Vermutungen  aufstellen. 
'  ^  "  Bei  V.  830  waren  die  Leichname  gebracht  und  auf  der  Bühne  niedergesetzt  worden ; 
bei  V.  840  erschienen,  vom  Koryphaios  angekündigt,  Antigene  und  Ismene:  von  diesen  nimmt 
in  dem  späteren  Kommos  Antigene  mehr  für  den  Polyneikes,  Ismene  für  den  Eteokles  Partei; 
jede  redet  einen  der  Brüder  besonders  an  und  beklagt  ihn  besonders;  jede  hat  ohne  Zweifel 
neben  dem  angeredeten  gestanden").     Den    zwei  Gruppen,   die  somit  auf  der  Bühne  gebildet 

**)  Enger  a.  a.  0.  ißt  anderer  Meinung.     Es  sei  nicht  abzusehen,  sagt  er,  wie  Antigene  nur   für  Poly- 

4* 


/ 


8d 


1     12  (»of.) 

(jwp.)  10      1 

7      8 

6    1 

3      4 

2 

werden,  entsprechen  zwei  Gruppen  in  der  Orchestra.  Denn  am  Schluss  sagt  der  eine  S^Ehnr; 
wir  wollen  diesen,  und  der  andere,  wir  wollen  jenen  bestatten  helfen.  Hier  ist  also  die  Sdkei- 
düng  des  Chors  in  zwei  Hälften  deutlich  bezeugt;  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aber  ist  sie 
schon  vorher  um  der  symmetrischen  Gruppierung  willen  eingetreten.  Dann  aber  dürften  MohB 
Choreuten  mit  dem  Koryphaios  der  Antigene,  sechs  mit  dem  Parastates  der  Ismene  gegenüber 
gestanden  haben"),  etwa  in  dieser  Weise:  •  -'^: 

Antig.  (Polyn.) (Eteokl.)  Ismene  /; -.r.  r. 

9       '       -'■''■'■       • 

6 

.1«) 

Die  2X2  Dikta  jedes  Strophenpaares  werden  von  den  2X2  Choreuten  je  eines 
Stoichos  vorgetragen.  Nun  sind  die  beiden  letzten  Absätze  im  letzten  Strophenpaar  dem  Ge- 
halt nach  die  wichtigsten,  und  von  ihnen  wieder  der  letzte.  In  ihm  liegt,  wie  wir  schon  be- 
merkten, ein  Abschluss  der  Betrachtung  vor.  Es  ist  also  augezeigt,  diesen  dem  Eoiyphaios 
und  4a3  entsprechende  Glied  der  Strophe  dem  Parastates  zu  geben.  In  diesem  Falle  be- 
ginnen, was  wohl  zu  beachten  ist,  die  beiden  Führer  nicht  gleich  den  Kommos  bei  V.  864, 
nachdem  sie  soeben  die  Anapästen  recitiert  haben.  Beendet  aber  der  erste  Stoichos  den 
Kommos,  so  muss  ihn  der  letzte  anfangen,  und  da  auf  jeden  Stoichos  eine  Syzygie,  auf  jede 
Hälfte  eine  Strophe  fällt,  so  dürfen  wir  sagen:  1  und  2,  die  letzten  Choreuten  des  dritten 
Stoichos  und  zwar  der  Hälfte,  welche  der  Ismene  sekimdiert,  erhalten  Str.  «',  3  und  4  auf  der 
anderen  Seite  Antistr.  «';  5  und  6  Str.  ß',  7  und  8  Antistr.  ß' ;  9  und  10  (nag.)  Str.  /,  11 
und  12  (xoQ.)  Antistr.  y,  wie  ich  es  in  der  Figur  anzudeuten  versucht  habe.    .  i  . 

