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Stadtgymnasiums zu Stettin.
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Ostern 1^*9^4.
INHALT:
1. lieber Xenophanes von Kolophon.
2. Schulnachrichten.
Beides vom Directx)r.
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Stettin, 1874.
Druck von Herrcke de Lebeling
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Als in der Mitte des sechsten Jahrhunderts vor Christi Geburt Ilarpagos auf
Befehl des Kyros sich anschickte, die griechischen Städte an Kleinasiens Westküste
dem neugegründeten Perserreich zu unterwerfen, zog er zuerst gegen Phokäa, um diese
Stadt zur Uebergabe zu zwingen. Da er aber wahrgenommen, dass die Phokäer sehr
energische Anstalten zur Vertheidigung gemacht hatten, so liess er ihnen sagen, ihm ge-
nüge, wenn sie. zum Zeichen der Unterwerfung nur einen einzigen Thurm niederreissen,
nur ein einziges Haus räumen wollten. Die Phokäer aber einerseits wohl überzeugt,
dass sie dem über Erwarten mächtigen Heere trotz aller Vertheidigungsanstalten nicht
widerstehen könnten, und andererseits durch den Gedanken an Knechtschaft, und trüge
sie die mildeste Form, aufs tiefste verletzt und wie zum Tode getroffen, erbaten sich
von Ilarpagos kurze Bedenkzeit, während welcher er sein Heer von der Stadt entfernen
sollte. Diese kurze Zeit benutzten die entschlossenen Bürger, um ihre Schiffe zu be-
mannen und fuhren mit ihren Weibern und Kindern, mit ihrem Hausgeräth und Götter-
bildern weg von der schönen über alles geliebten Heimat, um der Sclaverei zu ent-
gehen, die sie noch glühender hassten, als sie jene liebten. In die verlassene Stadt
rückte persische Besatzung ein. Die Phokäer aber, nachdem sie umsonst versucht, in
der Nähe von Chios auf den Oinussen sich anzusiedeln, gingen erst noch einmal nach
ihrer Vaterstadt zurück, überraschten die persische Besatzung und metzelten sie in
leidenschaftlichem Hass nieder. Dann zogen sie fort von der asiatischen Küste, fort
aus den griechischen Meeren, nachdem sie vorher noch geschworen, nicht eher wieder
nach Phokäa zurückzukehren, als bis ein schwerer Klumpen Eisen, den sie ins Meer ge-
worfen, wieder an die Oberfläche käme. Wer sich aber der Fahrt nicht anschlösse,
über den sprachen sie die schwersten Flüche und Verwünschungen aus. Aber nicht
bei allen siegte dauernd der Hass über die Ileimatsliebe. Die Hälfte der Bürger er-
griff tiefes verzehrendes Sehnen nach ihrem schönen Geburtslande, sie wurden eid-
brüchig und kehrten auf der Weiterfahrt um, die andere Hälfte aber zog fort nach
Westen nach dem tyrrhenischen und dem ligurischen Meere, wo schon ihre Vorfahren
blühende Pflanzstädte gegründet hatten, und nach jahrelangen Irrfahrten, nach blutigen
Kämpfen siedelte sich der Rest derer, die früher die Vaterstadt aus Hass gegen
die Unterdrücker gemieden hatten, in Unteritalien im Lande der Oenotrer an*»). Sie
gründeten sich dort eine neue Heimat, erst Hyele, später FJea und von den Römern
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Velia genannt. Von dieser Pflanzstadt Phokäas, Elea, hat die merkwürdige Richtung
in der griechischen Philosophie, die man als die eleatischo bezeichnet, ihren Namen^*'),
da die beiden berühmtesten Vertreter dieser Richtung, Parmenides und Zenon, geborne
Eleaten Avaren,
Der geniale Begründer derselben aber, Xenophanes, stammte nicht aus Elea. Seine
Heimat war das einst durch seine Flotte und seine Reiterei berühmte Kolophon, wie
Phokäa eine ionische Stadt, dieselbe, in welcher in der zweiten Hälfte des sie-
benten Jahrhunderts der elegische Dichter Mimnermos geboren war, der zuerst die
weichen Töne sehnsüchtiger schwermuthvoUer Liebe hat erklingen lassen, dieselbe
Stadt, die darauf Anspruch machte, Homers Geburtsstätte zu sein^). Xenophanes ver-
liess schon in seinen ersten Mannesjahren auf immer seine Vaterstadt, wie er selbst
in einem uns aufbewahrten Bruchstück einer Elegie erzählt') :
Sieben und sechzig Jahre bereits verflossen, seitdem ich
Ruhlos sorgenerfüllt wandre durch griechisches Land.
Damals stand ich in meinem fünf und zwanzigsten Jahre,
Falls ich über die Zeit Wahres zu melden vermag.
Seine Auswanderung war keine freiwilUge, sondern er wurde verbannt^), ver-
muthlich gleich nach der Unterwerfung Kolophons durch die Perser, die auf die Flucht
der Phokäer unmittelbar folgte. Wahrscheinlich haben die traurigen politischen
Verhältnisse seiner Heimat, in welche geduldig sich zu fügen ihm unleidlich sein
mochte, seine Verbannung herbeigeführt. Wissen wir doch von ihm selber, dass sehr wenig
nach seinem Sinne das weichliche, prunksüchtige Wesen seiner Landsleute war, wie er es
schon vor der Unterwerfung Kolophons hatte mit ansehen müssen:
Frei noch vom traurigen Drucke der Knechtschaft hat von den Lydern
Thörichten Tand mein Volk, eitel Gepränge gelernt.
Damals gingen sie schon auf den Markt in Purpur gekleidet,
Tausend Bürger an Zahl, prunkend und prahlend zumeist,
Brüsteten sich mit dem zierlich geordneten Schmucke der Haare,
Und es umduftete sie köstlicher Salbengeruch*).
Und der ernste, allem nichtigen, leeren Treiben unversöhnlich abholde Denker
und Dichter wird sich demnach in seiner Heimat schon früher kaum heimisch gefühlt
haben; wie schwer mochte es ihm werden, als ihr nun auch die politische Selbständig-
keit verloren ging, sich in die neue Ordnung der Dinge zu schicken. Deswegen wahr-
scheinhch musste er in die Verbannung gehen. Dass ihn die Knechtung seiner Vater-
stadt lebhaft noch in späteren Jahren beschäftigte, geht zur Genüge hervor aus einem
andern Fragment, das von den Trümmern der xenophaneischen Poesie uns der gelelirte
Sammlerfleiss des Athenäus gerettet hat**):
Stürmt es zur Winterszeit, dann ziemt sichs, auf schwellende Polster
Neben dem Feuer gelagert, gesättigt, zum lieblichen Weine
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Naschend getrocknete Feigen, behaglich schwatzend zu fragen:
Was für ein Landsmann Du? Wie hoch Deine Jahre, mein Bester?
Sage, wie alt Du warst, als der Perser uns angriff.
Ist aber die Ansicht, Xenophanes habe gleich nach der Unterwerfung Kolo-
phons, also im Jahre 545, sein unstetes Wanderleben angefangen, der Wirklichkeit
entsprechend, wie mit grosser WahrscheinUchkeit anzunehmen ist, so müssen wir, auf
seine eigenen Verse uns stützend, seine Geburt ins Jahr 570, seinen Tod nach dem
Jahre 478 setzen*), so dass er also älter als 92 Jahre geworden ist; nach der Angabe
des Censorinus'') hätte er ein Alter von mehr als hundert Jahren erreicht.
Nachdem Xenophanes seine Heimat verlassen hatte, wanderte er in Griechen-
land^"), Italien, Siciüen von Ort zu Ort, ohne, wie es scheint, eine bleibende Stätte zu
finden. Am längsten hielt er sich vielleicht in Zankle und Catana auf, denn diese
Städte werden als sein Wohnort ausdrücklich genannt^*), sicherlich aber ist er auch
nach Elea gekommen, denn er hat die Gründung dieser Stadt in einem längeren
epischen Gedichte besungen*^), der Eleate Parmenides, der die schöpferischen Gedanken
des wandernden Philosophen zu seinem Eigenthum gemacht und sie weiter ausgebildet
und verbreitet hat, ist vermuthlich in Elea selbst sein Schüler geworden^'), und auch
eine uns aufbehaltene Anecdote weis't auf einen Aufenthalt in jener Stadt hin. Aristoteles
nämlich erzählt in seiner Rhetorik"), dass Xenophanes den Eleaten auf ihre Frage, ob
sie der Leukothea opfern und sie mit Klageliedern feiern sollten oder nicht, den Rath
gegeben habe, sie nicht zu beklagen, wenn sie dieselbe für eine Göttin hielten, und
ihr keine Opfer darzubringen, wenn sie ihnen als ein Mensch gelte.
Reichthümer hat sich der heimatlose Denker auf seiner ruhelosen Wanderung
nicht erworben, sondern er verschaffte sich die nöthigen und wohl immer beschränkt
gebliebenen Mittel zu seinem Unterhalt durch den Vortrag seiner Gedichte'^). Die
Noth zwang ihn als Rhapsode an den Fürstenhüfen und bei öffentlichen Festen aufzu-
treten. Freilich mochte ihn der ernste ungewöhnliche Inhalt seiner Gedichte, in denen
er eben so schroff den Schwelgereien der Vornehmen wie der Schaulust der Menge und
dem polytheistischen Volksglauben entgegentrat, bei Hoch und Gering wenig empfohlen haben,
und auch sein Unabhängigkeitssinn hinderte ihn wohl, um die Gunst der Grossen zu
buhlen. Denn wenn er als Lebensregel aufstellte, dass man mit Herrschern so wenig
als möglich oder so freundlich als möglich verkehren müsse^*), so wird ihn wohl sein
Ungeschick, die zweite Art als wahrheitsliebender Mann durchzuführen, auf die ei-ste
Art verwiesen haben. Wird uns doch das bittere Wort von ihm überUeferf ), den Herr-
schern sei es sehr wenig um die Wahrheit zu thun. Und in der That, die Anecdote,
die uns von seinem Verhältniss zum Hiero aufbehalten ist*^), zeigt uns, dass dieser
Herrscher ihm nicht das Wohlwollen entgegentrug, das er gegen andere bewies. Als
nämlich Xenophanes gegen ihn klagte, dass er nur mit Mühe zwei Sclaven ernähren
könne, antwortete ihm der Tyrann mit Anspielung auf die Gedichte, in denen jener die
homerische Darstellung der Götterwelt bitter und schonungslos getadelt hatte, mit
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trockenem Sarkasmus : Und doch ernährt Homer, den Du so durchhechelst, noch nach
seinem Tode so viele Tausende (nämlich die Rhapsoden, die durch den Vortrag homeri-
scher Gesänge sich leichter ihren Unterhalt erwarben, als Xenophanes durch den
Vortrag seiner eigener Poesieeu). Und wie er am Hofe des Hiero wenig Beifall
gefunden haben mochte, so gab er auch in Athen am Hofe des Hipparch Anstoss durch
seinen sitthchen Ernst, der ihn die gewöhnlichen Vergnügungen verschmähen liess.
Als ilin nämlich Lasos von Hermione einmal aufforderte, mit ihm zu würfeln, aber eine
ablehnende Antwort erhielt und ihn nun der Feigheit beschuldigte, sagte er, allerdings sei
er sehr feige und muthlos allem Unsitthchen gegenüber"). Seine Söhne starben vor
ihm; er begrub sie mit seinen eigenen Händen^**). Dem hochbetagten Dichter soll
sich der jugendliche Empedokles als Schüler angeschlossen und mit ihm zusammen
gelebt haben^^). Von diesem Verkehr wird uns erzählt*'), dass Empedokles einst zu
ihm gesagt habe, der Weise (d. h. der die Räthsel der Welt lösende Philosoph) sei
nirgend zu finden. Da habe ihm Xenophanes geantwortet: Das ist begreiflich, denn
um den Weisen zu erkennen und zu verstehen, muss man selber weise sein.
So lebte der geniale Denker sein hundertjähriges Leben in Unruhe und in
Dürftigkeit^^), fremd in seinen sittlichen und religiösen Anschauungen seinen Zeitgenossen,
von selir wenigen gewürdigt wegen der Resultate seines Denkens, aber als der kühne
Bahnbrecher einer philosophischen Richtung» deren tief bohrende Probleme, ein Ferment
für jede ernste Philosophie bildend, auch heute noch nicht gelöst sind.
Von dem, was Xenophanes geschrieben hat, sind nur wenige Bruchstücke auf
uns gekommen; nichts von den beiden epischen Gedichten, in denen er die Gründung
seiner Vaterstadt und die Colonisation Eleas durch die Phokäer besungen hatte**), von
seinen Elegieen nur zwei vollständige und ausserdem noch einzelne Bruchstücke, die
zum grössten Theil schon oben raitgetlieilt sind, wenige Verse von seinen Sillen, unter
denen parodisch spottende Gedichte zu verstehen sind, und endlich bedauernswerth
dürftige Reste von seinem philosophischen Lehrgedicht*-').
Die beiden Elegieen lassen uns einen Blick in seine Lebensauffassung thun*").
In der einen*^) beklagt er sich unmuthsvoU darüber, dass seine Zeitgenossen einen
ungebührlich hohen Wcrth auf körperliche Stärke und Gewandtheit legten und dagegen
den Nutzen, welchen besonnenes Denken und Sinnen eines geistig begabten Mannes den
Bürgern gewähren, gering achteten:
Freihch wenn einer den Sieg im Wettlauf oder im Fünfkampf
Dort in dem heiligen Ilain, welcher geweihet dem Zeus,
Neben dem Ufer des Pisas gc\vinnt bei Olympia, oder durch Ringen,
Auch in dem Kampf mit der Faust, welcher an Schmerzen so reich,
Oder in jenem gewaltigen Kampf, den sie nennen den Allkampf;
Ruhm hat solcher erlangt bei den Bewohnern der Stadt,
Vorsitz wird ihm gewährt bei den Festen, dass jeder ihn schaue,
Und auf Kosten der Stadt steht ihm die Mahlzeit bereit j
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Auch ein prächtig Geschenk wird ihm von den Bürgern gespendet.
Trüg' er auch siegend zu Ross alle die Ehren davon.
Dennoch verdient er es nicht so wie ich, denn über die Stärke,
Sei es der Rosse, des Manns, geht was ich sinnend erdacht.
Sehr verkehrt ist jener Gebrauch, unschicklich fürwahr ist's
Vorzuziehen dem Geist Körpers Gewalt und Geschick.
Denn Faustkämpfer und Ringer und wären's die besten von allen
Und wer im Fünfkampf gross, auch wer im Lauf nach dem Ziel,
Andre besiegt durch seine Gewandtheit, welche am höchsten
Gilt in dem Wettkampfspiel, wären sie Bürger bei uns,
Deshalb würde die Stadt niemals gesitteter werden.
lOein fürwahr der Gewann, welcher erwüchse der Stadt,
Wenn im Wettkampf einer gesiegt am Ufer des Pisas,
Denn nicht grösser dadurch würden die Güter der Stadt.