Der  d'Qrvog  der  Schwestern.  «  1 

V.  932—988.  '         '  ■'■ 

Auch  die  alten  Erklärer  scheinen  dafür  gehalten  zu  haben,  dass  die  zweite  Hälfte  des 
grossen  Klagesanges  allein  den  Schwestern  gehöre.  Es  findet  sich  in  den  Schollen  fast  vor 
allen  Versen  der  den  Personenwechsel  andeutende  Strich,  und  an  erster  Stelle  wird  Ismene 
genannt,  vom  Chor  aber  ist  nirgend  die  Rede.  Freilich  ist  auf  die  Scholien  in  diesen  Dingen 
wenig  zu  geben;  es  zeigt  sich  das  auch  hier  wieder.  Ismene  muss  von  der  ersten  an  die  zweite 
Stelle  gerückt  und  Antigene  vorangestellt  worden,  was  schon  Aldus  verbessert  hat.  Antigene 
ist  nicht  bloss  die  ältere,  sie  ist  auch  die  energischere  von  beiden  Schwestern,  sie  hat  also 
billigerweise   den   Vortritt*^).     Doch   auf   die  Verteilung   dieser  Verse   und  ihre   strophische 

neikes,  diese  nur  fiir  Eteokles  Partei  nehmen  sollte.  Allein  wird  nicht  V.  943  f.  deotUch  von  jeder  der  Schwestern 
je  ein  Held  beklagt?  Nennt  nicht  V.  981  Ismene  direkt  den  Eteokles,  so  dass  unter  dem  von  Antigone  gerufenen 
a(x<*r^''(  Polyneikes  verstanden  werden  muss?  Und  ist  nicht  die  schliessliche  energische  Parteinahme  der  An- 
tigene für  den  Polyneikes  ganz  danach  angethan,  uns  über  ihre  bisherige  Haltung  den  gewünschtesten  Aufisehlnss 
zu  geben? 

*^)  Droysen  weiss  noch  genauer  anzugeben,  wie  die  Schwestern  sitzen  und  stehen  und  sieh  umarmen,  wie 
die  Halbchöre  sich  den  Leichen  nähern  und  dann  wieder  ihre  Plätze  wechseln;  aber  das  sind  nur  leere  Yermutnngen. 

**)  Über  diese  Figur  und  die  Stellung  der  Führer  s.  Chor.  Techn.  d.  Soph.  8.  14.  ■      *• 

«Ö  Man  vergl.  Hermann  und  Weil  zu  V.  932.  "  ';'(', 


■  ^ 
.-■^t 


29  ,  ^ 

EtopqoHioB.liabe  ich  mich,  da  sie  Schauspielern  gehören,  nicht  einzulassen.  Ich  weise  nur 
die^  ^enaa^uig  &h,  dass  einiges  in  dieser  Partie  dem  Chore  gehören  möchte.  Es  handelt  sich 
Ulli  di^  Verse  954 — 56  und  970 — 72.  Sidierlich  darum,  weil  diese  Verse  ein  gleichlautender 
Befiräin  sind  und  sich  durch  grösseren  Umfang  ron  den  übrigen  unterscheiden,  machte  Din- 
dozf  '  den  Vorschlag,  sie  dem  Chor  zu  geben,  und  Weil,  Enger  u.  a.  hiessen  den  Vorschlag  gut. 
Aber  warum  sollen  nicht  auch  die  beiden  Schwestern  den  Refrain  singen?  Es  will  mir 
durchaus  passehd  erscheinen,  dass  sie  beide  vereint  nach  den  kurzen  leidenschaftlich  und 
schnell  hintereinander  ausgestossenen  Klagen  gleichsam  Ruhepunkte  und  Merksteine  setzen.  — 
Hermann  und  Ritschi  teilen  den  Refrain,  und  überweisen  die  erste  längere  Hälfte  der  An- 
tigene, die  zweite  kürzere  der  Ismene.  Aber  es  widerspricht  wohl  dem  Wesen  eines  Refrains, 
in  Teile  gegliedert  voi^etragen  zu  werden.  Man  wird  mit  Kirchhoff  beiden  Schwestern  zu- 
sammen beide  Refrains  zu  geben  haben. 

Der  Klagesang  der  Schwestern  schliesst  etwas  unvermittelt  ab,  es  ist  wahr;  ein  Ruhe- 
punkt scheint  zu  fehlen,  ein  zusammenfassender  Akkord.  Um  dem  Übelstande  abzuhelfen, 
nahm  Weil  die  drei  Verse,  welche  die  chorischen  Schlussbemerkungen  einleiten  (1040 — 42), 
als  Schluss  des  Threnos  herüber,  zumal  sie  dorthin,  wie  er  sagt,  gar  nicht  passten.  Doch  das 
bestreite  ich.  Sie  enthalten  nur  dann  einen  störenden  Gedanken,  wenn  man  sie  nach  dem  Vor- 
gang von  Härtung  und  einigen  Übersetzern  als  einen  für  sich  stehenden  Ausruf  fasst  und 
von  der  Frage  zi  nädw;  etc.  trennt.  Sobald  man  sie  aber  als  Anruf  betrachtet,  als  einen  vom 
Gefühl  äuBserster  Ratlosigkeit  eingegebenen  Anruf  an  die  stolztrotzenden  geschlechtaustilgenden 
Rachegöttinnen,  die  eben  erst  ihre  furchtbare  Macht  so  deutlich  gezeigt  haben,  dann  sind  die 
Verse  so  gut  am  Platze,  dass  man  sie  ungern  missen  möchte.  Weils  Vorschlag  ist  übrigens 
schon  deshalb  abzulehnen,  weil  er  wieder  den  Chor  einzuschmuggeln  sucht,  der  in  die  ganze 
zweite  Partie  nicht  gehört.  Es  scheint  also  eine  Lücke  angenommen  werden  zu  müssen.  Oder 
fehlt  nichts,  und  ist  der  Dichter  absichtlich  so  verfahren,  damit  das  Eingreifen  des  Heroldes 
als  ein  plötzliches,  den  Gesang  unterbrechendes  erscheint?  Wohl  möglich.  Wäre  der  Bote 
nicht  erschienen,  um  ein  weit  über  dies  Stück  hinausreichendes  Moment  von  ungeheurer  Trag- 
weite in  die  Handlung  zu  werfen,  so  würde  der  Klagesang  gleich  hier  seinen  regelrechten  Ab- 
Bchluss  gefunden  haben.  Da  aber  der  Bote  kommt  und  eine  kurze,  aufregende  Scene  hervor- 
ruft, so  müssen  die  Verhandlungen  der  Schwestern  über  die  Bestattung  der  Brüder,  welche 
986  läJ,  1(6,  nov  ag)S  d^rpofuv  x^ovös,  begonnen  haben,  abgebrochen  und  auf  eine  spätere  Zeit 
verschoben  werden,  und  sie  werden  zu  Ende  geführt  in  der  stichomythischen  Wechselrede  der 
Antigene  mit  dem  Herold  und  in  den  Schlusshypermetren  des  Chors. 

Die  Schlussanapästen. 
V.  1040-1065. 

Der  Herold  hat  den  Beschluss  des  Rates  gemeldet,  Eteokles  solle  begraben  werden, 
Polyneikes  nicht.  Darauf  erklärt  Antigene,  sie  werde  den  Polyneikes  bestatten,  es  möge  es  wehren, 
wer  wolle.  Zu  dieser  Entschliessung  der  heldenmütigen  Jungfrau  hat  der  Chor  Stellung  zu 
nehmen.  Soll  er  dem  Gebote  der  Obrigkeit  gehorchen  oder  soll  er  eine  Pflicht  der  Pietät 
erfüllen?  Er  überlegt  hin  und  her,  und  das  Resultat  ist  dies,  dass  die  eine  Hälfte  der  An- 
tigene folgt,  um  mit  ihr  dem  Polyneikes  die  letzten  Ehren  zu  erweisen,  die  andere  aber  es  vor- 
zieht, den  Eteokles  zu  bestatten  und  so  das  Gebot  der  Obrigkeit  zu  halten. 