Nach dem Zeugnisse des Atheuäus hat er denselben Gedanken noch in vielen
andern Gedichten behandelt und wiederholt auf die Nutzlosigkeit des Athletenthums
hingewiesen^^). In der zweiten, dichterisch viel vollendeteren Elegie^^) gibt er uns ein
anschauliches Bild eines griechischen Symposions, freilich nicht ohne auch hier dem
leichtfertigen und leeren Treiben, wie er es oft bei solchen Gelegenheiten mit angesehen
haben mochte, mit nachdrückUchem Ernst entgegen zu treten. Dem Philosophen, der
für die vom Wein angeregte Stimmung würdige das geistige Leben fördernde Gespräche ver-
langt, schwebte das Ideal eines Symposions vor, Avie es später Plato's Meisterhand in
unübertrcftlicher Weise gezeichnet hat. Die xenophaneische Elegie lautet :
Nun da der Estrich rein und rein sind Hände und Becher,
Uns zu umkränzen das Haupt, sehn wir den Diener bereit;
KöstHche Salben uns reicht in Schalen geschäftig ein andrer.
Dort auch der Mischkrug winkt, heiterster Freude ein Born.
Wein vollauf steht dort in den Krügen, duftend vde Blumen,
Wein vollauf, dass die Lust eher versagt als der Wein.
ISIitten im Saal erhebt sich des Weihrauchs liebliche Wolke,
Wasser so eisig und rein steht zu der Mischung bereit.
Wcissbrod auch liegt dort, dort steht der zierUche Tisch mit
Süssem Honig bereit, fettester Käse dabei;
Und mit Blumen geschmückt der Altar in der Mitte des Saales.
Lieblich schallt in dem Haus Singen und Saitengetön.
Jetzt vor allem geziemt's verständigen Männern, zu ehren
Lauteren Sinnes den Gott, 'ehren mit frommem Gebet.
Lasst uns ihm spenden und beten, er möge die Kraft uns verleihen
Wackere Männer zu sein. Weg mit der frevelnden Lust!
Trinken nur lasst uns soviel, dass wir nach Hause gelangen
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Nicht auf den Diener gestützt, wer nicht gebrechlich und alt.
Den aber lob' ich vor allen, der trinkend Verständiges mittlieilt,
Was er gesehn und erlebt, was von der Tugend er denkt.
Keine Geschichten vom Kampf der Titanen oder Giganten,
Nicht des Kentaurengeschlechts alte erdichtete Mähr.
Fern sei unnütz Tagesgeschwätz und alberne Possen;
Ernsten verständigen Sinns lasset uns ehren den Gott.
Von den übrigen Elegien sind nur wenige und nicht eben erhebliche Bruch-
stücke auf uns gekommen, ausser den beiden im Anfang meiner Darstellung mitge-
theilten, die für die Chronologie seines Lebens und die Kenntniss seines Cha-
rakters werthvoU sind, nur noch drei. Das bedeutendste ist das, in welchem er die
pythagoreische Lehre von der Seelenwanderung verspottet***) ; nur der erste Hexameter
dieser Elegie, in welchem er eine neue Lehre zu behandeln verheisst, ist übrig gebUe-
ben und ausserdem zwei Distichen, in denen er von Pythagoras Folgendes erzählt:
Einst, da er sah, wie ein Hund auf der Strasse gezüchtiget wurde,
Sagte er mitleidsvoll, wie man erzählt, zu dem Herrn:
Lass doch, schlage ihn nicht, denn dia Seele befreundeten Mannes
Habe ich deutlich gehört aus des Geschlagnen Geheul.
Aus einem andern Fragment bei Athenäus gewinnen wir die Notiz, dass
man zu der Zeit des Xenophanes den Wein so gemischt habe, dass man in den Becher
zuerst Wasser und darüber den Wein gegossen habe, während man, wie wir wissen,
in späterer Zeit umgekehrt verfuhr'**):
Niemand giesst bei der Mischung zuerst den Wein in die Becher,
Sondern das Wasser zuerst, über das Wasser den Wein.
Theophrast, den Athenäus als Zeugen für dasselbe anführt, findet den Zweck
jener älteren Sitte in dem Streben nach Massigkeit im Genuss ; und es ist wohl anzu-
nehmen, dass Xenophanes mit seinen Worten der zu seiner Zeit aufkommenden Neue-
rung entgegen treten wollte, von welcher er ein verderbliches Uebermass in den Sym-
posien befürchtete. Das letzte Ueberbleibscl aus den Elegien sind Gelegenheitsverse,
an sich unbedeutend, aber darum interessant, weil es die einzigen scherzenden Worte
sind, die von dem sonst so überaus ernsten Dichter und Denker uns erhalten sind.
Einem Freunde wird in ihnen schalkhaft zu Gemüthe geführt, dass er für ein geringes
Geschenk eine sehr bedeutende Gegengabe erhalten habe^^):
Für den gesendeten Schenkel des Zickleins empfingst du die Keule
Eines gemästeten Rinds, Männern ein Ehrengeschenk,
Dessen Ruhm wird Hellas erfahren, Gesang ihn verkünden
Stets so lange noch blüht griechisches Sängcrgeschlccht.
Noch geringer an Zahl, aber für die Kenntniss des Mannes von Wichtigkeit
sind die Fragmente seiner Sillen^^). In ihnen ergeht er sich mit rücksichtsloser Ent-
schiedenheit und mit treffender Schärfe gegen alle anthropomorphischen und anthropo-
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patliischen^^) Vorstellungen von den Göttern, wie sie die Griechen seiner Zeit aus Homer
und Hesiod in sicli trugen. „Die Angriffe des Xenoplianes haben dem griechischen
Polytheismus eine Wunde geschlagen, von welcher er sich nicht wieder erholt hat; und
steht auch dieser Philosoph mit seinen kühneu Zweifeln an dem bestehenden Religions-
wesen eine Zeit lang ziemUch vereinzelt, so fehlt es ihm doch, theils schon in den
nächsten fünfzig Jahren, nicht ganz an Nachfolgern, theils sind jene Zweifel in der Folge
zu einer Macht herangewachsen, welcher die Volksreligion ausser der Gewohnheit der
Masse und einzelnen, für das Ganze vollkommen wirkungslosen, Maassregeln der Staats-
gewalt kein Vertheidigungsmittel entgegenzustellen hatte" ^*).
Mit zürnendem Wort geisselt Xenophanes zunächst, dass Homer und Hesiod
sich nicht gescheut hätten, unsittliche Thaten von den Göttern zu berichten'^) :
Jegliches schrieben den Göttern zu Hesiod und Homeros,
Was bei dem Menschengeschlecht als schmachvoll gilt und verächtUch,
Und erzählten von ihnen unsittliche Thaten in FüUe^
Stehlen und Unzucht treibeii, einander belügen und trügen.
Tadelt er so au der herkömmlichen Vorstellung von den Göttern, dass
sie ihnen keine makellose sittliche Reinheit beilegte, so hält er es ferner für nicht
.weniger verkehrt, an Geburt und Tod der Götter zu glauben und sie sich in Menschen-
gestalt zu denken:
— — Sterbhche wähnen, die Götter würden geboren,
Hätten Empfindung wie sie und Gestalt, und menschliche Sprache^).
Und doch, wären verliehn nur Hände den Löwen und Rindern,
Könnten sie malen wie Menschen und bildeten Werke wie diese.
Wahrlich das Göttergebild, wie es Rinder und Löwen erschufen,
Hier wär's Löwengestalt und dort wär's ähnüch den Rindern,
Wie denn jeder den Gott sich träumt nach eigenem Bilde").
So stellen sich die Neger ihren Gott schwarz und plattnasig, die Thraker
blauäugig und rothhaarig vor^*).
Von dem Gott dagegen, wie er ihn sich denkt, sagt der philosophische Dichter
in Versen, die wahrscheiiüich Trümmer seines Lehrgedichts sind:
Einer allein ist Gott, unter Göttern und Menschen der höchste.
Ferne dem Menschengeschlecht an Gestalt und fern an Gedanken^^).
Alles in Gott ist Geist, und alles ist Ohren und Augen*").
Gott ist allezeit unbewegt an demselben Ort, und es geziemt ihm nicht ge-
schäftig bald hierher, bald dorthin zu wandern'*').
Ohne Bemühn lenkt Gott das All mit denkendem Geiste*^).
Es ist gewiss bewunderungswürdig, und ein beredtes Zeugniss für die Kühn-
heit und Klarheit seines Denkens, dass Xenophanes in seiner Auffassung des Gottes-
begriffes sich so weit über seine Zeitgenossen zu erheben vermochte*'), aber viel höher
noch denn als th iologischer Kämpfer steht der wunderbare Mann als metaphysischer Denker.
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Wenn Epikur nach dem Zeugnisse des Seneca^) gesagt hat, dass einige die Wan-
derschaft nach der Wahrheit ohne irgend jemandes Hülfe angetreten haben, dass sie
selber sich ihren Weg gebahnt, so gilt das von keinem mehr als von Xenophanes. Den
Versuchen der älteren ionischen Naturphilosophen, den Grundstoff zu finden, aus dem
die Welt geworden, mochten sie wie Thaies für diesen das Wasser ansehen, oder wie
Anaximander einen unbestimmten, unendlichen Stoff, den er sich wahrscheinlich wie
einen Urnebel dachte*-^), oder wie Anaximencs die Luft, vermochte sein viel tiefer,
nicht auf physische, sondern auf metaphysische Probleme gehendes Denken nur ein
untergeordnetes Interesse abzugewinnen. Der gleichzeitigen pythagoreischen Speculation,
wenigstens der Lehre von der Metempsychose gegenüber, verhielt er sich spöttisch ab-
lehnend; die herakliteische Lehre, die sich noch zu seinen Lebzeiten entwickelt hatte,
war zu seiner Pliilosophic der schärfste Gegensatz und walirscheinlich erst durch die-
selbe hervorgerufen^''). Also ein Anlehnen an frühere uns bekannte Philosophen ist
nicht anzunehmen; und was uns über seine angeblichen Lehrer von späten Zeugen
höchst schwankend und unsicher berichtet wird^'), hat gar keinen historischeu Werth.
Er ist also, wenn irgend einer, ein durchaus originaler Denker**^).
Die eigenen Fragmeute des Philosophen reichen nun nicht von ferne hin, um
uns ein auch nur einigermassen deutliches Bild von seiner philosophischen Gedanken-
welt zu geben; ja es ist eigentlich kein einziges auf uns gekommen, aus welchem wir
ihn als den Gründer der eleatischen Schule mit Sicherheit erkennen könnten*''). Den-
noch kennen wir seine Philosopheme mit ausreichender Genauigkeit durch das unan-
fechtbare Zeugniss des Theophrast in doppelter, übereinstimmender und darum sich
einander beglaubigender Ueberlieferung. Erstens uäudich gjbt Simplicius, der Com-
mentator des Aristoteles, auszugsweise einen Beridit über seine Lehre, entnommen aus
der Physik des Theophrast, und zweitens ist eine kleine Schrift auf uns gekommen,
welche in ihrem diitten Capitel übereinstimmend mit jener Stelle bei Simplicius die
xenophaneische Lehre darstellt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass
diese flüchtig hingeworfene Schrift das von Theophrast niedergeschriebene Material ist,
dessen drittes Capitel er bei seiner Darstellung in der Physik benutzte^"). Nach dieser
zur Veröffentlichung nicht bestimmten, aber durchaus glaubwürdigen Skizze, die ich in
möglichst treuer üebersetzung zunächst wiedergebe, hat det Stifter der eleatischen
Schule Folgendes gelehrt^^):
„Wenn etwas ist, so kann es nicht geworden sein (dies sagte er in Bezug auf
die Gottheit); denn das Gewordene muss entweder aus Gleichem oder aus Ungleichem
geworden sein. Keins von beiden iiber ist möglich ; denn weder lässt sich vom Gleichen
in Bezug auf ein anderes Gleiches mit grösserem Rechte aussagen, dass es erzeugt
werde, als dass es erzeuge (denn dem dujchaus Gleichen kommt alles als dasselbe ein-
ander gegenüber auch auf gleiche Weise zu^^), noch kann das Ungleiche aus Ungleichem
werden. Denn wenn aus dem SchwJi(;hercn das Stärkere entstände oder aus dem Klei-
neren das Grössere oder aus dem Schlechteren das Bessere oder umgekehrt das Schlech-
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iere aus dem Besseren, so würde das l^ichtseiende aus dem Seienden [oder das Sei-
ende aus dem Nichtseienden]^') entstehen, was unmöglich ist. Deswegen ist Gott ewig.
Ist aber ferner Gott das über Alles Herrschende, so kommt es ihm zu, nur
einer zu sein. Denn wenn zwei oder mehrere Götter wären, dann gäbe es unter allen,
nicht mehr einen herrschenden und besten, denn jeder von den vielen, insofern er Gott ist
würde in gleicher Weise so beschaffen sein^*). Donn das ist Gott und Gottes Ver-
mögen zu herrschen, nicht beherrscht zu werden und überall herrschend zu sein^^)^ go
dass, so weit er nicht herrschend ist, er auch nicht Gott ist. Wären nun bei der An-
nahme mehrerer Götter diese in ihrem Verhältniss zu einander in einem Punkt herr-
schend, in einem andern nachstehend, so wären das nicht Götter, denn in der Natur
des Göttlichen^") hegt es, nicht beherrscht zu werden ; wären sie aber gleich, so be-
hielte Gott nicht sein Wesen, da er der Herrschende sein muss^^); das Gleiche ist aber
weder besser noch schlechter als das, was ihm gleich ist. Also wenn es einen Gott
gibt und Gott so beschaffen ist''**), kann Gott nur einer sein, denn sonst könnte er
nicht alles, was er wollte; er könnte es nämlich nicht bei der Existenz mehrerer
Götter^''*). Also ist nur ein Gott.
Wenn er aber einer ist, so ist er überall gleich und sieht und hört und hat
die übrigen Sinneswahrnehmungen überall; denn wenn das nicht so wäre, so würden
die Theile, die in Gott sind, einander gegenüber sich als herrschende und beherrschte
verhalten. Ist er aber überall gleich, so hat er Kugelgestalt, denn er ist nicht hier
gleich und dort ungleich, sondern überall gleich.