:^- 


>  ^    ,         30  .-     .V^-^-l 

Die  Bchliessliche  Trennung  des  Chors  in  zwei  Hälflen  und  der  gesonderte  KSiVfiirtfiJl^ 
desselben  wird  durch  die  letzten  zwei  Hypermetra  denüich  bewiesen.  Daiait'  nt  al^  loik^r^'^ 
obige  Annahme  sehr  wohl  verträglich,  dass  die  Halbchöre  auch  schon  vorher  dimih  die  '<efiir 'r 
sprechende  Stellung  ihre  Sympathie  für  den  einen  und  für  den  anderen  angedöntet  Bäten. 
Wichtiger  aber  ist  ein  anderer  Punkt.  Wem  fallen  die  anapästischen  Systeme  zu,  dem  Oesimi- 
ohor,  den  Halbchören,  dem  Führer,  den  Parastaten?  Der  Med.  hat  vor  1043,  1048j  1052  dl« 
gewisse  trennende  Linie,  vor  1059  und  1058  '^H^i  und  'H^tjc.  Der  Scholiast  bemerkt:  <f>&j  ytsv: 
diaiQeHai  6  x^QÖS,  töiv  juev  vnkg  Ilolvveixovg,  fiSv  Se  VTteq  ^EtsoxHovq  ovatSv"  waneQ  de  fUf 
fikqiaxcn,  6  xoQÖSi  ovtug  xal  at  ddsXqiai.  xal  rj  fxev  ^la^rjvr]  Ty  ^freoxA^t  oxoAov^et  xal  «^  ttoÄ«», 
jy  dk  ^Avtiywrj  ry  nolweixei.  Von  den  Neueren  hat  zuerst  Pauwius  die  von  fast  allen  Heraus- 
gebern gebilligte  Anordnung  getroffen,  dass  1039—1051  dem  Gesamtchore,  1052 — 1058  dem 
einen,  1059 — 1065  dem  anderen  Halbchore  zufallen.  Diesem  Vorgange  ist  auch  Kirchhoff 
gefolgt,  nur  dass  er  im  Aaschluss  an  Weil  (hemichoria  sive  hemichoriorum  duces  habent  membra 
bina  et  quina)  richtiger  für  Chor  dux  chori  und  für  Halbchöre  dux  hemichorii  I  und  dux 
hemichorii  II  setzt.  Diese  Verteilung  scheint  unanfechtbar.  Die  beiden  letzten  Hypermetra 
entsprechen  sich  äusserlich  wie  innerlich;  äusserüch:  es  ist  im  ersten  der  beiden  Systeme  ein 
anapästischer  Dimeter  ausgefallen  (rf  Kad^oyevel  ergänzt  Ritschi),  sonst  gleichen  sie  sich 
genau;  innerlich:  in  dem  einen  wird  beschlossen,  es  gegen  den  Willen  der  Stadt  mit  dem  Po- 
lyneikes,  in  dem  anderen,  es  im  Einvernehmen  mit  der  Stadt  mit  dem  Eteokles  zu  halten. 
Die  beiden,  die  hier  so  deutlich  auseinandergehen  und  die  Halbchöre  mit  sich  ziehen,  können 
nur  die  Parastaten  sein,  gewiss ;  dann  scheint  in  der  That  nichts  anderes  übrig  zu  bleiben,  als 
die  vorhergehende  Partie,  zwei  eng  verbundene,  nicht  respondierende  Systeme  dem  Chorführer 
zu  geben,  der  dann  im  Namen  des  ganzen  Chors  schwanken  und  überlegen  würde,  was  zu  thun 
sei,  bis  sich  dann  der  eine  Parastat  auf  die  eine,  der  andere  auf  die  andere  Seite  schlüge. 
Aber  so  harmonisch  das  aussieht,  so  ungereimt  ist  es.  Denn  wie  ?  Der  oberste  Führer  schwankt 
und  kommt  zu  keiner  Entscheidung,  die  beiden  Parastaten  aber  ergreifen  bestimmt  Partei? 
Aber  weiter.  Mit  einem  Chorführer  und  zwei  Parastaten  darf  man  bloss  dann  operieren,  wenn 
der  Chor  aus  15  Personen  besteht.  Nehmen  wir  einmal  an,  dies  sei  der  Fall  gewesen,  so 
würde  jeder  Halbchor  aus  sieben  Choreuten  bestanden  haben,  und  je  sieben  hätten  sich  mit 
dem  Parastaten  an  der  Spitze  je  einer  der  Schwestern  angeschlossen.  Was  wird  aber  aus  dem 
Koryphaios?  Zurückbleiben  darf  er  nicht;  einem  der  Halbchöre  folgen  oder  vorangehen  darf 
er  auch  nicht,  denn  dann  kämen  die  ungeraden  Zahlen  8  und  7  heraus,  und  der  Führer  hätte 
sich  der  Führung  schlechtweg  begeben.  Was  folgt  daraus?  Dies,  dass  der  Chor  der 
Septem  aus  12  und  nicht  aus  15  Personen  bestanden  hat.  Denn  bei  einem  Chore 
von  zwölf  Mitgliedern  ist  eine  Trennung  in  zwei  gesondert  auftretende  Hälften  leicht  möglich, 
wie  ich  das  im  Aias  des  Sophokles  nachgewiesen  habe  (Chor.  Technik  d.  Soph.  S.  74  f.) ;  der 
Koryphaios  ist  zugleich  Führer  des  einen  Halbchors,  und  so  lösen  sich  alle  Schwierigkeiten. 