Wenn aber Gott ewig ist und einer und kugelförmig, so ist er weder grenzen-
los noch begrenzt. Grenzenlos nämlich ist das Nichtseiende, denn dies hat weder Mitte
noch Anfang noch Ende noch irgend einen andern Theil und ebenso ist das Grenzen-
lose. Das Seiende aber hat nicht die Eigenschaft des Nichtseienden. Grenzen hätte
es ferner, wenn es eine Vielheit wäre. Das Seiende ist aber weder dem Nichtseienden
noch der Vielheit gleich zu stellen. Denn was eines ist, hat nichts, woran es grenzen
kann. "
Dieses so beschaffene Eine, wie^'') er den Gott sich denkt, wird weder bewegt,
noch ist es unbewegt, unbewegt nämhch ist das Nichtseiende, denn weder kommt
etwas anders zu ihm, noch kommt es selber zu einem andern. Bewegt wird aber,
was mehr als eines ist, denn ein Ding muss sich nach dem andern hin bewegen. Nach
dem Nichtseienden hin nun bewegt sich nichts, denn das Nichtseiende ist nirgends.
Findet aber eine auf einander gerichtete Bewegung statt, so ist damit eine Mehrheit
angenommen. Deswegen, bewegt sich zwar eine Zweiheit und Mehrheit, und es ruht
und ist unbewegt das Nichts ; das Eine aber ruht weder, noch bewegt es sich ; denn
es ist weder dem Nichtseienden, noch der Vielheit gleich.
Nach allem verhält sich der Gott so: ewig und einer, gleich und kugelixirmig,.
weder grenzenlos noch unbegrenzt, weder ruhend noch bewegt."
So die Haupttiuelle für unsere Kenntniss der xenophaueischen Philosophie.
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Gewiss hat diese Gedankenreihe für den modernen Leser, wenn sie- ihm zuerst entgegen
tritt, etwas ungemein Befremdendes ; sie scheint voll von offenbaren Widersprüchen und
höchst seltsamen Anschauungen, von unzureichenden Argumenten und Lücken in der
Beweisführung. Ein kugelförmiger überall empfindender und denkender Gott, der
weder begrenzt ist noch unbegrenzt, sich weder bewegt noch ruht — wie hat ein ver-
nünftiger Mensch solche Ungereimtheiten ersinnen können, die wie baarer Unsinn aus-
sehen und von scharfsinnigen Gelehrten auch dafür gehalten worden sind^^). Andrerseits
aber ist dieser Mann unbestritten der Begründer einer philosophischen Schule, in
welcher der sonst nur allzusehr zu wegwerfendem Tadel geneigte Dühring in seiner
kritischen Geschichte der Philosophie (S. 32) den subtilsten Gedankenkreis findet,
dessen sich die gesammte griechische Philosophie rühmen könne. Allerdings darf ich
nicht verschweigen, dass Dührings Bewunderung besonders dem Zenon gilt, und dass
ihm Xenophanes „für die eigentliche Philosophie weniger erheblich" erscheint, aber eine
unbefangene, der Ueberheferung treu folgende Betrachtung der xenophaneischen Sätze
wird zeigen, dass der geniale Bhck des früheren Denkers nicht zurücksteht hinter dem
glänzenden Scharfsinn des spätem.
Wir müssen zunächst die Ansicht ganz fern halten, als ob Xenophanes Gott und
Welt als zwei unterschiedene Wesenheiten gedacht habe, die beiden sind ihm völüg identisch ;
er war eben so entschiedener Pantheist wie Spinoza, der unter seinem Gott nichts
anders, als die alles in sich schliessende Substanz versteht, ja er ist der erste, welcher
das pantheistische Grunddogma im Abendlande ausgesprochen hat. Schopenhauer
nennt deshalb mit gutem Recht Spinoza den Erneuerer der eleatischen Philosophie"*).
Dass aber Xenophanes mit seinem Gott nichts anderes als die Welt gemeint hat, geht
unwidersprechlich hervor aus der Allgemeinheit, mit welcher er durch Leugnung jeder
Zweiheit oder Vielheit alle Bewegung bestreitet, aus der Wendung, in welcher er dem
Begriff Gottes den des Seienden unterschiebt, und ausserdem wird dies als seine Auf-
fassung von den besten Zeugen versichert*"^). Seine Lehre vom kugelförmigen Gott
hat also gar nichts Befremdendes ; ja man hätte einem Philosophen, der seinen Gott
als einen kugelförmigen, die Gesammtheit alles Seienden in sich schliessenden beschreibt,
wohl zutrauen sollen, dass er damit gar nichts anders meinen konnte, als das Weltall").
Dieses Weltganze ist nicht geworden; denn ein Werden ist überhaupt nicht
denkbar. Aus einem Seienden, das ihm gleich wäre, kann nichts entstehen; denn
eben durch die Entstehung des einen aus dem andern wird eine Ungleichheit
zwischen beiden gesetzt; und nimmt man ein Entstehen aus Ungleichem an, so müsste
etwas Seiendes aus nichts entstehen oder zu nichts vergehen, was beides gleich unmög-
lich ist. So das wichtige gedankenschwere Philosophem und seine erste Begründung.
Ueber diese Begründung, welche Roth als haarfein und unerwartet genug bezeichnet,
aber zugleich als zu fein und zu viel beweisend*^^), mag man bedenklich sein, aber der
eleatische Grundgedanke, dass die sinnlich gegebene Natur, die sich immerfort verän-
dernde, neu gebärende und schnell wieder vergehende, dieser Wechsel von Aufblühen
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und Verwelken nicht das wahre Wesen der Welt, wie es mit dem Denken erfasst wer-
den könne, uns zeige, dieser Grundgedanke tritt in den Sätzen des Xenophanes unver-
hüllt zu Tage. Klarer begründet freilich finden wir ihm erst bei einem spätem Eleaten,
dem Samier Melissos, denn die Begründung, wie sie in den Fragmenten des Parmenides
uns noch aufbewahrt ist, hat auch unleugbare formelle Schwächen^^). Mehssos, der als
Philosoph viel bedeutender ist, als ihn Aristoteles hat gelten lassen wollen und auf
dessen Urtheil hin noch heute die meisten Kenner der eleatischen Philosophie, begründet
die Undenkbarkeit des Werdens so^'): „Wenn etwas geworden ist, so muss es aus
Seiendem oder aus Nichtseiendem geworden sein. Aus dem Nichtseienden aber kann kein
anderes Seiendes, geschweige denn das schlechthin Seiende werden; und aus dem
Seienden kann es nicht werden, denn dann wäre es schon und würde nicht erst**)."
Dieses ungewordene ewige Weltall muss nun, weil es mit der Gottheit identisch
ist, absolut vollkommen sein. Der Begriff der Vollkommenheit Gottes erscheint also
bei unserm Philosophen als ein des Beweises nicht bedürftiges Axiom. Aus der Voll-
kommenheit der Welt folgt ihm Einheit, sowohl im Sinne der Singularität wie
der durchgängigen Gleichheit, im ersten Sinne, weil Vollkommenheit als Superlati-
vität gefasst ist, welche die Existenz einer zweiten gleich vollkommenen Welt ausschliesst,
während eine zweite unvollkommene Welt dem xenophaneischen Welt- (oder Gottes-)
Begriff widerspricht, im zweiten Sinne, weil qualitative Ungleichheit der Theile der
Welt eine Superiorität der einen und Inferiorität der andern voraussetzen würde.
Darum ist auch nicht bloss der Mikrokosmos des Menschenleibes, sondern der Makro-
kosmos des Ganzen denkend und empfindend. Das All ist beseelt, nicht bloss der
Mensch. Materielles und Immaterielles erscheinen hier wie bei allen voridatonischen
Philosophen, auch bei Anaxagoras*^), noch nicht als zwei grundverschiedene Substanzen,
sondern dem Hylozoismus jener ältesten Philosophen gemäss ist mit dem Stoff, wie
andere Kräfte, auch die des Denkens zu einer unauflösbaren Einheit verbunden. Erst Plato,
Heraklits Weltanschauung von dem ewigen Fluss der Dinge in Bezug auf die Sinnenwelt
biUigend, und zugleich voll von dem Gedanken an ein ewiges unveränderliches Seiende
im Sinne der Eleaten hat durch die Lehre von den Ideen und dem sie erfassenden
reinen Denken klar und bestimmt das Materielle von dem Immateriellen geschieden.
Mit demselben, freilich unzureichenden Argumente wird auch die quantitative
Gleichheit des Weltganzen, seine Kugelgestalt, begründet.
Diese kugelförmige Welt ist nun lückenlos, ist ein Continuum, das zwar Theile
hat, aber keine räumlich gesonderten Theile. In der Welt gibt es keinen leeren Raum'*),
darum keine Vielheit gesonderter Dinge, also auch keine Grenzen innerhalb der Welt.
In diesem Sinne ist die Welt nicht begrenzt.
Aber auch unbegrenzt kann die Welt nicht genannt werden, denn die Welt-
kugel, so gross sie ist, hat doch ein Ende, eine Vollendung'^), welches der Philosoph
nicht als Grenze bezeichnet wissen will, weil nach seiner Terminologie Grenze etwas
anderes, ausser ihr vorhandenes voraussetzen würde.
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In ähnlicher Weise ist es zu erklären, wenn er vom Weltall BcAvegung so-
wohl wie Unbewegtheit verneint. Bewegung ist nur denkbar, wo mehr als ein Ding
vorhanden ist^^). Als ein Ganzes gedacht, kann es sich nun nicht bewegen, denn es
füllt den ganzen Raum aus, und niuunt man in ihm Bewegung an, so denkt man nicht
mehr die Welt als ein Continuum, sondern- lässt sie den früheren Sätzen zuwider aus
getrennten Theilen bestehen. Die Bewegung wird also hier nur als unvereinbar mit
dem Begriff der numerischen Einheit bestritten; Melissos hat den Gedanken weiter
geführt, indem er die Unmöglichkeit der Bewegung bei der Annahme der quahtativen
Einheit demonstrierte"); Zenon dagegen, nächst Xenophanes der productivste Denker
von den Eleaten, hat mit dem eindringendsten Scharfsinn nachgewiesen, dass bei jeder
Weltauffassung die Annahme der Bewegung das Denken in unlösbare Widersprüche
verwickle''*). Wird so die Bewegung in Bezug auf das Weltganze und seine Theile
verneint, so soll es doch andererseits auch nicht als bewegungslos gedacht werden.
Das ist eine wunderliche Behauptung, ein Widerspruch, der unlösbar zu sein scheint.
Und doch können wir nach der Vorstellung, die wir aus dem bisher Entwickelten uns
von dem tief blickenden Mann haben machen müssen, unmöglich annehmen, dass er
Gedanken ausgesprochen haben sollte, deren Thorheit und Widersinnigkeit ein Kindes-
verstand sogleich als solche zu erkennen vermag. Er kann aber auch den Begriff
der Bewegung, den er im Sinne der Ortsveränderung ausgeschlossen, nicht in der Bedeutung
der quahtativen Veränderung, oder des Werdens und Vergehens (das alles subsumiert
bekanntKch Aristoteles unter den allgemeinen Begriff der Bewegung) zugelassen
haben. Alle diese Arten der Bewegung stehen ja nicht minder mit der eleatischen
Lehre, wie sie schon Xenophanes aufgestellt hat, in Widerspruch als die räumliche
Bewegung. Das Unbewegte ist auch zugleich das Ungewordene, Unveränderliche,
Unvergängliche, aber alle diese negativen Prädicate drücken doch sein Wesen nicht
aus ; es ist auch das Allmächtige, überall Empfindende und Denkende, wie der Philosoph
es ausdrücklich gelehrt hat. Dieses Leben des Weltganzen hat offenbar Xenophanes
im Sinne, wenn er von dem sonst durchaus Unbewegten absolute Ruhe, die Ruhe des
Nichts und des Todes nicht aussagen will. Unbewegt in diesem letzteren Sinne nennt
er das Nichtseiende, dem die lebensvolle Welt nicht gleich sein könne '^). In dem ewigen
identischen Sein ist keine Unruhe, aber auch keine todesähnliche Erstarrung, keine
Veränderung, aber doch Leben^*'). Wem ein Widerspruch auch in der so aufgefassten
Antithese'noch zu liegen scheint, wer den Begriff des Lebens ohne den der Veränderung
nicht denken kann, der möge bedenken, dass er damit zugleich den Gottesbegriff spä-
terer Jahrhunderte angegriffen hat. Mir kommt es hier nur darauf an, darzustellen,
welches der Gedanke des Xenophanes gewesen, ihn zu befreien von der täuschenden
Hülle der unbehültiichen Darstellung, in welcher er uns überliefert ist. Danach ist
offenbar seine Ansicht vom Weltganzcn der ähnlich, die Angelus Silesius in den
Versen ausspricht") :
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Gott hat sich nie bemüht, auch nie geruht, das merk:
Sein Wirken ist sein Ruh'n, und seine Ruh sein Werk.
Zu diesen kühnen, mit den gewöhnlichen Vorstellungen in so grellem Wider-
spruche stehenden Sätzen ist Xenophanes erst nach vielem Zweifeln und Sinnen gelangt,
nachdem er sich lange Zeit skeptisch gegen die von andern aufgestellten Weltan-
schauungen verhalten hatte. Wir haben darül^er das unverwerdichc Zeugniss des Timon
von Phlius, des witzigen schneidigen Sillographen und Skeptikers, der in seinem Spott-
gedicht den Dogmatismus gleichzeitiger und früherer Philosophen verhöhnt. In diesem
legt er dem Xenophanes, den er höher als die andern stellt, weil er in dem ersten
Stadium seines Philosophierens skeptische Elemente erkannt hatte, folgende Selbstanklage
in den Mund^^) :
Wäre doch kluger verständiger Sinn zu Tlieil mir geworden,
Kühles, besonnenes Denken ! Doch trog mich am Ahend des Lebens
Trüglicher irrender Pfad. Da verlor ich die klare Besinnung.
Was ich auch sah, und wohin ich auch wandte mein Sinnen und Denken,
Stets in das Eine löst' es sich auf, ein Gleiches war alles,
Eine Natur und eine Gestalt, allorten dasselbe.
Mit diesem geschichtüchen Zeugniss stimmt auf das beste ein Eragment aus
den Gedichten des Philosophen selber, das also vor der abgeschlossenen dogmatischen
Ausbildung seiner Einslehre gedichtet sein muss und uns das bis dahin erfolglose Ringen
nach einer sicher begründeten Weltanschauung widerspiegelt^") :
Lautere Wahrheit sah kein Älensch und wird sie nicht sehen
lieber das Wesen der Götter und über die Welt und die Menschen.
Und selbst, traf er einmal die vollkommene lautere Wahrheit,
Weiss er es selber doch nicht; es ist alles nur Meinen und Dünken.
Aber auch in Bezug auf die Periode, in welcher er dem Welträthsel gegenüber
das erlösende Wort gefunden zu haben glaubte, sind zwei Verse von ihm auf uns gekommen
Nicht von vorne herein enthüllten uns alles die Götter,
Sondern wir selber allmählich erforschen und finden das Bessre.
Man wird ja mit Recht Bedenken hegen, ihn solcher Aeusserung wegen den
Skeptikern geradezu beizuzählen, denn sie zeigt uns den Philosophen nur in einer
Periode seiner Entwickelung, und für seinen Dogmatismus liegen viel klarere Zeugnisse
vor; ausserdem enthalten sie nichts von skeptischen Argumentationen, nichts von einer
skeptischen Theorie; aber darauf muss doch nachdrücklich hingewiesen werden, dass
mit diesen Versen Xenophanes zuerst unter den Philosophen zwar nicht jede Möglich-
keit der Erkenntniss der Wahi'heit, aber das Vorhandensein eines Kriteriums für diese
Erkenntniss geleugnet hat. Eine Geschichte des Skepticismus wäre also unvollständig,
die nicht mit dem Xenophanes anfinge, in dessen Gedicht uns der erste Keim skepti-
scher Gedanken enthalten ist^").
Die Summe aber seiner dogmatischen Philosophie ist: Es gibt kein Werden,
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keine Vielheit getrennter Dinge, keine Bewegung und Veränderung, sondern ein be-
harrendes unbewegliches, den ganzen Raum erfüllendes, allmächtiges Sein, voll von
Denken und Empfindung. Dieses eine Seiende ist Gott.
Die Darstellung, die ich von den Philosophemen des Xenophanes gegeben
habe***), steht in Widerspruch mit dem, was Zeller in seinem geistreichen und ge-
lehrten Werke über die Philosophie der Griechen von unserem Philosophen berichtet.
Weil Zeller die sehr wichtige oben erwähnte theophrastische Schrift als weder von
Aristoteles noch von Theophrast herrührend und als eine ganz unzuverlässige Quelle
über die xenophaneische Philosophie betrachtet, muss er natürlich eine Anschauung von
dem Manne gewinnen, die denselben philosophisch viel weniger bedeutend erscheinen
lässt, als er nach meiner Ueberzeugung wirklich ist.
Mir steht der häufig so gering geschätzte Xenophanes höher als sein unmittel-
barer Schüler, der hochgefeierte Parmenides, Freilich hat auch dieser geistvolle, ■ sitt-
lich reine Mann, der seinen Mitbürgern Gesetze gegeben, grosse unleugbare Verdienste
um die W^eiterbildung der eleatischen Philosophie. Was sein Meister in oft unbehülf-
licher, widerspruchsvoller Form gelehrt hatte, dem gab der hochbegabte Mann strengere,
durchsichtigere Formen und vertheidigte es mit Schwung und Schärfe gegen die ent-
gegengesetzte Ansicht, die bereits dem Xenophanes gegenüber Heraklit von Ephesus
aufgestellt hatte. Nach diesem gibt es kein beharrendes Sein, was Xenophanes als
das einzig Denkbare gelehrt hatte, überall vielmehr ein ruheloses Werden. „Nach
ihm ist gerade in Jedem Entgegengesetztes vereint, wie Leben und Tod, Jugend und
Alter, und jedes Glied des Gegensatzes schlägt in das andere um. Alles ist identisch
und nichtidentisch. In denselben Fluss steigen wir wieder hinab und auch nicht in
denselben. Alles iliesst*^^ *" )." Schärfer konnte der Widerspruch gegen die eleatische
Lehre nicht hervortreten als bei diesem Antipoden des Xenophanes und Urahnen der
Ilegelschen Logik*-). Gegen diese Weltauffassung hat Parmenides in seinem philoso-
phischen Lehrgedicht harte, höhnende Worte. Unverstand, sagt er von seinen Gegnern,
lenkt ihren irrenden Sinn, sie treil>en dahin in Dumpfheit und Blindheit, eine verblüffte,
verworrene Schaar, denen Sein und Nichtsein als dasselbe gilt und wieder als nicht
dasselbe. Ausser der Polemik gegen Heraklit ist es dem Parmenides noch eigen-
thümlich und ist sein Verdienst, die Grundgedanken des Eleatismus in kurze bestimmte
Form gefasst zu haben : Nur was ist, kann gedacht werden und nur was von Men-
schen ohne Widerspruch gedacht werden kann, hat Existenz. Vom Nichtseienden, das
bei der Annahme des Werdens vorausgesetzt werden müsste, gibt es keine Erkenntniss.
So lehrt uns die überzeugungskräftige Wahrheit, aus den Sinnen schöpfen wir nur trü-
gerische Meinungen, was sie uns zeigen, ist nicht das Seiende, sondern leerer nichtiger
Schein. Dennoch hat es Parmenides nicht verschmäht, in dem zweiten Theil seines
Gedichts auch von dieser Welt des Scheins hypothetisch eine Erklärung aufzustellen.
Sonst folgt er treu dem Xenophanes, nur der Gottesbagriff, den jener mit dem
Weltbegriff als identisch denkt, ist in der Lehre des Parmenides völlig verschwunden,
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15
an seine Stelle tritt das ungewordene und unzerstörbare, kugelförmige, einheitliche,
unbewegliche Eine^^).
Auch Melissos von Saraos, der als Feldherr im samischen Kriege ehrenvoll
gegen Perikles kämpfte, ist keineswegs ein so untergeordneter Denker, als welcher er
häufig betrachtet wird. Bei ihm finden wir für einzelne eleatische Lehren scharfsinnige
Begründungen, die von Xenophanes und Parmenides wenigstens nicht auf uns gekommen
sind, und als selbstständigen Denker zeigt er sich dadurch, dass er das Weltganze als
ein unendliches auffasst, nicht als ein kugelförmiges, wie Xenophanes und ihm folgend
Parmenides. Freilich wurde er von Zenon von Elea, einem der scharfsinnigsten Denker
aller Zeiten, weit überragt. Dieser nahm auch an der gesetzgeberischen Thätigkeit
seines Lehrers und Freundes Parmenides Theil und zeigte, als er muthvoU gegen einen
tyrannischen Gewaltherrscher auftrat, unter Foltern die äusserste Standhaftigkeit^).
In der That alle vier seltne hochbegabte Männer. Glänzender Scharfsinn,
weitabgewandtes Grübeln verbunden mit energischer Thatkraft und lebendiger Theil-
nahme an menschlichem Wohl und Wehe. Männer von entschlossenem Denken und
entschlossenem Handeln und dabei, so weit unsere Zeugnisse reichen, von hoher sitt-
licher Reinheit.
Dem ax'men, heimatlosen Dichter und Denker unter ihnen ist freilich bei Lebzeiten
ein trübes Loos zu Theil geworden, und auch nach seinem Tode hat die ganz unver-
diente Geringschätzung, die Aristoteles unverhohlen gegen ihn zur Schau trägt, nur
zu viel auf die Würdigung des höchst bedeutenden, bahnbrechenden Philosophen ein-
gewirkt. Aber die Fragen, die Xenophanes zuerst aufgeworfen und Zenon am schärf-
sten formuliert hat, beide freilich nicht gelöst haben, gehören zu den wichtigsten und
schwierigsten, mit welchen das philosophische Denken sich beschäftigt. Denn die dun-
kelsten Probleme des Denkens liegen nicht in entlegenen Zeiten und Räumen, nicht in
absonderlichen, selten vorkommenden Erscheinungen, sondern in der uns täglich und
überall umgebenden Welt, in den iimeren Erfahrungen, die wir stündlich machen.
Worin der hausbackene Verstand gar keine Schwierigkeiten ahnt, wo er eine lichte
sonnige Fläche sieht, da schaut der Philosoph hinein, wie in einen dunklen Abgrund
voll unauflöslicher Räthsel und Widersprüche. Dass sich dieses tief bohrende philoso-
phische Denken schon im Anfange der griechischen Philosophie unverhüllt und
deutlich zeigt, ist auf das höchste zu bewundern^^), und der erste, der solche in
dunkle Tiefen dringenden Gedanken ausgesprochen hat, ist Xenophanes von Kolophon.
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Anmerkungen.
la) ITovnd. T, IC.?- 107.
lli) Cicero (aca(l(Mii. \n: II, 12!») Itffasst unpassonil f!;onu2; die! Kli'ati'ii und dio Mogarikfr unter
dorn allgomoineii Namen der mofjarisr.licn Schule.
2) Strabo XIV, f.dS.
3) bei Laert. Dioji. IX, 11).
4) ji. a. 0. IX, IS.
5) bei Atlienaeus Deipiios. XII, 52G.
f>i a. a 0. II. 54 E.
7) Des leichteren Verständnisses wegen statt der uns fremdartigen e()fßiVi}oi (Kichererbsen)
des Originals gesetzt.
8) Mit dieser Berechnung stimmt die Angabo des Laertius Diogenes (IX, 20\ dass er Ol. liX
geblüht habe, des Eusebius praep. evang. XIV, 17, HO, dass er mit Pythagoras, auch des Sotion bei
Eaert. Diog. IX, 18, dass er mit Anaximander gleichzeitig gelebt habe, nicht minder die Nachrichten, die
ihn mit dem Tyrannen Iliero und mit dem Simonides in Verbindung bringen. (Plut. regum apophtb.
lemorns IV. Schol. ad Aristoph. Pac. v. 696). Wie die damit nicht zu vereinigende Angabe des
ApoUodor (bei Clem. Alexandr. Strom I p. 301, C), aufweiche Cousin in seiner Besprechung des Xenophanes
in den Fragments philosophii[ues sich stützt, wahrscheinlich zu emendieren sei, hat Roth, Geschichte
unserer abcndl. Philos., 2. AuH,, II, 2. Note 185 überzeugend nachgewiesen.
Dass übrigens Xenophanes den Pythagoras überlebt habe, wie allgemein angenommen wird
(so z. B. Zeller, Phil, der Griechen. Aufl. 3, Theil I, 450, 1. Ueberweg, Grundriss der Gesch. der Phil.
Aufl. 4. S. 54 Roth a. a. 0. 11, J. 179), bezweifle auch ich nicht ; wenn man aber dafür in Xenophanes eige-
nen Worten eine klare Bestätigung fludcn will, so scheint mir das sehr bedenklich. Den Beweis findet
man nämlich in einer Jlittheiluug des Laertius Diogenes (VIII, 30), wo es heisst: JleQl dt TOvaXloie
aklov avidv (rivD-ayöoav) y^ysvijaD-ai ^evorpävt^g iv ikeyüre nQoaf.iaQTvnei, rjg aQX^y
Nvv ovi' t'aXXov e/reifu loyov, dsi^io de xiXeviyov. ö dt tceqI auvoü q^);aiv,
ovciog tx^-i.
Kui noii fitv aivrptli^ofili'ov oxvlaxog ttuoiovtu
(faalv i/ioixvdQui xcei rode (päaO-ai ercog'
Ttavaat, fif,öt ltüiTi'C\ i/xsitj cpikov dveQog ioil
V"'ZV; ^l^** ^y*'''ff' f/'>f}'5«,«£>'J;ff al\i)r.
Ich kann aus den Worten des Xenophanes nur heranalesen, dass er die pythagoreische Me-
tempsychose verspottet hat: dass er aber diese Verse nicht zu Lebzf^iten des Pythagoras gedichtet ha-
ben könne, dafür linde ich in ihnen nicht den geringsten Anhalt.
i^iS^'::äS»-=?'7l?;> '!LLi/.-4fe.i; 'i: >4 <::.IL: i:l -JjtS^^^
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17
9) Censorinus de die nat. ]5, 3.
10) Darauf weist, die Anocdote bei Plutarcli do vitioso pudoro c. 5. hin, die ihn mit Lasos von
Hermione zusammenbringt, der an dem Hofe des Hipparch zu Athen lebte.
U) Laert. Diog. IX, 18.
12) a. a. 0. 20.
13) Dass Xenoph. des Parmenides Lehrer gewesen, ist aus dem Inhalt der Philosopheme bei-
der über allen Zweifel erhaben, und ausdrücklich sagt es auch, um spätere unerwähnt zu lassen, einer der
zuverlässigsten Zeugen, Theophrast bei Simplicius in Arist. Phys. fol. 5, b. Als eine zweifelhafte Sache
wird es auch keineswegs durch die Worte des Aristoteles (Metaph, I 5. 986, b, 22) 6 yaQ riaQftendr^g
TOVTOV keyszai f{ai});zi}g bezeichnet, und es bedarf nicht Ueberwegs (a. a. 0. 57) Erklärung, dass
das keyerat, vielleicht auf das Halbwahrc des Ausdrucks (.i(xi}i]Xi^s zu deuten sei, da Parmenides mehr
durch die Schriften, als durch mündlichen Unterricht des Xenoph. zu seiner Forschung angeregt sein
möge, und da er nicht in einem blossen Schülerverhältniss zu seinem Vorgänger stehe, sondern das
metaphysische Princip des Eleatismus seinerseits erst geschaffen habe. Dem Letzteren muss ich durchaus
widersprechen, und diesen Widerspruch darzulegen und zu begründen ist der Hauptzweck der vorliegen-
den Abhandlung, Und wenn ein Aufenthalt des Xenoph. in Elea aus dem im Text Mitgetheilt«u über-
aus wahrscheinlich ist und auch allgemein angenommen wird, so liegt es doch am nächsten, die Ab-
hängigkeit des Parmenides von ihm durch persönlichen Verkehr beider, zumal in jener Zeit, zu erklären
Dass freilich Aristoteles von Xenophanes eine sehr ungünstige Meinung gehabt und den Schüler
hoch über den Lehrer gestellt hat, ist bekannt genug; diese Ansicht wirkt ja noch heutzutage sehr
sichtbar nach ; es könnte also diese Geringschätzung auch in dem /.eyercu ausgedrückt sein. Aber
dieser scheinbar die Sache im Zweifel lassende Ausdruck ist wohl eben so aufzufassen, wie häufig ein
q^aoi in den Demosthenischen Reden. ^So Dem. in Midiam 39, D dazu Buttmanns Note 338 und 344;
Westennann zu Demosth. in Lept. 1 1.) Und gerade Aristoteles liebt mehr als andere Schriftsteller eine
eigenthümlich vorsichtige und limitierende Ausdrucksweise in Dingen, über welche er nicht im mindesten
im Zweifel ist. Vergl. darüber Zeller a. a. 0. I, 29G, 3. Zu den dort citierten Stellen füge ich noch
hinzu 984, a, 29, wo mit dem evioi ye sicherlich alle Eleaten gemeint sind. Vergl. auch des Verf. Bei-
trag zur Darstellung der Philosopheme des Xenoph. Danzig 1871. S. 13,
14) II, 23 ; 1400, b. 5.
15) Laert. Diog. IX. 18.
16) a. a. 0. 19. i} log rxiora i} Mg ijdiota.
17) Suidas s. v. ijxiora,
18) Plutarch apophthegm. regum 'leQ(ürog. IV.
19) Plutarch de vitios. pud. c, 5.
20) Laert. Diog. IX, 20.