Die  erste  längere  Partie  mit  den  Reflexionen,  ob  oder  ob  nicht?  recitiert  der  Kory- 
phaios als  Vertreter  des  Gesamtchors;  das  erste  der  beiden  antistrophischen  Systeme  recitiert 
derselbe  Koryphaios  als  Führer  des  einen  Halbchors,  als  erster  Parastat;  das  zweite  S3r8tem 
natürlich  der  zweite  Parastat.  Man  achte  nur  auf  den  Übergang  von  der  astrophischen  Partie 
zum  ersten  der  respondierenden  Systeme,  und  man  wird  an  ihrer  Zusammengehörigkeit  nidit 
zweifeln.     Wie  sollte  ich  dich  nicht  beweinen,   sagt  der  Koryphaios  zum  Polyneikes  gewandt, 

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und  nif&t  sa  Ghrabe  geleiten?  Aber  ich  bebe  zurück  vor  dem  furchterweckenden  Dräuen  des 
VoO^etk  0a  freilich,  (Eteokles),  findest  viele  Leidtragende,  jener  dagegen  bleibt  unbeweint,  und 
ma  ^e  Schwester  trauert  um  ihn ;  wer  möchte  da  dem  Gebote,  dich  nicht  zu  bestatten,  Folge 
leiäten^)?  Und  wenn  es  dann  im  ersten  respondierenden  System  heisst:  möge  uns  die  Stadt 
Strien  oder  nicht  strafen,  wir  wollen  mit  ihm  gehen  und  sein  Trauergefolge  bilden,  so  fasst 
diesen  mannhaften  Entschluss  ganz  natürlich  derjenige,  welcher  schon  vorher  mitleidige  Worte 
gebrMicht  und  seine  Sympathie  für  den  Polyneikes  deutlich  genug  verraten  hatte.  Das  ist 
derselbe  Koryphaios,  aber  in  seiner  Eigenschaft  als  Parastates  I,  und  im  Gegensatz  zu  ihm 
erklärt  dann  Parastates  II,  dass  er  sich  für  die  andere  Seite  entscheide*'). 