21) Laert. Diog. VIII, 56. In dem oben citierten Beitrag zur Darstellung etc. habe ich S. 18
Anm., Andern folgend, bestritten, dass Xenophanes noch mit Empedokles habe verkehren können. Bei
näherer Erwägung scheint mir aber doch kein genügender Grund zu sein, die Thatsache in Abrede zu
stellen. Wenn nämlich Xenophanes bis 470 gelebt hat, so kann Empedokles, dessen Geburt Zeller
a. a. 0. 605 Anm. ins Jahr 49G setzt, seh)- wohl mit ihm vorkehrt haben. Ja, es bedarf nicht einmal
der Annahme des oben erwähnten Zeugnisses des Censorinus von der mehr als hundertjährigen Lebens-
dauer des Xenophanes; er brauchte nur noch wenige Jahre nach jener Zeit (478) gelebt zu haben, in
der er selbst sich als 92jährigen Greis bezeichnet.
22) Laert. Diog. IX, 20.
23) Die dafür sprechenden Zeugnisse sind oben alle mitgetheilt Roth a. a. 0. II, 1. 184 fügt
noch hinzu, es scheine der verwaiste hochbejahrte Mann am Ende seines Lebens nur noch durch die
Unterstützung zweier reicher und wohlwollender Pythagoreor sein Dasein gefristet zu haben, und ver-
weist in der Anmerkung dazu auf Laert. Diog. IX, 20. Dort steht doxü dt TceTCqüa'&ai imo nüp
3
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18
nvO-ayoQtxcüv TlaQfisviaxov xal ÖQeOtaöov. Dieses allerdings wabrscheiulich vorderbto neriQÜada .
will nun Roth in 7l€7taoi}ai emcndicren, indom er begründend hinzufügt: ,,von /tuTEO^iat, kosten
speisen = TetQacpO^ut'^ (soll beissen TsD^QUffDat, das Versehen findet sich schon bei Karsten), „welches
Karsten emendieren will, statt des ganz sinnlosen TieTiQäo'&ai ; dass aber die Deponentia im Perfect so-
wohl active als passive Bedeutung haben, ist bekannt; s. Matth. gr. Gr. II, p. 931, e; nsTiaad^ai heisst
also hier gespeist, ernährt werden." Zu dieser übereilten, sehr drolligen Conjectur ist Roth durch den
doppelten Gebrauch des deutschen Wortes „speisen" verführt worden und hat nicht bedacht, dass bei
der von ihm epipfohlenen Textescoustituierung, abgesehen von grammatischen Bedenken, die beiden Py-
thagoreer statt als mildthätige Menschen vielmehr als Cannibalen erscheinen.
24) Laert. Diog. IX, 20.
25) Laert. Diogenes hat IX, 19 die Worte: yeyQUfs de xal iv STieai xal fleyelag xal
idfißovg xceif '^Hatööov xcd 'Ofi^Qov, iTiixÖTizittv aviöir rd 7ie()L O^siöv elQrjiiva.
Wachsmuth De Timone Phliasio p. 30 übersetzt dies: Scripsit etiam versibus constrictos
libros eosque et elegias et carmina probrosa contra Ilomerum et Ilesiodum composita ea quae de deis
dixerunt castigans. Ich kann mich von der Richtigkeit dieser übrigens nicht neuen, sondern schon von
Ambrosius und Aldobrandiuus her datierenden Auffassung nicht überzeugen ; wenn nämlich auch immerhin
STlTj öfter im allgemeinen Sinne von Gedicht und Versen gebraucht und statt der besonderen Hczeich-
nung für elegische, anapästische, jambische Gedichte gesetzt worden ist, so ist damit noch keineswegs
erwiesen, dass man je gesagt hat ev ETieaiv tXeyeiai; xai idftßovg yQmpeiv. Die Ilinzufügung der
beiden ersten Worte wäre selbst dann kaum erträglich, wenn im Voraufgohenden von Xenophancs als
von einem prosaischen Autor die Rede gewesen wäre.
Es wird also wohl bei der Ilübncrschen Interpretation sein Bewenden haben: Scripsit carmine
heroico, item elegias et iambos. Unter den hexametrischen Gedichten aber, die hier an erster Stelle
erwähnt werden, verstehe ich das philosophische I^ehrgedicht, da die eigentlichen Epen nachher ('20)
besonders erwähnt werden. Dass unter den Jamben die dem Xenophanes von mehr als einem Zeugen
beigelegten Sillen zu denken seien, darin stimme ich mit Wachsmuth durchaus überein. Ob freilich den
Sillen alle die zehn Fragmente (,S. 73— 7G) beizuzählen seien, bezweifle ich; entschieden in Abrede
stellen möchte ich es von Fragm. V und VI, die nach dem, was wir von Xenophanes Lehre wissen
sicherlich in dem Lehrgedicht gestanden haben werden. Dass Wachsmuth die von üscnor, wenn auch
immerhin geschickt, nachconstruierten Verse als poetische Fragmente (Villi u. X) in den Text aufgenommen
hat, ist wohl nicht zu billigen ; viel dreister freilich noch ist Roth gewesen, welcher (a. a. 0 II, 2 Anm.
240) seine Reconstruction nicht einmal von metrischen Fehlern frei gehalten hat.
26) Von Moralphilosophie finden wir in den Fragmenten des Xenophanes und in den Berichten
über ihn keine Spur. Roschmann freilich (dissertatio historico-philosophica de Xenophane. Altorf
1729 p. 26) behauptet „moralis <iuoque Philosophiae aliquam fuissein Xenophane notitiani," hat davon aber nur
^nonnuUa obscuriuscula vestigia" auffinden können, die indessen vielmehr gar keine sind. Neuerdings aber
ist gar der Versuch gemacht worden, eine ausführliche Darstellung xenophaneischer Moralphilosophic
zu geben, von P. Rüeffer in seiner Dissertation De philosophiae Xenophanis Colophonii parte morali.
Lipsiae 1868. Der Versuch ist missglückt und musste missglücken aus dem sehr triftigen
Grunde, dass eine xenophaneische Moralphilosophie überhaupt gar nicht existiert. Will man jede poetische
oder prosaische Darlegung von Lebensanschauungen für Moralphilosophic ausgeben, so müssten alle
Dichter, Redner, Historiker den Moralphilosophen beigezählt werden und sehr viele mit viel grösserem
Rechte als Xenophanes. Dieser war nur Metaphysiker oder im alten Sinne des Wortes Physiker.
Uebrigens ist auch abgesehen von dieser vorkehrten Voraussetzung die kleine Schrift voll von schiefen
Auffassungen und Uebereilungeu, wofür ich weiter unten wenigstens einige Belege geben werde.
27) Athenäus, welcher diese Plegie X p. 413 mittheilt, fügt hinzu, aus ihr habe Euripides seine
ähnlichen Gedanken im Autolykos entlehnt. Der Gedanke ist aber so schlicht und so leicht sich jedem
Denkenden darbietend, dass eine grosse Aehnlichkeit in der Form vorhanden sein müsste, wenn mau
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eine Entlohnung anzunelimen berechtigt sein sollte. Dasselbe Verhältniss ist zwischen dieser Elegie
und dem Anfting des Pauegyrikos des Isocrates. — Roth, welcher II, 182 eine Uebersetzung der ersten
vierzehn Verse gicbt, lässt den Nachsatz erst mit Vers 11 beginnen, dessen Anfang er zu diesem Behuf
Aura. 194 umgestaltet in ovx sot cf^iog, ÜOTcsq eyct). Das ist aber wegen des fehlenden xs ungram-
matisch. Ausserdem würde nach seiner Auffassung zwischen dorn fünften und sechsten Verse ein ganz
uuerträgliches Asyndeton stattfinden,
28) bei Athen. Deipnos. XI, p. 462. In dieser Elegie, besonders in der zweiten Iliilfte, ist der
Text noch keineswegs so festgestellt, dass nicht Zweifel über die ursprüngliche Form gestattet wären.
Auf die Uebersetzung aber, in der ich hier wie in den andern Stücken mehr nach möglichst leichtem
Fluss der Dictiou als nach ängstlicher Genauigkeit in wörtlicher Wiedergabe gestrebt habe, hat das
keinen erheblichen Einfluss.
29) bei Laeit. Diog. VIII, 36.
30) bei Athen. Deipnos. XI c. 18 (tom. II, p. 847 ed. Meinek.)
31) bei Athen. Deipnos. IX, 368.
32) Zu diesen rechnet Wachsmuth a. a. 0. p. 32 mit Harles und Schneidewin und die ent-
gegengesetzte Ansicht von Weland und Karsten tadelnd auch das oben S. 3 mitgetheilte Fragment. Er
findet nämlich eine bittere Verspottung des Homer darin, dass Xenophanes die Worte Tig Tiod^sv
ait; avÖQtöv einem solchen in den Mund legt, der sich beim Becher Wein in behaglichem Geschwätz
die Zeit vertreiben wolle, während sich (wie Wachsmuth in augeblich xenophaneischem Smne hinzufügt)
dergleichen nicht für einen ehrbaren Mann und ernsten Dichter gezieme. Diese Begründung muss ich
durchaus zurückweisen. Das sollte sich nach Xenophanes Meinung nicht für den ehrbarsten und
ernstesten Menschen geziemen, wenn er beim Freundesgespräch der trüben Vergangenheit gedenkt, die
ihn aus der Heimat verbannte? Solche ernsten Erinnerungen sind es ja gerade, die der Dichter neben phi-
losoi)hischen Erörterungen als den besten Gesprächsstoff in seiner Elegie auf das Symposion (v. 20) empfiehlt.
Dennoch mögen die Verse der Anfang eines Sillos sein, weil Athenäus sie als aus den Parodieen des
Dichters entnommen bezeichnet. Nur muss man dann entweder den Begriff der Sillen weiter fassen und
unt«r ihnen alle Gedichte verstehen, in die überhaupt homerische Verse verwebt waren, oder es muss
angenommen werden, dass in dem weitern Verlauf des Gedichtes der spottende Character deutlicher
hervorgetreten ist. Wie die Sache liegt, spricht nichts als des Athenäus Zengniss für die Meinung
Wachsmuths, seine eigene Begründung am wenigsten.
Mit Sicherheit werden sich ausserdem nur Fragm. 1 (bei Wachsmuth p. 73) des Zeugnisses des
Scholiasten zu Aristophanes wegen, II, IUI, VII, VIII wegen des deutlich hervortretenden invectiven
Characters als Fragmeute von Sillen bezeichnen lassen. Von diesen sind Fragm. I und IUI für eine
Dai'stellung des Xenophanes ohne Bedeutung und daher auch im Text nicht berücksichtigt worden.
33) Clem. Alexand. sagt ström. VII. p. 711 Sylb. im allgemeinen von der griechischen Religion :
"EkhjVsg ct'oTceQ avO^QcoTiofiÖQcpovg ovrcog xal uvi}()cono7iai}elg rovg O^eovg vTTOtiO^svzai xai
xad^aTCSQ rag f.iOQ(fo:g avriöv öuoiag tovroig h'xaOTOt- diaCioy^afpovoiv und fährt dann Worte
unseres Philosophen citierend Aveiter fort üg q^raiv 6 xsvoffdvrg Aii>io7iBg t€ fiilcn'ag atfioüg
T€, 0Qäxsg TS nvQQOvg xai yXavxovg, o'vTotg xal rag ipvxag o/toiag tavroTg avaTiXartovaiv
Rüffer glaubt dagegen offenbar (p. 12), üass auch jene allgemeine Bemerkung über die anthropomor-
l)hischen und anthropopathischen Vorstellungen Worte des Xenophanes seien.
34) Zeller, die Entwickelung des Monotheismus bei den Griechen. Stuttgart 1862, S. 15. Wenn
aber Zeller (S. 14) sagt: „So tritt hier zuerst der Vielgötterei des griechischen Volksglaubens und der
Vermenschlichung des Göttlichen der Monotheismus mit vollem Bewusstsein grundsätzlich entgegen" —
so hat mau sich unter dem Monotheismus nicht eine der christlichen oder jüdischen Vorstellung ähn-
liche Leliro von einem Gott, der die von ihm unterschieden zu denkende Welt regiert oder gar erschaffen
hat, zu denken; sondern einen aus der polytheistischen Naturreligion gewordenen philosophischen Pan-
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theismus. Das ist Zellers eigeuo Meinung. Vergl. Phil, der Griechen, 2. Aufl. 1856, S. 385. ebenso 3.
Aufl. 1869, S. 457. Danach ist auch zu beurthcilen, was Roth a. a. 0. II, 1. 193 sagt: „Xeuophanes
ist also der Schöpfer des ersten m\t klarem ßewusstsein aufgestellten einheitlichen Gottesbegriflfes, der
Schöpfer des Monotheismus, und zwar in einer ganz unserer modernen Denkart entsprechenden Weise,
gebildet aus denselben Begriffs-Elementen, und gefunden durch dieselbe Denkmethode, wie unser mo-
jb •• • detner Monotheismus auch." Dazu vergleiche n»in, was Roth S. 196 sagt: „Xeuophanes ist also der
*r- • Schöpfer der pantheistischen Denkweise im motternen Sinne, und die bedeutende Stellung, welche er
unter den Denkern einnimmt, braucht demnach kaura noch hervorgehoben zu werden."
35) bei Sextus Empir. adv. Mathem. IX, 193 und I, 289. Vergl. Karsten Xenophanis reliquiac
p. 43.
36) Vergl. über die verschiedene Ueberlieferung dieser beiden Verse Mullach Fragmenta
t, philosophorum Graecorum t. I p. 101. Der erste ist (abgesehen von Varianten, die vom Echten offenbar
noch weiter abführen) so überliefert:
ukla ßoOTol doxkoiHSi i}eovg ysvväaO'ai.
Diesem unvollständigen Verse fügt Mullach zum Schluss Ofioiiog hinzu und erklärt es durch pariter
atque ipsos. In dem blossen Ojnoicog kann das unmögHch liegen; aber es ist möglich, dass der Vers
in einem Zusammenhang gestanden hat, der das von Mullach vermuthete Ofioi<()g hätte verständlich
machen können. Wachsmuth (p. 75) macht versuchsweise den Vers vollständig durch ein nach ßQOroi
eingeschobenes fiti)QOi. Ich glaube, wir können jede Conjectur entbehren, wenn wir annehmen, dass
der Vers keine durch Abschreiber verschuldete Lücke, weder in der Mitte noch am Ende, sondern eine
durch den Zweck des Citats gebotene Lücke am Anfang hat. (So hat es auch Ileinichen in seiner
Ausgabe von Euseb. Praej). ev. t. II. i>, 269 aufgefasst.) Demgemäss habe ich auch in der Uebcrsetzuug
den ersten Versfuss weggelassen.
37) Vergl. Mullach a, a. (>. p. 102.
38) Vergl. Anm. 33.
' 39) bei Euseb. Praep. evang. XIII, 13 ed. Ileinichen t. II, p. 269.
40) citiert ohne Namen des Dichters von Sextus Empir. adv. Math. IX, 144. Dass aber der
Vers ganz unzweifelhaft dem Xenophancs gehöre, darüber siehe Mullach a. a. 0. 101.
41) bei Simplicius in Arist. Phys. f. 6. Dass dieses Citat ursprünglich zwei Hexameter gewesen
sind, ist sehr wahrscheinlich; dass aber die Karstensche Emendation das Echte wiederhergestellt hat,
bezweifle ich, ohue über den Zweifel hinaus zu einem positiven Vorschlag zu kommen. Vergl. über
diese Bedenken Verf. Beitrag zur Darstellung der Phil, des X. S. 5. Anm.
* 42) Simplicius a. a 0.
|*i 43) Vergl. Zeller, die Entwickelung des Monotheismus bei den Gr. S. 15.
^' ■■. 44) epp. V, 12 in.
45) Verf. Beitr. zur Darst. d. Phil. d. X. S. 8 ff.
46) Laert. Diog. IX, 1. /7oA<7ta^//; röov ov didctaxei. 'Haiodov yuQ ixv tdidu^e
xal nvt)^a'/ÖQrv, ainig re Bivoipävfü re xai 'ExaraJov.
&■■'■ 47) Laert. Diog. IX, 18 sagt, nach einigen sei er niemandes Schüler, nach .andern des Atheners
t ,'. Boten (einer uns völlig unbekannten Persönlichkeit) oder des .\rchelaos gewesen (welches Letztere schon
aus chronologischen Gründen unmöglich ist). Ebenso wenig Wcrth natürlich hat die Angabe (1, 15), er
sei ein Schüler des Telauges, des Sohnes des Pythagoras gewesen. Auch was Plato im Sophisten
(p. 242 D) von dem ikscaixov pO-vog sagt chio ^Bevorpavovg re xal sii Tiqöaiyev äQ^<xf.ievov,
l.^> • log evog ovTog xotv TtüvzdJv xakovfiiviov ht schwerlich auf einen dem Plato bekannten Einheitslehrer
im eleatischen Sinne zu deuten (vergl. Zeller Phil, der Gr. I, 451. Anm.), dessen Namen er bei seinem
lebhaften Interesse für die eleatische Lehre wohl einmal genannt haben würde. Ausserdem steht
solcher Annahme das bestimmte Zeugnis« des dem Xenoplmnes so wenig geneigten Aristoteles entgegen :
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met. T c. 5. 986, b, 21: ^evo(f vertag de TiQonog tovtmv Iviaug. — In ähnlicher Weise übrigens
wie Plato von Vorgängern des Xenophanes spricht Theophrast von Vorgängern des Thaies (ed. Wimmer
Par. 1866. p. 424. fragm. XL). ^ ,
48)' Dieselbe Ansicht in Plutarchs Strom, bei Eusebius praep. evang. I. 8, 4: xevofpavt^t^....
Idiav Tivct bdov 7i€7iOQevfievog xcd TTaQr^XXaxvlav nccvrag rovg itQOSiQrf.ievovg.
49) Denn die oben erwähnten Fragmente seines Lehrgedichts zeigen ihn uns nur als einen
pantheistischen Theologen, andere nachher zu erwähnende als einen mit Naturerscheinungen sich beschäf-
tigenden Dichter.
50) Die Gründe für diese Ansicht von den Quellen, aus denen die Kenntniss der Philosophie
des Xenophanes zu schöpfen sei, habe ich dargelegt in Quaestionum Xenophanearum c. II. p. 40 sqq.,
wo ich hauptsächlich darzuthun versucht habe, dass c. III des libellus auf keinen andern Philosophen
als Xenophanes bezogen werden kömie. Die volle Zuverlässigkeit der geschichtlichen Mittheilungen des
Verfassers und die grosse Wahrscheinlichkeit, dass als dieser mit Brandis Theophrast anzusehen sei,
habe ich rücksichtlich der cap. I u. II im Philologus Band XXVI durch die Abhandlung QeofpQaOTOV
TtSQL MeXiaaov und in Betreff der cap. III u. IV in dem Beitrag zur Darstellung der Philosopheme
des Xenophanes zu erweisen versucht. Von der Beziehung jenes dritten Capitels auf Xenophanes (freilich
als einer unzuverlässigen Quelle) ist jetzt auch Zeller überzeugt und hat dieser Ueberzeuguug in der
dritten Auflage seines geschichtlichen Werkes über die griech. Philos. Ausdruck gegeben. Bergk dage-
gen, der früher (comm. de Arist. libello de Xenophane etc. Marburg 1843. p. 30) ohne Bedenken und
nur auf die Autorität des Leipziger Codex gestützt, die Beziehung auf Xenophanes zugegeben hatte und
am Schluss der Abhandlung eine Untersuchung über den Verfasser der Schrift, der nach ihm weder
Aristoteles noch Theophrast ist (p. 7), in Aussicht gestellt hatte, hält neuerdings (im Hallischen index
scholarum 1867 p. III. not. 2) die Ansicht über die Autorschaft fest, will aber das Capitel weder auf
Xenophanes noch auf Zenon bezogen wissen, sondern auf einen andern Philosophen, dessen Name viel-
leicht ermittelt werden könne. Jedenfalls sei es ein Philosoph, der nach Melissos und vor Gorgias seine
Sätze im Anschluss an die xenophaneisclie Lehre, aber mit Hereinziehung späterer Philosopheme mit
wenig glücklichem Erfolg aufgestellt habe. Ob es Bergk gelingen wird, den Namen dieses rathselhaften
Philosophen zu ermitteln, steht sehr dahin; zunächst wäre es indess von grossem Interesse, zu wissen,
welche Gründe ihn neuerdings abhalten, das Capitel auf Xenophanes zu beziehen ; denn mit dem „confi-
denter contendere" ist die Sache doch nicht abgemacht. Viel auffälliger aber noch als diese negative
Behauptung ist Roths Memung (II, 2, Anm. 207), dass das erste Capitel der Leipziger Handschrift auf
Zenon bezogen werden müsse; es sei nicht der mindeste Grund vorhanden, von dieser überlieferten
Angabe abzuweichen, sagt er, während doch durch Buhle und Spalding die Beziehung auf Melissos mit
der grössten Evidenz nachgewiesen und von allen spätem Forschem gebilligt worden ist. Aber freilich
Ivöth, dem Geist und umfassende Gelehrsamkeit ebenso wenig abzusprechen ist, als kritische Vorsicht
und Besonnenheit ihm zugesprochen werden kann, zieht es häufig vor, mit massloser Grobheit das „kon-
fuse, sich für Kritik ausgebende Hin- und Ilergerede" zu schmähen, als „die Widerlegung im Einzelnen,
die nicht der Mühe lohne" zu versuchen (II, 1, 187).
51) Nach dem dritten Capitel der erwähnten Schrift als der ausführlicheren Darstellung.
52) Ich lese jetzt xama yuQ aTiavTa rdig ys tooig rj ofioioig xcd 6(.iouog vnaQxsiv
TTQog akhjka. Der cod. Lips. hat nach der CoUation von Beck, so wie nach der neuesten von Heiuze,
der sie auf meine Bitte gemacht (vergl. Verf. kritische Bemerkungen zum dritten Theil der pseudo-
aristotelischen Sclirift nsQi Ssvorpccvovg etc. Oldenburg 1869 S. 8) ravTCc, nach der ältesten, nicht
sehr zuverlässigen von Olearius T«yra. Hinter i'(70tg haben Beck und Heinze xat gelesen, während Olearius
gleich darauf ofiokog folgen lässt laoig i} Ofioioig xal dfioiiog (statt iGoig xal Ofioiiog cf.
Verf. Quaest. Xenoph. p. 3) zu lesen, bestimmt mich jetzt die Erwägung, dass es zwar wohl angemessen
scheint, dasselbe was eben als Ofiocov bezeichnet war, ein coov i] ofioiov zu nennen, um die absolute
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22
Gleichheit auszudrücken, dass es aber in einer idiilosophischcn Argumentation unangemessen wäre, dem Begriffe
Oftotos gleich darauf den Begriff ioog ohne weiteres zu substituieren. Die Lesart des cod. Lips. ist nur dann
gerechtfertigt, wenn TOigofiolotg wenn auch nurin derVerbindung mit i'croic; voraufgeht. In der von mir vor-
geschlagenen Lesart ist die Autorität des besten codex berücksichtigt, aber auch das handschriftliche und durch
Felician verbürgte ^ o//o/o<ff nicht ausser Acht gelassen. Dass im cod. Lips. vor xal ofioio)g ein i} öfioioig
leicht ausfallen konnte, während in den andern Handschriften sich die umgekehrte Erscheinung zeigt,
wird niemand wundern, welcher weiss, in welchem Zustand diese Schrift auf uns gekommen ist.
53) Die eirgcklanimerten nicht überlieferten Worte will Brandis (comm. Eleat. p 27 not. 3)
hinzugefügt wissen, indem er schreibt : rd ovx ov i^ OVTOg xui t6 OV 6'| ovx ovTog. Fast genau
dasselbe haben später Preller (historia philos. ed. II. p. 98 not.) und Bonitz (Aristot, Studien in den
Sitzungsbor. der kaiscrl. Acad. der Wissensch. in Wien. 1SG2. S. 260) vorgeschlagen. Uebrigens vgl.
Quaest. Xenoph. p. 4.
54) Der Ausdruck ist unbehülflich. Xenophaues meint, die Pluralität mehrerer gleicher Götter
schliesse die Superlativität eines (das xocaeiv, das zum Begriffe der Gottheit gehöre) aus.
55) Uebereinstimraend haben alle Handschriften xai navza XQareiaO^ai etvai, was ich a. a.
0. p. 5 noch zur Noth als echte Ueberlieferung gelten lassen wollte, bei erneuter Prüfung jetzt aber
auch als verderbte Lesart oder als unsinniges Einschiebsel ansehe. Weil nämlich Felicians uns ver-
^lorener Codex die Worte überhaupt nicht hat, so kann Fülleborus Ansicht, der sie, ohne einen Grmid
dafür anzugeben, streicht, dadurch begründet werden. Durchaus nöthig für den Zusammenhang smd
nämlich die AV^orte nicht ; es ist aber zuzugcbeu, dass, wenn man die Conjcctur von Preller (von Bonitz
wiederholt und begründet) TTavTCt (oder was ich vorziehen würde Tiävirj) xqÜtiotov slvm (statt der
früher von Karsten versuchten, weniger treffenden nuvztov xnurtGTOv eivai) annimmt, das Folgende
zu den so eraendiertou Worten vortrefflich passt.
56) Xachlleinze steht im cod. Lips. TiEfpvxivat yaQ t6 O-bXov.
57) Von den vier Vorschlägen von Bonitz (von denen übrigens zwei durch einen Druckfehler
identisch geworden sind) halte ich für den wahrscheinlichsten: Mg Seov flvat XQCCTlOTOi ; aber die
Aenderung von i}fOV ffvatv in Osov cpvaiv (so auch Piöth II, 2, Anm. 210) scheint mir unnöthig. Im
Uebrigen wird die Conjectur bestätigt durch die, wie es scheint, überall sclavisch treue Uebersetzuug des
Arn. Ferrouus (vergl. Verf. Beitrag zur Darstellung etc. S. 12. Anm.) : Si vero aequales sint, deus ue-
quaquam habebit suam naturam, cum oporteat eum esse praestantissimum. Aus dieser Stelle, wie aus
audern, geht hervor, dass FeiTouus einen von Bekkcr nicht verglichenen, vermuthlich verloren gegan-
genen Codex benutzt hat, der aber au Wcrth hinter dem des Felicianus entschieden zurücksteht. Auf
letzteren fussend möchte ich der von Bonitz vorgeschlagenen Emcndation als eine ebenso wahrscheinliche
an die Seite stellen: rcuvtiov eirai xQariatov, da Felicianus praestantissimum omnium hat, das öeiv
durch nichts ausdrückt, und dieses nüvrov auch sonst in der Sclu-ift stets zu XQaTiorog hinzuge-
fügt wird.
58) Ich lese TOtovrog, weil Felicianus und Ferronus übereinstimmend talis haben.
59) Nach der Lesart des cod. Lips. Der Sinn, der pach dem Bekker'schen Texte und nach
den Uebersetzungen von Felicianus und Ferronus in der Stelle liegen würde, (cf. Quaest Xenoph, p. 6)
scheint mir doch auf eine zu unbedeutende und gar zu leicht zu widerlegende, auch wohl dem Gedanken-
kreise unseres Philosophen ganz« fern liegemle Spitzfindigkeit hinauszugehen. Die nachlässige Breite in
der Darstellung, die wir, die Schreibung des cod. Lips. billigend, allerdings annehmen müssen, erklärt
sich zur Genüge aus dem hypomnematischen Charakter der ganzen Schrift. ~- Die Emendation, welche
Roth (Anm. 210; vorschlägt, bringt einen offenbar unrichtigen Gedanken, der nicht einmal den täuschen-
den Schein eines begründenden hat, in die Argumentation hinein.
60) Ich lese mit Bonitz olov.
Gl) So Zeller Phil, der Gr. I, 4.38. Auch die entgegengesetzte Ansicht, dass nämlich in diesen
Philosophemcn schon etwas der tiefsinnigen Kantischen Speculation Aelmliches enthalten sei, eine An-
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23
sieht, der auch ich früher beigepflichtet habe, ist aufgestellt worden. Vergl. darüber Verf. QuaesU
Xeaoph. p. 8. 11 sqq. und Beitr. zur Darstellung etc. S. 17.
62) Parerga 1851. S. 73.
63) Es genügt, auf die Aiistotelesstelle hinzuweisen (Metaph. I, 5), in welcher als Lehre des
Xenophanes die Gleichstellung von i^eög und von ökog ovQavog berichtet wird.
64) Wenn Zeller a. a. 0. S. 469 von Xenophanes, um dadurch seine Inferiorität dem Parnienidcs
gegenüber zu beweisen, behauptet, er habe die Einheit der Welt aus der Einheit der weltbildendcn
Kraft, oder der Gottheit (nicht aus dem Begriff des Seienden) abgeleitet, so ist dem zu entgegnen, dass
von dieser Ableitung kein Zeugniss berichtet. Sagt doch auch Zeller (S. 152\ dass die Unterscheidung
der bildenden Kraft von dem Stoffe bei den italischen Eleaten (zu denen er hier offenbar Xenophanes
ebenso gut wie Melissos rechnet) ganz gefehlt habe. Das Universum war dem Xenophanes der Gott,
das tv xai Tiav. Dass er zuerst den Gedanken der Einheit Gottes gefasst und daraus geschlossen,
auch die von ihm nicht unterschieden zu denkende Welt müsse ein 'iv sein, ist möglich, aber nicht nach-
weisbar. Den Gottesbegriff fand er in der Religion seines Volkes, freilich als einen sehr unvollkommenen
vor, von dem Streben seiner philosophischen Vorgänger, die bunte Mannigfaltigkeit der Welt auf die
Einheit eines Stoffes zurückzuführen, hatte er unzweifelhaft Kunde. Wer will aber nachweisen, dass er
in seinem philosopliischen Sinnen hier oder dort angeknüpft habe. Mit grösserem Recht hätte Zeller
behaupten können, dass er den zuerst in Bezug auf die Gottheit gefassten Begriff der Vollkommenheit
auf die Welt überti'agen habe, die er mit der Gottheit als identisch denkt. Das aber ist unzweifelhaft
walir und gereicht dem Xenophanes zur Ehre, dass er bei seinen metaphysischen Speculationcn d.as
Auge sich offen gehalten für die religiösen Vorstellungen der Menge und eifrig bestrebt war, ihr die-
selben als des Gottesbegriffes unwürdige darzustellen. Solche populäre Wirksamkeit wird uns von
Parmenides nicht berichtet.