Wenn  Christ  Teilung  des  Chors  S.  33  erklärt,  die  beiden  letzten  anapästischen  Chor- 
lieder beständen  zwar  aus  je  zwei  Systemen,  würden  aber  trotzdem  von  ein  und  denselben 
JPersonen  des  Halbchors  vorgetragen,  so  ist  das  völlig  unbestreitbar;  wenn  derselbe  auf  S.  34 
sich  dahin  äussert,  von  den  beiden  Teilen  des  ganzen  anapästischen  Liedes  sei  der  erste  dem 
Koryphaios,  der  zweite  den  beiden  Halbchören  zuzuweisen,  so  bleiben  wir  über  wichtige  Punkte 
gerade  so  im  Unklaren  wie  bei  den  Bestimmungen  Kirchhoffs;  wenn  er  aber  S.  35  es  für 
zweifelhaft  hält,  ob  man  nicht  noch  weiter  gehen  und  mit  jedem  neuen  System  die  Vortragen- 
den wechseln  lassen  dürfe,  wobei  dann  schon  in  den  ersten  Teil  der  hier  noch  schlummernde 
Zwiespalt  der  Meinung  getragen  und  von  den  zwei  Führern  der  Halbchöre  vertreten  werde,  so 
ist  das  ein  entschiedener  Irrtum.  Der  Zwiespalt  der  Meinung  kommt  nicht  in  System  1  und  2  des 
ersten  Teiles  ziun  Ausdruck,  sondern  nur  in  System  2;  es  hätte  dann  immer  wieder  einer  als 
Vertreter  schwankender  Ansichten  zu  gelten,  und  mit  der  Scheidung  auch  des  ersten  Teiles 
wäre  nichts  gewonnen. 

Einem  Einwurf  habe  ich  noch  zu  begegnen,  dem  nämlich,  dass  bei  meiner  Art  der  Ver- 
teilung die  Responsion  der  beiden  letzten  Systeme  nicht  zu  ihrer  voUen  Geltung  komme.  Aber 
man  nehme  nur  an,  wozu  man  berechtigt  ist,  dass  der  Koryphaios  nach  dem  ersten  Teile  eine 
Pause  machte;  dann  war  das  folgende  erste  System  als  etwas  Neues  gekennzeichnet,  und  die 
Gleichheit  mit  dem  zweiten  wurde  jedermann  augenfällig.  Vielleicht,  ja  wahrscheinlich,  kam 
auch  die  äussere  Stellung  hinzu,  um  dies  System  vom  ersten  Teile  abzuheben.  So  lange  der 
Koryphaios  noch  reflektierte,  standen  beide  Halbchöre  in  der  Orchestra  still;  als  er  sein  Pa- 
rastatensystem  begann,  setzte  er  sich  zu  den  Klängen  desselben  nach  dem  Polyneikes  und 
der  Antigene  hin  in  Bewegung;  dasselbe  that  dann  der  zweite  Parastat  mit  seinem  Halbchor 
zu  seinem  Systeme,  nur  dass  er  sich  auf  der  Bühne  der  Ismeue  mit  dem  Leichnam  des  Eteo- 
kles anschloss. 


*)  Nach  Weil,  welcher  die  Worte  nV  «>•  olr  zä  ni9ono  also  erklärt:  ecquis  ergo  adducetur,  ut  Polyaieem 
et  Antigonam  deserat? 

*®)  Möglich,  dass  Weil  und  KirchhoflF  mit  ihren  Bezeichnungen  das  gemeint  haben,  was  ich  meine;  ea 
■  Bind  dann  aber  die  Bezeichnungen  ungenau ;  sie  müssen  lauten :  dux  chori  (coryphaeus),  dux  hemichorii  I  (primua 
parastates  idemque  coryphaeus),  dux  hemichorii  II  (alter  parastates.) 


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Im  Verlage  von  Richard  MUhlmann  in  Halle  a.  S.  ist  feruer  erschienen: 

Muff,  Prof.  Dr.  Christ.,  Ueber  den  Vortrag  der  chorischen  Partieen  bei 
Aristophanes.     Brosch. 

—  Die  chorische  Technik  des  Sophokles.     Brosch. 

—  De  choro  Persarum  fabulae  Aeschyleae.    4,    Brosch. 

—  Äntlf  unt>  9Robern.    SBortrag.    Sörof^. 

—  a»c«  ift  Äiiltur?    83ortrag.    S3ro)c^. 

—  Xfiiain  »tnb  ^v^t,    SJortrag.    örofd^. 


3  M. 

— 

7 

M. 

60  Pf. 

1 

M. 

— 

1 

M. 

— 

— 

80  Pf. 

1 

M. 



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Hcrroke  k  Lebcling,  Stettin. 


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