65) a. a. 0. II, 1, 189. Roth begründet das so: „Diese Steigerung, nach welcher nicht bloss
die Gleichheit der Wesens-Bestandtheile, sondern aller und jeder Beziehungen erfordert wird, führt
zur absoluten Identität, während der Begriff der Gleichheit zweier Dinge durchaus ihre gesonderte
selbständige Existenz, also alle mit dieser gesonderten Existenz verbundenen räumlichen und zeitlichen
Verscliiedenheiten voraussetzt." Damit trifft Roth doch nicht die Sache. Xenophanes würde haben
entgegnen können, dass zwei sonst gleiche Dinge (natürlich räumlich oder zeitlich oder in beider Hin-
sicht verschieden) nicht mehr völlig gleich sind, wenn das eine zu dem andern in einem Abhängigkeits-
Verhältniss steht. Noch weniger trifft Roth die Sache mit seinem Angriff auf den zweiten Theil des
Arguments, üi welchem das Werden aus Ungleichem geleugnet wird. Der Begriff der Ungleichheit,
sagt er, führe nie zum absoluten Nichts. Xenophanes meint aber auch nur zu einem relativen. Ferner
sagt er, der Beweis finde nicht nur auf die Gottheit, sondern auch auf alles andere Anwendung. Das
würde aber unsern Philosophen wenig anfechten, der nichts Existierendes kennt ausser der mit der Welt
identischen Gottheit.
60) Parmenides begründet die Unmöglichkeit des Werdens aus dem Seienden mit den Worten
(v. 58 Mullach): ovdk tiot' ix tov iövTog i(fr^asi Ttioxeog ia%vg
yiyvsaO^al ti naq' avxo.
Damit wäre nicht überhaupt der Uebergang eines Seienden in ein anderes Seiende als undenk-
bar abgelehnt, sondern bloss unter der eleatischen Voraussetzung, dass es nur ein Seiendes gebe, und auch
dann muss das eigentliche Argument, das Melissos nüchtern und scharf ausgesprochen hat, erst Iiinzu-
gcdacht werden. Ohne Frage ist in dem ylyveaü-ul Ti Tiaq auTO ein starkes Oxymoron enthalten,
allerdings kein stärkeres als in dem Begriff der causa sui, die in der Geschichte der Philosophie hier
zum ersten Male erschemt.
67) Mullach fragm. phil. Gr. I, p. 261.
68) Diese Fassung der Argumentation adoptiert Dühring (a. a. 0. S. 37), wohl ohne zu wissen,
dass sie bei Melissos zu finden ist Denn in der Geringschätzung desselben leistet er das Stärkste, was
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mir vorgokommen ist. Er sagt nämlich (S. 32): „Bisweilen fügt man auch noch den sehr untergeord-
neten Melissas dem Kreise der nach J^leatischer Art nnd Weise geschulten Denker als eine neunens-
werthe Persönlichkeit bei."
69) Die Darlegung der Gründe, die ich habe im Gegensatz zu Anderen nicht schon dem
Anaxagoras die Scheidung des Imraateriellcn vom Materiellen zuzuschreiben, muss ich mir für eine
andere Gelegenheit versparen. Hier nur soviel : Wenn z. B. Steinhart (in seiner Einleitung zum Phaedo
S. 375) von den Vorgängern des Anaxagoras sagt, dass ihnen die Seele nur die feinste luid reinste Form
des Urstoifes gewesen sei, so ist dem zu entgegnen, dass Anaxagoras genau dasselbe gelehrt hat, wenn
er (fr. 6 Mull. p. 249) sagt der vovg sei das XstitotutÖv xe TiavTiov XQ^ii-iürtov xal xa'&uQcöratov.
Freilich sagt er in demselben Zusammenhang, dass der rovg sich mit keinem andern Elemente mische,
und unterscheidet insofern zwei wesentlich verschiedene Bestandtheile des Materiellen und entfernt sich
dadurch allerdings von dem Hylozoismus der älteren Philosophen; dass er aber ein Immaterielles, räum-
lich nicht Ausgedehntes gelehrt habe, läss| sich, glaube ich, aus seinen Fragmenten und aus dem Bericht
zuverlässiger Zeugen nicht erweisen. Von Wichtigkeit für die Entscheidung dieser Frage ist auch der
Umstand, dass Archelaos, der Schüler des Anaxagoras, den von seinem Meister gelehrten Dualismus
gleich wieder abgeschwächt haben soll. So wird nämlich seine offenbare Hinwendung zum Ilylozoismns
der ionischen Natuq)hilosophen bezeichnet. Ich meine aber, dass die dualistische Lehre nur aufrecht
erhalten oder aufgehoben werden kann, und aus den, allerdings dürftigen, Nachrichten, die wir über die
monistischen Sätze des Archelaos haben, ist wohl ein Rückschluss auf den Character der Lelu-e dos
Anaxagoras gestattet, ein Rückschluss, der freilich an sich nicht ausreichend, aber andere eben dabin
zielende Argumente zu verstärken geeignet ist.
Gladisch (Einleitung in das Verständuiss der Weltgeschichte. Abth. II. Die ICleaten und die
Indien S. 231) verkennt also ganz die Lehre des Xenophanes, wenn er meint, dass nach ihr die Wesen-
heit Gottes als eine übersinnliche aufgefasst werden müsste. Aehnliche Missverständnisse, die als aus
dieser unrichtigen Auflassung hervorgegangen, oder doch eng mit ihr zusammenhängend anzusehen sind,
finden sich in seiner ganzen Darstellung der Philosophie des Xenophanes.
Uebrigens aber gewährt das Buch Interesse durch die beständige Vergleichung altindischer
Philosophcme mit den elcatischen. wenn auch der Verfasser seinen Zweck (S. 377) den JJleatismus als
eine vollständige Wiedergeburt des indischen Geistes in Hellas nachzuweisen, nicht erreicht hat.
70) Die Existenz des leeren Raumes wird mit ausdrücklichen Worten von Xenophanes nicht
geleugnet, es ist aber aus dem ganzen Gedankenzusammenhange unzweifelhaft, aus dem Leugnen der
Vielheit, der Bewegung, der Setzung des /</; ov jenseits der alles in sich schliessenden Weltkugel,
dass er die Existenz eines leeren Raumes nicht hat gelten lassen können. Klarer tritt diese Negierung
schon bei Pa,rmenides hervor (obwohl wir das Wort x^vov in seinen Fragmenten nicht finden, denn in
der einen Stelle, wo es handschriftlich üderliefert ist, v. 107, Mull., hat es Karsten durch eine nothwen-
dige und glückliche Coujectur entfernt, deren Sinn er auch entschieden richtig erklärt hat, während
Mullach, der ihn deshalb tadelt, durchaus im Unrecht ist. Vergl. seine Anmerkung zu dem erwähnten
Verse.}, er sagt nämlich, es gebe kein Nichtseiendes, welches das Seiende hindern könne, sich zur Ein-
heit zusammenzuschliessen. Am deutlichsten aber finden wir auch diesen Gedanken wieder in den
Fragmenten des Melissos ausgesprochen, welcher zur Leugniuig des Nichtseienden, da er das Seiende
als ein unendliches dachte, auch die grösste Berechtigung hatte, während die xenophaneisch-pai'meni-
deische Doctrin an uns die schwere Aufgabe stellt, zugleich mit der Peripherie der Weltkugel den
Raum als aufhörend zu denken.
Wenn übrigens die Elcaten (besonders Parmenides) mit Nachdruck sagen: das Nichtseiende
ist nicht (ein scheinbar werthloses Urtlicil, da es nur die Anwendung des Satzes von der Identität ist),
so haben sie mit dem Nichtseienden einerseils das Werdende, Viele, Veränderliche, andererseits
den leeren Raum gemeint. Ein leerer Raum ist weder im Seienden, noch ausserhalb desselben
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vorhanden, und alles, was unsem Augen sich als eine unveränderliche Vielheit zeigt, ist widerspruchslos
nicht zu denken, kann also auch nicht sein.
Dieses eleatische Seiende will Zeller nicht als einen rein metaphysischen Begriff gelten lassen
(S. 476). Ist denn aber Spinoza' s Substanz kein metaphysischer Begriff? Das Bewegliche im Raum (mit
Kant) ist freilich das eleatische Seiende nicht, aber dadurch, dass die Bewegung geleugnet wird, wird
doch der Begriff des Seienden wahrlich nicht in die anschauliche, sinnlich gegebene Wirklichkeit herab-
gezogen. Deshalb aber, weil Xenophanes und seine Genossen (von Zeuon freilich ist es zweifelhaft) das
Seiende sich als räumlich ausgedehnt gedacht haben, es als einen nicht rein metaphysichen Begriff zu
bezeichnen, würde dahin führen, dass man von eigentlicher Metaphysik nur in den dualistischen oder
spiritualistischen Systemen reden könnte, nicht in den monistischen oder materialistischen. Aristoteles
hat ganz recht, wenn er sagt, „es handle sich bei den Eleaten um die Substanz des Körperlichen selbst,
nicht um eine vom Körperlichen verschiedene Substanz". Aber dieses körperliche Seiende war ihnen
dasselbe wie das Denkende. So hat es schon Xenophanes mit grosser Bestimmtheit ausgesprochen.
71) Es ist wohl zu beachten, und bisher, so viel ich weiss, nicht beachtet, dass Xenophanes
ausdrücklich seinem tv ein Tskog zuschreibe (Arist. 977, b, 4), welches nach seiner Auffassung offenbar
mit dem Begriffe der Vollkommenheit zu vereinigen ist, ja durch ihn erfordert wird, während die An-
nahme von neQcera in dem ev und einem andern Seienden gegenüber dasselbe als ein unvollkommenes,
unvollendetes erscheinen lassen würde. Was Xenophanes Tskog nennt, ist also dasselbe, was £armenides
(v. 102 M.) in den Worten TceiQag Ttvf^arov reTeleOfievov bezeichnet. Vergl. v. 88. Der Sprach-
gebrauch unseres Philosophen mag immerhin willkürlich genannt werden und die ganze Darstellung als
eine verwirrende, unbehülfliche bezeichnet werden, wenn nur zugegeben wird, dass der xenophaneischc
Gedanke, wie ich ihn nachzuweisen versucht habe, dieser Darstellung zu Grunde liegt. Uebrigens bin
ich überzeugt, dass Xenophanes in bewusstem Gegensatz gegen die p}iliagorei8clie Lehre, nach welcher
die Principien der Zahlen, Grenze und Unbegrenztheit als die Substanz der Dinge angesehen werden,
von seinem fv sowohl das nsQag wie das ccTteiQOV abgewehrt hat. Auf dieselbe Polemik führt uns
auch die Notiz über die Lehre des Xenophanes bei Laertius Diogenes (IX, 19;: blov de OQÜv xul
bkov dxoveiv, fi^ (.livzot, dvanveiv. Man vergleiche nur, was Aristoteles von der pythagoreischen
Lehre sagt (Phys. IV, c. 6. 213, b, 22) : elvai d^e(paaav xal ol UvO^ayoQEiOL xevöv, xul eTiecaiEvai
avTO Tcü ovQavfp ex tov aTtfiQOv Ttvsv/narog wg dvuTiveovTi xal t6 xsvöv, b dioQiQei xdg (pvaeigy
tog ovTog tov xbvov xioqio(.iov xivog tüv e(pe^ijg xal zijg dioQioecog. Jedes Wort dieser Lehre
steht in schroffem, schneidendem Gegensatz zu den Philosophemen des Xenophanes.
Lewes (Gesch. der alten Philosophie. Deutsche üebersetzung 1871,) will mit Unrecht die Notiz
bei Laertius Diogenes auf einen Widerspruch gegen die Lehre des Anaximenes gedeutet wissen, dass die
Seele Luft ist. „Weil die Intelligenz Gottes der menschlichen völlig ungleich ist, so soll sie vom
Athmen unabhängig sein."
72) Roth (a. a. 0. II, 1, 212) polemisiert sehr heftig gegen diese Annahme, dass zu einer
Bewegung mindestens immer eine Zweiheit von Existenzen gedacht werden müsse. Er nennt die An-
nahme wunderlich, gegen die tägliche Erfahrung und allen gesunden Menschenverstand verstosseud.
Die tägliche Erfahrung kann man erstens überhaupt nicht gegen eleatische Philosopheme geltend macheu,
und zweitens ist diese Erfahrung, dass ein einzelner Köi"per sich bewegt, gar nicht vorhanden. Und was
den gesunden Menschenvertand angeht, so will ich nur darauf hinweisen, dass über zweitausend Jahre
später ein sehr namhafter Philosoph, nämlich Berkeley, genau dasselbe lehrt: „Mir scheint keine Bewe-
gung eine andere, als eine relative sein zu können, so dass wir, um uns Bewegung vorzustellen, uns
zum mindesten zwei Körper vorstellen müssen, deren Abstand oder gegenseitige Lage sich ändert.
Hiemach könnte, wenn überhaupt nur ein Körper existirte, dieser unmöglich in Bewegung sein. Dies
scheint einleuchtend zu sein, sofern die Idee, die ich von Bewegung habe, nothwendig eine Beziehung in
sich schliesst." (Abhandlung über die Principien der menschlichen Erkenntniss. C. XII. Deutsche
Uebers. von Ueberweg 18G9. S. 81. in der philosophischen Bibliothek von Kirchmanu.) Endlich al)er
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Scheint es mir in der That nicht so ausgemacht, dass man einen einzelnen Punkt im unendlichen Welten-
raum als objectiv fixiert denken kann; wenn aber das nicht, wird man ihn sich auch nicht als bewegt
denken können.
73) Fragm. 5. bei Mullach a. a. 0. p. 262« , '
74) Ueber die bekannten Argumente Zenons ertheilt der mit Mathematik sehr vertraute Dühring,
dessen Urtheil hier, wo es sich um ein mathematisch-philosophisches Problem handelt, von grossem
Belang ist, in seiner kritischen Geschichte der Philosophie so: „Diese fast populär zu nennenden Tropen
haben die Aufmerksamkeit der Geschichtschreiber jederzeit erregt, sind aber vielfach nur als
spitzfindige Amüsements, ja geradezu als Schulspässchen angesehen worden. In neuster Zeit ist diese
leichtfertige Hinwegsetzung unmöglich geworden. Man hat je länger je mehr eingesehen, dass jene
Wendungen, die unter dem Namen des „fliegenden Pfeils" u. dgl. überliefert worden sind, einen sehr
gediegenen Gehalt haben, der allerdings nicht durch eine oberflächliche Betrachtung derselben sichtbar
wird" (S. 40). „Wer glaubt, über die Zenonische Dialectik dadurch zu triumphiren, dass er ihr Fehler
sehr gemeiner Art unterstellt, bekundet hiermit nur, dass er den Gegenstand nicht begreift und die
Angelegenheit für allzu leicht hält" (S. 45). Die dem Zenonischen Problem vom fliegenden Pfeil zu
Grunde liegende Frage formuliert Dühring so : „Was ist die Bewegung in einem ausdehnungslosen Punkt
der Bahn ?" (S. 43). Und „die zwingende Kraft und die eigentliche Schlüssigkeit der eleatischen Wen-
dungen" findet er „überwiegend und fast ausschliesslich in jener logischen Nothwendigkeit, die' nicht
gestattet, das Unendliche als vollendet, die Unzahl als gleichsam abgezählt und abgeschlossen zu denken."
(S, 47.) Beiläufig hier die Bemerkung, dass Zenon nach Laertius Diog. IX, c. XI, 72 seine Leugnung
der Bewegung kurz und treffend durch den Satz begründet hat: t6 xtvoüfisvov oüte iv q) satt
tÖtci^ XLvaXxai oute iv i^ ^irj eOTiv. Dieses Zenonische Fragment finde ich weder in Mullachs
Sammlung, noch in der historia phil. von Ritter und Preller, wie es auch Zeller in seiner Darstellung
Zenons nicht berücksichtigt hat. Uebrigens vergleiche man über die verschiedene Auffassung, welche über
die Zenonischen Argumente von Aristoteles an hervorgetreten sind, die Abhandlung von E. Wellmaun,
Zenos Beweise gegen die Bewegung und ihre Widerlegungen. Frankfurt a. 0. 1870.
75) Auffallend ist es freilich, dass in dem Bericht bei Simplicius sowohl wie in dem theo-
phrastischen Ilypomnema selbst die Unbeweglichkeit des Nichtseienden durch die Worte begründet wird :
OVTS yciQ oV elg amo ersQOv, ovts ixeivo elg ali.o ild-elv. — Ich erkläre mir den Gedanken
so: Zur Bewegung gehört mindestens eine Zweiheit von wirklichen Dingen. Steht also dem fn^ ov ein
OV gegenüber, so kann zwischen beiden doch keine Bewegung stattfinden, weil sich nicht zwei Wirklichkeiten
gegenüber stehen. Eine räumliche Fortbewegung des Weltganzen in das Nichts hinein oder des Nichts
in die Welt hinein (welche letztere Annahme nach der Anm. 71 mitgetheilten Stelle sich in der pythagorei-
schen Lehre finden Hess, wenn man nach eleatischer Weise das xevov dem ovdev gleich setzte) ist also
nicht möglich, und im Weltganzen findet keine derartige Bewegung statt, die eine Vielheit voraussetzen
müsste, aber, setzen wir hinzu, auch nicht die starre Buhe und Unthätigkeit des Nichts. Uebrigens ist
es sehr wahrscheinlich, dass Xenophanes zu seiner auffallenden Negation der Bewegung und der Ruhe
(wie der Grenze und der Grenzenlosigkeit, vergl. Anm. 71) durch Polemik gegen die pythagoreischen
Principien gekommen ist. Das wäre von Bedeutung, um ein Kriterium über die von Pythagoras selbst
herrührenden Philosopheme zu gewinnen.
76) Aehnlich scheint die ganze Antinomie auch Gladisch (a. a. 0. S. 230, Anm. 360) aufzufassen ;
doch ist seine Darstellung nicht ohne Unklarheit. Interessant ist die Parallele, die Gladisch zu diesem
xenophaneischen Satze aus altindischer Philosophie giebt (Anm. 361): „Offenbar in demselben Sinn, wie
Xenophanes, nennt auch der Sänger der Bhagavad-Gita XII, 3. p. 170 Gott „immotum, firmum;" denn
in demselben Sloka nennt er Ihn auch „omnia permeantem." In einer Stelle der Isa-Upanischade b.
Karl Windischmann Philos. der Weltgeschichte Th. I. Abth. IV. S. 1697 heisst es von dem Brahma
ähnlich, wie nach Theophrastos bei Xenophanes : „Dieses bewegt sio^,' es bewegt sich nicht."
77) Cherubin. Wandersmann, Sulzbach 1829. B. IV, IGG.
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78) Bei Sext. Empir. Pyrrh. hypotj-p. I, 223. Leider sind die Verse kritisch nicht ganz sicher,
aher die Stelle, auf welche es hier ankommt, doUrj d^ 66(3 i^artati^i^r^v TtQeaßvyevrg erewv
(so Bekker, nach der vulgata er' iiöv), hat ohne allen Zweifel den von mir in der üebersetzung aus-
gedrückten Inhalt
Ergötzlich ist es, dass Rüffer (a. a. 0. p. 15) dem ürtheil des Timon gegenüber, der ihn als
VTtarvfpog bezeichnet (nicht wie R. hinzufügt xal ov rekeiov azvfpov, das ist nur die Paraphrase
des Sextus) die im Text übersetzten Verse desselben Timon gebraucht, um aus ihnen die liebenswürdige,
an Socrates erinnernde Bescheidenheit zu demonstrieren. Üeber die Gefühlswelt des Xenophanes lässt
sich natürlich aus den Versen gar nichts entnehmen, dagegen sind sie ein willkommenes, zuverlässiges
Zeugniss für den Hauptinhalt seiner Philosophie und ihre Entwickelung aus skeptischer Ansicht her-
aus. Gladisch (S. 2?4) citiert eine Stelle aus der Bhagavad-Gita, wo „Krischna, der hier das AU-Eine
oder die Gottheit bedeutet,"" der von Timon berichteten Alleinslehre des Xenophanes sehr ähnlich sagt:
Wer überall dasselb' erblickt,
Wer überall nur Mich siebet und wer siehet das All in Mir,
Nimmer werd' Ich von dem fern sein, noch wird von Mir er getrennt.
AVer Mich als Allem inwohnend verehrt und fest an der Einheit hält,
Wo auch immer er mag wandeln, wandelt der Fromme stets in Mir.
79) Bei Sext. Empir. adv. Math. VII, 49 et 110. VIII, 326. Ausser diesen wiederholten voll-
ständigen Citaten finden wir einzelne von diesen Versen noch von Laertius Diogenes, Plutarch, Galenus
und anderen angeführt. Vergl. darüber und über die beiden im Text folgenden Verse Mullach a. a. 0.
p. 103.
80) Anders Ritter (Gesch. der Phil. I, 461): „Wie weit dies vom Skepticismus entfernt ist, den
man ihm hat andichten wollen, bedarf keiner Auseinandersetzung." Auch Zeller, der mit grösserer Be-
sonnenheit die Verse wenigstens aus einer skeptischen Stimmung entsprungen sein lässt, kann ich darin
nicht beipflichten, dass diese Stimmung den Philosophen gar nicht abgehalten habe, „seine theologischen
uud physikalischen Sätze mit voller Ueberzeugung aufzustellen." Vergl. Zeller a. a. 0. 465. Beachtens-
werth ist, was Bayle s. Xenoph. remarque L sagt: Nous pourrions conclure, que la secte des Aca-
talcptiques et celle des Pyrrhoniens n'ont eu leur berceau que dans les principes de l'unitö immuable
de toutes choses soutenu par Xenophanes. Mit noch grösserem Rechte hätte Bayle dasselbe freilich
von der Mystik späterer Jahrhunderte behaupten können.
81a) Auf eine Darlegung der physikalischen Sätze, die uns von Xenophanes berichtet werden
und in ganz vereinzelten dürftigen Fragmenten zum Theil noch auf uns gekommen sind, kann ich ver-
zichten, weil sie meinen Zweck, die Bedeutung des Mannes als eines bahnbrechenden Philosophen zu
zeigen, in keiner Weise fördern würden. Sie stehen mit seinen philosophischen Gedanken in keinem
Zusammenhang, und ihre Darstellung würde mich im Wesentlichen nur zu einer Wiederholung dessen
nöthigen, was bei Zeller und noch ausführlicher bei Roth zu finden ist. Nur auf eine Einzelheit will
ich kurz eingehen. Wenn man den von Sextus Empir. (adv. Math. X, 313) und Andern dem Xenophanes
zugeschriebenen Vers : Ix yah-g yccQ itüvia xal elg yijv nävta tslsvt^ auch deshalb als unter-
geschoben verdächtigt, weil Sextus dem Ciiat die Worte voraufschickt: xevoepavi^g de xar iviovg
^^ y^Si so neuerdings noch Mullach (p. 102) und Ueberweg (S. 56), so hat man die Bedeutung des
xofxr' iviovg verkannt. Sextus will damit nicht sagen, dass nach einigen Gewährsmännern der Vers
sich bei Xenophanes finde, sondern dass einige aus dem xenophaneischen Vers sich gerade diese Meinung von
seiner physikalischen Theorie gebildet haben. Es hat hier das xcct eviovg also denselben Smn, den es einige
Zeilen später hat, wo von Andern eine von jener Theorie abweichende Ansicht dem Xenophanes zuge-
schrieben und durch einen andern Vers belegt wird. Dass hier ein (fijoi yaQ voraufgeht, welches dort
fehlt, ist unerheblich, denn dergleichen fehlt z. B. auch vor den weiter unten folgenden empedokleischen
Versen.
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.' • . ' 81b) So hat Uebesinreg (a. a. 0. S. 40) kurz und treflfeud deu hier in Betracht kommenden ''^^
Theil der heraklitischfen Lehre zusammcngefasst. ' -- -^1':
, ^ . 82) Hegel hat gesagt, es gebe keinen Satz des Ueraklit, den er nicht in seine Logik aufge- ^r
.''_-' nommeu habe. Vergl. Heinze, die Lehre von Logos in der griech. Philosophie. S. 168. '■'
1": , - 83) Die Begründung mancher Sätze in dem parmenideischen Gedichte ist nicht ohne Schwächen, . *i'
.;• auf die gelegentlich schon hingewiesen wurde. Stein f die Fragmente des Parmenides) hat dadurch bewogen vi
,,'. . mehr als einmal in zusammenhängend überlieferten Versen Lücken angenommen.
';f 84) Vergl. über die verschiedenen Erzählungen dieses Vorfalls Zeller a. a. 0. 493. Anm. . ;
*■--;" 85) Sehr beachtenswerth ist, was Dühring (a. a. 0. S. 16) von den vorsokratischen Philoso- .■_••'
% phemen sagt: „Jene Anschauungs- und Denkformeu erschöpfen ihr Gebiet, wenigstens in einem gewissen
•r^, Sinne, so dass sie in ihrer Art und Richtung nur wenig zu thun übrig lassen. Aus diesem Grunde muss
»> ; aber auch diesen ersten, schwersten und am weitesten tragenden Schritten in dem Zusammenhang des
J; " Ganzen der griechischen Philosophie eine ganz besondere Bedeutung beigemessen werden. Vergleicht '
V man nämlich diese ersten im höhern Sinne des Worts elementaren Anfänge mit den ferneren Leistungen •
f/. des griechischen Geistes, so findet man, dass die höchste Originalität der theoretischen Weltauffassung
- nur im Kreise der erwähnten- ursprünglichen Denker anzutreffen ist. Jeder derselben hat einen eigen-
' •. • thümlicheu Gedanken aufzuweisen, durch welchen seine Anschauung von Welt und Leben ein besonderes
Gepräge erhält."
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das Schuljahr von Ostern 1873 bis Ostern 1874.
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A. Allgemeine Lelirverfassung.
Prima,
Ordinarius: Oberl. G. Kern.
Lateinisch. 8 St. Wöchentlich 1 Extemporale, Aufsätze, Vorträge, Sprechübungen;
Leetüre im Sommer: Cicero Tuscul. üb. I, Hocatius Oden üb. L Im Winter: Tacitus Anualen
üb. I und einiges aus üb. II. Horat Satiren üb. I und einige Oden. PriTatlectüre:. Cicero de im-
perio Cn. P., Sallnst, Cic. de Senec. G. Kern. — Griechisch. 6 St. Soph» Oed. rex. Plat. Phaedo
(mit Auswahl). Hom. Ilias I— IV. Moduslehre. Extemporalien. Der Dire'ctor. — Deutsch.
Erklärung von schwierigeren lyrischen Gedichten von Göthe und Schiller, Göthe's Iphigenie und
Tasso. Logik. Vorträge. Aufsätze. Der Director. — Frftnzösisch. 2 St. Im Sommer Leetüre
des Avare von Moli^re. Im Winter Athalie von Racine. Syntax nach der franz. Gramm, von Schmitz.
Aufsätze, Extemporalien, freie Vorträge, mündliche Uebnngen. Pfundheller. — Hebräisch.
2 St. Im Sommer : Leetüre des Josua und einiger Psalmen. Im Winter : Buch der Richter — Prophet
Jona und Joel. Grammatische Uebungen nach Mezger und Gesenius. Jon^as. — Religion, 2 St.
Im Sommer: Kirchengeschichte von der apostpUschen Zelt bis Innocenz III. Im W.inter:
Von Innocenz IIL bis aur Gegenwart. — Kirchenlieder und Sprüche. Jonas. — Mathematik.
4 Stunden. Im Sommer: algebraische Gleichungen zweiten und dritten Grades, Progressionen,
Zinsesziusen. Im Winter: Stereometrie, Trigonometrie; Mathematische Uebungen. Correctur von
Htägigen häuslichen Arbeiten und. Extemporalien. Junghans. — Physik. 2 Stunden. Die
Mechanik der festen Körper. Junghans. — Geschichte und Geographie.. 3 St Mittelalter
und Neuzeit bis zum Westfälischen Frieden.- Caiebow.
Obersecunda.
. ' _^ Ordinarius: Oberlehrer Dr. Caiebow.
Lateinisch. 8 St. Livius lib. II. IIL Cicero de imperio Cn. Pompei, Pro Roscio Amcrino.
Privatim von einer grösseren Anzahl: In Catiünam I. II. III. IV. Pro Marcello. Pro Ligario. —
Repetition der Syntax. Bemerkungen über Stilistik und Synonymik. Metrische Uebungen. —
Wöchentlich ein Extemporale, ausserdem abwechselnd Exercitien und Aufsätze. Caiebow. 2 St.
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